Schwarzwald-Baar-Jahrbuch
Almanach 2018
42. Folge
Foto: Der letzte Schnee – auf dem Oberfallengrund in Gütenbach.
Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis www.schwarzwald-baar-kreis.de landratsamt@schwarzwald-baar-kreis.de
Informationen zum Jahrbuch können auch im Internet recherchiert werden: www.almanach-sbk.de
Redaktion: Sven Hinterseh, Landrat Wilfried Dold, Redakteur Kristina Diffring, Referentin des Landrats Heike Frank, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Kultur und Archiv Susanne Bucher, Leiterin Informations-und Kulturamt Stadt Hüfingen Clemens Joos, Kreisarchivar Andrea Lauble, Stadtmarketing St. Georgen
Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke und Vervielfältigungen jeder Art werden nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet.
Gestaltung: Wilfried Dold, Margit Weißer, dold.verlag
Verlag: dold.verlag, Vöhrenbach 2017 www.doldverlag.de
Druck: jetoprint GmbH, Villingen-Schwenningen
ISBN: 978-3-927677-97-5
Die Stärkung unserer Infrastruktur – ein Gewinn für Bürgerschaft und Tourismus
Liebe Leserinnen und Leser,
unser Schwarzwald-Baar Jahrbuch – der Alma.nach – erscheint in diesem Jahr bereits in seiner
42. Auflage. Ein weiteres Mal ist eine Publikation entstanden, die neben aktuellen Themen auch historische Begebenheiten aufgreift.
Die Beiträge zum Thema Winter, ein Schwerpunkt, zeigen aus unterschiedlichen (zeitlichen) Perspektiven anregend und bildhaft anschaulich aufbereitet, unter anderem, was der Klimawandel für den Schwarzwald-Baar-Kreis bedeuten kann. Egal ob lange Hitzepe.rioden im Sommer oder milde, regenreiche Winter – Wetterextreme sind auch bei uns mitt.lerweile keine Seltenheit mehr. Das hat ebenso Auswirkungen auf unseren Tourismus, dem im Schwarzwald-Baar-Kreis eine bedeutende Rolle zukommt. So ist unser Landkreis neben seinen zahlreichen Freizeitmöglichkeiten im Sommer auch gefragte Wintersportdestination.
Eine gute Infrastruktur und Vernetzung ist in einer eher ländlich geprägten Gegend, wie es der Schwarzwald-Baar-Kreis ist, Voraussetzung für einen attraktiven Lebensraum. Dies gilt einerseits für den Tourismus, ganz besonders jedoch auch für die Lebensqualität vor Ort.
Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist im Bereich der digitalen Vernetzung bereits weit voran.geschritten – hierfür sorgt der Zweckverband Breitbandversorgung gemeinsam mit dem Landkreis sowie den Städten und Gemeinden. Darüber hinaus gilt es jedoch auch, den Nahver.kehr zu optimieren und den Tourismus zu stär.ken, welcher einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor darstellt.
Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind wir auf ei.nem sehr guten Weg, die Attraktivität unseres Landkreises noch weiter zu steigern, indem wir die Anbindung, sei es digital, auf der Schiene oder der Straße, stetig weiterentwickeln und verbessern. Ganz speziell geschieht dies der.zeit durch die Umsetzung des neuen Nahver.kehrsplanes, dessen Weiterentwicklung aus verkehrs-, umwelt- und wirtschaftspolitischen Gründen notwendig wurde. Hierbei handelt es sich um eine gesamtpolitische Herausforde.rung, die jedoch auf einem tragfähigen sowie zukunftsfähigen Konzept fußt. Neben den politischen Vertretern wurden in der Entstehungs.phase dieses Zukunftsplans auch alle Städte und Gemeinden sowie die Bürgerinnen und Bürger einbezogen.
Ebenso trägt die aktuell erarbeitete Tourismuskonzeption zur Erhöhung der Lebens.qualität bei. Mit ihr wird unser, von der Boden.ständigkeit und Heimatverbundenheit der Men.schen geprägter Landkreis, sicher noch weiter an Attraktivität gewinnen.
Herzlichen Dank sage ich auch in diesem, dem 42. Jahr unseres Schwarzwald-Baar Jahr.buchs, wieder den treuen Freunden und zahl.reichen Förderern des Almanachs sowie allen Autoren und Fotografen, die einmal mehr dazu beigetragen haben, dass eine ansprechende und sehr informative Publikation mit großer The.menvielfalt entstehen konnte.
Nicht zu vergessen sind jedoch auch unsere treuen Leserinnen und Leser. Auch dank ihrer, teilweise seit Jahrzehnten gewachsenen, Ver.bundenheit zu unserem Almanach, ist eine jähr.liche Veröffentlichung möglich.
Ihr
Sven Hinterseh Landrat
Schneeschuhwanderer beim Günterfelsen – Martinskapelle bei Furtwangen.
Aus dem Kreisgeschehen
Nahverkehr und Tourismus von steigender Bedeutung
von Sven Hinterseh
Öffentlicher Nahverkehr – ein wichtiger Standortfaktor
Ein gut aufgestellter Öffentlicher Personennah.verkehr (ÖPNV) ist ein wichtiger Standortfaktor und für das Funktionieren des Alltags, vor allem bei uns im ländlichen Raum, von erheblicher Bedeutung. Für viele Kreisbürger ist es entschei.dend, wie sie von A nach B kommen. Für Schü.lerinnen und Schüler ist die Busverbindung von ihrem Heimatort zur Schule wichtig, aber auch um Freiheiten in der Gestaltung ihrer Freizeit zu haben. Für Arbeitnehmer bedeutet der ÖPNV eine verlässliche Möglichkeit, kostengünstig zum Arbeitsplatz zu gelangen. Für Firmenchefs ist eine gute Anbindung an den ÖPNV wichtig, damit Mitarbeiter gut zur Arbeit kommen. Und für ältere Mitbürger stellt der ÖPNV die optimale Möglichkeit dar, ihren Alltag zu organisieren und weiter am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Für unseren Landkreis und für die Städte und Gemeinden ist der ÖPNV ein wichtiger Teil,
Schramberg
Hornberg Dunningen
ORTENAUKREIS LANDKREIS ROTTWEIL
Weiler
der entscheidet, ob wir attraktiv sind. Denn: Mobilität entscheidet über unsere Lebensqualität. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mit dem Öffentlichen Personennahverkehr intensiv befassen. Ein bedeutender Grundstein für die neue Ausrichtung und weitere Entwicklung des ÖPNVs ist die Fortschreibung des Nahverkehrsplans für unseren Schwarzwald-Baar-Kreis. Der Nahverkehrsplan ist das Planwerk, welches den Rahmen dafür vorgibt, wie sich der ÖPNV künftig entwickeln soll. Zum Inhalt hat der Nahverkehrsplan eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Einrichtungen und Strukturen, die auch bewertet werden, zudem eine Verkehrsprogno.se und Ziele sowie Rahmenvorgaben dafür, wie der ÖPNV künftig gestaltet werden soll.
Im Herbst 2017 hat der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises den neuen Nahverkehrsplan beschlossen. Der letzte Plan stammte noch aus dem Jahr 1999. Inzwischen waren die darin definierten langfristigen Ziele alle umgesetzt, wie zum Beispiel die Realisierung
des Ringzugsystems, die Gründung eines ein.
heitlichen Tarifs innerhalb des Schwarzwald-Baar-Kreises und die
der demografische Wandel mit tendenziell abnehmenden Schülerzahlen sowie einer wachsenden älteren Bevölkerung, die auch ohne Auto mobil und aktiv bleiben möchte.
gemacht, die Nahverkehrsplanung im Schwarzwald-Baar-Kreis an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.
Weniger Schüler, mehr ältere Fahrgäste
Dabei war es wichtig, den ÖPNV an die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Hervorzuheben ist insbesondere der demografische Wandel mit – zumindest im ländlichen Raum – tendenziell abnehmenden Schülerzahlen sowie eine wachsende ältere Bevölkerung, die auch ohne Auto mobil und aktiv bleiben möchte. Doch auch bei der jüngeren Bevölke.rung zeichnet sich eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens ab. Junge Heranwachsende streben nicht mehr notwendigerweise zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Führerschein und einen eigenen Pkw an, sondern investieren freie Zeit und finanzielle Mittel in andere Aktivitäten.
Stündlich umsteigefrei nach Freiburg
Auch infrastrukturell entwickelt sich der Schwarzwald-Baar-Kreis stetig weiter. So wird ab Dezember 2019 mit der Elektrifizierung der östlichen Höllentalbahn mit der Breisgau-S-Bahn eine neue Ära in der Verkehrsverbindung Richtung Freiburg anbrechen. Ab dann werden stündlich Züge zwischen Villingen und Freiburg umsteigefrei von etwa 6 bis 24 Uhr auch an Sonn- und Feiertagen verkehren. Durch intelligente Busverkehre werden künftig 95 % der Ein.wohner des gesamten Schwarzwald-Baar-Kreises mit maximal einem Umstieg und ohne größere Wartezeiten mit der Breisgau-S-Bahn nach Freiburg und zurück gelangen, zu Zeiten, die sowohl für einen frühen Arbeitsbeginn als auch für die Rückkehr nach einem Theater- oder Kinobesuch in Freiburg ausreichen.
Ein wesentliches Element des neuen Nah.verkehrsplans ist es, den ÖPNV für Berufspend.ler attraktiver zu machen. Bislang orientieren sich die Busverkehre stark an den Schülern, weshalb in manchen Ortsteilen außerhalb der Schulferien und auch an Wochenenden nahezu keine Busverbindungen bestehen. Deshalb ist dort der Bus für Berufstätige keine wirkliche Alternative zum eigenen Auto. Auch die Fahrpläne sind häufig schwer verständlich, weil die Busse einer Linie zum Teil unterschiedliche Strecken abfahren. Im neuen Nahverkehrsplan sollen klare Linien- und durchgängige Taktverkehre dem
An den zentralen Verleihpunkten in Schönwald und Schonach stehen Mountainbikes und E-Bikes mit neuester Technologie zur Verfügung.
Nutzer den Einstieg in den ÖPNV erleichtern, da er sich nur die Abfahrtsminute für seine Halte.stelle merken muss.
Mit dem Fahrrad bis zum Bahnhof
Zum geänderten Mobilitätsverhalten der Bevölkerung gehört es auch, dass man nicht mehr zwingend vom Start- zum Zielort ausschließlich mit einem Verkehrsmittel reisen will. Mancher Nutzer möchte gerne mit dem Fahrrad bis zum Bahnhof oder der Bushaltestelle fahren und dann mit dem öffentlichen Verkehrsmittel weiterreisen. Umgekehrt können Touristen die Schiene zur Anreise in den Schwarzwald-Baar-Kreis nutzen, um sich hier ein Fahrrad, E-Bike oder auch einen Mietwagen für die Erkundung touristischer Ziele zu leihen. Um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, sieht der Nahver.kehrsplan vor, sogenannte Mobilitätszentralen einzurichten, die in den größeren Städten die entsprechende Infrastruktur bereitstellen, beispielsweise zum Einschließen hochwertiger Fahrräder oder zum Ausleihen von E-Bikes als Anschlussmobilität.
klare Linien- und durchgängige Taktverkehre dem Nutzer den Einstieg in den ÖPNV erleichtern. Er muss sich nur die Abfahrtsminute für seine Haltestelle merken.
Entwicklung erfolgte in enger Abstimmung
Der Nahverkehrsplan wurde von der Landkreisverwaltung in enger Abstimmung mit den Verkehrsunternehmen und den Städten und Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Kreises entwickelt. In fünf Teilräumen wurden Infor.mationsveranstaltungen durchgeführt, zu denen Stadt-, Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie die interessierte Bevölkerung eingeladen waren und in denen rege Diskussionen über das jeweils geplante Verkehrsangebot und die Linienführungen stattfanden. Mit der Verabschiedung des Nahverkehrsplans durch den Kreistag begann sofort die Detailplanung der künftigen Fahrpläne in der Südbaar, um zur
Der Ringzug sorgt seit dem Jahr 2003 für eine hohe Qualität im Schienen-Personen-Nahverkehr. Ab Dezember 2019 soll die Breisgau-S-Bahn die Oberzentren Villingen-Schwenningen und Freiburg besser verbinden.
Fertigstellung der neuen Breisgau-S-Bahn im Dezember 2019 auch die darauf abgestimmten Busverbindungen umsetzen zu können. Danach werden sukzessive bis voraussichtlich 2024 die weiteren Teilräume des Schwarzwald-Baar-Krei.ses folgen.
Der Tourismus schafft im Landkreis
9.300 Vollarbeitsplätze
Von hoher Bedeutung ist im Schwarzwald-Baar-Kreis nach wie vor die Tourismuswirtschaft. Unser Landkreis bietet in dieser Hinsicht viele Gründe, die dafür sprechen unser Quellenland zu besuchen und bei uns den Urlaub zu verbrin.gen. Eine intakte Natur, familienfreundliche Angebote, attraktive Wanderwege und Rad.rundtouren, Gesundheits- und Wellnesseinrich.tungen zum Entspannen und im Winter alpines Skivergnügen, Langlaufloipen, Rodeln und Schneeschuhwandern.
Mit 1,6 Millionen Übernachtungen steht der Schwarzwald-Baar-Kreis auf Platz 4 von 16 Stadt- und Landkreisen im Schwarzwald und auf Platz 8 von 44 Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg. Beachtlich ist auch, dass der Tourismus im Schwarzwald-Baar-Kreis im Jahr 2015 für eine Nettowertschöpfung (Löhne, Einkommen, Gewinne) in Höhe von 205,6 Milli.onen Euro sorgte und rechnerisch 9.300 Vollar.beitsplätze schaffte.
Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist im Tourismus somit ein echtes Schwergewicht. Neben der Höhe der Umsätze oder der Zahl der Arbeitsplätze gehen hinsichtlich des Tourismus auch positive Ef.fekte für die Lebensqualität der Einwohner einher.
Genau dieser Effekt wird für uns im ländlichen Raum immer mehr zum Thema, wenn sich vor allem in kleineren Gemeinden die Frage stellt, wie die bestehende Infrastruktur wie zum Bei.spiel der Einzelhandel, Ärzte, Apotheken, Bäder und vieles mehr erhalten bleiben kann. Werden diese Einrichtungen touristisch genutzt, hat auch die heimische Bevölkerung einen Gewinn davon. Genauso verhält es sich mit dem touristischen Angebot bei der Freizeitgestaltung. Viele dieser Einrichtungen, wie Bäder oder Wanderwege und Kulturangebote werden auch durch unsere Bürgerinnen und Bürger, die im Schwarzwald.Baar-Kreis leben, gerne angenommen und
Mit den Schneeschuhen auf dem Oberfallengrund bei Gütenbach/Neukirch unterwegs. Das Schneeschuhwan.dern hat an Beliebtheit enorm zugenommen.
genutzt. Die Einrichtungen machen unseren Landkreis attraktiv, auch im Hinblick auf die Gewinnung und Bindung von Fachkräften.
Umso mehr gilt es, sich für die Zukunft zu wappnen und diesen wichtigen Wirtschaftsbe.reich weiter zu fördern. Unsere Aufgabe ist es, optimale Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung des Tourismus im Schwarzwald.Baar-Kreis zu bieten. In den vergangenen Jahren ist es uns gemeinsam mit unserem Projektpart.ner, dem Landkreis Rottweil, gelungen, im Rad-und WanderParadies Schwarzwald und Alb 30 Radrundtouren sowie über 30 Wanderrundtou.ren auszuweisen, von denen im Schwarzwald.Baar-Kreis die meisten als „Qualitätswege Wan.derbares Deutschland“ oder „Premiumwege“ zertifiziert sind. Die Premiumwege werden von der Schwarzwald Tourismus GmbH zusätzlich als „Schwarzwälder Genießerpfade“ erfolgreich vermarktet.
Die Schwarzwald Tourismus GmbH, bei der auch der Schwarzwald-Baar-Kreis seit 2009 als einer von insgesamt 16 Stadt- und Landkreisen im Schwarzwald Gesellschafter ist, spielt bei der Vermarktung dieses bedeutenden Wirtschafts-
Baar-Kreises ist es, optimale Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung des Tourismus zu bieten. Eine wichtige Rolle spielt die Schwarzwald Tourismus GmbH.
zweigs auch für die Kommunen im Quellenland eine bedeutende Rolle. So bringen sich die Städ.te und Gemeinden sowie Interessensgemein.schaften, wie das „Ferienland im Schwarzwald“ (Furtwangen, Schönwald, Schonach und St. Georgen) oder die „Quellregion Donau“ (Donau.eschingen, Bräunlingen und Hüfingen) in den verschiedenen touristischen Themenbereichen ein und nutzen die Broschüren der Schwarzwald Tourismus GmbH als Plattform zur weltweiten Bewerbung der eigenen Produkte unter der Dachmarke Schwarzwald.
Neben der Vermarktung über diese Platt.form ist es aber auch wichtig, regelmäßig abzu.klären, wie der aktuelle Stand im Tourismus auf
Die Premiumwanderwege im Schwarzwald-Baar-Kreis kann man sich teils auch mit der Sauschwänzlebahn erschließen, die hier das Viadukt bei Epfenhofen überquert.
Landkreisebene ist, um sich gegebenenfalls auf neue Ziele ausrichten zu können.
Deshalb wurde in einem straff organisierten und geführten Prozess, bei dem alle relevanten Akteure der Städte, Gemeinden und der verschiedenen Organisationen und Verbände in mehre.ren Workshops und Gesprächen eingebunden worden sind, eine Tourismuskonzeption erstellt. Diese soll Grundlage für die gemeinsame Aus.richtung des Tourismus im Schwarzwald-Baar-Kreis sein und den Beteiligten Entwicklungsziele und Handlungsempfehlungen aufzeigen. Zentra.les Ziel ist es, künftig die Bedeutung des Touris.mus für die Region zu steigern.
Insgesamt auf einem guten Niveau
Die mit der Ausarbeitung der Konzeption beauftragte ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH aus Köln kam zum Ergebnis, dass sich der Tourismus im Schwarzwald-Baar-Kreis insge.samt auf einem guten Niveau befindet, es aber in einigen Bereichen Handlungsbedarf gibt.
So verfügt der Schwarzwald-Baar-Kreis einerseits über eine hohe landschaftliche Attraktivität, teilweise sogar echte Bilderbuch.landschaften mit Quellen und Wasserfällen, be.eindruckenden Städten, wie etwa Villingen und Donaueschingen und touristischen Hotspots wie Triberg und Bad Dürrheim. Andererseits ist die touristische Infrastruktur mit ihren Bädern, Kurmitteleinrichtungen, Freizeit- und Sport.angeboten und vor allem die Beherbergung in manchen Kommunen in die Jahre gekommen. Dies ist das Ergebnis von Vor-Ort-Untersuchun.gen, Expertengesprächen, Gästebefragungen sowie Befragungen der Übernachtungsbetriebe und Gastronomie.
Die gemeinsam mit allen Beteiligten ausgearbeiteten Handlungsempfehlungen und Projektvorschläge sowie der erkennbare Wille aller Akteure den Tourismus im Schwarzwald.Baar-Kreis weiter voranzubringen, lassen die be.rechtigte Hoffnung zu, dass das gute Niveau im Bereich Tourismus nicht nur gehalten, sondern zum Vorteil aller Beteiligten verbessert und ausgebaut werden kann. Mit der Tourismuskon.zeption gehen wir als Impulsgeber mit einem Leitfaden an der Hand an die Aufgabe, konkrete Maßnahmen anzustoßen.
Sabine von Knobloch
„Diligite animalia“ – Achtet die Tiere!
Wer Sabine von Knobloch in Neuhausen besucht, wird schon vor der T mit den lateinischen Wtern „Diligite animalia“ begrt – Achtet die Tiere! Ihr Vater Dietrich von Knobloch hatte dieses Motto, das er seinen Kindern zeitlebens vorgelebt und vererbt hat, vor vielen Jahrzehnten in den Sockel einer Skulptur geschnitzt. Egal, wo sie ist – f einen Notfall lässt die leidenschaftliche Tierärztin alles stehen und liegen und vollbringt in ihrem Operationsraum so manches „Wunder“.
von Stephanie Wetzig
I
m Jahr 1954 wurde Sabine von Knobloch als jüngstes von fünf Kindern des Tierarzt-Ehe.paares Dietrich und Irmgard von Knobloch geboren. „Hier oben, im ersten Stock“, sagt sie, während sie im Schatten eines Rebstocks, der sich wie ein Schirm über die Terrasse breitet, einen doppelten Espresso trinkt. Von ihrem bequemen Gartenstuhl aus überblickt sie alles, was ihre Eltern aufgebaut haben – die Praxis, die über einen langen Zeitraum Tierklinik war, den Anbau, in dem ihr Vater sein Atelier hatte, und den Garten, in dem die Hunde herumtollen und die Katzen aufmerksam alles beobachten.
Neuanfang in Neuhausen
Ihre Eltern waren nach dem Zweiten Weltkrieg eher zufällig in den Schwarzwald gekommen. Auf die beiden Familiengüter in Ostpreußen mit Rinderherden, hunderten von Pferden, einer Schweinezucht, Hühnerfarmen, einer Molkerei, einer Mühle und einer Imkerei konnten sie nicht
Flucht viele Zurückweisungen erfahren. Daher habe ich großes Verständnis für die Menschen, die derzeit auf der Flucht sind.
zurück und auch nicht in die gut gehende Praxis, die sie gemeinsam in Tapiau, einer Stadt nahe des heutigen Kaliningrads, aufgebaut hatten. Irmgard von Knobloch war nach Stuttgart geflo.hen, wo eine Schwägerin wohnte, und wartete dort, bis ihr Mann 1947 aus russischer Kriegs.gefangenschaft zurückkam. „Es war schlimm“, sagt Sabine von Knobloch, die sich noch an die Schilderungen erinnert und die Zurückweisun.gen, die ihre Familie als Flüchtlinge erfahren musste. „Daher habe ich großes Verständnis für die Menschen, die derzeit auf der Flucht sind.“
Ihre Eltern übernahmen Vertretungen von Tierärzten im damaligen Landkreis Villingen und konnten ein Jahr später mit Unterstützung des
2. Kapitel – Daheim im Schwarzwald und auf der Baar
Ein neuer Patient ist eingetroffen – Sabine von Knobloch in ihrer Praxis in Neuhausen.
Villinger Veterinärs Dr. Dietz in Neuhausen eine Praxis eröffnen. Bis es einen speziellen Raum dafür gab, operieren sie in der Küche und leiste.ten dabei viel Pionierarbeit. „Damals behandel.ten Tierärzte vor allem Rinder, Schweine, Pferde und Schafe, die Behandlung von Kleintieren war noch nicht so verbreitet und es gab dazu auch wenig Fachliteratur.“ „Mein Vater war der erste Tierarzt in der Region, der Fremdkörper operier.te und damit so manchem Rind, das beim Fres.sen zum Beispiel ein Metallteil verschluckt hat, das Leben rettete.“
Zur damaligen Zeit waren die Tierärzte für bestimmte Orte zuständig und durften woanders nicht praktizieren. Um diese Regelung zu umgehen, brachten einige Landwirte, die außerhalb des Gebietes wohnten, ihre Tiere zu einem Landwirt in Neuhausen, damit Dietrich von Knobloch sie behandeln konnte. Zu dieser Zeit war der Tierarzt noch oft mit seiner Kutsche unterwegs. Bis es 1960 zu einem schweren Unfall kam, spannte er sein Island-Pferd Ossin oft vor die Kutsche, um so seine Patienten zu besuchen. Nach dem Unfall wurde Ossin nur noch von den Kindern geritten oder im Winter vor den Schlit.ten gespannt.
Unbeschwerte Kindheit und Jugend
Zusammen mit der Großmutter galt es eine achtköpfige Familie zu versorgen und obwohl beide Eltern von Sabine von Knobloch in der Praxis arbeiteten, musste eine weitere Einnahmequelle her. „Sie züchteten sehr erfolgreich Pudel mit dem Zwingernamen, vom Schwarzwaldteufel‘ “ erinnert sie sich, die in ihrer Kindheit mit den Hunden aufwuchs. Ausstellungen in München, Freiburg, Basel, Salzburg und Innsbruck boten der Familie Abwechslung im Alltag.
Wenn die Zuchthündinnen geworfen hat.ten, lebten zeitweise bis zu 19 Pudel im Haus, dazu Katzen, ein Schwein, das Island-Pferd
Haus, dazu Katzen, ein Schwein, das Island-Pferd Ossin, Esel Harras, Milch.schafe, Katzen, Tauben, Enten, Hüh.ner, Bienen, ein Papagei, eine Krähe, ein Fuchs und immer wieder gelähm.te Dackel.
Ossin, Esel Harras, Milchschafe, Katzen, Tauben, Enten, Hühner, Bienen, ein Papagei, eine Krähe, ein Fuchs und immer wieder gelähmte Dackel, deren Besitzer die Pflege ihres Hundes nicht leisten konnten oder wollten. „Es war eine chaotische und schöne Zeit“, blickt die 63-Jährige auf ihrer Kindheit zurück, „und dank meiner Groß.mutter war ich dennoch gut behütet.“
Eine Katze, die ein verwaistes Lamm wärmt
Zu ihren ersten Erinnerungen gehört das Bild einer Katze, die in einem Karton lag und ein zu früh geborenes, verwaistes Lamm wärmte. Bei der Taufe von Sabine von Knobloch wurde ein Schwein in die Küche gebracht, um operiert zu werden. Jeder wollte zuschauen, deshalb folgte die gesamte Festgesellschaft nach und als sie zurückkam, erwischte sie eine Katze dabei, wie sie genüsslich das Taufwasser trank – solche Familiengeschichten geraten einfach nie in Ver.gessenheit.
Die große Leidenschaft ihres Vaters neben den Tieren galt der Kunst. Er schnitzte hunderte Skulpturen, wenn er nicht gerade Tiere behan.delte. Sie waren in Ausstellungen zu sehen, hingen in Kirchen und Kliniken und wurden teilweise auch verkauft. „Es war Hobby und Zu.brot zugleich.“ Viele der Skulpturen finden sich auch heute noch in und an den verschiedenen Anbauten des verwinkelten Hauses.
Sabine von Knobloch durchlebte eine unbeschwerte Kindheit und Jugend. Im Sommer ging sie in dem Freibad am Bodelschwinghweg baden, lernte in der Villinger Tanzschule, die regelmä-
Sabine von Knobloch vor ihrer Tierarztpraxis in Neuhausen mit Dackelmischling Strolch und Mischlingshündin Arwen. Auch Gänse, Katzen und andere Tiere leben hier. Zudem finden sich überall die Kunstwerke des Vaters.
ßig im Jungeninternat der Zinzendorfschulen gastierte, Walzer, Quickstep und Foxtrott. In den Naturwissenschaften war sie eine gute Schülerin, aber Sprachen lagen ihr nicht so sehr, vor allem Englisch gehörte nicht zu ihren Lieblingsfächern und sie wählte es so bald wie möglich ab.
Der Weg zur eigenen Kleintierpraxis
Trotzdem ging sie nach ihrem Abitur für ein Jahr als Au-Pair ausgerechnet nach England, bevor sie sich in Freiburg zur Veterinärmedizi.nisch-technischen Assistentin ausbilden ließ. Anschließend arbeitete sie in München in einem Labor der Tierklinik der Ludwig-Maximi.lians-Universität. „Dabei stellte ich sehr schnell fest, dass ich mich nicht gerne in hierarchische Gebilde einordne.“ Also musste ein anderer Beruf her. Sabine von Knobloch bewarb sich um einen Studienplatz für Veterinärmedizin und
ich verkaufe die Klinik“, lautete der Hilferuf der Schwester. Sabine von Knobloch kehrt von England zurück nach Neuhausen, um das Lebenswerk der Eltern zu bewahren.
wurde von der Zentralen Vergabestelle für Stu.dienplätze nach Berlin geschickt, von wo aus sie nach dem Physikum nach München wechselte, wo sie einen größeren Freundeskreis hatte. Sie promovierte über die Fruchtbarkeit von Rindern. „In den 1980er-Jahren war für Frauen der Doktortitel wichtig, um sich in dem damals männerdominierten Beruf behaupten zu kön.nen.“ Heute überwiegt der Frauenanteil bei den Tiermedizinern deutlich.
Als Tierärztin nach England
Abermals zog es Sabine von Knobloch nach England, wo sie in Birmingham bei einer Hilfs.organisation für Tiere eine Anstellung in der Tierklinik fand und dabei sehr viele praktische Erfahrungen sammeln konnte. Gerne denkt sie an die Zeit zurück und wäre auch gerne dort geblieben, denn sie konnte mit ihrer Arbeit viel bewirken – für Menschen und Tiere. Außerdem sind in England Tierärzte hoch angesehen. Sie haben eine wesentlich bessere Reputation als ihre Kollegen aus dem Human-Bereich. Doch ihre Schwester Ingrid, die mittlerweile die elterliche Tierklinik in Neuhausen übernommen hatte, wollte sich zur Ruhe setzen. Der Gesund.heitszustand ihres Mannes, eines Schramberger Tierarztes, verlieh diesem Wunsch eine gewisse Dringlichkeit, so dass sie ihre Schwester vor die Wahl stellte: „Entweder Du kommst zurück oder ich verkaufe die Klinik.“ Das Lebenswerk ihrer Eltern in fremde Hände zu geben, kam für Sabine von Knobloch nicht in Frage, daher zog sie wieder zurück in den Schwarzwald. Die Tierklinik konnte sie alleine nicht bewerkstelligen, denn mit diesem Status ist eine 24-Stunden-Erreichbarkeit verbunden, deshalb wandelte sie die Klinik in eine Kleintierpraxis um.
Liebe zur Musik und zu den Tieren
Damit ihre Englischkenntnisse nicht einrosten, besuchte sie einen internationalen Stammtisch von Thomson-Mitarbeitern, wo sie ihren jetzi.gen Mann, den Engländer Robert kennenlernte. Beide verbindet die Liebe zur Musik und zu den Tieren. Sie trommeln gemeinsam in einer Per.cussion-Gruppe und wenn die Zeit es zulässt, setzt sich Sabine von Knobloch auch gerne ans Klavier und spielt ihrem Mann klassische Musik vor. Die Küche ist sein Revier, ebenso wie die voll eingerichtete Werkstatt, während sie sich eher um den Garten kümmert.
Natürlich leben immer noch jede Menge Tiere mit ihnen. Die junge Mischlingshündin Arwen kommt aus dem spanischen Tierschutz, den Dackelmischling Strolch hat sie übernom.men, nachdem seine Besitzerin verstorben ist. Die Katzen Mira und Jasmin beäugen staunend, welche Kunststücke der rüstige Dackelsenior für ein paar Leckerchen vollbringt, im hinteren Teil des weitläufigen Grundstücks leben noch zwei Laufenten und drei Schafe.
In ihrem Beruf ist es schwierig, private Termine zu planen – zu häufig kommt etwas dazwischen. „Der Tag ist durchzogen von be.ruflichen Einsätzen und der Tagesablauf wird immer wieder unterbrochen“, aber so, wie sie es sagt, scheint es sie nicht besonders zu stören. Ihre Freizeit ist mittlerweile geregelter, die Not.fälle werden seltener, weil es inzwischen ein gut ausgebautes Netz an Vertretungen gibt. Trotz.dem kommt sie nur selten zur Ruhe. „Ich habe es einfach nicht gelernt zu entspannen“, sagt sie lachend.
Sabine von Knobloch ist – obwohl viel in ihrem Leben herumgekommen – tief verwurzelt in Neuhausen. „Ich bin sehr dankbar, dass es mir gut geht und dass ich einen Mann habe, der mich immer unterstützt“, freut sie sich. Und der nicht zuletzt ihr Lebensmotto teilt: Diligite animalia.
Miguel Quilamba
Als freier Bger glklich auf der Baar
Fragt man in Hingen nach Miguel Quilamba, so erhält man mit Sicherheit eine positive Antwort. Der freundliche und aufgeschlossene Afrikaner, der in den 1990er-Jahren auf der Baar eine neue Heimat fand, ist hier schon lange kein Unbekannter mehr. Ganz im Gegenteil: Er hat sich schnell eingelebt, hat Freunde und Bekannte gefunden, ist in verschiedenen Vereinen aktiv, hat seine Bilder in der Ausstellung des Hinger Kunstkreises ausgestellt und scheut sich nicht in der Gemeindepolitik Verantwortung zu ernehmen. Sein Interesse an der demokratischen Mitbestimmung des Volkes ist groß und er ist froh, dass er als freier Bger hier leben darf. In seiner kommunistisch regierten Heimat Angola hat er solche politischen Freiheiten nicht gehabt. Darin begrdet liegt auch seine Flucht nach Deutschland.
von Gabi Lendle
E
infach war der lange Weg von Luanda nach Hüfingen nicht. Als 24-Jähriger ist Miguel Quilamba aus politischen Grün.den aus dem kommunistisch regierten Angola auf guten Rat und mit Hilfe von Freunden nach Deutschland geflohen. Nach der Schule absolvierte er als 17-Jähriger unfreiwillig eine militä.rische Ausbildung und wurde danach im Staats.sicherheitsdienst eingesetzt. Auf Grund dieser Tätigkeit war es ihm möglich, verschiedene Länder wie Ungarn, Frankreich, Kuba, Chile und Peru kennenzulernen. Diese Reisen faszinierten den jungen Mann und er konnte viele nützliche Erfahrungen sammeln.
Staatsdiener immer enger und er sah sich häufig gefährlichen Situati.onen ausgeliefert. So verließ er seine Heimat.
In Angola wurde die Luft um ihn als Staats.diener immer enger und er sah sich häufig gefährlichen Situationen ausgeliefert. Er fasste den Entschluss, seine Heimat und seine Familie zu verlassen. Seinen Herzenswunsch, einmal Ozeanographie zu studieren, musste er aufge.ben. Er reiste als politisch Verfolgter mit dem
Flugzeug nach Deutschland und erhielt fürs Erste eine Adresse in Bonn. Als er dort ankam, kannte er niemanden und konnte kein Wort Deutsch. Er beantragte Asyl, aber das langwieri.ge Verfahren zog sich hin. Vier Monate blieb er in Bonn, doch Miguel Quilamba wollte lieber in einer kleineren Stadt irgendwo auf dem Land le.ben. Während seines laufenden Asylverfahrens wechselte er zuerst nach Freiburg und später nach Donaueschingen.
Die Baar sofort als Heimat empfunden
Auf der Baar gefiel es dem jungen Afrikaner sofort. Hier konnte er seinen geliebten Laufsport in der freien Natur problemlos ausüben und bequem von der Haustür aus losrennen. Mit der Zeit hat er sein anfängliches Heimweh und die Angst vor Verfolgung ablegen können und war
das große Bedürfnis nicht von anderen abhängig zu sein. Deshalb nahm ich eine Arbeit als Dachdecker an.
durch sein positives Denken und Handeln relativ schnell in der Lage hier Wurzeln zu schlagen. Bereits in Freiburg hatte er eine junge Frau kennengelernt, der er nun zufällig in Donaueschin.gen auf einem Fest wieder begegnete. Der Pfeil des Amors traf beide, sie verliebten sich und heirateten später.
Die vorerst kleine Familie lebte in Hüfingen und erhielt bald Zuwachs durch einen Sohn und zwei Töchter. Seine Kinder sind ihm seither sehr ans Herz gewachsen. „Ich wollte immer arbeiten und hatte das große Bedürfnis nicht von anderen abhängig zu sein. Deshalb nahm ich eine Arbeit als Dachdecker an“, erinnert sich Quilamba an sein erstes selbst verdientes Geld. Doch als sich Nachwuchs einstellte und Sohn Elias geboren wurde, übernahm er die Tätigkeit des Hausmannes und erziehenden Vaters, wäh.rend Ehefrau Myriam ihrem Beruf als Erzieherin in einer Kindertagesstätte nachging.
Nun erfüllte sich der junge Familienvater seinen Wunsch eine deutsche Schule zu besu.chen. Er meldete sich an der Abendrealschule an und absolvierte seinen Abschluss bereits nach einem Jahr statt der normalen Dauer von zwei Jahren. Eine private Lehrerin, die sich schon damals für Asylbewerber engagierte, half ihm Deutsch zu lernen, den Rest eignete er sich in der Schule an. Noch heute ist er ihr dankbar für die intensive Hilfe, die ihm vor allem in der mündlichen Prüfung zu Gute kam.
Berufliches und soziales Engagement
Miguel Quilamba weiß, was er will und verfolgt seine Ziele mit großem Engagement, dabei denkt er stets positiv. 1995 begann er eine kaufmännische Ausbildung und verschickte an.
Mit großer Freude singt Miguel Quilamba im Hüfinger Vokalkreis „Singing Voices“.
schließend rund 50 Bewerbungen. „Keiner woll.te mich trotz des guten Abschlusses haben. Das war für mich ein großer Schock und ich war sehr frustriert. Sobald ich mich bei den Firmen per.sönlich vorstellte und die Verantwortlichen mei.ne schwarze Hautfarbe sahen, wurde ich trotz meiner guten Zeugnisse immer enttäuscht“, erzählt er. „Für meine Kinder wollte ich aber ein Vorbild sein und nicht ohne Arbeit zu Hause bleiben. Mir ist es stets wichtig, dass ich mein Leben im Griff habe und so sah ich als letzte Chance den Beruf des Malers, den ich durch die Empfehlung und Unterstützung eines Freundes ergreifen konnte und den ich bis heute noch ausübe“. Inzwischen hat er an vielen Fortbildun.gen teilgenommen und kann in seiner Arbeit auch etliche kreative Ideen umsetzen.
Seine sportlichen Erfahrungen hat der ak.tive Läufer an die Jugend weitergegeben. Im Leichtathletikverein Donaueschingen hat er als Trainer den Nachwuchs im Alter von 11 bis 24 Jahren fit gemacht. Er selbst hat aktiv mit Spitzensportlern trainiert und an verschiedenen Wettkämpfen und Läufen in den Disziplinen Lang- und Mittelstrecke sowie im Sprint teilge.nommen. Darüber hinaus startete er auch beim Marathon. In Hüfingen und anderswo hat er durch seine offene Art schnell Freunde gefun.den, denn Kontakte zu knüpfen fällt ihm nicht schwer.
Die Erinnerung an die Herkunft bewahren
„Mit meinem deutschen Pass besuchte ich nach drei Jahren zum ersten Mal wieder meine Familie in Angola. Zu meinem Vater und auch den anderen Familienmitgliedern habe ich eine enge Verbindung und besuche sie in regelmäßigen Abständen. Meine Kinder, die mir sehr viel bedeuten, begleiteten mich schon fünfmal auf Reisen in meine afrikanische Heimat“, erzählt er stolz. In über zwei Jahrzehnten ist aber Hüfingen immer mehr zu seinem Lebensmittelpunkt geworden. „Die Menschen hier sind nett und freundlich zu mir und geben mir das Gefühl der Heimat“, sagt er, was aber sicherlich mit seiner eigenen zuvorkommenden und offenen Persönlichkeit zu tun hat. Vielseitigkeit zählt ebenfalls zu den Stärken von Miguel Quilamba, der für seine Kinder seit 2014 an einem Buch über sein Leben schreibt. „Damit möchte ich meine afrikanische Herkunft sowie die große und in der ganzen Welt verzweigten Familie Quilamba meinen Kindern näherbringen und vertraut machen“, beschreibt er dieses Anliegen.
Beim Singen vergisst man alle Sorgen
In seiner Freizeit beschäftigt sich Miguel Qui.lamba allerdings noch mit vielen anderen Dingen. „Die Musik spielt in der afrikanischen Kultur eine große Rolle, und ich singe für mein Leben gern, weil man dann alle Sorgen ver.gisst. Gesang ist der Ausdruck von Freude und Leid. Schon als Kind habe ich mit meiner Oma viel gesungen, sie ist 105 Jahre alt geworden“, schmunzelt er und meint wohl damit, dass Sin.gen auch der Gesunderhaltung dient. Es dauer.te nicht lange, bis er bei einem Freund in einer Musikband mitwirkte. Später entschloss er sich ganz spontan den Hüfinger Vokalkreis „Singing
Kultur eine große Rolle, und ich singe für mein Leben gern, weil man dann alle Sorgen vergisst. Gesang ist der Ausdruck von Freude und Leid.
Voices“ mit seiner ausdrucksvollen Stimme zu unterstützen. Hier tritt er hin und wieder bei Konzerten als Solist hervor. „Mit dem Chor erlebe ich die ganze Bandbreite des Gesangs, angefangen von Klassik bis zu Rock und Pop. Es macht Spaß in der Gemeinschaft zu singen und tut mir einfach gut“, bestätigt er den bereits vor vielen Jahren gefassten Entschluss dem Chor beizutreten. Die Hüfinger Sänger freuten sich natürlich über diesen positiven Zugewinn, der auch der Gemeinschaft sehr gut tut.
Miguel Quilamba daheim in Afrika, zusammen mit Mutter Julietta, Vater Antonio sowie den Brüdern José und Francisco (von links) zu sehen.
Malen als Passion
Dass er sich im Eiltempo zu einem echten Hüfinger entwickelt hat, liegt auch an seinem kreativen Zeichnen und Malen. Das Vertrauen der Hüfinger Narren hat er gewonnen, als er damit anfing ein „Hansel-Häs“ zu bemalen. Der Zunftmeister hatte ihn zuvor gefragt, ob er sich vorstellen könne, solch ein Kunstwerk anzufertigen. Diese einmalige und wichtigste Narrenfigur der örtlichen Fasnet bedeutet den Bürgern sehr viel, und wer solch ein Häs mit Motiven der heimischen Flora, Fauna und mit Tieren bemalen kann, hat den Respekt und die Anerkennung der Hüfinger verdient. Insgesamt vier Hansel-Häser hat Miguel Quilamba inzwischen mit unterschiedlichen bunten Motiven und Porträts verziert.
Doch am liebsten malt er ganz für sich und hat sich im eigenen Haus in Hüfingen ein Mal- und Schreibzimmer eingerichtet. Hauptsächlich nachts bringt er seine unzähligen spontanen Ideen mit Pinsel, Farbe und Stift zum Ausdruck und ist auch mit wenig Schlaf morgens wieder fit für seinen Job. Seine Stärke sind Porträts und Landschaften mit versteckten Botschaften. Als Werkzeug dient ihm am liebsten ein Bleistift, aber er experimentiert auch gerne mit Öl und Acryl, mit Sand, Pigmenten und Farben.
Als die Menschen um in herum merkten, dass er so gut malen kann, erfüllte er den einen oder anderen Auftrag von privaten Interessenten. Ihnen gefiel besonders der afrikanische Akzent, der in seinen Gemälden zum Ausdruck kommt. Zweimal hat er im Hüfinger Kunstkreis als Gast seine Arbeiten in der jährlich stattfindenden Werkschau ausgestellt und mit seiner Ausdrucksweise der afrikanischen Kultur für Aufmerksamkeit gesorgt. Heute malt er am liebsten für sich selbst und für seine Seele. Die Ergebnisse seiner künstlerischen Arbeit verschenkt er dann gerne an Freunde und Bekannte.
Auf Anhieb in den Gemeinderat gewählt
Doch das ist noch nicht alles, was Miguel Quilamba in seiner Gemeinde tut, mit der er sich inzwischen fest identifiziert und in der er weiterhin leben will. Sein Interesse an der Poli.tik war stets groß, dennoch wollte er aufgrund seiner Tätigkeit in Angola nicht mehr politisch aktiv werden. Mit großer Aufmerksamkeit ver.folgte er die Nachrichten aus aller Welt, aber vor allem aus Deutschland mit seiner demokra.tischen Staatsform. Seine Interessen blieben bei den Sozialdemokraten in Hüfingen nicht unentdeckt. Deshalb wurde er gefragt, ob er nicht Lust hätte, in der Kommunalpolitik mitzu.wirken. Quilamba ließ sich 2014 als SPD-Kandi.dat aufstellen. „Ich glaube nicht daran, dass die Menschen mich hier wählen“, dachte er. Doch er schaffte auf Anhieb den Sprung in den Gemein.derat. „Damit hatte ich gar nicht gerechnet, aber die Arbeit in diesem Gremium macht mir viel Spaß, da hier Menschen gemeinsam etwas in die Wege leiten, durchführen und gestalten.“
Quilamba ist in Hüfingen eingebunden, vernetzt und ein beliebter Bürger, Kollege und Freund. „Ich habe mich von Anfang an um mei.ne Integration bemüht und möchte den vielen anderen Geflüchteten die Erfahrung mitgeben, dass Schritte zur Eingliederung in eine Gesell.schaft zum größten Teil von einem selbst aus.gehen müssen“, unterstreicht er.
Oliver Vlcek
Dem Leben eine Linie geben
Seit 17 Jahren widmet der Schwenninger Oliver Vlcek sein Leben als Trainer, Vorsitzender oder Präsident dem Boxen. Doch sein oberstes Ziel geht er den reinen Sport hinaus: Nicht nur mit dem aktuellen Integrationsprojekt „Fight for your life“ mhte er Boxern helfen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden.
von Mareike Kratt
W
enn Oliver Vlcek beim täglichen Nachwuchstraining des Vereins Boxing VS neben seinen Schülern steht, dann beobachtet er nicht nur ihre Kör.perhaltung und ihre Schlagtechnik. Er schaut ihnen auch tiefer ins Gesicht, das für den Trainer manchmal Bände spricht über das Leben derje.nigen Person, die sich dahinter verbirgt. „Trainie.ren ist das eine. Das andere, was ich schon früh gemerkt habe: Viele Jungs haben Probleme“, erklärt er. Jugendliche aus schwierigem Eltern.haus, mit einer kriminellen Vergangenheit oder Flüchtlinge, die Anschluss in der Gesellschaft suchen, finden im Boxtraining nicht nur ein Ven.til, um ihre Sorgen zu vergessen. Sie finden in Vlcek auch jemanden, der ihnen zuhört und sich ihrer Probleme annimmt.
Anfänge der Boxkarriere
Doch warum kann sich gerade der 39-jährige Schwenninger so gut in ihre Situation hinein.versetzen? Anderssein: Dieses Motto hat Vlcek,
mit Ausgrenzung und Rassismus gemacht.
dessen kroatische Mutter mit der Gastarbeiter.welle und dessen tschechischer Vater mit der Flüchtlingswelle aus dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland kamen, wohl sein ganzes Leben lang begleitet. „Als Kind habe ich viele Er.fahrungen mit Ausgrenzung und Rassismus ge.macht“, erklärt er. „Das hat mich nicht belastet, aber wütend gemacht.“ Wut, die sich entladen musste – beim Verein Boxring 1952 Schwennin.gen. Dort sei er mit vielen anderen Migranten zusammen gewesen, dort habe er aber auch ein hohes Gewaltpotenzial erlebt. „Es tat einfach gut im Ring zu stehen“, versucht Vlcek das Ge.fühl zu beschreiben. Bis zu seinem 18. Lebens.jahr habe er viel trainiert, sei aber gleichzeitig mit „falschen Leuten“ in Kontakt gewesen.
Mit großer Konzentration beobachtet Trainer Oliver Vlcek seine Schützlinge während des Trainings in der Villinger Steppachturnhalle.
Zum Bruch mit dem alten Freundeskreis kam es durch Vlceks Ausbildung zum Zollbeam.ten in Freiburg. „In diesen zwei Jahren habe ich mich verändert“, sagt der Schwenninger, der an.schließend mehrere Jahre in Singen als Beamter gearbeitet hatte. Erweitertes Boxtraining in Sin.gen, Basel oder Freiburg hatte ihn zudem zum ersten Mal mit dem Leistungssport in Berüh.rung gebracht. Und auch wenn der Boxer keine eigene Wettkampferfahrung sammeln konnte, kam er 2001 nach Schwenningen zurück und wurde Cheftrainer des Boxrings. Sein Ziel, das er mit eisernem Willen durchsetzen wollte: den Verein vergrößern, Wettkämpfe ausrichten und einen deutschen Meister herausbringen. Paral.lel dazu wurde der Landesboxverband auf ihn aufmerksam und verpflichtete ihn ehrenamtlich für den Olympiastützpunkt in Heidelberg als Ju.gendwart sowie als Landestrainer für den Nach.wuchs. 2009 wurde Vlcek sogar hauptamtlicher Landestrainer.
Doch im Stich lassen wollte der Schwennin.ger seinen Heimatverein nicht, im Gegenteil: Er war maßgeblich daran beteiligt, dass im Jahr 2008 der Schwenninger Boxring – dem würt.tembergischen Boxverband zugehörig – und der Boxclub Villingen – dem badischen Boxverband
Oliver Vlcek bei der Betreuung eines seiner Schütz.linge im Boxring. Vom großen Erfahrungsschatz des Trainers profitieren die Nachwuchs-Boxer enorm.
zugehörig – zum Verein Boxing VS, der heute noch besteht, fusionierten. „Der Villinger Trainer Witali Tarassow und ich haben uns perfekt er.gänzt“, erinnert sich Vlcek, der sich als typischen „Doppelstädter“ sieht. 2009 folgte eine berufs.begleitende Trainerausbildung an der Kölner Trainerakademie.
Die sportlichen Erfolge und sein unermüd.liches Trainerengagement gaben Vlcek recht: 2012 klopfte der Deutsche Boxverband an und bat ihn um ein Engagement als Bundesstütz.punktleiter. „Ich habe lange überlegt und zuge.sagt. Aber es war ein Fehler. Die Arbeit einfach zuviel und mit Profis und Kindern zu gegensätz.lich“, sagt der Trainer rückblickend. Ende 2014 gab Vlcek den Vereinsvorsitz und die Landes.trainertätigkeit ab und widmete sich nicht nur dem Bundesstützpunkt, sondern wurde auch U15-Bundesnachwuchstrainer.
Olympia 2016: „Ich will fair gewinnen“
Das neue Ziel: Olympia 2016 in Rio de Janeiro, wofür sich vier deutsche Athleten vom Stützpunkt qualifizieren konnten. Doch aus einem Traum wurde – zumindest für Vlcek – ein Albtraum: Nicht, weil der Wettbewerb für die deutschen Boxer bereits in ihrem ersten Kampf zu Ende war. „Ich will fair gewinnen oder verlieren. Und das war bei Olympia eben nicht so“, erklärt der Trainer. „Wir sind rausgepunktet worden.“ Auch wenn das Miteinander der vielen unterschiedlichen Athleten eine tolle Erfahrung und ein beeindruckendes Sportfest gewesen sei, zeigt sich Vlcek zudem von den Bedingungen vor Ort enttäuscht: „Vieles ist einfach nicht so, wie es im Fernsehen rüberkommt, zum Beispiel die Unterbringung der Sportler.“
Mit in diese Erfahrung mag ebenso die Er.kenntnis spielen, die sich bei ihm bereits seit einiger Zeit angekündigt hatte: „Leistungssport ist nur eine Komponente, die sehr eingeschränkt wirkt. Für mich ist der Athlet keine Nummer, sondern ein Mensch. Und das geht über den rei.nen Sport hinaus.“
Integrationsprojekt „Fight for your life“
Nicht zuletzt deswegen hatte Vlcek bereits im Jahr 2014 über den Heimatverein Boxing VS und mithilfe des Landessportverbands das Integrationsprojekt „Fight for your life“ ins Leben gerufen, das Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund von der Straße in den Ring holen soll. 2017 erlebt es mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung des Boxverbands Baden-Württemberg, des Schwarzwald-Baar-Kreises sowie der Pro.Kids-Stiftung aus Villingen-Schwenningen eine Neuauflage. „Jeder Verein betreibt mittlerweile Integration, hat aber nicht die geeigneten Strukturen und Mittel.“ „Fight for your life“ sieht sich indes als niederschwelliges Angebot, um Kinder, deren gemeinsame Schnittstelle das Boxen ist, aus ihrer Problemlage zu holen und ihnen neue Perspektiven zu ermöglichen. Anlaufstellen, an die Vlcek und zwei weitere ausgebildete Trainer weitervermitteln, sind mitunter Jugendamt, Jobcenter, Ausbildungsbetriebe oder Schulen. Beim Training, das sechsmal pro Woche in der Villinger Steppachturnhalle sowie an der Schwenninger Friedensschule stattfindet, wird gekämpft, geschwitzt – und geredet. Hier sind zwei Brüder mit krimineller Vergangenheit
Olympia 2016 in Rio de Janeiro: eine Erfahrung, die Oliver Vlcek (links) nicht missen will. Rechts ein Teamkollege.
Für das Integrationsprojekt „Fight for your life“ findet Oliver Vlcek (Mitte links) mit MdB Thorsten Frei (CDU) (Mitte rechts) und Landrat Sven Hinterseh (links) wichtige Unterstützer. Zahlreiche Jugendliche profitieren nicht nur vom Boxtraining, sondern auch von der sozialen Hilfestellung, die ihnen gegeben wird.
anzutreffen, für die Vlcek Kontakt mit der Jugendgerichtshilfe aufgenommen hat. Da ist ein Syrer, für den der Trainer kurzerhand einen Ausbildungsvertrag bei einem Schwenninger Betrieb organisieren konnte. Oder ein 17-Jähriger mit ADHS, mit dessen Klassenlehrer Vlcek in regelmäßigem Kontakt steht. „Das Projekt ist mir eine Herzensangelegenheit“, fasst der 39-Jährige zusammen. Für sein soziales Engagement erhält er bereits Ende 2016 den Paul-Harris-Preis des Rotary Clubs Villingen-Schwenningen.
Den Black Forest Cup initiiert
Die Arbeit an der Basis, im Schwarzwald-Baar-Kreis, hat für Vlcek in den vergangenen Jahren eine immer größer werdende Bedeutung angenommen. So ist im Jahr 2014 auf seine Initiative der Black Forest Cup entstanden. Einmal im Jahr messen sich in der Schwenninger Deutenberghalle Nachwuchsboxer aus ganz Europa. „Damit können wir den Gästen unsere Region zeigen. Der Cup ist zum neuen Aushängeschild geworden.“ Mittlerweile sei es auch gelungen, die Veranstaltung über die europäischen Grenzen hinaus bekannt zu machen. An vier Tagen entwickle sich der Cup zu einem wahren Sportfest für die Teilnehmer. Im letzten Jahr hätten von 350 Boxern 300 in der Halle geschlafen. „Es ist ein wahnsinniges Miteinander.“
Schwenninger Deutenberghalle Nachwuchsboxer aus ganz Europa.
An einem entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben steht Oliver Vlcek im Jahr 2017: Die Leitung im Bundesstützpunkt ist mittlerwei.le abgegeben, auch als Bundesnachwuchstrai.ner zieht er sich zurück und will sich nur noch beim Landesverband als Sportdirektor engagie.ren. „In den vergangenen 17 Jahren war ich ei.gentlich nur unterwegs, manchmal drei Monate am Stück. Das soll nun anders werden“, meint der zweifache Vater selbstkritisch im Hinblick auf seine Familie. Momente wie diesen, wenn er mit seiner anderthalbjährigen Tochter Lea Alek.sa und seinem fünfjährigen Sohn Lennox Lewis durch den Garten seines Schwenninger Hauses tollt, gab es für Oliver Vlcek in der Vergangen.heit nicht oft. Alles habe durchgeplant werden müssen. Unterstützung, auch in schwierigen Zeiten, konnte Vlcek von seiner Ehefrau Marina Hermann, die seit 2005 Geschäftsführerin des Landesboxverbands ist, erfahren. „Sie war immer eine Art Konstante im Hintergrund“, erklärt er.
Der Schwarzwald – die Heimat
Trotz aller Verpflichtungen ist Vlcek seinen Wurzeln stets treu geblieben. Heimat, das bedeutet für ihn Familie, das ist aber auch der Schwarzwald.Baar-Kreis. Denn gegen die Auflage des Verbands, zu Zeiten des Bundesstützpunktleiters nach Heidelberg zu ziehen, habe er sich ganz bewusst entschieden: „Dafür bin ich hier viel zu sehr verwurzelt. Ich fühle mich einfach wohl, die Region ist nicht so überladen wie eine Großstadt.“ Mittlerweile genieße er es, zusammen mit seiner Familie ganz spontan in den Schwarzwald fahren zu können. „Ich mag das Klima. Ich bin ein richtiger Schwarzwälder“, meint der 39-Jährige und schmunzelt.
Dann fällt sein Blick auf den „Akkredi.tierungs-Baum“, der an einer Tür in seinem Kellerbüro hängt und die unzähligen Wett-kampf-Teilnahmen zeigt. „Zu jeder Akkreditie.rung gibt es eine Geschichte zu erzählen.“ Er kramt das Olympia-Ticket hervor. Vielleicht habe
Ich mag das Klima im Schwarzwald-Baar-Kreis. Ich bin ein richtiger Schwarzwälder, fühle mich hier einfach wohl.
die Erfahrung aus Rio auch seine Entscheidung,
sich sportlich auf seine Heimat zu konzentrie.
ren, beeinflusst, mutmaßt Vlcek. „Ich wäre auf
jeden Fall nicht der, der ich heute bin. Daher war es gut, dass ich dort war.“ Er betont, dass er gewiss keinen „Groll“ auf Olympia habe. So würde er auch keinem Sportler davon abraten, sich selber ein Bild von diesem Wettbewerb zu machen. „Vielleicht braucht es auch einfach ein, zwei Jah.re, bis ich das Ganze positiver sehe“, meint er.
Vorbild für die Jugend
Einen positiven Effekt gibt es auf jeden Fall jetzt
schon: die Wirkung, die er als ehemaliger Olympia-Trainer auf die
Jugendlichen beim Projekt „Fight for your life“ ausübt: „Kinder brauchen Vorbilder,
und ich merke, dass ich für sie ein Vorbild bin.“ Und auch wenn sich der 39-Jährige, der sich be.
scheiden, ja fast scheu gibt, erst noch an diese Funktion gewöhnen muss, kann er damit sein oberstes und ganz persönliches Boxziel noch schneller vermitteln: „dem Leben eine Linie geben.“
„Zu jeder Akkreditierung gibt es eine Geschichte zu erzählen“, sagt Oliver Vlcek. Der „Akkreditie.rungs-Baum“ hängt an einer Tür in seinem Büro und lässt erahnen, wie die Boxwettbewerbe sein Leben dominiert haben.
Katrin und Peter Sutermeister
Die „Kragestube“
Klack-klack-klack-klack. Zentimeter um Zentimeter schiebt sich der weiße Stoff durch den Metallrahmen. Klack-klack-klack-klack. Eine Falte nach der anderen entsteht, gleichmäßig, wie mit dem Lineal gezogen.
von Nathalie Göbel
A
us gut elf Metern fest gestärktem Baum.wollstoff entsteht ein stattlicher Narro.kragen… Aus 9,5 Metern ein Jugendkra.gen, aus 5,5 Metern ein Kragen der Triberger Teufel. Immer begleitet vom Geklacker der Plissiermaschine.
„Da braucht man schon einen Gehörschutz“, sagt Peter Sutermeister. Zusammen mit seiner Frau Katrin hat er die aufwändige Arbeit des Kragenmachens vor einem Jahr von seinen Eltern Gerlinde und Hans übernommen.
Am 11.11., wenn in den karnevalistisch orientierten Narrenvereinen die Saison beginnt, öffnet auch die „Kragestube“ ihre Türen. Ab dann herrscht im Hause Sutermeister Ausnah.mezustand. Und dieser steigert sich noch, wenn am Dreikönigstag die schwäbisch-alemannische Fasnet eröffnet wird.
Der neun Jahre alte Jan kann schon fast einen Narro.kragen in Jugendgröße tragen. Großmutter Gerlinde Sutermeister hat die praktische Messlatte geschaffen.
Spätestens dann kommen sie alle in die Kra.gestube – die Villinger Narros, die Glonkis, die Latscharis aus Kirchen-Hausen, die Brigachblätz.le und Schindelhansel. Und sie alle wünschen sich für die nächste Saison einen frisch aufberei.teten Kragen, um „Uff d’ Gass“ zu gehen.
In der Kragestube stehen dann Plissier-, Le.ge- und Nähmaschine nicht mehr still. Oder wie Jan, der älteste Sohn von Katrin und Peter Suter.meister, sagt: „Das ist ein Großfamilienjob.“ Der Neunjährige hilft oft mit und trennt die Kragen auf, die zum Waschen gebracht werden.
Zeitersparnis durch Tüftlergeist
Gut 30 Jahre ist es her, dass seine Großeltern Hans und Gerlinde Sutermeister die Kragestube eröffneten. Dass die aufwändige Kragenmacherei zumindest etwas weniger zeitintensiv von der Hand geht, ist dem Tüftlergeist Hans Sutermeisters zu verdanken.
Ganz unspektakulär zusammengerollt kommt der Kragenstoff daher: Es handelt sich um weiße Baum.wolle, mehrere Meter lang.
Der gelernte Elektromechaniker, früher bei Mannesmann-Kienzle tätig, hat sowohl die Plissier- als auch die Legemaschine konstruiert und die Teile an seiner eigenen kleinen Drehbank gefertigt. Auch eine Nähmaschine hat er so modifiziert, dass sie lediglich große, einzelne Stiche macht – perfekt, um die fertig gelegten Kragen zu fixieren. „Er hat in diesen 30 Jahren an seinen Maschinen praktisch jedes Jahr etwas verbessert“, weiß Katrin Sutermeister. So etwa einen Zählmechanismus eingebaut, der hilft, bei der Zahl der gelegten Bündel den Überblick zu behalten. Katrin Sutermeister, gelernte Physiotherapeutin und Mutter von drei Kindern, hat vor der Übernahme der Kragestube bei ihrem Schwiegervater hospitiert. „Viele denken ja, die Kragen kommen fertig aus der Plissiermaschine“, sagt die 35-Jährige und lacht. Von wegen: Bis aus einem unscheinbaren, mit viel Stärke versehenen Baumwollstoff ein schmucker Kragen entstanden ist, braucht es
„Einmal auftrennen und waschen, bitte“: Hier liegen schon einige Kragen bereit, die für die kommende Fasnet in Form gebracht werden müssen.
seine Zeit, auch wenn die Maschinen Marke Eigenbau wertvolle Dienste leisten.
„Sie sind einfach aufgebaut, aber laufen bis heute“, sagt Peter Sutermeister. Und wenn et.was mal nicht so rund läuft, bringt der Maschi.nenbauingenieur die besten Voraussetzungen
hat in 30 Jahren an seinen Maschinen praktisch jedes Jahr etwas verbessert. Hat sie auch selbst konstruiert und gebaut.
mit, um das Problem zu beheben. Für die in die Jahre gekommene Nähmaschine gibt es keine Ersatzteile mehr. Einen neuen Motor hat er den.noch organisieren können – allerdings musste dieser auch selbst programmiert werden.
Auch die Legemaschine hat Hans Sutermeister vor rund 30 Jahren selbst entwickelt und gebaut, hier wird der Stoff erst gefaltet anschließend abgeteilt.
Mit der Fasnet groß geworden
Dass das Herz der Sutermeisters für die Fasnet schlägt, verwundert wenig. Katrin Sutermeister
ist in der Hexenzunft groß geworden und war später in der Narrozunft aktiv, Peter Sutermeis.ter war „praktisch schon immer irgendwie när.risch“. Mit einem Vater, der in der Guggenmusik „Alte Kanne“ spielte und bei den Glonkis enga.giert war. Seit mittlerweile 30 Jahren gehört der 39-Jährige zur Wuescht-Gruppe, jenen mit Stroh fest ausgestopften Figuren im ramponierten Narro-Häs, über die es im Villinger Schunkellied heißt: „Am Schluss no kummet die Schönste.“ Ist das Wuescht-Häs nicht furchtbar unbequem? Peter Sutermeister lacht. „Es ist schon befrei.end, wenn man dann ohne Stroh nach Hause kommt. Aber dafür friert man nie.“
Viele Arbeitsschritte bis zum fertigen Kragen
Apropos frieren: Auch dem Kragenstoff wird eingeheizt, bevor er akkurat aufgefaltet die Narrenfiguren ziert. Wenn alle Nähte aufgetrennt wurden, werden die Stoffbahnen zunächst bei 90 Grad gewaschen. Manche Kunden waschen selbst, andere lassen ihren Kragen schon zum Waschen in der Kragestube. 30 Euro kostet das Kragen richten, mit Waschen fünf Euro mehr, das Auftrennen kostet zwei Euro.
Nach dem Trocknen – nur an der Luft, in den Wäschetrockner darf der Stoff nicht – werden die Kragen in der Wäscherei Grießhaber ge.stärkt und gemangelt. „20 Kilo Stoff müssen wir für einen Durchgang beisammen haben“, sagt Katrin Sutermeister.
Sonst lässt sich das korrekte Mischverhält.nis der Stärke nicht herstellen – und es braucht eine Menge Stärke, damit die Kragen auch gut halten. Schließlich müssen sie das ein oder an.dere Schneegeriesel ebenso überstehen wie Ge-
Oben: So lang ist ein Narrokragen: Jan, Peter und Kat.rin Sutermeister mit gut elf Meter Baumwollstoff. Mitte links: Katrin Sutermeister hat an der Plissierma.schine Platz genommen, wo sich viele Meter Baum.wollstoff in wenige Meter Kragen verwandeln. Mitte rechts: Die Nähmaschine macht nur einzelne, große Stiche – so wird der Kragen perfekt fixiert. Unten: So sehen die gelegten Bündel aus.
20 Kilo Stoff müssen wir für einen Durchgang beisammen haben.
dränge in den Stüble. „Die meisten Narros haben zwei Kragen“, weiß Katrin Sutermeister. Gleichwohl gibt es auch Narren, die weitaus mehr Exemplare ihr Eigen nennen, andere besit.zen nur einen, weil sie nur bei gutem Wetter ins Häs gehen. Eine nasse Fasnet, wie 2017, dämpft nicht nur das Vergnügen, sondern verursacht auch ganz konkrete Probleme: Die Kragen be.ginnen im schlimmsten Fall zu schimmeln, ist Stärke doch ein Naturprodukt.
Häufig überdauern die Kragen aber Jahr.zehnte – und werden von einer Generation an die nächste weitergegeben. Oft ist es die Groß.mutter, die mit einer großen Tüte voller Stoff bei den Sutermeisters steht und später die fertigen Schmuckstücke an die Familienmitglieder ver.teilt.
Gestärkt und aufgerollt kommen die na.mentlich gekennzeichneten Stoffbahnen aus der Wäscherei zurück in den Erikaweg. Dann beginnt die eigentliche Arbeit – und der „Groß.familienjob“ kann beginnen. „Dann sind alle eingespannt“, erzählt Katrin Sutermeister, die sich unterm Jahr um die Verwaltung im Kosme.tikstüble ihrer Mutter kümmert und nebenbei außerdem ein Fernstudium in Präventions- und Gesundheitsmanagement absolviert.
Eine aufregende Zeit beginnt
Für die drei Kinder der Familie – neben dem neunjährigen Jan, der sieben Jahre alte Nick und die vierjährige Ella – beginnt dann eine aufregende Zeit, wenn im Untergeschoss die Plissiermaschine rattert und der „Großfamilienjob“ beginnt.
Zur Hausaufgabenbetreuung kommt dann Großmutter Marlene ins Haus und auch die Cousinen Annabelle, Amelie und Adele gehen ein und aus, weil deren Eltern Manuela und Stefan Schölzl wiederum ebenfalls mithelfen, wann sie können. „Für die Kinder ist das toll. Un.term Jahr ist das Haus ja nicht dauernd so voll“, sagt Peter Sutermeister. Schwiegervater Alfons Honer nimmt auch mal an der Theke Kragen an, Vater Hans steht mit Rat und Tat zur Seite – sodass am Ende der Saison auch alle Kunden zufrieden mit ihren Kragen nach Hause gehen können.
„Da ist schon die ganze Familie eingespannt“, sagt Katrin Sutermeister. Hinzu kommt eine Mitarbeiterin: Die fertigen Kragen werden von Claudia Kreidler routiniert zusammenge.knüpft – sie war zuvor bereits seit 15 Jahren in der Kragestube von Hans und Gerlinde Su.termeister dafür zuständig. Die Übernahme der Kragestube von den Eltern und Schwieger.eltern hatten Katrin und Peter Sutermeister so eigentlich nicht geplant. „Meine Eltern
Man geht mit diesem Fachwissen schon anders in die Fasnet. Man schaut sich die Kragen genauer an.
wollten das Geschäft nicht mehr bei sich zu Hause haben. Sonst wird man es nicht los“, erinnert sich Peter Sutermeister an die ersten Rückzugsüberlegungen seiner Eltern.
Zunächst hatte seine Schwester Heike über.legt einzusteigen, was aber aus beruflichen Gründen – sie ist mit ihrem eigenen Geschäft Hihola House & Garden in der Südstadt selbst.ständig – wieder verworfen wurde. Also musste ein neuer Plan her. „Letztlich haben wir gesagt: Wenn wir den Keller rechtzeitig zur Saison trocken und saniert bekommen, machen wir es“, blickt Peter Sutermeister zurück. Und tat.sächlich waren die Arbeiten rechtzeitig beendet und aus der ehemaligen Einliegerwohnung ist die Kragestube geworden – mit allem, was es braucht: Einer Annahmetheke, Räume für die Maschinen und nicht zuletzt viele Meter Regal.bretter, auf denen die Kragen auf ihre Abholung warten.
Dafür gehen im Herbst die Bestellungen an den Großhandel hinaus: Nähfaden, Bändel und viele Meter Stoff werden geordert.
Wenn dann am Mittwoch vor dem „Schmot.zigen“ wirklich alle Kragen abgeholt sind, kön.nen sich auch die Kragestube-Chefs auf die när.rischen Tage freuen. „Man geht schon anders in die Fasnet. Man schaut sich die Kragen genauer an“, sagt Katrin Sutermeister. Was den teils doch stressigen „Großfamilienjob“ erleichtere: „Die Leute sind sehr dankbar, dass man ihnen diese Arbeit abnimmt und bringen die Kragen gerne her. Das motiviert.“
Villinger Narro mit prächtigem Kragen.
„Weil ich mich nicht gewöhnen will …“
Er ist angekommen, nicht irgendwie und auch nicht irgendwo: Zielstrebig, im Kabarett, auf der zeit- und sozialkritischen Kleinkunstbne, im Fernsehen, ein Kstler, ganz oben.
D
eutscher Kleinkunstpreis, Bayerischer Kabarettpreis, Nordrhein-Westfälischer Kleinkunstpreis, Kleinkunstpreis Ba.den-Württemberg, Mindener Stichling, Thürin.ger Kleinkunstpreis, Schweizer Kabarett-Preis Cornichon 2017 – und das ist noch nicht mal alles. Im Fernsehen ist er präsent als Gast bei den ganz Großen des Kabaretts – heute auch selbst ein Macher-Gastgeber. In Niedereschach ist er aufgewachsen, vor 47 Jahren als Sohn des Bürgermeisters Otto Sieber geboren – wir reden von Christoph Sieber.
Grundschule Niedereschach, Gymnasium am Hoptbühl in Villingen und dann? Was wird er machen, der Sohn vom Schultes? Ein sozialer Beruf lag nahe, weil z.B. in der Katholischen Jungen Gemeinde engagiert, sozial eingestellt eben. Nein, er will Pantomime studieren! Nichts bringt ihn davon ab.
1991 bis 1995 studiert er Pantomime und Schauspiel an der Folkwang-Hochschule, heute Folkwang Universität der Künste. Sein Pro.gramm zur Abschlussprüfung „Abgeschminkt“ wird 2015 mit dem Baden-Württembergischen Kleinkunstpreis ausgezeichnet.
„Alle Pantomimen können schweigen, ich nicht!“ – so wird er ein Meister des Wortes, sei.ne Programme heißen denn also „Das gönn´ich euch!“, „Hoffnungslos optimistisch!“, „Alles ist nie genug!“, „Jeder ist ein Deutscher – fast überall!“, „Sie haben mich verdient!“ – da wird ein jeder neugierig: Die Würde des Menschen ist unantastbar – es lebe der Konjunktiv! Das Blatt vor dem Mund ist chancenlos, wie es in seinen Programmen heißt.
Es gibt Kabarettisten, die kommen gut im Fernsehen, Christoph Sieber live erleben über.trumpft seine Auftritte im Fernsehen – mit Sicherheit der Ausbildung in Pantomime und Schauspiel geschuldet.
Christoph Sieber, man könnte meinen, der Name sei Programm: Wahrheit von Lüge tren.nen, ein richtiger „Sieber“? Er wehrt sich gegen diese Schwarzmalerei: „Jeder beansprucht die Wahrheit und bezichtigt den andern der Lüge.“ Die Wahrheit ist vielschichtig – Sieber spricht in seinen Programmen die Wahrheiten an, die sonst weniger zur Sprache kommen und zwar so, dass man darüber lachen kann. Oder einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Die Herkunft nie verleugnet
Sprechen im Dialekt? Die Färbung ist heraus-hörbar: „Ich sehe keinen Grund, meine Herkunft zu verleugnen. Meine sprachliche Färbung ist auch schon dem Hessischen, dem Sächsischen und dem Holländischen zugeordnet worden. So gesehen bin ich ein Sprachentalent!“
Für Christoph Sieber ist es ein Geschenk, in der Provinz aufgewachsen zu sein. Das habe ihn geerdet, bei allen Erfolgen bleibt er so auf dem Teppich. „Ich bin aus der Provinz, ohne Entschul.digung.“
In der Heimat aufzutreten ist nach wie vor et.was Besonderes für ihn – man kennt sich, schaut sich an und denkt: Ganz schön alt geworden. Ob Hamburg, München oder Niedereschach – das mache letztlich keinen Unterschied: „Außer, dass Niedereschach natürlich nicht ganz so provinziell ist wie München oder Berlin.“
Der Schwarzwald, die Baar sind Heimat für den Kabarettisten von Welt – hier ist er ein
20 Jahre lebe, bin ich in zweiter Ehe verheiratet. Zum Glück musste ich mich dafür nicht vom Schwarzwald scheiden lassen.
Heimischer: „Mit Köln, wo ich jetzt schon fast 20 Jahre lebe, bin ich in zweiter Ehe verheiratet. Zum Glück musste ich mich dafür nicht vom Schwarzwald scheiden lassen“, unterstreicht der Künstler.
Der Vater Otto Sieber war 40 Jahre Bürgermeister in Niedereschach, die Politik hat Chris.toph Sieber somit hautnah erlebt. Da bleibt nicht viel Wahl: In die CDU eintreten oder in die Opposition gehen – Sieber hat sich für letzteres entschieden. Er war im Trachtenverein, Ober.ministrant, im Musikverein, hatte eine behü.tete Kindheit, Drogen und andere Sachen kein Thema – vom Messwein mal abgesehen. Mit Naivität an bestimmte Dinge heranzugehen, habe ihm am Anfang sehr genutzt: „Zum Panto.mimenstudium hätten sie mich wahrscheinlich nicht zugelassen, wenn ich nicht so unver-
Christoph Sieber 1994 als Schauspieler in „Die letzten Tage der Menschheit“ und 2017 in der ei.genen Late Night Show „Mann Sieber!“ im ZDF.
braucht gewesen wäre. Der Kulturschock war dafür natürlich umso heftiger.“ Die Neugier hat er sich bewahrt – bis heute ist diese eine seiner größten Antriebsfedern.
Die Großstadt braucht er nicht unbedingt, viele seiner Kolleginnen und Kollegen suchen die Ruhe in der Provinz. An Informationen ge.langt man schließlich übers Internet oder – man höre und staune – findet diese auch in einem Buch. Sieber „lebt gerne in der Großstadt, auch wenn ich gar nicht oft ausgehe. Zu wissen, dass ich es könnte, reicht mir schon.“
Straßentheater, Maskentheater, Clown – sehnt er sich nach den Anfängen? „Eher weni.ger. Ich bin froh, dass ich vorangekommen bin. Ich richte den Blick auf das, was noch kommen mag: Ein neues Bühnenprogramm oder eine neue Staffel von „Mann Sieber!“ Und Theater spielen wollte ich eigentlich auch mal wieder. Oder ich schreibe ein Buch oder laufe endlich mal einen Marathon. Straßentheater mache ich dann wieder mit 80. Oder ich werde halt doch noch Bürgermeister in Niedereschach. Und das ist durchaus als Drohung gemeint.“ Er ist halt ein echter Schwarzwald-Baar-Kreisler, der Christoph Sieber.
Simone Jung
Ihr Lebensmittelpunkt ist ein Museum
Es sind ihre quirligen braunen Locken, ein offener Blick und die Art, wie sie zugleich ruhig und aufgeweckt auf dem breiten Sofa sitzt, die Simone Jung zu einem interessanten Gegener machen. Sie spricht von Leidenschaft, von Weltoffenheit und von Zufriedenheit – schon nach kurzweiligen und manchmal auch atemlosen acht Jahren ist zu spen, dass Jung, die gebtig aus Kirchen/Sieg kommt, auf der Baar eine zweite Heimat gefunden hat.
Von Madlen Falke
E
s braucht nicht lange, um zu erfahren, dass ihr Dreh- und Angelpunkt ein ganz bestimmter Ort ist: Das Museum Art.Plus in Donaueschingen ist der Lebensmittelpunkt der 45-Jährigen. Sie leitet das Kunstmuseum, das von Kunstsammlerin Margit Biedermann gegründet wurde, von Beginn an. Ihre Kreativi.tät und Ideen sind in die Entstehung des Hauses mit eingeflossen.
Eine Aufgabe, die sie von der Staatsgale.rie Stuttgart in die Provinz gelockt hat? Jungs Augen verengen sich, ihre rechte Augenbraue zuckt kurz nach oben. Die Antwort lautet Ja und Nein. ‚Ja‘, die Aufgabe hat sie in die alte Residenzstadt Donaueschingen gebracht und ‚Nein‘, von Provinz will sie nichts wissen, denn als diese empfindet sie die Quellstadt im Quel.lenlandkreis keineswegs. „Ganz im Gegenteil sogar. Die Welt ist in dieser kleinen Stadt zu Gast – im Grunde sogar Tag für Tag“, gibt sie enthusiastisch ihre Eindrücke wieder. Nicht nur im Museum für zeitgenössische Kunst, sondern auch an der Donauquelle, beim Reitturnier, den Windhundtagen und nicht zuletzt bei den Donaueschinger Musiktagen. Die Stadt ist in den Augen der Museumsleiterin lebendig und mit einem ungewöhnlichen kulturellen Bewusstsein ausgestattet.
Mischung aus Weltoffenheit, Kultur.reichtum und der kleinstädtischen Übersichtlichkeit sorgen bei Simone Jung für Zufriedenheit.
Genau diese bunte Mischung aus Weltoffen.heit, Kulturreichtum und einer kleinstädtischen Übersichtlichkeit sorgen bei Simone Jung für Zufriedenheit. Es ist aber auch die Arbeit, die ganz spürbar ihre Leidenschaft ist. Ein ‚nine-tofive-job‘ ist undenkbar für die studierte Kunst.wissenschaftlerin. „Als das Museum noch in den Kinderschuhen steckte, waren die Tage lang
und aufregend. Das gehört dazu, auch wenn nicht mehr so intensiv wie zu Beginn. Denn Kunstvermittlung, die mir sehr am Herzen liegt, Netzwerke knüpfen und den Austausch suchen, das lässt sich nicht in ein starres Arbeitszeiten.modell pressen. Dazu gehört, dass ich auch zu unüblichen Zeiten arbeite“, erklärt Jung. Es ist die Leidenschaft für die Kunst, die Simone Jung antreibt.
Eine Passion, die sie nicht in die Wiege ge.legt bekommen, sondern vielmehr im Jugendal.ter entfaltet hat. Zunächst Grafik und Malerei wecken in ihr den Impuls nach einem eigenen künstlerischen Ausdruck. Fragen darüber, wie Bilder entstehen und was Bilder wollen, führen sie an die Philips-Universität nach Marburg. Dort studiert sie Kunstgeschichte, Medienwis.senschaft, Grafik/Malerei. In Karlsruhe geht sie an der Hochschule für Gestaltung in der Kunst.wissenschaft, Philosophie und Ästhetik sowie der Malerei den eigenen Fragen auf den Grund. Während des Studiums absolviert sie diverse Praktika in Museen, darunter auch die Natio.nalgalerie in Berlin. Das Studium schließt sie als Magistra der Kunstwissenschaft ab. Gleich da.nach folgt ein Stipendium an der Kunststiftung Baden-Württemberg in Stuttgart. Sie ist als Kuratorin und als freie Kunstwissenschaftlerin tätig und leitet schließlich den Kunstklub an der Staatsgalerie Stuttgart, bevor es sie in den Schwarzwald-Baar-Kreis verschlägt.
Es ist ihr Beruf, bei dem sie ihren Ideen Raum geben, ihre künstleri.sche Ader ausleben kann.
Ihrer Kreativität kann sie bis heute nach.kommen, allerdings nicht mehr selbst so häufig zum Pinsel greifen. Es ist ihr Beruf, bei dem sie ihren Ideen Raum geben, ihre künstlerische Ader ausleben kann. Denn solch ein Museum ist auch heute noch kein Selbstläufer, es muss weiter bekannt gemacht werden, es muss ge.worben werden, Vorurteile abgebaut und Türen geöffnet werden. Wie das gelingt, dazu hat Si.mone Jung viele Einfälle – von der Mittagspau.sen-Kurzführung, dem Kinderkunstworkshop, dem Abendangebot Art+Talk und vielem mehr. Die Möglichkeiten, die ihr dieses Museum bie.tet, sind so vielfältig, dass es Jung noch lange nicht langweilig werden dürfte. „Wir machen das, was wir gut finden. Wovon wir glauben, dass es die Menschen erreichen kann“, so die Museumsleiterin.
Wurzeln geschlagen
In der Stadt, in der sich die Donau auf ihre lange Reise begibt, fühlt sie sich angenommen. Das fiel der dynamischen Frau auch nicht besonders schwer. „Das liegt zum einen daran, dass man in dieser beruflichen Funktion in gewissem Ma.ße automatisch ein Stück in der Öffentlichkeit steht und deshalb auch schneller mit Menschen in Kontakt tritt, zum anderen hat das auch da.mit zu tun, dass es von Beginn an ein Ziel des Museums war, sich nach außen hin zu öffnen, zu kooperieren, Gemeinsames mit anderen zu schaffen. Wir wollten kein abgeschottetes, eli.täres Haus sein. Wir wollen uns in die Stadt ein.bringen“, erklärt die 45-Jährige. Das ist nicht nur dem Museum gelungen, das ist auch Simone Jung gelungen. So schlägt Jung nicht nur beruf.liche Wurzeln, auch im privaten Bereich haben sich Freundschaften zu echten ‚Eschingern‘ ge.bildet. Und auch die eigenen Mitarbeiter sorgen dafür, dass sich das kleine Museumsteam für Jung beinahe anfühlt wie eine große Familie. Wenn die Frau mal nicht am Schreibtisch sitzt oder durch die aktuellste Ausstellung führt, geht es bei Jung oft sportlich zu. Joggen, Wan.dern, Radfahren – alles, was sich in der Natur abspielt, ist für sie eine echte Freude.
Gerade in den ersten Jahren hat sie die Regi.on vor allem mit dem Rad erkundet. „Ich muss regelmäßig raus, Bewegung ist mir sehr wichtig. Als ich mich entscheiden musste, wo mich mein beruflicher Weg hinführen sollte, war auch ein Gedanke, etwas im sportlichen Bereich zu ma.chen“, erinnert sie sich. Den oberen Donaurad.weg nach Sigmaringen hat sie sich erst kürzlich
Simone Jung vor dem Museum Art.Plus – ihrer Wirkungsstätte.
vorgenommen. Denn gerade auch die Donau und der damit verbundene Zwist zwischen Furtwangen und Donaueschingen darüber, wo nun tatsächlich der zweitlängste Fluss Europas entspringt, faszinieren sie.
Und in der Region warten auf die Sport.begeisterte noch viele Möglichkeiten, um sich auszupowern, was es ihr noch einfacher macht, anzukommen und heimisch zu werden. Ruhe und Energie tankt sie auf einer Bank am Wal.desrand, wo diese sich genau befindet, will sie aber lieber für sich behalten. Es soll dort schließ.lich ruhig bleiben. Sich selbst beschreibt sie als „rechtshirnig“, sie sei eine eher emotional und intuitiv gesteuerte Person, die sich im berufli.chen Alltag jedoch soweit diszipliniert hat, dass Planung und Organisation selbstverständlich geworden sind.
Begeistert von Donaueschingen, von einer überaus interessanten Region
Beruflich schaut die Museumsleiterin auch ger.ne hin und wieder über den Tellerrand hinaus. So hat das Museum gemeinsam mit dem Rott.weiler Bildhauer Jürgen Knubben und anderen Kunsthäusern in der Region einen Führer mit dem Titel „Kunst der Gegenwart in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg“ veröffentlicht, der einen Überblick über die Museen und Kunstprojekte in der Region gibt. Dieser zeige auf, so Jung, wie interessant diese Region sei. Donaueschingen jedoch steche in Sachen Kunst und kulturellem Angebot aus ihrer Sicht her.aus. Und das meint die Museumsleiterin nicht allein wegen des Museums Art.Plus, sondern aufgrund des vielfältigen Angebots, das eben die Welt jedes Jahr aufs Neue nach Donaue-schingen bringe. Jung ist gewissermaßen zur Donaueschingerin geworden, das zeigt ihre Begeisterung für diese Stadt. Und der Stolz, den die Donaueschinger laut ihrer eigenen Einschät.zung hätten, schwingt auch in ihren Worten mit, wenn es um die Stadt geht.
Verwirklichung ihrer Ideen und Vorstellungen und nicht um Effizienz. Kunst machen heißt auch das Scheitern einzukalkulieren.
Was fasziniert Simone Jung an ihrem Beruf? „Es geht den Künstlern um die Verwirklichung ihrer Ideen und Vorstellungen und nicht um Effizienz. Kunst machen heißt auch das Schei.tern einzukalkulieren. Dazu benötigt es Aus.dauer, davor habe ich große Achtung. Etwas zu erschaffen, ohne vorher zu wissen, wie viel Anerkennung das Werk erhalten wird. Es geht einfach um die Sache, um das Tun. Jung schätzt auch den Kontakt zu den unterschiedlichsten Künstlern. „Wenn ich mich mit Künstlern treffe, hat das mittlerweile etwas Selbstverständliches, auf Augenhöhe. Das mag ich und dank meiner Arbeit habe ich ja auch sehr oft die Gelegenheit zum Austausch“, berichtet Jung. Und auch wenn sie viel Zeit am Schreibtisch verbringen müs.se, für die Weiterentwicklung des Hauses mit verantwortlich zu sein, ein Museum zu leiten, das sich auch in der Kunstvermittlung aktiv einbringt, das lässt es für Jung einen Traumjob sein.
In die Zukunft zu blicken, müsse aus ihrer Sicht auch stets mit einem Rückblick verbunden werden. „Dazu gehört zu reflektieren, was ist gut gelaufen, was haben die Menschen gut an.genommen. Denn gegenüber einem Museum bestehen immer noch Ängste und Vorurteile, deshalb wollen wir nicht nur Ausstellungen zeigen, sondern mit unseren Besuchern aktiv umgehen, mit ihnen im Austausch sein“, be.richtet sie. Dieses Museum empfindet Jung als einen Organismus, der sich weiterentwickelt und ständig im Fluss ist, was fast schon verhei.ßungsvoll klingt, wenn man die Lage des Hauses in direkter Nähe zur Donauquelle sieht – dem Fluss, der die Stadt weit über seine Stadtgrenzen hinweg bekannt macht.
Siegfried Kaltenbach
Ein Leben f den Skisport und den Wald
Vielleicht war es ja kein geringerer als Olympiasieger Georg Thoma, dem der Schonacher Scher und talentierte junge Skilangläufer Siegfried Kaltenbach nacheifern wollte, als in ihm die Idee reifte, Postler zu werden.
von Wolf Hockenjos
Geboren 1945 nur wenige Monate nach Kriegs.ende, begann für den vierzehnjährigen Siegfried Kaltenbach der Ernst des Berufslebens in Triberg als „Postjungbote“. Was bedeutete, dass das Briefeaustragen zunächst noch einher ging mit dem Besuch der Villinger Kaufmännischen Han.delsschule und der Postfachschule. Zwei Jahre später war er Postschaffner und damit Beamter auf Zeit. Das war schon mal was, denn daheim auf dem Wittenbachhof mussten viele Mäuler gestopft werden. 1957 war die Mutter plötzlich verstorben und sieben Kinder wollten versorgt sein. Die Post empfahl sich dem Schüler Sieg.fried nicht nur aus Versorgungsgründen: Sportler sahen sich dort gut aufgehoben, wie die Bei.spiele Georg Thoma, Oskar Burgbacher, Helmut Eschle oder auch Adolf Seger zeigten, allesamt Briefträger und zugleich national wie internati.onal erfolgreiche Sportgrößen – dank großzügi.ger Unterstützung durch den Arbeitgeber.
Die Entdeckung der Erholungsfunktion der Wälder und der Beginn der Langlaufbewegung
Und dennoch entschloss sich der Siebzehn.jährige plötzlich, den sicheren Postdienst zu quittieren und nochmals eine Lehre anzutreten: Er wechselte in den Waldarbeiterberuf. Was könnte es für Gründe dafür gegeben haben? Dass auch der „Gold-Jörgle“ schon mal im Wald gearbeitet hatte, der soeben in Squaw Valley die Goldmedaille in der Nordischen Kombination errungen hatte, konnte wohl nicht den Ausschlag gegeben haben für den überraschenden Schritt. Und die Waldberufe hatten sich bis dahin nicht eben als sonderlich sportfreundlich empfohlen: Imagepflege mit leistungssportlichen Aushängeschildern war der Forstverwaltung fremd, wo doch der Andrang in die Forstlaufbahnen den Personalbedarf bei weitem überstieg. Ein Lied davon konnte bereits Siegfrieds älterer Bruder Viktor singen, der es zum Forstwart gebracht hatte, auch er ein viel.versprechender Nachwuchslangläufer, der in der deutschen Spitze mithalten konnte. Doch mangels Unterstützung bei der Freistellung für Trainings- und Wettkampfaufenthalte hatte er sich gezwungen gesehen, seine Sportkarriere vorzeitig zu beenden.
Immerhin zeichnete sich bei der Forstpartie gerade ein Wandel ab: In den 1960er-Jahren hatte man die Erholungsfunktion der Wälder entdeckt, denn die Aktiverholungswelle war von den USA nach Deutschland herüber geschwappt. Es war die Zeit, als in den stadtnahen Wäldern allenthalben Trimm-dich-Pfade angelegt wurden. Nach Georg Thomas Olympiasieg waren Volksskiläufe und in deren Folge auch die Wintererholung in den Blickpunkt der Forstverwaltung gerückt: Skilanglauf war plötzlich kein Hinterwäldlersport mehr, er wurde jetzt zunemend auch von der städtischen Wohlstands.gesellschaft entdeckt. Und den winterlichen Ausdauersport galt es zu fördern, vorneweg der Volksgesundheit zuliebe, waren mit dem stei.genden Wohlstand doch auch die Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Mortalitätsstatistiken an die vorderste Stelle gerückt.
Erste Erfolge im Forstbiathlon und im Skilanglauf
Allein schon aus Gründen des Artenschutzes und der Jagd musste der neue Volkssport jedoch
Skilanglauf war plötzlich kein Hinter.wäldlersport mehr, er wurde jetzt zunehmend auch von der städtischen Wohlstandsgesellschaft entdeckt.
gesteuert, ja, von den Förstern mitgestaltet werden, schon um den im Winter besonders störungsanfälligen Wildtieren Stress zu erspa.ren. Mit Fördermitteln der Forstverwaltung und mit Know-how, das interessierten Forstbediens.teten zuvor in speziellen Lehrgängen vermittelt worden war, machte man sich daran, die ersten Langlaufzentren im Schwarzwald ins Leben zu rufen, so auf dem Thurner, auf der Martinska.pelle, auf dem Notschrei und am Belchen. Doch dabei hatte sich rasch herausgestellt: Skisport.licher Sachverstand, erst recht die Fitness des eigenen Personals, erforderten eine engere Ver.bundenheit mit dem Sport, tunlichst auch ein regelmäßiges Ausdauertraining. Dieses wieder.um bedurfte, vor allem für die körperlich schwer arbeitenden Waldarbeiter, einer zusätzlichen Triebfeder: des Wettkampfs.
Diese Erkenntnis, gewonnen auch aus skandinavischen Betriebssport-Beispielen, führte im Jahr 1969 auf dem Herzogenhorn zur Austragung der ersten internationalen Skiwettkämpfe für Förster, Waldarbeiter und Waldbesitzer. Abends, bei der Siegerehrung im traditionsreichen Todtnauer Ochsen, wo einst der erste deutsche Skiclub gegründet worden war, wurde als Sieger und Tagesschnellster des „Forstbiathlons“ (einer Kombination von Ski.langlauf und jagdlichem Kleinkaliberschießen) der Forstlehrling Siegfried Kaltenbach gefeiert. Der war in diesen Jahren auch sonst noch in der Loipe erfolgreich: als mehrfacher Deutscher Jugendmeister, Deutscher Juniorenmeister und als Schwarzwaldmeister im Skilanglauf.
Neunundvierzig Jahre nach jenen ersten Europäischen Forstlichen Nordischen Skiwett.kämpfen (EFNS) auf dem Herzogenhorn im Februar 2017 sollte sich die grüne Zunft im letti.schen Biathlonzentrum Madona messen, auch diesmal wieder mit über 600 Teilnehmern aus fast allen europäischen Nationen. Und wieder hieß der Sieger Siegfried Kaltenbach, aufgerückt derweil in die Klasse der über 70-Jährigen. Mit sei.ner famosen Klassenbestzeit hätte er freilich auch in den jüngeren Altersklassen noch Spitzenplätze belegt – so wie bei zahllosen Wettkämpfen in den Jahrzehnten zuvor. Nur die Haare auf dem Kopf und der Schnurrbart waren inzwischen grauer geworden, ansonsten rannte er noch immer wie ein Junger. Wetten, dass er auch im kommenden Winter im Südtiroler Antholz beim 50-jährigen Jubiläum der Veranstaltung wieder ganz vorne mitmischen und zugleich als Techni.scher Delegierter fungieren wird?
Gleichermaßen bewandert in Forst-, Sport- und Artenschutzfragen
Damals, anfangs der 1960er-Jahre, hatte der junge Hupfer seine Liebe zum Wald entdeckt, sodass ihm der Umstieg vom Postbeamten in den Waldarbeiterberuf und weiter in die Ausbildung für die mittlere Forstlaufbahn nicht schwerfiel. Den Beruf des Försters wollte er von der Pike auf erlernen, und so meisterte er 1971, nachdem auch der Wehrdienst noch absolviert war, die Forstwartprüfung. Als frischgebackener Forstwart versah er zunächst den Revierdienst im damaligen Forstbezirk Schönau, doch schon im Jahr darauf bewarb er sich, der besseren winterlichen Trainingsbedingungen wegen, um das Revier Katzensteig im Forstamt Furtwangen. Dass ihm der Absprung aus dem Wiesental in die Hochburg der mittelschwarzwälder Skilang.läufer so rasch und reibungslos gelang, verdank.te er nicht zuletzt einem gewichtigen Fürsprecher: dem damaligen Furtwangener Bürger.meister und Finanzausschussvorsitzenden Hans
Ob beim Bregtallauf (links unten), beim Interview mit Miriam Behringer oder bei den forstlichen Skiwett.kämpfen: Siegfried Kaltenbach ist auch heute noch mit Energie dabei.
Frank MdL. Dessen Wünschen mochte sich auch in der Forstverwaltung niemand verschließen. Überdies stand bei der Freiburger Forstdirektion ein personeller Wechsel an: Forstpräsident wurde Erwin Lauterwasser, im Ehrenamt alsbald Vizepräsident des Deutschen Skiverbands, der sich, noch als Todtnauer Forstamtsleiter, besonders um die forstlichen Skiwettkämpfe verdient gemacht hatte. „Was lag näher“, so schrieb Lau.terwasser zurückblickend als Vorsitzender des DSV-Umwelt-Beirats in seinem Leitfaden Ski.sport und Umwelt, „als dass die Forstverwaltun.gen … von vornherein versuchten, die Langläufer dorthin zu lenken, wo die Konfliktsituationen mit der Natur am geringsten erschienen, und somit gewährleisteten, dass genügend Ruhe- und Schutzbereiche verschont wurden.“ Gefragt waren da Forstbeamte vom Schlag des Katzen.steiger Revierleiters, gleichermaßen bewandert in Forst-, Sport- und Artenschutzfragen.
Forstberuf und ehrenamtliches Engagement im Einklang
Über 37 Jahre sollte Siegfried Kaltenbach schließlich das Forstrevier Katzensteig leiten; zu seinen Dienstaufgaben gehörte, auch noch nach etlichen Reformen, die Betreuung des Langlauf.zentrums auf der Martinskapelle. Inzwischen hatte er längst auch den Aufstieg von der mitt.leren in die gehobene Forstlaufbahn geschafft und darüber hinaus zahlreiche Sonderfunktio.nen übernommen: als Prüfer an der Gengenba.cher Waldarbeitsschule, als Maschineneinsatzleiter, als örtlicher Personalratsvorsitzender, als Mitglied des Bezirkspersonalrats bei der Frei.burger Forstdirektion wie auch als Mitglied des Landesvorstands der berufsständischen Orga.nisation des Bundes Deutscher Forstleute. Sieg.fried Kaltenbach schien es mühelos zu gelingen, Forstberuf und ehrenamtliches Engagement mit seinen sportlichen Ambitionen in Einklang zu bringen. Was in den 1960er-Jahren mit der Teilnahme an in- und ausländischen Trainings.lagern und Wettkampfreisen begonnen hatte, was sich sodann fortsetzte in regelmäßigem Fitnesstraining des Freizeitsportlers auf den Heim.loipen um die Martinskapelle, im Ehrenamt als
Winter wieder läuft und läuft, dass er im Weißenbachtal bei fehlendem Schnee die Schneekanone in Stellung bringt, wenn die Skiroller oder das Mountainbike vom Schneetraining abgelöst werden.
Funktionsträger im Schwarzwälder Skiverband und für den Schwarzwälder Skimarathon wie für die Arbeitsgemeinschaft Skiwanderwe.ge Schwarzwald e.V., als Organisator für das Langlaufzentrum auf der Martinskapelle, für die Biathlonanlage und deren Förderverein im Wei.ßenbachtal und für das Furtwanger Skiinternat (SKIF): All dies hinderte ihn nicht daran, seinen Beruf vorbildlich auszuüben – seine Energie schien unerschöpflich!
Bei so viel Tatkraft, bei so viel Liebe zum Beruf und zum Wald, mag es manchen Kol.legen überrascht haben, dass sich Siegfried Kaltenbach mit Dreiundsechzig in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedete. Dass er einen gesundheitlichen Nackenschlag zu verkraften hatte, bekam kaum einer mit. Seiner Lauf- und Lebensfreude konnte die Erkrankung freilich nur kurzzeitig Abbruch tun, schon gar nicht seinem Engagement für den Schwarzwälder Skinach.wuchs. Mit eiserner Diätdisziplin und mit der ihm eigenen Energie war er im Winter 2008/09 schon wieder bei den forstlichen Skiwettkämpfen erfolgreich.
So verläuft denn der Ruhestand im Furtwan.ger Eigenheim und zusammen mit seiner Frau Ilona alles andere als ruhig: Klar, dass er auch im kommenden Winter wieder läuft und läuft, dass er im Weißenbachtal bei fehlendem Schnee die Schneekanone in Stellung bringt, wenn die Skiroller oder das Mountainbike vom Schneetraining abgelöst werden. Beste Aussichten mithin für einen weiterhin kurzweiligen wie er.füllten Lebensabend des sportiven, inzwischen Dreiundsiebzigjährigen.
Zählwerke kurz vor der Montage auf dem Prüfstand.
3. Kapitel – Wirtschaft
Von der Trompeter uhr zum Wasserzähler – die
E. WEHRLE GMBH
„Aus gutem Grund perfekt“ – Vor 175 Jahren als Musikwerke-und Uhrenfabrik in Furtwangen gegrdet
von Wilfried Dold
Präzision als Prinzip – von der Schwarzwalduhr zum Pionier beim Kunst.stoffspritzguss und Innovationsführer der
Die E. WEHRLE GMBH steuert nach sehr erfolg.reichen Jahren weiter auf Erfolgskurs: Das von Georg Herth in fünfter Generation inhaberge.führte Unternehmen erwartet im Jubiläumsjahr einen Umsatz von über 42 Mio. Euro, beschäftigt mehr als 280 Mitarbeiter und investierte am Stammsitz im Gewann „Auf dem Moos“ ca. sechs Mio. Euro in einen Erweiterungsbau und die Optimierung seiner Produktion. Die Familie Herth ist stolz darauf, dass Wehrle als weltweit renommierter Hersteller von Wasserzählern auch in Zukunft nahezu komplett am Standort Furtwangen und somit in Deutschland fertigt.
Eine Heirat als Gründungsimpuls
Die heutige E. WEHRLE GMBH ist aus der 1842 gegründeten Werkstatt für Spieluhren von Franz Xaver Wehrle (1819 – 1885), des „Wannen-Xaverie“, und der 1860 ins Leben gerufenen Uhrenfabri.kation von Emilian Wehrle (1832 – 1896) hervor.gegangen. Die Namensgleichheit ist zufällig. Anlass für den Zusammenschluss ist 1866 die Heirat von Emilian Wehrle mit Norma Wehrle, der Tochter von Franz Xaver Wehrle. Da der Markt für Musikwerke von Absatzkrisen heim.gesucht ist und die neuartigen Trompeteruhren von Emilian Wehrle eine gesicherte Zukunft ver-
Ein Orgelpositiv von Franz Xaver Wehrle aus dem Jahr 1862 ist im Furtwanger Museums Gasthaus Arche ausgestellt. Das Firmenschild über der Tastatur zeugt von zahlreichen Preisverleihungen, so auch bei der Weltausstellung 1851 in London.
heißen, firmiert das gemeinsame Unternehmen als „Trompeteruhrenfabrikation E. Wehrle & Comp“. Produziert wird in der Werkstatt von F. X. Wehrle, die in direkter Nachbarschaft zu der von Emilian Wehrle liegt. Franz Xaver Wehrle hat sein Anwesen im Schönenbacher Gewann „Auf dem Moos“ 1849 erworben. Das Grundstück grenzt unmittelbar an die Gemarkung von Furt.wangen. Die Nähe zur Uhrenstadt führt dazu, dass sich Wehrle stets als Furtwanger Firma ver.steht, wie auch Chronist Robert Siedle 1924 in seinem Buch „50 Jahre Furtwanger“ vermerkt. Er schreibt, der „Wannen-Xaverie“ gehöre zwar politisch zu Schönenbach, sei aber mit Leib und Seele ein Furtwanger.“
Der Spieluhrenmacher Franz Xaver Wehrle
Zukunft hat Herkunft – und die Herkunft der
E. WEHRLE GMBH ist auf geradezu einzigartige Weise dokumentiert: In großformatigen Haupt-, Cassa- und Kopierbü.chern sind über mehrere tausend Seiten hinweg sämtliche Geschäftsvor.gänge der Jahre 1842 bis ca.1930 verzeichnet. Die Familie Herth bewahrt die Geschäftsbücher in der früheren Wohnstube des Stammhauses auf, die heute als Archiv zur Familien- und Firmengeschichte dient. In feiner Handschrift hat der gelernte Musikuhrmacher Franz Xaver Wehrle darin das Da.tum der Firmengründung fest.gehalten, die am 1. Mai 1842 im Haus von Erlog Ganter in Furtwangen erfolgte. Zwischen 1842 und 1866 fertigt F. X. Wehrle hauptsächlich Musikwerke, Drehorgeln und Spieluhren. Die technisch und musikalisch herausragenden Produkte fin.den europaweit Abnehmer: Der Spieluhrenmacher liefert sie u.a. nach Russland, Frank.reich, Holland, England und in die nahe Schweiz. Goldene, silberne und bronzene Me.daillen, verliehen für Spieluhren und mechanische Musikinstrumente, die bei Gewerbeausstellungen ge.zeigt werden, bezeugen die Qualität seiner Arbeit.
Eine Geschäftsbezie.hung ist für die Entwicklung der Spieluhren-Werkstatt von besonderer Be.deutung: die mit Daniel Imhof, dem Inhaber der Orchestrionfabrik Imhof & Muckle“. Der gebürtige Langenbacher Franz Xaver Wehrle, Sohn eines Wagners, lernt den späteren Orche.strionfabrikanten in Furtwangen kennen. Dort absolviert Wehrle eine Lehre bei Martin Bles.sing. Daniel Imhof flüchtet 1848 im Zuge des Badischen Aufstandes als „Hecker-Freischärler“ nach London, entgeht so seiner Bestrafung für die aktive Revolutions-Teilnahme. Dort gründet er 1852 mit Leopold Muckle aus Furtwangen die Orchestrionfabrik „Imhof und Muckle“. Ein Briefwechsel dokumentiert über Jahre hinweg die Freundschaft und Geschäftsbeziehung der beiden Männer. F. X. Wehrle fertigt für Imhof & Muckle komplette Spieluhren und mehrfach Walzen für Orchestrien. Das sind Musikwerke, die ganze Musikkapellen imitieren.
Die mit Metallstiften versehenen Walzen sind das Herzstück eines Orchestrions, auf ihnen befinden sich die „Noten“ der Melodien – sie erzeugen die Töne, bringen das Instrument
Eine Trompeteruhr von Wehrle aus den 1860er-/1870er-Jahren, ausgeführt als Doppelbläser.
zum Spielen. F. X. Wehrle ist Spezialist für die komplizierte Walzen-Herstellung, die ne.ben großen handwerklichen
Fertigkeiten enormes musika.lisches Wissen verlangt. Solche Walzen befinden sich auch in den selbstspielenden Orgeln, die der Spieluhrenmacher fertigt. 1851 erhält er auf der Weltaus.
stellung in London für eine
Orgel mit vier Walzen eine „Ehrenerwähnung“. Die Weltausstellung besucht er
persönlich: Zusammen mit
dem Uhrengenius Lorenz Bob und namhaften Furt.wangern reist F. X. Wehrle
im Auftrag des Landes Ba.
den nach England, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schwarzwälder Uh.renindustrie zu ergründen und nach fortschritt.lichen Fertigungsmöglichkeiten Ausschau zu halten.
Franz Xaver Wehrle wirkt weit über sei.ne Werkstatt hinaus: 1847 gehört er zu den Mitbegründern des „Gewerbevereins für den uhrenmachenden Schwarzwald“. Und er ist ein begeisterter Sänger in den Reihen des 1838 gegründeten Gesangvereins Arion. Dieser steht zur Zeit des badischen Aufstandes von 1848 unter besonderer Beobachtung – wie auch Franz Xaver Wehrle selbst. 1856 erfolgt in des.sen Haus die Ausarbeitung neuer Statuten, die den Fortbestand des „revolutionären Vereins“ sicherstellen.
Umfirmierung und Trompeteruhren-Produktion
Franz Xaver Wehrle heiratet 1843 die Furtwan.gerin Sybilla Kuss. Aus der Ehe gehen sechs Kin.der hervor, zwei von ihnen, die Tochter Norma und der einzige Sohn Julian, stehen in enger
E. WEHRLE GMBH
Verbindung zur Firmengeschichte. Norma heiratet im August 1866 den Schönenbacher Uhrmacher Emilian Wehrle, der seit 1860 in der Nach.barschaft von F. X. Wehrle kunstvolle Kuckucks- und Trompeteruhren herstellt. Ihre Werk.stätten führen sie in der „Trompeteruhrenfabrikation E. Wehrle & Comp“ zusammen und konzentrieren sich auf die Herstellung von Spieluhren. F. X. Wehrle als Experte für den Bau von Musikwerken und Emilian Wehrle als genialer Uhrmacher – die Partnerschaft beginnt vielversprechend. Erfolg.reichstes Produkt ist die von Emilian Wehrle technisch entscheidend verbesserte Trompe.teruhr. Vor allem die enorme Laufruhe, die den Musikgenuss perfektioniert, wird vielfach gelobt. Bei dieser Uhrengattung setzt eine teils bewegliche Figur aus Holz zur vollen Stunde die Trompete an den Mund und bläst ein Jagdstück oder eine Melodie aus dem Alpenraum, wie ein Katalog aus dem Jahr 1866 die Funktionsweise beschreibt.
Großen Anklang finden weiter Sing.vögeluhren, die täuschend echt den Gesang der Nach.tigall nachahmen. Das Unternehmen erhält für seine Produkte weltweit Auszeichnungen. Medaillen werden Wehrle in London, Santiago, Sidney, Philadelphia, New York, Paris oder Ant.werpen verliehen.
Um ein Konkur.renzprodukt zur Ku-
Rechte Seite: Werbeblatt für Produkte der Trompe.teruhrenfarbik Wehrle, wohl Mitte der 1860er-Jahre.
ckucksuhr aufzubauen, bringen die Uhrmacher um 1885 mit der Hahnenschreiuhr eine eigene Erfindung auf den Markt und melden ihre Neu.heit zum Patent an. Der große Erfolg bleibt der Innovation jedoch versagt: Die Kuckucksuhr ist schon damals äußerst populär und nicht vom Thron zu stürzen. Zu dieser Zeit firmiert das Un.ternehmen als „E. Wehrle & Cie. in Furtwangen (Baden) – Trompeter-, Flöten- u. mech. Singvö.gel-Uhren-Fabrik.“
Die kunstvollen Spieluhren erfreuen heute eine weltweite Sammlergemeinde. Sie finden sich in Furtwangen selbst, so im Deutschen Uh.renmuseum und im Heimatmuseum „Arche“, wo mit einem Orgelpositiv aus dem Jahr 1862 auch ein Musikwerk von F. X. Wehrle ausgestellt ist. Und es existiert weltweit eine große Zahl von Privatsammlern, die sich vorzugsweise auf Auktionen mit den hochpreisig gehandelten Wehrle-Trompeteruhren eindecken. Im Internet finden sich auf Plattformen wie YouTube gleich Dutzende von Videoclips, die spielende Trompe.ter- und Singvogeluhren zeigen, von ihren Besit.zern liebevoll restauriert.
Pioniere und Tüftler – Fertigung mechanischer Laufwerke und elektrotechnischer Artikel
Als die Schwarzwälder Uhrenproduktion im Ge.folge von Wirtschaftskrisen und preisgünstiger Konkurrenzprodukte ins Stocken gerät, zeigt sich, dass der Familienbetrieb als reine Uhren.fabrik nicht überdauern kann. Wehrle versucht sich 1880 durch die Übernahme der Furtwanger Firma A. Zimber, die elektrotechnische Artikel herstellt, weiter durch die Fertigung von Addier.maschinen und automatischen Schaltern für Treppenhausbeleuchtungen, ein zusätzliches Standbein aufzubauen. Es gelingt immerhin, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Franz Xaver Wehrle stirbt 1885, sein Schwie.gersohn Emilian Wehrle 1896 – damit geht die große Zeit der Uhrenfabrikation unwillkürlich
Erwin und Elise Wehrle mit ihren Töchtern (v. links) Renate, Friedhilde und rechts Elfriede, die als Neunjährige im Rahmen der Kinderlandverschickung in den Wirren des Zweiten Weltkrieges aufgenommen wurde. Gearbeitet wurde dort, wo man lebte, im auch als Fabrik dienenden Gebäude im Gewann „Auf dem Moos“ in Furtwangen, das nach und nach etliche Erweiterungen erfahren hat, aber noch heute bewohnt wird.
zu Ende. Die wirtschaftliche Situation ist denk.bar schlecht – die Kinder von Emilian Wehrle wandern nach Amerika aus, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Die einstige Uhren.fabrik geht nun an Julian Wehrle über. Dieser hatte ab 1859 bei seinem Vater Franz Xaver Wehrle eine fünfjährige Lehrzeit als Uhrmacher sowie Schreiner absolviert und die Furtwanger Musikschule besucht. Er wagt einen Vorstoß in neue Geschäftsfelder und steigt in die Fertigung mechanischer Laufwerke ein, wie sie in Gram.mophone oder bewegliche Reklamefiguren eingebaut werden. Sie ähneln einem mecha.nischen Uhrwerk – es gelingt, die Kompetenz aus der Uhrenfertigung auf neue Produkte zu übertragen.
Bestandteile-Fertigung für Wasserzähler
1923 übergibt Julian Wehrle das Unternehmen in die Hände seines jüngsten Sohnes Erwin Wehrle, der sich durch großes technisches Ver.ständnis und ungeheuren Fleiß auszeichnet. Er entwickelt ein zukunftsweisendes, neues Fabrikationsprogramm und beginnt um das Jahr 1930 mit der Herstellung von Bestandteilen für Wasserzähler. Seine Zahnräder und sonstigen Komponenten treiben den Fortschritt einer neu.en Zeit an: In ganz Europa wachsen die Städte, immer mehr Mietshäuser entstehen – damit explodiert der Bedarf an Wasseruhren.
In der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre be.schäftigt Wehrle bereits 36 Mitarbeiter. Erwin Wehrle erzielt bei der Bearbeitung von Reinni.ckel, ein Material, das beim Wasserzählerbau zu dieser Zeit Vorschrift ist, enorme Fortschritte: Er erfindet „rotierende Büchsen“, die ihm die Verarbeitung von Reinnickel auf Automaten ermöglichen. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zerstört diesen Wettbewerbsvorteil, nahezu alle männlichen Mitarbeiter müssen an die Front. Mit der Unterstützung von zugewie.senen 24 Ostarbeiterinnen produziert Wehrle jetzt wie alle Unternehmen in Deutschland für die Rüstungsmaschinerie der Nazis und stellt Ambossschrauben für Zünder her.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bringt der Familie auch im Alltag tiefgreifende Veränderungen. Um der Lebensmittelknapp.heit zu begegnen, werden Hühner, Ziegen und Hasen gehalten und auf einem nahen Acker Kartoffeln angepflanzt. Da es sich beim Gewann „Auf dem Moos“ um ein ehemaliges Moorge.biet handelt, beginnt die Familie damit, dort Torf zu stechen, ihn zu trocknen und als Brenn.stoff zu verwenden. Als die deutschen Groß.
In den 1950er-Jahren reichen die Räumlichkeiten nicht mehr aus, es folgt bei Wehrle ein Erweite.rungsbau auf den nächsten. Die Aufnahme zeigt das Unternehmen in den 1960er-Jahren.
städte immer verheerenderen Bombenangriffen ausgesetzt sind, bekommen die Töchter Renate und Friedhilde eine „Schwester“: Die neunjähri.ge Elfriede aus Bremen findet 1941 im Rahmen der Kinderlandverschickung in Furtwangen eine neue Heimat, lebt schließlich bis zu ihrem 19. Le.bensjahr bei den Wehrles.
Das Endes des Krieges im April 1945 wird durch die Demontage des Unternehmens über.schattet: Schweigend verfolgt Erwin Wehrle im Jahr 1945 den Abtransport nahezu sämtlicher Maschinen durch die französische Besatzungs.macht – sein Unternehmen steht vor dem Nichts.
Pionierleistungen beim Kunststoffspritzguss
Auf die Resignation folgt der Mut zum Neu.anfang – und dieser ist dank der verstärkten Hinwendung zum Kunststoffspritzguss wegwei.send. Bereits ab den 1940er-Jahren beschäftigt sich Erwin Wehrle mit der Erfindung einer ei.genen Spritzgießmaschine, die schließlich 1950 in Betrieb geht. Auch der Erfinder Max Braun (Gründer des Elektrogeräteherstellers Braun) ist von diesem Eigenbau begeistert, die beiden Männer sind befreundet. Max Braun ist bis zu seinem plötzlichen Tod im November 1951 mehr-
Die E. WEHRLE GMBH im Jahr 1976, wieder dokumen.tieren Neubauten das Wachstum. Das Furtwanger Unternehmen gilt längst als Spezialist für die Ferti.gung von Wasserzähler-Komponenten.
fach bei Wehrles zu Gast, mit dem Angler Erwin Wehrle geht er sonntags gerne zum Forellen-essen.
Gemeinsam sollen die beiden zudem die Technik der 1905 von Paul Schmidt erfundenen und später im Unternehmen von Max Braun in großem Stil produzierten Dynamo-Taschenlam.pe verbessert haben. Die Taschenlampe benö.tigt keine Batterien, die durch eine andauernde Handbewegung erzeugte Energie reicht für ihren Betrieb aus. Zur Zeit des Zweiten Welt.krieges und im Nachkriegsdeutschland ist diese Erfindung mit Blick auf den allgemeinen Strom.mangel stark gefragt.
Mit neuen Maschinen ausgestattet, wächst bei Wehrle die Produktion rasch – schon 1952 reichen die Räumlichkeiten nicht mehr aus. Das Wohnhaus bekommt einen ersten Erwei.terungsbau, 1954/55 entsteht ein Rundbau, der die Automatendreherei aufnimmt und den Wehrle bereits 1959 vergrößert. 1964 folgt eine eigene Halle für die Kunststoffspritzerei. Dar.an zeigt sich: Die Wehrle-Historie ist zugleich eine Geschichte der Kunststoffkompetenz, auf diesem Gebiet gelingen dem Unternehmen mehrfach Pionierleistungen. Zahnräder sind in den 1950er-Jahren die ersten Präzisionsteile, die aus Kunststoff entstehen. Der in der Branche als
E. WEHRLE GMBH
exzellent bekannte Wehrle-Werkzeugbau er-
Mehrstrahl-Nassläufer, ein Wasser.möglicht ständig weitere Ein- und Mehrkompo-zähler, der eine hohe Langlebigkeit nentenlösungen aus Kunststoff, so auch den vorweist. Spritzguss mit metallenen Einlegetei.len. Es folgen als weitere Innovation zweifarbig gespritzte Zahlenrollen.
stirbt 1971, die Geschäftsfüh-Produktion kompletter rung übernimmt formell Wasserzähler zunächst seine Witwe Elise – Die immer fortschritt-Eduard Herth hatte mittlerweile in lichere Wehrle-Pro-der Region ein erfolgreiches Immobilien.duktion und die starke büro aufgebaut.
Bautätigkeit im Nachkriegsdeutschland lassen den Absatz von Bestandteilen für Wasserzähler geradezu explodieren, deren Zählwerke ab 1960 komplett montiert ausgeliefert werden. Um 1965 beschäftigt das Unternehmen bereits an die 200 Mitarbeiter. Das ist mit das Verdienst von Schwiegersohn Eduard Herth, der 1959 nach der Heirat mit Friedhilde Wehrle in die kauf.männische Abteilung des Unternehmens ein.tritt, diese schließlich leitet und der 1961 zudem Kommanditist wird. Ihm gelingt es, den Vertrieb der Wasserzähler-Komponenten zu optimieren und neue Märkte zu erschließen. Erwin Wehrle
In Fritz Vosseler findet die Familie einen Kaufmännischen Leiter, der 1977 zum Ge.schäftsführer berufen wird. Unterstützt von Renate Wehrle leitet Fritz Vosseler in der Folge 31 Jahre das Unternehmen, maßgebende Ent.scheidungen fallen stets unter Einbeziehung des Familienbeirates. Meilensteine dieser Epo.che sind der verstärkte Ausbau der Produktion von technischen Präzisionsteilen zum zweiten Standbein, vor allem jedoch der Aufbau einer staatlich anerkannten Prüfstelle für Wasser- und Wärmezähler im Jahr 1981. Sie ist die Vo.raussetzung für den Einstieg in die Fertigung und den Vertrieb kompletter Wasserzähler, da diese amtlich geeicht sein müssen.
1997 kommt es zum Erwerb des Unterneh.mens G. BERNHARDT’s Söhne Ges.m.b.H, Wien, der Wehrle die Tür zum österreichischen Markt weit öffnet. Im Jahr 2000 erfolgt die Übernah.me der ANDRAE Wassertechnik GmbH in VS-Vil.lingen. Sie stärkt die Position des Furtwanger Unternehmens auf dem kommunalen Markt.
Im Jahr 2001 stirbt Renate Wehrle. Da sie unverheiratet und kinderlos bleibt, geht nach ihrem Tod das Unternehmen in den Besitz der Familie Herth über.
2002 tritt Georg Herth ins Unternehmen ein und fungiert ab 2004 zusammen mit Fritz Vosseler als Geschäftsführer. Zum Jahresende 2007 wechselt Fritz Vosseler in den Ruhestand – eine neue Ära bricht an.
Die E. WEHRLE GMBH im Jubiläumsjahr 2017 – das Unternehmen feiert sein 175-jähriges Bestehen. Spektakulär der mit blauen Fassadenelementen verkleidete Hallenanbau.
Die fünfte Generation: Geschäftsführer Georg Herth
Mit Georg Herth steht ab dem 1. Januar 2008 ein direkter Nachfahre von Firmengründer Franz Xa.ver Wehrle als alleiniger Geschäftsführer an der Spitze des Unternehmens – ein klares Bekennt.nis der Inhaberfamilie Herth zum Standort Furt.wangen. Der Geschäftsführende Gesellschafter: „Als mittelständisches Familienunternehmen mit Traditionswurzeln in Furtwangen bekennen wir uns damit zugleich zu unseren Mitarbeitern. Zu den Menschen, die entscheidend dazu bei.tragen, dass wir unsere Ziele erreichen.“
Zahlreiche bauliche und maschinentech.nische Investitionen unterstreichen diese Ab.sichtserklärung eindrucksvoll. 2009 baut Wehrle ein 900 Quadratmeter großes Hochregallager mit 1.540 Palettenplätzen. In den Jahren 2015 und 2016 wird ein spektakulär mit blaufarbenen Fassadenelementen verkleideter Hallenneubau realisiert. Auf 12.000 Quadratmeter Fläche sind dort über vier Etagen hinweg die Energiezentrale, Kunststoffspritzerei, Montage und Prüfstände, der Werkzeugbau sowie Büroräume angesiedelt. Gerade auch unter technologischen Aspekten wurde ein hochmodernes Gebäude realisiert.
WEFLOW heißt die neueste Generation intelligenter elektroni.scher Wasserzähler von
E.WEHRLE. Das integrier.te Funkmodul erlaubt die bequeme Fernauslesung. Die innovative Eigenent.wicklung ist seit Septem.ber 2017 erhältlich.
Wenn Georg Herth ausführt, dass es in Deutschland kaum ein Haus gibt, in dem sich nicht ein Wehrle-Produkt findet, dann hat er dabei nicht ausschließlich die Wasserzähler im Sinn, die rund drei Viertel der Produktion ausmachen. Mehr als 70 hochmoderne Spritz.gießmaschinen produzieren rund um die Uhr Präzisionsbauteile für verschiedenste Bran.chen. Ob Zahnräder, Schalterkomponenten für Automobile, Antriebsteile für elektrische Rasierapparate und Zahnbürsten, Getriebe für Küchenmaschinen oder Frontplatten mit hinter.spritzter Platine für EC-Karten-Lesegeräte: Das Traditionsunternehmen ist ein „Problemlöser“ und Hidden Champion, wie er im Buche steht. Die E. WEHRLE GMBH gilt seit Jahrzehnten als etablierter Zulieferer für die Automobil-, Elekt.ro- und Optische Industrie. Auch Produzenten von Haushalts- und Healthcare-Geräten sowie Hersteller luxuriöser Schreibgeräte vertrauen auf ihre Erzeugnisse.
Geschäftsführer Georg Herth: „Als Spezi.alist für hydraulische Durchflussmessgeräte verfügen wir über langjähriges Know-how. Wir beliefern weltweit marktführende Kunden der Wasserzählerindustrie: Ein- oder Mehrstrahl.zähler, Ringkolbenzähler, Messeinsätze oder kundenspezifische Applikationen – wir bieten zukunftsweisende Wasserzähler und -kompo.nenten, vorbereitet für Fernauslesung sowie Volumenmessteile für Wärmezähler in heraus.ragender Qualität“.
Georg Herth und Senior-Gesellschafter Eduard Herth (rechts). Georg Herth leitet die E. WEHRLE GMBH als Geschäftsführender Gesellschafter in fünfter Generation und hat sie technologisch hervorragend platziert.
Das mittelständische Unternehmen mit Wurzeln in der Uhrenindustrie ist technologisch führend – aber ebenso umwelttechnisch sowie beim sozialen und kulturellen Engagement glänzend aufgestellt. Vorbildlich ist das Energie.einsparkonzept. Georg Herth: „Zum Kühlen der Spritzgießmaschinen wird eigenes Brunnenwas.ser eingesetzt und die Abwärme der Produkti.onsanlagen dient Heizzwecken. Wir setzen in allen Bereichen auf modernste Systemtechnik, produzieren äußerst energieeffizient und leis.ten dank der lediglich noch auf Minimalniveau benötigten Energiemengen im Bereich Strom und Gas einen wesentlichen Beitrag zum Um.weltschutz.“
Sozial und kulturell enorm engagiert
Enorm ist das soziale Engagement. Bei Wehrle werden acht Schwerbehinderte beschäftigt, die über ihren Schwerbehinderten-Vertreter im Betriebsrat vertreten sind. Nur wenige regionale
E. WEHRLE GMBH
Unternehmen dieser Größe können eine derart hohe Behindertenquote vorweisen. Das Un.ternehmen unterstützt zudem einige Schulen, das Kinderhaus St. Elisabeth und den Verein Energiewende. Vom kulturellen Engagement profitieren das Deutsche Uhrenmuseum, die Furtwanger Bürgerstiftung, der FC 07 Furtwan.gen, die Sportfreunde Schönenbach sowie die Furtwanger Jugendfeuerwehr. Ebenso das Kin.der- und Jugendmuseum in Donaueschingen.
Und die Inhaberfamilie engagiert sich seit jeher auch politisch: Georg Herth gehört als Mitglied der Freien Wählervereinigung dem Furtwanger Gemeinderat an. Sein Großvater Erwin Wehrle wirkte in den 1960er-Jahren in Schönenbach als Gemeinderat und Bürger.meisterstellvertreter, nach ihm ist im heutigen Furtwanger Teilort auch eine Straße benannt. Mit Alois Herth kann Georg Herth auf einen Ur-Großvater verweisen, der Abgeordneter des Badischen Landtages und von 1903 bis 1919 Bürgermeister von Furtwangen war. Für seine Verdienste ernannte ihn die Stadt Furtwangen zum ersten Ehrenbürger. Der Stadtpark an der Friedrichstraße trägt seinen Namen.
Georg Herth: „Bedarf steigt weltweit“
Das Familienunternehmen E. WEHRLE GMBH sieht einer glänzenden Zukunft entgegen. Die 2013 gebildeten Business Units METERING 1 und METERING 2 sowie PRECISION PLASTICS sind die
Auch das Kinder- und Jugendmuseum Do.naueschingen profitiert vom kulturellen Enga.gement von Wehrle. Für das Museum haben Azubis eine Station reali.siert, an der Kinder spie.lerisch erkunden können, wie ein Wasserzähler funktioniert.
Grundpfeiler, auf denen Wehrle seit Jahrzehn.ten steht. Sie stellen sicher, dass Durchfluss.messgeräte für Wasser und Wärme, Dienstleis.tungen rund um das Thema Durchflussmessung sowie die Entwicklung und Produktion von Kunststoff-Präzisionsteilen auf höchstem Niveau die Marktposition weiter festigen und ausbauen helfen.
Der Bedarf an hochpräzisen Zählern, die fernausgelesen und in Systeme eingebunden werden können, steigt weltweit. Georg Herth ist überzeugt: „Unsere intelligenten Zähler werden sich im globalen Wettbewerb auch zukünftig hervorragend behaupten.“ Fortschritt und Inno.vation haben bei Wehrle eine 175-jährige Tradi.tion – das Unternehmen ist aus „gutem Grund perfekt“. Und das selbstverständlich am Stand.ort Furtwangen, „in der Stadt mit der einzigen Donauquelle“, schmunzelt Georg Herth.
Blick in die Wehrle-Produktion. Oben links: In der Konstruktion – Darstellung einer Verzugssimulation. Prüfung eines Werkzeuges (ob. rechts) und Mitte: Die Steine für die Lager der Zählwerke werden ge.setzt. Unten: Blick in eine offene Druckgusspresse und rechts vollautomatische Hydraulik-Montage für Einstrahlzähler.
E. WEHRLE GMBH
Der totraumfreie Küken.hahn ist für den sicheren Prozessablauf vor allem in der chemischen Industrie unverzichtbar. Hier ein Bild der Fertigung und eines Durchgang-Flanschhahns aus Edelstahl.
Start in Schonach
Die Geschichte des Unternehmens beginnt im Jahr 1963 in Schonach: Dipl.-Ing. Gerhard Wisser, Vater des heutigen ge.schäftsführenden Gesellschafters Jörg Wisser, gründet die Firma mit seinem Studienkollegen Dipl.-Ing. Gernold Buck. Beide haben Maschinenbau studiert. Sie legen den Grundstein für eine erfolgreiche Entwicklung, die von Schonach über Triberg nach Mönchweiler führen wird. Anfangs noch ohne eigene Produktion, werden die konstruierten Produkte von Drittanbietern hergestellt.
Bereits 1965 läuft in angemieteten Räumen in Triberg die eigene Produktion an – auf 64 Quadratmetern und mit drei Mitarbeitern. Als einer der ersten großen Kunden bestellt das Kernforschungszentrum Karlsruhe gleich Hun.derte von totraumfreien Muffenhähnen. Das Büro befindet sich zu dieser Zeit weiterhin zu Hause bei Firmenchef Gerhard Wisser.
Das Vertriebskonzept von Gerhard Wisser geht auf – dank seines großen technischen Wis.sens löst er vielfach Probleme für Industriean.lagen. Er spezialisiert sich auf weichdichtende, totraumfreie Kükenhähne und auf Sonderlösun.gen. Zusammen mit den Kunden werden durch AZ neue Armaturentypen für wirtschaftlichere Produktionsanlagen entwickelt. Mit großem Erfolg: Nach nur zwei Jahren kann das erste eigene Betriebsgebäude in Schonach errichtet und bezogen werden.
Kontinuierliche Aufwärtsentwicklung
Der technische Fortschritt und die innovativen Lösungen, die AZ anbieten kann, begründen ei.ne kontinuierliche Aufwärtsentwicklung. Einige Beispiele: Als elektrische Stellantriebe in der Chemieindustrie auf dem Rückzug sind, ent.wickelt Gerhard Wisser einen pneumatischen Antrieb. Bei den handbetriebenen Kükenhähnen bewältigt der ideenreiche Erfinder und Kon.strukteur die relativ hohen Drehmomente mit mehrstufigen Zahnradgetrieben.
Weitere Produktimpulse durch den Einsatz neuer Werkstoffe und innovativer Produkti.onsverfahren sind die Bausteine des Unterneh.menswachstums. So produzierte AZ Mitte der 1970er-Jahre als einer der ersten chemiekalien.beständige Kunststoffauskleidungen mit FEP- bzw. PFA im Transfer-Moul.ding-Verfahren. Auch verschiedene Patente, z.B. für Probenahmesysteme, unterstreichen das hohe Niveau der Entwicklung bei AZ.
Das Produktportfolio wird immer komplexer: Große Armaturen werden mit handbetätigten, offe.nen Schneckengetrieben ausgestattet, vermehrt kommen pneumatische Antriebe zum Einsatz. In der Kernkraftindustrie allerdings sind keine die.ser Stellantriebe erlaubt, so entwickelt AZ eigens einen elektrischen Stellantrieb. Immer wieder neu gründet der AZ-Erfolg auf der Tatsache, ein anerkannter Problemlöser zu sein. Das Quali.tätsmanagement wird früh fester Bestandteil in der Produktion, z.B. mit einem eigenem Röntgen-Labor zur zerstörungsfreien Material.prüfung, was maßgeblich die Produktsicherheit und -qualität erhöht.
Früh erkennt Gerhard Wisser die Notwen.digkeit der Internationalisierung. In Südafrika wird 1985 die erste Auslandsgesellschaft gegründet. 1995 folgt die Gründung von AZ Brasil.
Expansion in Mönchweiler
Die Produktionsfläche in Schonach kann mit dem Wachstum nicht mehr Schritt halten: Vorhandene Produk.tionshallen werden in Mönchweiler erworben und um ein modernes Verwaltungsgebäude erweitert – der Umzug erfolgt 1992. Auch der permanente Facharbei.termangel wird durch das größere Einzugsge.biet des neuen Stand.ortes entschärft.
Mit dem Umzug nach Mönchweiler ist für AZ-Armaturen auch ein Generationenwechsel verbunden: Mit Di.pl.-Ing. Jörg Wisser tritt 1992 der Sohn des Fir.mengründers in die Geschäftsführung ein, der ab 1993 schrittweise die Führung übernimmt. Die Geschicke der Unternehmensgruppe leitet Jörg Wisser mittlerweile seit mehr als zwei Jahr.zehnten.
Seit über 25 Jahren ist das Unternehmen nun am Stammsitz Mönchweiler erfolgreich – zweimal konnten bereits Erweiterungen vorge.nommen werden. Weltweit sind rund 450 Mit-
Der heutige Firmensitz in Mönchweiler nach der zweiten Erweiterung 2016.
Das Werk in Brasilien verfügt über eine Edelstahl-Gießerei für Feinguss.
Unten: Probenahmehahn für gefährliche und toxische Flüssigkeiten oder Feststoffe, Typ CONTIFLOW.
arbeiter beschäftigt, davon 120 in Mönchweiler. Der Exportanteil liegt bei ca. 62 Prozent, es wird in mehr als 80 Ländern der Welt geliefert. Zu.dem erfolgten in dieser Zeit zahlreiche weitere, wegweisende Schritte, so 2009 die Eröffnung des Werks in China.
Die verbesserten räumlichen Möglichkeiten bilden mit die Grundlage für den Aufstieg zu einer international agierenden Unternehmens.gruppe. AZ-Armaturen produziert aktuell in vier Werken, die in Mönchweiler, Brasilien, China und Südafrika angesiedelt sind. Hinzu kommen Gießereien in Schwäbisch Gmünd und Brasilien.
„Das Unternehmensmotto ‘Partner für höchste Ansprüche’ ist keine Worthülse. Wir wollen schnell, flexibel und kompetent sein“, so Geschäftsführer Jörg Wisser. Um Kunden.nähe zu demonstrieren und den Anspruch „Problemlöser“ zu dokumentieren, betreibt AZ mittlerweile weltweit 16 eigene Service-Nieder.lassungen. Dieser enge Draht zu den Kunden ist ein großer Pluspunkt und zeichnet das Fami.lienunternehmen aus. Jörg Wisser steht dafür persönlich zur Verfügung, wird bei Problemen häufig direkt kontaktiert. Der Geschäftsführer: „Auf dieser Basis entwickeln sich langjährige Partnerschaften.“
Totraumfreie Kükenhähne verhindern Rückstände jeder Art
Dass AZ-Kükenhähne totraumfrei und war.tungslos sind hat folgenden Vorteil: Aufgrund fehlender Leerräume in der Armatur – fachlich als Toträume bezeichnet – können sich zum Beispiel kristallisierende und polymerisierende Medien nicht festsetzen oder zurückbleiben. Produktverschmutzungen und ein Blockieren der Armatur sind ausgeschlossen. Die Indus.trieanlagen haben durch diese langlebigen Kükenhähne störungsfreie und hohe Anlagen.laufzeiten.
Auf AZ-Armaturen vertrauen die Ingenieure außerdem immer dann, wenn höchste Zuver.lässigkeit gefragt ist. Das Unternehmen gehört zu den Pionieren, wenn es auf diese Eigenschaft ankommt. Die Dichtheit hat eine elementare Bedeutung, wenn hoch korrosive, aggressive oder toxische Medien zum Einsatz kommen. Höchste Beständigkeit von den langlebigen und robusteren Kükenhähnen ist der größte Vorteil gegenüber anderen Armaturentypen. Die Pro.dukte werden fast immer unter Extrembedin.gungen eingesetzt – extreme Temperaturen, extremer Druck und/oder aggressive Säuren gehören dazu.
Diese Anforderungen verlangen Erfahrung und Präzision. AZ hat die Qualität seit nunmehr über 54 Jahren perfekt im Griff, zählt zum Kreis der weltweiten Marktführer. Oft setzt sich das
Oben: Kükenhahn mit gegossenem Heizmantel zur Tem.perierung des Mediums, z.B. flüssiger Schwefel, Typ HM.
Mitte: Absperrarmatur DN400 für Kerosinbetankung an Flughäfen, Typ DBI.
Unten: Drei-Wege-Blockhahn aus Hastelloy für flüssiges Phosgen mit s.g. Schnüffelports an Schaft, Flansch und Armaturendeckel zum detektieren von Undichtigkeiten, Typ MB-3.
Unternehmen mit seinen kundenspezifischen Lösungen gegen konzerngeführte Konkurrenten durch. Auch mit größeren Durchmessern bis DN600/24“ sowie höheren Drücken bis 160 bar und innovativen Produktentwicklungen reagiert man auf die steigenden Anforderungen. Die ho.he Kompetenz von AZ unterstreicht im Jahr 2012
u.a. die Herstellung des bislang weltgrößten weichdichtenden Kükenhahns für ein Projekt in Indien mit einem vollrundem Durchgang von 600 mm Durchmesser.
Das umfassende Programm an metallischen Kükenhähnen, Schaugläsern sowie ausgeklei.deten Küken-/Kugelhähne, Klappen, Filter, und Rückschlagventilen ist „nur“ ein Teil des Produktportfolios. Insbesondere die Systeman.gebote für Probenahmestationen, Regelhähne, Automatisationen und umfangreiche Sonderan.fertigungen sind aktuelle Verkaufsschwerpunk.te. Seine Produkte vertreibt das Unternehmen stets selbst. „Wir haben den Vertrieb in eigener Hand“, so Geschäftsführer Jörg Wisser. Auch aus diesem Grund strickt AZ ein enges Netz an Service-Niederlassungen. Durch die Globalisie.rung kommt es sehr auf dieses internationale Netzwerk an.
Höchste Präzisionsarbeit
Die Techniker von AZ-Armaturen sind daran gewöhnt, dass nicht selten Präzisionsarbeit im Eiltempo gefragt ist. Kommt es bei einem Unternehmen zu einem Problem, gar einem An.lagenstillstand, muss schnell Abhilfe geleistet werden. „Die Herausforderungen bleiben und werden nicht weniger“, unterstreicht Jörg Wis.ser. Immer wieder legen die Kunden ganze Pro.duktionsanlagen still, um sie überholen zu las.sen. Dann schlägt die Stunde der AZ-Techniker: Jede Armatur wird überprüft, im Zweifelsfall ausgetauscht, um den reibungslosen Anlagen.betrieb sicherzustellen. Jeder Produktionsaus.fall der Industrieanlage bedeutet einen hohen finanziellen Schaden – bei Genauigkeit und Qualität können keinerlei Abstriche gemacht werden.
Gute Infrastruktur
Über dieses Vertrauen im Zusammenspiel mit der technischen Kompetenz schafft es AZ, sich auf dem Weltmarkt mit Nachdruck zu behaup.ten. Dass das Mönchweiler Unternehmen zwar international tätig ist, aber eben nicht von einer anonymen Investorengruppe geführt wird, sei der große Vorteil. Jörg Wisser: „AZ setzt sehr auf Nachhaltigkeit. Nur mit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Produkte und den inten.siven Kundenbeziehungen wird man Partner für höchste Ansprüche.“
Das mündet auch in einer engen Verbun.denheit zur Heimat und zur ganzen Region. „Die hohe Lebensqualität und die sichere Umgebung in der wir leben und produzieren können schät.ze ich sehr“, sagt der geschäftsführende Gesell.schafter. In Mönchweiler verfüge das Unterneh.men über eine gute Infrastruktur.
Am 27. August 2015 verstirbt im Alter von 83 Jahren in seinem Heimatort Schonach der Fir.mengründer Gerhard Wisser. Im Nachruf heißt es: „Seine Leidenschaft galt der Technik, sein Po.tenzial war die Analyse von Problemen und de.ren Lösung in langlebige Produkte. Wichtig war ihm dabei immer der ganzheitliche Ansatz: Mit Erfindergeist wurden schon früh die Armaturen mit langlebigen Antrieben kombiniert oder mit neuen Werkstoffen experimentiert.“
Diese kundennahe Umsetzung von Inge.nieursleistungen in komplexe Modulsysteme ist noch heute das Leitmotiv der AZ-Firmen.gruppe, deren Zukunft gesichert ist: Die dritte Generation steht zur Übernahme zukünftiger Herausforderungen bereit, so Jörg Wisser, Vater von fünf Kindern. „Wir möchten für unsere Kun.den kompetenter Ansprechpartner für höchste Ansprüche bleiben. Die von meinem Vater be.gonnene Produktpolitik haben wir konsequent weitergeführt.“ Womit der Geschäftsführer un.terstreicht: AZ ist und bleibt Spezialist für tech.nisch anspruchsvolle Sonderarmaturen – liefert höchste Qualität.
Durch die vielfältigen Gehäuseformen, Armaturausführungen sowie kleinen Losgrößen pro Auftrag ist eine Fertigung mit hohem Automatisationgrad kaum möglich – sorgfältige Handarbeit von Spe.zialisten ist in vielen Produktionsschritten gefragt.
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Der Blick in jede Stadtkulisse dokumentiert es: Keine andere Errungenschaft des modernen Lebens ist im öffentlichen Bild ebenso präsent und selbstverständlich wie das Auto. Segen und Fluch gleichermaßen ist dieses Vehikel. Unter allen Konsumgütern ist es vielen Menschen das wertvollste. Auf keinen Fall möchte man darauf verzichten, auch wenn diese Mobilität den Men.schen in der Großstadt buchstäblich stinkt.
Folglich nimmt auch jene Adresse in der regionalen Wirtschaft eine Sonderstellung ein, an der die Fahrzeuge auf die Straße rollen. Nirgendwo sonst im Schwarzwald-Baar-Kreis ist das so oft der Fall wie beim Mercedes-Auto.haus Südstern-Bölle. Das mit seiner Zentrale an Donaueschingens Dürrheimer Straße 12 residie.rende Handels- und Servicehaus, welches für den Stuttgarter Stern-Konzern die drei Landkrei.se Schwarzwald-Baar, Hochrhein und Konstanz mit schwäbischer Mobilität versorgt, hält den Rekord: Jährlich rollen vom Hauptsitz in der Baar-Stadt und den Niederlassungen in Villin.gen, Schwenningen, Titisee-Neustadt, Walds.hut, Singen und Konstanz 1.300 neue, 2.200 gebrauchte Pkw, 240 Lkw und weit mehr als tausend Transporter auf die Straßen. 5.000 Fahr.zeuge also münden bei diesem Stapellauf zum Asphalt in den Gebrauch – ein Strom, der jetzt gerade einen markanten Jubiläums-Meilenstein passierte: Vor hundert Jahren wurde diese Quel.le in der Quellstadt erschlossen. Damals grün.dete der Donaueschinger Kaufmann Carl Honer an der Josefstraße sein Unternehmen, das die Wurzel der heutigen Aktiengesellschaft ist.
Carl Theodor Honer hatte im Jahr 1867 die Firma Fabrikation und Vertrieb von Stahlwaren in Spaichingen gegründet, deren Sitz im Jahr 1879 in die Josefstraße in Donaueschingen verlegt wurde. 1916 schloss Carl Theodor Honer einen ersten Händlervertrag mit Daimler-Benz ab – eine weitsichtige Entscheidung.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Betriebs.gelände durch Bombenangriffe schwer beschä.digt. Nach dem Kriegsende stand der Wieder.aufbau an. 1969 wurde eine neue Werkstatt in der Dürrheimer Straße gebaut. 1970 folgte dann das neue Verwaltungsgebäude.
Einer der ersten Vertragspartner von Daimler
Selbst für den Stuttgarter Weltkonzern schrieb der längst verstorbene „C. Honer“ Geschichte. Der knorrige Baaremer war einer der ersten Ver.tragspartner der schwäbischen Autofabrik. Und während das Unternehmen inzwischen in einer ganz anderen Liga als einst spielt und in jeder
Das Autohaus Honer am Stammsitz in der Donaueschinger Josefstraße, wohl 1920er-Jahre. Südstern-Bölle am Standort VS-Villingen.
Die beiden Geschäftsführer Johann Bucher und Willi Maurer-Spitznagel (v. links) leiten Südstern-Bölle in Donaueschingen.
Hinsicht reformiert, saniert, expandiert und in seiner Philosophie neu justiert ist – ein Relikt erinnert dann doch noch an die vergangene Epoche. Im Büro des Vorstandes Johann Bucher hat C. Honers Besprechungstisch überlebt – als Requisit aus lackiertem braunem Holz und Hosenboden-poliertem Glattleder, das in der Nachbarschaft zum modernen Arbeitsplatz-In.terieur den Gezeitenwechsel antiquarisch doku.mentiert.
Heute ist die Baaremer Südstern-Bölle AG + Co. KG trotz der enorm prosperierenden Kollegen in Ballungszentren weiter nach oben gerankt in der Größen-Statistik der 89 deut.schen Sterne-Händler. Auf Platz 13 rangiert das Unternehmen, das von Donaueschingen aus seine Geschäfte steuert. Unter der Leitung des Stammsitz-Vorstandes Johann Bucher und seines Waldshuter Chef-Kollegen Willi Maurer-Spitznagel, die gemeinsam 1998 das Eigentümer-Erbe der havarierten Firma Honer übernommen hatten, stehen inzwischen 520 Mitarbeiter, darunter 75 Lehrlinge, auf den Gehaltslisten. 120 von ihnen in dem modernen Firmenkomplex in Donaueschingens Stadtzen.trum. Das Vorstands-Büro Johann Buchers, die kaufmännische Leitung, die Verkaufsleitung für Nutzfahrzeuge und die Serviceleitung, als die Steuerung der Werkstätten sind hier angesie.delt. In Waldshut-Tiengen residiert der zweite Vorstand Willi Maurer-Spitznagel. Von Singen aus wird der Verkauf neuer und gebrauchter Personenwagen gemanagt.
Dass sich im Laufe der vergangenen Jahr.zehnten die einst selbstständigen Firmen wie die Rheinbrück-Garage am Hochrhein, Bürk
S
üdstern-Bölle sorgt für Mobilität durch Kraftfahrzeuge. Aber von der Aktienge.sellschaft mit Sitz in Donaueschingen gibt es auch eine verwandtschaftliche Beziehung zu einem anderen Unternehmen mit Sitz im Schwarzwald-Baar-Kreis, das auch noch auf an.dere Weise für Mobilität sorgt. Der Vorstand der Südstern-Bölle AG, Johann Bucher, sitzt eben.falls am Firmensteuer des im Südwesten bedeu.tenden Händlers und Produzenten von Schmier.stoffen, Mineralölen und Dienstleistungen für die Industrie auf diesem Branchen-Terrain. In Personalunion ist der 65-jährige Unternehmer auch Geschäftsführender Gesellschafter der Bürk-Kauffmann GmbH in VS-Schwenningen, teilt sich diese Rolle mit seinem 35-jährigen Sohn Dominik und weiteren angestellten Chefs. Mit einem wortlosen und doch vielsagenden Schmunzeln antwortet Johann Bucher auf die ihm immer wieder angeheftete Frage, wie diese Doppelbelastung in Chefsesseln zu bewältigen sei – zumal es da auch noch etliche ehrenamt.lichen Rollen und Leidenschaften gibt wie etwa im national agierenden „Senat der Wirtschaft“, in der Vollversammlung der IHK, im Lions-Club
und Görlacher in Villingen und Schwenningen, Honer in Donaueschingen, 2008 der große Nachbar Bölle aus Singen und Konstanz und 2003 schon die Titiseer Firma Schmidt zu ei.nem einzigen Unternehmen legierten, das lag an dem Credo des Stuttgarter Konzerns. „Dort drängt man auf größere Einheiten im Handels- und Servicenetz“, erklärt Bucher. Nur so – heißt die Botschaft – könnten die Anforderungen des Marktes und moderne Steuerungsmechanis.men funktionieren.
Menge macht’s also. Und so schreibt heute das Unternehmen, das der Stadt Donaueschin.gen ein wichtiges Moment wirtschaftlicher Zentralität im Südwesten verschafft, auch be.eindruckende Leistungsdaten. Aus den einst 30 Millionen D-Mark Umsatz, den die damaligen Geschäftsführer Bucher und Maurer-Spitznagel 1998 von der Firma Honer übernahmen, sind inzwischen 240 Millionen Euro geworden. Und in den Bestell-Katalogen, wo einst gerade ein-oder im Pferdesattel. Denn bei Bürk-Kauffmann fordert ein florierendes und ständig dehnendes Geschäft doch ebenso wie beim Mercedes-Haus viel Präsenz und Einsatz. Schließlich stehen dort auf 32.000 Quadratmetern Firmenareal an der Schwenninger Neufenstraße 25, in einigen De.pendancen und bei den Tochterfirmen Mowag
Firmen-Verwandtschaft zur Bürk-Kauffmann GmbH
in Lauchingen und Gaiser in Oberndorf mehr als 120 Menschen auf der Gehaltsliste. Spezia.listen für den Handel und die Herstellung von Schmierstoffen für die industrielle Metallbear.beitung und Zerspanung, für den motorischen Einsatz sind es.
Außerdem betreibt das 120 Jahre alte Un.ternehmen 43 Dieseltankstellen, handelt mit Strom, Gas und freilich Heizöl, wo man zu ei.nem der großen Anbieter im Südwesten aufge.stiegen ist.
mal ein halbes Dutzend verschiedener Modelle gelistet waren, hat der Kunde „heute die Wahl zwischen 38 verschiedenen Modellen“, wie der Vorstand erklärt. Auf 450.000 Euro lautete kürz.lich die höchste Rechnung, die Südstern-Bölle einem Kunden für einen luxuriösen Pkw – einen Geländewagen G 6×6 – ausstellte. Am anderen Ende des Angebotsspektrums stehen die Fe.dergewichtsflitzer der Marke Smart, auf deren Verkauf und Service sich die Dependancen in Villingen und Singen spezialisiert haben.
Tiefgreifende Veränderungen
So sehr man sich nach der Wegmarke des hun.dertjährigen Bestehens der Tradition bewusst ist, so sehr hat die nicht börsennotierte Aktien.gesellschaft die enormen Anforderungen und Aufgaben eines sich gerade in nächster Zukunft epochal verändernden Geschäfts im Blick. Der Paradigmenwechsel der Mobilität weg vom al.
Am Standort Donaueschingen beschäftigt Südstern-Bölle rund 120 Mitarbeiter, darunter etliche Auszubildende.
leine den Markt beherrschenden Verbrennungs.motor hin zu Elektro- und anderen Antrieben ist eine der großen Herausforderungen. Auch durch die starke Vernetzung oder Digitalisierung und die Ablösung des Fahrers in seiner Pilotenrolle durch die Steuerungstechnologie werde sich der Alltag in den Werkstätten oder auch beim Handel mit Fahrzeugen tiefgreifend verändern. „In Zukunft meldet das Auto der Werkstatt automatisch, wenn der Motor ein Problem hat oder die Bremsbeläge verschlissen sind“, erklärt Firmenchef Johann Bucher. Und die Werkstät.ten bekommen immer häufiger Hybridmotoren, Elektroantriebe oder komplexe Komfort-Featu.res vorgesetzt. Aus dem Automechaniker alter Prägung ist heute schon der interdisziplinär ausgebildete Mechatroniker geworden, der viel qualifizierter sein muss als der akademische In.genieur vor zwei Jahrzehnten.
In besonderer Weise werden schon jetzt und noch mehr in Zukunft die Service-Leistungen bei jenen Kunden zum wichtigen Leistungs-Parameter, bei denen mit den Fahrzeugen ganz direkt Geld verdient wird. Bei Transportern oder Lastfahrzeugen zum Beispiel bedeutet jede Stunde, die das Fahrzeug in der Werkstatt pau.sieren muss, verlorenes Geld. Also warten die Fachleute des Lkw-Service von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr am Abend auf die Brummi-Patienten.
Mit der Region eng verbunden
Nicht nur in den Handels- und Technik-Diszipli.nen und als Arbeitgeber ist das Unternehmen eine „große Nummer“ der regionalen Volkswirt.schaft – auch auf der Landkarte gesellschaft.licher Strukturen oder als Mäzen und Sponsor wird neben regionalen Banken Südstern-Bölle so häufig bemüht und genannt wie wohl kein anderes Unternehmen dieser Landschaft. Vereine, Reitturniere und andere sportliche, musische oder kulturelle Akteure, aber auch caritative Adressen, nähren sich an dem Selbst.verständnis der Südstern-Bölle-Chefetage, die Verbundenheit mit der Region durch so manch generöse Geste zu demonstrieren. Und im Falle Südstern-Bölle ist der im Donaueschinger Stadt.bild exponierte gläserne Karton der Ausstel.lungshalle schon häufig zum Stadthallen-Ersatz geworden.
Also ist Südstern-Bölle in vielfacher Hinsicht von der Werkstatt zur Bühne mutiert. Zum Podium eines Unternehmens, auf dem sich schicksalhafte Zufälle wie der Niedergang der Alteigentümer mit dem entschlossenen Fort.schrittswillen der Gegenwart die Hauptrolle teilen.
Die gläserne Ausstellungshalle von Südstern-Bölle ist nicht nur Show- und Verkaufsraum, sondern oft auch ein Ort für Events jeder Art – auf dem Bild oben ist es die Vorstellung neuer Automodelle.
H
ans Dhonau ist bereit. Er setzt beherzt seine graue Mütze auf, rückt seinen Gürtel zurecht, in den er die Arbeits.handschuhe geklemmt hat, und stiefelt los, raus aus seinem Büro. Er macht sich auf den Weg hinein in das Herz seines Betriebs. „Willkom.men in der Vorhölle“, scherzt er grinsend und mit jeder Menge Schalk im Nacken, während er den Aufzugsknopf drückt und mit dem Besuch hineinfährt in die Produktionshallen der letzten im Schwarzwald-Baar-Kreis verbliebenen Eisen.gießerei.
Eine der letzten ihrer Art
Seit 36 Jahren ist der Gießerei-Ingenieur Inhaber des Betriebs. 1981 im November kam der aus dem Hunsrück in Rheinland-Pfalz stammende, damals 41-jährige Fachmann, der bis dato Leiter der Gießerei Siempelkamp in Krefeld gewesen war, im Schwarzwald an. Hier wollte er sich die ehemalige Gießerei Werneth genauer anschauen. Um die war es
Der Unternehmer misst nach: Hans Dhonau ist täglich in der Fabrikation anzutreffen.
allerdings alles andere als gut bestellt. Im Mai 1981 war der Betrieb in Konkurs gegangen, 55 Mitarbeiter standen auf der Straße. „Dann kam ich und hab‘ die Ruine gekauft. Ich war der Einzige, der hier noch Geld reinsteckte. In ganz Süddeutschland hat man mich Idiot genannt“, sagt Hans Dhonau, sich zurückerinnernd. Der Familienvater von zwei Kindern hatte derweil den unumstößlichen Entschluss gefasst, sich selbstständig zu machen. „Ich war das Angestelltenleben einfach leid“, sagt er im Rückblick. Zuletzt hatte er ein eigenes Verfahren entwickelt und war sich sicher: Wenn man sich in Schonachbach auf Handformguss konzentrieren würde, könnte man einen idealen Fertigungsfluss erreichen. Spezialisierte Produkte – das war die Zukunft, die er mit „Elan, Erfahrung und ehrgeizigen Plänen“ angehen wollte, so schrieben es damals die örtlichen Zeitungen.
Die Arbeit wurde also wieder aufgenom.men. „Wir waren sehr schlecht eingerichtet, der Anfang war ganz furchtbar hier“, sagt Dhonau und verzieht beim Gedanken daran mit deutlich erkennbarem Erschaudern das Gesicht. Von den zuvor gekündigten Mitarbeitern wurden zunächst zehn wieder eingestellt. Im ersten Jahr verlor der neue Firmenchef so viel Geld, wie er bis dato in seinem ganzen Leben verdient hatte; ab dem dritten Jahr sei das Ganze profitabel geworden und „danach haben wir nie mehr rot geschrieben“, erzählt er und über sein Gesicht geht wieder ein Grinsen, diesmal ein sehr brei.tes, sehr stolzes – ein kleiner, später Gruß an alle jene, die ihm das seinerzeit nicht zugetraut hatten.
Seither hat Dhonau einen treuen, verlässli.chen Kundenstamm aufgebaut. Auf sehr vielen der Modelle prangt der Name Arburg. Der Ma.schinenbauer aus Loßburg im Kreis Freuden.stadt ist der größte Kunde der Gießerei. Weitere Abnehmer sind zum Beispiel der Antriebsspe.zialist SEW Eurodrive in Bruchsal, die Spritz.
Firmenansicht von oben, unschwer erkennbar ist die schwierige topografische Lage.
gussmaschinenbauer Engel aus Österreich oder Netstal im schweizerischen Glarus, die Heller GmbH in Nürtingen, die vorwiegend CNC-Fräs.maschinen baut, der Baumaschinenriese Lieb.herr oder Krauss Maffei mit Sitz in München. Auch die J. G. Weisser Maschinenfabrik in St.Ge.orgen vertraut auf Dhonau-Produkte. Deren Geschäftsführer Thorsten Rettich verweist bei seinen eigenen Firmenrundgängen dann auch schon gern mal auf das Unternehmen im Nach.barort und erklärt, dass er dieses für „eine der besten Gießereien Deutschlands hält“ – sehr zur Freude von Hans Dhonau natürlich.
Für all diese Kunden produziert er die unter.schiedlichsten Gussstücke, vom Schwenkteil für Werkzeugmaschinen über Verriegelungszylin.der für Kunststoffspritzguss-Maschinen bis zu Teilen für Buchdruckmaschinen zum Beispiel.
Bei Dreck wird der Chef fuchsteufelswild
Und wie sieht es nun heute in der Fabrik aus? Vorhölle, wie angekündigt? Ort des Grauens? Finstere Männer mit rußgeschwärzten Gesich.tern, die sich ihren Buckel in dunklen, zugigen Hallen krummschaffen müssen, in denen man knietief im Dreck steht und die eigene Hand vor Augen kaum sieht? In denen man die Hitze inmitten von Feuer und Funken schier nicht aus.hält und in denen angesichts tonnenschweren Arbeitsgerätes obendrein noch ohrenbetäuben.der Lärm herrscht? Ja, dieses Image hält sich hartnäckig und andernorts in ähnlichen Betrie.ben mag es unter Umständen auch manchmal noch so oder so ähnlich zugehen. Bei Dhonau aber: Fehlanzeige. Das auf sehr beachtliche Größe entlang des Bachlaufs regelrecht um die Kurve angewachsene Gebäudeensemble hat eine weiß gestrichene Fassade, an der stolz das mächtige Firmenlogo prangt. Der Chef persön.lich wird fuchsteufelswild, wenn von den Mit.arbeitern nicht penibel auf Ordnung geachtet wird, da versteht er keinen Spaß. Um gegen das schlechte Image anzugehen, tut er, was er kann. Und er findet: „Es ist immer noch nicht sauber genug.“ Seine feste Überzeugung lautet: „In keinem der Gebote Gottes steht, dass eine Gießerei ein Saustall sein muss.“
Also werden jedes Wochenende die (vielen!) Fenster geputzt und 160.000 bis 180.000 Euro gibt er jedes Jahr für die Maler aus, die hier zum Beispiel ständig die Wände weißeln. Die Beleuchtung wird sukzessive auf LED-Betrieb umgestellt. Und in den verschiedenen Hallen der Gießerei ist es auch dank der großflächigen Fenster, die so viel Tageslicht wie möglich hin.einlassen, heller als anderswo. Sie sind einmalig in der Gießerei-Branche.
Wo man rausschauen kann, kann man von draußen auch reinschauen, tagsüber, aber auch abends, wenn die Fabrik indirekt beleuchtet wird: Der Passant kann dann durch die hohen Industriefenster – wenn er Glück hat und gera.de gegossen wird – den Dhonau-Mannen bei der kniffligen und schweißtreibenden Arbeit an den Schmelzöfen zusehen. Hier sprühen buch.stäblich die Funken, wenn das glühende, heiße Eisen in die Form gegossen wird.
Viele Arbeitsschritte ergeben ein Ganzes
Bis das aber soweit ist, stehen viele, viele Ar.beitsschritte zuvor an, ablesbar an den verschie.denen Abteilungen des Industriebetriebs. Nach entsprechendem Auftragseingang und der Zu.sammenarbeit mit dem Kunden, um das beste Produkt für den jeweiligen Zweck auszutüfteln, muss ein Modell des Gussteils erstellt werden, entweder seitens des Kunden oder gleich in der hauseigenen Schreinerei. Im riesigen, exakt temperierten Modelllager werden diese dann auch für die weitere Verwendung aufbewahrt. Hier ist der Gabelstapler entlang der tipptopp aufgeräumten Hochlager unterwegs, um das jeweils benötigte Holzmodell für den Guss her.auszusuchen.
Auch im zuletzt hinzugekommenen Ge.bäudeteil hin zur B 33, im Kasten- und Rohma.teriallager, ist einiges los. Hier findet man das brasilianische Roheisen, das in faustgroßen Klumpen in Containern gelagert und bei Bedarf in Richtung Ofen transportiert wird. Schrott, der aus einer Umgebung von rund 200 Kilometern geliefert wird, wird hier ebenfalls gelagert.
Mit einem Kran werden unterdessen die Formkästen ausgesucht, in denen die Modelle und später beim Guss die Formen zusammen.gehalten werden. Mehrere Männer sind in der Kernmacherei. Sie fertigen in absoluter Hand.arbeit Kerne für Hohlräume in den Gussteilen an – Handformen lautet der Fachbegriff. Eine eigene Entwicklung des technischen Betriebs.leiters Martin Grieshaber kommt hier zudem zum Einsatz: Die Kerne werden miteinander verklebt – ein Dhonau-typisches, eigens aus.getüfteltes Verfahren. In der Kernmacherei wird mit schwarzem, mit Furanharz gebundenem Sand hantiert, der später auch noch mal bei einem anderen Produktionsschritt zum Einsatz kommt.
In der Füllhalle nämlich, wo er mittels eines Greifarms und eines Trichters in die jeweilige Kastenform gefüllt wird, um die notwendige Stabilität beim Guss zu erreichen. Der Furan-harz-Sand härtet aus und dann kann das jewei.lige Modell wieder herausgenommen werden. In den entstandenen Hohlraum wird später das Eisen gegossen, um das gewünschte Endpro.dukt zu erhalten. Es folgen als nächste Schritte noch das Fluten der Form und das sogenannte Zurichten.
Und dann wird es richtig heiß: In den beiden mächtigen Induktionsöfen werden das für den Guss benötigte Roheisen, Schrott, Ferrosilizium und andere Zusatzstoffe wie Kupfer, Zinn und Nickel und mehr in vorher genau festgelegtem Mischungsverhältnis bei großer Hitze verflüssigt.
Feuer und Flamme für den Beruf
Hier steht Hans Dhonau am liebsten. Einmal täglich muss er flüssiges Eisen sehen. Das ist seine Devise – und wer ihn dabei beobachtet, weiß, dass dieser Mensch buchstäblich Feu.er und Flamme für seinen Beruf und seinen Betrieb ist. Die glühende, faszinierend hellrot leuchtende Masse wird aus den Elektroöfen in eine mächtige Gießpfanne umgegossen. Aus dieser wiederum, sie kann mittels entsprechen.der Gerätschaften gekippt werden, wird das flüssige Eisen – exakt 1.315 Grad heiß muss es sein – final in die Form gegossen. Geredet wird bei all diesen Arbeitsschritten nicht viel, wenn überhaupt nur das Notwendigste. Die Männer
Oben: In der Füllhalle und der gesamten Fertigung ist Handarbeit gefragt. Mitte: In der Fluterei wird die Form geflutet. Unten: Blick in die Zulegerei.
Spezialisierung durch Sphäroguss
Dhonau arbeitet mit dem Verfahren des sogenannten Kugelgraphitgusses, auch Sphäroguss genannt. Dieser hat sich als ideal für technisch anspruchsvolle Er.zeugnisse mit hohem Nutzen erwiesen und ermöglicht einen hohen Grad an Spezialisierung. „Gleichmaß in Sphäro.guss“ ist der Slogan der Produktion: Das Augenmerk richtet sich dabei auf eine durchgängige Gleichmäßigkeit in allen Fertigungs-Prozessschritten. Auch in der Wiederholfertigung werden ständig mögliche Verbesserungen der Guss.stücke geprüft, ganz nach dem Motto: „findig und fordernd arbeiten“. Eine Dhonau-Besonderheit ist, dass alle Mo.delle auf Platte und Gegenplatte nach CNC-gefrästen Daten mit Formstand und komplett montierter Gießtechnik erstellt werden. Die Losgrößen liegen bei einem bis 20 Stück. Auf Wiederhol.genauigkeit wird größter Wert gelegt
– ein Gussstück ist wie das andere. Die Stückgewichte variieren von 100 Kilogramm bis 5,5 Tonnen, es ginge aber auch noch größer. Durch Beratung und gute Kooperation mit den Kunden erreicht Dhonau „maßgeschneiderte Gussstücke mit maßgeschneiderten Eigenschaften“. Durch das Handformen erreicht man eine höhere Flexibilität und eine große Palette der Endprodukte.
Auch Grauguss wird im Betrieb noch praktiziert, allerdings macht er nur noch rund zwei Prozent des Portfolios aus. Dhonau behält das Verfahren haupt.sächlich bei, um das Know-how nicht zu verlieren.
wissen, was zu tun ist, jeder Handgriff sitzt, die Abläufe sind eingespielt und hochkonzentriert muss hier zu Werke gegangen werden.
Danach kommen die gegossenen und über einen Zeitraum von mehreren Tagen abge.kühlten Teile in die Gussputzerei, wo an ihnen auf Teufel komm raus geflext und geschliffen wird. „Hier kriegt das Gussstück ein Gesicht gemacht“, erklärt Hans Dhonau. Es folgen Grun.dierung und Lackierung und schließlich der Ver.sand. Festgeschnallt auf Europaletten treten die Gussteile mittels Speditionen die Reise zu den Kunden in die nähere Umgebung oder auch in die Schweiz oder nach Österreich an. Sechs oder sieben Lastwagen fahren hier in der Regel pro Tag vom Hof. Zum Betrieb gehören auch noch eine eigene Schlosserei und – ganz wichtig – das Labor, wo unter anderem die Eigenschaften des verwendeten Materials und die Zusammenset.zung der heißen Eisenmischung vor dem Guss noch einmal genau geprüft werden.
In der Verwaltung und im Labor beschäftigt Dhonau acht Mitarbeiter. Der Rest ist direkt in der Produktion tätig, bis dato ausschließlich Männer, die meisten von ihnen sind ausgebil.dete Facharbeiter. Insgesamt arbeiten in dem Unternehmen, das zwischen 15 und 16 Millio.nen Euro Umsatz pro Jahr verzeichnet, rund 60 Personen. Von preußischer Geschichte weiß
Oben: Funkenflug am Ofen. Unten: Gießhalle, abschlacken vor dem eigentlichen Gießen.
Hans Dhonau viel zu erzählen, dafür hat er ein erkennbares Faible. Die Disziplin der damali.gen Zeit beeindruckt ihn nachhaltig. Und die erwartet er auch von seinen Leuten im Betrieb. „Hier gelten die Regeln des Anstands“, insistiert er. Wer hier arbeitet, muss sich daran halten, kann aber auch das Entsprechende erwarten. Den Knochenjob in der Produktion machen die Mitarbeiter ohne zu klagen und sehr verlässlich. Bei Dhonau ist man „entweder kurz“ (weil man gleich merkt, dass die harte Arbeit nix für einen ist), „oder sehr lang“, berichtet der Chef von Mitarbeitern, die dem Betrieb entsprechend die Treue halten. „Wir gehören zu den bestzah.lenden Unternehmen in der Gießereibranche. Wer hier lange ist, hat hart, schwer und viel gearbeitet“ – und dafür soll er auch entspre.chend entlohnt werden, meint Dhonau. Der Durchschnittslohn der Mitarbeiter liegt bei rund
60.000 Euro pro Jahr. Geschmolzen und gegos.sen wird im Zweischichtbetrieb zwischen 6 und 22 Uhr; alle übrigen Arbeiten werden in der re.gulären Tagschicht absolviert.
Sozialleistungen durch das Unternehmen
Früher hat der Betrieb auch ausgebildet, heute fehlt der Nachwuchs sehr. Hans Dhonau be.dauert: „Wir finden keine Lehrlinge mehr“ – das Gießerei-Image ist wie erwähnt gemeinhin nicht sonderlich sexy.
Wer bei Dhonau arbeitet und Kinder hat, kann sich darüber freuen, dass der Betrieb die Beiträge für den Kindergarten bezahlt, ebenso wie bei Bedarf die Kosten für die Betreuung der Schulkinder und ähnliches. Direktversicherun.gen und Altersvorsorge für die Mitarbeiter sind hier selbstverständlich, außerdem sind sie am Gewinn des Unternehmens über Ertragsprämi.en beteiligt. „Alles, was den Mitarbeitern hilft, machen wir“, sagt Dhonau, seine Leute „müssen wissen, dass sie auch irgendwo geborgen sind.“
Kürzlich hat er mit einem jungen, frisch verheirateten Mann gesprochen, der genau wie die Ehefrau berufstätig ist und es sich trotzdem nicht leisten kann, eine Familie zu gründen. „Das kann doch nicht sein“, ärgert sich der Unternehmer und sieht da ein grundlegendes Systemproblem. Von der Politik ist Dhonau auf diesem Gebiet enttäuscht – und das sagt er Politikern von Zeit zu Zeit dann auch mehr als deutlich. Schon länger hat von ihnen bei ihm im Betrieb keiner mehr vorbeigeschaut. Dhonau ist ein streitbarer Geist, einer, der sehr deutlich sagt, was er denkt und dabei nicht gerade zim.perlich ist.
In Teile der Fabrik schaut der blanke Fels rein
Gewachsen ist die Gießerei in den letzten Jahr.zehnten sowohl was die Zahl der Mitarbeiter angeht als auch baulich in die Länge und in die Breite. Den Platz musste man dem Felsen teil.weise mittels massiver Sprengung abtrotzen. Der kleine Schonacher Ortsteil Schonachbach, Exklave im schmalen Gutachtal unterhalb von Triberg, lag früher direkt an der viel befahrenen Bundesstraße 33. Für die allerdings wurde vor über 20 Jahren der Zuckerhut-Tunnel gebaut, so dass der Verkehr an dem kleinen Weiler seitlich vorbeirauscht. Im Flecken selbst stehen einige Wohnhäuser mit mitunter über 100-jähriger Geschichte, die weltgrößte Kuckucksuhr im Uhrenpark Eble, die Elektrofirma Wild und – wahrlich unübersehbar schon bei der Einfahrt in den kleinen Ortsteil – eben die Eisengießerei.
Und die wird weitere Flächen benötigen. Keine Frage, die Lage im engen Tal mit be.schränkten Erweiterungsmöglichkeiten und nicht gerade idealer Verkehrsanbindung ist ein Standortnachteil. Hier sind die logistischen Probleme nicht wegzudiskutieren. In Teile der Fabrik schaut unmittelbar der blanke Fels rein. Platz ist das Hauptproblem, er ist einfach knapp, auch wenn gerade erst wieder eine neue Lager.halle gebaut wurde. Das nächste Firmengebäu.de für die Lagerung der Formkästen ist schon in Planung, die entsprechenden Anträge bei den Behörden sind längst gestellt. So mancher Einheimische spricht hier scherzhaft auch schon mal vom „Dhonautal“, worüber sich der Gieße.reichef königlich amüsieren kann.
Motto: „Gegossen wird immer“
Wie es weitergeht mit der Eisengießerei? Der Mann ist Optimist. „Gegossen wird immer“, sagt er erst mal nüchtern. Im Bereich der Handformereien haben die Chinesen den deut.schen Gießereien etliche Marktanteile wegge.schnappt. Aktuell geht die Auftragsvergabe aber wieder in die andere Richtung zurück. Laut Dho.nau haben die Auftraggeber vielfach gemerkt, dass die Chinesen Qualitätsprobleme haben. Zudem steigen dort die Löhne schneller als er.wartet. Es kommt außerdem immer wieder zu Lieferschwierigkeiten. Da sind die deutschen Gießereien einfach verlässlicher. Dhonau selbst sagt: „Wir haben vor den Chinesen keine Angst
–
wir sitzen in einer Nische“. Und: „Wir überle.ben entweder, wenn wir zu den besten der Welt gehören oder die besten der Welt sind“. Von der uneingeschränkten Wachstums-Devise hält er aber nicht viel: „Wir müssen nur besser werden
–
sonst nichts.“ Eine hocheffektive Fertigung und Entwicklung, neue Werkstoffe und weiter anwendungsorientierte und maßgeschneiderte Produktion, das ist das Erfolgsrezept, wie er glaubt.
Blick in die Zukunft
Und wie wird es mit ihm persönlich weiterge.hen? „Ich bin der Methusalem der Eisengieße.rei-Industrie“, lacht der 77-Jährige. Schwer vor.stellbar, dass er eines Tages mal nicht mehr in der Gießerei tätig ist. Und doch ist klar: Ewig wird er diesen Job auch nicht machen können. Deshalb, so erzählt er, hat er seine Nachfolge klar geregelt. Wie genau, dazu sagt Hans Dhonau nichts. Nur so viel: Heuschrecken („die sparen als erstes bei den Löhnen und Gehältern“) werden seinen Be.trieb nicht übernehmen, dafür hat er jedenfalls gesorgt.
Und dann kommt das Funkeln noch einmal zurück in seine Augen: Einmal am Tag flüssiges Eisen sehen – ohne das wird es bei ihm schlicht.weg nicht gehen, soviel steht fest.
Oben: In der Putzerei. Unten links: Blick ins Strahlhaus. Unten rechts: Fertig zur Abholung, diese Gussteile ste.hen zum Versand bereit.
Gießerei Dhonau
Briefkopf aus den 1930er-Jahren.
Ursprung als Kettenschmiede
Die Geschichte der heutigen Gießerei Dhonau / von Daniela Schneider
D
ie Ursprünge der Eisengießerei liegen im Jahr 1873. Der Bachbauer, der seinen Hof gegenüber der heutigen Fabrik hatte, gründete hier seinerzeit eine Kettenschmiede – ein Zubrot musste her für den Landwirt, der einst eine noch unbewaldete Fläche im Seelen.waldgebiet in Almwirtschaft beweiden ließ und vor allem in den Wintermonaten für seine Familie einen Zuverdienst benötigte. Der Bauer nutzte die Wasserkraft des hier durchfließenden Gutachbachs, elektrische Energie gab‘s in Tri.berg und Umgebung erst ab den 1890ern.
1876 wurde aus dem Betrieb die Metall- und Eisengießerei für Uhrenteile Kaiser, Werneth & Cie. GmbH; es folgten mehrere Besitzerwechsel bis 1906. Dann spezialisierte man sich auf Eisen.gießerei für Uhrenteile und Industrieguss; spä.ter wurde auch Handformguss gefertigt. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurde hier Eisen als Massenproduktion gegossen, circa 6.000 Ton.nen Uhrengewichte pro Jahr.
1936 betrieb Besitzer Carl Werneth fortan die Einzelfirma Eisengießerei Triberg. Er war ur.sprünglich Banker und hatte vor 1914 schon bei Henry Ford in Detroit gearbeitet, war also mit modernsten Fertigungsmethoden vertraut.
In der Nachkriegszeit erweiterte und moder.nisierte die Gießerei ihren Betrieb. 1961 wurde das heutige Verwaltungsgebäude errichtet. 1963 starb Carl Werneth im Alter von 83 Jahren; sein Schwiegersohn Stefan Lütten führte den Betrieb weiter.
Konkurs und Neubeginn
1981 im Mai musste die Gießerei Konkurs an.melden, sie schloss wegen Unrentabilität für immer ihre Pforten, wie es hieß. 55 Mitarbeiter erhielten ihre Kündigung, vom kaufmännischen Leiter bis zum einfachen Arbeiter. Im Schwarz.wälder Boten war damals zu lesen: „Eines der ältesten und traditionsreichsten Unternehmen in der Raumschaft war die Eisengießerei Carl Werneth Triberg/Schonach im Ortsteil Scho.nachbach an der Bundesstraße 33. In ihr fanden über viele Jahrzehnte zahlreiche Mitbürger – meist aus der Raumschaft – Arbeit und Brot. Es gab Mitarbeiter, die 40 und mehr Jahre treu und brav zum ‚Kaiser-Werneth‘ zur Arbeit gingen – eine Arbeit, die nicht immer leicht und einfach war.“
Am 27. November desselben Jahres war dann im Südkurier zu lesen: „Ehemalige Eisengießerei fängt von vorne an.“ Berichtet wurde vom neu.en Besitzer Hans Dhonau. 1982 am 1. Januar kam der Neubeginn in der Gesellschaftsform als Ein.zelfirma unter neuem Namen als reine Hand.formerei, zunächst mit einem Stückgewicht von 30 bis 1.500 Kilogramm in Grauguss. 1989 wurde von Kupol- auf Induktionsöfen umgestellt. Im Jahr 2000 wurden Modell-, Lager- und Produkti.onshallen um- und teilweise neugebaut. Schon ein Jahr später wurde das nächste Modelllager fällig, gefolgt vom Neubau eines Kastenlagers im Jahr 2005. 2012 konnte die Eisengießerei Dhonau ihr 30-jähriges Bestehen feiern.
Eine der letzten ihrer Art
Sie ist im Übrigen eine der letzten ihrer Art. Früher hatte es im Schwarzwald-Baar-Kreis zum Beispiel auch noch die Gießerei Hess in Villingen gegeben, aber dort wird schon seit den 1980ern nicht mehr gegossen. Vor 30 Jahren gab es allein in Baden 25 Gießereien, jetzt sind es noch sieben. 1955 existierten in der BRD rund
1.550 Eisen-, Stahl- und Tempergießereien. Sie waren auf die Grundstoffindustrie eingerichtet und produzierten oft materialintensive Teile für Stahlwerke oder den Bergbau. Heute sind es noch 190, allerdings ist die Kapazität heute trotzdem gleich hoch wie zu der Zeit vor über 60 Jahren. Größter Abnehmer von Eisengieße.reiprodukten ist heutzutage die Automobilindu.strie. Eine der größten Gießereien der Welt ist Waupaca in den USA. Sie produziert rund 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Ebenfalls zu den Marktführern zählt Tupy in Joinville in Brasilien mit deutsch.stämmigen Besitzern und circa
8.000 Mitarbeitern.
Die größte Gießerei in Deutschland bringt es indes auf rund 400.000 Tonnen pro Jahr, sie hat rund 4.000 Beschäftigte. Zum Vergleich: Dhonau schmilzt
13.000 Tonnen und produziert
10.000 bis 11.000 Tonnen pro Jahr; damit ist man etwas größer als der Durchschnitt der deut.
schen Gießereien; der liegt bei 8.560 Tonnen pro Jahr.
Foto rechts: Johannes Hellstern (rechts) zusam.men mit seinem Vater Peter bei der Prung eines Produkts.
Fotos links: Hoch komplexe Kunststoffteile und Werk.zeuge von Sternplastic.
Sternplastic Hellstern GmbH & Co. KG – ein Technologieunternehmen in Schwenningen – gewitzt, innovativ, international aufgestellt und letztlich doch bodenständig. Irgendwie so, wie man sich eben ein typisch schwäbisches, erfolgreiches Familienunternehmen vorstellt. Und doch ist es eines mit einem ganz eigenen Charakter: Rund 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt die Firma, die technisch hochwertige Kunststoff- und Keramik-Spritzgussteile herstellt und damit nicht nur in Europa, sondern weltweit unterwegs ist und heute einen Umsatz von ca. 24 Millionen Euro erzielt, wobei der Exportanteil bei etwa 40 Prozent liegt.
Firmenchef Peter Hellstern erzählt anerkennend von seinem Vater, der sich 1951 vom übrig gebliebe.nen Hochzeitsgeld eine Drehbank kaufte und bei sich zu Hause im Albrecht-Dürer-Weg eine Werkstatt einrichtete.
Schmunzelnd erinnert er sich an seine eigenen Anfänge in dem Familienunternehmen: „Bereits mit fünf Jahren musste ich schon für ir.gendjemand Gehäuse nieten.“ Der heutige Geschäftsführer lachend: „Ich gehörte damit sozusagen zu den ersten Beschäftigten des Be.triebs.“ Große Sprünge konnte man damals keine machen. Die Familie bestand aus den Eltern, den fünf Kindern und der Oma. Schmal.hans war Küchenmeister bei den Hellsterns.
„Mit einem Schuss ein Zahnrädle“
Als dem Vater ein Freund in einem Loßburger Unternehmen eine Spritzgußmaschine vorführte, war der Firmengründer Matthias Hellstern hin und weg: „Das ist es!“ Eine Maschine, mit der man mit einem „Schuss“ ein Zahnrädle machen kann. Ein Teil, das bislang sehr aufwändig gefräst werden musste. Es dauert nicht lange, da stand ein solches Ding in Schwenningen. Von nun an ging es am Neckar.ursprung bergauf. Nicht explosionsartig, son.dern kontinuierlich. Gesundes Wachstum würde man heute so etwas nennen.
1966 war dann das Jahr in dem im Alb-recht-Dürer-Weg nichts mehr ging. Nur platz-mäßig wohlgemerkt. Das Geschäft selbst lief gut, nahm inzwischen so viel Raum ein, dass man um einen Neubau nicht mehr herumkam. Der Grundstein für den heutigen Standort wur.de gelegt. Firmeninhaber Peter Hellstern blickt zurück: „Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft wir hier angebaut haben“. Dann gibt es von ihm schmunzelnd doch noch eine Antwort: „zigmal“.
Industriegeschichte mitgeschrieben
Im Laufe der Jahre überraschte das Unterneh.men immer wieder mit Entwicklungen, die Furore machten. Einige der Produkte, die hier gefertigt wurden, haben es sogar ins Deutsche Museum in München geschafft. Zeichen dafür, dass in dem Betrieb am Neckarursprung auch ein kleines Stückchen deutsche Industriege.schichte mitgeschrieben wurde. Doch da sind noch andere Fakten. 1981 holte Sternplastic den „Europäischen Preis für technische Kunststoff.teile“, den der Fachverband ausgelobt hatte und 1993 war man eines der ersten deutschen Unter.nehmen, das nach „DIN ISO“ zertifiziert wurde.
Auch im Ausland wurde Sternplastic aktiv. Heute hat man Betriebe in der Schweiz und in Irland. In die Schweiz ging man 1988. Und zwar nach Schleitheim im Kanton Schaffhausen, nicht weit von der Grenze entfernt. Bis zum Engagement im Nachbarland hatte Sternplastic trotz aller Bemühun.gen bei den Eidgenossen keinen Fuss auf den Boden bekommen. Hellstern: „Wir mussten feststel.len, dass man in der Schweiz nur mit einer Schweizer Firma Kunden bekommt. Also haben wir eine gegründet. Die Eidgenossen gehen nun einmal nicht gerne über die Grenze.“ Im Zeichen des heutigen Wechselkurses hat sich das etwas geändert, doch im Prinzip hält der Unternehmer an seiner Aussage fest.
Das Schwenninger Unternehmen hatte in Schleitheim gerade mit den Erdarbeiten für das neue Domizil begonnen, als man auch schon in den Schlagzeilen stand. Bei den Arbeiten auf dem neuen Firmengrundstück war man auf Spuren einer römischen Siedlung gestoßen. Teile davon wurden in das Betriebsgebäude integriert und können besichtigt werden. Heu-te arbeiten rund 30 Menschen am Schweizer Standort.
Ähnlich viele wie in Irland, wo das Unterneh.men einem großen Kunde, der seine Produktion von Deutschland 1978 auf die grüne Insel ver.lagerte, zum Spritzgießen begleitete, weil man ihn nicht verlieren wollte. In der Zwischenzeit ist der Kunde weg, während das Schwenninger
Detailaufnahme am Montageautomat.
Keramik- und Kunststoffteile aus der Produktion von Sternplastic.
Unternehmen dort nach wie vor präsent ist. Pe.ter Hellsterns inzwischen verstorbener Bruder Hansjörg war es, der dort das Unternehmen leitete und nach vorne brachte.
„Tüftler vor dem Herrn“
Etwas zieht sich wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte. Die Hellsterns hatten und haben es vor allem technisch richtig gut drauf, waren und sind – um es einmal salopp zu for.mieren – „Tüftler vor dem Herrn“. Sowohl der Vater als auch der Sohn haben Patente ange.meldet. Der jetzige Firmenchef, der das Unter.nehmen seit dem Tod seines Vaters im Jahr 1993 führt, gleich deren zehn. Hellstern lacht: „Von den zehn habe ich gerade mal mit einem Geld verdient.“
Zu den Dingen, auf die der Schwenninger ein Patent hat, gehört beispielsweise die bahnbre.chende Erfindung des „Runden Messerrückens bei spritzgegossenen Keramikmessern“, die unter dem Markennamen CeraStar vertrieben werden. Bei dem Patent geht es darum, dass der runde Rücken im Gegensatz zum eckigen die Keramik entlastet und so dafür sorgt, dass diese nicht so schnell bricht. „Unsere Messer sind mit die Besten, die es gibt“, sagt Hellstern im Brust.ton der Überzeugung. Der Verkauf erfolgt im Werksverkauf und über das Internet.
Mit der Automobilindustrie wird der größte Umsatz gemacht
Sein Geld verdient das Schwenninger Unter.nehmen indes mit seinen hochwertigen Kera.mik- und Spritzgussteilen für die Industrie. Kundenmäßig ist man dabei breit aufgestellt, liefert in viele Branchen wie den Maschinenbau, die Elektrotechnik oder die Medizintechnik, bei der man zum Beispiel ein Unternehmen wie Aesculap auf der Kundenliste hat, für das man
u.a. Keramikteile für Scheren liefert.
Den größten Umsatz macht Sternplastic allerdings im Bereich der Automobilindustrie. Größter Kunde der Schwenninger ist die Firma Bosch, die man im Bereich elektrische Antriebe mit verschiedenen Komponenten versorgt, allen voran Kohlebürstenhalter. In die Halter werden unter anderem Kohlebürsten montiert, dadurch dreht sich dann der Motor. Peter Hellstern über die Bedeutung der Autoindustrie für sein Haus: „Obwohl wir recht breit aufgestellt sind, sind wir von der Autobranche abhängig. Würden die.se Aufträge wegbrechen, müssten wir hier deut.lich kleiner werden. Es ist ganz einfach so, dass
Eine mit Robotertechnik betriebene, hochmoderne Produktionsanlage.
es dieser Industriezweig ist, der große Mengen braucht und abnimmt.“
Doch bleibt das so? Natürlich macht man sich im Hause Sternplastic seine Gedanken über die neuen Entwicklungen in diesem Industrie.bereich. Die E-Mobilität spielt zwar im Moment noch keine so große Rolle, aber sie wird kom.men. Und sie bringt es mit sich, dass man künf.tig deutlich weniger Komponenten brauchen wird, um ein Auto zusammenzubauen. Das hat Auswirkungen auf die Zulieferindustrie, wird Arbeitsplätze in diesem Bereich kosten. Nun stellt man zwar bei Sternplastic Produkte her, die von dieser Entwicklung nicht betroffen sind, die auch für Elektroautos weiter gebraucht werden, doch Hellstern gibt sich da keinen Illus.sionen hin. „Das wird auch auf uns Auswirkun.gen haben. Der Wettbewerb wird größer wer.den, denn die Unternehmen, die von den neuen Entwicklungen betroffen sind, werden sich neue Betätigungsfelder suchen.“
Hochkomplexe Roboteranlagen
Dennoch sieht man bei Sternplastic durchaus optimistisch in die Zukunft, gibt sich auch selbstbewusst. Schließlich hat man jede Menge drauf. „Unsere Stärke ist die Fertigungstech.nologie. Wir sorgen beispielsweise dafür, dass unsere Kunden preiswerte und qualitativ hoch.wertige Massenteile von uns beziehen können.“ Dafür hat man eigene hochkomplexe Roboter.anlagen entwickelt und gebaut, die entschei.dend dazu beitragen, dass das Unternehmen den ständig wachsenden Ansprüchen gerecht werden kann.
Dass Sternplastic heute so gut aufgestellt ist, hat vor allem auch damit zu tun, dass man technologisch immer ganz, ganz weit vorne dabei war. In diesem Unternehmen ist erfah.renes Personal am Werk. Nicht selten sind die Mitarbeiter Absolventen der Schwenninger Feintechnikschule. Hellstern schätzt die breit angelegte Ausbildung, die die jungen Menschen in dieser Einrichtung erhalten. Sie für gewisse Aufgaben zu spezialisieren sei dann Sache des Unternehmens. Er weiß um die Bedeutung der Feintechnikschule für die Wirtschaft in der Re.gion. Über viele Jahre war er Vorsitzender des Vereins ehemaliger Feintechnikschüler und ist der Schule bis heute sehr eng verbunden.
Ausbildung wird großgeschrieben
Rund 20 Auszubildende für die verschiedensten Berufe hat die insgesamt rund 220 Mitarbeiter zählende Sternplastic heute. Ingenieure arbeiten in dem Unterneh.men gerade mal vier. „In unserer Branche machen gute Facharbeiter den Wert des Un.ternehmens aus“, so Hellstern. Doch kommen immer mehr Ingenieure in die Praxis zurück, da es immer wichtiger wird, die Produktion wissenschaftlich zu begleiten. Bildungsein.richtungen wie die Feintechnikschule oder die Hochschulen sind es unter anderem, die den Unternehmer zu der Einschätzung bringen, „dass wir in unserer Region eine gute Infrastruk.tur haben.“ Natürlich spürt man auch in der Hegaustraße den Fachkräftemangel. Dies sei aber ein Problem nicht nur dieser Tage, sondern eines, mit dem man „schon immer zu kämpfen hatte“. Und irgendwie ist man dennoch immer einigermaßen damit zu Recht gekommen. Nicht nur in dieser Firma, sondern bei vielen anderen in der Region. Hellsterns Bilanz: „Diese Region steht wirtschaftlich gut da.“
Sein Sohn führt das Unternehmen weiter
63 Jahre ist er inzwischen alt. Da darf man so langsam auch einmal ein klein bisschen ans Kürzertreten denken. Die Weichen für die Zu.kunft des Unternehmens sind schließlich ge.stellt. Sein Sohn Johannes wird es weiterführen. Schon das zeigt, dass er selbst ganz fest an die
Die Kennzeichnung für Hydranten ist ebenfalls ein Produkt von Sternplastic.
bereits erwähnt.
Darüber hinaus war
der Schwenninger lange Jahre auch politisch unterwegs, saß beispielsweise für die CDU des Schwarzwald-Baar-Kreises im Kreistag. Und auch mit der katholischen Kirche ist er sehr verbunden. Bis heute ist er in Schwenningen Mitglied des Kirchengemeinderats.
Dann die Fasnacht. Da ist Hellstern alles, Hästräger bei der Schwenninger Narrenzunft, Akteur bei der katholischen Saalfasnet und vor allem vom „Schmotzigen“ bis Aschermittwoch unterwegs.
Schließlich ist er auch noch begeisterter Rennradfahrer. Im Sattel gilt er bei seinen Freunden als ein „ganz harter Hund“, als einer dem die Berge nicht steil genug sein können. Ja, und dann ist da noch etwas: Peter Hellstern ist einer der Macher bei der Hagelabwehr Südwest. Dem Verein also, der dafür sorgt, dass Jahr für Jahr in der Region Hagelflieger aufsteigen. Von deren Wirksamkeit war er immer überzeugt. Diese Überzeugung wird jetzt durch ein For.schungsprojekt der Hochschule in Schwen.ningen, in das er mit eingebunden ist, wissen.
schaftlich untermauert. Doch das wäre
Zukunft des Betriebes glaubt. schon wieder eine neue, ganz
Langweilig dürfte es dem Unterneh-eigene Geschichte. mer, wenn er denn mal tatsächlich im Ruhestand ist, ganz bestimmt nicht werden. Schon jetzt ist er ein kleiner Tausendsassa, einer der in der Region vielfältig engagiert ist. Der lang.jährige Vorsitz im Ver-Abdeckung für ein ein ehemaliger Fein-Getriebe. technikschüler wurde
Von der Lernfabrik 4.0 zum CyberKnife Centrum S
Ein Döschen mit blauem Deckel: Es sind zwei Berührungen des Bildschirms und schon legt die Maschine los. Ein Unterteil, ein Deckel, Montage. Siegfried Kärcher, Schulleiter der Gewerbeschule Villingen-Schwenningen, ist stolz. Was hier steht, ist die Zukunft. „So produzieren ein paar große Betriebe in Deutschland – in der Region aber kaum ein Unternehmen. Diese Produktionsweise ist bislang eine Ausnahme“, erklärt Kärcher. Das Stichwort ist Lernfabrik 4.0.
von Stephanie Jakober
Hier lernen die Berufsschüler Mechatronik und Automatisierungstechnik – nur eben auf mo.dernstem Niveau. „Es ist eine Stufe mehr als Automatisierung“, so der Schulleiter. Denn die Maschine erhält einen Auftrag und entscheidet dann selbst, wie sie diesen ausführt. „Der Pro.duktionsweg kann morgen anders aussehen als heute.“ Doch das setzt für seine Schüler vor allem eines voraus: Dass sie ganz anders lernen, als dies in der Vergangenheit war.
Dank Förderung hochmoderne Lernfabrik entstanden
Das hat auch das Land Baden-Württemberg erkannt und deswegen einen Fördertopf für Lernfabriken in beruflichen Schulen eingerich.tet. 6,8 Millionen Euro hat das Ministerium
An der Gewerbeschule am Standort in VS-Schwenningen können Schüler jetzt die Verbindung von Produktions- und Informationstechnologien ganz praktisch erlernen. Oben: Siegfried Kärcher, Schulleiter der Gewerbeschule Villingen-Schwenningen.
Modernste Automatisierungskomponenten wie Servoantriebe, Sensoren, SPS-Steuerungen, kollaborative Ro.boter, RFID-Technik, neueste computergestützte Handarbeitsplätze mit Datenbrille etc. wurden ideal zu einer didaktisch wertvollen „Fertigungslinie“ für den Schulungsbetrieb aufgebaut.
für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Das Ziel: Fach- und Nach.wuchskräfte auf die Anforderungen der Digi.talisierung vorzubereiten. Die Gewerbeschule ist eine von 16 Schulen, die nun gefördert wird. Mit einer Summe von einer halben Million Euro. Doch das hätte für die hochmoderne Lernfabrik nicht gereicht. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat die Lernfabrik mit 525.000 Euro unterstützt und auch regionale Wirtschaftsunternehmen ließen sich von der Notwendigkeit überzeugen und steuerten nochmals 120.000 Euro bei. So stan.den 1,125 Millionen Euro für die Ausrüstung der Lernfabrik zur Verfügung.
Und wo einst die Metallwerkstatt im Schwenninger Standort untergebracht war, sind nun drei Grundlagenlabore entstanden. Von jedem Arbeitsplatz kann auf die komplexe Produktionsanlage zugegriffen werden. Die Anlage mit Rohstofflager, Förderband, 3D-Dru.cker, Montagepresse und Roboter, der die Werk.stücke aufnimmt und ablegt, ist in Modulen aufgebaut, die miteinander vernetzt sind. Erst einmal sollen nur Döschen mit Deckel versehen und wieder auseinander gebaut werden. Doch die Anlage könnte auch andere Arbeitsschritte. Doch darum geht es nicht. Es geht darum, dass die Schüler lernen, wie die Maschine arbeitet, was sie macht – und vor allem, wie man sie dazu bringt, das zu tun. Einzelne Module kön.nen herausgenommen und einzeln betrachtet werden. Was muss ich tun, damit das Lesegerät erkennt, dass auf dem Döschen noch kein De.ckel ist? Wie bringe ich dem Roboter bei, dass er einen blauen Deckel nimmt und keinen roten? Und was muss ich machen, dass der Schlitten, auf dem das Döschen hält, auch an der richtigen Station anhält?
„Es ist ein riesengroßes Mosaik“, sagt Kärcher. So mancher Berufsschüler lernt hier Dinge, die sein Ausbilder noch nicht kennt. Doch die Devise heißt: „Wir wollen gemeinsam diesen Weg gehen“, erklärt Kärcher. So sei es durch.aus denkbar, dass nicht nur die Schüler in der Lernfabrik 4.0 neue Wege beschreiten, sondern dass auch Ausbilder dort ihren Horizont erwei.tern können.
Cyber-Classroom – pädagogisches Vorzeigeobjekt von morgen
Dass die Digital Nativ oft denen voraus sind, ha.ben auch andere erkannt. Am Donaueschinger Fürstenberg-Gymnasium beispielsweise. Das Stichwort ist der Cyber-Classroom – ein päda.gogisches Vorzeigeobjekt, wie der Unterricht von morgen aussehen kann. Komplizierte Sach.verhalte virtuell erleben – das Lernen kann hier durch Virtuelle Realität wesentlich anschauli.cher werden. So gibt es beispielsweise die Mög.lichkeit, sich das menschliche Ohr von innen zeigen zu lassen und so aus allen möglichen Perspektiven nachzuvollziehen, wie Hammer, Amboss und Steigbügel bei Tönen reagieren und wie leise und laute Töne über die Hörschnecke an das Gehirn weitergegeben werden. Oder wie der chemische Aufbau von verschiedenen Kunststoffen aussieht. Möglich macht es das St. Georgener Unternehmen Imsimity, das sich auf Virtual Reality (Darstellung und gleichzei.tige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung) und Augmented Reality (Überblen.den der Realität mit zusätzlichen Informationen wie beispielsweise Pokémon Go) spezialisiert hat. Anfangs war die teure Technik nur für Un.ternehmen erschwinglich. „Durch einen Auftrag für den Europapark habe ich aber das Leuchten in den Augen der Kinder und Jugendlichen gese.hen, als sie unsere Technik ausprobiert haben“, sagt Geschäftsführer Martin Zimmermann. Mittlerweile wird der Cyber-Classroom am Fürs.tenberg-Gymnasium, am Thomas-Strittmat.ter-Gymnasium in St. Georgen und am Techni.schen Gymnasium in Schwenningen verwendet.
Dinge, die sein Ausbilder noch nicht kennt. Doch die Devise heißt: diesen Weg gemeinsam zu gehen. So sei es durchaus denkbar, dass nicht nur die Schüler in der Lernfabrik 4.0 neue Wege beschreiten, sondern dass auch Ausbilder dort ihren Horizont erweitern.
Einmalige Erfahrung für Schüler
Imsimity, Lehrer und Schüler arbeiten gemein.sam an der Weiterentwicklung der Programme. Für Zimmermann die Möglichkeit, sein Produkt besser auf die Bedürfnisse der Schüler anzu.passen und für die Schüler eine einmalige Er.fahrung. Für Philipp Bürk, Alexander Kaiser und Lukas Werb, die im Sommer 2016 ihr Abitur am Fürstenberg-Gymnasium gemacht haben, hat sich daraus ein einmaliges Erlebnis entwickelt. Die drei haben den Cyber-Classroom eingepackt und sind damit zu einer Innovationswalz aufge.brochen. Das Ziel: Ihr Wissen hinaus in die Welt zu tragen. So wie früher die Glasbläser- oder Uhrmacherkunst aus dem Schwarzwald hinaus in die Welt getragen wurde, sollte dies auch auf dem Bildungssektor geschehen. Und das Fazit der Reise zeigte genau das: Es wird im Bildungs.wesen viel mit den Möglichkeiten der Virtuellen Realität experimentiert, doch am Ziel ist noch niemand. Aber Donaueschingen spielt ganz vorne mit.
Von der Buchmesse Frankfurt führte der Weg der drei jungen Abiturienten drei Monate lang an ganz unterschiedliche Ziele: Sie waren im Vatikan, an der Elite-Uni Harvard, bei Google. Dabei öffnete ihnen gerade das Alter viele Tü.ren, die sonst vielleicht verschlossen geblieben wären. Wo sonst vielleicht ein Hintergedanke oder ein Verkaufsgespräch vermutet worden wäre, konnten die drei ganz unbefangen über die Möglichkeiten, die die Virtuelle Realität im Bereich Bildung bietet, diskutieren. „Wir wurden überall ernst genommen“, blickt Lukas Werb auf
Links: Sie gehen gemeinsam auf Innovationswalz (von links): Lukas Werb, Alexander Kaiser und Philipp Bürk werden die Möglichkeiten, Virtuelle Realität im Bildungssystem einzusetzen, hinaus in die Welt tragen. Rechts: Schulleiter Mario Mosbacher vom Fürstenberg-Gymnasium in Donaueschingen erklärt, wie das menschliche Ohr funktioniert. Am Bildschirm kann das in 3D selbst erkundet werden.
die Reise zurück. So wurden sie beispielsweise von einem Lehrer gefragt, in welche Technik er sein Budget in Höhe von 20.000 Euro inves.tieren soll. Oder Doktoranden ließen sich von ihnen erklären, wie die Virtuelle Realität am besten eingesetzt wird.
Eine abschließende Antwort auf die Frage, wie Virtuelle Realitäten am besten im Bildungs.bereich eingesetzt werden, haben die Drei aber noch nicht gefunden. Überall wird ausprobiert. Überall wird getestet. Was ist sinnvoll? Was funktioniert nicht? Viele Schulen, Universitä.ten und andere Bildungseinrichtungen suchen nach Lösungen und Antworten. Aber durch ihre Innovationswalz haben Bürk, Kaiser und Werb Kontakte zu anderen genutzt, die ebenfalls auf der Suche sind. Mario Mosbacher, Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums, spricht in diesem Zusammenhang gerne von Spielkindern. Lehrer und Schüler, die neue Wege gehen wollen, die Lust haben, Möglichkeiten zu testen und die einen Weg in die Zukunft finden wollen. Stift und Papier werden jedoch erst einmal nicht ver.schwinden. „Wir wissen zwar noch nicht genau, wie die Zukunft aussieht, aber das Internet wird sicher nicht verschwinden“, sagt Mosbacher und fügt hinzu: „Wir sind von der Digitalisierung be.einflusst. Aber unsere heutigen Schüler werden den nächsten Schritt in die Zukunft machen.“
Schnelle Glasfaser statt langsame Kupferkabel
Doch dafür braucht es nicht nur Spielkinder, die Visionen haben und Neues ausprobieren wollen. Es braucht auch die entsprechende Inf.rastruktur. Die Voraussetzungen müssen stim.men. Eine Viertelmillion wurde beim Umbau des Fürstenberg-Gymnasiums in die digitale In.frastruktur investiert. Doch all das bringt wenig, wenn die Voraussetzungen vor der Haustüre nicht stimmen. Wie sollen Unternehmen die Möglichkeiten der Industrie 4.0 nutzen, wenn ihr Zugang zur digitalen Welt nur im Schnecken.tempo funktioniert. Doch die Telekommunika.tionsunternehmen setzen ihre Schwerpunkte beim Ausbau auf Ballungszentren. Denn hier können die Investitionen durch viele Kunden wieder schnell hereingeholt werden. Der länd.liche Raum? Ist wirtschaftlich für sie weniger interessant. Doch abhängen lassen wollen sich auch Kommunen wie Gütenbach, Blumberg oder Niedereschach nicht – und das liegt auch nicht im Interesse des Schwarzwald-Baar-Krei.ses. Schließlich geht es um die Standortsiche.rung der Unternehmen im Flächenlandkreis und auch um die Bürger, denn schnelles Internet gehört schon längst zu den Faktoren, die bei der Wahl des Wohnortes berücksichtigt werden. Das Motto lautet deshalb: Schnelle Glasfaser statt langsame Kupferkabel. Und so haben im Frühjahr 2014 die 20 Kommunen und der Kreis selbst den Zweckverband Breitbandversorgung gegründet. Mit einem Investitionsvolumen von 91,6 Millionen soll die Datenautobahn zu den rund 206.000 Einwohnern gebracht werden. Bei der Finanzierung hilft zwar das Land Ba.den-Württemberg mit Fördergeldern, doch auch der Schwarzwald-Baar-Kreis und die Kommunen selbst greifen tief in die Tasche. Es soll sich nicht nur eine 352 Kilometer lange Hauptdatenlei.tung (Backbone) durch den Landkreis ziehen, die bis Ende 2018 jede Kommune mit all ihren Ortsteilen erreicht haben soll. Auch innerhalb der 20 Städte und Gemeinden werden die örtli.chen Glasfasernetze ausgebaut, um die Kunden auch erreichen zu können. Und wenn Jochen Cabanis, Geschäftsführer des Zweckverbandes Breitbandversorgung, mit seinem Team durch den Kreis tourt und Informationsveranstaltung über Informationsveranstaltung anbietet, dann spürt er überall den Aufbruchgedanken, denn in vielen gerade kleinen Ortsteilen können es die Unternehmen und auch die Bürger kaum erwar.ten, dass das Projekt fertig wird.
wie die Zukunft aussieht, aber das Internet wird sicher nicht verschwinden. Wir sind von der Digitalisierung beeinflusst. Aber unsere heutigen Schüler werden den nächsten Schritt in die Zukunft machen.
Schwarzwald-Baar Klinikum: Technik bringt Vorteile für Patienten und Ärzte
Doch der Schwarzwald-Baar-Kreis spielt nicht nur mit dem Pilotprojekt Breitbandausbau und im Bereich Bildung in der ersten Liga mit. Auch beim Blick in das Schwarzwald-Baar Klinikum wird deutlich, dass die Zukunft bereits längst begonnen hat. Stichworte sind CyberKnife Cen.trum Süd und da Vinci Xi. Hört sich spektakulär an, ist es für die Ärzte, die diese hochmodernen Geräte nutzen dürfen, und natürlich auch für diejenigen, die damit behandelt werden, auch.
Das 2,5 Millionen Euro teure Roboter-System da Vinci Xi, das sowohl in der Klinik für Urologie und Kinderurologie und der Klinik für Allge.mein- und Viszeralchirurgie eingesetzt wird, ermöglicht nämlich Operationen durch winzige Löcher. Wie durch ein Schlüsselloch kann der Arzt nun operieren und muss nicht mehr gleich die ganze Türe öffnen, um etwas sehen zu können. Minimalinvasive Eingriffe mit Roboter.technik. Die Vorteile für den Patienten: weniger Blutverlust, kleinere Wunden und dadurch kaum Narben und der Heilungsprozess geht natürlich auch viel schneller. Lediglich vier bis fünf wenige Millimeter große Zugänge werden benötigt, durch die Ärzte die Kamera sowie die einzelnen Instrumente im Bauchraum platzie.ren können. Damit dort auch ausreichend Platz ist, wird der Bauch des Patienten im Vorfeld mit Kohlenstoffdioxid aufgebläht. Die Roboterarme sind flexibel nutzbar, da sie mit Greifer, Schere, Messer oder anderen Instrumenten ausgestat.tet werden können – je nachdem, was eben benötigt wird.
Die Zukunftsmusik erklingt bereits
Doch nicht nur für die Patienten bringt die Technik Vorteile, auch die Ärzte des Schwarz-wald-Baar Klinikums, die nun mit einer Konsole die Roboterarme steuern, haben es leicht. Es ist möglich, den Bereich, in dem operiert wird, bis zum Zwölffachen zu vergrößern. Und da der Arzt alles in 3D sieht, können auch die aller kleinsten Befunde operiert werden. So kann schon einmal ein Organ gerettet werden, an.statt es komplett zu entfernen. Und auch hier
Robotertechnik: Das 2,5 Millionen Euro teure Roboter-System „da Vinci®.OP-System“ ermöglicht nämlich Operationen durch winzige Löcher. Wie durch ein Schlüsselloch kann der Arzt nun operieren und muss nicht mehr gleich die ganze Türe öffnen, um „etwas“ sehen zu können.
braucht es schnelle Leitungen, denn das Gerät ist stets mit der Firma verbunden. So kann bei Defekten, Problemen und Störungen per Fernwartung schnell eingegriffen werden. Die Zukunftsmusik erklingt bereits: Über eine Sa.tellitenverbindung könnten auch Operationen von anderen Orten aus ermöglicht werden – beispielsweise, wenn besondere Spezialisten benötigt werden.
Im Bereich Tumortherapie strahlt das Klinikum ebenfalls über die Kreisgrenzen hinaus. Hier wird das weltweit modernste, robotergestützte Ra.diochirurgie-System, das 4,2 Millionen Euro ge.kostet hat, eingesetzt. Hinter einer knapp einen Meter dicken und 20 Tonnen schweren Stahltür verbirgt sich das Wunderwerk CyberKnife. Auch hier gibt es einen gelenkigen Roboterarm, doch er ist mit einem Bestrahlungskopf versehen. Aus bis zu 3.000 verschiedenen Richtungen kann ein Tumor bestrahlt werden – und vor allem so präzise, dass nur das kranke Gewebe behandelt wird. Das umliegende gesunde Gewebe wird geschont. So kann auch mit einer höheren Dosis gearbeitet werden – der Tumor stirbt schneller ab, die Behandlungszeit verkürzt sich. Anstatt vier bis sechs Wochen mit täglich einer rund 20-minütigen Bestrahlung, sind nun eine bis fünf Sitzungen nötig.
Mit dem neu eingefrten, roboter-assis.tierten „da Vinci®-OP-System“ konnten die Einsatzmlichkeiten bei minimalinvasiven Eingriffen deutlich erweitert werden.
Wenn der Winter immer seltener ein Winter ist…
Momentaufnahmen einer fotografischen
„Winterreise“ durch den westlichen
Schwarzwald-Baar-Kreis
von Wilfried Dold
W
enn der Schnee ausbleibt, ist das für das „Winterland“ Schwarzwald weit über den Wintersport hinaus ein Problem. Doch der Klimawandel hat unweigerlich begonnen – der Almanach 2018 zeigt einige der Folgen auf. Aber zugleich auch, wie es ist, wenn der Winter im Schwarzwald ein echter Winter ist, was heutzutage verstärkt im Februar und März der Fall zu sein scheint. Und unser Jahrbuch schaut zudem zurück, erinnert daran, wie der „Winter uf em Wald“ früher war. Am Anfang des vielgestal.tigen Schwerpunktthemas „Winter“ stehen aktuelle Momentaufnahmen des Klimawandels.
4. Kapitel – Schwerpunkt Winter
A
lles Hoffen ist vergebens: Der Dezember 2013 bleibt weitestgehend schneefrei. Das Skidorf Schonach aber macht den Schwarzwaldpokal dennoch mlich: Am 22. Dezember strahlt aus dem Wintergr als einziges Weiß der Anlauf der Langen.waldschanze heraus – mit Kunstschnee f den Wettkampf präpariert. Doch dann muss der Schwarz.waldpokal wenige Minuten vor Beginn wegen Sturms unvermittelt abgesagt werden, das Klima spielt einmal mehr verrkt! Schließlich wird der Weltcup in der Nordischen Kombination durch die FIS zum Saisonfinale aufgewertet und dauerhaft in den vermeintlich schnee.
115
sicheren März verlegt (s. S. 148).
U
nten gr, oben bereits weiß: Die Schnee grenze verschiebt sich als Folge des Klima wandels Meter um Meter nach oben: Um nur 0,4 Grad here Temperaturen entsprechen bereits ca. 60 Hen metern. Die Fotografie ist im November 2013 im 845 m M. gele.genen Untertal in Furtwangen- Rohrbach entstanden.
G
re Weihnacht – zum Christfest legt der Winter gerne eine Pause ein. Über die Weihnachtsmärk.te – hier in Kigsfeld – bummelt man oft ohne „weißen Zauber“. Stme und Hochwasser sind zum Fest oft zu beobachten: Der Orkan Lothar verwtete an
Schwerpunkt Winter
Weihnachten 1999 nahezu den gesamten Schwarzwald.
P
erfekte Bedingungen sind heutzutage auch auf den Langlaufloipen keine Selbstverständlichkeit mehr. Im Großraum Schonach/Schwald/Furtwangen ist der Langlauf zwar dank sorgsam präparierter und gespurter Loipen an vielen Wintertagen mlich – aber Bilderbuchtage wie hier im Weißenbachtal in Schwald
scheinen fast schon eine Ausnahme zu sein.
E
isschollen im Bregtal… Ein plzlicher Klimawech.sel verwandelt den Schnee entlang der Breg bei Wolterdingen (768 m M.) in ein riesiges „Eis.meer“. Eines, das bei uns so selten zu sehen ist. Im nahen Schwarzwald indes stellte sich noch am Tag zuvor
Schwerpunkt Winter 131
Neuschnee ein.
K
aum ist der Winter vorbei – kehrt er im Mai f kurze Zeit zurk. Im Schwarzwald ist das keine Seltenheit! Schnee deckt im Mai – und gelegent.lich selbst noch im Juni – bereits gre Wiesen immer wieder einmal zu. Hier ist es im Urachtal am 16. Mai 2012 der Fall – auch 2017 wäre so eine Aufnahme mlich
gewesen.
Die Winter haben
ihren Biss
verloren…
von Bernward Janzing Fotos: Wilfried Dold
D
ie Erinnerung trügt nicht. Die Winter im Schwarzwald haben ihren Biss verloren, die Temperaturen sind in den letzten Jahrzehnten messbar angestiegen. Es ist eingetreten, was Klimaforscher schon vor einem halben Jahr.hundert aufgrund theoretischer Überlegungen prognostiziert hatten: Mit einem steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigen die Temperaturen, weil das Abgas aus Verbren.nungsprozessen jedweder Art die Wärme einfängt wie das Glas eines Treibhauses. Noch gibt es ihn, den Schnee, oft genug in großen Mengen. Aber der Winter ist wankelmütig geworden, die Schneetage gehen zurück. Besonders gut zeigt sich das am Beispiel des einstigen „Schneelochs“ Furtwangen.
Winterabend in Furtwangen. Die von Bernward Janzing seit 1979 in der Hochschulstadt betriebene Wetter.station belegt es eindeutig: Die Furtwanger Winter sind weniger schneereich und nicht mehr ganz so kalt wie
Schwerpunkt Winter
Deutlich spiegelt sich der Trend, den Klima.forscher längst weltweit beobachten, auch im Schwarzwald wider: An der Wetterstation in Furtwangen, an der seit 1979 auch der Schnee gemessen wird, ist der Rückgang der Schnee.höhe deutlich: Seit der Jahrtausendwende ist die Menge im Januar im Vergleich zu den früheren beiden Jahrzehnten um 30 Prozent zurückgegangen. Im Dezember nahm sie um 27 Prozent ab, lediglich im Februar blieb sie bis.lang weitgehend unverändert. Schnee im April wurde inzwischen gar zur Rarität – die Mengen halbierten sich glatt.
Natürlich sind die Schwankungen groß, und kurzfristig kann es auch mal wieder in die an.dere Richtung gehen. Um 1990 herum zum Bei.spiel fiel sehr wenig Schnee, danach aber gab es durchaus wieder einzelne schneereichere Jahre wie die Winter 1998/99 und auch 2005/06. Das alles ändert freilich nichts am Gesamttrend der entschärften Winter, der den gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis umfasst. Alle Skigebie.te, seien sie in Schonach oder Schönwald, leiden unter der schwindenden Schneesicherheit.
Die Schwarzwaldberge sind klimatisch gesehen niedriger geworden…
Nun können zurückgehende Schneemengen meteorologisch betrachtet verschiedene Ursa.chen haben. Denkbar sind einerseits steigende Temperaturen, aber ebenso abnehmende Nie.derschläge. Doch die Beobachtungen sind ein.deutig: Es waren vor allem die Temperaturen, die sich in den letzten Jahrzehnten verändert haben, und zwar ausnahmslos in jedem der zwölf Kalendermonate. Die Wintermonate Dezember bis Februar waren nach der Jahrtau.sendwende jeweils um etwa 0,4 Grad wärmer als in den Jahren zuvor.
Veränderungen dieser Größe mögen margi.nal klingen. Doch sie entsprechen bereits einer Höhenverschiebung um rund 60 Meter. Die Schwarzwaldberge sind klimatisch gesehen also in diesem Ausmaß niedriger geworden.
Stärker noch als im Winter war der Anstieg der Temperaturen im Frühjahr und Frühsom.mer. Die Monate April bis Juni legten jeweils um
Februar waren nach der Jahrtausend.wende jeweils um etwa 0,4 Grad wärmer als in den Jahren zuvor. Veränderungen dieser Größe mögen marginal klingen. Doch sie entspre.chen bereits einer Höhenverschie.bung um rund 60 Meter.
mehr als ein Grad zu, der Juni gar um 1,8 Grad, was 300 Höhenmetern entspricht. Auf 800 Metern war es im Frühsommer zuletzt folglich so warm wie früher auf 500 Metern. Dass sich das auf die Vegetation auswirkt, liegt natürlich nahe.
Die Veränderungen bei den Niederschlägen sind weniger deutlich
Weniger deutlich als der Temperaturtrend sind die Veränderungen bei den Niederschlägen. Dort zeigte sich insgesamt zwar eine leichte Ab.nahme, allerdings lässt sich dieser Trend noch als zufällig betrachten. Und so sahen die Mes.sungen aus: Über das ganze Jahr gesehen lagen die Regenmengen seit der Jahrtausendwende um fünf Prozent niedriger als zuvor, wobei die Mengen im Januar, Mai und Juli gegen den Trend leicht zunahmen.
Wenngleich hier also bislang kaum eindeu.tige Trends feststellbar sind, rechnen die Klima.forscher auch bei den Regenmengen mit Verän.derungen: Die Landesanstalt für Umwelt, Mes.sungen und Naturschutz Baden-Württemberg geht in einer Broschüre von 2012 („Klimawandel in Baden-Württemberg“) davon aus, dass die Winter feuchter werden als früher, im Winter würden in manchen Regionen bis zu 35 Prozent mehr Niederschlag erwartet. „Schon jetzt sind die Sommer trockener und die Winter feuchter als früher“, heißt es in dem Dokument.
Das allerdings spiegelt sich zumindest bis.lang in den Furtwanger Messdaten noch nicht wider. Betrachtet man die Werte seit der Jahr.tausendwende und vergleicht sie mit denen der Zeit davor, so sind die Niederschläge während des meteorologischen Winters sogar leicht zurückgegangen. In diesem Punkt dürften die Klimaszenarien also durchaus noch gewisse Un.sicherheiten haben. Auf die meteorologischen Jahreszeiten bezogen, waren die Winter in Furtwangen seit der Jahrtausendwende um drei Prozent trockener als zuvor, die Frühjahre um fünf Prozent, die Herbstzeiten gar um zehn Pro.zent. Nur im Sommer waren die Niederschlags.summen unverändert.
„Früher“ brachte der Winter im Schnitt an 63 Tagen mehr als 30 cm Schnee
Aber zurück zum Schnee. Das letzte Jahrzehnt, das im Schwarzwald noch ordentliche Schnee.mengen brachte, war das 1980er, als im Winter in Furtwangen im Schnitt 63 Tage mehr als 30 Zentimeter Schnee lag. Im vergangenen Jahr.zehnt waren es im Mittel nur noch 44 Tage. Als Spitzenwert der Furtwanger Aufzeichnungen waren im Winter 1981/82 beachtliche 129 Tage mit mehr als 30 Zentimeter Schnee gezählt worden. Im Winter 2013/14 gab es – das war das andere Extrem – keinen einzigen.
Solche gravierenden Trends verändern na.türlich vieles. Sie verändern die Natur, die Pflan.zen- und die Tierwelt, sie verändern das Leben der Menschen vor Ort. Und das reicht natürlich auch in zahlreiche Wirtschaftsbranchen hinein. Land- und Forstwirtschaft sind zusammen mit dem Tourismus immer die ersten, die vom Wet.ter und langfristig vom Klima abhängig sind. Aber auch für die Wasserversorgung und den Hochwasserschutz – und damit für die Baupla.nung – sind klimatische Veränderungen eben.falls ein wichtiges Thema.
Nur wenn es 100 Schneetage gibt, lohnt sich der Unterhalt der Skilifte
Doch zuerst zum Tourismus: Im Wintersport wird gerne die 100-Tage-Regel angeführt. Nur dort, wo es in der Saison 100 Schneetage gibt – und 30 Zentimeter werden als Minimum für den Wintersport angesetzt – lohnt sich die Inf.rastruktur, also speziell der Unterhalt der Skilif.te. In Furtwangen wurde die Marke von 100 Ta.gen mit mindestens 30 Zentimetern zuletzt im Winter 2008/09 überschritten, davor im Winter 2005/06. Das waren zugleich die beiden einzi.gen Winter seit der Jahrtausendwende, die auf mehr als 100 skitaugliche Tage kamen.
„Dem Skitourismus stehen magere Zeiten bevor“ resümiert entsprechend auch das ba.den-württembergische Umweltministerium. Und es blickt zugleich in die Zukunft: Im Ver.gleich zu den Jahren 1994 bis 2003 werden die Zahl der Schneetage in den Jahren 2021 bis 2030
Winter mit kaum Schnee sind heute selbst in Furt.wangen nicht mehr selten – hier beim Schwarzbau.ernhof im Katzensteig.
in tieferen Lagen um mehr als 18 Prozent und in Höhenlagen zwischen 500 und 1000 Metern um rund 23 Prozent zurückgehen. Noch schlim.mer seien die Aussichten für die Jahre 2041 bis 2050: Forscher rechneten mit 25 bis 44 Prozent weniger Schneetagen in den Gipfellagen des Schwarzwalds. In den tieferen Lagen sei gar von bis zu 65 Prozent weniger auszugehen.
Ski-Internat Furtwangen sieht dank Kunstschnee keine Standortprobleme
Am Ski-Internat in Furtwangen gibt man sich indes gelassen. „Der fehlende Schnee hat keine Auswirkungen auf unsere Schülerzahlen“, sagt Internatsleiter Niclas Kullmann, „wir vertrau.en schon seit langem nicht mehr auf Natur.schnee“. Alle wichtigen Anlagen würden mit Kunstschnee belegt: „Daher werden wir auch in naher Zukunft kein Standortproblem haben.“
Welche Konsequenzen der Tourismus im Schwarzwald unterdessen aus dem Rückgang der Schneemengen ziehen kann und sollte, will ein Forschungsprojekt der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) herausarbeiten. Es ist in diesem Frühjahr gestar.tet und auf anderthalb Jahre ausgelegt, somit gibt es bislang nur recht allgemein formulierte Zielsetzungen, keine Ergebnisse: „Der globale Klimawandel stellt die Schwarzwaldregion, wie viele Destinationen weltweit, vor Herausfor.derungen“, betont die Hochschule. Um „den Risiken des Klimawandels, wie zum Beispiel Schneeunsicherheit in den Wintermonaten, zu begegnen“ seien „neue Konzepte und Ge.schäftsfelder und die Intensivierung der beste.henden Maßnahmen vor Ort“ nötig.
Klingt im Moment noch ziemlich banal. Die Tourismusbranche freilich hat sich über das Thema schon lange Gedanken gemacht. Und so gewinnen Wandern, Nordic-Walking und das Mountainbike an Bedeutung in Zeiten, in denen der Schnee fehlt. In seiner Studie „Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Baden-Würt.temberg“ kommt das Land zum Ergebnis, dass künftig „Ganzjahresaktivitäten“ zu fördern seien. Dabei werden „nordische Bewegungsfor.men und Lebensstile“ benannt, zu denen auch
die Schwarzwaldregion, wie viele Destinationen weltweit, vor Herausforderungen. Neue Konzepte sind erforderlich.
die „Entschleunigung“ gezählt wird. Ein Thema für den Tourismus der Zukunft könne auch eine „ausgeprägte Gesundheitsorientierung“ sein.
„Das Ferienland wird auch bei Schneemangel gut gebucht“
„Unsere Premiumwanderwege sind ebenso für den Winter geeignet“, sagt derweil Julian Schmitz, Geschäftsführer der Ferienland im Schwarzwald GmbH mit Sitz in Schönwald. So könne man auch bei wenig Schnee den Ferien.gästen ein attraktives Angebot machen. Über die Weihnachtsferien seien die Unterkünfte deswegen selbst bei Schneemangel gut ge.bucht. Denn die Gäste suchen nicht zwingend den Schnee: „Das Naturerlebnis steht im Vor.dergrund.“
Wie in anderen Ferienregionen ging bei stetig steigenden Ankünften von Gästen auch im Ferienland die Aufenthaltsdauer zurück. Mit einer mittleren Aufenthaltsdauer von 5,4 Tagen, die im Winter ähnlich ist wie im Sommer, liege das Ferienland aber deutlich über den Durch.schnittszahlen des Schwarzwalds. Dass immer
In einem schönen Schwarzwaldwinter mit „Ski und Rodel gut“ herrscht an den Skiliften im Landkreis Hochbetrieb. Zumal, wenn in Schönwald das Horn.schlittenrennen ausgetragen wird (oben).
Für bestens präparierte Pisten sorgt das Spurgerät, hier auf dem Raben bei Furtwangen.
kurzfristiger gebucht werde, sei ein weiterer Trend, der aber nicht auf die Region und auch nicht auf den sich verändernden Winter be.schränkt sei.
Ein besonderer Höhepunkt für das Feri.enland sei stets der Weltcup der Nordischen Kombinierer in Schonach, der sowohl in den betreffenden Tagen viele Gäste in die Region bringe – jeweils rund 15.000 Besucher – als auch der Imagepflege der Wintersportregion diene.
Insgesamt sei man im Ferienland recht opti.mistisch, sagt Schmitz, selbst wenn der Schnee zuletzt oft noch nicht über Weihnachten und Neujahr gekommen sei, sondern erst später. Dann sei es eben besonders wichtig, die touris.tische Infrastruktur in bestem Zustand präsen.tieren zu können: „Da dürfen die Hallenbäder dann nicht gerade geschlossen sein.“ Auch die Wanderwege würde im Winter „sehr gut ange.nommen“.
Im Schwarzwald soll künftig wieder mehr Weißtanne wachsen
Zugleich denkt man natürlich auch in anderen Sektoren, die von und mit dem Wetter und
Winteridylle beim Reinertonishof in Schönwald.
Klima leben, darüber nach, was auf die Men.schen, was auf die Natur zukommt. So befasst die Universität Freiburg sich mit den Wäldern und deren Umgang mit dem Klimawandel. Viele Pflanzen seien vor allem den längeren Trocken.zeiten, mit denen zu rechnen ist, nicht gewach.sen, heißt es bei den Forstwissenschaftlern.
Dazu zählt die Fichte, Deutschlands wichtigs.te Wirtschaftsbaumart, die einen Großteil der Waldfläche des Schwarzwalds ausmacht. Auch sie sei vom Klimawandel betroffen, lässt die Professur für Waldbau der Albert-Ludwigs-Uni.versität Freiburg wissen. Untersuchungen dort kommen zu dem Schluss, dass sowohl die einheimische Weißtanne als auch die aus Nord.amerika eingeführte Douglasie auf lange Sicht geeignete Ersatzbaumarten für die Fichte sind.
Als „erfreuliches und gleichermaßen er.staunliches Ergebnis“ beschreiben die Forscher, dass die Weißtanne, die während der 1970er.und 1980er-Jahre besonders unter dem sauren Regen litt und als bedroht galt, sich nun als einheimische Ersatzbaumart für die Zukunft an.bietet. Während die Douglasie die produktivere Baumart sei, wirke die Weißtanne vorteilhafter auf die Biodiversität. Auf lange Sicht sei es da.her sinnvoll, Fichtenwälder mit hohem Risiko des Trockenstresses durch Mischbestände mit Weißtannen und Douglasien zu ersetzen, wobei in den Hochlagen des Schwarzwaldes vor allem auf Weißtannen zurückgegriffen werden sollte.
Der Vegetationsbeginn hat sich um sieben Tage nach vorne verschoben
Des Weiteren ist natürlich auch die Landwirt.schaft vom Klimawandel betroffen. Der Vege.tationsbeginn im Schwarzwald hat sich im Vergleich zu den Verhältnissen vor 50 Jahren um sieben Tage nach vorne verschoben. Doch ob das wirklich positiv ist, ist fraglich, denn zugleich haben sommerliche Trockenperioden zugenommen.
Um für die Zukunft mehr Klarheit zu schaf.fen, wurden in den letzten Jahren diverse For.schungsprojekte mit kreativen Kunstnamen lanciert. Da gab es etwa „Klimopass“, das Pro.jekt Klimawandel und modellhafte Anpassung in Baden-Württemberg, der LUBW Landesan.stalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg. Das Fazit – wie sollte es anders sein – lautete: „Für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, den Naturschutz und auch den Tourismus werden sich die Wirtschafts.bedingungen ändern.“ Im Pflanzenbau sei der verstärkte Anbau von hitze- und trockenheits.resistenten Sorten gefragt. Zudem sei eine „konservierende Bodenbearbeitung, vor allem Mulchsaat“ sinnvoll, um Bodenerosion bei Starkregen zu verhindern, und zu starke Aus.trocknung bei Hitze.
Für die Landwirtschaft gibt es zudem das EU-Projekt „AgriAdapt“, das ebenfalls heraus.arbeiten will, wie die Betriebe weniger anfällig für die Risiken des Klimawandels werden. Von deutscher Seite wird es durch die Bodensee-Stif.tung betreut, die gerade dabei ist, 30 Pilotbe.triebe im südbadischen Raum zu finden, die in diesem Rahmen untersucht werden. Das Projekt soll im Jahr 2019 abgeschlossen werden.
Der Vegetationsbeginn hat sich im Schwarzwald um sieben Tage nach vorne verschoben und die Trocken.perioden haben zugenommen. Das Foto vom „ersten Schnitt“ entstand im Schonacher Gewann Losbach.
Folgen von Starkregen sollen durch eine veränderte Bauplanung minimiert werden
Weil sich wohl auch die Niederschlagsmuster ändern werden, ist auch die Wasserwirtschaft an dem Thema dran. Das Land Baden-Württemberg hat soeben einen Starkregenleitfaden erstellt, der den Kommunen helfen soll, mit kurzfristig auftretenden lokalen, aber sintflutartigen Regenfällen besser umgehen zu können – also die Schäden durch veränderte Bauplanung zu minimieren.
Eine der ersten Gemeinden im Schwarz.wald-Baar-Kreis, die aus dem Leitfaden nun Konsequenzen ziehen will, ist Königsfeld. Sie will sich von einem Ingenieurbüro eine Stark-regen-Gefahrenkarte und daraus resultierend Handlungsempfehlungen ausarbeiten lassen, wie der städtische Ausschuss für Umwelt, Technik, Wirtschaft und Verkehr im Juni 2017 beschloss. Bei dieser Entscheidung dürfte auch das Starkregenereignis von Juli 2015 eine Rolle gespielt haben. Davon waren vor allem die Orts.teile Erdmannsweiler und Neuhausen betroffen, in denen etliche Grundstücke überschwemmt wurden und zahlreiche Keller voll liefen.
Beim Ziel, die Schäden durch Starkregener.eignisse gering zu halten, spielt die Bauleitpla.nung eine entscheidende Rolle. Im Sinne der Risikobegrenzung sollten möglichst viele unver.siegelte Flächen erhalten und neue geschaffen werden. Denn jeder Quadratmeter, auf dem Wasser versickern kann, reduziert die Hochwas.sergefahr. An diesen Flächen allerdings herrscht in den Städten oft ein Mangel – was neben ver.mehrten Starkregen durch Klimaveränderungen eine entscheidende Ursache von Überflutungen sein kann.
An den Flüssen sollten unterdessen, so das Land, „Auenflächen und naturnahe Überflu.tungsflächen gesichert (zum Beispiel durch Flächenfreihaltung), gefördert und reaktiviert, soweit sinnvoll auch Dämme rückverlegt sowie Moore und Feuchtgebiete erhalten und reakti.viert werden.“
Doch in welchem Maße sind verstärkte Starkregenereignisse bisher statistisch erkenn.bar? Schwer zu sagen, denn sie treten so selten und nur punktuell auf, dass sie sich in den
punktuell auf, so dass sie sich mit den Aufzeichnungen einer einzelnen Wetterstation nicht statistisch bele.gen lassen.
Aufzeichnungen einer einzelnen Wetterstation nicht statistisch belegen lassen. Das zeigt ein Blick auf die Furtwanger Werte. Betrachtet man sich zum Beispiel die Anzahl der Tage, die min.destens 50 Liter Regen pro Quadratmeter brach.ten, so lag diese vor der Jahrtausendwende bei 2,8 pro Jahr, seither bei nur noch 1,8. Regen.reiche Tage dieser Kategorie waren folglich zu.letzt sogar seltener als früher.
Nun sind 50 Liter in 24 Stunden noch nicht unbedingt ein Starkregen, zumindest dann nicht, wenn die Menge gleichmäßig über den Tag verteilt niedergeht. Betrachtet man sich da.her die Zahl der Tage mit mindestens 80 Litern pro Quadratmeter, so nahm diese zwar von 0,2 auf 0,3 pro Jahr zu, und die Zahl der Tage mit mindestens 100 Litern stieg von 0,1 auf 0,2 pro Jahr. Doch aufgrund der geringen Fallzahlen ist hier eine ernsthafte Aussage über einen Trend kaum möglich. Zudem: Was die Starkregener.eignisse auszeichnet, ist oft auch gar nicht die Menge, die in 24 Stunden verzeichnet wird, sondern die Menge, die in kürzeren Zeiträumen fällt. Damit zeigt sich: So eindeutig wie bei den Temperaturen sind Trends beim Regen nicht auszumachen.
Der Klimawandel führt zu mehr Trockenheit – so leidet auch die Trinkwasserversorgung
Und doch mehren sich die Indizien, dass neben häufigerem und heftigerem Starkregen einerseits auch längere Trockenphasen zunehmen. Die zweite Hälfte des Jahres 2016 zum Beispiel war so trocken wie kein anderes Halbjahr in den letzten Jahrzehnten.
In der Folge leidet auch die Trinkwasserver.sorgung. „Am liebsten wäre es mir, wenn es jetzt vier Monate durchregnen würde“, zitierten Medien im Frühjahr 2017 den Forstamtsleiter in Villingen-Schwenningen. Denn an vielen Orten wurden in jenen Wochen die niedrigsten Grund.wasserstände seit 30 Jahren gemessen. Zuletzt im Juni des Vorjahres waren in der Region die im langjährigen Mittel zu erwartenden Nieder.schläge gefallen.
Vor allem die fehlenden Winterniederschlä.ge der Saison 2016/17 machten sich bemerkbar. Der Dezember 2016 war in Furtwangen mit knapp 10 Litern pro Quadratmeter der zweit-trockenste Monat in den letzten vier Jahrzehn.ten, nur der November 2011 brachte noch etwas weniger Niederschlag
Unter dem Phänomen längerer Trockenheit leiden inzwischen auch wiederholt einige Quel.len der Region. Schon im Herbst 2015 versiegte im eigentlich regenreichen Schwarzwald man.che Quelle aufgrund der anhaltend fehlenden Regenfälle.
Was den Flüssen und Bächen, und letztlich auch dem Grundwasser, zunehmend fehlt, sind natürlich die Schmelzwässer. Denn im Altschnee stecken große Mengen an Wasser, mitunter durchaus 300 bis 500 Liter pro Qua-
Ein letzter Hauch von Winter und eine randvoll ge.füllte Breg in Furtwangen-Schönenbach. Gerade die Winterniederschläge haben einen großen Anteil an der Sicherstellung unserer Trinkwasserversorgung. Bleiben sie aus, sinkt der Grundwasserspiegel.
dratmeter bei einer Schneehöhe von einem Meter. Und idealerweise tauen diese Schnee.massen nach und nach ab und liefern damit noch lange in das Frühjahr hinein stetigen Was.serfluss.
Doch große Schneemengen sind im Spät.winter heute noch seltener als im Januar. Zuletzt im März 1988 gab es späten Schnee in Hülle und Fülle: Am 14. März wurden an der Wetterstation nochmals 188 Zentimeter ge.messen, nachdem zuvor binnen 24 Stunden ein halber Meter Neuschnee gefallen war.
Wobei trotz aller Erwärmung nicht ausge.schlossen ist, dass auch im März selbiges wieder einmal auftreten kann – denn schließlich wird, wie Klimatologen befürchten, das Wetter zu.gleich extremer. In jeder Hinsicht.
Der Schwarzwaldpokal und das Skidorf Schonach
Susanne Kammerer im Gespräch mit Jg Frey, Bgermeister von Schonach, Heidi Spitz, Geschäftsfrerin des Schwarzwaldpokals und Gunter Schuster, Vorsitzender des Skiclubs Schonach.
Der Schwarzwaldpokal gilt als ein von Stadionatmosphäre und Begeisterung erfülltes, großartiges Wintersportfest. Die erhoffte zauberhafte Schwarzwäl.der Winterlandschaft allerdings, die den perfekten Rahmen für die Wett.kämpfe liefert, gleicht jedoch immer mehr einem Lotteriespiel. Schonachs Bürgermeister Jörg Frey, Skiclubvor.sitzender Gunter Schuster und die Ge.schäftsführerin des Schwarzwaldpokals, Heidi Spitz, sehen die unberechenbarer werdenden Schneeverhältnisse für die Austragung des Schwarzwaldpokals al.lerdings als weniger problematisch an. Die klimatischen Veränderungen gelte es zu akzeptieren, den damit verbunde.nen Herausforderungen stellen sich die Schonacher – und bewältigen sie, wie sie im Interview unterstreichen.
In den vergangenen Jahren musste der Schwarz.waldpokal mehrmals wegen zu milder Tempera.turen und fehlenden Schnees abgesagt werden. Dies war 2001, 2003, 2007 und 2012 der Fall. Se.hen Sie in dieser Ausfallserie eher eine Ausnahme, oder gab es immer schon Schwierigkeiten mit dem „weißen Gut“?
Gunter Schuster: Zum ersten Mal musste der Schwarzwaldpokal im Januar 1983 wegen einer Regenperiode abgesagt werden. Probleme mit milden Wintern gab es aber auch schon vorher. Wir mussten eigentlich fast immer Schnee vom Rohrhardsberg an die Wettkampfanlagen im Ort fahren und für die Langlaufstrecke zusam.menkratzen. Wir mussten auch schon das ein oder andere Mal auf die Loipe bei der Martins.kapelle in Furtwangen ausweichen und dort die Veranstaltung durchführen.
Jörg Frey: Wir liegen in der Ortsmitte auf knapp unter 900 Metern ü. d. M., das ist eine Höhen-
Die Qualitätsansprüche, die die FIS
an die Wettkampforte stellt, sind
höher geworden. Das heißt, man
braucht mehr Schnee und mehr
Schnee heißt auch mehr Aufwand
und Problematik mit dem Transport
bzw. der Produktion.
Jörg Frey
lage, die seit Jahrzehnten nicht schneestabil ist. Das wäre auf 2.000 Metern Höhe sicherlich anders. Wobei selbst in den Alpen mittlerweile maschinell beschneit wird, um eine Schnee.garantie zu haben.
Heidi Spitz: Die Winter sind immer unterschied.lich. In den letzten Jahren war es so, dass der Schnee eher später kam. Es gab stets milde Peri.oden im Laufe des Winters, mit dem berühmten „Weihnachtstauwetter“ kämpfen wir schon im.mer. Zwischen Ende November und März haben wir unseren Schnee, aber der liegt eben nicht durchgehend. Dass eine Schneeschicht wirklich lange bleibt, ist ganz selten.
Das klingt so, als hätte sich die Situation um die schneearmen Winter grundsätzlich nicht verschärft. Dennoch scheint es, dass die Durch.frung des Schwarzwaldpokals mit immensen Klimmzen verbunden ist.
Gunter Schuster: In dem Moment, wo der Schwarzwaldpokal ansteht, wird einem ein schneearmer Winter eher bewusst. Man muss in diesem Zusammenhang jedoch wissen: Wir brauchen an der Strecke mehr Schnee als frü.her. Früher hatten wir eine schmale Spur, haben den Schnee von rechts und links einfach auf der Wiese zusammengetragen und dann hatten wir eine Loipe. Das ist heute nicht mehr der Fall. Denn jetzt braucht man eine Loipe von acht bis zwölf Metern Breite, das sind wirklich Massen an Schnee, die benötigt werden.
Für die acht bis zwölf Meter breite Loipe müssen große Mengen an Schnee herangeschafft werden.
Jörg Frey: Die Qualitätsansprüche, die die FIS an die Wettkampforte stellt, sind höher geworden. Das heißt, man braucht mehr Schnee und mehr Schnee heißt auch mehr Aufwand und Proble.matik mit dem Transport bzw. der Produktion. Ich persönlich glaube ja, dass die Niederschlags.mengen im Winter nach wie vor gleichbleibend sind. Aber die geschlossenen Schneedecken bleiben nicht mehr. Es ist ein Auf und Ab: Der Schnee kommt und geht wieder weg. Die Stabi.lität ist nicht mehr gegeben.
Heidi Spitz: Dieses Problem betrifft nicht nur uns, sondern alle Weltcuporte, von Skandinavi.en bis Italien, also durch ganz Europa. Das hat man in den letzten Wintern verstärkt gesehen: Alle Weltcuporte müssen maschinell Schnee produzieren, um ihre Wettbewerbe abzusi.chern.
Haben Sie die Sorge, dass Schonach aufgrund der zurkliegenden Ausfallserie und den zuletzt schwierigen Bedingungen aus dem Weltcupka.lender fallen knte?
Gunter Schuster: Dass wir den Weltcup noch haben, liegt sicher daran, dass wir bisher alles daran gesetzt haben, um die Wettbewerbe durchziehen zu können. Wir haben die Welt.cups nur abgesagt, als wirklich nichts mehr ging. Ansonsten versuchten wir immer – mit großem Arbeitsaufwand und Schneetranspor.ten und allem, was dazugehört – den Weltcup so lange wie möglich zu halten.
Dass wir den Weltcup noch haben, liegt sicher daran, dass wir bisher alles daran gesetzt haben, um die Wettbe.werbe durchziehen zu können.
Gunter Schuster
Auch bei widrigen Wetterbedingungen sorgt eine große Gruppe an ehrenamtlichen Helfern dafür, dass die Wettkämpfe stattfinden können. An der Schanze wird tagelang gearbeitet.
Heidi Spitz: Eine große Gruppe an freiwilligen Helfern steht hinter dem Ganzen. Alle arbeiten und überlegen in dieser Zeit intensiv, wie man es machen könnte. Gerade an der Langlaufstre.cke und an der Skischanze sind die Leute tage.lang tätig.
Jörg Frey: Durch das unglaubliche Engagement der vielen Ehrenamtlichen haben wir uns, so glaube ich, zwischenzeitlich einen Namen erar.beitet. Dass es in ganz schwierigen Situationen bei uns immer noch möglich war den Weltcup durchzuführen, hat uns entschieden dazu ver.holfen, dass wir immer noch dabei sind und bis.her immer wieder als Weltcupstandort von DSV und FIS auserkoren wurden.
Wir hoffen natürlich, dass es so weitergeht. Aber es ist klar: Mit jedem Weltcup, der ausfällt, wird es schwieriger, da die Funktionäre natürlich auch schauen, wo sie verlässliche Partner haben.
Helfern steht hinter dem Ganzen. Alle
arbeiten und überlegen in dieser Zeit
intensiv, wie man es machen könnte.
Heidi Spitz
In der Saison 2015/2016 konnte die Veranstaltung mangels Schnee nicht zum geplanten Termin Anfang Januar stattfinden. Ausgerechnet bei der Jubiläumsausgabe, dem 50. Schwarzwaldpokal. Hier kam es jedoch zu einem Ersatztermin im März, der gleichzeitig das Weltcup Finale sein sollte. Wie kam es dazu?
Heidi Spitz: Wir hatten im Januar 2016 absolut keinen Schnee, die Veranstaltung war einfach nicht machbar. Der Schnee kam in ganz Mittel.europa erst Mitte Januar, auch andere Weltcup.veranstaltungen wie in Chaux-Neuve wurden abgesagt.
Unser Glück war, dass wir vom DSV gefragt wurden, ob wir unseren Wettbewerb nachholen wollen. Wir haben dann die Chance ergriffen und sagten zu. Da im Terminkalender im März noch Luft war, haben wir so das Weltcup-Finale bekommen.
Jörg Frey: Es kamen also zwei unglückliche bzw. glückliche Umstände zusammen: Unser traditio.neller Termin im Januar funktionierte nicht und gleichzeitig war der Weltcupkalender nicht voll.
Fürs Finale legten wir uns dann richtig ins Zeug und versuchten, etwas Besonderes dar.aus zu machen. Denn beim Finale geht es nicht mehr nur ums Sportliche, das ist gleichzeitig der Saisonabschluss der gesamten Crew. Er gibt die Möglichkeit, auch mal ausgelassen zu feiern.
Der gesamte Weltcuptross war schließlich so begeistert, dass alle sagten, hey, da möchten wir wieder hin!
Kam die erneute Anfrage f das Weltcup-Finale im März 2017 eher erraschend oder hatten Sie darauf spekuliert?
Heidi Spitz: Wir haben das Finale ganz gut hin.bekommen, sodass dann die Frage kam, ob wir im nächsten Winter 2016/2017 unseren alten Termin im Januar zurück haben wollen oder wieder das Weltcup Finale ausrichten wollen.
Gunter Schuster: Es ist für uns natürlich erfreu.lich, wenn die FIS an uns herantritt und sagt, sie würden das Finale gerne in Schonach machen.
Jörg Frey: Wir haben beim ersten Finale nur posi.tive Erfahrungen gemacht. Daraufhin haben wir mit unseren Helfern gesprochen und uns intern beraten, ob wir es wieder machen. Realistisch ge.sehen haben wir immer mit der Wettersituation zu kämpfen, egal ob im Januar oder im März. Der Vorteil bei den Wettkämpfen im März: Wir haben länger Zeit, Schnee zu produzieren.
Heidi Spitz ist seit 1982 Geschäftsführerin des Schwarzwaldpokals. Die gebürtige Scho.nacherin war einst
selbst aktive Langläufe.
rin, dann als Übungsleite.rin und Trainerin im Skiclub Schonach tätig. Außerdem ist Heidi Spitz staatlich geprüfte Skilehrerin. Ihre große Leidenschaft für den Wintersport führte sie schließlich in die „Funktionsmaschinerie“. Seit vielen Jahren organisiert sie den Schwarzwaldpokal und sämtliche andere Wintersportwettbewerbe, die in Schonach stattfinden.
Jörg Frey ist seit 1995 Bürgermeister der Schwarzwaldge.meinde Schonach. Um die Bedeutung des Schwarzwaldpo.
kals für die ganze Region wissend, setzte er sich für den Umbau der Langenwaldschanze im Jahr 2010 ein, der die Durchführung des Weltcups für weitere Jahre sicherte. Als begeisterter Skifahrer und großer Wintersportfan genießt das Gemein.deoberhaupt das internationale Flair, das während der Weltcupveranstaltungen stets in der Gemeinde Schonach herrscht.
Gunter Schuster ist seit über 30 Jahren Vor.sitzender des Skiclub Schonach. 2012 wurde er deshalb mit der
Staufermedaille des
Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, einem Orden für herausragende, langjährige Verdienste im Ehrenamt, ausgezeichnet. Gemeinsam mit Bürgermeister Jörg Frey und Heidi Spitz bildet Gunter Schuster seit vielen Jahren erfolgreich den Kopf des Schwarzwaldpokal-Organisationskomitees.
Welche Anforderungen gibt es an die Wett.kampfanlagen bei einer Weltcupveranstaltung?
Heidi Spitz: Die Schanze muss FIS-zertifiziert sein, was wir mit dem Umbau im Jahr 2010 für die nächsten Jahre gesichert haben. Das Zerti.fikat gilt bis 2020. Außerdem müssen verschie.dene Auflagen erfüllt werden, etwa dass sie mit maschinellem Schnee präpariert wird.
Auch für die Langlaufstrecke gelten Vorga.ben. Die Spur muss acht bis zwölf Meter breit sein, die Trasse gilt es so waagerecht wie möglich zu halten. Außerdem müssen gewisse Höhenme.ter in der Streckenführung enthalten sein.
Von technischer Seite her gibt es im Herbst immer eine Begehung mit dem TV Produzenten. Hier wird festgelegt, wo welche Kamera steht und wo die Leitungen gelegt werden müssen.
Um Sprungschanze und Loipe weltcuptauglich zu halten, benigt es auch Investitionen…
Jörg Frey: Die Wettkampfanlagen und auch die Ansprüche der Verantwortlichen entwickeln sich weiter. Das heißt, eine Wettkampfanlage wird nie fertig sein, sie ist es nur so lange, wie die Zertifizierung läuft. Die Qualitätsansprüche sind in den letzten 20 Jahren so enorm gestie.gen, dass auch wir an weitere Investitionen denken müssen.
Wir müssen jetzt schon zehn Jahre weiter denken und überlegen, wo wir künftig Investiti.onsschwerpunkte setzen und inwieweit wir diese dann auch noch vertreten können. Man darf nicht vergessen, dass es letztendlich enorme Aufwen.dungen sind, die wir dann gerne vertreten, wenn wir die großen Erfolge bei uns haben. Das wird teilweise natürlich auch kritisch gesehen.
Was bedeutet der Schwarzwaldpokal f Schonach und seine Einwohner?
Jörg Frey: Ich habe noch nie eine Veranstaltung erlebt, bei der so viele Freiwillige zusammen-helfen und in wirklich sehr schwierigen Situa.tionen nahezu Unmögliches möglich machen.
fertig sein, sie ist es nur so lange, wie
die Zertifizierung läuft. Die Quali.
tätsansprüche sind in den letzten
20 Jahren so enorm gestiegen, dass
auch wir an weitere Investitionen
denken müssen.
Jörg Frey
Das gibt eine Dynamik im Ort, die für das Mitei.nander im Dorf von allergrößter Bedeutung ist.
Dass es auch Kritiker gibt, ist völlig normal, die gibt es bei jeder Veranstaltung. Für mich als Bürgermeister ist der Weltcup ein unglaubliches Instrument, um den Zusammenhalt im Ort auf.recht zu erhalten, denn in solchen Situationen zeigen die Menschen, was sie miteinander zu leisten vermögen.
Auch das Thema Tradition spielt hier in Schonach eine große Rolle. Der Schwarzwald.pokal findet 2018 nun zum 52. Mal statt. Ich glaube, dass wir auch im Weltcup die größte Tradition schlechthin haben. Der Weltcup ist außerdem ein Alleinstellungsmerkmal, nicht nur für die Gemeinde und den Skiclub, sondern auch für den Schwarzwald.
Hinzu kommt der Anreiz für unsere jungen Nachwuchssportler. Der Weltcup, mit den besten Athleten, spornt die Jugendlichen an, sich reinzu.hängen und zu trainieren und eine solche Karriere anzustreben. Es gibt deutschlandweit wohl nur wenige Orte – mit Ausnahme der großen Winter.sportzentren – die bezogen auf ihre Einwohner.zahl, so viele Olympiasieger und Weltmeister ha.ben wie Schonach. Wir sind dankbar und stolz auf die tolle Nachwuchsarbeit, und dass es so viele in den Weltcupzirkus schaffen.
Wie wirkt sich der Schwarzwaldpokal auf den Tourismus aus?
Jörg Frey: Schonach ist durch den Weltcup in den Medien bekannt. Dies hat eine bedeutende
Ein Schneeband schlängelt sich durch graugrüne Wiesen – Impression vom Schwarzwaldpokal 2017.
Auswirkung auf den Tourismus. Nicht umsonst kommen immer wieder Gäste aufgrund des Schwarzwaldpokals auch im Sommerurlaub. Was die Übernachtungszahlen betrifft, ist das Skidorf Schonach ein Sommerurlaubsort.
Dass wir nicht der typische Winterurlaubs.ort sind hat verschiedene Gründe. Die Mobilität ist größer geworden. Das heißt, wenn jemand Skifahren will, dann fährt er in die Alpen. Früher war es so, dass auch viele aus dem benachbar.ten Elz- und Kinzigtal zum Skifahren zu uns ge.kommen sind, das ist heute nicht mehr in dem Maße so.
Auch das Hotelangebot in Schonach ent.spricht nicht mehr dem, was sich viele wün.schen. Daher gibt es weniger Gäste im Winter.
Heidi Spitz: Die Gäste im Winter buchen erst, wenn Schnee liegt und der Loipenbericht gut ist. Sind unsere Loipen gespurt, so sind auch ruckzuck die Läufer da. Das geschieht alles recht kurzfristig. Sie haben sich auf die unregelmä.ßigen Winter eingestellt. Ist Schnee da, dann kommen die Gäste, wenn nicht, dann nicht.
Gibt es hinsichtlich der unsicheren Schneelage ein Zukunftskonzept f den Winterurlaubsort Schonach?
Jörg Frey: Wir haben unseren Namen als Wintersportort natürlich durch den Weltcup. Wir möchten unseren Kindern immer die Mög.lichkeit geben können, Skifahren zu lernen und den Einheimischen, Ski zu fahren, egal ob alpin oder Langlauf.
Es ist illusorisch, anhand der Größe unseres Skigebietes zu glauben, dass wir mit den großen Wintersportorten in Konkurrenz treten könnten.
Wenn wir das halten, was wir haben und auch unseren Einheimischen und Menschen der Region die Möglichkeit zum Skifahren geben, dann sind wir gut beraten.
Herr Frey, Frau Spitz, Herr Schuster – herzlichen Dank f das Gespräch. Und natlich: Einen schneereichen März f die 52. Auflage des Schwarzwaldpokales!
Winter-Miszellen: Lawinenunglück, heftigste Schneestürme – ungeheure Schneemassen:
Erinnerungen an den „Winter uf em Wald“
Historisches zum Schwarzwaldwinter in Furtwangen, Triberg, Schonach und Schönwald
von Wilfried Dold
Daran erinnert sich jeder „Wälder“: ans Knirschen des Schnees unter den Winterstiefeln, an Neujahrswanderungen durch tief verschneite Wälder oder entlang gefrorener Bäche und Weiher. An Bilderbuch-Winter mit Skitouren durch eine Zauberwelt. Diese Winterromantik begegnet einem häufig in Erzählungen – historische Zeitungsberichte indes sprechen meist eine andere Sprache. Sie dokumentieren, wie beschwerlich die Winter waren, wie sehr sie das Alltagsleben im Schwarzwald geradezu lähmten. Ein bis heute weltweit beachtetes Ereignis ist 1844 das Lawinenunglück beim Königenhof – 17 Menschen sterben. Auch in jüngerer Zeit gab es sehr harte Winter: 1988 beispielsweise sind im Großraum Furtwangen/Triberg/St..Georgen in wenigen Stunden 58 cm Neuschnee gefallen, die Gesamtschneehöhe betrug 1,85 Meter! Mit dem Rekordwinter 1952 können diese Mengen allerdings nicht mithalten: Damals schippten im Schwarzwald über 7.000 Männer den Schnee von den Straßen, allein 1.150 in Furtwangen. Die Räumfahrzeuge kamen nicht mehr durch.
Beschwerliche Wege – eine Menschengruppe kämpft sich zu Fuß durch den Schnee voran. Die zeitgenössische Darstellung des Furtwangers G. Heine stammt aus der Zeit um 1890 und ist mit „Sonntäglicher Kirchgang im Schwarzwald“ betitelt.
Vom Untergang des Königenhofes – das bis heute größte Winterunglück im Schwarzwald
K
ein Neukircher, der diese Geschichte nicht kennt – hier sind alle von Kindesbeinen an mit der Tragödie des Königenhofes vertraut. Schon in der Grundschule habe man ihr das Ereignis in allen Details erzählt – und das Lawinenun.
glück vom 24. Februar 1844 ist im Kreis der Familie noch heute gelegent.lich ein Gesprächsthema, erzählt die Seniorin auf dem Friedhof, zufällig bei der dort angebrachten Gedenktafel für die Opfer stehend. Nachts um 23 Uhr donnerten Tonnen von Schnee einen Steilhang hinunter, zerstörten den Königenhof vollständig und töteten 17 Menschen. Am Unglücksort stehend, würde man nicht vermuten, dass sich hier das bis heute folgenreichste Lawinenunglück im Schwarzwald ereignen konnte. Der Unglückshang ist längst wieder dicht bewaldet, damals war der Steil.hang baumlos: Der Königenbauer hatte den Hang kahlgeschlagen – nur so konnte es zu dem Lawinenabgang überhaupt kommen. Stellenweise bis zu drei Meter hoch soll sich der Schnee in diesem Winter aufgetürmt haben. Und dennoch: Im Wagnerstal gibt es deutlich steilere Hänge als der, von dem sich die tödliche Lawine löste. Wo sich der Königenhof und
Das Lawinenunglück nach einer zeitgenössischen Darstellung des Vöhren.bacher Lithografen Casimir Stegerer. Ein kolorierter Großdruck findet sich auf der folgenden Doppelseite.
Hier stand einst der Königenhof – ein heute unscheinbarer Ort, an dem man ein Lawinenunglück dieses Ausmaßes nie ver.muten würde.
seine Nebengebäude befun.den haben, kann man teils noch Mauerreste ausmachen. Hier steht heute eine Hütte des Forstamtes Furtwangen, liegt ein Grillplatz und erinnert ein Gedenkstein aus dem Jahr 1908 an das Unglück – eine dicke Plexiglasscheibe schützt ihn vor Vandalismus.
Sieben Überlebende
Dass über den Hergang des Lawinenunglückes zahlreiche Details bekannt sind, ist sie.
ben Überlebenden zu verdanken. Ihre Schilderungen finden sich in einer Akte des Bezirksamtes Triberg. Überlebt haben die ältesten Töchter und kleinsten Kinder des Königenbauers, die in einer gangartigen Kammer schliefen. Diese wurde beim Unglück nicht wie der restliche Hof zer.malmt, sondern zur Seite gedrückt. Viele Stunden blieb der Unglücksfall unbemerkt – selbst durch die unmittelbaren Nachbarn, die in dieser Nacht ihre Söhne verloren haben. Im Protokoll des Bezirksamtes steht zu lesen: „Es war Sonntag und Tauwetter trat ein. Abends, so gegen 6 Uhr, ging eine erste Lawine nieder und riss das Immenhaus (Bienenhaus) weg. Die Weibsleute äußerten daher Besorgnis. Doch der Königenbauer und seine Knechte sagten, dass eine Lawine oder viel Schnee dem gro.ßen Gebäude nichts antun könne.“ Ein tödlicher Irrtum, wie sich wenige Stunden später zeigte. Weiter heißt es im Protokoll: „Die Frau des Uhren-
Auf der Höhe oberhalb des Königenhofes erinnert ein Kreuz an den Ausgangs.punkt der Lawine.
Übersichtsbild des Un.glücksortes (1). Vom Königenhof sind nichts als längst verwachsene Mauerreste geblieben. Die Lawine löste sich von einem damals baumlosen Steilhang (2).
Am 24. Februar 1844 kommt es in Neukirch zum bis heute schwersten Lawinenunglk im Schwarzwald. Der Kigenhof wird vlig zerstt, 17 Menschen sterben. Die Lithografie, eine ndliche Ansicht der Unglksstelle, stammt von dem Vrenbacher Kstler Casimir Stegerer, der selbst vor Ort war.
gestellmachers Beha im Nachbarshaus hatte, wie sie später aussagte, nur ein Sausen wie von einem Windstoß gehört und gespürt, wie ihr Haus erzit.terte. Doch da es eine sehr stürmische Nacht war, hatte sie sich nichts dabei gedacht und war wieder eingeschlafen. Um vier Uhr morgens stand sie auf und kochte das Morgen.essen, denn ihre beiden Söhne sollten an diesem Morgen Uhrengestelle über die Fernhöhe hinü.
ber nach Urach tragen. Als die Söhne nicht erschienen, als man sie auch nicht in der Kammer fand, stapfte Vater Beha zum Hof hinüber, fand aber in der Dunkelheit nur einen Haufen Schnee vor. Allmählich erst konnten die Eltern fassen, was geschehen war. Sie weckten den Dachdecker Löffler, der talaus.wärts hastete, um auf dem Kajetanhof Hilfe zu holen, und begannen, im Laternenschein nach Überlebenden zu suchen.
Als die ersten Helfer an der Unglücksstelle eintrafen, hatte man soeben vier Töchter des Königenbauern lebend aus den Trümmern ge.borgen. Die Rettungsmaßnahmen wurden zusätzlich durch einen Kälte.einbruch erschwert, der den nassen Schnee zu Eis gefrieren ließ und die Überlebenschancen der Verletzten weiter verschlechterte. Nur sieben Personen überlebten das Unglück, die Bergung der Toten dauerte Tage.“
Die Toten im Freien auf Brettern aufgebahrt
Nach und nach kamen Hunderte von Helfern im Wagnerstal an, die Schreckensnachricht verbreitete sich in Windeseile. Die Helfer waren teils viele Stunden unterwegs gewesen: In das abseits gelegene Gebiet überhaupt vorzudringen, stellte in diesem schneereichen Winter 1844 eine Meisterleistung für sich dar. Beim Königenhof bot sich ein Bild des Schreckens – eine der authentischen Schilderungen findet sich in der Freiburger Zeitung: „Eine schwere Lawine löste sich vom Berghang des Wagnerstales, stürzte auf das Bauernhaus des Königenbauern Martin Tritschler und drückte es gänzlich zusammen. Es fanden dabei 17 Perso.nen ihren Tod – der Bauer, der mit 5 Kameraden am Tisch saß und Tarock (Cego) spielte, dessen Frau, 4 Söhne und 3 Töchter, der Mietsmann mit dessen Weib und 3 Kindern. Zu Grunde gingen ferner 23 Stück Rindvieh, 1 Pferd und 6 Schafe, 3 Schweine und einige Geißen. Das Unglück wurde erst am andern Tag bemerkt und so kam auch Hilfe aus der Nachbar.schaft viel zu spät. Über Nacht wurde es wieder eisig kalt und die Ret-
Die Erinnerungstafel an die Opfer des Lawinenun.glückes beim Königenhof am 24. Februar 1844. Die Tafel ist auf dem Friedhof in Neukirch angebracht, enthält die Namen der 17 Verunglückten und ihr Lebensalter – vom einjäh.rigen Salomon bis zum 60-jährigen Hofbesitzer Martin Tritschler. Gespen.det haben die Tafel die Verwandten der Opfer.
tung erschwerte sich, erst nach 8 Tagen wurden die letzten Toten aus den Trüm.mern geborgen und alle auf Brettern am Unglücksort aufgebahrt. Das Vieh lebte zum Teil noch, musste aber nach dem Herausziehen von 5 Metzgern geschlach.tet werden. Dies mag den Eindruck des Grauenhaften noch verstärkt haben.“
Ein junger Uhrengestell.macher übrigens konnte nach vielen Stunden befreit werden, sein Kopf steckte in einer Holzkiste. Er starb kurz nach seiner Rettung. Die 17
Toten wurden bei einer so noch nie dagewesenen Feier auf dem Friedhof in Neukirch beigesetzt.
Nach der Zerstörung des Königenhofs war im Wagnerstal nur noch der Kajetanhof bewohnt. 1845 plante der Kajetansbauer, den Königenhof wieder aufzurichten. Das Bauholz lag schon bereit, da verstarb der Bauer unerwartet während einer Pferdeprozession. Der Hof mit seinen 90 Hek.tar Wirtschaftsfläche wurde endgültig nicht mehr aufgebaut. Auch die noch unversehrten Nebengebäude wurden nun abgerissen, das Grund.stück 1878 durch den Staat erworben und aufgeforstet.
Das Unglück hatte auch für die Überlebenden in vielfacher Hinsicht gravierende Folgen. Zwei Monate nach dem Unglück stellte der Neukir.cher Pfarrer fest: ,,Die Tritschlerschen älteren Kinder ziehen heimatlos umher.“ Und das, obwohl aus dem ganzen Land Baden großzügigste
Spenden nach Neukirch geflossen waren. Der Groß.herzog und der Fürst zu Fürstenberg spendeten 500 Gulden, Kirchenkollekten und Wohltätigkeitskonzerte wurden für die Kinder des Königenbauers abgehalten.
Der vor 173 Jahren erfolgte Lawinenabgang findet bis zum heutigen Tage viel Beachtung und ist mit Blick auf die 17 Toten regelmäßig in Zusammen.stellungen zu den weltweit größten Lawinenunglücken zu finden.
Die 17 Toten des Lawinen.unglückes im Wagnerstal wurden auf dem Friedhof in Neukirch beigesetzt.
Die Kapelle des Kajetan.hofes ist das letzte Über.bleibsel aus der Zeit, als dieser Teil des Wagnerta.les noch bewohnt war. Der Königenhof lag in unmit.telbarer Nachbarschaft.
Schnee, Sturm und Regen
Triberg kämpft 1849 gegen ein verheerendes Hochwasser
D
ie Hochwasser im Winter waren und sind wie die Win.tergewitter gefürchtete Er.eignisse. So hat ein Winter.gewitter am 10. Januar 1843 die Kirche von Furtwangen in Brand gesetzt, der Blitz
schlug in die Kirchturmspitze ein. Über eines der schweren Hochwasser berichtet 1849 der in Villingen herausgegebene „Schwarzwälder“. Die Zeitung schreibt über die Situation in Triberg am 17. Januar 1849: „Wenn in dem Winter früherer Jahre ungeheure Schneemassen die Thäler des Schwarzwaldes beinahe unzugänglich machten, so hat uns dieser Win.ter mit den Verheerungen angeschwollener Gewässer bedacht. Zu der Nacht vom 14. auf den 15. schmolz in Folge der unaufhörlichen Regengüs.se, begleitet von einem gewaltigen Sturmwinde, der Schnee, welcher seit einigen Tagen unser Hochgebirge bedekte. Das tobende Gewässer, wel.ches in seinem reissenden Laufe Felsstücke von beträchtlicher Größe und Tannenbäume mit donnerähnlichem Getöse dahinwälzte, riß Mauren ein, untergrub Gebäude, schwemmte den Rasen der für unsere Gegend so kostbaren Wiesen fort.
Hiebei müssen wir auch eines wakren Mannes gedenken, des Zim.mermeisters Schweikert, welcher eine Familie aus ihrem auf einer Insel stehenden Wohnhause, dessen Einsturz zu befürchten war, rettete,
indem er die Mutter und die Kinder auf einer vom Ufer in ein Fenster des untern Stock.werkes gelegten Leiter über die wilden Fluthen trug.
Leider hat auch unsere Stadt das Leben eines braven Mannes zu beklagen, wel.cher um sich von der Höhe des Wassers zu überzeugen in seinem edlen Diensteifer an dem Ufer zu weit vortrat in dem Augenblicke, in wel.chem die Mauer einstürzte, und so rettungslos ein Opfer der schäumenden Wellen ward. Friede sei seiner Asche!“
Bahnschlitten unterwegs auf der Geutsche bei Tri.berg, wohl 1920er-Jahre.
In einer Welt ohne Autos waren die Straßen auch recht gefahrlose Rodelbah.nen – wenn auch nicht zur Freude der Fußgänger. Das Bild zeigt die Kreuzstraße in Triberg um die Zeit des Ersten Weltkrieges, früher der Hauptverbindungsweg nach Schonach.
Unglaublich hohe Schneeberge…
vom Schwarzwald, 6. März 1858
D
em ohnehin schon vorhandenen großen Schnee hat sich seit vorgestern Nacht eine so ge.waltige Masse beigestellt, daß sie zu den Seltenheiten auf un.seren Bergen gerechnet wer.den kann. Wenn der Schnee
gegenwärtig durchschnittlich 3 bis 4 Fuß hoch liegt, so hat ihn die das Schneien stets begleitende sturmbewegte Luft an gar vielen Orten zu unglaublich hohen Bergen zusammengeweht. Der Verkehr ist beinahe ganz aufgehoben, und die Postwagen können nur mit großer Mühe und Gefahr fortgeschleppt werden.
Der Verkehr zwischen den einzelnen Orten ist auf ein Minimum be.schränkt, und die Schulen können aus Mangel an Kindern in gar zu vielen Orten nicht mehr abgehalten werden. Wen nicht ein unaufschiebliches dringendes Geschäft hinaus zwingt, der bleibt behaglich am warmen Ofen sitzen. Bahnen hilft nicht viel, denn der Sturm fegt die kaum ge.öffneten Schneewege sofort wieder zu; auch ist es an vielen Orten un.möglich, den Bahnschlitten fortzubringen, da die Pferde im Schnee nicht fortzukommen vermögen. (Beitrag aus dem „Schwarzwälder“)
April-Schnee
vom Schwarzwald, 19. April 1917
Auf unserm hohen Schwarz.wald haben wir wirklich einen Tag wie den andern Schneefall und zwar so ergiebig, daß der Bahnschlitten geführt werden muß. Daß bei der solchen Witterung die Bestellung der Felder und Gärten ganz ausge.schlossen ist, versteht sich von selbst. Hoffen wir, daß uns der liebe Gott bald mit Frühlings.wetter erfreuen möge.
(Meldung aus dem „Schwarz.wälder“)
Schneetunnel auf dem Raben bei Furtwangen am 15. März 1905.
Winterfreuden der be.sonderen Art: Vier Meter hohe Schneeberge auf der Neueck bei Furtwangen/ Gütenbach haben die Schneeräumer im Schnee.sturm des Jahres 1907 am
6. März zum Bau eines Tunnels animiert. Auch der Pfedeschlitten passte hindurch.
Schneedurchbruch am Raben, „Wiedereröffnung“ der Straße zwischen Gütenbach und Furtwangen am 1. März 1907. Und Fassanstich zum „Tunnel durchbruch“ in der Furtwanger Unterallmend (rechte Seite). Die Unbilden des Winters nahmen die Schwarzwälder offensicht lich „gelassen hin“.
„Jedes Kind ist doch heute ein Brettlehupfer“
Ein Fremdenfrer von 1927 erzählt, wie das Uhrendorf Schwald zum „Wintersportplatz“ aufgestiegen ist
D
drei Norweger sollen es gewesen sein, die in den 1880er-Jahren den Skisport nach Schönwald sprich in unsere Gegend gebracht haben. So zumindest erzählen es die Schönwälder – im nahen Triberg auf dem Feldberg oder anderen Orten im Schwarzwald ist die.se Geschichte eine andere. Die Gäste aus dem Norden waren von den faszinierenden Möglichkeiten im Schwarzwald hellauf begeistert, berichtet die Chronik. Sie sollen auf dem Brend, der Martinskapelle und im Weißenbachtal unterwegs gewesen sein. Tief beeindruckt waren indes auch die Schwarzwälder, als ihnen diese neuen Möglichkeiten bewusst wurden: Endlich konnte man über den Schnee gleiten… Das Skifahren wird über Nacht zunächst zum Modetrend bei den Wohlhabenden – und dringt rasch in das Alltagsleben der gesamten Bevölkerung vor.
Um 1910 bereits, so steht es im 1927 aufgelegten Führer des klimatischen Höhenluftkurortes nachzulesen, war das Dorf ein Wintersport.platz ersten Ranges, in dem selbst die Briefträger ihren Dienst auf Skiern verrichteten und sich die Arbeiter mit den selben auf den Weg zur Fabrik machten. Wörtlich schreibt Alfred Dold von der Kurverwaltung: „Noch
Sogar ein gesticktes Ski.abzeichen legte der Win.tersportplatz Schönwald dereinst auf, das sich so mancher Skiläufer an Jacke oder Pullover nähen ließ (oben links). Ein Hinweis auf die damalige Bedeu.tung des Skiparadieses.
Rechts: Hohen Unterhal.tungswert bietet der von Alfred Dold, Mitglied der Kurverwaltung, im Juni 1927 aufgelegte Fremden.führer. Der Autor rühmt den Winter in den höchs.ten Tönen – und in der Tat hatten die Schwarzwälder mit dem Aufkommen des Wintersportes an der kal.ten Jahreszeit schlagartig die größte Freude.
vor 30 Jahren fast unbekannt, ist heute jedes Kind ein ‘Brettle.hupfer’. Die ganze Jugend lernt das Skilaufen. Ja der Schnee.schuh ist dem Schwarzwälder heute so wichtig geworden wie dem Weltumsegler das Schiff.“
„Großartige Zukunft“
Die Norweger prophezeiten den Schönwäldern eine großartige Zukunft als Wintersport.platz – und der Ort machte in der Tat umgehend das Beste daraus. Denn wie heißt es
doch im schon bald aufgeleg.ten Winter-Führer: „Niemals fühlt man die Luft so leicht, trocken und erfrischend, durch nichts werden die Muskeln des ganzen Körpers so angespannt, nie wird das Gemüt so hell und leicht, der Körper abgehärtet und gestählt, als im Gebirge durch Skisport und Freiluftleben im Winter. Was nun die Bedeutung Schönwalds als Winterkurort in hygienischer Beziehung anbelangt, so seien namentlich Blutarme, Bleichsüchtige, Neurastheniker und sonstige Erholungsbedürftige auf unseren Kurort aufmerksam gemacht.“
1907 gründet sich der Skiclub
Schon 1907 gründete sich in Schönwald ein Skiclub „zur Pflege des so schönen und gesunden Wintersportes“, der sich wiederum dem Ski-Club Schwarzwald anschließt, dessen Mitgliedskarte unten rechts abgebildet ist. 1920 zählte der Verein bereits 130 Mitglieder. Eine mächtige Sprung.schanze stand bald im Adlerwald, später nannte man die Schanze „Adler.schanze“. Die heutige K85-Nor.
malschanze wurde 1967 erbaut, das Eröffnungsspringen fand am 17. März 1968 statt.
Zurück in die Pionierzeit des Wintersports. Im Fremdenfüh.rer heißt es abschließend: „Der Winter ist nicht mehr der rauhe und griesgrämige Geselle, der früher im Schwarzwald regier.te, sondern er ist ein froher Bursche mit wehenden Locken und blitzenden Augen, der sein jugendliches Spiel mit Jung und Alt treibt.“
Wenn der Briefträger (Helmut Eschle) die Post auf den Skiern bringt: aufgenommen in den 1970er-Jahren in Schön.wald.
Als das Skifahren populär wurde, sind auch etliche Schönwalder Mitglied im Ski-Club Schwarzwald geworden. Vorsitzender war der oft in Furtwangen und Schönwald weilende Skipionier Prof. Franz Kohl.hepp, dessen Unterschrift die Karte trägt.
Ein Winter wie wohl kein zweiter:
7.300 Männer schippen Schnee!
In Furtwangen/Schönwald/Gütenbach geht im Februar 1952 nichts mehr, die Region ist von der Umwelt abgeschnitten
E
war der Jahrhundertwinter schlechthin – nicht nur in Furtwangen, Schönwald oder Gütenbach, im gesamten Schwarzwald gab es so gut wie kein Vorankommen mehr. Ohne Zweifel: Den Großraum Furtwangen/Schönwald hatte es im Februar 1952 besonders schwer getroffen. Der SÜDKURIER erscheint am 5. Februar mit der Schlagzeile: „Winter, wie zu Großvaters Zeiten“. Die Zeitung berichtet von bis zu sie.ben Meter hohen Schneeverwehungen auf der B 500 hinauf zur Escheck. Alle Männer im Alter von 14 bis 65 Jahren wurden am 9. und 10. Fe.bruar zum Freischaufeln der Straßen und der Bregtalbahn eingesetzt, sämtliche Betriebe blieben geschlossen. Allein in Furtwangen schippten
Schnee wohin das Auge blickt: Allein schon um an ihren Einsatzort zu kommen, mussten sich die mehreren tausend Schnee.räumer im Winter 1952 zunächst für sich selbst Wegle freischaufeln. Das Bild entstand auf der heu.tigen B500 zwischen Furt.wangen und Schönwald. Ein Rekordwinter wie der des Jahres 1952 hat sich bis heute nicht wiederholt.
1.150 Männer Schnee. Die Baudirektion Freiburg hat die Ereignisse festgehalten: „Von den 5.059 Kilometern an Bun.des- und Landstraßen in Baden waren am 12. Februar wegen starker Schneeverwehungen fast 1.400 Kilometer vollstän.dig gesperrt. Am schwersten waren die Verwehungen um Furtwangen herum, das wie Gütenbach oder Schönwald zeitweise ganz abgeriegelt war. Die Straßenverwaltung
hatte im ganzen nur 12 Spezialräumgeräte und 89 motorisierte Pflüge einzusetzen, die vor den Schneewänden kapitulieren mussten.
Die Schneekatastrophe zwang dazu, zum ersten Mal wieder 298 bespannte Pflüge (Bahnschlitten) einzusetzen. Aber auch diese konn.ten nicht mehr viel ausrichten. An einigen Tagen waren im gesamten Schwarzwald bis zu 7.300 Mann auf den Straßen.“
Auch die Bregtalbahn steht still
Zur Lage der Bregtalbahn berichtete die Tageszeitung SÜDKURIER am 14. Februar 1952: „Nachdem infolge der erneuten Schneefälle bereits am vergangenen Sonntag (10. Februar) der gesamte Autoverkehr über Furtwan.gen zum Erliegen kam, musste auch die Bregtalbahn am Montag den aussichtslosen Kampf mit den Elementen aufgeben. Schon 14 Tage lang war vom Personal der Bregtalbahn das Äußerste verlangt und geleistet worden, um den Verkehr so lange als irgend möglich aufrecht zu erhal.ten. Trotz täglichen Einsatzes
des Schneepflugs ließ sich jedoch das Verhängnis nicht aufhalten. Meterhoch war inzwischen der Schnee stellenweise angeweht worden.“
Veranlasst durch diese Schneekatastrophe schaffte die Stadt Furtwangen ihre erste Schneefräse an, die sich rasch bezahlt machte. Denn weitere schneereiche Winter folgten, und die Schneemas.sen wären erneut nur mit einem Heer von Zwangsver.pflichteten Schneeräumern zu bewältigen gewesen.
Verdiente Pause – unauf.hörlich schippten über
1.150 Männer im Winter 1952 allein im Großraum Furtwangen den Schnee von den Straßen.
Unter dem Eindruck des Rekordwinters 1952 nahm die Stadt Furtwangen ihre erste Schneefräse in Betrieb – die erste im Landkreis überhaupt. Sie machte sich rasch bezahlt.
Erster elektrischer Skilift, Rodelbahn, Eiskunstlauf und Internationale Wintersportsausstellung
Triberg steigt zum Wintersportort auf
Reiseberichte dokumentieren, dass sich Triberg nach der Eröffnung der Schwarzwaldbahn am 1. November 1873 zu einem der bekanntesten Luftkurorte des Schwarzwaldes entwickelte. Der Wintersport hat daran einen großen Anteil, der Kurort genoss zeitweise hohes Ansehen in diesem Bereich. Vor allem für den ersten elektrischen Skilift der Welt, ihre Bobbahn und ebenso international bedeutsame Wettkämpfe im Eiskunstlauf war die Stadt an den Wasserfällen bekannt.
von Klaus Nagel
Als vor etwa 12.000 Jahren die letzte Eiszeit auch auf den Höhen rund um das Schwarzwald.städtchen Triberg zu Ende ging, stieß der Homo sapiens sapiens, der vor ungefähr 35.000 Jahren in den Alpenvorraum einwanderte, vermut.lich nur episodisch in das Gebiet des heutigen Schwarzwalds vor, das damals allerdings wohl nur eine waldlose Tundra gewesen sein könnte. Vielleicht benutzten dabei diese steinzeitlichen Jäger während der Schwarzwaldwinter auch schon Fortbewegungshilfen, sind doch die Existenz von Tretschuhen vor ca. 5.000 Jahren für Norwegen belegt. Der „Ski von Hoting“ aus Schweden ist etwa 4.500 Jahre alt. Auch der Gletschermann „Ötzi“ trug Schneeschuhe bei sich, die auf 3.300 v. Chr. datiert werden.
Sicherlich ahnten die steinzeitlichen „Ski.pioniere“ nicht, dass im Zentrum der einstigen
Titelseite zum Programmheft der Deutschen Winterkampfspiele, die in Triberg und Titisee stattfanden.
Start zum Skirennen der Damen auf dem Gelände des heutigen Waldsportbads, wo sich die Tal.station des ersten elektrischen Skilifts der Welt befand.
Mittelschwarzwälder Verglet.scherung Mitte des 13. Jahr.hunderts n. Chr. das Städtchen Triberg entstehen sollte, das sich um 1910 gar zu einem internationalen Wintersport.ort entwickelte, an dem alle Wintersportarten ausgeübt
werden konnten.
Belegt ist, wie damals das Skilaufen in den Schwarzwald kam, nämlich durch den Arzt Dr. Tholus in Todtnau im Wiesental, der bei einem Aufenthalt in Norwegen „Schneeschuhe“ ken.nengelernt hatte und sich ein Paar aus Norwe.gen kommen ließ, um als Landarzt im Winter sei.ne Patienten auf den Schwarzwaldhöfen leichter zu erreichen.
Schon am 5. Januar 1892 wurde in Todtnau der erste Skiclub in Mitteleuropa zur Förderung des Schneeschuhlaufens gegründet. Auf dem
1.493 m hohen Feldberg entwickelte sich bald der Schneeschuhlaufsport, der innerhalb weniger Jahre im ganzen Schwarzwald bekannt wurde.
Triberg entwickelt sich zu einem beliebten Kurort
Reiseberichte aus der Zeit der Romantik deuten an, dass sich das nach dem Triberger Stadtbrand von 1826 neu erbaute Städt.
chen mit seinen Wasserfällen zu einem der beliebtesten Schwarzwaldorte entwi.ckelt. Nach der Eröffnung der Schwarzwaldbahn am 1. No.vember 1873, wird Triberg zu einem der bekann.testen Luftkurorte des Schwarzwalds und taucht in allen Reiseführern auf. In dem Buch „Kurorte & Heilquellen des Grossherzogtums Baden“ aus dem Jahr 1905 ist über Triberg zu lesen: „Seit Triberg Centralpunkt der großartigen Schwarz.waldbahn geworden, ist es zu einem Vorort der Schwarzwälder Uhrenindustrie und zum Luft.kurort ersten Ranges erblüht, mit einer Durch.schnittsfrequenz von 10-15.000 Gästen. Zahlen, die mit den heutigen etwa 400.000 Besuchern am Wasserfall natürlich nicht mithalten können.
Anfänglich spielte im internationalen Luft.kurort Triberg der Wintersport keine Rolle, wohl aber in der Umgebung. In einem Werbeheftchen, aufgelegt im Jahr 1910, ist für das 1877 erbaute „Schwarzwald-Hotel“, das 1906 um das „Kurhaus Waldlust“ erweitert wurde, zu lesen: „Triberg, die Perle des Schwarzwalds, ist seit vielen Jahren als bedeutender und viel besuchter Sommer-
Skipioniere auf der „Unteren Geutsche“ am „Hofeck“ bei der heutigen Triberger Jugendher.berge.
Links: Wintersport-Prospekt des „Schwarzwald-Hotel“ und des „Hotel Waldlust“ um 1910. Mitte: Der erste elektrische Skilift der Welt stand im Hoflehen-Talgrund in Triberg und wurde 1910 anlässlich der „Internationalen Wintersportsaus.stellung“ in Betrieb genommen. Rechts: Eiskunstlauf auf dem Bergsee.
kurort bekannt und geschätzt. Vor drei Jahren hat nun auch der Wintersport seinen Einzug in Triberg gehalten. Unter all den bekannten Wintersportplätzen liegt keiner so günstig wie Triberg. Nicht allein dem Rodelsport sind in Tri.berg Bahnen gewiesen. Zwei neue Eislaufplätze, aufs Beste unterhalten, bieten dem Schlittschuh.künstler frohes Ergötzen. Bekannt ist, daß des Schwarzwald’s Höhen das prächtigste Skigelän.de darstellen.
Welch entzückende Touren der Skilauf ermöglicht, zeigt sich bei den wöchentlichen Ausflügen des Ski-Club Schwarzwald, Ortsgrup.pe Triberg. Seit unter ihrer Führung eine neue Rodelbahn gebaut wurde, die unstreitig die schönste und beste des Schwarzwalds sein dürf.te, herrscht, reges, fröhliches Treiben. Veranlaßt durch den technischen Fortschritt, werden keine Mühen und Kosten gescheut, so daß neuerdings eine elektrische Aufzugsbahn hergestellt wird, so daß auch solchen, die den langen Aufstieg gern vermeiden, Gelegenheit geboten ist, dem herrli.chen Vergnügen nach Herzenslust zu huldigen.
Um den Skisport in jeder Hinsicht pflegen zu können, hat sich die Ortsgruppe entschlossen, mit erheblichen Kosten einen Sprunghügel zu bauen, der nach seiner Vollendung (Dezember 1909) einer der zweckmäßigst angelegten sein wird und des.sen Lage geradezu ideal zu nennen ist.
Für 1910 steht die Erstellung einer allen An.sprüchen Rechnung tragenden Bobsleighbahn bevor, so daß zur Ausübung des Wintersports kein Wunsch mehr zu erfüllen bleibt. So bietet denn Triberg neben seiner herrlichen Lage, die dem Erholungsbedürftigen neue Kräfte zuführen soll, auch dem Sportliebhaber reichlich Gelegen.heit zur Ausübung jeglichen Wintersports.“
Europameisterschaften im Eiskunstlauf
Im Eislaufen wurde Triberg bekannt, als auf dem Bergsee, einer glazialen Nische, 1925 sogar die Europameisterschaften im Eiskunstlauf und vom 23.-26. Januar 1926 die Deutschen Winterkampf.spiele im Eiskunstlauf stattfanden.
Als es gelang, die „Internationale Winter.sportsausstellung“ nach Triberg zu holen, die unter dem Protektorat „Seiner Großherzoglichen Hoheit Prinz Max von Baden“ stand, war das Schwarzwaldstädtchen Triberg endgültig ein Mittelpunkt des Wintersports geworden. Die Ausstellung fand vom 18. Dezember 1909 bis zum 20. Februar 1910 in den Räumen der ehemaligen Gewer.behalle statt, die 1936 zum Hei.matmuseum bzw. später zum Schwarzwaldmuseum umfunkti.oniert wurden.
Erster elektrischer Skilift der Welt
Schon im Jahre 1883 wurde in Triberg am Wasserfall eine An.lage erstellt „zur Beleuchtung aller Straßen und Plätze mit elektrischen Bogenlampen. Tri.berg war die erste Stadt, die mit elektrischem Licht beleuchtet wurde“. Die elektrische Energie wurde auch dazu benutzt, um im Triberger Hoflehen anlässlich der Internationalen Ausstellung den ersten elektrisch betriebe.nen Skilift der Welt zu errichten. Beim Kaiserlichen Patentamt wurde dieser von Robert Winter.halder (1866 – 1932) aus Schol.lach, Amt Neustadt, als „Vor.richtung zum Hinaufziehen von Schneeschuhläufern und Rod.lern mittels einer kontinuierlich sich bewegenden Seilbahn auf beschneite Berghänge“ angemel.det. In Triberg sah Winterhalder die Möglichkeit, seinen Lift, den der Schwarzwälder Tüftler zuvor schon in Schollach errichtet hat.te, weltbekannt zu machen.
Der Schollacher Lift wurde al.lerdings von einer Wassermühle, also von Wasserkraft, getrieben und war einschließlich der Trä.ger, das stählerne Transportseil ausgenommen, vollkommen aus Holz. Winterhalder war Bauer und Wirt, der den „Schne.ckenhof“ betrieb und mit der „Vorrichtung zum Aufziehen von Schneeschuhläufern, Rod.lern usw. auf Berghänge“ den zahlreichen Wintergästen seiner Wirtschaft den mühsamen Auf.stieg nach der Abfahrt ersparen wollte. Sein Experiment gelang. Winterhalder, übrigens selbst kein Skifahrer, meldete seine Konstruktion zum Patent an und ließ sich seine „Lift-Erfindung“ bereits 1909 auch in Österreich, Norwegen und Schweden paten.tieren.
Die Liftspur in Triberg war 550 m lang und überwand einen
Links: Auf der Rodelbahn – um 1900 vor allem auch eine beliebte Sportart bei Erwachsenen. Mitte: Blick in einen Ausstellungsraum der Internati.onalen Wintersportsausstellung 1910. Rechts: Startaufstellung zu einem Triberger Volks.wettlauf um 1900.
Höhenunterschied von 85 Metern. Zwölf einbe.tonierte Eisenträger leiteten das zwölf Millimeter starke endlose Drahtseil über die Laufrollen. Die Anlage wurde von einem 15-PS-Motor getrieben. Winterhalder hatte bei seiner Konstruktion auch an die damals noch zahlreichen Rodler gedacht. Der Triberger Lift erschloss nicht nur die Skihänge im Hoflehen, sondern lief entlang der Sprungschanze auch zur Rodelbahn hoch. Die „Lift-Rodler“ verwendeten Schlitten mit verstellbaren Sitzflächen, die bei der Höhenfahrt am Drahtseil so gestellt wurden, dass der Rodler nicht vom Sitz abrutschen konnte. Auch das war eine Winterhaldersche Idee.
Heute gehört dieser Triberger Lift der Vergan.genheit an. Schon im Ersten Weltkrieg wurden um 1917 die Eisenträger abgebaut, um sie für die Rüstungsindustrie zu verwenden. Auch der „Ur-Lift“ in Schollach war nur bis zum Beginn des Ers.ten Weltkrieges in Betrieb und wurde abgebaut.
Dadurch verlor auch die erste Triberger Sprungschanze an Bedeutung, die aber von etwa 1955 an noch viele Jahre den Jugendspringern für das Training diente. Eine weitere, in den 1920er-Jahren erbaute Schanze, stand am Steil.hang der Geutsche. Mit dem Bau einer großen Sprungschanze an der „Unteren Geutsche“ wur.de begonnen. Diese konnte aber nie vollendet werden, da das Vorhaben wohl eine Nummer zu groß war. Der betonierte Schanzentisch steht aber heute noch.
Deutsche Rodelmeisterschaften
Die Triberger Rodelbahn wird seit 2015 aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht mehr offiziell als Rodelbahn ausgewiesen. Auch die Beleuchtung für das nächtliche Rodeln auf der Hofwald-Rodelbahn musste abgebaut werden. Auf ihr fanden 1913 und 1954 die Deutschen Ro.delmeisterschaften und am 14./15. Februar 1959 sogar die Deutschen Rennrodelmeisterschaften statt. Triberg blickt also auch auf eine alte Tradi.tion im Rennschlittensport zurück.
Ein elektrischer Skilift sollte in Triberg auf der „Geutsche“ (Gemarkung Nußbach) erst wieder im Jahr 1966 erbaut werden. Die Länge betrug 385 m bei einem Höhenunterschied von 102 m. Der Elektromotor hatte eine Stärke von 60 PS. Den Lift betreute der Landwirt Johann Kienzler, der sogenannte „Jockenbauer“. Viele schneear.me Winter haben nur an wenigen Tagen einen Betrieb erlaubt, so dass der „Geutsche-Skilift“ schon Mitte der 1990er-Jahre stillgelegt und schließlich im Jahr 2003 demontiert wurde. Ge.blieben ist auf dem Hochplateau der Geutsche lediglich die 1973 hergerichtete Skiwanderloipe, deren Streckenführung in den letzten Jahren ei.nige Verbesserungen erfuhr. Die „Panorama-Loi.pe Geutsche“ bietet nach Norden hin phantasti.sche Ausblicke auf den Nordschwarzwald, nach Osten hin sogar bis zur Schwäbischen Alb.
Bau der „Sterenberg-Bobbahn“
Der Erste Weltkrieg unterbrach in vielerlei Hin.sicht abrupt den Höhenflug Tribergs als Winter.sportort. Ein weiterer Wintersport-Höhepunkt tung der „Sterenberg-Bobbahn“, mit deren Bau im November 1911 begonnen wurde. Das Eröff.nungsrennen auf der Naturbahn fand dann am
24. November 1913 statt.
Die ursprünglich mit einer Länge von 1.630m und einem Gefälle von 9 % geplante Bobbahn wurde vom „Bobsleighclub Schwarzwald“ unter dem Ehrenvorsitzenden Prinz Wilhelm von Sach.sen-Weimar, dem Ersten Vorsitzenden Freiherr von Venningen und dem Triberger Bürgermeister de Pellegrini als Zweitem Vorsitzenden erbaut.
Titelseite eines sogenannten Leporellos mit Winter-Auf der „Sterenberg-Bobbahn“, 1950er-Jahre.
Motiviert durch die „Internationale Win.tersportsausstellung“ in Triberg, begannen 45 Pioniere aus Straßburg, das damals noch zum Deutschen Reich gehörte, mit dem Bau der Na.turbobbahn. Die Bahn fällt vom Start in 980 m ü. NN auf dem Sterenberg (Gemarkung Triberg) zuerst kerzengerade mit 10,7 % nach unten, bevor nach einer Linkskurve, die „Starrkurve“, die „Wasserfallkurve“ und die „Kohlplatzkurve“ folgen. Ihren Auslauf hat die tatsächlich ausge.führte „Sterenberg-Bobsleighbahn“ nach etwa 100 m oberhalb des „Prisenhäusles“ in der Ziel.kurve. Für später war sogar geplant, die Bahn um nahezu 1.000 m zu verlängern und beinahe nach Triberg hineinzulegen.
211 offizielle Rennen ausgetragen
Der im Sommer 2017 ausgeschilderte „Qualitäts.weg Prisental“ folgt dem Verlauf der ehemaligen Naturbobbahn. Auf neuen Tafeln ist auf der „Pa.radiestour“ viel Wissenswertes über die einstige Triberger Bobbahn zu erfahren. Etwa in der Mitte der Bobbahn steht ein großer Granit-Wollsack, in dem sich eingemeißelte Namensinitiale von neun Personen aus Winden im Westerwald (Hes.sen-Nassau, Rhein-Lahn-Kreis) finden, die ver.mutlich im November und Dezember 1911 beim Bau der „Sterenberg-Bobbahn“ mitwirkten. We.nig oberhalb liegt am Weg ein Wasserschacht, ein Relikt der Wasserleitung, die dafür diente, die Naturbobbahn zu bewässern, um bei Minustem.peraturen für eine Eisschicht zu sorgen.
Für die Zuschauer erstellte man 1914 neben der Bobbahn einen Fußweg, der heute noch gut zu erkennen ist. Ursprünglich sollte die Bobbahn bis zum Prisenhäusle führen, wo sich Pferde- und Bobstall befinden sollten. Mit Pferden wurden die Bobschlitten wieder hinauf auf den Steren.berg gezogen. Der Ausbruch des Weltkrieges verhinderte aber den weiteren Ausbau der Na.turbobbahn.
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrie.ges fanden auf ihr 211 offizielle Rennen statt, darunter 1925 die Deutsche Meisterschaft im Zweierbob und 1926 die Deutschen Winter.kampfspiele im Zweier- und Viererbob. Die letzte Veranstaltung auf der „Sterenberg-Bahn“ wurde am 9. März 1958 durchgeführt, da die Bahnen der deutschen Mittelgebirge den gestiegenen Anfor.derungen nicht mehr gewachsen waren. Pläne, in Triberg eine Kunst-Bobbahn zu bauen, ließen sich nicht verwirklichen.
Der „Bob- und Rodelclub (BRC) Schwarz.wald“, 1911 gegründet, wurde daher nach 88 Jah.ren 1999 aufgelöst. Heute erinnert eine Ausstel.lung im Schwarzwaldmuseum“ mit mehreren Bobschlitten an die „Sterenberg-Bahn“ und den einst so erfolgreichen „Bob- und Rodelclub (BRC) Schwarzwald“.
Winterbegebenheiten in St. Georgen
St. Georgen im Schwarzwald ist eine „Winterstadt“, zumal sich die Gemarkung auf bis 1.000 Höhenmeter erstreckt. Oft genug waren gerade die Verhältnisse auf der Sommerau extrem. Was es bedeutet hat, die früher oft schneereichen und kalten Winter in der Bergstadt zu erleben, wird nachstehend
geschildert.
von Erwin Epting
Der „Jahrhundertwinter“ 1952
Die ungeheuren Schneemengen konnten im Februar 1952 mit Bahnschlitten und Schneepflü.gen nicht bewältigt werden, mehrere Haupt- und Durchgangsstraßen waren nicht mehr passier.bar. Auch die Portale des Sommerauer-Tunnels waren zugeschneit, so das etliche Tage in Folge kein Bahnverkehr möglich war. In der Stadt er.gaben sich Trampelpfade, auf denen die Bewoh.ner das Wichtigste erledigten. Wegen der sich ergebenden Notlage wurden auf Wunsch der Landesbehörden und der Stadt Auszubildende und Arbeiter aus den Firmen zur Schneeräumung herangezogen (s. S. 172).
Zugefrorene Wasserleitungen
Bei Kälte waren in vielen Häusern zugefrorene Wasserleitungen gefürchtet. Dann musste man sich mitunter mühsam mit Wasser versorgen, was bei strenger Kälte kein Vergnügen war. Aus Eimern überschwappendes Wasser führte schnell zu hart gefrorenen Hosen. Vor allem aber bestand das Risiko, dass zugefrorene Lei.tungen Risse bekamen. Das war gewissermaßen der „GAU“ und man versuchte mit allen mögli.chen Wärmequellen dies zu vermeiden. So gab es z.B. in vielen Häusern die damaligen Lötlam.pen, mit denen man vorbeugend hantierte oder bereits zugefrorene Leitungen wieder auftaute.
Die Bergstadt im Schnee vor 1900, vorne die Gleise der Schwarzwaldbahn. Winterimpressionen aus den 1920er-Jahre – Schneeräumen in der Gerwigstraße.
Strohschuhe
Die Kinder aus dem Stockwald hatten, beson.ders wenn sie auf ihrem Schulweg „Schnee stampfen“ mussten, in der Schule nasse Schuhe und kalte Füße. Deshalb stellte die Stadt eigens für diese Kinder leihweise Strohschuhe zur Verfügung. Bemerkenswert ist, dass die Stock.wälder Kinder kaum zu spät zur Schule kamen – jedenfalls viel seltener als die Stadtkinder.
Alle Jahre wieder: Schneeräumen
Zu Zeiten, als es noch keine oder wenig Autos gab, gab es auch keinen öffentlichen Räum.dienst, in der Art, wie er heute selbstverständlich ist. Räumen erfolgte mit Bahnschlitten durch dazu beauftragte Privatpersonen, die von ihrem Auftraggeber entlohnt wurden. Große Bauern besaßen einen eigenen Bahnschlitten, dessen Größe wählte der Bauer nach Bedarf. Der Bahn.schlitten wurde von Pferden gezogen. Für breite Straßen und entsprechend große Bahnschlitten war ein bis zu achtspänniges Pferdegespann notwendig (acht paarweise eingespannte Zug.pferde). Damit er das notwendige Gewicht hatte, wurde er meist mit Personen beschwert. Zum „Aufwärmen“ wurde gerne eine Schnaps.flasche mitgeführt. Das Sitzen auf dem Bahn.schlitten war gefährlich, auf keinen Fall durfte man in das Innere rutschen. Manchmal durften
Schneeräumung durch die Stadt, die den Räumdienst erst in den 1950er-Jahren übernommen hat.
auch größere Kinder „mitfahren“, was für sie natürlich spannend und eine Abwechslung war, konnte man doch bei „Wichtigem“ dabei sein.
Der Bahnschlitten ergab eine für Fußgänger und Pferdeschlitten einigermaßen gut geräumte Strecke. Mitunter hinterließ er aber eine kurvige oder nicht ausreichend geräumte Strecke
– je nach Schneeart und Gewicht des Bahnschlittens. Dann musste geschaufelt werden – vor allem auch, wenn es mit dem Bahnschlitten kein Weiterkommen gab.
Die Gefällstrecken wurden verbotenerwei.se vor allem von Kindern gerne als Rodelbahn genutzt. Auch mancher Erwachsene nutzte sie als innerstädtische „Skipiste“. Beides führte zu Konflikten mit Fußgängern und Fuhrwerken.
Mit dem Bahnschlitten wurden hauptsächlich die innerstädtischen Straßen geräumt, vor allem die Sommerauerstraße, Hauptstraße, „Säggasse“ (jetzige Bahnhofstraße), die heutige Bundesstraße und die Straßen nach Brigach und in Richtung Langenschiltach. Räumen von Nebenstraßen und Haus- und Hofzufahrten waren Sache der Anlieger. Mit Zunahme des Auto- und Lkw-Verkehrs reichte diese Art des Räumens nicht mehr. Ab Anfang der 1950er-Jahre übernahm zunächst die Stadt den Räumdienst, nach und nach dann auch Fuhrunternehmen.
Eine Besonderheit war der damalige Bahn.übergang nach Brigach. Die Bundesstraße wurde bis zum Bahnübergang bereits mit dem Schneepflug geräumt, die Straße nach Brigach noch eine zeitlang mit dem Bahnschlitten. Der räumte naturgemäß weniger gründlich. So entstand am Übergang eine beträchtliche Stufe, die von Hand beseitigt werden musste. Unter.blieb dies, gab es Probleme und Ärger, wenn Fahrzeuge stecken blieben und nicht mehr ohne weiteres von den Gleisen wegkamen.
Klosterweiher-Eis
In vielen Wintern war der Klosterweiher mit einer dicken Eisschicht zugefroren. Auch war besonders im Winter das Wasser sehr sauber und klar. So wurden bis in die 1950er-Jahre hinein dicke Eisblöcke von Hand herausgesägt und verladen. Dazu wurde ein eigens für diese Arbeit hergestellter Kran benutzt. Das Heraussägen der Eisblöcke war nicht ungefährlich. Dieses Eis wurde zur Kühlung von Getränken und Waren benutzt, vor allem im Eiskeller des damaligen Gasthauses „Sonne“, aber auch für den St. Ge.orgener Bierkeller der damaligen Brauerei „Bil.ger“. Dieses Eis hielt in gut isolierten Räumen bis weit in den Sommer hinein.
Henningers Kohlen
Der bedeutendste Kohlehändler in St. Georgen war bis Ende der 1950er-Jahre die Eisenhand.lung „Henninger“. Ihr großes Kohlelager befand sich schräg oberhalb der evangelischen Kirche. Zu Beginn der Winterzeit herrschte dort Hoch.betrieb, da sich alle mit Kohle für den Winter eindeckten. Außerdem gab es noch den kleine.ren Kohlenhändler „Pfendler“ neben der evan.gelischen Kirche und den Hafner Staiger in der Gerwigstaße.
Die Kohlen wurden per Bahn geliefert und am Bahnhof von den Händlern abgeholt, an.fänglich noch mit Pferdefuhrwerken. Es war wichtig zu erfahren, wann wieder Kohlen ein.trafen und man fachsimpelte, welche Kohlenart wohl für was die bessere sei – Eierkohlen (in Ei-form gepresster Kohlenstaub), Koks, Steinkohle oder Briketts. Letztere waren für uns Kinder in.teressant, enthielten diese doch oft unvollstän.dig verkohlte Holzreste, die unseren Forscher.drang weckten – sehr zum Leidwesen der Eltern. Zum Transport nach Hause nutze man spezielle, stabile Kohlensäcke mit verstärktem oberen Rand, an dem sich lange Zotten zum Tragen der Säcke befanden. Sie wurden nicht zugebunden und sollten daher nicht umfallen. Manch armer Schlucker war froh, wenn er aus dem Schnee nennenswert Kohlen auflesen konnte – am Zaunrand oder solche, die auf dem Heimweg verloren wurden. Dies galt besonders in Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.
Pferde mit kleinen Glöckchen
Bis etwa zum Ende der 1950er-Jahre waren die Bauern mit großen Schlitten und Reiche auch mit der Chaise unterwegs. Die Straßen wurden noch nicht „gesalzen“, es war meist eine mehr oder weniger gut befahrbare Schneedecke vorhanden. Die Chaise war eine zweisitzige Kutsche, im Winter mit Kufen, mit bequemen, gepolsterten Sitzen und beweglichem, halbem Verdeck. Die Zugpferde trugen am „Kommet“ (Halsgeschirr des Pferdes) kleine Glöckchen. Sie ergaben im Laufrhythmus der Pferde ein zart und lieblich klingendes Geläut. So war das
Der Klosterweiher diente nicht nur zum Schlittschuhlaufen, sondern lange Zeit zur Eisgewinnung. Das Heraussägen der Eisblöcke war mühsam.
Auf Skiern in den 1950er-/1960er-Jahren mitten durch den „Winterluft.kurort St. Georgen“.
Gefährt schon von weitem zu hören. Ein schö.nes Geläut war der Stolz jedes Bauern. Es war an den damals noch stillen Wintertagen ein ungleich schöneres Geräusch als der heutige Verkehrslärm.
Wintersport
Skifahren
Wintersport war und ist in St. Georgen eine nicht wegzudenkende Freizeitbeschäftigung. Mit Aufkommen brauchbarer Skier wurde er überall, wo es nur möglich und günstig er.schien, mit Begeisterung ausgeübt, so z.B. im Mühledobel, am Adlerberg, später hauptsäch.lich am Kohlbühl und Storzenberg. Die Begeis.terung zeigte sich auch darin, dass nach jeder Abfahrt wieder mühsam zu Fuß aufgestiegen wurde, nur um möglichst oft abzufahren. Die Hauptanstrengung waren somit nicht die Ab.fahrten, sondern die Aufstiege. Dies erkannte ein rühriger St. Georgener und errichtete am Kohlbühl Ende 1960 den ersten und einzigen Skilift auf der Gemarkung. Leider lohnte er sich nicht. Der Kohlbühl ist ein Sonnenhang und so waren die Betriebszeiten zu kurz. Anfang 1980 wurde der Lift abgebaut. Mit Aufkommen der Ski.lifte am Kesselberg und in Oberkirnach verloren die stadtnahen Hänge ihre Bedeutung, aber das alpine Skifahren erlebte einen ra.santen Aufschwung.
Im Jahre 1941 und bis heute nie mehr fand ein
Abfahrtslauf durch die Stadtmitte statt. Die „Rennstrecke“ führte ab der Mozartstraße (Nähe heutiger Festplatz), vorbei am Areal der Firma Papst und weiter den Schmiedegrund bergab zum Ziel am Kloster.weiher. Wer diese Gefälle kennt und um die da.malige Ausrüstung weiß, kann verstehen, dass diese Abfahrt eine echte Herausforderung war.
Im Februar 1912 fand der erste dokumentier.te Skikurs mit „verheißendem Erfolg“ statt. Eine besondere Leistung war es dabei, ohne Sturz den Kohlbühl oder später den Storzenberg hin.unter zu kommen.
Der Rucksacklift
Zur Verbesserung des Trainings und der Nut.zung interessanter Hänge wurde im Jahre 1966 von 32 Mitgliedern des Ski-Vereins St. Georgen ein transportabler „Rucksacklift“ angeschafft und artgemäß mit dem Namen „PICCOLO“ ge.tauft. Er wurde in einer Art „Aktiengesellschaft“, mit eigener Satzung selbst finanziert. Er war in relativ kurzer Zeit aufzustellen. Zusammenge.packt waren es drei „Rucksäcke“, der schwerste mit knapp 20 kg enthielt den Motor. Nachdem 1966 am Kesselberg der Lift mit Flutlicht ge.baut war, fand der Rucksacklift ab Anfang der 70er-Jahre nur noch in besonderen Situationen Anwendung.
Insgesamt vier Sprungschanzen
Eine weitere bedeutende Wintersportart war das Skispringen. Bei St. Georgen gab es zwi.schen 1920 und 1982 ununterbrochen Sprung.schanzen, insgesamt vier.
Ab den 1920er-Jahren waren auch bei über.regionalen Veranstaltungen etliche Skispringer (und Kombinierer) aus St. Georgen sehr erfolg.reich. Daher waren Skispringen in St. Georgen immer Großereignisse. In Würdigung der Leistungen dieser Sportler war es in den 1950er-Jahren Brauch, dass zu jedem Skispringen in einem kleinen Umzug die Stadtmusik und an.schließend die Springer mit ihren Sprungskiern auf den Schultern, nicht ohne Stolz, zur Sprung.schanze marschierten.
Eine Besonderheit war das „7-Hippewieb.le“, das in einheimischer Tracht, der „Hippe“, jedes Skispringen mit viel Geschrei eröffnete. Erfunden hat es anfangs der 1930er-Jahre der junge Oskar Wössner in einer Schnapslaune, in Anlehnung an eine Sage über das St. Georgener Gewann „Ecke“.
In den Jahren 1950/51 wurde die dritte Schanze in 1.530 Stunden Mitarbeit von Skiver.einsmitgliedern erbaut. Das Eröffnungsspringen erfolgte am 7. Januar 1951 vor 1.100 (!) Zuschau.ern. Bei Skispringen an Sonntagen gab es auf der Bundesstraße öfters Blechschäden. Die Aufmerksamkeit der Autofahrer galt mehr der Schanze als der Straße.
Ab den 60er-Jahren trainierte der Springer-nachwuchs an der kleinen „Schülerschanze“ mit geländebedingtem flachen Anlauf. Bei schlechtem Schnee blieb der eine oder andere auf der Schanze stehen, was dann vom damali.gen Ansager Adolf Weißer mit „Minus 2 Meter“ verkündet wurde. Der erste, selbst gezimmerte, wacklige Anlaufturm der Schülerschanze mit Leiter-Aufstieg war für die Kleineren bereits ei.ne Mutprobe.
Das Skispringen in St. Georgen lockte stets eine große Zahl an Zuschauern an. Eröffnet wurde es vom soge.nannten „7-Hippewieble“ (unten).
Schwald an.
von Roland Sprich
W
enn der Winter er den Schwarzwald-Baar-Kreis hereinbricht und die Stra.ßen unter Schneemassen verschwinden lässt, schlägt die Stunde der Win.terdienste. Der Räumdienst ist im Landkreis bestens organisiert. Dutzende von Räumfahrzeugen sind zwischen Blumberg und Schonach im Einsatz und befreien 165 Kilometer Bundes-, 199 Kilometer Landes- und 306 Kilometer Kreisstraßen von der weißen Pracht. Dazu kommen noch unzählige Gemeindestraßenkilometer, die von den jeweiligen Kommunen geräumt werden. Ein Großteil des Winterdienstes ist dabei an externe Dienstleister vergeben.
Schönwald: Motorisierter Schneepflug ab 1955 im Einsatz
Wenn der Schnee heutzutage ganz selbstverständlich mit hochspezialisierten Räumfahrzeugen von den Straßen geräumt wird, scheint es nahezu unvorstellbar, dass früher Ochsenkarren und Pferdegespanne zur Schneeräumung eingesetzt wurden. Die Motorisierung brachte dann vielfache Verbesserungen. Im schneereichen Furtwangen beispielsweise war der erste motorisierte Schneepflug im Winter 1938/39 unterwegs. In Schönwald war es 1955 Lukas Duffner, der gegen das Verständnis des Schönwälder Gemeinderates, der von der Notwendigkeit dieses modernen Hilfsmittels zunächst nicht zu überzeugen war, mit der neuen Technik den Winterdienst aufnehmen wollte.
Der aus Ettenheim stammende Lukas Duffner war zu jenem Zeit.punkt 25 Jahre alt und kam durch die Liebe in den auf 1.000 Meter hoch gelegenen Ort Schönwald. Sein Schwiegervater in spe Otto Dold betrieb dort einen Milchhandel über die Milchgenossenschaft und hatte einen Vertrag mit dem Milchwerk in Radolfzell. Zwischen 1949 und 1954 hat der junge Lukas täglich die Milch aus dem Ort an verschiedenen Stützpunkten ein.gesammelt und anschließend mit der Pferdekutsche zur Sammelstelle
„Irgendwann wollte ich nicht mehr. Ein Unimog musste her.“
Lukas Duffner
im Winter zur schieren Plackerei aus, wenn er sich mit dem Schlit.ten durch die hohen Schneeberge kämpfen musste. „Irgendwann wollte ich nicht mehr. Ein Unimog musste her“, erinnert sich Lukas Duffner heute.
Von dem „Universal-Motor-Ge.rät“, das ab 1945 entwickelt und ab 1949 zunächst von einer kleinen Firma in Göppingen gebaut wurde, hatte Duffner bereits gehört. Mit solch einem Kleinlastwagen und ei.nem entsprechenden Pflug sollten die Gemeindestraßen doch leicht
nach Triberg gebracht. Was im Sommer kein und schnell vom Schnee geräumt werden kön-Problem für den kräftigen Mann war, artete nen, dachte er sich.
Ein Unimog für die motorisierte Straßenräumung
Lukas Duffner trug sein Anliegen dem Gemein.derat vor und – stieß auf Ablehnung. „Von den gesamten Gemeinderäten hatte ja damals keiner einen Führerschein und deshalb sahen die auch keine Notwendigkeit zur Anschaffung eines solchen Fahrzeugs. Damals gab es nur wenige Autos und nicht viele Straßen“, erzählt Duffner.
Doch wer das Schönwälder Original kennt, weiß, dass sich ein Lukas Duffner nicht von ei.ner Idee abbringen lässt, wenn sie ihm sinnvoll und notwendig erscheint. Also beschaffte er sich kurzerhand auf eigene Kosten und eigenes Risiko einen solchen Unimog. „Ein Kriegskame.rad schaffte zu der Zeit bei Mercedes-Benz. Das Unternehmen hat Unimog inzwischen über.nommen und am Bodensee produziert. Er hat mir geholfen, dass ich so ein Fahrzeug bekom.men habe“, erinnert sich Duffner. 14.000 Mark kostete der erste Unimog, den Lukas Duffner über einen Kredit finanzierte und mit der Über.nahme vom Güternahverkehr zurückzahlte.
Immerhin hat sich die Gemeinde unter dem damaligen Bürgermeister Fritz Merkle bereit erklärt, die Kosten für das Räumschild zu über.nehmen. Und so wurde Lukas Duffner ab 1956 Schneepflugfahrer im Auftrag der Gemeinde und war mit einem motorisierten Räumfahr.zeug mit Keilpflug unterwegs. „Und auch das eine oder andere Auto aus den Schneehäufen zog, die stecken geblieben sind“, lacht Lukas Duffner. Nachdem der Gemeinderat nach dem
Gestern und heute: Lukas Duffner bei der Schneeräu.mung in Schönwald (links) und ein Räumfahrzeug der Gegenwart in St. Georgen.
ersten Winter sah, wie effizient Duffner mit seinem Unimog die Straßen räumte, wollten sie die Konditionen ändern und die Entlohnung senken. „Da hab ich aber nicht mitgemacht. Die Leistung muss bezahlt werden“, argumentierte Duffner. Von da ab war Ruhe, so lange Lukas Duffner im Winterdienst tätig war.
Die Unimogs haben im Laufe der Jahre und Jahrzehnte gewechselt, die Leidenschaft für den Winterdienst ist Lukas Duffner bis zu seinem letzten Arbeitstag geblieben. „Ich habe es im.mer gerne gemacht. So habe ich die Menschen in Schönwald kennen gelernt, ich war ja fremd. Man musste halt früh aufstehen.“ Um 3 Uhr ist Duffner aufgestanden und hat zuerst die Au.ßenbereiche und anschließend die Straßen im Dorf geräumt.
Dabei wurde er auch so manches Mal un.versehens zum „Geburtshelfer“, weil er die Dorfhebamme zu Hausgeburten in Schönwald gefahren hat, die ansonsten keine Möglichkeit gehabt hätte, über die zugeschneiten Straßen „mal geschwind“ zu den teils sehr abgelegenen Bauernhöfen zu gelangen.
Erst als Lukas Duffner seinen Reinertonishof 1995 an seinen Sohn übergeben hat, gab der da.mals 66-Jährige das Schneeräumen auf. „Mein Sohn hat den Winterdienst übernommen bis 2006, als der Reinertonishof abgebrannt ist“, blickt Duffner zurück. Nach dem Brand war der Sohn mit dem Wiederaufbau des Hofes zu sehr beschäftigt.
Modernste Technik bei der Schneeräumung von heute
Mit dem Unimog von damals haben moderne Schneeräumgeräte heute nicht mehr viel ge.meinsam. Sie sind nicht nur leistungsstarke Fahrzeuge, die auch große Schneemassen mit modernen Pflügen mühelos von den Straßen räumen. Neben dem reinen Schneeräumen er.füllen moderne Schneeräumfahrzeuge zudem heute auch individuelle Anforderungen zur Beseitigung und Verhinderung von Schnee- und Eisglätte. Dazu sind die modernen Fahrzeuge mit Computern ausgestattet, mit denen sich nicht nur der Verbrauch von Streusalz optimal dosieren, sondern auch die Auswurfbreite ideal auf die jeweilige Fahrbahnbreite anpassen lässt.
Hanspeter Boye ist der Leiter des Bauhofes in St. Georgen, der drittgrößten Stadt im Schwarz.wald-Baar-Kreis. Aufgrund der topografischen Lage und der zahlreichen Steigungen ist der Winterdienst hier eine ganz besondere Heraus.forderung. Nicht umsonst trägt St. Georgen den Beinamen Bergstadt. Um die in St. Georgener Verantwortung liegenden 180 Straßenkilome.ter verschiedener Kategorien adäquat vom Schnee zu räumen, setzt man hier zusätzlich zum Räumschild und Trockenstreusalz auch so genanntes Feuchtsalz ein. Dabei wird das Trockensalz vor dem Auswurf angefeuchtet. „Zu jeweils 15 Gramm Trockensalz werden fünf Gramm Wasser beigemischt“, erläutert Boye.
St. Georgen setzt als erster Winterdienst im Landkreis das Full-Wet-System ein
Darüber hinaus setzt St. Georgen als erster Winterdienst im Landkreis auch das sogenann.te Full-Wet-System ein. Dabei wird Sole auf die Fahrbahn gesprüht. Die Sole besteht aus 80 Prozent Wasser und 20 Prozent Salz. „An.fangs haben die Autofahrer schon verwundert geschaut, wenn man bei niedrigen Tempera.turen auch noch vermeintlich Wasser auf die Straße sprüht“, sagt Hanspeter Boye. Doch die Speziallösung bewirkt einerseits ein schnel.leres Abtauen, wenn man es auf die eisglatte Fahrbahn sprüht. Außerdem wird die Sole auch präventiv aufgebracht, dadurch wird verhin.dert, dass die Fahrbahn gefriert. Was wiederum die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer er.höht. Zudem ist Sole weniger aggressiv gegen Fahrzeuglacke. Auch die empfindlichen Pfoten von Haustieren werden durch das Solegemisch deutlich weniger belastet als durch das Salz. „Und zudem ergibt sich ein enormes Einspar.potenzial, weil man weniger Salz benötigt und das Salz-Wasser-Gemisch durch nachfolgende Autofahrer natürlich weniger verwirbelt wird“, weist der Bauhofleiter auf weitere Aspekte des Full-Wet-Systems hin, das bislang einzigartig im Schwarzwald-Baar-Kreis eingesetzt wird.
Die Entscheidung, ob Trocken- oder Feuchtsalz oder Sole auf die Fahrbahn auf.gebracht wird, hängt von der Temperatur ab. „Bis minus acht Grad fahren wir Feuchtsalz, bei höheren Minustemperaturen nehmen wir Trockensalz“, sagt Boye. Bei Glatteisregen oder wenn Schneefall angekündigt ist, wird präven.tiv Sole gesprüht. Der richtige Einsatz des jewei.ligen Mittels erfordert neben Erfahrung auch das ständige Beobachten des Wetters.
Wenngleich die Schneeräumfahrzeuge also heute modernste Technik anwenden, damit Verkehrsteilnehmer auch im tiefsten Winter freie Fahrt haben, eines können die Fahrzeuge bis heute nicht: verhindern, dass der von den Straßen geräumte Schnee vor Hof- und Garagen.einfahrten purzelt. Und von dort mühsam mit der Hand weggeschaufelt werden muss.
Bernhard Dorer
Wie waren die Winter auf dem Bernhardenhof?
Wolf Hockenjos im Gespräch mit Bernhard Dorer, Alt-Bernhardenhofbauer
M
itten im Sommer plaudern
bindet uns ein gemeinsames Faible wir über den Winter. für Heimatgeschichte, über die wir Dazu treffe ich mich mit beide allerlei publiziert haben: Er Bernhard Dorer (Jahrgang 1943) mit zahlreichen Beiträgen in der Ba.im Libdinghaus gegenüber dem dischen Bauernzeitung, die er dann 1570 erbauten, 1974 modernisierten auch zu einem Heimatbuch zusam-
Bernhardenhof. Den hat er bereits 2008 an Joachim, einen seiner sechs Söhne übergeben. Irmgard, Bernhards Frau, stellt uns ein Apfelsaftschorle auf den Tisch in der holz-getäfelten Wohnstube.Wir kennen uns schon seit den 1960er-Jahren, als wir beide noch Ski.langlauf-Wettkämpfe bestritten. Später traf man sich jahrein, jahraus im Organisationsko.mitee des Schwarzwälder Skimarathons, denn Bernhard war der Streckenchef. Zudem ver.
mengefasst hat. Im Linacher Harmoni.
ka-Verein spielt er seit 52 Jahren Bass, und in der dortigen Laienspielgruppe spielte er nicht nur mit, sondern schrieb ihr auch das preisge.krönte Theaterstück „Der Linacher Stausee“. Im Winter trifft man Bernhard und Irmgard auch noch immer in der Loipe an. Unser Gespräch wurde auf Schwarzwälderisch geführt, versteht sich, dass ich hier der Lesbarkeit wegen ins Hochdeutsche zurückübersetzen will.
Wolf Hockenjos: An welche „Jahrhundertwin.ter“ erinnern Sie sich besonders lebhaft?
Bernhard Dorer: Der schneereichste Win.ter, den ich erlebt habe, war zweifellos der 1952er. In Erinnerung geblieben ist er mir vor allem deshalb, weil ich drei Tage nicht zur Schule konnte; fünf Kilometer hatten wir zur Schule. Die Telefonleitung verlief in Reichhöhe, sodass wir sogar die Drähte anfassen konnten. Heimzus ging‘s dann mitunter auf dem Pfadschlitten, der mehrspännig gezogen werden musste. An.sonsten absolvierten wir den Schulweg per Ski, damals noch Eschenbretter mit Leder.riemenbindung. Jeden Tag musste auch die Milch zum Nachbarn gebracht werden, der sie auch von den andern Höfen mitnahm und sie dann zur Sammelstelle in der Stadt brachte. Von dort wurde sie dann per Last.wagen nach Freiburg zur Schwarzwaldmilch gebracht, was 1952 mehrere Tage lang nicht mehr ging. Oft mussten wir mit unseren beiden Ochsen pfaden. Dazu kamen noch die Gespanne von den anderen Höfen. Die erste Schneefräse tauchte erst zwei Jahre später auf.
Der Hof war oft so eingeschneit, dass wir den Schnee vom Dach runter schaufeln mussten; dabei wären meine Schwester und ich um ein Haar auch unter eine Dachlawine geraten. Andererseits konnten wir per Ski aufs Dach steigen und runterfahren. Wie in allen alten Höfen, hat der Schnee aber auch den bergseitigen Wohnteil warm gehalten, wie natürlich auch den talseitigen Stall, der vor dem Umbau des Hofs noch zur Wetter.seite hin lag, so wie bei allen Heidenhäusern.
Gab es auch grere Schäden?
Im Hofwald hat es 1958 einen gewaltigen Schneebruch gegeben. Ich erinnere mich noch gut an die vielen, weiß leuchtenden Abbrüche der Fichtendolden im Wald ge.genüber. Aber natürlich war uns allen auch das Lawinenunglück des Königenhofs von 1844 noch immer präsent. Oder auch, wie drüben im Wolfsloch der Nassschnee erst dem Unteren und dann, ein paar Jahre spä.ter, auch noch dem Oberen Wolfslochhof das Dach zusammengedrückt hat, nachdem sie nicht mehr bewohnt und bewirtschaf.tet wurden. Das Dachgebälk des Bernhar.denhofs hat jedenfalls seit 1570 – Gott sei Dank – durchgehalten.
Aber schneearme oder gar schneelose Winter gab es doch auch schon immer?
Die Alten haben uns auch immer schon von derlei Wintern erzählt: 1931 soll es ab dem
20. Oktober so stark geschneit haben, dass an der Kilbi der Bahnschlitten zum Einsatz kam; das soll dann der einzige Einsatz im Winter 31/32 geblieben sein. Extrem war
Der Bernhardenhof in einem Rekordwinter der 1940er-Jahre mit Schneebergen bis zum Dach hinauf. Der Bernhardenhof vor seiner Sanierung im Jahr 1973. Rechts eine Impression aus dem nahen Mäderstal,
fotografiert an Ostern 1970.
dann auch der Winter 1974: In der ersten Oktoberwoche hat es soviel geschneit, dass gebahnt werden musste. Die Ernte – wir haben damals noch Kartoffeln und Getreide angebaut – lag unter einer fast halbmeter.hohen Schneedecke, danach wurde es kalt, und wir hatten bis Mitte November Pulver.schnee. Erst danach konnten die Kartoffeln ausgegraben werden, während Hafer und Roggen kaputt waren.
Doch dann ist ziemlich Schluss gewesen mit dem Winter. So wie ja dann mehrmals auch wieder in den 1990er-Jahren. Im März 1988 hat es nochmals Rekordschneemengen herunter geworfen, doch dann wurden die Winter zunehmend lottriger. Wogegen es nach der Jahrtausendwende immerhin auch wieder ein paar rechte Winter gab. Und auch Schnee im September gab es immer wieder mal, so am 25. September 2002. Aber auch Schnee noch im Juni, wie am 2. Juni 2006.
Wie kam man eigentlich dazu, Skilanglauf als Leistungssport zu betreiben?
Bernhard Dorer: Der winterliche Schul.weg bot die beste Voraussetzung dafür. Mit 14 Jahren hab ich dann meine ersten Langlaufski bekommen. Der Langlaufsport hatte ja nach dem Krieg in der ganzen Regi.on einen unwahrscheinlichen Aufschwung genommen, nachdem 1949 die Skizunft Brend gegründet worden war. Schon 1950 stellte die Skizunft eine komplette Damen.mannschaft und hinzu kamen die großen internationalen Erfolge von Oskar Burg.bacher und den Gebrüdern Siegfried und Peter Weiß vom Unteren Leimgrubenhof: Deutsche Meisterschaften noch und nöcher, und dann natürlich Siegfrieds viermalige Olympiateilnahme.
Bernhard Dorer bei den Schwarzwaldmeister.schaften 1965 in Saig.
Für die Jugend auf den Höfen zwischen der Martinskapelle, Neukirch und Linach gab es nur noch den Skilanglauf. Und alle Winter begannen mit dem großen Skifest „Rund um Neukirch“, über viele Jahre mit internatio.naler Beteiligung. Siegfried Weiß übernahm damals auch die Trainerrolle; das von ihm geleitete Training war hart und sehr speziell, aber überaus erfolgreich. Im Schwarzwald blieb die Skizunft in den Staffelrennen ohne ernsthafte Konkurrenz, wozu ab 1966 auch die erste Flutlichtanlage auf der Martinska.pelle beitrug, die wir in Eigenarbeit errichtet haben.
Wie wird es weitergehen mit den Wintern?
Die Klimaentwicklung gibt mir schon zu denken. Ob man je noch einmal den Schnee von den Dächern schaufeln muss, mit den Ski zum First hochsteigen und runterfahren wird? Auf der Südseite des Stalls verbietet das mittlerweile schon die Photovoltaikan.lage. Aber Joachim, der Hofnachfolger, ist noch aktiver Langläufer. Als Waldbesitzer nimmt er jedes Jahr noch immer am Forst.biathlon teil, ob im norwegischen Lilleham.mer oder im slowenischen Pokljuka. Und auch die Enkel scheinen dem Skilanglauf treu bleiben zu wollen. Die Winter werden kürzer und unzuverlässiger werden, das ja, doch so ganz werden wir sie bestimmt nicht abschreiben müssen. Und zur Not kommt der Schnee, wie im Biathlonzentrum im Weißenbachtal oder auf der Schonacher Weltcup-Strecke, halt auch aus der Kanone.
Zum Abschluss unseres Gesprächs frt mich Bernhard Dorer noch in sein Arbeits.zimmer, zeigt mir am PC eine Fle historischer Winterfotos, uralte Ansichtskarten.motive mit gewaltigen Schneewänden an den Straßen samt Schauflerkolonnen. Das Sammeln von Fotos ist sein Hobby, erzählt er. Gelegentlich zeigt er sie im Rahmen von Bildvorträgen. Und schließlich frt er mir seinen 1999 zum 50. Skizunftjubilä.um angefertigten Film vor, in dem er sie alle wieder lebendig werden lässt, die Bren.der Skilanglaufidole. Frer, denke ich mir, noch ehe der Skisport aufkam, men die Schwarzwaldbauern im Winter ins Sinnieren geraten sein, manch einer ist dabei sogar zum Erfinder geworden. In Bernhards Arbeitszimmer sind die Wände bis zur Decke mit Regalen voller Bher verstellt. Ob mit oder ohne Schnee, dem Altenteiler wird es bestimmt nicht langweilig werden.
Skiwanderung über den „Scheitel Alemanniens“
Noch gibt es den 100 Kilometer langen Fernskiwanderweg Schonach – Belchen
von Wolf Hockenjos
O
b da der Hüfinger Schriftsteller und Maler, dessen 200. Geburtstag soeben festlich begangen wurde, bei seiner Schilderung des Schwarzwaldwinters nicht doch ein bisschen gar zu dick aufgetragen hat? Oder waren die Winter einst tatsächlich so viel grimmiger und schneereicher als heutzu.tage? Schneegeier, weiß der Ornithologe, hat es jedenfalls immer nur in den Hochgebirgen Zentralasiens gegeben, nachweislich nie im Schwarzwald. Doch zum Mythos des Schwarz.walds gehört nun einmal der knackige Winter mit seinen gewaltigen Neuschneemassen, unter denen sich tief bewalmte Höfe ducken, wäh.rend deren Bewohner drinnen ins Sinnieren zu verfallen pflegten und dabei, ganz nebenbei, die Schwarzwalduhr erfanden. Glücklich, wenn‘s den Bewohnern gelingt, bis zum Nachbarn
So weit man umherblickt in der beschneeten Landschaft, auch nicht ein menschliches Wesen! Nur Raben und Schneegeier umflattern das öde Gefilde, während scharfe Windswehen hohe weiße Schanzen und Wälle vor die Hütten werfen, so dass der Hausvater des Morgens weder Läden noch Haustüre zu öffnen vermag, weil der Schnee draußen bis an die Dachtraufe reicht.
Lucian Reich: Ein Winter auf dem Walde. Aus Hieronymus, Karlsruhe 1853.
ein Tunnel zu schaufeln, fährt der
weiter über den Feldberg bis zum Schöpfer des Hieronymus unbeirrt Belchen zu eröffnen und zu unter-fort, um zu erkundigen, ob dieser halten: Schwarzwaldwinter pur noch am Leben sei. Soweit also speziell für Individualisten unter das Klischee. Was davon ist übrig den Skiwanderern, die mit Ruck-geblieben, nachdem die Winter sack und Langlaufski die sportliche neuerdings immer unzuverlässi-Herausforderung suchen und sich ger geworden sind? Alles Schnee von all den Anstiegen und Abfahr.
von gestern? Wir Heutigen wünschen uns den „harten Mann“ sehnlichst zurück in der ungewissen Hoffnung, endlich wieder einmal ungetrübt die Freuden des Skisports genießen zu können.
Fernskiwanderweg: Schwarzwaldwinter pur speziell für Individualisten
Was war das doch in den frühen 1970er-Jahren noch für eine Aufbruchsstimmung gewesen, damals, als auf der Martinskapelle und am Thurner die ersten Skilanglaufzentren für Jeder.mann entstanden und erstmals der Schwarz.wälder Skimarathon über 60 Kilometer von Schonach nach Hinterzarten gestartet wurde. Als der Begriff „Klimawandel“ noch nicht erfun.den war.
1974 war von etlichen dem Wintertouris.mus wohl gesonnenen Verbänden, vom ADAC über den Schwarzwälder Skiverband bis zum Schwarzwaldverein, die Arbeitsgemeinschaft Skiwanderwege Schwarzwald e.V. gegründet worden, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, einen durchgängig markierten und maschinell gepflegten Skiwanderweg erst von Schonach bis Hinterzarten auf der Marathonstrecke, dann
ten auf einhundert Kilometern, alles in allem mit einer Gesamtsteigung von 2.300 Metern, nicht abschrecken lassen.
Rucksacklauf über 100 Kilometer
Den Gipfel dieses Skiabenteuers, das Nor.maltouristen in drei bis vier Etappen bewälti.gen, erklimmen freilich jene Hartgesottenen, die es sich zutrauen, am Rucksacklauf um den Wäldercup teilzunehmen, dem Nonplusultra al.ler Volksskiläufe: Einhundert Kilometer auf und ab an einem einzigen Tag, das hatten anfangs selbst Skisport-erfahrene Fachjournalisten für gänzlich unrealistisch gehalten. Zumal die Läuferinnen und Läufer aus Sicherheitsgründen auch noch den Ballast des Rucksacks mit sich zu schleppen haben, dessen Inhalt und Mindestge.wicht in der Wettkampfausschreibung vorgeschrieben werden.
Gedacht war das Rennen, das dem norwegischen Birkebeinerlauf nachempfunden wor.den war, vor allem als Werbung für den neuen Skiwanderweg, aber auch als Ansporn für die Skiclubs, auf ihrer jeweiligen Teilstrecke für narrensichere Markierung und stets passable Präparierung zu sorgen.
Unterwegs auf dem Fernskiwanderweg in den 1990er-Jahren.
Fernskiwanderweg bringt hungrige und durstige Übernachtungsgäste
Für den mittel- und südschwarzwälder Wintertourismus wurde der Fernskiwanderweg zum großen Wurf, denn anders als beim üblichen Loipenbetrieb mit seinem Tagestourismus brachte der Fernskiwanderweg hungrige und durstige Übernachtungsgäste. Die Wirte an der Strecke hatten zudem den Gepäcktransport von Haus zu Haus organisiert, sodass die mehrt.gige Skitour mit dem leichten Tagesrucksack immer mehr Anklang fand und sich rasch auch in der internationalen Langlaufszene herum.sprach. Selbst überfüllte Etappenziele konnten die Wirte längs der Strecke nicht in Verlegenheit bringen; notfalls brachten sie die Skiwanderer auch in Quartieren der weiteren Umgebung unter, um dann dafür zu sorgen, dass sie morgens von dort aus auch wieder rechtzeitig in die Spur zurück fanden.
Der Rucksacklauf – ein einzigartiges Abenteuer
Für Koordination und Organisation des Fernski.wanderwegs wie auch für die Ausrichtung des Rucksacklaufs ist bis heute die Arbeitsgemein.schaft mit Sitz im Schonacher Haus des Gastes zuständig, seit 1983 mit ihrer langlauferprobten Geschäftsführerin Heidi Spitz. Hektisch geht es bei ihr allenfalls frühmorgens beim Ruck-sacklauf zu, der traditionell am ersten Februar.samstag Punkt sieben Uhr mit dem Glockenschlag der Schonacher Kirche gestartet wird.
Von der nervösen Anspannung der Teilneh.mer lässt sie sich dennoch kaum anstecken, die kurz vor dem Start noch von Zweifeln geplagt werden, ob das richtige Wachs aufgelegt, der Rucksack nicht doch zu leicht oder zu schwer bepackt worden ist und ob sie den Lauf überhaupt schaffen würden innerhalb der strengen Limitzeiten. Die sollen am Neueck, in Hinterzar.ten und schließlich am Notschrei dafür sorgen, dass allzu untrainierte Läufer nicht erschöpft unterwegs liegenbleiben oder abhanden kom.men, sondern rechtzeitig vor Zielschluss heil und von Glückshormonen getragen in Multen am Belchen eintreffen, um dort, wie es die Tra.dition will, den Begrüßungskirsch gereicht zu bekommen.
Dorthin, freilich per Kleinbus, muss sich am Wettkampftag auch Heidi Spitz mitsamt dem Schonacher Team und beladen mit Sachpreisen durchschlagen, damit die Zeitmessung klappt und rechtzeitig die Siegerehrung stattfinden kann. Und weil man auch noch in Hinterzarten eine Zwischenlandung einplanen muss, wo die Teilnehmer des Kleinen Rucksacklaufs über 60 Kilometer eintreffen, müssen sich alle sputen: Die Rekord-Fabelzeit über die einhundert Kilo.meter liegt nach wie vor bei jenen phänomenalen 5 Stunden und 51 Minuten, aufgestellt im Jahr 1982 durch den Hinterzartener Olympia.sieger Georg Thoma. Freilich bei blitzschnellen Harschverhältnissen und desto tückischeren Abfahrten – wie denn überhaupt bisher, trotz internationaler Beteiligung, immer ein Schwarz.wälder, ein Wälder, das Rennen gewonnen hat.
Schneesicherheit lässt zu wünschen übrig
Dass die Schneesicherheit im Schwarzwald zu.mal unterhalb der 1000-Meter-Höhenschichtlinie mittlerweile zu wünschen übrig lässt, ist auch am Fernskiwanderweg und am Rucksacklauf nicht spurlos vorüber gegangen. Schon ab den 1990er-Jahren mussten die Rennen immer häufiger mangels Schnee abgeblasen werden. Eine Entwicklung, der auch der Schwarzwälder
die Rennen im Schwarzwald immer häufiger mangels Schnee abgeblasen werden. Eine Entwicklung, der auch der Schwarzwälder Skimarathon im Jahr 2004 schließlich zum Opfer fallen sollte.
Skimarathon schließlich zum Opfer fallen sollte, mochte er einst noch so populär gewesen sein. Anfangs hatte die organisationsbedingte Begren.zung der Teilnehmerzahl noch dazu geführt, dass vor dem Marathon erst noch das Rennen um einen Startplatz gewonnen oder die Anmeldung per Eilboten an das Schonacher Wettkampfbüro abgeschickt werden musste. Dennoch fand 2004 auf verkürzter Ausweichstrecke rund um die schneesichere Martinskapelle der letzte Schwarzwälder Skimarathon statt; sinkende Teil.nehmerzahlen und die finanziellen Risiken einer Großveranstaltung hatten zu dem Entschluss genötigt, fortan nur noch den Rucksacklauf durchzuführen.
Ausfallquote von 40 Prozent
Dabei hatte es den ersten großen Katzenjam.mer bereits im Winter 1977 gegeben, als plötzliches Tauwetter erstmals zur Absage des Skima.rathons gezwungen hatte. Damals war die Idee des Rucksacklaufs gereift, einer verschlankten Veranstaltung mit minimierter Organisation, mit Eigenverantwortung der Teilnehmer und Verpflegung aus dem eigenen Rucksack. Die Wettkampfausschreibung sah sogar vor, dass kürzere Teilstrecken bei lückiger Schneeunter.lage zu Fuß zurückzulegen waren. Dennoch musste das Rennen zwischen 1989 und 1993 viermal hintereinander abgesagt werden, sodass die langjährige Ausfallquote derzeit um die 40 % schwankt. Während 2013 der Lauf wegen Sturm, Nebel und beißender Kälte (unter minus 20 °C) auf dem Höchsten vorzeitig in Hinterzar.ten abgebrochen werden musste, wurde er 2017
wegen unzureichender Schneeverhältnisse im Mittelschwarzwald verkürzt und von Hinterzar.ten aus gestartet. Die Resonanz unter den Teil.nehmerinnen und Teilnehmern blieb dennoch überschwänglich – der Schwarzwaldwinter schien an Reizen nichts eingebüßt zu haben.
Dass auch der Skiwanderbetrieb auf den einhundert Kilometern immer öfter ausfallen muss, weil unterhalb von 1.000 Höhenmetern die Schneedecke nicht ausreicht, hat die Arbeitsgemeinschaft dennoch nicht entmutigen können. Schon vor dem ersten Schneefall sor.gen die Clubs wie all die Jahre dafür, dass die Markierungsstangen auf den Freiflächen angebracht werden und die Beschilderung wieder komplettiert wird. Und noch immer führt die Strecke von Schonach durch das Turntal hinauf ins 1.000 m hoch gelegene Wittenbachtal, wo.hin die Schonacher mittlerweile ihr Skistadion verlegt haben. Für Skiwanderer und Rucksack.läufer bleibt es daher bei diesem ersten stram.men Anstieg, wo sich die Spreu vom Weizen trennt und wo Rennläufer wie Mehrtages-Skiwanderer von der Starteuphorie verlässlich zurückfinden zu ökonomischem Laufstil und individuell angepasstem Tempo.
Dann geht es, ausreichende Schneeunterla.ge vorausgesetzt, in flottem Auf und Ab durch das Schwarzenbach- und das Weißenbachtal nach Schönwald hinüber, wo um 1880 die allerersten Skiläufer aufgetaucht waren, drei norwegische Studenten, Kurgäste im Gasthaus Hirschen. Am Biathlonzentrum vorbei führt die Strecke zum Briglirain, wo erstmals die Europä.ische Wasserscheide erreicht wird, der „Scheitel Alemanniens“. Dem Höhenzug zwischen den zum Rhein hin führenden Steiltälern und den eher flachmuldigen Donauzuflusstälern folgt der Skiwanderweg von der Martinskapelle über den Brend zum Neueck und weiter bis zur Kal.ten Herberge, wo das Schmelzwasser auf der einen Dachhälfte zum Rhein, auf der andern zur Donau abfließt, wann immer es selbst dort oben taut. Und wäre die Urdonau nicht aus.gangs der letzten Eiszeit zum Hochrhein hin abgelenkt und zur Wutachschlucht eingekerbt worden, so hätte der Skiwanderer die Furtwanger Donauquelle nicht schon am Kolmenhof auf der Martinskapelle passiert, sondern erst droben am Grüblesattel, dem Quellgebiet der Urdonau. Das Landschaftserlebnis wird indes auch heute noch von der alten Wasserscheide geprägt, dem so gegensätzlichen Charakter zwischen danubischer und rhenanischer Topo.graphie.
Skiwanderwege gibt es weiterhin
Gut möglich also, dass die Wechselbäder des Winters weiter zu-, die Schneetage weiter abnehmen werden im Zuge des Klimawandels. Doch überzeugt davon, dass es im Schwarzwald auch weiterhin zu polaren Kaltluftvorstößen mit Schneelagen kommen wird, bereitet sich die Arbeitsgemeinschaft Skiwanderwege Schwarz.wald unverdrossen auf den nächsten Winter vor, auf Skiwanderer wie auf Rennläufer. Noch gibt es keine Anzeichen dafür, dass die finanzi.ellen Beiträge der Mitglieder storniert, die eh.renamtlichen Helferdienste jemals eingestellt werden könnten.
Auch wenn die Klimaerwärmung Lucian Reichs Anekdote „Winter auf dem Walde“ wo.möglich endgültig ins Reich der Mythen und Märchen verweisen sollte. Immerhin hatte der Schriftsteller damals noch ein Happy End parat, das ihm zu Ehren und aus Anlass seines 200. Geburtstages dem Almanach-Leser nicht vorenthalten werden soll:
Einmal lag ein einsamer Bauernhof… mit den Bewohnern wochenlang unter dem Schnee be.graben, bis endlich, es war gerade Karfreitag, Umwohnende den Dachfirst aus der Bahrdecke hervorragen sahen und nun zu Hilfe zogen. Man brach ein Loch in das Dach und rief hinunter, ob noch alle am Leben seien. „Ja!“ antwortete es aus der Tiefe. „Wißt Ihr auch dass heut Karfreitag ist?“ war die zweite Frage der Obenstehenden. „dass Gott erbarm!“ tte es von unten zurk, „Karfreitag, und wir verzehren soeben das letzte Stk vom letzten Stier.“ So fiel es den Leuten schwerer aufs Herz, das Fastgebot, wenn auch unwissend, ertreten zu haben, als die Befrei.ung aus langer Haft und Nacht sie zu erfreuen vermochte.
50 Jahre Skilift Kesselberg
Vor fünfzig Jahren zur Skisaison 1966/67 wurde der Skilift Kesselberg in Betrieb genommen. Jedes Jahr stellt sich für den Betreiber die bange Frage: „Wann kommt der Schnee und wie viel wird es sein?“. Seit 50 Jahren ist dieser Lift in Betrieb und er zählt damit zu den dienstältesten im Landkreis.
von Wilhelm Dold
Artur Summ, Villinger Geschäftsmann und Skiclubmitglied, war Ideengeber und Investor für diese Liftanlage. Sie war vor allen Dingen der Tatsache geschuldet, dass die begeisterten Skifahrer aus dem Skiclub Villingen vor dieser Zeit vielfach mit der Eisenbahn zum Sommer.auer Bahnhof fuhren, von dort mit den Skiern zum Kesselberg hinauf wanderten, um am dortigen Hang Ski zu fahren. Man musste zuerst mal „treppeln“, eine Piste treten, um abfahren zu können. Der Skisport zur damaligen Zeit war mehr harte Arbeit als schwungvolles Vergnü.gen. Abends ging‘s „nordisch“ wieder zurück zum Bahnhof, oft mit einer zünftigen Einkehr im Gasthaus „Hirzwald“. Der Bezug zu diesem Hang war somit für viele Skifahrer bereits seit mehreren Jahren vorhanden.
Gepflegte Pisten ermöglichen heute am Kesselberg ein sportliches Skivergnügen für Jung und Alt.
Vom „Rucksacklift“ zum Liftbau
Auch für den Ski-Verein St. Georgen war der Kesselberg ein beliebter Skihang und wurde regelmäßig besucht, sogar im Vereinslied wird es festgehalten. Um das Skivergnügen zu optimieren, nahm der Ski-Verein im Winter 1965/66 erstmals einen sogenannten „Rucksacklift“ in Betrieb (siehe S. 186).
Ein anderer Umstand war für den späteren Lifterbauer Artur Summ entscheidend: Er lernte in der Kriegsgefangenschaft in Italien den Süd.tiroler Anton Leitner kennen. Beiden gelang die Flucht und sie schlugen sich nach Sterzing in Südtirol durch, wo Leitner daheim und Inhaber einer Liftbaufirma war. Artur Summ fand den Weg schließlich über die Alpen nach Villingen. Der Briefkontakt der beiden blieb über viele Jah.re bestehen. Hierbei entstand dann die Idee, am Kesselberg einen Skilift zu erbauen.
Anton Leitner kam eigens in den Schwarz.wald gereist, um das Gelände am Kesselberg in Augenschein zu nehmen. Anfangs war angedacht, dass Leitner den Lift als Investor bauen würde, als er aber die Verhältnisse und die Höhenlage in Betracht zog, hat er von diesem Vorhaben Abstand genommen. Artur Summ war jedoch von der Idee so angetan, dass sie ihn nicht mehr losließ und er den Liftbau schließlich in Eigenregie in Angriff nahm und auch finanzierte. So wurde 1966 der Lift erstellt und in der Saison 1966/67 in Betrieb genommen.
Anfangs stellte Summ sein Personal aus der eigenen Firma an, um den Lift zu bedienen, zu kassieren, Bügel zu geben, den Betrieb insge.samt zu organisieren. Schließlich wurden Ein.heimische aus Oberkirnach hinzugezogen, die diese Arbeiten übernahmen und einen besseren Bezug zur Technik, Organisation und zu den Ski.fahrern hatten. Eine Besonderheit führte Artur Summ gleichfalls ein: Der Skiclub Villingen hatte montags immer Freifahrt. Die Abrechnung für die Auslagen lag in den Händen von Gertrud Summ, der Ehefrau von Artur Summ.
Ganz zu Anfang musste auf Grund eines Materialfehlers mitten im Winter ein Getriebe
Seit 50 Jahren befördert der Skilift Kesselberg in Oberkirnach die Skifahrer vom Tal auf die Höhe. Der Lift gab den Anstoß für weitere Anlagen in der näheren und weiteren Umgebung.
ausgewechselt werden. Das war sehr schwierig. Mit einem Pferdegespann und einem Schlitten bewältigte man auch dieses Problem. Zuweilen waren Schülerinnen von St. Ursula im Rahmen des Sportunterrichts am Hang. Damals mussten die Nonnen noch um Erlaubnis fragen, damit sie zum Skifahren Hosen anziehen durften.
Abendlicher Liftbetrieb dank Flutlichtanlage
Der Lift fand zunehmend Zuspruch und der Andrang wurde größer. Die Skifahrer standen geduldig in langen zweireihigen Schlangen an, um die etwa 300 Meter am Lift hochgezogen zu werden. Das Warten nahm wesentlich mehr Zeit in Anspruch als das Liften und das Abfah.ren. Schließlich wurde 1976 eine Flutlichtanlage installiert, so dass auch abends reger Liftbetrieb möglich war. Regelmäßig trainierten die Ski.sportvereine und konnten somit ihre Technik verbessern. Einheimische und auch auswärtige
Flutlicht- und Fackelabfahrten sind ein besonderer Reiz des Skilaufs.
Skischulen nutzten die Gelegenheit gleichfalls in zunehmendem Maße und hatten guten Zu.lauf.
Die Pistenverhältnisse mit den zerfahrenen Schneemassen, die sich zu Buckeln anhäuften einerseits, die Skiausrüstungen mit steifem Ski.material, mangelhaften Skibindungen und mit einfachen Lederschuhen andererseits, waren für die Skifahrer zur damaligen Zeit ein gesund.heitliches Risiko. Kaum ein Wochenende ging vorüber ohne Verletzungen. Deshalb etablierte sich die Bergwacht Schwarzwald Ortsgruppe Villingen am Kesselberg, um bei Unfällen auch gleich zur Stelle zu sein. Ihre Einsatzzeit am Lift war Samstagnachmittag, sonn- und feiertags. Die Bergwachtler versorgten Schnittwunden, Zerrungen und auch Knochenbrüche. Mit Ret.tungsschlitten, später auch mit Motorschlitten, wurden die Verletzten abtransportiert.
Liftanlage erhält 250 Parkplätze
1972 wurde die Kesselbergmühle zum Kiosk umgebaut, so dass auch der Durst und der Hunger der Skibegeisterten gestillt werden
Gerade auch für Kinder bietet der Skilift ideale Bedingungen.
konnte. Vielerlei Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass das Skifahren bequemer und sicherer und der Spaßfaktor größer wurde. Skiausrüstung und Pistenpflege bekamen eine größere Bedeutung. Der Kreistag setzte sich 1976 gegen
den Widerstand anderer Regionen durch und investierte in die Infrastruktur beim Skilift: Im Zuge der Ausbesserungsarbeiten der Kreisstraße Oberkirnach – Schönwald wurden dort rund 250 befestigte Parkplätze angelegt. Bürgermeister Otto Weissenberger aus Bad Dürrheim begründete die Entscheidung so: „Man kann das einzige Skigebiet des Kreises nicht außer Acht lassen …“ Diese Parkplätze werden bis heute nicht nur im Winter, sondern zu allen Jahreszeiten für das Naherholungsgebiet Oberkirnach genutzt.
Neue Besitzer stellen sich ein
Auch die Besitzverhältnisse änderten sich: 1977 gab Artur Summ die Liftanlage ab. Die Familien Hils und Stockburger übernahmen den Lift und betreuten ihn in Eigenregie, schließlich stiegen 1994 Waltraud und Hartmut Haas an Stelle von Johann Georg Stockburger ein. Das Jahr 2000 begrüßte man am Kesselberg mit einer zünfti.gen Silvesternacht. Ein offenes Grillfeuer und eine Schneebar am Hang nutzten eine ganze Schar von Skifahrern aus der Umgebung und bewunderten schließlich das Feuerwerk. Ein bleibendes Erlebnis, spielten doch Temperatur und Schneelage bestens mit.
Einige Verbesserungen kamen 2002 dem Skigebiet insgesamt zu Gute: Ein eigener Pis.tenbully wurde angeschafft, so dass stets eine gepflegte Piste anzutreffen war. Das wurde von den Skifahrern gern angenommen, denn die An.sprüche sind gewachsen. Eine lange Abfahrt um das Gewann herum wurde angelegt, so dass für nicht so sichere Skihasen ein Umfahren des Kes.selbergs möglich war. Vor allen Dingen Kinder nehmen dieses Angebot gern an.
Für Geübte und Anfänger
2004 verlegte eine professionelle Skischule ih.ren Übungslift an den Kesselberg. Damit war es möglich, Anfänger in flachem Gelände zu schu.len, mit der Steigerung der Fähigkeiten dann den „Steilhang“ zu nutzen. Dazwischen gibt es einige moderate Varianten.
Der Kiosk wurde 2008 zu einer gemütlichen Imbissstube umgebaut, neue Sanitäranlagen wurden geschaffen. Dieses Angebot zum zünfti.gen „Après-Ski“ nehmen die Gäste gerne an.
Der Skilift Kesselberg gab Ende der 1960er-Jahre den Anstoß zu mehreren Liftanla.gen in Oberkirnach und darüber hinaus im heu.tigen „Ferienland“. Jedes Jahr jedoch kommt für die Betreiber die Frage: Wann fällt Schnee, wie viel davon und wie lang bleibt er liegen? Es gab Winter mit 130 Betriebstagen, aber auch solche mit nur fünf Tagen. Dennoch ist die Situation zuweilen so, dass es in St. Georgen regnet, im „Schneeloch“ Kesselberg Schneeflocken hernie.dergehen und beste Bedingungen herrschen. Skifahren in freier Natur und an der frischen Luft ist und bleibt ein toller Sport und die Region kann sich glücklich schätzen, in unmit.telbarer Nachbarschaft solche Möglichkeiten zu haben.
Das 50-jährige Bestehen wurde im würdigen Rahmen gefeiert. Nachtabfahrten mit Fakelbe.leuchtung und Liftkartenpreise wie vor 50 Jah.ren lockten zahlreiche Skifahrer an.
Was Olympiasieger und Weltmeister heute machen…
Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist die Heimat vieler erfolgreicher Wintersportler. Ob Biathlon, Skispringen oder Nordische Kombination: Simone Hauswald, Georg Hettich, Christof Duffner, Hansjörg Jäkle, Hans-Peter Pohl, Martin Schmitt, Alexander Herr und Urban Hettich erlangten seinerzeit große Erfolge bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Sie sorgten dafür, dass eine ganze Region jubeln, feiern und stolz auf „ihre“ Athleten sein konnte und immer noch kann. Für allesamt hat sich das Leben nach der aktiven Sportlerkarriere grundlegend verändert, die Eindrücke, Erlebnisse und glanzvollen Momente wirken immer noch nach.
von Susanne Kammerer
Hans-Peter Pohl Hansjörg Jäckle Christof Duffner Simone Hauswald Georg Hettich Martin Schmitt
Eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen zu gewinnen, ist der größte Traum eines jeden Sportlers. Für Georg Hettich, Nordische Kombination,
wurde er wahr.
DIE GRÖSSTEN ERFOLGE
Olympia 2002, Salt Lake City Silber mit der Mannschaft
Olympia 2006, Turin Gold im Einzelwettbewerb Silber mit der Mannschaft Bronze im Sprint
Junioren-WM 1997, Weltmeisterschaften 2003 und 2005: Silber mit der Mannschaft
Am 21. Februar 2006 schrieb der Schonacher in Turin Geschich.te. Ein Tag, an dem einfach alles gepasst hat. „Ich wusste, dass ich gut in Form bin, alles Weitere ließ ich einfach auf mich zu.kommen“, beschreibt der Olympiasieger das denkwürdige Ren.nen. Die Bescheidenheit, die den besonnenen Schwarzwälder ausmacht, sollte ihm schließlich zum Sieg verhelfen. Nach dem Sprungwettbewerb ging er weiterhin mit mäßiger Erwartung in die Loipe. „Man soll an seine Aufgabe denken und nicht an das Ergebnis“, so die Devise, die er befolgte. Mit Erfolg. Fünf Meter vor der Ziellinie und den Konkurrenten Felix Gottwald ein gutes Stück hinter sich, war Georg Hettich schließlich klar: Er ist Olympiasieger! „Dieser Moment war schon krass“, erzählt er. Die große Siegerehrung auf der Medals-Plaza in Turin, und die vielen Empfänge und Ehrungen im Anschluss seien wie ein Film abgelaufen. „Erst nach der Saison, als ich zur Ruhe kam, konnte ich alles realisieren“. Auch lange nach den Olympischen Spielen gab es für Georg Hettich viele Termine und Veranstaltungen wie Galas, Interviews und Autogrammstunden zu bestreiten. „Da waren coole Sachen dabei“, erinnert er sich gerne. Dennoch wurde ihm schnell klar: „Das ist nicht mein Hauptleben“. Ein normales Leben in einer normalen Familie, das waren die wirklichen Lebensziele von Georg Hettich.
Und diese hat er auch erreicht. Gemeinsam mit seiner Frau Birgit und Sohn Hannes lebt und arbeitet der 39-Jährige heute in Tuttlingen. Der Diplom-Ingenieur ist in der Medizintechnik tätig. In der Entwicklungsabteilung der Aesculap AG forscht er zusammen mit seinen Kollegen nach biologischeren Lösungen für Knochenersatzmaterial, das beim Austausch von Hüftpro.thesen benötigt wird. „Wir arbeiten eng mit Ärzten zusam.men, die schwere Fälle behandeln. Gemeinsam wird überlegt, was man tun kann“, erklärt er die hochkomplexe Tätigkeit mit einfachen Worten.
In seiner im Jahr 2015 an der Universität Freiburg abgeschlossenen Doktorarbeit erforschte Georg Hettich, wie im menschlichen Gehirn die Gleichgewichtssteuerung funktioniert. Die Grundlage für die Entwicklung von so genannten intelligenten Prothesen.
Gelenke und Gleichgewicht – beides nicht weit vom Leis.tungssport und einstigen Leben Georg Hettichs entfernt. Die.ses tangiert ihn in den Wintermonaten wieder intensiv, wenn er als Fachkommentator mit der ARD unterwegs ist. Hier ist er wieder ganz nah dran und trifft auch immer wieder auf ehemalige Kollegen.
Als gebürtiger Schonacher ist der Olympiasieger natürlich auch beim Schwarzwaldpokal vor Ort, wo er einst selbst an den Start ging. Ein Resümee über die Zeit als Leistungssportler? „Es war eine tolle Zeit, in der alles ziemlich gut gepasst hat“, antwortet Georg Hettich. Gewohnt bescheiden, gewohnt sympathisch.
Martin Schmitt, Skispringen: 28 Weltcupsiege, zweimal Gesamt-Weltcupsieger, ein zweiter und dritter Platz bei der legendären Vierschanzentournee. Dazu einmal olympisches Gold und zweimal Silber mit dem Team, außerdem elf WM-Medaillen in allen Farben.
DIE GRÖSSTEN ERFOLGE
Olympia 1998, Nagano und 2010, Vancouver, Silber mit der Mannschaft Olympia 2002, Salt Lake City Gold mit der Mannschaft
Neben zahlreichen Bronze- und Silbermedaillen gab es bei der WM 1999 und 2002 Gold im Einzel und in der Mannschaft
Skiflugweltmeisterschaft 2002 Silber im Einzel
Martin Schmitt war einer der erfolgreichsten Wintersportler Deutschlands. Und einer der beliebtesten: Gemeinsam mit Teamkollege Sven Hannawald hatte der gebürtige Tannheimer zur Jahrtausendwende einen Skisprung-Boom in Deutschland ausgelöst. Der Sport wurde zwischenzeitig zu einer der popu.lärsten Fernsehsportarten. Martin Schmitt startete für den Skiclub Furtwangen und in der Hochschulstadt ist nach ihm auch eine Straße benannt.
Heute, drei Jahre nach Karriereende, spürt er nur noch wenig von dem Hype um seine Person – ist aber noch immer ein gerne angefragter Autogrammschreiber. „Ab und zu werde ich noch angesprochen, aber das hat nicht mehr die Dimensi.on von damals“, erzählt der 39-Jährige. Auf seine unzähligen, großen Erfolge angesprochen, möchte er keinen davon hervor.heben. „Mit jedem Erfolg verbindet man Emotionen, die einzig.artig sind“, sagt Martin Schmitt.
Immer noch eng mit dem Leistungssport verknüpft
Heute lebt der einstige Skisprung-Star mit seiner Familie in Freiburg. Sein Leben ist weiterhin eng mit dem Leistungssport verknüpft. Er ist in der Wintersaison Experte beim TV-Sender Eurosport, besitzt einen Trainerschein und ist gemeinsam mit Ex-Skisprungkollege Simon Ammann Mitinhaber der 2015 gegründeten Vermarktungsagentur ASP SPORTS. Letzterer gehört nun seine volle Aufmerksamkeit: „Wir fördern und un.terstützen Leistungssportler, stellen Kontakte zu Firmen und Sponsoren her“, beschreibt er das Tagesgeschäft. Die Trainer.tätigkeit steht daher aktuell auf dem Wartegleis. „Parallel geht das nicht“, sagt Martin Schmitt.
Was Olympiasieger
Hansjörg Jäkle, Skispringen, genannt „Jackson“, hat sich nach dem Karriere ende der Ausbildung des Skispringernachwuchses verschrieben.
DIE GRÖSSTEN ERFOLGE
Olympia 1994, Lillehammer Gold mit der Mannschaft Olympia 1998, Nagano Silber mit der Mannschaft
Weltmeisterschaft 1995, Silber und 1997, Bronze mit der Mannschaft.
Seit 2005 trainiert „Jackson“, so sein Rufname während der aktiven Zeit, die jungen Skispringerinnen und Skispringer des heimischen Skiteams Schonach-Rohrhards berg. Darunter auch seine beiden Kinder Anna (14) und Jonas (16), die erfolg.reich in der Nordischen Kombination unterwegs sind. Die Trai.nertätigkeit lässt sich für Hansjörg Jäkle gut mit dem Beruf vereinbaren.
Hansjörg Jäckle zählt zum Kreis der besten deutschen Skispringer, gewann bei Olympia Gold und Silber in der Mann.schaft und bei Weltmeisterschaften Silber und Bronze in der Mannschaft. 1998 war das erfolgreichste Jahr in der Karriere des Schonachers: Team-Silber bei den Olympischen Winter.spielen in Nagano, Deutscher Meister von der Normalschanze, Deutscher Meister mit dem Team und ein zweiter Platz bei der Vierschanzentournee in Bischofshofen krönten die Karriere.
Ganz nah dran am Skisprungnachwuchs
Er ist Lehrer für Sport, Technik und Wirtschaftslehre/Infor.matik, an der Dom Clemente Schule Schonach. Somit ist er auch außerhalb der Trainingszeiten ganz nah dran am Ski.sprungnachwuchs. Neue Skispringerinnen zu gewinnen, sei in den letzten Jahren jedoch immer schwieriger geworden. „Die Kinder werden schon im jüngsten Alter mit vielen Freizeit.angeboten überschwemmt“, beschreibt der 46-Jährige. Seinen Mädchen und Jungs aus dem Skiteam rät er, fleißig daran zu arbeiten, immer besser zu werden. „Sich selbst zu motivieren kann man lernen. Wichtig dabei ist, dass man den Spaß an der Sache nie verliert“.
heute machen…
Die ehemalige Top-Athletin
Simone Hauswald, Biathlon, lebt mit ihrem Mann Steffen und ihren beiden Kindern in Schönwald. Sie arbeitet heute als Mental-Coach.
DIE GRÖSSTEN ERFOLGE
Olympia 2010, Vancouver, Bronze im Einzel und mit der Staffel
Biathlon Junioren-Weltmeisterschaft 1998 Gold und 1999 Silber im Einzel und Gold mit der Mannschaft
Gold, Silber oder Bronze im Einzel und mit der Mannschaft bei den Weltmeisterschaften 2003, 2004, 2009 und 2010
Zwei bronzene Medaillen bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver und diverse Weltmeistertitel in den Jahren 2003, 2004, 2009 und 2010 sind die Bilanz einer großartigen sport.lichen Karriere, die sie 2010 auf deren Höhepunkt beendete. Viele erfolgreiche Athleten wechseln nach ihrer aktiven Zeit die Seiten und werden Trainer. Für Simone Hauswald kam das jedoch nicht in Frage. „Als Frau die Trainerlaufbahn einzu.schlagen, ist eher untypisch“, sagt sie. „Das stand für mich nie zur Debatte“. Kurze Zeit kommentierte sie die Biathlonwett.bewerbe als Expertin für den TV-Sender Eurosport. Ende 2011 kamen dann die beiden Söhne Filou und Noah auf die Welt, denen sie sich in der ersten Zeit voll und ganz widmete.
Vollblutmama und Mental-Coach
Heute ist die Vollblutmama als Mental-Coach und Mentaltraine.rin tätig, ein Beruf, der für die 38-Jährige auch eine Herzensange.legenheit ist. „Ich wollte immer Menschen helfen, etwas Gutes tun mit meinem Sein“. Schon während ihrer aktiven Zeit als Biathletin beschäftigte sie sich intensiv mit dem Mentaltraining, das sie letztendlich selbst zu großen Erfolgen führte und schließ.lich zur Lebenseinstellung wurde. „Es geht darum, in sich hin.einzuhören und den Verstand außer Acht zu lassen. Im Unterbe.wusstsein eines jeden Menschen steckt so viel Potenzial“, weiß Simone Hauswald. Dieses zu wecken und dabei zu unterstützen, Regisseur des eigenen Lebens zu werden, ist die Aufgabe eines Mental-Coachs. Hierin hat Simone Hauswald nach dem Biath.lonsport ihre zweite Berufung gefunden. Die Zeit als Weltklasse.athletin tangiert sie auch sieben Jahre nach Karriereende noch ab und zu. „Wenn ich als Gastrednerin eingeladen bin, kommen meine Erfolge schon zur Sprache“, erzählt sie. Fanpost flattert ebenfalls hin und wieder bei ihr ein, die sie gerne beantwortet.
Was Olympiasieger
Obwohl die sportliche Karriere von Hans-Peter Pohl, Nordische Kombination,
schon um etliche Jahre zurückliegt, ist der Schonacher bei seinen Fans nicht vergessen.
DIE GRÖSSTEN ERFOLGE
Olympia 1988, Calgary Gold mit der Mannschaft
Junioren-Weltmeisterschaft 1985 Gold mit der Mannschaft
Weltmeisterschaft 1987, Gold und 1993, Bronze mit der Mannschaft
Hans-Peter Pohl aus Schonach war erfolgreicher Nordi.scher Kombinierer in den 1980er-Jahren und anfangs der 1990er-Jahre: 1987 wurde er mit der Mannschaft Weltmeister, ein Jahr darauf, 1988, gewann er, ebenfalls im Teamwettbe.werb, olympisches Gold. 1993 bei der Weltmeisterschaft in Falun gewann er im Team noch einmal Bronze. „Ab und zu kommen noch Autogrammanfragen, was mich immer sehr freut“, erzählt der 52-Jährige. Nach seiner sportlichen Karriere studierte er an der Trainerakademie in Köln, legte dort 1995 die Prüfung ab. Danach ließ er sich in Schonach nieder, grün.dete mit seiner Frau Anja eine Familie und baute nach einer Ausbildung zum Versicherungsfachmann in einer örtlichen Agentur sein berufliches Umfeld auf. Seit 2014 führt er diese Agentur erfolgreich alleine.
Noch immer mit dem Skisport verbunden
Von November bis März ist er als Co-Moderator bei Eurosport für die Berichterstattung der Wettkämpfe in der Nordischen Kombination und im Damenskispringen tätig. In den Jahren 2003 bis 2010 wirkte der Schonacher im Fernsehen auch als ARD-Experte. „Das ist ein toller Spagat zwischen meinem Be.ruf und meinem damaligen Hobby, das für eine Zeit lang zum Beruf wurde. So bin ich doch noch ein wenig mit dem Skisport verbunden“, freut sich Hans-Peter Pohl.
Auch beim Schwarzwaldpokal, dem Weltcup in der Nordi.schen Kombination, der jedes Jahr in Schonach stattfindet, ist der ehemalige Sportler involviert. Bei den Planungen für das Rahmenprogramm ist seine Meinung stets gefragt, außerdem fungiert er als Moderator. „Die Grundlage meines heutigen Le.bens ist die Zeit von damals“, ist Hans- Peter Pohl dankbar.
heute machen…
Auch Christof Duffner, Skispringen, schaut gerne auf die Zeit zurück, in der er als erfolgreicher Sportler durch die Lande zog und große Erfolge feiern durfte.
DIE GRÖSSTEN ERFOLGE
Olympia 1994, Lillehammer Gold mit der Mannschaft
Weltmeisterschaft 1997 Bronze und 1999 Gold mit der Mannschaft
An die Olympischen Spiele 1994 in Lillehammer erinnert er sich nur zu gerne. Da war der überraschende Olympiasieg, zusam.men mit seinen Teamkollegen Jens Weißflog, Dieter Thoma und Hansjörg Jäkle. Aber auch das Drumherum stimmte: jeden Tag blauer Himmel und Sonnenschein, 20 Grad Minus und zwei Meter Schnee. Alle Wettbewerbe fanden im selben Ort statt, im Olympischen Dorf wurde zusammen gewohnt und gefeiert. „Ganz Lillehammer war voller Begeisterung. So stellt man sich Olympia vor“, schwärmt der 46-Jährige noch heute. Ebenfalls legendär: die Weltmeisterschaft in Ramsau, als die Mannschaft trotz zweier Stürze Gold gewann. Ein Krimi, den Skisprungfans weit über die Grenzen der Heimatgemeinde Schönwald mitver.folgten. „Duffi“ wurde vielerorts angefeuert, er war der erste Skispringer der Geschichte mit einem eigenen Fanclub.
Der Fokus hat sich klar verändert
2003 beendete der gelernte Werkzeugmechaniker seine Karri.ere und wurde Lehrer. Seit neun Jahren unterrichtet er an der Realschule Triberg Sport, Technik und EWG (Fächerverbund Erdkunde-Wirtschaftskunde-Gemeinschaftskunde). Mit dem Skispringen hat er heute nur noch wenig zu tun. Anfangs trai.nierte er den Nachwuchs des SC Schönwald, war Co- Trainer seines Skisprungkollegen und guten Freundes Hansjörg Jäkle. Doch der Fokus hat sich klar verändert: Die Familie ist für Christof Duffner das Wichtigste im Leben. Die drei zehnjäh.rigen Töchter (Drillinge) machen mittlerweile Biathlon und fahren Alpin rennen. „Hier trifft man immer wieder mal auf ehemalige Sportkollegen“, erzählt er. Begegnungen, die ihm Freude machen und die die Erinnerungen an die glanzvollen Tage der „Schwarzwaldadler“ zurückbringen.
Was Olympiasieger
5. Kapitel – Städte und Gemeinden
Ein bunter Reigen von Veranstaltungen und Festlichkeiten erinnert 2017 in Villingen-Schwenningen unter dem Motto „Aufbruch – 817 – 2017 – Wege in die Zukunft“ an die urkundliche Ersterwähnung von Schwenningen, Tannheim und Villingen vor 1.200 Jahren. In einer fränkischen Urkunde aus dem Jahr 817 treten die drei Ortsteile in die Geschichte ein.
von Madlen Falke
Besuchte man im vergangenen Sommer das Franziskanermuseum in Villingen, sah man dort in der Ausstellung „Wie tickt Villingen-Schwen.ningen“ eine der vier Abschriften der Urkunde aus dem 9. Jahrhundert von Kaiser Ludwig dem Frommen, Sohn von Karl dem Großen. Das Original der Urkunde, am 4. Juni 817 von der Kanzlei des Frankenkaisers in der Pfalz zu Aachen ausgefertigt, wird im Kloster St. Gallen aufbewahrt.
„Swanningas“, „Tanheim“ und „Filingas“
Mit der Rohrfeder schrieb der unbekannte Schreiber – der Kanzleivorsteher Erzkaplan Heli.sachar wurde vom Diakon Durandus vertreten – in der gerade neu eingeführten Minuskelschrift auf ein großes Stück Pergament, was der Kaiser entschieden hatte. Der Text der Kaiserurkunde beginnt mit den Worten: „Im Namen des Herren und unseres Erlösers Jesus Christus, Ludwig begünstigt durch göttliche Gnade Kaiser und Augustus. Weil es uns für unser Seelenheil und als Ertrag ewigen Lohns gefällt, sei (euch), allen
Schnaubende Pferde, die so festlich herausgeputzt sind wie ihre Reiter, Fußsoldaten und wehende Fahnen: Das phantastische Szenario versetzte die Zuschauer spielerisch in eine andere Welt.
Grafen in den Landschaften Alemanniens, oder euren Nachfolgern sowie allen unseren Ge.treuen bekannt gemacht, dass wir durch diese Urkunde dem Kloster St. Gallen einen gewissen Zins von den unten aufgeführten Mansen zuge.stehen“. Neben 44 anderen Hofgütern erwähnt das kaiserliche Dokument zum ersten Mal „ad Swanningas mansum Liubolti, ad Filingas mansi Witoni et Himonis, ad Tanheim mansum Tuotonis“. Beglaubigt und mit den Zeichen der herrscherlichen Macht ausgestattet endet die Urkunde mit dem Chrismon, dem grafischen Symbol, das für die Anrufung Gottes steht, dem Rekogni.tionszeichen des Durandus und dem Siegel Kaiser Ludwigs.
„Swanningas“, „Tanheim“ und „Filingas“ hat es be.reits vor 817 gegeben, nur keinen Grund, die Namen dieser „Weiler“ irgendwo aufzuschreiben. Mit der Nennung in der Urkunde des Kaisers, treten die drei Orte, die heute mit anderen Ortsteilen (Herzogenweiler, Marbach, Mühlhausen, Obereschach, Pfaffen.weiler, Rietheim, Weigheim und Weilersbach) das Oberzentrum Villingen-Schwenningen bilden, zum ersten Mal ins Licht der Geschichte. Unter den aufgeführten 47 Mansen von 28 Or.ten sind auch Nordstetten, Weigheim und Wei.lersbach in dieser Kaiserurkunde aufgeführt. Doch diese drei Orte wurden zuvor in früheren Quellen schon genannt.
Kaiserliches Dokument ist Beweis für große Veränderungen
Für den Alltag der Bauern auf der Baar hatte die Urkunde von 817 keine nennenswerte Bedeutung. Ob sie nun diesem oder jenem Herren ihren Zins zu zahlen hatten, konnte ihnen ziemlich egal sein. Doch ist das kaiserliche Dokument Beweis großer Verände-
Das Historische Grenadiercorps entführte die Besucher mit Schau-Exerzieren in originalgetreuen Uniformen zu einer Zeitreise in die eigene Geschichte.
rungen: Um 817 führte Ludwig der Fromme die wirtschaftlichen, politischen und kirchlichen Reformen, die sein Vater begonnen hatte und eine Vereinheitlichung im Reich der Franken be.wirken sollten, weiter. Die Urkunde vom Juni 817 war Ausdruck dieser Politik, die wenige Wochen später zur „ordinatio imperii“ führte, der zu.kunftsweisenden Nachfolgeregelung des noch jungen Kaisers.
Mit seinem Erlass übertrug der Herrscher einen Teil der Abgaben, die den Grafen in der Baar-Region zustanden, an das junge Kloster in St. Gallen, dem Abt Gozbert vorstand. Als Ge.genleistung hatten die Mönche fortan für das kaiserliche Seelenheil zu beten. Wie kurz das Le.ben sein konnte, hatte Ludwig wenige Monate vorher erlebt: Am Gründonnerstag, am 9. April 817, brach unter ihm und seinen Begleitern der Verbindungsgang vom Wohntrakt der Kaiser.pfalz in die Marienkapelle ein und begrub den Hofstaat unter diesen Trümmern. Es starben Menschen und viele wurden schwer verletzt, doch der Kaiser selbst hatte Glück; er trug nur leichte Blessuren davon, so dass er Ende April wieder zur Jagd durch die Wälder von Nimwe.gen aufbrechen konnte.
Bis ins 13. Jahrhundert tauchten die Ortsteile der Stadt Villingen-Schwenningen nur noch selten in Urkunden auf, gingen über die folgenden Jahrhunderte mehr oder weniger „getrennte Wege“ und gehörten meist unterschiedlichen Landesherren an. Villingen genoss die Förde.rung durch die Dynastie der Zähringer. Eine der ihren erhielt 999 von Kaiser Otto III. Markt-, Münz- und Zollrechte verliehen. Aus diesen Privilegien – diese waren bisher den klerikalen Mächtigen vorbehalten und wurden erstmals in der Geschichte dem weltlichen Gefolgsmann des Kaisers aus Villingen verliehen – entwickel.ten sich Stadtrechte, der Siedlungsraum wurde im 12. Jahrhundert auf die andere Seite der Bri.gach verlegt und die Stadt wuchs zu einem klei.nen Handelszentrum. Das Dorf Schwenningen gehörte bis zum Untergang des Zähringer-Ge.schlechts 1218 zu wechselnden Herrschafts.sphären und wurde 1444/49 württembergisch. Während Villingen unter österreichischer Herr.schaft katholisch blieb, wurde Schwenningen im Zuge der Reformation 1534 lutherisch. In Tannheim entstand 1353 das Paulinerkloster, das den wundertätigen Eremiten Cuno der Schwei.ger verehrte und bis 1803 bestand. Der kleine Ort entwickelte sich dank dieses schweigsamen Gottesmannes im Mittelalter zu einem belieb.ten Wallfahrtsort.
Jubiläumsjahr macht Geschichte lebendig
Zum ersten Mal überhaupt wird die Ersterwäh.nung von Schwenningen, Tannheim und Villin.gen in der kaiserlichen Urkunde vom 4. Juni 817 in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts in einem bunten Veranstaltungsreigen gefeiert. Das Motto des Jubiläumsjahrs „Aufbruch – 817.2017 – Wege in die Zukunft“ entwickelte sich aus dem Kontext der Entstehungsgeschichte der Kaiserurkunde und bietet Gelegenheit, Ge.schichte in der Gegenwart und für die Zukunft lebendig werden zu lassen. Zugleich regt es dazu an, den Blick auf größere Zusammenhänge zu weiten und in die Zukunft zu richten. So kön.nen die Stärken und Chance der gemeinsamen Stadt in vielfacher Weise für die Bürgerschaft erlebbar werden.
Im Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur und vielen Akteuren in den Vereinen und Kirchen, den freien Kulturschaffenden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern städtischer Institutionen und mit der finanziellen Unterstützung zahlreicher Sponsoren konnte ein Festprogramm entwickelt werden, das viel.fältige historische Bezüge zwischen 817 und heute aufgriff. Zu Beginn stand bereits 2015 eine historische Fachtagung im Theater am Ring, in der renommierte Mittelalterhistoriker über den Forschungsstand zur Entstehungsgeschichte der Kaiserurkunde von 817 aus unterschiedli-
Die urkundliche Ersterwähnung von Schwenningen, Tannheim und Villingen vor 1200 Jahren war Anlass für den prachtvollen Umzug der Bürgerwehren und Milizen von Baden und Südhessen durch die Villinger Altstadt.
cher Perspektive berichteten. Im Oktober 2016 erklang ein experimentelles Doppelkonzert im Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg zeitgleich in der Evangelischen Stadtkirche Schwenningen und im Franziskaner Konzert.haus in Villingen. Die Aufführenden der eigens komponierten Musik, die live in den jeweiligen anderen Klangraum übertragen wurde, interagierten so im Wechselspiel der Tondichtung der Stadtkomponisten Matthias Schneider-Hol.lek und Harald Kimmig. Im Jubiläumsjahr 2017 waren ein Symposium zum Paulinerkloster in Tannheim, das Zähringer Narrentreffen, der „Kanonendonner“ über Villingen im Verbund mit dem Landestreffen der Bürgerwehren und Milizen von Baden und Südhessen, die „Lange Schwenninger Kulturnacht“, ein Festakt und Festwochenende in Tannheim, die „Lange Tafel“ oder das Bürgertheater „Romeo und Julia in VS“ weitere Höhepunkte. Die Ausstellungen „REVI.SION“ des Kunstvereins Villingen-Schwenningen e.V., „Wie tickt Villingen-Schwenningen“ und
Gemeinsames Tanztheaterprojekt „Scheherazade“ verschiedener Schulen aus Villingen-Schwenningen, der Tanzbühne Villingen, der Musikakademie VS, der Hochschule für Musik Trossingen und des Amtes für Kultur VS.
„Hidden Champions“ vom Franziskanermuseum erarbeitet, „Das Skulpturenprojekt 817-2017“ oder „70 Jahre Lovis-Presse Schwenningen 1947.1949“ der Städtischen Galerie spannten den Bogen von der Herkunft über Gegenwart zur Zukunft. Mit dem Ökumenischen Festgottes.dienst, den zahlreichen Sonderkonzerten, einer Operngala, dem Tanztheater „Scheherazade“, Vorträgen zu „500 Jahre Reformation“, der „Wanderung entlang historischer Grenzsteine“ und zahlreichen weitere Veranstaltungen zeigte sich Villingen-Schwenningen allen Menschen der Stadt und der Region als vielfältiges, facet.tenreiches, familienfreundliches und zukunfts.orientiertes Oberzentrum.
Was bleibt?
Neben den Publikationen, der „Digitalen Orts.chronik Tannheim“ dem Tagungsband „817 – Die urkundliche Ersterwähnung von Villingen und Schwenningen“ und der „Geschichte der Stadt Villingen-Schwenningen Band II“ sind es viele schöne Erinnerungen an wissenschaftliche Tagungen und Vorträge, an Konzerte, Theater.aufführungen und Ausstellungen. Es bleibt auch die beglückende Erfahrung über das Gelingen im gemeinsamen Feiern und Erinnern eines be.sonderen Jubiläums im Zusammenwirken aller
Drei Kunstwerke des Kölner Bildhauers Philipp Goldbach, der die lateinischen Formeln der Ortsnamen aus der kaiserlichen Urkunde in leuchtende Messing-Schmiedearbeit an der Südseite des Schwenninger Rathauses, am östlichen Giebel des Tannheimer Rathauses und an der Südseite des Alten Rathauses Villingen übertrug.
beteiligten Institutionen im Verbund mit den vielen ehrenamtlich engagierten Mitmenschen im Festjahr 2017. Und es bleiben drei Kunst.werke des Kölner Bildhauers Philipp Goldbach,
Beim Symposium zum Paulinerkloster haben Histo.riker und Vertreter des heutigen Paulinerordens die Tannheimer Kloster- und Wallfahrtsgeschichte syste.matisch reflektiert.
welche Oberbürgermeister Dr. Rupert Kubon für die Stadt ankaufen konnte. Der Künstler über.trug die lateinischen Formeln der Ortsnamen aus der kaiserlichen Urkunde in leuchtende Messing-Schmiedearbeit: an der Südseite des Schwenninger Rathauses – „ad suuanningas mansum“ – am östlichen Giebel des Tannhei.mer Rathauses – „ad tanheim mansum“ – und an der Südseite des Alten Rathauses Villingen – „ad filingas mansis“.
Warum ausgerechnet hier?
Zur frgeschichtlichen Siedlungsgeographie der Sbaar
von Martin Fetscher
Die 1200-Jahrfeiern der ersten urkundlichen Erwähnungen von gleich ff Orten im Schwarzwald-Baar-Kreis, nämlich Villingen, Schwenningen und Tannheim sowie Pfohren und Hondingen, aber auch jgere Erwähnungen wie z.B. Kommingens vor 700 Jahren, haben das Bewusstsein f die Geschichte unserer Heimat neu gestärkt. Mit beachtlichem Engagement der Stadt- bzw. Ortsverwaltungen, aber auch der Bgerinnen und Bger, wurden Ausstellungen und zahlreiche Veranstaltungen mit geschichtlichem Hintergrund organisiert.
Blick in die Südbaar vom Wartenberg aus, im Vordergrund die junge Donau mit Neudingen.
6. Kapitel – Vor- und Frgeschichte
Über die Vor- und Frühgeschichte der Baar schweigen zwar die Archive, doch selbstver.ständlich reicht die Geschichte der Baar viel wei.ter zurück, auch die der einzelnen Ortschaften zum Zeitpunkt ihrer urkundlichen Ersterwäh.nung. Diese liegt zwar für viele Ortschaften der Baar relativ früh, doch ist das dem glücklichen Umstand geschuldet, dass Schenkungen an Klöster aus dieser Zeit urkundlich dokumentiert wurden und – vor allem – dass diese Urkunden in Archiven, allen voran dem Stiftsarchiv St. Gal.len, bis heute erhalten geblieben sind.
Schon die Urkunde Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 817 lässt leicht darauf schließen, dass die erwähnten Orte deutlich älter sein müssen, denn erstens bestehen bereits die Namen der Orte und diese müssen auch allge.mein bekannt gewesen sein – sonst würde ihre Erwähnung keinen Sinn ergeben, und zweitens waren die geschenkten bäuerlichen Anwesen sicherlich keine Häuser in Einzellage, sondern wenigstens Gehöftgruppen. Einige Orte auf der Südbaar sind noch früher urkundlich erwähnt, wie Heidenhofen und Biesingen (759), Baldin.gen (769), Wolterdingen und Neudingen (772), Mundelfingen (773), Achdorf (775), Aselfingen
(791) und Bräunlingen (799). Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass diese Orte älter sind als diejenigen, die „erst“ 817 oder ein paar Jahr.zehnte später ihre Ersterwähnung finden.
Bei ihnen allen handelt es sich um sehr alte Orte, die mehr oder weniger zufällig in dieser oder jener Urkunde erwähnt werden und die.se auch, ebenfalls zufällig, bis heute erhalten geblieben sind. Zudem gibt es Ortschaften, die genauso alt sind oder älter, über die aus dem frühen Mittelalter aber, aus welchen Gründen auch immer, keine Urkunden existieren, wie beispielsweise Hüfingen, das erst im Jahr 1083 urkundlich genannt wird. Der Name der Baar selbst ist bereits im Jahr 741 in einer Urkunde bezeugt, und zwar als Paratoldesbaara – Ber.toldsbaar, benannt nach dem damaligen Grafen Bertold, in dessen Verwaltung sich die Baar
weise am Kirnbergsee zu Tage. Im Untergrund stößt man auf sie, wenn man auf der Baar, je nach Standort, ca. 500 bis 700 Meter tief bohrt. Die Gesteine bildeten ursprünglich ein Gebirge innerhalb des Großkontinentes Pangaea, das im Lauf von Jahrmillionen vollständig abgetragen wurde.
In damals wüstenhaftem Klima in Äquator-nähe wurde die Landschaft eingeebnet und es entstanden die roten Sedimente des Buntsand.steins, aus dem beispielsweise die Bräunlinger Stadtkirche erbaut ist. Anschließend wurde Süddeutschland vollständig vom Muschel.kalkmeer überflutet. Dieses Flachmeer war zeitweise abgeschnitten vom Weltmeer. So bildeten sich Gips und Steinsalz, die jedoch nur im tieferen Untergrund noch vorhanden sind. Die Flächen des Muschelkalks sind heute für die Baar prägend. Erst in der Jurazeit war Süd.deutschland über 50 Millionen Jahre hinweg dauerhaft von Meer überflutet, und es bildeten sich die Gesteine der Schwäbischen Alb und der Baaralb sowie deren Vorland heraus. Wäh.rend dieser Zeit der Trias (vor etwa 240 bis 200 Millionen Jahren) und des Juras (vor etwa 200 bis 150 Millionen Jahren) entstand das süddeut.sche Schichtgebirge von der Ostabdachung des Schwarzwaldes bis auf die Schwäbische Alb, deren heute sichtbare Kalkfelsen sich in tropi.schen Riffen der Jurazeit bildeten.
Vom Tertiär zur Mittelsteinzeit
Die nächsten erdgeschichtlichen Zeugnisse finden sich erst wieder aus der Tertiärzeit im Miozän, vor ca. 20 bis ca. sechs Millionen Jahren. Während dieser Zeit war das Molasse.becken entlang der entstehenden Alpen vom Gebiet des heutigen Bodensees her immer wieder überflutet. Die Ablagerungen von Meer, Seen und Flüssen reichen jedoch nur bis in den Bereich Riedöschingen – Hondingen – Riedbö-ringen. Auch der Hegau-Vulkanismus fällt in diese Zeit. Seine nördlichsten Ausläufer sind der Wartenberg und bei Riedöschingen der Basalt.vulkan Blauer Stein, der Vulkankrater Krummen.ried und die Travertin-Ablagerungen ehemaliger heißer Quellen am Roten Stein.
Mit dem Pleistozän vor 2,6 Millionen Jahren wurde das Klima auf der ganzen Welt deutlich kühler und die Pole begannen zu vereisen. Der süddeutsche Raum hob sich im Bereich von Schwarzwald und Schwäbischer Alb weiter empor und es formte sich nach und nach die heutige Landschaft heraus. Den Höhepunkt erreichte die Abkühlung in der Riß-Kaltzeit vor etwa 130.000 Jahren. Die Gletscher der Alpen füllten das gesamte Bodenseebecken bis zum Hegaurand, und auch die Schwarzwaldgletscher erstreckten sich bis in die Baar hinein. Während dieser Zeit war die Baar völlig unbewaldet und es hielten sich in höheren Lagen über das ge.samte Jahr hinweg Schneefelder.
Da wenig Vegetation vorhanden war, konn.ten die Böden leicht fortgespült werden. Damit waren auch die Gesteine stärker der Witterung und Erosion ausgesetzt. In der letzten Kaltzeit, der Würm-Kaltzeit, die bis ca. 10.000 v. Chr. an.dauerte, war das Klima kaum günstiger, sodass alleine aufgrund des Klimas davon auszugehen ist, dass sich Menschen auf der Baar allenfalls gelegentlich zur Jagd aufhielten. Das Klima war etwa 10° kälter als heute, vergleichbar etwa mit den heutigen klimatischen Bedingungen auf Island oder in Lappland. Sofern sich vor diesen Kaltzeiten schon Urmenschen wie der Neandertaler auf der Baar aufgehalten haben sollten, sind deren Spuren durch die Kaltzeiten verwischt.
Steinwerkzeuge aus Silex-Knollen
Die Wutach floss damals noch als „Feldberg-Donau“ über die Blumberger Pforte durch das Aitrachtal, bevor ihr die Ur-Wutach von Stühlin.gen her das Wasser abgrub. Erst vor ca. 20.000 Jahren entstand die Wutachschlucht und im heu.tigen Aitrachtal verblieb vergleichsweise nur ein Rinnsal. Die Baar war zu dieser Zeit von Menschen unbewohnt. Aus dieser Hochphase der Kaltzeit fehlen im gesamten süddeutschen Raum Nach.weise von Siedlungsplätzen. Es wird vermutet, dass dieser erst gegen Ende der Eiszeit wieder von Südwestfrankreich her besiedelt wurde.
Am Ende der Würm-Kaltzeit, bevor der Wald die gesamte Region wieder vollständig überzog, war das offene Weideland besiedelt von Ren.tieren, Wildpferden, Auerochsen, Mammuts, Wollnashörnern und Wölfen. Auch Löwen gab es am Ende der Kaltzeit noch. Höhlen boten den damaligen Jägern Zuflucht, wie die Petershöhle bei Engen oder das Kesslerloch bei Thayngen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind größere Höhlen allerdings nicht bekannt, denn sie beschränken sich auf die Massenkalke des höheren Weißjuras.
Die Jäger und Sammler des Magdalénien – so nennen Archäologen diese Zeit – waren ohnehin in Mitteleuropa nicht sesshaft. Sie wanderten im Rhythmus der Jahreszeiten mit ihren bevorzug.ten Beutetieren, den Rentieren und Wildpferden. Diese Menschen der Mittelsteinzeit nutzten Steinwerkzeuge aus Silex, welche von den zeit.weiligen Wohnstätten mit großen Mengen von Knochen überliefert sind. Die Ausgangsmateri.alien von Steinwerkzeugen aus quarzhaltigen Gesteinen sind in der Region vielerorts zu finden, beispielsweise im Massenkalk der Schwäbischen Alb als Silex-Knollen, aus denen man Speerspit.zen und Schaber herstellen kann. Auch die roten Karneolknollen, die auf Äckern im Buntsand.stein beispielsweise westlich von Bräunlingen zu finden sind, konnten dazu genutzt werden. Geradezu gesteinsbildend sind solche Quarze im Bereich der Kesselberg-Verwerfung zwischen Tri.berg und Unterkirnach, wo sie bis in die Neuzeit hinein abgebaut wurden. Ausgangsmaterial für Feuerstein aus Quarz sowie für Steinbeile bei.spielsweise aus Diabas finden sich auch in den Schwarzwald-Schottern der Breg oder der Feld.
Temperatur (°C)
Die Grafik zeigt bodennahe nordhemisphärische Mitteltemperaturen der letzten 11.000 Jahre (verändert nach Dansgaard et al., 1969, und Schönwiese, 1995).
Klima-Optimum Mittelalterliche des Holozän Wärmeperiode
17
17
15 15
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13
11
berg-Donau bei Blumberg. Als Ausgangsstoffe für Keramik sind vielerorts gut brennbare Tone vorhanden. Damit waren zumindest die wich.tigsten Werkstoffe für die Steinzeitmenschen mehr oder weniger unmittelbar vor Ort auffind.bar. Dennoch wurden Steinwerkzeuge bereits in der Steinzeit über weite Strecken gehandelt.
Die Siedlungsentwicklung auf der Baar
Auch heute bringen die Baarbewohner ihre Lebensqualität stark mit dem typischen Baare.mer Klima in Zusammenhang. Während dieses manchem zu kühl ist, schätzen andere die küh.len Nächte oder lieben den Schnee im Winter. In Zeiten, in denen alles von der regionalen Landwirtschaft abhing, war das Klima jedoch ein existenzieller Faktor. Seit der letzten Eiszeit bzw. Kaltzeit gab es immer wieder wärmere und kühlere Phasen (siehe Abbildung). Für hochge.legene Regionen wie der Baar und der Schwä.bischen Alb müssen diese Klimaschwankungen für die Besiedlung von besonderer Bedeutung gewesen sein – insbesondere seitdem Landwirt.schaft betrieben wird. So kam es während der kühlen Phasen zu Hungersnöten, weil die Ernte nicht gesichert war, wohingegen die Hochregio.nen in warmen Phasen gegenüber dem Tiefland gerade bei Trockenheit eher sogar begünstigt waren. Dementsprechend ist in den Warmpha.sen in der Region jedes Mal ein gewisser Sied.lungsschub zu beobachten. Berücksichtigt man, dass das Klima auf der Baar durch die Klimaer.wärmung innerhalb der vergangenen 100 Jahre bereits über ein Grad angestiegen ist, leben wir hier gerade in einer vergleichsweise angeneh.men Warmphase.
Um ca. 9000 v. Chr. erwärmte sich das Klima über den gesamten Globus ungemein schnell und bereits ca. 6000 v. Chr. war es sogar wärmer als heute. Damit waren beste Voraussetzungen geschaffen für die Besiedlung der Baar. In den zunächst wohl noch überwiegend geschlosse.nen Wäldern lebten neben den heutigen Tieren
u.a. noch Braunbären, Wölfe, Waldbisons und Auerochsen. Für die Menschen wurden Pflanzen als Nahrungslieferanten immer bedeutender. An die Stelle von Jagd und Sammlertum traten zunehmend Tierhaltung und Ackerbau. Die Men.schen der Jungsteinzeit begannen in größerem Umfang Wälder zu roden, wurden zunehmend sesshaft und begannen zu wirtschaften. Bekannt ist diese Kultur durch typische Verzierungen auf Tongefäßen, die sogenannte Linearbandkeramik, welche auf der Baar durch Funde in Schwennin.gen belegt ist. Pollenanalysen aus dem Schwen.ninger Moos beweisen, dass zu dieser Zeit auf der Baar bereits Getreide angebaut wurde.
Die Siedlungen lagen idealerweise auf – in Bezug auf Wegnetze und Verteidigung – stra.tegisch günstig gelegenen Anhöhen in der Nähe von Flüssen oder Seen und diese boten eine zusätzliche Nahrungsquelle. Die Wege orientierten sich häufig an Flüssen oder Tälern. Regelmäßig überschwemmte oder sumpfige Niederungen wurden eher gemieden – außer natürlich bei Pfahlbauten, die bereits in dieser Zeit entstanden. Weiter von Bedeutung waren Trinkwasser und Bodenschätze. Die Böden haben sich auf der Baar maßgeblich erst nach Ende der Kaltzeit aufgebaut und sind daher für die Landwirtschaft meist vergleichsweise ge.ringmächtig und karg. Die ersten Ackerbauern, die sich in Süddeutschland niederließen, legten meist großen Wert auf gute, fruchtbare Böden wie Lößböden. Dort bauten sie typische Lang.häuser, die vom Oberrhein oder aus dem Hegau bekannt sind. Erst als der Siedlungsdruck größer wurde, wurden ab ca. 4500 v. Chr. auch höher.gelegenere Gegenden mit ungünstigeren Böden wie die Südbaar besiedelt. Die besten Boden.verhältnisse fanden die Siedler im Bereich des oberen Muschelkalks im Übergang zum Keuper, also im Bereich der Linie Schwenningen – Bad Dürrheim – Donaueschingen – Hüfingen, oder im Unteren und Mittleren Jura, also im Bereich von Ostbaar – Neudingen – Riedböhringen vor.
Insgesamt waren also die Baarorte Neudin.gen, Hüfingen, Bräunlingen oder Donaueschin.gen von ihrer Lage her besonders begünstigt. An all diesen Orten reichen Anhöhen direkt an die Breg bzw. Brigach und Donau und es sind kelti.sche Besiedlungen sowie Funde aus vorkeltischer Zeit belegt. Da jedoch überwiegend mit Holz ge.baut wurde, sind kaum Überreste von Gebäuden erhalten, sondern in erster Linie Grabstätten mit teilweise wertvollen Grabbeigaben.
Nutzung von Eisen revolutionierte Militär, Handwerk und auch die Landwirtschaft
Die Verkehrswege sind geographisch und morphologisch vorgeprägt durch die Donau in Ost-West-Richtung sowie die Nord-Süd-Verbin.dung von bedeutenderen Siedlungsgebieten im Bereich Hochrhein und Bodensee in den Neckarraum. Damit lag Hüfingen bereits in der Frühgeschichte an einem Verkehrsknoten.punkt. Wegetechnisch ungünstig waren damals die Schwemmebenen der Riedbaar sowie die ehemals sumpfigen Niederungen zwischen Donaueschingen und Schwenningen. Nach Süd.westen waren natürliche Hindernisse durch die Wutachschlucht und deren rutschungsanfällige Seitentäler gegeben sowie nach Süden durch den relativ unfruchtbaren Höhenzug der Länge und deren steile Nordflanke. Daher müssen Wege von Süden durch das Hondinger oder das Riedböhringer Tal bestanden haben.
Während der Bronzezeit (ca. 2200 bis 800 v. Chr.) war die Region dadurch etwas benachtei.ligt, dass die Grundstoffe für Bronze, nämlich Zinn und Kupfer, in der Region kaum zu finden waren. Lediglich in entfernteren Teilen des Schwarzwalds gab es Fundorte für Zinn, Kupfer und Silber, die mit damaligen Abbaumethoden wohl eher wenig ergiebig waren. Auch Gold war nicht zu finden – die nächsten Fundstellen vereinzelter Goldflitter befinden sich in den alpinen Rheinschottern. Dadurch waren die Menschen der Baar auf Importe angewiesen. Während dieser Zeit wurden in der Region auch noch Steinwerkzeuge weitergenutzt.
Eine klimatische Warmphase um 1200 bis 800 v. Chr. begünstigte nochmals die Besied.lung der Baar. Die Kulturlandschaft mit Grün- und Ackerland und Hudewäldern zur Bewei.dung wurde der heutigen Kulturlandschaft ähn.lich. Angebaut wurden vor allem Hirse, Gerste, Dinkel, Linsen und Hülsenfrüchte.
Umso stärker wirkte sich die Nutzbarma.chung von Eisen aus, denn Eisenerze gab es auch vor Ort genügend: die Doggererzvorkommen im Bereich zwischen Blumberg und Neudingen, die Bohnerzvorkommen auf der Alb und im Juranagelfluh (z.B. um Riedöschin.gen) sowie die Eisenerzvorkommen bei Eisenbach. Die Kelten be.herrschten bereits die hohe Kunst,
Bohnerzknollen aus der Südbaar – damit konnten die Kelten Eisen herstellen.
Bissula Gedicht
Bissula, dren zu Haus,
Dort erm eisigen Rheinstrom,
Bissula, die oft belauscht heimlich der Donau Quell,
Sklavin des Kriegs, dann frei vom Feinde gelassen,
Sie herrscht nun im Reiche des Mannes,
Dem sie der Kriegsgott geschenkt..
Wenn auch durch Latinums Gesittung
Ihr Wesen ein andres geworden,
Blieb sie Germanin noch stets
Blau die Augen, blond auch ihr Haar.
Decimus Magnuns Ausonius (310 – 390 n. Chr.)
das Eisen vor Ort zu verhütten und zu schmie.den. In der Eisenzeit, der Hallstatt- und La-Tène-Zeit (ca. 800 v. Chr. bis zu Christi Geburt) erlebte die Baar einen ersten Höhepunkt der Besied.lung1. Die Nutzung von Eisen revolutionierte nicht nur Militär und Handwerk, sondern auch die Landwirtschaft, da damit erst eine effektive Bodenbearbeitung für die Ackerwirtschaft mög.lich wurde. Rinder, Schafe und Ziegen wurden gezüchtet. Mit dem Eisen war die Zeit der Kelten gekommen, der bislang eindrucksvollsten und reichsten Kultur der europäischen Vorgeschichte.
Aus dieser Zeit stammen auf der Baar die meisten der bis heute erkennbaren Hügelgrä.ber wie auf dem Magdalenenberg in Villingen. Auch Viereckschanzen wie die Heidelburg im Tuninger Wald oder Verteidigungswälle wie am Hörnekapf zwischen Unterbaldingen und Geisingen sind bis heute sichtbar. Die Kelten auf der Baar standen mit weiter entwickelten Völkern und Kulturen im Mittelmeerraum in Handelskontakt.
Zeit der römischen Besiedlung
Die Römer waren die ersten, die systematisch ein Straßen- und Wegenetz ausbauten. Schnelle Verbindungen für das Militär und den Handel waren ein wesentlicher Grundpfeiler bei der Errichtung des Römischen Reiches über einen Großteil der damals bekannten Welt hinweg.
Während der Zeit der römischen Besiedlung waren die Straßenverbindungen zwischen Hüfingen und Rottweil (Brigobanne und Arae Flaviae) nach Süden hin Richtung Schleitheim (Juliomagus), Zurzach (Tenedo) und der römi.schen Stadt Vindonissa in der Schweiz (Win.disch/CH) sowie zur östlich gelegenen Provinz Raetia (heute Bayern, Schweiz/Österreich) zu sichern. Während nördlich von Donaueschingen die Römerstraße noch gut erkennbar ist, ist der genaue Verlauf nach Süden und erst recht nach Westen als Verbindung zum Oberrhein über längere Strecken unsicher. Zwar existiert mit der Tabula Peutingeriana (siehe auch Seite 263) sogar eine „Straßenkarte“ aus der Römerzeit, in die sogar der Ort Brigobanne eingezeichnet ist; die Wegverbindungen können jedoch anhand dieser Karte nicht lokalisiert werden.
Die Römer erreichten nach schriftlicher Überlieferung erstmals 15 v. Chr. die Quellen der Donau. Ab ca. 40 n. Chr. wurde die Region zwi.schen Hochrhein / Bodensee und Donau von ih.nen eingenommen und militärisch gesichert. Die Römer waren die ersten, die ihre Gebäude über.wiegend aus Stein errichteten. Besonders geeig.nete, gut zu bearbeitende Naturbausteine sind bis in die Neuzeit der rote Buntsandstein z.B. aus Bräunlingen oder der Randengrobkalk, der bei Blumberg am Lindenbühl oder in Epfenhofen ab.gebaut wurde, aber auch die Kalksteine. Daher sind vielerorts auch auf der Baar Gebäudereste archäologisch nachweisbar, wie die zahlreichen römischen Gutshöfe, die villae rusticae. Um 75 n. Chr. wurde die Grenze weiter nach Norden verlegt und der germanische Limes angelegt. In.folgedessen war die Baar nun weiter von der Au.ßengrenze des Römischen Reichs entfernt und verlor an militärischer Bedeutung, doch konnten sich Zivilsiedlungen unter römischer Herrschaft entwickeln. Um 230 n. Chr. wurde die militäri.sche Lage für die Römer in Südwestdeutschland immer schwieriger bis sie schließlich nach über 200 Jahren römischer Herrschaft um 260 n. Chr. über den Rhein zurückgedrängt wurden. 368 n. Chr. stieß Kaiser Valentinian nochmals zu den Quellen der Donau vor. Sein Hofdichter Ausonius erhielt als Kriegsbeute das schöne Alemannen.mädchen Bissula – die erste namentlich bekann-te Baaremerin1. Der Rhein bildete bis ca. 400 n. Chr. die Nordgrenze des römischen Reichs.
Die Alemannen nahmen von Norden her den Raum ein und gründeten nach und nach ihre Dörfer. Nur selten wurden Siedlungen der Römer weitergeführt. Die ersten alemannischen Siedlungen waren einfache, ebenerdige Pfos.tenhütten, die für die Baar bislang nicht nach.gewiesen werden konnten. Allerdings ist davon auszugehen, dass die alemannischen Bauern das bereits vorhandene Kulturland übernom.men haben, sodass sich auch die ersten Sied.lungen überwiegend in denjenigen Bereichen befunden haben dürften, welche in römischer Zeit besiedelt waren. Zudem wurde das gut ausgebaute, römische Wegenetz weitergenutzt. Allerdings wechselten die Siedlungsplätze manchmal noch und erst im Hochmittelalter mit seiner Siedlungsverdichtung endete die Mo.bilität der Siedlungen endgültig15.
Die ersten nachrömischen Jahrhunderte wa.ren von stark wechselnden politischen Kräften und starken Siedlungsbewegungen gekennzeich.net, die erst am Ende des 5. Jahrhunderts und mit der Eingliederung in das Frankenreich um das Jahr 537 nachließen. Die ältesten Gräberfelder der Südbaar stammen aus dem 4./5. Jahrhun.dert, die größten wurden in Donaueschingen so.wie in Hintschingen (bei Geisingen) gefunden.
Während aus der Zeit des fränkischen Herr.schergeschlechts der Merowinger (481 bis 751) noch keine urkundlichen Zeugnisse aus der Südbaar überliefert sind, häufen sich die Zeug.nisse danach ab der Zeit der Karolinger. Bereits im 5. und 6. Jahrhundert gibt es erste Hinweise auf die Christianisierung der Südbaar, ab dem
7. Jahrhundert erfolgte sie von der Reichenau aus. Bereits um 600 wurde das Bistum Konstanz gegründet, zu welchem auch die Baar gehörte. Die überlieferten, ersten urkundlichen Erwäh.nungen stehen alle im Zusammenhang mit Schenkungen an Klöster.
Die frühgeschichtlich bedeutsamen Orte der Südbaar, in welchen vor 817 bereits archäologi.sche oder urkundliche Hinweise bekannt sind, sind nachfolgend zusammengestellt.
Hüfingen
In Hüfingen ist durch Funde aus mehreren Kul.turen eine fast kontinuierliche Geschichte von über 3000 Jahren belegt, wenn auch nicht direkt am Ort der heutigen Altstadt. Die erste Siedlung bestand in der Bronzezeit, der sogenannten Urnenfeldzeit ab ca. 1200 v. Chr. rechtsseitig der Breg auf einem Felsvorsprung am Fluss, dem Höhlenstein. Auch in der Eisenzeit (La-Tène-Zeit) ist eine Siedlung der Kelten belegt. Dort wurden die ältesten Münzfunde der Baar gemacht. Der Name Breg ist auf keltischen Ursprung zurückzu.führen und dementsprechend haben die Römer den Namen der Siedlung Brigobanne übernom-
Das Römerbad erinnert an die reiche römische Geschichte Hüfingens.
men. Sie errichteten in Hüfingen
Die Silberscheiben mit Reliefs der thro.ein Militärlager, welches dann nenden Maria – eines der frühesten ca. 40 n. Chr. zur Sicherung der bekannten christlichen Zeugnisse in Südwestdeutschland.
Nordgrenze des Römischen Reiches, die damals die Donau bildete, zum Kastell ausgebaut wurde. Mit der Gründung des des Hauses Fürstenberg Kastells in Rottweil (Aarae Flavi-eingenommen wird, ist mit ae) um 73 n. Chr. verlor das Kastell seiner Lage ursprünglich direkt über
in Hüfingen an militärischer Bedeu.tung, aber es existierten auch eine Zivilsiedlung und das bis heute in Ruinen erhaltene Römer.bad. Römische Gutshöfe zur Versorgung der Siedlung lagen u.a. in Fürstenberg, Behla und Hausen vor Wald1. Nach Abzug der Römer bilde.te sich im 4./5. Jahrhundert eine alemannische Siedlung im Bereich der Altstadt. Hüfingen war im 5. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts Hauptort der Baar, also Verwaltungs- und Adelssitz. Wert.volle Grabfunde bezeugen Reichtum und Han.del. Die bedeutendsten unter ihnen sind die drei silbernen Phalera aus Hüfingen: aus dem byzan.tinischen Reich stammende Silberscheiben vom Zaumzeug des Pferdes eines adligen Reiters. Das Grab ist auf das Jahr 606 datiert. Die Silberschei.ben mit Reliefs der thronenden Maria und eines Reiterheiligen2 sind zusammen mit zwei noch älteren Goldkreuzen die frühesten bekannten christlichen Zeugnisse in Südwestdeutschland.
Bräunlingen
Bräunlingen ist ebenfalls eine frühalemanni.sche Siedlung, deren Gründung im 5. Jahrhun.dert angenommen wird. Aus dem 6./7. Jahr.hundert stammt ein Gräberfeld und die Remi.giuskirche wird bereits im Jahr 799 urkundlich erwähnt. Doch deuten Grabfunde sowie Reste von Pfahlbauten bereits auf Siedlungsperioden seit der Steinzeit hin13. In Bräunlingen und Dög.gingen wurden Reste eines römischen Gutsho.fes entdeckt.
Neudingen
Von Neudingen sind einige steinzeitliche Einzelfunde bekannt (Steinbeile, Klinge). Der Hügel „Auf Hof“, der heute von der Gruftkirche
der Donau für eine frühgeschichtliche Besiedlung prädestiniert. Zudem gibt es Anhaltspunkte für die Theorie, dass die Donau oberhalb der Engstelle am Wartenberg zeitweise gestaut war, sodass sich bis oberhalb Neudingens eine große Wasserfläche bildete, die strategischen Schutz bot9. Grabungen brachten Hinweise auf eine keltische Besiedlung hervor9. Auch aus der Römerzeit sind einige Einzelfunde belegt und es gibt Hinweise auf Bauwerke9.
In Neudingen hat jedenfalls bereits eine frühe alemannische Siedlung bestanden, was durch reichhaltige Grabfunde ab dem 6. Jahr.hundert belegt ist. Von besonderer Bedeutung sind ein Webrahmen, der in einem Frauengrab gefunden wurde, und eine Fibel mit alemanni.scher Runenschrift. Im Jahr 746 wurde fast der gesamte alemannische Adel im „Cannstatter Blutgericht“ hingerichtet. Infolge der Neuor.ganisation der Verwaltungszentren wurde Neudingen Königshof und Pfalz. Damit verlor Hüfingen die Vormachtstellung für längere Zeit. Vom Hügel über der Donau aus wurde von einem Pfalzgrafen über einen Zeitraum von ca. 200 Jahren die Bertholds- bzw. Adalhardsbaar verwaltet9. Die älteste erhaltene urkundliche Erwähnung des Dorfs stammt aus dem Jahr 772.
Fürstenberg
Der Fürstenberg, der ‚vürderste Berg‘ der Länge war während der gesamten Geschichte von be.sonderer strategischer Bedeutung, zeitweise als Befestigung, zeitweise als Wehr- und Zufluchts.ort für Neudingen und Hondingen. Bereits in frühgeschichtlicher Zeit war der Fürstenberg besiedelt11. Für die Bronze- und Eisenzeit wird dort eine Höhensiedlung vermutet, was Tonfun-de aus dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. bestätigen. Teile der Ringwallanlage stammen wohl bereits aus dieser Zeit. Die Kelten, aber auch die frühen Alemannen, wählten für ihre Höhensiedlungen gezielt solche Orte aus. Eine solche ist auf dem Fürstenberg nicht eindeutig nachgewiesen, denn durch die mittelalterliche Bebauung des Bergs ist vieles überprägt worden. Auch Funde aus der Römerzeit wurden auf dem Berg ge.macht.
Hondingen
Während in der Ortschronik von Hondingen aus dem Jahr 1979 als einziger Beleg aus frühge.schichtlicher Zeit lediglich eine römische Münze genannt ist, die mittlerweile verschollen ist, ka.men im Jahr 2003 beim Bau der Überland-Gas.leitung einige Funde zum Vorschein. So wurden Keramikscherben als Reste einer Siedlung von
Die Renovierung der St. Martin-Kirche in Hondingen gab Rät sel auf, denn es zeigte sich, dass der auffäl lige Vorbau älter sein muss als Hauptschiff und Turm.
ca. 1000 v. Chr. sowie ein ca. 6000 Jahre altes Steinbeil gefunden. Unweit davon am Stoberg sowie gegenüber am Zisiberg befinden sich Grabhügel bislang unbekannten Alters. Aus der Römerzeit wurden Fundamente mit rö.mischen Begleitfunden kartiert. Im Ortsetter wurde eine römische Kupfermünze von Kaiser Constans (333–350 n. Chr.) gefunden – einer Zeit, in welcher die Römer längst an den Rhein zurückgedrängt waren. Spätrömische Münzen sind im Siedlungsgebiet der Alemannen keine Seltenheit, doch das Hondinger Exemplar ist immerhin ein Belegstück aus einer Zeit, aus der von der Baar sonst kaum Funde existieren.
Der Name des Dorfs, in der Urkunde von 817 Huntingun, wird in herkömmlicher Weise mit dem Namen des Stammesältesten „Hun.to“ und der alemannischen Endung auf -ingen erklärt. Denkbar ist jedoch auch eine andere Herkunft: Als die Franken um 537 im Südwesten die Herrschaft übernahmen, richteten sie zur Absicherung der Baar sogenannte „Huntare“ ein4,5. Huntaris ist die Bezeichnung für eine alemannische Reitereinheit, und eine Hunta der ihr zugeordnete Bezirk16. Diese Grenzorte oder -bezirke lagen häufig an römischen Ver.kehrswegen. Hieraus ist die Namensgebung für Hondingen naheliegend herleitbar16. Hondingen wird in der Urkunde von 817 als Teil dieser kleinen Grafschaft ‚Eitrahuntal‘ eines Grafen namens Frumold im Bereich des Aitrachtals als südöst.lichen Teil der Bertholdsbaar genannt. Mehrere Gründe sprechen dafür, dass Hondingen der Sitz dieses Grafen war und dass in einer älteren Ur.kunde aus dem Jahr 769, in welcher ein Ort Dorf Eitrahuntal erwähnt ist, Hondingen gemeint sein könnte12,16.
Hondingen besitzt eine sehr alte St. Mar.tins-Kirche. Zu der Pfarrei gehörten im Mittel.alter einige Nachbardörfer wie auch Fürsten.berg16. Das Partronat geht, wie bei den ebenfalls sehr alten St. Martins-Kirchen in Kirchdorf und Löffingen auf eine Fränkische Vorliebe zu diesem Namenspatron zurück8. Die Kirchenre.novierung vor fünf Jahren gab einige Rätsel auf, denn es zeigte sich, dass entgegen der bisheri.gen Annahmen der auffällige Vorbau der Kirche älter sein muss als Hauptschiff und Turm. Diese müssen jedoch schon im 7. bis 10. Jahrhundert bestanden haben, und der Vorbau für sich ge.nommen ergibt als Kirchenbau keinen Sinn. Damit drängt sich die Frage nach einem Vorgän.gerbau auf. Da die Alemannen zunächst nicht in Stein gebaut hatten, müsste dieser am ehesten aus römischer Zeit gestammt haben. Die Nut.zung römischer Steinbauten durch die Aleman.nen war besonders in der Nähe der römischen Grenze nicht ungewöhnlich: Auch andernorts wurden Pfarrkirchen auf Gutshöfen errichtet oder ein alemannisches Dorf in Holzbauweise fügte sich an ältere römische Steingebäude3, so wie dies beispielsweise auch in Wurmlingen bei Tuttlingen der Fall war. Dort wurde zufällig die gleiche Münze des Kaisers Constans gefunden wie in Hondingen im Unterdorf.
Riedböhringen
Bei Riedböhringen befand sich auf dem Bür.glebuck1 eine steinzeitliche Siedlung aus der Rössener-Kultur, ca. 4500 v. Chr. – damit einer der ältesten Siedlungsreste im Landkreis. Inter.essant ist die versteckte Lage dieses Wehrhügels über dem Krottenbachtal. Auch eine jüngere, keltische Siedlung ist dort nachgewiesen.
Auch aus den meisten anderen Orten bis hin zu den Randenbergen sind frühgeschichtliche Funde bekannt, so beispielsweise eine verzierte Steinaxt aus Zollhaus aus dem 3. Jahrtausend
v. Chr., Belege aus der Urnenfeldzeit (2. Jahrtau.send v. Chr.) in Riedöschingen, Hügelgräber in Epfenhofen aus der Bronzezeit, sowie zahlreiche Einzelfunde aus keltischer Zeit. In Überachen und Fützen wurden Reste römischer Gutshöfe gefunden. Die römische Militär- und Handels.straße querte bei Zollhaus das Aitrachried. Auch
die frühen Alemannen hinterließen
Spätrömische Münze aus Hondingen. Gräberfelder in Blumberg, Fützen, Kommingen und Riedöschingen. Aus Pfohren und in der Ostbaar sind ebenfalls frühgeschichtli-fällig und wenn nicht immer wieder che Belege bekannt: Aus Pfohren interessierte oder aufmerksame Bür.
jungsteinzeitliche Moorsiedlungen und Grabhügel aus der Bronzezeit; in Aa.sen und Öfingen befanden sich römische Guts.höfe.
Im Früh- und Hochmittelalter war die Baar während einer Warmphase wiederum klima.tisch begünstigt. Das förderte die Gründung von Dörfern und Städten auch in noch höher gelege.nen Regionen im Schwarzwald und auf der Alb.
Die Zusammenstellung der Fundstellen auf der Südbaar ist bei weitem nicht vollständig. Zahlreiche Einzelfunde sind gar nicht aufge.führt. Die Funde zeigen aber, dass die Südbaar bereits weitgehend flächendeckend über Jahr.tausende hinweg besiedelt war.
Dass vergleichsweise wenige Zeugnisse aus der mindestens 5000-jährigen Siedlungs.geschichte der Südbaar vorhanden sind, heißt also nicht, dass die Südbaar nicht besiedelt war, sondern dass Relikte nicht erforscht und Spuren verwischt sind oder noch gar nicht entdeckt wurden. Solche Entdeckungen sind meist zu-
Verwendete Literatur: 1 Reichelt, Günther: Die vorgeschichtliche Siedlung, in: Die Baar. Wanderungen durch Landschaft und Kultur, hg. von Dems., Vil.lingen-Schwenningen 1972, S. 95–100. 2 Reichelt, Günther: Die Baar. Wo Donau und Neckar entsprin.gen, Donaueschingen 1990. 3 Fingerlin, Gerhard: Siedlungen und Siedlungstypen. Südwest.deutschland in frühalamannischer Zeit, in: Ausst.-Kat. Die Ala.mannen, Stuttgart 1997, S. 125–134. 4 Geuenich, Dieter: Zwischen Loyalität und Rebellion. Die Ala.mannen unter fränkischer Herrschaft, in: ebd., S. 204-208. 5 Jänichen, Hans: Baar und Huntari, in: Grundfragen der ale.mannischen Geschichte. Mainauvorträge 1952 (Vorträge und Forschungen 1), Sigmaringen 1955, S. 83–148. 6 Münzer, Martin: Die Geschichte des Dorfes Hondingen, Blum.berg 1979. 7 Hall, Ewald M.: Zur Namenstruktur auf der Baar. Die Besied.lungsgeschichte der Baar aus der Sicht der Namenkunde, in: Alemannisches Jahrbuch (1997/98) S. 41–60. 8 Grees, Hermann: Die historische Entwicklung der Dörfer auf der Baar, in: Alemannisches Jahrbuch (1997/98) S. 79–136. 9 Münzer, Martin: Die Geschichte des Dorfes Neudingen. Mit Kai.serpfalz, Kloster Maria Auf Hof und Pfarrkirche, Neudingen 1973.
ger da gewesen wären, die diese Funde
dokumentiert oder gemeldet haben, wäre die Geschichte sicherlich noch weitaus lücken.hafter. Den Wert einer römischen Kupfermünze kann man heute leicht über das Internet fest.stellen – im Zweifelsfall ein paar Euro. Solche Münzen existieren tausendfach. Ihr archäolo.gischer Wert für die Geschichte eines Dorfes und des Landkreises insgesamt ist hingegen nicht bezifferbar und kommt der Allgemeinheit zu Gute. Daher soll an dieser Stelle ein Appell an alle gerichtet werden, die etwas Auffälliges finden oder in der Natur oder auf einer Bau.stelle beobachten, dass sie sich damit an die Denkmalbehörden und ihre ehrenamtlichen Beauftragten, die hiesigen Geschichtsvereine oder auch an das Kreisarchiv wenden, die die weiteren Kontakte mit den Fachleuten herstel.len können. Denn nur so kann sich das Mosaik unserer über 5000-jährigen, spannenden, hoch.interessanten und wechselhaften Geschichte nach und nach weiter vervollständigen.
10 Wacker, Karl: Der Landkreis Donaueschingen, Konstanz 1966. 11 Wagner, Heiko: Historischer Pfad Fürstenberg (Kulturhistori.sche Reihe der Stadt Hüfingen 15), Hüfingen 2017. 12 Borgolte, Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingi.scher und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie (Archäologie und Geschichte 2), Sigmaringen 1986. 13 Jenisch, Bertram: Die Siedlungsgenese Bräunlingens – vom Dorf zur Stadt, in: Spurensuche. „Die Bräunlinger und ihre Stadt“ (Schriftenreihe der Stadt Bräunlingen 2), Bräunlingen 2005, S. 6–37. 14 Nübling, Verena: Vor- und Frühgeschichte des Raumes Blum.berg, in: Die Geschichte der Stadt Blumberg, hg. von Joachim Sturm, Vöhrenbach 1995, S. 10–24. 15 Brather, Sebastian: Die frühmittelalterliche Baar aus archäolo.gischer Sicht, in: Tagungsband 817 – Die urkundliche Ersterwäh.nung von Villingen und Schwenningen, Thorbecke Verlag 2016 16 Jänichen, Hans: Baar und Huntari, Thorbecke Verlag 1952. 17 Koenigswald, von, Wighart: Säugetierreste aus Karsthohlräu.men der Schwäbischen Alb, in: Vom Schwarzwald zum Ries, hg. von Elmar P. J. Heizmann (Erdgeschichte mitteleuropäischer Regionen 2), München 1998, S. 139. 18 Keefer, Erwin: Frühe Menschen und Kulturen, in: ebd., S. 237.
Evangelisches Leben im Schwarzwald-Baar-Kreis
500 Jahre Reformation
von Horst Fischer
2017 blickten die evangelischen Christen auf den Beginn der Reformation vor 500 Jahren zurück, als am
31. Oktober 1517 Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlichte und damit die gewaltige Reformationsbewegung auslöste. Im Schwarzwald und auf der Baar ist die Entwicklung der Reformationsbewegung nie kontinuierlich gewesen und sie stand ganz im Schatten der großen politischen Ereignisse auf den Reichstagen in Worms, Speyer oder Augsburg.
7. Kapitel – Geschichte
Darstellung des Klosters St. Georgen (Mitte) mit Pe.terzell (vorne) und Nußbach (hinten) aus der Zeit der Reformation. Die Zeich.nung ist dem Klosterarchiv entnommen und findet sich im Buch „Geschichte der Stadt, des Klosters und Kirchspiels St. Georgen“ von Karl Theodor Kalchschmidt, erschienen 1895.
Die vielen sozialen Spannungen des Spätmit.telalters, vor allem in der Bauernschaft und den unteren Ständen, waren auch im Schwarz.wald und auf der Baar zu spüren. Die Schweiz, der Bodenseeraum und der Oberrhein waren nicht fern. Parolen des Bundschuh und der Bewegung des Roten Konrad griffen auch auf unsere Gegend über. Ideen der Freiheit und des „göttlichen Rechts“ – durch die Schriften Martin Luthers gefördert – waren auch hier zu vernehmen. In Donaueschingen, im Brigachtal, in Bräunlingen, Hüfingen, Fürstenberg, Wolter.dingen oder Vöhrenbach kam es zu Unruhen und Aufständen. Doch man kann schwerlich behaupten, dass die bäuerlichen Unruhen in un.serer Region maßgeblich die reformatorischen Bewegungen beeinflusst hätten.
Frühe Gründungen evangelischer Gemein.den und die Einführung der Reformation in der Frühzeit der Bewegung gab es ausschließlich in den Gebieten, die zum Herrschaftsbereich des württembergischen Herzogtums gehörten. Das Jahr 1534 wird in den Chroniken der einzelnen Kirchengemeinden als das entscheidende für die Einführung der Reformation genannt, als sich der zunächst vertriebene Herzog Ulrich nach seiner Rückkehr für die Einführung der Re.formation in seinem Herzogtum entschied.
Das Kloster St. Georgen kann für die refor.matorischen Vorgänge bereits im 16. Jahrhun.dert als ein gutes Beispiel angeführt werden. Das Benediktinerkloster wurde 1084 von Hirsau-er Mönchen in der Nähe der Brigachquelle auf dem „Scheitel Alemanniens“ (vertex Ale.manniae) gegründet und dem Heiligen Georg gewidmet. Es entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Klöster Südwestdeutschlands und im 12. Jahrhundert zu einem Mittelpunkt der Reform des Benediktinertums. Im Spätmit.telalter wurde es aber allmählich zum Opfer der Territorialisierung und befand sich in einem geistigen und religiösen Niedergang, als seit
sche Herzog Ulrich die Reformation einführte, war für die Ostbaar von entscheidender Bedeutung, denn sie wurde und blieb bis zum heutigen Tag weitgehend evangelisch.
1444 die Grafen und Herzöge von Württemberg nach und nach bis 1534 die gesamte Vogtei über das Kloster erlangten; seit 1536 unterstand es der württembergischen Landeshoheit.
Konfliktreiche Zeit für Kloster St. Georgen Dass Herzog Ulrich nach seiner Rückkehr in seinem Herzogtum 1534 endgültig die Refor.mation einführte, geschah zu einem großen Teil aus machtpolitischen Gründen in der Aus.einandersetzung mit Kaiser und Reich, weniger aus Glaubensüberzeugungen. Doch für den Abt und die Mönchsgemeinschaft war das eine existenzielle Glaubenssache. Über sie konnte auch der Landesherr nicht entscheiden. Für das Kloster begann eine lange, konfliktreiche Zeit; nach einem Ausweichen nach Rottweil fand es schließlich seine neue Heimat im österrei.chischen Villingen. In St.Georgen wurde 1566 Severinus Bertschin zum ersten evangelischen Abt ernannt, und das Kloster bildete den Mittel.punkt des Klosteramts St. Georgen. Doch in den Wirren der Zeit waren die Bewohner St.Geor.gens mehrmals gezwungen, die Konfession zu wechseln, selbst noch während des Dreißigjäh.rigen Krieges.
In den Auseinandersetzungen mit seinen Falkensteiner Schirmvögten hatte das Kloster seinen Besitz ständig ausgeweitet, so gehör.te auch Mönchweiler zum Klostergebiet und wurde somit zusammen mit St. Georgen 1536 evangelisch und erhielt 1539 eine eigene evan.gelische Pfarrei. Ebenso wie St. Georgen musste die Bevölkerung, ohne dass sie danach gefragt wurde, bis in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges zeitweise die Konfession wechseln.
Eine Besonderheit weist die Geschichte Tennenbronns auf: Seit 1500 war die Gemeinde dreigeteilt – zwischen dem württembergi.schen Amt Hornberg, dem österreichischen Amt Schramberg (ab 1594) und dem Kloster.amt St. Georgen. 1565 wurde Tennenbronn mit Buchenberg als Filiale als gemeinsame Pfarrei eingerichtet. Allerdings konnten katholische wie evangelischen Christen die Tennenbronner Kirche gemeinsam benutzen. Erst nach dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde 1649 die Kirche in Tennenbronn württembergisch und damit evangelisch.
Die Vorgänge auf der Ostbaar
Das Jahr 1534, als der württembergische Herzog Ulrich die Reformation einführte, war für die Ostbaar von entscheidender Bedeutung, denn sie wurde bis zum heutigen Tag weitgehend evangelisch. In der Reformationsgeschichte scheint Tuningen eines der wenigen Beispiele zu sein, wo die Reformation nicht nur von oben gekommen ist, denn die Chronik vermerkt, dass 1537 die Tuninger Bürger die Reformation annahmen, nachdem bereits 1535 der letzte ka.tholische Priester nach der Visitation durch den Reformator Ambrosius Blarer den Ort verlassen hatte. Dieser kam aus Konstanz und stand im Dienst von Herzog Ulrich.
Eine evangelische Tracht
Von Schwenningen geht in der Frühzeit der Reformation keine große Wirkung aus; wie die Gemeinden in der Umgebung unterstand es der Einführung der Reformation in Württemberg. Rein äußerlich kann man dies heute noch in der Entwicklung einer besonderen evangelischen Form der Schwarzwälder Tracht, vor allem bei den Frauen, erkennen. Die kirchliche Ortschronik vermerkt nur, dass das Dorf mit seiner Bevölke.rung bereits in den Bauernkriegen 1525/26 vom
Die evangelische Tracht von Schwenningen nach einer historischen Lithografie aus dem 19. Jahrhundert.
österreichischen Villingen zerstört wurde. Das gleiche Schicksal erfuhr es im Dreißigjährigen Krieg, und erst 1699 konnte mit dem Bau einer neuen Kirche begonnen werden.
Das 19. Jahrhundert war für die Entwicklung Schwenningens von entscheidender Bedeutung, als durch die Entwicklung der Uhrenindustrie – es entstanden Weltfirmen wie Mauthe, Kienzle, Schlenker oder Haller – ein enormer Zuzug von meist evangelischen Arbeitskräften zu verzeich.nen war. In gesellschaftspolitischer Hinsicht profitierte weniger das evangelische Gemein.deleben als vielmehr die sozialistische Arbei.ter- und Gewerkschaftsbewegung von dieser Entwicklung.
Trennung im Alltagsleben
Auf der Ostbaar bildete Tuttlingen so etwas wie ein reformatorisches Zentrum, und so konnte sich die neue Glaubensrichtung nach Öfingen und den Umlandgemeinden Oberbaldingen, Biesingen und Sunthausen ausbreiten. Aber erst seit 1558 gab es den ersten evangelischen Pfar.rer in Öfingen, der auch die Nachbargemeinde Oberbaldingen mit versorgen musste. Die Evangelischen der Ostbaar sollten jedoch bis ins 19. Jahrhundert warten, bis in Öfingen die erste evangelische Kirchengemeinde gegründet wur.de. Die heutige Kirchengemeinde Oberbaldingen bildet im Kirchenbezirk Villingen seit 1946 eine Besonderheit, als Pfarrer Emil Koch als Mitbe.gründer des EC (Entschieden für Christus) den evangelistischen und missionarischen Gemein.deaufbau mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit begann. Die Gemeinde gehört aber weiterhin der Badischen Landesskirche an.
Für das kirchliche Leben auf der Ostbaar ist bis ins 20. Jahrhundert eine deutliche Trennung zwischen katholisch und evangelisch gepräg.tem Alltagsleben bemerkbar, die durch die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Konfes.sionen besonders deutlich wurde. Katholische Bauern mussten sich von ihren Pfarren sagen lassen, dass eine Beschäftigung evangelischen Gesindes sündhaft sei, wie zum Beispiel den Kirchenbüchern Sunthausens zu entnehmen ist. Der Pfarrer dort drohte 1629 seiner Ge-
Ostbaar ist bis ins 20. Jahrhundert eine deutliche Trennung zwischen katholisch und evangelisch gepräg.ten Alltagsleben bemerkbar.
meinde, die Sakramente nicht mehr zu spenden. Er forderte die Bauern auf, lieber einen schlech.ten katholischen, als einen guten evangelischen Knecht einzustellen.
Konfessionsverschiedene Ehen wurden bis vor wenigen Jahrzehnten als Mischehen diffa.miert und von katholischer Seite als fast „sün.dig“ angesehen. Selbst, dass evangelische Paten ihr Patenkind bei der Taufe aus dem Taufbecken der katholischen Kirche hoben, war verpönt. Ein besonders krasses Beispiel sind z.B. auch die zusammengewachsenen Gemeinden Oberbal.dingen (ehemals württembergisch) und Unter.baldingen (fürstenbergisch). Dort soll der ka.tholische Pfarrer Unterbaldingens noch in den 1970er-Jahren streng darauf geachtet haben, dass seine Ministranten nicht mit den „Ketzern“ aus dem Nachbardorf Fußball spielten.
Evangelisches Leben im Zeichen des landesherrlichen Kirchenregiments
Schon im Laufe des 16. Jahrhunderts schlossen sich einige deutsche Fürsten und Landesherren der Reformation der Kirche nicht nur aus religi.ösen Gründen an, sondern in der Machtausei.nandersetzung mit Kaiser und Reich sahen sie einen bedeutenden Machtgewinn. So entstan.den schon bald unter ihrer Obhut landeskirch.liche Ordnungen, und die Fürsten bekamen die Funktion von Notbischöfen, was man später allgemein unter dem Begriff „Thron und Altar“ verstand.
1556 führte der Markgraf von Baden-Durlach in seinem Gebiet die Reformation ein und zwar in der lutherischen Form. Dies war nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 wichtig, da in den katholischen und lutherischen Gebieten der Grundsatz galt: „Cuius regio, eius religio“ – der Landesherr bestimmt die Konfession seiner Untertanen. Der Markgraf war Oberhaupt der Kirche – „summus episcopus“ – und vereinigte in seiner Person die weltliche und kirchliche Macht. Diese Funktion hatte dann auch der Großherzog seit 1806 im neugebildeten Groß.herzogtum Baden inne – nach den beträchtli.chen Gebietserweiterungen im Zuge der Säku.larisierung und Mediatisierung.
Die Besonderheiten, die sich aus diesem Verhältnis von Großherzog und evangelischer Kirche ergaben, zeigt sich wohl nirgends so deutlich wie am Beispiel Donaueschingen. Hier hatte mit der Bildung des Großherzogtums Ba.den das (katholische) Haus Fürstenberg die po.litische Souveränität über sein Fürstentum 1806 verloren und gehörte zum neu geschaffenen Großherzogtum Baden.
So war die Heirat des jungen Fürsten Karl Egon II. am 19. April 1818 mit der badischen Prinzessin Amalie Christine, Tochter des Groß.herzogs Karl Friedrich aus dessen zweiter Ehe, zunächst eine politische Angelegenheit. In dem Ehevertrag wurde festgelegt, dass die Fürstin Amalie evangelisch blieb – sie war lutherischen Glaubens – und einen Hofprediger bekam. Die.ser hielt Gottesdienste im Schloss – zunächst in den Privatgemächern der Fürstin, dann in der neu eingerichteten Amalienkapelle für alle Evangelischen in der Stadt. Dabei handelte es sich um meist fürstenbergische hohe und mitt.lere Beamte sowie Angehörige des badischen Bezirksamts. Für das junge Paar, für das die Ehe menschlich gesehen eine Liebesheirat war, war die Heirat sicher auch eine Art „Win-Win-Situa.tion“, denn für den Fürsten, den 1. Vizepräsiden.ten der badischen Ständekammer, hatte die en.ge verwandtschaftliche Beziehung zum Hause Baden ein enorm politisches Gewicht. Und für die Fürstin Amalie als Prinzessin ohne Erbbe.rechtigung bedeutete die Ehe gesellschaftliche Aufwertung.
Der Tag der Hochzeit kann also mit Fug und Recht als der Beginn evangelischen Lebens in der rein katholischen Residenzstadt Donau.eschingen bezeichnet werden. Ein gemeinde-ähnliches Leben entwickelte sich nur langsam, und nach dem Tod der Fürstin Amalie wurden die evangelischen Gottesdienste in einem Raum des Museumsgebäudes abgehalten. Erst 1870 bildete sich die Evangelische Genossenschaft, und 1876 konnte die erste evangelische Kirche an der Brigach, am Rande der Residenzstadt, ge.baut werden. Doch die Ernennung zur Kirchen.gemeinde durch Großherzog Friedrich I. erfolgte erst am 7. März 1878.
Die Fürstin Amalie war in der gesamten, überwiegend katholischen Bevölkerung sehr beliebt, dennoch kann von einer ökumenischen Gemeinschaft nicht gesprochen werden, denn evangelische Christen waren hauptsächlich in der oberen Mittel- und Oberschicht vertreten, vornehmlich in der fürstenbergischen und groß.herzoglichen Beamtenschaft. Und zudem galten sie als Zugezogene. Daran sollten die Nähe zum Landesherrn, dem Großherzog, und ab 1900 die jährliche Anwesenheit des deutschen Kaisers Wilhelm II. nichts ändern. Er war „summus epis.copus“ aller evangelischen Christen im Reich und weilte als Gast seines persönlichen Freun.des, des Fürsten Max Egon II. zu Fürstenberg, in Donaueschingen.
Villingen feiert 1854 den ersten evangelischen Gottesdienst
Ein zweites Beispiel der Gründung einer evan.gelischen Gemeinde in unserer Region unter der großherzoglichen Ägide ist Villingen, die aber weit weniger spektakulär verlief. In der Gemein.dechronik ist bis Mitte des 19. Jahrhunderts nur von wenigen evangelischen Bewohnern im Villinger Bereich die Rede. Die Zahl muss bis ins Jahr 1852 aber so angestiegen sein, dass der Antrag der bestehenden Evangelischen Genossenschaft auf Umwandlung in eine Kirchengemeinde gestellt wurde. 1854 wurde im Saal des Strafgerichts (heute Amtsgericht) der erste evangelische Gottesdienst gefeiert. Doch erst nach Weihung der Johanneskirche, der ehemaligen Kirche des Johanniterkonvents (gebaut im 14. Jahrhundert), zur evangelischen Kirche wurde am 22. April 1862 die evangelische Kirchengemeinde Villingen als Filialkirche von Mönchweiler errichtet. 1902 erhielt sie eine ei.gene Pfarrstelle.
Evangelisches Leben in den Villinger Um.landgemeinden ist nur im Zusammenhang mit den evangelischen Gemeinden wie Mönchwei.ler, Villingen oder Bad Dürrheim zu sehen. Heu.te gibt es die Jakobusgemeinde mit Dauchin.gen, Niedereschach, Weilersbach, Fischbach, Kappel, Schabenhausen, die Matthäusgemeinde mit Marbach, Klengen, Kirchdorf, Überauchen, Tannheim und Rietheim; Unterkirnach ist Teil der Paulusgemeinde Villingen.
Evangelisches Leben in der Diaspora im 19. und 20. Jahrhundert
Das Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises befand sich außerhalb der bereits be.handelten Orte, die von der württembergischen Reformation im 16. Jahrhundert geprägt waren,
Die Christuskirche in Donaueschingen – das ursprüngliche Orgelgitter mit den drei Stifter.wappen (von links) des Großherzogs, des Kaisers und des Fürsten von Fürstenberg wurde 1996 wiederhergestellt.
einschließlich Donaueschingen und Villingen, in einer reinen Diasporasituation. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Wiederaufbau der Kirche in Donaueschingen vom Gustav-Adolf-Werk, das die evangelischen Gemeinden in der Diaspora auf der ganzen Welt unterstützt, bezu.schusst. Die Ausbreitung evangelischen Lebens im 19. bis weit ins 20. Jahrhundert hatte am we.nigsten religiöse oder reformatorische Gründe, sondern war durch Zuzug aus wirtschaftlichen und industriellen Veränderungen, gesellschaft.liche Entwicklungen und Flüchtlingsbewegun.gen, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, als Ursachen bedingt.
1828 registrierte man in Triberg vier evange.lische Einwohner, deren Zahl sehr langsam stieg und die seit 1846 von St. Georgen, später von Hornberg aus, betreut wurden. Einen erhebli.chen Einfluss auf die steigende Zahl von Evan.gelischen hatte zwischen 1860 und 1870 der Bau der Schwarzwaldbahn mit dem Zuzug von Arbeitskräften, so dass schon 1879 eine evange.lische Gemeinde auf Initiative des Hornberger Pfarrers Reuther gegründet wurde, beim ersten Gottesdienst zählte man immerhin 60-100 Be.sucher, und am 13. November 1898 konnte die Triberger Kirche eingeweiht werden.
Seit Mitte des 19. Jahrhundert lebten we.nige Evangelische in Furtwangen, und schon 1869 entspricht der Oberkirchenrat in Karlsruhe der Bitte um evangelische Gottesdienste in der Stadt. Die Gründung der ersten deutschen Uhrmacherschule durch den Ingenieur Robert Gerwig, der auch den Bau der Schwarzwald.bahn plante, hat wohl einen spürbaren Anteil am Anstieg der Evangelischen. Besonders aber der Zuzug evangelischer Arbeiter, hervorgerufen durch die sich immer mehr entwickelnde Uh.renindustrie – ähnlich wie in Schwenningen. Im September 1901 kann die evangelische Kirche in Furtwangen eingeweiht werden. Eine Kirche, in der im Dritten Reich auch Nazi-Gegner zu konspirativen Treffen zusammenkamen. In den 1970er-Jahren wurde in Furtwangen zudem das einzige evangelische Studentenwohnheim im Landkreis erstellt.
Vor dem Krieg gibt es nur wenige evangeli.sche Christen in den benachbarten Gemeinden Vöhrenbach und Gütenbach, die von der Furt.wanger Gemeinde mit betreut wurden. Nach dem Krieg kam es durch die vielen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in Vöhrenbach, die sich im kirchlichen Bereich sehr engagierten, 1953 zum Bau der evangelischen Kirche. Auch in Gütenbach wurde 1972 eine eigene evangelische Kirche gebaut. Erst am 1. September 2013 wur.den die drei Kirchengemeinden Furtwangen, Vöhrenbach und Gütenbach zur Gesamtge.meinde Furtwangen vereinigt.
Industrielle Entwicklung beeinflusst das kirchliche Leben stark
Blumberg, die südlichste Gemeinde des Land.kreises, ist sicherlich das beste Beispiel dafür, wie die industrielle Entwicklung das kirchliche Leben beeinflusst. 1937 wurde im Dritten Reich der Doggererzbergbau eröffnet, und unter den Bergleuten aus allen Teilen Deutschlands waren auch viele Evangelische, so dass schon 1939 eine evangelische Kirchengemeinde mit rund 300 Gemeindegliedern mit staatlicher Genehmi.gung (!) errichtet wurde. Die Gemeinde erfuhr nach dem Krieg 1945 eine starke Zunahme durch Vertriebene und Flüchtlinge, und 1956 wurde die ehemalige umgebaute altkatholische Kirche als evangelische Kirche eingeweiht.
Bad Dürrheim gehörte bis 1806 zum König.reich Württemberg, weshalb es erstaunlich ist, dass in der Chronik erst 1848 von einer evan.gelischen Familie Götz, die sich in Dürrheim ansiedelte, die Rede ist. Weitere Evangelische folgten, so dass 1869 der erste Gottesdienst für sie im Kassengebäude der Salinenverwaltung stattfand. Durch die Entwicklung des Kurbe.triebs, durch das Solebad, kam es zu einer Ver.größerung der evangelischen Diasporagemein.schaft, die 1928 zur Kirchengemeinde erhoben wurde. Seit 1910 gab es schon eine kleine Kirche in der Ludwigstraße, und 1961 wurde dann die neue Johanneskirche eingeweiht. Angesichts der außerordentlich starken Entwicklung des Kurbetriebs wurde 1977 der erste hauptamtliche Kurseelsorger eingeführt.
Die evangelische Kirchengemeinde Hüfin.gen-Bräunlingen besteht mit eigenem Pfarramt erst seit 1970. Seit 1937 gab es schon die Hü.finger Kirchengemeinde, betreut von Donau.eschingen, mit einem eigenen evangelischen Pfarrer seit 1950; und die neue Friedenskirche wurde 1955 eingeweiht. 1969 wurde die Aufer.stehungskirche in Bräunlingen gebaut, so dass dann die gemeinsame Kirchengemeinde gebil.det werden konnte.
Die besondere Geschichte der Kirchengemeinde Königsfeld
Die evangelische Gesamtkirchengemeinde Königsfeld hat eine ganz besondere Geschich.te. Denn Königsfeld ist eine Gründung der Herrnhuter Brüdergemeine aus dem Jahr 1806 nach Erlaubnis des Königs von Württemberg. Die Herrnhuter blieben aber nicht lange unter sich, denn nach dem Bau der Schwarzwaldbahn entwickelte sich Königsfeld ab 1873 zu einem beliebten Kurort, und der Anteil der Bürger, die nicht der Brüdergemeine angehörten, stieg ste.tig. 1902 wurde Königsfeld eine badische Land.gemeinde, und 1952 wurde zwischen der Brü.dergemeine und der Badischen Landeskirche ein einmaliger Vertrag geschlossen: Evangelische Gottesdienste werden seitdem im Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine gehalten, ab.wechselnd nach der Ordnung der Landeskirche und der Brüdergemeine, die Geistlichen tragen Talar oder Anzug, auch beide Gesangbücher werden benutzt. Die Bezeichnung „Evangelische Gesamtgemeinde Königsfeld“ hat sich seitdem eingebürgert.
Die neue evangelische Kirche in Furtwangen und das in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Pfarrhaus.
Zu den ältesten Gotteshäusern im Schwarzwald-Baar-Kreis zählt das Nikolauskirchlein in Königsfeld-Buchenberg. Die erste gesicherte Anga.be stammt aus einem Zehntbuch über Abgaben für die Kreuzzüge von 1275. Nach der 1534 in Buchenberg erfolgten Reformation wurde aus der katholischen eine evangelische Kirche. Die kostbaren Fresken aus dem
15. Jahrhundert wurden weiß übertüncht und blieben so fragmentarisch teils bis heute erhalten.
Die Hofkapelle zu Beckhofen
von Josef Vogt
Abreißen, umbauen, neu aufbauen, renovieren? Diese Fragen stellten sich die Eigentümerfamilien Maier und Hirt aus Beckhofen, als sie 1989 vor dem desolaten Erbe ihrer Vorfahren standen – der einstigen Hofkapelle. Es war wohl das Gespür für die Verantwortung um ein kulturgeschichtliches Erbe, das sie zunächst zum Kulturamt ins Landratsamt führte, um sich Rat für ihr Vorhaben zu holen. So blieb ein kirchengeschichtlich kostbarer Ort erhalten, ein großartiges Zeugnis früherer Volksfrömmigkeit. Die Kapelle wurde vorbildlich saniert und erfährt heute eine liebevolle Betreuung. Erstmals erwähnt ist sie im Jahr 1616 – ihr Baujahr ist unbekannt.
Wenn von der Gemeinde Brigachtal die Rede ist, so wird meist von den drei großen Ortsteilen Kirchdorf, Klengen und Überauchen gesprochen. Dabei wird übersehen, dass es genau genom.men auch noch einen „vierten Ortsteil“ gibt, nämlich Beckhofen. Dieser südwestlich von Klengen gelegene Weiler war bis zum Jahr 1924, als er nach Klengen eingemeindet wurde, ein „gemeindefreies Gebiet“. Er befand sich somit seit der Säkularisierung im Jahr 1805 im Besitz des Landes, hatte jedoch keine Gemeindever.tretung (Gemeinderat), keine ortspolizeiliche Verwaltung und wurde lediglich durch einen Obmann bzw. Ortsvorsteher verwaltet. Und obwohl dieser Ortsteil mit seinen „936 Jauchen“ (ca. 337 ha Land und Waldfläche) nie mehr als 40 Einwohner zählte, die ursprünglich zwei gro.ße Höfe, später auch einen ehemaligen Gasthof
Beatrix und Dietmar Maier mit Günter Hirt vor der Hofkapelle. Dass die Kapelle heute ein Kleinod im Landkreis darstellt, ist auch der Initiative ihrer Besitzer zu verdanken, die ihre Sanierung in den 1990er-Jahren größtenteils in Eigenarbeit bewerkstelligten.
und heute zwei weitere Wohngebäude bewoh.nen, lassen sich seine geschichtlichen Zeugnisse durchaus mit denen der drei anderen Ortsteile von Brigachtal messen.
Die Kapelle bestand bereits im Jahr 1616
Für nahezu 700 Jahre blieb Beckhofen zunächst im Besitz des Klosters St. Georgen, was durch Urkunden und Lehensbriefe dokumentiert ist. Fortan wurden die beiden Höfe, der Untere Hof oder Dinghof und der Obere Hof, als Lehen ver.geben. Eine Weiterentwicklung der Ansiedlung wurde dadurch vermieden; die zwei Höfe schie.nen dem Kloster St. Georgen zur Verwaltung seines Besitzes im Brigachtal zu genügen. Wie wichtig dieser Besitz allerdings für das Kloster war, geht daraus hervor, dass der Untere Hof als sog. „Freier Hof“, „Meyerhof“ oder auch als „Dinghof“ bezeichnet wurde. Nur große und wichtige Höfe erhielten diese Bezeichnung.
In diese Zeit fällt wohl auch die Errichtung einer Hofkapelle als Zeichen der Vorrangstel.lung des Hofes. Wir wissen zwar nicht das genaue Erbauungsdatum, wohl aber erteilt
Der Weiler Beckhofen mit der Hofkapelle neben dem Anwesen Maier, unmittelbar am Ufer der Brigach liegend.
Theodor Fürstbischof von Konstanz 1616 die überliefert, dass die Kapelle baufällig war und Erlaubnis, dort für sieben Jahre das Mess-repariert werden musste. Nach dem Protokoll opfer darzubringen. Und aus dem Jahr 1667 ist von 1685 „pfarrte“ der Dekan Josef Mötz von
Villingen die Beckhofer nach Kirchdorf ein. Die
gläubigen Beckhofer hatten zu versprechen, Dietmar Maier läutet die Grüninger-Glocke aus dem „allzeit am Sonntag nach Kirchdorf in die Kirch Jahr 1802. zu gehen“ und dem Pfarrer das „Hafergeld“ zu
Die Kapelle bietet Platz für bis zu 30 Besucher – der Altar stammt aus der Kirche von Klengen.
zahlen, wenn er zur Messlesung am Werktag in die Kapelle nach Beckhofen kam.
1802 erhält die Kapelle eine feinklingende Glocke, die Meinrad Grüninger aus Villingen für Josef und Ursula Hirt goss, so deren Inschrift. Auf der Rückseite der Glocke befindet sich eine Darstellung von Christus am Kreuz.
Im Zuge der Säkularisation von 1805 wurde der gesamte Besitz des Klosters St. Georgen verstaatlicht, so auch Beckhofen. Das bedeute.te, dass der vorderösterreichische Besitz 1805 zunächst an Württemberg und ein Jahr später dem Großherzogtum Baden einverleibt wurde. Im geographischen Lexikon des Großherzogtum Baden aus dem Jahre 1813 steht über Beckhofen: „Zwey Höfe mit 33 Seelen und einer eigenen Ge.markung im Bezirksamte Villingen am rechten Ufer der Brigach.“
Hofkapelle wechselt in Privatbesitz
Im Zuge der gebietlichen Neustrukturierung konnten die ehemaligen Pächter der Höfe diese vom Staat kaufen. So ist überliefert, dass der Lehensbauer den Unteren Hof unmittelbar vor seinem Tod erworben hat und seine „Wittib“ (Witwe) Mühe hatte, das notwendige Geld aufzubringen. Es ist anzunehmen, dass zum Hofkauf auch die Kapelle gehörte und diese so.mit Privatbesitz wurde. Die Messe wurde weiter gehalten, aus einem Schreiben vom 19. August 1816 erfahren wir: „Mittelst Schreiben des hochwürdigen Fürstbischof Theodor wurde die Darbringung des hl. Meßopfer auf sieben Jahre unbeschadet des Pfarrgottesdienstes erlaubt.“ Seither war es üblich, dass je nach Pfarrversor.gung – gewöhnlich wöchentlich, mindestens jedoch monatlich – ein Werktagsgottesdienst gehalten wurde. Ob dieser Anordnung immer nachgekommen wurde, ist nur spärlich überlie.fert. In der Regel hing es immer vom jeweiligen Pfarrer bzw. Pfarrverweser ab, wie gut er sich mit den Einwohnern verstand bzw. wie gut die.se der Pflicht nachkamen, den Pfarrer für seine Dienste zu alimentieren.
Frühe Sanierung und Auseinandersetzungen
Als Pfarrer Stephan Wehrle 1874 in Kirchdorf die Pfarrstelle antrat und damit auch für den Weiler Beckhofen zuständig wurde, begann für die Ka.pelle offenbar eine bessere Zeit. Allerdings kam es auch zu unerfreulichen Auseinandersetzun.gen zwischen Pfarrer und den Eigentümern wie Briefe und Aufzeichnungen widerspiegeln. So berichtet Pfarrer Wehrle in einem Brief an das Ordinariat: „Bei meinem Dienstantritt im Jahre 1874 fand ich die Kapelle in einem baufälligen und verwahrlosten Zustand, der Kelch und die Paramente waren derart vernachlässigt, der Altartisch mit einem Plunder, mit Glastafeln verstellt, daß Pflicht und Gewissen, selbst den natürlichen Abscheu, an solcher Stelle die hl. Messe zu feiern, mir dies verboten.“
„Gottesdienst ist nicht zahlreich besucht“
Ein Beckhofer wollte die Kosten für die jetzt folgende Sanierung der Kapelle nicht mittragen, verlor aber vor Gericht und bezahlte schließlich doch. Der Pfarrer: „Während des Rechtsstrei.tes konnte ich mich nicht entschließen, in der Kapelle zu Beckhofen die hl. Messe zu feiern. Auch habe ich die Meinung, eine Monatsmesse in Beckhofen wäre etwas viel. Im Sommer und Winter wird der Gottesdienst in Beckhofen nicht zahlreich besucht. Es sind 4 Wohnhäuser und oft waren nur 2 Personen aus einem Hause in der Kapelle.“
Über die Situation in Beckhofen berichtet der Pfarrer in aller Ausführlichkeit, betont, bei diesem Priestermangel sei eine Monatsmesse „für einen älteren und einzigen Priester mit Sitz in Kirchdorf eine Last“.
Weiter führt er an: „Obgleich ich mich, durch bittere Erfahrungen belehrt, entschlossen hatte, die Kapelle in Beckhofen ihrem Geschicke und dem guten Willen der Eigentümer zu überlas.sen, so ließ ich mich wieder bereden und sorgte dafür, daß die alten Kreuzwegstationen von der Kirche in Klengen nach Beckhofen kommen. Den geschenkten Altar (von Klengen) für die Kapelle haben sie mit Widerwillen angenommen, weil er Kosten wegen der Restauration verursachte. Deshalb hat der kath. Stiftungsrat in Klengen beschlossen, die entbehrlich gewordenen 14 Kreuzwegstationen nicht mehr zu schenken, sondern dafür 5Mk. 50 Pfg. für den Kirchenfond in Klengen zu fordern, was auch geschah und bezahlt wurde. Ob die Stationen den übrigen Beckhofer genehm waren, kann nicht gesagt werden. Es scheint, daß kirchliche Gegenstän.de, zumal wenn sie Geld kosten, nicht genehm sind.“
Über die Kreuzwegstationen ist in einem Protokoll vom 5. September 1877 folgendes zu lesen: „Die 14 Kreuzwegstationen befanden sich in einem mangelhaften und verwahrlosten Zu.stande“. Die ledige Carolina Hirt von Beckhofen, Tochter des Lorenz Hirt und der Maria Josefa Kupferschmitt, hat die alten Stationen für die Kapelle zu Beckhofen angekauft und dem
Rechts: Eine wertvolle barocke Arbeit ist die Strahlen.madonna eines unbekannten Meisters, die auf einem Apfel mit der Schlange thront. Der Marienaltar der Beckhofer Kapelle stand früher in der Kirche von Klen.gen. Aus eigenen Mitteln hätte sich der Weiler so eine wertvolle künstlerische Ausgestaltung der Hofkapelle kaum leisten können.
Links: Altarmalerei, ein betender Mönch.
Zum Altar der Kapelle gehören zwei Heiligenfiguren: Links der Heilige Josef mit Jesuskind und Lilie, rechts der Heilige Antonius, der als Franziskaner mit dem Jesuskind auf dem Arm und einer Lilie in der Hand dargestellt ist.
Kirchenfond Klengen bezahlt. Wie sehr das Ver.hältnis zwischen Pfarrer Wehrle und den Beck.hofenern gestört war, zeigt auch die Tatsache, dass der Pfarrer die restaurierten Kreuzwegsta.tionen am 17. März 1878 in Kirchdorf gesegnet hat, diese aber dann ohne ihn nach Beckhofen gebracht wurden, da er seit 1876 die Kapelle nicht mehr betreten wollte.
So mussten die Beckhofer geduldig auf eine Änderung des pfarrerlosen Zustandes warten. Er kam 1891, als Pfarrer Wehrle Kirchdorf verließ, und ein neuer Pfarrer die dortige Pfarrstelle übernahm. Sogleich schrieben die Beckhofener am 19. Dezember 1891 einen Brief an das Or.dinariat: „Nachdem nun unsere Pfarrei durch einen jungen sehr eifrigen und wertgeschätzten Priester besetzt ist, der nach unserem Dafür.halten den Weg von Kirchdorf nach Beckhofen mit größter Bereitwilligkeit machen würde, erlauben wir uns, an Hochwürdiges Erzbischöf.liches Ordinariat die ergebenste Bitte zu stellen, daß Pfarrer Lehmann zu Kirchdorf die Weisung erhält, wie seinerzeit alle Monate ein Messe in unserer Kapelle zu feiern.“
Offensichtlich hatten die Beckhofer im neu.en Amtsverweser August Lehmann ebenfalls ei.nen guten Fürsprecher für ihr Anliegen, der sich für sie einsetzte. Über Beckhofen berichtete er: „Der kleine Weiler zählt jetzt alles im allem 38 Personen, in der Nähe ist ein Bahnwärterhaus, 600 Schritte von der Kapelle die sogenannte Heergasse mit 10 bewohnten Häusern, auch von diesen wird der Gottesdienst besucht.“
Beide Bittbriefe verfehlten nicht ihre Wir.kung, denn in einem Beschluss vom 21. Januar 1892 wird für die Beckhofer-Kapelle die Messe wieder zugelassen.
Eingemeindung nach Klengen
Eine starke Zäsur für den Ort brachte das Jahr 1924: Am 22. Mai 1924 stimmte der Bürgeraus.schuss der Gemeinde Klengen einer Vereinigung mit der Gemarkung Beckhofen zu. Für die Kapel.le änderte sich zunächst nichts. Die jeweiligen Pfarrer machten bis in die 1960er-Jahre auch in Beckhofen von Zeit zu Zeit ihren Dienst. Da der Kirchenbesuch jedoch regelmäßige Gottes.dienste nicht mehr rechtfertigte, wurden diese eingestellt, was zur Folge hatte, dass die Pflege des Inneren der Kapelle vernächlässigt wurde. Zwar wurde nach 1945 die Kapelle von außen wieder in Stand gesetzt, das Schindeldach durch ein Kunstschieferdach ersetzt. Im Inneren ver.ursachte aber mangelnde Lüftung und eindrin.gendes Wasser immer sichtbarere Schäden, die letztendlich 1989 die heutigen Eigentümer vor die Frage stellte: abreißen, umbauen, neu auf.bauen, renovieren?
Durch eine Anfrage beim Kulturamt des Landratsamtes wurde schnell klar: An einen Abriss war nicht zu denken. Ein dickes Akten.bündel machte deutlich, dass die Beckhofer Hofkapelle ein hochwertiges Kulturgut darstellt, das über den Schwarzwald-Baar-Kreis hinaus von Bedeutung ist.
Renovierung mit viel Eigenarbeit
Das Landesdenkmalamt sagte Zuschüsse für die Renovierung zu. Nachdem sich die Eigentümer.familien Hirt und Maier geeinigt hatten, dass sie die Kapelle in jedem Fall erhalten wollen, wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Kostenvor.anschläge und Bilder der Hofkapelle wurden an das Landesdenkmalamt nach Freiburg geschickt, das seinerseits einen beachtlichen Zuschuss zu.sicherte. Weiter spendete die Bevölkerung über
16.000 Mark für die Sanierung der Kapelle.
Als Erstes wurde in Eigenarbeit damit be.gonnen, eine Drainage zu verlegen. Danach machte man sich an die Dachsanierung, um den Innenraum trockenzulegen. Erst danach konnte der Putz innen und außen erneuert werden. Nachdem alles gut trocken war, konnte die inzwischen fachmännisch restaurierte Ein.richtung wie Altar, Kreuzwegtafeln und Figuren wieder an ihren angestammten Platz gebracht werden.
Dank unzählig vieler freiwillig geleisteten Arbeitsstunden durch die Eigentümerfamilien sowie deren Freunde und Bekannte konnte im Mai 1995 wieder eine vorzeigbare Kapelle der Öffentlichkeit präsentiert werden. Bis heute ist die Kapelle viel besucht – ein Kleinod im Schwarzwald-Baar-Kreis. Führungen werden gerne in Anspruch genommen und gerne ge.währt.
Beatrix Maier sorgt in der Hofkapelle für Blumenschmuck. Im Weiler Beckhofen wird die Kapelle immer wie.der auch für einen Gottesdienst oder wie auf dem Bild rechts für eine Taufe genutzt, hier durch den früheren Vöhrenbacher Stadtpfarrer Bernhard Adler.
Die Erfindung des „Barockkuckucks“
Leben und Wirken des Uhrmachers Robert Hermann (1910 – 1982) von Dr. Johannes Graf, Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen
„Barockkuckuck“, durch Robert Hermann in den 1950er-Jahren zusammengefügt aus Teilen des 18. bis 20. Jahrhunderts (Deutsches Uhrenmuseum, Inv. 03-2202).
Am 15. März 1941 heirateten der Feinmechaniker Robert Herrmann und die Saalschreiberin Maria Staiger in der Triberger Wallfahrtskirche. Dabei passierte ein folgenreiches Missverständnis: Wohl aus Aufregung hatte das Ehepaar übersehen, dass der Familienname auf den amtlichen Urkunden nur mit einem „r“ geschrieben worden war. Als der Fehler bemerkt wurde, war es zu spät. Eine Änderung der Unterlagen wäre sehr aufwändig geworden, zumal in Kriegszeiten. Das Paar gab sich pragmatisch. Der Ehemann unterschrieb seitdem mit „Robert Hermann“. In der Nachkriegszeit sollte Robert Hermann mit dem Handeln und Reparieren von alten Uhren Geschichte schreiben. Wie kaum ein anderer hat er in den 1950er- und 1960er-Jahren das Bild geprägt, das sich Uhrensammler von Kuckucksuhren und anderen historischen Schwarzwalduhren machten. Hier soll erstmals an diese einflussreiche Persönlichkeit erinnert werden.
Traditionell waren es die Frauen, die bei der Hei.rat ihren Geburtsnamen abgeben mussten. In diesem Fall wurde es auch dem Mann bei jeder Unterschrift bewusst, dass er mit dem Namens.wechsel ein neues Leben begonnen hatte. Wie radikal sich das Leben des Feinmechanikers durch einen Schicksalsschlag kurz nach der Hochzeit ändern sollte, wird im Folgenden erzählt.
Robert Her(r)manns Lebenslauf
Am 4. April 1910 war Robert Hermann als sechstes Kind von Josef Herrmann und seiner Frau Theresie, geborene Gässler, in Furtwangen auf die Welt gekommen. Der in Dubenitz (Böhmen) geborene Vater war als Holzbildhauer tätig. Auch seine Frau Theresie hatte eine Ausbildung an der Furtwan.ger Schnitzereischule erhalten. Nach einer Lehre als Feinmechaniker arbeitete Robert Hermann bei Kienzle Apparate in Villingen. Der Hersteller von Taxametern und anderen Geräten hatte sich Anfang der 1930er-Jahre von der gleichnamigen Schwenninger Uhrenfabrik getrennt. Aus der Ehe mit Maria Staiger (04.04.1908 – 14.08.1996) gingen zwei Mädchen hervor, Waltraud Maria (*1941) und Christa Rosemarie (*1943).
Die Geburt der Kinder fiel in eine doppelt schwierige Zeit: Es war Krieg, und 1941 hatte Robert Hermann einen Schlaganfall erlitten. Sein rechtes Bein blieb gelähmt. Weitere gravie.rende gesundheitliche Einschränkungen konnte er dank der Unterstützung seiner Frau Maria in den Griff bekommen. Einer regelmäßigen Arbeit konnte Hermann nicht mehr nachgehen. Die Rente des 31-Jährigen reichte nicht, um die vier.köpfige Familie zu ernähren. Deshalb verdiente er sich in Heimarbeit, unter anderem für Kienin.ger und Obergfell (St. Georgen), ein Zubrot. Er begann, Uhren zu reparieren.
1943 floh die Familie nach Pfohren bei Do.naueschingen. Hermann erhoffte sich, auf dem Land von den Folgen des Krieges verschont zu bleiben. Auch hier hielt er die Familie mit Uh.renreparaturen über Wasser.
Unmittelbar nach Kriegsende kehrte er mit Frau und Töchtern nach Villingen zurück, wo sie im Gasthaus Schwert direkt unter dem Dach wohnten. Hermann kümmerte sich jetzt auch um die Uhren der französischen Besatzungssoldaten. Aus dieser Zeit datieren erste Hinweise über den Handel mit Schwarzwalduhren. Hermann rüstete Lackschilduhren mit Figurenautomaten auf.
Preiswerte Lackschilduhren als Grundlage
Als Grundlage für seine Umbauten dienten ihm die typischen robusten Holzuhren mit bunt be.malten Zifferblättern. Diese Lackschilduhren wa.ren im gesamten 19. Jahrhundert in vielen kleinen Uhrmacherwerkstätten des Schwarzwaldes ar.beitsteilig und mit Maschineneinsatz entstanden. Die preiswerten Massenprodukte konnten sich selbst ärmere Schichten leisten.
Während die hölzernen Alltagsuhren in großen Stückzahlen erhalten blieben, zählen Schwarzwalduhren mit kleinen beweglichen Fi.guren zu den Raritäten. Eine seltenere Variante sind Glockenschlägeruhren, bei denen auf einer kleinen Bühne oberhalb des Zifferblatts kleine Holzfiguren zu sehen sind. Diese tragen in der Hand einen kleinen Hammer, mit dem sie zu jeder Stunde und meist auch zur Viertelstunde auf die Glocken schlagen.
Hermann nahm einige der häufigen Lack.schilduhren, sägte den halbkreisförmigen Bogen im oberen Teil des Lackschilds ab und platzierte auf dem Werk eine Bühne. Dort warteten Zwerge mit Wattebärten in Manier der Erzgebirgischen Holzkunst darauf, die Glocke schlagen zu dürfen. Eine solche 1945 entstandene Automatenuhr
Glockenschläger-Automat auf der Basis einer Lack.schilduhr, Robert Hermann, Villingen, 1945 (Deutsches Uhrenmuseum, Inv. K-0014).
wurde von Hellmut Kienzle, dem Direktor der gleichnamigen Schwenninger Uhrenfabriken, er.worben. Kienzle war in den 1950er-Jahren regel.mäßiger Gast bei Hermann. Über die firmeneige.ne Sammlung alter Uhren ist dieses Stück an das Deutsche Uhrenmuseum gelangt (Inv. K-0014).
Durch die Gestaltung der Zwerge und der Bühnenumrandung ist auf den ersten Blick er.kennbar, dass es sich nicht um einen originalen Automaten handelt, sondern um eine spätere Ergänzung. Heute haben diese naiv anmutenden Veränderungen in ihrer Harmlosigkeit einen eige.nen Charme, da sie viel über die Sehnsüchte und Wünsche der Uhrensammler unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg aussagen. Es ist durch.aus bezeichnend, dass sich erwachsene Männer damals für Holzuhren aus dem 19. Jahrhundert mit glockenschlagenden Zwergen begeistern konnten. Denn schließlich wollten die meisten Deutschen vor allem eines: Die jüngste Geschich.te mit ihren Superlativen von Groß-Deutschland und dem größten Führer aller Zeiten vergessen.
In der „Gerbe“
1946 kehrte Hermann auf Wunsch des betag.ten Vaters Josef Herrmann nach Furtwangen zurück. Zunächst wohnte man im Elternhaus, dem „Kohlerhäusle“, Katzensteig 34. 1948 starb der Vater. Das Erbe wurde unter den sechs Ge.schwistern aufgeteilt. Robert Hermann konnte seine Brüder und Schwestern nicht auszahlen. So musste die Familie das idyllische Tal nördlich der Furtwanger Kernstadt verlassen.
Hermann fand eine neue Bleibe in der In.nenstadt. In der „Gerbe“ befand sich die Firma „Uhren-Walz“, eine kleine Fabrikationswerk.stätte für Kuckucksuhren, die in einem eigenen Laden verkauft wurden. Interessanterweise arbeitete Hermann trotz seiner Kenntnisse in Feinmechanik und Uhrenreparatur nie für „Uhren-Walz“. Die älteste Tochter mutmaßt, der Vermieter habe Angst davor gehabt, ihr Vater könne die Erfahrungen bei der Kuckucksuhren.produktion ausnutzen, um zur Konkurrenz zu werden. Allerdings ernährte die Herstellung von Schwarzwalduhren auf kleiner Flamme kaum den Besitzer der Firma. Es wäre sicherlich ein schwer zu kalkulierendes Wagnis gewesen, den geschickten, aber nur eingeschränkt arbeitsfähi.gen Robert Hermann einzustellen.
Die Wohnverhältnisse in der „Gerbe“ waren beengt, weil der Vater einen der beiden großen Räume als Werkstatt nutzte. Dieses Zimmer wurde im strengen Furtwanger Winter nicht be.heizt. Wenn der Vater arbeitete, mussten sich die Kinder absolut still verhalten. Die älteste Tochter berichtet: „Oberste Priorität war, dass es ihm gut ging. Denn wenn er arbeiten konnte, verdiente er Geld, und dann ging es auch uns gut.“
Im zweiten großen Raum befand sich das Schlafzimmer für die gesamte Familie. Um et.was mehr Privatsphäre zu schaffen, kaufte die ältere Tochter von ihrem ersten Geld, das sie mit Kinderhüten verdient hatte, einen Vorhang. Durch den Raumteiler entstand so wenigstens optisch der Eindruck eines eigenen Zimmers für die beiden Töchter. Das familiäre Leben spielte sich vor allem in der Küche ab, dem einzig dau.erhaft beheizten Raum. Ein weiterer kleiner Raum diente als gute Stube. Er wurde jedoch nur selten genutzt, zu Familienfesten oder wenn Besuch kam.
Die Mutter stockte das Einkommen durch Schneiderarbeiten auf. In Heimarbeit montierte sie Modellbahnhäuschen für die im benachbar.ten Gütenbach ansässige Firma Faller. „Eigent.lich wurde bei uns immer gearbeitet“, erinnert sich die älteste Tochter.
Nach fast zwanzig Jahren zog die Familie 1964 in eine helle Wohnung in der ersten Furt.wanger Uhrmacherschule um. Als das historisch bedeutende Gebäude in der Allmendstraße einer Ausstellungsfläche für Gebrauchtwagen weichen musste, fand Robert Hermann mit seiner Frau 1972 eine neue Bleibe im „Schatten.küfer“, einem urigen Schwarzwaldhaus in der Bregstraße. Mit den schweren, großgemuster.ten Stores an den Fenstern, den alten Balken und dem Kachelofen bot es die passende Kulisse für die Erinnerung an die Produkte der regiona.len Hausindustrie des 18. und 19. Jahrhunderts.
Robert Hermann an seiner Werkbank in der „Gerbe“, um 1960.
Am 15. Juni 1982 starb Robert Hermann mit 72 Jahren. Seine Frau lebte in dem Haus noch ein weiteres Jahr, bevor sie ins Seniorenheim kam. Kurze Zeit später brannte der „Schatten.küfer“ unter nicht genau geklärten Umständen ab. An seiner Stelle befindet sich heute eine Hei.zungs- und Sanitärfirma.
Uhrensammler geben sich die Klinke in die Hand
Hatte Hermann anfangs wohl vor allem Uhren repariert, so verschob sich sein geschäftliches und privates Interesse in der Nachkriegszeit mehr und mehr in Richtung historische Uhren. Er wurde zur Anlaufstelle für Sammler alter Holzuhren. In den 1950er- und 1960er-Jahren war das Sammeln von Schwarzwalduhren noch ein eher exklusives Hobby. Bei Robert Hermann in Furtwangen ging nach Aussagen der Tochter ein und aus, wer in der Uhrenszene Rang und Namen hatte.
Frühe Kuckucksuhr, wohl Elsass, zweite Hälfte 18. Jahrhundert, von Robert Hermann an das Deutsche Uhrenmuseum verkauft (Inv. 03-2002).
Aus der unmittelbaren Nachbarschaft kamen ein Fabrikant aus Furtwangen, Bankdi.rektor Mellert aus (Titisee-)Neustadt sowie der Bäckereibesitzer Stefan Weber aus St. Peter. Als Gründungsmitglied des Fachkreises „Histo.rische Uhren“ der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie hatte Weber publik gemacht, dass das Sammeln alter Holzuhren genau so ernst zu nehmen war wie das von Taschenuhren oder Eisenuhren des 16. bis 18. Jahrhunderts. Der Banker Mellert verfolgte den Plan, in Neustadt ein Museum zur Geschichte der Schwarzwald.uhren zu errichten. Er ließ deshalb unter ande.rem bei Hermanns Schwiegersohn 1962 eine idealtypische Schwarzwälder Uhrmacherwerk.stätte restaurieren bzw. rekonstruieren. Dieser Auftrag kam dem historisch interessierten Schreiner sehr gelegen. Denn damit konnte er die Hochzeit mit der ältesten Tochter von Robert Hermann finanzieren.
Großsammler mit eigenen Uhrenmuseen wie Hellmut Kienzle aus Schwenningen und Jür.gen Abeler aus der gleichnamigen Wuppertaler Juwelierdynastie, der in Furtwangen von 1950 bis 1954 eine Uhrmacherlehre absolvierte und 1959 die Meisterprüfung ablegte, waren eben.falls unter den Kunden. Berühmt-berüchtigt wa.ren die winterlichen Ausflüge des Schwenninger Fabrikantenehepaars. Kienzle bezahlte die alten Schwarzwalduhren, die er vor oder nach einer Skitour erwarb, nur selten bar. Meist hatte er – wie eine der Töchter von Hermann berich.tete – „händevoll Armbanduhren“ aus aktueller Produktion dabei, die er gegen die historischen Zeitmesser eintauschte. Robert Hermann ak.zeptierte zähneknirschend diese Art des Tausch.handels, wohl wissend, dass es sich um keine hochwertigen Armbanduhren handelte, die er abschätzend als „Traktoren“ bezeichnete. Auch Hans Künzel, Inhaber der „Madrifa-Moden“ in Krefeld, brachte der Ehefrau von Robert Her.mann bei seinen Reisen in den Schwarzwald
Robert Hermann und ein Kunde im Gespräch über eine Schwarzwalduhr, um 1960.
säckeweise Stoffreste aus der eigenen Textilpro.duktion mit, aber nicht, um damit alte Uhren zu bezahlen, sondern als Rohmaterial für die An.fertigung von Kleidung und Haustextilien.
Einer der treuesten Kunden war ein deut.scher Botschaftsangehöriger mit Namen Weich-hold, der regelmäßig nicht nur Furtwangen besuchte, sondern auch den legendären Pariser Flohmarkt. Von dort brachte Weichhold auch eine alte Kuckucksuhr nach Furtwangen, die er gegen eine andere Uhr oder als Bezahlung für Reparaturen in Zahlung gab. Diese Uhr mit Holzräderwerk und bemaltem rechteckigen Holzschild verkaufte Hermann an Stefan Weber. Eben diese Uhr erwarb später die Historische Uhrensammlung, das heutige Deutsche Uh.renmuseum. Sie gilt heute als eine der ältesten Kuckucksuhren überhaupt. Wo sie gebaut wur.de, konnte noch nicht mit Bestimmtheit geklärt werden. Lange Zeit wurde als Entstehungsregi.on der Schwarzwald angenommen. Inzwischen ist jedoch eine Holzräderuhr vergleichbarer Bau.art aufgetaucht, die ein elsässischer Uhrmacher signiert hatte.
Der „Barockkuckuck“ – Hermanns legendäres Meisterwerk
Bei allen acht Uhren im Deutschen Uhrenmuse.um, die von Hermann stammen, handelt es sich um optisch außergewöhnlich attraktive Stücke. Sie weichen deutlich vom Mittelmaß ab. Ge.meinsam ist der Mehrzahl dieser Uhren zudem, dass sie von Robert Hermann oder in späterer Zeit stark verändert wurden, damit sie der Er.wartung der Sammler entsprachen. Wie mir die älteste Tochter erzählte, war für den überwiegen.den Teil der Uhrenliebhaber der Nachkriegszeit das Aussehen der Uhren entscheidend, nicht die Authentizität. Manche Schilder wurden soweit überarbeitet, dass heute nicht mehr erkennbar ist, was gewachsene Substanz und was moderne Zutat ist. Wichtig war und ist für die meisten Sammler ebenso, dass die Uhren wieder funkti.onierten. So setzte Hermann die Werke wieder instand, egal, wie gravierend die Eingriffe auch waren. Zahnräder wurden ergänzt, teils sogar ganze Platinen neu gefertigt.
Im Extremfall entstanden in Hermanns Werkstatt aus unterschiedlichen alten und neu-en Teilen optisch attraktive Phantasieprodukte, die das Bild der Schwarzwalduhr maßgeblich beeinflussen konnten. Die wohl folgenreichs.te Erfindung Hermanns war der sogenannte „Barockkuckuck“, der 1961 vom Furtwanger Mu.seum angekauft wurde. Voller Stolz über diese prächtige Uhr druckte man sie auf dem Um.schlag des Standardwerks über die Kuckucksuhr von 1988 ab.
Heute ist jedoch klar: Bei dieser Uhr passt fast nichts zusammen. Zwar stammt das ge.schnitzte Uhrenschild wahrscheinlich aus dem späten 18. Jahrhundert. Die ursprüngliche Fas.sung ist jedoch nicht mehr erhalten. Der Furt.wanger Malermeister Gruber, der auch andere Uhren für Hermann ausbesserte, hat das Schild neu mit Goldbronze gehöht. Die fehlenden Zei.ger wurden nach historischen Vorbildern von Robert Hermanns zweitem Schwiegersohn in den Werkstätten der Furtwanger Berufsfach.schule angefertigt.
Hinter dem Zifferblatt verbirgt sich ein Uhr.werk, das den Prägestempel IW des Gestellma.chers auf der Vorderseite trägt. Der Prägestem.pel ist vor allem von Uhrwerken mit typischen Merkmalen einer Entstehung von 1810/20 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Das Werk ist folglich deutlich jünger als das Schild.
Ursprünglich hatte das Werk gar keinen Kuckucksmechanismus, sondern wohl einen Stundenschlag auf Glocke. Dies lässt sich aus den wieder verschlossenen Bohrungen in Decke und Boden für die Schlagwerkwelle schließen. Um die Hebel für das Anheben der beiden Kuckucksflöten anbringen zu können, musste Hermann je eine der seitlichen mittleren und hinteren Platinen ergänzen. Außerdem musste er das gesamte Werk nach hinten verlängern, um eine geeignete Position für das Anheben der links und rechts angebrachten Flöten zu erhal.ten. Ferner sind das Material der Rückwand so.wie der gesamte Glockenstuhl samt Glasglocke genau so neu wie die Kuckuckspfeifen. Bei der Verheiratung von Uhrwerk und Schild wurden Gestelldecke und –boden der Rundung des Schildes angepasst, weil sich das Zifferblatt im Laufe der Zeit stark gewölbt hatte. Frühere Be.festigungen an der Rückseite des Schildes waren ausgebessert worden.
Robert Hermann mit Ehefrau in seiner Wohnung in der ehemaligen Großherzoglich Badischen Uhrenmacherschule, um 1970.
Ebenso untypisch für das 18. Jahrhundert ist die Figur des Kuckucks. Solche wohlgenährten Holzvögel wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – etwa in einigen der prächtigen Beha-Kuckucksuhren aus Eisenbach – verwendet. Zudem ist fraglich, ob hinter der Aussparung im Uhrenschild ursprünglich ein Kuckuck oder vielleicht eine andere bewegliche Figur sichtbar war. Ein Kläppchen wie bei vielen Kuckucksuhren scheint es früher aber gegeben zu haben.
Aus heutiger Sicht ist erstaunlich, wie meine Vorgänger im Deutschen Uhrenmuseum diese zusammengebastelte Uhr schöngeredet haben. In dem oben genannten, ansonsten sorgfältig recherchierten Buch über die Kuckucksuhr fin.det sich nicht der leiseste Zweifel an der Echt.heit der Uhr. Offensichtlich war der Wunsch so stark, endlich den heiligen Gral der Kuckucksuhr gefunden zu haben, dass in der Beschreibung selbst der nicht zu leugnende Widerspruch zwi.schen dem Barockschild dem deutlich späteren Werk stillschweigend eingeebnet wurde, ja als Indiz für die Authentizität der Uhr gedeutet wurde: „Das Werk erweckt den Eindruck, als sei es nach der Barockperiode entstanden, oder es müßte in dieser Zeit als sehr fortschrittliches, recht solides Werk sehr früh gegenüber anderen Werken ähnlicher Bauart hergestellt worden sein.“
Wie gehen wir mit dem Erbe von Robert Hermann um?
Robert Hermann ist es gelungen, durch seine Tätigkeit als Uhrmacher und Uhrenhändler das Bild der Schwarzwalduhr nachdrücklich zu prägen. Als Frührentner auf einen Nebener.werb angewiesen, um die vierköpfige Familie durchzubringen, fand er eine Nische darin, die Uhrensammler der Nachkriegszeit mit dem zu beliefern, wonach sie suchten: Er besorgte ih.nen Schwarzwalduhren, die außergewöhnliche Motive zeigten und möglichst mit Zusatzfunk.tionen ausgestattet waren. Dabei war es ne.bensächlich, ob die Uhrwerke original mit dem Schild verbunden waren oder nicht. Und noch heute haben viele der außergewöhnlichen Uh.ren aus der Sammlung Hermann ihren eigenen
durch seine Tätigkeit als Uhrma.cher und Uhrenhändler das Bild der Schwarzwalduhr nachdrücklich zu prägen.
Reiz. Aber es ist nicht immer einfach, die Quali.tät der Uhren zu beurteilen, wie bei den beiden Kuckucksuhren, die das Museum von Hermann gekauft hat: Die Spanne ist riesig, von der frü.hen, weitgehend originalen Holzräderuhr aus dem Elsass bis zur Erfindung eines angeblichen „Barockkuckuck“ aus altem Schild und neuerem Uhrwerk.
Zur Zeit ist die bedeutende Elsässer Holz.räderkuckucksuhr im Museum ausgestellt. Sie passt perfekt zur Erzählung von den ältesten bis zu den jüngsten Uhren mit Schwerpunkt Schwarzwald. Der „Barockkuckuck“ hingegen wurde bei der Neugestaltung der Schausamm.lung vor etwa zehn Jahren ins Depot gebracht. Der Entschluss, diese äußerst dekorative Uhr nicht mehr zu zeigen, wurde damals kontrovers diskutiert. Schließlich war diese Kuckucksuhr eines der Erkennungszeichen der Furtwanger Sammlung. In der Außenwerbung für das Mu.seum spielte sie eine zentrale Rolle. Und noch heute ist die Popularität der Uhr weitgehend ungebrochen. Immer noch wird sie in Touris.musprospekten der Region verwendet – ein.fach, weil sie die traditionelle Schwarzwälder Kuckucksuhr scheinbar perfekt verkörpert, ohne das Klischee der Souveniruhren mit röhrenden Hirschen zu wiederholen.
Für den Besucher ist jedoch nur schwer zu er.kennen, wie wenig authentisch diese Uhr ist. Sie steht eben nicht als Zeugnis für die Hausindus.trie des Schwarzwalds, sondern für die Wunsch.vorstellung der Uhrensammler in der Mitte des
20. Jahrhunderts. Noch haben wir keinen Weg gefunden, diese vertrackte Überlieferung deut.lich zu machen. Deshalb wird es wohl noch eini.ge Zeit dauern, bis der „Barockkuckuck“ wieder einen festen Platz in der Geschichtserzählung des Museums einnehmen wird.
Der Hüfinger Orchideenwald im Wandel der Zeiten
Dr. Hans-Joachim Blech
Der Hinger Orchideenwald ist f Naturliebhaber im S.westen wie auch in Europa seit vielen Jahrzehnten ein Eldo.rado der seltenen Pflanzen, vor allem Orchideen. Es ist ein Gebiet von ca. 126 Hektar Gre, hälftig durchschnitten von der Bundesstraße 31. Etwa 80 Hektar sind Orchideenge.biet. Es geht zur Gemarkung Hingen.
Zweiblättrige Waldhyazinthe
Platanthera bifolia
Etwa 20 Arten der seltenen Pflanzen blühen zwischen Mai und Juli und können per ausgeschildertem Rund.weg besichtigt werden.
aber auch für die nacheiszeitliche menschliche Besiedlung. Der Peters.felsen bei Engen mit seinen 10.000
bis 12.000 Jahre alten großen Mengen von tierischen Knochenfunden sind Zei.chen erster Besiedlung durch Sammler und Jäger. Vor allem klimatische
Schwankungen von weni.
gen Graden brachten bereits gravierende Veränderungen für Fauna, Flora und Menschen. Ver.
stärkte Pollenfunde von Fichte
in Mooren der Baar sind Anzei-
Geschichte chen für kältere Phasen, Pol-
Der südliche lenfunde von Buche für wärmere
Bereich, Deggen-Phasen. Kulturelle Hochphasen korrelieren
reuschen, leitet sich in der Regel mit wärmeren Zeiten, Bevölkerungs.
in der Namensgebung ab von „Dögginger, Döggerischer Wald, Deckenreuschen, Teg.gen Rüschen“ und wird bereits 1501 als Wald angegeben. Das nördlich der Bundesstraße gelegene Gebiet Rauschachen leitet sich von Rau gleich dichtes Gebüsch und Schachen, Schochen oder Schorren ab und bedeutet Wal.dung, Gehölz (zwischen den Äckern). Der Name des Gewannes Schosen leitet sich wohl von „herabstürzendem Wasser“ ab (westlich liegt etwas höher das Watzental, Wassertal). Auf der Hüfinger Urbarkarte von 1786 sind die beiden Waldanteile deutlich dargestellt. Die Höhenlage liegt zwischen 720 und 776 m, muldenförmig nach Osten absinkend. Die Geologie zeigt im Rauschachen und im nördlichem Drittel vom Deggenreuschen oberen Muschelkalk (Trigo.nodusdolomit), die südlichen zwei Drittel des Bereiches Deggenreuschen sind Lettenkeuper.
Über viele Jahrtausende unterlag auch die Baar seit dem Ende der Eiszeit menschlichen wie klimatischen Veränderungen und Einflüssen: die Baar ist ein Kreuzungspunkt für Fauna und Flora wachstum und Intensivierung von Ackerbau und Viehhaltung. Der Waldanteil wurde dadurch, aber auch durch Glasbläserei, Köhlerei, Erzver.hüttung, zu Heizungszwecken und durch Bauten
z.B. durch Klöster, zurückgedrängt, so dass z.T. der Waldbestand im frühen Mittelalter nur 25 % von heute betrug. Das änderte sich wieder, als Mitte des 19. Jahrhunderts der Holzbedarf zurück ging, vor allem durch den Energieträger Kohle und die Entdeckung des Kunstdüngers durch Justus von Liebig.
Die Siedlungen der frühen Menschen hin.terließen z.B. im Gewann Niederwiesen zwi.schen Hüfingen und Bräunlingen im Bereich der Bregniederung sowohl mittelneolithische Keramikscherben (ca. 4000 v. Chr.), Gräber aus der späten Bronzezeit (1200 v. Chr.), der Ur.nenfelderzeit (ca. 1000 v. Chr.) und der späten Hallstadtzeit der Kelten (600 v. Chr. Zeit des Magdalenenberges Villingen) (Jutta Krug-Trep.pe, Schriften der Baar 2001).
Auf dem Galgenberg oberhalb des Römer.bades war eine Siedlung aus der La-Tène-Zeit (100 v. Chr.). Menschen der Bronzezeit, Kelten wie auch besonders die Römer, haben auf der Baar große Spuren hinterlassen. Dies trifft besonders für den Bereich Hüfingen und das Umfeld des Hüfinger Orchideenwaldes zu. Hü.fingen lag an der Römerstraße von Windisch nach Rottweil. Wahrscheinlich gab es auch eine Römerstraße aus dem Rheintal kommend nach Osten. Dokumentiert wurde dies auf der mittel.alterlichen Kopie einer römischen Straßenkarte aus dem 4. Jahrhundert, der Tabula Peutingeria.na. Die drei oben genannten Orte trugen die Na.men Brigobanne, Vindonissia und Arae Flaviae.
Brigobanne
Der römische Standort Brigobanne (Hüfingen) existierte etwa von 70 n. Chr. bis 240 n. Chr. Kastell, Römerbad, Vicus (Dorf) lagen am Nord.ost Rand des Gebietes Rauschachen, die Villa rustica (Gutshof) am Südrand des Gebietes Deggenreuschen. Neben den einheimischen Bürgern des Ortes mussten das Militärlager, die Handwerker, die durchreisenden Händler, wie auch ihre Tiere versorgt werden. Es gibt im Hüfinger Orchideenwald einige Bereiche, wo Terrassierungen erkennbar sind, ohne sie zeitlich einordnen zu können. In der Hüfinger Urbarkarte von 1786 ist das Gebiet Deggenreu-
Brigobanne (Punkt) auf der Tabula Peutingeriana, auch Peutingersche Tafel genannt, die das römische Straßennetz zeigt.
schen-Rauschachen wie auch das Gebiet der Trasse der heutigen Bundesstraße 31 gut zu erkennen. Wie im Mittelalter üblich, wechselten Städte, Ortschaften oder Gewanne den Eigen.tümer durch kriegerische Einflüsse oder durch notwendigen Verkauf. So wechselte Hüfingen in der Zeit von 1620 bis 1640 durch Kauf von den Schellenbergern zu den Fürstenbergern. Damit wurde der Hüfinger Wald wahrscheinlich auch mehr jagdlich genutzt. 1805 verloren die Fürstenberger durch die Mediatisierung ihren Besitz und Hüfingen kam zum großen Teil zum Herzogtum Baden.
Ein Naturschutzgebiet entsteht
Das zunehmende regionale Interesse an ein.heimischer Fauna und Flora durch regionale Fürsten, Ärzte, Apotheker, Pfarrer, Lehrer usw. führte 1805 in Donaueschingen zur Gründung der „Gesellschaft der Freunde vaterländischer Geschichte und Naturgeschichte an den Quellen der Donau“, heute kurz „Baarverein“, unter an.derem durch den Immendinger Reichsfreiherrn Friedrich Roth von Schreckenstein. Gleichzeitig
verstärkte sich der Gedanke, Landschaft und Natur zu erhalten. Bei Roth von Schrecken.stein wurden 1799 in seinem Buch „Verzeichnis sichtbar blender Gewaechse, welche um den Ursprung der Donau und des Nekars, dann um den unteren Theil des Bodensees vorkommen“
erstmals regionale Orchideen erwähnt, bei dem Hüfinger Tierarzt Carl Engesser wurden 1852 be.reits Gewannnamen angegeben. Noch ausführ.licher und botanisch präziser sind die Angaben von Hermann Zahn 1889 in „Flora der Baar“.
Neben der Gründung der vaterländischen Vereine (u.a. 1805 der heutige „Baarverein“ Do.naueschingen) in der ersten Hälfte des 19. Jahr.hunderts folgte die Gründung der Wanderver.eine in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wie z.B. des Schwarzwaldvereins 1864 oder des Schwäbischen Albvereins 1888. Ziel dieser Verei.ne war zunächst der Erhalt des Landschaftsbil.des, später kam der Gedanke des Naturschutzes hinzu. In den ersten 20 Jahren des 20. Jahrhun.derts standen bereits mehrere hundert Gebiete im Südwesten auf einer Liste schützenswerter Regionen, darunter auch das Gebiet des heu.tigen Hüfinger Orchideenwalds. Der Gedanke „Naturschutz“ wurde durch die Naturschutzge.setzgebung 1935 gesetzlich verankert, was zu dieser Zeit auch zur Ideologie passte. 1939 kam es zu einem Antrag der Bezirksnaturschutzstelle Donaueschingen unter Leitung von Karl Wacker an die Badische Landesnaturschutzstelle in Karls.ruhe zur Errichtung eines Pflanzenschongebietes Rauschachen. Im Hintergrund maßgeblich mit.beteiligt war Dr. Erwin Sumser, geb. 1891 in Merz-hausen bei Freiburg, gestorben 1961 in Hüfingen. Er war ein Pionier des Naturschutzes im Südwes.ten, kaufte privat Gebiete in Ebringen (Sumser Gärtchen), Döggingen, Bräunlingen, Riedöschin.gen oder Hondingen (Zisiberg). Schwerpunkt war in erster Linie der Schutz der Orchideen. Daher wurde er auch „Orchideenvater“ genannt. Pflege und Bewachung, vor allem auch in Hüfingen, zahlte er oft aus eigener Tasche. Kurz vor seinem Tod 1961 gingen diese Gebiete in das Eigentum des Landes Baden-Württemberg über. Übrigens war Dr. Sumser auch daran beteiligt, dass die Wutachschlucht nicht aufgestaut und damit zer.stört wurde.
Am 7. April 1941 wurde das Gebiet durch das „Badische Ministerium des Kultus und Unter.richts“ in Karlsruhe offiziell zum Naturschutzge.biet Degggenreuschen- Rauschachen ernannt.
Nutzung, Reparationsleistung und Sturmschäden
Neben der schon genannten alten Nutzung der Holzgewinnung wur.den die Wälder im Mittelalter bis in die Neuzeit auch als Waldwei.de genutzt. Seit dem Mittelalter gab es verstärkt Eingriffe durch den Menschen, Waldweide und Ackerbau, das Klima war zum Teil kälter (Kleine Eiszeit von 1350 bis 1850), deshalb gab es weniger Bu-
Der sogenannte „Franzosenhieb“ ver.nichtete große Teile des Waldbestandes.
chen und mehr Fichten. Seit etwa 150 Jahren dominiert die Fichte und die Kiefer. Namen von Gewannen deuten auch auf die Nutzung hin: Hammeltal, Ochsentrieb, Schafschachen. Folgen sind starke Oberbodenschädigung und Nährstoffentzug, die heute mit zu den massiven Orchideenbeständen führen. Dies erfuhr 1777 durch Änderung der Waldweidenutzung eine Einschränkung, die erst gegen 1820/1830 end.gültig zur verpflichtenden Stallhaltung der Tiere wurde. Die Nutzung des Waldes als Heizmateri.al und das Sammeln von Bruchholz zeigte einen „aufgeräumten“ Wald bis in die fünfziger Jahre. Heute geht vieles von den Holzresten in die Hackschnitzelproduktion. Auf der anderen Sei.te wissen wir, dass Totholz im Wald eine ganz wichtige ökologische Funktion hat. Deshalb ist es das Ziel im Hüfinger Orchideenwald, auch ein Totholzmanagement zu realisieren. Wobei es festzuhalten gilt, dass alle unsere Wälder Kulturwälder sind und wohl noch lange bleiben werden, auch wenn wir uns um das Entstehen von „Urwäldern“ bemühen.
In der Nachkriegszeit vernichtete der soge.nannte „Franzosenhieb“ als Reparationszah.lung im Rauschachen große Teile des Waldbe.standes. Die Folgen der Wiederaufforstung als reinem Fichtenbestand bereitet den Förstern durch Käferbefall, schlechtes Wachstum, Rot.fäule des Kernholzes und durch zunehmende Trockenheit bis heute große Sorgen.
Ganz wesentlichen Einfluss auf den Wald hatten auch Stürme, in naher historischer Zeit waren es vor allem:
•
Sturm ohne Namen 1967, ca. 12.000 Festmeter Windbruch Vivian 25.-27.02.1990, 285 Km/h
• Wiebke 28.02.-01.03.1990, 285 Km/h
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Lothar 26.-27.12.1999, ca. 35.000 Fest.meter Windbruch, 272 Km/h
Neben dem Verlust von Waldbestand bieten Sturmflächen aber gerade Pionierpflanzen ein willkommenes Wachstumsgebiet und es ent.stehen Aufforstungsbereiche mit unterschiedli.chem Lichteinfall am Boden, wo sich Fauna und Flora erneuern können.
Die Nutzung heute besteht aus Forst, Jagd, Freizeit und Tourismus (Orchideenbesucher). Schaden kann der Orchideenbestand nehmen durch zu intensive Nutzung außerhalb der Wege durch Freizeit und Orchideenbesucher, Verbiss durch zu hohen Wildbesatz oder durch Stickstoffemissionen durch die nahe Bundes.straße 31. Gefahr bestand auch kurzfristig durch die Absicht eines vierspurigen autobahnähn.lichen Ausbaues der Bundesstraße 31. Als Alternative wurde die Verlegung südlich des Gebietes Deggenreuschen diskutiert. Gegen die Ausbauabsichten formierte sich 1990/91 die BUB Hüfingen (Bürgerinitiative) für einen umweltgerechten Ausbau der B 31. Das Resultat war der heute vorhandene dreispurige Ausbau als Kompromiss.
Klima
Die Baar mit ihrem kontinentalen Klima und wenig Regen (600 bis 800 mm ) im Schatten des Schwarzwaldes ist immer gut für späte Fröste. So nimmt der Erstaustrieb der Buchen im Hü.finger Bereich oft noch Ende Mai – Anfang Juni Schaden. Beim Hagelschlag am 24. Mai 2012, 14 Tage vor Eröffnung des neuen Lehrpfades, wurden die nicht geschützt stehenden Frauen.schuhe vernichtet. Bei den zunehmend trocke.nen Wintern und Sommern erleiden Korallen.wurz, Stendelwurz-Orchideen (Epipactis) und Widerbart Trockenschäden oder Totalausfälle.
Besonders viele Orchideen wachsen auf Kalk, hauptsächlich wenn dort Nadelbäume (Fichte) wachsen, es sind die Waldorchideen. Der Oberboden ist durch die Nadelstreu der Fichte sauer, der Unterboden durch Kalk ba.sisch, die Humusschicht ist oft nur Zentimeter stark, die Verwitterungszonen geringer als eine Spatentiefe. Der Kalkboden besitzt eine gute Drainage und wird dadurch schnell trocken. Der Orchideenreichtum ist bedingt durch diese Konstellation, wie auch im NSG Tannbüel bei Bargen/Neuhaus oder Hattinger Orchideenwald (NSG Schopfeln Rehletal). In Zukunft wird es wohl regelmäßig trockenere und wärmere Som.mer mit Temperaturanstieg bis zu 2 Grad und feuchtere Winter geben. Dies könnte Probleme für im Boden lebende Insekten geben, weil die Frostgare des Bodens fehlt. Frauenschuh wird
z.B. von im Boden lebenden, schmalleibigen Wildbienen der Gattung Andrena bestäubt. Weiter sind mehr Stürme und extremere Wet.tersituationen zu erwarten, die auch dem Wald zusetzen, da Fichtenbestände durch die flachen Tellerwurzeln gegen Stürme nicht so wider.standsfähig sind. Die Durchschnittstemperatur, bemessen über 110 Jahre, betrug 6,5 Grad, die Niederschlagsmenge zwischen 1160 mm (1930) und 515 mm (1949), im Durchschnitt 760 mm, ab 1960 ist es feuchter bis 1100 mm. Eigentlich gibt es keinen Monat ohne Frostgefahr.
Naturschutzgesetz „Pflege- und Entwicklungsplan“
In Naturschutzgebieten gelten einige Spielre.geln: Alle Pflanzen und Tiere sind geschützt in allen ihren Teilen; von den Orchideen bis zum Hahnenfuß und den Pilzen. Weiter besteht Wegegebot, damit die unterirdischen Triebe nicht zertreten werden und die oft lebensnot.wendige Mykorrhiza (Pilzgeflecht im Boden) nicht zerstört wird.
Fast alle Naturschutzgebiete (außer Mooren und Feuchtgebieten) sind in der Regel durch menschliche Einflüsse entstanden. Zum Erhalt der Gebiete wurde deshalb ein Pflege- und Entwicklungsplan für das Naturschutzgebiet Deggenreuschen Rauschachen erstellt durch Dr. Friedrich Kretzschmar vom Regierungspräsidi.um Freiburg (veröffentlicht in Schriften der Baar 1999 Bd. 42, Seite 51-80). Es wurde vor allem auch die zum Teil kleinflächige Vielfältigkeit des Gebietes erhoben: Nadel-Mischwaldbestände auf Mullboden, nährstoffreiche Hanglagen, kleine Tälchen, Talgrund mit starker Kraut.schicht, Magerrasen und magere Waldränder, Enzian-Halbtrockenrasen, kleine Waldränder, Wegeränder, Parkplatzgebiete, Fettwiesen, Waldmantel und Waldsäume z.B. mit Busch.nelke. Der Wald wird als Typ Pyrola-Abietum (Wintergrün-Tanne) beschrieben. Während der„Buchenzeit“ 800 v.Chr. bis 500 n. Chr. war es wärmer und dadurch bedingt ein hoher Bu.chenanteil. Seit dem Mittelalter gab es verstärkt Eingriffe durch den Menschen, Waldweide, das Klima war kälter (Kleine Eiszeit von 1350 bis 1850), deshalb weniger Buche und mehr Fichte. Seit 150 Jahren dominiert Fichte und Kiefer.
Gefährdung und Erhalt des Orchideenreichtums
Die bekannteste und imposanteste Orchideen.art in Mitteleuropa ist der Frauenschuh (Cyp.ripedium calceolus), der in wechselstarken Beständen vorkommt. Drei Orchideenarten, die kein oder nur sehr wenig Chlorophyll bilden, ge.hören zu den Moderorchideen. Es sind die Koral.lenwurz, der Widerbart und die Vogelnestwurz. Vor allem die ersten beiden Arten sind sehr gefährdet durch Trittschäden der Besucher, die sich nicht an das Wegegebot im Naturschutz.gebiet halten, wie auch durch Klimaerwärmung und Trockenheit. Die Gattung Stendelwurz ist mit mehreren Arten und Unterarten vertreten und blüht verstreut von Juni bis August mit z.T. hohen Blütenrispen. Von besonderem Interesse für den Artenschutz sind ferner die Vorkommen einiger Wintergrün Arten sowie des Fichten.spargels (Monotropa hypopitys). Wintergrünar.ten sind: Einblütiges Wintergrün (Moneses unif.lora), Nickendes Wintergrün (Orthilia secunda), Grünblütiges Wintergrün (Pyrola chlorantha).
Orchideenbestand heute
Im Hüfinger Orchideenwald kommen fast 20 verschie.dene Orchideenarten vor, die von der zweiten Hälfte Mai bis Anfang August blühen. Sie gehören überwie.gend den Waldorchideen an, deren Lichtanforderun.gen von dunkel bis etwa 80 % gehen. Orchideen sind auch Zeigerpflanzen für bestimmte Biotoptypen.
1 Bleiches Waldvögelein (Cephalanthera damasonium) 2 Grünblütiges Wintergrün (Pyrola chlotantha) 3 Vogelnestwurz (Neottia nidus-avis) 4 Widerbart (Epipogium aphyllum) 5 Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha) 6 Fuchs, geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii) 7 Korallenwurz (Corallorhiza trifida) 8 Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine) 9 Rotes Waldvöglein (Cephalanthera rubra)
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Links: Sommerwurzarten wie z.B. Orobanche treten in den letzten zehn Jahren verstärkt auf. Sie sehen aus der Distanz Orchideen teilweise ähnlich. Rechts: Frühlingsenzian – Gentiana verna.
In den letzten zehn Jahren treten verstärkt Sommerwurzarten (Orobanche ssp.) auf, die in der Regel chlorophylllose Pflanzen sind und daher als Vollparasiten leben. Sie sehen aus der Distanz teilweise Orchideen ähnlich. Fliegen.ragwurz und Mückenhandelwurz sind erst in den letzten Jahren wieder regelmäßiger aufge.treten. Es sind Wärme liebende Arten aus dem Trockenrasenbereich. Als Eiszeitrelikt blüht als erstes der Frühlingsenzian (Gentiana verna).
Dr. Sumser zählte vor 70 Jahren noch etwa zehn andere Orchideenarten auf, die vor allem im Waldrandbereich wuchsen und heute durch benachbarte Landwirtschaft und durch nicht mehr vorhandene offene Waldränder verloren gingen. Der Orchideenreichtum steht einer modernen, auch einer der Klimaveränderung angepassten, Waldnutzung entgegen. Aufgrund der Naturschutzsituation und der touristischen Bedeutung für die Stadt Hüfingen wird ange.strebt, zum Erhalt der Orchideenbestände einen 60%igen Fichtenanteil zu erhalten.
Einweihung des Lehrpfades am 5. Juni 2012
Zur Besucherlenkung ergab sich die Notwendig.keit der Einrichtung eines Lehrpfades, geplant im Bereich Deggenreuschen. 1969 hat die Arbeits.gemeinschaft zur Erforschung und zum Schutz heimischer Orchideen im Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar („Baarverein“) den Antrag auf Einrichtung eines Lehrpfades mit Beschilderung beim Regierungspräsidium Freiburg gestellt, der dort wie auch von der Stadt Hüfingen genehmigt und umgesetzt wurde. Drei Jahre später wurde der Lehrpfad bereits erweitert. Nachdem 1999 die Sturmflächen von Lothar aufgeräumt waren, wurde der Lehrpfad 2003 wiederhergestellt. Die Orchideenbestän.de gingen jedoch durch größeren Lichteinfall und Verbuschung stark zurück. Kurz und gut, man musste sich nach einem neuen Lehrpfad umsehen. 2011 wurde unter Einbeziehung der unterschiedlichen Entscheidungsträger ein neuer Lehrpfad im Gebiet Rauschachen geplant. Der Na.turpark Südschwarzwald und die Stadt Hüfingen teilten sich die Kosten von knapp 16.000 Euro. Das Kreisforstamt, die Kreisstelle für Naturschutz, Mitarbeiter des Forstbezirks der Stadt Hüfingen und der zuständige Naturschutzwart (der Autor) haben diese Maßnahme umgesetzt. Der neue Lehrpfad wurde am 5. Juni 2012 in Anwesenheit von Umweltminister Alexander Bonde und Land.rat Sven Hinterseh eingeweiht. Als besonderer Höhepunkt wurde am 7. April 2016 das 75-jährige Bestehen des Naturschutzgebietes mit einem Festabend, mit Berichten und einer Ausstellung im Rathaus gefeiert.
Als letztes Highlight sitzt ein Student aus China seit 2017 an einer Masterarbeit. Initiiert wurde die Arbeit durch Prof. Dr. Albert Reif, Faculty of Environment and Natural Resources,
Viele besondere Pflanzen sind auch außerhalb der „Orchideensaison“ auf dem schönen Rundwanderweg zu bestaunen. Links: Silberdistel – Carlina acaulis, rechts: Tollkirsche – Atropa belladonna
Albert-Ludwigs-University, Freiburg. Vor Ort wird die Arbeit unter anderem begleitet durch den Autor. Ziel der Masterarbeit ist es, durch Bodenproben die Standortbedingungen für die Orchidee Widerbart zu untersuchen.
Pflegemaßnahmen
Pflegemaßnahmen wurden vor Jahrzehnten schon durch Dr. Erwin Sumser u.a. mit dem Schwarzwaldverein veranlasst und auch be.zahlt. Heute führt der Schwarzwaldverein Do.naueschingen und die Umweltgruppe Südbaar jährlich Maßnahmen der Entbuschung zur Of-
Auskunft über Blütezeit, Führungen, Wanderungen, Vorträge usw. erteilt die Touristinfo der Stadt Hüfingen (Tel. 0771 / 6009-24) oder im Internet unter: www.huefingen.de
fenhaltung an den Orchideenstandorten durch. Früher war es die Waldweide, die dieses verrich.tete. Mit Ziegen wird in ausgesuchten Gebieten ebenfalls die Verbuschung zurückgedrängt. Die Pflegemaßnahmen werden in der Lokalpresse angekündigt und Gäste sind immer willkom.men. Weitere Maßnahmen werden auch durch die forstliche Pflege des Waldes oder in Zukunft durch das Naturschutzgroßprojekt Baar durch.geführt. Der Hüfinger Orchideenwald gehört zu den Kerngebieten dieses Projektes und es fan.den in diesem Rahmen eine Reihe von Begehun.gen statt, damit auch zukünftige Generationen Orchideen sehen können.
„Der Patient heißt Familie“
Nachsorgeklinik Tannheim ist 20 Jahre alt – Ohne Roland Wehrle gäbe es diese Einrichtung und die Stiftung Deutsche Kinderkrebsnachsorge nicht
von Dieter Wacker mit Fotografien von Wilfried Dold
20 Jahre ist es her, dass in Tannheim bei Villingen-Schwenningen eine Erfolgsgeschichte begann, die bundesweit bis heute besonders ist: Zum einen wurde eine Klinik erfnet, die komplette Familien kranker und auch verstorbener Kinder in den Mittelpunkt eines bis dahin vlig neuen Rehabilitationsansatzes stellt. Zum anderen ist die Nachsorgeklinik Tannheim ein Symbol daf, was erreicht werden kann, wenn sich Menschen f eine Idee begeistern. Maßgeblich ist dieser Erfolg mit Haupt.initiator Roland Wehrle verbunden, dem Tannheim-Geschäftsfrer und Stiftungsvorstand der Deutschen Kinderkrebsnachsorge. Ohne den Mann aus Furtwangen gäbe es die Klinik in Tannheim und die Familienorientierte Nachsorge auf diesem hohen Niveau und ihrem breiten Behandlungsspektrum nicht.
Bei der familienorientierten Nachsorgeklinik für krebs-, herz- und mukoviszidosekranke Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie verwaiste Familien in Tannheim stehen gleich zwei prägende Leitsätze im Mittelpunkt: „Der Patient heißt Familie“ lautet einer davon und kennzeichnet das Handeln in der Klinik seit ihrer Eröffnung am 14. November 1997. Der Grund.stein trägt die Inschrift: „Viele Menschen haben dieses Haus gebaut“. Besser kann man es nicht ausdrücken, dass die Nachsorgeklinik Tannheim gemeinnützige GmbH eine Solidarerklärung von Zehntausenden von Spendern mit Familien ist, deren Leben durch die chronische Erkrankung ihres Kindes oder gar dessen Tod sprichwörtlich auf den Kopf gestellt wurde.
Dass in Tannheim bis heute weit über
14.000 Patienten behandelt werden konnten und rund 46 Millionen Euro an Spenden eingin-
Roland Wehrle im Gespräch mit einer Familie, deren vierjährige Tochter Enna an Krebs erkrankt ist und die in der Nachsorgeklinik Tannheim eine vierwöchige Reha absolviert.
9. Kapitel – Soziales
gen, ist vielen, die sich engagiert haben oder dies bis heute tun, zu verdanken. Vor allem aber Roland Wehrle, Geschäftsführer der Nachsor.geklinik Tannheim und Stiftungsvorstand der Deutschen Kinderkrebsnachsorge. „Wer keine Vision hat, vermag weder große Hoffnung zu er.füllen, noch große Vorhaben zu verwirklichen.“ Wenn dieser bemerkenswerte Satz von Thomas Woodrow Wilson, Historiker und 28. Präsident der USA, auf jemanden zutrifft, dann auf Roland Wehrle. Der Geschäftsführer war Ideengeber und Kämpfer für die Tannheimer Nachsorge.klinik in einer Person. Immer als Trommler für die Sache unterwegs, nie die Flinte ins Korn werfend, wenn ihm manchmal auch danach zumute war.
Roland Wehrle versteht es wie kein Zwei.ter für seine Sache, die Familienorientierte Nachsorge, die ihm zur Lebensaufgabe gewor.den ist, zu trommeln. Er hat bei vielen Großen, Bekannten und Mächtigen dieses Landes immer mindestens einen Fuß in der Tür, wenn es der
Aus einer Vision wurde Wirklichkeit: Die Nachsorgeklinik Tannheim im Sommer 2017.
Sache nutzt. Er ist sich aber auch nicht zu scha.de, bei Wind und Wetter viele Kilometer bis in den hintersten Winkel zu fahren, um eine noch so kleine Spende für Tannheim abzuholen und sich persönlich zu bedanken. Und deshalb gibt es die Nachsorgeklinik Tannheim, die bis zum heutigen Tag so einzigartig ist in Deutschland.
Am Anfang stand eine Vision
Dabei fing alles einmal in einem Umfeld an, über das man heute schmunzeln mag. Der Autor dieses Beitrags erinnert sich noch gut an jene, man muss schon etwas despektierlich fast „Bruchbude“ sagen, am Rößleplatz mitten in Furtwangen. In einem Haus, das einige Zeit später auch dem Abrissbagger weichen sollte, saß Roland Wehrle 1990 als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Baden-Württember.gischen Förderkreise krebskranker Kinder. Die gebrauchten Büromöbel kamen von der Furt.wanger Sparkasse, der gebrauchte PC von der Furtwanger Fachhochschule.
Der Verein hatte damals zwar fast kein Geld, doch mit Roland Wehrle einen Mann, der ein klares Konzept vor Augen, einen Kopf voller
die Idee der Nachsorgemöglichkeit für krebskranke Kinder und Jugendliche – und ließ ihn von da an nicht mehr los.
Ideen und eine deutliche Vision hatte: den Bau einer Nachsorgeklinik für krebskranke Kinder, bei der die kleinen Patienten von Eltern und Ge.schwistern begleitet werden konnten.
Doch blenden wir noch ein paar weitere Jahre zurück: Der studierte Sozialarbeiter und Diplompädagoge Roland Wehrle leitete in den 1980er-Jahren das ehemalige Familienbildungs.zentrum Katharinenhöhe oberhalb Furtwan.gens, das 1982 zum Familienerholungszentrum umgewandelt wurde. Träger der Einrichtung war und ist bis heute die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Baden. 1983 war es aus finanziellen Gründen dringend gefordert, in den Gesund.heitsbereich einzusteigen. Und ab diesem Jahr wurden auf der Katharinenhöhe Mutter-Vater.Kind-Kuren angeboten.
1984 suchte die Arbeitsgemeinschaft der ge.setzlichen Renten- und Krankenversicherungs.träger Nordrhein-Westfalen eine eigenständige Reha-Möglichkeit für krebskranke Kinder. Die Katharinenhöhe hätte zwar die Räumlichkeiten gehabt, eine Zusammenlegung der Konzepte der Mutter-Vater-Kind-Kuren mit dem Konzept der Nordracher Klinik kam aber nicht in Frage. Zudem war Furtwangen einfach auch zu weit weg von Nordrhein-Westfalen. Doch die Idee der Nachsorgemöglichkeit für krebskranke Kin.der und Jugendliche packte Roland Wehrle und ließ ihn von da an nicht mehr los.
Kontakte zur Kinderonkologie
Und dann spielte vielleicht der Zufall eine nicht unerhebliche Rolle. Villingens damaliger Ar.beitsamtsleiter, Horst Billing, besuchte eines Tages die Katharinenhöhe. Er kam mit Roland Wehrle über ein mögliches Nachsorgekonzept für Krebs ins Gespräch. Billing stellte Kontakte zum Donaueschinger Amtsgerichtsdirektor Karl Günther her, der Vorsitzender des Eltern.kreises Freiburg war, einem Förderverein für krebskranke Kinder. Diese Liaison erwies sich als wahrer Glücksfall. Karl Günther vermittelte Roland Wehrle nicht nur Gesprächspartner in der Universitätsklinik Freiburg, sondern brachte ihn auch mit Prof. Dr. med. Dietrich Nietham.mer, dem Direktor der Universitätskinderklinik Tübingen zusammen, der bundesweit die „Nummer 1“ für Kinderonkologie war. Prof. Niethammer versprach Roland Wehrle seine Unterstützung: Aber nur unter der Vorausset.zung, dass konzeptionell und dann in der Praxis die gesamte Familie in den Rehaprozess inte.griert werden würde. Und so wurde Professor Niethammer nicht nur Roland Wehrles „ärzt.licher Mentor“, er erwies sich als Vorsitzender der Medizinischen Fachgesellschaft auch als exzellenter „Türöffner“.
Noch im November 1984 erfolgten erste Ge.spräche mit den Kostenträgern. Bereits im April 1985 reisten Familien mit einem krebskranken Kind auf der Katharinenhöhe an, im Mai erfolg.te die „offizielle Eröffnung“ der neuen Famili.enorientierten Rehabilitation. Roland Wehrles Visionen begannen Realität zu werden.
Schicksalshafte Begegnung mit Klausjürgen Wussow
Im Sommer 1986 sollte es zu einer geradezu schicksalshaften Begegnung kommen. Im nahen Glottertal und in diversen Schwarz.waldgemeinden drehte das ZDF eine der bis heute erfolgreichsten Fernsehserien: die Schwarzwaldklinik. Mit einem Bus voller Pati.entenkinder besuchte Roland Wehrle einen der Drehorte in Hinterzarten. Dort lernte er den Star des TV-Knüllers, den Schauspieler Klausjürgen Wussow, kennen. Der verkörperte als Professor Klaus Brinkmann den Chefarzt der Schwarz.waldklinik. In dieser Rolle wurde Wussow von vielen, vor allem weiblichen Fans, geradezu vergöttert und befand sich auf dem absoluten Höhepunkt seiner Popularität.
Klausjürgen Wussow zeigte sich in Hinter-zarten tief beeindruckt von der Zusammenkunft mit den vom Schicksal so sehr getroffenen Kindern und Jugendlichen. Zugleich war der Schauspieler sehr von einem Mann angetan, der ihm so nachdrücklich schilderte, weshalb Rehabilitationsmaßnahmen im klinischen Um.feld gemeinsam mit Familien so wichtig seien. Dieser Mann war Roland Wehrle. Bereits einige Monate später besuchte Klausjürgen Wussow die Katharinenhöhe. In seinem Schlepptau hat.te er jede Menge medialer Berichterstatter, vor allem das Who is Who der Yellow- und Boule.vardpresse.
Damit hatte Roland Wehrle von einem Tag auf den anderen das, was er vielleicht nie zu träumen gewagt hätte: bundesweite Aufmerk.samkeit für schwerstkranke Kinder und Jugend.liche, für die sich bis zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit nie groß interessiert hatte. Und er hatte Schlagzeilen für ein Konzept, das spä.ter in der Tannheimer Nachsorgeklinik bis zur
Der Bundespräsident war von dem, was wir hier konzeptionell auf die Beine gestellt hatten, ebenso stark beeindruckt, wie vom ungeheuren Lebensmut unserer jungen Patienten.
Roland Wehrle
Vollendung weiterentwickelt werden sollte: die Familienorientierte Nachsorge, kurz FOR, die es nun seit über 30 Jahren gibt.
Bundespräsident Weizsäcker stärkt der Familienorientierten Nachsorge den Rücken
Am 6. Oktober 1988 besuchte ein weiterer Top-Prominenter die Katharinenhöhe: Bundes.präsident Richard von Weizsäcker. Und wieder war bundesweites Medieninteresse garantiert. „Es war ein sensationeller Besuch. Der Bundes.präsident war von dem, was wir hier konzepti.onell auf die Beine gestellt hatten, ebenso stark beeindruckt, wie vom ungeheuren Lebensmut unserer jungen Patienten“, erinnert sich Roland Wehrle im Nachklang immer noch mit Freu.de und Stolz. Und ergänzt: „Dabei waren wir damals echte Exoten im Gesundheitswesen.“ Roland Wehrle war sich nach den Besuchen von Wussow und von Weizsäcker mehr denn je sicher, dass die Familienorientierte Reha das Zu.kunftskonzept ist. Er blieb dran am Thema – mit voller Kraft und Energie.
Seine Kontakte zu Klausjürgen Wussow hat.ten sich zwischenzeitlich intensiviert. 1989 wur.de mit dem großen Schauspieler ein Video auf der Katharinenhöhe gedreht, untermalt mit der Titelmelodie der Schwarzwaldklinik. Emotionen pur! Doch das reichte Wussow nicht, er wollte mehr, wollte ganz konkret helfen. Ihm gegen.über stand ein Roland Wehrle, der den TV-Star in seinem Ansinnen mit offenen Armen auf.nahm. Und so traf sich an einem Mittwoch.abend daheim bei Roland Wehrle am Wohnzim-mertisch im heimischen Furtwangen eine illustre Schar von profunden Unterstützern: Klausjürgen Wussow, dessen damalige Frau Yvonne, Rainer Philipp Stöhrle, Fabrikant aus Pforzheim, Dr. Erwin Ruf, Notar aus Furtwangen, Fritz Funke, Furtwanger Sparkassenchef und Dr. Eberhard Lei.dig, ärztlicher Leiter der Katharinenhöhe. Sie gründeten den Verein „Freunde der Katharinen.höhe“. Die Urzelle sozusagen des späteren Trä.gers der Tannheimer Klinik.
1990 kristallisierte sich immer mehr heraus, dass die Plätze für krebskranke Kinder auf der Katharinenhöhe nicht mehr ausreichten. Prof. Dietrich Niethammer machte zudem deutlich, dass er nicht nur krebskranke Kinder, sondern auch andere, die an schweren chronischen Krankheiten litten, gerne in die Familienorien.tierte Reha mit eingebunden hätte. Im Frühling des Jahres kam Roland Wehrle, der zwischen.zeitlich jede Menge Verbindungen aufgebaut und dank einer gewissen medialen Präsenz, sich einen Ruf über die Grenzen des Schwarz.waldes hinaus erworben hatte, mit Christiane Herzog in Kontakt. Ihr Mann Roman Herzog war Präsident des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe und folgte später Richard von Weiz.säcker als Bundespräsident. Christiane Herzog war Schirmherrin der gleichnamigen Stiftung für Mukoviszidosekranke. Sie suchte dringend Rehaplätze für Kinder, die an dieser unheilbaren Atemwegserkrankung leiden. Roland Wehrle wollte ihr gerne helfen.
Die Arbeitsgemeinschaft Kinderkrebsnachsorge plant den Bau einer neuen Klinik
Just in dieser Zeit erreichte Roland Wehrle der Ruf, die Geschäftsführung der damals gemein.nützigen Hohensteinklinik im nahen Triberg zu übernehmen, in der auch onkologische Patien.ten behandelt wurden. Zeitgleich zeichnete sich ab, dass der Freundeskreis der Katharinenhöhe in eine Stiftung umgewandelt werden sollte. Und dann kam auch Carl Herzog von Würt.temberg auf den Furtwanger zu. Der Adlige war Schirmherr der Arbeitsgemeinschaft der Baden-Württembergischen Förderkreise krebs.kranker Kinder. Im Ratskeller in Stuttgart sprach Herzog Carl Roland Wehrle ganz offen an: „Wir wollen mit Ihnen das Konzept der Familienori.entierten Reha weiterentwickeln. Wenn Sie es sich zutrauen, eine eigene Klinik zu bauen, dann stellen wir Sie ein.“
Der Furtwanger wurde am 1. Oktober 1990 Geschäftsführer der neuen Arbeitsgemeinschaft Kinderkrebsnachsorge. Diese bestand aus den baden-württembergischen Förderkreisen von Herzog Carl und der in Gründung befindlichen Stiftung Klausjürgen Wussow. Im Dezember wurde in Ludwigsburg der Verein „Freunde der Katharinenhöhe“ in die „Kinderkrebsnachsorge Klausjürgen-Wussow-Stiftung“ umgewandelt. Mit im Boot Carl Herzog von Württemberg und Christiane Herzog. Und das Stiftungsziel war von Anfang an festgeschrieben: Irgendwo eine Klinik zu bauen.
Mit seiner ganzen Dynamik und Überzeu.gungskraft ging Geschäftsführer Roland Wehrle an die Umsetzung des Auftrags und ließ sich von da an auch keinen Millimeter mehr vom Weg abbringen. Aus 20 Grundstücksangeboten fiel bereits 1991 die Entscheidung für einen Kli.nikneubau in Tannheim, dem südlichsten Stadt.teil der Großen Kreisstadt Villingen-Schwennin.gen. Hier stimmten mit 57.000 Quadratmetern Fläche und Erbbaurecht die Rahmenbedingun.gen. Eine richtungsweisende Entscheidung, hinter der maßgeblich der damalige und zwischenzeitlich verstorbene Oberbürgermeis.ter von Villingen-Schwenningen, Dr. Gerhard Gebauer, stand. Das Grundstücksthema war also geklärt, doch völlig unklar war die Finanzie.rung. „Wir hatten null D-Mark auf dem Konto“, erinnert sich Roland Wehrle. Und jetzt startete das nächste ganz große Verdienst des heutigen Tannheim-Geschäftsführers: Er machte sich an die Spendenakquise – ein ständiges Bangen zwischen Hoffnung und Erfolg.
Die Tageszeitung SÜDKURIER und der VfB Stuttgart sind die ersten Unterstützer
Die ersten, die Roland Wehrle mit ins Boot bekam, das waren der VfB Stuttgart und die Tageszeitung SÜDKURIER. Bei den Fußballern vom VfB war Dieter Hoeneß Manager. In dessen Bekanntenkreis gab es ein krebskrankes Kind. Hoeneß war schnell von der Notwendigkeit des Klinikbaues überzeugt. Der SÜDKURIER startete eine erste Spendenaktion, die auch in den Folgejahren viel Geld in die Tannheimer Kassen spülen sollte. Weitere Unterstützer folgten. Trotzdem lagen im Spätsommer 1994 „nur“ 3,5 Millionen DM auf dem Baukonto. Auf der einen Seite ein Erfolg, auf der anderen Seite aber auch eher Ernüchterung bei Roland Wehrle und den Förderkreisen. Im Osten Deutschlands schlossen reihenweise Rehakliniken, das ge.sundheitspolitische Klima war in dieser Zeit ein eher schwieriges. Kein ermutigendes Zeichen. Die das Klinikprojekt tragenden Vereine wollten das Handtuch werfen. Sie hatten allerdings
Die Gründung der Stiftung „Kinderkrebsnachsorge – Klausjürgen-Wussow-Stiftung“, heute Deutsche Kinder.krebsnachsorge, am 9. Dezember 1990 machte den Bau der Klinik in Tannheim überhaupt erst möglich. Die Gründer waren, v. links: Konrad Baier, Roland Wehrle, Ernst Martin Joos, Dr. Klaus Peter Baatz, Christiane Her.zog, Fritz Funke, Yvonne Viehöver, Klausjürgen Wussow, Rainer Philipp Stöhrle, Dr. Erwin Ruf und Karl Günther. Ein weiterer Gründer ist Carl Herzog von Württemberg. Foto: Deutsche Kinderkrebsnachsorge
nicht mit der Kämpfernatur Roland Wehrle ge.rechnet. Er bat um sechs Monate Aufschub, was gewährt wurde.
Doch die Rückschläge nahmen kein Ende: So kamen u.a. Absagen auf finanzielle Hilfe von der Aktion Sorgenkind und der Deutschen Herzstif.tung. Die Deutsche Krebsstiftung hatte sich zu diesem Zeitpunkt zudem noch nicht erklärt. Als ob das nicht gereicht hätte: Die Krankenkassen machten völlig quer und wollten das Klinikpro.jekt nicht genehmigen.
Die Zeit der langen schlaflosen Nächte für Roland Wehrle begann. Einen der ganz wenigen Unterstützer hatte Roland Wehrle in diesen hei.ßen Tagen in Karl Günther, dem Amtsgerichtsdi.rektor aus Donaueschingen, der Jahre zuvor die ersten wichtigen Kontakte vermittelt hatte. Aber auch in seinem langjährigen Freund Fritz Funke, dem Sparkassendirektor aus Furtwangen.
Herzog Carl zeigte trotz großer Bedenken wahre Größe: Er vertraute weiterhin seinem Geschäftsführer aus Furtwangen. „Der Herzog war in dieser Situation sensationell gut“, ist ihm Roland Wehrle bis heute dankbar. Bis heute en.gagiert sich Herzog Carl für die Klinik.
Und dann lief tatsächlich über die damaligen Landessender SDR und SWF die Spendenaktion „Herzenssache“ zugunsten der Klinikpläne. Mit einem Millionenerfolg. Die TV-Hilfe war gleich.zeitig die Initialzündung für weitere Sponsoren. Die Baukasse füllte sich zusehends. Roland Wehrle hatte wieder Luft zum Durchatmen.
Ein stolzer Tag: Am 6. Juli 1995 beginnt der Klinikneubau
Am 6. Juli 1995 begann der Klinikbau, ein stolzer Tag für den unermüdlichen Trommler und Strei.ter Roland Wehrle. Die nächste Krise kam zwei Jahre später, zwei Monate vor Eröffnung der Klinik. Seit Jahren hatte Roland Wehrle bereits versucht, die Endfinanzierung über Darlehen sicherzustellen. Doch auf einmal wollten die Banken keine Rehakliniken mehr finanzieren. „Die Insolvenz stand so knapp vorm Ziel vor der Tür“. Beim Gedanken daran läuft es Ro.land Wehrle immer noch eiskalt den Rücken hinunter. Und wieder war seine Kämpfernatur gefordert. Dank seiner guten Kontakte auch in höchste politische Kreise hinein, erwies sich der damalige Landesfinanzminister und spätere DFB-Präsident, Gerhard Mayer-Vorfelder (MV), als wahrer Rettungsanker. Roland Wehrle: „MV nahm alles persönlich in die Hand.“
Anfang September waren Darlehensverträge über 26 Millionen DM unter Dach und Fach, am
14. November 1997 wurde die Klinik eröffnet! Ein sensationeller Erfolg für Roland Wehrle, auf den drei Jahre zuvor viele keinen Pfifferling mehr ge.geben hatten und der nun Geschäftsführer der neuen Klinik war.
Zur Eröffnung kam auch Ministerpräsident Erwin Teufel, der sich persönlich für den Bau von Tannheim engagiert hatte. Seine Rede gipfelte in der Feststellung: „Hier wurde eine Rehabili.tationseinrichtung geschaffen, die die kranken
Nach dem Festakt durchschnitt Edeltraud Teufel zusammen mit Gerhard Mayer-Vorfelder das Tornetz zum VfB-Haus der Nachsorgeklinik Tannheim. Gerhard Mayer-Vorfelder hatte auch den DFB-Pokal mitgebracht, den der VfB 1997 gewonnen hatte. Tausende waren es, die am 16. November 1997 die Nachsorgeklinik beim „Tag der offenen Tür“ besichtigten.
Kinder und Jugendlichen mit ihrem schweren persönlichen Schicksal ganz in den Mittelpunkt stellt. Hier werden neben den körperlichen auch ganz bewusst die seelischen Belastungen, die für die jungen Menschen in ganz besonderem Maße mit der Krankheit verbunden sind, in das Therapiekonzept einbezogen. Die heutige Eröffnung ist aber auch ein großartiges Zeichen der Solidarität unzähliger Menschen mit den schwerkranken Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien. Auch in dieser Hinsicht ist die Nachsorgeklinik Tannheim einzigartig. Sie ist entstanden durch das Engagement der Bürge.rinnen und Bürger im Land.“
Eine Mammutbelastung bis heute
Doch wie steht man solch eine Mammutbelas.tung – übrigens bis zum heutigen Tag – über.haupt durch? Da ist zum einen Roland Wehrles Familie, die ihm Rückhalt und Rückzug bietet. Da ist die Fastnacht, in der er mit Leib und Seele aufgeht. Seit 1996 ist er Präsident der ältesten und größten Narrenvereinigung in Deutschland, der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN).
Und da war Björn. Ein Patientenkind aus
höhe. Björn hatte Krebs, ertrug sein Leiden aber tapfer und mit großer Geduld. Er wusste, dass er bald sterben würde und malte ein Bild, auf dem er sich selbst in einen Sarg legte. Für Roland Wehrle ein tiefgreifendes Erlebnis, das ihn bis heute nicht losgelassen hat. In seinem Arbeitszimmer hing das Sargbild des kleinen Björn. So sagt Roland Wehrle auch: „Alleine dieses Kind war für mich Motivation genug.“ Wenn mal wieder in der Planungsphase für die Klinik alles den Bach runterzugehen drohte, dann erinnerte sich Roland Wehrle an den tap.feren, zwischenzeitlich verstorbenen Björn. Das stachelte ihn an, nicht aufzugeben. „Man darf sich von einer Idee nie abbringen lassen, wenn die Ziele realistisch sind“, wurde zum Motto des
Die Nachsorgeklinik Tannheim bietet im Rahmen der Familienorientierten Nachsorge bei der Krebs-, Herz- oder Mukoviszidose-Erkrankung eines Kindes der gesamten Familie eine vierwöchige Behandlung. Jugendlichen Patienten steht die „Junge Reha“ zur Verfügung, Erwachsenen ermöglicht die Klinik die Nachsorge im Rahmen der REHA27PLUS. Weiter be.handelt die Nachsorgeklinik Tannheim „Verwaiste Familien“ – das sind Familien, die durch Krankheit ein
Roland Wehrles Jahren auf der Katharinen-Kind verloren haben.
Tannheim-Geschäftsführers. Und bis heute ist sich Roland Wehrle sicher: „Dass wir das Klinik.projekt hinbekommen haben, das ist irgendwie auch Björn zu verdanken.“
Ein ganz großes Stück des Erfolgs geht aber auf die geniale Fähigkeit Roland Wehrles zurück, Netzwerke zu knüpfen. „Ein Kontakt ermöglicht oft den nächsten“, weiß er aus lan.ger Erfahrung. Aber er weiß ebenso: „Man darf nicht nur auf Prominente setzen.“ Heißt: Man braucht eine ganz breite Basis an Unterstützern und Helfern. „Mir ist jede Spende von 20, 50 oder 100 Euro genauso wichtig wie Großspen.den“, betont Wehrle.
Dass sich Roland Wehrle nie auf den Pfrün.den seiner Erfolge ausgeruht hat, verdeutlichen die Veränderungen, die es seit der Eröffnung der Klinik 1997 gegeben hat. Neue Behandlungs.konzepte, neue Einrichtungen, zusätzliche Aus.stattungen, Anbauten, Umstrukturierungen – all das sind die sichtbaren Zeichen des Wandels, den Roland Wehrle kontinuierlich weitertreibt. Zu den emotionalen Faktoren gehören seit fast 18 Jahren Rehas für Familien, die ein Kind durch Krankheit oder Unfall verloren haben. Hier die Eltern in ihrem Schmerz, in der Aufarbeitung des Geschehenen, nicht alleine zu lassen, ist dem Geschäftsführer ein großes Anliegen. Und wenn Familien mal finanzielle Probleme haben, in die Reha überhaupt kommen zu können, da findet Roland Wehrle schon Mittel und Wege zur Hilfe. Die Finanzen sind es, die den „Mister
Aus der Hand von Ministerpräsident Günther Oettinger (rechts) er.hält Roland Wehrle im Dezember 2005 für seine Verdienste um die Familienorientierte Nachsorge und das schwä.bisch-alemannische Fastnachtsbrauchtum das Bundesverdienstkreuz. In der Mitte Ehefrau Jacqueline Wehrle.
Tannheim“, wie der Geschäftsführer gerne auch genannt wird, immer noch mächtig umtreibt. „Die Krankenkasse AOK Baden-Württemberg und die Deutsche Rentenversicherung waren immer guten Willens“, spricht Roland Wehrle gerne Lob aus. Vernünftig mit Blick auf die finanzielle Seite der Reha läuft es seit 2009. „Ich habe 25 Jahre gebraucht, um politisches Verständnis für unser Behandlungskonzept zu bekommen“, sagt Wehrle nicht ohne Bitternis.
„Den Schwächsten und ihren Familien helfen“
Da bleibt dann doch noch einmal die Frage, was einen wie Roland Wehrle immer weitertreibt? Die Antwort kommt wie aus der Pistole ge.schossen: „Wichtig ist, dass man den Schwächs.ten und ihren Familien in dieser Gesellschaft hilft. Es aber gleichzeitig auch als großes Glück betrachtet, wenn man gesunde Kinder hat.“ Wenn der Geschäftsführer in der Nachsor.geklinik Tannheim unterwegs ist, dann ist er immer wieder begeistert von der Einstellung der schwerkranken Kinder. „Es ist unglaublich, auf welchem Niveau die positiv denken. Und diese Kinder, ihre Eltern, ihre Geschwister, die darf man nicht im Regen stehen lassen.“ Ro.land Wehrle kann viele Erfolge in seinem Leben vorweisen. Besonders stolz ist er aber: „Darauf, dass es mir zusammen mit Professor Nietham.mer und der Katharinenhöhe gelungen ist, ein für Deutschland völlig neues Behandlungs.konzept durchzusetzen.“ Trotzdem, Visionen hat der Mann immer noch: „Ich träume davon, unser Rehakonzept für alle chronisch erkrank.ten Kinder und deren Familien in unserem Land umzusetzen.“
Für seine Lebensleistung erhielt Roland Wehrle im Dezember 2005 aus den Händen von Ministerpräsident Günther Oettinger das Bundesverdienstkreuz am Bande. Letztendlich ist das, was Roland Wehrle auf der Katharinen.höhe, in Tannheim und im gesamten deutschen Gesundheitswesen geschaffen hat, aber mit keinem noch so hohen Orden zu würdigen.
„Die Patienten spüren, dass es uns in Tann.heim um die gesamte Familie geht. Unsere Mit.arbeiterinnen und Mitarbeiter leben die Fami.lienorientierte Nachsorge mit ganzem Herzen, sind von ihren Möglichkeiten begeistert wie am ersten Tag“, sagt Roland Wehrle mit Blick auf die vergangenen 20 Jahre. Heute arbeiten in der Klinik rund 150 Menschen. Sie ist damit auch ein bedeutender Faktor auf dem regionalen Arbeitsmarkt. 100prozentige Auslastung mit Patienten und Familien aus dem ganzen Bun.desgebiet, Österreich und der Schweiz zeigen, welchen Stellenwert die Klinik im Gesundheits.system hat.
Zum Erfolgsmodell tragen hochspeziali.sierte Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten und das gesamte Betreuungspersonal bei. Zum weiteren Angebot gehören aber auch z.B. Reittherapie, Kunsttherapie, Sporttherapie, Gangschule, Heilpädagogik oder umfassende Freizeitaktivitäten. Eine klinikeigene Schule sorgt dafür, dass Patientenkinder auf dem Lau.fenden bleiben. Die Klinikküche kann mit jedem guten Restaurant spielend mithalten. Und ein Teil des Tannheimer Erfolges ist auf den Klinik.bau selbst zurückzuführen: Lichtdurchflutet, mit sehr ansprechender Ausstattung, hat das Haus rein optisch mehr den Charakter eines ge.pflegten Hotels denn einer Klinik. Die Patienten sollen sich wohlfühlen, lautet auch einer der weiteren Grundsätze. Wie wertvoll in den zu.rückliegenden 20 Jahren Tannheim für Familien mit schwer chronisch kranken Kindern ist, doku.mentiert stellvertretend der Brief einer Mutter. Darin beschreibt sie die Klinik als ihre „Insel im Meer der Sorgen“. Schöner und intensiver lässt es sich kaum formulieren.
Roland Wehrle gibt Geschäftsführung ab
Zum 1. Januar 2018 nun endet in Tannheim eine Ära: Roland Wehrle legt die Geschäftsführung der Nachsorgeklinik in die Hände von Sandra Bandholz und Thomas Müller. Er selbst ist wei.terhin beratend tätig und zudem im Aufsichts.rat der Nachsorgeklinik aktiv. Roland Wehrle bleibt zusammen mit Sonja Faber-Schrecklein Vorstand der Stiftung Deutsche Kinderkrebs.nachsorge.
Eine Vollblutwirtin zwischen Nudelmaschine, Brot backen und Gäste bedienen
In der Sonne-Post in Oberbaldingen bei Ingrid Lorenz und ihrer Familie
kommt viel Gutes aus der Khe.
von Wilfried Strohmeier
Bekannt ist Ingrid Lorenz, die Wirtin der Sonne-Post in Oberbaldingen, als „Schnitzel-Ingrid“. Doch der Beiname sagt viel zu wenig über die Vollblutgastronomin aus. Ihre Spezialität sind neben den besagten Schnitzeln vor allem Nu.deln, Knöpfle und Brot – das alles macht sie mit ihrem Sohn, dem gelernten Koch Martin Lorenz, in Eigenarbeit in der Wirtshausküche. In den Morgenstunden, in denen diese Spezialitäten entstehen, geht es am Herd, am Ofen und an der Nudelmaschine rund, da muss jeder Hand.griff sitzen – Mutter und Sohn sind aber ein eingespieltes Team.
Sonne-Post feiert 85-jähriges Bestehen
In diesem Jahr feiert die Familie Lorenz das 85-jährige Bestehen der Sonne-Post. Friedrich Futter, der Vater von Ingrid Lorenz, kaufte sich die Gaststätte am 1. März 1933. Die Lage des Hauses an der Kreuzung, an der sich die Straßen von Bad Dürrheim in Richtung Geisingen und Tuttlingen sowie in Richtung Öfingen, treffen war nahezu ideal. Für die Gäste gibt es in der Sonne-Post viel Platz. Die Gaststätte hat rund 70 Sitzplätze, in den Sommermonaten ist auf der großen Fläche vor dem Haus ebenfalls gestuhlt.
Der Doppelname des Hauses hat seinen Grund: Friedrich Futter betrieb neben der Gaststätte ein Kolonialwarengeschäft, eine Tankstelle und eine Postagentur. So für den Lebensunterhalt gerüstet, heiratete er 1934 Berta Glunz aus Oberbaldingen. Kolonialwaren.geschäft und Tankstelle wurden irgendwann geschlossen, die Arbeit ging dennoch nicht aus, Berta Futter erbte die Landwirtschaft ihrer El.tern. Die Postagentur bestand bis ins Jahr 2001 und wurde zuletzt von Ingrid Lorenz betrieben. 1975 hatte auch sie geheiratet. Ihr Mann Eugen Lorenz hatte einen ganz anderen Beruf, nach Feierabend und an den Wochenenden stand er zusammen mit ihr im Speiselokal und das tut er auch heute als Rentner noch. Er kümmert sich um den Außenbereich und erledigt zudem viele kleine Reparaturarbeiten rund um das Haus. Und während der Sohn Martin in der Küche arbeitet, hilft auch Tochter Britta, die ebenfalls einen anderen Beruf hat, an den Wochenenden des öfteren in der Gaststätte als Bedienung mit – ein traditioneller Familienbetrieb.
Stets frisch gekocht und aus der Region
Traditionell ist auch das, was Ingrid und Martin Lorenz in der Küche machen. Die Speisekarte ist eher übersichtlich, doch das hat seinen Grund: Die Gäste können sich sicher sein, dass alles,
Bei der „Schnitzel-Ingrid“ gibt es neben Schnitzeln vor allem Nudeln, Knöpfle und Brot.
10. Kapitel – Gastlichkeit
was irgendwie geht, frisch gekocht, selbst ge.macht und aus der Region ist. Darauf legt die Wirtin ganz großen Wert und darauf ist sie auch stolz. So holt sie ihr Gemüse und den Salat bei.spielsweise bei ihren Nachbarn über der Straße, und wenn ihr der grüne Salat oder Ähnliches gegen Abend ausgeht, kann sie einfach noch mal hinüberlaufen, um Nachschub zu holen. Auch der Kartoffelsalat stammt aus der eigenen Küche. „Der geht dann auch mal gegen Abend aus“, erklärt sie und: „Ich habe keinen fertigen Salat irgendwo im Eimer stehen, den ich einfach nur noch verfeinern muss.“ Für die Gäste ist dies kein Problem, denn sie wissen schließlich, was sie an der Sonne-Post haben.
Wie die selbst gemachten Speisen fein wer.den, dafür hat Ingrid Lorenz so manches Haus.frauen- und Köchinnengeheimnis auf Lager, so kommt in den Knöpfleteig beispielsweise ein Schuss Mineralwasser, damit der Teig etwas
Dicht an dicht sitzen goldbraun gebackene Brote auf dem Blech – Ingrid und Martin Lorenz sind ein eingespieltes Team.
irgendwo im Eimer stehen, den ich einfach nur noch verfeinern muss.
luftiger wird, alles verrät die Köchin aus Leiden.schaft jedoch nicht.
„Es muss Hand in Hand gehen“
Das Fernsehen wurde auch schon aufmerksam auf die Wirtsfamilie, und so wurde ihr schon ganz genau in die Töpfe geschaut. Und wieder hat sie einen Beobachter von den Medien zu Gast. An diesem Morgen wird Brot gebacken und Nudeln gewalzt. Der Brotteig muss fertig sein, bevor die Nudeln produziert werden. „Es muss Hand in Hand gehen“, erklärt die Wirtin und bald ist klar, wieso. In einem großen Edel.stahlbehälter wird der Hefeteig angesetzt. In Ruhe darf er 75 Minuten gehen und dabei sein Volumen vergrößern. Ist der Teig fertig, nimmt Martin Lorenz den Behälter, hievt ihn von der Maschine auf den Küchentisch und lässt ihn aus dem Behälter hinausgleiten. „Ich habe schon als kleiner Junge gerne gebacken“, erzählt er mit sichtbarer Freude über den gelungenen Teig. Ein Kilogramm Rohmasse wird jeweils abgewogen und auf das breite Backblech gesetzt. Dort darf er nochmals ein paar Minuten ruhen und dann geht es in den Ofen hinein. Gebacken wird mit „abfallender Hitze“, erklärt die Küchenchefin. Das heißt, am Anfang ist die Hitze hoch, wäh.rend des Backvorgangs wird die Temperatur tiefer gestellt.
In der Zeit, in der das Brot bäckt, geht es an die Nudeln. Ingrid Lorenz hat dazu eine kleine Maschine, die mehrere Funktionen: Sie kann so.wohl die Zutaten vermischen als auch mit einer ähnlichen Funktion wie beim Fleischwolf den Teig durch die Form, Matrize genannt, pressen. In dem Teigbehälter sind abgewogen eingefüllt: 500 Gramm Mehl und 500 Gramm Grieß – bei.des aus der Mühle in Biesingen – dazu kommen acht Eier – von einem regionalen Bauern – der durchsichtige Deckel wird geschlossen und los geht es. An diesem Morgen gibt es schmale Walznudeln. Die Metallhaken der Spindel wüh.len sich durch die Masse. Zunächst sieht man noch nicht viel Veränderung, doch langsam aber sicher vermischen sich die Zutaten. Der Teig bekommt eine Konsistenz wie Streuselteig für einen Kuchen. Genau richtig. „Er darf nicht zu nass und nicht zu trocken sein“, die Köchin sieht das mit bloßem Auge – Jahrzehnte lange Erfahrung. Die Form für die Nudeln wird einge.setzt, die Funktion umgeschaltet. Kurz darauf kommt der Teig goldgelb durch die schmalen Öffnungen hindurch. Langsam werden die Nudeln immer länger, der Auffangbehälter ist eine luftdurchlässige Box, in welche die schein.bar endlosen Teigschlangen hineingleiten. Ab und zu greift Ingrid Lorenz am Teigauslass der Maschine ein. Schwungvoll greift sie nach dem Teigbündel und kappt die Streifen. „Wir könnten aber heute auch Kilometernudeln machen“, wirft ihr Sohn ein. So haben die Gäste die Nudeln getauft, die endlos lange sind. Hat sie eine ordentliche Portion Nudeln in der Git.terbox zusammen, kommen diese in siedendes Salzwasser und werden kurz gekocht, danach in eine weitere Box zur Aufbewahrung, bis sie an einem der nächsten Tage als Beilage auf einem Teller der Gäste landen.
Die Tradition erhalten
Währenddessen ist auch das Brot im Ofen fer.tig. Martin Lorenz greift zu den Topflappen und öffnet die Luke. Mit goldbrauner Kruste sitzen die runden Brote dicht an dicht auf dem Blech. Er nimmt es hinaus und lässt die heißen Laibe auf den Küchentisch gleiten zum Auskühlen. In einer Ecke steht schon ein Servierwagen bereit, auf den die Brote gelegt werden, der wird dann im Thekenbereich aufgestellt. So zieht der Duft des frischen Brotes durch den Gastraum – ein Anreiz für viele, das Brot zu kaufen, zu Hause frisch mit Butter zu bestreichen und reinzubeißen.
Wieso Ingrid Lorenz die viele Zeit investiert? „Es ist eine Tradition, die ich weitergeführt ha.be.“ Sie hat sie von ihrer Mutter übernommen und den Gästen schmeckt es.
Die Bahnhofstraße 8 in Villingen
Die Jugendstilvilla des ehemaligen Schnapsbrenners Preiser wurde aufwendig saniert und zum Hotel umgebaut.
von Andreas Fl
Historie und Städtebau
In der Blütezeit des Deutschen Kaiserreichs (1871–1918) ent.standen zahlreiche Villen und Häuser im sogenannten
historistischen Stil mit dem bewussten Rückgriff auf Schmuckelemente der deutschen Vergangenheit. Diese Formensprache verflocht sich dann mit dem floralen Jugendstil und brachte besonders filigrane und großzügige Bauten hervor. In Villingen entstanden so neue Quartiere außerhalb der Stadtmauer wie das Gymnasium am Romäusring und das Villinger Krankenhaus in der Herdstraße (Friedrichskran.kenhaus). Weitere bedeutende Stadterweiterun.gen in dieser Zeit fanden auch in der Mönchwei.lerstraße, Vöhrenbacher Straße, Schillerstraße, am Benediktinerring, in der Luisenstraße und direkt angrenzend, in der Bahnhofstraße statt.
Das Haus Bahnhofstraße 8
Auch die Bahnhofstraße, an der Brigach gelegen und in nächster Nähe zum Bahnhof, ist trotz ei.niger kriegsbedingter Verluste noch immer vom Stil dieser Zeit geprägt. Das Haus in der Bahn.hofstraße 8 wurde in der Hochzeit des Villinger Jugendstils, im Jahr 1900 errichtet.
Für die sich um die Jahrhundertwende merklich erweiternde Stadt war diese Lage eine bevorzugte Wohngegend geworden: nahe beim Bahnhof und vor den Toren der mittelalterli.des ausgehenden Historismus wie auch Stilelemente aus dem Jugend.stil werden am Gebäude augenfällig, wenngleich in spürbarer Zurückhal.tung. Das Haus ist ein anschauliches
Belegstück für die baugeschichtliche Entwicklung der Stadt und ihrer Erweiterung sowie für die architektonische Formensprache dieser Zeit.
Im Jahre 2012 hat Andreas Flöß das Gebäu.de von der Familie Preiser erworben und ein Aufnahmeverfahren in die Liste der Kulturgüter angestrebt. Das Landesdenkmalamt hat die.sem Wunsch entsprochen und mit Datum vom 1.10.2013 nachfolgende Denkmaleigenschaft festgestellt:
traufständiger Klinkerbau, zwei.geschossig mit Gliederungen in Werkstein und Schmuckdetails in Fachwerk. Nach Plänen des Villin.ger Architekten Naegele für den Fabrikanten C. Kaiser errichtet. Am Erker der Straßenfront bez. 1900. Hofseitig originaler verglas.ter Wintergartenvorbau.“
chen Umfassungsmauern. Der Formenschatz
Dr. F. Cremer LDA RP FR
Villa8 mit neuem Hotel-Logo und Hausnummer in der Eingangspforte.
Ein nahezu „unverbautes“ Gebäude
Im Innern des Hauses ist vom Erdgeschoss bis ins Dachgeschoss weitgehend die historische Raumaufteilung mit großen Teilen der bau.zeitlichen ortsfesten Ausstattung erhalten. So zum Beispiel das Treppenhaus mit einer Eichen-Holztreppe und gedrechseltem Geländer sowie die Zwischenwände mit Oberlichtern und Türen, die Terrazzo- und Holzfußböden bzw. Bodenfliesen in Flur und Küche. Die originalen Haus- und Zimmertüren mit originalen Türklin.ken runden ein stimmiges Bild von einem nahezu „unverbauten“ Gebäude ab.
Von der Einfriedung aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, ist der eiserne Zaun mit Ein-
Die originalen Haus- und Zimmertüren mit ori.ginalen Türklinken runden ein stimmiges Bild von einem nahezu „unverbauten“ Gebäude ab.
Links: Architekt Andreas Flöß und Hotelbetreiberin Brigitte Hiermaier. Rechts: Die ursprünglich glasierte Fliesen.keramik im Eingangsbereich war stilgebend für das neue Hotel-Logo.
gangspforte zum Gehsteig noch erhalten. Das rückwärtig angeschlossene Fabrikationsge.bäude, stammt vermutlich aus den 1920er-Jah.ren. Es wurde später sowohl nach Süden, als auch nach Norden bis nahe an die Grundstücksgrenzen erweitert. Anschaulich wird dies im Innern an der Nordseite der ursprünglichen Außenwand, wo sich noch die Werbeinschrift der Spirituosen und Aromen Herstellerfirma Preiser KG, die ab 1906 das Anwesen übernommen hat, befindet.
Aufwendige Sanierung
Nach mehreren Jahren Suche nach einer geeig.neten Nutzung wurde ab dem Jahr 2016 eine aufwendige Sanierung für beide Gebäude an.gestoßen. Während im rückwärtigen Fabrikati.onsgebäude große Loftwohnungen entstanden, war für die nun denkmalgeschützte Villa die weitere Bestimmung, ein Hotel zu werden.
Möglich wurde dies durch Brigitte Hiermaier, welche das Gebäude erwarb und seit April 2017, ein kleines Hotel mit Frühstück, dort betreibt.
Unter großem Einsatz aller beteiligten Handwerksfirmen der Region wurde Stück für Stück der ursprüngliche Charakter des Gebäu.des wieder herausgeschält. Hierbei galt es die bestehenden historischen Bauteile zu reparie.ren und zu ergänzen, gleichzeitig aber auch mit den neuen und baurechtlich nötigen Bestim.mungen in Einklang zu bringen.
Die schmucklosen und neuzeitlichen Fens.ter wurden komplett durch fein ausprofilierte Rahmen und Flügel ersetzt. Die vorhandenen Bodenbeläge wurden entfernt und die beste.henden Dielenböden entsprechend repariert, geschliffen und geölt. Ebenso wurden die be.stehenden Holztüren mit Überblattungen und
Bahnhofstraße 8 mit rückwärtig angebautem Fabri.kationsgebäude und aufgemaltem Firmenlogo. Das Bild wurde von Norden aufgenommen, auf dem jetzi.gen Standort des Postgebäudes.
Hotelzimmer im Obergeschoss mit vorgelagertem und erhöhtem Flur.
Holzfüllungen erhalten und für eine Hotelnut.zung überarbeitet und aufgerüstet.
In Küche und Diele wurden die historischen Fliesen ergänzt und, wo es nötig war, repariert. Aus dem Muster der Fliesen, hat sich das Ho.tel Villa8 auch sein Logo abgeleitet, um damit formal einen optimalen Bezug zum Gebäude herzustellen.
Die bestehenden Wände und Decken wur.den nach Abnahme der Tapeten entsprechend gespachtelt und mit glattem Putz sowie Anstrich versehen. Lamperien wurden ersetzt, wo es notwendig war. Die haustechnischen Anlagen wie Elektro, Heizung und Sanitär wurden durch behutsamen Eingriff in die bestehende Bausub.stanz eingebaut. Die Raumstrukturen wurden übernommen, um die ursprüngliche Ables.barkeit der Wohnungen zu erhalten. Außerge.wöhnlich für ein Hotel sind die Holzdielenböden und die natürliche Belichtung in den Bädern.
Im Außenbereich wurde die Fassade überar.beitet und die Dachhaut mit ihren Gaupen und Wiederkehr komplett erneuert.
Der Außenbereich wurde mit dem dahinter-liegenden Fabrikgebäude gemeinsam gestaltet und bildet fortan ein schönes Visavis zum Villin.ger Bahnhof. Städtebaulich wertet die Sanierung den Bereich um die Bahnhofsgegend insgesamt auf, welche in den vergangenen Jahren selbst schon einige Veränderungen erfahren hat.
Beim Hader Karle in Weilersbach
Als vor 25 Jahren die Entscheidung fiel, aus dem ehemaligen Bauernhaus in Weilersbach ein Wirtshaus zu machen, hatte Karl Fleig das Bild eines „singenden Gastwirtes“ vor Augen. Das ist der 56-Jährige auch bis heute geblieben. Doch mittlerweile verbindet man den „Hader Karle“ mit viel mehr – denn das Gasthaus hat sich zu einem Unikat der Gastroszene im Schwarzwald-Baar-Kreis entwickelt.
von Marc Eich
Start als Vesperstube lich diese besondere Kombination unter einem Das Wirtshaus als Ursprungsidee, ein Hotelbe-Dach das Aushängeschild des Betriebes sein. trieb mit vielen individuellen Noten, die dazu-Kein Wunder, dass Karl Fleig stolz ist, wenn gehörige Goaß-Alm mit garantiertem Hütten-ihm bewusst wird, was er mit viel Eigenleistung feeling und als i-Tüpfelchen die Hausbrauerei und dank der Unterstützung der Familie in mit den Eigenkreationen, die Kenner weit über seinem eigenen Elternhaus und seiner Geburts.die Grenzen der Region schätzen: Es gibt viele stätte erschaffen hat. „Das ist für mich ein be-Gründe, warum tagtäglich Einheimische und sonderer Ort, hier steckt viel Herzblut Auswärtige den Weg in den Hader Karle im drin“, erzählt der Gastronom, der VS-Ortsteil finden. Mittlerweile dürfte sicher-früher als Tanzmusiker unterwegs war. Doch wie kam es, dass das ehemalige Bau.ernhaus vor einem Vierteljahrhundert einen kompletten Wandel erfuhr?
„Für den Hof sahen wir keine Zukunfts.perspektiven – und die Gastronomie hat mich schon immer fasziniert“, blickt er zurück. Als es um die Zukunft des väterlichen Landwirt.schaftsbetriebes ging, fasste die Familie des.halb den Entschluss, das Gebäude zu einem Wirtshaus umzubauen. Im April 1992 empfing Karl Fleig gemeinsam mit seiner Frau Beate und dem Schwager Wolfgang Waller, den alle „Wolfi“ nennen, erstmals Gäste. Der Start als Vesperstube glückte – der Erfolg führte dazu, dass die Gaststätte schnell ausgebaut und die Karte erweitert wurde. Damals bekamen die Gäste im Hader Karle internationale Küche, die Zeiten sind aber vorbei. „Wir haben uns dann zurückbesonnen auf unsere Wurzeln.“ Heißt: bodenständige deutsche Küche mit Einflüssen aus dem Bayerischen, dem Schwäbischen und natürlich auch dem Badischen. Viel Wert legt der Gastronom dabei auf Hausgemachtes – so sind Maultaschen, Knödel, Spätzle und sogar das Brot selbst hergestellt.
Individuelle Übernachtungsmöglichkeit
Der erste Schritt, sich in Weilersbach zu eta.blieren, war schließlich geschafft. Die Gäste zeigten sich zufrieden – der gute Ruf lockte zudem Geschäftsleute mit Kundschaft an, die bei ihrem Besuch in der Region die gute Küche
Links: Das rustikale Hotelzimmer „Jagdschlösschen“. Rechts: Im traditionsreichen Wirtshaus steckt viel Herzblut drin.
genossen. „Die meinten dann irgendwann, dass es toll wäre, wenn sie hier auch übernachten könnten“, erinnert sich Fleig zurück. Eine Idee, die den Weilersbacher nicht mehr losließ. Denn Platz hatte man in dem geräumigen Bauern.haus genug, schließlich bot die Familie dort während der Wohnungsnot Studentenzimmer an. Nach zehn Jahren waren diese jedoch re.novierungsbedürftig, sodass dem Ehepaar die Entscheidung nicht schwerfiel: Statt Studenten sollten zukünftig Hotelgäste im Haus unter.kommen. Das wurde in die Tat umgesetzt, seit 2002 kann im Hader Karle auch übernachtet werden. Zur Verfügung stehen insgesamt sechs Zimmer, bald soll ein weiteres folgen. Der Hader Karle wäre aber nicht der Hader Karle, wenn es sich dabei um Standard-Zimmer handeln würde – nein, die Fleigs legen Wert darauf, jedem Zimmer eine individuelle Note zu verlei.hen. Während das Zimmer „Meran“ eher einen mediterranen Touch erhalten hat, hängen im rustikalen „Jagdschlösschen“ beispielsweise ausgestopfte Rehköpfe an der Wand.
Der Erfolg spricht für sich: Rund 100 Über.nachtungen verzeichnen sie mittlerweile im Schnitt pro Monat, davon zahlreiche Stamm.gäste. Über die Jahre haben diese ein fast familiäres Verhältnis entwickelt – nicht nur zu Familie Fleig, sondern auch zu den Besuchern im Wirtshaus. „Die Hotelgäste wurden hier in den Kreis aufgenommen, da sind zum Teil rich.tige Freundschaften daraus geworden“, freut sich Fleig über die besonderen Beziehungen in seinem Elternhaus.
In der Goaß-Alm gibt es regelmäßig Gaudi
Die Einrichtung des Hotels gab ihm dabei auch die Möglichkeit, lange gehegte Ideen umzu.setzen. „Urige Berghütten haben mich beim Skifahren und Bergwandern schon immer faszi.niert, deshalb wollte ich so etwas auch bei mir“, erzählt Fleig. Als die Entscheidung fiel, Zimmer anzubieten, war für ihn deshalb klar: „Wir brau.chen eine Hotelbar.“ Kein Wunder, dass er gleich vor Augen hatte, wie diese aussehen könnte – die Idee für die Goaß-Alm war geboren. Im Mit.telpunkt steht hier die ausgestopfte Ziege, aus deren Hinterteil die Bierhähne kommen. „Die wurde schon X-mal fotografiert“, lacht Fleig. In kompletter Eigenregie hat der Gastronom dabei seine Vorstellungen der Berghütte verwirklicht und darüber hinaus einen Raum für verschiede.ne Events geschaffen: Egal ob Hüttenabende, Schlager- oder Weihnachtspartys, in der Goaß-Alm gibt es regelmäßig Gaudi.
Wer jetzt glaubt, dass sich der „singende Gastwirt“ auf dem Erfolg ausruht, kennt den
Die ausgestopfte Ziege, aus deren Hinterteil die Bier.hähne kommen, ist die Attraktion in der Goaß-Alm.
Familienvater nicht gut. Denn Karl Fleig wollte sich noch einen Traum erfüllen. Der Anlass, dies umzusetzen, war jedoch ein trauriger. 2009 starben seine Eltern – in den frei gewordenen Räumen wollte Fleig deshalb etwas ganz Be.sonderes erschaffen, seine eigene Brauerei mit Bräustüble. Damit einhergehend absolvierte er die Ausbildung zum Diplom-Biersommelier, im Herbst 2010 feierte „Hader Bräu“ schließlich Premiere. Und wenn es um das Bier geht, dann leuchten beim 56-Jährigen die Augen. 250 Hek.toliter seiner Kreation setzt Karl Fleig davon im Jahr durchschnittlich ab, 6000 Liter hat er immer als Vorrat im Haus. Damit dies auch so bleibt, steht er zwei bis drei Mal die Woche am Braukessel, insgesamt sechs Stunden muss er jedes Mal für den Brauprozess aufbringen. An.schließend reift beispielsweise das Hefeweizen 14 Tage, das Helle fünf Wochen und ein Bock.bier sechs bis acht Wochen. „Unser handwerk.lich gebrautes Helles ist weniger stark gehopft, vollmundig, unfiltriert und süffig – also ein typisches Gasthausbrauerei-Bier“, berichtet der Sommelier. Insgesamt vier Sorten hat Fleig im Angebot, eine fünfte Sorte bietet er je nach Saison an. So gibt es nach Aschermittwoch den kräftigen Sankt Carolus Fastenbock, vor Ostern das karamelige Frühlingsmärzen, zum Sommer.beginn das dunkle Dark Summer, zur Wiesn-Zeit das süffige Herbstgold und im Winter das eben.falls dunkle Karl Boromäus Winterbier.
Dem Bier eine besondere Note verleihen…
Doch wie kommt ein Sommelier immer wieder auf verschiedene Sorten? „Wir besuchen mit dem Verband der Biersommeliers viele Ver.kostungen und versuchen dann oft, die Biere daheim nachzubrauen“, so der Kenner des Hopfengetränks. Dabei wollen die Sommeliers selbstverständlich auch immer wieder ihre eige.nen Ideen umsetzen und dem Bier eine beson.dere Note verleihen. „Die Ausbildung hat dabei
Karl Fleig am Braukessel vom „Hader Bräu“. Hier können Gäste nicht nur das hausgebraute Bier genießen, sondern auch alles über den Brauvorgang erfahren.
geholfen, viel Erfahrung zu sammeln, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.“ Und mit dem Bierbrauen hat er sich nicht nur einen Traum er.füllt, sondern konnte hierdurch auch erreichen, dass das Einzugsgebiet des Hader Karle deutlich gewachsen ist. Viele Bierkenner decken sich in Weilersbach dann gleich mit den Lieblingssor.ten ein – eine neue Abfüllanlage soll zukünftig außerdem dafür sorgen, dass das Bier zudem in den handelsüblichen Flaschengrößen über die Verkaufstheke geht.
Musik spielt eine große Rolle
Langweilig wird es Familie Fleig mit Karl, der 51-jährigen Beate und Tochter Ramona (25), die nach ihrer Ausbildung an der Hotelfachschule seit drei Jahren ebenfalls im Betrieb mit dabei ist, also definitiv nicht. Das liegt sicherlich eben.falls an den vielen Veranstaltungen, die immer wieder viele Gäste in das Wirtshaus mit dem herrlichen Biergarten locken. „Ich liebe Musik, das spielt bei uns immer eine große Rolle“, er.klärt hierzu der Gastronom. Dabei steht er als „singender Bierbrauer“ gerne selber noch vor seinen Gästen, um sie zu unterhalten. Neben den Events in der Goaß-Alm will die Familie ihre
und hinaus in den mit Hopfen verzierten Biergarten sagt Fleig: „Ich habe diesen Schritt in die Selbstständigkeit aber trotzdem nie bereut.“ Und ergänzt: „Das hier ist einfach mein Leben.“
Gäste auch mit jahreszeittypischen Angeboten verwöhnen – dem Schlachtplattenbüffet im Herbst, dem Dämmerschoppen im Frühjahr, einem Wurstsalat-Büffet oder einem Weiß.wurst-Spätessen.
Nachdem Karl Fleig die 25 Jahre Revue hat passieren lassen, denkt er ebenso daran, mit wie viel Arbeit die Erfüllung seines Traums ver.bunden war und ist – und zwar für die gesamte Familie. „Den Urlaub müssen wir uns immer hart erkämpfen“, betont der Familienvater. Nach einem Blick in das Wirtshaus und hinaus in den mit Hopfen verzierten Biergarten sagt Fleig: „Ich habe diesen Schritt in die Selbststän.digkeit aber trotzdem nie bereut.“ Und ergänzt: „Das hier ist einfach mein Leben.“
Vom Theater am Turm und Sommertheater
Ein Stadttheater direkt am Kaiserturm
von Uwe Spille
Welchen besseren Grund gäbe es für einen theaterbegeisterten Donau.eschinger, Blumberger, Triberger oder Furtwanger Bürger als nach Vil.lingen zu gehen und einen Abend im Theater zu verbringen?
Da gibt es einerseits natürlich das Theater am Ring, in dem über das Jahr unter der Leitung des Kulturamtes der Stadt Villingen-Schwenningen Tourneetheater ihre Produktionen zur Auffüh.rung bringen.
Zum anderen allerdings gibt es da noch ein ganz eigenständiges, privat geführtes kleines, aber feines Theater inmitten der Innenstadt Villingens. Vom Villinger Bahnhof kommend findet man es malerisch gelegen direkt unter dem Kaiserturm an der historischen Stadtmau.er. Genau durch diesen Kaiserturm führt ein Weg, hier hindurch, gleich rechts abbiegen und schon sieht man eine große Werbetafel mit den Produktionen der aktuellen Spielzeit.
„Das Theater am Ring hat das Haus, wir ha.ben die Schauspieler“, die künstlerische Leiterin, Liliana Valla, ist ohne Zweifel recht selbstbe-
Von links: Gudrun Henny, kaufmännische Leitung, Jens Swadzba, erster Vorstand, Theaterleitung und Öffentlichkeitsarbeit, Silvia Besana, Gastspielorgani.sation, Liliana Valla, künstlerische Leiterin, und Her.mann Schreiber, technische Leitung.
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12. Kapitel – Kunst und Kultur
wusst, wenn es um den eigenen Stellenwert in der Stadt geht. Denn dass man hier mit einem eigenem Pool an Schauspielern zu glänzen ver.steht, ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis von 30 Jahren kontinuierlicher Arbeit, die allerdings die ersten Jahre gänzlich auf eine eigene Bühne verzichten musste.
Schon 1987 ergriffen der damalige Kultur.amtsleiter der Stadt, Walter Eichner und der Theaterfreund Eberhard Zimmermann, die Initia.tive zur Gründung des Sommertheaters Villingen.
Gleich die erste Produktion „Die Deutschen Kleinstädter“ von August von Kotzebue wurde dabei zu einem vollen Erfolg. Und ermutigte zur Fortführung der Theaterarbeit.
Auch die folgenden Jahre kam es dem.entsprechend erfolgreich zu sommerlichen Theateraufführungen, immer an wechselnden Standorten der Stadt. Mal wurde der malerische Klosterhof der St. Ursula-Schulen zur Theater.bühne, ein andermal das Franziskaner Museum.
Einige Aufführungen fanden auch auf dem Firmengelände einer Leuchtenfirma statt, manches Mal wurde das Theatergeschehen auf die kleinen Teilorte Villingens verlegt. Und einmal sogar fand das Villinger Sommertheater in Schwenningen statt. Das war im Jahr 2010, als die Landesgartenschau in der Stadt residierte.
Vom Sommer- zum Ganzjahrestheater
Das Sommertheater selbst war einige Jahre später der Anfang des Theaters am Turm. 1992 wurde in einer ehemaligen Fabrik am Ende der Schaffneigasse direkt an der Stadtmauer das noch heutige Domizil des Theaters ausgebaut, bezogen und erstmals Stücke für die Bühne inszeniert.
Heute firmiert man unter dem etwas sper.rigen Titel „Theater am Turm – Villinger Som.mertheater e. V.“ 65 Mitglieder hat der Verein derzeit und seit Juli 2017 mit Jens Swadzba ei.nen neuen Vorsitzenden. Auch wenn der selbst keine Schauspielerfahrung hat, ist er ein über.zeugter Theater am Turm-Anhänger.
„Ich habe immer die Produktionen des The.aters am Turm verfolgt“, erzählt der gebürtige Berliner und heute in Bad Dürrheim ansässige selbständige Bauingenieur. Seine Mutter hatte zwar einst die Schauspielschule besucht, diesen Beruf jedoch nie ergriffen.
Auf Jens Swadzba abgefärbt hat jedoch die Liebe zum Theater. Dass er jetzt selbst Vorsit.zender eines solchen ist, lässt ihn schmunzeln. Und er ist selbstbewusst, diese Arbeit auch zur Zufriedenheit aller zu schaffen. „Ich war zwölf Jahre lang der Landesvorsitzende des Deut.schen Retriever Clubs. Und das ist, so denke ich, keine so schlechte Voraussetzung, um auch ei.nen Kulturverein zu managen“, bringt er es auf den Punkt. Dazu kommt, dass Swadzbas Frau Silvia Besana schon seit Jahren die Gastpiel.organisation für das Theater am Turm unter ihren Fittichen hat.
Denn die Gastspiele anderer Produktionen und Künstler gehören seit vielen Jahren schon zum festen Programm des Hauses. Das Ensemble des Theaters am Turm ist zwar fleißig und willig, kann aber nicht alles selbst auf die Bühne brin.gen, denn selbstverständlich handelt es sich nicht um professionelle Schauspieler. Es sind jährlich nicht weniger als fünf Eigenproduktionen, die vom Theater gestemmt werden. Doch im aktu.ellen Programm sind darüber hinaus noch insge.samt acht teils mehrtägige Gastspiele geplant, fünf allein zwischen Januar und Juni 2018.
Eigenproduktionen und Gastspiele
Aber natürlich sind es eben die Eigenprodukti.onen, die den guten Namen des Theaters am Turm ausmachen. So war das in der Vergan.genheit, so soll es auch in der Zukunft sein, wie Liliana Valla verdeutlicht.
Mit diesen Eigenproduktionen, die ganz überwiegend von den, teils über jahrelange Erfahrungen verfügenden, Laienschauspielern auf die Beine gestellt werden, hat man über die Jahre hinweg immerhin eine Auslastung von rund 75 Prozent erzielt. Das heißt, bei den knapp einhundert Plätzen, die das Theater bietet, sind im Schnitt bei jeder Aufführung in den Eigen.produktionen 75 Plätze verkauft worden.
„Das machen dann jährlich bei rund 80 Auf.führungen in Eigenproduktion etwa 6.000 Besu.cher in unserem Haus. Nicht gerechnet die Gast.spiele“, bringt es Liliana Valla auf den Punkt.
Dabei stechen immer wieder besonders erfolgreiche Produktionen heraus, die ab und zu sogar eine Neuauflage und Fortsetzung er.fahren, weil das Publikum das Theater geradezu überrennt.
So war das erst vor drei Jahren mit dem briti.schen Bühnenknaller „Ladies Night“, der damals zum wiederholten Male aufgelegt worden war. Im Jahr zuvor, als das Stück erstmals gespielt wurde, war das Stück schon nach der dritten Aufführungen für die restlichen Termine restlos ausverkauft gewesen, so dass in der laufenden Spielzeit schon damals noch einige Aufführun.gen zusätzlich anberaumt wurden. Und bei der Wiederaufnahme im Jahr darauf durfte es noch.mal denselben Publikumszuspruch erfahren.
Die strippenden Männer unter der Regie von Liliana Valla gefielen dabei nicht nur den Frauen ausgesprochen gut, auch wenn die ganz dem Titel des Stückes entsprechend den größeren Anteil des Publikums ausmachten. „Wir hatten damals tatsächlich eine 100-prozentige Quote“, bestätigt Hermann Schreiber die fulminante Erfolgsstory der damaligen Produktion.
Eine Besonderheit des Theaters ist auch, dass selbst der Oberbürgermeister der Stadt Vil.lingen-Schwenningen Dr. Rupert Kubon, hier als Schauspieler schon Auftritte absolviert hat. Den letzten hatte er in einer Hauptrolle im Stück „Der Büchsenöffner“ von Victor Lanoux inne, das mit großem Erfolg gespielt wurde.
Erfolgreiche Sommertheater
Aber auch die Produktionen des Sommertheaters fallen nicht nur aufgrund der Auswahl der Stücke immer wieder positiv auf. So die Produktion zum 30-jährigen Jubiläum im Jahr 2017, die in einem geradezu traumhaften Ambiente zum Zuge kam.
Das Schauspiel „Figaros Hochzeit“ wurde um die legendäre Junghans Villa im Waren.bachtal der Stadt inszeniert und feierte dabei einen großen Erfolg.
Nicht nur, dass der Aufführungsort besonders war, denn genau 29 Jahre nach der zweiten Som.mertheaterinszenierung, die damals ebenfalls im Garten der Junghans Villa stattgefunden hatte, konnte dieser Aufführungsort wieder in den Mit.telpunkt des Geschehens gestellt werden.
Zudem war die Regie in diesem Sommer ei.nem ganz besonderen Künstler anvertraut wor.den. Der Wiener Opernregisseur Ches Themann, der erst vor zwei Jahren als Außenstehender das Stück „Der Botschafter“ von Slawomir Mrozek für das Theater am Turm in Szene gesetzt hatte, ließ es sich auf Anfrage natürlich nicht nehmen, dieses besondere Werk des Figaro für diesen ausgesprochen besonderen Anlass auf die Büh.ne zu bringen.
Kindertheater „Nur ein Tag“, mit Jan Schuhmacher, Evelyn Friedel und Antonio Laser.
Kinder- und Jugend – Die Zukunft des Theaters
Besonders am Herzen liegt den Machern des Theaters am Turm darüber hinaus die Kinder-und Jugendarbeit. „Wir müssen an die nächste Generation denken, die wir damit für das The.ater begeistern. Denn es soll auch weiterge.hen, wenn wir nicht mehr können“, bringt es Hermann Schreiber, der Herr über Technik und Bühnenbau, auf den Punkt.
Seit vielen Jahren gibt es deshalb immer im Januar eine Kindertheaterproduktion, die regel.mäßig viele kleine Fans anzieht.
In diesem aktuellen Programm für das Früh.jahr 2018 wird es das Stück „Dr. Brumm kommt in Fahrt“ sein, mit dem der stadtbekannte Henry Greif, ein Urgestein des Theaters, gemeinsam mit Reinhard Gackowski die Kinder begeistern will. Dass Henry Greif das bestens kann, beweist er immer wieder, wenn er als fester Auftrittspart unter dem Jahr sein „Tri-tra-trallala“ zur Auf.führung bringt.
Ein weiteres Merkmal der Arbeit mit der jungen Generation ist die Kooperation mit der Theater Arbeitsgemeinschaft des Gymnasiums am Hoptbühl.
Im kommenden März wird es das zehnte Jahr sein, in dem Schülerinnen und Schüler un.ter der Leitung der Lehrerinnen Kathrin Seuthe und Ulrike Merkle mehrere Abende den profes.sionell ausgestatteten Theatersaal nutzen, um sich mit ihrem neuen Stück der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Das Theater am Turm findet man in der Schaffneigasse in der Villinger Innenstadt, direkt am markanten Kaiserturm. Kommt man mit dem Zug, so geht man vom Bahnhof Richtung Villinger Innenstadt über die Brigachbrücke für Fußgänger bis zur Stadtmauer. Hier sieht man rechts den Kaiserturm markant aufragen. Hier hin geht man, dann findet man das Theater sofort. Park.plätze, für mit dem eigenen Auto anreisende Gäste, finden sich unter anderem im Parkhaus der nahe liegenden Tonhalle, das Insel Parkhaus befindet sich ebenfalls in fußläufiger Nähe. Den Vorverkauf für die Produktionen und Gastspiele des Theaters am Turm gibt es bei Morys Hof.buchhandlung in Villingen, unter der Telefonnummer 07721/502020 kann man ebenfalls Karten bestellen. Vorbestellte Karten müssen am Spieltag bis 12 Uhr bei der Hofbuchhandlung in Villin.gen abgeholt werden. Im Internet findet man das Programm und weitere Informationen unter der Homepage www.theater-am-turm.de
Zum Tode von Dr. Gerhard Gebauer
OB war Vater der Doppelstadt
In Rahmen einer Trauerfeier wurde am Freitag, den 16. Juni 2017 in der Schwenninger Stadt.kirche vom ehemaligen Ober.bürgermeister und Ehrenbürger Villingen-Schwenningens, Dr. Gerhard Gebauer, Abschied ge.nommen. Er starb am 3. Juni im Alter von 90 Jahren. „Wir schau.en auf ein großes Leben und ein großes Lebenswerk zurück“, sagte Pfarrerin Märit Kaasch. „Hier bin ich, sende mich“, war der Konfirmationsspruch des
Begrder von „vsswingt“
Fritz Ewald verstorben
Der gebürtige Schwenninger starb am 3. Oktober 2017 im Alter von 78 Jahren. Seine Liebe zum Jazz fand er in den 1950er Jahren – später wurde er selbst Musiker. Von einem Profi lernte er das Drummen und spielte mit den „Dixi Jazz Youngsters“. Einen Namen machte sich Ewald insbesondere als Konzert-Organisator und Programmma.cher. Als erste Konzertreihe initiierte er die Veranstaltung
Dr. Gerhard Gebauer
jungen Gerhard Gebauers, der ihn sein ganzes Leben lang be.gleitet habe, so Kaasch. Sein großer Wille und seine enorme Schaffenskraft seien in vielen Lebensbereichen sichtbar ge.worden.
1953 heiratete Gebauer sei.ne Frau Liselotte, mit der er 64 Jahre lang das private und öf.fentliche Leben geteilt und vie.les bewirkt hat. Gebauer war von 1960 bis 1961 Bürgermeister, von 1962 bis 1972 Oberbür.germeister von Schwenningen.
Fritz Ewald
Mit viel Geschick ist ihm die Städtefusion von Villingen und Schwenningen 1972 zum Ober.zentrum gelungen. Seit der Fusi.on war Gebauer bis 1994 Ober.bürgermeister von Villingen-Schwenningen. Ihm war es stets wichtig, in der Not zu helfen. Beispiele dafür sind die Lebenshilfe, das Bürgerheim und die Geriatrische Klinik am Kloster.wald.
Joachim Gwinner, Erster Landesbeamter des Schwarzwald-Baar-Kreises, sprach von Gerhard Gebauer als einer „außerordentlichen Persönlichkeit“ mit einer „großartigen Lebensleistung“. Gebauer war mehr als 54 Jahre in der Kreispolitik tätig. Er habe viele wegweisende Entscheidungen mit Weitsicht und Gestaltungswillen getroffen. Bei all seiner Routiniertheit und seinem strategischen Weitblick sei er ein liebenswerter, aufrichtiger und einfühlsamer Mensch gewesen (siehe u.a. auch Almanach 1998 und 2007).
„Jazz und Pop“. Dann kam das Festival, mit dem sich „Mister Jazz“ endgültig einen Platz als bedeutende Persönlichkeit in der kulturellen Geschichte von Villingen-Schwenningen sicherte: „vsswingt“. 1977 lag die Geburtsstunde des Jazz-Festivals im Theater am Ring. Für die Organisation des Festivals kam ihm vor allem die nicht vor.handene Scheu vor den Großen der Branche zugute, von denen er viele engagieren konnte. „Mister Jazz“ erhielt die Landesehrennadel, die Bürgermedaille und das Bundesverdienstkreuz.
Bgermeisterwahlen im Schwarzwald-Baar-Kreis
Josef Herdner, Furtwangen
Knapp eine Stunde nach Schließung der Wahllokale stand am
Sonntag, den 9. Oktober das vorläufi.ge Ergebnis fest: Mit 96 Prozent der Stimmen wurde Josef Herdner in seine zweite Amtszeit als Bürgermeister von Furtwangen gewählt. Die Wahlbeteiligung lag bei 35,7 Prozent. Landrat Sven Hinterseh gratulierte persönlich und betonte die gute Zusam.menarbeit mit Furtwangen.
Micha Bächle, Bräunlingen
Der neue Bürgermeister von Bräunlingen heißt Micha Bächle
und stammt aus Löffingen. Der langjährige Amtsinhaber Jürgen Guse hatte nicht mehr kandidiert und gratulierte am Wahlabend wie Landrat Sven Hinterseh zu einem phänomenalen Sieg. Micha Bächle hatte sich trotz dreier Mitbewerber im ersten Wahlgang mit 68,1 Prozent klar durchgesetzt, die Wahlbeteili.gung betrug 69,1 Prozent.
Markus Keller, Blumberg
Bürgermeister Markus Keller erhielt bei der Wahl am 15. Ok.
tober 2017 2.816 gültige Stimmen, das sind 97,9 Prozent, eine klare Bestätigung für den Amtsinhaber. Eine Wahlbeteiligung von 37,8 Prozent sei für einen Einzelkandidaten hoch, wie Landrat Sven Hinterseh betonte. Der Landrat weiter: „Der Amtsinhaber achtet sehr darauf, dass Blumberg selbstbewusst in die Zukunft gehen kann.“
Titelseite: Kandelblick-Abfahrtsstrecke mit Vöhrenbach Wilfried Dold, Vöhrenbach
Rückseite: Märzenbecher, Wutachflühe Wilfried Dold, Vöhrenbach.
Soweit die Fotografen nicht namentlich angeführt wer.den, stammen die Aufnahmen jeweils vom Verfasser des Beitrages oder sind die Bildautoren/Bildleihgeber über ihn erfragbar.
Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten:
Wilfried Dold, Vöhrenbach: 3, 4 r., 6 r., 9, 17, 43, 57, 60, 61, 66/67 u., 69, 114-135, 136-147, 156/157, 160, 161, 164, 165, 217, 226/227, 236, 248/249, 250, 252 o., u. l., 253.257, 279-289; dold.verlag, Vöhrenbach: 158/159, 160 o., 162/163, 167, 168, 169, 170 r., 190/191, 239, 241, 247; Stadt Furtwangen: 172, 173; Horst Fischer, Donaueschingen: 6 l., 243, 244; Dr. Hans-Joachim Blech, DS-Aufen: 6 M., 266-277; Tobias Raphael Ackermann, Donaueschingen: 7, 306/307; Ferienland Schwarzwald, Schönwald: 4 l., 10/11, 14, 16; Stephanie Wetzig, Königsfeld-Buchenberg: 19-22; Gabi Lendle, Hüfingen: 25-27; Michael Kienzler, Brigachtal-Klengen: 31, 32 o. r.; Mareike Kratt, VS-Villin.gen: 32 o. l., 34, 35, 309; Nathalie Göbel, VS-Villingen: 36-42; Christoph Sieber, Köln: 44-47; Madlen Falke, Hüfingen: 49-52; Helmut Junkel, Eisenbach: 55; Günter Vollmer, Donaueschingen: 83 u., 86, 87 u., 87 M.; Roland Sigwart, Hüfingen: 87 o., 218-223; Foto-Carle, Triberg: 88/89, 91, 93, 97; Daniela Schneider, Triberg: 90, 94, 95; Stephanie Jacober, Donaueschingen: 110; Werner Oppelt, Triberg: 166, 170 o. l., 171 u., 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181; Wolf Hockenjos, Donaueschingen: 171 o., 198-204; Erwin Epting, St. Georgen: 182-183, 185-187; Stadt St. Georgen: 184; Roland Sprich, St. Georgen: 188/189, 193, 206-209, 238; Bernhard Dorer, Furtwangen-Linach: 194.197; Frank Armbruster, Bad Krozingen: 200/201; Stadt Villingen-Schwenningen: 224, 225; Martin Fetscher, VS-Villingen: 228, 231, 235, 237; Adobe Stock: 229, Stadt Hüfingen: 233, 234; Josef Vogt, Brigachtal: 252 u. r.; Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen: 258-264; Wil.fried Strohmeier, Bad Dürrheim: 291-293; Jessica Rüh.mann, Bregenz: 295-297; Marc Eich, VS-Villingen: 298.301; Günther Baumann, VS-Schwenningen: 302-305;Child of Nature: 310; Üwen Ergün, Kinderrechteforum, Köln: 311; Birgit Heinig, VS-Villingen: 316