Almanach 1984

Almanach 84 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des S chwarzwald-Baar-Kreises 8. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Dr. Lorenz Honold, Redakteur Helmut Heinrich, Schulamtsdirektor i. R. Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen 1

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1984 Möbel-Amann, Vöhrenbach Prof. Dr. Press, Villingen-Schwenningen-Pfaffenweiler Dr. med. dent. Hanne Augstein, Hüfingen Anne Rieple, Scheffel-Apotheke, Donaueschingen Bank für Gemeinwirtschaft AG., Kronenstraße 38, Herbert Rigoni, Sommerbergstraße 18, Niedereschach­ Villingen-Schwenningen Fischbach Alfred Bausch jr., Rosen-Apotheke, Blumberg Dr. Ernst Roskothen und Frau Alice, Bad Dürrheim �erner Benzing, Harzerstraße 24, Villingen-Schwen­ Dr. med. W. Rother, Lindenplatz 9, Bad Dürrheim ningen Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Alte Dr. Bettinger, Austraße 28, Villingen-Schwenningen Wolterdinger Straße l3a, Donaueschingen Rechtsanwälte Blessing & Berweck und Kollegen, Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt. des Städt. Villingen-Schwenningen Krankenhauses Furtwangen Bezirkssparkasse Donaueschingen Karlhans Schweizer, Dipl.-Ing. (FH), Ingenieurbüro für Bauwesen, Achdorfer Straße 29, Blumberg Bezirkssparkasse Furtwangen SEWO Wohnungsbaugesellschaft Seemann GmbH & Franz Blaser, Freier Architekt, Villingen-Schwenningen Co. KG., Auf der Steig 6, Villingen-Schwenningen Ingenieurbüro für Gesundheitstechnik, Horst Budde, Günter Siek, Goethestraße 8, Mönchweiler Pestalozzistraße 65, Villingen-Schwenningen S. Siedle & Söhne, Telefon- und Telegrafenwerke Deutsche Zähler-Gesellschaft Nachf. A. Stepper & Co. GmbH., Bregstraße 1, Furtwangen (GmbH & Co.) Hamburg, Michael-Weite-Straße 39, Vöhrenbach Fanny Simmler-Gramlich, Bundesstraße l a, St. Georgen Dialyse-Institut, Villingen-Schwenningen Franz Singer, lnh. E. Ettwein, Papier- und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Hotelier Hans Diegner, Schwarzwald-Hotel, Königsfeld Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Dresdner Bank AG., Filiale Villingen-Schwenningen Villingen, Zweigstellen in Schwenningen und Triberg, Dr. Ernst Eisenmann, Steuerberater, Bahnhofstraße 52, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, St. Georgen Schonach und Vöhrenbach und 40 weiteren Geschäfts­ stellen Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH., Triberg Josef Straub Söhne GmbH, Wellpappenwerke, Bräun­ Claus Eller, Zahnarzt, Vöhrenbach lingen Dr. med. Bernd Ernst, Luisenstraße 8, Villingen­ TRW Thompson GmbH, Präzisionsventile für die Schwenningen Motoren- und Automobilindustrie, Blumberg Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen­ Priv.-Doz. Dr. med. H. Unseld, Suntheimstraße 20, Döggingen Donaueschingen Lars Fryckman, Zahnarzt, Kantstraße 28, Blumberg Viehoff + Rolf u. Partner, Freie Architekten, Maximi­ S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen lianstraße 2, Freiburg Walter Glatz, Freier Architekt, Uhlandstraße 8, Blumberg Die Volksbanken der gemeinsamen Stadt Villingen­ Dipl.-Ing. Th. Greiner, Donaueschingen Schwenningen Dr. med. Egon Hochmann, Hauptstraße 20, Triberg Wehrle Uhrenfabrik GmbH., Schönwald Kienzle Apparate GmbH, Villingen-Schwenningen Weisser Wintermaschinen GmbH., Bräunlingen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg F. K. Wiebelt, Buchhandlung, Bickenstraße 6-8, Villingen-Schwenningen Dr. Josef Kury, Zahnarzt, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villingen-Schwenningen Rechtsanwalt Michael Wiesenbacher, Marktstraße 28, B. Lang, Furtwangen Lambrecht Dr. J. Laute, Bräunlingen Dr. med. Karl Zäbisch, Hermann-Fischer-Allee 20, Donaueschingen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Öffentlich Dr. Claus Zetzsche, Augenarzt, Unterkirnach bestellter Vermessungsingenieur, Villingen-Schwenningen Dr. med. Brigitte Zimmermann, Am Rehberg 11, Nieder­ Diplom-Kaufmann Harald Mattegit, Blumberg eschach-Kappel Leopold Messmer, Dipl.-Ing., Freier Architekt, Furtwangen Missionskonvikt St. Heinrich, Superior Pater Hermann Obergfell, Sennhofstraße 6, Donaueschingen Dr. med. Paul Obergfell, Leopoldstraße 21, Villingen­ Schwenningen Helmut Ochs, Freier Architekt, Hauptstraße 46, Blumberg Dr. P. Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen 2 10 weitere Freunde und Förderer des Almanach wün ch­ ten nicht namentlich gen,111111 zu werden.

Heimat und Wandern Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1984 zum Geleit Im Zeitalter des großen Tourismus, wo die Menschen in kürzester Zeit in die ent­ ferntesten Erdteile gelangen können, sollte man sich wieder darauf besinnen, daß auch in der engeren Heimat auf kurzen Wegen viele Kostbarkeiten zu entdecken sind. Der Weitgereiste erinnert sich oft kaum mehr an schnell aufgenommene Ein­ drücke, seine engere Heimat kennt er oft überhaupt nicht. Besonders bei jungen Menschen fällt auf, daß sie meist unvorbereitet in fremde Länder reisen und den an sich positiven Wert des Reisens nur ungenügend wahrnehmen. Die engere Heimat bleibt unentdeckt. Die einfachste und beste Möglichkeit, die Heimat kennenzulernen, ist immer noch das Wandern. Innerhalb weniger Stunden eröffnen sich bei gemächlichem Tempo immer wieder neue landschaftliche Ausblicke, die Herz und Geist erfreuen. Begegnungen mit Menschen der Landschaft lassen das Verständnis für die Besonder­ heiten der Heimat wachsen. Auf diese Weise kann besonders für den jungen Men­ schen eine innere Verbundenheit zur Heimat entstehen. In den jährlichen Ausgaben unseres Heimatjahrbuchs durchwandern wir im Geiste unseren Heimatkreis jedes Mal aufs neue. Diese geistige Wanderung soll den Leser bereichern und ihn ermuntern, sich selbst auf den Weg zu machen, sei es auf Schusters Rappen oder in geistiger N achvollziehung des Gelesenen. Danken möchte ich auch dieses Mal allen, die an der äußeren und inneren Gestal­ tung des Heimatjahrbuchs mitgearbeitet haben. Ich danke besonders unseren Freun­ den und Förderern, die durch großzügige Spenden die Finanzierung der jährlichen Ausgaben sehr erleichtern. Ich wünsche, daß der 8. Jahrgang unseres Heimatjahrbuchs bei unseren Lesern im Kreisgebiet und in der Ferne eine gute Aufnahme finden möge und wir uns des Wer­ tes unserer Heimat noch mehr bewußt werden. Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1983 Der Schwarzwald-Baar-Kreis konnte sein erstes kleines Jubiläum feiern: am 1. Januar 1983 ist er 10 Jahre alt geworden. Große Feier­ lichkeiten wurden aus diesem Anlaß nicht abgehalten. In der ersten Kreistagssitzung im neuen Jahr wurde des Geburtstags gedacht. In einem eigenen Beitrag im „Almanach 1984″ wird darauf von einem kritisch-wohl­ wollenden journalistischen Begleiter noch­ mals eingegangen. Der Bevölkerung wurde in Verbindung mit dem „Tag der Heimat“ am 11. September 1983 in Bad Dürrheim Gele­ genheit gegeben, bei unterhaltenden Darbie­ tungen die innere Beziehung zum Landkreis zu festigen. Auch der Landkreis braucht die Zustimmung seiner Einwohner. Er hat es damit schwerer als die Gemeinden, die im Bewußtsein der Bürger tiefer verankert sind. Aus der Jahresarbeit 1983 möchte ich drei Bereiche besonders herausstellen: Baubeschluß für die Schule für Körper­ behinderte Nach jahrelangen Erörterungen beschloß der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises am 16. Mai 1983 den Bau der Schule für Kör­ perbehinderte im Stadtbezirk Villingen. Der Kreistag des Landkreises Rottweil faßte am Das] Ojährige Kreisjubiläum wurde mit dem Tag der Heimat am 11. 9.1983 in Bad Dürrheim begangen. Auf unserem Bild die Bad Dürrheimer Trachtengruppe mit folkloristischen Darbietungen. Im Hinter­ grund die Fahnen der Kreisgemeinden. 4

insgesamt gleichen Tag ebenfalls den Baubeschluß. Die Erleichterung über die längst fällige Ent­ scheidung kann nicht darüber hinwegtäu­ schen, daß aus unserer Sicht der Inhalt der Entscheidung mit Mängeln behaftet und nur zu rechtfertigen ist, weil sonst die dringend in Frage notwendige Schule gestellt worden wäre. Da ist zum einen die Ablehnung des Standorts durch den Land­ kreis Tuttlingen, womit ein regionaler Ein­ zugsbereich unmöglich gemacht wurde. Fer­ ner mußte auf Drängen des Landkreises im Raumprogramm Rottweil Abstriche gemacht werden. Die Turnhalle und das The­ rapiebecken werden aus finanziellen Grün­ den zurückgestellt und die entsprechenden Einrichtungen in der nahegelegenen Schule für Geistigbehinderte mitbenutzt. Die Gesamtsumme für diesen Schulbau beträgt nunmehr DM 10.190.000,- statt wie bisher DM 15.927.950,-. Durch den Beschluß der beiden Kreistage ist der Architekt zu Umplanungen gezwun­ gen. Nach dem neuen Zeitplan kann im Frühjahr 1984 mit dem Bau begonnen wer­ den. Übertragung der Schülerbeförderung auf den Landkreis Entsprechend der Empfehlung der Kom­ mission Land- Kommunen hat der Landtag die bisher beim Land liegenden Auf gaben der Schülerbeförderung ab 1. August 1983 auf die Stadt- und Landkreise übertragen. Die Organisation der Schülerbeförderung bleibt wie bisher beim Schulträger. Der Schulträger hat also wie bisher dafür zu sor­ gen, daß die Schüler mit Verkehrsmitteln zur Schule und nach Hause befördert werden. Anstelle des Landes erstattet nunmehr der Landkreis die Schülerbeförderungskosten. Diese neue Aufgabe steht in engem Zusam­ menhang mit dem öff entliehen Personen­ nahverkehr, dessen Verbesserung schon seit einiger Zeit ein besonderes Anliegen des Landkreises ist. Die näheren Einzelheiten sind in einer Satzung geregelt, die der Kreis­ tag des Schwarzwald-Baar-Kreises beschlos- sen hat. Die Zweifel sind noch nicht aus­ geräumt, ob die Übertragung tatsächlich kostenneutral durchgeführt werden kann. Zum Ausgleich der dem Landkreis entste­ henden Kosten stellt das Land im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs pau­ schale Zuweisungen zur Verfügung, die einerseits den Rückgang der Schülerzahlen und andererseits die jährlichen Preissteige­ rungen berücksichtigen sollen. Das Land glaubt, die künftige Entwicklung durch eine Dynamisierung des Abgeltungsbetrages in Höhe von 5% ausgleichen zu können. Wir stehen am Beginn einer neuen Aufgabe, die die kommunale Selbstverwaltung auf Kreis­ ebene stärken kann, aber finanzielle Risiken in sich birgt. Umstufung von Landes- und Kreisstraßen Auch bei diesem Thema spielt das Geld eine große Rolle. Das Land beabsichtigt, das überörtliche Straßennetz neu zu ordnen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis sollen ca. 84 km Landesstraßen zu Kreisstraßen abgestuft und gleichzeitig ca. 14 km Kreisstraßen zu Landesstraßen auf gestuft werden. Richtig ist, daß eine Reihe von Straßen entsprechend ihrer geänderten Verkehrsbedeutung heute anders einzustufen wäre. Dieser Gedanke müßte an sich dazu führen, daß eine Gesamt­ konzeption für die Einstufung aller Straßen ausgearbeitet werden müßte. So richtig die­ ser Ausgangspunkt sein mag, er hat leider in der Praxis keine Aussicht auf Verwirkli­ chung. Das Land wird versuchen, im Verhält­ nis zum Landkreis möglichst viele von sei­ nen Umstufungsvorschlägen zu verwirkli­ chen. Ob das, was der Landkreis freiwillig zu übernehmen bereit ist, dafür ausreicht, bleibt abzuwarten. Auf den Landkreis kommen, wie zu befürchten sein wird, auch in diesem Bereich zusätzliche Kosten zu, da kaum anzunehmen ist, daß alle durch neue Investi­ tionen und den Unterhalt entstehenden Kosten vom Land abgedeckt werden. Die alte, neue Sorge um die Finanzen Es ist bekannt, daß unser Landkreis im Schulbereich große Investitionen getätigt 5

hat und sich deswegen hoch verschulden mußte. Trotz großer Sparbemühungen, auch im Freiwilligkeitsbereich, mußte die Kreis­ umlage auf 20 Punkte angehoben werden und liegt damit wieder auf der Höhe vor dem Jahre 1982. Die Investitionsrate ist trotzdem gleich Null, d. h., unsere Neuinvestitionen müssen wir mit Schuldenmachen bezahlen. Daraus ist ersichtlich, wie sehr unser finan­ zieller Spielraum eingeengt ist. Glücklicher­ weise gibt es Anhaltspunkte, daß dies in ab­ sehbarer Zeit wieder besser wird. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Die Investitions-Bilanz kann sich sehen lassen 10 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis: Nach flottem Beginn jetzt Wachstumsschwierigkeiten Eine Reform ohne kritische Begleitmusik hätte ihren Namen nicht verdient. Wer Grenzen und Lebensräume verändert, muß mit Widerstand rechnen. Das ist im politi­ schen Alltag einer demokratischen Gesell­ schaft eine ganz normale Reaktion. Konser­ vative Opposition hat noch keiner Reform geschadet. Eher darf man den bewahrenden Kräften bestätigen, daß sie – wenn auch nur mit begrenztem Erfolg – die schlimmsten Auswüchse reformerischen Übereifers ver­ hindert oder wenigstens abgemildert haben. Landratsamt in Villingen-Schwenningen 1 I‘ _..,,,,.-.�. 6

Zeichnungen: Helmut Heinrich . -�···· Eine rückblickende Betrachtung zehn Jahre nach der Gebiets- und Verwaltungsre­ form in Baden-Württemberg kann auf eine erinnernde Würdigung der Ereignisse im politischen Vorfeld nicht verzichten. Schließlich ist das 1000 Qiadratkilometer große Gebilde namens Schwarzwald-Baar­ Kreis, das als einer der 35 neuen Landkreise aus der Reform hervorgegangen ist, von den Gemeinden und ihren heute rund 198 000 �ürgern keineswegs widerspruchslos akzep­ tiert worden, wie man weiß. Die Bürger wur­ den mancherorts zwar befragt, aber ihr Votum zählte nicht. Die Tennenbronner etwa wurden gegen ihren erklärten Willen dem Landkreis Rottweil zugeschlagen, und über Nacht wurde der frühere Kreis Donau­ eschingen in eine badische und in eine würt­ tembergische Hälfte geteilt. „VS“ macht noch kein Kreisbewußtsein Niemand, der die politische Geographie des Landstrichs an der Nahtstelle zwischen Schwarzwald und Baar, zwischen Baden und Württemberg kennt und um die traditionel- Außenstelle in Donaueschingen len Lebensgewohnheiten ihrer Bewohner weiß, wird sich zu der Behauptung verstei­ gen, der neue Kreis habe bereits nach einer Dekade die Folgen seiner schmerzlichen Zangengeburt überwunden. Das einheitliche „VS“ auf den Autokennzeichen hat das Kreisbewußtsein der Bürger zwischen Blum­ berg und Schonach so wenig geweckt wie sich die ehemalige Kreisstadt Donaueschin­ gen mit dem Zentralitätsverlust abgefunden hat. Und daß die der Stadt Villingen-Schwen­ ningen auferlegte Führungsrolle als Ober­ zentrum der Region der angestrebten kom­ munalen Integration nicht gerade förderlich ist, hat sich im regionalen Verteilungskampf um Prestige und Investitionen mehrfach erwiesen. Jedenfalls wachen die Nachbarn eifersüchtig darüber, daß die Privilegien der Doppelstadt ihren eigenen Status und die Entwicklungschancen nachteilig beeinflussen. nicht Mit dem Schwarzwald-Baar-Kreis ist den Stuttgartern Reformern ganz gewiß kein 7

„Wunschkind“ geglückt. Territoriale Ecken und Kanten, die sich am grünen Tisch mit einem Federstrich abschleifen lassen, erwei­ sen sich in der Praxis als weitaus zäher und widerstandsfähiger, weil nicht willkürlich veränderbar. Heimatverbundene Schwarz­ wälder und Baaremer lassen sich nicht durch neue Verwaltungsgrenzen aus dem kulturel­ len und gesellschaftlichen Lebenskreis ihrer Vorväter herauslösen. Auch heute, nach zehn Jahren, hat sich beispielsweise an der Verbandszugehörigkeit und den nachbarli­ chen Kontakten der Sport- und Musikver­ eine im „altbadischen“ Teil des Kreises Tutt­ lingen nichts geändert. Und auch nach der Fusion zwischen Villingen und Schwennin­ gen müssen die Fußballfreunde auf attrak­ tive Lokalderbys im Punktespielbetrieb ver­ zichten. Vergleichbare Beispiele aus dem bür­ gerlichen Alltagsleben gibts noch dutzend­ weise. Lappalien? Stures Festhalten an einem überholten Traditionalismus aus Großvaters Mottenkiste? Oder aber die Konsequenzen einer Gebietsreform, die vor lauter Groß­ raumdenken und ehrgeizigem Streben nach modernen Verwaltungsstrukturen die An­ sprüche und Bedürfnisse des schlichten Bür­ gers vergessen hat? Fragen, die die Ge­ schichtsschreiber wohl erst im nächsten Jahr­ hundert beantworten können. Die Bilanz des ersten Jahrzehnts muß sich auf eine Bestandsaufnahme des bisher Erreichten beschränken, muß versuchen, die Zukunfts­ perspektiven des Schwarzwald-Baar-Kreises zu erspuren. Der 100-Millionen-Kraftakt Die Haben-Seite der Zehnjahres-Bilanz kann sich in der Tat sehen lassen. Kaum ein anderer vergleichbarer Kreis hat so viel in den Ausbau der Berufs- und der Sonderschu­ len investiert. Weit über 100 Millionen DM wurden dafür ausgegeben, davon fast 77 Mil­ lionen DM aus eigenen Mitteln. Das Kreis­ straßennetz wurde ausgebaut und moderni­ siert, das Müllproblem durch den Bau von Deponien in Hüfingen und T uningen mit­ telfristig gelöst. Der Investitions-Kraftakt 8 hat, wie man heute weiß, die Kreisfinanzen über die Gebühr strapaziert. Angesichts eines Schuldenberges in der Größenordnung von 100 Millionen DM beantwortet sich die Frage nach dem Investitionsspielraum der nächsten Jahre von selbst. Der Kreis wird erheblich kleinere Brötchen backen müssen. Wenn man weiß, wie katastrophal es um die Haushaltslage der Gemeinden bestellt ist, wie wenig sie also zur Stärkung der Kreisfi­ nanzen beitragen können und wie stark andererseits die von Jahr zu Jahr wachsenden Sozialaufwendungen als größter Ausgabepo­ sten den Etat belasten, dann ist leicht aus­ zurechnen, was dem Kreis in den nächsten Jahren überhaupt noch als sogenannte freie Manövriermasse bleiben wird. Hinzu kommt, daß die Wirtschaftslage im Kreisge­ biet hinsichtlich des erwarteten Auf­ schwungs zu keinem sonderlichen Optimis­ mus Anlaß gibt. Die Kommunen, und damit indirekt auch der Kreis, werden mit rückläu­ figen Steuereinnahmen rechnen müssen. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze – nur sie könnten die immer noch über dem Landes­ liegende Arbeitslosenquote durchschnitt wirksam senken – ist ein schöner Traum. Eher muß damit gerechnet werden, daß der unerbittliche Konkurrenzkampf die Indu­ strie zwingen wird, noch mehr teure Arbeits­ kräfte durch Maschinen und Automaten zu ersetzen. Der finanzielle Spielraum schrumpft Der Kreis, mangels eigener Steuereinnah­ men in der ungeliebten Rolle des „Kostgän­ gers“ der Gemeinden und des Landes, hat so gut wie keine Möglichkeiten, auf die wirt­ schaftliche Entwicklung einzuwirken. Er hat nicht einmal genügend Geld, um im Rah­ men der sogenannten freiwilligen Leistun­ gen einen angemessenen Beitrag zur Förde­ rung der kulturellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse seiner Einwohner zu leisten. Der Zwang zum eisernen Sparen hat die Freiwil­ ligkeitsleistungen an Vereine, Verbände und Institutionen bereits 1982 auf 2,8 Prozent des Haushaltsvolumens zusammenschrumpfen

lassen. Weitere Abstriche werden sich kaum umgehen lassen. Diese Entwicklung ist nicht allein der finanziellen Konsequenzen für die Betroffe­ nen wegen zu bedauern. Eine Gebietskörper­ schaft, die nur noch ihre Pflichtaufgaben erfüllt und über die Amtsstuben hinaus kaum mehr etwas zur Verbesserung der Lebensqualität ihrer Bürger tun kann, eine solche Institution wird es schwer haben, ihr bürgemahes Image glaubhaft zu machen und das noch unterentwickelte Kreis bewußt­ sein als verbindendes Element in den diffizi­ len Integrationsprozeß zwischen Stadt und Land, zwischen Nord und Süd einzubringen. Strukturwandel tut not Trotz allen zeitbedingten Widrigkeiten: Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat zwar keine unbeschwerte Kindheit, aber dafür zehn sich erfahrungsreiche Lehrjahre hinter gebracht. Landrat, Verwaltung und Kreispar­ lament haben getan, was in ihrer Macht stand, um das künstlich gezeugte Retorten­ Baby lebens- und entwicklungsfähig zu machen. Daß der Zögling bereits in jungen Jahren mit Wachstumsstörungen behaftet sein würde, konnten auch seine politischen Ziehväter nicht voraussehen. Statt des erwar­ teten Zuwachses setzte als Folge der wirt­ schaftlichen Rezession ein empfindlicher Bevölkerungsschwund ein. Nicht gerade ein gutes Omen für das nächste Jahrzehnt. Die Sorge um die wirtschaftliche Exi­ stenzgrundlage wird die Kreispolitik in den kommenden Jahren entscheidend mitbe­ stimmen. Das bedeutet: Maßvolles Haus­ halten, mittelfristiger Verzicht auf kostspie­ lige Investitionen, ein Minimum an freiwilli­ gen Leistungen. Dabei gäbe es Entwicklungs­ aufgaben gerade genug. Der Fremdenver­ kehr beispielsweise braucht dringend neue Impulse, das öffentliche Verkehrsnetz ist ver­ besserungsbedürftig, und dort, wo staatliche Hilfe nicht ausreicht, müßten eigentlich Kreis und Kommunen mit strukturfördern­ den Maßnahmen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft einspringen können. Aber das wären freiwillige Leistungen, die den jetzigen kommunalen Finanzrahmen bei weitem sprengen. Was also bleibt an Zukunftserwartungen? Wieviel Vertrauen dürfen die Bürger im Schwarzwald-Baar-Kreis haben, daß ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben und ihnen eine ausreichende Existenzbasis gesichert ist? Schon die Fragestellung verrät, daß der kreispolitische Zuständigkeitsbereich damit überschritten ist. Eine tüchtige Verwaltung und ein fortschrittlich denkendes Kreisparla­ ment vermögen viel, aber den Schlüssel zur Lösung wirtschafts- und arbeitsmarktpoliti­ scher Kernprobleme haben sie beide nicht. Die Schwarzwald-Baar-Region, eigentlich dazu ausersehen, das industrielle Ballungs­ zentrum Mittlerer Neckar zu entlasten, sieht sich heute von der Sogwirkung eben dieses Ballungszentrums bedroht. Der Trend der Wanderbewegung belegt dies deutlich. Die Chancen des Schwarzwald-Baar-Kreises, in absehbarer Zeit die 200 000-Einwohner­ grenze wieder zu erreichen, werden immer gennger. Das Wort vom industriellen Strukturwan­ del macht die Runde. Von Innovation, also von der Entwicklung neuer Produkte, und von der Ansiedlung neuer Industriezweige ist die Rede. Für den Kreis mit dem höchsten Anteil an lndustriebeschäftigten im ganzen Land in der Tat das Schlüsselproblem. Gelingt es nicht, den Verlust weiterer Arbeitsplätze und damit den Exodus qualifi­ zierter Fachkräfte zu stoppen, läuft der Schwarzwald-Baar-Kreis Gefahr, mit der schwindenden Wirtschaftskraft auch an Attraktivität zu verlieren. Fleiß, Genügsamkeit und schöpferische Phantasie seiner Menschen haben in frühe­ ren Jahren Schwarzwälder Industrieproduk­ ten zu Ansehen und Weltgeltung verholfen. Der einstige Glanz der Pionierjahre ist längst verblaßt. Aber wenn so etwas wie eine zweite industrielle Revolution, eine wirtschaftliche Erneuerung stattfinden soll, muß der alte Pioniergeist wieder lebendig werden. Heinz Wegmann 9

Verkehrsgemeinschaft Bregtal Seit Jahren bemüht sich der Schwarzwald­ Baar-Kreis um eine Verbesserung des Öffent­ lichen Personennahverkehrs. Dieser Auf­ gabe mißt der Landkreis eine hohe Bedeu­ tung bei, da sie den Kommunen wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Ange­ sichts der Verteuerung der Energiekosten einerseits und der hohen Umweltbelastung durch den Individualverkehr andererseits eröffnet sich dem Öffentlichen Personen­ nahverkehr die Chance, neben anderen Ver­ kehrsmitteln zu bestehen, wenn es ihm gelingt, seine Attraktivität hinsichtlich der Beförderungsdauer und der Wirtschaftlich­ keit zu steigern. Gerade die Landkreise sind als Sachwalter der Lebensinteressen des länd­ lichen Raumes besonders gefordert, sich im Verkehrswesen um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Ballungsräu­ men und strukturschwachen Räumen zu bemühen. Die „Verkehrsgemeinschaft Bregtal“ wurde am 1. 2. 1982 aus der Taufe gehoben. Ihm gehören die Deutsche Bundesbahn (Geschäftsbereich Bahnbus Südbaden), Süd­ westdeutsche Eisenbahnen AG (Lahr), die Firma Otto Bächle (Unterkirnach) und der Landkreis an. Die Gründung geht auf eine vom Landratsamt durchgeführte Verkehrs­ untersuchung zurück. In ihr wurde die Ver­ kehrsverbindung zwischen dem Oberzen­ trum Villingen-Schwenningen und dem Oberen Bregtal als stark verbesserungsbe­ dürftig herausgestellt. Es galt, eine für die Bevölkerung günstige Verkehrsverbindung auf der Hauptlinie von Furtwangen nach Villingen-Schwenningen zu schaffen und gleichzeitig für bessere Anschlüsse aus Gütenbach und Schönwald nach Furtwan­ gen zu sorgen. Bis zum Februar 1982 wurde diese Ver­ kehrsverbindung von drei Unternehmen in 10

eigener Regie und Verantwortung bedient, ohne daß eine intensive Koordination der Fahrpläne und Tarife stattgefunden hatte. Zahlreiche Gespräche und Verhandlungen mit den beteiligten Verkehrsunternehmen und dem Regierungspräsidium Freiburg waren erforderlich, um zu einem Erfolg zu gelangen. Im Juli 1981 konnte der Kreistag den Grundsatz beschluß zur Errichtung eines Verkehrsmodells in Form der „Verkehrsge­ meinschaft Bregtal“ fassen. Der Landkreis strebt mit dem Verkehrs­ modell die Verwirklichung folgender Ziele an: – Freiwillige Zusammenarbeit der beteilig­ ten Verkehrsunternehmen – Einrichtung von durchgehenden Verbin- dungen (ohne Umsteigen) – Einrichtung von zusätzlichen Kursen – Verbilligung der Fahrpreise – Beschaffung einheitlicher Fahrausweise. Durch eine verbesserte Koordination der Fahrpläne konnte erreicht werden, daß im Sommerfahrplan 1983 sechs durchgehende Fahrtmöglichkeiten von Furtwangen nach Villingen-Schwenningen ( davon vier bis zum Stadtbezirk Schwenningen) und fünf durchgehende Fahrten in umgekehrter Rich­ tung ( davon 3 aus dem Stadtbezirk Schwen­ ningen) geschaffen wurden. Weitere Fahrt­ möglichkeiten in beiden Richtungen bieten sich an, bei denen in Vöhrenbach oder Unterkirnach umgestiegen werden muß. Die Einwohner von Gütenbach und Schönwald können neue zusätzliche Fahrt­ möglichkeiten nach Villingen-Schwennin­ gen und in umgekehrter Richtung bei nur einmaligem Umsteigen in Furtwangen nut­ zen. 11 durchgehende Kurse verbinden die Strecke von Vöhrenbach nach Villingen­ Schwenningen. Eine weitere Verbesserung stellt auch der in den öffentlichen Linienver­ kehr integrierte Schülerverkehr dar, der für die übrigen Fahrgäste zugänglich gemacht lSt. Auf die Fahrpreise der Verkehrsunterneh­ men gewährt der Landkreis einen Abschlag. Dadurch konnten die Fahrpreise um ca. 20% verbilligt werden. Der Landkreis übernimmt ferner für die Verkehrsgemeinschaft wäh­ rend der Dauer des Modellversuches die Aufgaben einer Geschäftsstelle mit den ent­ stehenden Personal- und Sachkosten. Er finanziert schließlich die vom Landkreis gewünschten zusätzlichen Fahrten durch Zuschußleistungen an die Unternehmer. Für den Fahrgast wurden folgende Verbes­ serungen konkret spürbar: Vom 1. 2.1982 an können die Fahrgäste die bisher für sie nicht zugänglichen Schülerbusse benutzen und ohne umzusteigen von Furtwangen in den Stadtbezirk Schwenningen fahren. Für diese Fahrt brauchen nicht mehr wie bisher bis zu vier Fahrscheine gelöst werden. Es wird ein einheitlicher Fahrschein ausgegeben. Zustei­ gemöglichkeiten bestehen in allen Gemein­ den. Lediglich im Stadtbezirk Villingen kann kein Gast in Richtung Stadtbezirk Schwen­ ningen zusteigen und umgekehrt. Die beteiligten Unternehmen rechnen ihre Beförderungsleistungen, soweit sie ihr Konzessionsgebiet übersteigen, mit dem Landratsamt ab. Sie erhalten für die zusätz­ lich eingerichteten Kreiskurse eine Kreispau­ schale pro gefahrenem Kilometer. Die Ein­ nahmen innerhalb seines Konzessionsgebie­ tes darf der Unternehmer behalten. Die den „Binnentarif‘ übersteigenden Einnahmen führt der Unternehmer an die Geschäfts­ stelle ab. Der Unternehmer erhält ferner dafür, daß er einem anderen Unternehmen der Verkehrsgemeinschaft die Fahrt auf sei­ ner konzessionierten Linie gestattet, eine Beteiligung in Höhe des Unternehmerprei­ ses. Der Landkreis stellte im Haushaltsplan 1983 50.000,-DM für den Betrieb der Ver­ kehrsgemeinschaft Bregtal bereit. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die durchgehenden Verbindungen beson­ ders im Streckenabschnitt Furtwangen-ViJ­ lingen von den Bürgern angenommen wer­ den. Wünschenswert bleibt, daß die Beförde­ rungsleistungen von den Einwohnern Gütenbachs und Schönwalds in noch stärke­ rem Maße als bisher in Anspruch genommen werden. Wilhelm Frank 11

Neue Wege in der Fremdenverkehrswerbung Neue Wege der Fremdenverkehrswer­ bung beschritt im Jahr 1983 die Werbe­ Schwarzwald-Baar-Oberer gemeinschaft Neckar, bestehend aus den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Rottweil, bei den Freizeitmessen in Nürnberg und Hannover vom 19.-27. 2.1983 und in Braunschweig vom 7.-15. 5.1983. Erstmalig präsentierte sie sich am Verbraucherstand der Firma „Schwarzwald-Hüsle“, Donaueschingen. Alle drei Messen waren sehr gut besucht. Allein in Nürnberg zählte man insgesamt 148.000 Besucher. Die in Zusammenarbeit mit der Firma „Schwarzwald-Hüsle“ sehr heimatbezogen gestalteten Stände der Werbegemeinschaft Schwarzwald-Baar-Oberer Neckar war in den Ausstellungshallen für in- und auslän­ dische Feriengebiete eine ganz besondere Attraktion. Die angemieteten Werbestände waren schwarzwaldtypisch ausgestattet mit einem rustikalen Brunnen, einer derben Waldgrillplatz-Sitzgruppe sowie echten Tan­ nen und einem Holzstapel. In Nürnberg sorgten ein Holzschnitzer und der Uhren­ schildmaler Alois Straub aus Furtwangen­ Linach für großen Publikumsandrang. Die Staller-Brüder aus Bräunlingen zogen mit ihren netten Melodien und Liedern ebenso das Publikum an, wie der am Stand immer wieder durchgeführte Holzsägewettbewerb. Darüber hinaus beteiligten sich ca. 4000 Teil­ nehmer an dem Preisausschreiben der Wer­ begemeinschaft, bei dem es fünf Wochen­ end-Freiaufenthalte im Schwarzwald-Baar­ Kreis zu gewinnen gab. Viele gezielte Fragen konnten beantwor­ tet und etliche Kontakte geknüpft werden. Der Stand der Werbegemeinschaft auf der Messe in Hannover 12

So standen Fragen nach Ferien auf dem Bauernhof, Ferienhäusern bzw. -wohnun­ gen, Camping sowei Kuren an erster Stelle. An Freizeiteinrichtungen war hauptsäch­ lich „Wandern mit und ohne Gepäck“ gefragt. Dabei fand besonders als Wander­ vorschlag der Prospekt „Auf dem Weg der Uhrenträger“ regen Anklang. Weiter bestand sehr großes Interesse an Reiten, Radfahren und Langlaufloipen. Am speziellen Messe­ besuchertag für Reise- und Busunterneh­ men, zu dem die Messeleitung einlud, konn­ te das Standpersonal sowohl beratende als auch werbende Gespräche führen und eine breite Palette von Orts- und Gebietsprospek­ ten mit Gastgeberverzeichnissen und Pau­ schalangeboten den Unternehmern direkt vermitteln. Im September und Oktober 1982 betei­ ligte sich die Werbegemeinschaft an den Ver­ brauchermessen „Du und Deine Welt“ in Hamburg und der „Consumenta ’82“ in Nürnberg. Als einziger touristischer Ver­ anstalter war sie im Areal des Messestandes des Ernährungsministeriums Baden-Würt­ tem berg vertreten. Mit dem eigenen Werbestand war die Werbegemeinschaft Schwarzwald-Baar­ O berer Neckar in der Zeit vom 13.- 21.11.1982 bei der“ Touristika“ in Frankfurt mit von der Partie. Unter dem Motto“ Wan­ dern an den �eilen von Donau und Neckar“ hatte die Werbegemeinschaft einen 24 qm großen, mit großflächigen Farbpo­ stern und Colorfotos mit Motiven aus der Region ausgestatteten Stand, aufgebaut. Eine besondere Attraktion an diesem Stand war die tägliche Auslosung von Freiaufenthalten, die die Mitglieder der Werbegemeinschaft zur Verfügung gestellt hatten. Neben neun Wochenendaufenthalten wurde in der Schlußziehung am letzten Sonntag eine ein­ wöchige Ferienreise in den Schwarzwald­ Baar-Kreis gezogen. „An den �ellen von Donau und Neckar“ ist der Titel des Touristikfilms, den die Werbegemeinschaft Schwarzwald-Baar­ Oberer Neckar von der Firma EGP-Film, Frankfurt/M., hat drehen lassen. Nach zwei­ jähriger Drehzeit fand am 15. September 1983 im Theater am Ring in Villingen­ Schwenningen vor Vertretern beider Land­ kreise und der Touristikbranche die Urauf­ führung des 30minütigen Farbtonfilmes statt. Nach Begrüßung der Gäste dankte Land­ rat Dr. Gutknecht dem Produzentenehepaar Erni und Dr. Gero Prieme!. Dank sagte er auch den Kreisgremien beider Landkreise für die Bereitstellung der Mittel. Von dem neuen Film wurden bereits meh­ rere Kopien erstellt, die u. a. bei den Kreis­ bildstellen der beiden Landkreise ausgelie­ hen werden können. W eitere Kopien sollen dem Landesfremdenverkehrsverband Baden-Württemberg, dem Fremdenver­ kehrsverband Schwarzwald, dem Deutschen Filmzentrum, den Landesbildstellen sowie verschiedenen Filmdiensten zur Verfügung gestellt werden. Ferner wird der Werbefilm beim Ferien-Filmfestival in verschiedenen Großstädten wie auch bei Touristikveranstal­ tungen eingesetzt werden. Jürgen Moser die brücke gestern bauten sie zukunftsbewußt eine feste brücke den fluß hinüber heute schauen sie selbstzufrieden auf das verlassene ufer zurück morgen treibt der brückenbau die menschen erneut denn wenige erkennen das eigene land norbert fleck 13

Die Gemeinden stellen sich vor Dauchingen Vom Bauerndorf zur Industrie- und Wohngemeinde Inmitten des Städtedreiecks Rottweil – Trossingen und Villingen-Schwenningen ragt der weithin sichtbare Turm der Pfarr­ kirche St. Cäcilia empor und erweckt beim Betrachter das Interesse, Näheres über das nahezu 750 m hoch liegende Dorf Dauchin­ gen und seine Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit zu erfahren. Wenn wir die lange und wechselvolle Geschichte Dauchingens mit seiner Grenz­ lage zwischen den früheren Ländern Baden und Württemberg zurückverfolgen, so kön- nen wir feststellen, daß das Dorf seit seiner Entstehung eine rein bäuerliche Gemeinde war, in der im Laufe der Zeit die notwendi­ gen Handwerks- und Versorgungsbetriebe hinzukamen. Die Einwohnerzahl entwik­ kelte sich nur sehr langsam aufwärts; sie betrug bei Ausbruch des 2. Weltkrieges nur rund 700 Einwohner. Mitte der SOer Jahre begann dann die eigentliche, im Vergleich zu früheren Zeiten, fast als stürmisch zu bezeichnende Aufwärtsentwicklung, sowohl auf dem Gebiet der Bautätigkeit, als auch in Original-Radierung: H. 0. M ülkr-H anssen 14

der Umstrukturierung der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde zur Industrie- und Wohngemeinde. Dauchingen wurde wegen seiner verkehrsgünstigen und landschaftlich ausgeprägten Lage für viele Bauinteressenten aus den umliegenden größeren Städten als günstiges Wohngebiet ausgewählt. Die Ein­ wohnerzahl hat heute nahezu 3.000 erreicht und zeigt durch die anhaltende Wohnbautä­ tigkeit weiterhin eine steigende Tendenz. Ein Schwerpunkt der Kommunalpolitik war immer darin zu sehen, die hinzukom­ mende Bevölkerung in das Gemeindeleben zu integrieren, um die typischen Probleme und Schwierigkeiten reiner W ohngemein­ den zu vermeiden. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen und Einrichtungen, welche sich auf diesem Gebiet große Ver­ dienste erworben haben, scheint dies auch zur Zufriedenheit der Wohnbevölkerung gelungen zu sein. Als Folge mußte die Gemeinde in den letzten 20 Jahren erhebliche Investitionen zur Angleichung ihrer Infrastruktur an die gestiegene Einwohnerzahl erbringen. Zu­ nächst wurden die landwirtschaftlichen Flä­ chen mit einer Flurbereinigung und der Aus­ siedlung von sechs größeren landwirtschaft­ lichen Betrieben neu geordnet. Als Folge dieser Neuordnung wurden die bebaubaren Flächen für die Wohn- und Gewerbebe­ bauung ausgewiesen. Bis heute sind zehn Bebauungspläne erstellt, erschlossen und größtenteils bebaut. Eines der größten Vorhaben der Ge­ meinde war der Neubau einer Grund-und Hauptschule mit Turnhalle und einem Sechsfamilien-Lehrerwohngebäude, um die unzulänglichen schulischen Verhältnisse zu sanieren. Heute umfaßt die Schule sechs Grundschul- und vier Hauptschulklassen mit annähernd 200 Schülern, welche von elf Lehrkräften unterrichtet werden. Die Erweiterung und Neugestaltung des Friedhof es in einer ansprechenden Form mit dem Bau einer Friedhofshalle und der Errich­ tung eines Mahnmales folgten, wobei die Bevölkerung mit einer namhaften Spenden- summe den Bau der Halle ermöglichte. Es folgte der Neubau des Feuerwehrhauses mit einem großen Mehrzweckraum zu Probe­ zwecken oder für Veranstaltungen der Ver­ eine. Die gesamte Ortskanalisation wurde ausgebaut, die Wasserversorgung erneuert und eine Gemeinschaftskläranlage zusam­ men mit dem Abwasserzweckverband „Obe­ rer Neckar“ gebaut. Die Landes-, Kreis-und Ortsstraßen wurden mit Gehwegen und einer neuen Straßenbeleuchtung ausgebaut. Mit dem Neubau eines vierklassigen Kin­ dergartens inmitten eines erhaltungswürdi­ gen Altbaumbestandes wurde das bisherige alte Schulhaus nach einer grundlegenden Innen-und Außenrenovierung für Vereins­ zwecke zur Verfügung gestellt. Der Ausbau neuzeitlicher Sportanlagen folgte. Unter gro­ ßem Einsatz der Gemeinde und der sport­ treibenden Vereine stehen heute ein Rasen­ platz, ein Hartplatz, eine 400-m-Rundbahn mit Leichtathletikeinrichtungen, eine Tribü­ nenanlage, zwei Bolzplätze und vier Tennis­ plätze zur Verfügung. Der Neubau der evangelischen Kirche und die Renovierung der bestehenden katholischen Pfarrkirche folgten. Kunstken­ ner der näheren und weiteren Umgebung kennen die in der Pfarrkirche stehende über­ lebensgroße Steinplastik der Straßburger Schule aus dem 13. Jahrhundert, welche unter dem Namen „Dauchinger Madonna“, nach der Restaurierung und der Zurückfüh­ rung auf den ursprünglichen Zustand zur Zeit der Entstehung, Berühmtheit erlangt hat. Der Brand der neuen evangelischen Kirche im Jahre 1981 löste eine spontane Beteiligung und Anteilnahme bei der Bevöl­ kerung aus. Mit einem erstmals veranstalte­ ten Gemeindefest, unter Beteiligung aller Vereine und Einrichtungen, konnte ein nam­ hafter Beitrag zum bereits laufenden Wieder­ aufbau der Kirche geleistet werden. Der gute Zusammenhalt innerhalb Dau­ chingens wird auch beim Bildungswerk sichtbar, welches im Jahre 1967 aus einem Zusammenschluß des Bildungswerkes der Gemeinde Dauchingen, des Katholischen 15

Bildungswerkes und der Schule entstanden ist. Das vielseitige Angebot mit Vortragsver­ anstaltungen, Studienreisen und Kursen wird von der Bevölkerung gut angenommen. Dank der äußerst guten wirtschaftlichen Entwicklung der angesiedelten Industrie­ und Gewerbebetriebe konnte die Gemeinde in den vergangenen Jahren in ihrer Aufga­ benerfüllung sehr zügig vorankommen. Lei­ der hat sich die Finanzlage in den beiden letz­ ten Jahren sehr stark verschlechtert, was zu einer Streckung der noch nicht erledigten Vorhaben führen muß. Schon im Jahre 1967 wurden die künftigen Planungen und Vor­ haben in einem langfristigen Investitions­ plan festgehalten, der bisher ohne wesent­ liche Verzögerungen verwirklicht werden konnte. Die Ausstattung der Gemeinde mit Einrichtungen für die Bevölkerung reicht aus, um auch einige Jahre geringerer oder feh­ lender Investitionen ohne Nachteil über­ brücken zu können. Die gute örtliche Gemeinschaft wird durch ein reges aktives Vereinsleben harmonisch abgerundet und gefördert. Ein Beispiel für den Gemein­ schaftssinn und die Beteiligung jedes einzel­ nen ist der Wettbewerb des Landkreises ,,Unser Dorf soll schöner werden“, an wel­ chem sich die Gemeinde schon viermal mit sehr gutem oder hervorragendem Erfolg beteiligt hat. Obwohl in Dauchingen vom Fremden­ verkehr nicht sehr viel zu verspüren ist, wurde mit dem Bau von Hotels und durch die gutgepflegte Gastronomie ein beliebtes Ausflugsziel für die nähere Umgebung geschaffen. Die Wandermöglichkeiten im Landschaftsschutzgebiet „N eckartäle“ und die ausgebauten Feld- und Waldwege lassen ein Wandern und Spazierengehen bei fast jeder Witterung zu. Der bekannte Natur­ freund, Fotograf und Tierschriftsteller Roland Kalb, ein Dauchinger Bürger, bringt den Lesern des „Almanach“ die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt des Landschafts­ schutzgebietes näher und regt zu Wanderun­ gen und Erkundungen an. Der für die Naherholung wichtige 16 Gemeindewald wurde 1967 mit schweren Sturmschäden und 1981/82 durch eine Schneedruckkatastrophe äußerst stark in Mitleidenschaft gezogen. Um die Schäden auszugleichen, wird auf lange Jahre die Holz­ nutzung entscheidend eingeschränkt wer­ den. Dauchingen steht allgemein im Ruf, eine Gemeinde ohne wesentliche Probleme zu sein, was jedoch nicht auf allen Gebieten zutreffend erscheint. Denken wir an die Dis­ kussion über die geplante Umgehungsstraße westlich von Dauchingen, an den Bau des Autobahn-Nordzubringers oder an die Nut­ zungsarten im Gewerbegebiet, welche unter intensiver, aber sehr sachlicher Beteiligung der Bevölkerung geführt werden. Positiv ist das Demokratieverständnis der Bevölkerung hervorzuheben. Ausdiskutierte und durch Mehrheit festgestellte Entschei­ dungen werden akzeptiert. Der Bürgersinn und das Verständnis für die gegenseitigen Belange, auch bei einschränkenden Maßnah­ men, stimmen mich, auch wenn es darum geht, kommende schwierigere Zeiten zu mei­ stern, sehr hoffnungsvoll. Elmar Österreicher, Bürgermeister Splitter Wenn man ihm einen Vogel schenkt, der Mensch gleich an den eignen denkt. Oh, glücklich, wer schon einen hat im Fall, es findet Zuwachs statt! Denn stets erfreut uns ja am meisten, will uns ein Freund Gesellschaft leisten! Selbst am Weihnachtsfeiertage regnet es, statt daß es schneit – alles ist heut ohne Frage nicht mehr wie in alter Zeit! Über das Sandkorn im Schuh erging er sich endlos in Klagen … Als ihn der Felsblock erschlug, sprach er kein einziges Wort. Ulrich Stratmann

Klaus Schnibbe: Das Wappen der Gemeinde Dauchingen Wappen: In Rot ein linksgewendeter goldener Löwe, zwischen den Vorderpranken eine silberne Pflug­ schar haltend. Die Entstehungsgeschichte dieses Wap­ pens ist etwas kompliziert. Die (heraldische) Linkswendung des Löwen läßt bereits darauf schließen, daß hier die Ableitung von einem Siegelbild vorliegt. Und tatsächlich: um die Mitte des vorigen Jahrhunderts finden wir einen Farbdruckstempel im Gebrauch, der innerhalb eines doppelten Ovals mit der Umschrift GEMEINDE DAUCHINGEN einen Wappenschild zeigte mit linksgewen­ detem Löwen, der in den Vorderpranken ein großes „D“ hält. Farben waren dafür keine zu ermitteln, und es erscheint zweifelhaft, ob dafür überhaupt Farben – ein wesentlicher Bestandteil eines Wappens – je gedacht waren. H. G. Zier vermutet in seinem „ Wappen­ buch des Landkreises Villingen“ (Stuttgart 1965), daß dieser Löwe aus dem Badischen Staatswappen von 1807 bis 1830 stammen könnte, das im schräglinksgeteilten Schild oben in Purpur einen goldenen Schrägbal­ ken, unten in Rot einen linksgewendeten goldenen Löwen ( den irrtümlich sog. ,,Zäh­ ringerlöwen“) zeigte. – Jedenfalls führte der vordem Reichsstädtisch-Rottweiler Ort nach seinem‘ 1810 erfolgten Übergang an Baden zunächst dieses Staatswappen in seinem Sie­ gel mit der Umschrift VOGTEI DAU­ CHINGEN. Ein Abdruck dieses Siegels ist erhalten auf dem Vollmachtsprotokoll, das die Einwohner Dauchingens anläßlich der Erbhuldigung für Großherzog Karl am 16. August 1811 ausstellten. Als um die Jahrhundertwende in einer Großaktion den meisten badischen Gemein­ den ein Wappen gegeben wurde, schlug das großherzogliche Generallandesarchiv in Karlsruhe im Jahre 1902 für Dauchingen vor: In Rot ein goldener Löwe mit einer silbernen Pflugschar in den Vorderpranken. Die Farben waren nun offensichtlich gewählt nach dem „Zähringerlöwen“; die Pflugschar, die den unheraldischen Buchstaben ersetzte, sollte auf die Landwirtschaft, den damaligen Haupterwerbszweig der Einwohner, hinwei­ sen. – Doch der Gemeinderat lehnte ab, da er die Ausgaben für einen neuen Siegelstempel scheute. So blieb Dauchingen weiterhin ohne richtiges Wappen. In der Zeit nach 1945 verwendete die Gemeinde dann jedoch in ihren Dienststem­ peln ein Wappen, das dem Entwurf von 1902 entsprach – allerdings mit dem Unterschied, daß der Löwe nicht, wie heraldisch üblich, nach vorne gewendet, sondern „linksgewen­ det“, wie in den alten Stempeln, erschien. (In der Heraldik wird seit altersher „Rechts“ und „Links“ nicht vom Beschauer, sondern vom Schildträger aus verstanden.) Anläßlich der Vorarbeiten zum „ Wappen­ buch des Landkreises Villingen“ wurde die Gemeinde zur offiziellen Annahme dieses Wappens (mit dem „Linkslöwen“!) ver­ anlaßt. In seiner Sitzung vom 11. Oktober 1960 gab der Gemeinderat seine Zustim­ mung, und das Innenministerium Baden­ Württem berg sprach am 18. August 1961 eine förmliche Verleihung aus. 17

Quellen und Literatur: GLA Karlsruhe 236/ 1679 Gemeindshuldigungen Amt Villingen (1811). – GLA 450/F Wappenakten Amtsbezirk Villingen. – G LA Siegelkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – Karl Frh. v. Neuenstein: Das Wappen des Großherzoglichen Hauses Baden in seiner geschichtlichen Entwicklung, Karlsruhe 1892. – Gem. Amtsblatt des Landes Baden­ Württ. 9 {1961) Nr. 24, S. 570. – H. G. Zier: Wappenbuch des Landkreises Villingen 1965. Unterkimach – vom Bauerndorf zum Luftkurort Aus den Besitzungen der Herren von Roggenbach ist der Ort entstanden. Dieser Familienname tritt erstmals 1122 als Orts­ name in den St. Blasischen Büchern urkund­ lich in Erscheinung. Der Roggenbachweg im Ortskern erinnert heute noch an diese Grün­ derzeit. Erst 1244 taucht der Ortsname Unterkirnach auf. Sehr wechselvoll verläuft die Ortsgeschichte, die von den Klöstern Tennenbach und St. Georgen bis zum Ver­ kauf der Rechte an die „untere Vogtei der Kürna“ im Jahre 1506 an Villingen maßgeb- Unterkimach – von Wäldern umgeben lieh bestimmt wurde. Es folgten 300 Jahre Abhängigkeit als Besitzung der Stadt Villin­ gen. Vom Beginn der selbständigen Epoche der Gemeinde litt die Entwicklung noch Jahrzehnte unter den „Geburtswehen“ im Jahre 1806. Zu unausgewogen wurden Eigen­ tum und Rechte zwischen der Stadt Villin­ gen und der Gemeinde Unterkirnach ver­ teilt. Unterkirnach war eine weitverzweigte Streusiedlung, vom Groppertal bis zum Schlegelwald und von Maria Tann bis zum Hippengehr. Viele Gemeindegebietsteile sind Exklaven, also Inseln innerhalb des 18

Gartenhallenbad in Unterkirnach Gebietes der Stadt Villingen und anderer angrenzenden Gemeinden. Die Gewanne Groppertal, Stockwald, Hippengehr, Salvest und Neuhäusle sind Beispiele für diese eigen­ artigen Grenzregelungen. Wasser- und vor allem Wegerechte waren über Jahrzehnte Streitgegenstände. Erst zwischen 1970 und 1974 konnte eine Verständigung über die Straßenerschließung zu den Streusiedlungen durch den Wald der Stadt Villingen erreicht werden. Danach wurden über 30 km Wege­ netz durch die Gemeinde Unterkirnach aus­ gebaut. In der Zwischenzeit wurde jeder Hof mit einer staubfreien Straße erschlossen. Damit konnten entscheidende Weichen für die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe gestellt werden, weil dadurch die Lebensbedingungen für die betroffenen Familien erheblich verbessert wurden. Nur mit einer gepflegten Landschaft konnte das Entwicklungsziel der letzten 15 Jahre, nämlich die Förderung des Fremden­ verkehrs, erfolgreich angestrebt werden. Bis heute haben deshalb die Belange der Landwirtschaft einen hohen Stellenwert. Gemeinderat und Bürgerschaft wissen „die landschaftspflegerischen Dienste“ in unserer nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben von der Natur benachteiligten, vom Erho­ lungswert her aber bevorzugten Landschaft der in der Landwirtschaft tätigen Familien zu schätzen. Bei diesen Zielsetzungen der Ortsentwick­ lung standen die Überlegungen zur Verbesse­ rung des Wohnwertes der Einwohner immer im Vordergrund. Dabei war es nicht einfach, den richtigen Weg zu finden. Ansätze gab es in verschiedenen Richtungen. Schon anfangs dieses Jahrhunderts gab es mit der Orche­ strion-Herstellung vielversprechende An­ satzpunkte für eine industrielle Entwick­ lung. Auch im Fremdenverkehr fanden zu dieser Zeit einzelne Aktivitäten guten Zuspruch. Die beiden Weltkriege ließen diese Ansätze aber wieder verkümmern. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden im Bereich von Handwerk, Gewerbe und Indu­ strie erfolgreiche Betriebsentwicklungen ein- 19

geleitet und ausgebaut. Es zeigte sich jedoch, daß dieser Entwicklung durch die Zwänge der Topographie und der besonderen Lage Grenzen gesetzt sind. Ein weiterer Ansatzpunkt für die Verbes­ serung des Wohnwertes war die Ausweitung der Wohnsiedlungen. Obgleich die Einwoh­ nerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute auf 2.500 angestiegen und damit ver­ doppelt wurde, konnte damit noch nicht die Basis für eine gute Infrastruktur erreicht wer­ den. Schon 197 5 beschloß deshalb der Gemeinderat, bei der Siedlungsausweitung strenge Maßstäbe anzulegen bzw. Bauge­ lände nur noch für Einwohner der Gemeinde zur Verfügung zu stellen. Damit sollte der Dorfcharakter erhalten und die Entwicklung zur Vorstadt vermieden wer­ den. Gleichzeitig wurde der Fremdenver­ kehrsentwicklung erste Priorität eingeräumt. Mit der Kaufkraft aus dem Fremdenverkehr sollte die fehlende Wirtschaftskraft aus der Gemeindegröße ersetzt werden mit dem Ziel, für die Einwohnerschaft eine gute Infra­ struktur, das heißt vor allem den privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich wenigstens in der Grundversorgung, zu errei­ chen. Dieses Entwicklungsziel ist selbstver­ ständlich nicht von heute auf morgen erreichbar. Unbestritten wurden aber schon erstaunliche Fortschritte erreicht. So konn­ ten die Gästeübernachtungen seit 1970 von ca. 1.000 auf ca. 70.000 im Jahre 1983 gestei­ gert werden. Derzeit laufen�e Bauprojekte lassen hoffen, daß sich die Ubernachtungs­ zahlen noch weiter steigern lassen. Der auf­ merksame Beobachter wird feststellen, daß die erhofften Nebenwirkungen des Frem­ denverkehrs nicht ausgeblieben sind. Die gemeinsamen Bemühungen der Bürger­ schaft und auf dem Rathaus zeigen eine gute Zwischenbilanz, wobei eine wichtige Orien­ tierung, eine gesunde Finanzlage der Gemeinde mit am Landesdurchschnitt orientierten Steuern und Abgaben, gesichert werden konnte. Eine leistungsfähige Gastronomie, ein 20 gutes Angebot im privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich, überdurchschnitt­ lich gute Freizeit- und Erholungseinrichtun­ gen, wobei das Gartenhallenbad besonders erwähnt werden darf, sind Bereicherungen für den Wohnwert, den Gäste wie Einwoh­ ner gleichermaßen schätzen. Um das Entwicklungsziel, nämlich ca. 1.000 Fremdenbetten bei einer durchschnitt­ lichen Auslastung von ca. 200 Belegungen pro Bett und Jahr, zu erreichen, ist noch ein weiter und sicher auch steiniger Weg zu über­ winden. Schon heute aber stellt sich Unter­ kirnach als gastlicher Luftkurort mit hohem Erholungswert, dem Einwohner als attrakti­ ver Wohnort mit einer intakten Dorfge­ meinschaft dar. Siegfried Baumann, Bürgermeister , … .. , … Griff nach den Sternen Was suchen wir am Himmel droben Den Mann im Mond, den’s gar nicht gibt, Hat nicht der Mensch das Bild verschoben, Das Gottes Lieb‘ uns wiedergibt. Er hat geschaffen all‘ die Sterne, Den großen schönen Weltenraum, Daß sie uns leuchten aus der Ferne, Du aber merkst und siehst es nicht. Doch wollen wir nach ihnen greifen, Sie gar besitzen, wenn es ging, Schon zieh’n am Himmel weite Streifen, Die Erde manchen Funkspruch fing. Nur dürfen niemals wir vergessen, Daß es der Schöpfung Wunderwerk, Drum sei, o Mensch, nicht so vermessen Und richt‘ nach Gott Dein Augenmerk. Er läßt auch Dir die Sonne scheinen, Zeigt uns der Sterne gold’ne Pracht, Will Erd‘ und Himmel ganz vereinen, Nur er allein hat diese Macht. Johannes Hawner

Klaus Schnibbe: Das Wappen der Gemeinde Unterkimach Wappen: In Silber auf grünem Dreiberg drei rote Zinnentürme mit silbernen Öffnungen. Dieses Wappen mit den drei Türmen führt die Gemeinde nun seit 53 Jahren: Im Jahr 1929 hatte man sich in Unterkirnach auf Betreiben von Rößlewirt und Ratschreiber Karl Moser um eine Ortsfahne bemüht. In seinem Bericht führte er unter anderem aus: ,,In unserer alten, 1902 abgebrochenen Pfarr­ kirche prangte über dem großen romani­ schen Chorbogen (Barockkirche) das Orts­ wappen: in silbernem Schild auf grünem Dreiberg drei rote Burgtürme.“ Hier dürfte jedoch ein Irrtum vorliegen: Das erwähnte Wappen war nämlich erst im Juli 1902 vom Generallandesarchiv (GLA) Karlsruhe ent­ worfen und der Gemeinde vorgeschlagen worden; aber der Gemeinderat hatte die Angelegenheit damals „zurückgestellt“. Sollte sich am Triumphbogen der Pfarr­ kirche (erbaut 1715) ein Wappen befunden haben, dann kann es sich nur um das Wap­ pen des Klosters Tennenbach oder seines damaligen Abtes Martinus Steiger (t1727) gehandelt haben. Jedenfalls hat Unterkir­ nach weder im 19.Jahrhundert noch davor je ein Wappen geführt. Auf der im GLA liegenden Gemeindshul­ digung von 1811 für Großherzog Karl von Baden befindet sich ein Abdruck des ältesten bekannten Siegels der Gemeinde. Es zeigt innerhalb der Umschrift VOGTEI KÜR­ N ACH kein auf den Ort bezügliches Zei­ chen, sondern das damalige badische Staats­ wappen. Dieses Siegel kann daher erst nach dem Übergang der Stadt Villingen an das Großherzogtum Baden im Jahre 1806 einge­ führt worden sein. In früheren Zeiten ließen die Unterkirnacher bei Rechtsgeschäften ihre Urkunden von der Stadt Villingen sie­ geln. Der Vorschlag des GLA fußte auf einem von der Gemeinde wohl um 1840 eingeführ­ ten Farbdruckstempel; dessen ältester mir bekannte Abdruck ist von 1853 erhalten. Dieser ovale Stempel zeigt aus einem flachen Hügel wachsend drei verschieden große, schlanke, dicht beieinander stehende Zin­ nentürme, umgeben von der Umschrift GEMEINDE/U.KÜRNACH. Ähnlich auch ein wohl erst um die Jahrhundertwende be­ schaffter Gummistempel. Das Siege/bild mit den drei Türmen – das aber noch kein Wap­ pen darstellt! – dürfte wohl ein Hinweis auf die ehemalige Burg Roggenbach sein, deren Ruine noch 1902 Steine lieferte zum Neubau der St.-Jakobskirche. Die Herren von Roggen­ bach, eine zähringische Dienstmannenfami­ lie, sind bereits zu Anfang des 13. Jahrhun­ derts ausgestorben. Erst der Vorstoß des Rößlewirts führte dann dazu, daß am 12. Oktober 1930 der Gemeinderat das Wappen nach dem Vor­ schlag von 1902 annahm und gleichzeitig die Gemeindefahne nach den Wappenfarben Grün-Weiß-Rot festlegte. – Dieses Wappen erscheint erstmals in dem 1934 neubeschaff­ ten Dienststempel der Gemeinde und wurde auch farbig auf die Südfront des neuen Rathauses gemalt, wo es nun bald 50 Jahre Wind und Wetter getrotzt hat. .Qµellen und Literatur: GLA Karlsruhe 236/ 1679 Gemeindshuldigungen Ami Villingen (1811). – GLA 450/F Wappenakten Amtsbezirk Vif fingen. – G LA Siegelkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – H. G. Zier: Wappenbuch des Landkreises Villingen, StultKart 1965. 21

Klaus Schnibbe: Das Wappen der Stadt Blumberg Wappen: Unter im Wolkenschnitt von Silber und Grün geteiltem Schildhaupt in Silber schräggekreuzt je ein grünes Eichen- und Buchenblatt, überhöht von einem roten Zahnkranz, darin schräggekreuzt roter Hammer und Schlegel Das Wolkenschildhaupt soll ein Anklang an das Wappen der ehemaligen Herren von Blumberg sein, während das Bergmannsge­ zähe auf den Erzbergbau hinweist, der hier im 17. und 18. Jahrhundert betrieben wurde, und dessen kurze Wiederaufnahme von 1936 bis 1942 zu einem raschen Anwachsen Blumbergs geführt hatte. Der Zahnkranz dagegen soll für die Industrie stehen, die nach der Stillegung der unrentablen Dogger­ erzgruben hier angesiedelt wurde und die wirtschaftliche Existenz Blumbergs sicherte. Die Blätter schließlich sollen die beiden Bergzüge Buchberg und Eichberg symboli­ sieren, zwischen denen eingebettet die Stadt liegt. Dieses Wappen ist – nach jahrzehnte­ langem Hin und Her – erst 1960 verliehen worden. – Doch hat Blumberg bereits vier Jahrhunderte hindurch ein Wappen geführt! Darüber soll hier etwas ausführlicher berich­ tet werden. Zunächst ein kurzer geschichtlicher Über­ blick: In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun­ derts hatten sich die Herren von Blumberg, eine fürstenbergische Vasallenfamilie, im Raum zwischen Wutach, Randen und Donaueschingen ein eigenes Herrschaftsge­ biet aufgebaut. Hauptort war seit Ende des 13. Jahrhunderts die von ihnen gegründete Stadt Hüfingen, die allerdings 1383 in einem Erbvergleich an die Herren von Sehellenberg abgetreten werden mußte. Darauf verlegten die Blumberger den Verwaltungssitz in ihre Stammburg Blumberg, deren Vorburg sie zu einem kleinen Burgstädtchen ausbauten – 1420 erstmals als Stadt urkundlich erwähnt. Nach Erlöschen der Hauptlinie des Geschlechts mit Rudolf von der alten Bluomberg 1450 kam die Herrschaft an des­ sen Schwager und von dessen Erben und 22 Erbeserben wurden Herrschaft, Burg und Stadt Blumberg 1483/84 an den kaiserlichen Rat Hans von Landau verkauft. Dieser baute die Herrschaft tatkräftig aus; unter anderem verstärkte er nach den Schweizerkriegen, in denen 1499 Blumberg den Eidgenossen er­ folgreich Widerstand geleistet hatte, die Befestigungen von Burg und Stadt. Doch verkauften nach Landaus Tod seine Söhne 1529 die Herrschaft wieder, die schließlich 1537 durch Kauf an Graf Friedrich zu Für­ stenberg kam. Fortan bildete Blumberg eine eigene fürstenbergische Herrschaft, die noch nach dem Übergang von 1806 an das Groß­ herzogtum Baden als „standesherrlich fürst­ lich fürstenbergisches Bezirksamt Blum­ berg“ weiterbestand bis zur Verwaltungsreor­ ganisation von 1832. Aus der Zeit vor der Mitte des 16. Jahrhun­ derts ist uns kein Wappen der Stadt bekannt. Doch führte sie offenbar als Ortszeichen einen bewurzelten Rosenzweig, wie noch auf einem Grenzstein aus der Landauer Zeit zu sehen ist. Das älteste Wappen steht in dem schönen ,:- SIGELL ·DER· STAT : BLUOMBERG : 1564, das in einem von Ranken umgebenen, verschnörkelten Schild ein zweifach „reden-

des“ Wappen zeigt: geteilt, oben das Wolken­ feh aus dem Wappen der Herren von Blum­ berg, unten einen heraldischen Dreiberg für den zweiten Namensteil. – Bemerkenswert ist, daß dieses Wappen in einer Zeit auf­ taucht, in der Blumberg schon längst an Für­ stenberg gefallen war. – Ein weiteres Siegel mit der Jahreszahl 1575, das im 17. und 18. Jahrhundert verwendet wurde, zeigt das gleiche Wappen, dessen unteres Feld übri­ gens immer mit einem schrägen Gitter über­ zogen erscheint. Diese sog. Damaszierung hat heraldisch keine Bedeutung, sie diente nur zur Verzierung größerer Leerfelder. Infolge des wirtschaftlichen Niedergangs in badischer Zeit und nach Verlust des Amts­ sitzes wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Stadtrechte nicht mehr wahrgenommen. Blumberg galt forthin als Landgemeinde. Doch wurden weiter Farb­ druckstempel gebraucht mit der Umschrift SIEGEL. D. STADT/BLUMBERG. Merk­ würdigerweise verschwand etwa ab 1863 der Dreiberg aus der unteren Wappenhälfte, die nun – wohl aus Unkenntnis – g e r a s t e r t wurde. Auch zeigte ein hochovales Siegel vom Ende des vorigen Jahrhunderts mit der Umschrift�:- GEMEINDE � .. I BLUMBERG in der unteren Schildhälfte nur noch ein lee­ res, schräggegittertes Feld. Die F a r b e n des alten Wappens lassen sich nicht mehr sicher bestimmen. Doch kann man annehmen, daß es die Farben aus dem Wappen der Herren von Blumberg ent­ hielt, die ihren Schild mehrfach – meist fünf­ mal-geteilt von Rot und Feh geführt hatten. Diese blau-silberne Pelzstilisierung dürfte als Andeutung des Vasallenverhältnisses aus dem Fürstenberger Wappen herstammen. – Ob allerdings der Dreiberg im Stadtwappen golden oder silbern tingiert war, weiß man nicht, da uns das Wappen nur auf Siegeln überliefert ist und kein farbiges Abbild oder schriftliche Angaben über die Farben auf uns gekommen sind. Unter Bezug auf den noch vorhandenen, schönen Siegelstempel von 1575 regte das Großherzogliche Generallandesarchiv zu Karlsruhe im Jahre 1903 an, den Dreiberg wieder ins Wappen zu nehmen und schlug als Farbe dafür G o l d vor. Außerdem wurde als Farbe für das untere Feld B l a u vorgese­ hen – warum, läßt sich nicht mehr feststellen. Doch stieß sich die Gemeinde vor allem am einfachen Halbrundschild und am fehlen­ den Gitter – sie wolle das Wappen in Form und Darstellung so weiterführen, wie auf dem Siegel von 1575. – Da hierüber keine Einigung zustande kam, blieben die Farben weiter ungeklärt, und die Gemeinde verwen­ dete bis 1960 in verschiedenen hochovalen Gummistempeln mit der Umschrift SIE­ GEL DER STADT I BLUMBERG ein ver­ schnörkeltes Wappenklischee o h n e den Dreiberg im unteren (gerasterten) Feld. In seinem bekannten Werk „Deutsche Ortswappen“ brachte Prof. Otto Hupp ab 1926 auch die Wappen des damaligen Frei­ staates Baden. Er stellte das Blumberger Wappen, ausgehend vom Siegel von 1564, mustergültig dar und blasonierte folgerich­ tig: Geteilt; oben blau-silbernes Wolkenfeh, unten im (schräggegi,tterten) roten Felde ein goldener Dreiberg. – Damit dürften Form und Tingie­ rung (= heraldische Farbgebung) des älteren Wappens eine endgültige Lösung gefunden haben. Als 1927 die Bürgermeistermedaille gra­ viert werden sollte, wollte man auf die Dar­ stellung des Siegels von 1575 zurückgreifen, während das Generallandesarchiv auf seinen Vorschlag von 1903 verwies. Zudem machte das Bezirksamt Donaueschingen darauf auf- 23

merksam, daß die politische Gemeinde Blumberg nicht das Recht habe, den Namen „Stadt Blumberg“ zu führen; und außerdem sei in der Umschrift des Siegels der Name mit o (Blomberg) geschrieben. Die Umschrift habe lediglich zu lauten: ,,Gemeinde Blum­ berg“! Nach der Wiederaufnahme der Erzgewin­ nung wuchs Blumberg von etwa 700 Ein­ wohnern 1935 auf über 4000 im Jahre 1939. Die Überschreitung der 10000-Einwohner­ Grenze, die automatisch die Stadterhebung nach sich ziehen würde, schien nur noch eine Frage der Zeit von ein bis zwei Jahren zu sein. Daher strebte Bürgermeister Th. Schmid unter anderem an, das alte Stadtsiegel von 1564 wieder aufleben zu lassen. Er legte den vorgesetzten Behörden auch zwei Entwürfe vor, die er von dem Kunstmaler B. Schnei­ der, Blumberg, in Anlehnung an das alte Sie­ gel hatte anfertigen lassen. Diese wurden als zu überladen abgelehnt, und durch den Kriegsausbruch blieb die Angelegenheit ruhen. – Die Gemeinde führte aber fortan das Wappen von 1564 auf ihren Briefbogen, und als Farben wurden die von Hupp ange­ gebenen als richtig angesehen. Auf den Dienststempeln begegnete einem jedoch weiterhin das mangelhafte Klischee mit dem gerasterten unteren Feld o h n e den Drei­ berg. Nachdem im Jahre 1950 Blumberg die Bezeichnung „Stadt“ wieder verliehen wor­ den war, versuchte man ab 1957 die Wappen­ frage endlich einer offiziellen Lösung zuzu­ führen. Auf eine Anfrage hin sandte das GLA erneut den Vorschlag von 1903; doch konnte sich der Stadtrat nicht zu einer Zustimmung durchringen, sondern fand wiederum die Schildform zu einfach und die Farbgebung mit dem unteren blauen Feld ,,wenig befriedigend“. – Da Bürgermeister K. W. Schmidt nicht mehr locker ließ- er setzte sogar eine Wappen-Sonderkommission ein – verwies das GLA schließlich auf die Möglich­ keit einer Wappenänderung. Nach Vorlage einer großen Zahl mehr oder weniger befrie­ digender Entwürfe von Blumberger Bür- 24 gern, regte das GLA im Jahre 1958 an, in das untere (blaue!) Feld zwei gekreuzte goldene Hämmer, umgeben von einem goldenen Zahnkranz, anstelle des Dreibergs aufzuneh­ men. Auch dies fand keinen Beifall, und es folgten zahlreiche weitere Gegenentwürfe ver�chiedener Künstler, die unter anderem Grubenlampen und anderes Gerät ins Wap­ pen zu setzen versuchten. Erst nach langem Hin und Her einigte man sich 1960 ermattet auf einen neuen Vorschlag des Generallan­ desarchivs, den wir eingangs kennengelernt haben. Die endgültige Lösung, die damit ange­ strebt worden war, fand allerdings nicht uneingeschränkte Zustimmung. Man be­ mängelte, daß die Embleme so kleinteilig seien und – vor allem in der Schwarzweiß­ Darstell ung – zu sehr gewissen Abzeichen ähnelten. Ganz besonders ist zu bedauern, daß das traditionelle, blau-silberne Feh aus Gründen der Farbenvereinfachung in Silber­ Grün verändert wurde! – Ein Wappen ist he­ raldisch um so besser, je einfacher es ist; dazu gehört auch, daß möglichst wenige Tinktu­ ren (= herald. ,,Farben“ und „Metalle“) ver­ wendet werden – das blau-silberne Feh ent­ spricht dabei e i n e r Tinktur. Es muß vom Standpunkt des Heraldikers gesagt werden, daß ein Wappen h e – r a l d i s c h nur in seinem grundsätzlichen Inhalt – unlösbar verbunden mit den zuge­ hörigen Farben – festgelegt werden kann. W i e dann das Wappen in Einzelheiten dar­ gestellt wird, ist völlig unwichtig und auch vom jeweiligen Zeitgeschmack abhängig. Nur für Dienststempel sollte es wegen der Kleinheit des Klischees möglichst grob und einfach gehalten sein. Unverständlich bleibt jedenfalls der langwierige Disput um solch unwesentlichen Kleinkram, wie Schnörkel, Gitter und ähnliches, der nur in die Irre geführt hat. In den vergangenen zwanzig Jahren hat man sich weithin mit dem neuen Wappen abgefunden. – Ob die aus dem kleinen Burg­ flecken emporgewachsene moderne Indu­ striestadt und Fremdenverkehrsstadt auf ihr

altehrwürdiges, schönes Wappen zurück­ kommt, vermag niemand zu sagen. .Qy,ellen und Literatur: Stadtarchiv Blumberg. – F. F. Archiv Donaueschingen. – Generallan­ desarchiv Karlsruhe 450/F 39 Wappenakten Bezirk u. Kreis Donaueschingen. – G LA Siegel­ kartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – Fürstenbergi­ sches Urkundenbuch, hrsgg. v. Fürstl Fürstenber­ g,.’schen Hauptarchiv Donaueschingen, Band 5 und 6, Tübingen 1886/89. – F. Frankhauser u. A. Krieger: Siegel der badischen Städte, hrsggv. d. Bad. Hist. Kommission, 3. Heft, Heidelberg 1909. – 0. Hupp: Deutsche Ortswappen, hrsgg. Kaffee HAG, Bremen o.J, Freistaat Baden. – K. S. Bader: Burg, Dorf, Stadt und Herrschaft Blumberg, Donaueschingen o.J (1950). -E. Key­ ser: Badisches Städtebuch (= Deutsches Städte­ buch, Band IV Südwestdeutschland, 2. Land Baden-Württemberg, Teilband Baden), Stuttgart 1959. – Innenministerium Baden-Württemberg, Stuttgart, 7.Juli 1960, Nr. IV 31/45 Blumberg/ 1: Verleihung des Rechts zur Führung eines Wap­ pens … – K. Stad/er: Deutsche Wappen – Bun­ desrepublik Deutschland, Band 8: Die Gemein­ dewappen des Bundeslandes Baden-Württem­ berg, Bremen 19 71. – K. Schnibbe: Gemeinde­ wappen im ehemaligen Landkreis Donaueschin­ gen, in: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar zu Donaueschingen, 33. Band (1980). Evangelische – ehemals katholische – Kirche in Blumberg Zeichnung: Gerold Huber 25

Schulen und Bildungseinrichtungen Investition für Gegenwart und Zukunft Erweiterung der Gewerblichen Schulen in Donaueschingen kostet 21 Millionen Mark Es ist das Konzept der Gewerblichen Schulen in Donaueschingen, sich dem tech­ nischen Fortschritt zu stellen und die Tech­ nik zu nutzen. Bessere Voraussetzungen ermöglichte der Schwarzwald-Baar-Kreis als Schulträger mit dem bisiang teuersten Schul­ bau im Kreis. 21 Millionen Mark kostet der Erweiterungsbau mit Turnhalle. Im Novem­ ber 1982 war Einweihungsfeier und Tag der offenen Tür. Tausende sahen die neue Schule von innen. Über 2100 Schülerinnen und Schüler werden in 84 Klassen neben der Aus­ bildung in den Betrieben oder ausschließlich in der Schule für die Anforderungen ihres Beruf es mit theoretischem und praktischem Beispiel far moderne, fachpraktische Räume Wissen vorbereitet. Die Investition des Krei­ ses ist für die Jugend und die Wirtschaft gut angelegtes Kapital. Bis November 1982 wurden vom Kreis inklusive aller Zuschüsse rund 100 Millionen Mark für Schulbauten ausgegeben. Damit ist mehr als die Hälfte des Schulbauprogramms erfüllt. Die enorme Leistung ist aber auch Grund für die Schulden des Kreises. Weder beim Raumangebot noch bei der Einrich­ tung wurde in Donaueschingen zu aufwen­ dig verfahren. Das Werkstättenangebot ist komplett. Es fehlen jedoch Aufenthalts­ räume, die erst dann zur Verfügung stehen, wenn zurückgehende Schülerzahlen in den 26

nächsten Jahren es ermöglichen, daß einige Klassenzimmer dafür genutzt werden. Nach mehreren Monaten Erfahrung mit dem Neubau lobt Oberstudiendirektor Barth: „Das Gesamtkonzept ist ordentlich. Es hat sich als gut erwiesen.“ Es gibt keine wesentlichen Klagen, dafür allerdings Zu­ kunftspläne. Weitere für Werkstätten und zusätzliche Parkplätze sol­ len über das jährliche Budget der Schule von rund 80 000 Mark finanziert werden. Investitionen Die 1868 gegründete Städtische Gewerbe­ schule Donaueschingen hatte ihren ersten Schulraum in einer Lehrerwohnung in der Karlstraße. Nach drei Umzügen innerhalb eines Jahrhunderts zog die Schule 1969 in das vom Altkreis Donaueschingen in der Eichendorffstraße erstellte Gebäude. Der Schwarzwald-Baar-Kreis als Nachfolger die vorgegebene Platzwahl in­ mitten eines Wohngebietes mit Nachbar­ schaft zu weiteren Schulen. Die vorgefun­ dene Anordnung ermöglichte einen organi­ schen Anbau. übernahm Technik und Schönheit sind vereint in der architektonischen Lösung, die das Architek­ turbüro Birkle aus Konstanz in einem Wett­ bewerb vorgelegt hat. In der Schule im „Fabrikhallenstil“ gibt es durch diese Auftei­ lung überall ausreichend Tageslicht. Auch wenn über die mit blauer Farbe abgesetzten Fenster die Meinungen auseinandergehen: die Gestaltung ist zeitgerecht. Sie hebt sich von reinen Zweckbauten wohltuend ab. Die entscheidenden Vorzüge sind im Innern. Unter jetzt hervorragenden Bedingungen unterrichten die Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler der Gewerblichen Schulen. Der Einzugsbereich reicht über die Südbaar und den Schwarzwald-Baar-Kreis hinaus. Ange­ bote für die Region und eine Landesfach­ klasse für Fliesenleger stärken Donaueschin­ gen als Schulstadt. Mit dem Erweiterungsbau im südlichen Kreisgebiet wurde ein Gleich­ gewicht zu Villingen-Schwenningen her­ gestellt. In der neuen Turnhalle erhielten im ver­ gangenen Schuljahr auch einige Klassen des Fürsten berg-G ymnasi ums S portun terrich t. Das wird sich ab 1983/84 ändern, weil die Gewerblichen Schulen ausreichend Sport­ lehrer haben werden, Sportunterricht also nicht mehr ausfallen muß. Die Vereine haben inzwischen weniger Interesse an der neuen Kreissporthalle. Just zur Fertigstellung änderte der Kreistag seine bisherige Politik der freiwilligen Leistungen. Der Nulltarif für die Hallennutzung wurde abgeschafft. Die Miete ist nun höher als in den älteren städti­ schen Turnhallen. Kunst am Bau ist ein Ansatzpunkt für vorschnelle Sparwünsche in auf Mehrheits­ meinung Rücksicht nehmenden demokrati­ schen Entscheidungsprozessen. Auf Kunst am Bau wurde dennoch nicht verzichtet. Starre Beobachter kommen und gehen, stumme Teilnehmer an Kommunikation sind mehrere überlebensgroße Holzplasti­ ken in Menschengestalt von Holzbildhauer Hubert Rieber aus Furtwangen. Die wehrlo­ sen Figuren sind entgegen mancher Befürch­ tung keinen Farbschmierereien ausgesetzt, haben allerdings wenige Male das Ausdrük­ ken einer Zigarette erdulden müssen. Zur Finanzierung der knapp 21 Millionen Mark teuren Schule gab das Land 5,4 Millio­ nen Mark Zuschuß. Städte und Gemeinden und damit ebenfalls die Steuerzahler sind über die Kreisumlage an den Ausgaben für berufliche Bildung beteiligt. Wohin steuert der technische Fortschritt? Welchen Tauschwert wird die Arbeitskraft der Absolventen heute und in Zukunft haben? Wird ihre Teilnahme am Produk­ tionsprozeß ermöglicht? Diese Fragen sind mit der Vermögensanlage in Schulbau und Bildung nicht beantwortet. Verantwortliche und Betroffene trösten sich damit, daß der Ausbau – wenn auch spät – nicht zu spät kommt und die Aussichten besser sind als ohne diese Investition. Verena Hirt ,, .,�- 27

Realschule und Gymnasium im Spannungsfeld Schulische Entwicklungen, aufgezeigt am Beispiel der Raumschaft Blumberg Nach der Gründung des Landes Baden­ Württemberg im Jahre 1952 gab es eigenstän­ dige Mittelschulen nur in Württemberg, doch wurden auch in Baden Stimmen laut, welche die Einführung dieser Schulart immer stärker forderten. So kam es Ostern 1954 zur Einrichtung von „Sprachklassen“ an Volksschulen, die als zusätzliches Unter­ richtsfach „Französisch“ anboten und 1955 in „Mittelschulzüge“ umgewandelt wurden. Ziel war, ein mittleres Schulwesen in enger Verbindung mit der Volksschule aufzubauen und dabei die Vorteile organisatorischer, per­ soneller und räumlicher Zusammenarbeit zu nutzen. Blumberg, seinerzeit noch 4100 Einwoh­ ner, mit einer Volksschule von 543 Schülern in 15 Klassen, war zusammen mit Villingen Realschule in Blumberg ausersehen, diese Sonderform im Schulkreis zu erproben und weiterzuentwickeln. Mit 36 Schülern begann der neue Abschnitt in Blumbergs Schulgeschichte, von denen 17 im Jahre 1960 die Mittelschule abschlossen. Zeitweise war der Bestand dieser Einrichtung durch einen Rückgang der Schülerzahlen gefährdet, aber der Einsatz der rührigen Elternschaft, die voll hinter dem Vorhaben stand, schließlich auch der verstärkte Zugang von Schülern aus der näheren und weiteren Umgebung haben dazu geführt, daß es am 20.12. 1957 zur endgültigen Anerkennung des Mittelschulzuges kam. Jahre der Aufbauarbeit folgten. Volks-, Mittel- und Sonderschule lebten in qualvol­ ler Enge zusammen in der Scheffelschule; Erweiterungen und Anbauten brachten nur kurzfristig Erleichterungen, so daß 1965 von seiten der Stadt Blumberg mit der Vorpla- 28

nung und der Planung für ein Schulzentrum am Eichberghang begonnen wurde. Es sollte eine zehnklassige Grund- und Hauptschule, eine zehnklassige Realschule (Klasse 5-8 zweizügig, Klasse 9 und 10 einzügig) und einen Sportbau (Sporthalle und Gymnastik­ raum) umfassen, seinerzeit eine mutige und zugleich notwendige Entscheidung. Im sel­ ben Jahr wurde durch das Kultusministe­ rium der Schulentwicklungsplan I veröffent­ licht. Er sah den Ausbau des allgemeinen Schulwesens vor: Bildung von Mittelpunkt­ schulen, ebenso wie die Errichtung zahlrei­ cher neuer Realschulen und Gymnasien. Nachträglich läßt sich erkennen, wie sehr die­ ser Plan die Gemeinde- und Kreisreform der folgenden Jahre beeinflußte und über die zukünftige kommunale Bedeutung eines Ortes mit entschied. Insbesondere die Errichtung der Mittelpunktschule hat den Trend zum Besuch von Realschule und Gymnasium stark gefördert. Die Bildungsreform in den Siebzigerjah­ ren, bedingt durch ein gesellschaftspoliti­ sches Umdenken in Richtung“ Verbesserung der Bildungschancen für alle Bürger“, löste auf Landesebene, aber auch im Bereich der Stadt Blumberg einen Ansturm auf die wei­ terführenden Schulen aus, der alle Vorstel­ lungen übertraf. In dieser Aufbruchsstim­ mung, der sich niemand entziehen konnte, machte man sich wenig Gedanken über die Finanzierbarkeit von Plänen und den Zusammenhang zwischen Schulabschlüssen und Beschäftigungssystem; der Markt für Absolventen jeder Schulart schien nahezu unbegrenzt. Sehr bald schon reichte der Raum in der 1968 bezogenen Realschule nicht mehr aus, die Schülerzahlen stiegen rasch an, zehn Jahre später werden bereits 500 Schüler – organisiert in 18 Klassen – im Realschulbau unterrichtet. Verständlich, daß auch der Sta­ tus der Schule ein anderer sein mußte. Am 11.12.1967 wurde mit der Ernennung des Schulleiters Helmut Pietsch die eigenstän­ dige Realschule Blumberg begründet. Von 1975 bis 1982 hat die Schule am Schulversuch „Profilierung der Realschuloberstuf e“ teilge­ nommen und wertvolle Erfahrungen gesam­ melt, die nunmehr in die neue Form des „W ahl­ pflichtbereichs“ Eingang gefunden haben. Da Realschulen und Gymnasien keine festen Schulbezirke kennen, ging der Ein­ zugsbereich der Realschule Blumberg auch über die Gemarkungsgrenzen hinaus und schloß über lange Zeit die Gemeinden Aul­ fingen und Leipferdingen mit ein. Erst in jüngster Zeit steigt hier die Tendenz, den Weg nach Geisingen, Immendingen und Tuttlingen einzuschlagen. Weit stärker als diese Abwanderung wirkt sich der Geburtenrückgang auf die Entwick­ lung aller Schularten aus. Mußten sich vor wenigen Jahren noch 216 Schüler der 4. Grundschulklassen im Blumberger Bereich entweder für das Gymnasium, die Realschule oder die Hauptschule entscheiden, sind es gegenwärtig 140, und der Tiefpunkt mit 112 Schülern ist bereits zu erkennen. In diesen Zahlen sind auch hohe Ausländeranteile ent­ halten, die Aussagen über die weitere Ent­ wicklung erschweren. Auf jeden Fall werden zuerst die Klassenstärken absinken, später wird der Rückgang an Klassen die Raum­ situation der Realschule entspannen. In diesem Zusammenhang gehört auch die Diskussion um die Frage der Einrichtung eines Gymnasiums oder einer gymnasialen Einrichtung, die seit Jahren die verantwortli­ chen Stellen und die Öffentlichkeit beschäf­ tigt. Im Schulentwicklungsplan von 1965 war für Blumberg neben einer Realschule auch ein Gymnasium vorgesehen. Trotz intensi­ ver Bemühungen ist es bis heute nicht gelun­ gen, diese Vorstellung zu verwirklichen. Was spricht aus der Sicht der Gemeinde für ein Gymnasium? Blumberg, als Unter­ zentrum ausgewiesen, sieht das Gymnasium als unentbehrlichen Teil der Infrastruktur, die seiner Zentralortsfunktion entsprechen soll, gleichzeitig als Ausgleich für nicht zu übersehende strukturpolitische Schwächen. Auch für die Neuansiedlung und die Erhal­ tung von Industriebetrieben ist ein Gymna­ sium von Bedeutung. 29

Eine solche Einrichtung am Ort kann vie­ len Gymnasiasten den früher recht umständ­ lichen Weg nach Donaueschingen ersparen. Die untypischen Übergangszahlen auf wei­ terführende Schulen im Bereich Blumberg (Gymnasium 10 %, Realschule 40 %, Haupt­ schule 50 % – Zahlen von 1982 gerundet) las­ sen darauf schließen, daß es möglich ist, die Zahl der Gymnasiasten noch wesentlich zu erhöhen. Das Oberschulamt und das Kultusmini­ sterium, die dafür zuständigen Behörden, haben im Laufe der zahlreichen Gespräche immer wieder auf die Realitäten hingewie­ sen, ohne sich den vorgetragenen Argumen­ ten zu verschließen. Wie sehen sie die Aus­ gangslage? Der Einzugsbereich Blumbergs ist nun einmal begrenzt, politische und topo­ graphische Gegebenheiten, wie die Grenze zur Schweiz, der Wutachgraben, blocken nach Süden und Westen ab. Benachbarte Raumschaften, so Bonndorf, Stühlingen, Tengen, Geisingen, sind nicht nach Blum­ berg orientiert und würden sich schwerlich auf ein Gymnasium hin neu ausrichten. Der Elternwille allein ist aber entscheidend, ob eine Schule angenommen wird oder nicht. Durch die Verbesserung der Straßenverhält­ nisse erreichen die Gymnasiasten des Haupt­ ortes das Fürstenberggymnasium in rd. 20 Minuten. Werden heute schon Grundschü­ ler über weite Strecken befördert, erscheint das auch für Schüler höherer Klassen akzep­ tabel. Die Übergangsquoten belegen das Feh­ len eines Gymnasiums, zum andern aber auch, daß die Realschule in den Jahren des Aufbaues das Vertrauen der Bevölkerung erworben hat. Der Rückgang der Schülerzah­ len läßt die Mindestklassenzahl für ein Gym­ nasium, die aus personellen, organisatori­ schen und technischen Gründen notwendig ist, nicht erwarten. Damit könnte in Blum­ berg nur ein reduziertes Unterrichtsangebot vor allem hinsichtlich der Sprachenfolgen garantiert werden. Für die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe mit ihrem differen­ zierten Aufbau, einem angemessenen Ange­ bot an Grund- und Leistungskursen, würden 30 die Schülerzahlen in Blumberg nicht ausrei­ chen. Der Wunsch der Gemeinde -wenn schon nicht ein Gymnasium, dann doch ein Pro­ gymnasium zu besitzen – scheitert daran, daß diese schulische Einrichtung im Schulge­ setz nicht mehr vorgesehen ist, bisherige Pro­ gymnasien zu Vollanstalten ausgebaut wor­ den sind, leistungsfähigen Realschulen der Vorrang gegeben wird. Deren Lehrplan ist zumindest in den unteren Klassen mit dem des Gymnasiums schon aus Gründen der Durchlässigkeit fast identisch. Wenn die Realschule Blumberg durchschnittlich pro Jahr 10 Übergänge auf Gymnasien der Nor­ malform und auf die verschiedenen Formen der beruflichen Gymnasien zu verzeichnen hat, erfüllt sie bereits unbestritten die Funk­ tion eines Progymnasiums. Außerdem hat nur die Realschule einen anerkannten Abschluß mit einer eigenen zentralen Abschlußprüfung. Eine Initiative, die auf einen Modellver­ such mit einer „Kooperativen Gesamt­ schule“ setzte, wurde mit der Begründung abgelehnt, daß neue Versuche in dieser oder ähnlicher Richtung nicht mehr genehmigt würden. Lange Zeit schien es so, als ob das Fürsten­ berg-Gymnasium auf seine Blumberger Schüler angewiesen sei, bis im Sommer 1982 deutlich wurde, daß keine Bedenken von die­ ser Seite zu erwarten seien. Für die Stadt Blumberg ein willkommener Anlaß, erneut die Gymnasiumsfrage in die Diskussion zu bringen. Zu einer anderen Zeit, unter ande­ ren Rahmenbedingungen, hätte der Vorstoß vielleicht zum Erfolg geführt. So aber hat im November 1982 in einem Gespräch vor Ort der Kultusminister aufgrund der zu geringen Schülerzahlen und der Schwierigkeiten einer Finanzierung die Entscheidung getroffen, das Problem der Errichtung eines Gymna­ siums in Blumberg bis auf weiteres zu ver­ tagen. Viele werden diese Entscheidung bedauern, aber sie konnte gar nicht anders ausfallen. Helmut Pietsch

Lehrinstitut St. Ursula – seine Aufgabe in unserer Zeit Zu diesem Thema kann von außen und von innen etwas gesagt werden; vorausschik­ ken möchte ich, daß nach meiner 34jährigen Tätigkeit in der Schule des Lehrinstituts eine Identifizierung mit ihm unvermeidlich ist. Ich kann versuchen zu sagen, was es in mei­ nen Augen ist und wie ich seine Aufgabe sehe. Es fehlt mir die Distanz, die eher einen freien Blick sichert und daher vielleicht objektivere und kritischere Aussagen ermög­ licht. St-Ursula-Schulen verschiedenen Ur­ sprungs entstanden vor ungefähr 400 Jahren in mehreren europäischen Ländern etwa ihnen das gleichzeitig. Gemeinsam war Bestreben, die damals vernachlässigte Bil­ dung der Mädchen zu verbessern. Dieser Aufgabe widmeten sich neue Gemeinschaf­ ten von Ordensfrauen, die ihre Schulen und Institute dem Schutz der damals weithin ver­ ehrten heiligen Ursula unterstellten. So über­ nahmen auch die vor 200 Jahren von Frei­ burg i. Brsg. in die Stadt Villingen gerufenen im aufgehobenen Ursulinen-Schwestern Klarissinnen-Kloster am Bickentor diese Aufgabe und nannten ihre Schule „Weibli­ ches Lehr- und Erziehungsinstitut St. Ursula“, wie es gelegentlich in alten, nicht abgeänderten Adressen noch zu lesen ist. Dieser Name erfuhr in unserem Jahrhun­ dert zwei symptomatische Verkürzungen. Zuerst ließ man das Wort „weibliches“ vor Lehrinstitut fallen, weil es veraltet klang. Dann verschwand auch das Erziehungs­ Institut, weil man die hiesige Bildungsein­ richtung nicht mit einer Anstalt zur Unter­ bringung schwer Erziehbarer verwechselt sehen wollte. Heute würde man diese Namensänderung vielleicht nicht mehr vor­ nehmen, denn der Erziehungsauftrag der Schule wird wieder postuliert; ,,Erziehender Unterricht“ ist eine tragende Idee der großan­ gelegten Lehrplan-Revision unserer Tage, Erziehungsarbeit erfährt eine neue Wert­ schätzung. Auch wenn das Wort Erziehung aus dem Namen unserer Schule verschwunden ist, so ist doch wohl zu keiner Zeit ihrer Geschichte die Aufgabe zu erziehen hintangestellt wor­ den. Dabei haben sich die Methoden, die pädagogischen Auffassungen und die Erwar­ tungen an ein erzogenes, gebildetes Mäd­ chen der jeweiligen Zeit geöffnet. Die Rolle der Frau in der Gesellschaft, auf welche die Schule vorbereitet, hat sich durch die Eman­ zipation von Grund auf geändert. Wir alle stehen noch in diesem Prozeß. Wenn Ehe­ malige sich treffen, erinnern sie sich an das Internatsleben zu ihrer Zeit. Sie vergleichen damit, wie die Schülerinnen heute leben, wohnen und sich kleiden, wie sie Freiheiten genießen, die ihnen einst Wunschträume blieben, z.B. das tägliche In-die-Stadt-gehen 31

Züge behält und die Umgestaltung des Leh­ rerkollegiums harmonisch verläuft? Werden sich immer wieder Kollegen finden, die über­ zeugt sind, daß eine Bildungseinrichtung wie unsere Klosterschule noch sinnvoll ist, so daß es sich lohnt, ihr aus innerer Überzeu­ gung heraus ihren vollen Einsatz zu wid­ men? Wird das Kloster die Trägerschaft der Schule aufrechterhalten können, wenn die finanziellen Mittel der Öffentlichen Hand abnehmen? Als Schule in freier Trägerschaft verstehen wir uns als eine Angebotsschule im heute so vielgestaltigen Schulwesen. Mädchenbildung braucht nicht mehr verbessert zu werden wie in der Gründungszeit der Klosterschulen, sie kann jedoch akzentuiert werden. So sind wir bis jetzt eine Mädchenschule geblieben, weil es uns wichtig erscheint, auf die Mädchen in ihrem jeweiligen Entwicklungsstand speziell einzugehen und sie auf ihre zukünftigen Aufgaben als berufstätige Frauen und Müt­ ter vorzubereiten. Die Frau soll nicht nur ihre Gleichberechtigung erkämpfen, sondern ihren Wesensauftrag auch darin erkennen, verantwortliche Spenderin des Lebens zu sein, ein Hort der Güte gegen Gewalt und Zwang und Hüterin des Friedens in einer Welt, die aus den Streitigkeiten keinen Aus­ weg mehr findet. Innerhalb der vorgegebenen Lehrpläne, die wir zu erfüllen bestrebt sind, lassen sich Schwerpunkte setzen, welche die Mädchen­ bildung berücksichtigen. Das kann beispiels­ weise in der Wahl der Lektüre geschehen, aber auch in Arbeitsgemeinschaften bis hin zu Kochen und Nähen. Gruppe beim textilen Werken ohne Begleitung. Auch daran läßt sich der Wandel von Schülergeneration zu Schüler­ generation ablesen. Die Aufgabe in unserer Zeit wird uns von dieser Zeit mit ihren Forderungen und Mög­ lichkeiten gestellt. Wir werden diese Aufgabe in dem Maße erfüllen können, wie wir unsere Zeit richtig verstehen und mit unseren ver­ fügbaren Kräften auf ihre Forderungen ein­ gehen und von ihren Möglichkeiten Ge­ brauch machen. In den letzten drei Jahrzehn­ ten hat sich die Zahl der Schwestern auf ein Viertel der früheren Stärke des Konvents reduziert. Das hat verschiedene Folgen. Im Lehrerkollegium sind nur noch wenige Schwestern tätig. Daraus erheben sich Fra­ gen, die unsere Aufgabe in der Schule gegen­ wärtig auf eine Probe stellt und zukünftig in Frage stellen: Werden die Schwestern gute Gemeinschaft mit denen eingehen, die mit ihnen in der Schule lehren und erziehen, so daß eine einheitliche Richtung eingeschla­ gen wird, unsere Schule ihre wesentlichen 32 Nicht mehr alle Kinder, die uns anvertraut werden, kommen aus einem christlichen Elternhaus. Aber die Eltern, die unsere Schule wählen, wissen, daß christliche Wahr­ heiten und christliche Grundsätze unsere Erziehung bestimmen und erklären sich damit einverstanden. Willens- und Gewis­ sens bild ung, Charakterfestigkeit und Ver­ antwortungsgefühl gelten uns als anzustre­ bende Erziehungsziele. Unsere Antworten auf die Sinnfragen nach dem Leben sind

Antworten aus dem Glauben. Mit unserem Zeugnis für Gott und seine Vaterliebe suchen wir das Dunkle und Rätselhafte zu erhellen, mit dem auch der junge Mensch schon konfrontiert wird. Unser Dienst rich­ tet sich auf das Wohl der Kinder und der Menschen in unserem Wirkungsbereich in täglich zu erstrebender Selbstlosigkeit und unermüdlicher Geduld. Zu diesen hohen Zielen bleiben wir, den Beruf ausübend, stän­ dig unterwegs, eigenen Schwächen und Grenzen unterworfen. Diese gilt es einzuse­ hen und einzugestehen, damit auch dadurch die suchenden jungen Menschen Mut und Vertrauen gewinnen. In den vergangenen Jahren wurden viele neue und großzügig ausgestattete Schulen errichtet. Unsere Schule, eingefügt in den Altstadtkern, konnte im Erweiterungsbau an der Bärengasse nur wenig vergrößert und im Innern in Stand gehalten und modernisiert werden. Das Gebäude-Viereck um den Innenhof mit dem großen Kastanienbaum ist geblieben. In der Klosterkirche, die vor den Ursulinen schon jahrhundertealtes Kleinod der Klarissinnen war, sehen wir auch heute unsere Lebensmitte. Geschichtliches Interesse und Bewußtsein muß in Kindern erst geweckt werden, doch zeigen sie sich zuweilen erstaunt über das, was sich hier schon alles zugetragen hat. Auf manche, die aus modernen Betonbauten kommen, um die Schule anzuschauen, wirkt die Atmo­ sphäre des alten, winkligen Hauses anzie­ hend; viele interne Schülerinnen erlebten in seinen schützenden Mauern Geborgenheit. Daraus ergibt sich als weiterer Auftrag an uns, das aus der Vergangenheit auf uns Gekommene zu bewahren und die verfügba­ ren Mittel für die Renovierungen des Erhal­ tenswerten aufzuwenden. Neben der Sorge für die Schule ist es unser Bestreben, die klö­ sterliche Kultur zu erhalten und zu pflegen. Die Zukunft des Lehrinstituts St. Ursula wird von zwei Bedingungen abhängen: Davon, ob es Menschen geben wird, die Tra­ dition verstehen als „Hüten der Flamme, nicht der Asche“, Menschen, die den Lehrbe­ ruf an der Klosterschule ausüben möchten und im Dienst an der Jugend ihre Selbstver­ wirklichung finden. Und davon, ob dieses Angebot auch in Zukunft noch überzeugt und angenommen wird von jenen, die über Erziehung und Ausbildung der Kinder ent­ scheiden. Sr. M. Gisela Sattler Zinzendorf-Gymnasium und Realschule Staatlich anerkannte Schule der Herrnhuter Brüdergemeine in Königsfeld Seit alters hat die Brüdergemeine auf zwei verschiedenen und doch verwandten Gebie­ ten eine rege Tätigkeit entfaltet: in der Mis­ sion und in der Erziehung. Schon die alten böhmischen Brüder, Vorläufer der erneuer­ ten Brüdergemeine, unterhielten in Böhmen und Mähren ein ansehnliches Erziehungs­ und Schulwerk. Die bekannteste und bis in die Gegenwart ausstrahlende Persönlichkeit dieser Schulen war Johann Arnos Comenius (1592-1670), Bischof der Brüdergemeine und Begründer moderner pädagogischer Grund­ sätze. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) nahm Reste der Böhmischen Brüder auf seinem Gut in der Oberlausitz auf und gründete 1722 Herrnhut. Hier entstan­ den 1730 die „Losungen“, die 1980 in der 250. Ausgabe erschienen. Von hier aus zogen 1732 die ersten Missionare in die Karibik und legten damit den Grundstein eines weltwei­ ten Missionswerkes. Hier entstand 1724 die erste Schule der erneuerten Brüdergemeine durch den Grafen Zinzendorf, der selber in den Halle’schen Anstalten von August Her­ mann Francke entscheidene Impulse für sein 33

späteres Leben und Wirken erhalten hatte. Wo auch immer die Brüder in Deutschland, in Europa oder Übersee sich niederließen, gründeten sie Schulen. Damit entstand ein weltweites Schulwerk. So auch die beiden Schulen in Königsfeld – Zinzendorf-Gym­ nasium/Zinzendorf-Realschule und die Frauenberuflichen Schulen im Erdmuth­ Dorotheen-Haus. Das heutige Zinzendorf-Gymnasium/die Zinzendorf-Realschule in Königsfeld wurde als Internatsschule für Jungen, die auch Schü­ ler des Ortes besuchten, 1813 gegründet. Es entwickelte sich zu einem Progymnasium, das 1926 seine staatliche Anerkennung erlangte. Der Ausbau zur Vollanstalt erfolgte 1940. Von diesem Zeitpunkt ab besuchten auch Mädchen die Schule. Im Jahr 1974 wurde eine Realschule dem Gymnasium angegliedert. Heute besuchen neben den Internatsschülern und Schü­ lern des Ortes Königsfeld auch Schülerinnen und Schüler der Umgebung das Gymnasium und die Realschule. pädagogik und hauswirtschaftliche Fach­ schulen. Zu diesem Schulkomplex bestehen enge personelle und unterrichtliche Verbin­ dungen. Übergänge in diese Schulzweige werden von Realschülerinnen und Gymna­ siastinnen gern wahrgenommen. Als eine Schule der Brüdergemeine ist das Zinzendorf-Gymnasium/ die Zinzendorf­ Realschule ein wesentlicher Bestandteil des Ortes Königsfeld. Eingebettet in die evange­ lische Gemeinde, von ihr innerlich getragen und begleitet, bemühen sich die Erzieher und Lehrer, die Schüler nicht nur wissen­ schaftlich auszubilden, sondern ihnen auch eine Hilfe vom Evangelium her für ihr Leben mitzugeben. In einer Zeit, in der die Gefähr­ lichkeit von Ideologien oder vermeintlicher Wertneutralität deutlich erkannt wird, ist es wichtig, den Jugendlichen und Heranwach­ senden klare Maßstäbe und Normen anzu­ bieten. Die Zinzendorfschule sieht diese in der Frohen Botschaft J esu Christi gegeben, die dem Menschen einerseits Bindungen auf­ zeigt, andererseits ihn aber zur Freiheit beru­ fen hat. Diese Frohe Botschaft den jungen Menschen weiterzusagen, ist das Anliegen des Kollegiums. Dazu dienen auch die täg­ lichen kurzen Andachten, bei denen sich Lehrer und Schüler gleichermaßen zu Beginn des Schultages gemeinsam unter das Das schulische Bildungs- und Ausbil­ dungsangebot in Königsfeld wird zusätzlich bereichert durch das Frauen berufliche Schul­ werk in gleicher Trägerschaft. Es umfaßt ein Haushalts- und erhährungswissenschaftli­ ches Gymnasium, eine Fachschule für Sozial- „J .. — ·- – �- – …. 34

Wort Gottes stellen. In Jesu Christi ist auch der Bruder- und Schwestername begründet, mit dem sich Erzieher und Lehrer, der Tradi­ tion der Brüdergemeine folgend, untereinan­ der anreden und auch von den Schülern anreden lassen. Die Schwestern und Brüder bemühen sich, in gemeinsamer Ausrichtung jungen Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht im Elternhaus erzogen werden können oder auch sonst der Hilfe bedürfen, diese Hilfe zu geben. Dabei spielt die ange­ strebte Einheit von Erziehung und Unter­ richt nicht nur eine wesentliche und prä­ gende Rolle im Internat, sondern wirkt sich auch auf das Geschehen im Klassenzimmer aus. Im schulischen Bereich soll die breite Fächerung des Angebotes – ein zweizügiges Gymnasium mit der Möglichkeit, zwei oder drei Fremdsprachen zu erlernen (Englisch und Französisch oder Englisch, Latein und Französisch), und eine Realschule – dem ein­ zelnen Schüler ermöglichen, den ihm und seiner Begabung und seinen Interessen gemäßen Bildungsweg einzuschlagen. Dabei sieht die bewußt angestrebte Durchlässigkeit zwischen den beiden Schularten auch die Möglichkeit der Schullaufbahnkorrektur vor. Nach Schulrecht und Lehrplan sind Gym­ nasium und Realschule zwar getrennt. Den­ noch bilden sie in der Konzeption der Schule eine bewußte Einheit. Hintergrund und Erziehungsziel sind für beide Schularten gleich, im Bildungsziel sind sie verschieden. So ist im Zinzendorf-Gymnasium/Zinzen­ dorf-Realschule ein interessantes Modell der Gleichwertigkeit bei gewisser Verschiedenar­ tigkeit entstanden. In der Realschule wird dabei auf das Handwerklich-Technisch­ Musische ein stärkerer Akzent gelegt, als dies im Gymnasium der Fall ist. Dennoch haben die Fächer Bildende Kunst und Musik auch im Gymnasium den ihnen gebührenden wichtigen Stellenwert, der durch mancherlei Ausstellungen und Aufführungen auch deutlich zum Ausdruck kommt. Im Gymna- sium soll außerdem das Angebot des Faches Technik in den unteren Klassen eine sinn­ volle Ergänzung zu der abstrakten Arbeit der Schule bieten. Die Verbindung beider Schul­ arten ist ganz lebendig im Lehrerkollegium gegeben, da die überwiegende Mehrheit des Kollegiums ganz bewußt in beiden Schular­ ten unterrichtet. Denselben Lehrstoff didak­ tisch auf verschiedene Weise den Schülern zu vermitteln, ist für einen Lehrer eine reiz­ volle Aufgabe. Fahrschüler aus der Umgebung können an einer Hausaufgabenbetreuung am Nach­ mittag teilnehmen. Sie wird unabhängig von den Arbeitszeiten der Internate in zwei Gruppen durchgeführt und von Lehrkräften beaufsichtigt und betreut. Das Unterrichts­ angebot wird durch verschiedene Arbeitsge­ meinschaften ergänzt und bereichert: z. B. Chor, Orchester, Volleyball, Handball, Umweltschutz, Theater, Schach, Biologie. In den drei Internaten (Haus Frühauf, In­ ternat für Jungen der Klassen 5-8 sowie für Grund- und Hauptschüler; Haus Spangen­ berg, Internat für Jungen der Klassen 9-13; Haus Katharina von Gersdorf, Internat für Mädchen der Klassen 5-13) finden bis Klasse 11 einschließlich beaufsichtigte Arbeitszeiten statt, in denen die Schüler das geordnete Leben und Arbeiten lernen. Diese wichtige Seite der Internatsarbeit wird durch die sinn­ volle Gestaltung der Freizeit entscheidend ergänzt und bereichert. Hierbei kann der Einzelne sich beim Spiel und anderen Tätig­ keiten einerseits in eine Gruppe eingliedern, andererseits seine eigenen Fähigkeiten und Kräfte entfalten. Bei den Jüngeren leiten die Erzieher noch stärker die Freizeit an, mit zunehmenden Alter übernehmen die Ju­ gendlichen dann selber die Gestaltung. Sie wählen dabei aus verschiedenen Angeboten aus: z.B. Sport, Spiel, Kochen, Werken, Schach, Theater, Gesprächskreise, Literatur, Hausmusik, z. T. auch im Zusammenhang mit einer Arbeitsgemeinschaft der Schule. Daneben hat natürlich auch zwanglose Geselligkeit den ihr gebührenden Platz. Eine gern wahrgenommene Gelegenheit, soziales 35

Verhalten zu üben und Verantwortung zu tragen, bietet die Jugendfeuerwehr. Feste und Feiern und Hüttenaufenthalte bilden dann die Höhepunkte im Leben der Internatsge­ meinschaft. Wichtig ist, daß die Schüler lernen, sich als ein Glied in eine große Gemeinschaft einzu- fügen, sich in dieser Gemeinschaft zu bewäh- . ren und in ihr schließlich zu sich selber zu finden. Hier, im Internat, kann der Jugend­ liche gleichsam in einem Kosmos im Kleinen Tag für Tag einüben, was vom Erwachsenen dann im Großen immer wieder abverlangt wird. Hans-Jürgen Kunick ,,Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ Übungsfirma zur Weiterbildung arbeitsloser Kaufleute Die „Schwarzwälder Kunsthandwerk GmbH“ bestellt Material, das niemals ein­ geht. Das Unternehmen, am 2. November 1982 mit einem Startkapital von 4,9 Millio­ nen DM gegründet, schreibt seinerseits Rechnungen für eigene Lieferungen, auf die die Kunden vergebens warten. Die Ge­ brauchs- und Geschenkartikel aus Holz oder Metall, im Eröffnungskatalog „zu unge­ wöhnlichen Preisen“ angepriesen, werden das Haus tatsächlich nie verlassen. Der Betrieb mit solchermaßen merkwürdigen Geschäftspraktiken, dessen Mitarbeiter in einem Großraumkontor in der Villinger Alt­ stadt über die modernsten Büromaschinen verfügen, existiert mit expansiver Aktivität und ist dennoch ein Phantom. Acht ernst­ hafte Arbeitsstunden lang wird jeden Werk­ tag im Stadtbezirk Villingen in der Turm­ gasse 1-3 eine Scheinwelt zur gewichtigen Realität: Die „Schwarzwälder Kunsthand­ werk GmbH“ ist als Übungsfirma eine neue Bildungseinrichtung des Arbeitsamtes Vil­ lingen-Schwenningen, die – in dieser Form einzigartig im Lande – ausschließlich für die praxisgerechte Aus- und Fortbildung arbeits­ loser Kaufleute entwickelt wurde. Selbst im Detail unterscheidet sich die „Schwarzwälder Kunsthandwerk GmbH“ in nichts von einem „echten“ Betrieb. Während hier Angebote gemacht, dort Aufträge bear­ beitet und ein paar Meter weiter Personalun­ terlagen geprüft werden, weiht Geschäftsfüh­ rer Eduard Wimmer einen „Neuling“ in die 36 Geheimnisse des Mikrocomputers ein. Das Telefon klingelt, ein Mitarbeiter bringt die Lagerkartei auf den neuesten Stand, der andere konzentriert sich auf die Konzeption eines Hauptkatalogs – Büroalltag eines jun­ gen Unternehmens, in dem jeder Auftrags­ eingang noch als spektakuläres Ereignis ver­ merkt wird. Für die Mitarbeiter der Übungsfirma ent­ hält die Tätigkeit keinerlei Spur von Komik. Das Gegenteil ist der Fall: Die Neugründung im Großraumbüro über den umfangreichen überbetrieblichen Ausbildungsstätten der Villinger Firma Fr. Winkler KG und in deren organisatorischer wie personeller Verantwor­ tung unter der Trägerschaft des Schwarz­ wald-Baar-Kreises ist nicht allein eine Mög­ lichkeit zu optimaler Aus- und Weiterbil­ dung: Angesichts der zu diesem Zeitpunkt prekären Lage, die aus einem beinahe leeren Stellenmarkt und 900 Kaufleuten unter den insgesamt 5000 Arbeitslosen des Arbeits­ amtsbezirks Villingen-Schwenningen resul­ tiert, kann die Anstellung bei der Übungs­ firma für die weitere berufliche Existenz ein entscheidender Wendepunkt sein. Die Idee hatte Peter Hauswald, beim Arbeitsamt Leiter der Abteilung Arbeitsver­ mittlung und Arbeitsberatung. Bisher gab es zwar schon gute Möglichkeiten für Umschu­ lungen im gewerblich-technischen Bereich. Im kaufmännischen Bereich hingegen herrschte ein totales Vakuum. Peter Haus­ wald verfolgte tagtäglich, wie Firmenzusam-

Die Übungifi.rma „Schwarzwälder Kunsthandwerk GmbH“ ist mit den modernsten Büromaschinen ausgestattet- auf dem Bild Geschäftsführer Eduard Wimmer bei der Einweisung eines Mitarbeiters in die „Geheimnisse“ eines Mikrocomputers mit Bildschirm menbrüche und Personaleinsparungen die Zahl der arbeitslosen Kaufleute – rund die Hälfte der 900 sind Frauen – immer mehr anwachsen ließen und die Vermittlung immer schwieriger wurde, letzteres nicht nur durch das verminderte Stellenangebot bedingt. Vielmehr stellte sich heraus, daß die arbeitslos gewordenen Kaufleute teilweise sich so speziell auf einen Teilbereich einge­ fahren hatten, daß sie den breit gefächerten Verantwortungspositionen nicht gewachsen waren. Auf eines wird Ausbilder Eduard Wim­ mer, als geschäftsführender Gesellschafter im Rang des Firmenbosses, nie stolz sein können: Betriebsjubiläen langjähriger Mit­ arbeiter sind ausgeschlossen. Jede Anstellung ist auf maximal sechs Monate beschränkt. Ein „echter“ Arbeitsplatz hat, wenn er eher gefunden wird, Vorrang. Während des Pra­ xistrainings wandelt sich das Arbeitslosen- in Unterhaltsgeld, das zwar – mit 68 Prozent vom letzten Nettogehalt – für Alleinste­ hende identisch ist, sich aber mit unterhalts­ pflichtigen Angehörigen auf 7 5 Prozent erhöht. Das Büro ist mit den modernsten techni­ schen und elektronischen Hilfsmitteln aus­ gestattet, eine EDV-Anlage im Baukastensy­ stem eingeschlossen. Damit können Wis­ senslücken auch auf diesem Gebiet geschlos­ sen werden. Schließlich ist die Tätigkeit in der Übungsfirma als Training, Erf olgserleb­ nis, Verbesserung des Selbstwertgefühls und neue Motivation nicht zu unterschätzen: ‚ >�·——- Die Mitarbeiter zwischen 20 und 55 Jahren sind zwischen zwei und zwölf Monaten arbeitslos. Eduard Wimmer, der sich vor dem Start des Unternehmens von der Zentralstelle des ,,Deutschen Übungsfirmenrings“ ausführ­ lich beraten ließ, muß die Fäden trotz starker 37

Fluktuation fest in der Hand halten. Ein Mit­ arbeiter der ersten Stunde, seit zwei Monaten arbeitslos, wurde schon nach wenigen Tagen wieder verabschiedet. Sein Stellengewinn machte den Platz für einen Nachfolger frei. Dabei erwartet die Übungs-GmbH mit maxi­ mal 25 Arbeitsplätzen Bewerbungen, Zeug­ nisse und Vorstellungsgespräche wie ein „echter“ Betrieb. „Abwerbungen“, sonst als höchst unmoralisch in Verruf, sind beson­ ders erwünscht. Der fiktive Aktionsradius der „Schwarz­ wälder Kunststoff GmbH“ erfaßt 300 Übungsfirmen aller denkbaren Branchen überwiegend im Bundesgebiet sowie in der Schweiz und in Österreich. Die Zentralstel­ len der Übungsfirmen in Essen und Heidel­ berg sind nicht nur für Koordination, Kon­ trolle und Beratung zuständig, sondern stel­ len zugleich Finanzamt, Arbeitsamt, Zollamt und mehrere Krankenkassen. Sämtliche For­ mulare sind originalgetreu – die Übungs­ firma ist bürokratischen Zwängen voll ver­ p_flichtet und muß ebenfalls ständig mit Uberraschungen wie beispielsweise Betriebs­ prüfungen rechnen. Die Besonderheit der Villinger Übungs­ firma ist ihr Direktanschluß an einen Indu­ striebetrieb. Unter den sechs Bewerbern erhielt die Firma Fr. Winkler KG den Zuschlag vom Landesarbeitsamt Stuttgart, das sich den Modellversuch monatlich für Ausbilder, Leasing und sonstigen Aufwand 21000 DM kosten läßt. Zu fünfstelligen Gebäudeumbaukosten kam eine Erstinvesti­ tion von 70000 DM, an der sich die Arbeits­ verwaltung mit 90 Prozent beteiligte. Die Mitarbeiter, deren praxisbezogene Tätigkeit durch theoretischen Unterricht noch fundiert wird, rekrutieren sich aus den Arbeitsamtsbezirken Villingen-Schwennin­ gen, Konstanz, Rottweil und Balingen. Bin­ nen kürzester Zeit hat sich eine zunehmend enge Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts­ bereich der Berufsakademie Schwenningen angebahnt. Um vor allem die kostspieligen EDV-Anlagen auch abends noch zu nutzen, sollen in absehbarer Zeit Einführungs- und 38 Fortbildungslehrgänge für erwachsene Com­ puter-Interessierte angeboten werden. Außerdem wird bei der Industrie- und Han­ delskammer die Genehmigung einer Voll­ umschulung für den Kaufmannsberuf bean­ tragt werden. Pünktlichkeit ist auch bei der Übungs­ GmbH erste Pflicht: Der Achtstundentag beginnt um 7.30 Uhr. Die Fertigung läuft zu diesem Zeitpunkt bereits auf vollen Touren. Denn was die „Schwarzwälder Kunsthand­ werk GmbH“ organisatorisch im techni­ schen Bereich der Materialbeschaffung und Fertigung simuliert, wird in der Turmgasse 1-3 tatsächlich hergestellt – in den gewerb­ lichen und technischen Umschulungslehr­ gängen für Erwachsene sowie während der einjährigen Grundausbildung für arbeitslose Jugendliche. Die Übungsfirma wird bestehen, solange sie für die arbeitslosen Kaufleute gebraucht wird. Bis dahin will sie auch regelmäßig bei der jährlichen Messe präsent sein, bei der die Scheinunternehmer ein Waren- und Lei­ stungsangebot darstellen, das sonst nur auf dem Papier existiert. Rosemarie v. Strombeck Unsere Jugend Ihr wollt die Welt verändern, Nur wißt Ihr nicht, auf welche Art, Habt soviel angefangen, Wobei ihr niemals glücklich war’t. Drum sollt Ihr eines wissen, Das haben and’re schon versucht Und weil es nicht gelungen, Haben Sie den Anfang gar verflucht. Das Ende war nicht besser, Weil vorher alles schlecht durchdacht, Drum rat‘ und sag‘ ich jedem, Paß auf, sonst wirst Du ausgelacht. Johannes Hawner

Wirtschaft, Gewerbe, Handel Industrie und Handel Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg: Rückschau und Ausblick Das letzte „normale“ Jahr vor den beiden zwischenzeitlich eingetretenen Rezessionen der Wirtschaft war 1973. Nach dem Auf und Ab der vergangenen Jahre stehen wir vor einer Zeit andauernder wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Die Konjunktur schwankt zwischen Licht und Schatten, der internatio­ nale Wettbewerb verschärft sich weiter und Währungsunordnung, weltweite Verschul­ dung und zunehmender Protektionismus erschweren das Auslandsgeschäft. Der dama­ ligen Überbeschäftigung stehen heute hohe Arbeitslosenzahlen und bundesweit immer noch zu viele Firmenzusammenbrüche gegenüber. Mit diesem wenig erfreulichen Bild soll die tatsächliche Lage beschrieben, jedoch kein übertriebener Pessimismus verbreitet werden. Dieser wäre der schlechteste Ratge­ ber für die Lösung der anstehenden Pro­ bleme. Zuversicht und Vertrauen sind nötig. Trotz aller Schwierigkeiten sollte man beides haben können, gestützt auf die historische Entwicklung dieses Raumes und auf dessen Wirtschaftsstruktur. Die engagierten mittel­ ständischen Unternehmer und die große Zahl qualifizierter Mitarbeiter bieten gute Voraussetzungen für eine Bewältigung der Probleme, wobei sich immer deutlicher zeigt, daß die echten Chancen in einer möglichst schnellen Umstellung auf die neuen Techno­ logien bzw. in deren Anwendung liegen. Positiv zu werten sind die inzwischen ein­ geleiteten Maßnahmen der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie konkret meßbare Ver­ besserungen der Rahmenbedingungen, wo­ zu die Senkung der Zinsen, die Preisberuhi­ gung und die Erreichung eines ausgegliche­ nen Ergebnisses der Leistungsbilanz zu zäh­ len sind. Nachhaltige Impulse für eine Besse- rung der Gesamtlage werden jedoch erst dann eintreten, wenn sich die sehr ver­ schlechterten Ertragsaussichten der Wirt­ schaft wieder dauerhaft günstiger gestalten. Wie stark die Veränderung in den letzten Jahren war, zeigt der Anstieg der Arbeitslo­ senquote von 0,3 % (Land 0,5 %) im Jahr 1973 auf 7,6 % (6,0 %) zum Jahresende 1982. Im Mai 1983 betrugen die Zahlen 7,2 % (5,7 %). Was die Zahl der Industriebeschäftigten anbelangt, so läßt sich diese wegen der zwi­ schenzeitlich erfolgten Umstellung der stati­ stischen Erfassung für die genannte Zeit nicht korrekt in Beziehung setzen. Man muß hier auf das Basisjahr 197 6 Bezug nehmen. Erfaßt sind in dieser Statistik Betriebe des verarbeitenden Gewerbes mit 20 und mehr Beschäftigten. In diesen Firmen sank die Zahl der Mitarbeiter von durchschnittlich 40190 im Jahr 1976 auf 36855 in 1982 bis auf 34881 im März 1983. Bemerkenswert ist, daß in diesem Zeitraum die Zahl der Betriebe die­ ser Größenordnung im Schwarzwald-Baar­ Kreis im Jahresdurchschnitt von 268 auf 290 angewachsen ist und schließlich im März 1983 281 betrug. Der Industrieumsatz stieg von 3,5 Milliarden DM auf 4,24 Milliarden DM Ende 1982 und die Exportquote erhöhte sich in dieser Zeit von 28,4 % auf 30,7 % im Jahr 1981 und sank Ende 1982 auf 27,8 % ab. Unser Kreis ist in seiner wirtschaftlichen Struktur schwergewichtig durch die Indu­ strie bestimmt. Von den insgesamt etwa 80000 versicherungspflichtig Beschäftigten sind etwa 60 % im verarbeitenden Gewerbe tätig, während auf die Bereiche Handel und Dienstleistungen etwa 25 % entfallen. Etwa 7 5 % der lnd ustrie zählen zur Metall­ industrie und hier dominieren die Branchen 39

Feinmechanik/Uhren, Elektrotechnik und Maschinenbau, die ihrerseits wieder gut 65 % dieser Industriesparte ausmachen. Hier hat sich in den letzten Jahren eine Veränderung in der Bedeutung der Uhrenindustrie dadurch ergeben, daß drei namhafte Unter­ nehmen ihre Tore geschlossen haben. Ände­ rungen sind aber auch in der Art der Produk­ tion eingetreten, und das gilt insbesondere für den Rückgang der Fertigungstiefe. Durch den Einsatz von Mikroprozessoren und der Elektronik schlechthin werden viele mecha­ nische Teile nicht mehr benötigt. Sie brau­ chen damit weder hergestellt noch montiert zu werden und dies mußte Folgen für den Arbeitsmarkt haben, zumal die verbliebenen Montagearbeiten aus Kostengründen wei­ testgehend automatisiert wurden. Ein renommiertes Unternehmen der Unterhal­ tungselektronik mußte seine Segel streichen und wird heute zu einem bedeutenden Teil von einem französischen Konzern fortge­ führt. Das größte Unternehmen des Kreises ist nicht mehr Familiengesellschaft, sondern Tochter eines namhaften deutschen Kon­ zerns. Diese Konzernübernahmen haben sicher zur Stabilisierung der Firmen beigetra­ gen, machen jedoch auch die Veränderungen in der Firmenstruktur großer Unternehmen dieses Kreises deutlich. Bemerkenswert ist für den Schwarzwald­ Baar-Kreis, daß er in Zeiten der Rezession schlechtere Kurzarbeiter- und Arbeitslosen­ quoten aufzuweisen hat als der Durchschnitt des Landes, während diese Quoten in wirt­ schaftlich guten Zeiten besser als der Landes­ durchschnitt liegen. Aus der letzten Rezes­ sion kommend lag die Arbeitslosenquote bereits 1977 unter dem Landesdurchschnitt, 1979 betrug sie 1,8 % (Land 2,1 %) und 1980 2,1 % (2,3 %). Erst im April 1981 liegt die Arbeitslosenquote wieder über dem Landes­ durchschnitt. Dies erklärt sich u. E. aus dem Übergewicht des industriellen Sektors. Geht es also bei der Industrie schlecht, dann wirkt sich dies in den Qyoten relativ höher aus, da der Puffer Dienstleistungen wegen seiner genngeren Bedeutung nicht entsprechend 40 ausgleichen kann. In wirtschaftlich guten Zeiten ist die Situation dann umso günstiger. Allerdings muß man feststellen, daß der gesamte Bereich Dienstleistungen in dieser Rezession diese Pufferfunktion schlechthin nicht mehr so wie früher erfüllt hat, da er diesmal von den wirtschaftlichen Schwierig­ keiten selbst stärker betroffen ist. Was die Bereiche Handel und sonstige Dienstleistungen anbelangt, so haben sie in den vergangenen 10 Jahren im Schwarzwald­ Baar-Kreis einen beträchtlichen Ausbau erfahren. Zu erwähnen sind hier insbeson­ dere die Ansiedlung namhafter Kauf- und Warenhäuser mit überregionalem Einzugs­ bereich in Villingen-Schwenningen sowie die Ansiedlung von Einkaufszentren und Ver­ brauchermärkten im Kreisgebiet schlecht­ hin. Nimmt man dazu den beachtlichen, begrüßenswerten Ausbau der Fachhandels­ geschäfte, so ist die zwischenzeitliche Ent­ wicklung des Einzelhandels und der derzei­ tige Ausstattungsgrad positiv zu beurteilen. Das gilt auch für die Versorgung mit Banken. Doch trotz dieser Verbesserung im Dienstlei­ stungssektor bestehen noch weitere Entwick­ lungsmöglichkeiten, und dies ist für die öko­ nomische und soziale Entwicklung dieses Raumes von erheblicher Bedeutung. Zu den­ ken ist hierbei insbesondere an ein vermehr­ tes technisches Dienstleistungsangebot und den Ausbau wirtschaftsnaher Beratung durch freie Berufe. Kommen wir nochmals auf die Industrie zurück, so gehören die meisten Betriebe Branchen an, die zwar einerseits vom techni­ schen Wandel besonders betroffen sind, andererseits aber nach allen Prognosen gerade auch künftig Chancen haben. Diese Industrien werden in einer hochtechnisier­ ten Welt weiterbestehen, doch stellt die Anpassung und Umstrukturierung große Anforderungen an unsere mittelständische Wirtschaft sowohl aus technologischer wie aber auch aus finanzieller Sicht. Manche Fer­ tigungen werden künftig nur noch von der Großindustrie rentabel ausgeführt werden können und andererseits gibt es Bereiche, die

sinnvollerweise mittleren und kleineren Betrieben vorbehalten sind. Hier gilt es die richtige Nase zu haben und die Flexibilität zur schnellen Umsetzung der Ideen in die Produktion. Die Facharbeiter müssen sich immerfort neu qualifizieren. Einfachere Arbeiten werden mehr und mehr automati­ siert und neue Büro- und Kommunikations­ techniken werden sich arbeitskräfteerset­ zend in zahlreichen Betrieben auswirken. Andererseits schafft die Produktion dieser neuen Geräte auch wieder neue Arbeits­ plätze. Auf jeden Fall steht die Wirtschaft vor großen Herausforderungen. Sie zu bewälti­ gen muß in dem gemeinsamen Willen zur Lösung von allen Beteiligten, von Unterneh­ mern und Mitarbeitern, täglich neu angegan­ gen werden. Dazu gehört die Innovation, ihre Umsetzung in die Praxis und die stän­ dige Weiterbildung sowohl auf dem techni­ schen wie auch auf dem betriebswirtschaftli­ chen Sektor. So hat die Kammer diese beiden Gebiete, die Innovation und die Weiterbil­ dung zu Schwerpunkten ihrer Tätigkeit gemacht. Ihr vielseitiges praxisorientiertes Kurs- und Veranstaltungsangebot findet eine anhaltend hohe Nachfrage und mit der Ein­ richtung der gemeinsamen Innovationsbera­ tungsstelle zusammen mit der Fachhoch­ schule Furtwangen (GIF) und deren zwi­ schenzeitlichem Ausbau hat sie geradezu eine modellartige Einrichtung geschaffen, die für die hiesige Wirtschaft sehr hilfreich !St. In der Gesamtschau läßt sich feststellen, daß dieser Wirtschaftsraum ein gutes Ent­ wicklungspotential besitzt sowohl von der technischen Ausrichtung und der Struktur der Betriebe her als auch hinsichtlich der Qialifikation der Arbeitskräfte. Es sind hier schwerpunktmäßig Industrien vertreten, die auch in einer immer höher technisierten Welt Zukunftschancen haben. Handel und Dienstleistungen haben Chancen für einen weiteren Ausbau, wohl gerade in Richtung zunehmender Qialifizierung und Speziali­ sierung. Im Vertrauen auf diese Möglichkei­ ten sollten Unternehmer wie Beschäftigte und die Öffentlichkeit mit einer guten Por­ tion Zuversicht in die künftige Entwicklung sehen. Das gilt auch im Hinblick auf das vor­ aussichtlich noch für längere Zeit, teils durch die demographische Entwicklung bedingt, bestehende Arbeitslosenproblem. Es ver­ langt nach Lösungen, bei denen auch eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung nicht tabu sein darf. So wäre es schädlich, wenn zu kurz­ atmig gedacht und gehandelt würde, denn schließlich zeigt gerade auch die Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Rau­ mes, mit welchen Schwierigkeiten man hier immer wieder fertig geworden ist. Die Lösung der Probleme erfordert Zeit. Dr. Rudolf Kubach, Hauptgeschäftsführer Technologie, Innovation und Transfer Wie kann die Forschung der Wirtschaft des Kreises nützlich sein? Von Prof. Dr. Johann Löhn, Regierungsbeauftragter für Technologietransfer Es sind vor allem drei Begriffe, die für unsere Wirtschaft heute und zukünftig eine Rolle spielen. Dies sind: Neue Technologien, Innovation und Transfer. Und dies gilt insbe­ sondere für die mittelständische Industrie, da sie die größten Probleme beim notwendigen Strukturwandel bewältigen muß. Weltweit beeinflußt die Mikroelektronik unsere Wirtschaft. Wir wollen in diesem Zusammenhang gleich zwei Dinge deutlich machen. Einmal: Die Fertigung der Mikro­ im wesentlichen eine elektronik wird Domäne der Großindustrie bleiben. Zum anderen: Obwohl die Mikroelektronik der Motor und Schlüssel der wirtschaftlichen Entwicklung ist, darf nicht übersehen wer- 41

den, daß die Mikroelektronik allein noch “ hilflos“ bleiben wird. Die Werte müssen irgendwo gemessen werden, die Apparate gebaut und das fachspezifische Wissen zur Verarbeitung eingesetzt werden. Das heißt, Gebiete wie etwa Feinwerktechnik oder bestimmte Dienstleistungen werden im Schlepptau der Mikroelektronik nach wie vor Konjunktur haben. Weitere Schlüsseltechnologien, die einan­ der vielfach in ihrer Entwicklung beeinflus­ sen und vor allem eine starke Abhängigkeit von der Mikroelektronik haben, sind: Senso­ ren, mit denen Meßwerte aufgenommen werden, z.B. die Temperatur, der Durchfluß, Widerstand oder Drehzahl. Auch die Robo­ ter, also elektronisch gesteuerte Handha­ bungs- und Montagesysteme, spielen eine sehr große Rolle. Dann ist natürlich das breite Gebiet der Kommunikationstechni­ ken zu nennen und dabei besonders Bild­ schirmtext. Nicht zuletzt muß die Ferti­ gungstechnik aufgeführt werden. Hier geht es vor allem um die flexible Automatisierung und computergestütztes Konstruieren und Fertigen. Wir können also festhalten, daß diese neuen Technologien unmittelbar oder mittelbar wesentliche Anteile am Sozialpro­ dukt haben werden, das heißt, unsere Wirt­ schaft muß sich hiermit auseinandersetzen. Damit nun die Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder wieder hergestellt wird, müssen die Firmen mit Innovationen reagieren. Unter Innovationen verstehen wir die Erneuerung von Produkten oder Produk­ tionsverfahren, wobei Erneuerung sowohl bedeuten kann ein völlig neues Produkt oder Verfahren oder aber auch eine Weiterent- 42

wicklung. Es ist natürlich ein unverzicht­ bares Merkmal eines Unternehmers, daß er Innovation betreibt. Dies hat er seit eh und je getan, nur das Wort gab es bis vor einiger Zeit noch nicht. Der gegenwärtige Strukturwan­ del im Bereich der neuen Technologien hat jedoch eine Größenordnung, daß die Inno­ vation zu einer erstrangigen Angelegenheit geworden ist. Grundsätzlich gilt für jeden mittelständi­ schen Unternehmer, daß ihm beide Richtun­ gen der Innovation einigen Kummer berei­ ten. Nämlich sowohl in den Produkten, als auch in der · Fertigung. Für die Produkte wird beispielsweise ein Großunternehmen, welches die Mikroelektronik-Fertigung be­ herrscht, in den Markt des Mittelstandes eindringen können. Für die Fertigung wird ein Betrieb, welcher sich ein flexibles Ferti­ gungszentrum leisten kann, in die Stückzahl­ größen des Mittelstandes eindringen kön­ nen. Es gilt dann nicht mehr: Großindustrie gleich große Stückzahl, Kleinindustrie gleich kleine Stückzahl, also Nischen. Die sehr wichtige Frage lautet dann: Ist es überhaupt möglich, daß mittelständische Unternehmen ein Stück vom Kuchen der Schlüsseltechnologie herausschneiden kön­ nen? Gibt es Produkte und Verfahren, die gewährleisten, daß mit hinreichender Ferti­ gungstiefe eine Wertschöpfung verbleibt? Die Antwort lautet und sie wird ja von eini­ gen erfolgreichen Unternehmen bestätigt: Wir haben im Mittelstand eine technolo­ gische Chance. Jede Investition muß aller­ dings im Einzelfall konkret geprüft werden. Wir können also davon ausgehen, daß unsere Unternehmer die Situation erkannt haben. Was kann man tun, damit die Sache erfolgreich wird? Damit kommen wir zum dritten Begriff in der Überschrift, nämlich dem Technologietransfer. Sicher sind auch noch andere Punkte zu erfüllen, z. B. sind immer noch Investitionen notwendig, aber wir wollen uns in diesem Beitrag auf den Transfer beschränken. Was ist Technologie­ transfer? Von Hochschulen und Forschungs­ institutionen, aber auch von privaten Ein- spielte Der Technologietransfer rm Schwarzwald-Baar-Kreis bisher schon eine große Rolle. Durch den Technischen Bera­ tungsdienst der Steinbeis-Stiftung an der Fachhochschule Furtwangen und durch die Innovationsberatungsstelle gemeinsame (GIF) der Fachhochschule mit der IHK wurde das Fachwissen von 65 Professoren zeitweilig auf Abruf zur Verfügung gestellt. Geräte und Maschinen der Fachhochschule können nach festgelegten Richtlinien für die Problembearbeitung eingesetzt werden. richtungen, werden der Industrie Technolo­ giekenntnisse angeboten. Dieser Transfer geschieht auf vielfältige Weise. Da werden Forschungs- und Entwicklungsaufträge ab­ gewickelt, es findet ein Personaltransfer statt, und es erfolgt eine Spezialberatung. Ebenso gehören Veranstaltungen der Weiterbildung dazu. Die Forschungsberichte der Wissen­ schaftler werden zur Verfügung gestellt. Kooperationen dienen der intensiveren Zu­ sammenarbeit. Technologietransfer ist nur dann wirklich erfolgreich, wenn beide Part­ ner – nämlich Technologieanbieter und -empfänger- einen Nutzen von dem Projekt haben. Wie können diese Maßnahmen noch ver­ stärkt werden? Die Landesregierung hat kürzlich beschlossen, verbunden mit einer Spende einer großen Industriefirma die Mikroelektronikausstattung der Fachhoch­ schule erheblich zu verstärken. Diese Aus­ stattung dient zunächst vor allem der qualifi­ zierten Ausbildung. Dies bedeutet jedoch, daß damit der Industrie entsprechend geschultes Personal zur Verfügung steht. Als zweite Maßnahme nimmt ein Institut für Mikroelektronik und Systemtechnik der Steinbeis-Stiftung die Arbeit auf. Dieses Transfer-Institut ist ausschließlich darauf ausgerichtet, die mittelständische Wirtschaft des Kreises verstärkt an die Mikroelektronik heranzuführen. Es wird seine Arbeit an der Fachhochschule Furtwangen beginnen, je­ doch ist vorgesehen, sobald die Ausstattung dies ermöglicht, den Sitz nach Villingen­ Schwenningen zu verlegen. Diese Initiativen 43

sind Teil eines gesamten Konzeptes von sogenannten „Spin-off-Gründungen“, d. h. von Anstrengungen, system.atisch Wissen aus den Hochschulen herauszuholen und der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Zusammenfassend kann man sagen: Neue Technologien haben weltweit einen Strukturwandel verursacht, der mehr als bis­ her die Unternehmen zu Innovation zwingt. Der wirkliche Unternehmer will weder Sub­ vention noch Bevormundung, nur so kann er Kräfte und Ideen mobilisieren. Er benötigt jedoch in dem Dreieck Stab-Forschung­ Wirtschaft eine Unterstützung, auf die er zurückgreifen kann. Dies Verstärkung wird ihm durch die vielfältigen Möglichkeiten des Technologietransfers geboten. Der Südwestfunk auf der Südwest-Messe Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg gehört zu den Hochburgen des Südwest­ funks: hier wurden bei der letzten Regional­ umfrage die höchsten Einschaltzahlen regi­ striert. So wird beispielsweise die Frühsen­ dung „Freundlich geweckt“ von 43 Prozent aller Einwohner gehört, das Mittagsmagazin „Baden-Württemberg aktuell“ wird noch von mehr als jedem Vierten täglich einge­ schaltet. Solche Spitzenwerte werden in kei­ ner anderen Region des Südwestfunk-Sende- gebietes in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz mehr erreicht. Diese Um­ frage zeigte auch, daß die Region Schwarz­ wald-Baar-Heuberg, was das allgemeine Hö­ rerinteresse für verschiedene Themenberei­ che angeht, nicht ganz typisch ist. Während beispielsweise die meisten Hörer am lieb­ sten Berichte über Unfälle und Katastro­ phen, Verbraucherfragen und Kriminalfälle hören, liegt in der Region Schwarzwald-Baar­ Heuberg das Problem der medizinischen Abendschau: Innenminister a. D. Krause {rechts) und OB Dr. Gebauer (links) 44

Versorgung ganz vorne in der Präf erenzliste, gefolgt von den Themenbereichen Verbrau­ cherberatung und Kommunalpolitik. Um dieser Kernlandschaft seines Sende­ gebiets gerecht zu werden, hat das Landesstu­ dio Tübingen seit vielen Jahren besondere Anstrengungen unternommen. Auf der Süd­ west-Messe in Villingen-Schwenningen ist der Südwestfunk beispielsweise seit 1972 ständiger Gast. Im Jahr darauf wurde dem Südwestfunk ein eigenes Messestudio zur Verfügung gestellt. Damit wurde eine konti­ nuierliche Berichterstattung aus der Region technisch ermöglicht. Im Verlauf der letzten zehn Jahre wurde beispielsweise das Regio­ nalmagazin „Baden-Württemberg aktuell“ dreizehnmal direkt von der Messe übertra­ gen, das „Frohe Wochenende“ mit Karl­ Heinz Wegener war zehnmal zu Gast. Darü­ ber hinaus gab es Sendungen wie „Das Ver­ brauchermagazin“, „Pop-Shop“, ,,Ihre Wer­ tung bitte“, weiter internationale Hitpara­ den, Sportsendungen, Diskussionen, Ama­ teur-Reporter-Wettbewerbe. Auch das Fernsehen war mit „Forum Süd­ west“ und der „Abendschau“ auf dem Messe­ gelände vertreten. Ein weites Feld tat sich auf, das auch für die Erprobung neuer publi­ kumsnaher Formen genutzt worden ist. Reporter und Redakteure haben auf der Messe gelernt, ,,Rundfunk vor Ort“ zu machen. Der direkte Kontakt mit den Hörern beeinflußte auch die Radiosprache im Sinne einer besseren Verständlichkeit. Außerdem lernten die Programm-Macher dazu, daß jeder Unterhaltungskünstler jeden Informationsbeitrag in den Schatten stellt. Hier suchten die Radioleute einen neuen Ansatzpunkt: sie stellten die persönliche Betroffenheit in den Mittelpunkt ihrer Infor­ mationsbeiträge, die ja nach journalistischem Selbstverständnis ebenfalls „ankommen“ sollten. So wurde die Südwest-Messe zu einem Experimentierfeld und zu einem Lehrstück für besonders hörernahes Radio. Daß dadurch der Name der Messe bis in alle Ecken des Landes getragen wurde, ist ein Nebeneffekt, der natürlich mit großer Auf­ merksamkeit bei anderen Messeveranstal­ tern registriert worden ist – mit der Folge, daß der Südwestfunk mit Angeboten überschüt­ tet wurde, auch anderswo Messestudios zu betreiben. Wichtiger als die Messegastspiele war das Studio, das auch das Jahr über dem Südwest­ funk zur Verfügung steht. So gelang es, aus der Region jährlich zwischen 100 und 120 Beiträge in die aktuellen Programme des Südwestfunks einzuspielen. In zehn Jahren ergab das eine Gesamtzahl von 1100 Sendun­ gen. Damit hat die Region Schwarzwald­ Baar-Heuberg eine eigene Stimme im Regio­ nalprogramm des Südwestfunks. Das Messe­ studio wurde zum Anlaß für Überlegungen, einen eigenen Korrespondentenplatz in Villingen-Schwenningen einzurichten, um das Kerngebiet Schwarzwald-Baar-Heuberg auch institutionell im Gefüge des Südwest­ funks zu verankern. Reiner Rinker, Leiter des SWF-Landesstudios Tübingen Feine Schreibgeräte und große Maschinen Die Firma Schmidt Feintechnik in St. Georgen hat weltweiten Ruf Als „Schmidt-Minen“ war die Firma im St. Georgener Volksmund über Jahre hinweg geläufig, doch Firmenbesitzer wie Beleg­ schaft fühlten sich durch solche Einschrän­ kung nicht recht beschrieben. Seit knapp zwei Jahren, als aus der KG eine GmbH wurde, ist das derzeit 120 Mitarbeiter große Unternehmen aus St. Georgen treffender bezeichnet: Schmidt Feintechnik. Denn außer der Herstellung von Schreibminen, mit der das Unternehmen nach dem Kriege groß geworden ist, bietet dieser mittelstän- 45

zu Die Firma Schmidt im winterlichen Kleid, am nördlichen Stadtrand St. Georgens auf der Seebauern­ höhe gelegen dische Familienbetrieb eine Menge mehr. Nicht nur, daß moderne Schreibgeräte heut­ zutage in kleinsten Abmessungen oft kom­ plizierte technische „Innereien“ verbergen, die von der Firma Schmidt in den letzten Jahrzehnten maßgeblich entwickelt worden sind, auch auf ganz anderem Gebiet, weiß der moderne Betrieb auf der St. Georgener See­ bauernhöhe Erfolgreiches leisten: Schmidt fertigt Sondermaschinen und war in dieser Eigenschaft sogar bereits bei der EMO, der Welt größter Messe für die Werk­ zeugmaschinen-Branche, vertreten. Die Firma Schmidt ist unter den zahlrei­ chen Industriebetrieben der Bergstadt noch ein vergleichsweise junges Unternehmen. 1938 als „Gebrüder Schmidt“ gegründet, war die Firma zunächst in der für den Schwarz­ wald typischen Branche, der Uhrenindustrie, tätig. Doch der eigentliche Aufschwung des Unternehmens setzte erst nach dem Kriege ein – und zwar durch ein Produkt, das durch 46 den Krieg aus Amerika nach Europa gekom­ men war: Der Kugelschreiber. Außer weite­ ren Firmen in der näheren Umgebung sah die Firma Schmidt in diesem neuen Produkt große Zukunftschancen – und sollte damit recht behalten. Der Kugelschreiber trat einen ungewöhnlichen Siegeszug an und die St. Georgener Firma wuchs explosionsartig. Der Platz der Firma im St. Georgener Stadtzentrum (im ehemaligen „Löwen“ und im Gebäude dahinter), wo zuletzt in sieben verschiedenen Stockwerken produziert wor­ den ist, war bald nicht mehr tragbar im Sinne einer rationellen Fertigung, und so wurde 1968 ein wegweisender Entschluß von Fir­ menchef Hans Schmidt gefaßt: Das gesamte Unternehmen sollte umgesiedelt werden. Ein Neubau auf der Seebauernhöhe ent­ stand. Als 1973 das moderne Gebäude am Rande des ebenfalls neuerschlossenen Wohngebietes bezogen wurde, dauerte es wiederum nur wenige Jahre, bis sich die

Firma erneut vergrößerte: In den Jahren 1978/79 erfolgte nochmals eine Erweiterung der Produktionsfläche um zwei Drittel. Mit dem neuen Standort der Firma Schmidt im Norden der Stadt auf rund 900 Metern Höhe wurde vor gut 20 Jahren eine in weichenstellende Entscheidung auch kommunalpolitischer Sicht getroffen, die sich im nachhinein als richtig erwiesen hat. So haben etwa viele Mitarbeiter der Firma Schmidt ihren Wohnort in unmittelbarer Nähe ihres Arbeitsplatzes. Auch was das städtebauliche Bild angeht, wurde mit dem Schmidt-Neubau Mustergültiges geleistet. Das moderne Bauwerk paßt sich gut an die Peripherie der Bergstadt an. Doch nicht nur räumlich und personell wuchs die Firma Schmidt in der Zeit des Wirtschaftswunders unaufhaltsam, auch was in der den technologischen Fortschritt Branche für Schreibgeräte angeht, eroberte sich das Unternehmen schnell eine Spitzen­ position. Die Firma zeichnete sich stets durch hohe Innovationsbereitschaft aus. Hans Schmidt formuliert das Firmen-Credo so: „Es ist das Bestreben von Schmidt Fein­ technik in �alität und Entwicklung stets auf dem höchsten und neuesten Stand der Technik zu sein“. Daß dies in vielen Feldern des Marktes gelungen ist, dafür gibt es eine Reihe stolzer Belege. So verfügt das Unter­ nehmen über mehr als 100 Patente. Es kamen immer wieder wesentliche Neuentwicklun­ gen aus dem Schreibgeräte-Sektor aus dem Hause Schmidt. Wenn heute etwa Minen in der ganzen Welt auf eine bestimmte Größe genormt sind, dann geht diese „Euro-Mine“ auf das Unternehmen der Bergstadt zurück. Daß Schreibtechnik heute viel mehr als Kugelschreiber ist, zeigt die Tatsache, daß die seit dem Kriege produzierte klassische Mine gegenwärtig gerade noch sechs Prozent am Umsatz der Firma ausmacht. Gasdruckmi­ nen, Faserstifte (von Schmidt erstmals welt­ weit eingeführt), Minen, die mit flüssiger Tinte gefüllt sind und im Schreibverhalten dem Füllfederhalter sehr nahe kommen, mechanische Bleistifte, Minen mit Saphir- Kugeln in der Spitze, dies sind nur einige Schlagworte aus dieser Branche, bei der der Laie erst erkennen kann, wieviel Präzision und Technik in die Geräte investiert werden muß, wenn er etwa sieht, wie eine solche nur wenige Millimeter dicke Mine auf quadrat­ meter-großen Konstruktionsplänen entwik­ kelt wird. Daß Schmidt auf diesem Felde immer an der Spitze des technologischen Fortschritts marschierte, zeigt auch die Liste der Marken, die von der St. Georgener Firma das »Innenleben“ für ihre Schreibgeräte beziehen. Kaum einer der renommierten Namen fehlt, und es dürfte wenige Leser die­ ses Berichtes geben, die nicht schon einmal mit einem Schreibgerät aus dem Hause Schmidt geschrieben haben. Obwohl Schmidt kaum unter eigenem Namen auf dem Schreibgeräte-Endmarkt vertreten ist, hat das Unternehmen eine starke Stellung in der Branche. Dennoch sucht man im Hause Schmidt weitere Tätig­ keitsfelder. Ursprünglich nur für die Herstel­ lung eigener Werkzeuge konzipiert, entwik­ kelte sich der Bereich Sondermaschinen bei Schmidt zusehends zu einem gewichtigen Modeme Fertigungsanlagen sorgen dafür, daß Schreibminen der Firma Schmidt Feintechnik täglich in alle Welt hinausgehen können 47

Fertigungsbereich, der heute ein Viertel des Firmenumsatzes ausmacht. Seit geraumer Zeit produziert Schmidt verschiedene Pres­ sen nicht nur für den eigenen Gebrauch, son­ dern auch für eine größer werdende Kund­ schaft. Das Unternehmen wird heute von Hans Schmidt in der zweiten Generation geführt, doch ist mit dessen Sohn Rolf bereits die dritte Generation seit längerem in der Geschäftsleitung vertreten. Obwohl auch die Firma Schmidt mit ihren hohen Exportquo­ ten die allgemeine konjunkturelle Talfahrt der letzten Jahre im Wirtschaftsgetriebe der westlichen Welt zu spüren bekam, steht die Firma, die noch in diesem Jahrzehnt ihr 50. Jubiläum wird feiern können, heute als ein sehr gesundes mittelständisches Unterneh­ men im Schwarzwald-Baar-Kreis da. Erich Möck NC-Technik in der Aus- und Fortbildung „Überbetriebliches Ausbildungszentrum“ der Firma Fr. Winkler KG Immer mehr wird der BegriffNC-Technik zum Reizwort. Es kann daher nicht ausblei­ ben, daß durch den verstärkten Einsatz des Mikroprozessors im Bereich der Steuerung von Werkzeugmaschinen die Aus-und Fort­ bildung qualifizierter Facharbeiter mehr als nötig ist. Diese Forderung an den Arbeits­ markt wurde vom Arbeitsamt, Landratsamt, dem Regierungspräsidium Freiburg und vom Arbeits- und Sozialministerium, sowie vom Landesarbeitsamt unterstützt, so daß in dem „Überbetrieblichen Ausbildungszen­ trum“ der Firma Fr. Winkler KG in der Turm­ gasse im Stadtbezirk Villingen eine bahnge­ steuerte Fräsmaschine mit rechnergestütz­ tem Computer eingerichtet werden konnte. Durch vier zusätzliche Programmier­ plätze wurde die Grundausstattung im Herbst 1983 erweitert, so daß außer der Grundstufe auch eine Aufbaustufe zur Ver­ fügung steht. Diese beinhaltet die NC-Dia­ logprogrammierung für alle Bearbeitungs­ verfahren, eine NC-Konturberechnung mit sofortiger NC-Koordinatenausgabe, die gra­ phische Darstellung des N C-Programmes am Bildschirm bis zur Daten-Direktübertra­ gung im DNC-Betrieb und vieles mehr. Ein zusätzliches Bildungsangebot mit neuester Technologie und eigens dafür erarbeitetem Ausbildungsprogramm steht zur Verfügung. Neben den traditionellen Fertigkeiten werden verstärkt außerfachliche bzw. fach- 48 übergreifende Fähigkeiten verlangt, wie z.B. Abstraktionsfähigkeit, planerisches Denken, Verantwortungsgefühl und -bewußtsein für Gesamtabläufe, aber auch die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken und Sachverhalte genau zu beschreiben. Diese „neuen“ Anforderungen bestätigen, daß NC-Technik dringend in das Ausbil­ dungs- bzw. Fortbildungsprogramm auf­ genommen werden muß. Die dabei vor­ gezeichnete, nicht aufzuhaltende Entwick­ lung wird letztlich Auswirkungen auf die Gesellschaftsform mit sich bringen. Produk­ tions- und Beschäftigungsstrukturen werden sich grundlegend verändern. Es werden kurz­ bis mittelfristig negative Beschäftigungsef­ fekte zu erwarten sein, die Zahl der Beschäf­ tigten wird abnehmen. Besonders stark betroffen werden die weniger qualifizierten Arbeitnehmer sein. Die Anforderungen an die Hoch- und Höchstqualifizierten nehmen dagegen rapide zu. Die Nachfrage nach höheren Q!ialifikationen, bei gleichzeitiger Verknappung der Gesamtzahl von Arbeits­ plätzen, wird nicht nur einen Sturm auf die Fortbildung auslösen, sondern auch die Wettbewerbsbedingungen auf dem Arbeits­ markt verschärfen. Ein neuartiger Verdrängungswettbewerb könnte den Staat zu verstärkten Investitio­ nen aber auch Interventionen und Kontroll­ maßnahmen zwingen. Auswirkungen, die

Mehr als 200 Interessenten haben an den Fortbildungsmaßnahmen der Grundstufe teilgenommen. Außer den Lehrgangsgebühren müssen die Teilnehmer noch 80 Stunden Freizeit investieren. Mit einer fünfttündigen Prüfung vor dem Prüfungsausschuß der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald­ Baar-Heuberg und dem Zertifikat mit Zeugnis wird die Ausbildung abgeschlossen. sicherlich nicht gewollt sind, aber zusätzliche Kosten in den öffentlichen Haushalten ver­ ursachen werden. Die eigentliche Frage nach den Auswir­ kungen der „N euen Technologie“ bezieht sich also nicht mehr in erster Linie darauf, ob und in welchem Ausmaß sich Veränderun­ gen in der Beschäftigung ergeben werden, sondern vielmehr darauf, ob und in welchem Ausmaß die Gesellschaft in der Lage sein wird, die sozialen Lasten dieser technologi­ schen Entwicklung zu tragen. Aber auch für den Einzelnen hat die technologische Ent­ wicklung noch nicht übersehbare Konse­ quenzen. Die Hauptbelastung für das Indivi- duum wird im Zwang bestehen, lebenslang zu lernen. War früher einmal erworbenes Wissen die Grundlage für lebenslange Ausü­ bung eines Berufes, so veralten Kenntnisse, die man sich heute aneignet in Windeseile. Kein Zweifel besteht darüber, daß die Tech­ nologie den Menschen sowohl im Beruf als auch in seiner Freizeit zu immer neuem „Ler­ nen“ zwingen wird. Im Allgemeinen gilt das ,,Lernen“ als eine positive Tugend. Aber Ler­ nen ist auch mühsam, besonders mit zuneh­ mendem Alter und wenn unter Zwang gelernt wird, um den Anschluß nicht zu ver- passen. Siegfried Reith 49

Ein Fernmeldeturm erzählt Zeichnung: Dr. Asifäller Man möge mir, dem Fernmeldeturm, ver­ zeihen, wenn ich mich als ein verhältnismä­ ßig junges Objekt der Deutschen Bundes­ post für würdig befinde, in diesem Almanach mit der freundlichen Genehmigung des Fernmeldeamtes Konstanz von mir zu erzählen, von den Aufgaben, die man mir bei meiner Inbetriebnahme im September 1979 auf unbestimmte Zeiten übertragen hat. Schlicht und einfach nennt man mich den „Fernmeldeturm Donaueschingen“. Ein prä­ gnanterer Name würde sicher besser klingen. Vielleicht kommt auch noch jemand auf die Idee, mich umzutaufen. Aber bitte, es muß ja nicht sein. Auf der „Länge“ in unmittelbarer Nach­ barschaft des Fürstenberges, 923 m über dem Meeresspiegel, erhielt ich meinen Stamm­ platz. Für mich mußte wegen meines enor- 50 men Gewichtes ein besonders fester Unter­ grund ausgesucht werden. Und die für mich notwendige Bodenfestigkeit fanden die Experten auf der „Länge“. Immerhin stecken in meinem kreisförmigen 4 m tief im Unter­ grund verankerten Fundament von einem Durchmesser von 17 m und in meinem Turmschacht insgesamt 1.500 Kubikmeter Beton und 280 Tonnen Stahl. Mit meiner Gestalt, die ich einer Planung und Bauleitung unter der Regie der Oberpostdirektion Frei­ burg ebenso zu verdanken habe wie zahlrei­ chen Handwerkern, bin ich ganz zufrieden. Darf ich nicht als ein Musterbeispiel gelten, bei dem die elementaren Gebote baulicher Ästhetik beachtet wurden? Die konische Betonröhre meines Turmschachtes durch­ mißt in Bodenhöhe 8 m bei einer Wand­ stärke von 36 cm und verjüngt sich im Durchmesser auf 5 m in einer Höhe von 80 m bei einer Wandstärke, die ab 10 m Höhe nur noch 30 cm mißt. Darüber strebe ich als Betonzylinder mit einem Durchmesser von 2,4 m bis in eine Höhe von 109 m bei einer Wandstärke von 28 cm. Mein oberstes Teil besteht aus einem Glasfiberrohr, in dem die Antennen der Fernsehsender montiert sind. Um meine Aufgaben erfüllen zu können, steht mir die modernste Technik zur Seite. Da die neuen Richtfunksysteme der Dämp­ fung wegen nur kurze Zuleitungen zwischen den ü bertragungstechnischen Einrichtungen und Antennen zulassen, mußte ich das Betriebsgeschoß in 50 m Höhe aufnehmen. Darüber befinden sich Hornparabol- und Muschelantennen, die auf Gegenstellen im weiteren Umkreis, so z.B. in St. Blasien, Simonswald, Gosheim oder Konstanz aus­ gerichtet sind. Es besteht also, wenn die Wit­ terung mitspielt, ein Sichtkontakt zum Fern­ meldehochhaus in Konstanz. Die bis zu 930 schweren Antennenspiegel können kg Sturmgeschwindigkeiten bis zu 230 km/h aushalten. Das fordert natürlich auch von mir eine immense Standfestigkeit, liegt doch

die Last der ganzen technischen Einrichtung auf mir. Als Träger der an mir installierten modernsten Fernsehsender- und Antennen­ einrichtungen ftir das 2. und 3. Programm, die in die Baar eine bessere Bild- und Ton­ qualität bringen, übe ich für diese Region eine wichtige Funktion aus. Die Zahl der durch Richtfunk über die Länge“ geschalteten Nachrichtenkanäle hat “ sich nach dem Bau von weiteren Richtfunk­ strecken auf über 11.500 erhöht. Mit den Fern­ sehantennen werden über 220.000 Einwohner (ca.135.000 direkt und ca. 80.000 über 17Fem­ sehumsetzer) in einem bis Bonndorf, Blum­ berg, Tuttlingen, Friedingen a. D., Villingen­ Schwenningen und Furtwangen reichenden Gebiet versorgt. Ich diene auch mit entspre­ chenden Antennen dem Autotelefon, der Polizei, dem Badenwerk, dem Kraftwerk Laufenburg, der Feuerwehr und schließlich auch dem Europäischen Funkrufdienst, mit Beinamen „Europiepser“. Fast 60.000 Teil­ nehmer in der Bundesrepublik Deutschland nehmen diesen Dienst der Deutschen Bun­ despost, eine preiswerte Alternative zum Autotelefon, in Anspruch. Keine Frage, daß durch mich verschiedene letzte Funklücken zwischen Schwarzwald und Bodensee geschlossen werden konnten. Für mich als Bauwerk mußte die Deutsche Bundespost etwa 7 Millionen Deutsche Mark aufwen- den. Die Technik verschluckte auch einige Millionen. Zur Sicherung des Flugdienstes leiste ich auch einen kleinen Beitrag, indem die roten W amleuchten stets eingeschaltet sind. Ich fühle mich hier oben auf der „Länge“ nicht einsam. Immer wieder finden sich auf dem Rastplatz in meiner Nachbarschaft, wo auch eine Grillstelle angelegt ist, Wanderer ein, Familien mit Kindern spielen auf dem Gelände, oder Naturfreunde starten von hier aus zu Exkursionen. Vom Parkplatz aus füh­ ren Wanderwege in naheliegende Wälder. Und winters trimmen sich die Langläufer auf den Loipen rund um die „Länge“. Von Langeweile also keine Spur. Nicht ohne Stolz möchte ich nun noch verraten, daß ich im Schwarzwald-Baar-Kreis der Größte bin. Ganze 130 m überrage ich den Erdboden und durchstoße sogar die Tausend-Meter-Marke über der Meereshöhe. Obwohl ich über einen Fahrstuhl verfüge, dessen sich das Betriebspersonal bedient, bleibe ich im Gegensatz zum Fernsehturm in Stuttgart für die Allgemeinheit geschlossen. Dennoch sind Sie, verehrter Leser, stets ein­ geladen, die „Länge“ und damit meine von der Natur begünstigte Nachbarschaft auf­ zusuchen. Werner Heidinger Harznutzung, ein längst vergessenes Handwerk Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 51

Harznutzung, ein längst vergessenes Handwerk Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 52

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Harznutzung, ein längst vergessenes Handwerk Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 54

Soziales, Fürsorge, Gesundheitswesen Zur Linderung der Jugendarbeitslosigkeit Die soziale Betreuungsstelle des Schwarzwald-Baar-Kreises Die Veröffentlichungen über die Jugend­ arbeitslosigkeit haben dazu beigetragen, daß das Problem im Bewußtsein der Bevölke­ rung verankert ist. Offen bleibt die Frage, wie die gewonnenen Erkenntnisse zu konkreten Hilfen für die betroffenen Jugendlichen umgesetzt werden. Das ständige Jonglieren mit statistischen Zahlen birgt die Gefahr, daß die Jugendarbeitslosigkeit zu einem weiteren „ verwalteten“, aber nicht gelösten Problem unserer Gesellschaft wird. Nachfolgend soll von einer Initiative im Schwarzwald-Baar­ Kreis berichtet werden, die, getragen vom Engagement einzelner Leute, eine Hilfe für von Arbeitslosigkeit bedrohte und betrof­ fene Jugendliche sein möchte. Die hier beschriebene sozialpädagogische Hilfestel­ lung vermag dem Einzelnen persönlich zu helfen. Sie kann jedoch das Grundproblem der Jugendarbeitslosigkeit nicht lösen. Insbe­ sondere können auf diesem Wege keine neuen und dauerhaften Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Ursprünge der sozialen Betreuungs­ stelle für Jugendliche liegen in der Erkennt­ nis, daß beim Übertritt von der Schule in die Arbeitswelt ein Teil der Jugendlichen benachteiligt ist. Hier wollte man helfen durch Kompensation von Defiziten, die sowohl in der Person als auch im unmittelba­ ren sozialen Umfeld, z.B. in der Familie, lie­ gen. Durch die stark ansteigende Zahl der 55

von Arbeitslosigkeit bedrohten J ugendli­ chen kamen neue Aufgaben auf die Betreu­ ungsstelle zu. Ging es anfangs in erster Linie darum, Jugendlichen, die ein unrealistisches Bild der Berufsmöglichkeiten oder erheb­ liche Sozialisationsdefizite hatten und kei­ nerlei Unterstützung durch die eigene Fami­ lie erfuhren, zu helfen, eine angemessene berufliche Ausbildung oder Tätigkeit zu ermöglichen, so kommen jetzt durch die nichtvorhandenen Ausbildungs- und /u­ beitsplätze eine ganze Reihe von weiteren Aufgaben auf die Betreuungsstelle zu. In Zusammenarbeit mit der Berufsakade­ mie Villingen-Schwenningen wurden zunächst im April 1981 zwei angehende Diplom-Sozial-Pädagoginnen im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung eingesetzt, um an drei Villingen-Schwenninger Hauptschu­ len diejenigen Schüler zu betreuen, die weder ein Ausbildungs- noch ein Beschäftigungs­ verhältnis in Aussicht hatten. Erfaßt wurden in drei Schulen 110 Schüler und Schülerin­ nen, von denen eine große Zahl, nach einer intensiven Betreuung, in ein Ausbildungs­ oder Beschäftigungsverhältnis oder eine wei­ terführende schulische oder berufliche Maß­ nahme vermittelt werden konnte. Die positiven Erfahrungen, die von den Schulleitern bestätigt wurden, machten es möglich, dem Kreistag ein Konzept zur Ein­ richtung einer Betreuungsstelle vorzulegen. Zwischenzeitlich verfügt die Betreuungs­ stelle über drei ausgebildete Sozial-Pädago­ gen und in der Regel zwei Praktikanten, die ihre Ausbildung an der Berufsakademie Vil­ lingen-Schwenningen durchlaufen. Die derzeitige Arbeit der Betreuungsstelle sei kurz dargestellt: Der Schwerpunkt der sozialpädagogischen Arbeit liegt zum einen im Übergangsbereich Hauptschule – Beruf, zum andern in der Betreuung der Teilneh­ mer der Grundausbildungslehrgänge. Ziel der sozialen Betreuungsstelle ist es, mög­ lichst alle Hauptschulen im Schwarzwald­ Baar-Kreis zu erfassen. Daß die Absolventen der Hauptschule prozentual am stärksten von der Jugendar- 56 beitslosigkeit betroffen sind, weisen die Stati­ stiken aus. Über die jeweiligen Schulleiter nehmen die Sozialpädagogen Kontakt auf mit den Lehrern der Entlaßklassen. Diese haben zumeist einen guten Überblick über die beruflichen Möglichkeiten ihrer Schüler. Die bisherige Erfahrung lehrt, daß im Schnitt ca. 15 bis 20 % der Schüler im letzten Halb­ jahr vor ihrem Schulabgang weder eine kon­ krete Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, noch auf einen Arbeitsplatz haben. Bisher gelang es, durch eine intensive Betreuung eine doch erhebliche Zahl der Jugendlichen in Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisse oder in weiterführende schulische oder be­ rufliche Maßnahmen zu vermitteln. Den­ noch wächst im Moment die Zahl derer an, die nicht vermittelbar sind. Hinzu kommt noch die Gruppe von jungen Menschen, die nach Abschluß einer berufsbildenden Maß­ nahme (z.B. Grundausbildungslehrgang oder Berufsgrundbildungsjahr) immer noch keine Ausbildungs- oder Beschäftigungs­ möglichkeit gefunden hat. Die Aufgaben der sozialen Betreuungs­ stelle mit diesen Jugendlichen reichen von einem Mut machenden Gespräch mit dem Jugendlichen und den Eltern bis hin zur Be­ gleitung beim Gang zu Behörden und Betrie­ ben. Durch gezielte Schulung in Gruppen wird versucht, Informationen über die Berufs- und Arbeitswelt zu vermitteln, als auch Einstellungen und Haltung der Jugend­ lichen zu korrigieren. Den Jugendlichen muß die Möglichkeit gegeben werden, sich in die Arbeitswelt einzuleben. So gibt es bereits Projekte, in denen Jugendliche im Bereich der Gemeinnützig­ keit Arbeiten verrichten. Es wurden Repara­ tur- und Renovierungsarbeiten d urchge­ führt. Es ist daran gedacht,Jugendliche auch einzusetzen bei der Hilfeleistung für ältere und bedürftige Mitbürger. Die Betreuung der Teilnehmer der Grund­ ausbildungslehrgänge geschieht sowohl als laufende Betreuung, wie auch als Intensivbe­ treuung. Immer stärker ergibt sich auch die Notwendigkeit von Nachbetreuungsmaß-

nahmen. Die laufende Betreuung sieht Hilfe­ stellung für Jugendliche in ganz bestimmten Problemsituationen vor (z.B. Rauschmittel­ abhängigkeiten). Meist gilt es hier, Auffällig­ keitssymtomen wie Unpünktlichkeit, Nicht­ erscheinen unmittelbar nachzugehen, um die Konsequenzen aus diesem Verhalten (z.B. Abbruch der Maßnahme) zu verhin­ dern. Eine intensive Betreuung der Lehrgangs­ teilnehmer wird in Seminarform durchge­ führt. Hier sind die Sozialpädagogen der Betreuungsstelle mit den Jugendlichen meh­ rere Tage zusammen und versuchen, über eine gezielte Gruppenarbeit Defizite, insbe­ sondere im Verhaltensbereich, aufzuarbeiten. Der sozialpädagogischen Nachbetreuung von ehemaligen Lehrgangsteilnehmern kommt, besonders bei der immer größer wer­ denden Zahl von nach Abschluß der Maß­ nahme nicht vermittelbaren jungen Men­ schen, eine besondere Bedeutung zu. Wesentliche Ursachen der Jugendarbeits­ losigkeit sind beeinflußbar und überwind­ bar. Die Pädagogik ist aufgefordert, da, wo junge Menschen von Arbeitslosigkeit betrof­ fen sind, zu verhindern, daß sich bei ihnen negative Einstellungen und Haltungen ver­ festigen, die nicht mehr korrigierbar sind. Gemot Riegraf Das Kinderheim Mariahof in Hüfingen Die älteste Jugendhilfeeinrichtung im Schwarzwald-Baar-Kreis Das Heim Mariahof ist wohl die älteste Jugendhilfeeinrichtung im Schwarzwald­ Baar-Kreis. Sie wurde bereits im Jahre 1843 im leerstehenden Kloster »Mariahor‘ in Neudingen von lgnaz von W essenberg ( er war der letzte Domkapitular des Bistums Konstanz) gegründet. Nach neun Jahren brannte das Kloster ab, und das Heim wurde verlegt in ein Fürstlich Fürstenbergisches Gebäude in Hüfingen, das ehemals als Zucht- und Arbeitshaus diente. Mit der Neu­ regelung des Fürsorgewesens nach dem Ersten Weltkrieg übernahm der Caritasver­ band für die Erzdiözese Freiburg die »Anstalt“, nachdem die vorherigen Träger finanziell und pädagogisch Bankrott gemacht hatten. In seinem ersten Leiter, Monsignore Prof. Kast, der von 1920 bis 1962 die Geschicke des Hauses leitete, fand der Caritasverband einen naturbegabten Leiter, der im Sinne von „Don Bosco“ die Anstalt zu einem Heim umwandelte. Familienorientierte Gruppen, wie sie heute selbstverständlich sind, waren zur damaligen Zeit fast einmalig. Selbst in den Wirren des „Zweiten Weltkrieges“ haben es die Franziskanerinnen und die Lei­ tung des Hauses geschafft, den Buben aus Deutschland, dem Elsaß und Österreich Hei­ mat und Geborgenheit zu geben. Viele Kon­ takte, die auch heute noch bestehen, sowie ein erfreulicher Briefwechsel mit heute etwa 500 Ehemaligen zeigen uns, daß Mariahof mehr als nur eine Durchgangsstation im Leben der vom Schicksal hart getroffenen Mitmenschen ist. Im Jahre 1962 übernahm Prof. Dr. Enz die Leitung des Hauses. Er erkannte bald, daß in dem im 17. Jahrhundert erbauten Haus, das keine Erweiterung und Sanierungsmöglich­ keit mehr bot, eine Pädagogik nach moder­ nen Erkenntnissen nicht möglich war. Seiner Initiative ist es zu verdanken, daß das Land Baden-Württemberg den im Jahre 1920 geschlossenen Staatsvertrag einlösen mußte und für diese Gebäude (alle festen unbeweg­ lichen Teile) baupflichtig war. Im Jahre 1969 konnten die modernen Gebäude an der Schaffhauser Straße bezogen werden. Die neuen, großzügigen Räumlichkeiten gaben uns die Möglichkeit zur pädagogi­ schen Differenzierung. So orientierten wir 57

Das Heim Mariahof von der Südseite mit den 5 Wohnhäusern, Turnhalle, Spielgelände, Ve-rsorgungs­ und Verwaltungsgebäude und Kapelle kein und ihm schulisches Lernen zu ermög­ lichen. Ziel unserer Sonderschule ist es, daß erworbenes Wissen, Können und Anpas­ sung auf dem sozialen Sektor dem Schüler die Rückkehr in die öffentliche Schule mög­ lich macht. lnsof ern ist unsere Schule hier nur „Durchgangsschule“. Der Unterrichtsstoff ist den amtlichen Plänen für Grund- und Hauptschulen ent­ nommen, so daß der Hauptschul-Abschluß möglich ist. In kleinen Klassen wird versucht, Lerndefizite auszugleichen. Die „Stundenta­ fel“, d. h. die Anzahl der Fachstunden für die einzelnen Klassen entspricht der Vorlage für die Grund- und Hauptschulen Baden-Würt­ tembergs. Das altersentsprechende Niveau einer öffentlichen Schule soll erreicht werden. Die Lehrerzahl richtet sich für diese Art staatlich vor­ Sonderschule nach dem geschriebenen Schlüssel, daher sind bei ca. 50 Schülern sechs Lehrer hier beschäftigt. In der Regel sind Sonderschullehrer tätig, welche die Lehrbefähigung für die „Schule für Ver­ haltensgestörte“ erworben haben. Die Lehrer sind zur Dienstleistung an die private Schule in Mariahof aus dem öffentlichen Dienst beurlaubt. Heute verfügen wir im Heim Mariahof über drei ausgebaute Säulen der pädagogi­ schen Arbeit. Das sind: 1. Sechs Wohngruppen mit je neun Buben und drei bzw. vier Erziehern. 2. Sonderschule für normalbegabte, ver­ haltensauffällige Jungen (mit Abschluß der Hauptschule), mit sieben Klassen und sechs Lehrern. unser Haus nach den Richtlinien „für heilpä­ dagogische Heime“ und erlangten 1971 die Anerkennung durch das Landesjugendamt. Der Personenkreis der aufzunehmenden Buben wandelte sich. Immer mehr stark ver­ haltensauffällige, entwicklungsgestörte Jun­ gen kamen zu uns.Jungen mit neurotischen Symptomen, mit erheblichen schulischen Schwierigkeiten; Jungen, die von der öffent­ lichen Schule ausgeschult wurden oder denen der Schulausschluß drohte; Jungen, die ein, zwei, drei Jahre schulisch überaltert waren;] ungen, die trotz zumindest normaler Intelligenz nur die Leistungen eines lernbe­ hinderten brachten. Die zunehmenden Schwierigkeiten des aufzunehmenden Perso­ nenkreises bedingten einen Ausbau unserer Schule, die als private Sonderschule „V“ am Heim, im Status einer Ersatzschule staatlich anerkannt ist, sowie eine Differenzierung und Qualifizierung der gesamten pädagogi­ schen Arbeit. Das Schulgesetz Baden-Würt­ tembergs und das Privatschulgesetz bilden die Grundlage für die Schule am Heim in freier Trägerschaft. Unsere Schule ist eine staatlich aner­ kannte „Sonderschule für Verhaltensge­ störte“ gemäß § 15 des Schulgesetzes, in dem zehn verschiedene Sonderschultypen auf­ geführt sind. In unsere Heimschule werden nur normalbegabte Schüler aufgenommen (keine lernbehinderten), die Störungen im Sozial- und/oder im Leistungsverhalten oder im emotionalen Bereich aufweisen. Wir versuchen, jeden Schüler in seiner individuellen Leistungsfähigkeit zu entwik- 58

3. Die heilpädagogische Abteilung. Die heilpädagogische Abteilung ist der „gruppenübergreifende Dienst“. Den Mit­ arbeitern ( derzeit 2 Psychologen, ein Heilpä­ dagoge und Honorarkräfte) obliegt die Erziehungsleitung, die Erziehungskoordina­ tion und Durchführung der heilpädago­ gisch-therapeutischen Maßnahmen. Das pädagogisch-therapeutische Angebot umfaßt je nach Störung Einzel- und Grup­ pentherapie, Spieltherapie, Gesprächspsy­ chotherapie, Verhaltenstherapie, Familien­ therapie, heilpädagogische Übungsbehand­ lungen, logopädische Übungen, Konzentra­ tionstraining, gezieltes Aufarbeiten von schulischen Lücken (z.B. Lese-Rechtschreib­ schwäche) Spiel, Sport und Bastel-AG. Als Indikation für die stationäre Auf­ nahme gilt allgemein, daß Störungen diagno­ stiziert wurden (z.B. von Erziehungsbera­ tungsstellen, Kliniken, Jugendämtern usw.), die durch eine ambulante Behandlung nicht zu beheben sind, so daß eine stationäre Hilfe Gruppengespräch mit den jungen sinnvoll erscheint. Bei der Meinungsbildung und Entscheidung, ob eine Aufnahme in unsere Einrichtung angebracht ist, wirken mit: Kind, Eltern, Vertreter des Jugendamtes, Erzieher, Lehrer, Heilpädagogen und Psy­ chologen. Um die verschiedenen Hilfestellungen und das unterschiedliche pädagogische Vor­ gehen aller Mitarbeiter sinnvoll für das Kind zu nutzen, ist eine Koordination und Koope­ ration erforderlich. Diese Aufgabe fällt pri­ mär den Mitarbeitern in der heilpädagogi­ schen Abteilung zu. Das Zusammentragen der Verhaltensbeobachtungen, das Auswer­ ten der testdiagnostischen Befunde und die daraus resultierenden pädagogischen Nah­ und Fernziele sowie die Zielkontrolle erfolgt in enger Zusammenarbeit mit allen pädago­ gischen Mitarbeitern. Halbjährlich werden den zuständigen J ugendämtem schriftliche Berichte über den jeweiligen Entwicklungs­ stand des einzelnen Kindes zugeschickt. Außerdem haben wir eine ausgelagerte Wohngruppe in Denzlingen bei Freiburg, in der acht Jungen untergebracht sind, die alle 59

Wohnzimmer einer Wohngruppe Arten der öffentlichen Schulen besuchen, bzw. sich bereits in Ausbildung befinden. Seit November letzten Jahres praktizieren wir eine dritte Form heilpädagogischer Arbeit, nämlich eine „externe Gruppe“ oder, wie es im Fachjargon heißt, eine „Teilstatio­ näre Gruppe“. In dieser Gruppe befinden sich Kinder und Jugendliebe aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, die infolge familiä­ rer und/oder schulischer Schwierigkeiten nicht mehr in einer öffentlichen Schule beschult werden können. Diese Form der Hilfe bietet die Möglichkeit der schrittwei­ sen Resozialisierung, d. h. eine Überführung von der stationären zur teilstationären Hilfe­ form, um schließlich wieder die volle Rück­ gliederung ins Elternhaus und in die öffent­ liche Schule zu erreichen. Die Jungen werden morgens mit unserem heimeigenen Bus abgeholt und abends wie­ der zurückgebracht. Mit der Einrichtung die­ ser Gruppe betraten wir weitgehend pädago- 60 gisches Neuland. Die pädagogische Arbeit erweist sich als schwerer, als wir ursprünglich vermutet hatten. Insbesondere die Arbeit mit den Eltern, dem Umfeld, aus dem die Jungen stammen, ist sehr zeitaufwendig. Die bisherigen Erfolge mit den jungen Men­ schen dieser Gruppe und deren Eltern sind durchaus ermutigend, so daß wir diese Form der pädagogischen Arbeit weiter intensivie­ ren und ausbauen möchten, zumal sie auch kostengünstiger ist ( ca. die Hälfte des statio­ nären Pflegesatzes). Die pädagogische Arbeit in unserem Hause umfaßt die Kontaktaufnahme mit den Kindern bzw. Jugendlichen, deren Eltern und dem zuständigen Jugendamt bereits vor der Heimaufnahme, das Eruieren der Lebensgeschichte, das Entwickeln und individuellen Erzie­ Durchführen eines hungsplanes, die Zusammenarbeit mit allen (Schule, beteiligten Kräften Gruppe, heilpädagogische Abteilung), sowie nach Möglichkeit eine möglichst intensive Zusammenarbeit mit den Eltern, um eine im Hause

baldige Rückführung ins Elternhaus bzw. in die Herkunftsfamilie zu erreichen. Gegebe­ nenfalls bereiten wir, in Zusammenarbeit mit der Berufsberatung und den Eltern, die Jugendlichen auf ihren Beruf vor und suchen weiterführende schulische oder berufliche Möglichkeiten. Das Heim Mariahof ist kein Familiener­ satz, sondern wir verstehen unsere Arbeit als familienergänzende und unterstützende Maßnahme, was bedeutet, daß wir nach Möglichkeit eng mit den Eltern zusammen­ arbeiten, die Kinder in der Regel zu ihren Eltern beurlauben, sie zu uns ins Heim kom­ men, wir aber auch zu den Eltern hinfahren, um uns „vor Ort“ mit den Problemen der Herkunftsfamilie vertraut zu machen. Es hat sich gezeigt, daß die intensive pädagogische Arbeit hier im Heim und die Einbeziehung der Eltern Früchte trägt. Damit konnte, was statistisch belegbar ist, die Heimaufenthalts­ dauer verkürzt und die Erfolgsquote deut­ lich angehoben werden. Viele „Ehemalige“ besuchen uns regelmäßig oder sporadisch. Bei allen ist Dankbarkeit zu verspüren, die uns ermutigt, die oft mühevolle Hilfestel­ lung den „Außenseitern“ unserer Gesell­ schaft zu geben. Verfasser: Paul Zunftmeister, Heimleiter, in Gemeinschaft mit Dipl.-Psychologe Erhard A verbeck und Schulleiter Alois Bat­ sching. Familienerholungszentrum Katharinenhöhe Das Familien- und Erholungszentrum Katharinenhöhe der Arbeiterwohlfahrt liegt in 1070 m Höhe inmitten einer reizvollen Landschaft, umgeben von Tannenwäldern mit herrlichen Wander- und Spazierwegen genau zwischen Furtwangen und Schön­ wald. In der behindertengerecht gebauten Ein­ richtung finden in 3 Wohnhäusern mit ins­ gesamt 21 Appartements ca. 90 Personen Ruhe und Erholung. Diese Wohnhäuser mit den lang heruntergezogenen Dächern passen sich nicht nur der Landschaft harmonisch an, sie stehen auch im Einklang mit dem Altbau, dem alten Haupthaus, das den typischen Baustil eines Schwarzwaldhauses aufweist. Das Schwarzwaldhaus steht mit seinen SO Betten den Schulen und Jugendverbänden als Schulungs-, Ferien- und Erholungsstätte zur Verfügung. Geschichte der Katharinenhöhe: Als im Jahre 1912 der Berliner Arzt, Dr. Dahle, das Gelände kaufte, standen dort damals zwei kleine Bauernhäuser. Dr. Dahle konnte diese günstig erwerben, da die bishe- rigen Besitzer aus finanziellen Gründen gezwungen waren, Grundstück und Häuser zu verkaufen. Dr. Dahle erbaute im Stil eines Schwarzwaldhauses den heutigen Altbau und richtete eine TBC-Kinderheilstätte ein. Bedingt durch die vier Kriegsjahre des Ersten Weltkrieges und die Inflation 1923 war die Kinderheilstätte mit 13.000 DM Schulden behaftet und Dr. Dahle gezwungen, die Ein­ richtung zu verkaufen. Marie Juchacz, die erste Bundesvorsit­ zende der Arbeiterwohlfahrt, übergab 1926 die TBC-Heilstätte ihrer Bestimmung. Sie führte damals den Namen „Reichskinder­ heilstätte Schönwald Ludwig-Frank-Haus“. Damit ist die Katharinenhöhe eines der älte­ sten Häuser, das die Arbeiterwohlfahrt in der Bundesrepublik besitzt. Von 1926 bis Ende April 1933 waren insgesamt 1.603 Kinder zu einem Kurgang auf der Katharinenhöhe. Das Ludwig-Frank-Haus war das erste Kinderer­ holungsheim des Hauptausschusses der Arbeiterwohlfahrt unter ärztlicher Leitung. Im pflegerischen und pädagogischen Bereich waren Kinderkrankenschwestern mit einer Spezialisierung auf TBC-kranke und asth­ makranke Kinder eingesetzt. Nachdem 1933 die Arbeiterwohlfahrt ver­ boten wurde, übernahm die nationalsoziali- 61

stische Volkswohlfahrt die Katharinenhöhe und führte sie bis zum Kriegsende 1945 als NSV-Kinderheim. Ab Ende März 1945 wur­ den keine Kindererholungen mehr auf der Katharinenhöhe durchgeführt. Die Kathari­ nenhöhe war als Kommandozentrale der SS beschlagnahmt. Nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 wurde das ehemalige Kinderheim ausgeplündert. Im Juni 1945 bekam die Arbeiterwohlfahrt durch die Initiative des Ortsvereins Freiburg das Benutzungsrecht für die Katharinenhöhe zurück. Durch Ver­ handlungen mit der Stadt Furtwangen und der französischen Besatzungsmacht wurden die Voraussetzungen geschaffen, daß nach der Gründung der Arbeiterwohlfahrt, Be­ zirksverband Südbaden e. V., das Heim wie­ der in Betrieb genommen werden konnte. Am 5. Oktober 1946 konnte der erste Kur­ gang mit 46 Kindern durchgeführt werden. Bis Ende der 60er Jahre wurde das Haus als Erholungsheim weitergeführt. Da es den Anforderungen eines Kurheimes unter ärzt­ licher Leitung nicht mehr genügte und ent­ sprach, wurde es danach als Schullandheim 62 bis zum Beginn des Neubaus 1979 geführt. Der Neubau: Nachdem Mitte der 70er Jahre deutlich wurde, daß das traditionsreiche Kinderheim, das völlig veraltet war, so nicht weitergeführt werden konnte, entschieden sich die Verant­ wortlichen der Arbeiterwohlfahrt, Bezirks­ verband Baden e. V., nun „Nägel mit Köp­ fen“ zu machen und planten die Errichtung eines Familienerholungszentrums. Die Kon­ zeption sah vor, die Nebengebäude abzurei­ ßen und nur das Hauptgebäude zu belassen und in den neuen Gebäudekomplex zu inte­ grieren. So wurde eine Konzeption entwik­ kelt, die sich der Landschaft anpaßt und die nach längeren Verhandlungen auch die Zustimmung des Natur- und Landschafts­ schutzes fand. Die drei Appartementhäuser, der Gemeinschaftsbau und das alte Hauptge­ bäude sowie das Personalhaus sind um einen Innenhof gruppiert. Fast alle Gebäude haben Satteldach, das Flachdach des Gemein­ schaftshauses wird mit einer Rasenfläche begrünt. In 14 Zweizimmer-Appartements und 7 Einzelzimmer-Appartements finden

90 Feriengäste Platz. Im Gemeinschaftshaus befindet sich der große Speisesaal mit einem herrlichen Blick in das „Katzensteig“-Tal. Neben einer heimeligen Kaminecke, dem Fernseh- und Lesezimmer, dem Spielzim­ mer, Cafeteria und einer rustikalen Schwarz­ waldstube finden die Gäste der Katharinen­ höhe im Untergeschoß ein herrliches Schwimmbad, die Sauna und die med. Bäderabteilung. Außerdem steht den Gästen ein Gymnastikraum sowie eine Diskothek im Altbau zur Verfügung. Für die Kinder ist ein Kindergarten im Hause eingerichtet. Als 1978 der Architektenwettbewerb aus­ geschrieben wurde, ging die Arbeiterwohl­ fahrt von einem Kostenlimit in Höhe von 6,5 Millionen DM aus. Aufgrund verschiede­ ner Bauauflagen und Kostensteigerungen stiegen die Kosten des Gesamtkomplexes auf 10 Mio. DM. Dank der Zuschüsse durch die Aktion Sorgenkind, dem Land Baden­ Württemberg und der Bundeszuschüsse konnte die behindertengerecht gebaute Ein­ richtung am 6. 8.1982 den Betrieb aufneh­ men. Pädagogische Konzeption: Das Familien- und Erholungszentrum Katharinenhöhe ist Teil der familienpädago­ gischen Arbeit der Arbeiterwohlfahrt und ergänzt das Angebot an Einrichtungen und Maßnahmen für solche Familien, deren besondere Bedürfnisse nur unzureichend durch kommerzielle Angebote berücksich­ tigt wurden. Die Katharinenhöhe steht prin­ zipiell für alle Familien offen. Das Angebot umfaßt: Familienerholung für kinderreiche und sozialschwache Familien, Familienerholung für Familien mit behin­ derten Kindern bzw. mit behinderten Familienmitgliedern, S ozialthera peutische Mutter-Kind-Kuren, Familienbildungsseminare, Erholungsmaßnahmen mit Bewegungs­ therapie sowie familiennahe Kuren. Außerdem steht die Katharinenhöhe für Lehrgänge, Seminare und Schulungen allen Interessenten zur Verfügung. Die Aufenthaltsdauer bei Kuren und Familienerholung beträgt 3-4 Wochen. .. . . , .. r r 63

Im Einzelfall auch 6 Wochen. Die geographisch herrliche Lage und die Nähe zum heilklimatischen Kurort Schön­ wald sowie die Ausstattung des Hauses mit den entsprechenden Einrichtungen eines Kurheimes brachte es mit sich, daß das Haus von den Krankenkassen für ambulante und offene Badekuren anerkannt wurde. Ein besonderer Schwerpunkt des Hauses werden sozialtherapeutische Mutter-Kind­ Kuren sein. Zielgruppe dieses neuen Kuran­ gebotes sind alleinstehende bzw. alleinerzie­ hende oder in der Familie überforderte Müt­ ter. Die Katharinenhöhe reagiert damit auf die häufig zu beobachtenden psycho-somati­ schen Symptome dieser Zielgruppe, die oft­ mals vor dem Hintergrund einer allgemei­ nen Unzufriedenheit, mangelndem Selbst­ wertgefühl und Selbstvertrauen, Partner­ und Beziehungsproblemen sowie einer allge­ meinen Verunsicherung zu sehen sind. Im Rahmen eines sozialtherapeutischen Pro­ gramms soll nun versucht werden, diese Pro­ bleme in Gesprächsgruppen und Entspan­ nungstrainings anzugehen. Daneben werden themenspezifische Angebote über Bezie­ hungs-, Partnerschafts- und Suchtprobleme angeboten. In bestimmten Fällen besteht auch die Möglichkeit der Einzelberatung. Geleitet wird dieses pädagogisch-therapeu­ tische Programm von einem Dipl.-Psycholo­ gen und Dipl.-Sozialarbeiter. Für die Betreuung der Kinder steht im Haus ein Kindergarten mit einer ausgebilde­ ten Sozialpädagogin zur Verfügung, die neben der Kinderbetreuung ein Freizeit­ und Unterhaltungsprogramm anbietet. Die Kuren haben eine Verbesserung des körperlichen, sozialen und seelischen Wohl­ befindens zum Ziel, was durch das oben erwähnte Angebot einerseits, wie durch das Freizeitangebot und die Atmosphäre im Hause im Rahmen einer modernen Gastro­ nomie andererseits sowie durch Ruhe und Erholung erreicht werden soll. Die Belegung in den ersten zehn Monaten hat gezeigt, daß die Katharinenhöhe trotz des Rückganges im gesamten Kurwesen eine gute Belegung aufweisen kann. Erfreulich dabei ist, daß das Haus immer mehr auch von Behinderten-Gruppen belegt wird, die es sichtlich genießen, hier eine Einrichtung mit Hotelcharakter vorzufinden, in der sich auch behinderte Menschen wohlfühlen können. Ruhe und Erholung, eine moderne Gastronomie sowie das oben erwähnte Betreuungs- und Behandlungsprogramm tragen wesentlich zum Kurerfolg bei. Fernab von Verkehrslärm und städtischer Betrieb­ samkeit bietet hier die Arbeiterwohlfahrt somit optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kur. Roland Wehrle Die Kimerstube im Furtwanger Altenheim Mit dem Furtwanger Altenheim ( siehe „Almanach 83“, S. 67 ff.) konnte im Februar 1982 auch die Kirnerstube ihren fünften Geburtstag feiern. Sie hat sich seitdem als Begegnungsstätte in vielfacher Weise be­ währt. Sie ist ein kostbares Schmuckkästchen und eine heimatliche Sehenswürdigkeit ge­ worden, die als Heimatstube die Kenntnis und Liebe zur Heimat vertieft. Hier treffen sich die Heimbewohner mit ihren Besuchern aus der Stadt und aus der Nachbarschaft, so 64 daß die Gefahr der Isolierung im Altenheim vermieden wird. Der Raum ist zu einer echten Schwarzwäl­ der Bauernstube geworden, mit Herrgotts­ winkel, mit einer Ofenbank und einem Kachelofen, den ein Fries von Kacheln mit eingebrannten Bildern von Furtwanger Bauernhöfen schmückt. Der heimische Künstler Ernst Ganter,Jahrgang 1903, hat sie mit viel Liebe, Kunstverstand und Heimat­ kenntnis festgehalten. Auf Regalen und auf

Das ehemalige Schuhpeter-Hüsli, das Geburtshaus von Johann Baptist Kirner (nach einem Gemälde des Malers) in Furtwangen. Archiv: Diemer. Wandbrettern ist alter Schwarzwälder Haus­ rat gesammelt, gestiftet und zu besinnlichem Beschauen aufgestellt. Warum aber Kimerstube? Sie soll, wie auch die Kirnerstraße, die Erinnerung an die beiden berühmten Malerbrüder Johann Bap­ tist und Lukas Kimer bei der Jugend durch einige ihrer Werke, die die beiden Künstler, im Heimatboden wurzelnd, im letzten Jahr­ hundert geschaffen haben, wachhalten. Ihr Geburtshaus war das alte „Schuhpeter­ Haus“, das unterhalb des Altenheims stand (siehe Bild) und das auch jetzt noch nach dem großen Brand vom 23. Juni 1857 im Volksmund diesen Namen trägt. Lukas Kimer(1794 bis 1851) zählte zu den begehrtesten Porträtmalem des Schwarzwal­ des. In der Kraft der Charakteristik und in der Eindringlichkeit der Seelenschilderung ist er unübertroffen, wie die in der Stube dar­ gebotenen beiden Porträts des letzten Bühl­ hofbauem Johann Michael aus dem weit ver­ breiteten alten Schwarzwälder Geschlecht der Fehrenbach und seiner Frau Anastasia Ganter beweisen. Der eigentliche Genremaler des Schwarz­ waldes wurde sein Bruder Johann Baptist Kirner, geboren 1806, gestorben 1866 in der oberen Mühle am Marktplatz. Seine Büste ist an der Friedhofskapelle angebracht worden, wo er als „Großherzoglich badischer Hofma­ ler“ verewigt ist. Er besuchte die Akademie der bildenden Künste in München und kehrte nach längeren Aufenthalten in der Schweiz und in Italien in die Schwarzwald­ heimat zurück. Sein an einer anderen Wand aufgehängtes Bild „Spielende Kinder“ zeigt eine außerordentliche Frische und lebendige Auffassung des italienischen Volkslebens. Er ist der erste Schwarzwälder Künstler, der sich nicht verloren, sondern seine eigene Ent­ wicklung gefunden hat. So sind seine Bilder in den bedeutendsten Kunstgalerien Deutschlands zu finden. Aber auch andere Schwarzwälder Maler haben in der Kirnerstube einen Platz gefun- 65

den, so Johann Baptist Laule aus Schönen­ bach, der Uhrenschildmaler und erster Lehr­ meister in diesem Fach von Hans Thoma war, ferner Emil Bauer aus Gütenbach und Emanuel Hummel aus Furtwangen. Auch ihre Bilder sind echte und liebenswerte Volkskunst. So ist die Kirnerstube ein echtes Stück wirklicher Schwarzwaldheimat. Alfons Diemer Erweiterung mit allem Komfort Dr. Scheffels Waldsanatorium/Kurklinik Irma in Bad Dürrheim vergrößert Dem Neubau in der Ortsmitte Bad Dürr­ heims galt schon während der Bauzeit große Neugier. Eine Fülle architektonischer Ein­ fälle macht heute den Erweiterungsbau von „Dr. Scheffels Waldsanatorium/Kurklinik lrma“ zum repräsentativen Blickpunkt in der Stadtmitte am Schnittpunkt der Bahn­ hofs- und Friedrichstraße. Mit dem neuen Komplex, der mit den bestehenden Gebäu­ den direkt verbunden ist, wurde eine beträchtliche Steigerung von Komfort und ergänzendem Angebot für die Gäste verbun­ den. Die Bettenzahl erhöhte sich um 26 auf 107. Alice Scheffel realisierte die Erweiterung in vierzehnmonatiger Bauzeit mit Mut und Konsequenz. Vor allem waren ihr der rei­ bungslose funktionelle Ablauf durch eine optimale Grundrißgestaltung gleicherma­ ßen wichtig wie der Wunsch nach gestalteri­ scher Harmonie, der in allen Bereichen des Hauses bis in die Details zum Ausdruck Mit einer Fülle gestalterischer Einfälle außen und komfortablem Innenleben: Im Vordergrund der Erweiterungsbau von Dr. Scheffels Waldsanato­ rium/Kurklinik lrma im Zentrum Bad Dürr­ heims. 66

kommt. Eine Atmosphäre von Wärme und Behaglichkeit wird durch ein kompromißlos umgesetztes Zusammenspiel von Material, Design und Farben erreicht. Die Hauschronik beginnt 1910. In diesem Jahr wurde an der Hofstraße das Hotel ,,Irma“ als Dependance des Hotels „Sonne“ eröffnet. 1955 ließ sich Dr. Ludwig Scheffel als Arzt in Bad Dürrheim nieder, zunächst mit der Verfügung über Belegbetten. 1966 erreichte er den ersten Zielpunkt den er sich mit seiner Frau Alice zusammen gesteckt hatte: Dem Kauf des Sanatoriums „Irma“ folgte wenig später die Eröffnung des „ Wald­ sanatoriums Irma“ mit 52 Betten. Die Familie Zeilfelder, in deren Besitz das Haus „Irma“ ab 1956 war, hatte es vom Hotel zum Sanatorium umgewandelt. Die weiteren Stufen wurden langfristig geplant und in Etappen realisiert: – 1970 wurde dem Haus, das über eine eigene Sole-Zuleitung verfügt, eine groß­ zügige Bäderabteilung angegliedert. – 1973/74 kam es mit dem Südanbau zu einer Erweiterung um 24 Betten. – 1974/75 wurde das Dachgeschoß durch ein Penthouse ersetzt. – 1975 wurde den zunehmenden Gästewün­ schen nach besonderer Ausstattung ent­ sprochen – sämtliche Zimmer mit insge­ samt 82 Betten erhielten eine eigene ,,Naßzelle“. 1978 verunglückte Dr. Ludwig Scheffel, in der Freizeit ein begeisterter Privatflugzeug­ führer, tödlich während eines flugsportli­ chen Wettbewerbs. Alice Scheffel, seither Alleininhaberin und Geschäftsführerin, investierte alle Kraft und Zähigkeit in den Erhalt und weiteren Ausbau des Betriebs. Leitender Arzt von Dr. Scheffels Waldsanatorium/Kurklinik Irma ist seit mehreren Jahren der Internist Dr. G. H. Herbert Mahr. Die medizinische Abtei­ lung umfaßt alle gängigen Untersuchungs­ methoden bis zum großen klinischen Labor. 1980 erwarb Alice Scheffel das traditions­ reiche Gasthaus „Sonne“, dessen bauliche Substanz eine Sanierung nicht mehr recht- fertigte. Parallel zum Abbruch begann die Planung des neuen Trakts, der mit einer Nutzfläche von 1187 Qyadratmetern eine Verdoppelung der bisherigen Fläche bedeu­ tete. Der Neubau, im September 1981 begon­ nen, wurde am 15. Oktober 1982 bezugsfer­ tig. Gleichzeitig wurden die bestehenden Gebäudeteile in geringerem Umfang ver­ ändert und angepaßt. Unter anderem erfolgte die Verlegung des Haupteingangs von der Hofstraße in den Neubau. Der Neubau enthält im Vorderbereich sei­ nes Erdgeschosses neben einer großzügigen Eingangshalle mit gemütlichen Sitzgruppen und dem Empfang eine hübsche Weinstube. Neu im Untergeschoß sind ein Billardraum, eine Kegelbahn, ein Extrazimmer für Rau­ cher. Der Neubau enthält außerdem neben den Verwaltungsräumen eine Mediothek, variable Fernseh-, Film- und Vortragsräume sowie eine Turnhalle mit Spezialteppichbo­ den und sichtbarer Holzkonstruktion. Die medizinische Abteilung wurde im Zuge des Um- und Neubaues erheblich vergrößert. Im wesentlichen unverändert blieben die um­ fangreiche Bäderabteilung, das Schwimm­ bad und die drei Speiseräume, in denen die Gäste individuell versorgt werden. Dank des rationellen Ablaufs blieb es trotz der Erweiterung bei einem Personal­ stand von 45 Mitarbeitern, darunter zwei Ärzte. Die Gymnastiklehrerin ist gleichzeitig für ein sportlich-unterhaltendes Rahmen­ programm zuständig: Zum regelmäßigen Angebot zählen Wanderungen, Rad- und Langlauftouren sowie wöchentliche Tanz­ abende. Das Grundstück des Waldsanatoriums, parkähnlich neu angelegt, verbindet sich ohne Zaun und ohne merkliche Trennung mit dem Kutpark. Auch in die Bepflanzung wurde erheblich investiert, unter anderem in drei größere Bäume. Alice Scheffel belegt ihr Haus zu rund 40 Prozent mit privaten Gästen, 60 Prozent der Betten werden von der Landesversicherungsanstalt Baden und sonstigen Kassen belegt. Rosemarie v. Strombeck 67

Die Kurklinik am Germanswald in Villingen In der langen Geschichte Villingens als Kurort – später Kneippkurort – stellt die Errichtung der Kurklinik den Höhepunkt dar. Die Kureinrichtungen lagen darnieder, die Übernachtungszahlen waren erschrek­ kend zurückgegangen aus Gründen, die ver­ meidbar gewesen wären, die aber nicht berücksichtigt wurden. Der damalige Bürger­ meister Dr. Volker Lindner und der Villinger Arzt Dr. Hubert Meixner, Arzt für Natur­ heilverfahren, waren sich darüber einig, daß die Anerkennung als Kneippkurort für Vil­ lingen gerettet werden mußte, und daß der Kurbetrieb am besten angekurbelt werden konnte, wenn ein klinisches Zentrum geschaffen werden konnte, also eine Kurkli­ nik, die mit modernen diagnostischen und therapeutischen Einrichtungen ausgestattet, die Möglichkeit gibt, eine individuelle Ganz­ heitstherapie mit den Mitteln der Naturheil­ kunde zu schaffen. Die Realisation dieser Überlegungen gelang. Eine GmbH und Co. KG wurde unter Beteiligung interessierter Persönlich­ keiten und der Villinger Kur- und Bad GmbH gegründet, die das bisherige Kneipp­ sanatorium am Germanswald erwarb und es im Innern vollkommen umgestaltete, erwei­ terte und modernisierte. Die Bettentrakte enthalten Einzelzim­ mer, Doppelzimmer und Appartements mit dem Komfort eines 1.-Klasse-Hotels. Speise­ saal und Aufenthaltsräume atmen erlesenen Geschmack und Bequemlichkeit. Die mo­ derne Badeabteilung hat alle Einrichtungen für umfassende physikalische Therapiemaß­ nahmen, dazu kommen noch eine Sauna und ein Hallenbad. Die biologische Ganzheitstherapie be­ dient sich der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse der Naturheilkunde. So kom­ men u. a. zum Einsatz: Phytotherapie, Neu­ raltherapie, Homöopathie, Kneipp’sche Hydrotherapie mit allen Anwendungen, Bal­ neotherapie, Katalytische Sauerstoffbehand­ lung, Sauerstoffmehrschritt-Therapie nach 68

Prof. von Ardenne, Heilfasten, Fußreflexzo­ nenmassage, Bindegewebemassage, Heil­ gymnastik, spezielle Therapie bei Zucker­ krankheit. Basis der genannten Therapiemöglichkei­ ten, die entsprechend dem Untersuchungs­ befund individuell – nicht schematisch – zur Anwendung kommen, ist die biologische wohlschmeckende Vollwertkost nach Prof. Werner Kollath. Sie besteht aus Vollkorn­ und Sojagerichten, Vollkornbrot- und Bröt­ chen, Obst, grünen Salaten und Gemüsen aus biologischem Anbau. Auch diese Ernäh­ rung ist wohlschmeckend, das wird durch den Chefkoch mit seiner delikaten und abwechslungsreichen Küche täglich bewie­ sen. Die Kurklinik am Germanswald hat 124 Betten in 68 Zimmern. Alle Zimmer haben Dusche oder Bad und WC, Telefon und Radio. Altes Haus in Peterzell Die Kurklinik beschäftigt 35 Mitarbeiter, darunter 2 Ärzte, 4 Krankenschwestern, 3 Bademeister und Masseure, 1 Krankengym­ nast, 4 Fachkräfte für Labor und Assistenz bei Diagnostik und Therapie. An diagnosti­ schen Einrichtungen stehen zur Verfügung: modernes klinisches Labor, EKG, Ergometri, Langzeit-EKG, Gastroskopie, Rektoskopie, abdominelle Sonographie und Ultraschall­ Gefäßdopplersonographie. Am 1. April 1981 wurde die Kurklinik am Germanswald eröffnet, sie arbeitet also nun im Beginn des dritten Jahres und zeigt stei­ gende Patientenzahlen. Besonders erfreulich ist, daß die Patienten, die sich wieder zur Behandlung hier einfinden und die aufEmp­ fehlung hierher kommen, dauernd zuneh­ men und nun 40% der Belegung darstellen. Clemens Schneider Zeichnung: Klaus Burk 69

Archäologie, Geschichte, Wirtschaftsgeschichte Die Ausgrabungen im Eggwald 1981/82 Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 70

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Die Ausgrabungen im Eggwald 1981/82 Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. Drei runde Jubiläen Die &ühesten Nennungen Hüfingens, Sumpfohrens und der Stadtpfarrei Hüfingen Nicht weniger als 1100 Jahre sind vergan­ gen, seit der Hüfinger Stadtteil Sumpfohren erstmals in einer erhaltenen Urkunde ge­ nannt ist, 900 Jahre seit der ersten Erwäh­ nung Hüfingens, sowie 700 Jahre seit der frü­ hesten Nennung der Stadtpfarrei Hüfingen. Es sind stolze Jubiläen, die 1983 im Baar­ städtchen Hüfingen an der Breg begangen werden konnten. Bei näherem Zusehen zeigt es sich, daß die Ursprünge der zu feiernden Gemeinde noch viel weiter in die Geschichte zurückreichen. Das trifft auch für die genannten Hüfinger Gedenktage zu. 1. Die Grabungen, die während der beiden letzten Jahrzehnte rund um Hüfingen durchgeführt wurden, brachten, obwohl die endgültigen Auswertungen noch nicht vor­ liegen, so bedeutende Erkenntnisse, daß sich für die frühe Geschichte Hüfingens wesent­ liche Korrekturen ergaben. Seit der Spätlate- 75

nezeit und damit seit den letzten vorchristli­ chen Jahrhunderten läßt sich um Hüfingen eine durchgehende Besiedlung annehmen. Die damaligen Siedler, die den keltischen Helvetiern zuzuordnen sind, hatten sich im Mühlöschle und auf dem Galgenberg nieder­ gelassen. Die Kelten waren es wohl auch, die ihrer Niederlassung an der Breg den Namen Brigobanne gaben. Als die Römer in den Jahren zwischen 40 und 74 n. Chr. auf dem Galgenberg mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Kastellanlagen errichteten, übernahmen sie den keltischen Namen. Brigobanne, eine Station des Limes, ist auch auf der PeutingerTafel zu finden, die die Straßen und die an ihnen liegenden Sta­ tionen des römischen Reiches zeigt. Schon seit Jahrhunderten sind die Reste des Römer­ bades bekannt, das in unmittelbarer Nähe des Kastells errichtet war und auch den Bewohnern der Zivilsiedlung offenstand. Diese entwickelte sich vom Canabae, einem Lagerdorf, zum Vicus, zum Straßendorf, das auch fortbestand, als das Kastell auf dem Gal­ genberg durch die Verschiebung der Grenze nordwärts überflüssig geworden war. Schon vor dem Ausbruch des II. Weltkrieges war im Deggenreuschen Wald eine Villa rustica, ein römischer Gutshof, der bis zum Beginn der Landnahme durch die Alemannen nach dem Jahr 260 bewohnt blieb, entdeckt und die Reste frei gelegt worden. Die einziehenden Alemannen übernah­ men in der Regel die Feldfluren um die Guts­ höfe und um die Straßensiedlungen. Als Ein­ zelgehöfte oder Weiler gründeten die Ale­ mannen ihre Siedlungen, die an der Endung, „ingen“ erkenntlich sind. Sie bedeutet „bei den Angehörigen des“ oder auch „bei den Nachkommen des“ und bezieht sich auf den Gründer der Siedlung, der in Hüfingen Hufo oder Hugfried hieß. Ob Hüfingen tatsächlich aus drei Gehöf­ ten zusammengewachsen ist, wie die Sage wissen will, ist wenigstens für die Grün­ dungszeit nicht nachweisbar. Immerhin hat Hüfingen in seinem Weichbild nicht weni­ ger als vier Fundstätten mit alemannischen 76 Reihengräbern aufzuweisen. Aufsehen erreg­ ten die Funde aus dem Reihengräberfeld Auf Hohen, von dem nicht weniger als 394 Grä­ ber aus dem 5. und 6. Jahrhundert mit rei­ chen Beigaben geborgen werden konnten, und aus dem Reitergrab des Sonderfriedho­ fes an der Gierhalde. Mehrfach beschrieben und vorgestellt, lassen die zahlreichen kost­ baren Gewandschließen und Anhänger eben­ so auf einheimische Werkstätten schließen, wie die seltenen Glaswaren auf Fernhandel hinweisen.Wenigstens zwei adelige Familien waren damals in nächster Nähe seßhaft, wie mehrere Frauengräber Auf Hohen und das Reitergrab an der Gierhalde beweisen. Das alles läßt mit G. Fingerlin (1) annehmen, daß Hüfingen schon in merowingischer Zeit wie während der Römerzeit überörtliche fiska­ lische, administrative und militärische Funk­ tionen zukamen. Wie lange die herausragende Stellung Hüfingens erhalten blieb, ist uns bis auf den heutigen Tag verborgen. Die Belegungs­ dauer, die starke Belegung der Hüfinger Grabplätze und die herausragende StelJung mehrerer der Bestatteten lassen erwarten, daß Hüfingen unter den Siedlungen auf der Baar zu finden sein würde, die am frühesten aus dem Dunkel der Frühgeschichte auf­ tauchten und in den ersten Urkunden ge­ nannt sind. Das ist jedoch nicht der Fall, denn unter den 55 Gemeinden des einstigen Landkreises Donaueschingen werden nach Karl Wacker (2) 33 früher genannt als Hüfin­ gen, so Heidenhofen schon 719, Pfohren 817, Sumpfohren 883, Behla 890 und Hausen vor Wald ebenfalls 790, aber Hüfingen als Sied­ lung erst 1236, als Teil eines Familiennamens 1083. Es scheint, als sei Hüfingen nach der ihm zugekommenen Bedeutung zu lange ungenannt geblieben. Welches sind die Gründe dafür? Gewichtige Gründe sprechen dafür, daß Hüfingen Sitz alemannischer Herzogsgewalt war. (3) Der Bedeutungsverlust Hüfingens mag mit dem Tag von Cannstatt im Jahre 746 zusammenhängen, dem der größte Teil der alemannischen Großen zum Opfer fiel.

Stadtansicht im Jahr 1682, nach dem Ölbild von Martin Menrad gemalt Eine Folge jenes Tages waren umfangreiche Güterkonfiskationen. Diese Güter wurden als Königsgüter dem Frankenkönig unter­ stellt. (4) Zwar lassen sich solche Königsgüter rund um Hüfingen belegen, aber für Hüfin­ gen selber nicht nachweisen. An der Stelle Hüfingens stieg Auf Hof bei Neudingen als Mittelpunkt der Baar auf. Dort urkundete der spätere Kaiser Karl der Dicke (876-887) als Prinz, und dort lebte er auch nach seiner Absetzung bis zu seinem gewaltsamen Ende. Bis in das Jahr 1083 dauerte es danach, bis Hüfingen wieder faßbar wird. Aus jenem Jahr datiert eine Gütertausch- und -verga­ bungsurkunde für das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen. Unter den Zeugen, die das Rechtsgeschäft beurkundeten, befand sich auch H u c d e H i u v i n g a . Zusammen mit Adalbero von Hüfingen testierte Huc oder Hugo von Hüfingen im Jahre 1100 ein weite­ res Mal eine Güterübertragung an das gleiche Kloster, aber neben diesen beiden Mitglie- dem des Geschlechtes derer von Hüfingen sind lediglich noch ein Johannes und ein Konrad von Hüfingen von dem sich nach Hüfingen nennenden, in Hüfingen ansäßi­ gen Geschlecht, das in der Osthaar begütert war, aus dem Seelbuch des Klosters Amten­ hausen zu belegen. Es ist nicht abwegig, anzunehmen, daß es sich um das Geschlecht handelte, das der alemannischen Landnah­ mesiedlung Hüfingen den Namen gab, denn es war üblich, daß die Enkel die Vornamen ihrer Großväter erhielten und Hugo und Hufo sind gleichermaßen Koseformen des Namens Hugfried. (5) Während der Name Hüfingen in den bei­ den Vergabeurkunden aus den Jahren 1083 und 1100 als Familienname in die Geschichte eintrat, ist Hüfingen am 6. März 1236 erst­ mals in aller Form urkundlich als Dorf genannt. Die Nennung ist in einer Bestäti­ gungsurkunde des Papstes Gregor IX. (1227- 1241) zu finden. In ihr, in Viterbo ausgestellt, wird dem Kloster St. Märgen der Besitz der 77

Dörfer Hüfingen und Waltershofen, einem Stadtteil von Freiburg, mit allem, was zu die­ sen Dörfern gehörte, bestätigt. Zu diesem Klosterbesitz St. Märgens zählte auch beträchtlicher Grundbesitz. Damit ist Hüfin­ gen zum wichtigsten Besitz des Klosters zu rechnen. Es spricht alles dafür, daß die Augustiner­ chorherren im Schwarzwaldkloster über die Edelherren von Hüfingen in den Besitz Hüfingens kamen. Wenn dies zutrifft, kann Hüfingen nicht in die Hände der Herren von Zähringen übergegangen sein, denn das Klo­ ster St. Märgen stellte eine Gegengründung der Grafen von Hohenberg gegen das Zäh­ ringer Hauskloster St. Peter dar. Ebenso wenig wie über den Übergang Hüfingens an St. Märgen sind wir über die Geschehnisse informiert, die das Schwarz­ waldkloster zur Aufgabe veranlaßten. Daß Papst Gregor IX. schon 1239, also nur drei Jahre nach der ersten Bestätigung, St. Märgen den Besitz Hüfingens ein zweites Mal bestä­ tigte, kann als Zeichen von Bedrängnis gese­ hen werden. Im Jahrzehnt nach der letzten Bestätigung schon mag Hüfingen an die Her­ ren von Blumberg übergegangen sein, denn am 9. April 1274 bestätigte Rudolf von Habs­ burg (1275-1291) dem Johannes von Blum­ berg seine Marktrechte in Hüfingen. (6) Die Herren von Blumberg bauten ihren Marktort an der Breg zielstrebig zu einer Stadt aus, machten sie zum Mittelpunkt ihrer Herrschaft in der Südwesthaar und hatten im unteren Schloß als Stadtherren ihren Sitz, bis die Stadt im Jahre 1382 durch Vererbung an die Herren von Sehellenberg überging, die Hüfingen nahezu zweieinhalb Jahrhunderte innehatten, die Stadt dann aber 1620 an das Haus Fürstenberg verkaufen mußten. II. So wie das Dorf Hüfingen wohl von den Edelfreien von Hüfingen an das Chorher­ renstift der Augustiner in St. Märgen kam, so kam auch die Pfarrei an das Schwarzwaldklo­ ster. Die älteste der St. Märgener Urkunden, die sich auf Hüfingen beziehen, gesteht dem 78 Schwarzwaldkloster das Recht zu, die Pfarrei Hüfingen mit Kanonikern des Klosters besetzen zu dürfen. Diese Urkunde wurde von Bischof Hermann II. von Konstanz aus­ gestellt. Sie kann frühestens im Jahre 1183 ausgefertigt worden sein, denn Hermann II. hatte den Konstanzer Bischofsstuhl in den Jahren 1183 bis 1189 inne. Mit diesem in der Urkunde genannten Besetzungsrecht könnte die Eingliederung (Inkorporation) des Hüfinger Pfarrvermö­ gens in das Kloster St. Märgen verbunden gewesen sein, denn von diesem Zeitpunkt an ging das Hüfinger Pfarreinkommen an St. Märgen und nicht mehr an einen W eltgeistli­ chen. (7) Eine förmliche Inkorporationsur­ kunde ist uns nicht überliefert. Die Kirche von Hüfingen ist vermutlich eine Gründung der Edlen von Hüfingen und stellt damit eine Eigenkirche dar. (8) Zu den Kuraten, die als Leutpriester von St. Märgen nach Hüfingen entsandt wurden, befand sich auch jener unglückliche Berthold Schultheiß von Hüfingen, der im Herbst 1368 Propst von Allerheiligen in Freiburg wurde, das mit St. Märgen verbunden war, und am 5. Sep­ tember 1385 im Stift ermordet wurde. Das Patronatsrecht, das 1292 erstmals als eindeu­ tig St. Märgen zugehörig genannt ist, war 1408 noch nachweisbar in Klosterbesitz, aber 1465 an die Herren von Sehellenberg überge­ gangen. Als im jenem Jahre die Frühmesse in Hüfingen gestiftet wurde, war die Zustim­ mung von Abt und Konvent nicht mehr not­ wendig. Bis heute gilt die einstige Zugehörigkeit der Pfarrei Hüfingen zur „Urpfarrei“ St. Remigius in Bräunlingen als erwiesen. Diese Abhängigkeit wird mit der Tatsache erklärt, daß einst 27 Hüfinger Haushaltungen nach Bräunlingen eingepfarrt waren. Die Annahme von der Zugehörigkeit Hüfingens zur Mut­ terpfarrei Bräunlingen ist jedoch unverein­ bar mit dem Bestehen einer Eigenkirche in Hüfingen. Diese teilweise Zuordnung Hüfinger Familien dürfte vielmehr im Zusammen­ hang mit der Gründung der Stadt Hüfingen

stehen. Schon Luzian Reich (8) berichtet, daß Hüfingen aus drei Urhöfen zusammen­ gewachsen sei. Tatsächlich scheinen auf der Gemarkung Hüfingen ehedem die längst abgegangenen Siedlungen Stetten und Ried­ hausen bestanden zu haben. Während Stet­ ten zwischen Hüfingen und Bräunlingen zu suchen ist, lag Riedhausen zwischen Hüfin­ gen, Behla und Sumpfohren. Eine oder auch beide Siedlungen sind schon sehr früh „wüst“ geworden, denn viel mehr als die Siedlungsnamen erinnern nicht mehr an sie. Ähnlich wie bei der Gründung der Stadt Für­ stenberg, (9) die nur wenige Jahre vor derjeni­ gen Hüfingens lag, mögen die Bewohner bei­ der Flecken in die Stadt an der Breg gezogen und deren erste Bürger geworden sein, zumal noch lange Zeit zwischen Hüfingen Dorf und Stadt unterschieden wurde. Die Bewoh­ ner beider Flecken könnten die 27 Haushal­ tungen ausgemacht haben, die auch nach der Übersiedlung hinter die schützenden Mauem Hüfingens der Pfarrei Bräunlingen zugeordnet blieben wie die Fürstenberger der Pfarrei Hondingen. Alter Stadtturm und Haus mit Treppengiebel aus der Vorkriegszeit Die Versuchung, der zuständigen entlege­ nen Pfarrkirche in Bräunlingen die nahe Hüfinger Kirche vorzuziehen, lag für die Bräunlinger Pfarrkinder in Hüfingen nahe. Sie widerstanden der Versuchung sicher nicht lange. Die Folge waren Unstimmigkei­ ten zwischen dem Bräunlinger Pfarrherrn und seinen Hüfinger Pfarrkindern, weil er sich zu unrecht in seinem Einkommen geschädigt fühlte. Als aber die Hüfinger die Sakramente fast ausschließlich in Hüfingen empfingen, ihre Toten auf dem Hüfinger Gottesacker beerdigten, die Stolgebühren dem dortigen Pfarrer bezahlten und auch den Kleinzehnt immer nachlässiger lieferten, drang der Bräunlinger Pfarrer auf Abhilfe. Ein Schiedsgericht fällte am 28. Novem­ ber 1540 zwar einen Spruch, der auch die All­ in mendshof er einschloß, die ebenfalls Bräunlingen eingepfarrt waren, aber es war für die betroffenen Gläubigen nicht einzuse­ hen, warum sie ihre Toten von Hüfingen und Allmendshofen zuerst vor das Bräunlinger Pfarrhaus bringen sollten, bevor sie diese auf dem heimischen Friedhof beerdigen kann- 79

ten, wie es der Spruch u. a. verlangte. Daß die­ ser Schiedsspruch nicht von Dauer sein konnte, war also vorauszusehen. Es verwun­ dert aber, daß noch nahezu zwei Jahrhun­ derte vergehen mußten, bis die Trennung am 28. August 1529 endgültig stattfand. Auf Bit­ ten der Hüfinger Stadtherren, der Brüder Hans des Älteren und Burkards von Sehel­ lenberg, suchte Abt Markus von Reichenau beim Bischof von Konstanz um die Zuwei­ sung der 27 Herdstätten zur Pfarrei Hüfin­ gen nach. Dabei wurde auf die beschwerli­ chen Wege bei Krankheit, für Schwangere und alte Leute, auf die Unbill der Witterung, die Überschwemmungen der Breg zwischen beiden Städten und die bei Nacht geschlosse­ nen Stadttore, die besonders während Kriegszeiten nachts nur sehr ungern geöffnet würden, hingewiesen.III. Genau 200 Jahre früher als Hüfingen läßt sich Sumpfohren im Jahre 883 erstmals urkundlich belegen. Damit zählte der jetzige Hüfinger Stadtteil zu den sehr früh genann­ ten Siedlungen in der Baar. Der unglückliche Karolingerkaiser Karl III. (876-887) tauschte am 14. Februar des genannten Jahres 883 eine Hufe in Güttingen bei Konstanz mit dem Kloster St. Gallen, dem damals Abt Hartmut vorstand, und erhielt dafür eine gleiche Hufe mit allem Zubehör in Sumpfohren. In Sumpfohren war damals noch anderes Königsgut vorhanden. In der Regel wurden die Königsgüter von Königszinsem bewirt­ schaftet. Sie hatten Kriegs- und Wachdienste zu leisten und Abgaben zu entrichten, waren aber freie Leute. (10) In diesem Zusammenhang mag von Bedeutung sein, daß in Sumpfohren der frü­ heste bekannte Gerichtsplatz des Landge­ richts der Baar zu finden ist. Ein Zehnt im Hüfinger Bann war zwischen Berchtold Leder von Möhringen und Fritsch von Rie­ dern (bei Bonndorf) strittig geworden. Auf die Bitte beider Parteien hin gestattete ihnen der Graf Heinrich von Fürstenberg einen offenen Tag in seinem Dorf „Sumpforren“. 80 Er saß zwar zeitweise selbst zu Gericht, hatte aber Conrad Stocker, den Schultheißen auf Fürstenberg und Vogt von Sumpfohren, samt den freien Richtern der Stadt Fürsten­ berg eingesetzt, das Recht zu finden. Die Richter fällten ihren Spruch am 5. Februar des Jahres 1357, aber nach dieser Zeit taucht der Sumpfohrener Gerichtsplatz nicht mehr auf. Jetzt tagte das Landgericht vorwiegend im Schächer unter Fürstenberg und vor den Toren der Stadt Geisingen. (11) Im Urteilbrief des Jahres 1357 spricht Graf Heinrich von Fürstenberg von Sumpfohren als seinem Dorf, und ohne Zweifel zählt Sumpfohren zum zähringischen und frühen fürstenbergischen Besitz in der Baar. Sied­ lung und Gemarkung waren von bescheide­ ner Größe. Als im 13. Jahrhundert die herr­ schaftliche Gemarkung Fürstenberg ent­ stand, reichten Neudinger Nutzungsrechte an der Nordgrenze der Gemarkung Sump­ fohren bis an die Grenze der Gemarkung Behla. In der Folgezeit bildete Sumpfohren zusammen mit den Gemeinden Neudingen, Hondingen, Riedböhringen und der Stadt Fürstenberg eine Gruppe von Gemeinden mit teilweise gegenseitigen Rechten und Pflichten. In Kriegs- und Notzeiten stand den genannten Gemeinden das Recht zu, sich und ihre Habe hinter die schützenden Mauern der Bergfeste retten zu dürfen. Dafür aber hatten sie in der Fron Sand, Steine und Kalk zur Unterhaltung von Burg und Stadtbefestigung herbeizuführen. (12) Bei Vergehen gegen Gesetz und Ordnung durf­ ten die Bewohner der vier Orte nur in das Gefängnis der Stadt eingeliefert werden, aus­ genommen waren jedoch die malefizischen Händel. Zur Besoldung des Stadtknechtes hatten die Bewohner der vier Orte je Hausbe­ sitzer eine Garbe zu geben. Sumpfohren dürfte zu Beginn der kirchli­ chen Entwicklung nach Bräunlingen einge­ pfarrt gewesen sein. Als sich Donaueschin­ gen von der Pfarrei Bräunlingen trennte, wurde Sumpfohren eine Filiale dieser neuen Pfarrei und blieb mit ihr bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts verbunden.

Deutlich ist die alte Stadtanlage Hüfingens auf dieser Luftaufnahme aus dem Jahre 1939 zu erkennen Der wohl aus Fürstenberg stammende Leutpriester Johannes Rötenbacher und die Maier zu Sumpfohren stifteten und dotier­ ten am 8. Juli 1493 (13) mit Bewilligung des Abtes Martin und dem Kapitel des Gottes­ hauses Reichenau und dem Donaueschinger Kirchherrn in der Kirche zu Sumpfohren eine ewige Messe und Pfründe. Schon damals war das Gotteshaus der Gottesmut­ ter, der hl. Agatha und dem hl. Silvester geweiht. Die Sumpfohrener Maier stellten dem aufziehenden Kaplan Hofstatt, Haus und Garten bereit. Im Jahre 1684 wurde die Kaplanei dann zur Pfarrei umgewandelt, und bis heute bildet der wuchtige Kirchturm mit seinem Treppengiebel das Wahrzeichen des Dörfleins. Der Ortsname erregt bei Fremden nicht selten Erstaunen. In der Königsurkunde des Jahres 883 lautet die Schreibweise „Villa Suntpforran“ (14). Die Vorsilbe „Sund“ findet sich auch in Sunthausen in der Ostbaar und in Suntheim, das in „Auffen“ aufgegangen ist. Diese Vorsilbe bedeutet soviel wie „süd- lieh gelegen“, und Sumpfohren ist nichts anderes als das „südliche Pfohren“. August Vetter Anmerkungen 1 Das Jrühgeschichtliche Hüfingen im Lichte neuer alamannischer Grabfunde 1975-1976. Schriften XXXII. S. 34. 2 Der Landkreis Donaueschingen, Südkurier Konstanz 1966. S. 170. 3 Bader, K. S. Das Problem der alemannischen Baaren. S. 403 ff. Feger, Otto. Zur Geschichte des alemanni­ schen Herzogtums. S. 41f 4 Glunk, Manfred. Die karolingischen Königs­ güter in der Baar. Schriften XXVII 1968. 1 ff. 5 Baumann, Fr. L. Zur Geschichte der Stadt Hüfingen. Forschungen zur Schwäbischen Geschichte.jos. KöseL Kempten 1899. S. 312ff. – Neben den Edelherren von Hüfingen nannte sich auch ein Dienstmannengeschlecht nach Hüfingen. 6 FUB. V. 195. 7 Müller, Wolfgang. Studien zur Geschichte der 81

Klöster St. Märgen und Allerheiligen. FDA. Bd. 89. S. 16. 8 Tumbült, Georg. Die Eigenkirchen der ehemals Fürstenbergischen Landgrafschaft Baar. Ver­ öffentlichungen 9. S. 24. 9 Geschichte der Stadt Hüfingen, Badenia l 10 Vetter, August. Die Geschichte der Stadt Für­ stenberg. Freiburg 1959. S. 35 ff 11 Dannenbauer, Heinrich, Grundlagen der mit- telalterlichen Welt. Kohlhammer Verlag. Stutt­ gart 1958. S. 214. 12 FUB. IV, 494. – Leiber, Gerd. Das Landge­ richt der Baar. Veröffentlichungen XVIII. S. 288. 13 Mitt. FFA. II, 921. – Vetter, August, Fürsten­ berg. S. 5 2 ff 14 FUB. IV 544. Für jedes Jahrhundert ein Böllerschuß Pützen beging im Mai 1983 das 900:Jahr:Jubiläum In einer Zeit, deren Hektik besinnliche Stunden und Tage kaum zuläßt, muß man schon Jahrhunderte bemühen, um mit ihrem leisen Zwang allem Traditionellen zu seinem Recht auf nachdenkliche Rückbesinnung zu verhelfen. Diese zeitgenössische Nostalgie ist nichts weiter als das zwiespältige Heimweh nach einer Zeit, die – obwohl sie es selten war – ruhiger und gelassener gewesen sein soll. Dank dieser besonderen „Relativitäts- und Nostalgie-Theorie“ sind die Jahrhundert­ feiern verstärkt in Mode gekommen: Zu­ fluchtsuche nach den Oasen des Her­ kommens, die sich vertrackterweise auch als Fata Morgana erweisen können. 900 Jahre Fützen bieten der noch nicht ganz bewältigten gemeindereformierten „Zwangsvereinnahmung“ durch die Stadt Blumberg zudem dergestalt Paroli, daß man auf die älteren Wurzeln in der Geschichte verweisen kann, und so feierte man die zu­ rückgelegten Jahrhunderte in selbstbewußter Eigenständigkeit noch vor einem ent­ sprechenden Jubelfest der Kernstadt mit einem listigen Augenzwinkern nach dem für die Ortschronik vom verdienstvollen Wah 1- blumberger Paul Willimski ausgegrabenen 4.Januar 1083. Ohne noch weiter gar auf römische und alemannische Funde als Beweise früherer Siedlungsvorkommen zurückzugreifen, be­ stimmte man diesen Tag, den Papst lnno- 82 zenz II. in Sache der Güter des Klosters St. Georgen bei Villingen – ,,Tertiam partem villae Phiezen“ – ersturkundlich bestätigte, als das unumstößliche Ursprungsdatum für Flitzen, dessen Schreibweise durch die Jahrhunderte etliche Veränderungen erfuhr. Eine von ihnen war „Fietzheimb“, Vitusheim demnach, so daß angenommen werden darf – um andere Auslegungen nicht zum Zuge kommen zu lassen -, daß der heilige Vitus, der auf dem Ortswappen zu sehen ist, dem Dorf und dessen Kirche als einer der 14 Nothelfer sei­ nen Namen gab. Die wechselvolle Geschichte durch Freud‘ und Leid der Jahrhunderte, die enge Verbundenheit der Fützener in einer in­ takten Dorfgemeinschaft und ihr bürger­ stolzes Selbstverständnis waren Gründe genug für den Ort, der nach wechselnden Besitzern, zu denen auch das Freie Reichsstift St. Blasien, später das Großherzogtum Baden gehörten und der erst 1975 blumbergisch eingemeindet wurde, sein 900jähriges Be­ stehen nach Herzenslust zu feiern. Bis zum 1000. Jubeljahr wollte man nicht damit warten. Am Himmelfahrtstag, dem 12. Mai 1983, begannen um 10 Uhr die in Einmütigkeit her­ vorragend organisierten Festlichkeiten, und am Montag, dem 16. Mai, endeten sie weit nach Mitternacht. Dazwischen lagen mit Frühschoppen- und Nachmittagskonzerten, Heimatabend und Festbankett, Ökumeni­ schem Gottesdienst in der Festhalle, Senio-

Zeichnung: Kirche in Pützen von Albert Faller 83

rennachmittag, Kinderfest, Handwerker­ vesper, Unterhaltungs- und Tanzabenden voll ausgefiillte Festtage, deren künstlerische Farbgirlande eine Ausstellung der Werke des Fützener Malerbürgers Professor Albert Faller im Rathaus bildete. ,,Künstlerische Verwand­ lungen des Unscheinbaren und Unsichtbaren“ begleiteten das Unsichtbare und noch Sicht­ bare des historischen Werdegangs eines Dorfes in der warmen, offenen Handmulde einer im Tal zwischen Buchberg und Hohem Randen noch jedes Auge entzückenden Natur. ,,Erlebnisse und Eindrücke aus der Umwelt meiner Heimat, die sich verdichte­ ten und ihren Ausdruck in Bildern fanden“, sagte der 81jährige Albert Faller. ,,Die Ausein­ andersetzung mit wichtigen Kunstrichtun­ gen unseres Jahrhunderts wird in ihnen wirk­ sam.“ Bewegung, Handlung, Wandlung in der Enträtselung einer vorgefundenen und von einer vielschichtigen Unruhe erfüllten Welt, die er sich nicht als Kampfplatz, son­ dern als Ort einer großen Solidargemein­ schaft wünscht. Von anderen Strukturen und ihren vieler­ lei Veränderungen unterworfenen Werten sprach der Festpräsident, Blumbergs Bürger­ meister Werner Gerber, auf dem Festbankett, nachdem Fützens rühriger Ortsvorsteher Josef Günthner die Gäste im vollbesetzten Festzelt – unter ihnen viele Ehrengäste und ehemalige Fützener – begrüßt hatte, und nutzte die Laudatio zu einer umfassenden Bestandsaufnahme des ländlichen Raumes und einer speziellen Würdigung des Fützener Gemeindelebens im Sinne der gemeinsamen Anstrengungen. Die von Albert Faller ge­ wünschte Solidargemeinschaft fand er mit der kleinsten Aufbauzelle, nämlich einer funktionierenden Dorfgemeinschaft, und Professor Albert Faller (von links) erläutert in Anwesenheit von Ortsvorsteher Josef Günthner und Bürgermeister Werner Gerber seine künstlerischen Arbeiten. 84

,,Historische Szenen“ beim Jubiläum: Fütz.ener Laienspiekr im Kostüm ihrer Vorfahren. Beim „Großen Zapfenstreich“ wie in alten Tagen: Die Freiwillige Feuerwehr Pützen unterm Helm. 85

ebenso auf der weiterftihrenden Stufe, eben dem Verbund mit der Kernstadt, schon bestätigt. Als „Geburtstagsgeschenk“ gab der Bürgermeister bekannt, daß die finanziellen Mittel ftir den Dorfentwicklungsplan vom Land bewilligt worden seien. Herzlich gehaltene Grußworte fanden Staatssekretär Dr. Hansjörg Häfele, SPD­ MdL Herbert Moser und FDP-MdL Ernst Pfister sowie Landrat Dr. Rainer Gutknecht, der daran erinnerte, daß Heimat nicht nur Vergangenheit, sondern gleichgewichtig ge­ lebte Gegenwart sei. ,,Woher man kommt, wohin man geht“, deutete er die wichtigsten Wegfindungen an. Aber nur Sparkassendirektor Karl-Heinz Balzulat hatte einen der Fützener Jugend­ arbeit zugedachten, vierstelligen Scheck mit­ gebracht, während die von Ernst Pfister über­ reichte „kleinste Mundharmonika der Welt“ zu symbolisieren schien, daß man heutzu­ tage zwangsläufig mehr Wert auf zwar weni­ ger, daftir aber richtige, als auf zu viele große und womöglich falsche Töne legen sollte. Mit einem so winzigen Instrument kann je­ doch kein Mund zu voll genommen werden. Vor den von Stadtrat Rudi Rosenthal gestalteten Bühnenbildern bewiesen die von Michael Müller und Klaus Gut geleiteten Fützener Laienspieler in drei von Rektor August Vetter geschriebenen historischen Szenen – ,,Die Gipsrevolte“, ,,De vermorge­ bredlet Hohwald“ und „Der Burekrieg“ -, daß sie, wenn es darauf ankommt, prächtig kostümiert auch Theater spielen können. Daß beim gegebenen Anlaß der „Große Zapfenstreich“, gespielt von der Stadtkapelle Blumberg und dem Spielmannszug der FFW, VS-Villingen, als feierliches, militärmusika­ lisches Schau- und Hörbild mit unter dem Helm angetretener Freiwilliger Feuerwehr nicht fehlen durfte, sorgte ftir unterschied­ liche Emotionen und dazu Nachdenklichkeit. Fünf Tage rund um die Uhr hatten die sich beispielhaft einsetzenden Fützener mit sechs Ortsvereinen eine willkommene, farbige Unterhaltung mittels 18 Musik­ vereinen, Chören und Tanzkapellen nebst der Trachtengruppe Riedöschingen organi­ siert, von denen die Stadtkapellen Vöhren­ bach und Blumberg ebenso wie die be­ kannten „Stockmihli-Musikanten“ und die einheimische „ Wetti-Band“ stellvertretend für alle anderen musikalischen Leckerbissen genannt werden sollen. Küche und Keller rundeten das Gelungene ab. Selbst die Grund­ schulkinder beteiligten sich mit einem eigen­ händig geschriebenen und gezeichneten Heft „Die Lupe“, voller Fützener Bezüglichkeiten am Jubiläum, um einen Teil des Verkaufs­ erlöses dem B lumberger Kinderheim zu­ kommen zu lassen. Bei strahlendem Frühlingswetter also ein Jubelfest mit allem Drum und Dran, bei dem auf der Basis von 900 Jahren Dorfbestand viele alte Kontakte erneuert und neue ange­ bahnt wurden. Wie nett, daß man zueinander so nett war! Fünf Heimattage, die dazu aufforderten, das Überkommene in Dorf und einbettender Landschaft bei allen Entwicklungswünschen oder auch -zwängen zu bewahren. Damit bis zur 1000:J ahr-Feier weiterhin beweiskräftig gesungen werden möge: ,,0 Heimat, du bist schön. Füetze, mi Füetze, sei gegrüßt … !“ Jürgen Henckell Die Schwedenschanzen auf dem Rohrhardsberg Der Rohrhardsberg mit seinen Schanz­ anlagen und dem Gasthof zur Schweden­ schanze ist ein im ganzen Schwarzwald bekannter und beliebter Berg und das Ziel vieler Wanderer und Ausflügler, die auf Schusters Rappen oder mit dem Personen- 86 wagen die 1152 m hohe langgestreckte Berg­ kuppe erreichen. Kaum ein Feriengast aus den umliegenden Urlaubsorten wird es ver­ säumen, dem Rohrhardsberg einen Besuch abzustatten. Früher noch mehr als heute bie­ tet er an klaren Tagen eine wundervolle Fern-

( J ( 1 ) ; / r . . •. l •. . .L. Die Rohrhardsbergkuppe mit dem Gasthaus zur Schwedenschanze ·- . ,.,.;._ ···�V, Zeichnung: W Blum sieht über das Yachtal bis zur Vogesenkette. In der holzgetäfelten und mit prächtigen Schnitzereien ausgestatteten Gaststube der „Schwedenschanze“ kann man gemütlich Einkehr halten. Bei einem Vesper und einem guten Trunk läßt sich hier ein Stück Schwarz­ wald erleben. Der Rohrhardsberg dürfte im 12.Jahrhun­ dert besiedelt worden sein. Vermutlich hat ihm ein Landeigentümer Rohrhart seinen Namen gegeben. Die erste urkundliche Erwähnung geschieht, als Graf Rudolf von Hohenberg dem Freiherrn Ulrich von Schwarzenberg am 12. März 1335 die Gefälle zu Schonach, zu der wilden Elz und zu „rohartesberg“ überschreibt. Die Besiedlung erfolgte größtenteils von Schonach her, doch dürfte der von Yach heraufführende Saum­ pfad auch von dort her Siedler gebracht haben. Ursprünglich fiel sicher ein Teil des Rohrhardsberggebietes grundherrlich dem Stift St. Margarethen in Waldkirch zu. Auch sollen bis etwa 1400 die Bewohner in die Pfar­ rei Elzach gehört haben. Noch 1835 bezieht der Elzacher Pfarrer von einigen Höfen in Rohrhardsberg den Kleinzehnten, der 1688 in „zwei hohen Käs“ und 1772 in 10 Pfund Butter jährlich bestand. Im 14. Jahrhundert wurde Rohrhardsberg Bestandteil der Herr­ schaft Triberg, und pfarrherrlich wurde Schonach zuständig. Im Bauernkrieg 1525 zählt das Gebiet 7 Häuser, und der Wellen­ schlag der Zeit schlug bis auf die entlegenen Schwarzwaldhöhen, als 1549 einige Bauern von Rohrhardsberg die „Todfalle“ nicht ent­ richten wollten und durch ein Urteil des österreichischen Statthalters zu Ensisheim zur Zahlung verurteilt wurden. Ob der Rohrhardsberg bereits im Dreißig­ jährigen Krieg in die 1620 angeordnete Ver­ schanzung der Schwarzwaldpässe einbezo­ gen war, ist nicht sicher. Jedoch weisen die Bezeichnungen Schwedenschanze, Schwe­ denkreuz auf alte Volkserinnerungen hin, wenngleich der Volksmund kriegerische Geschehnisse gerne in den Schwedenkrieg verweist, obwohl sie oft einer viel späteren Zeit angehören. 87

1675 und 1683 jedenfalls findet durch den Rat der Stadt Elzach und die Triberger Nach­ barn eine Grenzbegehung des Elzacher Farn­ waldes statt, in der als Grenzpunkt die „alte Wachthütte“ genannt wird. Die Wachthütte muß als Bestandteil einer Verteidigungslinie angesehen werden. Der städtische Besitz umfaßte damals noch die ganze Bergkuppe. 1714 hatten sich Vertreter des Elzacher Rats, des Stifts St. Margarethen Waldkirch, der Herrschaft Triberg und der Grenznachbarn, zusammen 23 Mann, auf den Weg gemacht, um die Grenzen des Elzacher Waldes neu zu bestimmen. Anschließend gab es im Och­ senwirtshaus bei Vogt Kienzler ein opulentes Mahl. Man wußte noch nichts von Kalorien und verzehrte pro Kopf 3,5 Pfund Fleisch und trank zusammen 75 Liter Wein, alles auf Kosten des Stadtsäckels. 1724 erbaute die Stadt Elzach im Farnwald ein Hirtenhaus, In der ,,Schwedenschanze“ das jeweils verpachtet wurde. Wegen weiter Entlegenheit entschloß sich 1773 der Rat, große Teile des Waldbesitzes auf dem Rohr­ hardsberg an die umliegenden Hofbesitzer zu verkaufen. Der Rest ist noch heute in städ­ tischem Besitz. Mit Sicherheit wurde im Pfälzer Erbfolge­ krieg auf dem Rohrhardsberg geschanzt. 1694 wurden aus der Herrschaft Elzach 20 Mann zu Schanzarbeiten befohlen, nach­ dem schon zuvor österreichische Soldaten mit den Bauern Schanzen und Verhaue auf dem Berg errichtet hatten. Der Triberger Obervogt Franz Xaver Noblat gibt 1699 einen Zustandsbericht der Linien: „Von der Hirzmatte gehet weiter den Wald dardurch ein Gfäll in der Länge von 6000 Schritt (alt). An diesem Wald stehen Palisaden mit einem Brustwehr in der Länge bis zur obern Rohrhardbergschanz 200 Schritt (alt). Diese Schanz ist mit einem Brustwehr, Palisaden, Graben und spani- 88

sehen Reitern versehen, aber gehet allgemach zugrunde (alt). Durch den Fischerwald bis an die Linien oder der großen Rohrhardsberger Schanz ist ein Gefall mit 400 Schritt (neu). Die Linien oder Brustwehr und Graben ober der großen Rohrhardsberger Schanz exten­ diert sich bis zum Schanz 834 Schritt (neu). Die große Rohrhardsberger Schanz ist mit vielem Holzwerk gemacht, hat einen Gra­ ben, Brustwehr und spanische Reiter, aber alles ruiniert ( alt). Unter dieser Schanz stehen Palisaden mit einem Brustwehr bis an die Elzacher Straße in der Länge von 300 Schritt (neu). Von diesen Palisaden bis an den Rie­ diswald ist es offen. Anfangs dieses Waldes bis in dessen Wildnis ist ein Gefall in der Länge von 2600 Schritt (alt). Von dieser Wildnis und End des Gefälls bis an die Wilde Elz ist ein Wildnis und offen. Von diesem Fluss (Elz) bis an die Schanz auf dem Rends­ berg ist ein Waldgefäll mit 2000 Schritt (neu).“ Als 1701 der Spanische Erbfolgekrieg aus­ brach, wurde der Rohrhardsberg abermals Mittelpunkt umfangreicher Verteidigungs­ maßnahmen. 1702 wurde wieder geschanzt und der Landsturm, alle waffenfähigen Bür­ ger und Bauern aufgeboten, welche die Linien zu verteidigen hatten. Auf die Schan­ zen auf dem Rohrhardsberg waren befohlen: Von Triberg 190 Mann, von der Commende Villingen 126 Mann und von Haigerloch 250 Mann. Die Verteidigungsanlagen auf dem Rohrhardsberg müssen von ziemlichem Ausmaß und erheblicher Bedeutung gewe­ sen sein. Die Gräben und Redouten waren alle mit Erdwall und Palisaden versehen und durch liegende Bäume auf der Feindseite gesichert. In jeder Redoute im Ausmaß von 40-50 Schritt im Geviert stand ein Block­ haus für die Wache, aus 20-30 Mann beste­ hend. 1704 hören wir von Kriegsfolgen. Der Schaden in den Vogteien Rohrhardsberg, Schonach, Niederwasser, Gremmelsbach, Nußbach und Rohrbach allein durch die französische Plünderung wird auf 45361 Gul­ den beziffert, ohne den Wert der abgebrann- ten Häuser. In Schonach wurden der Kirchen­ ornat und die Glocken weggenommen. In Rohrhardsberg war ein Bauernhof samt Mühle abgebrannt. Gefechte haben auch auf dem Rohrhardsberg stattgefunden. Als der kaiserliche Feldmarschall von Thüngen im August 1704 die Linien neu festlegt, lautet der Bericht: „Der Paß auf dem Roratsberg ist eine Wagenstraße welche durch Yach von Elzach her nach Villingen geht. Die Schanze ist bei­ nahe zerstört und vom Feinde verbrannt, die Linie aber nicht lang. Von da bis an den Hörnliberg ist die Linie noch zu machen, und der obere Roratsberg davon auszuschlie­ ßen. Der Verhau ist nur angefangen und ein kleines Stück davon fertig. Auf dem Hömli­ berg ist die Kirche außer der Linie zu lassen “ 1713 wurde der Landsturm nach St. Geor­ gen zurückgezogen, nachdem von Wald­ kirch und Rohrhardsberg her feindliche Truppenbewegungen gemeldet worden waren. In der Folgezeit scheint der Rohr­ hardsberg keine strategisch bedeutende Rolle mehr gespielt zu haben. Die Werke dort verfielen zusehends. Auf der höchsten Erhebung ist allerdings noch eine Viereck­ schanze deutlich zu erkennen, und da und dort trifft man auf Laufgräben. Heute erin­ nern diese Bodenformationen, das Schwe­ denkreuz – wohl eher ein Gedenkkreuz als ein Soldatengrab -, der Schänzlehof und nicht zuletzt das Rast- und Gasthaus „Schwe­ denschanze“ an die einstige Bedeutung die­ ses Bergmassivs. Es war für den Erbauer des Gasthauses im Hl. Geistloch keine Frage, daß das geplante Haus mit seinem Namen an die geschichtlichen Begebenheiten auf dem Rohrhardsberg erinnern sollte. Allerdings prophezeite man dem damals arbeitslosen Schreiner Josef Burger und seiner Ehefrau Anna aus Elzach keine große Zukunft, als er am 28. Oktober 1932 unterhalb des Schwe­ denkreuzes den ersten Spatenstich wagte. Doch die Witterung war günstig, und schon am 6. Dezember konnte das damals kleine Rasthaus aufgerichtet werden. Die zur Win- 89

Das Schwedenkreuz auf dem Rohrhardsberg- um 1940 – terszeit seltenen Rohrhardsbergwanderer und die vor 50 Jahren noch gar spärlichen Skiläufer wurden im Rohbau schon bewirtet und vermerkten es dankbar, daß in dieser weiten Bergeinsamkeit nun eine Einkehr­ möglichkeit bestand. Unermüdlich wurde am Innenausbau gearbeitet und geschuftet, eisern gespart, um an den Sonntagen den immer zahlreicheren Gästen etwas vorsetzen zu können. Wohnungseinrichtung und Stühle und Tische für die Gaststube schrei­ nerte der „Rohrhardsberg-Sepp“ selber. An den langen Winterabenden schnitzte er die prächtigen Holzfiguren und Zierate, mit denen er die Gasträume ausschmückte und die viele Besucher bewundern. Bald mußte das Haus erweitert und umgebaut werden. Unterkunftsräume für die vielen Skiläufer wurden eingerichtet. Viel Energie, Unternehmungsgeist und zähes Durchhalten waren notwendig, um unter schwierigsten Umständen dieses Schatzkästlein zu schaffen. Wer die „Schwe­ denschanze“ heute betritt, der kann nicht 90 ahnen, daß der Besitzer lange Jahre nicht nur die Lebensmittel, sondern auch alle anderen Dinge des täglichen Bedarfs im Rucksack vom Tal heraufschaffte und daß erst 1948 das Höhengasthaus an die Stromversorgung und zehn Jahre später an das Telefonnetz ange­ schlossen wurden.Josef B urger kann ein Lied davon singen, was es bedeutet, in dieser Höhenlage den Naturgewalten, seien es Gewitter oder Schneestürme, ausgesetzt zu sein. Ein gütiges Geschick hat das Anwesen vor Schäden bewahrt. Der Schänzlewirt war ein Natur- und „Umweltschützer“, als dieses Schlagwort noch gar nicht erfunden war. Oft sammelt er Papier und Flaschen auf, die andere auf dem Berg liegen lassen. In der gemütlichen Gast­ stube mit dem mächtigen grünen Kachel­ ofen und den vielen Schnitzereien und Bil­ dern bleibt man gewöhnlich länger sitzen als geplant. Nur harte Arbeit und zähe Aus­ dauer, aber auch ein sicheres Gefühl für Schwarzwälder Lebensart konnten dies alles hervorbringen. Die Umstände waren nicht

immer günstig. Der Amtsschimmel wieherte oft auf dem Rohrhardsberg und oft schlug er auch aus. Doch bei alledem hatJosefBurger seinen Mutterwitz bewahren können. Die Inschrift über der Haustür „Erbaut anno dazumal“ ist für alle, die es ganz genau wissen wollen. Dem „Rohrhardsberg-Sepp“ aber sei ein gesegneter Lebensabend gegönnt, inmit­ ten seines Werkes, das zu einem Juwel des Schwarzwaldes geworden ist. Ha u p t säc h l i c h e Qu e l l e n: M one, Der Schwarzwald und Breisgau im spani­ schen Erbfolgekrieg, Zeitschr. f d. Geschichte des Oberrh.18 Bd.1865; Weber Josef, Zur Geschichte der Stadt Elzach, 1978; Wohleb,J L. Der vor­ derösterreichische Breisgau und seine Wehranla­ gen 1701-14, Zeitschrift Schauinsland, 1941. Josef Weber Dorf Schwenningen wird Stadt Als das Dorf Schwenningen am Neckar am 1. Dezember 1907 zur Stadt erhoben wurde, war sein Schultheiß David Würth schon zwanzig Jahre im Amt. Als einfacher Schulmeister war er von der Bürgerschaft gewählt worden. Damals hatte die Gemeinde knapp 5700 Einwohner gezählt, jetzt war sie auf 13 700 angewachsen, war größer als Villingen und Rottweil, die alten Nach bar- städte. Diese fast beispiellose Entfaltung war keineswegs die Frucht günstiger Umstände, – im Gegenteil: Noch ftinfzigJ ahre vorher galt Schwenningen im Land als ausgesprochen armer Ort, und Hunderte von B ürgem mußten mit ihren Familien auswandern. Die Industrialisierung war hier ein schierer Akt “ igkeit, mitunter auch der der „N ot-Wend Verzweiflung gewesen. Marktplatz Schwenningen a. N., mit Blick nach Norden um 1905 Jicbwen ninorn llforftplat; 91

Bismarckstraße (heute Erzbergerstraße mit Blick nach Osten) um 1905 Da waren Dutzende von Fragen, welche auf Beantwortung drängten. Und als nun endlich, gegen den Willen vieler Bürger, das Dorf von der württembergischen Regierung zur Stadt gemacht wurde, da geschah dies in einer Zeit tiefer Zerrissenheit. Erst hatten die Landtags-und kurz darauf die Reichstags­ wahlen die Gemüter der Bürger aufgewühlt. Dann waren die Metallarbeiter in den Streik getreten, und dieser endete mit einer Nieder­ lage der Arbeiter. Dazu war die neue Stadt tief verschuldet, und noch mußten die Orts­ kanalisation, ein neues Schulhaus, ein Schlachthaus finanziert werden. Festredner konnten die Trotzdem rühmend hervorheben, daß die neuge­ backene Stadt nunmehr 7000 Menschen Arbeit gab in 28 Fabriken, 90 Handwerks­ betrieben und 116 Einzelhandelsgeschäften. Und wo sich vor zehn Jahren noch die Leute um jeden Eimer Wasser aus den wenigen Noch 18 9 5 hatte W ürth einen langen Brief an seinen Zuffenhauser Kollegen geschrieben und ihn um Rat gebeten: Wie sollte er den Bau der vielen Straßen zu und in den Neu­ baugebieten mit ihren meist einstöckigen Arbeiterhäuschen bewältigen? Wie konnte er die Spekulanten fernhalten, welche sich an1 Bau dieser Häuser bereichern wollten? Wie sollte er genügend Schulraum und Lehrerwohnungen schaffen, wo doch die Schüler jedes] ahr um zwei oder drei Klassen zunahmen? Wie konnte er verhindern, daß unter den vielen Zugezogenen sich Krimi­ nelle einschlichen? Wie sollte er Verwaltungs­ beamte, Lehrer und Polizisten besolden, wo doch von den Neubürgern kaum Steuern ein­ zutreiben waren? Wie konnte er für die ganz Armen sorgen; das Armenhaus war ohnehin schon übervölkert! Woher konnte die Gemeinde Wasser bekommen? Was kostete ein Elektrizitätswerk? 92

Brunnen gestritten und verprügelt hatten, da floß nun in jedem Haus reichlich Wasser aus der Leitung. Wo es noch vor ftinfJ ahren nur Erdöllampen in den Häusern und auf den Straßen gegeben hatte, da brannten jetzt überall elektrische Birnen. Statt des alten Spitals im Gemeindebackhaus stand bereits ein neues Krankenhaus mit 60 Betten. Vier Ärzte, drei Dentisten, ein Tierarzt, zwei Apotheken und zwei Drogerien hatten sich inzwischen niedergelassen, eine Sanitäts­ kolonne war gegründet, eine Badeanstalt war eröffnet worden. In den letzten zwanzig Jahren hatte man ftinf neue Schulen gebaut, sechs neue Schultypen ins Leben gerufen. Die Katholiken und die Evangelische Gemeinschaft hatten sich Kirchen errichtet. Das Rathaus war um ein Stockwerk erhöht worden. Im neuen Postamt arbeiteten zwölf Beamte und Telephonistinnen, zwölf Brief­ träger trugen täglich die Post aus. Es gab im Ort 46 Gaststätten, 2 Brauereien und 2 Cafes, wo sich die 80 Vereine treffen konnten. Und noch war kein Ende des überschnellen Wachstums abzusehen. Als David Würth 1912 sein Amt nieder­ legte, zählte Schwenningen am Neckar 16700 Einwohner. Otto Benzing Der Mönchhof zu Schwenningen Es ist schade, daß es den Mönchhof in Schwenningen nicht mehr gibt, nicht einmal mehr im Gedächtnis der Schwenninger. Dabei muß es ein gar stattlicher Hof gewesen sein, diese Meierei des Klosters St. Georgen, welche auch gelegentlich als Laubenhof bezeichnet wurde, weil dort die Gerichts­ laube für die 27 Klosterfamilien lag, die St. Georgen 13 50 im Flecken hatte. Eigentlich müßte man mindestens von zwei Mönchs- höfen schreiben, die es im Lauf der Jahrhun­ derte gab, denn nach dem Bauernkrieg, in welchem das ganze Dorf niedergebrannt wurde, bauten die neuen Besitzer, die Brüder Gebhard und Hans Bentzing, den Hof an der alten Stelle wieder neu auf.Nach dem großen Glaubenskrieg allerdings erstanden auf dem Der Schwenninger Vogt Hans Bentzing erhält 1564 den Mönchhof zu Lehen 93

Gelände des alten Klosterfronhofes eine Anzahl anderer Gebäude, aber noch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts erschie­ nen die Grundstücke des Mönchhoflehens in den lnventhur- und Thaylungsbüchern des Dorfes. Der Hof lag ungefähr da, wo sich heute der Rundbau des City-Kaufhauses wölbt. Er grenzte an die Friedhofmauer der ehemali­ gen Michaelskirche, und diese stand an der Stelle des heutigen Kaufhauses Merkur. So bildete er das Gegenstück zum ehemaligen „Kelnhof‘, dem Fronhof der weltlichen Herrschaft am Fuß des Vinzenzkirchturms auf der andern Seite der Muslen. Kein anderes Gebäude in Schwenningen wird in alten Urkunden so oft erwähnt wie der Mönchhof. Schon im ältesten Haisch­ buch des Klosters St. Georgen vom Jahr 13 50 steht: ,,Der hof den der münch buwt gilt uns Järlich 18 malter vesan und 9 malter habern alles vilinger mess und 10 hünr und 1 viertal aiger und wenne der alt münch oder sin sun Hans stirbt so git jeklich 12 lib für den drittail und für den fal.“ (= Der Hof, den der Münch bewirtschaftet, zinst uns jährlich 120 Ztr. Dinkel und 35 Ztr. Haber, 10 Hühner und 120 Eier; und wenn der alte Münch oder sein Sohn Hans stirbt, so gibt der jeweilige Erbe 12 Pfd. Heller – den Gegenwert von 12 Pfer­ den – als Erbschaftssteuer). Vermutlich bezieht sich eine Urkunde von 1301 auch schon auf den Münchhof, doch heißt er dort noch der „obere Hof‘ des Klosters St. Geor­ gen und soll deswegen hier nicht weiter berücksichtigt werden. Am 1. Februar 1382, also genau vor 600 Jahren, stellte Abt Eberhard dem Conrad Claren, genannt „Münch“, und seinen Söh­ nen einen Lehensbrief aus über den Münch­ hof, ,,der gelegen ist by der obern kirchen.“ Der Vertrag regelte bis ins einzelne die Nut­ zungsrechte und die Verpflichtungen, die mit dem Hof verbunden waren. Der Brief macht auch klar, daß der Hofname sich nicht nach dem jeweiligen Lehensbauern richtete, sondern nach den Lehensherren, den „Mün­ chen“. Sie gaben ja auch dem Mönchhof bei 94 Buchenberg überm Glasbachtal seinen Namen. – Es war wohl Conrad Clarens Sohn, Hans Münch auf dem Münchhof, der sich 1420 samt seiner Frau Änneli Wißhöpt freiwillig in die Leibeigenschaft des Klosters St. Georgen und seines Abtes Johann begab. 14 70 erfahren wir wieder etwas vom Mönchhof. Damals verglichen sich die Vil­ linger Johanniter mit den Äbten von St. Bla­ sien und St. Georgen wegen der Zehnten ab einem Bläsischen Hofgut zu Weigheim und Georgischen Meierhof zu Schwenningen. Selbstverständlich hatte der jeweilige Mönchhofer nicht nur die anfangs erwähn­ ten festgelegten Gülten zu entrichten, son­ dern auch, – neben dem sogenannten „Vogt­ recht und Vorzins“, – den großen und den kleinen Zehnten. Der kleine ging an den Ortspfarrer, in den großen teilten sich damals die Grafen von Württemberg als die weltlichen und die Äbte von St. Georgen als die geistlichen Herren des Dorfes. Wer zur Zeit des Bauernkriegs den Mönchhof umtrieb, wissen wir leider nicht. Die Urkunden, die uns aus der Nachkriegs­ zeit erhalten sind, deuten darauf hin, daß die Besitzverhältnisse im Dorf stark verschoben wurden. Vermutlich floh eine Anzahl der aufrührerischen Bauern vor dem Strafgericht der österreichischen Regierung, andere mögen erschlagen worden sein. Ihre Höfe gingen zum Teil wohl in andere Hände über. So läßt sich am ehesten erklären, daß Hans und Gebhard Bentzing 1529 mit dem Mönchhof belehnt wurden, nachdem sie offenbar schon vorher drei andere Kloster­ höfe geerbt hatten. Die Bentzing-Sippe war schon lange mit St. Georgen verbunden gewesen; jedenfalls läßt sich ihre Zugehörig­ keit zur großen Lehensfamilie des Klosters bis ins 13. Jahrhundert hinein verfolgen. Bei der „Rodel-Ernewerung“ von 1545 führt Hans Bentzing, der Mönchhofbauer, nach Vogt Schorpp die Liste der 12 „richter oder urtaylsprächer“ (= Gemeinderäte) an. Und auf derTürkensteuerliste desselben Jah­ res wurde er nächst dem Vogt und den Brü­ dern Lauffer, die den erwähnten Kelnhof

bewirtschafteten, dem Vermögen nach als Dritter im Dorf eingestuft. Schon vor 1564 wurde sein Sohn Hans zum Vogt gewählt; von da an blieb das Vogt­ amt bis 1632 mit dem Mönchhof verbunden. Hans reiste nach Stuttgart um sich zu erkun­ digen, ob denn die besondere Last, welche seit uralter Zeit auf seinem Hof lag, noch gül­ tig sei. Herzog Christoph ließ ihm mündlich und schriftlich sagen, daß sie noch galt: „Ein jeglicher Mayer, der den Münchhoff Jnhat soll meinem gnedigen herren, oder seinen amptleuthen mit hunden und federspil Jars drey stund halten J n seinen costen, und den pferdten geben hew und strow.“ – Der Wort­ laut dieser Urkunde scheint tatsächlich auf die uralte Zeit zu weisen, da auch die Äbte von St. Georgen noch auf die Falkenjagd rit­ ten und dabei gelegentlich auf ihrem Meier­ hof einkehrten. 1564 empfing „Hans Bentzing der Jüng, diser Zeit Vogt zu Schweningen, von dem Erwürdigen gaistlichen Herren, Herrn Johansen, abbts zu sant Jergen uff dem schwartwald … mit m und und hand, nach gemelts gotzhußes brauch … den Minchhof und ( die andern drei) Aignen Höff und güet­ tere samentlich und sunderlich zu Ainem Rechten steten erb, und nach erblehens Recht … An Häusern, spaichern, scheunen, stadeln, bachküchenen, gärten, wisen, ack­ hern, höltzern, walden, ägerten, wun waid, steg, weg, mit allen und Jeden darzu geheri­ gen stuckhen und güettern, Rechten und gerechtikaiten begriffen und einf engen, was von altem her darzu und darin gehört hatt … “ Er lieferte daraus dem Kloster jährlich insgesamt 17 Malter Vesen (Dinkel), 8 Malter 12 Viertel Haber, 2 junge Hühner und 120 Eier ab. Sein Vater, Hanns Bentzing, genannt „Guli“, kaufte 1567 die baufällige Michaels­ kirche auf Abbruch. Mit ihren Steinen wurde der Turm der Vinzenzkirche (heute: Stadt­ kirche) ausgebessert und wahrscheinlich das „steinerne Haus“ gebaut, das erst 1896 end­ gültig abbrannte. – Der Beiname „Guli“ erscheint übrigens bereits 1327 in einer Urkunde des Klosters Rottenm ünster: ,,H. und Johans die gylin“. 1583 erhielt der Dorfsvogt Hanß Bentzing von Herzog Ludwig die Schwenninger Mühle samt Äckern und Wiesen und dem im Neckar verliehen. Damit Fischrecht wurde er zum reichsten Bauern, der jemals in Schwenningen lebte, denn neben der einträg­ lichen Mühle besaß er mehr als 200 Hektar Land. 1603 verteilte er seinen Besitz unter seine drei Söhne: Christian bekam den Mönch­ hof; Jacob wurde Vogt, bekam die Mühle und das eine Klosterlehen; Baltas erbte die zwei andern Klosterlehen. Weil seine Brüder schlecht wirtschafteten, konnte Christian alle Klosterlehen wieder zusammenkaufen. Jacob hatte die Mühle gleich weiter verkauft. Nach seinem Tod wurde Christian Vogt. Als dieser 1616 seinen Sohn Christian aufs theo­ logische Seminar schicken wollte, beschei­ nigte ihm der Amtmann von St. Georgen, daß er insgesamt „340 Jauchart Ackhers, 55 Mannsmad Wisen und ungefähr 100 Jauchart Holtz“ besitze. Mit herzoglicher Genehmigung verteilte Christian seine vier Lehen unter seine drei andern Söhne Hans, Jacob und Michael zu gleichen Teilen; Hans erhielt den größten Teil des Mönchhofs zugesprochen. Die drei Töchter wurden mit Geld gerecht abgefun­ den, wie es das württembergische Realtei­ lungsrecht von 1559 vorsah; dieses hatte sich nunmehr auch in Schwenningen durchge­ setzt.1632 starben der letzte Mönchhofbauer und seine Frau Margaretha. Am 22. Februar 1633 verbrannte Schwen­ ningen und mit ihm der zweite Mönchhof. Hans Bentzing, sein neuer Besitzer, mußte mit seiner Familie fliehen und starb in der Fremde. Sein einziger Sohn kehrte mit seiner Mutter zu Ende des Krieges zurück. Er baute den Mönchhof nicht mehr au( Aber im Lägerbuch von 1703 steht unter „Güthere, welche in das Münchhoff-Lehen gehörig seyen“ unter der Abteilung „Häuser und Hofstätten“ verzeichnet: ,,Ein Hauß und Hofraithin, sambt dem Garthen darbey, 95

unden im dorff, in der Muselgasß … Ein Hauß, Hofraithin und Garthen aneinander, auch in der Muselgasß . . . Ein Hofstatt, warauff ein Hauß gestanden, so jetzund Gar­ then ist, sambt der Scheuren darbey, auch an der Muselgasß . . . Zwey Häuser, sambt Hofraithin und Gärthen darbey, in der Muselgaß … Ein Hauß Hofraithin und Gär­ then, hinderm Pfarrhof … Ein Häuslin und Kuchingärthlin darbey in der Muslen … „. So fanden denn auf dem Gelände des Hofs und seiner Gärten in der Dorfmitte sieben Häuser und Gärten Platz. Die Felder des Lehens zählten nach dem Krieg noch 315 „Stuckh“. 1715 starb Christian Benzing 95jährig, ,,als ein Vater von 115 Seelen.“ Nach ihm zerfiel das Mönchhoflehen allmählich unter dem Realteilungsrecht in immer kleinere Stücke, bis es 1849 endgültig aus den Akten und damit auch aus dem Gedächtnis der Schwen­ ninger verschwand. Otto Benzing Der Minkhoof Miar sind uf em Minkhoof friar gsessa als Buursliit grooß uf der Böör, miar hond ii’ser oaga Broot gessa, – ou d’Mile ischt oaga gsii‘, jö wääger wöör! Uf Riinela hond miar friar ghouba schau‘ gottgriisig Tanna mit Stolz, und hond ii’sra Dachstual ufbouba mit Schparra samt Schindla vum oagena Holz. Miar hond kinda fischa-n-und jaga im N ekker, im oagena W aald, koan Schultes ischt jee ii’s an Kraga, koan Jäger, koan Ferschter hät aa’gwendt sii‘ Gwaalt. Und näamerd hät iber is gscholta, und näamerd gfiat vu-n-is a Gföör, miar Minkhoofer hond ebbis golta, sind Richter und Vegt gsii‘ wol a hundert J““ oor. Jetz sind mer zwöör fiernäame Mai’tscha und Herraliit uf däara Welt, mit Schlips und mit Huat und mit Hai’tscha, aber uu’ne a Meckile Feld! Otto Benzing Der Schwarzbauernhof in Furtwangen-Katzensteig Wir haben in früheren Jahrbüchern den Kienzler-Hansen-Hof und den Reiner­ Tonis-Hof, beide in Schönwald, behandelt. Heute soll vom Schwarzbauernhof im Kat­ zensteig/Furtwangen berichtet werden. Noch vor wenigen Jahren zum Abbruch bestimmt, wird dieses besondere Baudenk­ mal dennoch seit dem vorletzten Jahr instandgesetzt oder, wo betriebstechnisch notwendig, umgebaut. Das Wesentliche ist vollendet. Die „Altbauerneuerung des Schwarz­ bauernhofes“ läuft ähnlich und gleichzeitig 96 mit den Erneuerungsmaßnahmen „Oberer Gschwendhor‘, Gütenbach-Neueck, und ,,Reiner-Tonis-HoP‘, Schönwald-Schwarzen­ bach, nach dem „Siedlungsverfahren“ des Landes Baden-Württemberg. Es ist zugleich Teil eines Forschungsauftrags des Landes an das Institut für Orts-, Regional- und Landes­ planung an der Universität Karlsruhe unter der Leitung des Professors Dr. Ing. Ulrich Schnitzer. Dieser Auftrag umfaßt die „Behandlung der Landwirtschaftlichen Altbausiedlung im Schwarzwald“, nach bautechnischen, betrieb-

liehen und wirtschaftlichen Erkenntnissen der Gegenwart, mit dem Ziel, kulturell wert­ vollen Baubestand technisch und wirtschaft­ lich nutzbar zu erhalten. Alle im Rahmen dieses „Regionalprogramms“ öffentlich be­ treuten Vorhaben erhalten beträchtliche ver­ lorene Zuschüsse, zuvörderst aus Mitteln der Denkmalpflege und der Landwirtschaft – und zudem verbilligte Kredite. In diesen Fäl­ len hat in der Regel der Hofbauer, zusam­ men mit seinen Söhnen, vieles selbst aus­ geführt. Zur Siedlungsgeschichte: Der Schwarzbauernhof liegt im „Katzen­ steig“, – dort, wo er sich gabelt, in den „obe­ ren Katzensteig“, zum „Furtwängle“, und in den „Neuweg“, hinauf zur Martinskapelle, – hingeduckt mit windschlüpfigen Dachflä­ chen in die Talmulde der jungen Breg, mit Hausmühle und zwei anderen Nebengebäu­ den, als Teil einer für die Täler des mittleren und südlichen Schwarzwald im Zähringi- sehen Herrschaftsgebiet typischen Zinken­ siedlung, die hier aus 7 Höfen besteht. Um 1580 errichtet, ist er – zusammen mit dem Reiner-Tonis-Hof in Schönwald – der älteste noch bestehende „Heidenhof älterer Art“ (Schilli) im Kreis. Sein Ursprung geht auf die Zeit der durch die Zähringer und deren Klöster sowie die Herren von Triberg/ Hornberg und Fürstenberg eingeleiteten Besiedlung unserer Gegend zurück: einer der Lebenshöfe des Klosters St. Georgen, das dieses Gebiet als Lebensherr ab der 12. Jahr­ hundertwende mit Bauern, vermutlich aus dem Gebiet der Zähringer (später Fürsten­ berger) – Kinzig, Gutach, Baar – besiedelte. Von diesen Lehensbauem, damals die einzi­ gen Bewohner Furtwangens, saß wohl jeder auf einem eigenen Hofgut, das seinen Namen trug. Dies gilt für viele Lebenshöfe in Furtwangen, auch bei Wechsel des Lebens­ trägers; freilich nicht durchweg; so z.B. wenn, wegen des geringen Ertrags einzelner Güter oder wegen Abwanderns der Lehens- 97

Die Hauiform des Schwarzbauernhofs entspricht dem „Heidenhaus älterer Art“ träger, 2 oder 3 Güter zusammengelegt wur­ den, oder wenn, umgekehrt, ein zu groß bemessenes Gut in Halb- oder Viertelshöfe unterteilt werden mußte. Der Lehensbauer – in der Regel, beson­ ders in der Frühzeit, Leibeigener- war immer vom Lehensherrn – hier dem Kloster St. Georgen – vielfältig abhängig. So konnte er z.B. das Gut oder Teile davon nicht ohne Genehmigung des Abtes verkaufen oder weggeben. Dies galt bis zur Mitte des 19. Jahr­ hunderts, da die Lehenshöfe, abgelöst, ins freie Eigentum der Bauern übergingen: ein Vorgang, der sich über Jahrzehnte hinzog. Bis dahin hatte der Bauer dem Kloster seine jährliche Abgabe zu leisten und bei seinem Tode oder bei Besitzwechsel „den Fall“ zu geben, d. h. das beste Stück Vieh, das „Besthaupt“; in der Zahl abhängig von der r • 1 . 1 ‚ 98

Größe des Gutes: in Furtwangen bis zu 3 „Hauptrechten“. Vertreter des Abtes, zugleich Vertrauens­ männer der Bauern, waren die Vögte (früher „Meier“ ), deren es in der Herrschaft Triberg 1 1 gab. Trotzdem waren die alten Bauernge­ schlechter ausgeprägt standesbewußt und sind es noch heute. In den meisten Fällen hei­ ratete der Bauer ebenbürtig, d. h. ein Mäd­ chen von einem anderen Lehenshof; vor allem die erste Frau, welche die erbberechtig­ ten Kinder gebar. Erbberechtigt war (und ist noch ), nach altem Schwarzwälder Bauernrecht, der jüngste Sohn – oder, wenn kein Sohn da war, die jüngste Tochter – aus erster Ehe. Zur Hofgeschichte: (soweit nachweisbar, im 13. Jhd.) Der Schwarzbauernhof ist entstanden aus dem Winterbachsgut und dem Brunsgut, jedes zu einem Hauptrecht und umfaßte i.]. 1783: 128 Juchert, 61 Ruten. Beim Übergang des Lehensgutes ins Eigentum des Bauern im Jahre 1830, war das Grundsteuerkapital 2316,67 fl Heute umfaßt der Hof 48 ha. Der erste nachgewiesene Hofbauer war 1 . D e r B a u e r i m W i n t e r b a c h v o r 1 2 8 0. Auf ihn folgen bis zum 18. Jhd. 15 Hof­ bauern. Anfangs des 18. Jhd. erscheint mit dem 17. Lehensträger erstmals der Familien­ name Dorer. 1 7 . C h r i s t i a n D o r e r , 1733-1759, getauft 1680 in Haslach-Simonswald, gestor­ ben 1759, verh.1708 in Simonswald mit Eva W e i s s e r , getauft 1682 in Simonswald. In 2. Ehe verheiratet 1749 mit A n n a M a r i a K i e n z 1 e r , getauft 1720 in Schönwald. Christian war von 1721 bis 1733 Lehensträger auf dem Vogtstonishof im Farnberg in Schönwald, den er mit dem Hof 34 im Kat­ zensteig tauschte. 1 8 . G e o r g D o r e r , 1759-1765, getauft 1727 in Schönwald, gest.1765, verh.1754 mit 99

E v a Mä rc k h i n , getauft 1733 in Schön­ wald. Nach dem frühen Tode von Georg Dorer wurde am 23.1 1.1765 1 9. J o h a n n Mi c h a e l B ru g g e r, 1765-1797, der 2. Mann von Eva, einge­ schrieben. Getauft 1729, gestorben 1800 (als Leibgedinger), verh. um 1766 mit Ma ri a E v a M ä r k . Es folgte sein Stiefsohn 2 0 . S e b a s t i a n Do re r, 1797-1817, getauft 1760, gestorben 1817, verh. 1797 mit B a rb a ra Do re r, getauft 1775. Es folgte seine Witwe 2 1 . B a rb a ra Do re r, 1817-1822, am 10. 1. 1822 gab sie den Hof ihrem Sohn 2 2 . J o s e p h Do re r, ab 1822, getauft 1799, gest. 1877 (als Leibgedinger auf dem Schwarzenhof), verh. 1822 mit R o s i n a Do re r, getauft 1799 in Schönwald.1830 als Bauer in der Katzensteig, war sein Grund­ steuerkapital 2316,27 fl. Als die männliche Linie der Dorer in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts auszusterben drohte, heiratete eine Tochter des Joseph Dorer, Emerentia, geb. 1825, die Hoferbin wurde, einen Andreas Dorer, der vom Josenhof (Hof 32) abstammte. Er war Bauer und Wagnermei­ ster. 2 3 . E m e re n t i a Do re r, ca.1857-1889, geb. 1825, gest. 1892, verh. 1852 mit A n d re a s Do re r, geb. 1828, gest. 1898. Von A n d re a s Do re r, der 25 Jahre im Gemeinderat in Furtwangen Sitz und Stimme hatte, sagte man, daß der damalige Bürgermeister Grieshaber von Furtwangen nichts von Bedeutung unternahm, ohne den Schwarzbauern zu befragen. 2 4 . Ca s p a r Do re r, 1889-ca.1923, geb. 1856, gest. 1938, verh. 1889 mit S e k u n d a K e rn , geb.1861. Sie stammte vom Untertie­ fenbachhof in Schönwald. 2 5. An d re a s Do re r, 1923-1952, geb. 1892, gest. 1977, verh. 1923 mit Cä c i l i a R u f vom Rufenhof in Urach, geb.1901, gest. 1965. 26. O s k a r Do re r, 1952-, geb. 1924, verh. 1952 mit R o s a Ma ri a K i e n z l e r, geb. 1929, vom Holzbauernhof in Schön­ wald. Kinder: Gertrud, geb. 1953, gest. 1954; 100 Johann, geb. 1955; Rudolf, geb. 1956; Anne­ liese, geb. 1958; Hans-Peter, geb. 1961; Der Hof ist heute noch in des Bauern Hand. Die Hausform entspricht dem „Heidenhaus älterer Art“ (Schilli), das heißt: 1. Stube (hier erweitert durch ein Alten­ stüble) mit Küche und Vorratsraum, am Berg; Stall zum Tal; Hocheinfahrt über dem Wohnteil. 2. Schlafkammern des Obergeschosses, zugänglich teils durch die Geschoßtreppe über den Außengang (Gesinde oder Kinder), teils über den „Stiegenkasten“ in der Wohn­ stube (Schlafstube des Bauern), teils über die Nebenstiege beim Alten-Stühle (Libding­ Schlafkammer). 3. Windschlüpfiges Vollwalmdach mit Hochsäulengebinden überm Stall und lie­ genden Stühlen (Dachwölfen) überm Wohnteil. 4. Brunnenhäuslein unterm Dachvor­ sprung vor Hauseingang/Stall. Diese Form scheint, nach Schilli, noch bis 1935 unverän­ dert bestanden zu haben. Späterhin wurde das Haus an der Einfahrtseite durch Vorzie­ hen und Aufstocken des Vorratsraums erwei­ tert, wobei die Hocheinfahrt ein Giebeldach erhielt, und in jüngster Zeit wurden neben der Hocheinfahrt ein Gärfuttersilo gebaut. Der der Einfahrt abgewandte Walm hatte schon vorher einen auffallend großen Gie­ belausbau erhalten. Das Erneuerungsprogramm: 1. Im Wohnteil: Erweiterung um ein WC mit Dusche; Umlegung der Treppe im Alten­ teil; Abbruch des Stiegenkastens. 2. Neuordnung des Stalles, mit Erweite­ rung durch eine Milchkammer unterm Dachvorsprung der Eingangsseite. 3. Umbau der Hocheinfahrt, die nunmehr ein Walmdach erhalten hat. 4. Wesentliche Verkleinerung und Umge­ staltung des der Einfahrt abgewandten Dachaufbaues.

Die Erneuerung: Ziel der bautechnischen Gestaltung ‚· . . 101

Neuverschindelung der Dachflächen – Instandsetzungen 102

D a s Z i e l d e r b a u te c h n i s c h e n G e s t a 1 t u n g war, mit möglichst geringen Eingriffen in den Bestand, einen der heuti­ gen Betriebsform hinreichend entsprechen­ den Hof zu bekommen. Dieses Ziel ist zwei­ fellos erreicht. Man hat zugleich das Haus von den störenden späteren Zutaten befreit. D i e t e c h n i s c h e S a n i e r u n g erfaßte vor allem: 1. Die N euverschindelung der Dachflä­ chen. 2. Die Instandsetzung schadhafter Teile der Wände, Decken- und Dachbalken sowie der Dachrafen (Sparren). 3. Ausbesserung und Ergänzung des In­ nenausbaues (Stuben und Kammern) – echt handwerklich – wobei der Bauer mit seinen Söhnen wesentliche Teile selbst macht. Diese Altbauerneuerung ist, ähnlich dem Hilfshof und Kienzler-Hansen-Hof, Schön­ wald, sowie den Gschwendhöf en, Güten­ bach, ein gutes Beispiel dafür, wie ein geschichtsbewußter Hofbauer, mit unser aller Hilfe ( das sind die „öffentlichen Mit­ tel“), unersetzlich wertvolles Kulturgut wirt­ schaftlich und technisch wie auch zugleich denkmals- und landschaftspflegerisch gut erhalten kann, ohne die ursprüngliche, geschichtliche Erscheinungsform zu stören oder gar zu zerstören. Wir Mitteleuropäer – darunter besonders wir Deutschen – tun gut daran, unser Väter Erbe – zuvörderst das bäuerliche – sorglich zu pflegen und zu erhalten, wenn anderes wir nicht den Grund, darauf wir stehen, verlieren wollen. Literatur: Klara Werber/Hans Hiebl: ,,Die Lebenshöfe von Furtwangen und deren Besit­ zer“ 1978. Hermann Schilli: ,,Das Heiden­ haus“ 193 7 (mit Plänen). Dr. Ulrich Schnit­ zer: Bestandsaufaahme und Erneuerung des Schwarzbauernhofs 1981/83 (mit Plänen). Berthold Haas: Schwarzwald-Baar-Kreis 1977’� Lichtbilder: Verfasser 1967, 1983. ,,Das Bauernhaus im Berthold Haas Der Granitfindling am Schleitheimer Zoll Als man in Furtwangen hungerte, spendeten die Schweizer wertvolle Lebensmittel Der Furtwanger Geburtsjahrgang 1937 feierte seinen 45. Geburtstag mit einer Erin­ nerung an die ehemalige „Schülerspeisung“, die ihm in den Grundschuljahren an der Friedrichschule zuteil wurde. Dabei wurde nicht nur das Geklapper der Blechgeschirre mit den Löffeln, die jeder Schüler hierfür von daheim mitbringen mußte und das Aus­ teilen der Suppen in der Schulturnhalle durch Frauen der Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz und die konfessionellen Frauenvereine wieder lebendig, die nunmehr erwachsenen Schüler erinnerten sich in Dankbarkeit auch der Spenden aus der Schweiz, die ihnen die begehrte Zulage zu den geringen Mengen auf den Lebensmittel­ karten mit einer kräftigen Suppe, mit Obst und Gern üse und mit anderen damals selte­ nen Lebensmitteln ermöglichte. Es herrschte 1945 und die Jahre danach wirklich Hunger in Furtwangen. Der damals 74 Jahre alte Mitbürger Josef Schultis (1873 bis 1957) schrieb am 21. August 1947 in ein Schulheft: ,,Diesen Tag muß ich festhalten. Über ein Jahr schon konnte ich beim Mor­ genkaffee mich nicht mehr satt essen, weil das Brot fehlte. Und das, obwohl Amalie (seine Frau) immer ein Stück weniger ißt zu meinen Gunsten. Die Hauptnahrung sind eben Kartoffeln, die bis zu 80 Prozent Was­ ser enthalten. So ist man den ganzen Tag hungrig. Wir mußten selbst da noch sparen.“ Bei einem Hamstergang nach dem nahen Rohrbach, zu dem ihm seine Frau eine Schürze als Tauschobjekt mitgab, brachte er 4112 Pfund Kartoffeln, 150 Gramm Butter, ein Stück Brot und einen Viertelliter Milch mit nach Hause. ,,So waren Amalie und ich froh, 103

daß wir wieder für zwei Tage zu essen hatten. Die Aussichten auf Besserung sind trübe. Amalie ist total unterernährt, sie mußte für fünf bis sechs Wochen ins Krankenhaus. Auch bei mir stellte der Arzt Unterernäh­ rung fest. Nur mit Bangen sehe ich dem kom­ menden Winter entgegen.“ Die damalige Gemeindeverwaltung war im Kampf gegen den Hunger nicht untätig. In einem Schreiben der Gemeinde Sehleit­ heim (Kanton Schaffhausen) vom 2. No­ vember 1946 an das Bürgermeisteramt Furt­ wangen ist zu lesen: ,,Der Gemeinderat von Sehleitheim hat ihren Hilferuf erhalten und beschlossen, eine Lebensmittelsammlung zu Gunsten der Schwarzwaldgemeinde Furt­ wangen durchzuführen. Wir werden haupt­ sächlich Kartoffeln und Obst sammeln, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß sich hier eine Sammlung nach der anderen ablöst. Daher ist die Gebefreudigkeit der Bevölkerung schon stark in Anspruch genommen worden.“ Egon Schramm, damals Finanzreferent in Sehleitheim, erbittet in einem Schreiben Unterlagen über Furtwangen, um sie in einem Aufruf an die Bevölkerung verwen­ den zu können. Ihm antwortete Bürgermei­ ster Ludwig Zier: Furtwangen sei ein kleines Industriestädtchen mit etwa 5000 Einwoh­ nern. Die Stadt könne den eigenen Bedarf an Lebensmitteln nicht decken. Die Kartoffel­ ernte 1946 sei sehr schlecht ausgefallen. ,,Die tatsächlich zur Verteilung gelangenden Lebensmittel betragen vielfach nur die Hälfte der papiermäßig zustehenden Men­ gen.“ Furtwangen mache große Anstrengun­ gen, um den armen und bedürftigen Kindern eine kleine Freude aufWeihnachten bereiten zu können. ,, Wir sind daher um jede kleine Spende froh. Ganz besonders würde es mich freuen – schreibt Zier – wenn Sie selbst nach Furtwangen kommen könnten, um die Ver­ hältnisse hier kennen zu lernen. Falls Sie uns mit einer Spende von Kartoffeln und Obst unterstützen könnten, wäre das sehr erwünscht.“ In einem Schreiben vom 24. November 194 7 bedankt sich Bürgermeister Zier für den 104 Besuch der beiden Schleitheimer Egon Schramm und Paul Rahm. Sie hatten Gele­ genheit, sich von der gegenwärtigen Armut zu überzeugen. In seiner Dankantwort für die gute Aufnahme teilt Egon Schramm fol­ gendes mit: ,,Der Gemeinderat von Sehleit­ heim hat beim Schaffhauser Hilfswerk be­ antragt, daß vom Sammelergebnis unserer Gemeinde ein ansehnlicher Teil für Furtwan­ gen separariert und Ihnen zugestellt wird. Das Versprechen, das er bei seinem Besuch in Furtwangen gab, werde somit eingelöst, aller­ dings verspätet, aber sicher nicht zu spät.“ In seiner Antwort zeigt Bürgermeister Zier Verständnis für die verspätete Hilfe. Sie komme im Januar nicht zu spät. Er teilte fer­ ner mit: ,,Bis zu dieser Stunde sind hier aus der Schweiz folgende Hilfsgüter eingetrof­ fen: Ein Lastwagen mit Kartoffeln, Rüben, Kraut und Obst, verschiedene Lebensmittel, gesammelte Schuhe und Kleidungsstücke, drei Hilfswerk-Pakete aus privater Hand und sechs Hilfswerk-Pakete aus einer Gemeinde­ stiftung.“ Große Freude löste eine Obstsendung aus, die durch das Schweizer Hilfswerk über die Zentrale Freiburg zugeteilt wurde. Kinder von 3 bis 14 Jahren und Erwachsene über 65 Jahre erhielten dabei je 6 kg Äpfel zugeteilt. Der „Schleitheimer Bote“ veröffentlichte im November 1946 einen Aufruf an die Mit­ bürger zu einer Spende für Furtwangen. Dort heißt es: ,,Der Gemeinderat hat sich dem Notruf aus Furtwangen nicht verschlossen und beschlossen, eine Sammlung von Lebensmitteln und von Gegenständen des täglichen Bedarfs zu organisieren. Obst, Kar­ toffeln, Dauergemüse, Schuhe, Kleider, Sup­ penartikel, Kondensmilch sind Artikel, die die Bevölkerung von Furtwangen entbehren muß. Diese Spende soll den 1200 Kindern dieser 5000 Einwohner zählenden Schwarz­ waldstadt die christliche Liebe spüren lassen, damit sie den Glauben an eine andere Welt als diejenige, in der diese Jugend aufgewach­ sen ist, festigen können.“ Am 12. Juli 1947 schreibt das Badische Hilfswerk Furtwangen an den Delegierten

gezählt. Furtwangen konnte für diese Spende einen kleinen Gegendienst leisten. Finanzre­ ferent Egon Schramm in Sehleitheim bat Bürgermeister Zier im Oktober 1947 um die Lieferung eines Granitfindlings. Die Liefe­ rung und der Transport bis zum Zoll in Stüh­ lingen erfolgte durch die Stadt Furtwangen kostenlos. Welche Bewandtnis es mit dem Granit­ findling hatte, entnehmen wir dem „Schleit­ heimer Boten“ vom 20. Oktober 1948: ,,Dem Gedächtnis der großen Flüchtlingsinvasion in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 hat die Gemeinde Sehleitheim einen Gedenk­ stein gewidmet. Er steht seit dem 16. Oktober 1948 auf dem Platz gegenüber dem Zollamt Sehleitheim-überwiesen inmitten einer klei­ nen Grünfläche. Seine Inschrift lautet: 1945 Grenzübertritt von 5121 Flüchtlingen. Eine Tafel am dahinter stehenden Haus gibt nähe­ ren Aufschluß über die Zusammensetzung der Flüchtlinge. Stammten sie doch aus drei Erdteilen und gehörten über 20 Nationen an. Die Inschrift der Tafel lautet: Vom 21. April bis 26. April 1945 haben tausende von Flüchtlingen an dieser Stelle, zum Teil ver­ elendet, verwahrlost und hungrig die Schwei­ zer Grenze überschritten. Es waren 671 Polen, 764 Deutsche, 1677 Russen. (Schutz­ aufenthaltssuchende aus den badischen Nachbargemeinden waren es 120.) Zum Schluß heißt es auf der Gedenktafel: Der Gedenkstein ist ein Geschenk der Stadt Furt­ wangen.“ Alfons Diemer Ein Geschenk der Stadt Furtwangen: Der Gra­ nitfindling am Schleitheimer Zoll der Schweizer Spende, Herrn Ernst in Koblenz bei Waldshut: ,,Dank Ihrer gütigen Zuweisung konnten in Furtwangen fünf Schülerspeisungen ftir je 250 Kinder zu 30 Tagen durchgeführt werden, das sind 3 7 500 nahrhafte Portionen.“ In einem Gesuch der Gemeinde Sehleit­ heim um Ausfuhr einer Liebesgabensen­ dung an die deutsche Gemeinde Furtwangen und an dessen Spital, vertreten durch Pfarrer Wüterich und Bürgermeister Zier, werden Waren im Gewicht von 3 7 5 000 kg N ettoge­ wicht und im Wert von 1395 Franken auf- Es war vor dreißig Jahren: Als das Jugendrotkreuz begann ,,Dienst am Nächsten, Dienst an der Gesundheit, Dienst für Frieden und Völkerverständi­ gung“ Diese Worte standen 1950 im Klassen­ buch der Jugendrotkreuzklasse der Pestaloz­ zi-Schule Villingen. Krieg und Gefangenschaft hatten ihre Spuren hinterlassen. Aus Resignation und Ungewißheit wuchs hinter Stacheldraht der Glaube an einen Neubeginn und die Ver­ pflichtung, einen bescheidenen Beitrag zu leisten zur Völkerversöhnung. Heimgekehrt und wieder in der Schule tätig, entstand die erste Jugendrotkreuzklasse im Kreisgebiet, die sich in den Nachkriegs- 105

Spendenaktion amerikanischer Schulen 1950/51. Links Rektor Kar!Brachat und Oberstudiendirektor Karl Schilling Anläßlich eines Wettbewerbs des Deut­ schen Jugendrotkreuzes beteiligte sich auch die Villinger Jugendrotkreuzklasse mit einem Austausch-Album. Eine Jury des Generalsekretariats des Deutschen Roten Kreuzes wählte unser Album als das beste aus. Das Foto zeigt den damaligen Bundes­ präsidenten Dr. Theodor Heuss, den Leiter des amerikanischen Jugendrotkreuzes Mr. Blair und Gräfin Waldersee beim Betrachten des Villinger Albums. Angeregt durch die Schriften Albert Schweitzers und seiner These von der „Ehr­ furcht vor dem Leben“ schufen wir im Som­ mer 1953 ein Triptychon – einen kleinen dreiteiligen Altar – für das Hospital in Lam­ barene. Es war eine festliche Gabe mit Gold­ folien als Hintergrund und darauf als Col­ lage die Geburt Christi. Als es fertig war, schickten wir den Gruß weg, hoffend, daß er zu Weihnachten in Lambarene sei. Und wir erfuhren: die Sendung kam gerade am Hei­ lig-Abend an. ,,Liebe Kinder, Ihr habt keine Ahnung, welch eine Freude Ihr dem Doktor gemacht habt mit Euerem wunderschö- jahren im sozialen Bereich engagierte und in ,,Erster Hilfe“ durch das Rote Kreuz ausgebil­ det wurde. Karl Brachat, damals Leiter der Pestalozzischule, unterstützte das Vorhaben. Schwerpunkt wurde der Ausbau des Kontak­ tes mit ausländischen Schulen. Die ersten Brieffreundschaften entstanden. Das erste Austausch-Album ging nach USA. Während beim Brief der Einzelne agierte, war bei der Anlage eines Austausch-Albumes die ganze Klasse tätig; es wurde eine Gemeinschaftsar­ beit. Als dann über das Rote Kreuz die Dan­ kesbriefe kamen, entstanden weitere Alben als „Brücken der Freundschaft“, angefüllt mit Berichten über die Schule, unsere Stadt und Heimat, mit Zeichnungen und Fotos. Es war für die Jugendrotkreuzklasse eine große Freude, als in jener „armen Zeit“ von einer Jugendrotkreuzklasse in Detroit (USA) eine Spendenkiste mit Dingen des täglichen Bedarfs eintraf. Im Beisein von Oberstudien­ direktor Schilling, dem damaligen Ortsvor­ sitzenden des Roten Kreuzes, sowie Rektor Karl Brachat wurde der vielfältige Inhalt ver­ teilt und auch an die Schüler anderer Klassen weitergegeben. 106

Bundespräsident Theodor Heuss betrachtet das Villinger Jugendrotkreuz-Austauschalbum 107

nen Altarstück und der schön ausgeführ­ ten Widmung! Alles ist mit viel Liebe und großer Sorgfalt gemacht, ob es nun das Rote Kreuz als Mahnung für den Frieden ist, das ganz Europa bedeckt, die Kerze, die in Afrika leuchtet, die auf goldenem Grund gemalte Weihnachtsgeschichte, es ist alles köstlich! Die einfachen Hirten mit ihren Schafen und den beschneiten Tan­ nenbäumen, die vornehmen Magier mit den reich beladenen Kamelen und in der Mitte das Christkind, umgeben von Eltern und Tieren und Bäumen unter dem Sternenhimmel, wo Engel singen über den Häusern, in denen Menschen woh­ nen und Ihm zu dienen versuchen! … Zu Weihnachten haben die Leprösen-Kinder ein einfaches Weihnachtsspiel aufgeführt, das sie unter der Leitung von zwei Pflege­ rinnen einstudiert hatten. Es war rührend, wie sie ihre Rollen spielten. Die Hirten saßen in Säcken um ein Holzfeuer, die Engel, unter denen ein ganz kleiner, san­ gen die Froh-Botschaft, die Magier schrit­ ten würdevoll einher. Mutter Maria, eigentlich noch ein Mädchen, saß mit ihrem eigenen Kind auf dem Schoß im Mittelpunkt, und im Hintergrund brann­ ten einfache Kerzen am Weihnachtsbaum – einer a e … Das ist ein Teil des Antwortbriefes von Frau H. Oeverman, einer Mitarbeiterin im Hospital, der dann mit Dankesgrüßen von Albert Schweitzer beendet wurde. Plm “ . Von nun an riß die Verbindung nach Lambarene nicht mehr ab. 1954 lief eine wei­ tere Aktion nach einer persönlichen Begeg­ nung mit Albert Schweitzer in Königsfeld an: Wir sammelten Geräte und Werkzeuge, medizinische Instrumente und Verbandsma­ terial. Hierbei hat uns die Presse sehr gehol­ fen. Vier große Kisten wurden gefüllt mit Schraubstöcken, Feilen, Hämmern, Sägen, Zangen u. a., ja sogar ein T ropenrundfunkge­ rät wurde von einer hiesigen Firma gestiftet. Das gab für die Klasse manche zusätzliche Arbeit. Jede Kiste trug neben der genauen Anschrift groß die Buchstaben ASB (Albert 108 Schweitzer-Breslau – Familienname der Gat­ tin des Urwalddoktors). Die Sendung wurde ein Geschenk unseres Raumes zum Weih­ nachtsfest und zu Albert Schweitzers 80. Geburtstag am 14. Januar 1955. Im Frühjahr 1955 kam Albert Schweitzers Dankesbrief: „Liebe Schüler, eben komme ich vom Bauplatz des Dorfes für die Aussätzigen heim und finde zu meiner Überraschung die Werkzeuge, die Ihr mir schenkt. Sie sind heute mit dem Flußdampfer ange­ kommen. Welch eine wertvolle Sendung! Ein Teil geht morgen gleich zum Bauplatz der Leprahäuser. Das wird eine Überra­ schung für den schwarzen Zimmermann sein! So habt Ihr alle mitgeholfen am Bau des Hospitals. Nochmals vielen Dank! Herzlichst Albert Schweitzer“ Am 28. Oktober 1957 kam ein Anruf von Königsfeld aus, in dem Albert Schweitzer mitteilte, daß er die Klasse besuchen wolle. Es war eine aufregende Sache, die Mädchen hatten gerade Handarbeit, und die Buben bereiteten im Werkunterricht eine Werk­ und Zeichenausstellung für Weihnachten vor. In seiner Begleitung waren Frau Martin, die unermüdliche Sachwalterin des Hilfswer­ kes Albert Schweitzer aus Günzbach im Elsaß, Frau Kottmann, die langjährige Mit­ arbeiterin im Hospital, und Frau Andersen, New York, die den Albert-Schweitzer-Film gedreht hatte. In Windeseile strömten die Schülerinnen und Schüler ins Klassenzim­ mer. Professor Schweitzer sprach über Lamba­ rene am großen Fluß, dem Ogowe, von der Ankunft der Kranken, meist in Booten und mit zahlreichen Familienangehörigen, wie es in Afrika heute noch teilweise üblich ist. Dann berichtete er uns von den frühen Anfängen des Hospitals und dem Ausbau des Lepra-Dorfes, das auch mit Hilfe des Nobel-Preises aufgebaut werden konnte, von

den treuen schwarzen Helfern und so man­ chen zwei- und vierbeinigen Freunden und deren Lebensgewohnheiten (Pelikan). Zum Schluß dankte er nochmals für die helfenden Initiativen der Villinger Jugendrotkreuz­ klasse. Wie schnell verging diese Sternstunde, in der wir alle die Einfachheit und Seelengröße diesen großen Mannes spüren durften, der mitten unter uns war. Helmut Heinrich Verpacken der Geräte und Werkzeuge für Lambarene 28.10.1957: Albert Schweitzer besucht die Jugendrotkreuzklasse Villingen t 109

Das Hakenkreuz über der Baar und dem Schwarzwald Manfred Bosch: Widerstand und Verfolgung 1933-1945 Die Anfänge des Nationalsozialismus weisen auch im Schwarzwald-Baar-Kreis in die frühen 20er Jahre. Für 1921 ist bereits ein rechtsradikaler Sympathisantenkreis in Furt­ wangen belegt; eine eigene Ortsgruppe ent­ stand jedoch erst 1923. Aufgrund des 1921 für ganz Baden ausgesprochenen NSDAP-Ver­ bots waren die Nazis zeitweise zu getarnter Organisation gezwungen; so traf man sich z.B. in Triberg in der „Deutschen Partei für Baden“. Doch die Nazis blieben mit ihren frühen Organisationsversuchen Randfigu­ ren des politischen Lebens, so daß auch die Gründung des NSDAP-Gaues Baden 1925 an der politischen Bedeutungslosigkeit der frühen NSDAP nichts änderte. Dennoch erschloß eine zähe Werbe-, Agitations- und Versammlungstätigkeit dem Nationalsozia­ lismus ein langsam anwachsendes Potential; es bedurfte freilich der Weltwirtschaftkrise und einer scheinbar hilflosen Demokratie, um der Demagogie und den griffigen Feind­ bildern der Nazis auch auf der Baar und im Schwarzwald einen massenhaften Widerhall zu geben. Als das Donaueschinger Tagblatt 1931 die Entdeckung eines Geheimbefehls zum Anlaß nahm, vor einer Mobilmachung und einem Bürgerkrieg zu warnen, war der organisierte Nationalsozialismus allerdings auch hier bereits zu einer unübersehbaren Größe geworden. ,,Es ist in letzter Zeit auf­ gefallen“, hieß es da, ,,daß die nationalsoziali­ stischen Geheimbefehle nächtlicherweise durch Motorräder in die Bezirke hinausge­ bracht wurden. In diesen Geheimbefehlen werden den einzelnen Führern der Sturm­ trupps ihre Funktionen zugewiesen. Alle diese Pläne we1sen darauf hin, daß die Natio­ nalsozialisten sich zur Übernahme der Macht in der Baar und auf dem Schwarzwald 110 vorbereiten.“ Darauf wies nicht zuletzt die seit Ende 1931 bestehende Gausturmvor­ schule bei Furtwangen hin; aber statt eines Putsches gelang den Nazis eine legale Macht­ übernahme, bei der vor allem verängstigte kleinbürgerliche Schichten und ein um seine Existenz bangender Mittelstand die Wähler­ Basis abgaben. 40.000 Zuhörer sollen es gewesen sein, die Hitler im April 1932 im Schwenninger Stadion zujubelten. Von Anfang an dagegen: die Arbeiterbewegung Die beiden großen Kontrahenten im Rin­ gen der Nazis um die Macht waren das Zen­ trum und die organisierte Arbeiterbewegung (KPD, SPD, SAP, Gewerkschaften sowie die verschiedenen Republik- und Selbstschutz­ organisationen Reichsbanner, Eiserne Front, Kampfbund der Antifaschisten). Beide Oppositionshaltungen hatten ihre regiona­ len Schwerpunkte: während das Zentrum dem Nationalsozialismus vor allem in den agrarischen Gebieten der Bezirksämter Villingen und Donaueschingen die relativ stabile Beharrungskraft eines kirchlich geprägten Milieu- und T raditionssystems entgegenzusetzen wußte, entwickelte die Linke von Anfang an einen aktiven politi­ schen Widerstand mit Schwerpunkt in Schwenningen, aber auch in Villingen, St. Georgen, Triberg und Furtwangen. Eine ganze Serie politischer Verbrechen seit Beginn der Weimarer Republik (Kapp- und Hitler-Putsch; die Morde an Eisner und Gareis, Erzberger und Rathenau) hatte die Arbeiterbewegung schon früh die Gefahr des Nationalsozialismus erkennen und mit z. T. mächtigen Demonstrationen zum Schutz der Republik auf den Plan treten las-

Staatsarchiv Freiburg Vllllngen. a,n 7, Jul 1 1933. /-‚-( l,(N/,I'{ I. J. u f r u/ 011 ate diJrger:,chuft oon �llllnhen. Die ge1110Jtlgen .instrengungen aer nelchSregler,,ng Ullter l’fihrU11g a,s Herm RelchSllunzlers .d/Jolf 11 1 t l e r , die J.rbeltsloslgllel t ru besel tlgen, fordern gebieterisch Don Jeder. Volltsgenossen, doss er seine ganze lro/t 1t.u- unter­ StilllfUIIIJ a,r BeglerUIIIJ ll11Set1tt. .1.aer .turvi In lrgenJ einer Farn 1tur Lln.:Jef“Wl{I der lfOt bei trJgen wu aa“I r wo neuoau ,er Arbel r ,c(la[[en kann Ut unseres Vaterlorr1es •I thel/en. m:caWcbrc1 auch die ie111, l(oqllchkeu da;u auszusclliiote.,. JtJtJer Ht1USbeslt1ttr, der ao.zu In der UJge Ist, IIU3S H.Ut not­ wndlg gl!IDOrdene Reparaturen oorrwhllen. ,er bauen kann, r.uss es Jetlfl tUII, ua de• ScltlUSs1l�rbe, dea bauharrJU>erk J.n­ trleb Ulld Beschli.ft lgUll{I lfU g1ben. Die Helch3reglerung U/lter­ stallft derarrtge JJestre�en durch Ihr Gtlset1t DOii J.J14!1 1933 Auch die Stadtoe/“ll!Qltung ,olrd Ihr lllJgllchstes tuen, alle t1e­ strellw!qen lfUr oeleblJll{l der llrtschl)Jt 1tu /eirdem. J.n alle J.rbel tgeber richte leh die drln;ende til tte, so icelt Irgend afi.,Jllch arbeitslose ronsae11Dssen ,.,,aer In dte Betriebe e1nzuste11en WJJ ,u-i,ae• so11a1 a1c,chren lohn ru k· ,criaa1a,n. MJr dadurch, dass dl• grosse lla.u, ur J.rbe/ tlr­ ltChi)jl durch JJeschll.ftlglll{l •l«11r llau/1fr4/11g 111ra, .tarvi 1111 Staatsarci1i �· � reiburg -2- nomales GeschliftsJeben u;leder hergestellt 111erden. lch er­ wrte, aass aurch aJlsel r lgen guten ,111en die AnSrrengun­ gen a11r Stot1toen,,aJtunh die g11″“1Jtlg1111 >Yirsorgelasten 1tu oer­ alrr!em, untersrarzt 111erden. Nur durch gemel11Sallle .lrbel t, gu.el11Sar.e Pflichterfüllung und ge„elnsar:ies Dienen lll’I Volk und Hel,r.at 111lrd 111leder eine bessere ZU/rurlft gestaltet. unser 11e1chSstart1U1lrer robert I a 9 n e r hat /tilr1tllch das beher1tlgens..erte lort gepritJI : „NlemarrJ la deutschen a:Jterland darf I• koa.enden ,inter hUngem und frieren. • Vol/lsgenossenl Bürger oon Vill lngenl Lasset In unserer Stadt dieses lort ein t1efehl sein alle li4nde ru re,1en, dass J.rbelt g,schaf/en 1&1 ro; denn die ubel r allein ltam UIIS retten oor II.Vl{Jer wu1 ulrtschaftllcher NOt, JJenA“t an U11Sere arbel tslosen driider; denkt an die /1,rchtbare IIOI In olelen >’b&lllen; denkt an Frauen wuJ �Inder, denen der &rnlfhrer f•ltl t. J.rbeltet gläubigen lferze11S alt an der lie­ frelungsarbel r U11Ser,s XDnzlt!rs und Jfihrers �olf H I r 1 e f, Gu raa n n. Burger,r.e I sters tel loertrerer. F.—- Land� ., . , /n JU·�·�� • • – • ·· – 1 11, llachrlcht hlerwn an ate z e t r u n g e n lfWI .,.bdrucll tn geeigneter Forn. I III. /‘,Uchricht hleroon er/’llilt : aer Herr Lun d e s1toc,r1s stir, In l o n s t u n z rur Kennt nl s. sen. In dieser zunächst bis ins Bürgertum hin­ einreichenden Frontstellung gegen rechts haben die anderen demokratischen Parteien der (von ihnen zeitweise wenig geliebten) ersten deutschen Republik die Linke weitge­ hend alleingelassen. Entscheidend für die Niederlage der Demokratie war aber auch das Verhalten der KPD, die zu spät vom Kampf gegen das „System“ auf eine Verteidi­ gung des Weimarer Staates „umschaltete“. Die Zerschlagung der Arbeiterbewegung … Ihre Feindschaft gegen den N ationalsozia­ lismus bekamen die Arbeiterorganisationen und -parteien gleich nach der Machtergrei­ fung zu spüren: sie traf als erste die ganze Wucht der NS-Despotie. Nach dem Fanal des Reichstagsbrandes vom 27. Februar 1933 wurden im gesamten Kreisgebiet von Villin­ gen und Donaueschingen sowie Rottweil und Kommunisten, Sozialdemokraten Gewerkschafter und sonst gegen den Natio­ nalsozialismus hervorgetretene Persönlich- keiten in Schutzhaft genommen und später teilweise in den KZ Heuberg, Kuhberg, Kis­ lau und Ankenbuck inhaftiert, ihre Woh­ nungen wurden durchsucht und ihre Post überwacht. Weniges kennzeichnet den zyni­ schen Machtgebrauch in dieser Zeit besser als die sogenannte Schutzhaft. Auf der Grund­ lage der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. 2.1933 verhängt, gab sie vor, vom Volks­ zorn Bedrohte in Schutz zu nehmen – vor einem „Volkszorn“ freilich, der zuvor von den Nazis hetzerisch aufgepeitscht, wenn nicht von ihnen selbst verkörpert wurde. Bereits die württembergischen Einschrän­ kungen des Demonstrationsrechts hatten in der kommunistischen Hochburg Schwen­ ningen (wo die Wahl vom 5. März 1933 sowohl der SPD wie der KPD noch je knapp 22 % der Stimmen brachte) die politische Betätigung der KPD eingeengt; Mitte Februar und Anfang März wurden auch die Räume der Villinger KPD in der Färberstraße durchsucht bzw. geschlossen. Hand in Hand 111

1.Mai 1935. Hitkrjugend gekitet den Maibaum vom Hochgericht zum Festplatz in Villingen Reichsjugendführer Bald.ur v. Schirach beim Besuch in Villingen nimmt Appell des BDM ab 112

Zum ersten Spatenstich für den Bau der Bahnüberführung in Donaueschingen kam Gauleiter Wagner am 10. 5.1934 nach Donaueschingen Einweihung der Bahnüberführung in Donaueschingen am 6.11. 1935 durch Ministerpräsident Köhler 113

mit der Behinderung der politischen Betäti­ gung und der Schutzhaft für politisch Miß­ liebige ging die Zerschlagung der gesamten Organisationsstruktur der Linksparteien und der Arbeiterbewegung: zunächst wur­ den ihre Zeitungen verboten, so die Schwen­ ninger „Volksstimme“ (SPD), die am 11. März das letzte Mal erschien; parallel dazu wurde auch die badische SPD-Zeitung „Volks­ wacht“ verboten. Mitte März legten die Nazis die SPD-orientierte Genossenschafts­ bewegung mit ihren Konsum- und Erwege­ Läden durch Boykott und Schließung lahm; am 20. März erfolgten Haussuchungen bei Reichsbanner-, Eiserne Front- und SAJ-Mit­ gliedern; den Gewerkschaften wurde das „Volkshaus Löwe“ geschlossen. Ab Ende März erfolgte das Verbot des ganzen Spek­ trums der Arbeiterkultur- und Sportvereine. Das Vermögen von Gesang- und T urnverei­ nen, des Arbeiterradfahrerbundes Solidari­ tät, der Naturfreunde, der Freidenker, der Roten Hilfe und der Internationalen Arbei­ terhilfe, des Reichsbanner und der Eisernen Front wurde beschlagnahmt und entschädi­ gungslos einem „Treuhänder für marxisti­ sches Vermögen“ überantwortet. Was Gene­ rationen von Arbeitern solidarisch und unter heute kaum mehr nachvollziehbaren Opfern erworben und geschaffen hatten – Sport­ stätten und Vereinsheime, Turngeräte und Saalfahrräder, Musikalien und Instrumente, Liederbücher, Vereinsbibliotheken und Traditionsfahnen – wurde nun NS-Organi­ sationen zugeschanzt, verhökert oder als „wertlos“ verbrannt. Die Schwenninger Naturfreunde verloren ihr Heim bei St. Georgen; Mitte März wurden auch die Arbeiterfreizeitstätten (Waldheime) ge­ schlossen. Am 2. Mai kam das Verbot der Gewerkschaften und die Besetzung ihrer Häuser; Einzelgewerkschaften wie Metall­ und Holzarbeiterverband in Villingen wur­ den gleichgeschaltet und von Nazis über­ nommen. Die Sitze der Kommunisten in den Bürgerausschüssen und Gemeinderäten wurden annulliert; auch viele Sozialdemo­ kraten konnten aufgrund „Behinderung der 114 persönlichen und bürgerlichen Freiheit“ nicht mehr an den Sitzungen teilnehmen. Mit dieser Begründung jedenfalls entschul­ digten die Villinger Kommunalpolitiker Heid, Übler und Schifferdecker ihr Fernblei­ ben; sie waren Mitte März nachts von SA und SS festgenommen und so mißhandelt worden, daß sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Die Kosten dafür waren – von den Mißhandelten aufzubringen! … und die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens Entsprechend dem diktatorischen An­ spruch des Nationalsozialismus, das gesamte öffentliche und politische Leben zu bestim­ men, wurden nach und nach alle gesellschaft­ lichen Bereiche „gleichgeschaltet“. Begon­ nen hatte es kurz nach der Machtübernahme mit der Schutzhaft für oppositionelle Redak­ teure und zunächst zeitweisen, später gene­ rellen Zeitungsverboten ( ,, Villinger Volks­ blatt“, »Donaueschinger Tagblatt“, ,,Donau­ bote“, ,,Echo vom Wald“ u. a.). Wie dabei vorgegangen wurde, belegt das Beispiel ,,Furtwanger Nachrichten“: nachdem zwei­ mal hintereinander die Scheiben der Drucke­ rei eingeworfen worden waren, besetzte die SA zum „Schutz“ der 1936 verbotenen Zei­ tung die Redaktion; der Besitzer kam in Schutzhaft. Parallel dazu liefen Versuche, die Auflage von Nazi-Blättern zu steigern. Eine Anzeige im „Villinger Volksblatt“ zeigt, wie: ,,Weisen Sie jedem Werber energisch die Tür, der Sie durch Drohungen zwingen will, das V. V. abzubestellen, sonst würden Sie Ihre Rente, Ihre Stellung, Ihr Amt verlieren.“ Die weitere Säuberung betraf die ge­ meindlichen Selbst- und Kreisverwaltungs­ organe. Die Sitze der seit Anfang Juni ver­ botenen KPD und SPD wurden annulliert und die Neuverteilung nach dem Reichstags­ wahlergebnis vorgenommen. Während zu­ sammenarbeitswillige Zentrumsleute bei der NSDAP hospitieren konnten, wurde den anderen der »freiwillige“ Verzicht auf ihr Mandat empfohlen oder erpreßt. In Kirch­ dorf hatten sich Zentrumsvertreter im

August 1933 schriftlich bereiterklären müs­ sen, sich der NSDAP-Fraktion zu unterstel­ len und „auf Verlangen jederzeit ihr Amt“ niederzulegen. Andere, wie die Donau­ eschinger Zentrumsleute, entzogen sich die­ ser Selbstaufgabe und würdelosen Zumu­ tung und verzichteten auf ihr Amt. Eine nicht minder deutliche Sprache spricht eine wohl kaum vollständige Liste zur „ Wieder­ herstellung des Berufsbeamtentums“ von 1937, die für den Bezirk Villingen zwei straf­ versetzte und sechs entlassene Beamte auf­ führt. Die Gründe für die Maßregelungen lesen sich wie folgt: ,,Fanatischer SPD­ Mann „, ,,Fanatischer Gegner. Führend beim Evang. Volksdienst“, ,,Angehöriger des Zen­ trums. Verkehrte bei Pfaffen und Zentrums­ größen“, ,,SPD-Bonze, wie er im Buche steht“ oder auch einfach „Demokrat“. Widerstand der Kommunisten … Diese Unterdrückung jeder politischen und sozialen Freiheit fand auch in der Baar und auf dem Schwarzwald vielfachen Wider­ spruch und brachte selbst unter den Vorzei­ chen härtester Strafverfolgung eine breitge­ fächerte Skala von Protesthaltungen hervor, die je nach weltanschaulicher Herkunft und politischer Entschlossenheit von „innerer Emigration“ bis zum „offenen“ Kampf, von der Verweigerung bis zum Widerstand reich­ ten. Den nach Umfang und Intensität wie nach persönlicher Risikobereitschaft ent­ schiedensten Widerstand leisteten Kommu­ nisten. Sie hatten auch am schnellsten in ihre neue Rolle hineingefunden. Zunächst galt es, neue Formen des organisatorischen und ideologischen Zusammenhalts zu finden. Urteile gegen verhaftete Kommunisten zei­ gen, daß dies in geheimen Treffen (z. B. im Wald) und durch das Kleben unverdächtiger Rabattmarken als „Rabattsparverein“ ge­ schah. Allein in Furtwangen wurden im November 1933 neun und wenig später 14 Kommunisten verhaftet, die auf diese Weise eine verbotene Partei illegal weitergeführt hatten. Dieser Zusammenhalt war Voraussetzung für eine unter konspirativen Vorzeichen zu leistende Widerstandstätigkeit, d. h. nie­ mand durfte mehr wissen, als es zur Durch­ führung seiner Arbeit unbedingt notwendig war. Diese Arbeit bestand im Schaffen von Deckadressen, in Kurierfahrten, im Verteilen von Flugblättern oder Zeitungen, im Be­ schaffen von Informationen, in der Flucht­ hilfe und der Unterstützung Gefangener sowie in der gegenseitigen Beratung und Dis­ kussion. Vielfach gerieten dabei Beteiligte in Haft und büßten mit scharfen Strafen, so der Kraftwagenfahrer K. aus St. Georgen, der 1934 „staatsgefährdende Schriften“ transpor­ tiert hatte, oder Johann B. und Oskar L., die mit der früher in Peterzell wohnenden und in die Schweiz geflohenen Witwe Eisners Kontakt hielten. Die illegalen Schriften stammten meist aus der Schweiz und wurden von Mitarbei­ tern der „ Transportkolonne Otto“ im großen Stil eingeschmuggelt. Über Singen kam auch Material nach Villingen und St. Georgen; nach Schwenningen gelangten als Glassen­ dung deklarierte Kisten mit hunderten Exemplaren der „Süddeutschen Arbeiterzei­ tung“, wo sie in Briefkästen gesteckt oder ver­ kauft wurden. Mit Wilfried und Paula Acker wären zwei wichtige Schwenninger Kommu­ nisten zu nennen, die im Schweizer Exil gegen das „Dritte Reich“ arbeiteten. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges waren für die Weiterführung dieser illegalen Arbeit keine Grundlagen mehr vorhanden: die Kader waren durch die Gestapo auf­ gerollt, Beteiligte vielfach in Zuchthäusern oder KZs; andere waren zum Arbeitsdienst oder zur Wehrmacht eingezogen. … und der Sozialdemokraten Bis zum SPD-Verbot im Juni 1933 lebten die Sozialdemokraten in einem trügerischen Zustand offizieller Legalität, der viele zwi­ schen loyaler Opposition und notwendigem Widerstand schwanken ließ. Die daraus resultierende Unentschiedenheit beleuchtet kennzeichnend ein Vorgang vom Mai 1933. In Briefkästen, Gärten und auf Straßen des 115

Bezirks Villingen waren angeblich aus Kopenhagen stammende Flugblätter „Gegen den Faschismus“ gefunden worden. Als die Ermittlungen nicht weiterführten, versuchte das Bezirksamt Villingen gegen die SPD­ Führung vorzugehen, um dadurch Druck auf die „wirklich Schuldigen“ auszuüben. Neben vielen resignierenden Sozialdemo­ kraten, die vielfach nur noch „vor-politische“ Kontakte wahrten, war es eine schmale Schicht von SPD-Funktionären und Mitglie­ dern, die sich zum aktiven Widerstand ent­ schlossen. Wie die aus Triberg stammenden Karl Jäckle und Georg Reinbold wurden sie zu Mitarbeitern am weitverzweigten Netz der So(zialdemokratischen)Pa(rtei)De(utsch­ lands), der Prager Exil-SPD, die mit ihren Grenzsekretariaten wertvolle Informations­ arbeit in beiden Richtungen leisteten: einmal kamen Nachrichten auch aus dem Raum Baar/Schwarzwald nach Prag für die »Deutschlandberichte“, während von außen kritische Informationen und Flugblätter auf alle erdenklichen Arten ins Reich gelangten. Die Gestapo erwartete im Dezember 1933 eine Zunahme der illegalen Tätigkeit „durch den neuesten Trick, den einstigen ‚Vorwärts‘ im Liliputformat in bestimmten Zwischen­ räumen erscheinen zu lassen, den man gut in eine Zigarettenschachtel packen und sie einem Bekannten präsentieren kann. Er soll in Massenexemplaren verbreitet werden. Diese Methode übten frühere SPD-Mitglie­ der in St. Georgen.“ Als recht aktiv schätzte die Gestapo auch die SPD in Schwenningen ein. Hier hatte u. a. eine aktive „Neu-Beginnen-Gruppe“ inten­ sive Kontakte zu Erwin Schoettle in St. Gal­ len bzw. Kreuzlingen. Daß daneben jedoch auch die alten Solidarstrukturen lange Zeit noch intakt blieben, belegen zwei Fälle aus Triberg. Hier ging der Umsatz der Konsum­ genossenschaft um die Hälfte zurück, nach­ dem der Betrieb übernommen worden war; und als in einem metallverarbeitenden Be­ trieb Vertrauensleutewahlen anstanden, erhielt ein früherer Funktionär der nun ver­ botenen Gewerkschaft die meisten Stimmen. 116 Solche Ohrfeigen waren für die Nazis auf der Baar und im Schwarzwald nicht selten. Ausgerechnet in ihrer Hochburg Furtwan­ gen mußten sie bei einer Volksabstimmung die im weiten Umkreis höchste Anzahl ungültiger Stimmen und Nichtwähler regi­ strieren – rund 20 %! Als auch in Bad Dürr­ heim die obligatorische Hitler-Linde ge­ pflanzt wurde, fand sie sich kurze Zeit darauf zerstört. In vielen hunderten von Fällen haben Einzelne Zivilcourage bewiesen, sich dem Befohlenen oder auch nur Opportunen widersetzt und sich verweigert. Zu ihnen gehört der Donaueschinger Georg Mall, der sich im Gemeinderat gegen eine Ehrenbür­ gerschaft Hitlers als unzulässige Vorschuß­ lorbeeren wandte und seine Haltung mit dem Verlust seines Mandats bezahlte; zu ihnen gehört auch das spätere MdL der SPD, Rechtsanwalt Ernst Haas aus Villingen, der wegen Nichtgrüßens der Hakenkreuzfahne ein Strafverfahren angehängt bekam und aufgrund seiner fortlaufenden Konflikte mit dem Nationalsozialismus in die Schweiz fliehen mußte. 1944 Widerstand der Kirchen Im Gegensatz zu vielen Kirchenführern, die zumindest im Anfang zu Anpassung und Mitarbeit im neuen Staat bereit waren, haben auch an der Basis der Kirche viele Kleriker und Laien von Anfang an solchen Mut be­ wiesen. Insgesamt ist die Haltung gerade der Katholiken mit „Resistenz“ am besten beschrieben: der Nationalsozialismus „schei­ terte“ einfach am katholischen Milieu, des­ sen Mentalität das hohle Pathos und die schlecht verhüllte Arroganz der Nazis zuwi­ der war. Ganz aus dieser Empfindung heraus geschah es, daß Kinder von Zentrums­ Gemeinderäten sangen: „Schwarz-weiß-rot, gib mir ein Stückchen Brot, gib mir ein Stückchen Schinken, alle Hitler stinken“. Dieses Lied und angebliche Schimpfereien aus den Reihen des Katholi­ schen Jugendsports führten zum Verbot der DJK Schonach. Wie in diesem Fall bestand an der Basis ein sehr waches Gefühl für die in Schonach

Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus und Religiosität, auch wenn die Nazis anfangs taktische Brücken bauten und mit SS, SA, HJ und Stahlhelm, wie in Donau­ eschingen im Mai 1933, geschlossen an Got­ tesdiensten teilnahmen. So war Pfarrvikar Reichgauer aus Pfohren wegen der Äuße­ rung, Hitler könne sich auch noch einmal als Geißel der Nation herausstellen, in der Kar­ woche 1933 verhaftet und nach Donau­ eschingen in Schutzhaft gebracht worden. 1934 hatte ein Pater im Ferienlager des Bun­ des „Neudeutschland“ bei Furtwangen das parodistische Lied „Wir traben in die Weite“ singen lassen, worin eine Verunglimpfung des Staates gesehen wurde. Wegen politi­ scher Äußerungen wurde Pfarrer Kaltenbach aus Aasen gemaßregelt, während dies seinem Amtskollegen Leonhard Schmid in Neu­ kirch bei Furtwangen für die Predigtä uße­ rung widerfuhr, niemand könne zwei Herren dienen, deren Anschauungen so auseinan­ derklafften wie die des Nationalsozialismus und der Kirche. Bereits im August 1933 hatte PfarrerThoma aus Schonach NS-Abordnun­ gen mit ihren Fahnen den Zutritt zur Messe verweigert und sie, als sie sich den Zutritt erzwangen, als deplaziert bezeichnet; Tho­ mas Hilfsgeistlicher, Vikar Trapp, verbot sei­ nen Schülern den Hitlergruß und kam dafür nach Villingen in Schutzhaft. In Vöhrenbach hatte der Pfarrer versucht, 14 BdM-Mädchen aus ihrer Organisation herauszulösen und in die Jungfrauenkongregation einzugliedern, was ihm die Verfolgung durch die Nazis zuzog. Vom Sondergericht Mannheim wurde Vikar Josef Baur aus Furtwangen zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt: er hatte sich im Kreis seiner Jugend über die Verhaf­ tung katholischer Geistlicher verbreitet. Durch „absichtliche Nichtanwendung der Deutschen Grußform“ wurde der in Bad Dürrheim diensttuende Vikar Heinrich Herrmann von der Gestapo überwacht. Doch nicht alle kamen so glimpflich davon: für seine „abträglichen Äußerungen“ kam der Riedböhringer Pfarrer Hermann Hahn sieben Monate lang ins KZ Dachau. Dr. Heinrich Feurstein (nach einem Gemälde aus dem Jahr 1926) – der Märtyrerpriester starb am 2. August 1942 in Dachau Elisabeth Rothweiler, nachmals Ehrenbürgerin in Donaueschingen, wurde als zu „eifrige Kirchgän­ gerin“ 1936 aus ihren Amtern als Bereitschafts­ leiterin und Ausbilderin im Roten Kreuz und 1944 trotz Lehrermangel auch aus dem Schul­ dienst enifernt 117

„Gewiß, ein guter Teil des deutschen Katholizismus bewies, daß er sich verschie­ dene Dinge nicht leicht gefallen ließ“, brachte Carl Amery den katholischen Widerstand auf den Begriff, und zur weite­ ren Kennzeichnung fragte er kritisch: ,,Aber die Demokratie? Aber die Juden? Aber die Parteien und Männer der Linken?“ Verteidi­ ger von Demokratie und Rechtsstaat waren die Kirchen fürwahr nicht, und gerade des­ halb, so noch einmal Amery, ,,dürfen wir Gott danken für die Stärke der Bekenner, danken für die Martyrer, die den einsamen Weg zum Lebensopfer fanden, wenn wir uns klarmachen, wie ungerüstet der deutsche Katholizismus war.“ Wenn hier von Lebensopf er die Rede war, so ist hier zu sprechen von Adolf Bernhard und Dr. Heinrich Feurstein. Pfarrer Bernhard war Seelsorger in Hondingen, wurde durch den Lehrer und Ortsgruppenleiter nach Dachau geschickt und starb dort als einer der ersten Priester im Juli 1942 voller Verbitte­ rung hungers. Die Konsequenzen seiner „staatsfeindlichen Äußerungen“ dagegen erkannte Heinrich Feurstein von vornhe­ rein: er hatte in mutigen Predigtäußerungen die Euthanasie mit dem christlichen Liebes­ gebot und der Forderung nach Nächsten­ liebe als unvereinbar bezeichnet und wurde dafür zunächst ins Gefängnis Konstanz und im Juni 1942 nach Dachau verschleppt, wo er im August 1942 verstarb. Frau Rosa Wais, Drogerie St. Joseph, hatte noch 137 Unter­ schriften in Donaueschingen, wo Feurstein Stadtpfarrer war, gesammelt und kam dafür selbst 10 Tage lang nach Villingen in Schutz­ haft. Alle diese Fälle betrafen die katholische Kirche. Mit wenigstens einem Fall soll noch auf die evangelische Kirche eingegangen wer­ den, die in die zur Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialismus bereiten Deutschen Christen und die sog. Bekennende Kirche ,,zerfiel“. Für das überwiegend protestan­ tische St. Georgen wurde 1937 berichtet, es zähle in der Mehrheit zur Bekenntniskirche. Der Stadtpfarrer, der sich den Deutschen 118 Christen zuzählte, ,,hat jetzt schon drei Monate die Kanzel nicht mehr betreten, da die Kirche leer bleibt, wenn die Leute vorher wissen, daß er den Gottesdienst abhält. Es ist sogar vorgekommen, daß ein Teil der Kir­ chenbesucher die Kirche verlassen hat, wenn der Stadtpfarrer auf die Kanzel stieg.“ Das Kapitel über religiösen Widerstand wäre nicht vollständig, würde schließlich nicht noch wenigstens an die zahlreichen Zeugen Jehovas erinnert, die auch im Natio­ nalsozialismus den Kriegsdienst verweiger­ ten, ihre Propaganda trotz strengster Strafen auch hier nicht unterließen und alle Verfol­ gungen selbst in den KZ am standhaftesten ertrugen. Judenverfolgung … Bei der 1933 erfolgten Volkszählung wohnten im heutigen Kreisgebiet zahlreiche Juden. Im Bezirksamt Donaueschingen waren es 20, von denen 18 in Donaueschin­ gen selbst lebten. Für Villingen ergab die Zählung 60 Juden, für Bad Dürrheim 9, für Triberg 6. Die 3 Juden, die noch 1925 in St. Georgen lebten, waren bis 1933 alle aus­ gewandert. Auch vor diesen Juden machte die Verfol­ gung durch den Nationalsozialismus nicht halt. Bereits anläßlich der reichsweiten Boy­ kottaktion gegen jüdische Geschäfte Anfang April 1933 hatte die Stadt Villingen Anlaß, Briefe an die Verwaltungen schweizer Städte zu schicken mit der Aufforderung, der jüdi­ schen Hetze nicht zu glauben und die Schwarzwaldmetropole weiterhin zu besu­ chen. Am 13. 5.1935 tauchten an Villinger Schaufenstern und Reklame- sowie Vereins­ kästen selbstgefertigte Handzettel mit Auf­ schriften wie „Die Juden sind unser Un­ glück“ und „Die Juden sind Bluthunde“ auf. Aufgrund verschiedener Hinweise aus der Bevölkerung hatte die „arische“ Frau T. aus Villingen, die für „typisch jüdisch“ gehalten wurde, große Schwierigkeiten mit dem Nachweis ihrer nichtjüdischen Abstam­ mung. In Triberg trieben antisemitische Aus­ schreitungen eines fanatischen Lehrers ein

Ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter Ernst H aas, Villingen Herbert Holtzhauer, ehemaliger SPD-Landtags­ abgeordneter in Schwenningen Unterschrieb unter dem Druck der braunen Machthaber am 28. Februar 1934 seinen Rück­ tritt: Der Demokrat Friedrich Fischer, Bürgermei­ ster der Stadt Donaueschingen seit 1919 Landtagsabgeordneter des Zentrums im Wahl­ kreis Donaueschingen Anton Hilhert entfloh auf dem Weg über die Schweiz dem Zugriff des Gau­ leiters Wagner 119

Der Demokrat Georg Mall, der Hiller den Ehren­ bürgertitel in Donaueschingen versagte Das Hakenkreuz am Donaueschinger Rathaus: Am Volkstrauertag 1933 jüdisches Ehepaar in den Freitod. In der Reichskristallnacht kam es auch in Villingen und Donaueschingen zu Ausschreitungen: in Villingen wurde der jüdische Betsaal in der Gerberstraße demoliert; in Donaueschingen verwüstete ein SA-Mann zusammen mit auf­ gehetzten Jugendlichen Wohnungen jüdi­ scher Bürger. 42 der Villinger Juden konnten auswan­ dern, fünf von ihnen wurden jedoch später von der Gestapo in Frankreich wieder gefaßt. Elf Villinger Juden wurden in die Pyrenäen­ Lagerstadt Gurs deportiert, wo zwei starben. Fünf kamen in Auschwitz ums Leben, einer in Maidanek, zwei blieben verschollen, einer überlebte in Frankreich. Von den 18 Donau­ eschinger Juden gelang 14 die Auswande­ rung; zwei wurden nach Gurs deportiert. … und Kriegsgefangene Nicht zuletzt sind unter die Opfer des Nationalsozialismus die Zivil- und Kriegsge­ fangenen zu rechnen, die in großer Zahl auch auf der Baar und im Schwarzwald zur Erledi­ gung kriegswichtiger Arbeiten eingesetzt waren (Landwirtschaft, Bergbau in Blum­ berg, kriegswichtige Betriebe). Im Bezirk Donaueschingen waren im Mai 1942 allein 13 7 ausländische Zivilarbeiter registriert; im Bezirk Villingen waren es im Juli 1941 allein 206 männliche Polen ( darunter in den Gemeinden Brigach, Buchenberg, Burgberg, Gremmelsbach, Nußbach, Oberkirnach, Schönwald, Schonach, Tennenbronn, Unter­ kimach und Rietheim). Jeder Kontakt, der diese Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen auf eine Stufe mit der deutschen Bevölke­ rung stellte, war streng verboten. Als sich die von Reichsstatthalter Wagner vorgeschla­ gene Kasernierung dieser ausländischen Arbeiter durch die Gegebenheiten des Schwarzwaldes nicht verwirklichen ließ, schlug der Villinger Landrat 1941 eine Poli­ zeiverordnung vor, wonach es den Bauern bei Strafe verboten sei, „fremdstämmige Arbeitskräfte am Tisch des Bauern und sei­ ner Gefolgschaft (!) mitessen zu lassen“. 120

Insbesondere da, wo viele Zivil- und Kriegsgefangene zusammenkamen, waren Arbeitsverweigerung, Sabotage und Flucht an der Tagesordnung. Mitte 1941 bereits hatte der Villinger Landrat von einem „sehr star­ ken Drang zur Flucht“ bei den Polen gespro­ chen, womit besonders die grenznahen Kreisgebiete wie z.B. Blumberg gemeint waren. Im dortigen Doggererz-Bergbau waren unter den zum Jahreswechsel 1940/41 1800 Arbeitern zahlreiche ausländische Zwangsarbeiter, von denen viele bei Singen über die Grenze zu entkommen suchten; so waren nach dem Lagebericht der Gestapo vom 3. 2 .1941 von „jüngst zugewiesenen 200 polnischen Zivilarbeitern insgesamt 170 flüchtig gegangen“. Im Mai 1943 hatte der Kommandeur der Kriegsgefangenen im Wehrkreis V Anlaß zur Feststellung, daß sich auch die „Fluchten serb(ischer) K(riegs)g(e)­ f(angener) in letzter Zeit auffallend gehäuft“ haben. So waren z.B. schon im Herbst 1941 Gefangene aus dem Komminger Serbenlager in die Schweiz entkommen, und als im Früh­ jahr 1943 ein Kommando kriegsgefangener Polen nach Kommingen verlegt wurde, gelang auch ihnen die Flucht in die Schweiz. Zahlreiche Kriegsgefangenen-Schicksale sind auch mit Schwenningen verknüpft. Dort wurden die an Unterernährung und Erschöpfung gestorbenen Opfer der Schör­ zinger Ölschieferproduktion im Kremato­ rium verbrannt. Bei Kriegsende hatten sich allein in Schwenningen 8500 Kriegsgefan­ gene befunden, deren auch nur notdürftige Ernährung die Bevölkerung vor die größten Probleme stellte. Dramatisches spielte sich für viele Kriegsgefangene in den letzten Kriegstagen zuhauf ab, so etwa für jene 46 sowjetischen Soldaten, die unter scharfer Bewachung von St. Georgen Richtung Nuß­ bach-Triberg geführt wurden und unterwegs erschossen wurden. Und als am 22. April 1945 deutsche Truppen Villingen noch ein­ mal für kurze Zeit zurückeroberten – die Franzosen hatten es bereits am 20. besetzt gehabt – wurden 41 ausländische Kriegs- und Zivilgefangene erschossen. (Erarbeitet nach Akten des Staatsarchivs Frei­ burg und des G LA Karlsruhe sowie nach einer Reihe einschlägiger Darstellungen, von denen die wichtigsten sind: Schadt, Veifolgung und Wider­ stand unter dem Nationalsozialismus in Baden; Hundsnurscher/Taddey, Die jüdischen Gemein­ den in Baden; Manfred Geis u. a., Widerstand und Exil der deutschen Arbeiterbewegung 1933- 1945; Willi Bohn, Transportkolonne Otto; Tho­ mas Armbruster u. a., Jahresringe. Geschichte und Geschichten um Triberg; Hans Teubner, Exilland Schweiz 1933-1945; Schadt/Schmie­ rer, Die SPD in Baden-Württemberg und ihre Geschichte; Deutschland-Berichte der Sozialde­ mokratischen Partei Deutschlands; Hugo Ott, Freiburger Diözesan-Archiv Bd. 90; Carl Amery, Die Kapitulation oder Deutscher Katho­ lizismus heute; Augustin Kast, Die badischen Martyrerpriester; Almanach 80 – Heimatjahr­ buch Schwarzwald-Baar-Kreis; Julius Schätzle, Stationen zur Holle. Konzentrationslager in Baden und Württemberg 1933-1945; Biogra­ phisches Handbuch der deutschsprachigen Emi­ gration nach 1933 Band!; Sauter, Kommingen auf dem Randen,ferner zahlreiche zeitgenössische Zeitungsquellen und Ausgaben der Regional­ presse aus Anlaß des SO.Jahrestages der Macht­ ergreifung.) …… ,, Friedenswunsch Alle Völker wollen Frieden, Schafft die Waffen endlich ab, Nur noch Wenige hienieden Schaufeln sich ihr eig’nes Grab. Wir könnten alle glücklich sein, Wenn die Angst genommen wär‘, So manche Not und viele Pein Machten nicht das Leben schwer. Alle müssen wirken, handeln, Nicht mit Worten, in der Tat, Neu die alte Welt verwandeln, Herrlich wäre diese Saat. Johannes Hawner 121

Kirchen, sakrale Kunst und Denkmalpflege Die neue Pfarrkirche im Brigachtal und des Pfarrzentrums durchzuführen. Das nun fertiggestellte Bauwerk fügt sich harmo­ nisch in die ländliche Bebauung ein, ohne daß deshalb auf eine Formensprache, die der heutigen Zeit entspricht, verzichtet wurde. Die verwendeten Baumaterialien, Holz, Zie­ gel, weiß verputzte Wände schaffen Verbin­ dung zum „Alten“. Diese Beziehung wird auch betont durch die Entscheidung, der neuen Kirche keinen Glockenturm hinzuzu­ fügen, sondern das Geläute der alten Kirche miteinzubeziehen. Tritt der Besucher in das Innere der Kirche, fallt sein Blick sogleich auf den Altar. Auf ihn ist der ganze Raum ausgerichtet. Eine sichtbar belassene, mächtige Holzkon­ struktion trägt das Dach, das sich zum Altar Wenn man in Brigachtal auf der Landes­ straße Nr. 178a vom Ortsteil Kirchdorf zum Ortsteil Klengen unterwegs ist, fällt einem rechter Hand unterhalb der Straße ein neuer Gebäudekomplex ins Auge. Wer nicht bereits wußte, was sich im Innern verbirgt, dem hilft ein provisorisches Holzkreuz an der Seite bei der Identifizierung: Es ist die neue Pfarrkirche „Allerheiligen“ und das kath. Pfarrzentrum der Pfarrgemeinde Brig­ achtal-Marbach. Mit diesem Bauwerk ist der Anfang für ein neues Ortszentrum geschaf­ fen. Später sollen sich weitere Bauten um die Kirche gruppieren: Rathaus, Werkhof, Post, Bank, Geschäfte und Wohnhäuser. Die Pfarrgemeinde sah sich zu diesem Neubau veranlaßt, da die alte Kirche im Ortskern von Kirchdorf für die stark gestie­ gene Zahl der Gläubigen zu klein geworden war. Zunächst war allerdings nicht an einen Neubau, sondern an eine Erweiterung der alten Pfarrkirche gedacht. Die Planung dafür war bereits abgeschlossen, als letzte U ntersu­ chungen durch das Landesdenkmalamt zutage brachten, daß die Mauern des Lang­ hauses bereits aus dem 12. Jahrhundert stammten. Um sie erhalten zu können, mußte auf den beabsichtigten Teilabbruch und damit auf eine Erweiterung der Kirche verzichtet werden. Für die Pfarrgemeinde ergab sich daraus die Notwendigkeit, eine neue Kirche zu bauen. Auf Initiative der politischen Gemeinde wurde im Zusammenwirken mit dem Erzb. Ordinariat in Freiburg ein städtebaulicher Ideenwettbewerb durchgeführt, um eine auf­ einander abgestimmte Planungsgrundlage für ein künftiges Ortszentrum zu erhalten. Das Architekturbüro Georg Birkle aus Kon­ stanz ging als Sieger aus diesem Wettbewerb hervor und erhielt von der Pfarrgemeinde den Auftrag, die Planung der neuen Kirche 122

hin neigt. Drei Bankreihen gruppieren sich halbkreisförmig um den Altar. Ihre Zuord­ nung und der nach vorn leicht abfallende Boden geben von jedem Platz den Blick zum Altar frei. Während der Altar- und Kirchen­ raum mit roten Sandsteinplatten belegt ist, stehen die Bänke, aus Fichtenholz gefertigt, auf einem naturfarbenen Kokosbelag. Eine großzügig angelegte Empore im hinteren Bereich der Kirche kann einen mitglieder­ starken Kirchenchor und bei Bedarf auch ein Orchester aufnehmen. Die künstlerische Ausgestaltung der Kirche lag in Händen von Bildhauer Helmut Lutz in Breisach. In den Arbeiten seiner Schule: Eingangsportal, Altar, Sakraments­ stele, Ambo und Martinsstele gewinnt das Patrozinium der Kirche »Allerheiligen“ Gestalt. Die Pfarrgemeinde hat dieses Patro­ zinium gewählt, um diese Kirche zum neuen Mittelpunkt für die Pfarrgemeinde und ihre Ortsteile werden zu lassen. In ihm vereinigen sich die Kirchenpatrone der einzelnen Orts­ teile: hl. Jakobus d. Ä (Ma�_bach), hl. Blasius (Klengen), hl. Nikolaus (Uberauchen) und hl. Martin (Kirchdorf). Das Bild des himm- lischen Jerusalem aus der Offenbarung des Johannes schmückt das Eingangsportal. Engel mit Posaunen fordern auf, den Engeln und Heiligen gleich hinzutreten vor den Thron und das Lamm, das im Altare darge­ stellt ist. In der Festschrift, die anläßlich der Weihe der Kirche erschienen ist, schreibt der Künst­ ler: ,,Der Altar wächst aus zum Kreuz geformten Bodenplatten heraus und wird zum Symbol für das Heilsgeschehen: ,Im Kreuz ist Heil‘. In aufbrechender Kugelform zeigt er das Lamm, aus dessen Wunde Christi Blut hervorbricht, und hält so in Verbindung mit dem Zeichen der Traube das euchari­ stische Geschehen auf dem Altare fest. – Die Traube bildet die Brücke vom Altar zur Sakramentsstele, die ebenfalls mit diesem Motiv geschmückt ist. – Der Ambo läßt, gleich der Altargestaltung, aus aufbrechen­ der Kugelform die Evangelistensymbole Engel (Matthäus), Stier (Lukas), Löwe (Mar­ kus) und Adler (Johannes) hervortreten. Das Aufbrechen der Kugel ist organisch zu ver­ stehen: Wenn die Frucht stirbt, bricht aus ihr neues Leben hervor. Das Evangelium, das 123

Wort Gottes, wird an diesem Ort verkündet. Die umhüllende Form der aufbrechenden Knospen bildet eine Flamme, weiterer Hin­ weis auf die Geistsendung, in deren Schutz und Begeisterung das Wort uns treffen . . „moge. Unmittelbar hinter dem Altar hat eine Stele mit der Plastik des hl. Martin einen Platz erhalten. Dieser Heilige, der der Patron der ganzen Pfarrgemeinde ist, wird so zu ihrem Fürsprecher am Altare. An den Seiten­ wänden des Kirchenraumes sind vier weitere Heiligenstelen geplant. Sie sollen die Patrone der einzelnen Ortsteile aufnehmen und außerdem eine Darstellung des hl. Gallus. Diese Plastik soll das Wissen darum, daß die Gemeinde ihre Christianisierung den Mön­ chen des hl. Gallus verdankt, lebendig halten. Der Ortsteil Klengen ist im Klosterarchiv von St. Gallen bereits im Jahre 765 erwähnt. Mit dem Kirchenraum eng verbunden ist das kath. Pfarrzentrum. Sein Herzstück ist der Pfarrsaal, der etwa 200 Personen Platz bietet. Es ist dem Architekten gelungen, über die reine Funktionalität hinaus einen Raum zu schaffen, der die Begegnung unter Men­ schen erleichtert und in dem man sich wohl­ fühlt. Unter der Kirche sind Räumlichkeiten in denen sich verschiedene vorhanden, kirchliche Aktivitäten entfalten können, an­ gefangen von Gruppenstunden der Jugend­ lichen bis zu Vortragsveranstaltungen des Bildungswerkes. Die Pfarrbibliothek, die allen Einwohnern offensteht, hat dort eben­ falls eine Bleibe gefunden. Für Besprechun­ gen im kleineren Kreis steht außerdem ein Sitzungszimmer zur Verfügung. Am 5. Juni 1983 wurden Kirche und Pfarr­ zentrum von Weihbischof Dr. Karl Gnädin­ ger feierlich geweiht. Mögen sie zum Mittel­ punkt werden für die Gemeinde mit ihren Ortsteilen, aber auch für unser Leben. Pfarrer Walter Mackert Die Pfarrkirche in Unterkirnach Im lieblichen Tal der Kirnach liegt neben verstreuten Höfen die heute stattliche Gemeinde Unterkirnach. Der Ort war bis 1806 fürstenbergisch. Lange Zeit scheint er nur eine kleine Kirche besessen zu haben. Von ihr weiß man nur noch (lt. Wilhelm Kling: ,,Kunsthandwerk in Villingen“ in: Badische Heimat, 1921, S. 123/24), daß sie einen Hochaltar von 1765 von dem Villinger Bildschnitzer Philipp Rauch besaß. Rauch war Schüler und Werkstattgehilfe von Jos. Anton Hops, dem wohl begabtesten Roko­ ko-Bildschnitzer unserer Gegend. Rauch war auch der Schwiegersohn des Villinger Malers Georg Samuel Schilling. Erst um die letzte Jahrhundertwende faßte man den Beschluß, in Unterkirnach ein monumentales Gotteshaus zu errichten. Nach der Zugehörigkeit des Ortes zu Baden 1806 und dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem gewonnenen Krieg von 1870 ist auch in unserem Kreisgebiet eine Tendenz zu aufwendigeren Kirchenbauten zu beob­ achten. Erstmalig treten nun dreischiffige in Bräunlingen und Basilikabauten auf: Unterkirnach. Über den Hergang des derzei­ informiert eine Ur­ tigen Kirchenbaues kunde, sowie deren maschinenschriftliche Übertragung; zu sehen im linken Seiten­ schiff. Darin wird genau über die bauliche Entstehung der jetzigen Kirche berichtet und neben allen namentlich genannten Ini­ tiatoren auch der Architekt Otto Belzer und mehrere, am Bau beteiligte Handwerksmei­ ster erwähnt. Man schrieb das Jahr 1902. In den inzwischen vergangenen Jahren fanden Bauten dieser Art als Stil-Imitationen kaum Beachtung. Erst die Zeit nach dem 2. Weltkrieg entdeckte sie als interessante Zeu­ gen eines redlichen Bemühens der Kunst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts um die Wiederbelebung historischer Stile. 124

In diesem Sinne wurden in den eben ver­ gangenen Jahren sowohl die Kirche von Bräunlingen, wie auch diejenige in Unter­ kimach renoviert. Damals, 1977, erhielt der Bau innen und außen einen hellen Anstrich, aufgelockert durch die naturfarbig belasse­ nen Teilen in Bundsandstein. Otto Belzers (1852-1919) Plan sah ur­ sprünglich aufwendigere Bauformen vor, die jedoch vereinfacht werden mußten. Er schrieb 1909 an das Erzbischöfliche Bauamt Freiburg: ,,Der Entwurf zeigt das Gepräge der Spätgotik in den einfachsten Formen“. Aber gerade diese Einfachheit ist es, was den Bau so anziehend macht. Er hat nichts Kleintei­ lig-Nachahmerisches an sich. Es entstand auf einem wohl erst geschaff e­ nen Plateau eine dreischiffige, nach Süden ausgerichtete Basilika ohne Q!}erhaus mit auf der Ostseite angefügtem Turm mit spit­ zem Helm. Im Gegensatz zum flachgedeck­ ten Mittelschiff ( ein Zugeständnis an den Sparwillen) sind die Seitenschiffe gewölbt und im erhöhten Chor mit hochsteigendem Rippengewölbe monumental gestaltet. Die Seitenschiffe besitzen auch Maßwerkfenster, während die Hochschiffwände Fenster in Zweiergruppen mit einfachen Spitzbogen, also ohne Maßwerk, tragen. Vom Inventar fällt zunächst der um 1910 geschaffene Hochaltar auf, ein Flügelaltar mit Gesprenge, mit farbig gefaßten und teil­ vergoldeten Reliefschnitzereien und Figuren aus der damals so beliebten Bildhauerwerk­ statt Marmon in Sigmaringen. Der Altar erzählt die Leidensgeschichte Christi auf vier Relieftafeln. Die beiden äußeren können bewegt werden. Von links nach rechts: Ölbergszene, Kreuztragung, Beweinung, Grablegung. Die Hauptszene der Passion, das Kreuz mit Maria und Johannes, befindet sich oben in der Mitte des Gesprenges. Die beiden äußeren Flügel rechts und links sind auf der Rückseite mit Grisaillen nach Vor­ lagen von Stichen des Meisters Martin Schongauer (1425-1491) bemalt: Auf der Rückseite der Ölbergszene eine Dornenkrö­ nung, auf der Rückseite der Grablegung eine Geißelung Christi. Oben im Gesprenge ste­ hen noch zwei weitere Figuren: links St. Sebastian, rechts St. Jakobus. Der Altar ist wohlgelungen in den Chorraum eingepaßt 125

und wirkt eigentlich wenig neugotisch. Einen besonderen Akzent setzen im Chor noch drei hohe schmale Farbfenster mit figürlichen und symbolischen Darstellungen aus der Heilsgeschichte. Sie sind vermutlich Werke von Romuald Hengstler. Auf Seitenaltäre wurde verzichtet. Statt dessen finden wir links eine prachtvolle Mut­ tergottes in farbiger Fassung und dem schö­ nen Schwung des Rokoko. Sie erinnert sehr an Werke von Jos. Anton Hops. Vielleicht aber gehört sie noch zur Ausstattung der vor­ hergehenden Kirche? Man könnte sie dann eventuell Philipp Rauch zuschreiben, von dem es bisher außer kleineren Werken (zwei Kruzifixe im Museum in Villingen) keine gesicherten Arbeiten gibt. Anstelle des rechten Seitenaltars befand sich noch vor einigen Jahren eine neugo­ tische Kreuzgruppe. Sie ist durch eine große Figur Johannes d. T. ersetzt. In Haltung und Gewand entspricht sie einem Werk des Vöh­ renbacher Meisters Joh. Michael Winterhal­ der (1706-1759), dürfte jedoch wahrschein­ lich eine Kopie sein. Das gleiche gilt von einer großen Gestalt des Pilgerheiligen Jako­ bus, des Kirchenpatrons, rechts neben dem Eingang. Sie geht jedoch auf ein anderes Vor­ bild zurück. – Das rechte Seitenschiff enthält noch zwei echte kleinere Barockplastiken: ein heiliger W endelin und eine schöne Pieta ( die trauernde Maria mit dem toten Chri­ stus). Ema Huber Barockjuwel in Hausen vor Wald Die Kirche St. Peter und Paul in neuem Glanz Heinrich Hansjakob, der den untrüglichen Blick für die Schönheiten der Landschaft hatte, rühmt Hausen vor Wald als ein Dorf, das „besonders malerisch gelegen ist“. Man darf sein Lob als bare Münze nehmen. Denn der Volksschriftsteller aus dem Kinzigtal hat nicht leicht einem nach dem Mund geredet. Auch die Einheimischen wissen um die Vor­ züge ihres Dorfes. Und sie sprechen gern davon, daß es in den Nachbardörfern rings­ um, die wie Fürstenberg auf dem Präsentier­ teller oder wie Döggingen auf wenig ge­ schützten Hochflächen liegen, immer noch „um einen Schobe kälter ist“ als in Hausen vor Wald, das zwischen drei Anhöhen sorg­ sam eingebettet liegt. Urkundlich wird das Dorf 890 erstmals erwähnt. St. Petrus ist Kirchenpatron; später kam noch der Apostel Paulus hinzu. Man nimmt an, daß das Chorherrenstift Kreuz­ lingen, das 1324 in Hausen einen Kelnhof unterhielt, den Ort zur Pfarrei erhob. 1485 wurden die Ortsansässigen Leibeigene der Ritter und späteren Freih�rren von Sehellen­ berg. Nahezu 300 Jahre bestimmen sie die 126 Geschicke des Dorfes. Bald nach 1500 ging auch der Kelnhof des Stiftes Kreuzlingen auf die Ortsherren über. Und 1556 erwerben sie noch das Kirchenpatronat unter Burkart IV., der vermutlich auch der Stifter der beiden Renaissanceglocken vom Jahre 1552 ist, die heute noch im Turm des Gotteshauses hängen und selbst das Glockensterben der beiden Weltkriege heil überdauert haben. Knapp 200 Jahre später, 1746-49, ließ Freifrau Maria von Sehellenberg, geborene von Schönau, die heutige St.-Peter- und Paul­ Kirche errichten. Ein vergleichsweise schlichter Bau – nach Plänen des Kapuziner­ paters Adam aus Markdorf – an das Lang ­ haus auf der Nordseite der fünfgeschossige Staffelgiebel-Turm angelehnt, der noch aus dem 15.Jahrhundert stammt. Dank seines Reichtums im Innern und der Geschlossenheit von Raumwirkung und künstlerischer Ausstattung gilt St. Peter und Paul als ein Juwel im Geiste des südwest- Pieta im Stil des Manierismus (um 1680-1700)

deutschen Barocks. Nur die Wallfahrtskirche Maria in der Tanne bei Triberg hat im Schwarzwald-Baar-Kreis eine noch prunk­ vollere Barockausstattung. Immer noch un­ bekannt ist der Meister des überreichen Stuck­ dekors, das in der eleganten Adelsloge mit den Wappen derer von Schönau und von Sehellenberg auf der Nordseite des Chors seinen krönenden Höhepunkt hat. Auch heimische Vertreter des Barocks haben Wesentliches zur Ausstattung beige­ steuert. Von dem aus Hüfingen stammenden Hofbildhauer Franz Joseph Weiss, der auch in Donaueschingen, Neudingen und St. Peter gearbeitet hat, stammen die Deckengemälde, darunter eine Himmelfahrt Mariae. Die Auf­ bauten von Hochaltar und Seitenaltären, ferner Kanzel, Beichtstuhl und Chorgestühl kamen aus der Werkstatt des Hüfingers Xaver Schelble, der als Schreinermeister um die Mitte des 18. Jahrhunderts auf der Baar eine besonders reiche Tätigkeit entfaltete. Und in den überlebensgroßen Figuren der Kirchenpatrone, die den Hochaltar flan­ kieren, erkennt man die Handschrift des Fürstenbergischen Hofbildhauers F. X. Biecheler, von dem Hauptarbeiten vor allem in den Barockkirchen in Donaueschingen und Meßkirch sich finden. Es ließ aufhorchen, als im Spätjahr 1979 die Pfarrgemeinde Hausen vor Wald eine Renovierung des Innern der Kirche an­ kündigte. Sie ist im Frühjahr 1981 in Gang gekommen und gegen Mitte des Sommers 1982 zum Abschluß gelangt. Durch eine Schadensstelle an der Deckenkonstruktion, die im Innern auf der Nordseite des Lang­ hauses ebenfalls ihre zerstörerischen Spuren hinterlassen hatte, war die Erneuerung not­ wendig geworden. Innerhalb eines Jahres haben bewährte Fachkräfte das Innere wieder in einen Zustand versetzt, der dieses Barock­ kleinods würdig ist. Das Schwergewicht lag im Bereich des Stucks und der farbigen Gestaltung. Heute erstrahlen die Farbgemälde an der Decke von Chor und Langhaus wieder in der vollen Leuchtkraft, nachdem die Restau- 128 Hausen vor Wald: Noch aus dem 15.Jahrhun­ dert, an das Langhaus auf der Nordseite ange­ lehnt, der fünfgeschossige Stajfelgiebel-Turm ratoren der Firma Geschöll aus Freiburg in minutiöser Feinarbeit die Schmutzschichten entfernt, schadhafte Stellen feinfühlig er­ gänzt und aus dem verwaschenen Grau die ursprünglichen Farben zurückgewonnen haben. Auch die Wandflächen, die bei früheren Restaurierungen einmal durch grelle Farben verunstaltet waren, ein ander­ mal ein zu nüchternes Weiß erhalten hatten, haben wieder einen warmen, sehr lebendigen ockerfarbenen Anstrich, der wohltuend auf die Besucher wirkt. Vor dem Farbauftrag hatten die Restauratoren die Wände fünfmal mit Kalk gestrichen und danach in Lasur­ technik den endgültigen Farbton aufgebracht. Die Erneuerung des Stuckdekors war der Firma Siller, Stuttgart, anvertraut, deren Fachkräfte in den Jahren zuvor den Stukka­ turen in der Pfarrkirche zu Riedböhringen zu neuer Wirkung verholfen haben. Auch hier

Rechts vom Chorbogen im Schiff der Antoniusal­ tar mit dem HZ. Antonius von Padua, der im 17./ 18. Jahrhundert eine besondere Verehrung genoß Überlebensgroß einer der beiden Kirchenpatrone: St. Petrus, links vom Hochaltar, vermutlich von F. X. Biecheler wurden fehlende Teile fachgerecht ergänzt, sowie Risse und Beschädigungen wieder beseitigt. Der Hüfinger Restaurator Klaus Sigwart hatte zuvor die vorhandenen Stukkaturen gereinigt, trocken abgeschabt und abgewaschen. In makellosem Weiß hebt sich nun das Stuckdekor von den unterlegten und rahmenden Farbtönen ab und bringt das gesamte Innere zu großer und geschlossener Raumwirkung. Die Adelsloge kommt mit kräftigem Rot, festlichem Schwarz, einem verhaltenen Silberton und kostbarem Gold sowie den in Grau gehaltenen drei Harni­ schen farbig stark und den Chorraum be­ herrschend, wie es wohl dem insgeheimen Repräsentationsbedürfnis einer Patronats­ herrin im Zeitalter des Barocks entsprach, zur Geltung. Bei der Erneuerung der Chorstufen und des Mittelganges im Langhaus fand J uramarmor Verwendung, der mit dem Farbton der Wände gut korrespondiert. In warmem Braun gehalten hebt sich davon der Parkett­ fußboden und das Gestühl im Langhaus ab. Neu sind die Windfänge an den Eingängen. Mit der Erneuerung der Elektroanlage ver­ band man eine Alarmeinrichtung, die die sakralen Kunstgegenstände besser als bisher schützt. Aus Kostengründen ist der ursprüngliche Plan umfangreicher technischer Verbes­ serungen fallen gelassen worden. Auch von einer Neufassung der Altäre, der Kanzel, der Orgel und des Zelebrationsaltars mußte vor­ erst abgesehen werden. Die Plastiken, darun­ ter eine Pieta um 1680 im Stil des Manie- 129

rismus und eine Madonna um 1700, waren bei der Renovierung im Jahr 1934 neu gefaßt worden.Die Altäre erfuhren durch Klaus S ig­ wart eine gründliche Reinigung. Über ihre Neufassung muß zu einem späteren Zeit­ punkt – so die Mittel es erlauben – neu beraten werden. Eines der wenigen Ausstattungsstücke, die das einheitliche barocke Gepräge des Innern bisher störten, waren zwei Glasgemälde­ fenster im Chor, die nach 1900 angeschafft wurden. Sie sind dankenswerterweise jetzt durch farblose, bleiverglaste Fenster, wie sie auch im Langhaus sich finden, ersetzt worden. Der Chorraum in seiner imposanten Wirkung hat durch die Aufhellung noch gewonnen. Das Gesamtvorhaben stellte sich auf 618 000 Mark; davon sind 104 000 Mark Eigenmittel der Kirchengemeinde, 175 000 Mark kamen aus dem Ausgleichsstock der Erzdiözese, und derselbe Betrag geht in Form von Darlehen zu Lasten der Pfarrpfründe­ kasse. 90 000 Mark steuerte die Stadt Hüfin­ gen bei, in die Hausen vor Wald eingemeindet ist, 49 000 Mark das Landesdenkmalamt und 25 000 Mark der Schwarzwald-Baar-Kreis aus Mitteln, die ftir denkmalpflegerische Auf­ gaben aus dem Fond „Tag der Heimat“ gegeben werden. Daß der Neubau der Jahre 1746-49 in Hausen vor Wald als Grab lege der Ortsherren gedacht war, daran erinnern im Gotteshaus fünf – auch kulturgeschichtlich interes­ sante – Epitaphe zum Gedenken an Mitglie­ der des freiherrlichen Geschlechts. Die In­ schrift auf dem Grabstein der Erbauerin Maria Antonia Susanna beginnt mit einem Wortspiel, das sich auf die Vornamen der Stifterin bezieht: ,,Die hier liget ware 20 Jahr eine reine Maria in der Jugend, 3 0 Jahr eine liebende Antonia in der ehe, 15 Jahr eine keusche Susanna im Wittwenstand“. Ab­ schließend würdigt der Stein die Stifterin der Kirche als „eine ungemene ( ungemeine) Guttthäterin der Kranken, Armen und Rei­ senden, besonders der Religiosen“ – darunter die Kapuziner, der Bettelorden, dem die Frei­ herren von Sehellenberg von altersher beson­ ders wohlgesinnt waren. Lorenz Honold Das Bruderkirchlein nach der Renovierung Seit 1982 ist die außerhalb Vöhrenbachs an der alten Villinger Straße gelegene Michaelskapelle, auch Bruderkirchlein ge­ nannt, nach einer gründlichen Renovierung wieder zugänglich. Sie ging aus einer 1580 bezeugten Einsiedelei hervor. Diesen Ein­ druck gewinnt der Besucher noch heute. Wohnteil und Kirchlein liegen unter einem Dach. Ehe ein paar Stufen zum Kirchlein emporführen, sehen wir links eine gefaßte Qielle mit der Jahreszahl 1743. Das schmucke, nunmehr sehr sehens­ werte Kirchlein ist von seiner Ausstattung her ein hervorragendes Beispiel volkstüm­ lich religiöser Kunst aus dem 19.Jahrhundert. Langhaus und Chorraum sind in guten Mas­ sen gehalten und flach gedeckt. Der Chor enthält einen ungewöhnlichen Barockaltar mit Schnecken- und Rollwerk-Ornament in blau und gold. In der Mittelnische die Mut­ tergottes. Sie und die beiden kleinen Seitenfi­ guren stammen aus dem 19.Jahrhundert. Die darüberstehende kleine Michaelsfigur je­ doch ist barock. Das ganze Kirchlein ist liebevoll bäuerlich ausgemalt: Über einer Zone mit marmorier­ ten Feldern im Chor, wie im Langhaus, fin­ den wir an der Chorwand zu beiden Seiten des Altars je eine Darstellung des Erzengels Michael, an den Langhauswänden in den Ecken vier große Engelsgestalten mit Lei­ denswerkzeugen. In der Mitte links ein Kreuzbild, rechts Kreuzabnahme mit der weinenden Muttergottes. Über dem Eingang hängt ein gerahmtes Bild, darstellend die Offenbarung des heiligen Herzens Jesu. 130

Auch die flache Decke in Chor und Lang­ haus ist mit Ornamenten und bildlichen Darstellungen ausgeschmückt. Es herrscht ein Rokoko-Ornament vor (19. Jhd.), in grünlich-gelblichen Tönen gehalten. Es um­ gibt im Langhaus ein größeres Fresko, einen Einsiedler darstellend, wohl nach einer Vor­ lage von Lucian Reich d.J. Die Ecken der Langhausdecke sind von einem hellblau hin­ terlegten Netzmuster ausgefüllt, dazwischen einzelne Engelsköpfchen und zweimal eine Gruppe von drei Engelsköpfchen. Das Dek­ kenbild im Chor stellt den auferstandenen Christus in Halbfigur dar. Beide Seitenaltäre zeigen in ihrem Aufbau klassizistische Formen, jedoch stammen ihre Bilder nicht aus der gleichen Zeit. Das rechte Altarblatt ist älter und stellt eine Verehrung des Christkindes, frei nach dem italienischen Barockmaler Jacopo Bassano, dar. Das Bild im linken Seitenaltar ist ein Werk eines naza­ renisch beeinflußten Malers aus der 2. Hälfte des 19. Jhd., wahrscheinlich der Hüfinger Joseph Heinemann, wie schon Dr. Heinrich Feurstein vermutet. Das Bild stellt sieben weibliche Gestalten dar, zu ihren Füßen ein Strom von Feuer. Dieses Bild und noch ein weiteres (das sich z. Zt. der Drucklegung die- ses Beitrags in Restaurierung befand) weisen auf eine merkwürdige Sage hin, die mit die­ sem Kirchlein und einer dort gepflegten Wallfahrt verknüpft ist. Hermann Lauer, Geschichte der katholi­ schen Kirche in der Baar, 1921, Heinrich Feur­ stein, Zwei Volkssagen aus der Baar, in Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, Heft 19, 1933, und K. S. Bader, Beiträge zur Geschichte der Stadt Vöhrenbach, 1965, berichten über diese Sage. Sie ist uns in mehreren Versionen erhal­ ten. Die ältesten Spuren einer Verehrung der sieben Frauen finden sich nach H. Feurstein in der Zeit um 1600 und zwar in einem alten Jahrzeitbuch der Pfarrei Vöhrenbach. Schnetzlers „Badisches Sagenbuch“ bringt 1846 erstmals eine Fassung der Sage. Nach ihm waren es die sieben Töchter eines Ritters, der das Bruderkirchlein erbaut hatte: ,,Eines Tages fielen die Hunnen unter Attila ein, bra­ chen die Burg und fielen die Schloß-Jung­ frauen an, die auf ihr heißes Gebet in Engel verwandelt, ungefährdet durch die Reihen der Feinde zum Kirchlein schwebten, das sie aufnimmt und sich sofort wieder schließt.“ Von einer weiteren Fassung der Sage 131

Barockaltar mit Schnecken- und Rollwerk-Orna­ ment und Maria im Mitte/bild im Bruderkirchle an der Staig Nazarenisch beeinflußtes Wallfahrtsbild auf dem linken Seitenaltar im Bruderkirchle: 7 weibliche Gestalten über einem Feuer-Strom. erfahren wir im Wallfahrtsbüchlein von Pfar­ rer Roth von 1891: „Das durch seinen Silber­ bergbau reich gewordene Vöhrenbach ergibt sich dem Wohlleben, läßt auch am Sonntag im Bergwerk arbeiten und vergißt seine Chri­ stenpflichten. Die Strafe folgt auf dem Fuß: Heidnische Hunnen fallen brandschatzend im Bregtal ein. Sie verlangen, daß die Bewoh­ ner vom Christentum abfallen. Die sieben Vorsteher willigen ein, aber die sieben Frauen der Vorsteher weigern sich. Sie werden von ihren eigenen Männern dem Feind überlie­ fert und vor den Toren der Stadt verbrannt“. (Dieses ist der Bildinhalt der z. Zt. in Restau­ rierung befindlichen Votivtafel.) Jede von ihnen tat in den Flammen eine Prophe­ zeiung: 1. Die Reben werden verdorren und die Obstbäume absterben. 2. Die Silbergru­ ben werden unergiebig. 3. Vöhrenbach erlebt dreimal eine Feuersbrunst. 4. Bei Wiederauf­ bau der Mauern werden diese nie fertig wer­ den und die Stadt immer schutzlos bleiben. 5. Der Rat der Stadt wird niemals vollzählig sein und der beste Mann wird immer fehlen. 6. Die Stadt wird die Gerichtsbarkeit verlie­ ren. 7. Die Prophezeiungen werden so lange eintreffen, bis ein sündenfreies Auge in der Karfreitagsnacht in dem wunderbarerweise entstandenen Q!iell einen Fisch sieht, der in seinem Maul sieben goldene Schlüssel trägt. Das sind die Schlüssel zu unserem verlore­ nen Reichtum und damit könnt ihr eure Schätze wieder haben, wenn es die Gnade Gottes gestattet“ Nach einer dritten Fassung der Sage „sind es nicht sieben Frauen, sondern sieben Jung­ frauen, die sich, als Vöhrenbach noch heid­ nisch war, in der Nähe ansiedelten und sich 132

bald den Haß der Bewohner, besonders des Schultheiß Mändle zuzogen. Auf seinen Befehl wurden sie gefangen, der Zauberei angeklagt und als Hexen verbrannt und zwar am Platz des heutigen Bruderkirchleins.“ Auch in dieser Sagenfassung sind sieben Prophezeiungen enthalten, die letzte jedoch lautet nach dem genannten Wallfahrtsbüch­ lein: ,,Die siebente warf vom Scheiterhaufen aus ein Gebind von sieben goldenen Schlüs­ seln auf die Erde, nachdem sie mit lauter Stimme gesprochen hatte: So gewiß bin auch ich unschuldig, als an der Stelle, wo ich diese Schlüssel hinwerfe, ein Brunnen entstehe . . . Im Augenblick entsprang auf dem Platz eine Qielle.“ Sowohl H. Feurstein, als K. S. Bader beur­ teilen den Inhalt der Sage als unglaubwürdig, denn: Vöhrenbach ist 1244 gegründet, heid­ nische Hunnen kamen nie hierher. Die Stadt wurde von den Schweden 163 9 niederge­ brannt, aber das Jahrzeitbuch erwähnt dabei keine sieben Frauen. Auch läßt sich ein Silber­ bergbau bei Vöhrenbach nicht nachweisen, es ist nur 1525 und 1529 ein Silbervorkom­ men bei Eisenbach und Fahlenbach genannt. 1712 ist von Silbergewinnung „bei der Wals­ mühle auf dem Stollen in Vöhrenbach“ die Rede. Man hielt es aber nicht für ergiebig genug. Ein Weinbau konnte des Klimas wegen in Vöhrenbach nie betrieben werden. Der Name „Mändle oder Mendlin“ ist histo­ risch. Er stirbt 164 7 aus. H. Feurstein bemerkt weiter: ,,Die Sage dürfte um die Mitte des 17.Jahrhunderts ent­ standen sein. Aber im 16. Jahrhundert besteht in Vöhrenbach eine Volksverehrung von sieben Frauen, die dem zwanzig Minu­ ten entfernten Bruderkirchle zum Hl. Michael an der alten Straße anhaftet. Dieser Kult nimmt mit der Zeit festere Formen an und entwickelt aus sich heraus unter Auf­ nahme benachbarter Einflüsse eine umfang­ reiche Legende von sagenhaftem Zuschnitt, die nach dem Stadtbrand von 1639 und dem Aussterben der Mändle 1647, jedenfalls aber im ausgehenden 17. Jahrhundert fertig vor­ liegt. 1727 findet sie wohl ihren ersten Nie­ derschlag in dem alten Bild am Eingang der Kapelle.“ Ema Huber Bernd Sulzmann, Orgelsachverständiger: Die vier Orgeln der J ohanneskirche zu Villingen Die Orgel des Johann Michael Biehler Dank der Aufzeichnungen 1 des genialen Orgelbauers Johann Andreas Silbermann ist der Name jenes Meisters bekannt, der die erste nachweisbare Orgel in St. Johann erbaut hatte. Dieser Neubau erfolgte zwi­ schen 1753 und 1760 durch den in Konstanz ansässigen Orgelmacher Johann Michael Biehler2. Silbermann bemerkt u. a. über Bieh­ ler 1: ,,Zu St. Johann in Villingen hat er auch eine sehr schlechte Orgel gemacht“. Dieses Werk, das 1816 „schon seit bereits 8 Jahren unbenutzt steht“3, war damals vom Pfarramt St. Blasien erbeten worden4, wurde jedoch 1818 zum Umbau der Münsterorgeln verwendet5. Der Bonndorf er Orgelbauer Dominikus Birkle (1787-1844) hinterließ 18163 die ein­ zige bisher aufgefundene Dispositionsauf­ zeichnung: Hauptwerk: C – c“‚ Principal 8′ 2′ Biffera Superoctav 2′ Qiinta 3′ Cornet 2f. 2′ Mixtur 4f. 2′ Viola di Gamba 8′ Hohlflöte 4′ Salicional 4′ 8‘ Coppel 133

– c ‚“ n . . C roszhv: Principal Spitzflöte Pedal: C – a0 Subbaß Octavbaß Quint baß Posaun baß 4′ 4′ 16′ 8′ 6′ 8′ Tremulant 3 Blasbälge Die Orgel der Firma Louis Voit & Söhne Die evangelische Kirchengemeinde, die sich seit 1860 in der Johanneskirche versam­ melte, beschaffte ihre erste Orgel im Jahre 1884. Badens größtes Orgelbauunterneh­ men, die Firma Voit in Durlach, lieferte um den bescheidenen Preis von 3.800 Mark eine kleine Orgel, die am 2. Advent 1884 einge­ weiht wurde6. Manual: C – f“ Principal 8′ Bourdon 8′ Salicional 8′ 8′ Flöte Aeoline 8′ Octave 4′ Hohlflöte 4′ Mixtur 3-Sf. 2?/3′ Pedal: C – c‘ Sub baß Violonbaß 16′ 16′ Mechanische Kegelladen Pedalkoppel Tritte: Piano, Forte Magazinbalg 1926 war die Orgel für die anwachsende Gemeinde zu klein. Ein damals projektierter Umbau auf zwei Manuale und 28 Register wurde nicht ausgeführt. Der Umbau durch die Firma E. F. Walcker & Co„ Steinsfurt Unter Wiederverwendung von 9 Voit­ Registern erfolgte 1938/39 zum Preis von 10.760,- RM ein Umbau, den die Steinsfurter 134 Die Johann-Michael-Biehler-Orgel aus der }ohanniterkirche im Villinger Münster 1818-1905 mit verkehrt zusammengesetzten Gehäuseteilen

Rohrflöte U nda – maris ab c0 W eitprincipal Nachthorn Gemsquinte Waldflöte Terz – Rauschpfeife 2f. -Sesquialtera 2f. Quintzimbel 4-5 f. Oboe Tremulant Pedal: C – f‘ + Violonbaß +Subbaß -Zartbaß Octavbaß -Gedecktflöte -Choralbaß Bauernpfeife -Oboe 3 Normalkoppeln ]ohanneskirche Villingen. Orgel nach der E,wei­ terung durch E. F. Walcker, 1939 8′ 8′ 4′ 4′ 27/3′ 2′ l 3/5′ l‘ 8′ 16′ 16′ 16′ 8′ 8′ 4′ 2′ 8′ —ii6..� 135 Orgel der Firma L. Voit, 1884 Hauptwerk(!): C – g“‚ Filiale der Firma E. F. Walcker & Co., Lud­ wigsburg, ausführte. Das elektropneuma­ tisch gesteuerte Instrument verfügte damals über nachfolgende Klanggestalt: Qiintade + Principal + Flöte + Salicional + Singend Gedeckt +Octav + Hohlflöte Octav Quinte + Mixtur 4-5 f. (+ = Veit-Register, – = Transmission) 16′ 8′ 8′ 8′ 8′ 4′ 4′ 2′ l l/3′ 27/3′ Schwellwerk (II): C – g““ Hornprincipal 8‘

Sulzburg, ehem. Ev. Stadtkirche: Orgel von Schildknecht & Berg­ mann (Zustand vor der Restau­ rierung 1980) Super II, Super II/I Sub II, Sub II/I 2 freie Kombinationen Crescendowalze Dieses aus der „Orgelbewegung“ hervor­ gegangene Instrument wurde 1948 mit einer Hauptwerkstrompete 8′ und einer Pedalpo­ saune 16′ versehen; 1960 wurden drei Regi­ ster ausgetauscht. Diese Orgel diente -mitt­ lerweile störungsanfällig geworden -bis zum Januar 1980; einige Voit-Register wurden ihres guten Materials wegen in die jetzt vor­ handene Anlage übernommen. Die neue Orgel 1978 erwarb die Villinger Johannesge­ meinde die in Teilen historische Orgel der ehemaligen Stadtkirche zu Sulzburg. Dieses Instrument war 1832/38 von den Orgelma­ chern Friedrich Bergmann (1778-1850) und Josef Schildknecht (1773-ca. 1845), Donau­ eschingen, erbaut und 1939 durch die Firma Friedrich W eigle, Echterdingen, umgestaltet worden 7. Die ursprüngliche Disposition wurde 1908 von Orgelbaumeister August Merklin, Freiburg, aufgezeichnete: Principal 8′ Coppel 8′ 136 Manual: C – f“ Pedal: C – fC> 8′ 8′ 8′ 4′ 4′ 4′ 3′ 2′ 16′ 8′ 8′ 8′ Rohrflöte Salicional Fugara Octav Spitzflöte Flöte Quinte Superoctav Cornet ab a0 5f. Mixtur 4f. Sub baß Octavbaß Gedecktbaß Trompetbaß Coppelzug 3 Blasbälge In den Jahren 1978/80 erbaute die Orgel­ bauwerkstätte Georges Heintz, Schiltach9, unter Verwendung historischer Orgelteile aus Sulzburg und aus Villingen die nunmeh­ rige Orgel der Johanneskirche. Aus Sulzbur­ ger Beständen stammen das Obergehäuse, die beiden Schleifladen des Hauptwerkes, etwa 9 Register der Orgelbauer Bergmann und Schildknecht, sowie 3 Pedalregister, die die Firma Weigle 1939 eingestellt hatte. Aus der Villinger Orgel wurden 4 Voit-Register

aus dem Jahr 1884 entnommen; alle übrigen Stimmen wurden 1980 eigens angefertigt. Neu herzustellen waren das Untergehäuse samt der Spieleinrichtung, das Rückpositiv­ gehäuse, die mechanischen Schleifladen für das Rückpositiv und für das Pedal. Es kam ausschließlich Massivholz zur Verwendung. Die Gehäuserestaurierung dankt man Viktor Mezger, Überlingen, die wohlgelungenen Bildhauerarbeiten Peter Früh, Salem-Neu­ frach. 16′ BS 8′ BS 8′ BS 8′ BS 4′ BS 4′ BS 2?/3′ BS 2′ BS 13/5′ H H H 8′ H Die neue – in Teilen aber auch restaurierte „alte“ – Orgel mit vollmechanischer Traktur ist folgendermaßen disponiert: Hauptwerk (II): C – P“ Bourdon Principal Rohrflöte Salicional Octave Spitzflöte Qiinte Octave Terz Mixtur 4f. Cornet Sf. Trompete Rückpositiv (!): C – g“‚ – schwellbar – Gamba Bourdon Principal Flute octaviante Flageolet Larigot Sifflet Zimbel 3f. Hautbois Cromorne Tremulant Valentin Mezger, Überlingen, beim Restaurieren des Gehäuses Emde Wolf beim Intonieren des Rückpositivs 8′ V 8′ BS 4′ H 4′ V 2′ H 1 1/3′ H 1′ H H 8′ H 8′ H Pedal: C – P Violon Sub baß Octavbaß Hohlflöte Hintersatz 4f. Bombarde 16′ W 16′ W 8′ W 4′ V V 16‘ H 137

•H• ••….. „‚ w• • Die neue Orgel in der renovierten J ohanneskirche 1983 Trompete Clairon 3 Normalkoppeln (Pfeifen von Bergmann & Schildknecht [BS], Heintz [H], Voit [V] und Weigle [W]. Die Prospektpfeifen sind neu.) 8′ H 4‘ H L i t e r a t u r : ,,Villingen“ Evang. Kirchengemeinde Vil­ lingen (Hrsg.), Soli Deo Gloria – Die neue Orgel in der Evang. Johanneskirche Villin­ gen; Villingen, 1980 Als „älteste“ Orgel innerhalb des Villinger Stadtgebietes besticht das Werk in derJohan­ neskirche durch seine durch und durch gediegene handwerkliche Verarbeitung und durch die vorzügliche Intonation Emile Wolfs. Diese Orgel kann Vorbild und Maß­ stab sein. Als Berater und Disponenten waren Bezirkskantor Bernd Boie, Kantor Heinrich Richard T rötschel und der Verfas­ ser tätig. Ohne die opferwillige Johannesge­ meinde samt ihrem engagierten Pfarrherrn Hans Kratzert wäre die Konzeption des jetzi­ gen Instrumentes nicht zu verwirklichen gewesen. Mögen vielfältige Mühen mit einer vorzüglichen Orgel belohnt sein. 138 „Orgelgeschichte“ Walter, Rudolf, Zur Orgelgeschichte des Domstiftes Arlesheim; in: Kath. Kirchenmusik, Heft 5; St. Gallen, 1966 ,,Arlesheim“ Walter, Rudolf, und Schae­ fer, Marc, Die Orgeln des Doms zu Arles­ heim; Arlesheim, 1983 „St. Blasien“ Sulzmann, Bernd, 200 Jahre Orgelbaugeschichte in St. Blasien; in: H. Hei­ degger/H. Ott (Hrsg.), St. Blasien -200 Jahre Kloster- und Pfarrkirche; München und Zürich, 1983 ,,Münster“ Katholisches Münsterpfarr­ amt Villingen (Hrsg.), ,, Weihe der Lieb­ Frauen-Orgel im Villinger Münster“, 1983

Anmerkungen 1 Veröffentlicht in „Orgelgeschichte“ S. 9 und „Arles­ heim“ S. 20. Den auf S. 19 erwähnten Neubauten Biehlers wären noch die beiden 1743 für Hagnau a. B. gelieferten Orgeln zuzuzählen. 2 Vgl. ,,Arlesheim“ S. 18 f. Biehler starb 1765 in Kon­ stanz, 69 Jahre alt. 3 Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) 373/230; vgl. „ Villingen“ S. 5, und neuerdings „Münster“ S. 11 + 22 (Anmkg. 16). 4 „St. Blasien“ S. 255. 5 u. a. Darstellung in der Festschrift zur Weihe der Lieb- frauen-Orgel im Villinger Münster 1983 von Hans Musch (dort Seite 11-13), die sich auf frühere Ver­ öffentlichungen stützt. s Pfarrarchiv Villingen – Johannesgemeinde Abt. 61/1; vgl. ,, Villingen“ S. 6 f. mit Gehäusezeichnung Voit. 7 Vgl. ,, Villingen“ S. 11 ff. und S. 18 ff. a Stadtarchiv Sulzburg, Abt. VI, 1 Nr. 15 und „ Villin­ gen“ S. 12. In Wahlwies hat sich die ehemalige Berg­ mann- und Schildknecht-Orgel aus Löffingen (1827 / 29) teilweise erhalten; in Brenden entstand 1844/45 der letzte nachweisbare Neubau beider Meister. 9 Vgl. ,, Villingen“ S. 24 ff. Kreuzweg in Donaueschingen In der Pfarrkirche St. Marien in Donau­ eschingen macht ein Kreuzweg auf sich aufmerk­ sam, den der in Konstanz wirkende Studenten­ pfarrer Udo Körner geschaffen und vor etwa sieben Jahren der Pfarrgemeinde übergeben hat. Das Werk stellt in schwarz-weißen Far­ ben durch plastische Formen ergänzt den LeidenswegJesu dar, es führt ausdrucksstark in das Geschehen des Karfreitags und in die von menschlichen Schwächen belastete Ge­ genwart. Als ungewöhnlich und betont reali­ stisch empfindeu man die vom Künstler ge­ wählte vom Konventionellen abweichende Bilderkombination. Aus ihr spricht scho­ nungslos das von Brutalität gezeichnete Leid, in das auch das Leid der Menschen von heute mündet. Kein Hauch von Schön­ heit ist diesen Bildern beigemischt. Vorrang hat hier die Wahrheit. Sie ist wichtiger als Schönheit. Quer durch sämtliche Bilder der sieben biblisch motivierten Stationen des Kreuzwegs gehen die Balken, man er­ kennt in ihnen mehrfach das Kreuz. Hinter den Kreuzesbalken rechten Seite steht wie gefangen Pilatus, dessen Hände fragend, hilflos herausragen; Aus- auf der 139

druck der Unfreiheit, in der Pilatus seine Entscheidung zu treffen hatte. Es schließen sich an die gefesselten Hände J esu und die Dornenkrone, Zeichen der Demütigung, Erniedrigung, Verachtung und Verspottung. Im Schutz der Macht und in der Ano­ nymität fuhren die Soldaten die Befehle aus, heute wie damals. Und wieder be­ gegnet man dem Kreuz, unter dessen Last Jesus zusammenbricht. Unter dem Kreuz leidet auch Simon von Cyrene. Anstelle seines Kopfes glänzt im Balkendreieck ein Spiegel, in dem sich jeder Betrachter ent­ decken und fragen kann, ob und wie er sein Kreuz zu tragen bereit ist. Auf die Schändung des menschlichen Lebens und der Freiheit deutet die Szene der Entkleidung. Verzweifelt versucht der Gefangene über den Stacheldraht hinweg nach der Freiheit zu greifen. Zaun, Stacheldraht,) udenstem – welch unmenschliches Schicksal liegt in der Unfreiheit, die auch heute noch viele Mil­ lionen Menschen zu spüren bekommen und zu erdulden haben. Aus den Gesichtern der Krippengestalten heute Dauchinger Hauptschüler bauen Weihnachtskrippen weinenden Frauen und Kinder schreien Leid, Schmerz, Angst, Hunger. Solche Bilder wiederholen sich täglich in einer Welt, die sich fortschrittlich nennt. Technik und Fort­ schritt im 20. Jahrhundert vermögen den Hunger nicht zu stillen, diese Menschheits­ plage nicht zu beseitigen. Eine Puppe mit durchbohrtem Kopf und durchstoßenen Augen am unteren Querbalken in der linken Bilderhälfte weist klagend auf die Brutalität gegen das Kind hin: Abtreibung, Lieblosig­ keit, Mißhandlung. Und schließlich findet der Leidensweg seine Vollendung am Kreuz. In tiefer Trauer verweilt die Mutter bei ihrem Sohn, und unter der verfinsterten Sonne senkt der Mensch sein Haupt, der sich angesichts des Kreuzes bloßgestellt fuhlt. Seine Maske ist gefallen, die Larve auf dem Rücken ist Ausdruck der EntlaIVUng. Udo Körners Kreuzweg provoziert den Betrachter zum Nachdenken, zur kritischen Überprüfung der eigenen Situation. Werner Heidinger Das Gestalten oder Aufstellen von Krippen ist in unserer Heimat ein wesentlicher Teil der Vorbereitungen für das Weihnachtsfest. Bedeutende historische Werke in den Villinger Bürgerhäusern und Museen bezeugen einen alten, schönen Brauch. Doch auch in unserer Zeit wird die anschauliche Darstellung der Ereignisse um die Geburt Christi von vielen Krippenbauern intensiv gepflegt. Zeitgenössische Werke und geschichtliche Formen zusammen, das Bemühen um Dar­ stellungen mit wesentlichen Aussagen, gestern und heute, machen unsere Krippen zu einem Stück Volkskunst mit wirklicher Tradition. In den letzten Jahren wurden Ausstel­ lungen, die vom eher stillen, vorweihnacht­ lichen Schaffen der Krippenbauer Kunde 140 geben, mit großem öffentlichem Interesse belohnt. Besonders erfreulich ist dabei die Aufgeschlossenheit junger Menschen für die Darstellung des weihnachtlichen Geschehens mit den Möglichkeiten, die das Krippenge­ stalten bietet. Sie lassen auf ein Fortwähren der Krippentradition hoffen. Die Hauptschule hat durch ihr Fächer­ angebot auch hier eine Chance, Jugend zu fordern und zu fördern, ihr ein „erweitertes Bildungsangebot“ zu machen. Fertigkeiten und Kenntnisse, die durch den Technik-, Kunst- und Religionsunterricht vermittelt wurden, ergeben gute Voraussetzungen; sie können in freiwilligen Arbeitsgemeinschaften gefestigt und ergänzt werden und in ein adventliches „Projekt“ einfließen. An der Schule inDauchingengestalten wir

Kastenkrippe, gestaltet von Ulrich Schelkr, Dauchingen; Figuren vonjosefHien Beim Krippenbauen im Werkraum der Grund­ � und Hauptschule Dauchingen seit em1gen Jahren Weihnachtskrippen. Unsere Hauptschüler machen aus dem Krippenbauen fast ausnahmslos ein inten­ sives Vorweihnachtshobby und verbringen bei freiwilligen Arbeitsgemeinschaften oft einen großen Teil ihrer Freizeit im Werkraum der Schule; das jugendliche Engagement wird dabei von den guten Möglichkeiten der heu­ tigen „Dorfschule“ – zeitgemäße Fachraum­ ausstattung, individuelle Betreuung kleiner Schülergruppen, keine Überlastung des Werkraums durch viele Klassen u. a. m. – unterstützt. 141

Kastenkrippe, bei der die bewußte Linienführung besonders deutlich wird; Schülerarbeit von Martin Senn Grundlage ftir die handwerklichen Ar­ beiten an einer Krippe sind die Fähigkeiten und Kenntnisse, die der Technikunterricht vermittelt: die Handhabung von Werk­ zeugen, die Bearbeitung verschiedener Mate­ rialien, planvolles Vorgehen. Im Religionsunterricht erfahren die Schü­ ler von den Verbindungen zwischen alttesta­ mentlichen Prophezeiungen und Matthäus- 142 evangelium, von den Umständen, die zur Geburt in einer Notunterkunft geführt haben könnten, von der Volkszählung, von den Verkehrs- und Übernachtungsmöglichkeiten, vom Aussagewert der biblic;chen Texte ftir uns hier und heute. In diesem Zusammen­ hang steht auch das Nachdenken über die Bedeutung heimatlicher Bauformen, ihr Vor­ kommen ( und ihre Legitimation) in der

Krippe, die von Menschen unserer Heimat gestaltet wird und sich an Menschen unserer Heimat richtet. Das Fach Kunst bereitet Darstellungs­ möglichkeiten, Raumaufteilung, Linienfüh­ rung, Farbgebung vor. Weitere Kenntnisse könnten aus dem Erd­ kunde-, Geschichts- und Mathematikunter­ richt kommen; das Vorhandensein vonKarst­ höhlen bei Bethlehem, die Herrschaft der Römer, das Berechnen richtiger Propor­ tionen beim Verkleinern. Das Hinterfragen aus der Sicht verschie­ dener Fachrichtungen, das entsprechende Begleiten der handwerklichen Arbeiten hilft mit, den Schritt zu tun vom Krippenbasteln zum bewußten, aussagebezogenen Krippen­ gestalten. Krippen können in sehr verschiedener Form gestaltet werden; diese Gestaltungsvielfalt geht immer von den beiden Grundtypen der Krippe aus: von der offenen Krippe und der Bühnen-, Schrein- oder Kastenkrippe. Die offene Krippe bezieht – vergleichbar mit der Freilichtbühne – den sie umgebenden Raum mit ein; die Kastenkrippe hat – vergleichbar mit der Theaterbühne – einen Rahmen und kann n1it kulissenartigen Bauten und Land­ schaften gestaltet werden. Die Theater­ kunst ist dem Krippenbauer ohnehin in vielen Dingen Vorbild: bei der Gestaltung des Miniaturbühnenbildes, beim effektvollen, auf die Hauptdarsteller ausgerichteten Beleuch­ ten, bei der Regie der Figurenstellung. Der gekonnte Einsatz von Gestaltungs­ möglichkeiten für eine dem Wesen der Krippendarstellung angemessene Aussage ist ein Anspruch, der uns Krippenbauer ebenso in die Pflicht nimmt, wie das Mitarbeiten am Erhalt eines heimischen T raditionswertes. Ulrich Scheller –‚� , .. Liebe Richtet nicht die Liebe! Ihr kennt nicht des Trägers Blut und Puls- [ schlag, Noch die Fäden, die sich in ihm einen. Vielgestaltet ist des Menschen Abbild, Unzählbar der Stufenweg der Liebe. Auserwählter ist nicht, Der im Tänzerschritt umfängt und freigibt. König in dem Reich der Liebe ist – welch Sonderbares Wortspiel – der Besiegte: ER, der ihres Elements so voll ist, Bis in seines Leibes kleinste Zelle, Bis in seines Haares feinste Spitzen, Daß er stumm und schwer wird. Wandernd oder schauend oder lauschend, Legt er seine Seele auf die andre: Selten aufgewogen, oft verringert, Manchmal gar verlacht und weggestoßen, Dennoch im Triumph, denn Es war wahrlich Liebe, was er fühlte. Gisela Mather Aussöhnung Von der Vergänglichkeit ringsum bestürzt, vom Scheit des eignen Tods schon unter- schleppt sich der Mensch dahin. [graben, Was soll ihm Mut vorm Unausweichlichen? Ist Unterwerfung nicht der weisre Weg, da wir doch wissend sind? Ist höchstes Aufgebot auf Zeit begrenzt der Auftrag? Restloser Ich-Verschleiß für Zukunft unbekannt? Ist das Skelett im fahl entfärbten Weiß, ist der entleerte Geist das letzte Ziel? Nie kam uns Antwort je. Nur manchmal, wenn die Welt ein Stück von ihrem Sein, – vielleicht in großer versäumt der Mensch die Frage, [Nacht -, [ enthüllt 143

weil wie aus Urstoff es ihn dann umhüllt, in dessen Tiefen er sich senken darf wie Regen in die Erde, umschlossen, eingefügt, teilhaftig und verwandt. Gisela Mather Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben Lob der Dämmerung Blick in dich selbst, wenn dir die Nebelbank die Sicht ins Land verwehrt! Kehr ein bei dir, wenn der vereiste Hang den freien Schritt beschwert! Der sanfte Schimmer zwischen nahen ist von des Freundes Art [Wänden und hebt hervor mit zugewandten Händen, was innen sich bewahrt. Die Sonne regt die Wanderfreuden an, verschenkt an uns die Welt, – die Dämmrung ruft das Denken auf den allein, auf sich gestellt. Es gleitet rückwärts über alte Gründe, die du dir hast gelegt, und scheidet zwischen Liebestat und Sünde, die du aus dir bewegt … Der lange Abend mit verhülltem Licht entfremdet dich dem Schein und schwingt dich in das Gleichgewicht der großen Pole ein. [Plan, Gisela Mather 144 1) Fronleichnam in Hüfingen (siehe auch den Beitrag „800 Jahre Stadt Hüfingen“) (German Hasenfratz, Hüfingen) 2) Adelsloge in Hausen vor Wald (siehe auch den Beitrag „Barockjuwel in Hausen vor Wald, die Kirche St. Peter und Paul nach der Renovierung“) (Lorenz Honold, Donaueschingen) 3) Vorwintertag, vom Fürstenberg in Rich­ tung Hondingen (Hans Swoboda, Villingen-Schwenningen) 4) Weiher bei Wolterdingen, mit Blick nach Tannheim (Hans Swoboda, Villingen-Schwenningen) 5) Felder bei Aasen (Hans Swoboda, Villingen-Schwenningen) 6) Blick im Frühjahr ins Achdorfer Tal (Lorenz Honold, Donaueschingen) 7) Rauhreif, Benediktinerkirche Villingen (Helmut Heinrich, Villingen­ Schwenningen) 8) Erstes Stadtfest in Vöhrenbach im August 1982. Höhepunkt war die Vorstellung des 975 Kilogramm schweren Gugelhupfs durch Konditormeister Hans Kaltenbach; weitere Daten: 120 Stunden Backzeit insgesamt, Höhe 1,70 Meter, Durchmesser 2,30 Meter (Wilfried Dold, Vöhrenbach)

Profane Kunst und Künstlerportraits Der Bildhauer Franz Xaver Reich Der Hüfinger Künstler, der den Brauch der Blumenteppiche in die Baar einbrachte ,,Mein Bruder hatte sich für die Plastik ent­ schieden. Formensinn und eine außerordent­ lich geschickte Hand befähigten ihn dazu; er zeichnete charakteristisch mit leichter Hand, und seine Entwürfe trugen das Ge­ präge anmutiger Erfindung“. So Lucian Reich d. J ., der Maler und Schriftsteller, über den Bildhauer FranzXaver Reich, der vor hundert Jahren in Hüfingen gestorben ist. Zeitlebens hat er im Schatten seines um zwei Jahre jüngeren Bruders, der vor allem mit dem „Hieronymus“ auch als Schriftsteller sich einen Namen machte, gestanden. Und auch die Nachwelt hat dem 1815 geborenen Bild- hauer übel mitgespielt. Selbst namhafte Kunstexperten nennen auch heute noch den Namen Lucian Reich, wenn von den Hü­ finger Blumenteppichen die Rede ist. In Wirklichkeit war es Franz Xaver Reich, der den Brauch aus Süditalien in seine Hei­ matstadt brachte. In Portici am Westabhang des Vesuvs, unweit von Neapel, hatte er ihn kennengelernt. Anläßlich seiner I talienfahrt im Winterhalbjahr 1842/43, die mit einem Stipendium des Hauses Fürstenberg dem damals 27jährigen Künstler ermöglicht wor­ den war. Bereits 1836 hatte Hofrat Wilhelm August Donauquell-Denkmal (Modell): Die Baar mit junger Donau 145

der Quelle im Schloßhof schmückt. Das Werk des H üfingers F. X. Reich fand zunächst in der Nähe des früheren F. F. Schwimm­ bades einen neuen Platz und wanderte dann flußabwärts in die Nähe des Zusammen­ flusses von Brigach und Breg. Die heute dort befindliche Tuffsteingruppe geht auf eine Initiative des Donaueschinger Ehren­ bürgers Georg Mall zurück, der nach 1945 die zertrümmerten Köpfe des Reich’schen Donauquellendenkmals neu modellieren ließ. Nicht viel besser erging es den Arbeiten, die der Bildhauer für das 1851 bis 1853 er­ baute Hoftheater in Karlsruhe schuf, darun­ ter eine Serie von 100 Medaillonköpfen und 20 lebensgroßen Reliefs mit Gestalten aus Oper und Drama. Sechs der Medaillons, die neben anderen den Zweiten Weltkrieg über­ standen, zieren heute den Musikpavillon im Bad Dürrheimer Kurpark. In den 30er und 40er Jahren war der Hüfinger Bildhauer an der Ausgestaltung des Giebelfeldes an der Trinkhalle in Baden­ Baden sowie an der Karlsruher Kunsthalle mit plastischem Schmuck maßgeblich be­ teiligt. Nach der Revolution 1848/ 49 war es mit den Großherzoglich Badischen Aufträ­ gen vorbei. Franz Xaver Reichs Arbeiten aus der Schaffensperiode nach 1850 finden sich nun vorwiegend im badischen Oberland: in Donaueschingen, Hüfingen, Konstanz, Heiligenberg, Bonndorf und Neudingen. Werke recht unterschiedlicher Qualität, wie etwa die trocken und kühl wirkenden Terra­ kotten am Karlsbau in Donaueschingen, die außer den Köpfen von Cornelus, Thor­ waldsen, Dürer und Peter Fischer vor allem Vertreter der Naturwissenschaften zeigen. Persönlicher gestaltet und tiefer empfun­ den ist die von F. X. Reich modellierte Frauen­ gestalt auf der kleinen Elisabetheninsel im Donaueschinger Park wie auch seine mytho­ logische „Flora“ am Giebelfeld des F. F. Ge­ wächshauses. In Neudingen stammen die monumentalen Figuren am Giebelfirst der 1852 bis 1856 erbauten Gruftkirche aus der Werkstatt des Hüfinger Meisters, darunter eine Madonna, ferner das neoklassizistische Fürstabt Martin Il Gerbert; Denkmal in Bonn­ doif Rehmann den Fürsten Karl Egon II. auf den hochtalentierten Bildhauer aufmerksam gemacht. Im ehemaligen Schloß in Hüfin­ gen entstand der erste Großauftrag für das Haus Fürstenberg: eine drei Meter hohe Sandsteingruppe der Danubia mit den Zu­ “ flüssen Brig�ch und Breg“. Die kolossale Arbeit, der Offentlichkeit kaum zugänglich, steht seit Jahrzehnten auf der Pfaueninsel im Donaueschinger Park. Auch Fürst Karl Egon III. (1820-1892) förderte maßgeblich den Hüfinger Meister. Als es um eine Neugestaltung der Donau­ quelle im Schloßhof ging, gestaltete Franz Xaver Reich eine Gruppe „Die junge Donau als Kind im Schoß der Mutter Baar“. Sie mußte in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Marmorgruppe des VöhrenbachersAdolf Heer weichen, die heute noch unter dem Die Baar deutet ihrer Tochter, der Titel Donau, den Weg in die Ferne“ die von Adolf Weinbrenner geschaffene Neufassung “ 146

Jagdrelief am Steinhaus auf dem Donaueschinger Karlsplatz „Flora „am Giebelfeld des F. F. Gewächshauses in Donaueschingen Relief „Verkündigung“ am Hauptaltar- eine Arbeit ganz im Geiste eines Raphael, dessen Werke der Italienfahrer F. X. Reich beim Besuch des Vatikans am 12. Dezember 1842 so stark beeindruckt hatten. Vielleicht mehr noch als seine Arbeiten geben F. X. Reichs Tagebuchblätter von seiner Italienreise dem heutigen Kunstfreund eine Vorstellung von seinem künstlerischen Wollen und den großen Vorbildern, denen er nachzueifern suchte. Sechs Blätter aus dem Italien-Tagebuch sind im Besitz der F. F. Hofbibliothek in Donaueschingen. Da sie in einschlägigen Kunstkreisen wie auch in der Literatur über den Hüfinger Bildhauer aus der Zeit des Biedermeier völlig unbe­ kannt sind, mögen nachstehend einige knappe Auszüge folgen: ,,Großes inneres Behagen beim wieder­ holten Besuch des Tho,waldsen’schen Ateliers in Rom.“ Kühne, geistreiche Behandlung des ,,Alexanderzuges“ notiert der Italienfahrer 147

am 16. Dezember 1842. Über eine Ausstel­ lung von Skulpturen junger Bildhauer im Vatikan heißt es am 13. Dezember: ,,Diese Leute scheinen sich in ein fades Formelwesen zu verflachen, ohne dem Gegenstand das ihm eigentümliche Gepräge aufzudrücken. Überragend wirken dagegen Thorwald­ sen’sche Modelle.“ Die Bewunderung für die Antike kommt zum Ausdruck in einer Notiz aus dem Vatikan vom 6. Februar 1843: „Auf einer Vase Wein kelternde Faune, mit einem großen Stein, der auf einen Korb voll Trauben gewälzt wird. Ein Faun spielt die Flöte dazu“. Und man glaubt die Vor­ bilder für Franz Xaver Reichs urwüchsige, drollige Jagdreliefs am Steinhaus (Gewehr­ kammer) auf dem Donaueschinger Karlsplatz zu erkennen, wenn beim Besuch der U ffizien am 21. April 1843 in Florenz im Italien­ Tagebuch die Sätze stehen: ,,Mittelalterliche Skulpturen von Lucas della Robbia. M usi­ zierende und tanzende Kindergruppen, alles mehr malerisch als plastisch komponiert“, und dann wieder in Verona, wo das Tagebuch Ende April 1843 plötzlich abbricht, beim Besuch im Dom der Vermerk: ,,Interessante Verzierung mit einer Jagd“. „Ein milder, wohlwollender, ehrenfester Charakter“, so hat Lucian Reich, der Maler, über den Menschen Franz Xaver Reich ge­ urteilt, den er um 19 Jahre überlebte. Ver­ heiratet war der Bildhauer mit der aus stammenden J osepha Kirchen-Hausen Elsässer (1823-1900). Von dem Sohn Bertold, der die Hüfinger Bildhauerwerkstatt weiter­ führte, stammt eine Ergänzung der Ölberg­ Gruppe an der Freitreppe der Stadtkirche St.Johann in Donaueschingen. Lorenz Honold Madonna am Giebel der F. F. Gruftkirche in Neudingen 148 Mutter Baar am Zusammenfluß von Brigach undßreg

Der Furtwanger Maler Ernst Ganter Über den Furtwanger Maler Ernst Ganter und sein umfangreiches Werk ist noch wenig veröffentlicht worden. Allem Aufsehen um seine Person und seine Malkunst geht er geflissentlich aus dem Wege. Es gibt nicht viele Kunstausstellungen, die das Glück hat­ ten, Bilder aus seinem reichen Schaffen zu zeigen. Trotzdem ist er weit über seine Hei­ matstadt Furtwangen hinaus bekannt und anerkannt und wird von seinen Maler-Kolle­ gen hoch geachtet und geschätzt. Zum 80. Geburtstag Ernst Ganters konnte die Katho­ lische Pfarrgemeinde Furtwangen in einer großen Ausstellung hervorragend aus­ gewählter Bilder einen wichtigen Teil des künstlerischen Werkes des Malers der Öffentlichkeit vorstellen. In einer Matinee am Ostersonntag, zur Eröffnung der Ausstellung, versuchte der Unterzeichnete den Maler und das Werk in der folgenden Ansprache zu charakterisie­ ren: „ Über den Maler Ernst Ganter etwas zu sagen, ist ein Kunststück und für mich in ganz besonderer Weise. Denn meine Lebens­ gewohnheiten sind völlig verschieden von den seinen. Wenn ich tatsächlich einmal Zeit hätte, mich seiner Kunst hinzugeben und umfassend damit zu beschäftigen, ist es für ihn Zeit, schlafen zu gehen. Wenn er ,IM FRÜHTAU ZU BERGE‘ bereits schöpfe­ risch tätig ist, pflegen die meisten Menschen noch der Ruhe. Wenn wir der Meinung waren, daß es höchste Zeit sei, wenigstens einen kleinen Teil seines umfassenden künst­ lerischen Lebenswerkes einmal der Öffent­ lichkeit vorzustellen, verbot ihm das wieder­ um seine Bescheidenheit und er gab lieber anderen den Vorzug. Noch viel schwieriger aber ist es, von ihm Alter Winkel beim Broszhüslz: 1930, in Furtwangen. Lavierte Zeichnung von Ernst Ganter 149

Schwarzenbach bei Schönwald, Öl, 1972 ein Bild zu erwerben. Die Angst, jemanden zu überfordern und seine ausgeprägte soziale Gesinnung machen es ihm schwierig, einen Preis zu verlangen. Aus diesem Grunde dür­ fen wir uns darüber freuen, daß auch er end­ lich einmal achtzig wurde und somit ein bedeutsamer Anlaß vorhanden war, die Per­ son und das künstlerische Werk des Malers Ernst Ganter zu würdigen und in einer Aus­ stellung umfassend zu zeigen. Mit diesen wenigen Worten habe ich Ihnen eigentlich schon die Person und den Charakter von Ernst Ganter vorgestellt. Es zeichnen ihn Eigenschaften aus, die heute oftmals selten sind: Ein Lebensstil, der von unverrückbaren Grundsätzen geprägt ist und sich durch eine spartanische Einfachheit auszeichnet. Trotz des hohen Alters eine nie ermüdende Schaffenskraft und ein Fleiß, der eine Biene noch in den Schatten stellt. Bescheidenheit und Unaufdringlichkeit, sehr nachahmenswerte Tugenden für manche, denen seine Kunst weit überlegen ist. Sensibilität, Güte, menschliche Wärme, Humor und Witz, alles Attribute, die man bei ihm findet. Seine ausgeprägte soziale 150 Hexenloch, 1980, Ölbild Gesinnung habe ich schon erwähnt. Reden müßte man noch über seine beispiellose Großzügigkeit, die so weit geht, daß viele, die im Pfarrhaus nach milden Gaben nachsu­ chen, sich auch noch gleich nach der Adresse von Ernst Ganter erkundigen. Alle diese Wesenszüge sind klar bestimmt von einem christlichen Weltbild, das unver­ rückbar feststeht und unangreifbar ist. Das ist die Person des Malers Ernst Ganter. Ein noch viel schwierigeres Unterfangen aber ist es, den Maler Ernst Ganter und seine Bilder einer bestimmten Kunstrichtung zuzuordnen. Er selbst weiß sich dem lmpres­ sionism us verbunden. Ich persönlich würde ihn und seine Bilder nicht in ein solches Schema einspannen wollen. Denn unbeirrt von Kunstrichtung und Mode ist er bisher seinen Weg gegangen und hat fast mit Abnei­ gung allem Sensationellen den Rücken gekehrt. Seine Bilder machen deutlich, daß er vor allem aus den Kräften der ihn umgeben­ den heimatlichen Natur schöpft und daß er den erborgten Glanz fremder Götter ver­ abscheut.Jedes seiner Bilder, trägt seine charak­ teristische unverwechselbare Handschrift.

Er hat die Stimmungen der heimatlichen Natur, das Glück strahlender Sommertage, den Gang durch Wiesen und Hügel, die Melancholie herbstlicher und winterlicher Landschaften und den Blick in weites Land mit den ihm eigenen Formen und Farben zum Ausdruck gebracht. Zeiten kommen und gehen. Mit ihnen wechseln und wandeln sich die Kunstrichtungen. Er gehört keiner Richtung an und hat, was an geistigen Verhei­ ßungen in ihm lebt, in dem ihm eigenen und unverwechselbaren Stil ausgedrückt. So ist sein künstlerisches Werk, das Freude, Beglük­ kung, Schönheit und Frieden ausstrahlt, von einzigartiger Kraft und Geschlossenheit. Maler und Mensch sind bei Ernst Ganter aus einem Guß. Wir begegnen in seinem Werk einem Menschen mit innerem Gleich­ mut und wohltuender Gelassenheit, der sich in innigster Weise der Führung der Natur anvertraute und das Schöne oft im Einfa­ chen und Alltäglichen sieht. Ebenso schlicht und lauter, wie alles, was in seinem Bannkreis liegt, sind seine techni­ schen Mittel. Aber er hat die seltene Gabe, damit Eindrücke, Stimmungen und Motive in erstaunlicher Vollkommenheit darzustel­ len. Was er schafft, muß ihn ganz erfüllt haben und muß in seinem Innern Gestalt gewinnen, ehe er es ausführt: Auge um Auge mit der Natur. Und gerade daraus, daß er sich allen verschließt, erwächst seinen Bildern eine faszinierende Ausdruckskraft. anderen Einflüssen Er arbeitet mit großer Hingabe, mit uner­ müdlichem Fleiß, mit strenger Zucht und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Niemals hat er es sich leicht gemacht, son­ dern sein Schaffen in langsamer Reife Stufe um Stufe höher geführt. Auf keinen anderen trifft das Wort des Malers Hans Thema mehr zu als auf ihn: ,HERR, GIB MIR ARBEIT, DAMIT ICH MICH DABEI AUSRUHEN KANN.“‚ Pfarrer Joseph Beha Unter Bauern und Arbeitern in Buchenberg Ein Gedenkblatt zum 25. Todestag des Malers Otto Leiber ,,Einer alten Hegauer Sippe entstammend, wurde ich 1878 in der wunderschönen Stadt Straßburg geboren als Sohn eines nach dem Siebzigerkrieg dort eingewanderten Anwalts und langjährigen Ersten Beigeordneten des Bürgermeisters“. So der Maler und Hans­ Thoma-Schüler Otto Leiber, der 1958 gestor­ ben ist. Von 1920 an bis zu seinem Tode hat er in Buchenberg, Gemeinde Königsfeld, gelebt und gearbeitet, seit 1928 im eigenen Haus „zum Rosenhag“, das er sich in Buchen­ berg-Martinsweiler erstellte. Seine enge Ver­ bundenheit mit Land und Leuten zwischen Baar und Schwarzwald bezeugen die vielen Landschaftsbilder aus der Gegend. Als Senior der Vereinigung „Bildende Künstler Villingen­ Schwarzwald“ stellte er sich wenige Jahre vor seinem Tode im Rahmen des Volksbil­ dungswerkes Villingen einer breiteren Öffent- lichkeit als Maler, Bildhauer und Graphiker vor. Aus Anlaß des 25. Todestages, der sich 1983 jährte, ist eine Würdigung von Werk und Persönlichkeit auch im ,,Almanach“, dem Heimatjahrbuch Schwarzwald-Baar-Kreis, am Platze. Buchenberg selbst, der Ort seines lang­ jährigen Wirkens, hat in den Tagen des 21.-24. August 1981 im Rahmen eines Dorf­ festes dem Künstler Otto Leiber eine um­ fassende Ausstellung gewidmet. Den größten Teil der damals gezeigten Bilder und Arbeiten hatte Elisabeth Leiber geb. Babo, die Witwe des Malers, beigesteuert. Mit Leihgaben hatten private Besitzer die sehenswerte Prä­ sentation des Nachlasses von Otto Leiber bereichert. Wie stark die Erinnerung an ihn in Buchenberg noch lebendig ist, erlebten die Besucher und Gäste, unter ihnen auch 151

Island, Spitzbergen, Kopenhagen. Studien­ reisen, von denen im Nach laß flotte Skizzen und graphische Blätter noch in großer Zahl vorhanden sind. Nach 1910 wurde an der Akademie der Bildenden Künste in München mit der Ausbildung im Figürlichen und der „Technik der Bildhauerei“ das Kunststudium abgeschlossen. Sein künstlerisches Wollen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen charakterisiert der Maler mit den Sätzen: ,,Ich habe weder damals noch später alles, was H.ir ,modern‘ galt, abgelehnt, wohl aber einen peinlich großen Teil davon“. Werk und Lebensweg Otto Leibers – das bestätigte auch wieder die Buchenberger Ausstellung – erinnern mehrfach an einen anderen „Zugereisten“, den aus Karlsruhe stammenden Thoma-Schüler Hans Schroed­ ter (1872-1957), dem von 1920 an für nahezu vier Jahrzehnte Hausen vor Wald, auf der Baar gelegen, zur endgültigen Heimat wurde. Auf der Flucht vor der nach der Jahrhundert­ wende bereits um sich greifenden seelenlosen Zivilisation in den großen Städten haben viele der Nachfolger aus der Schule Hans Thomas sich nach dem 1. Weltkrieg auf das Land zurückgezogen. In der dörflichen Ge­ meinschaft von Bauern, einfachen Arbeitern und Handwerkern suchten und fanden sie Halt und ursprüngliches Leben in einer Zeit, da die überkommenen Kunstideale und Werte vielfach nichts mehr galten. So auch der „B uchenberger“ Otto Leiber. Kurz nach 1900, in den Anfangen seines Schaffens, zeigen sich noch Einflüsse der Deutschrömer und des Jugendstils in einer stark zeichnerisch betonten Malerei. Vom Realismus des späten 19. Jahrhunderts und über die Auseinandersetzung mit dem deut­ schen Impressionismus gelangt Otto Leiber sehr bald zu einem eigenen Stil in der Form eines malerischen Realismus, in dem Abge­ klärtheit, Harmonie und Weiträumigkeit die Schau der Außenwelt in seinen Landschaften, B lumenbildem und meisterlichen Portraits bestimmen. Daß es nach 1930 auch vorübergehende Unsicherheiten, Gefährdungen gab, sei nicht Selbstportrait des Malers Otto Leiber der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises, Dr. Hansjörg Häfele, bei der Eröffnung der Ausstellung am 21. August 1981 in der Buchenberger Schule. „Ich gab mich schon früh“ – so Otto Leiber in seiner Selbstbiographie – ,,selb­ im ständigen Landschaftsstudien hin, Schwarzwald, in Straßburgs schöner Umge­ bung und ganz besonders auch in den male­ rischen Partien seiner Altstadt“. Nach mehr­ jährigem Studium der Philosophie und der Naturwissenschaften in München und Straß­ burg besuchte der junge Akademiker die Aktklasse von Ludwig Schmid-Reutte an der Karlsruher „Kunstschule“ und wurde 1903 von Hans Thoma als Meisterschüler ange­ nommen. In das erste Jahrzehnt unseres Jahrhun­ derts fielen Studienreisen nach Paris, Italien, Sizilien und weiteren Mittelmeerländern, solche nach der Türkei, dann auch nach 152

verschwiegen. Werke wie „Hochgebirge im Regenbogen“, eine heroisch stilisierte Land­ schaft oder „Der Sämann“ (1935) mit seinem falschen, innerlich leeren Pathos sprechen für den Kenner eine zu deutliche Sprache. Daß die letztgenannte Arbeit, die auf der Buchen­ berger Ausstellung nur noch im Druck vor­ gestellt werden konnte, den Kunstfreunden nicht vorenthalten wurde, ist – um der ge­ schichtlichen Wahrheit willen – dankens­ wert. ,,Das Original ist in der Berliner Reichs­ kanzlei verbrannt“. Diese Mitteilung erspart uns eine eingehende kritische Auseinander­ setzung mit dem Werk. Nein, Otto Leiber als Portraitist wie als Landsehafter hatte – auch in der „braunen“ Periode Besseres zu geben als stramme, mar­ kige „Helden der Arbeit“ und seelenlose, ,,glorifizierte“ Landschaften, die einem frag­ würdigen ,,Blut- und Boden-Mythos“ hul­ digten. Spätestens 1937, nach den NS-Mani­ festationen im Münchener „Haus der Kunst“ hatte der ,,Buchenberger“ Maler die gefähr­ liche Kunstideologie der NS-Kulturpolitik durchschaut. Otto Leibers Gesamtwerk, auf einer sorg­ fältig durchdachten Arbeitsweise im Atelier aufgebaut, konzentriert sich auf eine stille, technisch und farbig zurückhaltende Malerei voll Innerlichkeit und naturhaftem Eigen­ wuchs. Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Sonne, Regen, Bäume und Wolken, weite Fernblicke und melancholische Tal­ gründe sind die bevorzugten Sujets des Land­ sehafters. Mit zum Besten in seinem reich­ haltigen Oeuvre gehören die lebensvollen, feinempfundenen, meisterlich charakteri­ sierten Portraits aus allen Schaffensperioden, darunter die Selbstportraits der Jahre 1914 und 1930 und das ungemein beseelte Bildnis der jungen Gattin des Künstlers aus dem Jahre 1914. Unter den plastischen Arbeiten beachtlich eine Broncebüste von Albert Schweitzer, der Ende der zwanziger Jahre bei Aufenthalten in Königsfeld dem Maler in Buchenberg zu mehreren Portraitsskizzen saß. Lorenz Honold Jochen Winckler – Künstler und Mentor Er ist 42 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, ein kambodschanisches Pflegekind, Künstler und Mentor, Freund, Bruder von 20 Jungen aus dem Internat der Zinzendorfschulen, ungefähr 1,83 Meter groß, schlank, kurzes, leicht lockiges, braunes Haar, genau beob­ achtende Augen. Versuch einer Arbeitsplatzbeschreibung: Haus Spangenberg der Zinzendorfschulen in Königsfeld, ein langer Gang, links und rechts alte Schränke, Tische, Stühle, Pflan­ zen, Plakate, am Ende des Ganges der Wohn-, Empfangs- und Arbeitsraum. Ein langes, nicht sehr breites Zimmer, hohe, sehr weit auf den Boden herabreichende Fenster, gleich links Fotos, Plakate, eine alte Uhr und Bilder an der Wand, dann, nach einer Tür, die in einen Nebenraum führt, eine Sitzgruppe, Sofa, Tischehen, zwei moderne Sessel, Schrank, Regal, Schreibtisch. Das alles mit Teppichboden unterlegt. Hier „wohnt“ Jochen Winckler, im größe­ ren, restlichen Teil des Zimmers „arbeitet“ er. Spanplatten als Boden, ringsum ein Arbeits­ tisch mit Ablagefächern, Schubladen. An der Stirnseite sein „Instrumentarium“, säuber­ lich an der Wand befestigte Werkzeuge. Eigentlich sieht alles gar nicht aus, wie wenn da gearbeitet wird, aber er hat gerade einen Kasten fertiggestellt und dann macht er auch mal wieder Ordnung. An der Eingangstür des Hauses Spangen­ berg erwartete mich Jochen Winckler. Wir gehen durch den Flur in seinen Wohn-/ Arbeitsraum, er bietet Tee an. Wie ich mir denn dieses Gespräch vorstelle, will er wissen, ein richtiges Interview oder so etwas ähn­ liches? Ich verneine, ein Gespräch, eine 153

Jochen Winckler Unterhaltung soll es werden (und wurde es auch) über das, wozu man gerade Lust hat zu reden. Wir reden über Berufe, Jochen Winckler hat zwei: Künstler und „man kann es so nennen“ Erzieher. Sie bilden für ihn die ideale Verbindung. Als er vor 16 Jahren nach Königsfeld zurückkam – dazwischen lagen das Studium an der Kunsthochschule in Stuttgart und ein Aufenthalt in Frankreich – wurde aus dem ehemaligen Internatsschüler der Zinzendorfschule ein Mentor, Vertrau­ ter, Berater und Freund derer, zu denen er selbst einmal gehört hatte. Bei seiner Einstel­ lung hatte er sich einen großen Raum aus­ bedungen, in dem er an seinen Werken arbei­ ten konnte. Er bekam ihn. Und dieser Raum verkörpert die Synthese, mit der er auch seine Berufe verbunden hat: beide zusammen und doch jeder für sich. Jochen Winckler geht mit mir in den Nebenraum, wo er die Exponate für Ausstel­ lungen deponiert hat. Ich spreche ihn auf 154 eine Rezension an, die ich über eine Ausstel­ lung gelesen habe. Ob er immer noch alle möglichen Fundstücke aus Feld, Wald und Müllkippe in seinen Objekten verarbeite? Als Gegenbeweis packt Jochen Winckler ein paar seiner Kästen aus. Bizarre Formen, mit handwerklich höchster Präzision zusam­ mengelötete Metalle verschiedenster Art, da und dort ein „Fundstück“ dazwischen. Ich gestehe ihm, daß ich keinesfalls die Geduld hätte mit dieser Exaktheit und Akribie solch phantastische Gebilde entstehen zu lassen. Manchmal, gesteht er ein, wisse er auch nicht weiter. Dann würde er gerne verschiedene Modelle herstellen, um zu sehen, welche Variante die beste sei. Dabei spiele dann die Machbarkeit eine große Rolle. Bedauernd fügt er hinzu: ,,Bei der Ausbildung auf der Kunsthochschule spielt das handwerkliche Können eine viel zu kleine Rolle. Ich habe mir das alles selber aneignen müssen.“ Wir sprechen über Zwänge – Zwänge, die den Menschen von außen auferlegt werden, die sie oft nicht verkraften können. Bei ihm

Schwer einzuordnen: Jochen Wincklers bald skurrile, oft graziöse „Drahtmännerlfrauen“ l…, „‚ „.. ‚ 155

sei das gerade umgekehrt, meint Jochen Winckler. Sicher, bei seiner Arbeit im Inter­ nat müsse er auch bestimmte Zeitabläufe ein­ halten, aber zusätzlich habe er sich einen Lebensrhythmus angewöhnt, der manchmal an die Grenze des Zwanges heranreicht. Allerdings eines Zwanges, den er sich selber auferlegt und der ihm dadurch nicht als Zwang erscheint. Jochen Winckler arbeitet leidenschaftlich gerne. Manchmal hat er Angst, daß die Zeit nicht reichen könnte, alle seine Ideen in die Tat umzusetzen. Urlaub hat er schon lange nicht mehr gemacht. Der Job im Internat – das sind sieben Arbeitstage in der Woche. Er würde gerne öfter zu Ausstellungen und ins Theater gehen, Bücher lesen, sagt er, aber ich spüre, daß er nichts Elementares entbehrt. Er hat seine Berufe und seine Familie, er hat das, wonach andere Zeitgenossen ein Leben lang suchen und es nie finden. Ich will jetzt wissen, welche Beziehung er zu seinen Arbeiten hat. Sehr persönliche, erwidert Jochen Winckler, ,,eigentlich arbeite ich nur für mich und trenne mich deshalb nur schwer von einem Stück, das ich gemacht habe“, fügt er hinzu. Und Ausstellungen, wie stehen Sie Ausstellungen gegenüber, plagt mich die Neugierde. ,,Zwiespältig“, meint er, „einerseits brauche ich Bestätigung und eine Ausstellung ist eine Bestätigung dessen, was ich gemacht habe. Andererseits stört mich der Rummel dabei. Am liebsten ist es mir, wenn mich Leute besuchen, die meine Arbei­ ten mögen und sie irgendwo gesehen haben und noch mehr sehen wollen.“ Und dann erzählt Jochen Winckler eine ihn charakterisierende Begebenheit: 1977 hatte er über eine Galerie einige seiner Arbei­ ten in einer Koje auf dem Internationalen Kunstmarkt in Köln ausgestellt. Gegenüber war eine Sitzgruppe, gedacht für ermattete Kunstmarktbesucher, um tieue Kraft zu schöpfen. Dort saß des öfteren auch Jochen Winckler und beobachtete, wie Vorüber­ gehende auf seine Arbeiten reagierten. ,,Von flüchtigem Hinschauen bis zu ,schau mal, das gefällt mir aber‘, waren alle Reaktionen 156 vertreten. Ich habe das so richtig genossen, unbeteiligter Beobachter zu sein, zu sehen, wie Leute auf meine Arbeiten ansprachen.“ zum Leben Fast zwei Jahre ist es her, seit ich Jochen Winckler zum letzten Mal getroffen habe, damals in seinem Wohn- und Arbeitszim­ mer im Haus Spangenberg der Zinzendorf­ schulen in Königsfeld. Fast zwei Jahre liegen zwischen dieser ersten Begegnung und jetzt­ mir kommt es aber eher so vor, als hätten wir uns vor zwei Monaten zum letztenmal getroffen. Der Raum hat sich kaum ver­ ändert, wieder gibt es Tee, ein Gespräch kommt ohne Verkrampfung oder schwer zu überbrückende Pausen in Gang. Jochen Winckler ist noch genauso offen, spontan, interessiert. Er hat sich kaum verändert. Jochen Winckler ist nicht der Typ, dessen Purzelbäume Einstellung schlägt, er verarbeitet seine Erfahrungen langsam, dafür aber voll bewußt. Eine davon war, daß er ernsthaft in Erwägung gezogen hat, sich ganz seinen Kästen und Figuren zu widmen. Verkaufserfolge stellten sich bei den letzten Ausstellungen derart ein, daß er mit dem Gedanken liebäugelte, sich ganz der Kunst zu verschreiben. Aber – und das ist typisch für Jochen Winckler – er sah auch sofort die Schattenseiten einer solchen Ent­ scheidung. Konsequenz wäre gewesen, noch mehr Ausstellungen zu machen, sich der Ver­ marktung seiner Arbeiten zu widmen. Jochen Winckler ist aber kein Mensch, der Publicity braucht. Wäre seine Entscheidung gegen den Erzieherberuf gefallen, hätte der Kunstbetrieb wohl einen Tribut von ihm gefordert, dem er nicht gewachsen wäre. Seine Konsequenz ist, weiter die Zweigleisig­ keit der Arbeit zu akzeptieren. Unglücklich ist Jochen Winckler dabei nicht. Beim Durchblättern eines kleinen Aus­ stellungskatalogs, der zur Präsentation seiner Werke in der Jahrhunderthalle in Höchst Anfang 1983 erschien, stieß ich auf eine abge­ druckte Tagebucheintragung von Jochen Winckler: ,,November 1982: Weg von den ,Kästen‘? – Werde ich Bildhauer – und wäh-

rend der Lötkolben heiß wird – zum Zeich­ ner? Also heißt’s von nun ab: Figuren, Kästen, ,Zeichnungen‘? und bald dann Figu­ ren und ,Zeichnungen‘?“ Ja, die Tendenz sei noch da, meint Jochen Winckler auf meine Frage, er habe wieder mehr gezeichnet in letz­ ter Zeit. Entspannend sei es, den Zeichenstift in die Hand zu nehmen, wenn man stunden­ lang mit dem Lötkolben gearbeitet habe. Vernachlässigt er jetzt die „Kästen“ gänz­ lich? Nein, doch wie auch bei den Figuren habe sich etwas Wesentliches geändert. Er verwendet nicht mehr in dem Maße wie frü­ her Fundstücke – die auch immer schlechter zu bekommen seien – sondern suche gezielt nach anderen geeigneten Materialien.Jochen Winckler zeigt mir Bilder seiner letzten Figu­ ren. Handwerklich genauso perfekt und fas­ zinierend wie die von vor ein paar Jahren. Doch die teilweise übermannsgroßen ,,Gestalten“ sind sachlicher geworden, sach­ licher von der Gesamtform her, nicht vom Detail. Die Figuren sehen auf den ersten Blick schlichter aus, geometrischer, klare Linien herrschen vor. Mir gefallen sie besser als die noch verspielteren, opulenter aus­ geschmückten „Drahtmänner/frauen“, die Jochen Winckler früher erschuf. Wie gesagt,Jochen Winckler sucht geziel­ ter nach Materialien für seine Figuren, kom­ poniert sie aus Werkstoffen, (zum größten Teil Metall) die ihm bei der Verwirklichung seiner Ideen einen großen Spielraum lassen. Das Ergebnis fasziniert von der Form her und begeistert im Detail. Jochen Wincklers „Kästen“ sind aber bei­ leibe nicht „gestorben“, die Miniwelten sei­ ner letzten holzumrahmten, dreidimensio­ nalen „Bilder“ zeigen aber auch eher den Trend zum Geometrisch-Geplanten, wie bei seinen strengeren Figuren der Faszination keineswegs abträglich. ,,Manchmal fürchte ich“, meint Jochen Winckler, ,,daß sowohl Figuren wie auch Kästen zu kunsthandwerk­ lich ausfallen, zu vielen Leuten zu gut gefal­ len. Deshalb auch sowenig Ausstellungen wie möglich. Die in Freiburg während des internationalen Zelt-Musik-Festivals und eine im Herbst in Gengenbach genügen voll­ Thomas Seifert kommen.“ Ehrenrettung für einen Vergessenen Mit Villingen eng verbunden: der Bildhauer Robert Neukum (1882-1971) Von den Männern, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts das künstlerische Leben in Villingen bestimmten, hat Waldemar Fleig (t 1932) vor 13 Jahren in einer von der Stadt veranstalteten Retrospektive die gebührende Würdigung erfahren. Das Leben und Schaf­ fen Richard Ackermanns (t 1968) hat Gustav Heinzmann in einer 1979 erschienen Mono­ graphie, für die als Herausgeber die Stadt Vil­ lingen-Schwenningen zeichnet, festgehalten. Ebenda sind die Villinger Maler Paul Hirt (t 1951) und Ludwig Engler (t 1922) in kur­ zen, gut charakterisierten Abrissen gewür­ digt. Einer aber, der gleichfalls zum Künstler­ kreis um Richard Ackermann zählte, fehlt in dem sonst so verdienstvollen Buch: Der Name des Bildhauers und Malers Robert Neukum (1882-1971). Das mag daran liegen, daß N eukum kein Einheimischer war. Er stammte aus Baden-Baden, wo er am 23.Juli 1882 geboren wurde. Immerhin aber ist der Sohn des Sattlermeisters August Neukum noch in jungen Jahren mit seinen Eltern nach Villingen gekommen. Hier hat er die Lehre als Kunsttöpfer bei dem überregional aner­ kannten Villinger Hafnermeister Johann Glatz (1846-1919) absolviert. In Villingen hat er seine Bleibe und seine künstlerische Hei­ mat gefunden. Am 11. April ist er im Heilig­ Geist-Spital, wo er den Lebensabend ver­ brachte, im Alter von 88 Jahren gestorben. Doch der jüngeren Generation ist er heute, nur etwas mehr als zehn Jahre nach sei­ nem Tode, kaum noch ein Begriff. Ihn der 157

die Nachfolge von Kunsttöpfer Johann Glatz in der 1919 verwaisten Villinger Majoli­ kafabrik angetreten hatte. Hier nur einige wesentliche Daten und Fakten aus dem Werdegang Robert Neu­ kums. Nach Abschluß der Lehre als Kunst­ töpfer in Villingen arbeitete er vorüberge­ hend in der Majolikafabrik Zell/Harmers­ bach. Es folgten 1910-1913 Studien in der Bildhauerklasse der Professoren Dietsche, Schreiögg und Volz an der Karlsruher Aka­ demie. 1913/14 ist Neukum Meisterschüler von Professor Volz, wirkt bei verschiedenen Staatsbauten in Karlsruhe mit und holt sich als Modelleur begehrte Preise der Akademie. Bereits stand dem hochtalentierten Bild­ hauer ein vierjähriges Staatsatelier in Aus­ sicht, da zerschlägt der Krieg die hoffnungs­ volle Karriere. Als Infanterist der Reserve stand N eukum von 1915 an auf den Kriegs­ schauplätzen in Frankreich. In der Somme- Der Villinger Stachz� eine Holzscheme von Neukum Der Bildhauer Robert Neukum auf der Höhe seines Schaffens Gefahr des Vergessenwerdens zu entreißen, war im Jahr seines 100. Geburtstages Sinn und Ziel einer Gedächtnisausstellung, die vom 6. bis 8. November 1982 im katholi­ schen Gemeindezentrum Münster in Villin­ gen zu sehen war. Den Veranstaltern kann bescheinigt werden, daß ihre Aufgabe der Ehrenrettung eines nahezu vergessenen Bild­ hauers und Malers, der sich als Villinger fühlte und in der Epoche zwischen Natura­ lismus und Expressionismus in Villingen tätig war, gelungen ist. An der Spitze der Veranstalter Reallehrer Othmar Ballof, aus Villingen stammend, heute in Freiburg wohnhaft. Nach dem Tode N eukums hat er den Nachlaß des Künstlers in seine Obhut genommen. Dann an seiner Seite die beiden Mitstreiter aus Villingen, der Mundartdichter Hans Hauser und der eben­ falls mit N eukum befreundete Waldemar Fleig, der zusammen mit Ernst Huber-Röthe 158

Schlacht 1917 geriet er in französische Gefan­ genschaft. Erst 1919 wurde er als Kranker auf dem Weg in die Schweiz in die Heimat ent­ lassen. Nach einem weiteren Studienjahr an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe nahm Neukum 1920 seine künstlerische Tätigkeit als Keramiker in Villingen wieder auf. Gleichzeitig porträtiert er als Freischaf­ fender zahlreiche Bürger, Kaufleute, Indu­ strielle und Gelehrte und gestaltet nach 1930 auch eine Reihe von Ehrenmalen, darunter für Villingen, Löffingen, Peterzell, Mönch­ weiler. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ist Robert Neukum noch über ein Jahrzehnt mit dem gesellschaftlichen und künstleri­ schen Leben Villingens eng verbunden. Er zählt zu den Gründungsmitgliedern des 1953 ins Leben gerufenen Villinger Kunstvereins. Zahlreiche Schemen des Villinger N arro gehen aus seinem Atelier hervor. Eine wür­ dige Ehrung durch die Villinger Narrozunft erfährt er nach 40jähriger Mitgliedschaft. In der erwähnten Jubiläums-Ausstellung konnte leider nur eine beschränkte Zahl von Originalen gezeigt werden. Eine Vielzahl von Fotos ersetzte die Vollplastiken und Ehrenmale des Bildhauers sowie die vielen in Privatbesitz befindlichen Porträts, darunter von dem Industriellen Hermann Schwer, dem Villinger Professor und Stadtarchivar Christian Roder und von Prälat Fr. X. Len­ der, dem Gründer der nach ihm benannten Lehranstalt in Sasbach bei Achern. In Origi­ nalen waren in der Ausstellung zu sehen Zeichnungen des Frontsoldaten in Frank­ reich und Porträtzeichnungen von Villinger Bürgern, darunter von dem Buchhändler JosefLiebermann und dem Kaufmann Josef Honold, die beide zum engeren Freundes­ kreis Robert N eukums gehörten, ferner meh­ rere Akte und Kleinplastiken. Die Zeichnun­ gen N eukums, darunter auch farbige Blätter, verraten einen tüchtigen Modelleur und Zeichner, der vor allem in seiner Frühzeit starke Anregungen durch den Jugendstil sowie durch die Symbolisten aus dem Kreis der Deutschrömer in sich aufgenommen hatte. Ein abschließendes Urteil über den Bild­ hauer und Maler Robert N eukum zu geben, ist verfrüht. Die Gedächtnisausstellung aus Anlaß seines 100. Geburtstages war vor allem als ein Appell an die Villinger wie auch an die Stadt gedacht, Robert Neukum nicht in Ver­ gessenheit geraten zu lassen, sondern durch persönliche Erinnerungen und Leihgaben mit beizutragen, damit dem Künstler eines Tages im Obergeschoß des „Franziskaner“, zusammen mit den weiteren Villinger Künst­ lern des 20. Jahrhunderts, ein Ehrenraum eingeräumt werden kann. Lorenz Honold Hans Georg Müller-Hanssen In liebevoller Verbundenheit mit seiner ursprünglichen Baaremer Heimat Heute weiß es jeder: Altbauten, roman­ tische Winkel, anheimelnde Straßenzüge haben zahlreich einem Renditedenken Platz machen müssen. Es dauerte viele Jahre, bis die“ Volksseele“ diesem Trend eine spürbare Absage erteilte. Bürgerinitiativen sind keine Seltenheit mehr, wenn es darum geht, Bau­ körper, mit denen man groß geworden ist, die man liebgewonnen hat, vor dem Abbruch zu retten. Allzulange durften Bau- träger und private Bauherren harmonisch gewachsene Infrastrukturen, in denen sich Generationen heimisch fühlten, unkritisch entwurzeln. Stadtlandschaften von Müller-Hanssen sind ein stiller Schrei nach Erhalt. Geht man seine Bilder durch – die meisten Werke sind bereits vor zwanzig und mehr Jahren ent­ standen -, so erstaunt das tiefe Gespür des Künstlers für harmoniegefährdete Baukultu- 159

Der Makr und Grafiker Hans-Georg Mülkr-Hanssen ren. Als wenn er es geahnt hätte, daß – sensi­ bel gefühlt – dieses und jenes durch Genera­ tionen gewachsene Bauwerk, eingebettet in seine ureigene Landschaft, zu einem Kunst­ werk herangealtert den Abräumhammem geopfert würde. Erstaunlich bleibt die Fülle der Eindrücke, die Wärme und Harmonie, die dem Betrachter der Bilder entgegenflie­ ßen. So wird er befähigt, künftig Müller­ Hanssen-Landschaften in der Natur noch intensiver aufzunehmen! Häufig wird er lei­ der erfolglos und wehmütig die Gebäude suchen. Sie hatten zwischenzeitlich Zweck­ bauten zu weichen. Das Flair ist unwider­ ruflich verloren. Die Stadtlandschaften, die dörflichen Idyllen, die in ihnen einbezoge­ nen Menschen, strahlen eine ungewöhnlich starke Harmonie aus: ein geglücktes Zusam­ menspiel zwischen Landschaft, Mensch und Bauwerk. Genährt wird diese konstruktive Darstellungskraft aus einem gelebten evan­ gelischen Glauben, gesunder Sensibilität und starker Heimatverbundenheit. 160 Den Bildern ist nicht anzumerken, daß sie von einem Künstler stammen, der seit fast fünfzig Jahren seine Wahlheimat an der Nordsee gefunden hat: Geboren ist Hans Georg Müller-Hanssen 1908 in Schwennin­ gen als Ältester von vier Kindern. Durch den Kriegstod des Vaters früh mit materiellen Sorgen konfrontiert, Erfahrung der christli­ chen Fülle durch uneigennützige Mithilfe in der Kirchenarbeit. Handwerkliche Lehre in Schwenningen, 1939 durch Dienstverpflich­ tung nach Bremen verschlagen, dort neben der harten Arbeit Studium an der N ordi­ schen Kunsthochschule in Zeichnen und graphischer Technik. Nach der Kriegsteil­ nahme Hochzeit mit einer Studienkollegin, drei Kinder. Freischaffender Künstler in Bre­ merhaven. Die Malerei ließ Müller-Hanssen nie mehr los. Anscheinend ist diese Kunst ein Fami­ lientalent. Zwei seiner Brüder, beide noch in Schwenningen lebend, sind ebenfalls der Malerei zugeneigt. Dem Materiellen, obwohl

es ihm geboten wurde, hat Müller-Hanssen nie aufgesessen. Ihm widerstrebten Vermark­ ten und Preise machen. Eigenschaften, die auch nicht in das Naturell seiner Bilder pas­ sen. In seiner ihm eigenen Bescheidenheit, hätte das Ansinnen einen Beitrag über sein Schaffen nach außen zu tragen, eine strikte Ablehnung erfahren. So ist dieses unvoll­ ständige Bild über ihn, ohne sein Wissen, ohne seine Mitarbeit, entstanden. Allerdings in der stillen Hoffnung, daß dem Verfasser im Nachhinein verziehen werde. Nun wie kam es zu den zahlreichen Bil­ dern aus dem Einzugsgebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises, von denen einige wenige stellvertretend in den Almanach ein­ gestreut wurden? Durch eine glückliche Fügung ist der erfolgreiche Industrielle Chri­ stian Maier (Fa. Maico, VS-Schwenningen) auf Müller-Hanssen aufmerksam geworden. In den ftinfziger und sechziger Jahren war Müller-Hanssen während seiner Sommer­ ferien mit seiner Familie geschätzter Freund im Gästehaus von Christian Maier. Von hier aus zog es ihn zu den Motiven der Nachbar­ schaft: der Villinger Altstadt, dem Schwarz­ wald, der Baar, nach Schwenningen und nach Rottweil. Er beobachtete mit einem begnadeten Auge Mensch und Landschaft. So konnten über eine Reihe von Jahren seine geschätzten Heimatbilder entstehen. Um mit Caspar-David Friedrich (1774-1840) zu 162 11 ��7 c‘-n’�·�-� �

sprechen „die einzig wahre �eile der Kunst ist unser Herz, die Sprache eines reinen kind­ lichen Gemütes“. Müller-Hanssen ist sich nie untreu, nie fremd geworden: immer war seine Kunst das Gegenständliche. In kleinen Kreisen sprach sich sein Können schnell herum. So hatte er einige namhafte Industrielle und Freiberuf­ ler seiner alten Heimat zu porträtieren (Ölar­ beiten). Sein Schaffen kam immer aus der Stille und ureigenen Bescheidenheit. Werbe­ rummel und sonstige Publicity waren ihm zuwider. Eine repräsentative Sammlung seiner Hei­ matbilder, ruht – im negativen Sinne – museal in einer verschlossenen Kassette im Heimatmuseum Schwenningen. Christian Maier, der Industrie-Pionier, schenkte anläß­ lich seines 70. Geburtstages der Stadt die fünfzig Originalbilder. Trotz fehlender Werbung wurde der Bekanntheitsgrad seiner Bilder recht groß. In vielen Häusern des Kreises hängen seine Arbeiten. Diese Bilder sind in der Radier­ technik entstanden, von Müller-Hanssen eigenhändig vervielfältigt. An langen Winter­ abenden, weit weg vom Entstehungsort der Bilder, scheinen die süddeutschen Skizzen­ bücher noch intensiver auf ihn einzuwirken. Hier in der nördlichen Wahlheimat, an der Waterkant, sehnt sich die Radiernadel nach Heimatkontakten. Kann man noch tiefer in die Verbundenheit mit einer Landschaft ein­ tauchen, in sie aufgehen? Wilfried W egener eine Bei alledem ist die Ehefrau ihm als Fach­ liebevolle Stütze und kollegin geschätzte Hilfe, wenn sie nicht gerade selbst schöpferisch (Holzschnitte, Buchillustratio­ nen u. a.) tätig ist. Vom Geben und Nehmen Aktuelle Kunst in der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe „Wir dürfen uns nicht am Hunger und Elend der Welt vorbei in den Himmel hin­ einstehlen“, sagte der katholische Theologe Alfred Läpple. Dieser Meinung war auch der Vöhrenbacher Bildhauer Wolfgang Kleiser, dem die künstlerische Gestaltung des Pau­ senhofes der Villinger Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe über­ tragen wurde. Kleiser, der vorn Wesen her zu den Stillen im Lande gehört und wenig Auf­ hebens um sich und seine Arbeit wünscht, hat mit seinem Werk eine laute und ver­ nehmbare Aussage gemacht. Er bewies Mut zum Gegenständlichen und zeigte in seinen Skulpturen Menschen, die bei uns und anderswo leben. Dem Motiv, den in Eichenholz gehauenen lebensgroßen Figuren, liegt das Thema „satt und hungrig – geben und nehmen“ zugrunde. Bei längerer Betrachtung – und diese Arbeit ist ein Verweilen am Ort wert – drängen sich noch Begriffe wie „ Völlerei“, 164 ,,Ausgemergeltsein“, ,,Fresser“, ,,Verarmung“ und „Unterernährung“ auf. Vor allem, wenn man Gesichtszüge und Augenhöhlen der einzelnen Gestalten ansieht und sie mit dem satten, selbstzufriedenen Faulenzer vergleicht, der dem Künstler besonders gut gelungen ist. Die Figur mit der Geste der leeren Hände, symbolisch die Erwartung der Nehmenden darstellend, ist so eindrucksvoll wie der Denker, der seinen Blick in die Ferne schweifen läßt. Die Kreisräte waren gut beraten, den Vöh­ renbacher Bildhauer mit der künstlerischen Ausgestaltung des Schulhofes, der auch als Passage von vielen Fußgängern benutzt wird, zu beauftragen. Mehrere Arbeiten waren ein­ gereicht worden. Die Jury entschied sich für Kleisers Modell, der in diesem Auftrag eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe sah. Es ging dem Künstler darum, junge Menschen unserer Zeit, wie auch spätere Generationen anzusprechen und zur Besin-

nung, zum Nachdenken anzuregen. Wohl­ stand und Armut sprechen den Betrachter direkt an. Eine räumliche Spannung, deren Wirkung man sich nicht entziehen sollte. Mit reichgedeckten Tischen kommen die künftigen Hotel- und Gaststättenangestell­ ten sicher mehr in Kontakt als mit Hunger und Mangel. Das hat der Künstler sehr wohl bedacht und auch überlegt, daß der Tenor seiner Aussage in den Gestalten an der mitt­ leren der sieben Stützsäulen, der Rundsäule liegen müßte. ,,Hier kommt keiner vorbei“, so Kleiser, ,,ohne sich mit diesem rein menschlichen Problem des Gebens und Nehmens konfrontiert zu sehen“. Inzwischen sind schon viele vorbeigegan­ gen, und manche haben innegehalten, die Figuren betrachtet und meditiert. So hatte es sich Wolfgang Kleiser auch vorgestellt: nicht einfach vorübergehen, sondern darüber nachdenken, daß Wohlstand und Annehm­ lichkeiten nicht für alle in gleicher Weise da sind und die menschlich-sozialen Probleme, die leeren Teller, die auch in unserer Wohl­ standsgesellschaft anzutreffen sind, nicht vergessen werden. Gusta Keintzel .. , ..,,. Wunschgedanken O könnt‘ ein Kind ich immer sein Und lustig auf der Wiese springen Wie damals, über Stock und Stein Und dann der Mutter Blumen bringen. Sehnsucht Laß mich singen, laß Dir sagen, Heute ist ein neuer Tag, 0, da möcht‘ ich vieles wagen, Was mir lang am Herzen lag. Lieber Himmel, hör‘ mein Flehen, Denn Du weißt ja, was ich will, Und Du wirst mich auch verstehen, Weil dort oben alles still. Gerne würd‘ ich mal verreisen In die schöne weite Welt, l}m Dich, Schöpfer, dort zu preisen, Uber Deinem Sternenzelt. Dir gehört doch uns’re Erde, Und wir sind ein Stück von Dir, Daß sie uns zur Heimat werde, Frieden gebe, Dir und mir. Johannes Hawner .. ,.. ,,. Deine Hände Oft, wenn gequält ich kam am Abend Voll Sorgen, schwer gedrückt nach Haus, Hast Du gereicht mir Deine Hände, Damit in Dir ich Ruhe fände. Lag ich in Weh und Schmerz alleine Und blickte niemand zu mir her, Dann, plötzlich fühlt‘ ich Deine Hände Wie eine wundersame Spende. O könnt‘ ein Kind ich wieder sein, So recht und froh von Herzen singen, Und wär‘ ich noch so arm und klein, Es würd‘ zum Vaterherzen dringen. Selbst in der Nacht, wenn alle schliefen, Auch ich von großer Müdigkeit, Da schmiegten sich noch Deine Hände Um mich, ob ich Dich auch verstände. O könnt‘ ein Kind ich immer sein, Mir fehlte nichts auf Gottes Erde, Und nimmer wär‘ ich so allein, Wie ich’s im Alter werde. Johannes Hawner Einst war es noch die teure Mutter Und heut‘ bist Du es, liebe Frau, Gott aber segne Eure Hände Und leite sie zum guten Ende. Johannes Hawner 166

Denkmalpflege in Dorf und Stadt ,,Der Franziskaner“ Anmerkungen zur Restaurierung der ehemaligen Franziskanerklosterkirche Mit der Eröffnung „des Franziskaner“ im Herbst des Jahres 1982 hat sich die Stadt Villingen-Schwenningen einen respektablen und funktionstüchtigen Konzertsaal ge­ schaffen. Darüber hinaus konnte aber auch ein wichtiges Stück Stadt- und Kulturge­ schichte erneut anschaulich und erlebbar gemacht werden. Dennoch werden sich dem unvoreinge­ nommenen Betrachter der ehemaligen Fran­ ziskanerkirche eine Reihe von Fragen auf­ werfen, die sich vornehmlich auf die Form der Restaurierung beziehen werden; ent­ spricht die Restaurierung der ehemaligen Klosterkirche doch so wenig dem, was von einer Restaurierung im allgemeinen erwartet wird. Kein strahlender Glanz, wenig eindeu­ tiges Weiß, stattdessen: eine Reihe fragmen- tarische Dokumente, Wandflächen, denen man ansieht, daß sie schweren Zeiten zum Trotz Jahrhunderte überdauert haben, daß ihnen Gewalt angetan wurde und daß man nicht – oder nur an wenigen Stellen – ver­ sucht hat, die Spuren hiervon gänzlich zu beseitigen. Zur Beantwortung dieser sich aufwerfen­ den Fragen ist es sicherlich erforderlich, etwas über die Geschichte des Baues und des baulichen Zustandes vor Beginn der Sanie­ rungs- und Restaurierungsarbeiten zu erfah­ ren. Das Hauptproblem dieses Gebäudes, nämlich die statischen Schäden im Bereich des Kirchenschiff es, lag in der Geschichte der Zerstörung des Klosters selbst begründet. Die Zerstörungen von 1633 und 1704 ver- 167

nichteten einerseits große Teile des mittelal­ terlichen Klosterbaus, andererseits folgt die­ sen Ereignissen jeweils eine rege Bautätigkeit. Besonders gravierende Schäden hinterließ die Umnutzung des Klosters im Zuge der Säkularisation. Während die folgenden Nut­ zungen für das Kloster selbst noch einiger­ maßen angemessen waren, ruinierte die Ver­ wendung des Kirchenschiffes als Viehstall und Scheune und der Einbau von drei Wohngeschossen in den Chor das Gebäude erheblich. Dem Besucher „des Franziskaner“ wird es heute schwerfallen, sich den Zustand der Klosterkirche vor Beginn der Restaurie­ rungsarbeiten vorzustellen. Besonders der Kircheninnenraum vermittelte einen trost­ losen Eindruck: Der riesige Kastenraum besaß keinen richtigen Boden. Die Wände und die Holzdecke waren bedeckt mit den Resten eines ehemals weißen Kalkanstriches. Die Wände waren darüber hinaus stark ver­ fleckt von der aufsteigenden Feuchtigkeit aus den früher bis an die Fundamente rei­ chenden Jauchegruben und Mistlegen. Neben diesen rein optischen Eindrücken waren auch die Ergebnisse der statischen Untersuchungen deprimierend: Zum Erhalt der schon bei der Zerstörung von 1704 stark demolierten Langhauswand zur Rietgasse hin mußte ein Betonpfeiler eingefügt wer­ den. Die klosterseitige Wand war, um das Gebäude vor dem Einsturz zu bewahren, völlig mit Beton auszupressen. Neben dieser für eine erfolgreiche Restau­ rierung geradezu hoffnungslosen Ausgangs­ situation stellte die zukünftige Nutzung des Klosters als Konzertraum und Museum wei­ tere Probleme. Dabei war man sich darüber im klaren, daß, abgesehen von den notwen­ digen technischen Einrichtungen, die beab­ sichtigte Nutzung als optimal angesehen werden konnte, stellte doch die Franziska­ nerkirche im ausgehenden 13. Jhd. den größ­ ten Versammlungsraum des mittelalterli­ chen Villingen dar. Dieser Raum diente neben dem Gottesdienst in bemerkenswer­ tem Umfang auch öffentlichen Funktionen; 168 so fanden hier die Neuwahlen der Schult­ heißen und des Rates statt, um nur einige der öffentlichen Nutzungen zu nennen. Wenngleich die zukünftige Verwendung als optimal angesehen werden konnte, galt es den verbliebenen historischen Bestand in Einklang mit den notwendigen technischen Einrichtungen für eine Konzerthalle zu brin­ gen. Es mußte eine Heizung und eine Belüf­ tungsanlage eingebaut werden, die Bühnen­ technik mußte eingeplant und ein Akustik­ putz in Teilbereichen akzeptiert werden. All dies war vorrangig vor rein restauratorischen Überlegungen zu beachten. Und noch etwas sei angemerkt, so banal es auf Anhieb klin­ gen mag: Ziel der Restaurierung war es, im ehemaligen Kirchenraum einen Konzertsaal zu installieren, der Teil eines Museum sein sollte: die Wiederherstellung eines für litur­ gische Zwecke genutzten Kirchenraumes war nicht die Aufgabe. Entgegen der übli­ chen denkmalpflegerischen Praxis, die letzte erhaltene Fassung eines historischen bauli­ chen Zustandes zu restaurieren, mußte hier ein differenzierterer Weg gewählt werden. Der Barockraum, von dem im Chor und Langhaus die Fenster mit Stuckrahmen erhalten waren, war weiß getüncht und erhielt seine Akzente durch die Ausstattung. Diese war verlorengegangen, ebenso wie das Deckenbild des Langhauses. Selbst wenn die Ausstattung noch in Teilen aufgefunden worden wäre, bzw. hätte rekonstruiert wer­ den können, wäre das Restaurierungsergeb­ nis ein funktionstüchtiger Kirchenraum gewesen. Hinzu kam, daß der barocke Chor­ bogen, der unter dem jetzt wieder sichtbar gemachten gotischen Chorbogen um 1704 eingezogen worden war, aus statischen Grün­ den nicht gehalten werden konnte. Eine ausführliche Farbbefunduntersu­ chung führte zu dem überraschenden Ergeb­ nis, daß die erste farbige Fassung aus der Zeit um 1300 im Chor zu etwa 80% erhalten war und an der klosterseitigen Langhauswand in den Bereichen, in denen noch historischer Putz vorhanden war, eine großflächige Frei­ legung der entsprechenden Wandfarbigkeit

erlaubte. Aus den darauf folgenden Ausstat­ tungsphasen, bis hin zum 17. Jhd., ließen sich nur Fragmente von Wandmalereien – teil­ weise von hervorragender Qualität – erhal­ ten. Ferner waren bei den Ausbrucharbeiten, insbesondere im Chorbereich, Teile von Maßwerkfenstern in erheblichem Umfang gefunden worden, die eine gewissenhaftere Konstruktion der Fenster erlaubten. Aufgrund der geschilderten Vorgaben und der Untersuchungsergebnisse formu­ lierte sich das Restaurierungskonzept gleich­ sam von selbst. Der denkmalpflegerischen und musealen Intention kam die Eigenart der Franziskaner entgegen, ihre Kirchen nicht auszumalen, den Bürgern aber Gele­ genheit zu bieten, an die Wände der Kirche Andachts- oder Gedächtnisbilder zu stiften. Entgegen dem sonst üblichen entstand auf diese Weise kein zusammenhängendes iko­ nographisches Programm, die Wandmale­ reien standen isoliert voneinander, gleich­ sam wie „Briefmarken“ auf den Wandflä­ chen. Dieses Restaurierungskonzept hatte zum Ziel, den Gesamteindruck des Raumes aus der Zeit um 1300 weitestmöglichst wie­ der zu gewinnen. Die erwähnte franziska­ nische Ausstattungseigenart ermöglichte es ohne Störung des Gesamteindrucks, jüngere Freskenfragmente und Primärdokumente der barocken Umbauphase ebenfalls gleich­ sam als „Briefmarken“ auf den Wandflächen stehen zu lassen. Die Ambivalenz des Re­ staurierungskonzeptes kam somit dem Cha­ rakter der neuen Nutzung am nächsten: 1. Durch die Verwirklichung des Konzep­ tes konnte die Bedeutung des Raumes für die mittelalterliche Stadtgeschichte anschaulich gemacht werden. 2. Es entstand nicht der Eindruck eines liturgisch genutzten Raumes. 3. Die Präsentation der verschiedenen Ausstattungsphasen des Raumes kam der musealen Nutzung weitestmöglichst ent­ gegen. Auf der Grundlage des skizzierten Restau­ rierungskonzeptes wurde im Chor die graue Qiadermalerei auf das Sorgfältigste freige- 169

legt, wie es sonst nur einer figuralen Wand­ malerei des ausgehenden 13. Jhd. zukommt. Mit der gleichen Sorgfalt wurde der erhal­ tene, aus der gleichen Zeit stammende breite Putzstreifen entlang der zum Kloster gelege­ nen Langhauswand freigelegt. Während die unteren Wandbereiche im Chor rekon­ struiert werden konnten, war der historische Putz an der Langhauswand zum Kloster auf­ grund der Durchfeuchtung völlig zerstört und konnte farblich nur angeglichen werden. Bedauerlicherweise ist die Feuchtigkeit in diesem Mauerwerk auch heute noch immer so stark, daß die Restaurierung gerade in den Grenzbereichen noch nicht als abgeschlos­ sen betrachtet werden darf, und größere Stockflecken noch eine Zeitlang hingenom­ men werden müssen. An der Wand zur Riet­ gasse hin war kein mittelalterlicher Putz mehr vorhanden. Darum entschloß man sich, diese Wand gleichsam als Primärdoku­ ment weitestgehend im barocken Zustand zu belassen, wobei aus Kostengründen darauf verzichtet wurde, nach Einbringung des Sicherungspfeilers und Anbringung des Akustikputzes, die Stuckrahmung wiederan­ bringen zu lassen. Im Gegensatz zum heuti­ gen Zustand des Innenraumes besaß die gotische Kirche ein flaches hölzernes Ton­ nengewölbe, wie es auch für das Villinger Münster nachgewiesen ist. Der Besucher kann dies heute ohne weiteres nachvollzie­ hen, etwa an den Kreissegmentteilen ober­ halb des Chorbogens an der Chorscheide­ wand und an der oberen Zone der zum Kloster weisenden Langhauswand. Die Farb­ befunduntersuchungen am Außenbau erga­ ben, daß, entsprechend der Grauquaderung im Chorinneren, am Choräußeren eine rote Quaderung aufgemalt worden war. Da diese Q!iaderung nur kleinflächig erhalten war, wurde sie am Außenbau rekonstruiert. In diesem Zusammenhang darf darauf hin­ gewiesen werden, daß diese Form der Q!ia­ dermalerei nachweislich zumindest für die mittelalterliche Sakralarchitektur Villingens als Besonderheit zu gelten hat. So konnte eine rote Q!iadermalerei an den mittelalter- 170 liehen Bauteilen des Villinger Münsters nachgewiesen werden und in jüngster Zeit eine graue Q!iadermalerei im inneren Chor­ wandbereich der ehemaligen Johanniter­ kirche aufgedeckt werden. Mit der roten Q!iadermalerei an den Choraußenwänden und einer freien Rekonstruktion des ehema­ ligen Paradieses am Giebel „des Franziska­ ner“ ergab sich gleichsam wie von selbst, daß auch am Außenbau der mittelalterliche Farb­ befund gleichsam die Leitschnur für die äußere Farbgebung sein mußte. Andererseits war es natürlich nicht möglich, die späteren barocken Fenster an der zur Rietgasse gele­ genen Langhauswand in diese mittelalter­ liche Fassung einzubeziehen -hier wurde die barocke, blaugraue Rahmung entsprechend den Befunden rekonstruiert. Bei Kenntnis der Probleme, die sich bei der Sanierung und Restaurierung „des Fran­ ziskaner“ ergaben, darf der Besucher mit Recht – so meine ich – die restauratorische Leistung, die erbracht wurde, bewundern und die gleichsam aus einem „Dornröschen­ schlaf“ geholte mittelalterliche Raumschale wie ein Bilderbuch „lesen“. Es gibt eine Menge zu entdecken! Neben einer Reihe von marianischen Darstellungen gibt es ein Fragment einer Christopherus-Darstellung. Auch das Fragment einer Papstgestalt, die wohl im Zusammenhang mit einem Toten­ tanz zu sehen ist, sei hier erwähnt-das beein­ druckendste für den Besucher ist wohl aber das Erlebnis des wiedergewonnenen mittelal­ terlichen Hallenraumes selbst! Der gewaltige Eindruck des Hallenraumes findet am Außenbau seine Entsprechung. Die städtebaulich zurückgewonnene Bedeu­ tung „des Franziskaner“ in seinem rekon­ struierten mittelalterlichen Gewand ist un­ übersehbar. Ein Gang durch die Brunnen­ straße zur Rietgasse veranschaulicht dies deutlich. Frank T. Leusch …. , …,,,.

Der ,,Bruckburehof“ in Obereschach Beitrag zur Denkmalpflege ein gelungener Die Rede ist von dem heutigen Anwesen Stumpen-Straße 2 im Dorf Obereschach, einem Stadtteil von Villingen-Schwenningen. Dort, wo die Straße von Villingen nach N iedereschach an ihrem tiefsten Punkt über die Eschachbrücke führt, liegt rechterhand der sogenannte „Bruckburehof‘. Als im August 1977 die Eheleute Briegel das Gebäude erwarben, war es in einem dem Verfall preis­ gegebenen Zustand. Mit Sachverstand und Einftihlung gelang es ihnen in den folgenden Jahren, nicht nur das Gebäude zu erhalten, sondern die Erneuerung so durchzuftihren, daß es zu einem Schmuckstück des Dorfes und zu einem Vorbild ftir ähnliche Unter­ fangen wurde. Die ausschließliche Wieder­ verwendung des Werkstoffes Holz bei der Fassadengestaltung ist dabei ein wesentliches Element. Aber auch ästhetisch hat das Gebäude in seiner neuen Funktion als reines Wohnhaus gewonnen, vor allem wurden Stilbrüche vermieden. Im Gegensatz zu vielen anderen, die z. B. moderne Garagentore in die Fassade ein­ bringen, wo zuvor Tor und Tür zu Scheuer und Stall sich harmonisch einftigten, wurde im Hause Briegel wiederum mit Holz wenig­ stens der Schein gewahrt und die architek­ tonische Einheit erhalten. Die Abbildung zeigt das Äußere des gelungenen, wenngleich kostspieligen Werks. Vielleicht würde mancher in der Denkmalpflege tätige Häuser­ forscher die Veränderungen des inneren Grundrisses bedauern, aber das ist der Preis: Entweder verfällt ein der Funktion beraubtes Bauerngehöft allmählich, wird schließlich abgerissen und macht einem üblichen modernen Gebäude mit einem Lebensmittel­ laden beziehungsweise einer Bankfiliale Platz, oder die Erfüllung eines nostalgischen Traumes wahrt die Illusion und beläßt dem Dorf einen Akzent. Soweit die Daten des Hofes quellenmäßig gesichert sind, reichen sie nicht allzuweit zu- 171

rück. Die den Grundbucheintragungen zweifellos vorausgehenden Aufzeichnungen sind vor dem Jahre 1864 weder ermittelt, noch erforscht. Man kann nur bedauern, daß frühere Ratschreiber des Dorfes, die oft jahr­ zehntelang im Amt waren, kein Interesse ftir die Häuserforschung entwickelten. Als 1864 der Landwirt Blasius Seckinger stirbt, erbt seine Frau Anastasia, geborene Fleig, das bäuerliche Anwesen, das die Witwe aber bereits 1868 ihrer ledigen Tochter Kres­ zentia Seckinger übergibt, die später einen Josef Hall heiratet.1901 vermacht Kreszentia Hall, inzwischen Witwe, ihrem Sohn Wil­ helm Hall, Landwirt, den Hof. Das Anwesen ist mit keinem Namen verbunden. Die Über­ gabe lautet auf ein „zweistöckiges Wohnhaus mit Scheuer, Stall und Schopf; einem weiteren einstöckigen Schopf mit gewölbtem Keller sowie einer Wasch- und Backküche.“ Als Angrenzer tauchen ebenfalls keine Personen­ namen auf. Das Hofgrundstück grenzt einer­ seits an die Saugasse (heute Stumpen-Straße), andererseits an den Eschbach und den „Weg“ (vermutlich die heutige Kreisstraße Villingen – N iedereschach). Die Gesamt­ fläche des Hofes liegt 1901 bei rund 8 1/2 Hektar. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen sind bei der Flurbereinigung anfangs der 1970er Jahre teilweise verkauft oder verpachtet worden und gehören nicht mehr zum Haus; sie lagen in den Gewannen Unterer Brühl (5 Grundstücke), Vordere Halde, Unterer Rohrbrunnen, Käpeläcker, Im Läger, Ziegen­ äcker, Im Fleckling und An der Halde (2 Grundstücke), insgesamt also 13 Grund­ stücke, der aufgezählten Reihenfolge nach in der östlichen und südlichen Gemarkungs­ fläche mit teilweise fruchtbaren Muschelkalk­ böden.1947 übergab Wilhelm Hall nach 46- jähriger Tätigkeit seiner 1917 geborenen ledigen Haustochter Helene den Hof, mit nunmehr verringerter Grundstückszahl. Im Alter von 3 9 Jahren heiratete Helene Hall den sieben Jahre jüngeren LandwirtJosef Bertsche (geb. 1924) aus Weigheim. 1959 adoptierten sie einen Sohn, Karl Bertsche. Noch einmal 172 eiweiterte sich die landwirtschaftliche Nutz­ fläche um drei Grundstücke im Unteren Brühl und im Sauwasen. Dann starb, erst vierzig­ jährig, 1964] osef Bertsche. Seine Frau lebte bis 1974. So wechseln die Zeiten: Als die Eltern ge­ storben waren, verließ der noch unmündige Sohn die Hofstelle und verzog zu Veiwandten. Das Haus verfiel langsam, aber sicher, bis es verkauft wurde. Soweit sie nicht anderweitig verkauft wurden, verpachtete Karl Bertsche die ihm noch gehörenden Grundstücke. Das jetzige Haus schmückt sich im neuen Kleide mit dem klangvollen Namen ,J ohan­ niterhoP‘. Es ist hier nicht der Platz ftir wissenschaftliche Erörterungen. Jedermann kann sein Haus benennen, wie er will. Im Hinblick auf geschichtliche Sachlichkeit und die korrekte Weitergabe von Hausbezeich­ nungen an die Nachwelt müssen wir aller­ dings feststellen, daß die Namensgebung ,J ohanniterhoP‘ historisch nicht belegbar ist. Die im Druck vorgelegten Angaben über einen angeblichen „Klosterhof‘ der J ohan­ niter sind entweder falsch, willkürlich oder unbeweisbar. Die Quellen aus dem Stadt­ archiv Villingen und dem Generallandes­ archiv in Karlsruhe vermitteln über die Rechtsverhältnisse in der Grund- und Territo­ rialherrschaft des Villinger Ordenshauses im Dorfe Obereschach ganz andere Nachrichten. Sie dokumentieren ausschließlich Lebens­ verhältnisse. Selbst der Hof, in dem sich zeit­ weilig das Gefängnis befand und wo der regierende Komtur aus Villingen abzusteigen pflegte, ist Lehensgut. Die Rechtsstellung eines Anwesens, wie sie sich mit dem Begriff eines Kein-, Sal-, Fron-, Amts-, Meier- oder analog bezeichneten Hofs verbindet, ist für Obereschach in Verbindung mit den Johan­ nitern nicht nachweisbar und auch unwahr­ scheinlich. (Nähere Untersuchungen finden sich im Jahresheft VUI (1983) des Geschichts­ und Heimatvereins Villingen). Nichtsdestoweniger darf an der Stelle des erneuerten „Bruckburehofs“ ein frühes Haus angenommen werden. Soweit es sich um jenes Haus handelt, dessen Bausubstanz

auf unsere Tage überkommen ist, darf es wohl nicht älter als mit 350 Jahren angesetzt werden. Nach den Tagebuchaufzeichnungen des Benediktinerabts Georg II. Gaisser aus Villingen, wurde nämlich am 24. April 1633 – also während des Dreißigjährigen Krieges – das Dorf Obereschach von den mit den Schweden verbündeten Württembergem vom nahen Rottweil aus eingeäschert. Es war die Rache des Obersten Rau für einen Villin­ ger Überfall. Vierzehn Häuser seien dabei ab­ gebrannt. Diese Zahl scheint repräsentativ und deckt sich zumindest mit dem altge­ schätzten Häuserbestand aus den Gebäude­ versicherungsakten Obereschachs von 1933. Es kann ferner vorausgesetzt werden, daß es in den Etterbezirk des Dorfes mit allen Kon­ sequenzen eines bescheidenen Rechts- und Friedensbereiches gehörte. Wir können behaupten, daß die J ohanniterkommende in Villingen von 1390 bis spätestens 1805, also 555 Jahre, die Dorfherrschaft über Ober­ eschach besaß; jedoch besagt das nichts über die grundherrlichen Verhältnisse im einzelnen und die damit verbundene Rechts­ sphäre einer Hofstatt, ganz abgesehen von sogenanntem Eigengut. Wir erfahren zwar vieles davon aus den alten Urkunden, aber es ist in den allermeisten Fällen unmöglich, die früheren Standortbeschreibungen heute noch nachzuvollziehen. Werner H uger Altes Rathaus wurde Schmuckstück Die Chronik einer Sanierung in der Fischbacher Ortsmitte Ein zweigeschossiger Fachwerkbau aus dem 19. Jahrhundert ist heute Blickfang in der Mitte des Niedereschacher Ortsteils Fischbach. Diese Verwandlung des seit Jah­ ren leerstehenden alten Rathauses, dessen Zustand innen wie außen gleichermaßen in bejammernswerter Weise verkommen war, ist das Resultat einer über zweijährigen Sanierung durch Mijo und Anica Rupcic, die in dieser Form wohl ohne Beispiel ist. In überwiegender Eigenarbeit entstand unter Einsatz jeder freien Minute parallel zu einer schmucken Fassade neben einer großräumi­ gen eigenen Wohnung im oberen Stockwerk ein komplettes Ferienappartement, das sei­ nem Namen alle Ehre macht. Mit bewun­ dernder Anerkennung betrachtet man in Fischbach heute die Leistung des jugoslawi­ schen Ehepaares, das sich seinen Wunsch­ traum vom Wohnen in einem traditionsrei­ chen Altbau mit außergewöhnlicher Konse­ quenz erfüllt und gleichzeitig im Ortsbild einen entscheidenden Akzent gesetzt hat. Als das ehemalige Rathaus Mitte 1979 von der Gemeinde zum Verkauf angeboten wurde, spottete sein Zustand vor allem im Erd- und Kellergeschoß jeder Beschreibung. Der nicht einmal mannshohe Kellerraum war feucht und verdreckt. Über Jahre hatten sich Mäuse und Ratten dort ein Stelldichein gegeben. Das Erdgeschoß war zuletzt einer Kindermalgruppe überlassen worden, die schließlich noch jeden �adratzentimeter Wand-, Decken- und Fensterfläche mit Far­ ben bekleckt hatte. Nur das Obergeschoß wurde von der Feuerwehr in Ordnung gehal­ ten – es diente vorübergehend als Unter­ richtsraum. Die zahlreichen Diskussionen um das Schicksal des alten Rathauses vor dem Ver­ kauf sentschluß waren voller Widerspruch. Eine Zeitlang waren Umbaupläne in ein Feuerwehrhaus akut, eine andere Idee war die Schaffung eines geschützten Unterstands für Busfahrgäste im Erdgeschoß und die Ein­ richtung einer Wohnung im ersten Stock­ werk. Im Ortschaftsrat stand heftigem Enga­ gement für die Erhaltung des Baues konträr das Plädoyer für einen Abbruch gegenüber. Mijo Rupcic suchte keine Billiglösung. Vielmehr träumte er vom Altbau-Eigenheim in ländlicher Umgebung, ähnlich seinem 173

Vorher: Ein tristes Aschenputtel-Dasein fristete das alte Fischbacher Rathaus bis zum Jahr 1979. Nachher: In mehr als zweijähriger harter Arbeit verwandelte ein jugoslawisches Ehepaar das ehemalige Fischbacher Rathaus in ein Schmuckstück der Ortsmitte. Hinter der sanierten Fassade verbergen sich zwei komfortable Wohnungen. 174

Elternhaus in einem Dorf, 60 Kilometer von Zagreb entfernt. In der städtischen Woh­ nung in Villingen fühlte er sich eingeengt – der winzige Keller war schon für den Aufbau einer Werkbank viel zu klein. Der Bau eines neuen Hauses hätte dem gelernten Maurer keine Probleme gemacht – die Arbeit wäre leichter und der Kostenauf­ wand vermutlich geringer gewesen als die Sanierung des ehemaligen Rathauses in Fischbach. Aber: ,,Ein Neubau ist nicht das­ selbe“. Zum Preis von 53000 DM wurden die Rupcics im Herbst 1979 Eigentümer des Anwesens, das der 26jährigen Anica zu­ nächst „ wie eine Bärenhöhle“ erschien. An die Arbeit ging es mit großer Systema­ tik. In Dutzenden von Containern wurde der Schutt tonnenweise abgefahren: Der Putz zunächst innen, unter dem sich an Wänden und Decken eine prächtige Balken­ konstruktion verborgen hatte, die Füllungen der hölzernen Zwischendecken, die aus vie­ len Zentnern Tannennadeln und Steinen bestand. Noch war das ganze Haus, dessen Mauem im Erdgeschoß sechzig Zentimeter stark sind, feuchtkalt. Sämtliche Wände waren schief, allein der Boden im künftigen Wohnzimmer hatte von Wand zu Wand ein Gefälle von zwölf Zentimetern. Mijo Rupcic kamen jetzt seine Geschick­ lichkeit und Neugier zugute. Von jeher hatte den 31jährigen, der nach der Maurerlehre in Jugoslawien 1972 nach Deutschland kam, alles besonders interessiert, was er nicht kannte oder konnte. Ratlos war er während der ganzen Bauzeit nie. Entweder befragte er, wenn er wieder Neuland betrat, einen Fach­ mann oder eines seiner Heimwerkerbücher. Nur die Heizung, die Elektroinstallation und die Belegung der Böden mit Gußasphalt über einem styroporähnlichen Granulat gab er in Auftrag. Wer sich in eine Sanierung dieses Um­ fangs einläßt, darf Staub und Dreck nicht scheuen. Zeitweise war beim Abschlagen der Wände die Sichtweite auf einen halben Meter beschränkt – die Putzteilchen wirbel­ ten wie dichte Mehlwolken durch die Gegend. An Samstagen fanden sich gelegent­ lich Verwandte oder Berufskollegen als will­ kommene Helfer ein. Die eigenen Arbeitsstunden haben Mijo und Anica Rupcic nie notiert. Zweieinhalb Jahre lang gehörte dem Haus jede freie Mi­ nute, jedes Wochenende und jeder Urlaub. Jetzt erst gönnt sich das Ehepaar, das in einem Villinger Industriebetrieb beschäftigt ist und eine siebenjährige Tochter hat, gele­ gentliche Ruhezeiten, ohne dabei die weite­ ren Pläne aus den Augen zu verlieren. Inzwischen sind ergänzend die Anlage von Garten und Vorplatz abgeschlossen, ein benachbarter Schuppen ebenfalls saniert. Nebenher entstanden Möbelstücke aus den restlichen Balken. Zusätzlich zum Kaufpreis investierte das Ehepaar außer der Arbeitskraft rund 150000 DM und verwandelte damit das Gebäude vom tristen Aschenputtel zum vielbestaun­ ten Schmuckstück. Obschon kein Balken­ oder Steinstück auch bei der Behandlung mit dem Sandstrahlgerät ungeprüft blieb, fand Mijo Rupcic nirgendwo einen Hinweis auf das Baujahr, das zwischen 1850 und 1860 lie­ gen dürfte. Gebaut wurde es damals in Gemeinderegie als Schulhaus und Wohn­ haus für den Lehrer, der im Nebenerwerb noch eine Landwirtschaft betrieb. Nachdem der Lehrer Vieh und Feld auf­ gegeben hatte, war im Ökonomieteil ein Raum für den Bürgermeister eingerichtet und zusätzlich der Ortsarrest eingebaut wor­ den. Aus dieser Zeit stammt das Gemeinde­ wappen über der Eingangstüre. Nach dem Bau des neuen Schulhauses im Jahr 1904 wurde der Schulraum Rathaus, im oberen Geschoß richtete man 1912 die Schwestem­ wohn ung und einen Verbandsraum ein, der während beider Weltkriege in eine Gefange­ nenunterkunft und danach in ein Flücht­ lingslager umfunktioniert wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg bezogen die Feuerwehr und später die Milchsammelstelle die Scheuer, die zuletzt noch der Gemeinde als Streusalzlager gedient hatte. Rosemarie v. Stromheck 175

Museen und Musikalien Besuch im Fritz-Behn-Museum Eine Sammlung, um die namhafte Kunstzentren Bad Dürrheim beneiden Über den Sonntagvormittag in Bad Dürr­ heim gebieten die Musen. Mit schöner Regel­ mäßigkeit lädt die Kurverwaltung sonntags die Kurgäste zu einem Besuch des Fritz­ Behn-Museums im Haus des Gastes ein, unter sachkundiger Führung, versteht sich. Es findet sich immer ein ansehnliches Trüpp­ chen zusammen. Schon sehr bald stellt sich zwischen den kunstinteressierten Gästen so etwas wie Einvernehmen und Bewunderung ein. Denn da sieht man den großen Teil eines Lebenswerkes eines Bildhauers, Malers und Zeichners ausgebreitet, der die Kunst mehr als eines halben Jahrhunderts bereichert und durch sein Werk mitgeprägt hat. Wie konnte es dazu kommen, daß dieses nicht in München gezeigt wird, wo der Künstler viele Jahrzehnte seines Lebens und Schaffens verbracht hat, wo er frühen Ruhm für seine Arbeiten erntete und in Franz von Lenbach und dem Prinzregenten große Freunde und Förderer seines Werkes besaß? In München wie in vielen anderen großen Städten, so in Köln, Bremen, Lübeck, Nürn­ berg, Braunschweig, Berlin, aber auch in Übersee, in Afrika und Amerika, sind Werke Fritz Behns aufgestellt, aber was an Arbeiten dieses Künstlers in Bad Dürrheim versam­ melt ist, legt Zeugnis ab von seinem Gesamt­ werk in der Bildhauerei und der Malerei. Das große Pfard von Fritz Behn, eine A uraktion im Kurpark 176

Darum ist die Sammlung so bedeutungsvoll. Fritz Behn wurde am 16. 6. 1878 als Sproß einer alten Lübecker Patrizierfamilie in Klein-Grabow in Mecklenburg geboren. Seine künstlerischen Talente erhielten an der Münchener Akademie die angemessene Schulung und Prägung durch W. von Rue­ mann und A. von Hildebrandt, ganz im klas­ sischen Sinne. Auf Reisen zu den damaligen europäischen Kunstzentren wurden sie wei­ ter entwickelt, und auch Besuche und Ge­ spräche mit dem großen Rodin in Meudon bei Paris hinterließen in dem jungen Bild­ hauer und seinem Werke deutliche Spuren. Er unternahm schon früh Reisen nach Afrika, später nach Südamerika, die auch schriftstellerisch ihren Niederschlag fanden. In Wien erhielt Fritz Behn 1938 schließlich eine Professur, die allerdings nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einer für ihn ent­ würdigenden Form durch Kräfte, die ande­ ren Formvorstellungen huldigten, ein Ende fand. Jahrzehnte neuen reichen Schaffens waren ihm dann noch in seiner alten Wir­ kungsstätte München beschieden, ehe er am 26. Januar 1970 – er starb in Ehrwald/Tirol – für immer sein Werkzeug aus der Hand legen mußte. In einer Zeit, in der andere künstle­ rische Tendenzen und Gesetze das Feld beherrschten als die, denen sich Fritz Behn ein Leben lang verpflichtet gefühlt hatte. „In der Kunst gibt es keinen Fortschritt, sondern nur Qialität“. Das war seine Maxime, ihr blieb er treu. Sie wird denn auch in Bad Dürrheim über­ zeugend dokumentiert: mit der Sammlung in den schönen lichten Räumen rings um den Weinbrenner-Saal im klassizistisch anmutenden ehemaligen Salinengebäude und mit den Großplastiken, die im Stadtbild Bad Dürrheims und vor allem in dem weit­ läufigen Kurpark anzutreffen sind. Mit der Beheimatung von Behns Werk in Bad Dürr­ heim sind drei Namen verbunden: die von Senator Fritz Kiehn und seiner Frau Berta Kiehn sowie des langjährigen Bürgermeisters und Kurdirektors Otto W eissenberger. Sie verband eine langjährige Freundschaft. Fritz Kiehn und seine Frau sind 1980 und 1979 ver­ storben. Fritz Kiehn hat einmal geschildert, wie er den Künstler Fritz Behn persönlich kennen­ lernte und wie aus dieser Bekanntschaft schließlich Freundschaft entstand. „In sei­ nem Wohnzimmer, auf seinem Bette lie­ gend, matt, müde, verbittert, vom Schicksal geschlagen“, so berichtete Fritz Kiehn über seine erste persönliche Begegnung mit Fritz Behn in München, traf er ihn an. Der ersten Begegnung folgten weitere, und daraus er­ wuchs eine Ermutigung und Förderung, die Behn neue Schaffenskraft gab. „So entschlos­ sen wir uns, ihm Aufträge zu erteilen, zunächst Büsten von Familienangehörigen, anschließend Bronzeplastiken von berühm­ ten Pferden … durch seine Arbeit lebte Pro­ fessor Behn wieder sichtlich auf, er gewann seine alte Schaffenskraft zurück und kam wieder zu selbstverdientem Geld. Die einzige Sorge blieb schließlich, die über den Verbleib seines Nachlasses. Von dieser Sorge, so Fritz Kiehn, „habe ich ihn befreit.“ Nach Beratun­ gen in der Familie wurde der Entschluß gefaßt, ein Fritz-Behn-Museum zu gründen, als Gegenleistung wurde dem Künstler ein ansehnliches Legat ausgesetzt. Als Standort für das Museum wurden Großstädte außer Betracht gelassen. Frau Berta Kiehn war es, die aus persönlicher Anhänglichkeit Bad Dürrheim vorschlug. Nun erwies es sich als einen weiteren Glücks­ fall, daß der damalige Bürgermeister und Kurdirektor Bad Dürrheims, Otto W eissen­ berger, der Familie Kiehn freundschaftlich verbunden, schon seit langem den Wunsch hegte, in seiner Kurstadt auch die Musen hei­ misch zu machen. Otto Weissenberger in einer Rückschau: »kh erinnere mich noch gut, als eines Tages Fritz Kiehn zu mir kam und sagte: Seit Jahren bin ich im Besitz gro­ ßer Kunstgegenstände von Professor Fritz Behn, Plastiken, in der Hauptsache Tiere aus Afrika, aber auch Ölgemälde. Behn, der nie­ mals Mitglied der NSDAP war und für das Dritte Reich keinerlei Werke schuf, kam in große wirtschaftliche Notlage, und ich 177

konnte helfen, daß er seinen Lebensunter­ halt fand und auch sein Sohn sein Studium der Architektur durchführen konnte. Der Bildhauer und Maler übergab mir nach und nach Stück für Stück seiner Kunstwerke … “ Otto Weissenberger, überrascht von der Vielfalt des künstlerischen Werkes Professor Behns, trug sich sofort mit dem Plan, die Sammlung in die Obhut der Stadt zu über­ nehmen. Er schlug dies dem Gemeinderat vor, der das Material besichtigte und in der Mehrzahl auch von dem Reichtum dieses Werkes stark beeindruckt war. Zu einer Beschlußfassung kam es aber, so Otto Weis­ senberger, im weiteren Verlauf der Dinge nicht. Mit dem damaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Kur- und Bäder GmbH, Staatsrat Paul Vowinkel, wurde schließlich eine Entscheidung herbeigeführt, daß anstelle der Stadt die Kur- und Bäder GmbH die Kunstwerke in einem langfristigen Ver­ trag übernahm: die Großplastiken sollten im Kurpark Aufstellung finden, Kleinplastiken, Gemälde und Zeichnungen in noch zu schaf­ fenden Räumen der Kur- und Bäder GmbH. Dies war, nach Übernahme der Kunstwerke 1973, zuerst in einem alten Salinenraum in der Siedepfanne, danach in Räumlichkeiten der ehemaligen Salinenangestellten, 1977 schließlich in den Räumen, die um den Weinbrenner-Saal liegen und als dauerhafte Herberge angesehen werden dürfen. Da herrscht keine sterile Museumsatmo­ sphäre. Die Räume sind anmutig vom Licht durchflutet, das die gezeigten Werke um­ spielt und verlebendigt. Die Plastiken, Ölge­ mälde und Zeichnungen von der Hand des Meisters, sind in einer äußerst sinnvollen und lebendigen Beziehung einander zu­ geordnet. Die gezeigten Werke spiegeln ver­ schiedene Phasen im Schaffen Fritz Behns bis zu seinem reifen Spätwerk, mit allen Ent­ wicklungen und Bestrebungen, die stets gül­ tige Form zu realisieren, sei es in klassischer Strenge, in impressionistisch anmutender Lebendigkeit, in realistischer oder auch in abstrahierend zeichenhafter Form. Fritz Behn ist auch im Wandel der Kunstströmun- 178 gen innerhalb der sieben Jahrzehnte deut­ scher Kunst und neuen künstlerischen Ten­ denzen, die sein Schaffen begleitet und viel­ leicht auch gelegentlich beeinflußt haben mögen, seinem eigenem Wesen und künstle­ rischen Weg treu geblieben. Sein Zeitge­ nosse, der Bildhauer Gerhard Marcks, hat einmal formuliert: ,,Plastik ist eine Sache der Maße und Proportionen, dem Chaos des Lebens abgerungene Form, da gibt’s nichts Neues.“ Ähnlich hätte sich auch Fritz Behn ausdrücken können. In Gesprächen mit dem Franzosen Rodin hatte er sich einst bemüht, dem Wesen von Plastik auf die Spur zu kom­ men. Der Bildhauer (und Maler) widmete sich zeitlebens, wie die Sammlung in Dürrheim ausweist, vorwiegend auch der Darstellung des Menschenbildes, des menschlichen Gesichts, der menschlichen Figur und, in einer ganz ausgeprägten, für die Tierplastik des 20. Jahrhunderts beispielhaften Weise, der Tiergestalt. In der Nachfolge Hilde­ brandts und August Gauls gehört er in der zweiten Generation unstreitig zu den füh­ renden deutschen Tierplastikern neben Ger­ hard Marcks, Philipp Harth, Rene Sintenis und anderen. Er studierte die Tiere und ihr Wesen in der freien Wildbahn. Schon 1907 unternahm er seine erste Reise nach Ostafrika, der später weitere folgten, auch nach Südamerika, zunächst als Forscher und Jäger. Die freile­ benden afrikanischen Tiere wurden ihm als Bildhauer seine liebsten Objekte. In seinem Buch „Kwai Heri“ schreibt er: ,, Wer Tiere darstellen will, muß Instinkte oder doch Reste haben, die ungebrochen im Tier leben.“ In unzähligen Zeichnungen, Augen­ blickseindrücken, spontanen Studien, aber auch in Naturabgüssen, schuf er sich ein zuverlässiges Bild von Tieren. Seine Gazel­ len, Antilopen, seine Löwen, Panther, Ele­ fanten, Büffel, Orang Utans und Giraffen in Bronze oder anderen Materialien wie Stein Promenade zwischen grazilen und skurrilen Tier­ plastiken von Fritz Behn

oder Majolika sind zumeist dargestellt in der spontanen Gebärde und in der Erfassung eines dramatischen Höhepunktes einer Aktion. Plastiken einer neuen expressiven Naturnähe, befreit von der Hildebrand­ Schule und Gaul-Einfluß. Auch seine Plasti­ ken von den Eingeborenen, schöne, stolze, feingliedrige Gestalten, verraten eine innere Spannung selbst in ihrer statuarischen Hal­ tung. Einen breiten Raum seines bildhaueri­ schen Schaffens nehmen Porträtplastiken ein, die zu den bleibenden Zeugnissen bedeutsamer Persönlichkeiten des Jahrhun­ derts gehören. Bis auf wenige Ausnahmen, wie die impressionistisch empfundenen Por­ träts von Balzac und Beethoven, sind sie ent­ standen aus der persönlichen Begegnung und zeitweiligem Umgang mit den Darge­ stellten. Da sind als Zeitgenossen Richard Strauss, Enrico Caruso, Olav Gulbransson zu nennen, Oswald Spengler, Ludwig Klages und vor allem Albert Schweitzer. Mit ihm war der Bildhauer in tiefer Freundschaft ver­ bunden, ihr hat er denn auch in den Schweit­ zer-Porträts ein bleibendes Denkmal gesetzt. Eines der eindringlichsten Bildwerke Behns in Bad Dürrheim ist fraglos auch das des Papstes Pius XII. in seiner geistigen Durchdringung. Ein Bildnis dieses vom Geist geprägten Papstes, der in Zeiten großer Bedrängnisse und Krisen die Kirche durch die Zeiten zu führen hatte, das auch in seiner modernen Formensprache ganz in der Tradi­ tion großer Papstbildnisse steht. Kardinal Faulhaber war es, durch dessen Vermittlung dieser Bildnisauftrag an den Protestanten Fritz Behn zustande kam. In der langen Reihe der in Bronze oder Marmor geschaffenen Porträts, zu den ein­ drucksvollsten auch die der Stifter Fritz und Berta Kiehn zu zählen sind, fäJlt am Ende das der Maria Callas als außergewöhnlich auf: ein Bildwerk an der Schwelle der Gegen­ wartskunst. Bad Dürrheim beherbergt das farbig behandelte Tonmodell, ein Unikat ersten Ranges. Neben dem Bildhauer ist der Maler Fritz 180 Behn in der Ausstellung präsent: eine Reihe der Porträtplastiken wird ergänzt durch die gemalten Porträts von Rodin, Albert Schweitzer, Pius XII., Gulbransson, Richard Strauss, Gerhard Hauptmann, Enrico Mai­ nardi (bildgewordene Musik), des Maler­ freunds Jürgen Kallmann. In der großen Mal­ weise impressionistischer Schule geben sie nicht nur Ähnlichkeit des Dargestellten und inneres Wesen wieder. Es sind lebenswahre Bildnisse von Persönlichkeiten, die unser Jahrhundert wesentlich mitgestaltet und beeinflußt haben durch menschliche und geistige Kräfte oder künstlerische Impulse, die von ihnen ausgingen. Am Ende eines Rundgangs durch die Sammlung steht man in einem kleinen, Ruhe atmenden Raum schließlich vor den sensiblen und begnadeten, in Ton abgeform­ ten Künstlerhänden, die dieses alles geschaf­ fen haben. Behns fast antikische Totenmaske ist Ausdruck eines Künstlers, der nach einem rastlosen Schaffen und Kämpfen zur Ruhe der Ewigkeit gefunden hat. In einem Kruzi­ fix, eines der wenigen Beispiele religiöser Kunst im Schaffen Fritz Behns, sind Leid und Schmerz über diese Welt in einer unge­ mein expressiven Geste zur Darstellung gelangt. Nicht alles, was das Professor-Fritz­ Behn-Museum an Werken besitzt, kann zur Ausstellung gebracht werden. Im Magazin werden noch 400 Bilder, 300 Plastiken und hunderte von Zeichnungen für wechselnde Ausstellungen bereitgehalten. Ein Reich­ tum, der noch kaum überschaubar scheint. Ihn im Laufe der Jahre der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bleibt das Anliegen der Hüter und Wahrer dieses großen Erbes. Auf Plätzen, Straßen und im weitläufigen Kurpark, der unmerklich in die freie Land­ schaft der Baar übergeht, sind an die 30 Großplastiken des Meisters aufgestellt und führen, umspielt vom Licht und der Luft, im Wechsel der Tages- und farbigen Jahreszeiten ihr stilles Dasein. Da steht mit ruhiger Gebärde der Sämann an den Pforten des Sta­ dions, es könnte auch die athletische Gestalt eines Sportlers sein. Unter den alten Bäumen

im Museum). Am Rande des Parks sind es einige antikisch anmutende Frauengestalten, die in ihrer Haltung und Gestik die zeitlose Schönheit der menschlichen Figur und ihre Beseelung versinnbildlichen. In einer Zeit wie der unseren, da das Leben der Menschen und der Natur durch gewal­ tige Kräfte unendlichen Gefahren und Be­ drohungen ausgesetzt scheinen, muß ein Werk wie das des Bildhauers Fritz Behn wie ein Loblied auf die Schöpfung, aber auch wie eine Mahnung und Warnung gelten. Es kann dazu beitragen, ganz im Sinne auch des Freundes Albert Schweitzer, Ehrfurcht vor dem Leben zu bewahren, die humanitären Kräfte zu entwickeln und stets auch der Ver­ antwortung für die Mitgeschöpfe, die Tiere, bewußt zu bleiben. Wenn aus der Begegnung mit dem bildhauerischen Werk Professor Behns Kurgästen und Besuchern Bad Dürr­ heims auch neue seelische Kräfte zufließen, dann hat sich aufs Schönste erfüllt, was sich die Stifter und die Hüter des Erbes von Pro­ fessor Behn erhofft haben: daß die heilenden Kräfte des Kurbades und das Erlebnis, das große Kunst vermittelt, zum Wohl der Men­ schen und im Dienst an seiner Gesundung zusammenwirken. Arthur Lamka Schreit‘ ich durch die bunten Wälder, Geh‘ ich über Stoppelfelder, Streicht mir der Herbstwind in’s Gesicht, Doch Gottes Sonne seh‘ ich nicht. Deine Wärme fehlt uns allen, Schon die ersten Blätter fallen, Kinder lassen Drachen steigen, Schön sind Erntetanz und Reigen. Und die Tage kürzer werden, Nur noch Schäfer mit den Herden, Wie wird doch alles öd und leer Und Dir und mir das Herz so schwer. Johannes Hawner Im Herbst .J� , .. 181 Ein Akt von Fritz Behn gegenüber der katholischen Pfarrkirche ist es die Figur des gefesselten Prometheus, die die Blicke der Vorübergehenden auf sich zieht, und weiter in Richtung Villingen, auf dem Lärmschutzwall, blickt majestätisch „der Löwe der Baar“ zur Kreisstadt hinüber: Sym­ bol der Kraft und Stärke. Tiergestalten bevöl­ kern den gepflegten Kurpark zur Freude von jung und alt: ein Keiler, ein springender Pan­ ther, ein schreitender Löwe, spielende Gazel­ len. Behäbig ruhen da ein Orang-Utan, des­ sen Vorbild im Berliner Zoo zu finden ist, ein zwanzig Tonnen schwerer Büffel aus Sand­ stein. Zu den beliebtesten Tierplastiken gehört der königliche Lipizzanerhengst im Umkreis des großen Springbrunnens: Für Pferde hatte der Künstler von jeher eine große Vorliebe gehegt. Auch das Thema der Gruppenplastik klingt unter dem weiten freien Himmel auf: etwa in der Darstellung des afrikanischen Jägers und des Gorilla oder in der ungemein grazilen Verbindung der Diana mit der springenden Gazelle (Modell

Das Heimatmuseum in Brigachtal-Überauchen Am 25. 9.1982 wurde das von der Gesell­ schaft für Altertums- und Brauchtumspflege in Brigachtal eingerichtete und betriebene Heimatmuseum in den Räumen der alten Schule der früheren Gemeinde Überauchen eröffnet. Wie kam es zu dieser doch etwas ungewöhnlichen Tatsache, daß ein Verein ein Heimatmuseum einrichtet und betreibt? Die im Jahre 1976 gegründete Gesellschaft für Altertums- und Brauchtumspflege Brig­ achtal e. V. unter ihrem rührigen ersten Vor­ sitzenden Klaus Barczaitis stellte sehr bald fest, daß nur dann Bürger – Einheimische und Neubürger – für die Belange der Alter­ tums-, Heimat- und Brauchtumspflege gewonnen werden können, wenn in der Gemeinde auch etwas zum Vorzeigen vor­ handen ist. Neben den damals laufenden Ausgrabungen des römischen Gutshofs in Überauchen, die von Mitgliedern des Ver­ eins mitbetrieben wurden, machte man sich daher sehr bald auf die Suche nach geeigne­ ten Räumen. Mit der Fertigstellung des Schulhauserweiterungsbaues der Grund- und Hauptschule in Klengen und der damit ver­ bundenen endgültigen Schließung der Schule Überauchen im Jahre 1978 waren geeignete Räumlichkeiten für ein Heimat­ museum vorhanden. Andererseits war die Gemeinde seinerzeit- wie auch heute noch­ nicht in der Lage, ein Heimatmuseum auf­ zubauen und zu unterhalten. Auf Betreiben der Gesellschaft für Altertums- und Brauch­ tumspflege beschloß deshalb der Gemeinde­ rat im August 1978, diesem Verein die Räum­ lichkeiten im alten Schulgebäude für Zwecke Alte landwirtschaftliche Werkzeuge im Heimatmuseum Brigachtal-Überauchen 182

des Heimatmuseums zu überlassen. Gleich­ zeitig wurde festgelegt, daß auch weiterhin die Bewirtschaftungs- und Unterhaltungsko­ sten für das Gebäude von der Gemeinde getragen werden sollen. Damit war der Startschuß für das Groß­ projekt „Heimatmuseum“ gegeben. Mit einem finanziellen Aufwand des Vereins von über 100.000 DM – ohne weitere Förderung oder Zuschüsse durch die Gemeinde – und einem Zuschuß der Landesstelle für Mu­ seumsbetreuung in Höhe von 16.250 DM – wurde in ungezählten freiwilligen Arbeits­ stunden das alte Schulhaus zu einem Hei­ matmuseum ausgebaut. Die ehemalige Pau­ senhalle wurde fast unverändert belassen, sie soll insbesondere Sonderausstellungen Platz bieten. Die beiden großen Schulsäle wurden grundlegend umgebaut, Decken wurden ab­ gehängt, mit indirekter Beleuchtung und Energieschienen für Punktstrahler versehen und zur Dämpfung des Trittschalls ein Tep­ pichbelag neu verlegt; kurzum die beiden Schulsäle wurden zu echten Museumsräu­ men umgestaltet. Bei der Eröffnung im Herbst 1982 konnte nicht nur ein hervorragendes Beispiel einer besonderen Eigeninitiative eines Vereins festgestellt, sondern auch ein nach Experten­ aussage rundum gelungenes Heimatmu­ seum der Öffentlichkeit übergeben werden. Es ist klar, daß sich dieses Heimatmuseum nach Größe, Zahl, Art und Bedeutung der Ausstellungsstücke nicht mit einem städti­ schen Museum messen kann. Dies war auch gar nicht beabsichtigt. Die Geschichte, das Handwerk und das Brauchtum einer kleine­ ren Gemeinde im ländlichen Raum sollte dargestellt werden. Bauernschrank mit Trachten aus dem Brigachtal auch Ausstellungen aus anderen Bereichen stattfinden. So wurden bisher bereits Aus­ stellungen von Werken des einheimischen Malers Richard Haas sowie von Hobby­ schnitzern aus der Gemeinde Brigachtal ver­ anstaltet. Einer der beiden ehemaligen Schulsäle ist dem Bereich „Geschichte der Gemeinde“ vorbehalten. In den von dem Verein selbst entworfenen Glasvitrinen sind Original­ fundstücke aus dem Gemeindegebiet, z.B. ein Steinbeil aus der Jungsteinzeit etwa 3000 v. Chr., Dolch, Beil, Pfeilspitzen und Nadeln aus der mittleren Bronzezeit dargestellt. Aus der Hallstattzeit, etwa 700-400 v. Chr. ( eine Begräbnisstätte befindet sich im Eggwald in Überauchen), sind in einer weiteren Vitrine Grabfunde wie Halsring, Haarnadel, Ohr­ ring usw. zu sehen. Auch Grabbeigaben aus keltischen Gräbern im Eggwald sind zu besichtigen. Aus der Zeit der römischen Besetzung unserer Gegend stammen Scher­ benfunde, Nägel, Signalpfeifen, Dachziegel 183 In der Vorhalle – der ehemaligen Pausen­ halle – sind als ständige Ausstellungsstücke zu sehen Teile des Badehauses sowie Teile der Heizungsanlage (Hypocausten) aus dem in Überauchen festgestellten und ausgegrabe­ nen römischen Gutshof. In einer Vitrine sind ferner Nachbildungen römischer Gläser aus­ gestellt. Außerdem sollen in der Vorhalle immer wieder Wanderausstellungen oder

Plattenmoos wird mit Originalwerkzeugen und einem in natura aufgebauten Torfstich dem interessierten Zuschauer nahegebracht. In einem dritten, etwas kleineren Raum sind Gegenstände aus dem Bereich „bäuerli­ ches Wohnen“ ausgestellt. Es sollte keine Original-Bauernstube gezeigt werden, son­ dern schöne Stücke aus verschiedenen Epo­ chen. Ein Bauernschrank mit Trachten aus dem Brigachtal, zwei Schränke aus der Grün­ derzeit und Kücheneinrichtungsgegen­ stände aus den vergangenen Jahrhunderten erwecken immer wieder große Neugierde bei jung und alt. Das rege Interesse der Besucher aus nah und fern, die sich über die kostenlose Besich­ tigung und Führung durch das Heimatmu­ seum an jedem Sonntag freuen, aber auch die laufenden Besuche von Schulklassen aus unserer Gemeinde zeigen, daß dieses Museum ein fester Bestandteil des kulturel­ len Lebens in unserer Gemeinde geworden Meinrad Belle ISt. usw., und aus der Alemannenzeit können Lanzenspitzen, Messer, Langschwert usw. in Augenschein genommen werden. Ein beson­ derer Schwerpunkt in diesem Ausstellungs­ raum beschäftigt sich mit der Geschichte der St. Martinskirche in Kirchdorf. Die Bauge­ schichte der jetzigen Kirche und der insge­ samt drei Vorgängerkirchen ist übersichtlich und einprägsam aufgezeichnet. Die erste Vorgängerkirche stammt aus dem 7. Jahr­ hundert und dürfte die älteste christliche Kirche im Bereich zwischen Schwarzwald und Bodensee sein. Die verschiedensten Funde aus Gräbern in der und um die Kirche, die bei den Ausgrabungen der letzten Jahre gemacht wurden, sind in der Vitrine zugäng­ lich. Der zweite große Ausstellungsbereich beschäftigt sich mit der Geschichte des Handwerks und der Landwirtschaft in der Gemeinde. Dargestellt wird die Flachs- und Hanfgewinnung und Verarbeitung, die Schindelherstellung; zu sehen sind ferner Werkzeuge und eine alte Schreinerwerkstatt. Auch die Torfgewinnung im Überauchener l–�-::-:-1=;;�. Straßenmotiv in Tuningen . __ ;:}J;}f :r -///. ./. .· · Lf:‘ ,…/-, “.‘ 7!:. /� :.W‘-‚ , – . – T T.:“‚.I. -···· :.::: — 1 184 Im Sieble

Ein Liszt-Autograph in Donaueschingen Inhalt nachfolgend als Auszug wiederge­ geben wird: ,,Donaueschingen, Samstag den 26. No­ vember 1843 Hier weile ich nun, an der Quelle meines heimatlichen Stromes, der Donau. Zwei Schritte vom Schloß entfernt, am Eingang zum Palais des Fürsten zu Fürstenberg, bei welchem ich mich gerade aufhalte, befindet sich eine kleine Qyelle, die wie die Qyellen mit schwefelhaltigem Wasser angelegt ist­ mit einer steinernen Einfassung und einer kleinen Treppe am Ablauf. Sie enthält vermutlich irgendwelche seltenen, kleinen Fische, die darin schwimmen mögen. Dies ist die Donau-Q__uelle. Wenige Schritte davon entfernt, fließen zwei kleine Flüsse, die Brigach und die Breg, mit diesem außerordentlichen Fluß an unbekannter Stelle zusammen … “ Das Jahr 1843 war, wie auch die Jahre zuvor, mit Virtuosenreisen des Klaviervir­ tuosen Liszt angefüllt. Im Herbst dieses Jahres gab der Meister in Süddeutschland Konzerte, so z.B. in München, Augsburg, Nürnberg, Stuttgart, dann in Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, und schließlich hielt sich der Meister gegen Jahresende 1843 im württem­ bergischen Hechingen auf, wo er stets gerne gesehen war. Franz Liszt war hier Gast des Hohenzollernfürsten Konstantin, der nicht nur sehr musikliebend, sondern auch musik­ verständig war. Schon früh hatte er wohl die große Bedeutung der bahnbrechenden Instrumentalschöpfungen von Franz Liszt erkannt. Die Sympathie und Verehrung des Hohenzollernfürsten gegenüber unserem Meister drückte sich in der Verleihung des Titels „Hofrat“ aus, was Liszt auch stolz in seinem Brief an die Gräfin erwähnte: ,,S.M. der Prinz von Hohenzollem­ Hechingen, direkt mit dem preußischen Herrscherhaus verwandt, geruhte mir den Titel eines Hofrat und das Kreuz des Hauses Hohenzollern zu verleihen, das 185 Donaueschingen, die kleine Stadt auf der Baar, am Rande des Schwarzwaldes gelegen, ist in mancher Hinsicht liebenswert. Sie ist nicht nur durch das Fürstengeschlecht derer zu Fürstenberg ein Begriff, auch durch inter­ essante Bauten, und als Musikstadt genießt Donaueschingen Ansehen. Während im letzten Jahrhundert bekannte Musiker wie Johann Wenzel Kalliwoda (1801-1866) und Conradin Kreutzer(1780-1849)amHofe wirkten, sofinden jährlich seit etwa sechzig) ahren internationale Musiktage für zeitgenössische Tonkunst statt, welche den Werken der modernen Musik­ literatur gewidmet sind. Wer sich mit Donau­ eschingen als Musikstadt beschäftigt, sollte allerdings auch wissen, daß sich in der Baar­ metropole ehemals eine der größten und bedeutendsten Musikerpersönlichkeiten – wenn auch nur kurz – aufgehalten hatte. An den Besuch von F r a n z L i s z t (1811-1886) im Jahre 1843 in Donaueschingen erinnert ein Autograph einer unbekannten Komposition des Meisters, das in der Fürst­ lich Fürstenbergischen Hofbibliothek auf­ bewahrt wird. Liszt hatte hier auch einen Brief an seine damalige Lebensgefährtin, Gräfin Marie d‘ Agoult, geschrieben, dessen

Kreuz, welches vom König von Preußen gestiftet wurde und für dessen Wahlspruch ,Für Treue und Verdienst‘ steht . . . Ich habe die Ehre gehabt, den Prinzen auf seiner Reise von Hechingen nach Donaueschingen zu begleiten (Fürsten­ tum derer zu Fürstenberg), von wo ich Ihnen schreibe.“ Liszts Konzertreise durch den Süden Deutschlands und sein Aufenthalt auf der Hohenzollernburg bei Hechingen werden auch von namhaften Liszt-Biographen er­ wähnt, so z.B. von P. Raabe und P. Rehberg. Sein Verweilen in Donaueschingen ist dage­ gen kaum bekannt. Franz Liszt muß sich auf jeden Fall an zwei aufeinanderfolgenden Tagen hier aufgehalten haben, da das Auto­ graph der Komposition das Datum ,,25. 11. 1843″, der in Donaueschingen abge­ faßte Brief an die Gräfin d‘ Agoult als Angabe den „26. 11. 1843″ trägt. Auch hatte der Meister hier vor der Fürstenfamilie ein Kon­ zert gegeben. Doch nun zum unbekannten Autograph: das Werk ist mit schwarzer Tinte auf weißem, leicht angerauhten Papier niedergeschrieben worden. Wie unschwer erkennbar, ist das Notenblatt auf beiden Seiten von einer blumenartigen Verzierung eingefaßt. Die Komposition trägt den Titel „Ländler“ und steht demgemäß im 3/4-Takt. Sie ist, pia­ nistisch gesehen, nicht gerade sehr ergiebig: das Stück umfaßt nur fünf Notenzeilen. Es dürfte wohl aus der Laune des Augen- blickes heraus entstanden sein. Obwohl kein Widmungsvermerk existiert, darf angenom­ men werden, daß diese Miniatur der fürst­ lichen Familie in Donaueschingen als musi­ kalisches Souvenir hinterlassen wurde. Das Stück trägt auf der Rückseite des Notenblattes neben Ortsangabe und Datum auch Liszts charakteristische Unterschrift. Das Werk ist meines Erachtens schon deshalb interessant, da bekanntlich der Ländler als Instrumentalkomposition vor allem für Franz Schubert, dagegen gar nicht für Franz Liszt signifikant ist. Dieses Einzelwerk ist in den W erkver­ zeichnissen von Raabe (Nr. 34) und Searle (Nr. 211) enthalten, wird aber von anderen namhaften Liszt-Biographen nicht erwähnt. Trotz genauer Nachforschungen in der F. F. Hofbibliothek wie auch im F. F. Archiv in Donaueschingen, konnte über das Werk und Liszts Aufenthalt nichts Weiteres in Erfahrung gebracht werden. Dieser Ländler bildet mit Liszts kurzem Aufenthalt in Donaueschingen einen Stein im großen Mosaik seiner glanzvollen Virtuo­ senjahre – das Werk wird in der F. F. Hofbibliothek als Splitter einer großen und verehrungswürdigen Künstlerpersönlichkeit aufbewahrt. Michael Kienzle Veröffentl. im franz. Original in „Corres­ pondence Liszt – Marie d‘ Agoult“, Hg. von D. Ollivier, Paris 1933 (Bd. 11-S. 303). Uhr mit Glockenspiel Der Mensch verfügt über die Zeit, er lebt mit und in ihr. Seinem Erfindungsgeist ist es zu verdanken, daß die Zeit sich messen läßt, in früheren Jahrhunderten durch die Sonnenuhren, wie man sie noch an manch alten Gemäuern antrifft, später durch von Gewichten angetriebene Uhrwerke und in jüngster Zeit durch die Elektronik. Dem von Menschenhand errechneten Zeitrhyth- mus fugen sich die Uhren je nach ihrem Temperament. Vor allem Uhren älterer Jahr­ gänge strahlen bei der Arbeit, die Zeit zu messen, noch Ruhe und Gelassenheit aus. Gemächlich bewegen sich ihre Pendel hin und her im Kirchturm, im Stadttor oder in der guten alten Stube eines Bauernhauses im Schwarzwald. Gemütlich drehen die großen und kleinen Zeiger ihre Runden, und 187

schaffen, das den Einwohnern und Besu­ chern von Donaueschingen Freude bereitet. Man wollte auch einen Beitrag zur Neuge­ staltung der Herdstraße im Stadtkern von Donaueschingen leisten. 3 Jahre nach Fertig­ stellung des Gebäudes, quasi zum Einläuten des Advents 1980, schlug die Stunde der In­ betriebnahme dieser im Schwarzwald hergestellten Uhr und des aus Holland stammenden Glockenspieles. Zahl­ reiche Schaulustige waren Zeugen dieses be­ sonderen Ereignisses. in Schonach Harmonisch fügen sich Uhr und Glocken­ spiel in das Gebälk unter einem schützenden Dach ein. Hier begegnen sich Nostalgie und Modernität, die dem Charakter des Hauses entsprechen und in das zum großen Teil modernisierte Straßenbild passen. Über den eingebranntlackierten Feldern in blau und weiß ziehen die vergoldeten Zeiger leise ihre Kreise vorbei an den schwarzen römischen Zahlen. In der Zeit von 9 .00 Uhr bis 20.00 Uhr schlägt die Uhr im Westminster-Stil jede Viertelstunde an. Zwölf Glocken aus Bronze in der Tonfolge „g-a-h-c-d-e-f-fis-g-a-h-c“ mit einem Gesamtgewicht von 200 kg, von denen die größte Glocke 28 und die kleinste Glocke 11 übernehmen, zieren das Gebäude und erklingen täglich um 11.00 Uhr, 15 .00 Uhr und 17 .00 Uhr. Jeweils ein Lied ist zu hören aus einem zur Zeit auf 12 Melodien vorprogrammierten Repertoire, das über Band auf andere Melo­ dien, so auch auf Advents- und Weihnachts­ lieder umgestellt werden kann, wenn es die Tonfolge zuläßt. Täglich lauschen Passanten diesem Glockenspiel, einmal dem ,,Ännchen von Tharau“, ein anderes Mal dem „Gaude­ amus igitur“, dann wieder den Liedern „Kein schöner Land in dieser Zeit“, ,,Am Brunnen vor dem Tore“ oder „Guten Abend, Gute Nacht“. Tag für Tag vollzieht sich ein stän­ diger Zeitwechsel von der Zukunft über die Gegenwart in die Vergangenheit. Und wer Zeit aufbringen kann, betrachte einmal die Uhr und höre dem Glockenspiel in der Herd­ straße in Donaueschingen zu. Werner Heidinger in regelmäßigen Zeitabständen geben die Uhrwerke unaufdringlich kund, welche Stunde geschlagen hat. Von hier geht eine ganz andere Atmosphäre aus als von ,,Weckern“ oder den modernen ,,Zeittickern“, die nervös aufblinken oder ihren roten Stift im Ziffernoval jagen und dennoch nichts daran ändern können, daß eine Sekunde eine Sekunde bleibt und 60 Minuten eine Stunde ausfüllen. Daß Sekunden, Minuten und Stunden vergehen, zeigt seit dem 29. November 1980 an einem Uhrengeschäftshaus in der Herd­ straße in Donaueschingen ein außergewöhn­ liches Exemplar einer Uhr an, die sich in ihrer Art, kombiniert mit einem Glocken­ spiel, im gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis bisher als eine einmalige attraktive Sehens­ würdigkeit darstellt. Schon bei der Planung des stattlichen mit einer Holzkonstruktion durchsetzten Betongebäudes war ein mar­ kanter Platz ftir die Turmuhr mit Glocken­ spiel vorgesehen. Man wollte auf die sonst übliche Reklame verzichten und anstelle einer den alten Teil von Donaueschingen etwa störenden Leucht­ schrift etwas Schönes und Nichtalltägliches 188

Volkstum, Volkskunst, Brauchtum Baaremer Heimat – Baaremer Tracht Mittelpunkt der Baar, nicht nur geogra­ phisch, sondern auch kulturell und verkehrs­ mäßig, ist Donaueschingen, der frühere „Marktflecken“, Stadt seit 1810, in den die Landbevölkerung ihre Erzeugnisse zum Tausch und Verkauf immer schon gebracht hat. Die gemeinsame Vergangenheit, das gleiche Schicksal durch Jahrhunderte und die Zugehörigkeit zum Herrschaftsgebiet, des Hauses Fürstenberg, das sind die Punkte, die das Baaremer Volk geprägt haben. Man sagt ihm nach, „es sei rauh aber herzlich“. Bei so viel gemeinsamer Vergangenheit haben sich gemeinsame Bräuche entwickelt, so neben vielem anderem auch eine gemein­ same Tracht, die „Baaremer Tracht“. Dies ist natürlich ein Überbegriff für einen bestimm­ ten Typus. Für einen Kenner und für die Baa­ remer selbst gibt es kleine Unterschiede, die schon von Ort zu Ort festzustellen sind, sei es bei der Frauen- oder Männertracht. Alle aber gehen zurück auf ein und dieselbe Klei­ dung. Durch Modeeinflüsse selbst aus dem benachbarten Frankreich oder gar aus dem entfernteren Spanien kamen Kostümteile mit übertriebenen Formen hinzu, die sich nach und nach wieder abgeschliffen, verein­ facht haben, so daß sich daraus im Laufe der Westliche Baar Katholische Baar Westliche Baar (Reproduktionen aus dem Münchener Bilderbogen) 189

Jahrhunderte ein bestimmter Typ entwickelt hat. Wir können diese Entwicklung bis zurück ins späte 17. Jahrhundert aufgrund von farbigen bildlichen Darstellungen ver­ folgen. Einen besonderen Einblick geben uns hier die von der Bevölkerung durch alle Jahrhunderte hindurch gestifteten Votiv­ tafeln in den Wallfahrtskapellen; für die Baar wären hier besonders die Kapellen im Gna­ dental bei Neudingen und auf dem Schen­ kenberg bei Emmingen ab Egg zu nennen. Der frühere Direktor der Fürstlich Für­ stenbergischen Hofbibliothek, Dr. Eduard Johne, hat sich eingehend mit den auf den Votivtafeln in ihrer Tracht abgebildeten Baa­ remer Bauernfamilien befaßt, die Entwick­ lungsstufen der Kleidung festgehalten und seine Untersuchungen in einem ausführli­ chen und reich bebilderten Beitrag in den „Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar“ (Heft 16, 1926, S. 199-251) hinterlassen. Eine Untersuchung in diesem Ausmaß wäre heute nicht mehr mög­ lich, da einzelne Wallfahrtsstätten in den letzten 30 Jahren beinahe vollständig aus­ geraubt und die bodenständigen Votivtafeln durch habgierige Menschen unseres Jahr­ hunderts in alle Welt zerstreut wurden. Die oben erwähnte ursprünglich gemein­ same Tracht war noch gefertigt aus dem selbst hergestellten Tuch, aus dem auf dem häuslichen Webstuhl gewobenen groben Leinen oder aus der selbstgesponnenen Wolle. Es war eine schwere und grobe Klei­ dung, die in erster Linie für die Arbeit prak­ tisch sein mußte, sie war Alltagsgewand und entbehrte des bei der Arbeit störenden Zier­ rats. Um an Sonn- und Feiertagen festlicher gekleidet zu sein, entwickelten sich erst klei­ nere Spielarten, wurden feinere Materialien verwendet und kamen Kopfbedeckungen hinzu, die nur bei feierlichen Anlässen stol­ zen Hauptes getragen werden konnten. Die Modeentwicklung in den Städten, die Kostüme von Durchreisenden, ja selbst die Uniformen von durchziehenden Truppen lieferten immer wieder Vorbilder, die in die eigene Tracht eingebaut wurden. Man denke 190 hier nur an die verschiedenen Formen der männlichen Beinbekleidung, an die Ent­ wicklung vom primitiven niederen Schuh bis hin zum hohen Stiefel, oder an die Entleh­ nung des „Schwedenkragens“, der zur Hals­ krause oder „Kröse“ wird. Diese bildet sich zum Beispiel wieder soweit zurück, wird nicht mehr getrennt getragen, sondern wird allmählich so klein, daß sie, an Hemd oder Bluse angenäht, zum Hemdkragen wird. Bei der Männertracht kommt die Weste, das „Gillet“, hinzu, den aus Frankreich durchreisenden Herrschaften oder durchzie­ henden Truppen abgeschaut. Auch waren diese „Fremden“ Vorbild, was die Haar- und Barttracht betraf. Bei den Männern wurde der lange Rock, der Ausgehrock, verfeinert, wurde auf Taille geschnitten, kamen Auf­ schläge hinzu, um das Material des andersfar­ bigen feineren Futterstoffes zu zeigen, und Knöpfe nähte man mehr daran, als zum Zuhalten nötig waren. Man trug Filzhüte, so auch den Dreispitz, alles Dinge, die man bei den Uniformen fremder Truppen sah. Der Handel blühte auf, die Händler brachten neue Stoffe, brachten feineres Material selbst in entlegene Gegenden. Hier­ von profitierten in erster Linie die Frauen­ trachten. Auch die Frauen von damals woll­ ten modisch den Entwicklungen in anderen Ländern und Landstrichen nicht nachstehen und verfeinerten ihr Gewand vom 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts derart, bis die Endstufe, unsere heutige Tracht, entstanden war. Auch in der Baar sind die bereits erwähn­ ten kleinen Unterschiede dadurch zu erklä­ ren, daß man sich das kostbare Stück nun nicht mehr selber fertigte. Näherinnen, Schneiderinnen und Stickerinnen übernah­ men diese Arbeit sorgfältiger, und jede von ihnen hatte ihren eigenen Stil. Nicht anders war es bei den Schneidern für die Männer­ trachten, auch sie verwirklichten ihre Vorstel­ lungen und hatten ihre eigenen Bezugsquel­ len für das ,,Rohmaterial“, was sich nicht nur in der Q!ialität, sondern auch in der Farbe auswirkte.

Reiche Festtagstracht um 1850. Rück- und Vorderansicht(N ach dem Original in den F. F. Sammlungen in Donaueschingen) In der Baar gibt es zudem noch einen ganz gravierenden Unterschied, hauptsächlich bei der Frauentracht. Es ist zum einen die Tracht des ehemaligen badischen Teiles und die Tracht des ehemaligen württembergischen Teiles der Baar. Anders ausgedrückt, es gibt je eine besondere Tracht für den katholischen und eine für den evangelischen Teil. Die Bevölkerung gehörte von der Konfession her gesehen zu der Religion, welcher der Lan­ desherr angehörte, zu der er sich bekannte. Man war und blieb katholisch oder man wurde protestantisch. Hier in Donaueschin­ gen blieb man auch nach der Reformation beim alten Glauben, so wie es der Landesherr tat und wie er es von seinen Untertanen auch verlangte. So kam es, daß bis zum heutigen Tag in Donaueschingen ausschließlich die katholische Tracht getragen wird, und diese gilt es nun zu beschreiben. Bleiben wir bei der Frauentracht, zu der ein langer schwarzer Rock gehört, der oben eng gefaltet bzw. gerafft ist. Die Falten laufen bald aus, so daß der Rock oder die „Hippe“, wie man hier sagt, unten sehr weit fällt, was besonders beim Drehen im Tanz zur Wir­ kung kommt. Die letzten Zentimeter des unteren Saumes ziert ein schwarzer Samt­ streifen von ca. 10 cm Breite, den ein schma­ ler roter Paspel abschließt. Das Mieder hat sich vom einfachen Samtmieder, das bei der Feldarbeit getragen wurde und schwarz, rot, blau oder grün sein konnte, hauptsächlich bei der Festtagstracht durch das Besticken zum kostbarsten und schönsten Teil entwik­ kelt. Durch die Trachtenstickerinnen wur­ den kunstvolle Blumen- und Blattmuster verwendet, hier in Donaueschingen haupt­ sächlich das Röschen-Muster und das Ver­ gißmeinnicht-Muster. In anderen Orten bevorzugte man Ähren, Trauben und andere Vorlagen nach der Natur. Gestickt wurde hier meistens mit Silberfaden, vereinzelt auch, wie es in anderen Orten der Fall war, mit Goldfaden. Als Stickunterlagen verwen­ dete man ausgestochene oder ausgestanzte Kartons, über die der Silberfaden gelegt und mit einem normalen Nähfaden vernäht wurde. War das Mieder im 18. Jahrhundert noch 191

offen, d. h. es wurde mit schwarzen Samtbän­ deln, die durch Ösen gezogen waren, zusam­ mengehalten, was ein Verstellen je nach Stärke der Frau ermöglichte, so wird es seit der Endstufe der Entwicklung, Mitte des 19. Jahrhunderts, geschlossen getragen. Haften bilden den Verschluß. Es wird heutzutage genau auf die Trägerin zugeschneidert. Eine silberne oder goldene Kordel, der „N estel“ genannt, wird von sechs bis acht großen ver­ zierten Haken gehalten, kreuzweise ver­ schnürt, und die Kordelenden werden zu einer Schleife gebunden. Die zwei Q!iasten hängen über die Schürze, das „Fürtuch“, her­ unter. Ein ebenfalls samtener und reichbe­ stickter „Vorstecker“ steckt hinter der Ver­ schnürung. Zusammen mit einer Silberkette, die locker um die Taille getragen wird und aus mehreren einzelnen Kettchen und Medaillen kunstvoll gefertigt ist, bedeutet dieser Schmuck der ganze Stolz der Trägerin. Zusätzlich gehört ein ebenfalls bestickter Samtgürtel zur vollständigen Tracht. Die Schürze, aus feinem Schiller-Taftstoff beste­ hend, kann in den Farben changieren, sie bil­ det aber immer einen feinen Kontrast zum Schwarz des Rockes und setzt farbige Akzente. Das Mieder ist ohne Kragen, denn darü­ ber sitzt ein meist aus andersfarbigem Samt als das Mieder genähter Koller oder „Goller“, dessen besticktes Stehkrägchen den Hals umschließt. Der kleine Rand einer schützen­ den, eingenähten schmalen weißen Spitze ist am Hals sichtbar. Rote schmale gezackte Moirebänder, an den unteren Kollerecken angenäht, laufen jeweils unter dem Arm durch, sie hängen durch. Noch im 18. Jahr­ hundert bestand der Koller aus goldenen Brokatstoffen und war mit rotem Samt ein­ gefaßt. An einem aus weißem feinerem Leinen gefertigten „Leibchen“, das praktisch als Hemd oder Bluse unter dem Mieder getra­ gen wird, sind weite „Puffärmel“ angenäht, die den Oberarm „schinkenartig“ umgeben. Sie sind exakt gefältelt und laufen zu einem Bündchen aus, das über dem Ellenbogen mit 192 Als Kopfbedeckung tragen die Frauen die ,,Baaremer Haube“, auch „Bändel-Kappe“ genannt, die immer schwarz ist, denn in der Hauptsache besteht dieses Häubchen aus breitem, schwarzem gezackten Moireband. Hier hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine Veränderung dahingehend vollzogen, daß aus dem ursprünglich auf dem Kopf eng anliegenden runden Käppchen mit kurzen schwarzen Nackenbändern eine beträchtlich höher und steifer werdende Haube oder Kappe tritt, die auf dem Hinterkopf hoch aufsitzt. Breite Backenbänder, ebenfalls aus Moirematerial bestehend, werden unter dem Kinn zu einer Schleife gebunden und halten so die Haube fest. Schmuck derselben wird der Kappenboden, ein fast rechteckiger ,,Kappenblätz“, der aus einem mit Samt über­ zogenen Karton besteht. Dieser ist reich mit Silberfäden bestickt, und der Samt kann ent­ sprechend dem Koller verschiedene Farben haben. Die Mädchen und Frauen tragen bunte Kappenböden, bei der Trauerkappe ist der Kappenboden schwarz und mit schwarzer Seide bestickt. Aus einer kleinen Schleife in der Nackengegend hängen zwei breite schwarze gezackte Moirebänder bis zum Rocksaum. weißen Leinenbändeln gebunden wird. Gehäkelte fingerlose sogenannte „Handele“ aus weißem Garn bedecken Hand und Arm bis unterhalb des Ellenbogens. Auf saubere Ärmel und Handele legen die Trachtenträge­ rinnen größten Wert, verleihen sie ihnen doch ein gepflegtes Aussehen. In einer Zeit, als die Stickerei noch nicht aufgekommen war, und die Hauben noch niederer waren, trug man teilweise auch bei uns den sogenannten „Strohzylinder“ über der Haube. Diesen findet man heute noch in einzelnen Orten und Tälern des nahen Schwarzwaldes. Man könnte ihn geradezu als „Industriehut“ bezeichnen, denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Stroh­ flechterei nach schweizerischer und italie­ nischer Art groß in Mode kam, trugen die Händler, die Schwarzwälder Glasträger, auch

Links: Schapel Schapelgürtel und „Lausbrücke“ um 18 40 (Nach Origjnalen in den F. F. Samm­ lungen in Donaueschingen) Rechts: Die Schapel wird der Braut am Margen des Hochuitstages aufgesteckt (Aus dem „Hiero­ nymus“ von Lucian Reich) solche Hüte mit sich und brachten diese kunstvolle Kopfbedeckung unter die Leute. Die Strümpfe der katholischen Trachten­ trägerin der Baar sind aus weißer Wolle, die Schuhe, früher auch „Toffle“ genannt (von Pantoffeln aus dem Französischen übernom­ men), waren teilweise anstelle des Oberleders aus schwarzem Samt, entwickelten sich aber nach und nach zu einem zierlichen Halb­ schuh aus schwarzem Leder. Vereinzelt waren darauf metallene Verzierungen, die ,,Schnallen“. Seit der in Mode gekommenen Stroh­ flechterei im Schwarzwald wird die zum Teil auch bemalte oder mit gefärbtem Stroh geflochtene Strohtasche zum ständigen Utensil der Trachtenträgerin. Ein Trachtenstück, d. h. eine weitere Kopfbedeckung, die entgegen vielfacher Meinung auch bei uns getragen wurde, ist die ,,Schapel“ (aus dem Französischen „chapel“ = Kopfschmuck). Auch sie soll hier kurz behandelt werden. Die Schapel ist die Braut- krone und hat ihren Ursprung in der Vorstel­ lung der jungfräulichen Krone der Himmels­ königin. Dementsprechend wurde sie nur bei ganz besonderen Anlässen getragen, so hauptsächlich bei Hochzeiten. Zur großen Gruppe der Schwarzwaldschapeln gehörig, ist die „Baaremer Brautkrone“ schon im 17. Jahrhundert nachweisbar. Meist waren sie alter Familienbesitz, der sich vererbt hat und jeweils der Braut für ihren höchsten Festtag überlassen wurde. Aus einem engen Reif und dem darüber befindlichen inneren Aufbau aus Holzspä­ nen und Drähten ist die Schapel behängt mit Flitterwerk aller Art. Gold- und Silberdrähte, Messingplättchen und Spiegelehen, Mün­ zen, Goldpapierblätter und -kugeln sowie Glassteinchen, Glasperlen und Glastränen bilden das bunte Äußere. Die Glasteile sind Abfallprodukte der Schwarzwälder Glashüt­ ten. Im Gegensatz zu den großen ausladenden Schwarzwaldschapeln ist die Baaremer Scha- 193

pel schlanker und zylinderförmig. Durch zwei Bänder wird sie am Hinterkopf befe­ stigt, und der Schapelflor, ein dunkles florar­ tiges Tuch, das unter der Schapel hervortritt, hängt zu beiden Seiten des Gesichts auf Schulter und Rücken herunter, verdeckt die Haltebänder und ist nichts anderes als der übliche Brautschleier. Das Tragen einer Scha­ pel erfordert einen sicheren und aufrechten Gang, der das Besondere ausmacht, wenn die Trägerin vor den Festgästen daherschreitet. Die Männertracht hat nicht so viele Wandlungen durchgemacht wie die Frauen­ tracht, bei ihr hat sich hauptsächlich eine Ver­ feinerung der Schneiderarbeit bemerkbar gemacht, sie ist in der heutigen Form bereits im späten 17. Jahrhundert belegt. Die schwarze Kniehose aus Stoff mit roten Bän­ deln zur Verschnürung am Knie ist an die Stelle der schwarzen Lederhose in der glei­ chen Form getreten. Auch gab es naturfar­ bene hellbeige Lederhosen. Alle waren frü­ her an den Rändern abgesteppt und mit ein­ facher heller Stickerei verziert. Weiße wollene Strümpfe, wie heutzutage, waren die „Festausgabe“, die in der Winter­ zeit durch dunkle „Überstrümpfe“ bedeckt waren, oder man trug hohe schwarze Stiefel zur Kniehose. Zu festlichen Anlässen hatte auch der Bauersmann seine guten schwarzen Halbschuhe an, die je nach Vermögen, quasi als Statussymbol wie bei den Frauen auch, mit silbernen Schnallen, den „Rinken“, ver­ ziert sein konnten. Ein weißes Leinenhemd, das in der Hose getragen wird, ist die Unterkleidung. Die rote ärmellose Weste, das „Gillet“, mit vielen goldfarbenen Metallknöpfen versehen, setzt hier den Farbpunkt. Meist nicht ganz zuge­ knöpft, schaut aus ihr das blaue Halstuch heraus. Während die Burschen und ledigen Männer eine kurze bis zur Gürtellinie rei­ chende Jacke, den „Tschoben“, tragen, den an den Umschlägen ebenfalls viele Knöpfe zie­ ren, der ein niedriges Stehkrägchen hat und in Donaueschingen grün ist, kleideten sich die „gestandenen Mannsbilder“ mit dem Rock, dem „ Wams“, auch „Bauernschaube“ genannt. Dieser kann schwarz, blau oder graublau sein, reicht bis zu den Knien und ist in der Taille enger gearbeitet. War es früher hauptsächlich der schwarze Filzhut, der als praktische Kopfbedeckung des Mannes bevorzugt wurde, so findet man bei den jungen Bauernburschen in der gan­ zen Baar bis zum heutigen Tag die Pelz­ kappe. Gefertigt wurde sie aus den Fellen hei­ mischer Tiere, wie Iltis, Marder und Fuchs. Der Kappenboden, aus farbigem Stoff oder Samt bestehend, ist geschmückt mit sich überkreuzenden Goldborten und dem Trod­ del, auch „Zeddel“ genannt. Der Pelzauf­ schlag des vorderen Teiles der Pelzkappe ist höher als der rückwärtige. Während der kal­ ten Jahreszeit wurde die Pelzkappe aus ver­ ständlichen Gründen auch zum langen Rock getragen. Georg Goerlipp Königskerze – Himmelbrand Altes kirchliches Brauchtum zu Mariae Himmelfahrt auf der Baar Zu den volkstümlichsten Bräuchen auf der Baar im Ablauf des Kirchenjahres zählt die Kräuterweihe an Mariae Himmelfahrt (15. August). Es ist das älteste und höchste Marienfest der katholischen Kirche. In Ur­ sprung und Wesen erinnert die Kräuterweihe an einen religiösen Kultrest der germanischen Vorzeit. Für diesen Volksbrauch hat die Kirche schon früh eine eigene Form mit 194 christlichem Gehalt geschaffen. Bereits um die Wende des 9. Jahrhunderts ist eine ver­ mutlich germanische Erntebräuche ablö­ sende Liturgie bekannt. Dabei stützt sich die kirchliche Überlieferung auf Legenden von der Blumenfreundschaft Mariae sowie auf die von Lilien und fruchtbaren Gewächsen, die am Grabe Mariens gefunden worden seien.

„Unsere Liebe Frau geht über Land, sie trägt in ihrer Hand den Himmelbrand“ heißt es in einem alten Kräuterbuch. Die Königs­ kerze ist damit gemeint, die von Mitte ] uli bis weit in den August hinein blüht. An Mariae Himmelfahrt hat sie ihren Ehrenplatz inmitten der vielen Kräuter und Pflanzen des bäuerlichen Kräuterbuschs, der in die Kirchen getragen und am Altare geweiht wird. Da finden sich rund um die Königs­ kerze, die einst in der Volksmedizin eine wichtige Rolle spielte, vorwiegend heilkräf­ tige Pflanzen wie: Schafgarbe, Kamille, das Zinnkraut, Arnika und das T ausendgülden­ kraut, Pfefferminz, Wermut und Vanille. Zierblumen aus dem Bauerngarten kommen mit hinein in den Kräuterbusch, einige Haferrispen, reife Gerste und zwei oder drei Weizenähren. Wer auf der Baar vor oder noch nach dem Ersten Weltkrieg im Dorf aufgewachsen ist, dem ist die Zeit um Mariae Himmelfahrt mit den vielerlei Vorbereitungen zum Fest unvergeßlich in der Erinnerung. Schon viele Tage vorher inspiziert der Schulbub die Bauerngärten im Dorf und hält Ausschau nach Lilien oder feuerroten Gladiolen, und keine Bäuerin schlägt die Bitte des] ungen ab, der nach einigen besonders schönen Exemplaren für den Kräuterbusch fragt. Kundige Hände, die Bäuerin oder erwach­ sene Geschwister des Schulbuben haben den pyramidenformigen Strauß bereits am Vor­ abend des Festes gebunden und im Keller kühl gelagert. Um die Ansammlung der Blu­ men und Kräuter sind die großen kühlen Blätter von Kohlgewächsen aus dem Garten gelegt. Ein schmales Band hält Schaft und Kohlblätter zusammen. Für den] ungen oder das Kräuterbusch-Mädchen ist es ein feier­ licher Augenblick, wenn der Priester im Got­ tesdienst die Kräuterbusehen segnet. Oft sind es in den Dorfkirchen bis zu 50 an der Zahl, die im Chor des Gotteshauses während der feierlichen Messe aufgereiht sind. Noch einmal erhalten die Buschen den Weihe­ segen, wenn am Schluß des Gottesdienstes der Geistliche den Wettersegen gibt, um Schutz und gutes Gedeihen für das noch in der Feldflur stehende Getreide zu erflehen. Nach der Weihe, wenn die Kräuterbusch­ träger zurückgekehrt sind auf den Bauernhof, nimmt die Bäuerin erst die Haferrispen aus dem Kräuterbündel. Sie kommen hinter das Kreuz im Herrgottswinkel. Die Kohlblätter werden in das Futter für das Vieh gemischt. Weizen- und Gerstenähren streut die Bäuerin dem Hühnervolk, anderes davon kommt in die Futterkrippen der Kühe und Pferde. Einige Zwiebeln, Möhren oder Rettiche, die in den Schaft des Kräuterbuschs gesteckt worden waren, sind willkommene Zugaben auf dem bäuerlichen Mittagstisch. Etliche Getreidehalme werden über der Tür zum Stall aufgehängt. Was von dem großen Kräuterbusch nach 195

der „Plünderung“ dann noch übrig ist, mitten darin die Königskerze, das wird im Gebälk unter dem Dachstuhl des Hofes aufbewahrt, um Anwesen, Menschen und Tiere das Jahr über gegen Unglück, Übel und schlimme Wetter zu schützen. Noch um die Jahrhun­ dertwende, wenn im Hochsommer schwere Gewitter über dem Dorf standen und nicht abziehen wollten, konnte es geschehen, daß die Bäuerin den geweihten Kräuterbusch vom Dachboden holte und zum offenen Fenster hinaus in die verschiedenen Him­ melsrichtungen hielt, um den zündenden Blitz vom Hof, um schweren Hagelschlag von der Feldflur fernzuhalten. So mag die Königskerze dann auch zu ihrem weiteren Namen -Wetterkerze- gekom­ men sein. Es gibt Exemplare, die bis zu zwei Meter hoch werden, sei es im Garten oder auf trockenen, kalkhaltigen Böden auf der Baar und an den Muschelkalkwänden im Donautal. Ihre Größe, der leuchtend gelbe Blütenstand und ihre besonderen Wachs­ tumsbedingungen machten die Königskerze für das Volk und den Volksglauben schon in der Antike bedeutsam. Den Griechen diente die in Pech getauchte Königskerze als Fackel. Die obere Hälfte der Pflanze ist von unzähligen, honiggelben kleinen Blüten besetzt, denen die Volksmedizin heilende und lindernde Wirkung bei Husten und Heiserkeit, aber auch bei Schürf- und Brand­ wunden zuschreibt. Brennkraut wird unsere Königskerze in einzelnen Gegenden auch genannt. Und in dem eingangs erwähn­ ten Kräuterbuch lautet eine Anweisung: Man berührt die Brandwunden mit den Blüten der Pflanze und spricht dabei dreimal: „Unsere Liebe Frau geht über Land, sie trägt den Himmelbrand in ihrer Hand“. Lorenz Honold 60 Jahre Heimat- und Trachtenbund Bräunlingen Sein Werdegang von 1923 bis 1983 In der alten Zähringer-Stadt Bräunlingen wurde die heimatliche Tracht von der Bür­ gerschaft durch Jahrhunderte getragen und gepflegt. Den Kirchenfesten, den Prozessio­ nen, den Volksfesten und den Bauernhoch­ zeiten verlieh die farbenfrohe Heimattracht eine eindrucksvolle Bildkulisse. Unsere bekannten Trachtenmaler, Fuchs, Tuttine, Weisser, Bertsche und Hornung, zeigen in ihren Gemälden und Portraits, die im Bräun­ linger Heimatmuseum vertreten sind, ein aufschlußreiches Bild über die Volks- und Bauerntracht in Bräunlingen. Bereits um die Jahrhundertwende hatte sich Bürgermeister Joseph Bertsche um die Förderung der Heimattracht und des Brauchtums Verdienste erworben. Sein Nachfolger, Bürgermeister Müller, war es, der den Bestrebungen zur Wiederbelebung der Baaremer Heimattracht des Pfarrers Her­ mann Sernatinger in Hausen vor Wald mit 196 dem 1. BräunlingerTrachtentreffen an Pfing­ sten 1923 in der Baar und im Schwarzwald zum Durchbruch verhalf. Das Pfingsttreffen 1923 zu Bräunlingen zeigte, daß die Worte des großen Heimatru­ fers, des Pfarrers Heinrich Hansjakob, ein weites Echo fanden. Hansjakob sagte: ,,Die neue Zeit braucht aktive Männer, die sich mit ganzer Kraft für die Heimat bekennen und die das heimatliche Volksleben weiter gestalten, ausbauen und immer wieder zu neuem Leben befruchten.“ In Bräunlingen war es die Jungbauern­ schaft, welche die Trachtenpflege ins Vereins­ leben hineinnahm. Sie begann die alten Volkstänze wieder neu zu beleben, den Volksgesang zu üben und das Laienspiel zu pflegen. Bald konnten die Bräunlinger Jung­ bauern, die das Pfingsttrachtentreffen 1923 als Gründungsfest für den Bräunlinger Hei­ mat- und Trachtenbund erkoren hatten, mit

einer stattlichen Brauchtumsgruppe an die Öffentlichkeit treten. Die junge Trachtenfa­ milie fand mit ihrem Programm von alten Volkstänzen und Volksliedern, die Valentin Hofacker als Student einübte, vor allem viel Beachtung und Beifall beim 1. Badischen Trachtentreffen in Karlsruhe. Gleich in den 20er Jahren hatte die junge Gemeinschaft eine grundsätzliche Entschei­ dungsprobe zu bestehen. Während die Fas­ net mit ihrem närrischen Geschehen als das in sich geschlossene Frühlingsfest seine Bestätigung hatte, wurde für den übrigen Jahresablauf die heimatliche Tracht als das bodenständige Fest- und Ehrenkleid heraus­ gestellt und mit dem Jahre 1928 völlig aus den Narrentagen herausgenommen. Diese eindeutige und klare Trennung zwischen Fasnetgeschehen Jahresbrauchtum und wirkte sich für das ganze kulturelle Schaffen in Bräunlingen sehr zum Segen aus. Ein Hauptverdienst an diesem geordne­ ten Brauchtumsablauf ist dem langjährigen Vorstand des Heimat- und Trachtenbundes, Ferdinand Hofacker, zuzuschreiben. Den Namen des Heimat- und Trachtenbundes Bräunlingen hat er als erster von der engeren in die weitere Heimat und über die Grenzen hinausgetragen. Überall wurde Ferdinand Hofacker mit seinen Trachtenfreunden als ein Verkünder lebendigen Brauchtums aus der Baar und des Schwarzwaldes anerkannt. Das beliebte Herbstfest der Baar, die „Brülin­ ger Kilbig mit dem Schätzelemärt“, wurde nach den Ideen von Ferdinand Hofacker 1930 aus der Taufe gehoben. Mit der Bräun­ linger Kilbig sind die alten Volkstänze, wie die „Baaremer Sichelhänke“ und der „Baare­ mer Hahnentanz“, wieder neu ins Leben gerufen worden. Für die Trachtenfamilie brachte der Zweite Weltkrieg einen großen Aderlaß. Von den Trachtenträgem sind nur noch vier Män­ ner in die Heimat zurückgekehrt, alle erst nach Jahren harter Kriegsgefangenschaft. Die schmucken Männertrachten waren von 197

der Besatzung als Uniformen eingezogen worden und sind nie mehr zurückgekom­ men. Zur Kilbig 1950 konnten die Burschen und Männer nur in roten Trachtenwesten antreten. Auch zum Schwarzwälder Trach­ tentreffen 1951 in Villingen hatten die Bräun­ linger noch keine Trachtenjacken und Trach­ tenfräcke zur Verfügung. Erst beim großen Stadtfest, das anläßlich der Wiederverlei­ hung der alten Stadtrechte durch Minister­ präsident Wohleb 1952 gefeiert wurde, konn­ ten die Männer in ihren neuen Trachten das Bräunlinger Trachtenbild wieder vervoll­ ständigen. In den 50er Jahren wurde erstmals ein Trachtenstickkurs vorbereitet, dessen Leitung die Trachtenstickerin Frau Deusch aus Wolterdingen übernahm. Nach einer ausgefüllten Winterarbeit konnte der Trach­ tenbund 20 neue Frauentrachten vorstellen. Die Stickarbeiten mit Frau Deusch lösten eine solche Begeisterung aus, daß sich einige Mitglieder als perfekte T rachtenstickerinnen präsentierten. Somit war die Trachtenbe­ schaffung des Trachtenbundes für die wei­ tere Zukunft gesichert. Besonders Frau Paula Baumeister hat sich in harter Erarbeitung die volle Sticktechnik erworben und führt nun alle zwei oder drei Jahre in Bräunlingen für die jungen Trachtenträgerinnen das Trach­ tensticken durch. Nach dem Hinscheiden von Ferdinand Hofacker(l959) wurde Hauptlehrer Valentin Hofacker, der langjährige aktive Leiter der Volkstanzgruppe, der Laienspielgruppe, der auch für den Volksgesang verantwortlich zeichnete, zum Leiter des Trachtenbundes berufen. Unter ihm gestaltete der Trachten­ bund ft.ir das Bonner Dipomatenkorps in der großen Godesberger Halle einen Schwarz­ wälder Brauchtumsabend, der den Politikern den Schwarzwald mit seinen Trachten, Tänzen und Liedern und bodenständigem Volksleben vertraut machte. 1964 bekamen die Bräunlinger den ehren­ vollen Auftrag, den Schwarzwald auf der Grünen Woche in Berlin zu vertreten. Wäh­ rend des Einsatzes über 3 Tage konnten die jungen Schwarzwälder viele Worte des Dan- 198 kes und der Freude in der alten Reichshaupt­ stadt Berlin entgegennehmen. Einen weite­ ren Höhepunkt brachte die Fahrt nach Bur­ gund in die dortige Hauptstadt Dijon. Die besten Gruppen aus ganz Europa werden nach Dijon gesandt, wo ein strenges Messen und Bewerten der Folkloreleistungen vor­ genommen wird. Nach gelungenem Wett­ streit konnte mit einem ersten Preis die Heimfahrt angetreten werden. Eine hohe Auszeichnung bedeutete für die Bräunlinger Trachtenleute die Einladung zum Deutschlandtreffen der Heimkehrer 1967 nach Essen an der Ruhr. Zehntausend Heimkehrer aus der Gefangenschaft dank­ ten den Schwarzwäldern für den lebensfri­ schen Auftritt in der riesigen Grugahalle. Bei diesem Treffen konnte die Freundschaft mit dem amerikanischen Soldatenchor der 7. Armee geschlossen werden. Die Jahre 1968 und 1969 brachten erlebnisreiche Tage beim 75. Jubiläum des Badner Vereins in der Bayernhauptstadt München, beim Chiem­ gautreffen in Hittenkirchen und beim in­ ternationalen Trachtentreffen bei den Berner Freunden in der Schweiz. Mit der Ausrich­ tung des 20. Trachtentreffens des Schwarz­ waldgaues erlebte Bräunlingen 1970 eine wei­ tere Demonstration für die Heimattracht und für gepflegtes Brauchtum im Schwarz­ wald und in der Baar. Das Zähringerfest „ 700 Jahre Handfeste der Stadt Burgdorf‘ in der Schweiz bildete 1973 den Auftakt zum Jubiläumsjahr, wel­ ches als großes Fest „50 Jahre Heimat- und Trachtenbund Bräunlingen“ begangen wurde. Dieses Jubiläum wurde mit der „Brü­ linger Kilbig und dem Schätzelemärt“ als Doppelfest gestaltet. 40 befreundete Trach­ tengruppen und Musikkapellen waren gekommen, um dem Trachtenbund die gute Arbeit für das Heimat- und Brauchtumsle­ ben zu bestätigen. Das Mitgestalten von ] ubiläen und Hei­ matveranstaltungen erstreckte sich bald über die Bundesgrenzen hinaus. Hier seien nur einige markante Begegnungen genannt: 1974 fuhr man zum Brauchtumsfest nach St. Die

in Frankreich und zum 80. Vereinsjubiläum der Badener in München, zur Tagung der „Grünenstraße“ in Epinal, 1975 folgten drei Frankreichfahrten. Herauszuheben ist das Weltfestival in Gannat, wo die Bräunlinger eine ganze Woche lang einer Konkurrenz von 10 Weltgruppen mit bestem Erfolg sich stellten. Das Jahr 1977 wurde mit der Frank­ reichfahrt nach dem Landferienort Levier eröffnet. Mit der Fahrt zur 12. Tourismus­ börse in Berlin im Jahre 1978 erfuhr der Trachtenbund mit seinem Schwarzwaldpro­ gramm eine weitere hohe Auszeichnung. Es folgten das Europafestival Freiburg, die Frankreichfahrt „E pinal“ und die Europa­ nacht Stuttgart. Weitere Höhepunkte reih­ ten sich 1979 an. So die Fahrt zum Grenz­ landtreffen der Stadt Bitburg in der Eifel, zum bekannten Bacchusfest in Weinstadt und zum Oktoberfest in München mit einem Brauchtumsauftritt im Zirkus ,,Krone“, der großen Beifall auslöste. Im Rahmen des deutsch-französischen Jugendaustausches gastierte 1980 unsere 40köpfige Jugendgruppe in Gannat/Frank- reich und erhielt beim Folklore-Festival mit unzähligen Festbesuchern große Beachtung. Mit der Hauptversammlung des Bundes Heimat- und Volksleben in der Stadthalle zu Bräunlingen nahm die Arbeit 1981 ihren Auftakt. An die 1000 Trachtenträger vom Bodensee bis zum Neckarstrand erlebten Bräunlingen als markanten Brauchtumsort. Im September 1981 hatte Bräunlingen hohen Besuch; es gastierte eine Folklore­ gruppe aus dem Senegal mit einer Regie­ rungsvertretung. Auf der Brülinger Kilbig 1981 wurde der erste Vorstand, Valentin Hofacker, für 50 Jahre Trachtenträger geehrt. Das Jahr 1982 rundete das 60jährige Wirken des Heimat- und Trachtenbundes ab. Mit den Teilnahmen an der 700-Jahrfeier in Her­ rischried, beim großen Freundschaftstreffen des Trachtengaues Schwarzwald in Wein­ heim an der Bergstraße, verbunden mit einem Freundschaftsbesuch in Heidelberg, sowie der Mitwirkung beim 30jährigen J ubi­ läum der Trachtengruppe Todtmoos hatten die Bräunlinger wieder reiche Verpflichtun­ Valentin Hofacker gen übernommen. Kreistrachtenfest 1983 in Bräunlingen Das Jubiläum des Heimat- und Trachtenbundes in der Heimatpresse Südkurier: Brauchtum ist nach wie vor gefragt. Der Heimat- und T rachtenbund Bräunlingen, 60 Jahre alt geworden, wird das in seiner Chronik schreiben können. Das Jubiläum vom 27. bis 30. Mai wurde natür­ lich nicht in aller Stille gefeiert, sondern das Kreistrachtentreffen des Bundes Heimat­ und Volksleben im Schwarzwald-Baar-Kreis sorgte dafür, daß der ohnehin in Bräunlingen f estverankerte Heimatgedanke weitere Freunde gewinnen konnte. Ein volles Haus (sprich Festzelt) konnte der Jubelverein am Samstag beim Festban­ kett für sich verbuchen. Brauchtum und Orden machten das Programm aus. Die Stadtkapelle unter Stabführung von Günter Fürderer, selbstverständlich in historischen Uniformen, fand mit der Freundschafts­ hymne gleich zu Beginn den richtigen Ton. An Prominenz fehlte es nicht: Staatssekretär Häfele, Landtagsabgeordneter Buggle und Landrat und Schirmherr dieses Festes Rainer Gutknecht konnten von Festpräsident Bür­ germeister Schneider begrüßt werden. ,,Hei­ mat Baar wie schön bist du“, mit diesem Lied stimmte das Bräunlinger Trachtenquartett seine Besucher auf Folklore ein. Valentin Hofacker, Vorsitzender des Jubelvereins, hatte seinen großen Tag. Sein Einsatz als Vorsitzender des Heimat- und Trachtenbundes seit 1960 sowie seine Arbeit um das Brauchtum wurden gebührend gewürdigt. Hofacker erhielt die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg. 200

vier Festtage wurde. Brauchtumsdarbietun­ gen in der Stadthalle und dem Festzelt, der Vergnügungspark und am Abend die „Stock­ mihlimusikanten“ sorgten nach dem Umzug für Unterhaltung im alten Zähringerstädt­ chen Bräunlingen. Schwarzwälder Bote: Der Trommler­ zug verkündete das große Ereignis in den Straßen schon am Freitag und beim Bieran­ stich im Festzelt hinter der Stadthalle – übri­ gens eines der wenigen, das in dieser nassen Jahreszeit auf festem Boden stand. Die Besu­ cher scharten sich aus nah und fern in reicher Zahl. Die Stadt lud am Samstagnachmittag in den Ratsaal zum Empfang ein. Es waren die beiden Gruppen, die einen guten Teil des Festprogramms zu bestreiten hatten, dabei: die mit Gamsbart und Krachlederhosen „bewaffneten“ Bayern aus Hittenkirchen am Chiemsee und „De Beekscheepers“ aus der Lüneburger Heide. Bürgermeister Schneider, zugleich Festpräsident, ließ die Bräunlinger Geschichte abrollen. Gastgeschenke wurden ausgetauscht, und eine „Stubn-Musik“ der Bayern sorgte für das rechte Verhältnis zur Folklore. Sechsmal, so war zu hören, haben die „Urecht-Bajuwaren“ inzwischen den Weg nach Bräunlingen gefunden, und drei davon waren jedesmal dabei. Für die Gäste aus Scheessel in der Lüneburger Heide war es der Einstand. Sie werden Bräunlingen nicht zum letzten Mal besucht haben, wie bei die­ sem Empfang zum Ausdruck kam. Vergeblicher Wunsch O wär‘ ich nur ein Schmetterling Mit bunten Farben, Reif und Ring, Dann könnt‘ ich fliegen, überall Und brauchte weder Haus noch Stall. Ach, ich hätte keine Sorgen, Wüßte nichts von heut‘ und morgen, Und ich spürte nicht mein Ende, Was ich restlos glücklich fände. Johannes Hawner 201 Mit der Ehrennadel ausgeuichnet: Valentin Hofacker Badische Zeitung: „Mehr Zuschauer als bei den Fasnachtsumzügen“, meinten einige Bräunlinger, als sie die Zuschauermassen beim Umzug am Sonntag durch die Straßen der Innenstadt sahen. Ein nicht endenwol­ lender Zug von Klein- und Großgruppen verdeutlichte, daß die heimische Kultur mit ihren Trachten- und nicht zu unterschätzen­ der Kraft – noch sehr gut gepflegt und hoch gehalten wird. Jede Gruppe, die an den Zuschauern vorbeizog und oft spontanen Beifall bekam, hatte ihren eigenen Charak­ ter, der in jahrhundertelanger Tradition gewachsen war und auf den Straßen Bräun­ lingens bei sehr gutem Umzugswetter die Zuschauer aus nah und fern begeisterte. Die Farbenpracht, die handwerklichen Fähigkeiten, die an den Kostümen zu sehen waren, und die mitgebrachten Kulturgegen­ stände machten den Umzug zu einer sehens­ werten Sache, die zu einem Höhepunkt der

Göpel und Göpelhaus in Mühlhausen in Gebrauch. Da sie hauptsächlich von Pfer­ den angetrieben wurden, nannte man sie auch Roßwerk. Konrad Bedal definiert in seiner Schrift ,,Göpel und Dreschmaschine“ den Göpel fol­ gendermaßen: ,,An einer senkrechten Welle, deren Angeln oben und unten in Zapfenla­ gern beweglich ruhen, ist zumeist ein großes Kegelrad befestigt, welches in ein kleineres greift, das die Bewegung weiterleitet in eine Riementransmission. Die Weiterleitung zur Antriebsmaschine erfolgt durch eine lie­ gende Welle (liegender Göpel) oder eine Rie­ mentransmission (stehender Göpel). Die senkrechte Welle mit dem Kammrad wird durch daran befestigte Balken oder Zug­ bäume bewegt. An diese werden die Tiere gespannt, die dann im Kreise herumgeführt werden.“ Bei leichteren Maschinen konnten auch Menschen den Göpel drehen. Die Göpel wurden in der Hauptsache als Antrieb für Dresch- und Futterschneidma- Pferdegespann am stehenden Göpel. Zeichnung: Birgit Leibold Mühlhausen, Stadtbezirk von Villingen­ Schwenningen, ist nicht nur bekannt durch sein gutes Abschneiden im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“, bei dem es 1982 Kreissieger wurde. Nein, Mühlhausen ist bekannt als Dorf, in dem die Erinnerung an die bäuerliche Vergangenheit wach gehal­ ten wird. Dies wird bezeugt durch die Mühl­ hauser Heimatstube im Rathaus und mehr noch durch das Bauernmuseum Mühlhau­ sen, das mit Hilfe des Schwenninger Heimat­ vereins durch Mühlhauser Initiative entstan­ den ist. Als Ergänzungen dazu sind die Ein­ richtungen des Freundeskreises Dorf Mühl­ hausen e. V. zu sehen. Dieser noch junge Ver­ ein errichtete 1980 das Holzofenbackhaus, 1981 die Dorfschmiede und 1982 das Göpel­ haus. Diese Gebäude mit ihren Einrichtun­ gen dienen nicht nur musealer Dokumen­ tation, sondern sie werden ins aktive Dorf­ leben miteinbezogen. Das Göpelhaus z. B. ist so konzipiert, daß es gleichzeitig als kleine Dorffesthalle dienen kann. Was ist ein Göpel, ein Göpelha us? In der Erntezeit sehen wir heute große Mähdre­ scher auf unseren Feldern, die von einem ein­ zigen Mann bedient werden. Aber noch um 1900 wurde in unserer Gegend das Getreide fast ausschließlich von Hand geschnitten, gebunden, auf den Wagen geladen, in der Scheune gelagert, zum Dreschen wieder her­ untergeholt und mit dem Dreschflegel gedroschen. Das Dreschen von Hand war eine sehr aufwendige Arbeit. Um Maschinen verwen­ den zu können, brauchte man einen entspre­ chenden Antrieb. Vor Erfindung der Elek­ tromotoren (Mühlhausen wurde 1914 elektri­ fiziert) standen zum Erzeugen von Drehbe­ wegungen hauptsächlich menschliche und tierische Muskelkraft zur Verfügung. Und um menschliche oder tierische Bewegung in Drehbewegung umzusetzen braucht man eine Übersetzung, ein Getriebe, einen Göpel. Rundlaufgöpel kamen bei uns etwa ab 1860 202

,• -………… schinen eingesetzt. Oft standen sie im Freien, manche Bauern errichteten aber auch ein Göpelhaus, meist als �erbau zu einem bestehenden Wirtschaftsgebäude. Die Göpel konnten sich allerdings nur ca. 50 bis 60 Jahre lang behaupten und gerieten bald in Verges­ senheit. Meist bezeichnen die Leute heute ein altes Fahrrad als „alten Göpel“. Dies kommt wohl daher, daß der Göpel mit Erfin­ dung der Elektromotoren als Antriebskraft schlagartig ausgedient hatte. Diese Rolle wurde mit Aufkommen der Motorfahrzeuge dem Fahrrad zugeteilt. Welche Erleichterung ein Göpel auf einen Bauernhof brachte, können wir heute kaum noch ermessen, erst recht nicht, wenn wir hören, daß ein Mensch durch 8stündige Göpelarbeit eine Leistung von 0,1 PS erbringt. Der Göpel ermöglichte es den Bauern eines Dorfes aber für die tägliche Arbeit des Dreschens und Futterschneidens (Häckseln) größere Maschinen einzusetzen und somit den Beginn der Mechanisierung der Landwirtschaft einzuleiten. liegender Göpel, von einem Kuhgespann ange­ trieben, Kinder sitzen auf dem Zugbalken Es wäre interessant zu wissen, was die Anschaffung eines gußeisernen Göpels vor 100 Jahren gekostet hat. Die hölzernen Göpel sind nach Bedal Nachbauten der älte­ ren, eisernen, welche von örtlichen Hand­ werkern wie Wagner oder Mühlebauern billi­ ger zu beziehen waren. Als Antriebsmaschinen gab es im vorigen Jahrhundert auch sogenannte Lokomobile (Dampfmaschinen, die von Gespannen an den Einsatzort gezogen wurden). Allerdings kostete deren Anschaffung das Vielfache eines Göpels und das Brennmaterial extra. Hierüber in den einzelnen Gemeinden unse­ rer Gegend nachzuforschen, wäre sicherlich eine interessante Aufgabe. In Mühlhausen lebten um 1900 rund 270 Menschen praktisch ausschließlich von der Landwirtschaft. Insgesamt standen damals rund 330 ha landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung. Nach einer Befragung älterer 203

Einwohner gab es damals 12 größ ere Bauern, die mehr als 5 ha umtrieben. Sie alle hatten einen Göpel. Darunter waren 8 stehende und 4 liegende Göpel. Die liegenden waren im Winter gelegentlich eingefroren, was bei den stehenden selten passierte. Als Zugtiere benützte man in Mühlhausen überwiegend Pferde (siehe Zeichnung) oder Ochsen (Foto 2). Der heutige Mühlhauser Göpel ist ein ste­ hender. Er stammt von einem Einödhof in der Gegend von Oberndorf. Den elektri­ schen Strom bekam man dort erst 1941. Der Göpel blieb aber vorerst noch stehen und tat auch noch einmal seinen Dienst während der Stromknappheit Ende des Zweiten Welt- krieges. Um für 10 Stück Großvieh den tägli­ chen Futterbedarf zu schneiden, benötigte man mit dervom Göpel angetriebenen„Kur­ zesmaschine“ etwa eine halbe Stunde. Heute ist der Mühlhauser Göpel nur noch gelegent­ lich in Betrieb, etwa wenn Schüler der Haupt­ schule am Deutenberg innerhalb des Erwei­ terten Bildungsangebots „Energie“ brau­ chen, um fürs Mosten die Obstmühle zu betreiben. Vom kommenden Jahr (1984) an werden in Mühlhausen die Einrichtungen Backhaus, Schmiede und Göpelhaus an jedem ersten Sonntag in den Monaten Mai bis Oktober in der Zeit von 14.00 bis 17.00 Uhr für Besucher zu besichtigen sein. Wilfried Leibold 204 Christian Baumann

Landschaft und Naturschutz Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis Luftverschmutzung durch rauchende Schornsteine und Abgase der Jets und Kraft­ fahrzeuge, Schadstoffe in Wasserläufen und Seen, nicht zuletzt auch der saure Regen lie­ fern heute Schlagzeilen für die Medien. Wohl in keinem Jahrhundert stand die Natur solch immensen zerstörerischen Einflüssen menschlichen Wirkens gegenüber, wie dies in der Gegenwart geschieht. Alarmierende Zeichen der stark angegriffenen Natur sind in den sterbenden Wäldern zu sehen, die zum politisch brisanten Thema geworden sind. Tannen, Fichten und Laubbäume fallen dieser hart zuschlagenden Geisel zum Opfer. Einerseits ist der Mensch bemüht, Natur und Landschaft zu erhalten. Genügt das? Ande- rerseits greift die Umweltzerstörung barba­ risch um sich. Hier ein Naturdenkmal, ein Baum, der besonders geschützt wird, dort der Verlust großer Waldflächen. Auch der Schwarzwald-Baar-Kreis zeigt Spuren negativer Umwelteinflüsse. Man fragt sich, wie lange die als Naturdenkmäler ausgewiesenen Bäume, die ein, zwei oder mehrere Jahrhunderte überdauert haben, dem Umweltstreß standhalten können. Noch finden wir in unserem Landkreis bewundernswerte Musterbeispiele gesunder Naturschöpfungen. In die Reihe der in Almanachen früherer Jahre beschriebenen Naturdenkmäler gesellen sich drei Bäume und eine Felsengruppe. I 205

Aus einer Höhe von etwa 769 m ü. d. M. schaut die M a gd a l e n e n b e r g e i c h e rund­ um ins Land auf einen großen Teil des Stadtbezirks Villingen, nach Pfaffenweiler, Rietheim, Herzogenweiler, ins Brigachtal. Der Schwarzwald umringt sie förmlich. In 255 Jahren an ihrem Platz westlich des nahen, für Spaziergänger erholsamen Wal­ des „Laible“ wuchs ihr Stamm auf mehr als 2 m Durchmesser an. Sie fällt auf durch ihre schön ausgeformte Krone. Sie gilt seit dem Jahr 1950 als Naturdenkmal. Unmittelbar neben ihr erhebt sich der Magdalenenberg, der weitaus größte Grabhügel der westlichen Hallstattkultur für den keltischen Fürsten vom Magdalenenberg errichtet und durch die Ausgrabungen im Jahr 1970 bis 1973 wie­ der in den Mittelpunkt archäologischen In­ teresses gerückt. Nicht so bekannt und etwa 100 Jahre jün­ ger als die Magdalenenbergeiche sind die z w e i Ei c h e n , die an der Straßenkreuzung L 178a und Straße zum Neubaugebiet im Donaueschinger Stadtteil Grüningen stehen, nahe der Bahnlinie und dem mitunter trägen Wasserlauf der Brigach. Das dichte Laub­ werk der im Jahr 1959 zu Naturdenkmälern erklärten Eichen überdeckt ein hölzernes Kreuz. Mächtiger erscheint die nach Südwe­ sten vorstehende Eiche. Sie genoß und genießt noch immer in vollen Zügen die für gesundes Wachstum notwendigen Natur­ kräfte, die ihrer Schwester nicht in gleichem Maße zuteil wurden. Zuviel Sonnenlicht nahm die stärkere Eiche für sich in An­ spruch, so daß die Nachbarin im Hinter­ grund an Stärke und Größe immer unterle­ gen bleibt. Im südlichen Kreisgebiet macht eine Li n d e n g r u p p e auf sich aufmerksam, die hoch über die Dächer des Hüfinger Stadtteils Hausen vor Wald hinausragt. An der Straße in Richtung Behla, nur wenige Meter vor dem Ortsausgang, führt linksseitig eine Treppe zum Kirchplatz, wo fünf seit dem Jahr 1968 zu den Naturdenkmälern zählende 206

Mozartstraße aus in den Retschenwald ein­ zusteigen auf einem leicht begehbaren Weg. Schon nach wenigen Minuten erscheint zur Rechten eine imposante Felsgruppe. Kaum 10 Minuten Gehzeit von der Mozartstraße entfernt taucht zur Linken der „Dreikaiser­ felsen“ auf. Auf ihn aufgestützt bietet der aus Stahl konstruierte und mit Holzdach bedeckte Pavillon leider nur einen eng begrenzten Ausblick auf. Teile von Triberg und auf die Berge rund um Schonach. Damit erfüllt der Pavillon nicht mehr· vollwertig den Zweck wie vor Jahren, als man über die Baumwipfel hinweg auf das Städt­ chen und bis zum Bahnhof sehen konnte. Es bleibt aber die Erinnerung an das Dreikaiser­ jahr 1888, auf das eine im oberen Felsbrocken eingemeißelte kaum lesbare Inschrift hin- weist. Werner Heidinger Linden und eine noch nicht als Naturdenk- „lllil Zeichnungen: Helmut Heinrich mal ausgewiesene Linde mit ihrem sattgrü- nen Blätterkleid den Weg zu der im Jahre 1982 renovierten Kirche St. Peter und Paul überspannen. Hier unter diesen zwischen den Jahren 1850 und 1900 gepflanzten Lin­ den, die teilweise schon eine Höhe von etwa 25 m erreicht haben, findet man an heißen Sommertagen ein kühlend schattiges Plätz­ chen. Auffällig steht eine stark verknorpelte Linde im Vordergrund. Nicht zu übersehen ist, daß der Zahn der Zeit auch im Geäst der zum Kirchengebäude gewandten Linde, die mit einem Eisengürtel stabilisiert werden mußte, nagt. Wie lange noch verkraften diese Bäume den Schmutz aus der Umwelt? Ein Abstecher in den nordwestlichen Teil des Kreisgebietes, genauer in den Retschen­ wald auf der Gemarkung Triberg i. Schw., führt zu einer felsigen Naturschönheit, die unter dem Namen „ D r e i k a i s e r f e l s e n “ bekannt ist. Auf verschiedenen Wegen, aus­ gehend von der Stadt mit dem größten Was­ serfall Deutschlands, findet man zu dieser graniten Felsgruppe zwischen Nadel- und Laubwald. Es besteht auch die Möglichkeit, von der durch das Neubaugebiet ziehenden Zeichnung: Dr. Asifälkr 207

Tier- und Pflanzenwelt Im Neckartäle zwischen Dauchingen und Deißlingen Ungefähr 9 Kilometer nach seinem Ursprung durchfließt der Neckar das soge­ nannte N eckartäle, einen Tal einschnitt, der an der Kreisstraße K 5706 beginnt und nach etwas über4 Kilometer bei Deißlingen endet. In mehreren Schleifen schlängelt sich das etwa 4 bis 7 Meter breite Gewässer zuerst nach Norden, mit einem leichten Drall nach Westen, ehe es ungefähr 200 Meter nach der Einmündung des Luni/Siletales in Richtung Nordwesten abbiegt. Ein schmaler Wald­ streifen, bestehend aus Fichten, Tannen, Kie­ fern, Buchen und Eichen, flankiert die Tal­ hänge. Ab Luni/Siletal geht der Waldstreifen links des Neckars in ein 2 Kilometer langes und über 4 Kilometer breites Waldgebiet über. Ein Teil des N eckartales ist seit dem 7. 2.1956 Landschaftsschutzgebiet. Das Schutzgebiet beginnt ungefähr am Anfang des Mühlgrabens an der Brücke vor der Tal­ mühle und endet etwa 200 Meter nach der Einmündung des Luni/Siletales, dort wo der Fluß in seiner Schleife nach Nordwesten abbiegt. Von der Kreisstraße bis nach Deiß­ lingen hat der Neckar ein Gefälle von ca. 40 Metern. An der K 507 6 liegt der Talgrund ungefähr 640 Meter und bei Deißlingen etwa 6 00 Meter über dem Meer. Eine artenreiche T i e r – u n d Pf l a n z e n ­ w e l t ist in diesem beschriebenen Gebiet zu Hause. Schon im Vorfeld des Tales machen sich die Auswirkungen der Gemeinschafts­ kläranlage bemerkbar. In der Nähe der Bahn­ anlage stehen wieder fischende Graureiher im und am Neckar, die hier lange Zeit nicht mehr zu beobachten waren. In den umlie­ genden Wiesen brütet unser größter Regen­ pfeifer, der Kiebitz, der im Frühjahr in tollen Flugkabriolen sein Revier gegen Rabenkrä­ hen und Mäusebussarde verteidigt. Schon Anfang Mai schlüpfen hier in den noch vor­ handenen Feuchtwiesen seine Jungen, die ihr Bodennest sofort verlassen. In den Fichten- und Kiefernbeständen, 208 die sich am linken T alhang von der Kreis­ straße bis fast zur Talmühle hinziehen, nisten die Rabenkrähen, die hier auch stän­ dig zu sehen sind. So verrufen diese schwar­ zen Gesellen als Nest- und Jungtierräuber auch sind, mit dem Bau ihrer Nester schaffen sie anderen Vögeln Nistmöglichkeiten. In den nicht belegten Reisighorsten der Krähen brüten Turmfalken und Waldohreulen, Greifvögel, die ihre Brutplätze nie selbst anlegen. Die dumpfen hu-hu-hu-Rufe der Waldohreule und die fiependen Futterbet­ telrufe der Eulenjungen klingen nachts über das Tal. Das Turmfalkenpaar hat seinen Horst in den hohen Kiefern und versorgt sich und seine Jungen mit Kleinsäugern, die sie in der nahen Feldflur fangen. Ihr Jagdge­ biet grenzt an das Revier anderer Turmfal­ ken, die im Turm der Dauchinger Kirche ihre Jungen großziehen. Auf der Gegenseite des Tales, in der Nähe des Wanderparkplatzes, horstet der Mäusebussard, während nicht weit davon Ringeltaube und Türkentaube Futter für ihre Jungen suchen. Etwas weiter talwärts, gegenüber dem alten Dauchinger Steinbruch, in dem der Steinschmätzer beobachtet werden kann, hat in einer der hohen Kiefern schon der Schwarze Milan seine Jungen hochgebracht, nur wenige Meter neben dem Horstbaum eines weiteren T urmfalkenpaares. Diese Kie­ fern ragen aus einem nicht zu hohen Fichten­ bestand heraus, in dem eine kleine Kolonie Wacholderdrosseln nistet. Der Krametsvo­ gel, wie diese Drossel auch genannt wird, ver­ sieht das Innere ihres amselgroßen Nestes mit einem Erdverputz. Amsel, Singdrossel, Misteldrossel, Buchfink, Dompfaff, Hecken­ braunelle, Mönchsgrasmücke, Gartengras­ mücke, Zilp-Zalp, Grünfink, Goldammer und Zaunkönig sind weitere Bewohner die­ ser Dickung. Reh und Hase sind die Säuge­ tiere, die von hier aus das nahe Feld auf­ suchen, indem wieder Rebhuhn und Feld-

Neckartäle, kurz vor dem Beginn des Landschaftsschutzgebietes Die im Landschaftsschutzgebiet liegende Talmühle mit der klei11c11 Kapelle 209

lerche brüten und wo auch der Ruf der Wachtel zu hören ist. Kurz vor der N eckarbrücke, wo ein Teil des Neckarwassers zur Talmühle abgeleitet wird und wo das Landschaftsschutzgebiet seinen Anfang nimmt, befindet sich in der Talaue, direkt neben dem Neckar ein Feucht­ gebiet, welches die meiste Zeit überflutet ist. Hier ist der Brutplatz von Stockenten. Auch das Bläßhuhn, welches gar kein Huhn son­ dern eine Ralle ist, wurde an diesem Tümpel schon beobachtet, ebenso das Grünfüßige Teichhuhn. Das stehende Wasser ist der ideale Lebensraum für Frösche und Lurche. In dem folgenden Waldstück, welches sich bis zu einem Wiesengelände hinzieht, befin­ det sich ein alter weitverzweigter Felsenbau, in dem Fuchs und Dachs ihre Wohnkessel haben. In der Strauchgruppe oberhalb der Wiese ist das Biotop der Elster, die in dem Astwerk ihre Kugelnester baut, die einen seit­ lichen Eingang haben. Über die vielen Blu­ men der Wiese segeln Schmetterlinge wie der Kleine Fuchs, der Distelfalter, Zitronenfalter, der Kohlweißling, der Admiral, der Kaiser­ mantel und der Schwalbenschwanz. Arten von Scheckenfalter, Perlmuttfalter, Bläuling, Widderchen, Nagelfleck (Spinnerart), Span­ ner und Eulen. Unten im Tal, kurz vor der Mühle, liegt eine kleine 1946 bis 1948 von der Familie Haffa erbaute Kapelle. Durch die wesentlich ältere Talmühle, die 1846 zum ersten Mal ent­ stand, 1920 und 1940 bis auf die Grund­ mauern abbrannte, fließt das Wasser des Mühlengrabens und treibt noch Mühlräder an, bevor es sich kurz nach dem Gebäude in den Neckar ergießt. Ab der Mühle sind beide Hangseiten wieder bewaldet. Kurz vor dem Wald, oberhalb der Mühle, breitet sich eine herrliche Fliedergruppe aus. In den teilweise starken Rotbuchen auf der linken Seite haben der Große Buntspecht, der Grün­ specht und der Schwarzspecht ihre Höhlen, und durch die Baumstämme klingt der Ruf des Tannenhähers. An der Oberseite des Hanges liegen noch die Fragmente einer alten Dauchinger Burganlage, mit Bäumen 210 junger Buntspecht, der am Höhleneingang auf die futterbringenden Eltern wartet Schwarzspechtmännchen an der in 15 Meter Höhe in den Stamm gemeißelten Höhle

Das Rotkehlchen, eines unserer schönsten Singvögel und Sträuchern bewachsen. In den noch sichtbaren Burggraben und dessen Umge­ bung hat das Rehwild seinen Einstand, wel­ ches meistens an dem Wasserbehälter über der Mühle austritt. In den Sträuchern am Waldrand sind Rotkehlchen und Neuntöter, Gartenrotschwanz und Raubwürger zu be­ obachten. Während von den Dauchinger Sportanla­ gen ein schöner Waldweg zu einem Grill­ und Festplatz führt, erhebt sich eine kurze Felswand entlang des N eckars, bewachsen mit einem alten Eichenbestand. In den Eichen befinden sich viele Höhlen, in denen der Kleine und der Große Buntspecht brü­ ten, wo aber auch Kohl-, Blau-, Hauben-, Sumpf-, Weiden- und Tannenmeisen,Baum­ läufer, Kleiber und Star Nistmöglichkeiten finden. Seit der Inbetriebnahme der Kläran­ lage ist in dem Flußabschnitt unterhalb der Felswand bis Deißlingen die Wasseramsel zurückgekehrt. Dieser Vogel stürzt sich in das schnell fließende Wasser und läuft gegen die Strömung auf dem Grund des Gewässers entlang und sucht nach kleinen Wasser­ schnecken und Krebsehen. Auch der durch eine aktive Sportfischergruppe eingesetzte Fischbestand, durch Pannen in der Kläran­ lage zweimal dezimiert, hat sich gut entwik­ kelt. In dem klaren Wasser leben Dreistach­ lige Stichlinge, Regenbogen- und Bachforel­ len, wobei die letzteren weit in der Überzahl sind. Als Futtertiere finden die Fische Rote Bachflohkrebse, die Larven von Eintagsflie­ gen, Zuckmücken und Köcherfliegen. In diesem Zusammenhang muß noch von einem interessanten Versuch berichtet wer­ den: Das sauberste Wasser des Neckarab­ schnittes, der durch unsere nähere Heimat fließt, befindet sich oberhalb der Gemein­ schaftskläranlage. Hier hat sich ein guter Groppenbestand sind Fische, die nur in einem Gewässer leben und laichen, wenn die Wasserqualität in der ober­ sten Güteklasse liegt. Diese Groppen wurden jetzt auch im Bereich des N eckartales aus­ gesetzt. Ihre Entwicklung in diesem Gebiet entwickelt. Das 211

Zwei Schwarze Milane kurz nach dem Ausfliegen Der Mäusebussard auf seiner Warte 212

wird beweisen, ob es uns gelingt, unsere Umwelt auf die Dauer wieder sauber zu hal­ ten. In der Thermik, ausgelöst durch die zusammengerückten Talhänge zwischen der Dauchinger Festwiese und dem Deißlinger Steinbruch, segeln Mäusebussarde, Turmfal­ ken, Rote und Schwarze Milane. Sperber und Habicht schlagen hier und in dem nahen offenen Gelände ihre Beute. Die seltene Schwanzmeise turnt nahrungssuchend im Geäst der Bäume. Braunkehlchen, Zaun­ könig, Hausrotschwanz, Dorngrasmücke, Zaungrasmücke, Fitis, Waldlaubsänger, Sommer- und Wintergoldhähnchen, Baum­ pieper, Grauschnäpper, Stieglitz, Zeisig, Gir­ litz, Grauammer und Fichtenkreuzschnabel bevölkern teils den Boden, teils die Gipfel­ region des Waldes oder die gegenüber dem Steinbruch liegenden Dickungen. Der alte Baumbestand, der vorher die ganze Hang­ sei_te einnahm, wurde durch einen gewaltigen Wirbelsturm am 13. 3. 67 völlig vernichtet. In den dichten und dann wieder stellenweise aufgelockerten Neuanpflanzungen ist nicht nur die Vogelwelt im reichen Maße vertreten, auch das Rehwild, der Fuchs und der Dachs durchstreifen den Hang, der am oberen Ende teilweise durch Sträucher begrenzt wird, auf der Suche nach Nahrung. In dem Neckartäle haben sich überhaupt viele Strauch- und Baumarten angesiedelt. An den Hängen und in der Talaue wachsen außer den bereits genannten Bäumen noch Lärche, Ahorn, Esche, Weißbuche, Akazie, Birken, Pappeln, Weiden, Erlen und Kirschbäume. An Sträu­ chern sind es Schlehdorn, Holunder, Schnee­ beere, Haselnuß, Pfaffenhütchen, Weißdorn und Heckenrose. In den Höhlen der Buchen neben dem stillgelegten Steinbruch zieht der Waldkauz seine Jungen groß. Schon im zeitigen Früh­ jahr sind hier nach dem Einbruch der Nacht seine heulenden und weithin schallenden Balzgesänge zu hören. Nach der hohen Muschelkalkwand des Steinbruches, an dem ein gut besuchter Kinderspielplatz angelegt ist, überquert der Weg den Neckar und führt Der Waldkauz in der Nähe der Keckquellen an den Sammel-und Pumpanlagen der Keck­ quellen vorbei. Mit 150 bis 200 Liter pro Sekunde strömt das 24 bis 25° harte Wasser aus 4 bis 5 Quellen. Ein Teil davon fließt in den Neckar, die überwiegende Menge wird jedoch in die Wasserversorgungsanlagen von Deißlingen, Trossingen, Schura und Schwen­ ningen gepumpt. An den Keckquellen vor­ bei führt der Weg nochmals über den Nek­ kar. Direkt an der rechten Flußseite setzt sich der Hang fort, während das linke Ufer von einem kurzen Waldstreifen begrenzt wird. Am Ende des Waldes hat sich das Tal etwas verbreitert und wird bald darauf von der Autobahnbrücke überspannt. Der 34 Meter hohe und 206 Meter lange Viadukt wurde Mitte der siebziger Jahre nach einer Bauzeit von 35 Monaten und einem Kostenaufwand von 57 Mio DM fertiggestellt. In den Wiesen über dem Tal, zwischen der Autobahn­ brücke und dem Kehlwald waren schon die 213

Der Dachs, ein ständiger Bewohner des Neckartäks Der Fuchs, der sich den Felsenbau mit dem Dachs teilt 214

Wupp-wupp-Rufe des Wiedehopfes zu hören. An den Talhängen nach den Keck­ quellen beginnt der Lebensraum der Kreuz­ otter und der Blindschleiche. Eidechsen huschen durch das Gras, das Kleine und das Große Wiesel haben hier ihr Jagdrevier, wäh­ rend nachts der Igel schnuppernd den Spu­ ren eines Beutetieres folgt. Nach dem Viadukt setzt sich die verbrei­ terte Talaue bis Deißlingen fort. Entlang des N eckars wachsen hier große Bestände der Pestwurz. Neben den Tieren, Sträuchern und Bäumen ist die Flora noch mit Blumen und Orchideen vielfältig vertreten. Folgende Aufzählung soll das verdeutlichen: Acker­ gelbstern, Adlerfarn, Aronstab, Astern, Bärenklau, Blauer Eisenhut, Blut-Storchen­ schnabel, Braunwurz, Brennessel, Busch­ windröschen, Deutscher Enzian, Doldige Wucherblume, Eiblättriges Zweiblatt, Echte Schlüsselblume, Echtes Springkraut, Ein­ beere, Einblättriges Wintergrün, Feldenzian, Franzenenzian, Frühlingsplatterbse, Gänse­ blümchen, Gamander Ehrenpreis, Geißbart, Silberdistel, Gelber Enzian, Gemeine Gemeine Schafgarbe, Gemeine Wucher­ blume, Gemeiner Seidelbast, Gemeiner Wei­ derich, Gemeines Muschuskraut, Graslilie, Große Königskerze, Großer Wegerich, Haselwurz, Herbstzeitlose, Herzblättriges Zweiblatt, Hohe Schlüsselblume, Huflattich, Hundsveilchen, Karthäuser Nelke, Klatsch­ mohn, Kleine Königskerze, Kleiner Klapper­ topf, Kohlkratzdistel, Küchenschelle, Ler­ chensporn, Lichtnelke, Mädesüß, Maiglöck­ chen, Märzveilchen, Mehrblättriges Winter­ grün, Milzkraut, Nestwurz, Pestwurz, Pfir- Schwalbenwurz, sichblättrige Glockenblume, Salomonsiegel, Schwarze Sauerklee, Königskerze, Seidelbast, Sichelhaselohr, Sil­ berdistel, Skabiose Flockenblume, Skabiose Glockenblume, Sumpfdotterblume, Sumpf­ wurz, Taubnessel, Teufelsabbiß, Teufels­ kralle (Ährige), Türkenbund, Waldhyazinthe (Kuckucksblume), Wald-Platterbse, Wald­ wachtelweizen, Wald-Vergißmeinnicht, Wei­ denalant, Wiesen-Augentrost, Wiesenflok­ kenblume, Wiesensalbei, Wiesenschaum­ kraut, Wohlriechender Waldmeister, Wolfs­ eisenhut, Weißes Waldvögelein, Zaunwicke, Zaunwinde. Weitere Vertreter der Flora sind noch Himbeeren, Brombeeren, Walderdbee­ ren und Tollkirschen. Eine vollständige Aufzählung der in die­ sem Gebiet vorkommenden Tier- und Pflan­ zenarten ist in dieser Beschreibung nicht gegeben. Zum Schluß noch etwas über die Entstehung des Neckartäle. Als der Neckar schon eine Weile durch eine Ebene floß, kam es zu Verwerfungen von Erdschichten. Der Boden schob sich an bestimmten Stellen in die Höhe. Der Fluß suchte sein ursprüngli­ ches Höhenniveau zu halten und sägte sich in den verhältnismäßig weichen Muschel­ kalk. Je höher sich der Boden anhob, desto tiefer wurde der Einschnitt. Das geschah in sehr langen Zeiträumen. Auch der jetzige fortlaufend, nur Zustand ändert geschieht das so langsam, daß ein kurzes Menschendasein nicht ausreicht, um die geologischer sichtbaren Veränderungen Epochen in unserem Neckartäle mitzuerle­ Roland Kalb ben. sich Die N eckarquelle im Schwenninger Stadtpark Von Dr. Manfred Reinartz Bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhun­ derts gab es keinen Zweifel daran, wo der Neckar entspringt: im Schwenninger Stadt­ park an der Möglingshöhe. Vor genau 400 Jahren, im Jahre 1581, ließ der damalige Herzog Ludwig von Württem- berg an dieser Stelle – genaugenommen wenige Schritte von hier entfernt – an der Hauptquelle des N eckars einen Stein setzen mit der Aufschrift: ,,Da ist des Neccars Ursprung“. Jener Stein war mit hölzernen Gittern eingeschlossen. So berichtet jeden- 215

Die Historische Neckarquelle vor 1869 mit dem nach rechts abfließenden jungen Neckar. Der links erkennbare Zufluß des Neckars kommt aus Richtung des Schwenninger Mooses. Die Quelle manches kleinen Zuflusses im Ursprungsbereich des Neckars mag wohl weiter von der Mündung des Flusses ent- fernt sein als die Hauptquelle; dennoch ist diese und keine sonst seit Jahrhunderten als Neckarursprung unbestritten. falls der Pfarrer Johann Martin Rebstock in seiner „Kurtzen Beschreibung des Landes Würtemberg“ von 1699. Den alten Historikern und Topographen war jahrhundertelang an Schwenningen nichts erwähnenswert, außer der Tatsache, daß hier der Neckar entspringt, den man gewisserma­ ßen als Herzader des alten Württemberg bezeichnen kann. Erst zu Beginn des 19.Jahr­ hunderts, als in Schwenningen die Industria­ lisierung einsetzte, änderte sich dieser Sach­ verhalt. Heute beginnen wir zu erkennen, daß eben diese Industrialisierung, so segensreich sie für Schwenningen auch war, dem Neckar­ fluß doch auch manchen Schaden zugefügt hat. Der schon erwähnte Pfarrer Rebstock konnte damals noch schwärmen: ,,Der Nek­ karstrom, der dieses Land (wie der Nil Ägyp­ ten) d urchfleußt und fruchtbar macht, … gibt den Inwohnern viel gute Fische, welcher Neckarstrom bey guter Friedens-Zeit mit vie­ len wohlerbauten Städten prangt. An diesem N eckarstrom hat man gesehen viel schöne und erhabene Weinberge, grünende Wiesen und Gärten, viel schöne obsttragende Bäume, Fruchtbringende Äcker und das Land voll zahmen (und) auch wilden Viehs“. 216

Das sieht heute leider auf manchen Strecken ganz anders aus. Zurück zur Geschichte der Neckarquelle! Am 26. April 1444 kaufte Graf Ludwig von Württemberg dem Ritter Cunrat von Fal­ kenstein das halbe Dorf Schwenningen ab, und bis zum Jahr 1558 kauften dann die Württemberger die andere Hälfte Stück für Stück von den Fürstenbergern und ihren Lehensleuten hinzu. Gewiß ging es den Württembergern bei diesem Erwerb nicht um eine Arrondierung des württembergischen Gebiets, ,,denn die Gemarkung blieb bis 1805 rings von Ausland umgeben und schloß sich auch keiner größe­ ren württembergischen Exklave an“ (Strö­ bel). Man kann sich vielmehr das Vorgehen der Württemberger nur so erklären, daß sie aus übermateriellen Gesichtspunkten heraus unbedingt die Q!ielle des Herzflusses von Württemberg in ihre Hand bekommen woll­ ten. 1733 ließ Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg anstelle des alten einen neuen Stein setzen, halbkegelförmig, mit dem alt­ württembergischen Wappen versehen und der heute nicht mehr lesbaren Inschrift 1733 und den Initialen E. L. H. Z. W., d. h. Eber­ hard Ludwig Herzog zu Württemberg. Die Q!ielle davor war in einem viereckigen Sand­ steinbecken gefaßt, über dem zwei Sand­ steinplatten dachförmig aneinandergelegt waren. Der Q!iellstein von 1733 diente also als Rückwand der Brunnenstube. Er steht als Original heute im Schwenninger Heimatm u­ seum, seine Nachbildung sehen wir jetzt im Stadtpark. Interessant ist, was dann 1822 passierte: am 26. Februar 1822 war „unter Ausschluß der Öffentlichkeit“ in einer Scheuer im badi­ schen Dürrheim ein Salzlager erbohrt wor­ den. Das versprach ein lukratives Geschäft namentlich mit der Schweiz zu werden. Daraufhin forderte der württembergische König Wilhelm I bereits Anfang März 1822 eine sofortige Untersuchung darüber, ob man nicht in der Nähe auf württembergi­ schen Gebiet zu einem ähnlichen Erfolg kommen könne. Auf Empfehlung des nach Schwenningen entsandten Salineninspek­ tors Friedrich von Alberti wurde auch so­ gleich im Gewann Meßnerbühl bei Mühl­ hausen mit Bohrarbeiten begonnen, die frei­ lich nichts einbrachten und im Februar 1823 eingestellt wurden. Erst die späteren Bohrun­ gen im Gewann Hilben erbrachten das gewünschte Salz. Immerhin schienen aber doch die Arbei­ ten auf dem Meßnerbühl anfänglich so erfolgversprechend, daß sich der württem­ bergische König entschloß, der Unterneh­ mung am 17. Oktober 1822 einen Besuch abzustatten. In dem Bericht, den der Pfarrer und der Schultheiß von Schwenningen an das Tutt­ linger Oberamt schickten, hieß es über die­ sen Festtag: ,,Nach dem Se. Königliche Maje­ stät nachmittags halb zwei Uhr auf dem soge­ nannten Meßnerbühl bei Mühlhausen ange­ kommen waren, nahmen Allerhöchst Die­ selben dort . . . die dortigen Bohrversuche längere Zeit in Augenschein, begaben sich sodann durch den Ort Schwenningen an den N eckarursprung, wo Sie ebenfalls geruhten mehrere Augenblicke zu verweilen und aus der Q!ielle zu trinken. Hierauf geruhten Se. Majestät die beträchtliche Schwenninger Torfgrube, sowie die Aussicht von einer wei­ teren vorteilhaften Anhöhe Ihrer Aufmerk­ samkeit zu würdigen. Nach HöchstDero Zurückkunft in Schwenningen, woselbst Allerhöchst Diesel­ ben im Pfarrhaus übernachteten, hatten Sie die höchste Gnade, der Gemeinde Schwen­ ningen, nach deren örtlichen Verhältnissen sich Se. Majestät erkundigten, in huldreicher Gesinnung gegen das Pfarramt und den Orts­ schultheißen Ihre gnädigste Zufriedenheit insbesondere zu erkennen zu geben, und die Versicherung Ihrer Huld zugleich mit einem gnädigsten Geschenke für die Ortsarmen zu begleiten.“ Der Rückweg über Rottweil und Obern­ dorf am folgenden Tag war für den Monar­ chen nicht so einfach, verlief doch die Ver­ bindungsstraße zwischen dem württember- 217

gischen Schwenningen und dem württem­ bergischen Rottweil am Schopfelenbühl einige Hundert Meter über badisches Gebiet. Die Badener versuchten nun, die Verbin­ dung zwischen den beiden Niederlassungen der Saline Wilhelmshall in Rottenm ünster/ Rottweil und Schwenningen zu stören und hatten deshalb auf jenem badischen Teil­ stück einige tiefe Quergräben gezogen, um die Straße unpassierbar zu machen. Bevor der württembergische König nach Schwenningen kam, hatte man die badische Regierung gebeten, wenigstens die Straße über Dauchingen befahrbar zu machen; eine Antwort blieb aber aus. So war denn der König zu einem großen Umweg gezwungen, worauf denn Württemberg, um derartige Fälle künftig auszuschließen, sozusagen aus Verärgerung die Straße bauen ließ, die wir heute als (alte) Bundesstraße 27 kennen und die badisches Gebiet umging. Die Anwesenheit des Landesherrn hatte auf die Schwenninger wohl gehörigen Ein­ druck gemacht, trugen sie sich doch mit der Absicht „der Errichtung eines Monuments an des N ekars Quelle zum Andenken an die frohe Tagesfeyer, an welcher Se. Köngl. Maje­ staet unser allergnädigster Landesvater, auf das Wohlseyn der braven Bürger von Schwenningen aus der Nekar Q!ielle zu trin­ ken .. . geruhten“. Jedoch faßte der Gemeinderat am 6. August 1823 den Beschluß, vorsichtshalber noch etwas zuzuwarten, ,,da man in der zuversichtlichen Hoffnung lebt, daß auf Herrschaftliche Kosten diese für Wirtenberg so berühmte N ekars Q!ielle verschönert wer­ den werde“. Da irrte man sich freilich. An Bemühungen, die Q!ielle und ihre in ansehlichem unmittelbare Umgebung Zustand zu bewahren, fehlte es auch in den folgenden Jahrzehnten nicht. Am 12. April 1845 berichtete der Direktor der Schwennin­ ger Saline Wilhelmshall, von Alberti, an das Königliche Finanzministerium in Stuttgart, „daß der Ursprung des Neckars sich in einem Zustand befinde, welche eine Verbesserung sehr wünschenswert mache. 218 Im Jahre 1833″, so fahrt Alberti fort, „wurde durch eine Gesellschaft von Privaten eine neue Fassung der Q!ielle vorgenommen und die nächste Umgebung derselben nicht ohne Aufwand geordnet.“ Und dann wird der gute Mann ziemlich bös‘ in seiner For­ mulierung: ,,Die Bauern von Schwenningen haben aber so wenig Sinn für etwas Schöne­ res, daß von denselben bald das Geländer des Baßins, worinnen der Neckar entspringt, und endlich auch die Baum- und Rasenkul­ tur verwüstet wurde. Der Ursprung des ächt württemb. Flusses verdient gewiß, daß er eine würdigere Umgebung erhalte.“ So weit der Meinungsbeitrag des herr­ schaftlichen Salinendirektors von Alberti. Als der große Brand von 1850 den ganzen Nordteil Schwenningens in Schutt und Asche legte, hatte natürlich niemand mehr Sinn für Verschönerungsarbeiten, da ging’s – wieder einmal – um Fragen der Existenz. 1869 wurde Schwenningen durch den Bau der Eisenbahnlinie von Rottweil nach Villin­ gen verkehrsmäßig erschlossen und Würt­ temberg mit Baden verbunden. Das war gut. Durch den Bau der Bahnlinie wurde aber auch der unterirdische Neckarquellzufluß größtenteils abgeschnitten. Das war schlecht. Man legte deshalb ein Rohr unter der Bahn hindurch und ließ den Neckar in einem run­ den Becken als Springbrunnen plätschern. Auch wurde der Neckarquellstein überarbei­ tet und an seiner Rückseite mit der Inschrift versehen: ,,Neckarursprung, renoviert 1873″. Die kaum mehr lesbare Jahreszahl 1733 und die Initialen Herzog Eberhard Ludwigs wur­ den entfernt. Aber schon 1895 war die unter der Bahnli­ nie hindurchführende Rohrleitung so durch­ gerostet, daß der Springbrunnen seine Tätig­ keit einstellte. ,,Versiegen“ wäre nicht der richtige Ausdruck; vielmehr ging die heraus­ fließende Wassermenge im Vergleich zu der ehemals sehr starken Schüttung der Neckar­ quelle so sehr zurück, daß man sie damals nicht mehr als ausreichend für eine Fluß­ quelle gelten lassen mochte.

Als dann Schwenningen im Jahre 1907 zur Stadt erhoben wurde, wollten die Schwen­ ninger natürlich unbedingt ihre Neckar­ quelle wiederhaben. Nachdem eine Samm­ lung 10.000,- Mark erbracht hatte, schüttete man das Q!.iellbecken zu und errichtete süd­ lich des heutigen Schwanenteichs einen Tuff­ steinbau, von dem herab sich die Q!.ielle in einen See ergoß. Da man nun aber nicht mehr genügend echtes N eckarwasser hatte, speiste man die unechte Q!.ielle mit Wasser aus dem Rinnsal, das dem jungen Neckar schon immer unmit­ telbar unterhalb seiner Hauptquelle zuge­ flossen war und das man auf alten Darstel­ lungen auch gut erkennen kann. Das denkwürdige Ereignis wurde von Gymnasialprofessor Dr. Carl Haag seinerzeit so glossiert: „Miar wussed, wa fir Eer miar hond vum Necker, druuß.“ Und boubad imm a stoane Q!.iellahuus; Ist ou ko Quella doo, miar machad oane, Suß kääm firs Land konn Tropfa Wasser In den dreißiger Jahren, in denen Ge­ schichte nur zählte, wenn sie sich dienstbar machen ließ, beseitigte man dann den Tuff­ steinaufbau, grub stattdessen einen Teich mitten im Schwenninger Moos und stellte eine Tafel daran, auf der behauptet wurde, hier befinde sich die Neckarquelle. Über den schon genannten Moosabfluß bzw. Neckar­ zufluß leitete man Wasser in die Gegend des historischen N eckarursprungs und schuf so eine weitere unechte N eckarquelle. Den Neckarursprung in jenen Tümpel auf dem Schwenninger Moos zu verlegen, ist auch insofern problematisch, als ja das wie ein Schwamm mit Wasser vollgesogene Schwenninger Moos auf der europäischen Wasserscheide liegt und sich auch über die Brigach und den Talbach ins Badische zur Donau hin entleert. Zwar führt oberirdisch ein Abfluß in Richtung Neckar, der läßt sich aber durch ein Brett am N eckarausfluß des Moores nach beiden Seiten hin beliebig regulieren, also entweder zum Neckar und Rhein oder aber zur Donau hin. Derweil geriet der historische Ort der Nek­ karquelle in unmittelbarer Nähe der Bahnli­ nie von Schwenningen nach Villingen – bedingt wohl auch durch die Ereignisse des 2. Weltkrieges – in Vergessenheit. Bis am 12. Oktober 19 54 der damalige Leiter des Hei­ matmuseums, Dr. Rudolf Ströbel, dem Schwenninger Gemeinderat die wahren historischen Zusammenhänge erläuterte und auch auf den ungeschützt im Stadtpark Möglingshöhe daliegenden Q!.iellstein von 1733 hinwies. Daraufhin beschloß der Gemeinderat ein­ stimmig, den Originalstein ins Museum zu bringen und eine Nachbildung desselben im Park an der Möglingshöhe aufzustellen. Für 350 Mark wurde das Werk bei Bildhauer Willi Müller in Auftrag gegeben, der sich auch sogleich an die Arbeit machte und den Stein, wie das eingehauene Datum neben dem Meisterzeichen ausweist, auch noch im gleichen Jahr 1954 fertigstellte. Die fällige Rechnung wurde beglichen: zwar erst im Herbst des folgenden Jahres und dann auch noch in zwei Raten, aber immer­ hin. Danach allerdings wurde es still um die Neckarquelle, Wiederaufbau und Wirt­ schaftswunder setzten andere Prioritäten. Daran änderte sich auch dann nichts, als Dr. Ströbel 1969 das originale Quellbecken entdeckte und freilegte. Nicht weniger als 27 Jahre brauchte es, bis schließlich nach jahre­ langem hartnäckigem Drängen des Verfas­ sers, der Stein an seinen vorbestimmten Platz gelangen und die historische Neckarquelle wieder dort sprudeln konnte, wo sie es seit eh und je getan hatte. Vielleicht bedurfte es ein­ fach eines Jahrhundertdatums wie der 400. Wiederkehr der ersten urkundlichen Erwäh­ nung eines Quellsteins im Jahr 1581. Das herrliche Naturschutzgebiet Schwen­ ninger Moos, dem man vor wenigen Jahr­ zehnten fälschlicherweise die Neckarquelle zuordnete, ist in seiner Einzigartigkeit auch ohne das zweifelhafte Hinweisschild, hier sei der N eckarursprung, schön und attraktiv. 219

der Eisenbahnlinie 1869, ein Teil der unterir­ dischen Zuflüsse abgeschnitten wurde und dadurch die alte Quelle nicht mehr so üppig sprudelte. Natürlich wäre es besonders erfreulich, könnte man von dieser historischen Neckar­ q uelle aus den Neckar selber offen fließen sehen. Der ist aber seit vielen Jahren auf der gesamten Strecke durch Schwenningen hin­ durch verdohlt und dient als Kloake zur Mit­ nahme sämtlicher Abwässer. Ganz so düster scheinen aber auch dort die Aussichten nicht mehr zu sein: auf Anre­ gung des Verfassers hin sind seit etwa zwei Jahren Überlegungen in Gang gekommen und auch schon Pläne entwickelt worden, die zum Ziele haben, den Neckar an manchen Stellen wieder offenzulegen, so daß wieder jedermann sehen kann, daß Schwenningen am Neckar liegt. Niemand soll sich davon abhalten lassen, das Schwenninger Moos zu besuchen und die großartige Naturlandschaft auf sich wir­ ken zu lassen. Das kann aber doch gesche­ hen, auch ohne der seit 400 Jahren eindeutig belegten echten Neckarquelle ihren Rang streitig zu machen. Heute wie vor400 Jahren gilt, was Herzog Ludwig von Württemberg damals in den ersten urkundlich belegten Neckarquellstein meißeln ließ: ,,Da ist des Neccars Ursprung.“ Schließlich ist der Park an der Möglings­ höhe ja auch kein unwürdiger Ort für die Quelle des romantischsten aller deutschen Flüsse. Und wie es den Anschein hat, wird dieser Park immer noch schöner. Eine seit Jahrhunderten einwandfrei loka­ lisierte Flußquelle kann man nun einmal nicht einfach willkürlich verlegen, nur weil durch einen technischen Eingriff, den Bau Die neue alte Neckarquef!e im Schwenninger Stadtpark Möglingshöhe; Nachbildung des Quellsteins von 1733. Die Aufschrift der Tafel besagt unter anderem, daß hier Herzog Ludwig schon 1581 einen Stein errichtete und daß 1822 der württembergische König Wilhelm 1 aus der Quelle trank. 220

Das kann selbstverständlich nicht von heute auf morgen gelingen, schließlich gibt es ja noch viele andere Aufgaben, die eben­ falls wichtig sind. Aber wünschen darf man es schon mal. Man muß es begrüßen, daß das Bewußt­ sein um die historische Bedeutung des Nek­ karflusses und seiner Qielle in den letzten Jahren stetig gewachsen ist. In den dreißiger Jahren unseres Jahrhun­ derts hat man sich in kühner Selbstüber­ schätzung nicht gescheut, Geschichte zurechtzubiegen. Dafür ist die Wegnahme der Neckarquelle von ihrem seit Jahrhunder­ ten belegten Ort nur ein Beispiel unter vie­ len. Gottlob konnte am 6. September 1981 durch die Wiedereinweihung der histori­ schen Neckarquelle am alten Platz dieser Fehler friedlich korrigiert werden. Wenn nun jemand fragt: ,,Hat das, was ihr im Herbst 1981 hier getan habt, nicht Fol­ gen?“ – dann lautet die Antwort: Natürlich hat das Folgen. Postkarten müssen geändert werden, Prospekte, vielleicht auch die eine oder andere Angabe im Brockhaus. Aber diese Folgen, wenn sie denn schon als unan­ genehm empfunden werden, haben doch nicht wir zu verantworten, die wir dem Nek­ kar seine echte Quelle zurückgeben – zu­ rückgeben im Respekt vor der Geschichte-, sondern das haben jene zu verantworten, die seinerzeit dem Neckar ohne Respekt vor der Geschichte eine andere, eine falsche Quelle verpaßten. Hier im Schwenninger Stadtpark Mög­ lingshöhe sind noch Reste keltischer Grab­ hügel vorhanden. Es ist gar nicht unwahr­ scheinlich, daß die N eckarquelle schon in keltischer Zeit vor zweieinhalbtausend Jah­ ren als heiliger Ort galt. So weit brauchen wir in unserer Einstellung zu diesem Ort heute nicht zu gehen. Aber ganz gewiß ehrt alle, die diesen Platz besuchen, das Bekenntnis zur historischen N eckarq uelle. Von einer Baumerkrankung zum Waldsterben Beobachtungen in den Wäldern der Stadt Villingen-Schwenningen Heute steht der Wald einer vor wenigen Jahren noch unbekannten, in ihrem ganzen Ausmaß nicht überschaubaren Bedrohung gegenüber. Kann die Krankheitswelle nicht gestoppt werden, sind unabsehbare wirt­ schaftliche und ökologische Schäden zu befürchten. Menschen, Tiere und Pflanzen verlieren dann den naturähnlichsten, groß­ flächigen Lebensraum. Nach heutigem Wis­ sensstand sind Luftverunreinigungen die wesentlichen Ursachen einer komplexen Erkrankungserschein ung. Schwefeldioxid, Stickoxide, Photooxidantien, Fluor und Schwermetalle spielen dabei eine Rolle. In diesem Beitrag soll nicht nur auf das Problem der Verursachung der Waldschäden und das komplexe Wirkungsgefüge einge­ gangen werden, sondern es werden der bishe­ rige Schadensverlauf, der heutige Schadens­ umfang, die zukünftige Entwicklung erör- tert. Schließlich soll im Ausblick auf die öko­ nomischen Schäden und ein Aufzeigen der noch viel schlimmeren ökologischen Fol­ geerscheinungen uns vor Augen führen: Was � wir , wenn .. .. . d Der Schadensverlauf Die Beobachtungen beschränkten sich in der Vergangenheit auf Krankheitserschei­ nungen bei der Tanne. Die folgenden Dar­ stellungen beziehen sich auf Beobachtungen in den Wäldern der Stadt Villingen-Schwen­ ningen. Da diese Wälder sowohl im Bereich des waldreichen Wuchsbezirks Baar­ Schwarzwald (Buntsandstein) als auch im waldarmen Wuchsbezirk Baar (Muschel­ kalk) liegen, dürften einige Analogieschlüsse auf die durchschnittlichen Verhältnisse des Schwarzwald-Baar-Kreises (SBK) möglich sem. 221

Darstellung 1 Ende 1981 gesund kränkelnd krank sehr krank abgestorben Im Jahre 1982 März/April 1983 Tanne unter 80 J. 96% 4% über 80 J. Fichte unter 80 J. über 80 J. noch keine Schadsymptome verschlechtert sich das Schadbild bei der Tanne erste Krankheitserscheinungen treten bei der Fichte auf – in allen über 40jährigen Beständen werden Stichprobenaufnahmen gemacht. Auf 194 Probeflächen werden je 10 Bäume nach dem Zufallsprin­ zip markiert, die Schadstufen nach bundeseinheitlichen Kriterien der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FV A) angesprochen. Ins­ gesamt werden im Bereich des städtischen Forstamtes 1940 Bäume unter­ sucht. gesund kränkelnd krank sehr krank abgestorben Tanne unter 80. J. 49% 40% 7% 4% über 80 J. 33% 46% 18% 2% 1% Fichte unter 80 J. 57% 38% 3% 2% über 80 J. 43% 48% 8% 1% Baumartenzusammensetzung Schwarzwald-Baar-Kreis Stadt Villingen-Schwenningen Im Schnitt sind derzeit noch 47 % gesund Fichte 78% 69% Tanne 8% 13 % Kiefer Lbh. 9% 5% 16% 2% 44 % kränkelnd 8 % krank 1 % sehr krank 0,1 % abgestorben (= (= 910 Bäume) (= 862 Bäume) (= 153 Bäume) (= 13 Bäume) 2 Bäume) W eitere Beobachtungen Der Krankheitszustand verschlechtert sich mit zunehmendem Alter. Der Wald in Höhenlagen ist i. d. R. stärker erkrankt als in niedrigeren Lagen. Gut gepflegte, stufige Bestände zeigen kein besseres Bild als schlecht durchforstete, dichtstehende, ein­ schichtige Bestände. Mischbestände sind nicht gesünder als z. B. Fichtenreinbestände. Vorgewachsene Bäume (Vorwüchse) sind stärker geschädigt als gleichwüchsige Bestan- 222 desglieder. Verjüngungen unter dem Schutz des Altholzes sind gesünder als freigestellte (abgedeckte) Flächen. Waldränder – vor allem S- und W-Ränder – sind stärker gefähr­ det als geschlossene Waldkomplexe. Der Schadensfortschritt ist beängstigend; die Tanne – als erste Baumart Zeichen zeigend­ hat sich linear, stetig verschlechtert. Die Fichte – später erkrankt – hat sich rapide zum kranken Baum entpuppt. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, werden bereits

Gesunde und kranke Fichten auf engstem Raum 1984 im SBK erste flächenhafte Lücken im Wald durch vorzeitigen Einschlag entstehen. Die kurzfristigen Maßnahmen und ihre Auswirkungen Die Hiebseingriffe des kommenden Forst­ wirtschaftsjahres werden zu einem erhebli­ chen Teil bestimmt sein vom Krankheitszu­ stand der Bäume. Es gilt einen schmalen Grat zu wandern zwischen den Gesetzen der Waldhygiene und der Erfordernis des Hin­ auszögerns des Holzeinschlags. Planmäßige, gestalterische Forstwirtschaft wird zurückge­ hen; nachlaufende, verhütende „Feuerwehr­ forstwirtschaft“ wird einkehren. Nur sehr kranke und kranke Bäume dürfen entnom­ men werden, damit sich nicht ungewollt Brutstätten für Sekundärschädlinge entwik­ keln (Borkenkäfer, Pilze, Insekten). Lau­ fende Kontroll- und Bekämpfungsaktionen werden nötig. Deckungsschutz und Innenge­ füge sind im Wald so lange wie möglich zu erhalten, damit nicht Sturmeinbrüche zu­ sätzliche Schäden verursachen. Der Ein­ schlag der kranken Bäume muß aber so rechtzeitig erfolgen, daß das Holz als Säge­ holz und Industrieholz verwendet werden kann. Der Arbeits- und Personaleinsatz wird von Ort zu Ort häufig wechseln. Zerstreute Mengenanfälle, häufige Wiederkehr werden die Arbeitsproduktivität absinken, die Kosten ansteigen lassen. Die durch Luftverunreinigungen einge­ schlagenen Holzmengen müssen als Schad­ hölzer nach Ort, Menge und Zeitpunkt dokumentarisch erfaßt und nachgewiesen werden. Die wirtschaftlichen Folgen Die Rohstoffunktion des Waldes wird geschmälert. Einern mittelfristigen Überan­ gebot durch krankheitsbedingten Mehrein­ schlag werden später Mindereinschläge f ol­ gen. Heute werden im SBK ca. 230 000 m3 jährlich eingeschlagen mit einem Holz Rohertrag von ca. 30 Mill. DM. Bedingt 223

durch den langen Produktionszeitraum wer­ den nach notwendigen Übernutzungen große Durststrecken folgen. Die Einkommensfunktion des Waldes – für viele Gemeinden ein willkommener Haushaltsposten – wird sich drastisch ver­ schlechtern. (46% des Waldes in unserem Kreis sind in Hand der Kommunen). Die Pri­ vaten (30% Bauernwald; 12% Großprivat­ wald) werden auf die Sparkassenfunktion des Waldes mehr und mehr verzichten müs­ sen. Bäuerliche Betriebe – vor allem im Bereich des Schwarzwaldes – werden in Exi­ stenznot geraten. Die Beschäftigten in Forst- und Holzwirt­ schaft werden langfristig Arbeitsplätze ein­ büßen. Die nachhaltige Versorgung von der­ zeit rund 20 Sägewerken und 210 Betrieben des Holzgewerbes ist gefährdet. Die ökologischen Folgen Weit schlimmer und derzeit nicht quanti­ fizierbar werden die Folgen für den gesamten Naturhaushalt sein. Derzeit sorgen im SBK 11 150 ha Wasserschutzwald für Speicherung und Reinigung von Millionen von m3 Trink­ wasser. Die Wälder unserer Heimat mildern die Klimaextreme der Baar – noch kennen wir den Begriff von „Badisch Sibirien“ nur im Volksmund! Die Erholungssuchenden – davon allein 2,3 Millionen Übernachtungen durch Auswärtige – bedeuten für die Infra­ struktur unseres Kreises viel. Bäder, heilkli­ matische Kurorte, Höhenluftkurorte werden an Attraktivität schlagartig verlieren. Keine noch so gute Werbung kann den Wald erset­ zen. Die einheimischen Pflanzen und die wildlebenden Tiere werden ihren gewohnten Lebensraum einbüßen, die Artenvielfalt wird abnehmen. Wir Menschen werden um Vieles ärmer sein und selbst an Leib und Seele Schaden erleiden. Unsere mittelalterlichen Kirchen und die Fassaden unserer Rathäuser werden angefressen werden, Stürme werden über die kahlen Höhen des Schwarzwaldes fegen, die Winter der Baar werden noch kälter werden, 224 im Frühjahr werden große Hochwässer Schä­ den verursachen. Die Erkrankung unserer Wälder entwik­ kelt sich zu einer Katastrophe. Wir haben sie mitverursacht, helfen wir mit sie schnellstens einzudämmen. Zeit haben wir keine mehr zu verlieren. Eberhard Härle S’Barometer Für waa bruch ich e Barometer? Wia s’Wetter wird – des kennt bal jeder. De Mond – het der en Hof drum rum No heißt es: Jetz keits s’Wetter um. U n sieht mer Schäfliwolke schö … De Volksmund sait: Jetz blüaht de Schnee. Fällt Sunneschie uf de Altar An Liachtmeß – jo, no isch des klar: Dea Fuchs schlupft nomoal in sie Bau Für siebe Woch‘ – des weiß mer gnau! Isch d’Fernsicht dunschtig uf de Höh‘ … No freue euch – no bliebt es schö! Doch – kasch schiar no de Alpe lange So klar liegt alles vor dir anne; Trotz aller Freud‘ saisch vor dir na: Des Wetter hebt nit lang me a! Und dunnterets über de kahle Wald: J etz wirds ganz sicher nomoal kalt. Juckt Kopfhut dich – druckt dich de Zehe: Bald git es Reage – du wirsch’s sehe. Bisch deprimiart und ganz labil: Des Wetter isch halt it stabil. Hesch s’Kopfweh‘ un de Kreislauf spinnt; Kei Wunder s’kunnt vom föhnig Wind. Un hesch des Pech – du bisch opriert D e r Wetterfrosch – d e r funktioniert. Do g’schpürsch de Nebel-d’Narb dea sticht. En andre den ploagt ugschickt s’Gicht. Jo, so e Breaschtli het bal jeder. Zu wa jetz no en Barometer!!! (Furtwanger Mundart) Gertrud Mager

Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Seit 325 Jahren gibt es die „Sonne“ Illustre Namen im Gästebuch des ältesten Donaueschinger Hotels Im Wappen auf der repräsentativen Ein­ gangsfront die Jahreszahl 1658. Bis in dieses Jahr kann die „Sonne“ in Donaueschingen ihre Geschichte als Gaststätte zurückführen. Heute ist das Hotel und Restaurant „Zur Sonne“ an der Karlstraße 38 nicht nur der älteste Beherbergungsbetrieb in der Stadt der Fürstenberger, sondern weit über die Landes­ grenzen hinaus ein Begriff für Tradition und gediegene Baaremer Gastlichkeit. Vor 3 25 Jahren, als die „Sonne“ erstmals in einer Urkunde des Fürstenbergischen Archi­ ves erwähnt ist, war Donaueschingen noch ein Dorf mit einem Schloß, in dem nur zeit­ weise Mitglieder aus den verschiedenen Linien des Hauses Fürstenberg wohnten. Immerhin 1658 – zehn Jahre nach dem Frie­ den von Münster, der den unseligen Dreißig­ jährigen Krieg beendete, ging es auch im Her­ zen der Baar wieder aufwärts. Zeichen dafür ist, daß nur wenige Jahrzehnte später aus dem ländlichen Donaueschingen, das bereits 1580 einen Wochenmarkt hatte, ein Resi­ denzflecken wurde. Es war Fürst Anton Egon zu Fürstenberg aus der Heiligenberger Linie, der um 1700 Teile seiner Verwaltung in Donaueschingen konzentrierte. Auch die gastronomische Konkurrenz blieb nicht aus. Um 1680 kamen aus der Schweiz die Buris nach Donaueschingen, erwarben 1724 ein Mit erneuerter Fassade ins 325.Jahr des Bestehens: Hotel „Zur Sonne“ in Donaueschingen 225

berg-Bräu und reine Markgräfler Weine“. Bereits im Besitz der Familie Mönch, der Erben und Nachfahren der Gutmanns, begann 1956/57 eine neue Ära für die „Sonne“. Im Zuge der Begradigung der Hauptgeschäftsstraße, der Karlstraße, wurde das bisherige Gasthaus abgebrochen. In der zurückverlegten Straßenflucht erstand das neue Hotel-Restaurant. Bauherrin war Frau Elise Mönch, geborene Haderer aus Furt­ wangen. Ihr Mann, Franz Mönch, blieb an der Rußlandfront bei Stalingrad vermißt. Die Bauleitung hatte Architekt Hall; in Johann Mönch, Bauführer bei dem Bauun­ ternehmen Friedrich Schreiber, hatte die junge Bauherrin – heute Seniorin und seit 45 Jahren mit den Geschicken der „Sonne“ aufs engste verbunden – beim Wiederaufbau einen versierten Helfer und Baufachmann. Im Jahrgang 1966/67 erwähnt erstmals auch der Baedeker das komfortable Hotel­ Restaurant „Zur Sonne“ in Donaueschingen mit 29 Betten. Der Bettenzahl nach rangiert das Haus damals an vierter Stelle in der Reihe der Donaueschinger Hotels und Gaststätten: nach den Häusern „Schützen“ und „Bären“ Ue 75 Betten), „Grüner Baum“ (50), „Adler“ (30). Inzwischen – seit vier Generationen im Familienbesitz – ist die „Sonne“ in Donau­ eschingen zum ersten Haus am Platze auf­ gerückt. Seit 1970 zeichnet die vierte Mönch-Gene­ ration verantwortlich: Harald Mönch und Frau Monika, geborene Felder, aus Luzern stammend. Unter ihnen ist das Haus laufend den gehobenen Ansprüchen des modernen Gastes angepaßt worden: mit Garagen und eigenem Parkplatz, gepflegten Gasträumen (auch für Konferenzen, Tagungen, Familien­ feiern), mit dem heimeligen „Max-Rieple­ Stüble“ und mit moderner Sauna; die Frem­ denzimmer heute sämtlich mit Dusche/WC beziehungsweise Bad/WC. • • • ·‘ Strahlende „Sonne“-Gastronomen: Monika und Harald Mönch Anwesen an der heutigen Schützenbrücke und begannen zwei Jahre später im Heim der bäuerlichen Schützengilde zu wirten, aus dem nachmals das Hotel „Zum Schützen“ hervorgegangen ist. Leider hat der Donaueschinger Stadt­ brand vom Jahre 1908 die Gemeinde- und nachmaligen Stadtakten nahezu restlos ver­ nichtet. Somit erfahren wir über Donau­ eschinger Geschlechterfolgen und deren Besitzverhältnisse Näheres erst mit dem Beginn dieses Jahrhunderts. Im Adreßbuch der „Kur- und Garnisonstadt“, wie Donau­ eschingen sich im Jahr 1913 nennt, empfiehlt der Gastwirt Gottlieb Gutmann die „Sonne“ an der Karlstraße 38 als „Altbekanntes bür­ gerliches Haus mit großen Lokalitäten fur Vereine, Gesellschaften und Fremde“. Weiter sind angeführt: „Fremdenzimmer, große Radfahrerhalle und Stallungen“. Zum Aus­ schank kommen das “ weltberühmte Fürsten- 226 Mit zur Familie in der „Sonne “ gehört Frau Luise Dold, seit 45] ahren der „gute Geist des “ . Gebürtig aus Schönenbach bei Hauses “ Furtwangen, kam sie 1938 in die „Sonne nach Donaueschingen. Inzwischen eine

Fünfundachtzigerin, wirkt sie nach wie vor als Beschließerin und ist für die Sprößlinge der “ vierten Mönch-Generation längst zur „Oma geworden. Ihr großer Tag, der 3. Oktober 1983, da sie mit der Bundesverdienstmedaille geehrt wurde. Und was wäre ein nobles Hotel ohne Gästebuch. Auch das gibt es – seit dem 27. Juni 1967 – im Haus „Zur Sonne“. Eröffnet wird es mit einer „Ouverture solonelle“ (Son­ nen-Ouvertüre) von Minister Feist. Der lang­ jährige Schweizer Landwirtschaftsminister, ein Freund des Hauses, meint:“ Was für den Stier das rote Tuch – ist für den Gast das Gästebuch; das schrieb einmal der große Goethe, leicht angehaucht … “ Donaueschingen hat zum Glück seinen eigenen (,,Brigach“)-Goethe, der an Fastnacht 1966 dichtet: „‚Die Sonne‘, seit Jahrhunder­ ten ein Begriff in Alt-Donaueschingen, ist heute neu aufgegangen über der in der sonni­ gen Baar gelegenen Donauquellstadt, ein repräsentatives Haus, in dem sich der Fremde wohl – und der Eingesessene heimisch fühlt. Das sei dankbar hier anerkannt. Ein ehrlicher ,Sonnen’anbeter … Max Rieple“. „Wie schön ist es trotz Regenwetter in der ,Sonne“‚ freut sich Ernest Bour, seinerzeit der Chef des Südwestfunk-Orchesters, und Fritz Tiedemann, der bewährte Parcourchef bei den Prinz-Cari-Gedächtnisturnieren der internationalen Springreiter-Elite, kontert: ,,Regen gab’s genug, aber auch eine ,Sonne'“. ,,Es war wunderbar“ befindet Lou van Bourg, der Onkel mit dem „Goldenen Schuß“ bei seinem Gastspiel in Donaueschingen, und Hans Joachim Kulenkampff, der mit Oscar Wilde’s Theaterstück gastierte, trägt sich ein mit ,,,Ein idealer Gatte‘ und ein ,ideales Hotel'“. „Grüezi und merci vielmal“ – wer könnte es anders sein, wenn nicht Vico T orriani? Und „Brotzeit ist die schönste Zeit“ – beson­ ders im Hotel „Sonne“, das kann nur von den Das heimelige „Max-Rieple-Stüble“ in der Donaueschinger „Sonne“ 227

drei Lustigen Moosachem aus München stammen. „Die ,Helden‘ sind müde, und meine Gedanken schon ziemlich trübe“ reimte 0. W. Fischer nach dem Gastspiel mit Shaws Heldenkomödie mit dem Schweizer Hauptmann Bluntschli in der Titelrolle. Freilich, es hieße Fürstenberger Pilsener nach Donaueschingen tragen, wollte man sie alle aufzählen, die Bühnensterne und Plat­ tenstars, die sich allein im letzten Jahrzehnt im Gästebuch der Donaueschinger „Sonne“ verewigt haben: Gloria Davy, Roberta Blanco, Costa Cordalis, Barbara Rütting, Ruth Heilberg, Dinah Hinz, bis hin zu Lisa Fitz aus Bayern, bis zu Heino und Rainer Helbig, den blonden Jungs vom Elbestrand. Und wenn einst ein hochbetagter Regie­ rungsdirektor i. R. – ,,schon leicht senil“ – im Gästebuch reimte: ,, Wo ein Mönch den Hunger stillt/Und dem Gast den Humpen füllt/Und wo die Mönchin keine Nonne/Da zu weilen ist ’ne Wonne“ … Nun, viele andere haben es ihm dankbar nachempfun­ den, wie gut sich, ohne den eigenen Geist zu strapazieren, im Donaueschinger Gästebuch Wonne auf „Sonne“ reimt. Lorenz Honold Die Tradition lebt weiter Aus der Geschichte des Gasthofs ,,Engel“ in Vöhrenbach Der Schwarzwald ist für Feinschmecker eine eher karge Landschaft. Er bietet Wild, Pilze und Fisch. Köstlichkeiten zwar und ausreichend für die traditionelle Küche, für die „nouvelle cuisine“, die neue Küche, die Wert auf ein der Jahreszeit entsprechendes Angebot legt, die erstklassige Zubereitung und Frische bieten will, reicht das Angebot unserer Landschaft nicht aus. Um so erstaun­ licher ist es deshalb, daß sich gerade hier, in Vöhrenbach, ein Gasthof mit seiner „nou­ velle cuisine“ einen erstklassigen Ruf erwor­ ben hat und das nicht nur im Schwarzwald­ Baar-Kreis. Gemeint ist der „Engel“, eines der ältesten Häuser am Ort. Der „Engel“ kann auf eine 438jährige Geschichte verweisen. Der Gasthof war ü her einen langen Zeitraum hinweg nicht nur der Ort, wo übernachtet und gespeist wurde, sondern im „Engel“ fanden auch die Kon­ zerte der Vereine und die Fasnet statt, er war bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts die ,,Festhalle“ der Vöhrenbacher. Wie alt der traditionsreiche Gasthof ist, weiß niemand. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der „Engel“ im Jahr 1544. Damals war der Gasthof bis auf die Grundmauern nieder­ gebrannt. Er ist aber am selben Platz wieder 228 aufgebaut worden, nur wenige Meter von einem der früheren Stadttore entfernt. 163 9, der 30jährige Krieg tobte. Schwe­ dische Soldaten drangen in Vöhrenbach ein, plünderten die Stadt, legten Feuer, und fast die gesamten Anwesen fielen den Flammen zum Opfer. Darunter auch der „Engel“, das Gasthaus war zum zweiten Mal abgebrannt. 1819, in der Nacht zum 31. Dezember, stand die Stadt zum dritten Mal in Flammen. Nur neun Häuser wurden nicht beschädigt, darunter das Engelwirtshaus. Nicht nur der „Engel“, auch die Familie, in deren Besitz sich der Gasthof heute befindet, kann auf eine lange Tradition verweisen. Franz-Josef Furtwängler in der „Vöhren­ bacher Chronik“: ,,Ein- und dieselbe Wirts­ familie thront dort, wie eine ägyptische Pharaonendynastie, seit einem Vierteljahr­ tausend und ist heute noch dort.“ Die Rede ist von dem Geschlecht der Ganter-Ketterer, das aus der Familie Josef Ganter hervorging. Dieser Engelwirt wurde 1703 geboren und war ein Sohn von Kaspar Ganter, der von 1720 bis 1732 in Vöhrenbach Schultheiß war. Bereits 20 Jahre vor seinem Tod hat er 1762 den Gasthof an seinen Sohn Kaspar abgetre­ ten, der ihn bis 1836 führte.

Der Gasthof„Engel“ in Vöhrenbach Auf ihn folgte Josef Ganter, der bis 1845 lebte. Sein Sohn Reinhold war der nächste Besitzer des Engels. Er hinterließ ihn seiner Tochter Maria, die 1874 den Spieluhrenma­ cher und Doppel-Feldzugsveteranen Rein­ hold Ketterer heiratete. Das Geschlecht der Ganter ging nun in das Geschlecht der Ket­ terer über, das heute noch den „Engel“ umtreibt. Der nächste Engelwirt war Ernst Ketterer, der 1944 starb und sich um Vöhrenbach sehr verdient gemacht hat. Er setzte sich für die Förderung des Fremdenverkehrs ein und hat auch wesentlichen Anteil an der Gründung der Vöhrenbacher Karnevalsgesellschaft. Sein Sohn Ernst Reinhold, inzwischen 79jährig, wurde der siebte Engelwirt. Ernst Reinhold Ketterer hilft heute noch seinem Sohn Reinhold, dem achten Engelwirt, bei der täglichen Arbeit in der Küche. Bevor Ernst Reinhold Ketterer im Jahr 1944 den „Engel“ von seinem Vater übernommen hat, war er in vielen Hotels tätig. Höhepunkt sei­ nes Aufenthalts in der Fremde ist die Anstel­ lung als Hofkoch bei der Großherzogin von Luxemburg gewesen. Ernst Reinhold Kette­ rer war von Kindheit an mit dem harten Dasein als Gastronom vertraut. Er erinnert sich noch gut an seine Jugendjahre, wo er oft um halb vier Uhr morgens aus dem Bett stei­ gen mußte und ins einige Kilometer ent­ fernte Linachtal wanderte, um frische Forel­ len für die „Engel“ -Gäste zu fangen. Bei Tagesanbruch kehrte er über die Höhe zurück, lieferte die Fische ab und ging anschließend zur Schule. Fortgeführt wird auch eine weitere Tradi­ tion: Die gute Küche. Daß man auch in der Vergangenheit bemüht war, sich auf diesem Gebiet fortzubilden, hat eine Engelwirtin, 229

Die siebte und achte Generation: der 79jährige siebte Engelwirt Ernst Reinhold Ketterer, rechts der achte Engelwirt, Küchenmeister Reinhold Ketterer Sofie Ketterer, um 1900 bewiesen. Sie zog in die Fremde, nach Paris, um dort ihre Koch­ künste zu verfeinern. Für eine Frau, die zu Beginn dieses Jahrhunderts lebte, eine beachtliche Leistung. Daß bereits etliche Kritiker die „nouvelle cuisine“ des „Engel“ als hervorragend einge­ ist auf Reinhold Ketterer stuft haben, zurückzuführen, den achten Engelwirt. Er wurde im „Adler“ in Hinterzarten ausgebil­ det und war bereits mit 24 Jahren Küchen­ meister. Der Koch über seinen Beruf: ,,Man muß mit viel Liebe dabei sein“. Eine wichtige Voraussetzung zwar, doch Liebe allein dürfte nicht ausreichend sein, um mit dem Fisch, Geflügel und Gemüse vom Pariser Groß­ markt eine erstklassige „nouvelle cuisine“ 230 bereiten zu können. Neben der Leidenschaft ftir die neue Küche muß auch Können vor­ handen sein. Vervollständigt hat Reinhold Ketterer seine Fertigkeiten bei Restaurant­ Besuchen in Frankreich, und zu dieser prakti­ schen Weiterbildung kam die Theorie hinzu, das Studium umfangreicher Fachliteratur. Angesichts der 438jährigen Geschichte des Gasthof es fühlen sich Reinhold Ketterer und seine Frau Ursula, die die Leidenschaft ihres Mannes für die neue Küche teilt, auch der traditionellen Küche verbunden. Fazit: Die Tradition lebt weiter; die Geschichte des „Engels“ und des Geschlechts der Familie Ganter-Ketterer ist mit dem ach­ ten Engelwirt erneut um ein Kapitel reicher. Wilf ried Dold

Persönlichkeiten der Heimat Renate Liessem-Breinlinger: Karl Brachat Ein prominenter Villinger Schulmann und Abgeordneter sten Überzeugungen nicht Zufallsprodukte einer ruhigen Entwicklung waren, sondern daß sie gewachsen waren in der Auseinander­ setzung mit einem System, das ihn benach­ teiligt, gemaßregelt und verdrängt hatte. Vielleicht rührte von diesen Erfahrungen her seine tiefe Skepsis gegenüber allzu laut und allzu forsch vorgetragenen Meinungen. Daß er nie seine feine Selbstironie verlor, machte ihn zu einem außerordentlich liebenswerten Menschen, dem Gespür für das Maß eigen war. “ Andere Zeit- und Weggenossen charakte­ risieren Karl Brachat ohne Zögern in der glei­ chen Weise. Professor Karl Friedrich Kindler, Präsident des Oberschulamts Freiburg, nennt ihn einen Volksmann im besten Sinn des Wortes, klar und direkt, hochangesehen und anerkannt. Herbert Holtzhauer, der mit Karl Brachat von 1952 bis 1964 Abgeordne­ ter in Stuttgart war, aber der SPD-Fraktion angehörte, erinnert sich an ihn als einen libe­ ralen Politiker, der seinen eigenen Weg ging. Er sei immer bereit gewesen, seine Gedanken in Zweifel zu ziehen, wenn neue Argumente dies erforderlich machten. Dr. W emer Katein, Leitender Ministerialrat im Kultus­ ministerium in Stuttgart, fällt zuerst Brachats gewinnende Herzlichkeit ein, die Lauterkeit, die er ausstrahlte, die Toleranz, die er lebte, die Hochachtung, die ihm auch von Ange­ hörigen anderer Fraktionen entgegenge­ bracht wurde, seine Rednergabe und sein mitreißendes Temperament, die Selbstver­ ständlichkeit, mit der er immer für andere da war, und seine Bescheidenheit, was seine p_ersönliche Karriere anbetraf. Exponierte Amter, die man sich für ihn hätte denken können, habe er nie angestrebt. 231 Am 25. Mai 1971 verstarb der Villinger Schulmann und CDU-Landtagsabgeordnete Karl Brachat. Landtagspräsident Camill Wurz, der ihm in Villingen die Grabrede gehalten hatte, würdigte ihn auch vor dem Landtag in Stuttgart in der Sitzung vom 24.Juni 1971: Würdigungen „Wohl jeder von uns wird den noblen und unabhängigen Parlamentarier Karl Brachat in Zukunft vermissen. Er gehörte zu der nun­ mehr immer kleiner werdenden Zahl jener Abgeordneten, die von der Gründung des Landes Baden-Württemberg an die Arbeit, den Stil und die Wirksamkeit dieses Hauses mitbestimmt haben. Aus seiner Haltung, aus seiner überlegenen und geläuterten Unab­ hängigkeit spürte man heraus, daß seine tief-

Die Schulfrage in Baden-Württemberg Die Bedeutung, die Brachats Wirken erlangte, hängt einerseits mit seiner Persön­ lichkeit zusammen, andererseits mit der Tat­ sache, daß sein Fachgebiet, die Schulpolitik, gleich 1952 in der Verfassungsgebenden Ver­ sammlung im Mittelpunkt der Beratungen stand. Es galt, im Bereich der öffentlichen Volksschule den Gegensatz zwischen Simul­ tanschule und Konfessionsschule zu über­ brücken. In Baden war die Simultanschule, die gemeinsame Erziehung von Schülern verschiedener Bekenntnisse, seit 1876 gesetz­ lich verankert; in Württemberg war sie erst 1937 unter dem Nationalsozialismus einge­ führt und nach dem Krieg wieder in Frage gestellt worden. Die Verfassung von 1953 beließ deshalb allen Landesteilen die Form der Volksschule, die am 9. Dezember 1951, am Tag vor der Volksabstimmung, gegolten hatte. Das bedeutete für Südwürttemberg die Möglichkeit der Konfessionsschule. Brachat war ein entschiedener Verfechter der Simultanschule, wie sie schließlich am 8. Februar 1967 in einem verfassungsändern­ den Gesetz vom Landtag einmütig als ver­ bindlich für das ganze Land beschlossen wurde. Als Villinger hatte Brachat die schul­ politische Grenze, die zwischen dem badi­ schen Villingen und dem württembergi­ schen Schwenningen verlief, immer als hin­ derlich und unsinnig empfunden – ein Grund dafür, warum er sich für den Südwest­ staat, also die Bildung des Landes Baden­ Württemberg, einsetzte und kein „Altbade­ ner“ war. Innerhalb des neuen Staates war er jedoch für die Erhaltung der kulturellen Identität der Landesteile. Lebenslauf Karl Brachat war zwar mit Leib und Seele Villinger, geboren wurde er jedoch 1901 in Gailingen am Bodensee. Sein Vater war dort Lehrer. Am Ort besuchte er von 1907 bis 1912 die Klassen 1 bis 5 der Volksschule, dann die Realschule in Singen am Hohentwiel von der O!iinta bis zur Untersekunda, also bis zur Mittleren Reife, die er 1917 mitten im Ersten 232 Weltkrieg ablegte. Von 1917 bis 1920 besuchte er das Lehrerseminar in Ettlingen bei Karlsruhe. 1921 nahm er den Dienst auf. Als Hilfs- bzw. Unterlehrer unterrichtete er in fünf verschiedenen Gemeinden. Das ist seinen Dienstakten zu entnehmen, die sich im Staatsarchiv Freiburg befinden: 1921 in Konstanz, 1921/22 in Ilmensee/Kreis Pful­ lendorf, 1922-1924 in Kenzingen, 1924/1925 in Denzlingen/beide Kreis Emmendingen. Von 1925 bis 1927 wurde er auf eigenes Ansu­ chen zu Studien, die leider nicht näher beschrieben sind, entlassen. Die in Freiburg lebende Schwester Karl Brachats, Frau Berta Herz, erinnert sich, daß Freiburg und Göttin­ gen die Studienorte waren.1927 nahm er den Dienst in Niederrimsingen/Kreis Freiburg wieder auf. Hier wurde er 1930 Hauptlehrer. Im gleichen Jahr heiratete er die aus dem Ort stammende Wirtstochter L ydia Hößle, die ihm eine treue Gefährtin war. Im Zentrum aktiv Schon in seiner Zeit als Junglehrer fühlte sich Brachat von der Politik angezogen. Seit 1927 war er Mitglied der katholischen Zen­ trumspartei. Er gehörte zu einem Kreis enga­ gierter junger Leute um den Zentrumsführer Prälat Schofer, zur sogenannten Schofer­ schar. Brachat betätigte sich aktiv als Partei­ redner, auch als Diskussionsredner in Ver­ sammlungen der NSDAP. Im Juni 1933 kam es zu einem Zwischenfall: Nach einer Rede in Niederrimsingen, in der Brachat die Hoff­ nung auf ein baldiges Ende der Regierung Hitler geäußert hatte, wurde er von SA-Leu­ ten offenbar in rüder Weise abgeholt, nach Freiburg gebracht und dort kurzfristig festge­ halten. Die NS-Zeitung „Der Alemanne“ berichtete darüber am 9.Juni 1933 unter der Überschrift „Schwarze Hetzereien“: ,,Aus­ gerechnet an einem hohen kirchlichen Fest­ tag mußte die fromme Zentrumspartei einen ihrer Hetz-Abende abhalten, wozu man sich unter dem Deckmantel einer Familienunter­ haltung am Pfingstsonntag in der ‚Tanne‘ einfand. Oberlehrer Karl Brachat ließ eine flammende ’nationale‘ Rede vom Stapel,

aber nur über das Zentrum und Brüning. Er betonte, schon drei Monate hätte das Zen­ trum schwer zu leiden, aber er glaube, es wären die letzten. (Unser Beileid!) Es ist höchste Zeit, daß dieser Lehrer aus unserem Dorf verschwindet.“ Die Schulbehörde erwog eine „ Versetzung ohne Unkostenver­ gütung wegen politischer Betätigung“ – so lautet der Eintrag in seiner Personalakte vom November 1933. Unterbiederbach im Kreis Waldshut war zunächst vorgesehen. Dann wies man ihm aber das ferner gelegene Pfaf­ f enweiler bei Villingen als neuen Dienstort zu. Herbert Holtzhauer interpretiert es wohl richtig, wenn er sagt, Pfaffenweiler sei für Brachat die „innere Emigration“ gewesen. Sie dauerte an bis 1945. Kriegsteilnehmer Karl Brachat war Kriegsteilnehmer. Im März 1941 wurde er einberufen. Er war Gefreiter, Obergefreiter und schließlich Unteroffizier. Am 10. April 1945 wurde er als Feldwebel aus der Wehrmacht entlassen. Wo er eingesetzt war, geht aus den dürren Anga­ ben über seine „Militärverhältnisse“ nicht hervor. Sein Neffe, Dr. Werner Herz in Vil­ lingen, weiß, daß er im Verwaltungsdienst bei der Luftwaffe war. Als Stationen sind ihm Freiburg, Oslo in Norwegen und Laupheim in Oberschwaben bekannt. Wie bei den mei­ sten Lehrern jener Zeit hatte es sich im Laufe der 30er Jahre auch für Karl Brachat trotz sei­ ner Anti-Haltung ergeben, daß er Angehöri­ ger etlicher Gliederungen der NSDAP wurde, zum Beispiel des NS-Lehrerbundes und der NS-Volkswohlfahrt. Auch den Mas­ seneintritt in die Partei 1937 hat er mit­ gemacht. Deswegen stand nach Kriegsende seine Entnazifizierung an. Er erhielt 1948 von den Franzosen sein „Certificat d’epura­ tion“, die „Säuberungsbescheinigung“, mit dem Vermerk „keine Sühnemaßnahmen“. Seine Rehabilitierung vor deutschen Autori­ täten war schon früher erfolgt: 1946 hatte ihm das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg die Missio canonica neu erteilt, 194 7 wurde er vom badischen Staat wieder in die vollen Beamtenrechte eingesetzt. Er hatte damals sein öffentliches Wirken und seine politische Aktivität schon wieder aufgenommen: im Rahmen des katholischen Männerwerks und in der Christlich-sozialen Volkspartei, wie die südbadische CDU vor 1947 hieß. 1949 wurde er Kreisvorsitzender der CDU Villin­ gen. Siedlungswerk „Neue Heimat“ Von nachhaltiger Wirkung war sein Enga­ gement für das kirchliche Siedlungswerk der Erzdiözese Freiburg, das den Namen „Neue Heimat“ führte und kürzlich (1982) in „Fami­ lienheim – gemeinnützige Baugesellschaft“ umbenannt wurde. Karl Brachat war 1949 maßgeblich an der Gründung der „Neuen Heimat“ für den Kreis Villingen beteiligt. Neben E wald Merkle und Albert Haas gehörte er dem Vorstand an. 3000 Wohnun­ gen wurden durch die Gesellschaft im Kreis­ bereich seither erbaut. Abgeordneter in Stuttgart Den rechten Rahmen für seine Aktivität fand Brachat im Landtag in Stuttgart. Seine Leistungen während der ersten Legislatur­ periode von 1952 bis 1956 überzeugten derart, daß ihm 1956 die Leitung des Kultur­ politischen Ausschusses anvertraut wurde – angesichts der Kulturhoheit der Länder und der wichtigen schulpolitischen Entscheidun­ gen, die bevorstanden, eine verantwortungs­ volle und angesehene Aufgabe. Maßgeblich hat er am Lehrerbildungsgesetz von 1958 mitgewirkt, das zur Schaffung der Pädagogi­ schen Hochschulen führte. Neben sechs Pädagogischen Hochschulen simultaner Prä­ gung gab es noch zwei mit katholischem und eine mit protestantischem Charakter, bis 1969 die konfessionelle Lehrerbildung vom Landtag einstimmig und in Übereinkunft mit den Kirchen abgeschafft wurde. Brachat setzte sich auch für die Einfüh­ rung des neunten Schuljahres ein, das 1964 zur Pflicht wurde, für den Ausbau des zwei­ ten Bildungsweges, dessen Einrichtungen in den späten 60er Jahren sprunghaft zunah- 233

men. Brachat trat für die finanzielle Besser­ stellung der Lehrer ein, indem er dazu bei­ trug, daß das 6. baden-württembergische Besoldungsänderungsgesetz vom 6. 7.1965 zustandekam. Es enthält als Kernstück die Anhebung der Volksschullehrerstellen. Ein Anliegen war Karl Brachat auch das Sonder­ schulwesen. Sein letzter großer Antrag im Landtag galt dem Hausunterricht für dauernd Schulunfähige oder längerfristig Erkrankte. Rektor und Schulrat in Villingen Bis 1949 war Pfaffenweiler der Dienstort Karl Brachats. Dann wurde er zum Rektor in Villingen ernannt. 1952 schied er wegen der Wahl in die Verfassungsgebende Landesver­ sammlung, die anschließend als erster Land­ tag bestehen blieb, aus dem Schuldienst aus. Man hatte damals das Gesetz über die Rechtsstellung der in den Ersten Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes angewandt, wonach eine Abgeordneten- und eine Beamtentätig­ keit als unvereinbar galten. Durch ein Lan­ desgesetz von 1955 wurde das geändert. Ab 1956 konnte Brachat wieder Rektor in Villin- gen sein. 1960 wurde er zum Schulrat ernannt, 1961 zum Oberschulrat und Dienst­ vorstand des Kreisschulamtes Villingen. 1966 trat er als Beamter, nicht aber als Abgeordneter in den Ruhestand.1963 wurde er mit der Verleihung des Bundesverdienst­ kreuzes geehrt. Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger überreichte es ihm persön­ lich am 18. September in der Villa Reitzen­ stein in Stuttgart.1971 wurde er Ehrenbürger der Stadt Villingen. Brachat hatte nach den Jahren der erzwun­ genen Ruhe und Zurückhaltung das Glück, in eine Zeit hineingestellt zu sein, die einem aktiven Menschen wie ihm Gestaltungsmög­ lichkeiten in reichem Maß bot. Er hat die Chance genutzt, seinem Wahlkreis Villingen ist es zugute gekommen. Am Anfang wurde aus der Gedenkan­ sprache des Landtagspräsidenten von 1971 zitiert. Lassen wir ihn zum Schluß noch ein­ mal zu Wort kommen: ,,Im übrigen beruhte die Wirkung, die von seiner Persönlichkeit ausging, weniger auf den von ihm wahrge­ nommenen Funktionen als vielmehr auf der Ausstrahlungskraft einer in sich ruhenden Persönlichkeit.“ Helmut Heinrich Im November 1978 wurde der damalige Leiter des Staatlichen Schulamts Villingen­ Schwenningen, Schulamtsdirektor Helmut Heinrich, nach insgesamt 42 Jahren pädago­ gischer und kultureller Tätigkeit in einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet. Heute reiht er sich ein in die Schar der „Sieb- “ . z1ger . Er ist gebürtiger Unterländer, wurde 1913 in Obergimpern, Kreis Sinsheim, geboren und legte 1933 an der Oberrealschule in Sins­ heim die Reifeprüfung ab. Er fühlte sich schon früh zum Lehrberuf hingezogen, doch gab es damals für den Abiturienten keine Möglichkeit zum Studium. Als schließlich 1936 die Hochschule für Lehrerbildung 234 Karlsruhe ihre Pforten wieder öffnete und damals bereits bei der Auswahl der Studieren­ den ein strenger Numerus clausus geübt wurde, begann Helmut Heinrich sein Lehrerstudium. Seine erste Stelle war Willstätt bei Kehl. Im Mai 1940 wurde er zum Wehrdienst einberufen. Im Kriegsjahr 1941 schloß er die Ehe mit Therese Todt, die ebenfalls an der Hoch­ schule für Lehrerbildung in Karlsruhe stu­ diert hatte und an einer Schule ihrer Heimat­ stadt Villingen tätig war. Drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, wurden dem Paar geschenkt. 3112 Jahre verbrachte Helmut Heinrich in verschiedenen sowjetischen Gefangenenlagern und Hospitälern. Es war

/ eine harte Zeit der Trennung, des Verzichts und auch des Hungers, doch vom Wunsch und der Hoffnung beseelt, zu überleben. Wie er selbst sagte, haben ihm seine optimi­ stische Grundeinstellung und sein Wille zum Durchhalten diese Zeit erträglicher gemacht. Ja, er besaß auch noch genügend Kraft, seine Kameraden durch seine geistigen und künstlerischen Aktivitäten aus der Lethargie des Kriegsgefangenendaseins auf­ zurütteln: Der Aufbau einer Art Volkshoch­ schule im Gefangenenlager mit mehreren Fachschaften – vom Russen geduldet-, die Gründung einer Laienspielgruppe und noch anderes mehr waren sein Werk und dienten der geistigen Überwindung des Abgeschnit­ tenseins von der Außenwelt. Sehr eindring­ lich gibt sein in der Gefangenschaft angef er­ tigtes Skizzen- und Tagebuch die lange Zeit der Entbehrung und des Hoffens und War­ tens wieder, ein Stück seines Selbst, das er bei der Entlassung im August 1948 in die Heimat retten konnte. – Filzstift und Skizzenblock sind bei ihm auch heute noch ständige Begleiter auf sei­ nen Studienfahrten und Wanderungen. – Gesundheitlich angeschlagen, konnte der Heimkehrer seine unterrichtliche Tätigkeit an der Knabenschule in Villingen erst im Februar 1949 aufnehmen. 1949 legte er die zweite Prüfung für das Lehramt an Grund­ und Hauptschulen ab, übernahm von 1951 an die Leitung der Arbeitsgemeinschaften für Pädagogik und Werken beim Staatlichen Schulamt, absolvierte 1953 einen fünfmona­ tigen Lehrgang am Werklehrerseminar in Esslingen und baute 1958 zusammen mit Direktor Stockburger/Firma Binder Magne­ te den Arbeitskreis „Schule-Wirtschaft“ auf. Ab 1954 galt Heinrichs Interesse vornehm­ lich den an den Volksschulen zu errich­ tenden Mittelschulzügen. Er legte die Prü­ fungen in Französisch, Biologie, Bildhaftes Gestalten und Werken ab und unterrichtete fortan als Realschullehrer an der Realschule Villingen, bis er am 23. Januar 1962 zum Schulrat beim Staatlichen Schulamt Kon­ stanz ernannt wurde. Sein „Lehr- und Wan­ derjahr“ dauerte bis zum 1. Oktober 1963. Dann kam für ihn die Versetzung zum Staat­ lichen Schulamt Villingen. Hier erwarteten ihn an der Seite von 235

Kupfararbeit: Franz von Assisi: ,,Du bist heilig, Herr Gott . . . “ Oberschulrat Karl Brachat vielfältige Auf­ gaben, da der Leiter des Amtes als Vorsitzen­ der des Kulturpolitischen Ausschusses im Landtag oft anderweitig beansprucht war. Im Februar 1965 erfolgte die Ernennung zum Oberschulrat und nach der Zurruhesetzung von Karl Brachat die Bestellung zum Amts­ leiter. 1968 wurde Helmut Heinrich zum Schulamtsdirektor ernannt. Acht Jahre spä­ ter konnte er sein vierzigjähriges Dienstjubi­ läum begehen.1978 trat er in den Ruhestand, ruhte und ruht aber aufgrund seiner vielseiti­ gen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht aus, sondern vermittelt sie weiterhin in zahlrei­ chen Vorträgen, Arbeitsgemeinschaften und Exkursionen seinen Mitmenschen. Viele anspruchsvolle eigene Arbeiten in verschie­ denen Techniken geben ein beredtes Zeugnis seines künstlerischen Schaffens. 236 Helmut Heinrich hat sich während seiner gesamten Dienstzeit vorbehaltlos den hohen Ansprüchen in seinem Beruf als Lehrer und später als Schulaufsichtsbeamter gestellt. Sein Wirken in der Schulaufsicht fiel in die turbulente Zeit der großen schulischen Reformen, in die Zeit der Verwirklichung der Schulentwicklungspläne I und III und vor allem in die Zeit der personellen Engpässe, des großen Lehrerfehls. Mit viel Umsicht, organisatorischem Geschick, Überzeugungs­ kraft und nicht zuletzt auch Stehvermögen konnte er zusammen mit seinen Kollegen im Amt in enger Fühlungnahme mit den Schul­ trägern, den beiden Landratsämtern, den Kir­ chen und Eltern die Nachbarschaftsschulen s. Zt. in den Landkreisen Villingen und Do­ naueschingen aufbauen. Der persönliche Kontakt und das klärende Gespräch ermög-

lichten auch die Lösung der schwierigsten Probleme. In den vielen Jahren seiner Tätig­ keit in der Schule, in der Schulaufsicht und Schulverwaltung betrachtete er stets seine Aufgabe als Dienstleistung am Menschen. Er war bemüht, Vertrauen zu gewinnen und im Dialog beim Partner Einsichten in die Notwendigkeit, auch von unbeliebten Maßnahmen zu schaffen. Anläßlich seines 65. Geburtstages wurde damals in der Presse besonders sein Streben nach Offenheit und Transparenz in der Amtsführung und sein Bemühen um Ausgleich und Verstehen in der Menschenführung gewürdigt. Über 16 Jahre hinweg gehörte Helmut Heinrich dem Vorstand des Volksbildungs­ werks Villingen an. Es war eine Aufbau­ periode mit den vielschichtigen Aufgaben der Jugend- und Erwachsenenbildung. Zu erwähnen wären u. a. jene »Musischen Wochenenden“ in den Jugendherbergen, in denen sich die Generationen begegneten zum Singen, Musizieren, Zeichnen, Malen und Werken; auch das „Zeichnen und Malen im Vorschulalter“ fand einen positiven Widerhall neben den vielen anderen Ver­ anstaltungen. Es war das starke Engagement bei jenen ehrenamtlichen Persönlichkeiten spürbar, die damals Volksbildungsarbeit lei­ steten. Viele große, gut vorbereitete, kunst­ historische und landeskundliche Exkursio- nen hat er im Rahmen der Volkshochschule in zahlreiche europäische Länder im Laufe der Jahre geführt. 13 Jahre lang war Helmut Heinrich Mit­ glied des Kreistages und vertrat dort mit seinem fachlichen Wissen im Kultur- und Sozialausschuß die schulischen und kulturel­ len Belange. Er gehört von Anfang an mit sei­ nen Beiträgen zu den Mitgestaltern des ,,Almanach“. Wohl nicht zuletzt aus Dank­ barkeit für das Überlebendürfen als Frontsol­ dat und Kriegsgefangener übernahm er 1969 (bis heute) das Amt des Vorsitzenden im Ortsverband Villingen der Deutschen Kriegsgräberfürsorge. Noch manche Aktivi­ täten können aufgeführt werden: u. a. Beirat im Galerie-Ausschuß der Stadt, Mitbegrün­ der der Deutsch-Französischen Gesellschaft und Mitarbeiter anderer Bildungseinrichtun­ gen der Stadt Villingen-Schwenningen. Im Rückblick insgesamt ein reich beweg­ tes Leben des heute Siebzigjährigen mit einer Überfülle an Dienstleistungen und Hilfen beruflicher und selbstgewählter Art für seine Mitmenschen! Heinrichs erfolgreiches Wirken war und ist in diesem Ausmaß nur möglich mit Unterstützung seiner Lebensgefährtin, die bis heute alles mitgetragen hat, daß das, was ihr Mann zu leisten willens war, auch gelin­ E ugen Meyer gen konnte. Nachruf für Hubert Mahler Ein Baaremer Kommunalpolitiker mit hohem Engagement Die große Marienkirche vermochte die Trauernden nicht zu fassen, als die Donau­ eschinger am 21. Okotber 1982 Abschied nahmen von ihrem Ersten Beigeordneten Hubert Mahler. Eine Woche hatte die Stadt um das Leben des 46jährigen gebangt, nach­ dem ihn ein Hirnschlag niedergeworfen hatte, und als sich die Kunst der Ärzte im Donaueschinger Kreiskrankenhaus als ver­ geblich, das Schicksal als stärker erwies, trauerten die Menschen in persönlicher Betroffenheit mit den Angehörigen. Ein Meer von Kränzen säumte das Grab auf dem Donaueschinger Stadtfriedhof, und kaum ein Gebinde war lediglich aus Präsenzpflicht bestellt worden; die Trauer um einen Mitbür­ ger, der für sehr lange unvergessen bleiben wird, war echt und schmerzlich. Hubert Mahler war der erste Erste Bei­ geordnete gewesen, den die Stadt Donau­ eschingen besessen hatte. Um ihn, der außer­ halb seiner Heimatstadt hätte Karriere 237

machen können, in der Baarmetropole zu halten, schuf der Gemeinderat im Sommer 1977 eigens diese bis dahin in der Stadtver­ waltung nicht vorhandene Stelle -doch als er sie dann Hubert Mahler mit fast einstimmi­ gem Beschluß auch übertrug, vollzog er nur nach, was im Donaueschinger Rathaus bereits Realität geworden war. Der Leiter des Hauptamtes stand durch seine Arbeit etwa in Verhandlungen in Donaueschingen, Frei­ burg und Stuttgart mittlerweile längst an der Seite des Bürgermeisters. Hubert Mahler, am 5. Februar 1936 in Donaueschingen geboren, hatte 1956 am Fürstenberg-Gymnasium sein Abitur gemacht und nach einer Verwaltungslehre am damali­ gen Donaueschinger Landratsamt 1959 seine Prüfung zum Regierungsinspektor glänzend bestanden. Nach eineinhalb Jahren als Sach­ bearbeiter bei der Badischen Landeskredit­ anstalt in Karlsruhe und knapp einem Jahr in der Stadtkämmerei in Schwenningen kehrte Mahler im Herbst 1962 nach Donaueschin­ gen zurück und wurde Sachbearbeiter im Bauverwaltungsamt der Stadtverwaltung. Die qualifizierte Arbeit, die der junge Beamte dort leistete, entschied für den dama­ ligen Bürgermeister Schrempp, als er Mahler 1964 als erst 28jährigen zum Hauptamtsleiter machte. Das Wissen um sein fundiertes Können und sein hohes Engagement für die Heimat­ stadt programmierten seinen Werdegang an vorderster Stelle der Kommunalpolitik. Zweimal schien sogar das Amt des Donau­ eschinger Bürgermeisters in seiner Reich­ weite zu liegen: 1973, als er die Wiederwahl­ Bemühungen Schrempps nachdrücklich, aber erfolglos unterstützte, hätte ihm eine Bestätigung des bis dahin amtierenden Bür­ germeisters auf noch einmal sechs Jahre Zeit gelassen, sich als „gegebener“ Nachfolger noch stärker zu empfehlen, und 1980, als der an Robert Schrempps Stelle gewählte Donaueschinger Bürgermeister Dr. Bern­ hard Everke in seiner Heimatstadt Konstanz Oberbürgermeister werden wollte. Wäre die­ ses Bestreben erfolgreich gewesen, hätte 238 im Oktober 1982 mit Donaueschingen großer Sicherheit nicht um seinen Ersten Beigeordneten, sondern um seinen Bürger­ meister trauern müssen. Hubert Mahler, der vom Gemeinderat angesichts seiner menschlich wie fachlich höchst qualifizierten Arbeit im Donau­ eschinger Rathaus rasch befördert worden war und vor seiner Wahl zum Ersten Bei­ geordneten schon im Range des Oberamts­ rates stand, war in der Loyalität zum neuen Bürgermeister 1973 CDU-Mitglied gewor­ den. Von 1974 bis 1977 führte er den Kom­ munalpolitischen Arbeitskreis des CDU­ Stadtverbandes Donaueschingen und machte ihn mit Ideen und Tatkraft zum konstruktiv­ sten parteipolitischen Gremium der Stadt; von 1978 bis 1980 stand er dann auch an der Spitze der Kommunalpolitischen Vereini­ gung des CDU-Kreisverbandes Schwarz­ wald-Baar. Eine gewichtige Rolle spielte Mahler in der historischen Narrenzunft

„Frohsinn“ und in der Donaueschinger Sportvereinigung, die mit seinem Tod ihren Vizepräsidenten verlor. Hubert Mahler zu würdigen ist – zumal aus der Perspektive freundschaftlicher Ver­ bundenheit – niemals erschöpft mit der N en­ nung seiner Funktionen; daß er beliebt war, ohne daß er dazu Kumpelhaftigkeit gebraucht hätte, und daß er zum hochqualifizierten Verwaltungsfachmann werden konnte, ohne deswegen Mitarbeitern und ratsuchenden Bürgern als rigoroses Paragraphenlexikon zu erscheinen: dies machte wohl das Geheimnis seiner Persönlichkeit aus, und diese seltene Synthese in der Beamtenwelt diktierte in jenen Tagen, da man um die Schwere seiner Erkrankung wußte, die Sorge, und dann, als er tot war, die Tiefe der Trauer in Donau­ eschingen. Hubert Mahler war ein Mann der Vernunft, der in seinen Ämtern niemals par­ teiisch war und der, weil er die Mentalität „seiner“ Donaueschinger kannte und um die Zusammenhänge in dieser noch überschau­ baren Stadt wußte, jederzeit ein herzlich gesinnter Mitbürger wie auch pflichtbewuß­ ter Vorgesetzter sein konnte. Seine Fähigkeiten waren besonders gefor­ dert in jenen Tagen der Verwaltungsreform, als Bürgermeister Schrempp gegen den dro­ henden Verlust des Kreissitzes entschlossen Front machte und deswegen in der ihm gebo­ ten erscheinenden Konsequenz im Gegen­ satz zu den Nachbarkollegen auch nicht selbst eingemeinden ging. Es war so schon fast zu spät, als sich endlich auch Donau­ eschingen zum werbenden Gang durch die Nachbargemeinden entschloß. Für den damaligen Hauptamtsleiter Hubert Mahler wurde es zum ausgesprochen heiklen Geschäft, etwa den Bürgermeistern Emil Winterhalter in Wolterdingen, Karl Ohn­ macht in Pfohren oder Hermann Winterhal­ ter in Grüningen die Eingemeindung schmackhaft zu machen und ihnen Donau­ eschingens Willen zur Partnerschaft glaub­ haft zu verdeutlichen. Daß sich sieben Nach­ bardörfer in die Rolle jetziger Stadtteile füg­ ten, war vor allem Mahlers Werk. Wieviele Projekte der Hauptamtsleiter und Erste Bei­ geordnete mit seiner Kunst, Verträge auf den Ausgleich widerstrebender Interessen zu for­ mulieren, auf den Weg gebracht hat, weiß wohl niemand genau; es müssen zahllose sein. Daß Donaueschingen nach dem Schock, nicht mehr Kreisstadt zu sein, wieder eine Zukunftsperspektive fand, ist mit Mah­ lers Verdienst. Sein Humor, seine herzliche Art, der tak­ tisches Denken im Grundsatz fremd war und dieses so nur im begründeten Einzel­ fall brauchte, seine Kontaktfreudigkeit und nicht zuletzt sein berufliches und ehrenamt­ liches Engagement machten Hubert Mahler schon in jungen Jahren zu einem Mitbürger, von dem sich nicht erst am Grab und auch dort nicht nur pflichtgemäß hat sagen lassen, er habe sich um Donaueschingen in hohem Maße verdient gemacht. Die unübersehbare Schar der an diesem Herbsttag 1982 in der Marienkirche und auf dem Stadtfriedhof betroffen Trauernden mag Hubert Mahlers Witwe Sieglinde und seinen vier Kindern im Alter von 10 bis 19 Jahren wenigstens ein Minimum an Trost gespendet haben. Gerhard Kiefer Erde will ich sein die deine Wurzeln umgibt Tau will ich sein der deine Blätter benetzt Licht will ich sein das deine Blüten ruft Friederike Siek 239

Dr. med. Georg Huber Symbol für die Kur- und Bäderstadt Bad Dürrheim Er setzte das Lebenswerk seines Vaters, des großherzoglichen Medizinalrats und Ehren­ bürgers unserer Stadt, Dr. Georg Huber, den die älteren Bad Dürrheimer noch in Uniform und Pickelhaube beim Empfang des Groß­ herzogs kennen, in gerader Linie fort. Nach einem vielseitigen medizinischen Studium in Freiburg, Kiel und Wien und nach einer Assistentenzeit bei damals berühmten Professoren wie Eppinger, Thann, Karl Schilling und Zondek, gründete der junge Dr. med. Georg Huber 1934 seine eigene ärztliche Praxis in Bad Dürrheim, in die zahlreiche Sanatorien und Kinderheime miteingeschlossen waren. Unvergessen sein Einsatz während des letzten Krieges als Stabsarzt bei der Truppe und später als Chefarzt im umfangreichen Lazarettbetrieb Bad Dürrheims. Es ist keine Seltenheit, daß heute noch Männer jener Frontgeneration in der ganzen Bundesrepu­ blik, wenn man den Namen Bad Dürrheim nennt, nach dem Stabsarzt Dr. Huber fragen. Mit großer Achtung wird dann das Loblied seiner ärztlichen und menschlichen Be­ treuung gesungen. Deutlich ist dabei zu mer­ ken, daß der damalige Chef des Dürrheimer Lazaretts um die körperliche und seelische Not der Verwundeten wußte. Dr. Georg Huber verkörpert den selten gewordenen Typ des engagierten Hausarztes. Den Arzt, für den es eine Selbstverständlich­ keit war, die von ihm ärztlich betreuten Familien durchs Leben zu begleiten. Unvergessen sein Einsatz um Stadt und Kurbetrieb nach dem verlorenen Krieg. Frag­ los, Dr. Georg Huber hat entscheidend den Weg vom Bauerndorf zur Kur- und Bäder­ stadt mitgebaut. Nach seinem Grundsatz, ,,als alter traditionsbewußter Bad Dürrhei­ mer will ich mitbestimmen, was sich in mei­ ner Heimatgemeinde tut“, hat er für lange Jahre als Bürgermeister-Stellvertreter und als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender Dr. med. Georg Huber feierte am 15. August 1983 seinen 80. Geburtstag. An die­ sem Tag schlugen dem „2 x 40 Jahre jung gebliebenen“ Arzt die Herzen der Bad Dürr­ heimer entgegen. Es war ein Tag der Achtung und des Respekts für einen Mann, der als Arzt und Bürger ein Leben lang immer mehr als seine Pflicht getan hat. Seine Lebensformel heißt, ,,dem Bürger, dem Patienten, seiner Heimatstadt Bad Dürr­ heim zu helfen und zu dienen“. Dies ist kein Wunder, wenn man weiß, daß Dr. Georg Huber als Sohn unserer alemannischen Hei­ mat, als Mann aus altem Dürrheimer Geschlecht und als Arzt mit hohen, ethi­ schen und humanitären Werten in christli­ cher Lebensauffassung seinen Lebensstil und den seiner Familie formte und prägte. Die Persönlichkeit Dr. Georg Hubers ist zu einem Symbol Bad Dürrheims geworden. 240

der Kur-und Bäder GmbH die Kommunal­ und Kurpolitik mitgeprägt. Mit seinem Freund, Staatsrat Senator Paul Vowinkel, mit Männern wie Fritz Grießhaber, Otto Jörger, Dr. Heinz Harras, Bernhard Hiestand, Eduard Nobs, Emil Senk,JosefDehner, Lud­ wig Mayle, hat Dr. Huber Bad Dürrheims neue Umlaufbahn maßgeblich mitbe­ stimmt. Die Entflechtung und Kommunali­ sierung der Staatl. Saline, die erheblichen Investitionen des Landes, die Gründung der Kur-und Bäder GmbH, die Eingliederung der Osthaar, runden das Bild seines stets überlegten, toleranten aber zielbewußten kommunalen und kurpolitischen Wirkens ab. Eine außergewöhnliche Leistung Dr. Georg Hubers ist sein Einsatz im Deutschen Roten Kreuz. Die Gründung des Badischen Hilfswerks als Ersatzorganisation des Roten Emil Rimmele am Tatort Schönwald Kreuzes nach dem Krieg ist mit sein Werk. Seit 1934 war es Ortsvorsitzender und Bereit­ schaftsarzt, seit 1954 Kreisvorsitzender des erhielt das er Roten-Kreuz-Verbandes; Ehrenzeichen, die höchste Auszeichnung, die das Rote Kreuz vergibt. Auszeichnungen wie das Bundesver­ dienstkreuz I. Klasse, die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, die Ehren­ plakette des Regierungspräsidiums Südba­ den, die silberne Ehrenplakette der Stadt Bad Dürrheim, die goldene Ehrenmedaille der Stadt Bad Dürrheim, die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes der Stadt Bad Dürrheim anläßlich des 80. Geburtstages am 15. 8. 1983 sowie die Albert-Schweitzer-Medaille sind Ausdruck seiner großen Leistung, seiner hohen Wertschätzung in Stadt, Kreis und Otto W eissenberger Land. Emil Rimmele am Tatort, vorher als Postenftihrer der Landespolizei in Triberg, anschließend als Bürgermeister in Schön­ wald. Beide Tatorte, verschieden in ihrer Gewichtigkeit, zeigen deutlich gemeinsame Spuren. So war die Arbeit für ihn schon immer ein lebendiges Element, seine Eigen­ schaften engagiert und kritisch, manchmal unbequem, erfreulich nicht ohne Humor. Er löste auch den „Fall“ Schönwald, wie es nur ein Mann tun kann, der die Entwicklung Schönwalds während seiner nahezu zwan­ zigjährigen Amtszeit nicht passiv erlebt, son­ dern als Handelnder mitgestaltet hat. Er besitzt Verhandlungsgeschick und -wenn es hart auf hart ging -Stehvermögen. Dabei kannte Emil Rimmele sehr wohl seine Stär­ ken und Schwächen. Und hörte gern auf den Rat jener Mitarbeiter und Freunde, deren Redlichkeit er schätzen gelernt hatte. Emil Rimmele, Jahrgang 1917, ist zwar in Vöhreabach geboren und in Donaueschin­ gen großgeworden, aber von der Eigenart sei-241

ner Baaremer Eltern scheint er einiges von ihrem Menschenschlag bewahrt zu haben. So haben ihn, trotz seiner Ecken und Kanten im Kampf gegen die Widerwärtigkeiten des Alltags, Humor und Schlagfertigkeit nie ver­ lassen. Es fiel ihm leicht, rasch dauerhafte und oft sehr nützliche Kontakte zu schlie­ ßen. Am 1. September 1961 wählten ihn fast zwei Drittel der Wähler zum Bürgermeister von Schönwald. Bei der am 6. Juli 1969 fälli­ gen Wiederwahl auf 12 Jahre gaben ihm die Schwarzwälder einen weiteren eindeutigen Vertrauensbeweis. Es bestand kein Zweifel daran, daß Rimmele noch eine dritte Amts­ zeit anhängen würde. Seine Gesundheit zwang ihn jedoch überraschend, sein Amt vorzeitig zum 30. Januar 1981 aufzugeben. Sich von dieser Aufgabe zu lösen, ist ihm sicher nicht leicht gefallen. Seine Verdienste um Schönwald erhielten ihre Anerkennung durch die Verleihung des Bundesverdienst­ kreuzes am Bande. Wenn ich als Nach bar und Weggenosse versuche, das Wesentlichste aus dem weiten Umkreis seines Schaffens herauszuschälen, dann war es und ist es wohl seine frühe Erkenntnis, ·Schönwald zum Kurort aus­ zubauen. Mit dieser grundsätzlichen Kon­ zeption gelang es ihm, die Gemeindepolitik in Bewegung zu bringen. Es begann eine Entwicklung, die er zusammen mit dem Gemeinderat und anderen Kräften weit­ schauend, manchmal ungeduldig, durchge­ setzt hat. Dabei galt es zuweilen im Gemein­ derat und auch in den Reihen seiner Partei­ freunde gegen Vorurteile und Beharrungs­ vermögen anzugehen, wie sich mit von außen kommenden Schwierigkeiten aus­ einanderzusetzen. Zug um Zug wurde die kommunale Grundausstattung ausgebaut. Den Maßnahmen zur Sicherstellung der Ver­ und Entsorgung folgten der Bau der Schule und des Kindergartens, die Errichtung von Freizeitanlagen, der Ausbau des örtlichen und überörtlichen Straßennetzes, in den ein­ zelnen Epochen begleitet von der Aufstel­ lung von Bebauungsplänen. Rimmele nutzte 242 die Chancen des Augenblicks mit gesundem Menschenverstand und einem Optimismus, der der Gemeinde Schönwald neue Impulse verlieh und ihr eine Strukturveränderung zumutete, ohne das Eigentümliche ihres Wesens dem Fortschritt zu opfern. Die Ver­ leihung des staatlichen Prädikats „Heilklima­ tischer Kurort“ am 5. Dezember 1975 an die Gemeinde Schönwald bestätigte Rimmele die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Es wissen alle aus Erleben und Erfahrung, was es bedeutet, wenn heute Schönwald seine Geltung als Kurort hat. Zur Vervoll­ ständigung des kurörtlichen Angebots war von Rimmele noch der Bau eines „Haus des Gastes“ vorgesehen. Er setzte diesen Plan noch bis zur Phase des Architektenwettbe­ werbes um, ihn zur Reife zu bringen, gelang ihm zeitlich nicht mehr. Man hat dem Sozialdemokraten Rimmele im Laufe der vielen Jahre seiner Amtszeit immer wieder einmal nachgesagt, der einen oder anderen Partei nahezustehen. Tatsäch­ lich aber hat er immer nur seine ganz persön­ liche Meinung vertreten, zu der er sich ein­ mal durchgerungen hatte, und keineswegs Parteipolitik. Diese Einstellung war es auch, die ihm einige Wegstunden brachte, in denen er schwer am Widerstreit der Einsich­ ten litt. In den Außenbeziehungen galt sein Bemühen der Förderung der deutsch-franzö­ sischen Verständigung, das die Partnerstadt Bourg-Achard (Normandie) mit der Verlei­ hung der Ehrenbürgerwürde unterstrich. Der Vorsitz im Pfarrgemeinderat war jeder­ zeit Gewähr für ein gutes Verhältnis zwi­ schen Pfarrhaus und Rathaus. Er war Auf­ sichtsrat der „Familienheim Villingen, Gemeinnützige Baugenossenschaft e.G.“, Beisitzer im Kreisjagdausschuß und Beirat der Sparkasse Triberg. Aktive Entspannung suchte er beim Tennisspiel. Heute noch fährt er zu den Heimspielen des VfB nach Stutt­ gart. Seine besondere Zuneigung gilt nach wie vor der Blasmusik, deren Vorsitzender er in Schönwald ist. Wenn Emil Rimmele nach den Sitzungen

die Zügel locker ließ, wenn allfälliges Don­ nergrollen verklungen war, dann konnte der Schultes in geselliger Runde bei einem guten Tropfen seinen Humor entfalten. Wer ihn kennt, kennt auch die Anekdoten um und mit seinem Freund, Pfarrer Johann Riegel­ berger. Gingen beide durch das Dorf, dann sagten die Leute „Don Camillo und Pep­ pone“ seien unterwegs. Bürgermeister und Pfarrer freuten sich über die Zuneigung, die in der humorvollen Apostrophierung so fühlbar mitschwang. Heute sieht man den einstigen Bürgermei­ ster zuweilen mit dem einen oder anderen Gemeinderat aus alter Zeit im Gespräch, wobei es sicher nicht nur um das Wetter geht. Wenn auch seine Stimme zu dem kommu­ nalen Geschehen leiser geworden ist, sein Herz schlägt weiter für Schönwald. Hans Frank Heimatverwurzelter entdeckt die Welt Bürgermeister und Ortsvorsteher i. R. Oskar Müller, Hochemmingen hen Baar nieder, und Oskar Müller trat in die Fußstapfen seines Großvaters und Vaters, als er nach Volksschule und Besuch der land­ wirtschaftlichen Winterschule seinen Eltern, Franz Josef Müller und Josefine, geb. Trajer, als Landwirt zur Hand ging und während der Winterzeit noch als Holzhauer bei der Gemeinde seinen Lebensunterhalt mitver­ diente, bis er zum Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg eingezogen wurde und erst fünf Jahre später aus englischer Gefangenschaft 1945 in die Heimat zurückkehrte. Schon damals entwickelte Oskar Müller jene Fähigkeit, bei aller Verwurzelung zur heimatlichen Scholle den Blick zu weiten, für die Welt und ihre Menschen. Eine blei­ bende Freundschaft verbindet Oskar Müller mit jenem französischen Kriegsgefangenen, der während des Zweiten Weltkrieges auf dem Müller’schen Anwesen eingesetzt war und der heute als Direktor einer Sektkellerei in Frankreich immer wieder Verbindung zu den Menschen sucht, die ihn eine Zeitlang in einer sicherlich nicht erfreulichen Lebens­ phase begleiteten. Die Art, wie sich die Men­ schen begegneten, bestimmten ihr heutiges Verhältnis. Aufgeschlossenheit gegenüber den Mit­ menschen und schlichte, aber ehrliche Kon­ taktfreudigkeit zum Nächsten eröffneten nach dem Kriegsende Oskar Müller ein wei­ tes Arbeitsgebiet in seiner Heimatgemeinde. 243 Arbeit prägte sein Leben: Die schwere Arbeit als Landwirt mit Leib und Seele, der in der rauhen Landschaft der Baar Wurzeln geschlagen hat, verbunden mit der Sorge um seine Familie mit drei Töchtern, nachdem seine Ehegefährtin allzu früh verstorben war, und schließlich die Arbeit für die Dorfge­ meinschaft, in der er lebt und der er rund zwanzig Jahre als ehrenamtliches Ortsober­ haupt diente: Oskar Müller aus Bad Dürr­ heim-Hochemmingen. Sein Großvater, der aus Mannheim stammte, ließ sich als Landwirt auf der rau-

Er baute die Hilfsorganisation der Freiwilli­ gen Feuerwehr mit auf, pflegte den Chorge­ sang, war schon Gründungsmitglied im Jahre 1922 beim Katholischen Kirchenchor und stellte sich 28 Jahre lang, bis zum Jahr 1980, als Vorsitzender des Musikvereins zur Ver­ fügung. Als Landwirt arbeitete er selbstver­ ständlich und an maßgebender Stelle im ört­ lichen Wasser- und Bodenverband mit, war 30 Jahre lang als Obmann des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes tätig und 17 Jahre lang Vorsitzender der Molkerei­ genossenschaft. Bei so viel Engagement für die Gemein­ schaft blieb seine Wahl 1954 als CDU-Kom­ munalpolitiker in den Gemeinderat nicht aus, und schon drei Jahre später wählte ihn Hochemmingen zum Bürgermeister der damals noch selbständigen Gemeinde.1972, bei der Eingliederung in die Stadt Bad Dürr­ heim, die er mit Übersicht und Pfiffigkeit eines kernigen Baaremer Bauern und Schut­ tes betrieb, blieb Oskar Müller auch Ortsvor­ steher dieses Stadtteils bis zum Jahre 1978. In der Laudatio bei seiner Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz im Jahre 1983 für Verdienste um das Allgemeinwohl und für besondere Leistungen im kommunalen und wirtschaftlich-sozialen Bereich durch Land­ rat Dr. Gutknecht rühmte man Oskar Müller viele kommunalpolitische Leistungen nach, die er angepackt und zielstrebig zu einem guten Ende geführt hatte. Als Ehrengabe der Stadt Bad Dürrheim überreichte Bürgermeister Hagmann Oskar Müller ein Buch über Australien. Nicht ohne Grund: Dort war Oskar Müller nämlich noch nicht! Damit wurde jene zweite Eigen­ art des einfachen Baaremer Landwirts offen­ bar, die er just in jenem Lebensabschnitt zu pflegen begann, da andere Menschen nach einem so arbeitsreichen Leben an „Ruhesitz“ denken. Oskar Müller entdeckte die große weite Welt. Erstmals vor 15 Jahren ging der heute 78jährige auf große Reise. Amerika und New York waren für den Hochemmin­ ger gerade recht für den Anfang. Der Landes­ Feuerwehrverband von Baden-Württemberg 244 ermöglichte Oskar Müller in den folgenden Jahren seine „Abstecher“ in alle Teile der Welt – auf eigene Kosten natürlich. Seitdem spart Oskar Müller darauf und „jetet“ alle zwei Jahre hinaus, als Senior und liebevoll ,,Opa“ von den wesentlich jüngeren mitrei­ senden Feuerwehrkameraden aus dem gan­ zen Land genannt. Nur einmal, nach Kenia – erinnert sich Oskar Müller – war ein älterer Reisender mit 82 Jahren dabei. Seit seinem ersten Flug in die Neue Welt zieren Reiseandenken die Glasvitrine in sei­ ner guten Stube. Inzwischen stand er am Cap der guten Hoffnung, an den Niagara-Wasser­ fallen, besuchte Acapulco, schwärmt von dem grandiosen Empfang in Mexico und der herzlichen Begrüßung durch den obersten Polizeichef des Landes, bewundert heute noch das Zusammentreffen dreier Weltreli­ gionen in Jerusalem. Erst im Frühjahr dieses Jahres kehrte er von den Philippinen und aus Taiwan nach Hochemmingen zu­ rück. Fremdsprachen beherrscht Oskar Mül­ ler nicht. Was soll’s? Die Erkenntnis des ,,gschtandenen“, heimatverwurzelten Globe­ trotters: ,, Wenn man einander auch nicht versteht, man bringt immer etwas zuweg!“ Joachim Przewolka D‘ Bibelschtund ,,Kinder, jetz mueß fescht doch sitze, felsefescht, ’s alt Testament. Ech duer jetz haar Froge schtelle. Strecket d’Finger, sappermennt. Worum hätt de Jakob gmuulet mit de Buebe, zimli luut, die wo Josef gi Aegypte hond verkauft mit Hoor und Huut?“ Andres streckt jetz gschnell de Finger. ’s ischt de Gschiitscht i iisre Gmond. ,Jakob hätt so bsässe debret, will sin z’billig hergeä hond!“ Gottfried Schafbuch

Sport Sabine Mayer – im Squash obenauf Tanzen als Freizeitsport und besuchte eine Tanzschule. Später entdeckte sie während eines Urlaubs das Wasser als ihr Element und wurde eine begeisterte und ausdauernde Schwimmerin. Aber das alles verblaßte, als sie zum Squashschläger griff, und schon bald merkte sie, wie ihr das Spiel mit dem schnellen Ball lag und Spaß machte. In Villingen wurde ein Club gegründet, und Sabine Mayer war dabei und nicht nur das. Im Jahre 1978 wurde sie Clubmeisterin der Jugend und auch gleich der Damen. Sie erhielt ihren ersten Pokal samt Urkunde überreicht, der noch viele folgen sollten. Das junge Mädchen aus Villingen wurde nunmehr zum Geheimtip bei Meisterschaften im In- und Ausland. Sie gewann 1979 die Baden-Württembergischen Jugendmeisterschaften zum ersten Mal und hat diesen Erfolg bis heute noch viermal mit Bravour wiederholt. Dabei ist Sabine Mayer gar nicht der Typ der ehrgeizigen und verbis­ sen auf den Sieg starrenden Sportlerin. Sie lacht viel und gern, und kämpferisch ist sie nur beim Spiel. Man nimmt es ihr ab, daß ihr das Squash-Spiel mit allem Drum und Dran ganz einfach Spaß macht, daß sie sich auf die Wettkämpfe freut und natürlich auch siegen will. Das Wichtigste aber ist ihr das Spiel mit guten Gegnern und Partnern. Zum Dabeisein hatte Sabine Mayer in den vergangenen Jahren oft Gelegenheit, sei es die Landesmeisterschaft der Damen oder die Jugendrangliste, Sabine Mayer war immer auf den ersten oder vorderen Plätzen zu fin­ den. Ein Höhepunkt ihrer Karriere war dann 1980 für die damals 13jährige die Deutsche Jugendmeisterschaft, bei der sie nach span­ nenden Kämpfen ihre starken und erfahre­ nen Rivalen auf die Plätze verweisen konnte. Der Villinger Squash-Club spielte damals in der Bundesliga. 245 Flink wie eine Katze, kühl abschätzend und im richtigen Moment treffsicher wie keine andere, das ist die Villingerin Sabine Mayer, wie sie viele Freunde des Squash beim Training oder bei Turnieren kennen. Wie ein Wirbelwind füllt sie beim Spiel den ganzen Raum aus und ist immer gerade dort, wo der kleine Gummiball heranzischt. Sabine Mayer liegt das Squash-Spielen im Blut, und die 17jährige scheint ein Naturtalent zu sein. Mehr durch Zufall war sie mit von der Partie, als Squash im Jahre 1976 auch in Villingen seinen Einzug hielt. Sport gehört in den verschiedensten For­ men seit je zum Alltag der Familie Mayer. Da wird Tennis gespielt und im Judo-Club mit­ gemacht. Sabine begann schon früh mit dem

Schon ein Jahr später sorgte Sabine Mayer für neue Überraschungen, dies bei den Squash-Turnieren. Es gelang ihr, der langjäh­ rigen Baden-Württembergischen Meisterin den Titel im Wettlauf um den schnellen Ball abzujagen. Als einzige aus Baden-Württem­ berg fuhr sie mit der Deutschen National­ mannschaft zum Treffen mit dem Schweize­ rischen Team nach Basel. Inzwischen hatte Sabine Mayer einen eng­ lischen Trainer, und so waren die Siege bei den Deutschen und den Baden-Württember­ gischen Jugendmeisterschaften 1981 fast vor­ programmiert. Als der Trainer dann ging, nahm der Landesverband das junge Talent in seinen Kader auf. Bei einer Reise nach Eng­ land, der Heimat des Squash-Sportes, wurde natürlich viel gespielt, und Sabine Mayer war so bestens auf die Saison 1982 vorbereitet und schnappte sich die für sie möglichen Meistertitel einmal mehr. Heute spielt die junge Villingerin für den Offenburger Club. Noch immer steht sie auf den Listen und auf den Siegertreppchen stets ganz oben. Für 1984 hat Sabine Mayer bereits einen vollen Terminkalender, und darin sind die Daten sowohl für die Deutsche Jugend­ meisterschaft als auch für die Meisterschaft der Damen fest vorgemerkt. Neben dem Squash gibt es für sie aber noch die Schule, und sie ist für Sabine mindestens ebenso wichtig. Nach der Abschlußprüfung im Pro­ gymnasium St. Ursula will sie aufs Wirt­ schaftsgymnasium gehen. „Für mich“, so meinte Sabine Mayer, „ist Squash nicht die im Leben, aber doch die Hauptsache schönste Nebensache.“ Klaus-Peter Friese Deutscher Jugendmeister 1982 im Mehrkampf Wolfgang Böhringer gewann den Deutschen Sechskampf der Jugend nerbund Bad Dürrheim. Als Badischer Jugendmeister hoffte er auf einen guten Platz im Vorderfeld. An diesem Tag standen jedoch für den jungen T umer alle Zeichen auf Sieg. Starke Nerven, ausgezeichnete Vor­ bereitung und das �entchen Glück des Tüchtigen brachten ihm Platz eins und damit den Deutschen Jugendmeistertitel 1982 ein. Die Übungen an Boden, Barren und Reck waren gut gelungen, so daß Wolfgang Böh­ ringer schon hier kräftig Punkte sammeln konnte und in der Zwischenwertung auf Platz zwei lag. Bei den leichtathletischen Übungen konnte er nochmals groß auf­ trumpfen, denn schließlich war er als junger Schüler in der Leichtathletik daheim. Nach­ dem er die 100-Meter in 12,2 Sekunden gelau­ fen und beim Weitsprung einen Satz von 5,88 Meter gemacht hatte, kam seine Parade­ disziplin, das Kugelstoßen. Hier versteht er es ausgezeichnet, seine enorme Kraft mit guter Technik in die Weite umzusetzen. Es war Samstag, den 18. September 1982, in Salzgitter. Die 42 besten Jugendturner aus dem ganzen Bundesgebiet waren zu den Finalkämpfen der Deutschen Mehrkampf­ meisterschaft angereist. Einer von ihnen war der 18 jährige Wolf gang Böhringer vom T ur- 246

Beim 2. Versuch flog die Kugel 11,65 Meter weit, und das bedeutete für ihn die oberste Stufe auf dem Siegerpodest dieser Deut­ schen Jugendmeisterschaft. Nachdem er zunächst als junger Schüler Leichtathletik beim TV Donaueschingen betrieben und auch einen Abstecher bei den Gewichthebern gemacht hatte – Wolfgang Böhringer wohnt in D o n a u e s c h i n g e n kam er 1978, angeregt durch den Besuch einer Kunstturnmeisterschaft und ermuntert durch seine Eltern, zum Turnerbund Bad Dürrheim. In diesem Verein ist das leistungs­ betonte Geräteturnen – auch Kunstturnen genannt – schon immer besonders gepflegt worden, und es dauerte auch gar nicht lange, bis er von dieser Sportart vollauf begeistert war. Während er als 14jähriger gerade die ersten Turnversuche an den Geräten unter­ nahm, turnten seine heutigen Riegenkamera­ den bereits bei Jugendmeisterschaften auf Landes- und Regionalebene. Motiviert durch diese Leistungen, aber auch durch die gute Kameradschaft, mit der er sofort aufgenom­ men wurde, wollte auch er bald zu sportli­ chen Erfolgen und Ehren kommen; ein Ziel, das er mit Einsatz und mit einem geradezu vorbildlichen Trainingsfleiß verfolgte. So war es ftir ihn selbstverständlich, daß er bei jeder Witterung, selbst im Winter bei Eis, Schnee und strengster Kälte, konsequent dreimal wöchentlich abends mit dem Moped von Donaueschingen nach Bad Dürrheim fuhr. Bald wurde auch der Wunsch wach, das Geräteturnen als Leistungssport zu betrei­ ben. Die Kenner wissen, daß diese Art des Kunstturnens neben dem Eiskunstlauf die trainingsintensivste Sportart ist. Da reichte die in Bad Dürrheim mögliche Trainingszeit bis zu 8 Stunden pro Woche natürlich nicht mehr aus. Zusammen mit gleichgesinnten Dürrheimer Turnkameraden absolvierte er zusätzliche Trainingsstunden bei der benachbarten Turngemeinde Rottweil-Alt­ stadt, bei der gleichzeitig ein Leistungsstütz­ punkt des Schwäbischen T urnerbundes ein­ gerichtet ist. Als Gastturner in dieser Mann- schaft, die 1982 den Aufstieg in die 2. Bun­ desliga geschafft hat, hatte er außerdem die Möglichkeit, die Sportschule Ruit (Stuttgart) zu besuchen. Wolfgang Böhringer, der das Wirtschafts­ gymnasium in Donaueschingen besucht, unterwirft sich noch gerne diesem sportli­ chen Streß, wenn auch dabei Freizeit kaum mehr übrig bleibt. Er weiß, daß im „Kunst­ turnen“ vieles, wenn nicht gar alles, vom Trai­ ning abhängt. Will er in Zukunft bei den Aktiven ganz oben mitmischen, wo die Kon­ kurrenz zweifellos erheblich größer sein wird, so muß er weiterhin viel und hart an sich arbeiten. An sechs Geräten müssen die Kunstturner ihr Können beweisen, wollen sie im „Olym­ pischen Zwölfkampr‘ bestehen. Auch in die­ ser turnerischen Disziplin hatte sich Wolf­ gang Böhringer über die Landes- und die Süddeutsche Ausscheidung bis zur Deut­ schen Meisterschaft vorgekämpft. Je eine Pflicht- und Kürübung am Boden, Seitpferd, Ringe, Sprung, Barren und Reck gehören zu diesem Programm, wovon jeder Turner naturgemäß sein Lieblingsgerät hat. Bei Wolfgang ist dies ausgerechnet das schwie­ rigste und unter Turnern das unbeliebteste Gerät, nämlich das Seitpferd. Hier turnt er jedoch bereits eine Kürübung, die auch in­ ternational über der „N euner-Grenze“ liegt. Gleich danach kommen die Ringe (Badi­ scher Vizemeister – Jugend) und der Sprung, während der Barren ganz hinten in seiner Gunst eingeordnet ist. Aber gleichgültig, ob favorisiert oder nicht, wer nach vorne will, muß das Turnen an allen sechs Geräten beherrschen, und das ist nur mit viel Energie und einem intensiven, ausdauernden Trai­ ning zu erreichen; und genau das ist seine Stärke. Wolfgang Böhringer wurde beim 100. Gauturntag in Schonach i. Schw. zum Sport­ ler des Jahres 1982 gekürt. Er ist außerdem als derzeit bester Turner des Badischen Schwarz­ waldes Mitglied des D-Kaders im Deutschen Turn erb und. Heinz Heckmann 247

Unsere Dichter und Schriftsteller Karl Volk: Der Nachmittag bei der Großmutter Die Väter im Krieg, den Müttern vielfältige Last aufgebürdet: so erfuhren wir in der Frühe der Kindheit, wenn noch nicht das Wort, so doch das, was man den Ernst des Lebens zu nennen pflegt, in einer seiner unzähligen Formen. Aber da war auch die Großmutter, wir sagten auf dem Land noch „Großmutter“, und ihr waren wir einmal einen Nachmittag lang anvertraut: Schwester und Bruder und zwei Cousins. Sie sollte mit ihrer milden Auf­ sicht verhindern, daß wir etwas Dummes an­ stellten und uns etwas Böses zustieß. Sie versprach uns, ein Buch zu holen und uns damit die Zeit zu füllen. Wir waren es zufrieden, das heißt, wir konnten es nicht erwarten, bis sie – sie sah immer und überall Arbeit und konnte nicht ruhen, ehe sie getan war – endlich, endlich fertig war, und wir plagten sie lange und gründlich, was sie sich von ihren Enkeln gefallen ließ, niemals aber bei ihren Kindern geduldet hätte, wie wir auch ungeniert „du“ zu ihr sagen durften, während ihre Kinder sie mit ,,Ihr“ und ,,Euch“ anzureden hatten. Prasselte unser Drängen zu hageldick auf sie ein, konnte sie mit ge­ spielter Ungeduld fragen: ,,Könnt ihr’s nicht erwarten?“ oder „Seht ihr nicht, daß ich noch nicht fertig bin?“ Das „freudig Stündli“ – mit Hebel zu reden -, das wir herbeizwingen wollten, er­ öffnete sie, indem sie eine Schachtel voll Nüssen brachte -Nüsse vom eigenen Baum, dem einzigen in weitem Umkreis, dem guten Nußbaum hinter dem Haus, einem Schatz in jenen trüben Zeiten. Wir fühlten uns reich – Krösus und Polykrates, an ein Leben im Überfluß gewöhnt – hätten wir in diesem Alter schon von ihnen gehört, wir hätten sie für arme Wichte gehalten im Verhältnis zu uns und unserem Glück, wie ja auch Glück 248 und Reichtum selten etwas miteinander zu tun haben. Großmutter gehörte ( darin der Witwe von Sarepta ähnlich) zu den Genies der Freigiebigkeit, die immer etwas zu ver­ schenken haben, mögen die Zeiten noch so schlecht sein.) etzt konnte jeder so viele Nüsse knacken, wie er wollte und so lange er wollte. Ob sie mit der Erde Gaben bewußt eine Einstimmung für ihr Buch im Sinne hatte oder ob sie instinktiv pädagogisch das Rich­ tige tat oder ob sie einfach ihrem Bedürfnis nachgab, etwas zu schenken: ich habe sie nie danach gefragt, hätte für derlei Fragen wohl auch kein Verständnis gefunden. In einem Augenblick, in dem sich alle auf das Knacken besannen, ließ sie uns allein. Ach, es fiel uns gar nicht auf, denn das ge­ schah oft, weil sie lieber etwas, was sie noch leisten konnte, selbst tat, als jemanden darum zu bitten. Wir hatten auch über das angekün­ digte Buch keine genauen Vorstellungen, wir wußten überhaupt nicht, daß sie außer ihrem Gebetbuch noch irgendein anderes hatte, aber sie sagte, sie habe eines; das genügte. Was sie zur Stubentüre hereinbrachte, sprengte unsere kühnsten Erwartungen, sie hatte schwer zu tragen, mit beiden Armen umschlang sie es: Es war die Bibel in der Form eines Bildbandes, den sie auf den Tisch legte. Nichts erzählte sie davon, daß sie dieses Buch in frühen Magdjahren, lange Zeit kleine Münze auf kleine Münze legend, erstanden hatte. Hätten wir es verstehen können? Auch von der Geschichte des Buches erfuhren wir nichts, daß es nämlich jeweils den Patienten in der Familie ans Bett gereicht wurde, so­ bald es mit ihnen wieder aufwärts ging. Ver­ gessen waren die Nüsse! Mit der elementaren Neugier von Kindern warfen wir uns auf das Buch. Manches

wußten wir schon von Erzählungen, zum Beispiel daß Gottvater eine schöne, große Kugel als Schemel benutzte und auf einer weichen Wolke bequem saß. Auch daß es im Paradies schön war und später einer mit seiner Hacke seinen Bruder erschlug, nur weil ihm um alles in der Welt der Rauch nicht in die Höhe stieg. Ein bärenstarker Mann konnte in einem unterirdischen Gewölbe Säulen einreißen. Ein anderer blieb mit seinen Haaren an den Ästen eines Baumes hängen und kam dabei zu Tode. Doch merkwürdig! Was sind Kinderein­ drücke, Bubeninteressen? Tief in die Erin­ nerung grub sich mir die Darstellung von der Sintflut. In großer Entfernung schwamm die Arche, ein Schiff in der Form eines Hauses auf einem breiten Sockel, der die Wellen brechen und das Schwanken in erträglichen Grenzen halten konnte, und im Innern also alle Lebewesen, die wir kannten und die wir noch lange nicht kannten: große, kleine, ge­ fährliche und harmlose. Wie sich so viele in so kleinem Raum so lange vertrugen, war unsere Sorge nicht. Es muß möglich gewesen sein – selbstverständlich, sonst gäbe es sie heute nicht. Im Vordergrund erhob sich die letzte Insel, für die Arche eine gefährliche Klippe, wäre sie in ihre Nähe gekommen, und auf ihr drangvolle Enge und zu ihr verzweifel­ tes Hasten und Klettern, um das Ertrinken so lange wie möglich hinauszuzögern. Wohin man sah: Wassermassen. Vom Himmel stürzten sie aus Wolken, die sich in immer neuen, immer höheren, gewaltigeren Schich­ ten ballten, bauschten, schoben und sich zur Erde ergossen, aber nicht genug damit: Zwei Engel, selbst im Regen schwebend, schütteten aus riesigen Eimern Wasser, um die Himmels­ ströme zu vermehren. Auffallend war, daß in ihren Gesichtern trotz ihres verderblichen Geschäfts keinerlei Anzeichen auch nur des geringsten Zorns festzustellen waren. Ihre Gesichter strahlten eher Gleichmut oder eine überirdisch zu nennende Heiterkeit aus. Denke ich heute darüber nach, so kann ich mir die Idee des Künstlers nur so erklären, daß er dem Be­ trachter vor Augen halten wollte, sogar eine Sintflut, wenn Gott sie will, ist etwas Gutes. Uns schien auch das damals nicht weiterer Überlegung wert. Engel sind so und können wohl nicht anders. Unser Mitgefühl galt den Ertrunkenen und den in den nächsten S tun­ den Ertrinkenden. Eigentlich galt es uns. Wie lange kann sich ein Mensch über Wasser halten? Kann es Sintfluten auch heute noch geben? Wohin wollten wir dann fliehen? Welcher Berg, welcher Baum wäre hoch genug? Als Großmutter ftihlte, in welche Ausweg­ losigkeit wir uns hineinfragten, meinte sie, der Zeitpunkt fur ein helfendes Wort sei ge­ kommen. ,,Immer brav sein, ihr Kinder, dann straft euch Gott nicht.“ – In ihren einfachen Worten lag eine Erfahrung, eine Lebensweis­ heit, eine Weltanschauung. Ernst Roskothen erzählt: Kaleidoskop des Lebens Das Leben ist ab und zu wie ein turbulen­ tes, ja rasantes Spielgerät zum Erzeugen stän­ dig wechselnder fertiger Bildmuster verschie­ denster Art mit entsprechenden optischen und damit auch emotionalen Reizen, die dem Gehirnspeicher lange verbleiben. Das wird mancher schon erlebt haben, der in den Sog der fast grenzenlosen Mechanisierung und Technisierung von heutzutage g�raten ist. Solch‘ tiefe Spuren hat in meinem Gedächtnis ein Vorgang zurückgelassen, der sich im Frühjahr 1943, also vor 40 Jahren, im Mittelmeerraum innerhalb von genau 12 Stunden um mich herum abgespielt hat und, ohne das Odium der üblichen Darstellung eines gängigen oder trivialen „Kriegserlebnis­ ses“ hinterlassen zu können, an buntschecki­ ger Verschiedenheit der rasch wechselnden 249

Szenerien wie an Höhen und Tiefen der jeweilig hervorgerufenen Gemütsbewegun­ gen der Betroffenen nichts zu wünschen übrig ließ. Schildern möchte ich das Erlebte hier am liebsten mit den Mitteln eines Malers und Zeichners, denen ein begleitender Kurz­ kommentar beigegeben wird, und zwar für den Abend des 30. April und den Morgen des 1. Mai des schon genannten Jahres. I. (19 h): Man sieht ein Aquarell vor sich, das in hellen, leichten und leuchtenden Far­ ben fast skizzenhaft hingeworfen ist. An ein­ samem Meeresstrand tummeln sich in den blauen Wellen, denen die langsam sinkende Sonne noch einen silbernen Kamm verleiht, ein Dutzend Männer verschiedenen Alters, alle splitternackt. Ein Wegweiser, der auf französisch und arabisch zu den Ruinen des alten Carthago weist, läßt die Örtlichkeit erraten. Eine Badeszene von Touristen? Nein, die abgelegten Kleidungsstücke sind Uniformen des Afrika-Corps … II. (21 h): Dieselben Männer, Soldaten, die vorhin den Eindruck von lebenssprühender Gelöstheit wie im tiefsten Frieden vermittelt haben, finden wir jetzt, nur 2 Stunden später, in Uniform in einem Bild äußersten Kontra­ stes wieder, in einer düsteren Kohlezeich­ nung; es könnte auch ein harter Holzschnitt in schwarz-weiß sein. Aus einem Schutzgra­ ben, der außer in deutsch auch französisch mit „A l‘ Abri“ beschildert ist, ragen etwa zwei Dutzend behelmte Köpfe mehr oder weni­ ger vorsichtig heraus, dem Horizont zuge­ wandt. Dort sieht man an mehreren Stellen das Aufblitzen fallender Born ben. Auch brennt es hier und da. Das Wrack eines Flug­ zeuges deutet einen Flugplatz an. Bei der Nachtzeit und der überall durchgeführten Verdunkelung kann man nur soviel erken­ nen. Was ist geschehen? Die Landser mit ihren Offizieren, eine Sondereinheit, hatte Tage lang auf die verfügte Verlegung ins Reich – das hieß soviel wie „an die Ostfront“ – zu warten gehabt. Jeweils bis auf 2 Stunden hatte es innerhalb der Wartezeit unter dem Vorbehalt sofortigen Rückrufs Urlaub gege- 250 ben, den man an jenem Abend zum Baden verwendet hatte. Groß war die Freude, als es kurz danach hieß „Fertig machen für den Abtransport zum Flugplatz!“ Neapel sollte das Flugziel sein. Getrübt wurde die Freude, als sich die Abreise dadurch verzögerte, daß die Engländer begannen, den Flugplatz in mehreren Einsätzen zu bombardieren. Nun hieß es, mit viel Geduld in den Schutzgräben am Rande des Platzes abwarten. Schon erschien der Abflug überhaupt als geschei­ tert, als es gegen 3 Uhr plötzlich hieß, in zwei Gruppen je ein startbereites Flugzeug, eine Ju 52, zu besteigen. Man wünschte sich gegen­ seitig „Hals- und Beinbruch“, wußte man doch, daß die Royal Air Force den Luftraum beherrschte und schon manche J u 52 in den letzten Wochen mit Mann und Maus nach Abschuß in den Fluten versunken war. Auch hielt sich das – im übrigen zutreffende – Gerücht, die Engländer stünden kurz vor der Hauptstadt, vor Tunis. Gleichwohl war die Grundstimmung fast bei allen weder gedrückt noch zuversichtlich. Als Landser fügte man sich dem, was da kommen würde, „dem Schicksal“. In etwa 2 Stunden, darin wiegte sich jedermanns Hoffnung, war man in Neapel auf dem italienischen Festland … III. (4.30 h): Mit großflächigem Bleistift möchte ich, ,,grau in grau“, den Flug der Ju 52 festhalten. Zweidrittel der Zeichnung ist grauschwarzer, noch nächtlicher Himmel; die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Das untere Drittel ist dunkles Meer, an dessen oberem Rande man unscharf das Flugzeug erkennen kann. Es fliegt nur etwa 50 m über der Wasseroberfläche, um vom Feind nicht gesichtet zu werden. Man hat allen Grund dazu, hat man doch an Bord nicht einmal ein einziges Maschinengewehr, um einen Angriff abzuwehren. Die bei Abflug verteil­ ten Schwimmwesten sind kaum ein schwa­ cher Trost. Nun zu dem einen der beiden Flugzeuge, in denen der Einheitsleiter, ein älterer Gene­ ral, zwei Offiziere, darunter auch ich, und eine Handvoll Mannschaftsdienstgrade Platz genommen hatten. Im Lauf des Flugs,

der zunächst reibungslos verlief, begann der eine oder andere von uns zu schlafen. Andere wie ich, dösten so vor sich hin. Doch kurz vor 5 Uhr wird es im karg ausgestatteten Rumpf der Ju 52 unruhig. Unsere Bleistift­ zeichnung gibt nicht wieder, wie aus der Pilo­ tenkabine Fetzen einer offenbar heftigen Auseinandersetzung hörbar werden, und dann einer vom Flugpersonal aufgeregt die Kanzel verläßt, den Rumpf wortlos durch­ quert und dann vorne wieder verschwindet. Inzwischen ist es heller geworden. Man sieht, wir sind immer noch über dem Wasser. Kein Land in Sicht, obwohl die vorgesehene Flug­ zeit bald zu Ende ist. Dann kommt das, was man im Drama das „erregende Moment“ nennt und bei uns auch den letzten Schläfer unsanft weckt: Der Copilot gibt zögernd bekannt: „Wir haben uns verflogen … wir haben bald keinen Treibstoff mehr … “ Dann setzt er noch einmal an: ,,Fertigmachen zum Aussteigen … Das Flugzeug sinkt innerhalb von 2 bis 3 Minuten“ … Es gab darauf keine Panik. Aber der plötz­ liche Schreck und die daraus wachsende Angst, ja das Entsetzen war in manchem Gesicht zu lesen. Dem einen schoß das Blut in den Kopf, der andere wurde bleich wie die Wand. Ein Kamerad, den ich als sehr gläubig kannte, begann etwas zu murmeln, offenbar Fetzen eines Gebetes. Makaber wurde die Lage allerdings dadurch, daß man dem Gene­ ral, der in Rußland ein Gutteil seines Gehörs verloren hatte, die Schreckensnachricht sozusagen schreiend beibringen mußte, bis er sie überhaupt richtig verstand. Ich selbst griff zu dem, was man Autosuggestion nennt, zur Selbstbeeinflußung. Als bewähr­ ter Langstreckenschwimmer kam die felsen­ feste Zuversicht in mir auf, daß ich mich im Wasser halten würde. Mir fiel zwar ein, daß ich, da nicht genügend Schwimmwesten vor­ handen gewesen waren, beim Abflug auf eine solche verzichtet hatte. Instinktiv fing ich sogleich an, meine Halsbinde und den Kragen zu lösen, dann auch die Schnürbän­ der der Tropenstiefel, um im Wasser mög­ lichst viel Ballast abwerfen zu können. Einige Kameraden folgten diesem Beispiel. Angst stieg aber auch bei mir auf, als jemand etwas rief, was eigentlich etwas Gutes bedeu­ tete: ,,Land in Sicht!“. Denn jetzt nützte mir meine Schwimmtüchtigkeit nichts, wenn der Vogel am Boden zerschellen würde. In der Tat zeichnete sich mehr und mehr ein Küstenstreifen ab. Dann sah man eine ziem­ lich breite Ebene, und schon nach wenigen weiteren, bangen Minuten ging die Ju 52, sozusagen mit dem letzten Tropfen Treib­ stoff, im Gleitflug ohne Panne in einem Maisfeld nieder, nur etwa 200 m vor einer jener hohen Mauem aus aufgeschichteten Felsbrocken, mit denen man im Süden Gründstücksgrenzen markiert. Als wir das Flugzeug verließen, machten sich bei allen die Erschütterung, die Entspan­ nung und dann das Glücks- und Freudenge­ fühl über die unerhoffte Errettung aus Todesgefahr bemerkbar. Eine aufkeimende Auseinandersetzung zwischen Pilot und Copilot über den Navigationsfehler wurde vom General unter dem stummen Beifall aller im Keime erstickt. Dafür tauchte aber dann die Frage auf: ,,Wohin sind wir Schiff­ brüchigen verschlagen? Sind wir auf befreun­ detem Boden oder in Feindesland, etwa im englischen Herrschaftsgebiet von Malta?“. Es gab ringsum nirgendwo einen Hinweis oder Anhaltspunkt … IV. (5 h): Jetzt hat der Maler wieder seine Rechte. Das nun folgende Bild möchte ich mit den schönsten und frischesten Farben der Welt als Aquarell so hingezaubert wissen, als ob es sich um die Darstellung eines der letzten Schöpfungstage im Paradies handeln würde. In einem tief ausladenden fruchtba­ ren Tal, wie es angesichts des nahen Gebirges als Geschenk der Götter angesehen werden muß, breitet sich die ganze südländische Pracht einer Landschaft mit kraftstrotzen­ den Mais- und Getreidefeldern, Rebplanta­ gen, Wiesen und dazwischen verstreuten dunklen Hainen aus. Die Frische eines wol­ kenlosen Maimorgens strömt entgegen. Bis auf das Vogelgezwitscher und das Rauschen des Windes Stille weit und breit. Allerdings 251

nimmt man bei näherem Zusehen zwei Gestalten wahr, die, vorsichtig nach allen Sei­ ten blickend, eine Anhöhe erklimmen, die durch eine Art Gehöft mit weit ausladendem Dach gekrönt wird. Jetzt muß der Kommentator nachhelfen und fortsetzen. Die beiden Gestalten sind ein Hauptmann der notgelandeten Einheit und der Erzähler. Wir beide hatten den Auftrag, zu erkunden, wo wir seien. Obwohl nicht ganz ungefährlich, ist es für mich zu einem der schönsten Spaziergänge meines Lebens geworden. Denn oben gab es noch eine freundliche Begegnung. Vor dem Gehöft, noch immer im unklaren, ob wir auf italieni­ schem Gebiet seien, wurden wir an einem Brunnen des Haupthauses des ersten mensch­ lichen Wesens gewahr, eines jungen Mannes mit nacktem, braungebranntem Oberkör­ per, der sich dort wusch. Als wir langsam auf ihn zuschritten, war er der erste, der ein Wort sagte: „Tedeschi?“. Auf diese auf italienisch gestellte Frage, ob wir Deutsche seien, ant­ wortete ich bejahend lediglich mit „Si.“ Der junge Bursche nahm dann unsere Schulter­ stücke in Augenschein und fragte, ob wir Offiziere seien. Als ich das bejahte, nahm er, also offenbar Soldat, Haltung ein. Ich hatte das Gefühl, daß er, obwohl wir Deutsche damals in Italien durchweg schon unbeliebt waren, in uns beiden lieber Deutsche als etwa Engländer vor sich hatte. Auf die Frage, was er hier oben mache, erstattete er militärisch unter Nennung seines Namens und seiner Einheit Meldung, daß sie „hier oben gegen die alliierten Fallschirmspringer eingesetzt“ seien. Als der Hauptmann und ich ihm dann von einer Anhöhe, von der man Sicht bis zum Meere hatte, in der Ferne unsere notge­ landete Ju 52 zeigten, die wie ein großer schlafender Vogel im Maisfeld lag, war sein Erstaunen grenzenlos: ,,Nichts gehört, nichts gesehen!“ Ich bat ihn darauf, seinen schlafen­ den Chef, einen Leutnant, zu wecken. Mit aller Gastlichkeit und Hilfsbereitschaft, deren die Südlander fähig sind, wurden wir Notgelandeten nach einem kurzen Imbiß in ein Fahrzeug verladen, das uns in die nächste 252 Stadt brachte, die Bahnverbindung hatte. Unseren Vogel mußten wir seinem Schicksal ü herlassen … V. (7 h): Genau 12 Stunden nach der Badeszene am Strand von Carthago befan­ den wir uns nun in Mazara del Vallo, jener nach unserem Landungstal genannten alten phönizischen Siedlung, südlich von Marsala, der bekannten Stadt des Weines. Das Bild, das mir von dort noch im Gedächtnis haftet, möchte ich in breiten, satten, festlichen Ölfarben gemalt wissen: das Innere des ural­ ten, noch mit der antiken kultischen Über­ bleibseln übersäten, jetzt in feierlichem Barock gehaltenen Domes mit dem vielen Gold an Altären und Statuen, mit weih­ rauch- und kerzengeschwängerter Luft, mit den an den Orient erinnernden monotonen Gesängen. Wir, die Notgelandeten, hatten zwanglos den Weg dorthin gefunden und stehen jetzt dem Hauptaltar gegenüber, an dem der Bischof die Frühmesse liest. Der Maler wird unsere Gesichtsausdrücke ver­ schieden wiedergeben. Bei dem einen wird die gläubige Dankbarkeit für die Rettung vor dem Tode seinem Herrgott gegenüber bered­ ten Ausdruck finden. Bei dem anderen wird, bei aller etwa anderen inneren Ausrichtung, ein ähnliches Gefühl des Dankes und der freudigen Entspannung unverkennbar sein. Am geistigen Auge eines jeden zieht noch einmal die ganze Skala von „Hoch“ bis „Tier‘ der Geschehnisse vorüber, die in 12 Stunden durchlebt werden mußte: die Szenen am Meer und im Schutzgraben, das aufwüh­ lende Erlebnis im Flugzeug und die glück­ liche Lösung des unheilvollen Knotens bis hin zu einem – wie immer auch zu deuten­ den – Te Deum in einem historischen Tem­ pel, der die Jahrhunderte überdauert hat. Das alles, so kommt es jedem von uns vor, ist in Wochen und Monaten erlebt worden, nicht etwa in 12 Stunden. Daß just in dieser zwölf­ ten Stunde Tunis in die Hand der Engländer gefallen ist, entzieht sich noch unserer Kenntnis. So können und dürfen wir hier einmal kurz nur an uns selbst denken … Als Nachsatz kurz noch zwei Punkte: Als

wir „Notgelandeten“ uns wenige Tage später im Reich beim Ersatzbataillon zurückmelde­ ten, wurden wir wie die Geister von längst für Toterklärten, nämlich offenbar über dem Mittelmeer Abgeschossenen, empfangen. Denn die andere J u 52 war unbehelligt in Neapel angekommen. Wenig mehr als 2 Monate danach konn­ ten wir der Landkarte entnehmen, daß die englisch-amerikanische Invasion auf Sizilien am 10. Juli 1943 just die breite Teilbucht bei Mazara del Vallo zur Landung gewählt hatte, wo wir notgelandet waren. Denselben Land­ strich hatten viele Jahrhunderte vorher sicherlich schon die Carthager (Phönizier), Griechen und Sarazenen, sämtlich von Süden kommend, benutzt, um sich der Insel zu bemächtigen. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder … Hans Hauser: Villinger Mundart Min Weag Wenn i en Mol er wär, i brächt koe Striißli zweag, es weest koe Blüemli a mim Weag. De Herrgett woest scho waner duet, wa kunt du bisch i siiere Huet, und gohts au mengmol durenand es feilt ihm koes us siiere Hand. Gringsum nu Stoe und Muur und Gnuel und Gschroe und Spott. Mosch do dedur bruchsch Gnad bigott. Mi Sprooch isch hert und rauh wie d’Stoe und d’Muur und kum oes bliibz no stauh und loset zue. Wa word mi ringi Earn? I fiech: E Burti Strau mit Distle drin. Wer will die hau. Stammhalter Wie hät mer ummen Sorge ghet. Jetz liit er gsund im warme Bett und gspürts im Schloof: Vu jetzet ab gilt nu no er und frait si drab. Jetz bätet und gend zuenim acht, er isch e Steamli i de Nacht, amend vu ennedra en Bot. Trüeh, Büebli, waahs und helfder Gott. Jetz han i gnueg … Jetz han i gnueg vu eil dem luute Gschroe und Gmach. Es bruucht sich neamert um mich es langet, moni, i maas nimme höre, [ scheere, gond jetz und lond mi i mim Hus eloe. Doo, zwischet miine Buecher, hör i koe oefeltig Gschwatz, doo derf mi neamert störe, i ka de Totewurm im Täfer höre und hoemli fellt de Putz vum Holz und Stoe. Wenn mer de Himmel voller Giige hängt, des hoest, es frait mi ebbis, find i scho no Ghör. I lade Frind und Nochbere ii. Doch wenn es in mer gähret, triibt und zwängt, es druckt mi oemeds und i woes nit wo, moss i eloe und biimer selber sii. 253

Rudolf Wintermantel (t): St. Georgener Mundart Sei beruhigt Es Immle fliegt in Wiiberg nii On huckt uff d’Truuwle naa, On bohret mit siim Miile gschickt De riife Beere aa. N oo isch lätz! „Gitts en Weg wo nuff in Himmel Goot?“, so hät es Ergle g’seit, On hät siine kleine Händle In es Muetters Hand nii gleit. Dr Käffer siehts on rieft em zue, Vom Zorn schier iwernomme: „Waa machisch Du denn doo! – So kinnt Efange jedes komme! ,Jo, es gitt en Weg in Himmel“, Isch dr M uetter Antwort gsii, ,,Bis nuu brav, noo worsch en finde Sällen Weg in Himmel nii!“ Doo sott es no e Wonder sii, Daß dWii so wässrig sinn! Die Süeßigkeit, die bruucht es wohl In denne Beere drinn!“ Es Immle lachet druff on seit: ,,So gfährle words net sii, Die Pantsch er di( e)n die Süeßigkeit, Wo fehlt, schau wieder nii!“ Dr Bettelbue Ich bin dr arem Bettelbue, Mer seit mer nuu „dr dreckig Bue“, Ich honn vill Honger on koa Brot; Hilf, guete Welt, mir uß dr Not! Es H üetle in dr rechte Hand, So triiwt mes Elend rom im Land, Ich honn koan Fried on au koa Rueh; Hilf, guete Welt, mir Bettelbue! „Gäll, es Sonndighääs säll mueß mer Azieh, wenn mer druff will gau On am neiwe Hüetle mueß mer Au e Fedder stecke hau?“ d’Muetter striicht es Hoor em Büewle On seit: ,J o, säll mueß mer hau, N uu mit ganze, nätte Hääsle Darf mer nii in Himmel gau“. On es Büewle fangt aa z’schreie Druff on seit: ,,N oo isch es lätz, Muetter, ich komm net in Himmel Miine Hääs henn älle Plätz!“ Beim Wort genommen ,,Kinder“, seit biim Esse d’Muetter, ,,Mache jetz on genn ins Bett!“ ,,M uetter“, gitt es Reesle z‘ Antwort, ,,Muetter, s’Griesmues maan ich netl“ Ich bin verwoaßt on ganz verlau On oasam mueß e dusse stau; Koan Troscht im Herz, koa Brot drzue, Ich bin dr arem Bettelbue! ,,Älles müesse d’Kinder esse!“ So hät d’Muetter wieder gseit, On hät naa zom Griesmues jedem Au en Mocke Schwarzbrot gleit. Ich bin dr arem Bettelbue! Mer seit mer nuu „dr dreckig Bue“, Do daß ich Soapfe kaufe kinnt, Zue sällem gitt mer niemed ninnt! s’Reesle schreit on monnt verlege: ,,Muetter, gäll, du bisch net Find, Awer, wenn mir ,Älles‘ esse, Noo henn ander Litt joo ninnt!“ 254

Es Meiles Schatzbrief J etz dät e do so gern weng schriiwe On s’konnt mer gar ninnt ii“, So seit es Meile hintrem Disch On biißt in d’Fedder nii. An Hanserg sott es Briefle halt, An Schatz in Konstanz gau, Drom sott es au recht gschriiwe sii On bsondre Orning hau. So schriiwt es also: ,,Grüeß de Gott Miin Hanserg, Du miin Frind! Gäll helsch in Ehre waa dr schriiw; Sonsch woaß e jetz grad ninnt.“ Gottfried Schafbuch: Hüfinger Mundart Lätz gmond D‘ Käther liit im Bett und joomret. Kumme ischt de Dokder glii; griift de Puls und mißt no d‘ Fieber. … ’s word Matthe am letschte sii. ’s Nättscht Us de Bibel duet verzelle d‘ Lehrerin de kleine W aar; we de N oe i de Arch drinn Dierli mitgschloapft hätt, e Schaar. ,,D‘ Blätz im Gsecht si mont verschwinde, nemmet pünktli d‘ Medizii. … Wiibli, ihr clont mier nitt gfalle, sottet halt no jünger sii!“ „Haiet, Kinder, clont mool roote wa de N oe gmacht word ha mit de Dierli, mit de ville; Fratze, stränget ’s Hemli aa!“ Deufelswild und blau word d’Käther, mit de Händ si d‘ Decki dätscht. ,,Ihr Herr Dokder“ duet si blääre, ,,sind bigott au nitt de nättscht!“ ,,Korzes gschnitte hätt de N oe, Tränki grecht und Gille dreit. ’s Wiib hätt gmolche, d‘ Geis versorget, gucket, daß ko Hoa verleit!“ D‘ Grabred Schwätze kinne, ischt en Voartel, bsunders wenn mer Stadtroot ischt. Kasch seil nitt, noo bliib vum Roothuus, wenn du nitt scho dobe bischt. ’s kinnt der gau we’s Rätsche Andres wo ’n er gschwätzt hätt bi ’n re Liich. Zittret hätt er we e Kälbli, gworgset, gstacklet all nu ’s gliich. Zmol do fangt er luut a johle, – drillet all sin H uet, de rund: – ,,Liebe Friind, du bischt nu gschtoerbe, leb jetz wohl und … bliib mer gsund!“ ,,Du bischt halt e pfiffig Büebli, woascht du au, – hai sag mer’s glii, wa bis N oes i de Arch drinn woll am nättschte word gsi sii?“ Fritzli duet kleiweng schtudiere, gucket d‘ Lehr’rin aa, fascht schii. ,,Daß si d‘ Milch hond därfe bhalte, sell ischt woll am n.ä’ttschte gsii!“ S chmerzefriitig In Spital, zu alte Manne, kunnt all Friitig de Frisör. ’s Messer haut ihm nimme selli, hienda hätt er schwer Malör. 255

D‘ Manne siifzget, clont luut schreie, bis de Bart ischt wegbalbiert …. Schmerzefriitig clont si hoaße jetz de Dag wo word rasiert. D‘ Wärter kummet glii mit Stange, bringet Sealer, Loatre mit. Uff de Bämm die Manne b l ä r r e t . … . .. ’s ischt jo Schmerzefriitig hitt. Korz vor Pfingschte kunnt de Schaber mit sim Sabel in Spital. Doch ’s sind fort jo alli Manne, ’s ischt kon onz’ge doo im Saal. Z‘ oberscht imme Lindedolde schreit de Jörgli, ischt kelschblau: ,,Lieber duer mi do glii hänke, als no mool rasiere lau!“ Wo – ner gucket no dor‘ s Feischter sieht er Manne uff de Bämm. Andri gräßlet schier we d‘ Affe, domet umme a de Schtämm. Mit de Stange clont sin stupfe, hond an Bomm e Loatre gleit. Wo deJörgli sieht de Schaber … sterbt er … und ischt abikeit. ,,-,, Der Helfer i der Not I der Degginger Schuel hät vor etliche Woche D’Lehreri, d‘ Freili Eisa, d’Religionsschdund abghaalde. Si hät so erbauli und aadachtsvoll gschbroche Vu der gettliche Allmacht und vum heere Waalde (höheren Walten). Verfasser handelt es sich um den Begründer und lanfjährigen Inhaber der Donaueschinger Hofbuchhandlung Otto Mary, die jetzt auf 100 Jahre ihres Bestehens zurückblickt. Das Gedicht aus dem Besitz von Fräulein Marga­ rethe M ory, Donaueschingen, übermittelte uns Eugen Rombach, der Bruder vom „Freili Eisa‘: die seinerzeit Lehrerin in Döl!,gjngen, heute Stadt Bräunlingen, war. „Wer ka om no helfe“, do het si no gfroget, „Wenn Uuglick und Kranket verfolge iis duet, Wenn Kummer und Soarge und Schmerze om blooged, Wer bringt ichi Reddung, wer giit frische Muet?“ Die Meidli und Buebe sind ufgschande glii, Sind um d‘ Antwort gaar nit verlege gsii: ,, Wer iis no helfe kaa und Reddung bringe? Kon Andere, as der Dokter Sumser vu Hifinge!“ Otto Mory (1923) Nachschrift der Almanach-Redaktion: Der „Helfer i der Not“ ist Dr. Erwin Sumser, der 1961 verstorbene Hüfinger Landarzt und Baaremer „ Orchideenvater‘: der im Alma­ nach 81, S. 153-156, gewürdigt wurde. Beim 256 Kostendämpfung J etz Doktor si – isch kei Pläsiear. Es sin jo alli Kasse leer. Nu d’Wartsääl – dea sin me als voll. Wa mer do wohl verschriebe soll? Doch s’git no Mitteli – dea sin guat, Wo Kass‘ sogar no schone tuat: ,,Viel laufe un an d’Luft nus gau.“ Jo, des isch g’sund – des weiß mer au. Des het verschrieabe kriagt en Ma. Er frogt: ,,Wia fang ich des bloß a? Vor oder no de Arbeitszit ?“ Dea Doktor sait: ,,Mach’s wia de witt. Worum? Wa bisch denn von Beruf?“ ,,Brieafträger“ sait verschmitzt er druf. (Furtwanger Mundart) Gertrud Mager

Anekdoten um Max Rieple Um Max Rieple, den 1981 verstorbenen Dich­ ter der Baar, der durch sein umfangreiches Werk weithin bekannt wurde, gi.bt es eine Viel­ zahl von Anekdoten. Frau Rieple hat die Histörchen, die ihr von Freunden und Be­ kannten des Schriftstellers zugetragen wurden, gesammelt und aufgeschrieben. Sie wurden zu einer heiter-besinnlichen Kurzbiografie des Donaueschinger Dichters. (Verlegt bei Anne Rieple, Scheffel-Apotheke, 7710 Donaueschin­ gen). Hier einige Proben: Bestellt – und nicht abgeholt Auf Studienfahrt mit Max Rieple zu gehen, war an- und aufregend zugleich. Er vergaß bei seinem Wissensdurst und seiner Entdeckerlust alles andere, ja sogar seine Frau. Als er einmal auf der Heimfahrt von Ita­ lien um die Mittagszeit in Bellinzona eintraf – der Himmel war verhangen – schlug er vor, im Ristorante eine Mahlzeit einzunehmen. Wir nahmen Platz und wählten auf der Spei­ sekarte. Plötzlich wurde es hell im Raum, denn die Sonne brach hervor. Da erhob sich Max und verschwand mit dem Hinweis, gleich wiederzukommen. Der Valpolicella stand auf dem Tisch, die Suppe war aufgetra­ gen, ich wartete. Ich begann die halbwegs löffeln. Die erkaltete Zuppa pavese zu Lasagne verde wurde serviert – ich wurde unruhig, denn mein Kavalier erschien noch immer nicht. Ich spürte die zweifelnden Augen des Obers bereits auf mir ruhen. Es verging Minute um Minute, ich suchte ver­ gebens in den Nebenräumen nach meinem Mann. Er blieb verschwunden. Jetzt wurde mir bewußt, daß ich nicht einmal einen Geld­ beutel mitgenommen hatte und, ohne mich als Zechpreller verdächtig zu machen, ich mich nicht entfernen konnte. Nach sage und schreibe 45 Minuten ging die Tür auf, und freudestrahlend betrat Max Rieple das Lokal, als ob nichts gewesen wäre. Er hatte beim Hinausgehen bemerkt, wie günstig das „Grande Castello“ im Sonnen- licht lag und die Gelegenheit des Fotografen genutzt und war hinaufgestiegen. Vor lauter Freude am Objekt hatte er das Essen und seine Frau total vergessen. Nun, die Suppe und das Nudelgericht wurden aufgewärmt, und die Episode wurde ihm – ehrlich gesagt­ noch manchmal aufgetischt. Noch peinlicher war es, als er in Wien ein­ mal vergaß, wo er sich mit mir verabredet hatte und wir uns erst durch ein beiderseiti­ ges Telefonat mit Freunden wiederfanden. Da bedurfte es dann schon einer besonderen Geste, um mich wieder zu versöhnen. Die Weihnachtsgänse Mehr der Not gehorchend als aus eigener Neigung hatte Max Rieple in den 30er Jahren das elterliche Kaufhaus übernommen. Er war ein guter Organisator, aber gewiß – von seiner Mentalität her – kein guter Geschäfts­ mann. Deshalb hielt er sich auch meist im Hintergrund. Vornehmlich die weibliche Kundschaft zu begrüßen, die Kasse zu bedie­ nen oder beim Einkauf der Waren mitzuwir­ ken, empfand er als seine Aufgabe. So konnte er oft seiner eigentlichen Begabung nachgehen und Verse schreiben und dies trotz Hektik und Trubel um ihn herum. Betraten dann Freunde das Geschäft, so erhielten sie gleich ein noch warmes, am Stehpult soeben entstandenes Gedicht in die Hand gedrückt. Je mehr Unruhe im Laden war, etwa in den Wochen des Ausverkaufs oder in der Adventszeit, desto reger arbeitete die Phantasie des Dichters. Als er schließlich nach langem J unggesel­ lendasein eine Frau fand, die gewillt war, ihm die Last der kaufmännischen Tätigkeit abzu­ nehmen, war er der glücklichste Mann. In den ersten Ehejahren jedoch stand er in der Vorweihnachtszeit noch mit im Laden. Man kannte Max Rieple in Stadt und Land. Die Landfrauen brachten zuweilen frische Eier und Landbutter mit, praktisch als Zahlungsmittel. Auch Gänse wurden ihm angeboten. Da er nicht „nein“ sagen konnte, 257

bestellte er noch eine zweite. Nach einer Woche oder zwei pries eine Bäuerin ihren Festtagsbraten besonders heiß an. Max Rieple wollte sie nicht enttäuschen. So kam es, daß an den Vorweihnachtstagen nicht nur zwei Gänse abgeliefert wurden, sondern am Heiligen Abend schließlich eine dritte. Es gab an diesem Weihnachtsfest und an Silve­ ster und Neujahr Gänsebraten. Die treue Sofie, eine ganz vorzügliche Köchin, hatte ihn trefflich und vielfältig mit Kastanien, Kräutern und Apfelkompott zubereitet. Verwandte wurden mit zu Tisch gebeten. Zunächst aßen alle mit großem Appetit. Doch nach wenigen Tagen konnte keiner mehr Gans riechen und geschweige denn essen. So füllte man das Gänse-Klein in zwei Milchkannen und gab es im Spital ab. Erst viele Jahre später kam die nächste Weih­ nachtsgans auf den Tisch. Begegnung auf der Brücke ,,Was wären Brücken, ohne die Menschen, die über sie zusammenfinden.“ Max Rieple suchte stets Verbindungen und Kontakte herzustellen. Brücken waren ihm dafür das schönste Symbol. Er nutzte jede Gelegen­ heit. Als er einmal auf einem provisorischen schmalen Holzsteg über die Brigach einer lie­ benswerten, weißhaarigen Bekannten bege­ gnete, drückte er der verehrten Dame einen Kuß auf die Wange. Sie errötete darob über und über und schaute ängstlich um sich, ob es vielleicht einen Zeugen für diese überaus herzliche Begrüßung gäbe. Nun, den Beobachter gab es. Er freute sich aber über diese Brückenbegegnung und darüber, wie der auch nicht mehr ganz junge Dichter fürsorglich die Hochbetagte am Arm von einem Ufer zum anderen geleitete. Jürgen Henckell: Stadtbilder III Schatten von noch Unsichtbaren über eine Straßenkreuzung fallend, deutlich herwärts, aber ohne Näherkommen – Sicher ist nur eines: daß dort Lampen hinterrücks Erwartung lenken und Gesichter schwarz maskieren. Doch allein die Schaltgeräusche sind zu hören, wenn die Ampeln nutzlos ihre Farben wechseln – denn es setzt sich niemand in Bewegung, um bei Grün die Kreuzung angesichts des roten Wartens zu passieren. 258 Und so bleiben dort die Schatten Unsichtbarer, die sich länger werdend auf dem Pflaster kreuzen, wie bei Chiricos Gemälden metaphysisch durch verwirrend konstruierte Perspektiven der Gedanken. Solche Bilder zwingen in die Rolle eines Übersetzers. Sonne im Zenit Metallene Hitze, die fleckig vom Grünspan gespiegelten Grases –

Gezirkelte Schatten der Bäume als Schächte von Brunnen, die sinnlos ein Dürstender grub. Die Flügel der Zirpen verbrennen am Mittag auf glühendem Messing, das lautlos vibrierend die Asche vordem noch so drängender Lockung zur Paarung verstreut – Der Adler stürzt lotrecht vom Himmel, als hätten die Pfeile der Sonne ihn mit dem Verlangen nach Fischen getroffen, mit dem jede Welle der Hitze ihn täuscht. Verstaubt sind Geräusche, erstickt alle Lieder, nur Fata Morganen belügen mit Schätzen in kühlen Palästen, vor denen geblendet das Auge sich schließt. SpurenSumme Seitdem sie dort oben als Kundschafter waren, ist der Mond H.ir mich Zweifler an lauteren Plänen nur eine mit Teflon beschichtete Pfanne, in der alle Ausreden-reden der Fortschrittsfanatiker schmoren und ebensowenig verbrennen wie alles Geglaubte. Geblieben seit jenen lunarischen Nächten sind die Scheu vor den ersten gestiefelten Spuren im kosmischen Staub und die Angst vor veiwegenen Schritten darüber hinaus, die dann alles, was irdische Unordnung schafft, bis ins Kleinste errechnet berechnend ins immer Geordnete tragen. Seitdem sie dort oben als Kundschafter waren, ist Berechnung zum Glaubensbekenntnis geworden. Gleichnis Die Heuschreckenplage von biblischem Zuschnitt heißt jetzt S02 – so die Formel – und regnet als Kahlfraß aus giftigem Atem des goldenen Kalbes hernieder, das von der Legende gestürzt, doch in Wahrheit bis heute am Leben geblieben. Schon lange erblindet von gleißender Lockung um tanzen nur Toren den Fetisch, der sie, wenn sie stürzen, mit goldenen Hufen zertntt. Gerede Es werden zu viele Reden gehalten – dann aus der Hand gelegt 259

und gleich vergessen, so wie kurz zwar in die Hand gegebene, doch nur für diese Zeit gehaltene Versprechen. Die Brücken von Blumberg (Tal der Aitrach) Als wir damals kamen, führte dort noch eine Brücke für die Förderung von Erzen über dieses Tal und seine relative Enge – bis sie eines Tages anderer Gewinne halber demontiert verschrottet wurde. Ungehobene Schätze ruhen unbefreiten Echos ähnlich in seitdem verschloss’nen Tiefen. Ohne sichtbare Symbole wird nichts mehr gefordert, das die Wege über jeden Widerstand der Berge in die Aufbereitung des verdichteten Gehaltes mit dem Ziel der Schmelzprozesse ftir die allgemeine Nutzung findet. Doch zuweilen schlägt der Regenbogen von den berg- und talgebund’nen Schattenspielen eine Brücke in das gleiche Spektrum mancher Hoffnung oder irisierend angebotener Träume. Norbert Fleck: T agebuchnotiz heute in dem kleinen restaurant scheint noch alles unverändert auf den manierlich gedeckten tischen zeigen sich in vertrauter weise die kerzen und rosen wo wir saßen war gestern unbemerkt eine kerze erloschen – doch die rose blüht vincent van gogh der oktober fiel die ernte ward eingebracht vier jahreszeiten 260 blieben auf dem feld zurück und nur deshalb male ich freiheit durch den fensterspalt flog mir ein schmetterling zu auf meiner rechten hob ich ihn wieder hinaus in das dunkle netz der nacht herbst wenn die wildgänse unsere seen verlassen erblüht an einem fernen uf er ein f rühling warum verstimmt dich ihr flug?

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Hansjörg Häfele, Wahlkreisabgeord­ neter im Deutschen Bundestag und langjäh­ riger finanzpolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, ist mit der Bildung der Bundesregierung Kohl am 4.10.1982 zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen ernannt wor­ den. Nach der Bundestagswahl am 6.3.1983 wurde er in dieser Funktion bestätigt. Meinrad Belle, Bürgermeister von Brig­ achtal, wurde am 10.10.1982 wieder zum Bürgermeister der Dreiergemeinde (Kirch­ dorf, Klengen, Überauchen) gewählt. Von den abgegebenen Stimmen erhielt er 99,1 O/o. Die Wahlbeteiligung lag bei 49,40/o. Die neue Amtszeit beträgt 8 Jahre und begann am 1.1.1983. Hermann Eble, seit 1.12.1962 Bürgermei­ ster der Gemeinde Gütenbach, ist am 30.11.1982 in den Ruhestand getreten. In seine Amtszeit fiel eine Reihe von Maßnah­ men, die die Entwicklung der Gemeinde Gütenbach positiv beeinflußt haben. Der am langjährige Bürgermeister wurde 30.11.1982 in den Ruhestand verabschiedet. Landrat Dr. Gutknecht sprach ihm Dank und Anerkennung für sein erfolgreiches Wirken aus. Als Nachfolger von Hermann Eble ist Richard Krieg, 33jähriger Gemeindeamt- mann aus Möhringen bei Tuttlingen, am 17.10.1982 im 2. Wahlgang zum Bürgermei­ ster der Gemeinde Gütenbach gewählt wor­ den. Richard Krieg konnte 50,8 % der Stim­ men bei einer Wahlbeteiligung von 83,4 % auf sich vereinigen. Er hat sein Amt am 1.12.1982 angetreten. Max Gilly, Bürgermeister von Hüfingen, ist am 16.1.1983 fiir eine dritte Amtszeit in seinem Amt bestätigt worden. 92,8 % der gültig abgegebenen Stimmen votierten für den bisherigen Amtsinhaber. Die Wahlbetei­ ligung betrug 52,3 %. Horst Ziegler wurde am 30.1.1983 als Bürgermeister der Gemeinde Königsfeld wiedergewählt. Um das Amt bewarben sich zwei Kandidaten. Der bisherige Amtsinha­ ber konnte rund 81 % der abgegebenen Stim­ men auf sich verbuchen. Die Wahlbeteili­ gung lag bei 62,73 %. Werner Gerber, Bürgermeister der Stadt Blumberg, wurde am 26. 6.1983 auf wei­ tere 8 Jahre wiedergewählt. Von den abgege­ benen gültigen Stimmen erhielt der Amtsin­ haber 96,3%. Die Wahlbeteiligung betrug 38,5%. Die neue Amtsperiode hat am 16. Sep­ tember 1983 begonnen. 261

Martin Buri, Ortsvorsteher des Blum­ berger Stadtteils Riedböhringen, konnte in einer Feierstunde am 3.12.1982 für eme 25jährige Tätigkeit als Bürgermeister und Ortsvorsteher geehrt werden. Neuer Erster Beigeordneter. Nach dem plötzlichen Tod des Ersten Beigeordneten der Stadt Donaueschingen, Hubert Mahler, ist Bernhard Kaiser zum Ersten Beigeord­ neten der Stadt Donaueschingen gewählt worden. Er hat seinen Dienst am 1. 2.1983 angetreten. Dr. Volker Lindner, der bisherige Erste Beigeordnete der Stadt Villingen-Schwen­ ningen, ist mit Wirkung vom 30. 4.1983 aus den Diensten der Stadt Villingen-Schwen­ ningen ausgeschieden und hat seine neue Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes der Vil­ linger Volksbank angetreten. – Sein Nachfol­ ger als Erster Beigeordneter wurde der bishe­ rige Zweite Beigeordnete Theo Kühn, der das technische Dezernat beibehält. Privatdozent Dr. med. Gernot Bürkle, Chefarzt der Radiologischen Abteilung am Kreiskrankenhaus Donaueschingen, wurde mit Wirkung vom 29. 3.1983 zum Professor ernannt. Professor Dr.Johann Löhn, Rektor der Fachhochschule in Furtwangen, hat zu Beginn des Jahres 1983 das Amt des Landesbeauf­ tragten für Technologietransfer übernom­ men. Auf Vorschlag von Ministerpräsident Lothar Späth hat das Kabinett der Berufung zugestimmt. In seiner neuen Funktion wird sich Johann Löhn für die Übertragung von wissenschaftlichem „know-how“ in die wirt­ schaftliche Praxis einsetzen, wofür vor allem bei mittelständischen Unternehmen ein Bedarf besteht. Wegen seiner beruflichen Veränderung hat Herr Löhn sein Amt als Rektor der Fachhochschule in Furtwangen aufgegeben. 262 Zu Ehrensenatoren ernannt. Zwei ver­ diente Männer aus dem Schwarzwald-Baar­ Kreis wurden zu Ehrensenatoren von Fach­ hochschulen ernannt. Altbürgermeister Hans Frank wurde am 8.3.1978 Ehrense­ nator der Fachhochschule Furtwangen und Altbürgermeister und Kurdirektor i. R. Otto Weissenberger am 13.10.1982 Ehrensenator der Fachhochschule Heilbronn. Mit dieser Ehrung wurden die Verdienste der beiden Männer um die jeweilige Fachhochschule gewürdigt. Die Bürgermeister aus dem Schwarz­ wald-Saar-Kreis fuhren am 20. 4. 1983 mit Landrat Dr. Gutknecht in den Kanton Schaffhausen. In Stein am Rhein und in der Stadt Schaffhausen wurden Zivil-Schutzan­ lagen besichtigt. Die Teilnehmer konnten sich von den großen Anstrengungen unserer südlichen Nachbarn auf diesem Gebiet über­ zeugen und fuhren sehr beeindruckt wieder nach Hause. Vertiefung unserer freundschaftlichen Verbindungen zum Kanton Schaffhausen Seit einigen Jahren bestehen freundschaft­ liche Verbindungen zwischen dem Kanton Schaffhausen und dem Schwarzwald-Baar­ Kreis. Am 24. 8. 1983 fuhr Landrat Dr. Gutknecht mit den beiden Altlandräten Dr. Astfäller und Dr. Lienhart und einer kleinen Delegation des Kreistages in den Kanton Schaffhausen. Der Besuch vermit­ telte einen Einblick in aktuelle Fragen der Wirtschaft einschließlich der Lehrlingsaus­ bildung. Der Besuch des Museums Aller­ heiligen und des Münsters machte die reiche kulturelle Vergangenheit von Stadt und Kanton Schaffhausen deutlich. Das tradi­ tionell herzliche Verhältnis zwischen den Reiseteilnehmern hüben und drüben gab der Reise eine besonders freundschaftliche Note.

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1982 aus­ gezeichnet: a) mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: (Die Abkürzungen bedeuten: VM = Verdienstmedaille, BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande) Dr. Binder, Wilhelm Dold, Luise Dury, Cäcilie Eble, Hermann Dr. Frommer, Max von der Grün, Wilhelm Hauger, Josef Hauser, Hans Heinzmann, Anna Huber, Emil Müller, Oskar Scherb, Gretel Dr. Schienle, Theodor Volk, Walter Wiebelt, Franz-]. Wiedel, Lothar 09. 02. 1983 14. 06. 1983 24. 05. 1983 02. 08. 1982 08. 12. 1982 14. 12. 1982 02. 08. 1982 18. 05. 1983 22. 06. 1983 31. 05. 1983 30. 11. 1982 30. 06. 1983 15. 07. 1982 29. 12. 1982 29. 12. 1982 20. 05. 1983 BVK a. B. VM BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. VM VM BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. BVK a. B. Villingen-Schwenningen Donaueschingen Bräunlingen Gütenbach Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen Bad Dürrheim-Sunthausen Villingen-Schwenningen St. Georgen Villingen-Schwenningen Bad Dürrheim-Hochemmingen Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen St. Georgen Villingen-Schwenningen Vöhrenbach b) Bundesverdienstkreuz I. Klasse Prof. Dr. Hirsch, Ernst 10. 08. 1982 Königsfeld c) Großes Verdienstkreuz Fürst zu Fürstenberg, Joachim 08. 07. 1983 Donaueschingen d) Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg Kraus, Josef 30. 04. 1983 Villingen-Schwenningen 263

Ausländer in Zahlen Stand: Ausländerbetreuungsprogramm 1981 (Fortschreibung 1983) • Jeder 9. Einwohner im Schwarzwald-Baar-Kreis ist ein Ausländer (das sind bei insgesamt 197 000 Einwohnern 21000 Ausländer). • Die häufigsten Nationalitäten sind: Jugoslawen Türken Italiener 31,5 % 24,5 % 22,3 % Spanier Griechen Sonstige (aus aller Welt) 4,9% 3,7% 13,1 % • Der Ausländeranteil in den Gemeinden beträgt in: Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld 4,9 % 12,0 % 12,0 % 6,4 % 4,8 % 9,2 % 10,1 % 3,3 % 8,5 % 4,6 % Mönch weil er Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach 10,0% 5,8% 13,8 % 2,8% 7,6% 9,5% 9,1 % 9,1 % 13,4 % 13,5 % • Jedes 5. Neugeborene ist ein Ausländerkind. • Der Anteil der ausländischen Schüler sieht wie folgt aus: bei Grundschulen bei Hauptschulen bei Realschulen 17,6 % 18,2 % 4,8 % bei Gymnasien bei Sonderschulen für Lernbehinderte bei beruflichen Schulen 2,8% 20,0% 4,6% • Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist etwa jeder 7. Arbeitnehmer ein ausländischer Erwerbstäti­ ger. • Etwa 75 % aller ausländischen Erwerbstätigen arbeiten in Industriebetrieben mit 20 und mehr Beschäftigten. • Die höchste Anzahl an ausländischen Arbeitnehmern finden wir – in den Gemeinden Villingen-Schwenningen und St. Georgen – in größeren Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten – in den Branchen Elektro, Feinmechanik – Optik – Uhren, Metall. 264

Bevölkerungsentwicklung 773 7 Bad Dürrheim 7712 Blumberg 7715 Bräunlingen 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen 77 4 3 F urtwangen 77 41 Gütenbach 7713 Hüfingen 77 44 Königsfeld 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen 77 41 Schönwald 77 4 5 Schonach 77 40 Triberg 7201 Tuningen 7731 Unterkirnach 7730 Villingen-Schwenningen 77 41 Vöhrenbach Kreisbevölkerung 1982 10.153 10.156 5.523 4.874 2.707 18.100 10.536 1.485 6.239 5.381 2.997 4.438 14.980 2.489 4.940 6.218 2.284 2.578 78.507 4.234 198.819 1983 10.184 10.077 5.443 4.943 2.729 18.078 10.519 1.448 6.224 5.370 2.903 4.446 14.665 2.483 4.851 6.036 2.244 2.601 77.716 4.137 197.097 Ergebnisse der Bundestagswahl am 6. März 1983 +!- + 31 79 80 69 + + 22 22 17 37 15 11 94 8 315 6 89 182 40 23 791 97 + + – 1.722 im Wahlkreis Nr.190 Schwarzwald-Baar Wahlberechtigte Wähler 139.711 122.120 (87,41 O/o) darunter mit Wahlschein 11.805 ( 9,670/o) davon Briefwähler 11.287 ( 9,24 O/o) ungültige Erststimmen gültige Erststimmen 1.625 ( 1,33 O/o) 120.495 (98,67 O/o) davon für 1. Dr. Häfele, Hansjörg 75.821 (62,93 O/o) CDU 2. Dr. Schmid,HansMartin 33.454 (27,760/o) SPD 3. P abst, Siegfried 3.573 ( 2,970/o) FDP/DVP 4.- 5. Beck, Charlotte DKP 6. von Brandenstein, Herbert Günther GRÜNE 7.- 8. Schützinger,J ürgen Gerhard 1.184 ( 0, 9 8 O/o) 6.294 ( 5,22 O/o) ungültige Zweitstimmen gültige Zweitstimmen 1.367 ( 1,12 O/o) 120.753 (98,88 O/o) davon für 1.CDU 2. SPD 3. FDP/DVP 4.BWK 5.DKP 6.GRÜNE 7. EAP 8.NPD 68.264 (56,53 O/o) 33.403 (27 ,66 O/o) 10. 51 7 ( 8, 71 O/o) 17 ( 0,02 O/o) 120 ( 0,100/o) 7.4 7 5 ( 6, 19 O/o) 71 ( 0,06 O/o) 886 ( 0,73 O/o) 169 ( 0,14 O/o) Wahlkreisabgeordneter: Dr. Hansjörg Häfele (CDU) 265

Farbreproduktionen und Fotonachweis Die Farbreproduktion auf der Titelseite (Autor: German Hasenfratz, Hüfingen) zeigt die Dampf­ lok der „Strategischen“ Bahn Blumberg-Weizen vor dem Start im „Schußfeld“ der Amateurfoto­ grafen. Die Rückseite des Almanach schmückt eine Farbreproduktion der Wallfahrtskirche „Maria in der Tanne“ bei Triberg nach dem Gemälde um 1900 eines unbekannten Meisters. Foto-Nachweis für die Aufnahmen im Innern des Jahrbuches (Die Zahlen nach der Autor­ Angabe beziehen sich auf die jeweiligen Textsei­ ten): H. Trippl 4. – Gemeindeverwaltung Unter­ kirnach 18, 19. – Foto Grill, Donaueschingen 26. – Progymnasium St. Ursula 31, 32. – Hans-Jürgen Kunick 34. – Rosemarie v. Strombeck 37, 66, 174. Industrie- und Handelskammer – Bildarchiv 42. – Südwestfunk-Studio Tübingen 44. – Fa. Schmidt, St. Georgen 46, 47. – Fa. Fr. Winkler KG 49. – G. Riegraf 55. – Heim Mariahof 58, 59, 60. – Familienerholungszentrum Katharinenhöhe 62, 63. – Bildarchiv Diemer 65, 105. – H. Meixner 68. – Hans Letule 70-75. – Stadt Hüfingen 77, 79, 81. – Jürgen Henckell 84, 85. – ). Weber 88, 90. – Otto Benzing 91, 92, 93. – Berthold Haas 97-102. – Archiv Helmut Heinrich 106-109. – Frau Erika Andersen 109 (unten). – Stadtarchiv Villingen 112. – Lorenz Honold 113, 119 (unten), 120, 125, 127, 128, 129, 130, 132, 146, 148, 176, 179, 181, 195, 197, 199, 201, 225, 226, 227. – Privat 119 (oben). – Georg Goerlipp 117 (oben), 145, 147, 148 (oben), 189, 191, 193. – Gerhard Kiefer 117, 238 (unten). – Friedrich Itter, Brigachtal 122, 123. – Ev. Johanneskirche Vil­ lingen 134-138. – Werner Heidinger 139. Ulrich Scheller 141, 142. – Ernst Ganter 150. – Haller, Buchenberg 152. – Jochen Winckler 154, 155. – Othmar Ballof, Freiburg 158. – Privat 160. – Foto Grill 165. – Werner Huger 171. – Gemeindeverwal­ tung Brigachtal 182, 183. – Michael Kienzle 185, 186. – Winfried Leibold 203. – Heimatmuseum Schwenningen 216, 220. – E. Härle 223. – Wilfried Dold 229, 230. – Privat 231. – Privat 240. – Privat 241. -J. Przewolka 244. – Klaus-Peter Friese 245. – Heinz Heckmann 246. – Otto Kritzer 10. 266

Die Autoren unserer Beiträge Baumann, Christian, Grünmatten 23, 7813 Staufen Baumann, Siegfried, Bürgermeister, 7731 Unterkimach Beha, Joseph, Pfarrer, Gartenstraße 2, 7743 Furtwangen Belle, Meinrad, Bürgermeister, 7734 Brigachtal-Kirchdorf Benzing, Otto, Studiendirektor, Weilerstraße 24, 7214 Zimmem-Flötzlingen Bosch, Manfred, Schriftsteller, Neumattenweg 30, 7888 Rheinfelden Diemer, Alfons, Rektor i. R., Allmend 79, 7743 Furtwangen Dold, Wilfried, Redakteur, Schützenstraße 11, 7741 Vöhrenbach Fleck, Norbert, Hegaustraße 4, 7200 Tuttlingen Frank, Hans, Bürgermeister i. R., Stephan-Blattmann-Straße 10, 7743 Furtwangen Frank, Wilhelm, Regierungsrat, Birkenweg 3, 7735 Dauchingen Friese, Klaus-Peter, Pforzheim er Straße 25, 7730 V i 11 in g e n -Schwenningen Goerlipp, Georg, Archivar, Hindenburgring 10, 7710 Donaueschingen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Haas, Berthold, Regierungsbaumeister, Postfach 78, 7742 St. Georgen Härle, Eberhard, Waldstraße 10, 7730 V i 11 in g e n -Schwenningen Hauser, Hans, Kanzleigasse 9, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Hawner, Hans, An der Schelmengaß 14, 7730 Vil l i n g e n-Schwenningen Heckmann, Heinz, Friedrichstraße 35 a, 7737 Bad Dürrheim Heidinger, Werner, Geschw.-Scholl-Straße 22 a, 7710 Donaueschingen Heinrich, Helmut, Schulamtsdirektor i. R., Waldhauser Str. 12, 7730 V i 11 in g e n -Schwenningen Henckell, Jürgen, Schriftsteller, Buchbergstraße 3, 7712 Blumberg Hirt, Verena, Redakteurin, Augustastraße 11 a, 7710 Donaueschingen Hofacker, Valentin, Rektor i. R., Kirchstraße 3, 7715 Bräunlingen Honold, Dr. Lorenz, Redakteur i. R., Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber, Dr. Ema, Bibliotheksrätin i. R., Alte Wolterdinger Straße 31, 7710 Donaueschingen Huger, Werner, Anton-Bruckner-Straße 5, 7768 Stockach Kalb, Roland, Albstraße 7, 7735 Dauchingen Keintzel, Gusta, Leibnitzstraße 49, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Kiefer, Gerhard, Redakteur, Alemannenstraße 13, 7715 Bräunlingen Kienzle, Michael, Saverner Straße 36, 7710 Donaueschingen Kubach, Dr. Rudolf, Hauptgeschäftsführer, Kronengasse 14, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Kunick, Dr. Hans-Jürgen, Mönchweilerstraße 11, 7744 Königsfeld Lamka, Arthur, Redakteur, Reuterstraße 155, 5060 Bergisch Gladbach 2 Leibold, Wilfried, Tuninger Str. 3, 7730 Villingen-Schwenningen (Stadtbezirk Mühlhausen) Letule, Hans, Rathausstraße 14, 7734 Brigachtal-Überauchen Leusch, Dr. Frank Tilmann, Am Blasiwald 22, 7808 Waldkirch-Kollnau Liessem-Breinlinger, Renate, Jakobistraße 31, 7800 Freiburg 267

Löhn, Dr. Johann, Professor, Regierungsbeauftragter für Technologietransfer Baden-Württemberg, Stuttgart, Hospitalstraße 7 Mackert, Walter, Pfarrer, St-Martin-Straße 2, 7734 Brigachtal-Kirchdorf Mager, Gertrud, Auf dem Bühl 20, 7743 Furtwangen Mather, Gisela, Saarlandstraße 48, 7730 V i 11 i n gen -Schwenningen Meyer, Eugen, Oberschulrat i. R., Rietheimer Straße 24, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Moser, Jürgen, Brunnenweg 16, 7710 Donaueschingen-Allmendshofen Möck, Erich, Journalist, Kimachweg 13, 7742 St. Georgen Österreicher, Elmar, Bürgermeister, Schwenninger Straße 17, 7735 Dauchingen Pietsch, Helmut, Rektor, Tevesstraße 25 a, 7712 Blumberg Przewolka, Joachim, Redakteur, Am Affenberg 35, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Reinartz, Dr. Manfred, Beroldingerstraße 29, 7732 Niedereschach Reith, Siegfried, N eißestraße 3, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Riegraf Gernot, Professor, Martinskapelle, 7743 Furtwangen Rieple, Anne, Max-Egon-Straße 2, 7710 Donaueschingen Rinker, Reiner, Südwestfunk, Matthias-Koch-Weg 7, 7400 Tübingen Roskothen, Dr. Ernst, Finanzpräsident i. R., Breslauer Straße 7, 7737 Bad Dürrheim Sattler, Sr. M. Gisela, Studiendirektorin, Bickenstraße 26, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Schafbuch, Gottfried, Wagrain 18, 7713 Hüfingen Scheller, Ulrich, Konrektor, Lärchenweg 7, 7735 Dauchingen Schneider, Clemens, Verw.-Dir., Langes Gewann 9, 7730 Villingen-Schwenningen (Stadtbezirk Pfaffen­ weiler) Schnibbe, Klaus, Professor, Ilbenstraße 50, 7743 Furtwangen Seifert, Thomas, Redakteur, Goethestraße 8, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Strombeck, Freifrau v. Rosemarie, Redakteurin, Abendtal 20, 7732 Niedereschach-Fischbach Siek, Friederike, Goethestraße 8, 7733 Mönchweiler Sulzmann, Bemdt, Orgelsachverständiger, Carl-Hermann-Jaeger-Straße 4, 7637 Ettenheim 1 Vetter, August, Rektor, Am Ebertle, 7808 Waldkirch-Kollnau Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Weber, Josef, Dattlersberg 1, 7807 Elzach Wegener, Wilfried, Rosengasse 5, 7734 Brigachtal-Klengen Wegmann, Heinz, Redakteur, Bickenstraße 17, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Wehrle, Roland, Vogt-Duffner-Straße 6, 7743 Furtwangen Weissenberger, Otto, Bürgermeister i. R., Bahnhofstraße 4 c, 773 7 Bad Dürrheim Zunftmeister, Paul, Heimleiter, Heim Mariahof, 7713 Hüfingen 268

Inhaltsverzeichnis Ehrenliste der Freunde und Förderer 2 Heimat und Wandern/Dem Heimatjahrbuch 84 zum Geleit – von Landrat Dr. Rainer Gutknecht 3 Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1983/Rainer Gutknecht Die Investitions-Bilanz kann sich sehen lassen/Heinz Wegmann Verkehrsgemeinschaft Bregtal/Wilhelm Frank Neue Wege in der Fremdenverkehrswerbung/Jürgen Moser Die Gemeinden stellen sich vor Dauchingen/Bürgermeister Elmar Österreicher Das Wappen der Gemeinde Dauchingen/Klaus Schnibbe Unterkirnach – vom Bauerndorf zum Luftkurort/Bürgermeister Siegfried Baumann Das Wappen der Gemeinde Unterkirnach/Klaus Schnibbe Das Wappen der Stadt Blumberg/Klaus Schnibbe Schulen und Bildungseinrichtungen Investitionen für Gegenwart und ZukunftNerena Hirt Realschule und Gymnasium im Spannungsfeld/Helmut Pietsch Lehrinstitut St. Ursula – seine Aufgabe in unserer Zeit/Sr. M. Gisela Sattler Zinzendorf-Gymnasium und Realschule/Hans-Jürgen Kunick „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ /Rosemarie v. Stromheck Wirtscha� Gewerbe, Handel Industrie und Handel/Rudolf Kubach Technologie, Innovation und Transfer/Johann Löhn Der Südwestfunk auf der Südwestmesse/Reiner Rinker Feine Schreibgeräte und große Maschinen/Erich Möck NC-Technik in der Aus- und Fortbildung/Siegfried Reith Ein Fernmeldeturm erzählt/Werner Heidinger Harznutzung, ein längst vergessenes Handwerk/Hans Letule Soziales, Fürsorge, Gesundheitswesen Zur Linderung der Jugendarbeitslosigkeit/Gernot Riegraf Das Kinderheim Mariahof in Hüfingen/Paul Zunftmeister Familienerholungszentrum Katharinenhöhe/Roland Wehrle Die Kirnerstube im Furtwanger Altenheim/ Alfons Diemer Erweiterung mit allem Komfort/Rosemarie v. Stromheck Die Kurklinik am Germanswald in Villingen/Clemens Schneider 4 4 6 10 12 14 14 17 18 21 22 26 26 28 31 33 36 39 39 41 44 45 48 50 51 55 55 57 61 64 66 68 269

Archäologie, Geschichte, Wirtschaftsgeschichte Die Ausgrabungen im Eggwald 1981/82/Hans Letule Drei runde Jubiläen/ August Vetter Für jedes Jahrhundert ein Böllerschuß/Jürgen Henckell Die Schwedenschanzen auf dem Rohrhardsberg/Josef Weber Dorf Schwenningen wird Stadt/Otto Benzing Der Mönchhof zu Schwenningen/Otto Benzing Der Minkhoof!Otto Benzing Der Schwarzbauernhof in Furtwangen-Katzensteig/Berthold Haas Der Granitfindling am Schleitheimer Zoll/ Alfons Diemer Als das Jugendrotkreuz begann/Helmut Heinrich Das Hakenkreuz über der Baar und dem Schwarzwald Widerstand und Verfolgung 1933-1945/Manfred Bosch Kirchen, sakrale Kunst und Denkmalpflege Die neue Pfarrkirche im Brigachtal/Walter Mackert Die Pfarrkirche in Unterkirnach/Ema Huber Barockjuwel in Hausen vor Wald/Lorenz Honold Das Bruderkirchlein nach der Renovierung/Erna Huber Die vier Orgeln der Johanneskirche zu Villingen/Bernd Sulzmann Kreuzweg in Donaueschingen/Werner Heidinger Krippengestalten heute/Ulrich Scheller Gedichte von Gisela Mather Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) Profane Kunst und Künstlerportraits Der Bildhauer Franz Xaver Reich/Lorenz Honold Der Furtwanger Maler Ernst Ganter/Joseph Beha Unter Bauern und Arbeitern in Buchenberg Jochen Winckler – Künstler und Mentor/Thomas Seifert Ehrenrettung für einen Vergessenen/Lorenz Honold Hans Georg Müller-Hanssen/Wilfried Wegener Vom Geben und Nehmen/Gusta Keintzel Denkmalpflege in Dorf und Stadt „Der Franziskaner“/Frank T. Leusch Der „Bruckburehor‘ in Obereschach/Werner Huger Altes Rathaus wurde Schmuckstück/Rosemarie v. Strombeck 270 70 70 75 82 86 91 93 96 96 103 105 110 110 122 122 124 126 130 133 139 140 143 144 145 145 149 151 153 157 159 164 167 167 171 173

Museen und Musikalien Besuch im Fritz-Behn-Museum/ Arthur Lamka Das Heimatmuseum in Brigachtal-Überauchen/Meinrad Belle Ein Liszt-Autograph in Donaueschingen/Michael Kienzle Uhr mit Glockenspiel/Werner Heidinger Volkstum, Volkskunst, Brauchtum Baaremer Heimat – Baaremer Tracht/Georg Goerlipp Königskerze – Himmelbrand/Lorenz Honold 60 Jahre Heimat- und Trachtenbund Bräunlingen/Valentin Hofacker Kreistrachtenfest 1983 in Bräunlingen/Jubiläumstreffen in der Heimatpresse Göpel und Göpelhaus in Mühlhausen/Wilfried Leibold Landschaft und Naturschutz Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Werner Heidinger Tier- und Pflanzenwelt im Neckartäle/Roland Kalb Die Neckarquelle im Schwenninger Stadtpark/Manfred Reinartz Von einer Baumerkrankung zum Waldsterben/Eberhard Härle Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Seit 325 Jahren gibt es die „Sonne“/Lorenz Honold Die Tradition lebt weiter/Wilfried Dold Persönlichkeiten der Heimat Karl Brachat/Renate Liessem-Breinlinger Helmut Heinrich/Eugen Meyer Nachruf für Hubert Mahler/Gerhard Kiefer Dr. med. Georg Huber/Otto Weissenberger Emil Rimmele am Tatort Schönwald/Hans Frank Heimatverwurzelter entdeckt die Welt/Joachim Przewolka Sport Sabine Mayer – im Squash obenauf/Klaus-Peter Friese Deutscher Jugendmeister 1982 im Mehrkampf/Heinz Heckmann Unsere Dichter und Schriftsteller Der Nachmittag bei der Großmutter/Karl Volk Kaleidoskop des Lebens/Ernst Roskothen Hans Hauser: Villinger Mundart 176 176 182 185 187 189 189 194 196 200 202 205 205 208 215 221 225 225 228 231 231 234 237 240 241 243 245 245 246 248 248 249 253 271

Rudolf Wintermantel t: St. Georgener Mundart Gottfried Schafbuch: Hüfinger Mundart Anekdoten um Max Rieple Jürgen Henckell: Stadtbilder III Norbert Fleck: Tagebuchnotiz Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Ausländer in Zahlen Bevölkerungsentwicklung Ergebnisse der Bundestagswahl am 6. März 1983 Farbreproduktionen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis Preisrätsel 1984 (Einlage) 254 255 257 258 260 261 261 263 264 265 265 266 267 269 272