Almanach 1989

Alm an ach 89 S c h w a r z w a ld – B a a r – K r e is H e i m a t j a h r b u c h d e s S c h w a r z w a ld – B a a r – K r e is e s 1 3 . F o l g e H e r a u s g e b e r : L an d ratsam t Schw arzw ald-Baar-K reis R edaktion: D r. R ainer G u tk n e c h t, L andrat H e lm u t H ein rich , S ch u lam tsd irek to r i. R. Karl Volk, R ealschuloberlehrer F ür d en In h a lt d er Beiträge sind die jew eiligen A u to re n verantw ortlich Verlag, D ru c k u n d G estaltung: T odt-D ruck G m b H , Villingen-Schw enningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1989 ANUBA-Beschläge X Heine & Sohn GmbH, Donau­ eschinger Straße 2-6, Vöhrenbach Architekten BDA Auer + Weber, Stuttgart Dr. Hanno Augstein, Donaueschinger Straße 15, Hüfingen Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Villingen­ Schwenningen Dr. Klaus Bätz, Beamtenheimstättenwerk (BHW), Freiburg Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villin­ gen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Espenstraße 3, Blumberg Bezirkssparkasse Donaueschingen Bräunlinger Löwenbraue.rei, Heinrich Kalb KG, Friedhof­ straße 2-4, Bräunlingen Ingenieurbüro Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen­ Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach EGT Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH, Triberg im Schwarzwald und Villingen-Schwenningen Claus Eller, Zahnarzt, Neue Heimatstraße 2, Vöhrenbach Helmut W. Falk, Wirtschafts- und Unternehmensberater, Fütstenfeldbruck Willi Frank, Matthias-Grunewald-Straße 5, Freiburg Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen-Döggin­ gen Lars Frykman, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Kolpingstraße 12, Donaueschin­ gen Dr. med. Egon Hochmann, Triberg Hock GmbH, Schönwald-Triberg ISGUS). Schlenker-Grusen GmbH, Villingen-Schwennin­ gen Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen-Schwennin­ gen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Küpper-Weisser GmbH, Wintennaschinen, Bräunlingen Dr. Josef Kury, Zahnarzt, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villin­ gen-Schwenningen B.Lan�Kussenho&traße 43,Furtwangen Lauffenmühle GmbH., Waldshut-Tiengen MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Burgstraße 65, Villingen-Schwenningen Vennessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla. Öffentlich bestellter Vennessungsingenieur, Wemer-von-Siemens­ Straße 3, Villingen-Schwenningen Dipl.-Kfrn. Harald Mattegit, Blumberg Leopold Messmer, Freier Architekt, Bühlho&traße 8, Furt­ wangen Metallwerke Schwarzwald GmbH, Lantwattenstraße 11, Villingen-Schwenningen 2 Dr. med. Paul Obergfell, Leopoldstraße 21, Villingen­ Schwenningen Helmut Ochs, Freier Architekt, Hauptstraße 46, Blumberg Dr. P. Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Proß, VS-Ffaffenweiler Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim Ricosta-Schuhfabriken, Donaueschingen Karl Riegger KG, Sand- und Schotterwerk, Straßenbau, Viktoriastraße 15, Bad Dürrheim Anne Rieple-Offensperger, Scheffel-Apotheke, Max-Egon­ Straße 2, Donaueschingen Dr. Ernst Roskothen, Finanzpräsident a. D., Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Karl­ straße 63, Donaueschingen Dr. Erich Ruch, Prakt. Arzt, Triberg Dr. med. P. Samirni, Chefarzt der chir. Abt. des Städt. Kran­ kenhauses Furtwangen SCHMIDT Feintechnik GmbH, St. Georgen Ingenieurbüro für Bauwesen Dipl.-Ing. (FH) K Schweizer, Ber. Ing. BOB, Achdorfer Straße 29, Blumberg S. Siedle & Söhne GmbH, Bregstraße 1, Furtwangen Franz Singer, Inh. E. Ettwein, Papier- und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Triberg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schon­ ach und Vöhrenbach und weiteren 41 Geschäftsstellen Günther Stegmann, Donaueschingen STRAUB-Verpackungen GmbH, Bräunlingen Südwestfunk GmbH, Baden-Baden TRW Thompson GmbH, Präzisionsventile für die Moto­ ren- und Automobilindustrie, Blumberg Reinhold Wauer, Alte Randenschule, Blumberg F. K Wiebelt GmbH & Co. KG, Bickenstraße 6-8, Villin­ gen-Schwenningen Michael Wiesenbacher, Rechtsanwalt, Gartenstraße 17, Lambrecht Dr. med. Fritz Wilke, Niedere Straße 9, Villingen-Schwen­ ningen Dr. Karl Zäbisch, Geschwister-Scholl-Straße 39, Donau­ eschingen Udo Zier GmbH, Furtwangen 10 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschten nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat und Treue Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1989 zum Geleit Heimat und Treue? Wo sind hier Gemeinsamkeiten? Im Zeitalter der Freiheiten und Ungebundenheiten wird Treue nicht mehr überall als Wert angesehen. Das hat zur Folge, daß einmal mehr ein hohes Gut im zwischenmenschlichen Bereich ver­ loren zu gehen droht Man kann beobachten, daß das Wort Heimat heute oft verwendet wird. Dabei wird jedoch der tiefe Sinn dieses Wortes meistens nicht erkannt Heimattreue ent­ steht erst, wenn man seine Heimat kennt und sie auch mit dem Herzen erfaßt. Dies gelingt nicht von heute auf morgen. Auch in bezug auf die Heimat sind Beständigkeit und das Gefühl der inneren Zugehörigkeit nötig. Treue zur Heimat will errungen werden! Besonders Familie und Schule sind aufgerufen, die jungen Menschen auf dieses Ziel hinzuführen. Heimattreue heißt nicht nur Treue zur Landschaft und zu den Menschen, die in ihr wohnen; es heißt auch Sorge tragen, helfen und vor allem mitgestalten an dem Erhalt und der richtigen Weiterentwicklung unseres engeren Lebensraumes. Der Almanach möchte mit seinen jährlichen Ausgaben einen Beitrag zur Heimat­ treue leisten. Er will Wissen über die Heimat vermitteln und das Gefühl der Zusam­ mengehörigkeit stärken. In den bisherigen Jahresbänden des Almanach wurden schwerpunktmäßig die 20 Städte und Gemeinden des Landkreises vorgestellt Künftig sollen auch die 65 Stadt­ und Ortsteile, die bei der Gebietsreform ihre Selbständigkeit verloren haben, beson­ ders herausgestellt und gewürdigt werden. Heimattreue auch hier: die Stadt- und Ortsteile sind nicht vergessen. Ich danke auch in diesem Jahr allen Freunden und Förderern, deren finanzielle Unterstützung wiederum einen preisgünstigen Jahresband ermöglicht hat Möge der neue Band mit seinen vielfältigen Beiträgen die Treue und Verbunden­ heit zur Heimat stärken! Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1988 Vorbereitung weiterer Investitionen Das Berichtsjahr war in kreispolitischer Hinsicht ein normales Jahr, d. h. die Entwick­ lung verlief in den erwarteten Bahnen. Das Projekt des Landratsamt-Neu­ b au es ging nach Überarbeitung der Ent­ würfe der beiden ersten Preisträger in den Abschnitt der Planung über. Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 12.10.1987 beschlossen, für den Neubau des Landratsamtes den Ent­ wurf der Architekten Auer + Weber, Stutt­ gart, zugrunde zu legen und diese mit der Pla­ nung des neuen Landratsamtes zu beauftra­ gen. Ausschlaggebend für diese Entschei­ dung war, daß die Architekten Auer + Weber die Chance der Weiterentwicklung ihres Ent- wurfs am besten genutzt und eine gestalte­ risch und städtebaulich überzeugende Lösung vorgelegt haben. Die Planungszeit soll voraussichtlich bis Frühjahr 1989 dauern. Ein vom Kreistag gebildeter beratender Bauausschuß soll die Verwaltung in Fragen des Landratsamt-Neubaues beraten und Ent­ scheidungen des Fachausschusses und des Kreistages vorbereiten. In einer weiteren wichtigen Frage ist nun­ mehr ebenfalls eine Entscheidung gefallen. Der Kreistag hat am 9. 5. 1988 seine Bereit­ schaft erklärt, zusammen mit dem Land Baden-Württemberg die Beruflichen Schulen in Furtwangen auf dem Gelände Großhausberg zu planen und zu errichten. Jahrelange, zum Teil kontroverse baues der Architekten Auer + Weber, Stuttgart. Das überarbeitete Modell des Landratsamt-Neu­ 4

Diskussionen, sind damit zum Abschluß gekommen. Der Kreistag hat in diesem Zusammenhang auch beschlossen, von der Übernahme der Trägerschaft über die Staat­ liche Berufsfachschule und Berufsaufbau­ schule auf den Landkreis Abstand zu neh­ men. Der Grund lag darin, daß sowohl bei den Investitionskosten der zu übernehmen­ den Schule als auch bei den jährlichen Bewirtschaftungskosten ein nicht unerhebli­ ches Defizit entstanden wäre. Land und Kreis haben daher jeder für sich den entsprechen­ den Anteil für einen Neubau aufzubringen. Der Landkreis hat für seinen Anteil einen Höchstbetrag von 8.0 Mio DM (brutto) fest­ gesetzt. Der positive Grundsatzbeschluß des Landkreises steht unter dem Vorbehalt, daß bei der Verwirklichung des Schulbauvorha­ bens die Schülerzahlentwicklung in den kreiseigenen Schulen in Furtwangen für einen Neubau ausreicht. Neues Berufskolleg für Landwirtschaft­ lich-technische Assistenten An der Albert-Schweitzer-Schule in Vil­ lingen-Schwenningen wird ein zweijähriges Berufskolleg für Landwirtschaftlich-tech­ nische Assistenten eingerichtet. Dies hat der Kreistag am 9. 5.1988 mit großer Mehrheit beschlossen. Das neue Berufskolleg soll dazu befähigen, Interessenten aus dem gesamten Agrarbereich im ländlichen Raum mit Blick auf die wachsende Bedeutung des Umwelt­ schutzes eine neue berufliche Q!ialifikation zu ermöglichen. Da die notwendige Schüler­ zahl aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis nicht erreicht wird, soll sich der Einzugsbereich auf die engere Nachbarschaft und möglicher­ weise noch darüber hinaus erstrecken. Dem Schwarzwald-Baar-Kreis entstehen hierfür von mindestens Investitionskosten 100.000,-DM. Dauerthema: Abfallbeseitigung Trotz ausreichend vorhandener Deponie­ flächen muß es eine Aufgabe des Landkreises bleiben, neue Arten der Abfallbeseitigung zu prüfen und wenn sich diese als technisch aus­ gereift und wirtschaftlich vertretbar erwei­ sen, möglichst bald in die Praxis umzusetzen. Das Projekt „Müllvergärung“, an dem sich der Landkreis zusammen mit den Nachbar­ kreisen Rottweil und Tuttlingen sowie der Stadt Rottweil beteiligt hat, wird nicht mehr weiter verfolgt. In der Diskussion sind ther­ mische Verfahren, wie z.B. die Müllverbren­ nung, die nach der neuesten technischen Entwicklung als ausgereift gelten kann. Wenn es gelänge, durch diese oder eine andere Abfallbeseitigungstechnik den vor­ handenen Deponieraum zu schonen, wäre viel erreicht. Die wieder in Gang gekommene Diskussion sollte auch dazu benutzt werden, die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit den Nachbarkreisen zu prüfen. Für die „Turmgasse“ wurde ein Förder­ verein gegründet Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist seit eini­ gen Jahren formeller Träger über die von der Firma Winkler KG. in der überbetrieblichen Ausbildungsstätte in der Turmgasse im Stadtbezirk Villingen durchgeführten Bil­ dungsmaßnahmen. Es hat sich als notwendig erwiesen, die Trägerschaft einem privaten Rechtsträger zu übertragen. Daher ist für die „ Turmgasse“ ein „ Verein zur Förderung der beruflichen Bildung im Schwarzwald-Baar­ Kreis e. V.“ gegründet worden. Die weiterhin anerkannten Lehrgänge werden auch in Zukunft eng mit dem Landkreis verbunden bleiben. Die Stelle eines Kreisarchivars wurde ein­ gerichtet Nach mehreren Anläufen hat der Kreistag im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushalts 1988 die Einrichtung der Stelle für einen Kreisarchivar beschlossen. Seine Hauptaufgabe liegt darin, daß die archivier­ ten Akten des Landratsamtes und der Gemeinden, soweit sie über kein eigenes Archiv verfügen, gesammelt und ausgewertet werden. Mit dem neuen Mitarbeiter verbin-5

Die Haushaltslage bessert sich weiter det sich auch die Hoffnung, daß er bei Ver­ öffentlichungen, die in sein Fachgebiet fal-. Jen, sachkundige Unterstützung leistet. Schon im vergangenen Jahr konnten wir berichten, daß nach Jahren einer angespann­ ten Haushaltslage, die vor allem auf die Investitionen hohen im Schulbereich zurückzuführen sind, eine Besserung einge­ treten ist. Diese positive Entwicklung hat sich auch im Berichtsjahr fortgesetzt. Der Schuldenstand wird zu Ende des Jahres 1988 voraussichtlich rund 50 Mio DM betragen. Diese erfreuliche Tatsache darf uns jedoch nicht dazu verleiten, den Sparkurs aufzuge­ ben. Es stehen nicht nur neue Investitionen an, sondern der Landkreis bleibt auch im Freiwilligkeitsbereich finanziell gefordert. So wurde die Förderung für die Landwirtschaft im Jahre 1988 auf 380.000,-DM erhöht und es läßt sich absehen, daß der soziale Bereich nicht nur mit den gesetzlich vorgeschriebe­ nen Sozialhilfeleistungen, sondern auch darüber hinaus ein ständiger Gegenstand der Diskussion bleiben wird. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Am Warenbach Zeichnung Dr. Asifäll.er 6

Unsere Städten und Gemeinden, Wappen Gremmelsbach Gremmelsbach, ein Dorf im Schwarzwald – unberührte Schwarzwaldheimat, gesunde Natur, Urwüchsigkeit, Kraft, heile Welt, des­ halb Ziel von Tausenden von Erholungssu­ chenden aus den Industriegebieten, Wander­ paradies, Oase der Ruhe, Idylle. Läßt sich mit solchen Worten noch die Wirklichkeit von heute umschreiben? Ist dies das Bewußtsein der Einwohner von Gremmelsbach selbst? Oder verändern nicht auch die großen geistigen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen die Verhältnisse im entlegensten Tal und zwingen seine Bewohner, mit der Zeit Schritt zu halten, um nicht von ihr überrollt und abgeschrieben zu werden? Eine weitblickende Ortsverwaltung hat mit dem Beginn des wirtschaftlichen Auf­ schwungs alle Möglichkeiten der Verbesse­ rung der Infrastruktur wahrgenommen, aus­ zubauen, was sinnvoll und möglich, zu erhal­ ten, was erhaltenswert war. Ihre Sache war es, zielstrebig das Ortsstraßennetz zu vervoll­ kommnen, durch ein Neubaugebiet Woh­ nungsmöglichkeiten für junge Familien zu schaffen, für ausreichendes Trinkwasser zu sorgen, die Abwasserbeseitigung im Trennsy­ stem einzuführen, die Pflege und Verschöne­ rung des Ortskerns in die Hand zu nehmen – der Dorfbrunnen ist zu einem Schmuck­ stück geraten – die örtlichen Vereine zu för­ dern und was noch . . . Gegenwärtig ist ein Jahrhundertwerk im Werden: der Ausbau der Bundesstraße 33, auch ein Gehweg und eine ausreichende Beleuchtung werden hin­ zukommen, die Wasserversorgung soll mit reinem Qyellwasser gespeist werden. Die Einwohner ließen aber den Bürger­ meister und den Gemeinderat, später den Ortsvorsteher und den Ortschaftsrat nicht im Stich, der Aufwand der einzelnen Fami­ lien in der Instandhaltung der Häuser, der Anlage von Gärten, der Pflege von Blumen, in der freiwilligen Arbeit, die man kaum bemerkt, die Anstrengungen der Wald- und Ackerbauern, nicht zuletzt die der gastrono­ mischen Betriebe können auch einer kriti­ schen Beurteilung standhalten. Die Mühen wurden anerkannt. Beim Landeswettbewerb 1986/87 „Unser Dorf soll schöner werden“ erhielt Gremmelsbach eine Bronzemedaille. Am schönsten ist, über das Vereinswesen zu schreiben, das so nur in einer harmonisch gestimmten Gemeinde denkbar ist. Im größ­ ten, dem „Musikverein-Trachtenverein Gremmelsbach e.V.“ ist jeder zehnte Ein­ wohner Mitglied, die erstaunlich junge Kapelle musiziert auf bewundernswert hohem Niveau – ein Verein, der bei musikali­ schen Veranstaltungen fremder Orte auch einmal den Namen eines unbekannten Dor­ fes auf sympathische Weise in die weite Welt hinausträgt. Dasselbe tut auch der Radfahr­ verein „Bergradler“. Bei Feierlichkeiten und Waldfesten leisten sie einen wertvollen Bei­ trag zur Geselligkeit und zum kulturellen Leben im Dorf; ohne sie würde vieles fehlen. Mühelos, fast ungewollt übernehmen sie einen pädagogischen Auftrag, es fällt wohl­ tuend auf, wie unbefangen, diszipliniert und selbstsicher die Jugendlieben bei gesell­ schaftlichen Anlässen miteinander umgehen und vor ein Publikum treten. Drogen und Alkoholprobleme sind nicht bekannt gewor­ den. Im Dorf selbst bzw. in der Raumschaft wirken die „Freiwillige Feuerwehr“ als Teil der Gesamtwehr Triberg, der katholische Kir­ chenchor, der Narrenverein „Holzschueh­ klepferzunft“, eine Gymnastikgruppe von Frauen und seit einiger Zeit – dankbar ange­ nommen – ein Seniorenkreis, der sich regel­ mäßig trifft: zum geselligen Beisammensein, zum Singen und zu Ausflügen. – Ohne Übertreibung: das dörfliche Gemeinschafts- 7

Atteste Postkartenansicht von Gremmelsbach leben erreicht derzeit einen Höhepunkt wie seit Menschengedenken nicht. Probleme um die Arbeitslosigkeit, die Gei­ ßel anderer Regionen, gibt es im Augenblick, da dies geschrieben wird, nicht. 0 wollte es doch so bleiben! So kann man also in Gremmelsbach sorg­ los in die Zukunft blicken? Nicht der Nachdenkliche, der nicht, der Altes, Bewährtes mit Schmerzen untergehen und nichts Adäquates an seine Stelle treten sieht, auch das Neue nicht schon, weil es neu ist, für gut hält: die losere Einstellung zur ererbten heimatlichen Flur, „freiheitlichere“ Tendenzen, die Auflösung schönen Brauch­ tums, die wenn auch langsamer als anderswo schrumpfende Einwohnerzahl und, es sei zu sagen gewagt: auch das Abseitsstehen einzel­ ner, ihre selbstgewählte Isolation. Und noch ist nicht geredet von den täglich bedrängen­ der werdenden Problemen der Landwirt­ schaft. Was immer selbstverständlich war, ist es nicht mehr. Zu allen Zeiten waren die Erzeugnisse bäuerlichen Fleißes begehrt, weil knapp. Die Überproduktion mit dem Preis- 8 verfall in ihrem Gefolge schafft eine völlig neue Situation. Einst, nein, vor kurzer Zeit noch stolze, reiche Hofgüter ernähren ihre Besitzer nicht mehr. Was an Gewinn zu erwirtschaften ist, ist bestenfalls zum Neben­ erwerb geworden. Höfe, um deren Erbe sich früher Brüder verfeindeten, bereiten ihren Besitzern schlaflose Nächte: das bäuerliche Leben, die anstrengende und, denkt man an den Stall, auch über den Sonntag nie abrei­ ßende Arbeit ist nicht mehr attraktiv. Wo Arbeit wie im Heuet oder bei der Kartoffel­ ernte zugleich Geselligkeit war, wird Art und Tempo jetzt von Maschinen bestimmt. So müssen Landwirte heute in hohem Grade Techniker sein. Bauern in Gremmelsbach sind in Industrie, Handel und Gewerbe in der Umgebung beschäftigt. Man denke nicht, es bleibe trotzdem alles, wie es war. Mit dem Niedergang der Viehhal­ tung geht die größte Strukturveränderung seit seiner Rodung im Mittelalter über Grem­ melsbach hinweg. Mußten die“ Untertanen“ noch vor 300 Jahren davon abgehalten wer­ den, die letzten Reste des Waldes zu schlagen

und unter den Pflug zu nehmen, so ist heute die umgekehrte Entwicklung zu befürchten. Gremmelsbachs Wald, wie herrlich, wie erholsam. und notwendig – völlig unbestrit­ ten – er kann auch einengen, die Sonne abwehren, Gehöfte verdüstern und zu Gei­ stergewannen machen, Wege dem Gast unheimlich werden lassen und sie ihm verlei­ den. Einstmals lauschige Dobel verwildern, werden unzugänglich, dieweil die Technik des Mähens mit der Sense verlorengeht. – Diese Bemerkungen immer verstanden unter dem Vorbehalt, die Katastrophe des Wald­ sterbens bricht nicht in ihrer vollen Wucht über uns herein. Was dann wäre, weiß nie­ mand. Noch ist Gremmelsbach ein gern auf­ gesuchter Ort, im Sommer wie im Winter, wenn auch der Höhepunkt des Gästestroms vorüber ist. Die Zusammenarbeit mit der Kurverwaltung Triberg klappt. Gremmels­ bach möchte gern als „Erholungsdorf“ aner­ kannt werden, doch blieb es bisher beim Wünschen. Mag man auch der Zeit der alten Selbstän­ digkeit der Dörfer nachtrauern, die Weichen für die Zukunft sind auf Zusammenarbeit gestellt. Gremmelsbach entsendet zwei Ver­ treter in den Gemeinderat Triberg, nimmt durch sie Einfluß auf die Entscheidungen der Stadt, auch auf die ihres Ortsteils. Ein Glücksfall, daß seit der Eingemeindung (1974) Ortsvorsteher Hubert Fleig Mitglied des Gemeinderats Triberg ist. Auch auf kirch­ lichem Gebiet ist man zusammengerückt. Für den evangelischen Teil der Einwohner­ schaft Gremmelsbachs galt dies seit eh und je. Mit Franz JosefForner hat Gremmelsbach den letzten eigenen Pfarrer verloren, es wurde von Nußbach betreut, heute von Tri­ berg. Wo die Arbeit auf fünf Geistliche ver­ teilt war, nimmt man die Franziskaner-Patres im Kloster Nußbach hinzu, auf noch mehr, ist sie jetzt von zwei Priestern zu bewältigen – auch dies hat spürbare Folgen. Die tägliche Messe am Morgen, die Frühmesse am Sonn­ tag gibt es nicht mehr. Welches Schicksal Gremmelsbach zuge­ teilt ist, wer weiß es? Die Geschichte wie das Leben des einzelnen kennt Abbrüche, Siech­ tum, Aufschwünge, sie birgt auch für ein Dorf ungeahnte Möglichkeiten, wir hoffen – zum Guten. Karl Volk Das Wappen von Gremmelsbach Wappen: Im Wellenschnitt geteilt von Sz1ber und Blau, oben der schwarze Großbuchstabe G, unten ein linkshinschwimmender silberner Fisch. Die untere Hälfte des Wappens ist „redend“ für Bach, während das G einfach den Anfangsbuchstaben des Ortsnamens darstellt. Dieses Wappenbild ist bereits auf einem Siegel aus den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts mit der Umschrift VOGTEY (:jj:) GREMMELSBACH (:jj:) zu sehen. Vor dem Übergang der vorderösterrei­ chischen Herrschaft Triberg 1806 an das neue Großherzogtum Baden führten deren Land­ gemeinden keine Siegel; und auch nach die­ sem Zeitpunkt ließen die Gremmelsbacher G zunächst ihre Urkunden weiter von der Stadt Triberg siegeln. Alle weiteren Siegel und Farbdruckstem­ pel des 19. Jahrhunderts zeigten das gleiche Wappenbild. Farben dafür wurden allerdings erst im Zuge der Wappenbereinigung der Badischen Historischen Kommission auf Antrag der Gemeinde im Jahre 1900 vom 9

Großherzoglich Badischen Generallandesar­ chiv Karlsruhe vorgeschlagen. Der Gemein­ derat nahm diesen Vorschlag im November 1900 an. Leider hatte man den unheraldi­ schen Buchstaben und den nach heraldisch links schwimmenden Fisch übernommen und die Farben dafür ziemlich willkürlich gewählt. Ihnen kommt also keine besondere Bedeutung zu. – Im Laufe der Jahre ver­ flachte die Wellenteilung zu einer glatten Trennungslinie; erst Anfang der Sechziger­ jahre, anläßlich der Vorbereitungen zum Wappenbuch des alten Landkreises Villin- gen, stellte man die korrekte Darstellung wie­ der her. Als amtliches Zeichen ist das Wappen mit der Eingemeindung in die Stadt Triberg am 1. Oktober 1974 erloschen. Prof. Klaus Schnibbe QJ,ellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Triberg und Vil­ lingen. – GLA Wappenkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarzw.­ Baar-Kreis. – H. G. Zier: Wappenbuch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. Pfaffenweiler – eigenständiger Teilort der Kreisstadt Schon Pfaffenweilers Name enthält eigentlich ein Stück seiner Ortsgeschichte, zeigt er doch, daß vor Jahrhunderten Ort und Gemarkung klösterlicher Besitz gewesen sind. Der Zisterziensermönch im Wappen Pfaffenweilers erinnert daran, daß vor 780 Jahren das damalige Gut Runstal an das Zisterzienserkloster Salem verkauft worden war. Darüber ist eine urkundliche Bestäti­ gung durch König Philipp aus dem Jahre 1208 vorhanden. Um die Erschließung des oberen Brigach­ tales hatten sich zumindest schon im Jahr­ hundert davor die Mönche des Klosters St. Georgen gemüht. Zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts bestand das Lebensgut Runstal. Es gilt als Keimzelle des heutigen Pfaffenweiler. Die Besitzer nannten sich „Herren von Runstal“, und um das Gut herum entstand das, was man siedlungsgeschichtlich einen Weiler nennt, ein paar Baulichkeiten, die nahe beim Gut, nahe beieinander lagen. Nachdem Gut und Weiler unter klöster­ liche Verwaltung gestellt waren, nahmen beide einen spür- und sichtbaren Auf­ schwung, die Ansiedlung wuchs und zur Unterscheidung vom nahegelegenen Weiler der Herzöge von Zähringen entstand neben Herzogenweiler nun die Bezeichnung Pfaf- 10 Der Turm der Dreifaltigkeitskirche in Jfaffen­ weiler fenweiler. Der Name Runstal ging fast unter und ist heute nur noch als Straßenname erhalten. Nach dem Verkauf von Pfaffenweiler an die Stadt Villingen um 1300 kam es 1326 zu Vorderösterreich, und so gab es zwischen den heute so nahen und in einem großen Gemeinwesen vereinten Nachbarorten Her-

zogenweiler und Tannheim einerseits und Pfaffenweiler andererseits eine Landesgrenze bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, als alle im neugebildeten Großherzogtum Baden zusammen kamen. Während im Bauernkrieg die Bauern aus dem Brigachtal in Oswald Meder aus Riet­ heim einen Anführer fanden, der sie gegen Villingen führen wollte, blieben die Pfaffen­ weilerer treu villingerisch, und zu den Ver­ sammlungen der Brigachtäler ging kein ein­ ziger aus Pfaffenweiler. Das führte zu Aus­ einandersetzungen zwischen den benach­ barten Ortschaften. Die Tannheimer fielen in Pfaffenweiler ein und trieben das Vieh aus den Ställen gen Bräunlingen. Dafür nahmen die Villinger an den T annheimern Rache und verschonten nur das Tannheim er Kloster vor dem Brennen und Rauhen. Auch bei der Verteidigung Villingens gegen die Belagerung durch die Schweden während des Dreißigjährigen Krieges halfen die Männer aus Pfaffenweiler. Die schlim­ men Begleiterscheinungen dieses Krieges in Gestalt marodierender umherziehender Sol­ dateska in den umliegenden Orten konnten sie aber nicht mildem. Ähnlich ging es 1744, als die Franzosen in Villingen einzogen und die Bevölkerung durch Einquartierung, Geldforderungen und Requirieren schwer belasteten. Streiflichter auf eine wenig gesi­ cherte Ortsgeschichte sind dies alles. Einer, der mit der Landesgeschichte und insbeson­ dere der historischen Forschung auf der Baar befaßt ist, hat einmal zu ortsgeschichtlichen Exkursen, wie man sie über Pfaffenweiler da und dort lesen könne, gesagt, da habe immer wieder einer vom anderen abgeschrieben. Viel anderes ist auch dem Autor dieser ‚.Zeilen nicht übrig geblieben. Die Archive geben nicht viel her. Niemand hat wohl auch bisher ‚.Zeit und Lust gehabt da zu suchen, wo viel­ leicht mehr gefunden werden könnte. Die jüngere Vergangenheit ist natürlich zuverlässiger zu beschreiben. Vor gut 200 Jahren soll Pfaffenweiler 177 Einwohner gehabt haben. 1832 wurde, so ist überliefert, der erste Bürgermeister in Pfaffenweiler gewählt. 1924 wurden die Häringshöfe und die Spitalhöfe der Gemarkung Pfaffenweiler zugeschlagen. Auf 930 Einwohner war die Gemeinde im Jahre 1968 angewachsen. Mit der Bebauung und dem entsprechenden Zuzug auf das nach vielem Hin und Her erschlossene Baugebiet „Auf der Eck“ wird sich die Einwohnerzahl wohl etwa bei 2000 einpendeln. Mit dem Zusammenschluß der Städte Vil­ lingen und Schwenningen im Jahre 1972 tra­ ten im Zuge der Gemeindereform der neuge­ bildeten Doppelstadt auch eine Reihe der Umlandgemeinden bei. So wurde auch die bis dahin selbständige Gemeinde Ffaffenwei­ ler Teilort von Villingen-Schwenningen. Dem letzten Bürgermeister Pfaffenweilers, Eugen Müller, folgte als erster „Ortsvorste­ her“ der hochangesehene Richard Abeln, der dieses Amt zwölf Jahre innehatte und sich in dieser ‚.Zeit um die Entwicklung Pfaffenwei­ lers große Verdienste erworben hat. Mit sei­ nem Namen verbunden ist die konsequente Förderung des Vereinslebens und der Bau der Freizeitanlage, die von vielen Bürgern der gemeinsamen Stadt und auch der umliegen­ den Gemeinden immer wieder gerne auf­ gesucht wird. Um den alten Ortskern Pfaffenweilers herum wurden im Lauf der beiden letzten Jahrzehnte im „Sonnenbühl“, im „ Tann­ hörnle“ und jetzt „Auf der Eck“ neue Bauge­ biete erschlossen und bebaut, in denen sich zahlreiche Neubürger ansiedelten. Pfaffen­ weiler wurde zu einem der bevorzugten Wohngebiete der gem·einsamen Stadt, wobei zum Glück die leider üblich gewordenen Zutaten von „ Trabantensiedlungen“ wie Hochhäuser und andere Scheußlichkeiten vermieden werden konnten. So wurde für Pfaffenweiler das Bild einer „urbanen Dörf­ lichkeit“ kennzeichnend, in der die Men­ schen sich wohl fühlen und die allsonntäg­ lich auch viele Spaziergänger anlockt. Sehr allmählich nur entstehen Kontakte zwischen Alteingesessenen und Neubürgern. Im Ortschaftsrat sind beide vertreten. In den Vereinen, dem Gesangverein von 1924, dem 11

Fußballclub, der Trachtenkapelle, bei den Wolfbach-Rolli, im Judo-Sport-Club 74 und im jüngsten Verein, dem Tennisclub begeg­ nen sie sich zunehmend nach dem Motto „Die Zeit wird’s bringen“. Auch da gilt der Spruch „Gut Ding will Weile haben“. Die wachsende Einwohnerzahl brachte natürlich ebenso wachsende Ansprüche an die Infrastruktur. Die Erweiterung der Schule um Fach-und Klassenräume war längst über­ fällig und 1983 endlich vollendet. Die Sanie­ rung der Sportanlagen hat zwar begonnen, stockt aber wegen sich abzeichnender städti­ scher Etat-Engpässe zum Kummer der Ver­ eine. Die große Turn-und Festhalle wie auch der schöne und moderne Kindergarten waren bei der Eingliederung in die Stadt ver­ einbarte und auch pünktlich erbrachte Lei­ stungen des größeren Gemeinwesens für den Teilort. Doch die Vereine drängen auf den Anbau eines Stuhl-und Gerätelagers an die Halle. Spitalhof bei Pfa.ffenweiler Große Sorge bereitet seit Jahren dem Abeln-Nachfolger, Ortsvorsteher Roland Kayßer und seinen Rätinnen und Räten die Verkehrspolitik Die Anbindung an die Stadt durch die vom örtlichen Unternehmer betriebene Linie ist dürftig. Dem Unterneh­ mer kann das wohl nicht zur Last gelegt wer­ den, doch ohne eigenes Auto ist man schlecht dran. Größeren Ärger bereitet aber das Problem der Kreisstraße, die man von Herzogenweiler her ��me um Pfaffenweiler herumgeführt sähe. Uber alle Parteiabgren­ zungen hinweg ist sich der Ortschaftsrat einig in der Ablehnung des bestehenden Pla­ nes, einfach die Ortsdurchfahrt auszubauen, stieß damit aber bei allen zuständigen Stel­ len, auch beim Gemeinderat der gemeinsa­ men Stadt, auf taube Ohren. Schon vor der Eingliederung Pfaffenwei­ lers in die Stadt Villingen-Schwenningen hatte die Firma Trenkle GmbH den Namen der Gemeinde überregional bekannt ge- 12

macht. Der Hersteller kommunaler Spezial­ fahrzeuge, heute Teilbetrieb der Gutmadin­ ger Landmaschinenfirma Kramer, hatte sich aus der von Lothar Trenkles Vater übernom­ menen Schmiede entwickelt und besonders im landwirtschaftlichen Bereich durch bedarfsgerechte Entwicklungen und Kon­ struktionen bei den bäuerlichen Abnehmern Ansehen verschafft. In mehr als zwanzig Jahren hat sich auch die Firma Raimund Andris auf dem Gebiet des Werkzeugbaus und des Kunststoffspritz­ guß Renomme erworben und ein zeitweise stürmisches Wachstum erlebt. Auch zur ‚.Zeit wird eine räumliche Ausdehnung der Fir­ menanlage angestrebt. Ähnliches ist von der ebenfalls im Bereich der Kunststoffverarbei­ tung tätigen Firma von Hans-Peter Sigwart zu berichten. Für die Medizintechnik, Unter­ haltungselektronik, Uhrenindustrie und Büromaschinenhersteller ist die Firma ein angesehener Zulieferer. Aus dem Einmann­ betrieb der sechziger Jahre wurde jetzt einer mit eigenem Konstruktionsbüro und mehr als 25köpfiger Belegschaft. Neben den Geschäften für den täglichen Bedarf an Lebensmitteln, findet sich ein Friseurge­ schäft, Baugeschäfte, ein namhafter Raum­ ausstatter, zwei Omnibusunternehmen, Filialen der Sparkasse und der Spar-und Kre­ ditbank, ein Sägewerk, mehrere Gaststätten, ein Hersteller von Präzisionsdrehteilen und einer von Instrumenten für die Chirurgie und die Augenheilkunde. Ab 1207 läßt sich Besitz des Klosters Salem (Salmansweiler) in Ph a phi n w i 11 er nachweisen, früherer Besitz des Klosters Rei­ chenau wird vermutet. Doch bereits 1259 gelangte der Ort durch Kauf an die Stadt Vil­ lingen, bei der er verblieb bis zum Übergang 1805 an Baden. Eigene Siegel wurden bis dahin nicht gebraucht. Danach führte man zunächst ein Siegel mit dem damaligen groß- Das Wappen von Pfaffenweiler Ist somit in Pfaffenweiler für das leibliche Wohl im weitesten Sinne gesorgt -die mei­ sten Erwerbstätigen sind allerdings Auspend­ ler -so kommt das seelische Wohl und die Pflege der Kranken auch nicht zu kurz. Die Sozialstation unter Leitung von Schwester Klara Bauer ist in den mehr als zehn Jahren ihres Bestehens und Wirkens zum unver­ zichtbaren Bestandteil des Gemeindelebens im Teilort geworden. Einer der Höhepunkte der jüngeren Ortsgeschichte war die Einwei­ hung der Pfarrkirche „Zur heiligen Dreifaltig­ keit“ im Jahre 1967. Der Neubau löste die aus dem Jahr 1720 stammende Kirche ab. Unter dem Namen des Schutzpatrons St. Peter wird schon um 1200 eine frühe Kirche in Pfaffen­ weiler genannt. Von der Pfarrei Pfaffenweiler werden die Filialgemeinden Tannheim und Herzogenweiler mit betrreut. Neben enga­ gierter Jugend-und Seniorenarbeit empfängt das Katholische Bildungswerk von der Pfarr­ gemeinde her seine Impulse. Zu Gast in der katholischen Kirche ist regelmäßig die im benachbarten Marbach ansässige evange­ lische Matthäusgemeinde mit ihren Gottes­ diensten. Man sieht, die Pfaffenweilerer kommen im Prinzip gut miteinander aus und sind im wesentlichen und in jeder Hinsicht zufrie­ denstellend versorgt. Das ist wohl mit ein Grund dafür, daß seit Jahr und Tag mehr Zu­ als Wegzüge zu verzeichnen sind. Herbert Gravenstein herzoglich Staatswappen, begnügte sich jedoch später mit den von Laubzweigen umgebenen Anfangsbuchsta­ ben P W oder PF W. in Siegel und Farbstem­ peln. Als 1891 die Badische Historische Kom­ mission mit der Gemeindewappenbereini­ gung und -neuschöpfung begann, beantragte Pfaffenweiler als eine der ersten Gemeinden 13 badischen

Wappen: In Blau ein stehender Zisterzienser­ mönch mit silbernem Gewand und schwarzem Skapulier, die rechte Hand ausgestreckt, in der Linken ein rotes Buch haltend, links oben begleitet von einem goldenen Schild, darin ein zweireihig rot-silber geschachter Schrägbalken. pen des heiligen Bernhard von Clairvaux), doch hatte das GLA 1895 der Gemeinde Salem dieses Wappen mitgoldenem Feld vor­ geschlagen, das auch angenommen und bis 1972 geführt wurde. In den Dreißigerjahren sah der Mönch in den Stempeln mehr nach einem Jesuiten aus, doch stellte man diesen Fehler 1951 wieder richtig. Und so wurde das Wappen dann geführt bis zur Eingemeindung am l. April 1972 in die neugebildete Stadt Villingen­ Schwenningen (-die selbst übrigens bis heute kein amtliches Wappen führt!). Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Villingen. – GLA Wappenkartei GLA Siegelkartei Schwarzw.-Baar-Kreis. – j. Siebmachers Wappenbuch I. Band, 5. Abthei­ lung, II. Reihe: Klöster Nürnberg 1882 (Nach­ druck Band 8, Neustadt a. d. Aisch 1976). – H. G. Zier: Wappenbuch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. – G. Hoffmann: Wappenkunde des Bodenseekreises, in: Leben am See, 2. Jahr­ buch, Friedrichshafen 1984 (Salem). Schwarzwald-Baar-Kreis. haben mögen. Der auf romanisch-gotischem Gemäuer fußende, wehrhafte Turm der Kirche St. Genesius zählte alle ungeschriebe­ nen Strophen, die sich mit den wechselvollen Zeitläufen mehrten, ihre Zeichen mit Häu­ sern, Wiesen, Äckern, Wegen, Menschen 1895 ein eigenes Wappen und bekam vom Generallandesarchiv das obige Wappen vor­ geschlagen mit der Erläuterung: Die Orte Her­ zogenweiler und Pfa.ffenweiler bildeten bis zum 13. Jahrhundert eine gemeinsame Mark, die Wiler hief1. Bei der Trennung erhielt Herzogen­ weiler seinen Namen, weil es dem Herzog von Zähringen gehörte, wogegen der andere Theil der Gemarkung, der dem Cistercienser-Kloster Salem gehörte, zur Unterscheidung Pfa.ffenweiler genannt wurde. v. Weech. Der Gemeinderat von Pfaffenweiler erklärte sich noch 1895 einverstanden und erhielt das Wappen ins Dienstsiegel graviert. Auch ein eigener Stempel für den Stabhalter der „abgesonderten Gemarkung“ Härings­ höfe (erst 1924 mit Pfaffenweiler vereinigt) wurde beschafft, der das gleiche Wappen ent­ hielt. So erklärt sich also der Mönch aus der Geschichte des Orts und das Schildchen soll an das Kloster Salem erinnern. -Zwar führ­ ten die deutschen Zisterzienserklöster alle das gleiche Wappen: In Schwarz ein silber-rot geschachter Schrägbalken (das angebliche Wap- das hohe Lied vom einfachen Leben in der Baar Wie in einem Volkslied besungen liegt Riedböhringen inmitten seiner Wiesen­ hänge und Waldberge: Höhenlandschaft der Baar. Viele Strophen hat dieses Lebenslied, dessen erste noch die Straße aus der Römer­ zeit und das über sie ziehende Volk erzählt 14 Riedböhringen –

Die Urkunde vom 15. September 13 67 ist von geschichtlichem Wert: Bischef Heinrich zu Konstanz und Abt Eberhard zu Reichenau erkennen für den Johann von Blumberg an, daß der große und kleine Zehenden zu „Böhringen“ (Riedböhringen} in der Baar den Canonicis und dem Kapitel zu Schienen zugehöre. Dieser Zehenden wurde deshalb der“ Chorherren-Zehenden „genannt. (Links das Siegel des Konstanzer Bischofs Heinrich, rechts das des Reichenauer Abtes Eberhard.) Größe der Originalurkunde: Höhe 23 cm, Breite 33 cm. Aufnahme nach dem Original im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen. Georg Goerlipp 15

und Namen setzten: Aus erster Urkunde sich fortsetzende Berichte über ein wachsendes Gemeinwesen. Ein kleines, romanisches Kru­ zifix aus der Mitte des 12. Jahrhunderts und schon von Wallfahrern in der nach ihm benannten Heiligkreuzkapelle auf dem Eich­ berg verehrt, scheint, will man bei dieser gläu­ bigen Strophe des Liedes nachdenklich ver­ weilen, eine bedeutungsvolle Verbindung zu Riedböhringens berühmtestem Sohn Augu­ stin Kurien-Kardinal Bea herzustellen, der 1968 seine letzte Ruhestätte in der Heimat­ kirche St. Genesius fand: Opfertragendes und menschlich getragenes Kreuz. Diese sakrosankte und geisteswissenschaftliche Verknüpfung über Entwicklungsjahrhun­ derte hinweg ist eher ein legendär einge­ brachtes als beurkundetes Leitmotiv, sowe­ nig wie die Ortsgeschichte des frühen und hohen Mittelalters bislang mittels schriftli­ cher 7.eugnisse beweisfest offengelegt wer­ den konnte. So mag der 7.eitraffer, schon aus Platzgründen, nur an einigen wesentlichen Konzentrationen das Umfassendere ge­ schichtlicher Bewegungsabläufe andeuten. Der Geburtsort des Kardinals, der sich so vorbildlich und zukunftsweisend für die „Einheit der Christen“ einsetzte, wird urkundlich erstmals 1262 als „Behringen“ erwähnt. Frühere Beweise einer Besiedlung sind die Funde vom Bürglebuck: Tonscher­ ben der Bandkeramiker aus der jüngeren Steinzeit oder eine Lanze der Hügelgräber­ Bronzezeit. Man nimmt an, daß dort ab dem 5.vorchristlichen Jahrhundert ein keltischer Bauernhof gestanden und später ein aleman­ nischer Familienverband des Namensgebers Bero gesiedelt hat. Andere Funde, zum Bei­ spiel von Hadrian-Münzen, weisen auf die Römer hin, die im 3. Jahrhundert n. Chr. von den Alemannen vertrieben wurden, auf die der Name der Siedlung mit seiner typischen Endung zurückzuführen ist. An der Straße gelegen, die vom Hochrhein nördlich in die Baar führte, war der Ort als Lehen des Klosters Reichenau, das dort einen Kelnhof mit fünf zugeordneten Hofstellen unterhielt, im Besitz der „Herren von Behringen“. Pfar- 16 Romanisches Bronzekruzifix rei ist er, der vordem zur Urpfarrei Aselfingen gehört hatte, schon 1275. Im Jahr 1386 hatte das Kloster Reichenau das Patronat über die Kirche inne. 1392 ging das Dorf, über das schon 1313 ein fürstenbergischer Graf eigen­ mächtig verfügt hatte, in den Besitz des Gra­ fen Friedrich von Fürstenberg über. Interes­ sant ist, daß 531 Jahre vor der Eingemein­ dung nach Blumberg auch die damaligen „Herren von Bluomberg“ Rechte auf Dorf und Kelnhof „Riethberingen“ geltend mach­ ten. Denn 1441 kam es zwischen ihnen und den Fürstenbergern zu einem Vergleich: Ein Schiedsgerichtsspruch führte zum Verzicht der Blumberger auf das Dorf. Dafür zahlten die Grafen ihnen eine jährliche Rente mit der Sicherheit des Kelnhofes als Unterpfand. Später, nach der Mediatisierung des Fürsten­ tums im Jahre 1806, wurde das Dorf im Groß­ . herzogtum Baden bis 1824 noch einmal dem Amt Blumberg unterstellt. Riedböhringens markanter Kirchturm mit seinen erkennbaren Schießscharten scheint in Kriegszeiten als wehrhafter Zufluchtsort gedient zu haben und schon älter zu sein, als die erhaltene Jahreszahl 1498 über dem Grufteingang vermuten läßt. Die Kirche St. Genesius wurde später erbaut, im Jahre 1910 vergrößert und 1980/81 in der

Innenausstattung zum 100. Geburtstag des Kardinals Bea würdig restauriert. Im Jahre 1564 wird eine Wallfahrt zur Kreuzkapelle auf der Eichbergmitte zum ersten Mal erwähnt. Hier kommen wir auf das verehrte romanische Bronzekruzifix zurück: 1864 wurde die Kapelle abgebrochen und die Kreuzwallfahrt in die neuerbaute Gottesak­ kerkapelle St. Nikolai verlegt. Im Dreißigjäh­ rigen Krieg gab es 1632 einen schwarzen Oktober für die Bewohner des Dorfes, denn 28 Bauern wurden bei dem Versuch getötet, sich in den Mauern von Hüfingen vor den Verbündeten der Schweden in Sicherheit zu bringen. Auch der Spanische und der Öster­ reichische Erbfolgekrieg forderten bei den verheerenden Durchzügen der Franzosen ihren Blutzoll. Das wiederholte sich im Ersten Weltkrieg; im Zweiten Weltkrieg ver­ schonten die Franzosen den Ort. Im 20. Jahrhundert waren es zwei Ried­ böhringer, die sich weit über den Bereich ihres dörflichen Herkommens hinaus einen Namen machten: Franz Xaver Honold, 1881 geboren, der 1926 seine Anwaltspraxis in Karlsruhe aufgab, um der Berufung zum Badischen Gesandten und Reichsbevoll­ mächtigten nach Berlin zu folgen (bis 1931, vgl. Almanach 85, Seite 82 -85) sowie der im selben Jahr geborene Augustin Bea, der es als Geistlicher bis zum Beichtvater des Papstes Pius XII. brachte. Dessen Nachfolger Johan­ nes XXIII. erhob den umfassend gebildeten, geistlichen Wissenschaftler von hohen Gra­ den in den Rang eines Kurienkardinals, als der er 87jährig am 16. November 1968 in Rom starb (vgl. Almanach 82, Seite 14 -26). Auf seinen Wunsch wurde er in der Familien­ gruft seiner heimatlichen Pfarrkirche beige­ setzt. Das Kardinal-Bea-Museum (vgl. Alma­ nach 79, Seite 87 -90) betreut die vielfältigen Erinnerungen an diesen fortschrittlichen Denker im christlich-ökumenischen Sinne. So besitzt Riedböhringen einen würdigen Ort des Dankes, der Besinnung und der Erin­ nerung an einen Geist, der großartig konzi­ pierte Brücken zu den Menschen und Kir­ chen in aller Welt schlug und nun in der bäuerlich geprägten Landschaft seines Auf­ bruchs ausruht. Wie ein Dirigent versammelt der Turm von St. Genesius den Chor der Häuser um sich und läßt ihn die weiteren Strophen von der sich vergrößernden Dorfgemeinschaft anstimmen, die vom pulsierenden Fluchtge­ räusch der Durchgangsstraße begleitet wer­ den. Nachdem die neue Trasse der Bundes­ straße 27 den Ort seit einigen Jahren auf der Höhe umgeht, ist es abseits von ihr ruhi­ ger geworden. Riedböhringen kehrte zu sei­ nem Vorteil in das weitgehend sanierte und zeitgemäß aufgeschlossene Idyll zurück. Eben wie es Bürgern und rastsuchenden Fremden volksliedhaft auf den Lippen liegt und das heutzutage häufig als antiquiert belächelte Herz mitsprechen läßt. Einen klei­ nen „Herzinfarkt“ verursachte am 1. April 1972 die Eingemeindung als Stadtteil von Blumberg, die der Eichbergstadt 850 Ein­ wohner, eine Gesamtgemarkung von 1350 Hektar, davon 360 Hektar Wald, aber auch die-Verpflichtung zur Fertigstellung der schon in Bau befindlichen Mehrzweckhalle, örtlicher Sanierungen und zeitgemäßer Ver­ besserungen im Sinne der Lebensqualität einbrachte. Die verlorene Selbständigkeit des in seinem Rahmen funktionierenden Ge­ meinwesens galt lange Zeit als Wunde, die ihre Pflaster brauchte, um allmählich zu hei­ len. Viel dazu beigetragen hat, nachdem die Probleme der Nachkriegszeit für neun Jahre von Josef Weber mutig angepackt worden waren, Riedböhringens Bürgermeister und nachmaliger Ortsvorsteher Martin Buri, der ab 1957 dreißig Jahre umsichtig und tatkräf­ tig zum Wohle seiner Heimatgemeinde wirkte. War die bekannte Achsenfabrik Ueberle GmbH & Co. KG schon Anfang der 50er Jahre in einer vielversprechenden Ent­ wicklung, so gab es parallel zu ihr die vielfälti­ gen Aufgaben und Erfüllungserwartungen in kommunalen, sozialen und kulturellen Bereichen. Dazu zählten unter anderem eine gesicherte Wasserversorgung sowie zahl­ reiche gemeinnützige Einrichtungen: Wege­ und Straßenbau, die Realisierung von 17

Bebauungsplänen, . das Schlachthaus mit Tiefgefrieranlage, der Bau von Schul- und Lehrerwohnhaus, Kindergarten, Friedhofs­ kapelle, Neugestaltung der Kirche und des Friedhofes. Eine durch die verkehrsberuhi­ gende Umgehungsstraße notwendig gewor­ dene, erfolgreiche Flurbereinigung erfolgte ebenso wie eine Erneuerung des Dorfes durch die Bodenordnung im Ortsbereich, Stärkung der Infrastruktur, Landschafts­ schutzpflege mit allen ökologischen Voraus­ setzungen, Flachwasserteiche in den Gewan­ nen Forst, Wengenwies und Unter Kriele, Grünanlagen und Sportplätze. Ein ganzer Katalog, der zum Teil noch selbständig, dann aber mit Hilfe der Stadt Blumberg verwirk- licht wurde und weiter abgerundet wird. Ein reges Vereinsleben hat sich in der Dorfgemeinschaft entwickelt und trägt zu einem guten Zusammenwirken bei. Über eine nachweisbare Zeitspanne von 727 Jahren, von der Mitte des 13. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, klingt das Lied vom einfachen Leben in der Baar. Noch unartikuliert entstand es schon über tausend Jahre vorher, so daß zuweilen ausgegrabene Ton-Scherben ihre doppelte Auslegung erfahren dürfen. Es sind frische Kinderstim­ men, die dem alten Lied neue Strophen von einer hoffentlich friedlichen Zukunft sichern werden. Jürgen Henckell Das Wappen von Riedböhringen ursprünglich ein Pelzwerk aus dem Fell des grauen Eichhörnchens (Winterfell von Sciu­ rus vulgaris fuscoater), wo bei abwechselnd die blaugrauen Rückenteile mit den weißen Bauchteilen zusammengenäht waren; in der Heraldik schon im Mittelalter stark stilisiert dargestellt. Erst nach dem Übergang des Fürstentums Fürstenberg an das Großherzogtum Baden 1806 konnte die Gemeinde ein eigenes Siegel führen. Dieses zeigte anfänglich ein Allianz­ wappen Baden-Fürstenberg. Um die Mitte des 19.Jahrhunderts tauchte ein Stempel auf, der in einem gekrönten Wappenschild ledig­ lich die Buchstaben R B aufwies, später wurde nur noch ein einfacher Schriftstempel ohne Wappen verwendet. 1891 begann die Badische Historische Kommission allen badischen Gemeinden zu einem Wappen zu verhelfen und im Jahre 1900 bat auch die Gemeinde Riedböhringen um ein eigenes Wappen. Das Großherzog­ lich Badische Generallandesarchiv in Karls­ ruhe schlug 1903 das obige Wappen vor, das vom Gemeinderat angenommen wurde. Durch die Eingemeindung in die Stadt Wappen: Von silber-blauem Wolkenfeh-Schild­ rand umgeben in Gold ein roter Seelöwe mit sil­ bernem Schwanz. Das Wappen ähnelt dem fürstenbergi­ schen, nur ist der Zähringeradler hier durch einen heraldischen „Seelöwen“ ersetzt. Der setzt sich aus der Oberhälfte eines Löwen und einem Fischschwanz zusammen. Solch ein „Seelöwe“ stand im Wappen der Familie Beringer (oder von Böhringen), die im 14.Jahr­ hundert hier Lebensträger des Klosters Rei­ chenau war. Im Jahre 1441 bereits gehörte der Ort zum fürstenbergischen Besitz. Darauf soll das fürstenbergische „Wolkenfeh“ im Gemeindewappen hinweisen. -Feh bedeutet 18

Blumberg am 1. April 1972 ist das schöne Wappen als amtliches Zeichen erloschen. Prof. Klaus Schnibbe Q}l.ellen und Literatur: Generall.andesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Donaueschingen. – GLA Wappenkartei Schwarzwald-Baar­ Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarzwald-Baar- Kreis. – F. K. Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg: Zur Geschichte des Fürstenbergischen Wappens, Kupferzell 1860. -]. Kindler v. Knobloch: Ober­ badisches Geschlechterbuch, Band 1, Heidelberg 1898 (Beringer). – K. Schnibbe: Gemeindewap­ pen im ehemaligen Landkreis Donaueschingen; in: Schriften d. Vereins für Gesch. u. Naturgesch. d. Baar, Bd. 33, Donaueschingen 1980. Das Wappen der Stadt Bad Dürrheim Wappen: Durch einen goldenen Stab gespalten von Rot und Blau, vorn ein silbernes Johanniterkreuz, � im rha ff’R.ied:rigten silbernen Wellen/eisten ein achtstrahliger silberner Stern. Dürrheim, damals noch ein kleiner land­ wirtschaftlicher Ort, kam mit Villingen nach dem Preßburger Friedensvertrag im Jahre 1806 an das neugeschaffene Großherzogtum Baden. Das Vollmachtsprotokoll von 1811, das die Einwohner von Dürrheim anläßlich der Erb­ huldigung für den neuen Großherzog Karl ausstellten, trägt das älteste Gemeindesiegel: Es ist oval mit der Umschrift VOGTEI/ DIRRHEIM und zeigt das damalige kleine badische Staatswappen: Schräglinksgeteilt von Purpur und Rot, oben ein goldener Schrägbalken, unten ein linksgewendeter goldener Löwe ( der irr­ tümlich so genannte „Zähringerlöwe“). – Ab 1819 durften nach einem Erlaß des Innenmi­ nisteriums solche Siegel mit dem badischen Wappen nicht mehr verwendet werden. Entdeckung und Erschließung der Salz­ vorkommen nach den napoleonischen Krie­ gen, legten den Grund für die Entwick­ lung zur heutigen Kurstadt. – Die Salzlager waren für das Großherzogtum Baden so wichtig, daß Großherzog Ludwig 1822 „aller­ höchst geruhten“ der Gemeinde fürderhin zu gestatten, den Namen „Ludwigshall“ füh­ ren zu dürfen. – Doch blieb man beim Namen Dürrheim. Erst von 1837 ist uns wieder der Abdruck eines Siegels bekannt. Dieses zeigte inner­ halb der Umschrift BÜRGERMEISTER­ AMT DÜRRHEIM im runden Siegelfeld 19 Das Johanniterkreuz im Wappen weist auf die von 1280 bis 1805, also mehr als fünf­ hundert Jahre währende Herrschaft der Kommende Villingen des Johanniterordens über diesen Ort hin. Stern und Wellen sollen Klima und Sole als Heilfaktoren des Heilba­ des symbolisieren, während der goldene Stab als Bohrloch gedeutet werden kann. Die jüngste Stadt unseres Kreises hat kein sehr altes Wappen. – Zwar gab die Johanni­ terkommende ihrem Vogt in Dürrheim bereits gegen Ende des 18.Jahrhunderts ein Siegel, das jedoch kein Wappen oder Ortszei­ chen aufwies, sondern wie bei den andern drei komturischen Dörfern in einem runden Per­ lenkranz das Johanniterkreuz zeigte, in der Mitte belegt mit einem Schildchen, das die Buchstaben C: V: (d.h. Commende Villin­ gen) enthielt; die Umschrift lautete (vor dem Text)* SIG : DES : VOGTS : ZV : DIERHEIM.

auf einem schwebenden Podest stehend einen linksgewendeten, widersehenden Grei­ fen, der ein Schildchen mit dem Johanniter­ kreuz hält. Diese Darstellung wurde nun für 120 Jahre zum Vorbild, obwohl weder der Johanniterschild als Ortswappen angesehen werden kann, noch der Greif als Schildhalter (wohl aus dem großherzoglichen Staatswap­ pen genommen) in irgendeiner Beziehung zu Dürrheim stand. Um 1850 gab es ein Sie­ gel mit der Umschrift + GEMEINDE + DÜRRHEIM, dessen Johanniterkreuz der Graveur zu einem achtstrahligen Stern defor­ miert hatte! -Daneben kam seit den dreißi­ ger Jahren auch ein schlichter metallener Farbdruckstempel in Gebrauch, der im Oval lediglich ein kleines Schildchen mit den zusammengezogenen Buchstaben DH ent­ hielt, umgeben von Lorbeerzwei_gen und der Umschrift+ GEMEINDE+ DURRHEIM. Die badische historische Kommission beim Generallandesarchiv hatte 1891 begon­ nen, die Wappen und Siegel der badischen Gemeinden zu sammeln und zu sichten. Sie stieß sich an dem „Löwen“ im Dürrheimer Siegel und schlug 1895 vor, künftig als Wap­ pen nur den einfachen Schild, rot mit silber­ nem ]ohanniterkreuz, zu führen. Doch kehrte sich die Gemeinde nicht daran. Man ließ zwar 1896 ein neues Siegel stechen, das aber ganz am „Normtypus“ ausgerichtet war: Der Schild -jetzt „rot-schraffiert“ -enthielt wieder das Malteserkreuz, die Umschrift lautete *BÜRGERMEISTERAMT * DÜRRHEIM. Doch diesmal war der Greif zu einem „geflü­ gelten Löwen“ entartet! Der Graveur (oder sein Auftraggeber) hatte den Greifen -ein Fabeltier -mißverstanden und ihm statt des Adlerkopfes mit spitzen Ohren einen Löwenkopf gegeben. -Diese Darstellung zeigte auch ein gleichzeitiger Farbdruckstem­ pel. Sie wurde unverändert in alle weiteren Stempel bis 1957 übernommen. Das GLA schob 1896 noch zwei weitere Wappenvorschläge nach: 1. In Rot ein silbernes D. -Und 2. In Rot ein silbernes ]ohanniterkreuz, 20 ]ohanniterkreuz, belegt mit einem silbernen Schildchen, darin der schwarze Großbuchstabe belegt mit einem goldenen Schildchen, darin eine sich zu einer grüngestielten roten Rose hinabneigt; rote Rose an grünem Stiel mit zwei Blättern. – Während Vorschlag 1 sich an das alte komtu­ rische Vogtssiegel anlehnte, bezog sich Vor­ schlag 2 auf das Wappen des alten Ortsadels des 13.Jahrhunderts, der Herren von Dürr­ heim, genannt Esel. Diese führten folgendes Wappen: In Gold ein stehender blauer Esel der als Heimzier diente ein „wachsender“ blauer Esel. -Da man im GLA annahm, daß sich die Gemeinde nicht auf einen Esel im Wap­ pen einlassen würde, hatte man es kurzer­ hand auf die Rose reduziert. -Der Dürrhei­ mer Gemeinderat lehnte jedoch ab. Weiterhin wurden Stempel angeschafft – ab 1929 mit der Umschrift* BÜRGERMEI­ STERAMT* BAD DÜRRHEIM-die sämt­ lich das Klischee von 1896 enthielten. (1936 findet sich sogar eine Notiz, die Farben dieses „Wappens“ seien Gelb-Rot-Weiß.1 Seit 1940 lautete die Umschrift in der damals üblichen Frakturschrift: + Gemeinde + Bad Dürr­ heim (Schwarzwald). Anfang der fünfziger Jahre prangte auf den Briefbogen des Bürgermeisteramts in Farbdruck ein Gebilde -etwa im Stile des ,,Art Deco“: Statt des „geflügelten Löwen“ wieder ein schildchen-haltender Greif, nun seinerseits in einen Wappenschild gesetzt, umgeben von allen Attributen eines „Voll­ wappens“, also Helm, Heimzier und Helm­ decken. Eine Blasonierung könnte lauten: ,,In Gold(!) ein linksgewendeter, widersehender Helmdecken schwarz(O-silbern ‚� Bei einer Siegelüberprüfungwies das GLA erneut auf die Unzulässigkeit von „Greif“ oder „Löwe“ als Schildhalter hin und brachte gleichzeitig wieder die Vorschläge von 1896 in Erinnerung. -Es entspann sich nun ein jahrelanges Hin und Her. Zwar signalisierte man grundsätzlich Bereitschaft zur An­ nahme eines offiziellen Wappens, doch er­ klärte der Bürgermeister 1953, daß das ein­ fache Johanniterkreuz ohne den „Adler“ silberner Greif, vor sich einen roten Schild mit sil­ bernem ]ohanniterkreuz haltend; auf dem Helm ein linksgewendeter silberner Greiftnkopf, die

(sie!) zu nüchtern und vor allem werbetech­ nisch für einen Kurort sehr ungünstig sei … Als neugewählter Bürgermeister packte Otto Weissenberger Anfang des Jahres 1955 die Wappenfrage mit frischem Elan an. Dabei hielt er auch den Esel für durchaus dis­ kutabel. – Das GLA schickte einen neuen Vorschlag: Gespalten von Rot und Gold, vorn ein silbernes Johanniterkreuz, hinten zwei rote Rosen pfahlweise ( d.h. übereinander). Der Bür­ germeister akzeptierte diesen Vorschlag, machte aber Bedenken gegen das zusam­ mengedrückte Kreuz geltend und schlug vor, lieber zwei Rosen und zwei Johanniter­ kreuze in einem gevierten Schild unterzu­ bringen. Dazu gleich noch einen Helm mit ,,Eselsrumpf“ als Heimzier und Helmdek­ ken, damit das ganze prächtiger wirkt! Nun folgten viele weitere Entwürfe … – Der Freiburger Denkmalpfleger Rudi Keller, um ein Gutachten angegangen, schlug als Wappen einen von Silber und Rot gevierten Schild vor, im 1. und 4. Feld einen stehenden schwarzen Esel im 2. und 3. das silberne Johanni­ terkreuz. – Dieses schöne Wappen wurde am 12. Mai 1955 vom Gemeinderat angenom­ men. -Doch da nach Ansicht des Bürgermei­ sters auch dazu wieder Helm, Heimzier (ein wachsender Esel) und Helmdecken gehören sollten, lehnte das Landratsamt ab und mel­ dete generelle Bedenken gegen den Esel an. Man probierte weiter – sogar eine Lilie statt des Esels wurde vorgeschlagen. In der Presse gab es polemische Leserbriefe, eine Art „Bürgerinitiative“ brachte Unterschrif­ ten gegen den Esel zusammen. – Aber es gab auch durchaus zustimmende Äußerungen. In einem Leserbrief an die „Neckarquelle“ wurde dann angeregt, lieber die Sole bzw. das Salz symbolisch ins Wappen zu setzen. Das neue Jahr begann mit einer Flut neuer Entwürfe: Man probierte es mit Wasserwel­ len, Bohrtürmen, Badenixen und Sternen. Das GLA steuerte einen Entwurf bei, der Eselskopf, Johanniterkreuz und Heilbrun­ nen mit Äskulapschlange enthielt. Doch schälte sich für die Heilbaddarstellung„Stern über Wellen“ als die passendste heraus. Um angeblichen Schwierigkeiten bei der Anbringung des Wappens auf hellen Flächen zu begegnen, wurde das Feld für Stern und Wellen blau statt weiß (silber) gefärbt. Dem hatte der Gemeinderat am 25.Januar 1957 zugestimmt. Das heraldisch unschöne Zu­ sammenstoßen von Rot und Blau mußte durch Einschieben eines goldenen Bandes behoben werden. -Das GLA gab nach, unter der Auflage, das Band als heraldischen Stab in einem Siebtel der Schildbreite auszuführen. – So konnte nun das Innenministerium Baden-Württemberg unterm 7. Dezember 1957 die Verleihung dieses Wappens, zusam­ men mit einer Flagge in den Farben Weiß-Rot, aussprechen. Die Gemeindereform brachte Bad Dürr­ heim 1971/72 einen erheblichen Zuwachs durch die Eingemeindung der sechs Baarorte Biesingen, Hochemmingen, Oberbaldingen, Öfingen, Sunthausen und Unterbaldingen. Die Wappen dieser Ortsteile haben dadurch ihre Funktion als offizielle Hoheitszeichen verloren (sie können aber weiterhin vom Ortschaftsrat, von Vereinen und einzelnen Bürgern bei allen möglichen Gelegenheiten gezeigt werden!). Die offizielle Wappenfü h ­ r u n g steht nur noch der Zentralgemeinde zu. Anläßlich der Stadterhebung zum 28. Mai 1974 kam nocheinmal ein Vorschlag, für die Stadt ein neues Wappen zu schaffen, der aber nicht weiter verfolgt wurde. – (Übrigens ist die Zusammenstellung der untergegangenen Wappen der Stadtteile in einem Schild mit aufgelegtem Stadtwappen, das sog. ,,Gemein­ same Wappen“, kein Wappen im heraldi­ schen Sinne. Es könnte von der Aufsichtsbe­ hörde auch nicht genehmigt werden.) So bleibt es bei dem seinerzeitigen, müh­ sam geschaffenen Wappen, das sich zum einen auf eine lange Periode der Herrschafts­ geschichte und zum andern auf die erfolg­ reiche Salzbohrung von 1822 und die darauf­ folgende Entwicklung zum Kurort und Heil­ bad bezieht. Prof. Klaus Schnibbe 21

Behörden und Organisationen Das neue Behördenzentrum in Brigachtal Als „Fingerzeig höherer Mächte“ bezeich­ nete Bürgermeister Meinrad Belle den Augenblick, als man vor der Tatsache stand, daß die alte St-Martins-Kirche im Brigachta­ ler Ortsteil Kirchdorf nicht abgerissen, son­ dern Brigachtal ein neues kirchliches Gemeindezentrum erhalten sollte. Es folgte die Überlegung, in der Gemeinde auch einen politischen Mittelpunkt zu schaffen. Ein langer, arbeitsreicher Weg lag zwi­ schen Plänen, Realisierung und vollendeter Tatsache. Arbeitsreich für alle Beteiligten, vom Architekten bis zum Handwerker, arbeitsreich für Gemeinderäte und Bürger­ meister. Mit der Einweihung des neuen Behörden- zentrums am 4. September 1987 wurde eine neue Seite in der Geschichte Brigachtals geschrieben. So wird das erste September­ wochenende im Jahre 1987 vielen Bürgerin­ nen und Bürgern unvergeßlich bleiben, denn Anlaß zur Freude gab es nicht nur für den Bürgermeister und die Gemeinderäte, sondern für die ganze Gemeinde. Es ist nicht übertrieben, den Bau des Rathauses als Mei­ lenstein in der Geschichte Brigachtals zu bezeichnen; beweist er doch nicht zuletzt den gelungenen Zusammenschluß der drei ehemaligen eigenständigen Gemeinden Kirchdorf, Überauchen und Klengen. Der Bürger soll sein Rathaus gerne auf­ suchen. Der Weg dahin führt aus allen drei 22

Ortsteilen zunächst über den zentral gelege­ nen Dorfplatz. In seiner Mitte der Brunnen aus schwedischem Vanga-Granit, ein Werk des Bildhauers und Steinmetz Emmerich Esterle aus Donaueschingen. Ein Drei paß im Trog symbolisiert die Gemeinden Klengen, Überauchen und Kirchdorf, aus denen die Gemeinde Brigachtal entstand. Betritt der Besucher die helle Eingangs­ halle, findet er den Zusammenschluß eben­ falls auf einem mannshohen Gedenkstein bestätigt. Frei bleibt der Blick durch die gesamte Eingangshalle und durch das Foyer, bis hin zum Innenhof. Eingebettet in einem Glaserker führt eine helle Holztreppe in das Obergeschoß. Auf diesem Wege fällt der Blick noch einmal in den liebevoll gestalteten Innenhof. Im Foyer des Obergeschoßes empfängt den Besucher wiederum die betont helle und freundliche Atmosphäre des Rathauses. Hier befinden sich eine Anzahl Büroräume, für die Ange­ stellten ein Aufenthaltsraum mit angren­ zender Teeküche, das Zimmer des Bürger­ meisters, das Besprechungs-und Trauungs­ zimmer und ganz dominierend am nord-öst­ lichen Gebäudeeck der große Sitzungssaal des Gemeinderates. Dieser erweist sich als recht repräsentativer Raum, der schon bis jetzt mehrere Male der politischen Ge­ meinde als angenehmer Versammlungsraum diente. Auch hier verspürt der Besucher die wohltuende Atmosphäre, die ihn gerne sein Rathaus aufsuchen läßt. Doch nicht nur das Rathaus, sondern auch Post, Polizei und Sparkasse findet der Bürger im neuen Behördenzentrum. Die drei Institutionen signalisierten schon lange vor Baubeginn ihre Bereitschaft, sich an diesem Vorhaben zu beteiligen. Das Postamt fällt durch moderne Gestal­ tung und neuzeitliche Ausstattung auf. Der Kunde wird schon in der Schalterhalle von freundlicher Atmosphäre empfangen. Die Glasaufbauten entsprechen einer modernen und sicherungsdienstlichen Entwicklung. Ein besonderes Sprechzimmer für den Betriebsleiter ermöglicht es, den Kunden auch diskret zu betreuen und zu beraten. Im Windfang des Postamtes befindet sich eine Postfachanlage neuester Bauart. Reserven an freien Postfächern sind auf Jahre vorhanden. Zu dem geräumigen Posthof zählen drei Garagen. Vor dem Postamt kann sich der Kunde eines sogenannten „stummen Postamtes“ bedienen. An einer Fernsprechhaube kann rund um die Uhr telefoniert werden, der Fernsprecher ist mit einem Euromünzer bestückt. Briefmarkenautomat und Briefka­ sten gehören ebenfalls zum „stillen Postamt“, alle Einrichtungen, sowie auch der Postein­ gang, sind behindertengerecht gestaltet wor­ den. Mit der Einrich�ung des Polizeipostens im Brigachtaler Behördenzentrum ist die Polizei näher an den Bürger herangerückt. Sie möchte ihm als Ansprechpartner zur Ver­ fügung stehen und kann mit dieser neuen Einrichtung ihre Aufgabe, Sicherheit und Ordnung zu erhalten, optimal erfüllen. Der Dienstbetrieb im Brigachtaler Behör-23

denzentrum wurde zunächst mit drei Poli­ zeibeamten aufgenommen. Den Beamten stehen freundliche und zweckmäßige Dienst- und Nebenräume zur Verfügung, dazu eine Garage mit Funkstreifenwagen. Zuständig sind die drei Beamten für die Ein­ wohner Brigachtals und für die umliegenden doppelstädtischen Stadtbezirke Herzogen­ weiler, Pfaffenweiler, Tannheim, Rietheim und Marbach mit insgesamt rund 11 500 Ein­ wohnern. Ein weiterer wichtiger Faktor im neuen Ortszentrum ist die Sparkasse Brigachtal, deren großzügige und freundliche Räume ebenfalls im Behördenzentrum zu finden sind. Hier wurde auf unnötigen Luxus ver­ zichtet, vielmehr stehen dem Kunden die notwendigen Sicherheitseinrichtungen und modernste Banktechnik zur Verfügung. Die Diskretion beginnt bereits im Kassenbereich, da beide Kassenplätze voneinander abge­ trennt sind. Abgeschirmt ist auch das Bera­ tungszimmer, zusätzlich steht dem Kunden ein gesondertes Beratungszimmer zur Ver­ fügung. Mit ihrem neuen Standort ist die Spar­ kasse für die weitere Unterstützung der Zukunftsentwicklung der aufstrebenden Ge­ meinde Brigachta1 gerüstet. Die räumliche Nähe zwischen Kirche und Rathaus in Brigachtal ist ein Beweis dafür, daß kirchliche und politische Gemeinde mit­ einander arbeiten können. Nicht umsonst spricht man von einem beispielhaften Gemeindezentrum, in das es sich lohnt, hineinzugehen. Ursula Kaletta Die Straßenmeistereien im Schwarzwald-Baar-Kreis Dem Straßenbauamt Donaueschingen, das für die gesamte Region Schwarzwald­ Baar-Heuberg zuständig ist, unterstehen im Schwarzwald-Baar-Kreis 3 Straßenmeiste­ reien, die ihren Sitz in Donaueschi�gen, Furtwangen und VS-Villingen haben. Uber 100 Bedienstete, darunter zur Zeit 7 Straßen­ wärterlehrlinge, unterhalten insgesamt 683 km Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sowie ca. 20 km Rad- und Gehwege samt den dazu­ gehörigen Nebenanlagen: dies sind 70 Park­ plätze, über 650 Stützmauern verschiedener Längen und Höhen, über 300 kleinere und größere Brückenbauwerke, 15 Verkehrssig­ nalanlagen an Knotenpunkten, 16 Fußgän­ gersignalanlagen sowie 52 Fußgängerüber­ wege in Form von Zebrastreifen. Im Rahmen der Verkehrssicherungs­ pflicht ist die Straßenbauverwaltung u. a. gehalten, die öffentlichen Verkehrsflächen im Zuge von Bundes-, Landes- und Kreisstra­ ßen zu erhalten und im Rahmen des Zumut­ baren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus 24 einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Verkehrsflächen drohen. Auf diesem Rechts­ grundsatz basieren alle Maßnahmen der Straßenunterhaltung und des Winterdien­ stes. Mit diesen Aufgaben sind die Straßen­ meistereien vor Ort beauftragt und werden vom Straßenbauamt bei Ausführung ihrer mannigfaltigen Arbeiten, soweit notwendig und möglich, vielseitig unterstützt. Die Arbeiten der Straßenunterhaltung bein­ halten sowohl Sofortmaßnahmen zur Auf­ rechterhaltung der Verkehrssicherheit als auch turnusmäßig auszuführende Repara­ tur-, Wartungs- und Pflegearbeiten. Die sofort auszuführenden Arbeiten werden in der Regel von Streckenwarten während ihrer Kontrollfahrten durchgeführt. Dies sind meistens kleine Reparaturarbeiten am Stra­ ßenbelag oder an der Straßenausstattung. Zu den größeren Arbeiten, die von Kolonnen oder Bauunternehmen ausgeführt werden, gehören z. B. Reparaturarbeiten an der Fahr­ bahnoberfläche, bei der verkehrsgefähr­ dende Schlaglöcher und Verdrückungen

beseitigt werden müssen. Eine einwandfreie Entwässerung der Fahrbahnoberfläche ver­ mindert die Gefahr von Nässeunfällen. Des­ halb müssen Entwässerungsanlagen laufend funktionsfähig gehalten und Seitenstreifen sowie Bankette so bearbeitet werden, daß Oberflächenwasser ungehindert abfließen kann. Bedeutsam für die Verkehrssicherheit ist ebenfalls die Grünpflege. Der Bewuchs ent­ lang einer Straße ist ein nicht zu unterschät­ zendes Sicherheitselement, das eine beson­ dere Aufmerksamkeit verdient. Das Grasmä­ hen sowie die Unterhaltung von Gehölzen und Baumbeständen im Straßenraum gewährleisten optimale Sichtverhältnisse. Ihre Pflege ist darüber hinaus notwendig, da sie ein wichtiges Gestaltungsmittel der opti­ schen Linienführung sind und somit zur Begreifbarkeit einer Streckenführung beitra­ gen. Reinigungsarbeiten an Fahrbahnen, z. B. bei starken Verschmutzungen durch land­ wirtschaftliche Fahrzeuge, durch verlorenes Schüttgut von Transportfahrzeugen oder auch durch Ölspuren, tragen ebenso zur Ver­ kehrssicherheit bei wie die Verbesserung der Sichtbarkeit von Schildern, Wegweisern und Leiteinrichtungen. Nicht zuletzt sind es War­ tungs- und Unterhaltungsarbeiten an der Beleuchtung, an Lichtsignalanlagen oder an sonstigen Einrichtungen zur Verkehrssteue­ rung, die zur Verringerung des Unfallrisikos führen. Eis-oder schneeglatte Straßen sind auch unsichere Straßen. In 10 bis 12 % aller Unfälle mit Personenschäden wird auf Außerorts­ straßen „schnee-und eisglatte Farbahn“ als Hauptursache genannt. Die Folge sind Auf­ fahrunfälle wegen langer Anhaltewege sowie Unfälle mit Abkommen von der Fahrbahn wegen nicht lenkfähiger Räder mit zu gerin­ ger Seitenführung. Zur Verringerung des Unfallrisikos gilt es daher, den Gleitbeiwert zwischen Rad und Fahrbahn zu erhöhen. Dies kann grundsätzlich erreicht werden durch Aufbringen abstumpfender Stoffe, wie Sand und Splitt oder durch Einsatz von Tau­ mitteln, also in erster Linie von Streusalz. Das Behandeln glatter Straßen mit abstump­ fenden Stoffen bewirkt lediglich eine geringe und zudem eine nur kurzfristig wirkende Anhebung des Gleitbeiwertes. Dieser posi­ tive Effekt geht beim Überfrieren der Stoffe verloren. Darüber hinaus wird Sand oder Splitt unter starkem Verkehr sehr schnell ver­ weht, weshalb der Einsatz dieser Mittel auf wenig befahrene Stadtstraßen und Gehwege 25

7 Streuanhänger, 26 Aufsatzstreuautoma­ ten für Lkw und Unimog, 56 Schneepflüge für verschiedene Einsatzmöglichkeiten, 4 Schneefräsen bzw. -schleudern sowie 5 Vor­ bau- bzw. Seitenschneeschleudern. Der gesamte Fahrzeug- und Gerätepark stellt einen Beschaffungswert von ca. 8 Mio. DM dar, alles untergebracht in 8 Fahrzeug­ hallen. Ausschließlich für den Winterdienst stehen verteilt in den 3 Straßenmeisterbezir­ ken noch 9 Streugutlagerhallen zur Ver­ fügung. Die vielfältigen Aufgaben, die es zu bewäl­ tigen gilt, lassen erkennen, daß eine gründ­ liche Ausbildung des Personals notwendig ist. Straßenwärter ist ein anerkannter Lehrbe­ ruf mit einem sehr vielfältigen Berufsbild. Die Ausbildung zum Straßenwärter dauert in der Regel 3 Jahre und endet mit der Ausbil­ dungsabschlußprüfung an der gewerblichen Berufsschule und im Ausbildungszentrum der Straßenbauverwaltung Baden-Württem­ berg in Nagold. Im Ausbildungzentrum selbst, wo Unterbringung, Verpflegung und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung gebo­ ten werden, verbringen die Lehrlinge insge­ samt ca. 9 Monate. Bei der Nachwuchswerbung zeigt sich, daß schon heute das Angebot an Lehrstellen größer als die Nachfrage ist, obwohl hier nach erfolgreicher Prüfung ein sicherer Arbeitsplatz geboten werden kann und bei Eignung der Aufstieg zum Kolonnenführer, Streckenwart oder Bauaufseher möglich ist. Es bleibt zu hoffen, daß auf lange Sicht das Personalproblem gelöst werden kann, um so auch künftig den Einsatz der Straßen­ meistereien zur Schaffung ausreichender Verkehrssicherheit gewährleisten zu können. Manfred Knack Beeinträchtigungen beschränkt bleibt. Zudem sind damit nicht unerhebliche der Umwelt (Staubbelastung) und der Verkehrs­ sicherheit (Rollsplitt) verbunden. Der Auf­ wand (Zeit und Kosten) für die Beseitigung nach der Winterperiode gestaltet sich sehr problematisch. Als wirksamstes, wirtschaft­ lichstes und bei strenger Einhaltung von Ein­ satzkriterien auch umweltverträglichstes Streumittel erweist sich seit Jahren das Streu­ salz. Für das Ausbringen gilt dabei der Grundsatz: ,,So viel Sicherheit wie möglich, so wenig Salz wie nötig“. Modeme, wegabhängige Streuautomaten mit einer elektronisch gesteuerten Dosierein­ richtung gewährleisten ein optimales Aus­ bringen des Streusalzes. Bei der Methode der Feuchtsalzstreuung wird dem Salz eine Kal­ ziumchloridlauge beigegeben und dadurch die Salzmenge verringert, wobei gleichzeitig seine Haftung auf der Fahrbahn verbessert wird. Doch vor dem Salzstreuen kommt das Schneeräumen. Nach dieser Regel wird der Winterdienst organisiert und betrieben. Dabei werden leistungsstarke Fahrzeuge mit hydraulisch betriebenen Schneepflügen ein­ gesetzt, die in einem 12- bis 16-Stunden-Ein­ satz auf den Straßen die im „Anforderungs­ niveau Winterdienst“ festgelegten Grund­ sätze für die Befahrbarkeit einer Straße zu erreichen versuchen. Der zweifellos enorme finanzielle Aufwand ist gerechtfertigt ange­ sichts der Tatsache, daß 90 % des gesamten Personenverkehrs und 50 % des gesamten Güterverkehrs auf der Straße abgewickelt werden und hierfür ein Optimum an Sicher­ heit auch in den Wintermonaten gewährlei­ stet werden muß. An Fahrzeugen und Geräten stehen insge­ samt folgende Einheiten zur Verfügung: 4 Lkw, 9 Unimog, 7 Mannschaftswagen, 7 Streckenkontrollfahrzeuge, 3 Tieflader, 24 Anhänger, 3 Heuladewagen, 3 Fahrbahnmar­ kierungsmaschinen, 17 Motormäher, 4 trans­ portable Lichtsignalanlagen, 3 Kehrmaschi­ nen, 4 Frontlader sowie 11 Mähwerke. Ausgesprochen für den Winterdienst ste­ hen bereit: 26

Unsere Feuerwehren im Schwarzwald-Baar-Kreis Der Gerätewagen Umwelt – GW Umwelt Seit 1987 auch im Schwarzwald-Baar-Kreis einsatzbereit Mit der immer weiter fortschreitenden technischen Entwicklung verändern sich auch in zunehmendem Maße die Gefahren, die Mensch und Umwelt in einem Industrie­ staat drohen. Die heutige Industriegesell­ schaft erfordert einen umfassenden Waren­ austausch, um den Lebensstandard, nicht nur zu erhalten, sondern ihn auch noch zu ver­ bessern. Da industrielle Produktionsvor­ gänge weitgehend miteinander verzahnt sind, ist die Beförderung einer Vielzahl von Produkten unerläßlich. Ein Teil davon sind gefährliche Stoffe und Güter, die auf Straße, Schiene und Wasserweg befördert werden. Unfalle beim Transport dieser gefährlichen Stoffe sind nicht zu vermeiden, und jeder- mann weiß um die Gefahren, die Pflanzen, Tieren und Menschen dabei drohen. Konse­ quente Sicherheitsmaßnahmen wie verant­ wortungsvoller Umgang mit dem Gefahren­ gut, strenge Prüfungen, Gefahrenhinweis­ schilder etc. konnten nicht verhindern, daß sich immer wieder Unfalle dieser Art ereig­ nen. Es ist daher die Pflicht des Staates, ja, der Allgemeinheit, sich gegen solche Gefahren zu wappnen. Für diese Einsatzfälle steht seit August 1987 dem Schwarzwald-Baar-Kreis der Gerätewagen Umwelt (GWU) mit einer Ausrüstung zur Verfügung, der gezielt für Rettungs- und Bergungseinsätze mit Umweltgefahren ausgestattet ist. Damit kön- 27

nen Gefahrengutunfalle bekämpft werden, da der GWU zur Ausführung technischer Hilfeleistungen die erforderlichen besonde­ ren Geräte und Schutzkleidungen bereitstellt. Das Fahrzeug ist bei der Freiwilligen Feuerwehr in Donaueschingen stationiert und steht dort allen Feuerwehren des Schwarzwald-Baar-Kreises für Gefahrgutein­ sätze zur Verfügung. Während früher der Schwerpunkt bei der Brandbekämpfung lag, wird nun die Feuerwehr in zunehmendem Maße mit diesen neuen Aufgaben betraut, da laut Statistik die Mehrzahl der Einsätze bereits jetzt im Bereich der technischen Hilfe liegt. Die Feuerwehren haben diese Heraus­ forderungen angenommen! Ihre Männer werden hinsichtlich der Verwendung des Fahrzeuges bei Gefahrgutunfallen unterrich­ tet und ausgebildet, eine spezielle Ausrück­ ordnung wurde erlassen, um im Ernstfall die schnellstmögliche Hilfe zu leisten. Das Fahrzeug ist ein von der Firma Metz­ Feuerwehrgeräte in Karlsruhe speziell gebau­ tes Umweltfahrzeug, das in engem Kontakt mit der Praxis entwickelt wurde. Es trägt mit seiner Spezialausrüstung den ständig wach­ senden Risiken durch den Umgang mit Che­ mikalien, Mineralölen und auch radioakti­ ven Stoffen bei der Herstellung, beim Trans­ port und bei der Verwendung Rechnung. Das 11 Tonnen schwere und 200 PS starke Fahrzeug ist aus säurefesten Werkstoffen hergestellt. Es ist für einen gemeinsamen Ein­ satz mit einem Tanklöschfahrzeug und einem Rüstwagen konzipiert. Die Alarmpla­ nung ist so organisiert, daß die Feuerwehr Donaueschingen im gesamten Kreisgebiet den GWU einsetzt, das Tanklöschfahrzeug und der Rüstwagen von der zuständigen Feuerwehr Stützpunktfeuerwehr gestellt wird. bzw. Hier die wichtigsten Ein- und Aufbauten und die Ausrüstung: – Ein fest eingebauter Generator (Strom­ erzeuger) mit 12 KV A versorgt das Fahrzeug und die elektronischen Einbauten wie Meß­ geräte etc. eigenständig mit Strom. – Ein ausziehbarer Teleskop-Lichtmast 28 mit ca. 5 m Höhe, fast 3 60 Grad schwenkbar, ermöglicht das Ausleuchten der Einsatz­ stelle. Die Scheinwerfer sind kippbar, eine zusätzliche Rundumkennleuchte auf dem Lichtmast sichert zudem die Einsatzstelle. – Ein Schlitten mit 4 Preßluftatmern und Reserveflaschen, herausziehbar nach beiden Fahrzeugseiten, ermöglicht ein schnelles Anlegen der Geräte. – Ein Heckzelt bietet Schutz beim An­ und Ablegen der Vollschutzanzüge. – Ein Infrarot-Gasanalysator ermöglicht die Feststellung von Gaskonzentrationen. Das Gerät ist in einem tragbaren Alumi­ niumkoffer eingebaut und mit einem Kom­ pensationsschreiber und einer Küvettenhei­ zung ausgestattet. Meßbereich: MAK- Wert 1 bis zum zehnfachen MAK-Wert. – Ein tragbarer Stromerzeuger ( 5 kV A) auf einem dreh- und abkippbaren Schlitten ver­ sorgt die außerhalb des Fahrzeuges einge­ setzten Geräte mit Strom. – Ein Auer „Ex-Meter-N-Satz“ (Meßbe­ reich O … 100 % UEG) mit Ladegerät, Meß­ sonde, Prüfschlau-�h und Flüssigkeitsindika­ toren. – Ein Dräger-Gasspürgerät „Multi-Gas­ Detektor-Set“ mit einer Gasspürpumpe, Hubzähler und Prüfröhrchensatz. – Zwei Sätze (je 3teilig) Edelstahlbehälter ermöglichen das Auffangen von ca. 4.060 1 Säure. – Ein Falttank mit Edelstahlarmaturen ermöglicht die Aufnahme von 3.000 l Mine­ ralöl. – Sechs Großbehälter mit je 220 1 aus Kunststoff, weitgehend chernikalienbestän­ dig, ermöglichen die Unterbringung von Aufsaugemitteln. – 12 Vollschutzanzüge, sechs Schutzan­ züge und zwei Hitzeschutzanzüge bieten den Einsatzkräften Schutz. – Ein Vetter-Leckdichtkissen-Satz „GW­ Säure“ mit zahlreichem Zubehör ermöglicht das Abdichten von leckgeschlagenen Behäl­ tern. – diverse Faß-, Säure- und Umfüllpumpen zum Absaugen und Umfüllen von Stoffen.

-Vier Handfunksprechgeräte mit Sprech­ garnituren ermöglichen den Kommunika­ tionsfluß, ebenso das im Fahrzeug einge­ baute FuG8 b-1. – Diverses Handwerkszeug, Beleuch­ tungsgerät, Schläuche und Armaturen, auch Sanitätsgeräte sind in zahlreichen Kunst­ stoffkästen und Fächern über dem gesamten Aufbau verteilt. Diese in allen Teilen der technischen Hil­ feleistung angepaßte Ausrüstung macht jedoch die Bedienung des Fahrzeuges und des Gerätes durch fachlich geschulte Feuer­ wehrmänner nicht überflüssig. Im Gegenteil: Nach einem Unfall oder Brand, der eine Frei­ setzung von gefährlichen Gütern oder starke Hitzeeinwirkung zur Folge hat, stellt sich zwangsläufig für alle Einsatzkräfte die Frage der zweckmäßigsten Einsatzmaßnahmen und der Sicherheit der eingesetzten Bekämp- Kurt Hog – ein Leben für die Feuerwehr fungs-, Rettungs-und Sicherheitskräfte, ein­ schließlich der Gefahren für die im Gefah­ renbereich befindlichen Bevölkerung und die Folgen für die öffentliche Sicherheit. Hinzu kommt die Gefahrenbewertung und Analyse gefährlicher Stoffe und Gase und die unbekannten Reaktionen verschiedener Chemikalien. Hierfür gibt es im GWU ein Nachschlagwerk zur Bestimmung von über eintausend gefährlichen Stoffen. Somit steht mit diesem Fahrzeug den Feuerwehren ein Rettungswagen zur Ver­ fügung, der einen erforderlichen Einsatz bei Unfällen mit gefährlichen Stoffen ermög­ licht. Das Fahrzeug kostete 425.000 DM. Das Land Baden-Württemberg beteiligte sich mit einem Zuschuß von 297.500 DM, den Rest von 127.500 DM brachte der Schwarzwald­ Baar-Kreis auf. Gottlieb Rombach Im Mai 1988 wäre er 57 Jahre alt geworden, wenn nicht am Karfreitag des Jahres 1981 ein schrecklicher Unfall seinem Leben ein jähes Ende gesetzt hätte. Kurt Hog, der engagierte Feuerwehr­ mann, der ein wichtiges Stück der heimi­ schen Feuerwehrgeschichte, der des Kreises, des Landes und -vor allem was die Jugend­ feuerwehr betrifft-der Bundesrepublik, mit­ geschrieben hat. Er starb am 17. April 1981 auf dem Weg zu einem Einsatz bei einem nächtlichen Brand an den Folgen eines Ver­ kehrsunfalles. Kurt Hog wurde am 14. Mai 1931 geboren, er wuchs in seiner Heimatstadt Villingen auf. Nach seiner Schulzeit absolvierte er eine Kaufmannslehre und besuchte die Handels­ schule in Villingen. Im Versicherungsfach baute er sich seine berufliche Karriere auf. Zuletzt besaß er eine eigene angesehene Ver­ sicherungsagentur. Feuerwehrblut hatte Kurt Hog in den Adern. Schon sein Großvater, Karl Fischer, 29

zählte zu den Aktiven der Villinger Wehr, und sein Onkel Alois Fischer – langjähriger Gerätewart der Feuerwehr Villingen – hatten dem jungen Mann den Weg zum Dienst am Nächsten gewiesen. So war es nicht verwunderlich, daß er schon mit 13 Jahren in die Villinger Wehr ein­ trat, 1944, als viele der Aktiven an der Front waren, mußte die Jugend in die Bresche springen, um in den letzten Kriegsjahren den Brandschutz in der Zähringerstadt sicherzu­ stellen. Kurt Hog besuchte Lehrgänge. Er wurde nach Kriegsende an der Feuerwehrschule in Freiburg als Maschinist, Atemschutzgeräte­ träger und Gruppenführer ausgebildet. Da er sich immer sehr für die Förderung des Nach­ wuchses bemühte, erwarb er schon in jungen Jahren die Zulassung als Schiedsrichter für Feuerwehrwettkämpfe. Mit großem Engage­ ment widmete sich Kurt Hog dem Aufbau einer Jugendfeuerwehr in Villingen. Dabei hatte er einige Widerstände, die von verschie­ denen Seiten dem Vorhaben durch „alteta­ blierte“ Jugendverbände entgegengesetzt wurden, zu überwinden. 1964 wurde dann die Jugendfeuerwehr Villingen als erste im Kreis gegründet. Aber nicht nur die Jugend­ feuerwehr in Villingen verdankt ihr Entste­ hen dem tatkräftigen Handeln von Kurt Hog. Auch im Kreis half er mit, diese Nach­ wuchsorganisation aufzubauen. Sicherlich kam ihm dabei zugute, daß ihn die Wehren des Kreises 1962 zum stellvertretenden Kreis­ brandmeister gewählt hatten. Kurt Hog wurde 1965 stellvertretender Bundesjugendleiter des Deutschen Feuer­ wehrverbandes, und von 1966 bis 1971 stand er an der Spitze der deutschen Jugendfeuer­ wehr. Zahlreiche Aktivitäten, wie das erst­ mals durchgeführte Bundesjugendzeltlager in Rottweil im Jahre 1968 und bei internatio­ nalen Treffen in Finnland, Tschechoslowa­ kei, Israel und Österreich bewiesen sein Engagement und Organisationstalent. 1966 wurde Kurt Hog in Mönchweiler zum Kreisbrandmeister gewählt. Er trat damit die Nachfolge von Fridolin Görlacher 30 an, der die Feuerwehren des Kreises Villingen 17 Jahre lang geführt hatte. In seiner Amts­ zeit als Kreisbrandmeister bemühte sich Kurt Hog, die Feuerwehren den neuen Anforde­ rungen und erweiterten Einsatzaufgaben im Bereich der technischen Hilfeleistung anzu­ passen. Die Ausrüstung der Feuerwehren mit Sprechfunkgeräten fallt genauso in seine Amtszeit, wie die Einrichtung einer zentra­ len Schlauch- und Atemschutzgerätewerk­ statt, wie die Sammelbestellung für Feuer­ wehrzubehör. Als eine der wichtigsten neu­ geschafften Einrichtungen in dieser Zeit ist der Aufbau der Leitstelle als Alarmierungs­ zentrale für die Feuerwehren des Schwarz­ wald-Baar-Kreises anzusehen. Im Landesfeuerwehrverband war Kurt Hog stellvertretender Vorsitzender, er war Geschäftsführer im Heimausschuß des Feuerwehrheimes Titisee und durch diese Tätigkeiten auch im Deutschen Feuerwehr­ verband vertreten. Zahlreiche Ehrungen wurden Kurt Hog zuteil. Der Deutsche Feuerwehrverband zeichnete ihn mit dem Ehrenzeichen der 1. und 2. Stufe aus, der baden-württember­ gische Verband mit dem Ehrenzeichen in Sil­ ber und der Sonderstufe. Bayern verlieh ihm das Zivilabzeichen des bayerischen Feuer­ wehrverbandes in Gold. Auch im Ausland wurden seine Verdienste gewürdigt. Hohe Auszeichnungen erhielt er aus Frankreich, Finnland, der Tschechoslowakei, Österreich, sogar die USA, Mexiko und Chile verliehen ihm Verdienstorden. Kurt Hog organisierte neun große Stu­ dienreisen, die zwischen 1969 und 1981 in die Tschechoslowakei, nach Finnland, in die USA, nach Mexico, Israel, Südafrika und Chile führten. Von der letzten Reise nach Kalifornien war er erst wenige Tage zuvor in seine Heimatstadt Villingen zurückgekehrt, als ihn sein Schicksal ereilte: Am 17. April, es war Karfreitag, des Jahres 1981 kam in der Nacht über Funk die Meldung von einem Großbrand in Donaueschingen. Der Kreis­ brandmeister fuhr sofort zum Einsatzort. In

Donaueschingen, kurz vor dem Brandplatz, kam es dann zu einem Verkehrsunfall, bei dem Kurt Hog, der 4 Wochen später seinen 50. Geburtstag hätte feiern können, den Tod fand. Kurt Hog war nicht nur bei der Feuerwehr aktiv. Zahlreiche Villinger Vereine schätzten sein Engagement und sein Organisationsta­ lent. Bei der Narrenzunft war Kurt Hog zwei­ ter Zunftmeister und Rittmeister der Bürger­ kavallerie. Die Kolpingsfamilie Villingen führte er über viele Jahre hinweg als Senior und erster Vorsitzender. Hermann Colli 25 Jahre Jugendfeuerwehr im Schwarzwald-Baar-Kreis Im Jahre 1963 wurde in Schonach eine Jugendfeuerwehr gegründet, die erste im Schwarzwald-Baar-Kreis. Die Initiative hierzu ging vom heutigen Kreisbrandmeister Gottlieb Rombach, einem Schonacher, aus, der als vorausschauender Mann ahnte, daß immer umfangreichere und differenziertere Aufgaben auf die Feuerwehr zukommen würden, und der damit auch die Bedeutung des Nachwuchses für die Feuerwehr am besten ermessen konnte. Gleichzeitig wollte er den jungen Menschen den Dienst am Nächsten näherbringen. Diese Überlegun­ gen haben sich in den folgenden Jahren als sehr erfolgreich erwiesen, denn selbst auf Bundesebene war man sich sehr schnell der Bedeutung der Jugendfeuerwehr bewußt. Bereits 1964 wurde nämlich die „Deutsche Jugendfeuerwehr“ aus der Taufe gehoben. In diesem Zusammenhang ist eines Mannes zu gedenken, dem leider allzu früh verstorbe­ nen Kreisbrandmeister Kurt Hog, der auf Grund seines Einsatzes bereits 1965 stell­ vertretender Bundesjugendleiter wurde und Mitglieder der Jugendfeuerwehren demonstrieren das Kuppeln von Saugschläuchen. 31

der von 1967 bis 1971 Bundesjugendleiter der Deutschen Jugendfeuerwehr war. Rombachs Idee der Jugendfeuerwehr war im gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis auf fruchtbaren Boden gefallen. 1965 gründeten Kurt Hog, Ekkehard Menz und Ernst Storz die Jugendfeuerwehr Villingen; es folgten 1966 Bad Dürrheim, 1967 Kirchdorf und Tri­ berg, 1968 Burgberg und Niedereschach, 1970 Dauchingen, 1971 Obereschach, 1973 Vöhrenbach, 1974 Donaueschingen, Königs­ feld und Mönchweiler, 1975 Gütenbach, 1977 Klengen, 1980 Pützen und Überauchen, 1981 Unterkimach, 1982 VS-Schwenningen, 1983 Blumberg und 1985 Tuningen, so daß heute 21 Städte und Gemeinden des Land­ kreises eine Jugendfeuerwehr haben mit ins­ gesamt 303 Jungfeuerwehrmännern. Mit der Gründung der Jugendfeuerwehr Villingen 1965 wurde bereits der erste Kreis­ jugendfeuerwehrwart, Ekkehard Menz aus Villingen, in sein Amt eingeführt, dessen Stellvertreter Gottlieb Rombach aus Scho­ nach war. 1975 gab Menz nach lOjähriger Tätigkeit sein Amt an Erich Nierholz aus Vil­ lingen ab. Seit 1979 ist Manfred Bau aus Schonach Amtsinhaber. Wie gründlich die Ausbildung dieser jugendlichen Feuerwehrmänner war und mit welch großem Interesse jeder Einzelne sich engagierte, wird daraus ersichtlich, daß im Jahre 1967 die ersten Jungfeuerwehrmänner aus Villingen und Schonach die neugeschaf­ fene Leistungsspange der Deutschen Jugend­ feuerwehr erwarben. Die Abnahme dieser Leistungsspange erfolgt jedes Jahr während des Kreiszeltlagers der Jugendfeuerwehren und enthält folgende Anforderungen: 1.Löschangriff 2.Schnelligkeitsübung mit Rollschläuchen 3.Kugelstoßen 4.1500 m Staffellauf 5.Beantwortung theoretischer Fragen. Anfängliche Kritik und Skepsis, Jugend­ liche mit Aufgaben erwachsener Männer zu betrauen, war schon bald abgetan, und auch die Meinung, daß es sich bei der Jugendfeuer­ wehr nur um eine Art Freizeitgestaltung 32 handle, wurde selbst von den Mitgliedern der Jugendfeuerwehren dadurch widerlegt, daß sie sich mit Begeisterung auf die spätere Arbeit als Feuerwehrmann vorbereiteten, die technischen Kenntnisse erwarben, Zusam­ menarbeit und Kameradschaft erfuhren, und daß sie sich dessen bewußt waren, für die Not der Mitmenschen da zu sein. Zudem haben Proben und Übungen immer wieder gezeigt, daß der Ausbildungsstand auf einem sehr hohen Niveau steht, und daß die Jugendli­ chen mit Leib und Seele als „Feuerwehr­ mann“ ihren Dienst versehen. Im Oktober 1980 wurde erstmals der Ver­ such gemacht, eine Kreisübung mit mehre­ ren Jugendfeuerwehren in Königsfeld durch­ zuführen. Der Erfolg war so groß, daß von nun an alle 2 Jahre eine Kreisübung stattfin­ det mit einer Beteiligung von 19 bis 20 Jugendfeuerwehren mit ca. 200 Jungfeuer­ wehrmännern und etwa 23 Fahrzeugen. Im Wechsel mit der Kreisübung findet alle 2 Jahre eine Sternfahrt statt. Dabei müssen die jeweiligen Ziele über Landkarten gefunden und am Ziel meist lustige Aufgaben gelöst werden. Während man sich in den ersten Jahren seit der Gründung der Jugendfeuerwehr nur mit rein technischen Dingen befaßte, stellte man schon bald eine gewisse Einseitigkeit dieser Ausbildung fest. So wurden in den fol­ genden Jahren kulturelle Themen und sport­ liche Aktivitäten mit einbezogen, wodurch die Ausbildung in der Jugendfeuerwehr zur reinen Jugendarbeit wurde. Aus der Fülle der angebotenen kulturellen und sportlichen Themen seien einge wenige herausgegriffen. Schon bald pflegten die Jugendfeuerwehren des Schwarzwald-Baar­ Kreises rege Kontakte zu ausländischen Jugendfeuerwehrgruppen. 1970 beteiligten sich einige Jungfeuerwehrmänner an einem internationalen Lager in der Tschechoslowa­ kei, 1971 war die Jugendfeuerwehr Villingen zu Besuch in Rovaniemi in Finnland, 1978 reisten die Jungfeuerwehren aus Villingen und Schonach nach Kemi in Lappland, 1979 führte die Jugendfeuerwehr Schonach eine

eindrucksvolle Reise nach Israel durch, 1982 fuhren die Villinger nach Laappeenranta in Finnland, 1987 nahm die Jugendfeuerwehr Niedereschach am Zeltlager in Altkirch/ Frankreich teil und die Jugendfeuerwehr Obereschach beteiligte sich am Landeszelt­ lager in Pöllnau in der Steiermark. Besonders die Zeltlager waren und sind es, die von den Jungfeuerwehrmännern irnrner begeistert aufgenommen werden, nachdem 1973 auf dem Sportplatz in Schonach das erste Kreiszeltlager durchgeführt wurde. Seit­ dem findet jedes Jahr mindestens ein Wochenendzeltlager statt, wenn nicht, wie in den Jahren 1978 und 1983 in Schonach­ Rohrhardsberg, ein einwöchiges Zeltlager die Jungfeuerwehrmänner aus dem Landkreis versammelt. Das große Ereignis in der Geschichte der Jugendfeuerwehr des Schwarzwald-Baar-Kreises aber war das Lan­ deszeltlager Baden-Württemberg 1986 in VS-Schwenningen. Groß geschrieben innerhalb der Jugend­ feuerwehren sind natürlich die sportlichen Aktivitäten, besonders die seit 1979 alljähr­ lich im Hallenbad in St. Georgen durchge­ führten Schwimmwettkämpfe, bei welchen in 2 Altersklassen Staffelwettbewerbe zur Austragung kommen. Den Siegern winken Wanderpokale. Aber auch das Hallenfuß­ ballturnier erfreut sich riesiger Beliebtheit, ebenso die während der Zeltlager durchge­ führten Pokalwettkämpfe, aufgeteilt in eine Hindernisübung und den 1500 m Staffellauf, wobei ebenfalls in 2 Altersgruppen um Wan­ derpokale gekämpft wird. Gute Erfolge erzielten die Jungfeuerwehr­ männer des Kreises auch bei den schon 4mal in Schonach durchgeführten Deutschen Feuerwehr-Skilanglaufmeisterschaften. Im Jahre 1980 stellte die Jugendfeuerwehr Schonach in der Mannschaftswertung den Deutschen Jugendmeister und den Vizemei­ ster, 1982 wurde die Jugendfeuerwehr Vöh­ renbach Deutscher Jugendmeister und Scho­ nach wurde Vizemeister, 1984 wurde die Jugendfeuerwehr Vöhrenbach erneut Mann­ schaftsmeister. Herausragend aber sind die Leistungen des Vöhrenbacher Jungfeuer­ wehrmannes Jürgen Bammert, der 1984 und 1986 Deutscher Jugendmeister wurde. Seit 1984 bringt die Jugendfeuerwehr des Schwarzwald-Baar-Kreises eine eigene Zei­ tung für ihre Mitglieder heraus, die unter dem Titel „Der Melder“ drei- bis viermal jährlich erscheint. Diese Zeitung entstand aus den Wochenendseminaren der Jugend­ feuerwehrwarte, die als jährliche Fortbil­ dungsveranstaltung durchgeführt werden. Behandelt werden so interessante Themen wie Gestaltung der Elternabende, Versiche­ rungsschutz, Jugendschutz, Umweltschutz, aber auch Aids, und natürlich alle aktuellen Themen und Probleme der Jugendfeuer­ wehr. Technische Ausbildung, Übungen und Wettkämpfe, Sport und Freizeitaktivitäten sind Bestandteile des Ausbildungsprogram­ mes der Jugendfeuerwehren, getragen von der Zusammenarbeit und der damit verbun­ denen Kameradschaft innerhalb der örtli­ chen Gruppe und in der Gesamtheit der Jugendfeuerwehren des Schwarzwald-Baar­ Kreises. Ziel dieser Ausbildung ist es, auf die spätere Arbeit als Feuerwehrmann gründlich vorzubereiten, denn trotz der stetig größer werdenden technischen Perfektion wird man immer des Menschen bedürfen, der mit dem Gerät umgehen und es richtig einsetzen kann, und der sich des in Not geratenen Manfred Bau Menschen annimmt. * Sommerliebe Küß mich, ehe der Sommer vergeht, morgen bin ich alt, dann ist meine Spur verweht, die Wiese geschnitten und die Wolkenschiffe nehmen keine Passagiere mehr an Bord – küß mich, ehe der Sommer vergeht. Christiana Steger 33

Schulen und Bildungseinrichtungen Villingen-Schwenningen erhält eine Außenstelle der Fachhochschule Furtwangen Die staatlichen Fachhochschulen in Baden-Württemberg erfreuen sich steigen­ der Beliebtheit. Die Fachhochschule Furt­ wangen bildet hierbei keine Ausnahme. Die große Nachfrage nach Studienplätzen wird gestützt durch eine entsprechend starke Nachfrage von Industrie und Wirtschaft, ins­ besondere nach Diplom-Ingenieuren, Diplom-Informatikern und Diplom­ Betriebswirten, welche ein praxisorientiertes Studium der technischen Informatik-und Wirtschaftswissenschaften an einer Fach­ hochschule absolviert haben. Allein 1987 wurden in Baden-Württem­ berg 6 weitere Studiengänge bzw. Studien­ schwerpunkte an Fachhochschulen einge­ richtet: Mikroelektronik in Furtwangen, Weinwirtschaft in Heilbronn, Automations­ technik in Mannheim, Technische Informatik in Ravensburg, Medien-Design in Schwäbisch Gmünd und Pharmatechnik in Sigmaringen. Als einen besonderen Schwerpunkt in ihrem Programm „Stärkung des ländlichen Raumes“ hat die Landesregierung am 29.6.1987 sechs zusätzliche Standorte für tertiäre Bildungseinrichtungen, und zwar fünf Außenstellen von Fachhochschulen und eine Außenstelle einer Berufsakademie beschlossen. Baden-Württemberg ist bereits jetzt mit 64 Hochschulen (Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Fachhochschu­ len und Kunsthochschulen) und acht Berufs­ akademien das hochschulreichste Land im Bundesgebiet. Durch den Beschluß der Lan­ desregierung wird das Bildungsangebot um weitere zukunftsträchtige Studiengänge bereichert. Die Stadt Villingen-Schwennin­ gen erhält eine Außenstelle der Fachhoch­ schule Furtwangen mit folgenden Studien­ gängen: 34 -Neue Werkstoffe und Oberflächentechnik, -Biotechnologie, -Medientechnik/Neue Medien. Zu diesem Ergebnis haben insbesondere die Bemühungen des Wahlkreisabgeordne­ ten im Landtag, Erwin Teufel (CDU), beige­ tragen. Seine Analyse des Landesentwick­ lungsberichtes 1986 der Landesregierung mündete in einen Antrag vom 24. 3.1987 an den Landtag von Baden-Württemberg. Darin wurde ein Bündel von Maßnahmen zur Strukturverbesserung der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg und zur Ent­ wicklung des Oberzentrums Villingen­ Schwenningen gefordert. Als Einrichtungen, die hochqualifizierte Leistungen für die Wirtschaft und für die Bevölkerung erbringen können, wurden insbesondere Bil­ dungseinrichtungen des tertiären Bereichs angesehen, aus denen heraus sich neue Struk­ turen der Wirtschaft entwickeln können. Über die in dieser parlamentarischen Ini­ tiative enthaltenen Ausbaupläne des tertiä­ ren Bildungsbereiches, insbesondere die Ein­ richtung einer Außenstelle der Fachhoch­ schule Furtwangen in Villingen-Schwennin­ gen, waren intensive Gespräche des Abgeord­ neten Teufel und seiner Mitarbeiter mit der Fachhochschule Furtwangen vorausgegan­ gen. Die anfänglichen Befürchtungen der Fachhochschule, daß in Villingen-Schwen­ ningen eine Konkurrenzeinrichtung zur Fachhochschule in Furtwangen entstehen könne, ließen sich schließlich ausräumen. In weiteren Verhandlungen wurde nämlich ver­ einbart – keine separate Fachhochschule in Villin­ gen-Schwenningen aufzubauen, – eine Außenstelle der Fachhochschule Furtwangen und diese mit neuen, zum

Miniaturisierung einer elektronischen Schaltung durch die Mikroelektronik. Studienangebot in Furtwangen nicht in Konkurrenz stehenden Studiengängen einzurichten, – die Ausbildungskompetenz des tertiären Bildungssektors im Bereich Technik bei der Fachhochschule Furtwangen mit ihrer künftigen Außenstelle zu belassen. Unter diesen Rahmenbedingungen und der Voraussetzung, daß die erforderlichen Stellen und Mittel bereitgestellt werden, erklärte sich der Senat der Fachhochschule bereit, eine Außenstelle mit neuen zusätzli­ chen Studiengängen in Villingen-Schwen­ ningen einzurichten. In zahlreichen Besprechungen und Kon­ ferenzen innerhalb der Hochschule sowie in Verhandlungen mit den betroffenen Stellen in Stuttgart und vor Ort wurde ein Konzept für die neuen Studiengänge erarbeitet. Die neuen Studiengänge der Außenstelle der Fachhochschule in Villingen-Schwenningen sollen – eine zukunftsträchtige, qualitative und quantitative Weiterentwicklung des Stu­ dienangebotes der Fachhochschule zum Nutzen der jungen Generation ermögli­ chen, – Impulse für die Wirtschaft der Region zur aussichtsreichen Diversifikation in Pro­ Produktionsverfahren dukten, und Dienstleistungen geben können, – Berührungs- und Anknüpfungspunkte bei bereits vorhandenen Fachbereichen der Fachhochschule und bei lndustriebe- trieben der Region besitzen, aber mög­ lichst wenig konkurrierende, unproduk­ tive Überlappungen zum bereits beste­ henden Studienangebot der Fachhoch­ schule aufweisen. Als Ergebnis dieser Überlegungen werden 3 neue Studiengänge eingerichtet, die im fol­ genden kurz beschrieben werden sollen: Der Studiengang Neue Werkstoffe und Oberflächentechnik (WO) In diesem Studiengang sollen Diplom­ Ingenieure der Werkstofftechnik vor allem auf den Gebieten der Werkstoffanwendung, d. h. in der Konstruktion und Fertigung tech­ nischer Produkte der einheimischen Indu­ strie, und zwar im Bereich Maschinenbau, Feinwerktechnik, Elektrotechnik, KFZ-und Luftfahrttechnik, Medizintechnik, Elektro­ nik und Optoelektronik ausgebildet werden. Das Studium der „Neuen Werkstoffe und Oberflächentechnik“ wird während einer Studiendauer von insgesamt 8 Semestern (davon 2 Praxissemestern in der Industrie), in Vorlesungen, Praktika, Übungen, Seminaren und einer Diplomarbeit Kenntnisse und Fer­ tigkeiten dieses Fachgebietes vermitteln. Ausgangspunkte für diesen neuen Stu­ diengang sind die neuen Werkstoffe, insbe­ sondere – Verbundwerkstoffe, – metallische Hochtemperatur-und Son- derwerkstoffe, 35

– Keramik und Gläser, – Polymere, – pulvermetallurgische Werkstoffe, – Supraleiter sowie fortschrittliche Verfahren der Oberflä­ chen-Erzeugung, Anwendung, Prüfung und Messung z.B. – Vakuum-und Plasmatechnologien (PVD und CVD), – Oberflächentechnologien in der Elektro- nik,- chemische und galvanische Metallab- scheidung, – Industriehärten, – moderne Verfahren der Lackiertechnik, – spezielle Oberflächenbehandlungsme- thoden (z.B. mit Laserstrahlen), – Meß-, Prüf-und Analysetechnik für Ober­ flächenschichten und dünne Filme (mechanisch, optisch, elektrisch, che­ misch). Der neue Studiengang WO soll im WS Bildschirmarbeitsplatz für den Entwurf integrierter Schaltkreise. Der Studiengang Biotechnologie (BT) 1988/89 erstmalig beginnen und zweimal pro Studienjahr jeweils 35 Studienanfänger aufnehmen. Als Gründungsfachbereichslei­ ter ist Prof Dr. Ing. Jes Vogt von der Fach­ hochschule Furtwangen vorgesehen. Der Diplom-Ingenieur der Biotechnolo­ gie soll mikrobiologische Forschungsergeb­ nisse so aufbereiten können, daß ihre Umset­ zung in marktfähige Produkte und in Pro­ duktionsverfahren im technischen Maßstab gelingt. Da für die technische Übertragung der biologischen Grundlagen auf industriell realisierbare Maßstäbe schwerpunktmäßig eine spezielle Steuerungstechnik, Geräte-, Apparate- und Meßtechnik sowie Rege­ lungstechnik und Datenverarbeitung erfor­ derlich sind, kann hierbei an die vorhande­ nen Studiengänge Feinwerktechnik, Elektro­ nik und Informatik in Furtwangen ange­ knüpft werden. 36

Die Biotechnologie stellt ein branchen­ übergreifendes Innovationsfeld gerade auch für die mittelständische Wirtschaft der Region dar, in dem sie z. B. – eine spezielle Gerätetechnik für Produk­ tion und Aufarbeitung, – ein besonderes „System-Engineering“ (Überführung physikalischer und chemi­ scher Variablen in die richtige Signalform für die Messung und Steuerung), – eine angepaßte Meßtechnik mit Sensorik, Elektronik, Spektroskopie, analytischer Chemie, – Medizintechnik, – Daten-Übertragung, Speicherung, Dis- play und Rückkoppelung, – Prozeßsteuerungs- und Automations­ technik, – elektronische Instrumentierung für Pro­ duktionsüberwachung und Schutz erfordert. Marktchancen in der modernen Biotech­ nologie sind aber nur dem zugänglich, der ihre komplexe Universalität überblickt und sich dann in Einzelbereiche mit Innovations­ potential vertieft. Das Studium der Biotechnologie umfaßt wie alle Studiengänge an Fachhochschulen insgesamt 8 Semester, wovon zwei Semester als Praxissemester in der Industrie zu absol­ vieren sind. Die ‚.Zahl der Studienanfänger soll zweimal 35 im Studienjahr betragen, als Studienbeginn ist das Sommersemester 1989 geplant. Als Gründungsfachbereichsleiter ist Prof. Dr. rer. nat. Helmut Krinn von der Fachhochschule Furtwangen vorgesehen. Der Begriff der »Medientechnik“ füllt eine sehr große Bandbreite und besitzt gerade in jüngster Zeit und sicher auch in Zukunft ständig neue und modifizierte Inhalte. Um eine grobe Klassifizierung zu erhalten, kann man am einen Ende des Begriffspektrums den Einsatz neuer (elektronischer) Medien für Anwendungen der Gestaltungstechnik Der Studiengang Medientechnik/Neue Medien (MT) (Design, Kunst, etc.) sehen, wohingegen am anderen Ende die Nutzung solcher Techni­ ken als Instrument der Unternehmensorga­ nisation steht. Hier sind Anwendungen der Bürokommunikation sowie der Kommuni­ kationstechnik allgemein zu nennen. In der Mitte dieser Bandbreite lassen sich Nut­ zungsmöglichkeiten im Bereich des »Elec­ tronic Publishing“ sowie der bestehenden Postdienste wie Btx, Telefax sowie zukünftige ISDN-Dienste (Integrated Services Digital Network) ansiedeln. ISDN wird zukünftig große Auswirkungen auf das Kommunika­ tionsverhalten jedes Einzelnen, der Unter­ nehmen und die Gesellschaftsstruktur allge­ mein erhalten, indem mit den ISDN-Dien­ sten quasi“ weltweite Autobahnen der Infor­ mation“ geschaffen werden. Im neuen Studiengang MT der Außen­ stelle der Fachhochschule Furtwangen in Vil­ lingen-Schwenningen sollen Diplom-Inge­ nieure mit Schwerpunkt in der Anwendung der Bürokommunikation und der Breitband­ technik ausgebildet werden. Ein vergleichba­ res Studienangebot besteht bisher nur in unzureichendem Ausbauzustand in Stutt­ gart an der Fachhochschule für Druck. Die Einrichtung des Studienganges MT trägt insbesondere dem erkennbaren Ent- Halbleiter-Labor der Fachhochschule 37

Studienanfänger soll zweimal 35 im Studien­ jahr betragen, geplant ist ein Studienbeginn im Wintersemester1989/90. Als Gründungs­ fachbereichsleiter ist Prof Dipl.-Ing. Fritz Steimer von der Fachhochschule Furtwan­ gen vorgesehen. Die Fachhochschule Furtwangen wird sich bemühen, daß die mit der Errichtung der Außenstelle der Fachhochschule Furt­ wangen in Villingen-Schwenningen verbun­ denen Hoffnungen und Erwartungen in Erfüllung gehen werden. Prof Dr. Walter Zahradnik wicklungsprozeß der Verlagerung unserer Gesellschaftsstruktur von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Informationsgesell­ schaft Rechnung. Der Absolvent des Studienganges Medientechnik/Neue Medien soll folgendes Profil aufweisen: – grundlegende Kenntnisse über die Funk­ tionsbereiche und Anwendungsmöglich­ keiten der Medien- und Kommunika­ tionstechnik, – organisatorisches Wissen und die Fähig­ keit zur Umsetzung dieser Möglichkeiten innerhalb von Unternehmensorganisatio­ nen, – fundierte Kenntnisse zur Anwendung der Möglichkeiten in Planungs-, Marketing­ und Vertriebsbereichen bei Anwendern und Herstellern. Mit zwei Praxissemestern in der Industrie umfaßt das Studium der Medientechnik ebenfalls insgesamt 8 Semester. Die Zahl der Die At�enstelle der Fachhochschule wird zunächst im früheren Gebäude der Firma Kienzle Uhren im Stadtbezirk Schwenningen eingerichtet. 38

Die neue Donaueschinger Stadtbibliothek Gewiß – eine große Bibliothek gibt es in der Stadt Donaueschingen seit langem. Mehr als 200 Jahre schon und eine ganz berühmte dazu: die Fürstlich Fürstenbergische Hofbi­ bliothek. In einem ehrwürdigen, wenn auch derzeit keineswegs mehr ansehnlichen Gebäude an der Haldenstraße, direkt neben dem nicht weniger berühmten F.F. Archiv und gegenüber jenem Unternehmen, dessen wirtschaftlicher Ertrag dem Fürstenhaus seine wie alle Einrichtungen dieser Art defizi­ täre Bücherstätte zu unterhalten hilft. Eine städtische Bibliothek indes gibt es in Donaueschingen noch gar nicht so lange, und bis Weihnachten 1987 fristete sie über­ dies ein eher unscheinbares Dasein. Nun jedoch, nach einem Jahrzehnt im Übergangs­ domizil, präsentiert sie sich in einem Neu­ bau, in dem sich der öffentliche Bücher­ schatz viel leserfreundlicher und repräsenta­ tiver unterbringen läßt als zuvor in den beengten Alträumen des 197 4 nach nicht ein- mal einjähriger Existenz schon wieder geschlossenen städtischen »Jugendhauses“. Ein Glücksfall war es, daß sich diese 470 Q!iadratmeter Nutzfläche – mehr als dop­ pelt so viel Bücher-Fläche als bisher – unter dem neuen Max-Rieple-Platz schaffen lie­ ßen. Denn sie ergaben sich sozusagen auto­ matisch als Zwischengeschoß über der ersten Donaueschinger Tiefgarage und dem neuen Platz, der auf den Namen des „stadteigenen“ Poeten und erfolgreichen Reiseschriftstellers getauft und von Bürgermeister Dr. Everke im Juni 1988 mit einem zweitägigen Fest für die Bürger eingeweiht worden ist. Rund 1,66 Mil­ lionen Mark anteiliger Kosten entfallen – abzüglich erheblicher Landeszuschüsse – rechnerisch auf die Schaffung der Räume für die Stadtbibliothek, die den Donaueschin­ gern quasi als Weihnachtsgeschenk im Dezember 1987 vorgestellt und damit über­ geben wurde. „Zum Lesen animieren“ wollte der Landessieg im Vorlesen nur knapp verfehlt Rietheimer Schülerin Sonja Casar erste Teilnehmerin des Schwarzwald-Baar-Kreises am Landesentscheid Nur knapp verfehlt hat die zwölfjährige Sonja Casar aus dem Stadtbezirk Rietheim der Stadt Villingen-Schwenningen den Lan­ dessieg im Vorlese-Wettbewerb des Deut­ schen Buchhandels, der am 3. Mai 1988 in Weingarten ausgetragen wurde. Erstmals seit Einführung eines Kreisent­ scheids im Schwarzwald-Baar-Kreis, der seit 1978 von der Kreisergänzungsbücherei durchgeführt wird, hat eine Schülerin aus unserem Landkreis alle Hürden aufKlassen-, Schul-, Kreis- und Bezirksebene gemeistert. Die bessere Tagesform einer Konkurren­ tin war ausschlaggebend, daß Sonja Casar „nur“ als Zweite im Landesentscheid durch’s Ziel ging. Zu dieser schönen Leistung auch an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch! 39

— – 1 – — u =-=- . -::.. j 1- Donaueschinger Bürgermeister in seiner Ein­ weihungsrede, als er konstatierte, daß je Jahr in der Bundesrepublik zwar 170 Millionen Bücher gekauft würden und daß dennoch „die Mehrheit der Bevölkerung mit einer Bibliothek nix zu tun“ habe. 22.000 „Medieneinheiten“ -neben Büchern und Zeitschriften auch Kassetten -sind das End­ ziel der Stadtbibliothek Donaueschingen, die aus ihren bisherigen Räumen mit einem Bestand von 13.000 Bänden ins neue Domi­ zil an der Unteren Karlstraße/ An der Stadt­ kirche umzog. Rund 125.000 Mark hat dort die Einrichtung gekostet, mit der die Werke den Interessenten präsentiert werden und die mit zahlreichen Stellwänden und Lese­ Ecken, Arbeitstische und Sitzecken zur Benutzung einladen, und auch die ganz Klei­ nen wurden nicht vergessen; für sie gibt es ein stufenförmiges Podest, auf dem sie lesen, Kassetten hören oder auch nur mit großen Plüschtieren spielen können. Daß Donaueschingen überhaupt eine 40 städtische Bibliothek hat, ist vor allem das Werk seines einstigen Ersten Beigeordneten Hubert Mahler, der noch als Hauptamtslei­ ter 1975 die Idee hatte, mit dem Restbestand der früheren Kreisergänzungsbücherei des Landkreises Donaueschingen als Grund­ stock einer stadteigenen Bibliothek zu begin­ nen. Mit dem früheren Grüninger Bürger­ meister und damaligen Ortsvorsteher Her­ mann Winterhalter fand sich 197 6 ein kundi­ ger Mann, der diese Einrichtung aufzubauen und zu betreuen bereit war, ehe die ebenfalls in Grüningen wohnende Donaueschinger Diplom-Bibliothekarin Heidemarie Mat­ thaei 1984 seine Nachfolge antrat. Ihrer Regie obliegt es nun, die Zielgröße von 22.000 Medieneinheiten zu ergänzen und so die Einrichtung für die Benutzer noch attrakti­ ver zu machen, auch wenn die SPD-Fraktion im Donaueschinger Gemeinderat im Zuge der Etatberatung für 1988 mit ihrem Antrag scheiterte, die Stadtbibliothek für jedermann zum Nulltarif benutzbar zu machen.

Als Teil des neuen Donaueschinger „Bür­ ger-und Kulturzentrums“ trägt die Stadt­ bibliothek mit ihrer ungewöhnlichen, für den Innenraum jedoch ungewöhnlich tages­ lichtintensiven Schrägverglasung zur Karl­ straße und zur Stadtkirche St.Johann hin nachhaltig zum städtebaulich attraktiven Eindruck des Gesamtensembles bei. Vor allem der selbstbewußt plazierte Bibliotheks­ T urm, der an dieser Stelle am Beginn der Ver­ kehrsberuhigung eine Art von Tor-Situation wie am Eingang mittelalterlicher Städte schaffen soll und dessen Granit-und Sand­ steinverkleidung sich kompromißschaffend ins architektonisch ungewöhnliche Umfeld einpaßt. Er dient der Stadt als eine Art von Galerie, in der einheimische Künstler ihre Werke präsentieren können, und er kon­ trastiert lebhaft mit den gegenüber stehen­ den beiden Türmen der böhmisch-barocken Stadtkirche St. Johann. Im Jahr vor der 1100-Jahr-Feier hat die Stadt Donaueschingen mit ihrer Bücherei also eine bemerkenswerte Einrichtung geschaffen, deren Ziel es ist, ein Kommunika­ tionszentrum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu sein, das, wie es Bürgermeister Dr. Everke bei der Einweihung formuliert hat, möglichst vielen Benutzern ihre Lese-, Informations-und Fortbildungswünsche zu erfüllen hat. Gerhard Kiefer „Hof in Schonach“. Ölbild: Klaus Burk 41

Wirtschaft und Gewerbe Die Zukunft der Wirtschaft sicherer machen Wachstum ist bekanntlich von vitaler Bedeutung – in der Natur ebenso wie im Wirtschaftsleben. Deshalb ist es verständ­ lich, daß die Frage nach dem wirtschaftlichen Wachstum im Mittelpunkt wirtschaftspoliti­ scher Betrachtungen steht. Experten messen dieses Wirtschafts­ wachstum an der Entwicklung des volkswirt­ schaftlichen Bruttosozialprodukts. Die daraus abgeleitete Wachstumsrate wird der Einschätzung des Sachverständigenrates zufolge 1988 bei 1,5 Prozent liegen, die Bun­ desregierung prognostiziert 2 Prozent. Den meisten Menschen sagen solche Daten nicht viel; sie wollen vielmehr ver­ ständlicherweise wissen, ob die wirtschaft­ liche Entwicklung zu mehr oder zu weniger Arbeitsplätzen führt. Dabei erinnern sich nicht wenige an die Zeit, als Wirtschaftsent­ wicklung und Beschäftigtenzahlen tenden­ ziell parallel verliefen: ging es wirtschaftlich aufwärts, zeigten auch die Beschäftigtenzah­ len nach oben, und umgekehrt. Bereits in den 70er Jahren, ausgeprägter aber noch in den 80er Jahren ist diese Paralle­ lität mehr und mehr aufgehoben worden. !HK-Seminar „Roboterprogrammierung“ praxisnah in einem heimischen Unternehmen 1 42

Die Gründe dafür sind bekannt: Als Folge eines tiefgreifenden technologischen Wan­ dels und eines verschärften internationalen Wettbewerbs ist die Masse der -durchweg mit beruflich weniger qualifizierten Arbeits­ kräften besetzten -Montage-und Kontroll­ Arbeitsplätze entfallen oder, weil die Arbeits­ kosten bei uns vergleichsweise zu hoch sind, verlorengegangen. Natürlich gefällt uns, arbeitsmarktpoli­ tisch und damit auch gesellschaftspolitisch gesehen, das veränderte Bild -Wirtschafts­ wachstum bei mehr oder weniger gleichblei­ benden Beschäftigtenzahlen -ganz und gar nicht. Und dennoch müssen wir uns darauf einstellen, weil sich die eingetretene Entwick­ lung immer mehr als unumkehrbar erweist. Die grundlegende, unausweichliche Ver­ änderung eines einstmals vertrauten Bildes spiegelt sich auch in den Wirtschaftsdaten unseres Kammerbezirks wider, und hier auch in den Daten, in denen die wirtschaftliche Entwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis zum Ausdruck kommt: Nach der rückläufigen Wirtschaftsent­ wicklung in den Jahren 1980 bis 1982 ist das – in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes mit mehr als 20 Beschäftigten erfaßte – Umsatzvolumen in den Folgejahren 1983 bis 1987 um nicht weniger als 20 Prozent gestiegen, die Zahl der Beschäftigten hat, gemessen am Stand Ende 1982, jedoch nicht zugenommen. Aus den genannten 20 Prozent errechnet sich eine durchschnittliche Wachstumsrate von 4 Prozent pro Jahr. Der absoluten Höhe nach sind in den 5 Jahren 1983 bis 1987 insge­ samt von den Betrieben des Schwarzwald­ Baar-Kreises 2,8 Milliarden DM mehr umge­ setzt worden. Dieser Wert entspricht zwei Dritteln des gesamten Umsatzvolumens des Basisjahres 1982. Es hat im Schwarzwald-Baar-Kreis in den zurückliegenden 5 Jahren also ein beachtli­ ches Wirtschaftswachstum gegeben, das nur über eine ganz wesentliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen war. Diese Leistung ist um so eindrucksvoller, als unsere Industrie-Unternehmen das erzielte Wachstum zum weit überwiegenden Teil unter den besonders schwierigen Bedingun­ gen der Niedrigstpreis-Angebote fernöstli­ cher Produzenten auf der einen Seite und des Hochlohnlandes Bundesrepublik Deutsch­ land auf der anderen Seite erkämpfen muß­ ten. Daß nach dem gravierenden Verfall des Dollar-Devisenkurses unsere exportin­ tensiven Unternehmen hinsichtlich der Erträge nunmehr unverschuldet vor schwer­ wiegenden, nicht kompensierbaren zusätzli­ chen Problemen stehen, ist geradezu tra­ gisch. Aus all diesen Erkenntnissen lassen sich aus Kammersicht die folgenden Schlüsse zie­ hen: -Eine Industrie, die in den letzten 5 Jahren unter ungleichen Wettbewerbsbedingun­ gen wirtschaftlich überdurchschnittlich stark gewachsen ist – dem Plus im Schwarzwald-Baar-Kreis von 20 Prozent steht als vergleichbarer Wert für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ein Plus von nur 14 Prozent gegenüber -kann auch künftig nicht chancenlos sein, vor­ ausgesetzt, die Bundesregierung setzt den beschrittenen Weg zur Verbesserung wichtiger wirtschaftlicher Rahmenbedin­ gungen in möglichst forcierter Form fort. -So wichtig es ist, unseren Unternehmen möglichst kurzfristig wirksam zu helfen, mindestens gleich wichtig ist es, die Zukunft unserer Wirtschaft und damit die wirtschaftlich-finanzielle Zukunft unserer Menschen langfristig sicherer zu machen. -Weil die heimische Produktion von Stan­ dard- und Großserien-Produkten von fernöstlichen Exportoffensiven, die über den Niedrigstpreis geführt werden, zunehmend bedroht wird, muß unsere Industrie anspruchsvollere, hochwertigere Produkte ersinnen, ent­ wickeln, fertigen und vermarkten. Das kann auf breiter Basis und mit nachhalti­ gem Erfolg nur gelingen, wenn immer mehr Mitarbeiter in unseren Unterneh­ men durch Aneignung von mehr Wissen43 verstärkt

zu qualitativ höheren Leistungen geführt werden. Einen direkten Beitrag hierzu leistet unsere Kammer mit der von ihr intensiv betriebenen beruflichen Weiterbildung, gerade auch im technischen Bereich. Die bevorstehende Gründung einer Technischen Akademie für Weiterbildung, gemeinsam durch IHK und Fachhochschule Furtwan­ gen, setzt hier einen weiteren Akzent. Daß unsere Menschen bereit sind, diese Möglichkeiten zu nutzen und für ihre fach­ liche Qialifizierung Freizeit und auch eige­ nes Geld einzusetzen, ist ebenso erfreulich wie ermutigend. Seit 1981 haben mehr als 35 000 Mitarbeiter viele Millionen Mark in ihre berufliche Weiterbildung investiert; unsere Unternehmen unterstützten sie dabei. Über diesen Rahmen hinaus werden die Resultate aus der Initiative unserer Kammer zur Verbesserung der technisch-wissen­ schaftlichen Infrastruktur dazu beitragen, weitere Voraussetzungen für eine vor allem Die ISGUS J. Schlenker-Grusen GmbH im Jubiläumsjahr 1988 Die heutige High-Tech-Industrie Baden­ Württembegs hat ihre Vorgeschichte. In den wenigsten Fällen ist sie einfach „auf­ gepfropft“ und in neuen Fabriken auf der grünen Wiese entstanden. Vielmehr sind es die traditionsreichen Betriebe dieses Landes, die mit unternehmerischem Weitblick, Tat­ kraft und hohem Qialitätsbewußtsein immer neue Wege in der Entwicklung und Herstellung technisch anspruchsvoller Pro­ dukte ansteuern. Zu diesen Unternehmen zählt ISGUS in Villingen-Schwenningen, einer der führen­ den Hersteller von Zeit-und Datenerfas­ sungssystemen mit der wohl längsten Tradi­ tion auf dem Gebiet der Arbeitszeitregistrie­ rung. langfristig günstige Entwicklung unseres Wirtschaftsraumes zu schaffen: -Durch die von unserer Landesregierung beschlossene Errichtung einer Außen­ stelle der Fachhochschule Furtwangen in Villingen Schwenningen mit den Stu­ diengängen Biotechnik, Werkstofftechnik und Medientechnik, die im Ausbauzu­ stand 600 Studenten haben wird. -Durch den von unserer Landesregierung ebenfalls beschlossenen, bereits in der ersten Phase mit einem Investitionsvolu­ men von 20 Mio. DM verbundenen Auf­ bau eines Instituts für Mikro-und Infor­ mationstechnik, das in enger Verbin­ dung mit unseren Industrie-Unterneh­ men arbeiten wird. In beiden Fällen handelt es sich um aus­ gesprochen zukunftsorientierte Großpro­ jekte, die die Standortgunst des Schwarz­ wald-Baar-Kreises positiv beeinflussen wer­ den. Alfred Liebetrau !HK-Präsident Die Im Jahre 1888 von Jakob Schlenker­ Grusen, dem Sohn eines Landwirts und Fuhrmanns, in Schwenningen am Neckar gegründete Fabrik für Großuhren begann zu dieser Zeit bereits mit der handwerklichen Herstellung von Wächter-Kontrolluhren und Pendelfedern. Und Qialität setzte sich damals schon durch -die l.ahl der Kunden wurde größer, die Nachfrage stieg, das Pro­ duktangebot wurde erweitert. Das Jahr 1896 läßt sich als Meilenstein in der Firmengeschichte bezeichnen: Auf der Basis verschiedener Erfindungen, für die der Firmengründer Patente erhalten hatte, begann die Produktion von Brieftauben­ Constatierapparaten für die schnelle und sekundengenaue Registrierung vom Wett- 100 Jahre Fortschritt 44

in dem die ersten Geräte zur Registrierung der Arbeitszeit entwickelt und hergestellt wurden. Dies bedeutet aus heutiger Sicht 80 Jahre fundierte Erfahrung in der Zeiterfas­ sung bei ständig fortschreitender technischer Entwicklung und veränderten Anforde­ rungskriterien. Bereits 1910 konnte eine wesentlich brei­ tere Palette von Zeitregistriergeräten angebo­ ten werden. ISGUS trug damit Kundenwün­ schen und individuellen Anforderungen Rechnung. Dem Markt standen zu dieser Zeit Hebelapparate auf Papierscheiben-oder Kartenbasis, die schon serienmäßig gefertigt wurden, in verschiedenen Ausführungen zur Verfügung. Das Programm wurde im Jahr 1912 noch durch Akkordstempler, Zeit-und Datumstempler sowie durch Büro-Zeit­ sternpier erweitert. Das Konzept des Firmengründers, anwen­ dungsorientierte Produkte mit hoher Funk­ tionalität in ausgereifter Qualität herzustel­ len, führte auch in den Folgejahren zu konti­ nuierlichem Wachstum. Mit technischen Uhrwerken, Tachometern, Stopp- und Meßuhren etc. und den Anfang der 30er Jahre entwickelten Registrierkassen wurde die Produktpalette erweitert. In den Kriegs­ jahren von 1939 bis 1945 konnte ISGUS, wenn auch mit eingeschränktem Programm, weiter produzieren, denn Arbeitszeitregi­ striergeräte, Zeitsternpier, Wächter-Kontroll-45 flug heimkehrender Reisetauben. Denken und Handeln des von rastloser Energie getriebe­ nen Unternehmers war jedoch nicht allein von Erfindergeist und der Umsetzung neuer Ideen in verkaufsfähige Erzeugnisse geprägt. Das Wohl seiner Mitarbeiter war für Jakob Schlenker-Grusen von gleich großer Bedeu­ tung. Wie wäre sonst zu erklären, daß er am 1. April 1904 eine Betriebskrankenkasse für die zu dieser Zeit 83 Beschäftigten gründete, immer die entsprechend dem Stand der Technik modernsten Maschinen einsetzte und mit mehreren Fabrikneubauten für Arbeitsbedingungen menschenwürdige sorgte. Mitentscheidend für die dann folgende Entwicklung von ISGUS war das Jahr 1908,

uhren und technische Uhrwerke blieben gefragt. Ein neuer Abschnitt der Firmenge­ schichte begann 1950 mit bahnbrechenden Entwicklungen in der Zeiterfassung: Das vollautomatisch arbeitende Arbeitszeitregi­ striergerät PERFECT, als Kompaktgerät in Serie hergestellt, konnte allen in- und auslän­ dischen Vertretungen angeboten werden. Praktisch war dies der Vorläufer ganzer Pro­ duktfamilien, die in den folgenden Jahren für permanent steigende Marktanteile sorgten. Die zu keiner Zeit nachlassende Innova­ tionsbereitschaft war es auch, mit der ISGUS den Einstieg in das Elektronik-Zeitalter als konsequenten Schritt in der Weiterentwick­ lung vollzogen hat. Bereits zur Hannover­ Messe 1974 wurde das mit moderner Rech­ ner- und Speicherelektronik ausgestattete Informationssystem Zeiterfassungs- und „TIME-ONLINE“ vorgestellt. Nächste Schritte waren Entwicklungen auf Mikropro­ zessorbasis und der spätere Einsatz SMD­ bestückter Leiterplatten aus eigener Entwick- Jung. Mit Geräten für die klassische Zeiterfas­ sung per Zeitkarte, elektronischen Zeiterfas­ sungssystemen der „STAR“-Serie und dem »JET“-Programm für die elektronische Zeit­ und Datenerfassung per Ausweis ist das Unternehmen ebenso erfolgreich wie mit der »ZEUS“ -Systemfamilie, die für die Zeit- und Betriebsdatenerfassung entwickelt wurde. Modeme Systeme für Problemlösungen in der Zeitwirtschaft machen die Marktbe­ deutung nicht allein aus. Hinzuzurechnen ist die ISGUS-Kompetenz in der Herstellung von Komponenten für die Meß-, Regel- und Automatisierungstechnik, beispielsweise mit Zähl-, Transport- und Antriebswerken sowie kompletten Baugruppen. „Tradition wahren und Innovation för­ dern“ – dieser Grundsatz bestimmt auch wei­ terhin die Firmenpolitik des auf allen fünf Kontinenten und in weltweit über 40 Län­ dern vertretenen Familienunternehmens. Wolfgang Glaser Hans Wössner Die Kienzle-Uhren in Schwenningen Umzug in das neue Fabrikgebäude auf der grünen Wiese Im Almanach 87 (Seite 48 – 52) wurde das reno­ mierte Unternehmen »Kienzle-Uhren in Schwen­ ningen „vorgestellt. Am 1. Dezember 1987 wurde durch Ministerpräsident Lothar Späth die neue Produktionsstätte auf dem Gelände der ehemali­ gen Ziegelei beim Eisstadion eingeweiht. Irgendwann im Jahr 1985 müssen die drei Kienzle-Geschäftsführer Rosenbaum, Hott und Lohse vor ihrem Aufsichtsrat gestanden sein und das getan haben, wofür die Zeit reif, fast überreif war: eine Vision von der Zukunft an die Wand malen. Visionen wirken am besten mit der tristen Realität konfrontiert. Und so wird das Füh­ rungstrio allen noch einmal vor Augen geführt haben, was jeder sehen konnte. Die 46 verschachtelten Gebäude aus der Zeit der Jahrhundertwende. Die Produktionsstätten, zusammengehörig und doch auf drei Stellen verstreut. Das Material, von vielen Händen und Rädern ständig von Stockwerk zu Stock­ werk, von Ort zu Ort zu bewegen. Die Räume, für eine moderne Produktion zu niedrig. Die Decken, die schwere Maschinen nicht trugen. Die Liefer-Lkws, die den Ver­ kehr_einer Hauptstraße behinderten und von ihm behindert wurden. Und dann war der Zeitpunkt gekommen, den Gegenentwurf auszumalen, das, was kommen sollte. Die Fabrik auf der grünen Wiese, befreit von den Fesseln einer Innen­ stadt, wo keine Treppe mehr den Material­ fluß ins Stocken bringen würde. Die perfekte

Hülle für Menschen und Maschinen der Gegenwart wie für die Maschinen der Zukunft. Und als Clou ein Materiallager, in das kein Arbeiter je seinen Fuß mehr setzen würde. Statt dessen automatische Arme, die die Paletten automatisch aus den Regalen greifen und automatisch wieder zurückstel­ len. Natürlich war es nicht ganz so an jenem Tag im Aufsichtsrat. Die Dreiervereinbarung -Stadt kauft die Kienzle-Wiege beim Bahn­ hof, Kienzle sichert einen Großteil der Wigo­ Arbeitsplätze und bekommt dafür ein Drittel der 40 Millionen Neubaukosten aus dem Sanierungsprogramm des Landes – war ebenso beschlossene Sache wie der Umzug zur alten Ziegelei. Abschreibungs- und Amortisationsfristen waren exakt berechnet. Das Phantomlager existierte real -zumindest auf Planpapier. Und bald existierten auch zwei Daten: Umzug in den Betriebsferien des Sommers 1987 und Einweihung am 1. Dezember. Allen Unkenrufen zum Trotz konnte Lothar Späth am 1. Dezember eine fertige Fabrik einweihen -auch wenn die Kienzle­ Familie noch immer nicht ganz unter einem Dach wohnte. Das Werk 3 war -und bleibt­ mit Stanzerei, Dreherei und Metallbearbei- tung weiterhin im Altbau. Doch zu diesen Vorfertigungsstellen ist es nur ein Katzen­ sprung. Ansonsten konzentriert sich alles in der Siederstraße – ebenerdig und funktional, wenn auch keine Augenweide. Insbesondere der fensterlose Klotz von Hochregallager (von Lästermäulern „ Weckerschachtel“ getauft) ist nicht jedermanns Geschmack, obwohl er von einem speziell engagierten Farbexperten der Umgegend angepaßt wurde. Doch Industriebauten sollen nicht primär Architekturpreise gewinnen, sondern funktionieren. Und das Innenleben der ,,Schachtel“ ist sehr komplex. Von außen sieht man nur den Block: über 90 Meter lang, fast 14 Meter breit, knapp 27 Meter hoch, Volumen fast 34 000 Kubikme­ ter. Doch dahinter steckt eine ehrgeizige Konzeption. Nicht genug damit, daß Bediengeräte zum richtigen Regalfach glei­ ten, die richtige Palette übernehmen, sie per Förderband zum richtigen Besteller gleiten lassen und später den ganzen Weg richtig zurücktransportieren. Dank des Lagerver­ waltungscomputers kann auch jederzeit abgefragt werden, wieviel Schrauben, Gehäuse, Halbleiter, Zifferblätter, fast oder ganz fertige Produkte im Lager vorhanden Alte (links) und neue Leiterplatten, wie sie bei Kienzle hergestellt werden 47

benötigt, wenn etwas Neues produziert oder das fertiggestellte Produkt geprüft werden soll. Doch ein guter Teil des know-hows der Einrichter ist auf Datenbändern gespeichert, die die Maschinen steuern. Läuft der Apparat einmal, benötigt man nur noch Anlernkräfte. Jemanden, um die Maschinen mit Kunst­ stoffgranulat zu füttern und später den Behälter mit frisch geformten Zahnrädern wegzutragen. Jemand anderes, um die Teile in Beutel abzufüllen, sie zu verschweißen und zu beschriften. Und eine Mitarbeiterin, die die Kunststoffgehäuse vom Transport­ band nimmt und in Behälter ablegt. Gehäuse dürfen nicht einfach vom Band in den Korb fallen, sie könnten Kratzer davontragen. Doch auch hier steht der nächste Schritt bereits bevor. Anstelle der Frau wird bald ein Handhabungsgerät die Gehäuse ablegen. Dies ist kein historisch gewachsenes Gebilde mehr wie die alte Kienzle-Fabrik mit all ihren Kompromissen und Improvisatio­ nen. Dies ist ein Reißbrettkomplex, genau abgestimmt auf Arbeitsabläufe, nicht fixiert auf einige wenige Produkte, mit eingebauten Reserven für weitere Rationalisierung. Vergleichbare Tätigkeiten -im Altbau auf mehrere Etagen verteilt, wie das Lackieren auf Spritzständen und das Bedrucken von Ziffernblättern auf Siebdruckmaschinen – sind in einem Raum mit entsprechender Be­ und Entlüftung zusammengefaßt. Die Syste­ matik reicht hinunter bis in die Lagerkästen. Fünf normierte Größen gibt es, alle mit 60 mal 40 Zentimeter Grundfläche, alle aus Pla­ stik, um ein Verstauben der Teile zu verhin­ dern. Die Behälter wandern samt Inhalt von der Vorfertigung zum Lager, vom Lager zum Montagearbeitsplatz, vom Arbeitsplatz zurück ins Lager. Umfüllen überflüssig. Die Fabrik im Jahre eins nach dem Umzug wirkt etwas wie ein halberwachter Tiger. Das soll nicht Schläfrigkeit suggerieren, sondern (noch) nicht ausgeschöpftes Potential. Noch existiert Altes neben viel Neuem. Die alte Leiterplattenherstellung mit ein­ gekauftem IC und auf Hartpapier gelöteten Bauelementen läuft parallel zu der neuen, wo Autouhren nach der Montage sind. Denn was auch immer ins Lager geschickt oder dem Lager entnommen wird, muß quittiert-sprich als Daten in den Rech­ ner eingegeben -werden: Artikelnummer, Menge, Lagerposition, Zeit. Theroretisch nun also ein Kinderspiel, beispielsweise die Tagesproduktion der Kunststoffspritzerei zu planen. Der lange Arm holt die Säcke voll Granulat aus dem Lager, der Besteller quittiert und übergibt sie dem Gabelstaplerfahrer, welcher sie auf kur­ zem Wege in die Spritzerei schafft. Das ist jetzt eine lichte, große Halle, bestückt mit einem halben Hundert mikrocomputerge­ steuerter und einem halben Dutzend gere­ gelter Maschinen. 500 verschiedene Kunst­ stoffeinzelteile können produziert werden, vom winzigen Rotor über Rückwände und Frontrahmen bis zu Gehäusen. Um die Maschine vom einen auf das andere Garni­ turteil umzurüsten, bedarf es keiner riesigen Kraftanstrengung mehr. Die schweren Werk­ zeuge gleiten auf Deckenschienen daher und werden direkt auf die Maschine herabgelas­ sen -in den alten, niedrigen Räumen ein Ding der Unmöglichkeit. Die moderne Technik spart somit Zeit, sie spart Kraft, aber sie spart auch Menschen. Der Kunststofformgeber wird immer noch 48

Vierermontageplätze für Frauen Kunststojfspritzerei Vollautomatisches Kleinteilelager 49

beendet und selbst aufs Tableau gestellt hat­ zur Weiterbearbeitung durch die Dritte. Die Arbeit an sich ist dadurch nicht weniger ein­ tönig geworden (viele lenken sich mit dem Walkman-Kopfhörer über den Ohren ab). Aber die Frauen haben in gewissem Maß die Kontrolle über ihre Zeit zurückgewonnen. Sie können sich beeilen, „auf Vorrat“ schaf­ fen und sich dann eine kleine Pause gönnen, ohne damit den Produktionsprozeß auf­ zuhalten oder ihren Akkordlohn zu schmä­ lern. Doch das sind Momenteindrücke. Diese Fabrik wird -anders als die alte -nach fünf oder gar zehn Jahren nicht mehr gleich aus­ sehen. Sie dient als Hülle, deren Innereien leicht ausgetauscht und den neuesten Erfor­ dernissen des weltweiten Marktes angepaßt werden können. Aber anders geht es auch nicht, wenn es Kienzle-Uhren in zehn oder 15 Jahren noch geben soll. Hanns-Georg Rodek die Elemente auf Stanzstreifen geschweißt und Chips aufgebracht werden; das wird solange so bleiben, bis die älteren Produkte auslaufen. Teils werden die Elementevollau­ tomatisch von einer Bestückungsanlage auf­ gesetzt (für kJeinere Uhrwerke), bei bis zu zehn Bauteilen geschieht dies rein manuell (für Wecker), und teils zeigen Lichtpunkte den Arbeiterinnen, wo die Elemente hin­ gehören (bei Leiterplatten für Funkuhren und Zeiterfassungsgeräten). Das ist traditionell Frauenarbeit gewesen, Fließbandarbei. Die Fließbänder rollen auch in der neuen Kienzle-Fabrik im Akkord­ tempo, doch es gibt auch modernere Arbeits­ formen. Die lose verketteten Gruppenar­ beitsplätze zum Beispiel. Vier Frauen sitzen an einem großen Tisch, jede bringt die Autouhr einen Schritt näher zur Vollen­ dung. Als Puffer fungieren drehbare Tableaus in der Mitte des Tisches. Dort legt die erste ihr Produkt ab, von dort nimmt es die zweite in der Reihe weg, wenn sie ihr letztes Stück Die Fa. Trenkle, VS-Pfaffenweiler, hat sich mit Kommunalfahrzeugen einen Namen gemacht Die kleinen Wege, die für alte Ehepaare viel zu schmal sind, gibt es nicht nur im Hele­ nental bei Wien, von dem uns der Schlager­ sänger früherer Zeiten berichtet. Gewundene Gäßchen machen heute den besonderen Reiz vieler alter Städte aus, und romantische Wege durch einen Park oder eine gepflegte Grünanlage werden auch von jungen Leuten geschätzt und gesucht. Doch klein ist nicht nur fein, sondern bringt auch den städ­ tischen Beamten, die für die Sauberkeit und die Begehbarkeit dieser Wege und Sträßchen verantwortlich sind, so manches Problem. Zu den engen Gäßchen gehörte nämlich frü­ her ganz selbstverständlich der Straßenkeh­ rer mit dem Besen und dem zweirädrigen Karren. Doch diese Saubermänner sind rar Mit Einfallsreichtum und Erfindergeist zum Erfolg geworden, und so entstand mit den schma­ len Gäßchen eine Marktlücke, die ein Unter­ nehmen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis mit viel Einfallsreichtum und Erfindergeist zu nutzen wußte. Gemeint ist die Firma Trenkle im Stadt­ bezirk Pfaffenweiler, die derzeit mit Vollgas ihr vielseitiges Kommunalfahrzeug, den „Kramer-Tremo-Junior“, auf Erfolgskurs steuert. Diese kleinen wendigen Alleskönner sind vollgepackt mit moderner aber hand­ werklich solider Technik, und sie zwängen sich durch enge Gassen, gerade so wie ihr Hersteller in die Marktlücke, die sich zwi­ schen den großen Kehrmaschinen und Schneepflügen und dem Mann mit dem Besen aufgetan hat. Durch Zusatzgeräte sind so

die Einsatzmöglichkeiten dieser Fahrzeuge vielfaltig. Die Firma Trenkle besitzt als klei­ nes Unternehmen genügend Flexibilität, um ihre Fahrzeuge mit Sonderkonstruktionen und mit Zubehör nach Wunsch so auszurü­ sten, daß keine Aufgabe ungelöst bleibt. Dabei ist die Grundausstattung dieses variablen Fahrzeuges immer die gleiche. Das Herzstück ist ein kräftiger Motor, der über ein stufenloses Hydraulikgetriebe gebändig­ ter Kraft auf den Vierradantrieb überträgt. Beide Achsen sind steuerbar und haben einen engen Radstand. Diese Besonderhei­ ten machen den Tremo-Junior wendig genug, um auch in engen Straßen um jede Ecke kurven zu können. In diesen Fahrzeu­ gen, von denen die Firma Trenkle pro Jahr rund 250 Stück fertigt und verkauft, steckt eine lange Entwicklung und einiges an Inve­ stitionen. Rund sieben Jahre brauchte der quirlige und kräftige Zwerg, um sich am Markt durchzusetzen, denn Städte und Gemeinden planen langfristig, und da hat es ein Neuling besonders schwer, sich seinen Platz zu erobern. Inzwischen aber ist der Durchbruch geschafft, so freut sich Ge­ schäftsführer Rolf Hummel, der mittlerweile Delegationen aus ganz Europa und darüber hinaus zu Vorführungen und Schulungen in seinem Werk begrüßen kann. Die Geschichte des Unternehmens be­ gann im Jahr 1926, als der Dorfschmied Johann Trenkle sich in Pfaffenweiler nieder­ ließ. Während der Vater noch Pferde be­ schlägt und am Amboß steht, erkennt sein Sohn Lothar Trenkle rund dreißig Jahre spä­ ter, daß die Modernisierung und die Motori­ sierung nicht nur die Landwirtschaft, son­ dern auch die Dorfschmiede von einst von Grund auf verändern werden. Er stellt sich auf diese Entwicklung ein und bietet den Landwirten Maschinen und Traktoren an. Der Erfolg gibt ihm recht, denn schon wenige Jahre später kann er seinen Betrieb erweitern. Doch Lothar Trenkle war mehr als nur Schmied, er war auch Erfinder und Kon­ strukteur. So baute er immer wieder selbst­ entworfene Anbaugeräte für die Schlepper 51

und spezialisierte sich nach und nach auf robuste und leicht zu handhabende Zusatz­ geräte für den Wegebau in Wald und Feld. Dazu gehören noch heute im Sortiment Walzen und Verdichter, Grader sowie eine Vielzahl von Sondermaschinen bis hin zu einer Kompostaufbereitungsmaschine. Gebaut wurde bei der Firma T renkle nicht nur in, sondern auch ständig an den Werk­ stätten. Die alte Schmiede reichte längst nicht mehr aus, und so entstand 1960 eine erste größere Halle, ein Jahr später folgen neue Bürogebäude, und 1970 entsteht eine weitere 1800 �adratmeter große Montage­ halle. Damals wurden auch die ersten Schmalspurfahrzeuge gebaut, aus denen sich der derzeit so gefragte Junior“ entwickelte. Doch auch seine größeren Brüder sind heute noch gefragt und werden auf Bestellung für die verschiedensten Einsatzzwecke gefertigt. Anfang der siebziger Jahre gründete Lothar T renkle noch eine zweite Firma, näm­ lich ein Service-Unternehmen, das mit riesi­ gen selbstgebauten Maschinen jährlich Tau­ sende von Kilometern an Entwässerungsgrä­ ben im Auftrag der öffentlichen Hand rei­ nigt. Wenig später stirbt Lothar Trenkle, und sein Mitgeschäftsführer Rolf Hummel über­ nimmt allein die Führung des mittelständi­ schen Unternehmens. Die positive Entwick­ lung hält an, und so kann im Jahr 1985 ein neues Betriebsgebäude an der Landesstraße eingeweiht werden. Hier bietet die Firma Trenkle einen umfassenden Service für alle von ihr gefertigten Fahrzeuge und darüber hinaus ein breites Sortiment für den Hobby­ gärtner und den Profi, der sich die Arbeit im Garten oder bei der Rasenpflege erleichtern will. Doch die Vergrößerung des Unterneh­ mens bringt auch Probleme mit sich. Der technische Fortschritt mit seinen modernen Fertigungsmethoden macht große Investi­ tionen erforderlich, wenn die Erzeugnisse konkurrenzfähig bleiben sollen. So wird die Firma Trenkle zu einer Tochter der Kramer­ werke in Gutmadingen, die das nötige Kapi­ tal und den Maschinenpark besitzt. Große 52 Teile der Fertigung werden heute in Gutma­ dingen auf hochmodernen, computerge­ steuerten Maschinen gefertigt. In Pfaffenwei­ ler, wo weit über hundert Fachkräfte beschäf­ tigt sind, werden die verschiedenen Fahr­ zeuge und Geräte montiert. Auch die Kon­ strukteure sitzen nach wie vor in Pfaffenwei­ ler, und so entstehen auf den Zeichenbret­ tern solch eigenwillige Konstruktionen, wie ein universal einsetzbarer Friedhofsbagger. All diese Erzeugnisse, die am Reißbrett Gestalt annehmen und schließlich in der Montagehalle entstehen, zeigen mit ihrer Vielfalt, wie eng in diesem Unternehmen die Bezüge zu den Forderungen der Praxis, den Wünschen der Kunden und der handwerk­ lichen Fertigung geblieben sind. Klaus-Peter Friese *

Ein Betrieb auf solider Grundlage Die Firma Elektro Wolfgang Vetter in Hüfingen Badenwerk-AG, mit der Emil Vetter eng zusammenarbeitete, erwirkte bis auf kurze Zeit, in der er eingezogen war, seine Befreiung vom Kriegsdienst. Der Betrieb Vetter setzte die vom Krieg zerstörten Lei­ tungen wieder instand. Nach Kriegsende kam es wieder zur verstärkten Zusammenar­ beit mit der Badenwerk-AG, wo Emil Vetter die Kontrolle der Leitungen auf ihre Ver­ wendbarkeit vorzunehmen hatte, denn viele waren durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihm war es durch eine Son­ dergenehmigung auch gestattet, ein Motor­ rad zu benutzen, ein Privileg, das damals nur wenige genossen. In dieser Zeit verkauften immer mehr Gemeinden ihre Ortsnetze an die Baden­ werk-AG, und es gab für den aufstrebenden Betrieb stets neue Aufträge, zu denen auch Elektroinstallationen in Häusern und Betrie­ ben kamen. Dadurch konnten noch mehrere Mitarbeiter eingestellt werden. Im Mai 1966 übergab der Firmengründer seinen Betrieb an seinen Sohn Wolfgang, der ihn zunächst im bisherigen Umfang weiter­ führte. In den Jahren 1968/69 wuchs das Unternehmen auf 40 Mitarbeiter an. Nun platzte die Firma buchstäblich aus allen Näh­ ten, und Wolfgang Vetter entschloß sich zum Bau eines neuen Betriebsgebäudes. Da es in Ewattingen Schwierigkeiten mit dem Baugelände gab, griff Wolfgang Vetter zu, als ihm in Hüfingen ein Grundstück angeboten wurde, das er zu günstigen Konditionen erwerben konnte. Hier entstand dann im „Mühlöschle“ ein Bürogebäude mit Sozial­ räumen, Werkstatt und Lagerhalle. Die Übersiedlung nach Hüfingen erfolgte 1974. In den Jahren 1985/86 entstand dann noch eine große Halle für Fahrzeuge, Geräte und Maschinen. Auch im kaufmännischen Bereich ist der Betrieb modern eingerichtet und verfügt über eine eigene Computeran­ lage. Daß das Unternehmen auch auf techni- 53 Zu den Betrieben, die an der westlichen Peripherie Hüfingens angesiedelt sind, zählt die Elektrofinna Wolfgang Vetter, die sich hier 1974 niedergelassen hat. Der Betrieb hat sich voll auf Freileitungs- und Kabelbau spe­ zialisiert und beschäftigt heute 45 Mitarbei­ ter. Auftraggeber sind die verschiedenen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, wie die Badenwerk-AG, das Kraftwerk Laufen­ burg, das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen, die Stadtwerke Freiburg und die Bundespost. Auch verschiedene Stadt­ und Gemeindeverwaltungen zählen zur Stammkundschaft von Wolfgang Vetter. Gegründet wurde das Unternehmen 1933 vom Vater des jetzigen Inhabers, Emil Vetter, der sich in seinem Heimatort Ewattingen mit einem Betrieb für Elektro-Installationen selbständig machte. Er erweiterte in den fol­ genden Jahren sein Geschäft, das er mit Umsicht und Geschick betrieb und stellte weitere drei Mitarbeiter ein. Unter anderem betreute er die Ortsnetze von Ewattingen und den umliegenden Gemeinden. Die

Innenraumstationen Mastkornpakt- und sowie Straßen-und Sportstättenbeleuchtun­ gen erstellt. Bei der Elektroinstallation werden, wo drei Mitarbeiter und drei Auszubildende beschäftigt sind, Installationen in Indu­ strieanlagen, Gewerbe-und Wohnhäusern ausgeführt. Der Aktionsradius des Unter­ nehmens erstreckt sich auf den gesamten süddeutschen Raum. Die Auftragslage des Unternehmens, das 1983 sein 50jähriges Bestehen feiern konnte, ist gut. Für die Stadt Hüfingen erwies es sich bis heute positiv, dem Betrieb die Ansiedlung auf seiner Gemarkung zu ermöglichen, der zu den guten Steuerzahlern der Stadt zählt. Käthe Fritschi aus. So beschloß er im Jahre 1886, sich selb­ ständig zu machen. Im oberen Stockwerk des elterlichen Anwesens begann der junge Uhr­ macher mit einer kleinen Werkstätte. Mit einer Drehbank und zwei fußbetriebenen Drehstühlen -eine Abart des damaligen Johs. Förderer Söhne in Niedereschach schem Gebiet immer auf dem neuesten Stand ist, versteht sich von selbst. Ein großer Geräte-, Maschinen-und Fuhrpark gewähr­ leisten, daß Aufträge so ausgeführt werden können, wie es die Zeit erfordert: schnell, präzise und zuverlässig. Für die Auftraggeber werden Ortsnetze umgebaut, Nieder-und Mittelspannungslei­ tungen mit Gitter-, Beton-, Stahlrohr-und Holzmasten erstellt. Im Kabelbau werden Mittelspannungskabel verlegt und Monta­ gen der Muffen und Endverschlüsse getätigt, ferner Niederspannungskabel mit allen erforderlichen elektrischen Montagen ver­ legt. Erdarbeiten einschließlich der gesamten Oberflächenwiederherstellung samt etwa erforderlichen Sprengarbeiten gehören zum Angebot der Firma Vetter, ferner werden 100 Jahre: 1886-1986 Im Jahre 1866 hatte Wilhelm Jerger eine Uhrenfabrik gegründet, in der zu späterer Zeit auch Johannes Förderer, der das Uhrma­ cherhandwerk erlernte, beschäftigt war. Als 27jähriger junger Mann füllte ihn ein abhän­ giges Beschäftigungsverhältnis nicht mehr 54

Antriebes hielt sich noch lange für mecha­ nische Haushaltnähmaschinen – wurden einfache Drehteile für die in der Nachbar­ schaft aufblühenden großen Uhrenfabriken wie Kienzle, Mauthe und Junghans her­ gestellt. Die ersten Mitarbeiter konnten bald eingestellt werden. Um die Jahrhundert­ wende entstand dann eine richtige Fabrik. Das elterliche Anwesen war den steigenden Bedürfnissen nicht mehr gewachsen gewe­ sen. Hinter dem elterlichen Haus war die Talaue der Eschach ein geeignetes Gelände für den damals modernsten Fabrikbetrieb. Nicht zuletzt die Dynamik des ersten Jahr­ zehntes unseres Jahrhunderts zwang jedoch zur raschen Ausweitung des Betriebes. Ham­ merbengel und Weckerstifte, Fallen-und Sperrbengel, Rollierzapfen und Spitznägel und komplette Warnungen zählten zum Produktionsprogramm, das per Pferdege­ spann den Kunden in Schwenningen und Schramberg zugeführt wurde. Das Geschäft beeinflußte maßgeblich die Tochter Olga aus erster Ehe. Diese heiratete den Kaufmann Max Aschenbrenner aus Sas­ bach am nördlichen Rand des Kaiserstuhles. Dessen ausgeprägtes Fortschrittsstreben führte die inzwischen entstandene Johs. För­ derer Söhne -der Firmenname wurde bis zum heutigen Tag beibehalten -in neue Bereiche. Der erste Produktewechsel war die Folge. Statt -wie bisher -vor allem als Zulie­ ferer der Uhrenindustrie zu dienen, verlager­ te der Schwiegersohn des Firmengründers ab seinem Eintritt in die Geschäftsführung im Jahre 1919 den Schwerpunkt der Tätigkeit in neu aufgekommene Bereiche, in Elektro­ technik und in den Rundfunksektor. Obschon von Hause aus Kaufmann, erwarb sich Max Aschenbrenner Patente im Bereich der Stecker, Kupplungen und Schalter, die sowohl in der Starkstromtechnik als auch im Schwachstrombereich ihre Abnehmer fan­ den. Ergänzend hierzu bediente man auch Das Produktionsgebäude der Firma Jobs. Förderer Söhne entstand um die Jahrhundertwende 55

Geschäftsführer Helmut Aschenbrenner ist im technischen Bereich für die Spulenfertigu.ng als neuesten Produktbereich verantwortlich den aufkommenden Automobilsektor und den Maschinenbau mit Ölern, Nippeln und vor allem Fassondrehteilen. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg blühte das Unter­ nehmen besonders. Mit einem Zweigwerk in Deißlingen, der Fertigung von Rasierappara­ ten und dem gelungenen Aufbau eines län­ derübergreifenden Vertriebsnetzes war der große Durchbruch zum Greifen nahe. Mit dem Krieg aber kamen die Sorgen. Max Aschenbrenner wurde gar angeklagt, die Kriegsgesetze mißachtet zu haben. Damit drohte ihm die Aberkennung der Geschäftsführertätigkeit und die Ent­ eignung des Betriebes. Ihn rettete dann der Rat des Dr. Adalbert Grüninger, der als Mit­ arbeiter der Firma Treuhand Schrade emp­ fahl, die Geschäftsführung in deren Hände zu legen. Sein Lebensmut hatte allerdings schwer gelitten, und schon 1943 verstarb er, ohne eine Rehabilitation erlebt zu haben. Der inzwischen zum Schwiegersohn gewordene Dr. Adalbert Grüninger, der die Tochter Gertrud geheiratet hatte, und Con­ stantin Hülsmeyer, der mit der Tochter lsa­ bella verheiratet war, standen nach dem 2. Weltkrieg Mitte 1945 fast vor dem Nichts. Vier Fünftel des Maschinenparkes mußten abgeliefert werden. Mit Kerzenhaltern für Christbäume, mit Feuerzeugen und ähnli­ chen notwendigen und begehrten Produk­ ten der ersten Phase der Nachkriegszeit brachte man den Betrieb über die Runden. Bald wurden auch wieder Produkte für die Rundfunk- und die entstehende Phonoindu­ strie in die Fertigung aufgenommen. Bana­ nenstecker, Krokodilklemmen und vor allem Potentiometer, wie man in der Fach­ sprache die verstellbaren Drehwiderstände nennt, welche als Klang- und Lautstärkereg­ ler benötigt wurden, gehörten wieder zum Programm. Dynamik entstand dann mit der Fertigung von Antennen, deren Entwick­ lung und Produktion von Helmut Aschen- 56

brenner, dem heutigen technischen Ge­ schäftsführer, geprägt wurde. Im Sommer 1954 konnte der einzige Sohn von Max Aschenbrenner in die Firma eintreten. Zunächst begann man mit einfachen Staban­ tennen für den Mittelwellenempfang. Doch bald wurden die Anforderungen gesteigert. Der Ultrakurzwellenempfang bedingte eigene Antennen. Dann kam das Fernsehen. Ältere Niedereschacher können sich noch gut daran erinnern, wie sie mit einer der ersten Fördererantenne und dem ersten Fir­ menfernseher das Endspiel um die Fußball­ weltmeisterschaft 1954 verfolgen konnten. Dabei war man auf die Hilfe des Schweizeri­ schen Fernsehens angewiesen. Zu Beginn der danach stürmischen Entwicklung des Fern­ sehens hatte man mit einem Lagenachtei! zu kämpfen, der nur dadurch wettgemacht wer­ den konnte, daß führende Männer der tech­ nischen Entwicklung der Förderer Söhne einen Prüfstand auf der Höhe des Hardt auf­ bauten, von wo aus es möglich war, den Sen­ der Säntis der DRS zu empfangen. Und die­ ser Empfang war für die neuen Produkte lebensnotwendig. Nur so konnte die tech­ nische Entwicklung vorangetrieben werden. Unter der kaufmännischen Geschäftsfüh­ rung von Dr. Adalbert Grüninger und der technischen Leitung von Ingenieur Helmut Aschenbrenner erkannte man aber bald die besonderen Fähigkeiten der führenden tech­ nischen Mitarbeiter und die Erfahrung der Belegschaft im Bereich der Feinwerktechnik. Und da sah man auch bald glänzende Markt­ möglichkeiten durch das verstärkte Auf­ kommen tragbarer Geräte. Die „Portables“, wie man diese Geräte später nannte, wurden durch die Entwicklung des Transistors und der gesamten Halbleitertechnik erst möglich. Als sich der Trend zunächst mit den Koffer­ radios abzeichnete, ging man mit aller Kraft an die Entwicklung geeigneter Antennen. Diese mußten ausziehbar sein. Die Tele­ skopantenne war also zwingend notwendig. Da man bei der Firma seit den dreißiger Jah­ ren viel Erfahrung in der Oberflächen­ behandlung gesammelt hatte und über eine leistungsfähige Automatendreherei verfüg­ te, wurde die neue Antennenform bald so gut konstruktiv und fertigungsmäßig be­ herrscht, daß der Niedereschacher Betrieb für Jahre keine Sorgen hatte. Die Produktion der größeren Antennen gab man bald auf. Die Erfahrung der Mitarbeiter mit der Fein­ werktechnik konnte bei den Teleskopanten­ nen wesentlich besser genutzt werden. Eine wichtige Produktionsumstellung war gelun­ gen. Helmut Aschenbrenner war im Jahre 1959 zum technischen Geschäftsführer ernannt worden. Constantin Hülsmeyer war inzwischen ausgeschieden und hatte sich dem Stahlhandel zugewandt. Allmählich machte sich die Konkurrenz aus Fernost bemerkbar. Die „gelbe Gefahr“, von der die Vorväter schon sprachen, ent­ stand vermehrt im Elektrosektor, der den Konsumbereich bediente. Es mußten erneut Produkte gefunden werden, welche den erwartenden Rückgang bei den Antennen ausgleichen und die Beschäftigung sichern konnten. Wieder auf einem Gebiet der Elek­ trotechnik, der Fertigung von Spulen, wurde man fündig. So konnte die nachlassende Nachfrage nach Antennen durch die stetig wachsende Bedeutung der Spulenherstel­ lung sogar mehr als ausgeglichen werden. Das Jubiläumsjahr wurde mit einer Umsatz­ steigerung beendet, das dem Betrieb sein bestes Jahr seit Bestehen sicherte. Allerdings wird von den Geschäftsführern (Helmut Aschenbrenner und Thomas Grüninger) nicht verkannt, daß die Nischen für das Marktsegment Antennen immer kleiner wer­ den. Für die 60 Beschäftigten und den zusätz­ lich 20 Heimarbeiterinnen ist es beruhigend zu wissen, daß es mit dem Familienbetrieb auch in der vierten Generation weitergeht. Dieter Mink 57

Modellbau im Aufwind Neue Erfolgsserie der Gebr.Faller GmbH in Gütenbach ihrer Mit fast zwei Dutzend Neuheiten in der Gesamtpalette vielhundertfachen Modellbauaustattung für Landschaftsanla­ gen mit und ohne Eisenbahn hat die Güten­ bacher Firma Gebr. Faller GmbH 1987 bei der wichtigsten internationalen Spielzeug­ messe in Nürnberg ihre marktführende Stel­ lung mit erneuerter Kraft demonstriert. Optimismus und ein kämpferisches Selbst­ bewußtsein wurden aus dem seit langer Zeit erstmalig wieder positiven Jahresabschluß 1986 bezogen. Nach gefahrvollen Tiefs, die von innerbetrieblichen Konflikten, hohen Bilanzverlusten und Entlassungen gekenn­ zeichnet waren, schauen die Geschäftsführer Heinz Köntopp, Hansjörg Blickle und Max Wehrle zuversichtlich in die Zukunft: „Wir sind über dem Berg“. Hinter den Kulissen war der existenzret­ tende Schritt auf die Seite der schwarzen Zahlen von einer Reihe schwieriger Ent­ scheidungen begleitet. Parallel zur Schlie­ ßung der Zweigbetriebe in Broggingen (Breisgau) und Braunau (Österreich) erfolgte der konsequente Rückzug aus dem Kinder­ spielzeugbereich. Rennbahn, Eisenbahn und Autoland wurden ersatzlos aus dem Pro­ gramm gestrichen. Die erneute Konzentra­ tion auf den angestammten Modellbau wird von einem Aufwind durch die zunehmende Zahl erwachsener Freunde maßstabgetreuer Landschaftsanlagen begünstigt. Beifall für die Neuheiten auf internationaler Ebene: Geschäfliführer Heinz Köntopp (Mitte) mit dem Exklusivmodell 1987, eine Feuerwache im Jugendstil. Die Geschäfliführer Max Wehrle (rechts) und Hans-Jörg Blickle (links) präsentieren – mit Klosterhof und Riesenrad – e,folgreiche Exklusivmodelle der letzten Jahre. 58

Das unternehmerische Konzept des geschäftsführenden Triumvirats, das von der Gesellschafterversammlung am 7.Juli 1986 bestellt wurde, setzt auf kontinuierliche Revitalisierung des zweihundert Mitarbeiter umfassenden Unternehmens, das vor rund sechs Jahren einschließlich der Filialen noch über knapp vierhundert Arbeitsplätze ver­ fügte. Mit Erleichterung und Freude betrachten Betriebsrat und Mitarbeiter die entspannte Situation im wichtigsten Betrieb der Gemeinde. Ein Untergang des Unterneh­ mens wäre in Gütenbach mit kaum überseh­ baren persönlichen und infrastrukturellen Folgen verbunden gewesen. Vor Beginn des Experiments Kinderspielzeug war der Gütenbacher Modellbausatz-Hersteller ein respektables Unternehmen mit gesunder Eigenkapitalausstattung. Diese stabile Basis machte es überhaupt erst möglich, die lang­ zeitige Erfolgskrise durchzuhalten und letzt­ lich zu verkraften. Die roten Zahlen der Jahre 1982 bis 1984 wurden von einer neuen Pro­ duktgruppe angeführt, die auf dem Markt bei weitem nicht das erhoffte Echo gefunden hatte. Der Versuch, sich neben dem Modellbau auf dem reinen Kinderspielzeugmarkt ein zweites Bein zu schaffen, gilt aus der heuti­ gen Sicht als ein zwar verständlicher, aber letztlich völlig fehlgeschlagener Versuch. Die betriebliche Leistungsfähigkeit wurde über­ fordert, die Kapazitäten von Entwicklung, Konstruktion, Werkzeugbau und Produk­ tion splitten sich in verschiedenartige Anfor­ derungen. Selbst im Marketing war keine Gemeinsamkeit möglich -die Zielgruppen auf dem Kinderspielzeugmarkt, der im übri­ gen von einem harten internationalen Wett­ bewerb gekennzeichnet ist, unterschieden sich generell vom Kreis der Modellbau­ freunde mit immer höher werdendem Erwachsenenanteil. Beim Beschluß einer neuen Großkonzep­ tion im Sommer 1984 bestand Übereinstim­ mung: Personelle Reduzierung vor allem im Verwaltungsbereich und die konsequente sorgten Einhaltung betriebswirtschaftlicher Gesichts­ punkte. Im Herbst 1985 wurde der Handel darüber informiert, daß der Spielzeugsektor zum Jahresende 1986 aufgegeben wird. Der Markt honorierte die erneute Kon­ zentration auf den Modellbau mit starker Zuwendung. Hilfestellung gaben neue Impulse auf der Modelleisenbahnszene durch vielfältige Aktivitäten anläßlich des 150jährigen Eisenbahn-Jubiläums. Für einen zusätzlichen Schub attraktive Neuentwicklungen. Zum Renner wurde das jährlich limitiert erscheinende Exklusivmo­ dell im HO-Programm -dieses Jahr eine auf­ wendige Feuerwache mit Jugendstilelemen­ ten und elektrischer Sirene aus rund sieben­ hundert Einzelteilen. Jede Neuheit bedeutet kostspielige Inve­ stitionen und unternehmerisches Risiko. Schon ein einfaches Hausmodell der unteren Preisklasse bedingt die Herstellung von sechs bis sieben Formen. Die Entwicklungs-und Werkzeugkosten für ein Exklusivmodell mit durchschnittlich dreißig Formen und sieben­ hundert Teilen summieren sich in der Grö­ ßenordnung von einer halben Million Mark. Eine Amortisation zieht sich damit über Jahre hin. Die jährliche Herstellung von Handmustern wird auf einen Wert zwischen 60 000 und 75 000 DM beziffert. Der mit zweihundert Seiten umfangreichste Katalog der Branche „für die Welt im Modell“ wird jeden Sommer neu in einer deutschen und einer fremdsprachigen Ausgabe für den Export in insgesamt 300 000 Exemplaren aufgelegt. Im Werkzeugbau befinden sich CNC-gesteuerte Fräsmaschinen der neuen Generation. Ein Teil der Kunststoffspritz­ gußmaschinen wird über Computer ge­ steuert. Damit sind auch im technischen Bereich die Weichen für eine Zukunft mit kontinuierlichem Aufbau gestellt, wobei die eigene Produktion weiterhin durch den deut­ schen Alleinvertrieb für zwei ausländische Flug-und Automodellbau-Hersteller abge­ rundet wird. Rosemarie v. Strom beck 59

Hock GmbH in Schönwald – eine Firma mit alter Tradition auf neuen Wegen Mit ziemlicher Sicherheit hatte jeder schon einmal ein Produkt in den Händen, das Teile enthielt, für die bei der Firma Hock GmbH die Werkzeuge oder die Teile selbst produziert wurden: Hock ist Zulieferer vieler Branchen und versteht sich als Dienstlei­ stungsbetrieb moderner Prägung. Für nam­ hafte Kunden der Feinmechanik-, Elektro­ und Automobilindustrie werden die unter-· schiedlichsten Schnitt-und Stanzwerkzeuge, sowie die entsprechenden Stanzteile manch­ mal in Millionen Stückzahlen angefertigt. Den Trend erkennend, daß viele Firmen kei­ nen eigenen, kostenintensiven Werkzeugbau mehr unterhalten wollen, hat sich die Hock GmbH auf diese Dienstleistung spezialisiert. Der Schwerpunkt im Werkzeugbau liegt auf der Herstellung komplizierter Folgeschnitt­ werkzeuge, mit denen Metallteile in den variantenreichsten Formen gefertigt werden können. Die Kunden setzen die von Hock hergestellten Werkzeuge entweder in der eigenen Produktion ein, oder lassen auch die Teile bei Hock fertigen. Diese werden in der firmeneigenen Stanzerei auf Pressen ver­ schiedenster Leistungsstufen produziert. In diesem Fall ist der Werkzeugbau auch für Ser­ vice und Wartung dieser Werkzeuge zuständig. In engem Kontakt zu den Kunden bietet Hock auch konstruktive Unterstützung bei der fertigungsgerechten Gestaltung von Werkzeugen und Stanzteilen. Dies ist ein Angebot, das immer häufiger in Anspruch genommen wird. Hier sind die jahrzehnte­ lange Erfahrung vieler Hock-Werkzeugma­ cher und die über vierzigjährige Berufserfah­ rung des Betriebsleiters Heinrich Winterer gefragt. Auch in der Schweiz und in den USA ist der gute Ruf der präzisen, zuverlässi­ gen und robusten Hock-Werkzeuge ein Begriff, so daß heute auch in Florida Hock­ Werkzeuge im Einsatz sind. 60

Die in der Branche üblichen hohen Erwar­ tungen der Abnehmer an die Qialitätssiche­ rung der Zulieferer erfordern es, auf diesem Gebiet aktiv zu sein, zu investieren und die Mitarbeiter in dieser Hinsicht besonders in­ tensiv zu schulen und zu motivieren. Eine für die Firmengröße beachtliche Ausbildungsabteilung zieht den Werkzeug­ macher-Nachwuchs heran. Die Ausbildung ist praxisbezogen und die Abteilung trägt mit zur Flexibilität der Firma bei. Einfache Werk­ zeuge oder Prototypen werden vom Nach­ wuchs mit Eifer und Erfolg angefertigt. Die Hock GmbH ist eine junge Firma, die am 1. 1. 1983 ihren Geschäftsbetrieb auf­ nahm. Allerdings können die Mitarbeiter auf eine lange Tradition und Erfahrung zurück­ blicken. 1945 von Ing. Eugen Hock gegründet, erlebte der Betrieb und mit ihm die treu zur Firma stehende Belegschaft Höhen und Tie­ fen. 1982 besuchten Dipl.-Kfm. Peter Rau­ schenberger und seine spätere Geschäftspart­ nerin, Reingard Kleiner, aus Stuttgart, die Firma Hock in Triberg. Sie waren beein- druckt vom Können und von der Zuverläs­ sigkeit der damals 32 Beschäftigten. So ent­ wickelte sich eine Geschäftsverbindung, an deren Ende die Übernahme des Geschäftsbe­ triebs der Hock KG durch die neu gegrün­ dete Hock GmbH stand. Peter Rauschenberger ist Mitinhaber einer Firma in Stuttgart und sah hier die Chance, vorhandene Ideen neu zu gestalten. Reingard Kleiner tat den Schritt in die schon länger geplante Selbständigkeit, ebenfalls mit Ideen und Vorstellungen über das nötige Vor­ gehen. Beide brachten viel Erfahrung und Optimismus mit, der sich auf die Belegschaft übertrug. Mit dem Entschluß zur Neugrün­ dung der Hock GmbH nahm ein außerge­ wöhnliches Modell der Geschäftsleitung Gestalt an. Beide Inhaber können nur einen Tag in der Woche im Betrieb anwesend sein, die übrige Zeit führt ein Geschäftsleitungs­ Team die Geschäfte. Bis heute wird dieser partnerschaftliche Führungsstil mit dem inzwischen auf sechs Mitarbeiter angewachsenen Kreis mit Erfolg praktiziert. Bei regelmäßigen Geschäftslei-61

Inzwischen tungs-Besprechungen werden die Richtli­ nien festgelegt, über Investitionen entschie­ den und Problemlösungen erarbeitet. Für die Mitarbeiter bedeutet dies sowohl ein großes Maß an Entscheidungsfreiheit, andererseits aber auch Entscheidungszwang in manchen Situationen. ist aus dem „Modell“ ein funktionierendes System zur Leitung eines Mittelstandsbetriebes gewor­ den. Das Unternehmen wird vorrangig von den Mitarbeitern geführt und getragen. Zwei schwierige Anfangsjahre galt es für den Betrieb durchzustehen, in denen ihm vielfältige Hilfe von Lieferantenseite, den Banken und öffentlichen Stellen zuteil wurde. Für die Stanzerei konnten moderne Pressen angeschafft werden, die Umsätze begannen sich erfreulich zu entwickeln und haben sich seit dem Beginn vervierfacht. Neueinstellungen konnten vorgenommen werden, die EDV hielt Einzug, neue Groß­ kunden wurden gewonnen. Nachdem dann auch im Werkzeugbau investiert werden konnte, war die technische Modernisierung in vier Jahren abgeschlossen. Das Wachstum der Firma ließ sie bald an die räumlichen Grenzen der unzulänglichen Räume in der Doldstraße in Triberg und in der Produktionshalle in Elzach-Oberprech­ tal stoßen. In dieser Situation bot sich im Juni 1986 die Chance, das Betriebsgebäude und die Geschäftsanteile der Firma L. Feh­ renbach Söhne in Schönwald zu erwerben. Diese Firma hatte schon eine alte Beziehung zur Firma Hock, die Generation der Großvä­ ter hatte eine Firma Fehrenbach + Hock 1905 in Triberg gegründet.1945 trennte man sich.­ Das Raumproblem wurde so gelöst, das Per­ sonal wurde durch die Übernahme aller Feh­ renbach-Mitarbeiter auf über 60 erweitert, der Firmensitz hieß ab jetzt: Schönwald, Gerwigstraße. Das alte Gebäude -eine ehe­ malige Uhrenfabrik aus dem Jahr 1923 -wurde von ortsansässigen Handwerkern sinnvoll saniert und restauriert. Beim Umzug zeigten die Mitarbeiter so viel Elan und Eigeninitiative, daß dieser zwei Monate früher als geplant vollendet war. 62 liebevoll Anfang 1988 entstanden erneute Raum­ probleme durch den sprunghaft gestiegenen Lagerflächenbedarf für just-in-time Lieferun­ gen. Außerdem mußte für ein CAD/CAM­ System Platz geschaffen werden. Die Firma erwarb kurzentschlossen das Betriebsareal der früheren Firma Hch. Kalmbach in Tri­ berg. Die Weiterführung dieser Dreherei war nach dem Tod des Firmeninhabers geschei­ tert, das Areal stand zum Verkauf. Auch bei diesem Gebäude aus den 30er Jahren muß­ ten zuerst längst überfällige Sanierungsarbei­ ten vorgenommen werden, bevor Teile der Stanzerei, Lager und Versand in den Häl­ menwinkel umziehen konnten. Die Zusammenlegung der nunmehr drei Betriebsstätten in Elzach-Oberprechtal, Tri­ berg und Schönwald ist Ziel der Firma. In Schönwald bietet sich dafür im neuen Gewerbegebiet „Im Loch“ eine Chance. Bis dahin wird man aus den jetzigen Verhältnis­ sen das Beste machen. Der Markt wird enger, die Kosten steigen, ebenso Termindruck und Q!ialitätsanforde­ rungen. Die Hock GmbH fühlt sich in ihrer jetzigen Situation den Aufgaben der Zukunft gewachsen. Reingard Kleiner * Wie oft und gern denk‘ ich zurück An meine Kindheit und mein Glück, Auch an meine Jugendzeit, Die nun so ferne liegt, so weit. Und die Freude ist geschwunden, Die ich Tag für Tag empfunden, Bin jetzt alt und mach‘ mir Sorgen Um das Heute und das Morgen, Denn ich weiß nicht, wie es endet, Wie der Herrgott alles wendet, Ob’s noch Jahre sind, noch Stunden, – Keiner kann es je erkunden. Johannes Hawner Rückblick

Schindeln aus der „Höllmühle“ Wie eine Riesentorte wird die Baumscheibe im ersten Arbeitsgang vom Schindelmacher mit Holzschlegel und Spaltklinge zerteilt. Das Fich­ tenholz läßt sich am besten in ganz frischem oder völlig trockenem Zustand bearbeiten. Christoph Günter setzt handwerkliche Familientradition fort ist Die natürliche Fassadenverkleidung Christoph Günter ist ein aufgeschlossener zuletzt nicht nur optischer Schmuck, son­ junger Mann. Den abgelegenen Familienbe­ dern über Generationen haltbarer Schutz vor sitz „Höllmühle“ stattete er mit den Attribu­ Wetter und Wind. ten zeitgemäßen Wohnkomforts aus. Nur Die Innenausstattung des Arbeitsraums die neue Außenverkleidung gleicht der alten wirkt nostalgisch. Das Zubehör zur Herstel­ Substanz wie ein Ebenbild und kommt aus lung handgespaltener Schindeln war mit der eigenen Werkstatt: Der gelernte Werk­ wenigen Ausnahmen noch nie käuflich, son­ zeugmacher führt die Berufstradition von dern wurde weitestgehend selbst ausgetüf­ Großvater und Vater als Schindelmacher in telt. Christoph Günter benutzt zum Schlag der Freizeit fort. Am Feierabend verarbeitet auf die stumpfe Spaltklinge einen bejahrten er mit altertümlichen Hilfsmitteln dicke Holzschlegel, dem die Spuren vieler zehn­ Fichtenstämme zu fein strukturierten Schin­ tausend Schläge durch die Hände dreier deln unterschiedlichster Größenordnung. Generationen deutlich anzusehen sind. Daß der Dreißigjährige vor vielen Jahren nicht unmittelbar in die Fußstapfen von Vater und Großvater trat, hatte einen trifti­ gen Grund im Trend jener Zeit. Dem Bau­ stoff Holz schien keine glückliche Zukunft beschieden. Die Entlaßschüler jener Zeit drängten in die Metallbranche als aussichts­ reiches Berufsfeld. Der Vater Christoph Günters, Dachdecker und Schindelmacher, sah das Aussterben seines zweiten Berufes kommen: Die Nachfrage war gleich Null. Hochkonjunktur hatten dagegen Kunst­ stoffe und Eternit. Die Fassadenverkleidun­ gen als beredte Zeugen jener Zeit, häufig des billigeren Preises und der leichteren Arbeit wegen ohne Gespür angewandt, verunstalten bis heute vielerorts ehemals schmucke alte Bauten. Die handgearbeiteten Schindeln, die schon früh zum Schutz von Holz und Mauerwerk entdeckt wurden, haben ihren Preis. Die „echten“ müßten allerdings weit über den gängigen Angeboten liegen, wenn Betriebskosten, Sozialversicherungen und Gewinnspannen eingerechnet würden. Die handgespaltenen Schindeln der Region sind überwiegend Freizeitarbeit, mit der familiäre Traditionen erhalten werden, oder lückenfüllende Winterarbeit in Saison­ betrieben. Für Christoph Günter ist es 63

Spuren ihres Alters – die darunter liegenden ,,Schuppen“ waren wie neu. Erster Arbeitsgang des Schindelrnachers, der den Werkstoff Holz liebt, ,,weil einem schon beim Anblick warm wird“: die volle Baumscheibe wird mit Holzschlegel und Spaltklinge wie eine Torte geteilt. Aus diesen Stücken entstehen die dünnen Scheiben nach Augenmaß mit Hilfe einer anderen Spaltklinge, die mit einem Ende an einer Wand befestigt ist. Die mechanischen Hilfs­ mittel sind in ihrer einfachen Konstruktion von einer verblüffenden Wirkung. Die Handstanze ist auf einem Bock montiert, hier entsteht die einseitige Rundung der kleinsten Schindeln. Letzte Station ist eine ausgiebige „Kosmetik“ mit einem hauch­ dünn geschliffenen Ziehmesser. Zu den „Berufsgeheimnissen“, die schon vom Großvater weitergegeben wurden, gehört das Einfetten der Spaltklinge mit einem Schweinenabel, der für die Mäuse unerreichbar von der Decke baumelt. Zwei Generationen haben einen riesigen Sand­ stein zum Schleifen des Ziehmessers restlos abgewetzt: Von dem neuen Stein, den er sich eigens vom Steinmetz anfertigen lassen mußte, weiß Christoph Günter, daß er „mir für ein ganzes Leben reicht“. Die Erfahrung des geeignetsten Materials übernahm der junge Schindelrnacher, dessen „Lehrzeit“ schon in frühester Kindheit begann, ebenfalls aus dem Fundus der Vor­ fahren: Fichten aus wind- und wetterge­ schützten Dobein sind besonders astrein und gerade gewachsen. Den optimalen Ertrag geben rund zwanzig Meter hohe Bäume mit einem mittleren Durchmesser von 45 Zentimetern. Die Ergiebigkeit ist von der Holzqualität entscheidend abhängig. Durchschnittlicher Ertrag: aus einem Festmeter sind rund 6000 Fassadenschindeln des kleinsten Kalibers von sechs und fünf Zentimetern oder 4000 Stück in 25 Zentimeter Länge zu gewinnen. Dachschindeln, die ebenfalls auf eine Voll­ schalung genagelt werden, sind üblicherweise zwischen vierzig und sechzig Zentimeter lang. Mil dem hauchdünn geschliffenen Ziehmesser werden die Schindeln abschließend „kosmetisch“ behandelt. undenkbar, damit ein gutes Geschäft oder eine sichere Existenz anstreben zu wollen. Günstiger im Preis und schneller machbar sind die gesägten Schindeln. Kreissäge, Stanze und einseitige Hobelung erlauben die rationellere Fertigungsmethodik. Eine min­ destens hundertjährige Haltbarkeit garan­ tiert der Schindelrnacher im Bauernhaus zwi­ schen Hammereisenbach und Urach jedoch nur für die Handgespaltenen: Das Holz trennt sich beim Schlag mit der stumpfen Spaltklinge mit unverletzter Faser, zum Erkennungszeichen wird damit die geriffelte Oberfläche. Unverletzte Fasern sind naturge­ mäß widerstandsfähiger gegen Hitze, Nässe und Frost. Beim Umbau seines Elternhauses, einer ehemaligen Mühle, löste Christoph Günter jetzt die Schindeln von einer Wand im Südwesten. Dabei staunte selbst der Fach­ mann: Die oberste Schicht trug deutlich die 64

Ein unerwarteter Schindelboom setzte vor knapp zehn Jahren ein. Über die reine Fas­ sadenverkleidung hinaus wurde das Material zunehmend als schmückendes Beiwerk „zweckentfremdet“ -Schindeln als Wohn­ raumverkleidung, am Balkon oder rustikale Note an der Hausbar. Geschätzt wird dabei Seit mehr als 50 Jahren übt er seinen Beruf aus. UndauchheutenochsitzterTagfürTagin seiner Werkstatt: Der Bräunlinger Korbmacher Karl Werner, der im August 1988 81 Jahre alt wurde. Einer der letzten Vertreter eines auch eine Eigenschaft über die -jedermann würde sie sich wünschen -nur Holz verfügt: Die gespaltenen Schindeln, die keiner Schutzbehandlung bedürfen, werden mit zunehmender Alterspatina immer noch schöner. Rosemarie v. Strombeck Berufsstandes, der wie viele andere der indu­ striellen Produktion zum Opfer gefallen ist. Kreativität und Fingerfertigkeit zeichnen das Handwerk aus, das er von 1922 bis 1925 in Donaueschingen erlernte. Wegen der Der letzte Korbmacher auf der Baar 65

schlechten Wirtschaftslage gegen Ende der „goldenen“ Zwanziger Jahre wurde er nach der Ausbildung entlassen und mußte in der elterlichen Landwirtschaft wieder mithelfen. Doch nebenbei bildete Karl Werner sich, von einem befreundeten Gesellen unter­ stützt, in seinem Beruf weiter aus und absol­ vierte 1934 in Karlsruhe die Meisterprüfung als Korbmacher. Unterbrochen wurde die Tätigkeit des aufstrebenden jungen Meisters im Zweiten Weltkrieg, in den er 1939, wie die meisten seiner Altersgenossen, eingezogen wurde. Nach dem Krieg richtete er sich in der Bräunlinger Färbergasse eine Werkstatt ein, heiratete 1946 und kaufte 1949 das Haus in der Oberen Waldstraße, das noch heute sein Domizil ist. Da dieses Anwesen früher eine Landwirtschaft beherbergte, mußte der ehe­ malige Stall erst zur Werkstatt ausgebaut wer­ den, bevor der Korbmachermeister mit der Arbeit beginnen konnte. Etwa drei bis vier Stunden benötigt Karl Werner für die Herstellung eines Korbes, für den er in den fünfziger Jahren 2,50 Mark ver­ langte. Heute zahlt der Kunde für dasselbe Produkt etwa 25 Mark. Neben Einzelverkäu­ fen an Menschen aller sozialer Schichten und Altersklassen, lebte Karl Werner damals vor allem von Großaufträgen, die er von auswär­ tigen Firmen bekam. Die Körbe wurden von seiner Frau mit dem Leiterwagen zu dem ein paar Kilometer entfernten Bräunlinger Bahnhof transportiert. Dort übernahm der „Bregtäler“ die weitere Beförderung der Ware. Viele Aufträge gab es auch von den Landwirten jeweils in der Zeit der Kartoffel­ ernte im Herbst. Damals wurden die Erd­ äpfel noch von Hand in Körbe eingesam­ melt, während heutzutage die Kartoffelernte maschinell vonstatten geht. 1958 richtete Karl Werner in seinem Haus noch ein Geschäft ein; vorher war der Ver­ kauf der Korbwaren in der Werkstatt abge­ wickelt worden. Als die Auftragslage schlech­ ter wurde, wurden im Geschäft auch Kinder­ wagen und Skier angeboten, später kamen noch Bürstenwaren hinzu. Anfang der sechziger Jahre konnte man 66 Einkaufskörbe noch für zwei bis vier Mark erwerben, doch in der Zeit des Wirtschafts­ wunders kamen die Plastiktaschen auf den Markt: Nun hatte Karl Werner Mühe, seine handgeflochtenen Körbe noch loszuwerden. Und seinem Sohn und möglichen Nachfol­ ger wurde 1962 von der Berufsberatung abge­ raten, einen Beruf, der keine Zukunft mehr hatte, zu ergreifen. Deshalb gibt es auch keinen Nachfolger für den Korbmacher, dessen Produktpalette von Einkaufs-und Wäschekörben über Blumenampeln und -Ständern bis hin zu kompletten Sitzgarni­ turen mit Sesseln und Tischen einst reichte. Hergestellt wurden die Korbwaren aus Rohr, Weiden und Bambus.1974 wurde der Bräun­ linger Korbmacher für 40jährige Meister­ tätigkeit von der Handwerkskammer Kon­ stanz mit dem Goldenen Meisterbrief aus­ gezeichnet. Bis zu zehn Stunden täglich saß Karl Werner ehedem in seiner Werkstatt, um immer wieder neue kleine Kunstwerke zusammenzuflechten; heute besteht seine Tätigkeit fast ausschließlich in der Reparatur von Körben. Barbara Rimmele Heute hörst Du noch die Glocke schlagen, Morgen wird man Dich zu Grabe tragen, Vielleicht den Weg, den Du schon oft [gemacht, In Freud‘ oder Leid, bei Tag oder Nacht. Und keinen Laut vernimmt dann mehr Dein [Ohr, Es liegt die Welt um Dich in stillem Chor Und schaut zum Kreuz, wo Kraft und Heil, [empor, Doch hinter Dir schließt ewig sich ein Tor. Und die im Leben Dich geliebt, gekannt, Sie streu’n Dir in die Gruft ein Häuflein [Sand, Geh’n ihres Weges, vergessen Dich gar bald Und wie ein Wind ist Dein Name verhallt. Johannes Hawner Des Menschen Los *

Chemiefabrik und Umweltskandal anno 1833 Zur Industriegeschichte Villingens Immer neue Umweltkatastrophen haben die Bürger aufgeschreckt. Umweltskandale machen uns aufmerksam für die Fragestel­ lung, wie gingen die Menschen im Laufe der Geschichte mit ihrer Umwelt um? Die Aus­ einandersetzung mit der chemischen Indu­ strie führt hier zu völlig überraschenden Ergebnissen. Aber was hat das alles mit unse­ rer heimatlichen Umwelt zu tun? Nicht jeder weiß, daß eine der ersten deut­ schen Chemiefabriken im badischen Villin­ gen errichtet wurde, lange bevor die heutigen Industriegiganten der Chemie an Rhein und Neckar aufnahmen. Die ersten industriellen Chemieanlagen versuchten sich mit der fabrikmäßigen Herstellung von Soda aus den Naturprodukten Kochsalz und Schwe­ fel. Diese Sodaherstellung ermöglichte erst die industrielle Herstellung besserer und bil­ ligerer Glasqualitäten sowie die Produktion ausreichender Mengen an Seife und Reini­ gungsmitteln. Weitere Produkte der frühen Chemiebetriebe waren Salzsäure, Schwefel­ säure und Chlorkalk. Salzsäure wurde zur Leimherstellung benötigt, Chlorkalk diente als Bleichmittel für die Textilindustrie, wei­ terhin als Desinfektionsmittel. Modeme Hygiene, die Verwendung von Glas im Hochbau, Möbel-, Papier-und Textilindu­ strie hatten solche Sodafabriken als notwen­ dige Voraussetzung. Am 1. 7.1823 ersuchten der Staatschemi­ ker Salzer aus Villingen und der Apotheker Köhlreuter aus Bretten um Erlaubnis zur Anlage einer Sodafabrik in Villingen. Diese Erlaubnis wurde ihnen am 4. 2.1825 erteilt. Salzer und Köhlreuter erhielten ein „Privi­ leg“ auf 10 Jahre für den „Murg-und Pfinz­ kreis, den Neckar-, Main-und Tauber-Kreis“ erteilt. 1826 begann die Villinger Chemiefabrik mit der Produktion als zweites badisches Unternehmen auf diesem Sektor. Aus einem Vertragsbuch des Amtsgerichts unter dem 22. 2.1828 ergibt sich, daß die bei­ den Unternehmer, Köhlreuter und Salzer, von S. kg!. Hoheit ein „Privilegium exclusi­ vum“ für ganz Baden erhielten, d. h. daß sie zehn Jahre lang ohne lästige Konkurrenz ihre Erzeugnisse unter dem Schutz eines Monopolrechts herstellen konnten. Weitere staatliche Vergünstigungen des neuen Unter­ nehmens waren der verbilligte Bezug von Viehsalz aus der staatlichen Saline Dürrheim sowie Zollvergünstigungen bei der Einfuhr von Rohstoffen und bei der Ausfuhr der her­ gestellten Waren. Der Firmenname des neuen Unternehmens lautete: ,,Großherzog­ lich privilegierte Sodafabrik Köhlreuter und Co.“. Für den Standort Villingen sprach nach einer Darstellung des Jahres 1842: ,,Die vor­ teilhafte Lage hiesiger Stadt, im Zusammen­ stoss frequenter und im besten Zustand befindlicher Strassen nach Württemberg, Baiem, zum Bodensee, der Schweiz und allen Teilen Badens, die nur 1112 Stunden betragende Entfernung der Saline Dürrheim, von welcher das Kochsalz an besagtes Eta­ blissement um 1 fl. per Zentner belassen wird. Die grossen Vorräte an Brennmaterialien, welche die hiesige Umgegend enthält, das Vorhandensein des besten Kalkes und vor­ züglichen Braunstein in der Nähe, verspre­ chen … beachtenswerte Vorteile“ (zitiert nach Josef Honold). Außerdem gab es nur wenig Arbeitsplätze, die Gemeinden und Städte waren damals an jeder Beschäftigungsmög­ lichkeit froh. Zweck der Firmengründung war die „Bereitung von Soda“. Um 1830 wurde dieses Produkt industriell nach dem Leblanc-Ver­ fahren hergestellt. Der Apotheker Köhlreuter brachte ein „arcanium“ (Betriebsgeheimnis) in die Firmengründung ein „für die Zuberei­ tung von Soda mit kohlensaurem Barit.“ Aus einer anderen Quelle geht hervor, daß in Vil­ lingen auch Schwerspat zur Sodaherstellung 67

Benediktinerkirche um 1900, in noch früherer Zeit in unmittelbarer Nachbarschaft der Chemiefabrik 68

verwendet wurde. In einer Bleikammeran­ lage wurde vermutlich aus Schwerspat, Sauerstoff und Wasser Schwefelsäure bzw. „Vitriol“ gewonnen. Bei der folgenden Umsetzung von Kochsalz aus Dürrheim mit dem gewonnenen Vitriol entstand Glauber­ salz. Das Zusammenschmelzen einer Mi­ schung aus Glaubersalz, Kohle und Kalk­ stein ergab dann schließlich das Endprodukt Soda. Bei der Umsetzung von Kochsalz und Schwefelsäure entsteht zwangsläufig Chlor­ wasserstoff bzw. Salzsäuregas. Dieses Gas wurde in den Anfangszeiten der chemischen Industrie einfach an die Umwelt abgegeben, was verheerende Folgen hatte. Später wurde aus einer Verbindung von Salzsäuregas und Wasser Salzsäure hergestellt Notwendige Voraussetzung für die chemische Industrie ist preiswerte Energie, da die meisten chemi­ schen Prozesse nur unter großer Hitzeein­ wirkung möglich sind. Brennmaterial in der Villinger Fabrik war Torf und Holz aus den heimischen Wäldern. „Das Etablissement Sodafabrik, welches im Jahre 1834 (sein) Betriebskapital mit 27 800 Gulden ausweist, ist mit 15 beschäftig­ ten Personen ein ansehnlicher Betrieb in Vil­ lingen und rühmt sich jährlich 10 000 Zent­ ner Soda, 6 000 Zentner Salzsäure und 6 000 Zentner Schwefelsäure zu produzieren. Die Fabrikanlage setzt sich wie folgt zusammen: 1.Gebäude mit zwei großen Bleikammern, sowie Abdampfpfannen 2.Gebäude mit einem Kapellenofen zur Herstellung von Salzsäure 3.Zylindergebäude mit fünf eingebauten Zylindern zur Gewinnung des Glaubersal­ zes und der Salzsäure 4.Bau mit zwei Schmelzöfen, Pferdemühle und Stallungen 5.Ein Magazin, an dessen Ende zwei Zim­ mer 6.Ein weiteres Magazin 7.Einer Mahlmühle mit Wasserkraft mit daneben befindlichem Bau mit einer Einrichtung zur Herstellung des kristalli­ sierten Soda 8.Holz-und Wagenschuppen. Der ganze zu diesen Gebäulichkeiten gehörige Platz einschließlich desjenigen, auf dem die Gebäulichkeiten stehen, größten­ teils Wiesfeld, beträgt ungefähr 5 112 Morgen. Zu diesem Besitztum zählt weiter das von Fabrikangestellten bewohnte, große Keller, Magazine, Stallung, Hofplatz und Garten umfassende Haus, die alte Prälatur in der Stadt, sowie entfernt liegend ein drei Morgen umfassendes Torffeld zum Ausstich“ (zitiert nach Josef Honold). Das Betriebskapital von fast 28 000 Gul­ den erscheint für die damalige Zeit reichlich hoch, wird aber verständlich, wenn man überlegt, daß der Umgang mit gefährlichen Säuren hohe Ansprüche an die Werkstoffe stellte. Das einzige zu dieser Zeit bekannte säurefeste Material war Blei, was die in den O!iellen genannten Bleikammern erklärt. Außerdem benötigte man leistungsfähige, möglichst abgedeckte Öfen (Kapellenöfen), damit die Abgase nicht ungehindert entwei­ chen konnten. Die Arbeit der 15 Chemie­ arbeiter war schwierig und gesundheitsschäd­ lich. Einmal mußte zum Teil bei extremer Hitze gearbeitet werden, zum anderen war man häufig Schwefel-resp. Salzsäuredämp­ fen ausgesetzt. Doch bevor man die oben beschriebenen Fabrikgebäude vor dem Oberen Tor bezog, begann man mit der Sodaherstellung in der alten Prälatur bei der Benediktinerkirche. Das Gebäude war durch die Säkularisation 1806 zusammen mit dem Klostergebäude dem Staat zugefallen. 1826 erwarb die Stadt Villingen das Klostergebäude als Schule, die Prälatur wurde 1826/27 zur Chemiefabrik „umfunktioniert“. Zu ersten Konflikten mit der Bevölkerung kam es, als „die neuen Her­ ren im Benediktiner“ ohne Einwilligung der Nachbarn direkt an der Mauer des Kloster­ flügels einen Schuppen errichteten, der den Eingang für die „Schulknaben“ verdunkelte. Laut einer Bürgerbeschwerde sollte „der löbliche Stadtrat“ dafür sorgen, „daß das von der Fabrik abfließende Wasser gehörig abge­ leitet werde, welches in den Sommermona­ ten nur Koth verursacht, im Winter aber sich 69

– .u.,r ••.• ·MJ· Baurissefi:ir die privilegierte Sodafabrik Villingen. Die Gebäude entstanden zwischen 1827 und 1833 vor dem Oberen Tor. zur Eismasse gerade gegen den Eingang (der Knabenschule) hinbildet.“ Auf den Bürgerprotest vom Oktober 1827 reagiert die Verwaltung der Sodafabrik feind­ selig und drohend. „Wir haben indeß den uns zugesanten Erlaß … an das Carlsruher Comite eingesendet, und wir sind überzeugt, daß diese neue Schwierigkeit, welche uns von Seiten des verehrlichen Stadtraths gemacht wird, mit Befremden wird aufgenommen werden, weil man in Carlsruhe nicht begrei­ fen mag, daß ein Etablißement, wie das uns­ rige, welches schon tausende Gulden hier in Umlauf brachte, und manche arme Leute nützlich beschäftigt und ernährt … bei jeder Gelegenheit ohne Rücksichtnahme besieht.“ Die Argumente gleichen sich heute wie damals. Da die Verwaltung der Sodafabrik eine Verlegung des Unternehmens vor die Stadtmauern zusichert, antwortet die Stadt: 70 „Man wird den Zustand dulden, bis das Gebäude bei der Schnellbleiche bei der Mühle des Joh. Bapt. Mayer beendet ist. Im übrigen verwahre man sich gegen die hämische Sprache und gegen die ausgespro­ chene Drohung.“ Der Schuppen darf stehen bleiben, obwohl der Umzug der Fabrik auf sich warten läßt. Unter dem Datum vom 19. März 1833 erhält das „wohllöbliche Bür­ germeisteramt Villingen “ eine von 47 „ge­ horsamsten “ Bürgern unterzeichnete Be­ schwerde. Diese machen „auf eine drohende Gefahr und schon wirklich bestehendes Ver­ derben aufmerksam und beklagen sich noth­ gedrungen über die zerstöhrende Wirkung der hiesigen Salzsäurefabrik von Herrn Köh­ lenreiter und Compagnie, und legen nachste­ hende Facta, die schon bedeutent unsern Häusern, Gärten, Bienenzucht und im Allge­ meinen der ganzen Stadt beygebracht wurde,

und sehr zu befürchten steht, als Klage­ Gründe ergebenst vor. 1.Ein Wohllöblicher Stadtrath und wir Bürger und Nachbarn wurden dadurch getäuscht, daß Hr. Köhlreiter & Consorten anfänglich vorgab, sie wollen nur Soda aus Schwerspath, in den aufgestellten Oefen pro­ duzieren, das ganz unschädlich zu betrach­ ten sey. Die Folge zeigte aber, daß dieses Eta­ blissement die bekanntlich scharfe Salzsäure in großen Qyalitäten auf eine unbegreiflich freche Art, gegen alle Sanitäts und Polizey Regeln, zwischen unsern Häusern innerhalb der Stadt laborieren ließ. Da doch nirgends in Städten, wohl nicht einmal in deren Nähe, derartige Fabriken geduldet werden. 2.Zeigt die Folge, daß die durch die Salz­ säurefabrikation ätzend scharf geschwän­ gerte Luft, in diesen wenigen Jahren sämt­ liche Gebäude und Gärten der Nachbar­ schaft sichtbarlich zerstörend und in fernerer Nachbarschaft sogar Nachteil bringend so schädlich ist, daß alle Bäume, Zierpflanzen und Gartenvegetation der Nachbarschaft zerstöhrt wurden. 3.So wie die Gartenpflanzen und Blumen durch diesen scharfen Qyalm verkrüppelt und verdorben wurden, so hat auch die sonst nicht unbeträchtliche Bienenzucht sogar in fernerer Nachbarschaft große Einbußen gehabt und aufhören müssen. In der ganzen Stadt gewahren die Bienenhalter das Schäd- Dies ist wohl die einzige im Stadtarchiv Villingen erhaltene Aufnahme der ehemaligen Sodafabrik. Grundstück und Gebäude wurden ab 1860 landwirtschaftlich genutzt.1930 erwarb die Firma Kienzle­ Taxameter die „Sodafabrik’� Auf den Grundmauern der alten Fabrik errichtete Kienzle sein altes Hauptgebäude. 71

liehe und wünschen diese Stickluft aus der ganzen Stadt entfernt. 4. Ist der ätzende, selbst Eisen und Metall angreifende Stick Äther alten lungenschwa­ cher Menschen beschwärlich, wohl gar gefährlich, und die Unterzeichneten können nicht begreiffen, wie doch die Sanitäts-Poli­ zey so etwas für jeden Einwohner lästiges, ungeahndet dulden konnte. 5. Bemerken wir zum größten Erstaunen, daß das Vitriol und Salzsäure Magazin, das doch manchmal mehrere hundert Zentner im Leibe haben wird, sich ebenfalls inner der Stadt sich befindet, was doch bey einer mög­ lichen Feuersbrunst die gräßlichste Ver­ wüstung anrichten könnte, und in diesem schröcklichen Falle eine tödliche Stickluft alles Löschen vergeblich und alles Lebende in der Nachbarschaft tödten und Entferntere von der Hülfe weit zurückhalten würde. Die ganze Stadt wäre in diesem schröcklichen Falle rettungslos ein Opfer des Magazins.“ Der Lehrer U. Kolb fügt der Beschwerde noch hinzu, daß der „Sodarauch“ den Unter­ richt im Knabenschulhaus störe und daß die ,,Vergoldung am Benediktiner Thurme etc. so sehr leiden müße“. Die Beschwerden der Bürger waren sicher­ lich keinesfalls übertrieben. Die Umweltge­ fahren der ersten Chemie-Giftküchen, die nach dem Leblanc-Sodaprozeß produzier­ ten, waren verheerend. ,,Felder und Wälder verdorrten im weiten Umkreis der Fabriken unter der Einwirkung der herabsinkenden Salzsäuredämpfe … Als man Salzsäure in die Flüsse und Bäche ableitete, starben die Fische, wurden u. a. Brückenfundamente und Ufermauerwerk zerstört … oft lagen die Sodafabriken in einer Dunstwolke aus stin­ kenden, gesundheitsschädlichen, tränenrei­ zenden Nebeln“ (Osteroth, Soda, Teer und Schwefelsäure, S. 235). Auf den Villinger Bürgerprotest reagierte die Verwaltung der Sodafabrik am 26. März 1833: ,,Indem die Verwaltung nicht in Abrede stellen kann, daß durch die Salzsäu­ redämpfe besonders die hölzerne Vegetation (Baumlaub, Blüthen) je nach dem Zuge der 72 Luft, in den nächsten Umgebungen gefähr­ det werden konnte; auch Vergoldungen und Eisen leiden darunter, so kann sie doch mit gutem Wissen erklären, daß das hart verpön­ te Fabrikat von den Bittstellern einige Eigen­ schaften angedichtet bekam und Na:nen erhielt, wie Stink-Aether & Sodarauch, die ganz neu in der ehern. Sprache sind. Zur Beruhigung der Bittsteller bemerken wir fer­ ner … , daß … Salzsäure keine Feuersgefahr veranlassen kann. Auch müßten die damit Umgehenden und die zunächst Wohnenden das Nachtheilige auf die Gesundheit merkli­ cher fühlen als die entfernter Wohnenden; bey letzteren haben diese Dämpfe sogar den Vortheil für sich, daß sie die Luft purifizie- ren. “ Der Niedergang der Chemieindustrie in Villingen ist vor allem auf die sich nach der Jahrhundertmitte stark verschlechternden Marktbedingungen zurückzuführen. Ein­ mal setzte sich die Tendenz durch, die umweltverschmutzenden, stinkenden Che­ miefabriken besser außerhalb der menschli­ chen Zivilisation anzusiedeln, sozusagen in unberührter Landschaft zu verstecken. Zum zweiten verschlechterten sich die Marktbe­ dingungen des Standorts Villingen, der erst 1869 ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, zu Gunsten der verkehrsgünstigen Lage am Rhein. Die Pferdefuhrwerke konn­ ten mit der Eisenbahn nicht konkurrieren und verteuerten die Chemieprodukte aus Noch im gleichen Jahr wurde die Soda­ fabrik vor die Stadtmauern verlegt. In der neuen Fabrikanlage konnten dann die schlimmsten Auswüchse offensichtlich da­ durch verhindert werden, daß man das Chlorgas zur Herstellung von Salzsäure und von Chlorkalk verwendete. Bereits 1838 wurde von den Betreibern der Sodafabrik in unmittelbarer Nähe derselben eine Chlor­ kalkfabrik eingerichtet. Aber bereits etwa seit 1840 scheint sich das Geschäft nicht mehr zu lohnen.1841 wird die Chlorkalkfabrik zum Kauf angeboten, ohne Erfolg! 1852 spätestens wird das Villinger Chemieunternehmen stillgelegt.

dem Schwarzwald. Gleiches galt für die Ener­ giebasis Holz gegenüber der sich nun allmäh­ lich durchsetzenden Kohle. Die Transport­ und Energiefrage führte dann zum wirt­ schaftlichen Aus der „Privilegierten Sodafa­ brik“. Trotzdem erscheint es noch im Nach­ hinein erstaunlich, daß hier einer der ersten deutschen Chemiebetriebe produzierte. Dem technischen Fortschritt steht man heute eher distanziert gegenüber. Der Glaube, daß alle unsere Probleme durch Wis­ senschaft und Technik lösbar seien, ist gründlich erschüttert. Die Auseinanderset­ zung mit Industrie- und Technikgeschichte konfrontiert zwangsläufig mit einer Kette von Umweltskandalen, wie Verpestung der Atemluft durch übelriechende Dämpfe und giftige Abgase, bakterielle Verseuchung der Flüsse, Vergiftung der Gewässer und Abhol­ zung der Wälder. Der Umweltskandal, ein notwendiges Übel des industriellen Fort­ schritts? Die Geschichte der Umweltgefährdung ist aber auch eine Geschichte der Diffamierung von Kritikern, wobei „wissenschaftsfeind­ lich“ und „rückschrittlich“ sicher noch die harmlosesten Vorwürfe sind. Kritiker moder­ ner Technik, auch das ist historisch, setzen sich gerne dem Ruf aus, gegen die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu sein. Schon die ersten Fabrikunternehmer hatten die Tendenz, euphorisch der modernen Technik zuge­ wandt, die Gefahren zu verkennen, zu ver­ niedlichen, zu negieren, in geradezu bemer­ kenswerter Einfältigkeit. Es fehlte und fehlt offensichtlich an genügend Intelligenz und Fantasie, sich noch nie erfahrene Katastro­ phen als Konsequenz eines bis dahin noch nie dagewesenen Fortschritts überhaupt vor­ stellen zu können, um ausreichend Vorsorge zu treffen. Annemarie Conradt-Mach Quelle n/Li t e r a tu r Stadtarchiv Vill ingen V.3.4, Sammlung Josef Honol d. Di eter Osteroth, Soda, Teer und Schwe­ felsäure. Der Weg zur Großchemie. Hamburg 1985. ’s Zah‘ reißa ‚.Zorn Dokder Merz uff Vöhrebach, Do kunnt en alde Ma Mit sim blaue Regedach, Hets ’s Zih’weh grusig gha. In sie Schtuehl setzt er in ni Und holt sie Zange her, Dös wurd wohl en böse si, Der Kog sitzt wirkli schwer. Dr Pazient, der arme Tropf, Er loht ganz grusig Blär; Er meint, es koscht ihm jetzt dr Kopf, Drum schnellt ‚r hi und her. Bai isch er ferdig, zwar nit gschwind, Der Ma denkt: ,,Jo, hör uff, Füt dös do kriagt mi Dokder nint, Do goht mer jo fascht druff.“ Er nimmt si Huet uns Regedach, Un goht zur Türa nus, ’s zahle isch ihm Nebesach, Er denkt, dr Zih isch hus. Un dr Dokder er verschrickt, Er rüeft: ,,Ei Freundchen, seid so guet, Kehret doch noch mal zurück, Sie vergaßen ja den Huet!“ Doch dr Ma denkt: ,,Nei, ’s isch guet, Du muesch di Fett au ha; Er rüeft: Ei, zu was brauch i en Huet, Wenn i kei Kopf me ha?“ Bertin Nitz * 73

Persönlichkeiten der Heimat Altland.rat Dr. Robert Lienhart wurde 80 Erinnerungen aus dem einstigen Landkreis Donaueschingen Die Redaktion des Almanach hat den langjähri­ gen journalistischen Begleiter von Herrn Altland­ rat Dr. Robert Lienhart gebeten, aus Anlaß seines runden Geburtstags die Persönlichkeit des Jubilars zu würdigen. Der nachfolgende Beitrag ergänzt das Persönlichkeitsportrait, das Herr Robert Schrempp, Bürgermeister von Donaueschingen zu Zeiten des Wirkens unseres Jubilars, zu dessen 70. Geburtstag veifaßt hat (vgl. Almanach 79, Seite 90-93). Am 26. September 1988 vollendete er sein 80. Lebensjahr: Dr. Robert Lienhart. Vom 20. September 1945 bis 31. Dezember 1972 war er Landrat und Chef des Landkreises Donaueschingen gewesen. Ein Mann der ersten Stunde: im südbadischen Raum der erste von deutscher Seite nach dem Kriege eingesetzte Landrat. Und als er offiziell Ende September 1973 verabschiedet wurde, war er der dienstälteste Landrat im Regierungsbe­ zirk Südbaden. Ein Abschied mit tragischem Hintergrund. Der Landkreis Donaueschin­ gen, flächenmäßig der größte in Südbaden, war mit dem Ende des Jahres 1972 der Kreis­ reform zum Opfer gefallen. Um fast ein Jahr hatte Robert Lienhart die Existenz seines Kreises im Amte noch überlebt- für ihn eine der schmerzlichsten Erfahrungen in seinem Leben. Darüber täuschte auch die Freude am 1. Oktober 1973 nicht hinweg, als Regie­ rungspräsident Dr. Person dem Donau­ eschinger Altlandrat das redlich verdiente Bundesverdienstkreuz I. Klasse überreichte. In Straßburg geboren, absolvierte Lien­ hart seine Studien in Freiburg im Breisgau. Bald nach seinen Examina ging der promo­ vierte Jurist Mitte der dreißiger Jahre in die freie Wirtschaft – mit dem sicheren Gespür für den Ungeist der neuen Machthaber, die 74 1933 die Weimarer Republik abgelöst hatten. Umgeben vom „Fluidum eines Europäers“ – so Robert Schrempp, seinerzeit Donau­ eschinger Bürgermeister – kam Robert Lien­ hart zu einer Zeit auf die Baar, als man noch in der Welt der engen Grenzpfahle lebte und vielfach auch dachte. Alles andere als ein Mann der „Bürokratie“ – vielmehr ein jun­ ger, impulsiver „Grenzland“-Alemanne mit einem sehr offenen Blick für die Menschen beiderseits des Rheins, des Schicksalsstroms zwischen Deutschland und Frankreich. Und er brachte zwei Eigenschaften mit, denen die Menschen auf der Baar zunächst mißtraurisch begegneten: persönliche Lie­ benswürdigkeit und eine Verbindlichkeit, die auch seine Tätigkeit als Verwaltungsmann und als Vorsitzender des Kreistages weitge­ hend prägten. Treffend hat Bürgermeister und Kreisrat Otto Weissenberger aus Bad Dürrheim 1973 von der „liebenswürdigen Noblesse“ gesprochen, als er dem scheiden­ den Landrat die Laudatio hielt. Natürlich gab es in den ersten Jahren des Wiederaufbaues von Verwaltung und Wirt­ schaft auch Enttäuschungen, Mißverständ­ nisse und „abgestoßene Hörner“. Wir den­ ken etwa an den allzufrühen Abbruch der nach der Stunde Null so hoffnungsvoll begonnenen „Ortsbereisungen“. Leider- wir hofften, daß bei längerer Dauer schließlich doch in dem verhältnismäßig spät entstande­ nen Landkreis Donaueschingen jenes starke Kreisbewußtsein geschaffen worden wäre, das Anfang der siebziger Jahre dringend not­ wendig war, als es bei der Kreisreform ums Überleben ging. Das Schicksal der Vertriebenen und der heimatlos Gewordenen lag dem jungen Landrat besonders am Herzen. Verständlich,

hatte er doch nach dem unglücklichen Ersten Weltkrieg mit seinen Eltern selbst das Schicksal des Ausgewiesenen im Elsaß erlebt. So begann Robert Lienhart – gemeinsam mit dem damaligen Kreisgeschäftsführer Karl Kirschvink – bereits 1948 mit dem Aufbau der Wohnungsbaugenossenschaft „Neue Heimat“. Sie hat ungezählten Vertriebenen zu einem Heim, oft mit Garten oder einen kleinen Stück Land, verholfen und ihnen das Gefühl einer neuen Heimat gegeben. Ein Experiment, über das im Jahr der Währungs­ reform und des neuen Geldes mancher Ein­ heimische zunächst „die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat“. Ein Experiment auch im November 1946 die durch die Besatzungsmacht initiierten „Donaueschinger Kulturwochen“ selbst nach heutigen Vorstellungen ein völlig unzeitgemäßes Projekt. Es ging auf den Hun­ gerwinter 1946/4 7 zu. Die Jahresernte in Kar­ toffeln war mager, und die Menschen waren es auch. Noch gab es die Ausgangssperre von Mitternacht bis 6 Uhr in der Frühe. Noch kratzten die „ Trümmerfrauen“ in der Zeppe­ lin-, Herd-, Wasser- und Max-Egon-Straße aus dem Schutt der bombardierten Anwesen Ziegelstein um Ziegelstein für den Wieder­ aufbau ihrer Geschäfte. Denkwürdig für den Verfasser dieser Zeilen, der am 1. November 1946 seine Tätigkeit als Redakteur in Donaueschingen begonnen hatte, Lienharts damaliger Appell an die Bevölkerung wie an die Besatzungsmacht: ,,Geblieben ist uns das Leben, der Wechsel der Jahreszeiten, die Fruchtbarkeit der Felder, unsere Arbeitskraft und der Lebenswille, aber der Katalog unse­ rer Wünsche an die Besatzungsmacht ist nicht klein. Um zu zeigen, was wir leisten können, benötigen wir für die Landwirt­ schaft Produktionsmittel und Verbrauchsgü­ ter – angefangen vom Hufnagel und Eisen für die Sense, den Pflug und die Landma­ schine bis zu Düngemitteln und Saatgut, Textilien und Schuhe für Bauer, Arbeiter, Kind und Mutter, und Fahrzeuge, Bereifung und Treibstoff für den lebenswichtigen Ver­ kehr“. 76 Von Anfang an kamen dem gebürtigen Straßburger seine hervorragenden Sprach­ kenntnisse im Umgang mit der Besatzungs­ macht zugute. Und in Andre Noel, von 1945 bis 1948 Gouverneur in Donaueschingen, fand er einen Weggenossen und einen „Euro­ päer“, der auf gleichem geistigen Boden stand, der „Europa und die Verständigung der beiden Nachbarvölker im Blick“ hatte zu einer Zeit, als der deutsch-französische Freundschaftsvertrag zwischen Adenauer und de Gaulle noch in weiter Feme lag. ,,Es war Herr Noel, der mir trotz der dama­ ligen Sorgen Freude an meinem Beruf und an meiner Arbeit gegeben hat“. So Lienhart über den einstigen Besatzungsoffizier von drüben, dem Ende November 1969 im Do­ naueschinger Schloß Regierungspräsident Person das deutsche Bundesverdienstkreuz 1. Klasse in Würdigung seiner Verdienste über­ reichte. Der Antrag kam von Dr. Lienhart. Hier nur wenige Lienhart‘ sehe Marksteine auf dem weiteren Wege des Kreises Donau­ eschingen: in Donaueschingen der Bau des ,,Rote-Kreuz“-Heimes und des Landratsam­ tes, in der Sparte der Berufsschule die Neu­ bauten von Landwirtschaftsschule, Handels­ lehranstalten und Hauswirtschaftlicher Berufsschule – schließlich als Krönung die Planung des Kreiskrankenhauses, ein Vor­ haben, das erst im neuen größeren Landkreis Schwarzwald-Baar zum Abschluß kam. und Unvergessen bei seinen Mitarbeitern und den Bürgermeistern die meisterhaft organi­ sierten Bürgermeister-Lehrfahrten: zur Welt­ ausstellung in Brüssel, zu den Landgewin­ nungsmaßnahmen gärtnerischen Musterbetrieben in Holland, Informations­ fahrten zur Kenntnis der Landwirtschaftsver­ hältnisse in Südtirol und des Reisanbaues in der oberitalienischen Poebene, schließlich zu politisch und religiös bedeutsamen Zentren, darunter Paris, Verdun, Rom – um nur die wichtigsten zu nennen. Für viele einfache Teilnehmer aus der Baar und dem Bregtal wurden sie zu echten Begegnungen mit der „großen Welt“, mit Menschen jenseits der Grenzpfähle.

Ebenso dankbar gedenken die Jugendlei­ ter im einstigen Landkreis Donaueschingen der vorbildlichen, von Landrat Lienhart stets mit Rat und Tat geförderten Bildungsfahrten des Kreisjugendrings, die sie vor allem in der zweiten Hälfte der fünfziger und der ersten Hälfte der sechziger Jahre erlebten: zum Südwestfunk in Baden-Baden, zu einer mustergültigen Kinderheilstätte am Kaiser­ stuhl, zur Begegnung mit General de Gaulle in Ludwigsburg im September 1962, und Mitte des November im selben Jahr der zwei­ tägige Aufenthalt in Dachau, bei dem im Namen der 40 Jugendleiter aus Donau­ eschingen, Hüfingen, Furtwangen, Vöhren­ bach und Blumberg am Volkstrauertag 1962 Kränze an der Stätte niedergelegt wurden, an der Monsignore Dr. Heinrich Feurstein als Zeuge der Wahrheit in einer irregeleiteten Zeit seine letzten Tage verbrachte. Die Kreisreform, die im Lande Baden­ Württemberg Anfang der siebziger Jahre Wirklichkeit wurde, traf den eingeschwore­ nen Altbadener Robert Lienhart besonders hart. Und keine Frage, der so umgängliche und gesellige Chef des einstigen Kreises Donaueschingen hat sich nach dem Abschied in der Öffentlichkeit rar gemacht. Doch seine engeren Bekannten und Wegge­ nossen wissen um seine enge Verbundenheit mit der Baar und dem Schwarzwald, die ihm durch sein Wirken wie durch seinen Wohn­ sitz in Donaueschingen – ungeachtet seiner Sommeraufenthalte im Süden – zur bleiben­ den Heimat geworden sind. Und auch der Almanach, das Heimatjahrbuch Schwarz­ wald-Baar, hat Anlaß zu Gruß und Dank an den unternehmensfrohen, jung gebliebenen Altlandrat Robert Lienhart, dem man die „Achtzig“ nicht ansieht. Dank vor allem für zwei wertvolle Beiträge („Erinnerungen“ im Almanach 81, S. 209 – 211, und „Andre Noel“ im Almanach 83, S. 218 – 221,) sowie eine Vielzahl von Anregungen, mit denen der langjährige Chef des Landkreises Donau­ eschingen den Themenkreis wie die Gestal­ tung des volkstümlichen Heimatbuches bereichert hat. Dr. Lorenz Honold Thema und Variationen Erinnerungen an Schwester M. Canisia Müller, Kloster St. Ursula in Villingen Ihre Lebensgeschichte war bis ans Ende gefüllt mit Musik. Gott hatte dieses Talent der kleinen „Änne“, wie sie daheim gern genannt wurde, als „Grundakkord“ bei der Geburt am 4. November 1902 in die Wiege gelegt. Diese stand – wohl eher zufällig – in Kenzingen in Breisgau. Ihr Vater, der Bezirksgeometer, Emil Fidelis Müller, wurde als Beamter oft versetzt. So lernten ihre Mut­ ter Rosa, geb. Steiger, und ihre Geschwister – sieben an der Zahl – einen großen Teil der näheren und weiteren südbadischen Heimat kennen. Die Verbindung zum gläubigen Elternhaus und zu ihren älteren Geschwistern prägte den weiteren Lebensweg der jungen Anna, so wurde ihr Name ins Taufbuch ein­ getragen, auch nachdem sie als Schwester M. Canisia am 10. Juni 1925 im Kloster St. Ursula in Villingen eingekleidet wurde. Zeitlebens blieb sie ihrer eigentlichen Heimatstadt Frei­ burg verbunden. Dort hatte sie nach der Grundschule die Höhere Töchterschule St. Ursula besucht. Drei Geschwister folgten ebenfalls der Berufung in den Ordensstand: ihre ältere Schwester Maria, bis heute in Villingen noch als Frau Carola im Kloster St. Ursula bekannt, und die beiden Brüder: Otto, später Pater Ephrem, zuletzt Novizenmeister im Zisterzienserstift Rein bei Graz in Österreich und Carl, der als Benediktinerbruder Conrad fast zeitlebens in den Vereinigten Staaten von Amerika wirkte und starb. In die Jugend­ jahre von Anna Müller fielen die bewegte 77

Zeit des ersten Weltkriegs, der Inflation und politische bzw. weltanschauliche Auseinan­ dersetzungen. Ihr Vater, dessen eher strenge Art die Mutter auszugleichen verstand, war ein engagiertes Mitglied der damaligen christlich-sozialen Bewegung, deren Ein­ flüsse sich vor allem auf die Zentrumspartei auswirkten. Einblicke i�politische Vorgänge, für die sich die junge Anne lebhaft interes­ sierte, entsprechende Gespräche mit ihren älteren Brüdern bildeten schon früh ein waches Interesse für die Zeitgeschichte aus. Dieses Interesse blieb, verstärkt durch die Entwicklungen im Nationalsozialismus und im Dritten Reich, bis ins hohe Alter erhalten: An zeitgeschichtlichen und politischen Fra­ gen nahm Schwester Canisia immer Anteil. Von der Mutter erbte sie nicht nur ihre lie­ benswürdige Natürlichkeit, die sie als Ordensfrau so sehr auszeichnete, sondern auch die tiefe Frömmigkeit, vor allem jenes Gottvertrauen, aus dem Schwester Canisia am Ende ihres Lebens in einzigartiger Weise auch die Beschwernisse ihrer Krankheit mei­ sterte. Unter der Überschrift dieses Beitrags „ Thema und Variationen“ lassen sich die wichtigsten Stationen des Lebens von Schwester Canisia zusammenfassen. Die M u s i k bildete das Grundthema. Schon als Kind galt ihre große Liebe dem Klavierspiel. Aus dieser kindlichen Neigung erwuchs spä­ ter ihre Haupttätigkeit als Lehrerin: Nach dem fünfjährigen Musikstudium in Freiburg und zwei Jahren Ausbildung am Badischen Konservatorium in Karlsruhe, dessen Direk­ tor damals Professor Franz Philipp war, legte sie im November 1928 ihr Staatsexamen als Musiklehrerin ab. Ihre Anstellung erhielt sie in St. Ursula in Villingen, dem heutigen Pro­ gyrnnasium. Im dortigen Kloster hatte sie am 4.Juli 1926 ihre Ordensprofeß abgelegt. Als Musiklehrerin erteilte sie den Schülerinnen Klavierunterricht. Ihr Schülerkreis weitete sich jedoch weit über den Kreis der in- und externen Schülerinnen aus. Schwester Cani­ sia übernahm die Leitung des Schulchores in St. Ursula. Von 1940-1968 versah sie in der 78 Pfarrei St. Fidelis in Villingen den Organi­ stendienst. Zu dieser Aufgabe gehörte auch die Leitung des Knabenchors der Gemeinde. Die Aufgaben dieses Chores waren vielseitig, genauso wie das Repertoire, angefangen vom Gregorianischen Choral bis zu mehrstimmi­ gen Messen. Während der Kriegsjahre sang der Knabenchor fast täglich in wechselnden Gruppen das Choralrequiem für die Gefalle­ nen. Im Lauf des Kirchenjahres übernahmen die Sänger des Knabenchores auch soli­ stische Aufgaben (etwa im Weihnachtsevan­ gelium der Hirtenmesse und im Dreikönigs­ singen innerhalb des Gottesdienstes). Für die hohe Qualität der unter Schwester Canisia erreichten Leistung des Knabenchores spricht auch eine Rundfunkaufnahme im Landesstudio Freiburg des Südwestfunks gemeinsam mit dem Chor der Pestalozzikna­ benschule (unter Leitung des damaligen Rek­ tors Wunderlich). Viele Villinger erinnern sich an diese Jahre: gehörten doch viele Män­ ner, die heute wichtige Positionen einneh­ men, zum damaligen Knabenchor. Aus der Freude an der Musik erklären sich

wohl auch die stete Heiterkeit von Schwe­ ster Canisia, ihre frohe Natur und ihr gesun­ der Optimismus. Oft konnte man von ihr hören: „Ich bin zu allen Späßen aufgelegt.“ Schwester Canisia nahm Anteil an der Villin­ ger Fasnet, begleitete im Kloster manchen „Bänkel-Gesang“, viele Lieder, die ihre Mit­ schwestern selbst gedichtet hatten. Wer Schwester Canisia näher kannte, wußte aber auch um die wahren Qy.ellen ihrer sehr per­ sönlich geprägten Frömmigkeit. Immer neu schöpfte sie aus der Feier der Liturgie und dem persönlichen Gebet Kraft: Sie war eine große Beterin. Mit großem Gottver­ trauen trug sie die Anliegen der Menschen, um deren Sorgen sie wußte, vor Gott. Vielen ehemaligen Schülerinnen blieb sie zeitlebens in menschlicher Verbundenheit nahe. Ein geistig intensiver Austausch brachte nicht wenige Menschen zur Überzeugung, daß sie in Schwester Canisia eine Ratgeberin, ja eine wahre Freundin, für die verschiedensten Lebensbelange gefunden hatten. Ihre geistig-geistliche Heimat war in all den Jahren die Klostergemeinschaft von St. Ursula. Zum harmonischen Gleichklang ihres Lebens gehörte der nimmermüde Ein­ satz in den vielen Verpflichtungen der Kom­ munität. Keine Arbeit war für sie zu gering. Wo sie gebraucht wurde, war sie bereit. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Schul­ dienst war sie überall zu finden: In der Küche, beim Backen, Nähen, Putzen und Saubermachen; allenthalben legte sie Hand an. Um im musikalischen Vergleich zu blei­ ben: Sie spielte an vielen Pulten des einen Orchesters und sorgte so für dessen Wohl­ klang mit. Ihre eigentliche Vollendung fand Schwe­ ster Canisia in den Monaten der schweren Krankheit. An Weihnachten 1986 mußte sie sich einer schweren Operation unterziehen. Schon bald erwuchs ihr die Gewißheit, daß die Krankheit mit dem ärztlichen Eingriff nicht überwunden war. Trotzdem verlor sie nie ihre Geduld. Stets blieb sie zuversichtlich und gelassen. Auch in den Tagen der Krank­ heit sorgte sie sich um ihre Mitschwestern, sie ermutigte und tröstete, wo es not tat. Für sich selbst war sie äußerst selbst-und anspruchs­ los. Wer sie im Sterben begleiten durfte, spürte, wie sie schon ganz auf das große Ziel ausgerichtet war: „Ich freue mich auf den Himmel“, äußerte sie in einem Gespräch. Immer mehr wurde das Bei-Gott-sein-dürfen zur Mitte ihres Denkens. Bewußt, ja sogar „heiter“ ertrug sie die letzten qualvollen Stunden. Nie hörte man sie klagen. Durch ihr unerschütterliches Vertrauen gab sie ihren Mitschwestern und denen, die sie noch besuchen durften, ein Beispiel christlichen Leidens und Sterbens. Sie starb am 30. Okto­ ber 1987. Als die Todesnachricht eintraf, konnte eigentlich keine Trauer aufkommen. Schwe­ ster Canisia’s Sehnsucht war erfüllt. Ihre Mit­ schwestern schrieben in die Todesanzeige: „Wir trauern sehr um sie, aber wir freuen uns für sie.“ In eindrucksvoller Weise zeigte sich beim Begräbnis und der anschlie­ ßenden Eucharistiefeier in St. Ursula die Ver­ bundenheit Schwester Canisia’s mit den Armen Seelen, aus der sie für ihre eigene Frömmigkeit immer wieder Kraft schöpfte: Am Gedenktag Allerseelen wurde sie auf dem Villinger Friedhof beerdigt. So wurde die „Eucharistie“ in der Klosterkirche zur großen „Danksagung“, zum Einstimmen in jenes „neue Lied“, das Schwester Canisia jetzt in der Herrlichkeit des Auferstandenen wohl „rnitmusizieren“ darf. Prof. Dr. Josef Müller grau und braun liegt die Wiese – auf dem Weg zertretene Flecken alten Schnees, im vorjährigen Gras leuchten die kleinen Sonnen des Huflattich, aus verhangenem Himmel klingt Lerchenruf, Koloratur in Frühjahr – Neubeginn. Christiana Steger 79 Spazieren im März *

Prof. Dr. Paul Revellio Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Lehrer am Villinger Gymnasium Professor Paul Revellio wurde am 24. 9. 1886 in Hüfingen geboren. Schon als Zwan­ zigjähriger veröffentlichte er die erste seiner über 125 wissenschaftlichen Arbeiten; sie waren, wie sein ganzes Lebenswerk, unserem Lebensraum Schwarzwald und Baar gewid­ met. Er wurde als 75jähriger mit der Ehrenbür­ gerschaft der Stadt Villingen geehrt. Es war ihm noch vergönnt, seine reich bebilderte Zusammenfassung früherer Arbeiten, näm­ lich die Beiträge zur Geschichte der Stadt Vil­ lingen, 1964 vorlegen zu können, ehe er am 1. 7. 1966 verstarb. Ein erfülltes Leben als Gelehrter und Lehrer war zu Ende gegangen. Ich hatte die Freude und das Glück, Paul Revellio als Lehrer am Gymnasium in Villin­ gen und später als überaus kundigen Berater bei der Anfertigung meiner Dissertation über das Vill�ger Hl.-Geist-Spital zu erleben. Das von der Offentlichkeit weithin unbeachtete 700. Gründungsjahr dieser so bedeutenden Stiftung war Anlaß,mich an die Jahre zu erin­ nern, in denen jede Stunde Freizeit der Beschäftigung mit der Geschichte und der inneren Verfassung des Spitals galt. Anlaß auch, des Mannes zu gedenken, ohne den eine solche Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Wir waren im Jahre 1948 in der Untertertia oder, wie man heute rechnet, in der 8. Klasse, als eines Tages ein schon älterer, untersetzter Mann vor der Klasse stand und in Deutsch und Geschichte unterrichtete. Er verschaffte sich schnell Respekt und unterrichtete so, daß jeder auch für die Zeit nach der Schule etwas mitnehmen konnte. Mit der ihm eige­ nen Kraft und Unnachgiebigkeit des erfahre­ nen Schulmannes machte er uns mit den Bil­ dungsinhalten vertraut, auf die es ihm ankam. Mager war die Ausstattung der Schule mit Unterrichtsmitteln. Das erste, natürlich selbst bezahlte, aus beiden Gründen viel- 80 leicht besonders geschätzte Lesebuch war die Grundlage des Deutschunterrichts. Daraus wurde nicht nur gelesen, sondern es wurde auch auswendig gelernt. Ein Geschichtsbuch gab es mittlerweile auch. Die wichtigsten Geschehnisse und Daten mußten wir uns einprägen. Auch mit der Kunstgeschichte machte Revellio uns vertraut. Dias, Filme und ähnliche Hilfsmittel gab es damals nicht; aber einen „Luckenbach“, der in vielen Fotos die wichtigsten Kunstwerke der Antike zeigte. Natürlich war nicht jeder von uns für so etwas gleichermaßen empfänglich, aber d!!r Begeisterung des Lehrers für diese Kunst­ werke konnte sich keiner entziehen. Die Bau­ geschichte und die Baumeister der mittelal­ terlichen Münster und Kathedralen nahmen einen weiten Raum im Unterricht ein. Wer ein offenes Herz hatte, konnte aus diesen Stunden auch für die Jahre nach der Schule viel mitnehmen. Alt- und mittel-

hochdeutsche Sprachdenkmäler wie das Nibelungenlied wurden eingehend durchge­ nommen. 1952 schied Paul Revellio altershalber aus dem Schuldienst aus. Zwei Jahre später machte ich mein Abitur und studierte anschließend Rechtswissenschaft. Mein besonderes Interesse galt schon bald der Rechtsgeschichte. Der Zufall wollte es, daß ich in den Tagen der Entscheidung über das Thema meiner Doktorarbeit Professor Revellio auf einem seiner langen Spazier­ gänge im Villinger Stadtwald begegnete. Ich weiß noch heute, daß wir auf einer Bank am Waldrand saßen und er mich nach dem Fort­ gang meiner Studien fragte. Ich berichtete ihm von meinen Plänen und meinte neben­ bei, es gebe über Villingen ja wohl nichts zu schreiben. Entrüstet meinte er: „Dummes Zeug!“ (dies war einer seiner Leib- und Magensprüche), und nannte ohne zu zögern eine Reihe von geeigneten Themen. Schließ­ lich stand das Thema fest: Verfassung und Verwaltung des Villinger Hl.-Geist-Spitals. Auf was ich mich da eingelassen hatte, war mir zunächst nicht ganz klar. Um so ein­ drucksvoller war die Hilfe und Unterstüt­ zung von Professor Revellio in den folgen­ den Jahren. Er ließ es nicht nur bei guten Vor­ schlägen bewenden, sondern stand mir auch bei deren Durchführung mit Rat und Tat stets hilfsbereit und unverdrossen zur Seite. Das begann damit, daß er mich in sein „Allerheiligstes“, das Archiv, einführte. Der Urkundenbestand war peinlich genau geord­ net Jede Urkunde steckte in einer Hülle, auf der Prof. Revellio in seiner zierlichen, aber klaren Handschrift den wesentlichen Inhalt der Urkunde vermerkt hatte. Die Hüllen waren wiederum in Kartons und diese in sich nach Sachgebieten geordnet auf langen Regalen aufgereiht. Ich war von dieser pein­ lich genauen Ordnung und von der gut zugänglichen und überschaubaren Zusam­ menstellung der Urkunden beeindruckt. Unter der kundigen Anleitung von Revel­ lio machte ich mich nach und nach mit dem vorhandenen Urkundenbestand vertraut. Am Anfang saß ich oft hilflos vor den Urkunden. Denn man lernt auf der Universi­ tät nicht, jedenfalls nicht als Jurist, wie mit­ telalterliche Urkunden zu lesen sind. Aber ich wurde nicht im Stich gelassen. Monate­ lang saß ich Tag für Tag mit Paul Revellio im Archiv und lernte von ihm, wie man Urkun­ den liest, d. h. wie man sich mit den wech­ selnden Handschriften vertraut macht, welche Abkürzungen gebräuchlich wurden und wie die Urkunden aufgebaut waren. Wichtigere Urkunden haben wir einträchtig nebeneinander sitzend mit dem Finger Wort für Wort und Zeile für Zeile laut vorgelesen, und wenn wir zu verschiedenen Ergebnissen kamen, diese miteinander abgestimmt. Aber auch der Schulmann und Pädagoge kam nicht zu kurz. Ich mußte mir die Ergeb­ nisse wirklich selbst erarbeiten. So konnte Revellio gelassen zusehen, wie ich etwa an der sehr umfänglichen Mahlsordnung des Spitals wochenlang saß, um sie in heutiges Deutsch zu übertragen. Als ich damit endlich fertig war, gab er mir zum Vergleich eine von Roder gefertigte, in seiner typischen, gesto­ chenen Handschrift geschriebene Übertra­ gung eben dieser Urkunde, damit ich meine Ergebnisse mit denjenigen Roders verglei­ chen konnte. Meine Lateinkenntnisse waren bescheiden, und mit dem Latein mittelalter­ licher Urkunden hatte ich erst recht meine Schwierigkeiten. Ich verfiel deshalb auf die Idee, einen Theologen um die Übersetzung bestimmter Urkunden zu bitten. Als ich die Ergebnisse dieser Übersetzungen auswerten wollte, ergaben sich zunächst recht unge­ reimte Auslegungen, die Revellio amüsiert, aber ohne mir das zu zeigen, zur Kenntnis nahm. Er überließ es mir, nach einiger Zeit selbst zu merken, daß die Übersetzung und natürlich auch die so gewonnenen Ergeb­ nisse unbrauchbar waren, und daß ich des­ halb der Mühe nicht enthoben sei, mich mit dem Latein der damaligen Zeit selbst aus­ einanderzusetzen. Natürlich hätte er als überzeugter Altsprachler und geübter Prakti­ ker den wesentlichen Inhalt der Urkunden „aus dem Handgelen_k“ ge!iefert, aber der81

Pädagoge in ihm ließ mich den richtigen Weg allein finden, und ich war nicht etwa böse oder verärgert, denn ich wußte, daß er mir im Grunde wohlwollend zur Seite stand. Ein Wort noch zu den äußeren Verhält­ nissen, in denen gearbeitet werden mußte: Oft genug saßen wir im Mantel und manch­ mal auch mit Handschuhen hinter den Urkunden und arbeiteten. Es brach dann auch manchmal aus ihm heraus: Die Klage über die unhaltbaren Zustände, unter denen er jahrelang arbeiten mußte. Er berichtete mir auch davon, wie er in den Jahren seiner Suspendierung den Urkundenbestand des Archivs, und zwar dessen Kern mit den wert­ vollen älteren Dokumenten, peinlich genau geordnet hatte. Schon seit 1921 hatte er das undankbare Amt des Hüters der Städtischen Sammlungen und des Stadtarchivs inne gehabt. Als die Folgen des Zweiten Weltkrie­ ges und die Jahre des Zusammenbruchs den Bestand der Städtischen Archive und Museen ein weiteres mal in Frage stellten, war er es, der mit wenigen Helfern aus der Stadt­ verwaltung die wertvollen Bestände in nicht weniger als 11 Depots ausgelagert und geret­ tet hatte. Wissenschaftliches Arbeiten mit den Beständen der Villinger Archive war noch bis vor kurzem nur in der Weise möglich, wie Professor Revellio sie mit mir praktiziert hat, Josef Heid ist am 17.11.1882 in Stühlin­ gen/Baden geboren. Sein Vater, ein Grenz­ aufseher, starb, als er 6 Jahre alt war. Am 1. 9.1901 tratJosefHeid in den öffent­ lichen Dienst ein. Am 1.1.1913 erhielt er eine planmäßige Anstellung. 1922 kam er nach Villingen als Revisionsinspektor zum Bezirksamt. Das Bezirksamt entsprach in sei­ ner Funktion ungefähr dem heutigen Land­ ratsamt, war allerdings auf den Amtsbezirk Villingen beschränkt. Bis 1933 arbeitete Heid in derselben Funktion in Villingen. 82 und vor diesem Hintergrund wird offenbar, was Revellio auf sich genommen hatte, als er mir die Bearbeitung eines Villinger Themas vorschlug. Vielleicht wird der eine oder andere fra­ gen, warum ich so wenig von der wissen­ schaftlichen Bedeutung Revellios schreibe, warum nicht über die Vielzahl seiner Arbei­ ten, über die Bedeutung Revellios für unsere Kenntnisse von der Geschichte unseres Lebensraumes. Nun, das haben andere besser getan, als ich es vermöchte. Mir ging es darum, etwas von der Persönlichkeit Revel­ lios als engagiertem Schulmann einerseits und als um die Geschichte unseres Lebens­ raumes hoch verdienten Forschers und Gelehrten wiederzugeben. Die reiche Frucht seiner wissenschaftlichen Ergebnisse kann vor diesem Hintergrund nicht hoch genug bewertet werden. Was Professor Paul Revellio für Villingen geleistet hat, ist nicht wiederholbar. Die Stadt hat etwas von dem ihm geschuldeten Dank dadurch abgetragen, daß sie ihm an seinem 75.Geburtstag die Würde eines Ehrenbür­ gers verlieh und dadurch, daß sie die Heraus­ gabe seiner zusammengefaßten Aufsätze ermöglichte. Aber wie meinte der Geehrte, als man ihm die Ehrenbürgerwürde antrug: „Der Personenkult schießt üppig ins Kraut!“ Dr. Wolfgang Berweck In Villingen war Heid von Anfang an für die Sozialdemokratische Partei am politi­ schen Geschehen beteiligt. Von 1922 an war er Gemeindeverordneter bzw. Stadtverord­ neter; nach der Gemeindewahl 1926 rückte er in den Stadtverordnetenvorstand auf. In der gleichen Zeit war Heid außerdem Mitglied des Kreisrates. Der Kreisrat war für die Amtsbezirke Villingen und Donau­ eschingen zuständig. Im Amtsbezirk Villin­ gen wurden 1926 7 Kreisabgeordnete gewählt. (Zentrum 4 Sitze, Deutsche Demokratische Josef Heid – ein Opfer des Nationalsozialismus

Landtag gewählt. Bis 1933 war er einer der 18 SPD-Landtagsabgeordneten im 88 Mitglie­ der umfassenden badischen Landtag. Er kam sofort in den wichtigen Haushaltsausschuß und wurde Berichterstatter im Untersu­ chungsausschuß des Geschäftsgebarens der Badischen Bauernbank, einem Unteraus­ schuß des Haushaltsausschusses. Im Plenum des Landtags ergriff Heid immer wieder das Wort, als Berichterstatter des Haushaltsaus­ schusses und als Redner seiner Fraktion. In der SPD-Landtagsfraktion war Josef Heid Schriftführer und hatte damit eine der 5 Funktionsstellen. Wie viele andere Sozialdemokraten wurde auch Josef Heid im 3. Reich politisch ver­ folgt. In einer Anweisung der badischen Gau­ leitung vom 10. 3.1933 („dringender Funk­ spruch“) hieß es u. a.: „Führer der S.P.D., für die eine persönliche Gefährdung besteht oder zu befürchten ist, sind in Schutzhaft zu nehmen.“ Die Villinger Ortsgruppe der NSDAP schrieb am 11. 3.1933 an die örtliche Polizei: „Wir bitten folgende Persönlichkeiten sofort in Schutzhaft zu nehmen, da wir für deren persönliche Sicherheit infolge ihres seitherigen Verhaltens unseren Parteigenos­ sen gegenüber, keine Garantie mehr über­ nehmen können: Jos. Heid, M.d.L Revisions­ inspektor, Wilhelm Schifferdecker, Gewerk­ schaftssekr., Schifferdecker jun. Arbeitsamts­ angestellter, Alois Schnee, Agent des“ Volks­ wille“ Färberstr., Ludwig Uebler, Regierungs­ rat beim Arbeitsamt Villingen, Teich, Bezirksmonteur beim Laufenburgerwerk“. Das Schreiben war von den Vertretern der hiesigen NSDAP-Ortsgruppe, der SS-Füh­ rung und der SA-Führung unterzeichnet. In der Nacht vom 16. zum 17. März 1933 wurden L. Übler und W. Schifferdecker in Villingen in ihren Wohnungen und Josef Heid in der Kreispflegeanstalt Geisingen von Villinger SA-und SS-Leuten festgenommen. Auf dem Weg zur Villinger Polizeiwache wurden sie mißhandelt und dann der Polizei zur „Inschutzhaftnahme“ übergeben. Die dabei erlittenen Verletzungen machten bis 83 Josef Heid – Bild des Bad. Generallandesarchivs Karlsruhe. Partei 2 Sitze, SPD 1 Sitz.) Da Heid Spitzen­ kandidat der SPD im Amtsbezirk Villingen war, erhielt er diesen Sitz. Auch bei der Wahl 1930 erhielt Heid den einzigen Sitz der SPD, das l.entrum bekam wieder 4 Sitze, die NSDAP und der Evangelische Volksdienst je 1 Sitz. In der Wahlperiode nach 1930 war Heid Vorsitzender des Ausschusses für die Kreispflegeanstalt Geisingen und Mitglied im Ausschuß für die Landwirtschaftsschulen Donaueschingen und Villingen. Josef Heid war Mitte der zwanziger Jahre außerdem Vorsitzender des Villinger Mieter­ schutzvereins und später Vorsitzender der örtlichen sozialdemokratischen Partei. Auch über Villingen hinaus war Josef Heid politisch tätig. Als die SPD Ende 1927 in Baden einen kommunalpolitischen Aus­ schuß beim Landesvorstand einsetzte, um die Arbeit in den Rathäusern und Gemeinde­ parlamenten zu verbessern, war er einer der 12 Mitglieder. Und bei der Landtagswahl am 27.10.1929 wurde JosefHeid für die SPD im 9. Wahlkreis (Villingen/Wolfach) in den

In Villingen ist ein Platz nach josefHeid benannt. In Bruchsal und in Unteröwisheim ist ebenfalls durch Straßenbennenung die Erinnerung an }. Heid wachgehalten. zum 27. März 1933 einen Krankenhausauf­ enthalt erforderlich. Nach dem Krankenhaus kam Josef Heid ins Villinger Bezirksgefängnis; dort blieb er bis zum 2 9. Mai 19 33. Anschließend wurde er ins Konzentrationslager Heuberg gebracht, wo er bis zum 27. Juni 1933 festgehalten wurde. Im Konzentrationslager Heuberg wurden 1933 viele politische Gegner des National­ sozialismus aus Baden und Württemberg inhaftiert. Ihnen sollte damit vor Augen geführt werden, wie rechtlos sie im NS-Staat waren und mit welcher Brutalität politische Gegnerschaft verfolgt und gebrochen würde. Am 3. Juni 1933 verfügte das badische Innenministerium die Dienstentlassung Heids nach §4 des Gesetzes zur Wiederher- 84 stellung des Berufsbeamtentums. Im KZ Heuberg wurde ihm das am 13. 6.1933 mit­ geteilt. Nach der Rückkehr vom KZ Heuberg mußte sich Heid in Villingen wöchentlich 2 – 3mal bei der Polizei melden. Auf dem Weg dahin mußte er immer wieder Belästi­ gungen ertragen. Am 1. 8.1933 erhielt er

In memoriam Emma Hässler einen Stadtverweis von der Stadt Villingen. Vom 1. 9.1933 an mußte er noch einmal für 1 Monat ins Villinger Gefängnis und am 1.10.1933 zog die Familie Heid dann nach Bruchsal. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hit­ ler vom 20. Juli 1944 wurden in der sog. Ein Leben für den Nächsten Am 29. März 1988 wurde auf dem Villin­ ger Friedhof eine Frau zu Grabe getragen, über deren Leben man als Leitspruch drei Worte setzen könnte: Dienst am Nächsten. Diese drei Worte waren für sie Berufung und Verpflichtung zugleich. Schon im Jahre 1935 trat Emma Hässler dem Deutschen Roten Kreuz bei, und nach Kriegsbeginn war sie der Überzeugung, zur Linderung von Leid und Not mehr tun zu müssen. Sie trat in das Mutterhaus des Deut­ schen Roten Kreuzes in Stuttgart ein, ließ sich in Stuttgart und Berlin zur Kranken­ schwester ausbilden und legte dort 1942 das Staatsexamen ab. Die folgenden Jahre sahen sie im Kriegs­ einsatz und als Operationsschwester in ame­ rikanischer Gefangenschaft. Es paßt in das Lebensbild von Oberschwe­ ster Emma Hässler, daß sie sogleich nach Rückkehr in ihre Heimatstadt auch hier wie­ der sozial tätig wurde. Vor allem die in die Not der Kriegs-und Nachkriegszeit gebore­ nen Kinder waren es, denen sie ihre Zuwen­ dung schenkte. In den Jahren 1946/4 7, als der Hunger in der damaligen französischen Besatzungs­ zone am größten war, leitete sie in Villingen die Schülerspeisung, und anschließend über­ nahm sie nacheinander die Leitung der in der Trägerschaft des Kreisverbandes Villingen des DRK stehenden Kinderheime ,,Geutsche“ in Triberg, ,, Victoria“ in Schön­ wald und schließlich, ab 1955, das DRK­ Heim „ Waldpeter“ in Schönwald. „Gewitteraktion“ vom 22. 8.1944 im ganzen Reichsgebiet die früheren Mandatsträger der politischen Parteien verhaftet und in Kon­ zentrationslager eingewiesen. Heid kam ins KZ Dachau; dort ist er am 21.12.1944 umge­ kommen. Dr. Heinz Lörcher Als dieses Kinderheim im Jahre 1972 geschlossen wurde und Frau Hässler mit 71 Jahren in den Ruhestand trat, war die Zahl der Kinder auf viele Tausende angewachsen, die aus der engeren Heimat und zunächst aus der französischen Besatzungszone, dann aus dem ganzen Bundesgebiet in den von ihr geleiteten Heimen liebevolle Aufnahme, Betreuung und Pflege gefunden hatten. Frau Hässler war ein Leben lang der Idee des Roten Kreuzes verpflichtet, und deshalb 85

Martin Kaiser war es für sie selbstverständlich, auch in der Organisation des Roten Kreuzes tätig zu sein. Sofort nach Rückkehr aus dem Kriegs­ einsatz übernahm sie die Führung der weib­ lichen Bereitschaften im Kreisverband, und in der Position der Kreisbereitschaftsführe­ rin, die sie 2 112 Jahrzehnte innehatte, hat sie Wesentliches zum Neuaufbau des Verban­ des in der Nachkriegszeit beigetragen. Ihre Führungspersönlichkeit hat in dieser Zeit prägend gewirkt. Auch dem Landesausschuß des DRK gehörte sie an, und nach Beendigung ihrer aktiven Dienstzeit hat sie eine Reihe hoch­ verdienter Ehrungen erfahren dürfen: Ernennung zur Ehren-Kreisbereitschaftsfüh­ rerin, Verdienstmedaille des Landes Baden­ Württem berg, Ehrenzeichen des DRK in Sil­ ber, 1986 Ehrung für 50jährige Zugehörigkeit zum DRK Ein erfolgreicher Zimmermann und beliebt in Stadt und Land Persönlichkeiten sind geprägt von ihrer Zeit -oder ist es die Zeit, die den Menschen ihren Stempel aufdrückt? Bei Martin Kaiser ist diese Frage schwer zu beantworten. Er ist zum einen eine Persönlichkeit, die über Jahr­ zehnte hinweg in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens Vorbild und Maßstab war. Er ist zum anderen tief verwurzelt in sei­ ner Vaterstadt Villingen und zählt zu den maßgeblichen Vertretern in der Zeit des Wie­ deraufbaues. Damals krempelten angesichts der Not nach dem verlorenen Krieg Männer wie Mar­ tin Kaiser die Ärmel hoch und wagten voller Optimismus, der getragen war von dem Bewußtsein, Schlimmeres überstanden zu haben, einen Neuanfang, der fast einem Wunder gleichzusetzen ist. Unbemerkt für die Außenstehenden hat Martin Kaiser das siebzigste Lebensjahr längst hinter sich gelassen. Doch an dieses Alter denkt niemand, der mit ihm ins 86 Das Bild von Emma Hässler wäre indes­ sen unvollständig, wenn nicht auch ihre enge Verbindung zu ihrer Heimatstadt und zum Ortsverein Villingen des DRK Erwähnung fände. Die gebürtige Villingerin aus eingesesse­ nem Geschlecht, die so sehr an ihrer Heimat­ stadt hing, fühlte sich stets auch ihrem Orts­ verein Villingen aufs engste verbunden. Es gab kaum eine Veranstaltung beim Vil­ linger Roten Kreuz, bei der sie nicht zugegen gewesen wäre, kein wichtiges Vorkommnis oder Ereignis im Ortsverein, an dem sie nicht bis zuletzt lebhaften Anteil genommen hätte, sie, die „Schwester Emma“, wie sie von allen liebevoll und respektvoll zugleich genannt wurde. Max Müller Gespräch kommt. Seine geradlinige Art des Sprechens verrät die ihm eigene Sicherheit und Lebenserfahrung. Seine Art zu erzählen fesselt, und sein Humor ist erfrischend. Die Geschichte eines Lebens in der Zähringer­ stadt als Bürger und Handwerker, die Martin Kaiser unbefangen zu erzählen weiß, hat viele Kapitel und quillt über von Histörchen und Anekdoten. Aus einem alten Villinger Geschlecht stammt er, der Martin Kaiser. Geboren wurde er im elterlichen Zimmerergeschäft am Romäusring, und im gegenüberliegenden Gymnasium legte er die Mittlere Reife ab. Das Zimmerergeschäft des Vaters -und das wirft ein Licht auf die Lage des Handwerks in jener Zeit -verkraftete nicht das Schulgeld, das damals noch für den Besuch höherer Schulen zu bezahlen war. So mußte der junge Martin zur Axt und zum Hammer grei­ fen, und er erlernte das Zimmermannshand­ werk. Doch Martin Kaiser wollte mehr sein

chen. Martin Kaiser nahm die Herausforde­ rung eines Neubeginns an. Er legte die Mei­ sterprüfung ab, arbeitete im elterlichen Betrieb und übernahm dessen Leitung im Jahre 1953. Tagsüber sah man ihn auf den Baustellen, und abends wartete die Büroar­ beit auf ihn. Mit großem persönlichen Ein­ satz gelang es ihm, das vom Vater Ernst Kai­ ser gegründete Unternehmen auszubauen und über die Zeit zu bringen. Diese Zeit war damals, Anfang der sechziger Jahre, den Zim­ mererleuten nicht wohlgesonnen. Stahl und Beton verdrängten den Baustoff Holz, die Flachdächer erübrigten die Arbeit des Zim­ mermannes, und es begannen für die Zukunft die sieben mageren Jahre, die „holzlose Zeit“. Die Firma Kaiser stellte sich um und mon­ tierte Dachverkleidungen aus Kunststoff und Metall von Kirchen, Schulen und Fabrikgebäuden. Doch die Liebe von Martin Kaiser gehörte nun einmal dem Holz, und so wurde er zum Werber und Mahner, und er wurde gerade in Villingen, der Stadt mit dem großen Waldbesitz, nicht müde, dem Holz das Wort zu reden. Seine frische, humorvolle und doch zielstrebige Kampagne hatte Erfolg, und langsam gelang es, Architekten und Bauherrn zu überzeugen, daß der „Holzweg“ in die Zukunft führt. Für den Zimmererbetrieb war der alte Standort am Romäusring mittlerweile zu klein geworden und darüber hinaus den Stadtplanern im Weg. Martin Kaiser zog aus und baute im Gewerbegebiet Vockenhausen. Modernste Maschinen und viel Platz in der neuen, geräumigen Werkstatt schufen die Möglichkeit, neben der klassischen Zirnme­ rerarbeit auch andere Aufträge, wie den Trep­ penbau und den Innenausbau zu überneh­ men. Manches sanierte Haus in der Villinger Altstadt und auch das Franziskaner-Konzert­ haus tragen die Handschrift des Zimmer­ mannes Martin Kaiser, für den seine Arbeit zugleich Ausdruck seiner Persönlichkeit ist. Noch heute ist er in dem Unternehmen mit seinem Namen beratender Gesellschafter. Doch es gab nicht nur den Handwerksmei­ ster Martin Kaiser, es gab auch den Bürger-87 als nur Geselle, und so besuchte er die Staats­ bauschule in Stuttgart. Der Krieg zwang dem jungen Villinger ein anderes Handwerk auf, doch dabei blieb er dem seinen treu. Als Pionier hatte Martin Kaiser die Aufgabe und Gelegenheit, Verant­ wortung zu tragen. Der junge Offizier, zu dem er befördert wurde, lernte es, Entschei­ dungen zu treffen, und Martin Kaiser traf sie mit gesundem Menschenverstand. Auf dem Rückzug war es ihm noch klarer geworden, daß der Krieg verloren war und es somit wichtiger war, Menschenleben zu retten als Stellungen zu halten. Martin Kaiser ergriff die Initiative. Zusammen mit anderen baute er, inzwischen zum Bataillonskommandeur befördert, Brücken und ermöglichte so Tau­ senden von Soldaten und Zivilisten die Flucht in den Westen, die angesichts der nachrückenden Front vor dem Tod be­ wahrte. Martin Kaiser kehrte, mehrfach verwun­ det, 1946 in seine Heimatstadt zurück. Doch der Krieg und die Verwundung hatten seinen Lebensmut und seine Tatkraft nicht gebro-

sohn, für den die Stadt Villingen mehr war als Wohnort und Standort seines Unterneh­ mens. Er engagierte sich politisch und war, wie konnte es bei seinem Naturell anders sein, bei den Freien Demokraten. Er führte diese Partei, die bis zu fünf Sitze im Gemein­ derat innehatte, sechs Jahre lang als Vorsit­ zender und vertrat die Interessen der Bürger fünfzehn Jahre lang am Ratstisch, davon ein Dutzend Jahre als Fraktionssprecher. Noch eine dritte Rolle füllte dieser tatkräf­ tige Handwerksmeister aus. Seine Berufskol­ legen erkannten früh, daß in Martin Kaiser ein junger Meister heranwuchs, der es ver­ stand, ein einmal gestecktes Ziel im Auge zu behalten und die Dinge ins Lot zu bringen. So wählte ihn die Innung 1961 zu ihrem Obermeister, diese Aufgabe übte er 27 Jahre lang aus. Im Jahre 1964 wurde Martin Kaiser vereidigter Sachverständiger, und 1979 zog Martin Kaiser als Vizepräsident in den Vor­ stand der Handwerkskammer Konstanz ein. Die öffentliche Anerkennung blieb nicht aus. Nach der Silbernen Ehrennadel der Ria Walter ist eine echte Schwenningerin. Vater und Mutter stammen aus den in Schwenningen sehr zahlreichen Familien Schlenker. Ria besuchte nach der Grund­ schule die damals in Schwenningen neue Oberrealschule bis zur mittleren Reife im Jahr 1936. Schon in diesen Jugendjahren wurde ihr die soziale Einbindung des Einzel­ nen in die Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft zunehmend wichtig. Deshalb wünschte sie sich einen Beruf im sozialen Bereich, der Umgang mit Menschen bot. Eine Möglichkeit, dieses Ziel ohne fman­ zielle Hilfe der Eltern zu erreichen, sah sie in der Ausbildung zur Führerin innerhalb des Reichsarbeitsdienstes. Nach dem vorge­ schriebenen Haushaltsjahr wurde sie vom RAD wunschgemäß nach Hamburg einbe- 88 Vielfältiger Einsatz für die Mitmenschen Ria Walter Handwerkskammer im Jahre 1982 erhielt er im Jahr 1987 das Bundesverdienstkreuz und die Karl-Leo-Nägele-Medaille, die höchste Auszeichnung der Handwerkskammer. Die jüngste Auszeichnung ist der im Jahre 1988 überreichte Goldene Meisterbrief der Hand­ werkskammer Konstanz. Damit wurde deut­ lich, daß die Öffentlichkeit erkannt hatte, daß der Zimmermeister Martin Kaiser nicht nur Handwerker, sondern auch Mitbürger ist, der stets die richtigen Worte fand, wenn es galt, das Interesse der kleinen Leute, wie er sie nennt, zu vertreten. Hilfreich war ihm dabei die Fähigkeit, anderen zuzuhören und dadurch den Kompromiß zu fmden, der sich letztlich meist als der goldene Mittelweg erwies. Martin Kaiser wäre kein echter Villin­ ger, wenn er die Gelegenheit nicht nutzen würde, im Häs und hinter der Scheme seinen Mitbürgern humorvoll und witzig die Levi­ ten zu lesen. Auch große Vereine wie der „Männerchor“ und der FC 08 Villingen zäh­ len ihn zu ihren Förderern. Klaus Peter Friese rufen und kam dort als Haushalthilfe in sozial schwache kinderreiche Familien. Im Krankenhaus in Schwerin folgte dann die Ausbildung zur Heilgehilfm. Nach dem Lehrgang auf einer Führerinnenschule wurde sie als Maidenführerin auf verschiedenen erzieherisch und sozial ausgerichteten Ge­ bieten eingesetzt. 1939 lernte Ria Schlenker den Landwirt­ schaftslehrer Rupert Riepl aus Österreich kennen. Im Juni 1940 schied sie als Frau Riepl aus dem RAD aus und zog nach Krems in die Wachau, dort wurden während des Krieges ihre zwei Söhne geboren. Kurz vor Kriegs­ ende, im April 1945, fiel ihr Mann. Zu dieser Zeit war sie wegen der heranrückenden Rus­ sen schon evakuiert und machte sich darm mit den Kindern und der Schwiegermutter

gen der Tuberkulose viel Not, Sorge und krankheitsbedingte Hilflosigkeit kennen. Nicht beim Amt wurde Hilfe gesucht son­ dern bei den Menschen, die dort tätig waren. So setzte sie ihre ganze Kraft ein, auch über die Dienstzeit hinaus, obwohl sie Allein­ erzieherin war und daheim noch andere Auf­ gaben auf sie warteten. 1969 wurde sie für ihre 25jährige Tätigkeit im öffentlichen Dienst geehrt. 1970 gab sie ihre Berufsarbeit auf, dachte aber noch nicht an Ruhestand. Jetzt hatte sie Zeit, sich im sozialen und politischen Bereich voll einzusetzen. Bei ver­ schiedenen Einrichtungen war sie in sozialen Fragen theoretisch und praktisch richtungs­ weisend tätig. In der Volkshochschule leitete sie jahrelang den Kurs für Säuglingspflege, wobei ihr die Erfahrungen aus der Mütterbe­ ratung zugute kamen. Im Bereich der Eltern­ schule arbeitete sie am Aufbau des Kursange­ bots mit. Sie stellte den Stoffplan „Erzie­ hungslehre“ zusammen für freiwillige Ar­ beitsgemeinschaften in den Abgangsklassen der Haupt- und Sonderschulen. Dieses An­ gebot läuft heute noch unter dem Titel „Umgang mit Kindern-Babysitterpaß“. Als sie 1979 die Leitung dieser Kurse abgab, über­ nahm sie noch die Einweisung und Beratung der neuen Kursleiter und Mitarbeiter. Für Pflegeeltern richtete sie in Villingen-Schwen­ ningen ein monatliches Treffen ein, um ihnen eine Anlaufstelle für ihre speziellen Probleme zu bieten. Diesen Arbeitskreis baute sie 1974 auf und leitete ihn bis 1987. Im Jahr 1967 heiratete Frau Riepl den pen­ sionierten Oberstudiendirektor Hermann Walter. Er war für sie kein Fremder, denn 1932/33 gehörte er zum Lehrerkollegium der Schwenninger Oberrealschule. Als Pensionär unterrichtete er auch jetzt noch einige Jahre am Gymnasium am Deutenberg. Besonders bekannt wurde er durch seine Fahrten und Führungen bei der Volkshochschule. Seiner Frau war er bis zu seinem Tod 1986 eng ver­ bunden. Er brachte großes Verständnis für ihre ehrenamtliche Tätigkeit auf und war ihr eine Stütze besonders in ihrer Arbeit für die offene Jugendhilfe. 89 auf den langen Weg nach Schwenningen. Der Anfang dort war für sie außerordentlich schwer. Der Platz im Elternhaus war knapp, die Enge belastend, der Hunger groß. Wie sollte es weitergehen? Zum Glück wurden durch die Sorgen um das „tägliche Brot“ die vorherigen schweren Erlebnisse etwas ver­ drängt. 1947 suchte man beim Gesundheitsamt Schwenningen eine Aushilfskraft. Man fragte Ria Riepl, ob sie diese Arbeit überneh­ men wolle, und sie sagte zu, allerdings in der Annahme, daß es keine Dauerstellung sein werde. Erfreulicherweise wurde ihre Vorbil­ dung als Heilgehilfin soweit anerkannt, daß sie nach sechs Monaten eine feste Anstellung erhielt. Ihr Sorgenberg wurde dadurch klei­ ner. Die Aufgaben in der Vor- und Fürsorge kamen ihren Neigungen und Interessen ent­ gegen. Mit Hilfe des Arztes und durch Selbst­ studium erwarb sie die ihr noch fehlenden Kenntnisse. Das Regierungspräsidium Tü­ bingen honorierte später diese Anstrengung und stellte Frau Ria Riepl auf Grund ihrer Leistung den staatlich geprüften Gesund­ heitspflegerinnen gleich. Gerade in der Nachkriegszeit lernte sie durch das Anstei-

Die meiste Zeit und Kraft von Frau Walter nahm und nimmt ihre Tätigkeit im Deut­ schen Kinderschutzbund in Anspruch. 1972 finden wir sie bei den Gründungsmitgliedern des Ortsverbandes Villingen-Schwenningen. Bis 1985 war sie im Vorstand, von 1982 an als 1. Vorsitzende. Seit 1985 ist sie im Beirat. Außerdem hat sie beim Landesverband im Arbeitskreis „Mutter und Kind“ und beim Bundesverband im Ausschuß „Familien­ und Jugendrecht“ je vier Jahre mitgearbeitet. Heute macht sie noch Telefondienst, setzt sich ein bei der Familienbetreuung und beim Projekt Steppach; letzteres ist ein besonderer Schwerpunkt der Kinderschutzbundarbeit in unserer Stadt. Als 1982 das Projekt Steppach an der Raumfrage zu scheitern drohte, setzte sich Frau Walter für diese offene Jugendhilfe ein. Die Bedürfnisfrage war geklärt, die Notwen­ digkeit in diesem kinderreichen Wohngebiet gegeben. Also mußten auch Mittel und Wege gefunden werden, dieses Projekt durch eine feste Trägerschaft und eine entspre­ chende Unterkunft zu sichern. Das „Haus auf Stelzen“ ist heute ein beliebter Treff- punkt für Kinder und Jugendliche im Stepp­ ach. Es ist auch im eigentlichen Sinn ein Ehrenmal für Frau Walter. Durch ihr ganzes Leben zieht sich wie ein roter Faden der Gedanke einer Hilfe zur Selbsthilfe. Öffentliche Anerkennung ihres Engage­ ments wurde ihr vielfach zuteil. Von 1973 bis 1979 war sie für die SPD-Fraktion Mitglied des Kreistages, dort im Kultur- und Sozial­ ausschuß, ebenfalls im Krankenhausaus­ schuß. Seit 1980 ist sie im Jugendwohl­ fahrtsausschuß des Kreises. Jeweils zwei Wahlperioden war sie Jugendschöffin und ehrenamtliche Richterin am Verwaltungs­ gericht. Als sie 1987 das Bundesverdienst­ kreuz erhielt, freute sie sich, daß dadurch ihre ehrenamtliche Tätigkeit, besonders der Ein­ satz im Kinderschutzbund, hervorgehoben wurde und Anerkennung fand. Man nimmt es Frau Walter ohne weiteres ab, daß die Wurzel ihres Strebens und Wir­ kens nicht im Wunsch nach öffentlicher Anerkennung zu suchen ist, sondern in dem Willen, ihr stark ausgeprägtes soziales Emp­ finden einzusetzen, um allen Menschen in Not, besonders aber den Kindern, zu helfen. Dr. Martha Frommer Max Stegmann Erinnerungen an einen erfolgreichen Unternehmer mit vorbildlicher sozialer Einstellung Nur wenige Unternehmen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis haben in den letzten Jahren so viel Prosperität und so viel Erfolg auf einem hart umkämpften nationalen und in­ ternationalen Markt verbuchen können wie die Donaueschinger Max-Stegrnann­ GmbH. Doch Ende April 1987 galt es zu trauern: im Alter von 75 Jahren war der Fir­ menchef Max Stegmann verstorben, der Gründer des Unternehmens und fast bis zuletzt auch sein unermüdlicher Motor. Aus ganz kleinen Verhältnissen hatte er als Hand­ werksmeister ein Werk geschaffen, das heute fast 500 Arbeitsplätze bietet. Die öffentliche Trauer um diesen Mann bezeichnete denn auch die ungewöhnliche Wertschätzung, die Max Stegmann über seine Familie und sein Unternehmen hinaus genossen hatte. Auch sein Lebensweg war kein gewöhnli­ cher gewesen. Der gelernte Uhrmachermei­ ster hatte sich als schon 44jähriger 1956 vom Betriebsleiter eines Spezialunternehmens in Schwenningen zum selbständigen Unter­ nehmer gemacht, der Kleinmotoren her­ stellte und schon vier Jahre später den Mut besaß, den Hauptsitz seines Werkes nach Donaueschingen zu verlegen. Im Industrie­ und Gewerbegebiet an der Dürrheimer Straße vollzog sich dann in nur einem Vier­ teljahrhundert der rasche Aufstieg des 90

feinmechanische Winkelcodierer und Geräte für die vielfältigsten Anwendungsge­ biete an. Immer wichtiger werden auch für dieses Unternehmen Beratung und Service und nicht zuletzt die Bereitschaft, rasch Klein- und Großserien für bestimmte Anwendungserfordernisse der Kunden ins Produktionsprogramm nehmen zu können. Zu verdanken hat das Donaueschinger Unternehmen seinen wirtschaftlichen Erfolg aber auch einer ausgeprägten Qialitätssiche­ rung sowie der Entwicklung fast aller für das hochwertige Präzisionsendprodukt erforder­ lichen Teile im eigenen Konstruktionsbüro. Doch für Max Stegmann ist sein wirt­ schaftlicher Erfolg stets nur ein Teil seines Lebens gewesen -er hat eine jährlich satt wachsende Bilanz mit einem stolzen zwei­ stelligen Umsatzplus nicht als alleinigen Daseins-Inhalt mißverstanden. Daß er für seine Arbeitgeber-Position zu kämpfen wußte, war der eine Grundstein zum Wachs­ tum. So drohte der Unternehmer 1984 mit der Verlagerung seiner Produktion ins kostengünstigere Ausland, falls die Gewerk­ schaften die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchsetzen sollten. Doch daneben setzte Stegmann immer auch den sozialen Akzent, der vor allem bei der Verlei­ hung des ihm von Bundespräsident Carstens 1982 verliehenen Bundesverdienstkreuzes gewürdigt wurde. Für den im Donaueschinger Rathaus von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Geehrten stand an erster Stelle, immer wieder Entlaß­ schüler der Donaueschinger Schule für Gei­ stigbehinderte aufzunehmen, ihnen im Rah­ men ihrer Möglichkeiten einen Arbeitsplatz zu bieten und bei ihrer Beschäftigung auch auf den ständigen Kontakt mit ihren Eltern Wert zu legen. Zahlreiche Donaueschinger Vereine wußten, daß sie bei Max Stegmann niemals vergeblich anklopften, und ehrten ihn für seine Förderbereitschaft ebenso wie die Verkehrswacht Donaueschingen/Baar/ Bregtal, deren Vorsitzender Hauptkommis­ sar Franz Gruler den Fabrikanten und Wohl­ täter 1985 zum Ehrenmitglied ernannte und 91 zunächst vor allem feinmechanische und dann zunehmend auch elektronische Geräte herstellenden Werkes, das seine in Schwen­ ningen verbliebene Filiale 1983 schloß, um die Produktion voll in Donaueschingen zu konzentrieren. fähiges Management, verstärkte Ein Bemühungen um den Export in nunmehr mehr als 20 Länder und nicht zuletzt die Stegmann-Präsenz bei allen für den Markt wichtigen Fachmessen wie in Hannover und in München sicherten der Mitte der achtzi­ ger Jahre von der KG in eine GmbH umge­ wandelten Firma stets ein mehrmonatiges Auftragspolster und ließen die Zahl der Arbeitsplätze stetig anwachsen und Max Stegmann in regelmäßiger Folge Werkshalle um Werkshalle einweihen. Neben den jetzt vorhandenen 9.000 Qiadratmetern Produk­ tionsfläche gibt es auf dem Firmenareal wei­ tere Möglichkeiten zur Expansion, mit der die Zahl der Mitarbeiter dann auf deutlich mehr als 500 steigen kann. Unter dem griffigen Werbe-Slogan „Präzi­ sion in Bewegung“ bietet Stegmann heute Kleinmotoren, Getriebe, inkrementale Impulsgeber, Programmschalter, absolute

wird über seinen Tod hinaus bestehen blei­ ben. Sie ist sogar institutionalisiert worden, seit sein Sohn Günther Stegmann, der jetzt an der Spitze des Werkes stehen muß, jene 15.000 Mark in die Max-Stegmann-Stiftung einbrachte, um die seine Familie anstelle von Kranzspenden und finanziellen Trauerbe­ kundungen gebeten hatte. Diese Mittel und ihr jährlicher Zinsertrag sollen nach dem letzten Willen Max Stegmanns der Stiftung und damit dieser Schule die Möglichkeit geben, auch den Behinderten Freizeit-und Urlaubsmöglichkeiten anzubieten und sich sogar um Wohnraum für sie zu kümmern, wenn sie zuhause nicht mehr bleiben kön­ nen -eine beispielhafte Initiative, die auch im Nachhinein noch einmal unterstreicht, für welche Lebenseinstellung der Bundesprä­ sident Max Stegmann das Bundesverdienst­ kreuz verliehen hatte. Gerhard Kiefer Fritz Grießhaber – deren Landesverband ihn bei gleicher Gele­ genheit mit der Ehrennadel in Gold samt Urkunde auszeichnete. Nur wenige Monate war Max Stegmann krank gewesen, als er am 28. April 1987 die Augen für immer schloß und seine Beleg­ schaft in einer Trauerfeier seiner gedachte. Prokurist und Export-ChefHansjürgen Büh­ ler zeichnete im Namen von Geschäftslei­ tung und Betriebsrat ein ebenso präzises wie menschlich treffendes Lebensbild des toten Chefs, den er einen der profiliertesten Arbeit­ geber dieser Region nannte. Fleiß und Ehr­ geiz, Können und ein sicheres Auge für Ent­ wicklungen am Markt, aber auch Beschei­ denheit und Humor und nicht zuletzt ein gutes Herz hätten Max Stegmann den Erfolg und dieses ansehnliche Lebenswerk gesi­ chert. Die Verbundenheit des Unternehmers mit der Schule für Geistigbehinderte indes ein Bad Dürrheirner Urgestein Fritz Grießhaber ist in Bad Dürrheim wie sonst kaum ein anderer fest verwurzelt. Dies rührt daher, daß er aus einem alten Bad Dürr­ heimer Geschlecht entstammt -er ist Nach­ komme des letzten Johanniter-Vogts auf dem Hänslehof -und in vielen Jahren die Geschichte dieser Stadt mitgestaltet hat. Wer sich mit Fritz Grießhaber unterhält, merkt rasch, wie schier unerschöpflich seine Kenntnisse über die Geschichte der Kur-und Bäderstadt sind. Es ist nicht übertrieben, ihn als lebendes Geschichtsbuch über die Stadt Bad Dürrheim zu bezeichnen. Er ist gleich gut bewandert in der Vergangenheit unserer Stadt, der Entwicklung von seinen früheren Adelsgeschlechtern in einer bäuerlichen Umgebung bis zur Kur-und Bäderstadt in der heutigen Gestalt. Dabei hat Fritz Grieß­ haber in seinen aktiven Jahren nicht nur beschaulich Daten und Ereignisse der Ver­ gangenheit gesammelt, sondern ein Stück 92

der Stadtgeschichte durch seine kommunal­ politische Tätigkeit mitgeschrieben. Fritz Grießhaber, der im Jahre 1909 gebo­ ren wurde – sein Vater war in den schweren Jahren der Nachkriegszeit Bürgermeister von Bad Dürrheim – besuchte die Staatliche höhere Fachschule in Schwenningen und begann als Elektromechaniker bei SABA in Villingen seine berufliche Laufbahn. Im Jahre 1928 zwang ihn die schlechte Wirt­ schaftslage zur Auswanderung nach Kanada. Nach seiner Rückkehr wurde er 1933, weil er dem damaligen Regime mißliebig war, mit einer Arbeitssperre belegt. Die SABA-Werke betrauten ihn später wieder mit einer Kon­ trolleurarbeit, bis er 1937 seine Tätigkeit bei der Staatlichen Saline Bad Dürrheim und hier bei der salineneigenen Strom- und Was­ serversorgung aufnahm. Dies war vor allem in den Kriegs- und Nachkriegsjahren eine schwierige Aufgabe, nicht zuletzt durch die vielen Lazaretteinrichtungen, die in dieser Zeit zu betreuen waren. Fritz Grießhaber gründete Anfang des Jahres 1946 zusammen mit anderen Mitstrei­ tern, wie den alten „Salinern“ Karl Weißhaar und Paul Lehner, die Gewerkschaft Bergbau wieder. Er war auch als erster Arbeitnehmer Mitglied des Aufsichtsrates der damaligen Staatssaline. In den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Kriege drängte es Fritz Grießhaber, für seine Mitbürger im kommunalpolitischen Bereich tätig zu werden. Lange Jahre war er Chef der stärksten Fraktion im Gemeinderat, der CDU. Außerdem war er Mitglied des Aufsichtsrates der Kur- und Bäder GmbH, der ersten Einrichtung in der Bundesrepu­ blik, die im Rahmen der bundesdeutschen Heilbäder und Kurorte geschaffen worden ist. Fritz Grießhaber war eine starke Persön­ lichkeit mit klaren politischen Vorstellungen und machbaren kommunalen und kurpoliti­ schen Konzepten. Seine feste politische Ver­ ankerung und sein Realitätssinn machten ihn zu einem Kommunalpolitiker mit Profil, der nicht äußeren Glanz suchte, sondern dem die Sache, die er als richtig erkannt hatte, über alles ging. Achtung und Respekt blieben ihm über die politischen Grenzen hinaus nicht versagt. Auch Ehrungen konnte er in Empfang nehmen, so das Bundesverdienst­ kreuz am Bande, die Stadtmedaille und den großen Wappenschild der Stadt Bad Dürr­ heim. Den Menschen Fritz Grießhaber kann man in froher Runde kennenlernen. Sein tiefgründiger Humor und seine Erzählungen über Bad Dürrheimer Originale verraten ein großes Wissen und verzeihendes Verständ­ nis für die großen und kleinen menschlichen Unzulänglichkeiten. Fritz Grießhaber ist eingebettet in eine Familie mit sechs Kindern, der er als treusor­ gender Familienvater vorsteht im Wissen, daß nur in einer geordneten Familie den Widerwärtigkeiten und Stürmen des Lebens stand gehalten werden kann. Otto Weissenberger Richard Weisser Ein Kaufmann und Unternehmer alter Schule aus St. Georgen Herr Richard Weisser hat 1986 nach 37jähriger Tätigkeit an entscheidender Stelle in der Firma 1. G. Weisser Söhne sein Amt als Geschäftsführer der GmbH-Gesellschaft aus Altersgründen niedergelegt. Im gleichen Jahr konnte der im Jahre 1916 Geborene seinen 70. Geburtstag feiern und auf lange und erfolgreiche Berufsjahre zurückblicken. Mit einer kaufmännischen Lehre in den 30er Jahren bei der Firma Mathias Bäuerle in St. Georgen begann seine kaufmännische Tätigkeit, die durch insgesamt 8 Jahre im Arbeitsdienst und als Soldat im 2. Weltkrieg unterbrochen wurde. Nach dem Kriege und 93

krempelt und am Bildschirm sichtbar gemacht; die Buchführung geschieht durch Eingabe am Bildschirm und das Konto wird bei Bedarf auf dem Bildschirm sichtbar gemacht; und was schließlich die Ohrfeige vom Vorgesetzten anbelangt, würde dies heute nicht mehr so einfach hingenommen werden und möglicherweise sogar die Gerichte beschäftigen. Alle diese Entwicklungen und Verände­ rungen in der Organisation und den Arbeits­ bedingungen hat Herr Richard Weisser in seinen Berufsjahren miterlebt und mitgetra­ gen. Ständige Änderungen und Neuerungen an Gesetzen, Tarifen und Verordnungen mußten verarbeitet werden. Daneben galt es, den konjunkturellen Ein­ flüssen Paroli zu bieten und bei der techni­ schen Entwicklung der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Die stetige Aufwärtsentwicklung unserer Firma, der heutige solide Stand und die ständig verlän­ gerte Blütezeit unserer FRONTOR-Maschi­ nen haben in den Aufbaujahren nach dem Krieg und in den Jahren des Aufschwungs zu Zeiten des sog. Wirtschaftswunders. In diesen so wichtigen Jahren hat Herr Richard Weisser zusammen mit seinem Schwager Gottfried Rettich und Bruder Kurt Weisser die Geschicke der Firma und den Stil des Hauses Weisser entschei­ dend mitgestaltet und mitgeprägt. Beispielhaft für sein Wirken soll nur auf wenige Punkte eingegangen werden: Sein oberstes Gebot galt der Kundenzu­ friedenheit, sei es bei der Erfüllung von Son­ derwünschen, bei Preiszugeständnissen oder bei Terminzusagen, immer war der Kunde „König“. Er konnte aber andererseits auch hartnäckig eine längst überfällige Zahlung des Kunden verfolgen. Sein Hauptaugen­ merk und seine eigentliche Sorge galt aber vor allen Dingen der Anfragetätigkeit und dem Auftragseingang als wichtigste Indikato­ ren für die konjunkturelle Entwicklung. Als 3.Punkt sei die Sorge um die monatliche Auslieferung und das Einplanen der Maschi­ nen zum vom Kunden gewünschten Liefer- ihre Wurzeln einem kurzen Aufenthalt in Reutlingen trat er 1949 in die damals von Herrn Gottfried Rettich über die Kriegswirren und Nach­ kriegsdemontage hinweg geleitete Firma ein und kümmerte sich um die kaufmännischen Belange, zunächst als persönlich haftender Gesellschafter der KG und ab 1967 als Geschäftsführer der GmbH. Herr Richard Weisser hat auf seinem Berufsweg als Kaufmann und Unternehmer alle Entwicklungen und Veränderungen in einem Wirtschaftsbetrieb von der Vorkriegs­ zeit bis zur Gegenwart miterlebt. Vorkriegs­ zeit, das hieß damals noch ein Büro als „Kon­ tor“ mit Stehpulten und Ärmelschonern; die Buchführung wurde noch manuell in rich­ tige „Bücher“ eingetragen; dem Lehrling durfte bei ungebührlichem Verhalten noch eine Ohrfeige verabreicht werden. Heute leben wir im Bürozeitalter der totalen Büro­ kommunikation und Information; mit Hilfe von alles beherrschenden Computern und PC’s wurde die gesamte Organisation umge- 94

Karl Dold- Herr Richard Weisser war mit Leib und termin genannt. Die Umsatzplantafel, bei Seele Kau&nann. Die nicht gerade vom Insidern als „Hochaltar“ bekannt, bereitete Überfluß gekennzeichnete Kindheit, Lehr­ oftmals große Schwierigkeiten. und Kriegsjahre prägten und lehrten ihn, Keine größere Messe in den letzten 25 Jah­ sparsam mit dem Ererbten umzugehen. ren gab es, auf welcher er nicht zusammen Mit dem Ausscheiden von Herrn Richard mit seiner Gattin Magda die Firma vertreten Weisser aus der Geschäftsführung ist der hat. Schließlich war die Feier zum 125jähri­ Übergang von der 4. auf die bereits voll in der gen Jubiläum im Jahre 1981 für ihn ein wichti­ Verantwortung stehende 5. Generation, ger Abschnitt. Die gelungene Veranstaltung welche von seinem Sohn Helmut Weisser gab Gelegenheit, einem interessierten Publi­ und dem Neffen Horst Rettich repräsentiert kum die Geschichte der väterlichen Firma vor Augen zu führen. wird, vollzogen. Herr Richard Weisser darf nach vielen Jahren aufopferungsvoller und Die langjährige Tätigkeit brachte auch einsatzfreudiger Tätigkeit zum Wohle der einige Nebenämter mit sich, so wirkte er u. a. Firma in der Gewißheit sich aus der Firma im Vorstand der Betriebskrankenkasse und zurückziehen, daß auch die jetzt in der Ver­ der Unterstützungskasse sowie etliche Jahre antwortung stehende Generation sich den im Aufsichtsrat der Baugenossenschaft St. bewährten Zielen verpflichtet fühlt, nämlich Georgen mit. Außerdem war er von 1965 bis der Erhaltung der Firma und somit der 1971 im Gemeinderat der Stadt St. Georgen Arbeitsplätze. tätig. Horst Rettich ein Schönwalder Bürger aus echtem Schrot und Korn Die Geschichte einer Gemeinde ist eng mit engagierten Bürgern verbunden, die aus Liebe zu ihrer Heimatgemeinde ihre Lebens­ erfahrung in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Karl Dold gehört zu diesen Men­ schen: er hat nach dem Krieg die Ärmel hochgekrempelt und für eine bessere Zu­ kunft mit angepackt. Karl Dold wurde im Jahre 1911 geboren. Seine Vitalität und Schaffenskraft sind bis heute ungebrochen. Er entstammt einem alten Schönwalder Geschlecht. Nach dem Besuch der Volksschule begann er 1925 bei der Firma Karl und Josef Dold Söhne in Schönwald die Uhrmacherlehre.1938 schloß er mit Barbara die Ehe, aus welcher 2 Kinder hervorgingen. Sein Berufsweg wurde im August 1939 durch die Einberufung zum Wehrdienst unterbrochen. Nach dem Frankreichfeldzug 1940 wurde Karl Dold für die Firma Kienzle- 95

Apparatebau Villingen unabkömmlich gestellt. Im Oktober 1944 wurde Karl Dold erneut zum Wehrclients einberufen und geriet im Dezember 1944 schwerverwundet in französische Gefangenschaft. Ende 1945 kehrte er in seine Heimatgemeinde zurück Nach Wiederherstellung seiner Gesund­ heit nahm er in Oktober 1946 die Arbeit bei seiner früheren Firma wieder auf. Die Firma Dold Söhne wurde 1962 aufgelöst und Karl Dold wechselte zur Uhrenfabrik Wehrle in Schönwald. Elf Jahre leitete er bis zu seiner Pensionierung 1973 die Montageabteilung. Im Schönwalder Gemeinderat, dem Karl Dold 22 Jahre angehörte, war er eine gefragte und geschätzte Persönlichkeit. 1953 kandi­ dierte Dold für die Freien Wähler und wurde mit überzeugender Mehrheit in den Gemeinderat berufen. Nach Gründung der SPD-Ortsgruppe Schönwald im Jahre 1966 wurde er deren Mitglied und vertrat sie im Gemeinderat, davon einige Jahre als Bürger­ meister-Stellvertreter. Hinsichtlich des Fremdenverkehrs sah Dold für Schönwald eine Zukunftsperspek­ tive. Aufgrund der topographischen Lage und der durch die Gemeindeverwaltung ein­ geleiteten Klimagutachten hatte er die berechtigte Hoffnung, daß Schönwald aus der Stagnation herausgeführt werden kann. Karl Dold war ein starker Verfechter für die Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere im Bereich des Heilbäderwesens. Er erkannte rechtzeitig und hielt die Zeit für gekommen, daß Schönwald eine gute Chance hat, als Kurort eine noch größere Rolle zu spielen. In seine Tätigkeit als Gemeinderat fiel auch die Gemeindereform. Trotz seines Weitblickes konnte er sich mit ihr nicht in allen Bereichen anfreunden. Aufgrund der geringen Finanzkraft der Gemeinden in der Raumschaft erkannte Dold, daß die Abwas­ serbeseitigung langfristig nur im Verbund mit der Stadt Triberg und den Gemeinden Schonach und Schönwald gelöst werden kann. Auch befürwortete Dold den Bau einer Umgehungsstraße für Schönwald, um den Ort vom Verkehrslärm freizubekommen. 96 Dies insbesondere im Interesse der hier wei­ lenden Erholungssuchenden. Dold vertrat auch hier die Meinung, daß die Verkehrspro­ bleme nur sinnvoll mit den an Schönwald angrenzenden Gemeinden und Städte gelöst werden können. Aufgrund seiner freiheitlich gesinnten Denkweise ist Karl Dold ein starker Befür­ worter und überzeugter Anhänger der deutsch-französischen Völkerverständigung. Er bejahte die Gemeindepartnerschaft Bourg-Achard/Normandie mit Schönwald und arbeitete über viele Jahre im Partner­ schafts-Komitee mit. In seiner kommunal­ politischen Funktion war Karl Dold ein Kämpfer und setzte sich für seine Mitbürger jederzeit ein. Aufgrund seiner großen Ver­ dienste für das Gemeinwohl wurde Karl Dold im Februar 1975 das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Schönwald verliehen. Im Februar 1979 wurde Dold mit dem Bundes­ verdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Außerdem erhielt er 1985 die Verdienstnadel des Landes Baden-Württemberg für über 20jährige Vorstandstätigkeit im Musikverein Schönwald. Trotz Erreichung der Altersgrenze blieb Karl Dold nicht untätig. Er engagierte sich bei der Kurverwaltung von 1973 bis 1985 als sachkundiger und beliebter Wanderführer für die Kurgäste. Das Bild von Karl Dold wird abgerundet durch seine zahlreichen Ehrenmitgliedschaf­ ten in den Schönwalder Vereinen, wie Musikverein, Turnverein, Skiclub, Fußball­ club und Kleintierzuchtverein, wie seine wei­ tere Mitarbeit in der DLRG, VDI, Schwarz­ waldverein und Narrenzunft. Er selbst war von 1920-1925 Hirtebue und so verfaßte er auch den Prolog zur jährlich erscheinenden Narrenzeitung „Der Hirtebue“ anno 1925. Das Motto von Karl Dold war immer „Wenn man etwas für andere tut, erwächst einem auch etwas für sich selbst.“ Hierdurch hat er sich einen großen Bekannten-und Freundeskreis erworben. Emil Rimmele

Schwester Helena Vetter aus Schonach – ein erfülltes Ordensleben ,,Es kommt nicht darauf an, daß wir auf­ zählen können, was wir geleistet haben und erreicht auf geraden und krummen Wegen. Es kommt nicht darauf an, daß wir erzählen können, was wir erlitten haben und getragen, leichten und schweren Herzens. Aber es kommt darauf an, daß wir sagen können, wem zuliebe wir gelebt haben, und wem zuliebe wir leben wollen.“ Diese Worte der Präambel des Ehrenbürgerbriefes der Gemeinde Schonach für Schwester Helena sind Ausdruck dessen, was das Leben dieser Ordensschwester auszeichnet: ein Leben, erfüllt von einem unerschütterlichen Glau­ ben und getragen von der christlichen Näch­ stenliebe. Schwester Helena Vetter, mit ihrem Mäd­ chennamen Rosa Juliana, wurde am 12. Dezember 1905 in Bleichheim geboren. In ihrem Lebenslauf schreibt sie: ,,Am 3. Juni 1929 trat ich mit 23 Jahren in das Kloster Hegne (Kongregation der barmherzigen Schwestern vom hl. Kreuz) ein. Nach 2 Monaten in Hegne kam ich in den Kinder­ garten nach Kirrlach. Wir hatten damals 150 Kinder in einem großen Raum. Personal: 1 Schwester und ich. Nach einem halben Jahr durfte ich den Krankenkurs in Achern machen. 1931 kam ich für ein halbes Jahr in das Postulat und nachher in das Noviziat. Am 27. September 1932 feierte ich meine Profeß, und am 27. September 1934 legte ich die drei Gelübde (Gehorsam, Keuschheit, Armut) ab. Nach der Profeß wurde ich nach Haslach versetzt, blieb dort sechs Jahre, bis ich die ewigen Gelübde ablegte. Im Jahre 1938 wurde ich nach Schönau im Wiesental versetzt. Nach dreijähriger Tätigkeit kam für mich die dunkle Zeit meines Lebens: Am 13. November 1941 holte mich die geheime Staatspolizei nach Lörrach in das Gefängnis. Nach einem Vierteljahr kam ich dort weg. Durch vier Wochen hindurch wanderte ich in sechs Durchgangsgefängnisse, bis ich in Ravensbrück, dem größten Frauen-KZ von Deutschland, ankam. EinJahrwar ich dort in den verschiedenen Betrieben beschäftigt. Von dort wurde ich als Häftlingspflegerin nach Neu-Rohlau versetzt. Untertags war ich in einer Porzellanfabrik beschäftigt, und am Abend mußte ich den kranken Häftlingen Verbände anlegen. Nach einem Jahr (am 30. 3.1944) wurde ich entlassen. 1949 kam ich nach Vimbuch bei Bühl und war in der Pri­ vatkrankenpflege tätig. Am 25. Oktober 1949 kam ich nach Schonach.“ Was verbirgt sich alles hinter diesen einfa­ chen und bescheidenen Worten ihres Lebenslaufes! Wieviel Freude und Befriedi­ gung eines langen Lebens, Glück und Segen in mühevoller Arbeit, aber auch wieviel Sorge, Kummer, Angst und Not, oftmals fast an Verzweiflung grenzend, was in ihren Wor­ ten kaum Erwähnung findet. Denken wir an die Zeit, die Schwester Helena im KZ ver-97

bringen mußte, in das sie mit der Begrün­ dung eingeliefert wurde, daß sie als Ordens­ schwester einen Krankheitsfall dazu benutzt habe, die Frau eines Frontsoldaten zum Wie­ dereintritt in die katholische Kirche zu beein­ flussen. Erschüttert lesen wir in ihren »Erin­ nerungen an eine schwere und segensreiche Zeit“, die Schwester Helena über ihren Lei­ densweg im KZ 1951 aufgezeichnet hat, deren Veröffentlichung sie aber ablehnt: „Man konnte und konnte nicht fertig werden mit der Tatsache, daß so etwas Grauenvolles an Menschen von Menschen ausgeführt wurde.“ Und einige Seiten weiter schreibt sie: „Der Gefangene weiß schon von sich aus, daß er ein Ausgestoßener der menschlichen Gesellschaft ist. Aber wer wollte ihn dazu zwingen, zu vergessen, daß er auch ein Mensch sei und selbst in der niedrigsten Lage ein Anrecht darauf habe, menschlich behan­ delt zu werden.“ Wenn selbst ihr als Ordens­ schwester schwerste Prüfungen ihres Glau­ bens auferlegt wurden, so daß sie zu der Erkenntnis kam, daß es unter diesen Umständen schwer ist, Feindesliebe zu üben, so stand sie doch fest in ihrem Glauben ver­ wurzelt, denn, „wenn der Mensch von der Gnade Gottes getragen wird“, schreibt Schwester Helena, „geht es gut, Opfer zu bringen, und das Kreuz ist leicht zu tragen.“ Wie aber muß es den Mithäftlingen zu Mute gewesen sein, denen diese Kraft des Glaubens fehlte? Oder wie mußte sich Schwester Helena fühlen, als sie nach ihrer Entlassung aus dem KZ, also in die »Freiheit“, ihrem Bru­ der in der Landwirtschaft helfen mußte, da es ihr untersagt war, Ordenskleider zu tragen und mit dem Mutterhaus in Hegne Kontakt aufzunehmen? im Konzentrationslager, Trotz dieser schwersten Jahre des Auf­ enthaltes trotz allem, was sie erleiden und miterleben mußte, findet die Ordensschwester kein Wort des Hasses, keinen Gedanken an Ver­ geltung für das ihr angetane Unrecht. Man darf, ja, man muß Schwester Helena als tap­ fere und aufrichtige Zeugin ihres Glaubens sehen, wenn sie in einem Gespräch zu mir 98 sagte: „Ich nehme dies alles als von Gott gegeben an, und alles Gute, meine Gesund­ heit, meine Schaffenskraft, die vielen Ehrun­ gen, die mir zuteil wurden, sind wie ein Dank Gottes für das, was mir an Schwerem zuteil wurde.“ Zu Beginn ihres Ordenslebens stand das Wort: „Ich bin bereit“, und Schwester Helena war und ist es, ein langes erfülltes Leben lang. Wir heutigen Menschen, die wir an vielen Äußerlichkeiten hängen und mit dem Wort“ Wohlstand“ auf vertrautem Fuße stehen, wollen kaum verstehen, was es bedeu­ tet, wenn Schwester Helena sagt: »Im Kloster habe ich die Erfüllung meines Lebens gefun­ den. Ich habe es nicht bereut!“ Sie hat auf alles verzichtet, was uns oft so wichtig und notwendig erscheint, sie war frei für den Ruf Gottes und für den Dienst am Mitmenschen. Sie hat uns aufgezeigt, wofür es sich zu leben lohnt und was letztlich im Leben zählt; näm­ lich, daß die Welt ein klein wenig menschli­ cher wird, wo Menschen sich zum Helfen und Dienen zur Verfügung stellen. Schwester Helena ist nicht von der Art, ihr Tun und Wirken im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit dargestellt zu wissen. Sie ist einfach da, wo sie gebraucht wird, und es fehlt etwas, wenn man durch das Dorf geht und die Schwester nicht trifft, die mit ihren heute noch flinken Schritten bei Hitze und Kälte, Regen und Schnee zu ihren Kranken und Alten eilt. Sie tut weitaus mehr als nur ihre vorgeschriebene Krankenpflege, sie bringt ihr Herz mit an das Krankenlager, Worte des Trostes und der Aufmunterung. Sie ist den Einsamen eine Trösterin, den Ster­ benden eine Begleiterin im Gebet. Noch heute, mit über 80 Jahren, erfüllt sie die sich selbst auferlegten Pflichten mit größter Selbstverständlichkeit, als Mitschwester, als Mitarbeiterin in der seit 1980 für die ganze Raumschaft Triberg zuständigen Sozialsta­ tion St. Marien, die in den Räumen der ehe­ maligen und von den Ordensschwestern unterhaltenen Nähschule eingerichtet wurde und in die die Schwesternstation integriert war. Sie hilft in der Kirche, übernimmt den

Dienst der Kommunionhelferin und bringt den Kranken den Leib des Herrn. Das täg­ liche Pensum ihrer Arbeit geht weit über das normale Maß hinaus. Ob sie ihre Arbeit im Dorf verrichtet oder auf abgelegenen Höfen, ihr aufopferungsvolles Wirken hat es ermög­ licht, daß viele alte Menschen ihren sorgen­ freien Lebensabend im Kreis der Familie und somit in harmonischer Umgebung verbrin­ gen können. Weit über die Hälfte ihres dienenden Lebens hat Schwester Helena in Schonach verbracht, 1989 werden es 40 Jahre sein, und sie darf mit Erlaubnis des Mutterhauses mit ihrer Mitschwester Rigmara, nachdem schon zum 15. August 1984 die Schwesternstation aufgelöst werden sollte, so lange in Schonach bleiben, so lange es ihr Gesundheitszustand erlaubt. In dieser Zeit ihres segensreichen Wirkens in diesem Schwarzwalddorf, sie war von 1969 bis 1975 auch Oberin der Schwe­ sternstation, hat sie ungezählte Ehrungen erfahren. Nachdem sie am 27. September 1972 ihr 40jähriges Ordensjubiläum feiern konnte, wurde ihr am 3. Dezember 1972 im Zusammenhang mit ihrem Ordensjubiläum und als Dank für ihr segensreiches Wirken der Golddukaten der Gemeinde überreicht. Anläßlich eines ökumenischen Abends am 27.Oktober 1974 erhielt Schwester Helena aus der Hand des Bürgermeisters den Wap­ penteller der Gemeinde. Wenige Jahre später, am 10. November 1977, zeichnete der Land­ rat des Schwarzwald-Baar-Kreises, Dr. Gut­ knecht, im Auftrag des Bundespräsidenten Bürgermeister von Gütenbach von 1962 bis 1982 Als für Gütenbachs Altbürgermeister Her­ mann Eble 1932 die Pflicht-Schulzeit zu Ende ging, da hätte er gerne noch länger die Schulbank gedrückt, die Matura gemacht. Und ebenso wie die Schule, faszinierte Her­ mann Eble in jungen Jahren die Arbeit mit Pflanzen. Aber die existentielle Not der 30er Schwester Helena mit dem Bundesverdienst­ kreuz am Bande aus für „ viele Jahre Men­ schenliebe und Krankendienst, für eine treue und liebevolle Helferin am Mitmenschen, und dies alles für Gotteslohn“. Am 12. Dezember, dem Tag ihres 75. Geburtstages, wurde ihr die silberne Ehrennadel des Cari­ tasverbandes für treue Dienste im Bereich Krankenpflege verliehen. Am 27. September 1982 konnte Schwester Helena in körperlicher und geistiger Frische ihre Jubelprofeß, das SOjährige Ordensjubi­ läum begehen. Ihre Freude über diesen Fest­ tag brachte sie mit den Worten zum Aus­ druck, daß sie glücklich ist, vor 50 Jahren diese Entscheidung getroffen zu haben, die ihr zwar keine Reichtümer, dafür aber die Erfüllung im Dienst Gottes und am Näch­ sten gebracht habe. Mit die größte Ehrung und Auszeichnung erfuhr die Ordensschwester am 12. Dezem­ ber 1984, als sie an ihrem 79. Geburtstag zur Ehrenbürgerin der Gemeinde Schonach ernannt wurde und im Rahmen eines Alten­ nachmittags aus der Hand des Bürgermei­ sters den Ehrenbürgerbrief entgegennehmen durfte. In seiner Laudatio sagte Bürgermei­ ster Haas, daß eine ganze Gemeinde stolz auf diese Schwester sei, und daß der Name „Schwester Helen“ (so wird sie hier allgemein nur genannt) untrennbar mit Schonach ver­ bunden bleiben wird, da sie sich wie kaum ein anderer vielfältig um die Menschen die­ ses Schwarzwalddorfes verdient gemacht hat. Werner Hamm Jahre ließ keinen Freiraum für derartige Wünsche. Der damals lSjährige, sprich seine Arbeitskraft, wurde auf dem Oberen Fallen­ grundhof gebraucht, wo hartes Tagwerk das Auskommen sichern half. Und auf dem Oberen Fallengrund war Hermann Eble auch aufgewachsen. 99 Hermann Eble

landwirtschaftliche Winterschule mit Erfolg abgeschlossen hatte, eröffnete sich ihm die Möglichkeit, beim Landwirtschaftsamt in Villingen als Sachbearbeiter tätig zu werden. Allerdings: Eine Wohnung am neuen Wir­ kungsort zu finden, war nicht möglich und so galt es, vier Jahre lang Tag für Tag bei Wind und Wetter auf dem Motorrad zwischen Gütenbach und Villingen hin und her zu pendeln. Erst 1950 konnten sich Ebles in der Zähringerstadt seßhaft machen und 1954 vergrößerte sich die Familie, es wurde eine Tochter adoptiert. Die Kontakte zur Heimatgemeinde Gütenbach blieben auch in der Villinger Zeit intensiv. Und da Hermann Eble durch seine Tätigkeit beim Landwirtschaftsamt einen umfassenden Einblick in Aufbau und Funk­ tionsweise eines Verwaltungsapparates bekommen hatte, war dieses Fachwissen, ver­ bunden mit der Liebe zur Heimat, eine gute Voraussetzung, sich im Jahre 1962 um die Stelle des Gütenbacher Bürgermeisters zu bewerben. Hermann Eble kandidierte mit sieben Mitbewerbern und erst der zweite Wahlgang brachte die Entscheidung, er konnte sich gegen den späteren Bürgermei­ ster von Vöhrenbach, Heinrich Wolf, durch­ setzen. Ein Gütenbacher wurde in seiner Hei­ mat Bürgermeister, weil wie Hermann Eble heute sagt, der Lokalpatriot damals in seiner Heimat noch etwas gegolten hat. Die Gemeinde Gütenbach fand in Her­ mann Eble indes einen aktiven Bürgermei­ ster. Und seine Tatkraft stellte er in den 60er Jahren vielfach unter Beweis, bei seiner Arbeit als Bürgermeister in einem Gemein­ wesen, in dem das Gemeindeoberhaupt nicht über einen umfangreichen Verwal­ tungsapparat verfügt, der Freiraum für die wesentlichen Aufgaben läßt. Bürgermeister in der heute kleinsten, selbständigen Gemeinde des Schwarzw;tld-Baar-Kreises zu sein, war und ist eine Lebensaufgabe, die auch das Bemühen um viele Details, um die großen und kleinen Sorgen der Bürger bein­ haltet. Für Hermann Eble stand das ständige Bemühen um das Wohl seiner Heimatge- So begann für Hermann Eble das Berufs­ leben auf dem elterlichen Hof, wo er aller­ dings nur wenige Jahre mithelfen konnte, denn im Dritten Reich stand mit dem Einzug zum Reichsarbeitsdienst ein neuer Lebens­ abschnitt an. Die schrecklichen Wirren des Zweiten Weltkrieges erlebte der junge Gütenbacher bis zur letzten Minute. Mit einem am 15. April 1945 ausgestellten Urlaubsschein machte sich der mittlerweile als Oberfeldwebel dienende Soldat von der Stettiner Haff aus, auf einen gefährlichen Heimweg und das im sprichwörtlich letzten Augenblick. Aber so gelang es, der Kriegsge­ fangenschaft zu entgehen und die Flucht über die Oder glückte, am Schluß einer tage­ langen Irrfahrt stand die unversehrte Heim­ kehr zur Familie, denn Hermann Eble, 1917 geboren, hatte sich 1942 mit Gerda Maier ver­ heiratet und im letzten Kriegsjahr war ein Sohn geboren worden. Im Nachkriegs-Deutschland das Auskom­ men einer Familie sicherzustellen, fiel nicht leicht, man stand wie vor dem Kriege wieder am Anfang. Doch da Hermann Eble noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die 100

meinde stets an oberster Stelle. Er war ein Bürgermeister, der mit Fingerspitzengefühl und mit Bescheidenheit das Tagwerk bewäl­ tigte. Dieser kontinuierliche Einsatz für die Allgemeinheit ist ihm 1982 mit der Aushän­ digung des ihm durch den Herrn Bundesprä­ sidenten verliehenen Bundesverdienstkreu­ zes am Bande durch Landrat Dr. Rainer Gut­ knecht honoriert worden. Eine Auszeich­ nung, der zahlreiche örtliche Ehrungen und der persönliche Dank vieler Bürger vorausge­ gangen sind. So ist Hermann Eble Ehren­ mitglied des Schwarzwaldvereines, der Feuerwehr und nach wie vor im örtlichen Krankenpflegeverein aktives Vorstandsmit­ glied. Als Hermann Eble 1962 als erster haupt­ amtlicher Bürgermeister Gütenbachs an die Arbeit ging, fand er ideale Verhältnisse vor, um die Infrastruktur der kleinen Gemeinde verbessern zu können. Die 60er Jahre, das war die Blütezeit beim größten Arbeitgeber am Ort, der Spielwarenfirma Faller und zusammen mit weiteren Firmen am Ort, wie Hanhart, sorgte der gute Geschäftsgang in der Spielwarenbranche über die Gewerbe­ steuer für ein gefülltes Gemeindesäckel. Vorübergehend wuchs die Gemeinde Jahr für Jahr um stattliche 100 Einwohner im Schnitt, weil es bei Faller immer mehr Arbeitsplätze gab. Als der Einwohnerstand schließlich auf1800 geklettert war, begannen die Planungen für ein neues Schulhaus, weil sich im alten Gebäude SO bis 60 Schüler in einem Raum drängen mußten. 1965 konnte der Schulhausbau mit Sporthalle abgeschlos­ sen werden. Und dann wandte man sich in der Hoffnung auf eine Belebung des Frem­ denverkehrs dem Bau eines Hallenbades zu und begann zugleich auch mit der Erschlie­ ßung von weiterem Baugelände. Doch der Bau des Hallenbades warfbald Probleme auf, 1967 begann eine Finanzkrise, die sich Jahre danach noch vergrößerte, als sich bei Faller der Geschäftsgang zurückentwickelte. So fiel in die insgesamt 20jährige Amtszeit Her­ mann Ebles, er wurde 1970 mit sehr gutem Ergebnis für weitere 12 Jahre im Amt bestä- tigt, nicht nur wirtschaftlicher Aufschwung, sondern es galt auch, zahlreiche Rückschläge zu bewälti�en. Und dennoch �el.111!‘ e� Her­ mann Eble auch in den Krisenjahren, die Geschicke der Gemeinde positiv zu gestal­ ten, das mühsam erarbeitete zu sichern. Die­ ses Bemühen um eine stetige Fortentwick­ lung Gütenbachs half auch wesentlich mit, die Selbständigkeit der Gemeinde zu sichern, als die Gemeindereform zahlreichen Gemeinwesen in der Größe Gütenbachs die Eigenständigkeit nahm. Bürgermeister Hermann Eble, be­ schränkte seinen politischen Wirkungskreis aber nicht nur aufGütenbach.1964 schloß er sich einer parteiunabhängigen Liste für den Kreistag an und als einzigem Unabhängigen gelang es ihm dann 1965, in das Kreisparla­ ment gewählt zu werden. Er wechselte aller­ dings bald darauf zur CDU-Kreistagsfrak­ tion, um innerhalb einer Fraktion mehr Ein­ flußmöglichkeiten zu gewinnen, um Dinge bewegen zu können, die er als einzelner Kreisrat nicht vorantreiben hätte können. Die Gemeinde Gütenbach hat Hermann Eble insgesamt 20 Jahre, bis 1984 im Kreistag vertreten. Als Hermann Eble 1982 in den wohlver­ dienten Ruhestand wechselte, fiel der Abschied nicht leicht, denn er war 20 Jahre lang mit Herz und Seele Bürgermeister gewe­ sen. Hermann Eble genießt auch als Alt-Bür­ germeister in seiner Heimatgemeinde großes Ansehen und darf sich über breite Anerken­ nung seitens der Bürgerschaft freuen. Diese Anerkennung ist der wohl schönste Lohn für das 20jährige Wirken zum Wohl der Gemeinde Gütenbach. Wilfried Dold * 101

Martha Klaus Ein Leben für die Musik ,,Ein Leben für die Musik“ -so über­ schrieb die „Badische Zeitung“ am 1. März 1987 ihren Zweispalter aus Anlaß des 80. Geburtstages, den die Chormeisterin Martha Klaus in Bräunlingen feierte. Doch Notiz genommen von diesem Fest haben nicht nur die Freunde guten Chorgesanges und nicht nur in Bräunlingen -die Glückwünsche gal­ ten einer der verdientesten Dirigentinnen und Musikpädagoginnen des Schwarzwald­ Baar-Kreises, die auch im 82. Lebensjahr noch immer Unterricht erteilt und ihren Ele­ ven die Liebe zur Musik vermittelt. Von ihrem Vater, der Chorleiter und Organist gewesen war, kam Martha Klaus schon früh mit der Musik in Berührung – und sie blieb diesem Metier ein Leben lang treu. Im Kloster St. Ursula in Villingen lernte sie es, die Orgel und das Klavier zu spielen. Eine Privatlehrerin in Schwenningen bildete sie weiter aus und ermöglichte ihr das Diplom als Musiklehrerin am Konservato­ rium in Stuttgart, zu dem sie als eine von nur ganz wenigen Absolventinnen allein auf­ grund ihrer außergewöhnlichen Musikalität ohne die ansonsten erforderliche schulische Vorbildung zugelassen worden war. Schon 1925 übernahm sie in Furtwangen den Dienst der Organistin und half im Obe­ ren Bregtal auch immer noch aus, als sie von 1927 bis 1938 in ihrer Heimatstadt Bräunlin­ gen Organistin geworden war und die Orgel in den Kriegsjahren 1939 bis 1942 auch in der Hüfinger Krankenhauskapelle spielte. 1940 übernahm sie den Dienst der Organistin und der Chorleiterin schließlich auch in Huberts­ hofen und den vor allem winters beschwerli­ chen Weg in die kleine Schwarzwald­ Gemeinde legte sie zuweilen sogar zu Fuß zurück. Als Nachfolger von Lehrer Leib! ließ sich Martha Klaus 1960 auch von Wolterdin­ gen als Organistin und Chorleiterin in die Pflicht nehmen. Für die zwölfJahre von 1969 102 bis 1981 wirkte Frau Klaus schließlich an der Spitze des Bräunlinger „Liederkranz“, in dem sie nicht nur den Männerchor dirigierte, son­ dern auch den erst in ihrer Amtszeit gegrün­ deten Frauen-und auch noch den Kinder­ chor des MGV. Wie viele Mädchen und Jungen Martha Klaus im Fach Musik unterrichtet hat, wie vielen sie die Freude am Musizieren vermit­ telte oder ihnen gar einen Berufsweg zu ermöglichen half, das weiß sie selbst nicht mehr – doch noch immer unterrichtet Martha Klaus, hat einen vollen Terminkalen­ der, auch wenn sie nach und nach alle Chor­ leiter-Engagements aufgegeben hat und auch nicht mehr als Organistin angestellt ist. Doch sie vermittelt den lebhaften Eindruck, als habe sie neben einer robusten Konstitution auch die Musik jung erhalten. Für eine der Musik verschriebene Frau mit so vielen Verdiensten bleiben die Ehrungen nicht aus. Die namhafteste bekam sie, verlie­ hen vom damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, am 8. Januar 1978 aus der

Hand von Landrat Dr. Rainer Gutknecht, mit dem Bundesverdienstkreuz. Der Bräun­ linger „Liederkranz“, dessen Sänger und nicht zuletzt dessen Freunde sie jeweils zur Adventszeit mit einem „Singen bei Kerzen­ schein“ zu beschenken begann, ernannte sie zur Ehrenchormeisterin, als sie im Dezember 1981 diese sehr beliebte vorweihnachtliche Veranstaltung zum letzten Mal dirigierte und man damals von einem „Konzert mit Wehmut“ sprach. Für ihr „Leben für die Kirchenmusik“ sandten ihr der Freiburger Erzbischof Oskar Saier eine Dankesurkunde und der Diöze­ san-Cäcilienverband – die Dachorganisation der Kirchenchöre der Erzdiözese Freiburg – eine Ehrenurkunde für ihr 60jähriges Wirken als Organistin und ihre 45jährige Arbeit an der Spitze mehrerer Kirchenchöre. Mit der Sängernadel in Gold schließlich ist sie vom Bräunlinger Männergesangverein bedacht worden, als dieser sein lOOjähriges Bestehen feierte und aus diesem Anlaß die selten ver­ liehene Zelter-Plakette bekam. Große Worte sind Martha Klaus zeit­ lebens fremd gewesen – sie nahm ihre über­ nommene Pflicht, zu unterrichten, die Orgel zu spielen und zu dirigieren, immer ernst – und machte kein Aufhebens daraus, betrach­ tete alle ihre Engagements, einmal übernom­ men, als Selbstverständlichkeit und nahm die daraus resultierenden Ehrungen eher ein wenig verlegen auf. „Wer der Musik ergeben, gewinnt ein Gut für alle Zeit“, pflegte sie bekennend zu sagen. Und sie fügte ein ande­ res Bekenntnis hinzu, als man ihr in Bräun­ lingen zum 80. Geburtstag gratulierte: „Ich habe mich stets nicht nur der Musik, sondern auch meiner Heimat verpflichtet gefühlt.“ Gerhard Kiefer Martin Buri Der Bürgermeister der Kardinalsgemeinde, der 30 Jahre die Geschichte Riedböhringens prägte, ging in den Ruhestand Als Kardinalsbürgermeister hat ihn der Chef des einstigen Landkreises Donau­ eschingen, Dr. Robert Lienhart, tituliert, und als Bürgermeister der Kardinalsgemeinde auf der Baar wird er in die Annalen des Dorfes Riedböhringen – heute Stadtteil von Blum­ berg – eines Tages wohl eingehen: Martin Buri, der Ende August 1987 in den Ruhe­ stand verabschiedet wurde. Volle drei Jahr­ zehnte, je 15 Jahre als Bürgermeister und als Ortsvorsteher, hat er die Geschicke seines Heimatortes geprägt, eines Dorfes von rund 800 Seelen. Eine Persönlichkeit – so Bürger­ meister Gerber, Blumberg, bei der Ab­ schiedskundgebung in der Riedböhringer Mehrzweckhalle – „die auf allen Gebieten sattelfest“ sich zeigte, „ein edler Streiter für seine Vorstellungen in allen Begegnungen offizieller und privater Art“. Martin Buri kommt aus einfachen Ver­ hältnissen.1919 ist er in Riedböhringen gebo- ren als Sohn des Landwirts und Zimmer­ manns Anton Buri, der 1909 noch maßge­ blich am Erweiterungsbau der barocken Dorfkirche beteiligt war. Der nachmalige Bürgermeister ist im Kreis von fünf Geschwi­ stern – allesamt Jungen – aufgewachsen; zwei davon sind aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr heimgekehrt. Er selbst hatte bei Karl Huber in Donaueschingen das Schlosser­ handwerk erlernt, war 1938/39 für den Arbeitsdienst verpflichtet und wurde im Oktober 1939 zum Dienst bei der Luftwaffe einberufen. 1945 kam er in englische Kriegs­ gefangenschaft und wurde noch im selben Jahr in die Heimat entlassen. Der Ehe mit Lydia, geborene Hölderle – ein Geschlecht, dessen Vorfahren im 19.Jahr­ hundert den unweit Eschach gelegenen „Heiligkreuzhof‘ bewirtschaftet haben – entstammen drei Kinder. Die junge Familie übernahm die väterliche Landwirtschaft. 103

meinde aus der Baar überbrachte. Mit dem Bürgermeister und zwei engeren Verwandten aus Riedböhringen, so entnehmen wir aus der Fotografie im Hause Buri, gehörten Paul Sumser, der Ortsseelsor�cr, und Dr. Erwin Sumser, der Arzt und Heimatfreund aus Hüfingen, der damaligen Delegation an. Unvergeßlich -so Martin Buri -die bei glei­ chem Anlaß vermittelte Audienz bei Papst Johannes XXIII; bei der ein römischer Pater aus dem Jesuitenorden dem Heiligen Vater die Delegation aus Riedböhringen vorstellte. Bei den Besuchen in Riedböhringen haben sich die Einfachheit, die Bescheiden­ heit und menschliche Wärme des Kardinals Bürgermeister Buri besonders nachdrücklich eingeprägt. Alle Vorhaben -so unterstreicht Martin Buri -die ihn, den Kardinal und seine Heimatgemeinde betrafen, wurden kollegial zwischen dem Kardinal, dem Bürgermeister und dem Ortsseelsorger besprochen und geregelt -sei es die Beisetzungsstätte in der Pfarrkirche, die Überfiihrung der Gebeine der Eltern des Kardinals vom dörflichen Friedhof in die Pfarrkirche wie auch die Überlassung der persönlichen Gegenstände aus dem Nachlaß von Kardinal Bea an die Heimatgemeinde: sechs schwere Kisten mit kirchlichen Gewändern, mit kostbaren Geschenken von weltlichen und Kirchenfür­ sten, sowie Großfotos von Begegnungen des Kardinals mit Politikern, Wissenschaftlern, Theologen und Künstlern -Gegenstände, die nach dem Tode Augustin Beas für das geplante Museum in Riedböhringen eintra­ fen; als letzte „Habseligkeiten“ hatte der Kar­ dinal seinen Nachlaß betitelt. Nur gestreift werden können die kommu­ nalen Vorhaben, die Martin Buri in seiner Amtszeit als Bürgermeister und Ortsvorste­ her initiiert und gefördert hat: die Gründung der Aitrach-Wasserversorgung (in Gemein­ schaft mit Hondingen) für sechs Orte der Südbaar, die auf der Südseite des Kirchplatzes erstellte und von Kardinal Bea eingeweihte Kriegergedächtniskapelle, der Bau der Kardi­ nal-Bea-Schule sowie des 1970 der Öffentlich­ keit übergebenen Lehrerwohnhauses. Von 1950 an war Martin Buri zusätzlich wie­ der als Schlosser bei seiner Lehrfirma in Donaueschingen tätig -eine Tätigkeit, die er 1957, als ihn seine Mitbürger zum Bürger­ meister wählten, endgültig aufgab. Fotos von Rom, aus der Vatikanstadt und von Begegnungen mit Kurienkardinal Augu­ stin Bea an den Wänden der „guten Stube“ im Hause „am Bach“, dem Geburtshaus von Martin Buri. Wie von selbst kommt das Gespräch auf den einstigen »Ehrenbürger“, der mit seiner letzten Ruhestätte in der Hei­ matkirche, mit der Kardinal-Bea-Schule, dem Kardinal-Bea-Museum, der Kardinal­ Bea-Straße denkwürdige Stätten und Zeug­ nisse in seinem Geburtsort hinterließ. Drei­ mal, so erfahren wir, weilte Martin Buri in Rom -zuletzt noch im Jahr 1987, zusammen mit seiner Frau; dann anläßlich einer Bürger­ meisterlehrfahrt des Landkreises; schließlich im Dezember 1959, als er die Delegation anführte, die dem neuernannten Kurienkar­ dinal die Glückwünsche der Heimatge- 104

Inzwischen kämpften an der Wende der siebziger Jahre an die 20 kleineren Gemein­ den des Kreises Donaueschingen, unter ihnen auch Riedböhringen, um die Selbstän­ digkeit. Martin Buri, kein Freund der in Stuttgart ausgebrüteten Gemeindereform, erkannte rechtzeitig, daß die Neuerung nicht zu verhindern war. ,,Und wir sind mit dem Anschluß an die Stadt Blumberg“ – so im Gespräch mit dem Besucher – in den vergan­ genen 15 Jahren „gut gefahren“. Die Reform hat ihn den Titel als Bürgermeister, der ihm noch bis 1977 zugestanden hätte, gekostet. Die Stadt Blumberg zeigte sich dafür großzü­ gig beim Bau der Mehrzweckhalle (1973), bei der Einrichtung des Kindergartens, beim Bau des neuen Sportplatzes, bei der Neugestal­ tung des Friedhofes und dem Abschluß der Flurbereinigung, die 1968 geplant, aber erst mit der Verwirklichung der Umgehungs­ straße zum Abschluß kam. Ohne das vorbildliche Engagement von Martin Buri ist auch die Geschichte der Ver­ eine in Riedböhringen in den vergangenen 30 Jahren nicht zu denken. Kaum einmal hat Johann Georg Kieninger – ein markanter Dorfbürgermeister Nahezu neunzigjährig verstarb im April 1985 als ältester männlicher Einwohner von Buchenberg und als Senior der Bürgermei­ ster des Schwarzwald-Baar-Kreises Altbür­ germeister Johann Georg Kieninger von Buchenberg. Er war ein Bürgermeister alten Schlages und eine markante Persönlichkeit. Zuerst von der Besatzungsmacht kommissa­ risch eingesetzt, übernahm er das Amt im Sommer 1945 in einer schweren Zeit. Für die Ablieferung von Kartoffeln, Getreide, Vieh und anderen Lebensgütern an die Militärre­ gierung mußte er geradestehen und diese Forderungen auf die Mitbürger umlegen. Fast ein Vierteljahrhundert lang war er, mehrmals durch das Vertrauen der Bürger bestätigt, von 1945 bis 1969 Bürgermeister er – sei es bei Musikkapelle, Fußballverein, Schützenverein, Männergesangverein – bei der jährlichen Generalversammlung gefehlt. 37 Jahre war er Vorstandsmitglied der Spar­ und Kreditbank Donaueschingen. Er ist Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr, in der er seit der Neugründung bis zum Amts­ antritt als Bürgermeister das Amt des Vize­ kommandanten innehatte. Auf den Ortsvor­ steher Martin Buri geht auch die Initiative der Patenschaft des Ortes Riedböhringen mit der 11. Kompanie des 110. französischen Infanterieregiments in Donaueschingen zurück. „ Wie fühlt man sich nach 30 Jahren im Dienst der Öffentlichkeit als Ruheständler mit 71 noch recht rüstigen Jahren?“ Auf die Frage des Besuchers Martin Buri: ,,Man hat seine Familie, hat Hobbys, Fotografieren, Interesse an der Heimatgeschichte, nicht zuletzt Reisepläne, Vorderer Orient, viel­ leicht Israel oder Ägypten, stehen noch auf der Wunschliste.“ Dr. Lorenz Honold der Gemeinde Buchenberg. Diese Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hat ihm viel abverlangt. Der Umgang mit der ausländischen Besatzungsmacht, die Unter­ bringung vieler Heimatvertriebener und zahllose Mängel in der Versorgung der Bevölkerung waren große Herausforderun­ gen. Es war ein mutiger Entschluß, in dieser Situation das Ehrenamt des Bürgermeisters zu übernehmen und mit der örtlichen kom­ munalen Selbstverwaltung von Grund auf neu zu beginnen. Johann Georg Kieninger tat dies mit der ihm eigenen Willenskraft mit einem sicheren Blick für das Notwendige, aber auch mit Bedacht. Viele Häuser auf der weitverzweigten Gemarkung Buchenberg wurden an die zentrale Wasserversorgung 105

angeschlossen, die Stromversorgungsanla­ gen wurden wesentlich verbessert und erwei­ tert. Mit dem Neubau des Schulhauses stellte man sich den Anforderungen der 60er Jahre, und das ehemalige Schulhaus wurde in der Folge zum heutigen Rathaus umgebaut. In den Neubaugebieten Holzwiese und Breg­ nitz entstanden über 50 Wohnhäuser. Johann Georg Kieninger war ein großer Förderer der Freiwilligen Feuerwehr, des Musikvereins, der ihn mit der Ehrenmit­ gliedschaft auszeichnete, sowie der Land­ wirtschaft, was im Ausbau zahlreicher Gemeindeverbindungsstraßen und Feld­ wege zum Ausdruck kam. Dabei hat er sich zu keiner Zeit auf finanzielle Risiken einge­ lassen. Mit Unterbrechung der Jahre des Dritten Reiches haben er und sein Schwie­ gervater Simon Rapp über ein halbes Jahr­ hundert die Geschicke der Gemeinde Buchenberg geleitet. Als Ortsvorsitzender des Badischen Landwirtschaftlichen Haupt­ verbandes hat er 22 Jahre deren Belange ver­ treten. Johann GeorgK.ieninger starnmteaus Ober­ kimach. Wie sehr er mit seinem Beruf als Bauer und seiner alten Heimat verbunden war, zeigt die Tatsache, daß er den elterlichen Hof im Jahre 1955 erwarb und neben dem Bartleshofin Buchenberg bis 1970 bewirtschaftete. Seine bescheidene, wohlwollende und vertrauenswürdige Art und sein stetes Bemü­ hen zu dienen und zu helfen wird für alle, die ihn kannten, unvergessen bleiben. Johann Haller Ernst Grimm bei Firma Staiger ausgeschieden: Ein Kapitän ging von Bord Eigentlich sind im Schwarzwald ja eher die Landratten beheimatet, doch in diesem Falle sei der häufig bemühte Vergleich nun doch gestattet: Ein Kapitän hat die Brücke verlassen. Als sich Ernst Grimm im März 1988 in der Peterzeller „Krone“ von vielen seiner Mitarbeiter verabschiedet hat und nach exakt 45jähriger Tätigkeit bei dem St. Georgener Uhrenhersteller Gebr. Staiger GmbH ausschied, ist da wirklich ein Mann von Bord gegangen, der über Jahre hinweg den Kurs des Unternehmens maßgeblich gesteuert und die Firma sicher über die Untiefen einer zunehmend schwierigen Branche geleitet hat. Es ging da freilich einer, der die Kapitänsmütze nie demonstrativ getragen hat, sondern als Chef stets Beschei­ denheit ausgestrahlt hat. Entsprechend kurz denn auch sein Kommentar, wenn er nach einer Bilanz seiner 45jährigen Staiger-Lauf­ bahn gefragt wird, die ihn als Angestellten bis an die Spitze des 380 Mitarbeiter großen 106

Unternehmens führte: „Man hat sich halt bemüht“. In der Tat: Viele Worte und großes Aufhebens um die eigenen Leistungen war Ernst Grimms Art nie gewesen. Das Ausscheiden Ernst Grimms im Alter von 61 Jahren, auch aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, markiert in dem 380 Mit­ arbeiter starken Unternehmen gleichzeitig einen Generationswechsel an der Spitze. Martin Staiger, seit sechs Jahren in dem Familienbetrieb tätig und zuletzt bereits ein Jahr lang neben Grimm in der Geschäftsfüh­ rung in der Verantwortung, wird künftig alleiniger geschäftsführender Gesellschafter bei Staiger sein. Martin Staiger machte beim Ausscheiden Grimms deutlich, daß er gerne noch einige Jahre an der Seite von Ernst Grimm gewirkt hätte und auch Gertrud Stai­ ger als Gesellschafterin hat „lange gebettelt“, daß Grimm noch ein paar Jährchen anhänge. Doch letztendlich respektierte die Familie Staiger den Wunsch Grimms nach einem Abschied zu einem Zeitpunkt, da er dem Uhrenunternehmen genau 45 Jahre ange­ hört. Zunächst hat es freilich für den in Peterzell wohnhaften Vate; von vier Kindern (zwölf Enkel inzwischen) einen Unruhestand gege­ ben, denn eines hat der Scheidende im Unternehmen versichert: ,,Meine Tür ist offen und ein Telefon habe ich auch“. Zudem hat er Gertrud Staiger das Verspre­ chen abgegeben, eine Firmenchronik des Unternehmens zu erarbeiten, das schon wechselvolle Zeiten erlebt hat. In die ganz große Verantwortung ist Ernst Grimm, der bereits als 26jähriger Prokura bei den Gehr. Staiger erhielt, unvermittelt genommen worden. Mit dem Tod des lang­ jährigen Firmeninhabers Werner Staiger Ernst Grimm vor für ihn typischem Hintergrund. Im März 1988 ist der lan!}ährige Geschäftsführer der St. Georgener Uhrenfabrik Gebr. Staiger GmbH in den Ruhestand getreten, wo.freilich noch immer ein wenig der“ Unruhestand“ tickt. 107

stand Grimm im Jahre 1977 unvermittelt allein an der Spitze des Unternehmens, an dem er zwar nie als Gesellschafter beteiligt war, mit dem er sich aber dennoch voll als Unternehmer identifiziert hat und dem er mit ungewöhnlichem Einsatz gedient hat. Und mit dem Begriff »Dienen“ kann Grimm als Unternehmer sehr wohl etwas anfangen, er klingt nicht hohl, wenn er ihn verwendet. Wenn Grimm Bilanz zieht über seine Lebensleistung bei Staiger, dann fallen ihm viele markante Daten ein: Der enorme tech­ nische Wandel, die Revolution der Qiartz­ uhr, der ebenfalls grundlegende Schritt vom Metall zum Kunststoff bei der Uhrenpro­ duktion. Staiger sei stets an der Spitze des technologischen Fortschritts marschiert und er nennt Reinhard Jäckle, den technischen Pionier des Unternehmens. Heute, das bedauert Grimm im Grunde, sei die tech­ nische Entwicklung Uhr weitgehend aus­ gereizt. Heute entscheide vornehmlich Design und der Preis. Martin Staiger sieht denn auch als eine vorrangige Aufgabe in der Zukunft das Nutzen der technologischen Fertigkeiten bei Staiger für neue Produkte. Mit der Dünn­ schicht-Technik ist ein Anfang gemacht und der junge Unternehmer sieht weitere Per­ spektiven. Die Führungsleute bei Staiger will er stärker in die Verantwortung einbinden und ihm ist nicht bange vor den Erfordernis­ sen der Zukunft, denn, so Martin Staigers Bewertung zu Ernst Grimms Abschied: „Das Haus ist gut bestellt“. Erich Möck Original-Radierung von Hans-Georg Müller-Hanssen über ein Alt-Schwenningrr Motiv 108

Archäologie Die Entenburg bei Überauchen Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 109

Die Entenburg bei Überauchen Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 110

Die Entenburg bei Überauchen Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. Neues über die Ausgrabungen in Niedereschach­ Fischbach Es soll ein kleiner „archäologischer Park“ entstehen Der Bericht, der im Almanach 1987 (Seite 105-108) gegeben wurde, konnte noch nicht vollständig sein, da die Ergebnisse der Kera­ mik- und Metallbestimmung noch nicht vorlagen. Neben einigen unerwarteten Erkenntnissen ergaben sich durch die kurz­ fristig möglich gewordene Restaurierung des Hauptgebäudes und die geplante neue Aus­ grabung des Bades mit anschließender Restaurierung neue Perspektiven. Im Endzu­ stand soll die Gesamtanlage einen kleinen „archäologischen Park“ darstellen. Zunächst zur Auswertung der Funde der Ausgrabung von 1985, für die sich dankens­ werterweise Frau Dr. Kuntze aus München bereit erklärte. Nach Ausweis der Scherben, belegt durch ein Wandstück einer Schüssel Drag. 29, Süd­ gallisch, entstand ein erster Bau, wahrschein­ lich der Kernbau, im letzten Viertel des l. Jhdt. n. Chr. So kurz nach der Eroberung des Gebietes ist dafür allerdings eher ein militä- Schematischer Aufbau der Restaurierung (Schnittbild) A Originale Rollierung B Betonplatte C Innenfläche Kernbau D Mauer Kernbau mit Füllung E Rasenfläche Außengebäude F Fundamentdarstellung Außenmauern G Ligusterhecke 111

Abb. 1-4 Verschiedene Terra-Sigillata-Scherben mit ornamentaler oder figü.rlicher Verzierung Abb. 5 Terra-Sigillata-Schale 112

risch-strategischer Zweck zu vermuten als eine Zivilsiedlung, wobei aufgrund des Fund­ spektrums für die weitere Entwicklung eine Umwandlung zu einer Landvilla angenom­ men werden darf. Dafür spricht auch die schrittweise Erweiterung des Hauptgebäudes sowie die nach Süden ausgerichtete Symme­ trie der Gesamtanlage (siehe Almanach 1987, Seite 105). Wenn auch die spätesten Scher­ ben, in der Art des Comitialis IV, schon im 1. Viertel des 3. Jhdt. liegen, sagen sie nicht unbedingt etwas über die Zeit des Nieder­ gangs der Siedlung aus, da ja die oberen Schichten des Fundhorizonts vollständig verschwunden waren und der vorgefundene Zustand erheblich unter dem damaligen Gehniveau lag. Erwartungsgemäß fiel die Masse der Scherben auf das gewöhnliche Gebrauchsgeschirr wie Töpfe, Teller, Schüsseln aus hartgebranntem grauen oder schwarzen Ton ohne besondere Verzierun­ gen. Ein gewisser Wohlstand, der sich schon durch die Ausstattung des Hauses mit Bodenplatten aus importiertem Kalkstein, Hypokaustheizung und Bemalung andeu­ tete, wird belegt durch eine große Anzahl anspruchsvoller Terra-Sigillata, die zum Teil aus Südfrankreich eingeführt worden war. Auch die Ausstattung des Hauses mit Zierge­ genständen aus Bronce und die Verwendung von Glasscheiben spricht für ein Landhaus für gehobene Ansprüche. Vorräte wurden in riesigen Amphoren aus Ton mit Durchmes­ sern über einem Meter aufbewahrt, und besondere Räume waren durch Schlösser mit hochkompliziertem Schließsystem gesi­ chert. Vom täglichen Leben und einiges über die Bewohner verraten uns auch die vielen eisernen Kleingeräte. So etwa der „Stilus“, mit dem man auf Wachstäfelchen schreiben und sogar wieder radieren konnte oder der feine Fingerring eines Kindes. Viele der Gegenstände zeugen von großer feinmecha­ nischer Fertigkeit mit einem hohen Maß an Präzision. Die bisher aufgefundenen Baulichkeiten sowie die Gerätschaften entsprechen denen eines Selbstversorgungsbetriebs, für eine landwirtschaftliche Marktproduktion gibt es bislang auch keine Anhaltspunkte. Es fehlen dafür typische Lager, Ställe, Nebengebäude oder Produktionsstätten in einer Größenord­ nung, die eine lohnende Vermarktung land­ wirtschaftlicher Erzeugnisse ermöglichen oder den vorhandenen Wohlstand begrün­ den könnten. Die wichtigsten Funde sind im Römer­ zimmer des Fischbacher Heimatmuseums mit entsprechender Erklärung ausgestellt. Öffnungszeiten 1. und 3. Sonntag des Monats von 14-16 Uhr oder nach Vereinbarung. Im Fischbacher Heimatmuseum ist auch eine kleine Broschüre rund um die Funde und die Römerzeit erhältlich. Motiviert durch die unerwarteten einma­ ligen Ergebnisse, das große Interesse in der Bevölkerung und nicht zuletzt durch die 900-Jahr-Feier 1986, entschloß sich die Gemeinde kurzfristig, das Hauptgebäude durch entsprechende Konservierungsmaß­ nahmen zu erhalten, schon damals mit dem Blick darauf, eventuell die Anlage durch Ein­ beziehung des Bades und der Nebengebäude zu einem kleinen archäologischen Park zu gestalten. Man wollte dadurch der Tradition, die diese Stätte seit langer Zeit im Bewußt­ sein der Niedereschacher und Fischbacher Bevölkerung „Römerkastell“ oder „Römerbrunnen“ gehalten hat, gerecht wer­ den und, sicher nicht weniger legitim, einen zusätzlichen Anreiz für den Fremdenver­ kehr aus nah und fern schaffen. Zur Planung und Durchführung des Projekts hatte sich der Ausgrabungsleiter, H.-0. Wagner, bereit­ erklärt. als Dabei waren mehrere Vorgaben zu beach­ ten: es standen insgesamt nur sechs Monate Zeit, begründet durch die Arbeitszeit der ABM-Arbeiter, zur Verfügung. Ein relativ enger finanzieller Rahmen, der allerdings durch die Unterstützung durch den Land­ kreis etwas gelockert werden konnte, mußte eingehalten werden und die Anlage mußte „pflegeleicht“ entworfen werden, d. h. der spätere Aufwand für Wartung, Pflege und Reparatur mußte so gering wie möglich 113

Heimatmuseum Fischbach, restauriertes Mauerstück mit einigen gefundenen Leistenziegeln Gefäße in der Keramikvitrine 114

Deutlich ist das besser erhaltene gemauerte Fundament des Kernhaus von den Rollierungen der Anbauten abgesetzt. Restaurierte Anlage 115

gehalten werden. Zu diesen Vorgaben kam noch die Schwierigkeit, daß das Gebäude fernab jeglicher Strom-und Wasserversor­ gung lag und somit auf Maschinenarbeit ver­ zichtet werden mußte. Erleichterung brachte dafür die Verwendung von Transportbeton und fertiggemischtem Kalkmörtel. Trotz­ dem verdient die Leistung der beschäftigten Arbeiter Hochachtung. Um einen Eindruck vom Einsatz der ver­ wendeten Mittel zu erhalten, hier einige Zah­ len: Zur Fundamentsicherung wurden 43 m3 Beton und 265 m2 Baustahlmatten verarbei­ tet. Für die Mauern, die nur im Kernbau bis auf3 Lagen hochgezogen wurden, benötigte man 260 Sack Trasskalkmörtel. Für Unter­ schotterung, Füllung und Befestigung der Bauwerksteile mußten 145 Tonnen Schotter und Mineralbeton angefahren werden. Daß die Arbeiten auf den Tag genau abge­ schlossen werden konnten, (von der Bepflan­ zung, die erst im Frühjahr 1988 erfolgte abge­ sehen) setzte eine exakte Planung und Orga­ nisation sowie natürlich auch etwas Glück mit dem Wetter voraus. Wegen der exponierten Lage und den damit verbundenen extremen Witterungs­ verhältnissen wurde vom Bauleiter eine spe­ zielle „belüftete Weichkern-Mauertechnik“ entwickelt, die den speziellen Bedingungen Rechnung trägt und auch beste Voraus­ setzungen für die, hier unvermeidlichen, Nach besserungsarbeiten bietet. Die ursprünglichen Fundamentrollierun­ gen wurden nivelliert, d. h. durch Auffüllung oder Abtragung auf gleiche Höhe gebracht und mit einer 20 cm starken Stahlbeton­ platte abgedeckt-insgesamt über eine Länge von 306 Metern bei einer Breite von 80 -90 cm.Auf einer Länge von 200 Metern, (ent­ sprechend den äußeren Fundamenten, die nicht aufgemauert werden sollten), mußte von Hand Steinmaterial der ursprünglichen Zusammensetzung in den noch weichen Beton eingedrückt werden. Auf die Funda­ mentplatten des Kernhaus wurde dann die Mauer bis auf 3 Lagen wieder aufgesetzt, 116 wobei die beiden Schalenteile alle 1,5 Meter durch einen Q!ierriegel stabilisiert wurden. Der Weichkern besteht aus einer unteren Lage Grobschotter, darauf je nach Mauer­ höhe Feinschotter und Mineralbeton. Freie Schlitze an der Mauer (alle 1,5 Meter) sorgen für eine Belüftung und Drainage (siehe Auf­ bauplan). Die Bepflanzung sieht eine Trennung in einen Kulturbereich und eine natürliche Umgebung, wie sie etwa in römischer Zeit vorhanden war, vor. Die Pflanzen des Kultur­ bereichs unterstützen die Darstellung des Gebäudes, indem sie z.B. durch eine niedrige Ligusterhecke rund um die äußeren Funda­ mente von jedem Standpunkt aus die Di­ mensionen des Baues verdeutlichen. Die ehemaligen Gebäudeflächen rund um den Kernbau werden als kurzer Rasen aus­ geführt, der den Eindruck von Fußboden wiedergeben soll-im Gegensatz zu einer wil­ den Sommerwiese außerhalb des Gebäudes. Lockere Buschgruppen heimischer Ge­ wächse und einige Baumarrangements gren­ zen die Anlage zum heutigen Kulturland ab und machen andererseits schon von ferne auf sie aufmerksam. Nachdem sich das Landesdenkmalamt 1987 entschlossen hat, nun doch das Bad noch einmal zu untersuchen und die anschließende Restaurierung und Konser­ vierung durch das Hochbauamt ebenfalls gesichert ist, kann sich die Gesamtanlage, gestaltet als kleiner „archäologischer Park“, zu einem sehenswerten Anziehungspunkt für die Gemeinde entwickeln, der den Namen von Niedereschach weit über die bis­ herigen Grenzen hinaustragen wird. Das „Römerbad“, ,,Römerkastell“ oder der „Römerbrunnen“ wird damit nicht nur mehr in der Kindheitserinnerung vieler älterer Mit­ bürger weiterexistieren, sondern vielen Generationen ein sichtbares Zeugnis bleiben von einem kleinen Stück Geschichte eines ehemaligen Weltreiches an dem auch Fisch­ bach teilhaben konnte. H.O.Wagner

(ieschichte, Kulturgeschichte Donaueschingen schickt sich an, zu feiern. 1989 gedenkt die Gemeinde der 1100. Wiederkehr der urkundlichen Ersterwäh­ nung ihres Ortes. Eine bunte Vielfalt prägt den Veranstaltungskalender des Jubiläums­ jahres: über Jahre hinweg sind Vorbereitun­ gen getroffen worden, haben Gemeinderat, Verwaltung und engagierte Bürger Erschei­ nungsbild und Selbstverständnis ihrer Stadt bedacht. In Angriff genommen wurden auch Projekte, die ü her die Feierlichkeiten des Jah­ res 1989 hinausweisen. Sie bemühen sich nicht nur um eine stattliche Präsentation Donaueschingens gegenüber den auswärti­ gen Besuchern, sondern nutzen zugleich die Chance des Gedenkjahres zur Standortbe­ stimmung und Selbstvergewisserung. Tra­ gendes Element sind darunter naturgemäß alle Bestrebungen, die den Blick auf die Ent­ wicklung des Bestehenden -wie auch des Untergegangenen! -lenken. Historische Anhaltspunkte sollen meh­ rere Ausstellungen bieten, die sich im einzel­ nen auf die archäologischen Spuren der frü­ hesten Einwohner begeben (anhand origina­ ler Funde des 6.-8. Jahrhunderts), die Lebensbedingungen der Ortsbewohner in der frühen Neuzeit (16.-19. Jahrhundert) untersuchen, die Stadien der baulichen Ent­ wicklung Donaueschingens aufzeigen und sich schließlich der Geschichte eines lebendi­ gen Kulturereignisses widmen, das noch heute den Namen der Stadt in die Welt hin­ austrägt: der Musiktage. Das Bild abrunden möchte ein Buch zur Orts-und Stadtge­ schichte, das nicht als Ansammlung zahlrei­ cher, untereinander beziehungsloser Detail­ untersuchungen, sondern als Uberblicksdar­ stellung verstanden sein will. Wenn hier nun eine Kurzbetrachtung zur Geschichte Donaueschingens versucht wird, Donaueschingen im Spiegel der Geschichte so nicht, um die einzelnen Entwicklungsstu­ fen des Ortes und die Schicksale seiner Bewohner nachzuzeichnen. In diesem Rah­ men erscheint es eher angemessen, einige historische Eigentümlichkeiten Donau­ eschingens zu beleuchten. 1 Donaueschingen ist über weite Strecken der Ortsgeschichte eine Landgemeinde gewesen, kann sich also nicht zur Gruppe der alten deutschen Städte zählen. Bis in unser Jahrhundert hinein bestimmten bäuerliche bzw. ackerbürgerliche Verhältnisse Leben und Arbeit der Bevölkerungsmehrheit in Stadt und Umland. Kommunale Selbstver­ waltung oder die typischen Organisations­ formen von Wirtschaft und Gesellschaft, wie sie das Städtewesen seit dem Mittelalter her­ vorbrachte, hat Donaueschingen lange Zeit entbehrt. Ansätze zur Ausbildung eines Bür­ gertums sind erst allmählich seit dem 18. Jahrhundert zu verzeichnen, seit jenem Jahr­ hundert, das sich wie kaum ein anderes in der Geschichte Donaueschingens stilbildend ausgewirkt hat. Die Donaueschinger Rückschau des Jah­ res 1989 gilt also nicht -wie dies zuletzt etwa 1988 in Düsseldorf (700-Jahr-Feier) der Fall gewesen ist -der Erinnerung an eine mittelal­ terliche Stadterhebung. In Donaueschingen nimmt man zum Anlaß, daß der dem Karo­ lingergeschlecht entstammende König Arnulf am 5. Juni 889 eine Urkunde hat aus­ stellen lassen, in der Verfügungen über die Siedlung Eschingen getroffen werden. Diese im Original erhalten gebliebene Königsur­ kunde hält die Übertragung des königlichen Besitzes in der „villa Esginga“ an das Kloster Reichenau fest und bietet zugleich den älte­ sten schriftlichen Anhalt für das Bestehen 117

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des Ortes. Bodenfunde auf Gemarkung Donaueschingen führen freilich noch viel weiter zurück: das älteste Fundstück, das zumindest von vorübergehendem menschli­ chen Aufenthalt zeugt, sogar bis zur aus­ gehenden Jungsteinzeit (um 2000 v. Chr.). Die Ursprünge der Siedlung Eschingen (über einen Personennamen aus dem althochdeutschen Wortstamm „asc“ – ,,Esche“ ableitbar) werden wir hingegen spä­ testens für das 6. nachchristliche Jahrhundert ansetzen müssen. Gehören doch dieser Zeit schon die frühesten Bestattungen in jenen 150 Alemannengräbern des 6.-8. Jahrhun­ derts an, die 1937 und letztmals 1953/54 bei archäologischen Grabungen festgestellt wer­ den konnten. Leider sind die Spuren der älte­ sten „Eschinger“ über das 1937 bzw.1953/54 erhobene Material hinaus nicht weiter zu verfolgen. Über ihren Hinterlassenschaften im Bereich zwischen Villinger-und Aleman­ nenstraße erheben sich heute die Bauten der französischen Garnison. Geschichte er­ schließt sich hier auf seltsame Weise in einem Gebiet, das ganz sicher keine Donaueschin­ ger Fremdenverkehrsattraktion darstellt. Doch im „Tafelkreuz“, auf dem Gelände zwischen dem 1937 errichteten Offiziers­ kasino und einer französischen Schule der letzten Nachkriegszeit berühren sich unmit­ telbar Zeugnisse frühmittelalterlicher Orts­ geschichte mit unauffälligen Symbolen deutscher, ja europäischer Zeitgeschichte. Vom Zeitpunkt der königlichen Schen­ kung an gebot die Reichsabtei Reichenau über Land und Leute in Donaueschingen. Wie etwa auch im benachbarten Bräunlin­ gen unterhielt das Bodenseekloster in Donaueschingen einen Meierhof. Diesem zentralen Herrenhof, dem „Kelnhof“, flos­ sen sämtliche Abgaben von den zur reiche­ nauischen Grundherrschaft in und um Donaueschingen liegenden Gütern zu. Der Leiter dieses großen Meierhofs, der „Keller“ ( cellerarius ), führte die Lehens-und Zehntab­ gaben dann an den Grundherrn, das Kloster II Reichenau, ab. Desgleichen hielt er die rei­ chenauischen Lehensleute und Grundhol­ den in Donaueschingen zu Frondiensten an, führte aber auch einen eigenen landwirt­ schaftlichen Betrieb, zu dem ein beträchtli­ ches Gesindeaufgebot gehört haben muß. Rechnen wir die Vorratskammern hinzu, so dürfte der gesamte Kelnhofkomplex einen ansehnlichen Umfang gehabt haben. Wahr­ scheinlich ist die Kelnhofanlage im Bereich des heutigen Karlsplatzes zu suchen, der übrigens auch in der jüngeren Geschichte Donaueschingens bis heute eine markante Bedeutung hat: als Ort der F. F. Sammlun­ gen, deren Gebäude im siebten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts über den Grund­ mauern einer älteren Zehntscheuer errichtet worden ist. Aus dem Kelnhofverband erwuchs zum späten Mittelalter hin allmählich die genos­ senschaftliche Dorfgemeinde. Der Kelnhof selbst aber erlebte seit dem 14. Jahrhundert ein wechselhaftes Schicksal. Das Kloster Rei­ chenau, zunehmend unter politischen und wirtschaftlichen Druck geraten, sah sich schließlich 1371 genötigt, den Kelnhof zu verkaufen. Schon vorher mindestens einmal verpachtet, wechselte er nun häufig die Besit­ zer. Mit der Zeit muß dieses einstige herr­ schaftliche Zentrum Donaueschingens immer mehr dem Verfall ausgesetzt gewesen sein. Schon im 16. Jahrhundert ließ sich der Kelnhof angeblich nicht mehr nachweisen. Dagegen blieben die Vogtei Donau­ eschingen, die sich aus der reichenauischen Grundherrschaft entwickelt hatte, und wei­ tere Rechte am Ort vom Inselkloster lehen­ bar. Die Lehensrührigkeit dieser Rechte und Einkünfte mußten auch die Fürstenberger, seit 1488 Besitzer Donaueschingens, aner­ kennen. Noch über die Inkorporation des Klosters Reichenau in das Hochstift Kon­ stanz (1540), ja sogar noch über die Säkulari­ sierung hinaus sahen sie sich stets aufs Neue genötigt, die Reichenauer Lehen entgegen­ zunehmen. Erst 1866 gelang dem Hause Für­ stenberg gegenüber dem Großherzogtum Baden hochstift-konstanzischem (als 119

Blick auf Donaueschingen im Jahre 1847. Im Vordergrund südlich der Brigach das Feld „In Rüb­ äckem „; auf dem sich am 8. März 1848 mehrere tausend Menschen zu einer demokratischen Versamm­ lung einfanden. des Jahrhundert später, als sich mit dem Gra­ fen Heinrich (VIII.) von Fürstenberg der erste Angehörige seines Geschlechtes hier niederließ. Graf Heinrich erhob den Ort 1580 zum „Marktflecken“, was Donau­ eschingens eigentümliche, jahrhunderte­ lange Zwischenstellung zwischen Dorf und Stadt begründete. Auch sorgte Heinrich, der den ersten fürstenbergischen Schloßbau in Donaueschingen vollendete, als Erster für den inneren Ausbau des Marktfleckens und setzte auch erste deutliche Zeichen höfisch­ kulturellen Lebens am Ort. Heinrichs Gattin Amalie stiftete 1589 die St.-Gregori-Schulbruderschaft, mit der sich das älteste bekannte Donaueschinger Fest verbindet. -1989 feiert das Gregorifest also 400. Geburtstag (vgl. Beitrag von Dr. Lorenz III Rechtsnachfolger) der Eigentumserwerb an den Reichenauer Lehen in Donaueschingen! Wenngleich die Fürstenberger also nie in vollem Rechtssinne die Ortsherren Donau­ eschingens waren, so haben sie doch seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert konkurrenzlos die Geschicke des Ortes gelenkt. Ihnen ist es zu verdanken, daß Donaueschingen eine andere Entwicklung nahm als die umliegen­ den Dörfer und Landstädte der Baar. Der KaufDonaueschingens durch die gräflichen Brüder Wolfgang und Heinrich von Fürsten­ berg im Jahre 1488 ist das folgenreichste Ereignis der Donaueschinger Geschichte. Ins Blickfeld der gräflichen Herrschaft geriet Donaueschingen aber eigentlich erst ein run- 120

Honold auf Seite 215 dieser Ausgabe: „Vom Batzen zum Gregoriweck“. Das Gregorifest in Donaueschingen geht ins vierhundertste Jahr). Den Donaueschinger Jubiläumsreigen übrigens vervollständigen die Bezirksspar­ kasse und der Turnverein, die dann auf ihr 150- bzw. 125jähriges Bestehen zurück­ blicken können. IV Nach Graf Heinrichs Tod (1596) sank das Interesse der Fürstenberger an Donaueschin­ gen zunächst, da sich der Schwerpunkt der fürstenbergischen Territorien durch die Beerbung der Grafen von Werdenberg und Helfenstein weiter ins östliche/südöstliche Schwaben verschob. Nach dem Dreißigjähri­ gen Krieg nahm zwar ein Zweig der Heiligen­ berger Linie seinen Wohnsitz in Donau­ eschingen, doch dauerte dieses Intermezzo keine zwanzig Jahre. Seine kapitale Stellung unter den fürstenbergischen Gebieten errang Donaueschingen erst im frühen 18. Jahrhun­ dert, als sich Fürst Joseph Wilhelm Ernst aus der Stühlinger Linie aufDauer in den zentral gelegenen Baar-Ort begab (seit 1723), vol­ lends aber 1744, als er als nunmehr einziges Haupt der reichsfürstlichen Linie den gesam­ ten schwäbischen Hausbesitz in einer Hand vereinigte. Donaueschingen wandelte das Gesicht. Der bäuerliche Marktflecken erhielt die bauliche Ausstattung, die seinem neuen Rang als fürstliche Residenz und zentraler Verwaltungssitz entsprechen konnte. Fürst Joseph Wilhelm Ernst und seine Nachfolger errichteten Bauten, an die sich seither die Aura des „Städtchens“ knüpft: Schloß (in sei­ ner heutigen neubarocken Gestalt allerdings ein Werk des ausgehenden 19. Jahrhunderts) und Stadtkirche, F. F. Archiv und Bibliothek (bis zu deren Umzug 1861 von der Regierung bzw. der Kammerverwaltung genutzt), den sogenannten „Neubau“ (heute ein Verwal­ tungsgebäude der Fürstenberg-Brauerei), nicht zu vergessen die Anlage des seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts immer weiter ausgebauten Parks (vgl. Beitrag von Kurt Klein auf Seite 122 dieser Ausgabe: Franz Josef Salzmann. Der Barockbaumei­ ster der Fürsten zu Fürstenberg). Diese und andere Baumaßnahmen durchbrachen zum Teil die bis dahin strikte Trennung von bäuerlichem Dorf und herrschaftlichem Wohn- und Verwaltungskomplex, auch wenn die für Donaueschingen charakteri­ stische Zweipoligkeit erhalten blieb. Vor allem aber sorgte der kräftige Zuzug von fürstlichen Beamten und deren Familien für ein gewisses städtisches Element im noch stets agrarisch-kleingewerblich geprägten Donaueschingen. Im Gefolge der Strukturveränderungen blühten auch Handel und Handwerk auf; die Fürstenberg-Brauerei hatte bereits seit 1705 einen raschen Aufschwung genommen (Neubau des Brauhauses 1734-39). All dies stand im Zeichen einer beträchtlichen Bevöl­ kerungsvermehrung. Die soziale und ökonomische Entwick­ lung Donaueschingens seit dem frühen 18. Jahrhundert trug dem Ort 1810 die Stadterhe­ bung ein – übrigens kein feierliches Ereignis, sondern ein stiller, in der damaligen Öffent­ lichkeit überwiegend ignorierter Verwal­ tungsvorgang. Immerhin ein kleines Kurio­ sum: In der Residenzzeit immer „Markt­ flecken“ geblieben, wurde Donaueschingen erst zur Stadt, als es keine landesherrliche Residenz mehr war. V Am nachhaltigsten haben die Strukturver­ änderungen des 18. Jahrhunderts aber auf kulturellem Gebiet gewirkt. Großzügig unterstützt von einem kunstbeflissenen Für­ stenhaus, sorgten Hofgesellschaft und fürst­ liche Beamte für ein reges Musik- und Thea­ terleben. Donaueschingen avancierte seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zu einem überregional bekannten Bühnenort, wurde zum Anziehungspunkt und auch zur zeit­ weiligen Wirkungsstätte bedeutender Künst­ ler und Wissenschaftler. Dank aufopferungs­ voller Bemühungen der fürstlichen Standes­ herrschaft, die den ihr entgangenen politi­ schen Spielraum zum Teil durch ein vielseiti- 121

ges Mäzenatentum zu kompensieren wußte, aber auch mit Hilfe einer selbstbewußter werdenden Bürgerschaft konnte diese Tradi­ tion bis weit ins 19. Jahrhundert hinein auf­ recht erhalten werden. Mit der Gründung der „Gesellschaft der Musikfreunde“ (1913) und den von ihr ins Leben gerufenen Musiktagen (erstmals 1921) wurde zumindest in einem Bereich nachdrücklich an diese Tradition angeknüpft. Ungebrochen ist bis auf unsere Tage die Anziehungskraft von F. F. Archiv und Biblio­ thek auf die Geisteswissenschaftler, nicht minder die der F. F. Sammlungen oder des fürstlichen Schlosses (mitsamt Donauquelle) auf Kunstliebhaber und Touristen. Das ein­ drucksvolle Ensemble dieser Kunst-und Bil­ dungseinrichtungen betont zusammen mit den alljährlich abgehaltenen Musiktagen nach wie vor Donaueschingens Anspruch auf eine kulturelle Sonderstellung nicht nur im Raum zwischen Schwarzwald und Schwä­ bischer Alb. Ungeachtet der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte haben Im Sommer des Jahres 1748 legte der damals erst 24jährige Sohn des Meßkircher Maurermeisters Jacob Salzmann bei seinem durchlauchtesten Fürsten Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg ein Gesuch vor, in dem er um dessen Gunst warb, er möge ihn als „Bau-und Maurermeister zu Donau­ eschingen auf-und annehmen“. Um sein Können zu belegen, fügte er seinem Schrei­ ben seine Zeugnisse und dazu noch einige von ihm eigenhändig angefertigte Baurisse bei. Er versäumte auch nicht darauf hin­ zuweisen, daß er als geborener Meßkircher fürstlich fürstenbergisches Landeskind sei und er auch in der Lage sei, eine entspre­ chende Kaution zu stellen. Weiter ver­ sicherte er, ,,das Mauerhandwerk behörig erlernet und annoch drei Jahr als Gesell … 122 Franz Joseph Salzmann Der Barockbaumeister der Fürsten zu Fürstenberg sich die Gewichte nicht verschoben. Tradi­ tionell sind es eben geistig-kulturelle Fakto­ ren, denen die Stadt ihr unverwechselbares Gepräge verdankt. Daß dieser Befund keine Erfindung der Festredner ist, sondern sich seit langem immer wieder in Fantasie und Beharrungs­ vermögen der Ortsbewohner dokumentiert hat, lehrt selbst ein Blick auf den schlimm­ sten Katastrophenfall Donaueschingens in diesem Jahrhundert. Getragen von einer durch das ganze Deutsche Reich gehenden Solidaritätsaktion, nutzten die Donau­ eschinger die verheerenden Folgen des Stadt­ brandes von 1908 zu einem städtebaulichen Neuanfang. Doch ließ man sich nicht vom nackten Gedanken der Schadensregulierung oder von rein ökonomischem Kalkül leiten, sondern auch von ästhetischem Ausdrucks­ willen. Am dabei erprobten Einfallsreichtum kann sich noch heute der Besucher der Donaueschinger Innenstadt erfreuen. Volkhard Huth gearbeitet, nach der Hand aber mich in der Fremde in Reißen und Zeichnen vier Jahr lang an unterschiedlichen Orten dergestalten perfectioniert, daß ich imstande zu sein glaube, jedem Bauwerk vorstehen zu kön­ nen, wie dann dergleichen kostbaren Bau zu Rheinegg vermög anliegenden attestati und von mir eigens gefertigten Rissen unter mei­ ner Direktion aufgeführet.“ Wenn man das noch jugendliche Alter des Meßkirchers in Betracht zieht, so muß er doch selbstbewußt nach der alten Weisheit, „ wer wagt, gewinnt“, alles in eine Waagschale geworfen haben. Und siehe da -den Muti­ gen gehört die Welt! -, der bau freudige, auch staatspolitisch sehr erfolgreiche Fürst schien dem Bittsteller sehr wohl gewogen, ließ sich doch die fürstliche Kanzlei unter dem 1.

Februar 1749 wie folgt vernehmen:“‚ .. wei­ len eine Notwendigkeit, wegen der immer­ fort da und dort vorfallenden Gebäuden einen eigenen Bau- und Werkmeister zu unterhalten, so wollen wir hierzu den von Meßkirch gebürtigen Franz Joseph Salz­ mann bestellt und angenommen, „ihme auch für sein Gehalt oder Wartgeld jährlich 100 Gulden, sechs Malter Fesen, sechs Malter Mühlkorn, nebst zwölf Klafter Holz und statt der Wohnung jährlich 12 Gulden ange­ wiesen haben, mit Kondition jedoch, daß wann er Geschäften halber in eine unserer auswärtigen Herrschaften geschickt wird, ihme allein die billigmäßige Zehrung ohne Diätgeld passiert, so fern er aber in einem Hauptgebäu begriffen ist, bei welchem er die Direktion und Aufsicht führt, täglich 1 Gul­ den wie einem anderen Baumeister, jedoch ohne das sonsten gewöhnliche Fördergeld von denen Gesellen, gereicht werden solle. Weswegen ihme eine ordentliche Instruktion zu entwerfen und zuzustellen habt.“ Ihr Barockzeit – Bauzeit! Jeder große oder kleine Herrscher, ob weltlich oder dem geist­ lichen Stande angehörend, versuchte jener sinnesfreudigen, prachtentfaltenden Epoche Fürst Joseph Wilhelm von Fürstenberg stellte 1749 den jungen, tatendurstigen Meßkircher Franz Joseph Salzmann als Baumeister ein. Auf diesem sogenannten silbernen „Ausbeute­ taler“ aus dem Kinzigtal ist der ab 1762 zweite Auftraggeber Salzmanns, Fürst Joseph Wenzel von Fürstenberg, verewigt worden. Joseph Maria Benedikt, Fürst zu Fürstenberg, war der dritte Mäzen, unter dem Salzmann diente. 123

„Neuer Bau“ in Donaueschingen mit Diana-Brunnen. Dieser typische Salzmann-Bau mit dem Diana-Brunnen im Vordergrund diente lange Zeit als Wohnung/ur die fürstlichen Beamten und beher­ bergt heute die Direktion der Fürstlich Fürstenbergischen Brauerei. Auch der Bau des F. F. Archivs in der Residenz der Fürstenberger, ,,ein for diese Zeit und diesen Zweck erstaunlich fortschrittlicher Bau, ganz aus Stein und Eisen“ mit dem prunkvollen barocken Eingang, trägt die geniale Handschrift von Franz Josef Salzmann. seinen Tribut zu zahlen. So auch die Herren an der „Donauquelle“, in der fürstlichen Residenz auf der Baar. Sie wollten nicht nur Neues schaffen, um dadurch ihre Macht und ihren Reichtum zu dokumentieren, sie waren auch als Patronatsherren in ihren weitläufi­ gen Ländereien baupflichtig. Schließlich sollte das durch Gottes Gnade erworbene absolutistische Herrschertum durch großzü­ gige Kirchenbauten und -erneuerungen immer wieder aufs neue unter Beweis gestellt werden. Und wer wollte letztlich als Mäzen . in der Förderung der Kunst auf allen Gebie­ ten gegenüber seinem Nachbarn zurückste­ hen? Eine solche Zeit gab ehrgeizigen, ein­ fallsreichen und umsichtigen Baumeistern 124

fangreiche Hinterlassenschaft wieder einen tüchtigen Wirt ehelichen. Als Heiratsgut erhielt die junge Frau zunächst 300 Gulden. Im Falle des Ablebens der Mutter wurde ihr die „Vorteilsgerechtigkeit“ für die Wirt­ schaft, drei Jauchert Öhmdwiesen und noch­ mals 100 Gulden zugesprochen. Das sonstige Vermögen sollte zu gleichen Teilen mit dem Stiefvater und der Stieftochter geteilt wer­ den, eine Vorgabe, die die verwandtschaftli­ chen Bande nicht gerade enger knüpfen soll­ ten. Der Ehe entsprossen vier Kinder, der Franz Joseph, die Maria Franziska, die Maria Anna und zuletzt der Franz Xaver. Weitere Marksteine seiner anerkannten Tätigkeit als fürstlicher Baumeister setzte er sich mit der Errichtung der Papiermühle in Löffingen (1752), den Arbeiten an der Ober­ wolfacher Kirche und dann ganz besonders mit der Erstellung des Zucht-und Arbeits­ hauses in Hüfingen (1756) und gleichzeitig mit dem Bau des F.F. Archivs in Donau­ eschingen, „ein für diese Zeit und diesen Zweck erstaunlich fortschrittlicher Bau, ganz aus Stein und Eisen.“ Über seine Einkünfte erfahren wir, daß bis zu den 1756 gewährten „100 Gulden an Geld, sechs Malter Fesen (Dinkel), sechs Malter Mühlkorn, zwölfK.laf­ ter weichem Holz und 12 Gulden Hauszins“, jetzt noch zusätzlich angewiesen werden: „nämlich an Geld 175 Gulden, an Früchten als an Fesen zwei Malter, Roggen zwei Mal­ ter, Gersten ein Malter, Erbsen zwei Viertel, Haber acht Viertel, weiches Holz drei Klafter, Hauszins 8 Gulden.“ In dieser Anhebung sei­ nes Gehaltes dürfen wir eine Wertschätzung seiner Tätigkeit erkennen. Im Gegensatz zu seinen beruflichen Erfol­ gen mußte Salzmann einen bitteren Schick­ salsschlag hinnehmen: Der Tod riß erbar­ mungslos seine noch junge Frau aus dem Kreis der Familie. Deshalb hielt er um die Hand der Tochter des Rates und Obervogtes der Herrschaft Kunzenberg zu Wurmlingen an und heiratete im Winter 1760 daselbst die Maria Theresia Karolina Riedinger, die ihm dann nachfolgend genannte Kinder in die Wiege legte: Maria Wallburga Kreszentia, 125 Die Steinacher lfarrkirche wird als das reifste barocke Bauwerk des fürstenbergischen Baumei­ sters anerkannt. Arbeit in Hülle und Fülle, ihrem Genius ein weites Feld zur Entfaltung. Voll Tatendrang übernahm Salzmann sei­ nen ersten fürstlichen Auftrag, die Leitung der Arbeiten am sogenannten „Neubau“ in der Donaueschinger Residenz. Nach einem kurzen Studienaufenthalt in Italien reiste der junge Baumeister im Frühjahr 1750 ins für­ stenbergische Kinzigtal, um den Kirchen­ neubau in Steinach maßgeblich zu befruch­ ten und zu leiten. Dieses Gotteshaus wurde nicht nur die schönste Barockkirche des Kinzigtales, sondern auch das gelungenste Werk auf dem kirchenbaulichen Sektor des Meisters. Im gleichen Jahr heiratete er die reichbe­ güterte, einzige Tochter des Rottweiler Wir­ tes „Zum weißen Rößle“, Maria Anna Wolf. Allerdings hatte der leibliche Vater der Braut bereits 1736 das Zeitliche gesegnet, und die Mutter mußte wohl oder übel für die um-

Joseph Anton, Johann Nepomuk, Fidel, Caroline und Jakob Christoph. Als Heirats­ gut brachte die „Jungfrau Braut“ ein Ver­ mögen in bar an 500 Gulden mit und eine Aussteuer, die mit 800 Gulden taxiert wurde. Sollte der Hochzeiter vor seiner Frau sterben, bleibt der „Jungfrau Braut, um die etwa als­ dann vorhandenen noch unenogenen Kinder desto besser aufeniehen und fortbringen zu können, die Wirtschaft ,zum weißen Rößle‘ in Rottweil samt weiters daran sich befinden­ den und dem Herrn Hochzeiter ebenfalls zugehörenden Haus, solang dieselbe im Leben, zu ihrer und der Ihrigen Wohnung samt allen Gütern vorbehalten und überlas­ sen.“ Diese Abmachung dürfte bei der Rott­ weiler Verwandtschaft nicht eitel Freude her­ vorgerufen haben … Im Jahr 1763 beauftragte Fürst Joseph Wenzel seinen begabten Baumeister mit der Instandsetzung der Hausacher Pfarrkirche (Dorfkirche), für die er als Patronatsherr ebenfalls baupflichtig war. Wie sehr Salzmann in der Gunst seines fürstlichen Auftraggebers gestanden haben mag, kann aus der Tatsache abgelesen wer­ den, daß er 1765 zum fürstenbergischen Rat und Baudirektor ernannt wurde, der dann im Jahr darauf in Donaueschingen das Fasanen­ haus erstellte. Im gleichen Jahr (1766) zog der Baudirektor – wohl wegen seiner immer grö­ ßer werdenden Familie – mit Genehmigung seines Fürsten in das eigene Haus nach Rott­ weil um. Allerdings erwartete man in Donaueschingen, daß der Baudirektor nach wie vor seine ganze Arbeitskraft dem fürstli­ chen Hause zur Verfügung stelle und „alle Monate hier einmal sich einzufinden, ja wo es erforderlich zu allen ‚.Zeiten erscheinen, somithin alles das, was in Bausachen immer vorkommen mag, unter getreuen und pflichtgemäßigem Rat nicht nur mitbesor­ gen zu helfen, sondern auch in Hauptge­ bauen neben architekturmäßig wohlausgear­ beiteten Baurissen jedesmal ohnabsichtliche und gewissenhafte Bauüberschläge vorzule­ gen“ habe. So ganz wohl muß sich aber der Architekt 126 in der alten Freien Reichsstadt am oberen Neckar nicht gefühlt haben, entnehmen wir doch einem Rottweiler Ratsprotokoll vom 5. Män 1768 nachstehenden Eintrag: ,,Der für­ stenbergische Rat und Baudirektor Salz­ mann hat dato ein bishero gehabtes domici­ lium nachher Hüfingen transferiert mit der Bitte, daß man von Magistratswegen ihme und den Seinigen das an sich erkaufte Bür­ gerrecht vorbehalten möchte. Magistratus hat zugestimmt, jedoch mit dem annexo, daß H. Salzmann sowohl die erstere als letz­ tere Ehepakte binnen acht Tagen magistratui ad inspiciendum einschicken sollte, damit magistratus denen von ersterer Ehe erzeug­ ten Kindern ratione des dahierstehenden mütterlichen Vermögens die erforderliche Vorsorg anfügen könne.“ Was mag nun Salzmann schon nach zwei Jahren wieder in die Nähe der fürstlichen Residenz gezogen haben? Kam er seinen Ver­ pflichtungen wegen der zu langen Anfahrts­ wege in die fürstenbergischen Lande nur schwerlich nach? Vielleicht könnte uns die Mitteilung des Rottweiler Stadtarchivars Dr. Hecht der wahren Ursache näher bringen, die er mir übergab, als ich auch im dortigen Archiv vergeblich nach einem Bild des genia­ len fürstlich fürstenbergischen Baumeisters suchte: ,,Leider müssen wir Ihnen mitteilen, daß wir mit Sicherheit kein Bild des Baumei­ sters Franz Joseph Salzmann besitzen. Dies ist nicht ganz überraschend, nachdem sein Aufenthalt in Rottweil und die Beziehungen zur Verwandtschaft seiner Frau nicht gerade ständig von Harmonie geprägt waren.“ . .. Wie fragte doch einmal ein Besucher sei­ nen Gastgeber, als dieser vom herzlichen Einvernehmen innerhalb der Familie und der Verwandtschaft prahlte: ,,Hond ihr au scho toalt .. . ?“ In den folgenden Jahren betätigte sich Salzmann bei den Kirchenbauten in Wel­ schensteinach, Schenkenzell, Ehingen bei Engen, Tannheim, Haslach, Stühlingen und Immendingen. Doch er wurde auch über die Landesgrenzen hinaus eingesetzt, so bei der Wallfahrtskirche des Klosters Ettenheim-

„In Rücksicht der uns und unserem Haus durch viele Jahre bei der Erbauung verschie­ dener herrschaftlichen Gebäuen geleisteten guten Dienste, zu Bezeugung unseres Wohl­ wollens und besonderer Zufriedenheit“, ernannte Fürst Joseph Wenzel seinen bishe­ rigen arbeitsfreudigen Baudirektor zum F.F. Hofkammerrat (1780). Noch mehr, 1782, wurde angeordnet, daß fürderhin sämtliche fürstliche Bauvorhaben unter der zentralen Leitung Salzmanns ausgeführt werden, eine Würde, die bisher noch keinem fürsten bergi­ schen Baumeister zuteil wurde. Doch welche Bürde mag dahinter auch verborgen gewesen sein! Inzwischen häuften sich die Lebensjahre auf dem Rücken Salzmanns. Freudig diente er auch seinem dritten Herrn, Fürst Joseph Maria Benedikt, baute sich sogar ein eigenes Haus in Donaueschingen. Er dachte aber auch über seine Nachfolge nach, die sich aber verhältnismäßig leicht lösen ließ: Seit Jahren hatte er seinen Schwiegersohn Valentin Leh­ mann in weiser Voraussicht auf seinem viel­ fältigen Arbeitsfeld tätig werden lassen. Des­ halb setzte Salzmann in seinem Testament seine Tochter Maria Wallburga Kreszentia aus zweiter Ehe und deren Mann an die erste Stelle, ohne seine eigene Frau und die noch lebenden Kinder leer ausgehen zu lassen, wenn er da verfügte: „Erstens will der Herr Hofkammerrat auf allen Fall seines und seiner Frau zeitliches Ableben unwiderruflich geordnet und pünktlich beobachtet wissen, daß seiner geliebten Tochter Wallburga und ihrem Ehe­ herrn und derselben Kindern von dem neuerbauten Haus samt dem beiliegenden Garten in Rücksicht und besonderer Erwä­ gung, daß sein Herr Tochtermann Rat und Baudirektor Lehmann zu Herstellung mit seinem gesamten Fleiß, Mühe und Arbeit vieles beigetragen, die Hälfte also zwar um 1500 Gulden überlassen sein solle, daß ihnen der vordere, gegen Pfohren gelegene Teil oder der hintere gegen der Zehntscheuer um den ausgesetzten Preis ohne Versteigerung zugehören solle.“ Die zweite Hälfte des Hau- 127 Neben dem berühmten Vorarlberger Barockbau­ meister Peter Thumb hat auch Salzmann beim Bau der prächtigen Wallfahrtskirche St. Land>­ lin in Ettenheimmünster mitgewirkt. münster, als Bauleiter bei den Bauvorhaben des Klosters St. Blasien und selbst beim Kirchenbau in Wurmlingen. Doch auch weltliche Bauten wurden durch die Baufreu­ digkeit seines fürstlichen Auftraggebers unter seiner zielstrebigen, gediegenen, in den Grenzen der finanziellen Möglichkeiten doch stets auf Qualität achtenden Führung nach und nach erstellt oder umgebaut: das Jagdhaus auf der „Länge“ bei Gutmadingen, das sogenannte „Längeschloß“, das fürstliche Arsenal in Donaueschingen, daselbst der Umbau der Winterreitschule zum Hofthea­ ter sowie die Erweiterung der F.F. Brauereian­ lage und der Bau des Jagdschlößchens und heutigen Forsthauses Unterhölzer am Fuße des Wartenberges. Selbst im weit entfernten Breisach wurde seine Baukunst gerne in Anspruch genommen. Kleinere Bauaufträge an verschiedenen Pfarrhöfen, die Errichtung des „Sauerbrun­ nens“ und „Badhauses“ in Bad Rippoldsau oder die wehrkirchartige Ummauerung des Uracher Friedhofes sind auf seinem umfang­ reichen Konto vermerkt.

ses solle der Gerechtigkeit halber um 2000 Gulden den anderen Kindern zustehen. Als der wohl bedeutendste fürstlich für­ stenbergische Baumeister Franz Joseph Salz­ mann am 2. Mai 1786 aus seinem irdischen Dasein abberufen wurde, hinterließ er nicht nur ein Gesamtvermögen von umgerechnet annähernd 30.000 Gulden für seine Witwe und die noch acht lebenden Kinder aus bei­ den Ehen, vielmehr künden noch bis zum heutigen Tage zahlreiche Kirchen, Klöster, Schlösser, Pfarrhöfe, Fabrikanlagen, Dienst­ gebäude und -wohnungen von der kunstvol­ len, einfühlsamen architektonischen Mei­ sterschaft ihres Erbauers. Kurt Klein Grundzüge einer Verwaltungsstruktur auf der Baar im Zeitalter der Karolinger (8. und 9.Jahrhundert n. Chr.) Vor nunmehr zwanzig Jahren entbrannte eine teilweise heftige Diskussion darüber, wie man den Bürger am wirksamsten am politischen Leben teilhaben lassen und wie man ihn am ehesten in einen gut und organi­ satorisch einwandfrei funktionierenden Ver­ waltungsmechanismus einbinden könnte, damit er eine „bürgemahe“ und effektiv arbeitende Staatsgewalt stets hilfreich zu seinen Diensten habe. Man versuchte, durch Verwaltungs- und Kreisreform ein Jahr­ hundertwerk zu schaffen, welches den Anforderungen einer hochdifferenzierten und hochtechnisierten Welt gerecht werden könne. Man ließ sich dabei von dem Gedan­ ken einer höheren „Lebensqualität“ leiten. Eine tiefgreifende Veränderung hatte sich vollzogen, und das Ergebnis sehen wir heute unter anderem in der bereits geschichtlich gewordenen Tatsache, daß die ehemals eigen­ ständigen Landkreise Villingen und Donau­ eschingen durch die Kreisreform zum „Schwarzwald-Baar-Kreis“ zusammengelegt worden sind. Angesichts dieser fundamentalen Ereig­ nisse in unserer unmittelbarsten Gegenwart kann es auch einmal reizvoll sein, unseren Blick auf Vorgänge und Entwicklungen in unserer engsten Heimat zu werfen, die ein gutes Jahrtausend schon hinter uns liegen. Im folgenden soll versucht werden, eine Grobskizze davon zu zeichnen, wie staat­ liche Verwaltung und staatliche Herrschaft 128 im Bereich der Baar in einer Zeit ausgesehen haben mögen, die geprägt war von Verände­ rungen und Entwicklungen größten Aus­ maßes, Entwicklungen, welche mit Begriffen wie „Entstehung der Nationalstaaten Frank­ reich und Deutschland“· umschrieben wer­ den können. In dieser Zeit fundamentaler geschichtli­ cher und politischer Veränderungen sind auch die „kleinen Ordnungen des Lebens“ nicht unberührt geblieben. In unserer enge­ ren Heimat haben sich damals ebenfalls Machtkonstellationen ergeben, die denen unserer Tage in nichts nachstehen. Aufgrund von aussagekräftigem schriftli­ chem Q!iellenmaterial und aufgrund der Ermittlung von Besitzungen des Adels ebenso wie durch die Auswertung der früh­ mittelalterlichen Kirchenorganisation und durch die Auswertung von archäologischem Material lassen sich recht ausführliche Struk­ turen erkennen. Geographisch läßt sich der Bereich in etwa durch die heutigen Orte Villingen-Schwen­ ningen -Tuningen -lppingen -Kirchen – Hondingen – Ewattingen – Löffingen – Tannheim eingrenzen. Innerhalb dieses Bereiches können von den zirka sechzig heute noch vorhandenen Siedlungen (Dörfer -Städte -Stadtteile) ungefähr dreißig ausgeschieden werden, weil sie für eine entsprechende Auswertung nicht in Frage kommen, da ihre Ersterwähnung

1 , 1 b I , I i I � I • 1 t/ i I rturnlt,im • 1 1 1 ‚, I I I r‘,’/t,T1g,n äad·Dürrh1im _o e Tuning“1 e Kudurlto/cn _ eJpp,“n9″“ • Mundellingen Kaiserurkunden genannt ist. • = Orte deren Königsgut in Königs- bzw. 0 = Orte mit sonstigen sicheren Hinweisen • = Königsgut mit Martins-, Peter und Pauls oder Michaelspatrozinium, aber ebenfalls in Königsurkunden genannt. auf Königsgut. Die Baar im 8. und 9. Jahrhundert, Verwaltungsstruktur Zeichenerklärung: – = Alemannische Reihengräber aus O dem 6. und 7.jh. n. Chr. = Die Centenenbezirkt = Grenze der A dalhards- oder Bertoldsbaar. 129

nicht innerhalb des Beobachtungzeitraums liegt. Dies bedeutet konkret, daß von den 34 schon im 8. und 9. Jahrhundert genannten Dörfern mit Sicherheit gesagt werden kann, daß sie schon zur Zeit der Landnahme durch den Stamm der Alemannen bestanden haben; die meisten von ihnen tragen -ingen-Namen und weisen damit eindeutig in das 5., 6. und 7. Jahrhundert zurück. Hinzu kommt, daß in vielen Fällen aleman­ nische Gräber aus dem 5. und 6. Jahrhundert gefunden werden konnten. Von den 34 erwähnten Siedlungen hatten im fraglichen Zeitraum 22 eine teils herausra­ gende Bedeutung insofern, als man sie in besonderer Weise mit dem fränkischen König in Verbindung bringen kann. Die als „Königsgut“ zu bezeichnenden Objekte lassen sich als direkt nachweisbare königliche Güter (Hofgüter) oder als irgend einem besonderen königlichen Vertrauten zugehö­ rendes, vom König zur Sicherung seiner Exi­ stenz zur Verfügung gestelltes Wirtschafts­ gut ausmachen. Als unmittelbarer Vertrauter des Königs zur Durchsetzung und Erhaltung der fränkischen Herrschaft über Deutsch­ land war er staatspolitischer Überwacher des Volkes und seiner Einrichtungen; so wurde er an den strategisch entscheidenden Punk­ ten eingesetzt und erfüllte so zum Beispiel als Graf die ihm vom König übertragenen Auf­ gaben. Die Macht dieser Grafen stützte sich dabei auf das ihnen zugewiesene Königs­ gut. Freilich ist der fränkische Graf kein Ver­ waltungsbeamter im heutigen Sinne, etwa vergleichbar einem Landrat; er war der Vor­ steher eines ihm vom König zugeteilten Bezirkes. Ein solcher „Bezirk“ ist aber wieder­ um kein „Schwarzwald-Baar-Kreis“ moder­ ner Prägung mit fest gezogenen Grenzen, sondern ein nur im allgemeinen bestimmba­ res Gebiet, das durch verstreut auftretendes ,,Könisgut“ irgendwie festlegbar war. Neben diesen „gräflichen“ Vertrauten des Königs war es eine weitere Gruppe einfluß­ reicher Leute, Cent e n a r e genannt, welche in einem Sonderbezirk innerhalb der Graf- 130 schaft besondere Aufgaben der fränkisch­ karolingischen Zentralgewalt wahrzuneh­ men hatten. In unserem Bereich sind es drei solcher Sonderbezirke, die von der For­ schung auch direkt als „Centenen“ bezeichnet werden. Diese Centenen sind innerhalb der Grafschaft rein militärische Verwaltungsbezirke. Aus der Lage dieser Sonderbezirke kann man deren primär stra­ tegisch-militärischen Charakter erkennen. Meist wurden sie nämlich entlang wichtiger Durchgangsstraßen angelegt. Für unseren Bereich sind es die Centenen Brigachtal (Klengen), Löffingen und Aitrachtal. Außer ihrer militärischen Rolle fallen der Centene aber auch besondere Aufgaben bei der wirtschaftlichen Erschließung unterwor­ fener Landschaften zu. Der Centenar war neben oder zum Teil auch mit dem Grafen der Richter in dem von ihm zu verwaltenden Bezirk. Er war also königlicher Beamter ebenso wie der Graf, und seine reale Macht beruhte -wie die der Grafen -auf dem ihm vom König überlassenen Gut. Rückschlie­ ßend läßt sich also feststellen, daß das Gebiet, das ihm unterstand, in besonderer Weise mit dem König verbunden sein mußte. Das unter den oben erwähnten allgemei­ nen Aspekten erzielte Ergebnis läßt sich also für die Verwaltungsstruktur auf der Baar im Zeitalter der fränkisch-karolingischen Herr­ scher wie folgt zusammenfassen: Innerhalb der drei genannten Centenebe­ zirke war königliche Macht in besonderem Maße vorhanden, weil es Gebiete waren, welche unmittelbar als königliches Gut einem königlichen Beamten zur Verfügung standen, um diese Macht auch nach außen hin zu dokumentieren. Es waren also Schwerpunkte karolingischer Herrschaft. – In Löffingen überträgt Ruadger im Jahre 819 seinen Besitz zu Rötenbach an die Kirche des hl. Martin zu Löffingen. In der Signum-Zeile der Urkunde ist der Cente­ nar Beringer als königlicher Unterbeamter dieses Sonderbezirks erwähnt. Außerdem schenkt Karl III. (der „Dicke“)

886 „quasdam res proprietatis nostrae … “ (aus unserem Besitz) dem Kloster St. Gal­ len. Löffingen ist also der Sitz des Centenars, und im Jahre 886 ist königlicher Besitz direkt nachzuweisen. – In Klengen finden wir im Jahre 817 Gra­ fengut urkundlich belegt: Ludwig der Fromme überträgt die bisher dem Grafen zukommenden Einkünfte von 47 Man­ sen an das Kloster St. Gallen. Unter diesen Mansen befindet sich auch diejenige des Puabo zu Klengen. Im Jahre 881 übergibt Karl III. dem Pres­ byter Ruodbert die Kirche zu Klengen auf Lebzeit mit der Bestimmung, daß sie nach dessen Tod wieder an das Krongut heim­ falle. In der erwähnten Urkunde wird wie­ der von „proprietas nostre“ gesprochen. Nach dem Tod Karls III. (im Jahre 888) wird dem Presbyter Rudbert von Arnolf­ dem Nachfolger Karl III. – der 881 übertra­ gene Besitz bestätigt. Auffallend ist im Falle Klengen wie auch bei Löffingen, daß die in Frage kom­ mende Kirche eine dem HI. Martin geweihte ist. Die Forschung hat zwischen­ zeitlich zweifelsfrei nachweisen können, daß es sich bei Kirchen mit Martinspatro­ zinium um frühmittelalterliche Hundert­ schafts- oder Königsdomänenkirchen handelt; jedenfalls ist sicher, daß die Ver­ ehrung des HI. Martin in fränkisch-karo­ lingischer Zeit eine ganz besondere Be­ deutung hatte. – Im Bereich der Centene Aitrachtal – dem Umfang nach der größte der drei Cente­ nenbezirke – liegen die Orte Hondingen, Kirchen, Geisingen und Neidingen (heute: Neudingen). In der bereits genannten Urkunde des Jah­ res 817 überträgt Ludwig der Deutsche die Einkünfte aus gräflichem Gut an das Kloster St. Gallen, und außerdem ist in einem Ablaßbrief aus dem Jahre 1353 der HI. Martin als Kirchenpntron von H o n ­ dingen genannt. Es ist also mit Sicherheit anzunehmen, daß man es _ebenfalls mit ergaben einer alten, in die fränkische Zeit zurück­ reichenden Königskirche zu tun hat. Außerdem stilgeschichtliche Untersuchungen für Teile des heute noch vorhandenen Kirchengebäudes eindeu­ tige Hinweise auf karolingische Elemente. Es dürfte sich also wohl um eine könig­ liche Eigenkirche auf königlichem Boden handeln. Interessant ist in diesem Zusam­ menhang die Tatsache, daß Hondingen lange Zeit Mutterpfarrei für Fürstenberg, Neidingen und Blumberg war. – In Aulfingen wird 770 gräflicher Besitz an das Kloster St. Gallen vergabt. – In Kirchen wird 764 eine Urkunde in Anwesenheit des dortigen „tribunus“ Alb­ vinus über Besitzvergaben in Geisingen ausgefertigt. Es kann angenommen wer­ den, daß der genannte „tribunus“ der Cen­ tenar, also der Vorsteher der gesamten Centene Aitrachtal war. – Nach Geisingen kam im Jahre 829 der Abgesandte des Grafen Roachar zur Abwicklung eines Rechtsgeschäfts „in publico placito“. Nur königlicher Boden scheint für die Abwicklung dieses Rechts­ geschäftes würdig genug gewesen zu sein. Der Centenenbezirk Aitrachtal konnte sich indes nie in vollem Umfang entfalten, da sich der Königshof Neidingen mehr und mehr in den Vordergrund schob. Der Centenenbezirk verlor allmählich an Bedeutung, und der Schwerpunkt der Macht verschob sich vom Aitrachtal an die Donau nach Neidingen. Einfluß und Bedeutung von Neidingen wuchsen so sehr, daß es stark genug wurde, einem ganzen Grafschaftsbezirk seinen Namen zu geben. Neidingen – ein karolingisch-fränkisches Oberzentrum? Im Jahre 870 wurde in Neidingen eine Urkunde ausgestellt, in welcher Erfger eine Hufe in Weigheim von Abt Grimald von St. Gallen gegen seinen Besitz in der Mark Tu­ oingen zugeschrieben wurde. Das Rechts­ geschäft wurde vollzogen in „Nidinga publice“. 131

Im Jahre 881 wird eine Urkunde Kaiser Karl III. in Pavia über die Übertragung der Kirche zu Klengen an den Prespyter Ruod­ bert (siehe oben) ausgestellt. Klengen liegt laut Urkunde „in comitatu Ni d in ga in pago Bertholdespara“. Bezüglich der Entwicklung Neidingens lassen sich daraus wohl folgende Beobach­ tungen machen: Etwa in den Jahren 870 bis 880 ist Neidingen mehr und mehr zu politi­ scher Bedeutung gelangt und hat in den Jah­ ren bis zum Tode Karl III. 888 eine überört­ liche (oder um im Fachjargon der modernen Verwaltungsreformer zu sprechen), ,,ober­ zentrale“ Funktionen gehabt. Als Kaiser Karl III. „imperio iam privatus (der Herrschaft beraubt) … in Villa Alaman­ niae Nidinga infinnatus … idus Januarii vita mortali decessit“ (aus dem Leben geschieden) … ist Neidingen also auf jeden Fall das gewesen, was man als Königshof zu bezeichnen hat. Wie unschwer zu erkennen ist, sind Königsgüter und Königshöfe in den oben beschriebenen Fällen im 8. und 9. Jahrhun­ dert Orte von besonderem politischem und verwaltungsrechtlichem Gewicht. Ober-und Mittelzentren würden wir sie heute nennen, und Orte mit regionaler und überörtlicher Bedeutung heute, waren in karolingischer Zeit eben nur zweit- oder gar drittklassig. Für Villingen, Schwenningen, Donau­ eschingen, Bad Dürrheim sind ebenfalls königliche Eigengüter nachweisbar. Bei genauem Qiellenstudium finden wir überall klare Hinweise auf Königsgut; sei es, daß der König Teile seiner Güter verschenkt oder mit anderen tauscht, oder sei es – wie im Falle Bad Dürrheims -, daß ein „placitum“ statt­ findet. Die erste schriftliche Erwähnung Donaueschingens im Jahre 889 ist ebenfalls deutlicher Hinweis auf königliches Gut: König Arnulf schenkt dem Kloster Reichen­ au Güter in Donaueschingen (quasdam res iuris nostri in pago pertholtespara sitas in Esginga). Im Jahre 856 steht eine königliche „curtis“ in Pfohren neben der Kirche, und im Jahre 132 857 bestätigt König Ludwig der Deutsche einen Gütertausch in Heidenhofen zwischen seiner Tochter Irmengard, Äbtissin des Klosters Buchau und dem Abt Folkwin von Reichenau. Der König führt den Tausch aus mit Güter aus seinem Besitz („ex proprietate nostra“). 895 schenkt König Arnulf auf Fürsprache seines getreuen Bischofs Wiching seinem Kanzler Ernst Teile seines Eigentums in Sunthausen. Im Jahre 880 schenkt Karl III. seinem Kapellan Ruodbert in Ippingen 3 Hausen aus königlichem Besitz. Für T unin­ gen weist eine Urkunde aus dem Jahre 817 auf königliche Besitzungen; Sumpfohren, Behla, Hausen vor Wald, Ewattingen, Tann­ heim und Mundelfingen sind laut Qiellen­ lage ebenfalls in den Kreis der Königs­ beziehungsweise Grafengüter einzureihen. Nach diesem Überblick über die einzel­ nen Königsgüter und Königshöfe in der Baar gelangen wir zu dem Ergebnis, daß von den heutigen Baardörfern – moderne Regional­ planer nennen sie „Siedlungen im ländlichen Raum“ – etwa ein Drittel bereits im 8. und 9. Jahrhundert königliche Höfe, also Stütz­ punkte der fränkischen Herrschaft und mit Sicherheit auch Zentren der karolingischen Reichsorganisation waren. Manfred Glunk * Herbstbeginn Die Tanzeinlagen der Schmetterlinge sind vom Programm gestrichen – Flugakrobatik von Mauerseglern ins nächste Jahr verlegt – korallenrote Ebereschenbeeren kündigen eine neue Vorstellung an, mit melodischem Ruf lädt der Dompfaff ein zur Premiere: Sinfonie von Farben und Reife, Herbheit und Trauer – Herbst … Christiana Steger

1100 Jahre Behla Ein Baardorf feiert Geburtstag Im Sommer 1989 wird man in Behla, seit 1972 einem Teilort Hüfingens, der llOOjähri­ gen Wiederkehr der erstmaligen urkundli­ chen Erwähnung des Ortes gedenken. Sicherlich bestanden schon zu Zeiten der Römer auf dem heutigen Gebiet des Dorfes entlang der Durchgangsstraße zwischen Bodensee/Schaffhausen und der Garnison Arae Flaviae, dem heutigen Rottweil, Einzel­ gehöfte und Poststationen für Pferdewechsel und Übernachtung. Eine am Ort selbst beste­ hende größere Ansiedlung ist jedoch nicht nachzuweisen, zumal nur bescheidene Funde von Tonscherben und einer Münze aus der Zeit des Claudius (41 – 54 n. Chr.) vorliegen. Andererseits weist das in Hüfingen zur Sicherung der Handels- und Heerstraße angelegte Kastell mit dem benachbarten Römerbad auf die strategische Bedeutung der gesamten Umgebung hin. In alemannischer Zeit muß die Gegend ebenfalls ein Zentrum politischer Macht gewesen sein, was durch den Fund einer um 600 auf der Hüfinger Gierhalde errichteten Grabstätte eines überörtlich bedeutenden Alemannenfürsten belegt wird. Die Nähe der karolingischen Kaiserpfalz zu Neudingen gar läßt den Raum um Behla in spätfränkischer Zeit zu einem Ort von reichsgeschichtlicher Bedeutung und Dra­ matik werden: Denn hier endete – möglicherweise gewaltsam -das Leben des zuvor von seinem Neffen Arnulf entmachteten Kaisers Karls III („Karls des Dicken“) im Jahre 888. Noch heute sind diese Geschehnisse so tief im Volksglauben verwurzelt, daß der Geist des unglücklichen Kaisers „Karl der Dicke“, der im Sumpf erstickte als „der Schnaufer“ umgehen soll. Und gerade mit diesem geheimnisvollen Tod ist die Ersterwähnung Behlas eng verbunden: Im Stiftsarchiv des Klosters St. Gallen fin­ det sich die folgende Urkunde, deren Über- setzung hier wiedergegeben werden soll. Die Reproduktion der Urkunde (siehe Abbil­ dung) zeigt die Erwähnung des Namens Behla als Pelaha (2. Zeile rechts außen) – in Verbindung mit dem Namen der Nachbar­ gemeinde Husun (Hausen vor Wald-3. Zeile links außen): ,,Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreiei­ nigkeit Arnu!f, König von Gottes Gnaden: Es soll die Gesamtheit aller treuen Christen eifah­ ren, daß wir aufgrund der Fürsprache unseres treuen Gefolgsmannes /ring und unseres Bedien­ steten Erich einem gewissen treuen Anhänger von uns namens Egino in den drei Gauen Bertholds­ baar, Alpgau und Breisgau in fünf Orten, die Vaganesheim, Behla, Hausen vor Wald, Ewat­ tingen und Feldberg heißen,fünfzehn Hufen mit 5 Familien durch ewiges Recht zu Eigentum über­ tragen mit Hofplätzen und Gebäuden, Pachtgü­ tern, Feldern, Ackern, Wiesen, Weiden, Wäl­ dern, Wassern und Wasserläufen, Mühlen, Fischplätzen, Wegen und unbegehbares Land, hinausgehendem zurückkommendem (Pacht)-Gut, sei es ausdrücklich gefordert oder nichtgefordert, bebaut oder unbebaut, mit Fahrnis und unbeweglichem Gut, sowie mit allem, was sich von Rechts und Gesetzes wegen auf diese Hufen erstreckt. Und wir bestimmen auf Grund unserer Befehlsgewalt, daß die vorliegende Wei­ sung aufgeschrieben werde und aufs ernstlichste angeordnet sei, daß der vorgenannte Egino von allen diesen Gütern die Macht hat, sie zu behal­ ten, herzugeben, zu verkaufen, zu tauschen oder ohne jede Einschränkung zu tuen, was er will. Und damit dieser unser Beschluß stärkere Gel­ tung habe und durch künftige Zeiten von unseren Getreuen eher geglaubt werde und gewissenhafter befolgt werde, bekräftigen wir ihn mit unserem Handzeichen und beglaubigen wir ihn mit unse­ rem Siegelring. und Das Zeichen Arnu!fs, des unbesiegten Königs. Ich Aspertus, der Kanzler, habe dies in Stell­ vertretung des Erzkap/ans Deotmar zur Kenntnis genommen und aufgezeichnet. 133

Gütern nach Belieben zu verfahren, eine Freiheit, die dem mittelalterlichen Lehnsbe­ griff eigentlich widerspricht und eher der modernen Auffassung des unumschränkten Eigentums ähnelt. Ludwig Vogel * Gegeben am 4. Tag vor den Iden des Januar des gottesfürchtigen Königs Arnu{f. Geschehen zu Regensburg, dem in Gottes Namen gesegnet (gedeihenden) Gemeinwesen. Amen“ (13.) im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 889, im dritten Jahr der Regierungszeit Offenbar handelt es sich bei allen erwähn­ ten Orten um Königsgüter, die nach dem Tode Kaiser Karls III an dessen Nachfolger König Arnulf von Kärnten fielen und im fol­ genden Jahr an Egino weitergegeben wurden. Dieser Lehnsmann erhält die Güter erstmals -von einer Bestätigung einer früheren Beleh­ nung ist nicht die Rede -was auch durch die Einschaltung der beiden Fürsprecher !ring und Eric unterstrichen wird. Bemerkenswert ist schließlich die unein­ geschränkte Freiheit des Bedachten, mit den 134

Das Haus des Heiligen Johannes in Schwenningen Über das „Haus des Heiligen Johannes in Schwenningen“ haben die Johanniter erst­ mals in die Baar Einzug gehalten. Zwei bis in die Neuzeit bestehende, bedeutende Kom­ menden, nämlich die von Rottweil und Vil­ lingen, stehen mit der Schwenninger Grün­ dung in unmittelbarem Zusammenhang. Sehr früh schon ist das Schwenninger Haus in der Villinger Kommende aufgegangen, die Gründerzeit ist kaum noch in Erinnerung. Deshalb soll versucht werden, diese Epoche in den folgenden Zeilen etwas aufzuhellen. Im Jahre 1099 von einem Gerhard aus der Provence in Jerusalem gegründet, war der Johanniterorden, der sich den Dienst am Nächsten zur Aufgabe gemacht hatte, im deutschsprachigen Raum nach dem 2. Kreuzzug (1147-1149) bekannt geworden. In breitem Umfang hatte sich an diesem Zug ins Heilige Land unter König Konrad III die deutsche Ritterschaft beteiligt. Mitgezogen war auch der Herzog von Schwaben, der spä­ tere Kaiser Friedrich Barbarossa, welcher dann im Jahre 1156 den Johannitern für die Länder des Reiches bedeutende Privilegien zugestand. Der Orden hatte inzwischen neben Kran­ kenpflege und Pilgerbetreuung auch die Verpflichtung zum Kampf gegen die Un­ gläubigen übernommen und besaß bereits die ersten Niederlassungen im deutschen Sprachgebiet, als in den Jahren 1189 und 1190 der dritte Kreuzzug stattfand. Im Anschluß an diesen erfolgte wohl im schwäbisch-ale­ mannischen Raum die Gründung der Häu­ ser Feldkirch bei Freiburg, Mergentheim, Schwäbisch Hall, Wimpfen, vielleicht auch Jungingen bei Hechingen, Bubikon, Luzern und Schwenningen. Die Schwenninger Gründung ist erstmals 1212 durch eine Güterübergabe bezeugt, welche Eigenleute der Probstei Zürich an das „Haus des Heiligen Johannes in Schwennin­ gen“ vornahmen. Die Namen der Gründer blieben zwar bis- her im Dunkel, aber wir wissen inzwischen mit Sicherheit, daß die Ausstattung des Schwenninger Hauses aus dem Areal des damaligen Schwenninger Herrenhofes her­ ausgeschnitten wurde, so daß zumindest eine Beteiligung des Ortsadels gefolgert werden kann. In diesem Zusammenhang darf auf eine alte Ortssage verwiesen werden, die in ihrem Kern die Aussage enthält, daß ein Angehöri­ ger der Schwenninger Adelsfamilie auf einem Kreuzzug verschollen ist. Die nächste Kunde über die Johanniter in Schwenningen erreicht uns auf Umwegen über die „Zimmersehe Chronik“. Sie berichtet: „Anno 124 7 ist ein Johanniter gewesen des geschlechts der edelleut von Schwennigen, genannt brueder Hans von Schwenningen, der hat in iezbemeltem jhar das Johanniter­ haus zu Rottweil widerumb erbawen. Dem ist auch fleißig nachzusuchen, und wiewol deren Dörfer etlich, so Schwenningen gehei­ ßen, so acht ich doch das sein, so in oder aller­ nechst der Bare gelegen.“ Zwar wurde diese Information erst später niedergeschrieben, aber sie geht sicherlich auf wiederholte, nachweisbare Kontakte zwi­ schen den Herren von Zimmern und dem Johanniterhaus Schwenningen zurück: 1255 ist beurkundet, daß ein Herr von Zimmern und seine Frau lebenslänglich Güter nutzen sollten, die in „Tuckingen“ (wohl Dauchin­ gen) lagen, und aus dem Jahre 1257 erfahren wir, daß Albrecht, Freiherr von Zimmern, dem Johanniterhaus Schwenningen Güter in und bei Tuttlingen übergab. Diese Nachricht überrascht etwas, denn die Verlegung des Hauses Schwenningen nach Villingen durch den Grafen Egon von Fürstenberg wird allgemein auf das Jahr 1253 datiert. Deshalb läßt sich vermuten, daß die­ ser Vorgang nicht abrupt, sondern allmäh­ lich erfolgte, denn noch 1292, annähernd 100 Jahre nach der Gründung treten anläßlich 135

Die Abbildung zeigt die Lage des einstigen johanniterhospitals Schwenningen inmitten der durch »Breite“ und »Brühl“ gekennzeichneten Güterlage des einstigen Schwenninger Herrenhofes und späte­ ren „niederen Kelnhofes“. Es bedeuten: 1.) Standort des Herrenhefes 2.) Die »Breite“, die Ackerflur des Herrenhofes 3.) Flur „Hinterm Spittel‘: vermutl. von Breite abgetrennt 4.) Flur „Au‘: Wiese 5.) Flur „Ringenlnch‘: Herrenhofwald 6.) Mutmaßlicher Standort des johanniterhospitals Der ntroße Brühl“ war einst das Weideland des Herrenhefes. 136

eines Verkaufes drei „Brüder“ von Schwen­ ningen als Zeugen auf. Bei diesem Vorgang darf man sich sicher­ lich der Annahme von 0. Benzing anschlie­ ßen, daß es sich um Johanniter handelte, da die Präsenz eines anderen Ordens in Schwen­ ningen nicht nachgewiesen ist. In der Folge bleiben die Nachrichten über das „Johanniter-Haus“ in Schwenningen aus, die Urkunden sprechen nur noch vom ,,Johanniter-Hof“. Ein Ereignis, das den Wechsel des bisheri­ gen Status zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber doch unterstreicht, fallt in das Jahr 1315. Hier erfahren wir von einem großen Güter­ tausch zwischen Burkhard Hemerlin aus Vil­ lingen und der Villinger Johanniterkom­ mende: 12 Güter, nämlich drei in Schwen­ ningen, zwei in Mühlhausen, zwei in Hochemmingen, drei in Donaueschingen und zwei in Obereschach wurden von den Johannitern an Hemerlin abgegeben. Sie erhielten dafür von ihm Güter, Leute und Rechte in Weigheim. Offensichtlich stehen wir hier vor einer mittelalterlichen Verwaltungsreform: Streu­ güter wurden abgestoßen und das wirtschaft­ liche Potential auf einen Ort konzentriert. Mit Sicherheit spielten auch territorialpoli­ tische Erwägungen eine Rolle, die zwangsläu­ fig die Substanz des alten Schwenninger Hauses entscheidend veränderten. Der Rechtsstatus des Gründerhauses nach der Verlegung des Amtssitzes nach Villingen ist uns unbekannt. Interessant ist in dieser Hinsicht ein Hinweis aus dem Jahre 1320 auf die Schlichtung eines Streites zwischen dem in Schwenningen begüterten Ritter Johannes v. Kürneck und der Johanniterkomturei in Villingen wegen des Schwenninger Johanni­ terhofes. Die Kürnecker sind zwischen 1185 und 1265 als Schwenninger Vögte bezeugt und möglicherweise in eine Rechtsnachfolge zu der um diese Zeit nicht mehr nachweis­ baren Ortsadelsfamilie eingetreten. So wäre es denkbar, daß es um Privilegien ging, die einst den Gründern des Hauses Schwennin­ gen zustanden. Der Streit wurde durch den amtierenden Grafen von Fürstenberg ge­ schlichtet. Fast ein Jahrhundert lang schweigen nun die �eilen über die Johanniter und deren Hinterlassenschaft in Schwenningen. In einem Fürstenbergischen Lehensbuch aus dem Jahre 1413 wird aber wieder an sie erin­ nert und zwar erhalten wir Nachricht über das zugehörige Gotteshaus. Eine Güterauf­ zählung erwähnt eine Wiese in Schwennin­ gen und enthält den Satz: ,,item ain wisen, lit ze Swenningen, stat der Johannser Capell . “ m. Eine Beschreibung von Freipürsch-Mar­ ken aus dem Jahre 1520 gibt uns dann die letzte urkundliche Nachricht über Reste des einstigen Hauses. Eine dieser Marken soll „ans Neckhers Port alt gemeuer zue Sannte Hanns Schwenningen“ gestanden haben. Leider ist eine exakte Aussage über diesen Standort bis heute nicht gelungen. Dies ist sehr bedauerlich, denn das „alt gemeuer“ war wahrscheinlich der letzte sichtbare Rest, der Schwenningen von dem einstigen Johanni­ terhaus geblieben war. Geblieben ist uns aber auch die Erinne­ rung. Sie lebt nicht nur weiter in der Sage, sondern sehr konkret in unseren Flurnamen. Diese geben Aufschluß über die in den Augen der Bevölkerung wichtigste Einrich­ tung des einstigen Hauses, nämlich die des zugehörigen Spitals und eines eventuellen Heilbrunnens. „Hinter dem Spittel“, ,,Spittelbronner Weg“, ,,Spittelbronnen“ sind uns heute wich­ tige Standorthinweise. Vermutlich drängt sich heute die Frage auf, warum der erste Johanniterstandort in der Baar gerade Schwenningen und nicht von Anfang an Villingen oder Rottweil war. Eine wichtige Voraussetzung war zweifel­ los die Lage an der seit der Römerzeit bedeu­ tendsten Nord-Süd-Verbindung zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Ausschlag gab aber letztlich derjenige, der an diesem Ort die zur Gründung notwendi­ gen Güter bereitstellen konnte, und das war nach der aufgezeigten Verschachtelung mit 137

dem Herrenhofkomplex mit großer Wahr­ scheinlichkeit die einstige Schwenninger Ortsadelsfamilie oder deren Erben. Dieter Knaupp Lit e r a tu ma ch weis Benzing, Ot t o : Q!iellen zur Schwenninger Geschichte. Verlag Hermann Kuhn GmbH und Co KG, VS-Schwenningen, 1983. H e c h t , Winfr i e d: Die Johanniterkom­ mende Rottweil. Veröffentlichung des Stadtar­ chivs Rottweil, Band 2, 1971. Freiherr von Althaus Erster Ehrenbürger von Bad Dürrheim Was ist das, ein Ehrenbürger? Heute hat dieses Recht rein formell an Kraft und Bedeutung verloren. Früher nämlich durfte ein Ehrenbürger an sämtlichen Ratssitzun­ gen teilnehmen und an den Entscheidungen mitwirken. Zudem war dieses Recht meist noch mit einer höheren Rente und Steuer­ freiheit verbunden. Heute sind die Würde und das Ansehen übriggeblieben, mit dem der Ehrenbürger aus der Gemeinschaft her­ vorgehoben wird. Abgesehen von diesen materiellen Din­ gen hat das Ehrenbürgerrecht vor allem einen ideellen Wert. In diesem Sinne ist das Ehrenbürgerrecht als höchste Auszeichnung anzusehen, die eine Gemeinde zu vergeben hat. Wie hoch sie im Kurs steht, läßt sich allein schon an der Tatsache ermessen, daß bis zum heutigen Tag nur noch an weitere sechs Persönlichkeiten die hohe Auszeich­ nung verliehen wurde: Johann Georg Huber, Hotelier Ernst Müller, Altbürgermeister Wil­ helm Grießhaber, Staatsrat Paul Vowinkel, Altbürgermeister Otto Weissenberger sowie Dr. med. Georg Huber. Eigentlich wären es acht an der Zahl, wenn nicht auf Anordnung des Landrats Bienzeisler von Villingen vom 28. Mai 1946 die Ehrenbürgerrechte, mit denen Walter Köhler im Jahre 1937 aus­ gezeichnet wurde, gestrichen und somit aber­ kannt wurden. 138 H e c h t , Wi nfr i e d: Zur Geschichte der Johanniterkommende Villingen in „Villingen und die Westbaar“, Seiten 141 bis 147. Heraus­ geber: W. Müller. Bühl, 1972. K n aupp, D i e t e r : Aufden Spuren des“nie­ deren Kelnhofes“ in Schwenningen in „Das Heimatblättle“, 34.Jahrgang, Heft 6. Herausge­ ber: Schwenninger Heimatverein e.V., VS­ Schwenningen, 1986. Flu r k a r t e Sch w e n n i n g e n nach der allge­ meinen Landesvermessung 1838. Erster Ehrenbürger von Bad Dürrheim wurde August Freiherr von Althaus, der die Saline zu bedeutender Leistungsfähigkeit brachte und einen rationellen Betrieb dersel­ ben fundierte. In dem gehorsamsten Ansuchen des Gemeinderats zu Dürrheim an das Großher­ zoglich Wöhllöbliche Bergamt heißt es: „Nach der allgemeinen Zustimmung der

Gemeinde dahier ist man willens, dem Gh. Bergratv. Althaus, welcherseit20Jah­ ren hier als Salinenverwalter anwesend war, nachdem derselbe jetzt von hier abreiste, für seine gute Gesinnung und Tätigkeit, welche derselbe der hiesigen Gemeinde in dieser Zeit erwiesen hat, das Bürgerehrenrecht zu verleihen.“ Dürrheim, den 2ten Oktober 1843 Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts fand die Zustimmung des Bürgerausschus­ ses, und so dankte von Althaus in einem Schreiben vom 18. Oktober 1843 dem löb­ lichen Gemeinderat und Bürgerausschuß zu Dürrheim mit folgendem Wortlaut: „Aus dem Orte geschieden, wo durch den seegensreich aufgefundenen Schatz, der so glücklich auf das ganze badische Volk einwirkt, ein anderes Leben für die Gemeinde zu Dürrheim eintrat, und für sie Verhältnisse herbeiführte, welche nach Jahrhunderten noch einen Einfluß auf ihre Nachkommen äußern wird -hatte der Unterzeichnete nach einundzwanzig­ jährigen Dienstleistungen, in welchen er als der erste Vorstand der neu gegründeten Saline auch das Wohl der Gemeinde dabei nie aus den Augen zu verlieren trachtete, das unauslöschliche Vergnügen, daß ihm das Ehrenbürgerrecht von der schätzba­ ren Bürgerschaft erteilt wurde. Er erhielt durch diese ihm gewordene Auszeichnung, sowie durch die freudige Teilnahme der ganzen Bürgerschaft bei Überreichung der Urkunde die feste Überzeugung, daß sein Wirken für die Gemeinde nicht unbeachtet blieb und Anklänge zurückließ, welche nur aus einer edlen Anerkennung seiner redlichen Absichten für das Gemeindewohl hervor­ traten, so schwach auch die Kräfte und Leistungen sein mochten, welche diese Gefühle erregten, und nur durch die Unterstützung von der Gemeinde selbst, das Gute, welches daraus hervorging, her­ beiführen konnte. Darum bringt derselbe seinen aufrichtig­ sten Dank der Gemeinde auch aus der Feme nochmals für die ihm bewiesene Liebe und Achtung dar, mit dem herzlich­ sten Wunsche, daß diese ihm wohltuen­ den Erinnerungen eines regen Wirkens, welches aus erkannten guten Absichten hervorging, durch fortgesetztes Handeln, noch in später Zukunft reichliche Früchte für die Gemeinde bringen möge.“ Freiburg im Breisgau: 18. Oktober 1843 Freiherr August von Althaus Großherzoglich badischer Bergrath und wirklicher Capitain von der Suite Ritter des militärischen Carl Friedrich Verdienstordens. Bei der Bedeutung, die dieser Mann für die Geschichte der Saline, als auch für die Entwicklung der Gemeinde Bad Dürrheim hat, ist es angebracht, auf seine Biographie näher einzugehen. 139

des Der am 25. Juli 1791 in Paris geborene von Althaus entstammte einem nassauischen Adelsgeschlecht, begann 1808 die militä­ rische Laufbahn und nahm als Second-Lieu­ tenant Linien-Infantrie-Regiments vacant Nr. 2 unter General Ezdorf am Ruß­ landfeldzug teil. Für den kaum 20jährigen Offizier endete der Feldzug Napoleons mit dem militärgeschichtlich berühmten Über­ gang über die Beresina allerdings bereits bei Wilna. Die stark dezimierten badischen Trup­ pen führte er von Rußland nach Karlsruhe zurück. In einem Tagebuch hinterließ er der Nachwelt die Tragödie an der Beresina. Der Franzosenkaiser dekorierte ihn hinterher mit dem Kreuz der Ehrenlegion und erhielt den Titel „Staats-Capitaine“. Nach den Freiheitskriegen legte August von Althaus den Soldatenrock ab und wid­ mete sich zivilen Aufgaben. Über St. Blasien, wo er mit der Beaufsichtigung des Geschütz­ und Gewehrtransports beauftragt wurde, gelangte er 1823 nach Dürrheim. Rund zwei Jahrzehnte – bis 1843 – war von Althaus Dürrheims erster Salinenver­ walter. In dieser Eigenschaft bestand sein Verdienst darin, die Saline als Wirtschaftsfak­ tor zur Blüte gebracht und ihr auf Jahrzehnte hinaus den Weg zu einer konstanten Ent­ wicklung geebnet zu haben. August von Althaus packte seine Aufgabe in Dürrheim weitsichtig an. Unter seinem maßgeblichen Einfluß entwickelte sich Dürrheim in baulicher Hinsicht in einem geradezu berauschendem Tempo. Im Zeit­ raum von nur zwei Jahren (1823-1825) ent­ stand der Ortsteil „Saline“. Die Silhouette Dürrheims erhielt einen gewandelten, bele­ benden Akzent. Fortan gehörten Bohrtürme und dampfende Kaminschächte der Sied­ häuser zu den beherrschenden Eindrücken. Die Verdienste dieses Mannes als Trup­ penführer und Wirtschaftsfachmann sind damit freilich noch nicht erschöpfend auf­ gezählt. Von Althaus entwickelte zugleich Neigungen zu Wissenschaft und Gelehrsam­ keit. Er fand sich hierin dadurch bestätigt, daß ihm die Universität Freiburg 1866 den Ehrendoktorhut verlieh. Als exponierter Sproß seines Geschlechts, der sich in verschiedenen Berufen und Tätig­ keiten verdient gemacht hatte, verstarb von Althaus in Freiburg am 14. Mai 1875. Durch die Benennung einer Bad Dürrheimer Orts­ straße – „Von-Althaus-Weg“ – wird das Andenken an diesen Mann wachgehalten. Lydia Warrle M. A. Der Vöhrenbacher Artikelbrief vom 8. Mai 1525 Als das Jahr 1524 zu Ende ging, war das gesamte Gebiet zwischen Rhein, Donau und Lech im Aufstand gegen die herrschende Feudalordnung. Die Bauern organisierten sich in Haufen und Vereinigungen gegen zunehmende Unterdrückung und Unfrei­ heit, „sie liefen zusammen wie die Säue“, wie es in der Villinger Chronik steht. In unserem heutigen Kreisgebiet sind zwei große Bewe­ gungen zu dieser Zeit festzuhalten: die Brigachtäler, die November 1524 den sog. „neuen Haufen“ bildeten, und die „Christ­ liche Vereinigung“ unter der Führung von Hans Müller von Bulgenbach, die Anfang Oktober 1524 einen großen Zug vom Süd- schwarzwald in unser Gebiet unternahm. Von Langenordnach über Schollach, Urach, Linach, Furtwangen, „am samstag zu nacht (wohl den 8. Oktober, D.B.) gehn Vehren­ bach“, weiter nach Bräunlingen. Dieser Zug sollte Stimmung machen unter den Bauern und die Unzufriedenen und Verzweifelten zum aktiven Mitstreiten veranlassen. Es lag den Aufständischen zu diesem Zeitpunkt fern, Schlösser und Klö­ ster zu stürmen oder ihre geistlichen und weltlichen Herren totzuschlagen, ja, sie bezahlten, was sie auf ihrem langen, entbeh­ rungsreichen aber auch gefährlichen Marsch verzehrten. Sie waren bereit, das an Abgaben 140

Bauer und Ritter Holzsdmitt, Augsburg 1521 141

und Pflichten zu leisten, was sie von Alters her verpflichtet waren, nur unrechte und neue Forderungen ihrer Herren wollten und konnten sie nicht mehr dulden. Als jedoch am 13. Dezember unter Füh­ rung der Villinger „ettlich bauern von den reitern erstochen“ wurden, nahm der eigent­ liche Bauernkrieg seinen Anfang. Nun war nicht mehr an einen gütlichen Ausgleich zu denken, die Herrenpartei war in ihrer Grund­ haltung überwiegend für gewaltsame Nieder­ werfung der Rebellion. Die damals geschlos­ senen Verträge und Anlässe sollten die Auf­ ständischen lediglich hinhalten, man war nicht bereit, ernsthaft auf die Forderungen einzugehen. Die Bauern unter dem Müller Hans von Bulgenbach ließen sich aber nicht beirren und wurden zur Speerspitze dieser Aus­ einandersetzung, zumal sich immer mehr Unterdrückte der „Christlichen Vereini­ gung“ anschlossen. Bis zu 7000 Kämpfer kann man den �eilen entnehmen, began­ nen im März und April 1925 einen Aufstand, der seinen Höhepunkt mit der Einnahme von Freiburg Ende Mai hatte. Am 5. Mai zog der „Müllerhans“ mit seinem Haufen von Hüfingen nach Wolterdingen, verbrannte Zindelstein und die um diese Zeit bereits baufällige Burg Neufürstenberg im Bregtal. In Vöhrenbach schlugen sie dann ein Lager auf Vermutlich wollten die Bauern den Kon­ takt zwischen Freiburg und Villingen unter­ brechen, da Villingen zu diesem Zeitpunkt inniglich um Beistand und Unterstützung in Form von Reitern bat. Am 8. Mai schickten die Bauern einen Boten von Vöhrenbach nach Villingen mit dem Artikelbrief, der die Stadt zum Ein­ tritt in ihre christliche Bruderschaft auffor­ derte. ,,Unverzogenlich“ wollten sie eine Antwort von Villingen erhalten. Sie waren in Eile, der Schwäbische Bund unter dem Truchsess von Waldburg wie auch ihre Her­ ren rüsteten zum Gegenschlag. Noch waren sie in großer Überzahl, und nicht zuletzt drohte ihnen auch Verlust ihrer Kampfkraft, da die Ernte bevorstand. 142 Dieser Artikelbrief war das Aktionspro­ gramm der Christlichen Vereinigung. Er ist uns nur in der Vöhrenbach er Abschrift erhal­ ten. Wer sein(e) Verfasser waren, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es gibt einige Hinweise, die einen Einfluß von Thomas Münzer belegen könnten, immmer wieder wird in der Literatur aber auch der Prediger von Waldshut, Balthasar Hubmaier, genannt. Es würde den Rahmen dieser kur­ zen Darstellung sprengen, sich hier näher mit dem bald lOOjährigen Streit zu befassen. Ein­ deutig beweisen läßt sich die Autorenschaft nicht mehr, und die Anklageschrift und Hin­ richtung Hubmaiers, ,,der Widertäufer Patron und erster Anfänger“, am 10. März 1528 läßt auch keine letzten Schlüsse zu. In letzter Zeit wurde auch wieder der Bauern­ führer Hans Müller von Bulgenbach als Autor des Artikelbriefes ins Gespräch gebracht. Ebenso bleibt im Dunkeln, ab welchem Zeitpunkt der Artikelbrief in Umlauf war. Der Vöhrenbacher Aufmahnungsbrief an die Stadt Villingen ist und bleibt der ein­ zigste Beweis und darf wohl zu der Annahme führen, daß der Artikelbrief erst im Frühjahr 1525 Verbreitung fand. Seine Bekanntheit ist aber auch außerhalb des Schwarzwaldes fest­ zustellen. Der Artikelbrief ist das politisch weitest­ gehende überlieferte Bauernprogramm. Die Aufständischen wollten ohne Blutvergießen und Schwertschlag mit dem weltlichen Bann einen gerechteren Gesellschaftszustand her­ beiführen, als er zu dieser Zeit gegeben war. Sie wollten den „gemeinen christlichen Nutz“, da sie die „Bürden und Beschwerden nicht länger tragen noch dulden möchten, es wolle denn der gemeine arme Mann sich und seine Kindeskinder ganz und gar an den Bet­ telstab schicken und richten“. Wahres Chri­ stentum und „brüderliche Lieb“, ,,ohne allen Schwertschlag und Blutvergiessung“, war ihre „früntlich Pitt (Bitte, D.B.)“ an die Viilin­ ger. Sollten diese nicht zustimmen, ,,tun wir Euch in den weltlichen Bann“, ,,als abge­ schnittene, gestorbene Glieder“, von denen

man nichts kauft, denen man nichts gibt, mit denen man „ganz und gar keine Gemein­ schaft hält“. Dasselbe gelte auch für Schlösser, Klöster und Pfaffenstiftungen, aus denen „aller Ver­ rat, Zwang und alle Verderbnis erfolgt und erwachsen ist“. Wo aber Adel, Mönche oder Geistliche „ von solchen Schlössern, Klöstern oder Stiftungen willig abstehen und sich in gewöhnliche Häuser wie andere fromme Leute begeben und in die Christliche Ver­ einigung eintreten wollten, so sollen sie mit Hab und Gut freundlich und tugendlich angenommen werden, und man soll ihnen alles das, was ihnen von göttlichen Rechten gebührt und zugehört, getreulich und ehr­ barlich ohne allen Eintrag folgen lassen“. Zum Schluß werden alle, die die Feinde der christlichen Bruderschaft „behausen, fördern und unterhalten freundlich ersucht“, davon abzustehen:,, wo sie aber das nicht täten, sol­ len sie auch ohne weiteres in den weltlichen Bann erkannt sein.“ Dieser Artikelbrief war das revolutio­ närste Programm des gesamten Bauernkrie­ ges, der sich ja nicht nur auf den Schwarz­ wald beschränkte. Er gab eine rationale In­ terpretation des göttlichen Rechts und bedeutete in der Praxis eine auf allgemeiner Gleichheit beruhende Gesellschaftsord­ nung. Der Artikelbrief der Schwarzwälder Bauern fußte auf einem biblisch begründe­ ten Widerstandsrecht gegen eine gottlose Obrigkeit, die Christliche Vereinigung war die politische „Bürgerinitiative“ zur Verwirk­ lichung des göttlichen Rechts auf Erden. Dahinter läßt sich das Grundanliegen, die Herrschaft an das Volk übergehen zu lassen, Als der junge Edelknecht Hans von Burg­ berg, der letzte seines Geschlechts, unmittel­ bar nach dem Tode seines Vaters gleichen Namens 1409 Bürger an einem halben Haus in der Stadt Villingen geworden war, ahnte er noch nicht, daß er wenige Jahre später mit Der letzte Herr von Burgberg feststellen. Hier näherte man sich Münzers Ansicht, daß wahrer christlicher Glaube kei­ ner menschlichen Obrigkeit bedarf. Wir sehen, welche weitgehenden Forde­ rungen und Ideen schon vor 500 Jahren von einer großen Anzahl von Menschen in unse­ rem Gebiet erhoben wurden. Der Bauern­ krieg war nicht eine einfache, spontane Reak­ tion auf ungerecht empfundene Regression, er war vielmehr eingebettet in Ideen des Humanismus und des Urchristentums -eine sozial-und geisteswissenschaftlich bedeu­ tende Volksbewegung. Die Villinger Ant­ wort auf den Vöhrenbacher Boten, der an demselben Montagmittag den Artikelbrief dem Rat übergab, symbolisiert die damalige Situation: ,,Man legte ihn gefangen auf den Niederen Turm (in dem sich das Villinger Gefängnis befand, D.B.) und gab ihnen gar keine Antwort, weder schriftlich noch mündlich, denn solch eine Mähre hörte jedermann gern, und rüstete man sich allent­ halben zur Wehr mit allem, was notwendig sein mochte.“ So wurde nach der gewaltsamen Nieder­ werfung jede politische und religiöse Vereini­ gung von Untertanen als Verschwörung ver­ standen und grausam verfolgt. ,,Zusammen­ rottung“ wurde zum negativen Sammelbe­ griff für jede Form menschlicher Gruppen­ bildung, es sei denn sie wurde von Staat und Kirche nicht als bedrohend empfunden. An Stelle einer umfassenden Neuordnung in politischer und religiöser Hinsicht berichten unsere Geschichtsbücher bis in unsere heu­ tige Zeit über Unfreiheit, Elend und sinn­ losen Tod. Dieter Baeuerle der Stadt, ihrem Schultheiß, Bürgermeister und Rat, in einen argen Konflikt geraten würde. Er ist wohl in den 80er Jahren des 14.Jahr­ hunderts geboren. Vielleicht in Rottweil, wo sein Vater Bürger gewesen ist, oder vielleicht 143

in Burgberg, dem heutigen Ortsteil von Königsfeld. Seine Mutter Margarete Boiler entstammte einem hochangesehenen Patri­ ziergeschlecht der freien Reichsstadt Rott­ weil. Hans von Burgberg hatte noch 4 Geschwister. Sein Bruder Conrad verstarb bereits um das Jahr 1410, dagegen sind seine Schwestern Adelheid, Agnes und Anna noch urkundlich zwischen 1419 und 1439 erwähnt. Agnes besaß in Seedorf bei Dunningen ein Gut und war mit Egnolf von Falkenstein ver­ heiratet. Hans von Burgberg war ein reicher Mann. Neben dem Wasserschloß Burgberg mit der dazugehörigen Herrschaft, wozu Erdmanns­ weiler, Hutzelberg, Hömle und Wunnen­ berg (Nonnenberg) gehörten, hatte er vor allem noch Güter und Rechte in Dunningen und Neuhausen (Königsfeld). Seinen Besitz in Dunningen verkaufte er 1412 für 177 Gulden an Konrad von Ram­ mingen. Darunter war auch ein festes Haus, welches den bezeichnenden Namen „Neu­ burgberg“ führte. Im Jahre 1417 sandte das Villinger Stadtre­ giment einen Boten zu Hans nach Burgberg. Leider kennen wir den Grund nicht. Doch irgend etwas scheint Hans‘ Mißfallen erregt zu haben, denn er verlor die Beherrschung und überhäufte den Boten mit Schmähun­ gen. Prompt reagierten die Villinger mit Aberkennung des Bürgerrechts und zogen vor seine Burg und belagerten sie. Die Situation wurde sehr kritisch für ihn, denn er hätte sich gegen die Übermacht nicht lange halten können. Seine Herren und Freunde vermittelten zwischen ihm und den Villingern. Schließlich erklärte er sich zur Übergabe bereit. Mit„aufgehobenen Fingern und gelehrten Worten“ legte er einen Eid ab, den Villingern in ihre Stadt zu folgen und sich dem Beschluß des Villinger Stadtrats zu beugen. In Villingen wurde er im Hause des Wirts Hans Sutor untergebracht. Es kam dann zu einer Übereinkunft zwi­ schen ihm und dem Rat, worauf er Urfehde schwur. Er verpflichtete sich eidlich, daß er Zeit seines Lebens den Frieden nie mehr bre- 144 Ruine „Schloß Burgberg“ Zeichnung: Birgit Storz chen und keine Rache wegen dieser Sache üben werde. Habe er jedoch Streitigkeiten mit Villinger Bürgern, habe er sich unvenüg­ lich an das Stadtgericht zu wenden und des­ sen Rechtssprechung in Anspruch zu neh­ men. Auch müsse er mit seinem Teile am Schloß(gut) Burgberg denen von Villingen gehorsam und gegenwärtig sein. Das Schloß müsse ewig für die Villinger ein offenes Haus sein und bleiben. Dafür habe er zu sorgen, insbesondere auch dann, wenn er das Schloß verkaufen würde. Dies wurde am 29.Juli 1417 beurkundet. Es siegelten neben anderen Graf Heinrich von Fürstenberg und der Komtur des Johanniterhauses zu Villingen. Danach durfte sich Hans wieder seiner Freiheit erfreuen. Etwa ein Jahr später erlangte Hans von Burgberg laut Bürgerbuch Gastrecht in Vil­ lingen. Um diese Zeit mag er auch seine 1419 erstmals urkundlich genannte Ehefrau Mar-

garete von Riehen vor den Traualtar geführt haben. Sie stammte aus der Stadt Freiburg, wo ihr Vater Konrad von Riehen als Rats­ mitglied ab etwa 1383 eine nicht unbedeu­ tende Rolle gespielt hatte. Margarete von Riehen dürfte ihren Mann dazu bewogen haben, für immer nach Villin­ gen zu ziehen, wo er dann auch bald das volle Bürgerrecht genoß. Sein Haus, das ihm aller­ dings anfänglich nur zur Hälfte gehörte, lag beim Riettor. Im Jahre 1425 verkaufte Hans seine Herr­ schaft Burgberg mit dem Dorfe Erdmanns­ weiler, Hörnle, Hutzel- und Nonnenberg an den Bruder seines Schwagers Egnolf von Fal­ kenstein und dessen Gattin Anastasia von Wolfurth. Zwei Jahre später trennte er sich auch von seinen Gütern und Rechten im Dorfe Neuhausen, die er an das Johanniter­ haus in Villingen verkaufte. Diese Verkäufe darf man sicher auch im Zusammenhang mit seinem Entschluß, ,,ganz nach Villingen zu gehen“, sehen. Wegen der Veräußerung seines Anteils am Dorfe Neuhausen um 365 Rheinische Gul­ den geriet er 1430 in Streit mit dem Johanni­ ter-Ordensmeister Graf Hugo von Montfort, den Graf Egon von Fürstenberg schlichten mußte. Das Ansehen des Hans von Burgberg war in Villingen so groß, daß er 1432 sogar das Stadtschultheißenamt bekleiden durfte. Zu diesem Amt wurde er vom Rat der Stadt vor­ geschlagen und vom Landesherrn bestätigt Das Amt konnte immer nur für ein Jahr aus­ geübt werden. 1436 hatte die Stadt Villingen erhebliche Streitigkeiten mit Conrad von Fridingen. Dieser erkühnte sich deshalb, Altschultheiß Hans von Burgberg mit dem Altbürgermei­ ster Hans von Tierberg gefangenzunehmen. Wie lange die Gefangenschaft der beiden Vil­ linger Bürger andauerte, wissen wir nicht. Jedenfalls wurde Conrad von Fridingen wegen dieser unrechtmäßigen Inhaftierung in die Acht des Hofgerichts zu Rottweil genommen. Graf Eberhard von Lupfen, Landgraf zu Stühlingen, entschied im Streit mit dem Fridinger zugunsten der Stadt Vil­ lingen. Noch oft tritt Hans von Burgberg in Urkunden als Schlichter, Siegler und in eige­ ner Sache bis zum Jahr 1456 auf. Seine Ehe­ frau war 1447 bereits verstorben, während Hans noch etwa 10 Jahre lebte. Hans von Burgberg starb kinderlos als letzter seines Geschlechts und wurde in der Villinger Fran­ ziskanerkirche bestattet, wo auch andere Mitglieder des ehrbaren Landadels ihre letzte Ruhe fanden. Dieter Storz Erdmannsweiler – Streifzug durch die Geschichte Erdmannsweiler, auf einer Höhe von 750 m am Übergang des Schwarzwaldes zur Baar gelegen, gehört seit 1974 zur Gemeinde Königsfeld. In seiner langen Geschichte hat der Ort zu keiner Zeit überörtliche Bedeu­ tung erlangt. Dafür war er zu klein, auch fehlt von jeher die Kirche. Heute zählt der Ortsteil etwas mehr als 600 Einwohner. Die ursprünglichen Ortsnamen „Ortins­ wilere“ und „Ortiniswiler“ stehen mit dem Personennamen „Ortwin“ in Zusammen­ hang. Wer dieser Ortwin gewesen ist, der dem Weiler seinen Namen gab, ist nicht bekannt. Es dürfte sich um einen Angehörigen des damaligen Landadels gehandelt haben, der in Erdmannsweiler über bedeutenden Grundbesitz verfügte. Einiges deutet darauf hin, daß er mit „Ortuni“ identisch ist, der im Verbrüderungsbuch des Klosters Reichenau seine Erwähnung findet. Diese Qyelle zur Reichenauer Klostergeschichte in karolingi­ scher Zeit stellt Ortuni als lebenden auswärti­ gen Freund und Wohltäter des Klosters dar. Das Bodenseekloster hatte in unserem Raum beträchtlichen Grundbesitz; so ist es nicht ausgeschlossen, daß Ortwin/Ortuni lange 145

vor der Jahrtausendwende der Reichenauer Klostergemeinschaft Grund und Boden schenkungsweise überließ. Seine erste urkundliche Erwähnung ver­ dankt Erdmannsweiler dem Kloster St. Georgen, das im Jahre 1084 gegründet wurde. Im Schenkungsbuch des Georgsklosters heißt es, daß an einem nicht näher feststellba­ ren Tag anno 1094 Manegold und dessen Bruder Gottschalk dem Kloster schenkungs­ weise Grund und Boden in Ortinswilere überließen. Im Jahre 1139 wartete Erdmanns­ weiler mit weiteren Schenkungen zugunsten des Klosters auf. Der Edelfreie Burchard und dessen Sohn Hermann schenkten in diesem Jahr der Klostergemeinschaft alles, was sie an Feldern, Wiesen und Wäldern in Ortiniswi­ ler besaßen. Auch nach dem 12. Jahrhundert erscheint Erdmannsweiler Grundbesitz noch in klösterlichen Aufzeichnungen. Ihnen ist zu entnehmen, daß das Kloster eine beschränkte Grundherrschaft über Erd­ mannsweiler ausübte. So treten uns im Jahre 1324 fünf kleinere Hofbauern in „Erkman­ nes Wiler“ gegenüber, die dem Kloster als Grundherrn zinspflichtig waren. Auch in zwei Berainen des Klosters, die etwa zwi­ schen 1380 und 1450 angelegt wurden, erscheint klösterliches Grundeigentum. Ein Lehensbrief aus dem Jahre 1518 bezeugt die Verbindung von Erdmannsweiler zum Klo­ ster St. Georgen. Klösterliche Zinsbücher geben an der Wende vom 16. zum 17. Jahr­ hundert Aufschluß über die zum Kloster gehörenden und in „Erdtmannsweyler/Ert­ maßwiler“ wohnenden Leibeigenen. Den Eintragungen ist aber auch zu entnehmen, daß der Klosterbesitz in Erdmannsweiler im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eine deut­ liche Schmälerung erfuhr. St. Georgen hatte zuletzt nur noch ein Hofgut. Mit der im Jahre 1806 erfolgten Auflösung und Verstaat­ lichung des Benediktinerklosters St. Geor­ gen war eine über Jahrhunderte dauernde Verbindung zu Erdmannsweiler beendet. Nach einem urkundlichen Beleg nannten die Herren zu Burgberg anno 1425 neun Höfe in Erdmannsweiler ihr eigen. Die Höfe hatten sie als Erblehen gegen Zins, Abgaben und Fronden (sogenannter Schloßfron) an Bauern verliehen. Die Untertanen der Burg­ berger Herrschaft waren verpflichtet, für die Herren von Burgberg Feldarbeiten jeglicher Art auszuführen, die Wiesen der Herrschaft zu mähen und das Heu einzubringen. Bei notwendig werdenden Bauarbeiten an der Burg hatten sie tatkräftig mitzuarbeiten. Die Burgberger Herren waren Inhaber von Zwing und Bann. Sie hatten die Befehls-und Strafgewalt über den Ort und konnten Gebote und Verbote erlassen. Damit war ihre Grundherrschaft umfassender als die des Klosters St. Georgen. Sie bildete mit dem dörfischen Leben in Erdmannsweiler eine politische Einheit. Mit dem Ende der Burg­ berger Herrschaft gingen die Erblehen zunächst auf verschiedene Grundeigentü­ mer über, bis 1472 Graf Eberhard von Würt­ temberg den gesamten Besitz und damit auch die neun Höfe in Erdmannsweiler erwarb. Die Übernahme der Landeshoheit durch das württembergische Herzogshaus brachte für die Untertanen nachteilige Ver­ änderungen mit sich. Der in Hornberg resi­ dierende Obervogt übte im Auftrag des Lan­ desherrn die Aufsicht über die im Amt Homberg liegenden Orte aus, zu denen auch der Flecken Erdmannsweiler zählte. Damit waren wichtige örtliche Entscheidungen an den Sitz des Obervogts gebunden und Steuern und Abgaben, soweit sie den Würt­ tem bergem zustanden, waren an die Kellerei in Homberg zu leisten. Die tatsächliche Ver­ waltung von Erdmannsweiler dürfte dage­ gen bis in das 17. Jahrhundert vom örtlichen Stabsvogt ausgeübt worden sein. Wahr­ scheinlich bildeten Erdmannsweiler und Burgberg zunächst eine Einheit. Später, urkundlich gesichert seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, war Erdmannsweiler mit Burg­ berg und Weiler zu einer größeren Verwal­ tungsgemeinschaft zusammengefaßt. Die drei Orte bildeten nunmehr den Stab Weiler mit Sitz in Weiler. Dem Stab stand der vom Landesherrn eingesetzte Stabsvogt vor, die beiden ihm zur Seite stehenden Vögte 147

kamen aus Erdmannsweiler und Burgberg und nannten sich Beivögte. Dem gemeinsamen Gericht in Weiler stand lediglich die niedere Gerichtsbarkeit zu. Die hohe Gerichtsbar­ keit wechselte jahrweise von den Württem­ bergern als Landesherrn zu der alten Reichs­ stadt Rottweil als Inhaberin der Freien Pürsch. In den geraden Jahren stand sie den Rottweilern zu, in den ungeraden Jahren dem württembergischen Herzogshaus. Das Lagerbuch von 1491 nennt uns wiede­ rum neun Erblehen. Die von den Hofbauern jährlich an die württembergische Kellerei in Hornberg zu leistenden Zinsen betrugen ins­ gesamt 10 Pfund 12 Schilling 4 Häller(Heller) Villinger Währung. An Naturalien sind jähr­ lich abzuliefern: 7 Fastnachtshennen, 27 Hühner, 195 Eier, 24 Käse einer bestimmten Größe, 10 Schultern und 2 Malter 4 Sester Hafer. Die zu erbringenden Frondienste beliefen sich auf insgesamt 33 Tage. Neben den jährlichen Zinsen und Abgaben als Ent­ gelt für die als Erblehen überlassenen Höfe beanspruchten die Württemberger auch den Zehnten von neugerodetem Land. Die Untertanen hatten ferner einen jährlichen Heuzehnten zu entrichten. Die württembergische Hauspolitik wirkte sich 1520 auch auf den kleinen Ort Erd­ mannsweiler aus. Nachdem Herzog Ulrich von Württemberg der Reichsacht verfallen und durch den Schwäbischen Bund seines Landes verwiesen worden war, erwarb Öster­ reich das Herzogtum Württemberg. Die österreichische Verwaltung Württembergs war allerdings nicht von langer Dauer. Bereits im Jahre 1534 wurde Herzog Ulrich nach Württemberg zurückgeführt und über­ nahm damit wieder die Landeshoheit Erd­ mannsweiler war nach kurzer österreichi­ scher Zugehörigkeit wieder württembergi­ scher Besitz. Anno 1556 wurde der Ort refor­ mier t Nach dem Grundsatz, daß sich die Untertanen nach dem Landesherrn zu rich­ ten hatten, wurde Erdmannsweiler prote­ stantisch. Fortan orientierten sich die Gläubi­ gen nach Weiler, die kirchlichen Bande zu dem katholischen Neuhausen brachen ab. Die Greuel und Grausamkeiten des Dreißig­ jährigen Krieges gingen an Erdmannsweiler nicht spurlos vorüber. Im Juni 1633 wurde der Ort von den Villingern heimgesucht und gebrandschatzt. Abt Georg Gaisser, der dem Kloster St. Georgen vorstand, beschreibt die­ sen Überfall in seinem Tagebuch. Im Jahre 1810 kam der Stab Weiler von der inzwischen zum Königreich gewordenen Herrschaft Württemberg an das Großher­ zogtum Baden. Das Gesetz vom 2.12.1850 hob den Stab Weiler auf und ernannte Erd­ mannsweiler zu einer selbständigen Ge­ meinde. Für den Ort begann ein neues Kapi­ tel in seiner langen Geschichte. Zum ersten Bürgermeister des Ortes wurde Christian Flaig gewählt In den folgenden Jahren war ein stetiger Bevölkerungszuwachs zu ver­ zeichnen. So betrug die Einwohnerzahl im Jahre 1825 223, im Jahre 1925: 310 Seelen. Heute gibt es in Erdmannsweiler nur noch wenige landwirtschaftliche Vollerwerbs­ betriebe. Die meisten Bürger pendeln nach Villingen oder nach St. Georgen, um in Indu­ striebetrieben ihrer Arbeit nachzugehen. Werner Lambert ,,In Amerika regnet es auch keine Bratwürste“ In den Jahren 1852 und 1853 wanderten 30 Fischbacher nach Nordamerika aus In Zeiten allgemeiner Unsicherheit, wie wir sie immer wieder einmal erleben, steigt die Zahl derer, die sich entschließen, ihrer angestammten Heimat den Rücken zu keh­ ren und auszuwandern. Zwar kann, wie sich im 18. und 19. Jahr­ hundert zeigte, auch der öffentliche oder staatliche Druck. dem sich politisch oder reli­ giös Andersdenkende ausgesetzt fühlen, den Ausschlag dazu geben, daß einer sein Bündel 149

6. Für Kühegeschirr bezahlt 9 fl. 7. Für die Eisenbahn-Taxe bis Mannheim 5 fl. 54 er. Summa: 25 Gulden 23 Kreuzer Der Rechnung Haberers können wir ent­ nehmen, daß die Reise mit einem Kuhfuhr­ werk über St. Georgen und die Sommerau ins Gutach- und Kinzigtal und von Offenburg dann mit der Eisenbahn nach Mannheim ging. Von dort fuhr man wohl mit dem Dampfboot den Rhein hinab zu den Über­ seehäfen am Englischen Kanal. Im Juli 1853 machte sich eine weitere Gruppe von Fischbachem auf die Reise in die ,,Neue Welt“. Der Agent, ein gewisser Postex­ peditor von Davans, verlangte für die Beför­ derung von 24 Personen über See (ohne die Reise von Fischbach nach Mannheim und ohne die Kosten für die Reiseeffekten) insge­ samt 1808 Gulden. Die Tatsache, daß hier von einem „Postex­ peditor“ die Rede ist, spricht dafür, da.ß die Fischbacher Auswanderer im Zwischendeck eines Postschiffes (London – New York?) nach Amerika gelangt sind. Am 20. Juli 1853 erhielten sieben weibliche Auswanderer die­ ser Gruppe beim Kaufmann Ackermann in Villingen auf Staatskosten ebenfalls die schon genannten Kleidungsstücke. Die Auswanderer des Jahres 1853 waren: Maria Anna (Marianna) Fleig (30 Jahre alt) mit ihrem Sohn Josef (9112), Katharina Rist (29) mit ihren beiden Söhnen Bernhard (7) und Agustin (4), Klara Allgaier(38) mit ihren Söhnen Wilhelm (18) und Gallus ( 6112) sowie der Tochter Maria (13), Gertrud Ohnmacht (31) mit ihrer Tochter Johanna (8), Marga­ retha Blessing (32) mit ihren beiden Söhnen Andreas (91/2) und Sigmund (ll/4), Maria Fußnegger (32) mit ihrer Tochter Maria (7) und ihrem Sohn Thomas (2), sodann Josef Meßmer (32), Marzell Schaible (19), Valentin Echle (38), Monika Sieber (20), Wilhelm Hodapp ( 45) mit der Tochter Helena (Domi­ nika?) Frank (9), ,,Jakob Maiers Wittib & ihre Kinder“ (?), sowie das Kind Andreas Kraft. Geht man davon aus, daß von den 24 Aus­ wanderern, für die der Postexpeditor 1808 Gulden berechnete, 12 Erwachsene, 10 Kin­ der und 2 Säuglinge waren, so ergibt sich für Erwachsene ein Fahrpreis für die Übersee­ reise von rund 106 Gulden, Kinder zahlten die Hälfte, die Säuglinge waren frei. (,,Jakob Maiers Wittib & ihre Kinder“ blieben bei die­ ser Berechnung außer Betracht.) Am 30. Juli 1853 ging das Schiff ab. Wer von den Genannten nach der dreimonatigen Schiffsreise über den Atlantik lebendig in Amerika ankam, wissen wir bis heute nicht; oft starb ein Viertel der Passagiere, häufig genug jeder dritte, vor allem Kinder und Schwache. Und wer bei der Ankunft drüben noch sein Leben hatte, war deswegen noch längst nicht aller Sorgen ledig, ja eigentlich fing für die zumeist ganz mittellosen Aus­ wanderer jetzt der Kampf ums Überleben erst richtig an. Wo die allgemeine Not groß ist, da ist man auch mit Worten nicht immer wählerisch. Bei allem Verständnis für die Auswande­ rungswilligen gab es doch bei den Daheim­ gebliebenen – und das war ja die große Mehr­ heit – manche Unmutsäußerung über die För­ derung, die die Auswanderer bei ihrem Unter­ nehmen durch Staat und Gemeinde erfuhren. Etwas von dem verhaltenen :ZOm über die nicht immer ganz unverschuldet Verarmten ist aus einem Brief herauszuspüren, den der Fischbacher Bürgermeister Bande am 21. Juli 1853 an seinen Amtskollegen in Breisach schickte. Eine „bei Herrn. Allmann, Josef Schaur an der Fischerhalden dort in Dien­ sten“ stehende Fischbacherin hatte ange­ fragt, ob ihre Heimatgemeinde sie im Falle ihrer Auswanderung nach Nordamerika finanziell unterstützen werde. „Löbl. Bürgermeisteramt wolle derselben eröffnen“, so schrieb Bürgermeister Bande, „daß für ihre Auswanderung keine Mittel vorhanden seien, indem es Leute genug gibt, welche zur Auswanderung herbeidrängen. Zudem scheint es uns, die Obige würde bes­ ser tun, durch einen sittlichen, arbeitsamen Lebenswandel ihr Brot hier doch in Europa zu verdienen, indem es in Amerika auch keine Bratwürste regnet.“ – 151

Mann, Timotheus Rieple, war stolz darauf, daß der berühmte Dichter hier logiert hatte und ließ deshalb eine mächtige Sc h e ff e 1- G e denkt a f e l an der kleinen Hausfassade anbringen. Sie wurde im 2. Weltkrieg unter Bombentrümmern 1945 begraben. Max Rieple grub die Bruchstücke aus, und Anne Rieple verwahrt sie heute. Am Schmutz’gen Dunschtig 1902, am 13. Februar, wurde hier Max Rieple geboren. Etwas von der Mentalität und Genialität des namhaften Poeten Joseph Victor von Schef­ fel muß wohl auf den heranwachsenden Knaben übergegangen sein.1906 ersteUte das Kaufmanns-Ehepaar Rieple das hohe Geschäftshaus vis-ä-vis des alten und ließ seine Firma als „Scheffeshaus-Neubau“ in das Handelsregister eintragen. So ging der Name auf das Nachbarhaus über, in dem der junge Dichter Max Rieple heranwuchs. Seine Erzählung „Mein erstes Gedicht“ wurde 1954 vom Scheffelbund in Karlsruhe veröffent­ licht, dessen Ortsverbandsleiter Max Rieple zu jener Zeit war. Anläßlich des 125. Geburtstages des Ekke­ hard-Dichters hielt Max Rieple in dem von Scheffel als sein „Ausruhnest“ bezeichneten Achdorf die Festrede. Er selbst weilte allzu­ gerne „im Tal“, wo er oft mit der Familie in der „Scheffellinde“ einkehrte. Mit den Enkeln und Urenkeln des Dichters, der Familie von Reisebach-Scheffel, hatte Max Rieple zeit seines Lebens Kontakt. Er erleb!e auch noch mit ihnen als Ehrengast 1976 die Aufführung des „Trompeters“ von bzw. in Säckingen. Die Verbundenheit mit der Natur war bei­ den Künstlern gegeben. Das musisch-künst­ lerische Talent lag bei Scheffel mehr im Malen, bei Max Rieple auf musikalischem Gebiet. Daß beide SchriftsteUer in Donau­ eschingen nicht vergessen sind, verrät die Scheffelstraße und die nun über 20 Jahre alte Scheffel-Apotheke im “ S c h e ffe l h a u s “ ­ sowie der neue Max-Rieple-Platz im Zen­ trum der Stadt und die Max-Rieple-Stube im Hotel „Sonne“. Anne Rieple-Offensperger Ver�essenes Schloß (Auf ctem Schloßbuck von Blumberg) 1 Zwischen den letzten Steinen wuchern viel Moosgeschichten – Alles bislang Erzählte ruht in vergess’nen Verliesen. Der Fuchs kennt den Eingang zum Geheimnis und wird nicht auf die Folter gespannt, um es auszuplaudern. 2 Unter dem Verputz der alten Häuser teilt das bäuerliche Fachwerk die steinerne Chronik des Schlosses in ihre Kapitel ein. Aber niemand sucht die von einem französischen General rauchgeschwärzten Steinmetzzeichen. 3 Abends glüht das Feuer der Sonne zwischen den Sträuchern und Bäumen in einem Kamin, an dem sich ein König namens Maximilian die Hände wärmte .. Kein Kind fragt noch warum – Auf der geschleiften Mauer stolpert der Pfad in eine Zukunft ohne Erinnerung. Jürgen Henckell * 153

Glocken, Kirchengeschichte Warum schlägt die Münster-Turmuhr in Villingen den Stundenschlag doppelt? Ist doch klar! Damit derjenige, der erst während des Stundenschlags davon auf­ wacht, die Stundenzahl noch einmal von vorn nachzählen und entscheiden kann, ob er sich noch einmal umdrehen und weiter­ schlafen soll. Also einmal eine vernünftige Einrichtung eines Bürgermeisters oder eines früheren Stadtpfarrers, die nichts kostet. Es lohnt sich also nicht länger darüber nachzu­ denken. Bei Durchsicht alter Ratsprotokolle aus vergangenen Jahrhunderten macht man aber eine andere, eine erstaunliche Feststellung. Das „Nachschlagen“ hatte einen ganz ande­ ren Grund, es war ein sogenanntes „Ei des Columbus“, mit dem man ein schwieriges Problem auf einfache und billige Weise lösen konnte! Die mittelalterlichen Städte waren einer ernsten, ständigen Feuersgefahr ausgesetzt. Die Häuser waren eng aneinander gebaut, teilweise noch mit Stroh oder Schindeln gedeckt: 1673 „Die Schindeldächer wegen großer Gefahr abzuschajf en. “ Dazu kamen die großen Heu- und Stroh­ Vorräte für die Viehhaltung in jedem Villin­ ger Haus, in dieser echten Ackerbürger-Stadt. Das Feuergewerbe (Schmiede, Glockengie­ ßer, Han-Kocher), die großen, primitiven Wasch-Öfen, das offene Licht, Kenen oder Öllampen (im Stall!), Unvorsichtigkeit (Trunkenheit) oder einfach UnglücksfäJJe, z.B. beim Herumtragen von Glut von einem Ofen zum anderen oder gar von Haus zu Haus (zum Nachbarn), schadhafte Kamine, das aJJes konnte zu furchtbaren Brandkata­ strophen führen, auch in Friedenszeiten. Die Ratsprotokolle sind voll solcher scharf gerüg­ ter Gefahrenquellen, die natürlich sofort 154 angeprangert und nach Möglichkeit abge­ stellt wurden (mit entsprechenden Strafen, versteht sich). Welche Stadt ist im Laufe der Jahrhun­ derte nicht mindestens einmal abgebrannt? Villingen merkwürdigerweise nur einmal, U71. Große Teile von Donaueschingen das letzte Mal 1907. Nur um einige Namen aus der engeren Heimat zu nennen: Rottenburg 1735 1736 Hausach 1749 Ehingen 1750 Tuningen 1762 Rottweil 1772 usw. usw., eine unendliche Liste! Denn 500-600 Häuser 27 Häuser 86 Häuser 54 Häuser 33 Häuser 32 Häuser Schwenningen “ Wehe, wenn sie losgelassen, wachsend ohne Widerstand

durch die volkbelebten Gassen, wälzt den ungeheuren Brand, denn die Elemente hassen das Gebild der Menschenhand.“ Dazu kamen die für uns heute unvorstell­ bar primitiven und völlig unzulänglichen Möglichkeiten der Brandbekämpfung. Keine Pumpen, keine Spritzen oder Schläuche! Das einzige Hilfsmittel war der lederne „Feuerkübel“: „Durch der Hände lange Kette um die Wette fliegt der Eimer, hoch im Bogen spritz.en Quellen, Wasserwogen. “ So haben die Alten unter uns es noch in der Schule auswendig gelernt. (Nachzulesen in Schillers „Glocke“). Es kam also darauf an, einen Brand so früh wie nur irgend möglich zu entdecken, wenn man überhaupt noch eine erfolgreiche Brandbekämpfung durchführen wollte. Diese Aufgabe war nachts drei Männern übertragen: dem Hochwächter auf dem Münsterturm und zwei Scharrwächtern (Nachtwächter), die durch die Straßen gin­ gen (heute noch als Touristen-Attraktion in Dinkelsbühl) und alle Nächte zu bestimm­ ten Zeiten „rufen“ sollten (1682 um 3 Uhr), damit die Leute aufwachen und gegebenen­ falls sebst etwas Ungewöhnliches (Brandge­ ruch) im eigenen Hause merken sollten. Die wichtigste Aufgabe des Hochwächters bestand darin, nachts Ausschau zu halten, ob in der Stadt oder in Richtung der benachbar­ ten Dörfer, den zur Stadt gehörenden „Dependenzorten“, ein Feuerschein zu erkennen sei. Er mußte dann sofort mit der Sturmglocke Alarm auslösen. Er durfte in sei­ ner Turmstube kein Licht anzünden, damit er auch hinter den Fensterscheiben, im Dun­ keln sitzend, auch nach außen sehen konnte. War da die Gefahr nicht groß, daß er bei sei­ ner langweiligen Tätigkeit – ohne Ablösung – nachts im Dunkeln einschlief? Das Original-Uhrwerk der .früheren Münsterturmuhr befindet sich im Franziskaner-Museum im Stadtbezirk Villingen. 155

einschlafen (ein Brand in Pfa.ffenweiler war verschlafen und nicht gemeldet worden) und nicht wohl möglich, daß ein Mann 24 Stun­ den wache, so wurde resolvieret, noch einen dritten Hochwächter aufzustellen und jeder nur 12 Stunden Wache haben soll. “ In München ist das „Nachschlagen“ schon im 14. Jahrhundert nachgewiesen (M. Schattenhofer). Das „Nachschlagen“ war also ein einfa­ ches und sinnvolles Kontrollsystem! (Eine primitive Stech-Uhr.) Bei Abschaffung der Funktion des Hoch­ wächters -um 1860 -wurde der doppelte Stundenschlag durch Umstellung des mechanischen Schlagwerkes aber beibehal­ ten, weil wohl die Bürger an den Doppel­ schlag gewöhnt waren und man nun einmal beharrlich an alten Gewohnheiten und Tra­ ditionen festhält. Aber auch wir wollen gern an diesem nützlichen und seiner Zeit so sinnvollen „Kontrollapparat“ festhalten und hoffen noch lange in der Nacht die Stunden genau nachzählen zu können. Dr. Ulrich Rodenwaldt Anmerkungen: Der bei einer Gemeinschaftsverpflegung (Kantine) heu­ te gängige Begriff .noch einen Nachschlag holen“ mag möglicherweise auf die im vorstehenden Beitrag be­ schriebene alte Einrichtung zurückzuführen sein. Die Zitate sind mit freundlicher Einwilligung des Her­ ausgebers (Binder-Magnete GmbH) dem Buch .Das Le­ ben im alten Villingen“, 2. Auflage 1983, entnommen. * Man fand eine einfache Lösung des sicher echten Problems: das Nachschlagen. Sobald die Turmuhr die Stunde schlug, mußte der Hochwächter also jede Stunde heraus zum Glockenstuhl und mußte auf einer anderen Glocke mit einem schweren Hammer die Stundenzahl von Hand „nach­ schlagen“. Die Scharrwächter sollten auf das Nach­ schlagen achten und waren darauf vereidigt, Anzeige zu erstatten, wenn der Hochwächter -wieder einmal -verschlafen hatte. 1742 „Dem Johann H ä s s l e r , Hochwächter, 1719 „Der Hochwächter wird erinnert,Jleißi­ ger nachzuschlagen und den Scharrwächtern (auf Zuruf) w antworten.“ welcher bei entstandener leidiger Feuer-Brunst in Michel H i n r e r , des Zimmermanns Behausung auf öfteres Zurufen des Scharr­ wächters und anderer Leute mehr keine Ant­ wort gegeben, viel weniger seiner [Jlicht gemäß, die Sturmglocke zeitlich geläutet, son­ dern dem Anschein nach gänzlich eingeschlä­ fert gewesen, solle hiermit der Dienst azifgekün­ digt und dimittiert werden. “ den bestraft, weil sie beim Brand in Mönch­ weiler geschlafen und diesen nicht gemeldet.“ 1764 „Hochwächter und Scharrwächter wer­ (Die Scharrwächter hatten das Ausbleiben des Nachschlagens nicht gemeldet.) alle Stund Antwort geben.“ (Also stündlich eine persönliche Ruf-Verbindung.) 1779 „Der Hochwächter soll die Gwcke mit Fleiß nachschlagen und dem Scharrwächter „FranzjosefB e r g e r , Hochwächter, welcher in seinem Dienst sehr schläfrig und mehrmalen beobachtetermaßen nicht nachschlaget, noch den zurufenden Scharrwächtern antwortet, ist das letztemal erinnert worden, in seinem Dienst wachsam zu sein.“ 1779 „Denen (2) Hochwächtern ist anzube­ fehlen, daß selben unter Verlust ihres Dienstes untersagt, daß selbe weder ein Licht auf den Turm nehmen noch auf dem Turm Tabak rau­ chen.“ 1781 „Da man wiederholten malen wahrge­ 156 nommen, daß die Hochwächter hin und her

Die Glocken der Pfarrkirche Gremmelsbach Das Schicksal der Glocken ist oft mit dem Gang der Weltgeschichte, ihrer Gunst und Ungunst, verbunden, äußere Gestalt und Dekor vom Kunstsinn ihres Schöpfers abhängig, von der Stilepoche ihrer Herstel­ lung ohnehin. Glücklich sind die Zeiten, da Glocken in großer z.ahl gegossen werden, Zeitpunkt, Häufigkeit und Dauer des Läu­ tens sind ein sicherer Gradmesser für das Maß der Freiheit in einem Staat, ganz ohne Frage auch für die Vitalität der Kirche. Trost­ los sind die Zeiten, wenn die Glocken schwei­ gen müssen, ein Diktator die Aufmerksam­ keit der Bevölkerung für seine Reden – wie geschehen – nicht durch den Klang der Glok­ ken stören läßt, ihr Geläute vom Zeitge­ schmack zum „Gebimmel“ herabgewürdigt wird, erst recht, wenn sich ihr Schall in Kano­ nendonner verwandeln muß und die noch verbliebenen den Tod von Gefallenen ver­ künden. Glocken: der Priester treueste Helfer und Mahner, der Dichter stimmungsvolle Motive, der christlich geprägten Menschen Begleiter von der Taufe bis zum Grab, von ihnen selbst als Stimme Gottes verstanden, manchmal auch Gegenstände des Aberglau­ bens als Helfer gegen Dämonen und in schweren Gewittern, mit magischen Worten versehen sogar Helfer bei Gebresten: von alledem kann in diesen Ausführungen nicht die Rede sein, sondern von den Glocken der Kirche in Gremmelsbach, die im Bewußtsein der Menschen von solcher Bedeutung waren, so selbstverständlich wie Kanzel und Altar zu ihr gehörten, daß die Spenden für sie selbst in kargen Zeiten, fast jedesmal nach großen Kriegen, unter heroischen Opfern auf­ gebracht wurden. Jahre, bevor der Vogtei ein eigener Geistli­ cher zugewiesen war (1790) und die Kirche erbaut wurde (1805), machte man sich über die Glocken Gedanken. Kaiser Joseph II. wollte in der Zeit der Aufklärung zugunsten der Pfarrkirchen alle Flurkapellen und Wall­ fahrtskirchen aufgehoben wissen. Einkünfte und Glocke der Wendelinuskapelle im Gewann Hohnen (Kapellenhof Nußbach) sollten für die Gremmelsbacher Kirche ver­ wendet werden.1 l Da der Kirche in Rohrbach eine Glocke von der „Exjesuitenkirche“ in Rottenburg angewiesen worden war, sollte erkundet werden, „ob von dort nicht auch noch für Gremmelsbach eine Glocke zu haben wäre?“2l, was offensichtlich nicht der Fall war. Dagegen ist verbürgt, daß Nußbach 1791 „das kleine Glöcklein (von der Hohnen­ kapelle) aber der Gemeind Gremmelsbach zu ihrem alldortigen unentbehrlich nöthigen Gebrauch gutwillig überlassen und abgetre­ ten hat.“3l Daß das Glöcklein (und ein leder­ nes Meßgewand) in die Gremmelsbacher Kirche kam, wurde auf dem Kapellenhof durch die Generationen hindurch bis heute erzählt. Zunächst aber muß es auf dem Kir­ chenbauernhof geläutet haben, in dessen Tenne der Gottesdienst abgehalten wurde. In Gremmelsbach hoffte man 1790 auch, die Glocke der Martinskapelle in Furtwangen zu bekommen, die ebenfalls zur Aufhebung anstand.4l Daß es geschehen ist, ist unwahr­ scheinlich. 1793 erbot sich Joseph Ketterer von Tri­ berg, „ein armer Handwerksman“, für 11 oder 12 Gulden das Beschläg für eine Glocke herzustellen.5l Um die gleiche Zeit machte Baudirektor Zengerle (von der Diözese Kon­ stanz, zu der damals unser Gebiet gehörte) die Anmerkung für die zu erbauende Kirche, „daß die Glocken in der Höhe in die Mitte der Schallichter kommen . .. Dieser Glocken­ stuhl wird aber ganz frei gesetzet, ohne das dieser an den Thum anstößt.“6> So wäre das Glöcklein von Nußbach bis 1815 das einzige gewesen, das in Gremmels­ bach zur Kirche rief? Das Friedensjahr des Wiener Kongresses gilt als das Gußjahr der „mittleren“ Glocke, die bis heute erhalten blieb. Alle Angaben, die wir über sie haben, teilt sie uns selbst mit. Ihrer Nähe zur Barockzeit 157

entsprechend enthält sie reichlichen Girlan­ denschmuck, ein Relief mit Christus am Kreuz, darüber den Namen Jesus, darunter die Namen Maria und Joseph. Meinrad und Benjamin Grueninger gossen -Villingen – H.Augustin Zigler Pfarrer, Christian Kalten­ bach Vogt, Adam Haas Kirchenpfleger, Johann Kienzler Richter . . . Gemeinde Gremmelsbach. Ihre Krone ist mit Löwen­ köpfen ausgestaltet. Auch fast alle Kenntnisse über die näch­ sten beiden Glocken stammen von diesen selbst.7l „Die größere besitzt ein Gewicht von fünf Zentner und zwanzig Pfund, die kleinere ein solches von einem Zentner und fünfzig Pfund. Spuren irgendwelcher künstlerischer Ausstattung weist keine au( Die Hauptzier­ den bestehen vornehmlich aus umlaufenden Bändern auf dem oberen und unteren Teil des Mantels. In der Mitte findet sich jeweils auf der einen Seite das Bild Christi am Kreuze. Die andere Seite ist bedeckt mit einer Anzahl Namen. Das Band am oberen Rand der beiden Glocken bringt uns den Namen des Meisters Benjamin Grüningervon Villin­ gen mit der Jahreszahl 1838. Darunter finden wir auf dem Mantel der großen Glocke einer­ seits das Bild des hl. Blasius, andererseits ver­ schiedene Namen von Zeitgenossen und ganz unten die der Stifter verzeichnet, welche der Rejhe nach aufgeführt werden: H. Trudpert Riger, Pfarrer, Michael Reiner, Bür­ germeister, Martin Schwer, Alois Ketterer, Laurenz Schwer, Gemeinderäte, Ludwig Advokat, Lehrer und Ratschreiber, Peter Bloed, Gemeindsr., Diener, Blasius Kienzler und Kreszenzia Kern Ehefrau Stifter der gro­ ßen Glocke. In ähnlicher Weise ist die kleine Glocke mit Bild und Inschriften bedeckt. Diese Glocke trägt das Bild und den Namen des hl. Josef, des Patrons der Pfarrkirche und die Namen der Stifter: Christian Haas, Mihler, Joh. Dold, Rößlewirt, Thadäus Dieterle, Forellenwirt, Georg Dold -Josef Dold und ]oh. Reiner.“ Wo das Glöckchen von der Hohnenka- 158 pelle eine weitere Verwendung fand, geht aus keiner Akte hervor. Diese beiden Glocken mußten im Ersten Weltkrieg 1917 abgegeben werden und wur­ den eingeschmolzen. Es ist mündlich über­ liefert, welche Traurigkeit die Menschen überkam, als das Geläut ein letztes Mal eine halbe Stunde lang erklangt. Das Bewußtsein: »Jetzt haben wir den Krieg verloren“ verließ sie nicht mehr. Kein ganzes Jahr nach Kriegsende, einer nachgerade unverständlich kurzen Zeit, konnte Dekan Franz JosefVögtle, Pfarrer in Gremmelsbach, an die Firma B. Grüninger Söhne in Villingen die Anfrage über die Anschaffung neuer Glocken zweier richten.BI Stifter waren die Witwe Johanna Haas und ihr Schwiegersohn Damian Schwer (Untergefellhof). Er hatte den einzi­ gen Sohn im Krieg verloren, dieser war der erste Gefallene von Gremmelsbach. Die Anzahlungssumme betrug 8.000 Mark. Domkapellmeister Carl Schweitzer konnte sein Einverständnis dazu geben. Die Größe der Glocken entsprach der Bela­ stungsfähigkeit des Turmes, was nach Prü­ fung des »Dachreites“ auch das Erzb. Bauamt feststellte. Die Preise waren angemessen, die Töne »h“ und „fis“ bildeten mit der noch vor­ handenen Glocke »d“ einen wohlklingenden Dur-Dreiklang. Auf dessen Gewährleistung legten Schweitzer wie Vögtle größten Wert. Schwierigkeiten machten der Glockengie­ ßerei in Villingen die Klausel m) des Liefer­ vertrages mit der Pfarrei in Gremmelsbach, die endgültige Festlegung der Kosten betref­ fend, die sich nach den Materialpreisen und den Lohnerhöhungen zum Zeitpunkt des Gusses richteten. Auf keinen Fall durften sie nach dem Willen Dekan Vögtles und der Stifter den Betrag von 12.818 M 50 Pf über­ steigen. Der Dekan drohte mit der Kündi­ gung des Vertrages, glaubte auch eine Firma zu kennen, die auf diese Bestimmung ver­ zichtete: Ulrich und Wen1e in Apolda; frei­ lich galt dies nur für Gußstahl-, nicht für Bronzeglocken. Dieses Argument brach zusammen. Eine Gießerei, die sich nicht

Die neuen Glocken in der Efarrkirche Gremmelsbach (1950 gegossen) daran hielt (Bestimmung m), hätte dem Glockengießerverband 2.000 Mark Strafe zahlen müssen. Vögtle wollte mit aller Macht die Glocken im Juni 1920 geliefert haben. Auch dies machte er zur Bedingung. Grund für diese Eile mag die beabsichtigte Übernahme der Pfarrei Kiechlinsbergen a. K durch Vögtle gewesen sein. In Niedereschach habe dies die Firma auch geschafft. Dort fand freilich eine Primiz statt, zu der die neuen Glocken läuten sollten. Dafür bot die benachbarte Gießerei alles auf. Die Arbeiten an den Gremmelsba­ cher Glocken waren zur gleichen Zeit begon­ nen worden, aber die Firma mußte trotz in­ tensiver Arbeit an den Glocken wiederholt für die Verzögerung um Verständnis bitten. Zur Begründung nannte sie mangelhafte Beliefe­ rung mit Materialien, z. B. Holzkohle, so daß sie nicht einmal für die Aufrechterhaltung des Betriebes garantieren konnte. Allen Ver­ zögerungen zum Trotz wurden die Glocken zum Mariä-Himmelfahrtstag 1920 fertig. Der Guß -jedesmal ein Risiko -war gelungen. Die Glockenweihe fand am 15. August, 14.30 Uhr, statt. Der“ Triberger Bote“ berich­ tete: „Die Feier begann mit vierstimmigem Veni Creator, dann sprach in kurzer, aber weihevoller Festpredigt der hochw. Herr Pfarrer Reger= Niederwasser von der Bedeu­ tung der Glocken in der kath. Kirche. Sie sind Herolde, Boten Gottes; denn sie mahnen uns an Gott, schützen uns in Not und begleiten uns zum Tod. Dona nobis pacem (Schenke 159

uns den Frieden!): so klangen voll innigen Flehens die Worte Gottes aus. Hieraufnahm unser hochw. Herr Dekan Vögtle die feier-“ liehe Weihe auf dem Kirchplatz vor, es dia­ konierten die hochw. Herren Fehrenbach = Homberg und Reger = Niederwasser. Die Gläubigen folgten mit Spannung und Ehr­ furcht den Weihegebeten und sinnvollen Zeremonien; (zu denen das Abwaschen, Sal­ ben und Beweihräuchern der Glocken gehörte, Verf.) das Ganze wurde verschönt durch 2 stimmungsvolle, packende Lieder des Kirchenchores, sowie durch 2 passende, gutgegebene Weisen der Musikkapelle. Dann stattete die Gemeinde vor ausgesetz­ tem Allerheiligsten Gott ihr Dankgebet in der Herz-Jesu-Litanei und dem feierlichen Tedeum.“9) Im Gasthaus „Rößle“ schloß sich eine weltliche Feier an, die zugleich für Dekan Vögtle die Abschiedsfeier war. In Erinnerung blieb, daß Schüler den Handwerkern helfen durften, die große Glocke am Turm hinaufzuziehen. Hängen einmal die Glocken, so führen sie ein nahezu selbstverständliches Dasein. Aus den Friedensjahren erfahren wir nur noch, daß sich der Klöppel der mittleren Glocke mehrfach löste und der Turmuhr beinahe schweren Schaden zugefügt hätte.10) Und wieder kam 1943 von der Regierung die Anordnung, die Glocken seien abzulie­ fern, den Sieg im Zweiten Weltkrieg herbei­ führen zu helfen. Diesmal durfte nur noch geraunt werden: »Jetzt ist der Krieg verloren.“ Auch diese Glocken (die kleine und die große) wurden Waffen. Für die Pfarrgemeinde war es nie eine Frage, den Dreiklang des Geläutes wiederher­ zustellen. Am 16. Juli 1950 schrieb Pfarrer Hermann Schneider an den Erzb. Oberstif­ tungsrat, die Gläubigen wünschten „schon lange“ die Anschaffung zweier neuer Glok­ ken.11 l Das Geld dafür war bereits gestiftet (1932 DM), die politische Gemeinde betei­ ligte sich mit 300 DM daran, das Angebot der Firma Grüninger lag vor. Über das „Te­ Deum-Motiv“ bestand Einigkeit, zur verblie­ benen Glocke sollten Glocken mit dem Ton 160 »c“ und »f“ kommen. Da auch Domkapell­ meister Franz Stemmer keine Einwände hatte, stand der Genehmigung durch das Erzb. Ordinariat nichts mehr im Wege. Auch statische Probleme gab es nicht, die neuen Glocken waren kleiner als die früheren. So wurde bestellt und gegossen -und die Glok­ ken waren von hervorragender Q!ialität! „Die beiden Glocken machten äußerlich hinsichtlich Sauberkeit, Klarheit der In­ schriften, sowie guter Profilierung des Flach­ reliefs den sauberen Eindruck eines wohlge­ lungenen Gusses … im Verhältnis zu der Größe und dem bescheidenen Gewicht der Glocken (220 kg bzw. 90 kg) sind diese Nachhalldauem (70 bzw. 55 Sekunden) als gut anzusprechen. Sie machen den Eindruck von guten, lebhaft aufspringenden Bronze­ glocken.“ (Dr. Johannes Maier, Glockenin­ spektor, Sigmaringen)12) Die große Glocke Oosephsglocke) trägt als Relief ein Bild des heiligen Joseph, des Patrons der Kirche, mit dem Jesuskind und dem Winkelholz, auf der gegenüberliegen­ den Seite die Worte: Gewidmet den Gefalle­ nen und Vermißten der zwei Weltkriege. Unter dem Symbol eines Glockengießers mit den Buchstaben B und G (Benjamin Grüninger) stehen die Worte: Gegossen im‘ hl. Jahr 1950. Die kleine Glocke (Schutz­ engelglocke) trägt das Bild eines Engels, darunter die Verse: Die Kinder ruf zur Taufe ich Der Menschen Tod verkünde ich. Beide sind sie mit fein ausgeführtem Schmuck geziert. Weihetag war Sonntag, der 22. Juli 1951. Beginn der Feier: 14.30 Uhr. Weihender Prie­ ster: Geistlicher Rat Anton Nölter aus Nie­ derwasser. Wer jenen strahlenden Tag be­ wußt miterlebt hat, wird sich immer der optimistischen Stimmung erinnern, von der sich die Menschen tragen ließen. Die Not hatte sich gewendet, eine glückliche Zukunft hatte begonnen, die Hoffnung auf eine lange Friedenszeit beflügelte alle. Ein Bericht von diesem Fest geriet ver­ ständlicherweise eher zu einem Hymnus.

„Eine festlich gestimmte Menge strömte dem Gotteshaus zu, dessen Portal mit einer Girlande geschmückt ist. Als wir eintraten, grüßte uns vor dem Altar ein mit Tannen­ zweigen geschmücktes Gerüst, an dem die Glocken hängen. Links und rechts geben helle Birkenzweige dem dunklen Grün der Tannen einen freundlichen Rahmen. Blu­ men schmücken Kirchenschiff und Altar. Bis auf den letzten Platz war die Kirche gefüllt. P. Arnold (Salesianermissionar, um diese Zeit auf Urlaub in der Heimat), der in Kürze wie­ der nach Columbien zurückkehren wird, hielt die Predigt … Nach der Predigt spra­ chen drei Mädels den Gruß für die neuen Glocken … Tief ergriffen erlebten die Gläu­ bigen den feierlichen Akt. Besondere Weihe erhielt die Feier durch die musikalische Unterstützung des Musikvereins Gremmels­ bach, des Gesangvereins Harmonie Grem­ melsbach und des Kirchenchors. Ergreifend schön erklangen ,Ich suche Dich‘ und ,Heilig ist der Herr!'“13l Der Inhalt der gedankenschweren, leiden­ schaftlich vorgetragenen Predigt P: Joseph Arnolds ist im Wortlaut erhalten. Alles Unheil dieser Welt deutete er als eine Folge der Nichtbeachtung der Mahnungen Gottes von der Sintflut bis Fatima. In den drei Glocken sah er die Symbole für Glaube, Hoffnung und Liebe. Das Wundersamste an ihnen war für ihn ihr harmonischer Zusam­ menklang: ,, Welch ein sprechendes Bild für unsere Gemeinschaft in der Liebe, in der Ehe, in der Gemeinde, im Volle, zwischen alt und jung, Mann und Frau, Arbeiter und Unter­ nehmer, Neubürger und Eingesessenen … Ja, meine lieben Christen! Die Glocken sind für uns gute Lehrer, ja, sie sind die Stimme Got­ tes selbst … “ 14) Karl Volk Quellen: 1 l Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) 381 Zugang 1910/84/110 21 Ebda 31 Ebda 41 Ebda 51 GLA 229/33854 51 Ebda 71 Triberger Bote vom 30. April 1917, Nr. 173, erhalten in der Akte Sauer im Erzb. Archiv Freiburg ßl Akten im Pfarrarchiv Kiechlinsberger a.K., die H. Pfarrer Anton Weber dem Verfasser zur Verfügung stellt. 91 Datum des Berichts: 15. August 1920 101 Erzb. Archiv FK 7869 111 Erzb. Archiv Bausachen Kirche Gremmelsbach 121 Ebda 131 Südkurier, 24. Juli 1951 141 Den Wortlaut der Predigt überließ P. Amold dem Verfasser zum Thema „Glocken“ s. auch: Deutscher Glockenatlas I Baden – bearb. V. Sigrid Thurm 11985 Deutscher Kunstverlag München Berlin Ein alter Ablaßbrief für 3 baaremer Gemeinden Ein Beitrag zur Kirchengeschichte der Baar Es kam im frühen Mittelalter nicht selten vor, daß Priester mangels hinreichender Dotation sich genötigt sahen, für die Erbauung, Ausstattung oder Wiederherstel­ lung ruinöser oder zerstörter Kirchen beim Volk um besondere Spenden zu bitten. Die kirchliche Obrigkeit – in unserem Fall das Bistum Konstanz – stellte auf eine entspre­ chende Bitte hin einen bischöflichen Empfehlungsbrief für 1 Jahr aus und gewährte darin allen Spendern einen Ablaß von 40 Tagen. Ein noch stärkerer Anreiz zur Spenden­ freudigkeit der Gläubigen war gegeben, wenn der betreffende Priester für die gewährte Spende einen päpstlichen Ablaß verkünden konnte. Solche Ablässe waren beim gläubi­ gen Volk hochgeschätzt. Nicht, daß man des Glaubens war, sich mit Geld loskaufen zu können von seinen Sünden(,, wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt“ war zu keiner Zeit Lehre der Kirche und Glaube des Volkes), aber daß man fest der Überzeugung war, daß „Ablaß“ Nachlaß 161

aller zeitlichen Sündenstrafen bringt, die nach bereits (in der Beichte) vergebener Sün­ denschuld oft noch hier oder im Jenseits abzubüßen sind. Wenn also z.B. ein Ablaß von 40 Tagen (was eine Q!iadragene bedeu­ tet) gewährt wird, heißt das, daß ein Nachlaß jener zeitlichen Sündenstrafen erteilt wird, die man ehedem durch eine kanonische Buße von 40 Tagen vor Gott abgetragen hat. Diese Vorbemerkungen scheinen mir zum besseren Verständnis des Folgenden notwen­ dig zu sein. So bekam auch im Frühjahr 1353 der Prie­ ster Nikolaus Eschinger von Fürstenberg auf seine Bitte hin, von Avignon aus, wo damals die Päpste residierten, einen Ablaß von 40 Tagen gewährt für alle, die „ad ecclesiam parrochialem in Haindingen in honore st. Martini fundatam seu capellas in Fursten­ berg et in Blomenberg eidem ecclesiae anne­ xas“, d. h. die die Pfarrkirche in Hondingen, die zu Ehren des hl. Martinus gegründet wurde oder die zu dieser Kirche gehörenden Kapellen in Fürstenberg und Blumberg auf­ suchen, in der Pfarrkirche oder in den Filial­ kapellen gebeichtet und kommuniziert haben und causa devotionis, orationis aut pergrinationis (aus Gründen der Verehrung, des Gebetes oder einer Wallfahrt) an folgen­ den Festen gekommen sind: am Fest des hl. Bischofs und Kirchenpatrons, am Kirch­ weihfest der Pfarrkirche oder ihrer Kapellen, an Weihnachten, Neujahr, Dreikönig, Kar­ freitag, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfing­ sten, am Fest der Hl. Dreifaltigkeit, Fron­ leichnam, der Kreuzauffindung und -Erhö­ hung, an allen Muttergottesfesten, am Fest des hl. Erzengels Michael, der Geburt und Enthauptung des hl. Johannes, des Täufers, an allen Festen der Apostel und Evangelisten, dem Fest der vier Kirchenlehrer Hierony­ mus, Ambrosius, Augustinus, Gregorius, des h]. Stephanus, Laurentius, Fabian und Seba­ stian, Dionysius, Blasius, Nikolaus, der hl. Maria Magdalena, Katharina, Agatha, Marga­ ritha, wie auch an allen Festtagen, die eine Oktav haben. Ebenso erlangen an allen Samstagen und Sonntagen des ganzen Jahres 162 Altarbild in der Hondinger Kirche alle jedesmal 40 Tage Ablaß, wenn sie zu Ehren Gottes in der Kirche eine hl. Messe lesen lassen oder den gewöhnlichen Gottes­ diensten, Morgenpredigten, Vesperandach­ ten beiwohnen oder mit um die Kirche gehen (Umzug um die Kirche) oder aber wenn man den Priester über die Gassen be­ g!eitet, wenn er den Leib Christi und das hl. 01 zu Kranken bringt, ebenso diejenigen, die beim Glockenschlag am Abend (Angelusläu­ ten) mit gebogenen Knieen drei Ave Maria beten und dreimal um den Gottesacker die­ ser Kirche (gemeint ist hier nur Hondingen. Fürstenberg und Blumberg hatten damals, weil Filialen, noch keinen eigenen Gottesak­ ker) gehen und dabei für die Seelen aller, die dort in Christus ruhen, und aller verstorbe­ nen Gläubigen das Gebet des Herrn mit dem marianischen Gruß beten oder Spenden an die Kirchenfabrik (Kirchenfond) geben, für Lichter, Kelche, Meßgewänder, Altartücher,

Meßbücher etc. oder in ihrem Testament und auch sonst Gold, Silber, Kleider oder andere karitative Hilfen der Kirche ver­ machen oder für das Leben und Wohlbefin­ den des Bittstellers, des Priesters Nikolaus Eschinger von Fürstenberg und für seine Seele, wenn sie einmal von hinnen scheidet, fromm zu Gott beten. Gegeben zu Avignon am 27. Februar 1353 im 1. Jahr des Pontifikates Innozenz VI. Innozenz VI., der diesen Ablaß gewährte, ein Franzose, ein frommer, sittenstrenger, sparsamer, allem Prunk abholder Papst, der sehr auf Reform des Klerus in Deutschland, ebenso an der Kurie drang, war erst vor kur­ zem (am 10. Dezember 1352) in Avignon zum Oberhaupt der Kirche gewählt worden. Die Kurie in Konstanz erteilte dem Ablaß­ brief, der von einem Erzbischof und 14 Bischöfen unterschrieben und mit dem päpstlichen Sigill versehen war, die bischöf­ liche Bestätigung (Confirmatio). Der Priester, der nun mit dieser päpstli­ chen Unterstützung für seine armen Kirchen -zuerst ist Hondingen genannt, dann seine beiden Filialkirchen in Fürstenberg und Blumberg -um milde Gaben bat, hieß Niko­ laus Eschinger und war, allem Anschein nach Pfarrer von Hondingen, wenn er auch seine Wohnung in Fürstenberg hat. Welchen materiellen Erfolg er dank dieses Ablaßbriefes erzielte, ist nicht bekannt. Aber aus der Geschichte weiß man, was für eine erstaunliche Spendenfreudigkeit aufgrund solcher Ablaßbewilligungen einsetzte und u. a. viele Kapellen, Pfarrkirchen, Spitäler usw. erbaut und unterhalten werden konn­ ten.Auffallend ist jedem, der dieses päpstliche Dokument studiert, wie häufig der Ablaß gewonnen werden konnte und auch wie ver­ hältnismäßig leicht er zu gewinnen war. Gegenüber den früher üblichen hohen Stra­ fen waren im Lauf der Zeit die geforderten Leistungen sehr herabgesetzt worden und die kirchliche Pastoral war zu einer milderen Praxis gegenüber den Sündern gekommen. Pfarrer Josef Spintzik nach Tschernobyl Alle Jahre wieder Christiana Steger das Chaos hat sich als nicht kalkulierbar erwiesen, der Wind treibt den Staub menschlichen Übermutes weit – lebensvernichtende Teilchen fallen mit Regentropfen über alle Grenzen auf Wiesengrün und blühende Gärten, vielgesichtig ist der Tod, den wir uns selber schaffen … Tröstlich das Lärmen spielender Kinder, Fahrradgeklingel, Rufe, Lachen und das ruhige Atmen der schlafenden Katze … sanftes Gleichmaß gelassen lebendig. * mit dem sorgsam aufbewahrten Weihnachtsschmuck vom letzten Jahr packt sie auch ihre Traumkiste aus – mit Sehnsüchten und Hoffnungen, T annengrün und Mistelzweig schmückt sie ihr Zimmer – um nach dem lächelnden Blick in Kindergesichter -schwarzgemalt unter Goldpapierkronen – alles wieder zu verpacken und sorgsam aufzubewahren bis zum nächsten Mal. Christiana Steger * 163

Kirchen, Mission, Wallfahrtswesen 175 Jahre Kirchensaal der Brüdergemeine in Königsfeld Der Kirchensaal der Brüdergemeine vom Zinzendo,jplatz aus. Der linke Anbau beherbergt die Woh­ nung des Pfarrers und Gemeinderäume. Der rechte die Vorsteherwohnung, Büro und Archivräume. Im Vordergrund: Der Bläserchor in Aktion. Am 11. Oktober 1987 gedachte die evange­ lische Gemeinde ihrer in Königsfeld Anfange. Am 19. Oktober 1812 wurde der Kirchensaal feierlich eingeweiht. Gäste von Nah und Fern staunten damals über den Wagemut der etwa 65 Einwohner, ein Kir­ chengebäude mit Raum für etwa 650 Gottes­ dienstteilnehmer zu bauen. Es war ein Bau auf Hoffnung und die Gemeinde ist bis heute froh, daß nicht kleiner gebaut wurde. Die damals zuständige Herrschaft, König Friedrich I von Württemberg, gab 1806 die Erlaubnis zum Bau der „Kolonie Königs­ feld“. Man kannte die Herrnhuter als tüch­ tige Handwerker und man schätzte die pieti- Mutiger Beginn stische Glaubensrichtung als Brunnenstube für vertrauenswürdige Mitarbeit in Kirche und Gesellschaft. Die Freunde Zinzendorfs und der Brüdergemeine hatten schon lange um eine Siedlung in Südwestdeutschland gebeten und sie trugen erheblich zur Finan­ zierung der ersten großen Bauphase bei. Auch wurden aus ihrer Mitte Siedler und Mitarbeiter für den neuen Ort gewonnen. Die Synode der Brüdergemeine hatte die Ansiedlung beschlossen und die Leitung in Herrnhut half mit Plänen. Vorbild für das Gebäude waren die vorher entstandenen Säle in Neuwied am Rhein und Gnadenberg in Schlesien, für den Dachreiter Gute Stube der Gemeinde 164

Sonntagsgottesdienst im Kirchensaal diente Herrnhut selbst als Vorbild. Es fällt dem Besucher auf, daß der Saal innen weiß gehalten ist mit leichter wärmender Tönung. Schmuck sind die geschwungenen Emporen, die Orgel und die Holztäfelung der Wände, die in einer Höhe von 2,30 m durch ein Bord abgeschlossen wird. Die hohen Fenster las­ sen viel Licht herein und sind mit Gardinen versehen. Der leere Saal wirkt sehr nüchtern. Die weiße Farbe, die sich auch an den Sakra­ mentstalaren wiederholt und in der Farbe des Sarges der Brüdergemeinmitglieder, ist schon im Neuen Testament Farbe der Freude und des Gottesreiches. Das schlichte Kreuz an der vorderen Wand deutet an, daß der Saal ein Raum ist, in dem der für uns gestorbene und auferstandene Herr Jesus Christus die Hauptperson sein soll. Die Herrnhuter Kirchensäle wurden in ihrer klassischen Form entwickelt von dem · Architekten Siegmund August von Gersdorf (1702-1777). Deutlich ist die Verwandtschaft mit barocken Schloß- und Bibliothekssälen. Eine andere Wurzel ist die Tatsache, daß die Konzession Friedrichs des Großen von 1742-1764 in Schlesien den Evangelischen lediglich Bethäuser, keine Kirchen gestattete. Dies traf zusammen mit den liturgischen Bedürfnissen einer singenden Gemeinde von Brüdern und Schwestern, die sich ihres lebendig gegenwärtigen Herrn Jesus Christus gewiß war ohne Bilder, Altar und Allerheilig­ stes. Vielmehr ist die Gemeinde da, wo Men­ schen im Namen Jesu versammelt sind. Das kann auch in einer Wohnstube sein. Bei Festen wird der Saal zur Wohnstube der Gemeinde, wo man beim „Liebesmahl“ ge­ meinsam Tee trinkt, ißt, singt und zuhört. 165

Beim Abendmahl nach Art der Brüderge­ meine, das meist abends stattfindet, teilen Schwestern und Brüder in weißen Talaren die Elemente Brot und Wein in den Bänken an die Gemeindeglieder aus. Man gibt ein­ ander die Hand der Versöhnung und des Friedens und man weiß sich in der umgeben­ den Gemeinde aufgehoben und in Gottes Barmherzigkeit geborgen. Gäste und Freunde Viele Gäste kommen nach Königsfeld zur Kur und zur Erholung, um Luft und Ruhe zu tanken. Darunter ist gar mancher, der am kul­ turellen und kirchlichen Leben gern teil­ nimmt. Bei regelmäßigen Führungen wird die Geschichte Königsfelds und die Eigenart der Brüdergemeine ausführlich behandelt. Darüber hinaus kann man, besonders im Sommer, viele Busse mit Gästen aus dem In­ und Ausland erleben, die in Königsfeld Sta­ tion machen und sich diese besondere Gemeinde zeigen lassen. Die Brüderunität ist ein Verband von über Europa zerstreuten Gemeinden, eine Frei­ kirche, die sich besonders in Übersee aus­ gebreitet hat. Das führt dazu, daß viele Gäste Königsfelds aus Ländern West- und Osteu­ ropas, aus Afrika, der Karibik oder aus den Tibetergemeinden im Himalaya kommen. evangelisch-landeskirchliche Ge­ meinde ist im Saal der Brüdergemeine Dauergast. In guter ökumenischer Zusam­ menarbeit geschieht der Dienst beider Gemeinden weithin gemeinsam. Die Der Dachreiter Zum Herrnhuter Kirchensaal gehört kein Turm, sondern ein Dachreiter mit einer klei­ nen Glocke. Solche Dachglocken finden wir als Sturm- und Feuerglocken auf Schwarz­ waldhöfen oder auch Minoritenklöstern. Glocke und Uhr dienten lange Zeit hin­ durch zur Zeitangabe für den Ort. Beim Anbau Königsfelds hatte nicht Jedermann eine Uhr.Ja,es gab keine genaue verbindliche Zeit. Die Turmuhr wurde nach der Sonnen­ uhr gestellt, die sich noch heute an der Vor- 166 derseite des Kirchensaales befindet. Nach dieser Ortszeit wurde auch geläutet und zum Gottesdienst gerufen. Erst mit der Bahn kam die „Normalzeit“, für Königsfeld im Jahr 1896. Der kleine Turm, der Glocke und Uhr beherbergt, wird abgeschlossen durch eine Zwiebelhaube. Die Zwiebel symbolisiert die Auferstehung, aus ihr wächst neues Leben, wenn Erde und Wasser helfen und Gott sei­ nen Wachstumssegen dazu gibt. Schaut man weiter hinauf, so sieht man auf dem Türmchen weder Kreuz noch Hahn. Aus der Zwiebel wächst zunächst die Kugel: Weltkugel als Herrschaftsbereich Jesu Christi und Heimat der Christenheit in vie­ len Ländern, mit denen wir verbunden sind. Über der Kugel ist die Windrose zu sehen mit einem vergoldeten Nordpfeil: Hier kann sich jeder orientieren, wie die Himmelsrich­ tungen liegen. Es folgt darüber die Wetter­ fahne mit der Jahreszahl 1811: Das Jahr, in dem das Dach aufgesetzt wurde. Hier ist die Windrichtung abzulesen. Zuoberst bemerkt der aufmerksame Betrachter den Stern. Der Stern wies die weisen Männer nach Bethle­ hem zum Geburtsort Jesu. Jesus selbst wird als der Morgenstern bezeichnet, der auf­ gegangen ist als Licht für die Welt. Und als Abendstern geleitet er Menschen durch fin­ stere Lebensabschnitte, wie er selbst auch in seinem Leben die Tiefen bis zum Tod hin durchleben mußte. Alles zusammengenommen verdient der kleine Turm mehr Aufmerksamkeit, als wir ihm normalerweise zuwenden. Er hat uns mancherlei zu sagen und tut uns damit einen Dienst. Pfarrer Dr. W. Günther *

P. Fidelis Dieterle (1854-1938) Ein Gremmelsbacher: Prediger im Straßburger Münster und Missionar in der Südsee Es bleibt ein Phänomen, wie der Kirche durch die Jahrhunderte geistliche Berufun­ gen erwachsen, Priester und Ordensleute, die Familie und Heimat, selbst die europäische Kultur für immer aufzugeben bereit sind, um in heroischer Opferbereitschaft die christ­ liche Botschaft in den Missionsländern zu verbreiten, ohne nach eigenem Glück oder Leid zu fragen. Zu ihnen gehörte Matthäus Dieterle, mit Ordensnamen P. Fidelis, in der Heimatgemeinde „Forelle-Pater“ genannt, eine Kraftnatur von seltenen charakterlichen Eigenschaften. Im Gasthaus „Forelle“ in Gremmelsbach wurde er als Sohn der Eheleute Thaddäus und Kreszentia Dieterle (geb. Armbruster) am 24. September 1854 geboren. Bewegt wie sein Ordensleben waren schon seine Schul­ und Studienjahre: mit 12 Jahren Beginn der Studien bei den Schulbrüdern in Ebersmün­ ster im Elsaß, zwei Jahre später Privatstun­ den, um das Gymnasium in Freiburg besu­ chen zu können, Reifeprüfung in Bensheim 1876, Studium der Theologie und Philoso­ phie in Würzburg (bis 1879) und St. Peter (1880). Dort Priesterweihe durch Bistumsver­ weser Lothar von Kübel am 13. Juli 1880. Innerhalb von 8 Jahren wurde er von der Kirchenbehörde in nicht weniger als 9 Pfar­ reien geschickt: Stetten bei Lörrach, Nöggen­ schwiel, Steinach, Beuggen, Walldorf, Zell a. H., Breisach, Niederschopfheim, Hocken­ heim. Die Begeisterung seiner ersten Priester­ jahre fielen in die Zeit, als der Sturm des Kul­ turkampfes zwar vorüber, in der kirchen­ treuen Bevölkerung aber keineswegs über­ wunden war. In seiner Stadtpfarrei Hocken­ heim (1888-1891) war sogar der Kirchenchor gespalten. Dafür verbot ihm Pfarrverweser Dieterle das Singen an Weihnachten, wodurch er in der Kirche eine gewaltige Erre­ gung auslöste, die beinahe zu Tätlichkeiten geführt hätte. 1889 machte er mit einem elsässischem Pilgerzug eine Wallfahrt nach Lourdes. Seine tiefe Liebe galt den Armen und den Kindern. Sein Bedürfnis zu schenken ging so weit, daß man bezweifelte, ob er mehr als zwei Hosen oder mehr als ein Paar Schuhe hatte. Kinder hungern zu sehen, schnitt ihm ins Herz. Er verköstigte sie am eigenen (schmalen) Tisch und versorgte sie im Som­ mer überreich mit Kirschen. Doch selbst so schien ihm das Ideal der Armut nicht erfüllt. Was er wollte, wollte er mit ganzer Leidenschaft. „Im Interesse seines Seelenheiles“ bat er, den Stand des Weltprie­ sters verlassen und in den Kapuzinerorden eintreten zu dürfen. In Baden war dies nicht möglich, also ging er nach Sigolsheim im Elsaß. Und nun erlebte ihn seine Kirche auf einem ersten Höhepunkt seines Schaffens. Er leistete Aushilfe, war Volksmissionar und Guardian (Vorsteher) in Sigolsheim, nach 167

Aufenthalten in Ehrenbreitstein und Mainz stand er den Kapuzinerklöstern in Krefeld (1902) und Sterkrade (1903) vor, wo er das 40- Stundengebet einführte. Als „fulminanter Fastenprediger an St. Martin zu Freiburg und am Münster in Straßburg“ wird er von Hein­ rich Hansjakob in „Erzbauern“ bezeichnet. Seine tiefe, kraftvolle Stimme war eine gute äußere Voraussetzung dafür. „Ein gottbegna­ deter Redner, ein frommer Priester, ein liebe­ voller Seelsorger im Beichtstuhl, ein freund­ licher, bescheidener, demütiger Ordens­ mann im Verkehr mit seinen Ordensbrüdern und den ihm Anvertrauten … “ schrieb das ,,Sterkrader Volksblatt“ ihm zum Abschied. Doch in dem Charismatiker glühte die Sehnsucht des Missionars. Mit 50 Jahren ver­ ließ er mit zwei weiteren Patres und drei Ordensbrüdern die Heimat, um auf der Karolineninsel Ponape in den Wasserwüsten des Stillen Ozeans Menschen zu bekehren. Da die Mitchristen dem Heroismus, sich zum Aufbruch in ein Missionsland zu ent­ scheiden, – war es doch meist ein Abschied auf ewig – immer höchste Bewunderung ent­ gegenbrachten, nahmen sie auch in überwäl­ tigend großer :zahl an der Abschiedsandacht an einem Sonntagnachmittag (23. Oktober 1904) in Straßburg-Königshofen teil. Über die ergreifende Feier berichtete „Der Elsässische Volksbote“ (25. Oktober 1904): „Die Kirche war mit Gläubigen bis zum Erdrücken gefüllt, bis an die Nebenaltäre … Nach einem vierstimmigen Liede des Schü­ lerchores trat der ehrwürdige P. Fidelis bleich und ernst an die Kanzel heran und hielt eine tief ergreifende Abschiedspredigt mit dem Texte: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie“ … Die Frage: „Wohin gehen wir?“ beantwortete er mit einer kurzen Das Gasthaus „Forelle“ zur Zeit vor dem 1. Weltkrieg 168

Geschichte der Karolinengruppen… und richtete bei der Frage: „Warum gehen wir dahin?“ einen so warmen Appell an die Anwesenden, überall im Leben treu und streng die Pflicht zu erfüllen, daß kein Auge trocken blieb. Nicht um schnöden Mam­ mons willen ziehen Missionare aus, nein, um wohl zu tun, zu lieben und zu leiden, zu wir­ ken und zu sterben um Christi willen und die Botschaft des Kreuzes und seines Segens über Welt und Hölle zu bringen und unsterbliche Seelen dem Himmel zu gewin­ nen … Nicht mit Verzweiflung und Trauer im Herzen scheiden wir von euch, sondern in der frohen Zuversicht, uns alle wiederzuse­ hen im schönen Himmel droben nach einem Leben der Opfer und Entsagungen und treuester Pflichterfüllung.“ Drei Wagen brachten die Missionare zum Hauptbahnhof in Straßburg, sie fuhren nach Rom und mit der „Seydlitz“, einem Dampfer des Nord­ deutschen Lloyd, ihrem Ziel entgegen. In den Tagebüchern des mitreisenden elsässischen Missionars, P. Calixtus Lopinot, findet sich unter dem 30. November 1904 folgende Eintragung: „P. Fidelis noch etwas unpäßlich, aber er hat den guten Humor nie verloren. Er ist sehr freundlich gegen uns und alle Passagiere überhaupt, so daß seine Freundlichkeit heute von einer Dame derart ausgenützt wurde, daß sie ihn zum Hüter ihrer Kinder engagierte.“ An diesem Tag fuh­ ren sie an Sumatra vorbei. Am 30. Dezember kam er auf dem Postschiff „Germania“ in Ponape, seinem Ziel, an. Unterwegs hatte er sich an Malaria infiziert, er entkam knapp dem Tode. Welche Situation sollte die Missionare erwarten? Das Deutsche Reich hatte 1899 nach dem spanisch-amerikanischen Krieg die Karoli­ nen, die Marianen und die Palau-Inseln für 17 Millionen Mark von Spanien gekauft. Die spanischen Missionare verließen bis 1907 ihre Stationen -nicht ohne besonderes Lob von seiten der Regierung in Berlin. Dieser waren deutsche Missionare auf den neuer­ worbenen Inseln willkommen, da sie den Eingeborenen beim Erlernen der deutschen Sprache behilflich sein konnten. Übereinstimmung bestand auch in der Absicht, „durch Erziehung, Schulung, gesundheitliche Pflege ein starkes und sitt­ lich tüchtiges Volk aus den Insulanern erwachsen zu lassen.“ (Hahl, Kaiserlicher Gouverneur). Die ersten deutschen Missio­ nare betraten die InselnJap und Ponape 1903. Zwei weitere „Karawanen“ folgten. Die 350 qkm große Insel war mit einer paradiesischen Vegetation gesegnet, Urwald bedeckte sie, fruchtbare Bäume wie Kokospalmen, Bana­ nenbäume, Zitronen-und Apfelsinenbäu­ me … bescheidener war dagegen die Zahl der Tierarten, reicher Fischfang war nicht selten, doch die Fische waren im Tropenklima nicht einen Tag lang haltbar. Die Inseln waren von Taifunen ständig bedroht. Ponape war mit 3200 Einwohnern dünn besiedelt, in Stämmen (Matolanim, Kiti, U, Jakoi, Not) organisiert, von Häuptlingen regiert, denen als den Lehensherren bei acht Festen im Jahr der Tribut (Naturalien) über­ geben wurde. Die Menschen waren reinlich, begabt und lernfreudig, auch recht anstellig im Errichten von Gebäuden unter der Anweisung von Missionaren. Dagegen herrschte große Sittenlosigkeit, eheliche Treue war unbekannt, Vielweiberei weit verbreitet. Die Kindererziehuqg bestand im Gewährenlassen, herangewachsene Men­ schen wurden in die Ehe verkauft. Auch unter Bekehrten lebte der Aberglaube fort: „Wenn es nur der Pater nicht erfahrt, dann ist es keine Sünde.“ Die Bevölkerung war dezimiert durch ein­ geschleppte Seuchen wie Pocken, Tuberku­ lose und Syphilis. Erschwert wurde die Situation der christli­ chen Mission insgesamt durch die Konkur­ renz der seit etwa 1850 auf den Karolinen wir­ kenden methodistischen Boston-Mission, durch Häuptlinge, die diese in Prediger-und Pastorendiensten unterstützten und durch die Liebenzeller Mission nach der Über­ nahme der Inseln durch das Deutsche Reich. Nach seiner Genesung unter der fachkun- 169

digen Aufsicht des Regierungsarztes Dr. Girschner sah sich P. Fidelis auf seiner Sta­ tion unvorstellbaren Schwierigkeiten gege­ nüber, so daß er auf die überwältigende Schönheit der tropischen Vegetation und unberührten Natur – heute längst vom Tourismus entdeckt und ausgekostet-kaum einen Blick werfen konnte. Denn: Wie mit Menschen reden, die man gewinnen will, ohne sich im Labyrinth ihrer Sprache zurechtzufinden, für die keine grammatika­ lischen Regeln zu finden waren? Und die Eingeborenen zeigten oft keine große Lust, den Fremden ihre Sprache zu erklären. Immerhin konnte P. Fidelis bereits 1905 damit beginnen, in der Ponapesprache zu predigen und zu unterrichten. In seiner Rast­ losigkeit ließ er schon jetzt in Roi, seiner Mis­ sionsstation, eine Werft, einen Kanal und ein Bootshaus bauen. 1906 gründete er eine Schule. Noch kein halbes Jahr war P. Fidelis auf der Insel, da brach am Gründonnerstag, dem 20. April 1905 ein Taifun über sie herein und richtete schwerste Verwüstungen an. Der Tag begann stürmisch, aber erst um die Mittags­ zeit konnte man die Größe der Gefahr erken­ nen, als das Kirchendach davonflog. Das Allerheiligste wurde zunächst in die Schrei­ nerei, danach in das ehemalige spanische Refektorium (Speisesaal) übertragen. Dort beteten die Kapuziner mit den Eingeborenen den Rosenkranz. Von 12 bis 15 Uhr tobte der Orkan, rückte Häuser von der Stelle, „Dach­ bleche flogen mit wildem Geklirre durch die Luft“, Bäume wurden abgebrochen, auf der Anhöhe ging ein Meerwasserregen nieder, das Wellblech des Bootshauses durchschnitt einen dicken Kokosbaum, unter Steinfunda­ menten von Häusern und unter entwurzel­ ten Bäumen suchten die Menschen Schutz. Vier Häuser, zwei Kirchen und zwei Schulen hatte der Sturm zerstört. Das Missionsge­ bäude stand schief und mußte von Baum­ stämmen gestützt werden, ein einziger Raum diente als Kirche, Schule und Schlafraum für die Eingeborenen. P. Fidelis baute sich aus Kisten ein Büchergestell. Er trug alles in stoi- 170 scher Ruhe:“ Wir müssen uns halt nach der Decke strecken.. . Gebe der liebe Gott zu allem seine Gnade, besonders mir die Beharr­ lichkeit, bis jetzt war er arg gut gegen mich“ – ein Satz, der sich in seinen Briefen, leicht abgewandelt, noch häufig wiederholte. Sei­ nen geistlichen Mitbrüdern in der Heimat schrieb er später, er sei so glücklich wie noch nie,“ weil ihn Gott belohne, daß er in die Mis­ sion gegangen“ sei. Zu den Aufgaben eines Missionars auf Ponape gehörte es, mit einem kleinen Boot Menschen auf benachbarten Inseln aufzusu­ chen. Von einer solchen Bootsfahrt mit P. Fidelis berichtet Bruder Othmar: ,,Diese Rei­ sen sind jedesmal mit Lebensgefahr verbun­ den … Rechts und links die haushohe Bran­ dung, wir in der Mitte wie eine Nußschale. Jede Woge muß geschnitten werden … Von der Seite darf uns keine Woge fassen. Bald hebt uns das Wasser haushoch in die Höhe, dann saust das Boot wieder in die Tiefe … daß es einem eiskalt wird trotz der Tropen­ sonne, welche über uns brennt. Käme jetzt eine Boe, dann hätten wir nichts mehr zu tun als Reue und Leid zu erwecken … Aber das wäre ein schlechter Missionar, wollte er sich in Gefahr fürchten . . . das Boot flog mit rasender Geschwindigkeit weiter und jetzt fing es an, Nacht zu werden … Der Mond war im ersten Viertel, schien aber sehr hell. Obwohl der Himmel stark bewölkt war, war immer der Mond frei und -fast wunderbar – jedesmal wenn wir Felsen passieren mußten, ließ der Wind nach und ganz sachte glitten wir an den schlimmen Gestalten vorbei, manchmal nur einen Meter entfernt. Einige­ mal mußten wir die Oelmäntel anziehen, weil starker Regen einsetzte … Die Wilden baten P. Fidelis, ein Lied zu singen. P. Fidelis sang dann das „Ave maris stella“ (Meerstern, ich dich grüße) … Den P. Fidelis brachte ich noch nach der Mission, wo der Hund vor lau­ ter Freude fast nicht zur Ruhe gebracht wer­ den konnte.“ Die Vorgänge in den Kolonien durften im Deutschen Reich, das seit wenigen Jahren Kolonialmacht war, der Aufmerksamkeit der

PONAPE NÖRDLICHE MARIANEN P . .. . “ . �· .· •4KAROLINE.N �� �/�,PHILIPPINEN � n• . !MIKRONESIEN! AUSTRALIEN 0 �00 12.00 .).000 Deutschen gewiß sein, und unausbleibliche Unannehmlichkeiten wurden von interes­ sierter Seite nach Kräften ausgenützt. Dafür sorgten Presse und regierungsamtliche Mit­ teilungen. Veränderungen, kulturelle Verbes­ serungen und der Widerstand der archai­ schen Gesellschaft wurden genau registriert. Als 1910/11 wegen der Unzufriedenheit der Eingeborenen über Wege-und Steuerarbei­ ten und der Mißstimmung der Häuptlinge über die Aufhebung des Lehenswesens, die ihnen einen Teil ihrer Macht kostete, ein Aufstand ausbrach, war es für viele sofort klar, daß die Hintergründe bei den Kapuzi­ nern zu suchen waren. Der zuständige Bezirksamtmann, Geheimer Regierungsrat Georg Fritz, trug auf seine Weise zur „Aufklä­ rung“ der Unruhen bei, indem er durch seine Streitschrift „Ad majorem Dei gloriam“ in der widerwärtigen Ausdrucksweise, deren sich Kirchengegner manchmal bedienen (,,Ihm (dem Pater) und seinem heiligen Glau­ ben und seiner noch heiligeren Kirche ist ja der Staat untertan.“ (S. 23)) einen Vorgang von 1905 in die Öffentlichkeit brachte, der P. Fidelis schwer belasten sollte. In einem Gespräch, bei dem es um den Bau einer Kirche ging, von dem aber Bezirksamtmann Berg wegen feindseliger Stimmung auf der Insel abriet, sagte P. Fidelis: ,,Es kommt uns auch auf einen blutigen Zusammenstoß nicht an, wenn es Gläubige zu gewinnen gilt.“ (S. 39.) Dieser Satz, von einem Missionar aus­ gesprochen, konnte nur den Sinn haben, daß er bereit war, für seinen Glauben den Märty­ rertod zu sterben. So interpretierte P. Fidelis diese Aussage in einem späteren Gespräch Berg gegenüber, dieser war damit zufrieden, beide tranken ein Glas Wein, Berg besuchte beim 25jährigen Priesterjubiläum von P. Fidelis den Gottesdienst, nahm am Festessen teil und wünschte ihm in einer Tischrede eine „lange segensreiche Tätigkeit auf Ponape.“ Diese längst vergessene Episode grub Fritz wieder aus und brachte sie in Zusammenhang mit den später ausgebroche­ nen Unruhen wegen überstürzt erlassener Anordnungen. Die Schrift wurde an alle Reichstagsabgeordneten versandt. Die wirk­ lichen Friedensbemühungen der Kapuziner verdrehte Fritz ins Gegenteil und mußte sie in einer zweiten Schrift (,,Die Kapuziner in Ponape, Leipzig 1913, S. 30) doch anerken­ nen: ,,Daß die katholische Mission die Gei­ ster zu bannen suchte, die sie durch ihre �ertreibereien, aber natürlich ohne die Fol­ gen vorauszusehen, gerufen hatte, bestreitet niemand; und das es ihrem Einfluß gelungen ist, die mit den aufständischen Jakoits durch Verwandtschafts-und andere Bande verbun­ denen katholischen Stämme zurückzuhal­ ten, verdient Lob und Orden.“ Die Verteidigungsschrift von P. Kilian Müller: ,,Ponape – im Sonnenlicht der Öffentlichkeit“ wurde kaum zur Kenntnis genommen. Die Angelegenheit schlug im Reich größere Wellen als am Ort des Geschehens selbst. Der Apostolische Vikar Salvator Walleser: ,,Er (Fritz) hat ja seine Weisheit bereits verzapft … Man urteilt hier draußen viel ruhiger in diesen Dingen, als bei euch.“ 171

1909 wurde P. Fidelis die Station Auak übertragen, seinen bisherigen Anstrengun­ gen war es zuzuschreiben, daß die Einwoh­ ner zweier Bezirke dem katholischen Glau­ ben zuneigten, 60 neue Christen ihm ange­ hörten. Aber kaum zu erklären: Allen Widrigkei­ ten zum Trotz und bereits körperlich ange­ schlagen, erklärte er 1913 zweimal seinem Provinzial, er fühle eine Sehnsucht für die Missionsarbeit in China; doch dieser Wunsch blieb ihm versagt. Der Apostolische Vikar winkte ab. Die Strapazen im mörderi­ schen Tropenklima rieben in zehn Jahren auch den Gesündesten auf, die Leute würden „nervös und lendenlahm“. P. Fidelis solle der Gesundheit wegen (Kopfbeschwerden, Bla­ senleiden) einen Heimaturlaub antreten, aus dem ihn der Arzt nicht zurückkehren lassen werde. Das Verhältnis zur Bevölkerung sei gereizt, die Regierung, die die Patres aus der Fritzschen Affäre rehabilitiert hervorgehen sah, werde alles tun, „die früher erlittene Schlappe auszuwetzen.“ Da brachte der Erste Weltkrieg die Beset­ zung der Insel durch die Japaner, das Abge­ schnittensein von der Außenwelt, Verbot des Schul-und des Religionsunterrichts, mate­ rielle Not und schließlich die Ausweisung der Missionare. Krank kam P. Fidelis nach Münster/W. zurück. Doch war ihm vergönnt, noch fast 20 Jahre in der Seelsorge der Heimat (Zell a. H., Waghäusel und wieder Zell) tätig zu sein. Aus diesen Jahren ist eine für ihn typische Anekdote bekannt. Als Karl Volk, der spätere Chinamissionar P. Magnus aus Gremmels­ bach, sich bei ihm einen Rat über den Eintritt in den Kapuzinerorden holen wollte, ließ er den Brief zunächst unbeantwortet. War die Anfrage leichtsinnig gestellt, erübrigte sich ein Antwortschreiben; war sie ernst gemeint, würde der Interessent sich wieder an ihn wen­ den. P. Fidelis wurde Jahre später sein Primiz­ prediger. („Da hat der Herrgott aus einem Holzarbeiter einen Priester gemacht.“) In Erinnerung blieb ferner, daß er in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft ein 172 unbeugsamer Gegner des Regimes war. Bei seiner unerbittlichen Geradlinigkeit wird dies niemanden verwundern. Der Mann, der so hart gegen sich selbst sein konnte, gab doch im Alter gern seiner Neigung, in die Heimat zurückzukehren, nach, um an festlichen Anläßen der Kirche teilzunehmen. Er starb am 22. März 1938. Sein Grab bestand in Zell noch bis in die jüngste Zeit. Die deutschen Missionare vertrieben, ihr Werk dem Untergang preisgegeben, die Inseln ins Heidentum zurückgesunken? Weit gefehlt! In der Bevölkerung hatte der christliche Glaube tiefe Wurzeln geschlagen, sie verlangte energisch neue Missionare, gleichgültig aus welchem Land. Zum hinter­ gründigen Humor der Geschichte gehört, daß die japanischen Behörden den neuen Missionaren -spanischen Jesuiten -10 000 Yen Reisezuschuß bezahlten, weil es der Ein­ geborenenbevölkerung nicht schnell genug gehen konnte, bis diese kamen {1921). Trotz viermaligem Wechsel der politi­ schen Macht litt die Religion keinen irrepara­ blen Schaden. Den Patres gelang es, Bibel, Katechismus, Gebetbücher, Grammatik und Wörterbücher in den einheimischen Spra­ chen drucken zu lassen. Am 23. Februar 1964 wurde der erste Eingeborene, P. Gregorio Ramarui aus Palau, zum Priester geweiht, was einen ersten Schritt zur kirchlichen Eigen­ ständigkeit der Inselgruppe bedeutete. Von Papst Johannes Paul II. wurde das Aposto­ lische Vikariat der Karolinen und Marshall­ inseln zur Diözese erhoben. Ihre Bezeich­ nung: „Carolines-Marshalls“. Bischof wurde der bisherige Apostolische Vikar Martin Joseph N eylon, S.). aus Buffalo im Staat New York. -Die Opfer des Kapuziners aus Grem­ melsbach und seiner Ordensbrüder waren nicht vergebens gebracht. Qu e 11 e n: Personalakte Matthäus Dieterle, Erzbischöfliches Archiv Freiburg. Brief P. Fidelis‘ an seinen Bruder Fridolin (6. Mai 1905). Archiva­ lien aus der Missionsprokur der Kapuziner in Münster/W. P. E l i gi u s, Or d.-Cap.: Bericht über die Kapuzinermission auf den Karolinen-

Inseln 1905. Br. 0 t h m a r: Rund um Ponape, in: Jahresbericht über die Tätigkeit der Kapuziner der Rheinisch-Westfälischen O rdensprovinz in der Mission der Karolinen 1906, Saarlouis, 1907. P. Callistus Lopinot O.F.M C ap.: Die Karo­ linenmission der spanischen und deutschen Kapuziner 1886 -1919 zusammengestellt nach den Jahresberichten von P. Callistus Lopinot 0.F.M Cap. Rom, am Tage der Priesterweihe des ersten Karoliners in Korror (Palau), 23. Februar 1964. Internationaler Fides Dienst, Roma, 12. Sep­ tember 1979. Geo r g Fritz: Ad majorem Dei gloriam! Die Vorgeschichte des Aufstandes von 1910/11 in Ponape, Leipzig, 1912. D e r s .: Die Kapuziner in Ponape, Leipzig, 1913. P. Kilian M ü 11 er: Ponape »im Lichte der Öffentlichkeit“, Eine Erwiderung von P. Kilian Müller O.M. Cap. Sekretär der Kapuzinermission in Ehrenbreit­ stein, Köln, 1912. H e i n r i c h H a n s j a k o b : Erz­ bauern, Stuttgart, 1905, S. 197. P. Arseni us: Nachruf auf P. Fidelis M. (Maria)- Matthäus Die­ terle – in: ASSISI-GLÖCKLEIN, Familien­ nachrichten der Rheinisch-Westfälischen Kapuzi­ nerprovinz 21 (1939), S. 28 ff. Für vielfältige Hilfe habe ich Herrn Ernst Dieterle, Bad Dürrheim, Herrn Archivdirektor Dr. Franz Hundsnurscher, Freiburg, Hochwürden Herrn P. Paul Linde, Strasbourg-Königshoffen und Herrn Missionsprokurator Bruder Ephrem Rapp, Mün­ ster/W., herzlich zu danken. Karl Volk Die restaurierte Wallfahrtskirche in Triberg Der Besucher der 1987 restaurierten Wall­ fahrtskirche in Triberg erwartet bei der Betrachtung der Altäre, der Kanzel und der Bilder die überbordende Fülle barocker Sin­ nesfreude, die er aus dieser Stilepoche kennt: nichts anderes als Bewegung und Flug der Figuren in der Diagonalen, die Heiligen wie Menschen von Adel, die auch den Adel der Seele bewahrt oder gewonnen haben, die Gebärden voll Vornehmheit, in Gewändern absolutistischer Herrscher und ihrer Höflinge, Putten, bis zur Peinlichkeit ent­ blößte Engel – sind es Männer, sind es Frauen, die den Himmel, Säulen oder auch nur Kerzen tragen? – Überschwang damals eben kennengelernter exotischer Pflanzen, die Leichtigkeit aufsteigender Wolken, Dra­ matik, Triumphalismus, alles in einem: die Vorstellung des Himmels, mit menschlichen Augen gesehen und menschlichen Händen gestaltet, wo selbst die Möglichkeiten der Täuschung und Fälschung nicht verschmäht werden, die der Farbe gegeben sind, Holz und Gips in Marmor und Gold zu » verwan­ deln“; noch anders: die Selbstdarstellung einer nach Reformation und Dreißigjähri­ gem Krieg wieder selbstbewußt gewordenen Kirche. Der Betrachter vor einem „typi- sehen“ Kunstwerk, das er in hundert Barock­ kirchen und Bildbänden hundertmal variiert gesehen hat, das sein Gemüt schon deshalb nicht tiefer ergreifen und in seinem Gedächt­ nis keine Bleibe bekommen wird. Ungefähr kennt man das alles. Doch gemach! Noch weiß er nicht, daß die meisten Skulpturen Arbeiten eines einzigen Künst­ lers, Anton Josef Schupps (1664-1729) aus Villingen, sind, der Hochaltar (um 1705) sein Meisterwerk wurde und eine eigene Geschichte hat. Denn nicht von Anfang an umleuchtete das lichte Blau des Himmels das Gnadenbild im Stamm der Tanne – ein kaum zu übertreffender Kontrast wie der ganze Altar zum strengen Äußeren des Kirchenge­ bäudes; wahrscheinlich holte einmal eine Waldkulisse aus Leinwand Bäume in die Kirche, um mit der zeitweise auch reichliche­ ren Grünbemalung Auge und Andacht der Gläubigen noch intensiver auf »Maria in der Tanne“ zu lenken. Eine spätere Generation hielt wieder das Gold, den der größten Heiligen allein würdi­ gen irdischen Stoff, für angemessener. Dabei blieb es. Als ob Schupp etwas dem der Schwere sei- 173

ner Erde besonders zuneigenden Schwarz­ wälder Charakter Entsprechendes hätte schaffen wollen, wirkt die breite Altararchi­ tektur nichts weniger als leicht. Die Säulen tragen einen wuchtigen Architrav, dessen Gewicht durch das dunkle Rot noch lasten­ der erscheint. Sie zeichnen sich durch einzig­ artigen Schmuck aus. Ihre Strenge lösen Sonnenblumen, Ringe und Tücher auf. Das Sonnenblumenmotiv, das von Künstlern in der Picardie, auch von elsässischen Schnit­ zern am Hochaltar im Straßburger Münster verwendet wurde, hatte Schupp wohl von dort kennengelernt. Die heiligen Gestalten fühlen sich nicht von unsichtbaren Kräften in himmlische Höhen gehoben, Maria wird nicht von Engeln geleitet, alle blicken sie im Mittelteil nicht zum Himmel auf, sondern weisen der Mitte, dem Tabernakel, zu. Die beiden Engel zu seiner Rechten und Linken erwecken eher den Eindruck, Landsknechte oder Legionäre zu sein. Erst die Gestalten auf der höheren Stufe, die als verkleinerte Nach­ bildung des Mittelteils in das Rund der Decke hineinragt, sehen in eine „überir­ dische“ Herrlichkeit hinauf, und sie nicht alle. Doch ohne die Geschichte, die große, die Reichsgeschichte und ohne die begrenzte Geschichte der Stadt Triberg ist der Altar nicht zu verstehen. Mit der heiligen Sippe Oosef und Jesus, Anna und Jesus, Joachim und Maria) werden Franz Xaver und Anto­ nius von Padua neben dem Allerheiligsten für würdig befunden. Heilige sehr verschie­ dener Zeiten zusammenzubringen, hatte die Kunst, erst recht das Barock keine Hemmun­ gen. Wie aber kamen gerade die letzteren nach Triberg? Der Namenspatron des Ober­ vogts Franz Xaver Noblat (1697-1726), des großzügigen Förderers der Wallfahrt, der hier auch bestattet liegt, sollte auch von der Einwohnerschaft verehrt werden. Die wohl damals schon allgemein verbreitete Anto­ niusverehrung verhalf Antonius von Padua zu einer Statue. Über allen steht der heilige Josef in schwindelnder Höhe und unge­ wöhnlich jugendlich wirkend, kaum zufällig 174 wird er so an die exponierteste Stelle gekom­ men sein. Die Josefsverehrung nahm durch Kaiser Josef 1. (1705-1711) einen spürbaren Aufschwung und der Herrscher wollte kei­ nen greisenhaften Patron. Nur wenige Teile des Altars sind im Rokokostil von Josef Kal­ tenbach gestaltet: die jugendliche Herz-Jesu­ Figur, zwei Putten, der große Auferstandene und die Immaculata. Das Gemälde von Klemens Maria Hof­ bauer am (Linken) Skapulieraltar ist an der Wand im Chorraum angebracht worden, ein Der achssymmetrische Altar – selbst ohne die feierliche Handlung des Gottesdienstes ein eigenes Schauspiel – blieb dennoch ein einheitliches Ganzes, wie Restaurator Hel­ mut Fuggis hervorhob, „täglich neu faszinie­ rend“ in seiner Konzeption, ist nunmehr renoviert, nicht „laut“, wie es in der Fach­ sprache heißt, also das Gold nicht so glei­ ßend, daß es das Auge blendet, sondern ver­ halten, wie es die aufzubringenden Mittel vorgaben, und seinen Bewunderern am Patroziniumsfest, an Mariae Aufnahme in den Himmel (15. August 1987) wiederge­ schenkt. Der wie eine sakrale Atmosphäre aussen­ dende Altar soll Chor und Kirche beherrschen, so war es die Intention des Barock, und sie war das Leitbild für die Restaurierung. Der Chor­ raum ist reinweiß gehalten, damit das Licht sein Spiel voll entfalten kann. Der Blick des Betrachters darf von seinem Eintreten an möglichst wenig beeinträchtigt oder abgelenkt werden, wie es auch im ganzen Kirchenraum kein Spiel mit Formen, Säulen, keine überra­ schenden Durchblicke, Effekte und derglei­ chen gibt. Auf eine Deckenbemalung im Chor und ein Deckengemälde im Kirchen­ schiff hat man von allem Anfang an zugun­ sten der kassettenähnlichen Holzdecke ver­ zichtet, wohl aus materiellen Gründen. Ihre ursprünglichen Farben waren nicht mehr eruierbar, die Decke hat durch mehrfache Umgestaltung in der Farbgebung ihre eigene Geschichte, sie war auch einmal blau, jetzt hat man lediglich die Profilstäbe heller gezo­ gen.

Zum Votivbild im Vöhrenbacher Bruderkirchle später gefertigtes Relief des Heiligen ist an seine Stelle getreten. Am rechten Seitenaltar sind in einem Schrein von unbekannter Mei­ sterhand die Reliquie der heiligen Serena durch eine Abbildung derselben auf Holz verdeckt, nur an Hochfesten sichtbar. Die Glyckherschen Altartafeln und das Villinger Votivbild erstrahlen wieder in barocker Farbenfreude. Neben der Kanzel, die ein eigenes Meisterwerk Schupps ist, hängt wieder ein Kreuzigungsbild aus der alten Stadtpfarrkirche vor dem Brand von 1826. Die Wände sind in leichtem Gelbton gehalten, auch der Boden sollte nicht durch unruhige Strukturierung vom Altar ablen­ ken, weshalb dichter, leicht ins Rötliche gehender italienischer Sandstein gewählt wurde.Nur um den Hochaltar wurde der tep­ pichartige Plattenboden belassen. Dem Gestühl wurde durch Abschleifen und Erstes Zeichen der Versöhnung Beim Festgottesdienst zum Vöhrenbacher Stadtfest am 9. August 1987 stand ein Bild im Mittelpunkt, das sonst im Bruderkirchle (vgl. Almanach 1984, S. 130-132) an der Alten Villinger Straße seinen Platz hat. Der Festprediger war der gleiche, der 42 Jahre zuvor Initiator dieses Bildes war: der inzwi­ schen 85jährige Abbe Ernile Ciceron, bei Grenoble wohnhaft, ehemaliger Kriegsge­ fangener in Vöhrenbach. Mit hundert Lands­ leuten teilte er damals in der kleinen Schwarzwaldstadt das Los der Gef�ngen­ schaft. Eingesetzt in die Industrie, in der Forst-und Landwirtschaft, entdeckten die Franzosen bald, daß ihnen viele Menschen wohlgesonnen waren. Bei Kriegsende, das 76 Gefangene im oberen Ursbachhof, eine Wegstunde von der Ortsmitte, erlebten, beschlossen die Gefangenen, als Zeichen für die gute Behandlung den Vöhrenbachern ein Geschenk zu machen. Man sammelte Geld 176 Ablaugen die aufgestrichene braune Farbe wieder genommen, es wurde mit Bienen­ wachs behandelt und ihm so die originale, natürlich wirkende Holzfarbe zurückgege­ ben. Karl Volk Literatur: Wilhelm Maier und Karl Lienhard: G e s eh i c h t e der Stadt T r i be r g i m S c h w a r z w a ld, 1964. Herausgegeben vom Heimat- und Gewer beverein Triberg e.V. Die Wallfa h r t skir che M a r ia i. d. Ta n ne Triber g im Schwarzwald. Herausgegeben im Auf­ trag des Kath. Stadtpfarramts Tr iberg, Dr uck: Adalber t Boemmel, Tegernsee A u f de n S p u r e n V i lli n g e r Kün s t le r . Die B a r o c km e i s te r de r Fa m i lie S c h u p p. Eine Übersicht und Anregung für Heimatforscher von Ottrnar Schupp. In: Geschichts- und Heimat­ verein Villingen, Jahresheft X, Beiträge des Jahres 1985 zur Kultur, Geschichte und Gegenwart VS­ Villingen 1985/86 und beauftragte ihren Seelsorger und Mit­ gefangenen Emile Ciceron, dafür ein Bild zu besorgen. Luc Barbier schuf dieses Bild schon im Sommer 1945. Das auf Öl gemalte Bild wurde einem Papiertransport nach Donaueschingen mitgegeben, kam aber nie an und ist verschollen. Der Künst­ ler aus Lyon fertigte daraufhin gratis ein zweites, sehr ähnliches Bild an, das Abbe Ciceron 1946 persönlich nach Vöhren­ bach brachte. Schon vor dreißig Jahren hat er selber dieses Bild (siehe Abbildung) so erklärt: „In der Mitte hält die selige Jungfrau Maria in der Mandorla in ihren Armen das Jesuskind, das Angst hat; es hat im Krieg so viele häßliche Dinge gesehen. Seine Mutter beruhigt es. Ebenso haben es auch die Kriegs­ gefangenen getan -oder hätten es tun sollen. Links im Bild ein Deutscher, der auf dem Weg zum Bruderkirchle innehält.

Rechts ein ehemaliger Kriegsgefangener, heimgekehrt nach Frankreich in sein Dorf, das sich im Wiederaufbau befindet. Alle beide, der Deutsche und der Franzose, schauen auf zu Unserer Lieben Frau und beten zu ihr das darunter stehende Gebet: In der Zeit der Prüfung hast du unseren Herzen Frieden gebracht und sie versöhnt. Unsere Liebe Frau von Vöhrenbach, hilf uns jetzt, eine Welt der Brüderlichkeit zu erbauen. Über den beiden Ländern lasten zahl- reiche Wolken, die sich aufzulösen begin­ nen. Ein Regenbogen verheißt ,Schönes Wetter‘.“ Das Bruderkirchle war den französischen Gefangenen besonders vertraut. Als die NS­ Machthaber ihnen die Benützung der Pfarr­ kirche untersagten, fanden sie in dieser alten Wallfahrtskirche Zuflucht. Abbe Ciceron erinnert sich an eine große Zahl Vöhrenbacher noch namentlich. Als er die ehrenvolle Aufgabe erhielt, anläßlich des 40. Gedenktags des Kriegsbeginns in Lourdes vor 120 000 (!) ehemaligen Gefangenen und deren Angehörigen die Predigt zu halten, nennt er Vöhrenbach eigens und dazu die Namen von Einwohnern, die die Gefan­ genen wohlwollend und menschlich behan­ delt hatten, so auch den „unerschrockenen deutschen Pfarrer Theodor Berberich“, der ein erklärter Gegner des Regimes war. Abbe Ciceron hatte im Lauf der Zeit Jugendlager der Kath. Jugend seiner Heimat im Departement lsere mit Vöhrenbacher Jugendlichen arrangiert. Beim eingangs erwähnten Festgottesdienst beim Vöhrenba­ cher Stadtfest 1987 überreichte er eine schmiedeeiserne Erntegarbe als Symbol der aufgegangenen Saat der Versöhnung. Mit großem Elan rief der betagte Geistliche den Zuhörern zu: „Welche vor 40 Jahren unver­ hofften und unbegreifliche’n Wunder ver­ wirklichen sich heute zwischen unsern bei­ den Ländern und durch sie in ganz Europa!“ Das von den französischen Gefangenen gestiftete Bild im Vöhrenbacher Bruder- 178 Abbe Emile Ciceron kirchle war eines der allerersten Zeichen der Versöhnung. Es gehörte so kurz nach dem Krieg Mut dazu, gegen den Strom zu schwimmen, den Haß abzubauen und Brük­ ken zu schlagen, um „eine Welt der Brüder­ lichkeit zu erbauen“, wie es in diesem Votiv­ bild heißt. Es ist gut, sich dieser Pioniere der deutsch-französischen Aussöhnung zu erin­ nern und in ihrem Geist die entstandene Freundschaft zu pflegen. Abbe Emile Cice­ ron gehört zu diesen Pionieren. Die herzliche Begegnung beim Stadtfest 1987 hat gezeigt, daß er unvergessen ist. Pfarrer Bernhard Adler *

Das Nibelungenlied – ein Heldenepos in unheldischer Zeit Alte Schriften und Museen Die Handschrift C befindet sich in der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen Kaum jemand verbindet heute in unserer pergamentene Codices von altschwäbischen Gedichten gefunden, davon der eine sehr Zeit, die dem Heldischen so gänzlich abge­ schön deutlich geschrieben, einen mittelmä­ neigt ist, etwas Konkretes oder Bildhaftes mit den Namen Siegfried und Hagen, Kriemhild ßig dicken Qyartband ausmacht, und ein aneinanderhängend weitläufig Heldenge­ und Gunther und Brunhilde, mit den Bur­ dichte zu enthalten scheint, von einer bur­ gunden und den Nibelungen. Im vorigen gundischen Königin oder Prinzessin Kriem­ Jahrhundert bis in unsere jüngste Vergangen­ hild; der Titel aber ist Adventure von den heit war das sehr anders. Fast jeder kannte die Zeilen, die er -in Trotz oder mit Freude – Nibelungen … “ Über ein viertel Jahrhundert später auswendig gelernt und zumeist bis an seine letzten Tage in Erinnerung hatte: geschah das für alle Überraschende, daß man wieder in der Hohenemser Bibliothek eine Uns ist in alten mären wunders vil geseit. weitere Nibelungenhandschrift fand. Ein dritter Codex des Nibelungenliedes kam in Von Helden lobebeern von grozzer chuon­ heit. Von fröden hochgeziten von weinen und der Klosterbibliothek St. Gallen zum Vor­ schein. Sie blieb dort bis heute, die beiden Hohenemser Handschriften aber kamen von klagen. nach einem Erbgang nach Prag. Die 1779 auf­ Von chuoner rechen strite moget ir nu wun­ gefundene Handschrift A gelangte 1810 im der hören sagen. Tausch nach München, die andere Hohen­ emser, die heute sogenannte „Hohenems­ So beginnt das Nibelungenlied, das außer Laßbergische Handschrift C“, wanderte in der sehr speziellen Germanistikforschung dann auf unbekannten Wegen bis nach nur noch in der Opernwelt Bestand behalten Wien, wo sie schließlich von Joseph Freiherr hat, vor allem in den Opern Richard Wagners. von Laßberg, damals in fürstenbergischen Es bahnte sich ein literarisches Ereignis Diensten, 1814 (oder 1815) aufgespürt und ersten Ranges an, als der Arzt Hermann Obe­ mit einem Zuschuß der verwitweten Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg erworben wurde. reit im Juni 1755 eine Reise ins vorarlber­ Aber erst in den 1850er Jahren kam sie end­ gische Hohenems unternahm. Er hat sie in gültig in die Fürstlich Fürstenbergische Hof­ allen Einzelheiten in einem ausführlichen bibliothek nach Donaueschingen. Brief vom 29. Juni 1755 geschildert: „Gestern habe ich unvermutete Gelegen­ Neben diesen drei großen Handschriften heit bekommen, eine kurze Reise nach sind 34 Fragmente des Nibelungenliedes in Hohenems zu machen, woselbst heute unter sehr verschiedener Fassung und Länge erhal­ anderem die Bibliothek in Augenschein ten geblieben. Erst im Jahr 1987 kam in Mün­ genommen, und so glücklich gewesen, daß chen ein Fragment zum Vorschein, das wie­ ich fast unter den ersten Büchern, so in die der eine andere Fassung enthält. Eine illumi­ Hände bekommen, zwei alte eingebundene nierte Handschrift, die „Hundeshagensche 179

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Handschrift“, ist erst sehr viel später entstan­ den; sie stammt aus dem 15. Jahrhundert. Über den Ursprung des Nibelungenliedes ist ebenso wenig genaues bekannt wie über die Herkunft der Handschrift.Nur so viel gilt als sicher, daß es das Werk eines unbekann­ ten Dichters aus dem Donauraum ist, der um 1200, vermutlich im Umkreis des Bischofs Wolfger von Passau, den Sagenstoff auf­ gegriffen und gestaltet und schließlich im Stile der höfischen Poesie seiner Zeit nieder­ geschrieben hat. Der Inhalt des Nibelungenliedes sei kurz in Erinnerung gerufen. Der Held Siegfried wirbt um die schöne Kriemhild, Schwester der Burgundenkönige Gunther, Gernot und Giselher. Er erhält ihre Hand erst, als er die Königin Brunhilde von Island mit Hilfe sei­ ner Tarnkappe überwunden hat, so daß König Gunther sie zur Frau nehmen konnte. Er gibt dieses gefährliche Geheimnis seiner Frau Kriemhild preis. In einem Streitge­ spräch mit Brunhilde vor dem Portal des Wormser Doms entfahrt ihr im Zorn diese Kunde. Brunhilde ist tiefbeleidigt und beauf­ tragt ihren Gefolgsmann Hagen, Siegfried zu töten. Der hatte in früheren Zeiten im Blut des von ihm getöteten Drachens gebadet und war dadurch unverwundbar geworden, ausgenommen eine einzige Stelle, die beim Baden im Drachenblut von einem Linden­ blatt bedeckt gewesen war. Hagen erfährt davon und schleudert den tödlichen Speer auf diese einzige verwundbare Stelle. Kriem­ hild sinnt auf Rache. Sie sieht ihre Zeit gekommen, als sie zu ihrer Heirat mit dem Hunnenkönig Etzel ihre burgundische Ver­ wandtschaft an den hunnischen Hof einlädt. In einem furchtbaren Gemetzel in einem Rit­ tersaal gehen die Burgunden bis auf den letz­ ten Mann zugrunde. Diese außerordentlich dramatische und erregende Geschichte der Burgunden hat die ganze literarische und intellektuelle Welt im vorigen Jahrhundert bis fast in unsere Tage hinein erregt. Schon wenige Jahrzehnte nach Erscheinen der ersten Gesamtausgabe des Nibelungenlieds im November 1782 hat F. De La Motte-Fouques diesen Stoff dramati­ siert, später dann Raupach (1834), Ernst Gei­ bel (1861) und Friedrich Hebbel (1862). Vor allem Richard Wagner hat sich des Stoffes angenommen, ihn dichterisch und musika­ lisch zu der Tetralogie, dem „Ring der Nibe­ lungen“ (1863) gestaltet. Auch noch später­ hin haben sich Schriftsteller von diesem Stoff zu Romanen und Dramen anregen las­ sen. Über die Herkunft des Sagenstoffes ist nichts, über die Entstehung der Handschrif­ ten nur wenig bekannt. Um so heftiger tobte der Kampf der Germanisten bei ihren Ver­ suchen, Licht in das Dunkel dieses Epos zu bringen und sich auch über seine Bedeutung klar zu werden. Als sicher gilt, daß der Verfas­ ser um 1220 eine offenbar sehr beliebte Sage niedergeschrieben hat, die seit Jahrhunder­ ten mündlich überliefert worden war. Gewiß hat er den Stoff nicht erfunden, er hat ihn vorgefunden und offenkundig aus verschie­ denartigen Teilen zusammengefügt und dichterisch gestaltet. Deutliche Unterschiede lassen sich erkennen. Siegfrieds Werbung um Kriemhild, die Gewinnung Brunhilds für Gunther und Siegfrieds Tod gehen unbe­ streitbar auf die germanische Mythologie zurück. Abgewandelte Namen und ähnliche Handlungsteile finden sich in verschiedenen Versionen der nordischen Sagenkreise. Historische Entsprechungen sind sehr viel schwieriger zu ermitteln. Bis heute sind sie in der Forschung umstritten. Es gab zwar die außerordentlich wilde und blutrünstige Merowinger Königin Brunhilde. Aber ihr Lebensschicksal will nicht so recht in das Handlungsschema des Nibelungenlieds pas­ sen. Anders im zweiten Teil des Epos. Da sind historische Tatbestände deutlich auszuma­ chen. Um 436 sind die Burgunden, die am Rhein ein Reich begründet hatten, von den Hunnen vernichtet worden. 453 starb der Hunnenkönig Attila in der Nacht seiner Hochzeit mit der Germanin Hildico eines plötzlichen Todes. Im Gegensatz zum ersten Teil spielen im zweiten christliche Hand- 181

lungsmotive eine prägende Rolle. Die eheli­ chen Beziehungen zwischen Siegfried und Kriemhild werden eingehend geschildert. Die Sippenbindung Kriemhilds an ihre Brü­ der tritt ganz in den Hintergrund. Kriemhild rächt den Tod ihres Ehemannes auch an ihren Brüdern, die sie bedenkenlos dem Tode preisgibt. Die literarhistorischen Auseinanderset­ zungen um das Nibelungenlied haben bis heute noch zu keinem bleibenden Ergebnis geführt. Gleichwohl bleibt das Epos ein lite­ rarisches Meisterwerk, wenn auch sein Hand­ lungsverlauf dem heutigen Verständnis nicht mehr entspricht. Und es bleibt vor allem ein historisches Zeugnis für die Zeit der Völker­ wanderung im 4./5. Jahrhundert bis zur Die Kunststiftung Hohenkarpfen bei Hausen ob Verena in der Ostbaar Landschaft und Kunst im Zwiegespräch Christianisierung der nordeuropäischen Kultur, einer Zeitspanne, in der die histori­ schen Q!iellen so gut wie ganz fehlen. Wenn sie auch keine Erkenntnisse vermittelt über Geschichte, Kultur und Gesellschaft jener dunklen Jahrhunderte, so läßt sich bei der Lektüre des Nibelungenliedes vieles erahnen, wird vieles plastischer und verständlicher in jener Zeit, die schließlich im nördlichen Europa, im Karolingerreich und besonders am Hofe Karls des Großen zur ersten euro­ päischen Hochkultur aufgipfelte. Gerade weil uns die Helden und ihre großartigen Taten heute fremd geworden sind, sollten wir sie zum Verständnis einer fernen und dun­ klen Geschichte nutzen. Dr. EW. Graf zu Lynar richt verflossener Tage kommt dem Verfasser unwillkürlich in den Sinn, wenn er sich ein­ mal mehr anschickt, einem ferner stehenden Leserkreis den Standort und den Sinn der Kunststiftung Hohenkarpfen zu erklären. Denn die Präsentation anspruchsvoller Kunstwerke und die fortlaufende Auseinan­ dersetzung mit künstlerischem Schaffen wer­ den in unserer Kultur selbstredend als wesentliche Begleitphänomene des urbanen Lebens betrachtet. Schon der bloße Umstand kleinstädtischer oder gar dörflicher Verhältnisse, in denen kulturelle Anstren­ gungen statthaben, löst leichthin pauschale Erwartungen auf sprichwörtlich Provinziel­ les aus, auf Zweitrangiges und Epigonenhaf­ tes, auf Schilda und Butzenscheibenroman­ tik. So betrachtet, liegt die Kunststiftung Hohenkarpfen mit ihrem Museum in der Tat außerhalb vertrauter Landkarten, buchstäb­ lich in einer zone vage der kulturellen Szene­ rie Baden-Württembergs und steht für etwas Gegenläufiges: Kunst in der abgeschiedenen Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist seit dem Jahre 1985 Mitglied der Kunststiftung Hohenkarpfen e. V Der Verein unterhält in dem Hofgut Hohen­ karpfen bei Hausen ob Verena (Kreis Tuttlingen) ein regionales Kunstmuseum, in dem die Land­ schaftsmalerei des deutschen Südwestens aus dem 19. und20.jahrhundert gezeigt wird. Der 1. Vor­ sitzende der Kunststiftung Hoh.enkarpfen e. V, Prof. Dr. Friedemann Maurer, berichtet im nach­ stehenden Beitrag über Aufgaben und Ziele der Kunststiftung Hohenkarpfen. In den ersten Landkarten des römischen Weltreichs findet man bei den weit vom Zen­ trum der Macht entfernten Provinzen immer wieder den stereotypen Eintrag hie sunt leones (Hier gibt es Löwen). Hinter diesem ebenso Furcht einflößend wie kundig klingenden Vermerk verbarg sich in aller Regel die völlige Unkenntnis der Geographen jener Zeit über ganze Landstriche entlegener Provinzen und angrenzender Gegenden, die mit dieser War­ nung vor wilden Tieren ohne Zweifel wir­ kungsvoll kaschiert wurde. Diese Reminiszenz an den Lateinunter- 182

Landschaft, fernab vom quirlenden Kultur­ betrieb der Städte. Dies ist bereits am Standort erkennbar, für den der weiträumige Kunst-und Ausstel­ lungstourismus der Gegenwart ohne langes Z,ögern jenes altrömische Verlegenheits-Ver­ dikt hie sunt leones parat halten mag. Wer kennt schon jenen hochgelegenen, von dem langestreckten, bewaldeten Gebirgsstock des Zundelbergs gesäumten Zipfel der Osthaar, in dem das DorfHausen ob Verena liegt und wo sich zwischen dem Lupfen und dem steil aufragenden Südwesttrauf der Schwäbischen Alb der anmutige, nur spärlich bewaldete Kegel des Hohenkarpfen erhebt. Diesen abgeschiedenen Winkel, in dem mit dem evangelischen Hausen ob Verena altwürttembergisch-pietistische Traditionen mit ehemals vorderösterreichisch-katholi- sehen Gebieten um Spaichingen, Gunnin­ gen und Seitingen-Oberflacht zusammen­ stoßen, hat das Rampenlicht der Weltge­ schichte in keiner Epoche auch je nur gestreift. Die kleine Welt am Karpfen lag alle­ zeit abseits der großen Verkehrsströme und der Stammburgen mächtiger Adelsge­ schlechter, abseits der glanzvollen Residenz­ städte und der Zentren sozialer, geistiger und industrieller Entwicklungen. Einst Sitz einer kleinen württembergi­ schen Herrschaft, dann im Dreißigjährigen Krieg von den Österreichern eingenommen und endgültig zerstört, sind heute von der Höhenburg Karpfen nur noch Mauerreste und Gebäudeschutt der ursprünglich zwei­ teiligen Burganlage zu sehen. Geblieben ist der alte Meierhof am südlichen Fuß des Ber­ ges, der später württembergisches Domänen- Das Museum der Kunststiftung Hohenkarpfen (Kunstverein Schwarzwald-Baar-Heuberg) ist im denkmalgeschützten,früheren Ökonomiegebäude des gleichnamigen Hofguts bei Hausen ob Verena im Kreis Tuttlingen untergebracht. 183

Felix Hollenberg 1868-1945 A „Der Lupfen‘: 1919 Franz Frank 1897 -1986 T „Mohnfeld auf der Alb‘: 1951

Otto Dix 1891 -1969 • „Eisweg am Untersee“, 1944 Heinrich Kiibler 1905 -1965 T „Schwarzwald bei Villingen“, 1957

Maria Caspar-Fi/ser 1878-1968 „Bliihende Obstgärten“; 1907 T … Christian Landenberger 1862 -192 7 „Ernte‘: 1895 gut wurde und 1844 durch königliche Ver­ fügung in politischen Verband mit der Gemeinde Hausen ob Verena kam. Hausener Bürger kauften fortan Stück um Stück der Domäne. 1973 erwarb die Trossinger Unternehmer­ familie Gebhard Ritzi den noch verbliebe­ nen Rest der ehemaligen Domäne Hohen­ karpfen, sanierte und restaurierte in beispiel­ hafter denkmalschützerischer Privatinitia­ tive das Anwesen mit den gewaltigen Walm­ dächern. Das Hauptgebäude des Hofguts beher­ bergt einen gastronomischen Betrieb und im Untergeschoß des früheren Ökonomiege­ bäudes wurde im Sommer 1986 nach Plänen des Leonberger Architekten Dr. Ing. Ludwig Heck ein über 300 qm großes Regionalmu­ seum für südwestdeutsche Landschaftsmale­ rei des 19. und 20. Jahrhunderts eingerichtet, das technisch dem Standard der modernen 186

Großstadtmuseen entspricht. Träger dieser privaten Einrichtung ist die Kunststiftung Hohenkarpfen e. V. (Kunstverein Schwarz­ wald-Baar-Heuberg) mit gegenwärtig (Stand Frühjahr 1988) 550 persönlichen und 70 kör­ perschaftlichen Mitgliedern. Zu den körper­ schaftlichen Mitgliedern zählen auch der Schwarzwald-Baar-Kreis sowie etliche Städ­ te, Gemeinden, Industrie- und Dienstlei­ stungsunternehmen (einschließlich der In­ dustrie- und Handelskammer Schwarzwald­ Baar-Heuberg) aus dem Landkreis. Wie kam es zu dieser regionalen Stiftung? Im Spätjahr 1984 wurde zur Übernahme und Pflege einer umfangreichen Schenkung aus dem Nachlaß des Zeichners und Kinder­ buchillustrators Ernst Rieß, geboren 1884 in Tuttlingen, aufgewachsen in Hausen ob Ve­ rena und 1962 in Freiburg im Breisgau gestor­ ben, von einem Kreis mit zweiundzwanzig Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur, Ver­ waltung und Politik ein privater, gemeinnüt­ ziger Trägerverein gegründet. Durch das großzügige Entgegenkommen der Besitzer­ familie Ritzi konnte der Gedanke an ein klei­ nes Rieß-Museum im Hofgut Hohenkarpfen rasch Gestalt gewinnen. Es ist dem Weitblick von Erwin Teufel, dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, und von Bad Dürr­ heims Altbürgermeister Otto Weissenberger, beide Gründungsmitglieder der Emst-Rieß­ Stiftung für Heimatpflege, zu verdanken, daß man bereits im Planungsstadium diesen personen- und lokalbezogenen Rahmen auf­ gab und sich den Aufbau eines regional.en Kunstmuseums mit dem Sammel- und Aus­ stellungsschwerpunkt auf der südwestdeut­ schen Landschaftsmalerei des 19. und 20. Jahrhunderts zur Aufgabe machte. Diese weitgespannte Aufgabe war der Grund dafür, daß die kaum gegründete Rieß­ Stiftung ein dreiviertel Jahr später, am 2. Juni 1985, nach dem Vorschlag von Landrat Dr. Rainer Gutknecht im Donaueschinger Schloß in Kunststiftung Hohenkarpfen e. V. – Kunst­ verein Schwarzwald-Baar-Heuberg umbe­ nannt wurde. Wohl kaum jemand unter den rund zweihundertfünfzig Teilnehmern die- ser ersten Jahresversammlung wird jenen strahlenden Frühlingstag mit der festlichen Atmosphäre des Donaueschinger Schlosses, den sprachmächtigen, autobiographischen Festvortrag des inzwischen verstorbenen Alt­ bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger über seine Kindheit auf dem Heuberg und über die Rottweiler Seminarzeit und last not least die überwältigende Gastfreundschaft Seiner Durchlaucht des Fürsten Joachim von Für­ stenberg vergessen. Getragen von dieser kulturellen Auf­ bruchstimmung in der Region konnte ein Jahr später das neue Landschaftsmuseum auf dem Hohenkarpfen eröffnet werden als ein­ drucksvolles Beispiel eines Bürgermäzenaten­ tums, wie Bundesminister a. D. Dr. Bruno Heck als Vorsitzender des Kuratoriums tref­ fend sagte. In der Tat wäre das Kunstmuseum Hohenkarpfen nie zustande gekommen ohne die ideelle und materielle Hilfe der Mitglieder, ohne das durchschlagende Enga­ gement einer ebenso arbeitsfähigen wie kom­ petenten Kerngruppe von ehrenamtlich Ver­ antwortlichen und die wohlwollende Förde­ rung durch Wirtschaft, Kommunen und Land. Die Sammlung Hohenkarpfen verfügt über eine beachtliche Zahl von Schenkungen und Dauerleihgaben zur Entwicklung der süd­ westdeutschen Landschaftsmal.erei mit dem Schwerpunkt auf der klassischen Modeme. Im einzelnen wird die einflußreiche Land­ schaftsschule der Karlsruher Akademie von Johann Wilhelm Schirmer über Wilhelm Trübner, Hans Thoma und Emil Lugo gezeigt bis hin zu den in unserer Region bekannten Malern Hans Dieter, Hans Schroedter, Karl Merz und Otto Leiber, alle­ samt Künstler, die im Schwarzwald-Baar­ Kreis (zumindest zeitweise) lebten und wirk­ ten. Die Stuttgarter Akademie-Tradition ist mit Werken von Albert Kappis, Karl Ebert, Christian Landenberger, Otto Reiniger, Felix Hollenberg, Alfred Wais, Franz Frank, Man­ fred Henninger und anderen vertreten. Auch die Münchner Einflüsse auf den expressiven 187

Realismus in der modernen Landschaftsdar­ stellung sind mit wichtigen Beispielen von Maria Caspar-Filser, Karl Caspar,Julius Heß und Edmund Steppes vertreten. Schließlich repräsentiert die Sammlung Hohenkarpfen noch den „Sonderfall“ Otto Dix, der sich, im Dritten Reich mit Ausstellungsverbot belegt, nach Randegg und später nach Hemmenho­ fen auf die Höri zurückgezogen hatte und der sich in diesen Jahren der (politisch unver­ fänglichen) Landschaftsdarstellung, anfäng­ lich ganz in der altmeisterlichen Lasurtech­ nik der Donauschule, zuwandte. Auf Hohenkarpfen sind zwei winterliche Unter­ seelandschaften von Otto Dix aus den Jahren 1944 und 1951 zu sehen. Neben diesen Kunstschätzen muß jedoch die unberührte Landschaft, in deren Einsam­ keit das Museum eingebettet ist, als das eigentliche Kapital der Unternehmung gel­ ten. So wird auch die einfache Philosophie des Kunstmuseums Hohenkarpfen deutlich. Sie will das Widerspiel zwischen Kunst und Natur, zwischen Kunstschönem und Natur­ schönem in Gang setzen und dem Besucher etwas von jener Erfahrung Goethes, Land­ schaft wie ein Bild zu sehen, vermitteln. Daß die Besucher des Museums, das jeweils vom Palmsonntag bis zum Bußtag geöffnet ist, und hauptamtlich von einem Kunsthistori­ ker betreut wird, diese didaktische Absicht, den Menschen die Augen zu öffnen für die stille, lyrische Schönheit der Landschaft zwi­ schen Schwarzwald, Alb und Bodensee, un­ willkürlich begreifen, zeigt die Notiz eines Gastes, der von der Sammlung schrieb, es handle sich hier um „eine richtige Liebhaber­ idylle inmitten einer Hans-Thoma-Land­ schaft: Geistesgegenwart in der Konzeption – Herzensgegenwart in der Ausführung. Keine strömenden und weitgereisten Be­ suchermassen, sondern leise und auf­ geschlossene Gäste für Landschaftskunst.“ Und dieser Beobachter fahrt dann mit den Worten fort: ,,Die Exponate wetteifern mit der Landschaft des Hofgutes im Blickfang der Stimmungen und Farben. Von den fei­ nen Sujets eines Hans Thoma bis zu der 188 strukturierten Pinselführung eines Otto Dix – alles verträgt sich und harmonisiert in den Konturen der Landschaft: das Hofgut – ein Landschaftshaus. Mehr Landschaftsmuseum als Galerie.“ Prof. Dr. Friedemann Maurer * Heimat Ich besuche dich meine Heimat meine Stadt du bist mir vertraut natürlich du bist unverändert versteht sich du bist noch immer du begreiflich du bist alt und nicht schön doch deine Wälder deine Wege dein Himmel über dir sind schön ich komme gerne dich zu besuchen gleich einem alten Freund du nimmst mich an öffnest mir dein Gesicht klagst mir deine Verwüstung du bist mir vertraut du kennst mich du meine Heimat die du mich heranwachsen sahst seit meiner Geburt ich vermisse dich nicht ich brauche dich nicht mehr wie damals ich bin glücklich zu wissen daß es dich gibt daß du auf mich wartest mich aufnimmst mitlebst mit mir und ich mit dir wenn ich wieder komme dich zu besuchen meine Heimat. Hanna Jäckle

Kunst und Künstler Erich Villa Maler, Plastiker, Grafiker Er ist ein Formsuchender und ein Formge­ ben der: Erich Villa, ein vielseitiger Künstler. In seinem Oeuvre begegnet man Malerei, Grafik, Design, Plastik, Relief, Kunst am Bau. Immer ist es Begegnung mit einem Differen­ zierten an Ausdrucks-und Gestaltungskraft. Erich Villa lebt in Villingen. Er wurde 1935 in Kanth/Breslau geboren. Sein Vater, ein bekannter schlesischer Maler, erkannte früh die Begabung seines Sohnes und förderte sie. 1945 floh die Familie vor der russischen Inva­ sion. Durch die Dienstverpflichtung des Vaters bei den Junkers-Flugzeugwerken, kam die Familie nach Dessau und Leipzig. Bei einem Treffen schlesischer Künstler in Leip­ zig, fand der Vater seinen Künstlerfreund Prof. Thielmann wieder, dessen Schüler Erich Villa 1949 in angewandter Malerei wurde. Es folgte eine Ausbildung als Zeich­ ner und Designer der textil technischen Indu­ strie, wo er aus einem Wettbewerb als Lan­ desbester hervorging, den Förderpreis des Landes Sachsen erhielt und damit in Verbin­ dung ein Stipendium der Stadt Leipzig an der Schule für Kunst und Kunstgewerbe, Leipzig. Im Jahre 1953, seiner ersten öffentli­ chen Ausstellung in Berlin, übersiedelte Erich Villa mit seinem Vater in den Schwarz­ wald. Von 1962 bis 1968 folgten ausgedehnte Studienreisen nach Brasilien (Reisestipen­ dium für Rio de Janeiro), Frankreich und Ita­ lien. Danach häuften sich Ausstellungen und öffentliche Aufträge. Auch der internatio­ nale Erfolg blieb ihm nicht versagt. Einige Ausstellungen, allesamt Einzelausstellungen, seien hier herausgegriffen: Studio Q!iinze, Rio de Janeiro/ Sammlung Marino, Venezia / Salon d’Hiver und Galerie Mandragore, Paris / Casino, Yverdon / Galerie Hilger, Strasbourg / Galerie Keo, Hagen/ Parlament. Abb. 1 „Portrait“ Gesellschaft, Bonn. Werke in öffentlichem Besitz befinden sich u. a. in: Fabricas Unidas de Tecidos, Rio de Janeiro / CoJlection Orgell, New York / Bundesministerien für Post-und Fernmeldewesen, Forschung und Technologie, Arbeit, Verkehr, Bonn/ Regie­ rungspräsidium Freiburg / Landkreis Schwarzwald-Baar / Sparkasse Villingen­ Schwenningen / Landesgirokasse Stuttgart / Landeskreditbank Baden-Württemberg / div.Stadtverwaltungen und Kurkliniken. Mit seiner Kunst am Bau, seinen Werken der Malerei und Plastik in P.rivaten und kom­ munalen Bauten, mit der Ubernahme künst­ lerischer Aufgaben bei Altstadtsanierungen ist Erich Villa auch vielen Menschen im Schwarzwald-Baar-Kreis bekannt geworden. Mit der Formgebung im besonderen beschäftigt sich der Künstler als freier Designer für verschiedene Industriezweige. 189

Seine ganz besondere Liebe gilt der (wahl-) heimatlichen Schwarzwaldland­ schaft, dann den Alpen-, Seen- und Marschlandschaften. Nun verleitet gerade die Landschaftsmalerei in ihrer unendlichen Vielfalt zu Überfüllung oder zu kraftlosem Ungefähr. Davon ist aber nichts zu spüren in Villas Landschaftsbildern. Vor Ort lauscht der Künstler in die Geheimnisse der Natur hinein und dennoch setzt er nicht selten anstelle des Abbildes der Wirklichkeit das Ursprüngliche einer inneren Vorstellung. Überhaupt ist Landschaft für ihn kein Pro­ jektionsschirm flüchtiger Ideologien, son­ dern Erfahrungsraum -ein Raum individuel­ ler Empfindungen und wohl auch Erinne­ rungen mit etwas Platz für einen expressiven Gestaltungswillen. Auf dem Bildträger hält er dann das erlebte ständige Ränkespiel sphäri­ scher und irdischer Kräfte fest. Beispiele: Abb. 2 „Abendwolken“ „Abendwolken“ (Abb. 2), „Abend an der Küste“ (Abb. 3), „Jurafelsen“ (Abb. 4). Die Kraft des ersten Eindruckes ist wohl das Entscheidende für sein künstlerisches Schaffen. Sie findet sich in der Spontaneität des Ausdrucks. In einigen seiner Landschaf­ ten zeigt sich die Farbe geladen mit heftigster Ausdruckskraft. Zuweilen wird eine Bildtiefe geschildert, die gleichsam nah und fern ist. Ebenso expressiv im Ausdruck, aber anders in ihrer Struktur sind Villas Gebirgs­ und Mittelgebirgslandschaften. Mal wird die Fläche zum Schwingen gebracht, mal betont er einen dynamischen Linienfluß, jeweils abhängig davon, ob Formenbindung oder Gegeneinander der Teile des Bildgegenstan­ des angestrebt sind. Die Landschaften, einerseits in ihrer tekto­ nischen Struktur, andererseits in ihrer Har­ monie als Klang- und Stimmungsträger, 190

Abb. J „Abend an der Küste“ Abb. 4 ,Jurafelsen“

sich in seinen graphischen und plastischen Arbeiten auf Wesentliches, d. h. Schaffung eines elementaren Ausdrucks und einer ihm gemäßen Form. Und so wird in ihnen beson­ ders deutlich, daß Kunst konzentriertes Leben ist. In der Formgebung geht es Villa um Handgreiflich-und Begreiflich-Machen archetypischer Seins-Formen. Herausgegriffen sei eine Plastik in Silu­ min-Aluminiumguß, ihr Titel „Der Mensch und die Elemente“ (Abb. 8). Auf der einen Seite der Plastik will der Künstler, wie er selbst betont, ,,trotz der Individualität des Menschen die Wichtigkeit der Begegnung und des Gespräches vermittelt werden“. Die andere Seite hält die vier Elemente bereit: Die Erde, dargestellt als Keimling, der alles Abb. 6 „Die heilige Familie“ Abb. 5 »Badende“ scheinen sich wehren zu wollen vor menschlichem Eindringen, vor einem Bege­ hen und Durchschreiten. Villas Menschendarstellungen, ob Akt oder Familienbild, zeichnen sich durch in­ telligente Vereinfachung und Formenstraf­ fung, klare, zuweilen weitschwingende Rhythmen bei dynamischer Tektonik aus. Logik und Gefühl vereinigen sich dabei (Abb. 5, 6, 7). Gleiches findet der Betrachter auch in Vi1- las Plastik wieder. Erich Villa konzentriert 192

Abb. 7 »Sitzender Akt“ Leben beinhaltet/ Das Wasser als stilisierte Wellen, die Urgewalt und Kraft zum Aus­ druck bringen / Das Feuer in Gestalt der Sonne, die Licht und Leben spendet / Die Luft als ein nicht begrenztes, nach oben geöffnetes Feld, welches Bewegungsabläufe und Schwingungen vergegenwärtigt. Die vier Elemente, zeichenhaft aufgesetzt und den­ noch raumgreifend, sind um einen Durch­ bruch gelagert. Während das Licht den diffe- renzierten Charakter der Oberfläche der Pla­ stik preisgibt, ist ihm in dem dunklen Durch­ bruch Einhalt geboten und so schält sich, maskengleich, ein stilisiertes menschliches Gesicht heraus. ,,Diese Form der Darstellung wurde bewußt gewählt, um den Mensch in seiner Anonymität und Vielfalt zu zeigen.“, sagt Erich Villa. Seine Zeichen-Setzung ist also wie bei vielen zeitgenössischen Künst­ lern eine Botschaft und ein Sprechen durch 193

Abb. 8 „Der Mensch und die Elemente“ (Plastik) 194

gestellt in die vier Elemente. Spannung ist erzeugt und doch verbindet sich alles Gege­ bene zu ausgewogener Schöpfung. Die Pla­ stik „Der Mensch und die Elemente“ macht sichtbar: Werden ist Begegnung, Durch­ dringung, Durchwärmen, Durchfluten. Der Mensch lebt im Bezug und dieser ist ver­ knüpft mit dem Bezug zur äußeren Natur und zum Mitmenschen. Ein Ineinander von Selbstbezug und Außenbezug bestimmt Denken, Fühlen, Wollen, Tun und Lassen. Objekt und Subjekt, gesetzt im Geschehens­ zusammenhang, sind miteinander verfloch­ ten in einem Prozeß, dessen Grundmerkmal die Dialektik von Bedingung und Bedingt­ werden ist. Eindringlich konkretisiert Erich Villa Bau­ werke durch seine Skulpturen und Plastiken auf die jeweiligen bestimmten Inhalte hin. Form ist die Ausdrucksweise, die dem Inhalt seine Bedeutung gibt. Form und Inhalt sind ihm etwas Integrales. Erich Villas Kunst­ schaffen pendelt zwischen Abstraktion, wobei die Form aus – mit Kandinsky zu sagen – innerer Notwendigkeit gewachsen ist, und expressivem Vibrato. Jürgen Ecker Abb. 9 „Birken im Frühling“ ‚.Zeigen. Die ‚.Zeichen-Setzung erwartet Men­ schen, die ihr begegnen und sich „hineinstel­ len“. Der Durchbruch, das Dunkel ist hinein- Der Maler und Grafiker Bugen Gross Auch mit 76 Jahren ist der Skizzenblock sein Begleiter In Schönwald im Schwarzenbach scheint die Welt noch in Ordnung: Wiesen wechseln sich ab mit Bachläufen, von den Höhen grüßt der Wald, einzelne Schwarzwaldhöfe beleben das Tal, Kühe weiden und Pferde galoppieren in der Pferch – wer möchte da nicht beschaulich innehalten. Mittendrin ein Hof, dem so gar nichts Bäuerliches anhaftet, ein sich unter großem Dach duckendes Hauptgebäude, eine angrenzende Scheune. Der Spaziergänger geht da zunächst achtlos vorbei, geht um die vermeintliche Scheune herum und entdeckt plötzlich ein einladen­ des zweiflügeliges Tor. Neugierig wird ein Blick durch die Torfenster geworfen, Holzge- bälk, ein runder Tisch, an den Wänden unzählige Bilder, eine Staffelei. Wer nun klopft, dem wird gern aufgetan. Aber dem Besucher gilt auch ein fragender, durchdrin­ gender Blick: Eugen Gross, 76jährig, schaut genau hin, schätzt, wägt ab – und läßt den am Künstlerleben Interessierten gern ein. Das Hinschauen, Beobachten hat den im gebürtigen Triberger, der seit 1964 Schwarzenbach lebt, zu dem Mann und Künstler gemacht, als der er heute geschätzt wird. Sein bildhaftes Gedächtnis läßt zu, heute noch Situationen, Eindrücke farbig zu schildern, ja – wenn er es möchte – in Bilder umzusetzen. Radierungen, Holzschnitte, 195

Künstler“ durchs Leben schlagen müssen, wie es die Eltern sahen. Also erlernte er das Buchdruckerhandwerk. Und auch diese Ent­ scheidung hält er heute für gut und sinnvoll. Hat doch dieses Handwerk ihm den Weg zum Beruf des Grafikers geebnet. Die Kunst­ malerei kam dazu und füllte auch die andere Seite des Menschen Eugen Grass aus. Die Meisterprüfung im Buchdruck legte Eugen Grass vor dem Zweiten Weltkrieg in Nürn­ berg ab. Er hatte damit den Willen der Eltern erfüllt, sich eine handwerkliche Grundlage zu schaffen, mit der er überleben konnte. Nun aber war es für ihn Zeit, sich seiner Lei­ denschaft seit frühester Kindheit zu widmen: er ging nach Dresden an die Kunstakademie zu den Professoren Drescher und Sinkwitz. Und er konnte sich seinen Unterhalt durch die Arbeit in der Buchdruckerei selbst verdie­ nen. »Jahre, die mir sehr viel Freude bereite­ ten“, erinnert sich Eugen Grass. Ein Plakat, direkt von der Hol.zplatte gezogen. Hol.zschnitt 1934 Ölbilder, das sind seine Möglichkeiten, das Geschaute anderen zugänglich zu machen. Ganz selten aber nur verliert er sich da ins Mythische, vielmehr bemüht er sich um eine realistische Wiedergabe des Gesehenen, Erfühlten. Und selten sind diese Gefühlsdar­ stellungen verkäuflich. Wie zum Beispiel sein Gemälde „Beginn des Lebens“: in einer vielfarbigen Spirale beginnt der Embryo, durch die Spirale, in warmen, aber auch kal­ ten Ölfarben gehalten, wird er sich ans Leben bewegen, wird Leben … Eugen Grass‘ Atelier in der Scheune strahlt mit diesem Bild als Mittelpunkt. Für Eugen Grass begann die Annäherung an die bildliche Wiedergabe von Geschau­ tem und Gefühltem bereits in der Schule. Der kleine Eugen, als jüngstes von acht Geschwistern, hatte das Glück – so bezeich­ net der Maler und Grafiker es selbst – in Tri­ berg Professor Neumann als Kunsterzieher an der Schwarzwaldschule zu haben. Dieser erkannte den wachen Geist, das zeichne­ rische Talent des Jungen und ermunterte ihn: „Schau‘ genau hin, was siehst du, zeichne das jetzt“. Und Eugen Grass zeichnete, malte, vertiefte sich immer mehr in die Kunst, Geschautes und später auch Gefühltes wie­ derzugeben. Aber auch Eugen Grass sollte „etwas Rechtes“ lernen, sich nicht als „brotloser 196

Den Beginn des Lebens, das Aufwärtsstreben, verdeutlicht dieses Werk. Es entstand 1973, die Ölfarben wurden zum Teil mit den Fingern aufgetragen. Im Mittelpunkt der Spirale der Beginn des Lebens. Das Original mißt 2 x 2 Meter. Erste Kontakte zur Zeitung knüpfte er in Dresden, reichte aktuelle Zeichnungen ein – da zahlte sich der Satz seines Lehrers „Schau genau hin“ schon aus, da war die nächste Stufe für ihn schon vorgegeben. Er wurde Pressezeichner. Er hielt Geschehenes mit dem Zeichenstift fest und machte sie so der Öffentlichkeit zugänglich -eine Tätigkeit, die heute nur noch in Gerichtssälen ange­ wendet wird, wenn keine Fotografen zugelas­ sen sind. So hätte es für Eugen Gross weitergehen können: in Dresden leben und arbeiten – dem gebürtigen Triberger gefiel es in der ehe­ maligen Residenz von August dem Starken, wo die Kunst, die Kultur zu Hause war. Dort­ hin kam auch seine Frau Julie geb. Hug, in Dresden kamen auch die beiden Kinder auf die Welt. Die Weichen waren für ihn, den Kunstmaler, Pressezeichner und in Anfän­ gen auch Grafiker gestellt … Doch Eugen Gross gehört zu der Genera-197

,, – ‚ ‚ ,! / Im Atelier tion, deren Pläne durch die damalige Hitler­ Regierung zerschlagen wurden. Gross wurde 1939 eingezogen, kam als Pressezeichner zur Fallschirmjäger-Truppe und folgte ihr bis zum Ende des Krieges nach Griechenland, Italien und Tunesien. Seine Aufgabe war, das Soldatenleben im Einsatz zeichnerisch fest­ zuhalten, nach Deutschland zu schicken – er war zum Kriegsberichterstatter mit dem 2.ei­ chenstift und dem Skizzenblock geworden. In seinem Buch „Eugen Gross – Leben und Werk“, das er zu seinem 75. Geburtstag her­ ausgab, spiegelt sich in zahlreichen Kohle­ zeichnungen diese einschneidende Epoche im Leben des Künstlers wider. Diese Momentskizzen vermitteln in ihrer Drama­ tik einen Eindruck von der Anstrengung und dem Leid, dem die Soldaten ausgesetzt waren. Natürlich gibt es auch fröhliche Gesichter, aber sie sind durch Furchen im Gesicht, durch traurig schauende Augen dar­ gestellt und signalisieren nur die Atempause durch kameradschaftliches Miteinander. 198 Eugen Gross‘ Wunsch, noch einmal im Alter eine Fallschirm-Jägertruppe mit dem 2.ei­ chenstift begleiten zu dürfen, erfüllte ihm der frühere Verteidigungsminister Manfred Wörner. Gross zeichnete erneut, nun Solda­ ten der Bundeswehr, und versuchte so wie er es gewohnt ist, ein Stück seines Lebens zu bewältigen: mit dem 2.eichenstift und dem Skizzenblock. Die 2.eichnungen neuesten Datums haben nun einen Platz im Bundes­ verteidigungsministerium – und Eugen Gross ist stolz darüber. Und dann war der Krieg zu Ende und Eugen Gross suchte von Sachsen aus seine Familie. Zu Fuß ging er, sich von dem ernäh­ rend, was die Natur hergab, von Sachsen in den Schwarzwald und fand bei seiner Mutter am Bergsee in Triberg seine Familie. Und ein neuer Lebensabschnitt begann. Er siedelte sich in der Retsche an, übernahm dort das Lokal mit seiner Frau, um eine Überlebens­ basis zu haben und begann sein Berufsleben nun als Kunstmaler und Grafiker.

Über 20 Jahre lagen bei dieser Ölarbeit zwischen der Idee und der Ausführung. Ein Landwirt mit Sense vor seinem Hof. Fertiggestellt 1982 199

Wer aufmerksam durch den Schwarz­ wald-Baar-Kreis geht, stößt überall auf Zeu­ gen von Eugen Gross‘ Schaffen. So gibt es noch eine ganze Reihe von Werbeplakaten für Villingen als Theaterstadt, Hotels und Gaststätten schätzten und schätzen Gross als Wandmaler und dessen Arbeiten. Der abge­ brannte Hänslehof in Bad Dürrheim trug Fresken, die das bäuerliche Leben darstellten, von ihm. Seine Vernichtung bedauert er. In Triberg sind Wandgemälde im Heimatkeller zu sehen, das Cafe Central und die Volks­ bank in Schönwald tragen Wandgemälde von Eugen Gross. Die Schwarzwaldmotive waren der Wunsch der Auftraggeber. Aber Eugen Gross ist der Schwarzwaldlandschaft sehr zugetan. Er liebt seine Heimat und gibt sie ohne falsches Pathos wieder, zeigt dem Betrachter aber auch bei aller Idylle die Anforderungen, welche die Landschaft an den Bergbauern stellt. Der Grafiker mit dem Blick für die Genauigkeit war bald auch bei der Industrie Fassade des Cafe-Hotel „CenlTal“ in Schönwald gefragt, zahlreiche Arbeiten zeugen davon. Noch heute ergänzt er Prospekte mit präzi­ sen Zeichnungen von Maschinen, neuen Produkten, entwirft er Firmensignets. Vieles, was er in den vergangenen Jahren machte, hat er inzwischen vergessen, falls sich in sei­ nem Atelier nicht Drucke finden, die ihn daran erinnern. In Triberg in der „Maler­ klause“, wie das Haus auf der Retsche bald genannt wurde, fühlte er sich mit der Familie wohl, gab es viel Geselligkeit, wurden Grund­ lagen gelegt für einen weiteren Zweig maleri­ schen Könnens, der Porträtmalerei. Be­ kannte und Unbekannte hielt er fest, machte bald Auftragsarbeiten und mußte so man­ ches Mal darauf hinweisen, daß er zwar sehr viel Spaß an seiner Kunst habe, er sie aber auch -um leben zu können -verkaufen müsse … 1964 zog Eugen Gross mit seiner Frau von Triberg nach Schönwald -seit dem Jahr hat er ein gestörtes Verhältnis zu seiner Heimat­ stadt. Die „Malerklause“ sollte einem Neu- ·df( HOTEL €’ENTR 200

, Fassade der Volksbank Schönwald bau weichen, ihm wurde gekündigt, das Haus abgerissen, aber der Neubau kam nie. Dem Maler war das bitter, fühlte er sich doch nun verstoßen. Mit seiner Frau lebte er dann im Schwarzenbach gemeinsam bis 1975. Sie ver­ ließ ihn allzufrüh. Seit der Zeit lebt der Witwer allein, doch einsam ist er nicht. ,,Die Arbeit macht mir immer noch großen Spaß“, versichert der heute 76jährige und weist auf seine jüngsten Arbeiten: Illustrationen für ein Kinderbuch -hier konnte er Märchen in Bilder umsetzen -Entwürfe für Gemälde über seine Heimat- stadt Triberg: einst und jetzt, welche die Sparkasse Triberg in Auftrag gab. Auch sein Skizzenblock ist noch gefüllt, seine Reisen führen ihn in Gegenden, die er festhalten möchte. Aber auch Blicke aus seinem Ate­ lierfenster finden sich im Skizzenblock. Und damit das alles nicht verloren geht, arbeitet er zügig daran, macht er morgens nach dem Frühstück den Tagesplan. ,,Ich bin eher noch schneller geworden als früher“, meint Eugen Gross. Er möchte das Angefangene so schnell wie möglich fertig haben -vielleicht ein Cha­ rakterzug des Alters. Der Besucher, der leise geklopft, zugehört und gestaunt hat, darf vielleicht mit einer kleinen Skizze wieder gehen. Aber der Ein­ blick in das Leben und Werk von Eugen Gross vermittelt mehr als nur ein Geschenk: ein Mensch hat bei allem Wunsch nach materieller Sicherheit den künstlerischen Auftrag angenommen, nach Verwirklichung gestrebt und darin über die Jahre nicht nach­ gelassen. Daß er bei seinen Kindern diese Saat aufgehen ließ, zeigt deren berufliche Laufbahn: der Sohn lebt als Illustrator in München, die Tochter ist inzwischen eine bekannte Porträtistin in Paris. Zu beiden hat er einen herzlichen Kontakt. Und er selbst hat noch Zukunftspläne: in einer Zeichen­ schule jungen Menschen das richtige Sehen lehren -und eine Weltreise machen: mit dem Skizzenblock. Renate Bökenkamp 201

Der Maler Gottfried Harter Es ist immer ein Abenteuer mit ungewis­ sem Ausgang, einen Maler zu besuchen und sich in der ihm eigenen Bildwelt um Annähe­ rung zu bemühen. Da könnte ein schon kunstmarktschreierischer Name die Irrita­ tion fördern, in der das Wesentliche von oberflächlicheren“ Werten“ überdeckt wird. Ein noch spannenderes Abenteuer ist es jedoch, auftragsgemäß in eine malerische Eremitage einzudringen, in der die Sphäre der Zurückhaltung so etwas wie ein Privatissi­ mum ohne von Ausstellungen geläufige Signatur und selten durch Daten dokumen­ tierte Entwicklungsprozesse charakterisiert. Lediglich am Türschild des Einzelhauses in Bräunlingen der ausgeschriebene Name „Harter“, erst nach umständlichen Hinwei­ sen entdeckt: Ein Name, von keinem der heutzutage mit Eitelkeiten so dickleibig wirt­ schaftenden Künstlerverzeichnisse, ge­ schweige von sich selbst an die große Glocke gehängt, und doch von jung auf bis ins achte Jahrzehnt für ein Leben in unbeirrter Bild- welt stehend, die sich nur in eigenen, sichtbar gemachten Empfindungen unmittelbar manifestiert. 202 »Kobold“ (Abb. J)

„Grödner Tal“ (Abb. 2) „Wenn die Menschen mehr Zeit fänden, alles näher und länger zu betrachten, dann stände es besser um sie.“ Diese Maxime des jetzt 80jährigen Gottfried Harter deutete ein Programm an, wenn die schon im Kindesal­ ter wurzelnde Fortsetzung einfacher Erzäh­ lungen in Zeichen-und Maiformulierungen programmierbar wäre. Kaum nach freundlichem Willkommen in Gottfried Harters behagliches und farben­ frohes Heim eingetreten, findet sich der noch neugierig-unsichere Besucher schon in der Mitte dieser nahen, intensiven Betrach­ tungsweise des sich als Naturalisten bezeich­ nenden Malers. Die „ Verwurzelung“ ver­ deutlichen nicht nur die naturgewachsenen Waldfunde in Form bizarrer Holzrelikte und Wurzelstöcke, deren Alraune-und Schratt­ charakter Schnitzmesser und Farbe kobold­ haft verstärkten (Abb. l), sondern ähnlich die schmuckreichen Aufarbeitungen alter Uh­ renblätter und rustikaler Schränke. Auf­ gefrischte und damit fortgesetzte Erinnerun­ gen, wie auch alles Gemalte eingekapselt in den persönlichen Erkennungsraum, abge­ schirmt gegen jeden gestischen Maiduktus, der zeitbedingt Verletztes in eigener Betrof­ fenheit bis zur apokalyptischen Eindring­ lichkeit sichtbar macht. „Sie müssen in Ihrer Eigenart weiterarbei­ ten“, stützten die beratenden Maler Hans Adolf Bühler von der Karlsruher Kunstakade­ mie und der Freiburger Professor Juharisch noch vor dem Krieg den nach erweiterten Hori­ zonten suchenden Harter und meinten damit wohl den ungebrochenen Verbund mit der schon früh prägenden Natursicht aus urtümli­ cher Verwurzelung und kaum okulierbarem Wachstum, das aufgepfropft womöglich Zwit­ ter-oder Scheinfrüchte getragen hätte. 203

„Wenn ich auf Spaziergängen unterwegs bin, dann habe ich meinen :leichenblock immer dabei“, schmunzelte der malende Hausherr und fesselte mit lustig-listigen Augen unter buschigen Brauen. „Sehe ich etwas Interessantes, dann nehme ich es auf und setze es um.“ Die :leugnisse dieses Ent­ deckungsverfahrens stehen gestapelt oder hängen gerahmt an allen Wänden. Das hand­ gewebte, fast wie neu wirkende Leinen seines hellen Bauernkittels mit Farbbesatz stammt aus einer Breisgauer Altvorderntruhe und ist sicher doppelt so alt wie sein temperament­ voll im Lebensalbum blätternder Träger. Vorerst führten Worte in Beweggründe ein: Die Jahrhundertwende rückte in greifbare Nähe. Anfang Mai in Teningen bei Emmendingen als Sohn eines Vaters gebo­ ren, der als Schmied, Schlosser und Monteur ,,Fischerhütte Pilgen’bach“ (Abb. 3) 1908 oft im Ausland arbeitete, besuchte Gottfried Harter die Volksschule und mußte sich, da die Mutter als Zigarrenwicklerin für das Lebensnotwendigste sorgte, schon früh um seine vier Geschwister kümmern. Das wurde weiter erschwert, nachdem der Vater 1936 gestorben und die ältere Schwester ins Aus­ land gegangen war. 1952 starb die Mutter. Schon in seiner Schulzeit begeistert zeich­ nend und malend, zählte Harter als junger Mann manchen Lehrer und Pfarrer zu seinen ersten Bilderkäufern. Aquarelle, Ölbilder, Pastelle, Blei-und Kohlezeichnungen brach­ ten ihm damals einen Erlös zwischen fünf und zehn Mark. Heute sieht es anders aus: Auf einer seiner seltenen Ausstellungen ver­ kaufte er von über 50 Arbeiten die Hälfte für drei-bis vierstellig,e Summen. Als Sohn eines ortsbekannten Sozialdemokraten war Gott­ fried Harter ab 1933 den Nationalsozialisten 204

,,Dilgerhof Furtwangen“ (Abb. 4) ein Dorn im Auge; mehrere Male wurde er das Opfer von SA-Schlägerkommandos. Eine ‚.Zäsur in seinem schöpferischen Engage­ ment setzte ein, als ihm der Kauf von Mai­ mitteln unmöglich gemacht wurde. Er mußte die Malerei aufgeben.1937 ließ ersieh deshalb als Destillateur ausbilden und fand danach Arbeit in den großen Weinhandlun­ gen von Freiburg. Deren Heereslieferungen verschafften ihm die sogenannte „Unab­ kömrnlichkeit“, bis er 1942 doch noch in Feldgrau nach Frankreich und Rußland ein­ gezogen wurde. Nach zwei vergeblichen Ausbruchsversuchen kehrte er erst 194 7 aus französischer Gefangenschaft nach Tenin­ gen heim und verdiente sich mit dem Ver­ kauf von Steg-Ware sein Brot. Hierbei mit dem Fahrrad viel unterwegs, brachte er auch wieder seine Zeichnungen vorrangig an den Bauersmann. 1957 heiratete der dazu als Fußballer und Boxer anerkannte Sportler Gottfried Harter in zweiter Ehe seine aus Rohrbach (Schwarz­ wald) stammende Frau Ursula. Nach 13 Jah­ ren Berlin-Aufenthalt lebt er jetzt seit 14 Jah­ ren in Bräunlingen. Hier ist er zufrieden hei­ misch geworden. In selbstgewählter Zurück­ gezogenheit findet er die Ruhe für seine malerischen Ambitionen. Nach schweren Lebensstationen bezeichnete er im Gespräch seine Ehejahre als „die schönste Zeit“. Dazu lächelte Frau Ursula, die ihm bei der lebendi­ gen Unterhaltung assistierte. ,,Meine Augen sind scharf wie eh und je“, meinte der 80jäh­ rige und ließ bei folgender Einschränkung keinerlei Resignationsmerkmale erkennen, „aber mit dem Gehör steht’s nicht zum besten“. Eine Stufe der Schwerhörigkeit könnte wohl taktisch für gewünschte Distan­ zierung oder nützliche Nachdenkpausen eingesetzt sein. Die sympathische Ver­ schmitztheit im aufmerksam beobachten-205

,,Beim großen Windbruch“ (Abb. 5) den Blick ließ solche Deutungsmöglichkeit verständnisinnig zu. Denn besonders genehme Anmerkungen wurden erstaunlich hellhörig aufgenommen. ,, Wenn ich nicht male, bin ich krank“, diagnostizierte der betagte Maler seinen kaum anfälligen Vital­ befund und stellte anschließend sein maleri­ sches Oeuvre vor: Eine Retrospektive bewahrter Überlieferung; konservative, ohne Überspanntheit reine Freude am Malen [,,Grödner Tal“, Öl, 1978 (Abb. 2); ,,Fischer­ hütte, Pilgeribach“, Öl, 1978 (Abb. 3); ,,DiJ­ gerhof/Furtwangen“, Öl, 1981 (Abb. 4)]. Die Landschaft, belebt oder unbelebt, wird in der Zurückhaltung nicht zum Indikator der erfahrenen Verletzbarkeit ihrer Natur. Die Stimmung hat Vorrang vor dem Bestimmen­ den. Wo doch die Spontaneität aus den auf­ genommenen Erschütterungen seismogra- 206 phisch resultieren müßte oder könnte. Denn da wo die Katastrophe angedeutet oder direkt gezeigt wird, erscheint sie als Natur­ ereignis ohne menschliches Zutun [,,Beim großen Windbruch“, Öl, 1974 (Abb. 5)]. Die liebenswürdige Schilderung in der 1967er Vedute „Bräunlinger Kirchstraße“ (Abb. 6) weist auf ein Vergnügen an Detailentdeckun­ gen hin. Für erregende Konfrontationen, die gewohnte Bildelemente in Frage stellen, ist auf diesem überzeugt eingeschlagenen Weg kein Platz. Daß ausbruchartige, andere Auf­ fassungen aber möglich sind, deutet das Arbeitsbeispiel „An der Breg“ von 1978 (Abb. 7) in seiner schnörkellosen Erfassung an. Doch alles sind nur Worte für subjektiv empfundene Eindrücke nach ohnehin un­ möglicher chronologischer Wegbegleitung. Die gleiche Anfälligkeit für läßliche Fehler in

Ablichtung und Reproduktion von Bildern, so sehr sich der junge Jörg Michaelis im Sinne dieser Orientierungshilfen fotogra­ fisch auch bemühte: Ersatzbrücken wie selbst die sparsamsten verbalen Auslotungs­ und Annäherungsversuche. Geschriebenes und Beschriebenes werden nie adäquat. Denn allein bestimmend ist das Schauen. Es gibt letztlich keine angemessenen Worte für die Wirklichkeit eines eigenen Kosmos und dessen Innen-Bild-Schau. Im Grunde blei­ ben schöpferische Impulse, Entstehungs­ und Aufbruchsweisen individuelle Geheim­ nisse. So wie bei Flüssen ihre sie doch immer speisenden Qp.ellen selten voll auszuloten sind. Man könne, so meint Etienne Gilson, die Malerei nicht von der Philosophie her angehen. Es ist wohl so, daß man sich nicht in Worten über eine Kunst verbreiten sollte, die ,,Bräunlinger Kirchstraße“ (Abb. 6) nicht eine Kunst des Wortes ist. Das von Joseph Beuys angesprochene Kreativitätsver­ mögen setzt überdies alle üblichen Kriterien außer Kraft und dafür die Anerkennung jeder Gestaltungs- und Ausdrucksanstrengung ein. Das sind auch Lernvorgaben für den Betrachter, über alle kritischen Einstellungen hinaus. Jedes Eingebundensein in eigene Bild-,,Sprachen“ gegenüber den vom heuti­ gen Erfolgszwang vorgezeichneten folgt sei­ nen eigenen Schau- und Entwicklungsgeset­ zen. So kann Gottfried Harters Beständigkeit in dem ihm gemäßen Engagement nur zu seinen, ihm allein zukommenden zeichneri­ schen und malerischen Selbstfindungen sowie Zielsetzungen führen. Schon deshalb, neben der mitgeteilten Farbigkeit, lohnte sich der anregende, erkenntnisreiche Atelier­ besuch im menschlichen Kontakt. Jürgen Henckell 207

,,An der Breg“ (Abb. 7) Kunst der Gegenwart in barocker Umgebung Landeskunstwochen Villingen-Schwenningen Vor genau 300 Jahren erfolgte die Grund­ steinlegung des barocken Zentrums der Stadt Villingen: die Benediktinerkirche St. Georg, eingezwängt zwischen den Gebäuden der Stadt und der Befestigungsanlage. Ein Schmuckstück allen städtebaulichen Widrig­ keiten zum Trotz, das Baumeister Michael Thumb da direkt an die Mauer stellte. Erst der Turm der Benediktinerkirche macht zusammen mit dem Doppelturm des Mün­ sters die Stadtansicht perfekt. Ein überra­ schend heller, lichtdurchfluteter Innenraum, mit einer mächtigen Tonne überwölbt, eine einfache, überschaubare Barock-Architektur, ohne Pomp und verwirrende Formen- und Farbenvielfalt, die wir sonst zu sehen gewohnt sind. Und trotzdem eine „Kirche im Verborgenen“ nach der Ausraubung des Klo­ sters durch seine Aufhebung 1806, durch den Mißbrauch als Salzlager und Ausstellungs­ raum für die Schwarzwälder Industrie-Aus­ stellung im letzten Jahrhundert. „Ein Leben im Verborgenen“, so der geschäftsführende Schriftführer Herbert Muhle zum seit 1953 existierenden Kunst­ verein Villingen, der seit 1984 als Kunstverein Villingen-Schwenningen ein bescheidenes Dasein in der Kunstszene der Stadt fristet. 208

Blick in die Benediktinerkirche St. Georg. Gesamtkunstwerk von Barock und Gegenwart Ein Kunstverein im „Verborgenen“, eine Kirche am Rand – die Landeskunstwochen 1988 haben beides zusammengebracht. „Imago“: der Kunstverein stellt in der Bene­ diktinerkirche aus! Zeitgenössische Kunst im barocken Raum, da stellt sich zwangsläufig die Frage, wie wir heute mit der Tradition umgehen. Anpassung an das Gestern oder rücksichts­ lose „Modernisierung“ dessen, was nicht mehr in die Zeit paßt? Der Kunstverein ist einen anderen, weit schwierigeren Weg gegangen. Hat den Dialog gesucht zwischen Barock und Gegenwart, sakraler Architektur und zeitgenössischer Aneignung und Umwandlung. Mitglieder des Kunstvereins und eingeladene Gäste aus dem ganzen Land: nur die Toleranz und Aufgeschlossen­ heit des Hausherrn, des Münsterpfarrers Dekan Kurt Müller, haben diesen Kraftakt möglich gemacht. Alle Kunstwerke sind auf den Raum bezo­ gen. Da streckt sich der riesige Corpus Chri­ stus von Franz Gutmann zwischen den Stuhlreihen in Richtung auf den Altar. Die Dornenkrone über den Kopf gestülpt, als wolle er sich abwenden oder als wollten wir ihn nicht sehen lassen, was in der Welt pas­ siert. Niedergestürtzt auf dem Boden, aber gleichzeitig zwingt uns die Achse der Kirche dazu, beim Eintritt durch das schmiede­ eiserne Gitter fast zu ihm „heraufzusehen“. Gemartert und erniedrigt und zugleich von einer majestätischen Ruhe. Eine Christusdar­ stellung voller Kraft, die keinen Besucher unbeeindruckt läßt. In den Stuhlreihen aufrecht sitzende brandrote „Gesellen“, „Gläubige“, ,,Stellver­ treter“ von Reinhard Sigle. Rohe Holzbret­ ter, verkantet, so daß die Pose des Sitzens wie­ derholt wird. Eine schier unübersehbare Schar von Sitzenden, starr und leblos, aber 209

Gutmanns“ Corous Christi“ zwischen den Stuhl­ reihen doch so individuell, weil jedes der Bretter scheinbar eine Pose des Sitzens aufnimmt: streng und abgekehrt, sich in Gruppen auf­ einander beziehend, einsam. Ganz anders das „Sitzen“ im Chorge­ stühl: aufrechte Holztafeln von Romuald Hengstler, von oben bis unten von farbigen Zeitangaben übersäht. Wie das Stundenge­ bet der Mönche -das sich wiederholende Ritual -wiederholen und überlagern sich die Zeitangaben. Zeit durch Wiederholung zum Stillstand gebracht, Zeit in einem ewig dauernden Fluß, gegliedert durch das Ritual, das erneuert und bekräftigt. Der Blick auf den Altar, den „Thron Got­ tes“: Sieben herabfallende, schwingende Papierbahnen in der erdigen Farbe des Mar­ marersatzes des Altars flattern herab, neh­ men die Bewegung des Raumes auf, indem sie sich durch Drehung öffnen und verschlie­ ßen. Erdenschwere scheint aufgehoben, so leicht erscheint die Installation. Die theologi- 210 Josef Büchelers Installation im Barockaltar sehen Bezüge sind unübersehbar, sie reichen von der Zahl „sieben“ über den zerrissenen Vorhang beim Tod Christi bis zu den abge­ legten Totentüchern bei der Wiederauferste­ hung. Der Hang des Barocks nach Versinnli­ chung und Sichtbarmachung des Geheim­ nisses, in den modernen Kunstwerken der Benediktinerkirche findet das zeitgenös­ sische Entsprechung. Sich selbst in einer Tra­ dition sehen, sie aufnehmen und verarbeiten -vielleicht ist dieser Aspekt zeitgenössischer Kunst selten so deutlich geworden wie in der Benediktinerkirche Villingens während der Landeskunstwochen. Dem Ort gerecht wer­ den und der sakralen Funktion, dazu eine Referenz an die benediktinische Tradition der Verbindung von Kunst und Wissen­ schaft in der einstmals bedeutenden Bene­ diktiner-Abtei St. Georg. Uwe Conradt

Musik „Kultur-Botschafter“ der Bergstadt 20 Jahre Jugendsinfonieorchester St. Georgen Wer im Schwarzwald-Baar-Kreis den Namen St. Georgen hört, dem fällt sicherlich nicht zunächst das Stichwort „Kultur“ ein. St. Georgen steht vielmehr für Schwarzwäl­ der Ferienlandschaft und insbesondere für eine vielfältige Industrie, deren Produkte hin­ aus in alle Welt gehen. Und dennoch hat die Bergstadt einen Kulturträger erster Güte vor­ zuweisen, um den sie weit größere Städte als am die Ursprung der Brigach beneiden könnten: Das Jugendsinfonie-Orchester St. Georgen, vor gut 20 Jahren gegründet, hat sich inzwi- 14 000-Einwohner-Gemeinde sehen unter der geduldigen Arbeit von Peter Dönneweg zu einem Ensemble gemausert, das als „Kultur-Botschafter“ die Bergstadt nicht nur in der Region und im Lande ver­ tritt, sondern dem die Türen in die Welt offen stehen. Seit vielen Jahren regelmäßig auf Auslandsreisen, hat der gute Ruf des Orchesters inzwischen für eine solche Welle von Einladungen gesorgt, die aus finanziel­ len Gründen auch aus schulischen Erwä­ gungen gar nicht alle zu erfüllen sind. Die Erfolgsstory des St. Georgener Jugendsinfonieorchesters und mit ihr die INTERNATIONALER AUFTRITT des St. Georgener Jugendsinfonieorchesters: im nordspanischen Santander sind Kirchen und Konzertsäle regelmäßig gefüllt, wenn die Schwarzwälder Musiker auftre­ ten. Bisweilen hat schon das spanische Fernsehen ein Konzert übertragen. 211

enorme Entwicklung der Jugendmusik­ schule, deren Einzugsgebiet neben St. Geor­ gen die Orte Königsfeld, Triberg, Schonach und Schönwald umfaßt, ist ohne den Namen Peter Dönneweg nicht zu erklären. Der gebürtige Ostfriese, heute 50 Jahre alt und seit 20 Jahren Musiklehrer am St. Georgener Gymnasium, hat sich seit Beginn seiner Tätigkeit im Schwarzwald -er kam über das Musikstudium in Freiburg nach Süddeutsch­ land -mit Haut und Haaren dem Aufbau der musikalischen Erziehung in St. Georgen ver­ schrieben. Als auf seine Initiative hin vor 20 Jahren Jugendmusikschule und Jugendor­ chester gegründet wurden, fand er in St. Georgens der Musik stets zugetanem Bürger­ meister Günter Lauffer einen dauerhaften Förderer. Beide sind auch heute noch, 20 Jahre nach der Gründung der Jugendmusik­ schule und des Orchesters, ,,Macher“ und Repräsentanten der erfolgreichen Einrich­ tung: Bürgermeister Lauffer Vorsitzender der Jugendmusikschule und Peter Dönne­ weg deren Schulleiter. Dönneweg personifi­ ziert gleichzeitig die enge Verbindung zum St. Georgener Gymnasium: Heute wird das Jugendsinfonieorchester als Gemeinschafts­ einrichtung von Gymnasium und Jugend­ musikschule geführt. Dönnewegs musikalische Aufbauleistung in St. Georgen vollzog sich stetig. Daß Jahr für Jahr oft gerade die besten Musiker das Orchester wieder verlassen, durfte ihn dabei nie entmutigen, denn dies gehört sozusagen zur inneren Bedingung eines solchen Jugendorchesters: Für die ausscheidenden Abiturienten muß ständig der Nachwuchs an das mittlerweile 65 junge Musiker umfas­ sende Orchester herangeführt werden. Dön­ neweg hat es dabei im Laufe der Jahre ver­ standen, die oft bei Schulorchestern zu beob­ achtenden Schwächen zu korrigieren und die sogenannten Mangelinstrumente qualifi­ ziert zu besetzen: Unter den zuletzt über 1100 Musikschülern in der St. Georgener Jugendmusikschule gibt es nicht allein Heer­ scharen von Blockflöten-, Klavier- und Gitarrenspielern, sondern auch seltenere 212 IN TYPISCHER GESTE: Peter Dönneweg, wenn er am Notenpult nicht nur sein Orchester im Griff hat, sondern auch jene Fröhlichkeit aus­ strahlt, die den jungen Musikern so imponiert. Instrumente wie Fagott, Oboe, Horn oder Kontrabaß sind gut vertreten. Voraussetzung für diese „Orchesterpoli­ tik“: In St. Georgen ist inzwischen ein reich­ haltiger Fundus von Leihinstrumenten gewachsen, der insbesondere bei den seltene­ ren und oft in der Anschaffung sehr teuren Instrumenten (Beispiel: ein Fagott kostet rund 10 000 Mark) jedermann das Erlernen dieser Orchester-Sparten möglich macht. Die Stadt St. Georgen mit ihrer finanziellen Unterstützung, aber auch Spenden aus der St. Georgener Wirtschaft haben diesen bald 100 Instrumente umfassenden Fundus im Laufe der Jahre möglich gemacht. Zum großen Anreiz und zur Belohnung für fleißige Probenarbeit der jungen Musiker wurden in den letzten Jahren die regelmäßi-

gen Auslandsreisen. Peter Dönneweg muß sich dabei nicht nur als sicherer Dirigent vor dem Notenpult beweisen, sondern auch als Organisator und Schöpfer neuer Finanz­ quellen Virtuosität zeigen. Sein Einfalls­ reichtum steht dabei dem musikalischen Anspruch nicht nach. Seit 1969 geht es etwa jährlich in St. Geor­ gens Partnerstadt St. Raphael, so daß für manche Jungmusiker die Stadt an der Cöte d‘ Azur fast zur „zweiten Heimat“ wurde. 1974 ging es nach Barcelona und seit 1981 hat das St. Georgener Jugendorchester in der Sparkasse der nordspanischen Stadt Santan­ der einen großzügigen Mäzen gefunden. Auftritte der jungen Musiker in Nordspanien wurden bereits im spanischen Fernsehen aus­ gestrahlt und jüngst führte eine Konzert­ Tournee in die spanische Hauptstadt. Die Insel Korsika stand ebenfalls schon mehrfach auf dem Reiseplan, wobei sich dort im Klo­ ster zu Sartene gar Kontakte zu einem Schu­ bert-Forscher ergeben haben, die bis heute anhalten. Neuerdings schmiedet Dönneweg gar Pläne für eine Übersee-Reise, was freilich finanziell ein ungleich größerer Sprung als die bisherigen Tourneen wäre. In Baden-Württemberg lieferte das St. Georgener Orchester zuletzt einige umju­ belte Konzerte. So traten die Musiker bei der erstmals abgehaltenen „Jumelage musical“ deutscher und französischer Schulmusik­ Ensembles im Karlsruher Kongreßzentrum auf, spielten im „ weißen Saal“ des Stuttgarter Neuen Schlosses, füllten mit Schuberts ,,Spiegelritter“ gleich zweimal die St. George­ ner Stadthalle oder forderten das Publikum im Villinger Franziskaner zu rauschendem Beifall heraus. Erich Möck Mit Geige und Taktstock durchs Leben In Triberg lebt Ewald Sluzalek der Musik „Ich liebe meine Geige so sehr, daß ich sie keinen Tag allein lassen kann“, schmunzelt E wald Sluzalek. Er übt täglich – und dabei ist er eher ein Meister des Taktstocks. Denn als einen solchen kennen ihn die Triberger und seit geraumer Zeit auch die Gremmelsbacher Musiker. Doch die Liebe zur Musik – und nicht nur zu einem Instrument- ist untrenn­ bar verbunden mit dem Leben des jetzt 69jährigen Oberschlesiers, der in der Kur­ stadt nach dem Krieg eine Heimat fand. Die Musik hat ihn von klein auf durchs Leben begleitet und über viele schwere Zeiten hin­ weggerettet. 26 Jahre war er Kapellmeister der Stadt- und Kurkapelle Triberg und hat mit den Musikern Noten und Instrumente zum Leben erweckt. Hat er vielen diese Musik als Lebenshilfe vermitteln können? Bescheiden winkt er ab: ,,Die Musik ist ein hartes Geschäft. Sie soll aber ein Hobbyblei­ ben für die Musiker.“ Daß sie so zahlreich unter seinem Taktstock zusammenbleiben und seinen Anforderungen an Disziplin und Geduld nachkommen, spricht für ihn. Das Musikern aus Berufung eigene Einfühlungs­ vermögen hat ihm Brücken gebaut zur Ver­ ständigung. Ewald Sluzalek ist das, was man einen Berufsmusiker nennt. In frühester Kindheit wird er mit einem Orchester konfrontiert, das sein Großvater in Oberschlesien leitet. Dann spielt er die Handharmonika – so zu seiner Freude. Als er – in Bismarckhütte geboren – Musikschüler an der Musikschule in Sagan/Schlesien wird, erfüllt er sich einen Traum. Ewald Sluzalek hält durch. Nach vier Jahren ist die Lehrzeit beendet. Er spielt Vio­ line und kann jedes Blasinstrument zumin­ dest anspielen. Das Klavierspiel ist eher eine Beigabe zum Komponieren und T ransponie­ ren. Es folgen für ihn Arbeitsdienst und die Militärzeit. Er wird als Musiker eingezogen 213

schek den Dirigentenstab übergibt. Dazwi­ schen liegt ein reiches Musikerleben mit vie­ len Höhen und Tiefen: „die braucht ein Musiker, um Musik richtig interpretieren zu können.“ Sluzalek ist der erste Stadtkapell­ meister im Schwarzwald-Baar-Kreis, der eine Jugendkapelle gründet und sie 1960 offiziell vorstellt. Er hat ganze Triberger Stadtmusiker­ Generationen ausgebildet, und so mancher fast Profi-Musiker wie Peter Fischer ist aus seiner Schule gekommen. Einige seiner Zög­ linge haben jetzt eigene Bands, viele halten der Stadt- und Kurkapelle weiterhin die Treue. Doch für den Pensionär ist das Leben weiterhin von Musik bestimmt: die Trach­ tenkapelle Gremmelsbach hat ihn zum Diri­ genten erkoren und fährt sehr gut damit. Bei jüngsten Musikwettbewerben schlossen seine Zöglinge sehr gut ab. Die Gremmelsba­ cher Schülerkapelle umfaßt 22 Musikerin­ nen und Musiker, die Erwachsenen-Kapelle 48 Musiker. Würde Ewald Sluzalek -wenn er noch einmal anfangen dürfte -wieder Musiker werden? „Ich würde es nochmal so machen, mir wieder diese Strenge auferlegen, welche die Musik nun mal erfordert. Aber ich würde das ganze ohne Krieg haben wollen.“ Das waren verlorene Jahre für ihn, auch wenn er musizieren durfte. Er hat seine Liebe zur Musik weitergegeben an seinen Sohn, den er warnte vor der harten Arbeit und dem er sei­ nen Grundsatz mitgab: „Man darf nicht den Kopf in der Partitur, sondern muß die Parti­ tur im Kopf haben.“ Mittlerweile zeigen sich die Enkel schon musikbegeistert. Die verhei­ ratete Tochter pflegt die Hausmusik. Und wenn Ewald Sluzalek mal privat Musik macht, dann Brahms, Mozart, Bach und Händel und auch die Romanze von Beethoven. In Triberg ist er gut heimisch geworden, denn „ich bin überall zu Hause, wo ich Musik machen kann“. Renate Bökenkamp und bringt es zum Oberwachtmeister -mit dem Instrument. Als Musiker im Zweiten Weltkrieg: das war für ihn nicht eitel Freude. 1942 heiratete er. 1945 ist auch für Ewald Sluzalek der Krieg zu Ende. Er kommt in amerikanische Gefangenschaft, und von dort kann er zu seiner Frau nach Schärding/ Österreich reisen. Danach heißt es: Überle­ ben um jeden Preis. Sluzalek vertauscht sein Instrument mit der Hacke und bringt so sich und seine Familie über die erste N otzeit.1945 geht er nach Oberbayern, 1949 nach Birkin­ gen im Kreis Waldshut. Dort liest er, daß die Stadt Triberg einen Angestellten im Rathaus sucht und einen Musiker. Ab 1. Februar 1951 arbeitet er im Rathaus als Telefonist und spielt in der Stadt-und Kurkapelle. In den folgenden Jahren wird Sluzalek den Tribergern sehr schnell ein Begriff. Wo immer es gilt, Musik zu machen, da ist er dabei. Ältere Triberger werden sich noch an die musikalischen Unterhaltungen im „Löwen“ mit Karl Perenthaler und dem Ehe­ paar Huf erinnern, wo er fleißig das Saxo­ phon bläst, oder an die Frühkonzerte im Lesesaal im Kurgarten, wo man zu sechst Kurgäste und Einheimische unterhält. 1955 machen ihn die Triberger Musiker zu ihrem Kapellmeister. Und das bleibt er bis zum 31. März 1981, wo er offiziell in den Ruhestand geht und seinem Nachfolger Ignatius Pat- 214

Brauchtum Vom Batzen zum Gregoriweck Das Gregorifest in Donaueschingen geht ins vierhundertste Jahr „Gregori“ nennen sie in Donaueschingen das weltliche Fest, das jeweils um die Mitte des Jahres als Schulfest begangen wird. Es ist zugleich Auftakt für die in den großen Ferien fälligen Sommerfeste der Vereine. Gregori – ein Schulfest, wie es einst in ganz Süd- und Mitteldeutschland in Städten und Gemein­ den üblich war, die als Schulzentren einen Namen hatten. Seinen Namen hatte es nach Papst Gregor dem Großen (Todestag: 12. März 604). Unter seinen Schutz waren im Mittelalter die Klosterschulen gestellt. Wir wissen von Städten wie Straßburg, Augsburg, Nürnberg, Würzburg, die bereits im Mittelalter das Schulfest gefeiert haben. Es fanden Theatervorstellungen, Spiele, Wettkämpfe mit anschließender Preisvertei­ lung statt. Es gab das sogenannte Gregori­ Singen, verbunden mit Umzügen und Hei­ schegängen, die oft in eine Bettelei ausarte­ ten. Die Kirchen und weltlichen Behörden schritten ein. Bereits im späten Mittelalter wurden vielerorts die Schulfeste einge­ schränkt und im Lauf der Neuzeit ganz abge­ schafft. An der Stätte des Donauursprungs geht der Brauch ins Jahr 1589 zurück; er ist somit 400 Jahre alt, und wenn im Jahr 1989 die Stadt ihr 1100-Jahr-Jubiläum begeht, kann auch der Donaueschinger Gregori jubilieren. Nicht etwa ein hoher Kirchenfürst oder ein kirchliche Rechte beanspruchender Lan- Akte im F. F. Archiv betr. die „Stüffiung S. Gregor&‘ Bruderschaft, und Schuel-Ordnung zu Donau­ eschingen·� Cu. J/. G.l’C: IX�/ . 215

desherr in Amt und Würden hat die Geburts­ urkunde des Gregori in Donaueschingen unterzeichnet, sondern eine Frau: Amalie Gräfin von Fürstenberg, geborene Gräfin von Solms (gestorben 1593). Im dritten Jahr nach dem Tod ihres Mannes, des Landgrafen Heinrich von Fürstenberg, ,,der zu Warten­ berg residierte“, ließ die Gräfinwitwe in Donaueschingen das „neue Schulhaus uf dem Eck am alten kirchhoff‘ auf ihre eigenen Kosten erbauen – so der Stiftungsbrief. Ihm ist weiter zu entnehmen, daß in dem ländli­ chen Flecken die Gregoribruderschaft einge­ führt wurde mit der Bestimmung, alljährlich an Gregori das Schulfest mit gesungenem Hochamt, Predigt und Opfergang zu feiern. Im Anschluß an den Gottesdienst erhielt jedes Schulkind einen Batzen, den es nach dem Willen der Stifterin wohl anlegen sollte. Aus dem Batzen wurde später der Gregori­ weck; den gibt es in Donaueschingen auch heute noch. Als Startkapital hatte die Gräfin­ witwe 100 Gulden bares Geld gestiftet. Daraus ist im Lauf von 80 Jahren eine Summe von 790 Gulden geworden – ausrei­ chend, um mit den Zinsen den Gregori-Wek­ ken zu finanzieren – vermeldet im Fürstli­ chen Hauptarchiv zu Donaueschingen ein Rechnungsprotokoll „de anno 1665/66″. Weitere hundert Jahre danach, 1762 – es ist das Todesjahr des Fürsten Joseph Wilhelm Ernst, der Donaueschingen zur Residenz erhoben hat – erfahren wir aus einem Erlaß des Fürsten, daß statt an einem Arbeitstag künftig der Gregori mit feierlichem Amt am Ostermontag zu begehen sei, und die Predigt möge Eltern wie Kinder zu ihrer Schuldigkeit in Ansehung der Schule und Christenlehre ermahnen und die Kinder insbesondere dazu anhalten, ,,ihrer Guttäter im Gebet zu geden­ ken“. Nicht nur die Zeiten ändern sich, auch die Menschen. Inzwischen war 1806 der Groß­ herzog von Baden Landesherr der Fürstlich Fürstenbergischen Lande geworden. Als nach den Freiheitskriegen und nach den unruhigen Tagen des Vormärz schließlich nach 1848/49 die Regierung in Karlsruhe die 216 _ … …….. -. – 1 l)eullCf,.._9 … „: “r!. (!la-lll!llnbtt��M‘ t,nt MI WO, 8Ullhlt. Titelblatt der Broschüre „Das Gregorius-Fest zu Donaueschingen“ vom 6. Mai 1855. ,,Heckerleute“ wieder aus dem „Ländle“ hatte – erst jetzt hören wir auch wieder vom Donaueschinger Gregori. Und zwar mit Datum vom 6. Mai 1855. Im Mittelpunkt der Gregorifeier am genannten Tag, steht, vom Rektor der Donaueschinger Schule verfaßt, ein Huldigungspoem auf Friedrich 1., seit 1852 Prinzregent und seit 1856 Großherzog von Baden. Postwendend bedankte sich für das „Heil Friedrich Dir!“ der Genannte in sei­ ner Eigenschaft als Großherzog, indem er für den 6. Oktober 1856 der Stadt Donauur­ sprung seinen Besuch ankündigte. An der Leopoldsbrücke (heute: Schützenbrücke) empfing ihn die Gemeindeverwaltung samt Stadträten, dazu die Badisch Großherzogli­ chen und die Fürstlich Fürstenbergischen Beamten. Und „eitel Freude herrschte“ – laut den Worten des Donaueschinger Abgeord­ neten der Zweiten Badischen Kammer in

Karlsruhe, Ludwig Kirsner, der im Rathaus und beim Festmahl in der neuen Amtsstadt auf der Baar die »Honeurs machte“. Wieder ein anderes Gregori-Szenario nach der Jahrhundertwende auf dem Sehel­ lenberg, auf den in der Ära der Donaueschin­ ger Kaiserbesuche die Gregori-Nachfeiern verlegt worden waren. »Mittags 1 Uhr“ -so der Bericht im Sommer 1906 (genau 2 Jahre vor dem großen Stadtbrand) „bewegte sich der Zug der Kinder, voran die Stadtmusik, in Richtung Sehellenberg. Das gleiche Ziel hat­ ten die Großen, die auf Leiterwagen und im Landauer folgten -diese auf der Fahrstraße, während die Jugend den Weg quer durch den Wald nahm“. Auf dem Festplatz ein Bild, wie es die älte- ….. 1 ren Donaueschinger noch in Erinnerung haben. Tische und Bänke vor der Amalien­ hütte, eine Schankstätte und Buden, die die Besucher mit Fürstenbergbräu, Limonade, Leckerbissen und Südfrüchten versorgten. Am Kletterbaum, Schwebebalken und beim Sackhüpfen wetteiferte die Jugend um die von der Stadt und von Geschäftsleuten gestifteten Preise wie: Geldbeutel, Sacktü­ cher, Farbschachteln, Trinkbecher, Kaffee­ tassen, Holzpfeifen. Die begehrten »Lek­ kerli“ teilte das Fürstenpaar persönlich aus. Als Schlußakt nach der Rückkehr im Schloß­ hof ein Vorbeimarsch der Jugend, den anstelle ihrer Eltern die jungen Prinzen – dem Ritual der wilhelmonischen Ära ent­ sprechend -abnahmen. In den Genuß des Gregoriweckens kamen außer den Schülern der Normalschule auch die Besucher der von den Piaristen 1755 eröjfoeten Lateinschule beziehungsweise des ersten Gymnasiums, das von 1778 an über hundert fahre im sogenannten „Schell’schen Haus“ in Donaueschingen untergebracht war . / 217

1962, nach den Hungerjahren, als es wie­ der aufwärts ging – so erinnert sich der Chro­ nist – wurde an den überkommenen Brauch wieder angeknüpft – nunmehr ohne Drill und ohne die früher oft recht einseitige Bela­ stung für die Lehrerschaft. Schule, Stadt und »Frohsinn“ teilten sich nun in die erforderli­ chen Vorkehrungen und Dienste, um einen befriedigenden Verlauf des Gregori auf dem Donaueschinger Hausberg zu gewährleisten. Zu den vielen Melodien, mit denen die Stadt­ kapelle das Fest verschönt, kommt seitdem das Landschaftserlebnis, das der Sehellen­ berg schenkt. Der Blick geht über die Baar hinweg bis zur Alb. Um die Mitte des Som­ mers zeigt sich im Osten der Lupfen mit sei­ nem Aussichtsturm. Zum Greifen nahe lie­ gen der Osterberg, der Wartenberg, die Länge mit dem Gnadental und dem Schächer. Im Westen treten die Berge des Schwarzwalds hervor, Feldberg und Hochfirst. Und über allem wölbt sich an klaren Sommertagen ein blauer Himmel, über den einzelne weiße Wolken segeln. Kurzum ein Schulfest, das in Verbindung mit dem Gemeinschafts- und Landschaftserlebnis auf dem Sehellenberg es wert ist, als Brauchtum erhalten zu werden. Dr. Lorenz Honold L i t e r a t u r: D o l l i n g e r: Das Donau­ eschinger Gregorifest und der Rutengang. Donaueschinger Wochenblatt 1901, Nr. 76. H . B e n d e r: Das Gregorifest in Donaueschingen; in: Dorf und Hof. Monatsblätter des Vereins für ländliche Wohlfahrtspflege in Baden, Freiburg 1906, 4. Jahrgang, Heft 7. – L . H o n o 1 d : Brauchtum und Feste; in: Treffpunkt am Ursprung der Donau. Donaueschingen. Verlag Schillinger, Freiburg 1978. – D a s G r e g o r i f e s t . Donaueschinger Fest­ schrift vom 6. Mai 1855. -K r ä n k e!: Die Schulen in der Baar. Baar-Schriften, 5. Jahrgang, S. 25 ff. 218 Welche Zeit Wer findet noch Ruhe In dieser rastlosen Zeit, Wer trägt noch die Schuhe, Den Hut und Großmutters Kleid ‚ Man sieht’s noch in Bildern, Hört alte Märchen davon Und läßt es sich schildern Mit Spott und lächelndem Hohn. Wer kennt noch die Liebe, So schön, so echt und so wahr, In diesem Getriebe Ist überhaupt nichts mehr klar; Wir wissen’s von ander’n, Die uns erzählen davon, Vom Frohsinn und Wandern Und glaube, ehrlich war’s schon. Und kannst Du nicht drehen, Die Uhr und Zeiger zurück, So bleib‘ einmal stehen, Dann spürst und fühlst Du das Glück; Und geht es nicht weiter, Verzage niemals und nicht, Dann bleibt es auch heiter Und Du hast Sonne und Licht. Johannes Hawner * Mutter Alle Lieder sind zu dürftig, Alle Bilder gar so schwach, Und Vergleiche, ach, sie schmälern, Jedes Lob erklingt wie Schmach. Nur ein Gott mag ganz verstehen, Was du uns, o Mutter, bist; Wollt es selber einst erfahren, Der sich nannte Jesus Christ. Eingeborener deines Schoßes, Erstgebor’ner aller Erd‘, – Er allein war deiner Würde, Deines Namens, Mutter, wert! J. Medler

Gesundheit, Soziales Die Baar-Klinik, Fachklinik für Verhaltensmedizin und Psychosomatik in Donaueschingen Die erste verhaltensmedizinische Einrichtung in Baden-Württemberg Man weiß heute, daß bei weit über 1/3 der Patienten, die eine allgemeinärztliche Praxis aufsuchen, sich hinter deren Beschwerde­ schilderung eine seelische Notlage verbirgt. Eine Betrachtungsweise, die Krankheit nur als eine Störung einzelner Organe oder Funktionssysteme sieht und erklärt und nicht als eine Störung des ganzen Menschen begreift, wird dem Anliegen des psychoso­ matisch Kranken wohl kaum gerecht werden können. Der Zustand des Krankseins kann nicht losgelöst von den persönlichen Bedürfnissen des Patienten, sowie den psychischen und sozialen Bedingungen seiner Erkrankung betrachtet werden. Psychosomatische Medizin geht davon aus, daß viele körperliche Krankheiten seeli­ schen Ursprungs sind, wobei seelische Kon­ flikte in Form von körperlichen Begleiter­ scheinungen zum Ausdruck kommen. Um zu verstehen, wie man durch seine Psyche (Seele) somatisch (körperlich) krank werden kann, müssen wir uns folgendes ver­ gegenwärtis.en: Gefühle, wie Angst, Schmerz, Arger, Enttäuschung, aber auch Freude, Stolz usw. gehen immer mit einem Muster von körperlichen Veränderungen einher. Ein einfaches Beispiel hierfür wäre das konkrete Erleben oder schon allein das intensive Vorstellen einer subjektiv beschä­ menden Situation, das sich auf der körperli- 219

chen (physiologischen) Ebene z.B. als hefti­ ges Erröten des Gesichtes zeigt. Das Erröten des Gesichtes kommt durch die Erweiterung der Blutgefäße im Gesicht, durch einen Blut­ druckanstieg und durch eine Pulsbeschleuni­ gung zustande. Eine solche psychosoma­ tische Reaktion trägt nun nicht unbedingt schon krankheitserzeugenden Charakter. Ist aber ein solches Reaktionsmuster Ausdruck einer bestimmten Grundhaltung dem Leben gegenüber, Ausdruck einer, die Lebensvoll­ züge prägenden Grundstimmung, die ver­ zerrt, die einengt, die mehr Lebensangst als Zuversicht vermittelt, die stärker Spannung und weniger Ausgeglichenheit entstehen läßt, dann bewirkt eine solche krankhaft einengende Grundstimmung und -haltung eine für den einzelnen nicht wahrnehmbare Dauerstörung seines seelisch-körperlichen Gleichgewichtszustandes. Eine solche, für den Körper Dauerstreß bedeutende Lebens­ situation kann nun in eine der verschiedenen Formen des psychosomatischen Krankseins einmünden. Prinzipiell kann jedes Organ erkranken. Welches Organ nun bei dem betreffenden Menschen psychosomatisch erkranken wird, hängt davon ab, welches Organsystem bei diesen Menschen die Schwachstelle, seine psychosomatische Achillesferse darstellt. Während es bei dem einen Menschen eine psychosomatische Erkrankung des Magens ist, kann es bei dem anderen eine Erkrankung der Haut oder des Herz-Kreislauf-Systems sein. Das auf diese Weise psychosomatisch erkrankte Organ will dem betroffenen Indi­ viduum Auskunft, Rückmeldung über den momentanen Zustand seiner körperlich-see­ lischen Befindlichkeit vermitteln in Form von Krankheitszeichen (Symptomen), welche die Bedeutung einer Sprache, näm­ lich einer Körpersprache haben, die das betreffende Individuum aber nicht gelernt hat, zu entziffern. Die unverstandene Ant­ wort wird in körperliches Kranksein über­ setzt und dieses wird als Defekt betrachtet. Psychosomatische Krankheiten stellen somit Kommunikationsstörungen dar. Sie 220 sind eine Kommunikationsstörung mit sich selbst in Beziehung zu seinem Körper und zu seiner Umwelt. So wie es eine psycho-somatische Rela­ tion gibt, d. h. seelische Konflikte gehen mit körperlichen Begleiterscheinungen einher, so gibt es auch eine somato-psychische Nahtstelle, d. h., körperliche Krankheiten haben seelische Begleiterscheinungen. Aus der Erfahrung wissen wir alle, daß jedes körperlich krankhafte Ereignis, ange­ fangen von Zahnschmerzen bis hin zu einem komplizierten Bruch des Oberschenkels, unser seelisches Wohlbefinden mehr oder minder beeinträchtigen kann. Denn, wenn Ereignisse dieser Art sich in rascher Folge wiederholen und/oder einen chronischen Verlauf nehmen, werden sich früher oder später die psychologischen Bewältigungsfähigkeiten, mit diesen Ereig­ nissen gekonnt umzugehen, erschöpfen. In der Folge kommt es dann zu einer veränder­ ten, negativ verfärbten Sicht in Bezug zur eigenen Person, zu seiner Welt und zu seiner Zukunft, die das klinische Bild einer Depres­ sion entstehen lassen kann. Das so gestörte seelische Gleichgewicht hat wieder negativen Einfluß auf den körperlichen Krankheitsver­ lauf. Diese beiden Seiten einer Medaille, näm­ lich die Betrachtung psycho-somatischer Zusammenhänge, auf der einen Seite und die Erfassung somato-psychischer Problemstel­ lungen in der Organmedizin auf der anderen Seite, finden sich in dem verhaltensmedizini­ schen Ansatz widergespiegelt. Dieser Ansatz geht davon aus, daß bei allen Krankheiten, unabhängig davon, ob nun in der Hauptsache seelisch oder körper­ lich verursacht, neben biologischen Bedin­ gungen auch immer, wenngleich spezifisch für die einzelnen Krankheitsbilder, verhal­ tensbezogene und erlebnismäßige Faktoren von entscheidendem Einfluß auf den Hei­ lungsverlauf sind. Mit Hilfe einer reichhaltigen Palette an wissenschaftlich fundierten psychologischen Behandlungsmaßnahmen, die sich ständig

erweitern, lernt der Patient, gekonnter und schneller mit seinen Ängsten, Depressionen, Schmerzen und körperlichen Beschwerden umzugehen. Er lernt auf diese Art und Weise in einer Klinik, die eher den Charakter einer Lebensschule, als einer Behandlungsstätte im herkömmlichen Sinne trägt, in der Konfron­ tation mit den Launen seines künftigen All­ tages sein eigener Therapeut zu werden. Nicht das Wissen vom Warum verändert, sondern das Wissen um das Wie schafft Ver­ änderung. Die Fachklinik für Verhaltensmedizin und Psychosomatik in Donaueschingen mit ihren 190 Betten unterscheidet sich in der Sorgfalt der Betreuung und Diagnostik aller­ dings nicht von einem üblichen Allgemein­ krankenhaus. Bei jedem Patienten wird eine eingehende körperliche und psychologische Untersuchung durchgeführt. Die Klinik ver­ fügt über eine Vielzahl diagnostischer Ein­ richtungen, wie z. B. Labor, EKG, EEG, Bio­ feedback-Anlage. Zusätzliche apparative Untersuchungen, falls erforderlich, können in der Albert-Schweitzer-Klinik in Königs­ feld, aus der diese Klinik hervorgegangen ist, und in dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Kreiskrankenhaus Donaueschin­ gen durchgeführt werden. In den USA gibt es schon mehr als tausend Kliniken, darunter 400 Universitätskliniken, in denen verhaltensmedizinische Behand­ lungen durchgeführt werden. In der Bundes­ republik existieren zwischenzeitlich 6 Klini­ ken, die nach verhaltensmedizinischen Prin­ zipien arbeiten, wobei die BAAR-Klinik in Donaueschingen auf diesem Sektor die erste Einrichtung in Baden-Württemberg ist. Die BAAR-Klinik bietet für das gesamte Spektrum psychosomatischer Erkrankungen ein Behandlungsangebot an. Dabei liegen die Behandlungsschwerpunkte auf den Krank­ heitsbildern, die in der psychosomatischen Versorgung bislang unzureichend berück­ sichtigt wurden. Dies gilt insbesondere für die Behandlung psychosomatisch bedeutsa­ mer Haut-, gynäkologischer- und neurologi­ scher Erkrankungen, aber auch für Störun- gen des Magen- und Darmtraktes mit psy­ chosomatischem Hintergrund und das weite Feld chronischer, durch rein organmedizi­ nische Maßnahmen unzureichend beein­ flußbarer Schmerzzustände. In der Behandlung psychosomatischer Störungen hat sich eine zweigleisige Strategie als besonders erfolgreich erwiesen und konnte im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen auch belegt werden: Einer­ seits eine den Besonderheiten des einzelnen Patienten gerecht werdende einzelpsycho­ therapeutische Behandlung, andererseits die Zusammenfassung von Patienten mit ver­ gleichbaren Erkrankungen in spezifischen Gruppentherapien, wie Depressionsgruppe, Schmerztherapiegruppe usw. Darüber hinaus hat sich erwiesen, daß psychosomatische Erkrankungen der ver­ schiedenen Organsysteme weder durch eine ausschließlich auf die Organerkrankung bezogene Behandlung, noch durch psycho­ Behandlungsmethoden therapeutische allein wirkungsvoll behandelt werden kön­ nen, sondern nur durch ein Vorgehen, das die organmedizinischen, psychologischen und sozialen Aspekte der Erkrankung in glei­ cher Weise berücksichtigt und sich auf ein Arbeitsteam aus Ärzten, Psychologen, Phy­ siotherapeuten, Sozialtherapeuten und spe­ ziell geschultem Pflegepersonal stützen kann. Die Zusammenstellung solcher Arbeits­ teams und die Unterstellung solcher Teams unter ein gemeinsames Konzept ist nur im Rahmen eines intensiven Ausbildungspro­ grammes, das auch die weitere Ausbildung geeigneter Fachkräfte gewährleistet, möglich. Um auch diese wichtige Aufgabe, auch im Interesse einer optimalen Patientenversor­ gung, zu leisten, ist der BAAR-Klinik ein Weiterbildungsinstitut für Verhaltensmedi­ zin angeschlossen. Eine Medizin, die in dieser Breite und Tiefe leib-seelische Zusammenhänge in ihrer Arbeit berücksichtigt, kommt den Anforde­ rungen ganzheitlicher Medizin ein großes Stück nahe. Dr. med. Dipl.-Psych. Rolf Wahl 221

Die Katharinenhöhe Das Familienerholungszentrum Katharinenhöhe wurde im Almanach 84, Seite 61- 64, in Wort und Bild vorgestellt. Inzwischen hat sich die Katharinenhöhe vom Erholungszentrum zur Nachsorgeklinik für krebskranke Kinder,jugend­ liche und junge Erwachsene entwickelt. Der nach­ folgende Beitrag berichtet über die in den letzten Jahren eingetretenen grundlegenden Veränderun­ Vom Erholungszentrum zur Nachsorgeklinik für krebskranke Kinder,Jugendliche und junge Erwachsene tel aller kranken Kinder mit der gesamten Familie zur Kur kommen konnten. Wie kam es zu diesen Kuren? Jährlich erkranken in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1.200 und 1.500 Kin­ der neu an Krebs. Wie für viele schwere Erkrankungen so gilt auch für die Behand­ lung maligner Krankheiten im Kindesalter, daß die Therapie keineswegs in allen Fällen die Kunst ist, die Krankheit zu heilen, son­ dern die Kunst sie angemessen zu behandeln. Angemessen heißt, versuchen ein Leiden zu heilen, wo Chance auf Heilung besteht, ein Leiden zu lindem wo keine Heilungsmög­ lichkeit gegeben ist, aber auch keine sinnlose Behandlung durchzuführen. Die Entwicklung neuer Zytostatika, das interdisziplinäre Zusammenwirken von Chi­ rurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie und die Knochenmarktransplantationen (KMT), die Verfeinerung der Diagnose mit Stadieneinteilung haben dazu geführt, daß tatsächlich bestimmte maligne Tumor-und Systemkrankheiten heute einer echten Hei­ lung zugeführt werden können. Insgesamt können heute fast 70 % aller Tumor-und Leukärnieerkrankungen im Kindesalter geheilt werden. Dabei muß allerdings von den betroffenen Patienten eine vorüberge­ hende, einschneidende Beeinträchtigung der Lebensqualität in Kauf genommen werden. Aber auch die Familie leidet mit. Die starke psychische Belastung durch die lebensbedrohliche Krankheit des Kindes, die geänderten Umstände durch Kranken­ hausaufenthalte und die lang andauernde Trennung der Familie führen häufig zu schweren Partner-und Geschwisterproble­ men. Unser Nachsorgekonzept zielt nun gen. Einleitung Als im Oktober 1985 das 60jährige Beste­ hen der KATHARINENHÖHE gefeiert wurde, präsentierte diese traditionsreiche Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt, Bezirks­ verband Baden, ein völlig neues Konzept. Aus dem Familienerholungszentrum, das 1982 nach dreijähriger Bauzeit mit einem Kostenaufwand von 10 Millionen Mark eröffnet werden konnte, war eine bundesweit beachtliche Modellklinik für krebskranke Kinder geworden. Mit Unterstützung der Deutschen Krebs­ hilfe sowie verschiedener Universitätsklini­ ken und mehreren Elternkreisen hat die KATHARINENHÖHE modellhaft ein sta­ tionäres Nachsorgekonzept für krebskranke Kinder mit ihren Familien entwickelt. Eine grundlegende Veränderung der inhaltlichen, organisatorischen und personellen Struktur sowie erhebliche Baumaßnahmen waren notwendig, um die sachlichen und räumli­ chen Voraussetzungen für eine qualifizierte, medizinisch-psychosoziale Nachsorgebe­ handlung für die an Krebs erkrankten Kin­ der, Jugendlichen und jungen Erwachsenen anbieten zu können. Bereits jetzt steht fest: die Investitionen haben sich gelohnt. So konnten trotz vieler Anfangsprobleme bis Ende 1987 397 Patienten in der KATHARI­ NENHÖHE aufgenommen werden. Erfreu­ lich ist es auch, daß dabei mehr als zwei Drit- 222

Eltern-Kind-Gruppe darauf ab, durch eine umfassende pädia­ trisch-onkologische Versorgung einerseits und die psychosoziale Betreuung und Behandlung andererseits, die körperliche und seelische Stabilisierung des Patienten und seiner Familie zu erreichen. Dabei sind medizinische und psychosomatische Beein­ trächtigungen und Krankheitsbilder ebenso zu erkennen und zu behandeln, wie soziale und finanzielle Probleme. Die Kur soll den einzelnen Familienmitgliedern die Möglich­ keit bieten, nach der schweren 2′.eit der In­ tensivtherapie in der Klinik bestehende kör­ perliche und seelische Erschöpfungszu­ stände zu beseitigen, Kraft zu schöpfen, sich erholen und als Familie wieder zu finden. Dabei ist die Stärkung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit der Eltern ebenso von Bedeutung, wie die schulische und beruf­ liche Rehabilitation und Reintegration des Patienten. Ein Jahr vorbereitender Gespräche und Planungen sowie die Unterstützung vieler Institutionen waren notwendig, um im April 1985 mit dieser Arbeit beginnen zu können. Die in Zusammenarbeit mit den onkologi­ schen 2′.entren der Universitätskliniken Tübingen, Freiburg und Heidelberg entstan­ dene und von den Förderkreisen für krebs­ kranke Kinder unterstützte Konzeption unterstrich die Notwendigkeit unseres fami­ lienorientierten Behandlungsmodelles. Viele Widerstände waren zu überwinden, um die Kostenträger von unserem familien­ orientierten Behandlungsansatz zu überzeu­ gen. Schwierigkeiten zeigten sich insbeson­ dere bei der Einordnung der Kuren in die gül­ tige Rechtslage. Einige Kostenträger sahen nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) nur die Möglichkeit, eine Kur für den Patienten selbst zu genehmigen. Erst die Erkenntnis, daß bei einem großen Teil der Kinder für die medizinische Rehabilitation die Anwesenheit der gesamten Familie not­ wendig ist und eine großzügigere Auslegung der gesetzlichen Grundlagen ermöglichen in 223

der letzten ‚.Zeit eme reibungslosere Kur­ fmanzierung. Das Behandlungs-und Therapieange­ bot Das medizinisch psychosoziale/therapeu­ tische Behandlungskonzept bedingt die Arbeit im interdisziplinären Team. Arztin/ Arzt, Dipl. Psychologen, Sozialpädagogen, Beschäftigungstherapeuten, Physiothera­ peuten, Lehrerinnen und Schwestern erstel­ len unter Leitung des Arztes und des psycho­ sozialen Leiters einen auf die Familie abge­ stimmten Therapieplan. Dem Haus stehen 1,5 Arztstellen zur Verfügung. Die ärztliche Leitung obliegt einem Kinderarzt mit onko­ logischer Erfahrung. Er verfügt über ein Labor, das mit einer Arzthelferin besetzt ist. Für die pflegerische Versorgung stehen vier Krankenschwestern bereit. In der physiothe­ rapeutischen Abteilung arbeiten ein speziell ausgebildeter Krankengymnast sowie ein Masseur und Bademeister. Zwei Dipl. Psychologen und Sozialpäda­ gogen sowie eine Beschäftigungstherapeutin bieten neben Entspannungsübungen psy­ chologisch und psychotherapeutisch orien­ tierte Gesprächsgruppen sowie Einzelge­ spräche, Paargespräche und Familienge­ spräche an. Die therapeutische Behandlung evtl. Verhaltensauffälligkeiten oder spezieller Teilleistungsstörungen, z.B. bei neurologi­ schen Ausfällen, erfolgt in enger Zusammen­ arbeit zwischen Psychologen und Beschäfti­ gungstherapeutin. Hinzu kommen bera­ tende Angebote (z.B. Rehaberatung und sozialrechtliche Information). Das pädagogische Angebot umfaßt die Betreuung der Kinder bis zu sechs Jahren im Kindergarten, der über sechsjährigen in zwei Clubgruppen. Kreative Angebote (Musizie­ ren, Malen, Tanz, Werken, etc.) für Kinder und Jungendliebe und Erwachsene sowie ein ausführliches Freizeitprogramm mit Wande­ rungen und Fahrten in die weitere und nähere Umgebung runden das Programm ab. Für die Beschulung stehen in unserer Katharinenschule zwei Lehrerinnen bereit. 224 Diese Schule wird in Zusammenarbeit mit der Krankenhausschule des Schwarzwald­ Baar-Kreises in Villingen-Schwenningen geführt, dessen Außenstelle die Katharinen­ schule seit Dezember 1987 ist. Dabei über­ nimmt die Lehrkraft des Staatlichen Schul­ amtes die Versorgung der Patienten. Die Beschulung der Geschwisterkinder über­ nimmt eine vom Haus angestellte Lehrerin. Bau der therapeutischen Abteilung Neben den inhaltlichen und organisatori­ schen Veränderungen waren umfangreiche Baumaßnahmen erforderlich, um die räum­ lichen und sachlichen Voraussetzungen zu erfüllen, die an eine Einrichtung mit Klinik­ charakter gestellt werden. Dabei waren insbe­ sondere die Auflagen des Gesundheitsamtes und des Brandschutzes zu berücksichtigen. Um die notwendigen Rahmenbedingungen zu gewährleisten, entschied sich der Vor­ stand der Arbeiterwohlfahrt Baden e. V. im September 1985, das bislang als Schulland­ heim genutzte Schwarzwaldhaus in die Gesamtkonzeption miteinzubeziehen. Mit einem Kostenaufwand von 1,4 Millionen Mark konnten im Schwarzwaldhaus eine Arztpraxis, das Labor, mehrere Therapie­ räume, die Katharinenschule, der Gymna­ stikraum und der Katharinenclub unterge­ bracht werden. Darüberhinaus wurden wei­ tere acht Doppelzimmer eingerichtet, die vor allem für Kuren für jugendliche Krebskranke genutzt werden sollen. Im zweiten Oberge­ schoß konnten zusätzliche Personalzimmer geschaffen werden. Bereits am 22. Oktober 1986 erfolgte die feierliche Übergabe der therapeutischen Abteilung in Anwesenheit zahlreicher Ver­ treter von Krankenkassen, Kliniken und Elternkreisen. Große Beachtung fand dabei der Fachvortrag von Frau Dr. Ursula Kauf­ mann, Kinderärztin und Onkologin an der Universitätskinderklinik in Gießen, die über das Thema „Psychosoziale Begleitung krebs­ kranker Kinder und deren Familien“ refe­ rierte. Neben mehreren Rednern hob auch

die Referentin die besondere Bedeutung der KATHARINENHÖHE im Rahmen der Nachsorge für krebskranke Kinder und Jugendliche hervor. Sie zeichnete dabei ein sehr bedrückendes, jedoch auch hoffnungs­ voll stimmendes Bild vom Leidensweg dieser Kinder und deren Familien. Die von der KATHARINENHÖHE angebotene Fami­ lienkur stelle einen Wendepunkt im Behand­ lungskonzept der Kinder dar, die den Fami­ lien helfen soll, in ein normales, reibungslos funktionierendes Alltagsleben zurückzukeh­ ren. Woher kamen die Zuschüsse? Die besondere Bedeutung der Einrich­ tung zeigt sich auch an der Unterstützung, die die KATHARINENHÖHE bisher erfah­ ren konnte. Die Deutsche Krebshilfe unter­ stützte die Modellphase mit einem Personal­ kostenzuschuß von 300.000 DM. Mit weite­ ren 160.000 DM beteiligte sie sich am Bau der therapeutischen Abteilung. 360.000 DM erhielten wir von der Aktion Sorgenkind. Darüberhinaus kamen Zuschüsse von der STERN-Aktion „Hilfe für krebskranke Kin­ der“ sowie von vielen Firmen und Einzel­ spendern. Auch das Sozialministerium und der Landtag Baden-Württemberg haben die Modellkonzeption begrüßt und ihre Unter­ stützung zugesagt. Diese braucht die KATHARINENHÖHE auch, denn noch immer gibt es Versicherungsträger, die nicht bereit sind, die Kosten einer Kur für die Gesamtfamilie zu übernehmen. Zusammenfassung Die Entwicklung der KATHARINEN­ HÖHE vom Erholungszentrum zur Nach­ sorgeklinik brachte eine grundlegende Ver­ änderung der organisatorischen und inhaltli­ chen sowie der baulichen Struktur des Hau­ ses mit sich. Die in Zusammenarbeit mit ver­ schiedenen Kliniken und Elternkreisen ent­ wickelte Konzeption hebt vor allem darauf ab, daß in den Nachsorgeprozeß die gesamte Familie miteinbezogen wird. Eine umfas­ sende medizinisch-physiotherapeutische und psychosoziale Versorgung sowie das Angebot eines qualifizierten Schulunterrich­ tes und das Vorhalten eines krankengymna­ stischen und beschäftigungstherapeutischen Angebotes für Patienten mit besonderen Handicaps haben zu einer Anerkennung bei den Kliniken und Versicherungsträgern geführt. Fachlich betreut wird die KATHA­ RINENHÖHE durch die Universitätskin­ derklinik Tübingen und die psychosoziale Nachsorgeeinrichtung der Universitätsklinik Heidelberg, die unser Projekt wissenschaft­ lich begleitet. Das derzeit in der Bundesrepu­ blik immer noch richtungsweisende einma­ lige Behandlungskonzept konnte nur reali­ siert werden, indem der Träger selbst sehr viel Risikobereitschaft mitbrachte und wir darü­ berhinaus neben den bereits genannten Insti­ tutionen auch mit der wohlwollenden Unterstützung der Behörden und Organisa­ tionen dieses Kreises (Arbeitsamt, Landrats­ amt, Gesundheitsamt, Forstbehörden, För­ derverein für krebskranke Kinder Donau­ eschingen) sowie einiger Firmen und Einzel­ personen rechnen konnten. Ihnen allen sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Roland Wehrle * Zu Triberg unter den Linden Da fließt ein Brünnlein fein; Die Bäume rauschen darüber Und Blätter fallen hinein. Viel durstige Wanderer trinken Vom frischen, labenden Q!iell; Sie sehen die Blätter versinken Im wirbelnden Wasser schnell. Dein Leben, so dacht‘ ich am Brunnen, Es sei wie die Q!ielle so rein, So klar, so frisch, unverdrossen, Bis Herbstlaub fiele hinein! ]. Medler 225 Am Brunnen

Das „Solemar“ in Bad Dürrheim Das „Solemar“ Betrachtungen des Bürgermeisters und Kurdirektors „Als den 2. Stern am Bäderhimmel von Baden-Württemberg“ neben der Carra-Cal­ la-Therme in Baden-Baden wurde das Sole­ mar bei der Eröffnung von hoher ministeriel­ ler Warte aus bezeichnet. Die größte deutsche Tageszeitung sprach sogar vom ,,schönsten Bad Deutschlands.“ Diesen Aussagen könnten nahezu belie­ big andere ähnlich lautende hinzugefügt werden. An Lobesworten für das neue Sole­ mar in Bad Dürrheim, das im Herbst 1987 fertiggestellt wurde, hat es wahrhaftig nicht gefehlt. Die bisherige Betriebsphase hat gezeigt, daß die Worte nicht zu hoch gegrif­ fen waren. 226 Die hochwertige bauliche, fast künstle­ rische Q}lalität wird vom Gast angenommen und geschätzt. Die heitere beschwingte Atmosphäre, die dieses Bad verbreitet, trägt viel dazu bei, daß Heilen und Erholen, Gesundbleiben und Gesundwerden im Sole­ mar dem Gast Freude macht, ihn positiv ein­ stimmt und damit die heilende Kraft der Sole unter optimalen äußeren Bedingungen wir­ ken kann. Überhaupt, die Heilkraft dieser Sole! Immer mehr Gäste schwören darauf. Sie spü­ ren, daß die Sole für alle Arten des rheumati­ schen Formenkreises, der typischen System­ erkrankungen im Bereich der Bandscheiben,

Wirbelsäule, Gelenke, Schultergürtel usw. eine außergewöhnliche Heilkraft besitzt und wissen dies zunehmend zu schätzen. Daß die Sole in versprühter Form als Inhalation für die Atemwege Heilung verspricht, ist schon seit langem bekannt. Das reichhaltige Ange­ bot der Inhalationsmöglichkeiten im neu renovierten und umgebauten Kurmittelhaus hat schon vielen geholfen. Die neue Sole­ grotte im Badebereich des Sole�ar sel�st ermöglicht es jetzt jedem Gast, diese Wtr­ kung einmal -gewissermaßen so nebenher­ auszuprobieren, um dann später ggf. in der Einzelinhalation die Therapie zu vertiefen. Die heitere Atmosphäre des Solemar hängt eng mit der geradezu künstlerische_n Konstruktion des Daches zusammen. Wie hier in leichter Form über 70 m das Holz­ schalendach über die einzelnen Baumstüt­ zen hinü.ber schwingt, ist schon ein einmali­ ges Erlebnis. Die Synthese von Raum und Fläche ist hier außergewöhnlich gut gelungen. Die 11 verschiedenen Becken des Solemar haben unter den 5 Kuppeln des Daches ihren Platz fast spielerisch zugeordnet erhalten. Die Vielfalt der Angebote öffnet dabei dem Gast eine breite Palette an Möglichkeiten. Er kann im 6 % igen Solewasser bei 36° C regenerie­ ren. Er kann aber genauso bei 34° C und 3 % Solegehalt im großen Innen-und Außenbek­ ken entspannen. Wenn er das Liegesprudel­ becken aufsucht, kann er von dort wechseln zum Sitzbecken oder zu den Wassersprud­ lern an der Hauptstütze. Er kann sich aber auch genauso wohlfühlen in den Sitzsprudlern im Außenbereich. 2.ahlreiche Massagedüsen in unterschiedlicher Höhe im großen Innen-und Außenbecken vervoll­ ständigen dieses Angebot. Im eigentlichen therapeutischen Bereich mit Einzelbehandlungen oder in kleinen Gruppen unter Anleitung fachkundiger Therapeuten wird dem Heilungssuchenden eine hochwertige Therapie -abgeschirmt vom allgemeinen Badebereich -geboten. Die Gäste haben längst erkannt, daß diese Wassertherapie, von geschulten Fachkräften abgegeben und zusammengestellt, eine große Hilfe und Unterstützung bietet, wenn es darum geht, die Gesundheit zurückzuer­ halten oder den Heilungsprozeß etwa nach einem Unfall wesentlich zu beschleunigen. Wer einmal 6 spezielle Bewegungsthera­ pieeinheiten systematisch mitgemacht �1at, der weiß, wie gut ihm dies bekommt. Diese Bewegungsübungen im Solebecken sind durch nichts gleichwertig zu ersetzen. Mit diesem neuen hochwertigen Bad ist Bad Dürrheim für die Zukunft gut gerüstet. Gerhard Hagmann 227

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Das „Solemar“, ein Beispiel für zukunftsorientierte Kurortpolitik I. Gedanken eines Architekten zur Planung Ein aufstrebender Kurort hat in heutiger Zeit eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen. Die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse haben sich nicht nur gewandelt, sondern die Ansprüche -insbesondere im Gesundheits­ wesen -sind außergewöhnlich gestiegen. Diese Entwicklung berührt unmittelbar die Kurorte und ihre Einrichtungen und wird mit Sicherheit in Zukunft weiterhin an Bedeutung zunehmen. Denn der höhere Anteil an Freizeit des Menschen weckt neue Bedürfnisse, die Zahl älterer Jahrgänge und der Patienten wächst und der Wunsch nach Vorsorge, Sport, Erholung und Abwechs­ lung ist die natürliche Folge. Die Aufgabe der Kurorte ist durch diese klar sich abzeichnende Tendenz bestimmt und die Ziele sind nur durch vorausschauen­ de Planung erreichbar. rakters, herausgebildet, die jedoch städtebau­ lich engstens miteinander verflochten sind. -Die kurstädtische Friedrichstraße bietet Einkaufsmöglichkeiten und zum Prome­ meren. – Das historische Zentrum der Kurstadt, geprägt von Gebäuden klassischen Stils, mit dem Rathaus und dem Haus des Gastes, schließt sich an. Das Haus des Bür­ gers wird in der alten Siedepfanne neu erstehen und damit den zentralen histori­ schen Bestand des Ortes in schöner Weise abrunden. – Der Kur-und Bäderbereich stellt sich landschaftsbezogen und weiträumig dar. Zugleich ist in denKurbereich auch der gesellschaftliche Mittelpunkt, das Kur­ haus, integriert. Dieses wird in den kom­ menden Jahren dem wachsenden Bedarf entsprechend ausgeweitet, II. In diesem Sinne ist der Kurort Bad Dürr­ heim ein hervorragendes Modell. Diese Kur­ stadt hat frühzeitig erkannt, wie vielfältig die Bedürfnisse des Kurgastes nach Naturnähe, sportlicher und spielerischer Betätigung, nach Abwechslung und Gesellschaftlichkeit sind. Dabei haben sich vier räumliche Schwerpunkte, sehr unterschiedlichen Cha- 230

– Der Bereich fur unterschiedliche sport­ liche Aktivitäten befindet sich im Ausbau. Dieser wird für das neuzeitliche Gesund­ heitswesen im Sinne der Vorsorge große Bedeutung gewinnen. Die so gegliederte Gestalt des Kurortes mit seinen Sanatorien, Hotels und Kurheimen liegt eingebettet in die weite Landschaft der Baar. Die Pflege der umgebenden Land­ schaft, die dem unmittelbaren Naturbedürf­ nis des Kurgastes zugute kommt, stellt eine der verpflichtendsten Aufgaben für die zukünftige Entwicklung des Kurortes dar. III. Die Idee zur weiten Bäderlandschaft des „Solemar“ erwuchs aus der Erkenntnis, daß der heutige Mensch ein wachsendes Bedürf­ nis nach Bewegung und Entspannung, nach Erlebnis und Naturbezug empfindet und gleichzeitig menschliche Kommunikation sucht. Die meisten tätigen Menschen sind fest an ihren Arbeitsplatz gebunden, fühlen sich eingeschlossen und zeitlich verplant. Das Bewußtsein „Freiräume“ zu benötigen als Ausgleich für den beengenden Alltag, ist zunehmend geschärft. Die Weite der Badelandschaft des „Sole­ mar“ gibt spontan Antwort auf die Tiefe menschlicher Sehnsucht nach freiem Erle­ ben, nach Sonne, Wiese und Baum, nach Begegnung und Gesprächen. Ein weit ausgreifendes, schwingendes und durchlichtetes Holzdach in einer ästhetisch perfekten Konstruktion, umgreift alle mögli­ chen Aktivitäten, �eilen und Seen zu 231

einem gegliederten Raum voller Erlebnisse. Hier spürt der Mensch die ihm geschenkte Freiheit, er wird angeregt durch Farben und Formen, durch Licht und Bewegung, durch Atmosphäre und Begegnungen. Das „Solemar“ ist eine schönste Synthese von Landschaft und Wasser, mit Gesell­ schaftlichkeit und Architektur. Wer fand die Ideen, wer flocht sie ineinan­ der, daß sie Gestalt gewannen, wer trug die Verantwortung für das Gelingen und wer kam für die Kosten auf? Im Ganzen verhalf eine glückliche Kon­ stellation vieler Umstände und Personen zum Erfolg. Dabei ist vor allem Bürgermeister Hag­ mann zu nennen. Er trug die Hauptverant­ wortung und verhalf der Idee zum Durch­ bruch. Und er hatte gute Nothelfer beim Land, in der Politik und in der Gemeinde. Die Konstrukteure – für das Dach verant­ wortlich – Professor Wenzel, Dr. Frese und Bartei, arbeiteten engstens zusammen mit den Bäderarchitekten, dem Ehepaar Geier. Zimmermeister Burgbacher verdient wegen der technischen Meisterleistung besondere Erwähnung. Eine Baukommission, berufen vom Stadt­ rat, begleitete das Planungs- und Baugesche­ hen von der ersten Stunde an. Ihr gehörten an: der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Kur- und Bäder GmbH 0. Weissenberger, Bürgermeister und Kurdirektor Hagmann, Vertreter des Stadtrates sowie Fachleute und Berater des Landes, zusammen mit den beauftragten Ingenieuren und Architekten. Die Baukommission prüfte jede Teilmaß­ nahme, gab Empfehlungen zur Planung, ver­ mittelte zwischen Auftraggeber und Archi­ tekten und wog Aufwand gegen Nutzen ab. Sie hatte eine wichtige Funktion in der Vor­ bereitung aller zu treffenden Entscheidun­ gen. Große Leistungen entstehen nur durch gemeinsame Anstrengung, durch Mut zu neuen Wegen und durch Vertrauen. Das „Solemar“ ist ein Beispiel hierfür. Prof. Dr. Horst Linde 232

Verkehrswesen, Fremdenverkehr Der „Steinbistunnel“ Riesige Baustellen zwischen Triberg und Hornberg – Der Verkehr über die B 33 wird flüssiger Am Freitag, 18. Dezember 1987, zerschnitt der Leiter des Straßenbauamtes Donaue­ schingen, Manfred Knack, vor dem Nord­ portal des „Steinbistunnels“ auf Gemarkung Triberg-Gremmelsbach der B 33 im Beisein vieler Eröffnungsgäste das rot-weiße Band und gab offiziell die Fahrt durch den neuer­ bauten Tunnel frei. Ein schwieriger Streckenabschnitt Die Bundesstraße 33 zwischen Hornberg und Triberg-eine Strecke von 10 Kilometern -war seit jeher verkehrsmäßig ein heikler Streckenabschnitt. Sehr kurvenreich ist der Straßenverlauf vom „Rössle“ in Niederwas- ser an bis zur nördlichen Stadteinfahrt Tri­ berg. Namen wie „Glasträgerbrücke“, ,,Him­ melreichkurve“ und „Hobler Felsen“ sind vielen Autofahrern geläufige Begriffe. Die ,,Himmelreichkurve“ ist als besonders gefah­ renträchtig berüchtigt und viele schwere Unfälle haben sich in den vergangenen Jah­ ren dort ereignet. Straßenplanung begann schon 1960 Bereits vor vielen Jahren haben sich die zuständigen Behörden Gedanken darüber gemacht, wie die B 33 -insbesondere zwi­ schen Triberg und Hornberg-leistungsfähig ausgebaut und entschärft werden könne. Zu Strossenausbruch 233

Anfang der Sechziger Jahre gab es Überle­ gungen, eine neue Straße über Hornberg – Reichenbach – Langenschiltach – St. Geor­ gen, ausgehend von der B 33 in Hausach, zu bauen. Die damals ins Auge gefaßte Strek­ kenführung hätte einen harten Eingriff in z. T. noch unberührte Natur zur Folge gehabt und den Raum Triberg, Schönwald, Schonach vom Verkehr abgeschnitten. Dies konnte daher keine Lösung sein. Die Bundesstraße 33 wird ausgebaut Die Entscheidung fiel Anfang der 70er Jahre: Die B 33 wird ausgebaut. Federfüh­ rend wurde das Straßenbauamt Donaue­ schingen. Der Entwurf für den Streckenab­ schnitt Triberg- Homberg ist Mitte der 70er Jahre in Auftrag gegeben worden; er wurde 1987 vom Stuttgarter Wirtschaftsministe­ rium genehmigt. Dies war die Voraussetzung für die Einplanung der Mittel durch den Bund. Das Planfeststellungsverfahren konnte eingeleitet werden. Die Pläne wurden den betroffenen Gemeinden und Behörden (Forst-, Landwirtschafts-, Naturschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung, Bundesbahn) zur Stellungnahme zugeleitet. Privat Betrof­ fene hatten die Möglichkeit, bei der Gemeinde die Pläne einzusehen. Planung in fünf Teilabschnitten Die B 33 auf der Strecke von Niederwasser bis Triberg wurde in fünf Teilabschnitten geplant. Abschnitt I verläuft von Niederwas­ ser bis zur Kreisgrenze (Ortenau/Schwarz­ wald-Baar-Kreis). Abschnitt II verläuft von der Himmelreichkurve bis zum Steinbistun­ oel, diesen nicht einschließend. Abschnitt III umfaßt den Steinbistunnel im Bereich der Umfahrung Sägewerk Finkbeiner und bis zur Einmündung in die bestehende B 33 ober­ halb des Anwesens Weißer. In diesem Bereich wird auch eine straßenüberspan­ nende Fußgängerbrücke erstellt und eine Notrufsäule eingerichtet. Abschnitt IV ver­ läuft über Schonachbach bis einschließlich des künftigen Zuckerhut-Tunnels oberhalb 234 der Eisengießerei Dhonau und Abschnitt V bringt den Ausbau entlang der Firma Tränkle bis zur Einmündung in die B 500 am nördli­ chen Stadteingang Triberg. Da gleichzeitig mit dieser Planung auch die Planung der Sammelkläranlage des Abwasserverbandes der Raumschaft Triberg in Gremmelsbach erfolgte, war eine gegensei­ tige Planungsabstimmung zwingend. Der Abschnitt III mußte bevorzugt angegangen werden. Die Arbeiten wurden weitgehend aufeinander abgestimmt. Sie verliefen in ihrem zeitlichen Ablauf störungsfrei. Anschließend wurde die Brücke über die Gutach vor dem Nordportal des Tunnels (Fahrtrichtung Triberg) gebaut. Diese Brücke war Voraussetzung für den Beginn der Erdar­ beiten am Voreinschnitt für das Tunnel­ Nordportal. Diese Arbeiten begannen im August 1986, die mit dem eigentlichen Tun­ nelbau noch nichts zu tun hatten. Im Dezember 1986 war der Anschlagsbereich Süd bis zur Kalottensohle ausgeräumt. Dann kam der Winter Am 19. Dezember 1986 begann es zu schneien. Zwischen dem 20. Dezember 1986 und dem 5. Januar 1987 trat eine vollständige Winterpause ein. Nur sporadisch konnten die Arbeiten weitergeführt werden, doch bis zum 16. Februar 1987 waren wesentliche Betonierabschnitte des „Stützpfeilers Süd“ fertiggestellt. Um die gleiche Zeit begann der Voreinschnitt am Nordportal (Fahrtrichtung Triberg). Dann kam der 25. Februar 1987 und mit ihm die „Anschlagsfeier“ vor dem Süd­ portal. Bis Mitte März 1987 war die Baustelle völ­ lig vereist. Nach langer Wartezeit konnten die Arbeiten am 18. März 1987 mit dem Vor­ trieb vom Südportal aus begonnen werden. Die Arbeiten gingen nunmehr im Tag- und Nachtbetrieb mit Hochdruck voran. Ohren­ betäubender Lärm, Steinstaub, Sprengun­ gen, gleißendes Scheinwerferlicht, das urweltliche Rasseln und Röhren kettenbe­ wehrter Caterpillar-Ungetüme und das

unaufhörliche, polternde und dröhnende Laden der gebrochenen Gesteinsmassen sowie das Transportieren und Umlagern des Aushubs bestimmten nun das Bild an der Baustelle. Am 25. Mai 1987 war der zweite bedeu­ tungsvolle Augenblick im Arbeitsablauf erreicht: an diesem Tag erfolgte der »Durch­ schlag“ der Kalotte. Zum ersten Mal konnte man durch den Berg auf die andere Seite sehen. Das Tunnelbauverfahren Der Vortrieb erfolgte nach dem Verfahren der NÖT (Neue österreichische Tunnelba�­ weise unterteilt in Kalotte und Strosse mit­ tels Sprengvortrieb. Für die Sprengungen sind in der Kalotte rund 180 Löcher pro Abschlagslänge (0,8 bis maximal 3 Meter) gebohrt worden. Pro Kubikmeter Gest�in wurden 1,5 Kilogramm Sprengstoff benötigt. Ein „Abschlag“ dauert etwa sechs Sekunden; so lange „scheppert“ es beim Sprengvorgang. 1000. Rufnummer im Service 130 für die Zentrale Zimmervermittlung Am 16. Mai 1988 besuchte der Präsident der Oberpostdirektion Freiburg, Hans H�rt­ le (links auf unserem Bild), die �ntrale Zim­ mervermittlung der Landkreise Schwarz­ wald-Baar und Rottweil in deren Geschäfts­ räume im Landratsamt Villingen-Schwen­ ningen. Der Grund des Besuches: Die seit dem Jahr 1986 bestehende Zentrale Zimmer- vermittlung ist der 1.000. Kunde im „Service 130“ der Deutschen Bundespost. Dies ist ein besonderer Telefondienst, der es ermöglicht, den entsprechenden Anschluß a�s der g�­ zen Bundesrepublik zum Ortstanf zu errei­ chen. Über die Nummer 0130-3800 ist die Zentrale Zimmervermittlung im Ortsnetz erreichbar. Es schafft hierdurch Kunden­ nähe und erleichtert die Kundenberatung. 235

Um den Berg nicht unnötig zu stören, wird die Sprengenergie nicht punktuell und voll eingesetzt, sondern „ verteilt“. Unter „Kalotte“ versteht man den oberen Teil des Berges (etwa Zweidrittel des Gesamt­ querschnitts), während der untere Teil „Strosse“ genannt wird. Der Ausbruc� der Strosse beim Steinbistunnel erfolgte steigend von Norden nach Süden, um dem Wasser im Berg den Abfluß zu sichern. Nach jedem erfolgten Abschlag wurde sofort die Siche­ rung mittels Spritzbeton und Einbau von Ankern angebracht. Danach wurde der Tun­ nel zur Abdichtung zwischen Außenschale und Innenschale mittels einer zwei Millime­ ter starken verschweißten Folie isoliert. Sie verhindert ‚das Eindringen von Bergwasser in den Beton der Innenschale. Während der Vortriebsarbeiten wurden Konvergenzmessungen durchgeführt, um festzustellen, ob eventuell eintretende Ver­ formungen -es gab solche von eine� _bis zwei Millimetern -abklingen. Im Gramt smd Millimeterbewegungen normal. Im Steinbis­ tunnel haben sie sich bereits während des Vortriebs beruhigt. Geologisch gesehen sind die Felsformationen des Triberger Granits kein homogener Fels, sie sind stark gebankt und geklüftet (gebankt: Schichtgestein). Eine wichtige Frage war die Bewetterung. Die Frischluftzufuhr mußte gewährleistet sein, solange �ie „Kalotte“ noc� nicht ,,durchschlägig“ ist, wodurch dann em Luft­ zug entsteht (Schornsteinwirkun�). Beim Triberger Steinbistunnel wurde eme „bla­ sende Bewetterung“ angewendet; Frischluft wurde vor Ort geblasen und die verbrauchte Luft dadurch in Richtung Portal nach außen gedrückt. Nach erfolgter I�olierun� der Tun­ nelwand mit der verschweißten Folie wurden die Fundamente hergestellt und hernach trat der riesige „Schalwagen“ im Tunnel i_n Aktion. Er schaltete die Tunnelblöcke ab, die dann ausbetoniert wurden. Die eigentliche Innenschale (ihre Dicke beträgt 30 Zentime­ ter) wurde in 7,41 Meter langen Blöcken aus bewehrtem Spezialbeton im Tagestak�gefer­ tigt. 236 Daten von Interesse Beim Bau des Steinbistunnels wurden bei den Voreinschnitten Süd und Nord rund 10.000 Kubikmeter Erdmassen bewegt; beim Ausbruch weitere 12.000 Kubikmeter. Das zur Wiederverfüllung nicht mehr benötigte Material wurde in einem Steinbruch zu Schotter verarbeitet. Der Tunnel wird endgültig drei Fahrspu­ ren aufweisen; zwei bergwärts, eine talwärts. Seine lichte Breite beträgt 14,5 Meter; seine lichte Höhe (bis Firste) rund 8 Meter. Der Tunnel ist in seinem Grundriß ein „ Wende­ bogen“, sein Längsgefälle weist 5,5 Prozent auf. Die bergmännische Länge beträgt 120 Meter, die Betonschale einschließlich der beiden Portale ist 160 Meter lang. Der Tunnel erhielt im Sommer 1988 eine abschließende Beschichtung und eine Beleuchtung. Die Tunnelwände wurden bis zu einer Höhe von 4,50 Metern zum Schutz des Betons vor Spritzwasser beschichtet. Die gesamt auszubauende Strecke von oberhalb Niederwasser bis Höhe Firma Tränkle in Triberg beträgt 5,8 Kilometer. Rund 3,4 Kilometer werden in ihrem endgül­ tigen Zustand dreispurig verlaufen. Wenn der Terminplan eingehalten werden kann, wird bis 1992/1993 die Gesamtbaumaß­ nahme abgeschlossen werden können. Die veranschlagten Gesamtkosten belaufen sich auf siebzig Millionen Mark. · Alexander Jäckle * vor mu ein Streifen gepflügtes Land, Mücken spielen in Sonnenstrahlen – Zeit zieht um .mich Fäden – sorgsam wie die Spinne ihr Netz. Christiana Steger Oktober

Landschaft, Naturdenkmäler An welchem Ort die Donau ihren Ursprung hat, ist nicht erst in neuerer Zeit Gegenstand von z. T. ernsten und heiteren Auseinandersetzungen. Im Almanach 85 (S. 170-181) wurde unter dem Kapitel „ Wider den tierischen Ernst“ das gekonnte und geistreiche Gedicht von Herrn Stadtpfarrer Beha, Furtwangen, veröffentlicht, das viel Beifall gefunden hat. Im diesjährigen Almanach nimmt zu diesem Thema der Histori­ ker Volkhard Huth Stellung. Der Almanach möchte seine Leser über die verschiedenen A nsich­ ten unterrichten, ohne die Frage selbst lösen zu können. Wo immer die Donau ihren Ursprung haben mag, in Donaueschingen oder an den Q;tel­ len von Brigach oder Breg,Jest steht, daß sie im Gebiet des Schwarzwald-Baar-Kreises als der verbindenden kommunalpolitischen Einheit ihren Anfang nimmt. Als sich der württembergische Hofhisto­ riograph Oswald Gabelkhover (1539-1616) im Auftrag des Grafen Rudolf V. von Hel­ fenstein dazu anschickte, eine Geschichte von dessen Geschlecht zu Papier zu bringen, geriet er ins Sinnieren. Denn mit der Erfor­ schung „deß anfangs vnd vrsprvng der gro­ ßen geschlechter“ habe es leider die gleiche Bewandtnis „ wie mit den Vrsprüngen der größesten Waßer: Daß man namlich diesel­ bige schwerlich erkündigen kan, und vilerlay meinung sich deßhalben befinden“. So sei es beispielsweise mit der Donau in Europa wie mit dem Nil in Afrika: ,,dann sich noch kei­ ner fünden hatt, der eigentlich hette sagen, oder fünden könden, wo das herrlich waßer, der Nilus entsprünge. So ist gleichwol zu Doneschingen ein Vrsprung, den man für der Thonaw Ursprung will halten: darwider aber andere diß waßers Vrsprung vil höher im Schwartzwald suchen, vnd durch die Brig und Breg herab füeren wöllen“. Von Q!iellensuche und Q!iellverehrung Ein Beitrag zur Frage nach dem Donauursprung Die „ vilerlay meinung“, die sich rund um die Frage nach den Ursprüngen von Donau und Nil gebildet hatten, sind eine Erbschaft der Antike und waren zu Gabelkhovers Zei­ ten längst zu neuer Geltung gelangt. Wer indes glauben möchte, die „ vilerlay mei­ nung“ vergangener Epochen zu diesem Thema seien im Zeitalter der Modeme einer eindeutigen Klärung gewichen, könnten also dem Scharfsinn einer ,fortschrittlichen‘ Wis­ senschaft unmöglich standhalten -der geht eben in die Irre. Vielmehr wird er feststellen müssen, daß die „vilerlay meinung“ bei der Frage nach den O!iellen großer Flüsse wie besonders von Nil und Donau im 20. Jahr­ hundert um neue, zeittypische Varianten bereichert werden. Die Suche nach den O!iel­ len, der Streit um ihren Besitz und deren ,Entdecker‘ gehen weiter. So bedeutete es nicht nur eine wissen­ schaftsgeschichtliche Korrektur, sondern war vor allem als Akt neuen afrikanischen Selbstbewußtseins zu verstehen, als 1986 der Präsident Ugandas, Y oweri Museveni, am Ufer des Viktoriasees eine Gedenktafel ent­ fernen ließ, die an den britischen Kolonialof­ fizier John Hanning Speke erinnerte. Speke hatte 1862 stolz (in der Sache freilich unge­ rechtfertigt) verkünden lassen, an jener Stelle entspränge der Nil: „The Nile is settled“ hieß es in seinem ebenso kurzen wie bedeutungs­ schweren Telegramm nach London. Umgekehrt sah sich jüngst der Donauur­ sprung wieder durch einen ,Entdecker‘ gewürdigt und um eine Gedenktafel berei­ chert, wenngleich es sich hier nicht um eine Staatsaktion handelte und demgemäß nur die Heimatpresse davon Kenntnis nahm: Zu Furtwangen wurde im Sommer 1986 ein O!iellenforscher für den von ihm jahrzehn­ telang eifrig betriebenen ,Nachweis‘ geehrt, 237

Einstiger Verlauf des „Donaubächles“ (s. Pfeilmarkierungen) von der Q;telle im Donaueschinger Schloßhof bis zur Einmündung in die Brigach. Nach einem Originalplan aus dem Jahre 1815 im F.F. Archiv Donaueschingen, Kasten/, Fach IV, O.Z. 3. die Bregquelle bei Furtwangen sei als die wahrhafte O!ielle der Donau anzusehen. Umgehend wurde bei der Bregquelle neuer­ lich ein Findling mit eingelassener Gedenkta­ fel aufgestellt, und die – nun hoffentlich ver­ stärkt anreisenden – Touristen werden seit­ her durch einschlägige Beschilderung („Zur Donau-O!ielle“) nicht im Zweifel gelassen, mit welcher Attraktion Furtwangen und der Kolmenhof aufwarten können. Im Zuge der Ehrung des rührigen Entdeckers erhielt also nun endlich auch die, wie es hieß, „natür­ liche“ O!ielle der Donau einen ansprechen­ den äußeren Rahmen. Damit hoffte man zugleich wohl etwas den Vorzeige-Rück­ gegenüber der Donaueschinger stand Donauquelle aufzuholen, die man im obe­ ren Bregtal (den auswärtigen ,Entdecker‘ ein­ geschlossen) offensichtlich als reines Arte­ fakt einstuft. Zweifellos hat die O!ielle im Donau­ eschinger Schloßhof – nur eine, wenn auch die ergiebigste der O!iellen im Donaueschin­ ger Ried – in historischer wie künstlerischer Hinsicht einen Vorsprung vor der Breg­ quelle, dem Ursprung des längeren der bei­ den Donau-Quellflüsse. Und während bis vor kurzem die Bewohner des Oberen Kat­ zensteigs in der Nähe von Furtwangen stets in dem Bewußtsein lebten, an der Breg-und nicht etwa an der Donauquelle zu wohnen, war bereits im Mittelalter die Lokalisierung 238

des Donauursprungs in Donaueschingen eine gängige Anschauung. Davon legt vor allen anderen Indizien schon der Ortsname Rechenschaft ab: 1292 erscheint in den erhal­ tenen Q!iellen erstmals das alte Eschingen mit dem bezeichnenden Namenpräfix. Für diese kennzeichnende Ortsnamener­ weiterung stand keineswegs die Vereinigung von Brigach und Breg Pate, die bekanntlich auf Donaueschinger Gemarkung vor sich geht. Dieser Zusammenfluß lag im Mittelal­ ter jedoch weit außerhalb des Ortsetters, der die Siedlungsteile von der Feldmark abgrenzte. Innerhalb des Ortsetters aber ver­ band sich der Abfluß der Schloßhofquelle mit der Brigach, und von diesem Punkt ab war eben von der „Donau“ die Rede. Hinrei­ chend nachweisen läßt sich dies mit dem älte­ sten überkommenen Donaueschinger Urbar von 1584; Belege für die Schloßhofquelle können wir dagegen schon der urkundlichen Überlieferung des 14. Jahrhunderts entneh­ men. Dadurch erweist sich der vermeintlich alte ,volkstümliche‘ Spruch „Brigach und Breg bringen die Donau zuweg“ als aufgesetzt. Er entspricht keineswegs einem älteren Bewußt­ seinsstand der hier ansässigen Bevölkerung und kam erst im vorigen Jahrhundert auf. Daß er sich rasch allgemein verbreiten konnte, lag nicht zuletzt am mangelnden Widerstand der Donaueschinger im 19. Jahr­ hundert, bei denen die alte Situation längst in Vergessenheit geraten war. Der Grund: Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert hatte man mit der Anlage des fürstlichen Parks begon­ nen, schließlich zur Verhütung der häufigen Überschwemmungen eine Begradigung der Brigach vorgenommen ( entsprechend rekti­ fizierte man auch den Breg-Hauptarm vor der Einmündung). Die durchgreifende Um­ gestaltung des gesamten Gebiets im Bereich der heutigen Parkanlagen wie auch Umbau­ ten am Schloß bedingten eine Umlegung des alten Donaubaches, d. h. des Abflusses der Schloßhof quelle, der jetzt auf dem kürzesten Weg in die Brigach geleitet wurde. Über der Einflußstelle errichtete man 1909 einen von Kaiser Wilhelm II. gestifteten Tempel, der noch heute die Blicke der Spaziergänger am Brigachufer auf sich zieht. Freilich war die Ortsnamenerweiterung im Mittelalter ebensowenig wie die zu Grunde liegende Vorstellung vom Ursprung der Donau hinter der Eschinger Ortsburg das alleinige Werk der Dorfbewohner. Es mußte sich weithin das Bewußtsein durchgesetzt haben, die Donau entspringe in dem daher auch ,Donau‘ -Eschingen genannten Ort. Diese Überzeugung und die damit verbun­ dene Herleitung des Ortsnamens galt auch außerhalb des deutschen Sprachraums, wie etwa diesbezügliche Feststellungen des italie­ nischen Humanisten Pandolfo Collenuccio (1444 -1504) oder noch des spanischen Gelehrten Fernando de Herrera (1534 -1597) erkennen lassen. Wie sehr dies die seinerzeit (noch) herrschende Auffassung war, verdeut­ licht am schlagendsten ein Ereignis vom August 1499: Damals begab sich König Maximilian nach Donaueschingen, um dort die Donauquelle zu sehen. Er ließ rund um die Q!ielle Zelte aufstellen und veranstaltete ein Fest, bei dem man Reigen um die Q!ielle tanzte. Der Wortlaut des Berichts über den Besuch Maximilians an der Donauquelle, den wir dem Humanisten Willibald Pirckhei­ mer verdanken, gibt zu der Vermutung Anlaß, daß schon damals jenem Brauch gehuldigt wurde, den wir ansonsten seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Donaueschingen beobachten können: Der Sprung in die Donauquelle war nämlich ein fester Bestandteil im Besuchsprogramm der Gäste des in Donaueschingen ansässigen Zweiges der Fürstenberger (Heiligenberger Linie). Über den Hergang sind wir gut unter­ richtet: Der Besucher hatte ein Glas (,,Sack­ pfeife“) Rotwein zu leeren und sprang dann, begleitet von Trompetenstößen, Trommel­ schlag sowie dem sich darein mischenden Lärm Salut schießender Böller und Muske­ ten in das klare Quellwasser-zu jeder Jahres­ zeit! Dem kühlen Naß entstiegen, trug der Erfrischte dann einen selbst verfertigten 239

Sinnspruch oder ein Gedicht in ein eigens zu diesem Zweck im Schloß aufliegendes Buch em. Ein solches „Donauquellen-Protokoll­ buch“ wird heute noch in der F.F. Hofbiblio­ thek zu Donaueschingen aufbewahrt; seine älteste Eintragung stammt aus dem Jahre 1660. Rund zwei Jahrhunderte später gelangte dieses Buch in die Hände des als Fürstlicher Bibliothekar in Donaueschingen weilenden Joseph Viktor von Scheffel, der den Qyellensprung in seine ,Juniperus“­ Erzählung übernahm, in dieser jedoch zu einem mittelalterlichen Allmendshofener Fastnachts-Brauch umformte. Da in einem der Gedichte des Donauquel­ len-Protokollbuchs betont wird, der Sprung in die Donauquelle entspreche „uraltem Brauch und Herkommen“, kann durchaus ein noch in heidnische Zeiten zurückrei­ chender Vorläufer dieses Kuriosums in Betracht gezogen werden. Es wäre dies ein weiteres Beispiel unter den mannigfaltigen Ausdrucksformen, die sich die ursprünglich religiös motiv1erte Quellverehrung im Brauchtum der abendländischen Völker seit der Antike geschaffen hat. Jedenfalls sollte uns die Bemerkung Pirckheimers nachdenk­ lich stimmen, mit ihrem Besuch hätten sich König Maximilian und sein Gefolge nicht nur in allerhand Lustbarkeiten ergangen, sondern auch die Qyelle geehrt. Auf Ereignisse desselben Jahres 1499, in dem König Maximilian die Donauquelle zu Donaueschingen besuchte, bezieht sich der Kupferstich eines niederrheinischen Mei­ sters, der uns nur unter seinem Monogramm „PPW“ bekannt ist. Dieses Werk bildet den erweiterten Bodenseeraum ab und schildert vor dem landschaftlichen Hintergrund Er­ eignisse des sogenannten „Schweizerkriegs“. Zur Landschaftskulisse zählt auch eine Orts­ ansicht von Donaueschingen, die freilich im Genrehaften verbleibt und ein reines Phanta­ siegebilde des Künstlers darstellen dürfte. Wichtiger ist indes der über der Vedute ange­ brachte Hinweis, in Donaueschingen ent­ springe die Donau. 240 Karte der Baar mit Darstellung der Donauquelle von Sebastian Münster (1538). Der Abfluß der Schloßhefquelle trägt den Namen Donau – vor der Einmündung in die Brigach und späterer Aufnahme der Breg. Zum gleichen Urteil gelangte kaum 40 Jahre später aus eigener Anschauung der berühmte Kosmograph Sebastian Münster, den das Problem des Donauursprungs leb­ haft beschäftigt hatte und der daher sogar nach Donaueschingen gereist war. Er hinter­ ließ uns eine recht genaue Beschreibung: Zum damaligen Zeitpunkt sei die Qyelle von einem kleinen rechteckigen Mäuerchen umgeben gewesen, dessen Maße ungefähr 26 Fuß in der Länge und 18 Fuß in der Breite betragen hätten, also etwa 7,80 Meter auf 5,40 Meter. Der Ausfluß der Qyelle war nach Münsters Angaben 2 Fuß (ca. 60 Zentimeter) breit und 1 Fuß (ca. 30 Zentimeter) tief; das Qyellbächlein flösse nur zwei Steinwürfe vom Schloß entfernt in die Brigach. Von die-

Donaueschingen unterzogen hat, um sich vor Ort der Verhältnisse zu versichern. Um so auffallender muß es uns jedoch erschei­ nen, daß Glareans Freiburger Schüler Johann Georg Schinbain (latinisiert „Tibianus“ genannt) in seiner sogenannten „Schwarz­ waldkarte“, einem bedeutenden Werk in der Geschichte der südwestdeutschen Kartogra­ phie, demonstrativ die Donau in Donau­ eschingen entstehen und erst außerhalb des Ortes mit Brigach und Breg zusammenflie­ ßen läßt. Immerhin hatte Glarean, wie es scheint, den Stein ins Rollen gebracht. In den beiden folgenden Jahrhunderten wurde häufig zur Frage der Donauquelle Stellung bezogen, wobei sich nunmehr verschiedene Theorien abwechselten, gleichgültig bis resignierend nebeneinander gestellt oder von den Auto­ ren laue Kompromißhaltungen eingenom­ men wurden. Möglich war diese Meinungs­ vielfalt, von der wir ja schon eingangs durch die Klage Gabelkhovers gehört haben, aller­ dings nur wegen des unklaren Überliefe­ rungsbefundes: die antiken Autoren, die nunmehr von den humanistischen Gelehr­ ten (neu) herausgegeben und kommentiert wurden, hatten nirgends eine eindeutige Aussage zur präzisen Lokalisierung der Donauquelle(n) getroffen. Daß die humanistischen Autoren die Dis­ kussion dieser Frage zum Anlaß nahmen, ihre Belesenheit und ihren Scharfsinn her­ auszustellen, trug keineswegs zu einer Klä­ rung der Frage bei. Dennoch wohnte ihren gelehrten Spiegelfechtereien noch nicht jener polemische Zug inne, der die Behand­ lung des Themas vornehmlich im 18. Jahr­ hundert kennzeichnen sollte. Eine Gruppe ebenso gelehrter wie bornierter Eiferer, deren patriotisches Empfinden die deutsche Klein­ staaterei jener Zeit noch von ihrer eher komi­ schen Seite zeigt, vergoß Ströme von Tinte und Druckerschwärze, um zu beweisen, daß die Donau auf fürsten bergischem, württem­ bergischem oder österreichischem Boden ihren Anfang nehme. Den dicksten Vogel schoß jedoch 1711 der Züricher Arzt und 241 Ausschnitt aus der sog. ,,Schwarzwaldkarte“ des Johannes Tibianus (um 1580). Die Donau ent­ springt unterhalb der Donaueschinger Pfarrkirche (,,FONS DANVBJJ“). sem Punkt ab sei von der Donau die Rede, die dann einen Büchsenschuß weiter Rich­ tung Süden die Breg aufnehme. Der sorg­ same Wissenschaftler Münster hat seine Ein­ drücke sogar in einer Karte festgehalten, einem Holzschnitt im Maßstab von etwa 1:160 000. Die erste erkennbare Abkehr vom Donaueschinger Donauursprung spricht aus Erörterungen des aus dem schweizerischen Glarus stammenden Freiburger Professors Heinrich Loriti, genannt „Glareanus“ (1488 – 1563), der sich in einem Cäsar-Kommentar ausführlich über unser Thema verbreitete und für die beiden Quellflüsse Brigach und Breg eintrat. Nicht bekannt ist, ob Glarean sich wie Münster der Mühe einer Reise nach

Mathematiker Johann Jakob Scheuchzer ab, der kurzerhand die Q!iellen von Inn und Donau für identisch erklärte und somit für beide Ströme eidgenössischen Ursprung reklamierte. Schon damals wäre die Streitsache also würdig gewesen, vor einem Narrengericht verhandelt zu werden, wie dies denn vor eini­ gen Jahren in Stockach schließlich der Fall war. Das in kleinstaatlich geprägtem Bewußt­ sein des 18. Jahrhunderts betriebene Tauzie­ hen um den Besitz der Donauquelle wurde inzwischen von lokalpatriotischen Empfind­ lichkeiten zwischen Donaueschingen und Furtwangen abgelöst. Als neuer Aspekt einer alten Auseinandersetzung sind Fremdenver­ kehrs-Interessen hinzugetreten, die vor Ort nicht gering veranschlagt werden. Auf den zeitlosen Kern des Phänomens hinzuweisen, bleibt dem Künstler vorbehal­ ten. In unseren Tagen hat dies Anselm Kiefer mit seiner Installation „Die Donauquelle“ getan, über die eine Bild-Dokumentation (Köln 1978) vorliegt. Sie stellt auf ihre Weise in den Blick, was einst schon der römische Philosoph Seneca unterstrichen hatte: daß wir die Q!iellen großer Flüsse verehren. Volkhard Huth * Der Sprung in die Donauquelle nach einer historisierenden Darstellung des 19. Jahrhunderts 242

Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis In diesem Jahrgang werden 5 Naturdenk­ mäler vorgestellt, davon 2 Linden in Nieder­ eschach, 2 Fichten und 1 Esche im Nieder­ eschacher Ortsteil Fischbach. An der Südseite des Kirchplatzes im Zen­ trum von Niedereschach stehen die im Jahr 1780 angepflanzten Linden. Ineinandergrei­ fende Äste der beiden Bäume, ausgestattet mit sattgrünem Laub in der warmen Jahres­ zeit, bilden ein dichtes, Schatten spendendes Dach. Seit dem Jahr 1941 gehören diese „Kirchlinden“, wie sie auch genannt werden, dem Kreis der Naturdenkmäler an. Von einer mit einem Springbrunnen bereicherten Grünanlage führt eine Treppe hinauf zum Standort der beiden mächtigen, hochge­ wachsenen Linden, wo der Ausblick zum Rathaus hinüber frei ist. Auch wenn Moto­ renlärm von den nahen Straßen bis zu den Kirchlinden vordringt, lohnt sich dennoch ein Besuch bei diesen Naturdenkmälern inmitten der pulsierenden Gemeinde Nie­ dereschach. Außer der Paulislinde und der Moritz­ linde, die im Almanach Jahrgang 1983 (Seite Niedereschach, Kirchturm mit zwei Linden Zeichnung: Heinrich Stern.fichten in Niedereschach-Fischbach Zeichnung: Heinrich 197) erwähnt wurden, bietet der Ortsteil Fischbach 3 weitere Naturdenkmäler zur Besichtigung an. Die Stippvisite gilt zu­ nächst 2 Fichten an der Sommerbergstraße, etwa 100 Meter nördlich der Kirche. Seit 30 Jahren zählen diese im Jahr 1840 angepflanz­ ten Fichten zu den Naturdenkmälern. Ihre Bezeichnung „Sternfichten“ geht auf die Grundstückseigentümer mit Namen „Stern“ zurück. Obwohl Holunderbüsche diese Fichten einrahmen und zieren, ist nicht zu übersehen, daß die Sternfichten kränkeln. 243

Zeichnung: Heinrich Seniorin. Ihre starken Äste überdecken einen Kreis mit einem Durchmesser von rund 30 Metern und ragen über die Straße, die zur renovierten Sinkinger Kapelle (Almanach 1983, Seiten 146-148) führt. Werner Heidinger * Georgs-Esche in Niedereschach-Fischbach Ein Stamm ist besonders stark beschädigt. Spuren schädlicher Belastungen lassen die herabhängenden und teils gelichteten Äste und Zweige erkennen. Ob da noch etwas zu retten ist? Trotz ihres hohen Alters von fast 230 Jah­ ren und trotz einiger durch Blitze ver­ ursachte Blessuren zeigt sich die „Georgs­ esche“ an der Sinkinger Straße noch immer in einem frischen Zustand. Auch ohne das Täfelchen „Naturdenkmal“ schmückt diese im Jahr 1941 als Naturdenkmal ausgewiesene Esche mit einer Höhe von 25 Metern das bäuerliche Anwesen von Rudolf Müller, des­ sen Vater Georg der Esche den Namen gab. Unter den 4 im Schwarzwald-Baar-Kreis geschützten Eschen ist die Georgsesche die 244

Der Schwarzspecht Wer hat ihn nicht schon einmal gesehen, den krähengroßen schwarzen Waldzimmer­ meister, wenn er im bogenförmigen Flug einen neuen Standort aufsucht. Die Rede ist vom Schwarzspecht, der den Schwarzwald und die Wälder der Baar glei­ chermaßen bewohnt. In dem Hochwald nahe der Stadt ist die Schneedecke noch geschlossen. Leise Kon­ taktrufe von wandernden Baumläufern, Mei­ sen und Goldhähnchen dringen durch den stillen, winterlichen Forst. Da schnurrt es zwischen den Bäumen. Ein großer schwarzer Vogel kommt im Bogenflug daher und lan­ det am Stamm einer hohen Fichte. Mit sei­ nen langen Krallen hält er sich an der Baumrinde fest, während der Körper gegen den Stamm zu noch von den Schwanzfedern abgestützt wird. Der Vogel sichert eine Weile. Mit ruckartigen Bewegungen umkreist er den Stamm, bis er die richtige Stelle gefunden hat. Mit wuchtigen Hieben seines Schnabels meißelt er anschließend Holzspan um Holz­ span aus dem Stamm. Es ist der große Waldspecht, der Schwarz­ specht, der hier nach Herkulesameisen sucht. Der Stamm hat vom Boden bis in ca. 3 Meter Höhe schon mehrere ovale Löcher, die bis zu dem Kern des Stammes reichen. An dem Stammkern erkennt man die Rotfäule. Der Baum ist krank. Sollte der Naturfreund ein­ mal an einem solchen Baum vorbeikommen, so hat er jetzt gelernt; mehrere Löcher neben­ und untereinander in der beschriebenen Höhe sind das Werk des Schwarzspechtes. In diesem Stamm meißelt er in der Regel jedoch keine Schlaf-oder Bruthöhle. Nach einer Weile klettert der Specht an dem Stamm etwas höher, läßt sich fallen und mit lauten Tm-Rufen fliegt er den nächsten Baum an. Hart schlägt der Schnabel wieder zu. In großen Fetzen fliegt die Rinde von dem Stamm des abgestorbenen Baumes. Die Zunge, die bis 5 cm über die Schnabelspitze reicht, schnellt heraus und holt sich die unter der Baumrinde versteckten Larven und Pup­ pen von Ameisen, von Borken-, Bock-und Rüsselkäfern, von Holz-und Blattwespen. Der Speisezettel wird noch angereichert durch Spinnen, Raupen, kleinere Schnecken, Kiefernsamen und Baumfrüchte wie Kir­ schen. Weiter geht die Nahrungssuche, Tag für Tag. Unmengen von Baumschädlingen werden dabei vertilgt. Vermorschte Baumstümpfe sucht der Schwarzspecht besonders gern auf Diese findet er noch zielsicher, wenn sie unter einer Schneedecke begraben sind. Ende März, Anfang April verstärkt sich der Schwirrflug des Waldspechtes. Häufig klingt jetzt sein lauter Ruf durch den Forst. Ein neues Geräusch ist dazu gekommen. Auf einem Ast, der eine entsprechende Resonanz hergibt, trommelt er seinen Wirbel wieder und wieder. Das ist die Aufforderung an Frau Specht, hier in diesem Revierteil eine Höhle zu beziehen und ei.qe Familie zu gründen. Herr und Frau Specht haben während der Revierbildung Höhlenbäume inspiziert und sich einen Schlafraum ausgesucht, der in den nächsten Wochen neben der Bruthöhle immer wieder aufgesucht wird. Wird bei dieser Suche keine entspre­ chende Bruthöhle gefunden, wird eine neue angelegt. Dabei werden Bäume bevorzugt, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Das sind glattrindige Stämme, die auf einer Länge von 4 bis 10 Meter keinen Ast aufwei­ sen und deren Durchmesser im oberen ast­ freien Teil noch ca. 35 cm beträgt. Die Stand­ orte der Nachbarbäume sollten so liegen, daß sie den freien Anflug zu dem Nistbaum nicht behindern. Wenn die ersten Schlüsselblumen blühen, ist es soweit. In 8 bis 12 Meter Höhe wird, nach Möglichkeit in einer Buche, waagerecht ein ovales Loch gemeißelt. Wenn der Kern des Stammes erreicht ist, geht es 31 bis 55 cm nach unten. 25 cm beträgt in der Regel der Höhlendurchmesser. 245

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7 1 Schwarzspecht an der Bruthöhle. 2 Ist der junge Schwarzspecht etwas älter, erwar­ tet er die futterbringenden Eltern am Einflugloch. 3 Neben der Bruthöhle hat der Schwarzspecht noch eine Schlafhöhle. 4 Während des ganzen Tages sucht der Schwarz­ specht die Stämme nach holzbewohnenden Insek­ ten ab. 5 Jungspecht beim Verlassen der Bruthöhle. 6 Finden wir einen Baum mit derartigen Löchern, haben wir eine immer wieder auf gesuchte Futterstelle des Schwarzspechtes vor uns. 7 Eine Tanne oder Fichte wird bei dem nächsten grijßeren Sturm in der Höhe der Schwarzspecht­ höhle abbrechen. 247 6

Erst wird eine Weile gemeißelt, dann wer­ den die Späne in weiten Bogen aus der entste­ henden Höhle herausgeworfen. 50 Minuten hackt der Specht an seinem Bauwerk, dann ruft er mit einem langgezogenen und lauten „Kliä“ seinen Partner zur Ablösung herbei. Wenn dieser in der Nähe ist, wird demonstra­ tiv nochmals gegen den Rand der Höhle geklopft. In die Arbeit des ersten Bauabschnittes, der den sichtbaren äußeren Teil betrifft, tei­ len sich Männchen und Weibchen fast gleichmäßig. Wenn es jedoch an das Innere geht, darf das Weibchen weitgehend, oder ganz allein, das Zimmerergeschäft fortfüh­ ren. Das Männchen kann in dieser Zeit mit dem Bau anderer Höhlen beginnen. Diese Arbeiten werden jedoch in der Anfangsphase wieder eingestellt. Das Herausstemmen des Holzes geschieht mit hintereinanderfolgenden Schnabelhieben. So eine Schlagfolge umfaßt im Durchschnitt 100 Hiebe, 3 bis 17, aus­ nahmsweise auch einmal 32 in der Minute. Die Zeit der größten Bauaktivität ist der Vor­ mittag. Um nur einen Span loszumeißeln, sind bei einer Buche 17 Hiebe notwendig. Ca. 10 000 Späne fallen beim Bau einer Höhle an. Wer selbst einmal Hartholz bearbeitet hat, weiß, welche Kraft aufgewendet werden muß und was deshalb für ein Werkzeug so ein Spechtschnabel darstellt. 2 Wochen vor Beginn der Eiablage kann das Weibchen aus ihrer Schlaf-in die Brut­ höhle übersiedeln. Das Männchen hat es nicht so eilig. Es übernachtet häufig weiter in seiner alten Schlafhöhle, die nicht unbedingt in der Nähe des Brutbaumes liegen muß. Die bisher weiteste bekannte Entfernung zwi­ schen den beiden Standorten betrug 2,5 km. Für die Anlage einer Höhle benötigen unsere Zimmermeister bei einem Weich­ holzbaum 14 Tage und bei einem Hartholz­ baum 23 bis 28 Tage. Nimmt die Höhlentiefe in einer Buche im Laufe der Jahre zu, sie erreicht dann bis 90 cm, wird das Einflugloch nach unten verlegt. So kommt es hin und wieder zu 3 übereinan- 248 derliegenden Löchern. Derartige Höhlen werden nicht mehr zum Brüten, sondern nur noch zum Schlafen aufgesucht. 15 Jahre diente eine solche beobachtete Höhle Schwarzspechten als Schlafraum. Bei Tannen oder Fichten wird man ver­ geblich nach diesem Dreifachlöchern suchen. Sie brechen schon bei den nächsten Herbst-oder Frühjahrsstürmen im Höhlen­ bereich ab. Angefangene Schwarzspechthöhlen, deren Bau eingestellt wurde, faulen teilweise aus. Es ist dann nichts außergewöhnliches, daß nach 5 oder 6 Jahren die Arbeit fortge­ setzt und beendet wird. Haben die Schwarzspechte eine Brut­ höhle bezogen, kann sie ihnen von anderen Höhlenbewohnern streitig gemacht werden. Das sind Hohltauben, Blauracken und Rau­ fußkäuze. Sogar von dem weit kleineren Star läßt er sich vertreiben. Die Ablage der 3 bis 5 Eier erfolgt ü berwie­ gend Mitte April. Nach einer Brutdauer von 12 Tagen schlüpfen die Jungen. Vom Verlas­ sen des Eies bis zum Ausfliegen vergehen 27 bis 28 Tage. Bei kalter Witterung verlängert sich der Aufenthalt in der Höhle nochmals um 3 Tage. Während der Brut-und Huderzeit führt eindringendes Wasser öfters zum Verlust des Geleges oder der Jungen. Bei der Brutablösung wird die Höhle mit „Kürr“-Rufen angeflogen. Am Landeplatz fordert ein „Kijak“ und ein Klopfen den Part­ ner zur Ablösung auf. Sind die Jungen 5 Tage alt, fliegen die Alt­ vögel die Höhle 12mal am Tag zur Fütterung an. 16 bis 24mal täglich erfolgt die Futter­ übergabe, wenn die Jungen 20 Tage alt sind. Das steigert sich nochmals bis zum 24. Tag um dann bis zum Zeitpunkt des Ausfliegens wieder abzunehmen. Sind nach dem Schlüp­ fen noch keine 10 Tage vergangen, finden sich bei entsprechenden schlechten Wetter­ verhältnissen auch einmal beide Altvögel bei ihnen in der Höhle ein. Ist während dieser Zeit kein hudernder Altvogel in der Höhle, ruhen die kleinen Spechte in einer Art Wär-

mepyramide. Sie umschlingen sich mit den Hälsen und erreichen dadurch für sich selbst den besten Wärmeschutz. Gegenüber Artgenossen sind sie in der Brut- und Aufzuchtzeit besonders aggressiv. Vom Brutbaum aus gerechnet, wird in einem Umkreis von 25 ha jeder fremde Specht ver­ trieben. Infolge dieser Verhaltensweise ist auch eine besetzte Bruthöhle im angrenzen­ den Schwarzspechtrevier in der Regel erst in einer Entfernung von 900 Meter zu finden. Im Alter von 14 bis 17 Tagen erreichen die Jungen schon kletternd das Flugloch und erwarten hier ihre futterbringenden Eltern. Das Ende der Nestlingszeit und das Verlas­ sen der Bruthöhle wird durch Lockrufe und die bereits erwähnte verminderte Fütterung gefördert. Obwohl das Gefiederwachstum der Jungspechte zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist, können sie beim Ausfliegen auf Anhieb eine Strecke von 100 Meter überwinden. Die Jungen werden in ein deckungsbietendes Revierteil geführt, wel­ ches vom Brutplatz 1 bis 3 km entfernt sein kann. Sperber, Wanderfalke und Uhu stellen ihm gelegentlich nach. Er ist aber in der Lage, sich durch entsprechende Ausweichmanöver sei­ nen Flugfeinden zu entziehen. Bei seinem bogenförmigen Streckenflug erreicht er 28 bis 39 km/h, wobei er sich bei der Flucht im nach unten gerichteten Flug auf 60 km/h steigern kann. Eindringende Feuchtigkeit in den Schlafhöhlen, die zu einer Vereisung des Gefieders führt, und starker Harzfluß sind weitere Verlustursachen. Schwarzspechte sind Standvögel, die auch außerhalb der Brutzeit in der Nähe des Auf­ zuchtplatzes bleiben. Die Jungvögel machen nach der Familienauflösung ebenfalls keine weite Reise. In den meisten Fällen suchen und finden sie ein eigenes Revier, welches höchstens bis 45 km vom Geburtsort ent­ fernt liegt. Außnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. Der Lebensraum des Schwarzspechtes sind alle größeren Waldgebiete mit Altholz­ beständen. Buchenwälder werden dabei deutlich bevorzugt. Im Gebirgswald reicht sein Biotop bis in 2000 Meter Höhe. Geht es auf den Abend zu, locken die Eltern ihre Jungen in die Nähe von Schlaf­ höhlen. Die Inanspruchnahme durch die Jungvögel ist jedoch mäßig. Lieber schlafen sie jetzt noch in Kletterstellung an einem geschützten Stammteil. Für die alten Schwarzspechte sind die Schlafhöhlen nicht nur Übernachtungs­ plätze, sondern bei schlechtem Wetter auch tagsüber Zufluchtsorte. Nach dem Ausflie­ gen versorgen die Altvögel ihre Jungen noch 4 Wochen mit Futter. Ende Juli, Anfang August hört dann die elterliche Fürsorge auf. Die Schwarzspechthöhle dient nach der Jun­ genaufzucht von vielen anderen Tieren als Wohnung oder Unterschlupf. Dazu gehören Hohltauben, Stare, Meisen, Kleiber, Wald­ käuze, Siebenschläfer, Baummarder, Bienen und Wespen. Rauhfußkäuze, Der Schwarzspecht bleibt in seinem Revier nicht ganz unbehelligt. Als Freßfeinde hat er dabei den Habicht und den Baummar­ der am meisten zu fürchten. Doch auch Als nach dem Ende der letzten Eiszeit sich in Mitteleuropa Kiefernwälder ausbreiteten, setzte in diesen Arealen auch die Besiedlung durch den Schwarzspecht ein. Dieser Lebensraum wurde in den Tieflagen Frank­ reichs, in Belgien, den Niederlanden und in der norddeutschen Tiefebene durch das Abholzen der Altholzbestände weitgehend zerstört. Erst als im 19. Jahrhundert der Niederwald wieder zum Hochwald heranwachsen konnte und sich die Fichtenkulturen immer stärker ausbreiteten, besetzte der Schwarz­ specht seine ehemaligen Areale wieder. Heute gehören zu seinem Lebensraum größere, von Lichtungen und Wiesen unter­ brochene Nadel-Laubmischwälder oder auch reine Nadel- oder Laubbestände. Die Flächenausdehnung des reinen Waldrevieres liegt in Mitteleuropa in der Regel bei 300 bis 400 ha, wobei die Gesamtfläche des bean­ spruchten Gebietes durch die Wiesenbe­ standteile größer ist. 249

Der Balzer Herrgott Ein Naturdenkmal bleibt erhalten In einem Tannen-Buchenwald können infolge der dort herrschenden optimalen Lebensbedingungen die Reviergrößen in Altholzbeständen auf unter 100 ha zurückge­ hen. Die Anlage der Nisthöhlen ist jedoch nicht nur auf die beschriebenen Gebiete beschränkt. So zieht der Schwarzspecht seine Jungen in Feldgehölzen und in Ausnahme­ fällen auch in Bäumen groß, die einzeln in einem Wiesengelände stehen, wenn die Ent­ fernung zu ausgedehnten Altholzbeständen nicht zu weit ist. Menschliche Ansiedlungen werden ebenfalls nicht gemieden, dabei kann Unter den zahlreichen Naturdenkmälern des Schwarzwald-Baar-Kreises ist der an der Westgrenze unseres Landkreises, auf der Gemeinde Gütenbach gelegene „Balzer­ Herrgott“ eines der bekanntesten. Zahlreiche örtliche und überörtliche Wanderwege füh­ ren an ihm vorbei. Tausende statten jährlich dem „Herrgott in der Buche“ einen Besuch ab. Sie bestaunen die mächtige Buche, die im Laufe eines Jahrhunderts einen steinernen Christuskörper, bis auf einen nicht mehr all­ zugroßen Rest, in sich aufgenommen hat. Nur noch das dornengekrönte Haupt ist sichtbar. Wenn man den Erzählungen alter Einhei­ mischer glaubt, sind es jetzt etwa 100 Jahre her -ein paar mehr, ein paar weniger-, seit der „Schninder Fritz“ mit seinen Kameraden den Herrgott „in die Ecke gestellt hat“. So drückte sich ein „Alter“ aus, der darüber noch mehr gewußt hat als wir „Jungen“. Bei ihm stand der Herrgott im „Winkel“. Es war der ,,Winkel-Herrgott“. Der Name „Balzer-Herr­ gott“ sei „eben“ aufgekommen. Er meinte in den 20er Jahren. Im übrigen war das Natur­ wunder für ihn nichts Besonderes, denn der Herrgott wurde ja nur von Buben aufgestellt, und er belächelte die „Fremden“, die ihn 250 es nur wenige Meter neben den Häusern zu dem Bau einer Bruthöhle kommen. Er ist nicht mehr häufig, der schwarze Geselle. Er ist in der Roten Liste aufgeführt und war deshalb schon einmal der Vogel des Jahres. Auch in den Wäldern wird mit Chemie gearbeitet und die heutigen Waldstrukturen sind für ihn nicht gerade das ideale Biotop. Das Waldsterben wird neue Probleme für das Überleben dieses schönen Waldspechtes bringen. Freuen wir uns deshalb heute noch, wenn wir den Ruf des schwarzen Zimmer­ meisters hören. Roland Kalb bestaunten. -Inzwischen ist der „Alte“ auch schon längst gestorben. Als der Herrgott an die Buche gestellt wurde, sah die „Welt“ im Winkel, dem Namen des Gewannes hinter dem Fallen­ grund, noch anders aus. Wo heute schöner Hochwald steht, war früher nur landwirt­ schaftlich genutzte Fläche -Reut-und Waid­ feld unterbrochen von einzelnen Bäumen und Hecken. Eine Reihe selbständiger „Ört­ chen“ -kleine Bauergütlein -zogen sich an der furchtbar steilen Halde, von der „Fallen­ gründer-Höhe“, dem Sirnmelberg, hinunter in das Tal der Wilden Gutach. Winkelhof und Mörderloch, Ober-und Unterlangen­ grund, Sattelhof, Oberer und Unterer Holz­ schlag, auch Oberer und Unterer Jägersteig genannt, und ganz oben das Schanzhäusle waren deren Namen. Ihre Besitzer konnten sich 2-4 Kühe halten, einige Ziegen, Schafe und Schweine, daneben fertigten sie Uhren an oder taglöhnerten. Im sonnigen Sattel­ hang wuchs das beste Korn der ganzen Unsere Aufaahmen zeigen (von links nach rechts und von oben nach unten) den Balzer-Herrgott aus.folgenden Jahren: um 1930, nach 1934, zwi­ schen 1950-1955, 1975, 1984, 1985.

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Umgebung. Besiedelt wurde die Halde im 17. Jahrhundert vom Oberfallengrund aus, frü­ her einer der größten Höfe im Umkreis. Die heutigen Besucher können es sich nicht vor­ stellen, daß dieses häldige steinige Gelände bis Anfang des 20. Jahrhunderts landwirt­ schaftlich genutzt wurde, wenn es ihnen jemand erzählt, schütteln sie meist ungläubig die Köpfe. Die Buche stand damals allein. Sie war eine Wetterbuche. Am Stamm kann man es noch erkennen. Sie war von den an diesem Hang arg tobenden Weststürmen arg zer­ zaust. Von ihr aus hatte man einen herrlichen Blick weit hinaus in das zu jener Zeit nur schwach bewaldete Simonswälder Tal und in die Wilde Gutach, vom Hörnleberg bis zum Steinberg. Es wurde sogar einmal ein Hin­ weisschild „zur schönen Aussicht“ ange­ bracht. Mit dem Niedergang der handwerklichen Anfertigung der Schwarzwälder Uhren um die Jahrhundertwende wurden die Gütlein an der Halde an die Domäne verkauft. Nach­ dem 1904 auch der Oberfallengrundbauer das Feld auf dem die Buche steht an die Domäne verkaufte, hatte diese ein abgerun­ detes Areal. Der ganze Hang wurde ange­ setzt. 1908 war die Arbeit beendet. Der junge Wald wuchs und wuchs. Bald stand die Buche im Schutz der Tannen. Sie war nun nicht mehr den Stürmen ausgesetzt und wurde dick und breit. Jedes Jahr schob sich die Baumrinde ein kleines Stückchen weiter über den steinernen Herrgott, der angeblich aus bei St. Georgen (Freiburg) gebrochenem Kalkstein besteht. An den Bildern kann man es am besten erkennen. 1986 war sein Ein­ wachsen in die Buche absehbar. Es bestand aber auch die Gefahr, daß der eingeschlos­ sene Corpus unter dem Druck des Baumes zerbrechen könnte. Immer wieder wurde von den Freunden der Buche gefragt was man dagegen tun könnte. Schon seit 1984 wurde darüber bera­ ten. Der Natur ihren Lauf lassen sagten die Einen und das waren nicht wenige. Andere meinten man solle den Herrgott neu gestal- 252

ten, vielleicht in Form eines Bildstöckchens. Eine andere Gruppe war fürs Freihauen. Von weit her mischten sich Freunde der Buche voller Sorge ein. Auch die Behörden mach­ ten Vorschläge und Auflagen. Es wurde hart debattiert. Das Für und Wider abgewogen. Schließlich setzten sich diejenigen durch, die für das Freihauen waren. Fachleute von der Mainau wurden zu Rate gezogen. Im November 1986 machte sich der Holzschnit­ zer JosefRombach von Gütenbach daran, 10 cm der Umwallung zu beseitigen. Die Baum­ spezialisten von der Mainau versiegelten das freigelegte Holz gegen Pilze und Feuchtig­ keit und schufen eine künstliche Rinde. Gleichzeitig wurde der Wurzelbereich einge­ friedet und unter Zuhilfenahme der Drehlei­ ter der Furtwanger Feuerwehr die Krone von angefaulten und angerissenen Ästen befreit. Alles in allem, es wurde ein gelungenes Werk und es besteht die Hoffnung, daß uns der „Balzer“ -oder wie die Alten sagen, der ,, Winkelherrgott“ noch lange erhalten bleibt. Karl Fehrenbach * Es beißt in alle Fingerspitzen, Der Hauch wird heiß vom Mund, Durch alle Tür-und Fensterritzen Tut strenger Frost sich kund. Die Säfte aller Pflanzen stocken, Verstummt sind Sang und Schall; Vom trüben Himmel wirbeln Flocken, Das Wasser wird Kristall. So ist er wieder denn gekommen Der rauhe, harte Mann; Er ist uns auch nicht unwillkommen In der Gezeiten Bahn. Bringt er doch ja ein lieblich Fest Für jedes Kinderherz; Er unterhält uns auch aufs best‘ Durch Sport und Maskenscherz. G.Frank253 Winter Neueste Ansicht des Balz.er Herrgotts nach dem Freihauen. Schlittenfahren Geht weg, ihr Leut‘, geht alle weg! So schreit der kleine Maxl Beck, Und kommt auf seinem Schlitten Gar mutig angeritten. Nun saust auch schon der kühne Zwerg Hinab den hohen, steilen Berg; Da wirfts ihn plötzlich in den Schnee, Doch Maxl ruft: ,,Das tut nicht weh!“ Schnell raffet er sich wieder auf, Gewinnt den Berg in flinkem Lauf, Fährt wiederholt hinunter Und ist so froh, so munter. Erst wenn gekommen ist die Nacht Und wenn der Mond am Himmel wacht, Dann zieht er seinen Schlitten heim Und spricht zur Mutter: ,,Das war fein!“ G.Frank

Übersicht über die Moore im Schwarzwald-Baar-Kreis Im Almanach werden von Zeit zu Zeil einzelne Moore dargestellt. Nach.folgend eine Übersicht über alle Moore im Schwarzwald-Baar-Kreis: 1 Sauermatten se Schwedenschanze, 6 ha 2 Hochmoor n Moosschachen/ Martinskap., 5 ha 3 Elz-Südquelle, 7 ha 4 BärtNordere Wilhelmshöhe, 1,5 ha 5 oberh. Torfstich Sulzbach w Schonach, 1,5 ha 6 Feldern (Wolfbauernmoor) sw Schonach, 6 ha 7 Blindensee-Moor, 28 ha 8 Haldenmathis sw Triberg, 13 ha 9 AuPm Bühl s U.wk. Schönwald, 6 ha 10 Schwarzenmoos, Mühleberg e Schönwald, 1,5 ha 11 Oberliemberg n u. w d. Kap., 2 ha 12 zw. Kreuzweg u. Schlüpfle sw St. Georgen, 15 ha 13 Glasbach-Aue zw. Lindenlach u. Muckenloch, 2 ha 14 Kienmooswald-Zentralbereich, 20 ha 15 Brudermoos E-Teil (Brigach-Aue), 5 ha 16 Eschach-O!lelle Rotenmühle/ Ebenhausen, 5 ha 17 Briglirain-Filz am Furtwänglehof, 15 ha 18 Gutach-O!lelle n Kap. e Schönwald, 6 ha 19 Gutach-O!lelle zw. Kap. u. Tiefenb. e Schönwald, 3 ha 20 zw. Doldenhof u. Doldenhäusle Rohrbach-Obertal, 1 ha 21 Breg-Aue Zitriakenhof/Rotbauernhof, 4 ha 22 Moosloch ne Unterkirnach, 0,5 ha 254 23 Rotmoos im Langmoos, Unterkirnach, 9 ha 24 Schweigerstraßen-Täle, Volkertsweiler, 3 ha 25 Plattenmoos, 45 ha 26 Großes Tal/Bondelgraben w Überauchen, 4 ha 27 Talbach s Steinbruch e Marbach, 3 ha 28 Schwenninger Moos mit „91″, 91,6 ha 29 Ried n Stunzenbühl, 7,5 ha 30 „See“ b. Kläranl. Bad Dürrheim, 15 ha 31 Schabe! e Ankenbuck, 1 ha 32 Falzmoose e Bubenbach, 70 ha 33 Wuhrholz, noch 18 ha 34 Torfried n Sumpfohren, noch 20 ha? 35 Hinterried b. Gauchsbrunnen ne Pfohren, 27 ha 36 Michelbrunnen/Bondern ne Pfohren, 16 ha 37 Birkenried u. Unterhölzer Weiher, 80 ha 38 Zollhausried, 70 ha 39 Kummenried sw Riedöschingen, 16 ha 40 Hondinger Ried (Steppacher Moor), 30 ha 41 Unterstetten e Whs. Längehaus, 10 ha 42 Neubreche, Wissigkofen s Flitzen, 1 ha Nach DIERSSEN & DIERSSEN: Vegeta­ tion und Flora der Schwarzwaldmoore. Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ. 39, Karlsruhe 1984. 512 S. t Dr. Alfred Benzing

BENZING’87 I o ……………….. .__._ …. s__.__ …………………. __ L __ 47°48′ * 255

Schwarzwald-Heimweh unter Palmen und Cypressen Was hat die Fremde mir gebracht? Viel Freud‘, – mehr Leid, eins nach dem Drum will ich vor dem Torschluß sacht Noch einmal nach der Heimat wandern. [andern; Dorthin, wo meiner Kindheit Tage, Und wo mein Elternhaus einst stand, Das ich so tief im Herzen trage, Wo ich so reiche Liebe fand! Noch einmal will ich alle sehen, Die meiner Kindheit Kamerad, Die Wege und die Stege gehen, Die in der Jugend ich betrat. Noch einmal will ich rückwärts schauen Und was mir lieb war, was mir wert, Soll wiederum mein Herz erbauen, Bevor es gänzlich stille steht. Das arme Herz! Kaum war’s gelandet, Zu eng ward ihm der Weltenraum! Ein Ruck – das Schifflein war gestrandet, Und alles ist nun wie ein Traum. Doch will ich nicht das Schicksal schelten, Ich will ihm danken, was es gab! Es gab mir viel! Könnt ich’s vergelten! Doch da ich selber nichts mehr hab‘. Die Heimat darf man nie vergessen! Daß man sie liebt, daß man sie ehrt, (Selbst unter Palmen und Cypressen, Vergiß sie nicht!), sie ist es wert. Drum laßt mich nicht in fremder Erde, Nein, schafft mich nach der Heimat hin, Damit ich dorten glücklich werde, Dort, dort wo ich geboren bin. Pflanzt einen Tannenbaum daneben, Und schreibt mir auf den Leichenstein: Die Heimat war sein Glück im Leben, Mög‘ sie es auch im Tode sein. Arthur Duffner 256 Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1. Evangelische Kirche Blumberg Oörg Michaelis, Blumberg) 2. Schwarzenbachtal Schönwald (Erwin Kienzler, Schonach) 3. Piuskapelle im Katzensteig (Erwin Kienzler, Schonach} 4. Blick ins Achdorfer Tal und auf den Eichberg Oörg Michaelis, Blumberg) 5. Weißenbachtal Schönwald (Erwin Kienzler, Schonach) 6. Schwenninger Moos Oörg Michaelis, Blumberg) 7. Blick aus dem Mauthe-Park im Stadtbezirk Schwenningen auf das evangelische Pfarrhaus (Wolfgang Brotz, Schwenningen} 8. Donauquelle im Schloßpark Donaueschingen Oörg Michaelis, Blumberg)

Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Das Gasthaus „Rößle Post“ in Unterkimach Zu den traditionsreichen, renommierten Gaststätten unseres Raumes gehört der Gasthof „Rößle Post“ in Unterkimach. Edgar Moser-Pendel steht seit 1984 diesem Hause vor. Nach dem Abitur studierte der junge Wirtssohn Volkswirtschaft in Mann­ heim. Später finden wir den Diplom-Volks­ wirt als Volontär in vielseitigem Einsatz in Hotels der französischen Hauptstadt Paris und in der irischen Metropole Dublin. Von 1980 bis 1982 ist er Betriebsassistent im Romantik-Hotel „Greifen-Post“ zu Feucht­ wangen. Mit vielseitigem Rüstzeug zur Füh­ rung einer Gaststätte kehrte er ins Elternhaus nach Unterkimach zurück. Die Küche wurde umgebaut, die Wirtschaftsräume renoviert. Es ging dem jungen Wirt darum, das Alte zu erhalten, zu ergänzen und moderne Akzente in der Ausstattung und Führung zu setzen. Wenn der Gast das Lokal betritt, so glaubt er, in eine Schwarzwaldstube einzutreten. Die Holzdielen, die aufgegliederten orna­ mentalen Holzwände mit dem „Rößle“ und den Monogrammen und die Holztäferung geben dem Lokal eine gewisse Intimität und Ruhe. Diese Heimeligkeit wird noch ver­ stärkt durch die Gardinen, die zahlreichen Lampen, die in hellem Blau gedeckten Tische mit modernem weißem Porzellan und passendem Besteck. Die Speisekarte weist eine gewisse Exklusivität auf, ,,doch soll nicht nur der Feinschmecker zufrieden sein, 257

auch der Stammtischbesucher und die Wan­ derer sollen sich zuhause fühlen“, meint der junge Wirt. Oftmals sieht man seine Mutter, Frau Hil­ degard Fendel -der Vater ist im vergangenen Jahr verstorben – in der Küche, bei der Wäsche, oder sich angeregt mit bekannten Gästen unterhaltend. Hier ist sie daheim, hier wurde sie geboren, arbeitete von früh an, hier in der Wirtsstube machten die beiden Söhne ihre Hausaufgaben für die Schule. Das Gasthaus „Rößle Post“ hat eine lange Geschichte, die eng mit der Geschichte von Unterkirnach verbunden ist. Das Anwesen wurde laut Aufzeichnungen als Gaststätte 1782 von einer Familie Bea erbaut. Der urkundlich erwähnte Wirt war Georg Mahl er (bis 1823). In einem Brief an den Bürgermei­ ster von Unterkirnach schrieb Karl Moser, der fünfte Wirt, auf die Anfänge bezugneh­ mend: „Der Erbauer (und hier ist Georg Mahler gemeint) erwarb die Schildgerechtig­ keit (Konzession) durch den Kauf des Rechts einer bereits bestehenden, vermutlich dann eingegangenen Wirtschaft. Nach damaligem Brauch kam dies äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß der Schild, was rechtens war, am neuen Platz angebracht wurde. Schild und Schankwand wurden damals als alter Bestand erworben.“ Stefan Glatz (1792-1865) heiratete die Wirtstochter Theresia Mahler. Durch diese Einheirat übernahm die junge Familie Glatz die Leitung der Gastwirtschaft zum „Rößle“. Das Geschlecht der Moser, bisher Bürger der Schwarzwaldgemeinde Unterkirnach, trat mit Wendelin Moser, der 1863 die Georg Glatzens Tochter Genoveva heiratete, in die Ahnenreihe des heutigen Besitzers. Er übei;­ nahm die Wirtschaft und begann den Aus­ bau, der nach seinem Tod von dessen Sohn Dominik Moser weitergeführt wurde. Der Zeit entsprechend entstand damals der Anbau und das schöne Holzgitter in den Gaststuben. Das „Rößle“ war inzwischen zur Posthalterei geworden, später installierte die großherzogliche Post die Telefonzentrale und die Telegrafenstation im Hause „Rößle- 258 Post“. Ferngespräche wurden durch die Wir­ tin an die Fernsprechteilnehmer des Ortes vermittelt. Da um die Jahrhundertwende Unterkirn­ ach und seine schöne Umgebung von vielen Ausflüglern besucht wurde, und zahlreiche Villinger auf dem alten Kirchweg, über Maria Tann, oder durch den Stadtwald, vorbei an der Ruine Kirneck den Ort erreichten, wurde auch eine Änderung des Angebots der Gastronomie notwendig. Hierzu gehörte die Einrichtung einer Gartenwirtschaft und der Bau eines Tanzsaals. Ein Prospekt des Hauses aus jener Zeit bringt für den heutigen Leser recht interes­ sante Passagen: „In Wiesengrün gebettet, von herrlichen Tannenwäldern umrankt, durchflossen von forellenreichen Bächen bietet Unterkirnach Platz dem Naturfreunde und dem Erholungsbedürftigen einen ange­ nehmen und erquickenden Sommeraufent­ halt. Prächtige Spazierwege durchqueren die Wälder, und zahlreiche Ruhebänke auf stil­ ler, schattiger Waldwiese oder aussichts­ reicher Höhe bieten dem Wanderer beschau­ liche Ruhe. Der Gasthof ,Rößle Post‘, in der Mitte des Dorfes gelegen, ist ein renommiertes Haus, hat komfortabel eingerichtete Zimmer, gute Küche, reelle Getränke und eigene landwirt­ schaftliche Produkte. Pension, incl. Zimmer von Mk 4,-an, je nach Lage und Ausstattung der Zimmer. Neben täglich zweimaliger Post-Omnibus-Verbindung steht das Fuhr­ werk jederzeit zur Verfügung.“ Die Besitzer des „Rößle“ waren eng mit der Gemeinde und der Schule verbunden: Stefan Glatz übernahm von seinem Vater Josef Glatz den Dienst des Lehrers und Schulverwalters. Als solcher und als Wirt ist er in den Kirchenbüchern genannt. Er unter­ richtete wie sein Vater dreißig Jahre lang die Kinder des Dorfes. Auch Karl Moser besuchte zuerst das Leh­ rerseminar in Meersburg; er wurde Lehrer. Doch nach Absolvierung einiger Lehrgänge an der Hotelfachschule in Frankfurt, kehrte er nach Unterkirnach zurück und übernahm

als fünfter Wirt die Gaststätte, wurde schließ­ lich Ratschreiber, Organist und Dirigent. Karl Moser war eine gebildete Persönlichkeit. Neben all den vielfältigen Aufgaben beschäf­ tigte er sich noch mit der Geschichte der Rog­ genbacher und der Herkunft der Flur- und Gewann-Namen. Karl Moser heiratete Frie­ da Kammerer vom „Zähringer Hof‘ in Vil­ lingen. Sie schenkte ihm zwei Söhne und zwei Töchter. Der älteste, Helmut, war Kunstmaler, er studierte und lebte bis zu sei­ nem frühen Tod in München. Kuno, der viel­ seitig begabte zweite Sohn, gründete nach Ausbildung und Studium einen feintechni­ schen Betrieb in Unterkirnach. Hildegard, die Mutter des jetzigen Besitzers, engagierte sich voll in der vielfachen Arbeit der Gast­ stätte, von Zeit zu Zeit auf Lehrgängen und Kurzaufenthalen in anderen Hotels, Kennt­ nisse und Erfahrungen sammelnd. Die jün­ gere Schwester verheiratete sich in die heu­ tige DDR. Kehren wir nun wieder zu Karl Moser zurück. Nach dem frühen Tod seiner Frau Frieda heiratete er Josefine Kammerer, die Schwester der Verstorbenen. Diese Frau wurde durch ihre Umsicht, ihre Freundlich­ keit und ihre Energie zum Mittelpunkt des Lokals, vor allem in den schweren Jahren des Zweiten Weltkrieges. Sie fand immer wieder eine Möglichkeit, z. B. bei Familienfeiern einen gedeckten Tisch zu präsentieren. Josef Fendel, Personalchef im „Feldberger Hof‘, ein gebürtiger Kölner, heiratete „des Reßles Dominis Karlis Tochter“ Hildegard. Der Zweite Weltkrieg hatte auch den Gasthof Rößle gezeichnet: Artilleriebeschuß und Einquartierung der Franzosen hinterlie­ ßen harte Spuren. Für Josef und Hildegard Fendel waren dies schwere Zeiten des Auf­ baus, der räumlichen Veränderungen und einer systematischen Öffentlichkeitsarbeit, Gäste zu gewinnen, was ihnen auch gelang. 1974 erfolgte aus Altersgründen die Verpach­ tung der Gastwirtschaft, bis dann zehn Jahre später der Sohn Edgar Moser-Fendel die Füh­ rung des Hauses übernahm. Seit 1984 gibt es im Gasthof „Rößle-Post“ noch etwas Besonderes zu sehen und zu hören, ein »Jazbandor“. Unmittelbar am Empfang steht dieses schrankähnliche Mu­ sikinstrument, eine Art Orchestrion, ein mechanisch gesteuertes Walzenmusikwerk. Genau betrachtet ist es ein selbstspielendes Klavier mit Schlaginstrumenten (Trommel, Röhrenxylophon und Kastagnetten). Hier in Unterkirnach hat dieses Instrument Tradi­ tion; bereits 1834 entstand die erste Orche­ strionfabrik, gegründet von Wolfgang Bles­ sing. Seine berühmten Walzenmusikinstru­ mente gaben in den Cafes, den Restauratio­ nen in nahezu allen Erdteilen um die Jahr­ hundertwende den Ton an. Es gelang einem Nachfahren der Gründerfamilie aus Privat­ besitz das Jazbandor zu entdecken. Die Gemeinde kaufte es zurück. Nun steht es vorläufig im Gasthof „Rößle Post“, Vergan­ genheit und Gegenwart miteinander verbin- dend. Helmut Heinrich 259

Ein Blick in die Landschaft und Geschichte Als am 15. August 1919, dem Fest Mariä Himmelfahrt, mit einem Konzert der gesam­ ten Triberger Kurkapelle das neue „Kurhaus Geutsche“ eröffnet wurde, blickten von einem ausgesuchten Fleckchen Schwarzwald nunmehr zwei Wirtshäuser in ein herrliches Bergpanorama. Neben dem traditionsrei­ chen Gasthaus zur „Alten Geutsche“ erhob sich jetzt dort am nördlichsten Ausläufer des Kesselbergplateaus, eine halbe Wegstunde oberhalb Tribergs, ein stattlicher Hotelbau im braunen Schindelkleid. Weithin leuchtete sein auffälliges Ziegeldach mit den zur hei­ mischen Landschaft passenden abgewalm­ ten Giebeln -und in noch weitere Feme boten die breite Fensterfront und Terrasse eine prächtige Aussicht: hinweg über das Nußbachta1 in die Bergrücken von St Geor­ gen, Langenschiltach und Althomberg, am Horizont der Fohrenbühl, die Kniebishöhen und Homisgrinde. Bei Kaffee und Kuchen oder einem Vier­ tele konnte der Gast damals, als noch kein Hochwald den Blick ins Tal behinderte, die Schwarzwaldbahn verfolgen, wie sie von Gremmelsbach über den Nußbacher Bahn- 260 Das Kurhaus „Geutsche“ in Triberg hof, von Tunnel zu Tunnel, zur Sommerau hinaufschnaufte. ,,Das Besondere an der Geutsche“, hat Max Rieple einmal geschrie­ ben, ,,ist ihre Lage“. Und wer sie kennt, braucht nicht erst im „Oberdeutschen Flur­ namenbuch“ oder im „Badischen Wörter­ buch“ nachzuschlagen, um die Bedeutung ihres Namens zu verstehen. Denn „Glitsch“ oder „Gitsch“ bezeichnet, häufiger noch in der deutschsprachigen Schweiz, einen aus­ sichtsreichen Bergvorsprung. Vermutlich wurde diese alte Herkunft von „Geutsche“ hierzulande bald nicht mehr erkannt, und man brachte den Flurnamen einfach in Ver­ bindung mit „Gautsche, Gäutsche“, dem ale­ mannischen Wort für die Schaukel. Gleich interessant wie Landschaft und Namen ist ein Blick in die Geschichte der Gastlichkeit auf der Geutsche. Kaum ver­ wunderlich, daß hier oben bald Ausflügler eine Stärkung, Durchreisende auch schon mal eine Unterkunft finden wollten. Und so hören wir bereits 1765 zum ersten Mal von einem Geutschenwirt -in den Pfarrakten der Gemeinde Nußbach, auf deren Gemarkung das Höhengasthaus ja eigentlich steht

Obwohl immer auch Landwirtschaft betrie­ ben wurde, muß es nicht gerade ein einträgli­ ches Auskommen gewesen sein, denn häufig wechselten noch im letzten Jahrhundert die Besitzer. Vielleicht hätte einer sein Glück gemacht, wären die fürstenbergischen Pläne verwirklicht worden, eine Postkutschenlinie vom Kinzigtal nach Donaueschingen über Vöhrenbach – und somit über die Geutsche – einzurichten. Als jedoch Triberg 1837 end­ lich Anschluß an den überregionalen Ver­ kehr fand, ging die Post die neugebaute Straße über die Sommerau ab. Besonders hart unter den Geutschenwir­ ten traf es den Schonacher Michael Hummel. Eben, im Sommer 1858, hatte er den Gasthof erworben, da äscherte ihm ein Wintergewit­ ter seinen Besitz ein. Und gleich im folgen­ den Jahr fegte das nächste schwere Unwetter das Dach vom fertigen Rohbau. Wohl oder übel übernahm jetzt der frühere Besitzer Cölestin Fehrenbach wieder die Wirtschaft und erbaute 1859 das Gasthaus, wie es heute noch steht Seit 1873 hieß der Geutschewirt dann Johann Baptist Haberstroh, Betreiber der „Unteren Mühle“ in Triberg. Ihm folgte 1887 sein Schwiegersohn Jakob Aberle aus Gutach, und am 18. März noch desselben Jahres gebar Maria Aberle, gebürtige Haber­ stroh, ihren ersten Sohn Jakob. Jakob Aberle jun. ging nach seiner Schul­ entlassung 1901 in die Kellnerlehre nach Frei­ burg. Dort, im „Wilden Mann“, arbeitete er noch weitere zwei Jahre, bis es ihn – acht­ zehn jährig – in die weite Welt verschlug. In London bediente er im „Cecil“, dem damals größten europäischen Hotel, neben anderer Prominenz auch Enrico Caruso; und im Pari­ ser „Continental“ sah er noch den Glanz der Belle Epoque. Nach siebenjährigem, wech­ selndem Aufenthalt in den beiden Haupt­ städten Europas kehrte er 1912 in den Schwarzwald zurück, um eine eigene gastro­ nomische Existenz zu begründen. Die Voraussetzungen hierfür schienen gut, denn auch in Triberg hatte sich inzwi­ schen die Welt verändert. Die 1873 erbaute Schwarzwaldbahn hatte dem kleinen Städt­ chen am Wasserfall zusehends internationale Bedeutung als Kurort und wohl gerüsteten Wintersportplatz verschafft. Besonders bei betuchten Engländern galt Triberg bald als Inbegriff des „Black Forest“, und sie – die eigentlichen „Erfinder“ der Kur in den Ber­ gen – kamen so zahlreich, daß neben neuen Hotels wie etwa dem heute nicht mehr exi­ stierenden „Schwarzwald-Hotel“ 1893 eigens ein englisches Kirchlein für die Gäste von der Insel gebaut wurde. Das aufblühende Triberg mit dem Glanz seiner frühen elektrischen 261

Straßenbeleuchtung und mit seinen Portiers, die in mehreren Sprachen am Bahnhof schon mal prominente Namen ausriefen, um die Ankömmlinge in ihr Hotel zu kutschie­ ren -das alles, zusammen mit seinen eigenen Erfahrungen im Ausland, hat Jakob Aberle auf die Idee gebracht, ein Höhenhotel zu gründen. Und so begann im Frühjahr 1914 die Errichtung des „Kurhauses Geutsche“. Doch kaum stand der Rohbau, brach im August derl. Weltkrieg aus, und Jakob Aberlemußte für dreieinhalb Jahre Soldatendienst leisten. Erst im Februar 1919, nachdem der ange­ hende Hotelier noch seine Frau Maria aus Mit einer Silbermedaille ist Barbara Martin, Schönwald, vom 29. lntemationakn Berufswett­ bewerb 1988 für Restaurant-Fachkute, der in Sydney (Australien) stattgefunden hat, heimge­ kehrt. Die Gemeinde Schönwald gab am 25. 3.1988 zu Ehren der erfolgreichen Mitbürge­ rin einen Empfang. 262 München in den Schwarzwald geholt hatte, konnte weitergebaut und zum 15. August endlich die „Hotel-und Wirtschafts-Eröff­ nung“ öffentlich angezeigt werden. ,, Wir werden stets bemüht sein“, hieß es da in der Annonce weiter, ,,das zu bieten, was die jet­ zige Zeit ermöglicht“. In den 20er Jahren sollte bald wieder mehr möglich sein: Nicht nur Ausflügler und Wanderer von nah und fern besuchten jetzt zahlreich, vor allem wochenends, die „Neue Geutsche“; auch Kurgäste aus dem In-und Ausland gönnten sich hier, abseits vom Stra­ ßenverkehr, Ruhe und Erholung. Für einen längeren Aufenthalt -vier bis sechs Wochen ,,Sommerfrische“ waren damals keine Selten­ heit -standen ihnen 20 Fremdenzimmer und zwei große Gasträume zur Verfügung. Liegestühle lockten zum Sonnenbad, gut beschilderte Wege luden zu ausgedehnten und bequemen Spaziergängen rund um die Geutsche ein. Auch die eher kurze Wintersai­ son bot ihre Attraktionen: gleich unterm Haus die lange Rodelbahn nach Triberg und am heutigen Lifthang ein Skigebiet mit einem „Sprunghügel“. Der 2. Weltkrieg unterbrach dann den all­ seits beliebt gewordenen Hotelbetrieb für ein ganzes Jahrzehnt. Wie viele andere auf dem Land diente das Haus jetzt zur Evakuierung aus den Großstädten, in den Nachkriegsjah­ ren beherbergte es unter anderem franzö­ sische Offiziere mit ihren Familien. Erst 1951, nach umfassenden Renovie­ rungsarbeiten und Modernisierungen wie einer Zentralheizung, konnte Jakob Aberle zum zweiten Mal eröffnen. Mittlerweile im fortgeschrittenen Alter, übergab er den Betrieb zum 1. Mai 1956 seiner jüngsten Tochter Heidi, die ihn -im väterlichen Sinne -zusammen mit ihrem Gatten Edwin Sche­ rer bis heute führt. 1969 gelang ihr etwa mit viel Fingerspitzengefühl ein Umbau der Gastwirtschaft, der das Alte bewahrte -so die Wandbilder eines Villinger Kunstmalers, idyllische Ausschnitte der Schwarzwälder Vergangenheit. Jakob Aberle hat dies nicht mehr mit-

Geutsche mit Nordseite und wesdicher, durch Bäume verdeckter Eingangsseite Das Gasthaus „Ochsen“ im Neukircher Unterbregenbach erlebt. Doch seine gastronomischen Bemü­ hungen, seine Weltoffenheit, seine Natur­ und Geschichtsverbundenheit -letzterem Interesse verdankte er immerhin den Fund einer neolithischen Steinhacke -hatten, als er am 10. April 1963 im Alter von 76 Jahren starb, bereits eine Anerkennung gefunden. Sein Lieblingsplatz unweit der Geutsche, Wer in den Ortskern von Neukirch kommt, dem fallt gleich eines auf: Das übliche Dorfwirtshaus fehlt. Statt dessen fin­ det er mitten im Ort nur einen leeren Platz. Hier stand auch früher das Dorfwirtshaus, das Gasthaus „Rößle“, schon vor über 300 Jahren als Gaststätte erwähnt. Doch es brannte immer wieder ab, erstmals im Jahre 1841 und dann wieder 1877. Am 20. April eine Felsengruppe, der ein französischer Kahlhieb nach Kriegsende einen prächtigen, heute wieder verwachsenen Ausblick auf Tri­ berg und Schonach bescherte, hieß schon zu seinen Lebzeiten -seit 1955 auch amtlich naturgeschützt -„Jakobsfelsen“. Joachim J. Scherer 1945, „Führers Geburtstag“, waren Soldaten vor dem Gasthaus angetreten und wurden von feindlichen Flugzeugen entdeckt, die mit ihrer Leuchtspurmunition nicht nur das Gasthaus, sondern auch noch die Kirche in Brand schossen. Und schließlich wurde das „Rößle“ im Jahre 1981 nochmals infolge nicht aufgeklärter Brandstiftung ein Raub der Flammen und nicht wieder aufgebaut. 263

Dafür findet der Gast auf dem Weg zur Schwarzwaldhalle ein Schild: ,,Zum Gast­ haus Ochsen in zehn Minuten“. Der „Och­ sen“ ist nun das älteste Gasthaus von Neu­ kirch, schon vor 1702 als Wirtshäusle oder ,,Thälerhäusle“ erwähnt und gehörte ur­ sprünglich zum Heptinghof, einem der 19 Lebenshöfe des Klosters St. Peter. Mit dem Gasthaus ist auch bis heute eine Landwirt­ schaft verbunden. Auch der „Ochsen“ hat ein nicht alltägli­ ches Schicksal aufzuweisen. Im Jahre 1794 trennte Bartle Hepting, der Heptingbauer, sein Thälerwirtshäusle vom Hof ab und nahm dort seinen Altersruhesitz. Damit erlosch auch der Name Hepting auf dem Hof, den er seiner Tochter Gertrud übergab. Diese heiratete einen Sohn vom Wolfdeibis­ hof in Schonach-Wittenbach, der damit das bis heute auf dem Hof bestehende Geschlecht der Duffner begründete. Im Jahre 1803 übergab Thälerwirt Bartle Der „Ochsen“ mit Gästehaus Hepting sein Anwesen der Tochter Mecht­ hild. Diese heiratete den vom nahen Klau­ senhof stammenden Bauernsohn Philipp Gfäll. Dann kam der 20. Juli 1805, ein Schicksals­ tag für Haus und Farn ilie. Ein heftiges Gewit­ ter zog über den Ort und ein Blitz erschlug mittags um 11 Uhr den am Stubentisch sit­ zenden Wirt samt einem daneben sitzenden Knecht. Zwei weitere „Mannspersonen wur­ den ebenfalls zu Boden geschlagen, kamen aber wieder auf‘, wie die Chronik berichtet. Das ganze Haus brannte ab. Noch im selben Jahr heiratete die Witwe den vom Furtwanger Zinken Schützenbach stammenden Christian Ketterer und gemeinsam bauten sie das Haus etwas weiter oben am Hang wieder auf. Dem neuen Gasthaus gaben sie den Namen „Ochsen“, wohl als Gegenstück zum „Rößle“ im Dorf oben. Dieser erste Ochsenwirt muß auch sonst ein tüchtiger Mann gewesen sein. 264

Rechts der Gastwirt Max Weis mit seiner Frau lrma, dazwischen der jüngste, Markus, links der junior­ wirt und Koch Hanspeter mit seiner Frau Margarethe Obwohl er ein „Reingeschmeckter“ war, wurde er im Jahre 1816 Vogt von Neukirch und blieb es 15 Jahre lang. Nachdem er das Anwesen zwanzig Jahre lang bewirtschaftet hatte, verkaufte er es samt den fast 26 Jau­ chert Feld und Wald für 7.100 Gulden an den Uhrmacher Matthä Riesle von Gütenbach, der schon zwölf Jahre später die „Realwirt­ schaft zum Ochsen samt dem Recht zu metz­ gen“ an den ebenfalls von Gütenbach stam­ menden Uhrmacher Matthä Ganter weiter veräußerte. Zur Zeit der Hochblüte der Schwarzwäl­ der Uhrmacherei war es das Bestreben vieler Wirte, eine Uhrenpackerei einzurichten und derer, die eine solche Packerei hatten, auch eine Wirtschaftsgerechtigkeit zu erhalten, was dem Neukircher Ortsgericht (Gemein­ derat) gar nicht paßte. So erging anläßlich eines Ansinnens zur „ Transferierung einer Wirtschaft“ in ein neues Wohnhaus vom Neukircher Ortsgericht an das „Großherzog­ lich Wohllöbliche Bezirksamt“ Triberg der „Gehorsamst gutachtliche Bericht“ in dem es unter Punkt 3 heißt: ,,Ist für Uhrmacher und Schildmahler der größte Nachtheil, wenn Spediteur zugleich Wirth sind, denn gar oft hört man die Klage von selben, daß wenn sie ihre Uhren und Schild zum Spediteur brin­ gen, schon zum voraus, ehe sie nur einmal Geld zu erhalten denken können, schon ihr eigenes aus dem Sack verzehren sollen und müssen“. Nun, auch im heutigen Nebenzim­ mer des „Ochsen“ wurde eine solche Uhren­ packerei betrieben, sicher nicht zum Nach­ teil der jeweiligen Wirte. Kein Wunder, daß gerade Uhrmacher darauf drängten, Wirt zu werden. Matthä Ganter muß trotzdem nicht gerade erfolgreich gewirtschaftet haben, 265

denn er verkaufte das im Jahre 183 7 für 11.200 Gulden erworbene Anwesen schon im August 1850 für 6.700 Gulden, also wenig mehr als die Hälfte, an Carl Friedle, den Schwiegersohn des früheren Ochsenwirts Christian Ketterer. Im März 1872 übergaben dann die Eheleute Friedle den „Ochsen“ ihrem Sohn Oskar, der ihn schon acht Jahre später, im Mai 1878, an den aus St. Peter stam­ menden Dachdecker Johann Ruf, genannt ,,Schindle-Hans“ weiter veräußerte. Dieser, Sohn einer ledigen Dienstmagd, die schon acht Jahre nach seiner Geburt verstorben ist, war als guter Dachdecker im weiten Umkreis geschätzt. So existiert von ihm heute noch ein Ange­ bot für das Dach des ersten Furtwanger Kin­ dergartens. Ob er den Auftrag auch erhalten hat, geht daraus nicht hervor. Die Nachkom­ men von Johann Ruf, er war zweimal verhei­ ratet, sind heute noch Eigentümer des „Och­ sen“, der damit fast 110 Jahre im Familien­ besitz ist. Auf Johann Ruf folgte im Mai 1900 sein Sohn August, der das Gasthaus über 40 Jahre, bis zu seinem Tode im Jahre 1941 betrieb. Viele Jahre war er auch Ratschreiber in Neukirch unter seinem Schwiegervater, Bürgermeister Vinzenz Bäurle. In Erinne­ rung ist noch seine Methode, späte Gäste, die nur noch herumhockten, aber nichts mehr konsumierten, ans Heimgehen zu erinnern. Wenn sich die Bewirtung nicht mehr ren­ tierte, meinte er: ,,1 mein, mer wenns go packe!“ Seine vom Oberwolflochhof stam­ mende Ehefrau Berta war als gute Köchin im weiten Umkreis bekannt. Besonders beliebt war das traditionelle Stockfischessen am Aschermittwoch, wenn die Fische in der But­ ter nur so schwammen. Aber nicht nur zum Essen, auch zum Übernachten war und ist der „Ochsen“ seit jeher eine gute Adresse, wie ein seit 1829 für über hundert Jahre geführtes und noch erhal­ tenes Gästebuch ausweist. Zwar ist darin keine Prominenz zu finden, aber für Krämer und Handelsreisende war der „Ochsen“ stets ein willkommenes Etappenziel. Glas-, Sau- 266 und Uhrenhändler reihen sich in bunter Folge aneinander, unterbrochen von Hut­ machern und Schäfern, Goldarbeitern und Schneidergesellen. Aber auch Furnituren-, Glasmalereien-, Bücher-und Federnhändler gaben sich ein Stelldichein. Natürlich kamen auch die Schnaps-und Weinhändler und blieben über Nacht. Schließlich kann man auch noch einen Drahtfabrikanten, sowie einen Komödianten mit Frau und zwei Kin­ dern verzeichnet finden. Immer wieder stößt man auch auf die Kontrollvermerke des Gen­ darmen, denn die „hohe Obrigkeit“ hatte stets ein wachsames Auge auf ihre Unter­ tanen. Der Zweite Weltkrieg traf die Ochsen­ wirts-Eheleute ebenso hart, wie ihre Kollegen vom „Rößle“ und vom „Hirschen“, der drit­ ten Wirtschaft des Ortes. Keiner der drei als Nachfolger vorgesehenen Junggastwirte kehrte wieder heim. So mußte im „Ochsen“ die Tochter Frieda das heimatliche Anwesen übernehmen und ihr Ehemann, der Mecha­ niker Al bin Schirm aier die Werkbank verlas­ sen und auf Land-und Gastwirt umsatteln. Damit verschwand der Name Ruf schon nach zwei Generationen wieder in der Fami­ lienchronik, aber das Anwesen blieb in der Familie. Als die Ochsenwirtin im Jahre 1966 starb, erbte die einzige Tochter lrma das Anwesen zur Hälfte und nach dem Tode ihres Vaters im Jahre 1981 wurde sie Alleinerbin. Sie war seit 1955 mit dem Schreiner Max Weis ver­ heiratet, der zwei Jahre später, während des Bau-Booms, zum Hochbau überwechselte und bald Baupolier wurde, so auch beim Neukircher Schulhaus, das im Jahre 1964 fertiggestellt wurde. Daneben wuchs er immer mehr in den Land-und Gastwirts­ betrieb hinein und als sein Schwiegervater starb, wurde er ein gestandener Ochsenwirt. Schon in den Jahren 1973/74 erstellte er ein Gästehaus mit eigenem Hallenbad, dem ersten im weiten Umkreis, wobei ihm die Erfahrungen sowohl im Schreinerhandwerk als auch aus der Zeit als Baupolier sehr zustat­ ten kamen. Ein weiteres Gästehaus mit Gara-

Der Landgasthof „Lilie“ in Triberg gen wurde 1983/84 erstellt. Damit kann er nun neben Einzelgästen auch ganze Reise­ gruppen aufnehmen. Da sein Vater aus Has­ lachsimonswald stammte und die Simons­ wälder in Neukirch einfach die „ Täler“ sind, ist der „Ochsen“ gewissermaßen wieder, wie vor zweihundert Jahren, ein „ Tälerwirts­ haus“ geworden. Wenn man bekanntermaßen im „Och­ sen“ schon immer gut gegessen hat, so ist mit dem Zweitjüngsten, dem Hanspeter, doch erstmals ein gelernter Koch in der Küche am Werk, der die unter Küchenmeister Prauser im Städt. Krankenhaus Furtwangen erworbe­ nen Fähigkeiten nunmehr seit vier Jahren den Gästen zugute kommen läßt. Was er in der Küche zubereitet, serviert seine junge Frau Margarete den Gästen, so daß nach menschlichem Ermessen die Zukunft dieses ältesten noch bestehenden Neukircher Gast­ hauses gesichert und in guten Händen ist. Seine Entwicklung in den letzten fünfzig Jahren Der heutige „Landgasthof zur Lilie am Wasserfall“ in Triberg, trägt seinen Namen in dieser Form seit 1974. Vorher war es einfach „die Lilie“. Sie ist nachgewiesenermaßen eine der ältesten Gaststätten Tribergs. In alten Auf­ zeichnungen wird das Haus auch „Lilia“, ,,Lilium“ oder -im Dialekt -,,Jlge“ genannt. Der heutige „Landgasthof zur Lilie“ ist die ,,zweite Lilie“. Diese wurde nach dem Stadt­ brand vom l.Juli 1826 erbaut. Die „erste Lilie“, sie stand in der Nähe des heutigen Marktplatzes in der Schwendistraße, ist beim Stadtbrand untergegangen. Bei dem Versuch, vor allem die Ge­ schichte der „ersten Lilie“ aufzuhellen, be­ gegnen wir manchen Fragezeichen. Gesi­ chert ist, daß die erste „ Wirthschaftsgeneh­ migung“ für die „Lilie“ aus dem Jahre 1608 stammt. Der damalige Obervogt Schwert hat sie erteilt. Den Anfang unter den namentlich be- Einstweilen hat jedoch der „Ochsenmax“ das Heft noch fest in den Händen und sorgt dafür, daß sein Gasthaus auch in der Neben­ saison stets gut belegt ist, wobei er mit der zentralen Zimmervermittlung des Kreises sehr zufrieden ist. Daneben versorgt er uner­ müdlich seine Landwirtschaft, deren Erzeug­ nisse dann wieder der Küche zugute kom­ men. Und immer ist der Andrang groß, wenn es im „Ochsen“ wieder Bratwürste „original vom Hausmetzger“ gibt. Und wenn einem Verein die Schwarzwaldhalle zu groß oder zu teuer ist, dann findet er im „Ochsen“ ein Nebenzimmer mit Bühne als Ausweich­ platz. So ist der „Ochsen“ zwar nicht gerade mitten im Dorf, aber doch das Dorfwirtshaus geworden und wer einmal dort gewesen ist, findet immer wieder hin. Wilhelm Dotter kannten Lilienwirten machte der aus Schon­ ach stammende Johann Michael Dufner. Das war um 1700. Die Namensreihe der Lilienwirte ist lang. Ihre Namen und oft auch ihre Herkunft sind gesichert. Von manchen sind Besonderhei-267

ten über berufliche Qpalifikation und fami­ liäre Verhältnisse bekannt Mehrmals ist die ,,Lilie“ dabei vom Vater auf den Sohn überge­ gangen. Wiederholt hat das Gasthaus auch ,,trübe Zeiten“ erlebt Aus alten Aufzeich­ nungen ist herauszulesen, daß das Wirtshaus verschiedene Male zwangsversteigert werden mußte. Es würde den Rahmen dieses Berich­ tes zu sehr beanspruchen, den Weg „beider Lilien“ durch die Zeiten an dieser Stelle auf­ zuzeichnen. Manche Lilienwirte blieben, je nach Eignung, Können und Vermögen, mehr oder weniger lange Zeit auf dem Gasthaus. Das änderte sich erst zu Beginn des Jahres 1933, als damals ein neuer Pächter die ,,Lilie“ übernahm. Er hieß Friedrich Schnei­ der. Mit ihm beginnt die Geschichte der „Lilie“ in den letzten fünfzig Jahren. Fritz Schneider blieb 42 Jahre auf der »Lilie“Am 4.Januar 1933 genehmigte das Badische Bezirksamt Villingen den Antrag 268 des Konditors Friedrich Schneider (in der Folge „Fritz“ genannt) von Schonach (er wurde „auPm Vögele“ beim Haldenhof geboren) zum pachtweisen Betrieb der „Lilie“. Was damals kaum jemand erwarten konnte -er blieb bis 1974, zweiundvierzig Jahre lang. Aus diesen vier Jahrzehnten sind viele Einzelheiten lebendig geblieben; Erlebnisse, vielfaltige Begegnungen, schwere Zeiten, Krieg und Besetzung, vielerlei Not, harte Arbeit, der unbeirrbare Glaube an den Erfolg, Konsolidierung und Prosperität sind in ihnen enthalten. Sein Sohn Heinz Schnei­ der, heute noch, als versierter Fachkellner, in der „Lilie“ tätig, weiß noch sehr vieles. Er erzählte es uns in einem langen Gespräch. Fritz Schneider erlernte den Bäcker-und Konditorberufin der Triberger Bäckerei Karl Wehrle. Später war er im „Cafe Hackenjos“ (das nachmalige „Cafe am Markt“ und heute Deutsche Bank) als Konditor tätig. Weitere berufliche Stationen waren Grenzach,

Schramberg-Sulgen, Freudenstadt; danach die „Lilie“ in Triberg. Seine Gattin Elisabeth stammte aus Kehl-Sundheim. Sie war der französischen ein Sprache mächtig; Umstand, der sich später als überaus wertvoll erweisen sollte. Am 29. Dezember 1932 heirateten die Schneiders in der Triberger „Krone“, und tagsdarauf marschierten sie mit Putzeimer, Schrubber und Scheuerlappen, vor allem aber mit einem unbändigen Optimismus in die „Lilie“, um dort ihre Tätigkeit aufzuneh­ men. Brauereibesitzer Karl Riegger, zu jener Zeit Eigentümer der „Lilie“, schenkte dem jungen Ehepaar ein zwölfteiliges Silberbe­ steck-Mozartmuster-zur Hochzeit. Neben einer mehr als bescheidenen Ausrüstung, die Fritz Schneider in der Küche der „Lilie“ vor­ gefunden hatte, war dieses Besteck das erste und einzig wertvolle Tischgerät Er war glück­ lich, es besonders wichtigen oder illustren In der elsässischen „ Winstub“ Gästen vorlegen zu können. (Neuversilbert, hütet Sohn Gerd Schneider das wertvolle Besteck noch heute.) Familie Schneider hatte es am Anfang nicht leicht. Widerstände, Reservation, abwartende Distanz da und dort. Erschwe­ rend -heute gänzlich undenkbar -kam hinzu, Elisabeth Schneider war evangelisch. Die „katholischen“ Gäste blieben aus. Es gab damals hei:mliche Tränen und Fragen; ,, Wa­ rum?“ -Eine längst verewigte, brave „katho­ lische“ Mitbürgerin, Anna Haaga, schaffte die Wende. Sie riet Elisabeth Schneider, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit den legen­ dären Pfarrer Adolf Hiss -hochverehrt und unvergessen im Raum Triberg -und den unbeschreiblich gütigen Stadtpfarrer, Geist­ lichen Rat (später Prälat, Monsignore und Päpstlicher Kammerherr) Paul Fries kurzer­ hand zu einem „ Viertele“ in das Haus zu bit­ ten. Beide kehrten gerne ein, und bald darauf schleppte Geistlicher Rat Fries -er war von 269

1894 bis 1938, vierundzwanzig Jahre lang, Stadtpfarrer von Triberg-den ganzen katho­ lischen Kirchenchor an. Er erhob da und dort, väterlich werbend, seine Stimme. Die Gäste kamen. Lieferanten wollten anfangs Fritz Schnei­ der nur gegen Barzahlung Liefern; sie waren durch seine glücklosen Vorgänger verprellt. Auch hier war wieder eine verdienstvolle Tri­ bergerin, Anna Carle, längst verewigt, die die Vorurteile abbauen half. Aber die Schneiders gaben auch ihrerseits zu keiner Zeit auf. Hitler kam nicht -der Erfolg kam Als das Triberger Ehrenmal auf der Höhe des Kroneckberges am Pfingstsonntag, 9.Juni 1935, eingeweiht wurde und zu die­ sem Ereignis allerhöchste Prominenz (,,Der Führer kommt“) angesagt war, verausgabte sich Lilienwirt Fritz Schneider mit Proviant­ einkäufen bis an die äußerste Grenze seiner Möglichkeiten. Hätte jene Einweihung nicht Tausende nach Triberg gebracht (nur Hitler kam nicht; an dessen Stelle kam der damalige Gauleiter von Baden, Robert Wagner; d. Verf.), Fritz Schneider hätte seine „Lilie“ auf­ geben müssen. So aber, erinnert sich sein Sohn Heinz Schneider, hätten die vielen Vorräte längst nicht ausgereicht. Jener Tag wurde so für Fritz Schneider zum Start für Betriebserneuerungen und neue Investitio­ nen. Viel später einmal, als im großen Garten der „Lilie“ beim Aufgang zum Wasserfall bei einladender Witterung immer wieder bis an die zweihundert Gäste sich bestens wohl und versorgt fühlten, habe Frau Schneider bei deren Anblick mit feuchten Augen einmal geflüstert: „Der Herrgott hat es doch gut mit uns gemeint“.Während der Kriegsjahre mußte sich auch Fritz Schneider in seinen Angeboten nach den ihm verbliebenen Möglichkeiten rich­ ten; auch er konnte auf die „Essensmarken“ seiner Gäste nicht verzichten. Nach Kriegsende war die „Lilie“ für meh­ rere Jahre Verpflegungslokal und geselliger Treffpunkt für die französischen Besatzungs­ offiziere. Elisabeth Schneider kochte jeden 270 Tag für siebzig Personen. Niemand, wissen noch heute Eingeweihte, habe besser kochen können als sie. Und iuch dies ist nicht verges­ sen: Viele Lebensmittel, Tee, Kaffee, Obst sind in jenen Tagen (abends) -stillschwei­ gend -von ihr in das benachbarte Kranken­ haus getragen worden. Einfach -war’s nicht. Am 30. Dezember 1986 ist Elisabeth Schnei­ der verstorben. Die „Lilie“ sah prominente Gäste Während vieler Jahre hat die „Lilie“ bekannte Persönlichkeiten und Künstler als Gäste erlebt. Leila N egra (berühmt geworden durch ihre Lieder „Mein Teddybär“ und „Die süßesten Früchte“) fühlte sich in der „Lilie“ ebenso wohl wie Kronprinz Hassan, der Bru­ der des jordanischen Königs. Vierzehn Tage lang genoß die unvergessene Agatha Christie (Miss „Marple“) ihren Kaffee in der „Lilie“. Die liebenswürdige, alte „Kriminal-Heldin“ aus Großbritannien residierte in1 Parkhotel Wehrle. Horst Buchholz (,,Hotte“) steht ebenso im Gästebuch wie die unvergessene Grande Dame des deutschen Films, Olga Tschechowa. Wahrlich ein traditionsreiches, gastliches Haus, das Fritz Schneider und seine Ehefrau Elisabeth zweiundvierzig Jahre lang in angenehmer und erfolgreicher Weise, vornehm-gediegen und zugleich familiär, führten. Ende 1974 haben die Schneiders aus gesundheitlichen Rücksichten aufgegeben – schweren Herzens. Sie nahmen Wohnung in Villingen, wo sie bis zum 1. August 1986 leb­ ten. Danach wurden beide Heimbewohner im Altenstift Kork bei Kehl. Dort ist Fritz Schneider am 24. November 1987 verstor­ ben. Er folgte so seiner Gattin bald nach. Als Fritz Schneider am 30. Dezember 1932 seine Tätigkeit in der „Lilie“ aufnahm, gehörte das Haus dem Brauereibesitzer Karl Rieggerin Triberg. Am 25. Oktober1939 gab es einen Besitzerwechsel; die Tochter Valeria erbte die „Lilie“ von ihrem Vater, und sie ver­ kaufte dieselbe am 1. Dezember 1940 an die Jahresuhrenfabrik GmbH August Schatz & Söhne in Triberg.

Am 8. April 1960 -nach achtundzwanzig Jahren Pachtbetrieb -kaufte Fritz Schneider die „Lilie“. Er war fast siebzig Jahre alt, als er am 12. Dezember 1974 „seine Lilie“ an den heutigen Eigentümer verkaufte: Roland Die­ terle. Die Dieterles sind erfahrene Gastrono­ men Anita und Roland Dieterle entstammen alten Geschlechtern Schwarzwälder Hof­ bauern im Wolftal. Andere Sippenglieder waren Holzfäller und Uhrmacher. Der Bürle­ Hof in Schapbach-Holdersbach ist einer der Stammsitze. Der Ur-ur-urgroßvater Roland Dieterles, der Bürlehofbauer Jakob Dieterle, 1772 geboren, war der Held einer Erzählung in Heinrich Hansjakobs Buch „Erzbauern“. Der berühmte Hollywood-Regisseur Wil­ liam Dieterle entstammt dem Geschlecht der Dieterles in Schapbach. Roland Dieterle ist ein erfahrener und weitsichtiger Gastronom. Ihm gehören meh­ rere renommierte Schwarzwälder Berghotels und Restaurants, so die „Vogtbauernstube“ beim berühmten Freilichtmuseum Vogts­ bauernhof im Gutachtal; die Berghotels „Mummelsee“ und „Kandel“, die elsässisch­ badische Burestub „d’r Münsterspatz“ direkt neben dem Straßburger Münster -und die „Lilie“ in Triberg. Roland Dieterle taufte sie um in „Landgasthof zur Lilie am Wasserfall“. Dort bieten die Dieterles seit Jahren altbe­ kannte Schwarzwälder Gastlichkeit und Ge­ mütlichkeit in rustikalem Stil. Die Küche erfüllt hohe Ansprüche; sie bewältigt bis zu vierhundert Tagesmenues. Das Angebot reicht von echten Schwarzwäl­ der Spezialitäten über gemütliche „Fondue­ Abende“ im Winter bis zu vielerlei elsässi­ schen Spezialgerichten. Freundlichen Zu­ spruch finden auch die regelmäßig (freitags) stattfindenden Zither-Abende. Gepflegte Gastlichkeit und Gemütlichkeit werden großgeschrieben. Auch Roland Dieterle freut sich über so manchen prominenten Besucher und Gast in seinem „Reich“. Schlägt er das Gästebuch auf, finden sich dort Namen wie Alt-Bundes­ kanzler Willi Brandt, Rudolf Schock, Sepp Herberger, der ehemalige französische Pre­ mierminister Pierre Pflimlin, Georg Thoma. Im Juni 1978 gab es großen Schrecken; eine Gasexplosion verwüstete Küche, Laden­ geschäft und Treppenhaus. Roland Dieterle, schnell entschlossen, baute aufwendig um, schuf eine anheimelnde elsässische „Win­ stub“, von der aus der Besucher einen direk­ ten Blick auf das gegenüberliegende Schwarzwaldmuseum erhält. Und er glie­ derte sorgfältig und mit feinsinnigem Gespür die Lokalitäten in verschiedene originelle heimat-und landschaftsbezogene Räumlich­ keiten auf. So gibt es heute in der „Lilie“ eine Ahnenstube, eine Uhrmacher-und Flößer­ stube. Alle Räume sind mit dazu passendem geschmackvollen Zierat, Geräten und Bil­ dern, ausgestattet; ein Stück lebendig geblie­ bene Heimatgeschichte. Roland Dieterle kann im Hause zweihun­ dert Gästen Platz bieten. Im Terrassengarten dem Haus gegenüber sind es noch einmal einhundert Plätze. Ein umfangreicher Ver­ kaufskiosk im Stil einer Schwarzwaldmühle rundet das Bild ab. In der ersten Etage gibt es einen freundlichen, hellen Saal mit achtzig Plätzen, der mit sehr schönen Heimatbildern von Triberg, alten Reproduktionen, aus­ geschmückt ist; ein reizvoller Rahmen für Hochzeiten, Tanzparties, Versammlungen. Übernachten kann man -heute -im „Landgasthof zur Lilie am Wasserfall“ nicht. Aber der Besucher darf sich bei seinem Ein­ treten freuen: eine anheimelnde, einladende Atmosphäre nimmt ihn sogleich auf. Wohl­ behagen und eine heiter-romantische Ge­ mütsstimmung stellen sich wie von selbst ein. Alexander Jäckle * 271

Radsportler vom RC 1886. Seit 1926 ist der Groppertäler Mitglied im traditionsreichen Villinger Radfahrerclub, der vor drei Jahren, unter Weckerles Führung, mit Glanz und Gloria seinen 100. Geburtstag feierte. Zum Radsport gehört auch ein Fahrrad, aber in den Zwanziger Jahren war das eine recht kostspielige Anschaffung. Da kam ihm seine zweite Leidenschaft, heute würde man es „Hobby“ nennen, zugute: Die Holzhauerei. Mit einigen Ster Holz, im nahen Wald geschlagen, finanzierte der junge Radsportler seine erste „Maschine“. 1925, mit 16 Jahren, war es endlich so weit. Bis 1935 ist er dann Wenn Karl Weckerle seine Wohnung im Zeug­ haus beim Villinger Oberen Tor verläßt, ist immer seine Aktentasche dabei. Sport und Wettkämpfe Karl Weckerle – seine Liebe gilt dem Radsport „Er wohnt dort, wo das Städtle am schön­ sten ist, in der Fußgängerzone beim Oberen Tor.“ So beschrieb einer der vielen Zeitungs­ berichte den Wohnsitz. Gemeint ist das Obere Tor in der Zähringerstadt Villingen, und gemeint ist auch Karl Theodor Weckerle, den man, nicht nur seines Wohn­ sitzes wegen, einen echten Zähringer nennen darf. Am 22. April 1909 kam er im Breisgau, im heutigen Freiburger Stadtteil Zähringen, zur Welt. Schon mit drei Jahren verschlug es den Zähringer vom West- an den Ostrand des Schwarzwalds. Der Vater bekam nämlich einen Arbeitsplatz als Schrankenwärter bei der Eisenbahn, und im Bahnwärterhaus im Groppertal war für die junge Familie darüber hinaus auch noch eine Wohnung frei. Damit war Karl Weckerle erst einmal Unterkir­ nacher Bürger geworden, denn, wie heute noch, liegt das Groppertal, durch das die junge Brigach fließt, auf der Gemarkung der Gemeinde Unterkirnach. Wer schon einmal auf dem schmalen Teersträßle zwischen der „Forelle“ und dem Kirnacher Bahnhöfle mit dem Rad gefahren ist oder als Wanderer der Brigach entlang marschierte, der weiß, wie typisch dieses kurze T alstück ist. Ein echtes Schwarzwaldtal am Rande der Baar, vom Vil­ linger Kurpark schon nach einer Stunde Fuß­ marsch zu erreichen. Dort, wo das besagte Teersträßle beim Steinbruch hinter der „Forelle“ die Schienen der Schwarzwaldbahn überquert, wuchs Karl Weckerle mit fünf Geschwistern auf. Er ging nach Unterkirnach zur Schule, und dort fand er auch schon bald eine sportliche Heimat, den Radfahrerverein Waldeslust Unterkirn­ ach. Die Leidenschaft fürs Radfahren blieb, ja sie wuchs ständig. Als Karl Weckerle nach Abschluß der Volksschule, im Jahr 1923, eine Lehre als Metallarbeiter bei der Villinger Schlosserei Nägele begann, traf er auch die 272

Rennen für den RC 1886 gefahren, aber nicht mit einer Zehn-Gang-Maschine! Die größte Errungenschaft damals waren zwei Zahn­ kränze. Ging es bergauf, das kommt bei den Radrennen im Schwarzwald bekanntlich öfter vor, dann stieg man kurz ab und legte die Kette von Hand auf den günstigeren Zahnkranz. Im Beruf konnte Karl Weckerle die Kette erst 1929 auf den größeren Zahnkranz wer­ fen. Der gelernte Metallarbeiter wurde arbeitslos, verdingte sich beim Straßenbau und kam 1927 als Zeitarbeiter zur Eisenbahn. Dort wurde er zwei Jahre später voll über­ nommen. Jetzt konnte der Villinger Rad­ sportler endlich auch sein Domizil in der Zähringerstadt aufschlagen. Vom Gropper­ tal siedelte Karl Weckerle in die aufstrebende Kreisstadt über. Als Eisenbahner machte er auch den Krieg mit. 1948, nach dem Ende der Kriegswirren, heiratete Karl Weckerle seine Frau Ilse, die ihm zwei Kinder schenkte. Mit Beginn seiner Tätigkeit bei der Eisenbahn wurde er auch Gewerkschaftsmitglied. In der späteren GdED, der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, wurde er 2. Orts­ vorsitzender. Außerdem vertrat er die Inter­ essen seiner Kollegen einige Jahre lang im Personalrat. 1973 kam der Ruhestand, aber den kennt der unermüdliche »Karle“, wie ihn seine vielen Freunde nennen, auch heute noch nicht. Für seine Eisenbahnerkollegen im Ruhestand übernahm er die Seniorenbe­ treuung. Das Bundesbahn-Sozialwerk schätzt seine wertvolle Mithilfe. Bei Geburtstagen, einer Goldenen Hochzeit oder vor Weih­ nachten steht Karl Weckerle im Dienste sei­ ner Rentnerkollegen von der Eisenbahn. Von Schonach bis Grüningen, kennt man den allzeit freundlichen und ausgeglichenen Villinger. Auch im politischen Geschehen tauchte der Name Karl Weckerle auf. »Mehr als Lückenfüller“, wie er selber sagt, kam er 1966 auf den Stimmzettel der Villinger SPD bei der Gemeinderatswahl. Der unverges­ sene Nestor der Villinger Sozialdemokraten, Fritz Restle, hatte ihn für die Parteiarbeit geworben. Als Letzter auf dem Stimmzettel hätte er fast den Einzug ins Gemeindeparla­ ment geschafft. Aber noch einmal zurück zum Radsport. Bei der Wiedergründung seines RC 1886 im Jahr 1950 war Karl Weckerle natürlich dabei. 1961 wurde er von den Mitgliedern zum 1. Vorsitzenden gewählt. Er blieb es bis zum Jubiläumsjahr 1986. Oder eigentlich doch nicht? Denn schon 1983 fand der inzwischen 74jährige einen Nachfolger und wurde zum Ehrenpräsidenten des Radfahrerclubs er­ nannt. Doch 1985, das große Jubiläum stand vor der Tür, war kein Kandidat für das Amt des 1. Vorsitzenden zur Stelle. Karl Weckerle ließ sich nicht zweimal bitten und übernahm noch einmal für zwei Jahre den Vereinsvor­ sitz. Der Festakt zum lOOjährigen Jubiläum wurde ein echtes „Weckerle-Festival“, denn schließlich gehörte der Vorsitzende und Ehrenpräsident in Personalunion schon 60 Jahre seinem RC 1886 an. Bei dieser Ver­ anstaltung wurde deutlich, welchen Beliebt­ heitsgrad in der Bevölkerung und unter sei­ nen Sportkameraden im In- und Ausland er erreicht hat. Sichtbarer Ausdruck der Wert­ schätzung war das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das Karl Weckerle vor zehn Jahren, anläßlich seines 70. Geburtstages ver­ liehen wurde. Dem Urteil der Presse zu die­ sem Anlaß ist nichts hinzuzufügen: „Er darf gewiß sein, daß er diese hohe Auszeichnung wie selten jemand hoch verdient hat.“ Die Alterskameraden des RC 1886, mit denen er alle zwei Wochen beim Seniorentreff im »Laible“ zusammenkommt, wünschen, daß der „Weckerle’s Karle“ noch viele Jahre so gesund und vital bleiben möge. Arnold Wetzka 273

Adolf Vonnier Ein gefragter Hufschmied und erfolgreicher Teilnehmer in internationalen Wettbewerben Hier soll, personifiziert durch den Blum­ berger AdolfVonnier, von einem Handwer­ ker berichtet werden, der auszog, das Schmie­ den des eigenen Glückes in besonders aus­ geprägter Handfertigkeit zu lernen. Nach­ dem eine sich rasant entwickelnde Motorisie­ rung die vierbeinigen Pferdestärken immer stärker verdrängte und damit auch der Beruf des Hufbeschlagschmiedes seine logischen Einbußen erlitt, sorgt der wiederauflebende und geförderte Reitsport bei diesem alten Handwerk für eine erfreuliche Renaissance. Eine Besonderheit ist, daß es auch in Blum­ berg mit einem im wahrsten Sinne des Wor­ tes ausgezeichneten Vertreter dieser alten Zunft wieder zu Ehren kommt. „Ausgezeich­ net“ nämlich hinsichtlich des meisterlichen Könnens, das sich vor einigen Jahren dank weltmeisterlicher Beteiligung nicht eben all- 274 täglich äußerte. Denn im Herbst 1985 kehrte Adolf Vonnier, gelernter Bauschlosser und Hufschmied, von der „kleinen Weltmeister­ schaft“ der Hufschmiede im französischen Fontainebleau – 2. Championnat du Monde open des Concours de Marechallerie – erfolgreich zurück. In dieser Konkurrenz, der außereuropäische Hufschmiede trotz Einla­ dung fernblieben, vertraten der Blumberger Adolf Vonnier und sein Freiburger Lehr­ schulmeister Manfred Gann zum ersten Mal die Bundesrepublik Deutschland und hatten sich in verschiedenen schmiedehandwerkli­ chen Disziplinen gegen die Landesmeister aus Belgien, England, Frankreich, Italien und der Schweiz zu behaupten. Dazu gab es eine Vorgeschichte: Anläßlich der 1984er Offen­ burger Ausstellung „Euro-Cheval“ fand unter der Leitung des Hufbeschlaglehrmei­ sters Manfred Gann auch ein Schauschmie­ den statt. Diese handwerkliche Demonstra­ tion beeindruckte so sehr, daß die deutschen Hufschmiede nach Frankreich eingeladen wurden. Schon im September 1984 demon­ strierten Manfred Gann und AdolfVonnier in Frankreich außer Konkurrenz und lernten dort den englischen Meister im Hufbeschlag, David Galley, kennen, der sie im November nach Melton-Mowbray in die Grafschaft Lei­ cester einlud, um sie anläßlich eines militäri­ schen Wettbewerbes schauschmieden zu las­ sen. Meister Galley, der internationalen Ruf genießt und bei der „kleinen“ Weltmeister­ schaft in Fontainebleau der Jury angehörte, besuchte nach den erfolgreich abgeschlosse­ nen Wettbewerben den Blurnberger Adolf Vonnier in der Eichbergstadt. Ihre Erfolge in den einzelnen Disziplinen: Im schwierigen Schmieden eines Alumi­ nium-Hufeisens (so heißt es tatsächlich) errangen AdolfVonnier den 1. und Manfred Gann den 2. Preis. Beim Schmieden eines Hufeisens in Herzform, Orthopädisches Eisen genannt, kamen der Freiburger auf den

3. und der Blumberger auf den 4. Platz. Bei der in 30 Minuten zu meisternden Disziplin „Adlerauge“ ging es darum, nach kurzer Besichtigung eines Hinterhufes aus dem Gedächtnis das passende Material auszuwäh­ len, es zu bearbeiten und in die entschei­ dende Paßform zu bringen. Das Ergebnis: 1. Platz für Gann, 15. Platz für Vonnier. Am zweiten Wettbewerbstag mußte einem belgi­ schen Kaltblutpferd ein Vordereisen abge­ nommen, der Huf zugeschnitten, das Eisen geschmiedet und aufgenagelt werden. Dazu war ein Hintereisen zu schmieden und der Jury vorzulegen, alles zusammen in 75 Minu­ ten. Gann erreichte den 3. und Vonnier den 12. Platz. Mit einem ersten Platz und weiteren ausgezeichneten Plazierungen bewies der Blumberger seine handwerkliche Ausnah­ mestellung. Im April 1986 waren es beim „Internatio­ nalen Hufbeschlagswettbewerb“ in Bern wie­ der Manfred Gann und AdolfVonnier, die unter 41 Teilnehmern aus elf Nationen in der Gesamtwertung auf den 6. und 14. Platz kamen. Sieben Monate vor den olympischen Winterspielen 1988 war AdolfVonnier Mit­ glied des aus Südbaden stammenden Teams der Bundesrepublik, das im kanadischen Cal­ gary am „ World Championship Black­ smiths‘ Competition“ teilnahm. Diese Welt­ meisterschaft fand im Rahmen des weltgröß­ ten Rodeo-Treffens statt und sah, außer Ein­ zelteilnehmern, Mannschaften aus Kanada, den USA, England, Schottland, Schweden, Norwegen, der Bundesrepublik und der Schweiz am Start. Unter den vielen geforder­ ten Disziplinen war der „Copper Minin_g Shoe“ eine Besonderheit, nämlich ein früher in den Minen üblicher Kupferbeschlag, um wegen der Grubengase eine gefährliche Fun­ kenerzeugung auszuschließen. Spezielle Schwierigkeitsgrade gab es beim „Arabian Park Horse Frontshoe“: Ein Eisen, das wegen des Abbrandschwundes nicht zu oft erhitzt werden darf, um das Gewicht von zwölf Unzen (370 Gramm) zu erreichen. Zwar kam Vonnier diesmal nicht unter die ersten sechs offiziell genannten Ränge, doch als bester ,,German“ erhielt er auch einen Preis. Im Sep­ tember 1988 will er an einem Wettbewerb in Holland und 1989 womöglich wieder in Bern sowie an der Weltmeisterschaft in Calgary beim großen Cowboy-Meeting teilnehmen. Adolf Vonnier wurde 1948 in Blumberg geboren, lernte im Betrieb Franz Feederle den Beruf des Bauschlossers, arbeitete vier Jahre, 1969 bis 1972, in Süd- und Südwest­ afrika als Konstruktionsschlosser, kehrte dann wieder in den heimatlichen Betrieb Feederle zurück und bestand im September 1976 seine Meisterprüfung als Bauschlosser. Schon früh im Umgang mit Pferden vertraut, erfuhr er seine entsprechende Ausbildung beim Blumberger Hufbeschlagmeister Fritz Hauser, und dank der 1977 in Freiburg eröff­ neten Lehrschule nutzte er die gebotene Möglichkeit, sich voll als Hufschmied ausbil­ den zu lassen. Als „staatlich geprüfter“ Huf­ beschlagschmied arbeitet er seit 1980 selb­ ständig und ist jetzt ein gefragter Huf­ schmied mit einem weitgesteckten Kunden­ kreis. Schon zwei Jahre betreut er als einziger Hufschmied das „Prinz Kari-Gedächtnistur­ nier“ in Donaueschingen. Daß Adolf Von­ nier bei so großen Konkurrenzen wie in Fon­ tainebleau, Bern und Calgary, in die sich auch Landesmeister einschalteten, überaus erfolgreich abschnitt, aber wenig Aufhebens davon macht, bescheinigt ihm eine unge­ wöhnliche Befähigung in gewahrter Beschei­ denheit. Wer sein Glück selbst zu schmieden vermag, hält es, wie der Hufschmied von Blumberg, eigentlich für die selbstverständ­ lichste Sache von der Welt. Weil er mit der Freude an seiner Arbeit immer das beste Eisen im Feuer hat. Jürgen Henckell * 275

Thomas Faller – ein vielseitiges Turntalent Bereits mit sechs Jahren machte er in der Turnhalle seine ersten Übungsversuche an den Geräten. Mit 18 gelang ihm sein bisher größter sportlicher Erfolg. Beim Deutschen Turnfest 1987 in Berlin wurde er Deutscher Jugendmeister im Mehrkamp( Thomas Faller aus Schonach war schon von klein auf fasziniert von der Vielseitigkeit der Bewegungsabläufe, wie sie gerade das Geräteturnen anbietet, aber auch fordert. Sportarten, bei denen das Training als Prozeß der Verbesserung oder Optimierung eines bestimmten motorischen Bewegungsablau­ fes in den Mittelpunkt gestellt wird, können ihn nicht so sehr begeistern. Er liebt das Zusammenspiel von Beweglichkeit, Kraft und Koordinationsfähigkeit; Grundeigen­ schaften, die ihn als Geräteturner besonders auszeichnen. Sein sportlicher Ehrgeiz ließ es nicht zu, daß es bei der anfänglichen turneri- 276 sehen Freizeitgestaltung blieb. Bald wurde der Wunsch wach, das Geräteturnen als Lei­ stungssport -Kunstturnen -zu betreiben und möglichst auch zu sportlichen Erfolgen und Ehren zu kommen. Ein Ziel, das er mit einem intensiven Training geradlinig und zielstrebig verfolgte. Thomas Faller besuchte das Schwarzwald­ gymnasium in Triberg und machte im Jahr 1988 sein Abitur. Er unterwirft sich gerne dem sportlichen Streß und opfert dafür einen Großteil seiner Freizeit, weiß er doch, daß im Kunstturnen vieles, wenn nicht alles vom Training abhängt. Als Kunstturner muß er bei den Meisterschaften sein Können an den sechs olympischen Geräten: Boden, Pau­ schenpferd, Ringe, Pferdsprung, Barren und Reck stets unter Beweis stellen. Daß diese Vielseitigkeit ein sehr zeitaufwendiges Trai­ ning voraussetzt, ist fast schon selbstver­ ständlich, und hat schon so manches hoff­ nungsvolle Turntalent in andere sportliche Lager abwandern lassen. So ist es nicht ver­ wunderlich, daß er regelmäßig mindestens viermal in der Woche trainiert. Er hat es bis­ her verstanden, Schule und Training mit­ einander in Einklang zu bringen, und er hofft dies auch künftig tun zu können. Sein Wunsch nach dem Abitur ist es, b:!i einer Sportfördergruppe der Bundeswehr auf­ genommen zu werden. Dort könnte er dann noch intensiver trainieren, um auch als Akti­ ver möglichst weit vorne mitmischen zu können. Turnerische Erfolge haben sich bei Tho­ mas schon sehr früh eingestellt. Seit 1981 ist er als Schüler und Jugendlicher bei den Mei­ sterschaften des Badischen Schwarzwald­ Turngaues auf Sieg programmiert. Von da ab war er auch jedes Jahr bei den Badischen Mei­ sterschaften in der Spitzengruppe zu finden und wurde 1983 Badischer Schülermeister. 1986 und 1987 konnte er sich gegen äußerst starke Konkurrenz auf Landes-und Regio-

nalebene durchsetzen und bis zur Deutschen Jugendmeisterschaft im Kunstturnen vor­ dringen. Diese Erfolge stehen bei ihm beson­ ders hoch im Kurs. Doch damit nicht genug. Als „Multita­ lent“ hat er sich seit 1985 auch für die „Deut­ schen Mehrkämpfe“ interessiert; ein Wettbe­ werb im Deutschen Turner-Bund, bei dem neben dem Geräteturnen auch leichtathle­ tische Disziplinen verlangt werden, also noch mehr Vielseitigkeit gefragt ist. Ein jugendlicher Mehrkämpfer hat bei Meister­ schaften je eine Übung am Boden, Barren und Reck sowie den 100-m-Lauf, Weitsprung und Kugelstoß zu absolvieren. Für Thomas war es schon fast selbstverständlich, daß er auch im Deutschen Sechskampf, so die Bezeichnung für diesen vielseitigen Wettbe­ werb, bei den Schwarzwald und Badischen Meisterschaften vorderste Plätze für sich beanspruchte. Krönender Höhepunkt war schließlich der Deutsche Jugendmeistertitel 1987 beim Deutschen Turnfest in Berlin, nachdem er zuvor schon die Badische Jugendmeisterschaft für sich entschieden hatte. Als Ligaturner hat sich Thomas Faller der Mannschaft des Bundesligisten TV Herbolz­ heim angeschlossen, wo er insbesondere an seinen beiden Lieblingsgeräten Boden und Pferdsprung wertvolle Punkte „einfahren“ kann. Hans-Peter Pohl aus Schonach hat bei den olympischen Winterspielen 1988 in Calgary (Kanada) die Goldmedaille im Mannschaftswettbewerb in der Nordischen Kombination gewonnen. Am 1. 3.1988 wurde er in seiner Heimatgemeinde Schonach von einer begeisterten Bevölkerung empfangen (unser Bild). Der talentierte Sportler wurde bereits im Almanach 8 8 (Seite 2 70/2 71) durch den bekannten Sportjour­ nalisten Werner Kirchhafer gewürdigt. 277

Für seine herausragenden turnerischen Leistungen wurde er beim Gauturntag 1988 in St. Georgen i. Schw. zum „Sportler des Jah­ res“ im Badischen Schwarzwald-Turngau gekürt. Wer Thomas Faller näher kennt, darf wohltuend feststellen, daß ihn all diese Erfolge ganz normal und locker haben blei­ ben lassen. Dafür sorgt auch ein intaktes Elternhaus, wo der Vater selbst als 1. Vorsit- zender die Führung des heimischen Turn­ vereins Schonach übernommen hat. Ein altes T urnerwort sagt, daß dort wo geturnt wird, die Geselligkeit nicht fehlen darf. So gesehen rundet die heimliche Liebe von Thomas, seine Gitarre, die er trefflich zu spielen weiß, das Bild eines jungen erfolgrei­ chen Turners geradezu vorbildlich ab. Heinz Heckmann ,JANCSIKA“ Ungarische Tänze in St. Georgen im Schwarzwald Csardas, Pußta und Paprika – drei Zauber­ worte, die zwar viel, aber noch nicht alles über Ungarn sagen. Wer kennt sie nicht aus Filmen und Operetten, die längst vergangene Welt der Schweinehirten und blumenge­ schm ückten Mädchen, die sich zum Dorffest bei feurigem Wein und temperamentvollen Csardasklängen der Zigeunerkapellen tra­ fen? In der heutigen Zeit ist auch in Ungarn wenig Platz für solche Romantik; wenn man sich gerade hier bemüht, diese Folklore nicht ganz aussterben zu lassen, so doch auch aus dem Grund, um der Jugend zu zeigen, wie bescheiden und einfach das Leben der Groß­ eltern noch aussah. Um so erfreulicher ist die Tatsache, daß viele Jugendliche zu den Folk­ loregruppen drängen, die diese Tradition 278

bewahren wollen. Leider gelingt nur wenigen Gruppen einmal die Ausreise in ein westli­ ches Nachbarland, so daß wir sehr wenig von der „echten“ ungarischen Folklore erfahren. Gerade in Deutschland gründeten Stu­ denten und Exilungarn neue Folklore­ Ensem bles, aufFolklorefesten und Lehrgän­ gen hielten sie engen Kontakt zur Entwick­ lung in der Heimat. Leider sind nur wenige dieser Gruppen übriggeblieben. Um so mehr überrascht und erfreut sind viele Anhänger dieser Folklore, wenn sie erfahren, daß mitten im Herzen des Schwarz­ waldes, in einem Gebiet großer Folkloretra­ dition, ein ungarisches Tanzensemble ent­ standen ist. Der überraschende Erfolg der noch jungen Tanzgruppe JAN CSIKA“ und die Zahl der Auftritte in wenigen Jahren zei­ gen, welch großes Interesse auch bei uns für diese doch selten vorgeführte Folklore da ist. Die „Wiege“ des Tanz-Ensembles ist die Arbeitsgemeinschaft „Tanz“ an der Real­ schule in St. Georgen/Schwarzwald, mittler­ weile gehören ihr fast 30 Jugendliche mehre­ rer Schulen und junge Leute, die die Schule längst verlassen haben, an. Sie alle verbindet die Liebe zu der tempe­ ramentvollen Musik und die Verschiedenar­ tigkeit der an die jeweilige Landschaft gebun­ denen Tänze mit den farbenfrohen Trach­ ten. Leiter der Gruppe ist Sportlehrer Gün­ ther Hacker, selbst in Ballett-und Tanz aus­ gebildet, der seinen Schülern im Rahmen des mehrjährigen Trainings und bei zahlreichen Auftritten auch im Ausland viel Bühnener­ fahrung vermitteln konnte. Großzügig unterstützt durch Schulleitung und Stadtver­ waltung, trainieren drei Leistungsgruppen bis zu fünf Stunden pro Woche Schrittkom­ binationen und ungarische Texte; durch Schulabgänge, Bundeswehr oder Beruf ist die Gruppe immer wieder gezwungen, Nach­ wuchs heranzuziehen. Viele der Choreographien stammen vom Leiter des Staatlichen Folklore-Ensembles in Budapest, Sandor Timar; die Kostüme wur­ den nach alten Vorlagen von den Mädchen der Gruppe nachgearbeitet. Texte und Musik sind so unverfälscht, daß gerade „echte“ Ungarn unter den Zuschauern immer wieder begeistert von der Originalität der Gruppe sind. Zum Tanzprogramm gehören Mädchen­ tänze aus Kalocsa und Sarköz, artistische Stock-und Hirtentänze aus der Pußtage­ gend, Flaschentanz, Tänze aus Siebenbürgen und natürlich auch ein schwungvoller Hoch­ zeitscsardas. Bei einem Huttanz und einem im ungarischen Tanzhausstil choreogra­ phierten Ugros (Sprungtanz) läßt es sich die Gruppe nicht nehmen, Zuschauer zur Freude des restlichen Publikums zum Mit­ tanzen aufzufordern. Auf mehreren Reisen nach Ungarn, wo die Tänzer Spuren ihrer vor etwa 200 Jahren aus dem Schwarzwald in die ungarische Tief­ ebene ausgewanderten Vorfahren suchten, konnte die Gruppe die Orte und Landschaf­ ten ihrer Tänze kennenlernen. Drei Tanz­ tourneen in Frankreich zeigten neben den vielen Auftritten im süddeutschen Raum, daß diese „echte“ Folklore immer mehr Freunde gewinnt. Über 100 Auftritte vor alten oder behin­ derten Menschen brachten der jungen Truppe auch im Ausland viel Lob und Preise ein; 1985 wurde das soziale Engagement mit einer Anerkennungsurkunde des Regie­ rungspräsidenten belohnt. Wochenlang waren die „Schwarzwälder Ungarn“ unterwegs, um abseits der Touri­ stenorte Spuren der über 200 Jahre alten Tänze zu finden. Oft stießen sie auf Unver­ ständnis -warum interessieren sich die jun­ gen „Westler“ gerade für die Kultur, die die eigenen Jugend.liehen mit Jeans und Transi­ storradios gerade überwinden wollen? Volkstanz wird staatlich schon in der Grundschule als Pflichtfach verordnet, doch erst mit einer Gruppe aus Martonvasar bei Budapest, die auf ihrer Europatournee auch nach St. Georgen eingeladen wurde, gelang ein fruchtbarer Kontakt. Deshalb war man auf die Hilfe alter Leute angewiesen, die, teil­ weise noch etwas Deutsch sprechend, gerne vom alten Brauchtum erzählten. War erst das 279

Vertrauen da, so konnte es vorkommen, daß eine alte Frau in einem abgelegenen Dorf in der Großen Tiefebene die jungen Deutschen verstohlen in einen Keller führte und dort, in Kisten verpackt, ihre „Schätze“ zeigte: Tage­ bücher, Bilder, Lesefibeln, Liederbücher, Trachten und andere persönliche Gegen­ stände aus der deutschen Heimat, die Nach­ kommen der Einwanderer bei ihrer gewaltsa­ men Vertreibung aus vielen ehemals „deut­ schen“ Dörfern zurückgelassen haben. Ver­ steckt vor staatlichen Vemichtungsaktionen haben die Briefe und Tagebücher Generatio­ nen überdauert und könnten dem Ge- schichtskundigen einiges über das Schicksal der ehemaligen Donauschwaben, Pfälzer und Schwarzwälder erzählen. Ein Einwande­ rer-Kapellchen mit deutschen Inschriften, Kuckucksuhr und alten Grabsteinen mußte schon wenige Tage nach dem Besuch der Deutschen einer Umgehungsstraße weichen, so dürften auch die anderen Zeugnisse vieler Schicksale bald verschwunden sein. Die Lieder und Tänze der Einwanderer und die der ungarischen Bauern vermischten sich teilweise und kehren nun heute durch die St. Georgener Tänzer in den Schwarz­ wald zurück. Günther Hacker Skiloipe und Hochmoor Martinskapelle Lösung eines Konfliktes zwischen Erholungsnutzung und Schutz der Natur Der Höhenrücken Rohrhardsberg/Mar­ tinskapelle/Brend bildet die Trennlinie zwi­ schen dem Mittleren Talschwarzwald, der steil mit tief eingeschnittenen Tälern nach Westen zum Rhein hin abfällt, und der Mitt­ leren Schwarzwald-Ostabdachung, die mit ihren sanften Tälern und geringem Gefälle das Gepräge der danubischen Entwässerung trägt. Erhebungen um 1100 m zeichnen den Höhenzug durch eine herausgehobene Schneesicherheit im Bereich des Mittleren Schwarzwaldes aus; die Geländeausformung – langgestreckter, durch sanfte Mulden unterbrochener Hangrücken mit flach geneigten Oberhanglagen – machen ihn für den Skilanglauf geeignet. Erschließung und damit verbundener Einzugsbereich ließen speziell die „Martinskapelle“ schon früh zu einem Zentrum dieses Freizeitsports werden. Geschichte des Langlaufzentrums .,Martinskapelle“ Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde der bewaldete Höhenzug Brend/Martins­ kapelle/Rohrhardsberg für den Skilanglauf genutzt. Als die Mobilität des einzelnen noch begrenzt war, ist er Zielpunkt von Ski­ touren und Wettkämpfen mit Start in St. 280 Georgen, Schönwald oder Schonach gewe­ sen. Mit der Automobilisierung breiter Gesellschaftsschichten, der Verkürzung der Arbeitszeit und der Erhöhung des disponi­ blen Einkommens dehnte sich der Einzugs­ bereich für den Skilanglauf auf der Martins­ kapelle nach Villingen/Schwenningen, Rott­ weil sowie Kinzig- und Elztal aus; gleichzei­ tig wurden auch breitere Bevölkerungs­ schichten erfaßt. 1973 wurde daher die Skiloipe „Martinska­ pelle“, eine Rundstrecke von 20 km mit einem Wechsel von Anstiegen und Abfahr­ ten, nach skandinavischen Vorbildern ange­ legt. 40.000 bis 50.000 Besucher nutzen seit­ her jährlich bei bis zu 150 Benutzertagen die abwechslungsreiche Rundstrecke für den Skilanglauf. Durchschnittlich finden 20 Wettkampfveranstaltungen/Jahr statt. Be­ reits 1965 war die Deutsche Jugendmeister­ schaft auf der Martinskapelle durchgeführt worden. Die nächste große Wettkampfver­ anstaltung war die Deutsche Meisterschaft der Vereinsstaffeln und der SO-km-Langlauf im Jahre 1967. Hierfür wurde auch erstmals die Spur maschinell mit einem Motorschlit­ ten vorbereitet. Für die Unterhaltungskosten der Martins-

IIOCHMOOR UND FLUTL!CHTSTRECKE AUF DER MARTINSKAPELU Staatswald Martlnskapel lenwald ··-·······-··· G�nte Naturdenkffll 1 —- Früher-e Loipenfuhrung — Neue loipenführung SeleuchtungsNst.en • kapellenloipe kommt die Landesforstverwal­ tung auf. Diese fördert auch die Beschaffung der notwendigen Spurfahrzeuge. Die Geschichte des engeren Langlaufzen­ trums Martinskapelle begann 1966, als der Skizunft Brend durch Vertrag mit der Forst­ direktion Freiburg gestattet wurde, eine 1,1 km lange beleuchtete Trainingsstrecke zu bauen. 1975 wurde die Skihütte Martinska­ pelle von der Landesforstverwaltung in Eigenregie durch Waldarbeiter in Blockbau­ weise errichtet; 1979 erfolgte die Verlänge­ rung der Flutlichtstrecke auf 2 km, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Die Entwicklung der neuen Langlauftech­ nik (Skating) machte auch vor dem Langlauf­ zentrum Martinskapelle nicht halt. Ab Win­ termitte 1984 wird deshalb auf der Loipen­ trasse rechts eine Spur für die Läufer im klas­ sischen Stil gezogen, die linke Seite wird für die Freistilläufer gewalzt. Trotz anfänglicher Reibereien hat sich diese Lösung bewährt. Bei zusammenfassender Betrachtung sind Langlaufzentren geeignete Einrichtungen, den winterlichen Besucherstrom in der freien Natur zu lenken und damit ein wirksames Mittel gegen das schädliche „Qperwaldein­ laufen“. Voraussetzung hierfür ist eine hohe Spurqualität. Nur eine regelmäßige Pflege bindet die Läufer an die Loipe. Wertvolle Landschaftsteile im Bereich des Langlaufzentrums Die Waldstruktur auf dem Höhenzug Brend/Rohrhardsberg bietet in vielen Berei­ chen geeignete Lebensräume für das vom Aussterben bedrohte Auerwild. An verschie­ denen Orten sind Moore und Quellsümpfe vorhanden. An der beleuchteten Langlauf­ spur auf der Martinskapelle ist das gut aus­ gebildete Hochmoor „Moosschachen“ gele­ gen. Der Name H o c h m o o r bezieht sich nicht, wie oft angenommen, auf die Meeres­ höhe des Moores, sondern auf das Höhen­ wachstum des Moores selbst. Die Bezeich­ nung soll den Unterschied zum Flachmoor verdeutlichen, wo der Hauptwurzelraum der Pflanzen vom nährstoffhaltigen Grundwas­ ser umspült wird. In Hochmooren haben die Pflanzen durch das Höhenwachstum des Moores mit zunehmender Torfschicht- die jährliche Zuwachsrate liegt um 0,5 mm – keine Verbindung mehr zum nährenden Grundwasser; sie sind ganz auf das Nieder­ schlagswasser und die wenigen Nährstoffe des atmosphärischen Staubes angewiesen. Auf solchen „Hungerböden“ vermögen nur sehr genügsame Pflanzen zu wachsen. Deren bedeutendste Gruppe sind die Torfmoose; diese können bis zum zwanzigfachen ihres eigenen Trockengewichts an Wasser spei­ chern, ein Vorrat, der die Wasserversorgung der Moose und ihrer Begleitpflanzen in Trockenzeiten sichert. Neben den Torf­ moosen gibt es in den Hochmooren viele Flechtenarten und einige Blütenpflanzen. Zwergsträucher wie Besenheide, Heidelbeere und Rauschbeere wachsen auf den trockenen Bereichen. In besonderer Weise an das Leben 281

Hochmoor-Vegetation mit Moorwald im Hochmoor angepaßt ist der Rundblätte­ rige Sonnentau. Er deckt seinen Stickstoffbe­ darf hauptsächlich durch Insekten, die an den Sekrettröpfchen hängenbleiben und dann verdaut werden. Die Oberfläche eines Hochmoores, mosaikartig aus Erhebungen, den „Bulten“, und dazwischengelegenen Vertiefungen, den „Sehlenken“, zusammengesetzt, ragt meist uhrglasförmig über die Umgebung heraus, da das Wachstum im Moorzentrum schnel­ ler ist als am Rande. Besonders ausgeprägt ist diese Oberflächenform beim Hochmoor „Moosschachen“ auf der Martinskapelle. Die gemessene Torfmächtigkeit von 7,6 m ist für eine kleine Moorfläche von knapp 3 ha sehr viel und bedingt daher die typische Oberflä­ chenausformung. Die Zunahme verschiede­ ner Pflanzen als Trockenheitsanzeiger (z. B. Heidekraut und durchwachsender Holzbe­ stand) deuten darauf hin, daß das Höhen­ wachstum des Moores unter den derzeitigen klimatischen Bedingungen einen Endstand 282 erreicht hat. Die Bildung weiterer Torf­ schichten würde ein kühleres und nieder­ sch1agreicheres Klima voraussetzen. Viele Hochmoore wurden durch Torfab­ bau geschädigt bzw. zerstört. Da die Moore im Verlauf von Jahrtausenden gewachsen sind, müssen auch Bemühungen zur Wieder­ herstellung vor diesem zeitlichen Hinter­ grund gesehen werden. Der verbliebene Rest an Hochmooren hat daher eine herausra­ gende Wertigkeit und erfordert einen hierauf ausgerichteten Schutz. Die konservierende Eigenschaft des Torf­ bodens ist von großer wissenschaftlicher Bedeutung: Unter den zahlreichen guterhal­ tenen Pflanzenresten findet man mit dem Mikroskop große Mengen von Pollenstaub, der von den umliegenden Wäldern in das Moor geweht wurde. Pollenkörner verschie­ dener Pflanzen unterscheiden sich voneinan­ der, und eine genaue Bestimmung des kon­ servierten Pollens in den verschieden alten Torfschichten gibt Aufschluß über die zu

den Klimaschwankungen parallel verlaufen­ den Veränderungen der Vegetation in den letzten Jahrtausenden. Da das Hochmoor „Moosschachen“ mit seiner Höhenlage von 1085 m NN einmalig im Mittleren Schwarz­ wald ist, wird seine Erforschung Aufschlüsse über die glazialen Firnfelder und die Waldge­ schichte dieses Gebietes vermitteln. Auf­ grund der Torfmächtigkeit von 7,6 m darf von einem Alter des Moores von 12000 bis 15000 Jahren ausgegangen werden. Erste Ent­ nahmen von Bohrkernen zur Erarbeitung von Pollendiagrammen wurden durchge­ führt. Hochmoore haben ihre Bedeutung nicht nur als Objekte naturwissenschaftlicher For­ schung. Diese durch Entwässerung und Urbarmachung, Torfgewinnung u. a. m. sel­ ten gewordenen „Urlandschaften“ sind zu Reservaten vom Aussterben bedrohter Tier­ und Pflanzenarten geworden. Lebewesen, die sich mit ihren ökologischen Ansprüchen an die Bedingungen im Moor angepaßt und Uhrglasformig au/gewölbter Randbereich des Hochmoors »Moosschachen“ unter Schneedecke dorthin zurückgezogen haben, sind auf die noch vorhandenen Moorflächen angewiesen wie z. B. die Schmetterlingsarten Moosbee­ renbläuling und Hochmoorgelbling. Die spezialisierten Pflanzen der Hochmoore ein­ schließlich ihrer Vergesellschaftungsformen sind nahezu ausschließlich durch vom Men­ schen ausgehende Eingriffe gefährdet. In der Schrift der Landesanstalt für Umweltschutz ,, Vegetation und Flora der Schwarzwald­ moore“ aus dem Jahre 1984 wird das Hoch­ moor „Moosschachen“ auf der Martinska­ pelle als „besonders schutzwürdig“ darge­ stellt, aber auch die „Beeinträchtigung durch Loipenanlage kombiniert mit Entwässe­ rungsmaßnahmen“ genannt. Insgesamt gilt: Moore ungestört lassen! Bei der ursprünglichen Anlage der beleuchteten Loipe auf der Martinskapelle Bereinigung des Konfliktes Erholungsnut­ zung/Schutz der Natur 283

Auf der Flutlichtstrecke »Martinskapelle“ wurde zweimal das Hochmoor »Moosscha­ chen“ durchschnitten. Längs des Strecken­ abschnittes, welcher im tiefer gelegenen Hangteil das Moor querte, waren zur Verbes­ serung der Schneeverhältnisse auf der Loi­ penspur zusätzlich noch Entwässerungs­ maßnahmen vorgenommen worden. Beein­ trächtigungen der Pflanzendecke durch Ver­ dichten des Moorbodens beim Befahren mit dem Spurfahrzeug, durch späteres Abtauen der Trasse infolge Vereisungen und dadurch bedingt Verschimmeln von Pflanzenteilen und Verkürzungen der Vegetationszeit wur­ den deutlich. Inwieweit Bodendrücke eine raschere Zersetzung des Torfes einschließlich konservierter Pollen unter Freiwerden von Nährstoffen bewirken, was wiederum andere Pflanzengesellschaften zur Folge hätte, wer­ den die Erforschungen des Moores Auf­ schluß geben. Sanierungsmaßnahmen durch Bodenlockerung oder gar Düngung, die bei anderen Bodentypen zur Festigung einer schwindenden Vegetationsdecke durchge­ führt werden, würden weitere Beeinträchti­ gungen für ein Moor bedeuten. Derartig 284 ökologisch empfindliche Bereiche müssen von menschlichen Einwirkungen freigehal­ ten werden. Daher wurde schon im Jahre 1982 mit Naturschutzgeldern der kürzere, nördliche Loipenast aus dem Moor heraus in das angrenzende Gelände verlegt. Im gleichen Jahr hat auch die Landesforstverwaltung Änderungen in der Trassenführung der Mar­ tinskapellenloipe vorgenommen mit dem Ziel, wertvolle Auerwildbiotope zu umfah­ ren.1986 konnte dann auch der südliche, 300 m lange Streckenabschnitt der Flutlichtan­ lage aus dem Hochmoor „Moosschachen“ herausgenommen werden. Der neue Strek­ kenverlauf gewährleistet, daß keinerlei Beeinträchtigungen mehr für diesen wertvol­ len Biotop zu befürchten sind. Der neue Streckenverlauf deckt aber auch die sportli­ chen Erfordernisse voll ab, da ein Wechsel zwischen Anstiegs-und Abfahrtsabschnitten beibehalten werden konnte; auch gewährt er weiterhin das Naturerlebnis eines Hoch­ moores durch „randlichen“ Blick auf diese U rlandschaft.

Für die Verlegung der Flutlichtanlage zum Schutz des Hochmoores waren Planierungs­ arbeiten, Verkabelungen, das Aufstellen von Masten, die notwendigen Elektroinstallatio­ nen einschließlich Blitzschutz und ökolo­ gische Einbindungsmaßnahmen erforder­ lich. Der hierfür notwendige Kostenaufwand wurde von der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege, der Forstdirektion Freiburg, dem Schwarzwald-Baar-Kreis und den Anliegergemeinden getragen. Hinzu kommen weit über 100 freiwillige Helfer­ stunden der Skizunft Brend. Die in vorbildlicher Gemeinschaftsarbeit abgeschlossene Verlegung der Flutlichtloipe aus dem Hochmoor heraus ist es ein gutes Beispiel dafür, daß ein Ausgleich zwischen den Interessen des Leistungssports, der erho­ lungssuchenden Bevölkerung und den Be­ langen der Natur möglich ist. Nach Bereini­ gung dieses Zielkonfliktes konnte die Aus­ weisung des Hochmoores „Moosschachen“ als flächenhaftes Naturdenkmal vollzogen werden. Bereinigen oder Vermeiden von Konflikten? Der Kurzbegriff „Naturschutzgesetz“ steht für folgenden Gesamtwortlaut: „Gesetz zum Schutz der Natur, zur Pflege der Land­ schaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft“. Erholungsnutzung und Schutz von Natur und Landschaft als etwas Zusammengehörendes zu sehen, ist sicher­ lich aus der Erkenntnis erwachsen, daß in vie­ len Naturbereichen – nicht nur im Beein­ trächtigen oder Zerstören von Hochmooren – schon sehr stark durch den Menschen ein­ gegriffen wurde. Schlagwörter über den Umgang mit der Natur wie „Gebrauchen, nicht Verbrauchen!“ oder „Nutzen, nicht Verputzen!“ bringen dies deutlich zum Aus­ druck. Sicherlich wird noch an vielen Orten eine Konfliktbereinigung zwischen Erholungs­ nutzung und Schutz der Natur durch Abwä­ gen der Erfordernisse aus einer Gesamtschau möglich und notwendig sein: Steuerung der Erholungsnutzung durch entsprechend aus­ gerichtetes Angebot; verordnete Rücksicht­ nahme auf empfindliche, schon durch ihre Seltenheit schützenswerte Naturbereiche. Ist dies aber ausreichend für eine Er h o- 1 u n gs vorsorge, d. h. nachwachsenden Generationen den Erlebniswert von Natur und Landschaft durch Erhalt deren Vielfalt, Eigenart und Schönheit zu sichern? Das Naturschutzgesetz mit seinen Vorgaben für den Schutz der Natur einerseits und der Erholungsvorsorge andererseits hat die Ver­ meidung von Konflikten durch eine gesamtheitliche und längerfristige – über die Tagespolitik hinausgehende – Betrachtungs­ weise zum Ziel. Das erfordert in vielen Berei­ chen ein Umdenken, was Nutzungsan­ sprüche an die Natur angeht. Naturschutz ist Teil des Umweltschutzes und damit auch auf den Erhalt der Lebensgrundlagen ausgerich­ tet. Daß diese – Boden, Wasser, Luft, Klima, Tier- und Pflanzenwelt- in ihrer Nutzbarkeit bzw. Belastbarkeit endlich sind, wird zuneh­ mend deutlich. Aus dieser Erkenntnis wer­ den Forderungen nach einer „ökologischen Ethik“ laut. Albert Schweitzer hat dieses Erfordernis schon vor vielen Jahren genauso umfassend gesehen und für jeden verständ­ lich formuliert: „Menschliches Leben ist Leben, das leben will, inmitten von Leben, das auch leben will“. Die Zwänge werden stärker, Entscheiden und Handeln hiernach auszurichten! Ludwig Heneka * 285

Landjugend, Landwirtschaft Kreisemtedankfest der Landjugend beliebt bei alt und jung Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist es zur Tra­ dition geworden, daß die Landjugendgrup­ pen aus Anlaß des Erntedankfestes alljährlich Umzüge veranstalten, bei denen mit farben­ prächtig gestalteten Wagen auf die Bedeu­ tung dieses Festes eingegangen wird. Die vie­ len aktiven Teilnehmerinnen und Teilneh­ mer aus den Landjugendgruppen wollen aber nicht nur zur Unterhaltung beitragen; genauso wichtig ist ihnen, daß durch kri­ tische Fragestellungen der Wert unserer Umwelt und Natur in das Bewußtsein der vielen Zuschauer, die die Straßen säumen, gehoben wird. Einmal mehr erfuhr das Kreiserntedank­ fest, das Anfang Oktober 1987 zu Ehren des zehnjährigen Bestehens der Schonacher Landjugend in Schonach ausgerichtet wurde, einen überwältigenden Publikumsandrang. Die nahezu 20.000 Besucher kamen aus dem gesamten südbadischen Raum nach Schon­ ach, um die von den fünfzehn Landjugend­ gruppen des Schwarzwald-Baar-Kreises in mühevoller Arbeit gestalteten Umzugs­ wagen auf sich wirken zu lassen. Obwohl von vielen Besuchern das Ernte­ dankfest als Volksfest verstanden wird, wehrt sich der bäuerliche Nachwuchs strikt gegen eine solch einseitige Betrachtungsweise. „Die Menschen dürfen den Erntedank nicht allein als ein Fest der Freude verstehen“, so die Lan­ desvorsitzende des Bundes Badischer Land- 286

jugend, Beate Hauser, ,,nicht nur an diesem einen Tag, sondern täglich soll Dank gesagt werden.“ Deshalb versucht die Landjugend auch jedes Jahr mit kritischen Themen, wie zum Beispiel in Schonach mit „Rächt sich unsere Selbstverständlichkeit an der Ernte?“, auf den tieferen Sinn des Erntedankfestes einzu­ gehen. Trotz des herrlichen Umzugs soll jeder Wagen auch zum Nachdenken anre­ gen. Worte der Mahnung fanden die Bräun­ linger Landjugendlichen. ,,Nützt die 2′.eit, es ist später als wir denken!“ Mit ihrem aussage­ kräftigen und technisch hervorragend gestal­ teten Wagen erreichten sie in Schonach den ersten Platz. Aber auch alle anderen Gruppen hatten nicht mit Einfallsreichtum gegeizt. So fragte die Landjugend aus Aasen:,, Wie lange hält sie noch?“ (gemeint war eine Brücke, die die Landjugend Aasen hergestellt hat. Die Gruppe sieht die Ernte durch Umweltver­ schmutzung und Naturkatastrophen gefähr­ det.) Brigach, Hochemmingen und Schonach lehnten sich an die Bibel an. Ihre Themen lauteten: ,,Gottes Gaben – Wir danken dafür“, ,,Durch Gott zur Vernunft -dan­ ken!“ und „Gottes Mühlen mahlen immer“. Alarm schlugen die Gruppen aus Unadingen und Brigachtal mit ihren Aussagen: ,,Läßt uns unsere Besitzgier das Leben vergessen?“ und „Der Weg ins Ungewisse“. Mit diesen und anderen Themen wartete die Landjugend in Schonach auf. Jeder teil­ nehmenden Gruppe wurde Lob und Aner­ kennung gezollt, da sie keine Mühe und 2′.eit zur Herstellung dieser auch künstlerisch anspruchsvollen Wagen gescheut hatten. Fazit des Erntedankfestes im Schwarz­ wald-Baar-Kreis: Der Ausverkauf im Super­ markt „Erde“ muß gestoppt werden. Die Landjugend warnt deshalb vor Naturrniß­ brauch. Die Landjugend wird sich auch wei­ terhin den kritischen, ihren Lebensraum betreffenden Fragen stellen. Denn die jungen in Zukunft die Landwirte sollen auch Chance zum Aufbau einer Existenz haben! Karl-Heinz Beha 287

Ehrenamtliche Berichterstatter des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg leisten wertvolle Arbeit Die betriebs-und marktwirtschaftlichen Berichterstatter informieren das Statistische Landesamt fortlaufend über die Verhältnisse in ihren Betrieben, und zwar sowohl über die ab Hof erzielten Erlöse für landwirtschaft­ liche Verkaufsprodukte wie auch über die Betriebsmittelpreise. Aufzeichnungen über die Entwicklung der Vorräte und die Verfüt­ terung selbsterzeugter Produkte sowie Hin­ weise auf die Absatzwege der landwirtschaft­ lichen Erzeugnisse werden ebenfalls zur Ver­ fügung gestellt. Dadurch werden ein wertvol­ ler repräsentativer Einblick in die Bewe­ gungsabläufe der Natural- und Geldwirt­ schaft und die Gewinnung grundlegender Daten zur Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung der Agrarbetriebe ermöglicht. Die Ernteberichterstatter begutachten jeden Monat während der Vegetationspe­ riode den Entwicklungsstand und die Ern- Es ist schon zur Regel geworden, daß all­ jährlich nach Abschluß der Erntesaison Herr Landrat Dr. Gutknecht im Rahmen einer kleinen Feierstunde auf dem Landratsamt ehrenamtliche Berichterstatter unseres Land­ kreises für 25- bzw. 40jährige treue und pflichtbewußte Mitarbeit ehren und ihnen dabei die Ehrenurkunde und Ehrengabe des Statistischen Landesamtes Baden-Württem­ berg sowie auch ein Buchgeschenk des Land­ ratsamtes aushändigen kann. Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind 65 Sach­ verständige -viele schon über Jahrzehnte hinweg_ -in verschiedenen Fachbereichen tätig. Uberwiegend sind es Landwirte, aber auch einige Hobbygärtner sowie der Leiter eines Gartenbaubetriebes, die diese ehren­ amtliche Aufgabe wahrnehmen. Das Aufgabengebiet ist vielfältig und umfangreich. 288

teaussichten der einzelnen landwirtschaftli­ chen Kultur- und Fruchtarten in ihren Berichtsbezirken, die meist mehrere Gemeinden bzw. Ortsteile umfassen. Regelmäßige Feldbesichtigungen, sorgfäl­ tig vergleichende Beobachtungen der Feld­ bestände und Probemessungen sind hierzu erforderlich. Dank der unermüdlichen Mitarbeit dieser ehrenamtlichen Sachverständigen, deren Schätzungen für Getreide, Kartoffeln, Fut­ terpflanzen, Gemüse und Obst im Niveau mit den amtlichen Ernteermittlungen abge­ stimmt werden, ist es dem Statistischen Lan­ desamt möglich, auch genaue Angaben in tiefer regionaler Gliederung zu erhalten und schon jeweils zu Beginn der Vegetationspe­ riode die voraussichtliche Ernte- und Versor­ gungslage zu prognostizieren. Damit werden insbesondere für die Marktanalyse und Marktsteuerung unentbehrliche Unterlagen gewonnen, um volks- und privatwirtschaft­ liche Fehldispositionen zu vermeiden. Die Feldfruchtertragsstatistik steht und fällt damit, daß diese Berichterstatter das Stati­ stische Landesamt mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen nach besten Kräften unter­ stützen und somit der Allgemeinheit und ihrem Berufsstand wertvolle Dienste leisten. Auch künftig werden diese ehrenamtli­ chen Sachverständigen im Schwarzwald­ Baar-Kreis durch ihre Meldungen zur Gewinnung grundlegender Daten für die Berechnung von Nahrungsmittelproduk­ tion, Verkaufserlösen, Betriebseinkommen und anderer Schlüsseldaten zur Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung der land­ wirtschaftlichen Betriebe beitragen. Bei dem tiefgreifenden Strukturwandel, dem die Landwirtschaft seit Jahren unterworfen ist, und den zunehmenden Agrarproblemen in der Europäischen Gemeinschaft sind die Daten der amtlichen Agrarstatistik für die Analyse und Darstellung der Lage der Land­ wirtschaft ebenso unentbehrlich wie für die notwendigen administrativen Entscheidun­ gen zur Förderung und Verbesserung der betrieblichen Verhältnisse, zur Aufstellung von Versorgungsbilanzen, zur Mittelzuwei­ sung aus dem gemeinsamen Agrarfond und zur regionalen Strukturpolitik. Otto Maier * Herbst Die schönste, wohl auch bald die letzte [Sonne des warmen Herbstes scheint auf uns herab. Warum bewerten wir sie höher als die vorausgegangenen Leuchten unsres Jahres? Weil sie der Herbst gewährt, die liebevollste, mütterlichste aller Jahreszeiten. Der Frühling reißt des Winters Eiswand ein und öffnet Wege uns durch Gras und [Blumen. Jetzt soll der Herbst des Sommers Pracht (ersetzen. Er tut es auch – und ganz nach eigner Art. Er dehnt sich weithin über unsre Erde und legt den müden Bäumen Farben auf, daß sie wie Statuen stehn im späten Licht, hüllt sie am Abend noch in Schleier ein und weißen Dunst, daraus die Farben [ schimmern. Des Herbstes schönste Gabe aber ist die Stille nach vollbrachtem Werk. Sie ist so groß, daß man sie hören kann. Gisela Mather * 289

Original-Radierung von Hans Georg Müll.er-Hanssen über ein Alt-Dürrheimer Motiv 290

Prosa aus unserer Heimat Das Wunder vom Kölner Dom Eine Jugenderinnerung Nach dem 1. Weltkrieg durfte ich hin und wieder meine verwitwete Großmutter müt­ terlicherseits in Düsseldorf besuchen. Was war da nicht alles zu sehen und zu bewun­ dern: der Hofgarten mit dem Märchenbrun­ nen und den klassischen Säulengängen des „Ratinger Tors“, der „Jakobe-Turm“ als Rest des kurfürstlichen Schlosses am Rhein, nicht weit davon entfernt, in der Altstadt, die alte St. Andreas-Hofkirche und, am Ende der Bolkerstraße, das Geburtshaus von Heinrich Heine, ferner das alte Rathaus mit dem Rei­ terstandbild des Kurfürsten „Jan Wellern“, – aus der neueren Zeit die Oper, die prächtige Königsallee zu beiden Seiten der Düssel, die Kunsthalle, und so vieles Andere mehr. Meinen ersten Opernbesuch mit Webers „Oberon“ habe ich bis heute nicht vergessen können. Die Großzügigkeit der „Oma Düssel­ dorf“, wie wir Kinder sie nannten, sollte mir nun eine gemeinsame Reise nach Mailand bescheren, wo wir ihre jüngere Schwester besuchen wollten. Bei Antritt dieser für mich ersten Auslandsfahrt, die von Köln ausgehen sollte, habe ich als Junge das erlebt, was die Oma bis in ihr hohes Alter ein „richtiges Wunder“ genannt hat. Ich schicke hierzu voraus, daß die Oma, im rührigen Krefeld aufgewachsen, und geschichtskundig, trotz ihrer rund 60 Jahre immer noch in den religiös eingefärbten Vor­ stellungen der sogenannten Heidelberger Romantik lebte. So war sie begeistert von den Veröffentlichungen eines Ludwig Tieck und Clemens v. Brentano. Sie kannte auch in allen Einzelheiten die Brentanosche Schrift von 1852 „Betrachtungen der gottsel. Anna Katharina Emmerick“. Es handelte sich um eine stigmatisierte Nonne aus dem Münster- belesen, sprach- land, die, ans Bett gefesselt, als „Leidens braut Christi“ mit der Gabe des sogen. ,,2. Gesichts“ bis zu ihrem Tode 1842 ein mühse­ liges Opferleben geführt hatte. Solche Schil­ derungen einer unbegrenzten Hingabe an das Gefühl und eines Zauberkreises des „ Wunderbaren“ hatten die Oma von Jugend an stark beeindruckt. Und damit sind wir beim Antritt unserer italienischen Reise. Wir waren bereits eine gute Stunde vor Abfahrt des Mailänder Zuges im Kölner Hauptbahnhof, weil die Oma nach Aufgabe des Handgepäcks, wie sie das bei Reisen zu ihrer Schwester stets tat, noch im nahegelege­ nen Dom am Schrein der HI. Dreikönige diese als Schutzpatrone der Reisenden um eine gute Fahrt bitten wollte. Nachdem sie den Gepäckschein irgendwo in ihrem Unter­ rock verstaut hatte, machten wir uns auf den Weg zum Dom, wo nach Verrichtung des Gebets noch eine Kerze gestiftet wurde. Am Ausgangsportal wartete schon, feierlich in rot und schwarz gewandet, ein Kirchendiener auf eine Spende für die Erhaltung des Doms. Hierzu mußte sich die Oma, um umständ­ lich ihre Geldbörse aus dem Unterrock her­ auszuholen, ein wenig, wie sich das gehört, zur Seite wenden. Wer aber beschreibt unser gemeinsames Entsetzen, als sich am Gepäckschalter des Bahnhofs der Gepäckschein weder in der Geldbörse der Oma noch auch in der auf­ genähten Tasche ihres Unterrocks noch sonstwo finden ließ! Aber es dauerte nicht lange, da wußte die Oma – glücklich, wem solche Tatkraft und Zuversicht gegeben ist! – sich auch schon gleich Rat. Sie nahm ihre Zuflucht nicht etwa zum HI. Antonius von Padua, dem Schutzpatron derer, die etwas verlieren. Nein, sie war hier in erster Linie als 291

Reisende in Not, und für solche Fälle waren die HI. Dreikönige zuständig. Hätte sie es, so habe ich mir später insgeheim gesagt, bei einer Fürbitte allein beim HI. Antonius belas­ sen, so wäre sie Sache allerdings ganz anders verlaufen. So nahm mich die „resolute“ Oma, ohne viel Worte zu verlieren, bei der Hand, und bald schon standen wir wieder vor dem Dreikönigsschrein, diesmal mit der Bitte um Herbeischaffung des Gepäck­ scheins. Als wir den Dom verließen, erhielt der Kirchendiener wieder, wie beim ersten Mal, ein Geldstück für seinen Opferkasten. Kurz vor dem Ausgangsportal fiel mir da plötzlich ein sorgsam gefaltetes Stück Papier auf, das am Boden lag. Nichtsahnend hob ich es auf, entfaltete es: es war ein Gepäckschein der Reichsbahn, der auf ein Gepäckstück lau­ tete. Nun war -mein Herz klopfte hörbar – nur noch die bange Frage zu beantworten, ob es, was allerdings wahrscheinlich war, unser Gepäckschein war. Er war es! Das stellten wir erfreut und dankbar fest, als uns auf diesen Schein unser Koffer ausgehändigt wurde. Und unseren Zug nach Mailand bekamen wir auch noch rechtzeitig. Er hatte Verspätung … Kinder sind oft gar nicht so dumm oder unerfahren, wie es nach Alter oder Reife den Anschein haben sollte. In jedem Fall sind sie unbefangener als mancher Erwachsene. Als wir, die Oma und ich, den Koffer im Gepäck­ netz, im abfahrenden Zug saßen, kam in mir die Vermutung auf, die Oma müsse den Schein beim ersten Dombesuch an der Pforte verloren haben, als sie sich ziemlich umständlich an ihrem Unterrock um ein Geldstück aus der Börse bemühte. Sie hatte den Schein entweder aus der Börse oder aus der Tasche des Unterrocks verloren. Als ich diesen Gedanken vorsichtig äußerte, wollte Wohin sind die Jahre, als er noch auf die Höfe kam in schöner Regelmäßigkeit, nie angemeldet, aber jeden Sommer erwartet, das kleine, bucklige Hutzelmännlein, der letzte Der Schidlemacher 292 die Oma davon gar nichts wissen. Für sie war es ein regelrechtes Wunder, durch das ihr das Papier infolge eines „höheren Eingriffs“ sozusagen wieder zugespielt worden war; daran sei „bei bestem Willen nichts zu deu­ teln“. Sie hatte für ihre Auffassung, belesen wie sie war, gleich eine bekannte Stelle aus Shakespeares „Hamlet“ zur Hand und zitierte: ,,Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit Euch träu­ men läßt“. Da blieb mir zunächst nichts Anderes übrig, als zu schweigen und meine Gedanken für mich zu behalten. Als ich nach Jahren wieder auf das Vor­ kommnis zu sprechen kam, meinte die Oma, ein klein wenig nachgebend, es sei jedenfalls ein Wunder gewesen, daß ihr nach Kenntnis des Verlustes „sozusagen eine innere Stimme von oben befohlen“ habe, wieder zum Schrein zurückzukehren und dort um Hilfe zu bitten, statt im Bahnhof zu jammern und die vorgeschriebene amtliche Aufklärung des Falles abzuwarten und damit den Zug zu ver­ passen oder gar die ganze Reise zu gefährden. Gegen eine solche Erklärung des Wunders habe ich damals, ungeachtet einer persönlich anderen, psychologischen Deutung des tat­ sächlichen Ablaufs der Dinge, nichts weiter einzuwenden gehabt. Jedenfalls hatte ich die Auffassung gewonnen, daß es diejenigen, die an eine „Hilfe von oben“ glauben und auch darauf vertrauen, im Leben oft viel weniger schwer haben als die puren eiskalten Intellek­ tuellen, die eine solche Verbindung „nach oben“ nicht oder nicht mehr haben und auch nicht mehr suchen. Dabei lasse ich offen, was unter „oben“ zu verstehen ist. Das muß -immer noch -jeder mit sich selbst aus­ machen. Ernst Roskothen Störhandwerker, der letzte Vertreter seiner Zunft, der Schidlemacher, Unternehmer und Arbeitnehmer in einem, von dem niemand wußte, woher er kam und wohin er ging, wo

seine Heimat war und wer für ihn sorgte? Unvergessen bleibt er, wie er in der Sommer­ hitze im kühlen Keller oder in der luftigen Tenne auf einem Melkschemel saß, mit einem angefangenen Korb beschäftigt (in unserem Dialekt „Schidle“ genannt), die durchfeuchteten ungeschälten, graubraunen und die geschälten, blütenweißen Weidenru­ ten, die er, in peinlicher Ordnung, auch nach ihrer Stärke gesondert, um sich liegen hatte und mit der Leichtigkeit des Könners flocht und so ein Kunstwerk um das andere vor unseren Augen schuf, wenn wir, unter der Türe stehend, ihm zuschauten. Denn er war ein Meister seines Faches, wie er sich auch gern Korbmachermeister nennen ließ. Rie­ sige Waschkörbe zauberte er hervor, gewöhnliche runde Schieden für Kartoffeln und gespaltenes Holz, zierliche Nähkörb­ chen, Kratten, auch Taschen; durchgebro­ chene Böden flickte er aus, und abgerissene Henkel ersetzte er durch neue. Hatte er den Auftrag, nur Schieden zu machen, so ge­ langen ihn fünf bis sechs an einem Tag, die stellte er am Abend ineinander, zeigte sie stolz der Bauernfamilie, erwartete dafür aber auch gern Bewunderung und Lob. Gewöhnlich tat er seine Arbeit schwei­ gend; brachten wir es aber dahin, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, so erzählte er und erzählte, inspiriert vom Geist im Apfelmost, den er über die Maßen liebte und dessen Qpantum er sich nicht vorschreiben ließ, er erzählte mit einer Phantasie, um die ihn selbst Karl May beneidet hätte, wobei es ihm weniger auf die Richtigkeit seiner Ansichten und den Wahrheitsgehalt seiner Schilde­ rungen als ‚vielmehr auf ihren Unterhaltungs­ wert ankam. Es war faszinierend -auch für Erwachsene, wenn er ernst und heiter, selbst nicht ohne Charme von seiner Heimat, die einmal die Pfalz, ein andermal Sachsen war, erzählte oder von seinen 17 so unterschied­ lichen Berufen wie Koch, Maurer und Stra­ ßenbaumeister oder von seinen Besitztü­ mern, von seinen Weltreisen oder von künf­ tigen weltpolitischen Entwicklungen. Ohne im geringsten daran zu denken, wieviel ihm doch das Leben durch sein Gebresten und sein gnomenhaftes Aussehen versagt hatte, getrauten wir uns gelegentlich, mit ihm Scha­ bernack zu treiben, den er sich bis zu einem gewissen Grade gefallen ließ, sprachen ihn wie jedermann in unserer Umgebung ganz selbstverständlich und gegen alle Gesetze der Höflichkeit mit „Du, Schidlemacher“ an; daß er Fritz Jung hieß, wußten nur wenige, wir Kinder sowieso nicht. Er erhielt seinen Platz am bäuerlichen Tisch, aß, was gekocht wurde, leistete seinen Beitrag zur Unterhaltung, und war seine Arbeit been­ det, so nahm er als Entlohnung, was recht war, lud Werkzeug und Habseligkeiten auf ein Leiterwägelchen und zog von dannen -ein­ mal mit einem seiner Auftraggeber, und das kam so: Er sei eigentlich Großbauer mit vie­ len Morgen Land, verriet er, und sein Pro­ blem im Spätsommer sei regelmäßig, das viele Obst zu verwerten bzw. zu verkaufen. Was habe er schon an Äpfeln, Birnen und Zwetschgen verschenkt, ganz gleich wem. Anders wisse er sich oft nicht zu helfen. Er könne das viele Obst ja schließlich nicht alles selber essen. Da faßte sich sein Gesprächs­ partner ein Herz: „Ja, wenn das so ist, dürfte ich dann auch einmal kommen?“ Der Mei­ ster zeigte sich von der Frage nicht über­ rascht, die beiden vereinbarten einen Ter­ min, fuhren mit dem Zug ins Kinzigtal, stie­ gen in irgendeinem Kinzigtalörtchen aus und machten einen weiten Weg in irgendein Seitental, an prächtigen Höfen vorbei, deren Geschichte er über Generationen hinweg kannte und wortreich erläuterte. Endlich wurde der Weg schmaler, die beiden stolper­ ten über Äcker und Wiesen, bis sie zu guter Letzt in großer Einsamkeit ein Feld mit schö­ nen Obstbäumen betraten. „Das gehört zu meinem Hof“, sagte der Schidlemacher und half dem andern eilig, mit dem Fallobst Rucksack und Körbe zu füllen. Danach ver­ abschiedete er sich mit einer Hast, die man bei ihm sonst nicht kannte: „Jetzt mach aber, daß du schnell damit nach Hause kommst!“ Karl Volk 293

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Gerhard Gebauer ist am 18.10.1987 im zweiten Wahlgang zum Oberbürger­ meister der Großen Kreisstadt Villingen­ Schwenningen wiedergewählt worden. Er erhielt 56,44 % der gültigen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 65,45 % . Die dritte Wahlperiode hat am 1.1.1988 begon­ nen. Siegfried Baumann wurde am 8.11.1987 zum Bürgermeister von Unterkirnach wie­ dergewählt. Er war der einzige Kandidat. Bei einer Wahlbeteiligung von 64,2 % stimmten 98,5 % für den bisherigen Amtsinhaber. Die neue Wahlperiode hat am 1. Februar 1988 begonnen. Albert Haas wurde am 8.11.1987 als Bürgermeister von Schonach wiedergewählt. Er setzte sich unter 3 Bewerbern im ersten Wahlgang mit 58,6 % durch. Die Wahlbetei­ ligung betrug 85,4 % . Die neue Wahlperiode hat am 1.Januar 1988 begonnen. Gerhard Dietz wurde am 6. 3. 1988 im 2. Wahlgang zum neuen Bürgermeister in Mönchweiler gewählt. Er erhielt bei einer Wahlbeteiligung von 81,36 % unter 5 Kandi­ daten 34,16 % der gültigen Wählerstimmen. Er hat sein Amt am 25. 4. 1988 angetreten. Der bisherige Bürgermeister Günter Siek hat sich nicht mehr zur Wahl gestellt und ist am 24. 4.1988 in den Ruhestand getreten. Er war seit dem Jahre 1960 Bürgermeister der Gemeinde Mönchweiler. 294 Paul Riegger, der Senior des Kreistags des Schwarzwald-Baar-Kreises, ist am 30.10.1987 im 92. Lebensjahr verstorben. Herr Riegger gehörte seit dem Jahre 1959 dem Kreistag an. Seine Persönlichkeit wurde im Almanach 1987, Seite 60 ff. gewürdigt. Bernhard Hiestand, der seit dem Jahre 1979 dem Kreistag des Schwarzwald-Baar­ Kreises angehörte, ist am 25. 6. 1988 verstor­ ben. Emil Riemensperger, Altbürgermeister und Ehrenbürger von St. Georgen, der in den Jahren 1948 bis 1965 Mitglied des Kreistags im ehemaligen Landkreis Villingen gewesen ist, ist am 15. 3. 1988 im Alter von 98 Jahren gestorben. Seine Persönlichkeit wurde im Almanach 1982 (S. 228) gewürdigt. Günter Bußmann, seit dem Jahre 1976 Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Villingen, hat am 1. 9.1988 einen neuen Dienstauftrag in Freiburg angetreten. Neuer Dekan ist Martin Treiber, der bisher Pfarrer in St. Georgen war. Zu einem weiteren Treffen mit unseren Nachbarn im Kanton Schaffbausen fuhr eine kleine Delegation des Kreistags des Schwarzwald-Baar-Kreises mit Landrat Dr. Gutknecht am 24. 8.1988 in den Nachbar­ kanton. Die Begegnung gab Gelegenheit, anhand von Besichtigungen unsere südlichen Nachbarn noch mehr kennenzulernen und die freundschaftlichen Kontakte zu vertiefen.

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1987 ausgezeichnet: a) mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: (Abkürz.: BVK a. B. -Bundesverdienstkreuz am Bande BVM -Bundesverdienstmedaille) 27. 05. 1987 Gilau, Else BVKa.B. Blumberg BVKa.B. Bächle, Otto 12. 06. 1987 Unterkimach Bräunlingen Fürderer, Günter BVKa.B. 01. 07. 1987 14. 07.1987 Brigachtal-Klengen Käfer, Georg BVKa.B. Bühler, Hansjürgen BVKa.B. 20. 08. 1987 Donaueschingen BVKa.B. Donaueschingen Keßler, Rudolf 26. 08. 1987 Rosenberger, Hermann BVM 28. 08. 1987 Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Schulz, Hansrichard BVKa.B. 09. 10. 1987 Villingen-Schwenningen 17. 10. 1987 BVKa.B. Villingen-Schwenningen Kaiser, Martin BVKa.B. 08. 01.1988 Dr. Walter, Helmut Schonach Spittler, Friedrich 12. 01. 1988 BVKa.B. Villingen-Schwenningen Kammerer, Anna 26. 01. 1988 BVKa.B. Triberg BVM Baur, Viktor 28. 01.1988 Villingen-Schwenningen b) Zelter-Plakette: Katholischer Kirchenchor Donaueschingen-Wolterdingen 23. 08. 1987 Katholischer Kirchenchor 24. 04. 1988 Donaueschingen-Pfohren c) Auszeichnung eines Lebensretters: Der Herr Ministerpräsident hat am 01. 03.1988 Herrn Wilhelm Glöckler, Gärtner, Tuningen, für eine unter Einsatz des eigenen Lebens ausgeführte Rettungstat durch Erteilung einer Ehrenurkunde ausgezeichnet. Bevölkerungsentwicklung 7737 Bad Dürrheim 7712 Blumberg 7715 Bräunlingen 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen 7743 Furtwangen 7741 Gütenbach 7713 Hüfingen 7744 Königsfeld im Schw. 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen im Schw. 7741 Schönwald im Schw. 7745 Schonach im Schw. 7740 Triberg im Schw. 7201 T uningen 7731 Unterkirnach 7730 Villingen-Schwenningen 7741 Vöhrenbach Kreisbevölkerung insgesamt Stand Wohnbevölkerung 1.1.1988 1.1.1987 10.555 10.450 9.862 9.840 5.394 5.394 5.000 5.005 2.904 2.859 18.223 18.209 9.607 9.603 1.418 1.416 6.476 6.442 5.410 5.379 2.975 2.982 4.647 4.640 14.163 14238 2.424 2.445 4.555 4.656 5.761 5.805 2.193 2.197 2.404 2.444 76.155 76.466 3.950 3.991 194.417 194.120 Veränderungen in l.ahlen + 105 22 in% + 1,0 -0,2 5 + 45 14 + 4 + 2 + 34 + 31 7 + 7 75 + 21 -101 44 + 4 40 + 311 + 41 +297 -0,1 + 1,6 -0,1 +o,5 +0,1 +o,5 +0,6 -0,2 + 0,1 -0,5 +0,9 -2,2 -0,8 +0,2 -1,6 +0,4 + 1,1 + 0,15 295

Ausländer in Zahlen neuester Stand Gemeinde Ausländer davon insgesamt Türken Jugo- slawen Italiener Sonstige Ausländer- anteil in% 503 Bad Dürrheim 1.116 Blumberg 498 Bräunlingen 221 Brigachtal Dauchingen 98 Donaueschingen 1.554 868 Furtwangen Gütenbach 33 530 Hüfingen 217 Königsfeld 234 Mönch weil er 180 Niedereschach 1.672 St. Georgen 49 Schönwald 278 Schonach 534 Triberg 165 Tuningen 157 Unterkirnach Villingen- Schwenningen 10.089 481 Vöhrenbach 20 577 358 73 12 282 194 2 227 15 13 50 236 13 22 179 33 56 1.999 170 Gesamt 1 9.477 4.531 160 310 22 33 25 323 295 1 82 69 118 50 506 15 118 118 8 12 100 19 2 42 18 358 208 23 142 13 49 15 587 6 88 79 101 37 223 210 116 73 43 591 171 7 79 120 54 65. 343 15 50 158 23 52 3.536 154 5.955 1.978 122 3.987 2.576 35 5.004 Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land 5,0% 5,7% 5,4% 4,6% 4,8% 4,9% 30. 6.1986 30. 6.1987 30. 6.1988 296 4,8 11,3 9,2 4,4 3,4 8,5 9,0 2,3 8,2 4,0 7,8 3,9 11,8 2,0 6,0 9,2 7,5 6,4 13,2 12,1 10,0 Bund 8,4% 8,3% 8,4%

Ergebnis der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg am 20. März 1988 Nr. 54 Nr. 55 Villingen-Schwenningen Tuttlingen-Donaueschingen Wahlkreis Wahlberechtigte Wähler insgesamt darunter mit Wahlschein ungültige Stimmen gültige Stimmen Wahlvorschläge CDU SPD Grüne FDP/DVP DKP REP NDP ÖDP Patrioten 112.835 77.612 8.049 729 76.883 40.886 21.660 4.686 4.333 99 403 3.772 951 93 Gewählt wurden: Im Wahlkreis Nr. 54 Villingen-Schwenningen Erwin Teufel (CDU) Dreifaltigkeitsbergstraße 44 7205 Spaichingen Julius Redling (SPD) Hansjakobweg 7 7733 Mönchweiler 68,78% 10,37% 0,94% 99,06% 53,18 % 28,17% 6,09% 5,64% 0,13% 0,52% 4,91 % 1,24% 0,12% 111.950 80.652 7.891 1.007 79.645 41.970 21.080 4.220 7.080 137 3.663 1.495 72,04% 9,78% 1,25% 98,75% 52,69% 26,47% 5,30% 8,89% 0,17% 4,60% 1,88% Im Wahlkreis Nr. 55 Tuttlingen-Donaueschingen Roland Ströbele (CDU) Am Täle 4 7203 Fridingen Herbert Moser.(SPD) Wartenbergstraße 24 7200 Tuttlingen Ernst Pfister (FDP/DVP) Achauer Straße 20 7218 Trossingen Kreiswettbewerb 1988 „Unser Dorf soll schöner werden“ Mit „Auszeichnung“ Buchenberg 1. Platz Fischbach Gremmelsbach Kappel Mit „sehr gut“ Mühlhausen Obereschach Außerdem mit „sehr gut“ (alphabetische Reihenfolge) 2 .. Platz 3. Platz Mit „gut“ (alphabetische Reihenfolge) Aasen Biesingen Niedereschach Pfaffen weil er Schabenhausen 297

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahme auf der Titelseite stammt von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv: Das „Solemar“ in Bad Dürrheim. Das Farbbild auf der Rückseite ist von Clemens Müller, Triberg. Es handelt sich um das Gebäude des Staat­ lichen Forstamtes in Triberg, früher Ober­ vogtei. Die Lithographie auf Seite 118 wurde nach einer Zeichnung von F. Jäckle angefertigt (Reproduktion Georg Goerlipp, Donau­ eschingen). Foto-Nach weis für die weiteren Aufnahmen im Innern des Jahrbuchs (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Götz Guggenberger 4; Herbert Gravenstein 10, 12; Georg Goerlipp 15,120,215,216,217,238,240,241,242;Jörg Michaelis 16, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208; Foto-Grill 22, 23; Archiv Straßen­ bauamt Donaueschingen 25; Roland Hum­ mel 27; Hermann Colli 29; Manfred Bau 31; Archiv Fachhochschule Furtwangen 35, 36, 37; Otto Kritzer 38, 84, 154, 155; Frank Rau­ mel 39; Gerhard Kiefer 40, 91; Bildarchiv IHK 42; Bildarchiv ISGUS 45; Hanns-Georg Rodek 47, 48, 49; Klaus-Peter Friese 51, 52; Käthe Fritschi 53, 54; Dieter Mink 55, 56; Rosemarie v. Strombeck 58, 63, 64; Bildar­ chiv Hock 60, 61; Barbara Rimmele 65; Geb­ hard Seemann 68; Stadtarchiv Villingen­ Schwenningen 71; Drs. Mecklenburg, Donaueschingen 75; Photo Sauer, VS-Villin­ gen 78, 87; E. Revellio 80; Bad. Generallan- 298 desarchiv Karlsruhe 83, 118; Archiv DRK Vil­ lingen 85; Photo-Studio Morgenstern, Mun­ derkingen 89; Horst Rettich 94; Foto-Carle, Triberg 95; Photo Schmied, Schonach 97; Wilfried Dold 100; Dr. Lorenz Honold 104; Johann Haller 106; Erich Möck 107, 211, 212; Hans Letule 109, 110; H. 0. Wagner 111, 112, 114, 115; Kurt Klein 123, 124, 125, 127; Lydia Warrle 138, 139; Dieter Baeuerle 141; Birgit Storz 144; Peter Obergfell 146, 148; Archiv Heimatmuseum/Stadtchronik Schwennin­ gen 150; A Rieple-Offensperger 152; Foto­ Günter 159, 167; Hubert Münzer 162; Archiv der Brüdergemeine 164, 165; Karl Volk 8, 168; Felix Staroste 171; Kurt Gramer 175 (Copy­ right Verlag Schnell und Steiner); Archiv Pfarramt Vöhrenbach 177, 178; Fürst!. Für­ stenberg. Archiv 180; Archiv der Kunststif­ tung Hohenkarpfen 183, 184, 185, 186; Michael Müllner 196, 197, 198, 199, 200; Jür­ gen Henckell 202, 274; Copyright Horst Kurschat 209, 210; Karl-Heinz Bielohuby 210; Archiv der Baar-Klinik 219; Archiv Katharinenhöhe 223; Archiv Kur- und Bäder GmbH. Bad Dürrheim 226; German Hasen­ fratz 227, 228, 229, 230, 231, 232; Jörg Schmidt 233; Jochen Hahne 235; Helmut Heinrich 243, 244; Roland Kalb 246, 247; Waltraud Oloff 257, 259; Monika Eckerle 262; Alexander Jäckle 267, 268, 269; Roland Faller 276; Dieter Reinhardt 277; Ludwig Heneka 282, 283; Hansjörg Hall 284; Foto­ Schm“ieder 286; Karl-Heinz Beha 287, 288.

Die Autoren unserer Beiträge Adler, Bernhard, Pfarrer, Kälbergässle 9, 7741 Vöhrenbach Baeuerle, Dieter, Stephanienstraße 52, 7570 Baden-Baden Bau, Manfred, Hauptstraße 9, 7745 Schonach i. Schw. Beha, Karl-Heinz, Sägbergweg 2, 7742 St. Georgen-Oberkimach Benzing, Dr. Alfred t, Staufenstraße 62, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Berweck, Dr. jur. Wolfgang, Niedere Straße 92, 7730 Vi l l i n g e n-Schwenningen Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 7742 St. Georgen i. Schw. Colli, Hermann, Webergasse l, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Conradt, Uwe, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Conradt-Mach, Annemarie, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Dold, Wilfried, Redakteur, Waldstraße 13, 7741 Vöhrenbach Dotter, Wilhelm, Siedlung 8, 7743 Furtwangen-Neukirch Ecker, Jürgen, Kunsthistoriker, Obere Hochstraße 85, 6652 Oberbexbach Fehrenbach, Karl, Bregenbach 5, 7743 Furtwangen-Neukirch Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Frommer, Dr. Martha, Richard-Wagner-Straße 10, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Glaser, Wolfgang, Oberdorfstraße 18-22, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Glunk, Manfred, Haydnstraße 20, 7710 Donaueschingen Gravenstein, Herbert, Jurastraße 1, 7730 Villingen-Schwenningen (Pfaffenweiler) Günther, Dr. W., Pfarrer, Zinzendorfplatz 2, 7744 Königsfeld i. Schw. Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 Vi 11 i n ge n-Schwenningen Hacker, Ernst-Günther, Realschullehrer, Kühlbrunnenweg 17, 7742 St. Georgen i. Schw. Hagmann, Gerhard, Bürgermeister, Auf Hofen 3, 7737 Bad Dürrheim Haller, Johann, Buchenberger Straße 30, 7744 Königsfeld Hamm, Werner, Albrecht-Dürer-Straße 12, 7745 Schonach i. Schw. Hawner, Johannes, Grün-Allee 2, 7737 Bad Dürrheim Heckmann, Heinz, Friedrichstraße 35 a, 7737 Bad Dürrheim Heidinger, Werner, Oberamtsrat, Geschwister-Scholl-Straße 22 a, 7710 Donaueschingen Heinrich, Helmut, Schulamtsdirektor i. R., Waldhauser Straße 12, 7730 Vi 11 i n ge n -Schwenningen Henckell, Jürgen, Schriftsteller, Buchbergstraße 3, 7712 Blumberg Heneka, Ludwig, Forstdirektor, Amtshausstraße 2, 7740 Triberg i. Schw. Honold, Dr. Lorenz, Redakteur i. R., Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huth, Volkhard, Oberscheibenrain 8, 7710 Donaueschingen-Aasen Jäckle, Alexander, Bergstraße 10, 7740 Triberg i. Schw. Jäckle, Johanna, Postillionstraße 19, 7000 Stuttgart-Stammheim Kalb, Roland, AJbstraße 7, 7735 Dauchingen Kaletta, Ursula, Mittelbergstraße 4, 7734 Brigachtal-Klengen Kiefer, Gerhard, Redakteur, Rathausweg 1 b, 7830 Emmendingen 13 299

Klein, Kurt, Haselwanderstraße 11, 7613 Hausach Kleiner, Reingard, Gerwigstraße 4, 7741 Schönwald i. Schw. Knack, Manfred, Ltd.RegBauD., Im Stäudler 9, 7705 Steißlingen Knaupp, Dieter, Christophstraße 36, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Lambert, Werner, Neuhauser Straße 13, 7744 Königsfeld-Erdmannsweiler Letule, Hans, Rathausstraße 14, 7734 Brigachtal-Überauchen Liebetrau, Alfred, IHK-Präsident, Am Doniswald 4, 7744 Königsfeld i. Schw. Linde, Prof. Dr. h. c. Horst, Schlierbergstraße 33, 7800 Freiburg Lörcher, Dr. Heinz, Gerberstraße 33, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Lynar, Graf zu, Dr. EW., Karlsplatz 2, 7710 Donaueschingen Maier, Otto, RegLandwDir., Geschwister-Scholl-Straße 23, 7710 Donaueschingen Maurer, Prof. Dr. Friedemann, Baustätter Straße 44, 7410 Reutlingen Mather, Gisela, Schertlestraße 2, 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Mink, Dieter, Fichtenstraße 4, 7732 Niedereschach Möck, Erich, Journalist, Kirnachweg 13, 7742 St. Georgen i. Schw. Müller, Dr. Josef, Universitätsprofessor, Murtener Straße 14, 7800 Freiburg Müller, Max, Dipl.-Ing., Vogelbeerweg 15, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Reinartz, Dr. Manfred, Museumsleiter, Beroldinger Straße 29, 7732 Niedereschach Rettich, Horst, Geschäftsführer, Hansjakob-Weg 4, 7742 St. Georgen i. Schw. Rieple-Offensperger, Anne, Max-Egon-Straße 2, 7710 Donaueschingen Rimmele, Barbara, Ebermannstraße 26, 7715 Bräunlingen Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Ludwig-Uhland-Straße 8, 7741 Schönwald i. Schw. Rodek, Hanns-Georg, Redakteur, Im Holderbusch 5, 7730 Villingen-Sc h w e n n i n g e n Rodenwaldt, Dr. Ulrich, Bötzenstraße 16, 7813 Staufen/Brg. Rombach, Gottlieb, Kreisbrandmeister, Wiesenstraße 5, 7745 Schonach i. Schw. Roskothen, Dr. Ernst, Finanzpräsident a. D., Breslauer Straße 7, 7737 Bad Dürrheim Scherer, Joachim Jakob, Burgholzweg 121, 7400 Tübingen Schnibbe, Klaus, Professor, Ilbenstraße 50, 7743 Furtwangen Spintzik, Josef, Pfarrer i. R. u. Geist!. Rat, Tretenhofstraße 16, 7633 Seelbach Steger, Christiana, Birkenweg 8, 7712 Blumberg Storz, Dieter, Schlörstraße 11/III, 8000 München 19 Strombeck, Rosemarie, Freifrau v., Abendtal 20, 7732 Niedereschach-Fischbach Vogel, Ludwig, Stud. Direktor, Friedenstraße 6, 7713 Hüfingen Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Wagner, H. 0., Abendtal 8, 7732 Niedereschach-Fischbach Wahl, Dr. med. Rolf, Dipl.-Psych., Auf Hofen 1, 7737 Bad Dürrheim Warrle, Lydia, M.A, Wöschhalde 15, 7730 Vi l l i n g en-Schwenningen Wehrle, Roland, Kurzentrum .Katharinenhöhe“, 7741 Schönwald i. Schw. Weissenberger, Otto, Bürgermeister i. R., Bahnhofstraße 4, 7737 Bad Dürrheim Wetzka, Arnold, Brendweg 4, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Wössner, Hans, Oberdorfstraße 18-22, 7730 Villingen-S c h w e n n in g e n Zahradnik, Dr. Walter, Professor, Vogt-Dufner-Straße 7, 7743 Furtwangen-Schönenbach 300

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Treue/Zum Geleit – von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1988/Landrat Dr. Rainer Gutknecht Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Gremmelsbach/Karl Volk Das Wappen von Gremmelsbach/Prof. Klaus Schnibbe Pfaffenweiler – ein eigenständiger Teilort der Kreisstadt/Herbert Gravenstein Das Wappen von Pfaffenweiler/Prof. Klaus Schnibbe Riedböhringen – das hohe Lied vom einfachen Leben in der Baar/Jürgen Henckell Das Wappen von Riedböhringen/Prof. Klaus Schnibbe Das Wappen der Stadt Bad Dürrheim/Prof. Klaus Schnibbe Behörden und Organisationen Das neue Behördenzentrum in Brigachtal/Ursula Kaletta Die Straßenmeistereien im Schwarzwald-Baar-Kreis/Manfred Knack Unsere Feuerwehren im Schwarzwald-Baar-Kreis Der Gerätewagen Umwelt – GW Umwelt/Gottlieb Rombach Kurt Hog – ein Leben für die Feuerwehr/Hermann Colli 25 Jahre Jugendfeuerwehr im Schwarzwald-Baar-Kreis/Manfred Bau Sommerliebe/Gedicht von Christiana Steger Schulen und Bildungseinrichtungen Villingen-Schwenningen erhält eine Außenstelle der Fachhochschule Furtwangen/ Prof. Dr. Walter Zahradnick Die neue Donaueschinger Stadtbibliothek/Gerhard Kiefer Landessieg im Vorlesen nur knapp verfehlt W irtschaft und Gewerbe Die Zukunft der Wirtschaft sicherer machen/ Alfred Liebetrau 100 Jahre Fortschritt – Die ISGUS]. Schlenker-Grusen GmbH im Jubiläumsjahr 1988/ Wolfgang Glaser, Hans Wössner Die Kienzle-Uhren in Schwenningen/Hanns-Georg Rodek Mit Einfallsreichtum und Erfindergeist zum Erfolg – Firma Trenkle, VS-Pfaffenweiler/Klaus-Peter Friese 1 2 3 4 7 9 10 13 14 18 19 22 24 27 29 31 33 34 39 39 42 44 46 so 301

Ein Betrieb auf solider Grundlage Firma Wolfgang Vetter, Hüfingen/Käthe Fritschi Jobs. Förderer Söhne in Niedereschach/Dieter Mink Modellbau im Aufwind, Firma Gebr. Faller, Gütenbach/Rosemarie v. Strombeck Hock GmbH in Schönwald/Reingard Kleiner Rückblick/Gedicht von Johannes Hawner Schindeln aus der „Höllmühle“/Rosemarie v. Strombeck Der letzte Korbmacher auf der Baar/Barbara Rimmele Des Menschen Los/Gedicht von Johannes Hawner Chemiefabrik und Umweltskandal anno 1833/ Annemarie Conradt-Mach ’s Zah’reißa/Gedicht von Bertin Nitz 53 54 58 60 62 63 65 66 67 73 PersönJichkeiten der Heimat Altlandrat Dr. Robert Lienhart wurde 80/Dr. Lorenz Honold 74 Thema und Variationen, Erinnerungen an Schwester M. Canisia Müller/Prof Dr. Josef Müller 77 Spazieren im März/Gedicht von Christiana Steger 79 Prof Dr. Paul Revellio/Dr. Wolfgang Berweck 80 Josef Heid – ein Opfer des Nationalsozialismus/Dr. Heinz Lörcher 82 In Memoriam Emma Hässler/Max Müller 85 Martin Kaiser – ein erfolgreicher Zimmermann und beliebt in Stadt und Land/Klaus-Peter Friese 86 Ria Walter – Vielfältiger Einsatz für die Mitmenschen/Dr. Martha Frommer 88 Max Stegmann – Erinnerungen an einen erfolgreichen Unternehmer mit vorbildlicher sozialer Einstellung/Gerhard Kiefer Fritz Grießhaber – ein Bad Dürrheirner Urgestein/Otto Weissenberger Richard Weisser, ein Kaufmann und Unternehmer alter Schule aus St Georgen/Horst Rettich Karl Dold – ein Schönwalder Bürger aus rechtem Schrot und Korn/Emil Rimmele Schwester Helena Vetter aus Schonach – ein erfülltes OrdenslebenfWerner Hamm Hermann Eble, Bürgermeister von Gütenbach von 1962 bis 1982/Wilfued Dold Martha Klaus, Ein Leben für die Musik/Gerhard Kiefer Martin Buri, langjähriger Bürgermeister und Ortsvorsteher von Riedböhringen/Dr. Lorenz Honold Johann Georg Kieninger – früherer Bürgermeister von Buchenberg/Johann Haller Ernst Grimm bei der Firma Staiger ausgeschieden – Ein Kapitän ging von Bord/Erich Möck 90 92 93 95 97 99 102 103 105 106 Archäologie Die Entenburg bei Überauchen/Hans Letule Neues über die Ausgrabungen in Niedereschach-Fischbach/H. 0. Wagner Geschichte, Kulturgeschichte Donaueschingen im Spiegel der GeschichteNolkhard Huth Franz Josef Salzmann/Kurt Klein Grundzüge einer Verwaltungsstruktur auf der Baar im Zeitalter der Karolinger (8. und 9. Jahrhundert n. Chr.)/Manfred Glunk Herbstbeginn/Gedicht von Christiana Steger 1100 Jahre Behla/Ludwig Vogel Das Haus des Heiligen Johannes in Schwenningen/Dieter Knaupp Freiherr von Althaus, erster Ehrenbürger von Bad Dürrheim/Lydia Warrle M.A Der Vöhrenbacher Artikelbrief vom 8. Mai 1525/Dieter Baeuerle Der letzte Herr von Burgberg/Dieter Storz Erdmannsweiler – Streifzug durch die Geschichte/Werner Lambert „In Amerika regnet es auch keine Bratwürste“/Dr. Manfred Reinartz Victor von Scheffel und Max Rieple/ Anne Rieple-Offensperger Vergessenes Schloß/Gedicht von Jürgen Henckell 302 109 111 117 122 128 132 133 135 138 140 143 145 149 152 153

Glocken, Kirchengeschichte Warum schlägt die Münster-Turmuhr in Villingen den Stundenschlag doppelt?/ Dr. Ulrich Rodenwaldt Die Glocken der Pfarrkirche Gremmelsbach/Karl Volk Ein alter Ablaßbrief für 3 baaremer Gemeinden/Pfarrer Josef Spintzik 2 Gedichte von Christiana Steger Kirchen, Mission, Wallfahrtswesen 175 Jahre Kirchensaal der Brüdergemeine in Königsfeld/Pfarrer Dr. W. Günther P. Fidelis Dieterle (1854-1938)/Karl Voile Die restaurierte Wallfahrtskirche in Triberg/Karl Voile Zum Votivbild im Vöhrenbacher Bruderkirchle/Pfarrer Bernhard Adler Alte Schriften und Museen Das Nibelungenlied – ein Heldenepos in unheldischer Zeit/ Dr. EW. Graf zu Lynar Landschaft und Kunst im Zwiegespräch/Pro( Dr. Friedemann Maurer Heimat/Gedicht von Hanna Jäckle Kunst und Künstler Erich Villa – Maler, Plastiker, Grafiker/Jürgen Ecker Der Maler und Grafiker Eugen Gross/Renate Bökenkamp Der Maler Gottfried Harter/Jürgen Henckell Kunst der Gegenwart in Barocker Umgebung – Landeskunstwochen Villingen-Schwenningen/ Uwe Conradt 154 157 161 163 164 167 173 176 179 182 188 189 195 202 208 Musik „Kultur-Botschafter“ der Bergstadt – 20 Jahre Jugendsinfonieorchester St. Georgen/Erich Möck 211 Mit Geige und Taktstock durchs Leben/Renate Bökenkamp 213 Brauchtum Vom Batzen zum Gregoriweck/Dr. Lorenz Honold Welche Zeit/Gedicht von Johannes Hawner Mutter/Gedicht von J. Medler Gesundheit, Soziales Die Baar-Klinik, Fachklinik für Verhaltensmedizin und Psychosomatik in Donaueschingen/ Dr. med. Dipl.-Psych. Rolf Wahl Die Katharinenhöhe, vom Erholungszentrum zur Nachsorgeklinik für krebskranke Kinder, Jugendliebe und junge Erwachsene/Roland Wehrle Am Brunnen/Gedicht von J. Medler Das „Solemar“ in Bad Dürrheim Das „Solemar“ /Gerhard Hagmann Das „Solemar“, ein Beispiel für zukunftsorientierte Kurortpolitik/Pro( Dr. Horst Linde Verkehrswesen, Fremdenverkehr Der „Steinbistunnel“ / Alexander Jäckle 1.000 Rufnummer im Service 130 für die Zentrale Zimmervermittlung Oktober/Gedicht von Christiana Steger Landschaft, Naturdenkmäler Von Quellensuche und Q}iellverehrungNolkhard Huth Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Werner Heidinger 215 218 218 219 222 225 226 230 233 235 236 237 243 303

Der Schwarzspecht/Roland Kalb Der Balzer Herrgott/Karl Fehrenbach 2 Gedichte von G. Frank Übersicht über die Moore im Schwarzwald-Baar-Kreis/Dr. Alfred Benzing Schwarzwald-Heimweh/Gedicht von Arthur Duffner Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Gasthaus „Rößle-Post“ in Unterkirnach/Helmut Heinrich Das Kurhaus „Geutsche“ in Triberg/Joachim J. Scherer Barbara Martin, Schönwald Das Gasthaus „Ochsen“ im Neukircher Unterbregenbach/Wilhelm Dotter Der Landgasthof „Lilie“ in Triberg/ Alexander Jäckle Sport und Wettkämpfe Karl Weckerle – seine Liebe gilt dem Radsport/ Arnold Wetzka AdolfVonnier – ein gefragter Hufschmid/Jürgen Henckell Thomas Faller – ein vielseitiges Turntalent/Heinz Heckmann Hans-Peter Pohl aus Schonach »JANCSIKA“ – Ungarische Tänze in St. Georgen im Schwarzwald/Günther Hacker Skiloipe und Hochmoor Martinskapelle/Ludwig Heneka Landjugend, Landwirtschaft Kreiserntedankfest der Landjugend beliebt bei alt und jung/Karl-Heinz Beha Ehrenamtliche Berichterstatter des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg leisten wertvolle Arbeit/Otto Maier Herbst/Gedicht von Gisela Mather Prosa aus unserer Heimat Das Wunder vom Kölner Dom/Ernst Roskothen Der Schidlemacher/Karl Volk Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Bevölkerungsentwicklung Ausländer in Zahlen Arbeitslose in Prozentzahlen Ergebnis der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg am 20. März 1988 Kreiswettbewerb 1988 „Unser Dorf soll schöner werden“ Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren der Beiträge Inhaltsverzeichnis 304 245 250 253 254 256 256 257 260 262 263 267 272 274 276 277 278 280 286 288 289 291 292 294 295 295 296 296 297 297 298 299 301