Almanach 1990

Almanach 90 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 14. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Helmut Heinrich, Schulamtsdirektor i. R. Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1990 ANUBA-Beschläge X Heine & Sohn GmbH, Donaueschinger Straße 2-6, Vöhrenbach Auer + Weber, Freie Architekten Dipl.-Ing. BOA, Königsträßle 2, Stuttgart-Degerloch Dr. Hanno Augstein, Donaues,hinger Straße 15, Hüfingen Baden-Württembergische Bank AG, Filiale ViUingen­ Schwenningen Dr. Klaus Bätz, BHW Bausparkasse, Bezirksdirektion Villingen Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villingen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Espenstraße 3, Blumberg Bezirkssparkasse Donaueschingen Franz Blaser, freier Architekt, Rietgasse 20, Villingen­ Schwenningen Ingenieurbüro Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen­ Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach EGT Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH, Schonacher Str. 2, Triberg Claus Eller, Zahnarzt, Neue Heimatstraße 2, Vöhrenbach Helmut W. Falk, Wirtschafts- und Unternehmensberater, Fürstenfeldbruck Willi Frank, Matthias-Grünewald-Straße 5, Freiburg Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen­ Döggingen Lars Frykman, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Kolpingstraße U, Donaueschingen Heinemann GmbH & Co. KG, Städtereinigung, Hauptstraße U, Spaichingen heri Herbert Rigoni, Kugelschreiber und Stempelfabrik, Niedereschach-Fischbach Dr. med. Egon Hochmann, Triberg Hock GmbH, Schönwald-Triberg Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen­ Schwenningen Erwin Kaiser, Hotelier i. R., Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Küpper-Weisser GmbH, Wintermaschinen, Bräunlingen Dr.Josef Kury, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villingen-Schwenningen Lauffenmühle GmbH, Waldshut-Tiengen MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Burgstraße 65, Villingen-Schwenningen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen­ Schwenningen MEKU GmbH, Dauchingen 2 Leopold Messmer, Dipl.-Ing. FH, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen Metallwerke Schwarzwald GmbH, Lantwattenstraße 11, Villingen-Schwenningen Helmut Ochs, Freier Architekt, Hauptstraße 46, Blumberg Dr. Peter Pfaff, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. med. E. Proß, VS-Pfaffenweiler Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße l, Bad Dürrheim RlCOSTA GmbH & Co. Schuhfabriken, Dürrheimer Straße 43, Donaueschingen Tannheimer Säge Anne Rieple-Offensperger, Friedrichstraße !, Bad Dürrheim Dr. Ernst Roskothen, Finanzpräsident a. D., Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Karlstraße 63, Donaueschingen Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt. des Städt. Krankenhauses Furtwangen SCHMIDT Feintechnik GmbH, St. Georgen S. Siedle & Söhne Telefon- und T elegrafenwerke Stiftung & Co., Bregstraße 1, Furtwangen Franz Singer, Inh. E. Ettwein, Papier- und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Triberg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und weiteren 41 Geschäftsstellen Spar- und Kreditbank Donaueschingen-Villingen eG Günther Stegmann, Fabrikant, Donaueschingen STRAUB-Verpackungen GmbH, Bräunlingen TR W Thompson GmbH & Co. KG, Präzisionsventile für die Motoren- und Automobilindustrie, Blumberg Dr. med. Johannes Unseld, Facharzt, Suntheimstraße 20, Donaueschingen-Aufen Reinhold Wauer, Uhrarrnbandfabrik, Alte Randenschule, Blumberg F. K Wiebelt GmbH & Co. KG, Büroorganisation, Vockenhauser Straße 9, Villingen-Schwenningen Michael Wiesenbacher, Rechtsanwalt, Gartenstraße 17, Lambrecht Dr. med. Fritz Wilke, Obere Waldstraße U, Villingen­ Schwenningen Udo Zier GmbH, Furtwangen 9 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat und die weite Welt Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1990 zum Geleit Millionen Deutscher reisen jedes Jahr in alle Teile der Welt. Die Urlaubsreise weit weg, nicht selten mit dem Flugzeug unternommen, gehört für viele unserer Lands­ leute zum nicht mehr als außergewöhnlich empfundenen sogenannten Lebensstan­ dard. Wir dürfen uns freuen, daß wir nach einer Zeit der Entbehrung im 2. Weltkrieg und des Wiederaufbaues unseres Landes – die Älteren erinnern sich noch daran – über 40 Jahre im Frieden leben und heute uns die ganze Welt offen steht. Das Ken­ nenlernen fremder Länder kann uns die Augen für die landschaftlichen Schönheiten unserer Erde sowie andere Sitten und Gebräuche öffnen. Reisen in die „ weite Welt“ steht nicht im Gegensatz zur Heimatliebe. Wir kennen den Drang, aus den eigenen „vier Wänden“ in die Feme zu fliehen. Folgende Worte Stefan Zweig’s stehen hierfür: Herz, raff auf dich zu reisen, nur so enifliehst du Gewalt und Gesetz, enifliehst du der eigenen Schwere, die dir dein Wesen umschränkt und erdrückt. Wiif dich ins Weite wiif dich ins Leere nur Ferne gewinnt dich dir selber zurück! Der Almanach versucht den Bezug zur „ weiten Welt“ immer wieder in Beiträgen, die über unseren engeren Bereich hinausreichen, herzustellen. Weltoffenheit und Heimatliebe – dies sind auch besondere Eigenschaften des alemannischen Men­ schenschlages, zu dem wir gehören. Ich danke auch in diesem Jahr allen, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben, besonders auch unseren Freunden und Förderern. Mit ihrer Hilfe ist wiederum ein gut ausgestatteter und preiswerter Band entstanden. Möge das neue Heimatjahrbuch in der Heimat und der weiten Welt eine freund­ liche Aufnahme finden! Dr. Rainer Gutknecht Landrat

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1989 Die 3. Wahlperiode des Kreistages geht zu Ende. Am 22. Oktober 1989 wird ein neuer Kreistag gewählt werden. Der nachfolgende Bericht faßt die kreispolitische Arbeit im letzten Jahr der 3. Wahlperiode zusammen. Bemühungen um die heimische Wirtschaft Die Kreispolitik hat im Berichtsjahr an den Bemühungen, unseren Raum wirtschaft­ lich zu stärken, regen Anteil genommen. Von den drei Landkreisen in der Region hat es der Schwarzwald-Baar-Kreis in der Vergangen­ heit besonders schwer gehabt, die aufgrund seiner einseitigen Wirtschaftsstruktur da und dort aufgetretenen Schwierigkeiten zu über­ winden. Wir sind dem Land Baden-Würt­ temberg dankbar, daß es in Villingen­ Schwenningen neue Bildungseinrichtungen (Außenstelle der Fachhochschule Furtwan­ gen, Institut für Mikrotechnik) geschaffen hat, die der gesamten Region zugute kom­ men. Wir hoffen, daß diese Einrichtungen dazu beitragen, mittelfristig weitere Arbeits­ plätze zu schaffen und unseren jungen Mit­ bürgern mehr als bisher die Möglichkeit eröffnen, ihre berufliche Zukunft in unserem Raum zu sehen. Zusammen mit den Bemü­ hungen unserer Wirtschaft, auf neue Pro­ dukte und Produktionsverfahren umzustel­ len, sind gute Grundlagen für eine stetige Verbesserung unserer wirtschaftlichen Lage vorhanden. Der Landkreis hat sich bemüht, seinen Teil für eine gedeihliche Entwicklung der Neu in der Redaktion ist Kreisarchivar Dr. Joachim Sturm. 4 Wirtschaft beizutragen. Das breite Angebot in unseren Beruflichen Schulen gibt unserer Jugend die Möglichkeit, sich für das spätere Berufsleben ein gutes Rüstzeug zu erwerben. Besonders erfreut sind wir darüber, daß der Stand der Jugendarbeitslosigkeit bei uns bundesweit sehr günstig ist. Dies ist u. a. das Ergebnis von Bemühungen vieler: dem Arbeitsamt; dem Verein zur Förderung der beruflichen Bildung im Schwarzwald-Baar­ Kreis e. V., Bildungszentrum Turmgasse im Stadtbezirk Villingen; der vom Landkreis getragenen Sozialen Betreuungsstelle für im Schwarzwald-Baar-Kreis Jugendliche sowie dem Verein für Jugendhilfe im Schwarzwald-Baar-Kreis e. V. Ein weiterer wirtschaftlicher Beitrag des Landkreises liegt in der Förderung des Fremdenverkehrs, hier insbesondere durch die Zentrale Zimmerver­ mittlung (ZZ). Im Jahre 1988 wurde über die ZZ ein Umsatz von 682.200,- DM erzielt, für 1989 ist ein Umsatz von rund 800.000,- DM zu erwarten. Neubau Landratsamt wurde begonnen Am 4. April 1989 wurde auf dem Hopt­ bühlgelände im Stadtbezirk Villingen der „Startschuß“ für den Neubau des Landrats­ amtes gegeben. Die Planungsarbeiten konn­ ten zügig fortgesetzt werden. Dazu gehörte auch die Absprache mit der Stadt Villingen­ Schwenningen über die Einbindung des neuen Verwaltungsgebäudes auf dem Hopt­ bühlgelände. Im Sinne der Stadt Villingen­ Schwenningen war es auch, daß die sich in unmittelbarer Nähe befindliche „Grüninger Villa“ saniert und nicht, wie eine Zeitlang vorgesehen, für Hausmeisterzwecke einem Neubau geopfert wird. Die Bauzeit beträgt 2 bis 2 112 Jahre, so daß das neue Haus voraus­ sichtlich im Jahre 1991 bezogen werden kann.

Neubau Berufliche Schulen Furtwangen im Wettbewerb Auch das Bauvorhaben des Neubaus der Beruflichen Schulen in Furtwangen zusam­ men mit dem Land Baden-Württemberg machte Fortschritte. Im Jahre 1989 wird ein Architektenwettbewerb durchgeführt, über den noch im gleichen Jahr entschieden wird. Mülldiskussion Auch in diesem Berichtsjahr wurde die Mülldiskussion weitergeführt. Sie wurde durch das Angebot des Landkreises Rottweil an den Schwarzwald-Baar-Kreis ausgelöst, sich zusammen mit dem Landkreis Tuttlin­ gen einer im Landkreis Rottweil zu bauenden Müllverbrennungsanlage anzuschließen. Im Laufe des Jahres wurden eine Reihe von Besichtigungen durchgeführt und mehrere Sachverständige in den zuständigen Aus­ schuß eingeladen. Die Diskussion drehte Spatenstich for den Neubau des Landratsamtes am 4. April 1989. Links: Bürgermeister Kühn, Villingen-Schwenningen, rechts: Landrat Dr. Gutknecht. sich vor allem darum, ob die Verbrennung als Stand der Technik nicht durch Schadstoff­ ausstoß gesundheitliche Gefahren enthält und deswegen das Schwelbrandverfahren (Pyrolyse) in einer seiner technischen Aus­ führungen den Vorzug verdient, obwohl bis­ her Erfahrungen im Großeinsatz noch feh­ len. Einig sind wir in der Auffassung, daß der Müll noch mehr als bisher reduziert werden und auch über die Wiederverwertung (Recycling) die Müllmenge noch weiter ein­ geschränkt werden muß. Aber trotz allem verbleibt ein Rest, der beseitigt werden muß. Die Deponierung auf der Deponie Tuningen ist nur noch bis zum Jahre 1995 möglich und daran anschließend auf der Deponie Tal­ heim (Landkreis Tuttlingen) bis zum Jahre 2004. Die kreiseigene Deponie in Hüfingen für das südliche Kreisgebiet reicht noch bis zum Jahre 2023. Die Deponierung des Rest­ mülls ist also nur noch zeitlich beschränkt möglich, abgesehen davon, daß aus Sicher- 5

Neubaugelände für das Landratsamt. Oben bei Baubeginn im April 1989, unten Stand August 1989. 6

heitsgründen der thermisch unbehandelte Müll nicht mehr länger deponiert werden sollte. Wenn man weiter bedenkt, daß die Vorlaufzeit für ein neues Beseitigungsverfah­ ren 10 Jahre betragen dürfte, haben auch wir im Schwarzwald-Baar-Kreis nicht viel Zeit zu verlieren. Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 3. 7.1989 das Angebot des Landkreises Rott­ weil nicht vorbehaltlos angenommen, son­ dern die Auffassung vertreten, daß neben dem Verfahren der Müllverbrennung auch das Pyrolyseverfahren als Abfallentsorgungs­ art gleichrangig geprüft werden muß. Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe ist der Schwarzwald-Baar-Kreis bereit, mit den Landkreisen Rottweil und Tuttlingen zusam­ men eine thermische Anlage zu bauen 0fer­ brennung oder Pyrolyse), allerdings nur für eine Teilmenge, die jeweils den Müllanteilen der Landkreise Rottweil und Tuttlingen ent­ spricht. Nach Auffassung des Schwarzwald­ Baar-Kreises muß in dem zunächst durchzu­ führenden Raumordnungsverfahren samt Umweltverträglichkeitsprüfung und dem Verfahren zur Standortbestimmung sowohl der Bau einer Müllverbrennungsanlage als auch einer Pyrolyseanlage einbezogen wer­ den. Bei der künftigen Ausschreibung zum Bau einer thermischen Müllverwertungs­ anlage müssen schließlich Angebote sowohl für eine Müllverbrennungsanlage als auch für eine Pyrolyseanlage eingeholt werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Nachbarkreise Rottweil und Tuttlingen auf dieses Gegenan­ gebot eingehen. Fortschreibung Altenplan Der Kreistag hat im Jahre 1980 einen Altenplan beschlossen, in dem der Bedarf an Altenheim- und Altenheimpflegeplätzen sowie die Förderung durch den Landkreis enthalten waren. Die bisherigen Berechnun­ gen sind von der Zahl der älteren Menschen von über 65 Jahren ausgegangen und haben hierauf einen Bedarfseckwert bezogen. Der Gesamteckwert für den Landkreis betrug 4%. Die auch bei uns gemachten Erfahrungen haben gezeigt, daß man den Bedarf an Heim­ plätzen mit einem einzigen Richtwert für die gesamte ältere Bevölkerung nicht genau berechnen kann. Notwendig sind altersgrup­ penspezifische Eckwerte, die von den kom­ munalen Spitzenverbänden und anderen ausgearbeitet und die der neuen Berechnung des Bedarfs im Schwarzwald-Baar-Kreis zugrunde gelegt wurden. Danach besteht bei uns im Jahre 1990 ein Überhang von 303 Altenheimplätzen und ein Fehlbedarf von 159 Pflegeheimplätzen, wobei sich in den Raumschaften im Landkreis ein unterschied­ liches Bild ergeben kann. Das Ergebnis der neuen Überlegungen, die vom Kreistag gebilligt worden sind, ist, daß eine Umwandlung von planerisch über­ zähligen Altenheimbetten in Pflegeheimbet­ ten anzustreben ist. Dieses kommunalpoli­ tische Ziel wird vom Landkreis auch finan­ ziell unterstützt. Einrichtung von Kurzzeitpflegeplätzen Auch bei uns hat sich die Erfahrung bestä­ tigt, daß Pflegebedürftigen für kürzere Zeit ein Pflegeplatz zur Verfügung gestellt werden sollte, um den betreuenden Familienangehö­ rigen die Möglichkeit zu geben, eine Reise oder einen dringenden Erholungsurlaub anzutreten. Nach Beschlußfassung im zu­ ständigen Ausschuß haben wir mit den in Frage kommenden Heimen Verbindung auf­ genommen, um zunächst 13 Plätze als Kurz­ zeitpflegeplätze vorzuhalten. Die finanziel­ len Fragen konnten mit den Heimen geklärt werden. Es bleibt abzuwarten, ob nach dem ersten Einstieg noch weitere Kurzzeitpflege­ plätze für unsere Hochbetagten vorgehalten werden müssen. Betreuung der Aussiedler Am Ende des Berichtsjahres steht eine neue Aufgabe an, die auf die Landratsämter als staatliche untere Verwaltungsbehörde voraussichtlich mit Wirkung vom 1. Januar 7

übertragen. Wir sind grundsätzlich bereit, Mitverantwortung für die Bewältigung dieser nicht einfachen Aufgabe zu übernehmen. Dies bedeutet, daß außer der zusätzlichen Belastung unseres Personals eine Vielzahl neuer und schwieriger Aufgaben auf uns zukommen werden. Wir sind zuversichtlich, daß es uns gelingen wird (hoffentlich bei vol­ lem Kostenausgleich durch das Land), das Einleben der Aussiedler, die ja Deutsche sind, so gut wie möglich zu unterstützen. Dr. Rainer Gutknecht Landrat von der sich der baden-württembergische Wirtschaftsminister Martin Herzog bei sei­ nem Messerundgang sowohl in der Art wie auch in den Einzelthemen angesprochen fühlte. Minister Martin Herzog (Mitte) beim Besuch auf dem Messestand, links: Landrat Dr. Gut­ knecht, rechts: Oberbürgermeister Dr. Gebauer. Südwest-Messe 1989 1990 übertragen werden wird: die Betreuung der Aussiedler. Der Zustrom von Aussiedlern hält auch im Schwarzwald-Baar-Kreis unver­ ändert an. Waren es 1986: 258, 1987: 374, 1988: 1063 Aussiedler, die in den Landkreis gekommen sind, rechnen wir 1989 mit einer Zugangsquote von rund 1500 Aussiedlern. Die vorläufige Unterbringung und danach ihre endgültige Eingliederung ist eine Auf­ gabe, die besondere Anstrengung verlangt. Das Land Baden-Württemberg beabsichtigt, die bisher bei den Regierungspräsidien lie­ gende Zuständigkeit auf die Landratsämter als staatliche untere Verwaltungsbehörde zu 30.Südwest-Messe in Villingen-Schwen­ ningen, ein aktueller Anlaß für den Schwarz­ wald-Baar-Kreis, sich nach einer Pause von 8 Jahren wieder einmal auf dieser Messe zu prä­ sentieren. Aktuelles Thema dieser Kreispräsentation war: „Heimische Wirtschaft -Was tut der Schwarzwald-Baar-Kreis“ und umfaßte mit­ tels ansprechender Bilder und informativen Texttafeln und Grafiken die Einzelthemen: •Der Fremdenverkehr als Wirtschaftsfak­ tor•Das Berufliche Schulwesen •Wirtschaftsförderung – Argumente für unseren Landkreis •Standortwerbung – Standortdatenbank Eurosite •Strukturdaten des Landkreises. Darüberhinaus waren die Regionalpart­ nerschaft des Regierungsbezirks Südbaden und der philippinischen Provinz Albay sowie das Bildungszentrum Turmgasse, einer Bil­ dungseinrichtung der Fa. Fr. Winkler GmbH & Co. KG, zu der der Schwarzwald-Baar­ Kreis seit Jahren enge Verbindungen unter­ hält, mit im Stand integriert. Eine Vielzahl von Sonderaktionen wäh­ rend der Messe ergänzten diese Darstellung, Der Landkreis war dabei 8

Von diesen Sonderaktionen war der Tag der Zentralen Zimmervermittlung, der auch in das offizielle Messeprogramm aufgenom­ men wurde, wohl die herausragende. Zu die­ sem Tag hatte die von den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Rottweil getragene und mit Erfolg als regionalem Reiseveran­ stalter arbeitende Zentrale Zimmervermitt­ lung alle im Verkaufskatalog angeschloße­ nen Beherbergungsbetriebe zu einem Gedanken- und Erfahrungsaustausch einge­ laden. Die große Zahl der Gäste am Stand des Landkreises zeigte, welche Bedeutung diese Verkaufseinrichtung im Bewußtsein der hei­ mischen Fremdenverkehrsbetriebe erlangt hat. Nach der Darstellung der Standortda­ tenbank Eurosite am praktischen Beispiel war „CIM“ (computer integrated manufac­ turing) das Reiz- und Zauberwort, das bei einer weiteren Aktion eine Vielzahl von Mes­ sebesuchern an den Stand des Landkreises lockte, die die anwesenden Vertreter des Bil­ dungszentrums Turmgasse mit einer Fülle von Fragen überhäuften. Voll im Zeichen von Albay standen der Fronleichnamstag und der darauffolgende Freitag. Im optisch, mit Situationsfotos und handwerklichen Erzeugnissen auf diese phi­ lippinische Partnerregion umgestalteten Messestand, war zusätzlich eine Tombola mit wertvollen Preisen aufgebaut. Und daß Partnerschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis in seiner ursprünglichen Bedeutung verstanden wird, unterstreicht am besten die Tatsache, daß am Fronleichnamstag Landrat Dr. Rai­ ner Gutknecht bis zum Messeende als Los­ verkäufer zugunsten von Albay tätig war. Welche Beachtung und welch positives Echo das Auftreten des Landkreises während der Messe fand, verdeutlichen die zwei In­ terviews bei „RT 4“, dem offiziellen Messera­ dio, zu dem Thema Fremdenverkehr im Schwarzwald-Baar-Kreis sowie ein weiteres Interview beim Privatsender „Radio 7“ über die Aufgaben des Landkreises. Neben viel augenfälliger Information gab es aber auch etwas zu gewinnen. Im parallel zur Messe laufenden Preisausschreiben konnten sich die Preisträger über Rundflüge über den Landkreis, ein Abendessen mit dem Landrat für zwei Personen sowie 50 Aus­ gaben des neuen Almanachs freuen. Bei Würdigung aller Aktivitäten kann die Arbeit im und am Messestand des Schwarz­ wald-Baar-Kreises als Erfolg gewertet werden. Der Stand fand großen Anklang und vermit­ telte dem Messebesucher, daß sich die Auf­ gaben des Landkreises nicht in der „reinen Verwaltungstätigkeit erschöpfen“, sondern sich zwischenzeitlich auch auf Dienstlei­ stungsbereiche erstrecken. Jürgen Moser Zu einem Gespräch über Pro­ bleme und Entwickl.ungschan­ cen des ländlichen Raumes weilte der Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herr Dr. h. c. Gerhard W e i­ s e r, am 11. November 1988 im Schwarzwald-Baar-Kreis. Unser Bild zeigt Herrn Mini­ ster Dr. h. c. Weiser bei seinen Ausführungen in der Stadt­ halle in Hüfingen. 9

Unsere Städte und Gemeinden, Wappen 850 Jahre Aufen Historische Aspekte einer Ortsteilfeier „Behüt‘ Dich Gott, es wär‘ so schön gewe­ sen; behüt‘ Dich Gott, es hat nicht sollen sein … „: Mit den Tönen dieser Abschiedsmelo­ die aus Scheffels „Trompeter von Säckingen“ begleitete Ernst Marx, damals Dirigent des Musikvereins Aufen, auf seiner Trompete den Abtransport der Aufener Gemeindebü­ cher und Ratsprotokolle nach Donaueschin­ gen am 2. April 1935. Tags zuvor war die Gemeinde Aufen „mit der Stadtgemeinde Donaueschingen zu einer einfachen Ge­ meinde vereinigt“ worden. Freilich, dazu hatte es mehrerer Anläufe bedurft. Und im Unterschied zu den diver- sondern sen Eingemeindungsverfahren der 1970er Jahre standen 1935 nicht administrative und ökonomische Überlegungen im Vorder­ grund, taktische Erwägungen nationalsozialistischer Kommunalpolitiker (zu den Einzelheiten vgl. den Beitrag von Rüdiger Schell im diesjährigen Almanach S. 13 ff). Müssen die Hintergründe der Einge­ meindung Aufens somit aus heutiger Sicht befremden, so drängt sich in der nüchternen Rückschau allerdings die -tröstliche? -Fest­ stellung auf, daß die Eingemeindung sowohl Aufen als auch Donaueschingen wirtschaft­ liche Vorteile brachte. . Rufen bei Donoueschinnen Postkarten-Blick aef Auftn kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Als Einzelmotiv wurde die 18 87 /8 8 errich­ tete, 1939 durch einen Brand größtenteils zerstörte neogotische Kirche herausgehoben. 10

St. Georgen im Schwarzwald, 1138 (Kopie des 16.}ahrhunderts). Abt Johannes von St. Georgen läßt zu Beginn seiner Amtszeit aufzeichnen, welche Güter das Kloster unter seinem Vorgänger, Abt Werner, erhalten hat. Der Hinweis auf Aufen in Zeile 10 (von oben) bot den Anlaßfiir die 850-Jahr-Feier des Ortes 1988. Generallandesarchiv Karlsruhe, 67 II 234 fol. 9ZV Schlägt man den historischen Bogen wei­ ter zurück, so erscheinen Donaueschingen und Aufen seit jeher eng verbunden. Ja, man muß zur Kenntnis nehmen, daß Aufen von Anbeginn auf Donaueschingen bezogen war. Denn „Aufheim“, so der eigentliche Ortsname, bedeutet schlicht „aufwärts gele­ gene Siedlung“. Aufen wurde also „aufwärts“ von einer schon bestehenden Siedlung ange­ legt, nämlich brigachaufwärts von Donau­ eschingen. Zeitlich können wir die Ortsgrün­ dung nicht mehr genau bestimmen, doch wird die ursprüngliche Bindung Aufens an Donaueschingen nicht nur über den Ortsna­ men faßbar. Aufen war, soweit wir zurückzu­ blicken vermögen, kirchlich stets eine Filiale der Pfarrei Donaueschingen. Jahrhunderte­ lang blieb man es in der fürstenbergischen Landesverwaltung gewohnt, die Einwohner beider Orte gemeinsam zu zählen und zu besteuern. Bereits für die Frühphase der schriftlichen Bezeugung beider Orte werden wir auf ihre enge Verbindung verwiesen. Am 5. Juni 889 ließ König Arnulf im fränkischen Pfalzort Forchheim eine Urkunde ausstellen. Er schenkte dem Kloster Reichenau alle königli­ chen Besitzungen samt Leuten und Gütern in (Donau-)Eschingen; auf dieses Dokument beziehen sich die Feierlichkeiten Donau­ eschingens im Jubiläumsjahr 1989. Mit Hilfe dieses Zeugnisses, das bis heute im Original 11

erhalten geblieben ist, hat im frühen 12. Jahr­ hundert ein uns namentlich nicht bekannter Reichenauer Mönch eine Fälschung her­ gestellt, mit der er Rechtsansprüche des Bodenseeklosters zu untermauern suchte. Er übernahm den gesamten Text der echten Urkunde von 889, fügte ihm aber noch wei­ tere Bestimmungen hinzu. So sollte 889 nicht nur das Königsgut in Eschingen, son­ dern auch dasjenige in den benachbarten Orten Aufen und Suntheim (abgegangen) an die Georgskirche zu Reichenau-Oberzell gefallen sein. Außerdem sollten die Zinsleute zu Aufen nur der Gerichtsbarkeit eines Zins­ meisters unterliegen, den Abt oder Propst der Reichenau einzusetzen hätten. Behauptet wird also ein Rechtszusammen­ hang von Donaueschingen und Aufen, von dem wir nicht wissen, ob er tatsächlich ins 9. Jahrhundert zurückreicht, der aber drei Jahr­ hunderte später durchaus Bestand gehabt haben kann. eigens Ungefähr zur gleichen Zeit, in der jener Urkundenfälscher arbeitete, ließ ein Abt des Schwarzwaldklosters St. Georgen Schenkun­ gen verzeichnen, die in den letzten zwei Jahr­ zehnten an diese geistliche Gemeinschaft geleistet worden waren. Exakt zum Jahr 1138 erfahren wir somit, daß Abt Werner (1119-1134) seinem Kloster zwei Eigengüter in Aufen vermacht hatte, darunter die Aufener Mühle. Mit diesem Datum ist zugleich die erste gesicherte schriftliche Nennung des Ortes Aufen gegeben – ein willkommener Anlaß für die Aufener des Jahres 1988, mit ihrer 850- Jahr-Feier der 1100-Jahr-Feier der heutigen Muttergemeinde Donaueschingen (1989) festlich zuvorzukommen. Höhepunkt war das Straßenfest in der Brigachtalstraße vom 18./19. Juni 1988, zu dem zeitgleich eine – außergewöhnlich gut besuchte – historische Ausstellung im Probelokal des Musikvereins gezeigt wurde („Spurensuche in der Heimat – ausgewählte Zeugnisse zur Geschichte Aufens und seiner Bewohner“). Der Festvor­ trag, dessen Anmerkungen zur Aufener Geschichte unter dem Motto „Ein selbstbe- 12 wußter Ort“ standen, erfuhr durch die enga­ gierte und liebevolle Organisation jener Fest­ lichkeiten noch eine nachträgliche Bestäti­ gung. Das Aufener Selbstbewußtsein hat sich im Lauf der Geschichte gerade in der Abset­ zung vom dominanten Nachbarort Donau­ eschingen geltend gemacht, noch im 19.Jahr­ hundert etwa mit einem Protest gegen die fürstlich-fürstenbergische Standesherrschaft (wegen deren Weigerung, die Unterhaltsko­ sten für den Straßenbau mitzutragen) oder im Einsatz für einen in Donaueschingen ungeliebten Pfarrer während des badischen Kirchenstreits. Am Aufstieg Donaueschingens seit dem 18. Jahrhundert hatte man in Aufen keinen Anteil. Wegen seiner natürlichen Lage in einer Ausbuchtung des nach Norden wie nach Südosten/Osten verengten Brigachtals blieb der Ort lange Zeit für sich. Heute ist das anders. Aus dem früher rein agrarisch gepräg­ ten Dorf ist ein beliebter Wohn- und Erho­ lungsort geworden, der sich auch ein halbes Jahrhundert nach dem Verlust seiner Eigen­ ständigkeit wahrhaft selbstbewußt zu feiern versteht. Die übrigen Donaueschinger, die nicht nur mitfeierten, sondern auch die Ver­ anstaltungen materiell unterstützen, nah­ men es wohlwollend zur Kenntnis. Dr. Volkhard Huth Ech schloof „Mathies, duer mer ’s Huus uffschließe; guck, ech ha de Schlüssel nitt, und vor luuter Zego spile bi ech hucke bliibe hitt.“ „Fridel, gell, ech ka nitt kumme und dech au nitt inni lau; woascht, ech duer scho ganz fescht Schließt si Feischter, lood e schtau. Gottfried Schafbuch [ schloofe“.

Aufen – der Donaueschinger Stadtteil mit den kleinen Besonderheiten Auftn vom Dribuck aus gesehen (im Hintergrund: Donaueschingen) Die Stadt Donaueschingen umfaßt heute neben der Kernstadt noch neun weitere Stadtteile. Und obwohl sich diese Stadtteile in Tradition, Struktur und Entwicklung ähn­ lich sind, steht einer davon, nämlich Aufen, bei vielen Besuchern -nicht nur bei den Ortsansässigen und den Lokalpatrioten -in dem Ruf, etwas Besonderes zu sein. Dieser Eindruck wird sicherlich zunächst durch die idyllische Lage des Ortes ein Kilo­ meter nordwestlich von Donaueschingen hervorgerufen: Am sanft ansteigenden Hang oberhalb der Talaue der Brigach gelegen und von Tannenwäldern umgeben, gleicht Aufen eher einem Schwarzwalddorf als einer typi­ schen Baaremer Siedlung. Gegenüber dem Buchberg und unterhalb des Betzenbühls zieht es sich westlich der Brigach hin, wobei der ländliche Charakter des Dorfes auch heute noch augenfällig ist. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man auch die Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Oberhalb der alten Siedlung zwi­ schen dem Vorderen und dem Hinteren Berg, dort, wo noch vor wenigen Jahren Wiese und Ackerland waren, erstreckt sich jetzt das Neubaugebiet Endlins Breiten, das in den siebziger Jahren erschlossen wurde und wegen seiner ruhigen Lage nahe am Wald auch von etlichen Donaueschingern als neuer Wohnsitz gewählt wurde. Dabei wurden bauliche Sünden weitgehend ver­ mieden. Obwohl die Integration dieser etwa 200 Neubürger in den zurückliegenden 13

anderthalb Jahrzehnten durchaus Fort­ schritte gemacht hat, sind auch heute noch gelegentlich Vorbehalte gegen den „Millio­ nenbuckel“ spürbar, wobei die Ableitung dieser Bezeichnung insofern umstritten ist, als die einen sie vom angeblichen Besitzstand der Bewohner, die anderen von den Bau­ schulden der Anlieger ableiten – je nach dem Standort des Betrachters. Immerhin – und das ist die zweite Beson­ derheit – trägt Aufen seit dem 14. Mai 1980 als einziger Donaueschinger Stadtteil das staat­ lich zuerkannte Prädikat „Erholungsort“. An diesem Tag wurde die Auszeichnung „auf Grund des Gesetzes über die Anerkennung von Kurorten und Erholungsorten vom 14. März 1972″ durch das Regierungspräsi­ dium Freiburg, wie wir meinen: zu Recht, verliehen. Der Naherholungs- und Freizeit­ wert Aufens ist unbestritten. Ein weites Netz von Wald- und Feldwegen spannt sich über die 253 ha umfassende Gemarkung, die noch fast zur Hälfte (121,5 ha) mit ausgedehnten Wäldern bewachsen ist. Im Sinne von Freizeitgestaltung leistet die Kneippanlage an der Straße nach Grüningen ihren Beitrag, ebenso das Keglerheim mit sei­ nen acht Kegelbahnen und die Schießanlage des Kleinkaliber-Schützenvereins. Den gastronomischen Teil des Erholungsortes bestreiten neben dem bereits erwähnten Keg­ lerheim das Gasthaus „Sternen“ und das Hotel „Zum Waldblick“, das weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt ist. Gerade in diesem Hotel mit seinen 4 5 modern aus­ gestatteten Gästezimmern steigen jedes Jahr ein paar tausend Urlauber ab, die, bei aus­ gezeichneter Unterbringung und Verkösti­ gung, von Aufen aus weite Wanderungen, angenehme Spaziergänge oder Tagesaus­ flüge in die Schweiz, an den Bodensee, nach Freiburg oder in den Schwarzwald unterneh­ men. Und so nimmt Aufen also auch in diesem Bereich eine gewisse Sonderstellung ein. Ebenso wich schon die Eingemeindung Aufens nach Donaueschingen 1935 vom damals üblichen Verfahren ab. Wie aus ver- 14 schiedenen anderen Beispielen hinreichend bekannt ist, wurden Eingemeindungen in Baden zu Beginn des Dritten Reiches vom Staatsministerium in Karlsruhe oder vom nationalsozialistischen Gauleiter gesetzlich angeordnet und sodann autoritär, also ohne lange Diskussion mit den betroffenen Bür­ gern, vollzogen. Anders war das in Aufen. Zunächst einmal war weder das Ministe­ rium noch die Gauleitung in Karlsruhe die treibende Kraft, sondern das Rathaus in Donaueschingen, wo seit dem Frühjahr 1934 Bürgermeister und NS-Kreisleiter Sedel­ meyer, ein überzeugter Nationalsozialist, das Sagen hatte. Ihn störte, daß man in Aufen „die Zeichen der neuen Zeit“ noch nicht recht erkennen wollte. Es gab da im Dorf zwei feindliche Lager: einerseits den sog. Zentrumsblock um den Bürgermeister Amann und seinen Bruder, der Ratschreiber war, eine Gruppe, die jahrelang die politische Stimmung prägte. Und andererseits war da ein harter „roter Kern“, etwa 20 bis 25 Bürger, die am Ende der Weimarer Zeit – vorwiegend aus Protest gegen den Zentrumsblock- kom­ munistisch gewählt hatten. Zudem aber, und dies bereitete den Nationalsozialisten beson­ deres Kopfzerbrechen, gab es 1934 – wie man vermutete, als Folge der innerörtlichen Spal­ tung – in Aufen noch kein einziges Mitglied der NSDAP. Sedelmeyer wurde daher aktiv. Nachdem der Aufener Bürgermeister bereits 1933 abge­ löst und ein Gemeinderat zum Nachfolger eingesetzt worden war, leitete der Donau­ eschinger Bürgermeister im Sommer 1934 die Eingemeindungsoffensive ein, dabei laut­ stark unterstützt vom „Schwarzwälder Tag­ blatt“, welches vor allem die wirtschaftlichen Vorteile einer Verbindung für beide Seiten, für Aufen noch mehr als für Donaueschin­ gen, herausstellte. Da die selbständige Gemeinde Aufen damals über 43 ha eigene landwirtschaftliche Grundstücke und 69 ha eigenen Wald sowie über weiteres bewegliches und unbewegli­ ches Vermögen verfügte und somit ein durchaus attraktives Objekt war, gingen die

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Donaueschinger sehr vorsichtig zu Werke. Ja, es kam, nachdem der Aufener Gemeinde­ rat einer Eingemeindung grundsätzlich zugestimmt hatte, gegen alle Gewohnheit zu langwierigen Verhandlungen, sie sich über sechs Monate hinzogen, so daß sogar der Eingemeindungstermin mehrfach verscho­ ben werden mußte. Am 24. bzw. 25. Januar 1935 stimmten dann die Gemeinderäte von Donaueschin­ gen und Aufen einem Vertrag zu, der das Bemühen dokumentiert, den Aufener Belan­ gen einigermaßen gerecht zu werden. Auch wenn dieser Vertrag, der am 1. April 1935 rechtskräftig wurde, mit den „freiwilligen Leistungen“ der Eingemeindungsverträge in den siebziger Jahren nicht mithalten kann, so waren die Vereinbarungen unter den damali­ gen politischen und wirtschaftlichen Ver­ hältnissen insgesamt doch bemerkenswert. Unter anderem enthielt er Zusagen für das kirchliche Leben im Dorf und besondere Bestimmungen über den Friedhof, den Stromlieferungsvertrag, den Farrenstall usw. Die bisherigen Gemeindebediensteten wur­ den von der Stadt Donaueschingen weiter­ beschäftigt; die geltenden Steuersätze wur­ den für fünf Jahre festgeschrieben. Ein Aufe­ ner Gemeinderat erhielt Sitz und Stimme im Donaueschinger Stadtparlament. So endete die Selbstständigkeit Aufens rund 800 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes. Heute ist Aufen in die Stadt Donau­ eschingen integriert, ohne seine Eigenstän­ digkeit in vielen Bereichen des täglichen Lebens aufgegeben zu haben. Zu dem guten Verhältnis zur Kernstadt hat die verständnis­ volle Haltung der Donaueschinger Nach­ kriegsbürgermeister Meßmer, Schrempp und Dr. Everke sowie des gesamten Gemein­ derats viel beigetragen. Zwar hat Aufen seit dem Krieg keinen ver­ traglich zugesicherten Stadtteilvertreter im Donaueschinger Rat, aber dennoch war man dort immer gut vertreten. Bis in die siebziger Jahre nahm Malermeister Johann Merz allein diese Aufgabe wahr. Heute ist Aufen der 16 Donaueschinger Stadtteil mit den meisten Stadträten. Während beispielsweise den bei­ den größten Ortschaften, Wolterdingen und Pfohren, die jeweils rund 1200 Einwohner haben, nach den Verträgen von 1971 bzw. 1972 je zwei Ratssitze zustehen, kommen aus Aufen mit nur halb so vielen Bürgern und ohne vertragliche Absicherung derzeit vier, zeitweise sogar fünf, Ratsmitglieder – quer durch alle Fraktionen. Da kann man nur fest­ stellen: Die Donaueschinger kennen eben ihre Aufener, und umgekehrt. Das partner­ schaftliche Miteinander trägt also seine Früchte. Wenn das keine (weitere) Besonder­ heit ist?! Abgesehen aber von diesen besonderen Aspekten dominiert in Aufen natürlich das ganz Normale im dörflichen Alltag. Die strukturellen Veränderungen auf dem Agrar­ sektor sind auch hier deutlich spürbar. Noch vor 40 Jahren war die Landwirtschaft der vor­ herrschende Broterwerb; heute ist die Zahl der bäuerlichen Betriebe auf ein halbes Dut­ zend zusammengeschmolzen. Da es in Aufen keine Industrieansiedlung gibt und nur drei kleinere Handwerksbetriebe und die bereits erwähnte Gastronomie einige wenige Arbeitsplätze bieten, gehen die meisten Erwerbstätigen in Donaueschingen oder in Villingen-Schwenningen einer Beschäfti­ gung nach. Doch trotz dieser Entwicklung hat sich am eher gemächlichen Lebensrhythmus im Dorf nicht allzuviel verändert. Die Kirche, benannt nach dem heiligen Vitus, bildet den Mittelpunkt des dörflichen Lebens. Ihr Kirchturm, der in den letzten hundert Jahren zweimal vom Feuer zerstört und wieder auf­ gebaut wurde, prägt nach wie vor das Orts­ bild. Im Aufener Jahreskalender hat das Vitusfest im Juni mit der Prozession durch das Dorf ebenso seinen festen Platz wie die Feiern und Veranstaltungen der Vereine. Die ehemalige Schule von Aufen dient seit über zehn Jahren als Behindertenkindergarten des Schwarzwald-Baar-Kreises, und der Aufener Kindergarten, der der Stadt gehört, erlebt in diesem Jahr mit etwa 40 Kindern eine neue

Blüte, die vor allem dem Umstand zuzuschrei­ ben ist, daß die Eltern aus dem Donaueschinger Neubaugebiet Klenkenreute gerne ihren Nach­ wuchs nach Aufen bringen. Die Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehrsmittel nach Donaueschingen und ins Oberzentrum sind von Aufen aus zahl­ reich. Zwar schloß die Bundesbahn vor etwa zehn Jahren ihren Haltepunkt, aber dafür erfolgte nach dem Ausbau der Gemeindever­ bindungsstraße nach Grüningen die ver­ stärkte Anbindung an das regionale Omni­ busnetz. Da die Straße nach Donaueschin­ gen schon 1970 ausgebaut worden war, kam nun, wie zu befürchten war, mehr Durch­ gangsverkehr in die Brigachtalstraße, weil mancher Autofahrer aus Donaueschingen die Straße über Aufen und Grüningen als schnellste Verbindung nach Villingen nutzt. Allerdings halten sich diese Beeinträchtigun­ gen vorerst noch in Grenzen. Im übrigen fährt auch der Donaueschinger Stadtbus Aufen an. Für das gesellschaftliche und kulturelle Leben von großer Bedeutung ist die Tätigkeit der Aufener Vereine. Neben dem Schützen­ verein von 1913, der 1960 wiedergegründet wurde, und dem Sportkegelclub Rot-Weiß, der jüngsten Vereinsgründung von 1977, ist hier der Musikverein Aufen besonders her­ vorzuheben.1928 in der damaligen Restaura­ tion Neininger, dem heutigen Hotel „Zum Waldblick“, von 13 musikbegeisterten Aufe­ nern gegründet, nimmt dieser Verein im Rahmen der Blasmusik in unserer Region eine neidlos anerkannte Sonderstellung ein. Nicht zuletzt durch gezielte Vereinsarbeit, besonders dank der Förderung der Jugend, umfaßt die Kapelle unter ihrem Dirigenten Leander Binder heute etwa 65 Musiker und 10 Zöglinge. Sie weist dabei ein Niveau auf, das sie über die Stadt-, ja über die Landes­ grenze hinaus bekanntgemacht hat, wie die engen Kontakte nach Bäretswil (Kanton Zürich) und Wattenwil (Kanton Bern) in der S·chweiz, nach Saverne, der französischen Partnerstadt von Donaueschingen und Blu­ menau in Brasilien beweisen. Der Gemeinschaftsgeist im Dorf, der sich gerade in dem erfolgreichen Wirken aller Vereine zeigt, bildete in der Vergangenheit auch die Basis für andere gemeinsame Bemü­ hungen zum Wohle Aufens und seiner Be­ wohner. Hier sei nur an die Gemeinschafts­ projekte in den Jahrzehnten nach dem Zwei­ ten Weltkrieg erinnert: an die Kriegerge­ dächtniskapelle 1952/53, den Kindergarten 1956/57, das Schützenhaus und dessen Erweiterung (1961/63, 1973 und 1982) und an den Ausbau des ehemaligen Farrenstalles zum Probelokal des Musikvereins 1975 und seine Erweiterung 1987. Im Geiste dieses solidarischen Zusam­ menwirkens -auch dies eine erwähnenswerte Aufener Spezialität -beging man 1988 die 850-Jahrfeier: Wie nicht anders zu erwarten war, war dieses Fest ein voller Erfolg! Für die Zukunft ist Aufen, dem Donau­ eschinger Stadtteil mit den kleinen Beson­ derheiten, zu wünschen, daß dieser Gemein­ schaftsgeist seiner Bürger ebenso erhalten bleibt wie der sympathische Gesamteindruck des Dorfes. In diesem Sinne bleibt zu hoffen, daß die Verantwortlichen sich ihrer Verant­ wortung auch bewußt sind und alle Maßnah­ men und Projekte, die für Aufen künftig geplant und beantragt werden, genau prüfen auf die Verträglichkeit mit dem Vorhande­ nen. Dies gilt für Hochbauten (Reit-oder Tennishalle), die das Ortsbild verändern könnten, dies gilt aber auch für eine groß­ flächige Erddeponie, die waldzerstörend für Jahrzehnte in die Landschaft eingreift. Rüdiger Schell 17

Das Wappen von Aufen Wappen: Umgeben von blau-silbernem Wolken­ feh-Schildrand, geteilt von Silber und Blau, darin ein Stern in venJJechselten Farben. Dieses Wappen ist zusammengesetzt aus Wappenteilen früherer Ortsherren: Der Stern stammt aus dem Wappen der Freiher­ ren von Hewen, die einst den Ort besaßen, die silber-blaue Teilung kommt aus dem Wappen der Grafen von Lupfen, deren Nachfolger im Besitz, und das Wolkenfeh ist die Schildumrandung im Wappen der Gra­ fen (heute Fürsten) von Fürstenberg, die den Ort im Jahre 1488 erwarben. Ein altes Ortszeichen war nicht bekannt, die Gemeinde verwendete im 19. Jahrhun­ dert nur reine Schriftsiegel. Daher schlug die Badische Historische Kommission, die sich seit 1891 mit der Bereinigung bzw.Neuschaf­ fung von Gemeindewappen befaßte, im Jahre 1903 das abgebildete Wappen vor, das vom Gemeinderat auch sofort angenommen wurde. Erst mit der Eingemeindung zum 1. April 1935 in die Stadt Donaueschingen hat es seine Funktion als amtliches Kennzei­ chen verloren, wird aber auch heute noch Buchenberg gerne von Bewohnern des Stadtteils bei ver­ schiedenen Gelegenheiten gezeigt. Klaus Schnibbe Q]tellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe Wappenakten, Bez. Donaueschin­ gen. – GLA Wappenkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarz­ wald-Baar-Kreis. – Fürstenbergisches Urkun­ denbuch, Band 5, 6 und 7, Tübingen 1894jf.­ W Merz und F. Hegi: Die Wappenrolle von Zürich, Ziirich/Leipzig 1930. -]. Kind/er v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch, Heidel.berg 1898jf. – K. Schnibbe, Gemeinde­ wappen im ehem. Landkreis Donaueschingen, in: Schriften des Vereins f Gesch. u. Natur­ gesch. der Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). Der gemarkungsmäßig größte Teilort Buchenberg des Heilklimatischen Kneipp­ kurortes Königsfeld mit rund 1800 Hektar Fläche hat seinen ländlichen Charakter seit Jahrhunderten bis heute erhalten. Große Waldflächen, das unter Landschaftsschutz stehende Glasbachtal, das den Ort von Westen nach Osten durchzieht, alte Höfe und als Zeugen einer in das Mittelalter rei­ chenden Vergangenheit geben die alte St.­ Nikolaus-Kirche wie auch die Burgruine Waldau dem Ort das Gepräge. Dank dem naturnahen unveränderten Bild wird der Ort viel als Wander- und Naherholungsort auf­ gesucht. Buchenberg ist urkundlich im Zusam­ menhang mit Zehntabgaben für Kreuzzüge 1275 erstmals nachgewiesen. Neuere For­ schungen über die Entstehung der alten Kirche weisen auf die Merowinger Zeit im 5.- 8. Jahrhundert hin. Tongefäßscherben, die in den 60er Jahren im Ortsteil Mühllehen gefunden wurden, wie auch ein im Frühjahr 1985 im Gewann Langacker entdecktes Stein­ beil, wurden vom Landesdenkmalamt der Jungsteinzeit zugeschrieben. Güter und Län- 18

Buchenberg Dörjle und Außendorf dereien in Martinsweiler, einem Ortsteil von Buchenberg, vermachte ein Folmar von Fri­ dingen im Jahre 1089 dem Kloster St. Geor­ gen. Auch das Zisterziensernonnenkloster Rottenmünster bei Rottweil hatte nachweis­ bar ab 1369 auf dem Mönchhof und später auf dem Mühllehen, Angelmoos, Brogen und in der Muckenmühle Besitz. So kam es, daß das Herzogtum Württemberg die Gerichtsbarkeit in Buchenberg mit dem Kloster Rottenmünster zu teilen hatte. Aus­ wirkungen dieser Dorfherrschaft zeigten sich auch im kirchlichen Bereich. Herzog Ulrich von Württemberg trat 1534 zum Protestan­ tismus über und führte die Reformation in seinem Lande ein. Es entspann sich ein lang­ wieriger Streit zwischen dem Herzog und der Äbtissin von Rottenm ünster über die Einset­ zung der Pfarrer und die Verwaltung des Nikolaus-Heiligenfonds. Der Nachfolger, Herzog Christoph, verlegte deshalb 1565 die Pfarrei nach Tennenbronn. Erst nach bald 300 Jahren bekam Buchenberg 1839 wieder eine eigene Pfarrei. Von 1813 bis 1830 war die Kirchengemeinde Buchenberg der Pfarrei In den Jahren Mönchweiler zugeteilt. 1901/02 wurde die neue Kirche erbaut, und der Staat übernahm die Baupflicht für das alte Kirchlein. Im Jahre 1445, als Bernhard Haugk von Rottweil die Burg Waldau an den Grafen Ludwig von Württemberg verkaufte, sind in dem Kaufvertrag 16 Höfe in Martins­ weiler, Buchenberg, Brogen, Bregnitz und Waldau namentlich erwähnt. Sicher bestan­ den die Höfe schon wesentlich früher, doch außer dem „Minhoff“ und der Waldau sind darüber keine schriftlichen Belege vorhan­ den. Der größte Teil der Namen ist uns heute nicht mehr geläufig. Aus den Lagerbü­ chern von 1491 und 1591 sind jedoch Rück­ schlüsse möglich. Keiner der im Jahre 1445 angegebenen Höfe hat die Jahrhunderte unbeschadet überstanden. Kriegseinwirkun­ gen und Brände vernichteten die alten Höfe. Der Großteil wurde im Laufe der Zeit wieder aufgebaut. Die erste Erwähnung über die Buchenberger Schule finden wir im Lager­ buch von 1699. Bei dem 1717 erbauten Schul­ haus handelt es sich um das jetzige Gasthaus „Linde“. Nach einem Bericht von Pfarrer Hermann, T ennenbronn, betrug die Zahl der Kinder 1839 rund 130. Im Jahre 1875 wurde 19

das jetzige Rathaus als Schule erbaut und 1963, als es den Erfordernissen nicht mehr entsprach, mit einem Neubau an anderer Stelle Ersatz geschaffen. Ein Jahrzehnt spä­ ter, nach der Gemeindeverwaltungsreform, wurde die Buchenberger Schule aufgelöst. Seither werden die Klassen eins und zwei aus Königsfeld und Buchenberg hier noch unter­ richtet. Außerdem ist seit 1974 im neuen Schulgebäude ein Halbtags-Kindergarten untergebracht. Mit der Trachtenkapelle, dem Sportver­ ein, der Freiwilligen Feuerwehr und seinem Freundeskreis wie auch dem Kirchenchor hat Buchenberg ein blühendes Vereinsleben zu verzeichnen. Der Kirchenchor wünscht sich mehr aktive Sänger, ein Zustand der schon vor einem halben Jahrhundert beklagt wurde. Im Oktober 1988 hat sich der Buchenberger Geschichtsverein etabliert. In den zurückliegenden Jahren entstan­ den die Neubaugebiete Holzwiese, Bregnitz und Zollernblick mit über 50 neuen Häu- sern, die zum Teil von einheimischen Bür­ gern, aber auch von auswärts Zugezogenen gebaut wurden. Daneben wurden auch in allen Ortsteilen wie Dörfle, Angelmoos und Außendorf einzeln stehende Häuser erstellt. Aber auch viele der vorhandenen Gebäude wurden völlig umgebaut, renoviert und neu gestaltet. Mehrere Nebenerwerbslandwirte, die als Pendler in der Industrie in St. Georgen und Villingen ihren Hauptverdienst hatten, gaben die Landwirtschaft auf. Der Fremden­ verkehr und „Ferien auf dem Bauernhof“ gewannen neue Bedeutung. Die neu eröffneten Kaffees „Rapp“ im Dörfle, die „Schappel­ stube“ in Obermartinsweiler und das neuer­ baute Gasthaus „Mönchhof“ wie auch die schon früher vorhandenen Gasthäuser stell­ ten sich auf diese Gäste ein. Seit 1974 ist Buchenberg staatlich anerkannter Erho­ lungsort. Zahlreiche Preise beim Wettbewerb ,, Unser Dorf soll schöner werden“ unterstrei­ chen den Erholungswert des Ortes. Johann Haller Das Wappen von Buchenberg Wappen: In Gold auf grünem Dreiberg eine griine Buche. Dies ist ein sog. ,,redendes“ Wappen: ,,Buche“ auf „Berg“. Diese naheliegende Dar­ stellung findet sich schon auf Gemeindesie­ geln des vorigen Jahrhunderts. Bekannt sind Abdrücke davon aus der Zeit nach 1840: eine Buche auf einem schwebenden Rasenhügel, umgeben von Lorbeerzweigen und der Umschrift: GEMEINDE/BUCHENBERG. Hierbei handelt es sich noch um kein Wap­ pen, sondern lediglich um ein Siegelbild. Gleich nach dem Übergang Buchenbergs an das neugeschaffene Großherzogtum Baden nahm man ein Siegel in Gebrauch, das das damalige badische Staatswappen aufwies, umgeben von der Umschrift · VOGTEI BUCHENBERG. Als dann die Führung des Staatswappens durch Gemeindebehörden 20 untersagt wurde, benützte man ein einfaches Schriftsiegel ohne bildliche Darstellungen. – Vor 1810, als die Gemeinde Buchenberg noch württembergisch war, hatte sie kein Siegel geführt. Mit dem Siegelbild der Buche war man 1901 bat die wohl zufrieden. Noch Gemeinde, daß „dieses Siegel, gerade so wie

es jetzt besteht, auch belassen werden möchte“. Die Badische Historische Kommis­ sion schlug jedoch vor, ein Wappen daraus zu machen und der Gemeinderat erklärte sich 1902 mit dem Entwurf einverstanden. So wurde dieses schöne Wappen seither geführt. -Erst zum Zeitpunkt der Vereinigung mit Königsfeld am 1. Januar 1975 ist es als amtli­ ches Zeichen erloschen. -Übrigens hat sich die neue Gemeinde Der Fürstenberg zählt zu den markanten Bergen am Rande der Baarmulde. Er weist eine ebene Kuppe auf und ist fast gleich hoch wie der östlich anschließende Höhenzug der Länge, als deren „vürderster Berg“ der Für­ stenberg gilt. Er ist auf den ersten Blick als Zubehör der Schwäbischen Alb zu erkennen und ist deren südlichster Zeugenberg. Der Ort Fürstenberg lehnt sich an den Westab- Fürstenberg Königsfeld bis heute nicht zur Annahme eines eigenen Wappens entschließen kön­ nen. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Villingen. – GLA Wappenkartei Schwarzwal.d-Baar­ Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – H. G. Zier, Wappenbuch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. hang des Berges an, und mit dem spitzen Kirchturm waren Ort und Berg schon aus weiter Feme ein Jahrhundert lang Orientie­ rungsmarken. Seit wenigen Jahrzehnten allerdings hat ihnen der Funkturm der Bun­ despost auf den Längewiesen den Rang abge­ laufen. Schade! Etwa sechs Jahrhunderte lang stand auf dem Fürstenberg ein Städtchen. Durch Wall 21

und Graben geschützt, zählte es ungefähr ein halbes Hundert Häuser. Am 18. Juli 1841 brannte das Bergstädtchen innerhalb von nur zwei Stunden bis auf ein einziges Haus auf der Südseite der Bergkuppe ab. Die küm­ merlichen Reste des Städtchens sind längst überwachsen und dem kundigen Auge nur noch an wenigen Stellen erkennbar. Im Nor­ den der Kuppe, dort wo das Feuer damals sei­ nen Anfang nahm, stockt heute ein Fichten­ wäldchen. In ihrem Westen erinnert eine Kapelle auf dem Platz, auf dem vor Jahrhun­ derten die Stammburg des Hauses Fürsten­ berg stand, an den Kurienkardina1 Augustin Bea aus dem nahen Riedböhringen. Erstaun­ lich gut ist der ehemalige Burggraben erhal­ ten, der einstmals die gesamte Bergkuppe umschloß. Funde aus den dreißiger Jahren lassen vermuten, daß er längst vor dem mit­ telalterlichen Städtchen entstand. Er dürfte ein Werk der Kelten sein, die um die Zeit­ wende auch in der Baar siedelten. Wie würde das einstige Bergstädtchen Fürstenberg heute wohl aussehen, wenn es an jenem stürmischen Sommersonntag nicht in den Flammen untergegangen wäre? Hätten wir es mit einem restaurierten, wieder mauer­ umschlossenen und überlaufenen Touristen­ ziel zu tun? Das Bergstädtchen war längst zum bedeu­ tungslosen Bauerndorf abgesunken, als es verbrannte. Von städtischem Glanz war nichts mehr zu finden. Geblieben waren aber die Beschwernisse des steilen und hohen Ber­ ges. Als die Fürstenberger 1891 des Brandes gedachten, begingen sie dieses Gedenken nicht als Trauertag. Sie feierten vielmehr ein verhaltenes Freudenfest. Das neue Stadtehen war nämlich inner­ halb weniger Monate auf dem heutigen Platz nach einem einfachen, klaren Grundriß ent­ standen. Darum fehlen im Ort die engen Gassen und Winkel anderer Baardörfer. Die beiden Hauptstraßen kreuzen sich in der Ortsmitte und bieten auf der Kreuzung einem moderen Brunnen Platz genug. Zu meiner Bubenzeit stand dort eine Linde, und nur selten verirrte sich damals ein 22 Auto in dem zwei Kilometer von der heuti­ gen B 27 entfernt liegenden Ort. Da der Durchgangsverkehr auch heute noch fehlt, ist der moderne Verkehr noch immer erträg­ lich. Freilich, der Tanzknopf läßt sich heute auf der Hauptstraße nicht mehr schlagen, wie damals an den Abenden der Maisonntage nach der Maiandacht, wenn die Erwachse­ nen beim Gespräch auf den Bänken vor den Häusern saßen, bevor es dunkel wurde. Auch an den Winternachmittagen gehörte die Dorfstraße der Schuljugend. Sie benutzte sie bis zum Dunkelwerden als Schlittenbahn. Damals, es war während der dreißiger Jahre, klangen den ganzen Sommer hin­ durch an den späten Abenden und bald nach der Morgendämmerung die Dengelschläge noch hinter den Häusern oder zwischen ihren Giebeln hervor. Im Heuet und wäh­ rend der Ernte füllten sich während der Nachmittage die Scheunen, Höfe und Stra­ ßen mit hochbeladenen Wagen. Das waren Festtage für die Scharen von Hühnern, Enten und Gänsen, die sonst mit den Misthaufen vorlieb nehmen mußten, die es vor beinahe jedem Haus gab. In jenen Jahren begann aber die Technik bereits ihren Siegeszug anzutreten. Die Sä­ und Mähmaschinen, Kultivator und Häufel­ pflug kamen eben in Betrieb, der Hausaufzug verdrängte „s‘ Grächmännli“ aus dem Dach­ first, und an die Stelle von Hudel und Reff begannen die Ableger zu treten. Noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges rat­ terten, allgemein bestaunt, die ersten Trakto­ ren auf den Feldern. Es handelte sich aus­ schließlich um Kramer-Traktoren aus Gut­ madingen. Der Krieg brachte schnell eine völlige Unterbrechung in der technischen Entwicklung. Schon bald nach der Währungsreform setzte sich die unterbrochene Technisierung aber um so stürmischer fort. Im Verlauf der fünfziger Jahre stieg die Zahl der Traktoren schnell auf über ein halbes Hundert an. Die Kleinbetriebe, die noch verzichten mußten, waren nach wenigen Jahren an den Händen abzuzählen. Bald schon wurde die erste

920 mir. ilber dem M� fürstenberg Generation der Traktoren von schwereren und vielseitiger einsetzbaren Zugmaschinen ersetzt. Der Maschinenpark wuchs mit und benötigte Platz. In dem Maß, in dem die Zahl der Traktoren zunahm, nahm das Zugvieh ab. Zuerst verschwanden die Pferde aus dem Ortsbild und dann auch die Ochsen. Kunstdünger und Spritzmittel im Obst­ garten kannte man auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg, aber die Schädlings-und Unkrautbekämpfungsrnittel kamen erst nach dem Kriegsende auf. Während der heißen Nachkriegssommer verbreitete sich der Kar­ toffelkäfer auf der Baar in starkem Maße. Die Spritzmittel erlaubten die erfolgreiche Bekämpfung, Spritzmittel rückten auch dem ,,Gelben Senf“ (Hederich) zuleibe, der zeit­ weise die Getreideäcker blühenden Raps­ äckern gleichen ließ. Mit dem Verschwinden der „Unkräuter“ wurden das mühsame Hak­ ken der Saat und das noch mühsamere Jäten überflüssig, aber Pflanzen- und Tierwelt begannen zu verarmen. Während der fünfzi­ ger Jahre zogen Heuschreckenschwärme, aus der tiefer gelegenen Umgegend kommend, dem Ort zu und überzogen Straßen, Gärten und Häuser. Die schweren landwirtschaftlichen Ma­ schinen machten den Ausbau der Feldwege nötig und forderten ihres wirtschaftlichen Einsatzes wegen gebieterisch nach der Flur­ bereinigung. Verbessertes Saatgut und ver­ stärkter Einsatz von Düngemitteln erlaubten steigende Ernteerträge und die Verwendung von Kraftfutter bessere Mastergebnisse und höhere Milchmengen wie allerorts. Sie tru­ gen aber auch zum Anwachsen von Fleisch­ und Butterberg bei. Nicht bedrängende Enge, sondern zwei Schadenfeuer ließen zwei Aussiedlerhöfe entstehen. Jahrhunderte hindurch war Fürstenberg wie alle vergleichbaren Baarorte eine rein landwirtschaftlich orientierte Gemeinde ge­ wesen. Neben den in der Landwirtschaft beschäftigten Einwohnern fand man nur die ortsüblichen Handwerker, und die meisten von ihnen betrieben nebenbei eine kleinere Landwirtschaft. Während der Vorkriegsjahre erst fanden Kleinbauern und deren Söhne Arbeit außerhalb der Gemeinde, vorwiegend beim Doggererzabbau in Blumberg und Gutrnadingen. Schulentlassene Burschen begannen im Handwerk Lehrstellen anzu­ nehmen und vereinzelt auch Mädchen. 23

Auch das änderte sich nach den Notjahren im Gefolge des Krieges und mit der fort­ schreitenden Motorisierung schnell. Die Zahl der Vollerwerbslandwirte sank ab, man suchte und fand Arbeit außerhalb der Gemeinde. Industrie siedelte sich am Ort nicht an. Ein Baugebiet, das im Süden des Dorfes erschlossen wurde, bietet jungen Paa­ ren, die bleiben wollen, Gelegenheit, sich anzusiedeln. Im Dorf selber sind die Misthaufen und die Jauchegruben vor den Häusern völlig verschwunden. Den Sommer über geben Blumenschmuck auf den Fen­ sterbänken und da und dort ein bunter Vor­ garten vom Dorf einen freundlichen Ein­ druck. Nur schwer konnte sich ein Großteil der Einwohnerschaft mit dem Verlust der Selb­ ständigkeit im Zusammenhang mit der Gemeindereform abfinden. Seit dem l. Januar 1972 ist nun die zu diesem Zeit­ punkt neben Albert Hauenstein zweit­ kleinste Stadt der Bundesrepublik Deutsch­ lands Stadtteil der Stadt Hüfingen. Seither sind die Wunden verheilt, haben sich die Für­ stenberger mit den Verhältnissen abgefun­ den, identifizieren sie sich mit der neuen Gemeinde, ohne aber ihre örtliche Eigen­ ständigkeit aufgegeben zu haben. Das zeigt sich besonders im regen Vereinsleben. Das gegenseitige Verhältnis unter den Vereinen des Stadtteils ist geradezu vorbildlich und daß die Fürstenberger Feste zu feiern verste­ hen, ist bekannt. Inzwischen sind auch die unaufschiebbar gewordenen Bauvorhaben des Stadtteils abgeschlossen. So wurde die veraltete, nicht mehr ausreichende Wasserversorgung völlig erneuert und den heutigen Bedürfnissen angepaßt. Erstmals erhielt Fürstenberg auch eine Ortskanalisation. Seither sind die Stra­ ßenrinnen an den Rändern der Ortsstraßen verschwunden. Der Friedhof wurde neu und freundlich gestaltet und durch eine würdige Leichenhalle ergänzt. Insgesamt gesehen, ging Fürstenberg wäh­ rend der letzten Jahrzehnte in seiner Ent­ wicklung den Weg, den auch alle anderen dörflichen Gemeinden der Baar mit ihnen beschritten, und wie deren Bewohner fühlen sie sich ihrem Heimatort im gleichen Maße verpflichtet wie die lange Reihe ihrer Vorfah- ren. August Vetter Das Wappen der ehemaligen Stadt Fürstenberg Die Burg auf dem „fürdersten Berg“, nach der sich seit Mitte des 13. Jahrhunderts ein Zweig der Grafen von Urach-Freiburg nannte, erscheint schon auf dem eindrucks­ vollen Siegel, von dem noch ein Abdruck an einer Urkunde von 1307 erhalten ist. Dieses Siegel mit der Umschrift +S‘ · CIVIUM : DE: FVRSTENBERG ·(=Siegel der Bürger von Fürstenberg) zeigt frei im Siegelfeld die Burg auf der Andeutung eines schwebenden Berges stehend. Nach Größe und Stil dürfte dieses Siegel älter sein. Das läßt darauf schlie­ ßen, daß die Fürstenberger ihrer Burgsied­ lung schon früh die Stadtrechte verliehen haben (erstmals als Stadt erwähnt 1278). 24 Wappen: In Silber eine zweitürmige, schwarzge­ mauerte rote Zinnenburg mit szlbemen Öjfnun­ gen und schwarzem Fallgatter im offenen Tor.

Stadtsiegel (1307). Zehn. v. F. Held. Stadtsiegel (1450). Zehn. v. F. Held. Damals waren Stadtwappen noch nicht all­ gemein üblich. Doch erscheint dann die Burg auf einem zweiten, kleineren und jüngeren Siegel in einen Wappenschild gesetzt. Die gotische Inschrift lautet nun+ Sigillvm · civitatis · de · fvrstenberg · (= Siegel der Bürgerschaft von F.). Auch hiervon kennt man nur noch einen einzigen Abdruck an einer Urkunde von 1450 im Fürst!. Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen. Spätere Siegel zeigen immer die Burg im Wappen. – Nur im 17. Jahrhundert kommt nochmal ein Siegel vor, in dem die Burg frei im Siegelfeld steht. Im Jahre 1806 kam das Burgstädtchen bei der napoleonischen Neugliederung mit dem Fürstentum Fürstenberg an das neugeschaf­ fene Großherzogtum Baden. Doch hatte es schon lange vorher seine Bedeutung einge­ büßt, die Burg war längst zerfallen. Als schließlich nach der Brandkatastrophe von 1841 der Ort wegen der Wasserquelle weiter unten am Berg angesiedelt wurde, hatte man sogar vergessen, wie das Wappen ausgesehen hatte. Die neuen Siegel und Farbdruckstem­ pel zeigten nur noch zwei getrennte Türme. An der Bezeichnung „Stadt“ wurde aber wei­ ter festgehalten. Erst nach der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 durfte Fürsten- berg sich fortan nur noch „Gemeinde“ nen­ nen. Das Innenministerium Baden-Würt­ temberg verlieh im Jahre 1956 das Recht auf die Bezeichnung Stadt neu. Übrigens waren auch die Farben des Wap­ pens gänzlich unbekannt. Vielleicht waren sie ursprünglich einmal Silber-Blau gewesen? Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts glaubte man, daß das Wappen eine rote Burg in blauem Felde sei – eine gänzlich unheral­ dische Tingierung! – Und daran wurde fest­ gehalten, bis 1958 das Generallandesarchiv in Karlsruhe anregte, den Schild besser in silber zu ändern, womit der Gemeinderat einver­ standen war. Das Innenministerium Baden­ Württemberg bestätigte diese Änderung am 8. Oktober 1959. – Mit der Eingemeindung am 1. Dezember 1971 in die Stadt Hüfingen ist das Wappen als amtliches Zeichen erlo­ Klaus Schrubbe schen. Quell.en und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Donaueschin­ gen. – GLA Wappenkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarz­ wald-Baar-Kreis. – FF Archiv Donaueschin­ gen. – Fürstenbergisches Urkundenbuch Band 6, Tübingen 1898. -X. Stiehle, Wappen ttnd Siegel sämtlicher Städte des Großherzogtums 25

Baden, o. 0. 1862. – F. Frankhauser u. A. Krieger, Siegel der badischen Städte, hrsgg. v. d. Bad. hist. Kommission, 3. Heft, Heidelberg 1909. – 0. Hupp, Deutsche Ortswappen, hrsgg. KaffeeHAG,Bremen o.J. (um1927).­ E. Keyser, Badisches Städtebuch (=Deutsches Städtebuch, Band IV, 2. Teilband Baden), Stuttgart 1959. – A. Vetter, Geschichte der Stadt Fürstenberg, Freiburg i. Br. 1959. – K. Stad/er, Deutsche Wappen, Bundesrepublik Deutschland, Band 8, Die Gemeindewappen des Bundeslandes Baden-Württemberg, Bre­ men 1971. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Landkreis Donaueschingen, in: Schriften des Vereins f Geschichte und Natur­ gesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). Oberkimach Recht ungewiß ist das wirkliche Alter der kleinen Gemeinde Oberkirnach, die im Zuge der Gemeindereform am 1. Februar 1974 ein Stadtteil von St. Georgen geworden ist. Man darf aber annehmen, daß die Klostergrün­ dung im Jahre 1084 in St. Georgen auch zur Entstehung des kleinen Dorfes geführt hat. Pfarrer Karl Theodor Kalchschmidt erwähnte in seinem 1895 erschienenen Auf­ schrieb über die Geschichte des Klosters St. Georgen unter anderem auch den Namen „Kürnach“. Dieses „Kürnachtal“ gehörte den Herzogen von Zähringen. Der Pfarrer berich­ tet nun über den Wandel der damaligen Besitzverhältnisse und erwähnt dabei einen im Jahre 1175 mit dem Kloster St. Georgen geschlossenen Grundstücksvertrag, der aller­ dings das untere „Kürnachtal“ betraf Offen­ sichtlich stritten sich die Abteien von St. Georgen und „Tennenbach“ dermaßen um die Besitzansprüche des „Kürnachtals“, daß sich sogar der Papst damit befaßte. Im Jahre 1187 soll er dann zu Gunsten St. Georgens entschieden haben. Aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage verkaufte das Kloster im Jahre 1383 das untere Kirnachtal. Das „obere Tal“ ist dage­ gen bei St. Georgen geblieben und hat zum Unterschied vom unteren Teil den Namen Oberkirnach bekommen. Ein kostbares Dokument der urkundli­ chen Ersterwähnung liegt aus dem Jahre 1244 vor. Dort ist der Name Kirnach sowie eine 26 Adelheit von Kürna (offensichtlich eine aus Oberkirnach stammende Frau) in einer Gründungsurkunde von Vöhrenbach auf­ geführt. Zur damaligen Zeit war man dem jeweili­ gen Abt untertan. Im Zuge der Reformation leitete das 16. Jahrhundert auch in Oberkirnach eine poli­ tische Wende ein. Wer das Land beherrscht, hat auch die Religion zu bestimmen (cuius regio, cuius religio), wurde der evangelische Glauben eingeführt. Doch bereits im Jahre 1630 wurde auf Grund eines Reichskammer­ gerichtsurteils das Gebiet wieder einem katholischen Abt zurückgegeben. Zwar ging dieser rasche Konfessionswechsel nicht ohne Probleme vonstatten, doch weitaus größere Schwierigkeiten brachte der Dreißigjährige Krieg. Zwischen 1634 und 1643 wurde die kleine Gemeinde siebenmal geplündert. Der Friedensabschluß 1648 war auch für Oberkirnach ein langersehnter Wunsch und hatte eine besondere Bedeutung: Das Kirch­ spiel kehrte wieder zum evangelischen Glau­ ben zurück. Schon Anfang des 17.Jahrhunderts besaß der Ort ein Schulhaus, das aber im Dreißig­ jährigen Krieg dem Feuer zum Opfer fiel. Nur im Winterhalbjahr gab es damals Unter­ richt. Beten, Schreiben und Lesen wurde gelehrt. Nach dem Abbrand des Schulhauses hielt man in der „hinteren Stube“ des Bühl­ wirtshaus mit immerhin 34 Schülern den Unterricht ab.

Ansicht von Oberkirnach 1920 Anfang des 19. Jahrhunderts wurde eine Verschiebung der Landesgrenzen zwischen Baden und Württemberg beschlossen. Wäh­ rend man St. Georgen dem Bezirksamt Homberg unterstellte, kam das seinerzeit 260 Einwohner zählende Oberkimach zu dem Bezirksamt Villingen. Die exponierte Lage der Gemeinde – im Süden Fürstenberger Territorium, während sie im Westen und Osten an Gebiete österrei­ chischer Landeshoheit grenzte – hatte eine einschneidende Auswirkung auf das Dorf. Beim ehemaligen Gasthaus Schlemppen wurde eine Zollstation eingerichtet und unter neuer Flagge ist dann die Grenzge­ meinde zu badischem Binnenland gewor­ den. Diese Situation wirkte sich für Oberkir­ nach zunächst recht günstig aus. Die Ein­ wohnerzahlen stiegen. In den Jahren 1812 bis 1850 wuchs die Gemeinde um mehr als 200 Personen. 1864 kam es zur Wiedervereini­ gung nach St. Georgen und zum Wegfall der Grenzen. Bis 1890 sank die Bevölkerung dann wieder ab. Der Grund lag in der zuneh- menden Industriealisierung, die so man­ chem Schwarzwalddorf zu schaffen machte. Viele in der Landwirtschaft tätigen Arbeits­ kräfte zogen weg, um ihr tägliches Brot in der Fabrik zu verdienen. Selbst die „Schwarzwäl­ der Hausindustrie“ (Uhrmacherei) konnte den Trend zugunsten der Fabrikbetriebe bis in die heutige. Zeit nicht aufhalten. Dieser Minustrend verlangsamte sich in den letzten Jahren jedoch sehr, obgleich das ganze Ge­ meindegebiet baurechtlich als Außenbereich gilt und somit ein Wohnhausbau nur in unmittelbarer Beziehung zu einem beste­ henden Gehöft möglich ist. Die Einwohner­ zahl von O berkirnach beträgt heute 240 Bür­ ger bei einer Gemarkungsfläche von immer­ hin 1192 Hektar. Es ist deshalb verständlich, daß die Daueraufgabe der Gemeinde der Ausbau und die Pflege des Wege- und Stra­ ßennetzes ist. In der weitläufigen Streusied­ lung müßen geteerte Wege von mehr als 20 Kilometer unterhalten werden. Die Schnee­ räumung im Winter, bei einer Höhenlage zwischen 800 und 1024 Meter über dem 27

Meer, verursacht einen recht erheblichen Aufwand. Aber gerade der kalten Jahreszeit ist es zu verdanken, daß der Ort weit über die Gemeindegrenzen bekannt geworden ist. Vier Schlepplifte sorgen für ungetrübtes Ski­ vergnügen zu Tages- und Abendzeiten. Nicht nur die Pistenabfahrer, sondern auch die Freunde des Langlaufs kommen auf ihre Kosten: die Loipen führen über Hügel und Täler, vorbei an einer malerischen Land­ schaft. Dann herrscht in dem kleinen Dorf ein emsiges Treiben von Sportlern, Wande­ rern und Erholungssuchenden. Recht aktiv geht es auch sonst im Gemein­ de- und Vereinsleben zu. Das 1911 neu erbaute und 1969/70 bzw. 1986/87 reno­ vierte Schul-und Rathausgebäude bildet der Treffpunkt für jung und alt. Wer kennt sie nicht? Die Freiwillige Feuer­ wehr Oberkirnach oder den Gesangverein ,,Kirnachklänge“? Der Radfahrverein „Rad­ lerliebe“ Oberkirnach-Brigach weiß von vie­ len sportlichen Erfolgen zu berichten. Ebenso der Fußballverein, der-obwohl er in keiner Staffel spielt -bei sehr vielen T urnie­ ren schon erfolgreich gewesen ist. Nicht zu vergessen: der Ortsverband Oberkirnach des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptver­ bands (BLHV). Doch all diese Aktivitäten sind ohne Idea­ lismus nicht möglich. Allen voran geht der seit 1975 als Ortsvorsteher tätige JosefStock­ burger. Auf seine Initiative und mit der Unterstützung zahlreicher freiwilliger Hel­ fer ist 1987 eine Hof-und Dorfchronik ent­ standen. Auch die Geschichte der St.-Wendelins­ Kapelle wird dort erzählt. Wer weiß schon, daß in Oberkirnach früher eine Wallfahrts­ kirche stand? Südlich, auf einer Anhöhe des Stoffelsbauernhofes, ragte sie einst, bis ins 17. Jahrhundert hinein, über.das Kimachertal in den Hin1mel. Heute erinnern die Mauerreste und ein Gedenkstein an den einstigen Ort der Stille. Oberkirnach ist eine liebenswürdige und liebenswerte Ortschaft mit einer wechselvol­ len Vergangenheit und einer harmonischen und lebendigen Gegenwart, in der Gemein­ schaftsgeist und Zusammengehörigkeitsge­ fühl noch eine große Rolle spielen. Karl-Heinz Beha Das Wappen von Oberkirnach Wappen: In Silber über blauem Wellenschiltifuß ein rotes Mühlrad. Es handelt sich bei diesem schönen Wap­ pen um ein „redendes“ Wappen, wie der He­ raldiker sagt: Kürn bedeutet im Althochdeut­ schen Mühle und Aha, Acha bedeutet Was­ ser. Der sankt-georgische Ort, seit der Refor­ mation württembergisch, kam erst 1810 an das von Napoleon neugeschaffene Großher­ zogtum Baden. Und von da an ist auch eine eigene Siegelführung nachzuweisen. Das älteste Siegel (Abdruck von 1811) mit der Umschrift· VOGTEI · KIRN ACH zeigte das damalige badische Staatswappen. Als die 28 Führung des Staatswappens in Gemeindesie­ geln untersagt wurde, nahm man ein einfa­ ches Schriftsiegel an, das außer der zweizeili­ gen Inschrift GEMEINDE· OBER=KIRN­ ACH · kein weiteres Dekor aufwies. In der zweiten Jahrhunderthälfte kam ein Farb­ stempel in Gebrauch, der innerhalb der Umschrift GEMEINDE OB.KIRN ACH die

Buchstaben O K N, umgeben von einem Laubgewinde, zeigte. Ähnliche Gemeinde­ stempel wurden bis 1951 verwendet. Damals kam der Gemeinderat auf einen Wappenvorschlag zurück, den die Badische historische Kommission bereits im Jahre 1902 gemacht hatte: »Mühlrad über Wasser“. Seinerzeit war das vom Gemeinderat glatt abgelehnt worden; doch jetzt wollte man ein richtiges Wappen führen. Fast 20 Jahre spä­ ter, am 2. Dezember 1960, verlieh dann das Innenministerium – nachträglich – das Recht zur Führung dieses Wappens. Leider ist seine Funktion als amtliches Zeichen mit der Eingemeindung von Oberkirnach in die Stadt St. Georgen am l. Februar 1974 erlo­ schen. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Villingen. – GLA Wappenkartei Schwarzwald-Baar­ Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – H. G. Zier, Wappenbuch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. Das Wappen der Gemeinde Tuningen Wappen: In Silber eine schwarze Dornenschräg­ leiste, von der beiderseits eine rote Rose mit golde­ nem Butzen und grünen Spitzen an schwarzem Stiel abhängt. Der Abdruck eines Gemeindesiegels 1817 zeigte eine Tanne und während des ganzen 19. Jahrhunderts hatte Tuningen kein Wap­ pen. Erst im Jahre 1910 schlug die königlich württembergische Archivdirektion der Ge­ meinde vor, das schöne Wappen des ehema­ ligen Ortsadels, der Maier von Tuningen, als Gemeindewappen zu übernehmen. Angehörige dieses ursprünglich als Ver­ walter des st.-gallischen Klosterbesitzes in Tuningen („Klostermaier“) wirkenden Geschlechts wurden später auch Bürger zu Villingen, wo ein Konrad der Tuninger 1380 -87 als Schultheiß und 1384 als Bürger­ meister vorkommt. Er siegelt mit einem schräggeteilten Wappen mit zwei aus der Tei­ lung hängenden Rosen; doch dürfte hier ein Irrtum des Siegelstechers vorliegen, denn auf einem Siegel seines Vaters Heinrich ist statt der Schrägteilung eine Schrägleiste zu sehen. Die Darstellung wechselt. Die Farben des Wappens der „Tuninger“ oder »Dunninger“ sind unbekannt, da Siegel ja nur eine pla­ stische Darstellung zeigen. -Im amtlichen Vorschlag von 1910 waren Farben nicht erwähnt worden. -Ohne Farben aber kein Wappen! -Doch stieß sich anscheinend nie­ mand daran, und das „ Wappen“ wurde so angenommen und geführt. Auch 1930 kamen in einem amtlichen Schriftwechsel über das Tuninger Wappen noch keine Farben vor. -Erst 1937 erschei­ nen in der Darstellung einer Rottweiler Kunstwerkstätte die heutigen Farben, die ver­ mutlich damals schon so üblich waren. Schließlich bestätigte die Archivdirektion 1956 diese Farbgebung. Damit war sie erst­ mals amtlich festgelegt. Der „Rosenast“ wurde übrigens erst ab Mitte der Dreißigerjahre als Dornenschräg­ leiste gezeichnet, vorher war er meist glatt. Bei der Bestätigung erscheint er sehr stark gekerbt und wird in der Folge meist als „ange­ h_ackt“ angesprochen. Doch darf man diese Übertreibung, die wohl durch die Kleindar­ stellung für die Gemeindestempel erforder­ lich schien, nicht als maßgeblich für die Bla­ sonierung (-Wappenbeschreibung) anse­ hen, denn selbstverständlich handelt es sich 29

weiterhin um einen Rosenzweig, der hier mit „Dornen“ (eigentlich Stacheln ) besetzt dar­ zustellen wäre. Übrigens führt seit 1952 die Rottweiler Kreisgemeinde Dunningen ein ganz ähnli­ ches Wappen. Es spielt hier die Unsicherheit der Zuweisung der Familie Tuninger (Thu­ ninger, Dunninger, Taininger usw.) zu den beiden Orten Tuningen (früher Daininga, Thainingen, Thuningen … ) und Dunningen (früher Tunninga, Tunningen, Tuningen … ) mit. Klaus Schnibbe Bschlage QJiellen und Literatur: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Wappenakten. – Generallandesar­ chiv Karlsruhe, Wappenkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – Donaueschinger Wappenbuch von 1433. -]. Kindler v. Knobloch, Oberbadi­ sches Geschlechterbuch, Band 3, Heidelberg 1904. – 0. v. Alberti, Württembergisches Adels-und Wappenbuch, 2 Bände, Stuttgart 1889 ff (Nachdruck: Neustadt a. d. Aisch 1975). – H.John u. M. Heine, Die Kreis-und Gemeindewappen im Regierungsbezirk Frei­ burg, Stuttgart 1989 (Kreis- und Gemeinde­ wappen in Baden-Württemberg, hrsgg. Lan­ desarchivdirektion Baden-Württ., Band 3). Zeichnung: Helmut Groß Es johlet d’Käther, schreit und schilt am Mendig früeh wie bsässe: „Du Lump, du ganz versoffne Siech, bischt z’lang im Bäre gsässe. Jetzt guck emol din Kittel a, ’sind Flecke drin, eo Huufe. Du Pfiddi, siescht, die Moose doo, die kummet nu vum Suufe!“ 30 De Marti stieret vor sech hear, hört zue dem Dunnderwätter. Zmol schleet er d’Bratze uff de Disch und brüelet a si Käther: „Gell, lüg mer nitt und halt di Muul, und hör nu uff mit blääre. Vum Suufe kummet d’Moose nit, die güt es bim Verlääre!“ Gottfried Schafbuch

Behörden und Organisationen Das Arbeitsamt Villingen-Schwenningen in neuen Räumen Der Neubau für das Dienstgebäude des Arbeitsamts Villingen-Schwenningen steht an der südlichen Einfahrt nach Villingen in unmittelbarer Nähe des mittelalterlichen Kernes der Zähringer-Stadt. Der drei-bis viergeschossige Mauerwerks­ bau mit seinem rot eingedeckten Satteldach paßt sich gut an die angrenzenden Wohn­ gebäude aus der Zeit der Jahrhundertwende an. Gebaut wurde von 1983 bis 1987 mit einem Kostenaufwand von rund 18 Millio­ nen Mark. Auf gut 6600 �adratmeter Nutzfläche arbeiten hier etwa 200 Beschäftigte in den vier Fachabteilungen. Das Gebäude ist großzügig angelegt und funktionell aufgebaut. Von einer zentralen Erschließungshalle ausgehend, ist der Bau als dreiflügelige Anlage mit abgewinkelten Bürotrakten konzipiert. Dabei sind die ein­ zelnen Abteilungen weitgehend in zusam­ menhängenden Geschoßflügeln unter­ gebracht. Im Erdgeschoß befindet sich die Abtei­ lung Arbeitsvermittlung und Arbeitsbera­ tung sowie die Kindergeldkasse und das Berufsinformationszentrum mit einem sepa­ raten Eingang. Leistungsabteilung mit An­ tragsannahme und Berufsberatung sind im ersten Stock untergebracht. Im zweiten Stock befinden sich neben Direktion und Verwaltung weitere Sachgebiete der Lei­ stungsabteilung. Der dritte Stock ist belegt mit dem ärztlichen und dem psycholo­ gischen Dienst, dem Sitzungssaal und der Kantine für die Beschäftigten. Nachdem nun alle Abteilungen und Fach- 31

dienste unter einem Dach untergebracht sind, brauchen Besucher nicht mehr – wie früher – zwischen sieben verschiedenen Gebäuden im Stadtzentrum zu pendeln, um Rat und Unterstützung zu bekommen. Betreut wird vom Arbeitsamt Villingen­ Schwenningen der gesamte Schwarzwald­ Baar-K.reis mit seinen 20 Städten und Gemeinden. Dafür sind neben dem neuen Hauptamt in Villingen vier Dienststellen in Schwenningen, Donaueschingen, Furtwan­ gen und St. Georgen eingerichtet. Die Aufgaben der Fachabteilungen – Abteilung Arbeitsvermittlung und Ar­ beitsberatung Fachmännisch geschultes Personal infor­ miert und berät Arbeitnehmer und Arbeitgeber unentgeltlich über die Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und in einzelnen Berufen. Mit Hilfe modernster Kommunikationstechniken wird rasch und flexibel auf Kunden­ wünsche reagiert. Im Vordergrund steht die Aufgabe, Arbeitssuchenden den geeig­ neten Arbeitsplatz und Arbeitgebern die erforderlichen Arbeitskräfte zu vermit­ teln. Arbeitsmarktpolitische Instrumente wie berufliche Fortbildung und Umschulung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, beruf­ liche Rehabilitation und finanzielle För­ derung der Arbeitsaufnahme werden hier gezielt eingesetzt, auf den regionalen Markt zugeschnitten und ständig den ver­ änderten Anforderungen angepaßt. Ziel ist, einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt her­ zustellen, Arbeitslosigkeit abzubauen und zu verhindern sowie Beschäftigung zu sichern. – Abteilung Berufsberatung und Ausbil­ dungsvermittlung Berufsorientierung von Schülern aller Schularten, individuelle berufliche Bera­ tung von Jugendlichen, die vor der Berufs­ wahl stehen, Vermittlung beruflicher Aus­ bildungsstellen sowie Förderung der 32 betrieblichen Berufsausbildung sind die zentralen Aufgaben dieser Abteilung. Spe­ ziell geschultes Personal für die einzelnen Aufgabenbereiche, wie beispielweise Bera­ ter für Behinderte oder für Abiturienten und Hochschüler sowie Ausbildungsver­ mittler, denen ein modernes Datenverar­ beitungssystem zur Verfügung steht, kön­ nen von allen Interessenten unentgeltlich in Anspruch genommen werden. Das neu eingerichtete Berufsinformationszentrum (BIZ) steht zugleich als „Selbstbedie­ nungsmediothek“ allen an der Berufs­ wahlvorbereitung beteiligten und interes­ sierten Jugendlichen und Erwachsenen zur Verfügung. Der ständige Kontakt mit Schulen, Hoch­ schulen, Werkstätten für Behinderte, In­ nungen, Verbänden und Kammern, eben­ so mit Ausbildungsbetrieben, garantiert ein kompetentes Dienstleistungsangebot für Jugendliche und Betriebe im Zusam­ menhang mit beruflicher Nachwuchs­ gewinnung. – Leistungsabteilung Die Leistungsabteilung hat die meisten Mitarbeiter im Arbeitsamt und bewältigt eine Fülle von Anträgen auf Geldleistun­ gen aus allen Aufgabengebieten. Dies erfordert umfangreiches Fachwissen und ständige Weiterbildung des Personals. Mehr als 150 Millionen Mark werden hier pro Jahr bewilligt. Zur Sicherung der Existenz und angemes­ senen Versorgung von Arbeitslosen, de­ nen nicht sofort zumutbare Arbeit ver­ mittelt werden kann, gibt es beispielsweise das Arbeitslosengeld. Wer darauf keinen Anspruch hat, kann Arbeitslosenhilfe beantragen, die von der Leistungsabtei­ lung im Auftrag des Bundes gezahlt wird. Daneben gehören das Unterhaltsgeld während der Teilnahme an beruflichen Fortbildungs- und Umschulungsmaß­ nahmen, das Konkursausfallgeld, Kurzar­ beitergeld, Schlechtwetter- und Winter­ geld zu den vielfältigen Lohnersatzlei­ stungen, mit denen zahlreiche Risiken des

Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gemildert oder aufgefangen werden können. Als „Kindergeldkasse“ bewilligt und über­ wacht die Leistungsabteilung im Auftrag des Bundes für fast 22 000 Familien mit mehr als 36 000 Kindern das Kindergeld und den Kindergeldzuschlag. Über den Weg des Widerspruchsverfah­ rens bei Streitigkeiten, die sich bei der Durchführung der Fachaufgaben ergeben, bietet die Leistungsabteilung kostenfreien Rechtsschutz. Eine Sonderaufgabe hat die Bearbeitungs­ stelle zur Bekämpfung der illegalen Be­ schäftigung in der Leistungsabteilung. Sie fahndet von Villingen aus im gesamten Süden Baden-Württembergs nach Betrie­ ben, die Arbeitnehmer illegal ver- oder entleihen. Verwaltung Die Verwaltung organisiert den inneren Dienstbetrieb des Arbeitsamts. Dazu ge­ hört auch die Auswahl, Einstellung sowie Aus- und Fortbildung des Personals und die Sach- und Liegenschaftsverwaltung. Daneben koordiniert die Verwaltung im zentralen Rechenzentrum die EDV ge­ stützten Aufgaben der Fachabteilungen und überwacht die Einhaltung der Daten­ schutzbestimmungen. Angegliedert sind außerdem der ärztliche und psychologische Dienst zur Unterstüt­ zung der Fachabteilungen beim Beurtei­ len der Eignung und des Leistungsvermö­ gens der Ratsuchenden. Im Sachgebiet Statistik werden die von den Abteilungen erhobenen Einzeldaten aufbereitet und der Öffentlichkeit in Form von Presseinformationen zur Ver­ fügung gestellt. Die Verwaltung erarbeitet auch alle zur Information des örtlichen Verwaltungs­ ausschusses erforderlichen Unterlagen und bereitet dessen Sitzungen zu Themen wie „Arbeitsmarktpolitische Maßnah­ men“ und „Haushalt des Arbeitsamtes“ vor. Der Verwaltungsausschuß ist mit je vier Vertretern von Arbeitgebern, Arbeit­ nehmern und öffentlichen Körperschaf­ ten besetzt. Klaus Helm 33

Die Kriminalpolizei im Schwarzwald-Baar-Kreis Ergebnis polizeilicher Ermittlungen. Diese ersten Kriminalpolizei-Stellen hatten ebenso wie die 1908 errichtete Fahndungspolizei kei­ nen direkten Einfluß aufVillingen. Die Geburtsstunde einer eigenständigen Kriminalpolizei-Dienststelle schlug 1922, als im Rahmen einer polizeilichen Neugliede­ rung in Villingen eine „Gendarmerie-Krimi­ nalabteilung“ mit eigener Steckbriefregistra­ tur -ein Vorfahre der heutigen Datenstation -eingerichtet wurde. Während diese Krimi­ nalabteilung als Spezialdienst noch der Gen­ darmerie -also der Schutzpolizei -angeglie­ dert war, erfolgte im Jahre 1928 der Aufbau einer eigenständigen Kriminalpolizeidienst­ stelle. Dieser Staatlichen Kriminalpolizei­ stelle gehörten fünf Kriminalbeamte an, die seinerzeit von Karlsruhe und Pforzheim in den Schwarzwald versetzt wurden, um sich hier speziell um die Kriminalitätsbekämp- Eine geschichtliche Betrachtung Mit der Bildung der Polizeidirektion Vil­ lingen-Schwenningen zum 1. Januar 1973 ging eine wechselvolle organisatorische Ent­ wicklung der Kriminalpolizei im Bereich des heutigen zu Schwarzwald-Baar-Kreises Ende. Ab diesem Tage wurden die bisher getrennten Polizeisparten Schutz-und Kri­ minalpolizei unter eine einheitliche Führung – die des Leiters der Polizeidirektion – gestellt.Die Neuorganisation des Polizeivollzugs­ dienstes in Baden-Württemberg fußte einer­ seits auf der seinerzeit durchgeführten Gebiets-und Verwaltungsreform, anderer­ seits kamen Bund und Länder im „Pro­ gramm für die Innere Sicherheit in der Bun­ desrepublik Deutschland“ im Juni 1972 zur Vereinbarung, in den Grundzügen eine ein­ heitliche, leistungsfähigere Organisation des Polizeivollzugsdienstes zu schaffen. Dazu sollten Schutz-und Kriminalpolizei schon auf unterer Ebene organisatorisch unter eine einheitliche Führung gestellt werden. Unterschiedliche Entwicklungen Die neu gebildete Polizeidirektion Villin­ gen-Schwenningen vereinte ab 1973 nicht nur Schutz-und Kriminalpolizei, sondern trug auch dem Städtezusammenschluß von Villingen und Schwenningen Rechnung, der zum 1. Januar 1972 wirksam wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die bislang in den Regierungsbezirken Südbaden bzw. Südwürttemberg gelegenen Kriminalaußen­ stellen Villingen und Schwenningen unter­ schiedlich entwickelt. In der früheren badischen Polizei war die Organisation der Kriminalpolizei eng mit der Staatsanwaltschaft verbunden, die ihr unmittelbar Aufträge erteilen konnte. Anlaß für die im Jahre 1879 durch Großherzogli­ ches Dekret aufgestellten Kriminalpolizei­ Stellen war u. a. die Unzufriedenheit der Staatsanwaltschaften mit dem bisherigen 34

fung zu kümmern. Leiter dieser Kriminalpo­ lizeidienststelle war Kriminalinspektor Knecht. Ihre Zuständigkeit beschränkte sich auf den Bereich der damals ca. 16.000 Ein­ wohner umfassenden Stadt Villingen. Leider liegen keinerlei Erkenntnisse darüber vor, mit welcher Art Kriminalität sich die Beam­ ten seinerzeit vornehmlich auseinanderset­ zen mußten. Eine erneute Organisationsänderung erfuhr die Kriminalpolizei im August 1933, als aus der bisherigen Kriminalpolizeistelle die „Landeskriminalpolizeistelle“ wurde, die Ermittlungszuständigkeiten in den Amtsge­ richtsbezirken Villingen und Donaueschin­ gen hatte. Der Personalbestand wuchs in den Vorkriegsjahren auf 8 Beamte an. Nach der Gründung des Landes Baden­ Württemberg und Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes wurde 1956 aus der Staatli­ chen Kriminalpolizeistelle die Kriminalau­ ßenstelle Villingen. Sie war wie die Kriminal­ außenstelle Singen dem Kriminalkommissa­ riat Konstanz nachgeordnet. Leiter der Kri- . minalaußenstelle (KASt) Villingen war Kri­ minalkommissar Willi Hauer, der 1962 durch einen Verkehrsunfall ums Leben kam. Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, im Juli 1945, wurde für das damalige Land Baden das Landeskriminalpolizeiamt in Frei­ burg mit Kriminalpolizei-Abteilungen in Baden-Baden, Offenburg, Freiburg und Konstanz eingerichtet. Villingen war schon bald wieder Sitz einer „Staatlichen Kriminal­ polizeistelle“, die zunächst der Kriminalpoli­ zei-Abteilung Freiburg unterstellt war. Erster Nachkriegs-Dienststellenleiter war Hans Hugenschmidt, der in den Folgejahren von JosefMerz und Anton Koch abgelöst wurde. Schon bald wurde der Personalbestand wie­ der auf die Vorkriegsstärke von 8 Beamten gebracht. Vermutlich im Jahre 1950 wurde die Kri­ minalpolizeistelle der Kriminalpolizei­ Abteilung Konstanz unterstellt, um die Übereinstimmung mit dem Zuständigkeits­ bereich der Staatsanwaltschaft Konstanz wie­ der herzustellen. Amtsnachfolger als Leiter der KASt Villin­ gen wurde Kurt Lauble, der die Dienststelle 1973 in die Polizeidirektion einbrachte und erster Leiter der Abteilung II/Kriminalpoli­ zei der Polizeidirektion Villingen-Schwen­ ningen wurde. Diese Funktion hatte er bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Dezember 1979 inne. Im württembergischen Schwenningen entstand im Jahre 1923 ein „Staatliches Würt­ tembergisches Polizeiamt“ mit einer Krimi­ nalabteilung, die 1928 und in der Folgezeit aus zwei Beamten bestand. Diese kriminal­ polizeiliche Organisationseinheit wurde 1943 als „Staatliche Kriminalpolizei – Außenposten Schwenningen“ – direkt der Kriminalpolizei – Leitstelle Stuttgart- unter­ stellt. einer 1946 erfolgte die Auflösung des Staatli­ chen Polizeiamtes Schwenningen und die Schaffung Kriminalaußenstelle Schwenningen, die dem Kriminalkommissa­ riat (KK) Rottweil unterstellt und ausschließ­ lich für den Bereich der Stadt Schwenningen zuständig war. Die personelle Ausgestaltung hatte entsprechend bescheidene Ausmaße: Lange Zeit bestand die KASt Schwennin­ gen aus vier bis fünf Beamten und zwei Angestellten. Geleitet wurde die KASt Schwenningen zunächst von den Beamten Wochner,Jacob, Heinrich Meyer sowie Mat­ thias Blepp. ImJahre 1969 übernahm Krimi­ nalobermeister Otto Kolipper die Leitung der Dienststelle. Ihm fiel im Jahre 1972 nach der Städtefusion Villingen und Schwennin­ gen die nicht leichte Aufgabe zu, die sechs Beamten der Schwenninger Kriminalaußen­ stelle in die KASt Villingen einzubringen, um dann im Jahr danach gemeinsam mit den bisherigen Villinger Kollegen die Abteilung II/Kriminalpolizei der Polizeidirektion Vil­ lingen-Schwenningen zu bilden, die zunächst einen Personalstand von 15 Beam­ ten und 5 Angestellten hatte. Frauen in der Kriminalpolizei Die geschilderte Entwickung der Krimi­ nalpolizei im heimischen Bereich vollzog 35

sich lange Zeit ohne „frauliche Einflüsse“. In der Nachkriegszeit gab es zwar den Fach­ dienst „ Weibliche Kriminalpolizei“ (WKP), doch diese Beamtinnen waren ausschließlich den Kriminalkommissariaten zugeteilt. So mußten sich lange Zeit die Schutz-und Kri­ minalpolizei auf der Baar und im Schwarz­ wald der WKP-Beamtin aus Konstanz bedie­ nen, wenn der Einsatz einer Kriminalbeam­ tin im Einzelfalle erforderlich war. Die WKP kam seinerzeit fast ausschließlich bei der Bearbeitung von Sittlichkeitsdelikten und bei Fällen der Abtreibung zum Einsatz. Mit der Auflösung der WKP als Fach­ dienst wurden die Beamtinnen in den allge­ meinen Kriminaldienst integriert. Im Rah­ men dieser Umstrukturierung erhielt die KASt Villingen 1970 die erste Kriminalbeam­ tin. Seither gab es eine stetige frauliche Auf­ wärtsentwicklung, da zwischenzeitlich etwa 10 % der kriminalpolizeilichen Stellen mit Frauen besetzt werden. Neben Kriminal­ hauptkommissarin Doris Kulke als Dezer­ natsleiterin für Sittlichkeitsdelikte versehen im Jahre 1988 weitere 5 Beamtinnen Dienst in den verschiedenen Dezernaten. Die Abteilung II -Kriminalpolizei in der Polizeidirektion Villingen-Sbhwenningen Seit der polizeilichen Neuorganisation im Jahre 1973 hat sich das Aufgabengebiet der Kriminalpolizei stetig erweitert. Neben Kapi­ taldelikten bearbeitet die Kriminalpolizei im Schwarzwald-Baar-Kreis u. a. Fälle der Wirt­ schaftskriminalität, befaßt sich mit Verstö­ ßen gegen das Betäubungsmittelgesetz, ermittelt bei Sittlichkeitsdelikten, betreibt Jugendschutz, fahndet nach ausgeschriebe­ nen Straftätern und setzt sich mit Räubern und Dieben auseinander. Unterstützt wird diese umfangreiche Arbeit durch spezielle Kriminaltechniker und eine rund um die Uhr besetzte Datenstation, die den Zugriff zu den Datensammlungen der Zentralstellen unter­ hält. Dazu stehen dem Leiter der Kriminal­ polizei im Jahre 1988 55 Beamte, 20 Ange­ stellte sowie 1 Kraftfahrer zur Verfügung. Ob sich wohl Kriminalinspektor Knecht 1928 eine solche Entwicklung vorstellen konnte? Helmut Wider De Italiener Luigi ischt als Knecht beim Sepp und moß gi Rüebe hacke. Paar Rättech hätt er gesse z’gschnell, die clont en grusig zwacke. Er rentt i d’Hecke kuntinennt, -sie Grimme druckt wie bsesse – und isch dert krottebroat und diif i d’Nessle inni gsesse. ,,Maleditto, sappertrenti“ duet brüelle er zmol luut „o Ditsland, di hoaß Grasi verbrennt mi sardi Huut!“ Gottfried Schafbuch Zeichnung: Helmut Gref? 36

Schulen und Bildungseinrichtungen Neue attraktive Studiengänge an der Berufsakademie Villingen-Schwenningen Die Berufsakademie Villingen-Schwen­ ningen hat sich -seitdem im Almanach 77, Seite 25/26, und 79, Seite 69/70, über diese Einrichtung berichtet wurde -in schnellem Tempo weiterentwickelt. Sie ist kräftig gewachsen auf jetzt 850 Studenten (eine Zahl, die sich in den nächsten Jahren auflOOO erhöhen wird) und hat ihr Studien-und Aus­ bildungsangebot erheblich ausgeweitet. Im Jahre 1988 bot sich mit einem Pro­ gramm der Landesregierung zur Stärkung des ländlichen Raums die Chance, eine Neue Studien- und Ausbildungsangebote Anzahl von Pilotprojekten der Akademie in neue Studienangebote umzusetzen. So wurde mit einer Erweiterung der Fachrichtung Steuern um die Vertiefungs­ richtung Prüfungswesen aktuellen Entwick­ lungen im Berufsfeld des Steuerberaters Rechnung getragen: Neue gesetzliche Bestimmungen weisen den Steuerberatern eine Funktion in der Prüfung von Jahresab­ schlüssen zu -die Berufsakademie bildet für diese Funktion aus. Ganz neu ist das Angebot der Berufsaka­ demie an Kreditinstitute, in der Fachrichtung Wirtschaftsinformatik Nachwuchskräfte dual auszubilden, die bankbetriebswirtschaftliche 37

Kenntnisse mit einer Kompetenz in anwen­ dungsorientierter Informatik verbinden. Im Ausbildungsbereich Sozialwesen ging von den Allgemeinen Ortskrankenkassen die Anregung aus, künftige Mitarbeiter für den Sozialen Dienst in Krankenkassen (oder Krankenhäusern oder Gesundheitsämtern) praxisnah in einer neuen Fachrichtung Soziale Arbeit im Gesundheitswesen auszubil­ den. Auch bei dem vierten neuen Studienange­ bot der Akademie, das wir etwas näher beleuchten wollen, ging die Initiative von der Wirtschaft aus, eine neue Fachrichtung ein­ zurichten: Die Fachrichtung Internationales Marketing Schon im Jahre 1982 regten einige an der Berufsakademie Villingen-Schwenningen beteiligte Industriebetriebe an – so die Alu­ minium-Walzwerke Singen und die Firma Aesculap in Tuttlingen – das starke Engage­ ment der heimischen Industrie auf ausländi­ schen Märkten im Studienangebot zu berücksichtigen. Es gäbe, so das Argument der Industrie, einen noch zunehmenden Bedarf für qualifizierte Nachwuchskräfte, die verantwortliche Funktionen in der Bearbei­ tung von Märkten in den europäischen Nachbarländern und in Übersee ausfüllen können. Das Ausbildungsprofil Welches Profil müssen Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen haben, die in exportorien­ tierten Unternehmen wirkungsvoll dazu bei­ tragen, die Herausforderungen aus der zunehmenden zu bestehen? Internationalisierung Die Berufsakademie Villingen-Schwen­ ningen definiert das Ziel für die Fachrichtung INTERNATIONALES MARKETING so: Es sollen kompetente, mobile und motivierte Mit­ arbeiter ausgebildet werden, mit guten allgemei­ nen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. 38 Diese Kenntnisse werden eiworben durch die Mitarbeit in wichtigen kaufmännischen Abteilungen des Ausbildungsbetriebs und in den mit der praktischen Ausbildung ver­ knüpften Theorieveranstaltungen, die die Staatliche Studienakademie zu den Unter­ nehmensfunktionen Fertigung und Mate­ rialwirtschaft, Absatz, Finanz- und Rech­ nungswesen und Personalwirtschaft vermit­ telt; mit Fachkenntnissen wie etwa auf dem Gebiet der Exporttech­ niken, der Exportfinanzierung, des interna­ tionalen Marketing oder bestimmter Rechts­ gebiete. Hierzu liefert die Studienakademie die Lehrveranstaltungen in Spezieller Betriebswirtschaftslehre und der Betrieb die praktische Ausbildung im 3. Jahr; mit guten Sprachfähigkeiten Die Akademie pflegt Englisch als die zweite Sprache des internationalen Handels, indem sie eine ganze Reihe von Lehrveranstaltun­ gen (mit den dazugehörigen Prüfungslei­ stungen) in englischer Sprache abhält; sie bietet Fremdsprachenunterricht in Franzö­ sisch oder Spanisch oder Russisch und sie for­ dert von jedem Studierenden ein Auslands­ praktikum von mindestens drei Monaten Dauer. Auslandspraktika organisieren die Ausbildungsbetriebe mit ihren weltweiten Geschäftsverbindungen und Auslandsprak­ tika vermittelt auch die Berufsakademie (übrigens angehenden Diplom­ Betriebswirten) im Rahmen ihrer Austausch­ programme mit St. Louis und Indianapolis, USA und mit Lyon und Grenoble als ihr Anteil an der Kooperation von Baden-Würt­ temberg mit der Region Rhone-Alpes. Sensibilisiert für die Besonderheiten ausländi­ scher Märkte und motiviert für die engagierte Mitarbeit in der Exportabteilung, der auslän­ dischen Niederlassung, auf Messen oder wo immer internationales Marketing stattfindet. Auch hier sind es die Mitarbeit in der Exportfunktion und das Auslandsprakti­ kum, durch die sich Nachwuchskräfte dieser Qualität heranbilden. allen

Große Nachfrage für INTERNATIONALES MARKETING Das neue Studienangebot der Berufsaka­ demie Villingen-Schwenningen erwies sich schnell als überaus erfolgreich. Dabei ist nicht nur eine gute Resonanz bei den betei­ ligten Ausbildungsstätten zu vermelden. Es sind auch viele Unternehmen aus ganz Baden-Württemberg (und aus anderen Bun­ desländern) als neue Ausbildungsbetriebe hinzugekommen. Unter Abiturienten und Abiturientinnen ist das Interesse ausgesprochen lebhaft – eine Auslandsmüdigkeit der Jugend gibt es offen­ sichtlich nicht mehr. Schon bald konnte ein eigener Kurs mit ca. 30 Studienanfängern eingerichtet werden, und wenig später gab es die ersten Probleme bei der Akademie, diese Kapazitätsgrenze auch einzuhalten. Die ersten Absolventen, die noch in der Modellphase ab 1985 die Aus­ bildung beendeten, hatten hervorragende Übernahmechancen und berichten über gute Entwicklungsmöglichkeiten im Beruf. Ab 1. Oktober 1988 ist INTERNATIO­ NALES MARKETING im Regelangebot der Berufsakademie Villingen-Schwenningen. Um die Qyalität der Ausbildung zu sichern, stellt das Land Baden-Württemberg zusätz­ liche Stellen für die Lehre und finanzielle Mittel für Investitionen in die Datenverar­ beitung und in die Bibliothek bereit. Neue Räume im Stadtteil Schwenningen schaffen den Platz für die zusätzlichen Lehrveranstal­ tungen. Von der Berufsakademie Villingen­ Schwenningen sind so erneut Impulse für eine dynamische Weiterentwicklung des Modells einer praxisnahen Ausbildung von Abiturienten in Kooperation mit der Wirt­ schaft ausgegangen. Auch in der Zukunft will sie Lücken im Ausbildungsangebot aufspü­ ren und mit hohem Qyalitätsanspruch im dualen System ausfüllen. Prof. Rudolf Mann Technische Akademie für Weiterbildung (TA W) IHK und Fachhochschule Furtwangen gehen neue Wege in der technischen Weiterbil­ dung Die im Kammerbezirk stark vertretenen Industriezweige, insbesondere Feinmecha­ nik/Uhren, Elektrotechnik und Maschinen­ bau unterliegen einem strukturellen Wandel. Diese Branchen haben große Zukunftschan­ cen, sind jedoch durch einen rasanten tech­ nologischen Fortschritt und einen verstärk­ ten fernöstlichen Konkurrenzdruck gekenn­ zeichnet. Im Wettbewerb mit Konkurrenten aus Billigländern muß das technische Spit­ zenwissen jene Komponente sein, auf die künftig gesetzt werden muß, wollen Klein­ und Mittelbetriebe ihre Chancen am Markt von morgen nutzen. Darüber hinaus wird die Bedeutung der beruflichen Weiterbildung in naher Zukunft von drei Komponenten be­ stimmt: 1. Den Unternehmen werden weniger Nachwuchskräfte (demografischer Wan­ del) zur Verfügung stehen. Qyalifizierter Nachwuchs kann deshalb nicht einfach vom Arbeitsmarkt eingekauft werden, das vorhandene Personal muß durch Anpas­ sungsbildung qualifiziert werden. 2. Verkürzte Lebenszyklen der Produkte, z.B. im Bereich der Kommunikations­ technologie und Datenverarbeitung, zwingen die Unternehmen zur Imple­ mentierung neuer Systeme – verbunden mit einhergehenden Qyalifizierungsmaß­ nahmen für Führungs- und Fachkräfte. 3. Der geplante europäische Markt ohne Grenzen ab 1992 wird trotz vieler Chan­ cen für alle beteiligten Unternehmen ver- 39

Das neue Trainingszentrum der Industrie- und Handelskammer, in dem auch Seminare der TAW statrfinden stärkte Konkurrenzsituationen schaffen. Der bisherige Leistungsstandard muß auf nationaler Ebene ständig verbessert wer­ den, um im internationalen Vergleich mit­ halten zu können. So wird es notwendig werden, z. B. mit neuen Marketingstrate­ gien zu operieren und das Personal mit den Anforderungen des gemeinsamen Marktes vertraut zu machen. Aus dieser Tatsache und der langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der beruflichen Weiterbildung haben die Fachhochschule Furtwangen und die Industrie-und Handels­ kammer Schwarzwald-Baar-Heuberg ge­ meinsam imJahrl988 die Technische Akade­ mie für Weiterbildung „TAW“ gegründet. Die TAW ist die erste Einrichtung dieser Art in der Bundesrepublik und richtet ihr Bil­ dungsangebot an Unternehmer, Führungs­ kräfte und Spezialisten insbesondere Inge­ nieure, Techniker und Technische Kaufleute. 40 Angesprochen sind die Verantwortlichen aus Klein-und Mittelbetrieben im Kammerbe­ zirk und den angrenzenden Landkreisen. Referenten für die pro Studiensemester 60-70 angesetzten Veranstaltungen kom­ men von Universitäten, Fachhochschulen, Forschungseinrichtungen und auch aus Betrieben. Das heißt mit anderen Worten, daß in den Seminaren Leute aus der Wissen­ schaft und Leute aus der Wirtschaft zusam­ menkommen und so ein fruchtbarer Aus­ tausch zustande kommen kann. Die Schwerpunkte der Seminarreihen lau­ ten: Informations-und Kommunikations­ technik, CAD/CAM, Automation und Pro­ duktionsplanung, Elektrotechnik/Mikro­ elektronik, Fertigungs-und Verfahrenstech­ nik, Werkstoff-Technologie, Medizintechnik, Qialitätswesen, Meßtechnik, Sicherheits-und Umwelttechnik, Neue Produkte, Marketing/ Design sowie Management-Praxis.

. 1 //J !HK und Fachhochschule Furtwangen gehen neue Wege in der technischen Weiterbildung Die TA W wird von der Industrie-und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heu­ berg und der Fachhochschule Furtwangen gemeinsam betrieben und hat kein eigenes Gebäude. Zur Weiterbildung stehen den Seminarteilnehmern funktionsgerechte Räu­ me, modernste didaktische Einrichtungen und Hilfsmittel zur Verfügung. Die Semi­ nare werden größtenteils im neu eingerichte­ ten Trainingszentrum der IHK sowie in der Fachhochschuie Furtwangen durchgefuhrt. In unmittelbarer Kammernähe und gut eingebunden in die Infrastruktur der Stadt Villingen-Schwenningen hat die Kammer Mitte September 1988 ihr Trainingszentrum in den neu eingerichteten Räumen auf dem Gebäude des ehemaligen Hollerith-Gebäu­ des eröffnet. Die Räume und Apparaturen in diesem Trainingszentrum erlauben die Schu­ lung in kleinen Gruppen mit Lehr-und Lern­ methoden wie beispielsweise Moderation, Gruppenarbeit, Metaplantechnik oder auch Computerlearning unter Verwendung mo­ dernster Unterrichtstechniken, wozu Video­ anlagen, Großbildprojektoren, elektronische Tafeln, LCD-Displays, Moderationswände und Flip-Charts gehören. Seminare der TAW finden auch bei For­ schungseinrichtungen und speziellen Betrie­ ben statt. Gerade dies ist sinnvoll, denn viele Lerninhalte, die Kammer und Fachhoch­ schule vermitteln wollen, lassen sich nur anhand modernster betrieblicher Einrich­ tungen, Geräte und Verfahren demonstrie­ ren und erlernen. Entsprechend hat die Kammer, deren Weiterbildungabteilung übrigens das Mana­ gement der TAW besorgt, ein praktikables Modell entwickelt, das aus Bausteinen Orga­ nisation, Kooperation Investition besteht. Das heißt im Klartext: Die TAW trifft mit Lieferanten oder Her-41

steilem Nutzungsvereinbarungen über ent­ sprechende Geräte und Maschinen, meist sind es Leihgaben, die auf eine spezifische Veranstaltung ganz speziell zugeschnitten sind (Kennwort „Organisation“). Viele Anbieter von Geräten (etwa Computer-Fir­ men) machen da gerne mit. Für sie ist das ein Marketinginstrument und um so interessan­ ter, als die „Schüler“ gleichzeitig die Ent­ scheidungsträger in ihren Firmen sind, wenn es künftig um entsprechende Anschaffungen geht. Das Stichwort „Kooperation“ bezieht sich auf die ständige Zusammenarbeit der TAW mit Firmen, z. B. dem Bildungszentrum für Informationstechnik von Mannesmann­ Kienzle in Donaueschingen, und wissen­ schaftlich-technischen Einrichtungen. Für die TA W, beziehungsweise die Kammer und die Fachhochschule, hat das den Vorteil, daß bei Nutzung der kurzfristig von Firmen zur Verfügung gestellten Technik sowie vorhan­ dener Einrichtungen in der Kammer und der Fachhochschule Eigeninvestitionen nicht oder nur im überschaubaren Rahmen erfor­ derlich sind. „Investition“ schließlich bedeutet: Nur wenn Schulungsaufgaben anderweitig nicht optimal erfüllt werden können, werden Eigen­ investitionen in Betracht gezogen. Die Bildungsangebote des ersten Seme­ sters fanden guten Zuspruch, da die TA W den Weiterbildungsbedarf vieler Unterneh­ men deckt und die Veranstaltungen in deren räumlicher Nähe angeboten werden. Für die hiesigen Unternehmer bedeutet dies Zeit­ und Kostenersparnis. Vor allem ersteres ist für viele mittelständischen Unternehmen, die auf ihre wichtigen Mitarbeiter nur schlecht länger verzichten können, ein ent­ scheidender Vorteil. Die TAW wird auf Dauer die technisch-wissenschaftliche Bil­ dungsstruktur der Region verbessern und auch die Standortattraktivität erhöhen. Inzwischen ist das dritte Semester mit erwei­ tertem Programm angelaufen. Die Resonanz ist weiter gestiegen und hat über den Kam­ merbezirk hinaus zu einer Zusammenarbeit derTAW mit der Fachhochschule Konstanz und der Schwesterkammer Hochrhein­ Bodensee geführt. Klaus Zährl Die Mannesmann Kienzle-Computerschule in Donaueschingen Bildungszentrum für Informationstechnik B .LT. Nur wenige Gehminuten vom östlichen Donaueschinger Stadtrand entfernt, mit freiem Ausblick in die offene Landschaft der Baar, erhebt sich ein modernes dreigliedriges Gebäude, dessen großzügige, schwungvolle Gestaltung ins Auge fällt und dessen ein­ drucksvolle Architektur sich harmonisch in die Umgebung einpaßt. Mitten ins Grüne gesetzt hat die Mannes-. mann Kienzle GmbH das neue „Bildungs­ zentrum für Informationstechnik“ an der Humboldtstraße. Alter Baumbestand, haupt­ sächlich Birken, konnte übernommen wer­ den. Doch was jetzt dort als parkähnliche 42 Anlage erscheint, wurde im Zusammenhang mit dem Neubau architektonisch geplant und von Landschaftsgärtnern verwirklicht. Die Bäume wurden ausgelichtet und etwas zurückgeschnitten. Das Gelände um das Gebäude wurde modelliert und beim Haupt­ eingang in einen Teich geformt, der den Mit­ telpunkt der Gesamtanlage bildet. Mit rund einem Ar Wasserfläche fügt sich der kleine See in das Gesamtbild ein. Bereits kurz nach der Fertigstellung war das mit Rohrkolben, Sumpfdotterblumen, Wollgras, Sumpfblut­ augen und Teichlinsen bepflanzte Biotop eine willkommene Besuchsstätte für alle

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möglichen Vögel einschließlich Wildenten. Zuckerahorn, Zitterpappeln und Eichen sind etwa zehn bis fünfzehn Jahre alt und dementsprechend groß. Hainbuchen, Ligu­ ster, Hartriegel und weitere Decksträucher lockern die Rasenfläche auf. Gewichtige Findlinge betonen die Natur. Sitzbänke laden zum Verweilen und zur Besinnung ein. Konzentrierte Technik im Innern des Gebäu­ des, draußen zur Erholung einladende Natur. Der Baukomplex mit einer Bruttoge­ schoßfläche von 5.000 qm gehört zu den modernsten, nach neuesten Erkenntnissen der Unterrichtungs- und Lehrtechnik konzi­ pierten Fachschuleinrichtungen in der Bun­ desrepublik. Der Investitionsaufwand belief sich auf 12 Mio. DM. Bis zu jeweils 350 Lehrgangsteilnehmer – insgesamt 11.000 im Jahr – können in 32 Seminar- und Praxisräumen unterwiesen und betreut werden. Die Räume bieten bis zu 27 Teilnehmern bei „ Workshop betrieb“ oder 80 Teilnehmern bei „Theaterbestuh­ lung“ Platz. Daneben stehen sieben Test­ räume für die „Arbeit am System“ bereit.120 Personen finden im Kasino, in dem frisch gekocht wird, und in der Cafeteria Platz. Die Mitarbeiterzahl des B.I.T. beträgt derzeit 64, von denen 42 als Dozenten im Lehrbetrieb tätig sind. Das Lehrangebot enthält Kurse für Computeranwender, Programmierer, System­ berater, Vertriebsbeauftragte und Wartungs­ techniker. Der Konferenzraum für Großveranstal­ tungen wurde nach den neuesten Erkennt­ nissen der Kommunikationstechnik aus­ gestattet. Eine Video-Großbildprojektion, auch von Bildschirminhalten, über einen in die Decke versenkbaren Beamer ist möglich, Videoaufzeichnungs- und wiedergabege­ räte, Film- und Diaprojektion, Mikrofonaus­ stattung, auch für Podiumsdiskussionen, ein hochwertiges Beschallungssystem, verdeckte Simultan-Dolmetschkabinen einschließlich der zugehörigen Übertragungssysteme mit entsprechendem Empfangsgerät und die Infrarot-Fernsteuerung aller Technikfunk- 44 tionen sind eingeschlossen. Auch die didakti­ schen Hilfsmittel in den Seminarräumen – Overhead-Projektion, Ferroskript-Tafeln usw. – genügen den höchsten Ansprüchen. Die Teilnehmer kommen sowohl aus dem nationalen und internationalen Kunden­ und Interessentenkreis für Mannesmann Kienzle Systeme wie aus der Vertriebs- und Serviceorganisation der GmbH und des gesamten Mannesmann Konzerns, mit dem die Kooperation auch auf diesem Gebiet in­ tensiviert wird. Die Seminare haben eine Dauer zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen. Sie vermitteln Kenntnisse über Hard- und Soft­ ware und Programmiersprachen, Kommuni­ kations- und Schnittstellentechnik, Compu­ terunterstützte Fertigung (CAM/CIM) sowie den Einsatz von Rechnersystemen im Printmedienbereich. Aber auch der gesamte Komplex AUTOCOM – Automobil + Communication von Mannesmann Kienzle deckt seinen Ausbildungsbedarf im Bil­ dungszentrum für Informationstechnik in Donaueschingen. Presse-Abteilung Mannesmann Kienzle GmbH “ ••• Uneinsichtigkeit . Statt die Rüstung zu vermehren Gebt den Ärmsten lieber Brot, Woll’n wir uns denn nicht bekehren Und verhindern diese Not. Täglich sterben soviel Kinder Und Erwachs’ne ebenso, Nur die Technik sucht Erfinder, Bis die Welt brennt lichterloh. Soll denn so zugrunde gehen Uns’re schöne weite Welt Und wie wollen wir bestehen, Wenn wir vor Gericht gestellt? – Johannes Hawner

Wirtschaft und Gewerbe Dynamische Industrie stärkt Kaufkraft Die zurückhaltenden Konjunkturprogno­ sen für das Jahr 1988 sind widerlegt worden: Mit einer Erhöhung des Bruttosozialproduk­ tes um real 3,4% wurde 1988 in der Bundesre­ publik das stärkste Wirtschaftswachstum seit 1979 erzielt. Auch die Wirtschaft des Schwarzwald-Baar-Kreises hat ihre Chancen in eindrucksvoller Weise genutzt. So ist das – in Betrieben des verarbeiten­ den Gewerbes mit mehr als 20 Beschäftigten erfaßte – Umsatzvolumen im Jahr 1988 gegenüber dem Vorjahr im Schwarzwald- Heuberg hatten die 282 erfaßten Betriebe des Schwarzwald-Baar-Kreises auch 1988 mit 46% den höchsten Anteil. Der Kreis Rottweil war mit 29% und der Kreis Tuttlingen mit 25% beteiligt. Positiv haben sich aber nicht nur die Indu­ strie-Umsätze entwickelt, sondern auch die Löhne und Gehälter und damit die Einkom­ men der rund 37.000 Mitarbeiter der erfaß­ ten Betriebe des verarbeitenden Gewerbes im Schwarzwald-Baar-Kreis. Lag die Lohn- und Gehaltssumme dieser Industrie-Umsatz 1982 -1988* im Schwarzwald-Baar-Kreis Indexzahlen auf Basis 1982 122 1980 l 110 -103 – 100 – 132 — 120 115 – – 119 – Vergleich: Schwarzwald-Baar-Kreis Baden-Württemberg Bundesrepublik 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 100 100 100 103 102 102 110 108 109 115 118 117 119 123 115 120 124 115 132 129 122 • Umsatzvolumen, erfaßt in Betrüben des verarbeitenden Gewerbes mii‘ mehr als 20 Beschäftigten Baar-Kreis um herausragende 10% gestiegen. Die vergleichbare Zuwachsrate lag im Bun­ desdurchschnitt bei 6% und im Landes­ durchschnitt Baden-Württembergs sogar nur bei 4%. Am Umsatzvolumen der Industrie im gesamten Kammerbezirk Schwarzwald-Baar- Betriebe im Jahr 1982 – dieses Jahr markiert den absoluten Tiefstand der wirtschaftlichen Entwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis – bei 1,2 Milliarden DM, so erreichte diese Summe 1988 die imposante Höhe von 1,5 Milliarden DM. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Belastung der Arbeitneh- 45

mereinkommen mit Steuern und Abgaben errechnen sich hieraus Netto-Einkommens­ summen in der Größenordnung von 850 Millionen DM für 1982 und von 1 Milliarde DM für 1988. Wachsende Netto-Einkommen stellen – bei angemessenem realem Wirtschafts­ wachstum und nahezu stabilen Preisen – eine willkommene Kaufkraft-Stärkung dar, denn diese Stärkung erlaubt auf solider Basis eine Zunahme des privaten Verbrauchs, und der wiederum stützt eine aufwärts gerichtete Wirtschaftsentwicklung mit ihren positiven Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Arbeitsplatz-Situation eines Raumes. Mit der – aus dem Netto-Einkommen aller Mitarbeiter der erfaßten Betriebe des verarbeitenden Gewerbes resultierenden – Kaufkraftsumme 1988 in Höhe von 1 Mil­ liarde DM und einem darin enthaltenen, gegenüber 1982 verfügbaren Zuwachs von 150 Millionen DM steht der Schwarzwald­ Baar-Kreis an der Spitze der Entwicklung in der gesamten Region. Natürlich tragen auch Handel und Ver­ kehr sowie der Dienstleistungsbereich zur Bildung und Entwicklung von Kaufkraft bei. Die originäre Wertschöpfung aber findet in einer modernen Wirtschaft nun einmal in der Industrie, also im verarbeitenden Ge­ werbe, statt. Und daraus läßt sich ganz ein- fach die Schlußfolgerung ableiten: Geht es der Industrie gut, geht es auch den anderen Wirtschaftszweigen gut. Allein aus dieser gesicherten Erkenntnis heraus haben wir allen Grund, dazu beizutra­ gen, daß unsere Industrie ihre Leistungskraft nicht nur erhalten, sondern weiter steigern kann. Mehr Leistung aber setzt mehr Kön­ nen und mehr Können setzt mehr Wissen voraus. Deshalb sind wir ganz gewiß auf dem richtigen Weg, wenn wir große Anstrengun­ gen zur beruflichen �alifizierung der Mit­ arbeiter unserer Betriebe unternehmen. Ebenfalls auf dem richtigen Weg sind wir ganz gewiß, wenn wir uns – gerade nach der leider eingetretenen, vermeidbar gewesenen Verzögerung – unbeirrt weiterhin für einen zügigen Aufbau des Instituts für Mikro- und Informationstechnik in Villingen-Schwen­ ningen einsetzen. Der EG-Binnenmarkt mit seinen Chancen, aber eben auch mit seinen Herausforderungen kommt bestimmt. Nut­ zen wir die verbleibende Zeit bis dahin, um unsere überwiegend mittelständisch struktu­ rierte Industrie in ihrer Leistungskraft und damit in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zum Wohle der Menschen dieses Raumes weiter zu stärken. Alfred Liebetrau IHK-Präsident Südwest-Messe als „fünfte Jahreszeit“ Die große Verbundschau verschiedener Fachausstellungen feiert ihr 40jähriges Bestehen Seit vierzig Jahren gibt es die Südwest­ Messe. Vierzig Jahre jung und immer etwas dynamischer als der Markt. Im Jahr 1990 kann diese große Verbundschau verschiede­ ner Fachausstellungen dieses Jubiläum feiern. Und das Schöne dabei ist, die Messe hat seit ihrer Gründung im Jahre 1950 – damals noch unter dem Namen „Südwest stellt aus“ – nichts an Attraktivität und Anziehungskraft verloren. Messezeit in Vil- lingen-Schwenningen ist noch immer für Zigtausende von Menschen im südwest­ deutschen Raum die „fünfte Jahreszeit“. Mit einem breitgefächerten Warenangebot, das bisher schon mehr als 4,6 Millionen Besu­ cher kritisch und damit zu ihrem Vorteil betrachtet haben, ist die Südwest-Messe auch 1990 in der Zeit vom 9. bis 17. Juni ein Erleb­ nisland für die ganze Familie. Seit seinem Amtsantritt ist Ministerpräsi- 46

dent Dr. h. c. Lothar Späth, wie auch seine Amtsvorgänger, Schirmherr der Südwest­ Messe. ,,Gerade der Vielfalt der Aussteller“, hat der Ministerpräsident in einem seiner Grußworte festgehalten, ,, verdankt diese Regionalausstellung ihre traditionell hohe Bedeutung. Der Zuspruch, den sie Jahr für Jahr genießt, liegt nicht zuletzt an dem engen Kontakt zwischen Erzeugern und Endver­ brauchern, an der Möglichkeit der direkten Information über neue und bereits bewährte Produkte.“ Der Grundstein für den heutigen Messe­ platz Villingen-Schwenningen wurde im Jahre 1950 gelegt. Zur ersten „Südwest stellt aus“ mit einer Hallenfläche von 5 000 Qp.a­ dratrnetern kamen gleich 37 000 Besucher. Es gab in jener Zeit, kurz nach der Währungs­ reform, zahlreiche Versuche, örtliche und regionale Ausstellungen aufzuziehen, durch­ weg von privaten Unternehmern angeregt und durchgeführt, von Stadt- oder Kreisver- waltungen unterstützt. Die Ursachen dieser Ausstellungen waren ebenso verschieden wie ihre Zielsetzungen. In den im Krieg stark zer­ störten Städten beispielsweise, ging es über­ wiegend darum, der Bevölkerung ein „Schau­ fenster“ des örtlichen Einzelhandels zu zei­ gen, der erst später Baumaßnahmen zur eige­ nen Repräsentation durchführen konnte. Von 1953 bis 1969 wurde die Messe in Schwenningen im zweijährigen Turnus durchgeführt. Seit 1970 findet sie jährlich statt – auf Drängen der Aussteller und wegen des großen Interesses der Besucher. Da sich die Stadt als ideeller Träger der Messe und die seit 1953 für die Durchführung verantwort­ liche Messegesellschaft erst 1970 zum jährli­ chen Messeturnus entschlossen haben, kann zwar 1990 zum 40jährigen Messejubiläum eingeladen, aber erst die 31. Messeveranstal­ tung verzeichnet werden. Die Südwest-Messe hat bei den Ausstel­ lern im In- und Ausland einen guten Ruf. Sie 47

ist immer schon Monate vor Ausstellungsbe­ ginn ausgebucht. In der Regel müssen 200 Firmen wegen Platzmangel abgelehnt wer­ den. Viele der rund 650 Firmen, die jährlich nach Villingen-Schwenningen kommen, gehören bereits zu den Stammkunden der Messe. Ihnen stehen insgesamt 60 000 Q!ia­ dratmeter nutzbare Ausstellungsfläche zur Verfügung. 25 000 Quadratmeter davon sind Hallenfläche. Das Freigelände ist 35 000 Q!iadratmeter groß. 1967 und 1969 wurden zwei große feste Hallen erstellt. Sie stehen für Sport und andere Ausstellungen und Ver­ anstaltungen das ganze Jahr über zur Ver­ fügung. Im Herbst eines jeden Jahres sind die beiden Hallen seit 1973 auch Mittelpunkt einer Wohnwagen-Ausstellung, die immer nach dem internationalen Caravan-Salon in Essen stattfindet. 1967 (zur 8. Südwest-Messe) wurde mit dem Aufbau einer Fertighaus-Ausstellung begonnen. Das Angebot der Südwest-Messe umfaßt neun große Branchenbereiche: Technik und Energie, Büro- und Geschäftsbedarf, Freizeit und Hobby, Hauswirtschaft und Ernährung, Bauen und Wohnen, Hotel- und Gaststät­ tenbedarf, Mode und Kosmetik, Baumaschi­ nen und Landwirtschaft. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß Firmen bereits mit Spezialentwicklungen für die Südwest-Messe anreisen. Dies trifft vor allem für Metallbearbeitungs- und landwirt­ schaftliche Maschinen zu. Es sind kleine und mittelständische Unternehmen, die sich auf der Südwest-Messe damit einen dankbaren Kundenstamm geschaffen haben. Auf diese Weise hat die Südwest-Messe längst einen ausgezeichneten Ruf als Testmarkt für neue Produkte. Sie spielt damit aber auch eine wichtige Rolle neben den großen internatio­ nalen Fachausstellungen, weil sie mit ihren „Regionalentwicklungen“ eine Lücke im Angebot füllt. Immer mehr ausgebaut in den letzten Jah­ ren wurde der Fachschaubereich der Messe. Bei der Messeleitung hat man erkannt, wie wichtig der Fachbesucher ist, wobei man in 49

Villingen-Schwenningen darunter auch die Hausfrauen versteht. So wird der Ausstel­ lungsbereich Hauswirtschaft von ca. 200 Fir­ men beschickt. Ein anderer Schwerpunkt ist der Bürosektor. Hier bietet die Südwest­ Messe einen Überblick über das Computer­ angebot für Büros jeder Art ebenso wie für kleinere und mittlere Handwerksbetriebe. Eine Baufachschau in mehreren Hallen und das große Fertighausgelände mit zur Zeit 10 komplett eingerichteten Musterhäusern sind weitere Attraktionen der Südwest-Messe. Die Beratung zum Nulltarif in den Musterhäu­ sern wird von den künftigen Häuslebauern geschätzt. In den Bauhallen gibt es Tips zu Ausbaufragen aller Art. Vom Dachziegel bis zu den modernsten Heizungsanlagen reicht das Angebot. Ein gern besuchter Treffpunkt auf der Südwest-Messe ist alljährlich die Halle N. In dieser Sonderhalle, die vom baden-württem­ bergischen Ministerium für Ländlichen so Raum, Ernährung, Landwirtschaft und For­ sten und dem Regierungspräsidium Freiburg in Zusammenarbeit mit der Centralen Mar­ ketinggesellschaft der deutschen Agrarwirt­ schaft gestaltet wird, informieren Ernäh­ rungsfirmen des Landes über ihre Produkte. Die Halle steht jeweils unter einem Schwer­ punktthema: Fisch, Geflügel, Eier, Salat, Fleisch und Gemüse waren schon an der Reihe. Tradition im Rahmen der Südwest-Messe hat die Landwirtschaftsausstellung. Die Aus­ stellungsfläche im Freigelände wurde ständig erweitert und ist zur Zeit 16 000 Q!iadratrne­ ter groß. Das Angebot an Mähdreschern, Silos, Schleppern und anderen landwirt­ schaftlichen Geräten ist genau auf den Bedarf der Landwirte auf der Baar, der Alb, im Nek­ karraum und im Schwarzwald zugeschnit­ ten. Geschätzt wird diese Landwirtschafts­ schau auch von den Politikern als Podium für ihr Programm. Zu den Hauptrednern am Tag

MEKUGmbH der Landwirtschaft zählten schon die Bun­ desminister Kiechle, Ertl, Höcherl und deren Vorgänger -sowie Bauernpräsident Freiherr von Heeremann. Es bestehen gute Voraussetzungen, daß Ein junges Dauchinger Unternehmen auf Erfolgskurs Neben Stanzwerkzeugen, Fertigungsvor­ richtungen und Stanzteilen stellt das junge Dauchinger Unternehmen heute als Haupt­ produkt und Spezialität hochJ?�äzise bear­ beitete Mischeinrichtungen für 01-und Gas­ brenner her. Mischeinrichtungen sind Bren­ nerköpfe, in denen Luft und zerstäubtes Öl für eine gute Verbrennung aufbereitet und gemischt werden. Der hohe Bearbeitungs­ grad dieser Produkte bestimmt deshalb weit­ gehend die Q!ialität eines Brenners. Was heute so selbstverständlich klingt, hatte einen gewundenen Entwicklungsweg. Erst 1975 wurde die MEKU GmbH gegrün­ det. Gestanzte Teile aus fast allen Metallen und thermoplastische Kunststoffspritzteile sowie die Herstellung der Spritzformen und Stanzwerkzeuge bildeten das Produktions­ programm. Aus den Anfangsbuchstaben der eingesetzten Rohmaterialien Metall und Kunststoff entstand der Name MEKU. die Südwest-Messe auch künftig der wirt­ schaftliche Anziehungspunkt im engeren und weiteren Raum bleiben wird. Willi Willhardt Seit der Gründung bestand ein enger Kon­ takt zu einigen Brennerherstellern; doch die Zusammenarbeit beschränkte sich auf die Zulieferung von Einzelteilen, die MEKU nach den Konstruktionen der Kunden her­ stellte. Es wurden aber keinesfalls komplette Mischeinrichtungen von den Kunden ver­ langt, allenfalls handelte es sich um ver­ schweißte Einzelteile, die die Abnehmer mit anderen Zukaufteilen zu Brennerköpfen komplettierten. Dabei war die Präzision, gemessen an heute gültigen Maßstäben für die Qualität, stark vernachlässigt. Erst die Ölkrise Ende der siebziger Jahre ließ die Idee reifen, der Ölbrennerindustrie eine kom­ plette Mischeinrichtung für die sogenannten Haushaltbrenner, geeignet etwa für die Installation in Ein-bis Vier-Familienhäusern, anzubieten. Doch der rasch formulierten Idee folgte ein langer und sorgenreicher Weg bis zum fertigen Produkt. Da waren zunächst 51

Automatische Rohr-Trenn- und Bearbeitungs­ maschine Exakte Innenschweißung der Brennerrohre 52 Fachleute zu finden, die Erfahrung mit Ölbrennern besaßen und in der Lage waren, empirische Forschungs-und Entwicklungs­ arbeit zu betreiben. Prüfstände mußten auf­ gebaut werden, die überhaupt die Grundlage der Entwicklungsarbeit bildeten. Fast unend­ lich war die Zahl der Prototypen, die immer wieder neu erprobt werden mußte. Vielfältig war auch die Anzahl der geprüften Ferti­ gungsverfahren. Aber schon während der Entwicklungsarbeiten zeigte sich, wie richtig die Idee war, die Mischeinrichtungen als eine abgestimmte und komplette Baueinheit zu entwickeln. Ende 1981 konnte es dann gewagt werden, einem ausgewählten Kreis von Ölbrennerherstellen die von MEKU entwik­ kelten Mischeinrichtungen zur Verfügung zu stellen, um diese in überwachten Hei­ zungs-Anlagen während einer Winterpe­ riode zu erproben. Der Erfolg war verblüf­ fend. Ein Novum in diesem Industriezweig fand Anerkennung. Ein Außenseiter, sozusa­ gen ein branchenfremder kleiner Zulieferer, bot der Ölbrennerindustrie einen Brenner­ kopf in einer bis dahin nicht gekannten Ver­ arbeitungsgüte an. Auf dieses Produkt hatten

die Brennerbersteller g�radezu gewartet, die unter den Folgen der Olkrise hart zu leiden hatten. Der Herausforderung durch die Poli­ tik“ weg vom Öl“ und den kritischen Fragen zur Umweltbelastung hatte sich diese Indu­ strie zu stellen. Die zu jener Zeit sehr negativ geschürte Einstellung zum Öl als Heizme­ dium belastete die Hersteller mit schrump­ fenden Fertigungszahlen sehr. Durch diese allgemeine Marktentwicklung war ein fruchtbarer Boden zur Einführung des neuen MEKU-Produktes gut bereitet. In rascher Folge entschlossen sich meh­ rere Brennerbersteller, die MEKU Mischein­ richtung zunächst in kleineren Serien in ihre Brenner einzubauen. Die dem Serieneinbau vorausgehenden TÜV-Prüfungen, durch die erst nach erfolgreichen Ergebnissen die Bauart-Zulassung erwirkt werden kann, hat­ ten erstaunlich verbesserte Verbrennungsre­ sultate gezeigt. Dieser Erfolg stellte nun große Anforderungen an das junge und kleine Unternehmen. In relativ kurzer Zeit Prüfstand für Brenner-System-Entwicklung mußten die Einrichtungen für die Serienfer­ tigung des neuen Produktes geschaffen wer­ den. Um diese Herausforderung zu bewälti­ gen, verkaufte die MEKU kurzerhand die Produktionseinrichtungen für die thermo­ plastischen Kunststoffteile, um die dadurch erlösten finanziellen Mittel für den Ausbau der neuen Produktlinie einzusetzen. Die Produktionsräume waren zudem zu eng und der Fertigungsablauf unrationell geworden. Eine Lösung mußte dringend gefunden werden, um die Produktion zu erweitern. Die Entscheidung fiel für eine konsequente Lösung, die in einem Neubau gipfelte, der Ende 1987 und Anfang 1988 bezogen wurde. Auf einem 9600 �adrat­ meter großen Grundstück im Industriegebiet der Gemeinde Dauchingen war eine neue Produktionshalle mit Sozialbereich und Ver­ waltung entstanden. Für diesen Neubau waren gestalterische und funktionelle Glie­ derung ebenso gefordert wie die Garantie für eine problemlose Erweiterungsfähigkeit. 53

Masse, so wie sich der ausgerollte Teig dem Willen des Bäckers beugt und unter der Füh­ rung seiner Hand zu anregenden Formen vollendet. Für die Zukunft gilt das Ziel, die Arbeits­ plätze zu sichern und den hohen Marktanteil zu halten. Dies ist nur möglich, wenn Ent­ wicklungstendenzen einer Branche frühzei­ tig erkannt und daraus Konsequenzen gezo­ gen werden. Die allgemein kritische Einstel­ lung zu Umweltschutzfragen berührt sehr nachdrücklich auch die Zukunft der Brennerindustrie. Verschärfte Umwelt­ schutzgesetze werden in Zukunft den Schad­ stoffausstoß der Heizungsbrenner drastisch begrenzen. Diese Entwicklung ist sehr zu begrüßen; die Gründe dafür sind auch dem Verbraucher mehr und mehr bewußt. Um diese Herausforderung annehmen zu kön­ nen, arbeitet die MEKU schon einige Jahre auf der Grundlage eines Forschungsvertrages und mit Unterstützung der Bundesregierung mit einem externen Entwicklungsinstitut zusammen, um in Zukunft völlig neue Wege in der Heizölverbrennung zu beschreiten. Die Forderung an diese Entwicklungsarbeit besteht darin, unter Einsatz bekannter Kon­ struktionsprinzipien der Kleinbrenner eine Öl-und Luft-Gemischaufbereitung zu fin­ den, die eine schadstoffarme Verbrennung des Heizöles gewährleistet, die weit unter den noch vom Gesetzgeber sanktionierten Wer­ ten liegt. Wenn dieses Vorhaben vollendet werden kann, und alle Anzeichen der Ent­ wicklungsarbeit deuten darauf hin, so sind mit diesem Konzept auch für die Zukunft die Weichen des Unternehmens auf Erfolg gestellt! Gisbert Fischer .. ,. ,� Dabei durften ästhetische Gesichtspunkte nicht vernachlässigt werden. Als Stahllcon­ struktion ist die gesamte Anlage konzipiert. Die ca. 2.500 Q!iadratmeter große Halle zeichnet sich durch ein großräumiges Raster aus, das durch die besondere Ausformung der Fenster auch von außen sichtbar wird. Eine Kranbahn im erhöhten Mittelschiff, die bis in die separate und abgeschlossene Lade­ halle führt, garantiert den reibungslosen Materialfluß. Besonderer Wert wurde auf helle und von Tageslicht durchflutete Arbeitsräume gelegt, um der heute 65 Mit­ arbeiter zählenden Belegschaft freundliche Arbeitsplätze zu bieten. Schon im Jahre 1989 mußte der Produk­ tionsbereich um einen Hallenbau von ca. 600 Q!iadratmeter erweitert werden. Aber nicht nur auf die äußere Gestaltung legte die MEKU großen Wert, sondern auch im Inneren wurden für den rationellen Pro­ duktionsablauf im Vergleich zur Betriebs­ größe erstaunlich hohe Investitionsvorha­ ben durchgeführt. Das Bild wird hier vorwiegend durch moderne Stanzanlagen, zum Teil vollauto­ matisch arbeitend, durch Rohrschneidein­ und richtungen Schweißarbeitsplätze geprägt. Stanz-und Formteile aus fast allen Metallen und Kunststoff verlassen täglich in hohen Stückzahlen den Bereich der Stanze­ rei. Ein großer Teil davon wird wiederum in der angeschlossenen Schweißabteilung unter Anwendung unterschiedlicher Verbindungs­ techniken zu Baugruppen vollendet. Den Fachleuten imponiert und die Laien fasziniert die automatische Zerteilanlage für Rohre, die mit nur geringem menschlichen Einfluß in Sekundenschnelle Rohrstücke lie­ fert, deren Ende fertig bearbeitet sind. Anschließend werden die Rohrstücke in Spe­ zialmaschinen aufgeweitet oder einge­ schnürt, um ihnen die von den Kunden ver­ langten Formen zu geben. In diesem Bereich verblüfft es den Betrachter, wie die Rohre im kalten Zustand verformt werden. Es scheint, als würde das Material unter dem Druck der eindringenden Formstempel zur plastischen 54

Firma Kundo in St. Georgen Bereits Firmengründer Johann Obergfell setzte auf Internationalität Die Firmenphilosophie ist kurz und prä­ gnant: ,,Innovation beginnt dort, wo andere zu denken aufgehört haben.“ Doch neu ist sie nicht, auch wenn der Begriff „Innova­ tion“ dem Firmengründer Johann Obergfell im Jahre 1899 noch fremd gewesen sein mag. Er erwarb sich nämlich seine Fähigkeiten in der Fremde, war viel unterwegs, bevor er das Gesehene dann in seiner Heimatstadt St. Uhrenverbandes war, hat diese traditionell­ fortschrittliche Linie noch lange kein Ende gefunden. Wenn heute quarzgesteuerte Großuhren, Programmschaltwerke und elek­ tronische Heizkostenverteiler aus St. Geor­ gen in alle Welt gehen, dann bürgt der Markenname Kundo dafür, daß �alität aus dem Schwarzwald geliefert wird. Doch zurück zum Firmengründer und in Georgen – mit vielen eigenen Ideen angerei­ chert – in die Tat umsetzen konnte. Die Uhrenteile-Fertigung von Johann Obergfell, aus kleinsten Anfängen aufgebaut, gewann mit der Erfindung des Stabgongs eine Spe­ zialität, die in der Schwarzwälder (und bald sogar in der Schweiz) Uhrenmanufaktur Schule machte. Mit der Grundanschauung, daß Innova­ tion immer „ein Stück weiterdenken“ ist und daß eigene Ideen auch in der Praxis „stand­ fest“ sein müssen, hat der Firmengründer begonnen, seine Nachfolger haben es fortge­ setzt und mit dem heutigen Firmenchef Her­ bert Obergfell, der lange Jahre Präsident des die Zeit um die Jahrhundertwende: Was in der Wohnung des rührigen Johann O bergfell begonnen hatte, wuchs bald aus den Kinder­ schuhen der im Schwarzwald so zahlreichen „ Tüftlerwerkstätten“ heraus. So errichtete der junge Unternehmer in der Bahnhof­ straße ein Wohnhaus mit angeschlossener Werkstatt. Bereits 1918 – inzwischen waren Maschinen und Spezialwerkzeuge im Ein­ satz – waren die Produktionsräume zu klein. Mit dem Gebäude-Erwerb der ehemaligen Schlegel’schen Emaillierwerke in der Bahn­ hofstraße gelang dem Firmengründer der Schritt in die industrielle Fertigung, die bald nach dem Ersten Weltkrieg auf Hausuhren 55

Wecker-Montage technische Laufwerke ausgedehnt und wurde. Bereits 1923 wurde ein Exportschlager entwickelt: Die Jahresuhr. Daran hat sich bis heute wenig geändert: das Jahresuhren-Pro­ gramm von Kundo befriedigt technisch und im Design alle Wünsche. Doch die tech­ nische Entwicklung ging weiter: Für die 30er Jahre waren die elektrischen Synchronuhren, an deren Fortentwicklung Kundo großen Anteil hatte, eine Novität -vergleichbar mit der Q!iarz-Technologie der 70er Jahre. Ungebrochene, kontinuierliche Produkt­ Entwicklung haben bei Kundo ihre Paralle­ len in der Firmenleitung. Der Markenname Kundo als Kurzform von K.ieninger und Obergfell stammt aus der Zeit nach 1918, als Johann Obergfell für einige Jahre mit dem Konstrukteur Johann Georg Kieninger zusammenging, der seine Teilhaberschaft durch wertvolle Impulse in technischer Hin­ sicht ausfüllte. An die Stelle K.ieningers trat 1926 der Sohn des Firmengründers, Rein­ hold Obergfell, der sich auf seine Aufgaben in St. Georgen an der Ingenieurschule Furt­ wangen und in der Schweiz vorbereitet hatte. Der Firmengründer konnte die Firmenphilo­ sophie noch bis 1941 mit positiv beeinflus­ sen, starb dann im Alter von 71 Jahren. Sein Sohn Reinhold führte das Lebenswerk in der 56 schlimmen Zeit des Zweiten Weltkrieges bis zur fast völligen Demontage weiter. Der Enkel des Gründers, Herbert Ober­ gfell, der 1950 als Heimkehrer aus der Kriegs­ gefangenschaft in die Firma eintrat und die dritte Generation des Familienunterneh­ mens repräsentiert, beurteilt das aus heutiger Sicht nicht mehr nur negativ: die Neuan­ fänge hätten mit moderneren Produktions­ mitteln erfolgen können, was den Auf­ schwung positiv beeinflußt habe. Bauliche Erweiterung, Steigerung der technischen Kapazität: das waren die prägen­ den Elemente der 50erJahre. Der vom Grün­ der gelebte „Geist der Innovation“ kam nicht mehr zur Ruhe. Die erste elektronisch gesteuerte Uhr (mit Transistoren) ging bereits 1955 bei Kundo in Serienfertigung. Gebaut wurden auch Kleinst-Synchronmo­ toren, Programmschaltwerke für Haushalts­ geräte, Grillantriebe, Spezialkonstruktionen für die Medizintechnik. Das Feld war weit, nie verließ man sich bei Kundo auf „ein Bein“, hatte stets „mehrere Eisen im Feuer“. Als die Fimenleitung 1961 nach dem plötzli­ chen Tod seines Vaters an Herbert Obergfell überging, war die Diversifikation weit gedie­ hen. Ab 1970 wurde das, was aus neuen Gedan­ ken entstanden war, dem Markt präsentiert:

Digital-Wecker und quarzgesteuerte Groß­ uhren. Und 1985 präsentierte Kundo den „Space-Timer“, die erste funkgesteuerte und netzunabhängige Analoguhr mit vollauto­ matischer Einstellung aller Zeitdaten: Ein neues Uhrenzeitalter war angebrochen. 1989 wurde dann eine funkgesteuerte Digital­ Weck-und Terminuhr auf den Markt ge­ bracht. Sicher nicht der technische Schluß­ punkt bei Kundo, denn schließlich wird auch heute weitergedacht … Nachdem es sich auf einem Bein schlecht steht, wurde 1980 die Uhrentechnik Schwarzwald (UTS) zusammen mit der St. Georgener Firma Staiger als „gemeinsames Kind“ gegründet. Dort werden inzwischen Quarzwerke von hohem technischen Stan­ dart hergestellt. Doch nicht nur für die St. Georgener Produktion: Weltweit haben die UTS-W erke inzwischen einen guten Ruf und hohe Marktanteile. Inzwischen wird sogar bei der „zweiten“ Tochter „Quartex“ über dem großen Teich gefertigt. Und wie formuliert man bei Kundo die Zukunft? – ,, Tradition verpflichtet. Bei Kundo ist man nicht umsonst der Maxime des Gründers treu geblieben, der nicht als gegeben hinnahm, was auf dem Markt war, sondern eigenständige Lösungen ersann und damit Wirtschaft und Handel neue Impulse gab.“ So ist es in der Geschichts-Broschüre der Firma nachzulesen. Der alte Pioniergeist der Gründerjahre sei erhalten geblieben und werde -so ist man sich sicher -von der kom­ menden Generation fortgesetzt. Manfred Braig 57

Firma Josef Koepfer & Söhne GmbH, Furtwangen Verzahnungswerkzeuge -Verzahnungsmaschinen -Zahnräder – und Spezialgetriebe Die Furtwanger Firma Koepfer wurde im Jahre 1867 von JosefKoepfer, dessen speziel­ les Fachgebiet die Herstellung von Werkzeu­ gen für die Uhrenindustrie war, gegründet. Nach bescheidenen Anfangen im Hause sei­ nes Schwiegervaters wurde im Jahr 1877 auf der Unterallmend, dem heutigen Standort der Firma Koepfer das erste Betriebsgebäude errichtet. Dieser Platz bot sich besonders an, da mittels einer kleinen Wasserkraftanlage die Wasserkräfte der Hinterbreg genutzt wer­ den konnten. Nach und nach spezialisierte sich das Herstellungsprogramm aufVerzah­ nungswerkzeuge für die Uhrenindustrie sowie auf die Herstellung von Sonderma­ schinen. Diese wurden zunächst für den eige­ nen Bedarf der Fräserherstellung entwickelt. Eine Ergänzung fand diese Fertigung von Sondermaschinen durch Spezialtypen, wie sie in der Uhrenfabrikation benötigt wurden. So fertigte man z.B. Maschinen für die Her­ stellung von Ketten für den Gewichtsaufzug, Maschinen für die Platinenherstellung und auch eme Mehrspindel-Bohrmaschine. 58 Diese Sondermaschinenfertigung mündete zu guter letzt in der Spezialisierung aufVer­ zahnungsmaschinen, welche durch die wachsende Massenproduktion in der Uhren­ industrie in immer größeren Stückzahlen benötigt wurden. Auch schon damals gab es in der lnvesti­ tionsgüter-Ind ustrie neben guten sehr flaue Zeiten. Um die Jahrhundertwende führte der stockende Absatz an Maschinen zu Lagerbe­ ständen. Eine unerwartete große Nachfrage nach Zahnrädern aus der Musikinstrumen­ ten-Industrie (Musikspielautomaten) führte zu der Entscheidung, vorhandene, auf Lager stehende Verzahnungsmaschinen für die Lohnfertigung von Zahnrädern einzusetzen. Damit war neben der Fräser-und Verzah­ nungsmaschinen-Herstellung nun ein dritter Fertigungszweig, die Lohnfertigung von Zahnrädern und Getrieben, geschaffen. Diese Kombination sollte sich für die weitere Zukunft der Firma Koepfer als besonders vorteilhaft erweisen. Um die Jahrhundertwende traten die 3

Söhne des Firmengründers als Gesellschafter in die Firma ein, welche von da ab Josef Koepfer und Söhne firmierte. Von nun ab wurde der Ausbau auf dem Gebiet der Verzahnungsmaschinen, Verzah­ nungswerkzeuge und Zahnräder noch schneller vorangetrieben. Der Koepfer­ Kunde bekam, wie auch heute noch, alles aus einer Hand: das Fräswerkzeug, die Verzah­ nungmaschine, das Zahnrad. Die Erfahrungen aus der Z.ahnradherstel­ lung in Lohnarbeit befruchteten die Ent­ wicklung der Verzahnungsmaschinen- und Werkzeuge. So konnte man bald über den engen Markt der Uhrenindustrie hinaus den Weltmarkt für die gesamte Feinwerktechnik beliefern. Schon sehr früh widmeten sich die Koep­ fer-Konstrukteure der heute so populären Automation, was dazu führte, daß die erste mit automatischer Zuführung ausgestattete Verzahnungsmaschine schon im Jahre 1910 auf den Markt gebracht wurde. Diese Maschinen wurden vornehmlich in der Uhrenindustrie eingesetzt, die damals schon in sehr großen Serien fertigte. Diese Verzah­ nungsmaschinen arbeiteten nach dem Teil­ verfahren. ganz In den zwanziger Jahren erfolgte dann der Übergang zum Wälzfräsen in der Feinme­ chanik. Die Konstruktion von Wälzfräsma­ schinen, welche in ihrem Aufbau von den Teilzahn-Maschinen verschieden waren, brachte eine starke Ausweitung des Herstellungsprogrammes mit sich, da man neben den neuen Wälzfräsmaschinen die nach dem Teilverfahren arbeitenden Verzah­ nungsmaschinen nicht fallen lassen konnte. Diese Entwicklung erforderte, daß neben den durchgeführten Betriebserweiterungen der Jahre 1897 und 1903 weitere Erweiterungen in den Jahren 1928, 1937 und 1938 erfolgten, die zusammen den heutigen Gebäudekomplex Werk I dar­ stellen. zwischenzeitlich Mittlerweile war die Mitarbeiterzahl bis zum Jahr 1939 auf 200 gestiegen und Koep­ ihren fer-Erzeugnisse hatten nicht nur Absatzmarkt in West- und Osteuropa, son­ dern auch weltweit in allen Industriestaaten und besonders in den USA Diese Entwick­ lung wurde durch den Zweiten Weltkrieg jäh unterbrochen und endete mit katastropha­ len Auswirkungen für den Weiterbestand der Firma. 37, meist gut ausgebildete Fachkräfte sind gefallen und kehrten nicht mehr zurück. Die in der französischen Besatzungszone durch­ geführte Demontage kostete die Firma 203, größtenteils hochwertige Werkzeugmaschi­ nen ( darunter allein 84 Verzahnungsmaschi­ nen). Was übrig blieb, waren leere Werkshal­ len und ein Rest total veralteter Maschinen. Aber trotz allem wurde der Neubeginn gewagt. Nach und nach kehrten die wenigen Facharbeiter, die den Krieg überstanden hat­ ten, zurück und begannen zusammen mit den älteren, die nicht zum Kriegsdienst her­ angezogen wurden, unter bewährter Füh­ rung der Geschäftsleitung mit dem Wieder­ aufbau. Mancher Koepfer-Veteran, der eigentlich altershalber schon in den Ruhe­ stand treten konnte, blieb bei der Stange und stellte seine Erfahrungen dem Wiederaufbau zur Verfügung. Nicht wenige 70- und 75jäh­ rige waren damals noch tätig. Zunächst wurde die Fertigung der Zahnrä­ der wieder aufgenommen, da dafür ein gro­ ßer Markt vorhanden war, und auch die noch verbliebenen Mittel dazu die Möglichkeit gaben. Neben dem Aufschwung der Z.ahnradfer­ ·tigung war die Wiederbelebung des Maschi­ nenbaues für den Betrieb von lebenswichti­ ger Bedeutung. Jahrelang war man von den Auslandsmarkten abgeschnitten. Daher galt es, möglichst rasch wieder die alten Kontakte zu knüpfen um wenigstens auf den westeuro­ päischen Märkten und in den USA rasch wie­ der präsent zu sein, um der von Kriegszerstö­ rungen nicht heimgesuchten ausländischen Konkurrenz nicht allein das Feld zu überlas­ sen. Mangels wichtiger Bearbeitungsmaschi­ nen mußte mit zum Teil primitiven Mitteln 59

Koepfer-Verzahnzmgsabteilung der Maschinenbau wieder in Gang gesetzt werden. Nach und nach gelang es auch, wie­ der in den Export einzusteigen. Die Vor­ kriegsentwicklung und die Kriegsereignjsse hatten die Möglichkeiten der Weiterentwick­ lung der Verzahnungsmaschinen stark be­ schnitten. Daher begann eine intensive Ent­ wicklungsarbeit, um auf dem Weltmarkt wie­ der erfolgreich zu sein. Die seit Jahrzehnten durchgehaltene Dreiteilung Fertigungsprogramms, des Maschinen, Fräser, Zahnräder, hat sich gerade in der Nachkriegszeit durch die gegenseitige Ergänzung der drei Fertigungs­ abteilungen gut bewährt und besonders den Neuaufbau gefördert. Der damals schon sichtbar werdenden Forderung der Kundschaft nach genaueren und vor allem robusteren Fertigungsmaschi­ nen konnte nur durch eine komplette Neu­ konstruktion der vorhandenen Modelle Rechnung getragen werden. Im Jahre 1952, man beschäftigte mittlerweile wieder 223 Mjtarbeiter, wurde die erste moderne Nach- 60 kriegskonstruktion in Form der Maschinen­ type WUM 52 für Zahnräder bis Modul 2,5 vorgestellt. Mit dieser Maschinentype, die als Vollautomat speziell für die Großserienferti­ gung konstruiert wurde, wollte man beson­ ders in neue Märkte wie der Haushaltsgeräte­ Fertigung, des Apparatebaues, der Kfz-Indu­ strie und ganz besonders in den Elektrowerk­ zeug-Markt eindringen. Schon bei der ersten Vorstellung dieser Maschine auf der europä­ ischen Werkzeugmaschinen-Ausstellung in Hannover kam der durchschlagende Erfolg, indem ein Schweizer Kunde 10 Maschinen bestellte. Es war in den vorhandenen Raum­ verhältnissen -alle drei Fertigungsabteilun­ gen unter einem Dach -nicht möglich, die gegenüber den bisherigen Modellen wesent­ lich vergrößerte Maschine rationell zu ferti­ gen. Da auch die Abteilungen der Zahnrad­ und Fräserfertigung durch die sich ändern­ den Fertigungsmethoden räumlich nicht mehr ausgekommen sind, wurde der Ent­ schluß gefaßt, für den Maschinenbau eine eigene Fertigungshalle zu errichten. Diese Fertigungshalle konnte im Jahre 1957 in Betrieb genommen werden und erlaubte es

nunmehr, die in der Zwischenzeit ebenfalls auf den modernsten Stand weiterentwickel­ ten kleineren Maschinentypen rationell zu fertigen. Die allgemeine wirtschaftliche Entwick­ lung und vor allem die Kundenwünsche nach immer größeren Serien forderten Koepfer als Zulieferer heraus, sich dieser Ent­ wicklung anzupassen und dafür die Voraus­ setzungen zu schaffen. Obwohl durch den Umzug des Maschi­ nenbaues in die neue Fertigungshalle die Möglichkeit bestand, die Zahnradfertigung zu reorganisieren und auszuweiten, zeigte es sich doch bald, daß die zur Verfügung ste­ henden Räumlichkeiten für diesen stark expandierenden Fertigungszweig nicht aus­ reichten. Daher wurde im Jahre1963 ein kompletter Neubau mit 3000 m2 Produktionsfläche für die Verzahnungsabteilung und Endfertigung erstellt. Um die Arbeitsplätze der mittlerweile auf 300 angewachsenen Mitarbeiterzahl für die Zukunft zu sichern, entschloß man sich, im Jahre 1987 einen weiteren Neubau für die Zahnradfertigung für abermals 3000 m2 Fer­ tigungsfläche zu erstellen. Gleichzeitig wurde die kaufmännische und technische Verwaltung in einem modernen Büroge­ bäude untergebracht. Damit wurde erreicht, daß die Dreherei, Verzahnungsabteilung und Endfertigung auf einer Fertigungsebene sind und auch keine Größenbeschränkun­ gen der für die Fertigung unbedingt erforder­ lichen Maschinen mehr bestehen. Durch eine umfangreiche Modernisierung ist die Getriebe- und Zahnradfertigung mit 60% Umsatzanteil zum tragenden Element geworden. Die Getriebe- und Zahnradfertigung ist heute in der Lage, Massenteile mit größter Präzision unter Anwendung moderner Pro­ duktions- und Qualitätssicherungs-Syste­ men zu fertigen, wobei ein breites Feld vom handelsüblichen Zahnrad bis zum Hochge­ nauigkeits-Zahnrad für die Flugzeugindu­ strie abgedeckt wird. Erste KoepferJ[Jollautomatische-Verzahnungs­ maschine, Baujahr 1910 Im Maschinenbau hat in der Zwischen­ zeit, wie überall, die Elektronik Einzug gehal­ ten und die Maschinenkonzeption als auch die Fertigungsstruktur entscheidend ver­ ändert. Mit der Entwicklung neuer, com­ putergesteuerter Verzahnungsmaschinen (CNC-Maschinen) hat man nun in den 80er Jahren eine neue Maschinenkonzeption auf den Markt gebracht, die einen weiteren Mei­ lenstein in der Weiterentwicklung der Ver­ zahnungstechnologie darstellt. So lassen sich beispielsweise unterschiedliche Verzahnun­ gen in einem Arbeitsgang herstellen oder vorverzahnte und schon gehärtete Zahnrä­ der in Verbindung mit speziellen Hartmetall­ fräsern (ebenfalls ein KOEPFER-Produkt) automatisch fertigfräsen (Schälwälzfräsen), wodurch der Härteverzug kompensiert und somit höhere Verzahnungsqualitäten äußerst kostengünstig hergestellt werden können. KOEPFER-Maschinen werden heute in 61

Koepfer-Wälzfräsmaschine 200 CNC, Baujahr 1989 Fräserfertigung vom Technologiewandel erfaßt. Immer leistungsfähigere Maschinen erfordern auch leistungsfähigere Werkzeuge, weshalb sich die Fa. Koepfer im Produktions­ bereich Verzahnungswerkzeuge sehr schnell auf die neuen Bedürfnisse des marktes ein­ stellte und heute neben den herkömmlichen HSS-Fräsern sich sehr stark auf die Herstel­ lung und Lieferung von Hartmetall-und titannitridbeschichteten Werkzeugen kon­ zentriert hat. Dadurch können letztlich erst die hohen Leistungen moderner Verzah­ nungsmaschinen genutzt werden. Es versteht sich von selbst, daß auch die Erfahrungen in der eigenen 2.ahnradferti­ gung mit KOEPFER-Werkzeugen und KOEPFER-Maschinen in die stetige Weiter­ entwicklung dieser Produkte mit einfließen und somit den vielen Kunden im In-und Ausland zugutekommen. Koepfer hat heute im Maschinen-und alle Erdteile exportiert und finden dort in den unterschiedlichsten Industriezweigen von der Kfz-Industrie, der Elektro-Werk­ zeugindustrie, dem Getriebebau bis zur Her­ stellung von Knochenschrauben für die Chi­ rurgie Anwendung. Die Fräserfertigung dient nicht nur zur Versorgung des eigenen Betriebes mit hoch­ wertigen Verzahnungswerkzeugen, sondern auch die Besitzer von Koepfer-Verzahnungs­ maschinen versorgen sich mit Fräsern aus Furtwangen. Auf dem Fräsersektor hat sich in den 80er Jahren ebenfalls ein starker Wandel vollzo­ gen. Nachdem man über viele Jahrzehnte das Verzahnungswerkzeug aus Schnellschnitt­ stahl (HSS) fertigte, wurde mit der Entwick­ lung neuer Schneidstoffe (spez. Hartmetall­ Legierungen, pulvermetallurgisch hergestell­ ter HSS) und Hartstoffbeschichtungsverfah­ ren (Titannitridbeschichtigung) auch die 62

Fräsergeschäft einen Exportanteil von 70 % . Gerade in letzter Zeit ist es möglich gewesen, auch wieder alte Märkte in Osteuropa durch größere Aufträge zurückzuerobern. Im Zahnradgeschäft beträgt der Exportanteil 15%. Der derzeitige Geschäftsführer, Werner Koepfer, und seine über 340 Mitarbeiter kön­ nen zuversichtlich in die Zukunft blicken: Ein Programm moderner und leistungsfä­ higer Verzahnungsmaschinen, Verzah­ nungsfräser, eine Zahnrad- und Getriebefer- tigung mit Produktionseinrichtungen, die dem derzeitigen Stand der Technik entspre­ chen, ein integriertes Qualitätssicherungssy­ stem, und vor allem ein Stamm qualifizierter Mitarbeiter, die laufend geschult und weiter­ gebildet werden, bilden zusammen ein stabi­ les Gebäude, an dem weitergebaut werden kann zum Wohle des Betriebes, der Mitarbei­ ter und ihrer Familien und nicht zuletzt auch zum Wohle der Stadt Furtwangen und des Schwarzwald-Baar-Kreises. Franz Loos Die Firma Scherzinger, Metall- und Gerätebau GmbH, Hüfingen Fast unmittelbar an der Gemarkungs­ grenze Hüfingen/Bräunlingen hat sich im Stettenwinkel 1986 die Firma Scherzinger, Metall- und Gerätebau GmbH, etabliert. Auf einem mit 1200 Quadratmetern überbauten Areal befindet sich eine geräumige Produk­ tionshalle mit angegliedertem Büro und Sozialräumen. In der warmen Jahreszeit scheint der Betrieb inmitten eines blühenden Gartens zu liegen, denn auf eine freundliche und naturnahe Umgebung legen die Besitzer großen Wert. Inhaber des Unternehmens sind die Brü­ der Norbert und Bernhard Scherzinger, 31 und 28 Jahre alt. Sie stammen aus Bräunlin­ gen, wo schon der Großvater als Hufschmied tätig war. Er war der eigentliche Gründer des Unternehmens, das sich nun zeitentspre­ chend fortentwickelt hat. Der Vater der bei­ den Jungunternehmer betrieb das Geschäft in Bräunlingen als Schmiede und Schlosse­ rei. Die Absicht, in Bräunlingen zu erweitern, ließ sich nicht verwirklichen, und so faßten die Brüder Scherzinger – der Vater war 1980 gestorben – den Entschluß, in Hüfingen, wo günstig gelegenes Gelände zur Verfügung stand, zu bauen. Dieser neue Standort war auch aus dem Grunde sehr geeignet, weil er in unmittelbarer Nachbarschaft der Firma Küp- Norbert Scherzinger per-Weißer liegt, für welche die Firma Scher­ zinger als Zulieferer arbeitet. In relativ kurzer Zeit wurde das Vorhaben realisiert, wobei sich die Brüder Scherzinger hinsichtlich der Betriebsführung glücklich ergänzen: Norbert Scherzinger ist der Kauf­ mann, sein Bruder Bernhard der Techniker. 63

Blick in die Produktionshalle Scherzinger 64 Während Norbert die Angebote kalkuliert, aufgibt Bestellungen und Aufträge abschließt sowie die Finanzen überwacht, obliegt dem Mechanikermeister Bernhard die Fertigung und die Überwachung des Pro­ duktionsfortganges. Der Betrieb befaßt sich mit jeder Art von Metallbearbeitung, sei es etwa die Herstel­ lung einer kompletten Stahlkonstruktion oder die Anfertigung eines Geländers. Alles geschieht nach individuellen Wünschen der Auftraggeber. Die Firma fertigt auch Rohrleitungen aus geschweißten Blechen an, etwa für Textilma­ schinen, Luftleitungen und Abluftkamine für die Industrie. Insbesondere ist das Unter­ nehmen, das auch Schlosserarbeiten jegli­ cher Art ausführt, jedoch Zulieferer, nicht nur für Küpper-Weißer, sondern unter ande­ rem auch für Winkler in Villingen sowie die Der Aluminium-Walzwerke Aktionsradius, in welchem sich die Tätigkeit Singen. des Unternehmens bewegt, liegt bei etwa 50 Kilometern. Auf ein eigenes, selbstentwickeltes Pro­ dukt sind die Brüder Scherzinger ein wenig stolz, ein sogenanntes Selbsthilfeset für Autofahrer, das bei Pannen oder Unfällen sogar lebensrettend sein könnte. Es handelt sich um ein Teleskop-Stahlrohr, an dem ver­ schiedene Werkzeuge montiert werden kön­ nen. Der österreichische ÖAMTC (dem deutschen ADAC vergleichbar) verkauft die­ ses Gerät, das nach den Worten von Norbert Scherzinger konkurrenzlos ist, und der AD AC habe seine Fahrzeuge damit bestückt. Der Vertrieb soll demnächst anlaufen. Zur Erweiterung des Fertigungsprogram­ mes sollen demnächst auch Transportwagen für die Industrie hergestellt werden. Die Vor­ bereitungen sind bereits abgeschlossen. Mit der Geschäftsentwicklung sind die Brüder Scherzinger sehr zufrieden. Norbert Scherzinger glaubt, daß der Zeitpunkt der

Ansiedlung in Hüfingen sehr günstig war, um das Unternehmen in dieser kurzen Zeit zu seiner heutigen Größe zu führen. Die bei­ den Jungunternehmer haben nach der Betriebseröffnung den Hüfinger Gemeinde­ rat zu einer Besichtigung eingeladen. Bei die­ ser Gelegenheit lobte Bürgermeister Gilly den Mut der beiden Brüder, von denen man einen sehr positiven Eindruck erhalten habe. Unterstützt werden die Brüder Scherzin­ ger tatkräftig von ihrer Mutter Anna Scher­ zinger, die selbst Gesellschafterin ist und täg- Die Hexenlochmühle lieh im Betrieb mithilft, der zwölf festange­ stellte Mitarbeiter und weitere, kurzfristig verfügbare Kräfte beschäftigt. Dank der Zielstrebigkeit seiner Inhaber, denen daran gelegen ist, termingerecht beste Arbeit zu liefern, hat das junge Unterneh­ men bereits einen guten Namen. Für Freizeit allerdings bleibt den Brüdern Scherzinger nicht viel Raum, doch gehen beide in ihrem Beruf derart auf, daß sie dies nicht als Nach­ teil empfinden. Käthe Fritschi Die Sägemühle ist heute noch in Betrieb und ein Anziehungspunkt für den Tourismus Es ist schwer vorstellbar und doch war es einmal so: Dort unten, wo in einem engen und schattigen Tal die Hexenlochmühle steht, dort lag zu Beginn des 19.Jahrhunderts der Mittelpunkt von Neukirch. In Dobein und Zinken waren 40 Menschen zuhause, gab es drei Kleinbetriebe, die Arbeit brachten, eine Post, ein Gasthaus und eine Bäckerei. Nahezu zwei Jahrhunderte später hat sich dieses Bild gewandelt. Einige der alten 65

Hexenloch-Höfe sind längst aufgegeben, dienen als Feriensitz für Städter, es gibt keine Post und kein Gasthaus mehr. Das dörfliche Leben, das ist „hinauf‘ gewandert, von 700 Metern auf 950 Meter über dem Meer, ins heutige Neukirch. Als letztes Zeugnis für die einstige Betriebsamkeit in diesem Zinken ist nur die Hexenloch-Mühle geblieben, die 1825 in der Nähe der alten Dreistegenwirt­ schaft als Nagelschmiede errichtet worden war. Doch Nägel sind im mit Wasserkraft betriebenen Hammerwerk der Hexenloch­ mühle nicht lange gestanzt worden. Bereits 1839 bekam die Hexenlochmühle drei neue Besitzer, und die verwandelten sie in eine Sägemühle. Der Steg-Bäcker Stefan Trenkle, der Dreistegen-Wirt Felix Trenkle und Sales Schirmaier hatten abwechselnd acht Tage Zeit, die Säge zu nützen. Und sie produzier­ ten Uhrengehäuse, Wäscheklammern sowie Holzspulen fürs Spinnen und Weben. Daß aus der Nagelschmiede eine Säge wurde, war indes naheliegend. Denn die Vieh- und Waldwirtschaft allein konnte nur wenige ernähren. Man benötigte einen Zusatzerwerb und fand diesen vor allem in der Uhren­ macherei. Denn der Rohstoff für die Gehäuse und Uhrenschilder stand ja vor der Haustüre, er mußte nur noch bearbeitet werden. Mit der Übernahme der Hexenlochmühle durch zwei Trenkle wurde 1839 zudem der Grundstein für eine Familientradition gelegt. Denn noch heute, 150 Jahre danach, wird die Säge von einem Trenkle umtrieben. Der heu­ tige Inhaber ist Stefan Trenkle, der die Hexenlochmühle betreibt, und der nach wie vor von der Uhrengestellmacherei lebt. Mög­ lich gemacht hat das der Massentourismus, der alljährlich nach der Schneeschmelze ein­ setzt und bis in den Herbst hinein tausende von Urlaubern ins Hexenloch führt: Ameri­ kaner, Engländer, Franzosen und Nord­ deutsche, alle wollen wissen, wie die Mühle funktioniert, wollen sie arbeiten sehen und sie wollen auch ein „Souvenir from the Hexenloch-Mühle“ kaufen. Was die Fremden wissen wollen, das 66 erzählt Stefan Trenkle neben der Arbeit. Und dabei ist manch einer wieder schneller vor der Tür draußen, als er es sich vorgestellt hatte. Denn, wenn die unter Denkmalschutz stehende Hochgangsäge von 1880 arbeitet, macht sich ohrenbetäubender Lärm breit, vibrieren Wände und Boden. Dann zeigt sich, welche Kraft das Wasser des Heubaches besitzt. 300 Liter stürzen jede Sekunde auf das Mühlrad mit drei Metern Durchmesser. Es besitzt eine Arbeitsleistung von 13 Pferde­ stärken und überträgt diese Kraft auf ein Holzkammrad, und dieses wiederum gibt sie an eine Riemenscheibe mit 2,50 Meter Durchmesser weiter. Von ihr schließlich führt ein lederner Antriebsriemen hinauf in die Werkstatt, direkt hinein „in die Mechanik des Sägegatters. Die Arbeitsabläufe steuert Stefan Trenkle mit Seilzügen. Sie regeln den Vorschub oder setzen eine Kreissäge in Betrieb, die für feinere Arbeiten dient. Die Arbeitsleistung der Hexenloch-Mühle, sprich der Hexenloch-Säge, ist beachtlich: sie kann Stämme von bis zu einem Meter Durch­ messer verarbeiten. Solche Ausmaße erreichen Wermutskiefern, wenn sie 500 Jahre zählen. Eine Holzsorte, die Stefan Trenkle am liebsten für seine Uhrengehäuse verwendet, er schätzt die Farbe und die Maserung. Stefan Trenkle kennt im übrigen jedes Teil der so einfach erscheinenden und doch äußerst komplizierten Mechanik seiner Säge. Und ohne dieses Wissen könnte er seine Säge heutzutage auch nicht mehr betreiben, denn Ersatzteile gibt es nirgends zu kaufen. Ersatz­ teile müssen mühsam von Hand hergestellt werden, und dazu braucht Stefan Trenkle einen Handwerksmeister, der diese Kunst noch beherrscht. Und Sorgen macht die Hexenlochmühle auch in anderer Hinsicht, denn im Hexenloch dauert der Winter nahe­ zu sechs Monate und wenn es draußen friert, dann kreisen die Gedanken von Stefan Trenkle selbst nachts noch um die Mühle. Denn dann beginnt der Zulauf zuzufrieren, das Wasser des Heubach sucht sich nun neue Wege ins Tal. Es überflutet die Straße, gefriert auf ihr oder dringt in die Uhrengestellmache-

Das Sägegatter der Hexenlochmühle, mit ihm kann Stefan Trenkle Baumstämme mit bis zu einem Meter Durchmesser verarbeiten. rei der Trenkles ein. In solchen Nächten macht sich Stefan Trenkle auch noch um Mitternacht auf zu seiner Mühle. Er nimmt den Pickel und befreit den Zulauf vom Eis, damit das Wasser wieder seine gewohnten Wege gehen kann. Vom Eis befreien muß Stefan Trenkle aber auch die Rinne, die das Wasser auf das Mühlenrad führt. Die ist etwa 30 Zentimeter breit und liegt in fünf Metern Höhe. Den Füßen geben dabei nur die Sei­ tenwände des blechernen Zulaufes Halt, und die sind gerade zwei Zentimeter stark. Es ist schon tagsüber ein Abenteuer, sie zu bestei­ gen, erst recht aber nachts, wenn sie völlig vereist ist, und man nur im Licht einer Taschenlampe arbeiten kann. Und das nicht immer nur mit der Hacke, sondern hin und wieder auch mit der Motorsäge, weil den oft­ mals 30 bis 40 Zentimeter dicken Eisschich­ ten nicht mehr anders beizukommen ist. Wer eine Mühle sein eigen weiß, die einst der Ur-Großvater erbaut hat, der muß sich also tagtäglich mit einer Vielzahl von Proble­ men herumschlagen. Mit Freude ist Stefan Trenkle dennoch bei der Arbeit. Auch wenn die Fremden, die den ganzen Sommer und Herbst über die Mühle sehen wollen, oft auch zur Last werden können. 0 hne sie aber, ohne den Tourismus, wäre die Säge im Hexenloch längst stillgelegt. Wäre die Hexenlochmühle nur noch ein Stück Geschichte, wie so vieles dort unten. Wilfried Dold J# ., .. ’s herbschtelet De Herbscht will des Johr ziitli sii, er schtellt jo jetz scho d‘ Mooler ii und riibt en Huufe Farbe aa, daß er joo alls verbämsle khaa. Er kräslet uffi a de Schtämm, färbt ’s Laub, werft ’s Obst scho ab de Bämm, pflännt d‘ Schleä, d’Hagebutzeschtuud, macht feschti Köpf us Köhl und Kruut. En härbe Groch schtreit er i d‘ Luft, bringt hienda au scho Näbelduft, hätt d‘ Schwälbli, d‘ Schtoore, d‘ Schtörch [verjackt und d‘ Frösche scho i ’s Moos verpackt. Mier hoffet, daß er nitt glii goht, im Winter rieft reeacht selli schboot und iis vill Sunnedäg no giit; no Schnee hond mier ko langi Ziit. Gottfried Schafbuch 67

Wirtschaftsgeschichte Die Industrie des Bregtales vor 100 Jahren Ein Beitrag zur Industrieges�hichte der Raumschaft Furtwangen und Vöhrenbach Zurückgeht diese Industrieausstellung auf Heute ist es die Fachhochschule Furtwan­ eine weitere Versammlung in Vöhrenbach, gen und die Transferzentren, die sich um sie die die Gewerbetreibenden des Badischen herum gruppiert haben, die der mittelständi­ Schwarzwaldes dort im Jahre 1857 abgehal­ schen Industrie des Oberen Bregtales beim ten hatten. Und als ein Jahr später die Strukturwandel zur Seite stehen. Eine Hoch­ Schwarzwälder Industrieausstellung in Vil­ schule gibt maßgebliche Impulse bei der Ein­ lingen eröffnet wurde, waren es 700 Gewer­ führung elektronischer Fertigungsprozesse. betreibende, die vom 22. August bis zum 7. Doch diesen Technologietransfer, den hat es September 1858 rund 2500 Produkte präsen­ im Bregtal schon einmal gegeben, vor rund tierten. Und eine großherzogliche Kommis­ 140 Jahren. Damals wurde, genauer im Jahre sion vermerkte im Vorwort zum Ausstel­ 184 7, in Vöhrenbach der „ Gewerbsverein auf lungskatalog zufrieden: ,,Die Ausstellung dem Uhren machenden Schwarzwald“ selbst gewährte ein erfreuliches Bild der Fort­ gegründet, dessen Initiative im Jahre 1850 das schritte, welche die Industrie des Schwarz­ Entstehen der Großherzoglich Badischen waldes in ihren verschiedenen Zweigen wäh­ Uhrmacherschule in Furtwangen zu verdan­ rend der letzten Jahre durch das angeborene ken ist. Und beide Initiativen entstanden aus ähn­ Talent und den Fleiß der Bewohner, zum Teil aber auch durch die sachgemäße Unterstüt­ lichen Situationen heraus: Der Technologie­ zung seitens der großherzoglichen Regie­ transfer des 20. Jahrhunderts soll mittelstän­ rung, gemacht hat. Der Schwarzwald, wel­ dischen Unternehmen die Konkurrenzfähig­ cher noch im Jahr 1853 in Folge der Ver­ keit und somit das Überleben am Wirt­ dienstlosigkeit vielfache Notstände zu bekla­ schaftsmarkt sichern. Der „ Uhren-Gewerbs­ gen hatte, verdankt jetzt neben dem Segen verein“ von 1847 sollte die Stagnation des Uhrengewerbes überwinden helfen, in einer des Himmels hauptsächlich den Fortschrit­ von großer wirtschaftlicher Not geplagten ten der Industrie einen Grad des Wohlstan­ des, welchen nach den eingezogenen Erkun­ Region wieder für Arbeit und Wohlstand sorgen. Dieses Bemühen um den Fortbestand der digungen die Geschichte dieser Gegend noch nie nachgewiesen hat. Aus dem Ver­ Uhrenmacherei war erfolgreich: Mit dem dienste werden allenthalben die Geschäfts­ Wiedererblühen des Schwarzwälder Uhren­ einrichtungen verbessert und erweitert und gewerbes, vor allem dank der praktizierten Bettler gibt es keine mehr. Auch den Armen Arbeitsteilung, entstand eine feinmecha­ bietet sich allenthalben reichliche Gelegen­ nische Industrie, die die Zukunft der gesam­ heit, zu mannigfachem, redlichem Ver­ ten Region sicherte. Wie rasch diese Entwick­ dienste dar.“ lung gegriffen hat, die zu wesentlichen Teilen Soweit die Großherzogliche Kommission, auf die Großherzogliche Uhrenmacher­ aber nun zu den Höhepunkten der Ausstel­ schule in Furtwangen zurückgeht, dokumen­ lung aus der Sicht der Raumschaft Furtwan­ tiert die erste große Industrieausstellung die­ gen und Vöhrenbach. Besonders gelungene Arbeiten und verdiente Persönlichkeiten ser Region, die im Spätjahr 1858 rund 16.000 Besucher ins heutige Oberzentrum Villingen wurden mit goldenen und silbernen Medail­ lockte. len ausgezeichnet. Und eine dieser goldenen 68

Medaillen hat 1858 der Furtwanger Uhren­ macher Lorenz Bob erhalten und zwar für seine Verdienste zur Hebung der Schwarz­ wälder Uhrenindustrie, vor allem was die Stockuhrenmacherei und die Ausbildung von Lehrlingen angeht. In Villingen präsentierte der weit über die Raumschaft Furtwangen hinaus bekannte Genius der Schwarzwälder Uhrenindustrie neben gewöhnlichen Regu­ latoren, die sich durch außergewöhnlich guten Gang auszeichneten, auch eine soge­ nannte Franche-Comte-Uhr. Eine Uhr mit eisernem Gestell und langem Pendel, deren Fabrikation auf dem Walde eingeführt zu werden verdient, wie es dazu im Ausstel­ lungskatalog heißt. Und Bob stellte in Villin­ gen auch einen immer währenden Kalender als Ziffernblatt mit Uhr und Jahreszeiger aus. Zu Lorenz Bob selbst ist im Ausstellungska­ talog vermerkt: ,,Er gilt seit langem als der bei weitem tüchtigste Uhrenmacher auf dem Schwarzwalde, der jedes Uhrwerk von der einfachen Uhr bis zur schwierigsten, astrono­ mischen Uhr vollkommen herzustellen ver­ steht. Und er hat auch schon so manche sinn­ reiche Maschine zur Uhrenfabrikation erdacht und ausgeführt.“ In Villingen vertreten war auch die Vöh­ renbacher Orchestrionindustrie und deren berühmter Vertreter Michael Weite. Er erhielt gleichfalls eine goldene Medaille und zwar für ein Musikwerk, das bereits nach St. Petersburg verkauft war. Die Kommission bezeichnete dieses Orchestrion als das größte und schönste, würdigte die Tonfülle und die nuancenreiche Wiedergabe der Musikstücke und vertrat zudem die Ansicht, die Produktion dieses Werkes stelle einen wesentlichen Fortschritt beim Bau mechani­ scher Musikwerke dar. Michael Weite hat in Vöhrenbach allein in den Jahren 1833 bis 1858 rund 160 größere und kleinere Musik­ werke gebaut. Zu den Käufern zählte sowohl Großherzog Friedrich, als auch die Zarenfa­ milie. Wie sehr in den 50er Jahren des 19. Jahr­ hunderts die Existenz der Furtwanger und Vöhrenbacher, samt der heutigen Teilortge- 1 l Lackschilduhr mit Stuck aus der Werkstatt von Lorenz Bob, der bei der Gewerbeausstellung in Villingen mit einer Goldenen Medaille bedacht wurde. Portrait von Lorenz Bob, dem bedeutendsten Uhrmacher, der in Furtwangen wirkte. 69

Handwerkszweiges nur von kurzer Dauer und er erlangte im Bregtal auch nicht annä­ hernd die Bedeutung, wie sie die Uhrenma­ cherei hatte. Die Uhrenmacherschule hatte dagegen auf sämtliche Bereiche der Uhrenproduktion eine sehr belebende Wirkung. Sie gab den Uhrmachern Berechnungen und Zeichnun­ gen über die einzelnen Uhrenteile an die Hand, so daß diese exakter als zuvor Werke fertigen konnten. In den 50er Jahren des ver­ gangenen Jahrhunderts sind im badischen Schwarzwald etwa 700 000 Zeitmesser pro Jahr entstanden und die meisten von ihnen waren sogenannte Normaluhren, von denen auch in Villingen etliche zu sehen waren. Besondere Beachtung fanden allerdings die Automatenuhren. So etwa die Trompeteruhr von Jacob Bäuerle aus Furtwangen. Sie wurde so konstruiert, daß jede Stunde ein Bahnwart aus einer Türe heraustritt und die Stunden­ zahl durch gelungene Nachahmung von Trompetenstößen verkündet, wie die Kom­ mission dem Furtwanger bescheinigte. Zugleich versuchte die Uhrenmacher­ schule die Herstellung von Taschenuhren auf dem Schwarzwald heimisch zu machen. Und erste Früchte dieser Bemühungen, die letztlich keine Taschenuhrenindustrie im großen Stil hervorbrachten, präsentierten in Villingen zwei „Zöglinge“ der Schule, Kaiser und Kirner, die für zwei goldene und vier sil­ berne Taschenuhren immerhin eine schrift­ liche Belobigung entgegennehmen konnten. Bedauert hatte die Großherzogliche Kommission, daß relativ wenige einhei­ mische Hersteller von Uhrenmacherwerk­ zeugen in Villingen vertreten waren. Aber, so vermerkt man, es sei ja noch nicht lange her, seit mit der Produktion von solchen Werk­ zeugen begonnen wurde und deshalb sei der Fortschritt, der sich darin zeigt, umso erfreu­ licher. Beachtung fanden auch in dieser Sparte die Arbeiten von Lorenz Bob, der eine Spindelbohr- und Triebschneidemaschine „ von besonders sinnreicher Konstruktion päsentierte“. Ausgezeichnet wurde in Villingen auch Uhrenschildentwuif der Familie Heer, Vöhren­ bach, die bei der Villinger Gewerbeausstellung gleichfalls vertreten war. meinden natürlich, von der Uhrenmacherei und Musikwerkeproduktion abhing, zeigt ein Blick in den Ausstellungskatalog von 1858 ebenfalls. Nur wenige Gewerbetrei­ bende sind es, die nicht mit Uhren und Musikwerken vertreten waren, sondern mit Strohgeflechten, wie die Furtwanger Luise Dold, Marziana Gfell, Ehrhard Hebting, Pau­ line Hummel oder die Vöhrenbacher Q!iin­ tuss Kuß und die Gebrüder Volk. Die O!Jali­ tät ihrer Produkte führt die Großherzogliche Kommission gleichfalls auf eine Schule zurück, die Furtwanger Flechtschule, die 1851 unter Cölestine Eisele entstand. Obwohl bei dem Bestreben der großherzoglichen Regie­ rung, dem badischen Schwarzwald wieder zu Wohlstand und Arbeit zu verhelfen, auch der Flechterei neuen Auftrieb gegeben wer­ den sollte, war das Wiederaufblühen dieses 70

der dichtende Lokalpatriot Romulus Kreu­ zer aus Furtwangen, der eine silberne Medaille für die Einführung der „Hyalopha­ nie“ bei der Verzierung von Uhrenschildern zugesprochen bekam. Diese Kunst erlernte Romulus Kreuzer auf Geheiß der Regierung in München, und sie bewirkte interessante Lichtreflexe. Auszeichnungen gab es in Vil­ lingen zudem für weitere Uhrenschildmaler der Region. Und dazu heißt es im Katalog: „Die Uhrenmacherschule hat seit ihrem Bestehen darauf hingewirkt, geschmackvol­ lere Uhrenschilder mit passenden Gemälden und anderen geeigneten Verzierungen einzu­ führen. Der Erfolg zeigt sich bereits auf die­ ser Ausstellung.“ Und eine Sammlung Uhrenschilder präsentierten auch „Dold und Hettich“ aus Furtwangen, die blechlackierte Schilder herstellten und dabei mit Erfolg den Farbendruck anwandten. Auch sie bekamen eine silberne Medaille zugesprochen. Silberne Medaillen erhielten zudem zwei weitere Vertreter der Vöhrenbacher Musik­ werkeindustrie, Joseph Heine und Tobias Heizmann. Und Silber gab es auch für die Gebrüder Heer aus Vöhrenbach, die Uhren­ kästen herstellten und in Villingen auch drei Ansicht der Orchestrion-Fabrik Franz Xaver Heine In einer Uhrenschi/dermaler-Werkstatt, Holzstich um 1880 von G. Heine 71

sten an und bildeten sich hierfür durch einen mehrmonatigen Aufenthalt in Paris und durch eine Reise nach London aus, wozu sie eine Unterstützung des Staates erhalten hat­ ten. Zur Zeit der Villinger Ausstellung beschäftigten sie 14 Personen und hätten noch mehr Arbeiter einstellen können, wenn sie zu finden gewesen wären, wie im Ausstel­ lungskatalog weiter hervorgehoben wird. Und noch eine letzte silberne Medaille ging nach Vöhrenbach, an Franz Xaver Heine. Er präsentierte ein Sortiment Uhrma­ cherschräubchen und stählerne Triebe. Heine ist auch der Verfasser des Buches „Über die Uhrenmacherei“ und hat zudem Uhrenschild aus der Furtwanger Schnitzerei­ schule Vöhrenbach und Orchestrion von Franz Xaver Heine Figurenwerke mit Uhren präsentierten. Der Vater der Gebrüder, Fidel Heer aus Vöhren­ bach, gilt als erster Verfertiger von bewegli­ chen Figuren für Spieluhren und Drehorgeln auf dem Schwarzwald. Seine beiden Söhne sind in das Geschäft eingetreten, nachdem sie einige Jahre bei Schwanthaler in München Unterricht in der Plastik genossen hatten und führten auf Bestellung auch Bildhauerkunst aus. Nach der Gründung der Aktiengesell­ schaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch, fingen sie auch die Fertigung von Uhrenkä- 72

wesentlichen Anteil am Entstehen des ein­ gangs angeführten Uhrengewerbvereins. Zurück zu den Ausstellern aus der Raum­ schaft Furtwangen, die sehr zahlreich waren und von denen hier, ebenso wie aus Vöhren­ bach, nur jene angeführt werden, die mit besonderen Auszeichnungen bedacht wor­ den sind. Dazu gehört G. Ketterer, der gleich­ falls „innovativ“ tätig war, er hat auf dem Schwarzwald die Herstellung von Gasuhren eingeführt. Michael Schuhmacher glänzte bei der Uhrenkastenherstellung und Gordia Hettich ist ausgezeichnet worden, weil er sich bemühte, geschmackvolle Uhren in den Handel zu bringen. In Villingen hatte Het­ tich 26 dieser geschmackvollen Zeitmesser präsentiert und besonderes Interesse erregten zwei Automatenwerke mit Spieldosenwer­ ken. Gordian Hettich verkaufte die Erzeug­ nisse Schwarzwälder Uhrmacher im übrigen in einer Bude, die er auf der Promenade in Baden-Baden umtrieb. Die Furtwanger Uhrenmacher waren zudem mit Trompeter- uhren, „ordinären“ Schwarzwalduhren, Stockuhren und Automatenuhren verschie­ denster Ausführung vertreten. Und daß die Musikwerkeindustrie auch in Furtwangen einmal Bedeutung hatte, belegt die silberne Medaille, die Franz Xaver Wehrle für seine Werke erhalten hat. Diese Auszeichnung wurde ihm für ein Flötenwerk mit Federkraft zuteil und mit Wohlwollen registrierte die Kommission noch eine weitere Arbeit Wehr­ les: einen Bienenkasten in Form eines zierli­ chen Häuschens. Der Katalog zur Schwarzwälder Indu­ strieausstellung in Villingen jedenfalls, doku­ mentiert auf vielfältige Weise die Tüftler­ kunst des Wälders, an deren Beginn das Strohflechten und die Uhr standen und aus der dann die mittelständische feinmecha­ nische Industrie emporwuchs, emporwach­ sen konnte, weil man es stets verstanden hat, sich den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Wilfried Dold Graselli-Fischer-Häfner an der Haldenstraße 225 Jahre Einzelhandel in der Residenz der Fürstenberger In Donaueschinger Privatbesitz befindet sich aus der Zeit des Barocks eine Darstellung der Schmerzensmutter. Die farbig gefaßte Figur grüßte über 200 Jahre die Vorüberge­ henden am Anwesen Haldenstraße 4. Das ansprechende kleine Kunstwerk stammt von dem Donaueschinger Handelsmann Peter Graselli. Datum und die Anfangsbuchstaben des Stifters sind auf dem Sockel des Stein­ häuschens eingetragen, das die Figur einst beherbergte. Mit ihr ist die Geburtsurkunde eines Geschäftshauses gesetzt, in dem drei Kaufmannsgeschlechter, die der Graselli, Fischer, Häfner, 225 Jahre Einzelhandelsge­ schichte in der Residenz der Fürstenberger schrieben. Peter Graselli, der Herkunft nach Savoyarde, war ein Sohn jenes Völkchens, das in der unfruchtbaren Hochgebirgsregion südlich des Genfer Sees beheimatet war. Im Fürsten bergischen Urkundenbuch ist er 1777 als Fürstenbergischer Untertan, wohnhaft „uff der halte“, der heutigen Haldenstraße, erwähnt. Bereits 1754, noch zu Lebzeiten des Fürsten Joseph Wilhelm Ernst, der 1723 den Marktflecken Donaueschingen zur Residenz erhoben hat, suchte Graselli um die Konzes­ sion zum Betrieb einer Tabakmühle in Donaueschingen nach und war somit am Donauursprung ansäßig. Nicht zufällig beginnt um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Geschichte des Donau­ eschinger Einzelhandels. Bis dahin hatten die Savoyarden aus dem Welschland ledig­ lich als fahrende Händler die Jahrmärkte auf der Baar besucht. Mit der Verlegung der Für- 73

Noch vorhandene Assignaten aus der Zeit der französischen Revolution bezeugen die weitreichenden Handels- und Geldgeschäfte der Donaueschinger Graselli. Um das Jahr 1840 – inzwischen mit der Savoyardenfami­ lie der Maggi liiert – gehört einem Anton Caesar Graselli auch der Glockenhof zu Tiengen, dazu ein Vermögen an Forderun­ gen im Wert von 98 000 Gulden. Um diese Zeit unternimmt ein Hermann Maggi-Gra­ selli ausgedehnte Reisen, unter anderem nach Venedig, um die Chancen für die Grün­ dung einer Glasfabrik auf der Baar zur Ferti­ gung von Glaswaren „nach böhmischer Art“ zu studieren. Nach der Heimkehr findet er in dem aus dem Bayrischen Wald stammenden Hütten­ meister Conrad Bodenmüller einen auf­ geschlossenen Partner. Unter dem Firmen­ titel Maggi & Bodenmüller nehmen beide gegen Ende des Jahres 1848 die Glasherstel­ lung in Wolterdingen auf Daß in der Zeit der Heckerbewegung’48/49 dem Unternehmen nur eine kurze Blütezeit beschieden war, hat Artur Kaiser unter dem Titel „Glas aus Wol­ terdingen“ im „Alrnanach“-Jahrbuch ’85 auf den Seiten 78-81 ausführlich geschildert. Am 6. Dezember 1855, nachdem zuvor schon die Wolterdinger Glashütte samt Zubehör für 5 600 Gulden zwangsversteigert worden war, geht der Graselli-Maggi’sche Besitz in der Donaueschinger Haldenstraße käuflich auf den aus Wolterdingen stammen­ den Kaufmann Andreas Fischer über. Außer dem Gemischtwarengeschäft unterhält er eine Auswanderungsagentur und erledigt Bankgeschäfte und Versicherungspolicen. Auf ihn folgte 1861 sein Sohn und Erbe Her­ mann Fischer, nachmals von 1885 bis 1919 Donaueschinger Bürgermeister, den die Stadt beim Übergang in den Ruhestand zum Ehrenbürger ernannt hat und dessen hervor­ ragende Verdienste sie zusätzlich noch mit dem Donaueschinger Straßennamen Her­ mann-Fischer-Allee würdigte. Hermann Fischer hatte zunächst in verschiedenen Städten in Mitteldeutschland im kaufmänni­ schen Beruf gewirkt. 1891, inzwischen mit Baracke Schmerzensmuttervon 1763 im einstigen Steinhäuschen am Anwesen Haldenstraße 4 stenbergischen Residenz von Stühlingen nach Donaueschingen und vor allem mit dem Jahr 1744, als Fürst Joseph Wilhelm Ernst sämtliche Fürstenbergische Lande in einer Hand vereinte, war ein große Zahl höherer Beamtenfamilien nach Donau­ eschingen zugezogen. In dem ländlichen Marktflecken steigerte sich die Lebenshaltung; neue, anspruchs­ volle Bedürfnisse waren zu befriedigen. Kurzum, die Graselli wurden seßhaft. Dank einer glücklichen Familien- und Verwandt­ schaftspolitik kamen sie rasch zu Ansehen und Wohlstand. Bereits 1797 – so dem Urbar zu entneh­ men – besitzen sie an der Haldenstraße das Anwesen 4 mit Kaufladen, Hofraite, Scheuer, Stallung und Garten, dazu Äcker und Wie­ sen an der Villinger Straße und im Gewann Mühlwiese, Waldungen am Raubühl und schließlich im Gelände des Parks die bereits erwähnte Tabakmühle, auch sie mit Scheuer, Stallung und Garten. 74

Das Haus W Häfner in der Haldenstraße vor dem Umzug in das „Kapfererhaus“ an der Karlstraße dem Amt im Donaueschinger Rathaus voll ausgefüllt, betraute er mit der Geschäftsfüh­ rung des Anwesens Haldenstraße 4 den Donaueschinger Wilhelm Häfner, der schließlich im Jahr 1907 das Anwesen mit Grundbesitz und Geschäft in der Halden­ straße käuflich erwarb. Er ist der Gründer der Wilhelm Häfner KG mit den nachfolgenden Inhabern Willi Häfner(ab 1942) und Reinhard Häfner(1963 bis Ende 1987). Unter letzterem wurde das einstige Gemischtwarengeschäft in ein aus­ gesprochenes Fachge.chäft für Glas, Kera­ mik und Kunstgewerbe umgewandelt. Umfangreiche Erweiterungen fanden vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg statt, und 1967 erfolgte, nach gründlichem Umbau, der Einzug in das nahegelegene repräsentative „Kapfererhaus“ an der Karlstraße, dessen Geschichte und Bausubstanz bis ins Jahr 1674 zurückreicht. Laufende Anpassungen und Erweiterun­ gen ergeben „das heutige Bild eines ,alten‘, jedoch in der Leistung ,jung‘ gebliebenen Fachgeschäfts“ -so zu lesen in der gelun­ genen Festschrift, mit der die Firma am 1. Juni 1988 zum Jubiläum „225 Jahre Einzelhandel in der Residenz der Fürstenberger“ einlud. Inzwischen hatte zu Beginn des Jahres mit dem Handelsfachwirt Andreas Häfner und seiner Mitarbeiterin, der jungen Handels­ fachwirtin Gabriele Häfner, bereits die vierte Häfner-Generation die Geschicke der Wil­ helm Häfner KG in die Hand genommen. Daran knüpfte Hauptgeschäftsführer Dr. Rudolf Kubach an, der den Jubilaren die Glückwünsche des Handelskammerbezirks Schwarzwald-Baar-Heuberg überbrachte. Er bestätigte bei der schlichten Feier, daß in der Häfner-Ära besonders großer Wert auf eine qualifizierte Fachausbildung des Nachwuch­ ses Wert gelegt wurde und brachte zum Aus­ druck, daß die drei Kaufmannsgeschlechter an der Haldenstraße nicht nur respektgebie­ tende Einzelhandelsgeschichte praktizierten, sondern auch ein wichtiges Kapitel Donau­ eschinger Stadtgeschichte mitgeschrieben haben, angefangen vom frühen 18. Jahrhun­ dert bis hin zum bald schon zu Ende gehen­ den 20. Jahrhundert. Dr. Lorenz Honold 75

Vom Geflechthandel im 19.Jahrhundert Rund 150 Jahre hatte das Strohflechten im Schwarzwald seine Glanzzeit, eingeführt mit italienischen Spezialisten durch Obervogt Karl Theodor Huber und von ihm begeistert gefördert, fortgeführt in „Geflechtsschulen“, schließlich betrieben auf jedem Bauernhof und in jeder Taglöhnerhütte. Welche Wege, besser: Umwege die Fertigwaren nahmen, bis sie ihren Bestimmungsort – in einem unserer Beispiele sogar Amerika – erreichten, zeigen einige zufällig erhaltene Briefe, die sich über den Zeitraum von 1839 bis 1862 erstrecken. Mittelpunkt und Hauptumschlagplatz war Wohlen in der Schweiz, Kanton Aargau. Verbindungen zur dortigen Firma Jacob Isler und Bruggißer bestanden von der „König!. Hut-Blumen und Strohhut-Fabrik“ E. F. Spinner in Hannover als Kunden, der Stroh­ Manufaktur]. P. Haas und Cie, Schramberg, als Lieferanten, von G. F. Demmler, Regens­ burg, als Kunden, Heintz und Hemstner, Leipzig, als Kunden und Alois Hettich, Gremmelsbach, als Lieferanten. Letzterer bestätigte am 28. Februar 1841, von der Firma Isler und Bruggißer in Wohlen 341 Gulden erhalten zu haben. Bei den dama­ ligen niedrigen Preisen darf man sich hinter dieser �ittung eine große Menge Geflecht vorstellen. Er ließ seinen Geschäftspartner wissen, in der Lage zu sein, jederzeit (offen­ bar auch jedes �anturn) Geflecht liefern zu können. – Eine Ausnahme in dieser Brief­ sammlung bildete Fridolin Tröndle, Nuß­ bach, ein Lieferant. Er stand mit I. U. Wild in Nancy, Frankreich, in Verbindung und lie­ ferte ohne Zwischenhändler direkt ins Aus­ land. Von verschiedenen Geflechtssorten war die Rede: von grobem, „schäckigem“ Geflecht, von durchzogenem, schwarzem Doppelgeflecht und von „schwarz schweize­ rischem“ Stroh. Heintz und Hemstner in Leipzig teilten der Schweizer Firma mit (23. Mai 1854), daß sechs Kisten mit ihren Strohhüten mit der Eisenbahn an Heinrich 76 Rüppel und Sohn nach Bremen geschickt wurden, von wo sie mit dem nächsten Segel­ schiff und billigster Fracht an James Isler nach New York weiterbefördert wurden. Heintz und Hemstner versprachen, auch weitere Sendungen zu je sechs Kisten abzu­ fertigen und Jal:ob Isler in Wohlen prompt davon Nachricht zu geben. Mit welcher Liebe und welchem Kunst­ sinn die Menschen das Stroh zu Geflecht ver­ arbeiteten, kann der staunende Betrachter in der Geflechtsstube des Schwarzwaldmu­ seums Triberg erkennen. Die dort auf­ bewahrten Musterbücher einer Geflechtleh­ rerin zählen nicht zu den geringsten Schät­ zen, die aus der Vergangenheit erhahen geblieben sind. Der obere, schwächste Schnitt des Halmes wurde der Länge nach noch zweimal geteilt, so daß vier Viertelteile des bisherigen Halmes entstanden. Diese ganz dünnen und zerbrechlichen Teile wur­ den verschieden gefärbt und geflochten. Das Endprodukt ist von einer Häkelarbeit nur noch schwer zu unterscheiden, so fein ist die Ausführung. Als Exportartikel brauchen diese kunstvollen Gebilde den Vergleich mit den Industriegütern der Gegenwart nicht zu scheuen. (�eilen: Briefe im Privatbesitz von Herrn Fritz Lienhard, Triberg) Karl Volk Gejlechtmuster aus dem Schwarzwald-Museum in Triberg.

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Im Obedliecht En Villinger wirds wohl verschtau: Am Obed weng durch d’Schtroße gau, wenn no en letschte Sunneschü uf Dächer schinnt, i d’Gasse nü. Und erschti Schatte zeichnet Spure i schiefi Winkel, krummi Muure. Do hät im schboote Obedliecht so manch e Huus e ander Gsiecht. Es hät i ville schwere Johre di glatt Fasad scho lang verlore, hät Biile und hät Dalle draa, guckt unterm schälbe Dach Dich aa. Es schtoht no fescht, e klei weng müed, doch schbürsch si Kraft und au si Gmüet. Im Obedroot hät jeder Turm en Guu vu Not und Krieg und Sehturm. Es dringt kon Mond, kon Sunneschii i siini dicke Muure nii. Di leere Auge trauet nit und luuret, so wie früht, au hit. Es nachtet zmols jetzt bi Dirn Gang de Ringmuur noo. De Amselgsang duet sich e letscht Mool höre lau. E alti Schtadt möcht schloofe gau. Elisabeth Neugart Zeichnung: Helmut Groß 78

Persönlichkeiten der Heimat Pater Anton Wecker Ein erfülltes Priesterleben Ein Schwabe im Badischen! Eine Leih­ gabe, die nicht ohne Früchte blieb! Alle, die P. Anton Wecker als Seelsorger und Reli­ gionslehrer und als Präses der Kolpingsfami­ lie begegnet sind, durften erleben, daß dieser sympathische und beliebte Hausgeistliche des Klosters St. Ursula sehr schnell ein Villin­ ger geworden ist, der aus dem vielseitigen Leben der Pfarreien und der Stadt nicht mehr wegzudenken war. Wenn wir heute in sein Leben und Wirken zurückschauen, dann ist es bei aller Begrenzt­ heit unserer Einsicht und unseres Urteils nicht vermessen, von einem gemeisterten und menschlich reichen Leben zu sprechen. Dabei war ohne Zweifel der tiefste und tra­ gende Grund seines Lebens seine natürliche, echte und gewinnende, aber immer unauf­ dringliche Frömmigkeit. Diese kam nicht von ungefähr. Sie wurde ihm, zusammen mit seinen drei Schwestern und drei Brüdern, in einer von bodenständigem Glauben erfüll­ ten Familie geschenkt. Das einfache, aber zufriedene Leben in einem kleinen Bahnwär­ terhäusle, damals am Rande der Stadt Aalen, prägte sein Leben mit all diesen Gaben und Fähigkeiten, die den späteren gütigen und verstehenden Seelsorger auszeichneten. Von 1926 bis 1934 war er Internatsschüler der Redemptoristen in Gars am Inn und in Günzburg an der Donau. Als er dann nach bestandenem Abitur 1934 den „Sprung hin­ ter Klostermauern“ wagte, machte er beim Eintritt ins Noviziat seinen späterem Mit­ brüdern in seinem hintergründigen Humor Mut mit dem Zitat: ,,Alle, die ihr hier eintre­ tet, laßt alle Hoffnung fahren“. Ausgebildet und reifer geworden durch das ernste Studium der Philosophie und der Theologie an der Hochschule des Ordens in Gars am Inn durfte P. Anton Wecker mit noch neun Mitbrüdern 1940 an den Weiheal­ tar treten. Es war bereits Kriegszeit. Als junger Priester wurde er, wie die meisten seiner Kurs­ kollegen, zur Wehrmacht eingezogen. zu 1941 an die Front nach Afrika geschickt, erzählte er später gern mit sichtlichem Stolz, daß ihn General Rommel selber als seinen Landsmann seinem persönlichen „Schreibstubenchef“ ausgewählt hat.1943 in Gefangenschaft geraten, hatte er das Glück, bald im Zuge eines Gefangenenaustausches in die Heimat zurückzukehren – zum Dienst in verschiedenen Lazaretten. Nach Kriegsende war es für einen durch das Soldatenleben und vom Krieg gezeichne­ ten jungen Menschen Ausdruck einer durch­ gehaltenen Frömmigkeit, wieder „hinter die Klostermauern“ zurückzukehren, sich noch­ mals auf die Schulbank zu setzen und das letzte Rüstzeug für die künftige Seelsorge sich anzueignen. 79

Sein erster Posten war dann die Kaplanei in Deggendorf in Niederbayern von 1946 bis 1950. Daß „Höhere Ordensobere“ mit dem Hinweis auf Gottes Willen heute so und morgen anders sagen können, war seine Er­ fahrung im Zusammenhang seiner Ernen­ nung zum Präfekten im Internat Forchheim in Oberfranken, die aber nach einem Jahr bereits beendet wurde, weil der Orden einen Stadtpfarrer für die Pfarrei St. Klemens in Stuttgart-Botnang suchte -beide Versetzun­ gen begründete Pater Provinzial damit, daß P.Anton Wecker „für diesen Posten der ein­ zig richtige Mann sei“. Daß die Ordensoberen für den letzteren Posten nicht danebengegriffen haben, zeigte sich durch 20 Jahre, in denen P. Anton Wek­ ker ( der sich gern einfach P. W. nannte) dieser Großstadtpfarrei mit der Vielfalt der Auf­ gaben und Probleme Seelsorger war. Wäh­ rend dieser Jahre einer „Steinbrucharbeit im Dienste des Herrn“ schöpfte er immer wieder neue Kraft und Zuversicht in der Stille und Geborgenheit des Klosters St. Ursula in Vil­ lingen. Die Verbindung dorthin war nicht zufallig: von 1948 bis 1958 lebten dort seine Mitbrüder und seit 1957 auch seine Nichte, Sr. Roswitha Wecker. Und weil er sich bei jedem weiteren Besuch in St. Ursula immer mehr zu Hause fühlte, liebevoll umsorgt von den Schwestern, vor allem seiner Nichte, war es nicht verwunderlich, daß sein Herz nicht nein sagen konnte, als St. Ursula einen Haus­ geistlichen suchte. So trat er 1970 den Umzug „ins Badische“ an, zunächst nur“ vorläufig“, wie seine Vorgesetzten meinten. Aber „Got­ tes Gedanken sind nicht immer unsere Gedanken“, und so blieb der „P. W.“ 17 Jahre in St. Ursula bis zu seinem Tod. Viele Menschen, denen er als Seelsorger begegnete, erfuhren in P. Anton Wecker einen Priester, dessen festes Glaubensfunda­ ment nicht in Formeln erstarrte, sondern der immer weiterfragte, um noch fester in ihm zu wurzeln. Es war ein ehrlich verantworteter Glaube, der die Erschütterungen des Lebens nicht billig überspielt hat, sondern immer die Antwort Gottes darauf suchte. 80 Als er 1975 Kolpingspräses in Villingen wurde, formulierte er in seiner „Regierungs­ erklärung“ die Aufgaben der Kolpingsfamilie so: Leben aus den Q!iellen des Glaubens; dabei fest auf dem Boden der Wirklichkeit stehen; sich nicht in Eigeninteressen einkap­ seln, sondern auch Mut zur Auseinanderset­ zung zeigen. Ein Leben, das so vom Glauben getragen ist, wird zu einem Leben der Freude. Und Freude war ein „Gütezeichen“ im Leben von P. Anton Wecker. Seine Freude war die Erfahrung, daß die Zusage Jesu an seine Jün­ ger keine leeren Worte sind: ,,Dies habe ich zu euch gesagt, damit meine Freude in euch ist, und damit eure Freude vollkommen wird“ Ooh. 15,11). Solche Freude hat „Fleisch und Blut“, war überall in seinen vielseitigen Tätigkeiten zu spüren: ob als „zweiter Münstervikar“, als „Pfarrer von Rietheim“, in Vorträgen bei Priestern und Ordensfrauen, in den Reli­ gionsstunden in St. Ursula, in ungezählten Kolpingsveranstaltungen, als unvergeßlicher Wallfahrtsbegleiter oder gar bei seinen un­ übertroffenen Auftritten bei der Villinger Münsterfasnet -der herzhafte Humor des P. W.tat allen gut. Und unter vielem noch ungenannten darf doch nicht unerwähnt bleiben, daß P. Anton Wecker bei seinen Kranken-und Altenbesuchen immer Freude brachte in das oft so wenig freudvolle Leben älterer und kranker Menschen. Freude aus dem Glauben steckt an. Freude trägt Frucht. So war diese kostbare Gabe im Leben von P. Anton Wecker kein bloß äußer­ liches Lustigsein und auch keine oberfläch­ liche Witzigkeit, sie war ins Leben übersetzte Freude an Gott, über die er nicht nur gepre­ digt hat, sondern sie frohmachend und wei­ terschenkend gelebt hat. Frucht seiner Freude aus dem Glauben waren „ Werke“, bei denen es ihm nicht zuerst um Organisation und Neugründung ging, sondern um die Weitergabe unseres Glaubens: eine Altkol­ pinggruppe geht auf seine Initiative zurück, der er viel Zeit und Kraft und Liebe schenkte; junge Menschen und junge Familien fanden

durch ihn den Weg in die Kolpingsfamilie; und daß die beiden Städte Villingen und Schwenningen einander nähergekommen sind, zeigte sich auch im „unerschrockenen Mut“, die Kolpingsfamilien, eine „badische und eine schwäbische“, zu gemeinsamem Tun und Feiern zusammenzuführen. Es war sein drängendes Anliegen, das Werk Adolf Kolpings für die heutige Zeit lebendig zu erhalten und in Familie, Gesellschaft und Kirche zu verwirklichen. Es war deshalb durchaus verdient, daß P. Anton Wecker 1986, anläßlich der 40 Jahre seines Mühens um die Kolpingsfarnilie mit der „Ehrennadel für Besondere Dienste im Ehrenamt“ ausgezeichnet wurde, verliehen vom Ministerpräsidenten von Baden-Würt­ temberg, Lothar Späth. Galt seine besondere Liebe der Kolpings­ familie, so war seine Liebe zu Kloster und Schule St. Ursula die seines innersten Her­ zens. Was er in diesen alten und geschichts­ trächtigen Mauem tat und an Liebe und Sorge investierte, wissen nur Gott und die Schwestern, von denen ihm viele in einem Leben echter Glaubensfreude vorangegan­ gen und im Frieden zu Gott heimgekehrt sind. Es war kein leeres Wort von P. Anton Wecker als„dem guten Geist von St. Ursula“: wie er „SOS-Pfarrer“ für die Villinger Pfar­ reien war, so noch mehr einer, der sich ganz einbrachte und einsprang, wo und wann immer es in St. Ursula „brannte“. Nicht zuletzt die Schülerinnen von St. Ursula schätzten die väterliche Art ihres Reli- gionslehrers und hatten großes Vertrauen zu ihm. Und ihm selber tat das Zutrauen der jungen Leute gut: ,,Sie halten mich fit“, konnte er immer sagen. Und was im Klassen­ zimmer zu spüren war, wirkte sich aus im Lehrerkollegium; in ihm war P. Anton Wek­ ker „der ruhende Pol“ im oft aufgewühlten und unruhigen Schulalltag. Mitte und Quelle des priesterlichen Dien­ stes von P. Anton Wecker war immer die Klosterkirche. Die Gläubigen begegneten dort in ihm einem von Gott geführten Prie­ ster, der es verstand, das wegweisende Wort Gottes lebensnah und mutmachend zu deu­ ten und dadurch den Menschen immer neu Zuversicht und Lebensfreude zu vermitteln. Und auch hier vergaß er nicht, was jeweils die Villinger „umtrieb“: bekannt und beliebt waren seine Predigten in Versen am Fasnet­ Sonntag. P. Anton Wecker starb am 19. Mai 1987 plötzlich und unerwartet. In einem Ausspruch einer seiner Schüle­ rinnen klingt wohl alles an, was sonst zu sei­ nem Tod gesagt und geschrieben wurde: ,,Nun fehlt in St. Ursula die Seele“. Jesus Christus, sein Herr und Meister, dem er treu dienen wollte, hat seine Freude vollendet und ihm eine ewige Wohnung im Himmel bereitet. Das was sterblich an ihm war, wurde auf dem Friedhof seiner Mitbrüder auf dem Schönenberg bei Ellwangen/Jagst begraben. Sr. Roswitha Wecker P. Hermann Fuchs Otto Benzing Ein Schwenninger Schulmann und Heimatschriftsteller Es ist kein einfaches Unterfangen, seine anregende und belebende Wirkung auf die Menschen auszuloten, die mit ihm zu tun hatten. Auch das, was uns von der schuli­ schen, vermehrt von seiner heimatforscheri­ schen Aktivität an Wegspuren geblieben ist, kann weder dem Umfang noch dem Inhalt nach, auf diesen wenigen Seiten gerecht gewürdigt werden. Das spricht für den Mann und sein Lebenswerk. Ich habe den damals 71jährigen Studien­ direktor i.R. Otto Benzing im Sommer 1982 kennengelernt, zu einem Zeitpunkt, an dem der gealterte Schulmann auf die längste 81

Strecke seines Lebensweges zurückblicken konnte. Damals war ich mit der Aufzeich­ nung und der Erforschung der Grenzsteine um Schwenningen beschäftigt und suchte den Rat des erfahrenen Heimatkenners. Seine freundliche Offenheit und ausgeprägte Fähigkeit, zuhören zu können und Problem­ stellungen schnell zu durchschauen, förderte unsere Zusammenarbeit. Otto Benzing hatte bis dahin eine ganze Reihe von Mundartge­ dichten verfaßt, zu denen ich nun passende Bilder anfertigte. Gerade die Schwenninger Mundart lag dem Ruheständler am Herzen und es war stets selbstverständlich, daß wir uns auf „schwenningerisch“ unterhielten. Der Ältere sprach den Dialekt noch unver­ fälschter als sein jüngerer Besucher. Otto Benzing entstammte einem alteinge­ sessenen Schwenninger Geschlecht, das schon vor einigen hundert Jahren in dem württembergischen Grenzdorf des öfteren die Vögte stellte. Am 29. Juni 1911 geboren, verlebte er seine Jugend in der damal steil auf­ strebenden Industriestadt. Von 1917 an be­ suchte er die Schulen seiner Geburtsstadt und legte dort 1929 auch sein Abitur ab. Anschließend studierte der junge Schwen­ ninger an den Universitäten Tübingen und München die Fächer Deutsch, Englisch und Geschichte. Ein halbjähriger Studienaufent­ halt in England vertiefte die Sprachkennt­ nisse des Studenten. Die erste Dienstprüfung für das höhere Lehramt absolvierte Otto Benzing 1934. Nach seiner Referendarausbildung in Stutt­ gart und der anschließenden zweiten Dienst­ prüfung war eine weitere Stufe der Lehreraus­ bildung erklommen. Der neu ernannte Studienassessor unter­ richtete von 1935 an zwei Jahre an einer Pri­ vatschule in Hindelang, war 1937 zwei Monate in Rottweil Lehrer und von da an bis 1940 in Ulm im Schuldienst. Wie viele Deutsche in jenen Jahren, so wurde auch Otto Benzing in die Wehrmacht eingezogen. 1942 erfolgte zwar seine Ernennung zum Studienrat, doch mußte der Beförderte bis zum Kriegsende die Uniform tragen. 82 Die Nachkriegsjahre verlebte der Studien­ rat an einer privaten Schule in Wilhelmsdorf. Ab 1953 war Otto Benzing für einige Monate am Schubart-Gymnasium in Ulm und die darauf folgenden 10 Jahre seiner Lehrertätig­ keit unterrichtete er am Leibniz-Gymnasium Rottweil, wo er 1959 Oberstudienrat wurde. Nach seiner 1962 erfolgten Beförderung zum Studiendirektor kehrte der Lehrer in seine Heimatstadt Schwenningen zurück und kam dort als stellvertretender Schulleiter des Gymnasiums ins Amt. Er arbeitete bis zum 31. August 1974, um dann in den wohlver­ dienten Ruhestand zu wechseln. Jetzt konnte sich der pensionierte Schulmann und Hei­ matkundler endlich jener Themen anneh­ men, die ihn in den freien Stunden seines langen Schullebens beschäftigt und bewegt haben. Bereits im Herbst 1977 erschien im Kuhn­ Verlag in Schwenningen die erste Auflage sei­ ner „Geschichten vom Neckarursprung“, eine Sammlung von 33 Miniaturen zur Schwenninger Ortsgeschichte, die den Zeit-

raum von der ersten Besiedelung bis zum 16. Jahrhundert behandelte. Diesem ersten Band folgte 1978 der zweite, mit Geschichten vom 17. Jahrhundert bis zur Stadterhebung Schwenningens 1907. Ein Jahr danach kam das „Schwenninger Lägerbuch Anno 1703″ an die Öffentlichkeit, eine Sammlung geschriebener Rechtsverhältnisse im damali­ gen Grenzdorf. Gemeinsam mit seinem Bruder Martin arbeitete Otto Benzing über Jahrzehnte hin­ weg an der Erforschung seiner Ahnentafel. Als Ergebnis dieser Sisyphusarbeit veröffent­ lichten die Brüder 1982 ihre „Ahnentafel Martin Benzing“, eine umfangreiche Ahnen­ liste mit 694 Namen. Im Januar 1983 übergab Otto Benzing seine „Quellen zur Schwenninger Ge­ schichte von 890 bis 1600“ seinem Leserpu­ blikum, ein Buch, das alle bis dahin bekannt­ gewordenen zur Schwenninger Ortsgeschichte enthält – eine Fundgrube für Heimatgeschichtsforscher! schriftlichen Belege Für seine Verdienste um die Bearbeitung und Beschreibung der Schwennninger Geschichte verlieh die Stadt Villingen­ Schwenningen Otto Benzing im März 1983 die Bürgermedaille. Während der Feier­ stunde im großen Sitzungssaal des Schwen­ ninger Rathauses kündigte der Geehrte schon sein nächstes Werk an. Es erschien noch im Dezember des gleichen Jahres unter dem Titel „Uffm Schwenninger Moos“. Mit diesem humorvollen Gedichtband setzte Otto Benzing seiner Schwenninger Mundart ein bleibendes Denkmal. Über viele Jahre hat der Heimatschriftstel­ ler an einem Buch gearbeitet, das sein letztes veröffentlichtes Werk werden sollte: an der Geschichte seiner Geburtsstadt Schwennin­ gen. Oft saßen wir beieinander und bespra­ chen die Bilder und Druckvorlagen für die Illustration, die ich teilweise anfertigte. Die körperliche Verfassung von Otto Benzing war in diesen Tagen schon nicht mehr die beste: zwei Herzinfarkte geboten dem umtriebigen Arbeiter, schonungsvoller mit sich umzugehen. Kaum erholt, saß er schon wieder über seinen Texten, formulierte hier um, glättete dort, suchte griffigere Vokabeln. Das Ergebnis dieser Mühe kam 1985 unter dem Titel „Schwenningen am Neckar, Geschichte eines Grenzdorfes auf der Baar“ in die Buchläden. Otto Benzing hat nicht allein seine Bücher erarbeitet und in Druck gebracht, sondern sich auch mit Aufsätzen und Beiträ­ gen zur Heimatkunde den aktuellen Tages­ fragen zugewandt. Es ist unmöglich, alles das, was seiner Feder entsprang, im einzelnen oder vollständig aufzuzählen. Es sei aber erwähnt, daß von ihm neben vielen Beiträ­ gen in der Schwenninger Tageszeitung „Die Neckarquelle“ auch mancher Aufsatz und manches Mundartgedicht im Almanach des Schwarzwald-Baar-Kreises abgedruckt wurde. Noch in seinen letzten Lebensmonaten arbeiteten und planten wir zwei weitere Gedichtbände in Schwenninger Mundart, die aber nicht mehr realisiert werden konn­ ten. Otto Benzing hat wohl schon gespürt, daß seine Zeit kommen würde. Ein weiterer Herzanfall traf den schon Gezeichneten im Herbst 1986. Im Rottweiler Krankenhaus, wo ich ihn besuchte, besprachen wir noch die Anordnung, Bilder und Aufmachung für die beiden Mundartbüchlein. Dann kehrte der Kranke nochmals heim in sein Flözlinger Refugium, wo ihm seine Frau als getreue Pfle­ gerin zur Seite stand. Dort starb Otto Ben­ zing nach einem arbeitsreichen und erfüllten Leben am 28. Dezember 1986. Eine große Menschenmenge folgte sei­ nem Sarg auf den Flözlinger Friedhof. Grab­ redner würdigten den Verstorbenen in zahl­ reichen Nachrufen. Ich selbst habe in Otto Benzing einen selbstlosen Ratgeber und väterlichen Freund verloren. Siegfried Heinzmann 83

Hubert Lenz Eng mit der Gewerkschaft verbunden Ungefähr alle zwei Jahre treffen sich Blumbergs Altstadträte, unter ihnen noch einige Kommunalpolitiker der ersten Nach­ kriegsstunde, in der Eichbergstadt, um in kol­ legialer Erinnerungsrunde und bei zwanglo­ sen Stadtführungen mit ihren amtierenden Kollegen Vergleiche zwischen vorgestern, gestern und heute anzustellen. Zu den Altge­ dienten gehört der ehemalige SPD-Stadtrat und Betriebsratsvorsitzende Hubert Lenz, der 1965 dem Gewerkschaftsruf nach Schwenningen folgte. Erfüllten sich immer die frühen Wünsche, dann wäre der 1921 in Redange/Moselle geborene Hubert Lenz jetzt wohl noch Kapi­ tän und ginge zuweilen an der Küste seines schon einmal erlebten Traumzieles Neusee­ land vor Anker. Aber der ehemalige SPD-Stadtrat, der Blumberg 1965 verließ, steuerte einen ande­ ren Kurs und fand seinen „Zielhafen“ in Schwenningen bei der IG Metall. Das ist nicht „aus der Welt“, und so wurde ein Besuch in Blumberg für ein informatives Gespräch genutzt. Vom 6. bis 13. Lebensjahr im luxemburgi­ schen Belis wohnend, dort die Primärschule und ein Jahr die Gewerbeschule besuchend, kam Hubert Lenz 1935 nach Hamburg und fuhr bis 1940, von der Pike auf als Schiffs­ junge bis zum Matrosen, zur See. Mit seiner Familie nach Blumberg gekommen, arbeitete er ein halbes Jahr bei der Firma Doggererz in der Schlosserei, wurde am 1. August 1940 zur Kriegsmarine für die Schnellbootflottille ein­ gezogen und lernte die Kriegsschauplätze von Frankreich, Belgien, Holland, Sizilien, Krim, Kaukasus, Bulgarien und Rumänien kennen, wo er 1944 in russische Gefangen­ schaft geriet. Erst im Dezember 1947 kehrte er zurück, fand im Januar 1950 Arbeit als Schweißer in der Firma Teves und heiratete 1951. Die Söhne Meinrad und Jürgen leben jetzt in Villingen. Schon 1954 im Betriebsrat 84 bei Teves, war es auch Hubert Lenz mit zuzu­ schreiben, daß die Firma 1956 nicht verlagert wurde. Dieser für die Arbeitnehmer einge­ schlagene Kurs wurde zielstrebig beibehal­ ten. Ende 1959 wählte man Lenz für fünf Jahre zum Vorsitzenden des Betriebsrates, seit 1953 war er schon Mitglied der Großen Tarifkommission sowie der Verhandlungs­ kommission der IG Metall in der Metallindu­ strie Südbaden und Mitglied der Ortsverwal­ tung der IG Metall-Verwaltungsstelle Villin­ gen. 1956 in den Gemeinderat der Stadt Blumberg gewählt, gehörte Lenz diesem bis 1966 als SPD-Stadtrat an, war seit Mitte der 50er Jahre bis zu seinem Fortzug Mitglied und späterer Vorsitzender der AOK-Vertre­ terversammlung Donaueschingen sowie stellvertretender Kreisvorsitzender der SPD Donaueschingen. Im September 1965 folgte Hubert Lenz seiner Berufung zum Gewerk­ schaftssekretär der IG-Metall-Verwaltungs­ stelle Schwenningen, aber erst im Dezember 1966 bezog er mit seiner Familie die dort end­ lich doch noch gefundene Wohnung. ,,Der Kontakt zu Arbeitnehmern und Bevölke­ rung war schnell gefunden“, erinnerte er sich, der auch zum Vorsitzenden der AOK-Vertre-

terversammlung Schwenningen avancierte. ,,Ab l.Januar 1972 wurden die Verwaltungs­ stellen der IG Metall Villingen und Schwen­ ningen zusammengeschlossen.“ 1980 zog er ins Gewerkschaftshaus in der Arndtstraße. Bis zu seiner Verabschiedung zum Oktober 1984 bekleidete er das Amt des zweiten Bevollmächtigten der neuen Verwaltungs­ stelle Villingen-Schwenningen. Neben der Gewerkschaftsarbeit beschäftigten Lenz viele Funktionen: Ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Freiburg und Landesarbeits­ gericht Baden-Württemberg; Mitglied des Verwaltungsausschusses im Arbeitsamt Vil­ lingen-Schwenningen; Vorsitzender der AOK-Vertreterversammlung für den Schwarz­ wald-Baar-Kreis, Vorstandsmitglied im Bezirksverband der REF A, Mitglied des Ausländerbeirates der Stadt Villingen­ Schwenningen sowie Delegierter zahlreicher Kongresse der IG Metall und des DGB ist er jetzt noch. Bestehende Familien- und Freundeskon- takte führen ihn, dessen Frau Ilse geborene Kumpf 1978 starb, oft noch in die Eichberg­ stadt. Interessiert beobachtet er Blumbergs Entwicklung, die er damals entscheidend mitbestimmte. Aber in Schwenningen hat er seine endgültigen Wurzeln geschlagen. „Ich reise viel und sehe mir jetzt in Ruhe das an, was ich bei den wahrgenommenen Konferenzen nicht sah. So komme ich weit herum.“ Am liebsten möchte Hubert Lenz wieder einmal nach Neuseeland, aber das ist ihm nun doch zu weit. Machmal mag er bedauern, daß der damalige Kriegsausbruch seine erhoffte Kapitänslaufbahn zunichte machte. Womöglich tröstet ihn dann der ver­ antwortungsbewußt eingehaltene gewerk­ schaftliche Kurs, auf dem er so viele andere Kais anlief und den dort wartenden Mitmen­ schen mit seinen Erfahrungen helfen durfte. Durch letztere besitzt Hubert Lenz so etwas wie ein soziales „Kapitänspatent“, das einem besonderen Kompaß folgt. Jürgen Henckell Karlhennan Russ Ein Leben für die Landwirtschaft und die Kommunalpolitik Die Wiege von Karlherman Russ stand im Wiesental, wo er am 18. 5.1921 in seiner Hei­ matstadt Schopfheim geboren wurde. Sein Vater war dort ein bekannter Kommunalpo­ litiker, vor 1933 langjähriger Bürgermeister­ stellvertreter, beruflich als Ökonomierat tätig, hat er dort wesentlich dazu beigetragen, daß in Lörrach und St. Blasien Molkereige­ nossenschaften gegründet wurden. Karlher­ man Russ kam somit schon mit der Mutter­ milch sehr früh mit der Landwirtschaft und der Kommunalpolitik in Berührung. Er besuchte in Schopfheim die Schulen und legte im Februar 1940 die Reifeprüfung ab. Es folgten drei Monate Arbeitsdienst und nahezu 5 Jahre Kriegsdienst bei der Panzerar­ tillerie, bei der er als Hauptmann und Abtei­ lungskommandeur die letzten Kriegswochen erlebte, bevor er in britische Gefangenschaft kam. In den letzten Kriegstagen, wenige Tage vor der Kriegsgefangenschaft, heiratete er seine Frau Gertrud, die ihm immer treu zur Seite steht. Ab Januar 1946 absolvierte er eine landwirtschaftliche Lehre, legte im März 1948 die landwirtschaftliche Gehilfenprü­ fung ab und studierte von 1948 bis 1951 an der Justus-Liebig-Hochschule in Gießen Landwirtschaft. Nach der Diplomhauptprü­ fung folgte ein 3. Praxisjahr in zwei landwirt­ schaftlichen Betrieben und eine mehrmona­ tige Hilfslehrertätigkeit an der Landwirt­ schaftsschule in Staufen. Den Vorberei­ tungsdienst als Landwirtschaftsreferendar beim Landwirtschaftsamt in Waldshut been­ dete er mit der 2. Staatsprüfung im Septem­ ber 1954 als Landwirtschaftsassessor. 85

eschingen; 1971 bis 1976 Kreisrat im Über­ gangskreistag und dann im neuen Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises. Im Zuge der Verwaltungsreform vermochte er die Auf­ lösung des Donaueschinger Landwirtschafts­ amtes zu verhindern und ersparte ihm damit das Schicksal anderer Donaueschinger Äm­ ter. Als das Landwirtschaftsamt in VS-Villin­ gen aufgelöst wurde, bekam das Landwirt­ schaftsamt sogar die Kompetenz für den gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis. Die von Karlherman Russ geführte Landwirtschafts­ schule hat ein weit über den Kreis hinaus­ gehendes Einzugsgebiet, nicht zuletzt dank ihres hervorragenden Rufes. Ohne Erfolg blieben seine Bewerbungen 1965 und 1969 um das Bundestagsmandat seiner Partei. Bei der Wahl 1965 unterlag er aber nur mit sehr wenigen Stimmen seinem Gegenkandidat Dr. Häfele, der seither unseren Wahlkreis in Bonn vertritt. Vom vielfältigen kommunal­ politischen Wirken seien nur zwei für unsere Stadt positiven Ereignisse erwähnt, bei wel­ chen er maßgebend zum Erfolg beitrug: Die Überführung des städtischen Kran­ kenhauses in Kreisregie und Schaffung der Voraussetzungen zum Bau eines neuen Kreiskrankenhauses in Donaueschingen so­ wie die Ansiedlung der Firma Aldi mit ihrem großen Auslieferungslager und dem anschlie­ ßenden Bau des Golfplatzes Donaueschingen. Als stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender wurde er immer wieder als Redner von den ver­ schiedensten Ortsgruppen angefordert. Als im August 1965 der Kreisverband sein 1000. Mitglied aufgenommen hatte, wurde Karlherman Russ vom CDU-Landesvorsit­ zenden und Regierungspräsidenten Anton Dichte! für seine langjährigen Verdienste um die CDU besonders ausgezeichnet. Den CDU-Stadtverband führte er seit 1964 sou­ verän. Es war daher für Außenstehende und Insider eine spektakuläre Überraschung, als er im Jahre 1972 als Vorsitzender abgewählt wurde. Aus einem Zeitungsinterview der damaligen Zeit: Südkurier: ,,Herr Russ, fühlen Sie sich als eine Art Märtyrer, wie ein Mann, dem trotz In der folgenden Zeit wirkte er als Verwal­ tungsbeamter und Lehrer beim Landwirt­ schaftsamt Waldshut sowie bei der Landwirt­ schaftsschule in Pfullendor( Von dort kam er im Jahre 1958 an das Landwirtschaftsamt Donaueschingen. Über seine beruflichen Aufgaben hinaus wurde Karlherman Russ als ein außerordent­ lich fähiger und engagierter politischer Mensch sehr rasch an der Donauquelle bekannt. Nicht verwunderlich, daß er als politisches Naturtalent und mit seinem sprü­ henden Temperament in viele gesellschaft­ liche und politische Gremien Eingang fand und ein begehrter Sprecher wurde. Er war streitbar, aber immer ein zur Versöhnung bereiter Kämpfer. Wo immer er auftrat, belebte er die Diskussion. Bereits seit 1946 Mitglied der badischen christlich sozialen Volkspartei (später CDU) wurde er ab 1959 aktiv im Orts- und Kreisver­ band Donaueschingen der CDU. Von 1964 bis 1972 Vorsitzender des CDU-Ortsverban­ des, seit 1972 Ehrenvorsitzender des CDU­ Stadtverbandes. Seit 1971 Stadtrat und Bür­ germeisterstellvertreter, gewählt mit der in Donau- zweithöchsten Stimmenzahl 86

seiner Verdienste kaum einer einen Lorbeer­ kranz windet, oder stehen Sie über der Ange­ legenheit, zumal ja erst bewiesen werden muß, wie man es besser macht? Halten Sie die Geschichte für tragisch?“ Russ: ,,Wer sich der Politik zur Verfügung stellt, muß wissen, daß Lorbeerkränze höch­ stens am Grabe niedergelegt werden. Ich halte die Wahl und ihr Ergebnis nicht für tra­ gisch. Im menschlichen Bereich dagegen kann die Enttäuschung nicht verhehlt wer­ den. Wenn ich die Äußerungen eines Stadt­ rates bei seiner Verabschiedung zitieren darf: , Bringen Sie ein bißchen mehr Menschlich­ keit und weniger Parteipoilitik in diesen Saal‘, so schien diese Mahnung bei einigen Mitglie­ dern in Vergessenheit geraten zu sein.“ Lebewohl?“ Südkurier: ,,Sie sagen also der Politik nicht Russ: ,,Die Entwicklung im Schwarzwald­ Baar-Kreis und in unserer Stadt erfordert die Mitarbeit aller Bürger, die im öffentlichen Leben etwas arbeiten und sagen können und die in der Zusammenarbeit guten Willens sind. Zu diesem Kreise zähle ich mich und deshalb will ich der Politik noch nicht Leb­ wohl sagen.“ Karlherman Russ war weiterhin aktiv als Stadt-und Kreisrat, bis er1976 zum Leiter der Abteilung Landwirtschaft beim Regierungs­ präsidium Karlsruhe berufen wurde. Die Karlsruher waren überrascht, daß der ver- meintlich schwarze Rübenbauer von der Baar sich als ein exzellenter Weinkenner ent­ puppte. Als Leiter einer Abteilung von über 60 Mitarbeitern und einer Reihe von nach­ geordneten Fachbehörden (10 Landwirt­ schaftsämter, 4 Veterinärämter und einer tierärztlichen Untersuchungsanstalt) konnte er seine Fähigkeiten erfolgreich einsetzen: Arbeitsfreude, Humor, Kontaktfreudigkeit, Verständnis, Interesse an persönlichem Schicksal seiner Mitarbeiter, Organisations­ talent machten ihn als Vorgesetzten beliebt. Bei seiner Verabschiedung lobte der Karlsru­ her Regierungspräsident Dr. Trudbert Müller seine Verwaltungsarbeit und seinen guten Kontakt mit Verbänden und Organisationen und betonte, Karlherman Russ regierte die Landwirtschaft des Regierungspräsidiums so, wie er sich das als Amtsleiter in Donau­ eschingen in der Nähe des Fürstenhauses angeeignet hatte. Seine engen und freund­ schaftlichen Verbindungen zu Donau­ eschingen wurden seit seinem Weggang von ihm gepflegt. Er ist immer ein gern gesehener Gast. Auch das öffentliche Geschehen der Stadt beobachtet er in seinem Ruhestand mit großem Festansprache anläßlich der 40-Jahr-Feier des CDU-Stadt­ verbandes war äußerer Ausdruck seiner Ver­ bundenheit. Interesse. Seine Theo Greiner Annemarie Imo Eine im sozialen Bereich engagierte Donaueschingerin Mehr als ein Jahr lang hat sie sich gesträubt, sich im Jahrbuch des Schwarz­ wald-Baar-Kreises portraitieren zu lassen. So wichtig sei ihre Arbeit im Deutschen Roten Kreuz ja nun auch wieder nicht gewesen, wandte Annemarie Imo um die Jahreswende 1987 /88 ein, als ihr Landrat Dr. Rainer Gut­ knecht diese Würdigung ihres Lebenswerkes im „Almanach“ anbot, und erst im Frühjahr 1989 stimmte sie zu, sich portraitieren zu las- sen – freilich mit dem bemerkenswerten Zusatz, den Artikel über sie nicht zu einer Laudatio werden zu lassen. Diese Zeilen über eine der sozial am stärksten engagierten Donaueschingerinnen der Nachkriegszeit sollen ihrem Wunsche folgend also „unsere Mitmenschen motivieren, etwas füreinander zu tun – es gäbe ja unendlich viele Möglich­ keiten, sich einzusetzen“. Sie selbst blickt mittlerweile auf 58 Jahre 87

„Ich hing mit Leib und Seele an unseren Kranken und Verwundeten und manchmal war ich unglücklich, daß ich so wenig für sie tun konnte“, erinnerte sie sich beim Gespräch mit dem „Almanach“. Als die Front der Deutschen in fast ganz Europa Verwundete in zunehmender Zahl in die Heimat zurückschickte, oblag es Anne­ marie Imo, im November 1941 im Fürsten­ berg-Lazarett mit einfachen Mitteln eine Operationsabteilung einzurichten, an der an manchen Tagen von morgens bis abends operiert werden mußte. Nach dem Krieg, als die Franzosen auch das einstige Donau­ eschinger Reichswehrlazarett besetzt hatten, wurde Frau lmo über das Rote Kreuz für Nachtwachen dienstverpflichtet. Daß kaum einer der Franzosen Deutsch sprach, erwies sich nur deshalb als weniger schwerwiegend, weil Annemarie lmo längere Zeit Franzö­ sisch gelernt und eigens für diesen Dienst wieder aufgefrischt hatte. Und schon nach einem Jahr bat sie der Chefarzt, bei ihm zu bleiben, was sie nie bereut hat, zumal ihr, der Deutschen, auch die übrigen französischen Ärzte voll vertrauten und sie sich um das Ver­ trauen ihrer Patienten ohnehin nie zu sorgen brauchte. Einen Beleg dafür lieferte 1972 Marcelle Jaulent, Lehrerin an der französischen Schule in Konstanz, in einem Brief an Lazarett­ Chefarzt Boilet, in dem sie nach einer Behandlung in Donaueschingen Annemarie Imo, die sie betreut hatte, „eine außerge­ wöhnliche Krankenschwester von aus­ gesprochener Seelengröße und unerschütter­ licher Hingabe“ nannte und den bezeich­ nenden Satz anfügte: „Selbst unter oft schwierigen Bedingungen läßt sie jedem ein­ zelnen ihre außerordentlich qualifizierte Pflege und, was mehr wiegt, ihr tröstendes Lächeln und ihre zuversichtliche Gegenwart zuteil werden.“ Sie selbst lernte in ihrem Dienst am Franzosen-Lazarett viel dazu, auch Erfahrungen, die die Besatzungsmacht­ Ärzte aus dem Indochina-Krieg mitgebracht hatten, und konnte dieses gesammelte Wis­ sen dann investieren, als sie es an junge ihres Helfens zurück, seit die am 7. Juli 1911 als ältestes von acht Geschwistern in Donaueschingen geborene Annemarie lmo sich in einem Grundausbildungskurs die ersten Kenntnisse in Erster Hilfe aneignete. Dem Besuch der Volks- und der Gewerbe­ schule hatte sie zuvor eine Lehre im Nähen folgen lassen und mit der Gesellenprüfung abgeschlossen, doch ungeachtet ihrer Preise in der Schule und vor der Handwerkskam­ mer war sie in diesem Beruf nicht glücklich geworden,“ weil mir die Arbeit nicht sinnvoll erschien“. Ein Studium war ihr versagt geblieben und an der Schwesternschule war Frau Imo nicht angekommen, weil man sie für die schwere Arbeit der Pflege für nicht kräftig genug hielt. Dennoch absolvierte sie noch vor ihrer Hochzeit mit Ernst Imo – das vom unverges­ senen Donaueschinger Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feurstein getraute Paar feierte 1985 seine Goldene Hochzeit – eine Sanitätsaus­ bildung und ließ ihr zwischen der Geburt ihrer beiden Kinder 1938 einen Schwestern­ helferinnenlehrgang folgen, den sie 1939 abschloß und schon im Jahr darauf ihren Dienst im Donaueschinger Lazarett antrat. 88

Deutsche weitergab. Zuvor jedoch war sie, auch hier widerstrebend, für die letzten sie­ ben Jahre ihres Dienstes im 1977 von den Franzosen aufgegebenen Lazaretts zur „infu­ miere Major“ befördert worden und hatte sich sehr oft um Sterbende kümmern müs­ sen – ,,dürfen“, wie sie diesen allerletzten Dienst an einem Menschen nennt. Die Angehörigen der Soldaten waren oft weit und so wurde sie von ganz Jungen und sogar von Mohammedanern am Ende noch als „Mama“ angesprochen. Annemarie hat viele Erfahrungen machen dürfen, daß sie diesen Sterbenden ganz unabhängig von deren Religionszugehörigkeit in einem guten Tod hat begleiten können. Neben diesem Einsatz (,,einen Achtstun­ dentag gab es praktisch nie, es waren zehn oder zwölf Stunden oder gar durchgehend“) engagierte sich Frau Imo zunehmend im Roten Kreuz.1961 war sie Bereitschaftsführe­ rin des Ortsvereins Donaueschingen gewor­ den, ein Amt, das sie 1964, zwei Jahre nach ihrer Wahl auch zur Kreisbereitschaftsführe­ rin, notgedrungen und arbeitsüberlastet, wie­ der aufgab. Im Kreisverband aber blieb sie 14 Jahre Bereitschaftsführerin und initiierte oder/und leitete eine Vielzahl von Kursen. Als sie 1976, 65jährig, auf dieses Amt verzich­ tete, gab es im Bereich des Kreisverbandes Donaueschingen nicht weniger als 420 aus­ gebildete Schwesternhelferinnen. Ihre Ge­ sundheit hatte die starke Belastung nicht mehr länger mitgemacht und so gab sie in jener Zeit auch die Leitung der DRK-Alten­ gymnastik auf, setzte aber, als sie sich dazu wieder in der Lage fühlte, die Lehrgänge für weitere Schwesternhelferinnen fort. ,,Ich hatte es schwer, mich damit abzufinden, nur noch ein wenig in der Nachbarschaft helfen zu können, aber ich behalte immer Augen und Ohren auf, damit ich in besonderen Notfällen Hilfe vom Roten Kreuz erbitten oder kann“, umschreibt sie bescheiden wie stets das Maß an Arbeits- und Hilfsbereitschaft, das sie immer noch leistet. einspringen persönlich „Alles in allem scheint es mir nichts Besonderes, was ich tun konnte“, so bilan­ zierte Annemarie Imo gegenüber dem „Almanach“ ihr ehrenamtliches Lebenswerk – daß nur sie selbst das so sieht, unterstrei­ chen zahlreiche Ehrungen: 1971 hatte ihr das Rote Kreuz sein „Ehrenkreuz“ verliehen, 1977 die Stadt Donaueschingen die silberne Medaille, in den sechziger Jahren hatten die Franzosen sie gleich zweimal dekoriert, davon einmal mit der Ehrenurkunde des Oberkommandierenden, und 1984 das Rote Kreuz sie zum Ehrenmitglied gemacht. Ein Jahr zuvor hatte sie für 50jährige Mitglied­ schaft die höchste Ehrung des Donaueschin­ ger Ortsvereins bekommen. Die Laudatio für alle diese Auszeichnungen hatte schon 1958 der unvergessene Donaueschinger Arzt Dr. Oscar formuliert, der als ehemaliger Ober­ stabsarzt und Leiter der Personalabteilung der Sanitätsabteilung Donaueschingen „Frau lmo nur das beste Zeugnis ausgestellt“ und neben ihrer Kunst als Krankenschwester ins­ besondere ihre Hingabe bei der Pflege SchwerstveIWUndeter hervorgehoben und gerade im Dienst an diesen Mitmenschen auch durch ihren Humor heilen geholfen haben. ,,Ich habe“, so sagte sie jetzt, ,,mich meinen Patienten so verbunden gefühlt, als ob es meine eigenen wären“. Und: ,,Ich habe meine ganzen Ehrungen nur dafür ange­ nommen, weil ich mir gesagt habe, vielleicht weckt das andere zum Helfen auf.“ Eine Ehrung freilich, deren Besitzes sich heute schon eine ganze Reihe von Mitmen­ schen rühmen, die nicht wie Annemarie Imo ein ganzes Leben lang geholfen haben, die hat sie nie bekommen: das Bundesverdienst­ kreuz. Das Staunen des Verfassers, der ledig­ lich die Jahreszahl erfragen wollte, zu der sie geehrt worden war, beantwortet Frau Imo mit einem verlegenen Lächeln: sie weiß nicht, weshalb bislang noch kein Bundesver­ dienstpräsident sie damit ausgezeichnet hat. Vielleicht einfach deshalb, weil es bislang alle ,,Zuständigen“ versäumt haben, sie vor­ zuschlagen? Denn Gründe, es ihr verleihen zu können, gibt es schon längst genug. Gerhard Kiefer 89

Günter Siek Bürgermeister von Mönchweiler von 1960 bis 1988 Am 23. April 1988 wurde Herr Günter Siek nach 28 Jahren des Wirkens als Bürger­ meister in Mönchweiler in der vollbesetzten Alemannenhalle aus der Mitte des Gemein­ derats und der Bevölkerung feierlich ver­ abschiedet. Im gleichen Jahr konnte der 1930 Geborene seinen 58. Geburtstag feiern und auf lange erfolgreiche Jahre in der Kommu­ nalpolitik zurückblicken. Mit der Verwaltungslehre bei der Stadt­ verwaltung Saarbrücken begann seine Tätig­ keit im öffentlichen Dienst. In seinem Stre­ ben nach selbständiger, verantwortungsvol­ lerer Tätigkeit im Kommunalbereich bewarb er sich 1960 mit drei Mitbewerbern um das in Mönchweiler frei gewordenen Amt des Bür­ germeisters. Im zweiten Wahlgang fiel die Entscheidung zu seinen Gunsten. Günter Siek machte sich ans Werk in einer Weise, die ihm bald Respekt und Anerkennung bei Gemeinderat und Bevölkerung, bei Kollegen und im Landkreis einbrachte. Hohes Lob fand seine liberale Amtsführung, basierend auf einer echten christlichen Grundhaltung, mit der er im wesentlichen auch den Stil im Gemeinderat prägte. Obwohl Mitglied einer großen Partei, verstand er es, sein Amt als Bürgermeister und als Vorsitzender des Gemeinderates mit einem Höchstmaß an Überparteilichkeit auszuüben und hierbei vorbildliche Maßstäbe zu setzen. Seine von ihm als ganz selbstverständlich praktizierte Bürgernähe, sein nimmermüder Einsatz zum Wohle der Gemeinde sowie sein Verständnis für die Kirchengemeinden des Ortes fanden bereits höchste Anerkennung und den Dank der Bürger bei der 1. sowie bei der 2. Wiederwahl als Bürgermeister in den Jahren 1968 bzw. 1980: Günter Siek erhielt jeweils rd. 98 % der abgegebenen gültigen Stimmen. Bei seinem Dienstantritt 1960 zählte der ursprünglich von der Landwirtschaft ge­ prägte Ort Mönchweiler mit mittleren und 90 kleineren Betrieben rd. 1800 Einwohner. Günter Siek fand, unterstützt von einem auf­ geschlossenen Gemeinderat, engagierten Mitarbeitern in Verwaltung, Bürgerschaft und Vereinen, die Möglichkeit, die Geschicke der Gemeinde durch infrastruktu­ relle Maßnahmen Zug um Zug positiv weiter zu gestalten. Mitunter hatte er hierbei zunächst Überzeugungsarbeit zu leisten. Bis zum Jahre 1988 wuchs die Einwohner­ zahl auf rd. 3.000. Investitionen in Höhe von insges. 27 Millionen DM begleiteten diesen Vorgang. Straßen, Aussiedlungs-und Bauge­ biete wurden erschlossen, die Hauptschule mit Pausenhalle und Mehrzweckhalle (Ale­ mannenhalle) erstellt. Wege-und Straßen­ bau, Kanalisation, Wasser-und Stromversor­ gung bis zum Sportplatzneubau mit Tribüne und Umkleidehaus folgten. Der Neubau der

Friedhofshalle und des kommunalen Kinder­ gartens sowie Maßnahmen zur Sanierung des Gebiets Dorfmitte waren weitere Statio­ nen der unter der Regie von Bürgermeister Siek eingeleiteten Entwicklung, die Mönch­ weiler u. a. das Prädikat als staatlich aner­ kannten Erholungsort einbrachte. Der kommunalpolitische Wirkungskreis von Günter Siek reichte indessen über die Grenzen von Mönchweiler weit hinaus: Er war nicht nur Kreistagsmitglied, sondern auch über Jahre hinweg Vorsitzender des Gemeindetags – Kreisverband Schwarzwald­ Baar-Kreis – sowie der Bürgermeistervereini­ gung. Ab 1969 gehörte er dem Landesvor­ stand zunächst des Verbands Badischer Gemeinden und seit seiner Gründung am 1. 1. 1973 demjenigen des Gemeindetags Baden­ Württemberg an. Er war Mitglied des Rechts­ und Personalausschusses beim Gemeindetag und ferner des Hauptausschusses des Deut­ schen Städte- und Gemeindebundes auf Bundesebene. In seiner Bescheidenheit hatte Günter Siek, als er vom Landtagsabgeordneten Erwin Teufel für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen wurde, eine überregionale Ehrung abgelehnt. Der Gemeinderat Mönchweiler honorierte jedoch den konti­ nuierlichen Einsatz des langjährigen Bürger­ meisters für die Allgemeinheit mit der ein­ stimmig beschlossenen Verleihung des Ehrenbürgerrechts sowie der neugeschaffe­ nen Bürgermedaille in Gold. Gemeinderat und Bürgermeisterstellver­ treter Ernst Haas, selbst dem Gemeindepar­ lament über Jahrzehnte hinweg zugehörig, hielt die Laudatio auf Günter Siek und nahm die hohe örtliche Auszeichnung in treffen­ den und herzlichen Worten vor. Der Dank des Bürgermeisterstellvertreters galt aber auch Frau Ruth Siek, die ihren Ehemann all­ zeit bestens unterstützt hatte. In weiteren Ansprachen prominenter Gäste, u. a. des Landrats Dr. Rainer Gutknecht und des Bür­ germeisters Robert Portal aus der südfranzö­ sischen Partnerstadt Chabeuil/Drome (seit 1983), kam die Hochschätzung für Günter Siek ebenfalls zum Ausdruck. Eine besondere Ehrung wurde Günter Siek durch den Gemeindetag Baden-Würt­ temberg zuteil: Hauptgeschäftsführer Dr. Steger überreichte ihm zum Dank für sein bedeutsames Wirken auf überörtlicher Ebene die Freiherr-vom-Stein-Medaille, die höchste Auszeichnung, die der Gemeindetag zu vergeben hat. Günter Siek fiel der Abschied von seinem Amt, obwohl selbst gewollt, nach einer von ihm und seiner Familie als überwältigend empfundenen Feierstunde gewiß nicht leicht. Als Alt-Bürgermeister wird er in Mönchweiler weiterhin hohes Ansehen und große Anerkennung genießen und der Gemeinde – hoffentlich auf lange Zeit – als Bürger und Ehrenbürger erhalten bleiben. Theo Arnold Karl Glökler Ein einsatzfreudiger und mutiger Tuninger Bürger Wer kennt ihn nicht, den »König Karl“? Ein Bauer mit dem Mut zum klaren Wort und direkter Offenheit sowie ein kantig wir­ kender uneitler Mann. Wer wie der Verfasser mit Karl Glökler menschlich und politisch seit vielen Jahren verbunden ist, schätzt an diesem Mann Eigenschaften wie: offen, direkt, ehrlich, treu. Man könnte auch sagen, er ist das Gegen­ teil von falsch und scheinheilig und kein Anhänger des heute so oft gebrauchten „sowohl als auch“ oder gar der „Null-Bock­ Mentalität“. Karl Glökler ist streitbar, aber nicht ver­ stritten. Der Landrat hatte in seiner Laudatio aus Anlaß der Aushändigung des Bundesver- 91

tung Tuningen, Beirat und Aufsichtsrat der „Interfleisch“ Stuttgart, sowie Gründungs­ und Vorstandsmitglied des Schweinekon­ trollrings Rottweil, Tuttlingen, Balingen. Karl Glökler drängte es über seine beruf­ liche Tätigkeit hinaus in die Kommunalpoli­ tik. Von 1962 bis 1988 war er Gemeinderat in Tuningen. Dabei war er viele Jahre wechsel­ seitig 1. Bürgermeisterstellvertreter und 2. Bürgermeisterstellvertreter. Vom Gemeinde­ tag Baden-Württemberg erhielt er die Ehren­ medaille. Zur Kreispolitik war es nicht mehr weit. 17 Jahre lang vertrat er Tuningen im Kreistag Tuttlingen und nach der Kreisreform im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises. Er war Mitglied in der Spruchkammer für Wehrdienstverweigerer und im Musterungs­ ausschuß beim Kreiswehrersatzamt Donau­ eschingen. Auch die langjährige Mitglied­ schaft in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Pflegeheim und Altersheim Haus Wartenberg in Geisingen nahm er gerne wahr. Parteipolitisch betätigte sich Karl Glökler in der CDU. Er war Gründungsmitglied der Jungen Union und führte den Kreisverband Tuttlingen der Jungen Union. In späteren Jahren gehörte er den CDU-Kreisvorständen in Tuttlingen und im Schwarzwald-Baar­ Kreis an und war schließlich Bezirksvor­ standsmitglied der CDU Südbaden. Mit dem im Frühjahr 1989 verstorbenen Wil­ helm Buggle verband ihn eine enge persön­ liche und politische Zusammenarbeit: 12 Jahre war er Zweitkandidat für die Landtags­ wahl im Landkreis Tuttlingen. 30 Jahre betreute er als Ortsvertrauensmann bzw. Ortsvorsitzender den CDU-Ortsverband Tuningen. Auch als Kreisvorsitzender des Agrarausschusses der CDU Tuttlingen und des Schwarzwald-Baar-Kreises machte er sich verdient. An weiteren Tätigkeiten sind zu nennen: Mitglied im Verwaltungsrat der Kreisspar­ kasse Tuttlingen, Elternbeirat der Grund­ und Hauptschule Tuningen, Elternbeirat der Realschule Trossingen, V dK-Ortsvorsitzen- dienstkreuzes recht, wenn er davon sprach, daß Karl Glökler auch poltern kann. Sein Abschied aus der Kreis- und Kom­ munalpolitik im Jahre 1988 ist für seine Hei­ matgemeinde Tuningen, den Schwarzwald­ Baar-Kreis, für die Berufsverbände und für seine politischen Freunde ein Verlust. Für seine Frau und seine Familie, seinen Hof aber ein Gewinn. Es war für Karl Glökler ein großer Tag, als ihm Landrat Dr. Gutknecht am 2. 6.1989 das Bundesverdienstkreuz am Bande aushän­ digte und die Persönlichkeit skizzierte. Auch Erwin Teufel, der Wahlkreisabgeordnete im Landtag und Fraktionschef der CDU-Land­ tagsfraktion, war als langjähriger politischer Weggefährte zur Stelle. Es war eine Feier­ stunde, in der man spürte, wie sehr die T unin­ ger Bevölkerung mit Karl Glökler als einem langjährigen kommunalpolitischen Mitstrei­ ter verbunden ist. Schon früh profilierte sich Karl Glökler als hauptberuflicher Landwirt in seinem Berufs­ stand und leitete viele Jahre den Kreisbauern­ verband. Gleichzeitig war er stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Tuttlingen, Aufsichtsrat der Milchverwer- 92

der in Tuningen (22 Jahre); er trägt die gol­ dene Ehrennadel des Verbandes. Vor einigen Jahren wurde er bereits als Kavalier der Straße ausgezeichnet, weil er in schwieriger Lage Hilfe geleistet hat. Ein derartig vielseitiger Einsatz hat Selten­ heitswert. Karl Glökler hat diesen Weg zurückgelegt, ohne zu fragen, was er dafür bekommt. Sein Ausscheiden aus der aktiven Politik wird allseits bedauert. So wie wir Karl Glökler kennen, wird er gelegentlich mit Wehmut an die gemeinsamen Jahre zurück­ denken. Ihm und seiner Familie gelten unsere besten Wünsche. Otto Weissenberger Klara Beutel Eine Triberger Bürgerin mit Herz und Verstand ,,Kennen Sie ,Klara 2000′?“, der angespro­ chene Mann auf dem Triberger Marktplatz schmunzelt: ,,Ha jo, ’s Klärle – Klara Beutel in der Rohrbacher Straß‘!“ Die Triberger kennen sie und haben sie mehrere Male in den Stadtrat gewählt – mit über 2000 Stim­ men. Von daher kommt die liebevolle Bezeichnung „Klara 2000″. „Ich habe Glück gehabt und Gottes Segen“, meint sie, auf ihr Leben zurück­ schauend. ,,Ich bin durch eine harte Schule gegangen, aber ich habe ein erfülltes Leben gehabt in meiner Familie, bei meinem sport­ lichen Engagement und jetzt in der Kommu­ nalpolitik.“ Ihr Lebensweg beginnt in Schonach. Dort geht sie zur Grund- und Hauptschule. Als Zehnjährige bekommt sie den Ernst des Lebens zu spüren: ihre Mutter bringt sie zum Jungbauern auf den Rensberg als Hirten­ mädchen. Das war eine harte Zeit, in der sich die kleine Klara behaupten muß. Der Weg zur Schule auf den Rensberg ist weit für die Zehnjährige: eine Stunde hin und eine zurück. Trödeln galt nicht. Aber auf dem Rensberg lernt sie, die nie gern stillsaß, etwas fürs Leben und auch eine Richtung für ihr Leben: Lehrer Seeger lehrte sie schwim­ men. Das achte Schuljahr absolviert sie wie­ der an der Schonacher Schule, die sie 1941 abschließt. Doch der Krieg hat begonnen und er wirkt sich auch auf die Schonacher Familien aus. Klara muß die Pflichten ihrer Mutter, die krank war, übernehmen, Haus und Geschwister versorgen. Der Vater war als Soldat in Rußland und galt als vermißt. Wann immer sie bei ihrer strengen Arbeit Zeit findet, geht sie turnen. Sie stach als Gerä­ teturnerin hervor. Aber auch andere Sportar­ ten interessierten sie: Skilaufen (,,Mit was für Ski – und die Hosen!“), beim Handball stand sie im Tor und hielt die Bälle ganz gut. 1943 bakam Klara Thoma eine Chance: mit zwei weiteren Schonacher Mädchen konnte sie in Frankfurt/Main ihren Sportwartinnen-Aus­ weis absolvieren. Eine Karriere auf dem sportlichen Gebiet schien sich abzuzeich- 93

nen. Aber zunächst drohte diese schon am 5- Meter-Sprungbrett der Sportschule zu schei­ tern: ’s Klärle konnte zwar schwimmen, ,,aber ich hatte rue den Kopf unter Wasser“. Erst als die Trainerin sie einen Feigling schimpfte, bekam Klara ihren Ehrgeiz-Zorn: ,,Denen werd ich’s zeigen“ – und sie sprang. Während des Krieges mußte sie zur Firma Schneider, die inzwischen Teile für die Rüstung herstellte. Auch eine dreijährige Ausbildung im Nähen absolvierte die junge Klara. So nähte sie nicht nur ihre, sondern auch die Kleidung für Mutter und Geschwi­ ster. Die Zeiten besserten sich nicht. Der Vater kam zwar zurück, war aber gesundheit­ lich so schwer geschädigt, daß er bald ver­ starb. Wieder mußte ’s Klärle ran. ,,Es war eine harte Zeit“, sinruert sie, ,,aber ich habe auch viel gelernt für meine späteren Funktio­ nen. Damals habe ich mir vorgenommen, mich, wo es nur geht, weiterzubilden“. Im März 1946 beginnt für die Neunzehn­ jährige ein neuer Lebensabschrutt. Sie lernt auf einer Hochzeit den Triberger Hermann Beutel kennen. Sie mochten sich auf Anhieb: zehn Tage später waren sie verlobt, ein Jahr später verheiratet. ,,Und ich wollte doch nie einen Triberger heiraten“, schmunzelt Klara heute. Das junge Paar zog nach Triberg und dort einige Male um, bis sie in der Rohr­ bacher Straße unweit ihrer jetzigen Heim­ statt Wohnung nahmen. Hermann Beutel, handwerklich begabt, verspricht seiner jun­ gen Frau ein eigenes Haus.1952 beziehen sie es: sie leben heute noch darin. Kaum im eigenen Haus hört sie an der Rodelbahn in Triberg, die parallel zur Rohr­ bacher Straße verläuft, Lautsprecherstim­ men und allerlei Umtrieb. Ein Rodelwettbe­ werb werde ausgetragen, sagt man ihr. Klara meldet sich an, leiht sich ein Rennrodel, hatte „von Tuten und Blasen keine Ahnung“ und macht bei den Südwestdeutschen Meister­ schaften den zweiten Platz. Damit begann für die agile junge Frau eine dreißig Jahre währende Liebe, die sie ihren Söhnen weiter­ gab und die vom Ehemann Hermann gerne toleriert wurde: bis 1965 fuhr sie aktiv Ren- 94 nen und brachte manchen Siegespreis nach Hause, sie wurde Frauenwartin beim Südba­ dischen Bob- und Schlittensportverband, später dann im Baden-Württembergischen Schlittensportverband. Jugendwartin, Trai­ nerin und ab 1966 dann Frauenwartin des Deutschen Bob- und Schlittensportverban­ des mit Sitz und Stimme im Präsidium. 1972 war dann für Klara Beutel noch ein­ mal ein großes Jahr: sie nahm als Frauenwar­ tin der deutschen Nationalmannschaft im Rennrodeln an der Olympiade in Sapporo teil, reiste viereinhalb Wochen durch Japan, sah die Zwölf-Millionen-Stadt Tokio, genoß noch „ihre“ jungen Sportler – und machte Schluß mit dem Rennrodelsport. Endgültig. Als Dank erhielt sie das Goldene Ehrenabzei­ chen des Deutschen Bob- und Rodel-Ver­ bandes. 1977 rückte sie zum ersten Mal in den Tri­ berger Stadtrat ein. Es galt nun, für die Bürger und deren Wohl die richtigen Entscheidun­ gen zu treffen. Es galt aber auch, sich als erste Frau im Triberger Stadtrat durchzusetzen. Politisch schloß sie sich der CDU an, von 1981 bis 1982 war sie geschäftsführend für den CDU-Stadtverband tätig. Dann wurde sie zur Vorsitzenden gewählt, was sie bis 1987 blieb.1987 gab sie ihren Vorsitz beim CDU­ Stadtverband auf. Sind ihr das Erreichte, die Erfolge zu Kopf gestiegen? ,,Nein“, erwidert Klara Beutel. ,,Ich würde das alles noch mal machen“. Renate Bökenkamp Zeit und Rosen kopfüber hängt der Strauß im Fenster verblaßt die Farben als Liebe jung und leuchtend war brachtest du die Blumen jetzt bewahrt nur Staub Erinnerung Christiana Steger

Emil Frei bauliche Erster Lackfabrikant im Landkreis und Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Döggingen Seine ausschließliche Außendiensttätig­ keit in Baden-Württemberg -Elsaß gestal­ tete sich dagegen schwieriger, weil die allge­ meine wirtschaftliche Lage auch schwierig war. Im Jahre 1909 errichtete er im elterlichen Hause ein kleines Lacklager, von wo aus er auch als Farbengroßhändler die ersten Kun­ den belieferte. Durch den Erwerb verschiedener Grund­ stücke hat er 1912 den Grundstock für die jet­ zige Lackfabrik gelegt. Im Jahre 1914 folgten die Erweiterungen der Baulichkeiten für das neu erbaute Wohn-, Büro- und Lager­ gebäude. Im Kriegsjahr 1915 wurde er als Leiter des Lebensmittelamtes Donaueschingen und im Jahre 1916 als Leiter des Kommunalverban­ des Donaueschingen (Stadt und Kreis) ange­ stellt. Erst im Jahre 1921 war es Emil Frei mög­ lich, weitere Produktions-Gebäude zu erstel­ len und in Betrieb zu nehmen. Am 15. Sep­ tember 1926 gründete er in seinen eigenen Baulichkeiten die Lackfabrik Emil Frei, welche sich trotz aller Widrigkeiten politi­ scher und wirtschaftlicher Art zielstrebig und gut entwickelte. Die erste wesentliche Erweiterung des Betriebes zur Lackfabrik erfolgte 1934/35. Verschiedene Erweiterungen schlossen sich in den folgenden Jahren an. Während des Zweiten Weltkrieges konnte Emil Frei bereits rund 12 Arbeitnehmer beschäftigen. Nach einer kriegsbedingten Produktions­ einschränkung erfolgte 1947 die Umwand­ lung der Einzelfirma unter Beteiligung der drei Söhne Franz, Erwin und Emil in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Im Jahre 1957 erfolgte die Umwandlung der GmbH in eine Kommandit-Gesellschaft (KG). 95 Emil Frei sen. ist der Gründer der ersten und bisher auch der einzigen Lackfabrik im Südwesten von Baden-Württemberg. Seine Wiege stand in Döggingen, wo er am 4. September 1885 als Sohn des Landwir­ tes Karl Frei und dessen Ehefrau Franziska geb. Leitz geboren wurde. Er ist in der Familie mit zwei weiteren Geschwistern aufgewachsen. Eine längere schwere Krankheit hat ihn daran gehindert, das elterliche Anwesen zu übernehmen. Nach der erfolgreich beendeten Schulausbil­ dung begann die Berufsausbildung in Frei­ burg und eine Volontärzeit in Düsseldorf. Dort hatte er Gelegenheit, alle kaufmänni­ schen und technischen Sparten einer mittel­ ständischen Lackfabrik kennenzulernen. Anschließend hatte er auch im Außen­ dienst im Gebiet Hannover die Möglichkeit erhalten, seine Kenntnisse zu vervollständi­ gen. Auf diesem Gebiet hat Emil Frei mit gro­ ßem Erfolg gearbeitet, wie ihm sein damali­ ger Arbeitgeber gerne bestätigte.

Die Marktposition der Lackfabrik liegt vor allem im südwestdeutschen und süddeut­ schen Raum. Seit 1966 haben die drei Söhne des Firmengründers die Geschäftsführung inne. Sie führen mit gleicher Weitsicht und sicherem Geschick das Unternehmen fort. Das Werk beschäftigt gegenwärtig etwa 280 Mitarbeiter, ein Vierfaches der Mitarbei­ terzahl von 1951. Ein langjähriger Mitarbei­ terstab fertigt in modernen Fabrikationshal­ len eine breitgefächerte Palette von Indu­ strie-und Malerlacken sowie Dispersions­ Anstrichfabren. Neuzeitlich eingerichtete Laboratorien dienen einem erfahrenem Stab von Ingenieuren und Technikern als Grund­ lage zur Entwicklung neuer Produkte. Ein umfangreiches Fertigwarenlager dient zur prompten Belieferung weitverzweigter Abnehmerkreise, zu denen bedeutende Industriewerke mit weltbekannten, ver­ pflichtenden Namen gehören. Nach schwerer und mit großer Geduld ertragener Krankheit verstarb Emil Frei am 29.Oktober 1969. Er war Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Döggingen. Der Verstor­ bene war Mitglied verschiedener örtlicher In memoriam Ein Unternehmer mit Weitblick Als am 10. Februar 1988 unter großer Anteilnahme deutscher und ausländischer Freunde, Geschäftspartner und Mitarbeiter, die sterbliche Hülle des geschäftsführenden Gesellschafters der Firma Kü pper-Weisser Wintermaschinen G.m.b.H. zu Grabe getra­ gen wurde, verlor nicht nur die Firma einen guten und umsichtigen Chef, sondern der Schwarzwald-Baar-Kreis auch eine profi­ lierte Unternehmerpersönlichkeit. Willy Küpper, am 5. Januar 1921 in Büs­ bach bei Köln geboren, stammte aus einer Handwerkerfamilie. Er erlernte den Beruf eines Fotografen und machte sich später in dieser Branche und mit Schreibwaren selbst- 96 Willy Küpper Vereine, viele Jahre Mitglied des Gemeinde­ rates und über 12 Jahre erster Vorstand der örtlichen Spar-und Kreditkasse. Die Firma verlor in ihrem Seniorchef einen sozial verantwortungsbewußten und weitsichtigen Unternehmer sowie eine starke Persönlichkeit. Seine Söhne Franz, Erwin und Emil füh­ ren das Unternehmen in seinem Sinne wei­ ter. Es hat an Marktbedeutung wesentlich zugenommen und auch der Exportanteil konnte beachtlich gesteigert werden. Mit den Container-Beschichtungsmitteln ist der Name Frei-Lacke weltweit bekannt geworden. Umweltfreundliche Neuentwick­ lungen in Pulverlacken, elektrotauch-und Wasserlacken haben den Frei-Lacken weite­ ren Auftrieb gegeben. Immerhin werden mit den Dispersions-Anstrichmitteln mehr als 50 % der Jahresproduktion an umwelt­ freundlichen Produkten hergestellt. Ein erfreulicher Trend, welcher sich in den nachfolgenden Jahren, auch ohne gesetz­ liche Maßnahmen und innerhalb des Euro­ päischen Binnenmarktes, fortsetzen wird. Walter F. Bogotsch ständig. Als er am 15. Oktober 1953 heiratete, verlegte er seinen Wohnsitz nach Bräunlin­ gen und trat in die Firma seines Schwieger­ vaters, Hubert Weisser, ein. Niemand, auch er selbst nicht, ahnte damals, daß dieser Schritt die Entwicklung eines Unternehmens einleitete, das heute auf seinem speziellen Fertigungsgebiet der Winterdienstgeräte und Verkehrssicherungssysteme internationale Anerkennung findet. Es war schon mehr als ein glücklicher Zufall, daß hier zum richtigen Zeitpunkt der richtige Mann an die richtige Stelle kam. In den fünfziger Jahren nahm der Straßenver­ kehr stark zu. Es wurden bessere Straßen

Regie das Haus Küpper-Weisser (damals noch Weisser-Streuer) einen Schritt weiter. Man versuchte schon in den sechziger Jahren die Verwirbelung der Feinkornanteile beim trockenen Salz durch Zugabe von Flüssigkeit zu binden. Dieses Verfahren ist heute im modernen Winterdienst nicht mehr wegzu­ denken. Wie diese 25-jährige Pionierleistung in der Feuchtsalztechnik, so hat Herr Willy Klipper immer aktiv, und mit großem Erfolg, an Ent­ wicklungen hinsichtlich der ökonomischen und auch ökologischen Streuverfahren ent­ scheidend mitgewirkt. Für diese umfang­ reiche Produkt-Palette hat er zahlreiche Patente im In- und Ausland erhalten. Parallel dazu verlief auch die Entwicklung des Betriebes ständig nach oben. War es Anfang der fünfziger Jahre noch möglich, die ursprünglichen Elektro-Streuer in einer ein­ fachen Werkstatt zu bauen, so machte die Automatisierung des Winterdienstes am Ende des Jahrzehnts eine Kapazitätserweite­ rung erforderlich. Die anfängliche Produk­ tionsstätte wurde durch verschiedene Anbauten vergrößert und stellte sich im Jahre 1960 bereits als respektabler Betrieb dar. Zehn Jahre später erfolgte die Aussiedlung ins Industriegebiet. aus dem Stadtkern Durch Gebäudeerweiterungen ist die Betriebsfläche auf den heutigen Stand von 28.000 qm und einer Produktionsfläche von über 11.000 qm gewachsen. Willy Klippers intensive Exportbemü­ hungen führten zur Gründung von Tochter­ gesellschaften in Österreich und in der Schweiz, sowie zu Lizenz-Produktionen in Österreich, Ungarn, England und Frank­ reich. Die Firma Küpper-Weisser präsentiert sich heute in Europa als führender Streugerä­ tehersteller. Exportanteile von 35-40 % beweisen ein ausgewogenes und gesundes Kräfteverhältnis im Absatzbereich. Seine Bestrebungen galten aber auch der ständigen Verbesserung der Organisations­ struktur des Betriebes. Große Aufmerksam­ keit widmete er den sozialen Fragen und den zwischenmenschlichen Beziehungen seiner 97 gebaut bzw. vorhandene Straßen ausgebaut. Gegen Ende des Jahrzehnts wurde von seiten des Bundesverkehrsministeriums die Auto­ matisierung des Winterdienstes und die Ver­ wendung auftauender statt wie bisher abstumpfender Streustoffe angestrebt. Hier sah Willy Klipper für sich und die Firma eine reelle Chance, die er voll auszunutzen ver­ stand. Es war das Gespür für die richtigen Entscheidungen und der „unsichtbare Draht“ in die Zukunft, der ihm ein Höchst­ maß an persönlichem Einsatz und Mut zum Risiko abverlangte. Als zu Beginn der sechziger Jahre die fahr­ geschwindigkeitsabhängige Streustoffaus­ bringung eingeführt wurde, man nannte es wegabhängige Steuerung, stand er mit seiner Firma in der ersten Reihe und entwickelte aus der anfänglich mechanischen Tachowellen­ steuerung schließlich die perfekte, elektro­ nisch über Wegimpulse gesteuerte Streu­ technik, die eine vorher undenkbare Genauigkeit aufwies. Wenn andere sich über ihre Erfolge freu­ ten, dann wurde bei ihm bereits an der Zukunft gearbeitet. Bei der Glättebekämp­ fung durch Auftaumittel ging unter seiner

Mitarbeiter. Er wußte sehr wohl, wie man Menschen führen und leiten soll. Er wußte auch, daß Menschen keine Maschinen sind, die man willkürlich an- und abstellen oder auch austauschen kann. Er hatte das, was man ein soziales Gewissen nennt. Es gibt unzählige Beispiele seiner stillen Hilfe in Situationen, wo nicht der Rechtsstandpunkt sondern der Mensch gefragt war. Willy Klipper fand durch seine unkompli­ zierte Art schnell hilfsbereite Partner bei Ver­ waltungen, Verbänden, Kammern und ande­ ren Institutionen. Zur Vertretung von gemeinsamen Belangen baute er, als Mann der ersten Stunde, den Verband der Aufbau­ und Geräteindustrie für Kommunalzwecke e. V. (V AK) mit auf. Bis zuletzt war er im Vorstand und erwei­ terten Vorstand aktiv und führte dort die Arbeitsgruppe Winterdienstfahrzeuge und Geräte. Darüberhinaus war sein Rat und seine Mitarbeit bei der Deutschen For- schungsgesellschaft für das Straßen- und Ver­ kehrswesen ebenso gefragt wie beim Bundes­ verkehrsministerium, bei den Ministerien der Länder und den Kommunalverwaltun­ gen. Im Deutschen Institut für Normung (DIN) Berlin galt sein Bestreben innerhalb des Normenausschusses Kommunale Tech­ nik (NKT) einer Standardisierung der Win­ termaschinen. Für seine besonderen Verdienste und seine unternehmerische Leistung wurde ihm im Jahre 1981 vom Herrn Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande verliehen. Der Unternehmer Willy Klipper war mit außergewöhnlichen geistigen Fähigkeiten ausgestattet, die es ihm ermöglichten, sowohl kaufmännisch als auch technisch die Abläufe richtig zu ordnen und zu kombinieren, so daß Spitzenprodukte entwickelt wurden, die für die gesamte Verkehrssicherheit von gro­ ßer Bedeutung sind. Franz-Rudolf Himer Ölbild: Klaus Burk 98

Christian Straub Ein Schneidermeister mit dem Herz auf dem rechten Fleck bereitete er sich auf seine Meisterprüfung vor, die er 1938 mit der Anfertigung eines Frackes als Meisterstück abschloß. Es zog den frischgebackenen Schneider­ meister nach Hüfingen zurück, und am 1.Mai 1938 eröffnete er im Süßen Winkel seine Werkstatt. Das Geschäft begann zu flo­ rieren, und als er die Möglichkeit erhielt, mit seinem Betrieb in die Hauptstraße zu ziehen, griff Christian Straub zu. Es war das Haus des damaligen Bürgermeisters Metzger, das Straub später erwerben konnte. Nun konnte der junge Geschäftsmann daran denken, seine Auserwählte, Erna Schmidt aus Reiselfingen, heimzuführen. Es wurde eine sehr glückliche Verbindung, aus der ein Sohn und eine Tochter stammen. Erna Straub wurde ihrem Mann eine wert­ volle Stütze, auch in der Werkstatt, obwohl sie nicht vom Fach war. Zunächst griff der Krieg noch nicht nach Christian Straub, er wurde „reklamiert“, weil er fürs Militär arbeiten mußte, doch 1943 mußte er schließlich Soldat werden und kehrte erst 1947 nach Hüfingen zurück. Hier waren nicht nur seine Dienste als Schneider, sondern auch seine Phantasie gefragt. Überall war großer Bedarf an Klei­ dung, doch Stoffe waren so gut wie nicht zu haben. So schneiderte Christian Straub etwa aus zwei alten Hosen eine „neue“ oder aus ehemaligen Polizeimänteln Kommunions­ anzüge. Die Zeiten waren sehr armselig, doch nach der Währungsreform begann ein Auf­ schwung, so daß Christian Straub zeitweise zwei bis drei Gesellen beschäftigen konnte. 18 Lehrlingen hat er im Laufe seiner berufli­ chen Laufbahn das Rüstzeug für den Schnei­ derberuf vermittelt. Schon 1938 war Christian Straub in die Freiwillige Feuerwehr eingetreten und schloß sich auch dem Gesangverein „Liederkranz“ an. Das Vereinsleben wurde ein Teil seines Lebens.1947 schließlich stieß er zur Narren-99 Christian Straub ist Schneidermeister. Obwohl er,Jahrgang 1914, das Ruhestandsal­ ter längst erreicht hat, führt er immer noch Nadel und Maßband -aus Freude am Beruf. Er ist im Besitz des goldenen Meisterbriefes, und 1988 konnte er das SOjährige Bestehen seines Geschäftes feiern. Christian Straub ist zwar kein gebürtiger Hüfinger, doch betrachtet er die Stadt als seine eigentliche Heimat, in der er Wurzeln schlug. Dies wundert nicht, wenn man weiß, daß er schon als Kleinkind nach Hüfingen kam. Er stammt aus Hammereisenbach und verlor schon sehr früh seine Eltern. Im Fürst­ lich Fürstenbergischen Landesheim wurde er von Schwestern erzogen und besuchte die Hüfinger Volksschule. Nie hatte er das Gefühl, als Waise benachteiligt zu sein, ihm gefiel es im Landesheim, wo ihm die from­ men Schwestern Vater und Mutter zu erset­ zen suchten. Nach seiner Schulzeit begann Christian Straub in Singen eine Schneiderlehre, und nach der Gesellenprüfung arbeitete er in Karlsruhe und Pforzheim. Nach dem erfolg­ reichen Besuch einer Zuschneideschule

zunft. Seine angeborene Fröhlichkeit und sein Organisationstalent trugen dazu bei, daß er 1956 zum Zunftmeister gewählt wurde, ein Amt, das ihn mit Leib und Seele ausfüllte und das er 14 Jarue lang innehatte. Vorher war er stellvertretender Zunftmeister und Kassier der Narrenzunft gewesen. Heute ist er Ehrenzunftmeister und in den Reihen der Narren hoch angesehen wie eh und je. In der Feuerweru bekleidete er das Amt des Brandmeisters und war erster Zugführer. Die Wehr hat ihn schon vor Jahren zum Ehrenmitglied ernannt. Auch der »Lieder­ kranz“, dem Christian Straub 50 Jahre lang aktiv angehörte, hat ihm die Ehrenmitglied­ schaft verliehen. Doch damit nicht genug der Vereine: 25 Jahre lang war Straub Vorsitzender des Ver­ kehrsvereins und half auch noch bei der Zim­ mervermittlung, als der Verkerusverein auf­ gelöst wurde.1984 wurde ihm auf Antrag der Stadt Hüfingen die Landesverdienstmedaille verliehen. Schneidermeister Christian Straub hat unzählige Zünfte und Narrengruppen einge­ kleidet. Unter seinen geschickten Händen entstand „Häs“ für Narren aus nah und fern, Uniformen und „Schöpen“. Nie wurde ihm etwas zuviel, auch wenn man zu gewissen Zeiten in seiner Werkstatt Platzangst bekom­ men konnte. ,,Der Christian“ ließ auch die nicht im Stich, die bei der Anprobe ihrer fas­ nächtlichen Aufmachung feststellten, daß halt – wieder einmal – alles zu eng wurde, Christian Straub half schnell und zuverlässig. Seine Werkstatt mitten im Städtle ist nach wie vor ein kleines Kommunikationszen­ trum. Oft schaut schnell mal jemand auf eine Zigarettenlänge herein und sieht dem „Crui­ stian“ zu, der entweder an der Nähmaschine sitzt oder im Schneidersitz auf dem Tisch thront, das Maßband um den Hals geschlun­ gen und flink die Nadel führend. Und wenn am „Schmutzige Dunschtig“ erstmals der Narrenmarsch erklingt, dann schlägt sein altes Narrenherz höher, denn für die „hohen Tage“ hat er nach wie vor eine Schwäche. Ein harter Schlag war für ihn der Verlust seiner Frau im Jahre 1980. Ihn hat Christian Straub nie ganz verwunden. Doch fühlt er sich ver­ sorgt in der Familie seines Sohnes Reinhold, der im gleichen Haus wohnt, und täglich ver­ bindet er mit einem Spaziergang den Besuch bei seiner Tochter, die ebenfalls in Hüfingen wohnt. Christian Straub ist ein liebenswerter Mensch, der im Städtle wohlgelitten ist und dessen Dienste noch gern in Anspruch genommen werden. ,,Die Arbeit hält mich jung“, sagt er verschmitzt, wäruend das schwere Bügeleisen zischend über ein mit einem feuchten Tuch bedecktes Kleidungs­ stück gleitet. ,,Ich freue mich über jeden Tag, den ich leben darf“, sagt Cruistian Straub, und seine Mitbürger wünschen ihm, daß dies noch lange sein wird. Käthe Fritschi Hermann Barth Auch nach dem Berufsleben noch für die Gemeinschaft tätig Für den im Ruhestand lebenden Oberstu­ diendirektor Hermann Barth gibt es nach dem mit viel Verantwortung durchwander­ ten Berufsleben noch vieles zu tun: Ein gut laufender Motor ist nicht einfach abzustel­ len, sondern treibt weiter an, wohl etwas gedrosselt, doch zum privaten und dazu kommunalen Nutzen. Denn da sind die Familie mit Frau Lieselotte und den vier musisch begabten Adoptivkindern sowie das Engagement des jetzt 70jährigen Ried­ öschingers in Ortschafts- und Blumberger Gemeinderat, in Vereinen und Hobbys. Für geistige Regsamkeit, christliches Verantwor­ tungs- und konzentriertes Umweltbewußt­ sein sind die Begriffe „Pensionierung“ und 100

„Ruhestand“ nur platonische Floskeln, die Hermann Barth in die „ willkommene Ruhe für andere, umfassende Tätigkeiten“ über­ setzt. Dazu gehören überzeugend vertretene Meinung und das Erkennen von oftmals „unbequemen“ Nützlichkeiten zusammen mit entsprechendem Durchsetzvermögen. Alles Wesenszüge, die nicht jedermann ins vorgefaßte Konzept passen mögen, letztend­ lich als gemeinnützig dennoch zum Tragen kommen. ,,Brückenköpfe“ sind eben mehr Angriffen als die „Etappe“ ausgesetzt, aber gerade das mobilisiert ungeahnte Reserven, über deren Mangel der Ruheständler keines­ wegs zu klagen hat. Hermann Barth wurde 1920 in Allmends­ hofen geboren. Nach dem Schulbesuch waren seine Berufsstationen: Mechaniker­ lehre bis zum Gesellen in Hüfingen, bis 1939 Technikum Karlsruhe. Als umfassend aus­ gebildeter Segel- und Motorflieger Militär­ dienst bei der damaligen Luftwaffe. Im Zwei­ ten Weltkrieg Blindfluglehrer, Fernaufklärer und Jäger, als letzterer bei der Luftverteidi­ gung von Wien. Russische Gefangenschaft in Stalingrad und dort zwei Jahre als Hei­ zungsmonteur beim Wiederaufbau einge­ setzt. 1947 Heimkehr nach Hüfingen, wo er als Mechaniker Arbeit fand. Meisterprüfung mit höchsten Noten; sechs Semester Inge­ nieur-Schule Konstanz. Ab 1952 Konstruk­ teur, dann Betriebsingenieur in einer Vöhrenbacher Werkzeugmaschinenfabrik. Wunscherfüllung im Lehrberuf nach einjäh­ rigem pädagogischem Zusatzstudium in Stuttgart. 1955 bis 1961 gehörte er dem Leh­ rerkollegium der Gewerbeschule Furtwan­ gen an. Seine Wohnung hatte er jedoch in Riedöschingen, wo er 1953 die„Adler“-Toch­ ter Lieselotte Greitmann geheiratet hatte. Seine weiteren Stationen: Wechsel zur Gewerbeschule Donaueschingen, für die er auch die Außenstelle Blumberg bis zu deren Auflösung 1968 zu betreuen hatte. Mit der wachsenden Gewerbeschule wuchs ebenso schulischer Aufgabenbereich. 1971 sein Oberstudienrat, ständiger Vertreter des Direktors; 1973 Studiendirektor, 1978 Leiter und 1980 Oberstudiendirektor der Gewerbe­ schule mit inzwischen 54 Lehrern und 2100 Schülern. In seine Amtszeit fiel die mehr als verdoppelnde Schulerweiterung für 22 Mil­ lionen Mark, um alle Fachwerkstätten, ein­ schließlich T umhalle, unterbringen zu können. „Ich stand täglich von früh bis spät in der Pflicht“, erklärte Hermann Barth und blieb auch nach seiner von hohen Anerkennungen begleiteten Verabschiedung am 19. Juli 1985 dabei, weil es ihm offenbar eingefleischt ist, vom Leben geschult Verantwortung zu tra­ gen. Schon seit 1961 interessierten ihn Kom­ munalpolitik und Kirchengemeinde. So wählte Riedöschingen ihn 1965 in den Gemeinderat, wo er in der Dorf- und Natur­ gestaltung, in der Bebauungsplanung sowie im Sozialbereich seine Schwerpunkte fand. Bei der nicht überall populären Gemeindere­ form tatkräftig eingesetzt, vertrat er seine Heimatgemeinde dann in der Kernstadt Blumberg, ist ab 1975 Stellvertreter des Orts­ vorstehers und seither Stadtrat im Blurnber­ ger Gemeinderat. So vielfältigen erzieherischen, kommuna­ len und sozialen Aufgaben verpflichtet, blieb die private Sphäre davon nicht ausgeschlos- 101

sen. Die kinderlos gebliebenen Hermann und Lieselotte Barth adoptierten schon 1969 den vierjährigen Paul und die zweieinhalb­ jährige Maria, dazu 1971 die gleichaltrigen Paula und Atul aus christlich geleiteten indi­ schen Kinderheimen. Lange Zeit hatten sie den vom früheren Pfarrer Harterd ins Leben gerufenen „Förderverein Andheri/Bombay“ finanziell unterstützt und sich dadurch mit der Möglichkeit einer Adoption befaßt. Die wie selbstverständlich in die Familie einge­ gliederten Kinder sind inzwischen erwachsen und erfreuen nicht nur ihre Eltern mit den geförderten musikalischen und konzertan­ ten Begabungen. Das Musische wird im Hause Barth ebenso großgeschrieben wie unter anderem die Bindungen an den Schwarzwaldverein, dem der vielseitig inte­ ressierte Hausherr als Wege-, Wander- und Fachwart für Heimat- und Brauchtums­ pflege helfend und initiativ zur Verfügung steht. Vorstandsmitglied im Imkerverein ist er als praktizierender Bienenzüchter auch, und seine Frau Lieselotte gründete die Kin­ dergruppe im örtlichen Trachtenverein. Ein ausgefülltes Leben also, mit dem geschulten Blick über die Heimatberge hinaus, die Riedöschingens Kirchturmspitze noch über­ ragen. Berufs- und Lebenserfahrungen steck­ ten Hermann Barths menschliche und mit­ menschliche Ziele weiter, doch alle zum engeren Gemeinnutzen familiärer und kom­ munaler Verpflichtungsbindungen. In sei­ nem sehenswerten Island-Film fing er das klare Wasser der Flüsse mit ihren gewaltigen Katarakten und Fällen ein, ebenso aber das Vulkanische, das bei aller Abgeschiedenheit und Ruhe stetig gegenwärtig ist. Nicht von ungefähr dokumentierte Hermann Barth diese Kräfte in wohl erkannter Wahlver­ wandtschaft. Jürgen Henckell Emil Werner, Beggingen Erinnerungen an einen Freund und Förderer gutnachbarlicher Beziehungen Seit bald 15 Jahren bestehen zwischen dem Schwarzwald-Baar-Kreis und dem schweizerischen Kanton Schaffhausen – auf „oberer Ebene“ – freundschaftlich-nachbar­ liche Beziehungen. Und dies, obgleich die beiden Gebietskörperschaften nur gerade über einige Kilometer gemeinsame Landes­ grenze direkt miteinander verbunden sind. Die regelmäßigen Kontakte haben mitgehol­ fen, die politischen und menschlichen Bande über die Grenze hinweg in wertvoller Weise zu vertiefen. So gehört es sich, eines oder des Mannes zu gedenken, der an der Wiege dieser grenz­ überschreitenden Beziehungen stand. Es war Gemeindepräsident Emil Werner (1915- 1988), der zu Beginn der Siebzigerjahre als junges Gemeindeoberhaupt der Randenge­ meinde Beggingen den Wunsch äußerte, es möchte zu Kontakten zwischen Schwarz- 102 wald-Baar-Kreis und SchafI-hauser Kantons­ regierung kommen. Die Geburtsstunde war das Gemeindejubiläum in Flitzen, der badi­ schen Nachbargemeinde von Beggingen. Emil Werner fand in Schaffhausen ein offenes Ohr. Zumal zu den Landratsämtern Waldshut – damals unter dem heutigen süd­ badischen Regierungspräsidenten Dr. Nor­ bert Nothhelfer- und Konstanz – unter dem „Halb-Schaffhauser“ Dr. Robert Maus – seit langem gute Kontakte beidseits sehr ge­ schätzt werden. Emil Werner gehörte damals dem Großen Rat, dem Kantonsparlament Schaffhausens, an und wirkte dort als glaub­ und vertrauenswürdiger Vertreter der extrem peripher gelegenen, aber auf ihre Selbstän­ digkeit bedachten Gemeinde im Randental. Emil Werner, selber aktiver Landwirt, verkör­ perte die Begginger Bevölkerung ausgezeich­ net, mit seinem natürlichen, nie verletzen-

Herzensanliegen, die Grenze überwinden zu helfen. Er wußte es aus eigener Anschauung: Entlang der „grünen Grenze“ am Randen mußte ein gegenseitiges Geben und Nehmen vorherrschen. Im Rahmen dieser Bemühungen kam es dann am 30. April 1975 zur ersten offiziellen Begegnung zwischen dem Schwarzwald­ Baar-Kreis und dem Kanton Schaffhausen. Landrat Dr. Rainer Gutknecht besuchte mit einer Delegation des Kreistages den Nach­ barkanton und die Gäste wurden dabei mit den landwirtschaftlichen Besonderheiten des Acker-und Weinbaukantons mit seiner „Voralpinen Hügelzone“, dem Erholungsge­ biet auf dem Randen, vertraut gemacht. Die­ ser ersten Kontaktaufnahme durften seither immer wieder weitere Begegnungen dies­ oder jenseits der Grenze folgen, zuletzt aus Anlaß der 150. Wiederkehr der Grenzbereini­ gung auf dem Randen im Frühjahr 1989 (vgl. Almanach 90 Seite 152ff). Die Begegnungen dank und mit Emil Werner wurden zu einem weiteren stabilisie­ renden Glied in der Kette der wertvollen und bereichernden Kontakte über die Grenz­ pfähle hinweg. Emil Werner, der im Jahre 1988 verstorben ist, hat sich damit um die Vertiefung unserer Freundschaft unter Nach­ barn verdient gemacht. Dafür bleiben wir ihm dankbar. Kurt Waldvogel a.Regierungsrat Nach der Tagesschau geflüchtet vor Attentaten und Entführung – vor Apartheid und Diktatur sehen wir über der klaren Wasserfläche des binsenumstandenen Weihers die Libelle jagen – Christiana Steger 103 den Schalle, mit seinem gesunden Mißtrauen allem Großen und Zentralen gegenüber, aber auch mit seinem gesunden, unverdorbenen Menschenverstand. Emil Werner war ein typisches Kind seiner grenznahen Heimat. Er hing an ihr mit jeder Faser. Doch fehlte ihm nicht der Blick für die weite Welt. Nach der Konfirmation war es ihm vergönnt, zwei Jahre auf einem herr­ schaftlichen Weingut am Genfer See zu ver­ bringen und sich mit der zweiten Landes­ sprache vollends vertraut zu machen. Dann ließ er sich am landwirtschaftlichen Bil­ dungszentrum Charlottenfels zum Landwirt ausbilden. Eine besondere Faszination übte in jenen Jahren das Turnen auf ihn aus, als Mitbegründer und späterer Oberturner wid­ mete er seine gesamte Freizeit dem Sport. Auch im Militärdienst stellte er seinen gan­ zen Mann, den Aktivdienst 1939-45 leistete er mit Begeisterung als Train-Wachtmeister. Neben seiner großen Familie, nicht weni­ ger als acht Kinder wurden ihm und seiner Frau geschenkt, widmete sich Emil Werner in hohem Maße der Öffentlichkeit, während eines Vierteljahrhunderts als Mitglied des Gemeinderates, zuletzt 1972 bis 1984 als Gemeindepräsident. Dabei war es ihm ein

Archäologie Archäologische Funde aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis im Museum für Ur- und Frühgeschichte der Stadt Freiburg i.Br. Das Colombischlößle (Villa Colombi, im Aeftrag der spanischen Gräfin Zea Bermudez y Colombi zwischen 1859 und 1861 erbaut von Georgjacob Schneider), Museum für Ur-und Frühgeschichte der Stadt Freiburg. Freiburger und Freiburgbesucher, die sich für die Archäologie in der Region interessie­ ren, finden seit 1982 bedeutende archäolo­ gische Funde aus dem Regierungsbezirk Frei­ burg im Freiburger Colombischlößle zusam­ mengetragen. In dieser von 1859-61 im Auf­ trag der spanischen Gräfin Zea Bermudez y Colombi erbauten Villa richtete die Stadt Freiburg das Museum für Ur-und Frühge­ schichte als Zentralmuseum für die Archäo­ logie Südbadens ein. Schritt für Schritt weisen archäologische Zeugnisse dem Museumsbesucher den Weg durch die Vor-und Frühgeschichte dieser Region. Immer wieder stößt er dabei auch auf 104 wichtige archäologische Funde aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Der älteste größere Fundkomplex aus die­ sem Landkreis, der im Freiburger Museum ausgestellt ist, ist ein bronzezeitlicher Grab­ fund aus einem Steingrabhügel im „ Weiß­ wald“ bei Überauchen (Brigachtal). Das 1938 bei Forstarbeiten zutage gekommene Grab enthielt als Beigaben einen bronzenen Dolch mit zwei Nieten, neun Bronzenietnä­ gel, fünf flach gegossene Bronzepfeilspitzen, ein bronzenes Lappenbeil und zwei Nadeln, eine mit geripptem Mittelteil und eine mit einem hakenförmig umgebogenen Ende (Abb. 1). Die Grabbeigaben sind charakteri-

. … t “ • 0 Abb. 1: Bronzezeitlicher Grabfund aus dem ,, Weißwald“ bei Überauchen (Brigachtal). stisch für ein Männergrab der jüngeren Hügelgräberbronzezeit Jahrhundert V. Chr.). (14. In die darauffolgende Epoche – die Urnenfelderzeit – führen die Funde aus einem Grab in Hüfingen (Abb. 2). Wie in die­ ser Zeit üblich, sind alle Beigaben – mehrere Schalen und Schulterbecher, eine Kegelhals­ urne, eine Perlenkette und Gehängeschmuck mit Anhängern – in der Graburne auf dem Leichenbrand niedergelegt worden. Die Kette setzt sich aus 42 kleinen blauen Glas­ perlen und zwei gerippten Goldblechröll­ chen zusammen. Zum Gehänge gehört ein größerer Bronzering, an dem drei aus kleine­ ren Bronzeringen zusammengesetzte Ketten befestigt waren. An den einzelnen Ketten hingen als Amulette ein umgekehrt herzför­ miger und ein dreieckiger Anhänger, ferner ein Kammanhänger. Im nächsten Raum der Schausammlung, der der vorrömischen Eisenzeit gewidmet ist, Abb. 2: Kette von blauen Glasringperlen und Goldblechröllchen mit Amulettanhängem. Aus einem umenfelderzeitlichen Grab von Hüfingen. begegnet der Museumsbesucher dann Objekten von einem der spektakulärsten archäologischen Fundplätze aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis: dem Magdalenen­ berg bei Villingen, einem Fürstengrabhügel des 6. vorchristlichen Jahrhunderts. Da in Villin­ gen ein kleines Museum eigens für die Ergeb­ nisse der Ausgrabungen des Magdalenen­ bergs eingerichtet wurde, in dem auch die wichtigsten Funde gezeigt werden, machen im Museum für Ur-und Frühgeschichte Frei­ burg nur einige ausgewählte Objekte auf die­ sen bedeutenden hallstattzeitlichen Fürsten­ grabhügel aufmerksam (Abb. 3): Es sind zwei breite Armbänder aus Gagat, eine eiserne Fibel, zwei Gürtelbleche und ein eiserner Dolch mit Scheide – allesamt Beiga­ ben aus den um die zentrale Grabkammer herum angelegten kleineren Gräbern. Die bei­ den einst paarweise getragenen Gagatarm­ bänder – sog. Tonnenarmbänder -, ein bron­ zenes Gürtelblech und die Fibel, eine sog. 105

Schlangenfibel, die als Haarschmuck wahr­ scheinlich zum Zusammenhalten eines Haarbandes Verwendung fand, stammen aus Frauengräbern. Männergräbern waren die mit Bronzenieten versehenen Gürtelbleche beigegeben – wie auch der prachtvolle eiserne Dolch. Vom hölzernen Griff haben sich nur die drei eisernen Zierknöpfe und die beiden seitlichen Eisenmanschetten erhal­ ten; er wurde in Kunststoff ergänzt. Die Holzschalen der Scheide – jetzt ebenfalls in Kunststoff ergänzt – wurden von einem Eisenband zusammengehalten, mit Bronze­ drähten umwickelt und mit Kugelkopfnieten reich verziert. In der im Obergeschoß des Colombi­ schlößle eingerichteten römischen Abtei­ lung spielen die Funde aus Hüfingen eine besonders wichtige Rolle. An diesem Ort, an dem ein in der Regierungszeit des Claudius (41-54 n. Chr.) errichtetes und unter Nero ausgebautes Kastell mit zugehöriger Therme ausgegraben sowie ein noch früheres Lager, eine Zivilsiedlung (Vicus) und ein Gräberfeld angeschnitten wurden, kam eine Fülle von Kleinfunden zutage, die Einblicke sowohl in das Leben römischer Soldaten als auch der zivilen Bevölkerung in einer Grenzprovinz des Römischen Reiches erlauben. Im ersten Raum der römischen Abteilung sind verschiedenste verzierte Geräteteile und Gewandschmuckstücke entsprechenden Ob­ jekten aus dem etwas früheren Lager von Dangstetten (15-9 v. Chr.) gegenübergestellt. Unter ihnen stechen einige Zierteile von Pferdegeschirr besonders hervor(Abb. 4): ein versilberter Bronzeanhänger mit äußerst fei­ nen vegetabilen Ornamenten und zwei bronzene Zierscheiben mit Niello-Verzie­ rung sowie mehrere zum Teil versilberte Anhänger in Blattform. Ein durchbrochenes versilbertes Bronzeblech mit Rankendekor wird als Möbel- oder Kistenbeschlag verwen­ det worden sein. Ein in der römischen Sied­ lung gefundener Bronzestab, der oben in der Miniaturstatuette eines Hündchens endet, könnte ebenfalls ein zierendes Element eines Möbelstücks gewesen sein (Abb. 5). Abb. 3: Dolch mit Scheide aus einem der hallstattzeitlichen Gräber des Magdalenenbergs bei Villingen. 106

Abb. 4: Bronzescheiben (eine mit Niello-Verzierung, eine versilbert) und versilberte bronzene Blatt­ anhänger von römischem lferdegeschirr. Aus dem römischen Kastell Hüfingen. In den dann folgenden Räumen der römi­ schen Abteilung, in denen die archäologi­ schen Zeugnisse der Römerzeit nach Sach­ themen gruppiert sind, begegnet der Museumsbesucher Funden aus Hüfingen unter verschiedenen Stichworten. Unter dem Thema „Handwerk und Gewerbe“ sind u. a. Eisenwerkzeuge zusam­ mengestellt, von denen die meisten aus Hüfingen stammen -sowohl aus dem Vicus als auch aus dem Kastell: vorwiegend Mau­ rer- und Zimmermannshandwerk – wie Kelle, Hammer, Dechsel, Schäleisen -dane­ ben aber auch mehrere Metzgermesser (Abb. 6). Der Handel -ein weiteres Thema inner­ halb der römischen Abteilung -spielte für Abb. 5: Bronzener Zierstab mit Miniatursta­ tuette eines Hündchens. Aus der römischen Sied­ lung von Hüfingen. 107

Abb. 6: Römisches Werkzeug aus Hüfingen: Hammer, Schäleisen, Ke/k, Metzgermesser. Abb. 7: Bronzene Zügelringe aus der römischen Siedlung von Hüfingen. 108

Abb. 8: Messer mit Beingriffen aus der römischen Siedlung von Hüfingen. Abb. 9: Drei eiserne und ein bronzener Schlüssel aus der römischen Siedlung von Hüfingen. 109

das römische Hüfingen eine zentrale Rolle. In Hüfingen endete noch bald nach der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. zunächst die große aus Italien über Vindonissa nach Norden führende Fernstraße. Hier mündete auch eine aus dem Westen vom Oberrhein kommende Straße, eine weitere führte von Hüfingen nach Osten ins Donautal. Als die Nord-Süd-Straße nach Norden bis in den Neckarraum ausgebaut wurde, wird die römische Siedlung von Hüfingen als Han­ dels-, Umschlagplatz und Verkehrsknoten­ punkt noch an Bedeutung gewonnen haben. Das unterstreichen Funde aus dem Vicus wie Teile von Reisewagen, Zügelringe (Abb. 7) und Radbeschläge oder auch Fragmente von Öl-Amphoren, deren Stempel Auskunft darüber geben, daß es sich um Importgüter aus Spanien handelt. Unter den im nächsten Raum zusammen­ gestellten Gegenständen aus dem römischen Alltag befinden sich wiederum zahlreiche Funde aus Hüfingen (vorwiegend aus der • -� • Abb. 10: Römische Spielsteine und Würfel aus Glas und Bein. Aus Hüfingen. Abb. 11: Bronzefibeln mit Email.einlagen; eine Fibelscheibe hat die Form eines Fisches. Aus der römi­ schen Siedlung von Hüfingen. 110

Abb. 12: Römische Gemme, Glaspaste (ehemals eingesetzt in einen Ring); Darstellung: Muse mit einer Maske in der Hand und Schriftrollenbehäl­ ter zu ihren Füßen. Aus der römischen Siedlung von Hüfingen. Abb. 13: Glasperlen in Melonenfarm. Aus der römischen Siedlung von Hüfingen. Zivilsiedlung). An Haushaltsutensilien sind es außer Tongefäßen auch Teile von kostba­ rem Bronzegeschirr wie Kannenhenkel und Kasserolengriffe, ferner eiserne Messer mit Griffen aus Bein (Abb. 8), silberne und bei­ nerne Löffel sowie eiserne und bronzene Schlüssel (Abb. 9). Spielsteine aus Bein und Glas sowie zwei Würfel (Abb. 10) bezeugen, daß auch im römischen Hüfingen die im gesamten Römischen Reich so beliebten „Brettspiele“ gespielt wurden, für die sich Spielfelder oft auf Ziegeln und steinernen Bodenplatten eingeritzt finden. Von den ausgestellten Schmuckstücken aus Hüfingen fallen besonders einige Schei­ benfibeln mit Emaileinlage und eine Fibel mit einer als Fisch gestalteten Scheibe (Abb. 11)ins Auge, ferner zwei Gemmen (Abb. 12) und eine Vielzahl von sogenannten „Melo­ nenperlen“ (dicke Perlen in Melonenform) aus verschiedenfarbigem Glas (Abb. 13). In einer Vitrine, die „Religion und Kult“ zum Thema hat, sind einerseits Zeugnisse des offiziellen Götterkults ausgestellt – dazu gehört auch der bronzene Heroldstab (der 111

Abb.14: Heroldstab (,,caduceus“) von einer nicht erhaltenen Merkurstatuette. Aus der römischen Siedlung von Hüfingen. „caduceus“) aus dem Vicus von Hüfingen (Abb. 14), der zu einer sehr fein gearbeiteten Merkurstatuette gehört haben muß. Ande­ rerseits weisen Amulette -wie die halbmond­ förmigen Amulette und ein Zahnamulett aus Hüfingen (Abb.15)-darauf hin, daß hier wie in allen Teilen des Römischen Reiches auch der Aberglaube eine wichtige Rolle spielte. Mit Hilfe der Amulette suchte man Schutz vor dämonischen Mächten. In der Nachbarvitrine mit dem Thema „Römischer Grabkult“ wird der Inhalt eines überdurchschnittlich reich ausgestatteten Frauengrabes vom Hüfinger Brandgräber­ feld gezeigt (Abb. 16): Die Beigaben – eine Münze des Augustus, ein Griff- und ein Klappspiegel sowie ein Ölfläschchen -haben sich in der mit einem Deckel geschlossenen Abb.15: Drei halbmondformige Amulettanhänger aus der römischen Siedlung von Hüfingen und ein als Amulettanhänger gefaßter Zahn aus dem Hüfinger Kastell. 112

Abb. 16: Frauengrab aus dem römischen Brandgräbeifeld von Hüfingen. Abb. 17: Ein Paar vergoldeter Silbeifibeln mit Tierkopfmotiven. Vom alamannischen Friedhof„Auf Hohen“ (Hüfingen). 113

Urne befunden. Besonders fein gearbeitet ist der Griffspiegel, dessen Spiegelscheibe am Rand durch ein plastisches Zackenmotiv und auf ihrer Rückseite mit konzentrischen Krei­ sen verziert ist; der reich profilierte Griff ist angelötet. Sowohl der Griffspiegel als auch der kleine Dosenklappspiegel sind in Weiß­ metall gegossen. Zur Erzielung des Spiegel­ effekts waren die Innenseiten der Dose und die unverzierte, leicht konvex gewölbte Seite des Griffspiegels einst fein poliert. Die gestempelten Ziegel, die als Grabeinfassung dienten, datieren dieses Grab in die Mitte der 2.Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Die Stempel nennen die XI. Legion, die seit 69 n.Chr. in Vindonissa stationiert war, dem Legionslager, dem das Kastell Hüfingen als Hilfstruppenlager unterstellt war. Die Augu­ stus-Münze muß also als „Antiquität“ in das Grab gelangt sein. -Das Frauengrab weist daraufhin, daß der Friedhof auch zu der Zeit, als das Kastell noch nicht aufgegeben worden war, bereits von der Zivilbevölkerung des Vicus mitbenutzt worden war. Der Hüfinger Siedlungsraum wurde nach dem Fall des Neckar-Odenwald-Limes (259/ 260 n. Chr.) verlassen und gewann erst in merowingischer Zeit wieder eine mindestens ebenso große Bedeutung wie in römischer Zeit Die weiterhin benutzten römischen Straßen machten diesen Ort auch im Früh­ mittelalter zum politischen, militärischen und administrativen Zentrum der Baar. Etliche in den letzten 20 Jahren entdeckte merowingerzeitliche Friedhöfe -der Adels­ friedhof an der „Gierhalde“, ein Bestattungs­ platz an der „Hochstraße“ und das große Gräberfeld im Gewann „Auf Hohen“ -las­ sen auf mehrere dorfartige Siedlungen mit einigen Adelshöfen schließen. Die Grabbeigaben, von denen im Museum eine repräsentative Auswahl gezeigt wird, spiegeln den außerordentlichen Wohl­ stand der in Hüfingen ansässigen alamanni­ schen Bevölkerung wider. Innerhalb der Frühmittelalterabteilung des Museums ist dieser Fundkomplex der wichtigste und glanzvollste. 114 Der Gang durch das Frühe Mittelalter beginnt im 1. Obergeschoß des Museums, wo alamannische Grabfunde unter den Themen „Geräte des täglichen Lebens“, „Tracht und Schmuck der Frau“, „Tracht und Bewaff­ nung des Mannes“ zusammengestellt wur­ den. Neben Tongefaßen aus Hüfinger Grä­ bern wird ein hölzerner Backtrog gezeigt, der zusammen mit weiteren vorzüglich erhalte­ nen Holzgegenständen in einem alamanni­ schen Frauengrab in Neudingen gefunden wurde. Dieses Grab ist dendrochronologisch sehr gut datiert: Die für den Grabbau ver­ wendeten Bohlen stammen von zwischen 532 und 535 n. Chr. gefällten Bäumen, d. h. das Grab muß bald nach diesem Datum angelegt worden sein. Unter den in der Nachbarvitrine aus­ gestellten Gewandaccessoires und Schmuck­ stücken ist ein Großteil in Frauengräbern des Friedhofs „Auf Hohen“ bei Hüfingen gefun­ den worden: eine silberne, an ihrem Ende fein profilierte Haarnadel, zwei Gold­ blechanhänger -eine umgearbeitete Gold­ münze und eine mit Perlbändern verzierte Scheibe -; ferner an Gewandschmuck vier Paare von Bügelfibeln, von denen besonders das Paar kleiner vergoldeter Silberfibeln mit abstrakten Tierkopfmotiven ins Auge fallt (Abb. 17), und mehrere nach ihrer Form benannte S-Fibeln-darunter ein langobardi­ sches Stück aus vergoldetem Silber, bei dem die S-Linie durch eine Almandirueihe (Almandin: rubinroter Granat) markiert ist und Flechtbänder die Zwischenflächen zie­ ren (Abb. 18); des weiteren drei Fibeln in Form von stilisierten Vögeln (sog. Vogelfi­ beln): ein Paar vergoldeter Silberfibeln, bei denen das Auge jeweils in Almandinen einge­ legt ist, und eine einzelne reich mit Almandi­ nen besetzte Goldfibel. Zwei goldene Schei­ benfibeln, bei denen die Almandineinlagen verloren sind, lassen besonders gut das aus feinsten Goldstegen gearbeitete Netzwerk erkennen, in das die Almandinzellen einge­ legt wurden (sog. Cloisonne-Technik) (Abb. 19 links). Völlig intakt sind dagegen zwei in gleicher

Abb.18: LangobardischeS-Fibel ausvergoldetem Silber mit Almandineinlagen. Vom alamanni­ schen Friedhof„Auf Hohen“ (Hüfingen). Technik hergestellte Goldscheibenfibeln aus demselben Gräberfeld, die in der Schatzkam­ mer ausgestellt sind. Hier werden in zwei Vitrinen unter dem Thema „Tracht und Schmuck“ besonders prachtvolle Exemplare alamannischer Schmuckstücke gezeigt. Von den beiden Hüfinger großen Goldscheiben­ fibeln in flächendeckendem Cloisonne weist die runde (Abb.19 rechts) ein ebenso kleinteili­ ges und ähnlich gegliedertes ‚.Zellwerk von Almandinen auf wie die eben erwähnte weni­ ger gut erhaltene Scheibenfibel. Die etwas größeren Almandine der ovalen Fibel (Abb. 20)lassen die gewaffelte Silberfolie, auf der die Almandine bei beiden Fibeln aufliegen, deutlich durchscheinen. Von besonderer Pracht ist die große Gold- Abb. 19: Goldscheibenfibel, in sog. Cloisonne-Technik gearbeitet; Almandineinlagen fehlen bei der links abgebildeten Fibel und sind bei der rechten erhalten. Vom alamannischen Friedhof „Auf Hohen“ (Hüfingen). 115

Wie die Fibeln gehört auch eine silberne Schuhschnallengarnitur zu den schmücken­ den Bestandteilen der alamannischen Tracht. Abstrahierte Tierornamente zieren die Schnallen aus dem Grab einer Hüfinger Adli­ gen, zugehörig ist eine glatte Riemenzunge. Die größeren mit ähnlichen Tierornamenten verzierten silbernen Riemenzungen aus demselben Grab waren Endbeschläge von Wadenbinden. Ebenfalls aus dem Grab die­ ser Adligen stammt auch ein kostbares Col­ lier mit 19 Goldanhängern und sieben Gold­ perlen. Drei Anhänger sind in Cloisonne­ T echnik gearbeitet (Glaseinlagen nicht erhal­ ten) und zwei mit flächendeckenden feinsten Perldrahtornamenten verziert (Abb. 23). Besonders kostbare Collieranhänger wer­ den auch in der Nachbarvitrine gezeigt. Sie gehören zu verschiedenen Ketten aus mehre­ ren Gräbern des Friedhofs „Auf Hohen“: neben Goldscheibenanhängern mit Perl­ bandverzierung spätantike und byzanti­ nische Goldmünzen (die Münze Justinians ist eine Nachprägung), die als Anhänger umgearbeitet wurden (Abb. 24), ferner Anhänger mit filigranem Binnendekor und sechs verschiedenförmige Anhänger mit Ein­ lagen von Almandinen und grünem Glas (Abb. 25). Ketten von verschiedenfarbigen Glasper­ len wurden nicht nur in reichen Frauengrä­ bern gefunden. Doch große vielfarbig gemu­ sterte Perlen, die oft noch zusammen mit Bernstein-, Bergkristall-und Amethystperlen aufgezogen waren, wie auch bei den hier gezeigten Hüfinger Ketten (Abb. 26), sind immer ein Indiz für Wohlhabenheit. Aus verschiedenen Gräbern des Friedho­ fes „Auf Hohen“ sind die in dieser Vitrine ausgestellten almandinbesetzten Scheibenfi­ beln zusammengetragen, von denen einige in der Mitte zusätzlich mit einem Perlband­ dekor versehen sind. Von den beiden hier gezeigten Haarna­ deln stammt die am oberen Ende vergoldete und wechselweise quergeriefelte und längs­ gekandete Nadel aus dem erwähnten reichen Frauengrab des Friedhofes „Auf Hohen“. Abb. 20: Ovale Goldscheibenfibel mit Alman­ dineinlagen vom alamannischen Friedhof„Auf Hohen“ (Hüfingen). scheibenfibel mit kreuzweise aufgesetzten großen Fassungen für grüne Glaspasten und dazwischengesetzte kleinere Fassungen für Almandine (Abb. 21). Ein runder Almandin ziert auch die Mitte der Scheibe. Perldraht­ ornamente füllen die Zwischenflächen. Unter den in dieser Vitrine ausgestellten Fibeln von dem Gräberfeld „Auf Hohen“ befinden sich außerdem eine S-Fibel mit Almandineinlage, deren S-Schwünge in Tier­ köpfen enden, und mehrere Bügelfibeln: einige besonders prächtige vergoldete Silber­ fibeln mit vollplastischen Knöpfen am obe­ ren Rand, ein Fibelpaar mit reichem Spiral­ und Zackendekor in Kerbschnittechnik, ein Paar mit Almandineinlagen zwischen tiefge­ schnittenen Flechtbändern und mit aus­ drucksvollen kugeligen Almandinaugen im Tierkopfende und schließlich eine einzelne Fibel mit Almandineinlagen, Streifendekor und hochgebogenem Tierkopf (Abb. 22). 116

Abb. 21: Gr!ße Goldscheibenfibel mit Almandinen und grünen Glaspasten besetzt und mit Perldraht­ omamenten verziert. Vom alamannischen Friedhef „Auf Hohen“ Hüfingen. 117

Abb. 22: Büge!fibel aus vergoldetem Silber mit Almandineinlagen. Vom alamannischen Fried­ hof „Auf Hohen“ (Hüfingen). Äußerst seltene und kostbare Beigaben alamannischer Gräber sind die Glasgefäße, die nicht im alamannischen Bereich selbst hergestellt wurden, sondern von weither importiert werden mußten. Die große Zahl der in Hüfinger Gräbern gefundenen Gläser, von denen die am besten erhaltenen in den beiden Glas-Vitrinen der Schatzkammer aus­ gestellt sind, spiegelt den Wohlstand der merowingischen Bevölkerung Hüfingens wider. Die meisten Glasgefäße vom Gräber­ feld „Auf Hohen“ sind aus dem fränkischen Rheinland importiert: ein Kugelbecher mit Zungendekor, ,,Sturzbecher“ verschiedener Formen (die man nur in geleertem Zustand mit dem oberen Rand auf den Tisch stellen konnte), sowie ein prachtvoller „Rüsselbe- Abb. 23: 5 von 19 Goldanhängern eines Colliers aus dem Grab einer Adligen: drei der leierförmigen Anhänger sind in Cloisonne-Technik verziert (Einlagen nicht erhalten), zwei mit .feinen Perldrahtorna­ menten. Vom alamannischen Friedhof „Auf Hohen“ (Hüfingen). 118

Abb. 24: Goldmünze Valenti.nians III. (425- 455 n. Chr.), als Kettenanhänger umgearbeitet. Vom alamannischen Friedhof,,AufHohen „(Hüfingen). eher“, so benannt nach den auf den Gefäß­ körper aufgesetzten, rüsselförmig nach unten gezogenen Tropfen (Abb. 27). Einer der Hüfinger Becher stammt aus Burgund: der Sturzbecher mit lang ausgezo­ genem Bodenknopf und feiner weißer Fadenauflage. Ganz singulär unter alamanni­ schen Grabbeigaben ist die kleine Glasam­ phora mit leuchtend dunkelblauem Gefäß­ körper und Stengelfuß, Henkel und Mün­ dung aus opakweißem Glas. Opakweiße Fadenauflagen zieren außerdem den oberen Teil des Halses (Abb. 28). Dieses Fläschchen, wahrscheinlich ein Behälter für kostbares Öl oder Parfum, stammt aus einer Werkstatt in Oberitalien – wahrscheinlich aus einem Atelier im Lagu- Abb. 25: Drei Goldanhänger mit Einlagen von Almandinen und grünem Glasfluß. Vom alamanni­ schen Friedhof »Auf Hohen“ (Hi,{fingen). 119

Abb. 26: Ketten aus Glas- und Edelsteinperlen. Alamannischer Friedhof Hüfingen. Abb. 27: Gläser aus verschiedenen Gräbern des alamannischen Friedhofs »Auf Hohen“ Hüfin­ gen: ein „Rüsselbecher“ und zwei Sturzbecher. Abb. 28: Blaue Glasamphora mit opakweißen Gefäßteilen, hergestellt in Oberitalien. Vom ala­ mannischen Friedhof„Auf Hohen“ (Hüfingen). 120

nengebiet von Venedig-und bezeugt somit auch Hüfingens Fernhandelsbeziehungen in südlicher Richtung. Ebenfalls in der Schatzkammer begegnet dem Museumsbesucher noch einmal ein besonders interessanter Fund aus dem schon eiwähnten alamannischen, in die Zeit um 535 n. Chr. oder bald danach datierten Grab von Neudingen, das etliche Holzgeräte barg, darunter auch Teile eines Webstuhls, von dem hier ein mit einer Runeninschrift ver­ sehener Stab (vom Webschiffchen?) aus­ gestellt ist. Die von einer Frau namens Blid­ gund geschriebene Inschrift besagt, daß ein Mann mit Namen Hamal einer Frau mit Namen lmuba Liebes wünscht. In der letzten Vitrine, in der Zeugnisse heidnischen und christlichen Glaubens aus alamannischen Gräbern einander gegenüber­ gestellt werden, sind mehrere Beispiele aus Hüfinger Gräbern vertreten: Zeugnisse heidni­ schen Aberglaubens sind die bronzenen Schei­ ben, die als übelabwehrende Amulette am Gür­ telgehänge getragen wurden wie die zwei Schei­ ben mit Motiven von Tierkopfwirbeln (Abb. 29). Zwei mit getriebenen Buckeln und mit Stempelmustern verzierte Goldblattkreuze aus zwei verschiedenen Gräbern des Friedhofs bezeugen andererseits die vom Frankenreich ausgehende allmähliche Christianisierung der alamannischen Bevölkerung (Abb. 30). Die im Badischen Landesmuseum Karls­ ruhe befindlichen – hier in Kopien aus­ gestellten -beiden silbernen Zierscheiben vom Zaumzeug eines Pferdes mit christli­ chen Bildmotiven (der Mutter Gottes und einem Reiterheiligen) aus dem Reitergrab an der „Gierhalde“ (Hüfingen) geben allerdings keine unmittelbare Auskunft über den Glau­ ben des in diesem Grab bestatteten jungen Adligen. Die beiden Scheiben sind sicher als Beutestück in den Besitz des Hüfinger Adli­ gen gelangt. Die reichen Beigaben seines Grabes, die eher mit heidnischen als mit christlichen Jenseitsvorstellungen vereinbar sind, lassen vermuten, daß der 606 n. Chr. bestattete Adlige noch kein Christ gewesen ist. Dr. Hilde Hiller ff. Taf. 1-4. Zum bronzezeitlichen Grabfund von Überauchen: Badische Fundberichte 17, 1941-47, S. 277 ff. Taf. 66c (Revellio, Kimmig); V. Nübling, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1986, S. 64 f. Abb. 39. Zum umenfelderzeitlichen Grab von Hüfingen: E. Sangmeister, in: Badische Fundberichte 22, 1962, S. 9 Zum hallstattzeitlichen Fürstengrab von Villingen: K Spindler, Magdalenenberg 1-VI (1971-1980). Ders., Der Magdalenenberg bei Villingen. Ein Fürstengrabhü­ gel des 6. vorchristlichen Jahrhunderts. Führer zu vor­ und frühgeschichtlichen Denkmälern in Baden-Würt­ temberg 5 (1976) – dort weitere Literatur. Zu Hüfingen in römischer Zeit: G. Fingerlin, in: Filtzinger – Planck – Cämmerer, Die Römer in Baden-Württemberg 3 (1986) S. 337 ff. – dort weitere Literatur. Zu den alamannischen Grabfunden von Hüfingen: G. Fingerlin, Neue alamannische Grabfunde aus Hüfin­ Wichtigste Literatur gen (Texte zu einer Ausstellung, 1977). Ders., in: Der Kel­ tenfürst von Hochdorf. Methoden und Ergebnisse der Landesarchäologie in Baden-Württemberg, Ausstel­ lungskatalog (1985) S. 411 ff. Abb. 29: Eine der bronzenen Amulettscheiben mit Tierlwpfwirbeln, die von Gürtelgehängen der auf dem alamannischen Friedhof »Auf Hohen“ {Hüfingen) Begrabenen stammen. 121

Abb. 30: Zwei Goldblattkreuze vom alamannischen Friedhof „Auf Hohen“ (Hüfingen). 122

Geschichte, Kulturgeschichte Bad Dürrheim Ein Dorf wird Kur-und Bäderstadt Der 1100. Jahrestag der ersten schriftlichen Erwähnung Dürrheims im Jalue 889 ist Anlaß zu fragen, wie die Menschen früher hier gelebt haben, warum sich aus dem einst­ mals kleinen Bauerndorf eine bedeutsame Kur- und Bäderstadt entwickelt hat und welche Zukunftsperspektiven sich aus dieser historischen Entwicklung ergeben. Diese Geschichte soll zusammenfassend skizziert werden. Dem Kloster St. Gallen hat Bad Dürrheim seine erste urkundliche Erwähnung vor 1100 Jahren zu verdanken. Die ersten 10 Jahrhun­ derte seiner Geschichte kam Bad Dürrheim ohne Wappen aus. Erst 1957 setzte die Gemeinde auf Vorschlag des Badischen Generallandesarchives in Karlsruhe das Johanniterkreuz auch in ihr eigenes Wappen, um auf die über Jahrhunderte mit der Johan­ niter-Kommende Villingen verbundene Geschichte Dürrheims zu verweisen. In der Urkunde aus dem Jahre 889, die auch heute noch im Stiftsarchiv in St. Gallen verwahrt wird, heißt es, daß im zweitenJalu König Arnulfs (889) nach einer St. Galler Notitia ein „factum est placitum in pago, qui dicitur Para, in villa nuncupata Durroheim, coram Burghardo comite, filio Adalberti illu­ stris“, stattfand, bei dem die Rechte an der Kirche von Löffingen geklärt wurden. Nach dem Wortlaut der Urkunde zu schließen hat Burchard Grafschaftsrechte über Dürrheim und Löffingen ausgeübt; er kann so als Amts­ walter im Westen der Bertholdsbaar bestimmt werden. Bereits im 6. und 7.Jaluhundert muß hier eine umfangreiche Siedlung gestanden haben. Denn es sind uns zwei relativ große alemannische Reihenfriedhöfe bekannt. Das weiße achtspitzige Malteserkreuz auf rotem Grund ziert das linke Feld des längsge- teilten Wappens der Stadt Bad Dürrheim und zeigt so, welch historisch bedeutsamer Platz dem Johanniterorden in der heutigen Kur-und Bäderstadt zukommt. In Dürr­ heim, vom 12. bis 14. Jaluhundert Adelssitz, setzte ein Prozeß von Schenkungen, Über­ eignungen und Besitzübergaben ein, der im ausgehenden 13. Jahrhundert sein Ende fand. Schon zwischen 1280 und 1300 faßten die Johanniter, gefördert von den Wartenber­ gern und den Fürstenbergern, in Dürrheim Fuß. Ende des 13. Jahrhunderts wurde der Johanniterorden zu Villingen zur Ordnungs­ macht, dem ein halbes Jahrtausend die weltli­ chen und kirchlichen Rechte über die Gemeinde Dürrheim oblagen. Die Johanni­ ter erweiterten Besitz und Herrschaft ziel­ strebig, und 1791 war der Komtur „einziger, unmittelbarer, rechter Territorialgrundvogt und Gerichtsherr zu Dürrheim und hat daselbst jede Oberherrlichkeit und Gerichts­ barkeit mit Ausnahme der sogenannten und zum Teil bestimmten landesgerichtlichen, förstlichen Geleits-und Malefizobrigkeit“. Innenpolitisch war die Zuständigkeit der Johanniter-Kommende für Dürrheim eini­ germaßen begrenzt. Ihr stand nur die niedere Gerichtsbarkeit zu, während die schwere Kri­ minalität von den Grafen von Fürstenberg geahndet wurde. Was Villingen abzuurteilen hatte, waren dagegen eher Bagatellfälle. Neben den Zinsansprüchen auf Geldabga­ ben und Naturalien konnten die Villinger Johanniter in Dürrheim über den gewöhn­ lich mit dem Zehnten verbundenen Pfarr­ satz, dem Recht, den jeweiligen Pfarrer vor­ zuschlagen und einzusetzen, verfügen und konnten allein in Dürrheim zwanzig ein­ zelne Höfe und Güter ihr Eigentum nennen. Der „Hänslehof“ waroffenbar der Hof des von den Johannitern eingesetzten Dorfvog-123

Dürrheim an der Wende vom 18. zum 19.]ahrhundert, die Zeit als Lucian Reich der Altere seine Jahre der Kindheit und Jugend verbrachte tes. Das tägliche Leben in Dürrheim wurde vom Vogt, dem Untervogt als seinem Stell­ vertreter und den sieben bis zwölf „Richtern“ geregelt, die man mit einem Gemeinderat vergleichen könnte. Dieses Amt des Dorf­ vogtes wurde über Generationen von Ange­ hörigen der Familie Grießhaber bekleidet, die im Laufe der Zeit auch auswärts zahl­ reiche Aufgaben in der Ordensverwaltung übernahmen. Im übrigen wurde im Verkehr zwischen Obrigkeit und Untertanen durch­ aus „Bürgernähe“ praktiziert. Alle Jahre wurde für Dürrheim Jahrgericht gehalten, bei dem die Dürrheimer nach der üblichen Hul­ digung ihre Beschwerden vorbringen konn­ ten, die sicherlich in den meisten Fällen abge­ stellt wurden. Hatte Napoleon Bonaparte 1798 die Ordenszentrale Malta besetzt, so übernahm am 30. November 1805 ein französisches Kommando das Villinger Ordenshaus. Nach den von Napoleon diktierten Verträgen kam Dürrheim als eines der drei von Villingen aus verwalteten Johanniterdörfer nach der Neuordnung des Reiches 1805 kurzfristig an Württemberg. Infolge der Errichtung des Rheinbundes und den hieraus sich ergeben­ den Gebietserweiterungen für das im Entste­ hen begriffene Großherzogtum Baden wurde Dürrheim am 18. Oktober 1806 schließlich badisch. Kommende-Amtmann Johann Baptist Willmann übernahm nach 1806 die Stelle eines Staatsdomänen-Verwalters in Dürr­ heim und gab durch seinen Briefwechsel mit dem Salzspezialisten Karl Christian von Langsdorf in Heidelberg im Jahre 1818 letzt­ lich den Anlaß für die erfolgreichen ersten Solebohrungen in der heutigen Kur-und Bäderstadt. Die erste Tiefbohrung in dem damals rund 560 Einwohner großen Dürrheim, 125

begonnen am 21. Juni 1821, erreichte das Steinsalzlager am 26. Februar 1822 in einer Tiefe von etwa 120 Meter. Großherzog Lud­ wig nahm höchstselbst Notiz von dem auf­ sehenerregenden Ereignis, und in einem Erlaß des Badischen Innenministeriums vom 20. März 1822 heißt es, daß „Seine Königliche Hoheit auch gnädigst gestattet haben, dieser Saline den Namen Ludwigshall beizulegen“. Mit dem Bau der Salinenge­ bäude beauftragte die Regierung den Militär­ baudirektor Friedrich Arnold, einem Neffen und Schüler Weinbrenners, der im Sommer 1822 die Entwürfe für die Bauten ausarbeitete und deren Errichtung in den Jahren 1823 bis 1826 selbst leitete. Die hölzernen Bohrtürme Konzentration und Rationalisierung beru­ hende wirtschaftliche Entwicklung in der Steinsalzindustrie. Nachweislich wurde bereits 1851 im Bohr­ haus IV eine Solebadeanstalt mit drei Kabi­ nen eröffnet, zu denen 1852 vier weitere geschaffen wurden. Damit war der offizielle Grundstein zum Heilbad gelegt. Sole war aber bereits seit 1830 im Salinenwirtshaus zu Bädern abgegeben worden. Bad Dürrheims ,,Modernisierungsschub“ um die Jahrhun­ dertwende hatte seine Ursachen in den Erfor­ dernissen des Fremdenverkehrs: Annehm­ lichkeit, Sauberkeit, Neuzeitlichkeit. Kanali­ sation, Hochdruckleitung, Elektrizitätswerk, Hotels und Gasthäuser wurden errichtet. am Holzplatz und an der Geisinger Straße halten die Erinnerung wach an die Großher­ zoglich Badische Saline, die 1972, also genau 150 Jahre nach der Entdeckung des mächti­ gen Steinsalzlagers unter der Stadt, ihren Betrieb einstellte. Insgesamt zehn Bohrlö­ cher sind zwischen 1821 und 1897 gestoßen worden. Von ihnen werden noch die mit IX und X bezeichneten an der alten Geisinger Straße von der Kur- und Bäder GmbH betrieben, welche nach Stillegung der Saline die Salzkonzession zur Förderung von Sole zur Abgabe als Kurmittel in den Bade-und Inhalationseinrichtungen erhalten hat. Alle anderen sind aufgegeben und verfüllt. Geblieben ist also eine ursprüngliche Neben­ nutzung, der therapeutische Gebrauch der heilkräftigen Sole. Die frühere Hauptauf­ gabe, Herstellung von Speise-und Industrie­ salz, ist Vergangenheit, bedingt durch die auf 126 Kurverein, Kurpark, Kurkapelle -alle Ein­ richtungen sollten dazu beitragen, das höchstgelegene Sole bad Europas attraktiv zu gestalten. Seit 1904 wurde ein Zweiganschluß zur sechs Kilometer entfernten Station der Schwarzwaldbahn in Marbach in Betrieb genommen. Der Kurverein wollte die Dürr­ heimer Station aufwerten, indem er 1906 for­ derte, das Wort „Bad“ aufs Bahnhofsschild zu schreiben. Offiziell gab es das Prädikat jedoch erst am 1. September 1921. Mit der Saline veränderte sich zwar das Aussehen und die Infrastruktur Dürrheims, aber die Stadt sah keineswegs „postkartenge­ recht“ aus. Die Wandlung des Dorfes zur modernen Fremdenverkehrsgemeinde voll­ zog sich hauptsächlich in unserem Jahrhun­ dert, da das Reisen in den zwanziger Jahren, ermöglicht durch die Entwicklung der Ver­ kehrsmittel und durch eine verbesserte Frei-

zeitgesetzgebung, allgemeinen Aufschwung nahm. Die Phase einer relativ guten Prosperi­ tät von 1920 bis 1939 fand mit dem Zweiten Weltkrieg ein Ende. Obwohl Bad Dürrheim in den Karten der französischen Streitkräfte, die den Schwarzwald besetzten, nicht als Lazarettstadt ausgewiesen war, befanden sich im April 1945 in sechs Lazaretten des Kuror­ tes rund 800 Verwundete und Kranke. Hinzu kam, daß von den für den Bedarf des Kurbe­ triebes zur Verfügung stehenden 1600 Betten in den gewerblich betriebenen Unterkünften 1180 Betten durch die französischen Behör­ den beschlagnahmt wurden; das waren rund 75 Prozent. Der Kurbetrieb kam fast voll­ ständig zum Erliegen. 1958 wurde das „gläserne Schiff der Gene­ sung“, das vom Land Baden-Württemberg mit einem Kostenaufwand von 2,7 Millio­ nen Mark erstellte Kurmittelhaus, einge­ weiht. Das in den dreißiger Jahren eröffnete Kurhaus wurde 1962 modernisiert und 1968 ging das große Solemineral-Hallenbad in Betrieb. Nach dreimaligem Anlauf avancierte 1974 Bad Dürrheim zur Stadt. Bad Dürrheim, das seit 1976 das Prädikat „Heilklimatischer Kurort“ und seit 1985 die Auszeichnung ,,Soleheilbad“, trägt, ist mittlerweile Eigentü­ merin sämtlicher Kureinrichtungen. 1984 übertrug das Land die ihm bis dato gehören­ den Kur- und Kurmitteleinrichtungen in die Hände der Kommune. Die Bad Dürrheim er wissen heute, was sie an ihrer „Historie“ und deren architektoni­ schen Überbleibseln besitzen. Die Gebäude aus der Zeit der Saline „Ludwigshall“ stellen eine geschichtlich gewachsene Stadtland­ schaft dar und begründen letztlich neben dem neuen Bade- und Therapiezentrum, dem nach dreijähriger Bauzeit am 20. Okto­ ber 1987 eröffneten „SOLEMAR“, die Attraktivität der Stadt. Heute erscheint es uns selbstverständlich, daß eine Stadt wie Bad Dürrheim ein bekannter Fremdenverkehrsort ist, für den der Tourismus einen wichtigen Teil des kom­ munalen Erwerbslebens darstellt. Nach Stil­ legung der Saline wurde der Fremdenverkehr zur „Ersatzindustrie“. Lydia Warrle Die Grenzsteine zwischen Schwenningen und Bad Dürrheim Wenn sie auch ihre frühere Bedeutung als Landesgrenze verloren hat, so ist ihr Verlauf als Markungsgrenze zwischen den Orten Schwenningen und Bad Dürrheim doch noch an ihren Grenzsteinen nachvollzieh­ bar. Da die im Schwenninger Fesenwald noch stehenden Grenzmarken wohl zu den schönsten und besterhaltenen Rechtswahr­ zeichen im Schwarzwald-Baar-Kreis zählen, widmen wir ihnen unsere Aufmerksamkeit. Seit 1444/49, als Schwenningen an die Grafschaft Württemberg gelangte, trennte diese Grenzlinie, die wir aufsuchen wollen, den Neckarquellort vom Johanniterdorf Dürrheim. Dies blieb so während der jahr­ hundertelangen, süddeutschen Kleinstaate- rei, bis die von Napoleon vorgenommenen Länderneuordnungen die alten Herrschafts­ verhältnisse beseitigte. Zwischen 1803 und 1810 entstanden die endgültigen Grenzen zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden. Die Grenze verlief zwischen Schwenningen und Dürr­ heim zwar nur auf einem kleinen Abschnitt, doch sorgte ihr Rechtsstatus dafür, daß schon an der Straße nach Dürrheim zwei Grenz- und Zolltafeln die neuen Rechtsver­ hältnisse anzeigten. Auch die entlang der Grenze aufgestellten Grenzsteine hatten die­ sem Zeitzeichen zu gehorchen und erhielten neue Bezeichnungen. Der gemeinsame Grenzabschnitt zw1- 127

Dreimarkstein Nr. 68, der Schwenningen, Dürr­ heim und Villingen scheidet, liegt an der Süd­ spit.ze des Schwenn�nger Moos. sehen den heutigen Nachbarstädten ist nur 2 Kilometer lang. Er wird seit wenigen Jahren von drei Straßen durchschnitten: der alten B 27, die jetzt als Umgehung Dürrheims nach Hochemmingen dient; der neuen B 27, die parallel zur alten B 27 ihren Verlauf nörd­ lich um Dürrheim nimmt und der B 523, die von Tuningen herab kommend ans Schwen­ ninger Messegelände führt. Der Bau der bei­ den letztgenannten Straßen hat die alte Grenzlandschaft zwischen den beiden Orten nachhaltig verändert. Der Grenzwanderer hat deshalb streckenweise Mühe, die alte Grenze und ihren Verlauf nachzuvollziehen. Wir wagen es aber trotzdem, ziehen uns gutes Schuhwerk an, und begeben uns an die Südspitze des Schwenninger Naturschutz­ gebietes Moos. Im Bogen des gefaßten Sandweges treten 128 Eckmarkstein Nr. 82, der Schwenninger und Dürrheimer Gemarkung scheidet. wir unter den Birken hinaus ins freie Feld, wo wir schnell den Dreimarkstein Nr. 68 entdek­ ken, der die Markungen Schwenningen, Vil­ lingen und Bad Dürrheim scheidet (Bild 1). Der einerseits breitflächige, andererseits schmale Grenzstein zeigt hervorgehoben das alte Villinger Stadtwappen mit dem Balken in der linken Schildhälfte (heraldisch rechts). An den Übergang der einst vorderösterrei­ chischen Brigachstadt erinnert ein kleines, über dem Wappenschild angebrachtes GB für Großherzogtum Baden. Ein Hinweis auf Dürrheim fehlt. Von hier an verläuft die ehemalige Lan­ desgrenze und Markungsgrenze zwischen den beiden Orten mit dem Moosrundweg nach Südosten. Wir folgen nach etwa 500 Metern dem geradeaus von unserem Weg gegen die alte B 27 führenden Pfad, gehen an

Ein barockes Kunstdenkmal ist Grenzstein Nr. 85, der seit 316 Jahren die Grenze anzeigt. Auf Grenzstein Nr. 86 zeigt ein kleines Johanni­ terkreuz die Besitzverhältnisse an. einem kleinen Markstein mit der Nr. 69 vor­ bei und stoßen auf die genannte Straße. Links von Markstein Nr. 69 stand im letzten Jahrhundert das hintere Bohrhaus der Saline Wilhelmhall, die in Konkurrenz zur Dürr­ heimer Ludwigssaline Salz produzierte. In der Grenzlinie und jenseits der Straße steht Grenzstein Nr. 70, der beide Länder­ wappen trägt. Hier standen auch die Grenz­ tafeln zwischen dem Königreich und dem Großherzogtum. Eine davon kann noch im Schwenninger Heimatmuseum besichtigt werden. Wir wandern jetzt mit der Straße gegen das Schwenninger Messegelände und biegen gleich mit dem ersten Weg ab, der rechts in den Wald hineinführt und dem die Grenze folgt und wandern durch die Betonunter­ führung hinauf zum Fesenwald. Etwa 100 Meter hinter dem Betondurchlaß zweigt der Grenzweg ab und zieht durch den Wald hin­ auf auf die Anhöhe. An diesem Weg entdek­ ken wir bald einen größeren Grenzstein mit der Zählnummer 78. Er trägt das württem­ bergische Wappen mit den Hirschstangen und dasjenige mit dem Johanniterkreuz. Seine Jahreszahl ist 1724. Vorbei an zwei jün­ geren Granitsteinen von 1899 und 1912 (Nr. 80 und 81) erklimmen wir die leichte Höhe und stehen bald vor Eckmarkstein Nr. 82, einer mannshohen Steinsäule. Sie zeigt uns die Jahreszahl 1839, das Jahr, als hier die große württembergische Landesvermessung stattfand sowie die Buchstabenpaare GD (Gemeinde Dürrheim) und GB (Großher­ zogtum Baden). Die Schwenninger Stein­ seite ist mit KW für Königreich Württem­ berg gekennzeichnet (Bild 2). 129

sowie aufSchwenninger Steinseite die Jahres­ zahl 1673. So wacht dieser Grenzstein seit 316 Jahren über die Grenzlinie zwischen den bei­ den Gemarkungen (Bild 3). Auch der schon von diesem Grenzpunkt aus sichtbare Stein mit der Nummer 86 ist ein wahrer Sandsteinkoloß. Er trägt die Jah­ reszahl 1756, bei den Hirschstangen und auf Dürrheimer Steinseite ein kleines Johanni­ terkreuz (Bild 4). Grenzstein Nr. 88, vor dem wir nach wenigen Schritten halt machen, zeigt gleich dreimal die Jahreszahl 1722 und eine aufrechtstehende, württembergische Hirschstange, die die ganze Schwenninger Steinfläche einnimmt. Wir wandern weiter, vorbei an den kaum sichtbaren Marksteinen Nr. 89 und 90 und stehen wenig später vor der B 523. Hier müßen wir auf die andere Straßenseite und benutzen dazu die etwa 150 Meter im Osten liegende Fußgängerüberführung. Jenseits derselben gehen wir die gleiche Strecke zurück, bis wir vor dem gut sichtbaren Grenzstein Nr. 91 angelangt sind. Da uns diese Grenzmarke nichts besonderes bietet, biegen wir auf den daneben abzweigenden Trampelpfad ein und gehen hinauf zum Hochwald. In dem vor uns liegenden Grenzbereich liegen, allerdings nur dem geschulten Auge sichtbar, die ersten Grabhügel aus der Bron­ ze- und Hallstattzeit, die ab hier den Grenz­ zug begleiten. Man kann davon ausgehen, daß das Vorhandensein dieser vorgeschicht­ lichen Grabmäler in alemannischer und frän­ kischer Zeit die Grenzziehung beeinflußt hat. Nach wenigen ansteigenden Metern unse­ res Weges stehen wir unvermittelt vor einem hohen Grenzstein, dem Dreimarkstein Nr. 92, der Schwenninger, Dürrheimer und Hochemminger Markung scheidet. Es ist, wie die Nummer 85, ein barockes Kunst­ denkmal und stammt aus der gleichen Stein­ hauerei wie dieser. Gleich zweimal ist das württembergische Wappenschild mit den Hirschstangen vertreten und über dem Johanniterwappen Dürrheirns steht die Jah- Zu den vielleicht schönsten Grenzmarken im Schwarzwald-Baar-Kreis gehört der Dreimark­ stein Nr. 92, der die Gemeindemarkungen Schwenningen, Dürrheim und Hochemmingen scheidet. Von diesem Eckmarkstein aus winkelt die Grenzführung in spitzem Winkel ab und in südöstlicher Richtung hinauf gegen den Türnleberg. An dem nun vor uns liegenden Grenzabschnitt stehen in kurzer Reihenfolge die schönsten und teilweise am kunstvollsten hergestellten Grenzmarken der weiteren Umgebung. Vorbei an zwei Grenzsteinen von 1905 (Nr. 83) und 1740 (Nr. 84)- der letz­ tere trägt drei württembergische Hirschstan­ gen mit nach unten weisenden Endungen – gelangen wir über einen holprigen Trampel­ pfad schnell zu Grenzstein Nr. 85, eines der schönsten Wahrzeichen am ganzen Ab­ schnitt. Der kunstfertig behauene Grenz­ stein zeigt im jeweiligen Wappenschild die Symbole Württembergs und der Johanniter 130

reszahl 1673. Wir stehen vor dem schönsten und besterhaltenen Landesgrenzstein, den man heute im Schwarzwald-Baar-Kreis fin­ den kann (Bild 5). Es ist nur zu bedauern, daß nicht auch das einst fürstenbergische Hochemmingen mit einem Wappen vertre­ ten ist. Neben der alten Grenzmarke, auf Schwenninger Gemarkung im Fesenwald, findet sich ein alter Grabhügel aus der Bron­ zezeit. Der Schwenninger Freizeitarchäologe Hermann Rupp hat ihn 1914 untersucht und aus dem dabei geöffneten Frauengrab einen kleinen Bronzedolch und durchbohrte Gewandnadeln geborgen. Hier endet auch unsere Wanderung entlang der Markungs­ und ehemaligen Landesgrenze zwischen Schwenningen und Bad Dürrheim. In unseren historischen Grenzsteinen hat sich noch ein Stück Heimatgeschichte erhal­ ten, das sie als letzte steinerne Zeuge einer vergangenen Epoche bewahren. Sie sind Denkmäler, die uns frühere rechtsgeschicht- liehe und gesellschaftliche Zustände anzei­ gen. Heute gestatten uns genau eingemes­ sene Flurkarten und moderne Vermessungs­ methoden jeden Grenzpunkt neu zu bestim­ men, ohne daß dort ein Grenzstein notwen­ dig wäre. Damit haben auch die alten Rechts­ wahrzeichen ihre frühere Bedeutung einge­ büßt. So kommt es auch, daß durch Straßen­ bau, Flurbereinigungen und dergleichen immer mehr der alten Grenzsteine verloren gehen. Der Tag ist nicht mehr fern, wo auch die historischen Grenzzeichen unserer Hei­ mat zu den selten gewordenen Kulturdenk­ mälern gehören werden. Wir sollten sie des­ halb pfleglich behandeln und dort zu erhal­ ten trachten, wo sie hingehören, auf den alten Grenzen. Siegfried Heinzmann Q u e 11 e n: Siegfried Heinzmann, Alte Grenzen und Grenzsteine rings um Schwenningen, Kuhn-Verlag Schwennin­ gen, 1988. Die „Bürgersöhne“ Ein Beitrag zur Geschichte der Villinger Fasnet Bei einer Durchsicht der alten Villinger Ratsprotokolle fanden sich folgende Eintra­ gungen, deren Sinn zunächst unklar war: 1675 ,,Herm A p p e n m e i e r und HerrnG r ü ­ n i n g e r bitten d i e B ü r g e r s ö h n e zu ihrem Vater zu ernennen. Sind ver­ gönnt.“ 1698 „Herr Zunftmeister H a r s c h e r ist d e n B ü r g e r s ö h n e n zu einem Vater erwählt worden, welcher deswegen auch angelobt hat.“ 1710 ,,J u n g e b ü r g e r l i c h e r G e s e l l e n . Deputierte übergeben 15 Artikel der Gesellschaft. Weilen solche zur Stiftung guter Sitten und Polizei angesehen, hat Ehrsamer Rat solche ratif12ieret.“ 1881 „Auf das Ableben des Richters Johann Baptist F l a i g , gewesener Vater der l e d i g e n B ü r g e r s ö h n e ist der Herr Richter Barnabas M a y e r zum wirkli­ chen Vater der Bürgersöhne bestellt wor­ den, wovon die L e d i g e n G e s e l l ­ s c h a f t per decretum zu verständigen.“ Die „Bürgersöhne“ waren die „ledigen“ Söhne alt-eingesessener „Bürger“, die noch kein Bürgerrecht besaßen. Mit 16 Jahren konnten sie dieser „Gesellschaft“ beitreten. Das Leben in einer Stadt jener Zeit dürfen wir uns nicht romantisch oder begehrens­ wert vorstellen! Man lebte – für unsere heuti­ gen Begriffe – in unhygienischen Verhältnis­ sen dicht aufeinander, auf einem sehr beschränkten, engen Raum, innerhalb der Mauem, deren Tore mit beginnender Dun- 131

kelheit geschlossen wurden. Die Straßen waren noch ungepflastert, bei Regenwetter ,, versumpft“, die Straßenecken nachts spär­ lich durch 17 Öl-Lampen „erleuchtet“, die Gasthäuser mußten früh schließen. Alles war streng reglementiert, genau vorgeschrieben, eigentlich nichts „erlaubt“. Nicht nur Bürgermeister und Ehrsamer Rat erließen solche Vorschriften, sondern auch die Zünfte, zu denen jeder Bürger gehören mußte, führten ein strenges Regi­ ment. Für die Heirat benötigte man z.B. eine Genehmigung vom Ehrsamen Rat, die oft genug verweigert wurde. Man muß aber auch gerechterweise bedenken, daß diese harten Einschränkun­ gen der persönlichen Freiheit zwingend not­ wendig waren, um auf dem engen Raum ein Chaos zu vermeiden und ein einigermaßen geordnetes Zusammenleben in dieser primi­ tiven Umwelt überhaupt zu ermöglichen. Doch lassen wir die Ratsprotokolle spre­ chen, die diese Zeiten und Zustände uns bild­ haft beschreiben. Aus der großen Zahl sol­ cher Anordnungen und Beschlüsse seien nur einige wenige als Beispiele willkürlich heraus­ gegriffen: „ Weilen allerhand Unordnung in der Kirche vorkommt, sonderlich mit den Buben, also sollen die Stadtknecht sol­ ches abstellen und tapfer zuschlagen.“ 1753 „Die jungen Bursch, welche am Palrntag und Osterfest während der Kirchzeit zu kegeln sich unterstanden, sollen im Bei­ sein sämtlicher Schüler getrillt (=verprü­ gelt) werden.“ „Es wird berichtet, daß einige Wirte den jungen Leuten bis in die Nacht, ja oftmals ganze Nächte hindurch Unterschlupf zu geben pflegen, wodurch die Jugend zum Nachteil des gemeinen Wesens und ihres selbigen Unglücks verderbet würde. Der Weinausschank nach 10 Uhr wird bei schwerer Strafe verboten.“ 1756 1696 132 1672 1720 „Mascarade und Mummerey bei Straf verboten.“ 1753 „Künftig soll sich kein Bürger oder junge Bursch nach 10 Uhr auf Straßen, Gassen oder Wirtshaus antreffen lassen.“ „Herrn Steppe l s Witwe, welche Josef Hummel den Metzger heiraten will, bit­ tet um consens. Ist abgeschlagen, weil sie zu alt und der Kerl gar zu jung, dahero eine böse Ehe zu besorgen.“ 1747 Auf ein erneutes Heiratsgesuch nach mehrfacher Ablehnung: „Ist in so lang in das finstere Cabinet erkennt worden, bis ihm die Heiratsge­ danken vergangen sein werden.“ Oder 1749 Auf den Antrag einer Meisterswitwe, sich mit einem Bierknecht von Möhringen zu verheiraten: „Abgelehnt, weilen verschiedene ledige dahiesige Bürgerssöhne vorhanden, mit welchen die Wittib sich zu verheiraten, genugsam Gelegenheit hat.“ Der Freiraum, der der Jugend in jener Zeit für ihren Tatendrang zur Verfügung stand, war sicher sehr gering, Abwechslung gab es nicht! Allerdings hatte der Lehrling oder Geselle aber auch wenig Freizeit, denn der Arbeitstag war lang und ermüdend. So ist es zu verstehen, daß sich die jungen sich Burschen zusammenfanden, um gemeinsam die Zeit zu vertreiben. Wir wissen nicht, welche Möglichkeiten sich ihnen boten. Sie mögen im Wirtshaus zusammen­ gesessen oder gekegelt oder auf Familienfe­ sten, z.B. bei der Hochzeit eines bisherigen Mitgliedes „gefeiert“ haben. In den Ratspro­ tokollen ist nur belegt, daß sie jedes Jahr die Genehmigung zur Fasnachtsveranstaltung, Tanz an drei Tagen im Kornhaus (,,Tanz­ laube“) und Maskerade, sowie zum 1. Mai das Aufstellen von „Mayen“ beantragten:

• Original-Radierung: Villingen, Hans Georg Müller-Hanssen 133

1732 „Bürgers Söhn halten um das jährliche Mayen-Stecken an. Werden 15 Stück mit Wissen des Herrn Baumeisters erlaubt.“ (Manchmal aber auch „wegen Schädi­ gung des Waldes“ abgelehnt.) Die Fasnachtsveranstaltungen hätten die Obrigkeit und Geistlichkeit aber am liebsten immer untersagt. Es war ja das einzige Ventil, durch das der kleine Mann seinem Herzen gegenüber der Obrigkeit anonym, durch das Strählen, verborgen durch die Schemme, Luft machen und seiner Meinung Ausdruck geben konnte. Jeder kannte noch Jeden und kannte seine Schwächen und Fehler und viele Beschlüsse des Ehrsamen Rats entspra­ chen sicher nicht den Wünschen der Jugend. Diese Kritik zu hören, war nicht angenehm und daher unerwünscht. Gründe für Verbote fand man leicht und oft genug: Kriegszeiten, schlechte Ernte und Hungersnot, Todesfall im Kaiserhaus, ein Papst-Jubiäum, ja sogar ein schwerer Hagelschlag oder eine Vieh­ seuche im Jahr zuvor. 1713 „M a s c a r a d e La ufe n hätte man gern auf Ansuchen des Herrn Pfarrer ver­ boten, weilen aber der Herr General (Ein­ quartierung!) solche seinen Soldaten nit inhibieren will, will man, wenn anderst nichts Böses daraus entstehet, dermalen genehmigen.“ 1720 „Weilen Ihre Majestät, die Römische Kayserin Eleonora glückseeligste Stamm­ mutter des allerdurchlauchtigsten Erz­ hauses von Österreich den 19. 1. das Zeit­ liche Christseelig gesegnet, so wird das M a s c a r a d e La ufe n und Spielleute halten nochmals bei Strafe ernst inhibie­ ret und soll die Veranstaltung gemacht werden, den b e k a n n t e n M u t w i l l e n hiesiger junger Bursch zu verhindern.“ 1767 „Die Bürgersöhne, die wider das obrig­ keitliche Verbot bei diesen leidigen Zei­ ten, in welchen der Allerhöchst im abge­ wichenen Sommer über die Stadt mit 134 einem erschröcklichen Hagel heimge­ sucht, verflossene Fasnacht sich dennoch M a s g e n zu Ja u fe n unterfangen, mit­ hin sträflich und ärgerlich aufgeführt, sind verfällt an 14 Werktagen an der öffentlichen Landstraße in eigener Per­ son zu arbeiten oder aber 7 Gulden Strafe zu zahlen.“ 1796 „Den ledigen Bürgersöhnen ist auf bittli­ ches Ansuchen ihrer z w e i H e r r e n V ä t e r die gewöhnliche Fasnachts-Lust­ barkeit jedoch mit dem gestattet worden, daß das nächtliche M a s g e r e n -G e h e n unter schärfster Strafe verboten bleibe und falls sich ein oder ander durch ärger­ liches Aufführen und s o g e n a n n t e s S t r eh I e n betreffen lassen sollte, jede ihnen zukommen mögende Gefährdung an sich selbst haben und keine obrigkeit­ liche Hilfe zu hoffen haben werden.“ Aus den Ratsbeschlüssen kann man leicht herauslesen, daß die Bürgersöhne dem Ehr­ samen Rat manche Sorgen und manchen Ärger bereitet haben: 1695 „Bürgersöhne, welche heut nacht die Scharrwacht (Nachtwächter) mit Stein verfolgt, sollen eingetürmt werden.“ Um solche Auswüchse zu vermeiden, hatte man wohl die beiden V ä t e r d e r B ü r ­ g e r s ö h n e „erfunden“, die ihnen aus den Mitgliedern des Rats vorgesetzt beigegeben wurden, um ihren Übermut zu dämpfen und in „erträgliche“ Bahnen zu lenken. Es besteht aber auch kein Zweifel, daß man offensicht­ lich in der Wahl dieser“ Väter“ sehr umsich­ tig war und für diese sicher nicht leichte Auf­ gabe nur Gemeinderäte auswählte, die das Vertrauen der Bürgersöhne besaßen (- die 1675 diese sogar selbst vorschlugen -) und über Autorität und Verständnis für die Jugend verfügten. Irgend welche Beschwer­ den der Väter über die Jugendlichen sind nie­ mals in den Protokollen vermerkt. Sie erscheinen darin immer nur als ihre „Spre­ cher“.

N arro mit Begleiterin in Alt-Villinger Tracht Alle Teile, die zu einem „Häs“ gehören, sind im Laufe der Jaluhunderte irgendwann einmal genannt, sodaß angenommen wer­ den kann, daß die „Maskerade“ genau dem heutigen „Narro“ entsprach. Hierfür zwei Beispiele: „Daniel Fischer, Posthalter anhier, der auf dem Marktplatz mascieret gewesen und der dem Schwert-Wirts Söhnlein ohne eine Ursach mit dem bei sich gehabten hölzernen Säbel den Arm 1749 entzwei geschlagen, wird bis zu seinem Geständnis in die Gesellenstube erkennt, danach soll rechtens geschehen.“ Er wurde einige Tage später zu emer Strafe von 6 Pfund verurteilt. Und „wird Michel Kayser bestraft, weil er nach Bettläuten in Masceren und S ehe 11 e n über 1/4 Stunde auf der Gasse gewesen.“ (Schellen = Rollen) Aus den zitierten Ratsbeschlüssen, die 1728 135

sich im gleichen Sinne noch beliebig ver­ mehren ließen, können zwei Überlegungen abgeleitet werden: 1. Die „ Villinger Fasnet“ ist gegen alle Widerstände, Ablehnung und Verbote durch die Obrigkeit, sozusagen im Untergrund, durch die „Gesell­ schaft der Bürgersöhne“ überJahr­ hunderte am Leben erhalten und der Gegenwart überliefert worden. 2. Die Gesellschaft der Bürgersöhne war ein reiner Männer-Bund. Der „ Na r ro“ war ihre Fasnet-Tracht. Daraus ist zu erklären, daß es in Villingen nur den traditionellen „ Narr o „, aber keine historische weibliche Fasnet-Gestalt gibt. Die Alt-Villingerin, die heute diese Auf­ gabe übernimmt, ist eine alte Volkstracht, die wohl erst im 19.Jahrhundert, nach Grün­ dung der „Narro-Zunft“ in die Fasnet einbe­ zogen wurde und eine empfundene Lücke geschlossen hat. Es ist allerdings nicht aus­ zuschließen, daß auch schon vorher die Mädchen in ihrer alten Tracht zum Tanzgin­ gen. Belegt ist dies allerdings nicht. Es finden sich in den Ratsprotokollen nur Ermahnun­ gen über ihren Kleider-Luxus: 1683 ,,Weilen ein solcher Übermut in Klei­ dern, vorab bei jungen Leuten sich einge­ schlichen, daß es wider alle Polizeiord­ nung und dem gemeinen Wesen sehr nachteilig und schädlich, also sollen die Schuster, Schneider und Krämer erin­ nert, vornehmlich aber die Bürgerschaft ermahnt werden, ihre Töchter zur Ehr­ barkeit zu verleiten, die Menschen aber zu strafen, welche dergleichen Trachten haben.“ Sie tragen ja auch keine Schemme. Die Zugehörigkeit zur „Gesellschaft der Bürgersöhne“ wurde durch die Aufnahme als „Bürger“ und Verleihung des Bürgerrechts beendet. Dieser Akt erfolgte in feierlicher Form auf dem Rathaus, nach der3jährigen Wanderzeit 136 des jungen Handwerkers und des Nachwei­ ses, daß er eine Familie ernähren kann. Die Bewerber -es waren jährlich 10-20 Bürger­ söhne -mußten ein eigenes Gewehr vorzei­ gen und wurden durch Eid verpflichtet, sich jeder Zeit für die Verteidigung der Stadt ein­ zusetzen. Ferner wurde ihm ein lederner Feuereimer übergeben mit der Verpflich­ tung, sich sofort bei Feuer-Alarm, der durch den Turmwächter durch ein besonderes Glocken-Zeichen ausgelöst wurde, bei dem Feuer-Hauptmann seiner Gemeinde (die Stadt war in drei „Gemeinden“ aufgeteilt) zur Brandbekämpfung zu melden. Es begann der Ernst des Lebens. Dr. Ulrich Rodenwaldt Die Zitate sind mit freundlicher Einwilli­ gung des Herausgebers (Binder-Magnete GmbH.) dem Buch „Das Leben im alten Villingen“, 2. Auflage 1983, entnommen. I Blick von der RieLgasse auf die Benediktinerkirche in Villingen. ..,.. Zeichnung: Helga Rudo!f Asifäller

In Donaueschingen begann die Berufskarriere von Heinrich Hansjakob Der junge Professor und „lateinische Schul­ meister“ Heinrich Hansjakob Lehrer bald anfreundete und an manchem der kommenden Sommerabende im lauschi­ gen Gärtchen des Bücherwurms beim ange­ regtem geistigen Gespräch ein kühles Bier trank. Im damals „alten, verwahrlosten Gymna­ siumsgebäude“ in Donaueschingen erwar­ tete den Lehramtspraktikanten Hansjakob zunächst eine Unterrichtsverpflichtung von 26 Stunden. Dazu kam noch die Auflage, an Sonn-und Feiertagen für die Gymnasiasten einen Gottesdienst mit Predigt zu halten. Trotzdem blieb ihm noch genügend freie Zeit, wie er später niederschrieb: ,, Täglich, wenn die Schule zu Ende war, ging ich jeweils 137 Als lateinischer Schulmeister auf der Baar Als der Haslacher Theologiestudent Heinrich Hansjakob am 6. August 1863 in St. Peter im Schwarzwald die Priesterweihe empfangen hatte und wenige Tage darauf in seiner Heimat seine Primiz feierte, ging er nicht, wie man allgemein annehmen sollte, in den seelsorgerischen Dienst. Nein, er hatte seit Jahren an der Freiburger Universität noch andere Studienfächer belegt, ,,um dereinst badischer Schulmeister zu werden“. Nach dem bestandenen Staatsexamen hielt Hansjakob in seinem heimatlichen Has­ lach die mit Datum vom 7. Januar 1864 vom Karlsruher Oberschulrat ausgestellte Anstel­ lungsurkunde in Händen. Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, daß er den Schuldienst als Lehramtspraktikant droben auf der Baar am Gymnasium der fürstenbergischen Resi­ denzstadt Donaueschingen anzutreten habe. Allerdings zog der tatendurstige Haslacher erst Wochen später, gegen Ende März, viel­ leicht auch mit Rücksicht auf den österlichen Schuljahrsbeginn, auf seine neue Stelle. In seiner Begleitung befand sich seine Schwester Philippine, die ihm von nun an bis an sein Lebensende als treusorgende, ver­ ständnisvolle Haushälterin zur Seite stehen sollte. Draußen vor den Toren des Städt­ chens, in Allmendshofen, mietete er im Hause des fürstlichen Registrators Hauser im zweiten Stock eine Wohnung mit drei Zim­ mern und Küche für jährlich 100 Gulden an. Der Hausherr war „ein lieber, stiller Herr, der mit seiner greisen Frau und einer älteren Tochter, die Putzmacherei trieb, den unteren Stock bewohnte … Meine Mutter sandte mir vom Kinzigtal herauf Gemüse, Fleisch und Wein, so daß ich mit meinen übrigen 500 Gulden wohl auskam“, läßt uns Hansjakob noch heute wissen. In seiner nächsten Nach­ barschaft wohnte der fürstliche Bibliothekar Karl August Barack, mit dem sich der junge

entweder auf die Bibliothek oder in das Archiv, um zu lernen. Damals war ich noch nicht so nervös … studierte noch täglich zwei Stunden auf den fürstlichen literarischen Schatzkammern und sah trotzdem … den Himmel voller Baßgeigen.“ Im Herzen des jungen Lehrers ent­ flammte nämlich an der Quelle der ungeheu­ ren Archivschätze des Fürsten die Liebe zur Geschichtsforschung. Angeregt wurde dieser Eifer durch die immer tiefer werdende Bekannschaft Hansjakobs mit dem fürstli­ chen Bibliothekar Barack, aber noch viel mehr mit dem Leiter des Fürstlich Fürsten­ bergischen Archivs, Karl Heinrich Freiherr von Schreckenstein. Dieser anerkannte Historiker stand dem Archiv in den Jahren 1863 bis 1868 vor, um dann anschließend das Karlsruher Generallandesarchiv zu überneh­ men. Dieser Freiherr von Schreckenstein wurde letztlich zum Lehrmeister des ange­ henden Schriftstellers Hansjakob. Deshalb darf ohne Zweifel festgestellt werden, daß in der fürstenbergischen Residenz das verbor­ gene Talent des später so bekannten Schwarzwälder Volksschriftstellers, sein mei­ sterhafter Umgang mit der Feder, entdeckt, geweckt und gefördert wurde. Hansjakob blieb seinem Lehr- oder gar Zuchtmeister bis an dessen Lebensende in Dankbarkeit ver­ bunden, was zahlreiche Briefe bekunden. Doch lassen wir kurz das Wort dem einstigen Kooperator und engsten Vertrauten Hans­ jakobs, Dr. Anton Trunz, wenn er da schreibt: „Es ist für den Kenner Hansjakobscher Eigenart ein überraschendes Erlebnis, ihn aus diesen Briefen als gelehrigen Schüler zu sehen, begierig nach Anerkennung, gehor­ sam der Mahnung, willig auch beim Tadel des Mannes, von dem er oft und noch im letzten Lebensjahr versicherte, daß dieser es in erster Linie war, der ihn auf den Weg gestellt hat, auf dem er zum berühmten Manne wurde.“ Und an anderer Stelle: ,,Hansjakob wäre bedeutender geworden, wenn dieser Lehrer länger in seiner tüchtigen und vornehmen Denkart ihm zur Seite In diesem Haus, der nachmaligen Bäckerei Schell befand sich das alte Donaueschinger Gym­ nasium, in dem Hansjakob unterrichtete. Heute präsentiert sich das einstige Donaueschin­ ger Gymnasium, das spätere„Schell’sche Haus� als ein prächtiges Bauwerk mit seinem typischen Baaremer Stuftngiebel. 138

gegangen wäre. Mir sind eigentlich nur die Bücher bis zur Jugendzeit‘ interessant, da ist noch klare, saubere, von innerer Überzeugt­ heit getragene Arbeit. Später kam dann der Plauderer, der sich zum Modeschriftsteller verbildete.“ Die beiden Historiker von Schreckenstein und Barack reizten den Ehrgeiz des for­ schungsbegeisterten Schulmannes noch wei­ ter an, indem sie ihn anregten, den „Doktor zu machen“. Hansjakob biß an und stellte seine Dissertation unter das Thema: ,,Die Grafen von Freiburg im Kampfe mit ihrer Stadt bis zum Tode Graf Eginos III.“ Mit Feuereifer ging er nun an seine Doktorarbeit, und es war nicht verwunderlich, daß der angehende Historiker nach der Schule öfters und lange im Archiv oder in der Bibliothek zu finden war, wo ihm der Bibliothekssekre­ tär und spätere Kanzleirat Schelble „unge­ zählte Bücher“ herbeischaffte. Doch neben der Schule und seinen in­ tensiven historischen Arbeiten ging der junge Professor der heiteren Muse nicht aus dem Wege, liebte er doch von seinem ursprünglichen Naturell die Geselligkeit. Nur zu gerne traf er sich zum Feierabend im „Museum“, ein schönes, einsam am Eingang zum Schloßgarten gelegenes, von den Für­ sten von Fürstenberg für Vergnügungs­ zwecke erbautes Gebäude, wo „sich die vie­ len fürstlichen mit den badischen Beamten zum Biertrinken, Cego spielen, zu Konzer­ ten und Bällen“ trafen, woran sich später Hansjakob noch gerne erinnerte. Dort traf er auch noch mit der „einzigen Berühmtheit“, dem bereits pensionierten fürstlichen Hof­ kapellmeister Kalliwoda zusammen, das ihn später zu der kritischen Äußerung ver­ anlaßte: ,,Früher, besonders in den zwanziger und dreißiger Jahren, hielten die kleinen Für­ stenhöfe sehr viel auf eine gute Hofkapelle; heute sind Sport und besonders Rennställe bei diesen Herren beliebter.“ (Von den Donaueschinger Musiktagen konnte Hans­ jakob natürlich noch nichts wissen!) ,,Ich erinnere mich noch wohl, wie der Maestro Kalliwoda jeden Abend ängstlich schaute Während seines Donaueschinger Aufenthaltes war der spätere Volksschriftsteller ständiger Gast im F. F. Archiv (im Vordergrund) und in der danebenstehenden F. F. Hofbibliothek. Für das Buch „ Verlassene Wege“ fertigte der bekannte Schwarzwaldmaler Gurt Liebich diese Zeichnung von einer der bekanntesten Ansichten der Schloßkirche von der Brigach her an. • 139

jakob zog aber auch oft nach Hüfingen, um „im dortigen Schloßgarten“ sein Bier zu trin­ ken. Obwohl sich der Kinzigtäler in Donau­ eschingen sehr wohlfühlte, bekam ihm das rauhe Klima der Baar nicht sonderlich. Hart­ näckig quälte ihn ein Halsleiden, das ihn besonders in der Ausübung des täglichen Schuldienstes sehr hinderte. In den Sommer­ ferien 1864 suchte deshalb der geplagte Leh­ rer das Kiefernnadelbad in Wolfach im Kin­ zigtal auf, wo er durch die dortigen Inhala­ tionseinrichtungen Linderung und Heilung erhoffte – allerdings ohne greifbaren Erfolg. Deshalb rieten ihm seine nächsten Freunde, die Hochebene zu verlassen und einen gün­ stigeren Wirkungsort aufzusuchen. Sofort zielte Hansjakob nach Freiburg. Trotz dem Wohlwollen seines persönlichen Freundes, des Konviktdirektors und späteren Weihbi­ schofs Kübel, Mitglied des Ordinariats, blie­ ben vorerst die Tore der Breisgaumetropole für ihn verschlossen. Um so mehr widmete sich Hansjakob, nach Donaueschingen zurückgekehrt, der Fertigstellung seiner Dissertation, denn all­ zugerne wäre er doch an seiner von ihm nun energisch angestrebten neuen Stelle als „Doktor“ Heinrich Hansjakob aufgetreten. Zunächst wollte er an der Freiburger Univer­ sität promovieren, dann aber wandte er sich aus zeitlichen Gründen an die Tübinger Hochschule. Dort wurde seine Arbeit ange­ nommen und er am 15. März 1865 von der philosophischen Fakultät zum Doktor pro­ moviert, während er das Karlsruher Ministe­ rium weiterhin um eine baldmöglichste Ver­ setzung aus gesundheitlichen Gründen ersuchte. Der Donaueschinger Lehramtspraktikant brauchte indes nicht mehr lange warten. Bereits mit dem Datum vom 4. April 1865 wurde ihm der großherzogliche Erlaß eröff­ net, wonach ihm die Stelle des Vorstandes der Höheren Bürgerschule von Waldshut provisorisch übertragen worden sei. Die Osterferien verbrachte der neu ernannte Waldshuter Schulvorstand noch in seiner 1 ‚ Nach und nach wurde aus dem Lehrer und Pfar­ rer Hansjakob der bedeutendste Volksschriftsteller des Schwarzwaldes, der durch seinen Schlapphut leicht zu erkennen war und sich in dieser Darstel­ lung bis zum heutigen Tag in die Erinnerung der Leserschaft verankert hat. und zählte“, erfahren wir weiter, „ob nicht dreizehn Mann am langen Tisch säßen. Sobald dies eintrat, verließ er schleunigst sei­ nen Platz, um den Folgen der Unglückszahl zu entgehen.“ Jedesmal, wenn dann der Schulmeister – und es mochte noch so spät sein – nach Hause eilte, rief ihm sein Nachbar, ein Mes­ serschmied, vertrauensselig zu: „Herr Profes­ sor, Sie sind gewiß wieder zu einem Kranken gerufen worden. Ein geistlicher Herr hat eben Tag und Nacht keine Ruhe.“ Auch wenn ihm der Spätheimkehrer jedesmal erklärte, er „sei bei Gesunden gewesen, glaubte er es nicht, und am nächsten Abend tat er wieder den gleichen Spruch.“ Hans- 140

Nach Jahrzehnten unternahm Hansjakob 1900 mit seinem Landauer eine Fahrt durch die Baar, um nach langer Zeit mit Donaueschingen und der Hochebene ein kurzes Wiedersehen zu feiern. Vaterstadt Haslach, dann aber hieß es zu bündeln, die Wohnung von Allmendshofen an den Hochrhein zu verlegen, die fürstliche Residenzstadt auf der Baar zu verlassen. Seine Freunde allerdings sahen ihn trotz allem Verständnis für die notwendigen gesundheitlichen Belange nur ungern schei­ den, dies mögen folgende Worte des väterli­ chen Freiherrn von Schreckenstein unter Beweis stellen: „Daß ich Sie sehr vermisse, dürfen Sie mir ohne weitere Beteuerung glau­ ben. Sentimental sind wir nicht … aber die Abreise eines lieben und werten Freundes ist mir mitnichten gleichgültig, sondern bildet einen Abschnitt in meinem inneren Leben. Leute gibt es hier ziemlich viele, aber Men­ schen … “ Auf seiner Kutschenfahrt durch die Baar suchte der Stadtpfarrer von St. Martin auch seinen ein­ sll’gen Zeichenlehrer und verdienstvollen Schrift­ steller Lucian Reich in Hüfingen (Zeichnung von Liebich) auf 141

Ein Wiedersehen nach Jahrzehnten Unaufhaltsam lief die Zeit weiter. Am 18. April 1865 nahm Hansjakob am Hochrhein seinen Dienst au( Spätere Zwistigkeiten mit seiner obersten Schulbehörde veranlaßten den „Grobschmied von Hasle“ kurzerhand den Schuldienst zu quittieren, um sich noch mehr dem politischen Tagesgeschehen mit spitzer Zunge und Feder zu widmen. Zwei­ mal ließ er sich mit hoher Stimmenzahl in den badischen Landtag wählen und wan­ derte wegen seinem unerschrockenen öffent­ lichen Auftreten für Volk und Freiheit auch zweimal hinter schwedische Gardinen. Da sein Rock, wie er vor dem Karlsruher Ober­ schulrat im November 1863 vor dem Staats­ examen bekundete, lange genug sein wird, um ihm gegebenenfalls Arbeit und Brot zu geben, übernahm Hansjakob 1869 clie seel­ sorgerliche Betreuung der Pfarrei Hagnau am Bodensee. Etwa 15 Jahre später wurde dem Gründer der ersten badischen Winzergenos­ senschaft die Pfarrei St. Martin in Freiburg übertragen. Aus dem Historiker, dem Verfas­ ser zahlreicher geschichtlicher Abhandlun­ gen, war aber inzwischen schon längst der vielbeachtete Volksschriftsteller geworden, der als reisefreudiger Stadtpfarrer auch viele Fahrten weit über die Grenzen Deutschlands unternahm. Davon geben auch heute noch seine geschätzten und interessanten zehn Reiseerinnerungen in Buchform ein beredtes Zeugnis. Man schreibt das Jahr 1900. Hansjakob steht kurz vor seinem 63. Geburtstag und sin­ niert vor sich hin: ,,Seit Jahren unfähig, auch nur eine halbe Stunde weit zu gehen, fand ich, daß größere und längere Ausfahrten, wie ich sie im Kinzigtal oft machte, jeweils sehr gut auf meinen Schlaf und auf meine Stim­ mung wirkten. Es kam mir drum . . . der Gedanke, einmal im offenen Wagen eine län­ gere Luftkur zu machen und in alter Art durchs Land zu fahren . . . “ Auf Empfehlung des Rottenburger Domkapitulars Eisenbarth will Hansjakob das Kloster Untermarchtal an der Donau aufsuchen, das er über den Schwarzwald, die Baar, den Hegau und Linz- 142 gau mit seinem von zwei Pferdestärken getriebenen Landauer erreichen möchte. In seinem Buch „Verlassene Wege“ kann die Reise des Pfarrherrn von St. Martin nachvoll­ zogen werden. Über Furtwangen, Wolterdingen erreicht der Reisende Hubertshofen, den Rand der Baar, und beginnt zu schwärmen: ,,Von lang­ gestreckten Tannenwäldern umrahmt, liegt es so malerisch, so weltfern und friedlich auf einer Berghalde, daß es der lieblichsten Orte einer ist, die ich je gesehen.“ Im nahen Bräun­ lingen läuft sein Herz über: ,,Ich habe noch wenige kleine Landstädte gesehen, die mir so gut gefallen haben wie Bräunlingen.“ Vor allem gefallen ihm die vielen spätgotischen Häuser und: Jeder Bürger ist Bauer, hat Fel­ der und Vieh und vor seinem Haus noch als Wahrzeichen der Landwirtschaft und als Symbol aller echten Kultur den Misthaufen . . . Zwar sollen die Amtmänner von Donau­ eschingen längst Krieg führen gegen die so stolz plazierten Düngerhaufen … “ Am fol­ genden Tag ist der Hüfinger Pfarrer Rauber sein Gastgeber, ,,da ich die Wirtshäuser, so gut es geht, meiden muß, weil ich in ihrer Unruhe nicht schlafe“, so die Erklärung Hansjakobs für seine Vorliebe, in Pfarrhäu­ sern zu übernachten. Noch am gleichen Tag-es ist der 20.Juni 1900-sucht Hansjakob über Allmendshofen Donaueschingen auf, das er „seit drei Jahr­ zehnten nicht mehr betreten hatte.“ Mit Wehmut muß er feststellen: ,,Die Häuser waren geblieben, die Menschen sind fort in eine andere Welt.“ Zum Mittagessen kehrt der Freiburger Stadtpfarrer im „Schützen“ ein und hält fest: ,,Der heutige Schützenwirt Buri, dessen Vater ich noch wohl kannte, hat den alten ,Schützen‘ zu einem Hotel ersten Ranges umgestaltet und Donaueschingen zu einem Kurort gemacht.“ In Begleitung des Schützenwirts unter­ nimmt der Gast einen Rundgang, der ihn zuerst zum damals neu restaurierten Schloß führt. Wiederum meldet sich der Hansja­ kobsche Kritikaster zu Wort, wenn er ent­ täuscht meint, die Residenz sei nicht viel

Auf seiner Weiterfahrt von der Baar in den Hegau besuchte Hansjakob auch noch Blumberg, wo er den Kindern Kirschen eines Hüjinger Obsthändlers spendierte. schöner „als ein Hotel ersten Ranges in einem internationalen Kurort.“ Ja, er hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berge und konstatiert: ,, Wenn ich Fürst von Fürsten­ berg wäre, würde ich die Burg meiner Ahnen auf dem Fürstenberg drüben wieder auf­ bauen, dort residieren und im Hinabschauen auf Baar und Schwarzwald, auf Hegau und Schwäbische Alb fünf gerade sein und Welt und Menschen ihren Gang gehen lassen.“ Das nächste Ziel ist die fürstliche Biblio­ thek, wo er wenigstens noch einen Bekann­ ten aus früherer Zeit trifft, den ergrauten Kanzleirat Schelble. Schwermut senkt sich über den gealterten Pfarrdichter: ,,Heute komme ich im Spätherbst des Lebens an die klassische Stätte, und alles ist mir fremd, so fremd wie mein Jugendglück und die Heiter­ keit und Weltliebe jener Tage.“ Und der Kul­ tur- und Fortschrittspessimist grübelt weiter, als er zunächst mit Genugtuung sieht, daß das einst unansehnliche Gymnasiumsge­ bäude einer „schmucken, freundlichen Bäk­ kerei und Mehlhandlung gewichen ist“, die „für das Glück der Menschheit jedenfalls wichtiger ist, als eine höhere Bildungsanstalt; denn mit der wachsenden Bildung ziehen die Zweifel und die Unzufriedenheit in uns Menschen ein und wir wollen glücklich wer­ den und Rätsel lösen, die unlösbar sind durch die Wissenschaft.“ Von tiefer Wehmut über die Flüchtigkeit 143

des Lebens bewegt, läßt sich Hansjakob wie­ der nach Hüfingen zurückkutschieren, nimmt den dortigen Pfarrer zu einer abend­ lichen Fahrt nach Mundelfingen mit. Am anderen Morgen stattet der Reisende in Hüfingen noch seinem ehemaligen Rastatter Zeichenlehrer, dem „Maler und Volksschriftsteller Lucian Reich … , in dessen Zügen sich Bitterkeit und Biederkeit die Waage halten“ einen Besuch ab. Obwohl der frühere Rastatter Student „ein schlechter Musikant im Zeichen“ war, brachte er dem Dreiundachtzigjährigen immer noch Ach­ tung und Bewunderung entgegen und erwähnt dann voll Anteilnahme: ,,Wie hat Lucian Reich sein ganzes Leben hindurch nur für die Ideale gelebt! Wie hat er in seinen Büchern geschwärmt für Fürst und Vater­ land, für Volk und Volkstum, für Wahrheit und Recht! Und heute treffe ich ihn in einem armseligen, einsamen Stüblein mit einem Gnadengehalt von 71 Mark und 50 Pfen­ nig.“ Wenige Monate nach diesem Besuch starb Lucian Reich. Hansjakob sorgte dafür, daß die jetzt mittellose Tochter des Künstlers eine Pension erhielt. Der Autor dieser Zeilen, dessen Vorfahren mütterlicherseits aus Neu­ dingen stammen, glaubt, daß er in den ersten Nachkriegsjahren dieser Frau als hochbe­ tagte Greisin im fürstlichen Spital in Hüfin­ gen begegnet sei. Nach seinem Besuch bei Lucian Reich rüstet sich der reiselustige Herr aus Freiburg zur Weiterfahrt über den Randen in den Hegau. Lassen wir Hansjakob nochmals zu Wort kommen: ,,Beim Dörfchen Behla auf der Höhe angelangt, lasse ich halten und nehme noch einen langen Abschiedsblick von der schönen Baar. Sie lag, wenn auch nicht sonnenbeglänzt, doch so stattlich und so bescheiden vornehm vor meinem Auge, daß ich mir sagte: Fürwahr, wenn ich kein Schwarzwälder wäre, möchte ich aus der Baar sein.“ Kurt Klein den. Sollten diese Gedanken keinen Nieder­ schlag in den Archivalien gefunden haben? Wenn die Suche nach den Spuren des gei­ stigen Umbruches und der Auseinanderset­ zung mit dem revolutionären Gedankengut sich einem Orte wie Riedöschingen zuwen­ det, so geschieht dies nicht ohne Grund. Während Truppendurchmärsche, Zerstö­ rung und Not manches Dorf unseres Rau­ mes schwer mitnahmen, blieb in all den bewegten Jahren der Ort von Kriegsunheil und Entbehrungen verschont. Dies erschien bereits den damaligen Bewohnern als ein sol­ ches Wunder, daß sie nach 1796 ein Votivbild stifteten. Noch heute hängt dieses Glaubens­ zeugnis, das das von französischen Truppen umgangene Dorf unter der schützenden Hand des Heiligen Xaver zeigt, unweit des Einganges in der St-Martins-Kirche. Riedöschingen zur Zeit der Französischen Revolution 1789-1989: zweihundert Jahre sind seit der Französischen Revolution vergangen. Im nach­ folgenden Beitrag untersucht der Kreisarchivar des Landkreises am Beispiel Riedöschingen den Einfluß der Französischen Revolution auf unse­ ren Raum. Die für das südliche Kreisgebiet vorhan­ denen zahlreichen ortsgeschichtlichen Ab­ handlungen widmen vor allem den militäri­ schen Ereignissen der Revolutionsjahre 1789-1796 einen breiten Raum. Dies ist nicht zuletzt durch die Aktenlage bedingt, da in den noch vorhandenen Quellen überwie­ gend Angaben zu den Kriegsereignissen und deren Kosten zu finden sind. Doch müßten sich eigentlich auch Hinweise auf die revolu­ tionären, staatsgefährdenden Ideen finden lassen, die in den Waffengängen der Koali­ tionskriege ja verbreitet oder bekämpft wur- 144

Im Vergleich zu benachbarten Orten bot Riedöschingen demnach günstigere Voraus­ setzungen zur Aufnahme des revolutionären Gedankengutes. Die tägliche Anspannung und ständige Sorge um Existenz und Nah­ rung waren hier nicht so groß, als daß sie eine Auseinandersetzung mit den Ereignissen und Ideen der Revolution hätten völlig ver­ drängen können. Wenn auch am Ende von einer Riedöschinger Revolution nicht die Rede sein kann, so lassen doch manche der nachfolgend aufgeführten Fakten vermuten, daß zumindest eine Art „revolutionärer Unruhe“ im Sinne einer Auseinandersetzung mit den einschneidendsten Ereignissen und Ideen der Revolution die Bewohner ergriffen haben könnte. Wer nach den Wegen sucht, auf denen die Geschehnisse und Gedanken der Revolution in den Ort gelangt sein könnten, stößt zunächst einmal auf Zeitungsartikel, Pam­ phlete und Flugblätter, kurzum auf das gedruckte Wort. Doch um Zugang zu den schriftlich verbreiteten Nachrichten und Kommentaren zu erhalten, bedurfte es der Kenntnis des Lesens. Die Frage nach Mög­ lichkeit und Stärke der Auseinandersetzung mit dem revolutionären Gedankengut führt daher fast von selbst zur Frage nach den schulischen Grundkenntnissen und dem Bil­ dungsstand. Gerade hier schnitt Riedöschin­ gen hervorragend ab. Ignaz Lindau, Orts­ pfarrer, Schulvisitator im Amtsbezirk Blum­ berg und Dekan, war während all der Jahre des Lobes voll. Der seit 1773 als Volksschul­ lehrer und Meßner tätige Anton Keller lehrte mit viel pädagogischem Geschick. Die Schü­ ler besaßen überdurchschnittliche Kennt­ nisse im Rechnen, Lesen(!) und Schreiben. Das Angebot an die nicht mehr schulpflich­ tigen Kinder, auch nach dem 12. Lebensjahr eine Stunde Unterricht am Tag zu besuchen, wurde von vielen dankbar angenommen. Dies steigerte die Lesefähigkeit in einem Maße, daß der Großteil der Schüler „in dem Drucke nicht allein die vorgeschriebenen Bücher, sondern die Zeitungen, Wochen­ blatt und andere Piecen fertig“ 1 l lesen konn- ten. Auch in den Folgejahren galt die Volks­ schule stets als eine der besten des Amtsbe­ zirks. Damit war theoretisch dem ganzen Dorf der gedruckte Meinungs- und Ideen­ streit der Zeit zugänglich, wenn auch in der Praxis nur das Donaueschinger Wochenblatt und einige Zeitungen des Umlandes sowie später die im Ort von den französischen Truppen angeschlagenen Proklamationen den Lesekundigen vor Augen gekommen sein dürften. Lindaus Hinweis auf die Lektüre von „Pie­ cen“ deutet zudem darauf hin, daß im Dorf einzelne im Besitz von Büchern gewesen sein müssen. Könnte da nicht das eine oder andere „aufklärerische“ Werk darunter gewe­ sen sein? Man geht sicher nicht fehl, wenn man Ende dem ganzen Dorf einen wenn auch beschränkten Zugang zu dem sich mit der auseinandersetzenden Schrifttum zuspricht, denn auch die weni­ gen, vor allem älteren Nichtleser fanden stets in ihren Familien lesekundige Jüngere, die ihnen vorlesen konnten. Revolution Stärker noch als die Lektüre wirkten Er­ eignisse, die durch ihre Eindringlichkeit vor allem die Sinne, und damit ebenfalls das Gespräch der Einwohner auf die Revolution hinlenkten. So waren es einmal die Toten­ feiern für den Ende Januar 1793 hingerichte­ ten König Ludwig XVI., die durch ihre düstere Großartigkeit die Einwohner beein­ druckten. Trauerflor, Trauerhymnen, Seelen­ messen im ganzen Land gaben dem Tod eine Nähe, die man sonst nur beim Ableben des Landesherrn oder des Kaisers kannte. Der gerade zu diesem Zeitpunkt in der Region anwesende Befehlshaber des gegen die Revo­ lutionäre kämpfenden französischen Emi­ grantenheeres, Conde, war an der Gestaltung der Gedächtnisfeier wesentlich beteiligt. Am 29. Januar 1793 ließ er im Gotteshaus St. Georgen (Benediktinerkirche) in Villingen und tags darauf im dortigen Münster die Exe­ quien halten. Er selbst wandte sich am Ende der Messe in einer Traueransprache an die versammelte Gemeinde. Der Text der Rede wurde einige Tage später in dem auch in 145

Kirche St. Martin Riedöschingen: Der heilige Franz Xaver rettet das Doif vor französischen Truppen (Votivgemälde nach 1796) Riedöschingen gelesenen Donaueschinger Wochenblatt veröffentlicht.2l Eines jedoch hatten die Befürworter der Monarchie wohl nicht bedacht: durch ihren laut ausgedrückten Schrecken um den hin­ gerichteten König lenkten sie zwangsläufig das Gespräch auf den Fortbestand der Für­ stenherrschaft. Selbst verfälscht oder aus der Sicht der Monarchisten kommentiert konn­ ten den Bewohnern die Anklagen des Natio- 146 nalkonventes vor der Verurteilung nicht ganz verborgen bleiben. Ein weiterer Anstoß zur Auseinanderset­ zung kam in Riedöschingen nicht zuletzt aus der Sonntagspredigt.Die Kirche trat nämlich in der öffentlichen Verurteilung dieser Tat ohne Zögern an die Seite der staatlichen Autorität, sah sie sich doch von der Säkulari­ sierung und der Zivilkonstitution des Klerus in Frankreich bedroht. Was Wunder, daß

daher auch die Diözese Konstanz in den Meinungs-und Glaubenskampf eingriff. Am 2.April 1793 hatte Pfarrer Lindau während der Messe einen Hirtenbrief zu verlesen, der den Einwohnern ein zehnstündiges Gebet (mit Unterbrechungen) für das günstige Ende des anstehenden Waffenganges zwi­ schen dem Römisch-deutschen Reich und Frankreich befahl. Täglich nach dem mittäglichen Geläute mußte die große Glocke Zeichen zu einem weiteren Gebet geben, und gleich seinen Amtskollegen erhielt der Riedöschinger Geistliche die bischöfliche Anweisung, eine den Umstän­ den entsprechende Predigt zu halten.3l Allein diese wäre ohne eine wenn auch noch so ungenaue Kenntnis der zugrundeliegen­ den religiösen und politischen Konfronta­ tion nicht verstanden worden. Es ist zudem unwahrscheinlich, daß nach dem Kirchgang über eine solche Predigt und die in ihr ange­ sprochenen Ideen nicht eine Debatte auf­ gekommen wäre. Dazu war die allgemeine Erregung zu groß und die Umstände zu ungewöhnlich, selbst wenn direkte Hinweise darauf fehlen. Die von Kirche und Herrschaft erzeugte Abscheu gegen die „blutgierigen Revolutio­ näre“ mag sich im Lauf der Monate abge­ schwächt haben. Doch als nach Beginn des Revolutionskrieges das französische Heer sich der Reichsgrenze im Westen näherte, wurde sicher auch die alte Furcht wach. Die noch mit unerklärlichen Zeichen und Sym­ bolen Lebenden mögen daher die mehr als 50 Kanonenschüsse, die am 16. September 1793 auf den Höhen rund um Riedöschingen zu hören waren, als Vorboten kommenden Unheils empfunden haben. Wie sich in den darauf folgenden Tagen herausstellte, han­ delte es sich um die Beschießung von Alt­ breisach. Daß der Kampflärm über eine Ent­ fernung von rund 80 km Luftlinie getragen worden war, kann die Furcht der Bewohner vor dem zunächst Unerklärlichen nur noch erhöht und ein gewisses Unbehagen vor der Revolution und ihren Ideen gefördert haben. In direkten Kontakt mit der Revolution und ihren Gedanken kam das Dorf erst, als nach dem Vorstoß des französischen Heeres nach Osten ein kleines Detachement im Oktober 1796 kurzfristig den Ort besetzte. Freiheitsparolen wurden deklamiert und an den in den Dorfetter führenden Straßen Stöcke mit der Aufschrift „Cercle de Souabe“, d. h. „Schwäbischer Kreis“, auf­ gestellt. Durch das Ausstocken und die Ver­ kündigung des revolutionären Wortes war der dörfliche Bereich nun für wenige Tage eindeutig als territorialer und geistiger Raum von der Revolution vereinnahmt worden. Betrachtet man die Jahre1789 bis 1798 in der Gesamtschau, so boten im Grunde nur diese wenigen Tage im Oktober 1796 wirklich gün­ stige Voraussetzungen für eine Auseinander­ setzung mit den Ideen der Revolution. Riedöschingen war nun gewissermaßen „Hoheitsgebiet“ der Französischen Republik geworden und damit besonders aufnahmefä­ hig für die Parolen der Revolution. Wenn man für die „Riedöschiner Revolu­ tionszeit“ einen provisorischen Schlußpunkt angeben wollte, an dem der Absolutismus sich in dramatischer Inszenierung erneut des Raumes (und der Köpfe) bemächtigte, so böte sich hierfür der 13. Mai 1797 an. Auf dem brachliegenden „Mühlösch“ gegen Kommingen verurteilte an jenem Tag das im Dorf liegende österreichische Militärkom­ mando zwei Fahnenflüchtige. Während einer von ihnen erschossen wurde, mußte der andere Spießrutenlaufen. Für liberale Gedanken oder gar umstürzlerische Reden und Handlungen war nun für lange Zeit kein Platz mehr. Erst während der revolutionären Phase 1848/1849 lassen sich Anknüpfungs­ punkte an die Jahre von 1789 bis 1797 erken­ nen. Wie die zuvor erwähnten Ereignisse mit dem Militär zeigen, hieß Ruhe vor kriegeri­ schen Auseinandersetzungen keineswegs Befreiung von Einquartierung. Es stellt sich damit aber auch die Frage, inwieweit die anwesenden Truppen Einfluß auf die Gei­ steshaltung der Einwohner nehmen konn­ ten. Keiner der beiden in der Nähe operieren-147

den Armeen oder der in geringer Zahl im Ort untergebrachten Soldaten, weder der Reichstruppen noch der Revolutionsarmee, scheint es schließlich gelungen zu sein, die Dorfbewohner eindeutig für ihre Seite einzu­ nehmen. Beide Lager waren dafür durch klei­ nere Vorfälle und den ihnen vorauseilenden Ruf zu belastet. Während eines Aufenthaltes österreichischer Reitersoldaten im Juli 1795 war es nämlich im Schutze der Dunkelheit zu einer Mißhandlung des Nachtwächters gekommen, und auch die im Amt Blumberg umherstreifenden Angehörigen von Condes Emigrantenheer waren gerade keine würdi­ gen Vertreter des Ancien Regime. Gegen einen Erfolg der Revolutionstruppen im Werben für die Ideen der Revolution spricht die durch eine langjährige Schreckenspropa­ ganda und die bekanntgewordenen Exzesse der Revolution entstandene Abneigung der Einwohner. Wie groß die Furcht – vor allem unter den bevorrechtigten Ständen – war, erhellt unter anderem daraus, daß Pfarrer Lindau, kaum daß die französischen Ver­ bände ihren Vormarsch begonnen hatten, bereits am 6. Juli alle Meßgewänder und wertvolleren Sakralobjekte aus der Kirche unter dem Boden einer Taglöhnerhütte ver­ graben ließ und mit den eigenen Möbeln nach Rheinau (in das Benediktinerkloster?) flüchtete. Einem solchen angstvollen Miß­ trauen konnte die zu kurzfristige Besetzung des Ortes dann kaum entgegenwirken. Somit gelang es am Ende beiden Seiten nicht, während ihres Aufenthaltes im Dorfe „Werbung“ für die von ihnen vertretenen politi chen Ideen zu machen. In der Frage nach dem Beitrag des Militärs für oder gegen die Französische Revolution muß demnach von einer Neutralisierung ausgegangen wer­ den, da positive und negative Faktoren der beiden Lager sich in ihrer Wirkung gegensei­ tig aufhoben. Anstöße zur Aufnahme revolutionärer Gedanken könnten aber von einer als unge­ recht empfundenen finanziellen Belastung ausgegangen sein. Dem Amt Blumberg wurde im August 1796 nach der französi- 148 sehen Besetzung des Verwaltungsbezirks eine Kontributionsforderung auferlegt. Als die herangezogenen Gemeinden erfuhren, daß Landesherren, Geistliche und Beamte vom Tribut ausgenommen waren, kam es zur Verweigerung der Abgabe durch die Unterta­ nen.4l Bedeutungsvoll in diesem Zusam­ menhang sind die einzigen und bezüglich revolutionärer Umtriebe bekannt geworde­ nen „amtlichen“ Äußerungen aus der Feder des Blumberger Obervogtes. Der Hinweis im Mahnschreiben auf jene „übel belehrten oder irregeführten Unterthanen“, für die man Mittel finden werde „den Respect gegen die gesätze, gegen den Landesherrn und gegen die obrigkeit zu behaupten, ohne welche alle gesellschaftlichen (sie!) Bande sich auflößen, die Ordnung aufhöret, und das Recht der Stärke anfangt“, weist auf bedrohlich emp­ fundene Vorkommnisse5l, die zu lokalisie­ ren bis heute nicht möglich war. Unabhängig vom Fehlen konkreter Hin­ weise kann aus der obervogtlichen Formulie­ rung geschlossen werden, daß im Amte Blumberg der Protest sich aus einer bewußt­ seinsmäßig diffusen Aneignung revolutionä­ rer Forderungen speist, in die auch Ried­ öschingen miteinbezogen werden muß. Einiges spricht dafür, daß diese Widerstands­ haltung, die sich ganz allgemein an den pla­ kativen Gleichheitsbegriff der revolutionä­ ren Trias „Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­ keit“ anlehnt, in eine Revolutionsdynamik der Kleinregion eingebunden ist und dorther Kraftzuwachs erhält. Zu erwähnen wären hier vor allem die für den Nachbarort Kom­ mingen nachgewiesenen politisch motivier­ ten Zehntunruhen und Abgabeverweigerun­ gen. Seit 1795 enthielt man dem dortigen Geistlichen den Kleinzehnt. Der Grund für diese von Zehntherren selbst so bezeichnete „politische Entziehung“ lag dabei, wie er zu wissen glaubte, in einer im Vorjahr unter dem Thema „gebet dem Kaiser was des Kaisers ist“ (!) gehaltenen Predigt.6l Die Verweigerung des Kirchenzehnten wiederum stand im Rahmen einer seit 1789 andauernden Unruhe in der Grafschaft Ten-

gen. Die vom Merkantilismus inspirierte Verpflichtung zur Dienstleistungsnahme im eigenen Territorium provozierte bis 1804 fortdauernde Revolten gegen den „Mühlen­ zwang“. Die Einwohner „widersetzten sich den Anordnungen“ und es kam zu „tumul­ tuarischen“ Auftritten.7l Alles in allem, es gibt viele „ Verdachtsmo­ mente“ für revolutionäres Denken in Ried­ öschingen. Nirgends jedoch verdichten sich die vielen kleinen Hinweise zu jenem Kon­ glomerat, das man als eine Diskussion um revolutionäre Ideen oder als eine auf den gei­ stigen Anstößen der Revolution beruhende Auseinandersetzung mit dem Staat fassen könnte. Dr. Joachim Sturm Literatur: 1 l FF-Archiv Donaueschingen, F Deutsches Schulwe­ sen, Fasz. V, Riedöschingen, Schulvisitation 1790 2) Donaueschinger Wochenblätter vom 30. 01.1793 und 20.02.1793 3) Diese und die folgenden Angaben: Pfarrarchiv Ried­ öschingen, Chronik des Pfarrers lgnaz Lindau 4) Dazu Martin Münzer, Die Geschichte des Dorfes Hondingen, Stadt Blumberg, 1979, S. 38 f. 5) Ebd., S. 40. M. Münzer vermerkt durchaus richtig,daß aus dem .auffallend langen Schreiben … die Angst vor dem revolutionären Zeitgeist spricht.“ 6) Schreiben des Pfarrers Leibe an das Domkapitel Kon­ stanz, 7. August 1797, GLA Karlsruhe, Spez. Tengen/ 14, zit. nach: Gottfried Sauter, Kommingen auf dem Randen,1973,S.336 7l Ebd., S. 245 1816 – Ein Hungerjahr und seine Folgen Hungersnöte hat es bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer wieder in der Geschichte gegeben. Was der Krieg nicht verheerte, das besorgten Hagel, Stürme und verregnete Sommer. Meist blieb das Unheil auf eine Region beschränkt, anders dagegen in den Jahren 1816 und 1817, als die ganze Nordhalbkugel der Erde betroffen war. Am 26. April 1817 erscheinen auf dem Bezirksamt in Villingen vier junge Männer und erklären, es sei ihre Absicht, nach Ame­ rika auszuwandern. Die jungen Burschen, es sind Johann Baptist Weißer, Gottfried Moser und die Brüder Lorenz und Lukas Weißer aus Unterkirnach, werden vom Amtmann belehrt und auf die Gefahren und rechtli­ chen Folgen eines solch schwerwiegenden Schrittes aufmerksam gemacht. Doch sie las­ sen sich trotz des drohenden Verlustes ihres Heimatrechts von ihrem Vorhaben nicht abbringen und bitten um Ausreiseerlaubnis. (Tatsächlich erhielt später nur Joh. B. Weißer als ältester die Auswanderungserlaubnis, da die übrigen drei noch minderjährig waren.) Vier Tage später erscheint auch der ver­ mögenslose Tagelöhner Alois Weißer aus Unterkirnach vor dem Bezirksamt und erbit­ tet, obwohl er auf die „mit der Reiße verbun­ denen Beschwerlich- und Lebensgefahrlich­ keiten“ hingewiesen wird, ebenfalls den Aus­ wanderungskonsens für sich, seine Ehefrau und seine fünf Kinder, von denen das älteste gerade 11 Jahre alt ist. Schließlich sucht am 10. Mai 1817 Jakob Weißer aus Unterkirnach für seine Tochter Johanna, die tags darauf20 Jahre alt wird, um Auswanderungserlaubnis nach, da sie mit Verwandten nach Amerika fahren könne. Was brachte diese Menschen dazu, ihre Heimat aufzugeben und die weite Reise nach dem unbekannten Amerika auf sich zu neh­ men? Die Antwort ist in den Aufzeichnun­ gen des Gemeindepfarrers von Unterkimach zu finden: „1816 war für viele Gegenden und namentlich für diese ein großes Mißjahr, das im Grund und oberen Thal durch Hagel­ schlag noch vergrößert wurde. Im oberen Stockwald konnten die Früchte gar nicht ein­ geheimst werden wegen des frühen Einwin­ terns. Der Sommer war durchgehend naß und kalt, sodaß die Sonn- und Feiertage mei­ stens Heu- und Aemdttage waren. Darum entbehrten die meisten Nahrungsmittel aller 149

Kraft, was im Frühjahr 1817 unter den Armen fürchterliche Theurung und schreckliche Not verursachte. Nur aus dem badischen Lande wollten gegen 40.000 Menschen nach Amerika auswandern. Sie kommen bis Amsterdam – und getäuscht – kehrten sie noch ärmer in ihr armes, hungerndes Vater­ land zurück! Die Noth war allgemein, die Theurung schrecklich!“ „In den nahen ,Schwabendörfern‘ Biesin­ gen, Baldingen, Dauchingen, Deißlingen“ – so weiter in den Aufzeichnungen in Unter­ kirnach – ,,aß man Pferdefleisch, wenn es auch dem Abdecker gehörte. In Villingen kostete am 14. Brachmonat Ouni) ein Sester Kernen 8 Gulden (fl.) 6-20 Kreuzer (kr.), Haber 2 fl. 20-36 kr., Gersten 4-5 fl. Das Pfund Rindfleisch 15 Kreuzer. Die Maas Bier 14 Kreuzer, Wein von der schlechtesten Sorte 56 kr. bis 1 fl., Brod das Pfund 18-20 kr. Ein Sester Erdäpfel kostete 1 fl. 20-30 kr., 5 Eier 8 Kreuzer. Das Pfund Butter 30 Kreuzer. Dürrer Speck das Pfund 1 Gulden. Manche aus der hiesigen Gemeinde, um nicht Hun­ gers zu sterben, aßen gekochte Brennesseln und andere Grasarten.“ Der Vergleich von Rindfleisch (15 kr./ Pfund) mit Brot (18-20 kr./Pfund) und Kar­ toffeln (1 fl. 20-30 kr./Sester) macht deutlich, wie „billig“ Rindfleisch vergleichsweise war, weil es an Futter für das Vieh fehlte. (60 kr. � 1 fl.) Eindringlich auch ein Bericht aus Villin­ gen: ,,. . . Alle Tage in diesem Jahre regnete es. … Den 20. Oktober hat es zu schneien ange­ fangen. Am 26. November stritten sich die Kinder in Michel Maiers, des Bäckers, Haus um das Essen der Erdäpfelhäute. So groß war die Not. In diesem Jahr hat es sehr viel Haber und eine Menge Erdäpfel gegeben, und um Weihnachten nahm man noch Erdäpfel aus. Im Oktober hat man alle Tage für die armen Leute Geld gesammelt . . . Die kleinen Kinder sind unwert geworden. In diesem Jahr haben die Leute fast all ihr Brot in ihren Stubenöfen gebacken. Es gab auch sehr viel Mäuse, welche einen großen Vorrat an Früchten in ihre Löcher geschleift haben. Viele arme 150 Leute gruben diese Frucht heraus, allein es gab kein Brot davon. 1817: Der Anfang dieses Jahres ist noch schlechter als der Ausgang des vorigen. Im April kostete das Sester Kernen 5 Gulden 30 Kreuzer, Gerste 4 Gulden 14 Kreuzer, und man hat fast keine Frucht mehr zum Ansäen bekommen. Erdäpfel hat man fast gar keine mehr gehabt. Auch hat man den Armen Erdäpfelaugen zum Stupfen gegeben. Man sah oft untertags Leute, welche die Erdäpfel, die beim Waschen im Bache verloren gingen, mit Schaumlöffeln auffingen und zur Nah­ rung wieder benutzten. Es entschlossen sich sehr viele Leute, nach Amerika auszuwan­ dern; viele sind wirklich fortgezogen.“ Diese Schilderungen lassen an Deutlich­ keit nichts zu wünschen übrig. Das Ausmaß des Elends wird auch in einem Artikel des Großherzoglichen Anzeigenblattes ersicht­ lich, das als Mittel gegen die Hungersnot das Rezept eines „Nahrungsmittels für Arme“, bestehend aus Graswurzeln, isländischem Moos und Knabenkraut, verbreitete. Er zeigt aber auch, wie hilflos der Staat reagierte. Wen wundert es daher, daß in der „Beschreibung des Großherzogtums Baden“ von 1836 das Jahr 1816 als „gänzliches Fehljahr“ verzeich­ net ist? Die Pflanzen waren im allgemeinen zwei bis vier Wochen hinter ihrer durch­ schnittlichen Blüte- und Erntezeit zurück, wenn sie überhaupt reif wurden. Doch bereits seit dem ungewöhnlich hei­ ßen Sommer im Jahre 1811 waren die folgen­ den auffallend kühl, deshalb traten in einer Reihe von Jahren große Ernteverluste ein. Als dann das katastrophale Jahr 1816 das bestehende Unglück noch vergrößerte, war es nur verständlich, wenn manch einer beschloß, aller Unsicherheit zum Trotz eine bessere Zukunft in der Neuen Welt zu suchen, obwohl schon damals bekannt war, daß die Hungersnot auch Amerika erfaßt hatte. Die Ursache dieser eigentümlichen Witte­ rungsverhältnisse schrieb das Volk damals einem merkwürdigen, großen Kometen zu, der im Jahre 1811 erschienen war. Auf Son-

nenflecken oder das Vordringen arktischen Eises im Nordatlantik führten zeitgenös­ sische Naturforscher sie zurück. Doch erst 1983 fanden Wissenschaftler die wirkliche Ursache dieser weltweiten kli­ matischen Katastrophe. Die unheilvolle Kette der Ereignisse begann 1815 mit einem gewaltigen Vulkanausbruch in Indonesien, bei dem der Tambora-Vulkan riesige Asche­ massen in die Atmosphäre schleuderte. Die­ ser Ausbruch, der 12.000 Menschenleben for­ derte, war ungleich gewaltiger als die bekannte Eruption des Krakatau im Jahre 1883. Noch in einem Umkreis bis zu 1600 km Entfernung war das Beben der Erde zu spü­ ren und das Donnern der Eruptionen zu hören. Aschewolken verdunkelten den Him­ mel, und Ascheregen bedeckte die Erde. Der Tarnbora wurde damals um fast 1300 Meter niedriger und warf insgesamt etwa 150 Kubikkilometer Asche aus. So viel Asche ist nach Meinung der Klimatologen zwischen 1600 und heute bei keinem anderen Vulkan­ ausbruch in die Atmosphäre gelangt. Sie trieb jahrelang in der oberen Stratosphäre und schirmte das einfallende Sonnenlicht merklich ab, mit der Folge, daß die Tempera­ turen auf der Nordhalbkugel zurückgingen. In Neuengland (Nordost-Staaten der USA, geographische Breite wie Norditalien) gab es vernichtende Frosteinbrüche am 6. Juni, 9. Juli, 21. und zuletzt 30. August 1816, kurz bevor die dritte Ansaat in diesem Jahr ernte­ reif war. Da kaum die halbe Maisernte eingebracht werden konnte, waren auch in Amerika soziale Veränderungen die Folge. Getrei­ deexporte nach Europa und Kanada trieben die Mehlpreise in die Höhe und vergrößer­ ten die Not. Wer früher daran gedacht hatte, von der Ostküste in den Westen, das noch unerschlossene Land der Indianer abzuwan­ dern, der entschloß sich jetzt, es auch zu tun. Dieser Zug nach Westen bereitete das Land für die Millionen Auswanderer, die in den folgenden Jahrzehnten Europa verließen. Klaus Maiwald Bregbrücke Zindelstein Zeichnung: Helmut Groß 151

Zur Entwicklung der Kreisgrenzen Der badisch-schweizerische Grenzvertrag vom 1. 3. 1839 Am 1. 3. 1989 waren es 150 Jahre her, daß zwi­ schen dem Kanton Schaffhausen und dem Groß­ herzogtum Baden ein Grenzberichtigungsvertrag abgeschlossen wurde. Mit dem Vertrag vom 1. 3. 1839 wurden aus dem Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises auch die Gemeinde­ .flächen der heutigen Stad/teile Epfenhefen und Nordhalden von Blumberg vergrößert. In Erin­ nerung an den damaligen Verlragfand am 17. 5. 1989 eine kleine „Gedenkfahrt“ statl, bei der aiif schweizerischer Seile u. a. Regierungsrat Hans­ jörg Kunz und Prof. Dr. Walter Ulrich Guyan und auf deutscher Seite u. a. Landrat Dr. Rainer Gutknecht und Bürgermeister Werner Gerber (Blumberg) teilnahmen. Der Kreisarchivar des chwarzwald-Baar-Krei­ ses Dr. Joachim Sturm, untersucht im nach.fol­ genden Beitrag den Grenzberichtigungsvertrag vom 1. 3. 1839. Grenzverträge, welche die Zeiten der Weltkriege überdauert haben, sind in deut­ schen Breiten eher die Ausnahme. Es war daher ein Zeichen langjähriger guter Nach­ barschaft, wenn am 17. Mai 1989 das 150jäh­ rige Jubiläum eines zwischen dem Großher­ zogtum Baden und der Eidgenossenschaft ausgehandelten Grenzvertrages begangen wurde. Die am l. März 1839 geschlossene Übereinkunft besiegelte eine der bedeutend­ sten Bereinigungen des heute deutsch­ schweizerischen Grenzverlaufes zwischen Basel und Konstanz. Auch das Gebiet des Kantons Schaffhausen und de heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises blieben davon nicht unberührt. Was da Kreisgebiet betrifft, so waren es vor allem die seit 1971 zu Blumberg gehören­ den südlichen Gemeinden Epfenhofen und Nordhalden, wel he von der bis heute gülti­ gen Festlegung der jeweiligen Hoheitsgebiete Karte des Kantons chajfhausen 1825 mit Einzeichnung der strittigen Gemarkung zwischen Nordhal­ den und (Ober-)Bargen. Vorlage und Aufnahme: GLA Karlsruhe 48/2482. /Jf,,’/1 r. t, V’r’O, . ·-„·wr�lltito•,tl.t• ….. ,.,. ./,,.4″………,,..,,…_,_.,,, 1112,J 152

berührt wurden. Bei Nordhalden ging es dabei nicht nur um kleinere Korrekturen in der Nachbarschaft des eidgenössischen Ortes Bargen mit dem dazugehörigen Weiler Oberbargen. Vor allem die Grenzziehung mit Bannbereinigung in dem als „Kompro­ mißbann“ oder „Streitbann“ bezeichneten Gebiet im Bereich „Buchener Stumpen­ Ebersbrunnen“ in einer Größe von etwa 166 Hektar zog einen Schlußstrich unter einen jahrhundertelangen Markungsstreit. Gemäß Artikel 15 des Vertrages und in Anlehnung an einen vorhergegangenen Vergleich zwischen Nordhalden und Oberbargener Bauern 1828 wurde das Gebiet auf einer Linie „Mark am Bäumle – Steinerner Brunnen“ geteilt. Was nördlich davon lag, kam zu Nordhalden, der südliche Teil an Oberbargen. Am Ende brachte das Abkommen Nordhalden einen Gemarkungszuwachs von rund 25 % . Auch Epfenhofen war von der Grenzbereinigung betroffen, da dessen Gemarkung im Bereich Neuhaus an das besagte Gebiet anstieß und im Dorf selbst Schaffhausen Gerechtsame geltend machte, die nun abgelöst wurden. Der 20 Artikel umfassende und am 29. März 1839 von der Eidgenossenschaft ratifi­ zierte Vertrag, dessen dem Großherzogtum Baden überreichte Ausfertigung heute im Generallandesarchiv Karlsruhe liegt, be­ stimmte den Grenzverlauf nur in grundsätz­ licher Hinsicht und verwies die detaillierte Festlegung und Gebietsbereinigung an eine gemeinsame Grenzkommission, die auch mit der Vermessung und Kartierung der Grenze beauftragt wurde. Bereits 1831 mit dem Hause Fürstenberg getroffenen Verein­ barungen wurden bestätigt. Das Abkommen selbst entsprang keines­ wegs einem kurzfristig fühlbar gewordenen Bedürfnis, sondern einem längerfristigen Prozeß, bei dem mehrere Zeitumstände zusammenwirkten, die 1839 schließlich zur Lösung führten. Verwurzelt ist diese unter anderem auf mathematische Präzision und Eindeutigkeit bedachte Vornahme der Grenz- und Ge­ bietsbereinigung von 1839 zunächst in der Tradition einer auf Staatsverwaltung und Staatsorganisation bezogenen Aufklärung. Weniger dem Konzept der rationalen Ver­ waltung des Spätabsolutismus denn der nach 1800 erwachten Idee des „zähringischen Nationalstaates“ verpflichtet, zeigt die terri­ toriale Neugliederung im südlichen Groß­ herzogtum eine allgemeine Tendenz zur Verwissenschaftlichung zwischenstaatlicher Verhältnisse, zur mathematisch genauen Abgrenzung des hoheitlichen Raumes mit­ tels Vermessung und kartographischer Auf­ nahme. In der in Artikel 6 des Vertrages auf einen ersten Blick leicht zu überlesenden Formulierung, wonach bei der Kartenerstel­ lung „1 Fuß= 3 decimetres“ zu gelten haben, vollzieht sich einmal mehr die Herausbil­ dung des badischen Staates in der Tradition einer Aufklärung mit der ihr charakteristi­ schen „Wendung zum Klaren, Bewußten, Verständigen“! l. Dabei ist es nicht die Tat­ sache der angeordneten Landesvermessung und des zu erstellenden Kartenwerks, die auf den Einzug des modernen Geistes in der Bestimmung des Hoheitsraumes hinweist. Genauere kartographische Aufnahmen des Grenzgebietes sind seit dem 17.Jahrhundert, Landvermessungen hoher Genauigkeit seit Ende des 18. Jahrhunderts nachgewiesen.2l Die bis 1839 erstellten Pläne jedoch atmen, wenn zuletzt auch nur in Einzelzügen, die Plastizität und Bildlichkeit der territorialen Kartographie barocken Zuschnitts, wie sie auch auf einer trigonometrischen Landesver­ messung fußen, die noch mit alten nicht­ metrischen Maßeinheiten arbeitet. Hier liegt denn auch das Bemerkenswerte jenes sechsten Artikels des Vertrages von 1839: durch die eindeutige Bestimmung des Fußes mit 30 Zentimetern im badisch­ schweizerischen Abkommen wird der Über­ gang vom mittelalterlichen zum metrischen System im zwischenstaatlichen Raum und im Bezug auf das heutige Kreisgebiet deut­ lich. Das Vertragspapier ist Zeichen für die Befreiung der „Raumgröße aus der Subjekti­ vität sinnlicher Qualität“3l auf einem weite­ ren Gebiet staatlicher Kompetenz. Begon- 153

war mit der älteren Banngrenze einzelner Orte nicht identisch. Zehnt-, Weide-, Behol­ zungs- und andere Nutzungsrechte standen bald einer badischen, bald einer schweizeri- chen Gemeinde zu. Diese noch 1839 nicht deckungsgleichen dorfgenossenschaftlichen und herrschaftlichen Rechte in Verbindung mit teilweise nicht abgelösten Grundlasten von Institutionen jenseits des eigenen Staats­ und Hoheitsgebietes im südlichen Kreisge­ biet war eine Erblast mittelalterlicher Rechts­ verhältnisse. Die Überlagerung und das Nebeneinander einzelner Abgaben und Dienste (Frohnden, Zehnten aller Art) an weltliche und geistliche Herren in Verbin­ dung mit der von Schaffhausen in Epfenho­ fen beanspruchten Niedergerichtsbarkeit war daher keine Besonderheit der von der späteren Grenzbereinigung berührten Orte. Auch die von benachbarten Dorfgenossen­ schaften getroffenen Vereinbarungen über gemeinsame Nutzung von Weide und Wald­ bezirken finden sich seit jeher in anderen Gegenden Badens und der Schweiz. Aus­ einandersetzungen um die territoriale, quan­ titative und qualitative Abgrenzung der Ansprüche waren stets die treuen Begleiter dieser komplexen Struktur im Rahmen eines territorial zersplitterten Heiligen Römischen Reiches. Die üblichen lokalen Streitigkeiten führten zum Beispiel im Bereich Nordhal­ den-Bargen ab dem 15. Jahrhundert zu einer größeren Zahl von Verständigungen, Proto­ kollen und Übereinkünften, die in nahezu generationsweisem Abstand erneuert werden mußten. Die gemeinsamen Begehungen strittiger Gebietsteile zwischen Vertretern des Stadtstaates und späteren Kantons Schaffhausen und der Herrschaft Blumen­ feld schufen einen prekären Frieden, der immer wieder durch vermeintliche und tat­ sächliche Übergriffe der Bewohner des Gebietes zwischen Epfenhofen, Nordhalden und Bargen gestört wurde. Die im Spätabsolutismus begonnene und danach bis 1848 nahezu vollbrachte fiska­ lische Vereinheitlichung fand sich mit diesen Gegebenheiten nicht mehr ab. Eine Auf- Der „Buchener Stumpen“. Die über 500 Jahre alte Eiche war einst Ruhepunkt neben dem Grenz­ stein, der die Gemarkungsgrenzen von (Ober-) Bargen, Epfinhofen, Kommingen und Nordhal­ den schied. nen hatte dieser Prozeß in der Vermählung des metrischen Längenmaßes mit dem bis dahin uneinheitlichen Fußmaß im Gesetz vom 10. 11. 1810 und weiter in der Vollzugs­ Verordnung vom 28. 8.1828. War die erstma­ lige Einführung des metrischen Systems überhaupt ein Ereignis im Zuge der französi­ schen Revolution, so kommt der Aufnahme einer das moderne Längenmaß betreffenden Bestimmung im Grenzvertrag von 1839 ähn­ liche Bedeutung in der Herausbildung eines homogenen Hoheitsgebietes als Teil des badischen Staatsprofiles zu. Mit Artikel 6 des Grenzvertrages vollzog der badische Staat einen weiteren Schritt territorialer „Aufklä­ rung“. Die endgültige Abkehr vom mittelal­ terlichen „Fußes“ geschah letztlich erst im Zuge der Reichsgesetzgebung nach 1884. Eng verwoben mit der Tendenz zur schär­ feren Definition des Staatsraumes bzw. der Staatsgrenzen war die Bereinigung auch anderer, weiterer Rechte, die im Grenzraum jenseits des jeweils eigenen Hoheitsgebiete lagen oder es überschritten. Die Staatsgrenze, wie sie sich bis 1810 zwischen Baden und dem Kanton Schaffhausen herausgebildet hatte, 154

rechterhaltung alter Dienste und Abgaben gelegentlich der Festlegung der Staatsgren­ zen wäre jener Tendenz zuwidergelaufen, die mit dem Gesetz vom 5.10.1820 die Ablösung der Herrenfronen und mit dem Gesetz vom 15.11. 1833 die Zehntablösung bewirkt hatte. Der Streit 1810-1815 um die sogenannten Schweizer „Epaven“ im (ehemals) Nellen­ burgischen, d. h. den von Württemberg an Baden gegebenen säkularisierten Gütern Schweizer Klöster4l und deren verlangte Rückgabe war dann ebenso ein starker Anreiz zur Verknüpfung der Grenzziehung mit Rechtsbereinigung wie auch auf Schwei­ zer Seite die Trennung des Vermögens der Stadt Schaffhausen von dem gleichnamigen Kanton nach der Kantonalsverfassung vom 4. Juli 1831 eine Rolle gespielt haben könnte. Endgültig gelang die Bereinigung jedoch auch 183 9 nicht. Wenn in den Artikeln 11 und 12 Schaffhausen gegen eine Aversalsumme von 8000 Gulden auf alle Ansprüche in Epfenhofen verzichtete, welche der Kanton aus „früher daselbst ausgeübten Gerechtsa­ men ableiten zu können glaubte“, blieben andererseits bei neuangepaßten Weiderech­ ten im „Compromißbezirk“ Nordhalden alte, die Staatsgrenzen überschreitende Beholzungsrechte und Waldnutzungen un­ angetastet. Dennoch bleibt die Vereinbarung auf gegenseitigen Rechtsverzicht eine durchgrei­ fende Maßnahme einheitlicher Gestaltung des badischen Landes im Verwaltungs-, Fis­ kal-und Justizwesen, wie sie schon in der Effizienz bedachten Sehweise des Spätabso­ lutismus sichtbar wird. Was der aufgeklärte Absolutismus angelegt hatte, kam nun in Vollendung: die konstitutionelle Monarchie ging konsequent an die Beseitigung öffent­ lichrechtlicher Ansprüche in fremder Hand wie an die Aufhebung von Abgaben, die nicht dem Staate zuflossen. Von 1802 bis 1839 begleitet deshalb eine Kette von Einzel­ vereinbarungen mit der Schweiz die Reform des badischen Staates, vor allem in Bezug auf die Zehntrechte. Der Vertrag von 1839 setzt hier einen Abschluß, als er nach der Klärung und Ablösung von Einzelrechten nun auch den hoheitsrechtlichen Raum so genau wie möglich zu bestimmen sucht. In diesem Sinne ist er ein wesentlicher Beitrag zur Ver­ waltungs-und Staatsreform Badens wie der Aufklärung im Staate. Ein weiterer Anstoß zur Grenzbereini­ gung kam nicht zuletzt von dem am 12. Mai 1835 gefaßte Beschluß Badens, dem Deut­ schen Zollverein beizutreten. Im Hinblick auf die Organisation eines länderübergrei­ fenden Zollgebietes konnten nur bei genauer Kenntnis des Grenzverlaufs geforderte Zoll­ stationen eingerichtet und neue grenzbeglei­ tende Verkehrswege zum Transport der Der nördlichste Grenzstein der Schwei.z am Platz des vorhergehenden „Gatter-“ oder „Schwarzen Steins“. 155

Waren und der Förderung des Außenhan­ dels angelegt werden. Die Sorge Schaffhau­ sens wegen des sinkenden Handelsvolumens mit dem Großherzogtum im grenznahen Raum und der aufkommenden Schmuggel nach Baden verschärften die Gegensätze. Sie gaben den bisher weniger beachteten Grenz­ unstimmigkeiten und Rechtsansprüchen nun eine Dimension, die auch von Schaff­ hauser Seite die Aufnahme von Verhandlun­ gen wünschenswert erscheinen ließ, zumal der Streit Anlaß zur Ausweitung bot. Beide Regierungen liefen Gefahr, daß ihre ungelö­ sten Grenzprobleme auf die Ebene eines Streites zwischen Deutschem Bund und der Eidgenossenschaft gehoben würden. Wenn das Großherzogtum und der Kanton nach wenigen Monaten der Vorbereitung bereits 1839 zu einer Übereinkunft gelangten, so kann man darin auch den uneingestandenen Wunsch beider Länder erblicken, einem zur gleichen Zeit verschärften politischen Gegensatz auf Bundesebene durch kompro­ mißbereites Entgegenkommen in Grenzpro­ blemen, mit denen man zuvor Jahrhunderte ohne allzu großen Streit gelebt hatte, keinen Anlaß zur Eskalation zu bieten. Vor allem seit 1838 waren die Beziehun­ gen stärker belastet. Die fühlbar gewordenen Auswirkungen der Zollvereinsbestimmun­ gen mit ihrem Ziel einer Nationalwirtschaft auf den Handel mit dem Kanton Schaffhau- sen und die Verärgerung Badens über das politische Asyl badischer Liberaler im südli­ chen Nachbarland litten zusätzlich durch den gestörten Handel zwischen der Schweiz und den süddeutschen Ländern. Dazu kam das Mißtrauen des Deutschen Bundes gegen die Eidgenossenschaft wegen der Aufnahme der von den Polizeiorganen Metternichs ver­ folgten „Aufwiegler“. Daß der Kanton Schaffhausen und Baden dann in weniger als einem Jahr zu einer Über­ einkunft gelangten, zeugt von einer beiden Teilen zuzusprechenden Fähigkeit zu guter Nachbarschaft und „friedlicher Koexistenz“. Im kritischen Moment fanden die Vertrags­ partner trotz allen Druckes einen für beide Länder annehmbaren Ausgleich. Dafür ist der bis heute nie in Frage gestellte Grenzver­ lauf der beste Beweis. Dr. Joachim Sturm 11 Ernst Troeltsch, Aufklärung in: Franklin Kopitzsch, in Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum Deutschland, 1976, S. 255 21 Einen Überblicküberdie Karthographic im südlichen Kreisgebiet bei: Ruthard Oehme, Geschi hte der Kar­ tographie des deutschen Südwestens, 1961, S. 83 f., eine aufschlußreiche Studie zur Entwicklung der Längen­ messung und topographischen Definition: Frank Göttmann, Wie maß man früher die Länge des Weges? in: Beiträge zur Landeskunde (Beilage zum Staatsanzeiger Baden-Württemberg) !/Februar 1988, S. 1-8 31 Ernst Troeltsch, a. a. 0., 41 GLA Karlsruhe 48/5911 . 253 Hexenprozeß tarnt Justizmord Die Hinrichtung des Mathias Tinctorius in Hüfingen im Jahre 1632 1874 veröffentlichte der für tenbergische Archivrat Wilhelm Franck in der in Freiburg erschienenen „Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Alterthums­ und Volkskunde“ seine Studien über den Hexenprozeß gegen Mathias Tinctorius im Jahre 1631. Tinctorius, der der Mode seiner Zeit entsprechend seinen Namen Färber latinisiert hatte, war in Hüfingen fürsten­ bergischer Registrator, Obervogteiverweser und Notar, da heißt, er war zugleich Archi­ var, hoher Verwaltungsbeamter und Richter, seine Unterschrift hatte auf Urkunden un­ bedingte Beweiskraft, private Urkunden mußten von ihm geschrieben und auf jeden Fall beglaubigt werden. Mathias Färber, alias Tinctoriu , war also ein sehr mächtiger Mann im Städtchen, dem jedoch Mitbürger so feindlich gesinnt waren, daß er und seine Frau 1631 verhaftet wurden, die Frau noch im 156

selben Jahr als Hexe verbrannt wurde und er im Mai 1632 das gleiche Schicksal erlitt. Wilhelm Franck nannte seinen Aufsatz ein ,,Sittenbild aus den 1630erJahren“, das trau­ rig illustriert werde „durch die damals zu Hüfingen herrschende sittliche Verkommen­ heit und maßlose Stupidität“. Dies ist ein hartes Wort, Hexenverfol­ gungen waren keineswegs eine Spezialität gewissenloser Hüfinger: Zu der Zeit war der Hexenglaube, vor allem durch jahrhunderte­ lange Propaganda der katholischen Kirche und später auch der protestantischen Kir­ chenführer so im Denken der Menschen verankert, daß es nichts Ungewöhnliches war, wenn „Hexen“ für Unglück und schein­ bar Unerklärliches verantwortlich gemacht wurden. Dieses „Sündenbock-Denken“ be­ wirkte, daß bis spät ins 18. Jahrhundert in Europa zehntausende Frauen und auch einige Männer von verhetzten Fanatikern verbrannt wurden. Die Zeit, um die es hier geht, war zudem eine besondere – die Be­ völkerung hatte auch auf der Baar im Zuge des Dreißigjährigen Krieges unter Hungers­ nöten, Pestepidemien und den Greueltaten feindlicher Heere furchtbar zu leiden. Wun­ dergläubigkeit jeder Art ist zu allen Krisen­ und Umbruchszeiten besonders stark, so auch damals. Dazu kommt, daß die Men­ schen gelernt hatten, daß es ziemlich einfach war, jemanden wegen Hexerei zu verleum­ den, daß ein Entrinnen vor dem Scheiter­ haufen fast unmöglich war. Die Praxis der Hexenprozesse war so, daß das Geständnis auf der Folter erpreßt wurde und die immer gleichen Fragen der Richter bei allen Hexen­ prozessen und die erfolterten monotonen Antworten ein so übereinstimmendes Bild gaben, daß jeder wußte, was Hexen angeb­ lich taten und wie man sie denunzieren konnte: Hexen standen mit dem Teufel im Bunde und waren ihm, der auch die Gestalt einer Frau annehmen konnte, sexuell hörig. Gott und den Heiligen hatten sie abgeschwo­ ren, und der Teufel stiftete sie dazu an, Mensch und Tier zu schädigen. Dazu verlieh er ihnen zauberische Fähigkeiten, ließ sie auf Besen reiten und traf sich mit ihnen auf einem Berg zu wilden Orgien. Mathias Tinctorius war 1631 schon ein bejahrter Mann, er stammte aus Kitzingen, seine Frau J acobäa aus Zell am Harmersbach. Tinctorius war Protestant, trat aber, als er am kaiserlichen Hof eine Stelle übernahm, zum katholischen Glauben über. 1614 kam er auf dem Rückweg einer Pilgerreise nach St.Jago di Campostella, die er unternommen hatte, weil Mißgeschick und Krankheit das Ehepaar schwer getroffen hatten, durch die Baar. Man bot ihm an, die Schule von Aasen zu leiten; bis 1618 war er im Winter Lehrer, und arbei­ tete den Rest des Jahres auf dem Rentamt in Donaueschingen und als Registrator und Landgerichtsschreiber für die Grafen von Fürstenberg. Von 1622 an wohnten Tinctorius und seine Frau in Hüfingen, seine Titel waren jetzt Registrator, Obervogteiverweser und Notar. Vratislaus I. von Fürstenberg aus der Möhringer Nebenlinie des Adelsgeschlechts war sein besonderer Gönner, er verlieh ihm 1628 einen Wappenbrief und erhob Tinc­ torius damit „in den Stand und Grad der Wappengenossen“. Als Jurist und Archivar hatte sich Tinctorius also schon bald für die Fürstenberger unentbehrlich gemacht, er bezog ein beträchtliches Gehalt und genoß einige Privilegien. Wie konnte es also dazu kommen, eine solche, relativ hochstehende Persönlichkeit zu stürzen? Aus den Aufzeichnungen Tinctorius‘ und in weiteren Akten fand Wilhelm Franck fol­ gende Gründe: Als Auswärtiger hätte Tinc­ torius zunächst die dem Baaremer „angebo­ rene Mißgunst gegen Fremde gegen sich“ gehabt, außerdem hätte er „persönliche und örtliche Interessen in Menge verletzt“. So hielt man ihn an mehreren Orten verant­ wortlich für die Erhöhung der Gülten, das sind die regelmäßigen Abgaben, die Erb­ lehensbauern an ihren Grundherrn zahlen mußten und die normalerweise jahrzehnte­ lang gleich hoch blieben. Beim Scharfrichter Hans von Donaueschingen machte er sich unbeliebt, weil er ihm seine Zeche in Hüfin- 157

Hexenverbrennung, Holzschnitt 16. j ahrhundert. 158

gen beschnitt; dem Hüfinger Steuereintrei­ ber Ribola sah er so auf die Finger, daß der auf seinen Neben verdienst“ aus eigenmäch­ “ tigen Pfändungen verzichten mußte. Dazu kamen noch Streitigkeiten mit einer Geisinger und Hüfinger Familie. “ Am 5.Juni 1631 war der aufgestaute Haß gegen Tinctorius soweit gediehen, daß seine Feinde gleich mit einem massiven Angriff die Kampagne gegen ihn beginnen konnten: An jenem Tag traf sich die Regierung der Landgrafschaft Baar in Hüfingen, und gleich­ zeitig tagte mit Schultheiß und Rat das Stadtgericht, als ein gewisser Hans Franz, Welsch-Hans“ nannte, in einem den man Tobsuchtsanfall im Hemd auf die Straße rannte und nur mit Mühe überwältigt werden konnte. Die Frau des Kranken setzte sogleich das Gerücht in die Welt, der Notar Tinc­ torius und seine Frau hätten ihren Mann mit einem Trunk vergiftet. Fast wäre das Ehepaar Tinctorius von den aufgebrachten Hüfingem gelyncht worden, da besannen sich die und brachten die Sache vor den versammelten Rat: Die Notarin habe dem Welsch-Hans den vergifteten Trunk gereicht, damit ein Gefangener, den der Hans zu be­ wachen gehabt hätte, entfliehen konnte. V.an den Hüfingem werde sie sowieso für eine „Zauberin“ gehalten und Scharfrichter Hans habe sie schon oft als Hexe bezeichnet. Hüfingen habe einen schlechten Ruf, weil die Justiz nicht recht durchgreife, es sei wieder einmal Zeit, die Stadt von Hexen zu re1mgen. Als Fürsprecher der Gemeinde bei der Ver­ sammlung am nächsten Tag wurden Chri­ stoph Groß und Matthäus Schaffbücher ge­ wählt. Sie legten dar, daß die Notarin in Hüfingen schon immer einen schlechten Ruf gehabt habe, da sie Seltsames getrieben habe. Zum Verhängnis wurde der Frau, daß bewiesen werden konnte, daß sie dem Ge­ fangenen, der dem Christoph Groß Waren gestohlen haben sollte, einen Trunk zukom­ men ließ. Sein Verwandter Ribola fand, daß er zu Unrecht gefangen saß und hatte dafür Tinctorius als Obervogteiverwalter heftig an- gegriffen. Die Frau des Tinctorius ließ jeden­ falls dem Gefangenen Wein bringen, doch tranken auch seine beiden Bewacher davon. In dieser Nacht entfloh der Gefangene, und die Wächter gaben dem Wein der Notarin die Schuld, was ja vielleicht auch nicht ganz unrichtig war. Nur bei einem der Wächter, eben dem Welsch-Hans, wirkte der Wein angeblich so, daß er behauptete, Jacobäa Tinctorius habe ihn vergiften wollen. Im Grafen Vratislaus l. hatte das Ehepaar Tinctorius bis dahin noch einen mächtigen Beschützer, so daß von amtlicher Seite vor­ läufig nichts unternommen werden konnte, doch machten die Hüfinger der Notarin das Leben schwer, sobald sie sich auf der Straße zeigte. Die Intrigen gegen Tinctorius gingen indessen weiter; im Haß gegen ihn hatten sich Groß und Ribola wieder versöhnt, die Hüfinger verweigerten Tinctorius den Ge­ horsam. Drei fürstliche Beamte, Oberjäger­ meister Hans Ulrich von Ramschwag, Land­ vogt Egloff von Zell und Rentmeister Quirin Heitzmann bearbeiteten inzwischen den Grafen und verlangten eine Procedur gegen das „Hexen-Ungeziefer“. Bereits am 2.Juli 1631 begann die „Ehren­ rettung der Stadt durch eine gründliche Hexenbrennerei“. Da man nicht gleich mit der Notarin beginnen konnte, griff man sich, wie meistens in solchen Fällen, das schwäch­ ste Glied der Kette: Anna Beckiri (Beck), eine alte Bettlerin, wurde als Hexe denun­ ziert. Auf der Folter gestand“ sie, was ihre “ Richter hören wollten und gab gemäß der Prozeßordnung auch noch an, welche Hexen es in Hüfingen noch gab. Daraufhin wurden Agathe Flamm(in), Anna Benner(in) und Anna Bauer (Beurin) auf die Folter gespannt. Diese Frauen wiederum gaben Katharina Kasel (Köselin) von Hausen vor Wald,Anna Schafibücher (die Frau des Matthäus), den Notar Tinctorius und seine Frau, die Witwe Sabina von Sehellenberg, Magdalena Löw(in) und Anna Stotz (Stötzlin) an. Die Namen, die die Gefolterten angaben, sprachen ihnen die Richter meistens vor, so daß sie diejenigen, die sie eigentlich brennen sehen wollten, früher 159

oder später sicher in die Hände bekamen. So wurde die Notarin schon am 18. und 20.J uli bis zum Geständnis gefoltert. Beim zweiten Verhör, das heißt, als sie nochmals gefoltert wurde, gab sie schließlich ihren Mann als der Hexerei schuldig an. Immer gleich, so wie man es ihnen gemäß der Prozeßordnung suggerierte, waren die „Geständnisse“ der Frauen, war auch das Geständnis der f acobäa Tinctorius: Der Bund mit dem Satan, die Verleugnung Gottes und der Heiligen, die Teilnahme an Orgien, Schadenszauber an Vieh und Frucht. Wie absurd das ganze Verfahren war, zeigte sich schon darin, daß diese „Vergehen“ nichts mit dem zu tun hatten, was der Notarin ur­ sprünglich vorgeworfen worden war, und somit rationale Gründe überhaupt nicht im Spiel waren. Am 23. f uli wurden die sechs zuerst auf­ gezählten Frauen und die Notarin getötet, da diese als Frau höheren Standes unter ihnen war, wurden alle sieben enthauptet, bevor sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Mit den anderen als Hexen angege­ benen Frauen hatten die Richter es nun zunächst nicht mehr so eilig; ihr Hauptin­ teresse galt Tinctorius, der sich seit der Ver­ haftung seiner Frau im „gräflichen Hinter­ schloß“ verschanzt hatte. Völlig verzweifelt wandte er sieh nach dem Tode seiner Frau nochmals an den Grafen; der war jedoch schon am 10. Juli in Wien verstorben. Im August wurde der fod des Grafen in Hüfingen bekannt, am 22. August wurde Tinctorius gefangengenommen und in den Turm gesperrt. Bereits einen Tag später begann das erste „peinliche Verhör“; als Tinctorius nicht ;estand, ließen ihn seine Richter unker Ramschwag, Dr. .Verlin vom kaiserlichen Gerichtshof in Rottweil, Rent­ meister rleitzmann und der rlüfinger Schultheiß Roth, sieben Mal auf die Folter spannen. Schließlich bekannte er, was sie hören wollten – es waren die üblichen vorge­ formten Aussagen. So gab er schließlich auch als weitere ihm bekannte Hexen außer seiner Frau die Sabina von Sehellenberg und die 160 Magdalena Löw an.Nach fürchterlichen Fol­ terungen wurde am 30. August außer der Magdalena Löwein auch die Anna Stötzlin als Hexe verbrannt. Daß Tinctorius nach seinen Geständnis­ sen noch lebte, hatte zwei Gründe: Einmal mußte er Quirin Heitzmann, der für seinen Bruder schon länger auf das Amt des Tincto­ rius spekuliert hatte, in seine bisherige Arbeit einweisen, und außerdem hatten die Richter über die Bestrafung Meinungsverschieden­ heiten. Einige Zeit später entschloß sich Mathias Tinctorius, seine Geständnisse zu widerrufen. Er verfaßte einen ausführlichen Widerruf und bat Junker von Egloff im Dezember 1631, dieses Schreiben an die Grafen weiter­ zuleiten. Tinctorius begründete seine Un­ schuld zwar mit rationalen Argumenten, die in seinem Falle durchaus logisch darlegten, wieso er, was ihm vorgeworfen wurde, nicht getan haben konnte. Auch verweist er darauf, daß Folterqualen ihn dazu gebracht haben, falsche Geständnisse zu machen. Doch ist der Jurist Tinctorius ein ,,Kind seiner Zeit“: Grundsätzliche Kritik am Hexenglauben kommt in seiner Schrift nicht auf, ebenso, wie er das auf der Folter erpreßte Geständnis nur bei sich und seiner Frau als durch die Qualen verfälscht ansieht. Tinctorius glaubte selbst durchaus an die Existenz von Hexen, eine Schwester seiner Frau sei eine Hexe ge­ wesen. Nicht nur Hexen marterte man, auch Diebe wie den Leonhard Stabe!, der, als er dem betrunkenen Welsch-Hans entfloh, der Auslöser der Intrigen gegen Tinctorius gewe­ sen war. Der „Fall Stabe!“ – angeblich hatte er Stoff gestohlen – wurde von Tinctorius be­ arbeitet, und der arme Mensch war, da er eine Schuld nicht zugab, mehrmals gefoltert worden. Tinctorius riet ihm zuletzt selbst, er solle doch vor einer neuerlichen Tortur gestehen. Als es dem Notar wenig später selbst so erging, beschwerte er sich in seinem Schrei­ ben über die Methode, ihn, den Unschuldi­ gen, so lange zu foltern, bis er zugegeben

hatte, Hexerei getrieben zu haben. Daß es grundsätzlich einen Zusammenhang von Folter, Schmerzen, Angst und Geständnis gab (und gibt!), kam Tinctorius sowenig in den Sinn wie jedem anderen seiner Zeitge­ nossen. Zwar verfaßte der Jesuit Friedrich Spee 1631 seine berühmte Anklageschrift „cautio criminalis“ gegen Hexenprozesse und den Hexenglauben überhaupt, doch waren seine Gedanken zu diesem Zeitpunkt noch so revolutionär, daß er nur auf Empörung stieß und sich selbst gefährdete. Bis kritische Stimmen Erfolg hatten, verging noch eine lange Zeit. Auch für den hohen fürstenbergischen Beamten Mathias Tinctorius gab es keine Rettung durch vernünftige Argumente. Mit seinem Widerruf hatte er nichts erreicht, im Gegenteil, am 10. Mai 1632 sollte er die für Hexen übliche Hinrichtungsmethode erlei­ den: Tod durch Verbrennen bei lebendigem Le_ibe! Daß dieses Urteil doch noch abge­ mildert wurde und Tinctorius vor dem Scheiterhaufen enthauptet wurde, mußte er sich teuer erkaufen: Er mußte auf die Außen­ seite seines Widerrufs mit eigener Hand schreiben (von W. Franckin moderne Ortho­ graphie gebracht): ,,Seufzentliches Anflehen und Bitten. Daß ich zu Erlangung länger Lebens in dieser aus sonder Ängsten und des Fleisches Verführung geschriebener Revoca­ tion die Unwahrheit geschrieben, bezeug ich mit dieser meiner eigner Hand, um Gottes un­ endlicher Barrnhenigkeit willen um gnädige Verzeihung und Gnade bittend. Mathias Tinctorius.“ Sowenig es bei nur einer denunzierten und verbrannten Hexe blieb, sowenig be­ schränkte sich der Hexenwahn auf eine einzige Ortschaft. Einmal ausgebrochen, ver­ breitete sich dieser verhängnisvolle Irrsinn wie eine Epidemie: Die HüfingerinnenAnna Benner und Anna Bauer gaben nämlich auch zwei Bräunlingerinnen als Hexen an. Das Ergebnis war, daß bis 1635 fünfzehn „Hexen“ in Bräunlingen verbrannt wurden. Susanne Huber-Wintermantel De Nähei Du bischt en gruusig wüeschte Maa, häscht all din groiie Mantel aa und guckischt suur, ufriindli drii, bischt no nie froh und luschtig gsii. Du fiechscht jo d’Sunn und scheuscht de Mau, duescht all eloa gi schaffe gau. Ko Oarning kännscht, haaltscht ii ko Ziit, rännscht fort, wenn’s zmol nätt Wätter giit. Am liebschte schliffscht scho früeh vor Dag us Wald und Ried dor’s Stuudehag. Noo sproadischt dech ganz krotebroat und gausischt wild und läbscht om zload. Im Summer dreischt di Lascht berguff, uff’s Gwilch leischt noo din Mantel druff und scherscht und stupfscht bis volle Wuet de Hagel abiprassle duet. Wenn’s herbstelet, bischt all um d’Weag und rechscht di Goaschterwesch gearn [zweag. . He1, schäm dech doch, duer wiiters gau und bliib nitt bis z’Josefi schtau. Guck, siehscht, we’s Kind am Feischter huckt und ’s Näsli platt dra änni druckt? Es fiecht dech und will nitt uff d’Gaß ’s hätt Angscht, du machscht ihm d’Löckli [naß. Wa schreischt jetz zmol du arme Maa und guckischt mech so truurig aa, hä, worum rännscht, wer goht dier noh? — Grüeß Gott, Frau Sunn! so bischt jetz doo? Gottfried Schafbuch (ob von Gauß magntl. Maßeinheit?) = grauer groiie sproadischt = ausbreiten gausischl = unruhiges Hin und Her dreischt = lrägsl leischt =legst = schürst scherscht = Ordnung Oarning = Josefstag (19. 3.) z’josefi 161

Ein dunkles Kapitel unserer Geschichte: Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im NS-Staat In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen, jüdische Geschäfte wurden demoliert und geplündert. Die folgenden Beiträge erinnern an die Ausschreitungen im Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises. Stationen der Erinnerung an die Verfolgung und Vernichtung der Villinger Juden im 3. Reich SO Jahre waren am 9. November 1988 seit der „Reichskristallnacht“ vergangen. Aus die­ sem Anlaß luden die evangelische und die katholische Kirche in Villingen zu einem Gedenkgang ein. An 4 Stationen sollte an das Leben, das Schicksal und das Sterben der Vil­ linger Juden im 3. Reich erinnert werden: Gedenktafel in der Gerberstraße, ehemaliger Betsaal in der Gerberstraße, Bahnhof, ehe­ maliges Kaufhaus Bloch in der Rietstraße. Gedenktafel in der Gerberstraße 1978, 40 Jahre nach der „Reichskristall­ nacht“, wurde diese Gedenktafel nach mehr­ jährigen Bemühungen des Villinger Bürgers RudolfJanke angebracht. Die Tafel hängt an einer öffentlichen Mauer, und es heißt „in dieser Straße befand sich … der Betsaal der jüdischen Gemeinde“; die Tafel konnte nicht am ehemaligen Betsaal angebracht werden, weil die Besitzer dieses Hauses eine Wert­ minderung für einen Hausverkauf fürchte­ ten. 1933 lebten in Villingen ca. 70 Juden, 42 sind emigriert, 20 durch den Nationalsozia­ lismus umgekommen. Wie in anderen Städ­ ten war auch in Villingen die Entrechtung der Juden im 3. Reich früh zu spüren: ,,Dieses Bad wird von Juden nicht benützt“ stand z.B. über dem Eingang des Kneippbades, wie auf einem Bild von 1935 oder 1936 zu sehen. Über die Vorgänge am 9.11.1938 in Villingen schreibt die Lokalzeitung: 162 Die Reaktion auf die Pariser Bluttat Demonstration in den Villinger Straßen Die feige jüdische Bluttat in Paris, die den Tod des Gesandtschaftsrates vom Rath zur Folge hatte, löste auch im ganzen Badnerland eine Welle der Entrüstung aus. Überall kam es zu Demonstra­ tionen und Kundgebungen, in denen die Bevölke­ rung ihrer Erbitterung Luft machte. In Villingen machte sich die Jugend zum Worifii.hrer der allge­ meinen Empörung. In einem disziplinierten Demonstrationszug wandte sie sich gegen die Juden und Kriegshetzer. Mit Marschmusik und unter Trommel- und Fanfarenklang marschierten die Verbände der Hf mit ihren Fahnen durch alle Hauptstraßen. Große Spruchbänder wie: ,,Hin­ aus mit den Kriegshetzern‘: ,,Die Juden sind unser Unglück“ und treffende Judenkarikaturen wurden im Zuge mitgefuhrt. Sprechchöre förder­ ten Vergeltung für die jüdische Bluttat. Besonders laut und hörbar wurden die Demonstrationen verständlicherweise vor dem Villinger Amtsge­ fängnis, wo die meisten der hier ansässigen Juden in Schutzhaft saßen. jedenfalls konnten sie froh sein, hinter dicken Mauern in Sicherheit zu sein. Diese Kundgebungen sowie die Akte der Empö­ rung, die sich in und vor den jüdischen Kultstätte in der Gerberstraße zutrugen, düiften den Juden gezeigt haben, daß das deutsche Volk nicht länger gewillt ist, die Hetze ihrer überstaatlichen Organi­ sationen länger stillschweigend hinzunehmen. Die Juden werden die Quittungfor ihre Wühl­ arbeit erhalten.

Diese Tafel wurde zur Erinnerung an den Betsaal der jüdischen Gemeinde in der Gerberstraße 33 am 9. 11. 1978 an der Mauer des Landratsamtes bei der Johanneskirche angebracht. Bahnhof Es gibt direkte Zusammenhänge zwischen Bahn und Vernichtung der Juden: Mit der Bahn wurden die Männer nach der „Kristall­ nacht“ ins Konzentrationslager Dachau gebracht; am 22. 10. 1940 wurden die in Vil­ lingen Gebliebenen nachts am Bahnhof zusammengetrieben und nach Gurs depor­ tiert; mit der Bahn wurden sie in die Todes­ stätte nach Auschwitz gebracht. Noch viel mehr steht der Bahnhof stell­ vertretend für die vielen Institutionen und Menschen, für die Einrichtungen und Exper­ ten, ohne die der Nationalsozialismus und die Judenvernichtung nicht hätten stattfin­ den können. In Darstellungen der Eisenbahnge­ schichte des 2. Weltkrieges wird diese Zeit als „Leistungsexplosion“, als „größte Eisen­ bahnmobilmachung der Welt“ mit Stolz gekennzeichnet. Denn in der Kriegszeit gab es zu wenig Eisenbahnpersonal, die Waggons und die Strecken waren überlastet. Und gleichzeitig hatten sich die Aufgaben der Reichsbahn vergrößert: zum normalen Per­ sonenverkehr kamen die Soldatentransporte, der Transport der Militärgüter und der Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten. Gleichzeitig sorgten Luftangriffe und Zerstö­ rungen für Unterbrechungen. 163 Gerberstraße 33 – hier war die jüdische Betstube Das Gebäude gehörte Hugo Schwarz; hier betrieb er seine Viehhandlung. 1936 mußte er das Geschäft schließen. Am 9.11.1938 wurde der Betsaal zerstört, die Möbel wurden auf die Straße geworfen. Mit anderen Villin­ ger Juden wurde Hugo Schwarz ins Konzen­ trationslager Dachau gebracht. Hugo Schwarz verkaufte das Gebäude. Der Erlös reichte aber nur, um seine 3 Kinder in die Schweiz emigrieren zu lassen: Marga­ rete (12 Jahre), Heinz Julius (10 Jahre) und Manfred (8 Jahre). Hugo Schwarz selbst, seine Frau und seine Schwester, konnten sich nicht retten. Im Oktober 1940 wurden sie mit den anderen Villinger Juden nach Gurs in Südfrankreich deportiert – Baden und Pfalz konnten sich „stolz“ als erste Länder Deutschlands »iudenfrei“ melden. Die über­ lebenden von Gurs kamen nach Auschwitz. Hugo Schwarz und seine deportierten Ange­ hörigen sind in Gurs oder Auschwitz umge­ kommen.

In den 3 Jahren von Oktober 1941 bis 1944, beförderte die Reichsbahn mehr als 2,5 Millio­ nen Juden in Vernichtungslager. Das bedeu­ tete: Personal, Lokomotiven, Personenwagen und Güterwagen mußten bereitgestellt wer­ den; die Züge wurden in die Fahrpläne einge­ baut und über mehrere Länder hinweg wurden Bedarfsfahrpläne erstellt. ,, Trotz all der Pro­ bleme blieb in der ganzen Zeit kein einziger Jude wegen Transportschwierigkeiten am Leben“ schreibt R. Gilberg in seinem Buch ,,Sonderzüge nach Auschwitz“. Neben den personellen und technischen Problemen wurden mit Gründlichkeit auch die finanziellen gelöst. Die Transporte wur­ den ganz regulär im Rahmen des Personen­ verkehrs abgerechnet: die SS zahlte an die Reichsbahn nach dem Personenbeförde­ rungstarif 3. Klasse, Kinder unter 10 Jahren fuhren zum halben Preis und Kinder unter 4 Jahren kostenlos; für Deportationen mit mehr als 400 Personen wurde der Gruppen­ preis mit dem halben Tarif gerechnet. R. Gilberg schreibt:“ Wenn man rückblik­ kend die Rolle der Reichsbahn bei der Ver­ nichtung der Juden betrachtet, … steht als erstes fest, daß niemand von seinem Amt zurücktrat, niemand protestierte und kaum jemand um seine Versetzung ersuchte. In kei­ nem Dienstrang wird Zögern erkennbar, die Leistungsanspannung litt unter keinerlei Ermüdungserscheinungen. Man muß … betonen, daß es sich bei den Beteiligten nicht um eine Sondergruppe von ,Funktionären‘ handelte, die eigens für diese Aufgaben bestimmt waren. Die Bearbeiter waren jeweils Verkehrs- und Fahrplanexperten, nicht Experten Ihre Arbeitsweise war nicht eigens dem besonde­ ren Charakter der Judentransporte angepaßt. Ob das Ziel nun der Aufrechterhaltung des Lebens oder der methodischen Vernichtung diente, die Reichsbahn brachte dieselben Regeln, dieselben Nachrichtenwege und die­ selben Formulare in Anwendung. Nicht ein­ mal die Zahl der ,Eingeweihten‘ wurde beschränkt, auch wurde nicht strenge Geheimhaltung gefordert.“ 164 in Sachen Juden. Ähnliches kann man im 3. Reich für andere Gruppen und Experten sagen: Juri­ sten arbeiteten Gesetze und Vorschriften aus und wirkten in der »Rechtspflege“ an deren Umsetzung mit; Verwaltungsspezialisten sorgten für eine effektive Durchführung; Journalisten beschönigten und verschwie­ gen; Ärzte arbeiteten im Rahmen der Eutha­ nasieaktion und in den Konzentrationsla­ gern als Mörder und auch der größte Teil der Kirchen hat zumindest geschwiegen. Auch bei der Diskussion um die Verant­ wortung können die Bahnexperten stellver­ tretend für die vielen anderen Fachleute in der Gesellschaft stehen. Trotz Stolz auf die Leistung der Reichsbahn im 3. Reich hat kei­ ner von der Reichsbahn hinterher die Verant­ wortung für seine Mitwirkung an den Juden­ deportationen auf sich genommen und kei­ ner wurde zur Rechenschaft gezogen. Jeder Fachmann empfand sich „nur“ als Befehls­ empfänger und als kleines Rädchen, das nicht anders konnte als funktionieren. Rietstraße 15 – Kaufaaus Salomon Bloch Villingens Juden waren in das bürgerliche Leben der Stadt integriert. Sie betrieben viele Geschäfte in der Villinger Innenstadt:

Rietstraße 15: Kaufhaus Salomon Bloch, mit einer Filiale in Schwenningen Auf der anderen Straßenseite: W eißwa­ rengeschäft von Heinrich Schwab und sei­ ner Schwester Martha; beide im Konzen­ trationslager umgekommen Rietstraße 40: Viehhandlung Jakob Schwab; seine Schwester Sally im Kon­ zentrationslager umgekommen Kanzleistraße 6: Viehhandlung Hermann Bikart Niedere Straße 11: Das Gebäude gehörte Salomon Bloch, hier war ursprünglich sein Geschäft gewesen Niedere Straße 33: Textilgeschäft Moritz Feibusch Niedere Straße 43: Textilgeschäft Merkur Bloch Gerberstraße 33: Viehhandlung Hugo Schwarz Waldstraße 11: Viehhandlung Louis Bikart; mit seiner Frau und zwei von sei­ nen drei Kindern in Auschwitz umgekom­ men Luisenstraße 11: Rechtsanwalt Schloß, der lange im Villinger Bürgerausschuß war Immobilienmakler Lothar Rothschild, in Auschwitz umgekommen. Nicht nur im Geschäftsleben, auch in den Villinger Vereinen waren die hiesigen Juden vor 1933 integriert: Louis Bikart und Hugo Schwarz gehörten zu den ersten Mitgliedern des FC 08, Hugo Schwarz war zeitweise der 1. Vorsitzende – beide sind in Auschwitz umgekommen. Jakob Bloch, Jakob Schwab und Hugo Schwarz waren aktiv in der Narrenzunft. Michael Blochs Tochter spielte im Tennis­ club. „Fremde“ waren die Juden in Villingen vor 1933 nicht gewesen. Sie wurden durch die Nationalsozialisten dazu gemacht und die Nationalsozialisten haben dieses Empfinden für sehr lange Zeit in unserem Denken ver­ ankert. Darüber, wie die jüdische Gruppe der deutschen Bevölkerung zu Fremden gemacht und dann umgebracht wurde, darf nicht ver­ gessen werden, wie andere Gruppen an den Rand gedrängt wurden und dasselbe Schick­ sal erlitten – die Sinti und Roma, die Homo­ sexuellen, die Zeugen Jehovas etwa. Und ebenso erging es den anderen Gruppen, die schon von Anfang als „fremde Untermen­ schen“ angesehen wurden, wie die Polen und die Russen. Vor nur SO Jahren war das alles möglich. Und fordert uns auf, wachsam zu bleiben gegen Bestrebungen, Fremde abzulehnen und Menschen zu „Fremden“ zu erklären. Dr. Heinz Lörcher Judenverfolgung in Donaueschingen Ein lokalhistorischer Nachtrag zur 50. Wiederkehr der sogenannten „Reichskristallnacht“ Die Geschichte der Donaueschinger Juden reicht nicht, wie das „Einwohnerbuch der Amtsstadt“ von 1937 fälschlich angibt, in das Jahr 1723 (und damit in den Beginn der eigentlichen Residenzphase Donaueschin­ gens) zurück, sondern exakt in das Jahr 1662. Am 27. Februar dieses Jahres stellte Graf Fer­ dinand Friedrich zu Fürstenberg, Angehöri­ ger eines in Donaueschingen ansässigen Zweiges der Heiligenberger Linie dieser Dynastie, einer Gruppe von fünfJuden samt deren Familien einen Schutzbrief aus. Mit diesem „Satzbrief“ wurde den aus dem öster­ reichischen Bräunlingen vertriebenen Juden als ersten Angehörigen ihrer Glaubensge­ meinschaft der Aufenthalt in dem Marktflek­ ken Donaueschingen gewährt. Freilich sollte ein weiterer Zuzug auf höchstens neun jüdische Haushaltungen beschränkt bleiben. Ihre Rechtsstellung hob sich sogar von der 165

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der übrigen Donaueschinger vorteilhaft ab, da sie von den üblichen Feudalabgaben befreit sein sollten. Lediglich einige Ver­ brauchs- und allgemeinen Steuern hatten die Juden zu entrichten, denen allerdings der Handel mit Salz und Eisen untersagt bzw. von der Einholung einer besonderen Erlaub­ nis abhängig gemacht wurde. Ansonsten mochten sie als Händler und Kaufleute tätig sein, doch hatte dies, wie der „Satzbrief“ sagt, ohne „jüdischen Wucher“ abzugehen: Bei der Geldleihe durften bei Summen über 10 Gulden nicht mehr als 3 Kreuzer per Gulden als Zins genommen werden. Im übrigen wur­ den die ersten Donaueschinger Juden den anderen Bürgern rechtlich gleichgestellt. Die Abhaltung ihres Kultus war ihnen gestattet, auch sollten sie zu ihren Festen jüdische Gäste empfangen dürfen. Für die ihm ver­ brieften Freiheiten und Privilegien mußte jeder der Donaueschinger Juden alljährlich auf St. Georgii 16 Gulden Schutzgebühr, das sogenannte „Satzgeld“, an die fürstenber­ gische Herrschaft zahlen. Der älteste „Satzbrief“ wurde auf zehn Jahre ausgestellt und später verlängert, 1683 zwar auf sechs Haushaltungen begrenzt, immerhin jedoch auf dreißig Jahre aus­ gedehnt; 1713 erreichten die Juden sogar eine Erweiterung des Privilegs auf 18 Familien. Wie anfällig indes dieser ausschließlich an ökonomische Bedingungen gekoppelte Rechtsschutz sein konnte, hatte sich schon ein Jahr zuvor gezeigt, als vier unbemittelte jüdische Familien aus Donaueschingen aus­ gewiesen worden waren. Deren Vertreibung geschah unter maßgeblicher Beteiligung des jüdischen „Hoffaktors“ Samuel Weil, der sich das Eisen- und Tabakhandelsmonopol in den fürstenbergischen Territorien hatte zusichern lassen und den Hof mit Pferden und Uniformen belieferte. Er nahm eine beherrschende Stellung innerhalb der jüdi­ schen Gemeinde Donaueschingens ein, die er jedoch bald nach dem Tode seines fürstli­ chen Beschützers Anton Egon zu Fürsten­ berg im Jahre 1716 einbüßte. Wenn fortan auch der Einfluß des Hoffaktors abnahm, so behauptete sich doch diese jüdische Do­ mäne auch noch über dasJahr1743 hinaus,in dem ansonsten alle Juden nach Ablauf der Schutzfrist den Ort verlassen mußten. Jüdische Hoffaktoren hielten sich noch bis 1797 in der Residenz, 1818 konnte erneut ein Jude Hoffaktor der jetzt mediatisierten Herr­ schaft werden. Schon während der ersten rund acht Jahr­ zehnte jüdischer Geschichte Donaueschin­ gens muß jene gesellschaftliche Minderheit ständigen Anfeindungen und Pressionen ausgesetzt gewesen sein. Unter den einschlä­ gigen Akten des Fürstenberg-Archivs finden sich mehrere die ,Judenschaft“ einengenden Dekrete. Schon vor Ablauf des ersten Schutzbriefs erhoben sich Klagen aus Bevöl­ kerungskreisen gegen dessen Verlängerung; die Begründungen reichen zumeist nicht über irrationale Ängste und Vorurteile hin­ aus und entsprechen allgemein den Vorstel­ lungsmustern eines vormodernen Antisemi­ tismus: Man fürchtete in Donaueschingen um den“ wahren Christenglauben“, den man durch Kontakte zwischen Juden und Chri­ sten, vornehmlich aber durch das „Durch­ einanderlaufen“ der Kinder beider Glau­ bensgemeinschaften bedroht sah. Der Ge­ sang der Juden an ihren Festtagen, die von den Juden ausgehenden Versuchungen (Fleischgenuß an christlichen Festtagen!) und angeblichen „Betrügereien“, nicht zuletzt die Furcht, durch „unsaubere“ Juden könnten Krankheiten eingeführt werden, lie­ ferten den Vorwand für die kategorische Ablehnung dieser Minderheit. In diesem Sinne ergingen später, z. B. noch 1783/84 , immer wieder herrschaftliche Verordnungen zur „Hinausschaffung“ der Juden. Der Aus­ weisung entgehen konnten die Juden nur, wenn sie zum christlichen Glauben katho­ lischer Konfession übertraten, wofür sich tat­ sächlich mehrere Beispiele nachweisen las­ sen. Eine Liberalisierung trat erst allmählich ab 1806 in badischer Zeit ein. Die 1699 von Hechingen und Endingen aus formierte jüdische Gemeinde Donaueschingen konsti- 167

Da die Donaueschinger Juden keine eigene Synagoge und keinen eigenen Fried­ hof besaßen, konnten hier keine größeren Zerstörungsaktionen wie in vielen anderen Orten (z. B. in Gailingen} greifen. Die meisten der noch in Donaueschingen lebenden Juden hatten freilich schon aus den vorange­ gangenen Unrechtsmaßnahmen die Konse­ quenz gezogen und den Weg der Auswande­ rung gesucht. Vierzehn der achtzehn nach 1933 noch in Donaueschingen wohnenden Juden gelang (mit zwei nach 1933 geborenen Kindern) der rettende Schritt ins Ausland – allerdings unter Zurücklassung ihres Besit­ zes, der ihnen z. T. schon vorher gewaltsam entzogen worden war. Bereits im Oktober 1938 war Donau­ eschingen als einer der Verladebahnhöfe in Baden ausersehen gewesen, denen auf Befehl der Sicherheitsdienststelle Karlsruhe bis spä­ testens zum 28. 10. 1938 festgenommene männliche Juden polnischer Staatsangehö- Antisemitische Schmierereien am Kaufhaus Gug­ genheim in Donaueschingen (Ecke Wasser-/ Max-Egon-Straße) am 9./10. November 1938. Stadtarchiv Donaueschingen. tuierte sich neu, doch mußte man sich wegen des Mitgliederschwundes 1895 der Ge­ meinde Gailingen unterstellen, der größten jüdischen Landgemeinde im Großherzog­ tum. Mehr als drei Jahrzehnte vorher war in Baden mit dem „Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten“ (4. Oktober 1862) die Gleichberechtigung der jüdischen Bürger durchgesetzt worden. Ab 1933 wurde die jüdische Emanzipa­ tion systematisch abgebaut, die gesellschaft­ liche Assimilation der meisten deutschen Juden mit radikaler Systematik rückgängig gemacht. Eine erste dramatische Zuspitzung nach Jahren der politisch-rechtlichen Diskri­ minierung bildeten die Terrorakte der Tage vom 8. bis 13. November 1938, für deren Höhepunkt um den 9./10. November sich die ironische Bezeichnung „Reichskristall­ nacht“ eingebürgert hat. Auch die in Donaueschingen ansässigen Juden sahen sich dem gesteuerten „Volkszorn“ aus­ gesetzt: Unter der Leitung eines SA-Standar­ tenführers zog ein aufgehetzter Mob durch die Straßen der Amtsstadt vor die Häuser jüdischer Mitbürger; Randalierer verwü te­ ten mehrere Wohnungen jüdischer Kauf­ leute, von denen zumindest Siegfried Weil und Dagobert Guggenheim grob mißhan­ delt worden sein sollen (nach Augenzeugen­ berichten}. Das „Schwarzwälder Tagblatt“, altes NS-Kampfblatt und mittlerweile die einzige Zeitung mit einer Donaueschinger Ortsbeilage, schreibt am 11. November 1938: In Donaueschingen zog die erregte Volksmenge vor die Wohnungen der hier lebenden Juden. In lebhaften Zurufen und Sprechchören wurde die Enifernung der Juden aus unserer Stadt verlangt. Die Polizei nahm 3 Juden von hier und einen von auswärts in Schutzhaft. Zu ernsteren Zwischen­ fällen ist es bei diesen Vergeltungsaktionen nicht gekommen. So hat auch hier das Judentum seinen Tribut für die ruchlose jüdische Hetze draußen in der Welt erhalten. Die Donaueschinger Bevölke­ rung erwartet, daß kein Jude innerhalb der Mauern unserer Stadt bleibt. Dem Ruf, ,Juden raus·: der gestern früh in den Straßen unserer Stadt erklang, muß die Tat folgen. 168

rigkeit zugeführt werden mußten. _Knapp zwei Jahre später traf es dann auch die deut­ schen Juden: Die Donaueschinger Bürger Dagobert Guggenheim und Henriette Lind­ ner wurden im Oktober 1940 in einem Sam­ meltransport von 7500 Juden aus Baden, der Saarpfalz und Elsaß-Lothringen ins franzö­ sische Internierungslager Gurs verschleppt. Während die 76-jährige Henriette Lindner am 5.11.1944 im südfranzösischen Perpignan verstarb, wurde der damals 32-jährige Dago­ bert Guggenheim am 14. 8. 1942 nach Auschwitz deportiert, wo er zu einem unbe­ kannten Zeitpunkt den Tod fand. Weder zeitgenössische Qyellen noch Befragungen unter älteren Donaueschingern bieten Anhaltspunkte für die Feststellung von Widerstand oder auch nur öffentlich bekundeter Mißbilligung der lokalen Vor­ gänge im November 1�3�. Allein der_ Hilfe­ leistungen .Pfarrer Hemnch Feurstems (�r selbst übrigens nur wenige Jahre später em Opfer der Terrorherrschaft) für be�rängte Juden konnten sich einige Zeugen ermnem. Zweifelsfrei festgestellt werden konnte unter­ dessen daß die jüdischen Geschäftsleute Gugge�eim, (Siegfried) Weil und Lindner schon vor dem Pogrom zum Verkauf ihrer Anwesen gezwungen worden waren. Nur den Guggenheim-Erben, die eine Villi_nger Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betrauten, gelang 1950 erfolgreich die gerichtliche Anfechtung des Zwangsver­ kaufs von 1938. In den beiden anderen Fällen hat offenbar bis heute keine direkte Wieder­ gutmachung stattgefunden, obwohl die �us­ landsadressen der Geschädigten bzw. ihrer Erben schon in den ersten Nachkriegsjahren den Behörden bekannt waren. Die Stadtver­ waltung Donaueschingen hingegen hat neuerdings versucht, mit den emigrierten jüdischen Mitbürgern bzw. deren Nachkom­ men Kontakt aufzunehmen. An diesen Per­ sonenkreis wurde die Einladung ausgespro­ chen, anläßlich der 1100-Jahr-Feier Donau­ eschingens wieder einmal in die alte He�at­ stadt zu kommen. Heinrich Weil und seme drei Schwestern Alice, Bertha und Emma Eli- sabeth, sämtlich aus Donaueschingen stam­ mend sind bereits 1986 -fast ein halbes Jahr­ hund�rt nach ihrer Auswanderung- der Ein­ ladung in ihre Geburtsstadt nachgekommen. Dr. Volkhard Huth Q;tellen und darstellende Literatur zu1:1_ Thema: F.F. Archiv Donaueschingen, 4. Polztzca Illjf.; Grundbuchamt Donaueschingen, Lagerbücher. E. FRIEDRICHID. SCHMIEDER-FRIED­ RICH (Hgg), Die Gailinger Juden. Materialien zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Gailingen aus ihrer Blütezeit und den Jahren der gewaltsa­ men Auflösung, Konstanz 1981; H. GRAML, Reichskristallnacht. Antisemitismus und Juden­ ve,folgung im Dritten Reich, München 1988; F. HUNDSNURSCHER/G. TADDEY, Die jü­ dischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968; Die Opfer der nationalsozialistischen Judenve:­ folgung in Baden-Württemberg 1933-1945. Ezn Gedenkbuch, hg. v. der Archivdirektion Stutt- gart, Stuttgart 1969; P. SA U�R (Bearb),_Dok�­ mente über die Veifolgung der;üdzschen Burger zn Baden-Württemberg durch das nationalsoziali­ stische Regime 1933-1945. Teil II, Stuttgart 1966. Zeit die Zeit die mir noch bleibt werde ich nicht mit Rachegedanken verbringen – die Zeit die mir noch bleibt, werde ich nicht für meinen Haß brauchen – die Zeit die mir noch bleibt wird nicht reichen für meine Liebe diese Zeit Christiana Steger 169.

Kirchen, Wailfahrtswesen Villinger Münsterpfarrei feierte 1988 zwei Jubiläen – 450 Jahre Marienpatrozinium Die östliche Außenwand der Münstersa­ kristei ist geschmückt mit zwei kreisrunden Sandsteinreliefs von ca. 35 cm Durchmesser. Das eine zeigt ein Marienbild, das andere das Stadtwappen mit der Jahreszahl 1538. Was aus dem Urkundenbestand nicht so klar zu belegen ist, wird damit in Stein doku­ mentiert: Das Münster – die ehemalige ,,Leutkirche Johannes Baptista in der Stadt“ – war ums Jahr 1538 zu einer Marienkirche geworden, zum Münster Unserer Lieben Frau. Der Rat der Stadt hatte damals – zu Zeiten von Stadtpfarrer Laurentius Hering (1531- 1549) – eine Erweiterung der Sakristei ver­ anlaßt und die neue Außenwand mit den bei­ den Steinmedaillons geschmückt. Eigentlich werden in der Kirchengeschichte die Patrone der Kirchen mit großer Treue überliefert, sie gelten, weil mit der Weihe verbunden, als unveränderbar. Es mußten also im 16. Jahr- hundert ganz ungewöhnliche Umstände zur Veränderung des Münsterpatroziniums ge­ führt haben. Für das Leben einer mittelalter­ lichen Stadt war die Pfarrkirche mit ihren Rechten und Privilegien, ihren Pfründen und Einkünften von ganz zentraler Bedeutung. Jeder Bürger war an den wichtigsten Punkten seines Lebens (z.B. Taufe, Hochzeit, Begräb­ nis) auf sie verwiesen und blieb zuinnerst mit ihr verbunden. Und Pfarrkirche für das alte Dorf und die neue Stadt Villingen war aber die Altstadt­ kirche am anderen Brigachufer. Sie war eine Marienkirche und blieb die Pfarrkirche, auch als längst die neue Stadt am Brigachbogen erbaut war. Seelsorgerische Belange, die stets gefähr­ dete Lage der Kirche weit außerhalb der Mauem, vielleicht auch ihre bescheidene Größe führten im 16. Jahrhundert zur Über­ tragung der Pfarrechte von der Altstadtkirche 170

auf das Münster in der Stadt. Sicher nicht ohne Zustimmung des Konstanzer Bischofs wurde mit der Verlegung der Pfarrechte auch das Patrozinium auf das Münster übertragen. Die Jahreszahl 1538 auf dem Stadtwappen an der Sakristei war für die Münsterpfarrei der Anlaß, das Fest Mariä Himmelfahrt 1988 besonders festlich zu feiern, als 450jähriges Jubiläum des Marienpatroziniums. Eine von Klaus Ringwald zu diesem Tag gegossene Gedenktafel erinnert am hintersten Pfeiler des Mittelschiffs an das Fest und erklärt jedem Besucher, welche Umstände den Kir­ chenpatron Johannes den Täufer auf den zweiten Platz verdrängt haben. Gymnasiasten war der Chor der Kloster­ schule St. Ursula an der Feier beteiligt. Abt Georg III. Gaißer hatte nach langwie­ rigen Grundstücksverhandlungen auf den 171 Altstadtkirche, Mutterkirche von Villingen, 1855 abgebrochen, B!eiseftz,eichnung von D. Ackermann -300 Jahre Benediktinerkirche Im Jahre 1988 feierte die Münsterpfarrei das 300jährige Jubiläum der Grundsteinle­ gung der Benediktinerkirche. Dieses barocke Juwel innerhalb der Stadtmauern hat wech­ selvolle Zeiten erlebt. Durch Kriegswirren und fehlende Mittel bedingt dauerte der Bau bis zur Vollendung des Turms und der wertvollen Innenausstat­ tung bis 1760, also 70 Jahre. Nur etwa 50 Jahre bis zur Säkularisation 1806 freuten sich die Benediktinermönche, die Gymnasiasten und die Bürger der Stadt über das lichtvolle Got­ teshaus. Hundert Jahre diente die ausgeplün­ derte Kirche als Salzlager und zu anderen Zwecken, schließlich war sie in den Besitz der Stadt gekommen, 1912 wurde durch Kaufver­ trag die Münsterpfarrei neue Besitzerin, sie sorgt seither für die Erhaltung und würdige Nutzung. Im Jubiläumsjahr wurden zuerst eine auf­ wendige Sanierung des Dachstuhls mit neuer Dachdeckung und eine sorgfaltige Außenre­ novation des Turmes durchgeführt. Dann fand im Oktober zum Gedenken an die Grundsteinlegung vor 300 Jahren ein festli­ cher Gottesdienst statt. Zur Erinnerung an den Gesang der Mönche wurde das Amt im gregorianischen Choral gesungen, und an Stelle der einst in der Kirche musizierenden

16. Mai 1688 zur Grundsteinlegung einer Stiftskirche eingeladen. Abt Roman von St. Blasien nahm die Weihehandlung vor. Über den Verlauf der Feier hat sich im Kloster St. Paul in Kärnten der Tagebucheintrag eines Augenzeugen des Paters Augustin Fink erhal­ ten, der lautet: „Sonntag, den 16. Mai Prozession vom Münster aus an den Ort der Weihe – Abt Roman unter einem von vier Ratsherren getragenen Baldachin; Abt Georg und die Honoratioren, worunter der Stadtkomman­ dant Hinteregger, Schilde der Muttergottes­ bruderschaft mit Kerzen in den Händen tra­ gend – der Wind bläst alle aus, nur nicht die des Abtes Georg -; nach der Grund teinle- gung drei Geschützsalven von je 32 Schüs­ sen. Festpredigt unter freiem Himmel durch Stadtpfarrer Dr. Heinrich Motz vor einer ungeheueren Volksmenge, worunter drei lutherische Prädikanten und der Pastor aus St. Georgen. Nach Beendigung des Hoch­ amts Rückkehr ins Münster. Um 11 Uhr Fest­ mahl im Benediktinerkloster mit ca. 30 Gästen, während desselben szenische Auf­ führung durch 16 Jünglinge und Musik­ begleitung. Abt Roman schenkt 200 Taler und 80 fl. für den Klosterbau“. (Zitiert nach Christian Roder im Freiburger Diözesanar­ chiv Band 33 Seite 44.) Dekan Kurt Müller Erinnerungen an Pfarrer Hermann Schneider (1890 -1965) Pfarrer in Gremmelsbach 1938 – 1959 Erinnerungen können nicht den Umfang und die Vollkommenheit einer Biographie erwarten lassen, selbst nicht den gleichen Abstand und die dadurch mögliche Objekti­ vität, dafür liegt ihr Wert im Einmaligen und Unmittelbaren des Sich-Erinnernden, das in jedem Betracht streiflichtartig bleiben muß – aber ohne schriftliche Fixierung für immer dem Gedächtnis entschwände. Jeder, der Hermann Schneider ein Stück weit beglei­ tete, würde andere Erlebnisse und Anekdo­ ten zu erzählen wissen, aber alle würden ihn als den frommen, eifrigen, treuen, gütigen, nachsichtigen, humorvollen, menschenzu­ gewandten Priester charakterisieren. Als er nach Gremmelsbach kam, ging er bereits auf die Fünfzig zu, doch von Resigna­ tion, wie sie sich geistigen Berufen zuweilen anhängt, zumal nach einem Schicksal wie dem seinen, war bei ihm keine Spur zu erken­ nen. Im vertrauten Kreis erzählte er gerne aus seinen früheren Jahren, von Elternhaus und Schule, seinen langen Lehrjahren als Vikar und seinen Schwierigkeiten mit Kirche und Welt. 172 In einem kleinen Häuschen an der Stadt­ mauer in Gengenbach kam er 1890 in einer Schuhmacherfamilie zur Welt. Er hatte drei Schwestern. Sein Ausbildungsweg war der vieler Geistlicher. Um möglichst lange im Elternhaus bleiben und Kosten sparen zu können, lernte er beim Pfarrer Latein. Er trat in die dritte Klasse des Gymnasiums in Sas­ bach ein. ,,Ich hatte keine Zeit für das Heim­ weh, zwei Stunden, bevor der Zug abfuhr, bekam ich die letzte Lateinstunde.“ Nicht leicht fand er das Ende, wenn er von den Leh­ rern erzählte, die zu seiner Zeit ihre Eigenwil­ ligkeiten hartnäckig gepflegt haben müssen. Einer rief ihn zu Beginn jeder Griechisch­ Stunde zum Übersetzen des ersten Satzes auf, weshalb Schneider auch nur diesen prä­ parierte. Geräuschlos – auf Strümpfen – stell­ ten die Schüler während einer Lehrerkonfe­ renz die Schuluhr vor, um die folgende Unterrichtsstunde zu verkürzen. Begeistert beteiligte er sich an einem Sängerwettstreit zwischen den Oberklassen. Die Leidenschaft für den Fußball in jun­ gen Jahren erlosch nie ganz, die Sportbe-

einer gründlichen Überarbeitung, die Rein­ schrift war fehlerfrei. Als sich Tage später der Lehrer wunderte, „was die bloß gemacht haben“, wußte auch Schneider keine Ant­ wort darauf. Aus der Zeit seines Theologiestudiums in Freiburg erzählte er eine Begebenheit mit Heinrich Hansjakob, Pfarrer und Volks­ schriftsteller in St. Martin in Freiburg. Einige Studenten kamen eines Sonntagnachmittags auf den Gedanken, diesen zu besuchen. Nach angeregter Unterhaltung sagte Hansja­ kob zur Überraschung seiner Gäste beim Abschied: „Seilern Gengenbacher will ich jetzt noch etwas geben“ und steckte ihm ein wenig Geld zu. Die anderen gingen leer aus. Sein nicht immer überlegtes, meist spon­ tanes Reden und Handeln machte ihm in den Vikarsjahren manche Schwierigkeiten, brachte ihm auch die Gegnerschaft vieler ein, doch gerade deswegen wohl auch die lang­ jährige Freundschaft und Anhänglichkeit derer, die hinter seinem ungezwungenen Verhalten das edle Wesen dieses Menschen sahen. Schiffbruch erlitt er als Pfarrer in Nieder­ wihl. Den Spannungen in dieser Gemeinde war er nicht gewachsen, er geriet in eine Welle nationalsozialistischer Sittlichkeitsprozesse und wurde in Haft genommen. Nur tiefste Gottergebenheit rettete ihn über diese per­ sönliche Katastrophe, den Zustand des Auf­ sich-selbst-Zurückgeworfenseins, hinweg, in den ihn seine Feinde gebracht hatten.“ Ver­ ziehen ist es, vergessen kann man das nicht.“ Dabei beließ er es. Für ihn war auch dadurch die Weisheit der Bibel, die das Verzeihen des Unrechts verlangt, nicht aber das Vergessen (was unmöglich ist) in ihrer unergründlichen Tiefe erwiesen. Seine erfülltesten und glücklichsten Prie­ sterjahre, die meistens am gleichen Ort ohne­ hin, erlebte er in Gremmelsbach. Faßte er schon sein ganzes Leben als Gottesdienst auf, so war die Liturgie für ihn die Mitte der Frömmigkeit. Voll Andacht und Würde gestaltete er alle Zeremonien, wenn er sich auch nie bereitfinden konnte, mit seinen 173 richte in der Zeitung gehörten zu seiner tägli­ chen Lektüre. In Klassenarbeiten vom Bank­ nachbarn abzuschreiben, war für ihn eine der erlaubten Waffen des Schwächeren (wie Theodor Heuss sagte). Die gute Griechisch­ Note im Abitur erschwindelte sich gleich seine ganze Klasse. Der Lehrer, der die Auf­ gabe stellte, wollte sich vorher vergewissern, ob der Klasse die Bedeutung zweier seltener Wörter bekannt sei. Die Abiturienten, hell­ hörig geworden, fanden die Stelle mit diesen Wörtern und übersetzten sie im geheimen. Nur an das einzige Mädchen der Klasse dachte keiner. Mit diesem kam Schneider wenige Minuten vor Beginn der Prüfung ins Gespräch und erfuhr dies. Da bewährte sich seine Hilfsbereitschaft in kritischer Situation. „Bevor ich ein Wort meiner Arbeit schreibe, haben Sie (Schüler redeten Schülerinnen damals mit „Sie“ an!) die richtige Überset­ zung des Textes!“ und warf ihr diese nach wenigen Minuten auf einem Zettel zu. Aber ach je, der verfehlte sein Ziel um Meter. Doch der Lehrer stellte sich blind, wollte wohl auch seine Ruhe haben. Das eigene Konzept Schneiders enthielt dann alle Kennzeichen

Ministranten eine Probe durchzuführen. Seine ererbte Musikalität und seine feste Stimme ermöglichten ihm das sichere Sin­ gen der liturgischen Texte. Besonders ergrei­ fend klang das „Ecce lignum crucis“ am Kar­ freitag, und nachgerade unvergeßlich muß­ ten empfindsamen Menschen die stim­ mungsvollen Maiandachten mit den Ma­ rienliedern des Kirchenchores, darunter „Wenn ich ein Vöglein wär“ bleiben – heute verklungene Weisen. Seine Predigten arbeitete er vorher schrift­ lich aus, ohne sich dann um die Vorlage besonders zu kümmern. „Man darf sich nicht sklavisch an das Wort halten.“ Dabei wider­ fuhr es ihm des öfteren, daß er sich in die aktuelle Politik verirrte und Verhältnisse und Verhaltensweisen beklagte und anprangerte, für die seine „andächtigen Zuhörer“ nichts konnten. Zittern sah ihn ein Ministrant nach einer Predigt, in der er seinen Pfarrkindern einmal eine unangenehme Wahrheit vorhal­ ten mußte, und gereizt reagierte er auf die Äußerung einzelner, wie schön doch die bei­ den Volksmissionare P. Karl und P. Anton (Ofm. cap.) predigen könnten (1948). Über Jahre hinweg jeden Sonntag vor den gleichen Gottesdienstbesuchern etwas Interessantes zu sagen, das sei die wirkliche Kunst, hielt er ihnen entgegen. Sein Eifer in der Seelsorge war auch in den späteren Jahren ungebrochen. Jeden Freitag und Samstag half er in der Wallfahrtskirche in Triberg mit Beichthören aus, er hatte dort seinen eigenen Beichtstuhl, in der Fasten­ und Adventszeit war er auch Beichtvater in Schonach, Schönwald und Hornberg. Die weiten Wege legte er zu Fuß zurück, oft in dunkler Nacht, bei Schnee und Regen. Angst hatte er nur einmal, als er in tiefer Dunkelheit von einem erklärten Kirchenfeind begleitet wurde. Die Kälte in den ungeheizten Kirchen konnte ihm nichts anhaben. Wie er das stun­ denlange Sündenbekenntnis Hunderter ver­ kraftete? Indem er nach seinen eigenen Wor­ ten das Gehörte sofort wieder vergaß. Wie beliebt er als Beichtvater war, drückte der Volksmund in einem Reim aus: 174 „Hast du mit dem Himmel Krach, so geh zum Pfarrer von Gremmelsbach!“ Er nahm’s mit Freuden zur Kenntnis. Sein Gebetsleben kam dem eines Heiligen gleich. Er schätzte die Morgenfrühe beson­ ders. Lange vor Beginn des Gottesdienstes fand er sich in der Kirche ein. Er kniete nach der täglichen Messe neben dem Altar, er betete im Sommer am späten Abend vor dem Allerheiligsten oder vor dem Marienal­ tar, wenn allein das ewige Licht brannte. Mystiker mochten so gebetet haben. „Man möchte nicht mehr vom Altar weg, um so viel hat man den Heiland zu bitten und zu betteln.“ Wie oft er, selbst beim Holzsägen im Schuppen, den Rosenkranz durch die Finger gleiten ließ, wieviele Gebete er aus­ wendig wußte, weiß nur Gott. „Beten lernt man durchs Beten“, war seine Erfahrung, auch dies: »Religion ist Willenssache“ (nicht Sache des Gefühls). Ein Geheimnis, an das man nicht rühren darf, wird auch bleiben, wievielen Menschen er Trost und Mut zugesprochen, wieviele er im Glauben gefestigt, aufgerichtet, mit ihrem Schicksal, mit Gott wieder versöhnt hat, wem er in Heimsuchungen geistlicher Berater und Vorbild gewesen ist. Seine priesterliche Ver­ fügbarkeit war grenzenlos. Er las am Sonn­ tagmorgen auch einmal um 4 Uhr eine Messe, damit ein Pfarrkind wegen einer Reise den Sonntagsgottesdienst nicht versäumte. Er ging verlorenen Schafen nach, sein tiefin­ nerstes Gutsein überzeugte manchen Ver­ stockten, um so größer war sein Schmerz, wenn sich einer ganz von der Kirche abwandte. Das religiöse Wissen hat er nach seinem Pfarrexamen kaum noch erweitert. Was er davor gelernt hatte, haftete jedoch in seinem Gedächtnis, zum Beispiel fremde Sprachen. Französischen Besatzungssoldaten konnte er 1945 die Beichte abnehmen. Und was er auch erlebte, schien ihn in seiner Überzeugung der frühen Jahre nur zu bestätigen. Daß eine Lebensführung für Geistliche und Laien, anders als sie die Kirche vorschrieb, zum Glück führen könnte, wies er als sündhaften

Gedanken ab. Der theologischen Spekula­ tion war er abhold, Privatoffenbarungen gegenüber kritisch, und Ideen, die den seinen widersprachen, tat er kurzerhand mit Spott ab. Werke bedeutender Gelehrter seiner Zeit interessierten ihn wenig. Der Idealist abon­ nierte viele christliche Zeitschriften, nicht um sie zu lesen, sondern um eine gute Sache zu unterstützen. Gegen die Illustrierten führte er, auch in der Predigt, einen verbisse­ nen Kamp( Die meisten Bücher seiner umfangreichen Bibliothek blieben ungele­ sen. Literatur, Philosophie, Geschichte, nicht einmal die Gengenbachs, der ehemals Freien Reichsstadt, konnten ihn in Beschlag neh­ men. Lesen wollte er erst im Alter. Selbst für schöne Landschaften hatte er kaum einen Blick, wohl aber für Blumen. Den Rappenfel­ sen hat er nie bestiegen. Dagegen wären seine Spruchweisheiten noch heute beherzigenswert: „Erst die Pflicht, dann das Nützliche, dann das Angenehme!“ „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister.“ ,,Repetitio est mater studiorum“ (Wiederholung ist die Mutter der Stu­ dien). Bei aller Sorge um das Seelenheil der Men­ schen wußte er auch um die übrigen Be­ drängnisse der Menschen, ihrer materiellen, familiären und welchen sonst. Der Zwangs­ verpflichtung der Nationalsozialisten zur Arbeit hätte es nicht bedurft. Er kam unauf­ gefordert auf die Höfe, die die NS-Frauen­ schaft nicht aufsuchte, einmal stach er sich mit der Heugabel in den Fuß, er organisierte sehr bald nach dem Krieg einen Lastwagen, der vom Kinzigtal Obst heranschaffte. Auch das Pfarrhaus mußte 1945 eine Flüchtlings­ familie aufnehmen. Seine Hilfsbereitschaft, sein Nicht-nein-sagen-können, wurde auch ausgenützt. Er verlieh gelegentlich Geld, das er nicht immer wiedersah, vom Zins nicht zu reden. Über solch irdische Dinge war er erha­ ben. Das verstimmte ihn nicht einmal, Hauptsache, er hatte etwas Gutes getan. Mit der Bosheit der Menschen rechnete er zu wenig, eigentlich gar nie. Von Herzen gut und fromm wollte er auch im Religionsunterricht sein. Doch nicht alle Kinder vertragen grenzenlose Güte. Wie oft mußte er sich gegen Störungen und Interesselosigkeit durchsetzen, wurde er aus dem Konzept gebracht, verlor er die N er­ ven. Aber wie auch nicht, wenn er auf die Frage, wann der Heilige Geist über die Apo­ stel kam, als Antwort erhielt: ,,Am Fast­ nachtssonntag!“ Nicht böse gemeint war die Frage eines Schülers, ob Adam und Eva weiße oder schwarze Hautfarbe gehabt hät­ ten. (,,Sie werden wohl weiß gewesen sein.“) Und in schmunzelnde Verlegenheit brach­ ten wir ihn mit der Frage, ob er auch auch Papst werden könne. Mit der Notengebung hielt er sich nicht lange au( ,,Sehr gut“ bedeutete: Ab und zu eine richtige Antwort. ,,Gut“ hieß in Wahrheit: ,,Völlig ungenü­ gend“. Bei Festen und Feiern war er um Ge­ sprächsstoff nie verlegen, er lachte gern und sah die Menschen gern lachen, Witze wußte er viele und konnte sie gut erzählen. In Dis­ kussionen konnte er hitzig werden und gele­ gentlich nicht verstehen, wie man nicht sei­ ner Meinung sein konnte. Fand er einmal kein Gegenargument, so kam die Aufforde­ rung: ,,Jetzt seien Sie aber still!“ Sein Wirken in Gremmelsbach war von zahlreichen geistlichen Höhepunkten be­ gleitet. 1948 feierte P. Florin Volk Primiz, zwei Wochen später ließ er eine Volksmis­ sion durchführen, 1951 kehrte der Salesianer­ missionar P. Josef Arnold von Kolumbien in den Heimaturlaub zurück und feierte seine Nachprirniz, im gleichen Jahr konnten die neuen Glocken geweiht werden, feierlich wurde die Rückkehr von P. Magnus Volk aus seinem Missionsgebiet in China begangen. Schneider selbst feierte1953 sein vierzigjähri­ ges Priesterjubiläum. Da er den Frieden mit sich und Gott hatte, konnte er auch friedensstiftend in die Gemein­ de hineinwirken. Gremmelsbach erlebte wäh­ rend seiner Amtszeit friedvolle Jahre. 175

Als er schließlich im Alter nach einer schweren Krankheit nie mehr die alte Schaf­ fenskraft erlangte, übernahm er die Wall­ fahrtsseelsorge in Triberg. Seine treue Haus­ hälterin Anna Weber starb vor ihm. Er selbst starb, wie er gelebt hatte. Beim Abschied von einem älteren Ehepaar, das er wieder besu­ chen wollte, sagte er: ,,So Gott will.“ Es waren seine letzten Worte. In seinem „lieben Gremmelsbach“ wollte er beerdigt sein. Er ruht als einziger Priester in einem Ehrengrab auf dem Friedhof in Grem­ melsbach. Karl Voll Min Wald Scho Johr und Dag kumm ech in Wald, ear ischt min Frind, min liebe. Mier schtond mitnand uff guetem Fueß, ’s duet ninnt iis d’Frindschaft trüebe. Meng Bomm, wo jetz vill Zäpfli treit und ’s Harz i ’s Moos verdruelet, ha ech, als Butzli, scho guet kännt, bi um in umme gschtruelet. Bim Hoozig hätt ear Dänndli gsetzt, zum Fescht Girlande gwunde; im Schtübli i de heil’ge Naacht i frohi Herze zunde. Wenn müedi Auge broche sind und d‘ Seel duet d‘ Hoamet finde, noo giit de Wald zaart Danneriis zum Dootekränzli binde. Jetz ischt min Wald zmool selli krank, vill Danne drinn clont seärbe. Es garret Säge, … ’s kheiet Bämm … O Wald, min Wald, du därfscht und därfscht [ nitt schteärbe! Borkenkäferjahr 1948 Gottfried Schafbuch 176 Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben l.Hinterstadt Hüfingen mit Blick zum Burgplatz (German Hasenfratz, Hüfingen) 2.Blick auf Schönwald von der Schanze kommend (Herbert Dold, Schönwald) 3. Gremmelsbacher Kirche (Horst Günter, Triberg) 4.Blick zum Fürstenberg (German Hasenfratz, Hüfingen) 5.Überschwemmung an der Donau bei Pfohren (German Hasenfratz, Hüfingen) 6. Winter in Hammereisenbach (German Hasenfratz, Hüfingen) 7. Herrenwald/Schlegelwald zwischen Unter-und Oberkirnach (Raimund Fleischer, VS-Schwenningen) 8.Gemeindehof von Schönwald (Herbert Dold, Schönwald)

Das Fünf-Wunden-Kreuz beim Vöhrenbacher Bruderkirchle Der farbenprächtige Stich zeigt die belebte alte Villinger Landstraße, unweit von Vöhrenbach. Im Hintergrund das Bruder­ kirchle, im Vordergrund vor dem Kreuz eine Frau in VöhrenbacherTracht mit sieben Kin­ dern. Die Bildunterschrift lautet: ,,Die Wall­ fahrtskapelle der gemarterten sieben heiligen Jungfrauen bei Vöhrenbach im Schwarz­ walde“. Und als Vierzeiler darunter: ,,Auf die sieben heiligen Jungfrauen Daifjeder Kranke mit Zuversicht vertrauen. Wer mit sieben Kindern betend zu ihnen Wall­ fahrten geht, dessen Gebet wird durch ihre Fürbitt von Gott erhört. “ Über diesen Brauch und seinen Hinter­ grund hat Erna Huber im Almanach 1984 S. 130-133 ausführlich geschrieben. Dieser Bittgang einer Frau und sieben Kinder in einem Gebetsanliegen läßt sich bis 1955 mit Sicherheit nachweisen. Eine jähr­ liche Lichterprozession der Pfarrgemeinde zum Bruderkirchle findet auch heutzutage statt. Als Autor der obigen Darstellung signiert Casimir Stegerer, der sie „nach der Natur gezeichnet und lithographiert“ hat. Der Lithograph ist laut Ausweis des Vöhrenba­ cherTaufbuchs am 2. März 1813 geboren und am gleichen Tag auf den Namen Casimir Karl Wilhelm getauft. Seine Mutter ist eine Katharine geb. Willmann, sein Vater der Stabschirurg Dionys Stegerer. Die damals nicht akademisch, sondern handwerklich ausgebildeten Chirurgen waren nicht selten Nach kolorierter Original-Lithoy;raphie, im Besitz der Fotodrogerie Stötzel 177

Eimoeihung des Vöhrenbacher Kreuzes beim Bruderkirchle am 14. September 1988 auch anderweitig tätig. So gilt Dionys Stege­ rer als der Miterfinder für den trockenen Lack, der für die Schildermalerei von großer Bedeutung war. Im Donaueschinger Wochen­ blatt vom 23. 7. 1806 wirbt er dafür. Sein Sohn Casirnir wurde Lithograph und Kunst­ maler. Er genoß eine gediegene Ausbildung, vielleicht in Freiburg, wo er später seine Lithographien bei Bolia drucken ließ. 1847 gründete er den „Gewerbeverein für den Uhrenmachenden Schwarzwald“. Als „Revo­ luzzer“ mußte er 1848 fliehen, wohl über Straßburg nach Amerika. Danach verlieren sich seine Spuren. Am verbreitetsten ist Stegers Darstellung jenes größten Lawinenunglücks des Schwarz­ waldes, wo vor 145 Jahren am 24. Februar 1844 der Königenhofbei Neukirch völlig zer- stört wurde, wobei 17 Bewohner den Tod fan­ den. Noch 1988 wurde imJostal bei gewalti­ gem Zuschauerandrang die Dramatisierung dieses Ereignisses gespielt; die Stegerer­ Lithograprue schmückte das Programm des Freilichtspiels. Im Vordergrund des hier abgebildeten Stichs steht ein mächtiges und zugleich eigenartiges Kreuz. Es zeigt in zeitgenössi­ scher Gestaltung die Leidenswerkzeuge Jesu. Deshalb heißt diese Kreuzesart auch Arma­ Christi-Kreuz oder Fünf-Wunden-Kreuz. Manche Kreuze dieser Epoche zeigen auch den in der Legende Longinus genannten römischen Soldaten, meist zu Roß, der Jesus mit der Lanze in die Seite stach. Daher kommt der Name Longinus-Kreuz. Die For­ schungen von Friedbert Andernach in Frei- 178

burg-Lehen haben ergeben, daß ein Zentrum dieser Kreuzesform der nordöstliche Teil unseres Landkreises war. Zwar gab es steinerne Fünf-Wunden­ Kreuze schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Elsaß; später schufen die Steinmetze von Pfaffenweiler im Breisgau solche Stein­ kreuze, die aber alle in der Rheinebene und im Vorgebirge vorkommen. Das östlichste steht beim Falkenhof im Wagensteigtal ober­ halb von Buchenbach. Die hölzernen Longinuskreuze aber sind daheim im ehemaligen vorderösterreichi­ schen Kameralbezirk Triberg. Ein Förderer war der letzte österreichische Obervogt Karl Theodor Huber (t1816), den Hansjakob respektvoll ein „Beamter von Gottes Gna­ den“ nennt. In der Zeit von 1780 bis 1850 ent­ standen diese Kreuze im Triberger Verwal­ tungsbezirk. Noch heute weist Friedbert Andernach 21 solche Flurkreuze nach, davon acht mit dem Soldaten Longinus, vier weitere sind verschwunden. Außerdem sind fünf­ zehn solche Stubenkreuze im Herrgottswin­ kel bekannt, eines davon wurde erst im Juni 1989 auf einem Speicher in Vöhrenbach ent­ deckt. In Furtwangen wurde 1982 vor dem Altersheim St. Cyriak ein Longinuskreuz neu errichtet. Der Bildband Schwarzwald-Baar, Mosaik eines Landkreises, 2. Aufl.1979, von Max Rieple zeigt aufS.126 eine solche Kreu­ zesform auf dem Altar der evangelischen Kirche von Tuningen. Das Bild vom Vöhrenbacher Fünf-Wun­ den-Kreuz stammt aus der Zeit um 1840. Nie- Die Elsenau in Kappel Ein Marienwallfahrtsort wurde 100 Jahre alt mand weiß, wann dieses Kreuz verschwun­ den ist. Im Januar 1988 beschloß die Kolping­ familie Vöhrenbach, in der Renovierung von Feldkreuzen seit eineinhalb Jahrzehnten erfahren, dieses Kreuz wieder zu errichten. Die Casirnir-Stegerer-Vorlage wurde maß­ stabgetreu nachgebaut. Eine mächtige Eiche aus Wildgutach wurde zur Verfügung ge­ stellt, alle Arbeiten von Mitgliedern oder Bekannten in Eigenarbeit kostenlos gefertigt. Der Hahn, Zeichen der Wachsamkeit, ist aus Kupfer getrieben, Krug (Pilatus) und Kelch gedrexelt, Hände und Füße, Würfel und Leibrock und alle Leidenswerkzeuge selber geschnitzt. Das fast sechs Meter hohe Kreuz mit seinen zwei Q!Jerbalken erhielt die origi­ nale Form. Auch Fundierung und Befesti­ gung wurden selbst erstellt. Die Aufstellung des Kreuzes ist aus Gründen der Sicherheit näher zum Bruderkirchle gerückt, wo es außerdem zu Gottesdiensten im Freien dient. Am liturgischen Fest K r e u z e r h ö ­ h u n g am 14. September 1988 konnte das Kreuz feierlich eingeweiht werden. Inzwi­ schen ist knapp oberhalb vom Bruderkirchle ein Bildstock wieder errichtet worden, der beim Franzosen-Holzhieb wohl 1946 in Brüche gegangen war. So umrahmen nun­ mehr zwei in Eigenarbeit und unentgeltlich wieder hergestellte Zeugen heimatlicher Glaubenskultur das beliebte und viel besuchte Bruderkirchle an der Alten Villin­ ger Straße. Bernhard Adler Er liegt kaum einen Steinwurf abseits der L 178 und ziemlich in der Mitte zwischen den beiden Orten Kappel und Obereschach. Die zumeist eiligen Verkehrsteilnehmer nehmen in der Regel kaum mehr als ein paar mächtige Laub- und Nadelbäume von dem Ort zur Kenntnis, welcher seit runden einhundert Jahren für viele Marienverehrer zu einem stil­ len und bescheidenen Gebets- und Begeg­ nungsort wurde. Am 15. August 1988, dem Marienfeiertag ,,Maria-Himmelfahrt“, beging die „Elsenau“ ihren 100. Geburtstag. Rund 1300 Besucher säumten das Rund um die Lourdesgrotte 179

und stimmten zusammen mit dem betagten 84jährigen Pfarrer Heinrich Schubnell von Weilersbach in die Marienlieder und Gebete em. Marienverehrung im aufgeklärten 20. Jahrhundert wird vielfach als naive Wun­ dergläubigkeit abgetan. Die meisten Kritiker übersehen jedoch, daß es nicht so sehr die unerklärlichen Heilungen sind, die aus den klassischen Wallfahrtsorten Lourdes oder Fatima bekanntgeworden sind, sondern weit mehr die Hinführung vieler vom Leben und der Gesellschaft enttäuschter und gestrande­ ter Menschen zum christlichen Glauben. Vor diesem Hintergrund muß man den Wallfahrtsort „Elsenau“ sehen. Die Marien­ verehrung außerhalb der Dorfkirche hat in Kappel eine lange Tradition. So fmdet sich in einem Opfergabenverzeichnis aus dem 16. Jahrhundert bereits ein Vermerk über einen „Gnadenkirchaltar unserer lieben Frauen in der uralten Kirch zu Kappel“. Aus dem Jahre 1684 berichtet der Chronist von einer Kapelle „Maria Hilf zu den drei Linden“. Lei­ der kann heute der genaue Standort dieser Wallfahrtsstätten nicht mehr belegt werden. Unter Pfarrer Augustin Rohrer, der in Weilersbach und Kappel von 1876 bis 1897 die Seelsorge ausübte und auf dem Weilers­ bacher Friedhof seine letzte Ruhestätte gefunden hat, hat die Entstehung des Marienwallfahrtsortes ihren Anfang genom­ men. Im Frühjahr 1888 unternahm er eine Wallfahrt nach Maria Einsiedeln in der Schweiz, erwarb sich dort eine Marienstatue, die er am gleichen Ort auch weihen ließ und stellte dieselbe nach seiner Rückkehr unter eine vorsprin·gende Felsplatte in der damali­ gen Kappler Wolfsschlucht. Dies war am Montag nach Pfmgsten, dem 14. Mai 1888. Da nun aber die Kappler Wolfsschlucht von dem aus dem Gewarm „Lachenwiesen“ gespeisten „Eisenbächlein“ durchzogen wurde und andererseits im unteren Teil der Anlagen an die von der Eschach markierte Talaue zwischen Kappel und Obereschach angrenzte, welche heute noch allgemein im Volksmund nur die „Aub“ genannt wird, gab Pfarrer Rohrer dem Standort seiner auf­ gestellten Marienstatue den Namen „Elsenau“. Der noch junge Gebetsort fand alsbald immer stärkeren Zulauf. An zwei Marien­ feiertagen im Jahr fanden größere religiöse Zusammenkünfte statt: Dies war jeweils der 1. Mai und der 15. August. Diese Regelung hat sich bis heute erhalten. Es gab ferner den geschlossenen Besuch der kleinen „Erstkom­ munikanten“ jeweils nach dem weißen Sonntag, auch gelegentliche Besuche von Kirchenchören, die hier sehr gute akustische Bedingungen vorfanden. Schon kurz nach der Einweihung fand zu Maria Himmelfahrt am 15. August 1889 die erste allgemeine Wallfahrt statt. Die Überra­ schung war groß, denn rund 1.500 Marien­ verehrer fanden sich in und um die kleine Schlucht ein. Ein bedeutendes Ergeignis war die 50- Jahr-Feier des Wallfahrtsortes am 15. August 1939. Rund 2.000 Wallfahrer besuchten diese Feierstunde. Pfarrer Herberich von Weilers­ bach, zu diesem Zeitpunkt von den damali­ gen politischen Machthabern bereits mit einem „Kanzelverbot“ belegt, mußte seine Worte sehr sorgfältig wählen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr unter Pfarrer Heinrich Schubnell die gesamte Anlage eine grundlegende Veränderung. Die bereits morsche und baufällig gewordene Holzkapelle wurde durch eine neue, auf mas­ siven Betonmauern ruhende, größere ersetzt, die Lourdesgrotte als Mittelpunkt beträcht­ lich vergrößert, das kleine Bachbett inner­ halb der Schlucht zugedeckt und der Raum mit Sandsteinplatten ausgelegt, während das anfallende Wasser des Eisenbächleins unter­ irdisch durch Betonrohre abgeleitet wurde. Auch die Bepflanzung wurde vervollstän­ digt, dies in Form von Nadel- und Laubbäu­ men. In den letzten Jahren wurde ein breiter Rundweg um den gesamten Ort angelegt und das Bachbett hinter der Kapelle im unte­ ren Teil der Anlage mit großen Betonröhren versehen, um die oft auftretenden Über­ schwemmungen schadloser halten zu können. Martin Reich 181

Heiteres aus dem Klosterleben von St. Ursula zu Villingen Jrauen allergrößten Wert legten, sondern auch bei den Eltern der Zöglinge noch geschätzt war. In der Schar der tüchtigen Leh,frauen von St. Ursula gab es in den über zwei Jahrhunderten seit Bestehen des Klosters auch immer wieder beson­ ders herausragende Originale, die bis zum heuti­ gen Tage laut mündlicher Überlieferung unverges­ sen sind. Nicht selten kommt die Rede auf diese, meist in der täglichen „Rekreation “ des Konvents – das ist die ,,geistig leibliche Erholpause“ nach dem gemeinsamen Abendessen. Dann werden lustige Begebenheiten und Episoden wieder leben­ dig und tragen bei zu herzlicher Fröhlichkeit. Und damit auch der Almanachleser teilhaben kann an derlei „ würziger Kost·: sei heute hier die erste heitere Geschichte vorgestellt. Sie handelt von Schwester Leopoldine Hildebrand (1838-1908) und ist in frohen und dennoch ehrenden Reimen abgefaßt. Es ist vorgesehen, in künftigen Jahrbüchern unter der Rubrik „Heiteres aus dem Kloster/eben zu St. Ursula·: weitere solche Begebenheiten zu ver­ öffintlichen. Helmut Groß Alle, die aus eigener Eifahrung Einblick in das Leben und Wirken von St. Ursula haben, teilen mit dem Veifasser die Überzeugung, daß der Ordens beruf keine Zufluchtställe for weltfremde oder gar lebensverneinende Menschen ist, sondern eine erstrebenswerte Einrichtung.für solche Zeitge­ nossen, die mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen und – was St. Ursula betrifft – sich kraft­ voll einsetzen für das Wohl junger Menschen aus christlicher Nächstenliebe, also somit auch für die Sache des lieben Galtes. Bescheid darüber wissen besonders gut alle ehemaligen „Internat/er“ und ,,Externen·: die den Klosterleh,frauen, die übri­ gens stets modernen pädagogischen Erkenntnissen aufgeschlossen waren, zur Ausbildung und Erzie­ hung anvertraut waren. Die Villinger Bürger waren den St.-Ursula-Schülerinnen stets wohlge­ sonnen und nannten diese im Städtle „isere Klostermaidle“. Jene Ehemaligen aber erinnern sich mit Freude an ihre einstige Schulzeit, und mit Schmunzeln reden sie auch heute noch über die einstige „Anstandsstunde‘: die im Stundenplan fest verankert war und auf die nicht nur die Lehr- 182

—–c::=-. Das Veto der Schwester Leopoldine Ein guter, braver Vorbildchrist Schwester Leopoldine ist. Als Klosterfrau recht pflichtbeflissen erleichtert sie stets ihr Gewissen. Sie eilt streng nach der Ordensregel bei Wind und Wetter, selbst bei Nebel, zur Beichte mit gewalt’gen Schritten, um Lossprechung sich zu erbitten, lädt ab der Sünden schwere Last, befreit von drückendem Ballast die Seel‘ von tiefer Demut, Reue, auf daß erleichtert sie sich freue! – Und „ego te absolvo“, spricht Hochwürden Pius, segnend schlicht, ,,als Buße, liebe, fromme Frau – (dies weiß er ja schon längst genau!!-) beten Sie halt für die Seelen, die noch in dem Himmel fehlen, für die Armen, die noch schmoren, im Fegefeuer, fast verloren, ein Gebet nach Ihrer Wahl, damit der Sünder harte Qual verkürzt wird -ach, o schlimmer Schmerz – durch ein geläutert‘ Büßerherz!“ Leopoldine schlägt das Zeichen des Kreuzes -und will gar nicht weichen. Sie räuspert sich im Beichtstuhl lang, dann fängt sie laut zu „streiken“ an: „Hochwürden Pius, Herr Beichtvater was soll denn jetzt bloß des Theater? Diä Buß‘ tue ich eu nit erfülle, des isch doch niemols Gottes Wille; für d‘ Fegfürseele soll i bange, des ka m’r vu mir nit verlange. Diä hocket wohl und hen de Wiel, ich bet‘ für d’läbige Sünder viel!“ -Helmut Groß 183

Museen Der Wildensteiner Altar des Meisters von Meßkirch in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen in Donaueschingen Hand aufs Herz! Haben Sie die Fürstlich Für- . stenbergi.schen Sammlungen in Donaueschingen schon einmal besucht? Edelste Schätze höchster Malkunst führen hier zwar keinen Dornröschen­ schlaf, dennoch sind die grefsartigen Kunstwerke altdeutscher Malerei aus der Zeit um 1500 nicht bekannter als die vergleichbaren Skulpturen­ schätze der Rottweiler Lorenzkapelle. Stehen wir auf dem Donaueschinger Karlsplatz vor dem Gebäude der F. F. Sammlungen, so fü.h- 184

len wir uns beinahe zurückgestoßen von der stren­ gen Nüchternheit des Sammlungsgebäudes. Der Betrachter möchte fast an das Sprichwort denken: „Der Edelstein, den man nicht zeigt, zieht keine Räuber an. „Doch wer glaubt, hier seien Werte zum ganz privaten Genuß angehäuft, der irrt sich. Das ist das Bezeichnende am Donaueschin­ ger Fürstenhaus, daß es seine Kulturschätze nicht einfach für sich t.esammelt, sondern sie eigentlich gerade für die Offintlichkeit in pflegliche Obhut genommen hat. Noch im 19.jahrhundert wurde die Zweckbestimmung des Sammlimgsgebäudes in riesigen Lettern in lateinischer Sprache am höchsten Punkt der Fassade verkündet „Bona­ rum artium et naturae studio’� ,,Dem Studium der schönen Künste und der Natur gewidmet.“ Schon damit wurde die Idee der Universalbildung humboldtscher Prägung ausgedrückt, die nicht nur in sich ruhen, sondern auch möglichst weit ins Volk getragen werden sollte. Diese Absicht wurde durch die im 19.Jahrhundert auf den Höhepunkt gebrachte Hofbibliothek organisch ergänzt und durch die geschichtlichen Schätze des F. F. Archivs unterstützt. Jeder Besucher, der sich in die fast endlos langen Gänge der Gemäldesammlung ge­ wagt hat, wird sich ratlos fragen, welchen Höhepunlcten dieser Farbenwelt er sich zuwenden soll. Doch da kommt ihm zur Zeit die Aktualität zu Hilfe. Im Januar 1989 ging der kunstgeschichtliche Hilfsname des „Mei­ sters von Meßkirch“ durch alle Kulturteile der deutschen Presse: der Maler sei identifi­ ziert worden. Dieser „Mann ohne Name“, den in der Baar auch unter seinem Hilfsna­ men nur wenige Menschen kennen, hat welt­ weite Bedeutung. Seine Bilder finden sich in Museen in Karlsruhe, Stuttgart und Kassel, in St. Gallen und im Nationalmuseum in War­ schau, in Paris und Moskau selbst jenseits des Atlantiks in Philadelphia, doch auch der donauabwärts benachbarte Fürst von Sigma­ ringen zeigt mit Stolz den „Meister von Meßkirch“ in seiner Gemäldesammlung. Am reichsten mit Bildern des „Meisters von Meßkirch“ ist aber die Sammlung von Donaueschingen ausgestattet. Aus der Reihe der vielen Einzelstücke hebt sich ein kleines Hausaltärchen, ein Flügel-und Wandelaltar, hervor, der sich als unversehrtes Ganzes prä­ sentiert. Wir stehen vor dem sogenannten „ Wildensteiner Altar“. Die Kunsthistoriker nehmen gerne an, daß er zuerst die ernste Burgkapelle der Burg Wildenstein im Donautal geschmückt hat, dann stand er aber noch jahrhundertelang in der Schloßka­ pelle von Meßkirch, denn einer der einst dort residierenden Herren von Zimmern ist sein Stifter. Er, der Graf Gottfried Werner von Zimmern, und seine Gemahlin Apollonia von Henneberg knien ins Gebet versunken auf den beiden Seitenflügeln und wenden sich der großen Schutzpatronin ihres Hauses und ihrer Familie zu. Die große Helferin ist die heilige Maria, dargestellt als die apokalyp­ tische Frau, ,,den Mond zu Füßen, bekleidet mit der Sonne, den Gottessohn auf dem Arm und eine Krone von zwölf Sternen über dem Haupt.“ Obwohl das Bild in einer Zeit ent­ standen ist (1536), in der der Nachbar der Herrschaft der Herren von Zimmern, der Herzog Ulrich von Württemberg, alle Kult­ bilder aus „altgläubiger“ Zeit aus den Kirchen entfernen ließ, malt der Meister von Meß­ kirch noch einmal eine geradezu sympho­ nische Darstellung der im Persönlichen erlebten und auf Personen bezogenen Fröm­ migkeit des ausklingenden Mittelalters. Von der apokalyptischen Sonne in Gold ausgehend baut sich das Bild in konzentri­ schen Kreisen auf: Um das Gold legt sich ein erschreckend grelles Purpurviolett, dessen Sinngehalt sich erst aus dem Ganzen des Bil­ des erschließen läßt. Um diesen dissonanten Farbring legt sich ein Kreis aus zartblau­ grauen Wolken, durch den hindurch sich der Blick in den Himmel öffnet. Ein Kranz von Engeln in goldenem Licht wird sichtbar. Der Widerschein des „Engelslichtes“ legt sich als feiner Goldsaum um den Rand der Wolken­ öffnung. In diesen Wolken schweben als Halbfiguren 14 Heiligengestalten. Es handelt sich hier nicht einfach um die „14 Nothelfer“, die wir aus dem Frankenland kennen, son­ dern um die Hausheiligen der Herren von Zimmern. 185

In dreifacher Rolle schwebt die Gestalt der Maria in der Mitte des Bildes. Die Herren von Zimmern wenden sich gleich an die höchste Helferin des Himmels, die das ganze Bild beherrscht, umringt von ihrem himmli­ schen Hofstaat. Sie ist die apokalyptische Frau, die Helferin in der Endzeit; sie ist die Mutter Gottes und sie ist die Himmelsköni­ gin, gekleidet in das Blau des Himmels. Ihr lebhaftes Kind neigt sich dem Betrachter zu und nimmt ihn so in den Bildzusammen­ hang auf. Der Ring der Heiligen wird eröffnet von zwei Bischöfen in vollem Ornat, die ihre wichtigsten Amtshandlungen zu erfüllen haben: die Fürbitte und die Hilfe. Links wal­ tet der heilige Martinus seines Amtes, rechts der heilige Erasmus mit seiner Haspel, dem Zeichen seines Martyriums. Hilft Martinus aus Not, so hat Erasmus wie alle dargestellten Heiligen seine Sonderaufgabe, nämlich bei Leibschmerzen zu helfen. Diese Vorstellun­ gen haben mit kindlicher Naivität des religiö­ sen Denkens nichts zu tun, sondern sie betra­ fen die Nöte der Lebensexistenz im damali­ gen Alltag zutiefst; sie riefen z.B. in einer Zeit ohne Sozialversicherung zur Nothilfe auf. An wen hätte sich die Gräfin von Zimmern in einer Zeit kläglicher Heilkunst wenden sol­ len, wenn sie nicht verzweifeln wollte, wo sie zur Zeit der Bildentstehung an beginnender Bauchwassersucht litt, was uns die Zim­ mernsche Chronik mit drastischer Deutlich­ keit erzählt? Auf der rechten Seite setzt sich die Reihe der gegen medizinische Schrecknisse helfen­ den Heiligen fort. Im Pilgergewand, mit ern­ stem Blick auf den Betrachter, erscheint der heilige Rochus, dessen Pestbeule ein ihm zu Hilfe geschickter Engel mit dem Skalpell öff­ net. Gleich neben ihm steht, diesmal vor­ nehm gewandet, der zweite Helfer gegen die Pest, der heilige Sebastian mit der Martyrer­ palme und seinen Pfeilen in der Hand. Regel­ mäßig waren die Herren von Zimmern vor der Pest in Meßkirch auf den Wildenstein geflohen. Gleich die übernächste Heilige ist die hei- 186 lige Odilie aus dem Elsaß, erkennbar an zwei Augen, die sie auf einem Buch trägt. Ihre Hilfe erflehte das Stifterehepaar, weil seine jüngere Tochter durch die „Kindsblattern“ in der Gefahr des Erblindens war, wie uns die Zimmernsche Chronik genau erzählt. Auch andere menschliche Lebensbereiche werden von diesen „himmlischen Beauftrag­ ten“ gefördert und das wieder in direkter Ver­ bindung mit dem Hause der Herren von Zimmern: Die beiden Frauen links oben im Bild, die heilige Katharina mit dem Schwert und die heilige Barbara mit Kelch und Hostie, sind schon damals, man höre und staune, der Wissenschaft verbundene Frauen. Katharina habe fünfzig Philosophen mit Argumenten bekehrt, und Barbara habe im theologischen Briefwechsel mit Origines von Alexandrien gestanden, dem bedeutend­ sten Theologen der christlichen Frühzeit. Diese beiden Frauen standen deshalb den Herren von Zimmern so nahe, weil die Zim­ memer im Gegensatz zu vielen anderen Adelsfamilien gerne studierten, wie ihr fami­ lieneigener Chronist betont, erzählt und selbst beweist. Doch auch die heilige Anna, die Mutter Mariens, hier „selbdritt“ darge­ stellt, die Helferin für ein gutes Familienle­ ben, hat eine dringende Aufgabe zu erfüllen, denn der Haussegen im Hause Zimmern hing gewaltig schief in der Entstehungszeit des Bildes, wie wir in der Chronik nachlesen können. Selbstverständlich hatten die Hausheili­ gen der Zimmern er auch im religiösen Leben Unterstützung zu leisten. Christopherus erklärt auf innig liebevolle Weise, was „ Got­ tesdienst“ ist; der heilige Georg zeigt, wie unerschrocken das Böse bekämpft werden muß. Genau in der Mitte der Halbkreise der Heiligen bilden zwei Glaubensverkündiger die waagrechte Bildachse. Rechts weist Johannes der Täufer auf den kommenden Erlöser hin. Links steht der Apostel Andreas mit dem flachen Kreuz als der Prediger des­ sen, was er als Augenzeuge miterlebt hat. Rechts oben zeigt die heilige Maria Magda­ lena mit dem Salbgefäß, was Gottesliebe ist

und die heilige Ursula (übrigens die Stadtpa­ tronin von Köln) mit ihren Pfeilen gibt das Beispiel der Glaubensfestigkeit. Die Verbindung dieses erhabenen Kreises zum unmittelbar Irdischen bilden nun rucht die beiden Stifterfiguren auf den Altarflü­ geln, sondern die Bettlerfigur in der Mitte des unteren Bildrandes. Sie empfängt die hel­ fende Gabe des heiligen Martinus und sym­ bolisiert die so oft in Not und Leiden gewor­ fene Existenz des Menschen. Der Bettler schaut nach oben, so daß sich eine ganz ungewöhnliche perspektivische Verschie­ bung für die Darstellung seines Gesichtes ergibt, die aber vom Maler meisterhaft gelöst wird. Gerade diese Gestalt reizte die Interpre­ tationslust der Kunsthistoriker. So konnte der vorletzte Kustos der Sammlungen, Alt­ graf Salm, mit aller Vorsicht die Vermutung äußern, daß sich hier der Meister von Meß­ kirch vielleicht selbst dargestellt haben könnte. Einer der Vorgänger von Altgraf Salm, der Pfarrer Feurstein von Donau­ eschingen ( ein Martyrer des Dritten Reiches), spricht sogar die Vermutung aus, daß die bei­ den Heiligen, die sich in der waagrechten Bildachse gegenüberstehen, eigentlich zwei Herren von Zimmern seien. Der hl. Georg sei Graf Gottfried Werner und der hl. Sebastian sei Proben Christof von Zimmern, der Ver­ fasser der Zimmernsehen Chronik. Wie unser Bild von historischen Bezügen nur so strotzt, so reich ist auch seine kunstge­ schichtliche Bedeutung. In den beiden Bischofsfiguren kündigt sich schon die Pracht und der dekorative Glanz des Hauptwerkes des Meisters von Meßkirch, des Dreikönigsaltares von Meß­ kirch an (der heute noch in der dortigen Kirche dem Gottesdienst dient). Der Kranz der Heiligen strahlt eine wunderbar warme Farbharmonie aus. Die Gestalten des hl. Christopherus und des hl. Rochus zeigen die hohe Kunst der Farbanwendung des Mei­ sters von Meßkirch. Seine Farbabstufungen können leuchten, fast schillern, vom grellen Weißton derselben Farbe bis zum dunkelst möglichen Ton der gleichen Farbe. Im Gewand der Maria wird diese Maitech­ nik in allen Varianten durchgespielt. Selbst die Behandlung und Darstellung der Gewandfalten wird zum kunsthistorischen Musterfall, nämlich zum Hinweis auf den Manierismus, dem der Meister von Meß­ kirch schon verhaftet ist. Das Kleid will barock zu flattern anfangen, obwohl hier die Gotik noch ausläuft. Auch die fast überstarke Fältelung des Gewandes an der Schulterpar­ tie ist echter Zeitstil. Verblüffenderweise läßt sich diese überreiche Gewandfaltelung auch an der Madonnenstatue in der Donaueschin­ ger Stadtkirche beobachten. So gibt der Mei­ ster von Meßkirch seiner Zeit vollen Aus­ druck. Er war „hochmodern“. Er war sogar so „modern“, daß er mit dem grellen purpurvio­ letten Farbkreis, den er um das Sonnengold des Bildes legte, die Gesamtharmonie der Farben in wahrhaft apokalyptischer Weise sprengte. Auch das ist ein Zeichen seiner Zeit (1536). So ist der“ Wildensteiner Altar“ ein Stück lebendige Vergangenheit, das über die Jahr­ hunderte hinweg noch heute zu uns spricht. Martin Hermanns Literatur: Hans H. Hofstätter: Die Fürstlich Fürstenbergi­ schen Sammlungen in Donaueschingen 1980 München – Zürich/Schnell und Steiner: Die großen Kunsiführer, Bd. 81 Christian Altgraf Salm: Der Meister von Mef{­ kirch, Dissertation Freiburg 1950 Johannes Bühl.er: Wappen, Becher, Liebesspiel Die Chronik der Grafen von Zimmern 1288- 1566, 1940 Frankfurt a. M. Societätsverlag 187

Die Kuckucksuhr Das deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen beherbergt kostbare Exemplare Kuckucksuhr? Auch die Betrachtung der Allen Bemühungen zum Trotz umgibt die Objekte selbst hilft nicht weiter, Holzräder­ Entstehungsgeschichte der Kuckucksuhr noch immer tiefes Dunkel. Es gibt nur zwei uhren aus dem bayrisch-fränkischen Raum weisen den Vogelautomaten ebenso auf wie Q!Jellen -die Schriften von Steyerer und Uhren Schwarzwälder Provenienz. Jäck aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die in So wird man an dieser Stelle keine eindeu­ diesem Punkt unterschiedliche Auffassun­ tige Entstehungsgeschichte der Kuckucksuhr gen vertreten und als Grundlagen für spätere erwarten können, statt dessen ist ein kurzer mehr oder weniger gut begründete Thesen Abriß über das angestrebt, was ca. 250 Jahre dienen müssen. So gibt es eine ganze Reihe an Kuckucksuhren hervorgebracht haben – von Spekulationen, aber wenig konkrete seien es Werke, Gehäuse oder Legenden. Angaben zur Frage: Wer ist der Erfinder der Frühe Kuckucksuhr mit Holzwerk und papierbe­ klebtem Holzschild. Sch1oarzwald, um 1750. Kuckucksuhr mit Lackschild für den französi­ schen Markt. Schwarzwald, um 1830. 188

kante, von jedem leicht erkennbare Ruf nachgeahmt werden. Dieser Ruf bestimmt die Zuordnung einer Uhr zu Gruppe der Kuckucksuhren; dieses Kennzeichen überlagert alle gebräuchlichen Einteilungskriterien von Gehäusearten oder Werkstypen, die bei Uhren sonst üblich sind. So gibt es die Kuckucksuhr in den verschie­ denen Ausführungen der Schwarzwälder Uhrenentwicklung, dies gilt für Gehäusefor­ men ebenso wie für das Werkdesign. Heute haben wir ein relativ genaues Bild vor Augen, wenn wir „Kuckucksuhr“ hören: eine Gehäu­ seform, die entfernt an ein Haus erinnert und mit mehr oder weniger reich geschnitztem Dekor verbrämt ist. Meistens handelt es sich um Tiere und Pflanzen des Waldes, die unser Kuckucksuhr in Bahnhäusleform, einem Ent­ wurf von F. Eisenlahr. Kuckuck und Wachtel. Schwarzwald, um 1760. Kuckucksuhr mit Barockschild. Geschnitzte Architekturteile und Blumengi.rlanden. Schwarz­ wald, um 1785. Denn wenn auch der Schwarzwald vielleicht nicht als einziger Ursprung der Kuckucksuhr gelten mag, so hat er doch durch die Produk­ tion großer Mengen und deren weltweiten Export die Kuckucksuhr zu seinem Marken­ zeichen gemacht. Akustisches Kennzeichen der Kuckucks­ uhr ist die Imitation des Kuckucksrufes. Er besteht aus zwei Tönen, die in verschiedenen Tonhöhen liegen; so wurde neben der großen und der kleinen Terz auch die Q!iart festgestellt. Mittels zweier Blasebälge mit angeschlossenen Pfeifen kann dieser signifi- 189

Bild bestimmen. Doch diese Form hat es nicht immer gegeben, sie wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwik­ kelt. Davor gab es den Kuckuck in den ver­ schiedenen Gehäusen, die die Schwarzwäl­ der Uhrmacher ausgedacht, entworfen oder nach auswärtigen Vorbildern gestaltet hat­ ten. Schon bei den sehr frühen Holzräderuh­ ren aus der Mitte des 18. Jahrhunderts finden wir den Kuckuck als Zusatzautomaten. Eines dieser frühen Beispiele ist im Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen ausgesteUt. Diese Uhr hat drei Werke, das Gehwerk und zwei Schlagwerke, die hintereinander liegen und ganz aus Holz sind. Vor diesen Werken ist ein einfaches, rechteckiges Holzbrett befe- Tischuhr mit Kuckuck. Reiche Schnitzereien in gotischen Architektu,:formen. Schwarzwald, um 1880. Klassische Kuckucksuhr in Bahnhäusleförm mit detaillierten Schnitzereien. Schwarzwald, um 1860. stigt, das mit bunt bemaltem Papier beklebt ist und das Zifferblatt für die Zeitanzeige trägt. Der große Kuckuck erscheint im obe­ ren Teil eines aufgemalten Baumes, der von verschiedenen anderen Vögeln umflogen wird. Damit wird der Kuckuck ein sinnvoUes Teil des Bildes, wenn er zum Rufen erscheint. Bei anderen Uhren ist der Kuckuck nicht in ein solches Bild eingebunden, sondern als zusätzliches Dekorationsteil – optisch wie akustisch – dem Schild beigefügt. Dabei kann es sich beispielweise um ein barockes Formschild mit architektonischen Zierele­ menten und vergoldeten Dekorteilen han­ deln. Solche Schilder stehen in der Tradition der als Faller-Schilder bezeichneten Objekte. Matthias Faller hat im 18. Jahrhundert als Bildschnitzer zu den Dekorationen verschie- 190

dener Kirchen und Klöster beigetragen und war auch bekannt für seine barocken Uhren­ schilder. Sie verwenden Dekorationsideen, die weniger aus dem volkstümlichen Bildgut der Schwarzwälder Schildmaler stammen, sondern sich eher an der Ausstattung der Schwarzwälder Barockkirchen orientieren. Solche auswärtigen Einflüsse sind auch auf den Lackschildern zu finden, die die typische Schwarzwalduhr Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts auszeichnen. Dort wird das Zifferblatt von Säulen flankiert, die wohl von Wiener Portaluhren übernommen wur­ den. Ebenso wie die französisch inspirierten Kartuschen für die Ziffern zeugen sie von den Bemühungen der Schwarzwälder Gehäusegestalter und Schildmaler, sich dem Zeitgeschmack und den länderspezifischen Vorlieben ihrer Kunden anzupassen. Der Kuckuck ist hier oft als Zusatzautomat einge­ setzt, er erscheint in den Blumenarrange­ ments der Bogenbemalung. Die Werke dieser frühen Schwarzwald­ uhren sind typische Beispiele ihrer Zeit um 1820/40. Vom reinen Holzwerk der frühe­ sten Schwarzwalduhren ging die Entwick­ lung weiter zum verstärkten Einsatz von Metallteilen, besonders bei den Zahnrädern und Trieben, die das Werk dauerhafter mach­ ten. Länger als die Holzräder wurden Holz­ achsen verwendet, doch auch dort zog Stahl als robusterer Werkstoff ein. Aber nicht nur die Veränderung des Materials kennzeichnet die Werksentwicklung, auch die Anordnung der einzelnen Werke veränderte sich. Lagen sie anfangs hintereinander, so werden sie jetzt nebeneinander angeordnet und neh­ men damit weniger Platz weg. Solche Werke in Holzgestellen wurden bis fast 1920 neben den um 1860/70 bereits gebauten Ganzme­ tallwerken hergestellt. Sie wurden zuneh­ mend nach amerikanischem Muster mit halbautomatischen Maschinen gefertigt. Der Kuckucksmechanismus erfordert keine speziellen Umbauten in einem Uhr­ werk, lediglich verschiedene Hebel zur Hebung der Blasebälge für den Ton und zur Bewegung des Vogels sind vonnöten. So Typisches Schwarzwälder Uhrwerk mit Kuckuck. Metallräder in Holzplatinen. Schwarzwald, um 1860. Rahmenuhr mit reich verziertem Rahmen und gemalter Jagdszene nach Lucian Reich. Schwarz­ wald, um 1870. 191

Stellung in Philadelphia in Amerika, konnten bereits alle Spielarten dieser genannten Gehäusevielfalt beobachtet werden, die einen mit, aber einige auch ohne Kuckuck. Diese volkstümliche Form der Kuckucks­ uhr mit ihren Auerhähnen, Bäumen -beson­ ders beliebt sind die Schwarzwaldtannen – Vögeln ungeklärter Herkunft, ihren Nestern, Hirschen, Rehen, Füchsen undJagdstilleben, Moderne Kuckltcksuhr in „Baumstamm-Form „. Geschnitztes Gehäuse mit Waldtieren. Hubert Herr, Triberg, 1986. konnten die gebräuchlichen Werke des Schwarzwaldes ohne größere Probleme als Kuckucksuhrenwerke verwendet werden. Mit der Krise im Uhrengewerbe des Schwarz­ waldes in den vierziger Jahren des 19. Jahr­ hunderts kommen die ersten Bemühungen um ein vielgestaltigeres Gehäuseangebot auf Rahmenuhren in verschiedenen Formen, mit geprägten Messingblechzifferblättern, wie sie von den französischen Uhrmachern aus der Franche-Comte vorgemacht wurden, oder mit aufwendig bemalten Blechschil­ dern sind uns erhalten, und auch der eine oder andere Kuckuck ist bei ihnen zu finden. Die Biedermeierform, die sich wohl an den einfachen Formen der Möbel aus der Zeit zwischen 1815 und 1830 orientierte, wurde entwickelt, aber erst in den Jahren 1860/70 häufiger verwendet. Daher stammen auch viele Zierelemente, wie die kleinen Zierlei­ sten und Säulen, die gedrechselten Knäufe und Aufsätze, die die einfache Grundform bereichern. Diese Grundform ähnelt einer Rahmenuhr und der Kuckuck befindet sich bei den Biedermeieruhren oft in den Gehäu­ seaufsätzen. Nicht zuletzt wurde in den fünfziger Jah­ ren des 19. Jahrhunderts auch die Bahnhäus­ leform von Friedrich Eisenlahr entwickelt. Die Orientierung an seinen Bahnwartshäus­ chen für die Badischen Staatsbahnen führte zu einer hausähnlichen Grundform, die mit Laubsägeornamenten verziert wurde. Und wie in jede andere Schwarzwalduhr wurde auch hier einfach mal ein Kuckuck einge­ baut. Solche Bahnhäusleuhren gibt es mit detailliert und aufwendig bemalten Blech­ schildern, aber auch, und diese Dekorations­ form setzte sich schließlich durch, mit reich­ lichem Schnitzornament, vor allem von Tie­ ren und Pflanzen des Waldes. Nun können wir uns noch einmal an die ganz frühe Kuckucksuhr erinnern, bei der das papierbe­ klebte Schild ebenfalls solche Dekorele­ mente verwendete. Dahinein paßt der Kuckuck natürlich besonders gut und so sind wir bei der „klassischen“ Kuckucksuhr, die unser Bild bestimmt. 1876, bei der Weitaus- 192

hat sich bis heute erhalten. Bei dieser Gehäu­ seform stimmt die Assoziation, die sich mit dem Kuckucksruf verbindet, so ideal mit der überein, die das Gehäuse hervorruft, wie es bei keiner anderen Form der Fall ist. Auch moderne Gestaltungsideen für die Kuckucks­ uhr arbeiten mit diesen Versatzstücken des Waldbildes. Sie werden jedoch in leicht abstrahierenden Formen verwendet, wohin­ gegen bei anderen Gehäusen die realistischen Abbildungen der Waldszene durchgespielt werden. Eine Errungenschaft des späten 20. Jahrhunderts scheint die Bodenstanduhr in den naturalistischen Formen der klassischen Kuckucksuhr zu sein. Aus dem 19. Jahrhundert sind solche Stücke nicht bekannt, es scheint sich um die Bereicherung des Gehäuseangebotes gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu handeln. Mittlerweile werden Kuckucksuhren auch in Form von Schweizer Chalets angeboten, und man kombiniert sie dabei mit einer gan­ zen Reihe von Automaten, so daß der Kuckuck fast ins Hintertreffen gerät. Für den weit mehr als ein Heimatmuseum Mit einem vielversprechenden Eröff­ nungsprogramm wurde das neue Kelnhof­ Museum der Stadt Bräunlingen in den letz­ ten vier Oktobertagen des Jahres 1988 der Öffentlichkeit übergeben. Ein langer Weg an kommunalpolitischen Hürdenläufen lag hinter diesem Ereignis. Eine kurze Chronik soll dies verdeutli­ chen.1923 konnte nach intensiven Vorberei­ tungsarbeiten und unterbrochen durch den 1.Weltkrieg das neu eingerichtete Heimat­ museum im Volksschulgebäude eröffnet werden. In der Folgezeit gab man sich redlich Mühe, jede für die Erweiterung des Bestan­ des gebotene günstige Gelegenheit wahrzu­ nehmen, bis dann der 2. Weltkrieg der glück­ lich begonnenen Entwicklung Einhalt gebot. Kelnhof-Museum Bräunlingen empfindlichen Zeitgenossen gibt es paten­ tierte Abschaltungen, die automatisch oder serni-automatisch zur Geltung kommen und so die Nachtruhe gewährleisten. Nicht zuletzt sind die Kuckucksuhren zu beachten, die als ganze Häuser, und sogar mit begehba­ rem Uhrwerk ausgestattet, den Besucher des Schwarzwaldes mit einem seiner typischen Erzeugnisse vertraut und bekannt machen. Der Kuckuck findet sich so in nahezu jeder Gehäusevariante, die sich die Schwarz­ wälder Uhrmacher ausgedacht haben und begleitet die fast 250jährige Geschichte der Schwarzwalduhr in allen ihren Verästelun­ gen bei Werk-und Gehäuseentwicklungen. Heute ist die Kuckucksuhr zu einem Mar­ kenzeichen des Schwarzwaldes geworden und gehört unbedingt als Souvenir oder anspruchsvolle, originelle Wanduhr zum Angebot für den Reisenden im Schwarzwald. Und keiner weiß genau, wem er das eigent­ lich zu verdanken hat. Prof. Dr. Richard Mühe/ Beatrice Techen, MA Der geräumige Saal des Heimatmuseums mußte der Besatzungsmacht als Unterkunft zur Verfügung gestellt werden und etliche Verluste und Zerstörungen wurden festge­ stellt, als der Raum wieder an die Stadt über­ geben wurde. Einen weiteren Einschnitt in der Geschichte des Heimatmuseums brachte das Jahr 1971 mit dem Schulhausbrand. Am Nachmittag dieses Tages brannte in Windes­ eile der gesamte Dachstuhl des Volksschulge­ bäudes nieder. Die Bestände des Heimatmu­ seums mußten während den Löschungsar­ beiten geborgen werden. Zwar entstand kein direkter Verlust durch den Brand, jedoch mußten die Räume infolge der Brandschä­ den abgebrochen werden und standen nicht mehr als Museum zur Verfügung -das Hei-193

matmuseum wurde heimatlos. Im Jahre 1980 ergab sich dann die Möglichkeit, im alten Elektrizitätsgebäude einen Teil der Exponate in einer städtischen Gemäldegalerie der Öffent­ lichkeit wieder zugänglich zu machen. In der Erkenntnis, daß die Stadt den gro­ ßen Teil der aus Platzgründen im Öffentlich­ keitsschatten verschiedener Abstellräume untergebrachten Exponate wieder in einem Museum zusammenfassen und ausstellen muß, wurde im Jahr 1979 der Kauf des frühe­ ren Reichenauer Kelnhofes beschlossen. Der Kelnhof als historisches Gebäude war der Gutshof des Klosters Reichenau, von dem aus ein Verwalter (Keller) den Besitz der klö­ sterlichen Grundherrschaft umtrieb. Der Kelnhof gehört neben der Remigiuskirche und der ehemaligen Burg am Buck zu den ältesten Gebäuden von Bräunlingen. Vom 18. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Kelnhof Gastwirtschaft, zunächst zum Engel, später zum Rössle genannt. Der Platz 194 und die äußere Hülle des Kelnhof-Museums sind somit ein Stück Stadtgeschichte und im Zusammenhang mit den historischen Ein­ zelexponaten kann man von einem Museum im Museum sprechen. Das Erstellen eines Nutzungskonzeptes, die Gestaltung der Außenfassade, Abbruch und Wiederaufbau der Widerkehre sowie der Innenausbau erfolgte dann in den Jahren 1980 bis 1987. 1988 wurde die Einrichtung des Kelnhof­ Museums nach einem Konzept einer eigens von der Stadt beauftragten Museumsberate­ rin vorgenommen. Der Kulturförderverein Bräunlingen erwies sich bei der Bau-und Einrichtungsphase als eine Bürgerinitiative, die nicht fordert, sondern die tatkräftig geför­ dert hat. Ohne die Unterstützung des 1981 gegründeten Kulturfördervereines Bräunlin­ gen würde sich das Kelnhof-Museum nicht in der heutigen G.!iantität und Qualität dar­ stellen. Als symbolischen Dank für den Ver­ ein und insbesondere dessen aktiven 1. Vor-

sitzenden, Herrn Ferdinand Wintermantel, konnte der Bürgermeister im Rahmen der Einweihungsfeierlichkeiten die Landes­ ehrennadel überreichen. Auch die vom Gemeinderat konstituierte Kelnhof-Kom­ mission konnte sehr wesentlich mit guten Beratungen und Beschlüssen zum gelunge­ nen Werk beitragen. Die Erwerbs- und Bau­ kosten belaufen sich auf rund 1.450.000 DM. Abzüglich verschiedener Landeszuschüsse verbleibt eine Eigenfinanzierung durch die Stadt Bräunlingen von rund 1.010.000 DM. Gemessen an der Bedeutung dieses Projektes und im Vergleich zu anderen Ausgaben ist dieser Betrag auch den nicht kulturinteres­ sierten Bürgern gegenüber jederzeit vertret­ bar. Mit diesem Geld entstand eine Nutz­ fläche von 1.045 m2 und 4.498 m3 umbauter Raum, die vom Architekten Alexander Graf auch optisch sehr gut in Szene gesetzt wur­ de. Das Leitmotiv für die Überlegungen zur Einrichtung des Kelnhof-Museums war die Frage „Wie lebten die Menschen früher in dieser Stadt?“ Dieser didaktisch recht unkomplizierte Ansatz soll der rote Faden durch die Ausstellung sein. Leben und Arbeit in früherer Zeit aufzuarbeiten und den heuti­ gen und künftigen Generationen darzustel­ len, war die Hauptaufgabe bei der Erstellung des Einrichtungskonzeptes und der Planung der einzelnen Räumlichkeiten. Nachstehend nun die einzelnen Ausstellungsbereiche stichwortartig: Ökonomieteil Schmiede, Küferei, Zimmerei, Wagnerei, landwirtschaftliche Geräte und landwirt­ schaftliche Fahrzeuge Kellerraum Vorratshaltung früherer Zeit 1. Obergeschoß Küche mit Nebenraum, Wohnstube, Schlafstube, Trachten, Heimat- und Trachtenbund Schmiedewerkstätte 195

landwirtschaftliche Geräte und Arbeitsweisen II. Obergeschoß Vor- und Frühgeschichte, Stadtge­ schichte, Kirchengeschichte Bräunlin­ gens, religiöse Volkskunst, Textilverarbei­ tung Widerkehre Kunstabteilung, Gemäldesammlung und Sonderveranstaltungen Herzstück des Museums ist die Stadtge­ schichte. Die Geschichte der Stadt Bräunlin­ gen ist ein individuelles Thema, das diese Stadt und dieses Museum von allen anderen Städten und Museen unterscheidet. Bezüg­ lich seiner Geschichte nimmt Bräunlingen unter den Orten der Umgebung eine abso­ lute Sonderstellung ein. Zielsetzung ist es, ein lebendiges Museum zu sein. Dies soll dadurch erreicht werden, daß ein regelmäßiger Veranstaltungszyklus durchgeführt wird. Seit der Eröffnung im Oktober 1988 wurde dies so praktiziert. Bil­ dersonderausstellungen, Alternativkunst, Schauspiel und klassische Musik fanden bis­ her eine ermutigende Resonanz. Die Besu­ cherzahlen im ersten halben Jahr nach der Eröffnung betrugen rund 4.500. Als Besu­ cher konnten wir sowohl die Einwohner der 196 Stadt Bräunlingen, als auch aus der regiona­ len Umgebung und unsere Fremdenver­ kehrsgäste im staatlich anerkannten Erho­ lungsort Bräunlingen registrieren. Die Stadt Bräunlingen hofft, am allgemeinen Trend der Museen partizipieren zu können. Über 60 Millionen Besucher verzeichnen nach neuesten Zahlen die bundesdeutschen Mu­ seen pro Jahr, siebenmal so viel als die Fuß­ ballstadien. An unseren verschiedenen Aus­ stellungsbereichen, die weit über ein norma­ les Heimatmuseum hinausgehen und an dem Konzept der Sonderveranstaltungen kann man ablesen, daß dieses Kelnhof­ Museum ein Angebot an Menschen ver­ schiedener Ansichten, Geschmacksrichtun­ gen und Altersschichten sein soll. Als Schlußbetrachtung sollen noch einige Gesichtspunkte angefügt sein, die das Mosaikbild zu unserem Kelnhof-Museum vervollständigen. Ein neues Freizeitverhal­ ten hebt den Stellenwert der Kultur. Indivi­ duelle kreative Wünsche sowie die nach Erfüllung der mate­ riellen in den Vordergrund tretenden ideel­ len Werte tragen zu diesem Trendverhalten bei. Die Inhalte der Museumskultur ver- Arbeitszeitgestaltung,

wohnt in großen Städten. Lebensqualität in den Städten und Gemeinden wird nicht nur durch den vorhandenen Arbeitsplatz, durch saubere Luft und klares Wasser definiert – auch das kulturelle Angebot gehört dazu. Die Stadt Bräunlingen hat sich am Beginn des Kulturzeitalters rechtzeitig gewappnet. Mit dem jetzt schon vorhandenen und dem­ nächst noch weiter ausgebauten Museum der Narrenzunft Bräunlingen im alten Elektrizi­ tätswerksgebäude, mit der ehemaligen Orts­ burganlage auf dem Buck, die sehr wahr­ scheinlich zu einem archäologischen Park ausgebaut wird und mit dem neuen Kelnhof­ Museum hat die Stadt eine Museumstriolo­ gie, die es weit und breit in der Form nir­ gends gibt. Damit haben wir der Perlenkette der öffentlichen Einrichtungen der Stadt Bräunlingen ein weiteres Glanzstück zuge­ fügt im Sinne eines (leicht abgewandelten) Spruches von Ernst von Feuchtersleben: ,,Die Philosophie lehrt uns, unser Los zu begreifen. Die Religion lehrt, es mit Ergebung zu tragen. Die Kunst, Kultur und Geschichte lehre es zu ver­ schönern.“ Bürgermeister Jürgen Guse ändern sich. Zu Kunst und Technik treten verstärkt Heimat und Geschichte. Die Auf­ merksamkeit richtet sich auf Leben und Lei­ stung der Bauern, Handwerker und Arbeiter. Die Parteien entdecken die Kultur für ihre Programme, natürlich mit unterschiedlichen Nuancierungen und Begriffsinhalten. Die Zunahme der Bedeutung der Kultur ist auch aktuell in Baden-Württemberg abzulesen durch die neu konzipierte Theaterakademie in Stuttgart, Künstlerakademie in Stuttgart, dem Medienzentrum in Karlsruhe sowie der Berufung eines Theaterintendanten im Range eines Staatsrates. In der Standortbe­ deutung einer Kommune wird die Einschät­ zung, welche Q!ialität das kulturelle Angebot einer Stadt hat, ein ganz wichtiger Punkt für die Beurteilung der Q!ialität insgesamt sein. Die Selbstverwaltungshoheit der Kommu­ nen in Baden-Württemberg ist in sehr vielen Gebieten ausgehöhlt worden. Einer der weni­ gen Bereiche ohne Gängelung ist noch die Kulturarbeit. Sie ist eine echte freiwillige Auf­ gabe ohne Vorschriftenruchte. Kultur auf dem Land und in einer kleinen Stadt ist ein Thema, das viele angeht. Denn nur ein gutes Drittel der Bundesbürger Blick in die Küche 1 � 1 197

Künstler Jürgen Henckell Ein vielseitiges Künstlertalent Henckell, Jürgen A Blumberg, so steht es im Telefonbuch, Schriftsteller und Graphiker. Wer ist er denn nun, dieser Jürgen Henckell, ein zeichnerischer Maler, der schreibt, oder ein Schriftsteller, der malt? Um eine Antwort auf diese Frage zu fin­ den, muß man schon weit in die Jugend des heute über Siebzigjährigen zurückgehen. 1915 in Hamburg als Sohn einer großbür­ gerlichen Familie geboren, besucht er schon mit sechzehn Jahren die „Hansische Hoch­ schule för Bildende Künste“ mit der Fachrichtung Gebrauchsgraphik. Bei Profes­ sor Hugo Meier-Thur macht er nach zehn­ semestrigem Studium sein Meisterschüler­ Zeugnis. Viele Bilder, die in diesen Jahren entste­ hen, sind von seiner norddeutschen Heimat geprägt. Lange Aufenthalte im „Teufels­ moor“ finden ihren Niederschlag in Bildern, die Heidedörfer und einzelne Gehöfte zum Thema haben, während die Küste über die Jahreszeiten hinweg gegenständlich darge­ stellt wird (Eisgang auf der Elbe; Priel im Dithmarschen). Während der Ausbildung ergeben sich schon erste verschiedene gra­ phische Aufträge für den Hamburger Senat, Zeitungshäuser und große Industriefirmen, aber die Bipolarität der Begabungen zeigt sich ebenfalls und Jürgen Henckell wendet sich dem „gewitzten Wort“ zu. Mit eigenen Texten und Versen steht er auf der Bühne des „Bronzekellers“, einem literarischen Kabarett dieser Hamburger Jahre, in dem er auch sehr bald die Pro­ grammleitung übernimmt. Unter vielen anderen Künstlern, die ein Forum för ihre Texte suchen und bei Jürgen Henckell vorsprechen, ist auch der junge Wolfgang Borchert. Noch heute erinnert ein 198 Portrait (Selbstbildnis) handschriftliches,Jürgen Henckell gewidme­ tes Gedicht an diese Begegnung. Nicht lange bleibt es beim „Bronzekeller“, nächste Engagements folgen im „Sim plizissi­ m us“ in München und in der Münchner „Bonbonniere“. Im „Kabarett der Komiker“ bei Willi Schaeffers in Berlin erfolgen die nächsten Auftritte. Hier verdient sich Peter Frankenfeld als Ansager die ersten Sporen. Eine staatlich angeordnete Lazarett-Tournee bringt auch für Jürgen Henckell den Krieg und seine schlimmen Folgen in greifbare Nähe, zumal bei einem Angriff aufMünchen die „Bonbonniere“ zerstört wird. In dieser Zeit schreibt Henckell seinen ersten großen Roman „Das schwarze Schiff“. Die geplante Verfilmung des Stoffes bei der U fA unter der Regie von Wolfgang Liebenei­ ner wird durch das Kriegsende verhindert. Mittlerweile hat der Hamburger, verheira­ tet mit Frau Annedore, in Blumberg Jestge-

Fundort einer Idee • • Weltherrschaft der Geier �’ff­ 199

Los und Masken 200

Fischmusik macht“. Direkt nach der Währungsreform stellt er das erste Kabarett innerhalb der fran­ zösischen Zone auf die Beine. Das Reisekaba­ rett „Tournee auf Touren“ tauft er später in das Kabarettime Theater „Der Widerspie­ gel“ um. Sechzehn Programme schreibt Jür­ gen Henckell in diesen Jahren, kreiert Melo­ dien mit und tritt selbst au( Ein Programm hat neunzig Minuten Dauer und Henckell wird oft nur von einem Pianisten begleitet. Die französische Behörden finden Gefal­ len daran, und sie versuchen.Jürgen Henckell vor den politischen Karren zu spannen, geht es doch um den Anschluß Badens an Frank­ reich. Aber Henckell lehnt ab, er war noch nie käuflich, will sich nicht zweckgebunden vereinnahmen lassen und „löckt lieber weiter wider den Stachel und streut Pfeffer in jede Wunde, gleich welcher Nationalität“. In diesen Nachkriegsjahren gibt es Auf­ tritte mit eigenem Ensemble bei Werner Finck in der „Mausefalle“, dazu ein Sylvester- programm mit Gert Fröbe in München. Im „Komplexarium“ werden die Komplexe der Menschen aufs Korn genommen, und die unter der Federführung von Jürgen Henckell entstandene Parodie zu dem Sartre-Stück „Die Fliegen“ ist großes literarisches Kaba­ rett, in dieser Zeit genau das, was das Publi­ kum erwartet, den direkten Bezug zum Zeit­ geschehen. Sechs Jahre Tournee führen Henckell über Flensburg bis nach Konstanz. Die Auftritte innerhalb der Programme wer­ den mitgeschnitten und im Rundfunk gesen­ det, später kommen noch Spielserien für den Süddeutschen Rundfunk dazu. Ganz auf die Auseinandersetzung mit Stift und Farben hat Jürgen Henckell aber auch während all dieser Jahre nicht verzich­ tet, entwarf und zeichnete er doch so man­ ches Bühnenbild, und für illustrierte Zeit­ schriften entstanden humoristische Zeich­ nungen, nicht nur dann, wenn während der Kabarett-Zeit Geld nötig war. 201

Eisgang auf der Elbe Im Zeichen des beginnenden Wirtschafts­ wunders ist das anspruchsvolle Stegreif­ Kabarett, wie es von Werner Find, Helmut Krüger und Jürgen Henckell angeboten wird, nicht mehr gefragt. Das Interesse des Publi­ kums wendet sich jetzt Tingel-Tangel, Slap­ stick und Klamotte zu, richtet sich nicht mehr aufZeitbezug und Spontaneität. In die­ sen Jahren überschreitet Henckell „die Schwelle zu etwas Neuem“. In der Ruhe und Abgeschiedenheit des ländlichen Blumber­ ger Raumes will er Romane schreiben und auch selber illustrieren, um beiden Bega­ bungen gerecht zu werden. Für Wochenzeitungen entstehen jetzt Romanfolgen und für eine große Zigaretten­ fuma schreibt er „Seemannsverse“ als Rekla­ metexte. Als dann die Romane in den Zeitun­ gen nur noch als Füller dienen, gibt er diese Arbeit auf. 202 Lange Aufenthalte in Sizilien während dieser Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Vier Romane entstehen in dieser Zeit: ,,Taube mit schmutzigen Flügeln“, ,,Heim­ kehr ins Paradies“,,, Wecken in der Dämme­ rung“ und der auf Sizilien angesiedelte Roman „Unkraut des Himmels“. Zwei dieser Romane erschienen auch in holländischer und flämischer Übersetzung. Die lyrische Auseinandersetzung findet in der Gedicht­ sammlung „Arkadien bruchstückweise“ ihren Niederschlag. Auch gestalterisch, malerisch wirken sich die Aufenthalte im mediterranen Raum aus. Es entstehen Bilderzyklen über Mensch und Landschaft, wie das „Mattanza-Triptychon“, das große zeichnerisch malerische Werk, das in der ersten Ausstellung der Künstlergilde in Donaueschingen gezeigt wird. Neue interes­ sante und eigenwillige Wege geht Jürgen

Henckell mit seinen „Pierragen“. Steine, gesammelt am Strand von Sizilien, sind Katalysatoren dieser Kompositionen und die Fortführung der Linien der naturgegebenen Strukturen innerhalb des Steines setzt sich in Linien außerhalb fort, die dann zu Wegen werden in neue Landschaften. Linear ange­ legt ist auch die „Fischmusik“. Zum Rhyth­ mus des lyrischen Textes von Morgenstern steigen die Luftblasen aus dem Wasser, um zu einer Melodie zu werden, spielbar für den Betrachter. Aber nicht nur die Schönheit der Natur ist Thema des Malers Jürgen Henckell. In vielen Bildern kommt seine große Sorge um die Zukunft eben dieser noch unberührten Natur zu Wort. Umweltverachtung und will­ kürliche Zerstörung sind für ihn genauso Themen wie Chemieunfälle. Die karge Land- schaft, in der Ölpumpen wie Geierköpfe über Aas nicken, zeugt von Verantwortungsbe­ wußtsein, und aufrüttelnd dringt dieses Bild wie ein Paukenschlag in den Betrachter ein. Umweltkritisch ist auch das Bild über den „Tod von Seveso“. Wohin wendet er sich jetzt, dieser chemische Homunculus, nach­ dem er Seveso vergiftet hat? Engagiert und sozialkritisch setzt Jürgen Henckell immer neue Aspekte ins Bild. Nicht nur die offenkundige Zerstörung der Landschaft durch technische Machenschaf­ ten des Menschen wie im Ölpumpenbild „Die Weltherrschaft der Geier“, sondern auch die ständige, schleichende Infiltration von Gift und Meinung hinein in alle Lebens­ bereiche, zeigt er meisterhaft in seiner zeitkri­ tischen „Durchdringung“ auf. Dieses Bild ist seit 1988 im Besitz der Bundesregierung. Öl auf neuen Amphoren 203

Der ersten Ausstellung in Donaueschin­ gen folgten noch viele andere eigene Ausstel- lungen und Ausstellungsbeteiligungen in Baden-Württemberg und in der Schweiz. Aber auch in seiner Heimatstadt Hamburg, in Berlin und München hat Jürgen Henckell ausgestellt. Seine Bilder sind im Besitz priva­ ter Sammler in der Bundesrepublik, der Schweiz und Liechtenstein, finden sich aber auch bei der Stadt Donaueschingen, beim Regierungspräsidium Freiburg und bei der Landesregierung in Stuttgart. Seit 1973 ist Jürgen Henckell Mitglied im Internationalen Bodensee-Club, Präsidialmitglied und Leiter der Sektion West in der Fachgruppe „Bildende Künste“. In dieser Eigenschaft organisiert er nun schon mehr als zwölfmal die weit über den Landkreis hinaus bekannt gewordenen „Blumberger Kunstausstellun­ gen“. „Einen Glücksfall für Blumberg und den Schwarzwald-Baar-Kreis“ nannte einmal Dr. Lorenz Honold den engagierten und selbstlosen Ausstellungsmacher. Das hohe Mythologische Bedrohung ,,Konserve des Damokles“ „““:-„�l’P.Ml’llffll. 204 Lorenzo Montalto Niveau der Ausstellungen und ständig stei­ gende Besucherzahlen sprechen für die Rich­ tigkeit dieses Wortes. Innerhalb der Blumberger Ausstellungen finden regelmäßig Autorenlesungen statt, und es gelingt Henckell immer wieder, nam­ hafte Autoren für diese Vorträge zu gewin­ nen. Selber übernimmt er oft in humoriger Art und Weise die Vorstellung der Autoren und bringt auch eigene lyrische Texte ein. Auf Einladung trug er seine Gedichte bei den Lesungen innerhalb der „Annette Dro­ ste-Hülshoff-Erinnerungstage“ im Meers­ burger Schloß vor. Über die Jahre hinweg sind im jährlich aufgelegten Almanach schon weit über sechzig Gedichte von Jürgen Henckell erschienen. Es ist ihm ein Anliegen, den für viele Menschen verbauten Zugang zur modernen Lyrik wieder zu öffnen, und die Werke der zeitgenössischen Künstler bei Kunstausstellungen sieht er ebenso. ,,Jede dieser Ausstellungen bringt neue und inte­ ressante Informationen für den, der zu hin­ terfragen weiß“, so Jürgen Henckell.

Dieses Hinterfragen ist auch der Tenor des Romans in Episodenform „Die Verführung“, den Henckell jetzt fertigstellte. Die Entwick­ lung der Kunststile seit dem Impressionis­ mus bis hin zur informellen Kunst wird auf­ gezeigt und schriftstellerisch geformt. Die einzelnen Kapitel sind Portraits der Künstler und führen über Monets „Felder im Früh­ ling“, Beckmann, Ku bin, Macke zu Paul Klee und Pollock. Auch in seinen eigenen Bildern versucht Henckell konsequent den Weg des Hinterfragens zu gehen. Ob nun bei seinen „ Vergitterungen“, Bildern in Acryl unter einem gemalten Drahtraster oder bei „Spie­ gel mit Stacheldraht“, der Wunsch des Dahinterkommens ermöglicht den Zugang. Der Betrachter wird zur Vollendung des Bil­ des gezwungen, er selbst rundet es ab. Im Bild „Spiegel mit Stacheldraht“ ist es erst die äußerliche Wirkung, das Erstaunen, hinter Stacheldraht das eigene Gesicht zu sehen, und dann verlagert sich die Wirkung in die Tiefe, wie sehr zeigen die Reaktionen der Betrachter deutlich auf Nicht nur bei den farbigen Bildern Henckells, vielmehr noch bei dem großfor­ matigen, in Bleistift gearbeiteten „Los und Masken“ ist der Betrachter zur Auseinander­ setzung aufgefordert. ,, Verpflichtend für mich wie für viele andere“, so Jürgen Henckell, ,,ist -sei es in Wort oder Bild -eine Öffnung zu lassen, die dem Hörer oder Betrachter Raum gibt und die Möglichkeit, sein neues, eigenes Universum zu finden, um dort selber schöpferisch zu werden.“ Es blei­ ben also dem Schaffenden wie dem Betrach­ ter nur zwei Möglichkeiten: aktiv zu sein in der eigenen Kreativität oder sich weiterhin auf die Suche zu begeben, so Jürgen Henckells Einstiegshilfe zu seinen Bildern, aber auch zur zeitgenössischen Kunst allge­ mem. Jürgen Henckell hat es verstanden, trotz all der Stolpersteine, die die Jahre für ihn bereithielten, seiner Doppelbegabung ge­ recht zu werden. Im ständigen Mut zum Weitermachen fand er in sich selber die ural­ ten menschlichen Q}lellen wieder, die noch nicht versiegt, aber durch Umfeld, Streß, Erfolgszwang und Müdigkeit verschüttet sind. In diese Suche nach dem Ursprung ist bei Henckell der Mitmensch eingeschlossen, sie führt zu den vielseitigen mitmenschli­ chen Kontakten und ist gewiß einer der Beweggründe für ihn, Ausstellungen und Vernissagen zu organisieren, in einem Alter, in dem für sehr viele Zeitgenossen schon der Schaukelstuhl angesagt ist. Zu alledem kommt noch eine große Neu­ gier auf den Menschen dazu, und das ist es, was Jürgen Henckell schon wiederholt bewegt hat, im Rahmen des Angebots der Volkshochschule Baar Zeichenkurse zu lei­ ten. In der Eroberung der Leere durch Linien und Farben zeigt er Wege und Möglichkei­ ten auf, zum Ursprung zurückzufinden. Alle Rückschläge und Zäsuren eines rei­ chen langen Lebens haben Henckell nicht den Humor verlieren lassen. Journalistisch interessiert und tätig zeichnet er wöchentlich Karikaturen zum Zeitgeschehen und der spitze Zeichenstift macht auch vor der eige­ nen Person nicht halt (Selbstbildnis), dazu kommt die Mitarbeit am Lokalteil verschie­ dener Blumberger Zeitungen. Daneben fin­ det er noch Zeit, die Gestaltung der Werbe­ prospekte der Stadt Blumberg zu überneh­ men und Plakate und Aufkleber für die Lastenverteilung 205

Durchdringung Museumsbahn zu entwerfen. In der neuen Sporthalle übernahm er die künstlerische Ausgestaltung der Wand im Foyer und auch die Mehrzweckhalle in Riedöschingen trägt seine künstlerische Handschrift. Ständig wechselnde Kontakte mit unter­ jeweils neue schiedlichsten Menschen, Anforderungen und der Wille, sich auseinan­ derzusetzen, sind Lebenselixier für ihn. „Denn“, so Jürgen A. Henckell, ,,nicht die Herberge ist wichtig, sondern der Weg dahin und alle Menschen, die man auf dieser Reise trifft.“ Christiana Steger Die Kunst – meine Form des Lebens Der Maler und Graphiker Emil Kiess vollendet sein 60. Lebensjahr Er zählt zu den Stillen im Lande. Aber als Vertreter der modernen Malerei hat sein Name seit den späten fünfziger Jahren Rang und Klang weit über den südwestdeutschen Raum hinaus, dem er durch Herkunft und Bildungsgang eng verbunden ist: der Maler und Graphiker Emil Kiess, der im Lauf des 206 Februar 1990 sein sechzigstes Lebensjahr voll­ endet. Geboren in Trossingen, widmete er sich dem Studium der bildenden Künste 1949-51 an der Bernsteinschule (bei P. Kälbe­ rer, H. Pfeiffer und HAP Grieshaber), danach (mit Unterbrechungen) bis 1958 an der Staat­ lichen Akademie der Künste in Stuttgart.

Hier war es Willi Baumeister, der 1952/53, 1955 und dann wieder 1958 bei Kiess beson­ ders nachhaltige Eindrücke hinterließ. Was Baumeister seinen Schülern vermit­ telte, war die Lust am Unbekannten, die Freude an eigenen Entdeckungen, das Suchen nach neuen künstlerischen Gestal­ tungen und Ausdrucksformen. Emil Kiess, der inzwischen auch in der Werkstatt für Glasmalerei in Rottweil sich umgesehen hatte, wurde einem weiteren Publikum zunächst als Gestalter moderner Farbfenster bekannt. Dabei experimentierte er mit neuen Werkstoffen wie: Polyesterharz, Polyäthylen, Acrylglas und Plexiglas, die nach Auffassung des jungen Künstlers in Lichtdurchlässigkeit, Leuchtkraft und Farbwirkung dem Material der überkommenen Glasfenster durchaus gleichwertig seien. Mal.erei 1987 – Öl 207

An der Donau – Kreidezeichnung Freilich die Glasmalerei war sichtlich nur eine der künstlerischen Disziplinen des neue Wege gehenden Künstlers, der zweimal, 1955 und 1958, den Oberschwäbischen Kunst­ preis, 1956 den Kunstpreis »Junger Westen“, schließlich 1960 das Stipendium Villa Mas­ simo, Rom, erhielt. Als Meister der Druck­ graphik befaßte sich Kiess mit Problemen des Seriendrucks in der modernen Kunst, insbe­ sondere der Siebdrucke, wobei er mit der Überlagerung eigenwilliger Formen und Farbmaterialien experimentierte. Wie sehr seine Drucke in Schwarz-Weiß und in Far­ ben Beachtung fanden, zeigt die Liste der Einzel- und Gruppenausstellungen des Künstlers, der früh schon auf Ausstellungen in Kunstzentren wie: Rom, Amsterdam, Paris, Löwen, Düsseldorf, Hannover, Berlin, München und Darmstadt vertreten ist. Auch der Maler Emil Kiess ist im Lauf sei­ nes rund dreieinhalb Jahrzehnte währenden Schaffens als freier Künstler nie stehen geblieben. Zu Beginn – noch vor der Begeg­ nung mit Baumeister in Stuttgart- gibt es ein apartes „Stilleben“, 1951/52 gemalt, in dem sich der 21jährige mit Cezanne, dem Vorden­ ker der modernen Malerei, auseinandersetzt. Es folgen, gespachtelt in Blau, der Lieblings­ farbe von Kiess, ,,Peinture“ (1957) und „Gro­ ßes blaues Bild“ (1959)- Malereien mit Farb­ schwüngen nach Art des Tachismus. Den Übergang zu einer mehr und mehr mono­ chromen Malerei verraten die Bilder „Einge­ schlossen“ (Öl/Sand), ,,Natura morta“ und „Ostia“, sämtlich Arbeiten des besonders fruchtbaren Jahres 1960. Mitte der siebziger Jahre häuften sich in den Regalen und Schubladen des Ateliers im 208

Gehöfte – Kreidezeichnung A T Feldscheunen im Winter – Kreidezeichnung 209

Oben: Ölbild 1957 Links: Malerei 1983 -Öl Fürstenberger Ortsteil „Schächer“ die Sieb­ drucke von Emil Kiess mit den sich überla­ gernden, ständig wechselnden Farbtönen und Farbmaterialien. Damit ist die jüngste Phase im Lernprozeß des Künstlers eingelei­ tet und der Weg geöffnet zu den Gouachen „Südliche ,,Drei Muscheln“ (1979), ,,St�� am Meer“ (1977) und schließlich zu den Olbildem der achtzi­ ger Jahre mit ihrer verstärkten Hinwendung zu heimatlichen -um nicht zu sagen baare­ mer -Motiven, wie man sie in Arbeiten wie „Blumen“ (1979), „Wäsche“ (1980) und „Heuhaufen“ aus demselben Jahr zu erkennen glaubt. Farbteile und Farbpünkt­ chen ordnen und gliedern nun die Fläche und laden sie mit Energien und Farbimpul­ sen auf. So vor allem in den Bildern „Malerei Landschaft“ (1974), 210

I und II“ sowie“ Triptychon I und II“, sämt­ lich 1985 entstanden. Sei es nun das mehr abstrakte Schaffen der sechziger, seien es die eher gegenständlichen, durch landschaftliche Eindrücke geprägten Arbeiten aus den beiden letzten Jahrzehnten -hier wie dort erweist sich Emil Kiess als ein Maler, der aus der Farbe denkt, plant und gestaltet. Die übliche Teilung in eine gegen­ ständliche und eine gegenstandslose Kunst hat der Fürstenberger Maler von Anfang an für seine Person abgelehnt. Seine Umwelt könne er nicht negieren und andererseits sei er nicht selbstbewußt genug, eine innere Welt ohne Bezug auf die äußere allein aus den Elementen der Malerei zu erfinden. „Immer wieder müsse er hinabsteigen zu den lebendigen Q!iellen des Erfahrenen, um die Realität der Welt in seiner Malerei zu verbild­ lichen“. Radierungen 1987 211

schaft eingerahmt von einem Gewoge winzi­ ger Farbflocken und Farbteilchen. Eine scheinbar nostalgische Huldigung an das Spätwerk des Impressionisten, der genau hundert Jahre zuvor in Givemy einzog, um danach die berühmt gewordenen „Seero­ sen“-Bilder zu malen. Und ein weiteres Mal inspirierten Monets Nympheas, die die nachimpressionistischen Maler zur Weiterentwicklung herausforder­ ten, Emil Kiess bei seiner großformatigen „Malerei 1988, Teil 2″. Mit gutem Grund hat Hans H. Hofstätter das repräsentative Werk in die Ausstellung „Farbe -Malerei in Baden­ Württemberg“ hineingenommen, die vom 7. bis 23. April 1989 anläßlich der Landeskunst­ wochen Donaueschingen ’89 veranstaltet wurde. Geben wir anstelle einer eigenen In­ terpretation zum guten Schluß dem Freibur­ ger Museumsleiter selbst das Wort, der über Emil Kiess wie folgt urteilt: ,,Seine neueren Bilder scheinen auf den ersten Blick ohne Gegenstände auszukommen, doch man Selbstbildnis – Öl 1951-52 Häuser und Bäume – Fürstenberg Öl 1977 Oder ein andermal: ,,Die Kunst als Spiegel der Erfahrung hat nichts anderes zu tun, als den mimetischen Impuls eines sehenden Ichs sinnfällig zu machen“. In diesem Bekenntnis des einst Dreißigjährigen hat sich für Emil Kiess auch als Sechzigjährigen im wesentlichen nichts geändert. ,,Der Mensch“ – so in seinen Aufzeichnungen zum Phäno­ men ,Farbe‘ – ,,sieht in Bezügen. Er erzeugt, was er sieht. Kein Ding wird isoliert und ohne Bezug zu anderen Dingen wahrgenommen“. Bezeichnend für das vielschichtige Netz von Eindrücken aus Umwelt und Erinne­ rungswelt, die im Malprozeß des 60jährigen mitspielen, das Ölbild mit dem Franzosen Claude Monet, das 1983 auf der Ausstellung im Hause des Donaueschinger Architekten Harry Ludszuweit zu sehen war. Es zeigt eine entmaterialisierte Gestalt in einer zeitlosen, nicht näher definierbaren (Garten)-Land- 212

Stilleben – Öl 1952 kann sie durchaus als abstrakt im gegenständ­ lichen Sinne sehen: als Abstraktionen von Natur-und Landschaftseindrücken. Monets Nympheas haben den Blick dafür geschärft, Ernst Ganter, ein Maler und sein Schwarzwaldbild daß es so etwas gibt: Natureindrücke nicht direkt, sondern in flüchtigen Reflexen, die ständig sich ändern und entgleiten, im Bilde festzuhalten“. Dr. Lorenz Honold skizzen aus dem Hexenloch heraus und belegt das eben Gesagte mit kraftvoll ange­ legten Skizzen, die frisch und unmittelbar sind. Ernst Ganter kennt die Löcher und Döbel im Hexenloch seit Jahrzehnten, er ist dort unten „daheim“. Das gilt aber auch für die Hänge um Furtwangen, für die Elzquelle, den Saubauer, Dreitälerblick, den Brend und Rohrhardsberg, die Furtwanger Unterall­ mend oder den Katzensteig. Und obwohl der 86jährige diese Gegenden seit über 60 Jahren 213 Über den Furtwanger Maler Ernst Ganter hat Herr Pfarrer Joseph Beha im Almanach 84, Seite 149 bis 151, einige Gedanken zur Persönlichkeit und zum Werk des Künstlers geäußert. Der nach­ folgende Beitrag rundet das Schaffen des Künst­ lers ab. Ernst Ganter sagt, daß eine Skizze frech sein muß, und fügt mehr für sich selbst hinzu: ,,sunscht kah mer’s vergesse.“ Er durchschreitet sein geräumiges Atelier, zieht aus einem Regal eine Mappe mit Tempera-

malt, ist Ernst Ganter nach wie vor auf der Suche nach deren Eigentümlichkeiten, nach Ecken und Kanten, dem Wesen dieser Land­ schaften. Der Impressionist sucht noch immer die ideale Synthese, das ideale Zusam­ menspiel zwischen Form, Raum und Farbe. Bei den Studien nach der Natur, bei der Arbeit um Furtwangen herum, entstehen, gleich ob Ganter eine Gouache, ein Aquarell oder ein Ölgemälde anlegt, stets „nur“ Skiz­ zen: Er „haut“ diese Skizzen „na“, wie Ernst Ganter seine Virtuosität im Umgang mit dem Pinsel beschreibt, denn der Impressio­ nist vermag die Eigenheiten einer Landschaft binnen weniger Minuten herauszuarbeiten. Und Ernst Ganter arbeitet vor allem deshalb rasch, weil ihm seine Spannkraft nicht beständig erhalten bleibt, ohne Kraft aber eine „freche Skizze“ nicht denkbar wäre. Der Maler beendet diese Skizzen dann in seinem Atelier an der Triberger Straße, das im Dach­ geschoß der Normenteilefabrik Otto Ganter & Co. KG untergebracht ist und deren Mit­ inhaber der Künstler ist. Er hat die Firma mit aufgebaut, aus kleinsten Anfängen heraus. Und weil das mittelständische Unternehmen stets viel Zeit und Kraft abverlangte, hat Ernst Ganter seine knapp bemessene Zeit für die Malerei von Anfang an intensiv zu nut­ zen gewußt. Hat er nie Zeit für Motivsuche vergeudet, sondern gemalt, was sich gerade so ergab. Doch zurück zur Skizze, zu deren Vollen­ dung: Der Impressionist schließt seine Arbeit im Freien nicht ab, weil ihn das Licht beim Zusammenfinden der Flächen und Far­ ben beeinflußt. Deshalb sucht er das aus­ gewogene Licht des Ateliers und scheut die Aquarell vom Furtwanger Stadtviertel Unterallmend 214

so aufkommende Distanz zum Objekt nicht. „Auf dem Blatt muß es stimmen“, kommen­ tiert Ernst Ganter diese Arbeitsweise, mit der er einerseits den Eindruck des Augenblicks festzuhalten vermag, was der impressionisti- Am Rohrhardsberg, Temperaskiz.ze sehen Technik der Prirnalerei entspricht, der Ernst Ganter aber andererseits stets eine zweite Sitzung folgen läßt, aus Beweggrün­ den heraus, die bereits ausgeführt sind. Der 86jährige besitzt beim Skizzieren jedenfalls eine außergewöhnliche Fertigkeit, und er stellt im übrigen eine gute Skizze gleichbe­ rechtigt neben ein ausgearbeitetes Gemälde. Die zielstrebige Arbeitsweise Ernst Gan­ ters hat bis zum heutigen Tage unzählige Skizzen und Gemälde hervorgebracht: Tem­ peramalereien, Aquarelle, Tuschezeichnun­ gen und Ölbilder. Diese Kunstwerke vermit­ teln Reflexionen eines tiefen Naturempfin­ dens, das als ein Zusammenspiel von Flächen und Farben gegenständlich wird und das den Halt des Pinselstriches nicht mehr benötigt. So sind Landschaftsbilder entstanden, die mächtig und ursprünglich sind, geprägt vom Vereinfachen, vom Freimachen des Blickes für das Wesentliche: Mal steht der Betrachter 215

Der Reinerdonis-Hof in Schönwald, Ölgemälde vor gewaltig düsteren Berghängen, nur grob strukturiert, die die Täler nahezu erdrücken, vor pastosen Gemälden auf großformatigem Karton. Vor Bildern, die die Verschlossenheit einer Landschaft widerspiegeln, deren Wesen Ernst Ganter mit außergewöhnlichem Aus­ druck erschaubar macht. Und dann wieder zeigt Ernst Ganter in seinem Atelier Ölbilder, deren Farbigkeit, Kraft und Lebensfreude einem förmlich entgegenspringen. Bilder, bei deren Entstehung der Künstler sämtliche Facetten der impressionistischen Land­ schaftsmalerei ausgekostet hat. Gerade die jüngeren Werke Ernst Ganters sind von die­ ser Farbenfreude, von dieser außergewöhn­ lichen Tonalität gekennzeichnet. 216 Das künstlerische Schaffen von Ernst Ganter wird indes geradezu mitreißend von der Prächtigkeit seiner Wasserbilder geprägt, seiner ständigen Auseinandersetzung mit der Elzquelle, oder den Bächen im Hexenloch. Ernst Ganter ist ein Leben lang auf der Suche nach der Farbe des Wassers gewesen. Auf einer Suche, die ihn stets gefordert hat. Denn das Wasser besitzt „keine Farbe“, und doch ist jeder Tropfen eines Baches vollgesaugt mit der Farbigkeit seiner Umgebung. Diese ungeheure Vielfalt auszudrücken, das ist auch im 86. Lebensjahr ein zentraler Punkt des künstlerischen Schaffens Ernst Ganters. Und längst hat er dabei den Pinsel mit der Spachtel vertauscht, weil ihm der Pinsel die

Olfarben zu grau bringt und die Spachtel dagegen der Garant für einen reinen Ton ist. Das künstlerische Werk Ernst Ganters hat in seiner Art, die Fließbewegung und die Farbig­ keit des Wassers darzustellen zweifellos einen Höhepunkt erreicht. Es entstehen „Wasser“, deren Farben Klänge bilden, deren Nuancierung fesselt. Der Impressionist Ernst Ganter ist gewiß ein außergewöhnlicher Künstler, aber, er ist zugleich außergewöhnlicher Mensch. Ernst Ganter lebt nach unverrück­ baren Grundsätzen und hat sein Leben seiner Kunst untergeordnet. auch ein Seine genügsame Art zu leben, im Ein­ klang mit der Kunst und der Natur, hält vor Augen, daß auch „ wenig“ viel sein kann, wenn das „Wenige“ eine innere Kraft ist, wie sie Ernst Ganter in seinen Werken immer wieder gegenständlich macht, indem er weg­ läßt und vereinfacht. Dieses Vereinfachen ist indes hart erarbeitet: So sagt Ernst Ganter von sich, er sei in der Schule ein schlechter Zeichner gewesen. Aber ein Künstler aus Bayern, der an der Furtwanger Schnitzerei­ schule wirkte, hat den jungen Ernst Ganter in den 20er Jahren mit den Grundzügen der Malerei vertraut gemacht. Danach ist es vor allem auch der Furtwanger Bildhauer Karl Rieber gewesen, der Ernst Ganter auf seinem Weg weiterhalf. Am meisten vorangebracht hat den Furtwanger wohl die Begegnung mit dem Schwarzwaldmaler Wilhelm Kimmich aus Lauterbach bei Schramberg, der ihm ein überaus kritischer Lehrmeister und Freund war. Und diese Kritik hat bewirkt, daß Ernst Furtwangen im Winter, von der Fatimakapelle aus, Ölgemälde 217

Feldblumen, Temperabild Bach im Hexenloch, Ölgemälde 1988 Beim Elzfall, Ölgemälde, 1988 Ganter immer noch mehr aus sich heraus­ holte, sich vervollkommnet hat und er heute gleichberechtigt neben Kimmich und ande­ ren etablierten Malern steht. Der Maler Ernst Ganter ist vor allem aber auch ein Furtwanger Maler. Die Liebe zu sei­ ner Heimatstadt hat etliche tausend Skizzen und Gemälde hervorgebracht. Sie waren die Vorlage für zwei Postkartenserien über Furt­ wanger Bauernhöfe und für eine Kartenserie mit Motiven aus Alt-Furtwangen. Der Impressionist ist bekannt für diese histori­ schen Ansichten Furtwanger Straßenzüge, vor allem von der Unterallmend, dem älte­ sten Viertel der Stadt, das heute größtenteils vernichtet ist. Neben der Unterallmend, ist Ernst Ganter vor allem auf dem Berg unter­ halb der Fatima-Kapelle daheim. Von dort aus gefällt ihm seine Heimatstadt am besten, gewinnt er ihr immer wieder neue Reize ab, 218

malt er Furtwangen zu jeder Jahreszeit, vor allem bei jedem Licht. Und Ernst Ganter, der seine Kunst nicht in den Vordergrund rücken mag und deshalb nur selten seine Werke aus­ stellt, hat Bilder seiner Heimatstadt im übri­ gen schon vielfach öffentlichen Einrichtun­ gen kostenlos überlassen. Mit Ganter-Wer­ ken ist das Altenheim ausgeschmückt, aber auch andere soziale Einrichtungen der Stadt haben bereits des öfteren von der ungewöhn­ lich reichen Schaffenskraft des Malers profi­ tieren dürfen. Ernst Ganter ist aber nicht nur Schwarz­ waldmaler: Er reist und reiste in ganz Europa umher, ist begeistert von der Architektur der Städte, von der Farbigkeit südlicher Länder, oder dem Flair europäischer Metropolen wie Rom und Paris. Von diesen Reisen bringt Ernst Ganter meist duftige Temperamale­ reien mit. Tempera deshalb, weil er mit Deck­ farben den Ton noch nachträglich verändern kann, während ihm die Aquarellfarben ab­ verlangen, daß er ein Bild „auf einen Hieb“ macht. Auch die Reiseskizzen des Künstlers dokumentieren seine Fähigkeit, das Wesent­ liche einer Landschaft, einer Architektur rasch zu erfassen und in der ihm typischen Art anzulegen. Die Arbeit wird jedenfalls nicht geringer, die Zahl der Skizzen, die im Atelier vollendet werden, nicht kleiner: Es zieht Ernst Ganter auch im 86. Lebensjahr Tag für Tag um sechs Uhr früh ins Atelier, sonst hätte er keine Ruhe. Mit ungebrochener Schaffensfreude ist Ernst Ganter noch immer auf der Suche nach der idealen Stimmung. Auf einer Suche nach der Ursprünglichkeit und Ausstrahlung von Landschaften, von der auch die Mono-· grafie Ernst Ganters erzählt, die in Buchform erscheinen wird. Wilfried Dold Alltagsweg Ihre Beziehungen zueinander: Ein Nebeneinander – und der Weg, den sie wie Bäume in ihre Mitte nahmen – ebenbildlich sich fortsetzend einem Fluchtpunkt entgegen, wo, das hofften sie, alles zusammenliefe: Eine perspektivische Täuschung bis dorthin, wo die Luftschlösser unter der Brache zerfielen – Ihnen bleibt nur die Wahl zwischen Neubeginn oder dem Sichverlieren, wenn nicht die Umkehr zu den fallenden Blättern ihren Erinnerungen – und bis in die Wurzeln. Jürgen Hencke’ll Raffung Ich erkannte oft nicht die Bedeutung großer Stunden – Bei dem Griff nach fernen Küsten fielen sie mir aus der Hand – – Dies erkennend, sammle ich jetzt die verlorenen Sekunden für die eine volle Stunde der verdichteten Erfahrung mit mir selbst. Raffung bildet den Kristall der Einsicht aus amorphen Molekülen der Erinnerung. Jürgen Henckell 219

Stockhausen im Regieraum beim WDR bei der Arbeit Einst, mit 25, in Donaueschingen der „Bürger­ schreck “ – heute, 60 gewesen, im Jubiläumsjahr in Köln mit bedeutenden Werkaufführungen ge­ fejrt, ein Klassiker der NEUEN MUSIK: Pro­ fessor Karlheinz Stockhausen ist weltweit der bekannteste und bedeutendste Repräsentant der Neuen Musik. Wie kein anderer hat er als Komponist in den ver­ gangenen vier Jahrzehnten seit 1950 die Musik revolutioniert. Ohne Stockhausen ist die Musik der zweiten Jahrhunderthälfte undenkbar. Die Erschließung neuer Klangwelten bis zur Raum­ M usik ist mit seinem Namen ebenso untrennbar verbunden wj die Begriffe serielle und elektro­ nische Musik. Durch den Einsatz mobiler Synthe­ sizer wurden neue Klangfarben und völlig neue Methoden der Klangsteuerung, Klangmodula­ tion, Raumprojektion und Notation entwickelt. Stockhausen hat bis heute 202 selbständig auf führbare Werke komponiert. In sechs Bänden hat er Texte zur Musik (DuMont Buchverlag Köln) veröffentlicht, auf über 100 Schallplatten wurde sein musikalisches Werk aufgenommen. Seit 1977 arbeitet er an dem musikdramatischen Zyklus LICHT (Die sieben Tage der Woche), von dem DONNERSTAG, SAMSTAG, MONTAG vollendet sind und DIENSTAG in Arbeit ist, im Jahre 2002 soll das gesamte Werk vollendet sein. Stockhausen hat zahlreiche Ehrungen durch den Staat und internationale Akademien erfahren, 1986 erhielt er den höchstdotierten Preis in der Musik, den Ernst-von-Siemens Musikpreis. Er lebt seit 25 Jahren in Kürten im Bergischen Land nahe Köln. Der ALMANACH.führte mit ihm anläßlich des 40jährigen Bestehens ein Gespräch über die Donaueschinger Musiktage aus seiner Sicht. Frage: Die Donaueschinger Musiktage der neuen Zeit sind 1990 40 Jahre alt. Herr Pro­ fessor Stockhausen, die Musikkritikerin Gisela Gronemeyer hat im „Kölner Stadt­ Anzeiger“ in einem ihrer Berichte über die Donaueschinger Musiktage von den drei ,,Donaueschinger Assen“ gesprochen: Stock­ hausen, Boulez, Nono. Sie waren oft in Donaueschingen, Sie haben mit Ihren Wer-221

ken die weltweite Bedeutung der Musiktage als ein internationales Forum der Neuen Musik in den letzten 40 Jahren mitgeprägt. Welche Erinnerungen haben Sie an die Donaueschinger Musiktage? Stockhausen: Zum ersten Mal war ich 1952 in Donaueschingen mit einer Uraufftihrung von SPIEL für Orchester in zwei Sätzen, diri­ giert von Hans Rosbaud, dann erst wieder 1958 mit GRUPPEN für drei Orchester. Orchester I wurde von mir dirigiert, Orche­ ster II von Hans Rosbaud, Orchester III von Pierre Boulez. !gor Strawinsky war in der Aufführung. Es war die zweite Aufführung nach Köln. Für 1959 hatte ich einen Kompo­ sitionsauftrag, der infolge eines Konfliktes zwischen Dr. Heinrich Strobel, dem Leiter der Musiktage, Hans Rosbaud und mir, eigentlich wegen Banalitäten, nie fertig wurde. Die nächste Aufführung war im Jahre 1963 PUNKTE für Orchester unter Pierre Boulez als Dirigenten. Dann folgte 1965 die konzertante Uraufführung des über eine Stunde dauernden Werkes MOMENTE mit dem Kölner Rundfunkchor unter meiner Leitung. 1970 hat Heinrich Strobel mir kurz vor seinem Tode noch einen Auftrag gege­ ben für MANTRA für zwei Klaviere. Er hat das Werk aber nicht mehr gehört. Er war vor­ her gestorben. Sein Nachfolger wurde Dr. Otto Tornek von der Musikabteilung des Südwestfunks in Baden-Baden. Er gab mir 1972 eine Chance für die Uraufführung von TRANS für Orchester, 1974 war es INORI, Anbetungen for ein oder zwei Solisten mit Orchester, mit Alain Louafi, mit dem Südwestfunkorchester unter meiner Leitung. Dann kam eine mehr­ jährige Pause. Sie endete 1978 mit der Urauf­ führung von MICHAELS REISE UM DIE ERDE aus meiner Oper DONNERSTAG aus LICHT für Orchester, mit Markus Stock­ hausen (Solotrornpete), Suzanne Stephens (Solobassetthorn) und dem Ensemble Intercontemporain. 1983 wurde KATHIN­ KAS GESANG als Luzifers Requiem, für sechs Schlagzeuger und Soloflöte, Kathinka Pas­ veer, uraufgeführt und 1985 OBERLIPPEN- 222 Gespräch unter Kollegen: Karlheinz Stockhausen und Wolfgang Fortner (aus Max Rieple, Musik in Donaueschingen). TANZ, ein Werk für Solotrompete, vier Hör­ ner und zwei Schlagzeuger, aus der Oper SAMSTAG aus LICHT. Seitdem hat nichts mehr stattgefunden. Für 1991 habe ich den Auftrag für ein Stück aus Anlaß des Weg­ gangs von Josef Häusler, des Organisators der Musiktage. Frage: Um auf das Eingangszitat zurück­ zukommen: Die Donaueschinger Musiktage in den vergangenen 40 Jahren sind ohne Ihre Mitwirkung nicht zu denken? Stockhausen: Sie sind sehr wohl ohne mich denkbar. In 38 Jahren bin ich zehnrnal auf­ geführt worden. Boulez ist beinahe jedes Jahr in Donaueschingen aufgeführt worden, bis Heinrich Strobel 1970 starb. Ich in diesen 20 Jahren unter Strobels Leitung nur viermal. Strobel wollte das nicht. Prinz Max Egon von Fürstenberg, der große Mäzen der Musik­ tage, und Fürst Joachim von Fürstenberg wollten immer, daß ich öfter komme. Fürst Joachim sagte mir jedesmal: Wir versuchen in jeder Besprechung mit den Herren vorn SÜDWESTFUNK mehr Aufführungen von

Ihnen zu bekommen. Aber diese bestimmen natürlich. Sie stellen das Orchester und haben das Geld. Ich habe ihm geantwortet: Ich komme gern öfter nach Donaueschin­ gen, aber das liegt nicht an mir. Frage: Woran, glauben Sie, lag es, daß Sie unter Strobel nicht mehr Einladungen erhiel­ ten? Stockhausen: Strobel war eine der ganz sel­ tenen Persönlichkeiten, die immer nur das gemacht haben, was sie für gut fanden. Er hatte eine besondere Vorliebe für Egk und Fortner, für Petrassi, für die Schweizer Komponisten Beck und Vogel, auch für Honnegger, und vor allem für Pierre Boulez, für den er so etwas wie eine Vaterfigur war. Das habe ich alles respektiert. Strobel hat zum Beispiel gesagt: ,,Ich mache Boulez, und wenn ihr das nicht wollt, könnt ihr mir den Buckel runter­ rutschen.“ Ich fand diese Einstellung toll. Mir sind Leute tausendmal lieber, die wie er für ihre Sache wie die Löwen kämpfen, als jene, die überhaupt keinen Geschmack haben und jedem gefallen wollen. Die nach­ her in Pension gehen und zu jedem Geburts­ tag von möglichst vielen Komponisten eine Karte bekommen wollen. Frage: Strobel hat aber doch später, was Ihr Werk betrifft, eine Kehrtwendung gemacht, und Sie, Herr Professor Stockhausen, haben ihm die Grabrede 1970 gehalten? Stockhausen: Ja, ich habe ihn Heinrich genannt. Es gibt eine Reihe sehr schöner Briefe zwischen uns. Ich hatte auch eine gute menschliche Beziehung zu seiner Frau, sie war Tonmeisterin und hatte vor meiner Arbeit großen Respekt. Strobel hat wohl gemerkt, daß Stockhausen international sein Publikum gefunden hatte und ihm in der Fachwelt Respekt gezollt wurde. Vor allem Die drei Donaueschinger Asse: Stockhausen, Pierre Boulez, Luigi Nono (von rechts) bei einem Gespräch in einer Konzert-Pause in Donaueschingen in den ersten Jahren der Musiktage (aus Max Rieple, Musik in Donaueschingen). 223

auch von seinem eigenen Freund Claude Rostand, der für LE MONDE berichtete und ein Buch über die Komponisten des 20. Jahr­ hunderts schrieb, in dem der Name Stock­ hausen obenan stand. Strobel wurde hellhö­ riger und hat gedacht, vielleicht muß ich doch aufpassen, und hat mir den Auftrag zu MANTRA gegeben. Im Todesjahr von Stro­ bel wurde das Werk aufgeführt. Frage: Was Ihre Werkaufführungen in Donaueschingen betrifft, insbesondere in den ersten Jahren, da war in der Kritik von Ihnen als dem „Bürgerschreck“ die Rede. Sie kennen das Zitat. Jetzt sind Sie 60 gewesen und gelten als Klassiker der NEUEN MUSIK Stockhausen: Nahezu jede Aufführung von mir in Donaueschingen hat einen mehr oder weniger penetranten Skandal hervorge­ rufen. Entweder hat die Mehrzahl im Saal geschrien und gepfiffen, das sei verrückt oder beim andernmal, das sei nicht verrückt genug. Es gab Situationen, in denen ich ein­ fach ausgelacht worden bin. Zum Beispiel bei TRANS für Orchester. Hinter einem violet­ ten Tüllvorhang sitzt das Orchester wie‘ mechanische Puppen in drei Etagen über­ einander. Die Uraufführung ist auf Schall­ platte aufgenommen und so ist zu hören, was es für Publikumssoli gibt. Auch bei INORI war das so. Zu dieser Uraufführung gab es eine Ausstellung in den Gängen der Musikhalle über Bet-Gesten in allen Kulturen der Welt. Ich hatte sie in Zusammenarbeit mit der Künstlergilde Donaueschingen und dem Freiburger Museum unter Dr. Hans Hofstätter einge­ richtet. Als INORI 1974 unter meiner Lei­ tung uraufgeführt wurde, haben sich die Leute lustig gemacht, weil das überhaupt gegen den Strich war. Damals war Antireli­ giösität up to date, und dann diese Musik von Stockhausen mit Bet-Gesten auf der Bühne! Sowas Lächerliches hatte die Welt noch nicht erlebt! Selbst der Leiter der Abteilung für Neue Musik aus Stuttgart, Clytus Gott­ wald, ließ am folgenden Tag bei einer Impro­ visation von Cage mit dem Chor mit Bet- 224 Gesten Stockhausen auf widerlichste Weise lächerlich machen. Es hieß, daß ich naiv bin, weil ich auf der Bühne beten lasse. Frage: Herr Professor Stockhausen, ist es nicht merkwürdig und erstaunlich, daß eine so relativ kleine Stadt wie Donaueschingen eine derartige Bedeutung für die Neue Musik erlangt und durch 40 Jahre die Tradition auf­ recht erhalten hat? Stockhausen: Es gibt Städte, die als Pflege­ stätten der Neuen Musik noch kleiner sind. So Halle in Westfalen, auch Gütersloh ist nicht groß, Luzern und La Rochelle sind auch keine Großstädte. In einer kleineren Stadt ist die Konzentration aufMusik beson­ ders gut möglich. Die Größe eines Ortes ist nicht wichtig. Das Ganze ist nur eine Frage der Initiative. Diese Initiativen gab es in Donaueschingen durch die Gesellschaft der Musikfreunde, durch das Haus Fürstenberg. Das galt schon zu Zeiten Haydns am Hofe des Fürsten Esterhazy in der Provinz Öster­ reichs. Kein Mensch hat gefragt, ob ein Ort groß genug sei. Ich kenne Donaueschingen gut. Ich bin ja nicht nur jeweils zu den Auf­ führungen hier gewesen, sondern meist schon mehrere Tage vorher bei den Proben. Dadurch, daß in Donaueschingen alles zu Fuß zu machen ist, die Wege vom Hotel zur Musikhalle und umgekehrt, zum Schloß oder zu den Aufführungen in der Kirche (wir haben sie am Tage ja mehrmals zurückge­ legt), ist mir das Städtchen mehr vertraut als mein eigener Wohnort Kürten im Bergi­ schen Land, wo ich seit 25 Jahren lebe. Frage: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes Auftreten bei den Musiktagen und an Persönlichkeiten, denen Sie damals hier begegnet sind? Stockhausen: Ein großer Verehrer von Stockhausen war Altgraf Salm, der Kunstbe­ rater des Hauses Fürstenberg. Ihn habe ich 1952 kennengelernt. Ich kam einen Tag frü­ her nach Donaueschingen nach den Proben mit Hans Rosbaud in Baden-Baden. In mei­ nem Werk SPIEL für Orchester war an einer bestimmten Stelle vorgeschrieben, daß man ein Glas mit einem Metallstab anschlagen

Bei den Donaueschinger Musiktagen 1958 wurden die GRUPPEN für 3 Orchester von Stockhausen aufgeführt. Es dirigierten Karlheinz Stockhausen (Orchester!), Hans Rosbaud (Orchester II) undPierre Boulez (Orchester III). sollte, was einen hellen Klang ergibt. In Baden-Baden haben wir bei den Proben irgendein Glas genommen, das wir gerade finden konnten. Ich kam also nach Donaueschingen, und es erschien ein ungemein netter Herr, menschlich und sehr gebildet, ein Lebens­ künstler, ein Gourmet auch, ein Weinkünst­ ler. Das war der Altgraf Salm. Er sagte zu mir: ,,Ich habe gehört, Sie brauchen ein besonde­ res Glas für Ihr Werk SPIEL für Orchester.“ Wir sind in die Fürstliche Sammlung gegan­ gen und haben dort unter fabelhaften Glä­ sern einen unheimlich schönen Weinpokal ·ausgesucht. Ich hatte alle vorher mit einem Metallstab angeschlagen. Was passiert aber? Die Uraufführung kommt mit dem Südwestfunkorchester. Darin gab es einen Schlagzeuger, der irrsin­ nig nervös war. Rosbaud gab in meinem Werk, damals in einer Taktform Acht Viertel notiert, obwohl der Rhythmus total unsym­ metrisch und unregelmäßig war, bei jeder Synkope, die nach dem Schlag kam, einen seiner unmißverständlichen Rosbaud-Ein­ sätze. Selbst wenn da piano stand, machte er derartige Verrenkungen, daß das Orchester die Augen verdrehte und in dem Moment völlig falsch spielte. Zu früh oder zu spät, aber auf jeden Fall viel zu laut. Als nun eine Generalpause einsetzt, kurz vor Schluß -das Orchester bricht ab -da gibt er einen seiner unfaßbar intensiven Einsätze für den Schlag auf dieses wunderschöne Glas aus der FF­ Sammlung. Der Schlagzeuger schlägt natür­ lich viel zu fest, und der Pokal zersplittert in tausend Stücke, die über das ganze Podium und in die Zuschauer fliegen, mitten in die Generalpause hinein. Der Schluß des Werkes wurde überhaupt nicht mehr gehört. Ros-225

baud gab den Schlußschlag für das Orche­ ster. Dann brach ein Orkan an Protesten los. Die Leute standen auf, schrien, pfiffen oder applaudierten, riefen „Schweinerei“ oder auch »Bravo, Courage, arbeite weiter so!“ Da ließ Rosbaud mich am laufenden Band verbeu­ gen. Ich werde das nie vergessen. Frage: Sie waren nicht nur der Komponist des Werkes, sondern sie hatten in der Auf­ führung auch den Klavierpart zu spielen? Stock.hausen: Ja. Weil Rosbaud am Anfang gesagt hatte: Zeigen Sie mal,junger Mann, ob Sie das überhaupt können. Er hat mich in der Probe den ganzen Klavierpart allein vor dem Orchester spielen lassen. Ich bin bald gestor­ ben vor Angst. Für die Aufführung hatte ich mir von einem Assistenten von Rosbaud, Reich mit Namen, der dick und klein war, einen schwarzen Anzug leihen müssen, weil die Auflage bestand, daß in einem schwarzen Anzug zu spielen sei. Ich hatte keinen. Herr Reich, bei dem ich gewohnt hatte, lieh mir seinen. Die Jacke ging mir bis zu den Ellen­ bogen, die Hose war viel zu kurz, ich hatte richtige Hochwasserhosen. In diesem Auf­ zug nun hat Rosbaud mich dauernd Verbeu­ gungen vor diesem tobenden Publikum machen lassen. Das war mein erstes Erlebnis in Donaueschingen. Frage: Was sagte Altgraf Salm zu dem Unglück mit dem Glas? Stock.hausen: „Da hat es doch einer guten Sache gedient.“ Frage: Neben Altgraf Salm gab es Max Rieple, den Vorsitzenden der Musikfreunde Donaueschingen, Schriftsteller. Stock.hausen: Ich erinnere mich gern an ihn. Er hatte immer so gesunde, rote Backen. Er sprach stets die einführenden Worte und die Begrüßung bei den Konzerten, und natürlich wurden die Künstler hinterher auch immer zu ihm eingeladen. Seine netten Worte und vor allen Dingen sein Engage­ ment, was seine Heimat betraf, werde ich nicht vergessen. Er hat Donaueschingen wohl zu einem Musikfest dieser Region gemacht. Frage: Prinz Max Egon von Fürstenberg 226 war in den Jahren bis zu seinem Tod der große Mäzen der Musiktage. Stock.hausen: Ich habe ihn gut gekannt. Er hat mich auch eingeladen, im Schloß zu wohnen, was ich auch einmal getan habe, und er lud stets zu den großen Empfängen im Schloß ein. Er war eine verehrungswür­ dige Persönlichkeit und eng befreundet mit Strawinsky. Das wurde ganz deutlich. Frage: Es ist jetzt, wie eingangs schon ein­ mal, der große Name genannt worden, der den Donaueschinger Musiktagen in der Ver­ gangenheit und Gegenwart Glanz verliehen hat: der Name !gor Strawinsky. Sind Sie ihm begegnet, in welcher Beziehung standen Sie zu ihm und er zu Ihnen? Stock.hausen: Ich war 23, als ich ihn zum erstenmal in Paris in einem Cafe getroffen habe. Eine ganze Woche lang habe ich damals Aufführungen seiner Werke gehört .. In Donaueschingen sind wir uns 1958 wieder begegnet. Er war ungemein freundlich, und wir haben lange Gespräche geführt. Stra­ winsky war 1958 in meiner Aufführung GRUPPEN für drei Orchester. Das hat ihm in jeder Weise imponiert. Nach der Auffüh­ rung wollte er genau wissen, was ich mache. Es gibt Strawinsky-Gespräche, die veröffent­ licht sind, in denen das erwähnt wird. Strawinsky hat sich jedes meiner neuen Werke durch seinen Assistenten Robert Craft schicken lassen, ehe es gedruckt war. Später bin ich ihm in München wieder be­ gegnet. Im Krankenhaus haben Pierre Boulez und ich ihn besucht. Strawinsky war einer von den Meistern, die ich als Komponist vollkommen respektiert habe. Die großen Meister wie er wurden in Donaueschingen stets am Schluß eines Konzerts aufgeführt. Das finde ich nach wie vor richtig. Strobel hatte die große Begabung, Generationen zu verbinden. Ich finde, daß es Unsinn ist, solche Festivals umzufunktionieren zu „Modemessen“, das ist falsch. Wir wollen nicht das Neueste wie bei den Möbelmessen sehen, sondern was wesentlich ist, daß die Maßstäbe den Jüngeren bewußt werden. Das war in der früheren Aufführungspra-

Strawins/ry (vorne im Bild) und Stockhausen (rechts) mit Frau Doris 1958 in Donaueschingen. xis in Donaueschingen immer der Fall: Am Anfang stand eine Uraufführung von einem jungen Mann, dann kam die Uraufführung eines Stücks von einem „mittleren Klassiker“ (das konnten die Freunde von Strobel sein, Egk oder Fortner oder Vogel), und dann, nach der Pause, auf jeden Fall ein langes Werk, das beispielhaft war. Etwa die Orche­ stervariationen von Schönberg oder eine Sinfonie von Strawinsky, ein großes orche­ strales Werk von Hindemith oder von Oliver Messiaen. Erst wenn ich 70 werde, bin ich ein Vorbild für die 20jährigen. Die dazwischen wollen mich nicht, das versteht man auch. Als junger Komponist bin ich nach solchen Aufführungen mit hängenden Ohren nach Hause gegangen, habe auf den Boden geguckt und bin in die Eisenbahn gestiegen und sehr, sehr nachdenklich gewesen, weil ich es einfach unvergeßlich in Erinnerung hatte, was die großen Meisterwerke eines älte­ ren Musikers mir für ein Beispiel gaben. Ich habe mich nie verglichen, sondern die Über- zeugung gehabt, daß diese Meisterwerke als Maßstäbe gelten für mich. Das hat dann für weitere drei bis vier Jahre gereicht. Frage: Strawinsky hat einmal von Ihnen als von einer großen Hoffnung gesprochen? Stockhausen: Er hat meine Arbeit sofort anerkannt. Er hat nie geschwafelt, sondern sich präzise über meine Werke KONTRA­ PUNKTE, ZEITMAßE, GRUPPEN für drei Orchester und CARRE für vier Chöre sowie über die späteren Werke ausgesprochen. Das neue kompositorische Handwerk verstand er wegen Akustik und Elektronik nicht mehr. Er stand im Traditionellen. Frage: Haben Sie in Donaueschingen auch Hindemith getroffen? Stockhausen: In Donaueschingen nicht, wohl einmal im Rundfunk in Köln, wo eine elektronische Studie von mir vorgeführt wurde. Er war äußerst wütend darüber, hat dafür ein nicht druckreifes Wort gebraucht und ist gegangen. Ich war zutiefst erschüttert, weil ich ihn als einen Meister des Handwerks 227

verehrte und ich seine Werke spielte, seine „Marienlieder“, seine Oper „Mathis der Maler‘: gut kannte und schätzte. Insofern war ich enttäuscht, daß dieser Mann meine Musikalität einfach verwarf. Ich habe es mitt­ lerweile verstanden. Er war eben ein reiner Gebrauchsmusiker. Was ich da gemacht hatte, konnte er auch nicht erkennen. Frage: 40 Jahre Donaueschinger Musik­ tage. Wie sehen und beurteilen Sie sie heute, wie denken Sie über ihre weitere Entwick­ lung? Haben Sie überhaupt noch eine Chance in ihrer jetzigen Form? Stockhausen: Was die Zukunft betrifft: Die Donaueschinger Musiktage haben eine Zukunft nach wie vor, wenn sie ihre Orientie­ rung an und ihre Verbindung mit den Epo­ chen suchen. Wie ich bereits sagte: Am Anfang das Werk eines jungen Komponisten aufführen, der Generation der 20/30jähri- gen, dann das Werk eines Komponisten der mittleren Generation, der 40/60jährigen, und am Schluß also ein großes Werk eines bedeutenden Meisters wie Strawinsky oder Schönberg. Die jetzigen Musiktage müßten sich mei­ ner Meinung nach anders orientieren. Die Zukunft ist immer das Wichtigste, wenn sich die Musiktage nicht nur in eine Richtung entwickeln sollen. Sie müssen vor allen Din­ gen experimentell sein. Ich fand in all den Jahren das Freiburger „Heinrich Strobel Insti­ tut“ mit Peter Haller einfach nicht experi­ mentell genug. Auch nicht modern genug, was die elektroakustische Entwicklung der Musik angeht. Im Grunde sind die Musik­ tage ziemlich konservativ geblieben, was die Aufführungspraxis betrifft. Die Dirigenten spielen immer eine pri­ märe Rolle. Das finde ich falsch. Man sollte Am 18. Oktober 1974 dirigierte Karlheinz Stockhausen in Donaueschingen die Uraufführung seines Werkes JNORJ, Anbetungenfar einen Solisten und Orchester, mit dem Symphonie-Orchester des Süd­ wesifunks, Baden-Baden, und Alain Louafi als Tänzer-Mime. 228

auch mehr Ensembles engagieren, die nicht aus Baden-Baden, aus dem Orchester, kom­ men, auch nicht nur den Stuttgarter Chor. Es gibt exzellente Ensembles, die experimen­ telle Neue Musik auswendig aufführen und absolut vorbildlich in der Aufführungspraxis sind. Es kommt darauf an, unbedingt weiter­ zumachen in der Tradition der Donau­ eschinger Musiktage. Das ist so wie Bäume, die Ringe ansetzen. Die Salzburger Festspiele waren auch in einer großen Krise. Wir haben 1988 zum erstenmal dort sieben Konzerte im Mozarteum gegeben. Vor einem wunderba­ ren Publikum. Es war ein Schock für das Salz­ burger Festival, das normalerweise nur mit konservativen Schallplatten-Künstlern ar­ beitete. Wir hatten ein junges Publikum aus der ganzen Welt. Da ändert sich also etwas. Trotzdem sollen die Salzburger Festspiele weitermachen. Genauso wie die Musiktage in Donaueschingen. Frage: Die Aufführungsstätten in Donau­ eschingen sind noch wie früher die Donau­ halle A und B. Was sagen Sie zu diesen räum­ lichen Auspizien? Stockhausen: Die Schwierigkeit besteht darin, daß die Donauhalle A und B eigentlich keine Konzertsäle sind. Die Decke ist viel zu niedrig, das Podium viel zu beschränkt. Ich kann da im Grunde nur sehr begrenzt arbei­ ten. Man kann die Lautsprecher nicht ver­ nünftig plazieren, die Akustik ist zu beengt. Ich versuchte seit Jahren, Stücke zu realisie­ ren, die nicht mehr die klassische Anordnung des Publikums in Stuhlreihen vor dem Podium haben. Raum-Musik läßt sich dort nur sehr schwer aufführen. Dann ist da die Sporthalle. Die ist noch viel problematischer. Wenn man da keine hervorragende Elektroakustik hat zur Ver­ stärkung jeden Musikers, hört man nur sehr schlecht oder gar nichts. Das ist keine Musik­ halle. So besteht hier und heute die große Schwierigkeit, Musik adäquat aufzuführen. Vor aller anderen Musik die Raummusik. Sie braucht viele Lautsprecher rings um das Publikum herum. Uraufführung von KATHINKAs GESANG als LUZIFERs REQUIEM, Szene aus SAMS­ TAG aus LICHT für Flöte und 6 Schlagzeuger, bei den Donaueschinger Musiktagen am 15. Oktober 1983 (Kathinka Pasveer, Flöte). Frage: Was müßte geschehen, damit die Entwicklung und Aufführungen von Wer­ ken der Neuen Musik in der weiteren Zu­ kunft möglich bleiben? Stockhausen: Man muß sich bemühen, einen Raum zu schaffen, der für moderne, für experimentelle Musik, die ja in zuneh­ mendem Maße Raum-Musik sein wird, geeig­ net ist. Das nächste Stück, das ich in Donau­ eschingen auffuhren werde, ist für 1991 vor­ gesehen. Ich mache das sehr gerne. Ich weiß aber überhaupt noch nicht, wo ich das auf­ führen soll. Ich kenne ja die Säle, aus denen man direkt ins Freie geht, wo man drinnen den Lärm von draußen hört, wenn Autos vorbeifahren. Frage: Was für ein Werk wird 1991 von Ihnen in Donaueschingen aufgeführt? 229

Stockhausen: Es heißt INVASION und EXPWSION, aus der neuen Oper DIENS­ TAG aus LICHT. Es wird, wie gesagt, sehr schwierig, diese Musik aufzuführen, weil die Musiker auch draußen in den Gängen spie­ len sollen und die Zuhörer sich darum herum sowie drunter und drüber aufhalten. Aber das ist in Donaueschingen kaum möglich. Es gibt keine Foyers links und rechts um die Auditorien herum. Für eine Aufführung eines Werkes moderner Musik muß man einen großen Kompromiß machen. So Gott will, werde ich also 1991 wieder nach Donaueschingen kommen. Die Verant­ wortlichen scheinen bereit, das zu ermögli- Liese! Haager Ein Leben für die Musik Am 22. Februar 1989 überreichte der Bürgermeister der Stadt Donaueschingen, Dr. Everke, Frau Liesel Haager die Bronzene Medaille der Stadt. Ein einstimmiger Beschluß des Gemeinderats war vorausge­ gangen. Der Bürgermeister, der Präsident der Gesellschaft der Musikfreunde und der Lei­ ter der Donaueschinger Jugendmusikschule würdigten das Lebenswerk der Geehrten; Schüler der Jugendmusikschule umrahmten musikalisch die Feierstunde im großen Sitzungssaal des Rathauses. All dies kann auch in symbolischer Weise gedeutet wer­ den: das Wirken Liesel Haagers entfaltete sich in diesem Rahmen, die Musik war und ist ihr Leben. Jedoch ist es immer auch ihr höchstes Bestreben gewesen, die Musik und die Freude an ihr weiterzugeben, insbeson­ dere an die Jugend. Ihr musikalisches Wirken war ein Dienst an der Allgemeinheit in der Stadt Donaueschingen, in der sie den weitaus größten Teil ihres Lebens zugebracht hat. So ist es kein Zufall, daß mit Liesel Haager die erste Persönlichkeit aus dem kulturellen Bereich mit dieser städtischen Verdienstme­ daille geehrt wurde. Diese Ehrung war weni­ ger eine Würdigung von vielen einzelnen 230 eben. Sie haben mir 1986 geholfen bei der U rauffiihrung von EV As ZAUBER in Metz, die in Baden-Baden vorbereitet wurde, und in Freiburg bei der deutschen Erstauffüh­ rung. Frage: Sie haben nach wie vor eine enge Verbindung zu den Donaueschinger Musik­ tagen? Stockhausen: Ja, von Herzen grüße ich alle, die mir in den vergangenen Jahren geholfen und sich für Stockhausen und sein Werk ein­ gesetzt haben. Dies ist an erster Stelle der Fürst, aber es sind auch eine ganze Reihe von Mitarbeitern bei der Stadt Donaueschingen. Arthur Lamka Aktivitäten und Verdiensten, sondern viel­ mehr die Würdigung eines Lebens für die Musik. Liesel Haager, geborene Hotz, wurde am 30.12.1907 im schwäbischen Fauststädtchen Knittlingen (in der Nähe des berühmten Klosters Maulbronn) geboren. Sie ent­ stammt einer sehr musikalischen Familie. Ein Vorfahre, der Dreher Friedrich Hotz, war im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts aus dem badischen Hotzenwald ins schwäbische Knittlingen gekommen und hatte dort 1828 die erste Harmonikafabrik gegründet. Die junge Liesel wuchs also in einer sehr musika­ lischen Umgebung auf, in der Familie wurde viel musiziert, vor allem viel gesungen. Das junge Mädchen betätigte sich schon sehr früh musikalisch in der Öffentlichkeit, indem sie bei Vereinsfesten in Singspielen mitwirkte. Für Liesel Hotz stand bald fest, daß die Musik ihre berufliche Laufbahn bestimmen würde. Noch heute bedauert es Liesel Haager, daß es ihr versagt geblieben ist, das Abitur zu machen. Doch den Eltern er­ schien der weite und beschwerliche Weg ins Bruchsal er Gymnasium für die Tochter nicht zumutbar. In den Jahren 1928 bis 1931

war jedoch, daß sie bald den Justizrat und Notar Walter Haager kennenlernte und die Ehe mit ihm einging. Die Heirat war ein bedeutsamer Einschnitt, denn sie bedeutete eine bewußte Entscheidung für Familie und Kinder und einen ebenso bewußten Verzicht auf eine solistische Karriere. Dafür setzt sich Liese! Haager in der Unterrichtstätigkeit einen neuen Schwerpunkt, obwohl sie ab 1935 nur noch die Erlaubnis erhält, drei bis vier Privatschüler zu unterrichten. Die Gesetze der braunen Machthaber wollen das so und erlauben keine Doppelverdiener. Dafür findet Liese! Haager in der Hausmusik, die gerade in einer Zeit, da die Musik auch in Donaueschingen unter dem Diktat der Nationalsozialisten steht, hoch im Kurs ist, höchste Befriedigung. Liese! Haager genießt ihr junges Eheglück und freut sich noch heute, daß sie es als junge Frau geschafft hat, ihren Mann der SA abspenstig gemacht zu haben. In der kritischen Rückschau bedauert sie es jedoch zutiefst, daß sie, die mit dem 3. Reich sicherlich nicht einverstanden war, und auch ihre Generation, sich in erster Linie ihrem privaten Lebensglück gewidmet zu haben und ansonsten zu passiv gewesen waren. 1945, kurz vor Ende des Krieges, trafLiesel Haager der Schicksalsschlag, ihr Mann wurde in Rußland vermißt; sie war plötzlich mit ihren zwei Kindern allein da, und die Sorge um die Ernährung und Erziehung ihrer Kin­ der lag nur noch auf ihren Schultern. Jetzt, 1945, wird wahr, was eigentlich Liese! Haa­ gers gesamtes Leben bestimmt: die Musik wird und ist ihr Lebenselexier. Sicherlich, zunächst dient die Unterrichtstätigkeit dem Broterwerb. Die Sorge um die Erziehung der zwei Kinder bestimmt ihr Leben und ihre Arbeit. Das Problem, mit dem Alleinsein fer­ tig zu werden, blieb.Und hier beweist sich im ursprünglichen und ganz existientiellen Sinn der Satz, den sie immer wieder zitiert: ,,Die Musik ist mein eigentliches Lebenselexier.“ Nach den dunklen Jahren der Knebelung der freien Kunst und des freien Geistes und damit auch der Musikausübung empfindet 231 besuchte sie die Musikhochschule in Stutt­ gart, und bereits 1932 kam die junge Klavier­ lehrerin nach ihrem Examen nach Donau­ eschingen, ohne daß sie ahnte, daß sie hier in der Stadt am Donauursprung auf der Baar für immer Fuß fassen würde. Zunächst sollte sie Unterricht an drei Tagen in der Woche geben. Daneben betrieb sie ein Weiter­ studium, außerdem war sie in Stuttgart kam­ mermusikalisch in einem Klaviertrio aktiv. Bedeutsam für ihr weiteres Wirken in Donaueschingen war, daß sie sehr schnell Kontakt mit der Familie Mall gefunden hatte. Der Architekt Georg Mall war der Vor­ sitzende der 1913 gegründeten Gesellschaft der Musikfreunde, und durch ihn wurde die junge Musikerin sofort in das musikalische Leben der Stadt integriert. Denn es war zu dieser Zeit noch die vornehmste Aufgabe der „Gesellschaft“, mit eigenen Kräften ein anspruchsvolles Konzertprogramm durch­ zuführen. So war es bereits 1934 sicherlich ein Höhepunkt für die Pianistin Liese! Hotz, Beethovens 5. Klavierkonzert Es-Dur spielen zu können. Wichtiger für den weiteren Lebensweg

sie, wie viele andere auch, den Hunger nach der Musik und nach der freien musikalischen Betätigung, die nicht danach fragen muß, was jeweils musikalisch opportun sei. So ist es auch für Liesel Haager selbstverständlich, daß sie Georg Mall bei der Wiedergründung der Gesellschaft der Musikfreunde tatkräftig unterstützt. Am 22. Mai 1946 kann die ,,Gesellschaft“ ,,auf demokratischem Boden“ (§ 1 der Gesellschaftssatzung) mit der Unter­ stützung der Stadt unter dem ersten Nach­ kriegsbürgermeister Leopold Meßmer ihre Arbeit nach zwölfjähriger Unterbrechung wieder aufnehmen. Liese! Haager geht es jedoch nicht um Ämter und Würden, sie fin­ det höchste Befriedigung darin, allseits bekannte Musikerinnen und Musiker bei sich zu Hause zu haben, wo diese sich am Flügel auf die Konzerte der „Gesellschaft“ vorbereiten. Gar oft kommt es zum gemein­ samen Spielen, zum regen Gedankenaus­ tausch über die Musik und das Musik.leben. Edith Picht-Axenfeld, Geza Anda, Christoph Eschenbach oder die Mitglieder des weltbe­ kannten Köckert-OEartetts, um nur ein paar Namen zu nennen, sind gern gesehene Gäste im Hause Haager. 1966 hat die Gesellschaft der Musikfreunde Liesel Haager in das Amt der Vizepräsidentin berufen, das sie bis zum 16. März 1989 mit viel Erfolg und großem Engagement ausübte. Es war weit mehr als eine bloße Selbstverständlichkeit, daß sie am Tag, als sie ihr Amt zurückgab und sie einem jüngeren Nachfolger Platz machte, zur Ehrenpräsidentin ernannt wurde. Am 18. Sep­ tember 1988, als die „Gesellschaft“ auf ein 75jähriges Bestehen zurückblicken konnte, nannte der Präsident der Gesellschaft der Musikfreunde Liesel Haager „die Gesell­ schaft in Person“. Tatsächlich hat sie mit allen Vorsitzenden und Präsidenten, von Georg Mall, Max Rieple über Ernst Her­ mann, Hans-Hermann Gehring zu Horst Fischer, ob mit oder ohne Amt, auf das wir­ kungsvollste zusammengearbeitet. Und der Verfasser dieses Beitrags schätzt sich glück­ lich, daß er während seiner ersten zweijähri­ gen Amtszeit Liese! Haager als Vizepräsiden- 232 tin an seiner Seite wußte, daß er dankbar für viele Anregungen und Ratschläge sein durfte. Ein nicht hoch genug zu bewertendes Ver­ dienst Liesel Haagers ist die Gründung der Jugendmusikschule, die in engster Zusam­ menarbeit mit dem damaligen evangelischen Kantor, Siegfried Neuber, im Jahre 1965 erfolgte. Ihre Grundidee war es, den Kindern eine recht frühzeitige Begegnung mit der Musik zu ermöglichen, ohne daß diese vor­ zeitig durch ermüdendes und anstrengendes Üben wieder abgeschreckt werden. Rhyth­ musgefühl und Gehörbildung sollten gezielt in der musikalischen Früherziehung mit den Orffschen Instrumenten gefördert werden. Die Jugendmusikschule nahm unter der T rä­ gerschaft der Gesellschaft der Musikfreunde ihre Tätigkeit in den Räumen des Gymna­ siums (der heutigen Realschule) auf, 1974 konnte sie ein eigenes Gebäude (Ecke Karl­ straße/Burgweg) beziehen. Die Jugendmu­ sikschule erweiterte sich immer mehr; und paradoxerweise war es der Erfolg, der es mit sich brachte, daß die Gesellschaft der Musik­ freunde die finanziellen und organisatori­ schen Belastungen nicht mehr tragen konnte und die Jugendmusikschule 1977 in städ­ tische Regie übergeben mußte, sehr zum Bedauern von Liesel Haager. Diese machte jedoch unverdrossen weiter, die musikalische Erziehung der Jugend blieb ihr eine Herzens­ angelegenheit, so daß sie erst am 27. Juni 1988 offiziell in der Jugendmusikschule ver­ abschiedet wurde. Aber auch das war für sie kein endgültiges Aufhören, immer wieder kann man sie erleben, wie sie junge Musike­ rinnen und Musiker am Flügel oder Cem­ balo beim Vorspiel begleitet. Liese! Haager ist wohl eine der wenigen Donaueschinger, wenn nicht die einzige, die die „Donaueschinger Musiktage“ nach dem Krieg vollständig miterlebt hat. Kaum ein Konzert hat sie ausgelassen, weder die der Versuche eines Neubeginns „Neue Musik“ 1946 und 194 7 unter der Leitung des schwäbi­ schen Komponisten Hugo Herrmann noch die Aufführungen der seit 19 50 unter der Lei­ tung des Südwestfunks stehenden „Donau-

eschinger Musiktage“. Sie möchte diese „Musiktage“, die zu einem Donaueschinger Markenzeichen geworden sind, nicht mis­ sen. Sie ist einfach neugierig, verfolgt mit gro­ ßem Interesse die Entwicklung einzelner Komponisten. Sie gesteht freimütig, daß sie von manchem zunächst entsetzt war, sie zeigt sich skeptisch angesichts des techni­ schen Aufwands, der bei manchen Komposi­ tionen unumgänglich zu sein scheint. Doch sie gibt auch zu, daß eine Gewöhnung an die neuen und ungewohnten Töne und Klänge möglich ist, daß sie inzwischen manches auch sehr gerne hört und sie wieder an­ spricht, ohne daß es Begeisterung in ihr aus­ lösen könnte. Das Bedürfnis, solche Musik selber zu spielen, hat sie indes nie empfun­ den. Dagegen sucht sie ganz bewußt den Kontakt zu den jungen Komponisten, wo sie glaubt, auch wieder eine Rückbesinnung auf ältere Formen und Strukturen feststellen zu können. Bei aller Aufgeschlossenheit modernsten Entwicklungen gegenüber hat sich Liesel Haager immer ihr Refugium in der vornehmlich romantischen Musik bewahrt, indem sie z. B. mit dem Stuttgarter Lehrer und Komponisten Eberhard Karkowski wäh­ rend der Musiktage bei sich zu Hause gemeinsam Schubert als Ausgleich zu den neuen Klängen spielte. Liesel Haager ist durch die Musik und mit der Musik jung geblieben. Die Gesellschaft der Musikfreunde, und mit ihr zahlreiche Schülerinnen und Schüler, schätzt sich glücklich, Liese! Haager mit ihrer Begeiste­ rung für die Musik und mit ihrer reichen Erfahrung unter sich zu wissen, und sie hofft, die guten Ratschläge noch lange in Anspruch nehmen zu dürfen. Horst Fischer Es ist schon lange her Da kam, so gegen Zehn, eine noch junge Zigeunerin mit mantischem Blick, den weiten Rock schleudernd in federndem Gang und las: ein ungestriemtes, pollengelbes Honigjahr aus deiner aufgetanen Hand. O Gleitflug schöner Worte, die man so gerne hört! Mysterium du, voll tiefer Weisheit und eine täuschende zugleich. Wie kontrastiert das Tiefschwarz deiner Haare diesem hohlen, formelhaften Nichts. Du weißt, die Münze, die du brauchst, springt dir so leichter zu. Herbert Kühn Im Goldreif deiner Fessel erstrahlst du dennoch sonnenhaft! O Mensch Sterberune und Kreuz tätowierte auf Seelenhäute die Nacht. Küsse inniger noch die sich verurnende Woge deines Geschicks. Hochgestielt aus Sternenfeldern blühen Zeit und Ewigkeit. Deine bizarren Verzweigungen im Licht überhören noch das zarte Ambiente deiner Entweltlichung. Herbert Kühn 233

Heimat, Volkstum, Brauchtum Baaremer Tracht heute Im Jahr 1926 schreibt Eduard Johne ll : „Heute beschränken sich die Trachtenträge­ rinnen darauf, die Haube und allenfalls noch die Schürze zu tragen“ (zu mehr oder weni­ ger modischem Kleid; Anm. d. Verf) und „Gewiß sind die Volkstrachten, ist der alte Hausrat des Landvolkes nicht dazu geschaf­ fen, als Schaustücke in Museen aufbewahrt zu werden, wohin sie jetzt schon zum größ- flüsse der bürgerlichen Mode, hat sich auch in unserem Jahrhundert fortgesetzt. Und so unterscheiden sich die heute getragenen Trachten – obwohl sie den alten nachgebil­ det werden – doch von denen, die etwa vor 100 Jahren getragen wurden. Die Baaremer Tracht gibt es also wieder­ dank der Initiative von Heimatfreunden, die sich schon vor Jahrzehnten, aber auch bis Altes, besonders reich besticktes Mieder aus Brigachtal ten Teil gewandert sind. Und doch müssen wir den Museen dankbar sein, die ihnen eine Heimstätte gewähren und so altes Volksgut vor spurlosem Untergange bewahren.“ Dankbar müssen wir Eduard )ohne, dem früheren Direktor der Fürstlich Fürsten bergi­ schen Hofbibliothek sein, der in der genann­ ten Arbeit eine umfassende Dokumentation der Entwicklung der Baartracht, zurückge­ hend bis ins 17. Jahrhundert, aufgezeigt hat. Die Veränderung und die Weiterentwick­ lung der Trachtenformen, bedingt durch die Anpassung an die Bedürfnisse der Men­ schen, die sie tragen, das Schönheitsempfin­ den, das zur Verfügung stehende Material, das Schmuckbedürfnis, die vielfältigen Ein- heute immer wieder zusammengefunden haben, um sie am Leben zu erhalten oder in ihrem Ort zu neuem Leben zu erwecken. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der katholischen Baartracht, wie sie im Bereich der früher fürstenbergischen und vorder­ österreichischen Gebiete zuhause ist und der evangelischen Baartracht, die die Bewohner der ehemals württembergischen Gebiete tra­ gen. Dies erklärt sich daraus, daß die Unterta­ nen jeweils die Konfession ihres Landesherrn anzunehmen hatten; und so sind heute noch die alten Herrschaftsgrenzen gleichzeitig Trachtengrenzen. Interessant ist dabei das DorfSunthausen: im 16.Jahrhundert in zwei Herrschaftsgebiete aufgeteilt, hat es heute 234

Schäppele aus Donaueschingen 235

Wer einmal bei einem der großen Trach­ tenfeste die verschiedenen Baaremer Trach­ tengruppen beobachtet, kann feststellen, daß es von Ort zu Ort geringfügige Unterschiede gibt, obwohl alle diese Trachten einen gemeinsamen Ursprung haben. Bei der Neuanfertigung von Trachten wurde und wird Wert darauf gelegt, eben nicht alle Baaremer zu „uniformieren“, sondern ört­ liche Überlieferungen zu erforschen und zu berücksichtigen, und so die früher schon vor­ handene Vielfalt zu bewahren. Dabei wird in den meisten Fällen der festtäglichen Form der Tracht der Vorzug gegeben. Frauen und Mädchen2l tragen die Baare­ mer Backenhaube {,,Bändelkapp“), wie der Name sagt, vorwiegend aus schwarzem Moi­ reeband mit Zacken gefertigt, festgehalten durch Bänder, die über die Backen gehen und unter dem Kinn zu einer Schleife gebun­ den werden. Zwei lange Bänder fallen von einer Nackenschleife über den Rücken bis Baaremer Männer-, Burschen- und Frauen- tracht aus Bräunlingen Hiifinger Trachtenpaar noch sowohl die evangelische als auch die katholische Baartracht. Die katholische Baartracht – so wie sie heute getragen wird – wollen wir uns nun näher ansehen. Natürlich kann sie nicht-wie in alter Zeit – das selbstverständlich und aus­ schließlich getragene Alltags- und Festtags­ gewand sein. Sie hat – wie Wissenschaftler dies ausdrücken – ,,einen Funktionswandel erfahren“. In zahlreichen Trachtenvereinen, in Landjugendgruppen, in Blaskapellen, aber auch von Einzelpersonen liebevoll gehegt und gepflegt, ist sie zur besonderen Kleidung für besondere Anlässe geworden. Sie ist in unserem heutigen technischen Zeitalter ein wichtiger Gegenpol, der Liebe und Verbun­ denheit zur Heimat ausdrückt, aber auch die Zusammengehörigkeit in der Gruppe bei gemeinsamen Tun, bei Musik. Lied und Tanz und bei der Pflege von alten Bräuchen und Überlieferungen kirchlicher und weltlicher Art. 236

Heimatzunft Hüfingen, Bändertanz zum Rocksaum. Schmuckstück der Haube ist der „Kappeblätz“ aus schwarzem oder far­ bigem Samt, mit Silber-, manchmal auch Goldfaden dreieckförmig in verschiedenen Muster bestickt. Dieser Kappenboden ist etwa rechteckig, mit Karton gesteift und gibt der Kappe Halt und Form. Der Boden der Trauerkappe ist schwarz, mit schwarzer Seide oder auch Perlchen bestickt. Reich bestickt ist auch das Mieder („Brust“) der Frauen- und Mädchentracht. Aus schwarzem, rotem, grünem, blauem oder violettem Samt gearbeitet zeigt es – ört­ lich verschieden – vielfältige kunstvolle Blu­ men-, Blatt- und Ährenmuster, vorwiegend mit Silber- aber auch vereinzelt mit Goldfa­ den in der sogenannten „Sprengtechnik“ bestickt. Bei dieser Technik wird das Muster aus Karton ausgestanzt, auf den Stoff gehef­ tet, der Metallfaden wird ü her das Kartonmu­ ster hin und her gelegt und mit normalem Nähfaden seitlich befestigt. Diese kunstvolle, langwierige Arbeit wurde früher nur von gelernten Trachtenstickerinnen ausgeführt. 237

Heute erlernen -unter Anleitung einer Stik­ kerin -in manchen Gruppen die Frauen und Mädchen diese Kunst und sticken ihre Mie­ der selbst. Vom alten Schnürmieder, das sich in sei­ ner Weite der Figur der Trägerin anpassen ließ (wegen der früher häufigen Schwanger­ schaften sehr sinnvoll!), ist, heute nur als Ver­ zierung, die kreuzweise Schnürung mit Sil­ ber-oder Goldkordel über 6-8 Haken übrig­ geblieben, die den samtenen, reich bestickten „Vorstecker“ hält. Hals und Schultern bedeckt ein Halsgoller, ebenfalls bestickt. Eine weiße Spitzenrüsche im Stehkrägele schmückt und schützt dieses. Schmale rote oder grüne Seidenbänder, die an den unteren Ecken des Gollers befestigt sind und unterm Armausschnitt durchlaufen, sollen das Gol­ ler festhalten. In manchen Orten finden sich einteilige Samtmieder, die in vielfältigen, überlieferten Mustern mit winzigen silbernen, aber auch farbigen Perlchen bestickt sind, eine hübsche Spielart der Baaremer Frauentracht. Heute -im Gegensatz zu früher -mei­ stens ans Mieder genäht, ist der weite, schwarze Rock (,,Hippe“) aus Wollstoff. Sein Saum ist oftmals mit anderem Material belegt, oder er hat einen roten Vorstoß oder Besenlitze. Er wird etwa zur Hälfte bedeckt von der Schürze {,,Fürtuch“), die oft aus changierender, sog. Schillerseide, aber auch mit kleinem Blumenmuster anzutreffen ist. Von der Bluse (,,Hemd“) sichtbar sind nur die weiten, weißen Ärmel, kunstvoll gefältelt, verziert und am spitzenbesetzten Bündchen mit Leinenbändern gebunden. Aus weißem Baumwollstoff ist auch der Unterrock, der zur Tracht gehört, und manchmal sieht man noch die weiten weißen „Pumphosen“ unserer Urgroßmütter, wenn beim Tanzen die Röcke fliegen. Fliegende Röcke sind auch der Grund, warum heute die meisten Trachtenmädchen lange weiße Strumpfhosen tragen anstelle der früher übli­ chen Strümpfe. Ein schwarzer, schlichter Halbschuh, manchmal mit Silberschnalle, vervollständigt die Tracht. 238 Zu dieser „Grundausrüstung“ finden wir­ örtlich verschieden -folgende interessante Teile: – Die „Handele“, eine Art langer Hand­ schuh ohne Finger, bis zum Ellbogen rei­ chend, aus weißer Wolle oder Baumwolle gehäkelt oder gestrickt, – die silberne Gürtelkette, aus mehreren Ketten zusammengefügt, die über der Schürze getragen wird, – den Samtgürtel mit Gold-, Silber-oder Perlenstickerei, – ein schwarzes Jäckle mit Schinkenärmeln für kühle Tage, – die handgeflochtene Strohtasche oder ein geflochtenes Körble, – das schönste, wertvollste Stück, nur noch selten zu sehen: Der Schapel oder das Schäppele, die Brautkrone, aus alter Zeit überliefert, aus unzähligen verschiedenen kleinen Glitzerdingen wie Perlen, Stein­ chen, Spiegele, Metallplättchen, Gold­ und Silberdraht kunstvoll geschaffen3>. Männer- und Burschentracht unter- scheiden sich auf der Baar-wie auch andern­ orts -in einigen Teilen wesentlich voneinan­ der. Beiden gemeinsam ist die schwarze Kniehose mit Schnalle oder Schnürung unterm Knie. Sie wird heute meist aus schwarzem Wollstoff, teilweise auch aus Leder oder Velveton geschneidert; dazu gehören weiße Strümpfe und schwarze Halbschuhe. Seltener ist die lange schwarze Hose zur Männertracht. Die rote Weste {,,Gillet“), meist einreihig, bei der Männertracht auch zweireihig, schmücken viele halbkugelige Metallknöpfe, die nur teilweise zugeknöpft werden, damit das meist blaue, große Halstuch sichtbar ist. Ein weißes Hemd, manchmal mit besonders gefälligen, weiten Ärmeln, wird darunter getragen. Die Burschentracht hat dazu den kurzen Schoben mit kleinem Stehkragen und Auf­ schlägen an den Vorderkanten, die durch große Metallknöpfe betont und geziert sind. Der Schoben ist meist aus grünem Wolltuch, kann aber auch dunkelblau oder schwarz

Silberdistel – die Blume des Altweibersommers sein, auch aus Samt. Teilweise sind aus benachbarten Gebieten auch andere Formen eingewandert. Dazu trägt der Bursch die Pelzkappe aus Iltis- oder Fuchspelz mit Samtboden, der kreuzweise mit Goldkordel verziert ist. Kennzeichen der festlichen Männertracht ist der lange Mantel (Kirchenrock) aus mittel­ bis dunkelblauem Wollstoff oder Wolltuch. Er wird nicht zugeknöpft, hat aber als Schmuck auf beiden Seiten eine Reihe Metallknöpfe. Dazu trägt der Mann einen breitrandigen, schwarzen Filzhut, der oben eingedellt ist. Dieser Hut ist leider auch teil­ weise in die Burschentracht eingewandert. Besonderer Schmuck für Männer und Bur­ schen: die Uhrkette auf dem Gillet. Zusammenfassend kann gesagt werden, Altweibersommer nennt man die Tage, an denen die glücksbringenden, in der Herbst­ luft fliegenden Fäden vom Ausklang des Jah­ res künden. Kleine Spinnen haben sie zwi­ schen Gräser und Zweige gezaubert -sil­ berne Flugfaden, die ihnen als Straßen bei der Nahrungs-und Beutesuche dienen. Und zur gleichen Jahreszeit, vom Oktober bis weit in den November hinein, schlägt die sonnenhungrige Silberdistel, die Blume des Altweibersommers, ihr großes, weißes Auge auf. Auf den Triften zwischen Weide und Wald entfaltet sie ihren silbernen Blüten­ korb. Sie liebt die trockenen Böden der Baar, und auch an den Kalkhängen der schwäbi­ schen Alb gehört sie zum charakteristischen Bild der herbstlichen Landschaft. Die Botaniker kennen die Silberdistel unter der Bezeichnung Carlina acaulis. Von Karl dem Großen soll sie den lateinischen Namen haben. Der Kaiser -so weiß die Legende -machte sich Sorgen um seine christlichen Krieger, die beim Ausbruch einer Pestilenz zu Tausenden von der Krank­ heit dahingerafft wurden. Da erschien ihm daß die Baaremer Tracht, so wie sie sich heute darstellt, bestimmt nicht so bald in Verges­ senheit geraten wird. Es gibt kaum eine Gemeinde -Dorf oder Stadt -, in der sie nicht begeisterte Anhänger, auch unter der Jugend, gefunden hat. Ursula Siebler-Ferry Anmerkungen: 1 > In .Die Volkstracht der Baar, Beiträge zu ihrer Geschichte“, veröffentlicht in den Schriften des Ver­ eins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, 16/ 1926. >> Im Gegensatz zu anderen Gegenden (z.B. Kinzigtal) wurde diese Haube auch früher schon von Kindern getragen. Dies belegen Bilder von Lucian Reich (.Hie­ ronymus“ 1852). a> Eine große Zahl von verschiedenen alten Schäppeln findet sich u.a. im Franziskaner-Museum in Villingen (leider ohne Herkunftsbezeichnung). des Nachts im Traum ein Engel und gab ihm den Rat, einen Pfeil in die Luft zu schießen. Das Kraut, auf welches das Geschoß fallen werde, könne ihm Hilfe bringen. Tags darauf, als er den Pfeil abgeschossen hatte, stak dieser in einer Silberdistel. Man gab den Kranken die Wurzel zu essen, und die Seuche soll als­ bald abgeklungen sein. Eine fromme Legende, wie inzwischen die Botaniker herausgefunden haben. Sie beleh­ ren uns, daß der Name „Carlina“ erstmals im Jahre 1509 in der Schrift eines oberitalieni­ schen Arztes zu finden ist. Nur wenige Jahre später war es dann ein Schüler des gelehrten Arztes aus Ferrara, der die Legende von Karl dem Großen und der Silberdistel in die Welt setzte. Was immer es nun mit der Herkunft des Namens „Carlina“ auf sich haben mag – bereits im Mittelalter zählt die Silberdistel, auch Eberwurz genannt, zu den Pflanzen, die gegen Pest und Seuche gut sein sollen. Aller­ dings meint der aus dem Vorarlberg stam­ mende Wanderarzt Paraselsus (1493-1541): „Der diser Wurz geniesen wil, der muß alein 239

Kreise schätzten in den Tagen des Konstan­ zer Konzils (1443-47) die Silberdistel als Gemüsepflanze. Und von Konrad Gesner, dem berühmten Züricher Naturforscher, der 1555 mit Freunden den Pilatus in den Unter­ waldener Alpen bestieg, wissen wir, daß er unterwegs mit Genuß die Blütenböden der Ebef‘:“_urz verzehrte. Er bedauerte lediglich, kein 01 bei sich zu haben. Das Salz, mit dem er seine Distelmahlzeit würzte, hatte er nicht vergessen. Freuen wir uns, daß man von diesen Tafel­ sitten der Humanisten im Zeitalter eines Luther und Zwingli wieder abgekommen ist. Und daß wir der Silberdistel, die unter Natur­ schutz steht, auch in der engeren Heimat immer wieder begegnen – sei es auf Spazier­ gängen am Sehellenberg, dem Hausberg von Donaueschingen, sei es bei Wanderungen am Wartenberg und an den Kalkhängen zwi­ schen Geisingen und dem Hegaublick, oder auf der Route rund um den Hohenkarpfen zwischen Seitingen und Hausen ob Verena, auf der dem Wanderer die Silberdistel an den Hängen zwischen dem Hesselbach und dem Zundelberg in einmalig schönen und beson­ ders großen Exemplaren begegnet. Nicht zu Unrecht hat sie beim einfachen Volk auch den Namen „Barometerblume“. Vor allem bei Sonnenschein und trockener Luft sind die Blütenköpfe der Silberdistel voll geöffnet. Bei trübem Wetter und bevor­ stehendem Regen aber rollt sie ihre Blüten­ blätter ein, weshalb sie in einigen Gegenden „Wetterrose“ heißt. Dr. Lorenz Honold L i t e r a t u r : Heinrich M a r z e l l , Die Eberwurz im Brauchtum und in der Volksmedizin, in Bayrisches Jahrbuch f. Volkskunde, Regensburg, Würzburg, Jg. 1964/65, S. 7-13. – L. H o n o l d , Silberdi­ steln am Sehellenberg, in Badische Zei­ tung (Donaueschingen), 3./4. November 1984. – M. und H.P. R i e d e r /Rudolf S u te r , Basilea botanica, Birkhäuser Ver­ lag Basel, 1979, S. 15, 74. – G. S c h m i d , Carlina und die Karlslegende, in Fs. für Norbert Holtzmann, Berlin 1933. mit grosser Arbeit hinder ir Kraft kamen, dan on große Mü tut sie nichts“. Und heute noch sprechen für das große Ansehen, das die Silberdistel in der Volksme­ dizin genießt, Volkssprüche wie: „Silberwur­ zel ist für alles gut“ und „Wann nichts mehr hilft, dann hilft die Silberdistel“ oder auch „Eßt Eberwurz und Bibernelle Und ihr sterbet nit so schnelle.“ Auch magische Kräfte schreibt der Volksglaube der Silberdistel zu. So soll der Träger einer Eberwurz die Fähigkeit haben, anderen Menschen in seiner Begleitung oder auch Pferden die Kräfte zu entziehen. Auf Reisen flochten abergläubische Leute ihren Pferden die Silberdistel ins Mundstück. Roßärzte gebrauchten die Eberwurz, um ein abgetriebenes oder bei Wettrennen überfor­ dertes Pferd mit wenigen Kosten wieder auf­ zufüttern. Und die Postmeister, so ist einem 1845 erschienenen Roßarztbuch zu entneh­ men, hielten sich gerne an den Spruch: ,,Wenn man einem Gaul alle 14 Tage Eber­ wurz unter das Futter gibt, dann kann er gut laufen“. Auch als Nahrung ist der Blütenboden der Silberdistel in vergangenen Jahrhunder­ ten nicht verschmäht worden. Selbst bessere 240

Stadtsanierung Das Bürger- und Kulturzentrum Donaueschingen Ihren Bekanntheitsgrad bezog die Stadt Donaueschingen noch Ende der siebziger Jahre neben ihren wirklichen Attraktionen auch aus ihrer mißlichen Rolle als landesweit berüchtigter Verkehrsknotenpunkt. Die ständigen Staus rund um die Stadt an der sogenannten „Donauquelle“ gingen immer wieder imageschädigend über die Verkehrs­ funk-Sender. Denn die drei Bundesstraßen 27, 31 und 33, die allesamt mitten durch die Innenstadt führten, versorgten Donaue­ schingen mit einer ständigen und sehr oft halt nicht mehr flüssig zu bewältigenden Blech-Zufuhr, die erst mit der Fertigstellung der Umgehungsstraße abebbte und die nun heute mit der innerstädtischen Verkehrsbe­ ruhigung weiter ausgedünnt werden soll, auch wenn die Kommunalpolitiker bislang noch nicht den Mut haben, die Karlstraße als Hauptgeschäftsstraße als Fußgängerzone auszuweisen. Immerhin: Seit der Durchgangsverkehr an Donaueschingen im Ried vorbeizieht und die Ausweisung einiger alter und der Bau neuer Straßen den ebenfalls innenstadtentla­ stenden „Ring“ schuf, da kann endlich auch Donaueschingen daran gehen, sogenannte „Urbanität“ zu schaffen: Wege und Plätze, in denen nicht das Auto, sondern der Mensch Vorfahrt hat. Die Stadträte folgen denn auch Das Bürger- und Kulturzentrum Donaueschingen mit der Städtischen Jugendmusikschule (links), der städtischen Tiefgarage, der Stadtbibliothek und darüber dem Max-Rieple-Platz (Mitte) und dem städti­ schen Verwaltungsgebäude (ganz rechts). Dahinter der „Schneider-Bau“ mit Geschäften und Dienstlei­ stungsunternehmen. 241

allesamt Bürgermeister Dr. Everkes Leitlinie, daß die autogerechte Stadt nicht länger kom­ munal politische Priorität genießen dürfe. Die Last des Straßenverkehrs war mit auch ein Grund, weshalb sich der Verkehrsknoten­ punkt Donaueschingen nach dem Zweiten Weltkrieg nie einen wirklichen städtischen Mittelpunkt hat schaffen können. Der „Platz am Hanselbrunnen“ entlang der Karlstraße diente, intensiv genützt, als Verkehrs-und als Parkfläche sowie als „ Wende-Hammer“ für suchende Autofahrer; der Festhallenplatz an der Brigach liegt nicht im Zentrum und war­ tet noch immer auf ein schlüssiges Nut­ zungskonzept, nachdem die vor einem Jahr­ zehnt hochfliegenden Pläne für ein „Holi­ day-Inn“-Hotel rasch Makulatur geworden waren. Und der Rathausplatz funktionierte vor seiner ersten Umgestaltung vor sechs Jah­ ren ohnehin nur als „Mini-Stachus“ mit der Verkehrslast von fünf hier aufeinandertref­ fenden wichtigen innerstädtischen Straßen. Wo also, so lautete zu Beginn der acht­ ziger Jahre die Preisfrage, läßt sich in Donaueschingen jene Urbanität schaffen, die die Menschen zusammenführt, wo sie ungestört von den Autofahrern einkaufen und miteinander kommunizieren können? Die Stadtsanierung, die zu konzipieren erst nach der Freigabe von Umgehung und Ring möglich und sinnvoll war, wies den Weg in den unteren Teil der Karlstraße. Denn dort lag hinter der einstigen Knabenschule ein Areal verwildert brach, das sich für ein neues Stück Donaueschingen geradezu anbot. Für einen neuen Platz und ein ganzes Ensemble an Einrichtungen, die benutzungsintensiv sind und die ein bislang völlig vernachlässig­ tes Q!iartier nun erheblich aufwerten. Daß sich die 18.000-Einwohner-Stadt diese Investition hat leisten können, ver­ dankt sie auch den nachhaltigen Zuwendun­ gen aus dem Sanierungsprogramm des Lan­ des. Mit ihnen entstand ein völlig neues „Bürger-und Kulturzentrum“ im Geviert von Karlstraße/Burgweg/ An der Stadtkirche im Verlauf nur weniger Jahre. Aus dem mit Abstand ältesten Gebäude am Platz, dem., 242 mehr als 400 Jahre alten, staffelgiebelgekrön­ ten „Schell’schen Haus“, das 1778 das erste Donaueschinger Gymnasium aufgenom­ men hatte, haben die Stadträte die Städtische Jugendmusikschule werden lassen. Rund 1,6 MilJionen Mark waren erforderlich, um im meterdicken Bruchsteinmauerwerk, bei des­ sen Sanierung auch Zeugnisse der Bau-und der Kunstgeschichte gefunden wurden, die Räume zu schaffen, in denen heute mehr als 400 Eleven unterrichtet werden und in deren Kellergewölbe eine Bühne für Kleinkunst entstand. Diagonal über den neuen Platz an der Ecke Karlstraße/Burgweg -dort also, wo zuvor das 1984 abgebrochene frühere Domi­ zil der Städtischen Jugendmusikschule gestanden hatte -wuchs mit dem „Schnei­ der-Bau“ eines der städtebaulich gelungen­ sten Vorhaben eines erneuerten Donaue­ schingen in die Höhe. Der Immobilien­ makler und Bauunternehmer Rolf Schneider rechtfertigte das Vertrauen der Stadtväter, entlang des Burgweges eine ganze Zeile neuer Geschäfte, Dienstleistungsunternehmen und Wohnungen zu bauen. Bei der Einwei­ hung im Spätjahr 1985 fand die Anlage allent­ halben Lob, zumal ihre Architektur in attrak­ tivem Weiß und Grün zwar heftig mit dem Bau-Altbestand in der Nachbarschaft kon­ trastiert, aber keineswegs als mit diesem unvereinbar empfunden wird. Neben diesem „Schneider-Bau“ findet sich ein bemerkenswert gut gelungenes Sanierungs-Beispiel: Die rund 160 Jahre alte einstige „Knabenschule“, die, als Schule schon 1910 nicht mehr gebraucht, seit dem Zweiten Weltkrieg zunehmend zerfaUen war und zuletzt nur noch als Obdachlosen-Asyl gedient hatte. Bau-Profis und auch den Laien im Gemeinderat erschien allein der Abriß als geeignete Möglichkeit, hier ein neues Stück Stadt entstehen zu lassen, doch das Landes­ denkmalamt sagte definitiv Nein zur gewünschten „Flächensanierung“ und legte sich sogar gegen einen Neubau quer, der dem abgebrochenen Vorbild genau geglichen hätte.

So blieb die teure Sanierung von den Fun­ damenten her, die freilich noch einmal kurz in Frage stand, als beim Aushöhlen des Alt­ baues ein Teil der südlichen Außenmauer einstürzte und auch unter den maßgeblichen Donaueschingern der eine oder andere seine Hoffnung nicht verbergen mochte, weitere Einstürze könnten doch noch zu dem von den unerbittlichen Denkmalschützern ver­ hinderten Ziel führen .. . Dann jedoch entstand in zweijähriger Arbeit mit Millionenaufwand ein städtisches Verwaltungsgebäude, das zur modernen Kommunikationsstätte wurde und heute eine Art von „Neben-Rathaus“ darstellt. Denn es beherbergt so wichtige und öffent­ lichkeitsrelevante Behörden wie das städ­ tische Verkehrsamt, das auch das berühmte Donaueschinger Reitturnier und die nicht minder berühmten Donaueschinger Musik­ tage mitorganisiert, die Stadtkämmerei samt der Stadtkasse, das Amt für öffentliche Ord­ nung und das Sozialamt, das Anlaufstation ist für viele, die Hilfe suchen – nicht zuletzt für die Asylbewerber. Einer der publikumsintensivsten Nutzer des „städtischen Verwaltungsgebäudes Karl­ straße 58″ ist schließlich die Volkshoch­ schule Baar, die als gemeinsame Einrichtung der Städte Donaueschingen, Hüfingen, Bräunlingen und Blumberg hier ihre Verwal­ tungszentrale hat und im Dachgeschoß einen Teil ihrer Kurse gibt. Mittel- und urbanes Kernstück aller beschriebenen Einrichtungen ist jedoch der Max-Rieple-Platz – jenes Areal also, das noch vor einem Jahrzehnt der ungepflegte Schandfleck ausgerechnet gegenüber dem ,, Wahrzeichen der Baar“, der doppeltürmi­ gen Stadtkirche St. Johann, gewesen war; der Platz entstand, als die Planer des mit 50.000 Mark dotierten Architektenwettbewerbes von 1981 erkannten, was sich auf diesem Hang­ grundstück alles würde unterbringen lassen. So die 1987 freigegebene erste Donaueschin­ ger Tiefgarage mit rund 50 Stellplätzen, die auch als Zivilschutzraum eingerichtet wor­ den ist. Über ihr liegt die neue Donaueschinger Stadtbibliothek, die dieser „Almanach“ in einem eigenen Beitrag vorstellt, und über ihr in ihrem schrägverglasten Zwischengeschoß liegt die Freifläche des Max-Rieple-Platzes, den so zu benennen der Gemeinderat 1982 anläßlich des 80. Geburtstages des ein Jahr zuvor verstorbenen Donaueschinger Dich­ ters und erfolgreichen Reiseschriftstellers Max Rieple beschlossen hatte. Eine überzeu­ gende Idee, diesen Meister des Wortes und Mann der Bücher ausgerechnet hier zu Ehren kommen zu lassen, wo sich nun das Mekka der Donaueschinger Bücherfreunde befindet! Daß die Stadträte darauf verzichtet haben, mitten auf diesen Platz die vom Architektenwettbewerb vorgesehene Kon­ struktion eines Sitzungssaales zu errichten, muß ebenfalls als richtige Entscheidung gel­ ten – ansonsten wäre von Platz wenig und von Platz-Wirkung gar nichts übriggeblie­ ben. Zusammen mit der zum 1989 fälligen Stadtjubiläum verkehrsberuhigten Karl­ straße präsentiert sich Donaueschingen an diesem Bürger- und Kulturzentrum rund um den Max-Rieple-Platz unweit auch von Stadtkirche St. Johann, ,,Donauquelle“ und dem Schloß der Fürstenberger also als eine Stadt, die sichtbar Wert legt auf die Möglich­ keit zur Begegnung der Einheimischen unter­ einander und mit ihren auswärtigen Gästen, auf Musik-Förderung und Buch-Kultur, auf die bürgerfreundlich konzentrierte Anord­ nung publikumsintensiver Behörden und auf die Möglichkeit, einkaufen zu können, ohne von Autofahrern auf der nun verengten und auf „ Tempo 30″ reduzierten Karlstraße gehetzt zu werden. Ein Stück Lebensqualität mehr also, das da mit hohem Aufwand in jah­ relanger Arbeit geschaffen und im Juni 1988 mit berechtigtem Stolz und Freude von den Kommunalpolitikern und ihren Bürgern eingeweiht worden ist. Gerhard Kiefer 243

Gesundheit, Soziales Das Christoph-Blumhardt-Haus in Königsfeld Am 8. November 1987 konnte in Königs­ feld nach reichlich einjähriger Bauzeit der Erweiterungsbau des Alten- und Pflegehei­ mes „Christoph-Blumhardt-Haus“ einge­ weiht werden. Das Haus, das in der Träger­ schaft der Evangelischen Brüdergemeinde Königsfeld steht, verfugt nun nach einer Investition von fast 2,5 Millionen DM über 96 Plätze, davon 22 Pflegeheimplätze. Es wurden 18 neue Plätze geschaffen; vor allem aber erhielt das Haus nun endlich eine quali­ fizierte Pflegeabteilung, nachdem die bisher vorhandenen 5 Pflegeplätze schon seit Jah­ ren als unzureichend empfunden worden waren. Ist ein Altenheim mit fast 100 Plätzen an einem Ort von 2 000 Einwohnern nicht am Bedarf vorbeigeplant? Das war auch die Frage, mit der sich der Kultur- und Sozialaus­ schuß des Schwarzwald-Baar-Kreises aus­ einandersetzen mußte, als er über den Zuschußantrag des Heimträgers zu diesem Erweiterungsprojekt zu entscheiden hatte. Der Ausschuß kam nach einer Besichtigung des Heimes zu dem einstimmigen Ergebnis, daß unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse, die in Königsfeld vorliegen, eine entsprechende Bettenzahl vertretbar und auch förderungswürdig sei. Besonders sind die Verhältnisse in Königsfeld insofern, als der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung weit über dem Durch­ schnitt anderer Gemeinden liegt. Daher wird Königsfeld auch gelegentlich in der Nach­ barschaft mit freundlichem Spott „ Omahau­ sen“ genannt. Außergewöhnlich ist aber auch, daß das Einzugsgebiet dieses Altenhei­ mes weit über den Bereich des Ortes und der näheren Umgebung hinausgeht. So sind es einerseits Mitglieder der Brüdergemeinde aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch langjährige Kurgäste und Freunde Königs- 244 felds, die sich oft Jahre im voraus für einen Platz im „Christoph-Blumhardt-Haus“ vor­ merken lassen. 1957 im Jahre Gegründet wurde das „Christoph-Blum­ hardt-Haus“ in einem Gebäude, das in den vorangehenden neun Jahren eine Wäschefabrik beherbergt hatte. Zuvor hatte das Haus, dessen Grundstein 1868 gelegt worden war, in einer wechselvol­ len Geschichte als Brauerei, Erholungsheim, Schulsanatorium, Lazarett und für kurze Zeit als Kaserne für marokkanische Besatzungs­ truppen gedient. Natürlich wäre es leichter gewesen, durch einen Neubau den Anforde­ rungen gerecht zu werden, die an ein Alten­ heim gestellt werden. Da hierzu jedoch die Mittel nicht zur Verfügung standen, war man in Königsfeld froh darüber, dieses Haus durch einen entsprechenden Umbau in ein Altenheim mit zunächst 50 Plätzen verwan­ deln zu können. Die Anfange waren allerdings, gemessen an heutigen Vorstellungen, bescheiden. Das Haus verfügte weder über einen Personen­ aufzug, noch über einen gemeinsamen Spei­ sesaal oder gar über eine Pflegeabteilung. In allen Zimmern gab es zwar fließend Was­ ser, aber weder Einzeltoiletten noch Einzel­ duschen. Da das Haus im Laufe seiner Geschichte mehrere Um- und Erweiterungs­ bauten erlebt hatte, liegt ein weiterer Nach­ teil darin, daß die meisten Flure nicht stufen­ los sind. Trotzdem entsprach das Angebot dem damaligen Bedarf und wurde deshalb dankbar angenommen. Steigende Ansprüche führten dazu, daß bereits 1967 /68 durch einen viergeschossigen Anbau verschiedene dringende Erforder­ nisse nachträglich verwirklicht wurden. Neben 23 weiteren Heimplätzen entstand ein kleiner Pflegebereich mit 5 Betten; außer­ dem erhielt das Haus einen Speisesaal und

einen Fahrstuhl. Als in der 2. Hälfte der 70er Jahre, gemäß der allgemeinen Entwicklung, auch in Königsfeld, der Bedarf an Pflegeplät­ zen immer mehr zunahm, mußte erneut überlegt werden, wie hier Abhilfe geschaffen werden könne. Eine Umwandlung von Altenheimplätzen im Altbau war aus bauli­ chen Gründen nicht zu verwirklichen. So entschloß man sich, das Problem durch eine Erweiterung und Aufstockung des 1967/68 geschaffenen Anbaus zu lösen. Nach vielen Planungen und Beratungen konnte einer vom Architekten vorgeschlagenen Lösung zugestimmt werden, die in den Jahren 1986/ 87 schließlich realisiert wurde. Besonderer Wert wurde bei der jetzigen Bauphase darauf gelegt, flexibel zu planen. Die bisherige Erfahrung hatte schließlich gelehrt, daß sich Ansprüche und Anforde­ rungen an ein solches Haus im Laufe der Zeit ändern können. So ist z. B. darauf geachtet worden, daß bei späterem Bedarf 11 weitere Heimplätze in Pflegeplätze umgewandelt werden können, ohne daß größere Baumaß­ nahmen nötig werden. Auch wurde berück- sichtigt, daß zu einem späteren Zeitpunkt die Ausrüstung weiterer Zimmer mit Naßzellen ermöglicht wird. Eine wichtige Zielvorgabe blieb jedoch, die Investitionen in den Gren­ zen zu halten, die weiterhin einen vertretba­ ren Heimkostensatz sichern. Mit Recht war man im „Christoph-Blumhardt-Haus“ bis­ her stolz darauf, daß fast 80 % der Heimbe­ wohner für ihre Kosten selbst aufkommen konnten und keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen mußten. So ist das Haus, auch in sei­ nem jetzigen Zustand, sicher noch als unvoll­ kommen zu bezeichnen. Möglicherweise müssen in einigen Jahren bereits wieder schrittweise bauliche Änderungen vollzogen werden, um zeitgemäß zu bleiben. Diese sind jedoch an den dann bestehenden Anforde­ rungen zu messen und brauchen nicht schon jetzt vorweggenommen zu werden. Wenn ein Altenheim, das wie geschildert infolge baulicher Einschränkungen man­ cherlei Unvollkommenheiten aufweist, trotzdem gezwungen ist, eine lange Warte­ liste für Bewerber und Interessenten zu füh­ ren, so muß es dafür besondere Gründe 245

geben. Offensichtlich ist der Ort Königsfeld als solcher in besonderer Weise dafür geeig­ net, daß sich hier ältere Menschen wohlfüh­ len. Besonders wichtig scheint jedoch zu sein, daß ein solches Haus eine anziehende Atmosphäre ausstrahlt. Das aber setzt vor­ aus, daß Heimleitung und alle übrigen Mit­ arbeiter sich nach bestem Vermögen in die Situation und die Bedürfnisse älterer Men­ schen einfühlen. Auch wenn eine so große Heimgemeinschaft zwangsläufig erfordert, daß manches geregelt und schematisiert wird, so gibt es doch auch viele Bereiche, in denen man persönliche Freiräume und indi­ viduelle Atmosphäre schaffen kann. -Als ein Heim, das in kirchlicher Trägerschaft steht, bemüht sich das „Christoph-Blumhardt­ Haus“ schon immer darum, hier besondere Akzente zu setzen. Ohne Zwang und als freies Angebot werden im Hause auch man­ cherlei Veranstaltungen angeboten, die in guter Mischung geistliche und ganz welt­ liche Inhalte haben: Tägliche Hausandach­ ten, Gesprächsrunden, Seniorengymnastik, Bibelgespräche, Sprachkurse und Vorlese­ runden sind hier vor allem neben dem gemeinsamen Feiern von Festen zu nennen. Vielleicht wird gerade in dieser offenen und weltzugewandten Vielfalt etwas davon Langjähriger Leiter des Heimes Mariahof in Hüfingen Hüfingens Ehrenbürger, Monsignore Geistlicher Rat Hermann JosefKast, wäre am 1.September 1988 hundert Jahre alt gewor­ den. Er starb am 21. Juni 1967 und liegt auf dem Hüfinger Friedhof begraben. Hermann Kast war 42 Jahre lang Leiter des Heimes Mariahof. Er galt als Pädagoge, des­ sen Ausstrahlung ihm Respekt und Anerken­ nung, aber auch Zuneigung brachte. Sein Wirken in der Erziehung elternloser Kinder oder solcher, die aus irgendeinem Grunde nicht in der eigenen Familie leben konnten, setzte Maßstäbe. 246 Professor Hermann Kast lebendig, was dem Namensgeber des Hauses, dem bekannten schwäbischen Pfarrer Chri­ stoph Blumhardt, besonders wichtig war: Das Warten auf das Reich Gottes soll Chri­ sten nicht in eine beschauliche Zurückgezo­ genheit führen, vielmehr sollen sie die Augen und Ohren offen halten für die Wirklichkeit, die sie umgibt. So sieht das „Christoph-Blumhardt­ Haus“ auch weiterhin seine Aufgabe darin, alten Menschen auf der letzten Strecke ihres Weges Hilfestellung und Anregung zu einem erfüllten Leben zu geben. Nicht die tech­ nische Perfektion der Einrichtung des Hei­ mes ist dabei entscheidend -so dankbar man auch für manche Erleichterungen ist, die der Erweiterungsbau in dieser Hinsicht gebracht hat. Wichtiger noch ist, daß hier Menschen erfahren können, daß ihnen in einer geborge­ nen Umgebung die Hilfen angeboten wer­ den, die sie bei abnehmenden Kräften nötig haben. Daß dabei die Türen des Hauses weit geöffnet stehen und auch das kulturelle und kirchliche Angebot des Ortes von vielen Heimbewohnern noch intensiv miterlebt werden kann, ist in Königsfeld eine beson­ ders günstige Voraussetzung. Klaus Sonnenburg Er stammte aus Ebersweier bei Offenburg. Nach einem in Freiburg absolvierten Theo­ logiestudium wurde er 1912 zum Priester geweiht. Nach kurzem seelsorglichen Wir­ ken erkrankte Hermann Kast, und als Rekon­ valeszent wurde ihm die Seelsorge des Hau­ ses Bodman im Schloß Möggingen übertra­ gen, ehe er 1920 als Leiter an das Hüfinger Heim Mariahof berufen wurde, das in der Trägerschaft des Caritaverbandes Freiburg stand. Schon bald zeigte sich, daß Hermann Kast ein pädagogisches Naturtalent war, das sich

Die Sorge um „seine“ Buben prägte Her­ mann Kasts ganzes Leben. Ihm zur Hand waren qualifizierte Ordensfrauen, die Kasts Ideen umsetzten und heimat- und elternlo­ sen Kindern Geborgenheit und Heimat boten. In den Kriegsjahren war das alte Kna­ benheim in der Hüfinger Hinterstadt, das 1972 abgebrochen wurde, oft bis unter das Dach belegt. Hermann Kast wies niemanden ab, der bei ihm Zuflucht suchte. Persönliche Publicity war ihm uner­ wünscht, sie entsprach nicht seinem beschei­ denen Wesen. Doch seine Verdienste blieben nicht unbeachtet: 1952 verlieh ihm die badische Landesregierung den Titel „Profes­ sor“. Es folgte 1958 die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse durch Bundespräsident Theodor Heuß. Der Papst ernannte ihn 1959 zum Monsignore, und die Stadt Hüfingen kürte ihn 1960 zu ihrem Ehrenbürger. Aus Anlaß seines 100. Geburtstages benannte die Stadt Hüfingen einen Weg nach Hermann Kast. Dieser führt am Müh}ebach entlang, und ältere Hüfinger werden sich daran erinnern, daß Hermann Kast diesen Weg mit seinen Buben unzählige Male gegangen ist. an den Vorbildern Pestalozzi und insbeson­ dere an Don Bosco orientierte. Mit Ordens­ frauen, die er aus dem Franziskanerinnen­ kloster Erlenbad verpflichtete, machte er als einer der ersten in Süddeutschland den Ver­ such, aus „Anstalten“ ein Heim zu machen. Er führte das Familiengruppenprinzip ein, das sich bewährte und heute noch praktiziert wird. So gesehen war Hermann Kast ein Pio­ nier der Heimerziehung, dessen Ideen heute noch modern sind. Hermann Kast hat „seinen“ Buben, immerhin waren es 20 Jahrgänge, buchstäb­ lich sein Leben geopfert. Er war „Patriarch“ im guten Sinne, eine ausgeprägte Persönlich­ keit und Vaterfigur, streng, aber gerecht, einer der „Stillen im Lande“, doch dessen ungeach­ tert mit einem Charisma begnadet, das den Jugendlichen, die ihm anvertraut waren, für ihr späteres Leben unvergeßlich blieb. Er pflegte den Kontakt mit „Ehemaligen“, begleitete sie, so weit dies möglich war, auch in den Beruf und das folgende Familienleben hinein. Am 20. Oktober 1988 gedachten das Heim Mariahof wie auch die Stadt Hüfingen Hermann Kasts mit einer festlichen Ver­ anstaltung in der Festhalle. Vor einer Vielzahl von Gästen, ehemaligen „Mitstreitern“, Ver­ tretern von Behörden, Politik und Geistlich­ keit, von Stadtverwaltung und Gemeinderat, breiteten mehrere Festredner das Lebens­ werk Hermann Kasts aus, der eine ganze Ära von Mariahof geprägt hatte, dem es aber nicht mehr vergönnt war, in den neuen Gebäudekomplex am Weiherweg einzuzie­ hen. Professor Dr. Franz Enz, der ihn als Lei­ ter von Mariahof ablöste, wie auch der jetzige Heimleiter Paul Zunftmeister schilderten ihre Zeit mit Hermann Kast, desgleichen auch Julius Linnenschmidt, welcher früher die Heimschule leitete. Er kommentierte eine historische Diaserie über das Heim, und Professor Ferdinand Graf, dessen Vater lang­ jähriger Lehrer in Mariahof gewesen war, 247

schilderte das Leben im Heim und auch Pro­ fessor Kast, dem er bis zuletzt freundschaft­ lich verbunden war. Kast und Mariahof-das seien fast identische Begriffe gewesen, so Ferdinand Graf Caritasdirektor Heinz Axtmann wies auf die Strahlkraft der Lebensarbeit von Her­ mann Kast hin. Dieser sei für den Caritasver- band ein „Glücksfall“ gewesen, eine kernige Persönlichkeit von hohem Ansehen. Auch heute noch, mehr als 20 Jahre nach seinem Tode, sind Hermann Kasts Ver­ dienste in Mariahof wie auch in der Stadt Hüfingen unvergessen. Käthe Fritschi Das Hotel „Schwarzwald Trefr‘ in Königsfeld Zentrum für Naturheilverfahren 248

Im Almanach 88, Seite 186-189, wurde das am 20.12.1987 eröffnete Hotel „Schwarzwald Treff‘ schwerpunktmäßig unter Gesichtspunkten der Denkmalpflege vorgestellt, da es sich um ein kunsthistorisch wertvolles Gebäude-Ensemble aus der ]ugendstilzeit handelt. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Hotel als Gesundheitszentrum. Bei der Planung der Anlage wurde neben dem kombinierten Angebot für den anspruchsvollen Ferien- und Tagungsgast insbesondere auch an Einrichtungen für Kurgäste gedacht. Dabei war es naheliegend, in einem Kurort wie Königsfeld, in dem sich die Ärzte seit mehr als hundert Jahren in­ tensiv mit der Heilkraft des Klimas befassen, vor allem solche Therapien anzuwenden, die auf Naturheilverfahren beruhen. Vor diesem Hintergrund ist es wohl als ein besonderer Glücksfall anzusehen, daß es dem Initiator der Hotelanlage gelang, Deutschlands bekanntesten Heilpraktiker, Dr. Manfred Köhnlechner, für die Einrich­ tung eines Gesundheitszentrums zu gewin­ nen. Köhnlechner, der wohl wie kaum ein anderer den Menschen als Einheit von Kör­ per und Seele sieht, betreibt bereits mehrere solcher Zentren. Schwerpunkte der Behand­ lung sind Herz- und Kreislaufkrankheiten, Krebsnachsorge, Rheuma, Depressionen, Schlafangst und Durchblutungsstörungen. Bei den Köhnlechner-Therapien spielt nicht nur die Naturheilkunde mit dem von Sebastian Kneipp formulierten Zusammen­ hang von Wasser- und Bewegungstherapie, gesunder Ernährung, Pflanzenheilkraft und seelischem Ausgleich eine große Rolle, son­ dern auch das Heilfasten und eigens von ihm entwickelte Diäten und Regenerationskuren. Neben den natürlichen Heilverfahren werden vom Leiter des Köhnlechner-Zen­ trums, einem ausgebildeten Arzt, auch klas­ sische Methoden der Schulmedizin ange­ wandt. Unterstützt werden diese Maßnahmen zu mehr Gesundheit durch die außerordentlich günstige Kombination bioklimatischer Schon- und Reizfaktoren Königsfelds. Die sauerstoffreiche Luft wirkt heilend auf die Atmungsorgane, regt die Blutbildung an und erhöht den Blutfarbstoff, kräftigt Herzmus­ kel, Kreislauf und Nerven. Das Hotel ist – exklusiv für den südwest­ deutschen Raum – Lizenznehmer der „Kleh­ ramed-Kur“. Es handelt sich hier um eine Weiterentwicklung der Frischzellentherapie auf natürlicher, rein biologischer Basis. Die Frischzellenbehandlung dient vor allem der Eindämmung von Alters- und Ver­ schleißerscheinungen. Sie beruht auf der Erfahrung, daß geschädigte oder verbrauchte Zellen durch Frischzellen ungeborener bzw. ganz junger Tiere angeregt und regeneriert werden können. Fortsetzung Seite 251 249 Bringt man die Prinzipien der Frischzel­ lentherapie auf eine vereinfachte Formel, so kann man sagen: „Gleiches heilt Gleiches.“ Das besagt, daß z.B. Leberzellen vom Tier die Leber des Menschen kräftigen und daß Herzzellen das Herz stärken. Die Frischzellenbehandlungsmethode ist nicht neu; sie wurde bereits vor 50 Jahren angewandt. Die bisherigen Therapieformen beinhalten allerdings erhebliche gesundheit­ liche Risiken, weil neben den positiv wirksa­ men Substanzen auch alle negativ wirkenden Ballast- und Schadstoffe mit eingespritzt werden müssen.

In Erinnerung an den Besuch von Herrn Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 6. Oktober 1988 auf der Katharinenhöhe Bild oben: Bundespräsident Richard von Weizsäcker zusammen mit dem Leiter der Katharinenhöhe Roland Wehrle (links) und Landrat Dr. Rainer Gutknecht (hinten mitte) 250

Der Begründer der modernen Zellthera­ pie ist Professor Dr. med. N. W. K.lehr. Das Ergebnis seiner vor kurzem abgeschlossenen, langjährigen, medizinisch-wissenschaftli­ chen Forschungsarbeiten hat eine sensatio­ nelle Wende auf dem Gebiet der Frischzel­ lentherapie eingeleitet. Durch ein neues und einzigartiges Verfahren werden alle bekann­ ten Risiken und Gefahren der bisherigen Therapieformen im Reagenzglas gebannt. Die Schadstoffe, die mit den Frischzellen zwangsläufig verbunden sind, werden außer­ halb des Körpers abgesondert und können daher nicht mehr in den Organismus gelan­ gen. Die K.lehramed-Kur liegt ausschließlich in den Händen des medizinischen Wissen­ schaftlers und den hierzu speziell ausgebilde­ ten Ärzten. Sie gewährleisten durch Bedie­ nung modernster Analysegeräte bei allen labortechnischen Untersuchungen exakte und gesicherte Ergebnisse. Durch eine Frischzellenbehandlung errei­ chen die Kurgäste in den meisten Fällen eine allgemeine Revitalisierung des gesamten Organismus. Revitalisierung bedeutet Ver- besserung der Vitalität, Steigerung der Akti­ vität, Stabilisierung psychischen Gesche­ hens, Zunahme der allgemeinen Wider­ standskraft und Abwehrleistung. Wir leben in einer hektischen Zeit, in der Leistungszwang und Streß uns das Letzte abverlangen. Das biologische Altern beginnt – wie wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben – bereits ab dem 30. Lebens­ jahr. Für jeden, der mithalten will und muß, z. B. im Beruf, bieten die im Hotel „Schwarz­ wald Treff“ angewandten Therapieverfahren den Weg für den erwünschten Heil- und Regenerationsvorgang. Das Haus ist als Gesundheitszentrum für alle Bedürfnisse des Gastes konzipiert. Dazu gehören eine modern ausgestattete Therapie­ station, eine Kneipp-Anlage, Massageabtei­ lung, Hallenbad, Dampfbad, Sauna sowie eine Diätküche. Der Gast erlebt ein moder­ nes Hotel mit stilvollem und behaglichem Ambiente und vor allem – mit erholungs­ und heilfördernder Atmosphäre. Helmut W. Falk Der Kneipp-Verein der Baar e. V. Modeme Gesundheitserziehung und Gesundheitsbildung sind wieder gefragt Wenn man die Menschen fragt, was sie sich selbst am meisten erhoffen, dann steht auf der Wunschliste des Lebens die Gesund­ heit an erster Stelle. Ohne Gesundheit sind alle Güter, die man auf dieser Welt erwerben kann, von geringer Bedeutung. Viele Men­ schen wären bereit, auf Reichtum oder Wis­ sen zu verzichten, wären sie nur gesund. Doch hindert diese hohe Einschätzung der Gesundheit die Menschen nicht, in sträfli­ cher Weise mit ihr umzugehen. Viele Erkran­ kungen, vor allem die sog. Zivilisationskrank­ heiten, werden durch eigenes gesundheit­ liches Fehlverhalten herbeigeführt. Der Pfarrer Sebastian Kneipp aus Bad Wörishofen hat das Verdienst, schon vor 100 Jahren auf die Bedeutung der aktiven Gesundheitspflege hingewiesen zu haben. Als Seelsorger und Naturheilmediziner hat Sebastian Kneipp schon damals die Pro­ bleme der körperlichen und seelischen Gesundheit erkannt. Die Aktualität dieser Erkenntnisse zeigt sich in der Fortsetzung der Lehre Kneipps in der heutigen Psychoso­ matik. Sebastian Kneipp ist und bleibt das große Vorbild für Gesundheitserzieher und alle Menschen, die Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit erkennen, und vor allem für die Jugend, die heute mehr denn je seinen Ratschlägen vom einfachen und natürlichen Leben nacheifern will. Die Kneippbewegung ist eine wichtige und aktive Bürgerinitiative für Gesundheits­ bildung. Viele anerkennen Sebastian Kneipp 251

als den größten und erfolgreichsten Gesund­ heitslehrer der neueren Medizingeschichte. Verblüffende Feststellungen ergeben sich beim Nachspüren in seinen Büchern „Meine Wasserkur“ und „So sollt Ihr leben“, die heute millionenfach in der ganzen Welt ver­ breitet sind. Frühzeitig hat Sebastian Kneipp die Gefahren gesundheitlichen Fehlverhal­ tens erkannt und danach treffsicher seine Ratschläge erteilt. Die Kneippbewegung will im Sinne ihres Gründers die Menschen auf aktive Gesund­ heitsbildung und Gesundheitsvorsorge ansprechen und motivieren. Die Sebastian­ Kneipp-Akademie in Bad Wörishofen, Kneipp-Schulen, Kneipp-Institute für Gesundheitsbildung, Kneippkurorte und Kneippsanatorien und vor allem die vielen Kneipp-Vereine im In-und Ausland, sind Zentren der Gesundheitserziehung und Gesundheitsvorsorge. Als im Jahre 1890 in Wörishofen der erste Kneippverein gegründet wurde, meinte Sebastian Kneipp: ,,Es ist erforderlich, einen Verein zu gründen, der die Pflege und Ver­ breitung der Naturheilmethode aufnimmt. Ich lade alle ein, die Kopf und Herz auf dem rechten Fleck haben, den Kopf zum Denken, das Herz zum Handeln.“ Damit hat Seba­ stian Kneipp den Kneippvereinen das Grundgesetz seiner Lehre vom „gesunden Leben und naturgemäßen Heilen“ gegeben. Heute gilt es, diese Lehre Sebastian Kneipps sinnvoll zu erweitern und zu vertiefen, wis­ senschaftlich zu untermauern und verständ­ lich zu interpretieren. Führende Wissen­ schaftler und Mediziner im In-und Ausland sehen in der Naturheilmedizin nach Kneipp die tragende Idee für eine in richtiger Rich­ tung verlaufenden Ganzheitsmedizin von morgen. Immer mehr Mediziner und Politiker beklagen, daß in der Bundesrepublik 99 % der Kosten für behandelnde Medizin und kaum 1 % für die vorbeugende Medizin aus­ gegeben wird. Hier kommt offensichtlich ein Mißverhältnis zutage, das rasch und gründ­ lich geändert werden muß, wenn unsere 252 Eine Kneipp-Wassertretanlage. medizinische Versorgung ihren hohen Erwartungen und Ansprüchen gerecht blei­ ben will. Ein Grundsatz der Heilkunde des Altertums vor Hippokrates, daß der Arzt zur Hälfte für die Gesunden und zur anderen Hälfte für die Heilung der Kranken tätig sein soll, muß wieder neu belebt werden. Präven­ tive Gesundheitsbildung und Gesundheits­ erziehung muß erneut auf breiter Ebene in den Familien und Schulen ansetzen, damit es zu einer recht verstandenen Solidarität im Bereich der Gesundheit kommen kann. Dem Recht auf optimale Leistungen im Krank­ heitsfall steht eben auch die Pflicht gegenü­ ber, unnötige Leistungen der Solidargemein­ schaft zu vermeiden und für die eigene Gesundheit zuerst selbst Verantwortung zu tragen. In diesem Sinne arbeiten die Kneipp­ vereine für Gesundheitsbildung in Selbstver­ antwortung. Der Kneippverein der Baar ist aus dem

ehemaligen Kneippverein Donaueschingen hervorgegangen und betreut den Bereich in den Städten Donaueschingen, Hüfingen, Bräunlingen und Blumberg. In diesem grö­ ßeren und breiteren Umfeld konnte die Kneipp-Idee kräftig wachsen. 2.ahlreiche Ärzte und Therapeuten der Region wurden Mitglied und Referenten. Jährlich finden im Gebiet des Vereins zahlreiche Vorträge und Gesundheitsforen sowie eine Gesundheits­ woche statt. Nach der Methode Kneipps fin­ den immer neue Gruppen, Kurse und Arbeitsgemeinschaften statt und der Verein kann jährlich einige Tausend Hörer zählen; ein Zeichen, daß die Naturheillehre Kneipps immer mehr Anklang findet. Der Kneippverein veranstaltet laufend Vorträge über medizinische und gesundheit­ liche Fragen und Probleme in den Baarge­ meinden. Der Verein baut sein beliebtes Gruppen-und Kursangebot aus. Zur Zeit exi­ stieren Gymnastikgruppen für Jugendliche, Damen, Senioren und Freizeitler. Kurse für Autogenes Training werden laufend für Anfänger und Fortgeschrittene angeboten. Zum weiteren Programm gehören Yoga, meditative Entspannung und Eutonie. Aus­ flüge, Besichtigungen, Wanderungen, Kräuter­ wanderungen und Demonstrationen an den fünfKneippanlagen im Vereinsgebiet gehö­ ren ebenso ins Programm wie die wöchent­ liche Wassergymnastik und der neu einge­ führte Gesundheitstanz für alle Altersstufen. Laufende Kontakte, Erfahrungs-und Pro­ grammaustausch mit den Nachbarkneipp­ vereinen Villingen-Schwenningen, Titisee­ Neustadt, Königsfeld-St. Georgen, Tuttlin­ gen und dem neugegründeten Kneippverein Bad Dürrheim, runden das Programm ab. Kneipp-Idee und Kneipp-Bewegung sind heute ein gesundheitliches Angebot für alle Menschen. Kneippfreunde sind keine „Kalt­ wasser-Apostel“; Kneippfreunde sind keine „fanatischen“ Vertreter einer einseitigen Naturheillehre; Kneippfreunde sind auch keine „ Vereinsmaier“. Kneipp­ isolierten freunde sind aufgeschlossen und offen für alle Ideen, Versuche und Maßnahmen, die der Gesundheitserziehung, der Gesundheits­ bildung und der Gesundheitsvorsorge die­ nen. Der Kneippverein motiviert und koope­ riert mit allen Gesundheitsbewußten in Ver­ einen, Verbänden, Bildungswerken, Kran­ kenkassen, Gesundheitsämtern und vor allem den „Leuten vom Fach“, den Ärzten, die in der Gesundheitsbildung und Gesund­ heitsvorsorge besondere Verantwortung tra­ gen. Die Lehre von Sebastian Kneipp findet 100 Jahre nach ihrem Entstehen eine immer größere Bedeutung in der medizinischen Welt. Die Anhängerschaft wächst und wächst. Immer mehr namhafte Ärzte und Wissenschaftler messen der Kneipp-Thera­ pie eine wesentliche Bedeutung für die kom­ mende -ins nächste Jahrhundert reichende – Medizin zu. ,,Die Kneipp-Bewegung ist eine der erfreu­ lichsten Bürgerinitiativen unserer Zeit“ sagte kürzlich Bundespräsident Richard von Weizsäcker und meinte damit Selbertun, Verantwortung tragen, andere zur Gesund­ heitsvorsorge motivieren, seien echte, ver­ dienstvolle, staatsbürgerliche Aufgaben. In diesem Sinne will der Kneippverein der Baar mit allen Gesundheitsbewußten in Schwarz­ wald und Baar Motor und Schrittmacher einer neuen Gesundheitsbildung sein. Herbert Belstler .,. ,� mit dir Musik hören durch deinen Kopfhörer dringt kein Außenton in Bilder eintauchen grellfarben sind die Computergrafiken auf die du starrst Träume sind teilbar -immer noch gebannt bist du vom Bildschirm Spiel -Satz -Sieg dein Sieg ist das nicht ohne Elektronik wirst du Trennungsschmerz spüren allein – Christiana Steger 253 Beziehung

Medien, Verkehrswesen Das Südwestfunk-Studio in Villingen-Schwenningen So richtig begann es imJahr1974 während der Südwestmesse: auf der Terrasse des seit einem Jahr erstellten SWF-Studios wurde die populäre Sendung „Frohes Wochenende“ produziert. Moderator Karlheinz Wegener war mit seiner Sendung damit zum ersten­ mal in ihrer Geschichte live außerhalb des Baden-Badener Hauptstudios im Äther. Eine Premiere, die viele solcher Auftritte nach sich gezogen hat, Auftritte, die mittlerweile zur Routine für das „Frohe Wochenende“ geworden sind, nur wenige wissen aber, daß ausgerechnet Villingen-Schwenningen bei dieser Sendeform dereinst Pate stand. Im Jahr 1973 schon hatte die Doppelstadt auf der Baar ein eigenes Rundfunkstudio bekommen, doch ein ständiger Reporter, der in diesem Studio Beiträge zusammenstellen konnte, der war noch in weiter Feme: das Schwenninger Südwestfunk-Studio war in seinen Anfangszeiten eine Art „Potemkin­ sches Dorf“, das einmal im Jahr während der Messezeit zu Leben erwachte. Auch die Bezeichnung „Studio“ scheint für das, was damals wirklich war, etwas hochgegriffen: „Studio“ bedeutete nichts anderes als ein Haus mit einem SWF-Schild an der Vorder­ front. Ein Haus, das den Funkleuten zur Messezeit ein Dach über dem Kopf und Messebesuchern eine Videowand zum An­ schauen bot. Eine Technik, die aus dem Haus ein richtiges Studio machte, die kam erst sehr viel später. Am Anfang stand nämlich ein Zeitungsjournalist: Dieter Frauenheim, der als festangestellter Südbaden-Korrespon­ dent der Ulmer „Südwestpresse“ in Schwen­ ningen arbeitete, fragte beim für unsere Region zuständigen Südwestfunk-Landes­ studio in Tübingen vorsichtig an, ob man denn nicht ab und an aktuelle Berichte aus dem Oberzentrum senden wolle. Die könne er ja über die im Messe-,,Studio“ installierte 254 Rundfunkleitung direkt ans Landesstudio überspielen (so heißt das Schicken der Berichte über eine Tonleitung im Rundfunk­ jargon). Die Anfrage wurde geprüft und posi­ tiv beschieden, sodaß Frauenheim tatsäch­ lich im August 1973 sein erstes Interview pro­ duzieren konnte: ein Gespräch mit Oberbür­ germeister Dr. Gerhard Gebauer über den Stand der Namensgebungsdiskussion in der Doppelstadt. Was heutzutage bei Rundfunk­ journalisten Staunen hervorruft, war in jenen Anfangszeiten an der Tagesordnung: ein In­ terview zu „schneiden“ (also Versprecher zu eliminieren, langatmige Schachtelsätze aufs für Hörer erträgliche Maß zurückzustutzen) war unmöglich, der Zeitungsmann mußte in dieser Hinsicht Pionierarbeit leisten: man bekam wie in den dreißiger Jahren ein Mikro­ fon in die Hand gedrückt, und dann konnte beziehungsweise mußte es losgehen, was gesprochen war, war „draußen“, Korrektur nicht mehr möglich. Lediglich ein Zwanzig­ pfünder von einem Tonbandgerät, bedie­ nungsunfreundlich und unhandlich, war vorhanden, um wenigstens nicht alle State­ ments samt Interviewpartner live für die Sen­ dung aus dem Studio einzufangen. Das ging jahrelang so weiter, Frauenheim entwickelte mit der Zeit seine Routine, wenn er bei Mi­ nusgraden im Winter dick in den Mantel ein­ gehüllt mit frostklammen Fingern im hei­ zungslosen Studio das Mikrofon in Händen hielt und mehr vor Kälte, als vor Nervosität schlotternd, seinen Bericht „absetzte“, mit der großen weiten Rundfunkwelt verbunden durch ein dünnes Kabel, das in einem grauen Kasten verschwand, der (laienhaft aus­ gedrückt) Übertragungseinheit der Bundes­ post, die für Rundfunkübertragungen ja zuständig ist. Der Ton trat von hier aus seine Reise über das Verstärkeramt Villingen, das Fernmeldeamt Donaueschingen bis zu den

Jung und Sendung mittlerweile bei drei bis vier Stunden! Zu einem Einschnitt in der Studioge­ schichte wurde das Jahr 1982: kamen da doch mit einemmal zwei LKW aus Baden-Baden angefahren, die eine richtige Technik mit zwei Tonbandmaschinen und Regiepult in Schwenningen abliefern sollten. Aus dem sogenannten Studio wurde damit in der Tat ein richtiges Rundfunkstudio, klein zwar, doch mit allem, was ein „richtiges“ Studio eben braucht. Daß der damalige Tübinger Landesstudioleiter Dr. Hubert Locher (mitt­ lerweile Hörfunkdirektor des Südwestfunks) die Technik praktisch im Alleingang in Marsch gesetzt hatte, als er erfuhr, da sei gerade altes, aber sendetaugliches Gerät auf Lager und daß ihm dann doch Gewissens­ bisse ob seiner Kompetenzüberschreitung kamen, daß er noch vergebens versuchte, die LKW wieder umzudirigieren ( doch die waren glücklicherweise schon auf dem Weg), das alles ist vom einstigen Politikum inzwi­ schen zu einem Stück gern erzählter Schwen­ ninger Studio-Gründungsgeschichte gewor­ den, genauso wie die Erkenntnis, daß ohne jenen Lochersehen Alleingang das Studio mit Sicherheit noch einige Jahre ohne festen Korrespondenten geblieben wäre. Der feste Korrespondent kam dann am 1. März 1984 (der Verfasser dieser Zeilen): nach mehrjähriger Tätigkeit in der Tübinger Zen­ tralredaktion hatte es mich ganz einfach gereizt, einmal etwas ganz Neues zu machen, einmal vom Punkte „fast Null“ an etwas auf­ zubauen. Als mir der Aufbau des Korrespon­ dentenplatzes im Südwestfunk-Studio Vil­ lingen-Schwenningen angeboten wurde, gab es deshalb kein langes Zögern, der Schritt zum ersten hauptamtlichen Korresponden­ ten in Villingen-Schwenningen war getan. Natürlich durften auch in diesem Fall wohl­ meinende Kollegen nicht fehlen, die dem mit Enthusiasmus in Richtung Schwennin­ gen eilenden Neu-Korrespondenten die dunkelsten Vorahnungen mit auf den Weg gaben: ,,Das wird nie etwas“, ,,Da hälst Dus nie und nimmer lange aus“, ,,Von hier gibts ja 255 Der frühere Korrespondent des Südwestfunks in Villingen-Schwenningen, Gunter Haug(auf dem Bild rechts) und der neue Korrespondent Wolf­ gang Klaus (links im Bild) Schalträumen der diversen Südwestfunkstu­ dios an, von dort dann wurde er über den Äther weitergeschickt bis in die Radioappa­ rate der Hörer. So funktionierts auch heute noch, nur der Begriff „Aktuell“ hat sich in der Zwischenzeit ganz entscheidend gewandelt: wenn der Zeitungsmann am Montag seinen Vorschlag beim Sender ablieferte, was man samstags im Programm bringen könne, dann war das seinerzeit auch für die „Aktuelle Redaktion“ des verantwortlichen Landesstu­ dios in der Tat „aktuell“. Heute unvorstellbar und insofern ist diese erst zehn Jahre zurück­ liegende Arbeitsweise auch schon ein Stück Rundfunkgeschichte geworden, denn sie ist auch Beleg dafür, wie heutzutage Gescheh­ nisse in der Region, und seien sie im großstäd­ tischen Sinn noch so sehr provinziell, tages­ aktuell ins Programm gebracht werden müs­ sen, fünf Tage Differenz zwischen Angebot und Sendung gibt es heute nicht mehr, meist bewegt sich die Zeitspanne zwischen Beste!-

sowieso nichts zu berichten“ und ähnliche aufmunternde Parolen mehr. Doch es kam natürlich ganz anders: bereits im ersten Jahr seines Bestehens produzierte das Südwest­ funk-Studio Villingen-Schwenningen weit über 1600 Sendeminuten, was -rechnet man einen Durchschnitt von drei Minuten pro Beitrag -über 530 Beiträge in nur zehn Monaten aus der zu betreuenden Region Schwarzwald-Baar-Heuberg bedeutete. Be­ reits im ersten Jahr konnte das Versprechen in die Tat umgesetzt werden, daß künftig kein Südwestfunk-Redakteur mehr (wie tat­ sächlich geschehen) beim Verlesen des Wet­ terberichts sagen mußte: ,,Auf der Baar … Verzeihung, das muß ein Druckfehler sein“, die Baar wurde auch rundfunkpolitisch zu einem festen Begriff. Und gleich ein Jahr spä­ ter, 1985, gabs sogar einen Rekord zu feiern: Villingen-Schwenningen hatte alle anderen Studios dieser Größenordnung ü herholt und mehr Beiträge und Sendeminuten für die drei Hörfunkprogramme produzieren kön­ nen, als die anderen -dank der Themenviel­ falt in dieser Region! Dabei war das alles im höchstgelegenen Inlandsstudio der ARD arbeitstechnisch gar nicht so einfach, schließlich mußte der Schwenninger Korrespondent in einem Stu­ dio der neuen Generation (mit alter Technik) als eine Art Alleinunterhalter auftreten: als sein eigener Hausmeister, Studiotechniker, Sendetechniker, Sekretärin und – nicht zuletzt – auch Redakteur. ,, Wichtigstes“ Requisit des neuen Studios: die einzige dienstliche Schneeschippe eines Südwest­ funk-Korrespondenten, um sich auf dem Messegelände die letzten Meter durch die rauhen Winter der Baar zum Studio durch­ zuschaufeln und einige Stunden später die vom städtischen Schneepflug in Richtung Studiotreppe geschobenen Schneemassen ein zweites Mal wegzuschippen (übrigens ist diese Geschichte durchaus kein Kalauer, die Dienstschneeschippe gibts wirklich, gleich rechts neben der Eingangstür steht diese sorgfältig gehütete Studiokostbarkeit und leistet Winter für Winter gute Dienste). 256 Den absoluten Höhepunkt, was die Außenwirkung des Südwestfunkstudios Schwenningen betrifft, stellt aber der Som­ mer 1985 dar, als eines regnerischen Tages Waldameisen Einzug ins Studio hielten und die Ecke neben der neu installierten Elektro­ heizung für sich besetzten: bundesweit hat dieser Einzug der Großen Roten Waldameise Schlagzeilen verursacht. Presse, Hörfunk · und Fernsehen berichteten über die erstaun­ liche Tatsache, daß die Große Rote Walda­ meise, die ansonsten nie in Häusern ihre Haufen zu bauen pflegt, sich ausgerechnet das Südwestfunkstudio als Herberge aus­ gesucht hatte. Tips und Ratschläge, wie die lieben Viecher wieder zu vertreiben seien, kamen stapelweise aus der ganzen Republik, selbsternannte oder tatsächliche Ameisenex­ perten gaben Rat und waren dann hinterher doch wie alle anderen am Ende mit ihrem Latein. Selbst das peinlich genaue Ausfugen aller Ritzen und Winkel des Studios half nichts: die Große Rote Waldameise hielt ihre (genau zu verfolgende) Straße von einer Tan­ nenhecke bis ins Studio und wieder zurück hartnäckig aufrecht, ob zu Messezeiten oder nicht. Erst drei (!) Jahre später glückte dann die Umleitung zurück in den Wald. Ein weiterer Höhepunkt kam dann im Jahr 1986 in eigener Regie des Südwestfunk­ studios zustande: das Schwenninger Fami­ lien-Ferienfest, zu dem an einem einzigen Sonntag 40.000 Besucher aufs Messegelände strömten, um bei freiem Eintritt und unzäh­ ligen Aktionen und Attraktionen einen schö­ nen Tag mit der ganzen Familie zu erleben, sei es in den Messehallen, wo ein richtiges Spielzeugland aufgebaut war, sei es in der Jugenddisco oder auf dem Freigelände bei Minigokarts, Streichelzoo, Schatzsuche in der „ Geisterburg“ oder im großen Festzelt, in dem als Höhepunkt der Familienfest-Feier sogar der baden-württembergische Minister­ präsident Lothar Späth zugegen war, um in einer Kinder-und Jugendfragerunde alles an Fragen zu beantworten, was die Kleinen schon immer mal vom Ministerpräsidenten wissen wollten (,, Was macht so einer den

ganzen Tag?“, Wie isch das, wenn mr regiert?“, „Was verdient ein Ministerpräsident?“ und vieles mehr – auf jede Frage gab es eine Ant­ wort). Derart begeistert war der Gast aus Stuttgart, daß er das Schwenninger Südwest­ funkfest zum Beispiel für das Landesfami­ lienfest nahm, das nun alljährlich nach Schwenninger Vorbild in einer Stadt des Landes ausgerichtet wird. Obwohl also das Südwestfunk-Studio Vil­ lingen-Schwenningen allmählich zur festen Größe in der bundesdeutschen Rundfunk­ landschaft geworden ist, obwohl pro Jahr einige Dutzend Besucher sich die Technik und die Arbeitsweise im Studio vorführen lassen, obwohl alljährlich auch mindestens ein Volkshochschulkurs mit dem Korres­ pondenten im Studio über die Auswahl der Rundfunkthemen diskutiert, kann es einem in Schwenningen nach wie vor passieren, daß der Reporter immer noch auf eine verblüffte Miene und die Aussage stößt: »Ja so was, ein Studio in Schwenningen das ganze Jahr über, ich hab gedacht, das sei bloß während der Messe geöffnet“. Um auch dem letzten das Gegenteil zu beweisen, wird fleißig weiterge­ sendet, zu allen Tageszeiten, mit allen mögli­ chen und unmöglichen Themen aus unserer Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Gunter Haug Der Bregtäler – ein rauchender Zeitgenosse Es war dem »Bregtäler“ nicht vergönnt, am 1. August 1983 zu seinem 90. Geburtstag in die Uhrenstadt einzufahren. Wie bei der Jungfernfahrt hätte ganz Furtwangen den Veteranen mit Jubel und Freude als ein Stück der guten alten Zeit begrüßt, wenn er auch in der Vergangenheit nicht alle Erwartungen erfüllt und den Furtwangern mehr Kummer als Freude bereitet hat. Im Jahre 1973 verbannte die Stuttgarter Landesregierung den dampfenden und rau­ chenden Zeitgenossen, der acht Jahrzehnte seinen Dienst zwischen Furtwangen und Donaueschingen getan hat, aus dem Bregtal. Personenzug vor dem Bahnhof Furtwangen um 1894 257

Es ist unverständlich und es bleibt ein bitte­ rer Beigeschmack, daß eine Stadt wie Furt­ wangen mit ihrem Umland und der recht bedeutsamen Industrie mittels eines Feder­ striches von der Eisenbahn isoliert wurde. Und das in einer Zeit, in der ein neuer Lan­ desentwicklungsplan regionalen Unausge­ wogenheiten und Entleerungstendenzen im ländlichen Raum begegnen wollte. Dabei war das Gesellschaftskapital der Bregtalbahn zuletzt vollständig im Besitz des Landes Baden-Württemberg. Der weite Weg Die berufenen Vertreter des Bregtales bemühten sich seit den 40er Jahren des ver­ gangenen Jahrhunderts um den Bau einer Eisenbahnlinie durch das Bregtal. Betrachtet man rückblickend die Gründe, die die badische Regierung zu dem für Furtwangen verhängnisvollen Entscheid, die Schwarz­ waldbahn an Furtwangen vorbei zu bauen, veranlaßten, so waren es offiziell technische und finanzielle Schwierigkeiten. Es bleibt aber der schwer zu verwischende Anschein – damals wie heute -eines weitgehenden Man­ gels der Regierung an Verständnis für die Furtwanger Verkehrsbedürfnisse. Dazu dürf­ te die leidige und seinerzeit besonders aus­ geprägte kommunale Konkurrenz kommen und wahrscheinlich eine mangelnde Lobby, Regierung und Landtag für den Bau einer Staatsbahn über Furtwangen zu interessie­ ren. Trotz des Rückschlages bemühten sich die „wichtigen Industrieorte Furtwangen und Vöhrenbach“ mit unverdrossener Ausdauer immer wieder, eine Eisenbahnverbindung zu erlangen. In zahlreichen Petitionen an die Hohe Kammer der badischen Landstände und die Großherzogliche Regierung in Karls­ ruhe wurde die Notwendigkeit durch umfas­ sende Denkschriften und Pläne nachgewie­ sen. Die Zähigkeit, mit der die Gemeinden den Eisenbahnbau verfochten, wird verständlich, wenn man den Ursachen der berechtigten Existenzangst nachgeht. Der erhöhten 258 Nachfrage nach Schwarzwälder Uhren konnte von den abgelegenen Höfen nicht mehr genügt werden. Die Uhrmacherei mußte die stillen Plätze, wo ihre Wiege stand, verlassen und sich mehr und mehr an bessere Verkehrswege verlegen. So trat allmählich eine beachtenswerte Verschiebung des Uhrendistrikts ein: Gütenbach, Furtwangen, Eisenbach wurden die Hauptumschlags­ plätze desselben. Einzelne Gemeinden, wie St. Märgen und St. Peter, in denen anfangs die Uhrmacherei lebhaft blühte, wurden durch diese Veränderungen vom Uhrenhan­ del abgetrennt und lösten sich allmählich ganz auf. Wenig später schob sich die Schwarzwaldbahn in die Reihe der Verkehrs­ mittel des Schwarzwaldes ein. Damit drohte eine abermalige verhängnisvolle Verschie­ bung des Uhrenproduktionsbezirkes. Tri­ berg, St. Georgen und Villingen, von dem Eisenbahnbau begünstigt, traten als bedeu­ tende Konkurrenzorte auf. In dem Comis­ sionsbericht des Abg. Robert Gerwig in der 67. Sitzung der II. Kammer vom 5. März 1870 heißt es u. a. ,,die Erfahrung bestätigt bereits, daß Orte, welche von keiner Eisenbahn berührt werden, immer mehr zurückkom­ men, weil sie nicht im Stande sind mit ande­ ren Orten, die an der Eisenbahn liegen, die Mitbewerbung zu bestehen“. Ähnlich wie die Uhrmacherei war auch die Landwirtschaft betroffen. Die Fuhrlöhne bis zur nächsten Eisenbahnstation überstiegen die Verkaufspreise des Holzes um ein Bedeu­ tendes. Ein weiterer Nach teil war die Abwan­ derung von Arbeitskräften. Ebenso wirkte sich die ungünstige Verkehrslage negativ auf den Fremdenverkehr aus. Immer noch auf der Suche nach einer Durchgangslinie, wurde am 6. Januar 1873 eine weitere Petition über den Eisenbahnbau von Donaueschingen durch das Bregtal nach Freiburg vorgelegt. Die Großherzogliche Regierung in Karlsruhe entschied sich wie­ derum nicht im Sinne Furtwangens. Mit dem Scheitern auch dieses großen Projekts wurde man sehr bescheiden und versuchte nun, die kleine Lösung einer Eisenbahnlinie von

Lok Nr. 332 vor dem Lokomotivschuppen Furtwangen um 1920 Furtwangen nach Donaueschingen durchzu­ setzen. Am 1. Oktober 1881 genehmigte der Furt­ wanger Bürgerausschuß mit 29 Ja- und 8 Nein-Stimmen zu dem Bau der Eisenbahnli­ nie Furtwangen – Donaueschingen einen Beitrag von 50 000 Mark. Die Furtwanger Schrittmacherdienste mögen Veranlassung für die übrigen Bregtalgemeinden gewesen sein, ihrerseits ebenfalls Geldmittel zur Ver­ fügung zu stellen. In einer »Bitte an die Hohe Kammer der badischen Stände“ vom Januar 1882 wurde der neue Sachstand mitgeteilt. Auf weitere Eingaben folgte am 27. Januar 1883 – und wie hätte es anders sein können – eine erneute unbefriedigende und hinhalten­ de Mitteilung des Ministeriums der Finan­ zen. Kein Wunder, daß in diesen Jahren der Ungewißheit verschiedene andere Bahnpro­ jekte auftauchten, so u. a. Furtwangen – Vöh­ renbach – Villingen oder der Donaueschin­ ger Plan (1885) einer Schmalspurbahn. Die hieraus entstandenen Gegensätze unter den Interessenten verzögerten wiederum auf Jahre eine Entscheidung der Großherzogli­ chen Regierung. Endlich grünes Licht Endlich, am 28. Januar 1888, erklärte sich die Regierung bereit, die Frage der Erteilung der Konzession dem Landtag zur Entschei­ dung vorzulegen. Scheinbar selbst unent­ schlossen führte sie in der Begründung u. a. aus: „Wenn für den Verkehr der Orte Furtwan­ gen und Vöhrenbach in der Richtung nach Villingen und Offenburg der Umweg über Donaueschingen als uner­ wünscht anerkannt werden muß, so ist dagegen der Anschluß in Donaueschin­ gen für die Verkehrsinteressen der unteren Bregtalgemeinden vorzuziehen. Im übri­ gen gewährt Donaueschingen gegenüber Villingen auch dem hinteren Bregtal einen erheblichen Vorsprung, sobald es sich um den Verkehr mit der Schweiz, dem Bodensee und nach Ausführung der Donautalbahn mit dem östlichen Würt­ temberg, mit Ulm und München handelt.“ Am 11. April 1888 stand der Gesetzent- wurf im Landtag zur Beratung und endete wider Erwarten für die Öffentlichkeit mit der Annahme der Linienführung nach Donau­ eschingen. 259

Stillegung zu verhindern. Alle in der umfangreichen Stellungnahme wider die Stillegung vorgetragenen Gründe, wie erheb­ liche betriebswirtschaftliche und technische Versäumnisse der SWEG, sträfliche Vernach­ lässigung des Streckennetzes, gewichtige Gesichtspunkte der Landesentwicklungs­ und lnfrastrukturpläne, Wirtschafts- und Fremdenverkehrsförderung, Schülerbeför­ derung u. a. m. nutzten nichts. Ohne das Ergebnis der Verhandlungen im dafür zuständigen Landtagsausschuß abzu­ warten, faßte der Ministerrat bereits zwei Tage zuvor, das war am 10. April 1973, den Beschluß, die Bregtalbahn stillzulegen. Parla­ mentarisch betrachtet ein ungewöhnlicher Vorgang. Damit war das Unternehmungs­ recht für die Bregtalbahn erloschen. Die Bregtalbahn, die in 8 Dezennien ihres Beste­ hens ein Teil der Landschaft mit ihrer Bevöl­ kerung geworden war, wurde zwangsweise aus ihrem Schutz ausgeklammert. In der Rückschau ist man geneigt zu sagen, daß die Bregtalbahn zwar vorüberge­ hend eine gewisse Verbesserung der Ver­ kehrslage des Bregtales brachte, sie aber als private Nebenbahn -so scheint es -von Anbeginn an auf dem Abstellgleis stand. Es ist heute müßig darüber zu streiten, welche Gründe es gewesen sein mögen, daß sie es nicht vermochte, der aufstrebenden Indu­ strie und dem Handel ein ebenso sich entwik­ kelnder Partner zu werden. Gegenmaßnah­ men des Bahn-Management, etwa zu Beginn des verschärften Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße in den sechziger Jahren, auf Verbesserung des ungenügenden Ange­ bots und auf Rückgewinnung der verladen­ den Wirtschaftszweige, waren nicht zu erkennen. So war die Weichenstellung der Bregtalbahn bis hin zur Stillegung vorpro­ grammiert. Hans Frank Mit Verfügung des Großherzoglichen Ministeriums der Finanzen vom 27. April 1891 erfolgte die Konzessionserteilung an ein Unternehmer-Konsortium. Die Regierung wurde ermächtigt, die Linie von Hüfingen nach Donaueschingen auf Staatskosten wei­ terzuführen. Die Dauer der Konzession war auf SO Jahre festgesetzt. Der Staat stellte einen Zuschuß bis zu 20 000 Mark für den lfd. Kilometer zur Verfügung. Er behielt sich das Recht vor, das Eigentum der Bregtal­ bahn, und zwar bezüglich der Strecke Hüfin­ gen -Hammereisenbach sofort von der Be­ triebseröffnung an, bezüglich der Strecke Hammereisenbach – Furtwangen nach Ablauf von 25 Jahren jederzeit anzukaufen. Am 7. August 1891 begannen die Bauar­ beiten auf der Gemarkung Allrnendshofen. Schon am 20. Oktober 1892 wurde die Teil­ strecke Donaueschingen – Hammereisen­ bach in Betrieb genommen. Am 7. Juni des folgenden Jahres war der Bau bis Schönen­ bach fortgeschritten, und am 20. Juni kam die erste Lokomotive in Furtwangen an. Die feierliche Eröffnung der ganzen Linie fand am 1. August 1893 statt, 5 Jahre nach der Beschlußfassung durch den Landtag. Signale der Bregtalbahn auf „HALT“ Der im Spätjahr 1967 von der Mittelbadi­ schen Eisenbahnen AG beantragten Ver­ längerung der Konzession wurde von der Landesregierung am 6. Juni 1968 bis zum 31. Dezember 2017 zugestimmt. Die Freude über das Erreichte dauerte nur wenige Jahre. Schon am 1. Oktober 1972 stellte die Süd­ westdeutsche Eisenbahnen AG die Perso­ nenbeförderung auf der Bregtallinie ein und beantragte wenig später die endgültige Stillegung der Bregtalbahn. Ein Sturm des Widerspruchs erhob sich bei der Bevölke­ rung, bei den Gemeinden des Landkreises und den Berufsverbänden. In einer gemein­ samen Stellungnahme der Gemeinderäte von Donaueschingen, Hüfingen, Bräunlin­ gen, Vöhrenbach, Furtwangen und Güten­ bach vom 8. Dezember 1972 versuchten die Gemeinden mit aller Entschiedenheit, die 260

Landschaft, Naturdenkmäler, Umweltschutz Die Tuninger Soldatentanne Eine Federzeichnung der Soldatentanne von Tuningen hängt im Amtszimmer des Bürgermeisters -ein stimmungsvolles Bild, das einen großen, die Landschaft ringsum beherrschenden Baum zeigt, der hoch in den gewitterbringenden Himmel ragt. Gewitter­ stimmung über T uningen, das paßt genau zu der Geschichte, die sich um die Tuninger Sol­ datentanne rankt, eine Geschichte, die durch ein Gedicht des Talheimers Max Schnecken­ burger (der ja auch die berühmt-berüchtigte „Wacht am Rhein“ verfaßt hat) der Nachwelt erhalten geblieben ist. Es muß, sagt das Gedicht in Übereinstimmung mit Tuninger 261

Überlieferungen aus, um das Jahr 1805 gewe­ sen sein, damals lagen, wie auch in der Dorf­ chronik nachgewiesen ist, österreichische Einheiten in Tuningen. Es war die Zeit der napoleonischen Kriege, das französische Heer war ins vorderösterreichische Gebiet eingefallen und bedrohte schon die Stadt Freiburg im Breisgau (die ja tatsächlich vor noch gar nicht so langer Zeit zu Vorderöster­ reich gehört hat). Deshalb hatte man bei Tuningen Soldaten der österreichischen Armee zusammengezogen, um dem Feind (wie sich später herausstellte erfolglos) Paroli zu bieten. Nun muß es da in der österreichischen Einheit einen einfachen Soldaten gegeben haben, dessen Name nicht überliefert ist, wohl aber dessen Kummer mit seinen Vor­ gesetzten. Einer der Vorgesetzten muß es ganz besonders auf den armen Soldaten abgesehen haben, muß ihn traktiert und geschunden haben, wo es nur ging, bis der so Gepiesackte es einfach nicht mehr aushielt und desertierte: ein Vergehen, auf dem damals in allen Armeen der Welt die Todes­ strafe stand. Ausgerechnet zum Feind nach Freiburg schlug er sich durch und wurde dort anscheinend als neuer Kampfgefährte gegen Österreich auch bereitwillig aufgenommen. Er befand sich also in Sicherheit, doch trotz alledem fühlte er sich in der französischen Armee nicht wohl. Das hatte einen einfachen Grund: unser Soldat starb nämlich offenbar beinahe vor Liebeskummer, denn während seiner Zeit in T uningen hatte er sich doch tat­ sächlich in ein hübsches Mägdelein aus dem Dorf verliebt, wie man annehmen darf, wurde seine Liebe auch erwidert. Eines schlechten Tages hielt es den öster­ reichischen Soldaten nicht mehr bei den Franzosen, er mußte einfach zurück nach Tuningen und seine Herzallerliebste in die Arme nehmen. Bei Nacht und Nebel, so wird erzählt, sei er zu ihr gekommen, doch die so sehr Angebetete trieb ein falsches Spiel mit ihm und verriet den Deserteur (auf dessen Kopf, wie sie wußte, eine Belohnung stand) an die Österreicher. Es kam, wie es kommen 262 mußte, der Soldat wurde ergriffen, verhaftet, verhört, verurteilt und schließlich hingerich­ tet. Die Exekution fand außerhalb des Dorfes statt, auf einem Feld in der Nähe von Tunin­ gen. Hier wurde er von seinen ehemaligen Kameraden erschossen und hier wurde er auch gleich begraben. Die Verräterin freilich fand keine Freude an ihrem Judaslohn, den sie bekommen hatte, sondern scheint sich den Verrat und das dadurch verursachte tragische Ende ihres Geliebten so sehr zu Herzen genommen zu haben, daß sie schon kurze Zeit nach dem Tod des Soldaten von Gram und Schuldgefühlen geplagt das Zeitliche segnete. Genau an jener Stelle aber, an der der junge österreichische Soldat begraben und hingerichtet worden war, pflanzten T uninger Bürger wenig später eine Tanne: die danach so genannte Tuninger Soldatentanne. Max Schneckenburger, wie erwähnt der Dichter aus dem benachbarten Talheim, hat das tragische Geschehen in einem Gedicht festgehalten und da er selbst fast ein Zeitge­ nosse dieser Ereignisse war (geboren im Jahr 1819), dürfte er tatsächlich in dem Gedicht ein Ereignis festgehalten haben, über das die Menschen in seiner Kindheit noch sprachen. Vielleicht sogar war er der Knabe, dem der Vater einst, wie es im Gedicht beschrieben ist, die Geschichte von der Soldatentanne erzählt hat. Wie auch immer, die Tanne über dem Grab des armen Soldaten wuchs und wuchs zu einem stattlichen, weithin sichtba­ ren Baum heran. Erst Ende der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts wurde sie (also weit über 100 Jahre alt) vom Blitz getroffen und somit zerstört. Die Tuninger Soldatentanne aber war schon längst zum Begriff geworden, in den zwanziger Jahren schrieb der T uninger Pfarrer Eugen Stöffier gar ein Theaterstück über das Drama, das sich um dieses Natur­ wahrzeichen rankte, und Tuninger Laien­ schauspieler führten die Geschichte am Ori­ ginalschauplatz auf freiem Feld den zahlrei­ chen Zuschauern vor, die ob des schlimmen Endes des von seiner Geliebten so schmäh­ lich verratenen jungen Soldaten zu Tränen gerührt waren. Ältere Tuninger Bürger, wie

der Heimatforscher Ernst Braunschweiger, erinnern sich auch heute noch genau an jene Aufführungen, bei denen das ganze Dorf Anteil am Theaterspiel nahm. Nachdem die alte Tanne also durch Blitz­ schlag zerstört worden war, wurde auf aus­ drücklichen Beschluß des Tuninger Gemein­ derats im Jahr 1940 eine Ersatztanne gepflanzt, die allerdings kurz danach – aus welchen Gründen auch immer – eingegan­ gen ist. Deshalb ergriffen geschichtsbewußte Tuninger Bürger ein drittes Mal die Initiative und pflanzten an der alten Stelle einen neuen Baum, nur wars diesmal irrtümlicherweise eine Fichte, die die Nachfolge als Soldaten­ “ Tanne“ antreten sollte. Jene Fichte kam zwar durch, allerdings hat ein Raubvogel die Gestalt des jungen Baumes dadurch unvor­ teilhaft verändert, daß er ihm gleich nach der Pflanzung den Spitzentrieb abgehackt hat. Das Resultat war, daß die Soldaten-“ Tanne“ nun halt besonders viele Seitentriebe anstelJe der Spitze ausbildete, deshalb kann bis auf den heutigen Tag auch nicht gerade von einem stolzen, seinem Vorgänger im Aus­ sehen würdigen Baum gesprochen werden und von einer Tanne ja ganz zu schweigen. Und dennoch wäre es schade, wenn dieses einsam am Autobahnrand stehende küm­ merliche Bäumchen eines Tages ganz ver­ schwinden würde. Denn solange es an die­ sem Fleck steht, solange erinnert es an die erzählenswerte Geschichte des österreichi­ schen Soldaten, der hier der Überlieferung nach begraben liegt. Ein Stück Heimatge­ schichte des Dorfes Tuningen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis, eine Geschichte, auf die keine Hinweistafel verweist, eine Geschichte, die selbst in Tuningen nicht mehr jeder kennt. Eine Geschichte, die selbst längst Geschichte geworden ist, dank der Soldaten­ tanne. Gunter Haug Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis Der im Almanach 1978 eingeschlagene Weg von Naturdenkmal zu Naturdenkmal führt hier nun zu einem außergewöhnlichen Baumtrio. Von der Kreisstraße 5709 zweigt ein Sträßchen zum Ortsteil Nordstetten ab. Man sieht im Westen die Häuserkette der Wöschhalde, davor weite Wiesenflächen, man überquert die junge Steppach, passiert die ersten Häuser und kommt zur Eisen­ mann-Eiche und Eisenmann-Linde am Nordrand und zur Mathisen-Eiche am Süd­ rand der kleinen Straße. Schon vor 165 Jah- 263

Mathisen-Eiche, Eisenmann-Eiche, Eisenmann-linde in Nordstetten. ren sollen diese Bäume gepflanzt worden sein. Mit ihren dicken Stämmen und einem dichten ineinandergreifenden Ast- und Laubwerk bilden diese Bäume ein sehenswer­ tes Tor am Ortseingang von Nordstetten. Der größte und stärkste dieser Bäume ist die Eisenmann-Eiche; ihr Stamm mißt 4,70 m Umfang. Nur einen Meter trennen auf Bodeshöhe die Stämme der Eisenmann­ Eiche und Eisenmann-Linde. Im Jahre 1941 wurden diese 3 Bäume, deren Namen auf frühere Grundstückseigen­ tümer zurückgehen, in das Naturdenkmal­ buch des Landratsamtes aufgenommen und stehen somit als Naturdenkmäler unter besonderem Schutz. Grundlage hierfür bie­ tet das Naturschutzgesetz. Werner Heidinger 264

Der Rauhfußkauz Teile des Schwarzwald-Baar-Kreises bil­ den den Lebensraum einer Eule, von der die meisten Bewohner unseres Landkreises noch nie etwas gehört haben. Ihrem Kennen­ lernen, wenigstens in Wort und Bild, soll die­ ser Artikel dienen. Die Waldohreule ruft, der Waldkauz heult, die Stimmäußerungen der Schleier­ eule sind schnarchähnliche Laute, und das nur 24 cm große Rauhfußkauzmännchen singt. Es ist ein Minnesang, der von einer hohen Warte aus vorgetragen wird. Sein Beginn wird durch eine lange Strophe eingeleitet, die etwas verhalten anfängt. Die folgenden Gesangsabschnitte werden schnell kürzer, höher und lauter. Nach dem Einspielen dauert die Strophe ungefähr ein bis zwei Sekunden und wird von einer zwei bis drei Sekunden währenden Pause unterbrochen. Liebeswerben geht auch bei einem Rauh­ fußkauz durch den Magen. Unverpaarte Männchen singen die ganze Nacht, voraus­ gesetzt, die Beutepopulation ist so groß, daß Hungergefühle nicht aufkommen. Es gibt nur wenige Menschen, die die kleine Eule jemals gesehen oder gehört haben. In den meisten Wäldern wird man sie vergeblich suchen. Ihr Lebensraum sind die großen zusammenhängenden Nadelwaldbe­ stände der Gebirge und Mittelgebirge, in denen Weißtannen und Kiefern vorherr­ schen. Auch das Flachland wird nicht ganz gemieden, soweit rauhe Klimabedingungen gegeben sind. So zum Beispiel die Wälder in bestimmten Bereichen der Lüneburger Heide. Eine Voraussetzung, die das Rauhfuß­ kauzbiotop bieten muß, ist ein ausreichen­ des Vorkommen von Bruthöhlen. Von der Größe her sind das überwiegend die ehemali­ gen Niststätten des Schwarzspechtes. In ihrer Nähe sollten deckungsbietende Tagesein­ stände und unterholzfreie Areale sein, die eine gewisse Kleinsäugerdichte aufweisen. Das sind zum Beispiel Waldränder- und schneisen, Lichtungen und Moore; in der Gebirgsregion der Latschenbereich und Viehweiden. Infolge seiner Wendigkeit hin­ dert ihn auch dichteres Unterholz nicht bei der Jagd. Die kleine Eule mag keine „lauten“ Wäl­ der. Aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit sie­ delt sie stellenweise sogar in reinen Eichen­ Buchenwäldern. ZiehendeJungkäuze durch­ streifen auch einmal Auwälder, Park- und Gartenanlagen. Bildunterschriften zur folgenden Doppelseite: Das Weibchen des Rauhfaßkauzes beobachtet von der Bruthöhle aus die Umgebung. junge Rauhfaßkäuze, während einer Berin­ gungsaklion für kurze Zeil aus ihrer Nisthöhle entfernt. Der Raubfußkauz ist überwiegend ein Anstands­ jäger. Von seiner Warte aus nimmt er sogar wäh­ rend seines Balzgesanges das leiseste Geräusch wahr. So kann er eine Maus bis auf 60 Meter akustisch ausmachen. Der ideale Nistkasten for den Rauhf11ßkauz (Marke Eigenbau). In diesem Nistkasten zieht der Rauhfaßkauz schon über Jahre hinweg seine Jungen groß. Die Kastenseiten und das Dach sind mit Blech aus­ geschlagen. Hier hat der Baummarder keine Chance an den Kauz heranzukommen. Das Blechdach und die Seiten bieten seinen Krallen keinen Halt. In der Regel ist das Auerhuhnrevier auch die Hei­ mat des Raubfußkauzes. Das sind große zusam­ menhängende Nadelwälder der Gebirge und Mittelgebirge, in denen Weißtannen und Kiefern vorherrschen. 265

Der bereits beschriebene Gesang, der sich mit „huhuhuhu“ übersetzen läßt, soll das Weibchen in die Nähe des Nistplatzes lok­ ken. Hat das Weibchen Rufkontakt auf­ genommen, geht das Singen in den Zeigerol­ ler über. Das ist ein akustisch vorgetragener Wegweiser zu der ausgewählten Bruthöhle. Dieser Gesang besteht aus einem vielsilbigen dududud. Im allgemeinen weckt er bei dem Weibchen ein fast unwiderstehliches Inter­ esse an dem angebotenen Brutraum. Zögert es jedoch, diesen anzufliegen, kann das Männchen auch in der Höhle sitzend den Zeigeroller bringen. Ein Mensch, der die Minnelaute nachahmt, kann den Kauz bis auf wenige Meter zu sich heranlocken. Auch wenn der Vogel den Imitator entdeckt, ergreift er nicht sofort die Flucht, sondern bleibt einige Zeit neugierig auf dem angeflo­ genen Ast sitzen. Die Balz des Raubfußkauzes beginnt in den Mittelgebirgen Ende Februar und dauert bis Mitte April. Tiefdrucklagen und Wind wirken in dieser Zeit gesangshemmend. Das Männchen kann dem Partner meh­ rere Höhlen anbieten. Die endgültige Aus­ wahl wird von dem Weibchen getroffen. Ist die Bindung des Weibchens an die Höhle erreicht, wird sie durch Verbleiben und Fut­ terbettelrufe angezeigt. Unabhängig vom Brutbeginn übernimmt nun das Männchen die Fütterung der Partnerin. Der Balzgesang wird mit der Eiablage eingestellt und im Mai nochmals aufgenommen. Unverpaarte Männchen können bis Anfang Juni singen. Die Nisthöhle ist mit Holzmulm aus­ gepolstert. Dieser wird nicht selbst eingetra­ gen oder von den Höhlenwänden abge­ schabt. Er stammt noch von den vorherigen Bewohnern. Der Zeitraum, in dem die Eier abgelegt werden, erstreckt sich von Ende März bis Mitte Mai. Milde Winter und eine gute Kleinsäugerpopulation verschieben diese Spanne auf die zweite Februarhälfte bis Mitte März. Wenn das Nahrungsangebot jedoch nicht ausreichend ist, können zwi­ schen Beginn der Paarung und der Eiablage zwei Monate liegen. Das Gelege umfaßt 4 bis 268 7 Eier. Nach einer Brutdauer von 26 bis 27 Tagen schlüpft das erste Junge. Tiefe Tempe­ raturen können diese angegebene Zeit um 1 bis 2 Tage verlängern. Kommt es während dieses Zeitraumes zu Brutstörungen durch Mensch oder Tier, kann das Weibchen mit seinem Gesichts­ schleier den Höhleneingang so verdecken, daß er infolge der Tarnfärbung dieses Kopf­ teiles nicht mehr auszumachen ist. Will ein Schwarzspecht in die Höhle eindringen, ist nicht gleich geklärt, wer hier die Oberhand behält. Einmal ist es der Kauz und einmal der Zimmermeister. Nur das Weibchen brütet. Werden mehr Beutetiere geschlagen, als die Höhleninsas­ sen verspeisen können, dient der Brutraum gleichzeitig als Speicher. Die Jungen werden unabhängig von Tag und Nacht in der ersten Woche alle 30 Minu­ ten gefüttert, wobei eine Fütterung 5 bis 10 Minuten in Anspruch nimmt. Nach 8 bis 11 Tagen öffnen sich bei den Nestlingen die Augen, und im Alter von 9Tagen ist es ihnen möglich, selbst kleine Nahrungsbrocken von dem Boden aufzunehmen. Mit 20 Tagen sind sie in der Lage, ein Beutetier im Ganzen herunterzuwürgen. Das jedoch nur solange, bis sie es gelernt haben, die Beute selbst zu zerteilen. Die Periode, in der die jungen Käuze noch die Wärme des Altvogels brauchen, die soge­ nannte Huderzeit, dauert ca. 19 Tage. Im Alter von 27 bis 30 Tagen kommen die Jun­ gen schon an das Brutloch und mit 30 bis 32 Tagen fliegen sie aus. Das Gelege wird von dem 1. Ei an bebrütet, deshalb sind die jun­ gen Käuze verschieden, alt, und das Ausflie­ gen vom ersten bis zum letzten Kauz ver­ zögert sich über die Dauer des Altersunter­ schiedes. Haben sie ihre Bruthöhle verlassen, locken sie die Altvögel in bestimmte Revier­ teile, wo dann auch die Futterübergabe erfolgt. Mit zunehmendem Alter erkunden die Jungvögel immer weitere Areale und mit 6 Wochen schlagen sie in der Regel ihre erste Maus.

Der Rauhfußkauz ist ein Anstandsjäger. Von seiner Warte aus nimmt er das leiseste Geräusch wahr. Er hat sogar die Fähigkeit, während seines Balzgesanges eine Maus bis auf 60 Meter akustisch auszumachen. Auf eine Entfernung von 30 Metern kann er von seiner Warte aus, auch wieder akustisch, seine Beute perfekt anpeilen. Mit wenigen Flügel­ schlägen rudert er auf sie zu. Die letzten Meter werden im Gleitflug mit zurückgezo­ genem Kopf und vorgestreckten Fängen zurückgelegt. Bei einer guten Bestandsdichte der Beutetiere kommen auf einen gelunge­ nen Stoß 9 Warteanflüge. Bei schlechtem Nahrungsangebot muß der Kauz nicht sel­ ten bis 125 Warteanflüge hinter sich bringen, bis er endlich ein Beutetier in den Fängen hält, das sind überwiegend Kleinsäuger und im geringen Umfang Vögel. Hat er ein Beute­ tier geschlagen, deckt er es mit ausgebreiteten Flügeln ab, er mantelt. War es ein Fehlstoß, verfolgt er die flüchtige Maus bis zu ihrem Schlupfloch, vor dem er eine Weile mit vor­ gestrecktem Kopf wartet. Die Jagdzeit des Raubfußkauzes ist die Dämmerung und die Nacht. Am Tag sitzt er auf einem Ast, dicht am Stamm des Schlaf­ baumes. Er hat die Größe und die gelben Augen des Steinkauzes, aber da hört die Ähn­ lichkeit schon auf. Von der Statur her gleicht er dem stämmigeren Waldkauz. Das Jugend­ gefieder ist kaffeebraun, die Färbung des Alt­ vogels ist mehr erdbraun mit einer weißen Perlung. Der Kopf hat einen schwarzbraun begrenzten Schleier. Die kleine Eule badet sehr gern im Wasser, im Schnee und in der Sonne. Auch der Rauhfußkauz hat Feinde, die ihn zum Fressen gern haben. Zu ihnen gehö­ ren Baummarder, Waldkauz und im gerin­ gen Umfang der Habicht. Der Raubfußkauz übt sich auch in einer gewissen Vorratshaltung. Wenn ihm zum Beispiel in der schneereichen Jahreszeit das Jagdglück hold ist und er mehr Mäuse erwischt als er verspeisen kann, dienen ehe­ malige oder zukünftige Bruthöhlen als Deponieplätze. Rauhfußkäuze, die das Jungenstadiurn hinter sich gelassen haben, sind in Mitteleuropa überwiegend Stand­ und Strichvögel. Für Tiere nordeuropäischer Populationen gilt diese Aussage nicht unein­ geschränkt. Hier werden auch einmal grö­ ßere Wanderstrecken zurückgelegt, mög­ licherweise in Anpassung an die sich örtlich verschiebende Siedlungsdichte der Beute­ tiere. In seinen oft inselartigen Bestandsgebie­ ten gibt es Areale, in denen die Populations­ dichte zufriedenstellend ist. Zu ihnen gehört der Schwarzwald-Baar-Kreis. Hier wurden 30 besetzte Rauhfußkauzreviere ausgemacht. Der Bestand ist aufgrund der unterschied­ lich verlaufenden Populationen der Beute­ tiere und den dadurch wechselnden Brut­ erfolg Schwankungen unterworfen. Wie sehr die Fortpflanzung auch vorn Wetter abhängt zeigt, daß in naßkalten Jahren die Weibchen erst gar nicht mit der Brut beginnen. Da der Rauhfußkauz kein Allerweltsvogel ist, sollte der Mensch versuchen, bestands­ fördernd zu helfen. Dazu gehört, daß Bäume mit Schwarzspechthöhlen keinen Forstmaß­ nahmen zum Opfer fallen und das Aufhän­ gen von Nistkästen. Diese künstliche Bruthöhle sollte 500 mm hoch sein und eine Grundfläche von 265 mal 220 mm haben. Der günstigste Durchmesser für das Einflugloch ist 80 bis 85 mm. Wenn es größer ist, besteht die Gefahr, daß der Waldkauz eindringt und zu dessen Beutetie­ ren zählt ja der Raubfußkauz. Einen Meter über und unter dem Nistkasten ist eine Blechmanschette als Marderschutz unerläß­ lich. Als günstig hat sich erwiesen, die Blech­ verkleidung der Seiten noch ein Stück über dem Stamm des Aufhängebaumes zu ziehen. Der Abstand zum Nachbarbaum muß min­ destens 5 Meter betragen, damit die Höhle nicht springend von dem Marder erreicht werden kann. Äste sollten den Anflug nicht behindern. Mehrere Höhlen in ungefähr ein­ hundert Meter Entfernung aufgehängt sind auf diesem Gebiet ein Optimum an Hilfe. Junge Rauhfußkäuze suchen schon im Herbst und im Winter geeignete Brutreviere, 269

also Waldteile mit Höhlen. Ob es richtige Schwarzspechthöhlen oder die besser ge­ schützten Kunsthöhlen sind, spielt dabei keine Rolle. Bei uns ist er ein Vogel, der in der Regel seine Wälder auch während des Win­ ters nicht verläßt. Helfen wir ihm, daß er ge­ eignete Lebensräume findet, dem Sänger des Roland Kalb nächtlichen Forstes. Das Blumberger Ried Am Beginn des Aitrachtales, zwischen Stoberg und Ristelberg, liegt das Blumberger Ried. Das breite Flußtal, das heute die kleine Aitrach durchfließt, wurde von der Feldberg­ donau „geschaffen“, die in der letzten Eiszeit aus den Feldberggletschern gebildet wurde und ihre Wassermassen zwischen Eichberg und Buchberg nach Osten schob. Durch die heutige Wutach, die von Süden her die Muschelkalkfelsen der Flühen -rück- Sonnentaublatt wärts erotierend – durchbrach und dadurch die Donau anzapfte, erfolgte vor etwa 70 000 Jahren eine Ablenkung des Wassers, dem stärkeren Gefalle folgend, nach Südwesten. Die Talauen versumpften und im Laufe der Jahrtausende bildete sich ein Hochmoor mit einer Torfschicht von 4-6 m Mächtig­ keit. Darunter lagert eine ebenfalls mehrere Meter dicke Kiesschicht, die von der Feld­ bergdonau aus dem Schwarzwald hierher verfrachtet wurde. Diese Kiesschicht ist heute ein hervorragender Wasserspeicher, der den Bewohnern von Blumberg und der anliegenden Gemeinden zur Trinkwasserver­ sorgung dient. 270 Der Damm, auf dem die B 27 das Tal durchläuft, bildet eine europäische Talwas­ serscheide. Westlich davon wird über den Schleifenbach – Wutach – Rhein in die Nordsee; östlich davon über die Aitrach – Donau in das Schwarze Meer entwässert. Das Blum berger Ried ist eine einzigartige ökologische Regenerationsfläche und ein Refugium für eine große Zahl gefährdeter bzw. vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Bereits 1972 versuchten engagierte Natur­ freunde die Unterschutzstellung zu erwir­ ken. Leider dauerte es noch 13 Jahre und bedurfte erheblicher Auseinandersetzungen mit uneinsichtigen Vertretern anderer Inter­ essen, bis endlich ein Naturschutzgebiet von 76 ha und darüber hinaus ein Landschafts­ schutzgebiet von 64 ha ausgewiesen wurde. Dem aufmerksamen und geduldigen Ornithologen bieten sich während des Jahres außerordentlich interessante Beobachtungs­ möglichkeiten von Vögeln, die das Ried als Brutgebiet oder auf dem Durchzug, als Rast­ und Nahrungsquelle nutzen. Bilder rechte Seite: Fleischfarbenes Knabenkraut – Dactilorhiza incamata Sumpfwurz – Epipactis palustris Adonislibelle Libelle nach dem Schlüpfen mit Puppenhülle Mehlprimel – Primulafarinosa

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Durch Torfabbau sind in den letzten Jahr­ zehnten zwei Teiche entstanden, die auch vielerlei Wasservögel beherbergen. Aus der Fülle des Geschauten einige Bei­ spiele: 27 Kraniche ruhten sich einmal auf ihrem Zug nach Süden aus. Fischadler und Kormo­ rane holten sich aus den Teichen eine Mahl­ zeit zur Stärkung für den Weiterflug nach Norden. Singschwäne gründelten unmittelbar nach dem Auftauen der Eisdecke nach Wasser­ pflanzen, bevor sie ihre Brutgebiete im hohen Norden aufsuchten und auch der große Brachvogel stocherte erfolgreich mit seinem langen Schnabel durch die tauende Schneedecke nach Würmern. Zwei Seitenreiher statteten ihren Vettern, den Graureihern, die das Ried ganzjährig mit seinem reichhaltigen Nahrungsangebot nut­ zen, einen mehrwöchigen Besuch ab und machten Jagd auf Kaulquappen und kleine Frösche. Rot-und Schwarzmilan, Mäusebus­ sard und Turmfalke, großer Raubwürger und rotrückiger Würger brüteten in den Wäldern am Rande oder in den Hecken und auch die sehr seltene Kornweihe zog in der Schilf­ fläche schon ihre Jungen au( In den Randzonen der Teiche brüteten der Haubentaucher, der Zwergtaucher und das Tüpfelsumpfhuhn; aber auch der Schwarzhalstaucher und das kleine Sumpf­ huhn waren in den Schilfzonen zu beobach­ ten. In der Riedfläche sind ständige Brutvögel die Bekassine, der Kiebitz und eine große Zahl von Kleinvögeln, von denen nur das zum Vogel des Jahres 1987 erklärte Braun­ kehlchen genannt sein soll. Das Ried mit seinen Tümpeln und wasser­ führenden Gräben ist natürlich auch Heimat vieler Lurche, wovon nur Laubfrosch, Kreutzkröte, Gelbbauchunke sowie Berg-, Teich- und Kammolch als Besonderheit erwähnt werden sollen. Für etwa 20 Libellenarten ist das Ried ein ungestörter Lebensraum, in dem sie eifrig nach Insekten jagen, ebenso wie für eine Viel- 272 zahl verschiedener Spinnenenarten, deren Fangnetze im Licht der aufgehenden Sonne durch die daran haftenden Tautröpfchen funkeln. Aber nicht nur ein vielfältiges Tierleben findet im Ried Schutz, Nahrung und Brutge­ legenheit; es ist auch ein Refugium für eine große Zahl von Pflanzen, die hier ein Rück­ zugsgebiet aus der intensiv landwirtschaft­ lich genutzten, artenarmen Feldflur gefun­ den haben. Als kostbare Besonderheiten seien genannt: – die Mehlprimel (Primula farinosa), ein Eiszeitrelikt, – der Fieberklee (Menyanthes trifoliata), – das Herzblatt (Parnassia palustris), – der blaue Sumpfstern (Swertia perennis) und – die Schwertlilie (Iris pseudacorus). Auch 7 Orchideenarten sind nachgewiesen. – Fleischfarbenes Knabenkraut (Dactilor- hiza incarnata), – geflecktes Knabenkraut (Dactilorhiza maculata), – breitblättriges Knabenkraut (Dactilorhiza majalis), – Heimknabenkraut (Orchis militaris), – Waldhyazinthe (Platanthera bifolia), – eiförmiges Zweiblatt (Listera ovata), – Sumpfwurz (Epipactis palustris). Aber auch drei fleischfressende Pflanzen sind heimisch, die sich im Laufe ihrer Evolu­ tion auf die Verwertung von tierischem Eiweiß umgestellt haben. Es sind dies: – das Fettkraut (Pinguicula vulgaris), – der Sonnentau (Drosera rotundifolia) und – der Wasserschlauch (Ultricularia vulgaris). Mittels komplizierter Einrichtungen ent­ nehmen sie dem tierischen Körper durch die Chitinhülle das Eiweiß und wandeln es in von der Pflanze verwertbaren Stickstoff um; als Ausgleich zum stickstoffarmen Moorbo­ den. Wieviele Jahrmillionen mag die Entwick­ lung, im Wechsel der klimatischen Änderun­ gen, gedauert haben, bis diese Pflanzen ihre Blätter zum Fang von Insekten ausgebildet hatten? Karl Zimmermann

Stätten der Gastlichkeit Höhengasthaus „Löwen“ in Schönwald – Escheck Das Höhengasthaus „Löwen“ in Schön­ wald – Escheck liegt ca. 1 Kilometer außer­ halb des Dorfes, dort, wo man von Schön­ wald aus die Paßhöhe in Richtung Furtwan­ gen erreicht, an der Bundesstraße 500 zwi­ schen Triberg und Furtwangen. Laut Auf­ zeichnungen im Schönwalder Heimatbuch kaufte 1832 Josef Kaltenbach aus Gütenbach zusammen mit seinem Schwager Dominik Martin, Kreuzwirt auf der Escheck, 25 Juchert, 1 Viertel, 80 Ruthen Wald, samt Grund und Boden von der Reinerhofbäuerin Juliane Reiner Wtw. für die Summe von 1000 Gulden. Die Hälfte mit ca. 12112 Morgen gehörte künftig zum Besitz des Josef Kalten­ bach. Er erbaute um diese Zeit ein neues Haus mit einer Wirtschaft, die den Namen ,,Löwen“ erhielt. Josef Kaltenbach verheiratete sich im Jahre 1829 mit Juditha Martin. Sie war die Tochter des benachbarten Kreuzwirtes Dominik Martin. Aus dieser Ehe gingen 6 Kinder hervor. Löwenwirt Josef Kaltenbach verstarb mit 34 Jahren. Die Witwe bewirt­ schaftete mit ihren Kindern zusammen die Gaststätte und die dazugehörende Landwirt­ schaft. Die Löwenwirtin verstarb 1866. Der Sohn Emanuel – genannt Descheckmaniel – über­ nahm das Anwesen. Er ehelichte 1868 Bri­ gitte Eschle. Diese Ehe blieb kinderlos, wes­ halb er bereits 1879 den Löwen mit den dazu­ gehörenden Feldern an Coelestin Wurst­ horn aus Gütenbach und dessen Ehefrau Marie Verena geb. Schildecker vom Bühl – Geschwisterkind zu Brigitte Eschle – für 12 000 Mark verkaufte. Löwenwirt Wursthorn betrieb neben sei­ ner Gaststätte und Landwirtschaft noch den Uhrenhandel. Das Geschlecht Wursthorn, als Wirtsleute, war nur von kurzer Dauer, denn bereits 1883 verstarb er. Die Witwe ver- heiratete sich ein zweitesmal mit Christian Wöhrle aus Hornberg. Die einzige Tochter des Löwenwirtes Edwine Wursthorn ehelichte 1892 Klemens Kaltenbach, Bäckermeister aus der Kirnacher Straße, heutige Bäckerei Wunsch. Hier beginnt die Ahnenreihe der heutigen Besitzer Kaltenbach. Der Sohn von Klemens Kaltenbach, Albert Kaltenbach, verheiratete Küchenmeister August Guter, Fachlehrer an der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststät­ tengewerbe in Villingen-Schwenningen, wurde am 14. 10. 1988 im Frankfurter Hotel Plaza Gewinner des Wettbewerbs um die „ Goldene Kochmütze 1988″. Außerdem erzielte er mit der Jugendmannschaft des „ Vereins der Köche Hoch­ schwarzwald“ bei der Olympiade der Köche in Frankfurt die beste Bewertung unter den Jugend­ mannschaften der Bundesrepublik Deutschland. Dafür erhielt er mit den Auszubildenden aus dem Schwarzwa/d-Baar-Kreis eine Goldmedaille. 273

sich 1922 mit Rosa Storz vom Bühl. Albert Kaltenbach und Christian Wöhrle bewirt­ schafteten bis 1936 gemeinsam das Anwesen Löwen. Aufgrund eines Erbvertrages konnte erst 1942 das gesamte Anwesen an Albert Kal­ tenbach übereignet werden. Ein geeigneter Nachfolger fand sich mit dem im Jahre 1933 geborenen Sohn Heinrich Kaltenbach. Die Übergabe des Gasthauses an ihn fand 1967 statt. Heinrich Kaltenbach verheiratete sich 1959 mit Helga Thoma aus Hinterzarten. Aus dieser Ehe gingen 3 Kinder hervor. Durch den Bau der Schwarzwaldbahn und der Ausbau der Straßen wurde der Schwarzwald im Raum Triberg erschlossen. Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts kamen sehr viele Gäste, um die Schwarzwaldbahn und die Triberger Wasser- fälle zu besichtigen. So kamen sie auch auf die Höhen nach Schönwald. Im Sommer war dies besonders der Fall. Als Ende der achtziger Jahre die ersten Norweger mit Schneeschuhen nach Schön­ wald kamen und von den Höhen der Esch­ eck ins Dorf gute Abfahrten fanden, entwik­ kelte sich Schönwald immer mehr zu einem Kurort und Wintersportplatz. Löwenwirt Albert Kaltenbach hatte diese Entwicklung rechtzeitig erkannt. Der Ausbau einer lei­ stungsfähigen gastronomischen Existenz bot sich für das Gasthaus „Löwen“ geradezu an. Aufgrund des immer größer gewordenen Freizeitangebotes und des von der Gemeinde Schönwald erschlossenen Wan­ der- und Skigebietes im Bereich der Escheck und Umgebung wurde der „Löwen“ von Zeit zu Zeit ausgebaut und modernisiert. 274

Im Jahre 1957 wurde ein Saalanbau mit 80 Sitzplätzen erstellt. Durch den Ausbau der Bundesstraße 500 konnten auch Parkplätze erstellt werden. Es stehen heute den Gästen 35 hauseigene und 90 der Straßenbauverwal­ tung gehörende Stellplätze zur Verfügung. Im Jahre 1972 entschlossen sich Heinrich Kaltenbach und seine tatkräftige Frau Helga, das Gasthaus „Löwen“ von Grund auf zu modernisieren. Der im Hause befindliche landwirtschaftliche Trakt wurde stillgelegt und ausgebaut. Die 10 Zweibettzimmer und das 1 Drei­ bettzimmer wurden mit Duschen und WC ausgestattet. Gaststube, Saal und Fernseh­ raum wurden sehr geschmackvoll gestaltet. Das Gasthaus „Löwen“ verfügt jetzt insge­ samt über 120 Sitzplätze. Zu einer behaglichen Gaststube gehört auch eine gute Küche. Bei den Umbaumaß­ nahmen entstand eine große Küche. Im ,,Löwen“ hatte man von jeher schon gut ge­ gessen. Seit 1986 steht dem Betriebsinhaber sein Sohn Alexander mit Frau Brigitte zur Seite. Mit dem Sohn Alexander kam erstmals ein gelernter Koch in die Küche. Seine Fähig­ keiten erlernte er im Hotel Ketterer in Villin­ gen. Im Gasthaus „Löwen“ wird den Gästen eine reichhaltige Speisekarte vorgelegt; der Küchenchef hat sich besonders auf Schwarz­ wälder Gerichte spezialisiert. Als besonderer Leckerbissen – und den schätzen die vielen Wanderer und Skilang­ läufer besonders – gilt der gute Kuchen mit Kaffee. Der Kuchen wird von der Chefin selbst gebacken und von freundlichen Bedie­ nungen serviert. Wenn an Wintertagen auf 275

den Höhen der Schnee liegt und über die Berge die Sonne scheint, nimmt der Kaffee­ betrieb manchmal große Ausmaße an. Auch die Urlaubsgäste loben die Gast­ freundschaft der Familie Kaltenbach. Sie fühlen sich wie zuhause. Ein Beweis hierfür ist, daß fast jedes Jahr langjährige Gäste durch die Kurverwaltung für ihre Treue zum Gasthaus „Löwen“ und darüber hinaus für Schönwald geehrt werden. Das Höhengasthaus „Löwen“ ist eine sehr schöne, gemütliche und gut eingerichtete Stätte der Gastlichkeit. Es möchte auch in der Zukunft eine gutbürgerliche Gaststätte blei­ ben. Emil Rimmele Das Höhengasthaus Kolmenhof an der Donauquelle Auf dem Weg zur Donauquelle oder auch zur Martinskapelle kann man heute den Kol­ menhof nicht mehr übersehen. Das war nicht immer so und ist vor allem den vielfäl­ tigen Umgestaltungen der Außenanlagen in den letzten Jahren zuzuschreiben. Der Kol­ menhofwirt Franz Dold führte sie durch, nachdem er das Gasthaus 1981 von seinen Eltern übernommen hatte. Zuvor bewirt­ schafteten sie den eigentlichen Kolmenhof. Es ist dieses in der Bedeutung des Wortes der Bauernhof an der Bergkuppe. Obwohl dieser Kolmenhof dem Bergsattel mit der St.-Mar­ tins-Kapelle tatsächlich am nächsten war, fand sich zwischen den beiden Stellen noch dieser herrliche Standort für ein Gasthaus, mit dessen Einrichtung und Betrieb die Eltern Willy und Klara Dold 1957 begannen. Viele Pensionsgäste brauchten ihr Ferien­ domizil nun lediglich 300 Meter weiter oben am Berg zu suchen, denn sie waren schon in früheren Jahren regelmäßig Feriengäste auf dem Bauernhof der Familie Dold. Dadurch war der Plan, ein Gasthaus zu bauen, über­ haupt erst entstanden. Und die Entwicklung des Fremdenverkehrs hat den Aufbau dieses Gastwirtschafts- und Pensionsbetriebes be­ günstigt. Darüber machte sich der heutige Wirt damals allerdings noch keine Gedanken. Als er seine Schulzeit beendet hatte, begann er nämlich eine Ausbildung zum Automecha­ niker. Aber schon während dieser Lehrzeit erkannte er, daß er sein Hobby zum Beruf gemacht hatte. An den freien Wochenenden 276 stand er bald neben der Mutter am großen Herd. Und so kam es auch,daß er gleich nach Abschluß der ersten Lehre 1973 eine zweite begann. Er wollte Koch werden, und sein neuer Arbeitsplatz war im Parkhotel Wehrle in Triberg. Leider mußte er diese Ausbildung bald unterbrechen, weil der Wehrdienst zu leisten war. Nach der Bundeswehrzeit wurde er im elterlichen Betrieb so dringend benö­ tigt, daß an eine Fortsetzung der Berufsaus­ bildung nicht mehr zu denken war. Erst ab 1976 war es ihm möglich, in der Zeit zwi­ schen Schneeschmelze und Sommerfrische, wenn es auf dem Kolmenhof wenig Gäste gibt, jeweils für einige Monate als Praktikant in den Küchen verschiedener bekannter G.1sthäuser zu arbeiten. Die dort gesammel­ ten Erfahrungen ergänzte er 1978 durch Kenntnisse aus einem Lehrgang und legte im gleichen Jahr seine Gesellenprüfung als Koch ab. 1978 übernahm er in Furtwangen eine kleine Gastwirtschaft, die er bis 1981 führte. Dann machten zunehmende Gesundheits­ probleme der Eltern den bereits erwähnten Führungswechsel auf dem Kolmenhof not­ wendig. Vom ersten Tag an begann er, gezielt für seine Pensionsgäste zu werben. Viele wurden persönlich angeschrieben und auf besondere Aktionen wie z.B. eine Werbepauschale hin­ gewiesen. Zu diesem Engagement kam das Können und der Fleiß eines geschickten Handwerkers mit dem Blick für das tech­ nisch Notwendige oder Mögliche. So wurde auch gleich mit der gründlichen Renovie-

rung und Umgestaltung der Fremdenzim­ mer begonnen. Fast alle Zimmer haben heute Dusche und WC. Dadurch sind die Zimmer aber keinesfalls enger geworden, das Gegen­ teil ist der Fall, denn durch eine Änderung des Grundrisses sind weniger aber größere Zimmer entstanden. Außerdem haben die Zimmer alle den TV-Anschluß und das Selbstwähltelefon. Aber der Komfort blieb natürlich nicht auf die Zimmer beschränkt. Schon die Eltern hatten eine Sauna einge­ richtet, die inzwischen durch einen Fitneß­ raum und ein Solarium ergänzt wurde. Diese Einrichtungen stehen den Pensionsgästen genauso zur Verfügung wie der Tischtennis­ platz oder der Fernsehraum. Aber auch die Restaurantgäste kommen beim neuen Wirt nicht zu kurz. Das Lokal selbst wurde im rustikalen Stil neu hergerichtet. Geschmack­ voll ergänzt wird diese Einrichtung durch diverse Sammlerstücke, die ein weiteres Hobby des Wirtes verraten. Schließlich erfuhr auch die Außenanlage eine grundle­ gende Umwandlung. Der Forellenweiher wurde neu angelegt, für die Kinder ist ein großzügiger Spielplatz vorhanden, der von der Terrasse aus zu übersehen ist, und eine große Informationstafel – ebenfalls im rusti­ kalen Schwarzwälderstil – hilft jedem Passan­ ten an diesem markanten Ort mit Auskunft und wirbt ihn natürlich auch als Gast. Ein hölzerner Torbogen weist jetzt deutlich sichtbar den Weg zur Donauquelle. Am ein­ drucksvollsten ist aber die neugestaltete Fas­ sade der Eingangsseite des Kolmenhofes. Sie paßt ideal in die Landschaft und wird ergänzt durch den neu gepflasterten Zugangsweg zum Haus und die verbesserte Anordnung der Sitzplätze auf der Terrasse. Meistens hat Franz Dold selbst mit Hand angelegt – sofern es der Betrieb zuließ oder in den Betriebsferien -, wenn es darum ging, das Haus als Blickfang herauszuputzen. Aber nicht nur am Äußeren ist ihm gele­ gen. Die Neuerungen müssen auch prakti­ schen Wert aufweisen. So ist es zu verstehen, daß die Küche ebenfalls kaum wiederzuer­ kennen ist. Personal ist in der Gastronomie immer wieder knapp, deshalb muß die Arbeit in ihrem Ablauf optimal eingeteilt werden. Zur weiteren Erleichterung der Arbeit helfen Geräte und Maschinen nach dem neuesten Stand der Technik, aber auch die sinnvolle Anordnung der Arbeitsplätze. Dafür waren bis zum heutigen Stand eben­ falls mehrere Änderungen nötig. Die Bemü­ hungen des Wirtes, seinen Betrieb immer auf dem neuesten Stand zu haben, resultieren auch aus der Tatsache, daß der Kolmenhof ein Ausbildungsbetrieb ist. Herr Dold bildet junge Menschen für die Berufe Restaurant­ fachmann/-frau und Koch/Köchin aus. Seit 1988 ist er nämlich auch Restaurantfach­ mann von Beruf, und er möchte, daß man bei ihm unter den bestmöglichen Bedingun­ gen diese beiden Berufe erlernen kann. Lei­ der bietet die Speisekarte eines Ausflugsloka­ les einem Auszubildenden nicht die Varia­ tionen eines Gourmetrestaurants an, aber es gibt immer wieder kleine Feiern oder Aus­ flüge auf Voranmeldung, bei denen kulina­ rische Besonderheiten auf den Tisch kom­ men. Doch auch eine Schwarzwaldforelle richtig zu servieren, will gelernt sein. Und die hungrigen Wanderer oder Langläufer sind meistens froh, wenn sie eine einfache Mahl­ zeit bekommen, die sie bei der Fortsetzung der Tour nicht unnötig belastet. So findet man auch immer ein vegetarisches Gericht auf der Speisekarte, denn die Sportler machen einen großen Teil der Gäste aus. Das liegt in erster Linie an der idealen Lage des Kolmenhofes. Wanderer finden ihn am Westweg Pforzheim-Basel. Aber auch direkt vom Kolmenhof aus kann man viele schöne Wanderungen und Ausflüge durchführen. Sie führen zu dem Naturdenkmal der Gün­ therfelsen, zum Brend, zur Elzquelle oder zur Schwedenschanze. Diese Möglichkeiten für Ausflüge schätzen natürlich die Pensions­ gäste sehr. Entsprechend günstig Liegt der Kolmenhof im Winter für die Langläufer, nämlich am Fernskiwanderweg von Schon­ ach zum Belchen und in unmittelbarer Nähe der Skiloipe Martinskapelle. Dort kann man sogar noch abends bei Flutlicht langlaufen. 277

In dieser Langlaufspur werden jeden Winter viele Wettkämpfe ausgetragen, dabei sind auch internationale wie z.B. „Rund um Neu­ kirch“. In schneearmen Wintern kommt es sogar vor, daß Wettkämpfe von anderen Orten hierher verlegt werden müssen. Oft ist nur noch auf der „Schneeinsel“ Martinska­ pelle genügend Schnee für eine solche Ver­ anstaltung vorhanden. Schließlich führt auch noch der spektakuläre Schwarzwälder­ Ski-Marathon durch dieses Gebiet. Da ist es selbstverständlich, daß das Gebiet um die Martinskapelle von den ver- 278 schiedenen Skiverbänden als Empfehlung für Trainingslager weitergegeben wird. So kommt es, daß der Deutsche Skiverband mit seinen Sportlern im Kolmenhof zu Gast war, ebenso die Nationalmannschaft der Leicht­ athleten (Zehnkämpfer), der Württember­ gische Radsportverband, der Schwarzwälder Skiverband und der Hessische Skiverband. Auch ein Landesverband der Geher hatte schon mehrmals im Kolmenhof �artier, denn sie wählten die Gegend für ihr Höhen­ training (1098 Meter) aus. Manchmal treffen aber auch Sportler

besonderer Art am Kolmenhof und vielmehr an der Donauquelle ein. Sie haben sich vor­ genommen, der Donau entlang zu wandern oder zu radeln. Aus den verschiedensten Ländern, vor allem auch aus Südosteuropa kommen sie hierher und beginnen ihre Tour natürlich am Ursprung dieses großen euro­ päischen Flusses. Für sie oder ähnliche Donaubewunderer hat Herr Dold nun eine Urkunde entworfen, die dem Reisenden bestätigt, an der Q!ielle der Donau gestanden zu haben. Neben zwei Zeichnungen von Bernhard Müller prangt auf dieser Urkunde ein Gedicht über die Q!ielle, das Eva Hönick hierfür geschrieben hat. Einmal waren es Handwerksburschen auf der Wanderschaft, die diese Urkunde gerne in ihr bescheidenes Gepäck genommen haben. Wer sich die Donauquelle zum Ziel seines Sonntagsausfluges gewählt hat, dem genügt aber meistens auch schon eine Ansichtskarte zur Erinnerung an diesen Ort. Schließlich gibt es in der näheren Umgebung noch mehr historische und geographische Sehenswür­ digkeiten zu bestaunen. Als erstes bietet sich die Martinskapelle aus dem 9. Jahrhundert an. Sie steht oberhalb des Kolmenhofes und gehört zum Familienbesitz der Dolds. Direkt neben dem Kolmenhof steht das Lukasen­ häusle, in dem man unter der fachkundigen Führung der Besitzerin eine Bauernküche von 1650 besichtigen kann, die noch heute bewohnt und benutzt wird. Dieses Haus steht außerdem direkt an der Wasserscheide zwischen Donau und Rhein. Mit solchen Aufwartungen in unmittelba­ rer Nähe verwundert es nicht, daß der Kol­ menhof auch schon Herberge für verschie­ dene Fernsehteams war. So waren die ARD und das ZDF, ebenso wie der Südwestfunk im Kolmenhof zu Gast, aber auch Fernseh­ leute aus Japan und aus HolJand. Diese Besuche bringen Abwechslung in ein Berggasthaus, denn die ·meisten Gäste sind Menschen auf der Suche nach Erholung in der Natur. Diese finden sie hier auch zu jeder Jahreszeit, nicht nur, wenn gerade die Heidelbeeren reif sind oder die Arnika blühen. 280 Und einmal im Jahr kommen auf dem Kolmenhof Gäste zusammen, die alle mit dem Wirt ein Hobby gemeinsam haben. Immer Ende September oder Anfang Okto­ ber findet schon fast traditionsgemäß an einem Wochenende das Oldtimertreffen statt. Dann rollen die liebevoll gepflegten alten Autos zum Teil von recht weit an und versammeln sich um die alte Gangsterlimou­ sine von Franz Dold. Diese hat er mit viel Geduld und Liebe zum Original wieder her­ gerichtet und betriebstüchtig gemacht. Das Gasthaus läßt ihm zwar fast keine Zeit dazu, aber die Autos sind sein Hobby geblieben. Manchmal reicht es in den Sommermo­ naten – wenn am Ruhetag auch noch schö­ nes Wetter ist- zu einer kleinen Ausfahrt in1 Oldie. Darauf freuen sich auch Frau und Kin­ der. Mit ihnen wird so ein Ausflug zum geschätzten Familiennachmittag und bringt allen eine willkommene Abwechslung zum Alltag, der im Kolmenhof danach wieder um so engagierter angegangen wird. A. Dold Obedfride Es leit de Dag zmol d‘ Endschue aa, ear hätt hitt vill z’verwäsit k’ha und will jetz endli mol si Rueh, goht liisli no de Dämmring zue. Au d’Sunn hätt sech uff d‘ Siite gleit, und ’s Bättzittglöckli schloof wohl gseit. E ganz lind Lüftli schtriichlet d‘ Schtriiß, verschreit en Duft vu Frocht und Riis. Verschbootet fliigt e Schwälbli ii, ’s mueß uhnig bsorgt um d‘ Kinder sii. Im Heard ischt ’s Fiirwearch gange uus, es wartet ’s Bänkli vorem Huus. „Hei Vatter, kumm, bring ’s Pfiifli mit, verzell vu friehre Ziite hitt!“ A d‘ Modder loan ech selli noh. … Jetz ischt de Obedfriide doo. Gottfried Schafbuch

Sport und Wettkämpfe Internationaler Pferdesport in Donaueschingen Im Almanach 79 (Seite 114 -117) wurde zum ersten Mal über die bedeutende sportliche Ver­ anstaltung in Donaueschingen berichtet. Im nachfolgenden Beitrag wird besonders auf die weitere Entwicklung eingegangen. Als in den Jahren 1954 und 1956 im Fürstl. Fürstenbergischen Schloßpark ein kleines ländliches Turnier mit Reitern aus der Region veranstaltet wurde, ahnte wohl nie­ mand, welches pferdesportliche Ereignis sich daraus entwickeln sollte. Unter der Schirm­ herrschaft des Hauses Fürstenberg fand im Jahre 1959 das erste Grenzlandturnier statt. Es wurde als Prinz-Kari-Gedächtnisturnier ausgeschrieben, in Erinnerung an den leider so früh verstorbenen Prinzen Kari zu Für­ stenberg, der dem Reitsport sehr verbunden war. Dank der wohlwollenden Förderung durch den damaligen Erbprinzen und heuti­ gen Fürsten Joachim zu Fürstenberg nahm das Turnier in den folgenden Jahren einen kontinuierlichen Aufschwung. Ab dem Jahr 1965 erfolgte der Übergang zum internationalen Turnier, dem sog. CHI (Concours Hippique International), mit den Sparten Springen, Dressur und Fahren. Ein Jahr später wurden erstmals die höchsten in­ ternationalen Dressurprüfungen vor dem Schloß geritten. Sieger im Großen Preis war damals Dr. Reiner Klimke, der sich auch in den folgenden Jahren neben Josef Necker­ mann, Lieselott Linsenhoff und Harry Boldt in die Siegerliste eintrug. Ein großes sportliches Erlebnis war im Jahr 1977 die Europameisterschaft im Vierer­ zugfahren. Dem sportlichen Höhepunkt folgte auf dem Fuße ein finanzielles Water­ loo. Unter dem Druck des internationalen Anspruchs war das Turnier in die roten Zah­ len gelangt, und es drohte das „Aus“. In dieser überaus schwierigen Situation gründeten das Fürstenhaus, die Stadt Do­ naueschingen und der Reit- und Fahrverein Schwenningen eine Veranstaltergemein­ schaft, die die Fortführung des CHI sicherte. Damit war es möglich, das inzwischen zu hohem internationalen Ansehen gelangte Turnier unter der sportlichen Leitung des Reit- und Fahrvereins Schwenningen fortzu­ führen. Es folgte im Jahre 1979 die Gründung der Fürstenberg Reit- und Fahrturniere, die mit Unterstützung des Landes Baden-Würt­ tem berg im F. F. Altpark ein völlig neues Rei­ terstadion mit überdachter Tribüne für 2400 Zuschauer, neuem Richterhaus, Turnier­ büro, Pressebüro und Stehwall errichtete. Die Folge waren größere internationale Aufgaben unter der Turnierleitung der Her­ ren Dr. Jürgen Jung, Manfred Link und Hel­ mut Riegger. Das Vertrauen in diese Turnierleitung und in die Veranstaltungsträger Fürstenhaus, Stadt Donaueschingen und Reitverein Schwenningen war so groß, daß man unter sieben Bewerbern im Jahre 1986 die Ausrich­ tung des Offtziellen Internationalen Dres­ sur-, Spring- und Fahrturniers der Bundesre­ publik Deutschland (CHIO) übertragen bekam. Dies durfte einerseits als Geschenk zum 30. Jubiläum gewertet werden, anderer­ seits aber auch als eine große verantwor­ tungsvolle Aufgabe, die es zu bewältigen galt. Beinahe wäre dieses erste CHIO in Donaueschingen noch gescheitert, als näm­ lich am 22. April 1986 im Tribünenoberge­ schoß ein Brand ausbrach. Nur der Aufmerk­ samkeit eines Donaueschinger Bürgers und dem raschen Eingreifen der Donaueschinger Feuerwehr war es zu verdanken, daß nicht die ganze Tribünenanlage den Flammen zum Opfer fiel. Im Eiltempo wurde der Schaden beho­ ben, und termingemäß zum 3. September 281

1986 konnte das Turnier beginnen. Bei herrli­ chem Wetter und vor einer großen Zu­ schauerkulisse vollzog sich 5 Tage lang ein internationales Turnier, das in allen drei Sparten -Dressur, Springen und Viererzug­ fahren -hochkarätig besetzt war und das in jeder Hinsicht ein voller Erfolg war. So konn­ ten am Ende nahezu 40 000 Besucher und 282 eine über dreistündige Präsenz des Fernse­ hens vermeldet werden. Die Medien waren des Lobes voll über das gelungene Turnier, und auch die nationalen und internationalen Reiterverbände bestätigten dem Ausrichter ein hervorragendes Turnier. Neben diesem wohl einmaligen CHIO darf aber nicht vergessen werden, daß in den

Jahren davor und danach zahlreiche Europa­ meisterschaften und internationale Cham­ pionate stattgefunden haben und auch noch stattfinden werden. Es gibt wohl kaum eine ähnliche Sportveranstaltung in der Region, an der so viele Olympiasieger, Welt- und Europameister an den Start gingen und noch gehen werden. Zwischenzeitlich ist in der Turnierleitung ein Wechsel eingetreten. Das CHI Donau­ eschingen wird traditionell weitergeführt, in herrlicher Umgebung, mit internationaler Besetzung und im bekannten familiären Rahmen, der dieses Turnier bei Reitern, Fah­ rern, Funktionären und Besuchern so sympa­ thisch macht. Hans-Peter Probst 283

Die Mattenschanze Furtwangen Fast eine Million Mark wurde in den Jah­ ren 1985 bis 1987 investiert, um die zehn Jahre alte Kohlhepp-Schanze an der zum Brend führenden Rabenstraße in Furtwan­ gen zur Mattenschanze umzubauen. Ein gro­ ßer Wunsch ging im Herbst 1987 mit deren Eröffnung in Erfüllung: Eine ideale Trai­ ningsschanze für die heimischen Springer, für die Sportler aus dem gesamten Gebiet des mittleren Schwarzwaldes und für die Ange­ hörigen des Skiinternats Furtwangen steht das ganze Jahr über zur Verfügung. Sie ist beleuchtet, so daß auch bis in die Nachtstun­ den hinein gesprungen werden kann. Die Mattenschanze hat ihre Bewährungsprobe längst bestanden, denn auf ihr wurden bereits mehrere tausend Sprünge ohne Ver­ letzungen absolviert. Die Rekordmarke ist am 29. März 1987 von Uli Boll (SC Blasi­ wald) mit 61 m gesetzt worden. Entscheidender Auslöser für den Umbau war das im Herbst 1984 in Furtwangen in Betrieb gegangene Skiinternat, der Schule für Berufsausbildung und Leistungssport in Furtwangen. Der Skiverband Schwarzwald mit Sitz in Freiburg bemühte sich von Anfang an um diesen Schanzenausbau und in vielen und intensiven Gesprächen konnte im Jahr 1985 mit den jeweiligen Fachverbän­ den, Bund, Land und Stadt ein Finanzie­ rungsplan erstellt und genehmigt werden. Die Schanze ist im Strukturplan des Deut­ schen Skiverbandes enthalten. Bauherr war der Ski-Club Furtwangen. Planung und Bauleitung wurde an das in solchen Dingen erfahrene Ingenieurbüro Dipl. Ing. Greiner in Donaueschingen ver­ geben. Mit den sensiblen Vorgaben an die maß- und höhengerechte Ausführung der Anlauf- und Aufsprungsbahn waren Baulei­ ter und Baufirmen gleichermaßen gefordert. Dank der guten Zusammenarbeit konnte ein den Anforderungen gerechtes Werk geschaf­ fen werden. Die Bauarbeiten begannen Anfang Sep- 284 tember 1985 und das gesteckte Ziel wurde dank einer langanhaltenden Schönwetter­ periode noch vor Wintereinbruch erreicht, nämlich schwierige Geländearbeiten zur Ver­ änderung des Schanzenprofils, umfang­ reiche Drainage- und Leitungsarbeiten und im Aufsprung die Betonunterkonstruktion für die Matten. Gerade noch vor Winterein­ bruch im November 1985 konnte das Netz im gesamten Aufsprungsbereich von Hel­ fern unseres Skiclubs angebracht werden, mit dem im Winter der Schnee „festgehalten“ wird.

Der Ski-Club hatte sich vorgenommen, bis zum Sommer 1986 die gesamten Matten in Eigenarbeit herzustellen und auf der Schanze zu verlegen. Dank des enormen Ein­ satzes vieler Mitglieder konnte dieses Ziel erreicht werden; nach mehr als 5.000 Stun­ den Arbeitseinsatz waren 9.000 Kunststoff­ matten im frühen Herbst 1986 auf der Schanze verlegt. Die anderen Arbeiten gin­ gen zügig voran, so wurde eine Beregnungs­ anlage installiert, Wege wurden angelegt, der Anlaufturm ist verändert worden, eine vor­ handene Hütte wurde für die Aufnahme technischer Einrichtungen und Geräte erwei­ tert und schließlich ist die gesamte Anlage eingezäunt worden. Im Sommer 1987 sind die Rollrasenarbeiten für den Sicherheitsstrei­ fen beidseits des Mattenbelags und am Aus­ lauf vorgenommen worden und zum Winter 87 /88 war die Anlage fertig. Technische Daten der umgebauten Schanze: NP = Normpunkt = 45,0 m HIN = 0,50 KP= Kritischer Punkt = 58,0 m TP = Tabellenpunkt = 51,5 m Die Veränderung des Höhen- und Nei­ gungsverhältnisses von bisher 0,52 auf 0,50 ist mit dem FIS-Beauftragten für Schanzen­ wesen, Herrn Wolfgang Happle, abgespro­ chen. Aufgrund seines Inspektionsberichts erhielt der Ski-Club das FIS-Zertifikat für internationale Wettbewerbe. Der Kostenanschlag aus dem Jahr 1985 konnte eingehalten werden, es entstanden 870.000 DM Ausgaben, die Eigenleistung des Ski-Clubs hat einen Wert von 50.000 DM und diejenige der Stadt Furtwangen rund 60.000 DM. Zur Finanzierung der Baukosten mit 980.000 DM standen neben den Eigen­ leistungen Zuschüsse des Badischen Sport­ bundes mit 282.000 DM, des Bundesinnen­ ministeriums und des Ministeriums für Kul­ tus und Sport Baden-Württemberg mit je 294.000 DM und der Stadt Furtwangen mit 24.000 DM zur Verfügung. Die Stadt Furtwangen ist um eine weitere, reicher Sporteinrichtung überörtliche geworden. Mit der Inbetriebnahme der zur Mattenschanze ausgebauten Kohlhepp­ schanze stellt diese sportfreundliche Stadt einmal mehr ihre überragende Bedeutung für den nordischen Wintersport im Schwarz­ wald unter Beweis. Winter- und Sommertrai­ ning sind jetzt für den nordischen Skisport in optimaler Weise in Furtwangen möglich. Die Mattenschanze rundet das Angebot für nor­ dische Kombinierer und Spezialspringer ab. Die Frage, was diese Anlage für die Sprin­ ger bedeutet, beantwortet der Nordische Sportwart im Skiverband Schwarzwald, Uli Gasehe, folgendermaßen: »Die Furtwanger Mattenschanze liegt im Zentrum des Schwarzwaldes. Sie ist ohne große Fahrtstrecken für die meisten Springer zu erreichen. Vorher mußten Schanzen in Bayern und im Ausland zum Training benutzt werden. Das bedeutete viel Zeitver­ lust. Es ist unseren Springern jetzt möglich, 60 bis 70 % des Vorbereitungstrainings in Furtwangen zu absolvieren“. Peter Grether ··��� Ende der Hektik Das Echo der hektisch lauten Welt wird vom Widerstand vielnamiger Berge gebrochen und abgenutzt, bis es letztlich einsilbig in irgendeinem Talgrund verlorengeht – Auch dieses Echo hat immer das letzte Wort, aber entlarvt seinen Ursprung bis zur Lächerlichkeit mit wiederholten Paraphrasen – phrasen – – phrasen – – – phrasen – Jürgen Henckell 285

Prosa und Lyrik aus unserer Heimat kung zuschrieb. Das Grautier blickte bei Christi Geburt über die Krippe zum Kind hin und trug es und die Gottesmutter auf der Flucht vor Herodes nach Ägypten. Der Hei­ land ritt 30 Jahre später beim Einzug nach Jerusalem auf einem Esel. Dieser „Palmesel“ ist heute noch (meist aufRädern, da er in Pro­ zessionen mitgeführt wurde) in manchen Kirchen oder Sakristeien zu finden. Wer im Mittelalter die Trommel rührte, schlug die Schlegel auf das Pergament der Eselshaut. In der Romanik baute man Wen­ deltreppen, die für die Baumaterial schlep­ penden Packesel begehbar waren. Man nennt sie in der Architektur „Eselstreppen“. Ein anderer kunsthistorischer Begriff ist der Eselsrücken, ein Spitzbogen aus Stein über einem Portal. Auch dieser Bauteil hat gar viel zu tragen. Im 14. Jahrhundert schildert ein französi­ scher Philosoph Buridan einen Esel, der ver­ hungerte, weil er sich nicht zwischen zwei Plädoyer für einen Esel „Du dummer Esel!“ Immer wird das Grautier bezichtigt, faul, störrisch und dumm zu sein. Warum diese verächtliche Aussage? Ich bin kein Jurist, nur ein Laie. Dennoch möchte ich die Verteidigung dieses dem Pferd verwandten Tieres übernehmen. Ich bin der Meinung, man tut ihm unrecht. Mit seinen langen Ohren ist der „asinus“ ein geduldiger Zuhörer, der zu allem „ia“ = ja sagt. Er ist bescheiden im Bezug aufN ahrung und Pflege. Genügsam, kann man auch sagen. Er verschmäht selbt Disteln nicht. Er hat viel zu tragen und zu ertragen, denn man benutzt ihn, besonders in südlichen Län­ dern, als Lasttier. Der „Saum“ ist die Last. Deshalb nennt man den schmalen Weg, den der arme Esel treten muß, den Saumpfad. Hier stellt er seine Duldsamkeit, Ausdauer und Trittfestigkeit unter Beweis. Ganz besonders „lästig“ kann ihm jedoch der auf schwerem, hölzernem Sattel sitzende, unruhig zappelnde, ängstlich schreiende Tourist wer­ den, der s e i n e Füße schonen möchte. Hart an Tierquälerei grenzt es, wenn der Eselsfüh­ rer dann den Quast des Schwanzes des Vier­ beiners als Steuer oder Bremse benutzt. Ein Sprichwort sagt: „Wer sich zum Esel macht, dem will jeder seine Säcke auflegen.“ Hier warnt der Volksmund davor, wie sich jede Gutmütigkeit ausnutzen läßt. Daß der Esel einmal rebelliert, wenn es ihm gar zu viel wird, nimmt man ihm übel. Dabei ist es rei­ ner Selbstschutz, der ihn zuweilen störrisch werden läßt. Schon vor Christi Geburt war der Esel dem Menschen dienlich. Auf ägyptischen Grabtafeln ist er bereits dargestellt. Die syrische Stadt Damaskus heißt „Stadt der Esel“. Die Römerinnen badeten in der Milch der Eselinnen, der man auch heilende Wir- 286

Brief an P. Q!tintilius Varus Heuhaufen entscheiden konnte. Ich meine, das war weniger mangelnde Intelligenz als Unentschlossenheit. Für Mönche und Mül­ ler waren die Maultiere, eine Kreuzung zwi­ schen Pferd und Esel, gute Nutz-und Haus­ tiere. Ist es nicht eine tiefe Symbolik, daß der ,,dumme“ Esel uns, wie die Franzosen sagen, „pohs des anes“, nämlich Brücken baut, um ein Wort wiederzufinden, das sonst unserem Gedächtnis verloren gehen würde. Auch eine ähnliche Merkhilfe, das Eselsohr, der Knick, mit dem man eine besondere Seite eines Buches kennzeichnen kann, erleichtert uns manches, wenngleich auch der Schüler meist dafür eine Rüge einstecken muß. Ein Mitverteidiger des Esels scheint mir Marc Chagall zu sein, der auf unzähligen Bildern den Esel festgehalten hat. Dieser Lieber Publius Q!iintilius Varus, nach altrömischem Brauch darf ich Dich mit dem trauten „Du“ anreden, ich kenne Dich nämlich seit meiner Kindheit wie Deine großen Landsleute Caesar, Cicero und Augustus oder Livius, Vergil und Horaz, von den vielen anderen nicht zu reden. Auch die Idee, Dir diesen Brief zu schreiben, kam von einem Nachfahren Deines liebenswürdigen Volkes. Gerade zehn Jahre alt, hörte und las ich im Lateinbuch für Anfänger von der Schlacht, die nach Dir benannt ist, und das Bild davon wird mir mein Leben lang in Erinnerung blei­ ben: Germanen kämpften mit nacktem Oberkörper, worüber Du wahrscheinlich gelacht hättest, in einer geschlossenen Reihe mit Schwertern gegen Deine gepanzerten Soldaten, die sich mit langen Lanzen zur Wehr setzten. Das Kriegführen war schon immer eine schreckliche Sache, damals wie heute, aber die Menschen haben es nie so recht begriffen -viele wenigstens nicht. blickt oft mit großen Augen den Besucher an, als wolle er fragen: ,, Was habt Ihr gegen mich?“ Fest steht, daß dieser bedeutende, zeitgenössische Maler das Grautier durch seine künstlerische Schau aufgewertet hat. Eine Eselei ist weniger eine Dummheit als eine Torheit. Der Unterschied liegt darin, daß der Dumme nichts kann und der Törichte zu gutmütig ist, um seine Schlau­ heit herauszukehren. Ob meine Argumente einen Juristen lächeln lassen, ist mir nicht so wichtig. Wenn ich nur einige wenige Menschen davon über­ zeugen konnte, daß man diesem liebenswer­ ten, geduldigen, grauen Vierbeiner mehr Ehrerbietung schuldet, dann hatten diese Zeilen einen Sinn. Max Rieple Was Du Dir aber nicht vorstellen konn­ test: Der Ort Deiner Niederlage geriet in Ver­ gessenheit, er ist bis heute noch nicht gefun­ den, obwohl sich Gelehrte vom Range eines Theodor Mommsen darum gekümmert haben. In Münster hielt Professor Hans Erich Stier 1950 Jahre später zu Deinen Ehren ein gutbesuchtes Seminar:,, Übungen zur Varus­ schlacht·, dessen Höhepunkt ein zweitägiger Ausflug in den Teutoburger Wald war -eine vergnügliche Sache für die späten Söhne und Töchter Germaniens. Große Hoffnungen setzten sie damals in die Luftbildarchäologie, die gerade geboren war -doch bis heute ver­ gebens. Wieviel Gelehrtenfleiß und Heimat­ forscherscharfsinn wurde aufgewandt, was wurde alles über Dich geredet und geschrie­ ben! Und es blieb doch alles ein emsiges Umsonst. Mich ließ die neueste Untersuchung über Dein Ende nicht ruhen. Gar nicht im Teuto­ burger Wald, im Arnsberger Wald soll Dein Heer, sollst Du untergegangen sein. Ich 287

schritt den vermuteten Weg ab, ein langes Stück, und versuchte, mich in Deine Lage zu versetzen. Weltuntergangsstimmung lag über der Gegend wie im Jahre 9 nach Christi Geburt. Der Nebel hielt den Wald um­ schlungen, damals mag es noch urchiger Urwald voll Saft und Kraft gewesen sein, heute dämmert ein junger Wald lustlos vor sich hin. Glatteis und alter, weicher Schnee machten das Gehen beschwerlich, und das Schmelzwasser stand in kleinen Seen. Nur der Sturm hielt sich zurück. Viel Zeit blieb Dir nicht, über den Welt­ geist zu philosophieren, der sich so plötzlich auf die Seite Deiner Feinde schlug, selbst nicht über die Abgefeimtheit und Treulosig­ keit Deiner Mitmenschen, insbesondere Dei­ nes Hauptgegners nachzudenken und sie und ihn zu verwünschen. Aber das ist Euch Römern wenigstens gelungen, sicher ohne es zu wollen, den wirklichen Namen dessen, der später als Freiheitsheld, ja als Nationalheld gefeiert wurde und als Idol für Treue galt, zu verbergen, denn der Name Hermann ist von der Wissenschaft angezweifelt und wieder fallengelassen worden. Und mit der germani­ schen Treue kann es auch nicht weit her gewesen sein, man weiß ja, wie Arminius geendet hat. In jener Herbstesnacht, als Dir die Kata­ strophe unabwendbar schien, ist Dir der Sinn der römischen, was für Dich nur bedeuten konnte: der Sinn der Weltgeschichte verdun­ kelt gewesen. Dein geheimer Traum vom Triumphzug über das Forum, Höhepunkt und Ziel jedes römischen Feldherrn, war zer­ ronnen, zerstört der Plan des Kaisers und Deiner, aus Germanien eine römische Pro­ vinz zu machen. Dein Name würde nicht in den Geschichtsbüchern stehen als der des Siegers über die Germanen wie der Caesars über die Gallier. Der Grund würde nicht gelegt werden für ein Land mit reichen Städ­ ten aus steinernen Häusern statt der unan­ sehnlichen Holzhütten in Streusiedlungen, eine Germania felix mit den Gütern und Schätzen Eurer reifen Kultur, reich geworden mit Euren wundervollen Ton-, Glas- und Si!- 288 berwaren; Euer Geld, Euer Recht, Eure Lite­ ratur und Eure Dichtung wolltet Ihr in den Norden bringen, eine feste Grenze sollte das „imperium sine fine“ sichern helfen. Kurz und gut: Eure Kultur, das Beste, was Ihr hat­ tet, sollte den Norden durchdringen. Römer­ tum und Germanentum, schon damals in geistiger Verbindung – welch überwältigend schöne Vision eines Humanismus muß für immer in den vagen Bereichen der historia conditionalis bleiben, und wir werden nie wissen, welche Wege Geist und Politik einge­ schlagen hätten – ohne die „Schlacht im Teu­ toburger Wald“. Doch hatte diese dadurch eine ungeheure geschichtliche Fernwirkung, daß in Ruhe eine Sprache, geistestief und geistesmächtig wie nur noch die griechische, sich entwickeln konnte, in der der Menschheit Werke der Literatur und Dichtung von unschätzbarem Wert geschenkt wurden, die nur in dieser Sprache haben geschrieben werden können. So wäre also aus Deinem Schicksal eine Lehre zu ziehen? Nicht alles, was im Augenblick sinnlos erscheint, ist es auch. Man weiß nie, wofür auch noch ein Unglück gut ist. Selbst diese hausbackene Weisheit war für viele in aus­ sichtsloser Lage der letzte, wenn auch kein geringer Trost. In aller Ergebenheit und Zuneigung für den Unterlegenen Dein Karl Volk Memento eingeladen in die Arena der Dörfer beklatscht und bestaunt von vielen Hunderttausend tanzt er am Himmel alle Tempi durch um im Feuerwirbel die fehlenden Tänzer zu bitten zum Jenseits-Ballett Tod in Ramstein Christiana Steger

Ein unvergeßlicher Abend In meinem Ruhestand genoß ich es, mich ganz der Literatur und der Klaviermusik wid­ men zu können. Ich komponierte sogar einige Sonaten und Lieder, stets in der „klas­ sischen“ Richtung, in der ich aufgewachsen war. Und so erhielt ich denn von den ver­ schiedensten Seiten Aufforderungen zu öffentlichen Veranstaltungen lyrisch-musi­ kalischer Art, die zu meiner Freude ein gutes Echo fanden. U. a. fragte vor Jahren die kul­ turelle Vereinigung einer Stadt am oberen Neckar bei mir an, ob ich nicht auch einmal in ihrem Konzertsaal sprechen und spielen wolle. Ich sagte um so lieber zu, als es mich reizte, die schön am Hang des Neckar gele­ gene alte Stadt mit ihren Türmen und goti­ schen Kirchen kennenzulernen. Zuerst hatte ich vor, mit der Bahn dorthin zu fahren und zu übernachten. Wegen der ungünstigen Zugverbindung zog ich es aber vor, zur Hin­ wie zur Rückfahrt noch am gleichen Abend jeweils einen Mietwagen zu nehmen. Den Fahrer, der nach Ankunft zunächst nach Bad Dürrheim zurückfuhr, bestellte ich zur Rückfahrt mit mir ab Konzerthaus auf 22 Uhr. Da ich noch genügend Zeit hatte, besich­ tigte ich zunächst in aller Ruhe zu Fuß die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Dann zog es mich aber eine Stunde vor Beginn der Ver­ anstaltung, also gegen 19 Uhr, hin zum Kon­ zerthaus, dessen großen Saal ich ungehindert betreten konnte. Es war ein schöner, weiter Raum mit Mauern aus behauenem Stein, mit Vortragsbühne und bereits halbgeöffnetem Konzertflügel und einer modernen Bestuh­ lung von etwa 100 Plätzen. Ein paar Takte, die ich auf dem Blüthnerflügel intonierte, über­ zeugte mich von der hervorragenden Aku­ stik im Saale. So freute ich mich frohen Her­ zens auf ein Musizieren und Sprechen nach Herzenslust vor aufgeschlossenen Men­ schen. Ich ahnte nicht, daß der Abend ganz anders verlaufen sollte. Ich verließ das Gebäude, in dem ich auf keine Menschenseele gestoßen war, und machte noch einen Spaziergang in seinem Umkreis. Gegen 20 Uhr sah es so aus, daß ich mit einem guten Zuspruch rechnen könne. Denn aus einiger Entfernung konnte ich fest­ stellen, daß viele Besucher, vor allem auch jüngere Leute, das Konzerthaus betraten. Kurz vor Glockenschlag acht Uhr abends betrat dann auch ich den Saal. Aber wer beschreibt mein grenzenloses Erstaunen und meine Ernüchterung, als ich nur eine ältere Frau, die die Kasse und zugleich die Garde­ robe bediente, und einen Mann in mittleren Jahren, den Saaldiener und Beschließer, und niemanden sonst in dem weiten Raum vor mir sah. Nicht ein einziger Platz war besetzt. Dabei zeigten mir der jetzt voll aufgedeckte Flügel und ein Rednerpult ebenso wie die prächtige Beleuchtung des Saales an, daß ich mich nicht etwa im Raum geirrt hatte. So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Die Frau an der Kasse, die meine Verwunderung bemerkte, konnte sich das, wie sie sagte, ,,auch nicht erklären“. Der Saaldiener verdeckte seine Verlegenheit durch den Hinweis, daß im gleichen Ge­ bäude um dieselbe Uhrzeit, allerdings ein Stockwerk höher, eine Parteiversammlung stattfinde. Ich konnte mir also wenigstens erklären, wo die vielen Menschen geblieben waren, die ich doch mit eigenen Augen in das Haus hatte gehen sehen. Sie saßen ein Stock­ werk höher, ohne daß man davon etwas hätte hören können. Ich faßte mich, – das muß ich zu meiner Ehre gestehen-, sehr schnell und paßte mich der neuen Lage an. Mich reizte ungeachtet des fehlenden Publikums der prächtige Flü­ gel in dem hellerleuchteten Saal mit seiner wundervollen Akustik so stark, daß ich mich kurzerhand entschloß, vor den beiden älte­ ren Leuten, die ich als meine Gäste begrüßte und etwas nach vorne bat, schon zu meiner eigenen Freude das ganze Programm unge­ kürzt abzuwickeln. Ein für die Besucher und 289

auch zum Aushängen bestimmtes Pro­ gramm, wie es üblicherweise vom Veranstal­ ter hergestellt wird, lag übrigens, wie ich ver­ wundert schon festgestellt hatte, nicht vor. Aber ich hatte mir zu diesem Zeitpunkt nichts weiter gedacht. Jetzt erklangen erst einmal in häufigem Wechsel Klavierwerke und Verse unserer großen abendländischen Kulturwelt, mit der subjektiven Folge, daß ich zu Anfang eigentlich nur für mich selbst spielte und sprach, bis ich mir gewiß wurde, daß da hinten im Saal zwei ältere Menschen, die Kassiererin und der Saaldiener, ganz offensichtlich freudig, ja begeistert zuhörten und sogar in der Weise „mitgingen“, daß sie zweimal „bei offener Szene“ und dann zum Schluß nachdrücklich Beifall spendeten. Dieses immer stärker in mir aufkommende Bewußtsein, nicht nur für mich, sondern für Mitmenschen zu spielen und zu sprechen, spornte mich, wie ich merkte, erst richtig an und steigerte meine Leistung. Ohne es zu­ gleich auch sofort verstandesmäßig zu ver­ arbeiten und das Ergebnis zu formulieren, hatte ich es verspürt und erfühlt, daß der Grundsatz des „l’art pour l’art“, daß der Künstler nämlich nur der Kunst wegen, nicht etwa für den menschlichen Teilnehmer oder Teilhaber seiner Kunst arbeite, daß also nur der objektive Ablauf des Schaffens, nicht aber sein subjektives Ergebnis am Mittel­ punkt stehe, keineswegs eine letzte, höchste Erkenntnis sein könne. Vielmehr müßte oder sollte jede künstlerische Betätigung Bezug haben zu einem Empfanger, also zum Menschen. Noch während ich am Flügel saß, fiel mir hierzu das uralte Sprichwort ein, das ich hier bewahrheitet sah: ,,Geteilte Freude ist doppelte Freude“. Ich war so sehr von Dank und Freude erfüllt, wenigstens zwei Zuhörer zu haben, daß ich mich, wie wenn ich ein großes Publikum gehabt hätte, am Ende des Programms für den Beifall der bei­ den Alten wie üblich mehrmals verbeugte und eine Zugabe sprach und spielte. Diese Meinung, es habe ja ein großes Publikum für mich gegeben, hatte mein Fah­ rer, der mir gratulierte. Er hatte vor dem Kon- 290 zerthaus auf mich gewartet, kurz bevor die zahlreichen Teilnehmer der Parteiversamm­ lung das Haus verließen. Hinter ihnen kam dann ich. Die Aufklärung des seltsamen Abends kam mir wenige Tage später durch einen Zufall, den ich hier nicht schildern will, zu Ohren. Die zuständige Stelle des Städtchens hatte zwar die Garderobefrau und den Saal­ diener zu dem Abend abgeordnet. Es war aber wegen eines außergewöhnlichen Vor­ falls,· den ich hier ebenfalls nicht darlegen will, vergessen worden, die Veranstaltung öffentlich bekanntzumachen; deshalb hat­ ten auch keine Programme vorgelegen. Bei meinem vorherigen Rundgang durch die Stadt war mir nicht aufgefallen, daß jegliche Art von Werbung unterblieben war. Das ver­ einbarte Honorar erhielt ich ohne Verzug, jedoch ohne jeden Hinweis, geschweige denn ohne jede Entschuldigung dafür, daß ich vor leeren Stühlen Mozart, Beethoven und Brahms gespielt sowie Klassiker bis hin zu Conrad Ferdinand Meyer und Paul Ver­ laine gesprochen hatte. Fast hätte ich die ganze Geschichte schon vergessen, da es schon viele Jahre her ist. Aber bei dem klugen Wort von der geteilten Freude als der doppel­ ten Freude kehrt die Erinnerung lächelnd wieder. Dr. Ernst Roskothen .. ,. �� Öffnung Nicht in der Mohnkapsel wartet die Welt eines neuen Bewußtseins. Du selbst bist die Kapsel für viele noch unausgesprochene Bilder – die eins wie das andere, sind sie gleich gültig, nicht gleichgültig lassen. Leide den Schnitt, der dich öffnet. Jürgen Henckell

Von Wien über Hüfingen nach Versailles Ein festliches Ereignis in dem Baarstädtchen anno 1770 ,,Jawohl, über Hüfingen nach Versailles“, betonen die Amtsstädter mit Nachdruck und Stolz und rufen es einander lachend zu. Schließlich ist es nichts Alltägliches, wenn die künftige Königin von Frankreich, Erzher­ zogin Marie-Antoinette, die blutjunge Toch­ ter der Kaiserin Maria-Theresia, Herrscherin des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Gerüchten zufolge, heute durchs Amtsstädtchen fahren wird auf ihrer Reise zur glänzendsten Residenz des Jahrhunderts! Schon seit Morgengrauen sind Alt und Jung auf den Beinen. Dem Kalender nach ist es ein ganz gewöhnlicher Werktag. Und die liebe Sonne gibt sich wenig Mühe, ihr Gold zu verschenken; sie blinzelt bloß ab und zu aus der grauen Wolkendecke. Aber in den Herzen der Hüfinger herrscht Festtagsstim­ mung. Der Alltag ist verdrängt, in Kanzlei, Werkstatt, Küche, Scheune, Stallung waltet feierliche Sonntagsruhe, nur die allerdring­ lichsten Arbeiten werden verrichtet. Dafür gibt es eine Menge letzter von Oberamt­ mann und Bürgermeister geleisteter Emp­ fangsvorbereitungen. Arm und Reich, Kanz­ list, Handwerksmann, Bauer, Knecht, Haus­ frau und Magd schmücken Bürgerhaus, Amtsgebäude, Stadttor und Marienbrunnen mit Kränzen, Blumensträußen und Girlan­ den. Nie hat man obrigkeitliche Anordnun­ gen williger und flinker befolgt, nie hat der Büttel, ein kleiner Despot, mit den manch­ mal recht widerborstigen Bürgern weniger Scherereien gehabt. Alles greift wacker zu, alles gehorcht freudig dem leisesten Wink. Alle Feindseligkeiten, die offenen, meist gar nicht so harmlosen, sowie die im Geheimen schwelenden, scheinen für immer überwun­ den. Nichts versöhnt mehr als eine allge­ meine Festtagsstimmung. Natürlich ist die Jugend – auf ihre Art – ganz Feuer und Flamme. Eine Schar wilder Buben stürmt die knarrenden Stiegen des Kirchturms fast bis zum Dachgebälk hinauf, und hält an den hohen, schmalen Fenstern lärmend vor Lust und Vergnügen Ausschau. Ein ganz wichtiges Amt hat der Stadtknecht. Der alte Haudegen und Veteran des Sieben­ jährigen Krieges hat Weisung bekommen, bei der Stadtkanone auf dem „Hohen“, einem Hügel in Stadtnähe, das Herannahen des Hofstaates abzuwarten und dann gehörig in die Luft zu böllern. Am allerwichtigsten und unentbehrlich­ sten jedoch dünkt sich der Barbier Dachsler, der etliche Jahre in Wien gearbeitet hat und angeblich alle Augenblicke zur kaiserlichen Familie gerufen wurde, um ihren Hofcoif­ feur, den hilfslosen Pfuscher, als „maitre de coiffeur“ mit Rat und Tat zu belehren. ,,Ich kenne die Erzherzogin, das muntere Toner!, schon seit ihrer frühesten Kindheit“ hat der Prahlhans erst gestern am Stammtisch der „Krone“ kühn behauptet. Es ging dann wohl ein ungläubig-spöttisches Flüstern reihum, aber das hat unsern Dachsler nicht aus der Fassung gebracht, im Gegenteil, das hat ihn noch angespornt, trotzig weiterzufaseln: „Mei, is dös nett Papa Dachsler“, wird das Toner! zum Wagenfenster hinausjubeln, ,,der uns alleweil so tolle, turmhohe Coiffu­ ren gebaut hat?“ So kommt es, daß er zum Helden des Tages wird und von Minute zu Minute an Würde und Ansehen gewinnt. Alles steht in Dachslers Zauberbann, auch die Amtsprominenz. Beide, Oberamtmann und Bürgermeister, bitten ihn sogar, er möge sie der Kaiserlichen Hoheit vorstellen, das gereiche der Stadt, ja der ganzen Baar, zur besonderen Ehre. Sie wenden alle Überre­ dungskünste an, um seine pfiffig gespielten Bedenken zu zerstreuen. Nach einigem Zau­ dern bequemt er sich aber zu einer Zusage; er werde sie an die goldene Karosse Ihrer Hoheit herabwinken, sie müßten sich aller­ dings streng an die Hofetikette halten, fügt er noch herablassend wie ein Zeremonienmei­ ster hinzu. 291

Inzwischen ist der Zustrom von Schaulu­ stigen aus den Nachbargemeinden mächtig angewachsen. Sie kommen zu Fuß, zu Pferd, aufLeiterwagen und werden von den Einhei­ mischen mit freudigem Zuruf, mitunter sogar mit Klatschen begrüßt. Die Haupt­ straße ist seit Menschengedenken noch nie so bevölkert gewesen. Ein Gewimmel ohne­ gleichen! Bloß das Stadtbächlein, das längs der Straße leise dahinplätschert, ist ein Bild feierlich – geruhsamer Fortbewegung. – Plötzliches Läuten läßt die Leute aufhor­ chen. Es ist aber bloß das schrille 2-Uhr­ Glöcklein, das täglich zur selben Stunde an den Abzug brandschatzender und morden­ der Soldateska des Dreißigjährigen Krieges erinnert. Doch schon geht der eintönige Ruf des Glöckleins unter im herrlichen Festtags­ geläut aller Glocken, dem sich der Donner der Salutschüsse auf dem „Hohen“ zugesellt. Und die Buben an den Kirchturmfenstern schwenken johlend Hüte, Mützen und bunte Papierfähnchen, während ein Bussard den grünen Turmhelm in weitem Bogen umkreist. ,,Wo ist der Dachsler?“ rufen nun Oberamtmann und Bürgermeister aufgeregt. „ Wo ist der Dachsler?“ schreit der Büttel und stößt seinen Spieß grimmig fluchend auf das Kopfsteinpflaster. Ganz Hüfingen ruft nach ihm, dem Garanten für des Amtsstädtchens Glanz und Gloria. Man forscht in den Gaststätten nach ihm, man sucht ihn in allen Ecken und Win­ keln. Der Stadtschreiber eilt sogar in die Zins­ gaß zur Dachslerin, aber auch sie weiß nicht, wo er steckt. Nirgends ein Dachsler – ver­ schwunden! Die Amtsprominenz geht über die schmerzliche Enttäuschung mit klugem Schweigen hinweg. Für die andern Bürger aber ist der Fall ein Anlaß zu schallendem Gelächter und ein köstlicher Stoff für eine Fastnachtsposse. „Der Aufschneider hat wohl geglaubt, sein ,Toner!‘ wähle eine andere Reiseroute, etwa durchs Brigachtal, über Villingen,“ höhnt der Metzger Stich, der ohnedies immer eine spitze Zunge hat. Endlich kommt das mit großer Spannung 292 erwartete große Ereignis: Vom Nordtor her naht ein riesiger Zug prächtiger, golden und silbern funkelnder Karossen und Kaleschen, gezogen von edelrassigen Pferden, eskortiert von berittenen Hofkavalieren und Husaren aller Chargen, in zauberhaft schmucken Uni­ formen. Eine Glaskarosse überbietet alle anderen Wagen an Schönheit und Prunk, weshalb Oberamtmann und Bürgermeister es für geraten erachten, sich vor ihr tief zu vernei­ gen. Auf einen Wink eines berittenen Offi­ ziers halten die von Untertänigkeit fast erstarrten Kutscher einen Augenblick den Wagen an, worauf die Fenster behutsam geöffnet werden. ,,Da ist sie!“ flüstert man einander in selt­ samer Ergriffenheit zu; denn es ist doch ein sehr zartes Mädchen, dies Prinzeßchen, das Königin von Frankreich werden soll. Wie ein Kind, das Schutz sucht, sitzt es zwischen zwei Hofdamen, nickt und lächelt müde, fast ein wenig verdrossen und gereizt, den Herren und der ihr nun stürmisch huldigenden Menge zu. Nur eine stimmt nicht in den Chor ein: die alte Wäldnerin aus der Hinterstadt. Sie lehnt am Becken des Marienbrunnens und bedeckt mit beiden Händen die Augen, als wolle sie etwas Furchtbares abwehren. ,,Un­ glückliche Königin!“ weint sie leise vor sich hin. ,,Erst frohe Feste, dann ein blutiges Ende!“ Die Wäldnerin ist mit dem „Zweiten Gesicht“ begabt und belastet und wird des­ halb wie eine Aussätzige ängstlich gemieden. Auch jetzt macht man scheu auf sie aufmerk­ sam und kehrt ihr dann schnell wieder den Rücken zu. Inzwischen hat die Wagenkolonne die Innenstadt durchs Südtor verlassen und den Mühlbach und die Breg überquert. Es geht recht flott voran, doch der berghoch bela­ dene Gepäckwagen als letztes Gespann hat Pech; er kommt fast nicht die steile Loretto­ steige hinau( Da holt der Lorettobauer unaufgefordert seine beiden Füchse, klobige Ackergäule, aus dem Stall und leistet mit ihnen Vorspannhilfe. Die feuern die fremden

Brüder mit stolzem Gewieher an, und dann gehts hurtig, fast im Galopp, den Hang hin­ auf. Der Bauer kriegt für die rasche Hilfe einen blanken Theresientaler, den er aufzuheben gelobt als Andenken an die Durchfahrt einer künftigen Königin von Frankreich durch seine Vaterstadt. Und der Dachsler, der Sprücheklopfer? Nun, er hat wirklich fest damit gerechnet, daß die Erzherzogin eine andere Reiseroute wählen werde. Nach langem Herumirren Nähe südwestlich Wären die Berge aus Glas – dann rückte hier manches für schärfere Augen ins Blickfeld: Zum Beispiel die mächtigen Dome des heutigen Glaubens, der heißer verfochten wird als er gekühlt werden kann – oder so giftig ist wie der blindgläubige Eifer der Inquisition. Da kann sich die Burg Hohenlupfen mit dem Bauernkrieg neu reformieren, der nach den genial übersetzten lateinischen Texten für alle verständlich das Recht auf Befreiung von Frondienst und drückenden Lasten zurück in die blutigen Hände der Mächtigen gab. Doch leider sind Berge nicht gläsern – So sieht hier im engeren Blickfeld von viel Undurchschaubarem niemand, wie nah beieinander die Gründe für Reformationen gesucht werden müssen. Südwestlich rheinabwärts und dort wo der Rhein nicht mehr rein ist. Jürgen Henckell von Versteck zu Versteck schlüpft er endlich um Mitternacht, vom Vollmond tückisch beschienen, wie ein gesuchter Dieb in sein Häuschen in der Zinsgaß. Die Dachslerin empfangt den armen Sünder mit einem Freu­ denseufzer, denn sie hat Schlimmstes befürchtet. Und während die beiden beraten, wie man sich aus der gräßlichen Blamage her­ ausretten kann, rollt der Wagenzug, überall umjubelt, durch das Höllental, den Breisgau und über den Rhein, dem wie ein Zauber lok­ kenden Ziel zu: Versailles. Rolf Steiner Grenzen und Übergänge An fremden Grenzen wirst du dir der eigenen bewußt – Verlockend ist der Ausweg in das Unbegrenzte, das am Firmament der tausend Welten dennoch beispielhafter Ordnung folgt, die irdisch niemand übersetzt. Du suchst am Fuß der Berge deine Übergänge, die nach ungezählten Monologen endlich Nachbarschaft erschließen sollen. Nur in Träumen weist des Einhorns Spur im Staub den Weg ins Wunder. Aber längst versteinert ist die Blaue Blume und zerfallen, was als Stein der Weisen galt. Jetzt nehmen ihre unbestimmten Plätze die gesuchte Freiheit und ihr Innewerden ein. Menschen, Länder, Horizonte – In den Grenzen, die vom Zueinander trennen, liegt der Grund für die gewagten Übergänge Jürgen Henckell 293

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Rainer Gutknecht wurde vom Kreis­ tag am 3. 7.1989 für eine dritte Amtsperiode als Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises wiedergewählt. Für den seit 16 Jahren amtie­ renden Landrat wurden 40 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen und 3 Stimmenthaltungen abgegeben. Die neue Amtszeit begann am 1. 10. 1989. Werner Gerber, Bürgermeister in Blum­ berg, konnte am 16. 9.1988 auf eine 25jährige Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Blum­ berg zurückblicken. In einer kleinen Feier­ stunde, in der Landrat Dr. Gutknecht auch die Glückwünsche des Landkreises aus­ sprach, wurde er aus Anlaß dieses seltenen Jubiläums geehrt. Hans-Georg Schmidt wurde am 27.11.1988 für eine zweite Wahlperiode zum Bürgermeister von Schönwald gewählt. Er erreichte 89,9 % der gültigen Stimmen. Obwohl sich kein weiterer Kandidat zur Wahl stellte, betrug die Wahlbeteiligung 69,8%. Die neue Amtszeit hat am 2. 2. 1989 begon­ nen. Anton Knapp ist am 18.12.1988 im zwei­ ten Wahlgang mit 47,4 % der abgegebenen Stimmen und bei einer Wahlbeteiligung von 78,9 % zum Bürgermeister der Stadt Hüfin­ gen gewählt worden. Er hat seinen Dienst am 4. 3. 1989 angetreten. Der bisherige Bürgermeister, Max Gilly, ist aus Altersgründen mit Ablauf des 3. 3. 1989 in den Ruhestand getreten. 294 Manfred Knack, Leiter des Straßen­ bauamtes Donaueschingen seit 1.12.1979, ist am 31.10. 1988 in den Ruhestand getreten. Peter Neher hat mit Wirkung vom 1.11.1988 die Nachfolge angetreten. Dr. RolfLoy ist als Leiter des Wasserwirt­ schaftsamtes Rottweil, das auch für den Schwarzwald-Baar-Kreis zuständig ist, in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger ist ab l. 4.1989 Viktor Schweizer. Cäcilie Dury, Bräunlingen, seit 19. 11. 1973 Kreisvorsitzende der Landfrauen, Kreis­ verband Donaueschingen, hat mit Wirkung vom 12. 12. 1988 den Vorsitz abgegeben. Nachfolgerin wurde Ingrid Hasenfratz aus Bad Dürrheim-Unterbaldingen. Rektor der Fachhochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen, ist mit Wirkung amtes für Verfassungsschutz nach Stuttgart berufen worden. Dr. Eduard Vermander, seit l. 5. 1987 vom l. 11. 1988 zum Präsidenten des Landes­ l. 12. 1988 angetreten. Die Nachfolge hat Dr. Heinz Wolf, bisher Ltd. Regierungsdirektor und Stell­ vertreter des Polizeipräsidenten der Landes­ polizeidirektion Freiburg, mit Wirkung vom Wilhelm Buggle, langjähriger Landtags­ abgeordneter des Wahlkreises Donaueschin­ gen – Tuttlingen, ist am 19. 5.1989 gestorben. Seine Persönlichkeit wurde im Almanach 86, S. 65 ff., gewürdigt.

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1988 ausgezeichnet: a) mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: (Abkürz.: BVK a. B. -Bundesverdienstkreuz am Bande BVM -Bundesverdienstmedaille) Glatz, Dorothea Westphal, Gerhard Weinmann, Ernst Wälde, Johann Seng, Albert Strom, Ernst Glökler, Karl Petrino, Adolf Müller, Eugen 30. 03.1988 30. 03.1988 06. 06.1988 28. 06.1988 25. 11.1988 10. 12.1988 03. 02.1989 08. 04.1989 12. 05. 1989 BVM BVK.a.B BVK.a.B BVM BVM BVK.a.B. BVK.a.B. BVK.a.B. BVK.a.B. Niedereschach Königsfeld i. Schw. Schonach i. Schw. Niedereschach-Schabenhausen Furtwangen i. Schw. Bad Dürrheim Tuningen Schonach i. Schw. Villingen-Schwenningen b) Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg: Gräfin Vitzthum von Eckstädt, Gudrun Professor Dr. Reichelt, Günther Professor Dr. Mühe, Richard c) Zelter-Plakette: Katholischer Kirchenchor Brigachtal Männergesangverein Sängerlust Triberg e. V. 06. 05.1989 06. 05.1989 06. 05.1989 24. 06.1989 28. 06.1989 Villingen-Schwenningen Donaueschingen Furtwangen i. Schw. Brigachtal Triberg i. Schw. Bevölkerungsentwicklung Stand Wohnbevölkerung 1. 1. 1989 1. 1. 1988“ 10.446 10.348 7737 Bad Dürrheim, Stadt 9.944 10.009 7712 Blumberg, Stadt 5.406 5.316 7715 Bräunlingen, Stadt 4.842 4.753 7734 Brigachtal 2.913 2.881 7735 Dauchingen 18.296 18.162 7710 Donaueschingen, Stadt 9.794 9.703 7743 Furtwangen, Stadt 1.475 1.443 7741 Gütenbach 6.483 6.504 7713 Hüfingen, Stadt 5.539 5.272 7744 Königsfeld 2.983 2.997 7733 Mönchweiler 4.694 4.621 7732 Niedereschach 13.971 14.054 7742 St. Georgen, Stadt 2.234 2.214 7741 Schönwald 4.486 4.398 7745 Schonach 5.697 5.718 7740 Triberg, Stadt 2.264 2.233 7201 Tuningen 2.064 2.046 7731 Unterkirnach 76.258 7730 Villingen-Schwenningen, Stadt 76.135 4.036 4.025 7741 Vöhrenbach, Stadt Veränderungen in Zahlen + 98 65 + 90 + 89 + 32 + 134 + 91 + 32 – 21 +267 14 + 73 83 + 20 + 88 21 + 33 + 18 + 123 + 11 in% +0,9 -0,6 + 1,6 + 1,8 + 1,1 +0,7 +0,9 +2,2 -0,3 +4,8 -0,5 + 1,6 -0,6 +0,8 +2,0 -0,4 + 1,5 +0,9 +0,2 +0,3 Kreisbevölkerung insgesamt • Grundlage dieser Aufstellung ist die Volkszählung vom Mai 1987. Die Veröffentlichung im Almanach 89 (Seite 295) konnte die Volkszählung noch nicht berücksichtigen. 192.832 193.825 +995 +0,51 295

Ausländer in Zahlen neuester Stand Gemeinde Ausländer davon insgesamt Türken Jugo- slawen Italiener Sonstige Ausländer- anteil in% Bad Dürrheim 503 Blumberg 1.139 Bräunlingen 552 Brigachtal 228 Dauchingen 86 Donaueschingen 1.554 873 Furtwangen Gütenbach 44 632 Hüfingen 229 Königsfeld 242 Mönch weil er Niedereschach 180 St. Georgen 1.672 53 Schönwald Schonach 273 Triberg 569 198 Tuningen Unterkirnach 157 Villingen- Schwenningen 10.176 513 Vöhrenbach Gesamt 19.873 20 623 381 53 11 282 198 2 269 16 25 50 236 14 22 183 39 56 160 314 17 41 21 323 291 1 81 68 113 50 506 18 118 114 8 12 100 22 31 41 14 358 214 34 167 16 48 15 587 7 88 90 119 37 223 180 123 93 40 591 170 7 115 129 56 65 343 14 45 182 32 52 1.983 183 4.646 3.562 153 5.971 2.006 143 4.137 2.625 34 5.119 Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land 30. 6.1987 30. 6.1988 30. 6.1989 5,7% 5,4% 4,6% 4,8% 4,9% 4,2% 296 4,7 11,6 10,1 4,5 2,9 8,5 9,0 3,1 9,8 4,2 8,1 3,8 11,8 2,1 6,0 9,9 8,8 6,5 13,3 12,9 10,2 Bund 8,3% 8,4% 7,4%

Endgültige Ergebnisse der Europawahl am 18. Juni 1989 im Schwarzwald-Baar-Kreis Von den gültigen Stimmen entfielen auf Original-Radierung: Hans Georg Müller-Hanssen Wahlbeteiligung Wahlberechtigte darunter mit Wahlschein Wähler davon Briefwähler ungültige Stimmen gültige Stimmen CDU SPD GRÜNE FDP Zentrum ÖDP Mündige Bürger BP BSA Liga CM 32.283 21.361 6.379 6.020 194 1.299 99 142 18 142 180 54,2% 143.476 10.530 77.789 9.471 855 76.934 41,50% DKP 27,46% Öko-Union 8,20% DVU REP 7,73% FAP 0,24% Für das Europa … 1,66% 0,12% HP 0,18% MLPD Bewußtsein 0,02% Patrioten 0,18% 0,23% 165 291 3.285 4.787 63 23 26 44 82 51 0,21 % 0,37% 4,22% 6,15% 0,08% 0,02% 0,03% 0,05% 0,10% 0,06% 297

Farbaufnahmen und Fotonachweis stellungs GmbH 4 7; German Hasenfratz 48, 49, 50, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 115, 116, 117, 118 oben, 120 oben, 122, 200, 207 unten, 210 oben, 211, 212 oben, 213, 235, 236 unten, 237, 247; Archiv MEKU 51, 52, 53; Manfred Braig 55; Archiv Fa. Kundo 56, 57; Archiv Fa. Koepfer 58, 60, 61, 62; Käthe Fritschi 63, 64; Wilfried Dold 65, 67, 70, 71, 72 (links), 250; Archiv Geschichts- und Hei­ matverein Furtwangen 69; Foto-Maier 69 (oben), 72 (rechts); Georg Goerlipp 74, 75; Foto-Carle 77; Theodor Arnold 90; Archiv für Ur- und Frühgeschichte 113 (oben), 118 (unten), 119, 120 (unten links), 121; Archiv Stadtverwaltung Bad Dürrheim 124, 125, 126; Siegfried Heinzmann 128, 129, 130; Foto­ Fischer 135, 195, 196, 197; Kurt Klein 137, 138, 139, 140, 141, 143;Jörg Michaelis 146, 154, 198, 205; Dr. Heinz Lörcher 163, 164; F.F.-Archiv Donaueschingen 166; Archiv Münsterpfarrei 170, 171; Foto-Stötzel 177, 178; Martin Reich 180; Martin Hermanns 184; Archiv Uhren­ museum Furtwangen 188, 189, 190, 191, 192; Archiv Stadt Bräunlingen 194; Volker Steger 199, 201, 202, 203, 204, 206; Dr. Lorenz Honold 207, 240; Stötzel/Dold 214, 215, 216, 217, 218; Clive Barda London 221; aus Max Rieple – Musik in Donaueschingen 222, 223; Archiv Stockhausen 225, 227, 228, 229; Horst Fischer 231; W. Häßler 234; Valentin Hofacker 236 oben; Gerhard Kiefer 241; Axel Fobel 245; Archiv Fewotel 248, 249; Gunter Haug 255; Aribert Hoch 257, 259; Heimat­ verein Tuningen 261; Roland Kalb 266, 267; Karl Zimmermann 270, 271; Gerhard Schla­ geter 274, 275; A Dold 278, 279; Foto-Grill 282, 283; Hansjörg Hall 284. Reproservice Rolf Kötz, VS-Schwenningen. Die Farbaufnahme auf der Titelseite stammt von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv: Südwest-Messe Villingen-Schwen­ nmgen. Zum Farbbild auf der Rückseite: Foto von Photo Kino Schultheiß, St. Geor­ gen i. Schw. Gremmelsbach als Motiv auf einer Schwarz­ wälder Rahmenuhr um 1850, 35 x 40,5 cm. Maler unbekannt. Vermutlich die erste Vedute der Ortsmitte. Die Streusiedlung erhielt erst nach der Jahrhundertwende auf Betreiben des letzten Abtes von St. Peter im Schwarzwald ihren Ortsmittelpunkt: 1805 Kirche, 1809 Pfarrhaus. Ölfarbe auf Zinkblech in vergoldetem, teil­ weise poliertem Holzrahmen hinter schwarz gefaßtem Glastürchen. Zifferblatt Email. Kettenzugwerk mit drei Gewichten in Holz­ gestell mit Messingrädern und Hohltrieben. Sekundenpendel. Das Stundenschlagwerk wirkt auf eine tiefklingende Tonfeder, das zusätzliche, separate Viertelstundenschlag­ werk auf zwei heller klingende Tonkörper. Privatbesitz. Q!iellenangabe zur Zeichnung S. 158: Peter Haining: Hexen – Wahn und Wirklich­ keit in Mittelalter und Gegenwart, Olden­ burg/Hamburg 1977. Foto-Nachweis für die weiteren Aufnahmen im Inneren des Jahrbuchs (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Heinrich Haas 5; Gerhard )anke 5, 6; Foto­ Atelier Wiest 8, 31, 33; Roland Sigwart 9; Archiv Stadt Donaueschingen 10, 13, 15, 168; Bad. Generallandesarchiv Karlsruhe 11; Johann Haller 19; Karl-Heinz Beha 27; Hel­ mut Groß 30, 36, 78, 182, 183; Helmut Wider 34; Archiv Berufsakademie 37; Bildarchiv IHK 40, 41; Presseabteilung Mannesmann­ K.ienzle 43; Archiv Südwest-Messe- und Aus- 298

Die Autoren unserer Beiträge Adler, Bernhard, Pfarrer, Kälbergäßle 9, 7741 Vöhrenbach Arnold, Theodor, Tannenstraße 11, 7733 Mönchweiler Beha, Karl-Heinz, Sägbergweg 2, 7742 St. Georgen-Oberkimach Beistier, Herbert, Savernerstraße 9, 7710 Donaueschingen Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 7742 St. Georgen i. Schw. Bogotsch, Walter F., Immanuel-Kant-Straße 9, 7710 Donaueschingen Braig, Manfred, Redakteur, Gerwigstraße 35, 7742 St. Georgen i. Schw. Dold, A, Vogtsgrundweg 19, 7741 Gütenbach Dold, Wilfried, Redakteur, Waldstraße 13, 7741 Vöhrenbach Falk, Helmut W., Alpenstraße 3, 8080 Fürstenfeldbruck Fischer, Gisbert, Stormweg 5, 7735 Dauchingen Fischer, Horst, Endlins Breiten 1, 7710 Donaueschingen-Aufen Frank, Hans, Bürgermeister i. R., Stephan-Blattmann-Straße 10, 7743 Furtwangen i. Schw. Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Fuchs, Hermann, Pater, Schönenberg 21, 7090 Ellwangen/Jagst Greiner, Theo, Bodelschwinghstraße 22, 7710 Donaueschingen Grether, Peter, Ellengurt 11, 7841 Auggen Groß, Helmut, Am Schwalbenhaag 1, 7730 V i l l i n g e n-Schwenningen Guse, Jürgen, Bürgermeister, Palmbuckstraße 7, 7715 Bräunlingen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Haller, Johann, Buchenberger Straße 30, 7744 Königsfeld Haug, Gunter, Hefelestraße 16, 7407 Rottenburg 1 Hawner, Johannes, Grünallee 2, 773 7 Bad Dürrheim Heidinger, Werner, Regierungsrat, Geschwister-Scholl-Straße 22 a, 7710 Donaueschingen Heinzmann, Siegfried, Weilersbacher Straße 49, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Helm, Klaus, Haselweg 14b, 7734 Brigachtal Henckell, Jürgen, Schriftsteller und Grafiker, Buchbergstraße 3, 7712 Blumberg Hermanns, Martin, Oberer Sonnenbühl 23, 7730 VS-Pfaffenweiler Hiller, Dr. Hilde, Rotteckring 5, 7800 Freiburg i. Br. Himer, Franz-Rudolf, Biethstraße 9, 7715 Bräunlingen Honold, Dr. Lorenz, Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber-Wintermantel, Susanne, Bräunlinger Straße 6, 7713 Hüfingen Huth, Dr. Volkhard, Oberscheibenrain 8, 7710 Donaueschingen-Aasen Kalb, Roland, Albstraße 7, 7735 Dauchingen Kiefer, Gerhard, Redakteur, Rathausweg 1 b, 7830 Emmendingen 13 Klein, Kurt, Haselwanderstraße 11, 7613 Hausach Kühn, Herbert, Peter-Maier-Straße 31, 7710 Donaueschingen-Hubertshofen Lamka, Arthur, Reuterstraße 155, 5060 Bergisch-Gladbach 2 Liebetrau, Alfred, IHK-Präsident, Am Doniswald 4, 7744 Königsfeld Lörcher, Dr. Heinz, Gerberstraße 33, 7730 V i l l i n g e n -Schwenningen 299

Loos, Franz, Stephan-Blattmann-Straße 14, 7743 Furtwangen i. Schw. Maiwald, Klaus, Schlietenstraße 4, 7737 Bad Dürrheim-Sunthausen Mann, Rudolf, Professor, Mooslochweg 4, 7731 Unterkirnach Mannesmann-Kienzle GmbH., Presseabteilung, Postfach 1640, 7730 Vi l l i n g e n – Schwenningen Moser, Jürgen, Brunnenweg 16, 7710 Donaueschingen-Allmendshofen Mühe, Dr. Richard, Professor, llbenstraße 54, 7743 Furtwangen i. Schw. Müller, Kurt, Dekan, Münsterpfarramt, Kanzleigasse 10, 7730 V i 11 in g e n – Schwenningen Neugart, Elisabeth, Langstraße 4, 7730 Vi l l i n g e n – Schwenningen Probst, Hans-Peter, Hindenburgring 22, 7710 Donaueschingen Reich, Martin, Eschachtalstraße 19, 7732 Niedereschach-Kappel Rieple, Max, Donaueschingen (verst.) Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Ludwig-Uhland-Straße 8, 7741 Schönwald i. Schw. Rodenwaldt, Dr. Ulrich, Bötzenstraße 16, 7813 Staufen/Brg. Roskothen, Dr. Ernst, Breslauer Straße 7, 7737 Bad Dürrheim Schafbuch, Gottfried, Hüfingen (verst.) Schell, Rüdiger, Endlins Breiten 9, 7710 Donaueschingen-Aufen Schnibbe, Klaus, Professor, llbenstraße 50, 7743 Furtwangen Siebler-Ferry, Ursula, Kuckucksbadstraße 3, 7801 Bollschweil Sonnenburg, Klaus, Zinzendorfplatz 3, 7744 Königsfeld Steger, Christiana, Birkenweg 8, 7712 Blumberg Stein er, Rolf, Schriftsteller, Alemannenstraße 21, 7730 V i 11 i n g e n – Schwenningen Sturm, Dr. Joachim, Baarstraße 12, 7710 Donaueschingen-Pfohren Techen, Beatrice, M.A, Carl-Diehm-Straße 23, 7743 Furtwangen i. Schw. Vetter, August, Am Ebertle, 7808 Waldkirch-Kollnau Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Waldvogel, Kurt. a. Regierungsrat, Vordergasse 47, CH-8213 Neukirch Warrle, Lydia, M. A, Wöschhalde 15, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Wecker, Sr. Roswitha, Kloster St. Ursula, Bickenstraße 2, 7730 Vi l l i n g e n – Schwenningen Weissenberger, Otto, Bürgermeister i. R., Bahnhofstraße 4c, 7737 Bad Dürrheim Wider, Helmut, Kriminaloberrat, Egerstraße 14, 7730 V i II i n g e n -Schwenningen Willhardt, Willi, Südwest-Messe- und Ausstellungsgesellschaft mbH., Dürrheimer Straße, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Zährl, Klaus, IHK, Romäusring 4 , 7730 Vi l l i n g e n-Schwenningen (verst.) Zimmermann, Karl, Eichbergstraße 3, 7712 Blumberg 300

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und die weite Welt/Zum Geleit – von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1989/Landrat Dr. Rainer Gutknecht Südwest-Messe 1989 – der Landkreis war dabei/Jürgen Moser Unsere Städte und Gemeinden, Wappen 850 Jahre Aufen – historische Aspekte einer Ortsteilfeier/Dr. Volkhard Huth Ech schloof/Gedicht von Gottfried Schafbuch Aufen – der Donaueschinger Stadtteil mit den kleinen Besonderheiten/Rüdiger Schell Das Wappen von Aufen/Klaus Schnibbe Buchenberg/Johann Haller Das Wappen von Buchenberg/Klaus Schnibbe Fürstenberg/ August Vetter Das Wappen der ehemaligen Stadt Fürstenberg/Klaus Schnibbe Oberkimach/Karl-Heinz Beha Das Wappen von Oberkirnach/Klaus Schnibbe Das Wappen der Gemeinde Tuningen/Klaus Schnibbe Bschlage/Gedicht von Gottfried Schafbuch Behörden und Organisationen Das Arbeitsamt Villingen-Schwenningen in neuen Räumen/Klaus Helm Die Kriminalpolizei im Schwarzwald-Baar-Kreis – eine geschichtliche Betrachtung/Helmut Wider De Italiener/Gedicht von Gottfried Schafbuch Schulen und Bildungseinrichtungen Neue attraktive Studiengänge an der Berufsakademie Villingen-Schwenningen/Prof. Rudolf Mann Technische Akademie für Weiterbildung (TAW) – IHK und Fachhochschule Furtwangen gehen neue Wege in der technischen Weiterbildung/Klaus Zährl Die Mannesmann Kienzle-Computerschule in Donaueschingen – Bildungszentrum für Informationstechnik B.I.T./Presse-Abteilung Mannesmann Kienzle GmbH Uneinsichtigkeit/Gedicht von Johannes Hawner Wirtschaft und Gewerbe Dynamische Industrie stärkt Kaufkraft/ Alfred Liebetrau, !HK-Präsident Südwest-Messe als „fünfte Jahreszeit“ – die große Verbundschau verschiedener Fachausstellungen feiert ihr 40jähriges Bestehen/Willi Willhardt 1 2 3 4 8 10 12 13 18 18 20 21 24 26 28 29 30 31 34 36 37 39 42 44 45 46 301

MEKU GmbH, ein junges Dauchinger Unternehmen auf Erfolgskurs/Gisbert Fischer Firma Kundo in St. Georgen – bereits Firmengründer Johann Obergfell setzte auf Internationalität/Manfred Braig Firma Josef Koepfer & Söhne GmbH, Furtwangen – Verzahnungswerkzeuge – Verzahnungsmaschinen – Zahnräder und Spezialgetriebe/Franz Loos Firma Scherzinger, Metall- und Gerätebau GmbH, Hüfingen/Käthe Fritschi Die Hexenlochmühle – die Sägemühle ist heute noch in Betrieb und ein Anziehungspunkt für den Tourismus/Wilfried Dold S’herbschtelet/Gedicht von Gottfried Schafbuch · Wirtschaftsgeschichte Die Industrie des Bregtales vor 100 Jahren – ein Beitrag zur Industriegeschichte der Raumschaft Furtwangen und Vöhrenbach/Wilfried Dold Graselli-Fischer-Häfner an der Haldenstraße – 225 Jahre Einzelhandel in der Residenz der Fürstenberger/Lorenz Honold Vom Geflechthandel im 19. Jahrhundert/Karl Volk Im Obedliecht/Gedichte von Elisabeth Neugart Persönlichkeiten der Heimat Pater Anton Wecker – ein erfülltes Priesterleben/Sr. Roswitha Wecker und P. Hermann Fuchs Otto Benzing – ein Schwenninger Schulmann und Heimatschriftsteller/ Siegfried Heinzmann Hubert Lenz – eng mit der Gewerkschaft verbunden/Jürgen Henckell Karlherman Russ – ein Leben für die Landwirtschaft und die Kommunalpolitik/ Theo Greiner Annemarie Imo – eine im sozialen Bereich engagierte Donaueschingerin/Gerhard Kiefer Günter Siek – Bürgermeister von Mönchweiler von 1960 bis 1988/Theo Arnold Karl Glökler – ein einsatzfreudiger und mutiger Tuninger Bürger/Otto Weissenberger K.lara Beutel – eine Triberger Bürgerin mit Herz und Verstand/Renate Bökenkamp Zeit und Rosen/Gedicht von Christiana Steger Emil Frei – erster Lackfabrikant im Landkreis und Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Döggingen/Walter F. Bogotsch In memoriam Willy Küpper – ein Unternehmer mit Weitblick/Franz-Rudolf Himer Christian Straub – ein Schneidermeister mit dem Herz auf dem rechten Fleck/Käthe Fritschi Hermann Barth – auch nach dem Berufsleben noch für die Gemeinschaft tätig/ Jürgen Henckell Emil Werner, Beggingen – Erinnerungen an einen Freund und Förderer gutnachbarlicher Beziehungen/Kurt Waldvogel, a. Regierungsrat Nach der Tagesschau/Gedicht von Christiana Steger Archäologie Archäologische Funde aus dem Schwarzwald-Saar-Kreis im Museum für Ur- und Frühgeschichte der Stadt Freiburg i. Br./Dr. Hilde Hitler Geschichte, Kulturgeschichte Bad Dürrheim – ein Dorf wird Kur- und Bäderstadt/Lydia Warrle Die Grenzsteine zwischen Schwenningen und Bad Dürrheim/Siegfried Heinzmann Die „Bürgersöhne“ – ein Beitrag zur Geschichte der Villinger Fasnet/ Dr. Ulrich Rodenwaldt ln Donaueschingen begann die Berufskarriere von Heinrich Hansjakob/Kurt Klein Riedöschingen zur Zeit der Französischen Revolution/Dr. Joachim Sturm 302 51 55 58 63 65 67 68 73 76 78 79 81 84 85 87 90 91 93 94 95 96 99 100 102 103 104 123 127 131 137 144

1816 – ein Hungerjahr und seine Folgen/Klaus Maiwald Zur Entwicklung der Kreisgrenzen – der badisch-schweizerische Grenzvertrag vom 1. 3. 1839/Dr. Joachim Sturm Hexenprozeß tarnt Justizmord – die Hinrichtung des Mathias Tinctorius in Hüfingen im Jahre 1632/Susanne Huber-Wintermantel De Nähei/Gedicht von Gottfried Schafbuch Ein dunkles Kapitel unserer Geschichte: Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im NS-Staat Stationen der Erinnerung an die Verfolgung und Vernichtung der Villinger Juden im 3. Reich/Dr. Heinz Lörcher Judenverfolgung in Donaueschingen – ein lokalhistorischer Nachtrag zur 50. Wiederkehr der sogenannten „Reichskristallnacht“/Dr. Volkhard Huth Zeit/Gedicht von Christiana Steger Kirchen, Wallfahrtswesen Villinger Münsterpfarrei feierte 1988 zwei Jubiläen – 450 Jahre Marienpatrozinium – 300 Jahre Benediktinerkirche/Dekan Kurt Müller Erinnerungen an Pfarrer Hermann Schneider (1890 – 1965) – Pfarrer in Gremmelsbach 1938 – 1959/Karl Volk Min Wald/Gedicht von Gottfried Schafbuch Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) Das Fünf-Wunden-Kreuz beim Vöhrenbacher Bruderkirchle/Bernhard Adler Die Elsenau in Kappel – ein Marienwallfahrtsort wurde 100 Jahre alt/Martin Reich Heiteres aus dem Klosterleben von St. Ursula Heiteres aus dem Klosterleben von St. Ursula zu ViUingen/Helmut Groß Das Veto der Schwester Leopoldine/Helmut Groß Museen Der Wildensteiner Altar des Meisters von Meßkirch – in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen in Donaueschingen/Martin Hermanns Die Kuckucksuhr – das deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen beherbergt kostbare Exemplare/Prof. Dr. Richard Mühe/Beatrice Techen, M.A Kelnhof-Museum Bräunlingen – weit mehr als ein Heimatmuseum/ Bürgermeister Jürgen Guse Künstler Jürgen Henckell – ein vielseitiges Künstlertalent/Christiana Steger Die Kunst – meine Form des Lebens – der Maler und Graphiker Emil Kiess vollendet sein 60. Lebensjahr/Lorenz Honold Ernst Ganter, ein Maler und sein Schwarzwaldbild/Wilfried Dold 2 Gedichte von Jürgen Henckell Musik Karlheinz Stockhausen – ein Gespräch über die Donaueschinger Musiktage – Erinnerungen und Ausbl.icke/ Arthur Lamka Liese! Haager – ein Leben für die Musik/Horst Fischer 2 Gedichte von Herbert Kühn Heimat, Volkstum, Brauchtum Baaremer Tracht heute/Ursula Siebler-Ferry Silberdistel – die Blume des Altweibersommers/Lorenz Honold Stadtsanierung Das Bürger- und Kulturzentrum Donaueschingen/Gerhard Kiefer 149 152 156 161 162 165 169 170 172 176 176 177 179 182 183 184 188 193 198 206 213 219 220 230 233 234 239 241 303

Gesundheit, Soziales Das Christoph-Blumhardt-Haus in Königsfeld/Klaus Sonnenburg Professor Hermann Kast – langjähriger Leiter des Heimes Mariahof in Hüfingen/ Käthe Fritschi Das Hotel „Schwarzwald Treff“ in Königsfeld – Zentrum für Naturheilverfahren/ Helmut W. Falk Der Kneipp-Verein der Baar e. V. – moderne Gesundheitserziehung und Gesundheitsbildung sind wieder gefragt/Herbert Beistier Beziehung/Gedicht von Christiana Steger Medien, Verkehrswesen Das Südwestfunk-Studio in ViUingen-Schwenningen/Gunter Haug Der Bregtäler – ein rauchender Zeitgenosse/Hans Frank Landschaft, Naturdenkmäler, Umweltschutz Die Tuninger Soldatentanne/Gunter Haug Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Werner Heidinger Der Rauhfußkauz/Roland Kalb Das Blumberger Ried/Karl Zimmermann Stätten der Gastlichkeit Höhengasthaus „Löwen“ in Schönwald – Escheck/Emil Rimmele Das Höhengasthaus Kolmenhof an der DonauqueUe/ A Dold Obedfride/Gedicht von Gottfried Schafbuch Sport und Wettkämpfe Internationaler Pferdesport in Donaueschingen/Hans-Peter Probst Die Mattenschanze Furtwangen/Peter Grether Ende der Hektik/Gedicht von Jürgen Henckell Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Plädoyer für einen Esel/Max Rieple Brief an P. �intilius Varus/Karl Volk Memento/Gedicht von Christiana Steger Ein unvergeßlicher Abend/Dr. Ernst Roskothen Öffnung/Gedicht von Jürgen Henckell Von Wien über Hüfingen nach Versailles – ein festliches Ereignis in dem Baarstädtchen anno 1770/Rolf Steiner 2 Gedichte von Jürgen HenckeU Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Bevölkerungsentwicklung Ausländer in Zahlen Arbeitslose in Prozentzahlen Endgültige Ergebnisse der Europawahl am 18. Juni 1989 im Schwarzwald-Baar-Kreis Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren der Beiträge Inhaltsverzeichnis 304 244 246 248 251 253 254 257 261 263 265 270 273 276 280 281 284 285 286 287 288 289 290 291 293 294 295 295 296 296 297 298 299 301