Almanach 1982

A lm an ach 8 2 S ch w ar zw ald -Baar -Kr eis H e im at jah r b u ch d es S ch w ar zw ald -Baar -Kr eises 6. Fo lge Herausgeber: Landratsam t S chwarzwald-B aar-Kreis Redaktion: D r. Rainer G utknecht, Landrat D r. Lorenz H o n o ld , Redakteur H elm ut H einrich, Schulam tsdirektor i. R. Verlag, D ruck u n d Gestaltung: Todt-D ruck G m b H , Villingen-Schwenningen 1

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanachs Schwarzwald-Baar-Kreis 1982 Albert-Schweitzer-Klinik, Fachklinik für Herz-Kreislauf­ und Atemwegserkrankungen, Parkstraße 10, Königsfeld Möbel-Amann KG., Vöhrenbach Dr. med. dent. Hanno Augstein, Hüfingen Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villin­ gen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Blumberg Sparkasse Furtwangen Georg Birkle, Architekt, Katzstraße 6, Konstanz Franz Blaser, freier Architekt, Villingen-Schwenningen Ingenieurbüro Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen­ Schwenningen Gebr. Bühler Nachfolger Furtwängler GmbH+ Co. KG., Triberg Hans Diegner, Schwarzwaldhotel, Königsfeld Dresdner Bank AG., Filiale Villingen­ Schwenningen Dr. Ernst Eisenmann, Steuerberater, Am Lorettowäld­ chen 16, Villingen-Schwenningen Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH Sport-Fehlinger, Niedere Straße 59 + 84, Villingen-Schwenningen Fischbach Tief- u. Straßenbau GmbH, Donaueschingen Emil Frei KG., Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Lars Frykman, Kantstraße 28, Blumberg Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Dipl.-Ing. Th. Greiner, Kolpingstraße 12, Donaueschingen Geistige Nothilfe Königsfeld e.V., Dr. Wyldbore Heisler, Facharzt für Kinderheilkunde, Königsfeld Dr. K.-H. Höfler, Zahnarzt, Hüfingen Holzbau Kaiser, Wemer-v.-Siemens-Straße 9 + 11, Villingen-Schwenningen Kienzle Apparate GmbH, Prinz-Eugen-Straße 20/25, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg Dr. med. dent. Josef Kury, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villingen-Schwenningen Bräunlinger Löwenbrauerei, H. Kalb KG. MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH., Burgstraße 65, Villingen-Schwenningen A. Mall GmbH & Co, KG., Donaueschingen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. V. Mandolla, öffentlich be­ stellter Vermessungsingenieur, Hochstraße 39, Villingen­ Schwenningen Dr. med. Paul Obergfell, Villinger Straße 17, Vöhrenbach Dr. Peter Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen 2 Rudolf Preisler, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Prass, Villingen-Schwenningen Rathaus-Apotheke Ulrich Grass, Marktplatz 19, Villingen­ Schwenningen Guido Rebholz, Architekt, Bad Dürrheim Karl Riegger KG, Bad Dürrheim Dr. jur. Ernst Roskothen und Frau Alice geb. Scherzinger, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Donau­ eschingen SABA GmbH, Villingen-Schwenningen Schwarzwälder Elektronik-Werke GmbH, Villingen­ Schwenningen Deutsche THOMSON-BRANDT GmbH, Villingen­ Schwenningen Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt. des Städt. Krankenhauses Furtwangen Scheffel-Apotheke Anne Rieple, Max-Egon-Straße 2, Donaueschingen Karlhans Schweizer, Ingenieurbüro für Bauwesen, Ach­ dorfer Straße 29, Blumberg SEWO Wohnungsgesellschaft Seemann GmbH & Co. KG, Auf der Steig 6, Villingen-Schwenningen Fanny Simmler-Gramlich, St. Georgen Franz Singer, lnh. E. Ettwein, Papier- und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Tri­ berg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und 40 weiteren Geschäfts­ stellen Josef Straub Söhne GmbH, Wellpappenwerke, Bräun­ lingen Dr. Theo Striegel, Auf dem Bühl 8, Furtwangen Werkgemeinschaft FSM, Viehoff + Rolf u. Partner, freie Architekten, Scheffelstraße 2, Freiburg Wehrle Uhrenfabrik GmbH, Schönwald/Schwarzwald Weisser Wintermaschinen GmbH, Bräunlingen F. K. Wiebelt Buchhandlung, Bickenstraße 6, Villingen­ Schwenningen, Büromusterhaus Vockenhauser Straße 9, Villingen-Schwenningen Fr. Winkler KG, Spezialfabrik für Bäckereimaschinen und Backöfen, Vockenhauser Straße 4, Villingen­ Schwenningen Dr. Zetzsche, Unterkimach 13 weitere Freunde und Förderer des Almanachs wünschten nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat undJugend Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1982 zum Geleit Im Vorwort zur diesjährigen Folge unseres Heimatjahrbuches soll der von unserer Jugend wiederentdeckte Wert der Heimat besonders herausgestellt werden. Heimat und Jugend – ist dies nicht ein großer Gegensatz? Heimat wird in Verbindung gebracht mit ehrwürdigem Alter, überkommenem Erbe und gewachsenem Brauch­ tum. Die Jugend hat oft, so scheint es, ganz andere Interessen, als diese Werte hochzuhalten. Ist die Rückbesinnung unserer Jugend auf die Heimat nur eine nostalgische Modeerscheinung, die morgen wieder einer anderen weichen wird? Hoffentlich nicht! Die jährlichen Ausgaben unseres Heimatjahrbuches bringen gerade auch unserer Jugend den überschaubaren Lebensraum des Landkreises näher ‚und vermitteln Kenntnisse, ohne die keine bleibende innere Verbindung zur Heimat entstehen kann. Ich hoffe, daß unsere jüngeren Mitbürger von diesem Angebot regen Gebrauch machen und damit unter Beweis stellen, daß Heimat im Bewußtsein unserer Jugend sehr wohl einen festen Platz einnehmen kann. Wenn ich mich in diesem Vorwort besonders an die Jugend wende, so sind selbstverständlich auch die Älteren, die den Wert der Heimat schon seit langem schätzen und vielleicht bereits zu den Freunden des Almanachs gehören, angesprochen. Auch mit ihnen, sei es, daß sie hier wohnen oder weggezogen sind, möchten wir die Verbindung gerne aufrechterhalten. Danken möchte ich wieder unseren Förderern, die durch großzügige Spenden ein preisgünstiges Buch ermöglicht haben, sowie allen Autoren und nicht zuletzt dem Verlag und meinen Kollegen in der Redaktion. Möge das gemeinschaftliche Werk die schon jetzt zahlreichen treuen Freunde unseres Heimatjahrbuchs erfreuen und noch viele neue Freunde auch unter der jungen Generation hinzugewinnen. Dr. Rainer Gutlcnecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Der Schwarzwald-Baar-Kreis/Eine Zwischenbilanz Von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Am Ende des Jahres 1982 besteht der S chwarzwald-Baar-Kreis 10 Jahre. Aus diesem Anlaß soll im Heimatjahrbuch 1982 anstatt eines kreis politischen Rückblicks auf das Jahr 1981 eine Zwischenbilanz gezogen werden. Hat sich der neue Landkreis bewährt? Sind die Erwartungen, die bei seinem Entstehen am 1. 1. 1973 ausgedrückt wurden, in Er­ füllung gegangen? Der neue Landkreis, im wesentlichen aus den ehemaligen Landkreisen Villingen und Donaueschingen entstanden, nimmt unter den 35 Landkreisen im Lande Baden- Württemberg von der Einwohnerzahl (rd. 200.000) und der Fläche (1.025 qkrn) her einen guten Mittelplatz ein. Der Kreis ist meines Erachtens nicht zu groß geraten und ist nocn überschaubar. Landschaftlich hat er durch den Zusammenschluß gewonnen. In ihm sind Teile des Schwarzwaldes und der Baar zu einer kommunalpolitischen Einheit vereinigt; zwei gegensätzliche Landschaften, die sich gut ergänzen. Im Mittelpunkt der vom Landkreis betrie­ benen Strukturpolitik stand der Ausbau des beruflichen Schulwesens einschließlich der Frohes Spiel auf dem Schulp/atz der neuen Schule far Geistigbehinderte im Stadtbezirk Villingen 4

Sport in der neuen Turnhalle der Haus- und Landwirtschaftlichen Schuk im Stadtbezirk Villingen Im Sonderschulbereich für Turnhallen. Geistig-und Körperbehinderte wurden eben­ falls neue Schulräume geschaffen bzw. die Planung hierfür eingeleitet. Für den Kreis­ straßenbau wurden erhebliche Mittel aus­ gegeben. Jahr für Jahr standen die Kosten für· die Sozial-und Jugendhilfe an oberster Stelle auf der Ausgabenseite. Als neue Auf­ gabe mußte die Abfallbeseitigung kurz­ fristig gelöst werden. Trotz der großen finanziellen Anstrengungen im Bereich der Pflichtaufgaben konnten auch einzelne frei­ willige Aufgaben gefördert werden: kreis­ eigene Beratungsstellen, Kreisergänzungs­ bücherei, Landwirtschaft, Fremdenverkehr, um einige wichtige Beispiele zu nennen. Durch die Kreisreform hat sich auch die Leistungskraft der unteren Verwaltungs­ behörde gesteigert: In den beispielhaft ge­ nannten Bereichen Bau-und Straßenverkehr mußte in den vergangenen Jahren vielArbeit, die sich oft im stillen vollzog, geleistet werden. In anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Feuerwehr und im Katastrop­ henschutz, konnten durch Mitteleinsatz des Kreises weitere Verbesserungen erreicht werden. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß alle die genannten Leistungen des Kreises auch der Wirtschaft zugute kommen, indem die Lebensbedingungen der hier arbeitenden Menschen verbessert worden sind. Der größere Kreis ist für die Wirtschaft ein leistungskräftiger Partner geworden. Freilich nehmen wir auch ungelöste Fragen in das zweite Jahrzehnt mit. Das Kreiskrankenhaus in Donaueschingen, das im Jahre 1974 ein neues Gebäude beziehen konnte und sich eines guten Rufes erfreut, hat noch keine endgültige „freie Bahn“ für eine weitere angemessene Entwicklung. We.nn auch keine Teilhabe an der Zentral-5

versorgung, die die Städtischen Krankenan­ stalten in Villingen-Schwenningen wahrneh­ men, in Frage kommen kann, so bin ich doch der Meinung, daß eine urologische Beleg­ abteilung mit ca. 6-10 Betten, die im Entwurf des Krankenhausbedarfsplanes der Stufe II des Landes vorgesehen ist, einem Bedarf im südlichen Kreisgebiet entspricht. Erst am Beginn sind wir mit unseren Bemühungen um die Verbesserung des öffentlichen Nah­ verkehrs. Es zeigt sich auch bei uns, daß nennenswerte Verbesserungen nur mit Zu­ schüssen möglich sind. Schließlich steht noch der Neubau des Landratsamtes vor uns; eine notwendige Investition, die aber im Rahmen der Gesamthaushaltslage gesehen werden muß. Ist der Kreis zusammengewachsen? Wie steht es mit dem Kreisbewußtsein? Der Landkreis hat sich bemüht, seinen neuen Aufgaben gerecht zu werden. Es sind dabei sicher auch Fortschritte in Richtung auf ein Zusammenwachsen erzielt worden. Leider kann aber noch nicht gesagt werden, daß der Landkreis sich in allen Teilen als Einheit empfindet. Dies hängt mit den teilweise schwierigen Strukturunterschieden im Kreis­ gebiet zusammen. Da ist das Verhältnis der Großen Kreis­ stadt Villingen-Schwenningen, das als Ober­ zentrum auszubauen und dabei auch auf die Mithilfe des Landkreises angewiesen ist, zum übrigen Kreisgebiet. Schwierig ist ferner der Ausgleich zwischen „Nord und Süd“, was am Beispiel der Einordnung des Kreis­ krankenhauses in Donaueschingen mehrere Male in der Vergangenheit deutlich geworden ist. Ich kann nur hoffen, daß im Laufe der Jahre mehr als bisher gewürdigt wird, daß sich die Politik des Landkreises am Wohl des Gesamtkreises auszurichten hat und so das an sich in vielen Bereichen gut voran­ gekommene Zusammenwachsen auch in den bisher ungelösten Fragen zu einem guten Ende kommt. Was das Kreisbewußtsein an­ geht, hat es der Landkreis immer schwerer als die Gemeinden. Der Bürger hat eine viel engere Bindung zu seiner Gemeinde, in der er wohnt und arbeitet. Die Beziehungen zwischen Einwohner und Kreis sind weitaus lockerer. Einige wollen daher ein „Kreis­ bewußtsein“ überhaupt in Frage stellen. Ich kann mich dieser Auffassung nicht an­ schließen, sondern meine, daß die ,,Identi­ fikation“ zwischen Einwohner und Kreis ent­ wicklungsfähig ist und sich nicht nur auf das VS-Kennzeichen an Kraftfahrzeugen zu be­ schränken braucht. Die Verwaltung hat es an Informationen nicht fehlen lassen, und auch die Presse berichtet regelmäßig über die Sitzungen des Kreistages und seiner Aus­ schüsse. Es wäre erfreulich, wenn die Ein­ wohner im Kreisgebiet über die Beschäfti­ gung mit der Kreispolitik auch eine innere Beziehung zu „ihrem“ Schwarzwald-Baar­ Kreis finden würden und stolz darauf wären, ein „Schwarzwald-Baaremer“ zu sein. Umzug der Kreisergänzungsbücherei nach Schwenningen Erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Stadt- und Gemeindebüchereien Ein großzügiger Raum (Ausleihfläche der Gesamtbibliothek ca. 1.460 m2) mit einer Einrichtung, die „wohnliche“ Atmosphäre schafft, birgt in sich zahlreiche Verweilplätze zum Lesen und Schauen und bietet viel­ fältige Möglichkeiten der Benutzung. Die Bibliothek ist ein Haus nicht nur zum Kreisergänzungsbücherei des Die Schwarzwald-Baar-Kreises, die im Mai 1982 fünf Jahre besteht, hat im September 1980 zusammen mit der Stadtbibliothek der Großen Kreisstadt Villingen-Schwenningen einen der modernsten und schönsten Biblio­ theksneubauten der Bundesrepublik bezogen. 6

Mit der Block.ausleihe im Kreisgebiet präsent Lesen, sondern auch zum Hören und Sehen (Audiovisuelle Medien, Ausstellungen, Autorenlesungen usw. ergänzen das Buch­ angebot), zum Lernen und Arbeiten (hierfür wurde eine separate „Ruhezone“ mit umfang­ reichem Nachschlagebestand und Arbeits­ plätzen geschaffen), aber auch ein Ort, um sich zu treffen und miteinander zu unter­ halten. Wer sich nur kurzweilig die Zeit vertreiben möchte, kann dies ebenfalls tun (mit Spielen, Zeitunglesen usw.). Für das leibliche Wohl steht bei Bedarf ein privat bewirtschaftetes Cafe zur Verfügung. Annähernd 50.000 Medien (Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Spiele, Toncas­ setten und Schallplatten), darunter etwa 6.500 Bücher der Kreisergänzungsbücherei (Stand: Mai 1981), sind auf mehreren teras­ senartig angelegten Etagen, die von nahezu jedem Standort aus bequem überblickt werden können, übersichtlich untergebracht und können von allen Bürgern des Schwarz- wald-Baar-Kreises jederzeit entliehen werden. Die Bibliothek ist jeden Nachmittag (außer Sonntag und Montag) sowie jeden Samstag­ vormittag geöffnet. Wie die Jahre zuvor schon in der Biblio­ thek am Villinger Münster, in der die Kreis­ ergänzungsbücherei von Mai 1977 bis Sep­ tember 1980 untergebracht war, arbeitet die Kreisergänzungsbücherei auch im neuen Gebäude in der Schwenninger Muslen personell sehr eng mit der Stadtbibliothek Villingen-Schwenningen zusammen (Die Kreisergänzungsbücherei beschäftigt z. Zt. einen Diplom-Bibliothekar, eine Bibliotheks­ Assistentin und eine Bibliotheksangestellte, die Stadtbibliothek Villingen-Schwenningen in der Muslenbibliothek vier Diplom­ Bibliothekare und acht Bibliotheksange­ stellte). Die Buchanschaffungen beider Einrichtungen sowie die buchtechnische Bearbeitung werden koordiniert. Die Bücher sind nebeneinander in den gleichen 7

Regalen aufgestellt und werden zusammen ausgeliehen. Den Benutzern aus dem ge­ samten Kreisgebiet kann so ein umfassender, zeitlich erweiterter Service angeboten werden. Das wachsende Interesse an dieser zentralen Bibliothekseinrichtung, das durch den großzügigen Neubau stark gefördert wird, läßt sich an stetig wachsenden Ausleihe­ und Leserzahlen verfolgen: 1978 wurden von Lesern aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis ( ohne die Leser aus Villingen-Schwenningen) 10.834 Bücher ausgeliehen, 1980 waren es bereits 24.071, und in den ersten vier Monaten des Jahres 1981 wurden schon 17.504 Aus­ leihen gezählt. Die Zahl der eingetragenen Leser aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis ( ohne Villingen-Schwenningen) liegt bei derzeit etwa 2.250 (Stand: Mai 1981). Ende 1977 waren es noch bescheidene 424 Leser. Die Kreisergänzungsbücherei des Schwarzwald-Baar-Kreises verfolgt darüber­ hinaus seit ihrer Einrichtung im Jahre 1977 das Ziel, durch Zusammenarbeit mit den öffentlichen Büchereien im Landkreis die Literaturversorgung im gesamten Kreisgebiet mit zu verbessern. Zu diesem Zweck baut sie einen Sach- und Fachbuchbestand für Schule, Beruf, Weiterbildung, Hobby und Freizeit auf, aus dem die Gemeindebüche­ reien Teilbestände en bloc beziehen können (sog. „Blockausleihe“). Damit können die Büchereien die eigenen Bestände für einen bestimmten Zeitraum ohne eigenen fman­ ziellen Aufwand ergänzen und die Bücher der Kreisergänzungsbücherei wie ihre eigenen an ihre Leser weiterverleihen. Am Beispiel der Stadtbibliothek Donau­ eschingen läßt sich aufzeigen, wie eine öffentliche Bücherei das Angebot der Block­ ausleihe der Kreisergänzungsbücherei konsequent nutzt und dadurch den eigenen Bestand vergrößert: Nach der ersten Aufbau­ phase (die Stadtbibliothek wurde 1976 ein­ gerichtet) hatte die Donaueschinger Bücherei im Jahre 1980 einen Bestand von ca. 12.000 Bänden, einen Leserstamm von über 1.000 Personen sowie eine J ahresausleihe von etwa 30.000 Bänden erreicht. Der jährliche 8 Buchneuanschaffungsetat (zwischen DM 10.000 und DM 20.000) reicht für etwa 50 bis 100 neue Bücher monatlich, was für eine Stadtbibliothek dieser Größenordnung nicht allzu üppig ist. Dazu kommt, daß ab 1981 keine staatlichen Zuschüsse für Büchereien mehr gewährt werden. Grund genug für den Leiter der Stadtbibliothek, Hermann Winterhalter, im Sachbuch­ bereich verstärkt auf das Angebot der Block­ ausleihe der Kreisergänzungsbücherei einzu­ gehen. Viele Sachbücher, vor allem groß­ formatige Bildbände, teure Fachbücher und Nachschlagwerke werden doch nicht so häufig ausgeliehen, daß sie im eigenen Bestand unbedingt vorhanden sein müssen, zumal sie ja als kostenlose Leihgabe für einen längeren Zeitraum von der Kreisergänzungs­ bücherei bezogen werden können. So ver­ stärkt die Stadtbibliothek Donaueschingen mit Hilfe der Kreisergänzungsbücherei ihr Buchangebot und steigert damit ihre Attraktivität. 1980 verbuchte die Kreis­ ergänzungsbücherei 912 Ausleihen für die Stadtbibliothek Donaueschingen, womit diese an der Spitze der „Blockentleiher“ lag. Bis zum Jahre 1980 stieß das Angebot der Blockausleihe bei den Gemeindebüchereien nur auf geringes Interesse. Als Hindernis stellte sich bei den meisten Büchereien ein Mangel an Stellfläche heraus, d. h. die Büchereien hatten in ihren Regalen keinen oder nur wenig Platz für die zusätzlichen Bücher der Kreisergänzungsbücherei. Diesem Umstand entspricht die Kreisergänzungs­ bücherei, interessierten Büchereien zusammen mit der Blockausleihe ein kompaktes Buchregal auf Rollen mit anbietet. Im Juli 1980 erhielt die Stadtbiblio­ thek Donaueschingen, quasi als Aner­ kennung für die besonders gute Zusammen­ arbeit mit der Kreisergänzungsbücherei, als erste der Büchereien im Schwarzwald-Baar­ Kreis ein solches Bücher-Rollregal gefüllt mit einer Auswahl von 100 attraktiven Neu­ anschaffungen der Kreisergänzungsbücherei zur Verfügung gestellt. 1981 bekamen bis Ende Mai die Stadt-und Gemeindebüche- indem sie den

Der Landkreis auf der Südwestmesse reien in Bräunlingen, Hüfingen, Furtwangen und Blumberg ebenfalls eine Blockausleihe im Rollregal. Fest eingeplant sind Blockaus­ leihen an die Büchereien in Königsfeld, Mönchweiler und Vöhrenbach. Weitere werden mit Sicherheit folgen. In den ersten fünf Monaten des Jahres 1981 hat die Kreis­ ergänzungsbücherei folgende Ausleihen an die Gemeindebüchereien zu verzeichnen: Donaueschingen 580, Bräunlingen 342, Hüfingen 225, Furtwangen 155, Furtwangen­ Neukirch 135, Blumberg 54, St. Georgen 46, Mönchweiler 25, Königsfeld 17 und Bad Dürrheim 10 Ausleihen. Natur und Umwelt im Schwarzwald-Baar­ Kreis war das Thema des Informationsstan­ des, den der Schwarzwald-Baar-Kreis bei der Südwestmesse 1981 gestaltete. Miteindrucks­ vollen Großflächenfotos und ausführlichen Schautafeln wurden die Besucher über die aktuellen Probleme unserer Zeit, wie -Abfallbeseitigung -Abwasserbeseitigung -Natur-und Landschaftsschutzgebiete -Denkmalpflege -Landwirtschaft informiert. So wurde die Situation im Bereich der Abfallbeseitigung mit den vorn Landkreis unterhaltenen Deponien Hüfingen und Tuningen veranschaulicht. In wievielen Klär­ anlagen die Abwässer gereinigt werden, war ebenso dargestellt wie die Anzahl, Fläche und Lage der 23 Natur-und Landschafts­ schutzgebiete des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses. Anhand von Schautafeln erfuhr der Besucher, daß der Landkreis in den Berei­ chen Denkmalpflege und Landwirtschaft seit seinem Bestehen insgesamt über 1,8 Mill. DM an Beihilfen und Zuschüssen bereit­ stellte. Fachkundige Vertreter der einzelnen Ämter des Landratsamtes standen den Besu- Die Kreisergänzungsbücherei des Schwarz­ wald-Baar-Kreises befindet sich noch im Aufbau. Der angestrebte Zielbestand von 15.000 Bänden ist erst knapp zur Hälfte erreicht. Die Zusammenarbeit mit den Büchereien im Landkreis beginnt erst inten­ siv zu werden. Wenn auch vieles erst noch die Zukunft bringen muß, wie z. B. den Bücherbus, so ist die Kreisergänzungs­ bücherei dennoch schon zu einer festen Einrichtung mit reger Inanspruchnahme geworden, auf die der Schwarzwald-Baar­ Kreis jetzt schon stolz sein kann. Hans-Werner Fischer ehern für ausführliche Informationen und Diskussionen zur Verftigung. Das thernen­ bezogene Preisausschreiben, bei dem es als Hauptgewinn einen Rundflug über den Schwarzwald-Baar-Kreis zu gewinnen gab, erfreute sich eines regen Zuspruchs. Daß Bürgernähe nicht nur ein Schlagwort ist, bewies Landrat Dr. Gutknecht bei seiner Bürgersprechstunde, die in diesem Jahr erst­ malig in das offizielle Messeprogramm auf­ genommen wurde. Abschließend kann mit Recht gesagt werden, daß das Ziel erreicht wurde, das Thema Umweltschutz am Bei­ spiel des Schwarzwald-Baar-Kreises den Bür­ gern näherzubringen und sie über die viel­ schichtigen Aufgaben des Landkreises zu informieren. Werbung in Hamburg, Berlin und Essen Die W erbegerneinschaft Schwarzwald­ Baar -Oberer Neckar, bestehend aus den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Rottweil, beteiligte sich zusammen mit dem Fremdenverkehrsverband Schwarzwald und dem Landesfremdenverkehrsverband Ba­ den-Württemberg an Reisen 81 in Hamburg, der ITB in Berlin und an Campingffouristik 81 in Essen. 9

Gebietsgemeinschaften „Der Zug in den Schwarzwald -immer richtig“, unter diesem Motto präsentierte sich die Werbegemeinschaft Schwarzwald­ Baar -Oberer Neckar zusammen mit den übrigen des Schwarzwaldes vom 14. bis 22. Februar 1981 bei „Reisen 81″ in Hamburg. Vor dem sehr attraktiven, als Schwarzwaldhaus gestalteten Messestand des Fremdenverkehrsverbandes Schwarzwald informierten sachkundige Ver­ treter der einzelnen Gebiete die Messebesu­ cher über Ferien-und Freizeitangebote des Schwarzwaldes. Zusammen mit diesen Urlaubsinformationen wurde dem Messebe­ sucher auch heimatliches Brauchtum des Schwarzwaldes vermittelt Neben Hinter­ glasmalerei und Spinnen war die von Mar­ bod Kienzler aus Furtwangen aufgebaute Schnitzerwerkstatt eine besondere Attrak­ tion des Werbestandes. Zusammen mit dem Landesfremdenver­ kehrsverband Baden-Württemberg präsen­ tierte sich die Werbegemeinschaft Schwarz­ wald-Baar -Oberer Neckar vom 28. 2. bis 6. 3.1981 bei der ITB in Berlin, der größten Tou­ ristikmesse der Welt. Bei einer Pressekonfe- 10 renz wurden der Reisepresse neben den neuen Schwarzwaldangeboten auch das neueste Produkt des Fremdenverkehrsver­ bandes Schwarzwald, die „Schwarzwald-Kli­ mafibel“ vorgestellt. Mit dieser Klimafibel will man vor allem den Slogan „Sonne ist gut -Schwarzwaldklima ist besser“ wissenschaft­ lich abstützen. Die Fibel weist die 4 wichtig­ sten bioklimatischen Stufen des Schwarzwal­ des aus und nennt alle heilklimatischen Kurorte und Heilbäder. Ebenfalls mit dem Landesfremdenver­ kehrsverband Baden-Württemberg stellte sich die Werbegemeinschaft Schwarzwald­ Baar-Oberer Neckar bei der Camping!fou­ ristik 81, dem größten Reisemarkt an Rhein und Ruhr, in Essen vor. Vom 28. 3. bis 5. 4. 1981 konnten die Essener Messebesucher Urlaubsinformation für die Saison 81 bezie­ hen. Die Informationspalette war reichhal­ tig: Der neue Gesamtkatalog „Schwarzwald“, Broschüren über die Campingplätze, über Wandern, Radfahren und Hobbyurlaube waren ebenso gefragt wie der gemeinsame Werbeprospekt der Werbegemeinschaft. Jürgen Moser

Das Kulturwerk für Südtirol im Schwarzwald-Baar-Kreis Von Dr.Josef Astfäller, V illingen-Schwenningen Als im Jahre 1948 ein neuer Landrat nach V illingen kam, sprach es sich bald herum, daß er kein Badener war, sondern aus Süd­ tirol stammte. Deshalb wurde er oft nach seinem Lebenslauf gefragt. Auch mußte er viel von Südtirol, dessen Schicksal und sei­ nen Menschen erzählen. Dabei erinnerte er daran, daß Südtirol seit der V ölkerwande­ rung ein deutsches Land ist. Jahrhunderte­ lang gehörte es zu den österreichischen Erblanden. Erst 1918 erhielt Italien für seine Teilnahme am Kriege gegen Österreich den südlich des Brenners und des Alpenhaupt­ kammes gelegenen Teil T irols als Kriegsbeute zugesprochen. Damit begann die Unterdrückung der deutschen Sprache und Kultur in Südtirol. Unter dem Faschismus erreichte diese Politik ihren Höhepunkt: Verboten wurde der Ge­ brauch der deutschen Sprache bei Ämtern, Behörden und Gerichten, die deutschen Kindergärten und Schulen wurden durch italienische ersetzt, die deutschen Vereine und Parteien wurden aufgelöst und deren Vermögen beschlagnahmt, für die deutschen Ortsnamen wurden italienische erfunden, Schloß Tirol alle Inschriften, auch solche auf den Grab­ steinen, mußten italienisch sein, alle kultu­ rellen deutschen Einrichtungen wurden verboten, bäuerlicher Grund und Boden wurde enteignet, um Italiener ansiedeln zu können. Als alle diese Unterdrückungsmaßnahrnen keinen Erfolg brachten, beschlossen Hitler und Mussolini im Jahre 1939, die Südtiroler Deutschen ins Reich umzusiedeln. Im Jahre darauf wurde tatsächlich damit begonnen. (Auch der Landrat kam damals im Zuge dieser Umsiedlung nach Deutschland.) Nur die Ausweitung des Zweiten Weltkrieges ver­ hinderte die Gesamtdurchführung des Um­ siedlungsplanes. Bei den Friedensverhandlungen nach dem Kriege erreichte Italien, daß die von den Südtirolern geforderte Rückgliederung an Österreich abgelehnt wurde. Es kam zu einem Vertrag zwischen Österreich und Italien, der den Deutsch-Südtirolern eine wirtschaftliche und kulturelle Selbstverwaltung (Autono­ mie) zugestand. Aber Italien drückte sich lange Jahre hindurch um deren Verwirkli­ chung und versuchte, durch Unterwande- Zeichnung: Astfäller 11

rung eine italienische Bevölkerungsmehrheit in Südtirol zu schaffen. An diesen Schilderungen des Landrats über das Geschehen in Südtirol nahmen die Mitglieder des Kreistages regen Anteil. Sehr bald wurde der Wunsch laut, die Verhältnisse in Südtirol selbst kennenzulernen. Sobald es die Verhältnisse zuließen, wurde beschlossen, eine Lehrfahrt dorthin zu unternehmen. U n­ ter Führung des Landrats fand sie statt und wurde für alle Teilnehmer zu einem beson­ deren Erlebnis. Viel Neues gab es zu sehen: Kommunale Einrichtungen aller Art, Obstgenossenschaf­ ten, Weinkellereien, landwirtschaftliche Betriebe und Heimatmuseen, -aber auch die italienische Industrie-Zone in Bozen, die italienischen Stadtviertel, die faschistischen Denkmäler und die vielen italienischen Kasernen. Mit Bürgermeistern und Gemeinderäten wurde eifrig über kommunale Aufgaben und Schwierigkeiten gesprochen, Vergleiche wur­ den angestellt und Meinungen ausgetauscht. Besonders eindrucksvoll war ein Besuch beim alten „ Tanner Bauern“ in Obermais, der in Tracht, weißbärtig und mit patriarcha­ lischer Würde, die Kreistagsmitglieder in der Bauernstube mit seinem Haustrunk bewir­ tete und seine Gäste bat, die Verbindung zu den Südtirolern ja nicht abreißen zu lassen, denn „wir sind Deutsche und wollen Deutsche bleiben, die Italiener werden uns nicht unterkriegen! Helft unserem Volks­ tumskampfl“ Bitten dieser Art waren überall in der Bundesrepublik gehört worden. So lag der Gedanke nahe, die zahlreichen Freunde Südtirols zu einer Vereinigung zusammen­ zuschließen, um die Hilfsbereitschaft mög­ lichst wirkungsvoll und gezielt in praktische Taten umzusetzen. 1956 wurde in München das Kulturwerk für Südtirol e. V. gegründet. In seiner Satzung heißt es: Der Verein erstrebt keinen Gewinn. Er ist parteipolitisch und weltanschaulich unabhängig. Sein Zweck ist: alle Bestrebun­ gen für einen wirksamen Minderheitenschutz in Südtirol zu unterstützen, die kulturellen 12 Beziehungen zur deutschen und ladinischen Volksgruppe zu pflegen, die Erhaltung der angestammten Kultur und Sprache durch geeignete Maßnahmen zu fördern, in beson­ deren Notfällen finanzielle Hilfe zu leisten, durch Mitgliedsbeiträge und Spenden die notwendigen Geldmittel aufzubringen. In den folgenden Jahren gliederte sich das Kulturwerk in Landesverbände und in Arbeits­ kreise. Nachdem ein Landesverband Baden­ Württemberg gegründet worden war, konnte auch der Villinger Landrat darangehen, für seinen Verwaltungsbereich einen Arbeitskreis zu bilden. 1967 war es so weit. Bei der Gründungs­ versammlung erläuterte der Landrat den zahlreich Erschienenen die Aufgaben des Kulturwerkes und die Notwendigkeit, den Südtirolern beim Bau von Kindergärten, von Kultur-und Bildungsstätten, von Schüler­ und Lehrlingsheimen, bei der Einrichtung von Büchereien und Stätten der Begegnung und bei der Betreuung der Bergbauern zu helfen. Der Arbeitskreis Villingen-Schwenningen mit seinen rund 200 Mitgliedern hatte nie die Absicht, mit Großveranstaltungen an die Öffentlichkeit zu treten. Es kam ihm viel­ mehr darauf an, möglichst viele Mitbürger zu veranlassen, Verbindungen mit den Men­ schen in Südtirol anzubahnen, den Urlaub dort zu verbringen, Besuchsfahrten dorthin zu unternehmen, Freundschaften zu knüp­ fen und persönliche Beziehungen zu pflegen. Dies wurde erreicht durch Vorträge über Südtirol bei Volksbildungswerken und Ver­ einen, durch Werbung für Studienreisen und Ausflugsfahrten, durch Aufenthalt von Schulklassen in Südtiroler Landschulheimen, durch Partnerschaften und gegenseitige Be­ suche von Musikkapellen, Feuerwehren, Ge­ sangsvereinen und anderen Verbänden. Ein besonderes Freundschaftsverhältnis verbin­ det die Sudetendeutsche Landsmannschaft Villingen (Mitglied im Arbeitskreis) mit der Gemeinde St. Jakob, einem Bergdorf im Ahrntal, wo sie alljährlich die Erstkommu­ nikanten, Buben und Mädchen, neu einklei-

St. Magdalena mit Rosengarten det und mit ihnen den Festtag begeht. An jedem Jahresende hält der Arbeitskreis eine Mitgliederversammlung ab, die mit einem Film- oder Lichtbildervortrag über Südtirol umrahmt wird. Die Mitarbeit ist ehrenamtlich; die Geschäftsstelle konnte bei der Baugenossenschaft „Neue Heimat“ in Villingen (Pontarlierstraße) eingerichtet wer­ den. Das Jahresaufkommen an Mitgliedsbei­ trägen und Spenden beträgt drei-bis vier­ tausend Mark. Seit Gründung des Arbeits­ kreises Villingen-Schwenningen konnten über die Bundesgeschäftsstelle München rund 50.000,-DM nach Südtirol geschickt werden. Damit wurden unter anderem bezu­ schußt: Der Kindergartenbau in St. Pankraz und in St. Nikolaus im Ultental, die Kinder­ gärten in Montan und in Barbi.111, der Kinder­ garten und das Kulturheim in Kurtinig, das Haus der Kultur in Neumarkt, das Haus der Talschaft in Langtaufers und in Truden sowie ein Schüler-und Lehrlingsheim im Vinsch­ gau. Das bundesweite Kulturwerk für Südtirol hat seit seinem Bestehen rund 15 Millionen DM aufgebracht und damit wirksame Hilfe in Südtirol leisten können. Hilfe für Südtirol auch heute noch? -So fragt mancher Ferien- Zeichnung: Asifäller reisende, der den wachsenden Wohlstand in den Haupttälern beobachtet. Er sollte beden­ ken: es gibt noch zahlreiche verschwiegene Täler, Dörfer und Berggemeinden, die noch vieles nachzuholen haben und denen drin­ gend geholfen werden muß. Aber auch für die Erhaltung des alten, angestammten Südtiroler Kulturgutes muß noch überall im Lande viel getan werden durch Förderung der kulturellen Verbände und Vereine. Denn sie alle sind Ausdruck einer echten Volkskultur, und gerade durch sie kann die geistig-kulturelle Eigenständig­ keit Südtirols und seine Verbundenheit zum deutschen Kulturraum erhalten werden. Ein Blatt -durch den Wind von einem Ort zum anderen getragen. Eine Blüte -durch die Natur von heute auf morgen ihrer Schönheit beraubt. Ein Augenblick -durch die Zeit von jetzt auf nachher vergangen. Ein Leben -durch die Vergänglichkeit so plötzlich erloschen. Was bleibt bestehen? Daniela Siek 13

Vor 100 Jahren geboren: Kurienkardinal Bea Johannes Kardinal Willebrands: Erinnerungen an Kardinal Bea gation für die Glaubenslehre. Er interessierte sich sehr lebhaft für ökumenische Probleme und besonders für die Entwicklung der öku­ menischen Kontakte in Deutschland. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er den regelmäßigen Treffen zwischen katholischen und evangelischen Theologieprofessoren im sogenannten ,Jaeger-Stählin-Kreis“. Er ver­ folgte auch die „Una-Sancta“-Bewegung, in der Priester und Laien im Gebet und ver­ schiedenen Arten von Tätigkeiten einander begegneten. Sooft ich für Beratungen nach Rom kam, bestand er darauf, daß ich ihn regelmäßig besuche, ohne Angst zu haben ihm lästig zu fallen. ,,Auch wenn ich einmal für andere Geschäfte keine Zeit mehr haben sollte, für das Anliegen der Einheit werde ich immer zur Verfügung stehen“, sagte er. So hat er, im Hinblick auf die Vorbereitung des Konzils mit Freuden den Vorsitz des Sekretariates für die Einheit der Christen angenommen. Von Anfang an hat er diesem neuen Organ den Geist und die Orientierung verliehen, welche -sei es für die Sitzungen der Mitglieder und der Berater, sei es für die tägliche Arbeit des Büros – bezeichnend waren. Woher kam ihm aber die so ausgezeichnete Vorbereitung für eine in der Geschichte der Kirche so neue Aufgabe? In seiner eigenen Heimat, dem Mutter­ land der Reformation, hat er die Spaltung der Christen tief erlebt. So erkannte er, daß die ökumenische Bewegung ein einzigartiges Werk der göttlichen Vorsehung ist. In dem Studium der Bibel hat er die Kunst der Unterscheidung der Zeichen der Zeit in der Heilsgeschichte gelernt. Auf dem Gebiet der biblischen Forschung ist er bei den wissen­ schaftlichen Kongressen seinen evangelischen Fachkollegen begegnet. Gerne sprach er von Es sind schon beinahe 13 Jahre seit dem Tode von Augustin Bea, und doch habe ich ihn noch so lebendig im Gedächtnis, wie wenn ich ihn noch gestern gesehen und gesprochen hätte. Ich schätze mich glück­ lich, ihn beinah‘ 20 Jahre lang gekannt zu haben: zunächst bin ich ihm während eines Jahrzehnts regelmäßig begegnet; rund ein weiteres Jahrzehnt, während des Konzils und nach dem Konzil, durfte ich mit ihm engstens zusammenarbeiten. Seit 1951 habe ich ihn, in meiner Eigen­ schaft als Sekretär der Katholischen Kon­ ferenz für ökumenische Fragen, regelmäßig besucht. Er war damals Professor am päpst­ lichen Bibelinstitut in Rom und Berater beim HI. Offizium, heute die römische Kongre- Kardinal Willebrands 14

Gedenkplatte am Grab von Kardinal Bea in Riedböhringen solchen Begegnungen. Für ihn stand in deren Mittelpunkt nicht so sehr das gemeinsame Forschungsobjekt als vielmehr die allen ge­ meinsame Glaubensgrundlage, das Wort Gottes. Auf diesem Wege hat er in inniger Weise erfahren das, was uns eint, wie auch die Schwierigkeiten, die Divergenzen und die gemeinsamen Bemühungen um die Einheit. Trotz seines hohen Alters hatte der 80jährige Kardinal, der während der Vor­ bereitung des Konzils und in dessen Ablauf für die Arbeit zugunsten der Einheit ver­ antwortlich war, keine Bedenken, sich auf Reisen in Europa und in anderen Konti- nenten zu begeben. Es ging darum, sich persönlich an Ort und Stelle über die öku­ menische Lage und die diesbezüglichen Probleme zu unterrichten; es ging darum, den ökumenischen Geist mitzuteilen und die katholischen Grundsätze für die ökumenische Arbeit zu verbreiten, welche später, in dem am 21. November 1964 von Paul VI. ver­ öffentlichten Konzilsdekret über die öku­ menische Arbeit festgelegt werden sollten. Von seinen ökumenischen Reisen möchte ich vor allem zwei wegen ihrer großen öku­ menischen Tragweite hervorheben. Die erste ist die Begegnung mit Seiner Heiligkeit 15

Patriarch Athenagoras 1., welche nach der dritten panorthodoxen Konferenz in Rhodos am 2. April 1965 in Istanbul statt­ fand. Die andere ist sein Besuch beim Öku­ menischen Rat der Kirchen in Genf, wo der Kardinal am 18. Februar 1965 die Zustim­ mung zum Vorschlag des Ökumenischen Rates der Kirchen bekanntgab, eine ge­ mischte Arbeitsgruppe zwischen dem Rat und der römisch-katholischen Kirche zu schaffen. Während des Konzils war der Kardinal verantwortlich für die Leitung des Einheits­ sekretariates bei der Vorbereitung der in dessen Kompetenz liegenden Konzils­ vorlagen. Es handelt sich zunächst um das Dekret „Unitatis Redintegratio“ (,,Wieder­ herstellung der Einheit“) betreffend die öku­ menische Arbeit; weiterhin um die Erklärung „N ostra Aetate“ ( ,,In unserer Zeit“) über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchrist­ lichen Religionen und zuletzt um die Er­ klärung „Dignitatis Humanae“ (,,Die Würde der menschlichen Person“) über die Religi­ onsfreiheit. Darüber hinaus hat er sich in besonderer Weise an der Vorbereitung der Konstitution „Dei Verbum“, ,,über die göttliche Offenbarung“, beteiligt, insofern das Einheitssekretariat diese in einer ge­ mischten Kommission, zusammen mit der Theologischen Kommission, zu bearbeiten hatte. Als Exeget bekundete er ein sehr lebhaftes Interesse für dieses so wichtige Dokument. Dazu untersuchte er persönlich die ökumenische Dimension aller Konzils­ dokumente und sprach darüber in seinen zahlreichen Konzilsreden. Den Ertrag dieser Studien finden wir in den Büchern fest­ gelegt, die er während des Konzils und nach dem Konzil veröffentlicht hat. Die persönlichen Kontakte mit den offiziellen Beobachtern und Gästen, welche im Konzil ihre Kirchen und kirchliche Gemeinschaften vertraten, lagen ihm be­ sonders am Herzen. Seine Liebe zum Nächsten zeigte sich bei den vom Einheits­ sekretariat zu Ehren der Beobachter ver­ in seinen An- anstalteten Empfängen, 16 sprachen, in seiner Haltung und in der persönlichen Begegnung mit den einzelnen von ihnen. Man kann wirklich sagen, daß zwischen ihnen und dem Kardinal eine wahre Freundschaft, ja eine geistige Ge­ meinschaft im Herrn entstanden ist. Ich möchte mit einer Episode schließen, welche seine Mitarbeiter tief gerührt hat. Man feierte seinen 85. Geburtstag, und der Kardinal erfreute sich in dem Augenblick einer ausgezeichneten Gesundheit. Da sagte ihm jemand: ,,Eure Eminenz könnten zu den 85 Jahren noch weitere 85 hinzu­ fügen“. Nachdem er einige Augenblicke innegehalten hatte, antwortete der Kardinal lächelnd: ,,Nein, das wäre wirklich zu viel; da wäre ich nicht mehr imstande, die neuen Generationen zu verstehen“. Der Betreffende erwiderte: ,,Aber Eure Eminenz haben die heutige Generation vollkommen verstanden“. Darauf gab der Kardinal die schlichte und tief ergreifende Antwort: ,,Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß es so ist. Auf jeden Fall habe ich mir viel Mühe gegeben, um die Probleme und die Schwierigkeiten der heutigen Generation, die ich sehr gern habe, zu verstehen. In meinem Alter war das nicht leicht; Ihr könnt Euch kaum vorstellen, was mich das gekostet hat“. · Kardinal Bea ist im November 1968, bald nach dem Abschluß einer Plenarsitzung des Einheitssekretariates, gestorben. Er hatte gehofft, sie noch persönlich eröffnen zu können; da dies nicht möglich war, sandte er uns den Wortlaut seiner Eröffnungs­ ansprache. Als die Sitzungen ihrem Ende nahten, sandte er – selber schon dem Tode nahe – den Mitgliedern, den Beratern und allen Mitarbeitern des Einheitssekretariates seinen letzten Segen. Zwei Tage später war er tot. So blieb er bis zuletzt auf seinem Posten in der Arbeit für das große Anliegen der Einheit, treu der Sendung, die ihm die Kirche in seinem letzten Lebensjahrzehnt anvertraut hatte und für die ihn, nach seinem eigenen Geständnis, die göttliche Vorsehung sein Leben lang vorbereitet hatte.

Ein großer Geist in einem schwachen Körper Pater Stjepan Schmidt SJ. berichtet aus den persönlichen Aufzeichnungen von Augustin Bea Wer auch nur einigermaßen alles kennt, was Bea in seinem so wechselreichen Leben und insbesondere als Achtzigjähriger und als Kardinal geleistet hat, könnte meinen, dieser Mann müßte sich wohl einer kräftigen Ge­ sundheit erfreut haben. Dagegen ist festzu­ stellen, daß er eine ausgesprochen schwache Gesundheit hatte. Als er elf Jahre alt war, stellte der Arzt eine Lungenkrankheit fest und gab dem Jungen nur noch drei Monate Leben. Etwas mehr als ein Jahrzehnt später mußte er als junger Ordensmann und Student der Philo­ sophie aus dem gleichen Grunde einige Monate im Sanatorium verbringen. Sieben Jahre später sollte er zum Studium ans Bibelinstitut nach Rom gehen, aber der Arzt entschied auf Grund einer Röntgenauf­ nahme der Lunge, Bea könnte nie das Klima von Rom vertragen. Weniger als ein Jahr­ zehnt später muß er als junger Exegese­ professor wegen Herzschwäche eine Zeitlang das Dozieren unterbrechen. Wiederum ein Jahrzehnt später fingen die Magen­ schwierigkeiten an, und man vermutete Magengeschwür; tatsächlich kam er an der Operation vorbei, mußte aber von da an sein Leben lang eine ziemlich strenge Diät halten. Nachdem er dann das Amt des Rektors des päpstlichen Bibelinstitutes niedergelegt hatte, erlitt er 1951 – wie er selbst schreibt – ,,einen schweren Anfall der Herzschwäche, den der Arzt sehr ernst nahm“. Von da an mußte er alle körperlichen P. Stephan Schmidt Sj., der ehemalige Privatsekretär des Kardinals, würdigte bei tkr Eröffeung tks Kardinal-Bea-Museums in Riedböhringen die Persönlichkeit Augustin Beas 17

Anstrengungen vermeiden. Die Folgen dieses Anfalls trug er dann während seiner weiteren 17 Jahre immer mit sich. Sie hinderten ihn aber nicht, in diesem Zustand die ganzen Anstrengungen des Konzils, der Leitung des Einheitssekretariates und seiner Vortrags­ reisen im Dienste der Einheit, in Europa und Amerika, auf sich zu nehmen. Wenn man das alles überschaut, fragt man sich spontan: Wie hat er es in dieser Lage geschafft, all das zu vollbringen, was er geleistet hat? Wo liegt, sozusagen, das Geheimnis? Eine erste Antwort gibt er selber in einem Brief, den er 1973 an eine Verwandte, die herzleidend war, gerichtet hat. Er schreibt: „Ich selber bin schon seit 35 Jahren herz­ leidend und bin dabei alt geworden. Mit ruhigem Arbeiten kann man auch bei schwachem Herzen lange aushalten. Tu also nicht zuviel, nicht mehr als notwendig ist und mach‘ Dir nicht zu viel Sorgen“. Mit anderen Worten: Den Mut nicht verlieren, ruhig bleiben, auch in der Arbeit Maß halten. Bea bereitete allerdings nicht bloß das Herz Sorgen. In einem anderen Brief schreibt er: „Ich muß körperliche Anstrengung meiden und aufpassen, daß ich meinem Herzen und meinem Magen nicht etwas zumute, was sie nicht leisten können“. Also klug und umsichtig mit den eigenen Kräften wirtschaften, um, ohne deren Schaden, das Höchste herauszuschlagen. In seinen intimen Aufzeichnungen aus den Geistlichen Exerzitien schreibt er als Kardinal 1964: ,,Ich darf mit meinen Kräften nicht verschwenderisch umgehen; sie gehören Gott und für ihn muß ich sie er­ halten, soweit ich das kann, ohne einerseits ängstlich und skrupulös zu sein, aber auch ohne sie ohne genügenden Grund zu über­ fordern“. Das heißt: Beide Extreme ver­ meiden, weder die Kräfte vergeuden noch ängstlich immer an die eigene Gesundheit denken. Anderswo stellt er die gleichen Gedanken in den großen Zusammenhang seiner Stellung in der Kirche: ,,Eine ver­ nünftige Rücksicht auf meine Kräfte und 18 Leistungsfähigkeit bin ich der Kirche schuldig. Es ist gewiß keiner unersetzlich. Aber es ist für die Vorsteher oft schwer genug, einen Ersatz zu finden und damit vielleicht wieder anderswo eine Lücke zu reißen. Darum soll ich auch ruhen, damit ich arbeiten kann. Aber nach der Ruhe umso kräftiger arbeiten“. Daraus zieht er die praktischen Folgerungen: ,,Erholung: auch sie ist pflichtmäßig. Rekreation, Schlaf, Spaziergang, Bewegung“. Bei aller Vorsicht konnte er allerdings nicht vermeiden, daß die Kräfte von Zeit zu Zeit nachließen und die Gesundheit zeit­ weise in Frage gestellt wurde. Da hieß es mit ebensoviel Umsicht und Klugheit, und natürlich mit Hilfe des Arztes, alles zu unternehmen, um wieder zu Kräften zu kommen. So hatte Bea, vor allem in dem letzten Jahrzehnt, zwei lange Krankheiten durchzumachen. Die erste fiel in den Herbst 1958 und hinderte ihn u. a. auch daran, Pius XII. als dessen Beichtvater in den letzten Stunden beizustehen.Nach Monaten zum Teil mühsamer Konvaleszenz hatte er sich schließlich so gut erholt, daß er die Anstrengungen der Kardinalszeit und dessen viele Verpflichtungen auf sich nehmen konnte. 1965 gab es noch einmal zwei Monate Krankheit.Und wiederum hat er sich so emporgearbeitet, daß er die letzte Konzils­ periode und die Jahre der nachkonziliaren Entwicklung noch mitmachen konnte. In seinen intimen Aufzeichnungen schreibt Bea öfters: ,,Mein Ideal wäre, zu arbeiten bis einmal plötzlich der Abruf (von oben) kommt“. Im Grunde ist es ihm auch gewährt worden, dieses Ideal zu verwirklichen; er konnte über sein 87. Lebensjahr hinaus bis einen Monat vor dem Tode seinen Pflichten nachgehen, bis in der letzten Krankheit das Herz es nicht mehr schaffte. Es ist nur eine relativ geringe, mehr äußere Seite der Persönlichkeit von Bea, die wir beleuchtet haben. Aber auch sie zeugt von seiner Größe. Es ist nicht das mindere Zeichen eines überragenden Geistes, daß er mit den ziemlich geringen Körperkräften

in einer so abgewogenen Weise umzugehen wußte: Sie auszunutzen und nicht zu über­ fordern, sie zu schonen, aber nicht zu ver­ wöhnen – und daß er auf diese Weise im Dienst der Kirche und der Menschen so viel zu leisten vermochte. Die Alten haben den Grundsatz geprägt: “ , „ein gesunder „Mens sana in corpore sano Geist in einem gesunden Körper“. Weit davon entfernt, an jenem Ideal Kritik üben zu wollen, dürfen wir die aus unserem Fall sich ergebenden Folgerungen so zusammen­ fassen: Ein Mensch kann auch in und durch einen schwachen Körper wirken und Großes leisten, wenn er seine körperlichen Kräfte mit Umsicht und in abgewogener Weise be­ handeln und zu gebrauchen versteht, so daß sie ihm, trotz Schwierigkeiten, aufs Ganze gesehen, fügsam zu Diensten stehen. Der Kardinal, der aus der Stille kam Eschach in die offene Gemarkung hinaus­ tritt. Er war das einzige Kind des Zimmer­ manns Karl Bea, eines stillen, ernsten Mannes, und der Maria geb. Merk aus Gut­ madingen. Mit zwölf} ahren galt es,Abschied zu nehmen. Der Kurienkardinal auf dem Weg zum feier­ lichen Pontifikalamt in der Heimatkirche Als Augustin Bea am 28. Mai 1881 in Riedböhringen geboren wurde, begann es um den Ort stiller zu werden. In etlicher Entfernung führten drei Bahnlinien an dem Dorf in der Südbaar vorbei. Die Landstraße von Donaueschingen nach Schaffhausen hatte aufJ ahrzehnte für den Überlandverkehr ausgedient. Es gab nicht mehr die gelben Postkutschen, nicht mehr die Gesellschafts­ droschken mit Engländern, die über Ried­ böhringen in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in die Schweiz reisten. Auch die Pilger, die nach Einsiedeln oder in das nahe Zurzach wallfahrteten, kamen nicht mehr durch den Ort. Im Herbst beherrschten für Wochen das Bild der Überlandstraße die schweren Vierergespanne, die aus dem Blumberger Ried den Energiespender „Torf‘ in die Industriebetriebe in Schwenningen fuhren. Die Einwohnerzahl, die Ende der siebziger Jahre noch über 700 Seelen betrug, ging zurück. Die jungen Menschen ohne Hof wanderten ab in die USA oder in die Städte mit den großen Fabriken. Erst in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts hat Riedböhringen, bedingt durch den Zuzug von Vertriebenen, die Zahl von 720 Ein­ wohnern wieder erreicht. Augustin Bea kam aus der Stille. Auch um sein Geburtshaus ist es immer etwas still gewesen. Es liegt im Oberdorf, am Rande des Ortsetters, wo die Straße nach 19

Augustin Bea und sein Schulkamerad Franz Xaver Honold, der Sohn des Wachs­ ziehers (nachmals in der Weimarer Republik Badischer Gesandter in Berlin), hatten nach der Erstkommunion bei Pfarrer Thaddäus Hierholzer Lateinstunden genommen. Hier­ holzer war ein tüchtiger Pädagoge und hat später noch mehrere Dorfjungen aus Ried­ böhringen „ins Studium gebracht“. Als die beiden „Lateiner“ von der Baar nach Sasbach in die Lendersche Lehranstalt kamen, rückten sie nach kurzer Probezeit in die Quarta auf. Voile 32 Jahre nach dem Tod der Mutter Beas (t 9. Februar 1918) dauerte es, ehe von 1950 an Augustin Bea, frei von Residenz­ und Lehramtspflichten, wieder regelmäßig nach Riedböhringen kam. Keiner dieser Heimatbesuche ohne den Gang ins Geburts­ haus im Oberdorf. Nach dem Tod der Mutter Beas, einer herzensguten Frau, war es.in andere Hände übergegangen. Begleiten wir den Gast aus Rom auf einem dieser Besuche. Kaum ist Augustin Bea in die ländliche Stube getreten, wandert er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, durch den Raum. Rechts der Türe am Kachelofen und an der bäuerlichen „Kunst“ vorbei. Schräg gegen­ über liegt der Herrgottswinkel, davor der Tisch mit der bunten Decke. Dann hält der Besucher inne vor dem breiten Glasschrank, der das Festporzellan und Familienerin­ nerungen verwahrt. Da ist noch das Bild der Eltern, die Mutter in der Baaremer Sonntags­ tracht, zu ihrer Rechten, stehend, die Linke auf die Schulter der Frau gelegt, Karl Bea. Dann das Foto von der Heimatprimiz am 1. September 1912, aufgenommen von Franz Eisele, dem damals noch jungen Hondinger Kirchenmesner, dem ersten Hobby-Fotografen auf der Baar. Spätere Aufnahmen (heute im Augustin­ Bea-Museum) zeigen den hochgewachsenen, leicht nach vorne geneigten Pater Bea im schlichten, schwarzen Kleid der Jesuiten, einen Priester der Kirche im tiefsten Sinne des Wortes. Bei allen hohen Ämtern und 20 späteren Auszeichnungen ist er die Einfach­ heit selbst geblieben. Für Ungezählte, Christen und Andersgläubige, wurde der Name Bea gleichbedeutend für Hoffnung. So haben wir ihn -so haben ihn die Riedböhringer erlebt. Als einen der Ihrigen im September 1950, als er in Freiburg im Breisgau die Urkunde eines Ehrendoktors der Theologischen Fakultät entgegen­ genommen hatte und am Tag danach ins Heimatdorf kam. So Anfang August 1957, als ihn die Heimatgemeinde zum Ehren­ bürger ernannte. Unvergessen der Besuch im Jahr 1960, als der neuernannte Kurien­ kardinal die Gedächtniskapelle weihte, die Riedböhringen für die Gefallenen und Ver­ mißten beider Weltkriege auf der Südseite der Dorfkirche errichtet hatte. Besonders denkwürdig der schwüle Sommertag 1962, als der Kardinal auf dem Fürstenberg die von ihm angeregte, zu Ehren seines Namenspatrons durch das Haus Fürstenberg erstellte Augustinus-Kapelle einweihte. Nur die beiden Ortsgeistlichen, der nachmalige Fürst Joachim mit mehreren Familienmitgliedern, wenige Persönlich­ keiten der Heimat, Vertreter von Presse und Rundfunk hatten den Kardinal auf die Kuppe des Berges geleitet, über den in der Stunde der Weihe Blitz, Donner und ein schwerer Wolkenbruch niedergingen. Die Fest­ gemeinde wartete im Gotteshaus in Fürsten­ berg auf die Rückkehr des hohen Konse­ krators und seines kleinen, durchnäßten Gefolges. Pfarrer Paul Sumser, der in den sechziger Jahren mit seiner inneren Heiterkeit sich auf die Riedböhringer so trefflich verstand, hat Augustin Bea den „Kardinal der Heimat“ genannt. Die Liebe zur Heimat habe seinen Lebensweg, seine Sprache, sein Antlitz geprägt. Sechsmal in den neun Jahren seines Kardinalats, bereits im 8. Jahrzehnt seines Lebens stehend, war er in Riedböhringen Predigt des neuernannten Kurienkardinals Bea im Jahr 1960 in der Pfarrkirche Riedböhringen

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Kardinal Bea in Riedböhringen zu Gast. Am 16.Juli 1966 weihte er das neue Schulhaus, das seinen Namen trägt und im Augustin-Bea-Museum im Obergescho3 heute wesentliche Teile seines privaten Nachlasses der Nachwelt überliefert. Was ihm die Jugend im Elternhaus be­ deutete, hat der Kardinal ausgesprochen, als er am lö.Juli 1967 die Gebeine seiner Eltern vom Friedhof in die Heimatkirche geleitete. ,,An der Hand der Mutter habe ich das Beten gelernt. Und an der Hand des Vaters bin ich eingeführt worden in die Kirche“. Auch die ersten grundlegenden weltlichen Kenntnisse seien ihm im Elternhaus beige­ bracht worden: Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen. „Und all das, bevor ich noch mit fast sieben Jahren in die Volksschule kam“. Der langjährige Ortspfarrer Paul Sumser berichtet Natürlich war mir der Name „Pater Bea“ bereits ein fester Begriff, als ich noch ein junger Theologiestudent und dann Vikar in Konstanz war. Man wußte: Papst Pius XII. hört auf ihn als einen seiner nächsten Berater. Die paar richtungsweisenden Äußerungen aus Rom, die zu einer Versöhnung zwischen moderner Exegese und kirchlichem Lehramt beitrugen, hatten in ihm ihren Inspirator. Aber dieser P. Bea war trotzdem weit, weit weg. Ich hatte mir nicht einmal vergegen­ wärtigt, wo genau dieser berühmte Sohn meines Heimatbistums zu Hause war. Aber dann wurde ich im März 1959 als Pfarrver­ weser nach Riedböhringen versetzt -und was fand ich dort im Pfarrhaus vor? Einen Brief aus Rom von P. Bea. Diese Über­ raschung gab im Grunde den Ton an, dernun viele Erfahrungen und Begegnungen mit dem nachmaligen Kardinal Augustin Bea bis zu seinem Tod 1968 bestimmte: eine stets zuvorkommende, gütige, interessierte Zuwendung sehr per­ sönlicher Art zu seiner Heimatgemeinde, zu ihren Menschen und zu ihrem Seelsorger. 22 unberechenbar Er kam aus der Stille. Und in die Stille des dörflichen Gotteshauses ist er heim­ gekehrt im November 1968. Noch einmal stand an jenem 24. November bei seiner Beisetzung das Dorf im Blickpunkt der großen Welt. Heute, 13 Jahre danach, ist der Strom der „Prominenz“ verebbt. Die Besucher -sie kommen in der Mehrzahl aus den Dörfern der Baar und des nahen Schwarzwaldes -sind stille Beter. Ihretwegen hatte sich der Kardinal die letzte Ruhestätte in der Riedböhringer Pfarrkirche gewünscht: „Weil ich sicher bin, daß an meinem Grab in meinem Heimatort mehr für mich gebetet wird als auf dem großen römischen Friedhof‘. Lorenz Honold Sehr gern nutzte er die sich bietenden Gelegenheiten, um wieder einmal daheim zu sein. Und das war dann nicht Flucht vor der schweren Verantwortung, die ihm Stück um Stück durch sein Kardinalat und durch das Konzil zuwuchs. Er hatte fast so etwas wie eine Leidenschaft, das Konzil ins Dorf zu bringen. Er kümmerte sich darum, wie die liturgischen Erneuerungen organisch ins Leben der Heimatgemeinde einzubringen sind, wie die ländliche Bevölkerung, wie die Jungen und Alten darauf reagierten. Unver­ geßlich die Weise, wie er in einem Festzelt oder im Gasthaussaal, teilweise im ale­ mannischen Dialekt seinen Landsleuten Konzilsberichte gab und die komplizierten Sachverhalte, um die es da bei Ökumene und Religionsfreiheit, Verhältnis zum Juden­ tum ging, ins Leben und Verstehen der Seinen übersetzte. Er versagte es sich auch nicht, beispielsweise bei der Einweihung der neuen, seinen Namen tragenden Schule die Reserve der Dorfbewohner gegen weiterführende Bildung aufs Korn zu nehmen. Daß Firmung nicht ein merkwürdiger

Vor der Einweihung der Kardinal.-Bea-Schule: der Kardinal in Begleitung seines Sekretärs P. Stephan Schmidt, des Ortspfarrers Paul Sumser und des Bürgermeisters und heutigen Ortsvorstehers Martin Buri Anhang an die Taufe und Erstkommunion ist, mit dem die Buben und Mädchen nicht viel anzufangen wissen, konnte man an der so persönlichen, aus tiefem Glauben an das Wirken des Geistes geprägten Weise ablesen, wie er in seiner Heimatgemeinde dieses Sakrament spendete. Und wie gern tat er es! Auch die eine oder andere Schwierigkeit hat er nicht gescheut, um gerade so die Geistes­ gabe der geliebten Jugend seiner Heimat­ gemeinde weiterzuschenken. Ein solcher Besuch des Kardinals war natürlich jedes Mal das ganz große Ereignis im Dorf und darüber hinaus. Dabei erkun­ digte er sich selbst vorher bei mir nach dem Stand der Heu-und Getreideernte, um seinen Aufenthalt so einzurichten, daß er den Ver­ wandten und der Bevölkerung nicht in die Qpere käme. Und es war für ihn ganz selbst­ verständlich, daß er nicht etwa im Pfarrhaus wohnte, in welchem er sich ansonsten heimisch bewegte und ein- und ausging, sondern bei seinen Verwandten, in ihren gediegenen, schlichten Wohnverhältnissen. Einmal nach der morgendlichen heiligen Messe und der anschließenden Danksagung stieg er ins Auto und mußte vor der ver­ schlossenen Haustür warten, bis seine Cousine beschwerlichen Schrittes ankam und ihm den Tadel nicht ersparte: ,,Vetter August, du hättest doch wissen können, daß der Schlüssel oben am Balken hängt!“ Gern plauderte der Kardinal aus der Jugend, und auch wenn er mit seiner sonoren Stimme in wohlgesetzter, hochdeutscher Rede sprach, klang unverwechselbar der Sprechton der Baar mit. So konnte man es ihm leicht glauben, was er aus seiner ersten oder zweiten Volksschulklasse erzählte. Es war ein Aufsatz zu schreiben. Dabei las zu seinem Erstaunen der Lehrer den Satz des kleinen August: ,,Die Auer hängt an der 23

Der Kardinal im Gespräch mit den Gemeinderäten von Riedböhringen Der Kardinal im Riedböhringer Pfarrhaus im Gespräch mit Regierungspräsident Anton Dichte/ (Freiburg) 24 Wand.“ Der Lehrer sagte: „Aber das heißt ni ht ,Auer‘ sondern Uhr.“ August gab nicht nach: ,,Stimmt nicht, Herr Lehrer! Ich sage daheim: ,Der Bur und die Mur‘ und bei Ihnen muß ich immer sagen: ,Der Bauer und die Mauer‘. Ich sage daheim: ,Die Uhr‘ und deshalb muß es doch heißen: ,Die Auer‘.“ Natürlich kam mit Kardinal Bea unweiger­ lich viele andere Prominenz nach Ried­ böhringen. Wenn er etwa mit dem Gründer und Präsident des Evangelischen Kirchen­ tags von Thadden-Trieglaff zusammen­ treffen wollte oder mit dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, dann war jeweils das Riedböhringer Pfarrhaus die Stätte der Begegnung. Auch seine Mit­ arbeiter kamen immer wieder mit ihm, etwa sein Nachfolger im Amt, der jetzige Kardinal Willebrands, und immer sein treuer Sekretär und Sachwalter P. Stephan Schmidt. Das Bewegende dabei: Es waren nicht einfach offizielle Termine, die da wahrgenommen wurden, sondern ein Stück Leben, an dem er jeweils auch die Menschen seiner Heimat teilnehmen ließ.

Die Kardinal-Bea-Feier 1981 Am ergreifendsten wurde seine Liebe zur Heimatgemeinde und zu seiner Familie deutlich, als sich bei ihm die Ahnung des Sterbens einstellte. Ich glaube, es war drei Jahre vor seinem Tod, als er plötzlich beim Frühstück die Frage stellte: „Wie würden Sie darüber denken, wenn ich mich in Ried­ böhringen statt in Rom beerdigen lassen wollte?“ Diese Frage richtete er an den anwesenden Bürgermeister Martin Buri und an mich. Wie sehr politische und kirchliche Gemeinde es sich zur Ehre anrechneten, dem Ehrenbürger Augustin Bea in der Kirche Hundert Jahre wäre Augustin Kardinal Bea, der große Sohn Riedböhringens und der Baar, wie man ihn gerne nennt, am 28. Mai 1981 geworden. Anlaß genug für die kleine Gemeinde, für die Bea der „Kardinal der Hei­ mat“ ist, ihren berühmten Bürger und einzi­ gen Ehrenbürger in entsprechender Weise zu feiern und die Erinnerung an sein weltweites Wirken wachzuhalten. Anlaß aber auch für die kirchlichen Würdenträger und Vertreter der kirchlichen Gemeinschaften in der Bun­ desrepublik sich eines Mannes zu erinnern, der als der „große Wegbereiter der Öku­ mene“ gilt. Zum Festgottesdienst in der neu restau­ rierten im Schwarzwald-Baar-Kreis einzigar­ tigen barocken Dorfkirche -der Kreis gab durch Landrat Dr. Rainer Gutknecht sein beträchtliches „Scherflein“ dazu -und zum Festakt kamen nach Riedböhringen und sprachen Grußworte Bischof Vasilios von Aristi, griechisch-orthodoxer Metropolit von Deutschland, Pater Dr. Alfons Klein, Provinzial der Jesuiten, Josef Brinkhues, Bischof der Altkatholischen Kirche in Deutschland, Altlandesbischof Dr. Erich Eichele, Evangelische Landeskirche Würt­ temberg, Prälat Dr. Hans Bornhäuser, Evan­ gelische Landeskirche Baden, Hans Heinz Altmann, Mitglied des Oberrats der Israeli- seiner Heimat die letzte Ruhestätte zu berei­ ten, versteht sich von selbst. Aber nicht minder bewegend als diese Frage des Kardi­ nals war die Bedingung, an die er sein Ja zu unserem Ja knüpfte. Wenn er in der Innen­ mauer des romanisch-gotischen Turms der Kirche beigesetzt würde, dann sollten auch die Gebeine seiner Eltern an dieselbe Stelle überführt werden. Und er selbst war ein Jahr vor seinem Tod bei dieser Übertragung zugegen und hielt die Ansprache. Es war das einzige Mal, daß ich den Kardinal habe weinen sehen. ten Badens und Vertreter des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ordinariatsrat Dr. Herbert Gabel von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg sowie Vertreter der Politik aus Kommune, Kreis, Land und Bund. Der Freiburger ErzbischofDr. Oskar Saier würdigte, auch im Beisein von Patronatsherr Joachim Fürst zu Fürstenberg, in seiner Fest­ p�edigt die Verdienste Kardinal Beas um die Okumene und erinnerte an seine Kindheit, von der der Kardinal, ein Mensch, der aus der Stille kam, selbst einmal berichtete: „An der Hand der Mutter habe ich das Beten gelernt. Und an der Hand des Vaters bin ich einge­ führt worden in die Kirche“. Augustin Kardinal Bea habe erkannt, daß die Ökumene nur durch die Liebe zur Wahr­ heit und durch die Liebe zu den Menschen, beide eingeschlossen in das Gebet, erreicht werden könne. Die Einheit der Christen könne nicht wie ein Vertrag zwischen Inter­ essengruppen „gemacht“ werden. Kardinal Bea habe den Weg gewiesen zu dieser Ein­ heit:“ Wenn alle Glieder der Kirche mit Hilfe des Gebets und eines echt christlichen Lebens ans Werk gehen, dann nähern wir uns gewiß dem großen Ziel der Einheit und hel­ fen die nur Gott bekannte Stunde vorberei­ ten, wo alle Getauften in der Einheit des 25

einen Glaubens und der einen Liebe Zeugnis für Christus ablegen werden, damit die Welt glaube, daß der Vater ihn gesandt hat.“ Daß aber Beas großes Lebenswerk, die wesentliche Mithilfe zur Stiftung der Einheit der Christen, nicht von Anfang an in seinem Denken existiert hat, erläuterte Bea-Forscher und Festredner Professor P. Dr. Heinrich Bacht SJ, dessen Doktorvater Kardinal Bea war. Aus einem Brief von 1956 gehe Beas Kummer hervor, daß „die anderen katho­ lisch werden (müßten), daß die anderen aber nicht daran denken, katholisch zu werden“. Man müßte sie „einigermaßen zusammen­ bringen, um sie abzuschleifen“. Ein Wandel in seiner Einstellung, der Beginn seines öku­ menischen Denken und Tuns falle zusam­ men mit seiner theologischen Auseinander­ setzung mit dem Johann-Adam-Möhler­ Institut und mit dem Zeitpunkt, als Papst Johannes XXIII. -Bea war zuvor Beichtvater Pius XII. -kurz nach seiner Wahl ankün­ digte, das II. Vatikanische Konzil einzuberu­ fen. Der Kardinal spricht nun nicht mehr von „den anderen“, sondern von den „getrennten Christen“ und fordert die Auseinander­ setzung mit der Frage der Ökumene. Die Einheit der Christen könne in einem Drei­ schritt verwirklicht werden: 1. Annäherung, 2. Nebeneinander und 3. Vereinigung. „Die letzte große Phase des Kardinals beginnt“, meinte Festredner Professor Bacht. 78jährig wird Bea Kardinal und fordert Gespräche mit Nichtkatholiken und Nicht­ christen, schafft das Sekretariat für die Ein­ heit der Christen, dessen Leiter er wird. Das II. Vatikanische Konzil wird das große Forum für die Frag_en der Ökumene und der Religionsfreiheit. Uber 90 Beobachter weilen beim Konzil, 29 Kirchen und kirchliche Gemeinschaften sind dabei vertreten. Die Judenfrage, das Verhältnis der Nichtchri­ sten untereinander verzehren den 87jährigen großen alten Mann, Symbol lebendig gewor­ dener apostolischer Botschaft, die weltweit gewirkt hat und wirkt und dies nicht nur im kirchlichen Raum. Ekkehard Winkler Liturgische und Kardinalsgewändervon Augustin Bea im Kardinal-Bea-Museum in Riedböhringen 26

Unsere Städte und Gemeinden Schönwald im Schwarzwald Kleinod für Kur und Erholung Die Gemeinde Schönwald liegt 25 Kilo­ meter nordwestlich der Kreishauptstadt Vil­ lingen-Schwenningen. Die 2780 ha um­ fassende Gemarkung ist eingebettet ins Hochtal der Gutach, das sich in Nord-Süd­ richtung parallel zu der im Westen vorgela­ gerten Bergkette des 1148 m hohen Brend und des ebenso hohen Rohrhardsberges er­ streckt. Das Haupttal beginnt im Süden auf der Paßhöhe Escheck und verläuft schleifen­ förmig rund 6 km nach Norden bis zum Bergpunkt der Triberger Wasserfälle, die den Übergang von der Schönwälder Hochfläche zum mittleren Talschwarzwald bilden. Aus südlichen und westlichen Richtungen mün­ den in das Gutachtal mehrere, meist flache Seitentäler, deren Gewässer, unbelastet von Abwässern, zum Teil einen guten Fischreich­ tum haben. Der Ortsbereich, der sich entlang des Haupttales erstreckt, dehnt sich auf einer Meereshöhe von 950 m bis 1150 m aus. Schönwald ist über die gut ausgebaute Bundesstraße 500-auch im Winter-sowohl von dem nördlich gelegenen Triberg, als auch von dem südlich gelegenen Furtwangen aus, gut zu erreichen. Von der Kreishauptstadt, wie auch von St. Georgen ist die Verkehrs­ verbindung über die Kreisstraße 5728 als gut zu bezeichnen. Eine verkehrsgünstige Ver­ bindung zu den baden-württembergischen Verdichtungsräumen Karlsruhe -Mannheim, sowie zum Großraum Frankfurt und in das Ruhrgebiet ist über die B 33, die Triberg mit der Autobahn 5 verbindet, vorhanden. Seit der Fertigstellung der Bundesautobahn Stutt­ gart -Bodensee ist auch ein besserer An­ schluß des Stuttgarter Raumes gewährleistet. Die Landschaft wird von ausgedehnten Waldungen, Baumgruppen und lockeren Weideflächen geprägt. Hauptholzart ist die Fichte. An zahlreichen Stellen, wo die na­ türlichen Fichten-, Tannen- und Kiefern­ wälder gerodet wurden, werden die Flächen als Sommerweiden oder feuchte Mahdwiesen genutzt. Unter Natur-und Landschaftsschutz ste­ hen ca. 500 ha der Schönwälder Gemarkung. 28 ha davon nimmt das Naturschutzgebiet ,,Blindensee“ ein, ein von Bergkiefern um­ gebenes Hochmoor, das in etwa 1000 m Höhe liegt. Das Schwarzenbach-und Prisen­ bachtal sowie mehrere Flachmoore stehen unter Landschaftsschutz. Ihre reizvolle Vege­ tation sollte auch im Interesse des Fremden­ verkehrs unbedingt erhalten bleiben. Die Entwicklungsgeschichte von Schön­ wald schildert das 1948 erschienene Heimat­ buch von Richard Dorer. Der Autor geht davon aus, daß Schönwald aus einer plan­ mäßigen landwirtschaftlichen Besiedlung hervorging. Aus jahrhundertealten Tage­ bucheinträgen der umliegenden Klöster ist zu entnehmen, daß der Ort im 12.Jahrhun­ dert gemeinsam von den Rittern von Triberg und dem Kloster St. Georgen gegründet wurde. Bis ins 17.Jahrhundeit war Schönwald ein reines Bauerndorf. Es bestand aus 54 Einzel­ höfen, deren Bewohner als Lehensträger fast ausschließlich von der Landwirtschaft und dem Wald lebten. Erst nach dem Spanischen Erbfolgekrieg begann um 1713 eine neue Siedlungsperiode im Schwarzwald, die sich vornehmlich auf das Kleingewerbe stützte. In der Folgezeit entstanden auch in Schön­ wald neben den alten Höfen zahlreiche kleine „Taglöhnerhäusle“, deren Besitzer zu­ nächst von der Uhrmacherei und Glas­ macherei und vorn späten 18. Jahrhundert an von der Strohflechterei lebten. 27

suchende Gäste nach Schönwald, darunter auch Engländer, Franzosen und Schweizer. Schönwalds erste Wintergäste waren 3 Nor­ weger auf Schneeschuhen. Das war im Jahr 1889. Die eigentliche Wintersaison entwik­ kelte sich erst mit der Gründung des Skiclubs im Jahre 1907. Die romantische Gutenkapelle Blick auf Schönwald von Westen Franz Ketterer (1676-1753) aus Schön­ wald wird als einer der Stammväter der Uhrmacherei genannt. Seine Söhne, un­ terstützt von Gesellen, bauten das Gewerbe weiter aus. Franz Ketterer stellte auch die erste Kuckucksuhr her, die vielerorts als die „typische“ Schwarzwä]deruhr angesehen wird. Im Jahre 1838 verzeichnete Schönwald 64 Uhrmachermeister, dagegen 1860 nur noch 38. Der Rückgang zeigt die Auswir­ kungen der Krise der Uhrmacherei um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Krise be­ gann mit dem Aufkommen der industriellen Fertigung. In diese Zeit fällt die Gründung der Schönwälder Uhrenfabriken Wehrle und Dold. Die Uhrenfabrikation, der Werkzeug­ bau, die Fertigung von Präzisionsdrehteilen, die Holzverarbeitung, das Fremdenverkehrs­ gewerbe und der Einzelhandel sind heute die Haupterwerbsarten. Sie erbrachten 1981 ein Gewerbesteueraufkommen von rund 650 000,-DM. Der Fremdenverkehr für die Gemeinde Schönwald begann mit der Inbetriebnahme der Schwarzwaldbahn im Jahre 1873. Neue Verkehrswege wurden erstellt. Von Triberg kamen zunächst nur im Sommer erholungs- 28

Nun stiegen die Gästezahlen ständig, und die Beherbergungskapazität konnte kontinu­ ierlich erweitert werden. Mit dem Jahre 1961 wurde eine neue Phase in der Entwicklung des Fremdenverkehrs eingeleitet. Zusammen mit den Gastronomiebetrieben unternahm die Gemeinde vielerlei Investitionen, um den An­ sprüchen einer modernen Fremdenverkehrs­ gemeinde gerecht zu werden. Neue Wohn­ gebiete mit zahlreichen Beherbergungs­ betrieben sowie neue Kur- und Wintersport­ einrichtungen wurden geschaffen und führten zu einer beträchtlichen Erweiterung des Ortes. Die Gemeinde – Kurverwaltung – war bestrebt, durch den Ausbau von Winter­ sportanlagen auch im Winter den Ort für den Fremdenverkehr attraktiv zu gestalten. Mit Beginn der 70er Jahre wurden weitere Kur- und Erholungseinrichtungen geschaf­ fen mit dem Ziel, neben dem Fremden­ erholungsverkehr vor allem den Kurbetrieb aufzunehmen. Neben mehreren Hotels er­ stellte die Gemeinde ein Hallenbad, welches Bauernhof im idyllischen Prisental 1973 durch eine medizinische Bäderabtei­ lung bereichert wurde. Diese Anlage dient außer der balneo- und physikalischen T hera­ pie vornehmlich der Bewegungstherapie. Ein Kurgarten, ein ausgedehntes Netz von Wanderwegen, mehrere präparierte Langlauf­ loipen, drei Tennisplätze, die bio-klimatisch günstig gelegen sind, können seither für die Bewegungstherapie genutzt werden. Die Wanderwege in Schönwald sind gut markierte Wege abseits der Verkehrsstraßen. Auf den vielen, nahezu ohne große Stei­ gungen verlaufenden Wegen kann die Be­ wegungstherapie durchgeführt werden; fast überall ist ein ungehinderter Blick auf die von Landwirten gepflegte Landschaft gege­ ben. Mehr als 250 Ruhebänke laden zum Rasten ein. Auch im Winter ist Schönwald ein Ort der Ruhe und Erholung. Der Schritt vom reinen Fremdenerho­ lungsort zum heilklimatischen Kurort wurde Mitte der 60er Jahre getan. Ein Gutachten der Medizinmeteorologischen Forschungs- 29

stelle des Wetteramtes Freiburg konnte im Juli 1970 positiv abgeschlossen werden. Im Februar 1973 erhielt die Gemeinde Schön­ wald vom Wirtschaftsministerium Baden­ W ürttemberg das Prädikat „Heilklimatischer Kurort“ verliehen. Seit dieser Zeit ist die Zahl der Kurgäste im stetigen Steigen begriffen. Die weitere Entwicklungsfähigkeit für Schönwald ist auf allen Gebieten für die Zu­ kunft gegeben, wenn die vier Wirtschafts­ säulen: Industrie – Handel-Handwerk – Kur- und Fremdenverkehr – Landwirtschaft auch künftig harmonisch zusammenarbeiten. Emil Rimmele, Bürgermeister und Kurdirektor a. D. Klaus Schnibbe: Das Wappen der Gemeinde Schönwald im Schwarzwald In Silber auf grünem Fünfberg, mit blauem Wasseifall, 5 grüne Tannen mit schwarzem Stamm Dieses Wappenbild geht zurück auf ein Siegel aus den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Das zeigte im Hochoval inner­ halb der Umschrift * GEMEINDE * / SCHÖNWALD frei im Siegelfeld ein cha-. rakteristisches Landschaftsbild: einen steilen Berg, dicht mit Tannen bestanden. Ähnliche Darstellungen finden sich auch auf späteren Farbdruckstempeln, die – anfänglich oval, später rund, mit der Umschrift GEMEIN­ DE-SIEGEL I SCHÖNWALD – ebenfalls den tannenbestandenen Berg zeigten. – Auf dem Bergkegel standen sieben Tannen, wäh­ rend man vor dem Berg etwas undeutlich anfangs fünf, später nur noch drei Tannen erkennen kann, die gegen Ende des Jahrhun­ derts einem fallenden Bach weichen. Als die Gemeinde im Jahre 1900 ein neues Siegel beantragte, äußerte sie den Wunsch, das bisherige Bild beizubehalten und sandte eine Skizze ein, die vom Zeichner des Groß­ herzoglichen Generallandesarchivs, Fritz Held, als Grundlage für die Wappenzeich­ nung genommen wurde. Wie viele Siegelbil­ der eignete sich die Landschaftsdarstellung nicht als Wappenbild. Sie mußte erst „heral­ disiert“ werden: Der steile Berg wurde durch fünf kleinere ersetzt, die jeweils oben mit einer Tanne „besteckt“ sind, während unten aus den Bergen ein Bach entspringt. – Dieser Wappenvorschlag war farbig angelegt: Feld bläulich, Fünfberg hellgrün, Tannen dunkel­ grün mit braunen Stämmen und das Wasser hellblau. 30 (ab 1928 „Schönwald Der Gemeinderat erklärte im November 1900 sein Einverständnis, und so besitzt Schönwald im Schwarzwaldj seitdem sein Wappen. Als im Jahre 1961 vom GLA angeregt wurde, die Far­ ben des Wappens den heraldischen Gepflo­ genheiten anzupassen (die Heraldik kennt nur die „Farben“ Rot, Blau, Grün und Schwarz sowie die „Metalle“ Gold und Sil­ ber) und das Wasser aus Kontrastgründen besser silbern zu tingieren, bestand der Gemeinderat auf Beibehaltung der Wappen­ farben von 1900. – Anläßlich der Herausgabe des Wappenbuchs des Landkreises Villingen im Jahre 1965 wurde das Wappen neu gezeichnet und erhielt die eingangs beschrie­ benen Farben. Doch ist es heraldisch sinn­ voll, das „ Wasser“ besser silbern oder blau­ silber gewellt darzustellen. Auch die häßli­ chen schwarzen Baumstämme könnten als heraldische Nebensache ohne weiteres grün gefärbt werden. Man hätte damit einfach ,,grüne Tannen“.

Königsfeld – liebenswert für Gäste und Einheimische Im nördlichen Bereich des Schwarzwald­ Baar-Kreises liegt Königsfeld etwas ab­ gerückt von den großen Verkehrswegen und ist doch über die Stationen St. Georgen und Villingen der Schwarzwaldbahn sowie über die Bundesstraße 33 und die Autobahn (A 81) problemlos zu erreichen. Schon die topographischen Daten – die höchste Stelle (920 m) ist auf dem Brogen, Gemarkung Buchenberg, die tiefste mit 660 m im Hörnle­ bachtal in Burgberg – lassen erkennen, wie abwechslungsreich die Landschaft ist. Ihr Reiz liegt im vielfaltigen Wechsel von Flur und Wäldern, wobei im Westen der Bunt­ sandstein des Schwarzwaldes und im Osten der Übergang zur Baar mit ihren kalkhalti­ gen Böden den Bewuchs bestimmen. Vielfalt kennzeichnet auch die kommu­ nalpolitische der Gemeinde. Burgberg, Erdmannsweiler und Kurpark und Haus des Gastes Zusammensetzung Weiler, drei Orte, deren Wurzeln in eine gemeinsame Vergangenheit reichen, dazu Buchenberg und Neuhausen, beides Ge­ meinwesen mit über tausendjähriger Ent­ wicklungsgeschichte, haben sich mit Königs­ feld, einer von der Herrnhuter Brüderge­ meine erst vor 175 Jahren gegründeten Sied­ lung, zur Gesamtgemeinde Königsfeld im Schwarzwald zusammengeschlossen. Sowohl nach der Zahl der Einwohner (rund 5400) als auch nach der Fläche (4024 ha) nimmt Königsfeld unter den 20 Städten und Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Kreises den 10. Rang ein. Schwerpunkte der Wirtschaftsstruktur sind die Landwirtschaft – mit stattlichen Betrieben, vor allem in Buchenberg, Neu­ hausen, Erdmannsweiler und Weiler – sowie der Fremdenverkehr. Weil Industrie fehlt, müssen zahlreiche Einwohner zu ihren 31

Arbeitsstellen nach Villingen-Schwenningen und St. Georgen pendeln. Kleinere, in allen Ortsteilen situierte Gewerbe- und Hand­ werksbetriebe decken den örtlichen Bedarf. Der Kernort Königsfeld weist ein überdurch­ schnittlich reichhaltiges Angebot an Einzel­ handelsgeschäften und Dienstleistungsein­ richtungen auf. Auch das Zinzendorfgymna­ siurn, die Zinzendorf-Realschule und die frauenberuflichen Schulzweige der Herrn­ huter Brüderunität mit mehr als 800 Schü­ lerinnen und Schülern und 180 Mitarbeitern sind für die Gemeinde sowohl hochinteres­ sante Bildungseinrichtungen, als auch ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfak­ tor. Was macht den staatlich anerkannten heilklimatischen Kurort (seit 1949) und Kneipp-Kurort (seit 1976), der sich mit einem großen Kreis treuer Gäste verbunden weiß, so anziehend? Da ist einmal seine Über­ schaubarkeit, seine durch herrliche Wälder geschützte Lage und die Ausgeglichenheit der Landschaft – ideal für jeden, der wieder zu sich selbst finden will. Von den ruhig gele­ genen Gästehäusern erreicht man in wenigen Geh-Minuten den Kurpark oder die orts­ nahen Wälder, wo man auf gepflegten Wegen in sauerstoffreicher Luft nach Her­ zenslust wandern kann – übrigens auch ein Dorado für gesundheitsbewußte „ Trimm­ Traber“, die hier einzeln oder mit dem Schwarzwald-Lauftreff ihre Runde drehen. Ein erholsames, reizmildes Schonklima för­ dert die Heilung von Krankheiten der Atem­ wege, des Herzens und des Kreislaufs. Gedie­ gene Einrichtungen, wie Kurmittelhaus, Kurpark, Haus des Gastes und ein beheiztes Waldfreibad wollen nicht „Zentrum“ für große Menschenmassen, sondern Platz für individuelle Erholung sein. Auch ein dem Ort angemessenes Veranstaltungsprogramm hat mit regelmäßigen Vorträgen und Kon­ zerten manchen „Leckerbissen“ zu bieten. Jeden Freitag treffen sich Einheimische und Gäste zu den beliebten „Königsfelder Begeg­ nungen“. Aber auch die besondere Ausstrah­ lung des kirchlichen Lebens, die Verbindun- 32 gen und der Lebensstil der Brüdergemeine, haben ihre Anziehungskraft bewahrt. Eher größer wird der Kreis von Menschen, die in ihrem Urlaub seelischen Ausgleich suchen. Eine Spezialität Königsfelds waren schon immer seine Kinderheime. Obwohl die Kin­ dererholung außerhalb der Schulferien leider allgemein rückläufig ist, hat die „Höhenkli­ nik Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung“ {160 Betten) ihre Stellung ausbauen können. Einen kräftigen Aufschwung brachte die 1977 eröffnete Albert-Schweitzer-Klinik, eine in Wohnkomfort, Diagnostik und The­ rapie modernst eingerichtete Fachklinik für Herz-, Kreislauf- und Atemwegerkrankun­ gen. Sie bietet über 200 Gästen Platz und ist wegen ihrer ausgezeichneten Führung sehr gefragt. Dem Fremdenverkehr ist die Gemeinde­ gebietsreform entgegengekommen, denn der Gast hat noch nie viel nach den Gemein­ degrenzen gefragt. Am augenfälligsten ergänzen sich hier Königsfeld und Buchen­ berg, letzteres mit den ehrwürdigen, land­ schaftsprägenden Bauernhöfen, mit dem lOOOjährigen Sankt-Nikolaus-Kirchlein, dem Landschaftsschutzgebiet Glasbachtal und der Ruine Waldau als beliebten Wanderzie­ len. Das schmucke Dörflein erhielt 1974 die staatliche Anerkennung als „Erholungsort“. Doch auch in Burgberg mit seiner Burgruine und dem „Weiberzahn“, in Erdmannsweiler und Weiler, ebenso in Neuhausen mit der erhabenen, spätgotischen Kirche und den großen, giebelständigen Bauernhäusern, gibt es gute Ansätze für den Fremdenverkehr, ins­ besondere mit den beliebten und gemütli­ chen Gasthäusern. Neben dem Fremdenverkehr zeichnet sich die Gemeinde durch ein reges Leben mit vielen Aktivitäten der Bürger und der Ver­ eine aus. Gerade in den ländlichen Ortsteilen sind Musik-, Fußball- und Radfahrervereine – um nur einige Beispiele zu nennen – so aktiv, wie kaum zuvor. Ihre Arbeit findet nicht zuletzt bei der Jugend großen Anklang. Bei der Erfiillung wichtiger öffentlicher Auf­ gaben ist die Gemeinde in den vergangenen

Der Gottesacker in Königsfeld Jahren ein gutes Stück vorangekommen. Im Wege einer Beteiligung am „Zweckverband Abwasserreinigung Eschachtal“ ist in Hor­ gen eine Sammelkläranlage erstellt worden. Das war Voraussetzung für die weitere bau­ liche Entwicklung in allen Ortsteilen. Wesentlich verbessert wurde die Wasserver­ sorgung in Burgberg und Erdrnannsweiler durch einen Verbund mit dem sehr ergiebi­ gen, naturreinen N euhauser Tiefbrunnen; weitere Ausbauschritte für andere Ortsteile werden noch folgen müssen. Lehrer und Schüler der Grund-und Hauptschule sind glücklich über einen zweckmäßigen Neu­ bau. Das beginnt sich bereits für unsere junge Generation und damit für die Zukunft unse­ rer Gemeinde segensreich auszuwirken. In einer geräumigen, schön gestalteten Sport­ halle haben neben den Schülern auch die sporttreibenden Erwachsenen neue Mög­ lichkeiten. Die Gemeindeverbindungsstraße Schon viel ist über ihn geschrieben worden, in Versen wurde er besungen und kaum ein Besucher Königsfelds verläßt den Ort, ohne ihn besucht zu haben, den Gottesacker. Der Fremde, der das Eingangstor mit der Inschrift „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ zu diesem Friedhof betritt, spürt gleich das Besondere, Ungewöhnliche und Eindrück.liehe dieser Anlage. Mehr als die selten schöne Lage mit dem weiten Blick in die Schwarzwaldlandschaft, mehr noch als der alte Baumbestand und die diesen großen Platz umgebenden Hecken, sind es die Grabsteine, die den Blick anziehen. Da, wo man vielfach Grabmonumente vermutet, die in Größe und Ausführung Zeugnis von der irdischen Bedeutung der Verstorbenen ablegen, geht hier der Blick über weite Grabfelder mit einheitlichen und liegenden Grabsteinen. Wer nun der Eigenart dieses heute auch unter Denkmalschutz stehenden Gottes­ ackers nachgeht, erfährt folgendes: Königs- Königsfeld -Neuhausen konnte dank kräfti­ ger staatlicher Finanzhilfen -auch für Fuß­ gänger und Radfahrer -verkehrssicher aus­ gebaut werden. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat wesentlich dazu beigetragen, daß die Kreisstraßen und Gehwege in Burgberg und Weiler umgestaltet werden konnten. Vielsei­ tige Möglichkeiten für das Vereinsleben brachte die 1979 eröffnete Gemeindehalle in Weiler. Damit sind zwar längst nicht alle Aufgaben gelöst, jedoch ist ein Stand erreicht, mit dem wir sehr zufrieden sein kön­ nen. Jeder einzelne Ortsteil der Gemeinde ist mit seinen gewachsenen Werten, seinen cha­ rakteristischen Eigenarten und vor allem mit dem kulturellen Leben, das seine Einwoh­ ner gestalten, auf seine besondere Art lie­ benswert. Dies zu bewahren und zu fördern, soll auch künftig unser aller Ziel sein. Horst Ziegler, Bürgermeister feld ist eine im Jahre 1807 gegründete Sied­ lung der Herrnhuter Brüdergemeine, einer evangelischen Freikirche, die ihre Entstehung auf das Jahr 1722 und den Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf zurückführt. Unter den zahlreichen Siedlungen der Brüder­ gemeine, die im 18. und 19. Jahrhundert im mitteleuropäischen Raum, in England und Irland, in Nord-Amerika und auf den vielen Missionsfeldem in aller Welt entstanden, ist Königsfeld eine. Sie war als ein Bindeglied der Herrnhuter zu den vielen Freunden und Gleichgesinnten in Südwestdeutschland und der Schweiz gedacht, was sie heute noch immer ist. Eine, wenn auch sehr kleine Kirche wie die Brüdergemeine, mit ihrer mehr als 250jährigen Geschichte, hat natürlich ihre traditionsbedingten Eigenheiten, die auf dem Gottesacker besonders augenfällig und spürbar sind. So ist der Grundgedanke seiner Anlage der Garten, in dem die Gräber wie Beete angeordnet sind. Der in das Grab 33

versenkte Tote ist gleich dem Weizenkorn, das in die Erde fallt und erstirbt O oh. 12,24). Die Glieder der Gemeinde, Schwestern und Brüder, sind hier in der Ruhe des Todes vereint, wie sie es einst im Leben waren, und harren nun der Auferstehung. Von dieser Gleichheit im Leben soll auch nach dem Tode noch etwas sichtbar bleiben. Daher die gleichen Grabsteine (von zeitbedingten Variationen abgesehen} mit den schlichten Inschriften, die nur Namen, Daten und einen Bibelspruch, ohne Hinweis auf eine be­ sondere Lebensstellung des Verstorbenen, enthalten sollten. Da das Glied der Brüder­ gemeine einem nach Geschlecht und Lebens­ stand unterschiedenen sogenannten „Chor“ angehörte (verheiratet, verwitwet, ledig, Kind), erfolgte auch die Beisetzung der Heim­ gegangenen nach diesem Chorprinzip. Geblieben davon ist heute lediglich, und das auch in Königsfeld nur noch befristet, eine getrennte Beisetzung der Geschlechter. So gleichen sie sich, alle die Herrnhuter Gottesäcker in aller Welt. In den Annalen aus den Anfangsjahren der Brüdergemeine Königsfeld wird die „Einweihung“ des Gottesackers durch die Beisetzung des totgeborenen Söhnleins 34 Zeichnung: Helmut Heinrich Beatus des Verwalterehepaares Gramann auf dem Hörnlishof am 9. November 1809 be­ wegend beschrieben: „Den 9. war das Begräbnis des noch vor der Geburt am 7. ds. abends heimgegange­ nen Knäbleins der Geschwister Gramanns, und somit die Einweihung unseres Gottes­ ackers, durch ein Samenkorn, welches der Heiland, noch ehe es das Licht der Welt erblickt hatte, in Seine ewige Sicherheit genommen hat. Einige Tage vorher war unser Gottesacker, welcher rundherum mit jungen Birken umpflanzt ist, in solche Ordnung gebracht worden, daß man darauf begraben konnte. Das Wetter war heiter und schön. Die ganze kleine Gemeinde und einige benachbarte Ge­ schwister, nebst Herrn Pfarrer Baumann aus Mönchweiler, machten den Leichen­ zug, der wirklich auf die Weise ansehnlich war, aus. Wir versammelten uns in der Mitte des Gottesackers, wo Bruder Tschirpe ein herzliches Gebet tat, darinnen er den Heiland um die Segen Seiner heiligen Ruhe im Grabe für alle die, die hier ruhen würden, und um seine gnadenvolle

Aufsicht auf dieses ihm geweihte Saatfeld der Gebeine unserer entschlafenen Geschwister und Kinder erflehte. Dann gingen wir zur Grabstätte des ent­ schlafenen Beatus Gramann, und legten unter der gewöhnlichen Liturgie dieses erste Samenkorn der hiesigen Gemeinde in die Erde.“ Anzumerken ist, daß der Ort Königsfeld damals nur aus dem Hömlishof und dem neuerbauten sogenannten Gemeinlogis (dem heutigen Herrnhuter Haus) bestand und etwa 30 Einwohner zählte. Inzwischen sind zu diesem ersten Grab im Jahre 1809 weitere etwa 1800 Gräber bis heute hinzugekommen. Fast alle diese Gräber bestehen noch immer so, wie sie einstmals angelegt wurden, wenn auch die Grabsteine selbst oft bis zur Unleserlichkeit verwittert sind. Auch dieser alte Brauch in der Brüdergemeine, eine Wiederbelegung der Gräber zu vermeiden, wird wohl in Königsfeld -aus Platzgründen -in nicht allzufemer Zeit nicht mehr weitergeführt werden können. Noch immer ist die örtliche Brüdergemeine verantwortlich für den Gottesacker, doch stellt sie seit jeher diese Ruhestätte allen Königsfelder Bürgern, gleich welcher Konfession, zur Verfügung, unter der Voraussetzung, daß ihre Ordnungen respektiert werden. Bei Beerdigungs­ wünschen von außerhalb des Ortes Wohnen­ den, müssen allerdings strengere Maßstäbe angelegt werden. So schlicht wie sich dieser Gottesacker darstellt, so schlicht waren auch die hier Ruhenden. Berühmte Persönlichkeiten findet man nicht darunter. Der Großteil sind Königsfelder Bürger, die hier gewirkt haben und beheimatet waren oder nach langer Wanderschaft ihren Lebensabend hier verbrachten. Die Geburtsdaten auf den Grabsteinen geben davon ein beredtes Zeugnis, wie auch die im Archiv aufbe­ wahrten Lebensläufe. Welcher Ort könnte geeigneter sein, die Osterbotschaft von der Auferstehung des Herrn zu verkünden und auf sich wirken zu lassen, als gerade ein solcher Gottesacker. Und so ziehen alljährlich am Ostermorgen die Königsfelder hinaus auf ihren Gottes­ acker und zu ihren „in die obere Gemeinde“ Vorangegangenen. Es ist ein langer Zug von vielen hundert Menschen, die zuvor in der Kirche den Osterruf „Der Herr ist aufer­ standen“ vernommen haben, und nun schweigend den Bläsern folgen. Draußen hört die Gemeinde Worte der Auferstehung, singt Osterlieder und vernimmt nocheinmal die Namen aller im vergangenen Jahr in Königsfeld Entschlafenen und hier Begra­ benen. Ein Gang durch die Grabfelder, vorbei an den vielen mit Osterglocken ge­ schmückten Gräbern, beschließt die ein­ drucksvolle Ostermorgenfeier auf dem Königsfelder Gottesacker. Heinz Burkhardt Jürgen Page: Königsfeld im Schwarzwald Eine Gesamtanlage des frühen 19.Jahrhunderts „Wo der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.“ Unter diesem Leitspruch (Psalm 127, Vers 1) fällte man am 31. 12.1806 den ersten Baum, der beim Bau von Königsfeld Ver- wendung finden sollte, nachzulesen auf einem mannshohen Obelisken, der bis heute diese denkwürdige Stelle an einer der heranführenden Landstraßen kennzeichnet. Die Vorgeschichte, die zu diesem Ereignis führte, ist relativ kurz; beteiligt waren Mit­ glieder der „Herrnhuter Brüdergemeine“, ein 35

1 Königsfeld von Westen um die Mitte des 19.jahrhunderts. Links im Hintergrund der Kirchensaal, rechts die Häuser der Friedrichstraße. Vogt aus der Nachbarschaft sowie König Friedrich I. von Württemberg. Die Herrnhuter Brüdergemeine hat ihren Ausgangspunkt zu Anfang des 18. Jahrhun­ derts auf den Ländereien des Reichsgrafen Nikolaus von Zinzendorf, die in der säch­ sischen Oberlausitz liegen. Pietistischer Geist prägt diese evangelische Glaubensgemein­ schaft, die ihre Hauptaufgabe in der Missions­ arbeit wie auch in der Erziehung der Kinder sieht. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz für eine Siedlung in Württemberg, dessen König Friedrich dem Pietismus auf­ geschlossen gegenüberstand, und wo sich viele Gleichgesinnte finden ließen, stieß man in der Nähe von St. Georgen im Schwarzwald auf geeignetes Gelände und einen alten Bauernhof daneben. Dieser Hörnlishof, wie er hieß, war schon recht betagt und wohl auch reichlich heruntergekommen, so daß sein Erwerb dem Vogt des benachbarten Weilers Mönchweiler als Mittelsmann keine besonders großen Schwierigkeiten brachte. Ende 1804 war der Hörnlishof gekauft. Von hier aus, unmittelbar neben dem Gelände, das man erschließen wollte, wurde die eigent­ liche Besiedlung vorangetrieben. Nach mehreren Verzögerungen unter­ zeichnete der König am 12. August 1806 die Gründungsurkunde; die ,,Königlich­ Württembergische General-Rescripte und Verordnungen“ vom 1. September 1806 be­ leuchten die besondere Huld, die der König dieser jungen Brüdergemeine entgegen­ brachte; er sicherte ihren Mitgliedern völlige Gewissensfreiheit zu und erließ ihnen den Gebrauch der offiziellen Eidesformel; sie brauchten, wenn erforderlich, nur eine eides­ stattliche Versicherung abzugeben. Neben anderen Vergünstigungen befreite er sie 1809 auch vom direkten Militärdienst; mit dem Geldwert von 40 Scheffel Dinkel pro Rekrut konnten sie die in jedem Jahr von ihnen zu stellende Zahl von Wehrpflichtigen aus­ lösen. 36

L K 1 8 0 7 Plan zur Anla ge d e s BrüderGemeinorts a uf dem Hör nli sH o f e 2 H 2 2 Arbeiter Wohnung nebst Garten C1 Schwesternhaus 2 Mldchen-Anstalt A DerPlatz ffi 81 Der Gemeinsaal D D D D H 1 Brüder-Haus 2 Gerberey und 01 W itwen-Haus F 1 Gemein Logis 2 Apotheke 3 Knaben-Anstalt Seifensiclerey a-1 Familien Grundstücke 1-0 Orts erweiterung 2 Veil’s Wohnhaus G1 Laden A M N 0 E F 2 Planschema von 1807 far die Anlage Königsfelds Noch im gleichen Jahr, in dem die Gründungsurkunde unterzeichnet wurde, begann man, wenn auch nur symbolisch, mit den Arbeiten an der neuen Siedlung: man fällte den ersten Baum; mehr ließ der Winter hier am Ostrand dö Hochschwarz­ waldes nicht zu. Die eigentlichen Arbeiten fingen dann am 21.April 1807 mit der Vermessung des Areals an. Auf diesen Grundlagen entwarf Johann Gottfried Schulz, Mitglied der Brüder­ gemeine Niesky in der Oberlausitz, ebendort den Gesamtplan und schuf viele Detailvor­ schläge zur Bauausführung. Dieser Gesamtplan (Abb. 2) zeigt deutlich die Konzeption, die diese neue Siedlung wie auch fast alle der anderen Herrnhuter Brüdergemeinen prägt: Um einen zentralen Platz „A“ innerhalb eines kreuzförmigen Straßenrasters ordnen sich alle Gebäude, die eine öffentliche oder soziale Funktion be- sitzen; so bezeichnet „B“ den wichtigsten Bau, den Kirchensaal; ihm gegenüber an der anderen Platzseite findet sich bei „F 1″ das „Gemeinlogis“, der Gasthof des Ortes, die Unterkunft für alle durchreisenden Gäste. Eine Schule für Mädchen „C l“ wie auch für Jungen „G 3″ wurden eingeplant, ebenso eine Apotheke „G 2″ und ein Laden „G l“. Mit einigen wenigen Abweichungen wurde dieser Plan dann in Architektur um­ gesetzt, nacheinander entstanden die Ge­ bäude rings um den Platz, der Zinzendorf­ Platz benannt wurde: Schon am 9.Juli 1807 war feierliche Grundsteinlegung zum „Gemeinlogis“; gleichzeitig legte man den Platz selbst an als quadratische Grünfläche, kreuzförmig durchzogen von zwei Wegen; an deren Schnittpunkt in der Mitte errichtete man einen hölzernen Brunnen, der 1817 durch einen eisernen ersetzt wurde; letzteren entfernte man später. 37

3 Entwurf zum Kirchensaal aus dem fahr 1809 4 Zinzendotfplatz mit dem Kirchensaal um 1920 38

stimmen. Allein schon seine Größe wie auch Am 14. Oktober druckte das „Königlich- die reichere Gliederung seiner Wandflächen Württembergische Staats-und Regierungs- Blatt“ ein Dekret des Königs vom 7. Oktober weisen auf die· dominante Rolle dieses Gebäu- des innerhalb der Gemeine hin, und ein Dach- ab, in dem dieser verordnete, daß „der von reiter in.der Mittelachse, nicht gerade winzig, der evang. Brüdergemeine auf dem Hörnle schon ein kleiner Turm, mit Uhr, flacher neu zu erbauende Ort den Namen Königs- geschwungener Haube und kleiner Zwiebel, feld erhalten soll“, womit die stetig wach- betont noch weiter dieses Gebäude, das eher sende Siedlung nun auch einen Namen hatte, �n ein Schloß als an eine Kirche erinnert einen Namen, den der König auf sich selbst (Abb. 3 u. 4). und seine Huld münzte, dem die Brüder jedoch religiösen Sinn beimaßen; und könig- Durch die beiden Seitenflügel, in denen das Pfarrhaus und das Vorsteheramt der lieh blieb der Ort nicht mehr lange, denn nach dem Pariser Vertrag vom 2. Oktober Gemeine untergebracht sind, betritt man das Innere des großen Kirchensaales, das 1810 mußte auf Betreiben Napoleons der durch riesige, genau nach Norden und Süden König von Württemberg Gebiete an den gerichtete Fenster von Licht überflutet ist. Großherzog von Baden abtreten, darunter auch Königsfeld, das fortan großherzoglich Rein weiß gibt sich die Ausstattung, die Bänke, die Wandtäfelung, die beiden höl- war. zernen Emporen an den Schmalseiten des Auf den Bau des Gasthofs folgte 1810 der Kirchensaal, der sich auf hohem Sockel Raumes; die eine weist zwei Logen in erhebt und flankiert wird von zwei niedrigeren, ihren Ecken auf, wohl eine Reminiszenz an das Herrnhuter Vorbild, an Stifterlogen oder zweigeschossigen Seitenflügeln, gehalten in Logen vom Kirchenherrn, hier jedoch nie eben den strengen Formen, die auch alle als solche verwendet, die andere mit einer anderen Bauten rings um den Platz be- 5 Das Innere des Kirchensaales 1980; Blick nach Osten 39

großen Orgel in der Mitte, deren Prospekt sparsam vergoldet ist; dazu der rohe, ge­ scheuerte Dielenboden, das niedrige Podest mitten an der nördlichen Längswand, darauf der mit grünem Tuch überzogene einfache „Liturgustisch“, dahinter ein Stuhl: Dinge ohne jeden Aufwand, die dem Raum eine vornehm-feierliche, ja ungewöhnliche Note verleihen; ungewöhnlich auch in der An­ ordnung der Bänke, die quer zur Längsachse aufgestellt sind (Abb. 5). Ebenfalls an Gepflogenheiten des Schloßbaus, an den schon der Kirchenbau selbst erinnerte, läßt der dahinter liegende Garten denken, ein quadratisches Areal, umschlossen von einer Mauer ringsum, in den äußeren Ecken zwei Gartenhäuschen. Bereits 1808 hatte man mit dem Bau des Schwesternhauses begonnen, seine Fertig­ stellung dauerte jedoch bis 1862. Zu diesem Zeitpunkt hatte man das zweite der beiden zweigeschossigen Gebäude gleicher Größe, 6 Das Schwesternhaus 1980 die durch einen kurzen, zurückspringenden und niedrigen Zwischentrakt miteinander verbunden sind, vollendet (Abb. 6). Dem Schwesternhaus folgten 1817 das Bruderhaus und das Haus des Apothekers. Sehr viel später, nämlich 1862, errichtete man das Witwenhaus, 1863 dann das Dia­ sporahaus. Letztes Gebäude, das am Zinzendorfplatz entstand, ist die Handlung, erst 1886 erbaut (Abb. 7). Zeitlich parallel zu dieser Bebauung des Zinzendorfplatzes mit seinen „öffentlichen“ Gebäuden verlief die Erstellung der Hand­ werker-und Wohnhäuser, die sich in den rasterförmigen Grundriß der Gesamtplanung einfügen (s. Abb. 2 „Familiengrundstücke“). Alte Ansichten zeigen, wie sich die Siedlung allmählich ausbreitete, hauptsächlich jedoch entlang der Ostwest-Achse, der Friedrich­ straße, die an der Südseite des Platzes ent­ langfuhrt. Schon ein Katasterplan aus dem 40

7 Ehem. ,,Handlung“ der Brüdergemeine 1980 8 Katasterplan von Königifela aus dem Jahr 1814 41

9 Südseite der Friedrichstraße vom westlichen Ende her gesehen, um 1910 10 Ein Haus in der Friedrichstraße um 1885 42

11 Haus Friedrichstraße 1, Aufnahme 1900 läßt diese Tendenz wie 1814 Jahre auch die damals bestehende westliche Ge­ meindegrenze erkennen (Abb. 8). Sind es beim Zinzendorfplatz große Ge- 12 Haus Waldesruh, Hermann-Voland-Straße 9. Aufnahme 1980 bäude, deren Vielachsigkeit teils plastisch, teils nur farbig angelegte Lisenen unterteilen, Gebäude, die ein kräftiges Traufgesims auf­ weisen und deren riesige Dachflächen an den Giebelseiten auffällig kleine Krüppelwalme zeigen, so sind es hier in der Friedrichstraße kleinere Häuser, die sich, ein-oder zweige­ schossig, nebeneinander an der Straße ent­ langreihen. Die letzten, nahe der westlichen Gemeindegrenze, entstanden in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts (Abb. 9 u.10). Damit kann man in etwa die städtebau­ liche Entwicklung der Gründungszeit Königsfelds als abgeschlossen ansehen, also kurz vor 1870. Die großen, zweigeschossigen Massivbauten des Platzes, die kleineren Häuser der Friedrichstraße und der Umge­ bung des Platzes, sie richten sich alle nach dem Planschema von 1807, sie vertreten Bautypen, die ihre Verwandtschaft mehr oder minder deutlich zeigen (Abb. 11) und somit das Ergebnis einer Gesamtplanung sind. 43

Als man 1886 die Handlung fertiggestellt hatte, errichtete man damit einen Bau, der den Anbruch einer neuen Zeit signalisierte. Königsfeld wandelte sich zu diesem Zeit­ punkt von der Heimstatt pietistischer Siedler zu einem Ort der Erholung: der beginnende Tourismus im Hochschwarzwald hatte auch hier Einzug gehalten, neue Ideen griffen Raum. Und ein reiner Klinkerbau am Zinzen­ dorfplatz (s. Abb. 7) neben all den reprä­ sentablen Putzbauten war ein Neubeginn: die Gründerzeit des Deutschen Reichs hatte die Gründungszeit der Brüdergemeine ab­ gelöst. Jenseits der westlichen Gemeindegrenze entstanden nun allmählich Kurheime, Frem­ denheime (Abb. 12) und all das, was für einen Höhenluftkurort von Bedeutung war, nicht zuletzt ein kleiner Kurpark und darin ein Musikpavillon. Doch die Gründungssiedlung, das alte Königsfeld der Jahre 1807 bis 1870 blieb unangetastet, und das ist es auch – mit wenigen Ausnahmen – bis heute. Schließlich kann auch der Friedhof der Brüdergemeine beredtes Zeugnis von der Ortstradition ablegen; keine Ausnahme durchbricht die Regeln dieser „Herrnhuter Totensiedlung“, wie man sie nennen mag; flach auf die Erde gelegte rechteckige, schmucklose Grabplatten, die sich innerhalb eines Gevierts in einen kreuzförrnigen Raster ordnen, wiederholen hier das gleiche System, dem die Häuser in der Siedlung folgen. Am 15. April 1980 wurde etwa im Umfang des Katasterplans von 1814 (s. Abb. 8) das Orts­ zentrum von Königsfeld im Schwarzwald als Gesamtanlage durch das Regierungspräsi­ dium Freiburg unter den Schutz des § 19 DSchG gestellt. Mit freundlicher Genehmigung des Landes­ denkmalamtes Baden-Württemberg entnommen der „Denkmalpflege in Baden-Württemberg“, 10. Jahrgang (April-Juni 1981). In memoriam: Alte und neue Stadtrechte »Bluomberg stat“ und Stadt Blumberg 539 Jahre liegen zwischen den offiziellen Bestätigungen einer „Stadt Blumberg“, 560 Jahre zwischen Vermutung und Tatsache. Im Prozeßmaterial der Lupfenschen Fehde erscheint „Bluomberg stat“ im Jahre 1411 als Zeuge, doch schon nach dem Verlust von Hüfingen, das aus blumbergischem in schel­ lenbergischen Besitz übergegangen war, ver­ mutet man um 1390 einen durch die Herren von Blumberg begonnenen Ausbau ihrer Stammburg zur Stadt, in der die vordem innerhalb der Burgmauern untergebrachten „Burger“ nun vor und damit außerhalb der stärker befestigten Kernanlage lebten. Karl Siegfried Bader schreibt darüber: „Blumberg scheint in blumbergischer Zeit weder einen städtischen Rat noch andere Organe städtischer Verwaltung wie den Schultheißen erhalten zu haben. Dagegen bildete die Stadt mit der benachbarten Burg 44 einen eigenen Hochgerichtsbezirk. Stadt und Burg Blumberg erhielten die sogenannte Immunität, das heißt, sie wurden aus dem Landgerichtssprengel herausgehoben. Stock und Galgen waren die Wahrzeichen der Stadtgerichtsbarkeit, eines Sonderrechts, das die Inhaber der Herrschaft Blumberg im Weichbild ihrer kleinen Stadt ausüben konn­ ten.“ Erst als Hans von Landau, Kaiserlicher Rat und Reichsschatzmeister Kaiser Maximi­ lians, nach vielen Herrschaftswechseln im Jahre 1484 in den Besitz der Herrschaft, Burg und Stadt Blumberg kam und deren Ent­ wicklung tatkräftig und umsichtig voran­ trieb, konnte rechtens von einer kleinen Stadt gesprochen werden, die nachfolgend innerhalb des fürstenbergischen Hausbesit­ zes als selbständige Einheit weiterbestand. Nachdem Burg und Städtlein 1645 im 30jäh-

rigen Krieg zerstört wurden und als Wohn­ sitz der gräflichen und später fürstlichen Familie aufgegeben werden mußten, erlosch auch die bescheidene Bedeutung des Städt­ chens, so daß bis zu den Berichten des 19. Jahrhunderts nicht mehr von einer „Stadt“, sondern nur von einem „Pfarrdorf‘ Blum­ berg die Rede war. Die rein ländliche Gemeinde wurde erst durch die Doggererz AG in den Jahren 1935 und 1936 in eine größere und sich rasch aus­ dehnende Industriegemeinde verwandelt. Zur Unterbringung der zugezogenen Bergar­ beiter mußte im Rahmen des hinlänglich bekannten „ Vierjahresplanes“ der Bau von rund 600 Wohnhäusern in Angriff genom­ men werden. Die ursprüngliche Einwohner­ zahl von 700 stieg rapide an, unterlag jedoch zeitentwicklungsbedingten Schwankungen. Am 1. Januar 1940 war sie auf 4700 angestie­ gen. Nach Einstellung des unrentablen Erzabbaus und der Verlegung von Industrie­ werken nach dem als sicherer geltenden Blumberg wuchs die Einwohnerzahl dank den aus ganz Deutschland zuströmenden Evakuierten bis zum Jahresende 1944 schließlich auf über 6000 an, sank nach Kriegsende durch die Rücksiedelung auch der in den Werken beschäftigten Ausländer bis 1946 wieder auf 3427 Bürger und hatte am 1. Januar 1950 wiederum eine Zunahme zu verzeichnen, die insgesamt 4023 Einwoh­ ner ergab. Die Autarkiebestrebungen des „Dritten Reiches“ hatten mit großindustriellen Erzab­ bau-Anlagen eine Einwohnerballung aus dem Boden gestampft, die auf letztlich 15.000 Einwohner konzipiert war, jedoch diesen „Wasserkopf einer industriellen Großsiedlung“ ohne entsprechende Arbeits­ plätze nach der Besetzung lukrativerer Erz­ abbaugebiete einfach im Stich gelassen und einem schier hoffnungslosen Schicksal über­ antwortet. Diese dramatische Entwicklung, die einer Katastrophe zusteuerte, veranlaßte die Gemeindeverwaltung dazu, sich ener­ gisch an die Badische Regierung zu wenden. Denn die bestehenden, wenn auch kleinstäd- zwangsläufig tischen Ausmaße einer Gemeinde, der man im Jahre 1935 im Nachherein die nur noch imaginären Stadtrechte genommen hatte, waren kaum zu reduzieren und verlangten nach einer lebenserhaltenden Festigung der Existenzchancen, wollte man mit den demontierten Industriebetrieben und leeren Fabrikhallen, mit in der Folge von Not und Verzweiflung entleerten Wohnhäusern nicht zu einer ruinierten Gei­ sterstadt degenerieren. Doch erst im Jahre 1949, nach vielerlei unermüdlichen Verhandlungen und ande­ ren Bemühungen, für die der damaligen Gemeindeverwaltung kaum genug gedankt werden kann, gelang es, mit dem Zweigwerk der Lauffenmühle des nachmaligen Ehren­ bürgers Dr. Alfred Winkler ein großes Textil­ werk in der am Rande des Existenzmini­ mums mit Möglichkeiten jonglierenden Gemeinde anzusiedeln und mit so geschaffe­ nen Arbeitsplätzen eine allmähliche Auf­ wärtsentwicklung einzuleiten. Die gemein­ schaftlichen Anstrengungen und der Beweis­ antritt einer zielstrebigen Wiederbelebung nach schweren Jahren veranlaßte die Badische Regierung mit ihrem Staatspräsi­ denten Leo Wohleb, dem geprüften Blum­ berg-beurkundet am 19. Oktober 1950-die gewünschten Stadtrechte wiederzuverleihen. Das war vor jetzt gut 30 Jahren. Am 16. Dezember 1950 begann mit Böllerschüssen ein Doppelfesttag für die neue Eichberg­ stadt. In Anwesenheit des Staatspräsidenten, einiger seiner Minister sowie Vertretern von Wirtschaft und Industrie wurde am Vormit­ tag die damals so bezeichnete „ Taschentuch­ weberei“ eingeweiht, ein Festakt, dem am Nachmittag in einem Staatsakt in der Turn­ halle der Scheffelschule die Überreichung der Urkunde über die Wiederverleihung des Stadtrechts durch den badischen Innenmini­ ster Schühly folgte. Seitdem hat sich die Sta�t ihrer zurückerlangten Rechte würdig erwiesen. Die Eingemeindung der neuen Stadtteile in den 70er Jahren bedeutete verstärkte Ver­ antwortlichkeit, die in der problematischen 45

Furtwangen – Universitätsstadt auf Zeit Randlage dieses“ Unterzentrums“ des Groß­ sehen Kirche anläßlich der neuen Stadtwer­ kreises nur gemeinsam gemeistert werden dung eine Linde, die zwar durch kein Hin­ kann. Heute ist Blumberg mit seinen rund weisschild als historisch bedeutsame „Stadt­ 10.000 Einwohnern eine Stadt, die weiß, was linde“ hervorgehoben wird, sich aber trotz­ sie will. Daß sie auch vieles von dem erreicht, dem so gut entwickelt hat wie die Stadt, an deren wiedererlangte Rechte sie eigentlich was sie will, beweist sie mit ihrer sichtbaren Aufwärtsentwicklung. Sie hat unter anderen ständig erinnern sollte. Und an die damit ver­ nicht nur ein Werk für Motorenteile, son­ bundene Verpflichtung, das schon einmal dern besitzt selbst die Motoren, die ihre Pla­ Verlorene ohne Angst vor einer Wiederho­ nungen über zuweilen sich in den Weg stel­ lung zu erhalten. Eben dank dem Gleichge­ lende Hindernisse hinweg vorantreiben. So wicht zwischen Stadtrechten und Stadt­ verfügt sie schon über viele Einrichtungen, pflichten im Sinne der Wohlfahrt von allen, von denen in alten Zeiten kaum jemand zu die Bürger der Stadt und Staatsbürger und träumen wagte. keine „Burger“ von „Bluomberg stat“ mehr Traditionsgemäß pflanzte man vor 30 Jah­ sind. ren in den Anlagen gegenüber der evangeli- Jürgen Henckell Karlsruher Studenten der Geodäsie seit 90 Jahren bei Vermessungen im Schwarzwald „Zwei Momente haben sich in recht wußte, daß sich dort das Leben entfaltete, glücklicher Weise ergänzt, um in Furtwangen wo, wie der Dichter sagt, die heitere geistige Freude beginnt. jene Atmosphäre hervorzubringen, die die Karlsruher Studenten der Geodäsie seit nun­ mehr 90 Jahren veranlaßten, ihre Haupt­ Mosaik der Zeit vermessungsübungen (HVÜ) in Furtwangen Beim Blick zurück kommt mir der Beitrag „Hauptvermessungsübungen“ von D. Möller durchzuführen, die herrliche Schwarzwald­ Landschaft an der jungen Donau -ein in der Festschrift „Geodätisches Institut der Universität Fridericiana Karlsruhe 1868- ideales Meßgelände -und die über alle Jahre 1968″ zu Hilfe, der die engen Beziehungen gewährte Gastfreundschaft verbunden mit dem Verständnis für das studentische Leben“. zwischen der Universität und der Stadt Mit diesen Worten spannte der Leiter des Furtwangen belegt. „1892 wurden erstmalig-wie in einer alten geodätischen Instituts der Universität Furtwanger Zeitung nachzulesen ist -die Fridericiana Karlsruhe, Prof. Dr. Ing. Hein­ Vermessungsübungen unter der Leitung von rich Merkel, bei unserer ersten Begegnung Professor Dr. Haid in der Umgebung von im Frühjahr 1958, nachdem wir das Neueste Furtwangen abgehalten. Für diese ,größere aus unserer gemeinsamen Heimatst�dt Schwetzingen ausgetauscht hatten, den geodätische Exkursion‘ bewilligte das Kultusministerium versuchsweise einen Rahmen um das Bild, das er mir schrittweise außerordentlichen Zuschuß in Höhe von zuerst in meinem Amtszimmer vorstellte 360,-Mark. und beim späteren Dämmerschoppen ver­ Dieser Versuch muß wohl als geglückt tiefte. Wie die Jahre zuvor war Prof. Merkel bezeichnet werden, denn die Zuschüsse gekommen, um die Hauptvermessungs­ wurden weiterbewilligt, und bereits 1902 übungen vorzubereiten. Dieses Gespräch feierten die Studenten mit einem Fackelzug mit dem liebenswerten und noblen Menschen ihren verehrten Lehrer Prof. Haid und die Merkel ist mir unvergessen geblieben. Er 46

Die Teilnehmer der 1. HVÜ in Furtwangen (1892) 10. HVÜ am gleichen Ort. – Die örtliche Polizeimacht war angewiesen, alle Augen zuzudrücken. – Die weiteren Übungen konnten bis 1913 in Furtwangen reibungslos durchgeführt werden, während 1914 die Arbeiten vorzeitig ,am 31. Juli abends 17 Uhr wegen Erklärung des Kriegszustandes‘ be­ endet wurden. Die Geodäten waren ihrem obersten Kriegsherrn damit um einen Tag voraus. Schon 1919 waren die Studenten unter Leitung von Professor Dr. Näbauer wieder in Furtwangen, mußten jedoch in den) ahren 1920 bis 1923 aus finanziellen Gründen ihre Übungen in der Nähe von Karlsruhe ab­ halten. Danach wurde bis 1939 Furtwangen jedes Jahr erneut Universitätsstadt auf Zeit, und nur einmal mußte der Bürger­ meister der Stadt schriftlich um ernstliche Ermahnung allzu übermütiger Studenten bitten, da die Nachtruhe der Marktplatz­ trotz der Bemühungen des anwohner Polizeibeamten zu sehr gestört worden war. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch die durch Prof. Näbauer 1925 veran­ laßte Ergänzung eines Landeserlasses ,die Handhabung der Feldpolizei betreffend‘. Danach durften nun auch ,Lehr- und Hilfskräfte des Geodätischen Instituts der Technischen Hochschule Karlsruhe und Studierende der Geodäsie (Vermessungs­ kunde)‘ auf solchem Gelände Forschungs­ und Studienarbeiten vornehmen, dessen Betreten Reichsstrafgesetzbuch, Polizeistrafgesetzbuch und Feldpolizeiver­ ordnung allgemein verboten war. nach Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die ersten Hauptvermessungsübungen 1947 und 1948 im Raume Karlsruhe organisiert werden. 1949 gelang es Professor Dr. Schlötzer und Professor Dr. Merkel mit Erlaubnis der amerikanischen und der französischen Militärregierungen und nach Überwindung vieler anderer Schwierigkeiten, die Übungen 47

wieder in Furtwangen durchzuführen. Zeitungsartikel unter der Überschrift ,Die Studenten sind wieder da‘ galten keinesfalls als Warnung für die Bevölkerung, sondern drückten die Freude darüber aus, daß eine alte Tradition fortgesetzt wurde. Die Unter­ bringung der Studenten gestaltete sich bei der in Furtwangen herrschenden Wohnungs­ not recht schwierig; für die Verpflegung sorgte die Hoover-Speisung. So konnte dann 1959 auf Einladung von Professor Dr. Lichte das Geodätische Institut zusammen mit den Vertretern des Landes, der Stadtverwaltung und der Bevölkerung im Kreise der Studenten ein doppeltes Jubiläum feiern. In diesem Jahr wurde die 50. Furtwanger HVÜ abgehalten, und außerdem war Prof. Merkel genau vor 50 Jahren als junger hoffnungsvoller Student von Triberg über Schönwald mit Sack und Pack für 14 Tage nach Furtwangen gewandert, um zum ersten Male an einer solchen Übung teilzunehmen, die er später lange Jahre mit viel Mühe und Liebe vorbildlich organisierte und betreute und deren Leitung er nun letzt­ malig übernommen hatte“. Als Prof. Merkel im Jahr 1958 emeritiert wurde, übernahmen nacheinander Prof. Dr. Ing. Heinz Draheim (seit 1968 Rektor der Universität}, Prof. Dr. Ing. Heinrich Lichte und Prof. Dr. Ing. Eugen Kuntz die Leitung der Hauptvermessungsübungen. Harte Arbeitswochen Die außerordentliche Schnelligkeit, mit der sich die Geodäsie entwickelt, die Not­ wendigkeit der möglichst raschen und breiten Anwendung der Ergebnisse neuer Forschungen stellen hohe Anforderungen an die Ausbildung des künftigen Geodäten. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sich im Laufe der Zeit der Charakter der Haupt­ vermessungsübungen in Furtwangen ge­ ändert hat. An den Hauptvermessungsübungen in Furtwangen nehmen heute ca. 3 0 Studenten Geodäsie 2. Semester HVÜ I (2 Wochen), 25 Studenten Geodäsie 4. Se­ mester HVÜ Ila (2 Wochen}, 25 Studenten 48 HVÜl+B: Geodäsie 6. Semester HVÜ III (2 Wochen), 10-15 Stud. Bauing. 2. Semester HVÜ B (1 Woche) teil. Diese 90 Studenten werden von etwa 10-12 Lehrpersonen betreut. Die Studenten sind zu ca. 70% im Don-Bosco­ Heim untergebracht, der Rest zeltet bzw. wohnt in Privatzimmern. Die Studenten des 2. Semesters (Geodäten und Bauingenieure) machen Übungen zu tachymetrisch-topographischen Gelände­ aufnahmen. Diese Aufnahmen werden im Wintersemester zu einer Höhenlinienkarte ausgearbeitet. Die Gruppe der Bauingenieure ist eine Woche in Furtwangen und hat ihr Übungs­ gelände beim „Löwen“ in Schönenbach (Sonnenwirtsgrund). Die Geodäten des 2. Semesters haben für 2 Wochen ihr Stamm­ quartier im Don-Bosco-Heim, das Übungs­ g�lände wechselt von Jahr zu Jahr, da die Ubungsergebnisse der Landesvermessung zur Herstellung der Deutschen Grundkarte 1: 5000 zur Verfügung gestellt werden. In den letzten Jahren arbeitete diese Gruppe auf der Höhe zwischen dem Schönenbacher Tal und dem Linachtal. HVÜII: Die Studenten des 4. Semesters bearbeiten während 2 Wochen eine Aufgabe aus der Katastervermessung. Es geht dabei um die Absteckung und Neuaufnahme eines Bau­ gebiets im Zuge einer Baulandumlegung. Die während früherer Jahre (letztmals 1965) geübte Praxis, „kommunale Aufträge“ mit zu erledigen (z. B. Aufmessung nBaugebiet Kussenhof“), mußte aus verschiedenen Gründen aufgegeben werden. Die dritte Übung im 6. Semester behandelt während 2 Wochen Probleme der Festpunkt­ bestimmung für die Landesvermessung, die Verdichtung dieser Netze und die Schaffung von Präzisionsnetzen für Ingenieurvermes­ sungsaufgaben. Hierbei werden die Studenten HVÜIII:

besonders mit modernen Verfahren der elektronischen Streckenmessung vertraut gemacht, die völlig neue Möglichkeiten für die Netzkonfigurationen eröffnen. Geräte: An neuen Geräten, die in Furtwangen bei den Übungen eingesetzt werden, sind zu nennen: 1.Mekometer ME 3000, ein elektro­ nisches Präzisionsstreckenmeßgerät der Firma Kern/ Aarau, das es gestattet Strecken von mehreren hundert Metern mit einer Genauigkeit von wenigen Zehntelmillimetem zu messen. 2.Die Totalstation 3820 von Hewlett­ Packard und das Elta 2 von Zeiss/Ober­ kochen, zwei elektronische Tachymeter, die neben der Streckenmessung einen elektronischen Winkelabgriff haben, und die es ermöglichen, die Meßdaten direkt im Felde in Halbleiterspeichern Wegweiser (Vermessungsübung) in Furtwangen festzuhalten. Beim Einsatz dieser Geräte kommen neue Meß-und Aus­ wertetechniken zur Anwendung. 3. Voraussichtlich wird in diesem oder im nächsten Jahr auch ein neues Laser­ Entfemungsmeßgerät (Rangemaster) zum Einsatz kommen, mit dem Ent­ fernungen bis ca. 60 km auf wenige Zentimeter meßbar sind. Aus der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts ist u. a. hervorzuheben, daß neben häufigen kleineren Arbeiten in der Archä­ ologie und Baugeschichtsforschung im griechisch-vorderasiatischen Raum in den vergangenen Jahren Mitarbeiter des Geo­ dätischen Instituts in Nepal und im Irak in der Entwicklungshilfe und in der Arktis und Ant­ arktis an glaziologischen Forschungs­ projekten beteiligt waren. Wer als Student an den Hauptvermes­ sungsübungen in Furtwangen teilnimmt, weiß im übrigen, daß hart gearbeitet wird. 49

Dennoch verbleiben zwischen den Tagen erholsame Atempausen oder feuchtfröhliche Stunden. Die nahegelegene Linachtalsperre lockt zu einer späten Badefahrt; nächtliche Lagerfeuer mit Gitarrenspiel vereinen Studenten, Professoren und Assistenten. Gelegentlich wurde ich für das am Ende einer Übung zwischen dem 6. Semester der Geodäten und dem Lehrkörper statt­ findende Fußballspiel als Schiedsrichter ver- Im Jahre 1734, als der Franzos‘ Sturm lief auf Philippsburg, und die Reichstruppen lagen darin, steht ein Rekrut, ein Furtwanger, auf einem einsamen Posten seitwärts vom Angriff, und denkt: ,,Wenn’s nur nicht hier­ her kommt!“ Indem wächst ganz leise eine französische Grenadierkappe hinter dem Rempart herauf, und kommt ein Kopf nach mit einem Schnauzbart, wie wenn der Mond aufgeht hinter den Bergen. Denn ein paar Dutzend Waghälse hatten draußen eine Sturmleiter angelegt, um unbeschrien auf den Rempart zu kommen, und sahen die Schildwache nicht, daß eine da sei. Springt der Furtwanger herbei und gibt dem Fran­ zosen einen Stich. Pfeifen auf einmal genug Kugeln um ihn her aus Windbüchsen, und geht ein zweites Franzosengesicht auf hinter dem Rempart. Gibt ihm der Furtwanger auch einen Stich, und sagt: ,,Aber jetzt kommst du nimmer“. Item: Es kam der dritte und der vierte und bis zum zwölften … Als der Sturm abgeschlagen war, und der Platzkommandant auf dem Platz herumritt, ob alles in der Ordnung sei, sieht er von weitem die Sturmleiter und zwölf tote Franzosen dabei, und wie er zu dem Posten kommt, fragt er den Furtwanger: „Was hat’s hier gegeben?“ -,,So?“ sagt der Furtwanger. ,,Ihr habt gut fragen. Wißt Ihr, daß mir einer mehr zu schaffen gemacht hat als Euch alle? Nur zwölfmal hinter­ einander hat er angesetzt. Unten im Graben muß er liegen … “ so Der Furtwanger in Philippsburg pflichtet, wobei „letztere seit Jahren von einem knappen Sieg träumen und erstere von einem zweistelligen Ergebnis“. Bis heute nahmen nahezu 6000 angehende Geodäten und Bauingenieure an den Haupt­ vermessungsübungen ließen teil und Furtwangen und seine Bürgerschaft teil­ haben an der nicht faßbaren Ausstrahlung der Universität Fridericiana Karlsruhe. Altbürgermeister Hans Frank Denn er meinte, es sei immer der nämliche gewesen, und es könne nur mit dem Bösen zugegangen sein, daß ihm alle­ mal hinter dem Bajonett die Wunde wieder heilte. Da lächelte der Kommandant und die Offiziere, so mit ihm waren, und nahm ihm seinen Unverstand nicht übel, sondern er ließ ihm für jeden ein Halbguldenstück Stechgeld bezahlen, und durfte er überdies selbigen Abend auf Rechnung der Reichs­ Operationskasse Wein trinken und Speck essen, so viel er wollte … (Wir entnehmen diese Erzählung, die aus dem Jahre 1819 stammt, Johann Peter Hebels „Erzählungen aus dem Schatz­ kästlein“.) Herbstzeit Tausend bunte Blätter fliegen Leicht im Winde hin und her, Zarte Bäumchen krumm sich biegen Und die Straßen öd und leer. Grau verhangen ist der Himmel Und die Sonne scheint nicht mehr, Müde kommt ein alter Schimmel Und sein Herrchen hat es schwer. Alle Freude ist geschwunden, Rauh und kalt ist jeder Tag Und wir zählen schon die Stunden Bis zum Frühlingsglockenschlag. Johannes Hawner

Bräunlingen, St. OttilienkapeUe seil 1725 Zeichnung: Hans lang, Donaueschingen 51

Das große Fest: 1200 + 6 Jahre Achdorf Vor 1206 Jahren wurde Achdorf (früher ,,Aha-Dorf‘) urkundlich zum ersten Mal erwähnt. Über einen festlichen Met-Anstich anläßlich dieser Erwähnung unter einer Thing-Eiche oder in einem festen Festblock­ haus gibt es keine inzwischen vergilbte Be­ stätigung. Also kam es bei so wenig und dazu noch unsicherer Kunde kaum darauf an, des urgeschichtlichen Dorfes und seines Werde­ gangs bis zum 1200jährigen Bestehen sechs Jahre fiüher oder später bei einem Bier-Anstich in einem riesigen Festzeit zu gedenken. Als des idyllischen Wutachdorfes Name erst­ malig auftauchte, war Karl der Große schon vier Jahre Alleinherrscher und wurde immer wieder vom Sachsen Wittekind beunruhigt. Achdorf bestand schon drei Jahre, als die Rolandsage beim Kampf gegen die Mauren in Spanien einen der Paladine zu verherr­ lichen begann. Als sicher darf angenommen werden, daß nichts oder wenig davon ins abgeschiedene Tal drang, in dem aleman­ nische Eigenart seßhaft wurde, nur zuweilen von Glaubensboten erleuchtet und von durchziehenden Völkerseharen verdunkelt, so wie sich in solchen gedehnten Zeitläufen vieler­ lei Freuden und Leiden abzuwechseln pflegen. Möglich, daß sich auch einmal ein fahrender Sänger am wärmenden Herd niederließ, sozusagen als Vorläufer späterer Nachrichten­ dienste, um als gern gehörter und deshalb wirkungsvoll ausschmückender „Boulevard“ – Barde Kunde von Vorkommnissen zu geben, die keine T alchronik vermeldete, sondern erst unter klösterlicher Regie kanzleischrift­ liche Formen anzunehmen begannen. Gut 1200 Jahre später füllte sich das Tal, dem der geistige Ekkehard- und Juniperus­ Vater Viktor von Scheffel bechernd, scharmut­ zierend und reimend nachweisbar so herzlich verbunden war, dank einer neuzeitlichen Völkerwanderung, die ausführlicher in die Dorf- und jetzt Ortsteilannalen eingehen wird als die so knapp formulierte Erstbe­ siedelung ,,Aha-Dorfs“ anno 775, bis auf den letzten Parkplatz und Gasthausstuhl. 52 Denn von überallher drängte es Ende Mai 1981 festlich gestimmte Menschen in ganzen Familienverbänden zu Tal, wo Fest­ bankett, Heimatabend, Historisches und handfest Zeitgenössisches sie erwarteten, sechs Jahre überzogen und daher mit Nach­ holbedarf ausgestattet; jedoch noch nicht zu spät, um das letzte Amtsjahr des talväterlichen ehemaligen Bürgermeisters und nachmaligen Ortsvorstehers Ferdinand Rothmund farbig zu krönen. Der frühere Talemer Rektor August Vetter hatte für begeistert mit­ machende Laienspieler extra die Szenentexte ,,Ums Talemer Blindschieße“, ,,Das Ach­ dorfer Ortsgericht tagt“ und „In der Bettel­ küche“ geschrieben, um Farbtupfer der Talgeschichte zu setzen, die von den Kulissen­ malern Heinz Sabrowski und Rudi Rosenthal bühnenbildlich illustriert sowie von Theo Gasper einstudiert wurden. Viele Festredner, unter ihnen MdB Dr. Hansjörg Häfele, MdL Ernst Pfister, Landrat Dr. Rainer Gutknecht, Blumbergs Bürger­ meister Werner Gerber sowie Bürgermeister aus dem Oberzentrum und anderen Städten, ließen den vier Festtagen alle Ehren des Anlasses zukommen. Oberschulrat i. R. Paul Willimski, der verdienstvolle Chronist des Jubelortes, gab den Talgeschichtsunter­ richt. Gemischte Chöre und die Blumberger Stadtkapelle unter Paul Merz sowie etliche Gastorchester garnierten die mehrtägige 1200:J ahr-Feier musikalisch im 3000 Besucher fassenden Festzeit am Wutachrand. Später Höhepunkt des Festbanketts war der von Blumbergs Stadtkapelle und dem Spiel­ mannszug der Freiwilligen Feuerwehr von VS-Villingen aufgeführte „Große Zapfen­ streich“. Bei diesem feierlichen militärmusi­ kalischen Schau- und Hörbild, das nur außergewöhnlichen Anlässen vorbehalten ist, trat auch die Freiwillige Feuerwehr Blum­ berg diszipliniert unterm Helm an. Oberregierungsvermessungsrat Meister aus Bad Säckingen stellte seine Talbe­ trachtungen in die Sicht des Vermessers,

deutete eine mit Augenmaß überschaubare Umwelt an und berührte die Schwierigkeiten einer Dorfentwicklung unter den Aspekten von Überlieferungen und Vorurteilen. Als freundliches Augenmaß seines Amtes überreichte er einen Zuschuß von 49 000 Mark für Wege und gärtnerische Bepflanzung rund um das „Haus des Gastes“. In letzterem gab es eine überaus bunte Ausstellung, die Achdorf und sein Tal bildnerisch erfaßte, wenn zwar kaum umfassend. Das traf besonders auf die Erinnerungsstücke der Orts-und T algeschichte zu, von denen man gern mehr gesehen hätte. Aber es gibt halt Bürger, die sich von ihren Wand-und Schub­ fachschätzen nicht trennen mögen, und sei es nur für ein paar Festtage. Das Hauptgewicht der Ausstellung lag bei den Werken von Künstlern und Freizeitmalern, die in den unterschiedlichsten Zeichen-und Maltech­ niken Beweise ihrer Verbundenheit mit Dorf und Tallandschaft lieferten. An vier Festtagen sahen 1420 Gäste diese Ausstellung, viele Ein Essay von Realschuloberlehrer Karl Voile „Wie, den Ort gibt es tatsächlich?“ fragte mich erstaunt ein Studienkollege. ,,Bisher wußte ich nur, daß der Familienname ,Grem­ melsbacher‘ vorkommt.“ Kein Wunder! Nirgendwo macht in größerer Entfernung ein Hinweisschild auf das Dorf mit seinen knapp 600 Einwohnern aufmerksam. Auch ein Bahnhof brauchte nicht geschlossen zu werden, weil es nie einen hatte, obwohl die Schwarzwaldbahn knapp hundert Meter an der Kirche vorbeiführt. Nicht einmal ein hoher Berg könnte ihm zu größerer Bekanntheit verhelfen. Der Schwarzwald hat in diesem Gebiet sein Maß und seine Ausgeglichenheit gefunden, menschliche Kräfte übersteigt er nicht, nie­ mand muß vor dem Ziel umkehren. Geo­ logisch gesehen berührt die Gemeinde an ihrer Ostgrenze noch die Buntsandstein- Das Dorf Gremmelsbach davon sicher nur auf der Suche nach freien Sitzplätzen, die bei dieser Völkerwanderung als Rarität galten. Zum Festgottesdienst, den Pfarrer Alois Kleiser zelebrierte, füllte sich die Achdorfer Kirche wie selten zuvor. Der Kirchenchor sang unter der Leitung von Otto Siedle lobenswert das „Deutsche Amt“ von Franz Höss. Eingebettet in soviel Harmonie, Glück­ wünsche, Verbundenheit, Rückschau, Zu­ kunftshoffnungen und Gastfreundlichkeit, gestalteten sich die mit großer Einsatzbereit­ schaft aller Organisatoren und Helfer vor­ bereiteten und betreuten T alfestlichkeiten zu einem verpflichtenden Erfolg gemeinschaft­ lichen Bemühens für die Erhaltung dieser Anziehungskraft eines Blumberger Orts­ teiles, der seine kräftigen Wurzeln im Ge­ schichtlichen hat und sich dessen so vorbild­ lich bewußt ist. Die Feiern des 1200jährigen Bestehens unterstrichen es. Jürgen Henckell kappe, die die Wässer der Urzeit nicht weg­ schwemmen konnten; in den tiefeingeschnit­ tenen, dem Rhein zugewandten Tälern, steht und geht man auf Urgestein. Zum Gehen, Spazieren, Wandern freilich ist Gelegenheit genug. Nicht nur, daß zwei der bekanntesten Wanderwege des Schwarz­ waldes (Pforzheim-Waldshut und Lahr­ Rottweil) die Höhen Gremmelsbachs strei­ fen und Nummernschildchen dem Fremden auf allen innerörtlichen Wegen das Verirren unmöglich machen: erst vor kurzer Zeit wurde ein neuer Wanderweg angelegt. Franz Göttlers Wegebautrupp, seit Jahrzehnten in diesem Geschäft tätig, von ihm selbst als ,,eine verschworene, in harter Arbeit erfahre­ ne Gemeinschaft“ bezeichnet, trieb ihn durch ein Felsengebiet zu drei Granitfelsen, die sich rühmen dürfen, zu den schönsten 53

Blick auf den Ortskern von Gremmelsbach Aussichtspunkten des mittleren Schwarz­ waldes zu gehören. Hier, wenn irgendwo, ist das klischeehafte Wort „wildromantisch“ an­ gebracht. Aus blauen Femen grüßen die Höhen des nördlichen Schwarzwaldes. In diesem Gefels hat auch die Geschichte in unserem Raum begonnen; zwar weiß nie­ mand mit Sicherheit zu sagen, ob die wannenartigen Vertiefungen auf dem Rap­ penfelsen Ergebnisse menschlicher Meißel­ arbeit für Opfertiere oder Menschenopfer waren oder ob die Natur derlei vollbracht hat. Als gesichert aber gilt, daß Kaiser Hein­ rich IV. seinen Getreuen Adelbert in dieses Urwaldgebiet sandte, er solle es roden: ein Beispiel dafür, wie ein kleines Do.ef in die Weltgeschichte eingebunden ist. Uber die Etymologie des Ortsnamens streiten sich noch die Gelehrten. Einer der ersten Siedler, ein Grimilo oder Grimoald, mag ihn dem Dorf gegeben haben, ein Grimmiger also, dessen Wesensart sich im Charakter seiner Nachkommen längst verloren hat. 54 Sonstige Geschichte? Der größte Teil steckt noch ungelesen und unentziffert in den Archiven. Die Vorfahren des einzigen Schwarzwälder Minnesängers, Brunos von Hornberg, waren auf einem der Felsen zu Hause. Später zinste die „Vogtey“ der „Herrschaft Tryberg“. Interessant ist al­ lenfalls noch der Kirchenbau, der, durch die Wirren der Französischen Revolution jahre­ lang verzögert, schließlich der Großzügig­ keit des Habsburgischen Erzherzogs Ferdi­ nand zu verdanken war. Wieder die Welt­ geschichte. Auch Heinrich Hansjakob, der gerade in seiner Schrulligkeit liebenswerte Heimatdichter, leitet eine seiner Linien von Gremmelsbach her. Zufall oder Laune des lieben Gottes? Von einer Stelle unweit seines urväterlichen Hofes aus ducken sich die Berge so, daß sie justament den Blick aufs Straß­ burger Münster freigeben, neuerdings auch auf ein Hochhaus in Kehl. Erreicht der Blick die Rheinebene, so erreichen ihre milden Lüfte diese Hänge.

Von Felsen war die Rede, doch nicht jeder Fels muß eine Geschichte haben. Mit dem „Spitzfelsen“ zum Beispiel konnte nie je­ mand außer den passionierten Gipfelstür­ mern etwas anfangen, weil ein Graben – ähnlich einem Gletscherspalt- zu übersprin­ gen ist. Man muß den Sprung wagen – und stehen, sonst „mach deine Rechnung mit dem Himmel, Volle!“ Sogar einen richtigen Kletterfelsen nennt der Ort sein eigen, an dem man, da er über­ hängt, alles üben kann, was man im Hoch­ gebirge beherrschen muß. Und bei schönem Wetter hat er über Mangel an Besuchern nie zu klagen. Ja, auch eine richtige Höhle besitzt Grem­ melsbach – im Seelenwald, dessen jenseitigen Namen ebensowenig jemand erklären kann, wie jemand mit den Räubern Bekanntschaft gemacht hat, denen sie diese Bezeichnung zu verdanken hat. Die Abgelegenheit der Stelle jedoch hilft etwaige Zweifel daran bald zum Schwarzwälder Bauernhaus in Gremmelsbach Verstummen zu bringen. Der Wald – ihre Umgebung – ist so groß, daß er selbst einen Einsamkeitsfanatiker zu befriedigen vermag. Die Auerhähne sind Beweis genug. Außer den Felsen, der Höhle, ist noch ein Hochmoor – eines der wenigen noch nicht kultivierten – mit seiner besonderen Vegetation und eine inzwischen zugeschütte­ te Mangangrube zu nennen, Ziel vieler Geologiestudenten auch entfernter Insti­ tute. (Abbauwürdige Ausmaße wurden nie festgestellt.) Doch geht man auch hier mit der Zeit Aus der Traum, wo in romantischer Selig­ keit die Hirtenbuben sich von Weidberg zu Weidberg ihre Lieder zusangen (ihre elek­ trischen Nachfolger sind schweigsam), man am Abend zum Strohflechten und Wolle­ spinnen zusammenkam, um sich Sagen und Geistergeschichten zu erzählen, jeder Bauer mit eigener Wasserkraft in eigener Mühle 55

sein Korn malte, am Sonntag alle in male­ rischer Tracht zur Kirche kamen; Vergangen­ heit geworden sind die Sommer, wenn auch noch nicht lange, als Scharen von Menschen auf den Wiesen und Feldern beschäftigt waren: alte Bäsle, weitläufige Verwandte, gute Bekannte zum Heuen und Ernten sich in selbstverständlicher Regelmäßigkeit einstell­ ten und gesund wurden, ja auch der Pfarrer nicht fehlen und unter seinen Schäflein des Tages Last und Hitze ertragen wollte. Die Technik machts möglich, daß heute einer kann, wozu man früher viele brauchte, und Überfluß herrscht, wo Mangel war. Wer Bu­ kolik sucht: sie hat sich auf die Höhen zu­ rückgezogen, große Flächen sichern nach wie vor die Existenz der Landwirte, die ihre Namen bis ins Unerforschbare zurückführen können. Sie verstehen etwas von Ackerbau und Viehzucht wie eh und je. Ihr glückliches, oder mit Stifter zu reden, fröhliches Vieh weidet – früher unvorstellbar – bis zum Bauch in der feuchten Hausmatte stehend und hilft die Landschaft offen und von Wildwuchs freizuhalten. Wer nicht zu den Vollerwerbslandwirten zählt, findet seinen Lebensunterhalt in Triberg oder in der Nach­ barstadt St. Georgen, aber nicht nur dort. Tief im Tal steht seit Jahrhunderten ein Säge­ werk, die Metallwarenindustrie hat sich hinzugesellt, auch Andenken- und Uhren­ geschäfte beschäftigen eine respektable An­ zahl von Gremmelsbachem und Auswärti­ gen. Die größte Kuckucksuhr der Welt steht nur wenige Meter vor der Gemarkungsgrenze, ihr Besitzer aber ist ein Gremmelsbacher Uhrmachermeister. Ferien auf dem Bauemhofl Mehrere Bauernfamilien gewähren diese Möglichk it. Sechs Gasthäuser, zwei von ihnen auf den Höhen, sind auf das Wohl der Gäste bedacht. Auch Privatzimmer und Ferienwohnungen werden wie allerorten vermietet. Vielen fällt es schwer, nicht wieder zu kommen. Fotos im Lokalteil der Zeitung von Kurgastehrun­ gen für zehn-und mehrmaligen Aufenthalt in Gremmelsbach sind keine Seltenheit. Für den Fremden, den es nicht auf kleiner 56 Fläche hält, liegt das Gute in der Nähe: Tribergs Schwarzwald-, Furtwangens Uhren­ museum, die Barockkirche „Maria in der Tanne“ in Triberg, die Schwarzwälder Pilz­ schau in Homberg für Regentage geeignet, der Vogtsbauernhof in Gutach: Die Ver­ sammlung der Schwarzwälder Bauernhaus­ typen, drei Aussichtstürme, keiner mehr als eine Autostunde entfernt, geben die Sicht frei zu den Alpen, den Vogesen und weit ins Schwabenland hinein -über den Schwarz­ wald hinweg: heroische Landschaften sie alle, wer wollte es bestreiten? Steht der Sinn eines Gastes aber nach einer Tagestour, bitte sehr: Der Bodensee ist über ein Autobahnteilstück in 1� Stunden erreichbar, nicht länger braucht man zur Schwarzwald­ metropole Freiburg, die Romanik und Gotik im lieblichen Elsaß -von den gastrono­ mischen Genüssen dort ganz zu schweigen – ist allemal eine Reise wert. Basel, Luzern, Stuttgart dürften sinnvollerweise die äußer­ ste Peripherie sein. Kommt man im Winter: Die Gegend ist für die Winterwanderfreuden wie geschaffen. Man braucht nicht hinter dem Ofen sitzen zu bleiben. Keine Höhe erreicht 1000 m über dem Meer, d. h. es liegt nicht immer und nicht überall Schnee, außerdem werden die befestigten Straßen und Sträßchen bis zu den Höfen gebahnt, schon wegen des Pendler­ und Schulbusverkehrs. Liegt aber einmal Schnee, viel Schnee, und sind die Gräben versunken und hat der Wind die Bachränder wie ein Stukkateur mit Schnee verziert, dann hört man ein Klingen in den Ohren, das eigene Herz, die Stille, die Seele. Ein typischer Wintersportort ist Grem­ melsbach nicht, hat auch nicht den Ehrgeiz, einer zu werden, aber Skilifte gibt es in der näheren Umgebung in Menge, an Hängen für Könner wie für Anfänger, auch Loipen. Ist der Gast nach langer Schwarzwaldwan­ derung in frischer Schwarzwaldluft noch zu einem gemütvollen Schwarzwaldheimat­ abend aufgelegt: er kann auf seine Kosten kommen. Die Musik-und Trachtenkapelle sorgt für Stimmung, nicht viel weniger als

10 0/o der Einwohner sind aktive Mitglieder. Der Verein ist in der Bevölkerung verwurzelt wie kaum ein anderer. Das Programm der Musiker ist im Sommer dank der zahlreichen Waldfeste, Dorffeste, Kurkonzerte und der Mitwirkung an Festen anderer Kapellen so dicht, daß die Grenze, wo’s noch Spaß macht, nahezu erreicht ist. Feste und Unter­ haltungsabende veranstalten bzw. wirken an ihnen mit: der Radfahrerverein „Bergradler“, die Freiwillige Feuerwehr, die Narrenzunft ,,Holzschuhklepfer“. Das Zentrum: auf kleinster Fläche ver­ einigt es Kirche, Rathaus, Schule, Post, Gast­ haus, Friedhof mit Kriegerehrenmal und neuer Aussegnungshalle in so vollständiger Harmonie, daß, wenn nicht ein Bilderbuch­ bild, so doch ein Kalenderbild sehr wohl zu machen wäre. Was Wunder, daß Gremmels­ bach manchen Preis beim Wettbewerb „Un­ ser Dorf soll schöner werden“ erhielt. Ein Dorfbrunnen soll in der Zukunft die Ortsmitte schmücken; jedoch weiß noch niemand, wann man aus ihm wird Wasser schöpfen können. Und die Politik? “ Die Gemeinde, lange selbständig und stolz auf ihre Leistungen, ist 1974 Teilort Tribergs geworden, nur mit großem Zögern und im letzten Augenblick, als dies noch „freiwillig möglich war. Sie entsendet ein­ gemeind ungsvertragsgemäß zwei Vertreter in den Triberger Gemeinderat, unter ihnen bis­ her immer Ortsvorsteher Fleig. Der befürch­ tete Stillstand ist jedoch nicht eingetreten, im Gegenteil, in manchen Punkten hört man sogar ausdrückliches Lob. ··�“ &eiheit durch den fensterspalt flog mir ein schmetterling zu auf meiner rechten hob ich ihn wieder hinaus in das dunkle netz der nacht norbert fleck wie der januar wie der januar der sich immer ausschweigt auf meine Fragen wie der februar an dem die ströme zweifeln ob noch sein meer ist wie der märz der von kranichen träumt und nicht darüber spricht wie der monat april der sich unausgeschlafen stumm zu mir hockt wie der monat mai der sich allen offenbart und nichts verbirgt wie monat juni der mir auf die schultern klopft plötzlich davonläuft wie monat juli der immer zuviel reden übertreiben muß wie monat august der vom golde träumt mächtig stolz ist wie der september der nicht heimkommen will ohne den sommer wie der oktober der mit schmetterlingen spazierengeht wie der november der ohne ankündigung wortkarg wird wie der dezember der aufeinmal traurig wird wenn es weihnachtet wie der januar der sich wieder ausschweigt ich glaube so bist du norbert fleck 57

Industrie, Handel, Handwerk Die IHK – Aufgaben und Organisation Von Hauptgeschäftsführer Dr. RudolfKubach Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg mit Sitz in Villingen-Schwenningen hat ihren Neu­ bau am 1. 6.1981 offiziell eingeweiht. Der Kammerbezirk umfaßt die Kreise Rottweil, Schwarzwald-Baar und Tuttlingen. Ihr gehö­ ren alle Betriebe der Industrie, des Handels und des übrigen Dienstleistungsgewerbes – außer Handwerk -an, sofern sie zur Gewer­ besteuer veranlagt sind. Dies sind derzeit rd. 11.500 Betriebe. Anläßlich des Bezugs des neuen Kammergebäudes ist es sicher interes­ sant, Näheres über Organisation und Auf­ gaben der IHK zu erfahren. Im Gegensatz zu den privatrechtlich orga­ nisierten Verbänden der Wirtschaft beruht die Tätigkeit der Industrie-und Handels­ kammer auf einem Gesetz. Dem liegt eine längere geschichtliche Entwicklung mit dem Ziel einer eigenständigen Berufsvertretung der Kaufmannschaft zugrunde, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Andererseits lag dem Staat an einer „organi­ sierten kaufmännischen Sachkunde“, die er sich nutzbar machen kann, wenn es gilt, das Gesamtinteresse der Wirtschaft zu ermitteln und die Auswirkung staatlicher Maßnahmen auf die Wirtschaft zu erkennen. Der Gesetzgeber konzipierte diese Tätig­ keit als wirtschaftliche Selbstverwaltung und die Industrie-und Handelskammer als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Diese 58

besondere Stellung ist im Gesetz zur vorläu­ figen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vorn 18.12.1956 (Kam­ mergesetz) begründet. Als mit solchem Rechtsstatus ausgestattete autonome Wirt­ schaftsverwaltung ist die Kammer Mittlerin zwischen Staat und Wirtschaft. Sie steht zum einen außerhalb des Bereichs unmittelbarer Eingriffe und Weisungen des Staates und ist zum anderen befähigt, unabhängig von Ein­ zel- und Gruppeninteressen tätig zu sein. Nicht zuletzt die Wahrung dieser Unabhän­ gigkeit ist der Grund dafür, daß der Kammer alle Gewerbebetriebe ihres Bezirks – aus­ genommen Handwerksbetriebe – als Pflicht­ mitglieder zugehören und die Kammer auch finanziell tragen. Aufgaben Das Kammergesetz regelt in § 1 den Tätig­ keitsbereich der IHK in einem allgemeinen Rahmen. Im Mittelpunkt dieses Aufgaben­ katalogs steht der Auftrag, das Gesamtinter­ esse der Gewerbetreibenden im Kammer­ bezirk wahrzunehmen, die gewerbliche Wirtschaft zu fördern und dabei die wirt­ schaftlichen Interessen einzelner Gewerbe­ zweige oder Betriebe abwägend und ausglei­ chend zu berücksichtigen. Hier hat die Kam­ mer einerseits die Funktion „als Träger der bezirklichen Wirtschaftspolitik“ vornehm­ lich gegenüber staatlichen Stellen, die in ihrer Verpflichtung für das Staatsganze das wirt­ schaftliche Gesamtinteresse zu berücksich­ tigen haben. Andererseits steht die Kammer als „Rathaus der Wirtschaft“ jedem angehöri­ gen Unternehmen mit Rat und Tat zur Ver­ fügung. Den Bereich der Auskunfts- und Bera­ tungstätigkeit zu beschreiben ist praktisch unmöglich, denn es gibt eigentlich nichts, was nicht gefragt wird. Eine Grenze liegt jedoch darin, daß sich die Fragen auf den wirtschaftlichen Bereich beschränken müs­ sen und eine Rechtsvertretung durch die Kammer nicht möglich ist. Da die wirtschaft­ lichen Verflechtungen immer intensiver und die Rechts- und Verwaltungsvorschriften immer zahlreicher und komplizierter wer­ den, kommt diesem Service der Kammer ständig steigende Bedeutung zu. Hier ist die Kammer bemüht, den Interessen der ihr Zuge­ hörigen zu dienen, doch darf sie auch hierbei das Gesamtinteresse nicht verletzen. Das Gesamtinteresse der Gewerbetreiben­ den nimmt die IHK insbesondere wahr durch Berichte, Eingaben, persönliche Vor­ sprachen, Gutachten und Vorschläge gegen­ über öffentlichen Stellen. Das sind z. B. die Wirtschaftslageberichte an das Wirtschafts­ ministerium, Anregungen für die Förderung gewisser Gebiete oder von Strukturverände­ rungen in Wirtschaftszweigen, Maßnahmen zur Förderung des Exports, Stellungnahmen zur Ansiedlung großflächiger Einzelhandels­ betriebe, Hinweise zur Verbesserung der Ver­ kehrsinfrastruktur, Äußerungen zu Bauleit­ plänen, Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verwaltungsvorhaben, Koordination der Berufsausbildung zwischen den Betrieben und den Berufsschulen u.ä. Dem Gesamt­ interesse und der Förderung der Wirtschaft dienen aber auch z. B. die eigenen Maßnah­ men der Kammer auf dem Gebiet der Inno­ vationsberatung durch die eingerichtete Gemeinsame Innovationsberatungsstelle (GIF) mit der Fachhochschule Furtwangen und die Durchführung der zahlreichen von der IHK getragenen Maßnahmen der Wei­ terbildung in eigenen und externen Lehrstät­ ten. Die ausgleichende und abwägende Wahr­ nehmung des Gesamtinteresses der gewerb­ lichen Wirtschaft kann im Einzelfall eine schwierige Aufgabe sein. Staatliche Maßnah­ men lassen sich nun einmal nicht immer mit den Interessen aller Gewerbetreibenden, ins­ besondere aller Branchen, in Einklang brin­ gen, z. B. bei der Frage nach Konjunkturpro­ grammen, aber auch regional kann es Son­ derinteressen der Wirtschaft geben. Hier ist es entscheidend, das „ wohlverstandene Inter­ esse“ unter Einsatz des Sachverstandes der Wirtschaft herauszufinden, der sich durch die Zusammenarbeit und den täglichen Kontakt mit einer Vielzahl von Mitgliedsfinnen ergibt. 59

Neben dieser dargestellten Generalklausel für Kammeraktivitäten sagt das Gesetz aus­ drücklich, das die IHK „für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken“ hat. Die Kammer ist gesetzlich zuständige Stelle für die Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufs­ ausbildung und betreut derzeit ca. 7.000 Auszubildende. Ausdrücklich obliegt ihr die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, und zusätzliche Aufgaben können ihr durch Gesetz oder Rechtsverord­ nung übertragen werden, wie das unlängst z. B. mit der Zuständigkeit für das Aus- und Räumungsverkaufswesen geschehen ist. Über diese gesetzlich angesprochenen Auf­ gaben hinaus bleibt den Kammern ein brei­ tes Tätigkeitsfeld für selbstinitiierte Aktivitä­ ten zur Förderung der gewerblichen Wirt­ schaft. Hier geben besonders die berufliche Weiterbildung und die Förderung der Inno­ vation aktuelle Beispiele. Innere Organisation Der Status als Körperschaft des öffentli­ chen Rechts zeigt sich auch darin, daß die Kammer ihre Organe selbst bestimmt. Ober­ stes Organ ist die Vollversammlung. Sie besteht aus 44 von den ca.11 .000 Kammerzu­ gehörigen alle 5 Jahre unmittelbar gewählten Mitgliedern. Ihre Zahl kann durch Zuwahl bis auf 48 erhöht werden. Die Vollversamm­ lung bestimmt die Richtlinien der Kammer­ arbeit und entscheidet über alle Fragen, die für die gewerbliche Wirtschaft des Kammer­ bezirks oder die Arbeit der Kammer von grundsätzlicher Bedeutung sind. Vor allem beschließt sie über das gesamte statutarische Recht der Kammer, z. B. die Satzung sowie die Beitrags- und Gebührenordnung. Aus ihrer Mitte wählt die Vollversamm­ lung das Präsidium, das aus dem Präsidenten, Direktor Alfred Liebetrau, Vorsitzender der Geschäftsführung der Gebrüder Junghans GmbH, Schramberg, und 6 Vizepräsidenten besteht, davon drei aus dem Schwarzwald­ Baar-Kreis – Dr. Roland Bitschnau do 60 Kammgarnspinnerei J. C. Wirth GmbH & Co., Donaueschingen; Walter Jäggle do Haus Gustav Raff KG, Villingen-Schwen­ ningen; Dipl.-Volkswirt Jochen Kienzle do Kienzle Apparate GmbH, Villingen­ Schwenningen – und drei aus den Landkrei­ sen Rottweil und Tuttlingen – Walter Huber clo Autohaus Walter Huber GmbH & Co. KG, Tuttlingen; Jakob Marquardt c/o Mar­ quardt GmbH, Rietheim-Weilheim; Dipl.­ Ing. Helmut Müller c/o J. Hengstler KG, Aldingen -. Der Präsident leitet die IHK im Rahmen der von der Vollversammlung fest­ gesetzten Richtlinien und gefaßten Ent­ schließungen. Er hat für die Durchführung der Arbeiten der Kammer zu sorgen. Seine Tätigkeit ist ehrenamtlich. Die Vollversammlung bestellt auch den hauptamtlich tätigen Hauptgeschäftsführer, der die Geschäfte der Kammer mit knapp 40 Mitarbeitern nach den von der Vollver­ sammlung und dem Präsidium aufgestellten Grundsätzen und Weisungen führt. Präsi­ dent und Hauptgeschäftsführer gemeinsam vertreten die Kammer rechtsgeschäftlich und gerichtlich, der Hauptgeschäftsführer allein in den laufenden Verwaltungsgeschäf­ ten. Weltweite Beziehungen In ihrer äußeren Organisation reichen die Beziehungen der Kammer bis ins weltweite Ausland. Dabei sind die Gliederungen auf Landesebene, im Bund und über die Staats­ grenzen hinaus zu unterscheiden. In Baden-Württemberg bestehen 12 Indu­ strie- und Handelskammern, deren Bezirke sich mit den Regionen decken. Diese Kam­ mern haben eine Arbeitsgemeinschaft gebil­ det, deren Vorort die IHK Mittlerer Neckar und deren Sitz in Stuttgart ist. Um die Wir­ kung der Arbeit nach innen und außen zu verstärken und ihrer Zusammenarbeit den notwendigen organisatorischen Rahmen zu geben, haben sich die 69 Kammern Deutsch­ lands zum Deutschen Industrie- und Han­ delstag (DIHT) in der Rechtsform e.ines ein­ getragenen Vereins zusammengeschlossen.

Zu seinen wesentlichen Funktionen gehört zum Gesamtbild der Kammerorganisation die wirtschaftspolitische Aufgabe, die Auf­ gehört. Zur Zeit gibt es 41 deutsche Aus­ fassungen der Kammern zusammenzufassen landskammern, 13 in Europa, 5 in Nordame­ und sie bei allen für die gewerbliche Wirt­ rika, in Afrika 3, in Asien 5, in Lateinamerika schaft wichtigen Fragen auf Bundesebene 14 sowie in Australien eine. Damit erstreckt und gegenüber staatlichen Instanzen sowie sich das Netz über alle 5 Kontinente und internationalen Gremien zur Geltung zu erfaßt einen Bereich, der 1980 etwa 77 % der bringen. deutschen Ausfuhren aufnahm und aus Eine wichtige und sehr wesentliche Tätig­ dem rd. drei Viertel der deutschen Einfuhren keit des DIHT ist seine Auslandsarbeit, die kamen. Vom Werdegang der Firma Wehrle in Schönwald sich mit der Herstellung von Uhren zu Es stimmt natürlich, daß die erste Kuckucksuhr im Jahre 1730 von Franz Anton beschäftigen. Das war die Gründung der Ketterer in Schönwald gebaut wurde. Wehrle Uhrenfabrik GmbH, denn sein Sohn Raimund Hilser und dessen Schwiegersohn Weiterhin ist richtig, daß am Anfang der Schwarzwälder Uhrenindustrie die Kuk­ Carl W ehrle führten sein Werk fort. kucksuhr wohl der wichtigste Artikel war. In den ersten Jahren des Bestehens wurden Genau so war es auch im Jahre 1815, überwiegend die sogenannten Schotten­ uhren (Wanduhren mit Holzschild, Pendel, als Andreas Hilser in Schönwald begann, Nicht alle Uhren sind Kuckucksuhren 61

Gewichten und Stundenschlag) sowie Kuckucksuhren hergestellt. Die Kuckucks­ uhr ist wohl heute noch der typische Ver­ treter der Schwarzwalduhr. Daneben hat sich das Programm jedoch erweitert. Bei der Uhrenfabrik Wehrle kam 1880, nach dem großen Dorfbrand, zuerst die Erstellung eines neuen Fabrikgebäudes, dann wurde die Fertigung der ,,Amerikaner­ uhr“, der heutigen Wecker aufgenommen. So wurde das Uhrenangebot immer mehr erweitert und schließlich im Jahr 1924 durch Carl Joseph Wehrle ein Weiterausbau des Fabrikgebäudes in Angriff genommen. Nach dem Zusammenbruch der Wirt­ schaft bei Kriegsende mußte man zeitweise auf die Herstellung von Drehbleistiften und Feuerzeugen ausweichen – beliebte Objekte im Tauschhandel-. Die 50er Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren auch für die Wehrle-Uhrenfabrik Jahre des Aufbaus. Fabrikgebäude und Anlagen blieben, abgesehen von den Requirierungen der Besatzungsmächte, weitgehend verschont. Aufgebaut wurde in den 50er Jahren eine umfangreiche Exportverkaufsorganisation, die alle aufoahmefähigen Märkte mit ein­ schloß. Offensichtlich war dieser Weg richtig; die Erhöhung des Ausstoßes machte 1963 einen weiteren Neubau notwendig, um auch Regulateure, Tisch- und Wanduhren an­ bieten zu können. Als 1967 ein Großbrand wesentliche Teile der Produktionsanlagen schwer beschädigte, mußten Feuerwehren aus Schönwald, Vil­ lingen, Schonach und Triberg alarmiert werden. Schäden in Millionenhöhe waren die Herausforderung an Belegschaft und Geschäftleitung, mit den noch zur Verfügung stehenden Anlagen die Produktion aufrecht­ zuerhalten. Daß dies gelang, verdankte die Firma auch dem Einsatz vieler Freunde und Gönner. 1968 wurde in Fischerbach (Ortenaukreis) in einem Zweigbetrieb die Arbeit aufge­ nommen. überwiegend weibliche Arbeits­ kräfte sind mit Kleinteilefertigung und Mon­ tagearbeiten beschäftigt. 62 Um das Programm zu -straffen und um vorhandene Stärken weiter auszubauen, spezialisierte man sich 1970 auf die Her­ stellung von mechanischen Weckern und Kurzzeitmessern. In den 70er Jahren lag auch die sogenannte Stukturkrise der Uhren­ industrie. Die Vorstellung der ersten quarzgesteuer­ ten Armbanduhren und Wecker leitete ein neues Kapitel in der Geschichte der Uhren­ industrie ein.Dies, zusammen mit einer zum Teil sehr starken Veränderung mancher Exportmärkte, noch dazu in einer Rezessions­ phase, bedeutete für manchen Uhrenher­ steller im hiesigen Raum das Ende. Durch die seit 1950 erworbenen Märkte Wehrle“ und die Einführung der Marke “ waren die Wehrle-Uhren schon zum Begriff geworden: Modelle von guter Qualität, die für besondere Ansprüche an einen Wecker technische Besonderheiten aufweisen. Modelle mit Schlagwerk, Stoßsicherung und Staubabdichtung sind darüberhinaus gegen Rost und vorzeitige Abnützung geschützt. Diese Spezialwecker werden neben anderen Modellen in Schönwald und Fischer­ bach von derzeit ca. 220 Personen ( davon 45 in Fischerbach) hergestellt. Der Anteil der Pendler(Triberg-Schonach-Furtwangen) liegt bei etwa 15 0/o. Die täglich produzierte Stückzahl liegt im Durchschnitt bei ca. 3000 Einheiten. Daß die Q!.iarztechnik vor allem in den Ländern mit höher entwickelter Zivilisation auch unter den Weckern ihrenPlatzeinnahm, ist bei Wehrle nicht übersehen worden. Es ist anzunehmen, daß sich der Anteil der Quarzwecker am Gesamtangebot noch aus­ weitet. Obwohl dadurch die mechanische Uhr nie ganz verdrängt wird, muß man dem Fortschritt Rechnung tragen. Aus diesem Grund hat Wehrle zur Basler Messe 1981 eine Kollektion Q!.iarzstilwecker vorgestellt. Diese Modelle, schöne Gehäuse mit besonderem

Präzisions-Ventile für die Automobilindustrie Europas Seit 1945 Teves-Thompson GmbH in Blumberg Design, ergänzen das bisherige Uhrenpro­ gramm, um für die kommenden Jahre ge­ rüstet zu sein. Die Firma Wehrle, unter der Geschäfts­ führung von Karl Raimund Wehrle, Franz Wehrle, zusammen mit den Söhnen ,,Präzision im Motor“ verlangt die Auto­ mobilindustrie von ihren Zulieferern. Diese Forderung ist deshalb das Leitmotiv der TEVES-THOMPSON GMBH, die in Blum­ berg das größte Ventil-Werk in Europa unterhält. Das Blumberger Werk begründet seine Existenz auf den Wirren des 2. Welt­ krieges. Auf der Suche nach einem neuen Standort für das Berliner Ventilwerk der ALFRED TEVES KG, Frankfurt, kamen die Verantwortlichen auch nach Blumberg, wo sich Gelände und Gebäude der ehemaligen DOGGERERZ AG anboten. Raimund Wehrle und Peter Wehrle, wird auch weiterhin ihren Beitrag dazu leisten, daß „Made in Germany“ auch gegenüber der Konkurrenz aus Fernost als Begriff für an­ spruchsvolle Qualität steht. Raimund Wehrle Im Februar 1945 wurde nach einer Teilver­ legung von Heitersheim, wohin die Ver­ legung zunächst erfolgt war, in Blumberg die Ventilproduktion aufgenommen. Nach Kriegsende erfolgte im Herbst 1945 die Demontage und Beschlagnahme durch die Besatzungsbehörden.1947 wurde die Ventil­ produktion wieder aufgenommen. Bereits 19 50 wurden erstmals mehr als 1 Million Ven­ tile hergestellt, heute sind es jährlich gut 18 Millionen. 1961 beginnt mit der Übernahme einer 50 %igen Beteiligung die Zusammenarbeit 63

mit der TRW Inc. in Cleveland/Ohio, USA. Mit der Übernahme auch der restlichen 50 % durch TRW im Jahre 1966 ist die TEVES­ THOMPSON GMBH eine 100 %ige Tochter dieser Gesellschaft. Sie ist damit Mitglied eines weltweiten Konzerns, dem in 16 Län­ dern 90 Firmen mit 100.000 Mitarbeitern angehören. Die Aktivitäten von TRW erstrecken sich neben dem Automobilbau auch auf die Bereiche Electronic und Raumfahrtsysteme sowie Industrieerzeugnisse und Energie. TEVES-THOMPSON zur gehört Gruppe SRW AUTOMOTIVE WORLD WIDE“, deren Mitglieder Motorenteile, Len­ kungs-Systeme und Chassis-Bauteile für alle Arten von Fahrzeugen produzieren. Von den hervorragenden Ergebnissen der For­ schungs-und Entwicklungsabteilungen pro­ fitieren alle Unternehmen gleichermaßen. Der ständige Aufschwung des Werkes Blumberg nach der endgültigen Existenzsi­ cherung an diesem Standort ist gekennzeich­ net von verschiedenen Bauabschnitten. Bereits im Jahre 1962 wurde eine neue Pro­ duktionshalle gebaut, die 1970 auf mehr als das Doppelte der vorhandenen Fläche erwei- Vom Handtourenzähler, dem ersten mechanischen Zähler, der in Schwenningen entwickelt wurde, bis zum heutigen, kompli­ zierten elektronischen Vorwahlzähler ist es ein weiter Weg gewesen. Für die Zählerind u­ strie und auch für die Schwenninger Firma lrion & Vosseler, die sich seit 1910 mit Zähl­ werken beschäftigt und inzwischen zu den renommierten Unternehmen in Europa mit direktem Export in rund 80 Länder der Erde gehört. Aus der „Zählwerke und Apparate­ Anstalt“ der Herren Christian Irion und Johannes Vosseler, die 1911 schon 17 Arbeiter beschäftigten und nach Frankreich, Rußland und Spanien exportierten, ist im Verlauf der 64 Vom Handzähler bis zur Elektronik Die Zählerfabrik IVO – Irion & Vosseler im Stadtbezirk Schwenningen tert wurde. 1972 wurde eine zweite Halle ein­ geweiht, die im Jahre 1977 wiederum vergrö­ ßert werden mußte. Das gesamte Areal umfaßt heute 93.000 m2. Die Produktionsfläche für Ventile beträgt 17.400 m2. Zur Zeit werden ca. 85.000 Ventile täglich hergestellt, die an die gesamte europäische Automobilindustrie abgesetzt werden. Dazu kommen noch 3.000 m2 Pro­ duktionsfläche für den Werkzeug- und Maschinenbau, in dem die Werkzeuge und Maschinen für den eigenen Bedarf in eigener Regie gebaut werden. Letzter Ausdruck für die ständig fortge­ setzten Bemühungen für die Sicherung und Verbesserung der 1.100 Arbeitsplätze ist der 1981 seiner Bestimmung übergebene Anbau an das Verwaltungsgebäude. Auch in den kommenden Jahren werden alle Anstrengungen unternommen werden, durch neue Technologien die hohen Anfor­ derungen der Kunden zufriedenzustellen, die Marktposition auszubauen und den guten Ruf als zuverlässiger Partner der euro­ päischen Automobilindustrie zu verteidigen und dadurch die Arbeitsplätze zu sichern. Jahre einer der führenden Zählerhersteller der Welt geworden, mit 600 Beschäftigten, Tochtergesellschaften in Frankreich, USA, Großbritannien und Kanada und Vertretun­ gen in 35 Ländern der Erde. In Schwenningen machte nicht nur die Uhrenindustrie Furore: einer der ersten Zäh­ ler, der „Record“ genannte Handtourenzäh­ ler, ging um die ganze Welt. Und in aller Welt sind heute neben dem kompletten mechani­ schen und elektromechanischen Zählerpro­ gramm des Schwenninger Unternehmens die elektronischen Zähler die Stars in der Palette der Angebote. Davon können sich in diesem Jahr übrigens auch die Experten in

Ein exportintensives Unternehmen im Scbwarz:wald-Baar-Kreis: JVO im Stadtbezirk Scbwenningen der Volksrepublik China überzeugen: NO gehört zu jenen Unternehmen aus Baden­ Württemberg, die auf der ersten Landesaus­ stellung in Shenyang ihre Erzeugnisse aus­ stellen. NO-Zähler aus dem heutigen Stadtbezirk Schwenningen sind das Ergebnis einer konti­ nuierlichen Entwicklung, die über Jahr­ zehnte hinweg mit der technischen Entwick­ lung in den einzelnen Anwendungsgebieten der Zählertechnik ihren Ausdruck finden. Ein Beispiel davon ist die Textilindustrie, in der seit dem vorigen Jahrhundert bis heute der Wunsch besteht, Ergebnisse zu zählen, die Leistung von Maschinen und Arbeiten zu „erfassen“ und zu verbessern. Verständ­ lich, daß die Vielfalt der Arbeitsvorgänge und der Maschinen auch eine Vielfalt der dafür verwendeten Zählgeräte bedingt. NO hat, um die Bedeutung der Zähler in der Textilindustrie zu demonstrieren, einen spe­ ziellen Zählerkatalog in deutsch, italienisch, französisch, spanisch und englisch herausge­ bracht-und es wird auch bald einer in chine­ sisch folgen. Die baden-württembergische Landesmesse in Shenyang ist eine der Aus­ gangspositionen für expansive Exportpoli­ tik des Unternehmens, denn in diesem Teil Chinas ist die Textilindustrie zu Hause. Im Schwarzwald-Baar-Kreis rangiert das seit Anfang der 30er Jahre in eine Komman­ ditgesellschaft umgewandelte, 1945 demon­ tierte, 1948 wiederaufgebaute und nach dem Tod der Firmengründer 1938 und 1962, heute von den Herren Andreas Haller und Harald Scheppig geleitete Unternehmen als Zähler­ fabrik an dritter Stelle in der Welt 80 Prozent der Erzeugnisse gehen ins Ausland, im eige­ nen Lande zählen Firmen von internationa­ lem Rang wie IBM, Daimler Benz, MAN, VW oder Bosch zu den Abnehmern. Gerd Steinbach 65

Betriebliche Ausbildung sichert die Zukunft Die Feststellung, die duale Ausbildung habe ihre Bewährungsprobe bestanden, klingt nicht originell, ist aber zutreffend. Gerade die letzten Jahre zeigen, wie flexibel ein Ausbildungssystem ist, das die betrieb­ liche Praxis und die sinnvolle Kooperation mit der Schule in den Mittelpunkt der Lehre stellt. Ca. 95 % der Auszubildenden des kauf­ männischen und 98 % der Auszubildenden des gewerblich technischen Bereichs bestan­ den im Schwarzwald-Baar-Kreis, in dem ständig etwa 7 .000 Auszubildende im Hand­ werk und Handel, in der Industrie, bei Ban­ ken und Versicherungen auf die Übernahme spezieller beruflicher Tätigkeiten vorbereitet werden, ihre Abschlußprüfung in anerkann­ ten Ausbildungsberufen. Zwischen Betrieb und Schule hat sich in der Lehre eine Zeitaufteilung von 3 :2 zugun­ sten der betrieblichen Ausbildung entwik­ kelt; sie räumt der Praxis, die stets ökonomi­ schen, technologischen und sozialen Ver­ änderungen unterworfen ist, ein vertretbares Übergewicht ein, was auf die Berufsausbil­ dung bezogen ein „Mehr“ an Lerninhalten bedeutet, die Jugendliche befähigen, einen qualifizierten Beruf auszuüben, den techni­ schen Fortschritt mitzugestalten und sich den eigenen Neigungen entsprechend wei­ terzuentwickeln. Dabei ist die Praxis unter dem Druck des Wettbewerbs, nicht zuletzt wegen der kur­ zen Entscheidungswege, besser und schnel­ ler als andere Ausbildungsstätten in der Lage, betriebliche Erfahrungen auf die Ausbildung Die ]11gendlichen sind ganz bei der Sache und nützen die Grundausbildungskhrgänge bei der Firma Wink/er in Villingen-Schwenningen 66

zu übertragen, die Übereinstimmung von Bildungs- und Beschäftigungssystem zu gewährleisten. Die Zahlen der Ausbilder und der Ausbil­ dungsbetriebe nahmen auch im Schwarz­ wald-Baar-Kreis in den letzten Jahren be­ trächtlich zu. Modellversuche zur Ausbil­ dung von Mädchen in atypischen Berufen, von Ausländern und benachteiligten Jugendlichen, trugen dazu bei, mehr Ausbil­ dungsverhältnisse zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Getragen wird diese positive Einstellung zum einen vom gesteigerten Bildungswillen der Jugendlichen und ihrer Erziehungsbe­ rechtigten, von der Einsicht, durch eine bes­ sere Berufsausbildung die eigenen Chancen zu verbreitern, zum anderen durch die Tat­ kraft aller an der beruflichen Bildung Betei­ ligten. Mit dem Ausbau der Bildungsangebote im beruflichen Bereich sind nicht zugleich alle strukturellen Probleme des Schwarz­ wald-Baar-Kreises zu lösen, ist wirtschaft­ liche Zukunftsfestigkeit in der Berufsaus­ übung nicht vorherzubestimmen, ist es schwer, zukunftssichere und zukunftslose Berufe zu ermitteln. Alle Ausbildungsberufe werden ungeach­ tet einer unterschiedlichen Nachfrage ihren Wert behalten, bleiben zukunftssicher, denn mit dem starken Abfall der Geburtenraten ergibt sich in der Berufsausbildung der acht­ ziger Jahre eine gegensätzliche Problemstel­ lung – nicht der Mangel an Lehrstellen, son­ dern die geringe Zahl von Auszubildenden löst den Engpaß aus. Im Laufe der nächsten zehn Jahre schrumpft die Zahl der Entlaßschüler um 40 %. Die Unternehmen haben dann wieder eine Situation der Extreme zu meistern. Während einerseits verstärkt Gastarbeiter­ kinder und Sonderschüler Ausbildungs­ plätzen nachfragen, drängen andererseits auch immer mehr Abiturienten bei nachlassender Attraktivität eines nivellierten, wenig aus­ sichtsreichen Studiums auf den Lehrstellen­ markt. Wir müssen überdenken, ob die Ausdeh­ nung und Verselbständigung des Ausbil­ dungssystems gegenüber der Welt der Arbeit, der Berufe, der Wirtschaft, im glei­ chen Maße weitergehen soll wie in den ver­ gangenen Jahren. Die riesigen Summen, die in die weiter­ führende Allgemeinbildung investiert wer­ den, führen zu einem überdimensionierten pädagogischen Schlaraffenland, während schon heute aus der Wirtschaft ein besorgnis­ erregender Facharbeitermangel signalisiert wird. In unserer Gesellschaft darf nicht der die größten Marktchancen haben, der sich am längsten von der praktischen Tätigkeit fern­ hält, demjenigen aber, der sich früh dem Beruf zuwendet, nur die steinige Straße des zweiten Bildungsweges bleibt. Eine sinnvolle Bildungspolitik sollte bestrebt sein, das Gleichgewicht zwischen Beruf und Bildung wiederherzustellen. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbe­ dingungen in den achtziger Jahren, die durch weltweite wirtschaftliche Strukturverände­ rungen, die stark gestiegenen Energiekosten und die zunehmende Arbeitsteilung gekenn­ zeichnet sind, zwingen die Bundesrepublik, sich auf dem Weltmarkt mit hochwertigen Produkten und einem technisch ausgereiften ,,Know-how“ zu behaupten. Modeme Technologien können nicht nur entwickelt, sie müssen hergestellt, bedient und gewartet werden. Dafür bedarf es beson­ ders qualifizierter Fachkräfte, die den Ver­ änderungen in fast allen Bereichen tenden­ ziell gewachsen sind. Betrieblich Ausgebil­ dete werden besonders gesucht sein, weil sie den Q!ialifikationsanforderungen der Unter­ nehmen am besten gerecht werden. Für die Bewältigung der zu erwartenden U mstruktu­ rierung ist eine breite und fundierte Ausbil­ dung, notwendig. Diese Form der Ausbildung leistet einen erheblichen Beitrag, der deutschen Wirt­ schaft international und gesellschaftspoli­ tisch eine bedeutende Stellung zu sichern. Horst W eidhaas 67

Akademie des Handwerks – für wen? für was? Managementschulung für Führungskräfte -Staatlich anerkannter Abschluß Die Handwerkskammer Konstanz will im antwortlicher Stelle Tätigen durch persön­ Rahmen ihrer beruflichen Bildungsarbeit lichkeitsbezogene Fortbildung in einem mehrsemestrigen Studiengang auf volks­ den Handwerksbetrieben dynamische Füh­ rungskräfte zuführen, die ausreichende und betriebswirtschaftlichen, rechtlichen, Kenntnisse in Betriebswirtschaft, Volkswirt­ soziologischen, berufspädagogischen und schaft, Recht und Menschenführung besit­ allgemeinbildenden Gebieten zu modernem Management und gehobener und leitender zen, um als echte Stütze des handwerklichen Unternehmens eingesetzt werden zu kön­ Mitarbeit in Wirtschaft und Gesellschaft zu nen. Die wachsenden Betriebsgrößen im befähigen. Handwerk und die Vielzahl von nicht-tech­ Wer kann die Akademie besuchen? nischen, inner-und außerbetrieblichen Auf­ Die Akademie des Handwerks kann jeder gaben zwingt heute Unternehmer und Füh­ Handwerker besuchen, der die Meisterprü­ rungskräfte im Handwerksbetrieb, sich fung erfolgreich abgelegt hat oder der vor durch geeignete Fortbildung das Wissen und allem im kaufmännischen Bereich über Können anzueignen, das sie zu einer erfolg­ Kenntnisse verfügt, die mit denen des Hand­ reichen Unternehmensführung benötigen. werksmeisters vergleichbar sind oder der Die Akademie des Handwerks hat die nach einer Gesellenprüfung (bzw. Ausbil­ Aufgabe und das Ziel, die im Handwerk und dungsabschlußprüfung) wenigstens drei in den handwerksähnlichen Berufen an ver- 68

das Lehrprogramm auch verdichtet, am Frei­ tagnachmittag und samstags ganztägig, ange­ setzt werden. Die Handwerkskammer will sich im Zeitablauf weitestgehend nach den Wünschen der Teilnehmer richten. Das Studium kann mit einer freiwilligen Abschlußprüfung nach staatlich genehmig­ ter Prüfungsordnung abgeschlossen werden. Die Absolventen sind nach bestandener Prü­ fung berechtigt, die Berufsbezeichnung „staatlich anerkannter Betriebsfachwirt des Handwerks“ zu führen. Prüfungsinhalt und Titel dokumentieren damit unternehmerische Führungsqualifika­ tion als neuzeitliche Ergänzung der Gesellen­ und Meisterausbildung. Der Studiengang wird nach dem AFG (Arbeitsförderungsge­ setz) gefördert. Jahre praktische Tätigkeit nachweisen kann. Es kommen also in aller Regel Männer und Frauen in Betracht, die schon in einem gewis­ sen Umfange Einblick in die Führung eines Handwerksbetriebes hatten und mit Verwal­ tungsaufgaben betraut waren oder auch bereits längere berufspraktische Erfahrung haben. Zunächst sollen sich alle Interessen­ ten einmal melden, und anhand des berufli­ chen Werdegangs kann dann die Akademie­ leitung beurteilen, ob der Bewerber ange­ nommen werden kann. Was bietet die Akademie? Die Unterrichtszeit umfaßt 500 Stunden, die sich auf fünf Semester verteilen. Zunächst ist vorgesehen, jeweils montags und mittwochs – von 18.15 bis 21.15 Uhr- die Veranstaltung anzusetzen. Bei Interesse soll Dipl.-Volkswirt H. G. Egberdt 70 Jahre Bäckerei Hoch in Villingen Das tägliche Brot hat auch heute, in einer Zeit scheinbaren Überflusses, nichts von seiner Bedeutung für die Menschen verloren, auch nicht für uns, die wir Hunger längst nicht mehr kennen. Mit dem Wort Brot assoziieren wir nicht mehr das Sattwerden wie in den Zeiten der Not, sondern schon eher den Genuß angesichts der Q!ialität und der Vielfalt, in der heute Brot und Backwaren angeboten werden. Dieser Entwicklung tragen in unserer Region die vielen hand­ werklichen Bäckereibetriebe Rechnung. Stellvertretend für diese Bäckereibetriebe im Schwarzwald-Baar-Kreis soll hier einer vorgestellt werden, die Bäckerei Hoch im Stadtbezirk Villingen. Gegründet wurde die Bäckerei Hoch vor siebzig Jahren, und in drei Generationen verstanden und verstehen es die Hochs, allesamt Handwerksmeister, durch das Auf und Ab der Zeitläufte ihren Betrieb zu erhalten und nach und nach zu vergrößern. Karl Hoch hieß schon der Seniorchef, der mit seiner Frau Karoline im Jahre 1910 den Mut und die Tatkraft besaß, sich selbständig zu machen. Ihr Geschäft im Schatten des Riet­ tors lag damals am Rand der alten Stadt, und ganze 25 Q!iadratmeter maß die Backstube. Gegen die harte Konkurrenz bestehender Betriebe hatte das junge Unternehmen anzu­ kämpfen. Aber schon damals, in einer Zeit, als das Geld noch Pfennig für Pfennig ver­ dient werden mußte, bewies der Gründer Karl Hoch Weitblick, denn schon 1913 stand bereits die erste Knetmaschine in der engen Backstube. Der Erste Weltkrieg brachte den ersten Rückschlag. Bäckermeister Hoch mußte an die Front, und die Backöfen mußten abgestellt werden. Aber Frau Karotine stand nun „ihren Mann“ und führte das Geschäft wenigstens als eine der wenigen kommunalen Brotverkaufsstellen weiter. Ein fast völlig neuer Anfang mußte am Ende des Krieges gemacht werden. Zwei Jahrzehnte später war es wieder der Lärm der Waffen, der die Arbeit unterbrach und Gesellen sowie den damaligen Juniorchef an die Front zwang. 69

1951 übernahm Karl Hoch, der jetzige Seniorchef, das väterliche Erbe. Mit ihm setzte eine beispielhafte Entwicklung ein. Der Betrieb wuchs, Backstube und Laden­ geschäft wurden mehrfach vergrößert und modernisiert. Die Technik hielt Einzug, ohne daß der Wert handwerklichen Könnens dadurch beeinträchtigt wurde. Bald konnte eine zweite Filiale, und zwar in der Niederen Straße, eröffnet werden, und es wurden Lieferverträge mit zahlreichen Lebens­ mittelgeschäften abgeschlossen. Enge Ver­ bindungen mit der Bäckereimaschinenfabrik Winkler entwickelten sich. Der Name Karl Hoch wurde ein Begriff im Kreis, im Land und der gesamten Bundes­ republik. Karl Hoch gehört über mehrere Perioden dem Gemeinderat an, ist Stellver­ treter des Oberbürgermeisters, Ämter, die er noch immer voller Tatkraft und mit oft eigenen, fundierten Vorstellungen und Stand­ punkten bereichert. Er übernahm das Amt des Kreishandwerksmeisters, wurde Ober­ meister seiner Innung und vertritt als Landesinnungsmeister die Interessen seiner Berufskollegen landesweit. Zu den Spitzen­ funktionen im deutschen Bäckerhandwerk, 70 die er bekleidet, gehört auch die Mitglied­ schaft im Präsidium. Juniorchef Bernhard Hoch leitete im vergangenen Jahr eine neue Epoche ein. Die bevorstehende Einführung der Fünf­ Tage-Woche im Bäckerhandwerk machte einen Neubau unumgänglich, da nur mit Hilfe von großräumigen Kühlräumen die Lücke zwischen Arbeitszeit und den An­ sprüchen der Kunden auf täglich frische Backwaren zu überbrücken war. Hinzu kam, daß die Bäckerei größere Mehlsilos brauchte, um ständig genügend Vorrat zu haben. Der Standort in der Innenstadt konnte alle diese Anforderungen nicht erfüllen. Sowohl die Raum-wie auch die Verkehrssituation ließen eine Erweiterung nicht zu. So entschloß sich die Familie Hoch im Jahr des 70. Betriebsjubiläums zu einem neuen Schritt. Die frühere Seidenweberei an der Herdstraße wurde teilweise aufgekauft und zu einem modernen Bäckereibetrieb umgebaut, ver­ bunden mit der dritten Filiale im Stadtbezirk Villingen. Zu der modernen Ausstattung gehören vier Backöfen der Firma Winkler nebst Klimaschrank, Ausrollmaschinen, Knet-

Die Besten des handwerklichen Nachwuchses Dieses neue Reich regiert Bernhard Hoch maschinen und eine leistungsfähige Bröt­ mit fachlichem Können, Umsicht und mit chenanlage. Auch das Einteilen und Aus­ der ihm eigenen Ruhe und freundlichen Gelas­ formen der Brote wurde automatisiert. Für senheit. Bei der Einweihungsfeier trafen sich in die derzeit 25 Mitarbeiter entstanden helle der Bäckerei Hoch die Spitzenfunktionäre des und freundliche Arbeitsplätze und moderne deutschen Bäckerhandwerks, angeführt von Sozialräume. Drei große Kühlkammern mit Präsident Hans Baum, Handwerkskammer­ insgesamt 40 Q!iadratmeter Grundfläche präsident Held aus Konstanz, sowie Kom­ erlauben es, daß für die Bäcker genau wie munal-und Landespolitiker. Klaus Peter Friese für die Beschäftigten anderer Betriebe das Wochenende am Freitagnachmittag beginnt. Landes-und Kammersieger beim Leistungswettbewerb 1980 aus dem Kreisgebiet 1.Landessieger im Bezirk der Handwerks­ Dominke, Bad Dürrheim 4; Kurt Zech, Bad kammer Konstanz Dürrheim 4. • Kreishandwerkerschaft Schwarzwald­ Galvaniseur und Metallschleifer, Georg Baar:Fleischer, Max Holwegler, Donaueschin­ Wildt, Donaueschingen; Siegfried Bone, VS-Schwenningen. gen; Ausbildungsbetrieb: Fritz Haller, VS­ Kraftfahrzeugmechaniker,Jürgen Günter, Schwenningen. VS-Schwenningen; Auto-Zehnder, VS-Vil­ Verkäuferin im Konditoren-Handwerk, lingen. Konditor, Herbert Scheuermann, Villin­ Anita Mack, Gütenbach; Konditorei Stoll, Furtwangen. gen 21; Oswald Kammerer, St. Georgen. Parkettleger, Rüdiger Ganter, VS-Schwen­ Verkäuferin im Konditoren-Handwerk, Anita Mack, Gütenbach; Konditorei Stoll, ningen; Waldemar Ganter, VS-Schwennin­ Furtwangen. gen. Stukkateur, Günter Kaiser, Triberg 3; Modellbauer, Horst Ascher, VS-Villingen; Bruno Kaiser, Triberg 3. Egon Gronki, Mönchweiler. Parkettleger, Rüdiger Ganter, VS-Schwen­ 2.Landessieger im Bezirk der Handwerks­ ningen; Waldemar Ganter, VS-Schwennin­ kammer Konstanz gen. Raumausstatter, Friedrich Peter Cron, • Kreishandwerkerschaft Schwarzwald­ Baar:Kraftfahrzeugmechaniker ,Jürgen Günter, Donaueschingen; Heinrich Cron, Donau­ eschingen. VS-Villingen; Auto Zehnder, VS-Villingen. Stukkateur, Günter Kaiser, Triberg 3; 1. Kammersieger der Handwerkskammer Bruno Kaiser, Triberg 3. Konstanz • Kreishandwerkerschaft Schwarzwald­ Baar:Elektroinstallateur, Wolfgang Franke, VS­ Schwenningen; Walter Hugger, VS-Schwen­ mngen. Fleischer, Max Holwegler, Donaueschin­ gen; Fritz Haller, VS-Schwenningen. Verkäuferin im Fleischer-Handwerk, Silvia 71

Postwesen, Energieversorgung Die Postversorgung des Schwarzwald-Baar-Kreises 65,5 Millionen Briefe und 3,5 Millionen Pakete im Jahr 1980 Viele Bürger haben tagtäglich mit der Post zu tun, die meisten haben häufig mit ihr Kon­ takte. Man kennt seinen Briefträger, man weiß ungefähr, wann er kommt, man kennt den Posthalter, in Städten nicht immer den jeweiligen Schalterbeamten. Was weiß ein Bürger aber normalerweise sonst noch von der Post? Wie Erfahrungen immer wieder beweisen: nur wenig, meist sehr wenig. Aus diesem Grund soll versucht werden, nach­ folgend in großen Zügen darzustellen, wie die Postversorgung unseres Schwarzwald­ Baar-Kreises geregelt ist. Zur V erwaltungsorganisation Die Deutsche Bundespost ist dreistufig gegliedert: Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen, Oberpostdirektionen und Postämter mit Verwaltungsdienst. Für den Schwarzwald-Baar-Kreis ist die Ober­ postdirektion Freiburg zuständig. Postämter mit Verwaltungsdienst gibt es drei: Villingen­ Schwenningen, Triberg und Donaueschin­ gen. Ihnen sind die Postdienststellen des Schwarzwald-Baar-Kreises innerhalb ihres jeweiligen Postamtsbereiches unterstellt. Dabei bleibt jedoch anzumerken, daß auf­ grund einer 1975 vom Bundespostministe­ rium angeordneten bundesweiten Neu­ organisation des Verwaltungsdienstes das Postamt Donaueschingen mit seinen Amts­ stellen bis spätestens Ende 1982 dem Post­ amt Villingen-Schwenningen angegliedert wird. Königliche Postagentur Sunthausen 1912 72

Unter Verwaltungsdienst versteht die Post: Verwaltung des eigenen Personals, der Post­ gebäude, der Dienstausstattung, Ausbildung der Nachwuchskräfte und Fortbildung der Stammkräfte, Betriebssicherung, Beratungs­ dienst, interne Buchhaltung, Personalwirt­ schaft und Betriebswirtschaft u.ä. mehr. Die Postkunden werden durch die ,,Auflösung“ eines selbständigen Postamts deswegen nicht betroffen. Auch nach Auflösung eines Amts bleibt ein Betriebsleiter am Ort, dem bei Bedarf noch Mitarbeiter beigegeben werden. Er ist für die Abwicklung des gesamten Postbetriebs und für die Entgegennahme sämtlicher Anliegen der Postkunden zustän­ dig. Mit der Zentralisierung des Verwaltungs­ dienstes folgte die Bundespost einem all­ gemeinen Trend, der in fast allen Bereichen des öffentlichen Dienstes (und auch in der gewerblichen Wirtschaft) zu beobachten ist. Es wird demnach in absehbarer Zeit im Schwarzwald-Baar-Kreis nur noch die Post­ ämter Villingen-Schwenningen und Triberg als sogenannte „selbständige Postämter“ ge­ ben. Deren Amtsvorsteher tragen die Ver­ antwortung dafür, daß die Postversorgung des gesamten Schwarzwald-Baar-Kreises rei­ bungslos läuft. Zur Betriebsorganisation In der Organisation des Postbetriebs ist die Bundespost nicht frei. Die Postbetriebs­ organisation hängt vielmehr eng mit der politischen Organisation im kommunalen Bereich zusammen, denn die Bundespost ist gesetzlich gehalten, für die Bezeichnung der Städte und Dörfer die amtlichen Gemeinde­ namen zu verwenden. Jede politisch selb­ ständige Gem_einde erhält eine eigene Post­ leitzahl. Sie bezeichnet alle ihr politisch zugeordneten Ortsteile mit. Dies war der Grund dafür, daß die Bundespost die Kom­ munalreform nachzuvollziehen hatte. Nicht mehr politisch selbständige Gemeinden ver­ loren mit ihrer politischen Selbständigkeit auch im postalischen Bereich die herkömmliche Ortsbezeichnung und die eigene Postleitzahl; sie gingen auf in die aufnehmenden Orte. Es liegt im Postleitzahlsystem begründet, daß Postsendungen wegen der einheitlichen Postleitzahl für alle Ortsteile einer neu ent­ standenen Gemeinde oder für durch Ein­ gemeindungen größer gewordene Gemeinden gemeinsam an einer Stelle, sozusagen dem „Hauptpostamt“ jeder der verbliebenen selbständigen Gemeinden und Städte, ein­ gehen. Dies hatte also zur Folge, daß nur noch politisch selbständige Gemeinden einen eigenen Posteingang haben. Hieraus ergab sich in der Regel die Notwendigkeit, die Zustellung für den Gesamtbereich dieser Gemeinden in der gemeinsamen Eingangs­ zentrale zusammenzufassen. Nach Abschluß der Kommunalreform, die inzwischen im wesentlichen auch po­ stalisch abschließend nachvollzogen werden konnte, gibt es im Schwarzwald-Baar-Kreis noch 20 Postämter mit eigener Zustellung. Dies entspricht der Anzahl der politisch selbständigen Gemeinden. Als Sonderheit sei erwähnt, daß die Amtsbereiche der Postämter mit Verwal­ tungsdienst Villingen-Schwenningen, Do­ naueschingen und Triberg nicht voll dek­ kungsgleich mit dem Gebiet des Schwarz­ wald-Baar-Kreises sind. So wird Tuningen vom Postamt Tuttlingen betreut, Tennen­ bronn, das zum Kreis Rottweil gehört, ist postalisch dem Postamt Triberg unterstellt, auch Homberg, das dem Ortenaukreis zuge­ ordnet ist, wird vom Postamt Triberg ver­ sorgt. Die zum Kreis Tuttlingen gehörenden Gemeinden Immendingen und Geisingen sind dem Postamt Donaueschingen zuge­ ordnet. Organisationsformen im Annahmedienst Die Anbindung des Eingangs-und Zu­ stelldienstes an die politisch selbständigen Gemeinden (über die einheitliche Postleit­ ·zahl) bewirkt, daß jeweils dort die gesamte Post für die Gesamtgemeinde eingeht und daß folgerichtig deshalb auch zentral zu­ gestellt werden muß. Dies hat jedoch nicht zur Folge, daß die Post in den Orten, die73

ihre politische Selbständigkeit aufgeben mußten, nicht mehr präsent wäre. Es gibt viel­ mehr in den meisten dieser Orte nach wie vor sogenannte ,,Annahmepostanstalten“ in un­ terschiedlichen Organisationseinheiten: Postämter, Poststellen I und Poststellen II. In postalisch unbedeutenden Orten bzw. Ortsteilen ist die Post nicht mit einer An­ nahmestelle vertreten. Für den Bürger ist die Organisationsform der Annahmestellen im Grunde ohne Belang. Annahme-Postämter und Poststellen Iund II bieten dieselben Dienstleistungen an. Ledig­ lich Poststellen II stellen keine Postsparbücher aus. Außerdem .sind für Poststellen II keine besonderen Postdiensträume vorgeschrie­ ben. Postämter werden von Fachbeamten des mittleren Dienstes geleitet, Poststellen von ausgebildeten Posthaltern. Warum nun Postämter, Poststellen I und Poststellen II nebeneinander, warum in manchen Orten keine Post? Diese Frage ist einfach zu be­ antworten: die Post richtet sich nach dem tatsächlichen Bedarf. In bedeutenden Orten bzw. Ortsteilen mit umfangreichem Post­ betrieb werden Postämter eingerichtet, die von qualifizierten Fachbeamten geleitet werden, bei Bedarf auch mehrere (z.B. in den Stadtbezirken Villingen und Schwenningen 9, in St. Georgen, Donaueschingen und in Bad Dürrheim je 2 -Kernorte-). In Orten mit geringerem Postbetrieb unterhält die Post Poststellen I, wenn zur Bewältigung des Postdienstes mindestens 18 Wochenarbeits­ stunden nötig sind. In noch kleineren Orten werden Poststellen II eingerichtet; Voraus­ setzung ist jedoch, daß die Leistung des Posthalters auch hier mindestens 6 Wochen­ arbeitsstunden umfassen muß. Die Präsenta­ tion der Post in Gemeinden, Ortsteilen usw. orientiert sich also ausschließlich am tatsäch­ lichen Bedarf. So kann beispielsweise in einem Ortsteil mit nur 300 Einwohnern, in dem ein postintensiver Gewerbebetrieb sei­ nen Sitz hat, durchaus eine Poststelle nötig, in einem Ort mit 500 oder mehr Einwohnern und nur minimalen postalischen Bedürfnis­ sen dagegen entbehrlich sein. 74 Die Existenz mancher Poststellen ist bedroht Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte hat sich die Struktur des Schwarzwald-Baar­ Kreises (wie des gesamten Bundesgebietes) mehr oder weniger gewandelt. So gaben beispielsweise viele Landwirte ihre Land­ wirtschaft auf und suchten eine Beschäfti­ gung in der Stadt; andere nahmen neben der Landwirtschaft eine weitere Tätigkeit in der Stadt auf. Dies führte dazu, daß von ihnen mancherlei Postgeschäfte nun in der Stadt erledigt werden. Auch die technische Ent­ wicklung blieb nicht ohne Einfluß auf den Postbetrieb kleiner Gemeinden. So hat z.B. nahezu jeder Rentner und jeder Arbeit­ nehmer im Gegensatz zu früher heute ein Girokonto, z. T. auch bei der Post.DieBarein­ und -auszahlungen am Schalter sind deshalb deutlich zurückgegangen. Rund% aller Haus­ halte verfügen heute über ein Telefon. Um zu telefonieren, braucht man die Poststelle nicht mehr, oder man bedient sich einer öffentlichen Sprechstelle. Durch die Ex­ pansion des Telefons ist zudem die Be­ deutung des Telegramms drastisch gesunken. Diese wenigen Anmerkungen zeigen bereits, daß das Volumen der Postgeschäfte auf dem Land aus vielerlei Gründen zurückgegangen ist. Da die Deutsche Bundespost (im Gegen­ satz zur Bundesbahn) keinerlei Zuschüsse erhält, vielmehr 6% aller Einnahmen an den Bundesfinanzminister abzuliefern hat, ist sie gehalten, ihre Ausgaben aus eigenen Ein­ nahmen zu bestreiten: sie muß sich unab­ dingbar auch an Wirtschaftlichkeitsüber­ legungen orientieren. Aus diesem Grund kann sie dort keine Poststellen mehr unter­ halten, wo sich aus dem Kundenverhalten nachweisen läßt, daß ein echter Bedarf für eine eigene Poststelle nicht mehr besteht. Dies hat dazu geführt, daß bundesweit während der letzten 10 Jahre rd. 7000 Post­ stellen aufgelöst worden sind. Auch der Schwarzwald-Baar-Kreis blieb von diesem Trend nicht verschont: So wurden z.B. in Rietheim, Biesingen, Nordstetten, Huberts­ hofen, Heidenhofen und Behla Poststellen

Donaueschinger Hauptpostamt vor der ‚Zerstörung am 2. 1. 1945 in der Regel anläßlich des Ausscheidens des jeweiligen Posthalters nicht mehr besetzt. Der Trend zur Auflösung von Poststellen setzt sich aus Kostengründen fort. Deswegen muß davon ausgegangen werden, daß auch im Schwarzwald-Baar-Kreis nach und nach weitere Poststellen aufgelöst werden können, sofern sich am Bedarf nichts ändert bzw. soweit er weiter rückläufig sein sollte. Der Erhalt einer eigenen Poststelle liegt also im Ergebnis in der Hand der Bürger. Wo tatsächlich ein angemessener Bedarf für eine Post besteht, wird sie auch bleiben. Problem: Richtige Postanschriften Es wurde bereits erwähnt, daß die Bundes­ post gesetzlich gehalten ist, auch in ihrem Bereich die amtlichen Gemeindenamen zu verwenden. Es war deshalb nicht möglich, Namen von Gemeinden weiterhin zur Bezeichnung von Postleitorten zu ver­ wenden, die politisch nicht mehr existieren, die sich größeren Gemeinden angeschlossen oder zu neuen Gemeinden zusammenge­ schlossen haben. Nicht selten war die Bundespost aus räumlichen Gründen zunächst außerstande, ihre Betriebsorganisation sofort der Kommu­ nalreform anzupassen. In Villingen-Schwen­ ningen brauchte sie beispielsweise fast 8 Jahre, bis die räumlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen waren. Während solcher Übergangsphasen wurden Posteingang und Postzustellung gelegentlich zunächst dezentral belassen. Die neue Ortsbezeichnung konnte zwar manchmal sofort übernommen, doch mußte zur Unterscheidung, wohin eine Postsendung gehört, die ansonsten postinterne Zusatz­ bezeichnung außenliegender Amtsstellen durch eine Ziffer hinter dem Gemeinde­ namen verwendet werden. In der Übersicht über die Postdienststellen des Schwarzwald­ Baar-Kreises sind solche Unterscheidungs­ ziffern hinter der jeweiligen Postanstalt auf­ geführt {z.B. Bad Dürrheim 3). Dies hat der 75

So werden über die Nachtluftpost abzu­ leitende Sendungen aus den Postamts­ bereichen Donaueschingen und Villingen abends zum Flughafen Stuttgart gebracht, aus dem Amtsbereich Triber� uber Offen­ burg zum Flughafen Frankfurt. Von Stuttgart aus werden sie – wie aus dem gesamten Bundesgebiet – sternförmig nach Frankfurt befördert, dort ausgetauscht und in die Ziel­ gebiete geflogen (Hannover, Hamburg, Bremen, Berlin, München usw.). Von dort werden sie über Straßenverbindungen nachts bzw. am frühen Morgen in die Zielorte gebracht. Der Schwarzwald:Baar-Kreis liegt an der Peripherie des Bundesgebietes. Dies hat zur Folge, daß ihn die Posteingänge aus dem Bundesgebiet – etwa im Vergleich zum Frankfurter Raum – relativ spät erreichen. Durch massierten Personaleinsatz früh­ morgens sind die Postämter Villingen­ S chwenningen, Donaueschingen und Triberg bemüht, die Eingangspost so rasch als möglich zu bearbeiten, so rasch als möglich im Eingangsort die Postfachanlagen zu bedienen, zuzustellen und auch ihre Land­ versorgungsbereiche ebenfalls so schnell wie möglich anzufahren. Zu diesem Zweck haben viele Postbedienstete einen sehr frühen Dienstbeginn. Sicher ist es keine leichte Belastung, tagtäglich lange vor 5.00 Uhr aufstehen und um 5.30 Uhr oder noch früher den Dienst antreten zu müssen, zumal die Witterungsverhältnisse der rauhen Baar und des schneereichen Schwarzwalds im Winter zusätzlich große Probleme bringen. Im Vergleich zu anderen Orten mit un­ günstiger Verkehrslage liegen die Zustell-und Postausgabezeiten im Schwarzwald-Baar­ Kreis dank nachhaltiger Anstrengungen recht günstig. RudolfMerkle Post viele Vorwürfe eingebracht. Nicht zu Unrecht hat man kritisiert was soll Bad “ Dürrheim 3 bedeuten“, welcher Fremde findet, “ wo Bad Dürrheim 3 liegt“? Diese Übergangslösungen gehören in­ zwischen der Vergangenheit an. Zusatzzahlen nach dem Gemeindenamen wie »Blumberg 12″ usw. sind nicht mehr notwendig. Diese Zusatzzahlen hinter dem Ortsnamen haben im Schwarzwald-Baar-Kreis lediglich post­ interne Bedeutung; sie zeigen beispielsweise anhand des Tagesstempels, wo eine Post­ sendung eingeliefert worden ist. Im übrigen sind die nach wie vor im Sprachgebrauch üblichen alten Ortsbe­ zeichnungen auch im postalischen Bereich keineswegs verboten, also nicht untergegangen. Jedem Postkunden bleibt es unbenommen, sie zusätzlich in der Anschrift anzugeben. Beispiel: Johann Meier, Pfaffenweiler, Birkenweg 12, 7730 Villingen-Schwenningen. Posteingang, Postausgabe, Postzustellung, Landpostversorgung Die Post bemüht sich ganz besonders um schnelle Beförderung und Zustellung der ihr anvertrauten Sendungen. So gilt bei so­ genannten vollbezahlten Briefsendungen (Brief, Postkarte, Wertbrief� Einschreiben) die Vorgabe E + 1, d. h. alle im Bundes­ gebiet eingelieferten Briefsendungen sollen die Empfänger im gesamten Bundesgebiet am Tag nach der Einlieferung erreichen. Dies ist bei etwa 950/o dieser Sendungen der Fall. Pakete bis 300 km Entfernung sollen 2 Tage, über 300 km drei Tage nach ihrer Einlieferung beim Empfänger sein. Obwohl diese Ziel­ setzung erst vor zwei Jahren festgelegt worden ist, wird sie schon zu ca. 800/o er­ reicht. Für gebührenbegünstigte Sendungen (Drucksachen, Massendrucksachen) gelten längere Beförderungszeiten. Um diese Vorgaben zu erreichen, bedient sich die Post eines besonderen Schnellgüter­ zugnetzes für Pakete, schneller Schienen­ verbindungen für Briefsendungen (Intercity­ Netz) und, wo E + 1 über die Schiene nicht erreichbar ist, des Nachtluftpostnetzes. 76

Elektrizitätsversorgung im Schwarzwald Portrait der EGT Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH Schöpferische Ideen und Wagemut, fort­ schrittliche Technik und solide Finanzierung sind tragende Pfeiler eines gesunden Unter­ nehmens. Diesem Grundgedanken folgend haben im Mai 1896 fünf Unternehmer – einer Idee von Friedrich von Schoen folgend­ mit hohem persönlichen Kapitaleinsatz die Elektrizitäts�esellschaft Triberg GmbH in Triberg im Schwarzwald gegründet. Der Zweck des Unternehmens ist im Gesellschaftsvertrag von 1896 so beschrieben: ,,Erwerb, Errichtung und Betrieb von Elektri­ zitätswerken, von Fabriken zum Bau elek­ trischer Geräte und Maschinen, von Instal­ lationsgeschäften, von elektrotechnischen Einrichtungen und Unternehmungen für Transport, Beleuchtungs- und sonstige Zwecke.“ Im Verlauf von 85 Jahren wurde dieser Rahmen Schritt für Schritt weitgehend aus­ gefüllt und stets den neuesten Erkenntnissen angepaßt. Auch schwere Rückschläge durch Zerstörungen in den Kriegswirren konnte die Entwicklung des dynamischen Unter­ nehmens – unter der Bezeichnung EGT längst zu einem Wertbegriff geworden – nicht aufhalten. Die Elektrizitäts-Gesellschaft T ribergGmbH ist im Jahre 1896 nicht „aus dem Stand heraus“ entstanden. Es gab eine lange und sehr bemerkenswerte Vorgeschichte mit vielen hoffnungsvollen Resultaten. So darf die Stadt Triberg das Privileg für sich in Anspruch nehmen, als erste deutsche Stadt die elektrische Straßenbeleuchtung einge­ führt zu haben. Den elektrischen Strom hierfür lieferte eine kleine Wasserkraftanlage am Triberger Wasserfall, der der eigentliche Ursprung der EGT wurde. Die Kölnische Zeitung schreibt am 30. Juli 1885: „Das Städtchen Triberg im Schwarzwald darf den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, zuerst in Deutschland sich der elektrischen Be­ leuchtung ganz in die Arme geworfen zu 110120-kV-Umspannanlage der EGT in Schönwald bei Triberg 77

haben und dazu noch in der regelrechtesten und vollkommensten Art. Sie erzeugt nämlich ihr Bogenlicht nicht in der rohen Weise durch Dampfmaschinen, sondern mittels der nichts kostenden Wasserkraft.“ 1892 errichtete Ing. Meißner, damals Direktor des AEG-Büros in Frankfurt/Main, oberhalb der Wasserfälle ein größeres Wasserkraftwerk. Der tüchtige und weitschauende Mann schloß 1893 einen Stromlieferungsvertrag mit der Stadt Homberg. Die Besonderheit der Triberger Anlage bestand darin -und dies ist eine Pioniertat ersten Ranges -, daß in den beiden Dreh­ strom-Generatoren eine verkettete Wechsel­ spannung von 5000 Volt erzeugt und in gleicher Höhe durch eine Drehstrom-Frei­ leitung über eine Entfernung von rund 11 Kilometern nach Homberg geleitet wurde. Ing. Meißner plante 1893 „zwecks konstanter Darbietung von Energie“ die Errichtung einer Staumauer über den Wasserfallen. Das Projekt wurde nie ausgeführt: der Wider­ stand der privaten Grundstücksbesitzer und finanzielle Gründe brachten es zu Fall. 1894 kam ein Stromlieferungsvertrag mit der Stadt Furtwangen zustande, und Ing. Meißner mußte nach neuen Geldgebern Umschau halten. Er hatte Glück. Es gelang ihm, den wohlsituierten Gesc;4äftsmann Friedrich von Schoen aus München für seine Sache zu gewinnen. Friedrich von Schoen, als großer Kunstmäzen Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Worms und der Wagnerstadt Bayreuth, kam schon seit Jahren als Kurgast nach Triberg und kannte die Verhältnisse. Zusammen mit seinem Bruder Freiherr Eduard von Schoen, dem späteren kaiser­ lichen Botschafter in St. Petersburg und Paris, und Professor Carl von Linde, dem Erfinder der Kältemaschine, entschlossen sich diese Männer, mit den bisherigen In­ habern eine neue Firma zu gründen. So wurde im Mai 1896 die Elektrizitäts­ Gesellschaft Triberg GmbH ins Leben gerufen. Das Versorgungsgebiet vergrößerte sich weiter, und Stromlieferungsverträge mit der 78 Gemeinde Schönwald (1896), der Stadt St. Georgen (1898) und der Gemeinde Schonach (1908) wurden abgeschlossen. Der Gesell­ schaft war zuerst wenig Erfolg beschieden. Insbesondere die 1894 gegründete Akkumu­ latorenfabrik, die anfangs mit großem Erfolg im In- und Ausland ihre technisch-fort­ schrittlich konzipierten Produkte vertrieb, arbeitete mehr und mehr unrentabel und wurde 1903 geschlossen. Doch dann ging es langsam aber stetig bergauf. Dazu trug auch wesentlich das Elektroinstallationsgeschäft bei, das von Anbeginn der Firma bestand und in der Folgezeit mit viel Erfolg betrieben wurde. In den Jahren 1903 bis 1908 wurden zur besseren Reservehaltung in den Städten und Gemeinden Diesel- und Dampfturbinen­ anlagen aufgestellt. Die EGT stellte damit ein autarkes, ganz auf sich selbst gestelltes Elektrizitätsversorgungsunternehmen dar und erfüllte in ihrem Gebiet eine außerordentlich wichtige Aufgabe. Doch der Bedarf an elektrischer Energie bei der Industrie, dem Gewerbe und der Privatkundschaft stieg weiter an. Die eigenen Erzeugungsanlagen kamen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. So schloß sich die EGT 1913 an die neu gebauten großen Wasserkraftwerke am Hochrhein an, um durch Fremdstrombezug den steigenden Kraftbedarf im eigenen Versorgungsgebiet zu decken. Nach dem Ersten Weltkrieg entschlossen sich die privaten Besitzer 1922, die Städte Furtwangen, Homberg, St. Georgen, Triberg und die Gemeinde Schonach als Mitgesell­ schafter in die Firma aufzunehmen. Diese gesellschaftliche Konstruktion, in der die Kommunen und privaten Kapitalgeber gleichberechtigt vertreten sind, hat sich in der Folgezeit bis heute außerordentlich gut bewährt und dem Unternehmen eine breite Basis gegeben. So war die Zeit bis 1940 – unterbrochen von der Weltwirtschaftskrise mit ihren hohen Arbeitslosenzahlen -von stetem Wachstum geprägt. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges erlitt

das Unternehmen schwere materielle Ver­ luste. Durch die wiederholten Luftangriffe auf das Viadukt der Schwarzwaldbahn in Homberg wurde das dortige Ortsnetz schwer beschädigt.194 5 wurden das Elektrizitätswerk St. Georgen mit Wohnhaus, Lagergebäude und Schalthaus ein Opfer der Bomben. Das Unternehmen ging an den Wieder­ aufbau: Im Herbst 1949 war schon wieder ein neues Schalthaus in St. Georgen mit modernen Einrichtungen betriebsbereit. Es entstanden 1957 in Schönwald und 1963 in St. Georgen neue 110/20-kV-Umspann­ werke, die an die das EGT-Gebiet durch­ querende 110-kV-Hochspannungsleitung der Baden werk AG angeschlossen wurden. Bis heute erreichte das Versorgungsnetz eine Leitungslänge von 1100 km in einem 230 qkm großen Gebiet mit 50000 Ein­ wohnern. Das Unternehmen betreibt 540 Transformatorenstationen, sechs Schalt­ häuser und zwei 110-kV-Umspannanlagen. Der Stromverkauf verzeichnete überdurch­ schnittliche Zuwachsraten, und auch in den vergangenen Jahren der Energiekrise betrug der Jahresmehrbedarf im Mittel über sechs Prozent. Automatisch wirkende Erdschlußerfas­ sungseinrichtungen und eine mit dektroni- Nur ein knappes Drittel der rund 200 000 Einwohner des Schwarzwald-Baar-Kreises er­ halten ihren Strom von der Energie-Ver­ sorgung Schwaben AG (EVS). Der Fläche nach ist die EVS noch nicht einmal in einem Zehntel dieses neuen Kreisgebildes vertreten, das sich überwiegend aus Gemeinden des badischen Landesteils zusammensetzt. Selbst die Kreisstadt Villingen-Schwenningen bezieht nur im Schwenninger Teil EVS­ Strom. Die Villinger haben ein städtisches Elektrizitätswerk, das den Strom nicht selbst erzeugt, sondern ihn vom Kraftwerk Laufen­ burg bezieht, wie viele andere Kommunen im mittleren und südlichen Schwarzwald auch. schem Doppelrechnersystem über Bildschirm gesteuerten Rundsteueranlage zum opti­ malen Einsatz elektrischer Energie sind An­ lagen, die den hohen technischen Ausbau­ stand des Unternehmens unterstreichen. Dies gilt auch für den kaufmännischen Unternehmensbereich, der über eine moderne Datenverarbeitungsanlage mit sechs Bild­ schirmen geführt wird. Eine außergewöhnlich hohe U msatzaus­ weitung erzielte in den letzten Jahren der Unternehmensbereich Elektroinstallationen, in dem heute über 60 qualifizierte Monteure zumeist im Außendienst eingesetzt werden. Neben der Elektroinstallation in Privat­ häusern, bei Gewerbe-und Handelsunter­ nehmen liegt der Schwerpunkt hier bei der Projektierung, Planung und Ausführung großer und größter Industriebauten im gesamten südbadischen Raum. Hier hat sich das Unternehmen als Projekt-Ingenieurbüro und ausführende Firma für Elektroanlagen bei Architekten und der Industrie einen guten Namen erworben. Der Verkauf von Elektro-Haushaltsgeräten, Einbauküchen und Leuchten in fünfV erkaufshäusern sowie ein Reparaturservice für Elektromotoren runden das Angebot ab. Rudolf Fleig Die einstige Landesgrenze zwischen Württemberg und Baden markierte zugleich auch eine Abgrenzung der Versorgungs­ gebiete zwischen EVS, dem Badenwerk, dem Kraftwerk Laufenburg und anderen, allerdings kleineren Elektrizitätsversorgungsunterneh­ men. Heute gibt es keine Landesgrenze mehr, welche die Baar und den mittleren Schwarz­ wald durchschneidet. Aber in der Elektri­ zitätsversorgung ist es bei der früher sich herausgebildeten Arbeitsteilung geblieben. Allerdings ist es keineswegs so, daß die EVS den Strom nur an frühere württembergische Kommunen liefert. Auch eine Reihe von einstens ins Badische gehörende Gemeinden 79 Strom über die Energie-Versorgung Schwaben AG

-sie sind heute Teilorte von Bad Dürrheim und Donaueschingen -sind seit Beginn der Elektrifizierung nach dem ersten Weltkrieg von der EVS bzw. ihren Vorgängerinnen versorgt worden. Neben Schwenningen und den früher ebenfalls württembergischen Kommunen Weigheim, Mühlhausen, Tu­ ningen erhalten dort auch die früher badi­ schen Gemeinden EVS-Strom, und zwar: Aasen, Heidenhofen, Unterbaldingen, Ober­ baldingen, Biesing�n, Sunthausen, Hoch­ emmingen und Ofingen. Dazu kommt noch -als eine Besonderheit-die Gemeinde Weiler bei Königsfeld, die direkt zwar vom städtischen Elektrizitätswerk Rottweil mit Strom beliefert wird. Indirekt kommt jedoch auch aus den Steckdosen der Weiler Bürger EVS-Strom. Denn auch das Elektrizitäts­ werk Rottweil bezieht den von ihm ver­ kauften Strom von der EVS. Die Frage ist eigentlich ziemlich müßig, wer welche Kommunen mit Strom beliefert. Denn in der Alltagswirklichkeit handelt es sich sehr oft um Strom aus der Schweiz. Auch die Energie-Versorgung Schwaben kauft bei eidgenössischen Elektrizitätswerken ein. Einmal, weil sie nur rund die Hälfte des Stromes erzeugen kann, der in ihrem Ver­ sorgungsgebiet verbraucht wird. Zum anderen bieten die Schweizer eine besonders wertvolle Stromart an, für den es in den nicht alpinen Ländern keine entsprechenden Erzeugungsmöglichkeiten gibt. Für den von der EVS versorgten Teil des Schwarzwald-Baar-Kreises ist es ein Vorteil, daß in der Nähe zwei wichtige Fernstrom­ verbindungen vorbei gehen. Über beide holt sich die EVS den Strom aus der Schweiz ins Land. Einmal handelt es sich hierbei um die etwa 190 km lange »Schwarzwald­ Leitung“, das ist eine 220 000-Volt-Verbin­ dung zwischen Tiengen und dem mittleren Neckarraum, an die auch das Umspannwerk Trossingen angeschlossen ist. Die zweite Fernstraße des Stromes wurde 1979 einge­ weiht. Es ist eine 380000-Volt-Leitung, die von Laufenburg in der Schweiz zunächst bis zum EVS-U mspannwerk Engstlatt führt und 80 von dort weiter in den mittleren N eckarraum. Beide Umspannwerke, das in Trossingen und das modernere in Engstlatt, sind für den süd­ westlichen Zipfel des EVS-Versorgungs­ gebietes von großer Wichtigkeit. Sowohl in Trossingen als auch inEngstlatt wird der Strom auf 110000 Volt herunter transformiert. Mit dieser Spannung geht er weiter an eine Reihe von mittleren Umspann­ werken. Zwei davon stehen in Schwenningen, eines in der Lupfenstraße, das andere im Moos. Dort wird abermals herunter trans­ formiert, auf 20000 Volt, mit denen die Ortsnetze gespeist werden. Aber auch im Umspannwerk Trossingen bleibt es nicht bei einer Abspannung der 220 000 Volt auf 110000 Volt. Dort steht außerdem ein weiterer Transformator, der aus den 110000 Volt 20000 Volt macht. Dieser Umspanner liefert den Strom vor allem für die von der EVS versorgten Gemeinden des Schwarz­ wald-Baar-Kreises. Wie kommt der Strom nun in unsere Wohnungen und Häuser? Hierzu brauchen wir eine Spannung von 220 Volt oder -bei Drehstrom -von 380 Volt. Der aus den Umspannwerken Trossingen und Tuttlingen kommende 20000-Volt-Strom wird inner­ halb der Ortsnetze in kleinen Umspann­ stationen auf 220 bzw. 380 Volt herunter transformiert. Eine solche kleine Umspann­ station kann den Strombedarf von rund 600 Einwohnern abdecken. Allein im Stadt­ teil Schwenningen gibt es 78 solcher kleinen Stationen. Dazu kommen in Schwenningen noch weitere 65 kundeneigene 20000/380- Volt-U mspannstationen. Insgesamt betreibt die EVS im Schwarzwald-Baar-Kreis 137 solcher kleinen Umspannstationen, weitere 81 gehören Großkunden aus Industrie und Verwaltung. Auf diese Weise versorgt die EVS im Schwarzwald-Baar-Kreis 20456 Haushalte und 231 Industrie-und Gewerbe­ betriebe mit Strom. Es geschieht über ein Netz eines inzwischen 101 km langen Erd­ kabelnetzes sowie über Freileitungen mit einer Länge von 74 Kilometern. Über diese Leitungen bezogen die von der

EVS belieferten Bewohner des Schwarzwald­ Baar-Kreises im Jahre 1979 125,3 Millionen Kilowattstunden Strom, das sind knapp vier Prozent mehr als 1978. Der Ver­ brauchszuwachs liegt somit nicht nur unter dem Durchschnitt des gesamten EVS-Ver­ sorgungsgebietes, sondern auch deutlich niedriger als im Landesdurchschnitt Baden­ Württemberg. Die Energie-Versorgung Schwaben ist, Die Bedeutung einer sicheren Elektrizitäts­ versorgung für eine funktionsfähige Wirtschaft ist heute wohl unumstritten. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen gewinnen allerdings mitunter dann den gegenteiligen Eindruck, wenn es um die Errichtung von Erzeugungs- und Über­ tragungseinrichtungen zur die geht, Sicherung der Arbeitsplätze und zur Bedarfs- wie wir sahen, im neu entstandenen Schwarz­ wald-Baar-Kreis nicht der einzige und auch nicht der größte Stromlieferant. Aber die EVS bzw. ihre Vorgängerin zählt in diesem Raum sicher zu den Versorgungsunter­ nehmen, die von Anbeginn an dabei gewesen sind. Hier sind Beziehungen entstanden, die es lohnten, auch in Zukunft gepflegt zu werden. Gerhard Kühler deckung der Elektrizitätsverbraucher not­ wendig sind. Die Aufgabe der Elektrizitätsversorgung im überwiegenden Teil des Schwarz­ wald-B aar-Kreises obliegt dem Kraftwerk Laufenburg, das mit der versorgungs­ technischen „Erschließung“ des heutigen Kreisgebietes bereits zur Zeit des 1. Welt­ krieges begann und damit einen nicht un- Elektrizität durch das Kraftwerk Laufenburg Das Umspannwerk Zollhaus ist eines der vier Umspannwerke des Kraftwerks Laufenburg im Schwarzwald-Baar-Kreis. Die 110/50/20-kV-Anlage versorgt den südlichen Teil des Kreises mit Blumberg als Mittelpunkt sowie angrenz:ende Gebiete mit Elektrizität. 81

erheblichen Beitrag für die heutige Wirt­ schaftskraft des Kreises leistete. Das Kraftwerk Laufenburg wurde 1908 gegründet und betreibt außer dem gleich­ namigen Grenzkraftwerk ein ausgedehntes Stromversorgungsgebiet im Süden Baden­ Württembergs. In dem seit 1914 betriebenen Grenzkraft­ werk wird das Gefälle des Rheins zwischen Albbruck und Laufenburg zur Strom­ erzeugung ausgenutzt. Mit der bei mittlerer Wasserführung in den 10 Maschinengruppen erzeugbaren Jahresproduktion von etwa 600 Mio kWh ist das Rheinkraftwerk Laufenburg zweitgrößte das Laufwasserkraftwerk zwischen dem Bodensee und Basel. Die gesamte Stromabgabe des Unter­ nehmens belief sich 1979 auf über 1,7 Milli­ arden kWh. Zur Deckung des Strombedarfs, der die Erzeugungsmöglichkeiten im eigenen Rheinkraftwerk wesentlich übersteigt, hat sich das Unternehmen an verschiedenen Elektrizitätswerken beteiligt, u. a. auch an der Schluchseewerk AG. Der Erfüllung der Versorgungsaufgabe dienen Hoch-und Mittelspannungsleitungen von insg. rund 1.700 km Länge in Span­ nungsebenen von 20 bis 220 kV sowie 13 Umspannwerke. Für die Stromlieferung an die etwa 45.000 Direktkunden in 100 Nieder­ spannungs-Ortsnetzen sind 750Transforma­ torenstationen und über 1.500 km Nieder­ spannungsleitungen in Betrieb. Für die Bewältigung der energiewirt­ schaftlichen, planerischen, betrieblichen und administrativen Aufgaben beschäftigte das Unternehmen 1979 in Laufenburg und in den Betriebsstellen Blumberg, Donau­ eschingen, Singen, Titisee-Neustadt und Villingen-Schwenningen rund 330 Mit­ arbeiter. Die elektrizitätswirtschaftliche und tech­ nische Gewichtigkeit des Schwarzwald­ Baar-Kreises im Versorgungsgebiet des Kraftwerks Laufenburg wird daran erkenn­ bar, daß sich allein drei Betriebsstellen im Kreisgebiet befmden und zwar in Blumberg, Donaueschingen und Villingen. Die dort 82 stationierten 70 Mitarbeiter betreuen u. a. 4 Umspannwerke (Blumberg-Zollhaus, Donaueschingen, Villingen, Obereschach) sowie ca. 350 km Hoch- bzw. Mittel­ spannungsfreileitungen und ca. 700 km Niederspannungsleitungen. Während das Kraftwerk Laufenburg früher die Funktion eines reinen Verteilerunter­ nehmens ausübte, d. h. die Elektrizität fast ausschließlich an Weiterverteiler (A-Ge­ meinden) abgab, betreibt es seit über einem Jahrzehnt auch die B-Versorgung.lmRahmen der damit verbundenen Aufgabenstellung ist das Kraftwerk in den betreffenden Ge­ meinden für die direkte Elektrizitätsver­ sorgung der Bürger zuständig. Insgesamt beliefert das Unternehmen im SchwarzwaJd-Baar-Kreis etwa 60.000 Ein­ wohner direkt und weitere etwa 50.000 Einwohner mittelbar über weiterverteilende kommunale Unternehmungen, deren Gesamtleistungsbedarf im Jahr 1979 103 .300 kW betrug. In einer besonderen öffentlichen Ver­ antwortung steht das Kraftwerk Laufenburg wie auch die gesamte Elektrizitätswirtschaft aufgrund der weltweiten Energiesituation, die zum Energiesparen zwingt. Da nun die volkswirtschaftliche Notwendigkeit zur Substitution der zur Neige gehenden fossilen Brennstoffe durch andere Energieträger den verstärkten Einsatz der Elektrizität erfordert, sind erhebliche Anstrengungen der Elektrizi­ tätsversorgungsunternehmen zur Bedarfs­ deckung geboten. Das Kraftwerk Laufenburg trägt dieser Entwicklung durch seine Unternehmens­ politik, verbunden mit dem ständigen weiteren Ausbau der Verteilungsanlagen, Rechnung. Es investiert im Schwarzwald­ Baar-Kreis in jährlich Millionenbeträge Umspannwerke, Hoch- und Mittelspan­ nungsleitungen und Ortsnetze, um den Elektrizitätsbedarf der Industrie, des Ge­ werbes und der Haushalte auch in Zukunft decken zu können. Konrad Maileis

Das nördliche Kreisgebiet und ein Teil der Stadt Villingen-Schwenningen deckt seinen Elektrizitäts­ bedarf über das Umspannwerk Obereschach. Blick in die 110-kV-Freiluftschaltanlage des Umspann­ werks Obereschach mit Leistungsschaltern und Sammelschienen (Siehe Beitrag S. 79 .ff). 83

Landwirtschaft und Tierzucht Neue Träger der Jungviehweiden Nur die Jungviehweide Villingen wird noch vom Kreis weiterbetrieben „Die Baar ist die Kornkammer Badens“ lernte noch die vorhergehende Generation im Erkundeunterricht. Dieses Prädikat hat heute, besonders im Verbund der Europäi­ schen Gemeinschaft, keine Bedeutung mehr, denn Getreide läßt sich in vieleh anderen Gegenden unter günstigeren Umständen anbauen. Deshalb übernahm im Laufe der Zeit die tierische Veredelung, besonders die Rinderhaltung, den ersten Platz in den bäuerlichen Betrieben des Schwarzwaldes und der Baar. Wie in anderen Gebieten unseres Bundeslandes, begann dann vor fast einhundert Jahren die organisierte Rinderzucht. Dabei wurden Methoden ange- Der Heilig-Kreuz-Hof bei Riedböhringen wandt, die größtenteils heute noch gültig sind. Hierzu gehört auch die Erkenntnis, daß sich Zuchttiere besonders gut entwickeln, wenn ihnen im ,Jünglings-und Mädchenalter“ Bewegung im Freien geboten wird. Die wenigsten unserer bäuerlichen Vorfahren verfügten jedoch über Weideflächen. Des­ halb griff man zu, wenn irgendwo eine Fläche frei wurde, die man landwirtschaftlich nicht anders als im Weidebetrieb nutzen konnte. In der Zeit um die Jahrhundertwende ent­ standen daher vielerorts Gemeinschafts­ weiden, die von Genossenschaften, Zucht­ verbänden, Gemeindeverwaltungen und den Landkreisen betrieben wurden. 84

So konnte zum Beispiel in der früheren Gemeinde Riedböhringen eine Weide­ genossenschaft gegründet werden, die im Jahre 1913 den Heiligkreuzhof erwarb und dort eine Jungviehweide einrichtete. Sie betrieb die Weide etwa zehn Jahre lang, verkaufte den Hof aber dann an die Gemeinde. In den frühen zwanziger Jahren übernahm die Kreisverwaltung als Pächterin den Hof und richtete dort eine Jungviehweide ein, die über fünfzigJahre lang bestehen blieb. Der Heiligkreuzhof liegt etwa drei Kilo­ meter von der Ortsmitte entfernt und ist fast ausschließlich von Wald umgeben. Seine Weideflächen erstrecken sich auf hügeligem bis steilem Gelände von den Hängen des Eichberges (Stutz) bis fast ins Achdorfer Tal. Seine Geschichte ist mit einer Wallfahrts­ kirche verbunden, die an den Jahrestagen der Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung von zahlreichen Gläubigen besucht wurde. Dort befand sich auch das romanische Vortragkreuz (um 1150), das heute in der Riedböhringer Pfarrkirche aufbewahrt wird und hohen kunstgeschichtlichen Wert be­ sitzt.1842 wurde die Wallfahrtskirche wegen Baufälligkeit abgerissen und durch eine kleine Kapelle ersetzt, die heute noch auf dem Hof steht.Noch einmal kam der Heiligkreuz­ hof mit der Geschichte in Berührung, als im Jahre 1945 den Riedböhringern die Zer­ störung ihres Ortes durch Kampfhandlungen drohte. Man zog sich mit Vieh und beweg­ licher Habe in die Wälder um den Heilig­ kreuzhof zurück. Der Ort blieb verschont und die Generation, die dies miterlebt hatte, zog alljährlich in feierlicher Prozession zum Heiligkreuzhof, um der Errettung aus Kriegs­ nöten zu gedenken. Aus ähnlichen Anfängen, wenn auch mit anderer Vorgeschichte, entstanden die beiden weiteren Kreisjungviehweiden in Villingen und Mundelfingen. Auch diese Weiden wurden von den betreffenden Gemeinden an den . Kreis verpachtet und stellten für viele kleinere Zuchtbetriebe jahrelang eine wertvolle Hilfe dar. Sicherlich hätte mancher Rinderhalter keine Zuchtarbeit leisten können, wenn ihm nicht eine Kreisjungviehweide zur Verfügung gestanden hätte. Auch den Pferdezüchtern wurde dieser Service geboten, denn neben den Rindern konnten auch Fohlen aufge­ trieben werden, die sich ja sehr gut im Weide­ betrieb mit den Rindern ergänzen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ließ die Bedeutung der öffentlichen Jung­ viehweiden zurücktreten. Kleinere Betriebe sind aufgegeben worden und viele unserer bäuerlichen Familienbetriebe verfügen heute über eigene Weideflächen. Für die Existenz eines Betriebes ist es heute nicht mehr ent­ scheidend, ob, mit Hilfe der öffentlichen Jungviehweiden, eines oder zwei Tiere mehr aufgezogen werden können. Daher gab der Schwarzwald-Baar-Kreis mit dem Auslaufen bestehender Verträge zunächst 1973 die Jungviehweide Mundelfingen und 1979 die Jungviehweide Riedböhringen auf. In beiden Fällen handelt es sich um sogenannte absolute Weideflächen, d. h. eine andere landwirtschaftliche Nutzung wäre kaum möglich. Daher bot sich die weitere Verwendung als Jungviehweide auf privater Basis an. In Mundelfingen sind es mehrere Tierzüchter aus dem Ort, die die Weide weiterhin betreiben. In Riedböhringen bildete sich im Mai 1980 die „Weidebetriebs­ gemeinschaft Heiligkreuzhof“, der drei Landwirte aus dem Blurnberger Stadtgebiet angehören.Jeder von ihnen ist berechtigt, 15 Rinder auf die Weide zu bringen. Will einer nicht alle Plätze belegen, so kann der andere dafür mehr auftreiben. Die Arbeiten, die jeder der drei Landwirte auf der Weide leisten muß, richten sich nach der Anzahl der Tiere. Täglich zweimal muß, im Früh­ jahr und im Herbst, der Diensthabende die Weide aufsuchen, um die Tiere in den Stall hinein oder heraus zu treiben. Im Sommer genügt eine einmalige Inspektion der Weide, da die Tiere über Nacht draußen bleiben können. Gemeinsam werden auch die übri­ gen Arbeiten geleistet, wie Reparatur der Zäune, Ausmisten, Bereitstellung von Trink­ wasser, Ausbringen des Düngers. Für Pachtzins, Düngemittel, Draht und 85

90 Jahre Ortsviehversicherungsvereine Ersatzteile entstehen natürlich auch Kosten, die pro Rind derzeit bei etwa 160 Mark liegen. Allerdings ist hierbei die Arbeitsleistung nicht eingerechnet. Trotzdem lohnt sich der Be­ trieb der Jungviehweide. Wenn die Tiere in den fünfM6naten, in denen sie „gesömmert“ werden, nur um einen Zentner an Gewicht zunehmen, sind die Unkosten gut gedeckt. Es läßt sich aber, selbstverständlich mit Unterschieden bei den einzelnen Tieren und je nach Witterung, doch weit mehr erreichen. Dazu kommt die nicht inDMausdrückbare, günstige Auswirkung auf die Gesundheit der Tiere. Im Laufe des Sommers will die Weide­ betriebsgemeinschaft noch einen Schuppen als Unterstellmöglichkeit auf dem vom Stall weiter entfernten Gelände erstellen. Der Betrieb dieser Weide bedeutet schließlich auch einen Dienst für die Allgemeinheit Vor rund 90 Jahren entstanden in den Gemeinden des ehemaligen Landes Baden die ersten Ortsviehversicherungsvereine. Die gesetzliche Ermächtigung hierzu gab das Badische Viehversicherungsgesetz vom 26. Juni 1890, das am 1. Januar 1891 in Kraft getreten ist und noch heute als eines der älte­ sten Gesetze in unserem Land Gültigkeit hat. Im Jahr 1922 wurden mit insgesamt 538 die meisten dieser örtlichen“ Versicherungs­ unternehmen“ gezählt, wovon zur Zeit noch 259 in den Regierungsbezirken Freiburg und Karlsruhe bestehen. Die unter staatlicher Aufsicht stehenden Versicherungsanstalten und -vereine sind öffentlich-rechtliche Ein­ richtungen, die in dieser Form nur im Bereich des ehemaligen Landes Baden an­ zutreffen sind. Nach dem Gesetz haben sie die Aufgabe, „das in der Gemeinde dauernd eingestellte Rindvieh gegen die durch Umstehen (Verenden) oder Notschlachtung der Tiere verursachten Verluste zu ver­ sichern.“ Dadurch wollte man vor allem den Landwirten, die in vorwiegend mittel-und kleinbäuerlichen Betrieben Rinder gehalten, 86 durch Offenhaltung der Kulturlandschaft. Im Falle des Riedböhringer Heiligkreuzhofes ist dies für die nächste Zeit gewährleistet. Die Kreisverwaltung hatte es mit dem Betrieb der Jungviehweiden schwerer als die Weidebetriebsgemeinschaft. Wie vielfach in der Wirtschaft, schlugen auch für den Kreis die Lohnkosten sehr stark zu Buch, während durch die Weidetaxe nur ein Teil der Unkosten gedeckt werden konnte. Daher hatten auch die betroffenen Landwirte dafür Verständnis, daß von der Kreisverwaltung zunächst die Jungviehweiden mit einer geringeren Zahl von Tier-Stellplätzen aufgegeben wurden (Riedböhringen 45, Mundelfingen 82). Die Kreisjungviehweide Villingen mit etwa 130 Stellplätzen wird vorläufig noch weiter­ betrieben. Dr. Hans-Eberhard Meier und zu einem nicht unerheblichen Teil zur Versorgung der Bevölkerung beigetragen haben, einen Schutz vor finanziellen Schä­ den bieten. Entschädigt wurden und werden noch heute nur solche Verluste, die durch Notschlachtung oder Verendung verletzter und unheilbar erkrankter Rinder entstehen. Darüber hinaus werden Tierarzt-und Arz­ neimittelkosten übernommen. Während in den An s t a 1 t e n der gesamte in der Gemeinde befindliche Rinderbestand versichert ist, sind die Vereine auf der Basis des freiwilligen Eintritts der Viehbesitzer (aber nicht des freiwilligen Austritts) organi­ siert. Darüber hinaus sind alle Ortsviehversi­ cherungsanstalten verpflichtet und die Ver­ eine berechtigt, sich dem Badischen Viehver­ sicherungsverband als Mitglied anzuschlie­ ßen. Dieser Dachverband besteht seit dem 1. Januar 1893. Seine Hauptaufgabe ist es, den einzelnen Ortsanstalten einen erheblichen Teil -nämlich genau die Hälfte -des Ent­ schädigungsaufwandes abzunehmen und ihnen somit die Möglichkeit einer Rückver­ sicherung und eines Schadensausgleichs zu

verschaffen. Die Interessen der Mitglieder aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis werden derzeit von Bernhard Dury, Bräunlingen, im Verbandsausschuß vertreten. Die örtlichen Anstalten und Vereine wer­ den, wie jeder andere bürgerliche Verein auch, von einem Vorstand geführt und ver­ treten. Vorsitzender dieses Vorstandes ist in der Regel der Bürgermeister bzw. Ortsvorste­ her. Daneben sind zwei sachverständige Landwirte als Beiräte tätig. Die Verwaltung sowie die Kassen-und Rechnungsgeschäfte werden von den Bürgermeisterämtern mit­ erledigt. Alles geschieht ehrenamtlich ohne besondere Vergütung. Für die Ermittlung des Versicherungswer­ tes, aber auch für eine gerechte Entschädi­ gung im Schadensfalle müssen „Ortsschät­ zer“ bestellt werden. Diese werden regelmä­ ßig aus dem Kreis der sachkundigen und OW-Anstalt/Verein Bad Dürrheim-Öfmgen Bad Dürrheim-Unterbaldingen Blumberg Blumberg-Epfenhofen Blumberg-Kommingen (:!.) Blumberg-Nordhalden Blumberg-Riedböhringen Blumberg-Riedöschingen Bräunlingen Bräunlingen-Unterbränd Donaueschingen(:!.) St. Georgen-Peterzell (:!.) Daneben besteht in Stockwald -Gemein­ deteil von St. Georgen i. Schw. -ein privater Ortsviehversicherungsverein, in dem derzeit 50 Stück Rindvieh mit einem Versicherungs- erfahrenen Viehbesitzer gewählt. Die beson­ dere Bedeutung der Ortsschätzer wird u. a. dadurch unterstrichen, daß diese noch heute nach ihrer Wahl vom Landrat persönlich auf die gewissenhafte, uneigennützige und unparteiische Erfüllung ihrer Aufgaben durch Gelöbnis verpflichtet werden. Die Finanzierung erfolgt in erster Linie durch eine Umlage, die von den Tierbesit­ zern erhoben wird und sich aus dem Ver­ sicherungswert: des jeweiligen Rinderbestan­ des errechnet. Durch die Übernahme der Per­ sonal-und Verwaltungskosten für den Lan­ desverband leistet auch das Land einen finanziellen Beitrag. Im Schwarzwald-Baar-Kreis bestehen nach dem Stand vom 1 Januar 1980 die fol­ gend�n Ortsviehversicherungsanstalten und -vereme: Vers.-Wert Zahl der vers. Zahl der vers. Rinder DM Rinderbesitzer 786 1.190.000,- 950.890,- 626 1.067.100,- 662 117 228.600,- 607 1.039.800,- 605.600,- 385 1.756.500,- 1.002 1.314 2.153.600,- 1.281 2.024.000,- 236 343.800,- 820 1.054.900,- 36 82.400,- wert von 82.800,-DM versichert: werden. Der jährliche Versicherungsaufwand von durchschnittlich 2.500,-DM wird von 19 Mitgliedern fmanziert. Heinz Heckmann 87 45 28 28 10 27 17 57 66 58 15 32 11

Heilkunde, Gesundheitswesen, Kurseelsorge Abholdienst für gefährdete Neugeborene Die Früh- und Neugeborenenvcrsorgung in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg für das gefährdete Kind bereits im Kreissaal herabgesetzt werden. Für den Transport der Früh- und Neuge­ borenen stehen der Kinderklinik 3 Trans­ portinkubatoren zur Verfügung, die mit Arzt und Schwester vom DRK-Rettungswagen oder Hubschrauber in kurzer Zeit an den Ort der Geburt gebracht werden können. Ein Inkubator entspricht praktisch einer kleinen aber voll funktionierenden Intensivstation. Zur Verfügung steht nicht nur der abge­ schlossene, mit Wärme, Licht und Sauerstoff versorgte „Brutkasten“, sondern auch Beat­ mungsgerät, Absaugevorrichtung, Sauer­ stoffmischer, elektronische Geräte zur Über- Der Inkubator leistet lebensrettenden Dienst Seit mehr als 15 Jahren wird auch in Deutschland zunehmend die Zusammenar­ beit zwischen Geburtshelfern und Kinder­ ärzten intensiviert zum Wohle der Neuge­ borenen. Der Erfolg einer ständigen Überwa­ chung der Mutter während der Schwanger­ schaft und einer sich ständig verbessernden Geburtshilfe konnte so noch weiter gestei­ gert werden. Der Hilfe bedürftige Neu- und vor allem Frühgeborene werden in zentralen, mittlerweile sehr gut ausgebauten Intensiv­ stationen weiter versorgt. Um eine möglichst schnelle und wirksame Hilfe zu gewährlei­ sten, muß die Zeitspanne zwischen Geburt und Aufnahme in der Kinderklinik über­ brückt und so kurz wie eben möglich gehal­ ten werden. Ein Weg dazu ist, alle Mütter, bei denen eine Gefährdung des Kindes erkannt ist, die unter und nach der Geburt eintreten kann, in die der Kinderklinik benachbarte Frauenklinik zur Entbindung zu verlegen. Es wird damit aber – aus welchen Gründen auch immer – nur ein Teil der gefährdeten Kinder erreicht. Darum hat die Städtische Kinderklinik Villingen-Schwenningen seit 1976 einen regelmäßigen Abholdienst für Frühgebo­ rene und gefährdete Neugeborene einge­ richtet, nachdem schon Jahre zuvor immer wieder einmal Kinder aus den umliegenden geburtshilflichen Abteilungen abgeholt wor­ den waren. Auf diese Weise kann für die Kin­ der, die einer besonderen Behandlung in der Intensiv- und Frühgeborenenstation der Kinderklinik bedürfen, die entscheidende Zeitspanne zwischen Geburt und Beginn der Intensivversorgung verkürzt werden. Gleich­ zeitig kann durch den sofortigen Einsatz der speziell für Neugeborene ausgebildeten Kin­ derkrankenschwestern und Kinderärzte sowie mittels modernster Technik das Risiko 88

wachung der Herztätigkeit und zur Trauben­ zuckerzufuhr sowie Druckluft und Batterie. Die Vorräte reichen für einen vollen 2-Stun­ den-Betrieb. Mitgeführt wird zusätzlich ein Notfallkoffer, dessen Inhalt speziell nach den Erfordernissen für die Erstversorgung gefährdeter Kinder zusammengestellt ist. Versorgt werden von uns -auf jeweilige Anforderung durch die Frauenärzte -alle geburtshilflichen Kliniken der gesamten Region und auch über die Region hinaus. Das versorgte Gebiet hat einen Durchmesser von mehr als 60 km und reicht von Sulz bis Donaueschingen und Stühlingen, und von Tuttlingen/Spaichingen bis Furtwangen. Die Zahl der Einsätze stieg von 176 im Jahre 1977 bis auf 279 (1980) an. Die Einrichtung der schnellen Hilfe im Augenblick der Geburt oder kurz danach wurde nur dadurch mög­ lich, daß sowohl die Schwestern der Kinder­ klinik wie auch alle Ärzte ohne Ausnahme freiwillig Bereitschaftsdienst übernehmen, die zwar bei steigender Zahl der abzuholen­ den Neu-und Frühgeborenen das gesamte Personal zunehmend belasten, deren Erfolg jedoch diesen Einsatz rechtfertigt. Der Dienst ist mehr Bereitschaft als Ein­ satz. Von sieben Uhr früh bis Sonnenunter­ gang steht „Christoph 11″ startklar auf der Rampe -Pilot, Arzt und Rettungssanitäter sind fortwährend parat, binnen zwei bis drei Minuten buchstäblich in die Luft zu gehen. Primäre Aufgabe des seit November 1975 bestehenden Luftrettungsdienstes: Schnellst­ mögliche ärztliche Hilfe vielfach im knappen Wettlauf gegen den Tod. Für DRK-Kreisgeschäftsführer Wilfried Jakob bedarf es nach fünfjähriger Erfahrung keiner Diskussion mehr. Die Rettung aus der Luft, vom Gesetzgeber ohnedies verbindlich vorgeschrieben, hat in Villingen-Schwen­ ningen, dem elften von insgesamt 18 Stütz­ punkten innerhalb des Bundesgebiets, ihre Be­ währungsprobe längst bestanden. Eine Auf- Der Rettungshubschrauber „Christoph 11″ Dieser Erfolg läßt sich an den Zahlen der Neugeborenensterblichkeit ablesen, die seit 1977 eindeutig unter dem Landesdurch­ schnitt Baden-Württemberg und erst recht unter dem der Bundesrepublik liegen. Eine Neugeborenensterblichkeit zwischen 0,8 und 0,9% reicht an schwedische Zahlen, die als vorbildlich in Europa gelten, heran. Diese sind Ausdruck einer hervorragenden Zusam­ menarbeit zwischen Frauenärzten und Kin­ derärzten, die sich aus vorbildlicher Schwan­ gerschaftsüberwachung, Verbesserung der Geburtshilfe und aufmerksamer Überwa­ chung der Geburt einerseits, und aus der In­ tensivversorgung entsprechender Kinder in einer hervorragend ausgerüsteten zentralen Frühgeburtenabteilung andererseits, ergibt. Das bis 1976 fehlende Zwischenglied der lebensnotwendigen Versorgung der gefähr­ deten Kinder zwischen Geburt und Auf­ nahme in der Kinderklinik ist seitdem durch unseren Abholdienst mit Erstversorgung im Kreissaal und schonendem Transport vor­ handen. Dr. med. Bettecken lösung erscheint nicht mehr denkbar -den­ noch ist die Zukunft ungewiß. Begonnen hatte es mit dem 840 PS starken Mehrzweckhubschrauber BO 105. Nach einem Jahr stellte die Bundeswehr einen wesentlich größeren Hubschrauber des Typs Bell UH 1 D bereit, der vor geraumer Zeit wiederum innerorganisatorischen Gründen zurückgezogen wurde. Als Helfer in der Not stellte der ADAC erneut eine Bell zur Verfügung -die Übergangslösung endet am 31. Oktober 1981. Danach hängt alles davon ab, ob der Bundesgrenzschutz sein Übernahmeversprechen einlösen wird. In der Popularität wird „Christoph 11″ von keinem anderen Luftfahrzeug über­ troffen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis kennt ihn jedes Kind. Jede Außenlandung löst 89 aus

einen hektischen Sprint Neugieriger aus, die den Piloten häufig um ausreichenden Lande­ platz fürchten läßt. Mit einem Rotordurch­ messer von nur zehn Metern kann die BO 105, deren Wendigkeit und ausgezeichnete Manövrierfähigkeit zusätzlich vorteilhaft sind, auch auf extrem kleinen Plätzen landen. Die Piloten, durchweg erfahrene Könner, garantieren zusätzliche Sicherheit auch unter schwierigsten Bedingungen. Spektakulärster Einsatz bisher war – noch mit der Bell – eine Landung zwischen Ampeln, Straßen­ lampen und Häusern vor dem Bickentor in Villingen. Finanziell betrachtet war die Luftrettung vor allem für den Kreisverband des Roten Kreuzes als Träger ein riskanter Flug durch die roten Zahlen. In den schwersten Jahren 1976/77 sammelte sich ein 170 000-DM­ Defizit an, das schließlich durch einen ein­ maligen Zuschuß aus Landesmitteln aus­ geglichen wurde. Mehr Flüge und ein kosten­ d ecken des Benutzungsentgelt von 970 DM pro Einsatz waren die Voraussetzungen für eine ausgeglichene Bilanz seither. Seit dem Rückzug der Bundeswehr-Bell ist – auf Ver­ einbarungen in Bundesebene basierend – der ADAC Partner des DRK, indem er Hubschrauber samt Piloten zur Verfügung stellt. Der ADAC hat sich auch vorgenom­ men, in Zukunft weiter die „weißen“ Flecken auszumerzen, die sich in der Einsatzquote des Rettungshubschraubers auch heute noch in Teilen des ehemaligen Landkreises Donau­ eschingen, im Raum Tuttlingen, in Engen, Singen und Titisee-Neustadt beispielsweise zeigen. Als befriedigend gelten die Notarzt­ rufe aus der Luft aus den Großräumen Villingen-Schwenningen und Rottweil. Ausgeräumt ist sicherlich die Besorgnis mancher Skeptiker der Anfangsjahre, die den Aufbau der Luftrettung in Villingen­ Schwenningen zunächst mehr oder weniger argwöhnisch betrachteten. Zunächst noch mit nur wenig Außenlandemöglichkeiten ausgestattet, geriet der Hubschrauber binnen kurzem in den Ruf, mit Kranken und Ver­ letzten bevorzugt auf dem heimischen 90 Schlagzeilen. Indessen kann DRK-Kreis­ Landeplatz in Schwenningen zu landen. Das Wort vom „Patientenklau“ machte geschäftsführer Jakob bis heute statistisch nachweisen, daß real das Gegenteil der Fall ist, zumal inzwischen in der unmittelbaren Nachbarschaft der meisten Krankenhäuser im Einzugsbereich gut eingerichtete Hilfs­ landeplätze geschaffen wurden. Zu den dominierenden Aufträgen des Rettungshubschraubers gehört die Über­ führung Schwerkranker oder Schwerver­ letzter in Spezialkliniken, vom Januar bis April 1980 von insgesamt 134 Einsätzen immerhin 39. Dabei ist nicht nur der mit 230 Stundenkilometern bei weitem kürzere Luftweg vielfach schon entscheidend. Die Erschütterungen während des Transports, auf der Straße unvermeidbar, bleiben – für Wirbelsäulenverletzte beispielsweise wich­ tig – minimal. Der Flug von Frühgeborenen in das für die Versorgung optimal einge­ richtete Kinderkrankenhaus in Villingen aus einem Einzugsbereich von dreizehn Kliniken soll in Kürze wieder aufgenommen werden, sobald der für die BO 105 passende Inkubator aus Amerika eingetroffen ist. Die gelben ADAC-Aufkleber haben sicherlich dazu beigetragen, daß sich immer­ hin im engeren Einzugsbereich nebst dem Notruf 110 auch die Direktnummer der Rettungsleitstelle (0 7721/51014) gleicher­ maßen auf Abruf eingeprägt hat. Rettungs­ sanitäter und Pilot hören im Bereitschafts­ raum beim Schwenninger Krankenhaus, der vor vier Jahren mit einem 240 qm großen Hangar zum Preis von einer halben Million Mark gebaut worden ist, die Funkkreise der Rettungsdienste im Raum Freiburg, Lörrach, Freudenstadt, Neustadt und Rottweil ab. Sie bieten sich allerdings nur dann an, wenn eine Situation besonders brenzlig und es offenkundig erscheint, daß Hilfe Not tut. Letztlich obliegt es der Entscheidung des Arztes, ob der Transport eines Patienten durch die Luft oder auf der Straße erfolgt. Für die Berechnung letztlich ist entscheidend, ob ärztliche Hilfe notwendig war. Fehl-

Zwischen sieben Uhr .früh und Sonnenuntergang zu jeder Minute startklar: Der gelbe Rettungs­ hubschrauber „Christoph 11“ wurde zum bei weitem populärsten Luftfahrzeug in weitem Raum. einsätze -von Januar bis April 24 -sind nicht vermeidbar, weil bei einem Notruf weder Dringlichkeit noch Notwendigkeit abwägbar sind. Im gleichen Zeitraum befanden sich unter den insgesamt 134 Starts von „Christoph 11“, in dem der Rettungssanitäter naviga­ torische Aufgaben übernimmt und in dem, nebst Pilot, Sanitäter und Arzt, zwei Patienten liegend Platz haben, 38 Rettungsflüge. Hinzu kamen 31 Versorgungsflüge mit ins­ gesamt 52 „Passagieren“, 39 Verlegungs­ flüge und zwei dringliche Transporte von Blutkonserven und Medikamenten. Mit zweieinhalb Einsätzen, auf den Tag umgerechnet, kann die Kostendeckung des Rettungshubschraubers möglicherweise er­ halten werden. Eine Vorbedingung dafür allerdings ist, daß die von Stadt und Land­ kreis geförderte Luftrettung beansprucht und durch eine stagnierende Entwicklung gefährliche Trudelbewegungen in die roten Zahlen vermieden werden. Das Rettungs­ dienstgesetz sieht kostendeckende „Nut­ zungsentgelte“ vor. Sollte das bei aller Rechenkunst nicht mehr möglich sein, will Kreisgeschäftsführer Jakob das Land um Beteiligung bitten. Immerhin wurde mit der Ausräurnung eines gewissen Konkurrenz­ denkens eine gesunde Basis für eine gesunde und parallele Weiterentwicklung des Not­ arztsystems durch die Luft und auf der Straße geschaffen. Die Rettung von Menschenleben ist sicherlich jedes Engage­ Rosemarie v. Stromheck ment wert. Als ob dem Hirnmelsrot sich wollte verbinden die Erde und doch so schwarz und schwer diesen Abend doch ist es als wäre der Himmel wohl geneigt in sich zu nehmen die Erde die sanft ihm entgegensteigt Friederike Siek 91

Scbwarzwaldmotiv Zeichnung: Klaus Burk Schönwald und seine Klimatherapie Daß man Klima zu Heilzwecken nutzen kann, wußten die Menschen früher besser als heute. Die Anfänge heutiger Klimatherapie lie­ gen eigentlich im vorigen Jahrhundert, als man versuchte, auf diesem Wege gegen die Tuberkulose anzugehen. Mit der Entdeckung und dem Erfolg chemischer Behandlungsmöglichkeiten der Infektionskrankheiten gerieten diese Erfah­ rungen in Vergessenheit, da sie umständ­ licher, zeitraubender, schwerer meßbar und unrationell im Sinne geltender naturwissen­ schaftlicher Kriterien schienen. 92 Nun erleben wir aber gerade in unserer Zeit ein allgemeines Unbehagen, ob der bisherige Weg euphorischer Gläubigkeit in einen unbegrenzten Fortschritt unseren Lebensraum nicht doch derart verändern könnte, daß er mit dem Leben immer we­ niger vereinbar wird. Es sind die Neben­ wirkungen unserer Eingriffe in die äußere und innere Umwelt, die auf vielen Ebenen spürbar werden und langsam eine Besinnung einleiten. So irreal einerseits ein roman­ tisches ,,Zurück zur Natur“ wäre, so not­ wendig erscheint andererseits eine behut­ same Erinnerung an die Tatsache, daß der

Mensch als zentraler Teil der uns bekannten Natur auf vielfältige Wechselbeziehungen mit dieser Natur angewiesen ist. Es sieht im Augenblick so aus, als ob das größte Hin­ dernis weiterer technischer Entwicklung die mangelnde Anpassungsgeschwindigkeit des Menschen sei, denn seine technisch-zivilisa­ torische Eigenisolation von der natürlichen Umwelt ist zweifellos ein Grund zuneh­ mender Krankheiten. Dies alles hat soweit mit Schönwald, seinem Klima und Klimatherapie zu tun, als gerade hier der Ansatz zum Selbstver­ ständnis heilklimatischer Kurorte überhaupt liegt. abwendend Das Klima hat je nach seiner Beschaffenheit, die wiederum abhängig ist von geographischer Lage, Höhe, Landschaftscharakter, Bewuchs und Besiedelung, einen Einfluß auf das subjektive Befinden und die objektive An­ passungsreaktion des Menschen. Klimathe­ rapie ist der gesteuerte Einsatz dieser Eigen­ schaften, um Krankheiten oder krank­ machende Umstände zu beeinflussen. Nicht jedes Klima hat solche Eigenschaften, weshalb ausgehend von meßbaren und reproduzierbaren Erfah­ rungen der letzten hundert Jahre Kriterien erarbeitet und in Baden-Württemberg z.B. gesetzlich festgelegt wurden, die ein Klima haben muß, um im ärztlichen Sinne wie ein Medikament eingesetzt zu werden. Gleich­ zeitig müssen Gesetze dafür sorgen, daß alle diese Voraussetzungen erhalten bleiben. Therapeutisch nutzbares Klima findet man bei uns an den Küsten, im Mittel- und im Hochgebirge. Das Schönwälder Klima entspricht im Rahmen dieser Kriterien optimal dem Mit­ telgebirgsklima, überwiegend reizstark, im Sommer auch reizmild. Das heißt, die im Organismus des Menschen zu erwartenden Reaktionen sind dementsprechend meist sehr deutlich spürbar. Die Heilanzeigen eines Klimas zielen auf Beeinflussung von Atemwegserkrankungen, Kreislaufstörungen und allgemeine, zivilisa­ tionsbedingte Störungen; letztere stellen zunehmend die zentrale Indikation dar, womit die steigende Bedeutung heilklima­ tischer Kurorte verständlich wird. Selbstver­ ständlich sind Gegenanzeigen und Neben­ wirkungen bekannt und im Einzelfall zu beachten. In Schönwald haben wir in den letzten Jahren die Klimatherapie überwiegend in Form der Terrainkur ausgebaut, weil wir dank der vorhandenen günstigen Verhält­ nisse gerade den Zivilisationsschäden im Rahmen eines angepassten Bewegungstrai­ nings begegnen wollen. Die zweite Form der Klimaexposition ist die Liegekur, dabei steht die Umstimmungsbeeinflussung des Organismus zum Aufbau körpereigener Ab­ wehr und zur Überwindung chronischer Infekte im Vordergrund des Behandlungs­ planes. Hinsichtlich der Resultate unserer Klimatherapie ist es überraschend zu beob­ achten, daß der Erholungseffekt beider Formen der Klimaexposition je nach Aus­ gangslage und individueller Abstimmung gleich gut sein kann. In besonderer Weise wird diese Behand­ lung ergänzt durch individuelle oder all­ gemeine Ansprache mittels Vorträgen, die darauf abzielt, auch eine Umstimmung bisher falscher Lebensgewohnheiten einzu­ leiten. Denn vieles spricht zur Zeit dafür, daß sich der Rückzug auf die anoyme Für­ sorgepflicht der Gemeinschaft bezüglich des allgemeinen Gesundheitszustandes der Bevölkerung als Utopie erweisen könnte. Es beginnt sich auch gesundheitspolitisch die Erkenntnis wieder einzufinden, daß ohne Eigenverantwortung des Einzelnen für sich und die ihm zugehörigen Mitmenschen allgemeine Wohlfahrt nicht mehr zu ver­ wirklichen sein könnte. (Warum nämlich sinkt derzeit unsere Lebenserwartung trotz steigender Lebensqualität?) Klima in therapeutisch nutzbarem Sinne ist ein komplexes, vielgestaltiges Heilmittel, das durchaus sorgfältiger Auswahl- und An­ wendungskriterien bedarf, und Klimathera­ pie ist die Behandlung in einem bestimmten Klima und nicht allein durch das Klima. 93

Heilende Bodenschätze Bad Dürrheims Von Präsident Prof. Dr. Kurt Sauer, Merzhausen bei Freiburg i. Br. Wetter, geographischer Ort und Landschaft, die das Klima letztlich ausmachen, sind wesentliche Bestandteile unseres Lebens­ raums. Obgleich der Mensch als geistbegab­ tes zentrales Glied der Natur dies durch sein Eingreifen im Laufe der Jahrtausende wesent­ lich verändert hat, um von ihren unbe­ quemen Einflüssen möglichst unabhängig zu sein, darf er sich offensichtlich nicht zu weit von ihr entfernen, ohne Schaden zu nehmen an Körper und Geist. Klimatherapie Die hölzernen Bohrtürme am Holzplatz und an der Geisinger Straße über den Sole­ bohrlöchern halten die Erinnerung wach an die Großherzoglich Badische Saline Ludwigshall, die nach dem ersten Salzfund 1822 zwischen 1823 und 1826 erbaut wurde und 1972, also genau 150 Jahre nach der Entdeckung eines bedeutsamen Boden­ schatzes, des mächtigen Steinsalzlagers unter der Stadt, ihren Betrieb einstellte. Nachweis­ lich wurde bereits 1851 im Bohrhaus IV eine Solebadeanstalt mit drei Kabinen eröffnet, die später erweitert wurde. Damit war der offizielle Grundstein zum Heilbad gelegt. Sole war aber bereits seit 1830 im Salinen­ wirtshaus zu Bädern abgegeben worden. Insgesamt 10 Bohrlöcher sind zwischen 1821 und 1897 gestoßen worden. Von ihnen werden noch die mit IX und X bezeichneten an der Geisinger Straße von der Kur-und Bäder GmbH Bad Dürrheim betrieben, welche nach Stillegung der Saline die Salz­ konzession zur Förderung von Sole zur Abgabe als Kurmittel in den Bade-und Inhalationseinrichtungen erhalten hat. Alle anderen sind aufgegeben und verfüllt. Geblieben ist also eine ursprüngliche Neben­ nutzung, der therapeutische Gebrauch der heilkräftigen Sole. Die frühere Haupt­ aufgabe, Herstellung von Speise- und Industriesalz, ist Vergangenheit, bedingt 94 im weitesten Sinne, wie wir sie in Schönwald sehen wollen, ist daher nicht nur eine Form der Umstimmungsbehandlung für Ab­ wendung oder Vorbeugung von Krank­ heiten, sondern ganz aktuell eine Möglich­ keit, dem überzivilisierten Menschen zu helfen, in seinen von der Natur vorgegebenen Lebensrhythmus zurückzufinden. Wann haben Sie das letzte Mal im Grase gelegen und nur den Wolken nachgeträumt? Dr. med. Wolfgang Schubert durch die aufKonzentratiÖn und Rationali­ sierung beruhende wirtschaftliche Ent­ wicklung in der Steinsalzindustrie. Ein weiterer Bodenschatz, der lange Zeit vergessen war, wurde 1955 wieder er­ schlossen, der Mineralwasseraustritt im Wäldchen am Salinensee, die Johannis­ quelle. Er bildete die Basis für die Entwicklung eines heute außerordentlich leistungsfähigen Mineralbrunnenbetriebes und hatte weitere Bohrungen im Gefolge, die den stark ge­ stiegenen Bedarf der Dürrheimer Johannis­ quelle Vogt KG decken und eine Sicherung für die Zukunft garantieren. Warum diese besonderen Schätze im Untergrund von Bad Dürrheim? Die Beant­ wortung dieser Frage ergibt sich aus der nachstehenden kurzen Schilderung der erd­ geschichtlichen Verhältnisse. Der erste Meereseinbruch nach der variskischen Gebirgsbildung nach Süddeutschland, Ost­ frankreich und die Schweiz erfolgte in der Mittleren Trias, in der Muschelkalkzeit (Dauer 10 Mio Jahre, von 215 bis 205 Mio Jahren). Das Meer brachte eine erhebliche Fracht an gelösten Salzen, nämlich Anhydrit, Gips und Kochsalz (Natriumchlorid) mit sich, das sich im Mittleren Muschelkalk in einem relativ engen Golf zwischen den Kontinenten der Ardennen im Westen und der Böh-

Bohrtünne in Bad Dürrheim mischen Masse im Osten von Norden nach Süden ausdehnte. Dabei wurden diese bei Eindampfung der Lösungen chemisch abge­ schieden, zuerst Anhydrit und Gips und danach das Natriumchlorid als Steinsalz, so auch als ausgedehnte Linse im Dürrheimer Raum. Man bezeichnet diese Bildungen als Evaporite. Sie liegen auf dolomitischen Mergeln und sind durch solche auch nach oben abgedeckt. Das Salzlager ist in der T riaslandschaft auf der Ostseite des Schwarz­ waldes an zahlreichen anderen Stellen eben­ falls erbohrt und genutzt worden oder noch bergmännisch im Abbau (z. B. Schwen­ ningen, Rottweil, Heilbronn, Kochendorf). In der 1895 abgeteuften Bohrung IX (Gelände bei ca. 703 m Meereshöhe) wurden angetroffen: 1)-37 m buntfarbige Mergelsteine mit Gips des Gipskeupers (km1) 2)-49 m Dolomitsteine und Mergelsteine des Lettenkeupers (ku) Zeichnung:]. Asifäller 3)-116 m Dolomit- und Kalksteine des Oberen Muschelkalkes (mo) 4)-176,75 m Dolomitstein und Anhydrit (Dolomitische Zone und Obere Sulfatzone des Mittleren Muschelkalkes) 5)-205,5 m Steinsalzlager, durchTon-undAnhy­ dritlagen von 187,45-187,95 in ein oberes, mit Anhydritschnüren durchsetztes und ein unteres, feines Salz getrennt 6)-207,4 m Untere Sulfatzone des Mittleren Muschel­ kalkes und Dach des Unteren Muschel­ kalkes. Das Salzlager hat also hier die respektable Mächtigkeit von rd. 29 m. In der nur 10 m entfernten Bohrung X (1896/1897) wurde dieselbe Schichtenfolge mit geringen Ab­ weichungen im cm-Bereich erschroten. Zuverlässige Angaben sind auch für die heute verfüllten Bohrlöcher VII und VIII am Holzplatz vorhanden, die 1896 gestoßen 95

wurden. Die geologischen Verhältnisse in den übrigen bis 1826 geteuften Löchern müssen ähnlich angenommen werden. Exakte Unterlagen fehlen. Die geförderte Sole hat ausweislich einer chemischen Analyse aus dem August 1976, deren Probe aus dem Sammelschacht stammt, wo das Fördergut aus beiden Löchern zu­ sammengeführt wird, 271,4 g/kg gelöste Stoffe, wovon 271,2 fest sind (270/o). Davon sind 98 0/o Kochsalz. Großer Reinheitsgrad und sehr hohe Konzentration sind also gegeben, die ihre Vollötigkeit beweisen und die für die therapeuti�chen Anwendungen notwendigen Verdünnungen erlauben. Das Dürrheimer Salzlager wird von Beginn durch Wasser gelöst und die dabei entste­ hende Sole früher durch Kolben-, heute Unterwassertauchpumpen zutage gefördert. Einige Bemerkungen über den Ausbau sollen am Beispiel von Loch X folgen. Dieses ist bis 30,30 m u. Gel. mit Nietrohren 285 mm lichter Weite ausgerüstet, in welche Bohr­ rohre 211 mm lichter Weite bis 62,45 m eingestellt sind. In diesen befinden sich Bohrrohre von168 mm bis179,40 m, die von 42,63 bis 110,35 m perforiert sind. Warum diese Perforation? In den von 37 bis 116 m durchbohrten Schichten (siehe oben) zirku­ liert Grundwasser, welches durch die Öff­ nungen in das Bohrloch eintritt und somit auf das ursprünglich feste und trockene Salzlager, in dem es den Auslaugungsprozeß einst eröffnete und heute laufend erhält. Anstelle des ursprünglichen Bohrloches ist im Salzlager jetzt ein sich langsam aber stetig vergrößernder Aussohlungstrichter vor­ handen. Diese Art der Solegewinnung ist außerordentlich wirtschaftlich und erspart wegen der guten Grundwasserführung in den Schichten des Oberen und Mittleren Muschelkalkes (siehe oben) die künstliche Zufuhr von Leitungswasser. Im Vergleich zu den früheren von der Saline geförderten Mengen sind die heutigen für den Bade­ betrieb erforderlichen gering. Da das Salz­ lager sehr ausgedehnt ist, bestehen für eine gesicherte Zukunft des Kurorts keine Zweifel. 96 Als wesentliche, auf der Sole und nicht zuletzt auf dem ausgezeichneten Klima – Bad Dürrheim ist ja neben Heilbad auch Heilklimatischer Kurort -beruhende Indi­ kationen sind zu nennen Behandlung chro­ nischer Erkrankungen der Atmungsorgane, von Herz-und Kreislaufkrankheiten, rheu­ matischen und Haut-Krankheiten. Der zweite Bodenschatz, der 1955 wieder in Nutzung ging, sind die Mineralwässer, die sich in den Schichten bewegen, welche von den noch vorhandenen Teilen des Gips­ keupers bis zum Trigonodusdolomit des Oberen Muschelkalkes reichen. Die Johannis q u el I e beim Salinensee ist eine 10,5 m tiefe Fassung im Gipskeuper, die ein Calci um-S ulfat-Hydrogencarbonat­ Mineralwasser liefert. Die Stadt ließ in den Jahren 1975 bis 1980 in der Nähe des Bildungszentrums geologische Unter­ suchungen und Bohrversuche durchführen, um die Mineralwasserbasis, die sowohl Heil­ wie auch gewerblichen Zwecken dienen soll, zu verbreitern. Alle drei durchgeführten Bohrversuche waren erfolgreich. So hat die auf 61 m gebohrte, im Gipskeuper auf­ setzende und im Trigonodusdolomit endende W eissen berger-Quelle (TK25, r = 34 65 840, h = 53 21 380) ein gutes Calci um-S ulfat-Hydrogencarbonat­ Mineralwasser in erheblicher Menge erschroten, dessen Gehalt an Magnesium die Deklarationsgrenze nur ganz wenig verfehlt. Die ebenfalls 61 m tiefe W i ttmannsthal­ Quelle (Gipskeuper bis Trigonodusdo­ lomit; TK 25, r= 34 65 880, h = 53 21390) ist ein Calcium-Magnesium-Sulfat­ H yd ragen carb on a t-M in e ra 1 was ser, das nach Menge und Güte ebenfalls sehr befriedigt. Alle genannten Quellen erfüllen die Voraus­ naturwissenschaftlichen setzungen, die nach den Begriffsbestim­ mungen des Deutschen Bäderverbandes für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen vom Jahre 1979 neben der medizinischen Begutachtung für die Anerkennung als Heil­ wässer erforderlich sind. Eine bereits vorliegende balneologische

Stellungnahme macht deutlich, daß das Wasser von Weissenberger-und Wittmanns­ thal-Q_uellen für die Indikationen chronische Erkrankungen des Magen-Darmkanals, nicht akute Erkrankungen der Leber und der Gallenwege und solche in den ableitenden Harnwegen besonders geeignet sein wird. So kann mit der Anerkennung gerechnet werden. Für die Firma Dürrheim er Johannis­ quelle ist entscheidend, daß die neu er­ schlossenen Wässer und die J ohannisquelle e i n e r Mineralwassersippe angehören, sich also weder für die Produktion von Mineral­ brunnen noch von Süßgetränken Probleme ergeben. Im in unmittelbarer Nachbarschaft zu den beiden neuen Quellen gestoßenen Bohrloch der B e r t h o l d-Q u e l l e sind die Schichten bis auf 295 m u. Gel. untersucht worden. Es hat die Grenze vom Buntsandstein zum unterlagernden Gneis bei 290 m angetroffen. Das Interesse dieser Unternehmung galt der Mineralwasserführung in den Buntsandstein­ ablagerungen. Solches wurde angetroffen, das dem N a t r i u m -Hyd r o g e n c a r b o n a t ­ S u l f a t-Typ zuzuordnen ist. Eine Nutzung erfolgt gegenwärtig nicht, ist aber für spätere Zeiten vorgesehen. Generationen von Wissenschaftlern und Technikern haben am Nachweis und an der Gewinnung dieser heilenden Boden­ schätze Anteil, die Bad Dürrheim zuerst die Rolle eines Industrieortes mit ländlichem Rahmen und heute eines Heilbades zuge­ wiesen haben, gepaart mit heilendem Klima. Der Verfasser dieser Zeilen freut sich, daß er in über 30 Jahren geologischer Tätigkeit für den Ort auch etwas dazu beitragen konnte. Diakonie im Schwarzwald-Baar-Kreis Das Diakonische W erk Baden ist eine Einrichtung des Evang. Oberkirchenrates Karlsruhe und die Kreisstelle für Diakonie eine Einrichtung des Evang. Kirchenbezirks Villingen. Nach dem 2. Weltkrieg entstand die Flüchtlingsfürsorge für Heimatvertriebene aus den ostdeutschen Gebieten, sowie den Teilen Ost-, Westpreußen und Pommern. Später, etwa 1950, kamen dann die Flücht­ linge aus der sowjetischen Besatzungszone, der heutigen D DR, in das Bundesgebiet. Das Evang. Hilfswerk, die damalige Be­ zeichnung der heutigen Kreisstelle für Dia­ konie in Villingen, nahm sich dieses Per­ sonenkreises besonders an. Zu den damaligen Aufgaben gehörte u. a. die Verteilung von Textilien und Lebensmitteln. Gemeinsam mit den jeweiligen Kirchengemeinden in Villingen und denen im Kreisgebiet war man bemüht, den Menschen, die durch Krieg – Flucht- Verwüstung und politische Verfol­ gung Heimat und Existenz verloren hatten, bei der Eingewöhnung in den neuen Lebens­ kreis behilflich zu sein. Die heutigen Aufgaben und Angebote der Kreisstelle für Diakonie haben sich aufgrund individueller und gesellschaftlicher Lebensbedingungen des Einzelnen und der Familien in ihrer Wertvorstellung und Ver­ haltensweise geändert. So hat sich die Kreis­ stelle in ihrer Arbeit an die neue Problematik angeglichen. Zu den Aufgabenfeldern der Kreisstelle gehören die verschiedensten Angebote, wie z.B. E rh o l u n g s m a ß n a h m e n f ü r: Mütter – Kuren in Müttergenesungsheimen der Bad. Landeskirche Karlsruhe und darüber hinaus in Müttergenesungsheimen anderer Bundesländer. Mutter-Kind-Kuren in dafür geeigneten Häusern. Schul- und Vorschul­ kinder – dafür steht ein Haus an der Nord­ see zur Verfügung, wo kurmäßige Maß­ nahmen angeboten werden. Seniorenkuren in netter Umgebung und entsprechenden Angeboten für ältere Menschen. F a m i l i e n h i lfen: Neben der Familien­ erholung ist das Angebot einer Haus- und Familienpflegerin eine wichtige Aufgabe. Sie 97

Evangelische Kurseelsorge Bad Dürrheim kommt zum Einsatz, wenn Mütter und Hausfrauen wegen Krankheit, Kur oder Ent­ bindung für die Familie ausfallen. Die Kreisstelle ist behilflich bei weitergehenden Unterstützungen und gibt Hilfestellung bei Verhandlungen mit kommunalen Ein­ richtungen. Die Hilfen für den Einzelnen und für die Familien, in ihrem sozialen Umfeld, haben zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ehe-, Familien-und Lebensbera­ tung ist ebenfalls ein Angebot der Kreisstelle. Die Kurseelsorge ist so alt wie das Kur­ wesen selbst. Beide nehmen in allen ge­ schichtlich erfaßbaren Kulturkreisen eine herausragende Stellung ein. Die jede Gene­ ration und jedes Volk belastende Krankheits­ bedrohung hat schon die Menschen in urgeschichtlichen Zeiten veranlaßt, die Entstehung von Krankheiten und deren Verlauf zu erforschen und Methoden zu ihrer Überwindung bzw. Verhinderung zu ent­ falten. Die besonders von Priesterärzten formulierten Vorstellungen von Gesundheit bildeten die Grundlage des antiken Kur­ wesens. Seine Aufgabe ist bis in die Gegenwart hinein die gleiche geblieben: Durchführung solcher Maßnahmen, die heute mit den Begriffen Vorsorge, Nachsorge, Rehabili­ tation umschrieben werden. Die Errichtung von Kult- und Opfer­ stätten im Zentrum der antiken Kurorte weist auf die enge Verbindung von Leibsorge und Seelsorge hin. ,,Non hie curator, qui curat!“ (Keine Heilung findet hier, wer Sorgen hat!). Solche und ähnliche In­ schriften in Bade-und Kurorten zeugen von einem heilkundlichen Konzept, das die Seelsorge zur Mutter der echten Leibsorge erhoben hatte. Das gesundheitliche Ver­ halten war durch intensive Glaubens-, Seelen-, Geistes-und Körperpflege gekenn­ zeichnet. Diese 4stufige Heilkunst verstand man als Gottesdienst des gesunden Lebens. 98 Diese Tätigkeit wird von einem dafür besonders ausgebildeten Mitarbeiter durch­ geführt. Flankierende Maßnahmen zum §218, dazu gehört die gesetzliche Beratung, sowie die Möglichkeit einer individueUen Vor-und Nachsorge. Die Diakonie ist bestrebt, Menschen, die in Not und Schwierigkeiten geraten sind, Unterstützung in den evangelischen Ge­ meinden und in ihren Einrichtungen anzu­ bieten. Margarete Mertens Das Christentum kannte über die Kult­ gemeinde des ,,Alten Bundes“ das antike Gesundheits-und Kurwesen. Es setzte aUer­ dings einen neuen Akzent: Seelsorge ist heilendes Handeln im Auftrag J esu Christi; sie durchdringt alle Lebensbereiche mit der biblischen Verheißung: jeder Mensch darf im Frieden und Heil Gottes leben. Mönche waren die Pioniere der Kurseel­ sorge in unserem Land. Durch Jahrhunderte hindurch waren sie die „Diener Gottes“, welche „die Not der Menschen wendeten“ und die Kunst der Gesundheit als eine von Gott anvertraute Gnadengabe pflegten. Sie wußten, daß sich die Schöpfer-und Heilkraft Gottes nicht aUein der Seele, des Geistes und Körpers des Menschen, sondern der ge­ samten Natur bedient. Ihr priesterliches Mühen galt daher auch dem unablässigen Suchen nach den Heilkräften Gottes im Kraut und in der Frucht des Feldes und Waldes, im Gestein der Felsen, in den Organen der Tiere, im Quell der Berge, nicht zuletzt in den Strahlungsfeldern des Erd­ reiches, der Luft und des Lichtes. Namhafte Kur- und Badeorte verdanken ihre Be­ rühmtheit dem heilkundlichen Dienst der Mönche. Die Reformation verlagerte das Kurwesen Linolschnitt: H. Müller-Wiehl, Donaueschingen

vorübergehend in den Verantwortungs­ bereich der Bäder, Ärzte und Landesherren. Bedeutungsreiche Ansätze für eine evange­ lische Kurseelsorge ergaben sich bereits im 17.Jahrhundert durch die Hofprediger der Landesherren. Es gehörte zu deren Auf­ gabenbereich, die Herrschaften auch an die Ferien-und Kurorte zu begleiten und seel­ sorgerlich zu betreuen. Die Konfrontation mit vielen seelischen Nöten in den Reihen der Kuranten veranlaßte sie, sich auch der Kur-und Badegäste anzunehmen. Unter­ stützt wurden sie von kurenden Geistlichen, die einen Teil ihrer persönlichen Kurzeit in eine freiwillige seelsorgerliche Dienstzeit . verwandelten. Förderer der evangelischen Kurseelsorge an der Schwelle zur Gegenwart waren die Brüder Dr. Emil Fromme! (t 1896) und Dr. Max Fromme! (t 1890). Nachhaltig traten sie für die Einheit von Seelsorge und Leibsorge und für eine vertrauensvolle Zu­ sammenarbeit von Arzt und Seelsorger ein. Erste Ansätze für eine „Evangelische Kur­ seelsorge Bad Dürrheim“ liegen zwischen den Daten 1852 (Veröffentlichung der heil­ kräftigen Wirkung der Sole durch den Fürstlich-Fürstenbergischen Hofrat Dr. Rehmann) und 1883 (Gründung des Kinder­ solbades durch Großherzogin Luise). Die jährlich anwachsende Zahl an Kuranten forderte eine seelsorgerliche Betreuung der evangelischen Kurgäste. Ihre Durchführung stieß zunächst auf ein großes Hindernis: Dürrheim hatte zu jenem Zeitpunkt noch keinen evangelischen Ortsgeistlichen. Als „Vater der Evangelischen Kurseelsorge Bad Dürrheim“ ist Dekan Adolf Barner, Villingen, anzusehen. Im Rahmen der Kirchenvisitation vom 29. 6. 1912 regte er eine intensive und regelmäßige Kurgast­ betreuung während der Hauptbadezeit an. Die Kirchenbehörde beantwortete seine Darlegungen über die Dürrheimer Situation mit der Feststellung: „Wir denken an die zahlreichen Kurgäste, die sich jahraus und jahrein bei Euch aufhalten. Unter ihnen befinden sich sehr viele Evangelische und unter diesen immer wieder auch zumeist 100 solche, die um ihrer eigenen Bedürfnisse willen an dem fremden Ort ein evangelisches Gemeindeleben suchen und finden wollen.“ Erst die Dekanatsvisitation 1917 brachte einen konkreten Vorschlag zur Kurgast­ betreuung: Die Entsendung von Kur­ predigern während der Hauptbadezeit. Am 22. 6. 1917 ordnete die Kirchenbehörde an: „Wir haben nunmehr zwei Geistliche be­ stimmt, welche sich bereit erklärten, die Stelle eines Kurpredigers in Dürrheim zu über­ nehmen, und zwar Pfarrer Alfred Barner, Nonnenweier, vom 1. bis 31.Juli und Pfarrer Wilhelm Ratze), Pforzheim, vom 1. bis 31. August.“ Vor diesen ersten offiziellen Kur­ predigern hatte bereits im Sommer 1915 Prof . Dr. Spitta (seine Adresse ist nicht überliefert) kurseelsorgerliche Dienste ausgeübt. Mit der Erhebung der Diasporagenossen­ schaft Bad Dürrheim zur Pfarrei (1. 4. 1928) ist die Kurgastbetreuung den jeweiligen Ortsgeistlichen übertragen worden. Schon Mitte der dreißiger Jahre stellte sich heraus, daß eine den Erfordernissen entsprechende Kurseelsorge nur möglich ist, wenn der hierzu beauftragte Geistliche sich ungeteilt den Kuranten widmen kann. Mit Erlaß vom 30. 3.1976 ordnete der Evang. Oberkirchen­ rat in Karlsruhe die Errichtung einer Pfarr­ stelle zur Betreuung der Kurgäste an. Seit dem 1. 5.1977 ist sie mit einer hauptamtlich angestellten Kraft besetzt. Ein jahrelanges Mühen des Ortsgeistlichen K. H. Jordan (1947-1977) kam damit zum erfolgreichen Abschluß. Der kurseelsorgerliche Dienst ist in den Gesamtbereich der kirchlichen Seelsorge eingegliedert. Er ist Vergegenwärtigung der ErlösertatJesu Christi im Menschen und übt eine zentrale Lebenshilfe aus. Die „Kur­ seelsorge heute“ bemüht sich, den durch das moderne Spezialistentum in Beruf, Gesell­ schaft, Politik, Wirtschaft, aber auch den durch die Vieldeutigkeit des irdischen Daseins aufgebrochenen, zergliederten und anonymisierten Menschen zu einem lebendi­ gen Ganzen zusammenzubringen; sie zeigt die Q!ielle der Heilkräfte auf und stellt eine

Kurgast-Abend der Evang. Kursee/sorge Bad Dürrheim friedevolle Beziehung zum Ursprung, Sinn und Ziel des Lebens her. Die Mitte des kurseelsorgerlichen Wirkens ist der Gottesdienst als Erlebnis der „heil­ samen Gnade“ Gottes. Spezielle Angebote umfassen Einzelgespräche, Andachten, „Stunde der Kirchen­ Kurgast-Abende, musik“, „Offenes Singen“, kulturgeschicht­ liche Kurgastfahrten, Schriftenseelsorge. Den weitesten Raum im Zeitplan des Kurseel­ sorgers nehmen die Einzelgespräche mit den Kuranten ein; sie dienen der Durchleuchtung von Notsituationen, dem Erarbeiten von konkreten Lösungsmöglichkeiten und der Befähigung einer positiven Lebensbewälti­ gung. Die Abendandachten bieten eine Ver­ tiefung des Glaubenslebens und eine erweiterte Erkenntnis der Lebenszusammen­ hänge. 14tägig stattfindende Kurgastabende vermitteln Orientierungshilfen im Dschungel der Meinungen und Möglichkeiten der Daseinsgestaltung, nicht zuletzt fördern sie eine lebensbejahende Verhaltensweise. Die „Stunde der Kirchenmusik“, ebenfalls 14tägig von anerkannten Musikern und Chören dargeboten, ist vorwiegend harmonikale Therapie. Das „Offene Singen“ begünstigt die musische Geselligkeit und Regenerations­ fahigkeit des Menschen. Kulturgeschichtliche Fahrten wollen Erfahrungen und Dienste vergangener Generationen vergegenwärtigen und den Segen Gottes in der Schöpfung aufleuchten lassen. Zur Schriftenseelsorge gehören Kurbücherei (z. Zt. rund 3000 Bände, durchschnittlich 5200 Entleihungen pro Jahr), Schriftentisch (kostenlose Ver­ teilung von Mitteilungsblättern, Traktaten u. a.), Bücherangebote (Verkauf von Literatur zur sinnvollen Lebensgestaltung und -führung). Weite Verbreitung finden die vom derzeitigen Kurseelsorger als nBad Dürr­ heimer Schriftenreihe“ herausgegebenen Hefte: „Das Wort der Kurseelsorge“ und „Das Kurgastgespräch“. Im Arbeitsjahr 1980 haben insgesamt 5299 Kuranten -nicht ein­ gerechnet die Besucher der Gottesdienste, der Veranstaltungen der kirchlichen Ortsge­ meinde und der Bücherei -die von der Kurseelsorge angebotenen Dienste ange­ nommen.Millionen Menschen kuren jährlich in den deutschen Heilbädern und Kurorten. Sie 101

suchen Hilfe für ihr körperliches Ergehen, vor allem eine harmonische Ausgestaltung ihres Lebensgrundes. Hier leistet die Kur­ seelsorge ihren entscheidenden und unent­ behrlichen Dieost, durch den Lebenskunst und Heilkunst in einer wohltuenden W eise miteinander verbunden sind. Sie bietet nicht nur eine Lehre von der Gesundheit, sondern eine Hilfe zum Gesundsein. Otto K. Fischer Katholische Kurseelsorge in Bad Dürrheim Ein Angebot für Menschen zwischen Gesundheit und Krankheit Zum modernen Kur- und Bäderwesen ge­ hört heutzutage wesentlich auch die Kurseel­ sorge. Sie ist das Bemühen der Kirche, den Kur-Patienten auf dem Weg zur Genesung mit ihrem vielfältigen Angebot helfend zu begleiten. Die katholische Kurseelsorge in Bad Dürrheim ist eine Einrichtung der Erzdiö­ zese Freiburg, im architektonischen Verbund mit dem ,,Kurheim und Sanatorium“ un­ mittelbar beim Eingang zum Kurpark. Die hauptamtliche Arbeit des derzeitigen Leiters lic. phil., lic. theol. W. Goderski, begann An­ fang 1972; das Seelsorgezentrum folgte we­ nige Jahre später. Herzstück der gesamten Arbeit ist das tägliche Angebot der Kurgast-Meßfeier – verbunden mit einer Kurzmeditation – in der künstlerisch wertvollen Kapelle, die in ihrer Ausstattung ganz auf die Thematik der Apokalypse vom „Zelt Gottes unter den Menschen“ abgestimmt ist. Fenster und Blick in die Kurheim-Kapelle. Die eindrucksvolle künstlerische Gestaltung stammt von Emil Wachter, Karlsruhe, und Klaus Ringwald, Schonach. 102

Altar, Hängekreuz und Tabernakel sind künst­ lerische Kostbarkeiten namhafter Künstler. Ein vom Kurseelsorger verfaßter ,,Kirchen­ führer“ liegt jederzeit aus, um die von ihm angeregte T hematik zu erläutern. Ein reiches Angebot an Sprechstunden bietet dem Gast die Gelegenheit, persönliche Dinge zu klä­ ren. Ein tagsüber allen zugänglicher und gern aufgesuchter Leseraum mit einem substanz­ haltigen und breit gefächerten Buchbestand dient der religiösen und kulturellen Orien­ tierung der Gäste, die daheim kaum ein so großes Angebot vorfinden dürften. Die T he­ men der Bücher umfassen vor allem diese Gebiete: Allgemeine Information, Unter­ haltung, Geschichte, II. Vatikanum, Ökume­ ne, Meditation, Moral, Spiritualität, Hagio­ graphie, biblische Kommentare, Archäolo­ gie, diverse Schriftausgaben, Werke aus allen Wissenschaften, denen der T heologie und der Philosophie, vom leicht verständlichen Traktat bis hin zu Nachschlagewerken und Lexika. – Eine Pyramide der Taschenbücher des Herder-Verlages, Tageszeitungen und Kirchenblätter, sowie die Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz und Bon­ ner Bundesregierung runden das Angebot ab. Selbstverständlich besteht auch die Mög­ lichkeit zu zwangloser Kurzweil im Club­ raum oder zum Klavierspielen. Ein sehr ausgewogenes Jahresprogramm bietet wertvolle Kurgast-Abende mit „hoch­ karätigen“ Referenten, die seit Jahren treu zu den Kurgästen kommen: von Karlsruhe, Frei­ burg und München ebenso wie aus Furt­ wangen, Gengenbach, Singen. Wenn z.B. mit 21 Abenden fast 2 000 Kurgäste angespro­ chen werden können (- d a n e b e n müßte man natürlich auch noch die Teilnehmer an pfarrlichen Veranstaltungen und die Gäste der evangelischen Kurseelsorge berücksich­ tigen-), dann spricht diese Tatsache deutlich zu Gunsten der Aufgeschlossenheit unserer Kur-Patienten. Besonderen Anklang finden die kunst­ geschichtlichen Fahrten zu den kulturellen Schwerpunktzielen am Bodensee und im Schwarzwald: nach St. Blasien, St. Peter, Triberg, Zell a. H.; ferner nach Konstanz, Überlingen, Stein a. Rh., der Insel Reichenau. Bereits unterwegs führt der Kurseelsorger neben einer Landschaftserklärung in die Ge­ schichte, Kultur und Kunst des Fahrtenzieles ein, um dann an Ort und Stelle eine fundierte Führung folgen zu lassen. Die Teilnehmer sollen so in angenehmer Weise neben der Bad Dürrheimer Umgebung auch das weite Kulturgebiet ringsum kennenlernen und die Lebenskraft der Kirche erfahren. Ein beson­ deres Erlebnis ist alljährlich die Fahrt zur Karfreitagsliturgie in Beuron. Ein Almanach ist nicht der Ort für seel­ sorgliche Abhandlungen, wohl aber die will­ kommene Gelegenheit, wenigstens skizzen­ haft die Leser mit den Bemühungen der Kurseelsorge vertraut zu machen, die heut­ zutage bundesweit und von beiden großen Kirchen dem Kurgast helfen möchte. – Bad Dürrheim darf bei aller Bescheidenheit sa­ gen, daß hier die Kurseelsorge nicht gerade unbedeutend ist. Im Gegenteil! Füreinander Gehst Du allein und kommen wir Im Leben nie zusammen, Dann bleib‘ ich Dir und Du auch mir Für immer nur ein Fremder. Ich weiß, so wird das Herz nicht warm, Wir brauchen alle Liebe, Denn ohne sie ist jeder arm Und wird es immer bleiben. Doch viel schöner ist das Leben, Ein nettes Wort zu wechseln, Ja, das wird uns Freude geben, Denn Zufriedenheit ist Glück. Johannes Hawner �·· “ 103

Schulen, Bildungseinrichtungen Das Gymnasium am Deutenberg Die Stadt Villingen-Schwenningen hat drei voll ausgebaute allgemeinbildende Gymnasien. Während das Gymnasium am Hoptbühl die Tradition gymnasialer Bildung in Villingen weiterführt, die bis ins 17. Jahr­ h undert zurückreicht, und das Gymnasium am Romäusring, obschon es z. T. im älteren Gebäude haust, eine Neugründung des Jahres 1972 ist, hat das Gymnasium am Deutenberg, am Ostrand des Stadtbezirks Schwenningen gelegen, eine ganz andere Geschichte. Sie führt zurück bis in das Jahr 183 7, als die königlich württembergische Regierung in Stuttgart über das Oberamt Tuttlingen die Gemeinde Schwenningen auf­ forderte, eine „Realschule“ zu gründen. Die Realschulen sollten „für die zu Hand­ werkern bestimmten älteren deutschen Schüler (sein), was die lateinischen Schulen für diejenigen sind, welche sich dem Studium widmen“. Die Gemeinde Schwenningen stand dem Ansinnen aufgeschlossen gegenüber, und so wurde die Schule 1841 gegründet. Sie war etwa 40 Jahre lang einklassig. Die Fächer Französisch und Deutsch, Rechnen und Geometrie, Geschichte, Erdkunde, Natur­ geschichte und Naturlehre, Freihand- und geometrisches Zeichnen, Singen, Schön­ schreiben, Religion wurden unterrichtet. Das war das Programm für die Ausbildung der zukünftigen „Professionisten“. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts konnte die Schule dann zur sechsklassigen Anstalt ausgebaut werden, und 1901 erhielt sie das Recht, die Einjährigen-Prüfung abzunehmen. 1902 wurde ein moderner und großzügiger Neubau bezogen, der die Schule bis zum Jahre 1965 beherbergen sollte. Er steht am heutigen Postplatz und dient immer noch schulischen Zwecken. Diejenigen Schüler, die ein akademisches 104 Studium anstrebten, konnten aber in Schwenningen seinerzeit nicht bleiben. An der „Königlichen Realanstalt“ konnte man kein Latein lernen, und wer Abitur machen wollte, mußte nach Rottweil oder Villingen oder sonst an ein ausgebautes Gymnasium. Deshalb war die Gemeinde bereit, städtische Oberklassen einzurichten, und im Jahre 1928 konnte an der Oberrealschule als Vollanstalt das erste Abitur abgelegt werden. Beide Weltkriege schadeten der Schule schwer. Nach dem zweiten wurde der Unter­ richt unter sehr mühseligen Verhältnissen wieder aufgenommen. Es setzte dann aber in der Nachkriegszeit eine Entwicklung ein, wie sie wohl für alle höheren Schulen hier­ zulande charakteristisch sein wird: Das „Gymnasium Schwenningen“ expandierte nach einigen ruhigeren Jahren in ungeahnter Weise. Steigende Schüler- und Klassenzahlen machten einen Neubau notwendig, der im Jahre 1965 bezogen werden konnte und der bald schon nicht mehr ausreichte. Das „Gymnasium am Deutenberg“, nunmehr nach seiner Lage auf Schwenninger Markung benannt, muß heute 4 Häuser benutzen und hat an die 100 Lehrer und zwischen 1300 und 1400 Schüler. Immer noch liegt der eine Schwerpunkt der Schule auf dem mathematisch-natur­ wissenschaftlichen Gebiet. Darin mag sich noch etwas von der Tradition der Schule erhalten haben, was vielleicht auch dem Geist, der die alte Stadt Schwenningen bis zu einem gewissen Grad prägte, entspricht: Hinwendung zu den Realien, ihre Durch­ dringung im mathematisch-rationalen Sinne unter besonderer Berücksichtigung an­ wendungsorientierter Gesichtspunkte. Viel­ leicht besinnt man sich heute eher wieder darauf, daß auch wieder mehr Abiturienten gebraucht werden, die sich als tüchtige

„Professionisten“ in der Gesellschaft be­ währen. Der zweite Schwerpunkt liegt seit 1959 auf sprachlichem Gebiet. Die Schule ist eine Doppelanstalt: mathematisch-naturwissen­ schaftliches und neusprachliches Gym­ nasium. Damit wird Schülern mit besonderer Begabung auf sprachlichem Gebiet die Möglichkeit geboten, durch die Wahl eines Schulzweigs mit drei Pflichtfremdsprachen (Englisch, Latein und Französisch) eine Bildung anzustreben, die ihren Interessen besonders entgegenkommt. Auf der Oberstufe dann, die im ganzen Land im Jahre 1978 reformiert wurde, kann jeder Schüler, einerlei aus welchem gymna­ sialen Typ er kommt, in den Klassen 12 und 13 seine Schwerpunkte weitgehend selber setzen. Am Gymnasium am Deutenberg herrscht gewiß, wie es der Tradition dieser Schule entspricht, ein sachlicher, nüchtern-rationaler Geist, und das 1965 bezogene Schulgebäude mag seinerzeit aus eben diesem Geist heraus gebaut worden sein. Aber diese Rationalität ist immer schon durch Bemühungen von Schulleitern und Lehrern ergänzt worden, musisches Tun und humane Begegnung zu ermöglichen und zu fördern. Bei nachlas­ sendem Lehrermangel und wieder sinkenden Schülerzahlen kann erwartet werden, daß beide Bereiche sich immer besser ergänzen und durchdringen. Die moderne, große und in allen Bereichen voll ausgebaute Schule bietet jedenfalls heute allen bildungswilligen Schülern im Stadt­ bezirk Schwenningen und in den um­ liegenden Gemeinden des Schwarzwald-Baar­ Kreises beste Voraussetzungen. Dr. RolfMehne Literatur: Otto Benzing, 400 Jahre Schulwesen in Schwenningen a. N. in: 125 Jahre Gymnasium Schwenningen (1840- 1965), Schwenningen 1965. 105

Entwicklung des beruflichen Bildungswesens Die hauswirtschaftlichen, landwirtschaftlichen und sozialpädagogischen Schulen 1. 8.1971 Die Reform des beruflichen Bildungs­ Zusammenlegung der Haus-und Landwirt­ wesens, im Schulentwicklungsplan II 1971 schaftlichen Berufsschulen im Landkreis festgelegt, brachte in den nachfolgenden Jah­ Villingen. ren für die beruflichen Schulen einen steilen Auflösung der Außenstellen Bad Dürrheim, Aufschwung. Laut Planungskonzept sollte: Obereschach, St. Georgen und Triberg. „die Berufliche Bildung in einer fachlich Umzug der Schule von der Bertholdstraße gut spezialisierten Ausbildung auf einen in das Gebäude der ehemaligen ,,Hans-Kraut­ Beruf hinführen und gleichzeitig das nö­ Gewerbeschule“ in der Schelmengaß. tige Maß an Flexibilität und Mobilität Einbau von 3 Küchen. vermitteln. Das soll geschehen durch die 1971/1972 Bildung in Stufen, die eine breite Grund­ Erste Fachschulreifeprüfung an der zwei­ bildung und eine spezialisierte Fachbil­ jährigen hauswirtschaftlich-pflegerischen­ dung vorsieht. Neben der Reform der sozialpädagogischen Berufsfachschule. Berufsschule als Teilzeitschule liegt der 1972/1973 zweite Schwerpunkt des Schulentwick­ Einrichtung einer „Blockschule für Garten­ lungsplans II auf dem Gebiet der Beruf­ bau und Floristik“ (Einzugsbereich: Schwarz­ lichen Vollzeitschulen. Diese führen diffe­ wald-Baar-Kreis, westlicher Bodensee, Kreis renziert zu höheren Abschlüssen bis zum Rottweil, Kreis Tuttlingen, Randgebiete Or­ Abitur“. tenaukreis, Kreis Hochschwarzwald, Kreis In Verwirklichung der Planung wurden Waldshut). in den letzten zehn Jahren an den „Haus-und 1973/1974 Landwirtschaftlichen Schulen in Villingen­ Errichtung der „Fachschule für Sozialpäda­ Schwenningen“ folgende Schularten und gogik“. Schultypen eingerichtet bzw. bestehende Aufstellung des Raumprogramms für das verändert oder erweitert: Neubauvorhaben. 1969/1970 1975/1976 Zuweisung der Jungarbeiter (männlich an die Einschulung der Auszubildenden der Berufe „Gärtner“ und „Florist“ aus den Landkreisen ,,Hans-Kraut-Gewerbeschule“). Rottweil und Tuttlingen in unsere Garten­ Erstes Kolloquium „Staatlich anerkannter bauliche Berufsschule. Auflösung der dies­ Erzieher an der Fachschule für Sozialpäda­ bezüglichen Schulart in Rottweil. gogik“. 1970/1971 1976/1977 Einrichtung der „Zweijährigen hauswirt­ Errichtung eines Beruflichen Gymnasiums (haushalts-und emährungswissenschaftliche schaftlich -pflegerischen -sozialpädagogischen Berufsfachschule“ Fachrichtung). Erste Planungen für die Errichtung eines Versuchsschule in der Reformierten gymna­ gemeinsamen Neubaus für die ,,Haus-und sialen Oberstufe an Beruflichen Gymnasien. 1978/1979 Landwirtschaftlichen Schulen in Villingen­ Schwenningen“. Erstes Abitur am Beruflichen Gymnasium Durchführung des Schulentwicklungsplans (HG). Wie bekannt, waren mit dem 1.Januarl972 II. Abschluß der Testuntersuchungen an der Schule. die beiden Städte Villingen und Schwennin- 106

Haus- und Landwirtscheftliche Berufs- und Berufsfachschule, Stadtbezirk Villingen gen zu einer gemeinsamen Stadt „Villingen­ Schwenningen“ vereinigt worden. Mit der Übernahme der vormals „Städtischen Hauswirtschaftlichen Berufs- und Berufs­ fachschulen Schwenningen“ ab dem 1. 8. 1976 durch den „Schwarzwald-Baar-Kreis“ als Schulträger, erkannte der Kreistag die Notwendigkeit der Durchführung eines Bau­ vorhabens zur Erweiterung der Schule und zur Linderung der Raumnot beider Schulen. In seiner Sitzung vom 6. 6.1977 beschloß der Kreistag die Errichtung eines Erweite­ rungsbaus für die Schule in Villingen­ Schwenningen, Stadtbezirk Villingen, An der Schelrnengaß 3, sowie die Durchführung eines Architektenwettbewerbs. Damit war die Möglichkeit gegeben, beide Schulen (Vil­ lingen + Schwenningen) in einem Schul­ komplex zu vereinigen und die fortwährende Schulraumnot aufJahre hinaus zu beheben. Am 24. und 25. 8. 1976 beriet das Preis- gericht über 30 eingereichte Arbeiten und erkannte dem Entwurf des Freiburger Archi­ tekten Günther Viehoff den ersten Preis zu. Der Architekt sah seine Aufgabe wie folgt: „Es war außerordentlich schwierig, eine Entwurfslösung zu finden, die die Kapazität der ehemaligen ,Hans-Kraut-Gewerbe­ schule‘ zwar auf das Dreifache erhöhen sollte, andererseits aber die Gefahr beinhalten konnte, die reizvolle stadt-landschaftliche Situation bereits durch ihre Größe zu er­ drücken. Das neue Schulhaus bettet sich deshalb im Vergleich zur umgebenden Be­ bauung verhältnismäßig niedrig und geduckt in den Hang ein und erhält den landschaft­ lichen Reiz“. Über das gelungene Werk schreibt der Architekt: ,, Trotz dieser Planungserschwer­ nisse ist es heute möglich, aus nahezu jedem Raum des Schulhauses über die Dächer und in die Landschaft zu schauen. Darüberhinaus 107

konnten alle Nutzflächen von der heute stark befahrenen Schelmengaß abgewendet und zu einem ruhigen Innenhof hin orien­ tiert werden“. Bis zum Baubeginn und während der Durchführung des Bauvorhabens wurde in mühevoller Kleinarbeit zwischen dem bau­ leitenden Architekten, der Schulleitung, den Planungsgruppen (Fachlehrer der Schule), der Kreisverwaltung, die Planung des Innen­ ausbaus, die Einrichtung der Klassen, Natur­ wissenschaften und Werkstätten sowie die Gestaltung der Außenanlagen beraten und festgelegt. Der Kreistag, der für den Bau und die Einrichtung der Schule großes Verständ­ nis zeigte, kam den Wünschen der Planer großzügig entgegen. Der Schulleiter war während der gesamten Planungs-und Bau­ phase in der Bauaufsicht und als beratendes Mitglied des Kreistages unermüdlich tätig. Am 3. Oktober 1977 erfolgte der „erste Spatenstich“. Bereits am 21. September 1978 konnte das Richtfest gefeiert werden. Am 6. September 1979 konnte der Unterricht nach nur insgesamt 23 Monaten Bauzeit plan­ mäßig im Neubau und im umgebauten und sanierten Altbau beginnen. Das Bildungswerk der Erzdiözese im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Weiterbildung gewinnt im gesamten Bildungssystem eine ständig wachsende Bedeutung. So sind in allen Bundesländern Gesetze zur Förderung der Weiterbildung verabschiedet. Die Frage des Bildungsurlaubs ist teilweise geregelt und weist der Weiter­ bildung neue und wichtige Aufgaben zu. Auch die Kirche ist in Ausübung ihres Welt­ dienstes in diesem Bereich tätig. Weiterbildung in katholischer Träger­ schaft ist ein unentbehrlicher Teil des katholischen Engagements in der Gesell­ schaft. Kirchlich getragene Weiterbildung hat eigenständige Aufgaben, zu denen be­ sonders die Befähigung des Christen zum Am 8. November 1979 wurde das Schul­ haus mit einem Festakt offiziell eingeweiht. Im Schuljahr 1979/80 beherbergte die Ge­ samtschulanlage 6 Schularten mit insgesamt 1155 Schülerinnen und Schüler in 45 Klassen, die von 63 Lehrkräften unterrichtet werden. Für das Schuljahr 1980/81 bzw. 1981/82 sind geplant: die Einrichtung einer �in­ jährigen hauswirtschaftlichen Sonderberufs­ fachschule“, eines „Berufsvorbereitungsjah­ res“, eines „Einjährigen Berufskollegs zur Erlangung der Fachhochschulreife“, sowie die Zweizügigkeit des Beruflichen Gymna­ siums (HG). Die hauswirtschaftlichen, landwirtschaft­ lichen, sozialpädagogischen Schulen in Vil­ lingen-Schwenningen sind weitgehend auf die Herausforderung unserer Zeit eingestellt. In baulicher, ausstattungsmäßiger und per­ soneUer Hinsicht sind die Engpässe über­ wunden. Es ist zu wünschen, daß das ge­ schaffene Werk über Jahre hinaus Bestand haben und die Schule sich zu einer moder­ nen, den Forderungen des Bildungsauftrags der Zukunft entsprechenden Bildungsein­ richtung weiter entwickeln möge. Bruno Weber, Oberstudiendirektor Dialog mit Andersdenkenden gehört. Sie hat eine vermittelnde, klärende und kritische Funktion in Kirche, Staat und Gesellschaft. Die Notwendigkeit, grundsätzlich aUe inhaltlichen Bereiche der Weiterbildung zu berücksichtigen, entspricht der wechsel­ seitigen Abhängigkeit aller Lebensbereiche und der Offenheit des Weltbezugs der Christen. Das Bildungswerk der Erzdiözese Freiburg läßt sich vom Bemühen leiten um -kritische Offenheit des Menschen für die Gesamtheit seiner Lebensbezüge -beispielhafte Neuerungen -Klärung umstrittener Fragen Erwachsenenbildung in katholischer Trägerschaft 108

Eltembeiräteseminar mit der stellvertretenden Vorsitzenden des Landeselternbeirats, Krichbaum -den Dienst am benachteiligten Menschen. Mit Beginn des Jahres 1977 hat das Bildungswerk der Erzdiözese Freiburg in Villingen für die kirchliche Region Schwarz­ wald-Baar eine hauptamtlich besetzte Weiterbildungseinrichtung eingerichtet und ihr 1979 die Funktion eines Bildungszentrums übertragen. Dieses Bildungszentrum betreut, berät und unterstützt die ca. 40 örtlichen Bildungs­ werke, die sich in der katholischen Kreis­ arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung im Schwarzwald-Baar-Kreis zusammen­ geschlossen und deren Programm 1979 ca. 30000 Teilnehmer besucht haben, eben­ so wie die katholischen Verbände und Einrichtungen in und bei ihrer Arbeit. Umgekehrt bedienen sich diese der haupt­ amtlichen Mitarbeiter des Bildungswerkes bei der Durchführung ihrer Aufgaben. Daneben ist das Bildungszentrum -Z e n t rum für Training, besonders für Mitarbeiter der katholisch getragenen Erwachsenenbildung, aber auch für Mit­ arbeiter im kirchlichen Dienst, für Eltern, Betriebsräte und andere Gruppen. -Forum zur Diskussion trägerspezifischer Inhalte (z.B. aus der Theologie, in Medi­ tation, Kommunikation und Forum zur Diskussion aktueller Inhalte [Politik, Gesellschaft, Literatur u. a. m.]) -Medium zur Vermittlung und Beschaf­ fung von Modell-Seminaren, Medien, Referenten und Literatur. Nachstehend seien einige Schwerpunkte der Arbeit aufgezeigt: „Kinderbuch“ war und ist das Thema, das sich wie ein roter Faden durch verschie­ dene Veranstaltungen zieht, die das Bildungs­ zentrum Villingen oder örtliche Bildungs­ werke immer wieder anbieten. Fragen des Kinderbuches spielen beim Bildungswerk 109

nicht nur kurz vor Weihnachten eine Rolle. Das ganze Jahr hindurch sind z. B. im Rahmen der Elternschule Veranstaltungen zum Kinderbuch angeboten. Dazu werden die beim Bildungszentrum in Villingen, Kanzleigasse 30, vorhandenen Kinder-und Jugendbücher gern zur Verfügung gestellt und an örtliche Bildungswerke und auch Kindergärten ausgeliehen. Die Leitung des Villinger Bildungszentrums geht davon aus, daß vor allem im Vorschulalter die Grund­ lagen für die geistige, körperliche und charakterliche Entwicklung des Menschen gelegt werden. In dieser Zeit haben Eltern und Erzieher eine verantwortungsvolle Aufgabe, die Wissen und Verständnis für das Verhalten und die Bedürfnisse der Kinder verlangen. In Schule, Beruf und Freizeit ist das Buch für den Menschen ein wichtiger Begleiter geworden. Zuwenig scheint aber bekannt zu sein, daß gute Kinderbücher für Eltern eine große Hilfe sein können, denn gute Kinder­ bücher fördern die Entwicklung der Sprache und des Denkens, beleben die Phantasie und regen zur Kreativität an. Die Elternbildung, die die Bedeutung des Buches für das Kind betont, muß die Er­ wachsenen darauf aufmerksam machen, daß Bücher im Elternhaus der wichtigste Faktor sind. Kinder zum Lesen zu veranlassen. Neben vielfachen Rhetorik-und Eltern­ seminaren, Referentenschulungen, Forum Aktuell, Erzieherinnenarbeitskreis, Treff­ punkt Alleinerzieher, Akademie der Älteren Generation, Seminaren, Studienfahrten, Lesungen, musischenKursen und v. a. mehrragtvorallem derlntensivkurs Grundwissen -Allgemeinbildung für Er­ wachsene aus dem Angebot des Bildungs­ werks heraus. Aufgrund der guten Beteiligung bei frühe­ ren Intensivkursen und vielfacher Nachfrage wird dieser Kurs nun mehrfach angeboten. Der Kurs umfaßt SO Kurseinheiten, vier Kurselemente prägen den besonderen Stil des Intensivkurses Grundwissen. Ein Dozententeam, das sowohl fachlich wie theologischen 110 methodisch qualifiziert ist; Teilnehmer­ material, das zu jeder Kurseinheit ausgegeben wird und damit einen individuellen Lern­ prozeß ermöglicht sowie ein Kontakt­ angebot, das je nach Situation und den Wünschen der Teilnehmer zusätzlich in den Kurs eingebracht werden kann. Der Intensivkurs Grundwissen vermittelt einen Q!ierschnitt durch zehn Fachgebiete: Theologie/Philosophie; Psychologie; Politik/ Soziologie; Geschichte; Recht; Wirtschaft/ Technologie; Biologie; Literatur; Kunst­ geschichte; Musik. Er will dazu beitragen, daß trotz Spezialisierung eine gemeinsame Basis erhalten bleibt. Scheinen vielen Teilnehmern zu Beginn des Kurses 50 Einheiten zu lang, so zeigt die Erfahrung, daß die Teilnehmer über die 50 Einheiten hinaus noch lange als Lern­ gruppe zusammenbleiben. Das Bildungswerk im Schwarzwald-Baar­ Kreis wird seine Arbeit konsequent fort­ setzen, das Angebot verbreitern und ver­ tiefen. Das Bildungswerk wird weiterhin offen sein für Anregungen und Hilfen aus dem Kreis der Teilnehmer sowie für Ko­ operation mit anderen Trägem und Instituti­ onen der Weiterbildung. JosefZolk Abends, wenn die Sonne sinkt und die Traurigkeit aufsteigt, wenn einzelne Augenblicke in mir auftauchen und mich neu berühren, wenn die Zukunft wieder einen Tag näher gerückt ist und doch unklar bleibt, wenn mein Leben wieder um einen Tag kürzer ist und doch unbegonnen scheint, wünschte ich, es gäbe das vollkommene Glück. Daniela Siek Karlstraße in Donaueschingen. Zeichnung: Werner Mündel

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Geschichte, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Das Kloster St. Gallen und die Baar Achdorf, heute ein Stadtteil von Blumberg, hat an Christi Himmelfahrt 1981 sein 1200- jähriges Bestehen gefeiert -zugleich mit der Vorstellung seines neuen „Haus des Gastes“ an eine größere Öffentlichkeit. Ein Heimat­ fest, ein Jubiläum, das bereits 1975 fällig gewesen wäre, seinerzeit aber aus kommu­ nalen Gründen auf einen günstigeren Termin verschoben wurde. Im Jahr 775 findet sich die erste Erwähnung des Ortes in einer St. Galler Urkunde. Danach überträgt Tiot­ frid seinen Besitz in Achdorf dem Kloster. 791 ist es Graf Bertold und seine Mutter Raginswind, die ihren Besitz in Asolfingas (Aselfingen) und Munolfingas (Mundel­ fingen) an das Kloster St. Gallen übertragen. Und im Jahr 816 nennt eine Urkunde den Grafen Cozbert, der dem Kloster die Orte Ewattingen und Achdorf schenkt. Damit war zu Beginn des 9.Jahrhunderts der St. Gallische Klosterbesitz im mittleren Wutachtal bereits so umfangreich, daß das Kloster besondere Klostervögte für die Orte Ewattingen, Aselfingen und Mundelfingen bestellte. Ähnliches gilt für Löffingen, die Urmark in der Westbaar, die in der frän­ kischen Zeit gleichfalls aus ansehnlichem Königsbesitz bestand. Ihn schenkte Karl III. im Jahr 886, mithin ein Jahr vor seiner Ab­ dankung und der Übersiedlung nach Neu­ dingen, dem Kloster St. Gallen, das nun für mehrere Jahrhunderte vier wichtige Stütz­ punkte an der mittleren Wutach und in der Westbaar hatte. Achdorf und die genannten Orte im Wutachtal sind indessen nur einige der alemannischen Siedlungen auf der Baar, die durch Schenkungen an St. Gallen eine be­ sonders frühe urkundliche Erwähnung erfahren. Zeitlich vorangegangen waren mehrere Orte in der Ostbaar. Die erste dieser urkundlichen Erwähnungen durch St. Gallen 112 bezieht sich auf Boasinheim (Biesingen) in einer Urkunde, die 757/60 in Heidenhofen ausgestellt wurde. Es folgen 764 Geisingen, 769 Baldingen und 770 das im unteren Aitrachtal gelegene Aulfingen, schließlich 772 Wuldartingas (Wolterdingen). Im Raum Villingen-Schwenningen werden Schenkungen an St. Gallen in einer 762 in Weilerbach ausgestellten Urkunde genannt, weiter 763 die eines Hug in Weigheim, 764 die eines lppo in Nordstetten. 765 ist Klengen im Zusammenhang mit dem Kloster St. Gallen erstmals urkundlich erwähnt, 780 Leipferdingen, 786 Rietheim, 793 Aasen und Beckhofen, 797 Tuningen. Im 9. Jahrhundert folgen mit ersten ur­ kundlichen Erwähnungen durch St. Gallen auf der Baar: 805 Grüningen, 817 Hondingen, Pfohren und Tannheim -alle drei Orte im Zusammenhang mit Schenkungen durch Ludwig den Frommen, 820 Emmingen ab Egg, 879 lppingen -nach einer größeren Unterbrechung -die durch den Verlust von Urkunden bedingt sein dürfte, 883 Sum­ pfohren und 890 Behla. Um die Bedeutung dieser Schenkungen richtig würdigen zu können, ist kurz auf die Geschichte unserer Heimat in der Zeit zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert ein­ zugehen. Um 750 geraten die Alemannen – und mit ihnen auch die Baar -endgültig unter die unmittelbare fränkische Herrschaft. Die Diözese Konstanz, seit etwa 560 nach­ weisbar, erhält im Lauf des 7. Jahrhunderts in St. Gallen ihr erstes Kloster. Die Gründung geht bis ins] ahr 612 zurück. Damals erkrankte in Bregenz Gallus, einer der Gefährten des irischen Wandermönchs Kolumban, der auf dem Weg nach Rom sich befand. Gallus zog sich in den Arboner Forst zurück und baute Die Kathedrale in St. Gallen

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im Hochtal der Steinach eine Zelle und ein Oratorium -ein kleines steinernes Gottes­ haus. Am Orte der Gallus-Siedlung errichtete 719 der in Chur ausgebildete Priester Otmar, der ein Alemanne war, ein Kloster. Er gab ihm die Regel des hl. Benedikt und war bis 759 sein erster Abt. Mit reichen Schenkungen bedacht, er­ blühte die Stiftung bald zu hohem Ansehen im alemannischen Raum. Bereits ab etwa 740, also hundert Jahre nach dem Tod des Ordensgründers Gallus (t um 645) kommen, wie wir aus der Vita St. Galli wissen, Pilger auch aus der alemannischen Bertoldsbaar nach St. Gallen, um die Hilfe des Heiligen in besonderen Nöten zu erflehen. Als Ge­ schenke bringen sie Bienenwachs, gespon­ nenes Leinen, Lebensmittel, selbst Pferde. 854 nimmt König Ludwig, der Sohn Karls des Großen, das Kloster unter seinen be­ sonderen Schutz und bestätigt ihm die Freiheit von Abgaben, Diensten und Lasten, ferner das Recht der freien Abtswahl aus den Reihen der Ordensangehörigen. 1206 wurde St. Gallen Reichskloster; seine Äbte waren ·fortan reichsunmittelbare Fürsten. Für die engen Beziehungen des Klosters zur Baar in der Zeit vom 8. bis 11.Jahrhundert sprechen neben den zahlreichen Schen­ kungen auch die St. Gallischen Fronhöfe, die den umfangreichen Klosterbesitz in unserer Heimat bewirtschafteten und ver­ walteten. St. Gallische Fronhöfe, seit etwa 950 meist Kelnhöfe genannt, standen in Löffingen, Mundelfingen, Ewattingen, Kirchdorf und Pfohren. Sie waren zugleich die Sammelplätze für die Zinslieferungen an das Kloster. Soweit die erwirtschafteten Naturalien nicht auf den Kelnhöfen Ver­ wendung fanden, gingen sie in Transporten von der Baar nach Radolfzell und dann zu Schiff nach Steinach, dem Hafenplatz St. Gallens am Obersee. Neben den Gütern an den einzelnen Orten werden in den Urkunden mehrfach auch Kirchen erwähnt, die das Kloster auf der Baar als Eigenkirchen oder Fiskalkirchen geschenkt bekam oder aber als Gotteshäuser 114 an wichtigen Plätzen selbst errichtete. Ein Beispiel dafür die St. Martinskirche in Ewattingen, in deren Vorhalle 816 die Urkunde ausgestellt ist, die sich auf die Schenkung des Grafen Cozbert in Ewattingen und Achdorfbezieht. In Baldingen erwähnt eine Urkunde für das Jahr 854 eine Kapelle, die als Vorgängerin des St. Galluspatrozini­ ums in Unterbaldingen anzusehen ist. Als Patron erscheint St. Gallus weiter in Ewat­ tingen und zeitweise auch in Mundelfmgen. Otmarspatrozinien haben Aselfmgen, Weig­ heim und Kappel bei Villingen. Die Patrone Gallus und Verena fmden wir in Hüfingen und in der heutigen Friedhofskapelle in Tannheim. In Kirchdorf, auf der Klengener Königsmark, deren Fiskalkirche 880 und 881 in Diplomen Karls III. zugunsten von St. Gallen erwähnt wird, bleibt St. Martin der Patron der Mutterkirche für die Orte im Brigachtal. Weder das von der Baar weitabgelegene Kloster St. Gallen noch die Abtei Reichenau konnten im Verlauf des Mittelalters ihren vormals starken Einfluß auf der Baar be­ haupten. Für St. Gallen wirkte sich nach­ träglich aus, daß das Kloster im In‘.estitur­ streit auf der Seite des Kaisers stand. Während dieser Auseinandersetzung, die ab 1073 zwischen Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. ausgetragen wurde, verfiel das Kloster dem Kirchenbann, und seine Wallfahrt verödete. Zeitweise waren die St. Gallischen Güter auf der Baar beschlagnahmt durch den Zähringer Berthold II., der in dem mehrjährigen Streit die Sache des Papstes verfocht. Entscheidender noch für den Rückzug St. Gallens aus der Baar war das Aufkommen der kluniazensisch-hirsauischen Reform­ klöster, die gegen Ende des 11.Jahrhunderts, gefördert durch die Zähringer, die Einfluß­ nahme St. Gallens und der Reichenau auf unsere Heimat ablösten. Allen anderen voran die Klöster St. Blasien (gegründet 954) und St. Georgen im Schwarzwald (gegründet 1084). St. Georgen, zusätzlich gestützt durch die Frauenkonvente Amtenhausen (1107)

und Friedenweiler (nach 1123) sowie das fürstenbergische Dominikanerinnenkloster „Mariahof“ in Neudingen (1287), drang mit seinem Einfluß aus den Q!iellgebieten von Brigach und Breg und ihren Nebentälern verhältnismäßig rasch über Aasen bis nach Fützen und Immendingen vor. St. Blasien dehnte sich im Wutachtal, aber auch in der Ostbaar als Konkurrent von St. Georgen aus. An der mittleren Wutach hatte verhältnis­ mäßig friih die St. Gallische Mutterkirche in Aselfingen ihre Bedeutung eingebüßt. Laut dem Zehntregister des Jahres 1275 ist Asel­ fingen nun mit der Kirche in Achdorf ver­ bunden. Mundelfingen, eine Filiale von Aselfingen, erscheint nun als Mutterkirche für Eschach und Opferdingen und bleibt auch später, als die Talorte an die Herrschaft St. Blasien kommen, einer der wenigen St. Gallischen Vororte in der Baar bis ins 18. Jahrhundert hinein. Im Besitz von St. Blasien befinden sich bereits 1173 die Kirchen in Bachheim und Immendingen. In Wolter­ dingen hatte das Kloster im oberen Albtal 1312 einen Fronhof; 1554 hat es den Kirchen­ satz und das Patronatsrecht in Fützen. Als schließlich 1806 unsere Heimat an Baden kam, hatte St. Gallen als einziges Patronat auf der Baar nur noch die Pfarrkirche in Löf­ fingen. Die Pfarrei Mundelfingen, ,,seit uralten Zeiten“, wie es in einer Urkunde heißt, St. Gallen zugehörig, war 1771, mit dem Tode von Pfarrer Johann Georg W eltin, dem Domstift Konstanz einverleibt worden. Soweit im Zeitalter des Barocks noch engere Beziehungen zwischen dem Kloster St. Gallen und unserer Heimat bestehen, entfallen sie in den Bereich der Kunstge­ schichte. Wesentlich nach Plänen des in Konstanz lebenden Voralbergers Peter Thumb sind der barocke Bibliotheksbau und die nach 1760 in Angriff genommene neue Stiftskirche in St. Gallen gestaltet. Der Name Peter Thumb begegnet uns auf der Baar und im angrenzenden Schwarzwald als Bau­ meister der Pfarrkirche in Mundelfingen und der Klosterkirche in Friedenweiler sowie als Mitgestalter der einstigen Klosterkirche _in St. Peter. Die malerische und plastische Innendekoration im Langhaus und im Oktogon der Kathedrale in St. Gallen schuf der Freiburger Christian Wenzinger, während das Chorgestühl und die mit herrlicher Holzarbeit ausgestatteten Beichtstühle in St. Gallen von Joseph Anton Feuchtmayr stammen. Auch deren Namen sind mit der künstlerischen Gestaltung des einstigen Klosters und des barocken Gotteshauses in St. Peter aufs engste verbunden. Lorenz Honold Literatur: Kathedrale St. Gallen; in der Reihe Schweizerische Kunstführer, Basel/ Bern 1979 – Hermann Lauer, Kirchen­ geschichte der Baar. 2. Auflage, Donau­ eschingen 1928. -Karl Wacker, Der Landkreis Donaueschingen, Südkurier-Verlag, Konstanz 1966. -Karl S. Bader, Zur Geschichte der Baar, in: Die Baar/Wanderungen durch Landschaft und Kultur, Neckar-Verlag Villingen, 1972. -Erna Huber, Vom Schwarz­ wald zur Baar. Thorbecke Taschen-Bildführer Band 5, Sigmaringen 1978. In den Wäldern liegt der Schnee. Mordgier streicht durch tiefe Tannen. Wer kennt der Mütter Gram und Weh? Wer kennt sie, deren Tränen rannen? Nur eine Spur ist nie verweht; Durch den schwarzen Wald ist sie gezogen. Jahr um Jahr sie neu ersteht: durchfurcht das Herz im Schmerzensbogen. In den Wäldern liegt der Schnee. Folg auch du der Spur durch tiefe Tannen. Hör der Mütter Klagen voller Weh … Zähl die Tränen, die da rannen … Otto Heinrich Klingele Aus dem Buch: ,,Bethlehem in den schwarzen Wäldern“, von Otto Heinrich Klingele, mit freundlicher Genehmigung des Verlags. 115 Die ewige Spur

Die Franziskaner in Villingen Stadtarchivar Dr.J. Fuchs: Die heutige kulturgeschichtliche Verpflich­ tung gegenüber den Franziskanern in Villin­ gen wird im wesentlichen dahingehend ver­ standen, das von dieser Klosterniederlassung heute noch vorhandene zu erhalten und zu pflegen. Für sich allein entspricht diese lobenswerte Einstellung nicht ganz dem Geist des Ordens und seines Stifters, denn die Franziskaner sahen ihre einzelnen Klöster keineswegs als eigene Einheiten, sondern betrachteten den Gesamtverband ihres Ordens, in Niederlassungen aufgeteilt, als ein geschlossenes Ganzes. Das einzelne Kloster sollte kein Individuum exklusiven Charakters sein, wie das bei den „klassischen“ Orden zu beobachten ist. Die alten Klosterorden waren wie überall, so auch in Villingen und Umgebung zu Ansehen und Grundbesitz gekommen, so das Kloster Tennenbach, das Kloster Salem, das Hirsauische Reformkloster St. Georgen, das berühmte Reichenauer Kloster in Peter­ zell, St. Blasien u. a. Mit der Stadtgründung von Villingen und dem Großwerden der Städte im Mittelalter überhaupt trat vom 12·. Jahrhundert an ein grundlegender Wandel in den Besitz-und Struktur-Verhält­ nissen auch unseres Gebietes ein. Das Kloster Salem hatte 1220 das Gebiet von Pfaffen­ weiler an die Stadt Villingen verkauft. Den im Stadtarchiv erhaltenen Vertrag hat der Schenke des Hohenstaufenkaisers Friedrich II., Konrad von Winterstetten, der mit dem Bau der Stadtmauern beauftragt war, namens der Stadt Villingen -die 1219 Reichsstadt ge­ worden war -mit dem Kloster Salem abge­ schlossen. Bald nach dem Tode des letzten Hohenstaufenkaisers, in der sogenannten kaiserlosen Zeit (Interregnum), zog der verdiente und bedeutende Graf Heinrich von Fürstenberg die Stadt Villingen ab 1255 an sich und rief schon im Jahre 1257 die Johanniter -später Rhodeser oder Malteser genannt -nach Villingen. Elf Jahre später 116 bat er in ähnlicher Weise den Provinziäl der für Villingen zuständigen Franziskaner­ provinz, Bruder Albrecht, ihm einige Brüder nach Villingen zu senden (Fürstenbg. Ur­ kundenbuch I Nr. 459-464). Bereits 1268 konnte GrafHeinrich die Fundationsurkunde (Gründungsurkunde) ausfertigen, und erster Guardian wurde Bruder Heinrich von Frei­ burg. Hatten die großen Klöster bedeutenden Besitz und griffen sie als Stützen der Kaiser­ politik in diese mit ihren bedeutenden Reiter­ kontingenten ein, so hatten die Franziskaner mit ihrer Verkündung der totalen Armut völlig andere Absichten. Gemäß dem Willen des Stifters, des Kaufmannssohnes Franz von Assisi (1181-1226), der die Nachahmung Christi aus dem Geist und Buchstaben des Evangeliums forderte, sollte die Armut so weit gehen, daß die durch das Land ziehen- J —……..—

Kreuzgang im ehemaligen Franziskanerkloster den, mit den Armen in den neugegründeten Städten lebenden Brüder sogar vom Bettel lebten. Nichtsdestoweniger waren die Nieder­ lassungen der Franziskaner gezwungen, zu­ sätzlich zur eigenen Handarbeit, z. B. beim Bau ihrer Niederlassungen, Mittel für die Seelsorgeaufgaben zu erwerben. Schon ein Jahr nach der Villinger Gründung wurde durch den berühmtem Gelehrten Albertus Magnus laut Urkunde im Villinger Stadt­ archiv ein Ablaßbrief zum Kloster- und Kirchenneubau vergeben. Zwei weitere Ablaßbriefe von 1270 und 1281 hatten den Erfolg, daß im Jahre 1292 die Kirche fertig­ gestellt und im Mai von Weihbischof Bonifazius aus Konstanz geweiht werden konnte. Kurz zuvor, im Jahre 1271, war – wie Heinrich Hug, der Villinger Chronist des Bauernkrieges, berichtet – die ganze Stadt außer Münster, Spital,Johanniter- und Bar- fiißer-Kloster ( die beiden letzteren an der ursprünglich freigehaltenen Stadtmauer angesiedelt) abgebrannt. Die Leistungen der Franziskaner, auch Barfüßer oder Minderbrüder genannt, für die Stadt können hier nur unvollkommen ge­ würdigt werden. Jahrhunderte hindurch pflegten sie die Passionsspiele, eine – wie man erst heute weiß – religiöse und lite­ rarische Leistung besonderer Art. Sie unter­ hielten ferner eine im ganzen Land berühmte Hohe Schule, deren Gelehrte, wie etwa Bonaventura Krieg, der über den Scotismus schrieb, oder Meinrad Schwartz, der philo­ sophische Werke veröffentlichte, weit über Villingen hinaus bekannt wurden und viel­ leicht die Veranlassung dafür waren, daß die Universität Freiburg mehrere Male – einmal sogar dreißig Jahre lang – im Villinger Franziskanerkloster ihren Lehrbetrieb durch­ führte. Wissenschaft, Kultur und Kunst 117

fanden immer ihre Pflege bei den Minder­ brüdern, wie die im Stadtarchiv erhaltenen Schätze zeigen: Fresken (Stigmatisation des HI. Franz, Gregoriusmesse, Schweißtuch), über 50 leidenswerkzeugtragende und musi­ zierende Engel sowie viele bedeutende Ge­ mälde der Renaissance-und Barockzeit. Der Maler Balthasar Gödescher (geb.14 72), der in hohem Alter in das Franziskanerkloster eintrat, hat die bedeutenden Fresken -wie nach dem kunstgeschichtlichen Befund wahrscheinlich ist -bereits vor seinem Ein­ tritt als Freund der Barfüßer gemalt. Aber auch stadtpolitisch waren die Mönche engagiert. 1633/34 und 1704 halfen sie mit, die Stadt zu verteidigen und leisteten den Hauptteil des Wiederaufbaus ihrer Gebäude selbst. In ihrer Kirche fand all­ jährlich zur „sungiht“, der Sommersonnen­ wende, die Wahl des Magistrats statt. In schwerster Zeit – so während der Bela­ gerungen -kam das Volk in der Franzis­ kanerkirche zusammen, um zu beraten, ob die Stadt verteidigt oder übergeben werden sollte. Vom Beginn des Dreißigjährigen Krieges in Villingen ist berichtet, daß der Verteidigungskommandant, Obrist Äscher, Magistrat und Volk in die Barfüßerkirche rief, um sie zur Verteidigung der Stadt auf den habsburgischen Kaiser schwören zu lassen. Kloster und Kirche in Villingen sind die einzige Gesamtanlage der Franziskaner, die aus dem Mittelalter erhalten ist. Die Kirche ist mit der Lindauer Franziskanerkirche die einzige, die als Hallenkirche ohne Säulen – also ohne eine Teilung in Haupt-und Seiten­ schiffe -erbaut wurde, dafür aber mit einem hohen, schönen Chor. Mit ihrem 44 m langen Schiff und 28 m Chorlänge ist sie außerordentlich groß, wesentlich größer z.B. als das Freiburger Augustiner-Museum, das ebenfalls eine reine Hallenkirche ist, wie sie bei den Zisterziensern aufgekommen war. Die Franziskaner bauten ihre Kirche fürs Volk-deshalb deren Größe. Das Geschick wollte es, daß die Kloster­ anlage der Franziskaner und ihre Kirche 118 Kriege und schwerste Beschießung über­ dauerten. Mit der Aufhebung der Franzis­ kaner-Niederlassungen durch Kaiser Joseph II. in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts begann jedoch die Zweckentfremdung. 1806 zog der großherzoglich-badische Bezirks­ amtmann -der übrigens in Villingen das doppelte Gehalt des Oberbürgermeisters erhielt -mit seinem Stab in das Kloster ein und residierte dort bis 1809. Die Freigabe des Klosters für die öffentliche Benutzung war eine seiner ersten Amtshandlungen. Mit dem Übergang des Heilig-Geist-Spital-Fonds vom alten Heilig-Geist-Spital (heutiges Kauf­ haus) auf das Franziskanerkloster war dessen Schicksal dahingehend bestimmt, daß einer­ seits eine Belegung mit Spital-Insassen statt­ fand und andererseits die Kirche allen möglichen landwirtschaftlichen Zwecken – bis zum Einstellen von Vieh -zugeführt oder sonst als Lagerraum verwendet wurde. Was allerdings das 19. Jahrhundert nicht fertigbrachte, nämlich in die Bausubstanz der Kirche einzugreifen, das blieb dem 20. Jahrhundert vorbehalten: 1934 wurde die Kirche, wie man damals meinte, „restauriert“. Bis dahin hatten die Fenster der Giebelseite, von denen das mittlere über die ursprünglich tonnengewölbte und später flache Decke hinausreichte, trotz einer barocken Verän­ derung beim Wiederaufbau im Jahre 1711 ihre gotische Form bewahrt, wie es noch ein Gemälde von Säger zeigt -jetzt wurden sie stillos durch übergreifendes Stabwerk ergänzt. Ähnlich wurde mit dem Hauptportal und dem Portal an der Rietgasse verfahren, was umso bedauerlicher ist, als es sich bei ihnen um Stiftungen der bedeutenden Ordens­ brüder Heinrich Karrer (gest. 1483) und Konrad von Bonndorf (gest. 1510) handelte. Eine Anzahl weiterer Veränderungen hat Revellio in seinem Büchlein „Die Franziskanerkirche zu Villingen“ (1954) angedeutet. Viele andere Hinweise aus dem reichen Quellenmaterial des Stadt­ archivs harren noch der Aufarbeitung. Wenn hier auch der Kürze wegen die kunstge­ schichtliche Seite -vor allem ein Vergleich

Wenn das Orchestrion spielte … Als die Vöhrenbacher Musikwerke in der Weltpresse Schlagzeilen machten der Bauten innerhalb des Bettelordens – übergangen werden muß, so soll doch erwähnt sein, daß die Achteck-Pfeiler der heute nicht mehr vorhandenen Umgangs­ verlängerung des Kreuzganges, die durch den sogenannten Komödienplatz um die Kirche herum bis vor zur Rietgasse führte, einen Ansatz zur kunstgeschichtlichen Einordnung erlauben. Ihr Leben und Leiden mit dem Volke trug Im Jahr 1833 beginnt der Vöhrenbacher Michael Weite mit dem Bau von Flöten­ uhren und kleinen Musikwerken. Der Sohn eines Weißgerbers legt damit den Grund­ stein für die Musikwerkeindustrie, die schon wenige Jahre später dem damals sehr kleinen Städtchen weltweite Beachtung einbringt. Ob im Jockey Club in New York, dem Sul­ tanspalast in Konstantinopel, dem Aqua­ rium in Blackpool, der Weltausstellung in Paris, in London oder Kalkutta, überall ste­ hen die Menschen staunend vor den Orche­ strions aus Vöhrenbach. Ausgestattet mit Instrumenten wie Flöten, Flageolets, Trom­ peten, Hörnern, Posaunen, Trommeln und Triangeln waren die Orchestrions in der Lage, auf mechanischem Wege das Klangvo­ lumen eines gesamten Orchesters zu erzeu­ gen. Weite wird in der Fachwelt fast einmütig als der tüchtigste und genialste Schüler des Begründers dieses Gewerbezweiges, des Unterkirnacher Martin Blessing, bezeichnet. Der Vöhrenbacher war bei dem Pionier des Orchestrionbaues sechs Jahre lang in die Lehre gegangen und hatte, als er sich dann selbständig machte, mit dem Bau von Flö­ tenuhren und kleinen Musikwerken großen Erfolg. Dieser erfolgreiche Beginn war dann letztlich dafür ausschlaggebend, daß er von der russischen Stadt Odessa den Auftrag für den Bau eines Orchestrions erhielt, das den Franziskanern manche Anfeindung ein, gelegentlich auch vom Villinger Pfarrherrn, der sie einmal öffentlich der falschen Ver­ kündigung päpstlichen Begräbnisrechts bezichtigte. Dabei ging es um die Bestat­ tungen in Kirche und Kloster selbst sowie auf dem alten Franziskanerfriedhof, der unter dem heutigen Parkplatz vor dem Osianderhaus lag. 30.000 Gulden kosten sollte. Bereits sein erstes Werk brachte dem Vöhrenbacher viel Ruhm ein. Wenig später entstand in Vöhrenbach ein noch gewaltigeres Orchestrion: Es enthielt 524 Pfeifen in 15 Registern, die durch drei mit Gewichten angetriebenen Blasebälgen betä­ tigt wurden. Drei Jahre hatte Weite für den Bau dieses Orchestrions benötigt. Es wurde in allen Zeitungen gelobt, und Großherzog Leopold besuchte W elte sogar in seiner Werkstatt in Vöhrenbach. Das Riesenspiel­ werk trat eine Reise durch Deutschland an und wurde später schließlich vom Großher� zog Friedrich erworben. Wer dieses für die damalige Zeit einmalige Meisterwerk erklingen lassen wollte, hatte die Wahl unter 13 Musiktiteln. Das Orche­ strion konnte unter anderem die Ouvertüre aus dem Freischütz von Weber, die Ouver­ türe aus dem Oberon von Weber oder die Ouvertüre aus dem Lohengrin von Wagner erklingen lassen. Um dem Spielwerk ein neues Repertoire an Musiktiteln „einzuhau­ chen“, mußten nur weitere Walzen angefer­ tigt und eingebaut werden, von denen aus sämtliche Funktionen des Orchestrions gesteuert wurden. Bald darauf trennten sich die Wege der kleinen Stadt Vöhrenbach und des inzwi­ schen berühmt gewordenen Orchestrion­ bauers: Weite zog wegen der besseren Ver-119

kehrsbedingungen nach Freiburg. Dort starb er 1880 im Alter von 73 Jahren. Die Ent­ wicklung der wohl bedeutendsten Erfindung seines Unternehmens erlebte er nur noch teilweise: Gemeint ist das Welte-Mignon­ Reproduktionspiano, das den Söhnen Wei­ tes Weltruhm einbrachte. Mit diesem Piano war es erstmals möglich, das Spiel eines Piani­ sten in allen Feinheiten festzuhalten und anschließend beliebig oft auf automatischem Wege zu wiederholen. Die Erfindung begei­ sterte Pianisten wie Grieg, Mahler, Richard Strauss oder Reger. Dieses Piano konnte das Unternehmen Weite auch erfolgreich in den Vereinigten Staaten verkaufen. Die zwei Weltkriege und die Erfindung der Schall- Daniel lmhof, Mitbegründer der Vöhrenbacher Orchestrionfabrik Imhof und Muckle. Er starb 1900 in England. 120 platte entzogen der Firma dann später aber die Existenzgrundlage. Mit dem Tag, an dem Weite Vöhrenbach verläßt, beginnt eine weitere, auf dem Gebiet des Orchestrionbaues noch bedeutendere Epoche für die Kleinstadt: Das Unterneh­ men „Imhof und Muckle“, das bisher in London eine Verkaufsniederlassung für Schwarzwälder Spieluhren betrieben hatte, übernimmt von Weite die Vöhrenbacher Fabrikationsanlagen und entwickelt sich bald zur bekanntesten und größten Orche­ strionfabrik, die Vöhrenbach herausbrachte. Die großen und sehr luxeriös ausgestatte­ ten Orchestrions dieses Unternehmens tra­ ten eine weite Reise in die gesamte Welt an. Ein Angestellter dieser Firma namens Häm­ merle erzählte Jahre später an Winteraben­ den am heimeligen Ofen oft von seiner Reise mit dem Orchestrion des Sultans von Kon­ stantinopel in den Orient. Er schilderte, wie, als das Orchestrion die ersten Töne von sich gab, der gesamte Harem des Sultans herbei­ gelaufen kam und im Palast niemand mehr ans Schlafen dachte, um den großen Augen­ blick, wenn das Orchestrion zum erstenmal spielt, nicht zu verpassen. Hämmerle hatte später noch einmal eine Reise in den Orient angetreten, und wieder sollte er ein Orche­ strion in einem fürstlichen Haus zum Leben erwecken. Er ist jedoch nie mehr zurück­ gekehrt, und keiner weiß, was aus ihm gewor­ den ist. Imhof und Muckle, Leopold Muckle war ein Furtwanger, fertigte sogar Orchestrions in Tropenausführung, die nach Ägypten oder China geliefert wurden. Auch der bekannte Volksschriftsteller Pfarrer Heinrich Hansjakob besuchte das Unternehmen und hielt seine Eindrücke in einer Reisebeschrei­ bung fest. Daß der Ruhm dieses Vöhrenbacher Orchestrionbauers erhalten bleibt, dafür sor­ gen nicht nur zahlreiche Bücher und Orche­ strionliebhaber in der gesamten Welt, son­ dern auch zwei Langspielplatten, die in Eng­ land erschienen sind. Aufgenommen wur­ den diese Platten mit einem Orchestrion, das

Dieses Orchestrion der Firma lmhof und Muckk steht heute in einem Museum in Birmingham in Eng­ land. Sein Musikrepertoire wurde bereits auf zwei Langspielplatten festgehalten. Imhof und Muckle für den Turm des Aqua- strie in Baden. Daniel Imhof, der Begründer riums in Blackpool geliefert hat, und das dieses Unternehmens, starb 1900 in Croy- heute in einem Museum in Birmingham zu den-Sorrey in England. Auch Imhof und finden ist. Muckle mußte letztlich, bedingt durch den In seiner Größe wohl einmalig auf der Ersten Weltkrieg und die Erfindung der gesamten Welt dürfte ein Orchestrion sein, Schallplatte, die Produktion einstellen. Ein erfolgreicher Spieluhrenhersteller, das Imhof und Muckle für den Jockey Club in New York lieferte: Es war 10,5 Meter breit neben vielen anderen kleineren Betrieben, und 5,5 Meter hoch. In dieser Glanzzeit hatte war auch noch Josef Heine, der seine Werk- die Firma eine Niederlassung in London, statt im Strickerhaus, dem heutigen Haus die Firma beschäftigte 24 Arbeiter und war das Wiedemann, eingerichtet hatte. Von der damals so glanzvollen Epoche größte Unternehmen der Musikwerkeindu- 121

des Musikwerkebaues ist nichts mehr zu sehen, und kein einziges funktionstüchtiges Orchestrion ist in Vöhrenbach mehr zu fin­ den. Sammler in der gesamten Welt besitzen Musikwerke aus Vöhrenbach und in allen Fachbüchern werden ihnen ausführliche Beschreibungen und etliche Bildseiten gewidmet. In zahlreichen Museen erklingen heute noch Tag für Tag die in den Musikau­ tomaten gespeicherten Melodien. Wilfried Dold Qu ell en n a c h w e i s: Die Uhrmacher des hohen Schwarzwaldes und ihre Werke, Gerd Bender; Vöhrenbach, eine Schwarz­ waldgemeinde, Franz-Josef Furtwängler. Das bergbauliche Hoheitszeichen am ,,Haus des Gastes“ Von Präsident a. D. Professor Dr. Franz Kirchheimer, Freiburg Am 1977 eröffneten „Haus des Gastes“ in Bad Dürrheim, gestaltet aus dem nörd­ lichen der beiden Salzmagazine der 1823 errichteten und 1972 als unwirtschaftlich auf­ gelassenen Ludwigssaline, befindet sich auf der straßenseitigen Giebelwand ein eigen­ artiges, gußeisernes Hoheitszeichen in heraldischen Farben. Sein für den Betrachter nach links schauender, niedergeschlagen beschweifter, gekrönter Greif, dessen Flügel ausgebreitet sind, hält einen schräg stehenden elliptischen Schild mit dem gekrönten badischen Wappen. Die Überschrift „Glück Aufl“ benennt das seit Beginn des 17. Jahr­ hunderts gebräuchliche Grußwort der Berg­ leute. Unter dem Wappen steht das uralte Symbol „Schlägel und Eisen“ für das als Gezähe bekannte bergmännische Werkzeug. Das über die Flügelspitzen des Greifen gemessen 3,20 Meter breite Hoheitszeichen erinnert an die ärarische Vergangenheit der Saline, die seit ihrer Gründung und bis 1924 unmittelbar vom badischen Fiskus, in der Folgezeit aber mit der gleichalterigen, eben­ falls 1972 stillgelegten Ludwigssaline zu Rappenau im badischen Neckarland durch eine staatliche Gesellschaft betrieben wurde. Der von einem Greif gehaltene bergbauliche Wappenschild befand sich auch an Gebäu­ den der staatlichen Eisenhüttenwerke im südlichen Schwarzwald, die bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts der Einfuhr des billigeren landesfremden Kokseisens er­ lagen. Die Hoheitszeichen für diese ärarischen 122 Betriebe und die ebenfalls der Bergbauver­ waltung unterstellt gewesenen, nach dem Großherzog Ludwig (1818-1830) benannten beiden Salinen sind um 1830 zu Hausen im Wiesental mit dem aus heimischen Erzen erschmolzenen Holzkohleeisen gegossen worden. Das Geologische Landesamt Baden­ Württemberg in Freiburg besitzt seit etwa 25 Jahren den vor der Verschrottung bewahr- Abb. 1 Wappenschild des gußeisernen Hoheitsuichens …… ,. . ‚· .. � .. ! ‚ ‚. crl‘ –� ‚! �l’· 1;) 1 �: ./A / / .

ten, im Wappen mit Tinkturzeichen ver­ sehenen und farbig angelegten, einen Meter hohen Schild des 1945 durch Beschuß bis auf ihn zerstörten Hoheitszeichens vom Gie­ bel des südlichen Salzmagazins der ehema­ ligen Saline Dürrheim (Abb. 1). Bemerkenswert ist die Übernahme der Konzeption des Hoheitszeichens unter Ver­ änderung des Schildinhalts auf die Rückseite von zwei badischen Bergbau-Geprägen aus der Regierungszeit des Großherzogs Leopold (1830-1852). Diese sind als „Segen des ba­ gekennzeichnet und dischen Bergbaues zeigen den ähnlich gestalteten gekrönten “ den 40fachen Silberwert. Seine Rückseite (Abb. 2) mit dem Greif und Bergbauschild ist auf einer von mir entworfenen taler­ förmigen Medaille der Gemeinde Münster­ tal im südlichen Schwarzwald wiedergegeben. Aus den Erzen der bis 1958 betriebenen dortigen Grube Teufelsgrund, in deren schon vor 1000 Jahren bergmännisch erschlossenem Bereich seit 1970 ein Schaubergwerk zugäng­ lich ist, stammte die Hauptmenge des 1836 vermünzten Silbers. Der 1852 in unbekannter Stückzahl ge­ prägte Bergsegen-Gulden (30 mm Durch­ messer) zeigt den Greif mit dem Bergbau- Abb.2 Rückseite des badischen Bergsegen-Tha!ers 1836 Abb.3 Rückseite des badischen Bergsegen-Guldens 1852 Greif mit dem schräg gestellten elliptischen Schild ohne Wappen. Unter dem Grußwort „Glück Auf!“ ist das Symbol „Schlägel und Eisen“ langstielig angebracht. Eine ihm bei­ gefügte Grubenlampe veranschaulicht die damals gebräuchliche Froschform des berg­ männischen Geleuchts. Von dem Kronen­ Thaler 1836 (40 mm Durchmesser) sind in der Großherzoglichen Münze zu Karlsruhe 8250 Stück aus ungefähr 213 kg schwarz­ wälder Bergsilber geprägt worden; vorzüg­ lich erhaltene Exemplare erbringen im heu­ tigen Münzhandel über 1000 DM, mehr als schild in einer etwas abweichenden kleineren Ausführung (Abb. 3). Auch diese nicht selten vorkommende, letzte badische Bergbau­ münze aus heimischen Silber wird heute mit etwa 400 DM hochbewertet. Die V ignette auf den 1852 ausgegebenen Anteilscheinen einer bis 1865 besonders im Münstertal tätig gewesenen englischen Bergbaugesellschaft gestaltete man nach der Rückseite des Berg­ segen-Thalers 1836, allerdings im Schild ohne das bergmännische Grußwort. Greife als Schildhalter erscheinen seit dem ausgehen­ den 17.Jahrhundert auf badischen Münzen. 123

So zeigen auch die gewöhnlichen Kronen­ Thaler (1830-1837) des Großherzogs Leo­ pold das von zwei rückwärts schauenden Greifen gehaltene, gekrönte Wappen. Literatur: FranzKirchheimer „Die Bergbau-Gepräge Überall in unserem Heimatgebiet -so auch im Schwarzwald-Baar-,Kreis -gibt es noch in den meisten Gemeinden sogenannte „Zehntscheuern“, die entweder im Laufe der Zeit umgebaut wurden oder noch so erhalten sind, wie man sie einst vor Jahrhunderten erbaute. Welchen Zweck diese Scheunen einst zu erfüllen hatten, begreift man nur, wenn man über das Zehntwesen, das vom frühen Mittelalter bis zu seiner Ablösung in den ersten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts gesetzlich verankert war, im allgemeinen aus Baden-Württemberg“ (Freiburg i. Br. 1967; Kricheldorf-Verlag), S. 61/62 und 112-117; ,,Das Alter des Silberbergbaus im südlichen Schwarzwald“ (Freiburg i. Br. 1971; Kricheldorf-Verlag), S. 16/17 und 32Anm.28. Bescheid weiß. Die nachfolgenden Ausfüh­ ru�gen möchten darüber Auskunft geben. Uber den Ursprung des Zehnten sind sich die Gelehrten in ihren Ansichten nicht ganz einig. Aber manches können wir an Hand von Urkunden als sicher erkennen und hinnehmen. So scheint der älteste Zehnte der „Schweinezehnt“ gewesen zu sein. Dieser Zehnte mußte für die Berechtigung gegeben werden, seine Schweine im fremden Wald weiden zu lassen. Im KarolingischenFranken­ reich hatte der König das Verfügungsrecht Vom Zehntwesen und den Zehntscheuem Ehemalige Zehntscheune des Klosters Amtenhausen in Unterbaldingen. Zeichnung: H. Heinrich 124

Inschrift auf der ehemaligen Zehntscheune über das nichtbebaute Land -auch über die Wälder. So stand anfänglich in den meisten Fällen dem König der Zehnte zu. Neben diesem Schweinezehnt hören wir dann eben­ falls im frühen Mittelalter vom „Pech­ zehnten“ (Abgabe aus der Pechgewinnung) und vom „Salzzehnten“. Der Salzzehnte war die Abgabe von Salz von Grundstücken, bei denen nach Salz gegraben und dieses ge­ wonnen wurde. Die übrigen Erwähnungen von Zehnten in Urkunden tragen kirchlichen Charakter. Schon sehr früh beanspruchte die Kirche den Zehnten und berief sich dabei auf Vor­ schriften der vorchristlichen Zeit (Aussagen im Alten Testament). Schon im 6. Jahr­ hundert nach Christi Geburt war das kirch­ liche Zehntrecht in Übung, bekam aber erst rechtlichen Charakter durch die karolingi­ sche Gesetzgebung. Pippin und Karl der Große verfügten, daß im Frankenreich an die Kirchen zum Unterhalt der Bischöfe und der Geistlichen der Zehnte von landwirt­ schaftlichen Erzeugnissen zu entrichten sei. Vorerst waren nur die Taufkirchen (nicht alle Kirchen waren damals „Taufkirchen“) berechtigt, den Zehnten zu erheben. Mit dem fränkischen Kirchenkapitular von anno 818/819 wurde dann das Zehntrecht für alle Kirchen freigegeben. Bei den sogenannten „Eigenkirchen“ ( das waren Kirchen, die ein Grundherr auf seinem Gebiet errichtet hatte) war meistens der Grundherr der berechtigte „Zehntherr“. Im 12. Jahrhundert wurde das „Eigenkirchenrecht“ aufBetreiben der Kirche aufgehoben und in das Patronatsrecht um­ gewandelt. Die Nachfolger Karls des Großen ver­ schenkten neben großem Grundbesitz auch »lehnten“ an ihre Vasallen. Die Bischöfe machten es dem König gleich und vergaben ebenfalls Zehnte, die den Bischöfen zustan- 125

den, an Gaugrafen, Schirmvögte und andere adlige Laien; auf diese Weise kamen die meisten Zehnten in den Dörfern unserer Heimat – von den kleinen Pfarrzehnten abgesehen -in den Besitz der jeweiligen Orts-und Grundherren. Die Zehnten wurden erblich und blieben so -von den Pfarrzehnten abgesehen -in weltlichem Besitz. Starb ein Adelsgeschlecht aus, so fiel der Zehnte wieder an die Kirche zurück. Zur Karolingerzeit diente der Zehnte zur Besoldung des Bischofs und der Geistlichen; der Rest wurde für die Armenpflege ver­ wendet. Durch die Verschenkung an Laien hatte der Zehnte seinen ursprünglichen Sinn verloren und im Laufe der Zeit die Form einer „Grundlast“ angenommen. (Die Zehntzinsen lasteten auf den Grundstücken). Viele Konzilien (Kirchenversammlungen) wand­ ten sich gegen die Verweltlichung des Zehnten, aber das Rad der Geschichte ließ sich nicht zurückdrehen. Bald wurde mit den „Zehnten“ gehandelt wie mit den Lehen. Im ausgehenden Mittel­ alter gingen die Adligen dazu über, neben den Lehen auch die Zehnten gegen einen ,,Zins“ entsprechenden verleihen. Dadurch ersparte der Zehntherr die Zehnt­ knechte, die auf den Feldern den Zehnten -beispielsweise die zehnte Garbe -und auf den ,,Zehntwiesen“ die zehnte „Heu­ schoche“ abholen und in die Zehntscheuer führen mußten. Die Zehnten wurden teil­ weise an reiche Bürger der Städte unserer Heimat-unter anderem Villingen, Rottweil, Schaffhausen – verliehen. Diese Bürger mußten dafür dem eigentlichen Zehntherrn für den Zehnten jährlich einen Zins in Geld bezahlen. Die Stadtbürger, die Zehnten von den eigentlichen Zehntherren erkauft hatten, machten -wie uns Urkunden berichten – gute Geschäfte, besonders dann, wenn die Fruchtpreise stiegen, die Zinsen für die ,,Zehnten“ aber immer die gleichen blieben. Vom frühen Mittelalter bis zur Zehnt­ ablösung unterschied man folgende Zehnten: Der Blut-, Fleisch-oder Viehzehnt: zu 126 Darunter verstand man die Abgabe von Tieren oder deren Erzeugnisse wie: Fleisch, Eier, Butter, Wachs und Wolle. Der kleine Zehnte: Dieser Zehnte war die Abgabe von Gemüse, Wurzelgewächsen aller Art, Obst­ Garten-und Baumfrüchten. Dabei war es gleichgültig, ob die Gartengewächse im Gar­ ten oder im freien Feld angepflanzt waren. In vielen Urkunden der Dörfer unserer Heimat wurden die Bezeichnungen für den ,,Kleinen Zehnten“ noch genauer festgelegt. Man sprach dann bei den Zehntabgaben ganz exakt vom ,,Heuzehnten“, dem „Öhmd­ zehnten“, dem „Hanf- und dem Flachs­ zehnten“. Der Große Zehnte mußte von allen Getreidearten, die „Halm und Stengel trei­ ben“ oder von den im „Urbarium“ genau bestimmten Feldern entrichtet werden. (Das Urbarium kann als Vorläufer unseres heu­ tigen Grundbuches bezeichnet werden.) Vom Novalzehnten: Wurde auf der Gemarkung einer Gemeinde Wald gerodet, um neues Ackerland für die angewachsene Bevölkerung zu schaffen, so legte man auf diese neuen Felder einen „neuen Zehnten“, den man „Novalzehnten“ nannte. Diese Bezeichnung wird verständlich, wenn man weiß, daß „neu“ auflateinisch „novus“ heißt. Im Laufe der Zeit wurden in den meisten Ortschaften unseres Heimatraumes der Blut-, Fleisch-oder Viehzehnte in alljährliche Geld­ zahlungen umgewandelt. Der Korn-und der Heuzehnte war für die Zehntherren von großer Bedeutung, brachte er ihnen doch große Gewinne ein. Für die Bauern und Tagelöhner aber, die Kornfelder und Wiesen als Eigentum oder als Lehen besaßen, bedeuteten die Zehnten eine große Belastung. Die Zehntherren be­ saßen in jeder Ortschaft, in der sie zehnt­ berechtigt waren, eine Zehntscheuer und einen „Zehntvogt“. Der Zehntvogt-er war meistens ein von der Herrschaft gegen Be­ zahlung aufgestellter Bauer der jeweiligen Ortschaft -hatte darüber zu wachen, daß der Zehnte von allen Bauern und Tage­ löhnern des Dorfes, die der Zehntpflicht

unterlagen -gerecht abgeliefert wurde. War die Fruchternte im Gang, so hatte jeder Feldbesitzer, der Frucht anbaute, vor Abfuhr seiner Fruchtgarben jede zehnte Garbe umzu­ werfen und dann, wenn er seine eigenen Garben in seine Scheune abgefahren hatte, diese ,,Zehntgarben“ an seinem Feldrand zusammenzustellen. Unter Aufsicht· des ,,Zehntvogtes“ wurden dann im Rahmen des „Frondienstes“ die herrschaftlichen ,,Zehntgarben“ in die herrschaftliche ,,Zehnt­ scheuer“ gefahren und so lange aufgehoben, bis die Herrschaft sie an einen Händler ver­ kaufte. Die der Kirche, dem Ortspfarrer, zustehenden Zehntgarben, wurden in die „Pfarrscheune“ gefahren. W eiche Felder dem ,,Pfarr-und nicht dem herrschaftlichen Zehn­ ten“ unterstanden, konnte ebenfalls im ,,Urbarium“ nachgelesen werden. Wie wir aus Urkunden fast aller Ort­ schaften unseres Heimatraumes erfahren, waren nicht alle Felder dem µhnten unterworfen“. Äcker, die einen schlechten Boden besaßen, oder solche, die an Unter­ tanen vergeben waren, die für die Öffent­ lichkeit arbeiteten, wie beispielsweise Schul­ meister, Hebammen und Geistliche -um nur einige zu nennen – waren oftmals zehntfrei. Auch nicht alle Wiesen, aber dennoch die meisten, unterlagen dem Heu- und dem Öhrrtdzehnten. Wiesen, die an Bächen lagen, meist überschwemmt und fast immer feucht waren, wurden vom Zehnten befreit. Auch bei den „Heu-und Öhmdzehnten“ hatte der µhntvogt“ darüber zu wachen, daß jede „zehnte Heuschoche“ (Heuhaufen von bestimmter Größe) auf der Wiese nach dem Heuen und dem Öhmden abgestellt werden mußte. Von der Ablösung des Zehnten Zur Zeit der Säkularisierung und Mediati­ sierung hatte besonders auf dem landwirt­ schaftlichen Sektor eine Periode gewaltiger Umstellungen begonnen. In der Landwirt­ schaft hatten sich die Landwirte aus Gründen der Ertragssteigerung und des Anbaues von Nutzpflanzen, die in unserer Heimat bisher unbekannt waren, von der Dreifelderwirt­ schaft (Fruchtwechselanbau) auf die ver­ besserte Dreifelderwirtschaft umgestellt. Ferner ging man von der Weidewirtschaft zur „Stallfütterung“ über. In den Regierungen der deutschen Länder, auch im Ministerium des Großherzogtums Baden in Karlsruhe, saßen Männer, die die Erträge der Landwirtschaft unter allen Um­ ständen erhöhen wollten. So erkannte man auch, daß neben dem Lehenswesen auch das Zehntwesen nicht mehr zeitgemäß war. Wollte man im europäischen Konkurrenz­ kampf der Wirtschaft Schritt halten, so mußte man auch im Lande Baden das Lehen­ und das Zehntwesen abschaffen. Darin war sich die Regierung mit der Landbevölkerung einig: die alten Zöpfe mußten verschwinden, das Zehntwesen war nicht mehr zeitgemäß. Aber ebenso war man sich darin einig, daß mit der µhntablösung“ die Zehntherren durch eine einmalige ,,lahlung an Geld“ abgefunden werden sollten. Aber die Ver­ handlungen darüber benötigten leider einige Jahre, so daß in den Ortschaften der Baar die Zehntablösungen erst in der Zeit von 1824 bis 1848 vorgenommen und abge­ schlossen werden konnten. Wenn Sie nun, verehrter Leser, bei Aus­ flügen und Wanderungen die alten, schönen Zehntscheuern der Baar und des Schwarz­ waldes bewundern und bestaunen, mögen Sie an das denken, was Sie soeben gelesen haben. Paul Willirnski Worte des anderen Wassertropfen die fallen in die Erde meiner Seele bereitet zu empfangen und hervorzubringen Frucht des Verstehens Friederike Siek 127

Herbst im Ried König Winter Grau hängt der Himmel über dunkles Ried. Moorwasser gurgelt. Eilig flieht durch feuchte Gräser ein Reptil. Mit welken Blättern treibt der Wind sein Spiel. Der See: ein Auge ohne Glanz, kein Wellenschlag, kein Mückentanz. Es stürzt im Forst, was morsch und krank. Es fault und stirbt, was niedersank. Die Trauer horstet in den Tannen, die dicht sich über Stille spannen … Doch da, ein Tirilie, ein Lied, blüht zaghaft auf in Busch und Ried. In Herbstweh und voll Abschiedsschmerz vibriert ein kleines Vogelherz … Aus kühlem Moor quillt Nebelwatte. Drinn wuschelt eine Wasserratte, verschwindet irgendwo im Sand … Das Leben geht in Ruhestand. FranzJenrich t Bizarr steh’n die Eiswolken oben, märchenschön glitzert der Wald, die Sonn‘ ist ‚gen Süden gezogen, es ist bitterkalt. Unter allen Schritten knirscht der Schnee, der Wind sticht mir ins Gesicht, ganz erstarrt liegt Wald und Feld und See, Wärme gibt es ni’cht. Ich wander‘ müd‘ nach Haus‘ zu Feuer, draußen klirret jeder Laut, Tannenduft zieht durch mein Gemäuer, der Frost draußen baut. Weiße Schlösser stolz am Himmel steh’n, mit Brücken zu den Bergen, weiße Himmelsrösser kann man seh’n, Wagen mit Zwergen. König Winter, der regieret jetzt, sein Mantel aus Schnee und Eis, auf den Thron hat er sich gesetzt, und alles funkelt weiß. – Petra Presley 128 Die Heimat in Farben Auf den acht nachfolgenden (nicht nume­ rierten) Seiten des Almanach 82 bringen wir acht Farbreproduktionen. Die hier veröffent­ lichten Motive (der Bildautor jeweils in runder Klammer} haben folgende Titel: 1. Herbstfarben am Kirnbergsee (Lorenz Honold, Donaueschingen) 2.Rauhreif in der Ostbaar (Otto Huber, Donaueschingen} 3.Winter im Groppertal bei Villingen (Fred Hugel, Villingen) 4. Frühjahr im „Paradis“/Schönach (Foto-Sehmieder, Schonach) 5. Vorsommer beim Römerbad/Hüfingen (German Hasenfratz, Hüfingen) 6.Furtwanger Tracht, beim Schwarzbauernhof (Foto-Maier, Furtwangen) 7. Wirtshausschild „Zum Falken“, Schönwald (Herbert Dold, Schönwald) 8.Saisonausklang am Riedsee bei Donaueschingen (Foto Grill, Donaueschingen)

Denkmalpflege, Stadtsanierung Die Pfarrkirche zu Riedböhringen in neuem Glanz Erfreuliches Ergebnis einer Renovierung im Stil des Rokoko Riedböhringen, in den frühen Urkunden Behringen genannt, ist ein alter aleman­ nischer Ort, doch datiert die früheste urkundliche Nennung ziemlich spät, 1275. Eine Kirche mit Seelsorge ist dabei erwähnt. Diese Kirche muß eine Kaplanei des Klosters Reichenau bzw. Schienen gewesen sein. Das ist zu schließen aus dem Namen des Kirchen­ patrons, des heiligen Genesius. Er ist weit­ gehend unbekannt, aber eine Erzählung von seinen Wundertaten kommt im karolin­ gischen Reginbert-Codex des Klosters Reichenau vor. Im 6. Jahrhundert brachte ein aleman­ nischer Edelmann Reliquien des Heiligen zu seiner Eigenkirche, einer Michaelskapelle auf dem Schiener Berg. Diese Kapelle wurde wenig später zusammen mit ihren Reliquien in das von der Reichenau gegründete Kloster Schienen übernommen, das dann wohl die Kaplaneikirche Riedböhringen ausstattete. Das Dorf gelangte 1392 als Lehen an den Grafen Friedrich zu Fürstenberg. Die Kirche war seither fürstenbergische Patronatskirche. Sie ist Heimatkirche S.E. Kardinal Beas. Der Kirchenbau ist ein Ergebnis verschie­ dener Zeiten. Man sieht schon von außen, daß der Bau aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt ist. Da ist zuerst der hohe massige Turm, dann der Chor und zuletzt das Langhaus, das viel höher ist als der Chor und dessen Dach eine ungewohnte Form aufweist. Der Turm trägt über dem Pförtchen die Jahreszahl 1498. Seine Formen sind spät­ gotisch: die Türe, die Gesimse, welche die Stockwerke trennen, die Fensterform, das Maßwerkfenster. Er war sicher al,ch ein Wehrturm. Seine besondere Höhe (fünf Stockwerke) weist daraufhin, ebenso wie die Schieß-Scharten im mittleren Stockwerk. Der Unterbau des Turmes könnte jedoch älter sein. Die zugehörige Kirche ist als ein einfacher spätgotischer Bau zu denken, so wie wir ihn abgebildet sehen auf der rechten unteren Ecke des Deckenbildes im Chor.Noch heute zeigt der Chor das gotische Gratgewölbe ohne Rippen und mit Stichkappen über den Fenstern. 1752 wandte sich Pfarrer Franz Anton Wunderle mit einer Bittschrift (im F.F. Archiv Donaueschingen) an den Patro­ natsherm. Er berichtet darin drei Mängel an seiner Kirche: Der Chor sei nieder, finster und »schwermüthig“, der Chorbau möge auf­ gestockt werden, auch seien die Fenster zu klein und der Hochaltar immer noch nicht 129

bemalt. Es finden sich in den weiteren Akten im F.F. Archiv Abrechnungen von Schreinern, Glasern, Faßmalern, doch ist von einer bau­ lichen Veränderung am Chor nicht die Rede. Der Hochaltar wurde „gefaßt“, d.i. bemalt und die Fenster vergrößert. Statt einer größeren baulichen Veränderung erfolgte eine Stuckierung des Chor-Raumes im Zeit­ stil (Rokoko) und die Anbringung eines Deckenbildes. Merkwürdigerweise schwei­ gen die Akten darüber. Das Bild selbst ist jedoch signiert mit dem Namen des Malers Johann Pfunner. Thieme-Beckers Lexikon der bildenden Künstler nennt Schwaz bei Innsbruck als seinen Geburtsort. Er gilt als einer der am meisten beschäftigten Kirchen­ maler im Breisgau. Das Bild in Riedböhringen stellt die Auf­ nahme Mariens in den Himmel dar. Der unterhalb der Mariengestalt über dem Dorf Riedböhringen schwebende Heilige könnte als der Titelheilige Genesius gedeutet werden. Die restlichen Teile im Chorgewölbe sind bis auf vier mit Grisaillen ausgefüllt. Sie sind spätere Zutaten, da ihr Stil auf einen „naza­ renischen“ Maler hinweist. Ihre Themen decken sich, wenn man Gewölbebild und Hochaltarblatt hinzuzählt, mit den fünfzehn Geheimnissen des Rosenkranzes. Die Kirche besaß zwei barocke Seitenaltäre mit Haupt­ figuren um 1910 und eine schöne Kanzel aus dem 17.Jahrhundert. 1911 erfolgte der Neubau des heutigen Langhauses. Man beauftragte damals den Karlsruher Bildhauer Wilhelm Füglister mit der Ausführung einer dem Chorraum ange­ glichenen Stuckierung des neuen Kirchen­ raumes. Füglister hielt sich streng an die Vorbilder des blühenden Rokoko. Wohl zur Angleichung geschah eine Überarbeitung des Stucks im Chor. Auch legte Füglister die Umrahmungen für spätere Deckenbilder im Langhaus fest. 1979/81 wurde die Kirche renoviert. Zwar beließ man den Baubestand, veränderte den Chorraum jedoch insofern, als man ein bisher mit Bänken gefülltes Zwischenstück zwischen Langhaus und Chorbogen zum 130 Rokokoomament im Chor des restaurierten Gotteshauses Chor hinzunahm, wobei man das Boden­ niveau mittels einiger geschwungener Stufen zum Altar hin ausglich. Der Altarraum wurde damit optisch wesentlich vergrößert und praktisch den liturgischen Bedürfnissen besser angepaßt. Seitenaltäre und Kanzel sind entfernt. Die Kanzel soll jedoch im jetzt erweiterten Chorraum links wieder ange­ bracht werden. Zwei barocke Heiligenfiguren, St. Petronella (oder Verena?) und St. Seba­ stian von den Seitenaltären fanden über den Seiteneingängen eine neue Aufstellung. Die Orgelempore ist dem Raum neu eingepaßt und trägt auf der Stirnseite fünf Felder mit Musik-Emblemen. – Die um 1910 ent­ standenen Fenster des Langhauses wurden belassen, da sie unauffällig wirken, der Chor erhielt jedoch neue Fenster in Butzen­ scheiben-Verglasung. Das Schwergewicht der Renovierung lag jedoch im Bereich des Stucks und der Farbe.

Für das erstere sorgte die Fa. Stiller, für das letztere Restaurator Panofsky, der auch den Stuck in Obereschach renovierte und die Fresken in Mistelbrunn und Grüningen konservierte. Die schwierigste Aufgabe stellte der Chor­ raum. Hier war der Stuck, den wahrschein­ lich ein Mitarbeiter Johann Pfunners schuf, beim Anbau 1910 entstellend überarbeitet worden, um eine Verbindung mit den neuen Stuckarbeiten im Langhaus herzustellen. Alle diese Zutaten wurden nun in mühseliger Arbeit abgenommen, so daß jetzt der sehr qualitätvolle ursprüngliche Stuck das Dek­ kenbild und die Grisaillen in den Zwickeln umgibt. Es ist schönstes Rokoko-Ornament, leicht, plastisch, einfallsreich, spritzig … – Eine neue Zutat ist auch die Ausmalung mit Wolken-Motiven in je zwei Feldern zu beiden Seiten des ,,Auge Gottes“ über der Hochaltar­ spitze. Diese Felder waren bisher nur rosa getönt gewesen und . blieben bei der Aus­ malung des Chors durch Pfunner leer, so wie auch die Felder mit den genannten Grisaillen. Der Stuck im Langhaus von Wilhelm Füglister war ziemlich unbeschädigt ge­ blieben. Er unterscheidet sich heute mehr als früher vom Chor-Stuck. In vorzüglicher handwerklicher Arbeit verwendete Füglister als Grundmotiv ausschließlich die Roccaille und zwar in einer flachen, fast zeichnerischen Ausführung. Die Engelsköpfchen am unteren Rand der Deckenwölbung wurden belassen. Sie verraten am augenfälligsten, daß der Stuck nicht in der Zeit entstand, die er vortäuscht. In der Decke erinnert jetzt ein neues Fresco an Kardinal Bea. Einigend wirkt heute besonders die vor­ züglich gewählte Farbigkeit des gesamten Raumes. Den Grundton bildet ein lichtes Creme, auf das das bekannte Altrosa beson­ dere Akzente setzt. Sparsam ist auch ein lichtes Grün da und dort hingetupft und dazwischen sind kaum merklich Zwickel in einem hauchdünnen Grau gesetzt. Der Stuck selbst ist rein weiß und wird durch die unterlegte Farbigkeit hervorgehoben. Erfreuliches Ergebnis einer Renovierung! Untergeschoß des Wehrturms in Riedböhringen mit dem Datum: 1498 Es zeigt uns, daß das unglaubliche Finger­ spitzengefühl des Rokoko auch heute noch vorhanden ist und daß das einst so blühende und fast erloschen geglaubte Talent der Stukkatoren noch lebt. Dr. Erna Huber Kinder ,,_ “ Kinder spiel’n im Regen, Kinder spiel’n im Schnee, Kinder auf allen Wegen, der Winter sagt ade. Kinder spiel’n im Garten, Kinder spiel’n vorm Haus, mußt nicht mehr lange warten, der Frühling, der bricht aus. Kinder auf allen Straßen, Kinder überall, Kinder mit roten Nasen sie machen viel Krawall! Petra Presley 131

Der Reinertonishof in Schönwald-Schwarzenbach bis vor wenigen Jahren noch, im Oberort, neben dem im Almanach 1978 behandelten Kienzler-Hansenhof das älteste Heidenhaus des Schwarzwalds, das i. J. 1509 erbaute „Höfle“; weiters drei noch ziemlich unverän­ derte Heidenhöfe im Baslertal und im Schwarzenbach noch um die fünf. Der Reiner­ Tonis-Hof im Schwarzenbach ist, nach Alter und geschichtlichem Baubestand, der bedeu­ tendste im ganzen Kreisgebiet. Die Hofgeschichte (nach Richard Dorer „Schönwald in Ver­ gangell?eit und Gegenwart“) besagt, aus­ zugsweise: Hof-Name von Anton Kuner, dem Sohn der Rosine Reiner, dem „Reinertoni“, Besit­ zer XI. Hof-Name zuvor „Reinerhanishof“ nach Hans-Martin Reiner, dem „Reinerhanis“, Besitzer IX. Auf den Höhen des mittleren und südli­ chen Schwarzwalds, im ehemals vorderöster­ reichischen oder fürstenbergischen Herr­ schaftsbereich der heutigen Kreise Breisgau­ Hochschwarzwald, Schwarzwald-Baar und Emmendingen, ist das bäuerliche „Heiden­ haus“ der hier ehemals allein herrschenden Feld-Gras-Wirtschaft daheim. In unserem Kreis ist es – wie wir einfach sagen – „der Wald“: das Q!iellgebiet von Brigach und Breg, Elz und Gutach, zwischen Kesselberg, Brend und Rohrhardsberg. Eine jüngere Form dieses Höhenhauses haben wir im Almanach 1979 besprochen. Heute wollen wir eines der wenigen fast urtümlich erhalte­ nen Häuser der älteren Urform betrachten. Im Q!iellgebiet der Gutach, zwischen Stöcklewald-Escheck und Triberger Wasser­ fall, das heißt im Ortsgebiet von Schönwald mit den Ortsteilen Oberortffiefenbronn, Baslertal, Hölltal und Schwarzenbach, stand 132

Hof-Name vor 1800 „Seplishof“ nach Joseph Kaltenbach, Besitzer VIII. Das Bauernhaus ist erbaut, laut Inschrift am Bug, 1619 (MDCXIX). 1825: Bauernhaus, Speicher, Backküche, Hausmahlmühle (lt. Erlaubnis von 1789 erbaut), Garten, Feld und Wald. In einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1809 wird der Bauer als „Halbbauer“ bezeichnet. Es ist nicht ersichtlich, wo die andere Hälfte lag (beim geschlossenen Besitz), ebensowe­ nig, wohin sie in der Zwischenzeit kam: viel­ leicht zu dem ehemaligen, wenige hundert Meter talaufwärts gelegenen Elzhof, von dem nur noch Spuren da sind. Lebensträger oder Besitzer 1. um 1564 Elbing, Martin, zieht dann nach Furtwangen. II. um 1608 Elbing, Jacob. III. vor 1654 Elwing, Martin (Elbing). IV. um 1654 Elwing, Margaretha, Tochter des Martin, 1. Ehe mit IVa Kaltenbach, Gallus vom Reinerhof ob der Kirch. IVb N eininger, Michael, 2. Mann der Marg. Elbing, von Oberguten, Witwer. V. nach 1700: Walter, Thomas vom Schnei­ derjockenhof. VI. nach 1720/1742 Walter, Thomas „ Thu­ meli“, 1. Kind des Thomas. VII. 1742 Walter, Joseph, 9. Kind des Tho­ mas,,, Thumelissepp“, mindestens vor 1757. Er vertauscht sein Hofgut mit dem 3. Hof in der Priesen (,,Priesenfideli“). VIII. von ?-1804 Kaltenbach, Joseph – ,,Sepli“ – vom Priesenfidelishof. IX. 1804-1832 Reiner,Johann Martin – ,,Rei­ nerhannis“ – vom Reinerhof im Katzensteig. X. 1832-1870 Reiner, Rosina, 5. jüngstes lebendes Kind des Hans, 1. Ehe 1832 mit Kuner,Johannes vom Vogtstonishof, 2. Ehe 1869 mit Barbara Vogel vom Vogelhof, Wwe. (dreimal verheiratet). XI. 1870-1904 Kuner, Anton – ,,Reinertoni“ – 6. Kind, jüngster Sohn des Johann. XII. seit 1904 Kuner, Albert, 2. Kind des Anton, geb. 1877. XIII. seit 1950 Kuner, Anton, geb. 25. 4.1909, gest. 14. 5. 1979. XIV. seit 1974 Kuner, Manfred, geb. 5. 4. 1939, gest. 10. 7. 1979. XV. seit 1980 Duffner, Lucas, geb. 6. 9.1929. Ein Häuslein steht auf diesem Hofgut nicht. Man sagt, daß das am anderen Talhang gelegene Häuslein, der „Lebtig“, einst zum Reiner-Tonis-Hof gehört habe. – (Soweit der Auszug aus der Dorer’schen Hofgeschichte). Die Lage Ein weites, flaches Hochtal mit vorherr­ schendem – teilweise sumpfigem – Grasland und Wald, noch heute stellenweise – ehemals vollständig – übersät mit großen, rund geschliffenen Granitwacken; karg und streng, mit nur wenigen Höfen und Häus­ lein, welche die gleich den Zinken eines Kamms gegliederte Talflur eigentümlich beleben. Etwa in der Mitte des Tals duckt sich das mächtige, windschlüpfige, tiefherabgezo­ gene Walmdach des Reinertoni, mit Speicher und Mahlmühle in die Talmulde. Die Hausform Beim Näherkommen erkennt man ein Heidenhaus der älteren Art. ,,Die Stube am Berg“, das heißt, nur durch den offenen Schopf vom Berg getrennt, darüber die Hocheinfahrt, den Stall zum Tal; zwischen Stall und Stube den Hauseingang und darü­ ber, über fast die ganze Längsseite, vom weit vorspringenden Dach wohlbewahrt, der Außengang mit den Türen zu den Räumen im Obergeschoß. Durch die (ehemals in der Höhe zweige­ teilte) Haustür betritt man, im Erdgeschoß, den etwa 2,5 m schmalen, durchlaufenden Hausgang mit der Hausstiege: Gleich rechterhand liegt die Wohnstube; in deren linker Innenecke der Kachelofen mit Ofenbank und Ofenstängle, in der ande­ ren Innenecke der „Stegekaste“ mit der stei­ len, erstaunlich gut gangbaren Stiege zur Schlafstube des Bauern, und in der Außen­ ecke zum Schopf, schräg gegenüber den 133

erwähnte, nur von der Küche aus zugäng­ liche Rauchkammer. Dahinter, über dem Altenstüble liegt, am gleichen Hausgang, die Schlafstube des Alt­ bauern mit Kammer und der bereits erwähn­ ten eigenen Stiege. Vier an der Eingangs­ Längsseite liegende Kammern sind über den Außengang erreichbar. Dahinter liegt der vom Hausgang zugängliche Heustock. Das Hausgerüst besteht aus 5 Qyerge­ binden, nämlich: 1.) im Stallteil: drei in sich quer und unter sich längs starrver­ bundene Hochsäulenbinder mit jeweils fünf Säulen ( davon eine Firstsäule, zwei Hochsäu­ len und zwei Wandsäulen) die alle vom Fun­ dament (Sehwellrost) bis zur Dachfläche jeweils in einem Stück durchlaufen und zusammen mit vier versteifenden Qyerrie­ geln, den Stallteil des Hauses in 2,5-4 m schmale Streifen unterteilen; und 2.) im Wohnteil, oberhalb des „stockhohen“ (d. h. ungesto­ ßen-zweigeschossig durchlaufenden) Wand­ aufbaus der Geschosse, im Dachraum, zwei liegende Dachstühle (-„Dachwölfe“), die den Dachraum frei überspannen und in bei­ den Wohnteilgeschossen freiere Grundriß­ einteilung erlauben, weil sie, anders als die Dachkonstruktion im Stallteil, keine starre Einheit mit der Konstruktion des Geschoß­ baues bilden. Von den drei ursprünglich vor­ handenen Nebengebäuden sind noch vorhanden: 1. Der Speicher einer im Qyerschnitt 5- eckigen Kiste, deren senkrechte Umfassun­ gen aus 80 mm dicken Bohlen (,,Flecklin­ gen“) kunstvoll gefügt sind, mit Dachschrä­ gen aus gekämmten und genuteten Dielen. Er steht, teils zum Schutz gegen Mäuse, teils zum Ausgleich des Hanges, auf Holzpflök­ ken und ist über eine schmale Treppe zugänglich. 2.Die Mahlmühle mit noch genutztem, urtümlichem Mahlwerk. Was noch besonders zu bemer­ ken ist: Kachelofen, der große Tisch mit Eckbank vor dem Herrgottswinkel mit einem kleinen Marterkreuz. Vom Hauseingang aus erreicht man, hin­ ter der Stube, die-vollkommen fensterlose­ Rauchküche mit der offenen Herdstelle und dem Rauchgewölbe -„Gwölm“ -und der nur auf einem leichten Bretterboden über eine Leiter begehbaren Rauchkammer. Zuhinterst am Hausgang liegt das Alten­ stüble, mit eigener, in einer Hausgangnische davor eingebauter Treppe, die auf dem kür­ zesten Weg zum Alten-Schlafstüble des Obergeschosses führt. Talseitig schließen an den Hausgang die Tenne, und, danach, Stall, Futtergang und Stall an. Ins Obergeschoß gelangt man vor allem über die allgemeine Treppe (,,Stege“) im Hausgang. Da findet man, über der Stube, die Schlaf­ kammer des Bauern, die einen zweiten Zugang von der Stube aus („Stegekaste“) hat; dahinter liegt, über der Küche, die oben 134

Dieser Hof zeigt – abgesehen von einigen Altersschäden und ganz wenigen artfremden Instandsetzungen oder Ergänzungen – im Wesentlichen noch unverfälscht die erstaun­ liche Bau- und Handwerkskunst der alten Zimmerleute, die hauptsächlich oder allein das Beil oder das Messer als Werkzeug und nur Holz als Werkstoff benutzten- auch für Tür- und Torbeschläge und andere Ausbau­ teile oder Geräte, wie: hölzerne Türangeln und -bänder, Holznägel- und -zapfen, Holz­ gitter, -rechen, -wagen, -karren, -pflüge und – eggen, oder Kübel, Schnitzböcke, Stößel und Stampfer, oder andere Brech-, Mahl- und Kochgeräte – alle aus Holz. Einige Außentüren zeigen – ähnlich allen Heidenhäusern – eingeritzt: die Kirche, den Hirsch und andere, wohl meist heidnischem Erbgut zugehörige Ritzzeichnungen: Dar­ stellungen mythisch-geometrischer Formen, wie etwa den aus 2 Dreiecken gebildeten Vierstern oder Sechsstern, oder den in einem Zug gerissenen 5-Stern (Drudenfuß oder „Schrättelesfuß“) oder 7-Stern; den 8-Spitz oder das Hexenkreuz und den Teufelskno­ ten und andere Zeichen. Auf dem Dach sitzt, etwa in Firstmitte, ein Dachreiter: ein verwitterter Stock, der, nach oben verjüngt, im unteren Teil noch Reste einer ehemals vollständigen Schindelverklei­ dung zeigt: Vermutlich Gedoch noch nicht eindeutig erwiesen) ebenfalls heidnischem Mythos zuzuzählen. Die fensterlose Rauchküche mit dem Gewölbe und offener Herdstelle ist ziemlich unverändert erhalten: die Rauchkammer ist voll von Speckseiten, Schinken und Wür­ sten, und im ganzen Haus hängt – wie ehe­ mals in jedem Schwarzwaldhaus – der Geruch von kaltem, würzigem Fichtenholz­ Rauch. Aus der tagsüber einst so stillen Stube hört man jetzt häufig fröhlich-laute Sprüche, die nur vom Neckar, Main und Niederrhein, oder sonstwo nördlich her, stammen kön­ nen: Feriengäste, die dem Speck, den Wür- 135

ziemlich großen Altersschäden, insbeson­ dere des Daches und für die Herrichtung des Stalls und der Schlafkammern -auf Unter­ stützung mit öffentlichen Mitteln angewie­ sen. Es mag Leute geben, welche die Erhaltung eines nach heutigem Betriebsverständnis ,, veralteten“ Hofes als vermeintlich nicht ver­ tretbar ablehnen. Dagegen ist zu sagen, daß die Erhaltung und Pflege der alten Schwarzwaldhöfe zu der wichtigen -uns allen gestellten -Aufgabe gehört, überliefertes Kulturgut zu bewahren, damit wir nicht den Grund verlieren, auf dem wir stehen und vergessen, woher wir kommen und was für Leute oder Volk wir sind. In unserem Falle bringen Aufwand und Mühe um diesen Hof außerdem noch Gewinn und Freude: nicht nur dem Bauern, sondern auch den vielen jungen Familien, die jahraus, jahrein im alten Bauernhaus ein­ und ausgehen. Berthold Haas sten oder dem „Chrisewässerle“ des „Reiner­ toni“ Lukas Duffner zusprechen und deren Kinder auf dessen Ponypferdchen reiten, die jetzt -statt einst die Kühe -im Stall stehen. Hinter allem lauten Betrieb, den der Bauer kraftvoll beherrscht, waltet -stiller, doch um nichts weniger wirksam -die Bäuerin. Gewiß ist es traurig, daß der Reinertonis­ hof -einer der ältesten im „ Wald“ -wegen des vorzeitigen Todes des ursprünglichen Hofbauern -so geteilt werden mußte, daß Haus und Nebengebäude nebst Hofraite vom gesamten Hofgut abgetrennt und ver­ kauft, Feld, Wiese und Wald aber mit der benachbarten Heimat der früheren Hof­ bäuerin vereinigt wurden. Dennoch scheint die aus der Not entstandene Lösung die best­ mögliche zu sein: Ist doch der heutige Bauer sich seiner Verantwortung für dieses einzig­ artige Haus bewußt und darum bestrebt, den alten Reinertonishof ursprünglich zu erhal­ ten. Dazu ist er freilich -wenigstens für die Instandsetzung der vordringliche leider Auch Rückbesinnung auf die VergangenheitNon Karl Rudolf Schäfer Es trifft sicherlich zu, daß der fortgezogene Schwenninger bei einem Besuch in seinem ehemaligen Heimatort einige Mühe hat, sich in ihm zurechtzufinden. Das gilt nicht nur für die immer weiter in die Feldmark vor­ gerückten Außenbezirke, das gilt fast mehr noch für das Zentrum, das Herz des Ortes, die Muslen. In der Erinnerung des Fortge­ zogenen trägt sie ausgesprochen dörflichen Charakter, und nun trifft er unversehens auf einen Mittelpunkt städtischer Prägung mit Bürgerhäusern, wie sie in Schwenningen niemals vorhanden waren und wie sie von Städteplanern und Städtebauern erst einmal als Pendant zu den spärlichen Resten aus alter dörflicher Zeit, zu Pfarrhaus und Heimatmuseum, vielleicht auch noch zur alten Stadtapotheke zu „erfinden“ waren. In der Tat: Noch nach dem letzten Kriege lagerten sich zwischen dem Hotel „Rößle“, dem einstigen Treffpunkt des gesellschaft­ lichen Lebens, und dem Bärenplatz entlang der ansteigenden Straße stattliche Bauern­ höfe, direkt konfrontiert mit dem Komplex einer Uhrenfabrik im Norden und einer damals noch etwas schütteren Reihe von Ladengeschäften im Süden.Jetzt hat sich nur diese aufgefüllt und verdichtet, die Bauern­ häuser sind samt und sonders verschwunden und mit ihnen auch jene Fabrik, die über mehr als ein Jahrhundert lang den Namen eines der Pioniere der Uhrenindustrie ge­ tragen hat. Mag sein, daß dieser oder jener Fort­ gezogene „sein Schwenningen“ nicht mehr zu finden vermochte und ob des verloren- Schwenningens neue Mitte 136

Kernstück der neuen Schwenninger Mitte ist der Muslenplatz, um den sich das Alt-Schwenninger Ensemble Pfarrhaus, Heimatmuseum (früher Lehrerwohnung), Stadtapotheke und die neuen Gebäude der Stadtbibliothek und der ladenz.eile gruppieren gegangenen Erinnerungsbildes aus früheren Zeiten auch enttäuscht war. Er hat halt nicht daran gedacht, daß sich speziell an der Muslen auch der Gang der Zeit in Dorf und Stadt nachzeichnen läßt. Zu den großen, fachwerkgeschmückten Bauernhöfen gesell­ ten sich schon im letzten Jahrhundert die Häuser der Handwerker und Händler, und nach 1900 rückte die Industrie mächtig und unerbittlich als neue und wichtige Erwerbs­ quelle in die alte dörfliche Mitte vor. Daß diese Mitte nicht mehr zu rekonstruieren war, liegt auf der Hand, daß dennoch manche Idylle erhalten und in ein gesundes Spannungsverhältnis zu dem Neuen ge­ bracht werden konnte, das beweist das Alt­ Schwenninger Ensemble am Muslenplatz, das beweist aber auch der der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Mauthepark. Das ist wohl richtig verstanden worden. Denn immer häufiger begegnet man in der Muslen Schwenningern, die ihrem Besuch das neue Zentrum vorstellen und dabei wohl auch ein bißchen jüngere Ortsgeschichte mit einfließen lassen. Denn da, wo jetzt der erste Block mit Wohnungen und Ladenge­ schäften und die neue Stadtbiblioth�;unMus­ lenplatz stehen, waren vorher die ‚letzten Bauernhäuser im Stadtgebiet angesiedelt. Und dort, wo einst der peuere Teil der Mauthe’schen Uhrenfabriken emporragte, ist jetzt ein Kaufhaus anzutreffen. Zur Laden­ zeile an der südlichen Muslen haben sich jetzt rund um den Muslenplatz mehr als ein Dutzend kleinerer Geschäfte, zwei Kauf­ häuser und zwei gastronomische Betriebe hinzugesellt, und weitere Einrichtungen im Dienstleistungsbereich, glücklicherweise 137

aber auch weitere Wohnungen kommen in allernächster Zeit im Bereich des Muslen­ platzes und an der Peripherie hinzu. Wenn alles einmal fertig ist, wird es in der Schwen­ ninger Muslen eine Konzentration von Ladengeschäften und Kaufhäuser der unter­ schjedljcbsten Art, wird es viele Ecken und Winkel geben und damit auch die besten Voraussetzungen, sich dort zu treffen, zu begegnen, zu informieren, zu verweilen oder auch bloß umzuschauen. Freilich, dje Schwennmger warten das nicht erst ab, sie haben sich längst mit ihrer Muslen angefreundet und sie sozusagen „in Besitz genommen“. Die beinahe spontane Zustimmung nach zunächst einmal ab­ wartender Zurückhaltung zeigte sich schon bei der offiziellen „Eröffnung“ im Herbst des Jahres 1980. Und seither hat sich der Muslenplatz schon des öfteren als groß­ artiger Schauplatz für manche Anlässe er­ wiesen, etwa bei der vom Marktplatz auf ihn verlegten traditionellen gemeinsamen Weihnachtsfeier der Bürgerschaft, etwa beim Stadtfest im Frühjahr 1981 oder auch beim Gautrachtenfest Ende Juni 1981. Daß er auch sonst und vor allem beim jüngeren Publikum geschätzt wird, das zeigt sich an warmen Tagen an den gut besetzten Tischen zwischen bunten Blumenkübeln vor einem Eiscafe, das zeigt sich aber auch daran, daß dieser Platz bei einem Stadtbummel fast auto­ matisch mit einbezogen wird. Nicht nur das Eiscafe kalkuliert damit, auch Kaufhaus und Ladengeschäfte ziehen gleich und rücken mit ihren aktuellen Angeboten nach und nach auf den Platz vor. Daß die Muslen nicht nur von den Schwenningern „angenommen“ wird, daß sie für viele Bewohner der Stadt Villingen­ Schwenningen und ihres Umlands bis hin­ über in den Raum Balingen und St. Georgen interessant ist, davon sprechen die Kaufleute, das verraten aber auch die Kennzeichen der Automobile, die sich an Einkaufstagen in der Innenstadt drängen und für die die Fertig­ stellung der begonnenen Parkhäuser und Parkdecks mehr als dringlich ist. Denn noch 138 jagt das gelegentliche Chaos manchem einen Schauder über den Rücken und manchen gar in die Flucht. Dennoch: die Erwartungen vornehmlich des Handels in die Attraktivi­ tät der neuen Schwenninger Mitte sind nicht enttäuscht worden, und das gilt denn auch für dje Stadtbibliothek samt der Kreis­ ergänzungsbücherei, für das neue evange­ lische Gemeindezentrum mit seinen mancher­ lei Funktionen, und das wird auch einmal für das Heimatmuseum gelten, wenn es neben sei­ nen Beiträgen zur Ortsgeschichte und neben seiner Glassammlung auch seine Uhrenaus­ stellunl! pr:i entieren kann. Nun läßt sich das, was in der Muslen an Neuem erstanden und an Altern wieder­ erweckt worden ist -das prachtvolle Fach­ werk des evangelischen Pfarrhauses beispiels­ weise -nicht ohne den größeren Rahmen einer städtebaulichen Entwicklungsabsicht begreifen, die darauf abzielt, den Schwen­ ninger Innenbereich zwischen einem vom Verkehr weithin befreiten Marktplatz über die untere Muslen mit dem Muslenplatz, über den Mauthepark bis zum Hockenplatz in der oberen Muslen neu zu ordnen. Dieser Bereich, vornehmlich dem Fußgänger zu­ gedacht, soll nicht nur als Einkaufszentrum Bedeutung haben, sondern auch all das fördern, was heutzutage unter dem Stich­ wort Kommunikation zu finden ist. Und er könnte attraktiv auch deshalb werden, weil in ihm neben Stadtapotheke, Heimatmuseum und Pfarrhaus am Muslenplatz, neben Vogts­ haus im Mauthepark sehr wahrscheinlich auch eine weitere Überljeferung aus dem dörffichen Schwenningen erhalten wird, ein Ensemble von drei alten Bauernhäusern und einer Fabrikantenvilla aus der Gründerzeit im Bereich der Straße Ob dem Brückle. Das Landesdenkmalamt will sich dafür ein­ setzen, private Initiative ist zugesagt, und Bauplanungen orientieren sich entsprechend. So ist es denn nicht auszuschließen, daß mit dem Werden einer neuen Scbwenninger Mitte, für dje die Muslen nur ein erstes, markantes Signal ist, auch dje Rückbesinnung auf eine lange Vergangenheit geweckt wird.

An der östlichen Peripherie Donaueschingens hat das Umdenken begonnen Donaueschingen – die Stadt derer zu Fürstenberg und der Ämter; die Baarmetro­ pole am Donau-Ursprung im raschen Kli­ schee des Betrachters als geruhsames Städt­ chen höfischen Zeremoniells und der Beamten: Noch immer hängen diese Attribute jener Stadt an, die vor einem] ahrzehnt im Zuge der vom damaligen Ministerpräsidenten Filbinger Jahrhundertwerk“ genannten Verwaltungsreform zwar sieben Stadtteile mit insgesamt 5000 Einwohnern hinzu­ gewann, gleichzeitig aber seinen nur 33 Jahre innegehabten Kreissitz verlor und beim Eingemeinden weder eifrig noch erfolgreich genug war, um die magische Grenze von 20 000 Einwohnern zu erreichen und, wenn schon ohne wirklichen Kreissitz, dennoch „Große Kreisstadt“ zu werden. Gestärkt und gleichzeitig am Nerv des bisherigen Selbstverständnisses getroffen, machte sich die Stadt nach dieser Einbuße an Zentralität daran, nach neuem Horizont zu suchen. Auch das Fürstenhaus widersetzte sich dieser Entwicklung nicht, sondern dachte seinerseits darüber nach, wie Tradi­ tionspflege und Fortschrittsdenken zu verein­ baren seien. Am „Sennhof‘ läßt sich, unter anderem, nachweisen, welche konkrete Aus­ formung sich aus diesem Denkansatz ergibt. Dieses Gebiet an der östlichen Peripherie der Donaueschinger Kernstadt ist nicht nur ein Stück Fürstenberger-Geschichte, sondern auch ein noch immer gut erhaltenes Terrain jenes Donaueschingen aus der Zeit der Kaiserbesuche, wie es dann zu großen Teilen in der Brandkatastrophe von 1908 in Schutt und Asche sank. Wer sich Donaueschingen so vorstellen möchte, wie es sich noch zu Be­ ginn dieses] ahrhunderts dem Besucher prä­ sentierte, ist keineswegs allein auf alte Postkar- F. F. Sennhof- Geschichte und Gegenwart Die F. F. Stallhalle an der Sennho.fitraße (um 1880 erbaut) 139

ten angewiesen: Die Sennhofstraße vermittelt ihm noch heute das Bild von gestern. Und der Sennhof von morgen soll in architek­ tonischer Kunst jene Synthese schaffen, an die nach dem Zweiten Weltkrieg allzu wenige Architekten wirklich kreative Gedanken ver­ schwendeten, als sie einfach den Bagger ließen und erst nach einem kommen vornehm „Flächensanierung“ getauften Totalabriß glaubten, ,,modern“ bauen zu können. Durchschreitet man den Sennhof von Süden her, passiert man zwei Entstehungs­ epochen: Zur Linken imponiert der um 1780 vom damaligen F. F. Baudirektor Franz Joseph Salzmann erstellte Marstall, den der Fürstliche Baurat AdolfW einbrenner wenige Jahre darauf ausgestaltete und der Pferde und Wagen der nahen Schloßbewohner aufuahrn. Erst ein Jahrhundert später wurde dieser Marstall ergänzt durch die von Fürst Karl Egon III. erbaute große Reithalle, die den Donaueschingern vor allem nach dem Ver­ lust ihrer Festhalle im Krieg zum Domizil für Feiern und Konzerte wurde; seit die Schäden eines Brandes ausgebessert waren, diente diese Halle den beim Donaueschinger Prinz-Kari-zu-Fürstenberg-Gedächtnis-Reit­ turnier startenden edlen Tieren als Unter­ kunft, bis sie nach dem Bau von Tribüne und Stallungen im Reitstadion auch in dieser Eigenschaft ausgedient hatte. Zwischen diesen beiden Bauten datiert die eigentliche Geburtsstunde jenes „Sennhof‘, den die Donaueschinger heute unter diesem Stadtteil verstehen; denn vor 172 Jahren erhielt die Stadt an der heutigen Spitalstraße ihr erstes Krankenhaus, das nach der Ein­ weihung des Städtischen Max-Egon-Kranken­ hauses in den zwanziger Jahren zum Wohn­ haus umfunktioniert und nach einem ver­ heerenden Brand 1975 schließlich abgerissen wurde. Dieser Abbruch gab die Initialzündung für eine generelle Sanierung im nördlichen Sennhof, wobei auf ,,historische Bauten“ noch nicht zu achten war; verschwanden dabei doch jene Baracken, die unklugerweise Asoziale und Obdachlose zu 140 im Dezember Dutzenden auf engem Raum konzentriert hatten. Einfach abgerissen wurde aber auch im östlichen Sennhof im Dezember 1980 nur, was an hölzerner Bausubstanz marode und überfällig oder an zwar formschöner, aber hier eben nicht mehr zu verwendender steinerner Konstruktion nicht zu retten war. Schafstall, Kuhstall und Schweinestall waren in wenigen Tagen ohne jedes denkmal­ schützerische Weheklagen beseitigt, wichen, um einem im Donaueschinger Stadtbauamt in Kooperation mit der F. F. Liegenschafts­ verwaltung erarbeiteten Konzept Platz zu machen, wie dieses Areal am beginnenden Ried nach der Sanierung zum Neubaugebiet werden kann, wobei das reiche Baumgrün nach übereinstimmender Maßgabe erhalten und die Neubauten darum herum gruppiert werden sollen; für jenen, der von Osten her über den neuen Inneren Ring oder die Fürstenbergstraße nach Donaueschingen hineinfährt, soll der neue Sennhof nicht nur nicht mehr den bisherigen alten, sondern von Anfang an einen fertigen neuen Eindruck machen und jenen tristen vermeiden, den zahllose Neubaugebiete auf Jahre hinaus durch ihr Defizit an Natur nun einmal bieten. Während im östlichen Sennhof Neues entstehen wird und dort im übrigen die Donaueschinger Narrenzunft „Frohsinn“ eines der erhaltenen Häuser umbauen und im 128.Jahr ihres Bestehens als erste eigene Zunftkammer einrichten wird, soll sich Neues auch im alten Gemäuer im Marstall des westlichen Sennhof tun. Dr. Ernst Wil):ielm Graf zu Lynar, dem Leiter der F. F. Liegenschaftsverwaltung und Chef der Fürstenberg-Sammlungen, schwebt schon seit einiger Zeit vor, hier zu konzentrieren, was historisch noch adäquater, von der Lage abseits von Kernstadt und Schloß freilich unbefriedigend auch in der 500jährigen Pfohrener Entenburg unterzubringen wäre: ein Museum, das die Fahrzeuge aufnimmt, die früher den Verkehr dominierten: Kut­ schen und Schlitten. Museumsstücke in

Die Geschichte eines Denkmals in Triberg Von Professor Horst Linde, Freiburg im Breisgau Zeiten der Autos -und, je nach Skepsis oder Zuversicht, vielleicht auch Gefährte der Zukunft. Fürs erste jedenfalls signalisiert diese Idee, von der man hoffen darf, daß sie sich ver­ wirklichen läßt, ein Denken im Fürstenhaus, das seit Jahren für die Stadt ohnehin typisch ist: die Geschichte darf nicht verleugnet, aber auch nicht um ihrer selbst willen konser- Es dürfte im Jahr 1931 gewesen sein, als die Stadt Triberg zum Andenken der im Ersten Weltkrieg Gefallenen ein ansehnliches Denkmal errichten wollte. Der Rat hatte als Standort eine exponierte Bergnase hoch über der Stadtmitte ausersehen, sichtbar von den Tälern und Höhen ringsum, mit dem Flurnamen ,,Kroneck“. Um möglichst qualifizierte Entwürfe für dieses Denkmal zu gewinnen, beschloß der Stadtrat, einen im damaligen Reichsgebiet offenen Bauwett­ bewerb auszuschreiben. Es war die Zeit, da die Arbeitslosigkeit beängstigend zunahm und Bauaufträge äußerst rar waren. Die Architekten pflegten mit dem Fahrrad die Baustelle aufzusuchen oder zu Fuß zu gehen. Aus diesem Grund waren viele an dieser Aufgabe interessiert, und an die hundert Arbeiten wurden bei der Stadt Triberg pünktlich eingereicht. Als ich von der Ausschreibung dieses Architektenwettbewerbs hörte, hatte ich gerade das Abitur in Baden-Baden ab­ solviert, und ich arbeitete am Bau in Vor­ bereitung des Architekturstudiums. Ich hatte schon früh vom Vater, der Architekt und Konservator gewesen war, das Aufmaß nehmen und das Zeichnen erlernt, so daß ich mich genügend befähigt fühlte, meine Gedanken zu Papier zu bringen. Besonders liebte ich das Zeichnen von Perspektiven. Das kam mir sehr zustatten bei der Dar­ stellung meiner Idee, die mir angesichts der viert werden. Vielleicht haben manche in Donaueschingen, auch sehr einflußreiche, zu lange daran geglaubt, daß früherer Ruhm und höfischer Glanz auf alle Zeiten urbane Qualität und weltläufigen Rang garantieren. Am Beispiel des neu werdenden alten Senn­ hofes läßt sich aber zeigen, daß das Um­ denken längst begonnen hat. Gerhard Kiefer exponierten Örtlichkeit und des hohen Baumbestandes ganz naheliegend erschien: Ich hatte die Vorstellung eines Turmes, der die hohen Tannen überragen sollte mit Aus­ sicht auf alle Teile der Gemeinde. Er könnte, so dachte ich, eine Glocke tragen, die immer dann zur Mittagsstunde läuten würde zum Jahrestag, an dem ein Triberger im Krieg gefallen war. Das Kriegerdenkmal auf der „Kroneck“ 141

vorhandenen Mittel reichten für die Ver­ größerung des Turmes nicht aus. Das Projekt blieb liegen. In meinem Unglück malte ich ein großes Plakat, auf dem sehr dramatisch der Turm dargestellt war, mit den Worten: „Triberger spendet für Euer Denkmal“! Es wurden Bau­ steine verkauft, und der Fabrikant Schwer spendete kräftig, so daß nach einigen Monaten trotz der Armut, die damals herrschte, das Geld für den nun größer geplanten Turm beisammen war. Nun aber tauchte eine zweite Klippe auf: Ich war noch nicht volljährig, und mein Vater erklärte schriftlich dem Bürgermeister Dr. Keil, er könne die große Verantwortung an meiner Stelle nicht tragen. Doch schnell wußte Dr. Keil einen Rat, mein Vater solle mir zur Seite stehen, er anerkenne dieses. Wievieles lernte ich in jener Zeit des Planens und Bauens in der rauhen Wirklichkeit der Praxis! Ich erfuhr die ersten tiefgreifenden Ängste um die Gestaltwerdung, ich erlebte das Unabänderliche eines Bauvollzugs, aber auch das Glücksgefühl des Wachsens eines Bauwerks. Darum denke ich noch heute, fünfzigJahre später, mit Dankbarkeit an den entschlossenen Mut des Bürgermeisters und des Stadtrats von Triberg, mir, dem jungen unerfahrenen Architekten den Auftrag zu erteilen. Heute wäre ein solcher Vorgang unvorstellbar. Als ich kürzlich Gast in Triberg war, saßen wir im „Wehrle“ zusammen. Wir kamen auf das Denkmal zu sprechen. Es schwiegen alle in der Runde, als Bürgermeister Vogt berichtete, auch heute noch läute die Glocke zum Andenken der Toten und der Stadtrat erhebe sich, um in Stille der Opfer des Krieges zu gedenken. So wurde aus einer Idee lebendige Tradition einer Gemeinde. So gab ich dieser Idee Form und Maß und zeichnete im Grund- und Aufriß den granitenen Turm, von Tannen umgeben, so eindrucksvoll ich dies darzustellen ver­ mochte. Anonym, mit Kennzahl versehen, brachte ich den Entwurf mit zaghaftem Herzen zur Bahn. Das Preisgericht befand alsdann eine sehr schön entworfene Gedenkkapelle als ersten Preis. Die Architekten waren Schüler Schmitthenners gewesen, des bekannten Lehrers der Stuttgarter Schule. Mein Ent­ wurf erhielt nur den zweiten Preis. Das war jedoch in der Fachwelt eine Überraschung, da ich gänzlich unbekannt war. Wochen vergingen. Ich war gerade beim Skilaufen auf dem Feldberg, als ich tele­ fonisch nach Triberg gerufen wurde. Es war ein Sonntagmorgen, als ich mich bei Bürgermeister Dr. Keil meldete, der mich mit kräftigem Handschlag begrüßte, sehr über­ rascht über meine Jugend, doch erfreut über meinen Mut, mich einem großen Wettbe­ werb zu stellen. Beklommen und mit klopfendem Herzen trat ich vor die Männer des Stadtrates und, als ich vorn Bürgermeister gebeten wurde, meinen Entwurf zu erläutern, stand ich da mit rotem Kopf und brachte kein Wort über die Lippen. Es war eine beklemmende lange Minute. Doch voll Verständnis brachte mich der Bürgermeister durch seine Fragen zum Erzählen … Zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich, wie stark eine Idee sein kann. Denn als ic,h stockend die Erläuterung meiner Ge­ danken beendete, klatschten alle in die Hände, und der Stadtrat beschloß einstimmig, meinen Plan auch bauen zu wollen. Mit dem ortsansässigen Architekten Haas solle ich zusammenarbeiten, er sei für die Bauleitung verantwortlich. Doch bald nach diesem ersten Glücksgefühl kam der Dämpfer, wie so oft in einem Archi­ tektenleben. Es wurde ein Stangengerüst errichtet, und es zeigte sich, daß die Tannen ringsum den Turm überragt hätten. Es fehlten etwa sechs Meter an Höhe. Doch die 142

Kunst und Künstler, Musik und Theater Die Peter-Thumb-Kirche in Mundelfingen Zum 300. Geburtstag des Vorarlberger Barockbaumeisters Baden-Württemberg beging das Jahr 1981 als Barockjahr. Der berühmteste Baumeister der Kunstepoche, die nach dem Dreißig­ jährigen Krieg begann und im 18. J ahrhun­ dert ihren Höhepunkt hatte, ist der Vorarl­ berger Peter Thumb. In BezauNorarlberg ist er am 18. 12. 1681 -mithin vor 300 Jahren – geboren. Er schlug die Laufbahn seines Vaters Michael Thumb (1640-1719), des Meisters der Klosterkirche in Obermarchtal, ein.1704 war er Bauführer von Franz Beer beim Kir­ chen-und Klosterbau in Rheinau/Schweiz. 1725 hat er das Bürgerrecht in Konstanz er­ worben, wird Münsterbaumeister (1732) und Mitglied des großen Rats in Konstanz (173 7), dem er bis zu seinem Tode (4. März 1766) angehört. Nicht allzuviel wissen wir über den äuße­ ren Lebensweg. Das Porträt eines unbekann­ ten Malers aus der Zeit um 1740, das sich in Konstanzer Privatbesitz befindet, zeigt Peter Thumb mit aufgeknöpftem samtartigem Rock, in der Rechten Zirkel und Karton, auf dem Kopf die weiße Perücke, wie sie einem Mitglied des hohen Rats wohl anstand. Der Ausdruck des fleischigen Gesichts unter hoher Stirn läßt auf Güte, Intelligenz und Zuverlässigkeit schließen. Dem entspricht auch eine Notiz in der Chronik des Klosters Friedenweiler, das ihm für den neuen Kloster­ bau 150 Gulden schuldig blieb. Bei der Bitte der Äbtissin, anläßlich eines Besuches in Friedenweiler, einiges davon nachzulassen, habe sich der Meister schwerhörig gestellt, aber am Tag danach 50 Gulden von der Schuld erlassen, worauf man ihn ins Toten­ buch der Guttäter eingetragen habe, da er öfters schon dem Kloster etwas nachgelassen habe. Weit besser sind wir über das Schaffen des großen Baumeisters unterrichtet. Wer kennt und bewundert nicht seine Kirchen und Klosterbauten. In der Frühzeit: Ettenheim, Schwarzach, St. Peter, St. Trudpert -um nur einige zu nennen; in der Reifezeit, da er ganz aus eigener Kraft gestaltet: Friedenweiler, Günterstal, Hilzingen, Mundelfingen, Bir­ nau; schließlich in der Spätepoche: Lichten­ tal bei Baden-Baden, St. Gallen und Tiengen im Klettgau. Dabei nehmen die mit hohem Feingefühl durchgestalteten Barockräume der Wallfahrtskirche in Birnau und der Bi­ bliotheken in St. Peter und St. Gallen einen besonderen Rang in der Werkliste Peter Thumbs ein. Doch -wie kam er, der Meister so berühm­ ter Barockschöpfungen, nach Mundelfingen, in das abseitige Dorf der Bauern auf der Baar? Und welche Rolle spielt die Peter-Thumb­ Kirche auf der Baar in der stilgeschichtlichen Entwicklung des Vorarlberger Barockmei­ sters? Birnau, Priesterhaus und Klosterkirche, waren von PeterThurnb 1745 begonnen und 1751 vollendet worden. Im Jahr 1746 tritt St. Gallen sein Präsentationsrecht in M undel­ fingen auf dem Wege des Tauschs an das Domstift zu Konstanz ab. Pfarrherr ist ein Sohn der Gemeinde: Johann Georg Weltin, seinerzeit von St. Gallen präsentiert. In den vierziger Jahren hatte er als Frühmesser und Kaplan am See -unter anderem in Rohr­ schach -gewirkt. Ein Jahr nach dem Über­ gang seiner Pfarrei an die Konstanzer Stifts­ herren, am 19. 7. 1747, erbittet er von Peter Thumb in Konstanz ein Gutachten über den Zustand der alten, außerhalb des Dorfes auf dem Friedhofsberg gelegenen Mundelfinger Kirche. Der Meister in Konstanz rät zu einem Neubau im Dorf. Mehr als die Kosten des geplanten Baues geht aufKosten von Pfarrer Weltin. Noch zu Lebzeiten bestimmt er in 143

einem Testament sein ganzes Vermögen für den Bau, sofern er dessen Vollendung nicht mehr erleben würde. Klösterlicher und fürstlicher Bauwille, so weiß man, haben den südwestdeutschen Raum in eine Landschaft des Barock verwan­ delt. In Mundelfingen ist es ein schlichter Landpfarrer, der den ersten Baumeister des schwäbischen Barock auf die Baar holt. Die W iderstände waren groß. Die Gemeinde, zuletzt noch im Spanischen Erbfolgekrieg schwer mitgenommen, kam das ganze 18. Jahrhundert nicht mehr aus den Schulden heraus. Und der Besuch der „Heimgart, Ta­ baks- und W irtshäuser“ war – laut einer Notiz im Mundelfinger Pfarrbuch – damals schon größer als der Besuch des Gotteshauses. Aber der kunstbegeisterte Landpfarrer, der auch in wirtschaftlichen Dingen sichtlich gut beschlagen war, setzte seinen W illen durch. Steine und Sand lieferte die Gemeinde, das Holz für Turm, Glockenstuhl und Langhaus die Fürstlich Fürstenbergische Regierung. Der Pfarrer stellt für die Dauer eines Jahres sein Gespann mit zwei Pferden und verköstigt auf eigene Rechnung den Konstanzer Bau­ meister samt Pferd, sooft er zu Verhandlun­ gen und in Bausachen nach Mundelfingen kommt. Am 24. 3 .1750 wird in Anwesenheit von Thumb der Bauvertrag in Mundelfingen festgelegt. Noch im gleichen Frühjahr wer­ den die Fundamente ausgehoben und im Spätsommer (5. September 1751) wird das neue Gotteshaus bezogen. Am 5. August 1751 war die Kirche durch den Donaueschin­ ger Dekan Karl Weite benediziert worden. Die feierliche Konsekration erfolgte am 10. Juli 1762 durch den Konstanzer Weihbischof Franz Karl Josef Fugger von Kirchberg und Weissenborn. Es ist derselbe Konsekrator, der am 7. 7.1747 nach 25jähriger Bauzeit in Donaueschingen die Stadtkirche St.Johann feierlich geweiht hatte. Als reifer Meister im Alter von 44 Jahren hatte Peter Thumb – erstmals am Übergang von Schwarzwald und Baar – den Umbau der durch einen Brand in Mitleidenschaft gezogenen Klosterkirche Friedenweiler über- 144 nommen. Drei Jahre später macht er von Friedenweiler aus, „wo er in Arbeit steht“, nach Donaueschingen einen Überschlag über das Einwölben der im Bau befindlichen Stadtkirche St. Johann. Als ihm der Bau der Kirche in Mundelfingen übertragen wird, hat er die 66 überschritten. Unmittelbar voran­ gegangen war der Baubeginn der Wallfahrts­ kirche in Birnau, Peter Thumbs reifste und bekannteste Schöpfung, genial hineingestellt in die gewellte Gartenlandschaft am Boden­ see. Mit dem Juwel in Birnau kann die Kirche in Mundelfingen nicht konkurrieren. Es ist ein ländliches Idyll. Schon die unterschied­ lichen Kosten lassen einen Vergleich nicht zu. Auf rund 4 500 Gulden bezifferten sich die Kosten in Mundelfingen, Birnau soll – nach zeitgenössischen Aussagen – etwa 150 000 Gulden gekostet haben. Immerhin haben jüngste Forschungen, vor allem von Hans-Martin Gubler, ergeben, daß die Vorprojekte für den Bau in Mundel­ fingen nicht nur zeitlich gesehen, sondern auch in stilgeschichtlicher Hinsicht, in einem engen Zusammenhang stehen mit dem Saal­ bau in Birnau, bei dessen Lösung, ,,was Modellierung der Raumgrenze und Rhyth­ misierung des Raumes angeht“, PeterThumb von allen Vorarlbergern am weitesten vorge­ stoßen ist. Auch für Mundelfingen – so der Schweizer Kunsthistoriker – war in den ersten Plänen Peter Thumbs „eine plastisch viel differenziertere Gliederung“ im Sinne der Kirche von Birnau vorgesehen. Finan­ zielle Verhältnisse zwangen den Meister als Alternative eine spätere „wohlfeilere“, aber nicht ganz so schöne und fortschrittliche Lösung anzubieten. In diesem Sinne urteilt die Donaueschinger Kunsthistorikerin Dr. Erna Huber: Im Vergleich mit anderen Bau­ ten Thumbs ist Mundelfingen ein verhältnis­ mäßig bescheidener Entwurf; etwas unbe­ holfen die Ecklösungen am Übergang zum eingezogenen Chor. Finanzielle Gründe haben weit stärker Außenansicht der Peter-Thumb-Kirche

noch bei der nachträglichen Ausstattung der Kirche in Mundelfingen mitgespielt. Gegen­ über dem Stuckdekor und der Nazarener­ Malerei in den Medaillons behaupten die architektonischen Elemente in Mundelfin- gen nach wie vor die ausschließliche Füh­ rung. Von diesem Grundprinzip ging auch die Denkmalpflege aus, als in den frühen sechziger Jahren dieses Jahrhunderts eine umfassende Renovierung des Äußeren und Choransicht mit der charakteristischen Wandgliederung von Peter Thumb in Munde/fingen. Kräftig vortretende Lisenen gliedern den Alfßenbau. Die Lisenen sind eingefärbt, die Wandfelder hell ver­ putzt. Auffallend betont ist die Vertikale. Zusammen mit den markanten Gesimsen entsteht ein sehr lebendiges Spiel von Vertikalen und Horizontalen, die den Kirchenkubus wie mit einer Bände­ rung zusammenhalten. ,,Die lapidare Kraft dieser an Betonarchitektur eines Ständerbaues gemahnen­ den Struktur findet an der Chorpartie besonders eindringlichen Ausdruck.“ So der Schweizer Peter­ Thumb-Experte Hans Martin Gubler. 146

Inneren durchgeführt wurde. Bombensplitter hatten am Ende des Zweiten Weltkrieges vor allem die Westfront in Mitleidenschaft ge­ zogen, und auch das Innere hatte im Laufe der Jahrzehnte viel von seiner ursprünglichen Schönheit eingebüßt. Aufgrund von Gutachten des damaligen Konservators der kirchlichen Kunstdenk­ mäler, Professor Dr. Hermann Ginter, erhielt das Äußere unter der Bauleitung des Donau­ eschinger Architekten W illy Morisch den heutigen Neuanstrich, der durch die ocker­ farbig abgesetzten Lisenen belebt ist. Die Er­ neuerung im Inneren erstreckte sich auf den Neuanstrich in der ursprünglichen Farbtö­ nung (Weiß mit gebrochenem Gelb), die Neufassung der Kapitelle und anderer Archi­ tekturglieder und die Erneuerung des Chor­ gestühls, wobei die geschnitzten Wangen vom alten Gestühl weiterhin an ihrem bis­ herigen Platz verblieben. Im Geiste des Barock wurden die drei Altäre restauriert und neu gefaßt. Die Neufassung des Orgelgehäu­ ses, der Beichtstuhl und die Anschaffung eines neobarocken Kreuzweges stammen aus der Zeit der Renovierung, die in zwei Bau­ etappen 1964/66 durchgeführt wurde. Gründlich überholt wurden die Decken­ gemälde und im barocken Stil gefaßt, soweit es sich nicht um ausgesprochene Bilder der Nazarener handelte. Die künstlerischen Ar­ beiten waren dem Freiburger Kunstmaler Manfred Schmidt anvertraut, der wenige Jahre zuvor auch für die Innenrenovierung der Donaueschinger Stadtkirche St.Johann verantwortlich gezeichnet hatte. Auf rund 150 000 Mark beliefen sich die Kosten der Außenrenovierung. Weitere 130 000 Mark waren erforderlich für die Er­ neuerung des Inneren. Weit über 100 000 Mark brachte damals die Kirchengemeinde unter Pfarrer Karl Schlehr auf, davon über 32 000 Mark aus Spenden und 30 000 Mark aus Darlehen. Der Staat beteiligte sich am Gesamtvorhaben mit 66 000 Mark, die Kir­ chenbehörde mit 58 000 Mark und der Land­ kreis mit 10 000 Mark. Nennenswert auch die Zuschüsse der Gemeinde, als wenige Jahre später ein Kindergarten und ein Schwestern­ haus das katholische Gemeindezentrum im Schatten der Peter-Thumb-Kirche vervoll­ ständigten. Den Eindruck der dürftigen, vor allem in den Malereien nicht befriedigenden Aus­ stattung konnte freilich auch die Renovie­ rung der sechziger Jahre nicht aus der Welt schaffen. Umso dankbarer verzeichnet man die – wenn auch nur spärlich – in der Kirche verbliebenen Stücke aus schönem altem Be­ stand: so den Hochaltar und die ihn flankie­ renden Figuren eines St. Petrus und einer St. Margaretha, die, ebenso wie die im Geist des Rokoko gehaltene Madonna an der Orgelbrüstung, bestes spätbarockes Schnitz­ werk aus der zweiten Hälfte des 18.Jahrhun­ derts darstellen. Lorenz Honold Das Vesperbild des Villinger Heilig-Geist-Spitals Von Stadtarchivar Dr.Josef Fuchs Im Museum ,,Altes Rathaus Villingen“ befindet sich eine Holzplastik mit ca. 800/o alter Farbfassung, von der Paul Revellio sagt, sie stamme aus der Kapelle des ehemaligen Heilig-Geist-Spitals. W ie lange diese im Spital war und wann sie ins Museum kam, ist in der Stadtgeschichte bis jetzt nirgends aufge­ taucht. W ir nehmen an, sie sei bei Gründung der ,,Altertümersammlung im Alten Rathaus Villingen“ im Jahr 1876 dorthin gekommen. Grund zu dieser Annahme gibt uns ein hand­ schriftliches Verzeichnis im Stadtarchiv, das vermutlich von dem 1889 verstorbenen Villinger Buchdrucker und zeitweisen Her­ ausgeber des „Schwarzwälder“, Ferdinand Förderer, Mitbegründer der Altertürner­ sammlung, stammt. Die Frage nach dem Standort innerhalb 147

der Stadt ist gleichzeitig die nach der Her­ kunft, d. h. des Stifters. Als Standort kommen in Villingen in Frage: Unserer Frauen Kir_che vor der Stadt, die Leutkirche in der Stadt (Münster), Johanniter, Franziskaner, Cla­ rissen, Frauenkloster St. German, Frauen­ kloster St. Nikolaus (Nähe Bickenkapelle), Heilig-Geist-Spital. Mögliche Stifter sind: Die Stadt (Rat und Bürgerschaft wie im Falle des Scheibenkreuzes), die Fürstenberger bis 1326, der Zeit ihrer Funktion als Stadtherren, andere Stifter für die Klöster (niederer Adel oder reiche Kaufleute wie die Muntpratt im Falle des Muntpratt-Teppichs). In jedem Fall aber dürfte das Auftauchen dieses ,,Andachtsbildes“ in Villingen mit einer neuen Form der Frömmigkeit, der Mystik, in Zusammenhang stehen. Das Eindringen der Mystik muß über die Zisterzienser mit ihrem großen Meister Bernhard von Clair­ vaux gesehen werden. Bernhards Kreuzzugs­ predigten sind bis Villingen gedrungen, zwei bedeutende Niederlassungen, Salem (Sal­ mannsweiler) und Tennenbach hatten Besitzungen im Stadtbereich und häufig auch vertraglich mit der Stadt zu tun. Sodann sind es besonders die Schüler Meister Eckharts, der um 1300 bereits seine große Wirkung hatte, Seuse in Konstanz und Tauler in Straßburg, die bereits um 1320 offenbar aufgrund eines guten Nährbodens im ober­ rheinischen Bereich ihre Ausstrahlung haben. Sowohl Konstanz wie Straßburg sind Orte, die mit der Stadt am Ostrand des Schwarz­ waldes in gutem Kontakt stehen, Konstanz als Bischofssitz mit je einem bedeutenden Zähringer und Fürstenberger als Bischof, Straßburg, der Ort, von wo aus die Stein­ metzen auch nach Villingen kamen und im Auftrag von Heinrich und Agnes von Fürstenberg zumindest bis 1282, dem Jahr des kaiserlichen Ritterschlags im Münster, den hochgotischen Chor des Münsters voll­ endeten. Diese Straßburger Meister sind es sicher gewesen, die die „Steinmadonna“, heute „Dauchinger Madonna“ geschaffen haben. Die Aufdeckung der alten Fassung gibt eine Herzwunde an diesem Standbild 148 frei, das nur im Zusammenhang mit der Frömmigkeit jener Jahrzehnte gesehen werden kann. Unser Vesperbild steht in diesem Zusammenhang. Die Quellen der deutschen Mystik, die es als Sonderform gibt, genauso wie die Sonder­ form des Andachtsbildes, besonders Vesper­ bild und Schmerzensmann, deren Dar­ stellung es in Villingen eine Reihe gibt- um nur die Kleinplastik am Sockel der Münster­ kanzel zu nennen – werden vornehmlich aus den im Neuen Testament und den Apo­ kryphen nicht genannten Szenen zwischen Kreuzabnahme und Grablegung Christi genommen und sind beeinflußt von Lebens­ geschichten Jesu und Mariä und den Passions­ spielen. Heinrich Seuse und Mechthild von Hackeborn stehen als Hauptpaten der spät­ mittelalterlichen deutschen Sonderform. Sicher ist auch, daß in den Jahren um 1300 die ersten Andachtsbilder dieser Art auf­ tauchen. Die franziskanische Frömmigkeit, die mit der vollen Entfaltung des Villinger Franzikanerklosters mit dem großen Provin­ zialkapitel im Jahr 1291 eintrat, dürfte auch noch durch eine literarische Form der „Ma­ rienklage“ beeinflußt worden sein. Hier waren es das blühende Kloster der Zisterzienserinnen von Lichtenta1 bei Baden-Baden, deren „Lichtentaler Marienklage“ weithin bekannt war: ,,Weinen war mir unbekannt – eh ich Mutter ward genannt … „, ein Gedicht von heute noch ergreifender Eindringlichkeit und Formschönheit. Neben den gedanklich­ mystischen Ursprüngen des Motivs sind die formalen nicht zu übersehen: Vereinzelung der Szenenfolge Kreuzabnahme – Bewei­ nung – Grablegung. In den Vorbildern (byzantinische und italienische) ist die Ver­ schmelzung der Klagenden mit dem toten Christus noch nirgends geschehen. Die Frage der zeitlichen Festlegung unseres Vesperbildes ist für die Kunstgeschichte unserer Stadt von besonderer Bedeutung. Das Vesperbild (nach der Restaurierung)

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Der Maler und Grafiker Richard Ackermann Vor 90 Jahren wurde der Villinger Künstler geboren »Die Bedeutung der bildenden Kunst erschöpft sich nicht in dem, was sie inhaltlich mitzuteilen weiß, auch nicht in der bloßen Umsetzung des Lebendigen in die Bild­ sprache, sondern sie liefert einen selbstän­ digen Beitrag zur Orientierung in unserer Welt.“ Diese Worte des Kunsthistorikers H. Wölfflin sprach der Verfasser dieses Beitrages anläßlich einer Ausstellung zum 75. Geburtstag Richard Ackermanns. haben die Baudenkmäler Alt-Villingens fest­ gehalten – und Dominikus der Ältere (177?:1836), der Ölmüller, der Urgroßvater. Die Olmüller-Schemen des „Narro“ und des ,,Surhebels“ sind Kostbarkeiten in der Ge­ schichte der Villinger Fasnacht. Richard Ackermann, dessen künstlerische Begabung schon früh aufbrach, beschäftigte sich am Anfang seines Studiums mit Glas­ malerei und den verschiedenen Maltech- Vor dem Bickentor Er wurde am 11. September 1892 geboren. Sein Vater, der Textilkaufmann Wilhelm Ackermann, bestimmte die geistige Grund­ haltung des Jungen, während die Mutter Anna mehr als das religiöse Fundament aufbaute. Da sind weiter die Vorfahren zu nennen, Dominikus der Jüngere (1824-1880), der Großvater, der Kaufmann, Maler und Illu­ strator, – seine ausgezeichneten Stadtveduten 150 niken, sowie mit der Betrachtung der archi­ tektonischen „Wunder der Formen und Farben“ in der Natur. Im weiteren Verlauf seiner künstlerischen Entwicklung offenbarte sich bereits der ihm eigene expressive, oftmals mehr ornamental-betonte Stil. In den zwanziger Jahren folgte eine Pe­ riode der Vergeistigung, auch angeregt durch Ideen des Jugendstils, Traumereignisse.

Blätterschmuck Visionäre Bilder entstehen, das Wort wird zum Gedicht geformt: Der Abend war gekommen. Dampfige Schwüle hing In Luft und Licht, Polternde Wolkenklötze Künden Gewitter, ich stand am Abhang In Staub und Unrast-wartend – Wie sie am Wege -wartend – Worauf, Warum? Prasselnder Regen stürzt herab, Sturmwind knickt Blumen und Bäume Ein Dämon grinst blitzend hindurch – Ich ging meine Straße im Rachen der Nacht. 1.Glaube, wenn immer dunkler und schwerer die Nacht des Winters II.Die Verzweiflung dich drückt III.Wenn aussichtslos all Beginnen und Handeln IV.Wenn dumpf der Schrei ins Leere verhallt (R. A.) V.Und der Völker Wahnsinn die Schöpfung verpfuscht VI.Glaube, es tagt, eh dir’s bewußt -nachturnfangen VII.Aus Weltallschwere ein Funken stiebet VIII.Ein Stern aufleuchtet IX.Ein Licht erstrahlet X. Zum Heil auf Erden der Heiland ist nah … Das Werk Richard Ackermanns war viel­ seitig. Seine großflächigen Landschaften in Öl oderTempera, seine Stadtansichten unter einem verklärten Himmel, meist pastos mit dem Spachtel aufgetragen, seine symbol­ haften und mythischen Darstellungen stehen als Herausforderung und Anruf zwischen Künstler und Beschauer. Wie vieles wäre über die Kunst Richard Ackermanns noch zu sagen, er, der seine Stadt, seine Heimat liebte, der sich mit 151

offenem B Liek aber auch draußen umschaute, der die Sagenwelt wieder sichtbar machte, der den Romeius in vielen Varianten zu neuem Leben erweckte, er ist der einfache Mensch geblieben, der „Mann auf seinem Fahrrad“, meist den Skizzenblock unter dem Arm, so bleibt er in unserer Erinnerung. Welchen Reichtum der Seele er besaß, wie viel­ fältig die Ausdrucksformen seiner Bilder · waren, wissen nur die, die dem auch manchmal unbequemen Künstler näher standen. Prof. Gustav Heinzmann, Königsfeld, hat in seinem Buch „Der Maler und Grafiker Richard Ackermann“ eine sehr differenziert angelegte Arbeit über den Künstler und sein Werk vorgelegt. Am 10.Juli 1968 endete sein Leben. Der Sonne Strahl traf ihn, deren Licht ihn tausendfach anregte zum künstlerischen Tun, das er uns zurückließ in seinem Werk. ,,Am jüngsten Tage Kehr ich glücklich heim Am jüngsten Tage Bin ich nicht allein.“ (RA.) Helmut Heinrich Vom Vater her ein Kind der Baar Die Bildhauerin und Malerin Alice Roskothen-Scherzinger wird 80 Jahre Vom Vater her ist sie ein Kind der Baar, und in der Baar ist sie seit bald einem Jahrzehnt beheimatet: die Bildhauerin und Malerin Alice Roskothen-Scherzinger, die in der ersten Hälfte des November 1982 in Bad Dürrheim das 80. Lebensjahr vollendet. Weit über 50Jahre künstlerischen Schaffens liegen hinter ihr. Und immer noch ist sie voller Pläne und überrascht die Freunde ihrer Kunst mit neuen Aktivitäten. Die Bildhauerin bei der Arbeit 152 So ein Jahr vor dem hohen Geburts­ tag mit der inzwischen zehnten Kunst­ ausstellung in Bad Dürrheim. Eine Retro­ spektive, die eine Bilanz über die künstle­ rische Laufbahn gab und gleichzeitig eine Reihe neuer, beglückender Schöpfungen aus den Jahren 1979 bis 1981 vorstellte, darunter ,,David“, die Skulptur eines jungen Mannes, der, in sich ausgereift, selbstsicher, das ganze Leben vor sich hat; dann Jüngling im Auf­ bruch“, eine schlanke Erscheinung, der junge Mann gleichsam im Vorstadium, dem noch die weichen Züge des Jungen in der Pubertät anzusehen sind; schließlich „Das Modell“, ein weiblicher Akt, das Gegenstück zur Figur des „David“, die junge, wissende Frau, in der Blüte des Lebens. 58 Skulpturen von insgesamt 75 Arbeiten, die die Bildhauerin für den Bronzeguß im Lauf der Jahre modellierte, waren auf ihrer Jubiläumsausstellung zu sehen. Und von rund 400 Radierungen, die sie mit der Kalt­ nadel schuf, an die 45 handgedruckte und Portraitkopf „H. Hasenstein“ (1980)

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zu kokettieren oder an formale Experimente und gewagte Übersteigerungen sich zu ver­ lieren. Ihr Reich ist weniger die große, monumentale Form, sondern die mehr intime Sphäre. Ihre Stärke sind die Portraits und die Kleinbronzen: Begegnungen mit dem Menschen, bei denen das Herz mit­ spricht, Begegnungen mit der Natur, wobei Auge und Phantasie die Kraft der Gestaltung überwachen und beflügeln. So gelingen Portraits von geistiger Ge­ spanntheit und Konzentration wie das des früheren Oberbürgermeisters Dr. Schlapper, seinerzeit geschaffen im Auftrag der Stadt Baden-Baden, oder in jüngster Zeit das Portrait „H. Hasenstein“, der Kopf eines Mannes der Wirtschaft, dem im Ruhestand geistige und künstlerische Interessen zur zweiten Natur geworden sind. Dann wieder Figürliches aus dem Reich von Mensch und Natur, das bei aller freien Erfindung und Gestaltung voller Lebensnähe ,,Der Storch ist da“ (Broncegruppe) signierte Blätter. Über 80 Ölgemälde, die sie in den ersten Jahrzehnten ihrer Laufbahn malte, sind längst in fester Hand beziehungs­ weise in den Kriegs-und Nachkriegsjahren verloren gegangen. Daß die Unterglasur­ malerei einen weiteren Schwerpunkt ihres Schaffens ausmacht, sei hier nur angedeutet. Mit Charme und Liebenswürdigkeit er­ zählt die Künstlerin aus ihrer Jugend. In Baden-Baden ist sie aufgewachsen. Der Vater, gebürtig aus Bräunlingen, seines Zeichens Architekt, gab die ersten künstlerischen An­ regungen. Bei der kunstsinnigen Oberin Bernharda im Kloster Lichtenthal nahm sie den ersten Zeichenunterricht. Die Aus­ bildung als Malerin erhielt sie an der Akademie in Karlsruhe bei dem Thoma­ schüler Albert Haueisen. Drei weitere Studienjahre in New York und Philadelphia weiteten den Blick und waren zusätzlich aus­ gefüllt mit zeichnerischen und malerischen Entwürfen für kunsthandwerkliche Erzeug­ nisse. Entscheidender noch, nach der Rückkehr in die Heimat, war die Ausbildung in der Werkstatt eines Bildschnitzers in Ober­ bayern. Hier erlebte die junge Künstlerin den RohstoffHolz, erlernte das Modellieren und Gestalten mit freier Hand, ohne Zeich­ nung und ohne Vorlage und fand zu jener Tätigkeit, in der ihre Phantasie und ihr reicher Fundus von Begabung und wacher Beobachtung sich voll entfalten konnten. „Ich beobachte“ -so Alice Roskothen­ Scherzinger -„sehr intensiv Mensch, Tier und Natur. Die innere wie äußere Bewegung an den Geschöpfen fesselt mich unbändig und zwingt mich zur Darstellung des Ge­ sehenen und Erlebten. Mit der Wiedergabe will ich nichts anderes, als mich und die Mitmenschen erfreuen“. Das Bekenntnis ist der Schlüssel vor allem zu den Skulpturen, die die ureigene Domäne dieser Künstlerin sind. Sichere Beobachtung und die Freude an allem Schönen sind es auch, die Alice Roskothen-Scherzinger in ihrer bald SSjährigen Laufbahn davor be­ wahrten, mit zeitlichen Modeerscheinungen 154

„Zusammenbruch“ (Bronce) A � Stilleben (Öl), 1959 155

und naturhafter Ursprünglichkeit ist. Hier fesseln formsichere, von innen her beseelte Broncen wie: „Erster Kuß“, „Flötenspielerin“, „Begegnung“. Schöpfungen, bei denen man die inneren Regungen und fraulichen Empfindungen zu spüren vermeint, die zur Gestaltung trieben. Da gibt es das Kraftvolle und das Zarte, das Verhaltene und das Heitere wie etwa bei dem großen, kindlichen, mundoffenen Staunen in der Bronce „Der Storch ist da“. Ein Kapitel für sich die drolligen Tier­ studien: ein sich balgendes Bärenpaar, zwei lustig tollende Wiesel, oder die subtil und feinnervig gestaltete Kleinbronce „Springen­ der Fisch“, bei dem das Sprichwort „So munter wie ein Fisch im Wasser“ bildhafte Sprache und plastische Form geworden ist. Und es fehlt auch nicht jener Anflug von Humor und Daseinslust, die mit zum Wesen des Baaremer Menschenschlags gehören. Bald nach dem Zweiten Weltkrieg -so entnehmen wir dem Lebenslauf -mehren sich die Ausstellungen, die inzwischen die Zahl von 60 insgesamt erreicht haben. Der Rahmen der Ausstellungsorte reicht -um nur die größeren Kunstzentren zu nennen – von Köln, München, Paris, Monte Carlo über Stuttgart, Freiburg bis Baden-Baden. Zu ihren Schöpfungen in Holz, Ton, Bronce erarbeitete sich die Künstlerin neue Tech­ niken, darunter die Kaltnadelradierung und die Unterglasurmalerei. Es ist die Zeit, da die verwitwete Künstlerin sich mit dem Juristen und passionierten Erzähler und Schriftsteller Dr. Ernst Roskothen verehe­ lichte. Kaum ein Jahr nach 1956, in dem nicht eine oder mehrere Ausstellungen vor­ zubereiten waren. Wie die Bildhauerin im Lauf der Jahre ,lll künstlerischem und menschlichem Profi gewann, wie ihre Ausdrucksmöglichkeiten reicher wurden und neue Gebiete erschlossen, ist an Broncen abzulesen wie: ,,Schmerz“, „Lebenswille“, „Fallender Krieger“, „Zusammenbruch“. Das ist nicht mehr die heile Welt der frühen und mittleren Schaffensjahre. Auch nicht mehr die Selbst- 156 „Versehrter“, „Begegnung“ (2 Broncen)

vergessenheit, die Geborgenheit und in sich ruhende Schönheit des „Träumers“, des jungen Mannes am Meer. Statt der geschlossenen Form, der Be­ tonung der reizvollen Oberfläche begegnen nun stumpfe, dann wieder unruhige, bewegte Flächen, zerklüftete Formen. Eine ins Ex­ pressionistische gesteigerte Erregtheit ver­ wandelt, verschleiert die Oberfläche der Broncen. Mit einer sensiblen Verletzlichkeit schirmen sich die Gestalten gegen Unheil, gegen die Bedrohung des Menschen schlecht­ hin ab. Dabei ist der Ausdruck des Gefahrdet­ seins, der Verletzlichkeit nicht etwa äußer­ lich herbeigequält. Es ist ein fraulicher Protest, der erlebt, erfühlt und sehr persönlich ge­ staltet ist. ,,Der Drang, alles Menschliche zu er­ fassen“ – so Alice Roskothen-Scherzinger bei einer unserer Begegnungen -,,führte im Lauf der Entwicklung und mit der Reife der Jahre wie von selbst dazu, daß ich begann, mich auch mit der gefährdeten Welt aus­ einanderzusetzen“. ,,Formal“ -so die Künst­ lerin weiter -,,könnte ich auch die Schreck­ nisse, die Nachtseiten des Lebens darstellen, Lukas Kirner (1794-1851) ln einer den Furtwanger Malern des Bieder­ meier gewidmeten Würdigung hat man zu­ nächst den im Schatten seines berühmter gewordenen Bruders, des Großherzoglich Badischen Hofmalers Johann Baptist, stehen­ den älteren Lukas Kimer zu nennen. Er hat in den Jahren von 1830-1850 den Ruf genos­ sen, der beste Portraitmaler auf dem Walde zu sein. Er hat eine Vielzahl von Bildnissen geschaffen, die in starnmeskundlicher und heimatgeschichtlicher Hinsicht bedeutungs­ voll sind. Es sind Männer und Frauen, dargestellt in der würdigen Tracht ihrer Herkunft, die Gesichter geprägt von arbeits­ erfülltem Leben in einer Landschaft von herber Kraft. Aus dem Geiste der Heimat Furtwanger Maler des Biedermeier aber ich will es nicht, es geht gegen mein Inneres, es ist gegen meine Natur, der künstlerischen Form und mir selber Gewalt anzutun. Meine Aufgabe ist es, den Menschen Freude, ihnen positive Werte in und mit der Kunst zu schenken“. Und das immer wieder spontane, das positive Echo, das ihre Ausstellungen aus­ lösen, bestätigt die Künstlerin, bestätigt ihren Glauben an den Menschen und ihre lebendige Verbundenheit mit der Öffentlich­ keit. Nicht nur in der engeren Heimat, auch im Ausland hat der Name Alice Roskothen­ Scherzinger seit Jahren Klang und Gewicht. Eine besonders hohe Ehrung wurde ihr zu­ teil mit der Mitgliedschaft bei der Inter­ national Arts Guild in Monte Carlo -eine Vereinigung, die vor zwei Jahren die Bad Dürrheimer Künstlerin zusätzlich noch mit dem Ehrendiplom der Schönen Künste aus­ zeichnete, in Würdigung der ungewöhnlichen künstlerischen Laufbahn wie des Engage­ ments von Alice Roskothen-Scherzinger im Dienste des kulturellen Austauschs zwischen den Nationen. Lorenz Honold geschaffen, sind sie vom Wesen der Heimat erfüllt. Eine aus bäuerlicher Wurzel erwachsende, kleinstädtische Kultur brachte damals in den aufblühenden Industrieorten des Hoch­ schwarzwaldes eine steigende Nachfrage nach repräsentativen Darstellungen. Unter­ nehmende Handelsherren, zu Wohlstand gelangte Bürger und selbstbewußte Bauern waren es, die sich und ihre Familie im Bilde festhalten ließen. So blühte die Portrait­ malerei insbesondere um Lenzkirch, Neu­ stadt und Furtwangen. Waren es auch nicht ausnahmslos Kunstwerke, die von den wahr­ haft volksverbundenen Malern hervorge­ bracht wurden, so wußten diese doch Zeugnis abzulegen von der Selbstsicherheit geprägter 157

Lukas Kirner: Ehepaar Duffizer (ÖO Persönlichkeiten aus einer Welt, in der sich äußere und innere Ordnung noch in Über­ einstimmung befanden. Lukas Kimers beste Arbeiten beweisen, daß sein Name zu Unrecht fast ganz der Vergessenheit anheimgefallen ist. Es sind Portraits von seiner Hand aufgefunden worden, die zum Besten gerechnet werden dürfen, was in der Zeit des Biedermeier auf dem Gebiet der Bildniskunst geschaffen wurde. Ohne die Wertschätzung der anderen Bildnismaler des Schwarzwaldes zu schmä­ lern, darf gesagt werden, daß keiner es so wie er verstand, jene Bauern und Handelsherren darzustellen, die ihrer Umgebung den Stempel ihrer Persönlichkeit zu geben ver­ mochten. In leiser Feierlichkeit und ruhiger Selbstsicherheit blicken diese Männer und Frauen aus ihren Rahmen. Lukas Kimers Bildnissen haftet nichts an von der gelegent­ lichen Süßlichkeit Auerbach’scher Bauern­ schilderungen; sie sind vielmehr kraftvoll, lebensecht und typisch. Was am meisten 158 an ihnen besticht, ist die Virtuosität, mit der die individuelle Wesensart des Dargestellten zum Ausdruck gebracht wurde. In der Ein­ dringlichkeit der Charakterisierung sind diese Bildnisse erstaunlich. Lukas Kirner, der sich mit der Zähigkeit des echten Wäldlers als Autodidakt vervoll­ kommnet hatte, erwies sich einer Kunst fähig, die in die Bezirke des Seelischen einzudringen vermag. Über Leben und Person ist nur wenig bekannt. So eindringlich seine Werke erfüllt sind von Wesen und Geist ihres Schöpfers, so völlig ist dieser hinter sein Werk zurückgetreten. Ein starkes Temperament von gesammelter Willenskraft verband sich in ihm mit grüblerischer, ein­ siedlerischer Scheu. Zeigt ihn sein Selbst­ bildnis von 1830 als markante Erscheinung von hoher künstlerischer Idealität, so be­ zeichnen ihn die spärlichen Berichte über seine späteren Lebensjahre als ganz auf sich selbst zurückgezogenen Einzelgänger, ernst und still. Er, der die Berufung in sich fühlte,

Menschengesichter durch sein eigenes in­ neres Feuer zum Leuchten zu bringen und der seine Stammesgenossen mit entschleiern­ dem psychologischen Einfühlungsvermögen darzustellen verstand, zog sich mit dem resignierenden Pessimismus des empfind­ samen Künstlers von den Menschen zurück. Aufgewachsen in der Tradition bäuerlicher und handwerklicher Überlieferung, trieb ihn das unruhige Wälderblut nach Abschluß der Schildmalerlehre in die Fremde. Vom Strahlungskreis Augsburgs und Münchens angezogen, wandte er sich nach Bayern, damit gleichzeitig den späteren Weg seines Bruders vorzeichnend. Die einzelnen Stationen seiner ersten Wanderjahre sind heute nicht mehr feststellbar. Unbeeinflußt durch akademische Richtungen, jedoch in unerbittlicher Selbstschulung an den Vor­ bildern alter Meister, fand er im Lauf der Jahre den ihm gemäßen Stil der Portrait­ malerei. In Günzburg verheiratete er sich; aus den dortigen Archivalien ist ersichtlich, daß er 1825 das Bürgerrecht erworben hat. Die Ehe mit der ganz anders gearteten Frau scheint nicht glücklich gewesen zu sein. Immer wieder zog es den schwerblütigen Schwarz­ wälder in die Heimat, wo sich sein Ruf als Bildnismaler rasch festigte. Nach einiger Zeit kehrte er – ohne seine Familie – endgültig nach Furtwangen zurück, nun noch ver­ schlossener und stiller als vorher. Die letzten Jahre seines Lebens ver­ brachte er in seiner Heimat, unermüdlich tätig, als Mensch seines noblen Charakters und seines bescheidenen Wesens wegen geschätzt. Als Gast wie ein Stör-Handwerker sich auf den Höfen der Umgegend auf­ haltend, hat er offenbar ganze Sippen von Bauern und Handelsleuten gemalt. Nichts deutet darauf hin, daß er sich jemals an anderen Aufgaben des Darstellerischen ver­ sucht hat; dies spricht für seine konsequente Zielstrebigkeit, kann aber auch als Zeichen dafür gewertet werden, daß er sich seiner Grenzen bewußt war. Kirner wußte die unmerklichen Runen Lukas Kirner: Anastasia Ganter (Kopie von Laufe) um 1860, betitelt „Die Strohjlechterin“ um Mund- und Augenwinkel, die das Innere eines Menschen verraten, zur Aussage deut­ lich zu machen. Seine reifsten Leistungen bestechen durch sicheres Gefühl der Farb­ gebung. Meist dunkel auf dunkel gestimmt, in den Lokalfarben zurückhaltend, verraten sie solides Können, das am Erbe der Ver­ gangenheit geschult ist. Er beherrscht die spielenden, irrisierenden Töne benachbarter Farben ebenso wie den klaren, klingenden Komplementärkontrast. Im Gesamtkolorit übt er die Sparsamkeit dessen, der weiß, daß die größte Wirkung eines Bildes in der Beschränkung der Mittel liegt. Der Be­ schauer erlebt die bewußte Steigerung der Werte zur inhaltlichen Bildmitte hin, dem sprechend lebendigen Menschenantlitz. Hermann Eris Busse hat ihm im ,,Bauern­ adel“ ein Denkmal gesetzt. – Lukas Kirner starb 1851, erst 57jährig. Seine Grabstätte ist nicht mehr erhalten. 159

Johann Baptist Kimer (1806-1866) Der Großherzoglich badische Hofmaler Johann Baptist Kirn er starb am 21. November 1866 in Furtwangen, seiner Heimat. Die Stadt, die ihn zu ihren bedeutendsten Söhnen rechnen darf, veranstaltete 1967 eine über 100 Titel umfassende Ausstellung zu seinem Gedächtnis. Sie wollte damit die Bedeutung dieses seltenen Mannes dokumentieren, das Besondere seiner Kunst zeigen und sein Werk in Erinnerung rufen. Wer war J. B. Kirner? Eine schlichte Ant­ wort hierauf lautet: Ein echter Künstler, ein guter Mensch, ein treuer Sohn seiner Heimat. Auf ihn kann das Wort Hans Thomas An­ wendung finden, das der neu verlegten Kirner-Broschüre vorangestellt ist: „Echte Kunst entspringt der Heimatliebe; diese gibt ihr eine Innigkeit, die mehr wert ist als aller Glanz, den sie sich von fremden Göttern borgen könnte“. Die Stationen zu Kirners Lebensweg: Der begabte Junge aus dem Schuhpeter­ häusle macht eine Schildmalerlehre durch, besucht die Augsburger Kunstschule und danach die Akademie der bildenden Künste in München. Meister der nazarenisch-klas­ sischen Richtung und der romantischen Schule sind seine Lehrer: Clemens Zimmer­ mann, Peter Cornelius, Schnorr von Carols­ feld, Peter von Heß. Maria Ellenrieder, die gerühmte Konstanzer Malerin, fördert den oft von Sorgen materieller Art bedrängten jungen Künstler. Den Münchner Lehrjahren folgt ein fünfjähriger Italienaufenthalt; in Rom teilt er das Atelier mit Franz Xaver Winterhalter aus Menzenschwand, dem späteren Fürstenmaler. 1837 nach Deutsch­ land zurückgekehrt, hält sich Kirner abwech­ selnd in Furtwangen, Karlsruhe und München auf. Im Jahre 1839 wird er zum Großherzog­ lich Badischen Hofmaler ernannt. Die folgenden Jahre bringen reiche malerische Ernte mit Anerkennung und mancherlei Auszeichnung. Zu seinem Freundeskreis gehören die Maler Schwind, Spitzweg und Feuerbach sowie die Dichter Scheffel und Brentano. Seine letzten Lebens- 160 jahre verbringtJohannBaptistKirner in Furt­ wangen, wo er seine letzte Ruhestätte findet. Welches ist die künstlerische Hinter­ lassenschaft Kimers, und was ist das spezi­ fische Wesen seiner Kunst? Da sind zunächst seine größeren, ins Detail ausgearbeiteten Ölgemälde, deren erzählerischer Inhalt sie in die Gruppe der Genre-Malerei einreiht. Es sind jene Werke, die ihn schon zu Lebzeiten berühmt machten. Vergleichende Kunst­ betrachtung hat Kirner gelegentlich den „Spitzweg des Schwarzwaldes“ genannt, doch trifft dieser Vergleich wohl nicht ganz zu. Spitzweg schafft das biedermeierliche Kleinstadtidyll in poetischer Abstraktion, Kirner dagegen entnimmt Motive und Menschen dem Milieu seiner Herkunft, scharf beobachtend und beschreibend. Beiden eignet ein liebenswürdiger Humor, der aber bei Kirner naiver bleibt und das Volkstümliche, Bäuerliche betont. Seine alemannischen Genre-Darstellungen rücken ihn in die geistige Nachbarschaft Johann Peter Hebels. Da ist ferner eine Vielzahl von Ölstudien, häufig als Vorarbeiten für später im Atelier ausgeführte Gemälde entstanden; sie be­ zaubern durch ihre frische, mit erstaunlicher Leichtigkeit gehandhabte Farbgebung. In mancher dieser Studien hat der Schwarz­ wälder Kirner die geltende Kunstrichtung seiner Zeit augenfällig hinter sich gelassen; es sind Blätter, bei deren Betrachtung man sich an Corot, Liebermann oder Trübner erinnert fühlt. Und da sind als dritte Gruppe eines um­ fangreichen Nachlasses Kirners viele Einzel­ skizzen und Aquarelle, die ihn als brillanten Zeichner ausweisen und sein absolut sicheres Können unterstreichen. In Dutzenden von Trachtenstudien, die ihrer strengen Ge­ wissenhaftigkeit wegen ein Schatz in volks­ kundlicher Hinsicht sind, hat er die lebensvollen Gestalten seiner Umgebung festgehalten, kernige Bauern, anmutige T rachtenträgerinnen, humoristisch gesehene Sonderlinge. Im farbigen Abglanz ist hier echtes Volksleben sichtbar gemacht.

Johann Baptist Kirner S chwarzwäl.der 161

Er redet mit Menschen und Tieren Ein Künstlerporträt: Dr. Dietrich von Knobloch in Neuhausen Gewiß, es ist keine Kunst, die in meta­ physische Tiefen vordringt. übersinnliches tritt uns daraus nicht entgegen, und Kirners Themen rühren nicht an die letzten Dinge. Trotzdem ist die Q!ialität dessen, was er mit Pinsel und Stift gestaltete, unbestritten. Kimers Werk hat die Prüfung eines Jahr­ hunderts bestanden. Die Nachwelt räumt ihm einen achtbaren Platz unter den Malern seiner Zeit, insbesondere unter den Malern des Schwarzwaldes, ein. Wer immer ein liebenswertes Haustier hat, dem er auch fürsorgliche ärztliche Betreuung angedeihen lassen möchte, kennt sicherlich die Tierklinik in Neuhausen. Hier waltet und regiert Dr. Dietrich von Knobloch mit seiner Frau und seiner Tochter, umgeben von einer kaum zu überschauenden Menge an vierbeinigen Lebewesen, nicht zu verges­ sen der Papagei im Wartesaal. Dem Besucher wird die Wartezeit verkürzt durch die vielen Holzplastiken, die, innen und außen auf­ gestellt, zu einer ganz neuen Wartesaal­ situation beitragen. Dietrich von Knobloch ist nicht nur Tier­ arzt, sondern auch Bildhauer. Seine be­ grenzte Zeit, die ihm außerhalb der Praxis­ tätigkeit noch bleibt, widmet er nicht nur seinen vielen Haustieren, sondern der Holz­ schnitzerei. Die verschiedensten Hölzer, Bim-, Nußbaum, Eiche, Linde etc. sammelt er auf den Fahrten über die Bauernhöfe. Wer von seinen Besuchern kennt nicht den großen Raben am Eingang oder die stattliche Katze aus Bimbaumholz. Das ist aber nur ein verschwindender Anteil gegenüber dem, was rings ums Haus und in der Werkstatt steht und hängt. Von riesigen exotischen Pflanzen überwuchert, stehen neben und über Holz­ blöcken und -brocken zum Teil sehr große Tierskulpturen und Figurengruppen, die sich durch Verwitterungsspuren dem wuchernden Naturbereich immer mehr angleichen. 162 Unser Bild zeigt ihn: ein schmaler Kopf, ein geistgeprägtes Gesicht, träumerisch blickende, wägende Maleraugen, der Mund sensitiv und gütig. So stellt ihn auch die Büste auf seinem Grabmal dar. Über 400 seiner Studienblätter, Öl­ skizzen und Gemälde hat er dem Groß­ herzoglichen Kupferstichkabinett in Karls­ ruhe testamentarisch vermacht. Christian Baumann In der Werkstatt, vollgestopft mit eigenen Skizzenblättern, Plakaten und Zeichnungen von seinem Freund Wilhelm Kimmich, ticken mehrere alte Wanduhren und ver­ mitteln mitsamt der Beleuchtung durch ein freundliches kleines Fenster das Gefühl von Zeitlosigkeit.

Wer ist dieser ruhig und gelassen wirkende Mann, der neben seiner anspruchsvollen Arzttätigkeit auch Künstler ist? Woher nimmt er die Zeit und den unerschöpflichen Reich­ tum an eigener Gestaltung? Dietrich von Knobloch ist am 24. Dezember 1909 in Friedrichsburg in Ost­ preußen geboren. In Königsberg absolviert er sein Abitur und beginnt danach ein Bo­ tanik- und Zoologiestudium, das er mit dem Staatsexamen im Bereich der Veterinär­ medizin 1936 abschließt. Drei Jahre später wird er als Soldat eingezogen und 1944, mit Beginn der Flucht, nimmt er als einziges Gepäckstück seinen Hund mit; seine Frau rettet die damals noch einzige Katze. In beinahe dreijähriger russischer Kriegs­ gefangenschaft muß von Knobloch härteste Bergarbeit leisten, wird schwer krank und kann nur mit letzter Willenskraft nach seiner Entlassung die Familie im Westen erreichen. In Neuhausen errichtet er schon bald eine Praxis, deren Kunden in erster Linie aus dem Großvieh der weitverstreuten Bauernhöfe bestanden, im Gegensatz zur gegenwärtig zahlenmäßig überlegenen Pudelkundschaft. Von Knobloch ist als Bildhauer Autodidakt und stolz darauf. Bereits als Knabe hat er gezeichnet und geschnitzt, beeinflußt und gefördert durch seine Mutter, die ebenfalls bildhauerisch und malerisch tätig war. Sein überwiegend gegenständliches Repertoire reicht vom Holzkruzifix und Madonnen­ darstellungen über Tierplastiken bis zu abstrakten, organischen Skulpturformen. Der Baumstamm ist vielmals in seiner gewachsenen, gedrehten oder ausgehöhlten Form belassen, mit groben Hohlbeitel­ spuren betont und auf sensible Weise nach­ getastet. Die Holzform beeinflußt das for­ male Konzept, d. h. sein Auge erkennt die bildnerische Möglichkeit, die in der von der Natur geprägten Holzform steckt. Sie for­ mend zu nutzen und umzusetzen, ist seine zusätzliche künstlerische Leistung. So arbeitet er in den gewölbten Innenraum eines Stammes ein Kruzifix ein, wobei das Kreuz als Negativform eingelassen, die Christus- Pudel und Hunde gehören mit zum Inventar des Tierarztes und Bildhauers figur als Positiv ausgeformt ist: Ein leicht gewölbter, rötlicher Lindenholzstamm mit hartem, kantigem Abschluß ist kräftig und großzügig behauen. Zwei verschieden große Durchbrüche lassen noch Assoziationen zu tierähnlich Eulenartigem zu. Ich möchte einige Holzskulpturen foto­ grafieren. Von Knobloch und seine Frau führen mich zu Häuserwänden und -winkeln, immer begleitet von einer Schar Hunden. Die Autoreihe der Kunden wird immer länger. Man benötigt ihn schon längst in der Praxis. Von Knobloch schreitet gelassen weiter. Zwischen Werkstatt und Außen­ plastik zeigt er mir schnell noch frisch­ geborene Pudeljunge. Bienen schwirren um unsere Köpfe. Von Knobloch ist auch Imker. Seine Tochter meint jedoch, er habe mehr Wespen als Bienen. ,,Wenn ich mich einmal zur Ruhe setze“, sagt er, ,,werde ich mehr Zeit für meine Plastiken haben.“ Er wird sich nie zur Ruhe 163

350 Jahre Stadtmusik in Hüfingen Erstmals wurde 1631/32 in der Hüfinger Kirche Instrumentalmusik eingeführt setzen, denn seine Arzttätigkeit ist für ihn nicht Qpelle der Bereicherung, sondern Lebensinhalt, sie fließt auch in den Schöp­ fungsprozeß seiner Bildhauerei ein. Von Knobloch künstlerisch einzuordnen, ist nicht möglich, wohl auch unnötig. Wie alle Bildhauer hat auch er sich mit dem Werk von Kolbe und Barlach auseinandergesetzt. Das ist nicht spurenlos an ihm vorbeige­ gangen -und doch sind seine großzügigen Figuren auf ganz eigenständige plastische Vorstellung zurückzuführen. Das lebendige Material Holz wird nicht poliert und behält Wenn am Vorabend von Feiertagen die Stadtmusik in Hüfingen mit klingendem Spiel durchs Städtchen zieht, dann am Fest­ tag selbst die großen Umgänge anführt und im Mittelpunkt der Festfreude steht, so sehen wir Heutigen darin gern etwas Selbstver­ ständliches, das durch Zufall geworden sein mag. In Wirklichkeit ist es ein Brauch, der auf volle 350 Jahre zurückgeht. Eine Tradi­ tion, wie auch am 19.Juni 1981 bei der 350- Jahr-Feier zum Ausdruck kam, auf die die Bürgerschaft in Hüfingen zu allen Zeiten stolz war. Und es scheint, daß hierin der Hauptgrund zu suchen ist für die Stetigkeit und Beständigkeit der Musikpflege in Hü­ fingen. Weil hier ein Stück Volksgut gegeben ist, konnte die Ausübung dieser Kunst nicht mehr erlöschen, mochten auch Kriege, po­ litische Umwälzungen, gesellschaftliche Verschiebungen oder gar Differenzen in der Bürgerschaft sich gelegentlich hemmend auswirken und das Musizieren im Dienst der Gemeinschaft vorübergehend zum Erliegen bringen. Einer dieser schwarzen Tage war der 1. Fe­ bruar 1814. Den Winter über war das zweite Badische Landwehr-Bataillon in Hüfingen gelegen. Dann, im Endstadium der Befreiung von der Herrschaft Napoleons, wurde es in 164 dadurch seinen organischen Charakter bei. In den letzten Arbeiten verläßt von Knobloch den gegenständlichen Bereich und widmet sich immer stärker Dreh und Faltung, Form­ elemente, die im Stamm bereits angedeutet als Forminhalt herausgearbeitet werden. Von Knobloch hat eine kritische, selbst­ sichere Haltung gegenüber der intellektuellen Kunst der Gegenwart. Es besteht keinerlei Gefahr, von ihr in Frage gestellt zu werden. Dazu ist sein alltäglicher Alltag zu realitäts­ bezogen und von kreatürlichen Urkräften Ragni Wechterstein durchpulst. Richtung Frankreich in Marsch gesetzt. Der Kommandant, Major Pfnurr, ließ kurzerhand die Musikinstrumente, die teils der Kirche, teils dem Bürger-Militärcorps der Stadt ge­ hörten, wegnehmen. Als die Bürgerschaft sich zur Wehr setzte, ließ der Kommandant einen Zug seines Bataillons in Waffen an­ treten. Die weggenommenen Instrumente sind nie bezahlt, auch nie mehr zurückge­ bracht worden. Sie hatten einen Wert von 66 Gulden. Nur neun Jahre zuvor hatte sich die Stadt von dem Villinger Instrumenten­ macher Johann Huber zwei neue C-Klari­ netten liefern lassen, die auf 22 Gulden zu stehen kamen. Für zwei Oktavflöten, eben­ falls im Jahre 1805, wurden fünf Gulden und dreißig Kreuzer dem Villinger Instrumenten­ macher bezahlt. So in den Archivalien der Stadt, auf denen dieser Beitrag im wesent­ lichen beruht. Blättert man in diesen Aufzeichnungen zurück, so ist zu erfahren, daß an der Wende von 1631/32, mitten im Dreißigjährigen Krieg, im Gottesdienst in Hüfingen erstmals die Instrumentalmusik eingeführt wurde. Neue Instrumente im Dienste der Kirchen­ musik wurden – nach Lauer, Kirchenge­ schichte der Baar -im Jahr 1758 beschafft, damit „Gott besser und angenehmer gedient

Die Musikkapelle im Jubiläumsjahr werden könne mit Pauken, Saiten- und Pfeifenspiel“. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirkten die Musikanten und Choralisten (Chorsänger) bei kirchlichen wie weltlichen Festen mit. Einträchtig stellten sie die Cäciliengelder in den Dienst der Militär­ kasse, als gegen Ende des Jahres 1804 im Rahmen einer Kollekte gesammelt wurde, um der kirchlichen Musik in Hüfingen No­ tenmaterial für eine bevorstehende Fürsten­ parade zu beschaffen. Mit der Bürgerschaft beteiligte sich auch das Oberamt an der Kollekte, aus deren Mitteln gleichzeitig zu­ sätzliche Instrumente angekauft wurden, um durch die Hüfinger Militärmusik „auf das Frühjahr den Durchl. Prinzen, unseren gnädigsten Landesvater gebührend zu emp­ fangen“. Der angesprochene „Landesvater“ war der nachmalige Fürst Karl Egon II, auf den im Alter von erst acht Jahren die schwä­ bischen Besitzungen des Hauses Fürstenberg übergingen. Er hat am 26. Mai 1805 an der Seite der Fürstin Elisabeth, seiner Mutter, den Einzug auf der Baar gehalten. In den 350 Jahren hat die Stadtmusik mehreren Zwecken gedient; zuerst war sie in erster Linie Kirchenmusik. Als solche ist sie in den Anfängen in den Gemeindeakten be­ zeichnet. Später war sie Streich- und Bläser­ musik, die in der Zeit vor und nach 1800 auch vom Fürstlich Fürstenbergischen Hof­ theater in Donaueschingen öfters angefor­ dert wurde. Im 19. Jahrhundert nannte sie sich Türkische Musik und war die Kapelle der Bürgerwehr, die im Unruhejahr 1848 auf Anordnung der Großherzoglichen Regierung aufgelöst wurde. Als im Sommer 1855 derum die Kapelle der Bürgerwehr hochverdiente Ambros Schrenk die Türkische Musik neu ins Leben rief, teilte er dem Gemeinderat mit, daß die Neubildung einem mehrjährigen Wunsch der Bürgerschaft entspreche. Wie es früher bereits durch die Türkische Musik geschehen sei, werde auch die neue Stadt­ kapelle Musik machen: 1. zum Zweck der Verherrlichung unserer Kirchenfeste: Fronleichnam, Herz­ Jesu- und Jakobi-Fest. 165

2. zur Erhöhung der politischen Landes­ feste: Geburtstag des Großherzogs von Baden und Namenstag des Fürsten zu Fürstenberg. Jährlich bezieht Kapellmeister Ambros Schrenk aus der Gemeindekasse 25 Gulden zur Anschaffung von Musikalien. Die In­ strumente will die Kapelle aus eigenen Mit­ teln beschaffen. Sie ist um diese Zeit bis zu 36 Mann stark. Die Stadtgemeinde ist zu allen Zeiten das entscheidende finanzielle Rückgrat der Ka­ pelle gewesen. Sie hat sich in Zeiten des Aus­ einandergehens der Mitglieder, der vorüber­ gehenden Auflösung ideell und materiell eingeschaltet, bis die Vereinigung neu ins Leben gerufen war. Zeitweise wurden von der Stadt auch die Instrumente beschafft, das Notenmaterial wurde in der Regel aus der Gemeindekasse bezahlt. Für eine Reihe von städtischen Festen wurden die Musiker besonders angefordert und besoldet, so für das Jakobifest bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts, als das Fest noch weitgehend von den Zünften ge­ tragen wurde. Jakobus war nicht nur der Patron der Stadt, sondern auch der der Hand­ werkszünfte in Hüfingen. An seinem Festtag kam, wie man aus Lucian Reichs „ Wander­ blüten“ weiß, das Vollc aus der ganzen Baar in Hüfingen zusammen. Dabei bot die Stadt­ musik den Gästen stets etwas Besonderes, was andere Städte weiturn nicht zu leisten vermochten. Anderswo -so Lucian Reich – nahm man bei derartigen Anlässen Musiker in Dienst, die den Jahrmärkten nachzogen. In Hüfingen bedurfte man ihrer nicht. Ja, man lehnte sie, wie wir aus dem Jahr 1833 erfahren, ausdrücklich ab und stellte sie den wandernden Orgelmännern gleich, die um diese Zeit von der auf öffentliche Sicherheit bedachten Großherzoglichen Obrigkeit ohnehin nicht gern gesehen waren. Der Fürstlich Fürstenbergische Hof in Donaueschingen ist vor allem in der Zeit der Romantik und des Biedermeiers auf die Musikpflege in der Amtsstadt Hüfingen von maßgeblichem Einfluß gewesen. Ambrosius 166 Schrenk, bereits vor 1846 Kapellmeister der Türkischen Musik in Hüfingen, wird mehr­ fach als F. F. Hofmusikus genannt. Auf ihn gehen auch die Statuten des 1855 neugegrün­ deten Hüfinger Musikvereins, der zeitweise auch Bürgerliche Musikgesellschaft hieß, zu­ rück. Es wurde eine eigene Kasse gebildet, um die Gemeindekasse nicht über Gebühr zu beanspruchen. Die Honoratioren und Mu­ sikfreunde Hüfingens traten als fördernde Mitglieder bei -insgesamt 65 an der Zahl. Ausübende Mitglieder waren es im August 1856 33 aktive Musiker. In § 3 der Statuten heißt es: Vom Verein angeschaffte Instru­ mente sind, wenn der Verein aufhört, der Stadtbehörde zu übergeben.§ 15 macht den aktiven Musikern einen fleißigen Besuch der Proben zur Pflicht; bei den „Produktio­ nen“ ( öffentlichen Auftritten) haben die Mit­ glieder „besonders präzis zu erscheinen“. Die Bürgerliche Musikgesellschaft, der als fördernde Mitglieder auch der Bildhauer F.X. Reich und der Lithograph]. B. Heine­ mann angehörten, hat nur ein kurzes Be­ stehen gehabt. Im Jahr 1862 -sieben Jahre nach der Gründung-zeigt Ambros Schrenk ,,dem Bürgermeisteramt und dem Gemein­ derat ergebenst an“, daß er die Leitung der Musikgesellschaft und die Stelle als Kapell­ meister niederlege. Im Oktober des genann­ ten Jahres werden sämtliche Instrumente – entsprechend den Statuten -dem Bürger­ meisteramt übergeben, davon neun Instru­ mente, die Eigentum der Stadt, zehn weitere Instrumente, die Eigentum der Musikgesell­ schaft sind, ferner 36 sonstige Musikalien. Zwei Jahre später erfahren wir, daß die Stadt mit dem Gehalt an den zurückgetretenen Kapellmeister noch immer rückständig ist. Es ist die Zeit, da Hüfingen unter den ,,Auf­ lagen“ nach den Unruhejahren 1848/49 be­ sonders schwer zu tragen hatte. Eine Eingabe, von 34 Bürgern unterzeichnet, ,,die glauben, Wunsch und Wille der Mehrheit der Bürger auszusprechen“, richtet an den Gemeinderat die dringende Bitte, die noch rückständigen hundert Gulden dem Musiker A. Schrenk endlich zukommen zu lassen.

Da eine ordentliche Kapelle nicht besteht, ist in den folgenden Jahren das Entleihen von Instrumenten aus dem Hüfinger Rat­ haus an der Tagesordnung. Im Juni 1865 ist es das Donaueschinger „Pompie-Korps“ (Vorläufer der Freiwilligen Feuerwehr), das beim Sängerfest in Rottweil „sich produzie­ ren will“ und dafür die Hüfinger Musikplat­ ten benötigt. Im selben Jahr entleiht ein Wilhelm Krausbeck die C-Trompete, um Kirchenmusik bei einer Festlichkeit zu spie­ len. Ein Josef Moog, ebenfalls Hüfinger Bürger, leiht sich den Dreiangel für die Zeit der Fasnacht. Anton Labor wiederum leiht eine Trompete aus, um seinen Sohn Theodor im Musikspiel anzulernen. Im Jahr 1869 entstand unter Mitwirkung von Mitgliedern der früheren „Harmonie­ Musik“ sowie weiteren Musikfreunden die Türkische Musik unter Leitung von Ambros Schrenk wieder. Das Jahr darauf wurden die Instrumente vom „Liederkranz“, der zeit­ weilig eine Blasmusik als Unterabteilung führte, beziehungsweise vom Bürgermeister­ amt der neugebildeten Kapelle übergeben. Zehn Instrumente befinden sich, als am 20 . Dezember 1870 „Kassensturz“ gemacht wird, im Rathaus, ebenda auch sämtliche Musi­ kalien, zehn weitere Instrumente bei aktiven Mitgliedern. Fridolin Dufner leitet um diese Zeit die Musikkapelle. Als Festtage, an denen die Stadtmusik offiziell auftritt, gelten vom Jahr 1870 an: Fronleichnam, das Herz:Jesu- und das J akobifest, ferner der Geburtstag des Kai­ sers und der der Großherzogin von Baden. Fridolin Dufner bestreitet für eine Summe von hundert Gulden die laufenden Bedürf­ nisse der Kapelle, beschafft neue Instrumen­ te und hat Zöglinge anzulernen. Er ist ein mit der Zeit gehender Musiker und ausge­ zeichneter Kapellmeister. In den Akten vom 7 . Oktober 1886 ist zu lesen, daß er die Musikalien (Notenhefte), bisher in F-Stim­ mung, in die sogenannte Es-Stimmung „um­ stellte“ und zu diesem Zweck vier neue Instrumente (zwei B-Klarinetten, je ein Pikkolo und Flöte) zu einem Betrag von 110 Mark durch die Stadt neu anschaffen ließ. Im Jahr 1907 regelt ein eingehender Ver­ trag das Verhältnis zwischen Stadt und Stadt­ musik. Dirigent ist von diesem Jahr an Ferdinand Fischerkeller. Die Zahl der besol­ deten Musiker wird auf16 bei einer jährlichen Vergütung von 50 Mark je Mann festgesetzt. Die aktiven Musiker sind verpflichtet, bei allen öffentlichen weltlichen und kirchlichen Anlässen, die in Hüfingen allgemeinen fest­ lichen Charakter haben, zu spielen, ferner bei Feuerwehrhauptproben Marschmusik zu machen. Die Kosten für neue Instrumente wie Musikalien übernimmt von diesem Jahr an die Stadt in vollem Umfang. Die Stadt­ kapelle hat außerdem auf Verlangen der geselligen Vereine in Hüfingen gegen ent­ sprechende Vergütung die Musikbedürfnisse der Bürgerschaft zu befriedigen. „Die lange Kriegsdauer hat Verhältnisse geschaffen, die aufJahre hinaus einen erheb­ lichen Aufwand der Stadt für die Musik nicht gestatten“ lautet ein Schreiben von Bürger­ meister Bausch im Dezember 1916 an einen aus Sachsen stammenden Musiker, der um diese Zeit am Freiburger Stadttheater wirkt und sich für die Zeit nach Kriegsschluß be­ reits jetzt um die Stelle eines Kapellmeisters in Hüfingen bewirbt. Am Ende des Ersten Weltkrieges ist es der Donaueschinger Ka­ pellmeister K. Dietrich, der dem Hüfinger Musikleben neuen Auftrieb gibt, zunächst ehrenamtlich, später gegen eine angemessene Jahresvergütung die Funktionen eines Ka­ pellmeisters ausübt. Wieder einmal hatten im Juli 1919 zwanzig Mitglieder der Kapelle, an der Spitze Josef Dufner sen., die Instrumente im Rathaus ab­ gegeben. Das Fortbestehen der Stadtmusik war erneut in Frage gestellt. Der Donau­ eschinger Kapellmeister Dietrich kommen­ tiert den bedauernswerten Entschluß mit den Sätzen: Ein Aufhören der Musiktätigkeit ent­ spräche nicht der Hüfinger Überlieferung und sei nicht vereinbar mit den Interessen der Gemeinde. Hüfingen sei für die Musik 167

auf der Baar und im Schwarzwald der geeignetste Boden. Anfang des Jahres 1920 ist die Stadtmusik unter Kapellmeister Dietrich in der Lage, wieder an die Öffentlichkeit zu treten. Bei einer Jahresvergütung von 100 {Papier-)Mark je Musiker hat die Kapelle mindestens zehn­ mal der Stadt zur Verfügung zu stehen. So von jetzt an auch am Weißen Sonntag, ferner am Kinderfest, am Kriegsjahrtag sowie (außer den bereits früher genannten Hüfinger Festen) bei vier weiteren Anlässen, die jeweils von Fall zu Fall bestimmt werden. An den Vorabenden von Fronleichnam, Herz-:Jesu­ und Jakobifest hat die Stadtmusik den „Zapfenstreich“ zu spielen. Einen neuen Aufschwung nimmt die Hü­ finger Kapelle unter Polizeidiener Josef Kramer, der vom Januar 1923 an als Dirigent der Kapelle zeichnet, übrigens auch drei Jahrzehnte bei der Donaueschinger Stadt­ musik mitwirkte. Der äußere Höhepunkt seines W irkens war der 5. Baaremer Musiktag am 3. August 1930 in Hüfingen. Bei gleichem Anlaß gedachte man der dreihundertjährigen Musiktradition in der Stadt Hüfingen. Nach­ folger von Josef Kramer wurde am 30. Juli 1935 Josef Hutzier. „W äre der Leiter der Kapelle und wären die wenigen alten Mu­ siker nicht so ideal und jederzeit einsatzbereit eingestellt, so würde die Hüfinger Kapelle schon längst dasselbe Schicksal ereilt haben, wie die überwiegende Mehrzahl der Kapellen im Kreisgebiet“. So ein Schreiben aus dem Hüfinger Rathaus vom 22. Nov.1942. Es cha­ rakterisiert zur Genüge die damalige Situation. Erst von 1948 an kann von einer öffent­ lichen Musikbetätigung und einem raschen W iederanstieg der Stadtmusik unter Kapell­ meister Hutzier wieder die Rede sein. Den ersten Erfolg brachte das Jahr 1950, als die Stadtmusik beim Wertungsspiel anläßlich des Verbandsmusikfestes in V illingen in der “ Oberstufe die Note “ vorzüglich mit dem Vor­ “ trag der Ouvertüre »Das Modell von F. von Suppe erhielt. Der Durchbruch in die Kunst­ stufe gelang mit der höchsterreichbaren Note 168 „hervorragend“ beim Verbandsmusikfest in Lenzkirch imJahr 1951 mit der Ouvertüre zu „W ilhelm Tell“ von G. Rossini. Auch in den weiteren Jahren wurden die Leistungen der Hüfinger Kapelle in der Kunststufe immer wieder mit „vorzüglich“ bewertet. Bei den Wertungsspielen hatte Dirigent Hutzier mit Vorzug die Werke von klassischen Kompo­ nisten ausgewählt. So die „Macht des Schick­ sals“ und „Die Sizilianische Vesper“, jeweils von G. Verdi, „Semiramis“ von G. Rossini, „Der Opernball“ von Heuberger, sowie Me­ lodienfolgen aus Werken von R. Wagner. Ein glänzendes Fest gab Hüfingen 1956 bei der 325-:Jahr-Feier der Stadtmusik. 30 Gastkapellen mit annähernd 900 Musikern nahmen am Sonntag am Festzug teil. Über zehntausend Festbesucher säumten die Straßen. Dann kam an Ostern 1963 der Ab­ schied vonJ osefHutzler als Dirigent. Für die Verdienste um die Musik wurde er nach 28jähriger Dirigententätigkeit zum Ehren­ dirigenten ernannt. Am 9. September 1977 erhielt er die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Sein Nachfolger am Dirigentenpult wurde Hans Müller. Unter seiner Stabführung fand Ende Mai 1965 das 6. Verbandsmusikfest des Blasmusikverban­ des Schwarzwald-Baar in Hüfingen statt. Im Mittelpunkt des Festbanketts stand die Ur­ aufführung der Kantate „Mi Boor“ nach Versen des Hüfingers Gottfried Schafbuch (Vertonung: Alfred Kluten) durch die Stadt­ musik und den gemischten Chor des „Lieder­ kranz“ Hüfingen. Das Jahr 1969 brachte die Anschaffung der Milizuniformen mit nennenswerten Zu­ schüssen durch die Stadt, der Narrenzunft sowie aus dem Erlös von zwei Wunschkon­ zerten. Die Plakette „Pro Musica“, die Ver­ einen für ein mehr als hundertjähriges Be­ stehen verliehen wird, überreichte im Auftrag von Landrat Dr. Lienhart Kreisrat Lukas Riedlinger im April 1972 beim 25. Oster­ konzert an Bürgermeister Gilly in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Stadtmusik. Mitte April 1974, beim Frühjahrskonzert, gab die neugegründete Jugendkapelle – 30

Buben und Mädchen stark – ihr Debüt mit der Hymne „Grandioso“ von Herborg, und beim Osterkonzert 197 5 stellte sich die Stadt­ musik in ihrer neuen Uniform -Jacke und Hose graublau, dazu eine rote Weste – vor. Im Juni 1975 bereitete die Stadtkapelle mit einem zweitägigen Besuch in Ornans im französischen Jura die für das Jahr 1978 vor­ gesehene Partnerschaft der Städte Hüfingen und Ornans vor. Mit dem 1.Januar1977 gab Max Gilly sein Amt . als Vorsitzender der Stadtmusik ab. Sein Nachfolger wurde Peter Marx. Beim Kameradschaftsabend der Stadt­ musik am 5.Januar kündigte er als wichtigstes Ereignis für 1981 die 350:Jahr-Feier mit dem Festakt am 19.Juni 1981 an. Im 350. Jahr ihres Bestehens zählt die Stadtmusik Hüfingen 53 aktive Mitglieder; die Jugendkapelle besteht aus 22 Jugend- liehen, davon 3 Mädchen. Im Besitz der Stadtmusik sind 77 Holz- und Blechinstru­ mente; hinzu kommen Schlagzeuge, Schel­ lenbaum und Lyra. An Musikalien (Noten usw.) sind ca. 300 Stück vorhanden. Außer 60 kompletten Uniformen besitzt die Stadt­ musik weitere 60 Miliz-Uniformen. Die jährlichen Auftritte der Stadtmusik sind derzeit: Fastnacht, Osterkonzert, Weißer Sonntag, Fronleichnam, Heimattage im Juni, Volkstrauertag. Hinzu kommen ca. 20 zusätzliche Auftritte bei Konzerten von örtlichen Vereinen, bei Jubiläumsfesten befreundeter Kapellen, ferner Ständchen bei Ehrungen und Gratulationen von Musikern und Ehrenmitgliedern sowie sonstige Auf­ tritte, welche im Auftrag der Stadt Hüfingen durchgeführt werden. Lorenz Honold Rücken des Schaffhauser Randens zu Buch­ berg und Eichberg. Ähnlich der roten Milane, die mit hellem Ruf über die Täler segeln, lösen sich von der Klippe des Berges die Drachenflieger. – Sind wir nicht schon mitten im Märchen? In einer Wirklichkeit, die auch Märchen sein könnte? Das Naturtheater in Mundelfingen Eine Symbiose von Kultur und Landschaft Mundelfingen, die über tausendjährige Siedlung, das einstige Bauernzentrum der Südhaar, ist Stadtteil von Hüfingen. Das Dorf, seine Gemarkung bildet heute einen Eckpfeiler des Schwarzwald-Baar-Kreises nach Südwesten hin. Über den Heerenweg, die alte Römerstraße hinweg geht der Blick über die zerklüftete Gauchach nach Una­ dingen, das von Freiburg aus verwaltet wird. Folgt man den bewaldeten Schluchträndem, dem Wasserlauf, der auch Gemarkungsgrenze ist, wird man Zuschauer eines Schauspiels, das in seiner gleichbleibenden Melodie niemals Langeweile aufkommen läßt: die Mündung der grün-seidigen, forellenreichen Gauchach in die stark-strömende Wutach. Aber hinauf zur gegenüberliegenden Höhe, zum Greifen nahe, das trutzige, festungsähnliche Ewat­ tingen, das heute zu Waldshut gehört. Hinter wolkenähnlichen Wiesenbergen ahnt man Blumegg. Nun holt der Blick zu weitem Rundflug aus: Vorbei an dem gelblich­ schirnrnernden Gestein der Flühe zum langen Der Standort dieser Betrachtung ist das Gelände des Natur-Theaters Mundelfingen. Hoch über dem Wasserfall des Aubachs an sanftgemuldetem Wiesenhang stehen ein Schloß mit Tor und Zinnen, ein Fachwerk­ haus, eine Waldhütte, ein Brunnen. Der Hintergrund aber ist eine Kulisse, von der ein Theater nur träumen kann. Ein Wald, wild­ gewachsen, einem Urwald ähnlich: Esche, Ahorn, Buche, Fichte, umsäumt von Bü­ schen: Schlehe, Weißdorn, Maßholder, Haselnuß. Der Boden blüht vom Frühjahr bis in den Winter: Seidelbast, Anemone, Türkenbund, Nachtschatten, Lianen. Das letzte Theaterstück, das hier gespielt wurde: ,,Der Faulpelz“, war ein phantastisches, 169

modernes Märchen. Durch den Übermut eines Jungen erblindet ein Mädchen. Hei­ lung kann nach dem Ratschlag eines Kräuter­ weibes nur Sternenstaub bringen. Der Junge baut sich ein Himmelsboot. Aus Traum und Glauben wird Heilung. “ Alle übrigen Inszenierungen waren Um­ deutungen der klassischen, deutschen Märchen. Eine Domröschen-Version: Bärbel wird an ihrem Geburtstag ver­ “ wünscht“, ein Stück, in welchem Tiere, Ponys, Schafe, Ziegen, Hunde in die Hand­ Schneewittchen“: Der lung eingreifen. – Trottelkönig verspielt sein Reich, seine Macht, sein Kind an eine ehrgeizige Frau. Der Prinz, – wer anders als ein Prinz von Ewattingen- stellt die Ordnungwieder her. – »Hänsel und Grete!“: Zwei aufgeweckte Kin­ der, die bald durchschauen, daß ihre Stief­ mutter das ihnen zustehende Kindergeld für eigenen Putz zweckentwendet. Die Hexe, eine verkannte, einsame Frau, die bös ge­ worden, wohl brennen muß, aber erlöst wird und verspricht, sich zu bessern und alle Lebkuchen nur noch für Kinder zu backen. – $umpelstilzchen“: ein pfiffiger Bursche, der immer aus der Tiefe des Waldes in das Geschehen eingreift. Er führt dem Müller und seinen Kindern gleich eine Probe seiner Zauberkunst vor: er läßt gespaltenes Holz vom Himmel fallen. Kein Zweifel, er kann Gold machen. Er rettet nicht nur den in Finanznöten stehenden König, sondern auch den Müller selbst, welcher ihm seine zweite Tochter zur Frau gibt. So kann der Müller sagen: ,Jetzt ha ich zwoe Schwie­ gersöhn, en Kenig und en Goldmacher, jetzt goht mini Mühli ganz gwieß nimme ’s Loch abi.“ ‚S Waldmali, Es wird alemannisch gesprochen in diesen Aufführungen. Gründer, Organisator, Dramaturg, Spielleiter und Mitakteur dieses Naturtheaters ist Günter Koppenhöfer aus Mundelfingen. Vielleicht etwas viel für eine Person, vielleicht liegt hierin auch die Schwäche dieses Unternehmens. Über die alemannischen Arbeiten von Günter Koppenhöfer urteilt H. G. Huber, 170 Offenburg, in der Kulturzeitschrift „Der Deifelsgeiger“: »An Koppenhöfers Lyrik fas­ ziniert der natürliche Sprachton, nirgends pres­ sen Reime und Verse die Sätze in ein künst­ liches Korsett oder bedingen hochdeutsche Verlegenheitslösung. Das ist volkstümliche Dichtung, die keine falschen Neben töne hat.“ Die Existenz des Natur-Theaters scheint bedroht. Eine der Ursachen: Es fehlt eine Gemeinschaft, welche die Verantwortung und Anstrengung mitträgt und den Weg zu größeren Stücken, auch für Erwachsene öffnet. Das Eingehen dieses Theaters würde ohne Zweifel einen Verlust für die Region bedeuten. Franz Schwendemann Das Glück Wie kurz ist doch die Freude, Die uns das Leben schenkt, Die Schmerzen dauern länger, Daran so vieles hängt. Oft ist das Herz voll Kummer, Das gestern noch gelacht, Schnell gibt es eine Wendung, An die Du nicht gedacht. ·’­“ Herrliche Zeit Soviel bunte Blumen blühen Auf den Wiesen, weit und breit, Alle, ohne Dein Bemühen, Jetzt, zur schönen Sommerzeit. Immer nur zu Deiner Freude, Wenn Du gehst den Wald entlang, Drum nicht einen Tag vergeude, Nie den süßen Vogelsang. Diese Zeit ist schnell vorüber Und Dein Leben ist so kurz, Mach‘ es heiter, nicht noch trüber, Denn wie rasch kommt es zum Sturz. Johannes Hawner

Landschaftsschutz, Kultur- und Naturdenkmäler Magdalenenberg und Tannhömle bei Villingen Ein Idealfall für die Forschung/ Von Dr. Walter Fritz Vor uns liegt eine riesige Baustelle; es sieht so aus, als würden wir Zeugen eines gewalti­ gen Bauunternehmens: eine unübersehbare Menschenmenge, Rinder, Wagen, Holzge­ rüste, Erd-und Steinhaufen. Große Geschäf­ tigkeit überall: auf Karren werden Steine her­ angefahren; an manchen Stellen tragen sie den Rasen ab, gewinnen dabei ziegelgroße Stücke; wieder andere heben einen Graben aus, um Baumaterial zu erhalten, das aufTra­ gen fortgebracht wird. Axtschläge sind zu hören, eine alte Eiche fällt. Wir fragen nach dem Sinn des Vorhabens. Man erklärt uns, der Herrscher sei gestorben, er solle hier bestattet werden und ein Denk­ mal erhalten; der ganze Stamm sei versam- melt, es zu errichten. Jetzt sehen wir auch, daß Baumstämme behauen werden und die Grabkammer bereits gezimmert wird; um sie herum sind bereits Steine und Rasenziegel aufgeschichtet. Aber wohl erst nach Jahren wird kein Baugerüst mehr zu sehen sein, wird wieder Ruhe einkehren. Wir wollen wissen, warum gerade hier gebaut wurde, so ganz abseits von den Sied­ lungen. Man sagt uns, daß dieser Ort wegen seiner erhöhten Lage schon von weitem zu sehen sei. So seien sich die Untertanen über­ all bewußt, wo ihr Herr begraben sei; und dessen Macht wirke so auch nach seinem Tode weiter. Wir sehen uns um -in der Tat: der Blick Blick vom „ Tannhörnk“ bei Villingen nach Nordwesten. Einen scharfen Kontrast bildet das aufgelok­ kerte Landschaftsbild zu den kahkn Flächen der Kulturlandschaft und den eintönigen Fichtenforsten des Schwarzwalds im Hintergrund. 171

reicht meilenweit nach allen Richtungen. Wir sehen in der Feme Siedlungen, umgeben von Feldern, und Herden auf den schier end­ losen Weideflächen. Außer einigen breitkro­ nigen Eichen versperrt uns kaum ein Baum den Blick. Wälder finden sich vorwiegend in den sumpfigen Niederungen. Auf dem höhergelegenen Gelände haben die Viehher­ den neben einzelnen Bäumen nur Domen­ gestrüpp aufkommen lassen. Solche ver­ huschte Flächen reichen stellenweise bis zum Horizont Nach Jahren kommen wir wieder an der Baustelle vorbei – es mögen inzwischen zehn oder fünfzehn Jahre vergangen sein: Die Bauarbeiten gehen dem Abschluß zu. Eine riesige Hügelkuppe ist entstanden. Wir schätzen ihren Durchmesser am Fuß auf über hundert Meter und ihre Höhe auf zehn Meter. Lange Jahre wurde hart gearbeitet. Welchen Einfluß muß dieser Herrscher auch nach seinem Tod noch haben? Doch wie lange wird seine Macht fortbestehen? Wie lange mag wohl dieses Bauwerk davon zeu­ gen? Werden es nicht nachkommende Men­ schen bald wieder einreißen? Und sie kamen: nach zweieinhalbtausend Jahren: Wissenschaftler waren es, die das Bauwerk „auf den Kopf stellten“, begierig zu erfahren, welche Geheimnisse sich in diesem Grabhügel „ M a g d a l e n e n b e rg“ verber­ gen. Davon sei hier nur weniges herausgestellt: Der vorstehende „Augenzeugenbericht“ ist nur auf Grund der Grabungsfunde möglich geworden, er soll veranschaulichen, wie es damals gewesen sein könnte. Wir können uns ein Bild von der damaligen Landschaft machen, als der „Magdalenenberg“ gebaut wurde. Ermöglicht wurde das durch reiche Funde von sehr gut erhaltenen Pflanzenre­ sten, die aus dem Grabhügel geborgen wur­ den, und durch Vergleich mit einer Vegeta­ tion, die alle diese Pflanzenarten heute noch enthält: Das „Tannhörnle“ in unmittelbarer Nähe zeigt uns geradezu modellhaft den. Landschaftstyp, der vor 2.500 Jahren – und auch später noch – in den besiedelten Räu- 172 Die gelbblühende Schwarzwurzel ist auch im ,, Tannhörnle“ nur selten anzutreffen. Die Blüten­ stengel erreichen eine Höhe von 20 bis 25 cm. men vorherrschend war. Die folgende Schil­ derung der Vegetation des „ Tannhömle“ k�nnte auch „damals“ geschrieben worden sem. Schon von fern fallen uns mehrhundert­ jährige Eichen, einige Fichten- und Kiefern­ gruppen und Buschwerk auf. Verschiedenar­ tige Standorte heben sich durch Höhe, Dichte und Farbe des Pflanzenkleids von­ einander ab: kleine Flächen mit recht schüt­ terer, doch überaus bunter Pflanzendecke wechseln mit sumpfigen, leicht vermoorten Mulden. Großflächig treffen wir auf einen Rasen mit stellenweise dichter Streuauflage und reicher Moosschicht. In den Fahrspuren hat sich eine eigene Vegetation eingestellt und dort wiederum ganz besonders um die zeitweiligen Wasserpfützen. Bereits im zeitigen Frühjahr leuchten aus der einheitlich gelbbraunen Streudecke die ersten blauen und gelben Blüten von Früh-

lingsenzian und Fingerkraut neben den unscheinbaren Ährchen der frühblühenden Seggen; die zahlreichen Schlehdornbüsche sind mit weißen Blütenschleiern überzogen. Nur langsam bekommt der fahle Rasen Farbe, wenn junge Blättchen und Triebe die Streu durchstoßen. Dann stehen die Weiß­ dombüsche in üppiger Blüte, und die übri­ gen Gehölze haben ausgetrieben; nur die Eichen lassen sich immer noch Zeit. Jetzt überziehen hunderte, ja tausende von Kna­ benkräutern die Fläche, wir finden auch die selten gewordene Schwarzwurzel und die gelben Blütenbällchen der Trollblume. Die beeindruckendste Buntheit wird im Spät­ sommer und Frühherbst erreicht, wenn der Rasen bereits fahl geworden ist und das schwächer gewordene Licht alles in zarten Pastellfarben erscheinen läßt. Dann bestim- men Enziane und Teufelsabbiß mit ihrem Lila das Bild, dazwischen finden wir in Rosa die Besenheide und die Betonie und hierund da gelbe Blütensternchen der Blutwurz. Jetzt erst fallen uns einige Grasarten deutlicher als sonst im einheitlichen Grün auf: die strohfar­ benen Rasenbüschel der Fiederzwenke, die jetzt bemerkenswert großen Ährchen des Dreizahns, die krurnmbezahnten Kämme des Borstgrases oder die noch blaugrün bereiften Horste des selten gewordenen Wie­ senhafers. Die Weißdombüsche hängen voll mit roten Beeren. Auf den Fahrwegen blü­ hen noch immer Brunnelle und Herbstlö­ wenzahn, stehen noch fast unverändert die Horste der Binsen, säumen lilafarbene Enzianbänder die Wegränder. Es liegt hier der seltene Fall vor, daß neben einem kulturhistorischen Denkmal, dem Im Innern des „ Tannhörnle „bei Villingen finden wir Weide.fichten, einzeln oder zusammen in Gruppen, daneben eine Vielzahl von Weißdombüschen, während die alten Eichen am Rande stehen. Das aus­ schließliche Vorkommen von Dornsträuchern ist eine Folge der Beweidung, bei der alles Nichtdornige abgefressen wird. 173

,,Magdalenenberg“, das zugehörige Land­ schaftsbild vorhanden ist, das uns eine Vor­ stellung davon gibt, wie es früher einmal in eben dieser Gegend ausgesehen hat. Damit wird das „ Tannhörnle“ zu einem bedeuten­ den kulturhistorischen Anschauungsobjekt. Seine Schutzwürdigkeit liegt aber ebenso in seiner Artenvielfalt mit weit über 300 Pflanzenarten begründet. Es stellt eine Insel inmitten unserer verarmten Kulturland­ schaft dar, einen Zufluchtsort für eine Reihe selten gewordener Arten. Der subjektive Erlebniswert läßt sich gar nicht beschreiben. Solche vom Menschen und seinen Weide­ tieren geschaffenen Bestände müssen vom Menschen weiterhin gepflegt werden, wenn sie in der gewünschten Art erhalten bleiben sollen. Ziel muß es sein, die durch den Men­ schen erst verursachte Vielfalt an Lebensräu­ men zu bewahren. Nur dadurch schaffen wir auch weiterhin vielfältige Lebensmöglichkei­ ten für Pflanzen und Tiere, Lebensraum für bedrohte Arten. Naturschutz auferlegt uns die Pflicht, geschützte Bestände als schüt­ zenswert zu erhalten. Dazu gehört auch, daß unbefugte Eingriffe, wie sie in jüngster Zeit im „ Tannhörnle“ trotz gesetzlichen Schutzes vorkamen, unterbleiben; hier fehlt es oft noch an Wissen und auch an Einsicht. Möge diese Darstellung einen Teil dazu beitragen. Das Schwarzenbach- und W eissenbachtal Natur- und Landschaftsschutzgebiet auf der G emarkung Schönwald Die Gemeinde Schönwald wird nach Westen – jenseits des Fahrenbergtales – durch den Höhenzug Brücklerain-Rohr­ hardsberg begrenzt.Nach der nordwestlichen Seite bilden die leicht ansteigenden Höhen zu beiden Seiten das Schwarzenbach­ Weissenbachtal. Nach der nordwestlichen Gemarkungs­ grenze (Schonach) liegt das Naturschutz­ gebiet „Blinde See“. Unter Naturschutz gestellt wurde das Hochmoor auf einer Ver­ ebnung der Granithochfläche in ca. 1000 m Höhe mit den Bergkiefern, welche mit Rinnen und Hügelehen durchzogen und mit Schwingrasen und Binsen-Naßweiden be­ wachsen sind. Das Moor ist ca. 28 ha groß. In ihm liegt der flache „Blinde See“ mit etwa 50 m Durchmesser. Ergänzend zu dem Naturschutzgebiet „Blinde See“ ist das Schwarzenbachtal und zu einem kleinen Teil das ineinander ver­ laufende Weissenbachtal unter Landschafts­ schutz gestellt, mit einer Fläche von 427 ha. Geschützt ist dadurch ein wesentlicher Teil des Einzugsgebietes der Gutach auf der Schönwalder Hochfläche mit mehreren Flachmooren und naturnaher Vegetation. 174 Mit dem Landschaftsschutzgebiet Prisen­ bachtal (113 ha) stehen über 500 ha der Schönwalder Gemarkung unter Land­ schaftsschutz, das sind 17,50/o. Die rund 1000 m hohen Anhöhen im S chwarzenbach-Weissenbachgebiet sind ringsum mit schlanken Tannen bewachsen. Auf den Äckern und auf den Wiesen liegen oft runde Granitblöcke, sogenannte „Find­ linge“. Eigentümlich sind in der Gemarkung Schönwald die vielen Hochmoore. Der Schwarzwald enthält als Urgestein Granit und Gneis. Als diese durch Eruption sich über die Erdkruste emporhoben, entstanden die Höhen und Tiefen, die Berge und Schluchten. Durch diese Eruptionen, den Hebungen der Gesteinsmassen, entstanden auch viele kleinere und größere Öffnungen. Diese füllten sich teilweise mit Wasser und Erde. Da das Gestein undurchlässig war, bildeten sich Sümpfe. Zu Trockenzeiten wuchsen Gräser, Buschwerk und selbst Bäume. Bei Hochwasser wurden diese wieder überflutet und vermoderten im Laufe vieler Jahrhunderte. Es bildeten sich neue Schichten darüber, und nach und nach entstanden

Blick in das Schwarzenbachtal • T Motiv im Weissenbachtal 175

Bachlauf im Moor Moorböden, die Torfmoore, wie wir sie z. B. in den vorerwähnten Natur- und Land­ schaftsschutzgebieten Schönwalder Gemarkung haben. auf Die Zeiten, in denen die Schönwalder Bürger ihr Brennmaterial aus den Torf­ gebieten „Blinde-See“, im Schwarzenbach-, Weissenbach-und Hölltal holten, sind längst vorbei. Zurückgeblieben ist eine herrliche Hochmoorlandschaft mit Moos, Zwerg­ kiefern, Birken und Latschen, die trotz dem sauren, nährstoffarmen Boden gut wachsen. Die vielen in unserem Gebiet weilenden Kurgäste und Wanderer, aber auch die Bürger von Schönwald erfreuen sich zu allen Jahres­ zeiten bei ihren Wanderungen an der Farben­ pracht in den Natur-und Landschaftsschutz­ gebieten. Von der Ortsmitte kommend über den Friedhof hat man einen herrlichen Rundblick über das gesamte Schwarzenbach­ Weissenbachtal. Herrliche Waldeshöhen umranden das Gebiet, und in den Talmatten liegen die schönen alten Bauernhöfe. 176 Aufgrund der Schönheit der beschriebenen Natur-und Landschaftsschutzgebiete sollten alle Verantwortlichen (Behörden, Grund­ stückseigentümer und Wanderer) bemüht sein, daß diese einmalige Naturschönheit nicht noch weiter ausgezehrt wird. Sie zu pflegen und zu schützen, sollte unsere vornehmste Aufgabe sein, damit die großräumige Erholungslandschaft langfristig gesichert ist. Schönwald ging im Jahre 1978 beim Ausbau der Gemeindeverbindungs­ straße Schwarzenbach-Weissenbach mit gutem Beispiel voran, indem die Gemeinde der Planung einer Umgehungsstraße Schön­ wald-Furtwangen durch das Schwarzenbach­ Weissenbachtal ihre Zustimmung ver­ weigerte, denn durch einen solchen Eingriff wäre der ganze Charakter der Landschaft im oberen Bereich der Gutach zerstört worden. Emil Rimmele, Altbürgermeister und Kurdirektor i. R.

Burg Waldau Muß der Freund unserer Burgen zu vielen Anlagen in einem mehr oder minder reiz­ vollen Fußmarsch anwandern, so macht es ihm die Burg Waldau leicht: Sie liegt nahe der alten Straße nach Schramberg, 2 km nördlich von Königsfeld im nördlichen Teil der hier über 700 m hoch gelegenen Baar. Ihr stattlicher Bergfried und das direkt vor der Burg gelegene landwirtschaftliche An­ wesen, der Schloßhof, bilden einen reizvollen baulichen Kontrast. Und noch eine Beson­ derheit kennzeichnet Waldau: von ihr gibt es, wie selten sonst, eine Lithographie (nach einer Zeichnung Maximilians von Ring, des großen Straßburger Archäologen und Zeich­ ners des frühen 19. Jahrhunderts), die die Burganlage im Schnee zeigt. Die bei allen Zeichnungen von Ring in seinem badischen Burgenwerk (1829) sorgfältig gewählte Staf­ fage zeigt hierbei den Weg zur Ruine mi� einer Jagdgesellschaft mit Reitern und am Feuer sich wärmenden Jägern bevölkert. Doch zur Burg selbst: Sie steht auf dem Ausläufer eines flachen Bergrückens am Zu­ sammenfluß des Roggenbachs mit dem Glas­ bach im Ortsteil Buchenberg-Martinsweiler und gehört heute zum benachbarten Königs­ feld. Der Grundriß der freizugänglichen An­ lage bildet ein auf einer Seite abgeschrägtes Viereck von 40 m Länge und 30 m Breite, in dessen Zentrum, nach Westen versetzt, der quadratische, gut erhaltene Turm aus rotem Sandstein steht. Er ist besteigbar und 20 m hoch. Über dem heutigen Zugang, auf der Ostseite in jüngerer Zeit ebenerdig aus­ gebrochen, liegt wie üblich einige Meter höher der ursprüngliche früher über eine hölzerne, häufig einziehbare Treppe erreich­ bare Originaleingang, der in einer Rund­ bogenkonstruktion ausgeführt wurde. Be­ sonders an den Turmecken finden sich gut gearbeitete Bossenquadern. Mächtige Steine dieser Art zeigt auch die Ringmauer, die Höhen zwischen 2 und 4 m aufweist. Waldau hat in diesem Jahrhundert drei Sicherungen und Instandsetzungen durch die staatliche Denkmalpflege erfahren: 1905 (Eduard Schuster berichtet davon, damals war der Turm noch nicht begehbar), 1925 und 1958, als zugleich auch die Betontreppe in den Bergfried eingezogen wurde. Der Besucher der Burg, der dankbar die hier geschaffenen Erholungseinrichtungen begrüßt, wünscht sich allerdings etwas mehr Reduzierung des Bew·1c.hses um und in der Anlage, was der Wii .cung der Bausubstanz zugute käme. Obwohl erst 1409 erstmals urkundlich erwähnt („ze Waldow die burg“), ist Waldau, wie der Baubefund zeigt, doch schon ein Produkt des 12. Jahrhunderts und nicht erst des 13./14., wie die „Kunstdenkmäler“ mei­ nen. 1409 und 1411 erscheint sie als fürsten­ bergisches Lehen, welches das in Rottweil und Villingen ansässige bürgerliche Ge­ schlecht der Hagg (Hack) innehatte.“ Waldow das burgstall“ heißt es 1442. Drei Jahre später verkaufte Bernhard Hagg es mit den Dörfern Weiler, Buchenberg und Martinsweiler an Graf Ludwig von Württemberg. Ob Waldau wie viele andere Burgen im Bauernkrieg (1525) zerstört wurde, wie Schuster meint, muß Vermutung bleiben. 1564 ist sie jeden­ falls der Rottweiler Pürschkarte zufolge Ruine. Im 18. Jahrhundert ist die Burg mit dem nahen Hof in Privatbesitz und wohl nicht sonderlich gepflegt worden. „Um wei­ terer Zerstörung vorzubeugen“, kaufte der badische Staat die Burg Waldau im April 1885 vom seitherigen Besitzer Andreas Beck um 1200 Mark. Mit freundlicher Genehmigung des Ver­ lags Karl Schillinger, Freiburg, aus dem Buch ,,Burgen im südlichen Baden“,1979. .,. “ 177

Im romantischen Neckartäle in die Wenn sich die Dauchinger, Deißlinger und Schwenninger in früheren Zeiten einen schönen Samstag oder Sonntag machen wollten – vorausgesetzt, es schien die Sonne – dann wanderten sie ins Neckartäle zwi­ schen Dauchingen und Deißlingen. Ganze Generationen von Nachwuchs wurden zur Sommerszeit liebliche Schlucht geführt, denn nirgendswo am Oberlauf des Neckars ist die Natur so schön: satte Wiesen, bewaldete Hänge, zwei kleine Brücken, wun­ derschöne Spazierwege und ab und zu die murmelnden Wasser des Neckars. Ein wenig Karl-May-Romantik gehört auch dazu. Es sind zwar nicht die Schluchten des Balkan, die hier von einem mehr oder weniger klei­ nen Bächlein durchbraust werden. Aber mit etwas Phantasie kann man die manchmal steil aufsteigenden Hänge mit Landschaften vergleichen, die man sonst nur in Mittelge­ birgen antrifft. Und dann die Talmühle! 135 Jahre sitzt die Familie Haffa schon im hintersten Winkel des Neckartäle, hat manche Höhepunkte und Tiefen erlebt. Zweimal ist die Talmühle abgebrannt, das letzte Mal im Kriegsjahr 1940. Der Karl Friedrich Haffa hat sie wieder aufgebaut, und wer tagsüber in der Woche an der Mühle vorbeikommt, der kann hören, daß Getreide gemahlen wird. Es ist zwar keine Mühle im Schwarzwald, auch klappert kein Mühlrad – aber die Dauchinger, Deiß­ linger und Schwenninger Wanderer haben die Mühle im Tale liebgewonnen. Ohne sie wäre das Neckartäle gar nicht mehr „das Täle“: kilometerlange Erholungswege, ein Ort der Stille, aber auch einer, wo sich Fuchs und Hase im wahrsten Sinne des Wortes noch Gute Nacht sagen. Die Jagdgemein­ schaft findet neben Rehen auch Fuchs und Hase im Tal und an den Hängen. Wenn man’s genau nimmt, ist das Neckar­ täle so eine Art Geburtshelfer für die Gemeinde Dauchingen gewesen. Drei Bur­ gen standen hier früher diesseits und jenseits 178 Neckartäle – eine Oase der Ruhe des Neckars, Sitze der Herren von Tochin­ gen. Aus diesem Tochingen wurde erst ein Touchingen und schließlich ein Dauchin­ gen. Letzteres etwas abseits vom Neckartäle, das früher noch nicht so bewaldet war wie heute. Obwohl: Ausflugsziel war es schon immer. Wenn auch noch nicht zu Zeiten, als der Neckar fast noch als Wildwasser durchs Tal schoß, die Römer aus Richtung Basel über eine Furt- die heutige Neckarbrücke – mußten, um gen Stuttgart weiterzuziehen. Lang ist’s her. Heute erinnern Grillstellen auf dem Musikfestplatz (Gemarkung Dauchingen) und auf dem großen Abenteuerspielplatz (Gemarkung Deißlingen) daran, wie es in früheren Zeiten hätte sein können, als man sich auf dem Weg von Basel nach Stuttgart am offenen Feuer Rehkeulen schmorte. Statt

Römer kommen heute die Wandervereine. Sie sorgen auch für Ordnung und Sauber­ keit. Und es ist noch immer eine Stunde der Erbauung, wenn zu Christi Himmelfahrt auf dem Musikfestplatz dem Herrn das Lob gesungen wird. Begrenzt von den Keckquellen auf der einen und vom „Promillesträßle“ auf der anderen Seite, ist das Neckartäle heute ein Beim Durchblättern des beim Landratsamt in Villingen-Schwenningen geführten Natur­ denkmalbuches, aus dem bereits Wissens­ wertes für die Almanache 1979, 19 80 und 19 81 geschöpft wurde, fiel die Wahl für eine Vorstellung im Almanach 1982 auf einige Bäume, die in Ortschaften oder in deren unmittelbarer Nähe stehen, auf einige Felsen, die wegen ihrer geographischen Abseits­ stellung in der breiten Öffentlichkeit nicht Feldahorn bei Riedböhringen Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis Stück Natur, das seinesgleichen sucht. Wer in einer stillen Stunde am Neckarrand sitzt, der kann sogar Fische sehen. Die gibt es tatsäch­ lich wieder, seit das Großklärwerk in unmit­ telbarer Nachbarschaft aus Abwässern und Neckarwasser zumindest im Neckartäle wie­ der ein Fischwasser gemacht hat. Gerd Steinbach oder nicht mehr bekannt sind, zumindest aber nicht als attraktive Anziehungspunkte gelten. Zunächst meldet sich ein Feldahorn aus dem Jahre 1850, der von den sechs im Schwarzwald-Baar-Kreis zu Naturdenkmälern erklärten Ahornbäumen zu den jüngeren . Artgenossen zu zählen ist. In früheren Jahren stoppte er so manche Fahrt unvor­ sichtiger Chauffeure, die von der benach­ barten Bundesstraße abkamen und auf den Ahornstamm mit einem Umfang von nahezu 3 Metern prallten. Nur ein Zufall spielte mit, daß die Motorsäge eines freveln­ den Unbekannten diesem 25 Meter hohen Baum nur zwei empfindliche Schnittwunden beibringen konnte. Noch immer thront der Feldahorn hoch oben an der Kuppe zwischen Behla und Riedböhringen links der zur Schweiz führenden Bundesstraße 27 und kurz vor der Abzweigung nach Fürstenberg, etwa 12 km süd-südöstlich von Donau­ eschingen. Er befindet sich auf der mit einer Steinmauer befestigten Böschung durch die Vertiefung der Bundesstraße außerhalb der Gefahrenzone des Straßen­ verkehrs. An ihm rollen seit Jahrzehnten tausende und abertausende Motorfahrzeuge vorbei, und noch immer verkraftet dieser Ahorn die Fahrzeugabgase. Sein Standpunkt ist schon auf der Fahrt zwischen Donau­ eschingen und Hüfingen leicht auszumachen. Ganz deutlich sieht man diesen Baum in Höhe der Eichhöfe nahe am Hüfinger Wasserturm. Dem Autofahrer sei aber em-179

Zwillingslinde bei Fürstenberg pfohlen, seine Aufmerksamkeit weiterhin dem Straßenverkehr zu widmen und eine Reisepause auf der Kuppe beim Aspenwald zwischen Behla ‚und Riedböhringen einzu­ legen, um von dort den Feldahorn zu be­ wundern und auch die Aussicht nach Ried­ böhringen, zum Fürstenberg· und zum Wartenberg zu genießen. Man verläßt von hier die Bundesstraße 27 in Richtung Fürstenberg. Kurz vor dem Ortsschild, nur 200 Meter nördlich der Straße macht eine seit dem Jahr 1959 als Naturdenkmal geschützte Zwillingslinde mit ihrer Baumkrone, die über den Abhang im Gewann „Vorderer Brühl“ unweit des Ortsrandes von Fürstenberg neugierig hin­ ausragt, auf sich aufmerksam. Nach wenigen 180 Schritten auf der kleinen Straße, die nach Sumpfohren leitet, taucht auf der linken Seite die mächtige Linde, deren Stammum­ fang über 6 Meter mißt, in ihrer vollen Pracht auf Schafe finden unter dem dichten Laub Schutz vor Hitze und Regen, und 25 Meter hoch in der Krone der über 200 Jahre alten Zwillingslinde unterhält ein Bussard sein Nest und wiegt sich in Sicherheit vor den Drachenfliegern, die um den nahen Fürsten- . berg ihre Schleifen ziehen. Von den fünf Naturdenkmal-Pappeln gelten die zwei Silberpappeln auf der Gemarkung Biesingen aufgrund ihrer Pflan­ zung im Jahr 1700 als die ältesten im Schwarzwald-Baar-Kreis. Sie stehen bei der

aus Oben: Zwei Silberpappeln bei Biesingen Links: Kandelaberfichte bei Überauchen Köthachbrücke am Rand der alten Straße, die ehemals Bad Dürrheim über Biesingen, Ober-und Unterbaldingen mit Geisingen verband. Auch von der neuen Umgehungs­ straße bei Biesingen fallen die zwei seit dem Jahr 1959 als Naturdenk­ mäler ausgewiesenen Pappeln, deren Laub je nach Sonnen-und Windeinwirkung sil­ bernglänzend scheint, besonders stark auf. Wie könnten auch diese Silberpappeln mit jeweils einem Stammumfang von rund 5 Metern und einer Höhe von über 30 Metern in dieser ländlichen Gegend dicht am öst­ lichen Ortsrand von Biesingen übersehen werden? Im Almanach 1980 wurde in Wort und Bild eine Kandelaberfichte vorgestellt, die sich im Retschenwald bei Triberg i. Schw. 181

johannlinde in Dauchingen versteckt hält. Völlig ungeschützt im Frei­ land dagegen zeigt sich die Kandelaber­ fi eh te auf dem „Käppelebuck“ beim Sport­ platz nördlich von Überauchen, einem Orts­ teil von Brigachtal. Diese Fichte wird vom Volksmund „Käppelebaum“ genannt. Vor ihr laufen auf dem Platz in jeder Spielsaison zahlreiche Fußball-Matchs ab, und wer denkt dann schon an dieses im Jahr 1950 ausge­ wiesene Naturdenkmal, das immerhin schon im Jahr 1820 gepflanzt wurde. Der von dichtem Buschwerk umringte Stamm strebt mit zahlreichen Armen ähnlich einem Leuch­ ter nach oben. Unmittelbar in der Nach­ barschaft dieser hinter dem westlichen Fuß­ balltor stehenden Kandelaberfichte führt der Rundwanderweg „Überauchen-Eggwald“ 182 vorbei. Wie wärs mit einer kurzen Stipp­ visite beim „Käppelebaum“? Eine mächtige Linde steht auf Dau­ chinger Boden an der Ecke der Deißlinger Straße und Butschhofstraße, keine 100 Zenti­ meter von einem alten Bauernhaus entfernt, aus dem der in den Jahren 1946 bis 1965 amtierende und inzwischen verstorbene Bür­ germeister und Ehrenbürger von Dauchingen, Karl Schneider, stammte. Seit dem Jahr 1950 genießt diese nach Johann Schneider, einem Bruder des ehemaligen Bürgermeisters, be­ nannte ,Johann-Linde“ staatlichen Schutz. Trotz ihres hohen Alters von über 200 Jahren entfaltet die ,Johann-Linde“ alljährlich erneut ein satt-grünes Blattwerk. Wie lange noch kann die „F a 1 kens te in – buche“, deren Namen mit den „Herren von Falkenstein“ in Verbindung zu bringen

Rechtskurve der vom Schonacher Ortsteil Rohrhardsberg ins Hintere Prechtal führen­ den Straße, etwa 3 Kilometer nördlich der 882 Meter über dem Meer liegenden Mühlebühlbrücke und der Elzfalle, weist ein beschriftetes Holzschild an einer Fichte zur rechten Seite auf die seit dem Jahr 1950 als Naturdenkmal geschützten“Gaisfelsen“ hin. Riesige Granitblöcke türmen sich hier bis zu einer Höhe von fast 30 Metern. In einigen Spalten der an manchen Stellen mit Moos bedeckten Felsblöcke finden einige Fichten immer noch die für ihre Existenz nötige Erde. Der Anstieg ist beschwerlich, da kein Weg zum Felsgipfel führt. Deshalb sollte man sich damit begnügen, dieses Naturdenk­ mal vom Gelände neben der vorbeifließen­ den Elz aus zu betrachten. Die nächste Station wäre der Schlagbaum oberhalb des „Ochsenhofes“, der über die bereits erwähnte Mühlebühlbrücke und über die Straße in Richtung Lift und Schänzle­ hof unterhalb des Rohrhardsberges zu erreichen ist. Von dort führt ein Weg zum „Gschasikopf‘. Schon »Am Eckle“ in 1020 „ Gaisfelsen“ Rohrhardsberg 183 Falkensteinbuche in Kappel ist, im Niedereschacher Ortsteil Kappel den Kräften der Natur widerstehen? Es spricht für die Härte dieser im Schwarzwald-Baar­ Kreis ältesten Buche, daß sie schon mehr als 400 Jahre überdauert hat. Aber die Spuren der Vergangenheit lassen sich nicht ver­ bergen. Sie zeigen sich deutlich in den Rissen, die durch den dicken Baumstamm ziehen und in den Wunden im Oberteil des Stam­ mes, Folgen des Brandes im Jahr 1963 am benachbarten Ökonorniegebäude, an dessen Stelle ein Wohnhaus errichtet wurde. Auf dem erhöhten Privatgelände unmittelbar neben dem Weg, der zum Freizeitpark in Kappel führt, und gegenüber der Mühlen­ klause steht die etwa 25 Meter hohe „Falken­ steinbuche“, deren noch nicht geknickte Äste große Schatten im Sonnenlicht werfen. Zur Abwechslung könnte in das Programm der Sonntagsausflüge auch eine Rund­ wanderung zu den weniger bekannten Felsen am nordwestlichen Rande des Schwarzwald­ Baar-Kreises eingeplant werden. Vor einer

„Blindenstein“ Rohrhardsberg „Kreuzstein“ Rohrhardsberg „ Geisifelsen“ Rohrhardsberg 184

Meter über dem Meeresspiegel ist der Punlct erreicht, in dessen Nähe sich einige Fels­ gruppen befinden. Quer waldeinwärts nach Nordwesten zwischen dem befestigten Weg in Richtung Oberprechtal und dem „Hag­ schachenweg“ – bei der Suche würde ein Kompaß behilflich sein – und ständig steigend stößt man nach wenigen Minuten auf den „B l i n d e n s t e i n „, der von Buchen eingehüllt an dieser höchsten Stelle am „Walzeck“ keine Aussicht in das Umland bietet. Der Blindenstein erinnert ein wenig an die Blinde beim Kartenspiel, die abseits liegt, wie die kreisförmig dicht an der Landkreisgrenze aufgehäuften Granitblöcke des seit dem Jahre 1950 zu den Naturdenlc­ mälern zählenden „Blindenstein“. Zurückgekommen zum Ausgangspunlct ,,Am Eckle“ lohnt sich noch ein Abstecher zum „Kreu zfelsen“. Man findet diesen Felsen sehr schnell, wenn man etwa 250 Meter weit auf dem „Hagschachenweg“ wandert und beim Beginn einer Rechtskurve nach links abbiegt und den etwa 30 Meter langen Buchenwald durchquert; und schon steht der Wanderer neben dem Kreuzfelsen. Obwohl diese Felsblöcke nicht als Natur­ denkmal ausgewiesen sind, können sie wohl mit den Kollegen am „Gaisfelsen“ und ,,Blindenstein“ bestens konlcurrieren. Für seine Mühe wird der Wanderer mit einer schönen Aussicht belohnt. Im Südwesten erhebt sich der Rohrhardsberg, unter dem die meist dicht bewaldeten Hänge steil abfallen. Bei klaren Witterungsverhältnissen sind das „Braunhörnle“ im Südwesten, die Höhe ,,Passeck“ im Westen und sogar der „Kaiser­ stuhl“, der „H ühnersedel“ und die „ Vogesen“ im Westen und Nordwesten zu erkennen. Nur die Motorsägen fleißiger Forstleute und die klingenden Glocken weidender Kühe unterbrechen die friedliche Stille beim Kreuzfelsen. Der Rückweg geht ,,Am Eckle“ geradeaus weiter nach Südosten. Wenige Meter vor einer Schranke biegt nach rechts ein Weg ab, an dessen Ende in einer Entfernung von etwa 350 Metern das ebenfalls seit dem Jahr 1950 ausgewiesene Naturdenkmal „G eistfelse n „, eine kreisförmig verstreute Gruppe von Granitblöcken in einem Misch­ wald, sichtbar wird. Statt Geisterstunden erlebt man hier freundliches Vogelge­ zwitscher und findet eine Lücke in den Baumreihen, die den Blick zur Wilhelms­ höhe bei Schonach im Schwarzwald freigibt. Werner Heidinger Zeichnungen S.179-183: H. Heinrich Zeichnungen S.183-184:j. Asifäller Alpen-Fernsicht aus der Kreisstadt An klaren Tagen, oder auch nur in klaren Stunden, bieten viele Aussichtspunkte im Schwarzwald-Baar-Kreis ergreifende Fern­ sicht bis zu den Alpen, zur Freude aller Spaziergänger und Wanderer. Aber auch aus der Kreisstadt selbst, wenigstens aus einigen hochgelegenen Wohnungsfenstern, bietet sich eine Fernsicht über 180 km. Die Alpen sind in einem schmalen Kreissektor von 8° (8 Grad) zu sehen (belegt durch ein Farbfoto, Kleinbild­ kamera, 200-mm-Objektiv). In diesem Sektor findet man so bekannte Alpengipfel wie das Finsteraarhom (4274 m, 172 km entfernt), den Eiger mit seiner be­ rühmten Nordwand (3970 m, 169 km), die Jungfrau (4158 m, 174 km). Wir sehen also in die Berner Alpen, mit einigen Gipfeln sogar noch dahinter in die Walliser Alpen (Grünhorn, Gabelhorn, Aletschhorn). im (Sektionssitz Die Sektion Baar des Deutschen Alpen­ Stadtbezirk vereins Schwenningen) hat im Jahre 1978 ein Alpen­ panorama vom Krankenhaus Schwenningen herausgegeben. Auf 45 cm Länge wird ein Sektor von 47° dargestellt, vom Ringelspitz in den Glarner Alpen bis zum Gr. Dolden­ hom (188 km) in den Berner Alpen. 185

… c: 0 i: 0 1 0 c: i§ ci� i c: -.. i li eo „ e �� i.:.s c: ä ä : c: ‚2 : � !) � ‚.5 1f00 c (‚; � : � lt S c: �� iiJ! �o, tj �� $ c l, „€ f: � ::, 0 .. c: 0 .::: : � 0, .2 i3 ::, t 0, … c: 0 !: ‚ 195° —- ZUR VILLINGER ALPEN – FERNSICHT STANDORTAMSCHW.ALßENHAAG I 5 10° W J -.- – – 190° – -.- 1. ·— t ‚N‘ – ,- – – -,- – – -,- – – -, – -‚ 1 Lauteraarhorn 18 Al.078 1.01,2 … 1 1 , ._ – – – -1-._ – -, – – – -� – – -: – – – T . – -: . �. – – . 1- ‚Schreckhorn •1 1 i 1 1 I 1 1—–, — -�—–L- I I 1 ‚. ‚ I 1 l I 1 1 L -.-‚..- -•-.–•– -•—.•—.‘- —�—!.. 1 1 1 1 1 8″10’E 186 ._ ‚ -W’OO’E – – J 155 km

Volkskunde, Brauchtum, Mundart Die historischen Villinger Fasnet-Figuren aber sicherlich ein Zusammenhang mit der vorderösterreichischen Herrschaft (seit 1326). Das „Narrohäs“, wie der Villinger sagt, ist aus weißem Drill genäht und besteht aus Hose, Kittel und Kappe, welche mit verschiedenen Symbolen bemalt sind. Auf der vorderen Hosenseite erkennt man den Bären und den Löwen, die Versinnbild­ lichung der beim Ostarafest (Ostern) üblich gewesenen Austreibung des Winters. Der schwerfällige Bär soll den Winter darstellen, während der kraftvolle Löwe den Austreiber desselben symbolisiert. Auf der Hosenrück­ seite sehen wir den „Hansele“ und das ,,Gretele“; sie zeigen das Hänseln und Necken. Am Kittel oder „Schobe“ findet man wieder zwei Tierfiguren: den schwächlichen Hasen, der den scheidenden Winter darstellt, sowie den stärkeren Fuchs, der den kommenden Frühling symbolisiert. Auf der Rückseite des ,,Schobens“ ist der „Hansele“ mit der Katze, womit der Aschermittwoch gemeint ist, zu erkennen. Tulpen und Pfingstrosen sind an den Außenseiten der Ärmel aufgemalt, den ersehnten Frühling darstellend. Die Kappe, an welcher die „Scheme“ (Maske) befestigt wird, trägt die Kopfbilder von „Hansele“ und „Gretele“ so)Vie germanische Runen. Die aus Lindenholz geschnitzte „Scheme“ ist sicherlich der älteste Teil der Narro­ ausstattung. Die aus Bronce gegossenen, etwa 36 bis 40 Pfund schweren, aufvier Riemen gefaßten Narrorollen, die sich kreuzweise auf Brust und Rücken überschneiden, werden vom Narro getragen und durch den Narrosprung zum Erklingen gebracht. Der an der Kappe befestigte Fuchs­ schwanz spielte schon bei den Hofnarren eine wichtige Rolle, denn er war ein Frei- Der Villinger N arro Eine der wertvollsten Villinger Narroschemen von Dominikus Ackermann, genannt .. Ölmüller“ (1779-1836) Der Villinger N arro ist die Hauptfigur der Villinger Fasnacht, sein Name stammt aus der Mitte des 18.Jahrhunderts, und er wurde früher, wie aus Ratsprotokollen aus den Jahren 1560 bis 1750 hervorgeht, als „Masquera“ bezeichnet. Heute noch nennt man den N arro im Volksmund „Maschgere“. Der N arro ist in seiner heutigen Gestalt unbestritten eine imposante Erscheinung, an der man die Einflüsse des 17. und 18. Jahrhunderts klar erkennen kann. Die Herkunft des Narros läßt sich heute nicht mehr genau bestimmen, es besteht 188

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brief ihrer Rede-und N arren&eiheit. Der Narro genießt auch heute noch beim „Strählen“ gewisse Freiheiten; d. h. er sagt wahrheitsgemäß weiter, was ihm sonst Höf­ lichkeit und andere Rücksicht verbietet. Der N arrokragen ist die übersteigerte Nachahmung der barocken Halskrause des 17.und 18.Jahrhunderts. Das „Foulard“ und die „Masche“, beide aus Seide hergestellt, sind ebenfalls Beigaben aus jener Zeit. Der ,,N arrosäbel“ versinnbildlicht den Narrenstab des Hofnarren des Mittelalters. ,,Bodinen“, das sind schwarze Zugstiefel, sowie schwarze Glacehandschuhe vervoll­ ständigen die Ausrüstung des Narros. Eine veränderte Form des Narros ist der „Stachi“. Anstatt der Narrorollen trägt er eine Fuhrmannsbluse, auch Blauhemd ge­ nannt. Anstelle des Säbels kann der Stachi einen Kehrbesen, Tischbesen oder derglei­ chen in der Hand haben. Ein ganz besonderes Requisit ist eine Schere aus Holz, mit dessen Hilfe der Stachi versucht, die Hüte der Zuschauer vom Kopf zu nehmen, um sie anderen wieder aufzusetzen. Der Butzesel ist eine frühzeitige Kobold­ figur, den Winter darstellend. Seine Kleidung besteht aus enganliegendem Anzug, auf dem ,,Plätzle“, verschiedenfarbige Stoff-Flecken, Bevor man über die Häsmaler der letzten hundert Jahre in Bräunlingen berichtet, sollte man kurz auf die Entstehung des Hanselhäs‘ zurückschauen. Die Gewänder sind meist aus grobem, hellem Leinen, weshalb in unserem Gebiet der Sammelbegriff der ,,Weißnarren“ entstand. „Zunächst stellt sich die Frage, wo die kunstvollen oder naiven stilisierten oder realistischen, in Öl oder Stoff-Farben darge­ stellten Menschen und Tiere, die heral­ dischen und architektonischen Symbole aus den Stadtgeschichten herkommen. Die viel- 190 in Schindelform aufgenäht sind. Natürlich trägt er einen Eselskopf und reitet auf einem Fichtenast. Auch er versinnbildlicht die Winteraustreibung. Zu ihm gesellt sich eine Anzahl von Stachis, die ihn mit Fuhrmanns­ peitschen treiben. Der Wuescht, eine weitere Figur der Villinger Fasnet, ist mit einem alten N arro­ häs bekleidet und trägt eine alte Scheme. Seine Beinkleider sind· derart mit Stroh ausgestopft, daß er gerade noch gehen kann. Auf dem Rücken trägt der Wuescht ein großes Brett, auf dem eine Strohpuppe be­ festigt ist. In früheren Jahren wurden diese Puppen von den Kindern mit Steinen be­ worfen, also auch eine Art von Winteraus­ treibung. Dieser Brauch wird aus Sicherheits­ gründen nicht mehr ausgeübt, ist aber noch beim „Maschgerelauf“, der am „Fasnet­ mentig“ nachmittags stattfindet, mit T an­ nenzapfen, statt mit Steinen, zu sehen. Im Jahre 1584 wurde der Narro erstmals urkundlich erwähnt; 1882 am 1.Januarwurde die Zunft im damaligen Zunftlokal „Felsen“ unter dem 1. Zunftvorsitzenden Benjamin Grüninger gegründet. Sie umfaßt derzeit rund 2.500 Mitglieder, wovon ca. 1.700 aktiv „in’s Häs“ gehen. H uonker/Blessing/J auch fältigen Motive kommen aber nicht von ungefähr auf die Gewänder. Auf der Suche nach dem Woher und Warum zeigt sich, daß sich jede Art von Malerei in unterschiedlichen Zeitabstufungen und jeweiligen Ländern entwickelt hat. In Kürze lassen sich ohnehin nur Andeutungen machen: Ist der Hanswurst des Wiener Volkstheaters auf unsere Narren­ kleider geraten? Kommt der Urtyp des Weiß­ narren vielleicht vom Arlechino der itali­ enischen Comedia dell arte oder vom Clown der englischen Schauspiele, der sein weißes Narrenkleid auf den Brettern des fürsten- Die Häsmaler in Bräunlingen Vom Fasnachtsbrauchtum der letzten hundert Jahre

Malermeister und Häsmaler Ferdinand l‘ ‚1111cr111antel bei der Arbeit in seinem Atelier bergischen Hoftheaters getragen hat? Ver­ schlungene Pfade, die Wandlung und Wanderung von Narrenkleider-Motiven. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Kleider und die wichtigsten Attri­ bute der südwestdeutschen Weißnarren be­ reits für das hone, mehr noch für das späte Mittelalter nachweisbar sind und daß sich das Weiterleben jedes Elements durch die Jahr­ hunderte hin nachweisen läßt. Das bedeutet, daß es sich bei der Erscheinungsform dieser Maskenfiguren nicht um mythische Produkte handelt oder solche der Fantasie; sie ist viel­ mehr orientiert an einer Mode, an deren historischer Authentizität es nicht den geringsten Zweifel gibt. Es kann weiter nicht bestritten werden, daß die Entwicklung dieses Narrenkleides Einflüssen unterschied­ licher Art unterworfen war.“-SoweitHerbert und Elke Schwedt in ihrem Buch „Malerei aufNarrenkleidem“ (1975). Der Bräunlinger Narro, Stadthanse! ge­ nannt, bewegt sich im Hüpfschritt durch die Gassen. Er trägt ein schweres, weißgewobenes Leinenhäs, welches in Ölfarbe bunt bemalt ist. Das Gesicht ist mit einer geschnitzten Holzmaske, der Larve, verdeckt, die dem Bräunlinger N arro mit seinem verschmitzten Lächeln einen besonderen Liebreiz gibt. An der Larvenhaube (Hansel-Kappe) hängt der Fuchsschwanz als Zeichen der Narren­ freiheit, das zum Aufnarren und Strählen berechtigt. Über den Schultern hängt das schwere Bronzegeschell; die Glocken oder Rollen sind an weißen Lederriemen befestigt. Der Bräunlinger Stadthanse! tritt als barocke Narrengestalt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in unser Fasnetleben ein. Bei den alten Ausmalungen waren Blumenmotive wie in der Bauernmalerei vor­ herrschend. Sehr beliebt war die Sonnen­ blume. Als Rückenschmuck hatte der Sonnenblumenhanse! die lachende Sonne. Daneben waren die Rosen, das Eichenlaub und der Apfelzweig vertreten. Bei den Motiven sprach man vom Rosen-, Eichen-, Apfelhanse!. 191

Zu den Blumenformen traten eine Reihe von Tiergestalten. Hier sei der Feldhase ge­ nannt, der als „scheidender Winter“ dem als Frühling dargestellten Fuchs weichen muß. Der Hase mit seinem friedvollen Gemüt sitzt auf der rechten Vorderseite der Hansel­ jacke und streckt hocherhoben seine Lauscher dem schlauen, spitzohrigen Fuchs entgegen. Der Rücken der Hanseljacke ist mit einem der vier Lebenselemente ausgemalt. Die vier Tempararnente, der Choleriker, der Sanqui­ niker, der Melancholiker und der Phleg­ matiker sprechen hier den Beschauer an. Echte Charaktertypen, wie der Spaßmacher, der Genießer, der Sänger und der gemüts­ volle Gesellschafter versuchen die Hansel­ maler in originellen Ausdrucksformen auf­ leben zu lassen. An den Außenseiten der Ärmel sind Blumen- und Früchtemotive aufgemalt. Sie sollen den wiederkehrenden Frühling dar­ stellen, während an den Innenseiten Würste anzeigen, daß ein Narr in guter körperlicher Hochform sein muß. Auf der Vorderseite der Hanselhose sind der Löwe und der Bär hoch aufgerichtet dargestellt. Der zottige Bär als ein Urtier von Kraft und Stärke verkörpert den trotzigen Winter, dem er nicht weichen will. Ihm gegenüber der königliche Löwe als der strahlende, lebensbringende Frühling. Er bietet in mayestätischer Würde und über­ zeugender Unüberwindlichkeit mit der roten Tulpe das gefüllte Weinglas an, das zur vollen Lebensfreude einladet. Von der Rückseite der Hose grüßen Hans und Grete!. Der Hans hält in der einen Hand einen Spielstock (Narrenkolben), während er in der anderen Hand eine große Wurst zeigt. Vielleicht will er damit das Grete! necken, sicher aber auf den „Schmutzigen Tag“ hinweisen. Der Schmutzige Dunschtig soll ein Tag voll Saft und Schmalz, Schmutz genannt, sein. Jung und Alt soll mit gutem Schmausen die Kräfte zum Narrensprung, zum Springen und Aufuarren holen. Das Grete! auf dem anderen Schenkelteil der Hose winkt neckisch mit dem Narren- 192 Der Bräunlinger Narro, Stadthanse! genannt, mit der Hanse/wehr (Holzschwert) strähl, einem großen Kamm, den es zum Ausstrählen seiner Opfer in der Hand be­ reithält. Hier ist der ulkige Narrengeist an­ gesprochen, die beliebte, aber auch gefürch­ tete Waffe des Stadthansels. Da hält er einem Sünder den Narrenspiegel unverblümt vor sein Gesicht, und er leuchtet mit witzigen Narrenversen in die dunklen Ecken der Menschenseele. Da sind die Lacher auf der Seite der Narros.

Von der Hanselkappe oder Larvenhaube schauen freundliche Frauen, junge Mädchen und Männerköpfe in die Runde. Sie haben sich mit buntem Schmuck herausgeputzt. Gerade der holden Weiblichkeit begegnet der Stadthansel mit besonderer Freundlich­ keit. Im Kreise lachender Frauen ist der N arro ganz in seinem Element. Als Larvenschmuck werden zum Haarzopf bunte Blumen und kleine Hahnenfedern von der Halskrause verwendet, die dem farbenfrohen Hanselhäs einen guten Kopfputz geben. Wenn man nun die Häsmaler der letzten hundert Jahre in Bräunlingen aufzählen will, wäre zunächst Valentin Hofacker zu nennen. Der begabte Steinhauermeister, Larven­ schnitzer und Häsmaler wurde in Bräun­ lingen am 26. März 1838 geboren und starb am 1. Januar 1908. Er besaß über dreißig eigene Hansel-Häser. Die eigenen Häser wurden ausgeliehen und meistens von Hof­ ackers Freunden über die Fasnachtstage ge- Löwe und Bär zieren die Vorderseite der Hose des Bräunlinger Weißnarren tragen, die sich zu einer Hanselgruppe for­ mierten und durch ihr witziges „Narren“ einen guten Ruf hatten. Eine andere Hansel­ gruppe dagegen, die sogenannten „Kear­ Rolli“, gaben sich beim Aufnarren nicht gerade zimperlich und brachten somit auch die Hofacker Hanse! verschiedentlich in Mißkredit. In den Lokalen kam es mitunter sogar zu regelrechten Hansel-Schlachten. Aus Ärger hierüber verkaufte Valentin Hof­ acker bis auf einzelne Häser seinen letzten Bestand nach auswärts, den größeren Teil nach Donaueschingen. Auf diesen Tat­ bestand wird auch in der Donaueschinger Narrenchronik hingewiesen; denn dort ist zu lesen, daß um die Jahrhundertwende Schneidermeister Zirlewagen in der Kronen­ gasse Hanselkleider zum Verleih anbot, wobei er einige davon aus einem Verkauf in Bräunlingen erstanden habe. Auch eine Anzeige im „Donaueschinger Wochenblatt“ vom 13. Februar 1876 weist darauf hin; es heißt, daß der Narrenvater Valentin Hof­ acker zwanzig bereits neue, vollständig aus­ gerüstete Hanselkleider zum Verkauf anbietet. In Hofackers Elternhaus in der Kirch­ straße standen bis zum Zweiten Weltkrieg zwei übergroße alte Bauern-Holzschränke, worin die Hanselhäser früher aufbewahrt wurden. Einige über hundert Jahre alte Stücke, handgewobene Leinen und mit Öl­ farbe bemalt, sind noch Zeugen des früheren Häsmalers und Larvenschnitzers Valentin Hofacker. Er war der Großvater des heutigen 69jährigenEnkels, ValentinHofacker,Rektor im Ruhestand, welcher als passionierter Larvenschnitzer die Familientradition weiter­ führt. Zunächst trat jedoch Josef Hofacker als ältester Sohn in die Fußstapfen seines Vaters. Josef Hofacker wurde am 14. März 1877 geboren und starb im Alter von 61 Jahren. Er erlernte das Malerhandwerk und absol­ vierte einige Semester an der Kunstschule in München. Um die Jahrhundertwende er­ öffnete er als Dekorationsmalermeister in Bräunlingen ein Malergeschäft in dem heu­ tigen Haus von Hermann Scherzinger. 193

Josef Hofacker gab dem Bräunlinger Stadthanse! eine besondere dekorative Note. Einige seiner bemalten Häser ( das letzte aus den Jahren 1936/37) sieht man heute noch über Fasnacht auf den Straßen. Da Hofacker die Häser mit reinen Leinölfarben bemalte und bei der Schlußübermalung noch ge­ bleichtes Leinöl, Standöl zusetzte, blieben diese Häser jahrzehntelang äußerst elastisch und haltbar. Diese althergebrachte Malweise bewirkte jedoch, daß um die Bildmotive herum große Ölränder entstanden, die stets sichtbar blieben und natürlich den Gesamt­ eindruck trübten. Neben seinem künstlerischen Schaffen wirkte auch Kunstmaler Carl Hornung in Bräunlingen als Häsmaler. Er gab 1920 seinen Wohnsitz in München auf und kehrte in seine Heimatstadt zurück. In der Zeit von 1920 bis 1950 entstanden von seiner Hand einige besonders wertvolle Hanselhäser. Auch der Künstler Hornung hielt sich beim Bemalen der Häser an die althergebrachten Motive und Zeichnungen. Für die Ver­ bundenheit mit seiner Heimat und deren Bewohner spricht auch das große Interesse, das er der Erhaltung und Erneuerung alten Brauchtums entgegenbrachte. Viele An­ regungen, gar manche Zeichnung und farbige Skizze hat er beigesteuert zu den seit vielen Jahren weithin bekannten Fasnachtsauf­ führungen in seiner Vaterstadt. Arthur Munding, Malermeister, geb. 11. 4. 1922 in Bräunlingen, malte in den fünfziger Jahren ebenfalls einige Hansel­ Häser. Zeugnis des künstlerisch begabten Malermeisters sind die auf dünnen Leinen gemalten historischen Fasnachtsgestalten, welche die großen Fenster in der Stadthalle über die Fasnachtszeit zieren. Munding ist mit seiner Familie 1958 von Bräunlingen weggezogen und wirkt heute als „Frei­ schaffender“ in Mannheim. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete der aus russischer Kriegsgefangenschaft zu­ rückgekehrte Malermeister Ferdinand Wintermantel in Bräunlingen ein Maler­ geschäft und übernahm zugleich die Häs- 194 malerei. Nach dem Tode vonJosefHofacker (1938) erwarb er dessen Originalzeichnungen zur Häsmalerei. Ferdinand Wintermantel hat bei dem Donaueschinger Malermeister Carl Stier von 1929 bis 1932 sein Handwerk er­ lernt, wobei ihm besonders zugute kam, daß Stier ebenfalls Häsmaler war. In den dreißiger Jahren kam Wintermantel oft in die Malerwerkstätte von Josef Hofacker und wurde so schon in jungen Jahren mit der Malweise und Gestaltung des Bräunlinger Hanselhäses vertraut. Eine besonders dringende Aufgabe sah er zu Beginn seiner Häsmalerei darin, von den unschönen Öl­ rändern auf dem Häs wegzukommen. Von den von ihm geschaffenen Häsern gelten als besonders wertvoll jene Stücke, bei denen das Familienwappen des jeweiligen Häs­ trägers in die traditionelle Malerei integriert wurde. Ein großer Teil der heutigen Hansel­ Häser entstand aus der Hand des Meisters Wintermantel in den vergangenen dreißig Jahren. Die meisten sind in Privatbesitz. Einzelne gehören der Narrenzunft und werden auf der Zunftkarnmer aufbewahrt. Bei der Wiedereinführug des Stadthansel­ tages in Bräunlingen am „Schmutzigen Dunschtig“ 1936 wirkten fünfzehn Hästräger mit, nachdem die Hanselgilde vom damaligen Gildenmeister Ferdinand Hofacker neu ge­ bildet wurde. Heute sind etwa hundert Hanselhäser in Bräunlingen vorhanden. Die „Narrenzunft Eintracht“ hat durch die Bereitstellung des Hanselstoffes (Leinen) und einen jeweiligen finanziellen Zuschuß diese positive Ent­ wicklung mit beeinflußt. In den letzten Jahren haben sich in Bräun­ lingen als Häsmaler auch jüngere Kräfte engagiert, so daß der nun im Ruhestand lebende Häsmaler Ferdinand Wintermantel die Hoffnung hegen kann, daß in Zukunft die Häsmalerei in Bräunlingen gesichert ist. Ferdinand Wintermantel

Ein Wort zur Schwenninger Mundart Als im Jahre 1972 die Städte Villingen und S chwenningen sich zusammenschlossen, gab es viele Stimmen, die prophezeiten, so etwas könne unmöglich gutgehen. Denn der neue Stadtbezirk Schwenningen sei in allzu vielen Bereichen fundamental anders als Villingen oder die anderen Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Kreises, zu dem Schwenningen jetzt zählt. Unter den Ver­ schiedenheiten, die aufgezählt wurden (die meisten durchaus zu Recht) fand sich nicht selten auch die Sprache. Die Mundarten, hieß es, seien ganz verschieden. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis alemannisch, spreche Schwenningen aber, als ehemals württem­ bergisches Dorf (seit 1444) natürlich schwäbisch. Ansichten dieser Art kann man auch heute noch in Villingen hören. Wie steht es damit? Dazu muß man zunächst einmal wissen, was die Begriffe bedeuten. ,,Schwäbisch“ hat seinen Namen vom alten Stammesherzogtum Schwaben, das ganz Südwestdeutschland. umfaßte und die heutige deutschsprachige Schweiz einschloß. Als es im ausgehenden Mittelalter zerfiel, bildeten sich neue Zentren der Macht und des Einflusses im Land, und von diesen aus „zerlegt sich die Sprache, wie sich das Land zerlegt hat“ (Haag). Die Graf­ schaft „Wirtemberg“ im Norden und die Eidgenossenschaft im Süden erwiesen sich als die stärksten, und so wird das Schwäbische in der Folge in einen nördlichen und einen südlichen Teil zerrissen. Der nördliche ist sprachlichem Wandel eher aufgeschlossen, der südliche zeigt Beharrung beim Alten. Die Dialektgeographie nennt die Sprache des nördlichen Teils heute schwäbisch; die des südlichen trägt die Verlegenheitsbe­ zeichnung alemannisch, weil seinerzeit Johann Peter. Hebel die Mundart seiner Gedichte so benannte. Daß die Grenzen der spätrnittelalterlichen Territorien weitgehend die Mundartgrenzen bestimmen, hat als erster der Schwenninger Kar!Haag(1860-1946) erkannt, dessen bahn­ brechende Arbeit „Die Mundarten des oberen Neckar-und Donaulandes“ im Jahre 1898 erschien. Seither können wir Dialekt­ grenzen erklären: Schranken des Verkehrs, die durch politische Verhältnisse und konfessionelle Unterschiede bedingt waren, haben viel stärker gewirkt als natürliche Hindernisse. So sind die im Spätmittelalter von Norden herankommenden Verände­ rungen des Lautstandes der Mundarten nicht alle gleich weit nach Süden vorangekommen, Sprachlandschaften sind entstanden. Haag hat die Grenzen des Schwäbischen er­ forscht und diesen Sprachlandschaften Namen gegeben. Dabei wird eine Sprach­ grenze umso stärker empfunden, je mehr Merkmale sie scheidet und je mehr Belege zu den einzelnen Merkmalen vorkommen. Die einschneidende Grenze nun, die das stärkste Gewicht hat, und die wir heutzutage als die Grenze zwischen den „schwäbischen“ und den „alemannischen“ Mundarten be­ zeichnen, diese Hauptgrenze, verläuft östlich von Schwenningen, fast parallel zu der Grenze des Schwarzwald-Baar-Kreises. Das altwürttembergische Schwenningen zählt also seiner Mundart nach zum aleman­ nischen Sprachgebiet, wie der übrige Schwarzwald-Baar-Kreis auch, und mit den beschworenen sprachlichen Unterschieden ist es gar nicht weit her. Unsere Mundarten im Kreis gehören nach heutigem Sprachgebrauch zu den nieder­ alemannischen, die doch einige Neuerungen mitgemacht haben, im Unterschied zu den hochalemannischen weiter im Süden. Haag hat unsere Sprachlandschaft ,,Fürstenbergisch“ genannt und die charakte­ ristischen Merkmale in seiner kleinen Schrift ,,Die Grenzen des Schwäbischen in Würt­ temberg“ (Stuttgart 1946) an Lautbeispielen aus der Schwenninger Mundart verdeutlicht: ,,Alte Kürzen: Hasaschlegl, Rägaboga, der Stimmlaut ist ungedehnt! Gedehnt und 195 trennenden

gebrochen: T9arwäag, D9arfbäarg, gedehnt und genäselt: uu’vernii’ftig. Alte Zwielaute: an liaba Bua, G9aßakouf, dia Freid. Zeit­ wörter: ist gsii‘, hät tau‘, gQQt, StQQt, g9nd, st9nd“. (‚ bedeutet Nasalierung, Q das offene o). Das ist der Lautstand der Schwenninger Mundart. Der Leser im Schwarzwald-Baar­ Kreis wird leicht Unterschiede zu seiner Ortsmundart ausmachen können, etwa bei der Nasalierung. Alle diese kleineren Unter­ schiede sind aber unbedeutend gegenüber der großen Sprachgrenze, die markiert wird etwa durch Wiib/Weib, Buur/Bour, saga/ saaga, letztere noch weiter östlich verlaufend. In diesem Raum scheidet sich nach heutigem Verständnis das Schwäbische vom Aleman­ nischen – und die Schwenninger Mundart gehört eindeutig zum Alemannischen. Aus dieser Sicht ist Schwenningen im Schwarzwald-Baar-Kreis sicher richtig unter­ gebracht, auch wenn sprachliche Gesichts­ punkte bei der Gebietsreform gewiß keine Rolle haben spielen dürfen. Dr. RolfMehne Alemannisches Wörterbuch der Raumschaft Triberg Das Alemannische Wörterbuch der Raumschaft Triberg mit Redensarten ist nun im Druck erschienen und schon fast ver­ griffen. Es wird neu aufgelegt. Viele alte Ausdrücke haben Erinnerungen wachgerufen wie alte Märchen und wurden mit Freude aufgenommen. Schon im Almanach 81 hat der Autor dieses Beitrags darüber berichtet und stellt nun noch einige besonders mar­ kante Wörter, uurigi Schlädr“, wie alte alemannische Wörter bezeichnet werden, vor. “ abedee’gele Aminää’schlubferli bog’underschi – bog’iwerschi Bro’brooseme B ue’weschmegeri Ding’gili halde Dibf’lischiisr Drii’wilimues erli’gere ewe‘ so määr! fiichd’buzig Frie’joorsbuzede Fuur’kiigili Glai’drhooge Grez’iise griz’geged Hää‘ dschegäwili Här‘ debflschelseme Ha’wrgais Hin‘ derefiirhuen Ii’brogede ine’woore i’wrzwärch 196 nach Apotheke riechen Liebchen drunter und drüber Brosamen Mädchen, das gerne Buben sieht untätig die Dämmerung genießen Pedant J ohannisbeer-Marmelade ausfindig machen verwundert: was du nicht sagst! furchtsam, ängstlich großes Frühjahrs-Reinemachen Fuhrmann beim Pferdefuhrwerk Kleiderbügel Gleitschutz am Schuhabsatz überzwerch zum neidisch machen Kartoffelschale Tanzknopf Querulant in Milch getauchte Brotkruste Kenntnis erhalten umständlich, ungeschickt

Kä’lrschdääge Kle’mrlisag Ku’dlmudl dr Lä’Li ruus’hengge ledsch’dii Määl‘ schdäiwr m ugs‘ miislischdil mor’nemorge m ue‘ drseelenelai naa’gnäiwe N aa’sewäserli no‘ cheredanne O’beregugr sei oor’dili! Pää’bere Pfif’holdr Ploo’gaischd Rie’wegschii Ringg’haideschduude soo sä’lewääg? Schbei’wedi Schbi’nehuudle Schim’bogl Tschieng’gi un‘ drschiwrschi uus’grudschd vr’glugere Vr’suecherli Wä’drglaas Zulf‘ derede z‘ driwrd uri Zin’derade an’enandnufbriele hin’derenanddrii dabe i’werenandnuus schdolbere nä’wenandhär zodle uf‘ enandnuf khäie Es wäre schön, wenn mir die Leser viele Ergänzungen brächten, und besonders, wenn in Nachbargemeinden sich W ortkundige fänden, die dieses Wörterbuch in ihre Orts­ sprache übersetzten, dort Unbekanntes weg- Kellertreppe Sack für Wäscheklammern Wirrwarr – erschöpft sein unlängst Kohlweisling vollkommene Ruhe morgefrüh verlassen hinknien Kleinigkeit dann, nachher Opernglas, auch Feldstecher benehme dich anständig Trompete Schmetterling Quälgeist Vogelscheuche Heidekraut so war das? Spucke Spinnwebe Purzelbaum Schlenderer auf dem Kopf stehend ausgeglitten verschlecken Kostprobe Barometer verfitzter Wollknäuel zu viel des Guten große Trommel sich anschreien hintereinander herwatscheln übereinander stolpern nebeneinander hertrotteln aufeinander fallen streichen und Ortseigenes hinzufügen würden, und dies in der hier angewandten phonetischen Schreibweise. Ich wäre gerne bereit mitzuhelfen. Oskar Fleig, Triberg 197

Stätten der Gastlichkeit und Entspannung Der Hänslehof – eine Synthese aus Altern und Neuem Gäste fragen oft, weshalb über dem weißen Staffelgiebel des alten Hänslehofs in Bad Dürrheim die rote Fahne mit dem Malteser­ kreuz flattert. Die Erklärung hierfür ist ein­ fach: der Hänslehof ist der einstige Amts­ und Vogtssitz der Villinger Johanniter­ kommende und wurde im Jahre 1715 Amtshof des Malteserordens. Trotz seiner historischen Vergangenheit ist der Hänslehof aber doch ein echter und rechter Baaremer Bauernhof: mit einem mächtigen und langen Giebelbau und dem hohen gemauerten Staffelgiebel an der Wetterseite. Diese Bauform paßt in die stille und herbe Hochebene der Baar. Die großen, weißen Wandflächen mitdenk.leinen Fenstern und den dicken Fensterläden kün­ den von der Härte der Winter. Gegen Süden hin war der Hof früher getreu der Tradition der alten Baumeister offener und der Sonne zugeneigt. Es ist der einzige historische Bau in Bad Dürrheim, der die Jahrhunderte überdauerte, und er ist in unserer hektischen Zeit zu einem Treffpunkt von Menschen aus aller Welt geworden. Menschen, die eine exzellente Küche und einen wohlsortierten Keller schätzen. Was das Herz des Feinschmeckers auch begehren mag, hier wird es ihm geboten. Die Speisekarte richtet sich immer nach dem jeweiligen Angebot der Saison. Der Küchen­ chef achtet stets darauf, daß nur die zur Zeit auf dem Markt befindlichen Produkte in seinen Kochtöpfen verarbeitet werden. Weitere Abwechslung bringen die in un­ regelmäßigen Abständen durchgeführten Spezialitätenwochen. Auch der Rahmen drumherum stimmt: man kann, umgeben von zahlreichen Anti­ quitäten, im Hänslehof-Restaurant genießen oder sich’in der alten, wieder hergerichteten Bauernstube (Malteserstube) im Herrgotts- 198 winkel zur Familienfeier um den Kachelofen versammeln. Eine der früheren Gesinde­ stuben wurde in eine Jägerstube umgestaltet. Auch hier sorgt ein Kachelofen für eine heimelige Atmosphäre. Über eine Treppe gelangt man zunächst in den ehemaligen Futtergang des Hofes, des jetzigen Restaurants „ Tenne“. Dieses Tagesrestaurant ist die Verbindung zum architektonisch faszinierend gestalteten J ohannitersaal, welcher erst bei großen Festivitäten in seinem vollen Glanz erstrahlt. Diesem wiederhergestellten und liebevoll restauriertem Vogtssitz wurde im Jahre 1975 �.in modernes Bettenhaus angegliedert. Außerlich ein völlig ungleiches Paar, har­ monieren die beiden Gebäudeteile jedoch miteinander so unaufdringlich, daß der komfortable Hotelbau den kleinen, so ge­ schichtsträchtigen Hänslehof keineswegs verschluckt oder gar auffrißt. Geplant wurde dieser ,,Anhang“ ursprünglich als Apparte­ menthaus; an der Größe der Hotelzimmer kann man diese Absicht noch heute erkennen. Neben Einzel- und Doppelzimmern wurden auch eine größere Anzahl von Ein-, Zwei-, und Dreizimmer-Appartements geschaffen. Hier findet der Gast in allen Räumen die modernen Annehmlichkeiten, die er zu Recht erwartet: Bad, Dusche, WC, Telefon, TV, Radio und Balkon. Die Ferienwohnungen sind darüberhinaus noch mit einer kleinen Küche ausgestattet, die oft hilft, das Urlaubsbudget zu entlasten. Stand der Bettentrakt einige Zeit getrennt vom alten Hänslehof, wurde er im Jahre 1978 durch einen Verbindungsbau mit dem Hof verschmolzen. Der Neubau beherbergt das Pensionsrestaurant für die Hotelgäste und das Hallenbad. Im Tiefgeschoß wurde eine Tanzbar geschaffen mit exklusiver, aber doch behaglicher Atmosphäre, wo wechselnde

Alleinunterhalter für stimmungsvolle, aber auch moderne Tanzmusik sorgen. Im Kur- und Sporthotel Hänslehof kann man aber nicht nur angenehme Tage ver­ bringen, sondern auch nebenher noch etwas Nützliches tun. Tagungsräume und Kon­ ferenzräume in verschiedenen Größen können Personenzahlen von 10 bis 150 aufnehmen; die technische Ausstattung mit Leinwand, Overheadprojektor etc. entspricht den Erwartungen. Nach Abschluß der Be­ sprechungen lockt vielleicht ein kühles Bad im hoteleigenen Hallenbad oder ein Sauna­ gang. Für die Unentwegten stehen im Keller des Hauses Tischtennisräume, Fitneßräume und eine Pool-Billard-Anlage zur Verfügung. Oder wie wäre es mit einem kleinen Tennis­ match in der Halle? Aber auch eine Runde Darts im Wettstreit mit den Kollegen bringt Entspannung. Wer der fehlenden Sonnen­ bräune nachhelfen will, dem kann in der Sonnendusche geholfen werden. Für moto­ risierte Gäste steht ein befestigter Parkplatz und eine Tiefgarage mit 45 Boxen bereit. Das Bild des Kur- und Sporthotel Hänsle­ hof wird abgerundet durch eine große Liegewiese und eine Kaffee-Terrasse für die schönen Tage des Sommers. Klaus Hofmann 441 Jahre ,,Blume“ und ,,Blume-Post“ zu Villingen Wenn Gäste des Hotels ,,Blume-Post“ den Eingang betraten, so sahen sie auf der rechten Seite des Flurs eine Geschichtstafel des Hauses. Und sie stellten fest: In dem seit 1527 bestehenden Gasthof (vorher war es eine Klosterherberge, dem KlosterTennenbach gehörend) haben sich in 250 Jahren 9 Familien im Besitz des Hauses abgelöst. Im Jahre 1527 wurde das Haus an einen bis jetzt unbekannten Wirt verkauft. Im Dreißigjährigen Krieg werden die Bürger Hans Mayer und Baltasar Schmidt als Wirte genannt. 199

Im Jahre 1728 tritt ein Mann mit ganz besonderen Fähigkeiten auf. Es war der aus Kippenheim, Kreis Lahr, stammende Kauf­ mannsdiener Johann Georg Grechtler, welcher die Tochter des Bürgermeisters Ganzer heiratete und den Gasthof ,,Blume“ erwarb. Er war zusammen mit dem 120 Jahre später auftretenden Johann Baptist Dold einer der hervorragenden Wirte des Hauses. Er führte mehr Musik und Tanz ein, als der damalige Rat erlaubte. Nebenbei betrieb er einen Großhandel verschiedener Art, was ihn hin und wieder mit der Obrigkeit und den Zünften in Konflikt brachte.Jedoch im österreichischen Erbfolgekrieg wurde die österreichische Armee auf ihn aufmerksam und übertrug ihm den Einkauf von Lebens­ mitteln und Futter für die am Oberrhein liegenden Truppen. Später wurde diese Tätig­ keit auch auf die Niederlande ausgedehnt. Seine Verdienste in dieser Tätigkeit bringen ihm die Berufung als k. & k. Proviant­ kommissar mit dem nachfolgenden Titel als Generalfeldwachtmeister in Wien. Die Er­ hebung in den erblichen Freiherrnstand erfolgte etwas später. Während seiner Wiener Tätigkeit ließ er den Gasthof durch Bedien­ stete verwalten. Seine sehr gewinnbringende Tätigkeit setzte ihn in den Stand, nach und nach große Landgüter zu erwerben. Im Jahre 1767 verkaufte er die ,,Blume“, aber nicht ohne vorher eine sorgfältige Auswahl für seine Nachfolge getroffen zu haben. Bekannt­ lich gründete Grechtler mehrere Stiftungen in Villingen und in seinem Heimatort Kippenheirn. Für die Nachfolge fiel seine Wahl auf Franz Josef Dold aus Rohrbach. Dieser heiratete in Villingen die Tochter des Sonnen­ wirts Franz Borgias Kammerer und wurde zum Stammhalter von vier Generationen, welche von 1760 bis 1894 Eigentümer des Hauses wurden. Nachfolger waren Franz Xaver Dold, Johann Baptist Dold und als letzter der Dold-Dynastie Gustav AdolfDold. Den zweiten Spross der Familie Dold ereilte im Jahre 1827 ein tragisches Schicksal. Von einem Ritt ins Schwäbische zurückkehrend, 200 stürzte er mit dem Pferd über eine Brücke und ertrank in der hochwasserführenden Eschach. Die Witwe Walburga trug die Sorgen und die Last, um das Haus der Familie zu erhalten, bis zum Jahr 1839. Den damals erst dreiundzwanzigjährigen Johann Baptist Dold hielt man für befähigt, das Haus weiter zu führen. J. B. Dold war ein Mann, der sich nicht nur intensiv mit seinem Gasthof und seiner damals bedeutenden Landwirtschaft beschäftigte, sondern auch besonders für die öffentlichen Belange eintrat. Schon mit 26 Jahren, im Jahre 1842, war er Mitbegründer eines Komitees zur Förderung des Baues der Schwarzwaldbahn. Seine eigene Landwirtschaft brachte ihm die Er­ kenntnis, daß dem Bauersmann Förderung und staatlicher Schutz fehlt. So wurde er Gründer des Landwirtschaftlichen Bezirks­ vereins, dem er fünf] ahre vorstand. Bekannt sind seine Bemühungen um die Gründung der Beurbarungsgenossenschaft, welche die Umwandlung der als Weide dienenden Allmendfelder zur Parzellierung und Melio­ ration als Ziel hatte. Sein Einfluß auf Bezirksamt und Stadtverwaltung führte dazu, daß der tägliche Viehaustrieb auf die Wiesen und das Tränken an öffentlichen Brunnen verboten wurde. Durch ihn wurde der bisherige landwirtschaftliche Charakter der Stadt zurückgedrängt. Im Verein mit seiner ebenso tüchtigen, energischen, wie er­ fahrenen Ehefrau Walburga geb. Ackermann, welche als Köchin einen Namen hatte, ver­ schaffte er der „Blume“ Landesruf. Als Mitte der SOer Jahre die „Sonne“ als erstes Haus ihren Glanz verlor, wurde Dold die bisher dort beheimatete Poststallmeisterei über­ tragen. Bald war es dann nicht mehr der Gasthof sondern das Hotel ,,Blume-Post“. Am Zustandekommen der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung 1858 hatte]. B. Dold namhaften Anteil. In Johann Baptist Dold darf man einen der profilier­ testen Bürger der alten Stadt Villingen im 19.Jahrhundert sehen, der sich um das öffent­ liche Wohl besonders verdient gemacht hat. „Blume“,

Das Gebäude der ehemaligen „Blume-Post“ Der 4. Sproß der Dold-Dynastie, Adolf Dold, überlebte seinen Vater nur um ein Jahr. Seine Mutter führte das Haus bis zum Jahr 1894 fort. Auf den Rat ihres Sohnes, des späteren Landeskommissärs Karl Friedrich Dold, verkaufte sie das Haus 1894 an Florian Johs. Wenn man die Geschichte des Hotels ,,Blume-Post“ einer Betrachtung unterzieht, dann muß man auch die Baugeschichte erwähnen. Die Fassade des Hauses zeigt deutlich, daß das Haus aus mehreren Bau­ teilen zusammengesetzt worden ist. Bisher vermutete man fünf Baukörper. Eingehende Nachforschungen haben aber gezeigt, daß dem ehemaligen kleinen Gasthof „Blume“, der an der Ecke Niedere-und Bickenstraße stand, nach und nach sechs weitere Grund­ stücke zugefügt wurden. Zu erwähnen ist, daß die sechs erworbenen Bauteile alle vom Geschlecht Dold in den 134 Jahren ihrer Tätigkeit dazugekauft worden sind. Diese Zukäufe begannen schon 1774 und 1784, sie wurden 1827 weitergeführt. Die letzten drei Bauteile kaufte J. B. Dold in den Jahren 1859 und 1868. Durch die vielen Umbauten war es dem Geschlecht Dold gelungen, wenigstens im Innern des Hauses einen zusammenhängen­ den Komplex zu erstellen. Nur im Ostteil mußte einmal ein Höhenunterschied von 80 cm durch Treppen überwunden werden. Man kann die Ara D old nicht abschließen, ohne die Besuche hochgestellter Persönlich­ keiten des 19. Jahrhunderts zu erwähnen. Das J ahr1845 brachte den Besuch Metternichs, des großen Staatsmannes und Außen­ minister Österreichs, der auf der Reise nach Karlsruhe in der „Blume-Post“ abstieg. Fünf Jahre später erfolgte der Besuch von Prinz Wilhelm von Preußen, nachmaliger Kaiser Wilhelm I. Er besuchte am 25. Oktober 1850 seine in Villingen stationierten Truppen. Großherzogin Sophie machte 1856 auf der 201

Reise nach der Mainau (wie später des öftem) Halt in der „Blume-Post“. Zwei Jahre später, während der Industrie-und Gewerbe­ ausstellung, stieg das Großherzogliche Paar, Friedrich 1. und seine Gattin Luise, Prinzessin von Preußen, mit Ministern und Hofstaat in der „Blume-Post“ ab. 1874 wurde General Werder empfangen. Im Jahre 1876 anläßlich der zweiten Industrie- und Gewerbeaus­ stellung waren das Großherzogliche Paar zusammen mit dem Erbauer der Schwarz­ waldbahn, Robert Gerwig, willkommene Gäste. Als imJ ahr 1877 Manöver stattfanden, war General Falkenstein Gast des Hauses. Im Jahre 1884 brachten die Villinger dem betagten Generalfeldmarschall von Moltke der mit seinem Adjutanten von Italien kam, eine Ovation dar. Wenn auch immer Kaiser Wilhelm II. zur Jagd in Donaueschingen weilte, logierte das Gefolge, darunter auch Graf Eulenburg, in der „Blume-Post“. Florian J ohs war von 1894 an der neue Eigentümer. Er kam aus Flehingen, war Handlungsreisender und kaufte das Haus mit Mobiliar für 160 000,-Mark. In erster Ehe war er mit der Witwe Dorer geb. Reuter verheiratet. Der einzige Sohn aus dieser Ehe wurde im Ersten Weltkrieg vermißt. In zweiter Ehe verheiratete sich J ohs mit Luise Wilde, Tochter eines Villinger Uhrenfabri­ kanten. Aus dieser Ehe entstammte ein Sohn mit dem Namen Erwin. Unter der Leitung von Florian J ohs wurde der Ruf des Hauses der guten gastronomischen Leistung wegen weiter gefestigt. Das Anwesen erfuhr durch ihn einen größeren Umbau, der in seinem Äußeren durch den Jugendstil der damaligen Zeit und die turmgekrönte Dachaufstockung zum Ausdruck kam. Langsam baute J ohs die für Villinger Verhältnisse bedeutende Landwirtschaft ab. Die an der Bickenstraße gelegenen Remisen für Kutschen und Wagen aller Art wurden in Ladengeschäfte umge­ wandelt. Wie eine Zeitungsanzeige ausweist, eröffnete Florian) ohs am 23. Dezember 1904 im Erdgeschoß, der Niederen Straße entlang, die später bekannte Blumenstube als Cafe und Weinrestaurant. In der ,,Blume-Post“ 202 wurde damals täglich „ T able d’hote“ serviert. An der Tafel präsidierte im Gehrock Florian J ohs mit Gattin. Das Mittagessen bestand aus Vorspeisen, Hauptgang und Nachtisch, zusammen mit einem 1/2 Liter Wein pro Person und kostete um die Jahrhundert­ wende 3,50 Mark. Der einst hochangesehene Hotelier FlorianJohs starb 1929 in München als armer Mann. Ein noch erhaltener Briefkopf aus dem Jahr 1909 bezeugt, daß im Haus damals schon elektrisches Licht, Zentralheizung und Telefon Nr. 2 bestanden haben. Bei einem Empfang, den die Stadt Villingen am 4. Oktober1913 für das III. Bataillon, Inf. Reg. 169 gab, wurden serviert: Ochsenschwanzsuppe – Forelle blau, zerlassene Butter, Kartoffel – Rehrücken in Rahmsauce,J unges Gemüse – Pastete T oulouser Art – Junge Ente, Kopfsalat, Kompott­ Marasquino Gefrorenes – Früchte. Im Jahre 1927 wurde das Haus an den Konditormeister Markus Späth verkauft, welcher vorher in der Niederen Straße das gut florierende Cafe und die Weinstube „Central“ betrieb. Das Haus wurde abermals im Innern einer größeren Renovierung unterzogen, wobei fließendes Wasser installiert wurde. Markus Späth erweiterte die Blumenstube und funktionierte sie zur Schwarzwaldstube um. Auch Markus Späth profilierte sich als sehr tüchtiger Gastronom. Im Jahre 1939 kaufte Späth in Freiburg das Hotel „Victoria“, und im) ahre 1942 verkaufte er die ,,Blume-Post“ an das aus Berlin stam­ mende Fräulein Liselotte Engelmann. Sie wiederverkaufte das Haus an den in Berlin ausgebombten Pächter der Fürstenberg­ Stuben am Potsdamer Bahnhof in Berlin. Eduard Bernhard und seine Frau führten das Haus unter größten Schwierigkeiten über die restliche Kriegszeit und über die totale Beschlagnahme hinweg bis zum Jahr 1952. Nach der Beschlagnahme war das Haus wiederum renovierbedürftig, und das Ehepaar Bernhard richtete, entsprechend ihren Mit-

Die gute Stube („Poststube“) des einstigen Hotels teln, das Haus für den Fremdenverkehr wieder her. Aber die letzten Kriegsmonate und die lange Zeit der Beschlagnahme hatten die Gesundheit von Eduard Bernhard an­ geschlagen. So verkaufte er das Haus der damaligen Grundstücksgesellschaft der Rhein-Main-Bank, welche im Erdgeschoß an der Niederen Straße eine Bankfiliale einrich­ tete. Die Bank hat im folgenden den von Florian Jobs im Jahre 1904 erbauten Turm wieder abgetragen. In etwa wurde der Zustand des Hauses -wie vor 1904-wiederhergestellt. Das Restaurant wurde nach oben verlegt, Poststube und Casino wurden einer Reno­ vierung unterzogen. Zwei Geschäftsführer, welche von der Bank bestellt wurden, führten nacheinander das Haus bis 1956. In diesem Jahr wurde das Haus an das im damaligen Hotel „Deutscher Kaiser“ (heute Hotel Ketterer) als Pächter tätige Ehepaar Erwin und Hilde Kaiser verkauft. Erwin Kaiser, welcher im Jahre 1950 aus einer fünfjährigen russischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, sah sich zwei Problemen gegenüber. Zum einen mußte die Hypothek verzinst und amortisiert werden, gleich zwingend war es, möglichst viele Bäder und Duschen mit WC einzubauen. Ferner mußte der im 2. Obergeschoß befindliche Saal umgestaltet werden. Die Küche wurde vergrößert und neu eingerichtet. Ebenso mußte das Restau­ rant und das große Treppenhaus umgestaltet werden. Alle diese Aufgaben konnten damals mit den Einnahmen des Betriebes nicht bewältigt werden. Der Eigentümer, m-203

um Abschied zu nehmen. Die vielen Stamm­ tische wurden zu einem Abschiedsessen ein­ geladen. Die im Haus residierenden Rotary­ und Lions-Clubs verabschiedeten sich mit Dankansprachen und Geschenken. Der Ge­ meinderat machte im Anschluß an eine öffentliche Sitzung einen Abschiedsbesuch. Oberbürgermeister Kern überreichte dem Ehepaar Kaiser den Abdruck des Stadtsiegels von 1530, die höchste Anerkennung, welche die Stadt zu vergeben hat. Erwin Kaiser ,,Haus des Gastes“ in Achdorf zwischen 60 Jahre alt geworden, hatte keine Familiennachfolge in Sicht. Durch den immer größer werdenden Verkehr an der Niederen­ und Bickenstraße verlor das Hotel an Über­ nachtungsgästen. Schließlich wurde das Haus an den Hertiekonzern verkauft. Das Ehepaar Kaiser kaufte hernach den Gasthof „Falken“, ließ ihn abreißen, um dann in der Rietstraße 14 ein Geschäftshaus zu bauen, in welchem auch die nachmalige Dresdner Bank ein Domizil fand. In den letzten Wochen der Betriebsführung, im November 1968, kam halb Villingen nochmals in die ,,Blume-Post“, Ein Mehrzweckbau -rustikal und „mit Kompromissen“ in ländlicher Idylle Just zur Hexennacht jährt sich die erste Nutzung eines Baukörpers, der im Mittel­ alter nach dämonischen Beschwörungstänzen sicherlich verbrannt worden wäre. So sehr waren nicht nur das Talvolk gegen und die Mehrheit der Volksvertreter für ihn, wurde doch über eine „Sünde wider Überlieferung, Umweltschutz und Dorfstruktur“ gemunkelt und streitgesprächig debattiert. Nämlich in Sache eines im Achdorfer Tal stehenden „Haus des Gastes“, dem künftigen Nah-und Fernverkehr geweiht, also für Einheimische und Fremde gleichermaßen gedacht, Treff­ punkt für mannigfache Geselligkeit und mit einem eingegliederten Tagescafe der alt­ eingesessenen Gastronomie ein verstohlen zugegebener Dorn im Auge. Nun steht es da und läßt Sonne, Regen, Schnee und Kinder auf seinem gerundeten Buckel spielen. Alles begann damit, als das Modell auf dem Ratstisch stand und die Presse es von allen Seiten, besonders von der einen so verschlossen wirkenden, ablichtete und für eine Spaltung in zwei sich ständig ver­ größernde Lager sorgte. Denn nun wußten noch mehr Leute als nur der Kreis kommu­ nalpolitisch Eingeweihter augenscheinlicher, was da talverändernd auf sie zukam, nämlich jenes Projekt, das für einen jahrelangen Sturm im Bierglas verantwortlich sein sollte. Inzwi­ schen gleicht er lediglich einer Brise, die in ein heimliches Säuseln übergeht, das solange anhalten wird, wie dieser oder jener weiter mit dem Kopf gegen eine nackte Schindel­ wand anrennen mag, die eigentlich ein Trio ist und somit dreifachen Anlauf benötigt. Im September 1980 war Richtfest im Tal. An einem Spätsommernachmittag, der schon die ersten Blätter fallen ließ, verlas der Zim­ mermeister in luftiger Höhe den gereimten Richtspruch und leerte auf das Wohl des Baugestalters sowie der beteiligten Firmen und Handwerker das Glas mit einem Wein, der ein gutes halbes Jahr zuvor bei vielen Ohren-und Augenzeugen noch als Wermuts­ tropfen gegolten hatte. War doch allerlei Hickhack um dieses Formenexperiment entstanden, das jeder ortsüblichen Denk­ und Sehweise sowie manchem dörflichen Kuscheleffekt widersprach, jeglicher Idyll­ Erhaltung und -förderung auf die Zehen zu treten schien und dazu mit einer guten oder unguten Million belastet, einer für das an­ gebliche ,,Ärgernis des Tales“ zu derb gepfefferten Zukunftshypothek. Der allzu bereite Volksmund erfand die bissigsten Übernamen, von denen „Schwangere Tal­ Auster“, »Zirkusplakatwand“ oder „Dorf- 204

,,Haus des Gastes“ in Achdorf verschindelung“ noch die liebenswürdigsten waren. Die drei leicht versetzten, doch aneinander haftenden Sektoren einer „Schwarzwälder Kirschtorte“ gingen den Kritikastern wahrlich sahnig über die spitze Zunge. Nun liegt die feierliche Einweihung dieses architektonischen Zankapfels am 30. April schon ein Jahr zurück, und keine Reisigen mit Spottpfeilen und talemer „Blindschies­ ser“ werden aufgeboten, um das Recht auf delikate Eigenwilligkeit im Rahmen der Gemeinnützigkeit zu schützen. Vor einem Jahr überreichte der Architekt Franz Leschnik im Echo gesangvereinter Loblieder sym­ bolisch den Schlüssel, der auch für das inzwischen gewachsene Verständnis paßt und die letzten Rudimente altväterischer Betrachtungsweisen aussperren könnte. ,,Ein Bauwerk besteht auch aus Kompro­ missen“, deutete Blurnbergs Bürgermeister Werner Gerber das Tauziehen um Vor- stellungen und Möglichkeiten an. ,,Ich über­ gebe dieses Haus nun der pfleglichen Be­ handlung durch alle, die es nutzen“. Hier erhielt Mendelssohn-Bartholdys „Es kennt der Herr die Seinen“ des mitwirkenden Kirchenchores eine doppelt gezielte Be­ deutung. Alle Gäste, unter ihnen Landrat Dr. Rainer Gutknecht -,,Nehmen Sie dieses Haus an, wir vom Kreis wollen es tun!“ -, fühlten sich dank diesem guten Kreislauf wohl, und dabei blieb es. Wenngleich die vorn be­ glückten Ortsvorsteher Ferdinand Roth­ mund zitierten Scheffel-Worte über die „ländlich�chlichten Räume“ nach einem Rundblick schmunzeln ließen. Die Räumlichkeiten mit ihren rustikalen Holzbetonungen sind so interessant geglie­ dert, daß es überall lichte Einblicke, Durch­ blicke und Ausblicke gibt. In den großen, überhohen Saal mit seiner positiv asym­ metrischen, holzsprossigen Fensterwand, 205

Das Erholungszentrum Riedsee die der Tallandschaft bis zur einbrechenden Dämmerung gestattet, den reizvollen Hinter­ grund zu stellen, paßten zwei gleichwertige Festsäle, dennoch beließ man es bei einer Empore, die Überblick verschafft. Zu den Mehrzweckverwendungen für das örtliche Vereinsleben und den angehobenen Fremden­ verkehr könnten bei den guten Lichtver­ hältnissen auch Ausstellungen zählen. (Den Anfang machte eine Liebhaberschau zeichnerischer und malerischer T aleindrücke zur Achdorfer 1200:Jahr-Feier). Die kleine Bühne kann als Fernsehzimmer für die Gäste mattscheibchenweise eingerichtet werden. Zwei große Pläne kamen zu Beginn der siebziger Jahre fast gleichzeitig auf das Reiß­ brett im Donaueschinger Stadtbauamt und­ mehr noch -in die Diskussion der Kom­ munalpolitiker: das als Episode „Sehellen­ berg-Projekt“ in die Geschichte eingegangene Vorhaben, „oben“, auf dem Donaueschinger Hausberg, für damals geschätzte 150 Mil­ lionen Mark Hotels und ein Hallenbad, Golfplätze und Reitanlagen zu erstellen; für Einheimische und Gäste, deren finanzielle Potenz ihnen derlei Annehmlichkeiten möglich machte. „Unten“, im Ried, sollte es ein Erholungszentrum geben für jene, die mit Badehose und Gummiboot zufrieden sein müssen: das Riedsee-Projekt, das sich im Gegensatz zu dem von den „Neue-Heimat“­ Planern entworfenen und von der Essener Steag zur Verwirklichung vorgesehenen „Sehellenberg-Projekt“ als weniger spektaku­ lär, aber auch als realisierbarer erwies und nunmehr konkret im Werden ist. Daß auf dem Sehellenberg nichts gebaut, daß dieses Stück heimatlicher Natur sowohl für Donaueschingen wie auch für Hüfingen und Bräunlingen so unverbaut blieb, daß es als „grüne Lunge“ weiter Erholungsraum sein kann, muß aus der heutigen Sicht einer geschärfteren Skepsis in den Gigantismus des auslaufenden Wirtschaftswunders und ange- 206 Tagescafe und Leseraum runden die Nut­ zungseffekte ab. Der vorverlegte Mühlenkanal, über den nostalgisch konzipierte Brücken führen, treibt ein von seiner Vergangenheit isoliertes Mühlenrad an, das sich so umweltfreundlich lautlos dreht, als hätte dieser Neubau, der bislang nur den Namen „Haus des Gastes“ trägt, Wasser auf die Mühle der Hoffnung gegeben, er möge sich nach jahrelangem Dagegen und Dafür dank den willkommenen Nutzungsmöglichkeiten als zeitgenössischer Akzent in das Ortsbild einfügen. Jürgen Henckell sichts der allgemeinen Sensibilisierung gegen allzu forschen Landschaftsverbrauch fraglos begrüßt werden. Freilich war dies weniger der Einsicht euphorisierter Kommunal­ politiker im Städtedreieck, die mit selbst­ kritischem Nein kategorisch eingeschritten wären, zu danken, vielmehr dem -wie nun­ mehr zehn Jahre später beim ebenfalls aus diesem Grund gescheiterten „Holiday-Inn“­ Projekt auf dem Donaueschinger Festhallen­ platz – mißlungenen Versuch, potente Träger für jenen Plan zu finden, den man in den trüben Monaten der sterbenden Kreis­ stadt als „großen Wurf“ begriff und ihn als einzigen Lichtblick in perspektivloser Zeit zu verstehen suchte. Im Gegensatz zu diesem glücklicherweise gescheiterten Anlauf erwies sich als richtig, daß die Ausbeutung der Kiesvorkommen im Dreieck von Donaueschingen, Pfohren und Hüfingen nicht ausschließlich wirt­ schaftlichen Aspekten unterworfen blieb, sondern im langfristigen öffentlichen Inter­ esse geordnet wurde. Ein schwieriges Unter­ fangen, weil es sich nicht nur um Terrain auf der Gemarkung dreier damals selb­ ständiger Gemeinden handelte, sondern weil sich auch das zwangsläufig konkurrierende Miteinander der Hüfinger und Pfohrener Firmen als kompliziert, ja zeitweise sehr

schwierig eiwies; der Zusammenbruch des in Hüfingen operierenden Bruchsaler Unter­ nehmens Bühler Mitte der siebziger Jahre machte die Erarbeitung eines Konzepts fast unmöglich. Dennoch fand man, nicht zu­ letzt durch den planerischen und koordinier­ enden Einsatz des damaligen Donaueschinger Stadtbaumeisters Horst Twarz, einen Weg zum Ziel, den Baaremern irgendwann, wenn die zum Teil ertragreich meterdicken Kies­ schichten abgebaut sein werden, ein Er­ holungsgebiet von 100 Hektar Wasserfläche mit kultivierten Liegewiesen, ausreichender Gelegenheit zum Surfen und Segeln sowie der nötigen Infrastruktur anbieten zu können. Vor zehn Jahren, als sich diese Gedanken zu einem Plan zu formen begannen, glaubten die Kommunalpolitiker freilich an eine schnelle Veiwirklichung der Absicht, aus einem bis dahin nicht sonderlich reizvollen Stück Kiesland ein Erholungszentrum zu machen. Doch der rasche Abbau der Kies­ vorkommen als der Voraussetzung für alle landschaftsgärtnerischen Maßnahmen blieb Illusion; das steinerne Material besitzt nicht jene Güte, die beispielsweise zur Schüttung des Dammes für die Umgehungsstraße für Donaueschingen und Hüfingen im Ried er­ forderlich war, und dem privatwirtschaft­ lichen Abbau konnte man weder im Donau- eschinger noch im Hüfinger Rathaus wesent­ lich höhere Fördermengen verordnen, weil durch sie das erlösträchtige Preisgefüge am Markt zusammengebrochen wäre. Dies hätte Unternehmen wie Wintermantel oderJäggle nicht nur in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht, sondern hätte diese Kieswerks­ besitzer wohl auch veranlaßt, aus ihren Ried-Verträgen auszusteigen; daß sie den Ab­ raum nicht wieder einfach in die durch das Ausbaggern des Kieses eben entstandenen Seen zurückschieben dürfen, sondern ge­ ordnet deponieren müssen, läßt sie ohnehin bitter klagen. Diese Arbeiten sind am westlichen der beiden Hauptseen in dieser „Baaremer Seen­ platte“ am Wuhrholz noch in vollem Gange. Zwar finden sich hier an schönen Sommer­ sonntagen schon seit Jahren Tausende von Wasserfreunden, obwohl es weder einen geordneten Badebetrieb noch etwa sanitäre Anlagen gibt. Während an diesem See also noch Kies-Profit und Bade-Provisorium ein gemeinsames Dasein haben, ist man drüben im Osten auf der Pfohrener Seite schon sehr viel weiter. Denn hier bot sich eine Anlage an, die von Stadt und Privatunternehmer gemeinsam getragen wird und die jenen Donaueschinger Campingplatz aufnehmen konnte, der in der Kernstadt selbst im Ge-207

Klenkenreute“ einem Neubau­ wann “ gebiet wich. Zwar hatte die Stadt für Lage und Ausstattung dieses Camperdomizils bei Landeswettbewerben mehrfach Anerkennung geerntet, doch ein neues Areal für die Camper am Riedsee in zeitgemäßerer Konzeption vermag nun quantitativ und qualitativ doch noch höhere Ansprüche zu erfüllen. So entstand westlich von Pfohren eine Anlage, die heute den Wasserfreunden in Donaueschingen nicht weniger ein Begriff ist als Tausenden von Campingfans aus ganz Europa. Die dem Dauercamping vor­ behaltenen Stellplätze sind sommers wie winters ständig ausgebucht. Die Piloten rol­ lender Eigenheime finden für ihre Fahrzeuge hier insgesamt 530 Stellplätze, die allesamt mit Strom versorgt und von denen immer­ hin 200 auch ans Wasser- und Abwassernetz angeschlossen sind. Die gesamte Anlage auf einem Areal von 800 Ar wirkt nie beengend, verschafft den Campern nie das Sardinen­ dosen-Gefühl, das für so manchen anderen Platz mit Rad-an-Rad-Stellplätzen typisch ist. Dennoch hat Hans Müller, der mit Hilfe der Stadt und von Zuschüssen das 4,2-Mil­ lionen-Projekt baute, auf dem Bereich der Feriencamper noch Kapazitäten frei; die Furcht, die Autobahn Stuttgart-Singen könnte ganze Scharen von Campern und Badefreunden etwa aus dem Ballungsgroß­ raum Stuttgart in Richtung Bodensee schwemmen und, weil dort ohnehin alles überfüllt ist, zu einem Rückstau“ mit allen “ Folgen bis ans Riedsee-Zentrum führen, er­ weist sich zumindest bisher als falsch. Daß die Anlage dennoch ständig mehr frequen­ tiert wird, ist wohl nur eine Frage der Zeit, denn über den eigentlichen Campingplatz hinaus gibt es eine Reihe arrondierender Annehmlichkeiten: Zwei Aufenthaltsräume, davon einer mit Fernsehgerät, zwei Wasch­ und Bügelräume, zwei Trockenräume, zwei Küchen, zwei Ausgußräume, 32 Duschen, 60 WC, 24 Urinale, 70 Waschbecken, ein Sanitärraum für die DLRG-Helfer, eine Sauna und ein Kinderspielplatz ergänzen das Angebot des Erholungszentrums. 208 Komplettiert wird diese Palette an Aus­ stattung von einem eigenen Strandbad, einem Badebetriebskiosk mit Imbißangebot, einem Selbstbedienungsgeschäft, das alle Lebensmittel führt, der »Riedseeklause“ mit immerhin 100 Gästeplätzen, einer Garten­ terrasse, zwei Bundeskegelbahnen und – in absehbarer Zeit – auch mit Tennisplätzen. Nur an wenigen Erholungszentren speziell für Camper und Wasserfreunde findet sich ein so umfassendes Angebot wie hier. Wie stark dieses neue Badezentrum auch von den Einheimischen bereits angenom­ men wird, wie sehr sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, anstelle eines betonierten und im Vergleich zu einem See engen und hygienisch viel eher belasteten Schwimm­ bades in einem naturnahen See zu baden, zeigt freilich die Kehrseite der Medaille, die sich vor allem dem Donaueschinger Stadt­ kämmerer präsentiert: seit 1973, seit also mit den sich ausweitenden Seenflächen im Ried auch die Zuneigung der Wassersportler zu ihnen wuchs, sank die Zahl der Badegäste im Parkschwimmbad der Kernstadt und im Freibad des Stadtteils Hubertshofen um glatt Gerhard Kiefer die Hälfte. Glückliche Zeit Kinder springen, Vögel singen, Blumen blühen überall – Und die Sonne will uns bringen Wieder einen neuen Tag. O denk‘ daran, vergiß es nie Und laß Dein Herz sich freuen, Frag‘ nicht solange wo und wie Das Glück sich zu Dir wendet. Du bist auf uns’rer großen Welt Doch nicht allein und einsam, Wir haben doch, was uns gefällt, Wer könnte da nicht leben? – Johannes Hawner

Schwarzwälder Hofmühlen als Urlaubsdomizil Attraktive Angebote in St. Georgen – Als Beispiel die Brigachmühle Der Trend nach rustikaler Gemütlichkeit weitet sich immer mehr aus und macht auch außerhalb der eigenen vier Wände nicht Halt. Im Urlaub zieht der Gast heutzutage immer mehr die Gemütlichkeit alter Bauernstuben dem supermodernen Urlaubsbungalow vor. Und wenn dann ein Erholungshungriger aus einer Großstadt seine Ferientage sogar noch in einer alten Schwarzwaldmühle verbringen kann, wird die Postkartenidylle der „Mühle am rauschenden Bach“ zur Wirklichkeit. Die Stadt St. Georgen im Schwarzwald hat in dieser Hinsicht gleich vier „Bonbons“ anzubieten: vier alte Hofmühlen, im alten Stil restauriert und so hergerichtet, daß der Urlauber neben der gesuchten Mühlenro­ mantik auch nicht auf einen gewissen Urlaubskomfort verzichten muß. Also Die Brigachmühk von der Eingangsseite her waschen muß er sich nicht unbedingt am Bach (wenn er will, kann er) und abends muß er auch nicht mit der Kerze ins Bett. Allein drei dieser ausgebauten Hofinühlen stehen im StadtteilBrigach-die Storzjockel­ hofmühle, die Jäckleshofmühle und die Brigachmühle beim Unter-Bauern-Hof. Letztere gepachtet und ausgebaut vom Fremdenverkehrsverein St. Georgen. Die vierte im Bunde, die Falkenhofmühle, steht im Stadtteil Langenschiltach. 1971 stellte sich der Fremdenverkehrs­ verein St. Georgen die Aufgabe, eine alte Schwarzwälder Hofmühle im Bereich der Stadt St. Georgen zu erhalten und auszu­ bauen -mit dem Ziel, für Gäste der Stadt sowie für die einheimische Bevölkerung eine solche Mühle zugänglich zu machen als ein 209

Toilette, fließendes Wasser und elektrisches Licht. Alles andere ist nach altem Vorbild wieder hergestellt. Die besondere Attraktion ist das voll funktionsfähige Räderwerk der Mühle, in viel Kleinarbeit und mit viel Liebe nach alter Manier restauriert und von den Gästen vom gemütlichen Sitzplatz aus durch eine Glasscheibe in Aktion zu beobachten. Platz bietet die Brigachmühle für vier bis fünf Personen. Sie ist an ein großes Reise­ unternehmen fest vermietet und natürlich von Mai bis September total ausgebucht – und die Gäste aus den Großstädten der Ballungszentren fühlen sich wie im Paradies in der „Mühle im Schwarzwälder Tal“. Marga Schubert Abschied vom Parkhotel „Kreuz“ Stück der heimatlichen Landschaft. In einer wohl einmaligen Gemeinschaftsleistung wurde der gesamte Ausbau bewerkstelligt. Beteiligt waren hierbei die Vorstandsmit­ glieder des Fremdenverkehrsvereins mit zahl­ reichen freiwilligen Arbeitsstunden ebenso wie die Handwerker, Geschäftsleute und die St. Georgener Industrie mit Sach-und Geld­ spenden. Bei diesem Projekt wurde besonders Wert darauf gelegt, daß diese Brigachmühle kein Museum nur zu Besichtigungszwecken sein soll, sondern ein gemütliches und gastliches Haus, in dem auch in der Einrichtung ver­ sucht wurde, weitgehend den alten, rusti­ kalen Stil zu bewahren. Das einzig„Modeme“ in der Brigachmühle ist die Dusche, die Ein Stück Geschichte Bad Dürrheims für die Spitzhacke vorgesehen Wenn ein altes Gebäude fällt, so fällt auch immer ein Stück Geschichte. Was schon lange im Gespräch war, wurde Realität: Das Parkhotel „Kreuz“ in Bad Dürrheim, über Jahrzehnte eine der besten Adressen in der Hotellerie der gesamten Region, eine Visiten­ karte der Kurstadt, ein Haus mit Geschichte an einem markanten Standort, fällt der Spitz­ hacke zum Opfer. Was früher einmal gastro­ nomisch besondere Bedeutung hatte, tritt – so scheint es -nun nacheinander den Weg in die Vergänglichkeit an. Der Abschied vom Parkhotel „Kreuz“ ist auch der Abschied von einer unverwechsel­ baren Fassade, hinter der über viele Jahr­ zehnte in gediegener Atmosphäre Gäste ver­ weilten, in der gepflegt gegessen wurde oder übernachtet. Wie man hier einstmals getanzt hat oder wie man hier wichtige Familienfeste ausrichten ließ -das ist vielen noch in guter Erinnerung. Wer es sich leisten konnte oder wollte: das „Kreuz“ war einen Abstecher wert. Auf dem „Kreuz“-Areal soll früher oder später eine Wohnbebauung mit rund 90 Wohnungen und Ladengeschäften entste­ hen. Der Trend der Zeit hat das „Kreuz“ überholt. Trotz aller Suche: niemand hat sich mehr gefunden, der da� Parkhotel „Kreuz“ für die Gastronomie nutzen wollte und auch niemand, der das Risiko eines neuen Hotel­ baues an dieser Stelle übernahm. Daß das ,,Kreuz“ auf der Strecke blieb, mag daran lie­ gen, daß der letzte Besitzer keinen Wert mehr auf Neuerungen legte. Das „Kreuz“ war ganz früher einmal eine dörfliche Gastwirtschaft, im nördlichen Ortsteil Dürrheims, im „Hegi“, gelegen. Jenes „Kreuz“ besaß um 1825 der energische Magnus Schäfer. Ihm aber „kam 1831 der Rote Hahn aufs Dach“ und sein „Kreuz“ wurde völlig eingeäschert. Magnus Schäfer, weitblickend, nahm das Brandkassengeld und baute sein „Kreuz“ wieder auf. Nicht an der alten Stelle, sondern am Treffpunkt der durchziehenden Landstraßen. Dort, wo in Dürrheim die Kutschen und Pferdefuhren nach Villingen und Schwenningen durchzo­ gen und die Route Kehl-Donaueschingen vorbeiführte. So entstand an dem einzigarti- 210

gen Platz, der heutigen Kreuzung Bahnhof-/ Friedrichstraße, ein Gasthaus. Doch Magnus Schäfer konnte sein Glück als „Kreuz“-Wirt nicht lange genießen. Er starb früh. Da führte seine Tochter Marie die Gastwirtschaft, an der auch Scheunen, Stallungen und Gaststal­ lungen waren, weiter. Und weil ein Wirt fehlte, holte ihn die Marie ins Haus. Es war der Hondinger Ignaz Greif, der als Ehemann der Marie Schäfer 15 Jahre mit ihr das ,,Kreuz“ betrieb, bis er an einem „ Wirtslei­ den“ starb. Da trat zwar der älteste Sohn Karl das Erbe an, doch auch er starb jung. Im Jahre 1898 fiel eine für das „Kreuz“ große Entscheidung. Der Sohn eines Bauern und Gastwirts aus Tannheim, Ernst Müller, entschloß sich zum Kauf. Für 100.000 Mark erstand er, der auf der Wanderschaft einmal Hotelboy und Küchenjunge gewesen war, Das Parkhotel „Kreuz � an ganz markanter Stelle im Kurort Bad Dürrheim gelegen und über Jahr­ zehnte „ Visitenkarte“ und eine der besten Adres­ sen der Hotellerie.fällt der Spitzhacke zum Opfer das Anwesen mit den damals zirka zehn Bet­ ten von der Witwe Greif. Ernst Müller, mit einer Dürrheimerin (Maria Grießhaber) ver­ heiratet, ging alles mit neuen Ideen an. Die umfangreiche Landwirtschaft wurde im gegenüberliegenden Haus untergebracht, wo man auch später (1903) den „ Waldblick“ als Nebenbetrieb für Sommerkurgäste des „Kreuz“ erbaute. Im „Kreuz“ selbst waren 1905 die Wirtschaftsräume umgestaltet und eine Terrasse erbaut worden. Garten und Park wurden angelegt. Und als Kurbetrieb und Einkehrende sichtbar zunahmen, wur­ den auch Küche und Nebenräume vergrö-211

Gästebücher scheffelweise ßert. Der große Saal war ebenfalls entstan­ den. Die Stallungen verschwanden, und 1926 wurde schließlich dem Hotel die Form gege­ ben, die es die letzten Jahrzehnte so geprägt hat. Es war ein modernes Kurhotel mit eige­ nen Bädern und zirka 100 Betten daraus geworden. Damit hatte er, der Ehrenbürger Ernst Müller, das „Kreuz“ zu einem bevor­ zugten Treffpunkt gemacht. Auch den 2. Weltkrieg überstand es gut, wenngleich es zeitweise als Lazarett und Kaserne dienen mußte. Familiäre Gründe und sein Alter bewogen Ernst Müller 1951 zum Verkauf. Dann wechselte das renommierte Hotel mehrmals den Besitzer. 1961 zog der letzte Besitzer ein. Noch eine ganze Weile behaup- Auf-und hingeblättert von Jürgen Henckell Die 1200:Jahr-Feier in Achdorf warf – wenn auch mit fünf Jahren Verspätung – ihre blaustichigen Talschatten voraus, und das war oder ist immer auch eine Sache der Eintragungen in gasthäusliche Bücher, deren Papier über das Normalmaß hinaus geduldig sein muß. Wo Viktorvon Scheffel schäkernd, schmausend und bechernd weilte, dort ver­ weilten andere ähnlich und stellten mit gebrauchslyrischen Reimen auf Becher und Zecher ihr Licht meistens unter den Scheffel. Als reine Erfahrungssache gilt: Gästebücher, ob privat oder offiziös, ticken als gefürchtete Bomben mit Nachtzeitzündern bis kurz vor Abschied und Aufbruch; sie sind die er­ wachsenen Fortsetzungen von backfischigen Poesie-Alben ohne den Einschlag von Genie­ blitzen. In einem Gasthaus ist der Gast König, der sich ohne Hofdichter höchstpersönlich nach dem Motto bemüht: „Und endlich nach dem x-ten Glase Wein trägt er sich mit verflixten Versen ein!“ Jedes T raditionsgasthaus besitzt seine eigenen gebundenen Lobessammlungen, eigentlich nur von approbierten Apothekern zu lesen, die sogar alles das zu entziffern 212 tete sich das Hotel gastronomisch, dann aber hielt es dem Wandel der Zeit und der Kon­ kurrenz nicht mehr stand. An einem kalten Novembertag 1980 stan­ den Tische und Stühle gestapelt zum Ausver­ kauf, trabten Hausfrauen durch die inzwi­ schen tristen Räume, um für eine Mark oder mehr etwas vom längst verstaubten früheren Glanz mitzunehmen. Der Ausverkauf der Reste dessen, was dereinst mal als nobel gegolten hatte, war angebrochen. In einer Buchhandlung gegenüber räumte eine junge Dame einen Stapel Postkarten weg. Das Parkhotel, auf den Postkarten in allerbesten Zeiten, gab es nicht mehr. Gerlinde Pfannkuchen vermögen, dem es an kalligraphischer Delikatesse mangelt. Erhalten sind in der alten „Linde“, der man Scheffels Namen vorschnitzte, die vielfachen, größtenteils un­ leserlichen Eintragungen seit dem Brand von 1930, Legionen von Krähenfüßen fortge­ schrittener Stammtischstunden darunter. Die Loblieder auf köstliche Tropfen, knuspriges Landbrot und animierende Be­ dienung vor der brandheißen Zäsur wurden zu Asche, so daß die Beispiele schönster Kanzleischrift im Gaudeamus-Stadium für immer verloren sind. ,, … als Scheffel und sein Freund, der als Hegausänger bekannte Richard Stocker, hier oft fröhliche Einkehr hielten. Das Lindenwirtshaus wurde zu einem Anzie­ hungspunkt für alle Scheffelfreunde, und in den Gästebüchern verewigten sich die vielen Besucher, darunter auch Dr. Hein­ rich Hansjakob.“ So eine der ersten Eintragungen in den überkommenen Blätterstapeln weinseliger Dankbarkeit. Die „Verewigung“ führte der Brand schon ad absurdum. Bei Max Rieple stößt die gasthäusliche Spurensicherung

noch auf weingeistige Vorwahlverwandt­ schaft: ,,An alter Linde beim neuen Wein läßt es sich froh und sorglos sein. Schon steht ein reicher, goldner Herbst im Tal, ein jeder Baum wird zum Fanal, das lockend ruft zu herbstlich froher Rast in dieses Haus, in dem so mancher Gast die Welt und alle Sorgen leicht vergaß und bei dem Trunk an Leib und Seel‘ genas.“ Doch während der Maler Schneider­ Blumberg noch im August 1934 zeichnerisch „im Wein liegt die Wahrheit“ feststellte, schrieb ein Gast aus Basel schon ein Gedicht mit dem Titel „Unser Führer“, und Profes­ sor Edmund Krauß trauert im selben Jahr als Oberleutnant der Reserve reimend über »Hindenburgs Tod“. Im Oktober des ge­ nannten Jahres begehen Dr. Harraß und seine Frau Edith mit Kunstfreunden den „Leichenschmaus“ des Kurtheaters Bad Dürrheim. Das Ende der Olympischen Spiele von 1936 schlägt sich ebenso nieder wie ein Besuch des später angefeindeten Dichters Hermann Eris Busse; eine Mrs. Freeman aus Southampton fühlte sich in der „Linde“ ähnlich wohl wie der Steinbildhauer Josef Hettich aus Grimmelshofen oder zwei Jahre später das Malerehepaar Annemarie und Erwin Heinrich. Im April 1937 beklagt der Dichter Max Rieple seine „vergebliche Blütenwanderung“ im Tal, und im Juni des­ selben Jahres notiert ein Anonymus quer­ blattweise „fad unserem Führer!“ Soldaten, Sänger, Geologen, Naturfreunde, Handels­ vertreter, Lehrer, Studenten, Wandervereine, Stadtverwaltungen, Kreis- und Landräte, Postpensionäre, Künstler, Rentner und Posaunenchöre lassen ihre Echos im Tal zu­ rück.Die 1000 Jahre, von denen uns 988 er­ spart blieben, überjährten in den Gäste­ büchern, während sie andernorts heraus­ geschnitten wurden, ohne jedoch ganz gelöscht werden zu können. Besucher aus allen Teilen Deutschlands sowie unzählige Es „klappert“ die Mühle bei der „Schejfellinde“ Ausländer trugen sich ein, euphorisch bis halbnüchtern. Ein fruchtbarer Versschmied namens Kellermann fand immer neue Reime, um die T alromantik zu besingen; der Heimat­ dichter Alois Burger beginnt im Februar 1958 ein neues Gästebuch mit dem Gedicht „Erinnerung“ aus der Sendung »Die Blumberger Pforte“ des Süddeutschen Rund­ funks. Karl Kandlbinder, der 1978· starb, gestaltete ab 1962 aufVorschuß für mehrere Jahre Gäste-Erwartung etliche Bücher mit hübschen, naturalistischen Farbvignetten und Reimen als Einstimmung für doch kaum zu erwartende kongeniale Nachfolger. Im Februar 1963 trägt sich der meisterliche Villinger Kunstmaler Martin Münzer ein. Am Sonntag vor Pfingsten 1963 gibt es eine Eintragung, von der die sprichwörtliche Geduld des Papiers zotig strapaziert wird. Schweinslederne Derbheiten sind ansonsten rar. Dagegen schreibt die „Gesellschaft der Blumenfreunde Konstanz“ sehr viel netter213

durch die Blume. Im September 1965 feiern Deutsche und Franzosen die schon lange fällige Völkerverständigung im Tal, und Ostern 1966 hinterläßt die Ulmer Jugend­ kantorei die Noten des Liedes „Mit Lieb bin ich umfangen“. Im Mai 1966 treffen sich die Deutschen Jungdemokraten Baden­ W ürttembergs mit der J ungliberalen Be­ wegung St. Gallens. Besondere Exkursionen gelten den be­ rühmten Geländerutschungen von 1966; im April 1967 kommt die Universität Leyden mit Studenten aus aller Welt ins noch lieb­ liche Wutachtal; im Juni 1967 ernennt die 1. Kompanie des Panzergrenadier-Bataillons 2 92 den Bürgermeister Ferdi Rothmund zum Unteroffizier h. c., und im Juli 1968 schreibt ein Dr. Engelhardt nach „großer Fossilien­ jagd“ zur stärker anlaufenden Hobby­ Geologie den allzu emsigen Klopfspechten hinter die Ohren: „Den lieben Auch-Geologen: Da würden Sie staunen – wenn der Wirt der Scheffel­ linde Forellen mit Dynamit finge! Die Natur schenkt dem Geduldigen (fast) alles, überreichlich, wenn er beim Fos­ siliensammeln auf Gewalt und Spitzhacke verzichtete. Ganz besonders um Achdorf und Blumberg.“ Dieses und anderes spricht für sich selbst, vieles aber bleibt stumm, weil es unleserlich ist. Der Vorteil, manche Verfassernamen nicht entziffern zu können, liegt so nahe wie der Knüppel beim Hund. Der Dr. Hans­ jörg Häfele vom Dezember 1969 jedoch ist so lesbar wie die deutliche Lesart des Finanz­ ministers a. D. und Landtagspräsidenten Dr. Hermann Müller vom 15. April 1972: ,,Heute zwar nicht auf Scheffels Spuren, sondern auf Wahlkampftouren … „. Im September 1977 dokumentiert die Fernseh-Produktion des Südwestfunks farbig ihren letzten Tag, und am 3. Mai 1979 verfügt sich der berühmte Sänger Rudolf Schock früher als erwartet schmollend ins Lindenbett, weil man ihn nicht oder zu spät erkannte und er schwärme­ rischer Verehrung entraten mußte. Im Juni 1980 richtet sich der „Leonberger Kirchen- 214 chor“ erstaunlicherweise nicht an Scheffel auf, sondern vermerkt: ,, . . . in einem urgemütlichen Schwarzwald­ Gasthaus! Man fühlt sich in die Zeiten von Ludwig Thoma zurückversetzt.“ Möglich, daß die „Moral“ von der Geschichte war, daß man Hans Thoma meinte! Im September 1980 hinterläßt Landrat Dr. Rainer Gutknecht: red- zurückhaltend, ,, .. . wollen wir unseren lieben Gästen aus dem Kanton Schaffhausen die Schön­ heiten unseres Landkreises zeigen.“ Diese sowie eine traditionelle Gastlichkeit sind es wohl, die spontan oder dank sanftem Nachdruck, oder schreibselig zu den lobpreisenden Ein­ tragungen führen, so daß die Gästebücher sich mit viel Unleserlichem und bedauer­ licherweise wenig Lesenswertem alljährlich füllen. Dickleibig geraten sie beim Durch­ blättern nach bemerkenswerten Sentenzen und literarischer Feinkost leicht außer Atem. Über allem aber schwebt versöhnlich das „Prosit“ für Landschaft, Menschen und Gefühle. Süßer Trost .. ,,.. “ Geht nun der Sommer auch zu Ende, Der soviel Freude uns geschenkt, Kommt schon der Herbst mit seiner Spende. Weil Gott, der Herr, an alles denkt. Daß wir versorgt mit allen Gaben, Die doch der Mensch vonnöten hat, An tausend Früchten uns zu laben, Wo wir auch sind, in Land und Stadt. Und es gibt noch manchen schönen Tag, An dem die Sonne uns erwärmt, Singend zieh’n wir durch den grünen Hag, Davon ein jeder von uns schwärmt. Du gold’ner Herbst, so voller Segen, Das danken wir, o Schöpfer, Dir, Du gibst uns Kraft auf allen Wegen, Das wissen und das spüren wir. Johannes Hawner

Sport und Freizeit Von der Jagd auf den Auerhahn Wilhelm II. der prominenteste Gast auf den fürstenbergischen Auerhahnjagden Im Gasthaus „Zur Krone“ in Peterzell kann man eine interessante Fotografie vom 6. Mai 1884 bewundern. Sie zeigt eine Gruppe von Jägern, die vor dem Gasthaus stehen. Sie haben den Eingang mit Tannen­ grün geschmückt und darauf die wohl in den Vortagen erlegten Auerhahnen -es dürften etwa 20 sein -malerisch drapiert. Die Jäger tragen z. T.Brüche an ihren Hüten und zeigen damit, daß sie einen oder mehrere Hahnen geschossen haben.Wahrscheinlich handelt es sich um die Jagdstrecke der Hahnenbalz des Jahres 1884 aus den Waldungen der Gemein­ den Buchenberg, Langenschiltach und Peter­ zell.Daß die Jäger damals eine so gute Jagd- strecke erzielen konnten, liegt daran, daß das Auerwild in dem genannten Raum gute Lebensbedingungen vorfand. Die gering­ wüchsigen, lichten Nadelwälder mit einzel­ nen astigen Kiefern, der sandige Boden mit ausreichend feuchten Stellen sagten ihm besonders zu. In dem dichten Heidelbeerfilz fand das Auerwild Beeren, die es neben Kiefernnadeln und Insekten für seine Er­ nährung braucht. Auch kleine Steinchen, die es schlucken muß, um die Verdauung anzu­ regen, waren vorhanden. Beim Auerwild sind Hahn und Henne im Aussehen sehr verschieden. Während die Henne wegen ihrer rostroten Tarnfarbe wenig auffällt, ist der etwa 4 kg schwere Hahn mit 215

metallisch glänzendem dunkelbraunem bis schwarzem Gefieder und einem dunkel­ grünen Kragen ein sehr eindrucksvoller Vogel. Seine Augen sind von einer leuchtend roten Haut umgeben. Der fächerartige Stoß besteht aus 18 bis zu 30 cm langen, oft weiß gesprenkelten Federn. Ende April, Anfang Mai, wenn der letzte Schnee in den Bergen abtaut, findet die Balz des Auerwildes statt. Im frühen Morgen­ grauen balzt der Hahn auf seinem Schlafbaum, meist einer Kiefer, bis es hell wird, und setzt dann oft die Balz auf dem Boden fort. Der Balzgesang ist nicht besonders laut, aber sehr ausgeprägt und typisch. Er beginnt mit sogenanntem „Knappen“, geht dann über in den „ T ri11er“, dann erfolgt der ,,Hauptschlag“, und schließlich endet der Balzgesang mit dem „Wetzen“ oder „Schleifen“. Nachdem die Henne befruchtet wurde, legt sie ein einfaches, ungeschütztes Nest auf dem Bo­ den an und brütet dort das aus 6-12 Eiern bestehende Gelege in 4 Wochen aus. Die Jagd auf den Auerhahn war bei den Jägern seit eh und je eine besonders geschätzte Jagdart. So zählte das Auerwild wie Hirsch, Wildschwein und Gams zum Hochwild, dessen Bejagung in früheren Jahr­ hunderten dem Hochadel vorbehalten war. Gejagt wird nur al.f den Hahn und nur während der Balz. Der Jäger nähert sich noch bei Dunkelheit dem Hahn auf etwa 200 m. Wenn der Hahn dann mit dem Balzgesang be­ ginnt, springt er während des „Schleifens“ im­ mer 3 Schritte vorwärts, bis er dem Hahn so nahe kommt, daß ein sicherer Schuß möglich ist. Dieses ,,Anspringen“ ist deshalb meist er­ folgreich, weil der Hahn während des ,,Schleifens“ nichts hört. Da der Bestand an Auerwild in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist, hat die Hahnenjagd an Bedeutung verloren. Seit 1972 hat der Auerhahn in Baden-Württem­ berg keine Schußzeit mehr. Das Auerwild muß um die Jahrhundert­ wende in den Waldungen zwischen St. Georgen und Königsfeld außerordentlich zahlreich gewesen sein. Schon die eingangs 216 erwähnte Fotografie deutet auf einen beacht­ lichen Bestand hin. Ältere Einwohner von Buchenberg können sich noch erinnern, daß hinter dem pflügenden Bauern Auerwild -Hahnen wie Hennen -nach Würmern auf dem &ischgepflügten Feld gesucht haben. Der vor dem 1. Weltkrieg im Buchenberger Ortsteil „Sieh‘ dich für“ wohnende staatliche Förster Lehmann konnte den Balzgesang der im Wald hinter seinem Haus balzenden Auerhahnen vom Bett aus hören. Die Mitteilung, daß um 1900 auf der Gemarkung Buchenberg etwa 50 balzende Hahnen be­ stätigt wurden, erscheint durchaus glaub­ würdig.Der gute Bestand an Auerwild in dem geschilderten Raum hat die Fürsten zu Fürstenberg veranlaßt, diese Jagden anzu­ pachten, um dort selbst und mit Jagdgästen meist aus dem Hochadel auf den Auerhahn zu waidwerken. So dürften auch die im Jahre 1884 vor der „Krone“ in Peterzell auf dem Bild festgehaltenen Jäger Angehörige oder Gäste des fürstlichen Hauses sein, war doch die ,,Krone“ in der Regel das Stand­ quartier für die Hahnenbalz. In einem Jahr um die Jahrhundertwende hatte sich der Fürst zu Fürstenberg ausnahmsweise bei dem För­ ster Lehmann am „Sieh dich für“ einquartiert, um dem dort so guten Balzplatz besonders nahe zu sein. Für Lehmann hat diese Ein­ quartierung nicht geringe Aufregung ge­ bracht, besonders deshalb, weil er dem Fürsten kein geeignetes Bett zur Verfügung stellen konnte. Der Fürst indessen war mit einem Strohsack voll zufrieden und hat Lehmann dafür den für damalige Verhält­ nisse beachtlichen Betrag von 120 Mark gezahlt. Lehmann hat mit dem Geld gute Betten beschafft, um in Zukunft bei hohen Gästen nicht wieder in Verlegenheit zu kommen. Der Fürst hat aber von der Gast­ freundschaft im Hause Lehmann später keinen Gebrauch mehr gemacht. Der prominenteste Jagdgast dürfte Kaiser Wilhelm II. gewesen sein; er hat in der Zeit von 1900 -1908 6 mal auf fürstenbergischen Auerhahnjagden gejagt und dabei insgesamt

36 Hahnen erbeutet. Einige dieser Hahnen hat er im Kienmoos bei Buchenberg erlegt, wo damals ein besonders guter Balzplatz war. Der kaiserliche Hofzug war auf dem Bahnhof in St. Georgen abgestellt. Für die Fahrt vom Bahnhof in den Wald soll- so wird erzählt­ ein mit 4 Pferden bespannter Jagdwagen benutzt worden sein. Natürlich war auch für die Sicherheit des hohen Herrn gesorgt; ab nachmittags 3 Uhr am Vortag der Jagd war das Waldgebiet für sämtliche Personen ge­ sperrt. Um einen Überblick über den Bestand an Auerwild zu haben, waren von der fürst­ lichen Verwaltung einige Ortsansässige Männer als „ Verhörer“ bestellt. Diese Per­ sonen, oft mit jahrzehntelanger Erfahrung, mußten an den Balzplätzen vor Aufgang der Jagd, also schon im April, die Zahl der balzenden Hahnen feststellen. Nach der Zahl der bestätigten Hahnen wurde dann festgesetzt, wieviele davon zum Abschuß freigegeben werden konnten. Ein besonderes Anliegen der fürstlichen Jagdverwaltung war die Bekämpfung der Feinde des Auerwildes. Dazu wurden fürst­ liche Jäger regelmäßig in die Reviere geschickt mit dem Auftrag, wildernde Hunde und herumstreunende verwilderte Katzen zu erlegen. Die Jäger mußten die Schwänze der erbeuteten Tiere abgeben und erhielten dann Abschußprämien. Man erzählt sich in Buchenberg, daß clevere Jäger die Bauern veranlaßten, Schwänze aller getöteten Katzen für sie aufzuheben, damit sie auch dafür Prämien kassieren konnten. Wahrscheinlich ist diese Geschichte aber nur gut erfunden. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges wurde deutlich, daß der Bestand an Auerwild zurückging. An einigen Balzplätzen stellte sich im Frühjahr überhaupt kein Hahn mehr ein, an anderen war die Zahl der balzenden Hahnen geringer als in früheren Jahren. So wurde etwa auf dem sehr guten Balzplatz an der Hahnenhütte im Bohremerwald bei Königsfeld im Jahre 1928 der letzte Hahn 217

erlegt. An der Glashalde am „Sieh‘ dich für“, wo der Förster Lehmann noch um 1900 die balzenden Hahnen vom Bett aus hören konnte, kam der letzte Hahn im 2. Weltkrieg zur Strecke. Noch in den 60erJahren balzten im Kienmoos bei Buchenberg mehrere Hahnen; der letzte wurde dort 1968 erlegt. Ob in diesem Frühjahr noch einer sein Balz­ lied singt, ist nicht sicher. Die fürstliche Jagdverwaltung hat sich schon frühzeitig bemüht, die Ursachen für den Rückgang zu ergründen. Die geäußerten Vermutungen, wie etwa Beunruhigung durch Touristen, Kurgäste und Skifahrer, Zunahme von Raub­ wild, Katzen und Hunden als Folge unter­ lassener Bekämpfung im 1. Weltkrieg, Krank­ heiten und Gifteinsatz in der Landwirtschaft, klimatische Veränderungen u. a. m. mögen alle von Bedeutung gewesen sein. Irgend­ welche Maßnahmen wurden nicht ergriffen. Was sollte man auch tun? In jüngster Zeit werden energische An­ strengungen unternommen, um das Auer­ wild zu retten und es wieder dort heimisch zu machen, wo es über lange Zeit einge­ bürgert war. Man kann nur hoffen und wünschen, daß alle diese Bemühungen Erfolg haben. Unterstützen können die Spaziergänger diese Bemühungen, indem sie besonders während der Balz und der Brut­ zeit die vom Auerwild besiedelten Waldungen meiden. Hans Freudenberger Surfen – den Wind in den Händen Eine neue Sportart wird immer beliebter Wer noch vor wenigen Jahren mit seinem Surfbrett auf dem Autodachständer durch den Schwarzwald-Baar-Kreis fuhr, erntete so manchen erstaunten Blick, denn den wenig­ sten war das überdimensionale nBügelbrett“ 218 ein Begriff. Welchen Bekanntheitsgrad die Sportart Surfen in den letzten Jahren erreicht hat, kann jeder feststellen, der an einem Wochenende an den Kimbergsee bei Bräun­ lingen oder an die Baggerseen bei Donau­ eschingen/Hüfingen fährt. Manchmal ist das Gedränge so groß, daß schon bald Platz­ karten ausgegeben werden müßten. Weitere Windsurfreviere sind der Schluchsee, der Titisee oder der Bodensee. Wer aber nur am späteren N achmittagnoch einige Stunden Zeit hat, dem ist verständlicherweise die An­ fahrt zum Schwäbischen Meer zu weit. Wie so viele neue Sportarten der letzten Jahrzehnte nahm auch Surfen seinen Aus­ gang in Amerika. Jeder hat sicherlich schon einen der faszinierenden Filme über Wellenreiten in Hawaii oder ähnlichen warmen Gewässern gesehen. Auf die Idee des W indsurfens kamen die Boys, als sie ihre Bretter, die sie zum Wellenreiten benutzten, nutzlos am Strand liegen sahen, da die Wellen nicht hoch genug Windsu,fen am Riedsee bei Donaueschingen

waren. Zunächst nur ein Stück Stoff als Segel (benutzend) in den Händen haltend, wurde diese Idee immer mehr verfeinert, bis auch die Möglichkeit der Steuerung gegeben war. Dem Laien mag die große Ähnlichkeit mit einem Segelboot auffallen, nur besteht der wesentliche Unterschied darin, daß ein Surf­ brett keine Ruderanlage besitzt. Nicht zu unterschätzende Vorteile gegenüber einem Segelboot sind das problemlose Transpor­ tieren des Surfbrettes und die einfache Auf­ bewahrung des Sportgerätes in der Garage. Man benötigt keinen teuren Liegeplatz, die sowieso Mangelware sind, und der Aufbau ist in wenigen Minuten erfolgt. Die wichtigsten Einzelteile sind (Siehe Skizze): das Board, das Segel, der Mast mit Spitze und Mastfuß, das Rigg und das Schwert. Jeder, der sich näher mit dieser neuen Sportart befassen oder gar anfreunden will, wird schnell feststellen, daß es doch wesent­ lich einfacher aussieht, als es ist. Hier gilt wirklich der Spruch, daß noch kein Meister vom Himmel gefallen ist, aber jeder Surf­ anfänger schon des öfteren vom Board ins Wasser. Erste Gehversuche“ auf dem schwanken­ “ den Brett sollten immer im Rahmen eines Surfkurses unternommen werden, denn es macht einfach mehr Spaß in der Gruppe tauchen“ zu gehen, als so ganz alleine “ immer wieder aufs Board zu klettern, um postwendend auf der anderen Seite wieder abzusteigen. Auch ist es sehr ermutigend, wenn man feststellt, daß die Mitanfänger es auch noch nicht besser können. Da die Luft­ und meistens ja auch die Wassertemperaturen nicht annähernd die Wärmegrade von Hawaii erreichen, ist es beim Surfen unbedingt er­ forderlich, einen Kälteschutz zu tragen. “ Haben Sie durch das Lesen dieses Artikels Lust auf diese neue Sportart bekommen, so erteilen Ihnen die heimischen Sportge­ schäfte gerne weitere Auskünfte, wo und wann ein Surfkurs stattfindet. Was Sie für Stehversuche“ auf dem über­ ihre ersten dimensionierten Bügelbrett“ brauchen, “ sind eine Badehose und ein Paar Tennis­ schuhe. Kälteschutzkleidung stellt die Surf­ schule, natürlich sollten Sie schwimmen können und keineswegs wasserscheu sein. Wer glaubt, daß Surfen nur ein Sport für harte Männer ist, täuscht sich, denn auch zarte Frauenhände können durchaus den Kampf mit Wind und Wellen aufnehmen, die richtige Wahl der Segelgröße – vom großen Flautensegel bis zum kleinen Sturm­ segel reicht das Angebot – trägt wesentlich zum Surfspaß bei. Ein aufmunterndes Wort zum Schluß, falls Sie sich entschlossen haben, Ihr Surfer­ leben zu beginnen, verzweifeln Sie nicht, wenn Sie die ersten Stunden das Brett mehr aus der Froschperspektive sehen, als stolz darauf stehend von oben.Noch jeder, der nur wollte, hat das Surfen gelernt. Und haben Sie dann die ersten „Erfolgserlebnisse“, d. h. das Gleiten über das Wasser, so werden Sie die Faszination des Windsurfens erleben, und diese Sportart hat auch Sie gepackt und wird Sie nicht mehr loslassen, denn es ist schon etwas Schönes, den Wind in den Händen zu halten. Sigrid Burger 95 Jahre Radsport in Villingen�Schwenningen Zu den ältesten Sportvereinen der Stadt Villingen-Schwenningen zählt der Radfahrer­ Club 1886 Villingen. Er wurde am 6. Sep­ tember 1886 im Hotel „Deutscher Kaiser“ (heute Hotel Ketterer) gegründet in An- wesenheit von etwa 25 Radsportlern. In diesen Jahren wurde noch das sogenannte ,,Känguruh“ und das Hochrad gefahren. Das Hochrad wurde von Jahr zu Jahr durch Erfindungen verbessert zum modernen 220

Verkehrsmittel, das heute nicht mehr wegzu­ denken ist. Das erste große Straßenrennen fand in Villingen im Jahre 1898 anläßlich der Bannerweihe statt. Start und Ziel war am „Hohenstein“. In den 28 Jahren bis zum Kriegsbeginn des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 konnte der Club viele schöne Erfolge erringen. Es sind heute noch Urkunden vorhanden über Rennerfolge von Mitgliedern des Radfahrer-Clubs 1886 Villingen in den ehemaligen Kolonien Tsingtau und Kiautschau vor dem Jahre 1914. Während _ des Ersten Weltkrieges ruhte die Tätigkeit des Vereins. Im Frühjahr 1921 hatten sich einige junge Sportkameraden zusammen­ gefunden, um den Radfahrer-Club 1886 wieder ins Leben zu rufen. Bis zum Ausbruch des Zweiten Welt­ krieges wurden wiederum große Erfolge erzielt, sei es im Rennsport, Korsofahren oder in der neuen Sportart, die noch dazu kam, im Radballspielen. Nach dem Zweiten Weltkrieg durften wir erst im Jahre 1950 unseren geliebten Radsport wieder aufnehmen. Unsere Sparte Rennsport konnte große Erfolge erzielen. Wenn auch am Anfang keine Spitzenkönner aufzuweisen waren, so wurde doch eine große Breiten­ arbeit (Wanderfahren) geleistet, aus der mancher Spitzenkönner hervorging. Auch der Saalsport wurde wieder aufgebaut und seit 1950 intensiv betrieben. Heute besteht der Radfahrer-Club 1886 Villingen 95 Jahre und hat unter der Leitung von Karl Weckerle und seiner Vorstandschaft großes Ansehen im In- und Ausland errungen. Die heutige Spitzenmannschaft mit Albert Rungas und Hans Pfaff zählt zu den besten Seniorenmannschaften im In­ und Ausland. In ganz Europa, wo Radball gespielt wird, sind wir zu Hause, in Schweden, Dänemark, Frankreich, Belgien, Österreich, Schweiz sowie selbstverständlich in der ganzen Bundesrepublik. Aber auch im Rennsport sind große Könner hervorgetreten. Bis heute wurden im Stadtbezirk Villingen zwei Deutsche Mei­ sterschaften und fünf Württembergische Meisterschaften durchgeführt. Karl Weckerle 221

Persönlichkeiten der Heimat Erdwissenschaftler aus Leidenschaft Ein Ehrentag für Professor Willi Paul aus Vöhrenbach Dem am 5. Oktober 1907 in der Stadt Villingen geborenen Professor Wilhelm Hec­ tor Paul, Sohn einer Schwarzwälder Mutter und eines Remstäler Vaters, hat niemand an der Wiege gesungen, daß ihm Ministerpräsi­ dent Lothar Späth am 10. Januar 1980 die Urkunde zur Verleihung des Titels Professor, verbunden mit einer ausführlichen Laudatio, überreichen wird. Seine Eltern waren mit Reichtümern nicht gesegnet. Aus wirtschaft­ lichen und familiären Gründen war der Oberrealschüler in Villingen und Konstanz gezwungen, mit Erreichen der Primareife die höhere Schule zu verlassen. Er verdiente ab Frühjahr 1925 seiner kranken Mutter und seinen Lebensunterhalt als Hilfsarbeiter in der Villinger Feinmechanik-und Uhren-In­ dustrie und absolvierte daneben bis 1931 noch eine gründliche Ausbildung als Indu­ striekaufmann. So war an sich die Grundlage für einen soliden Beruf gegeben, allerdings bei unsicherer Wirtschaftslage. Aber Willi Paul war·damit nicht ausgefüllt und zufrieden. Die in ihm ohne Zweifel schlumme�de Leidenschaft zur Geologie, wohl bedingt durch die Heimatlandschaft, wurde in der Villinger Oberrealschulzeit durch zwei seiner auf diesem Gebiete tätigen Lehrer geweckt. Auch nach Schulabgang hielt er Verbindung mit ihnen, die seine Be­ gabung erkannt hatten und ihn mit Rat und Fachliteratur unterstützten, aufExkursionen in seine engere und weitere Heimat mitnah­ men und so seinen Blick für die Erdwissen­ schaften öffneten. Pro( Winterhalder schlug ihm vor, die Geowissenschaften zu seinem Lebensberuf zu machen. Der vorsichtige und stets gründlich überlegende junge Kaufmann suchte vor einer Entscheidung den berühm­ testen Trias-Forscher seiner Zeit, Martin Schmidt, in Tübingen auf, um ihn um Rat 222 zu fragen. Das Ergebnis war positiv. So mach­ te Paul als Externer an der N euburg-Oberreal­ schule in Freiburg noch 1931 das Abitur und bemühte sich danach um ein Studienstipen­ dium, angesichts der wirtschaftlichen Not­ zeit allerdings ohne Erfolg. Seine Mentoren verwandten sich 1933 erneut beim Kultus­ ministerium. Da der Petent aber Verdienste um die nationalsozialistische Arbeiterpartei nicht aufzuweisen hatte -bei seiner Ein­ stellung und Mentalität verständlich-, wur­ de der Antrag abschlägig verbeschieden. So mußte schweren Herzens auf das Stu­ dium der Geologie verzichtet werden, nicht jedoch auf die intensive Beschäftigung mit ihr in der freien Zeit, hatte doch der junge Forscher bereits umfangreiches Material über Aufbau, Ausbildung und Fossilinhalt des Oberen Muschelkalks am Südostrand des Schwarzwaldes für eine mögliche spätere Doktorschrift bei unzähligen Geländebe­ gehungen zusammengetragen. Der in der

Fachwelt Südwestdeutschlands unvergessene Geologieprofessor an der Universität T übin­ gen, Georg Wagner, war ihm inzwischen durch seine Arbeiten Vorbild und Leitbild geworden. Seine Erkenntnisse über den Oberen Muschelkalk faßte Paul in einer Studie zusammen, die von der Badischen Geologischen Landesanstalt in Freiburg i. Br. angenommen und bereits 1936 in deren Mit­ teilungen veröffentlicht wurde. Damit war der Durchbruch zum W issenschaftler erfolgt. Bis zum Ende des Zweiten W eltkrieges beschäftigte sich W illi Paul in den wenigen Mußestunden, die ihm vom Beruf her blie­ ben, mit den eindrucksvollen Großformen des Schwarzwaldes, die ihm die bisher ver­ schlossenen Bereiche Landschaftsgeschichte und Krustenbewegungen eröffneten und seine Basis wesentlich verbreiterten. Schon 1946 geknüpfte Verbindungen zu den Mit­ arbeitern der wiedererstandenen Badischen Geologischen Landesanstalt in Freiburg und des Geologischen Instituts der dortigen Uni­ versität führten zur Diskussion seiner gewon­ nenen Forschungsergebnisse in Gespräch, bei Kolloquien und Exkursionen. Er folgte dem gegebenen Rat, seine Forschungsergeb­ nisse zu veröffentlichen, die für die W issen­ schaft neue Ideen und Fortschritte brachten. Bereits 1948 ehrte ihn die genannte Anstalt durch Ernennung zu ihrem ständigen frei­ willigen Mitarbeiter. Das Geologische Lan­ desamt Baden-Württemberg bestätigte diese Auszeichnung 1952. 26 wissenschaftliche Arbeiten entstammen bis heute seiner Feder. Deren breites Spek­ trum umfaßt Nachweis und Bedeutung eis­ zeitlicher Vorgänge im mittleren Schwarz­ wald, Bildung der Landschaftsformen und Auswirkung von Krustenbewegungen in diesem Gebirgsabschnitt, Flußgeschichte Südwestdeutschlands, spezielle Geologie und Paläontologie der Triasformation seiner näheren Heimat, die ihm einst den Anstoß gab und der er bis heute treu geblieben ist. Seine Verdienste als unermüdlicher, Begei­ sterung erweckender, andererseits den Teil­ nehmern keine Anstrengungen ersparender Leiter von Lehrwanderungen geologischer und naturwissenschaftlicher Vereine und Hochschulinstitute dürfen nicht unerwähnt bleiben, da er der Meinung ist, daß man gewonnene Ergebnisse nicht für sich behal­ ten darf. Im Raum von Schwarzwald und Baar ist Paul stets bemüht, Vorträge und Kurse an volksbildenden Institutionen für die Verbreitung geologischer Kenntnisse ab­ zuhalten. Sicherlich hat ihn sein eigener Werdegang dazu prädestiniert. Auch soll seiner erfolgreichen Beratung bei vielen schwierigen Fragen der angewandten Geolo­ gie in der engeren und weiteren Heimat gedacht werden. Ein echter Sohn V illingens, dessen Wur­ zeln hineinreichen in das Grundgebirge des Schwarzwaldes und in die Triasablagerungen des Remstales, aufgewachsen an der Grenze von dunklem Schwarzwald zur lichten Baar, hat Professor Paul die Geologie Zeit seines Lebens unter erheblichen Opfern neben­ beruflich und meist auf sich allein gestellt betreiben können, breite Kenntnisse erwor­ ben, im Gegensatz zu vielen sehr eng be­ grenzten, sich mit einem kleinen Spezial­ gebiet befassenden Amateuren und Auto­ didakten der Geologie. Ihm ist durch widrige Umstände die akademische Lauf­ bahn verwehrt geblieben, in der er Glänzen­ des geleistet hätte. Seine Befähigung hierzu ist durch die Ehrung ausdrücklich bestätigt worden. Der Kollegenkreis erwartet noch viele Beiträge des auch heute noch rastlos T ätigen zu den Problemen der Geologie. Für ihn gilt nicht der Vers 111 in der Ecloga 3 von Vergil: „Claudite iam rivos, pueri; sat prata biberunt“, Schließt nun die Rinnen, ihr Knechte; genügsam getränkt sind nun die W iesen. Professor Dr. Kurt Sauer ··�“ 223

Dipl.-Ing. Dr. rer. pol. Wilhelm Binder Ein Unternehmer, Erfinder und Mäzen in Villingen-Schwenningen sein Studium 1938 mit dem Ingenieurdiplom. Unter Verzicht auf die angestrebte Hoch­ schullaufbahn beugte er sich dem Wunsch seines Vaters und trat in das väterliche Unter­ nehmen ein. Im gleichen Jahr heiratete er. Wilhelm Binder sen. hatte sich 1911 im Alter von 25 Jahren als Mechanikermeister mit einer kleinen Werkstätte, in welcher Schnitt- und Stanzwerkzeuge für die Schwarzwälder Uhrenindustrie gefertigt wurden, selbständig gemacht.Diesen Betrieb hat er ungeheuer zielstrebig und unter großen persönlichen Entbehrungen vorangebracht und durch die allmähliche Aufnahme elektro­ technischer Fertigungen bis zum 2. Weltkrieg zu einem maßgeblichen Unternehmen für Elektromagnete in Deutschland ausgebaut. Nach Überwindung der existenzbedrohenden Demontagen durch die Besatzungsmacht wurde in der Nachkriegszeit der Wiederauf­ bau des Betriebes unter Anspannung aller Kräfte in die Wege geleitet. Mit einem 1952 begonnenen Fabrikneubau sollte er seinen vorläufigen Abschluß finden. Da starb der Firmengründer völlig unerwartet am 3. Mai 1953 während der Hannover-Messe. Der Sohn mußte von einem Tag auf den anderen die Verantwortung für das Unternehmen und die Geschäftsführung der in eine Kommanditgesellschaft umgewandelten Firma übernehmen.Nun kommen ihm seine Vertrautheit mit dem Betriebsgeschehen und sein gründliches Wissen auf dem Gebiet der Magnettechnik zugute. Mehr als 30 Patente sind Ausdruck des persönlichen Anteils an dem Erfolg der Firma und kennzeichnen Dr. Binder als schöpferischen Menschen und als Fachmann von hohen Graden auf dem Gebiet des Magnetismus. Das Pro­ duktionsprogramm wird in der Folgezeit ganz konsequent ausgeweitet, und im Zeichen der Automatisierung werden immer neue Anwendungsbereiche für den Magneten erschlossen. Die Entwicklung der Wirtschaft in Villingen-Schwenningen in den letzten 100 Jahren wurde und wird in besonderem Maße von einigen begabten und risikobereiten Unternehmern bestimmt, deren Namen inzwischen Weltgeltung erlangt haben. Sie haben die durch die Verkehrserschließung und durch die rasante Entwicklung der Naturwissenschaften gebotenen Möglich­ keiten einer wesentlich verbesserten Stand­ ortgunst dieses Raumes für die Realisierung ihrer Ideen zu nutzen gewußt und damit für die rasch wachsende Bevölkerung die Lebensgrundlagen geschaffen. Zu diesen Unternehmern gehört Dr. Wilhelm Binder. Er wurde am 3. April 1913 in Villingen geboren und entstammt einer seit Jahr­ hunderten hier ansässigen Bauern- und Handwerkerfamilie. Nach dem Besuch des Gymnasiums belegte er an der TH Karlsruhe Elektrotechnik und Physik und beendete 224

im Die eingehende Durchdringung der Pro­ bleme des Magnetismus ließ bei Dr. Binder den Gedanken aufkommen, seine Grund­ gesetze auch auf andere Bereiche der Technik zu übertragen, z. B. auf die Aerodynamik. Ergebnis dieses genialen Denkprozeßes: Ein Ringflügelflugzeug, geeignet als Senkrecht­ starter. Vielleicht war diese Erfindung für die Realisierung in unserer Zeit zu kühn, aber die Beschäftigung damit ergab Kontakte zur Fliegerei und als konkrete Folge die Gründung der Binder-Aviatik-KG mit Sitz auf dem Flugplatz Donaueschingen-Villingen Jahre 19 S 9. Auf diese Weise wurde das Fliegen zu einem ebenso begeistert wie wissenschaft­ lich gründlich ausgeübten Hobby des Firmengründers. Erst vor wenigen Jahren noch wurden mit der Entwicklung und Fertigung eines Matrix­ druckers, eines Schreibgerätes für EDV­ Anlagen, die reichen Erfahrungen der Firma Binder auf dem Gebiet des Magnetismus auf die Elektronik übertragen und nutzbar gemacht. Die Fabrikation und der Vertrieb dieser Geräte wurden der Binder-Daten­ technik GmbH übertragen. Die Verwirklichung all dieser Ideen und Pläne erforderte im Laufe der Jahrzehnte unabdingbar auch räumliche Erweiterungen des Unternehmens. Das ehemalige Spar­ kassengebäude wurde für die Aufnahme der Firmenleitung und die an das Firmenareal an­ schließenden Grundstücke einschließlich des früheren Stadtgartens wurden für die Erstellung immer weiterer Fabrikations-, Lager- und Büroräume erworben. Über­ legungen Ende der sechziger Jahre, den Betrieb ganz nach Mönchweiler zu verlegen, konnten zugunsten der Villinger Planungen wieder aufgegeben werden. Im Jahre 1953, als Dr. Binder die Unter­ nehmensführung übernahm, beschäftigte der Betrieb 260 Mitarbeiter bei einem Jahres­ umsatz von S Mio. DM; heute sind es rund 1300 Mitarbeiter und der Jahresumsatz hat 80 Mio. DM erreicht. Die Erkenntnis, daß technisches Wissen und rein empirische Betriebserfahrung allein für eine wirklich fundierte Unternehmens­ führung nicht immer ausreichen, war für den Dipl.-Ing. Binder Veranlassung, im Jahre 1964 -also im Alter von SO Jahren -trotz der Belastungen durch die Geschäfts­ führungsaufgaben noch einmal die Schul­ bank zu drücken. An der Universität Graz studierte er Betriebswirtschaft und schloß dieses Studium mit der Promotion zum Dr. rer. pol. ab. Kennzeichnend für ihn ist das Thema seiner Dissertation: „Probleme und Methoden der sozialen Gestaltung einer mittleren Unternehmung“. Zahlreiche Schautafeln in der Chefetage der Firma Binder, die der Geschäftsleitung einen klaren Überblick über den bisherigen und den prognostizierten Verlauf der wichtigsten Betriebsdaten vermitteln, veranschaulichen das äußere Ergebnis dieses wirtschaftswissen­ schaftlichen Studiums, dessen innerer Wert sich in den Bilanzen der Firma niederschlug. Neben der Festigung und dem Ausbau des Unternehmens galt die besondere Aufmerk­ samkeit Dr. Binders seit jeher den Mit­ arbeitern, und so manche soziale Einrichtung hat bei Binder schon bestanden, ehe sie durch Gesetz oder Tarifvertrag Pflicht wurde. Auch die bestmögliche Ausbildung des Nachwuchses und die Heranziehung eines qualifizierten Managements war ihm ein wichtiges Anliegen. Im Vertrauen darauf, die letztgenannte Frage befriedigend gelöst zu haben, hat Dr. Binder die Geschäfts­ führung des Unternehmens Ende 1980 in jüngere Hände übergeben. Von der Familie gehört Frau Dr. Gudrun Becker-Binder der neuen Geschäftsführung an, während ihre Schwester, Frau Uschi Deimling-Binder, die Firma in Fragen der Werbung und Gestaltung betreut. Dr. Binder selbst gehört nunmehr dem Aufsichtsrat der Firma als Vorsitzender an, ist ihr aber -wie könnte es anders sein – durch intensive Beschäftigung mit erfinde­ rischen Aufgaben und betrieblichen Pro­ blemen nach wie vor eng verbunden. Das Persönlichkeitsbild Dr. Binders wäre unvollständig, wollte man nur seine Funk­ tionen und Erfolge als Unternehmer berück-225

zu verdanken. ,,Kunstschätze aus Villingen“, ,,Die Ratsverfassung der Stadt Villingen“ „Das Leben im alten Villingen“ sind die Titel einiger dieser Schriften, die eine wertvolle Bereicherung des Kulturlebens unserer Stadt darstellen. Auch die Dendrochronologie und damit die Ausgrabungen am Magda­ lenenberg haben nachhaltige Unterstützung erfahren. Mit der Reproduktion des alten Villinger Denars, der aus norddeutschen Fundstätten nur in Leningrad und Ostberlin aufbewahrt war, hat Dr. Binder eine be­ sonders originelle und verdienstvolle Idee verwirklicht. Mit allen diesen Fördermaß­ nahmen hat er sich um seine Vaterstadt, an der er sehr hängt, verdient gemacht. Alles in allem: Eine faszinierende Persön­ lichkeit mit einem ungewöhnlich breiten Spektrum an Begabungen, Fähigkeiten und Interessen. Hart arbeitend, immer um Fort­ schritt und neue Erkenntnisse bemüht, von bescheidener, nahezu asketischer Lebens­ weise, abhold allen äußeren Ehrungen, immer in Sorge um sein Unternehmen und seine Mitarbeiter, unterstützt von seiner Familie, vor allem von seiner Frau Hildegard, deren Verständnis ein solches Leben überhaupt erst ermöglichte, ist er ziemlich genau das Gegenteil des Unternehmers, wie er von den Medien völlig verzerrt manchmal gerne dargestellt wird. Nach über 40 Jahren der Betriebszugehörigkeit und nahezu 30 Jahren alleinverantwortlicher U nternehmensfüh­ rung kann er von der freiwillig über­ nommenen Zurückgezogenheit seines heutigen Standortes mit Befriedigung auf sein bisheriges Lebenswerk zurückblicken in dem Bewußtsein, dank einem gütigen Geschick weit über den begrenzten persön­ lichen Bereich hinaus und mehr gewirkt und bewirkt zu haben, als es den meisten Menschen üblicherweise vergönnt ist. Dr. Reinhold Dietl sichtigen. Aus der Einsicht heraus, daß gerade der Unternehmer besonders verpflichtet ist, über seinen betrieblichen Aufgaben hinaus der Allgemeinheit zu dienen, hat Dr. Binder in vielfältiger Weise bewiesen, daß er gewillt ist, sich diesem zusätzlichen Auftrag zu stellen.1956 wurde er in den Stadtrat gewählt und war Sprecher der FDP-Fraktion. Im Dezember 1974 hat er dieses Mandat nieder­ gelegt, da er sich aus tiefster Überzeugung mit Maßnahmen der Verwaltung nicht mehr einverstanden erklären konnte. Vielleicht ein ungewöhnlicher Schritt, der aber als Ausdruck unbeugsamer Überzeugungstreue bei den Stadtratkollegen und in der Öffentlichkeit allgemeine Zustimmung fand. Er hat sich mit viel persönlichem Engagement um die Fusion der beiden Städte Villingen und Schwen­ ningen bemüht und verdient gemacht. Der ehemaligen Schwarzwälder Industrie-und Handelskammer gehörte er seit 1962 als Vollversammlungsmitglied und der im Jahre 1973 neukonstituierten IHK Schwarzwald­ Baar-Heuberg als Mitglied des Präsidiums an. Im Frühjahr 1978 bat er, von seiner Wieder­ wahl abzusehen. In all diesen Gremien war Dr. Binder kein Freund langer Reden, aber was er sagte und zur Diskussion beitrug, war präzise, durchdacht und überzeugend. In dem Bestreben, die Bildungsmöglich­ keiten und -einrichtungen der Stadt Vil­ lingen-Schwenningen zu verbreitern und damit die Stadt attraktiver zu machen, setzte sich Dr. Binder sehr für die Errichtung einer Refaschule ein. Dank diesem Bemühen konnte nach langen Verhandlungen die Idee verwirklicht und das Haus am 20. 9. 1974 seiner Bestimmung übergeben werden. Auch wenn das Gebäude heute zum größeren Teil der Berufsakademie als Unterrichtsraum dient, so bedeutet das Refa-Institut doch eine wesentliche Bereicherung für die Stadt. „Der Liebe zur Heimat und Freude an den Kunstwerken unserer Vorfahren“ -wie Dr. Binder im Vorwort zu einer der von ihm herausgegebenen Publikationen schrieb – ist die Veröffentlichung einer ganzen Reihe heimat- und kunstgeschichtlicher Werke 226

C h r ist ian M au t h e E in Sc h w e n n in g e r U n t e r n e h m e r m it v i e l se it ig e m E n g a g e m e n t als dan n noch, „W ie oft hat m ich sein Rat vor Schaden bew ahrt, wie oft hat m ich sein Zuspruch aufgerichtet”! So schrieb C hristian M authe anläßlich des Todes seines Vaters Friedrich. In derT at schätzte C hristian M authe den Rat seines Vaters, auch er zusam m en m it seinem B ruder Jakob das elterliche U hrengeschäft ü b ern om m en hatte un d es in den folgenden Jahren zu einem führenden Industriebetrieb ausbaute. Die G ebrüder M authe waren es, die als die ersten vom altehrwürdigen in Schw enningen H andw erksbetrieb der V orväterzeit zum m aschinellen Betrieb m it D am pfkraft über­ gingen. D arüber hinaus engagierte sich C hristian M authe stark in der K om m unal­ politik un d im sozialen Bereich. Für seine Verdienste um Schw enningen wurde er am 12.Juli 1907, zw eijahre vor seinem jähen Tod, m it der Ehrenbürgerw ürde der Stadt aus­ gezeichnet. 1844 wurde C hristian M authe in Schwen­ ningen geboren. D er Vater, U hrm acher von Beruf, betrieb ein kleines Geschäft. Z u­ sam m en m it seinem B ruderJakob u n d seiner Schwester M aria wuchs C hristian M authe an der Q uelle des Neckars auf. N ach den Schul- und Lehrjahren übernahm er 1876, im A lter von 32 Jahren, zusam m en m it seinem B rud erjakob das elterliche Geschäft. Sein Ziel war es, der U hrenindustrie im w ürttem bergischen Schwarzwald die Wege zu weisen. M authe gehörte zu den ersten in Schwen­ ningen, die den H andw erksbetrieb von einst m it H ilfe der D am pfkraft zu einem m oder­ nen m aschinellen Betrieb um w andelten. M it Erfolg: die B edeutung der U h ren­ industrie in Schw enningen wuchs und wuchs. Im m er m ehr M enschen fanden A rbeit in diesem sich ausw eitenden Industriezw eig. Allein bei M authe waren es 1909 m ehr als 1500 Arbeiter und Angestellte. Maüthe-Neben- betriebe gab es in Paris, Zürich, Bregenz un d Allensbach. N eb en der intensiven Betätigung im eigenen Geschäftsbetrieb hat sich Christian Mauthe noch die Zeit zu gemeinnützigerTätig- keit abgemngen. 1890 brachte er beispielsweise eine Konvention zum Schutze der Schwarz­ wälder Uhrenindustrie gegen Preisschleuderei durch. Die Rottw eilerHandelskam mer machte ihn zum zweiten Vorsitzenden und verdankte ihm manche Förderung. In Schwenningen selbst widmete er seine Kraft dem Gemeinderat und engagierte sich in der Schul- und Verkehrspolitik in dem sozialen Bereich. sowie Als vorbildlich galt zu dam aliger Zeit der Bau einer Arbeiterkolonie m it E infam ilien­ häusern, die später zum großen Teil in das E igentum ihrer Bew ohner übergingen. Als V orsitzender des örtlichen Gewerbevereins 2 2 7

Altbürgermeister Emil Riemensperger Ehrenbürger der Stadt St. Georgen im Schwarzwald führte er die Lehrlingsprüfung ein, lange bevor sie der Staat forderte. Auch auf politischem Gebiet „bewährte sich Mauthe als Führer im vaterländischen und liberalen Gedanken“, wie es in einer Chronik festgehalten ist. Seine intensive Arbeit im eigenen Betrieb, wodurch viele Menschen einen Arbeitsplatz fanden, und sein in aller Stille betätigter Wohltätigkeits­ sinn veranlaßten den Gemeinderat Schwen­ ningens am 12. Juli 1907 dazu, ihn zum Ehrenbürger zu ernennen. Eine weitere Ehrung wurde dem Schwenninger Indu­ striellen erst lange nach seinem Tod zuteil. Im Jahre 1936 benannte der Gemeinderat Am 28. Dezember 1980 feierte St. Geor­ gens einziger Ehrenbürger, Altbürgermeister Emil Riemensperger, seinen 90. Geburtstag. Dieses Ereignis soll Anlaß sein, das Leben und die Arbeit dieses für die Komm unalpoli­ tik St. Georgens und des damaligen Kreises Villingen außerordentlich verdienten Man­ nes zu würdigen. Seit dem Jahre 1913, als der Ratschreiber Emil Riemensperger seinen Dienst in St. Georgen antrat, bis zum heutigen Tage ist er ein bekanntes Erscheinungsbild im Leben der Stadt. Wie eh und je -heute wegen des hohen Alters etwas weniger häufig -sieht man ihn gemessenen Schrittes auf dem Wege zum geliebten Treffen mit alten Mitstreitern: ruhig, überlegt, Vertrauen verbreitend, eine gestandene Persönlichkeit. Der gebürtige Walldorfer mit dem ver­ schmitzten Humor des Unterländers scheint sich als gelernter Verwaltungsfachmann bei zurückhaltenden den Schwarzwäldern schnell durchgesetzt zu haben. Er identifi­ ziert sich voll mit der Stadt und ihren Bür­ gern, gründet hier seine Familie und schlägt Wurzeln als Mitglied und Förderer vieler Vereine. Die schwerste Aufgabe erwartet den 228 in Stuttgart eine Straße nach ihm: die Christian-Mauthe-Straße. Als Mauthe 1907 zum Ehrenbürger ernannt wurde, stand es um seine Gesund­ heit nicht mehr zum Besten. Seine Ärzte hatten verordnet, daß er die naßkalten Wintermonate nicht mehr in seiner Heimat verbringen dürfe, sondern sich während dieser lieber im sonnig-warmen Italien er­ holen solle. So verbrachte er viele Monate in Sestri an der Riviera. Dort starb er am 6.März 1909. Die Todesnachricht verbreitete sich schnell, und in Schwenningen trauerte man um einen wohlverdienten Mann. Rüdiger Gramsch durch das Dritte Reich politisch nicht bela­ steten Beamten nach dem Zusammenbruch. Am 16. Mai 1945 wird er durch den französi­ schen Militärgouverneur von Villingen, Capitaine Robert, zum Bürgermeister der

Stadt St. Georgen bestellt. Die Ernennung durch den damaligen Landrat Binzeisler erfolgt am 1. Juli 1945. Das Protokoll über die erste Gemeinderatssitzung vom 2 9. Mai 194 5 vermeldet zu Recht, daß sich der neue Bür­ germeister mit dem Gemeinderat klar dar­ über ist, Aufgaben erfüllen zu müssen, wie sie keinem Vorgänger je gestellt waren: Geiselgestellungen, Beschlagnahmen, De­ montagen, Hunger und Lebensmittelknapp­ heit, Wohnungsnot und Flüchtlingselend. Emil Riemensperger meistert diese Aufgabe und erwirbt durch die Art seiner Amtsfüh­ rung so viel Vertrauen, daß er am 22. Septem­ ber 1946 und erneut am 24. November 1948 durch den Gemeinderat – eine Volkswahl fand nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen noch nicht statt – zum Bür­ germeister gewählt wird. Nach Aufarbeitung der Hypothek des verlorenen Krieges beginnt die eigentliche Aufbauarbeit. Die St. Georgener Industrie expandiert stark und ist deshalb in der Lage, Arbeitskräfte in großer Zahl aufzunehmen. Dies führt zum Zuzug tausender von Hei­ matvertriebenen. Emil Riemensperger sorgt für die Bereitstellung von Wohnungen und die Erschließung preiswerten Baugeländes. Hand in Hand hiermit wird die Infrastruktur der Stadt verbessert. Im Jahr 1954 wird das damals modernste Krankenhaus im weiteren Umkreis eröffnet. Emil Riemensperger war der große Initiator dieser wichtigen Einrich­ tung und ermöglicht die Finanzierung durch eine alle Schichten der Bevölkerung erfas­ sende Überstunden- und Spendenaktion. Seine Bemühungen um schulische Verbesse­ rungen werden gekrönt durch die Einrich­ tung und den Bau eines Progymnasiums, das sich zwischenzeitlich längst zu einer aner­ kannten Vollanstalt gemausert hat. In seine Amtszeit fällt die Planung und der Baube­ ginn des heute noch ein Schmuckstück dar­ stellenden Roßbergstadions. Das Ansehen, das sich Emil Riemensper­ ger durch seine Arbeit und seine menschli­ chen Q!ialitäten errungen hat, schlägt auch auf die Stadt durch. Der erste Repräsentant St. Georgens wird 1948 erstmals in die dama­ lige sogenannte Kreisversammlung des Landkreises Villingen gewählt. In der Folge­ zeit bis November 1965 ist er dann Mitglied des Kreistages und stellvertretender Vorsit­ zender des Kreisrates. Hier setzt er sein gan­ zes Gewicht erfolgreich für den Bau vieler Kreisstraßen und den Neubau der Kreisbe­ rufsschule in St. Georgen ein. Sein fachmän­ nischer und ausgewogener Rat ist überall gefragt: als Bürgermeister ist er kraft Amtes Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bezirkssparkasse St. Georgen. Der Landkreis entsendet ihn in den Sozialausschuß des Landkreistages. Er wirkt verdienstvoll im Badischen Fremdenverkehrsverband, als Beisitzer des Verwaltungsgerichtes Freiburg, als Vorstandsmitglied im Verband Badischer Gemeinden und im Verwaltungsrat der Evangelischen Altenhilfe St. Georgen. In Anerkennung dieser Arbeit für die Stadt und die Allgemeinheit wird ihm am 21. Mai 1956 durch Landrat Dr. Astfäller das Bundesver­ dienstkreuz ausgehändigt. Am 23. November 1957 endet die Amts­ zeit Emil Riemenspergers als Bürgermeister. Er übergibt ein wohlgeordnetes Gemeinwe­ sen in jüngere Hände. Die Stadt dankt ihm durch die Verleihung der Ehrenbürger­ würde. Er hat sie wahrlich verdient. In seiner Abschieds- und Dankesrede bekennt er ,.solange noch ein Atemzug in meinem Kör­ per ist, will ich die Interessen der Bevölke­ rung und der Stadt wahrnehmen“. Er hat wortgehalten. Vom 17. April 1962 bis 31. März 1963 stellt sich der Zweiundsiebzigjäh­ rige erneut als Amtsverweser bis zur Wahl seines Nachfolgers zur Verfügung. Die Sorge um das Wohl der Stadt und ihrer Bürger läßt den nun weit im 91. Lebensjahr stehenden Mann nicht los. Den jetzigen Bürgermeister und Verfasser dieser Würdigung begleitet er stets mit freundschaftlicher Anteilnahme und großem Wohlwollen. Emil Riemensper� ger hat sich um die Stadt St. Georgen und den früheren Kreis Villingen verdient gemacht. Günter Lauffer 229

Otto Weissenberger – Mann und Werk chen Entwicklung unseres Gemeinwesens: – als Präsident des Heilbäderverbandes Baden-Württemberg – als Präsident des Wirtschaftsverbandes Deutscher Heilbäder und Kurorte – als Vorstandsmitglied des Landesfrem­ denverkehrsverbandes – als Beiratsmitglied der Deutschen Zen­ trale für Tourismus – als Mitglied des Landesfachausschusses für Fremdenverkehr – als Vorsitzender des Beirats der Fach­ hochschule Heilbronn – als Aufsichtsratsvorsitzender der Kur­ und Bäder GmbH des von ihm geförder­ ten Heilbades. überdies ist er der Landesvorsitzende des Heimkehrer-Verbandes Baden-Württem­ berg. Dazu kommen auf politischer Ebene die einflußreichen Positionen im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises und im Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heu­ berg. Nun, die Männer des Jahrgangs 1911 besitzen eine ganz besondere Stabilität und Lebenskraft. Bei der hohen Kindersterblich­ keit des heißen Dürrejahres 1911 haben – wie es kürzlich ein Historiker in einer Festrede zum Ausdruck brachte -nur die ganz stabi­ len, lebensfähigen Säuglinge jene Krise über­ lebt. Und diese Lebenskraft des agilen, kreati­ ven Ingenieurs, Stadtbaumeisters und Flie­ gerhauptmanns kam nach dem 17. Oktober 1954-dem Tag, an dem Otto Weissenberger mit überwältigender Mehrheit unter 120 Bewerbern zum Bürgermeister von Bad Dürrheim gewählt worden ist – auch dem Solbad und der ganzen Baar zugute. Mit den vorausschauend modernsten Erkenntnissen kommunalpolitischen Strukturdenkens und der frühen Erfassung bäderwirtschaftlicher Chancen ist Otto W eissenbergers Konzept zu einem Modell für die Gesamtpolitik des ganzen deutschen Bäderwesens geworden. In einer glänzenden, auch menschlich ver­ tieften Zusammenarbeit mit Freunden des Die Dankbarkeit für jene Pionierzeit, da die Männer der ersten Stunde nach 1945 nahezu aus dem Nichts das Heute geschaffen haben, hat leider einen immer niedrigeren Kurswert. Wenn wir hier in diesem Jahrbuch Otto Weissenberger, der am 31. Mai 1981 in Bad Dürrheim seinen 70. Geburtstag feiern durfte, portraitieren und seine Lebenslei­ stung bilanzieren, dann deshalb, weil er ein Leitbild ist für j�ne Generation der Heim­ kehrer, die die Armei hochgekrempelt und aus Liebe zur Heimat mitangepackt haben für eine bessere Zukunft. Otto Weissenberger – den Mann, sein Wesen und sein Werk einzufangen, -das ist wegen seines vielschichtigen Dienstes für seine Mitbürger und das Land reizvoll und schwierig zugleich. Mit all seinen Erfahrun­ gen und Initiativen, die zunächst in diesem Landkreis zur Auswirkung gekommen sind, als ihm mit kreativer Klugheit der Wurf gelang, aus einem Bauerndorf ein hochange­ sehenes Heilbad zu gestalten, dient er heute noch auf höchster Ebene der gesellschaftli- 230

Heilbads wie mit Staatsrat Paul Vowinkel, Professor Horst Linde oder Professor Walter Frommhold (um nur einige wenige zu nen­ nen) hat Otto Weissenberger lange, bevor der Begriff „Öffentlichkeitsarbeit“ in aller Munde war, in einer klugen Kontaktpflege seinem Bad Dürrheim ein über die Region hinaus wirkendes Image verschafft. Mit Otto Weissenberger bekam von seiner ganzen Per­ son her der Stellenwert des modernen Kur­ direktors ganz andere Akzente: weg vom Kurdirektor als repräsentativen, charmanten Plauderer und Begrüßungsredner hin zum betriebswirtschaftlich knallhart denkenden, zu mittel-und langfristigen Planungen fähi­ gen Bürgermeister und Kurdirektor, bei dem gesundheitspolitisches Marketingdenken oder Sinn für Werbung und politische Kon­ taktpflege eine Selbstverständlichkeit sind. Es würde zu weit führen, Otto Weissen­ bergers vielschichtige Konzeptionen und Erfolge hier aufzuzählen. Nur so viel sei angedeutet: Der, den wir hier portraitieren, gehörte zu den ersten Bäderwirtschaftlern und Kurdirektoren, die es verstanden haben, die Zeichen der Zeit -die immer stärker anwachsenden Zivilisationskrankheiten im Sog der Großstadtluft, des Lärms und der technischen Arbeitswelt -zu erkennen und ganz konsequent Heilbäder und Kurorte in den Dienst der Volksgesundheit zu stellen. Neben dem Fachmann und hochverdienten Experten verdient aber auch das mensch­ liche Bild von Otto Weissenberger abschlie­ ßend ein paar Farbkleckse, gerade weil der „Löwe von der Baar“ in seinen Wesenszügen ein sehr farbiges Bild abgibt: Dieser in seinem Lebenswerk ungewöhnlich erf olg­ reiche Wirbelwind mit tausend Initiativen und Denkanstößen an die Fachwelt, ist bei aller Willensstärke im Planen und Gestalten im Grunde seines Wesens -so merkwürdig das für Außenstehende klingen mag -privat ein bescheidener, religiös tief verwurzelter, auch zur Demut fähiger Mensch mit der Gabe zur Treue in der Sache und zur Person. Aus dem Kraftquell seines Zuhauses, in der Liebe zu seiner das Lebenswerk tapfer und verständnisvoll beschwingenden Frau Hed­ wig Franziska sind die berufliche Tüchtigkeit und die mitreißende Überzeugungskraft ebenso gespeist und beeinflußt wie aus der tiefen Liebe zur Heimat, ihren Bräuchen, ihren singenden, tanzenden, musizierenden Menschen. Bad Dürrheim bietet auch ein Zeugnis für Weissenbergers Kunstverständnis und Kul­ turpflege. -Kurz und bündig gesagt: dieser Mann war und ist noch ein „ganzer Kerl“ – wie man hierzulande sagt-, für die einen eine Persönlichkeit, an deren selbstverständlich vorhandenen Kanten man sich gern reibt, für die Mehrheit aber heute eine sympathisch­ liebenswerte Vaterfigur, zu der man dankbar und respektvoll aufschaut. Er hat in seinem Landkreis mit seinem leistungsfähigen Heil­ bad und der verdienstvollen Ausweitung in die Außenbezirke des größer gewordenen Bad Dürrheim Maße gesetzt für kluges kom­ munalpolitisches Modellieren. In der ganzen Bundesrepublik aber wirkt der markige Mann von der Baar auch heute noch als Motor und Modell für moderne Bäderwirt­ schaft und gesundheitspolitische Vorsorge. Wir hoffen und wünschen: noch recht lang bei guter Gesundheit! –·�“ Prof. Kurt Haberer Gemeinsam­ Blüten wachsen zart aus des Alltags Erde Gemeinsam­ Heimat entsteht aus unsrem Vertrauen Gemeinsam- Wege entspringen unsrem Geöffnetsein Gemeinsam- Leben erwacht aus unsrem Füreinander Gemeinsam- zart entfalten sich Blüten aus unsres Alltags Erde Friederike Siek 231

Professor Dom Clemente Maria da Silva-Nigra alias Pater Ludwig Grieshaber, Ehrenbürger der Gemeinde Schonach im Schwarzwald in Triberg trat er in das großherzogliche Gymnasium in Konstanz ein, -was übrigens zur damaligen Zeit und auch später Scho­ nacher Schüler, die einen geistlichen Beruf erwählen wollten, und dies waren nicht wenige, ebenfalls taten, – um dort seine letzten Schuljahre zu absolvieren. Schon recht früh entschlossen, einem Orden beizutreten und von Kind an für die Kunst begeistert, auch für die seiner Heimat, was er durch seinen Briefwechsel mit dem Heimatforscher Kaltenbach und seine ge­ legentlichen Beiträge zur Heimatgeschichte dokumentierte, fiel in der alten Konzilsstadt die große Entscheidung seines Lebens. Als ein Benediktinerpater aus Bahia einen Vor­ trag über Brasilien und seine in Europa fast unbekannten Kunstschätze hielt, war Dom Clementes fernerer Lebensweg aufgezeigt. Bereits im Jahre 1922 begleitete Ludwig Grieshaber seinen Mentor in die neue Heimat Brasilien, wo er in den Benediktinerorden in Salvador-Bahia eintrat und an der Ordens­ schule studierte. Seinem Ordensnamen ,,Dom Clemente Maria“ fügte er aus Liebe zu seiner alten Heimat, dem Schwarzwald, ,,Da Silva Nigra“ bei, als er im Jahre 1933 die brasiliani­ sche Staatsangehörigkeit annahm. Die Studien in Philosophie und Theologie machte er im ,,Instituto Superior“ seines Ordens in Rio de Janeiro. Bereits während dieser Zeit hatte ihn die Kunst Brasiliens unwiderstehlich in ihren Bann gezogen. Schon bald nach seiner Priesterweihe im Jahre 1928 bereiste er zu Studienzwecken Portugal, Spanien, Italien und Deutschland und wurde 1940 zum effektiven Sachverständigen für Kunst am bundesstaatlichen Institut für Denkmalspflege ernannt, nachdem er vorher Jahre hindurch als Lehrer an den Gymnasien seines Ordens in Rio de Janeiro, Sao Paulo und Bahia tätig war. Ein Teil seiner kunst­ geschichtlichen Arbeiten wurde von ver­ schiedenen wissenschaftlichen Instituten Dom Clemente Maria da Silva-Nigra, Benediktinermönch, Professor und Doktor der Kunstgeschichte, Gründer und Leiter des Kunstmuseums der Bundesuniversität von Bahia in Brasilien, Mitglied des Inter­ nationalen Museumsrates der Unesco, wurde am 17.J uli 1903 mit dem bürgerlichen Namen Ludwig Grieshaber in Schonach geboren. Über seine Abstammung schreibt er in einem seiner Briefe voller Stolz: „Meine Vorfahren sind alle aus Schonach: Mein Urgroßvater besaß den ,Weimattenhof‘, mein Großvater den ,Winackerhof‘ auf der vorderen Grub, wo auch mein Vater geboren wurde. Seit 1910 wohnten meine Eltern in Triberg bei der Wallfahrtskirche“. Die erste Klasse der Volksschule besuchte er noch in Schonach, zog dann aber mit seinen Eltern in das Schwarzwaldstädtchen Triberg. Nach dem Besuch der Realschule 232

und dem Unterrichtsministerium Brasiliens veröffentlicht. Lange Zeit widmete er sich dem Studium und der Publikation des genialen Staats­ architekten Francisco de Frias da Mesquita, der von 1603 bis 1635 Brasiliens beste Festungen, schönste Kirchen und größte Klöster erbaute. 1950 erschien das monu­ mentale Werk „Construtores e Artistas do Mosteiro de Sao Bente do Rio de Janeiro“, sowie die Monographien der drei Benedik­ tinerkünstler des 17. Jahrhunderts: „O Arquiteto Frei Bemardo de Sao Bente Correa“, „O Esculator Frei Domingos da Conceicao da Silva“ und „O Pintor Frei Ricardo do Pilar“, dieser gebürtig aus Köln am Rhein. 1953 folgte das Lebensbild des großen Meisters der brasilianischen Kerarnik­ Kunst „Frei Agostinho da Piedade“. Schon 1938, anläßlich der 300:Jahrfeier für den Fürsten Moritz von Nassau, des kunstliebenden Gouverneurs der aus­ gedehnten holländischen Eroberungen in Brasilien, organisierte Dom Clemente in Salvador-Bahia die große Ausstellung, eine Arbeit, die nur durch jene des 36. Inter­ nationalen Eucharistischen Kongresses im Jahre 1955 in Rio de Janeiro: „Die alte kirchliche Kunst Brasiliens“ weit übertroffen wurde. Von 1956 bis 1959 suchte er in den Archiven Portugals, Spaniens und Marokkos nach den Elementen der brasilianischen Kunstentwicklung. Während dieser Arbeit erreichte ihn die Einladung der Bundes­ universität von Bahia, um daselbst im alten Santa-Thereza-Kloster das Museum für religiöse Kunst einzurichten, das heute eines der wichtigsten kulturellen Zentren Brasiliens darstellt und dem er als Direktor vorsteht. Santa Thereza ist eine uralte Klosteranlage mit überdecktem Kreuzgang, einem Biblio­ theksbau aus dem Jahre 1666 und einer Barockkirche mit elf sehenswerten Altären, verziert mit vergoldetem Schnitzwerk und Malereien eines französischen Künstlers, der einst Hofmaler am Kaiserhof in Peking war. Es enthält auch eine Fülle wertvollster Gemälde und Skulpturen, Hausaltäre und Silberampeln, Statuen aus gebranntem Ton in farbenfroher Bemalung (Maria von Montserrat), die älteste Krippe Brasiliens aus dem Jahre 1690, prächtige Kacheln in leuch­ tenden Farben sowie überaus wertvolle Gold­ und Silberarbeiten in der Schatzkammer, die Pater Dom Clemente bescheiden als Kunst­ kammer bezeichnete. – In den Jahren 1963 bis 1965 hielt er sich längere Zeit zu Studienzwecken in Leningrad, Berlin, Weimar und Dresden auf, wo er in den Archiven reiches, bisher unbekanntes Material für die Kunstgeschichte Brasiliens entdeckte. Wohl als einzigem Forscher der westlichen Welt war es Dom Clemente ge­ lungen, in Rußland über 3000 Fotos in Museen und Bibliotheken aufzunehmen. Außerdem nahm er an verschiedenen inter­ nationalen Kongressen in Europa und den Vereinigten Staaten teil. Seine Studienreisen führten ihn -ver­ ständlicherweise -auch in das Landesinnere Brasiliens, um verborgene und in Vergessen­ heit geratene Kunstschätze aufzuspüren. Wie er dort aber auch an seine alte Heimat erinnert wurde, berichtet er in einem seiner Briefe. Er erzählt von einem Besuch in einem alten zerfallenen Klösterchen, das der Urwald allmählich wieder in Besitz nahm. Während er nachdenklich die Ruine besichtigte, hörte er auf einmal von einem Fenster her Kuckucksrufe. Auf der Suche nach diesen heimatlichen Lauten entdeckte er an der Wand des Refektoriums eine große, alte Schwarzwälder Kuckucksuhr, die noch »lebensfroh in der ausgestorbenen Um­ gebung ihr unermüdliches Ticktack pendelte“. Der alte Mann, der allein das Klösterchen bewohnte, konnte leider keine Auskunft geben, wie und wann diese Schwarzwälder Uhr ihren Weg in den Urwald nach Bahia gefunden hat. In Anerkennung seiner s·tudien, Ver­ öffentlichungen und seiner Bemühungen um die brasilianische Kunstgeschichte, in Würdigung seiner Verdienste als Gelehrter und Kunstsachverständiger, wurde ihm in 233

. . . zufrieden schaute ein fischer hinaus auf seinen see und sicher glaubtest du würde ich lieben die freundliche miene den fischreichen see wie das auslaufen der boote m memen zimmern starrte ein graues pastell nicht eingerahmt hatte ich es wie die anderen bilder und habe nicht beschrien vor deinem lächeln den von fangen des bootes durchpflügten see auch meine hand am bug .. ,. “ &iedenskonferenz das roulette ist nicht aus wenn die spieler gehen die kugel fällt in denselben kreis .. ,,,,. “ vincent van gogh der oktober fiel die ernte ward eingebracht vier jahreszeiten blieben auf dem feld zurück und nur deshalb male ich -‚· “ norbert fleck den ersten Septembertagen des Jahres 1968 durch den deutschen Botschafter in Brasilien das Bundesverdienstkreuz verliehen, während die Universität Bahia Dom Clemente ihren Dank und ihre Anerkennung in der Ver­ leihung des Titels „Doctor honoris causa“ zum Ausdruck brachte. Aus demselben Grund haben zu seinem 65. Geburtstag auch die Gemeinde Schonach und die Stadt Triberg, die Heimatgemeinde und das Schwarzwaldstädtchen, Pater Ludwig Grieshaber, dem Brasilianer ge­ wordenen Dom Clemente Maria da Silva­ Nigra, das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Schonach und den Ehrenring der Stadt Triberg verliehen. Zu dieser Zeit verbrachte Dom Clemente von einer langen Studien­ reise zurückkehrend einen längeren Urlaub in seiner Heimat. Noch heute ist er fest mit seiner Heimat­ gemeinde verbunden, wenn es ihm durch sein Alter und seine fortschreitende Er­ blindung auch sehr schwer fällt, den Kontakt durch Briefwechsel, Zeitungen und heimat­ geschichtliche Veröffentlichungen aufrecht­ zuerhalten und Anteil am Geschehen zu nehmen. Auch die Heimatsprache hat er, trotz seiner langen Abwesenheit, bis heute nicht verlernt; denn auf die Frage, wieviele Fremdsprachen er spricht, meinte der Ge­ lehrte: „Es sind nur Portugiesisch,Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch und natürlich Schonacherisch!“ Werner Hamm an meinen zimmerwänden spielten dir gemälde vor bunt reihten sie sich zur galerie tagtäglich sahst du sie und lächeltest über ihre farben die mit leichtem rhythmus deinem blick sich zeigten an meinen zimmerwänden spielten dir gemälde vor 234 das graue pastell

In memoriam Max Rieple … und es lohnt sich doch Früher stand ich auf der Bühne des Lebens. Jetzt bin ich Publikum. Es ist gar nicht so übel, Zuschauer zu sein und – ohne großen persönlichen Einsatz – das zu beobachten, was sich auf der Welt­ bühne abspielt. Die Tageszeitung berichtet über den Ver­ kauf eines im vergangenen Jahr in afrika­ nischen Minen gefundenen über 100-karä­ tigen Diamanten im Wert von 22 Millionen DM an einen Unbekannten. Welche Angst muß dieser Käufer ausstehen, um seinen kostbaren Besitz zu schützen. – Ich besaß heute – wenngleich auch nur für wenige Minuten – einen 2-Karäter, der mir keine Sorgen – nur Freude bereitete. Er wurde mir zum ,,Rosen-Diamanten“. Er war ein Schnee­ kristall am Gitter unseres Balkons, der in der Abendsonne in allen Farben des Spektrums erstrahlte. Die Beobachtung dieses funkeln­ den Tropfens machte mich reicher – auch ohne klingende Münzen. Es gibt viele Blumen. I eh bevorzuge Topf­ pflanzen, weil mir der vorausgegangene Schnitt der „Schnittblumen“ in der Seele weh tut. Das Cyclamenrot der Azalee, die ich heute in einem Schaufenster entdeckte, ist für mich eine magische Farbe. Würde ich malen, so würde ich meinen Pinsel in Rot und Blau tauchen und die zahlreichen Knospen und Blüten auf der Leinwand festhalten. ihren Wie froh bin ich, daß diese rhododendron­ immergrünen artige Pflanze mit Blättern jetzt vor mir auf dem Kacheltisch steht und meine Augen sich an ihr erfreuen können. Sie soll im vergangenen Jahrhundert als Strauch aus China gekommen sein. Also verspüre ich nun einen Hauch aus dem Femen Osten. �..(� � 1fi-t_� – 44-. , • �..z.. Max Rieple (t 16. 1. 1981) Ein Hauch aus dem Femen Osten In den Haikais und Tankas, den japa­ nischen Gedichten, klingt ein Thema nur an wie die Saite eines Musikinstrumentes. Der Leser oder Hörer soll angeregt werden, den Ton aufzufangen und ihn weiter­ schwingen zu lassen. Für einen zum Schweigen Verurteilten, dessen Hand kaum noch die Feder zu führen vermag, dessen Geist aber noch formulieren möchte, ist diese kurze lyrische Form eine Möglichkeit der Aussage. Frühling Pulszartes Regenpochen, Stöhnen des Windes, Duft von Erde und Grün: Es atmet der Frühling. 235

Die Flöte Grünender Weidenzweig noch singst du leise im Wind. Wann, wann wird eine Flöte aus dir? Brücken Was wären Brücken ohne die Menschen, die über sie zusammenfinden? Die Birke In den Abend schimmert blütenweiß der Birke schlankes Stämmchen. Wie so still sie träumt, bebend, unberührt – muß auf einmal ich Deiner denken, Liebste. Geliebte Schrift Die Schrift deines Namens: Durch alle Tünche, die ich darüber lege, dringt sie hindurch. Wolke Wolke- eitel nur wär deine Pracht, gäbest du nicht selbstlos im Regen dich hin. Augenpaar Im silbernen Leuchter drei brennende Kerzen, doch heller ein Augenpaar. Sehnsucht Nur dieses eine Fenster voll Licht. Ob ich die Augen auch schließe, ich sehe es immer. Abschied Tränen in der Frühe oder ist es der Tau, der bitter die Hand netzt? 236 Weihnacht Tropfende Kerzen am Baum, klopfende Herzen im Raum – eine Tür geht auf. Tannenzweig über der Flamme. Knisternd, verlodernd; noch im Tode wird er zu Duft. Die Rose Die Rose an deiner Brust entblätterte Blatt um Blatt, als du im Arme mir lagst. Oh, schönstes Los zwischen Liebenden zu sterben. Sturm Sturm, sichtbar gewordene Kraft in den fortgebogenen Flammen der Bäume. Winter Kakteenblüte am Fenster, dahinter die Frosthand malt auf das Glas tausend Kristalle. Jahresende Nun, da du eine Stunde zu mir kamst, ward das ganze dunkle Jahr voll Licht. Die Schaukel Wie die Schaukel dich trägt in die Lüfte empor, durch die Kraft, die dein Arm, die dein Wille beschwor! Holt vom Scheitelpunkt auch dich die Erde zurück, fühlst du doch schon im Sturz neuen Aufschwunges Glück. Laß‘ den Flugwind dir wehn durch das Haar, um das Herz, was zur Erde dich zieht, reißt auch himmelwärts.

Bilanz der Sinne Seit ich meine Sprache verlor, geht es mir wie einem Pianisten, der seine Hand ver­ loren hat. Aber ich fühle, taste und empfinde noch, ich höre, ich sehe und rieche noch. Ich nehme manches wahr, was ein anderer Mensch, der aller seiner Sinne mächtig, für selbstverständlich hält. Hier meine Bestandsaufnahme der Sinne: Ich fühle den seidigen Damast der Decke, das struppige Fell meines Hundes. Ich taste im Dunkeln nach der Hand an meiner Seite. Ich empfinde die Liebe und Fürsor�e meiner Frau und meiner Freunde und die Anteilnahme aller, die mir nahestehn oder die ,.Anteil nehmen“ an meinem harten Schicksal. Ich sehe die Sonne als gelb-roten Ball zwischen den beiden Tannen des Nachbar­ grundstückes untergehn. Bis zum Sommer wird sie einen weiten Bogen schlagen und hinter dem Waldstück am Horizont versinken. I eh sehe den Rauhreif glitzern wie tausend Brillanten. Ich höre das Fallen der Tropfen von den verschneiten Tannen, das ängstliche Piepsen der futtersuchenden Vögel und das Gurren der Tauben. Ich höre den Wind weinen, wenn er ums Haus bläst und meinen Hund freudig jaulen, wenn ich zur Leine greife. Ich atme den Duft der Kamille, der dem heißen Bad entsteigt, und nehme wahr den köstlichen Ruch der französischen Seife, die meine Frau benutzt. So lebe ich mein Leben in kleinen Dingen. Sprachlos, das heißt der Sprache nicht mächtig sein. Oft ist dieses Wort der Aus­ druck des Erstaunens, wenn es jemandem die Sprache „verschlägt“, sei es aus einem freudigüberraschenden Anlaß oder aus einem traurigerschütternden Grund, der dann – meistens ganz plötzlich – den Sprachlos Menschen zum Schweigen bringt. Sprachlos ist aber auch der Stumme. Er, der außerhalb der Normalität leben muß, so wie ein Blinder ohne Augenlicht. Alle Sinne werden gesteuert vom Gehirn. Dieser wundersame menschliche Computer, der im allgemeinen weniger störanfällig ist als sein technischer Bruder, erhebt den Men­ schen zu einem Wunderwerk. So lange alles funktioniert, ist der Mensch gesund. T?tt durch ein pathologisches Geschehen eme Veränderung oder Zerstörung der Gehirn­ zellen auf, so ist eine Wiederherstellung durch keinen Fachmann der Welt möglich. Hier ist die Technik dem Menschen voraus. Der Kranke muß lernen, mit diesem Mangel zu leben. Für den Sprachlosen ent­ fällt das übliche Mittel der Verständigung. Er kann seine Wünsche und seine Meinung nur schwer zum Ausdruck bringen. Die Welt wird für ihn begrenzter. Er wird intro­ vertierter. Er horcht in sich hinein, erinnert sich. Wie lernte einst das Kind die Laute und die Worte. Mit welchem Selbstverständnis gelangte der junge Mensch zur Umgangs­ sprache. Wenn dann noch der Fluß der Rede zum Kunstwerk wurde, sei es im Reim oder in der Prosa, so wurde das Gesagte zur Berufung. Das rechte Wort zu fmden im richtigen Augenblick und für den Gesprächspartner führt zum Dialog. Ohne ein Zwiegespräch gibt es keinen Austausch d_er Gedankei:i, keine Kritik und keine Zustimmung. Wie schwer ist es für einen Menschen, der einen besonders großen Wortschatz sein ei�en nannte, die Sprache zu verlieren. Für �n sind Worte das Material, aus dem er sem Kunstwerk formt. Beethoven hat noch komponiert, als er bereits taub war, so will denn ich noch zu schreiben versuchen, obgleich ich nicht mehr der Sprache mächtig bin. 237

Eulenspiegeleien Nur ein Lächeln? Viele Menschen fürchten die Eule. Sie betrachten ihren Ruf als ungünstiges Omen. Ich bewundere diesen Nachtvogel mit seinen Fähigkeiten, seinem guten Gehör und dem kunstvollen Federkleid. Für mich ist dieses Tier das Symbol von Zurückhaltung, Konzentration und Weisheit. Im alten Athen wurde die Göttin Athene ob ihrer Weisheit bzw. Weitsicht als die eulenäugige“ ver­ “ ehrt. Ich sammle Eulen, wie andere Brief­ marken. Sie regen mich immer wieder zu neuen Gedanken an. Wie die Eule vermag im Dunkeln zu sehn, kann ein Stummer selbst das Leise verstehn. Unverdauliches sollte man ausspeien können, wie die Eule ihr Gewölle. Vielleicht muß man große Augen haben, um als weise zu gelten. Ein gesprochenes Wort ist ein davon­ fliegender Vogel. Ein geschriebenes Wort ist eingemeißelt in Stein. Was dem einem sin Uhl, ist dem andern sein Gartenzwerg. Eine Eule macht noch keinen Kummer! Man sollte den Blickwinkel einer Eule haben – und ihr feines Gehör, um rundum alles wahrnehmen zu können, was die Umwelt an Sichtbarem und Hörbarem bietet. Ausgleich der Geschlechter Die Eule und die Weisheit sind weiblichen Geschlechts, der Uhu und der Weitblick sind männlich. Die Welt wird kleiner und bedeutungs­ loser, je höher wir steigen. 238 Ich denke an das erste Lächeln meiner Tochter, das mir den nicht mehr ganz jungen Vater zum Bewußt­ sein brachte, welches Glück ich im Arme durft halten. Ich denke an das schelmische Lächeln meines kleinen Sohnes, als er mit seinem Vater im Paradeschritt durch die Straße unserer heime­ ligen Stadt marschierte. Ich denke an einen ewig unzufriedenen Nachöarn, dessen Mundwinkel stets nach unten gerichtet waren und dessen Miene sich aufhellte, als meine kleine blonde Angela ihre Hand in die seine steckte, um ihn zu ihrem kleinen Igel zu führen. Ich denke an das verschmitzte Lächeln des Lehrers meiner Kinder, als er mir verriet, daß meine Tochter meinen Beruf als Minuspädagogen“ angab “ und mein Sohn mich als $irchen­ beschauer“ bezeichnete. Ich denke an das überraschte Lächeln meiner Frau, als sie im kärntnerischen Naßfeld nach langem Suchen die seltene Wulfenia entdeckte, die der Volksmund dort als Wunder­ blume bezeichnet. Ich denke an das Lächeln, welches Leonardo da Vinci auf ein Frauenantlitz zauberte, das die ganze Welt heute noch fasziniert. Ich denke an das konstante Lächeln der Japanerin, die zufällig im Flug­ zeug neben mir saß und mit der eine andere Verständigungs­ möglichkeit nicht gegeben war. Ein Lächeln ist ohne materiellen Wert, aber macht oft reicher als eine blanke Münze. Es löst Verspannungen und verbindet auch Unbekannte, wenn sie gemeinsam Zeuge eines erheiternden Geschehens wurden.

Ein stummer Kritiker Manege frei Eine Stim m e, die verstum m t, ist besser als ein H erz, das schweigt. D er Stum m e sagt kein falsches Wort. Für einen S tum m en verstum m t auch das Echo. D er Taube versteht die Frage nicht, der Stum m e verm ag die A ntw ort nicht zu geben. Ein Gespräch war für m ich ein gutes Tennisspiel. Ich m ußte den Tennisschläger zur Seite legen. M an m u ß gut zuh ören können. Vielleicht lernt m an dies erst, w enn m an selbst nicht m ehr sprechen kann. W o W orte schweigen, redet die Kunst. Es ist oft schwer das rechte W o rt zu finden. H a t m an es verloren, hilft auch kein Finder­ lohn. „Manege frei” heißt es, w enn die Vor­ stellung im Zirkus beginnt. Teils ernst, teils heiter treten dann die A rtisten in das Licht der Scheinwerfer. M ir scheint m ein Leben inzw ischen wie ein Zirkus. Ich wirke selbst als Akrobat, A rtist, Zauberer u n d als C low n m it. Täglich übe ich a u f dem unsicheren, schw ankenden Seil. M ein G ottvertrauen ist die Balancier­ stange, an der ich m ich festhalte. Ich weiß, falls ich strauchle, wird G o tt m ich im N etz auffangen. Schon oft drohte ich zu stürzen. D an n erschrecken die Zuschauer. A ber im Fallen fange ich m ich wieder. Das kann m an lernen. A uch am Trapez versuche ich m ich; denn „was zur Erde dich zieht, reißt auch him m elw ärts” (siehe m ein G edicht: Die Schaukel). Als guter Jongleur bezeichnete m ich vor vielenj ahren ein Kritiker: Er schrieb: „Max Rieple malt m it W orten – ohne Pinsel form t die Verse – ohne Töpferscheibe, j o n g l i e r t m it Vokalen – ohne Bälle. Er ist also Lyriker, Maler, Bildhauer und Artist zugleich u nd schaut hinter die Dinge wie ein Philosoph.” Ja, Lyrik war m ein M etier. Viele Jahre W orte sind Bälle, die m an sich zuspielt. dachte ich n u r in Reim en. D o ch nicht jeder Ball ist ein Kopfball. D ie Gegenwart ist nu r ein S chnittpunkt der Vergangenheit u n d Z ukunft. Sie w ährt n u r einen Augenblick. Keiner kann über seinen eigenen Schatten springen, w enn die S onne nicht scheint. Im Alter hat m an die Sonne zwar im Rücken, dafür aber wird m an nicht m ehr geblendet un d sieht vieles klarer. Jede schlaflose S tunde ist geschenktes Leben. Freundschaft u n d G ottvertrauen sind die Krücken, an denen der Kranke sich aufrichtet. Als C low n fühlte ich m ich, als ich vor einigenjahren von einem berüh m ten Maler, einem Kokoschka-Schüler, porträtiert wurde. A ber nicht n u r m eine Visage, auch meine unverm eidlichen H osenträger u n d die von m ir bevorzugten b u n ten Sacktücher wiesen m ich eigentlich schon als Spaßm acher aus. „W enn ich m einen H u m o r nicht hätte, wäre er m ir schon längst vergangen”, war stets m ein W ahlspruch. M ein Buch „Purzelbäum e”, geschlagen v o n M ax Rieple, m achte m ich als 75jährigen W ortakrobaten bekannt. D aß ich auch noch durch TRIXINI, den bekannten Zauberer, in der Z unft der Magier b erüh m t werden würde, ließ ich m ir nicht träum en, als ich das G edicht „Der Zauberer” ihm w idm ete. In seinem interessanten Buch 2 3 9

„Der Magier mit dem blauen Stein“ hat er mich verewigt. Eigentlich kann ich mich auch noch als Löwenbändiger betrachten. Denn es ist mir gelungen, einen Löwen bzw. eine Löwin zu bändigen, wollte sagen zu dressieren. Sie geht für mich durchs Feuer. (Für Uneingeweihte: Es handelt sich um meine Frau.) vergessen. Meine beste Zirkusnummer hätte ich fast Als „Ohrenspitzer“ hatte ich überall bei groß und klein, besonders bei meinen eigenen Kindern, einen Lacherfolg sondergleichen, wenn ich meine Ohrläppchen in die Muschel steckte und auf mein militärisches Selbst­ kommando: „Die Ohren spitzt“ schlagartig die Ohrwatscheln nach oben schnellen ließ. Inzwischen: Nichts geht mehr. Nun muß ich die Ohren immer steif halten. Der Frack war mir immer ein liebes Kleidungsstück, ebenso wie der Zylinder. Ich trug sie nur selten. Als Zirkusdirektor liätte ich diese Chance gehabt. Den Beifall der Menge bzw. der Zuschauer oder Zuhörer habe ich – wie dieser – früher oft erlebt, und genossen. Wann kommt der große Paukenschlag? Wann werde ich meine Zelte abbrechen müssen? Auftrag des Lebens Hinter dem Rücken des Todes den Acker bestellen, auf Ernte hoffen, . wenn Wühlmäuse auch die Halme benagen, ein Licht in schwieligen Händen tragen, wenn die Flamme auch schmerzt, ,Ja“ sagen, ob Tausende zischeln ihr ätzendes Nein, dem Klange glauben, wenn taub auch das Ohr, dem Lichte glauben mit blinden Augen: Das ist Auftrag des Lebens. Max Rieple Der Dichter und Mensch im Spiegel der Nachrufe (Mit Genehmigung der Witwe Max Rieples ausgewählt von Lorenz Honold) Max Rieple hat uns ein reiches literarisches Erbe hinterlassen. Es ist die Frucht seiner hervorragenden dichterischen, sprachlichen und musikalischen Begabung und seines nimmermüden Fleißes. Diese beiden Eigen­ schaften haben auch seinen Lebensstil be­ stimmt, nämlich den eines feinsinnigen, liebenswürdigen Ästheten, eines lebens­ nahen, tiefen Denkers und bescheidenen Grandseigneurs. Dr. Ernst Roskothen, Bad Dürrheim. Wir im Schwarzwald-Baar-Kreis haben uns mit ihm ganz besonders verbunden gefühlt . . . ich habe ihn als väterlichen Freund betrachtet. Seine handschriftlichen Zeichen sind mir ein Vermächtnis. Dr. Gutknecht, Landrat. Ich bewunderte Max Rieple schon 1945- 1955. Er war ein Meister der Nachdichtungen unserer Lyrik. Unermüdlich hat er den Europäern viel gebracht. Wir haben in dem Förderer der Deutsch-Französischen Freund­ schaft einen treuen Freund verloren. Andre Noel, Paris. Schwarzwälder Kirschwasser, die Sonette der französischen Dichterin Louise Labe und der Komponist Giselher Klebe, das sind Namen und Begriffe, die nur scheinbar nichts miteinander zu tun haben: in Max Rieple, dem Dichter des Schwarzwaldes, Übertrager französischer Lyrik ins Deutsche und Organisator der Donaueschinger Musik­ tage, vereinen sie sich zu einem Ganzen. Kurt Schümann, Düsseldorf. 240

. Es kommt darauf an, daß wir eine Spur hinterlassen. MaxRieple hinterläßt eine tiefe Spur. Professor Theodor Egel, Müllheim. Max Rieple war für mich der Inbegriff einer Bildung und künstlerischen Empfind­ samkeit, wie es sie in unserer Zeit nur noch selten gibt. Ein Gespräch mit ihm, auch über scheinbar alltägliche Dinge, war immer eine Bereicherung für den, der zuhören durfte. Direktor Walter Karcher, z. Zt. Deutsche Schule in Helsinki/Finnland. Ich bin dankbar und glücklich, daß ich ihm noch die Hand drücken durfte, seine Augen leuchten sah und vernahm, daß ihn die Töne noch erreichten. Prof. Ludwig Hoelscher, Cellist. Ich kann mir Donaueschingen ohne seine immer fröhliche und so herzliche Persön­ lichkeit gar nicht vorstellen. Ich erinnere mich noch an die ersten Volksschuljahre in Donaueschingen, als Max Rieple uns Kindern ein Theaterstück von ihm einstudierte. Wir waren alle Katzen, hatten Katzenmaske und Strümpfe an den Armen. Prinzessin Hella von Bayern, geb. Windisch-Graetz. Max war schon als Jüngling ein außer­ gewöhnlich begabter und kontaktfreudiger Freund. Er war mein Kapellmeister im Schüler-Orchester im Gymnasium zu Donaueschingen und in der Stadtkirche. Ich bin mit meiner Frau nach seinen Büchern gereist und war so bestens beraten und gefahren. Manches wäre uns ohne die Be­ schreibungen von Max entgangen. Baron Willi von Schönau, Schloß Schwörstadt. Wie kaum ein anderer repräsentierte Max Rieple als Dichter, Deuter und Anreger die geistigen Kräfte unserer Grenzregion, lebte und wirkte er für das gerade dieser Land­ schaft in besonderem Maße aufgegebene Verstehen von Menschen und Kulturen über nationale Grenzen hinweg . . . Vieles hat seine von humanistischem Geiste ge­ prägte Stimme schon bewirkt; sie wird weiterwirken lange über seinen Tod hinaus. Dr. Nothhelfer, Regierungspräsident (Freiburg i. Br.) Freunde aus aller Welt wußten in Donau­ eschingen das Scheffelhaus in der Max-Egon­ Straße als Mittelpunkt des Koordinaten­ systems von regsamer geistiger Bedeutung in unserer so raschlebigen Zeit. Heinz Bischof, Baden-Baden. … und doch erscheint es uns unglaubhaft, daß Max nicht mehr unter uns ist, so sehr gehörte er zu Stadt und Kreis (und weit darüber hinaus) und in unsere Herzen, zum Stadtbild, zu Veranstaltungen. Dr. Robert· Lienhart, Alt-Landrat von Donaueschingen. habe ihn bewundert als Künstler und als Mensch. Seine feinsinnigen Gedichte liebe ich sehr. Ich durfte sie vor 30 Jahren rezi­ Er war ein Stück Donaueschingen. Ich tieren. Er sagte uns jungen Abiturienten, deren Ideale nach dem Krieg zerschlagen waren, daß Kunst und Musik überdauern und die echten Helfer seien. Rosemarie Kleberger geb. Trompeter. Seit 1964 war ich mit Ihrer Familie bekannt. Noch in Karlsruhe machte mich der damalige Chefredakteur des Konradsblattes, Albert Krautheimer, auf den großartigen Liberalen und Lyriker Max Rieple aufmerksam. Hermann Fautz, Dekan i. R. Ich bin konsterniert. Gestern noch habe ich in seinem Band „Das goldene Burgund“ gelesen und seiner gedacht, an seine so feine Natur, seine Aufgeschlossenheit für die Lande am Rhein, seine edle Art, sein Wissen, seine Beiträge zur friedlichen Entwicklung Europas. Joseph Rey, Conseil General du Haut Rhin. 241

Unsere Dichter und Schriftsteller Ernst Roskothen erzählt: Weihnachtsmärchen 1980 Es war einmal ein armer kleiner Junge. Er trug ein abgetragen dünnes Wams. Seine Schuhe waren im Laufe der Zeit rissig geworden. Und es war Winter und über Nacht schon sehr kalt. Durchfroren stand er an einer zugigen Straßenecke, an der viele Leute vorbeigingen, besonders solche, die wegen des bevorstehenden hohen Festtags an den mit elektrischen Lichterketten ge­ schmückten Christbäumen vorbei zur Abendfeier das Münster aufsuchen wollten. Im Schein einer Straßenlaterne hielt er in seinen mageren Händen Kerzen feil, wie sie die wohlhabenden Leute von altersher in großer Zahl brauchen, um sich unter dem strahlenden Weihnachtsbaum mit ihren Kindern recht freuen zu können. „Wenn mir doch“, dachte er, während es immer dunkler wurde, „einmal jemand ein paar Kerzen oder gar ein ganzes Paket ab­ kaufen würde! Dann würde mich Vater bei der Heimkehr nicht wieder, wie gestern und vorgestern, einen Faulpelz schimpfen, der zu nichts nütze sei“. Aber die schon festlich gestimmten Menschen, die durchweg mit großen und kleinen Geschenken beladen waren und meist in Hast an ihm vorbei­ strömten, ließen ihn unbeachtet stehen, vielleicht weil er so arm und klein war. Oder sollte der Pförtner des Mietshauses, in dem er mit seinem Vater in einer Dachkammer wohnte, am Ende doch recht haben, Wachs­ kerzen seien nicht mehr recht gefragt, weil elektrische Beleuchtung größere Vorteile biete? Aber hatte er, der Junge, nicht eine Nachbarin sagen hören, daß die Rückbesin­ nung auf das bewährte Alte im Vormarsch sei? Und nichts ging doch über eine bren­ nende Kerze mit ihrem warmen, lebendigen Licht! Auf das Geläut des Münsters hatte sich die vorbeiflutende Menge fast verdoppelt, aller- 242 dings ohne nennenswerten Erfolg für den Knaben. Er setzte nun seine ganze Hoffnung darauf, daß man ihn nach dem Kirchbesuch etwas mehr beachten werde. Aber trotz der frommen Lieder, die die Leute im Münster gesungen hatten, trotz der Predigt, die sie über das Gebot der Liebe der Menschen zueinander gehört hatten, und trotz der wohlformulierten Gebete, die sie zu ihrem Vater im Himmel gesprochen hatten, war ihr Herz verhärtet, waren ihre Sinne abgestumpft geblieben. Das arme durchfrorene Wesen mit den Kerzen in der vorgestreckten Hand sahen sie einfach nicht, als sei es überhaupt nicht da. Für den ein oder anderen aber, der den Jungen wahrnahm, war er oft eine lästige und unerwünschte Störung des eigenen Wohlbefindens, die man am besten durch sofortiges Ignorieren hastig und unwillig wegwischte. Eine ältere, in dicken Pelz ge­ hüllte Frau machte sich dagegen fast ein Vergnügen daraus, den Kleinen von oben bis unten kritisch zu mustern, um dann durch einige gemurmelte Worte ihrer Empörung darüber Luft zu machen, daß man heutzu­ tage, wo es doch allen so gut gehe, noch Kinder auf die Straße schicke, um andere fast zur Nachtzeit anzubetteln. Am liebsten hätte sie den Jungen noch nach allem Mög­ lichen ausgefragt, um ihren Ausbruch steigern zu können. Aber es war ihr zu kalt, um lange stehen zu bleiben. Auch war es, so erinnerte sie sich wohl, Zeit zum Abend­ essen. Sie kam nicht etwa auf den Gedanken, dem Jungen, selbst für den Fall, dafür keine Verwendung zu haben, ein paar Kerzen ab­ zukaufen, oder gar, da doch Weihnachten vor der Tür stand, ihm still eine Münze in die Hand zu drücken. Stattdessen rauschte sie mit allen Zeichen dafür, einen Mißstand gebührend gebrandmarkt zu haben, in die dunkle Nacht davon.

Da trat wie von ungefähr ein kleines Mädchen an den Jungen heran. Es war ein armes kleines Ding, das nichts anderes besaß als ein dünnes unscheinbares Kleidchen, und auf dem mageren Körper einige böse Narben und noch frische Striemen von Schlägen. Denn zu Hause gab es oft Prügel, selbst wenn kein Grund dafür vorlag. Wenn daheim wieder so etwas in der Luft lag, suchte die Kleine lieber eine Zeitlang das Weite, selbst wenn es so kalt war wie heute. Der arme kleine Junge schaute ihr wortlos in die dunklen, nachdenklichen Augen. Darauf fragte sie ihn, ob ihn auch so friere. Erschrocken darüber, daß überhaupt jemand mit ihm gesprochen hatte, blieb der Knabe auf diese Frage stumm. Vielleicht konnte er auch vor Kälte nicht gleich ein Wort herausbringen. Da nahm ihn das Mädchen bei der Hand und führte ihn, ohne daß er sich, etwa wegen Aufgabe seines Verkaufspostens, dagegen wehrte, in eine Haustürnische am Alten Rathaus, wo der Hier ist es Nordwind kaum Zugang hatte. warm“, flüsterte sie und fügte nach einer Weile hinzu: ,,Gib acht! Im Hause gegen­ über wird gleich ein T annenbaurn ange­ zündet. Man kann das von hier aus gut sehen. Ich weiß das vorn vorigen Jahr. – Es müssen reiche Leute sein. – Heute ist doch Heiliger Abend.“ “ Und richtig! Während sich die Kinder noch auf den kalten steinernen Stufen ein­ richteten, flammten gegenüber zwei, dann vier und sechs, zum Schluß mehr als ein Dutzend Kerzen an einem großen, ge­ schmückten Baum auf. Es waren, wie der Knabe feststellte, richtige Kerzen, keine Wenn ich doch“, dachte er, Glühbirnen. “ diese Kerzen hätte liefern dürfen!“ Aber in “ dem Hause dort, meinte er dann, bezog man Weihnachtskerzen sicherlich von einer großen F irrna und gab sich nicht mit Straßen­ händlern ab, wie er einer war. Jetzt hörten die beiden Kinder von ihrer Türnische her über die Straße Kinderstimmen aus dem Hause. Es waren Weihnachtslieder, wie es sich für diesen Abend gehörte. Obwohl er fror, lief es dem armen kleinen Jungen, als er diese Weisen hörte, kalt über den Rücken. Behutsam setzte er seine Kerzenpakete ab und lauschte voller Andacht. Bei der Kälte gelang es ihm kaum, seine Hände zu falten, wie es ihn seine Mutter gelehrt hatte, bevor sie starb. Auf einmal rieselte ein Zittern über seinen schmalen Körper. Unwillkürlich rückte er an das neben ihm sitzende kleine Mädchen heran. Zuerst glaubte er, da nur ganz wenig eine beseligende Wärme, eine Art von Geborgenheit zu verspüren; aber sie wuchs und wurde immer stärker. Es war etwas, was er in seinem armen, kleinen Leben bisher noch nicht so empfunden hatte. Zu früh hatte er seine Mutter verloren. Sein Vater war ein wortkarger, mit der Welt zerfallener Mann, der nur noch das Ziel hatte, seine kleine Rente aufzubessern. Deutlich spürte der Knabe nun, wie sein halb erstarrtes Blut wieder auflebte. Bald durchpulste es ihn so stark, daß er versuchte, sich noch enger an das Mädchen anzuschmiegen. Und siehe da! Plötzlich kam es ihm vor, als fahre eine prächtige Kutsche vor, in deren Laternen Kerzen flackerten, wie er sie ver­ kaufte. Der Kutscher lud sie beide zum Ein­ steigen ein. In beschwingter Fahrt ging es zur Kirche, in der vorn Portal bis zum Altar hunderte von hohen Kerzen brannten. Der Priester am Altar segnete sie beide. Und dann ging die schwindelnd schnelle Fahrt hinaus in den Winter, immer höher und schneller, bis einem die Sinne schwanden. Die Fahrt mit der Kutsche hatten der arme kleine Junge und das neben ihm sitzende Mädchen leider nur geträumt. Der eisige Nordwind hatte sich an dem Abend gedreht und ungehinderten Zugang zu der Haustürnische gefunden. So war es für die beiden Kinder zu kalt geworden. Als man sie anderen Morgens erstarrt vor­ fand, kam manch einer von denen, die am Abend vorher mit den großen und kleinen Paketen achtlos an dem kleinen Jungen vor­ beigegangen waren, an der gleichen Stelle wieder vorbei, vor allem solche, die jetzt 243

ins Münster gingen, um Christi Geburt in der armseligen Krippe zu feiern. Vernehmlich beteuerten sie sich gegenseitig, dieser Vorfall mit den beiden erfrorenen Kindern tue ihnen aufrichtig leid. Sicher habe aus ihnen später noch etwas Ordentliches werden können. Jetzt könne man, so meinten einige besonders fleißige Kirchenbesucher, nur noch für sie beten. Immerhin, so wurde auch kritisch gesagt, gehörten Kinder abends nicht mehr auf die Straße, zumal man mit der Kälte habe rechnen müssen. Damit war der Fall, so schien es, zur allgemeinen Zufriedenheit erledigt. Man konnte ungestört feiern. Nicht so leicht machte es sich ein älterer Mann, als er alle Einzelheiten des Unglücks erfuhr. Er erinnerte sich daran, früher einmal in der Märchensammlung von Andersen etwas Ähnliches gelesen zu haben. Er war sich darüber im klaren, daß Märchen sehr oft nicht allein als Erzeugnisse dichterischer Phantasie zu werten sind, sondern als Mittel sozialer Kritik oder gar Anklage gegenüber tatsächlichen Vorgängen. Es fiel ihm dabei auch die traurige Kindergeschichte „Oliver Twist“ von Charles Dickens ein, die ihn in seiner Jugend beeindruckt hatte. Der Anlaß zu dieser Erzählung wie auch zu dem Märchen von Andersen lag nun 150 Jahre zu­ rück. Wie konnte es nun, fragte sich der Mann, noch heute in unserer hochmodernen Zeit des gepriesenen allgemeinen Wohl­ stands in einer betont christlich ausgerichte­ ten Stadt mittlerer Größe zu einer solchen Kinder-Tragödie kommen? Mußte heute nicht erneut und immer wieder das Gewissen eines jeden Christenmenschen zum Schutz der Kinder wachgerüttelt werden, vor allem auch in den Kreisen, die -unterschiedlos wo auch immer – gegen jede Einschränkung oder Planung von Nachwuchs eintreten? Wenn schon jedes menschliche Wesen unbe­ sehen in die Welt zu setzen wäre, müßte man sich dann nicht auch allerorten mit mehr Verständnis füreinander und mit viel mehr zwischenmenschlicher Liebe, Wärme und Fürsorge tatkräftig ihrer annehmen, statt daß vielfach Geld und Gut sinn-und nutzlos 244 angehäuft würden? Das fragte sich der ältere Mann, der im Leben viel, vor allem Elend, Not und Ungerechtigkeit, gesehen hatte und zu der Ansicht neigte, nach fast 2000 Jahren christlicher Lehre sei man eigentlich in der Humanisierung der Menschheit, auch gerade in unseren Breiten, nicht sehr viel voran­ gekommen. – Die Weihnachtsnacht forderte in der Stadt übrigens noch ein weiteres Opfer. In der Nähe des Münsters war eine ältere Frau in der Dunkelheit überfallen, ihres Geldes, Schmuckes und Pelzes beraubt und sodann erwürgt worden. Es war die reiche Frau, die abends den armen kleinen Jungen so be­ sonders gemustert hatte und dann, ohne ihm zu helfen, weitergegangen war. Sie hatte sich bei dem Überfall offensichtlich heftig ge­ wehrt, ihre Wertsachen herauszugeben, was sie mit dem Leben bezahlen mußte. Der Zufall wollte es, daß ihre Leiche vor­ läufig neben den beiden erfrorenen Kindern aufgebahrt wurde. Dem Leichenhauswärter fiel dabei der friedliche, fast glückliche Aus­ druck im Antlitz der Kinder auf, während der ermordeten Frau noch der ganze Schreck der an ihr verübten Untat im Gesicht geschrieben stand. ,Ja“, so meinte der Wärter trocken zu seinem Gehilfen, „die Armen sterben viel­ fach leichter als die Reichen, die sich von ihrem Besitz nicht trennen können“. „Das ist allerdings“, entgegnete bitter der Gehilfe, „für die Armen dieser Erde wahrhaftig nur ein schwacher Trost“. Omar war ein begüterter junger Mann. Draußen vor den Toren der Stadt hatte er am Berghang, von dem man weithin über die Ebene bis hin zum Meere schauen konnte, ein prächtiges Landhaus. Dort, wo im Sommer ein kühler Wind wehte, verbrachte er, wenn die Sonne langsam zu sinken begann, manch‘ glückliche Stunde mit der dunkelhäutigen Fatima, der er von Herzen zugetan war. An schwellende, seidene Kissen Die steinerne Bank

gelehnt, saßen sie im Schatten der offenen Vorhalle und labten sich an den köstlichen Früchten des Gartens und einem Becher süßen Weins.Nach Einbruch der Dunkelheit genos­ sen sie das immer wieder neue, wechselnde Schauspiel der aufgehenden Gestirne, die sie zu deuten wußten, und freuten sich im schwachen Licht einer Ampel ihrer schlanken Glieder. Wenn sie gegen Mitternacht zur Stadt aufbrachen, bestiegen sie am Eingang des Gartens, der gegen Unbefugte rings mit einer weißen Mauer umfaßt war, eine Sänfte, die Diener bereithielten. Bei dieser Gelegenheit beobachteten sie mit der Zeit fast allabendlich auf einer steinernen Bank, die unter einem Busch wilder roter Rosen in der Nähe des Garteneingangs zum Verweilen einlud, ein junges Paar, offenbar geringen Standes. Die beiden schienen, mochten sie auch arm sein, recht glücklich miteinander zu sein. Allerdings stieg in O mar bei Verlassen des Gartens oft der Gedanke auf, die beiden, die nur die harte Bank hatten, um die Segnungen der Liebe unter der hereinbrechenden Nacht zu genießen, würden doch wohl sehr viel darum geben, sein prächtiges Landhaus jenseits der weißen Mauer zu besitzen oder wenigstens benutzen zu dürfen. Er schloß daraus, daß sie ihm, dem Reichen, sicherlich sein Eigen neideten. Eines Abends geschah es, daß die Bank, obwohl eine milde klare Mondnacht bevor­ stand, verlassen dastand. Als Omar das sah, verspürte er ein seltsames Verlangen. Er hieß die Träger der Sänfte halten, stieg mit Fatima aus und entließ die Männer zur Stadt. Dann reichte er Fatima wortlos seinen Arm und führte sie zu der steinernen Bank. Fatima hatte ihn, so jung wie sie war, gleich begriffen. Bei ihm erriet sie stets alles, selbst seine geheimsten Gedanken. Als Omar sie auf der Bank umfing, überkam ihn ein Gefühl von Seligkeit, wie er es in seinem reichen, ver­ wöhnten Leben noch nie empfunden hatte. Es war ihm, als ob er, trotz seiner prunk­ vollen Kleider, jetzt der arme junge Mann sei, der seinen einzigen irdischen Schatz, sein junges Weib, ebenso leidenschaftlich wie zärtlich in Händen hielt. Sein ganzer Besitz, alle seine Reichtümer, kamen ihm mit einem Schlage bedeutungslos und nichtig vor. Und er dankte Gott für die Erkenntnis, die er gewonnen hatte. Noch während er dann mit Fatima wie im Traum durch die mondeshelle Sommer­ nacht zu Fuß zur Stadt schritt, kamen ihm Zweifel, ob nicht der stumme, durch­ dringende Blick, den ihm der arme junge Mann beim Besteigen seiner Sänfte ab und zu zugeworfen hatte, statt Ausdruck etwa von Neid oder Eigenverlangen zu sein, die einander bindende brüderliche Form sei eines gegenseitigen, einverständlichen Wis­ sens von Mann zu Mann um die gemeinsame Quelle nie versagenden menschlichen Glücks, nämlich, unter welchen Umständen auch immer, zu lieben und geliebt zu werden. Je mehr und je tiefer Omar in der Folgezeit darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm diese Vermutung fast zur Gewißheit. Einige Tage später ließ er den beiden armen jungen Leuten je hundert Goldstücke überbringen, ohne über Herkunft oder Grund des Geschenks etwas verlauten zu lassen. Und er freute sich, als er kurz darauf feststellte, daß die jungen Leute trotz des nunmehr gewonnenen Reichtums in der Folgezeit der guten alten steinernen Bank nicht untreu wurden. Ernst Roskothen manchmal so fern du der du mir so nah manchmal so fremd du der du mir so vertraut warum du den ich liebe bist du es Friederike Siek 245

Eine Erzählung von Rolf Steiner Auf der Landstraße zwischen Bräunlingen und Hüfingen, den altehrwürdigen Baar­ städtchen, wandert frohgemut ein noch junger, rotwangiger Mann, einen knorrigen Stock mit Rehhorngriff in der Faust. -Es ist die schlichte, anspruchslose Zeit, in der ein einsames Wandern noch zu den gepriesenen Seligkeiten des Lebens gehört -1858. Was kümmert ihn die eisige Januarkälte mit den grimmigen Windstößen! Festtäglich gestimmt, genießt er den Anblick der weiten schimmernden Schneelandschaft mit dem gipfelbewaldeten Galgenberg, an dessen Hängen sich die Jugend sportlich tummelt, und nickt den mit hellem Schellengeklingel vorüberhuschenden Pferdeschlitten freudig grüßend zu. Frisch und mit rüstigen Schritten stapft er über die eisverkrustete, holprige Land­ straße und murmelt zuweilen lateinische Verse vor sich hin: Verse aus den Carmina burana des Klosters Benediktbeuren, den lebensprühenden, kernigen mittelalterlichen Liedern fahrender Scholaren. Schon seit Sonnenaufgang ist er unter­ wegs; angelockt von dem herrlich klaren, sonnigen Wintermorgen hat er sich von Mühe und Bürde als Bibliothekar der Fürst­ lich Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donaueschingen für einen Tag losgemacht, ist über den Sehellenberg, den letzten öst­ lichen Ausläufer des Schwarzwalds, nach Wolterdingen gepilgert, querfeldein auf schmalen Pfaden, durch Schnee und Frost, hat in der „Linde“ zu Bräunlingen, der stolzen ehemaligen Freien Reichsstadt, zu Mittag gespeist -Rehragout mit Spätzle – und befindet sich nun auf dem Heimweg über Hüfingen, das idyllisch-schön in den Ausgang des Bregtals gebettete, einstige Amtsstädtchen. Längst hat er dessen Ge­ markung betreten, begrüßt vom hochauf­ ragenden Kirchturm mit dem leuchtend­ grünen Spitzhelm. Vor der alten Sägemühle 246 Scheffels Einkehr in der ,,Krone“ zu Hüfingen macht er Halt, hört sich eine Weile das wilde Rauschen des über die große Falle stürzenden Wassers, das Krachen und Knirschen der drängenden Eisschollen, das eintönige Plätschern des Wasserrads und das dumpfe Rumpeln der Klopfsäge an und schreitet dann beim frommen Geläut der Abendglocke durchs dunkle Tor des statt­ lichen Schlosses ins Stadtinnere. Über Haus, Gaß und Stadtbächlein ruht der Friede der Dämmerung. Ein letztes Sonnenblinken umspielt den prächtigen Marienbrunnen und dessen silberne Eis­ zapfen. Die breite, steinerne Freitreppe des burgartigen Rathauses hinauf steigt, in einen schweren Mantel gehüllt, die Laterne in der Hand, der Nachtwächter -zum Antritt seines Dienstes. Und aus dem Gasthof „zur Krone“ fällt traulicher Lichtschein, der ein romantisches Gemüt machtvoll zur Einkehr lockt. ,,Aber lange darf ich nicht bleiben“, mahnt sich der fremde Wandersmann, indem er kurzentschlossen die Wirtsstube betritt. Allerdings! Denn er hat ja auf heut abend die ganze Stammtischrunde der „Falken­ post“ in seine J unggesellenbude einge­ laden: den fürstlichen Musikdirektor Kalli­ woda, den Hofmaler Frank, den Lehrer Dullenkopf, den Amtsgerichtsrat Wolff, den Rechtsanwalt Marquier und den Hof­ apotheker Kirsner. Seine treuen Heidelberger Freunde aus dem „Engeren“, einem stets feuchtfröhlichen akademischen Zirkel, haben ihm ein Post­ kolli heimatlicher Spitzenweine von den sonnigen Hängen des Kaiserstuhls, des Markgräflerlandes, des Breisgaus, der Orten­ au und des Bodenseegestades geschickt – zu gemeinsamer fachmännischer Erprobung mit Zunge und Gaumen, welcher „Blume“ der Preis erster Güte zuerkannt werden soll … Die Kronenwirtin, gravitätisch in ihrer

geschäftstüchtig rundlichen Fülle, geht auf den Gast mit einem übersprudelnd liebenswürdigen „Grüß Gott“ zu, nimmt ihm galant und geschwätzig Stock, Pelzkappe und Mantel ab, lobt dessen pelzverbrämte Kostbarkeit und bietet ihm am glühend­ heißen Kachelofen einen mollig-gemütlichen Platz an. Er bestellt sich zunächst einen Schwarzwälder Kirsch und schaut sich interessiert in der mit Kupferstichen ge­ schmückten Stube um. Aus dem nur durch eine dünne Holzwand abgetrennten Nebenzimmer tönt eine sonore Stimme. Der Neuankömmling horcht neu­ gierig auf. „Unser Oberlehrer liest den Herren der Lesegesellschaft eine neue Versdichtung um eine Liebesromanze zwischen einem Trompeterund einem adeligen Fräulein vor“, belehrt ihn die Kronenwirtin verschmitzt. „Eben ist er bei der Stelle angelangt, wo der fremde Spielmann in einer Mondnacht im Kahn einer Kiesbank im Oberrhein zurudert, um von dort aus der heimlich Geliebten im gegenüberliegenden Schloß ein Ständchen zu bringen.“ Da spitzt der neue Gast gar aufmerksam die Ohren -nickt wie zur Bestätigung einer freudigen Entdeckung lebhaft vor sich hin und bittet die literaturkundige Wirtin, sie möchte das Pendel der allzu laut tickenden Standuhr in der Ecke anhalten, damit er besser hören könne -und vernimmt ganz deutlich die Verse: „‚ …………… auf den spitzen Kieselboden sprang jung Werner, und die Blicke hielten Umschau, Fragend, ob er sie erspähe. Nichts erspäht er, als im fernen Erkerturm ein fernes Lichtlein.“ „Da kann nur ein schönes Trompetensolo helfen,“ lacht’s gutmütig-spöttisch aus der Runde der Zuhörer, während der Rezitator einen kräftigen Schluck aus seinem Römer nimmt. „Musik und Mondschein haben ja bekanntlich ihre besonderen Zauberkräfte.“ Der Oberlehrer fahrt zu deklamieren fort, und die Lachsalven verstummen ringsum vor der Weihe der Poesie. Unser Wanders- mann aber schleicht spitzbübisch und auf leisen Sohlen zur Tür des Nebenzimmers, verschiebt ein wenig den Spitzenvorhang an dessen Fensterchen und weidet sich am Anblick des kleinen Auditoriums, dieser biederen und behäbigen Hüfinger Honora­ tioren, von denen der eine und der andere ein goldbesticktes Cereviskäppchen trägt. Der Oberlehrer steht hinter einem hohen Eichenpult, das nur das kahle Haupt des kleinen Männchens sehen läßt. Aber er ist ein vortrefflicher Rezitator, und seiner in dunklen Stimme schwingt bei besonders poetischen Stellen sein ganzes schönheits­ trunkenes Herz mit. Er weiß seine Lese­ gesellschaft zu begeistern; mäuschenstill, wie gebannt, sitzt sie da bei den wie Musik klingenden Versen: ,,Also blies er, und sein Blasen Zog melodisch durch die Nacht hin. lauschend hört’s der Rhein im Grunde, lauschend Hecht und Lachsforelle, lauschend auch die Wasserfrauen; Und der Nordwind trug die Klänge Sorgsam auf zum Herrenschloß.“ „Bravo! Bravo!“ rufen nun alle stürmisch und erheben spontan ihre Gläser, jung geworden vom Zauber dieser schönen Dichtung. -Da kann sich der stillvergnügte Beobachter und Lauscher an der Tür, der fremde Wandersmann, nicht mehr länger zurückhalten, er muß sich unter die frohen Menschen mischen. Mit jungenhaftem Ungestüm reißt er die Tür auf und deklamiert ohne Gruß, ohne Einführung, hingerissen von der allgemeinen festlichen Stimmung · den Schluß der Dichtung: „Liebe und Trompetenblasen Nutzen zu viel guten Dingen, Liebe und Trompetenblasen Selbst ein adlig Weib erringen. Liebe und Trompetenblasen, Mög‘ es jedem so gelingen Wie dem Trompeter Werner An dem Rhein zu Säckingen!“ Verwunderte Augen, verdutzte Gesichter, ein Achselzucken, Kopfschütteln, gegen­ seitiges stummes oder flüsterndes Fragen: 247

„Wer mag das nur sein?“ Der Oberlehrer findet als erster das rechte Wort: ,,Der Herr hat ja gleich etliche Dutzend Seiten über­ sprungen.“ ,,Ich kann, wenn’s erwünscht ist, auch dort fortfahren, wo ich Sie unterbrochen habe,“ lacht der Angeredete übermütig­ burschikos. ,,Ich hab‘ nämlich das Werk schon gekannt, als es noch unbekannt in der Schublade lag.“ ,,Dann sind Sie am End‘ der Dichter dieses herrlichen Sangs vom Oberrhein selbst?“ „Dr. Scheffel,“ stellt sich der Fremde nun frohgelaunt vor und verneigt sich galant vor der Tafelrunde. ,,Zur Zeit zum Bücherwurm und dazu verdammt, ganze Berge von Schmökern und Handschriften, Laßbergs Hinterlassenschaft, zu katalogisieren und in die Hofbibliothek einzuordnen.“ Die Tischgesellschaft erhebt sich wie auf Befehl und umringt den gefeierten Dichter, als wär’s ein Fürst, der soeben sein Inkognito gelüftet, und drängt ihn, doch Platz zu nehmen und mitzupokulieren. „Wo haben Sie denn dies prächtige Werk gedichtet, von dem ganz Deutschland, nicht nur die akademische Jugend, entzückt ist?“ fragt ihn der Bürgermeister, der das Präsidium führt. „Nun, auf Capri, auf der Dachterrasse von Don Pagans Schenke,“ lacht Scheffel. ,,Von poetischen Einfällen bestürmt, rannte ich wie trunken hin und her, zum Gaudium meiner Freunde.“ Soviel Dichterschwung reißt die alten Knaben dazu hin, nun auch ihrerseits ein wenig glänzen zu wollen und sich vor dem illustren Gast zu brüsten, daß auch sie keine Alltagstypen und Spießer sind. „Ich werde es nie vergessen,“ protzt der Sattlermeister aus dem „Süßen Winkel“, „wen ich auf meiner Wanderschaft als Handwerksbursche in Erfurt gesehen habe. Den Kaiser Napoleon hab‘ ich gesehen, meine Herren, auf seinem Apfelschimmel, wie ein Halbgott, beim umjubelten Ritt zum Stelldichein der Monarchen!“ Das spornt den steinalten Lorettobauern an, mit seinem großen Erlebnis aus glor- 248 reichen Tagen aufzutrumpfen: ,,Ich war noch ein winziger Knirps, als Marie-Antoinette, Erzherzogin und Tochter der Kaiserin Maria Theresia, in einer gläsernen Karosse in einem langen Zug berittener Hofkavaliere durchs Städtchen fuhr, auf ihrem Weg nach Versailles zur Hochzeit mit dem Dauphin, und genau vor unserm Haus nicht mehr weiterkam, weil ihre vornehmen, gold­ strotzenden Lipizzaner vor unserm steilen Lorettoberg scheuten, worauf mein Vater gnädigst um Vorspann mit seinen schweren Ackergäulen gebeten wurde. -Den Theresien­ taler, den er dafür erhielt, heben wir in unserer Familie wie ein Heiligtum auf.“ Jetzt kann der Sägmüller vom Mühlbach sein Mitteilungsbedürfnis nicht länger zähmen. ,,Alles schön und gut, aber sind das Heldentaten, he? Was hab‘ ich getan, he, im Revolutionsjahr 1848 als Kommandant der Bürgerwehr?“ poltert er heraus, ganz rot vor Eifer. ,,Den gegnerischen Offizieren die Säbel zerbrochen und zum Fenster hinausge­ schmettert hab‘ ich, als sie sich hochmütig wie Pfauen spreizten und uns Bürger be­ schimpften!“ „Und die Folgen, he, die Folgen?“ höhnt kichernd der Apotheker in der hintersten Ecke, ein dürres Männlein mit keck vor­ springender Nase, ein gutmütiger und wegen seiner zuweilen recht spitzen Zunge doch ein wenig gefürchteter Spötter. „Flucht in die Schweiz und 99 Tage Haft im Turm in der Hinterstadt, he, weil Du so klug warst, zu früh aus dem Versteck heimzuschleichen.“ „Was? Heimzuschleichen?“ zischt der Sägmüller grimmig, was den Bürgermeister veranlaßt, dem Oberlehrer unterm Tisch einen Wink zu geben, worauf dieser -um weitere Hänseleien zu verhindern -unver­ mittelt aufspringt und mit hocherhobenem Römer lauthals zu singen beginnt: ,, Wohlauf noch getrunken den funkelnden Wein … !“ Und sofort schwillt das Solo zu einem brausenden Chor an, ja zu einem gemischten Chor, da auch die Kronenwirtin unter der Tür erscheint und ihre Fistelstimme er­ schallen läßt.

Da ertönt plötzlich ein kräftiges Peitschen­ knallen draußen auf der Straße. Ein Schlitten, auf Scheffels Bitte von der Wirtin bestellt, ist vorgefahren, um den Dichter in die fürstliche Residenz zurückzubringen. Der Gesang ist jäh verstummt, und es wird bedrückend öde im Nebenzimmer der „Krone“. Zu allem hin mahnt noch der Kuckuck zum Aufbruch; geräuschvoll schnellt er aus seinem kunstvoll verzierten Gehäuse und verkündet zu Scheffels Schreck die achte Stunde. Um alles in der Welt läßt er sich nicht zu längerem Verweilen bewegen, schlüpft in den Mantel und stürmt auf die Straße hinaus. Rascher Abschied, Dank, Bedauern, fast Rührseligkeit, langes fuchtelndes Winken! – Aber die Herren Honoratioren von der Lesegesellschaft haben nun ein neues großes Erlebnis, dessen sie sich ihr Leben lang bei jeder passenden Gelegenheit rühmen werden … Das Mondlicht glitzert traumhaft-schön in den Eiszapfen des Marienbrunnens und dem zwischen Eiskrusten munter dahin­ gurgelnden Stastbächlein. Unter hellem Geklingel geht es Donaueschingen zu, zu Ehren des Dichters vierspännig wie ein fürstliches Gefährt.Und die H üfinger sperren Tür und Fenster auf und stecken neugierig ihre Nasen in die bissige Januarkälte. Und vorbeihuscht’s an der Stadtkirche mit ihrem schlanken, hoch ins Sternengefunkel auf­ ragenden Turm und im Huihui an der Schächerkapelle mit ihren riesigen Silber­ pappeln vorbei. Und während der Kutscher dem Dichter von der Schächerkatze und ihren feuersprühenden Eulenaugen vor­ fabelt, klingt’s in dessen Herzen weiter von Liebe und Trompetenblasen, und er denkt dabei schwärmerisch an eine gewisse jugend­ liche Hofdame, Emma von Bodmann, seine heimlich vergötterte „Viola argentea“. – Bernhard Brommer – Modeme Lyrik Geld-jagd Die Geld-jagd endet meist mit dem Sterben der Seele … Es kann geschehen … (unschuldigen Opfern) Es kann geschehen, daß jemand gezwungen wird, etwas Un-gewolltes zu bekennen Es kann geschehen, daß er verurteilt wird, ohne schuld zu sein Es kann geschehen, daß er an den Folgen stirbt Es kann geschehen, daß man seine Schuldlosigkeit doch noch erkennt Es kann dann n i c h t s mehr geschehen Kurz vor Mitternacht Stadtlichter gehen aus die Nacht drängt sich auf Dunkelheit Träume schleichen sich an der Tod s i e h t mich aus allen Zimmerecken an … ich b i n jetzt a l l e i n 249

On-ausgesprochen Voller Gedanken schaust auf den Himmel empor schaust Mit-Menschen an und so v i e l e s bleibt un-ausgesprochen Der Schrei Der SCHREI in der Nacht der Erkenntnis Der SCHREI in der Zeit der Wehmut Der SCHREI in der Verzweiflung Der SCHREI in der Stunde der Angst des Allein-seins Der SCHREI in der Stunde des Todes Der SCHREI, der in der trockenen Kehle erstickt, weil Alles taub und stumm geworden Irr-garten Leben im Irr-garten selten gelingt es Dir, die Blume der Wahrheit zu pflücken Straßen Wege, Straßen, Autobahnen führen nach ÜBERALL hin … nur nicht die MENSCHEN zu�inander … Aus der Gedichtfolge ,,Fußgängerzone“ Von Jürgen Henckell Asphaltierte Äcker Gewinnsucht, die sich überall als Fortschritt tarnt, bestattet jedes Grün, das Kreislauf ist und deshalb Fortbestand – Sie wählt ein Epitaph 250 aus Asphalt und Beton, in das sie die Reliefs von Pflanzen schlägt und Menschen nur als zynische Entschuldigung. Doch hebt der Asphalt sich schon hier und dort und bricht von eingeengter Kraft

Diskrepanz bezwungen auf, die sich ganz wunderbar als zartes Grün erweist — Auch du wirst unterdrückt vom Asphaltierten, aber wächst dein Widerstand, kannst du es sprengen, um am Licht gesundend frei vom Druck der fremden Sucht zu sem. Da liegt ein Stück Brot auf der Straße – Da hängt ein Plakat an der Mauer und ruft laut nach Brot für die Armen derWelt- Da dringt etwas Licht in die Blindheit der Zeit – aber wird von der Eile gelöscht. Reiht euch in den Reigen aller Jahreszeiten em -Freut euch eures Frühlings, nehmt die Fülle eures Sommers und die Reife eures Herbstes Lebensreigen Ausverkauf der Stille vor dem Winter wahr, der den langen Schlaf, wenn ihr Glück habt, mit Erinnerungen an ein Wort nur oder Bild von euch bewacht. Laut dringt die Stadtflucht in das Tal, nachdem die Stille man entdeckte – Das Silbenspiel der Echos weckte den Fluß aus grellgeschrninktem Stahl, und morgen gilt nicht mehr die Zahl der Sanduhrstunden. Die versteckte Holunderflöte klingt schon rauh, wird bald im Mauerschatten schweigen. Die Kerzen auf Kastanienzweigen erlöschen unter schwarzem Tau – Die Haut des Tages färbt sich grau, und falsche Wolken, die sich zeigen, belasten alles schwer wie Blei zurri Bersten voll von schlechtem Regen. So dringt auf asphaltierten Wegen des Ausverkaufes Marktgeschrei ins Tal und spekuliert dabei geschäftig mit geglaubtem Segen. Der Stacheldraht verhindert nicht den zartbeschirmten Flug des Löwenzahns, der schon so oft den Wunsch nach Freiheit trug – Die Samen werden durch den Draht wie Notenschrift geweht, die von dem Weg der Freiheit singt für den, der sie versteht. Zurück bleibt ohne Federkelch, was Wunsch und Wind getan: Der kahlgeschorne, bleiche Kopf des Beispiels Löwenzahn. Getarntes Freiheitslied 251

Aus der Gedichtf olge „T rinakria im Licht“ Die Wellen erzählen – Eines Tages werden die Fischer für immer an Land bleiben und denen begegnen, die für ihre Netze kein Meer brauchen. Die Zukunft wird als ungefangen toter Fisch durch das Blut der Sonne treiben – und mit ihr untergehn. Eines Tages werden die Fischer nur noch das Salz der Tränen kennen – Dann sind ihre Boote Gerippe am Strand der erstickten Echos und taumelnden schwarzen Möwen. Unter grauem Wermut liegen ziegelrote Scherben – alle Schluchtgerüche wiegen schwer wie langes Sterben. Salamander lesen Zeichen, die sie nicht verstehen – N ußfall läßt sie rasch entweichen hinter Schutt und Schlehen. Viel zerbrochene Amphoren haben Öl und Weine schon vor langer Zeit verloren an den Durst der Steine. Leere Gräber gähnen finster – Um geborstne Stellen streiten Distel sich und Ginster mit den Asphodelen. Sizilische Nekropole Die Piazza Strandmorgen Sizilische Blätter/ Von Jürgen Henckell Im frühen Licht erzählt der Strand des weiten Meeres Nachtgeschichten – Was Wind und Wellenschlag erdichten, das zeichnen sie dort in den Sand. Auf lichtem Ocker Ließ der Schaum die Muscheln zwischen Grüngeschlinge zurück wie Meeresschmetterlinge aus einem bunten Kindertraum. Scherenschnitte auf das Pflaster wirft geschrägt das heiße Licht – Schwere Form verliert Gewicht, löst sich auf im Wellenraster. Üppige Balkone täuschen ziergegittert Reichtum vor, Elend probt gemischten Chor mit den Gassenschluchtgeräuschen – Ein paar Bäume üben Freude mit nur blasser Blütenlast, doch zu ihnen im Kontrast blüht ringsum die Mauerräude. Viele Häuser wiederholen – schriftlich, aber ohne Biß weil der Alltag sie zerriß – alle alten Wahlparolen. Auch die Gesten auf den Stühlen vor den Perlenschnüren dort sind die gleichen.Jedes Wort braucht den Wind, um abzukühlen. Argwohn warnt in dunklen Blicken, wenn sich fremde Neugier zeigt – denn das grelle Licht verschweigt nicht den Grund geflaggter Flicken. 252

Aus den Grüften wächst die Fäule als Schmarotzerranke — Auf dem Kopfstück einer Säule rastet ein Gedanke zeitlos zwischen Zeitenspuren still im Duft des Zimtes – Grüngestielte Sonnenuhren zählen Unbestimmtes — (Sizilianisches Bergland) Der graue Distelmorgen sieht Zentaurenschatten alter Sagen gebeugt an schweren Lasten tragen – Im Wind singt ein vergessnes Lied von unverstandnen Menschheitsfragen. Ritt zu den Steinen – Im goldnen Sonnenstaub erfahrt der Tag von aufgetürmten Steinen, daß Männer manchmal zornig weinen, weil Stolz allein kein Kind ernährt, doch Mundraub in bewachten Hainen. Das angepflockte Grautier schreit an ausgetrockneter Zisterne – Aus in den Fels gekerbter Feme schickt blaues Meer gedehnte Zeit nutzlos wie Nüsse ohne Kerne. Der rote Distelabend bringt erschöpft zentaurengleich verbunden zurück die Kreatur voll Wunden dorthin, wo sie sich bald verdingt der Nacht und ihren Fragestunden. Manfred Bosch: Aphorismen Künftige Ereignisse werfen ihre Schatten- Was bleibt seiten voraus. Was bleibt Wieso führt man eigentlich geheime ist vom Kaffee Wahlen durch, wenn ihre Ergebnisse hinter­ der Satz her doch bekanntgegeben werden? in der Tasse Die Wäsche macht die Waschmittelrekla­ Vom Essen me nicht mehr mit. Sie hat sich im Garten der erkaltete erhängt. Der Wahrheit eine Gosse! Rest Von der Liebe die Erinnerung Das Maß aller Dinge ist: voll. Vom Schreiben Manches Buch reißet seine Umschlag­ die Tinte am Finger klappe bis hinter die Eselsohren auf. Fragen kostet nichts. Die Antworten sind dementsprechend. Seinen Nächsten lieben kann jeder. Aber was ist mit allen anderen? Auf die man zählen kann, die kann man zählen. 253

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Rainer Gutknecht wurde vom Kreis­ tag am 6. 7.1981 auf weitere 8 Jahre als Land­ rat des Schwarzwald-Baar-Kreises wieder­ gewählt. Von 51 abgegebenen gültigen Stim­ men entfielen 43 auf den bisherigen Amts­ inhaber (3 Neinstimmen, 5 Stimmenthaltun­ gen). Die neue Amtszeit begann am 1. 10. 1981. N euer Bürgermeister in Schönwald. Bei der Neuwahl am 14. Dezember 1980(2. Wahl­ gang) wurde Hans-Georg Schmidt, Gemein­ deinspektor aus 7031 Grafenau, auf die Dauer von acht Jahren zum Bürgermeister der Gemeinde Schönwald im Schwarzwald ge­ wählt. Er erhielt rund 55 v. H. der abge­ gebenen gültigen Stimmen. Die Wahlbeteili­ gung lag bei rund 75 v. H. H.-G. Schmidt hat seinen Dienst am 1. 2.1981 angetreten. Der seit 1. Januar 1976 tätige ehrenamt­ liche Kreisjugendpfleger, Pfarrer Bernhard Eichkorn, ist aus diesem Amt ausgeschieden. Pfarrer Eichkorn, dem 1957 die Pfarrei Unter­ kimach übertragen wurde, hat Ende Oktober 1980 einen neuen Wirkungskreis in Meß­ kirch übernommen. Neuer ehrenamtlicher Kreisjugendpfleger wurde Bezirksjugendpfarrer Wolfgang G ehring aus Bad Dürrheim-Oberbaldingen. Er hat aml.Januar 1981 sein Amt angetreten. Kreisbrandmeister KurtHog ist am17.Ap­ ril 1981 bei einer Fahrt zu einer Brandstelle tödlich verunglückt. Hog war seit 1962 stell­ vertretender Kreisbrandmeister und seit 1966 Kreisbrandmeister des ehemaligen Land­ kreises Villingen. Im neuen Schwarzwald­ Baar-Kreis übte er die Tätigkeit als Kreis­ brandmeister bis zu seinem Tode aus. Durch große Sachkenntnis und unermüdlichen Einsatz hat Kurt Hog _große Verdienste 254 daran, daß die Feuerwehren im Kreisgebiet einen beachtlichen technischen Stand aufweisen. Gute Nachbarschaft mit dem Kanton Schaflhausen unterhält der Schwarzwald­ Baar-Kreis. Im Rahmen der jährlich einmal stattfindenden Begegnung besuchte am 17. Sep­ tember 1980 Regierungsrat Bernhard Stamm mit einer kleinen Delegation den Schwarz­ wald-Baar-Kreis. Leitthema war die Land­ schaftspflege und der Naturschutz im Schwarzwald-Baar-Kreis. Den Gästen wurden anhand ausgewählter Beispiele Pro­ bleme an Ort und Stelle veranschaulicht. Die beiden Naturschutzbeauftragten, die Herren Heneka und Dr. Köllner, verstanden es vorzüglich, den Gästen die im Einzelfall zu Interessenkonflikte näherzubringen. Auch Forstpräsident Lauter­ wasser von der Forstdirektion Freiburg nahm an der Besichtigungsreise, die vom Süden in der Wutachflühe bis zum Norden auf den Rohrhardsberg führte, teil. entscheidenden Bundessieger im Fach Mathematik. Im Bundeswettbewerb „Mathematik 1980″ er­ rang einen ersten Preis in der zweiten Runde 1980 der Hüfinger Gymnasiast Winfried Baum, Schüler des Fürstenberg-Gymnasiums in Donaueschingen. Bereits beim Landes­ wettbewerb Baden-Württemberg im Früh­ jahr 1980 schaffte der Schüler den ersten Preis, der mit 70 Mark vom Land und mit 500 Mark vom DonaueschingerGymnasium dotiert ist. Bundessieger der Handwerksjugend wurden beim Leistungswettbewerb 1980 der Handwerksjugend: eine junge Dame und acht junge Männer aus dem Kammerbereich Konstanz. Sie kommen aus den Landkreisen

Gute Kontakte gibt es seit Jahren zwischen dem Rheinisch-Bergischem Kreis und dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Orden, Medaillen Schwarzwald-Baar (Max Holweger vom des Rheinisch-Bergischen Kreises und des Schwarzwald-Baar-Kreises fuhr eine kleine Metzger Haller im Stadtbezirk Schwennin­ Delegation aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis gen, die Verkäuferin Anita Maclc aus der vom 30. September bis 3. Oktober 1980, an Konditorei Stollin Furtwangen und der Stuk­ der auch Landrat Dr. Gutknecht und Schul­ kateur Günter Kaiser aus Triberg}, Tuttlingen amtsdirektor Bucher teilgenommen haben, und Konstanz. Aus der Hand des Bundes­ in den Rheinisch-Bergischen Kreis. Es wurden präsidenten konnten sie die Siegerurkunden mehrere Sonderschuleinrichtungen be­ entgegennehmen. sichtigt. Manche Anregung für die eigene Arbeit konnte mitgenommen werden. Die gegenseitigen Beziehungen auf diesem Gebiet sollen auf pädagogischer Ebene weiter In Fortsetzung der im Jahre 1980 aufgenom­ vertieft werden. menen Verbindung zwischen den Sonder­ schulen für Geistig-und Körperbehinderte Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seitJuli1980 ausgezeich­ net: a)mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: (Die Abkürzungen bedeuten: VM=Verdienstmedaille, VK a.B.=Verdienstkreuz am Bande} VKa.B. Becherer, Otto Villingen-Schwenningen Dold, Herbert VKa.B. Schönwald Dr. Gebauer, Gerhard VKa.B. Villingen-Schwenningen Graf, Alexander VKa.B. Bad Dürrheim Kaukel, Babette VM VKa.B. Villingen-Schwenningen Küpper, Willi Bräunlingen Lehmann, Karl VKa.B. Villingen-Schwenningen Reich, Karl VKa.B. Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Reichelt, Günther VKa.B. Donaueschingen Rimmele, Emil VKa.B. Schönwald Schmid, Adolf VKa.B. Bräunlingen Schunk, Horst-Werner VKa.B. Villingen-Schwenningen Späth, Lotti VKa.B. Villingen-Schwenningen b}mit dem Großen Verdienstkreuz: Weissenberger, Otto Bad Dürrheim c}mit der Theodor-Heuss-Medaille: Donaueschingen Bühler, Hansjürgen d)mit der Zelter-Plakette: Gesangverein „Concordia“ Vöhrenbach Männerchor Liederkranz 1881 e. V. St. Georgen 27. 08.1980 28. 10.1980 26. 11.1980 04. 02.1981 26. 01. 1981 15. 12.1980 27. 04.1981 30. 04.1981 19. 09.1980 13. 01.1981 13. 10.1980 30. 04.1981 28. 07.1980 30. 05. 1981 11. 02. 1981 29. 03. 1981 29. 03.1981 255

Ausländer in Zahlen Stand: Ausländerbetreuungsprogramm 1981 •Jeder 9. Einwohner im Schwarzwald-Baar-Kreis ist ein Ausländer ( das sind bei insgesamt 200000 Einwohnern 22000 Ausländer). • Die häufigsten Nationalitäten sind: 32 % Spanier Jugoslawen 5,1 % 2ll,1% Griechen 3,6% Türken 23,4% Sonstige 11,8% Italiener • Der Ausländeranteil in den Gemeinden beträgt wie folgt: 5 % Bad Dürrheim Mönchweiler 11 % 6 % 12 % Niedereschach Blumberg St. Georgen 13 % Bräunlingen 14% 7 % Schönwald 3 % Brigachtal Dauchingen Schonach 5 % 9% Triberg Donaueschingen 7 % 10 % Tuningen 10 % Furtwangen 11 % 4 % Unterkimach 11 % Gütenbach 9 % Villingen-Schwenningen 14% Hüfingen 5 % Königsfeld Vöhrenbach 15 % • Jedes 4. Neugeborene ist ein Ausländerkind. • Der Anteil der ausländischen Schüler sieht in etwa wie folgt aus: 2 % bei Grundschulen 15,5% bei Gymnasien 14,5% bei Sonderschulen 14,8% bei Hauptschulen 3,3% bei beruflichen Schulen 5,3% bei Realschulen • Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist etwa jeder 7. Arbeitnehmer ein ausländischer Erwerbs­ tätiger.* eEtwa 75% aller ausländischen Erwerbstätigen arbeiten in Industriebetrieben mit 20 und mehr Beschäftigten.* • Die höchste Anzahl an ausländischen Arbeitnehmern finden wir* -in der Elektroindustrie in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten -und in den Gemeinden Villingen-Schwenningen und St. Georgen. * Erhebung 1978 256

Bevölkerungsentwicklung 773 7 Bad Dürrheim 7712 Blumberg 7715 Bräunlingen 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen 7743 F urtwangen 7741 Gütenbach 7713 Hüfingen 7744 Königsfeld 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen 7741 Schönwald 7745 Schonach 77 40 Triberg 7201 Tuningen 7731 Unterkimach 7730 Villingen-Schwenningen 7741 Vöhrenbach Kreisbevölkerung 1. 1. 1980 10.020 10.144 5.567 4.733 2.638 17.706 10.705 1.470 6.085 5.383 3.028 4.263 15.261 2.466 4.947 6.467 2.286 2.483 78.465 4.307 198.424 10.196 + 176 10.223 + 79 5.580 + 13 4.779 + 46 2.672 + 34 17.762 + 56 10.689 16 1.485 + 15 6.207 + 122 5.439 + 56 3.009 19 4.322 + 59 15.273 + 12 2.472 + 6 4.968 + 21 6.365 102 + 36 2.322 2.580 + 97 78.904 + 439 4.323 + 16 199.570 + 1.146 1. 1. 1981 Verändeongen in Zahlen in 0/o + 1,8 + 0,8 + 0,2 + 1,0 + 1,3 + 0,3 -0,1 + 1,0 +2,0 + 1,0 -0,6 + 1,4 + 0,08 + 0,2 + 0,4 -1,6 + 1,6 + 3,9 + 0,6 + 0,4 + 0,6 Ergebnisse der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 im Wahlkreis Nr. 190 Schwarzwald-Baar Wahlberechtigte Wähler 136.136 116.244 (85,390/o) darunter mit Wahlschein 14.132 (12,160/o) davon Briefwähler 13.624 (11,720/o) ungültige Erststimmen gültige Erststimmen davon für 1. Dr. Häfele, Hansjörg 2. Erler, Brigitte CDU SPD 3. Liebich, Werner FDP/DVP 4. Roller, Michael DKP 1.713 ( 1,470/o) 114.531 (98,530/o) 63.493 (55,440/o) 39.848 (34,790/o) 7.920 ( 6,910/o) 159 ( 0,140/o) 5. Bruttel, Alfred GRÜNE 6.- 3.055 ( 2,670/o) 7. Kneer, Thomas Erich KBW ungültige Zweitstimmen gültige Zweitstimmen davon für 1. CDU 2.SPD 3. FDP/DVP 4.DKP 5.GRÜNE 6. EAP 7. KBW 8.NPD 9. Verschiedene 56 ( 0,050/o) 1.393 ( 1,200/o) 114.851 (98,800/o) 58.838 (51,230/o) 40.692 (35,430/o) 12.522 (10,900/o) 100 ( 0,090/o) 2.184 ( 1,900/o) 24 ( 0,020/o) 29 ( 0,020/o) 444 ( 0,390/o) 18 ( 0,020/o) Wahlkreisabgeordneter: Dr. Hansjörg Häfele (CDU) 257

Farbreproduktionen und Foto-Nachweis Die Farbreproduktion auf der Titelseite zeigt die Ruine Waldau (siehe dazu auch den Beitrag „Burg Waldau“ Seite 177f.). Die Rückseite des Alma­ nach 82 schmückt eine Schwarzwälder Rahmen­ Wanduhr. Sie zeigt Schwenningen um 1859. Unter einem Glas im schmalen Rahmen umfaßt ein Goldrahmen das bemalte Blechschild. Es zeigt im unteren Teil zwei Burschen in Schwen­ ninger Tracht mit Sense und zwei Mädchen in Schwenninger Hippentracht mit Sichel und Harke; im Hintergrund sieht man die Gebäude der Saline Wilhelmshall, die in Schwenningen von 1823 bis 1865 bestand. Das Schild ist signiert 1859 und wurde gemalt von Johannes Jauch, damals Zeichenlehrer an der Schwenninger Fort­ bildungsschule. Im oberen Teil des Schildes ist das Emailzifferblatt mit zwei Schlüsselaufzügen. Das Federzugwerk in massiven Messing-Platinen hat Anker-Hemmung, Faden, Pendelaufhängung und zwei Zugfedern in Federhäusern. Den Schlag auf einen Rundgong löst ein Hebnägelrad aus, eine Schloßscheibe steuert die Schlagdauer. Auf der linke� Werksseite befindet sich ein Schnur­ zug, der die Schlagwiederholung (Repetition) aus­ löst. Bildautor jeweils German Hasenfratz, Hüfingen. 258 Foto-Nachweis für die Aufnahmen im Innern des Jahrbuches (Die Zahlen nach der Autor­ Angabe beziehen sich auf die jeweiligen Text­ seiten): German Hasenfratz: 15, 2� 107, 154, 155, 165, 219. -Helmut Ulbrich, Bad Dürrheim: 4, 5, 199. – Bildarchiv KNA Freiburg: 14, 17. – Lorenz Honold: 19, 21, 24, 28, 29, 113, 129, 130, 131, 156, 175, 213. -Archiv Pfarrer Paul Sumser, Freiburg: 23, 24. -Foto Carle, Triberg: 54, 55, 77, 141. – Herbert Dold, Schönwald: 61, 176. – Gerd Steinbach: 65, 178. – Klaus-Peter Friese: 70. -E. Lohrer, Keplerstr. 46, Heidelberg: 72. – Hans-Eberhard Meier: 84. – DRK-Bildarchiv Qakob): 88. – Rosemarie v. Strombeck: 91. – Fred Hugel, Villingen: 117, 149, 188, 189. – Wilfried Dold, Vöhrenbach: 120, 121. – Berthold Haas: 132, 134, 135. – Luftdienst Günther Sokolowski, Konstanz: 137. – Gerhard Kiefer: 139, 207. -Foto Grill, Donaueschingen: 145, 146, 191, 192, 193. – Erich Breitsprecher, Bad Dürr­ heim: 152. -Atelier Brotz, Schwenningen: 153, 155. -Archiv Christian Baumann: 158, 159, 161.­ Ragni Wechterstein: 162, 163. – Walter Fritz: 171, 172, 173. -Archiv Erwin Kaiser: 201, 203. – Foto Waimer, Blumberg: 205. -Marga Schubert: 209. – Hans Freudenberger: 215, 217. – Süd­ kurier-Archiv (W. M.): 227, 228. – Bei Bildern, die in dem obigen Nachweis nicht berücksichtigt sind, handelt es sich um Privataufuahmen und um Bilder ohne erkennbare Autorangaben.

Die Autoren unserer Beiträge Astfäller, Dr.Josef, Landrat i. R., Am Warenberg 3, 7730 Villinge n-Schwenningen Baumann, Christian, Grünmattenstraße 23, 7813 Staufen Bettecken, Dr. med. Friedrich, Kinderklinik der Städt. Krankenanstalten, 7730 Villingen-Schwenningen Benzing, Dr. Alfred, Staufenstraße 62, 7730 Villingen-S chwenningen Bosch, Manfred, Schriftsteller, Neumattenweg 30, 7888 Rheinfelden Brommer, Bernhard, Schriftsteller, Fürstenbergring 9, 7730 Villinge n-Schwenningen Burger, Sigrid, Dipl. rer. oec., Homwald 3, Schonach Burkhardt, Heinz, Zinzendorfplatz 3, Königsfeld Dietl, Dr. Reinhold, An der Hammerhalde 57, 7730 Villingen -Schwenningen Dold, Herbert, Hauptstraße 19, 7741 Schönwald Dold, Wilfried, Redakteur, Schützenstraße 11, 7741 Vöhrenbach Egberdt, H. G., Dipl.-Volkswirt, Handwerkskammer, 7750 Konstanz Fischer, Hans-Werner, Schillerstraße 68, 7230 Schramberg Fischer, Otto K., Pfarrer, Ludwigstraße 12, 7737 Bad Dürrheim Fleck, Norbert, Hegaustraße 4, 7200 Tuttlingen Fleig, Oskar, Schulstraße 17, 7740 Triberg Fleig, Rudolf, Birkenweg 8, 7740 Triberg Frank, Hans, Bürgermeister i. R., St.-Blattmann-Straße 10,.7743 Furtwangen Freudenberger, Hans, An der Hammerhalde 34, 7730 Villingen-Schwenningen Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 7730 Villingen-Schwenningen Fritz, Dr. Walter, Steinäckerstraße 5, 7717 lmmendingen-Zimmem Fuchs, Dr. Josef, Stadtarchivar, Steinkreuzweg 8, 7730 Vi II ingen-Schwenningen Gramsch, Rüdiger, An der Fehni 11, 7820 Titisee-Neustadt Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 Vi llingen-Schwenningen Haas, Berthold, Regierungsbaumeister, Postfach 78, 7742 St. Georgen Haberer, Professor Kurt, Stephanienstraße 51 a, 7500 Karlsruhe 1 Hamm, Werner, Albrecht-Dürer-Straße 12, 7745 Schonach Hawner,Johannes, An der Schelmengaß 14, 7730 Villingen-Schwenningen Heckmann, Heinz, Friedrichstraße 35 a, 7737 Bad Dürrheim Heidinger, Werner, Geschwister-Scholl-Straße 22 a, 7710 Donaueschingen 259

Heinrich, Helmut, Schulamtsdirektor i. R., Waldhauser Straße 12, 7730 V i II i n g e n-Schwenningen Henkell,Jürgen, Schriftsteller, Buchbergstraße 3, 7712 Blumberg Hofmann, Klaus, Direktor, Hofstraße 13, 7737 Bad Dürrheim Honold, Dr. Lorenz, Redakteur i. R., Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber, Dr. Ema, Alte Wolterdinger Straße 31. 7710 Donaueschingen Huonker, Christian, Niederwiesenstraße 58, 7730 Vi llingen-Schwenningen Kaiser, Erwin, Hotelier i. R., Rietstraße 14, 7730 Vi l l i n g en-Schwenningen Kiefer, Gerhard, Redakteur, Alemannenstraße 13, 7715 Bräunlingen Kirchheimer, Professor Dr. Franz, Gerbertstraße 1, 7800 Freiburg Klingele, Otto-Heinrich, Schriftsteller, Sparkassenstraße 7, I-39100 Bozen/Südtirol Kubach, Dr. Rudolf, Hauptgeschäftsführer, Kronengasse 14, 7730 Vil l i n g en-Schwenningen Kübler, Gerhard, 7035 Waldenbuch Lauffer, Günter, Bürgermeister, Sommerauer Straße 52, 7742 St. Georgen Linde, Prof. Dr. h.c. Horst, Schlierbergstraße 33, 7800 Freiburg Maileis, Konrad, Kraftwerk Laufenburg, 7887 Laufenburg Mehne, Dr. Rolf, Oberstudiendirektor, Frühlingshalde 6, 7730 Villingen-Schwenningen Meier, Dr. Hans Eberhard, Ludwig-Kirsner-Straße 7, 7710 Donaueschingen Merkle, Rudolf, Bahnhofstraße 6, 7730 Vi l l i n g en-Schwenningen Mertens, Margarete, Vöhrenbacher Straße 15 b, 7730 Vi llingen-Schwenningen Moser, Jürgen, Brunnenweg 10, 7710 Donaueschingen Page,Jürgen, Landesdenkmalamt-Außenstelle Freiburg, Colombistraße 4, 7800 Freiburg i. Br. Presley, Petra, Postfach 1967, 7730 Villingen-Schwenningen Pfannkuchen, Gerlinde, Redakteurin, Auf der Breite 19, 7201 Tuningen Rieple, Max {t), Schriftsteller, Max-Egon-Straße 2, 7710 Donaueschingen Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Beethovenstraße 13, 7741 Schönwald Roskothen, Dr. Ernst, Finanzpräsident i. R., Breslauer Straße 7, 7737 Bad Dürrheim Sauer, Präsident Prof. Dr. Kurt, Albertstraße 5, 7800 Freiburg Schäfer, Karl Rudolf, Redakteur, Eckener Straße 8, 7730 Villingen-S eh w e n n inge n Schmidt SJ, Pater Stefano, Via Aurelia 527, Roma (Citta del Vaticano) Schnibbe, Professor Klaus, Fachhochschule, Gerwigstraße 11, 7743 Furtwangen Schubert, Marga, Redakteurin, Ginsterweg 96, 7742 St. Georgen-Brigach Schubert, Dr. med. Wolfgang, Hauptstraße 10 a, 7741 Schönwald Siek, Daniela und Friederike, Goethestraße 8, 7733 Mönchweiler Steinbach, Gerd, Redakteur, Kantstraße 10, 7730 Villingen-S c h w e n n in gen Steiner, Rolf, Schriftsteller, Alemannenstraße 21, 7730 Vi II i n g e n-Schwenningen Strombeck, Rosemarie Frfr. v., Redakteurin, Abendtal 20, 7732 Niedereschach-Fischbach Sumser, Paul, Pfarrer, Hans-:Jakob-Straße 67 ,7800 Freiburg Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Weber, Bruno, Oberstudiendirektor, Villinger Straße, 7732 Niedereschach Wechterstein, Ragni, Ebersteinhof 18, 7735 Dauchingen Weckerle, Karl, Obere Straße 30, 7730 Vil l i n g en-Schwenningen Wehrle, Raimund, Haldenweg 1, 7741 Schönwald Weidhaas, Horst, Waldstraße 35, 7730 Vi 11 inge n-Schwenningen Wintermantel, Ferdinand, Dögginger Straße 17, 7715 Bräunlingen Willebrands,Johannes, Kardinal, Erzbischof von Utrecht, Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen, Malieban 40, Utrecht/Niederlande Willimski, Paul, Oberschulrat, Scheffelstraße 131, 7712 Blumberg Winkler, Ekkehard, Redakteur, Vor Weiden 19, 7712 Blumberg Ziegler, Horst, Bürgermeister, Am Doniswald 4 a, 7744 Königsfeld Zolk,Josef, Kanzleigasse 30, 7730 Vi llingen-Schwenningen 260

Inhaltsverzeichnis Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Jugend/Geleitwort von Landrat Dr. Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Der Schwarzwald-Baar-Kreis – Eine Zwischenbilanz/Rainer Gutknecht Umzug der Kreisergänzungsbücherei/Hans-Werner Fischer Der Landkreis auf der Südwestmesse/Jürgen Moser Das Kulturwerk für Südtirol/Joseph Astfäller Vor 100 Jahren geboren: Kurienkardinal Bea Erinnerungen an Kardinal Bea/Johannes Kardinal Willebrands Ein großer Geist in einem schwachen Körper/Pater Stephan Schmidt SJ Der Kardinal, der aus der Stille kam/Lorenz Honold Kardinal Bea in Riedböhringen/Pfarrer Paul Sumser Die Kardinal-Bea-Feier 1981/Ekkehard Winkler Unsere Städte und Gemeinden Schönwald im Schwarzwald/Emil Rimmele Das Wappen der Gemeinde Schönwald/Klaus Schnibbe Königsfeld – liebenswert/Horst Ziegler Der Gottesacker in Königsfeld/Heinz Burkhardt Königsfeld – eine Anlage des frühen 19.Jahrhunderts/Jürgen Page Blumberg: Alte und neue Stadtrechte/Jürgen Henckell Furtwangen – Universitätsstadt auf Zeit/Hans Frank Der Furtwanger in Philippsburg/Johann Peter Hebel 1200 + 6 Jahre Achdorf/Jürgen Henckell Das DorfGremmelsbach/Karl Volle Norbert Fleck: Gedichte 2 3 4 4 6 9 11 14 14 17 19 22 25 27 27 30 31 33 35 44 46 so 52 53 57 261

Industrie, Handel, Handwerk Die Industrie- und Handelskammer/Rudolf Kubach Nicht alle Uhren sind Kuckucksuhren/Raimund Wehrle Präzisionsventile für die Automobilindustrie Vom Handzähler bis zur Elektronik/Gerd Steinbach Betriebliche Ausbildung sichert die Zukunft/Horst Weidhaas Akademie des Handwerks- für wen?/H. E. Egbert 70 Jahre Bäckerei Hoch in Villingen/Klaus-Peter Friese Die Besten des handwerklichen Nachwuchses Postwesen, Energieversorgung Die Postversorgung im Schwarzwald-Baar-Kreis/Rudolf Merkle Elektrizitätsversorgung im Schwarzwald/Rudolf Fleig Strom über die Energie-Versorgung Schwaben AG/Bernhard Kühler Elektrizität durch das Kraftwerk Laufenburg/Konrad Maileis Landwirtschaft und Tierzucht Neue Träger der Jungviehweiden/Hans-Eberhard Meier 90 Jahre Ortsviehversicherung/Heinz Heckmann Heilkunde, Gesundheitswesen, Kurseelsorge Abholdienst für gefährdete Neugeborene/Dr. med. Bettecken Der Rettungshubschrauber „Christoph 11″/ Rosemarie v. Stromheck Schönwald und seine Klimatherapie/Dr. med. Wolfgang Schubert Heilende Bodenschätze Bad Dürrheims/Prof. Dr. Kurt Sauer Diakonie im Schwarzwald-Baar-Kreis/Margarete Mertens Evangelische Kurseelsorge Bad Dürrheim/Otto K. Fischer Katholische Kurseelsorge in Bad Dürrheim Schulen, Bildungseinrichtungen Das Gymnasium am Deutenberg/Rolf Mehne Entwicklung des beruflichen Bildungswesens/Bruno Weber Erwachsenenbildung in katholischer Trägerschaft!JosefZolk Geschichte, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Das Kloster St. Gallen und die Baar/Lorenz Honold Die Franziskaner in Villingen/Josef Fuchs Wenn das Orchestrion spielte .. ./Wil&ied Dold Das bergbauliche Hoheitszeichen am „Haus des Gastes“ /Franz Kirchheimer Vom Zehntwesen und den Zehntscheuem/Paul Willimski Die Heimat in Farben/8 Seiten Bildeinlage Denkmalpflege, Stadtsanierung Die Pfarrkirche zu Riedböhringen in neuem Glanz/Ema Huber Der Reinertonishof in Schönwald/Schwarzenbach/Berthold Haas Schwenningens neue Mitte/Karl Rudolf Schäfer F. F. Sennhof- Geschichte und Gegenwart/Gerhard Kiefer Geschichte eines Denkmals in Triberg/Horst Linde Kunst und Künstler, Musik und Theater Die Peter-Thumb-Kirche in Mundelfingen/Lorenz Honold 262 58 58 61 63 64 66 68 69 71 72 72 77 79 81 84 84 86 88 88 89 92 94 97 98 102 104 104 106 108 112 112 1 16 119 122 124 128 129 129 132 136 139 141 143 143

Das Vesperbild des Villinger Heilig-Geist-Spitals/Josef Fuchs Der Maler und Grafiker Richard Ackermann/Helmut Heinrich Vom Vater her … (Alice Roskothen-Scherzinger)/Lorenz Honold Furtwanger Maler des Biedermeier/Christian Baumann Er redet mit Menschen … (Dietrich von Knobloch)/Ragni Wechterstein 350 Jahre Stadtmusik in Hüfingen/Lorenz Honold Das Naturtheater in Mundelfingen Johannes Hawner: Gedichte Landschaftsschutz, Kultur- und Naturdenkmäler Magdalenenberg und Tannhömle bei Villingen/Walter Fritz Das Schwarzenbach- und Weissenbachtal/Emil Rimrnele Burg Waldau Im romantischen Neckartäle/Gerd Steinbach Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Wemer Heidinger Alpen-Fernsicht aus der Kreisstadt Volkskunde, Brauchtum, Mundart Die historischen Villinger Fasnet-Figuren/Christian Huonker Die Häsmaler in Bräunlingen/Ferdinand Wintermantel Ein Wort zur Schwenninger Mundart/RolfMehne Alemannisches Wörterbuch der Raumschaft Triberg/Oskar Fleig Stätten der Gastlichkeit und Entspannung Der Hänslehof/Klaus Hofmann 441Jahre „Blume“ und „Blume-Post“ zu Villingen/Erwin Kaiser „Haus des Gastes“ in Achdorf!Jürgen Henckell Das Erholungszentrum Riedsee/Gerhard Kiefer Schwarzwälder Hofmühlen als Urlaubsdomizil/Marga Schubert Abschied vom Parkhotel „Kreuz“/Gerlinde Pfannkuchen Gästebücher scheffelweise/Jürgen Henckell Sport und Freizeit Von der Jagd auf den Auerhahn/Hans Freudenberger Surfen – den Wind in den Händen/Sigrid Burger 95 Jahre Radsport in Villingen-Schwenningen/Karl Weckerle Persönlichkeiten der Heimat Erdwissenschaftler aus Leidenschaft (Willi Paul)/Kurt Sauer Dipl.-Ing. Dr. rer. pol. Wilhelm Binder/Reinhold Dietl Christian Mauthe/Rüdiger Gramsch Altbürgermeister Emil Riemensperger/Günter Lauffer Otto Weissenberger -Mann und Werk/Kurt Haberer Professor Dom Clemente Maria da Silva-Nigra/Wemer Hamm Norbert Fleck: Gedichte In memoriam Max Rieple … und es lohnt sich doch Bilanz der Sinne … Sprachlos … Eulenspiegeleien … Nur ein Lächeln? … Der Dichter und Mensch im Spiegel der Nachrufe 147 150 152 157 162 164 169 170 171 171 174 177 178 179 185 188 188 190 195 197 198 198 199 204 206 209 210 212 215 215 218 220 222 222 224 227 228 230 232 234 235 235 237 238 240 263

Unsere Dichter und Schriftsteller Ernst Roskothen: Weihnachtsmärchen 1980 Ernst Roskothen: Die steinerne Bank Scheffels Einkehr in der „Krone“ zu Hüfingen/Rolf Steiner Bernhard Brommer – Modeme Lyrik Aus der Gedichtfolge „Fußgängerzone“/Jürgen Henckell Aus der Gedichtfolge „ Trinakria im Licht“ /Jürgen Henckell Manfred Bosch: Aphorismen Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Ausländer in Zahlen Bevölkerungsentwicklung … Ergebnisse der Bundestagswahl Farbreproduktionen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis Preisrätsel 1982 (Einlage) 242 242 244 246 249 250 252 253 254 254 255 256 257 258 259 261 264