Almanach 1983

Almanach83 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 7. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Dr. Lorenz Honold, Redakteur Helmut Heinrich, Schulamtsdirektor i. R. Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen 1

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanachs 1983 Dr. Peter Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Pross, VS-Pfaffenweiler Karl Riegger KG, Straßenbau, Bad Dürrheim Riegger + Burry OHG., Hochbau, Bad Dürrheim Anna Rieple, Scheffel-Apotheke, Donaueschingen Dr. Ernst Roskothen und Frau Alice, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Alte Wol­ terdinger Straße 13a, Donaueschingen Dr. med. Erich Ruch, Schulstraße 17, Triberg Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt des Städt. Krankenhauses Furtwangen Karlhans Schweizer, Ingenieurbüro für Bauwesen, Ach­ dorfer Straße 29, Blumberg SEWO Wohnungsgesellschaft Seemann GmbH & Co. KG, Auf der Steig 6, Villingen-Schwenningen S. Siedle & Söhne, Telefon-und Telegrafenwerk GmbH, Furtwangen Fanny Simmler-Gramlich, Bundesstraße Ja, St Georgen Franz Singer, lnh. E. Ettwein, Papier-und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Hotel Sonne, Inh. H. Mönch, Karlstraße 38, Donau­ eschingen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Tri­ berg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und 40 weiteren Geschäfts­ stellen Josef Straub Söhne GmbH, Bräunlingen Dr. med. dent Theo Striegel, Furtwangen Werkgemeinschaft FSM, Viehoff + Rolf u. Partner, Freie Architekten, Scheffelstraße 2, Freiburg Villinger Volksbank eG, Villingen-Schwenningen Wehrle Uhrenfabrik GmbH, Schönwald Weisser Wintermaschinen GmbH, Bräunlingen Buchhandlung F. K. Wiebelt, Villingen-Schwenningen Dr. Fritz Wilke, Orthopäde, Niedere Straße 9, Villingen­ Schwenningen Fr. Winkler KG, Spezialfabrik für Bäckereimaschinen und Backöfen, Villingen-Schwenningen Dr. med. Karl Zäbisch, Hermann-Fischer-Allee 20, Donaueschingen Dr. med. Claus Zetzschc, Augenarzt, Unterkirnach Udo Zier GmbH, Furtwangen 8 weitere Freunde und Förderer des Almanachs wünsch­ ten nicht namentlich genannt zu werden. Albert-Schweitzer-Klinik, Fachklinik für Herz-Kreislauf­ und Atemwegserkrankungen, Parkstraße 10, Königsfeld Möbel-Amann KG., Vöhrenbach Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villin­ gen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Blumberg Bezirkssparkasse Donaueschingen Bezirkssparkasse Furtwangen Georg Birkle, Architekt, Katzstraße 6, Konstanz Franz Blaser, freier Architekt, Villingen-Schwenningen Ingenieurbüro Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen­ Schwenningen Dr. Erich W. Burrer, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik -St.-Georg-Krankenhaus -Bad Dürrheim Dialyse-Institut, Villingen-Schwenningen Dresdner Bank AG., Filiale Villingen-Schwenningen Dr. Ernst Eisenmann, Steuerberater, Bahnhofstraße 52, St Georgen Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH Claus Eller, Zahnarzt, Vöhrenbach Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen­ Döggingen Lars Frykman, Kantstraße 28, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg Walter Glatz, Architekt, Scheffelstraße 128, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Bodelschwinghstraße 22, Donaueschingen Dr. med. Wyldbore H. Heister, Ferienwohnungen, Doktorhaus Luisenruhe, Friedrichstraße 14, Königsfeld Kienzle Apparate GmbH, Prinz-Eugen-Straße 20/25, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Kur-Apotheke, Apothekerin Ingeborg Be.rwanger, Schönwald Dr. Josef Kury, Zahnarzt, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villingen-Schwenningen B. Lang,Furtwangen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, Villingen-Schwenningen Leopold Meßmer, Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen Kuno Moser GmbH, Unterkimach Dr. Peter Munding, Zahnarzt, Baumannstraße 27, Furt­ wangen Dr. med. Paul Obergfell, Leopoldstraße 21, Villingen­ Schwenningen Helmut Ochs, fr. Architekt, Blumberg-Hondingen 2

Heimat und Ordnung Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1983 zum Geleit Heimat und Ordnung, dieser Leitgedanke findet sich in den „Begegnungen“ von CarlJ. Burckhardt. An die Heimat und Ordnung erinnerte sich der weitgereiste Schriftsteller in der Fremde. In die Heimat zurückgekehrt, kam ihm diese eng und schier unerträglich vor. Es wird nicht wenige geben, die die Beziehung zwischen Heimat und Ordnung in Frage stellen möchten. Haben heute Familie und Schule noch die prägende Kraft zur Ordnung wie früher? Der Einfluß der Medien schon in frühester Jugend, insbesondere des Fernsehens, wirkt sich nicht unbedingt positiv aus. Die Wertvorstellungen von früher gelten heute vielfach nicht mehr. Wird das Wort Ordnung heute nicht oft mit innerem Widerstand aufgenommen, wo doch die persönliche Freiheit nicht eingeengt werden möchte? Hinzu kommt, daß die äußeren Lebensbedingungen der Stärkung des Heimatgedankens nicht gerade förderlich sind. Asphalt und Beton verändern oft schneller als uns lieb ist die vertraute heimatliche Umgebung und zerstören sie. Heimat und Ordnung-können uns diese Worte also nichts mehr bedeuten? Mir scheinen sie dennoch des Nachdenkens wert zu sein. Die Wiederentdeckung des Wertes der Heimat beweist doch, daß wir ohne bodenständige Verbindung entwurzelt sind. Was die Ordnung betrifft, kann uns die überlieferte und vielleicht noch unversehrte Ordnung durchaus eine Hilfe bedeuten. Es liegt an uns, ob wir sie so in unser Leben einbauen, daß sie nicht als eng und unerträglich empfunden wird. Der Verlust der Ordnung bedeutet Heimatlosigkeit. In diesem Sinn möchten die jährlichen Ausgaben des Almanachs die Worte Heimat und Ordnung wiederbeleben. Der Jahrgang 1983 bringt wieder eine große Zahl von Beiträgen, die viel Wissenswertes über den Schwarzwald-Baar-Kreis enthalten. Es ist die Absicht von Redaktion und Herausgeber, daß dadurch die innere Verbindung zu unserer engeren Heimat gestärkt wird. Dank sei gesagt an alle, die am Almanach 83 mitgewirkt haben, besonders auch den Freunden und Förderern, die uns wiederum mit großzügigen Spenden bedacht und dadurch eine preiswerte Herstellung unseres Heimatjahrbuches ermöglicht haben. Ich wünsche, daß auch die 7. Folge unseres Heimatjahrbuches den Weg zu unseren Freunden aus nah und fern finden und die Verbindung, die wir schon mit den voraus­ gegangenen Auflagen geknüpft haben, noch weiter vertiefen möge! Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1982 Der Schulbau steht weiter im Vordergrund In den Jahresberichten der vergangenen Jahre wurde auf die hohen Ausgaben des Landkreises im Schulbereich hingewiesen. Auch irnJahr1982 nahmen wir wieder große Investitionen für Neu-und Erweiterungs­ bauten vor: ImJanuar1982 wurden die neuen Räume der Kaufmännischen und Gewerb­ lichen Schulen im Stadtbezirk Schwen­ ningen eingeweiht. Mit dem Neubau der Turnhalle wird noch in diesem Jahr begonnen werden. Im Herbst 1982 wird der Erweiterungsbau der Gewerblichen Schulen in Donaueschingen feierlich eröffnet werden. Im Bau sind ferner �usatzliche Räume für die Kau&nännischen Schulen im Stadtbezirk Villingen. Der drin­ gend notwendige Neubau der Schule für Körperbehinderte wird zur Zeit geplant. ln der Vorplanung befindet sich das Berufliche Schulzentrum in Furtwangen; es soll die Be­ ruflichen Schulen des Landes und des Land­ kreises aufnehmen und in der Innenstadt errichtet werden. Mit dem schon jetzt bestehenden weit­ gefächerten Angebot im beruflichen Schul­ bereich stellt der Landkreis im Schuljahr 1981/8213.327 jungen Menschen einen den heutigen Anforderungen entsprechenden Ausbildungsplatz zur Verfügung und erfüllt damit eine wichtige Aufgabe. Neubau der Gewerblichen Schulen im Stadtbezirk Schwenningen der Doppelstadt. 4

Ein Beitrag zur Wirtschaftsförderung Die an unseren Beruflichen Schulen ge­ botene Ausbildung ist auch ein Beitrag des Landkreises für unsere heimische Wirtschaft. Eine gute Berufsausbildung ist nicht nur für die jungen Menschen wichtig; unsere heimische Wirtschaft, die durch die Rezes­ sion 1981/82 zum Teil schmerzliche Ein­ brüche hinnehmen mußte, ist heute mehr denn je auf junge Facharbeiter angewiesen, die eine gute Ausbildung besitzen und für die neuen Entwicklungen, die im wirtschaft­ lichen Bereich auf uns zukommen, aufge­ schlossen sind. Wir können dankbar fest­ stellen, daß wir heute weitgehend über moderne schulische Einrichtungen verfügen. Weiterer Schwerpunkt: Fremdenverkehr Die schwierige wirtschaftliche Lage im Landkreis muß uns in noch verstärkterem Maße Veranlassung sein, unseren Raum für den Fremdenverkehr zu öffnen. Wir sind zur Zeit dabei, einen Werbefilm (zusammen. mit dem Landkreis Rottweil) zu drehen. Im Rahmen der landesweiten Förderung für den Fremdenverkehr ist 1982 der Freizeitführer „Entdecken Sie Baden-Württemberg� er­ schienen, an dem sich der Landkreis finan­ ziell und für das Kreisgebiet auch redaktionell beteiligt hat. Geplant ist die Herausgabe einer „Radwanderkarte“, damit die Einwohner des Landkreises die Schönheiten unserer Land­ schaft noch besser kennenlernen können. Verkehrsgemeinschaft Bregtal Die Bemühungen zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs haben nach langwierigen Verhandlungen zur Grün­ dung der „Verkehrsgemeinschaft Bregtal“ geführt. Eine bessere verkehrsmäßige Anbin­ dung dieses Raumes an Villingen-Schwen­ ningen ist besonders vordringlich. Der zu­ nächst auf ein Jahr befristete Modellversuch hat am 1. Februar 1982 auf der Strecke s

Villingen-Schwenningen -Unterkirnach – Vöhrenbach -Furtwangen -Schönwald/ Gütenbach begonnen. An ihm sind die Firma Bächle (Unterkimach), die Deutsche Bundespost und die SWEG (Südwestdeut­ sche Eisenbahngesellschaft) beteiligt. Außer einem verbesserten Verkehrsangebot wurde der Schülerverkehr in den Linienverkehr ein­ gegliedert. Beim Umsteigen von einem Un­ ternehmen auf das andere ist nur eine Fahr­ karte notwendig. Der Verkehrsversuch steht und fällt mit einer entsprechenden Inan­ spruchnahme durch die Bevölkerung. Im Haushaltsplan 1982 stehen für den Modell­ versuch DM 50.000,-zur Verfügung. Die Erfahrungen nach einemJahrwerden zeigen, ob der Versuch zu einer dauernden Einrich­ tung werden kann. Angespannte Finanzlage des Landkreises Bei der Erfüllung seiner Aufgaben, von denen schwerpunktmäßig nur einige wenige genannt werden konnten, hat der Landkreis große Schwierigkeiten zu überwinden. Die Anforde;ungen an den Landkreis sind groß, und die hierfür notwendigen Mittel können nur um den Preis weiteren Schuldenma­ chens aufgebracht werden. Zwar haben sich auf­ grund der gestiegenen Steuerkraft der Gemein­ den die Einnahmen aus der Kreisumlage 1982 (maßgebend ist für die Berechnung dasJahr 1980) weiter erhöht, aber dieser Zuwachs hat Bezirksschule Villingen-Schwenningen Der folgende Beitrag soll eine Bildungs­ einrichtung des Schwarzwald-Baar-Kreises vorstellen, die in den letzten Jahrzehnten einen bedeutenden Beitrag für die Aus-und Fortbildung der Bediensteten der Kommu­ nen geleistet hat: Die Bezirksschule Villin­ gen-Schwenningen. Die Bezirksschule, deren Wirken sich bis in die Zeit vor dem 2. Weltkrieg zurückver- 6 Badische Gemeindeverwaltungsschule den Spielraum für notwendige Investitionen nicht erweitert. Die gesetzlichen Leistungen der Sozial-und Jugendhilfe beanspruchen 980/o des Kreisumlageaufkommens, d. h. da es sich um Pflichtaufgaben handelt, hat der Landkreis auf Art und Höhe dieser Leistungen keinen Einfluß. Trotz dieser gesetzlichen Verpflichtungen und der noch vor uns liegen­ den Investitionen im Schulbereich hat der Kreistag den U mlagesatz von 20 aufl9 Punkte gesenkt und damit die Einnahmen um rund 2,0 Mio DM geschmälert. Mit dieser Ent­ scheidung wird der Landkreis im Jahre 1982 leben müssen. Da die Steuerkraftsumme der Gemeinden voraussichtlich sinken und somit im Jahr 1983 bei gleichem Hebesatz die Kreis­ umlage niedriger als 1982 sein wird, erscheint es fraglich, ob es künftig bei dem beschlos­ senen Umlagesatz bleiben kann. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß einige unserer Zielvorstellungen, beson­ ders im Schulbereich, erfüllt werden konnten. Da die Mittel-übrigens wie im Bund und Land -knapper werden, ist es noch schwieriger als bisher geworden, allen Anforderungen ge­ recht zu werden. Um das Wenige, das zu ver­ teilen ist, wird noch härter gerungen. Mein Wunsch ist, daß trotz aller Ausein­ andersetzungen im politischen Bereich das an sich gute Klima im Kreistag fortbestehen bleibt. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat folgen läßt, ist eine schulische Einrichtung der Badischen Gemeindeverwaltungsschule Freiburg. Träger der Bezirksschule ist der Schwarzwald-Baar-Kreis. Seit dem 25. 11. 1969 wird die Badische Gemeindeverwaltungsschule in Form einer Arbeitsgemeinschaft geführt, der mittler­ weile sämtliche Stadt-und Landkreise sowie die Großen Kreisstädte des Regierungsbe-

zirks Südbaden angehören. Bis zur Grün­ dung der Arbeitsgemeinschaft wurde die Badische Gemeindeverwaltungsschule von dem inzwischen verstorbenen Präsidenten i. R. Raule geleitet. Herr Raule wurde durch Verfügung des Badischen Ministeriums des Innern in Freiburg vom 16. 11. 1945 zum kommissarischen Leiter und damit gleichzei­ tig zum geschäftsführenden Vorsitzenden des Zweckverbandes bestellt. Seinem Enga­ gement und seiner Tatkraft haben wir es vor allem zu verdanken, daß die Schule ihre Auf­ gabe -nämlich die Beamten des gehobenen und mittleren nichttechnischen Verwal­ tungsdienstes sowie die Verwaltungslehr­ linge auszubilden und zu prüfen -schon bald nach den Wirren des 2. Weltkrieges wie­ der erfüllen konnte. Seitdem haben unzählige Bedienstete der öffentlichen Verwaltung ihre Ausbildung an dieser Einrichtung erfahren. Viele von ihnen sind heute in leitenden Positionen tätig. Seit dem Jahre 1975 wird die Badische Gemeindeverwaltungsschule unter dem Vorsitz von Stadtsyndikus Weis geführt. Nachdem das Land Anfang der 70er Jahre die Ausbildung und Prüfung der Beamten in seine Zuständigkeit überführt und zentrale Schulen für die Beamten des mittleren Dien­ stes und 2 Fachhochschulen in Kehl und Stuttgart für die Beamten des gehobenen Dienstes errichtet hat, stellt die Ausbildung der Verwaltungslehrlinge und Verwaltungs­ angestellten den Aufgabenschwerpunkt der Schule dar. Lediglich der dienstzeitbeglei­ tende Unterricht der Beamten des gehobe­ nen Dienstes während der praktischen Aus­ bildung in den ersten beiden Ausbildungs­ jahren wird noch an den Bezirksschulen Baden-Baden, Freiburg, Konstanz, Lörrach und Offenburg durchgeführt. Die Bezirksschule Villingen-Schwennin­ gen führt seit vielen Jahren vor allem für die kreisangehörigen Gemeinden und Verwal­ tungsgemeinschaften die Ausbildung und Prüfung für den anerkannten Ausbildungs­ beruf „ Verwaltungsfachangestellter“ durch. Ziel der Ausbildung ist es, Angestellte her- anzubilden, die nach ihren allgemeinen und fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten für den kommunalen Verwaltungsdienst geei­ gnet und verwendbar sind. In 380 Unter­ richtsstunden bemühen sich die 16 neben­ amtlichen Lehrkräfte der Bezirksschule, den Teilnehmern das geistige Rüstzeug für die Prüfung und die Bewältigung der vielschich­ tigen Aufgaben in einer modernen bürger­ orientierten Verwaltung zu vermitteln. Nach der für die Ausbildung maßgebenden Prü­ fungsordnung des Regierungspräsidiums Karlsruhe müssen sich die Teilnehmer mit den Fächern Staats-und Verfassungskunde, Verwaltungsrecht, Öffentliches Ordnungs­ wesen, Kommunalrecht, Rechtskunde, Kom­ munales Finanzwesen, Personalwesen, Sozial­ wesen, Verwaltungslehre, Personenstands­ wesen, Bauwesen, Straßenverkehrswesen und mit dem Umweltschutz auseinandersetzen. Um den Teilnehmern das Lernen etwas zu erleichtern, werden seit dem Jahre 1978 ein­ heitliche Lehrmittel und Skripten an allen Bezirksschulen der Badischen Gemeindever­ waltungsschule zur Verfügung gestellt. Neben der schriftlichen Abschlußprüfung, die in 4 Fächern abgenommen wird, müssen sich die Teilnehmer noch einer mündlichen Prüfung durch die Prüfungskommission des Regierungspräsidiums Karlsruhe unterzie­ hen. Mit der erfolgreich abgelegten Prüfung haben die Auszubildenden die �alifikation für den Beruf „ Verwaltungsfachangestellter“ erworben. Durch die Prüfung sind die for­ mellen Voraussetzungen für eine Höher­ gruppierung bis in die Vergütungsgruppe V c des Bundesangestelltentarifvertrages erfüllt. Die Prüfung entspricht somit der Angestell­ tenprüfung I nach § 25 des Bundesangestell­ tentarifvertrages. Die Angestellten, die eine Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe Vb bis III BAT anstreben, müssen einen Angestelltenlehrgang II besuchen. Diese Lehrgänge werden zentral von der Badischen Gemeindeverwaltungsschule in Freiburg angeboten. Bis zum Jahre 1980 wurde der Unterricht dienstzeitbegleitend an 2 Wochentagen ab-7

gehalten, so daß jährlich jeweils nur 1 Lehr­ den. Die Lehrgänge finden jeweils in der Zeit gang durchgeführt werden konnte. Dies von August bis November bzw. Januar bis hatte zur Folge, daß die Auszubildenden mit April im Gebäude der Landesberufsschule verkürzter Ausbildungszeit die Kurse der für das Hotel-und Gaststättengewerbe, Zäh­ Bezirksschule nicht besuchen konnten, ringerstr.12, statt. Die Geschäftsstelle, die seit wenn sie ihre Ausbildung innerhalb der ver­ 1977 von Kreisamtsrat Walter Berg geleitet einbarten Zeit beenden wollten. Diese Aus­ wird, befindet sich im Landratsamt des zubildenden waren deshalb gezwungen, die Schwarzwald-Baar-Kreises, Kaiserring 2. Bezirksschule in Offenburg oder die Verwal­ Ein Blick auf die Teilnehmerverzeichnisse tungsschule des Gemeindetags in Karlsruhe zeigt, daß die Auszubildenden seit Einfüh­ zu besuchen. Sowohl für die Verwaltungen rung des Blockunterrichts nicht nur aus dem als auch für die Auszubildenden war der Schwarzwald-Baar-Kreis, sondern auch ver­ Besuch an den auswärtigen Schulen mit stärkt aus dem Bodenseeraum sowie den zusätzlichen Kosten verbunden. Um den Nachbarkreisen vertreten sind. Bedürfnissen der Auszubildenden sowie der Durch die Einführung der Blockunter­ Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaf­ richtslehrgänge dürfte der Bestand der ten Rechnung zu tragen, hat der Vorsitzende Bezirksschule auf Dauer gesichert sein. der Bezirksschule, Landrat Dr. Gutknecht, Neben der Ausbildung der Auszubilden­ 1981 entschieden, vom dienstzeitbegleiten­ den und Verwaltungsangestellten führt die den Unterricht auf Blockunterricht überzu­ Bezirksschule auch gelegentlich Fortbil­ gehen und jährlich jeweils 2 Lehrgänge dungsveranstaltungen durch, die bisher bei durchzuführen. Damit haben alle Auszubil­ den Gemeinden großen Anklang gefunden denden, unabhängig von der Dauer der ver­ haben. einbarten Ausbildungszeit, die Möglichkeit, Walter Berg in Villingen-Schwenningen beschult zu wer- Bei der »Freizeit und Garten 82″ in Nürnberg dabei Auf der Ausstellung „Freizeit und Garten 82″ im Messezentrum Nürnberg war die Werbegemeinschaft Schwarzwald-Baar – Oberer-Neckar, bestehend aus den Landkrei­ sen Schwarzwald-Baar und Rottweil, vertre­ ten. In der Zeit vom 27. 2. bis 7. 3. warb die Werbegemeinschaft mit dem landschaftsbe­ zogenen und als Schwarzwaldhaus gestalte­ ten Werbestand um Besucher für ihr Ferien­ und Erholungsgebiet. Sachkundige Vertreter der Städte und Gemeinden beider Land­ kreise informierten die Messebesucher über die Vielfalt der Ferien-und Freizeitangebote der beiden Landkreise. Es wurde nicht nur mit Prospekten um den Gast geworben. Auch heimatliches Brauchtum wurde dargeboten. Ständig umlagerten die Messebesucher die Maler­ werkstatt von Alois Straub aus Furtwangen, dem einzigen Uhrenschildmaler des Schwarz­ waldes. Viele Fragen mußte Frau Brigitte Frank aus Villingen über sich ergehen lassen, die den Besucher in die alten Handwerke des Spinnens, Webens und Glasritzens einwies. Weitere werbewirksame Aktivitäten wurden angeboten. So der Holzsägewettbewerb, bei dem es für die Gäste kleine Werbepräsente, wie Kirschwasser und Bad Dürrheimer Salz­ säckchen, zu gewinnen gab. Ein besonderer Anziehungspunkt am Stand war die Folklo­ remusik der „Bregtal-Buam“ aus Furtwangen und des „Duo Wisser“ aus Schonach. Ein von der Werbegemeinschaft veranstaltetes Preisausschreiben, bei dem es insgesamt 9 Werbung mit heimatlichem Brauchtum 8

Freiaufenthalte in den attraktiven Mitglieds­ orten wie Schonach, Triberg, Furtwangen, Bräunlingen, Donaueschingen, Bad Dürr­ heim, Blumberg, Villingen-Schwenningen und im Bereich der „gastlichen 5″ im Land­ kreis Rottweil zu gewinnen gab, fand eben­ falls großen Anklang. Wir waren auf dieser, insgesamt 178 000 Besucher zählenden Messe, durch die Art und Weise unserer Vorstellung der attraktivste Tupfer im Bereich des Fremdenverkehrs. Zusammen mit den übrigen Gebietsge­ meinschaften des Schwarzwaldes war die Werbegemeinschaft Schwarzwald-Baar – Oberer-Neckar in der Zeit vom 13. bis 21. 2. 1982 unter dem Motto „Der Zug in den Schwarzwald -immer richtig“ bei Reisen 82 in Hamburg am Stand des Fremdenverkehrs­ verbandes Schwarzwald vertreten. Hier waren die „Schnitzerwerkstatt“ von Bernhard Maier aus Vöhrenbach und die „Maistube“ von Alois Straub aus Furtwangen besondere Anziehungspunkte. Interessant war es bei allen Messen, im Gespräch mit den Messebesuchern zu erfah­ ren, daß einer nicht geringen Zahl von Rei­ seentschlossenen die Auslandsreise, die frü­ her unternommen wurde, zu teuer geworden ist. Auch die politische Unsicherheit ferner Länder läßt manchen sich an den heimischen ,,Was entdecke ich in meinem Heimat­ kreis?“ war das Thema des Wettbewerbs, den der Schwarzwald-Baar-Kreis zusammen mit dem Staatlichen Schulamt im Herbst 1980 ausschrieb. Zur Teilnahme aufgerufen waren die Schülerinnen und Schüler der Grund-, Haupt-, Real-und Sonderschulen im Kreis­ gebiet. Auch die Lehrkräfte dieser Schulen waren zur Teilnahme aufgefordert. Im Wett­ bewerb waren alle gestalterischen Möglich­ keiten wie Fotografie, Grafik oder auch Druck und Malerei offen, um das Schöne, ,,Was entdecke ich in meinem Heimatkreis?“ Aus dem Schülerwettbewerb 1980 im Schwarzwald-Baar-Kreis Alois Straub, der Uhrenschildmaler aus dem Schwarzwald. Herd und das eigene Land erinnern. Daher wird die Werbegemeinschaft Schwarzwald­ Baar -Oberer-Neckar auch in Zukunft ver­ stärkt im Inland um Gäste werben. aber auch das weniger Schöne, aus allen Bereichen des täglichen Lebens im Schwarz­ wald-Baar-Kreis darzustellen. Nach Zusammenstellung der eingegange­ nen Arbeiten trat am 1. 4. 1982 unter Vorsitz von Landrat Dr. Gutknecht das Preisgericht, bestehend aus Mitgliedern der im Kreistag vertretenen Fraktionen, der im Schwarz­ wald-Baar-Kreis erscheinenden Tageszeitun­ gen sowie Vertretern des Staatlichen Schul­ amtes und der am Wettbewerb beteiligten Schulen zusammen und ermittelte aus über 9

200 eingegangenen Arbeiten die Preisträger. Klassenpreise in der Gruppe 1 (1.-4. Schul­ jahr) wurden folgenden Schulen zuerkannt: 1. Gruppenpreis: 1 Kreisbeschreibung und DM 50,- für die Klassenkasse Grundschule Hüfingen 2 Hausen vor Wald 2. Schuljahr – Der neue Dorfbrunnen – 2. Gruppenpreis: 1 Kreisbeschreibung und DM 30,- für die Klassenkasse Grundschule Mühlhausen 4. Schuljahr – Weigheim und Mühlhausen stellen sich vor- 3. Gruppenpreis: 1 Kreisbeschreibung und DM 20,- für die Klassenkasse Steppach-Schule Villingen-Schwenningen Stadtansicht Donaueschingen 4. Schuljahr – Blick vom Aussichtsturm – Bei den Einzelarbeiten in dieser Gruppe erhielten 1. Preise, einen Bildband des Schwarzwald-Baar-Kreises: Jonas Grathwol, Buchenberg, 7744 Königsfeld 5: – Buchen­ berger Kapelle-. Ansgar Mayer, Fürstenberg, 7713 Hüfingen 3: – Brunnen im Sommer-. Alexander Hoss, Mühlhausen, 7730 VS­ Schwenningen: – Scheune in Mühlhausen-. Darüber hinaus wurden 6 weitere Arbei­ ten mit Kunstführern und Almanach des Schwarzwald-Baar-Kreises ausgezeichnet. In der Gruppe 2 (5.-10. Schuljahr) wurden folgende Arbeiten ausgewählt: 1. Gruppenpreis: 1 Kreisbeschreibung und DM 50,- für die Klassenkasse: Josef-Heb­ ting-Schule, Vöhrenbach, 8.-9. Schuljahr: – Die Hofkapellen auf Gemarkung Vöhren­ bach-. 2. Gruppenpreis: 1 Kreisbeschreibung und DM 30,- für die Klassenkasse: Klosterring­ schule, Villingen-Schwenningen, 9. Schul­ jahr: – Unsere Stadt, so oder so -. 10

,. 3. Gruppenpreis: 1 Kreisbeschreibung und DM 20,-für die Klassenkasse: Roggenbach­ schule, Unterkimach, 8. Schuljahr: – Schwarzwaldhaus -. Bei den Einzelarbeiten erhielten in der Gruppe 2 Bildbände des Schwarzwald-Baar­ Kreises als 1. Preise: Beate Qpitt, Roggen­ bachschule, Unterkirnach, Kl. 9: -Winter­ landschaft -. Ulrike Sielter, Ortsstraße 35, 7712 Blumberg 3: -Museumsbahn Wutach­ tal -. Bernd Kuner, Grund-und Haupt­ schule, Schönwald im Schwarzwald, Kl. 8: – Linoldruck: Schwarzwaldlandschaft -. Tesic Dragan, Eichendorffschule, 7710 Donau­ eschingen, Kl. 6c: -Stadtansicht Donau­ eschingen -. Bettina Messmer, Begginger­ straße 126 D, 7712 Blumberg 12: -Museums­ bahn Wutachtal -. Auch in dieser Gruppe wurden 12 weitere Arbeiten mit Kunstführern und Almanach 1982 belohnt. Bei den Sonderschulen gab es zwei Preise: Sche.ffellinde in Achdorf 1.Preis: 1 Netz mit Bällen, Tennisringen usw.: Private Heimsonderschule Dilgerhof, Furtwangen. 2.Preis: 1 Lederfußball: Heinrich-Feuer­ stein-Schule, Schule für Lernbehinderte, Donaueschingen. Die Ehrung der Preisträger dieses Wettbe­ werbs erfolgte durch Landrat Dr. Gutknecht in der Sitzung des Kreistages des Schwarz­ wald-Baar-Kreises am 21. Juni 1982 im Kur­ haus in Schonach. Hierbei bedankte er sich bei allen Schülern und deren Lehrkräften für die Mitwirkung und hob hervor, daß die vor­ gelegten Arbeiten ein geschlossenes Bild des Schwarzwald-Baar-Kreises vermitteln wür­ den. So sei auch das Ziel dieses Wettbewerbs, das Kreisbewußtsein bei den jungen Mitbür­ gern zu fördern, in vollem Umfange erreicht worden. Im Herbst 1982 schreibt der Schwarzwald-Baar-Kreis einen kreisbezoge­ nen Wettbewerb für die Berufsschulen des Landkreises aus. 11

Die Gemeinden stellen sich vor Gütenbach: Paradies für Wanderer und Fotofreunde Im äußersten Westen des Schwarzwald­ Baar-Kreises, 32 km von der Kreishauptstadt Villingen-Schwenningen entfernt, liegt die Gemeinde Gütenbach. Seine Gesamtgemar­ kungsfläche von 1.850 ha befindet sich als höchstgelegene Gemeinde des Simonswäl­ dertales ausschließlich im Wassereinzugsge­ biet des Rheines. Der tiefste Punkt der Gemarkung im Kilpachtal weist 520 m, der höchste auf dem Brend 1.130 m ü.d.M. auf. Aus diesen 600 m Höhenunterschied ist die überaus vielfältige Landschaft geprägt. Der sehr steile Westhang der Gemarkung zieht sich auf kurze Entfernung bis in das Simons­ wäldertal. Er ist größtenteils in das dortige Landschaftsschutzgebiet einbezogen. Der geschlossene Ort, ebenfalls von steilen Berg­ hängen eingeschlossen, liegt in 850 m Höhe. Von da nach Osten erstreckt sich die Gemar­ kung bis zur Höhe der Wasserscheide Rhein/ Donau. Freunde der Natur finden eine über­ aus reizvolle und vor allem topographisch abwechslungsreiche Landschaft vor. Auf gut markierten Wegen wird der Wanderer immer wieder an herrlichen Aussichtspunk­ ten ausruhen und sich am Anblick, der sich ihm bietet, erfreuen. Gütenbach wird über die Landstraße Nr. 173 aus Richtung Freiburg über Bleibach durch das Simonswäldertal mit den Serpenti­ nen im Probstschlag, vor 125 Jahren erbaut, erreicht. Die L 173 führt weiter über Furtwan­ gen zur Kreisstadt Villingen-Schwenningen. Unmittelbar an der Gemarkungsgrenze besteht Anschluß an die B 500 über die Höhen des Schwarzwaldes in Richtung Titi- 12

see -Feldberg -Waldshut und durch das Höllental nach Freiburg zu den Autobahn­ anschlüssen in Nord-und Südrichtung. Erstmals urkundlich wurde Gütenbach im Jahre 1360, allerdings damals noch unter dem Namen Wuotenbach, zum St. Margare­ tenstift in Waldkirch gehörend, erwähnt Von hier aus erfolgte auch die Besiedlung unserer Gegend, deren erste Bewohner Bauern mit ihrem Gesinde waren. Sie haben sich damals mit den Erträgen der kargen Urgesteinsverwitterungsböden recht und schlecht ernährt. So sind bereits im Jahr 1518 Bauernhöfe, 26 an der Zahl, erwähnt, die noch heute dieselben Namen tragen. Im 17. Jahrhundert nahm die Bevölkerung rasch zu, und es ergab sich die Notwendigkeit, neue Wege zu finden, um sie zu ernähren. Um die Mitte des 17.Jahrhunderts wurde in unserer Gegend die erste holzgeschnitzte Schwarzwälder Uhr gefertigt. Diese Ferti­ gung fand Eingang in den einsamen Schwarzwaldhäusern; sie entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zum bedeuten­ den Industriezweig. Die Erzeugnisse wurden von Händlern, die Uhren auf der Kräze tra­ gend und in fremde Länder wandernd, ver­ kauft. Ende des 19. Jahrhunderts kam mehr und mehr die industrielle Herstellung der Uhren auf. Es wurden Fabriken gebaut. Die Bevölkerung fand in diesem Berufszweig, der Herstellung von Uhren aller Art, ihren Broterwerb. Schwere Zeiten für Gütenbach brachte die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre die­ ses Jahrhunderts, die letzlich in der Schlie­ ßung der Fabrik endete. Eine schwere Zeit folgte für die damals 200 Beschäftigten. Viele junge und ledige Bürger verließen die Hei­ mat, um anderwo ihr Brot zu verdienen. Die Fabrikgebäude wurden von der Gemeinde erworben, die dafür einen Bauernhof ver­ kaufte. Erst Mitte der 30er Jahre kam lang­ sam die Uhrenfertigung wieder in Gang. Auswärtige Unternehmer begannen mit Großuhrwerken und der Montage von Kleinuhren sowie der Herstellung von Präzi­ sionsdrehteilen. So fand nach und nach die Bevölkerung wieder Beschäftigung. In die­ sen damals neu angesiedelten Betrieben sind heute noch ein großer Teil unserer Bevölke­ rung beschäftigt. Aus kleinsten Anfängen hat sich dann nach dem 2. Weltkrieg ein neuer Fertigungszweig, die Herstellung von Modellspielwaren, entwickelt, der in den Fol­ gejahren das größte Unternehmen am Ort wurde. Die schnelle Entwicklung in den SOer und Anfang der 60er Jahre mit der raschen Zunahme der Bevölkerung stellte auch an die Gemeinde hohe Anforderungen. So mußten auf allen Gebieten Vorsorgeeinrich­ tungen geschaffen werden. Der Bereitstel­ lung von Bauland, deren Erschließung nach der Topographie hohe Kosten erforderte, folgten die Erschließung von Q!i.ellgebieten für die Wasserversorgung zur Deckung des steigenden Bedarfs, der Ausbau des Straßen­ netzes, der Bau der Kläranlage, der Neubau der Schule mit Turnhalle und Hallenbad und vieles andere mehr. Dank der Einsatzfreudig­ keit der Industrieunternehmer, verbunden mit dem Fleiß der heimischen Bevölkerung, ermöglichten die daraus resultierenden Steuereinnahmen die Bewältigung dieser Aufgaben. Bedingt durch die klimatisch günstige Lage und einer ruhigen und umweltfreundli­ chen Industrie stand nach den durchgeführ­ ten Untersuchungen dem Antrag der Gemeinde auf Anerkennung als Luftkurort nichts mehr im Wege. Das Prädikat wurde verliehen. Hier stehen künftige Aufgaben an. Es gilt, die erforderlichen Einrichtungen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu schaffen, um die von der Natur aus hervorra­ gend vorgegebene Erholungslandschaft zu nutzen. Die Anlage der Wanderwege mit Markierung und die Erstellung der Ruhe­ bänke werden beispielhaft von den Mit­ gliedern des Schwarzwaldvereins ausgeführt. Besonders erwähnt seien auch unsere Landwirte als Pfleger unserer schönen Land­ schaft. Ihr Fleiß und ihr Bestreben, im harten Existenzkampf mitzuhalten, garantieren die Offenhaltung unserer schönen Landschaft. 13

Sie nutzen auch in zum Teil schwierigen Hanglagen die Wiesen und Weiden für ihre großen Herden und verhindern so eine Ver­ steppung und Verwilderung der Landschaft. Das kulturelle gemeindliche Leben wird getragen von der Musikkapelle, dem Sänger­ kreis, dem Akkordeonspielring, der Narren­ gesellschaft und den Aktivitäten der Bürger. Die Möglichkeit der sportlichen Betätigung ist gegeben im Fußballclub, im Skiclub, des- sen Aktive hervorragende Erfolge auf inter­ nationaler und Bundesebene erzielt haben, dem Kegelclub sowie für die Freunde des Wanderns im Schwarzwaldverein. Die Tat­ sache, daß Vereine zum Teil schon über 100 Jahre bestehen, spricht für eine vorbildlich gepflegte gesellige und kameradschaftliche Tradition. Hermann Eble, Bürgermeister Klaus Schnibbe: Das Wappen der Gemeinde Gütenbach Wappen: In Silber ein achtspeichiges, links oben ausgebrochenes schwarzes Rad, mit spitzen Zacken besetzt. Gütenbachs Wappen zeigt das zerbro­ chene Rad der heiligen Katharina von Alex­ andrien, das Gerät, mit dem die christliche Märtyrin im Jahre 307 zu Tode gebracht werden sollte. Nach der Legende zerbrach das Rad jedoch, und sie wurde mit dem Schwert gerichtet. Daher sind Rad und Schwert in der mittelalterlichen Ikonogra­ phie die Heiligenattribute der Catharina Alex­ andrina geworden. Da die Kirche von Gütenbach der heiligen Katharina geweiht ist – eine Katharinenka­ pelle wird 1470 erstmals erwähnt, bestand aber sicher schon einige Zeit länger – schlug das Großherzoglich badische Generallandes­ archiv (GLA) im Jahre 1899 der Gemeinde vor, das Rad der heiligen Katharina von Alexan­ drien ins Wappen zu nehmen: ,,In Silber ein zerbrochenes Rad mit spitzen Zacken.“ Damit war der Gemeinderat einverstanden. Die Richträder, die noch im Mittelalter zum Knochenbrechen und Aufflechten {,,Rädern“) von Deliquenten gebraucht wur­ den, waren außen oft mit Messerklingen oder Eisenspitzen besetzt. Die Zeichnung des GLA für das neugeschaffene Wappen von 1899 zeigte ein achtspeichiges schwarzes Rad, dicht mit spitzen Stacheln besetzt. Das führte in der alten Uhrmachergemeinde mit 14 der Zeit zu dem Mißverständnis, es handle sich um ein Uhrenzahnrad – so zu sehen auf Dienststempeln seit den dreißiger Jahren! Erst 1960 wurde bei der Beschaffung eines neuen Stempels wieder auf die ursprüngliche Form der Spitzen zurückgegriffen, ihre Zahl jedoch verringert – wohl um ferneren Irrtü­ mern vorzubeugen. Im vorigen Jahrhundert führte Güten­ bach kein Wappen im Siegel, sondern ein eigentümliches Bauwerk mit offener Tür, das kuppelartige Dach von einer Kugel mit Kreuz bekrönt. Es dürfte eine Kapelle dar­ stellen. Rechts und links davon stehen zwei Männer in langen Röcken, auf dem Kopf zylinderartige Hüte. Über die Bedeutung die­ ses Siegelbildes konnte bisher keine Klarheit erlangt werden.

Sanfte Höhen – wilde Schluchten Ein Wanderparadies nennt sich Güten­ bach in seinem Werbestempel. Nun gibt es auf dieser Welt sicher kein „Paradies“ ohne Schönheitsfehler, auch nicht bei uns. Aber unsere Landschaft hat, außer viel Ruhe und guter Luft, dem Wanderer doch noch einiges zu bieten, was nicht nur einem Großstädter fast „paradiesisch“ erscheinen könnte. Da unsere Bauern immer noch weite Wiesenflä­ chen und Felder in den Hochlagen bewirt­ schaften, wechseln Wald und offene Flur auf der Höhe immer wieder ab, kann der Blick immer wieder weit über die Berge und Täler schweifen. Die tief eingeschnittenen Seiten­ täler der Rheinzuflüsse geben der Landschaft einen besonderen Reiz; und die klaren Bäche, die an ihrem Grunde in jugendlichem Ungestüm, unverbaut und ungebändigt, den größeren Tälern zueilen, können mit ihrer Lebendigkeit jeden Wanderer erfreuen. Und wer seine Sinne offen hat für die vielen unaufdringlichen Schönheiten der Natur, für das oft unscheinbare Pflanzen-und Tier­ leben, der kann hier noch manches kleine Paradies entdecken. Vielerlei Wanderungen lassen sich zusam­ menstellen, vom gemütlichen Spaziergang bis zur „Schindertour“. Stellvertretend sei hier nur von einer erzählt: Vom Neu-Eck, nahe der Wasserscheide zwischen Donau und Rhein, gehe ich auf schmalem Asphaltsträßchen dem Kohler­ wald zu. Während der Kandel langsam hin­ ter den Bäumen verschwindet, reicht der Blick links weit über Wiesen und Wälder bis zum Schauinsland und zum Feldberg, der im Juni noch mit großen Schneeflächen an den langen und schneereichen Winter erinnert. Bald nimmt der Wald das Sträßchen auf. Es ist Nadelwald, aber nicht so eintönig und lebensfeindlich wie man ihn öfter findet. Junge Tannen und Fichten bilden ein reiches Unterholz, dazwischen Farne, Sträucher und mancherlei Lebensraum für Kleintiere. Bart­ flechten hängen lang von den Bäumen her- In der Deichschlucht ab, und zwischendurch leuchtet immer mal wieder das hellere Grün einer Buche im durchfallenden Sonnenlicht auf. Kurz hinter dem Wald erreiche ich den Oberen Fallengrund. Mächtige Eschen und Linden flankieren schützend den Hof. Hier ist der Asphaltbelag zu Ende. Auf steinigem Feldweg geht es hinauf zur Höhe. Dort bleibe ich stehen, schaue zurück. Felder und Wiesen der beiden Fallengrundhöfe liegen ausgebreitet vor mir. Auf einigen weiden Milchkühe, aber auch Mastrinder, kraftstrot­ zende, bullige Jungstiere, eigensinnige und manchmal angriffslustige Gesellen. Aber es gibt noch mehr zu schauen. Von der Kaiserebene auf der einen bis Neukirch auf der anderen Seite reicht der Blick. Im Norden liegt breit hingelagert der Brend, sich kaum über seine Umgebung erhebend. 15

Jetzt geht der Weg wieder in den Wald und führt bald hinaus auf einen schmalen Rücken mit steil abfallenden Flanken, weitet sich zu einer Lichtung mit einer weit aus­ ladenden Buche: der Balzer Herrgott. Immer schneller wird in den letzten Jahren das Steinbild von der Buchenrinde überwallt. Wie lange wird es noch dauern, bis der Baum es ganz umschlossen hat? Ein paar Schritte weiter ist dicht am Weg ein selten großer Ameisenhaufen. Ein hoher Baumstumpen ist in den Bau mit einbezo­ gen, teilweise wohl auch von den Ameisen ausgehöhlt. Die Förster haben den Bau durch einen großen Drahtkäfig geschützt. Wenn ich jetzt ruhig stehenbleibe, höre ich überall um mich her das leise Rieseln und Rascheln, das die Beinchen von Tausenden kleiner Ameisen auf dem dürren Buchen­ laub erzeugen. Wieder einige Schritte weiter stehe ich am Steilabfall zum Tal der Wilden Gutach. Der Blick geht hinüber zur Glas­ hütte und zum Ferndobel. Oben auf der Höhe sieht man lautlos Autos vorbeifahren, dort ist die B 500 und das Lachenhäusle. Der Weg geht steil durch den Wald hinab. Wanderer kommen mir entgegen; eine Fami­ lie mit Kindern; die Kinder mit verdrossenen Gesichtern, sie finden die Steigerei gar nicht lustig. Etwas weiter unten umfängt mich ein starker, aromatischer Duft; Douglasfichten riechen so, schnellwüchsige Nordamerika­ ner, die vom Forstamt hier versuchsweise angepflanzt wurden. Nicht weit von hier wachsen übrigens noch mehr Baumarten aus Nordamerika, darunter auch Mammut­ bäume, die allerdings, klein wie sie noch sind, unter den anderen Nadelbäumen kaum auf­ fallen. Nach einem steilen, steinigen Wegstück komme ich nun auf einen breiten Forstweg, der ziemlich eben am Hang entlangfuhrt. Ab und zu gibt der Wald den Blick frei hinunter zur Wilden Gutach, die heute so friedlich im Sonnenlicht blinkt. Besonders reizvoll ist dieser Weg im Herbst, wenn die vielen Laub­ bäume im Mischwald der Steilhänge bunt verfärbt sind. Bald komme ich zum Deich- 16 jockel. Ein Brunnen spendet kühles, frisches Wasser. Früher stand hier ein kleiner Bauern­ hof. Er ist abgebrannt, und jetzt erinnern nur noch die Wiesen mit den Kirschbäumen an ihn und die Q!iellfassung, die den Brunnen speist. Ein kurzes Stück weiter wäre noch einmal ein besonders schöner Aussichtspunkt mit Blick zurück ins Tal, aber auch nach vorn zum Sirnonswälder Tal. Ich biege aber jetzt schon links ab und gehe den breiten Weg hinunter Richtung Wildgutach. Im Tal gehe ich vor bis zur Pfaffenmühle, überquere den Deichbach, und dann beginnt der schönste Teil meiner Wanderung, der Weg durch die Deichschlucht hinauf nach Gütenbach. Zunächst ist der lebhaft rauschende Bach zeitweise noch durch Gesträuch verdeckt. Dann tritt der Weg in den Hochwald ein, einen schönen Mischwald mit teils mächti­ gen Stämmen von ehrwürdigem Alter. Der Weg wird schmäler und steiler, der Bach rauscht lauter, denn wilder und unge­ bändigter schießt er zwischen den großen Steinen durch, die er sich doch selber bei einem Hochwasser in den Weg gewälzt hat. Wenn sich nun der Weg, inzwischen nur noch ein Fußsteig, um einen größeren Felsen windet, beginnt der schönste Teil der Schlucht. Im Sonnenlicht weiß aufleuchtend stürzt das Wasser in Kaskaden über große Blöcke hinab in tief ausgewaschene Gum­ pen, schießt ungestüm zwischen engen Fel­ sen durch oder strömt glasklar in funkelnden Schleiern über große Steine. Ständig bieten sich dem langsam aufwärts steigenden Wan­ derer neue Bilder eines lebendigen Wild­ bachs, eines jungen und übermütigen Gesel­ len, der jetzt fast verspielt anmutet, mit klei­ nen Rinnsalen, die sich ein Stück weit einen eigenen Weg suchen. Bei Hochwasser aber tost und brodelt das Wasser durch die Schlucht hinab, prallt wütend gegen Felsen, schäumt darüber hin­ weg, wälzt mächtige Steinbrocken mit Urge­ walt zu Tal, unterspült Bäume und entwur­ zelt sie, wenn er sich einen neuen Weg suchen muß, weil er sich soeben selbst im

Mönchweiler – Kontrast aus Enge und Weite Ungestüm sein altes Bett mit Holztrümmern und Steinen versperrt hat. Eine Weile noch kann ich dem munteren Spiele zusehen, dann habe ich das Brückchen am oberen Ende der Waldschlucht erreicht. Fährt man mit dem Auto auf der Bundes­ straße 33 von Offenburg her den Schwarz­ wald hinauf und hat alle kurvenreichen Stei­ gungen von Niederwasser bis St. Georgen überwunden, öffnet sich nach einem gemüt­ lichen Hochtal und kurzer leichter Steigung durch den Wald überraschend der Blick nach Osten und Süden über eine leicht abfal­ lende Hochebene bis zu den Höhenzügen der Schwäbischen Alb und bei Wette�gunst bis zu den schneebedeckten Firnen Oster­ reichs und der Schweiz. Im Vordergrund aber liegt Mönchweiler. Im Norden und Westen geschützt durch immergrünen Fich­ ten-und Tannenwald, weitet sich der Ort öst­ lich der Straßenverbindung Offenburg – Konstanz am leichten Hang fast kreisförmig aus. Der wohltuende Kontrast aus der Enge des Waldes in die Weite der Wiesen und Fel­ der gibt dem Ort sein besonderes Gepräge. Ob es wohl dieser Kontrast war, der die Gedanken und Herzen der Einwohner schon immer geprägt und so die ihnen eigene Wesensart schuf: Tiefwurzelnde Verbunden­ heit mit Heim und Scholle und gleichzeitig aufgeschlossen, hellhörig sein für die Dinge der Zeit? Diese Wesensart ließ sie haften an diesem lieblichen Flecken Erde und trieb sie gleichzeitig in Vergangenheit und Gegen­ wart in die nähere und weitere Heimat und dem Fernweh folgend bis hin nach England, USA, Kanada, Südafrika, ja bis Australien. Der Erholungssuchende, der von Berlin, Hamburg oder dem Ruhrgebiet kommt, fin­ det in gut geführten, bodenständigen und gleichzeitig modernen Gaststätten und bei vielen privaten Zimmervermietern Auf­ nahme in Herz und Haus. Er wie auch der Bei der Kläranlage beginnt wieder der Asphaltweg und erinnert mich daran, daß ab jetzt wieder die Zivilisation regiert, daß ich in wenigen Minuten das Dorf erblicken werde. Gunter Sehärger Sportler wird sich entscheiden müssen, die moderne Mehrzweckhalle für seine gymna­ stischen Übungen zu wählen, dem Tischten­ nissport zu huldigen oder sich auf den neuen Tennisplätzen, dem landschaftlich einmali­ gen Trimmpfad im Gemeindewald oder den vielen markierten Wanderwegen umzuse­ hen. Das moderne Sportstadion mit Rasen­ und Hartplatz, Tribüne und Umkleidege­ bäude, sowie allen Einrichtungen für Leicht­ athletik ist nahe der ansprechend gestalteten Kleingartenanlage im Grünen günstig einge­ bettet. Eine landschaftlich idyllisch gelegene Wassertretstelle ruft zu ruhigerer Beschäfti­ gung, und die beiden Fischwasser laden zur besinnlichen Meditation ein. Mönchsee und Wolfsteich haben mit dem vorhin erwähn­ ten Kontrast vieles gemeinsam. Nahe bei dem pulsierenden Leben des Dorfes und doch in völliger Stille und landschaftlicher Schönheit gelegen, dienen sie nicht nur dem Angelfreund. Den Reitsporttreibenden bleibt es überlassen, im Freien oder in der Halle, nah am Waldesrand „das Glück dieser Erde auf dem Rücken der Pferde“ zu suchen. Der kommunalpolitisch Interessierte wird in der Gemeinde Mönchweiler ein veraltetes Rathaus vorfinden, das in grauer Vorzeit, nie­ mand weiß wie alt es wirklich ist, schon als Schulhaus und Verwaltungsgebäude diente. Seine stabilen Mauem, wehrburgartig, kön­ nen nicht darüber hinwegtäuschen, daß es den Anforderungen einer modernen Verwal­ tung räumlich nicht mehr gewachsen ist. Der geplante Um-oder Neubau scheiterte bis jetzt an den notwendigen finanziellen Mit­ teln. Doch dafür hat die Verwaltung die kommunalen Einrichtungen für die in den 17

sene katholische Gemeinde konnte 1972 ihr eigenes Gotteshaus einweihen, nachdem sie bis dahin Gast in der aus dem 15. Jahrhundert stammenden Dorfkirche war. Die Ordnung auf der 960 ha umfassenden Gemarkungs­ fläche wurde schon im Jahre 1963 durch die Erstellung eines Flächennutzungsplanes ein­ geleitet, der inzwischen in die Verwaltungs­ gemeinschaft des Verwaltungsraumes Villin­ gen-Schwenningen eingebracht wurde. Das nach den Gesetzen erfaßbare Gemeindever­ mögen, 16.000.000,- DM, umfaßt auch einen 400 ha großen Gemeindewald, der solange er der uns alle bedrohenden Baum­ krankheit noch standhält, nicht nur der Gesundheit, sondern auch den Einnahmen der Gemeinde dient. Die Bemühungen der Verwaltung um Dorfverschönerung, Erwei­ terung des Friedhofes, Schaffung einer Fried­ hofshalle, Förderung des Fremdenverkehrs, wurden schließlich von der ganzen Bevölke­ rung mitgetragen, was in der Erringung des ersten Preises im Kreiswettbewerb der Dorf­ verschönerung eine schöne Anerkennung fand. Der Handwerker und Wirtschaftsfach­ mann findet zwar innerhalb des Ortes ver­ teilt kleinere Handwerksbetriebe und selbst­ verständlich die notwendigen Geschäfte der Daseinsgrundversorgung, aber schön ge- Am Wo!fsteich in Mönchweiler Evangelische Kirche in Mönchweiler. letzten 25 Jahren schnell wachsende Ge­ meinde geschaffen. Millionen wurden inve­ stiert in der Wasserversorgung. Das Abwas­ ser fließt über einen langen Kanalweg mit Hebepumpwerk dazwischen in das Villinger Klärwerk. Jedes Kind in der Gemeinde erhält einen Platz in den Kindergärten. Die Schule durch Renovation den heutigen Verhältnis­ sen angepaßt und durch drei Neubauten räumlich ausreichend versorgt, verfügt über die modernsten Lehr- und Lernmittel. Den staatlichen Lehrkräften stehen 7 gemeinde­ eigene Wohnungen zur Verfügung. Eine moderne Freihandbücherei, jährlich erwei­ tert, bietet dem Interessierten Lesestoff aus allen Gebieten. Seit 1965 engagierte sich ein aufgeschlos­ sener Gemeinderat in bildungspolitischer und kulturpolitischer Hinsicht weit über das übliche einer solch kleinen Gemeinde hinaus durch Kurse und Theatergastspielangebote. Inzwischen wird diese Aufgabe durch ein Ökumenisches Bildungswerk und eine Außenstelle der Volkshochschule Villingen­ Schwenningen wahrgenommen. Bei Kriegs­ ende etwa 1100 Einwohner zählend, wuchs die Bevölkerung durch die Schaffung neuer Baugebiete inzwischen auf 3000 Menschen an. Davon zählen o/3 zum evangelischen Reli­ gionsbekenntnis, die inzwischen angewach- 18

Das Wappen der Gemeinde Mönchweiler Wappen: Unter goldenem Schildhaupt, belegt mit einer blauen Hirsch­ stange, in Silber ein schwarzgekleideter Mönchsrumpf trennt vom reinen Wohngebiet eine etwa 30 ha umfassende Fläche für Firmen ver­ schiedenster wirtschaftlicher und techni­ scher Ausrichtung. Diese in den letzten 15 Jahren vollzogene Gewerbeansiedlung brachte vielen Mönchweiler Bürgern Ar­ beitsplätze am Ort, der Gemeinde Gewerbe­ steuereinnahmen, jetzt aber auch Sorgen auf Grund der wirtschaftlichen Rezession. Der Landwirt weiß, daß in Mönchweiler im Grunde nur Milch-und Viehwirtschaft rentabel sind, die Anpflanzung von Futter­ mitteln geschieht daher nur in begrenztem Rahmen. Schon in den ersten 60er Jahren wurde das Allmendfeld abgelöst, um eine Teilflurbereinigung zu verwirklichen. Vier Aussiedlerhöfe und weitere vier Landwirte im Dorf bewirtschaften nun die gesamte Klaus Schnibbe: Dieses Wappenbild geht zurück auf ein Siegel aus der württembergischen Zeit von 1805 bis 1810, worauf die Hirschstange hin­ wies. (In der Zeit davor, unter österreichi­ scher Herrschaft, durften Landgemeinden nicht siegeln.) Ein Abdruck dieses Siegels mit der etwas fehlerhaften UmschriftS · STAW: SINGNET: MINGWEILERist auf der Hul­ digungsliste vom 15. August 1811 für den neuen badischen Großherzog Karl (1786- 1818) erhalten. Der Mönchsrumpf ist ein „redendes“ Wappenbild für den ersten Teil des Ortsnamens. Später, etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, sehen wir einen metallenen Farbdruckstempel mit der Umschrift GEMEINDE I MÖNCHWEILER im Ge­ brauch, der im Wappen einen auf einem Boden stehenden, heraldisch linksgewende­ ten Löwen zeigt. Auf einem Kautschukstem­ pel vom Ende des 19.Jahrhunderts erscheint der Löwe dann rechtsgewendet und ohne landwirtschaftliche Fläche der Mönchweiler Gemarkung. Ein landwirtschaftliches Wirt­ schaftswegenetz ist noch zu vervollständi­ gen. Entwässerungen wurden nur in Teilflä­ chen, dort wo es am notwendigsten war, durchgeführt. Betrachtet man diesen kleinen Flecken vom Flugzeug aus, erkennt man eine kreis­ förmig geschlossene Gemeinde, deren grüne Mitte derzeit Gegenstand intensiver Planung zur endgültigen Gestaltung ist. Der Fach­ mann erkennt sofort noch die Spuren der ersten Siedlungen hier, die eindeutig auf ein Straßendorf hinweisen und die Frage offen lassen, ob die Anfänge wohl ein Waldhufen­ dorf oder Gründungen der Mönche des Klo­ sters St. Georgen waren. Günter Siek, Bürgermeister Boden. -Weshalb es zu diesem Wappen­ wechsel kam, ist nicht bekannt; ebensowenig sind die Farben dieses Löwenwappens und seine Bedeutung überliefert. Das Großher­ zoglich badische Generallandesarchiv schlug im Jahre 1902 eine bessere Darstellung dieses Wappens vor, wobei als Farben „In Gold ein roter Löwe“ festgelegt werden sollte. Doch lautete die Antwort: »Der Gemeinderath ist ganß mit dem vorhandenen Gemeindesiegel zufrieden.“ 19

Erst 1919 wurde der Wunsch laut, zu dem älteren Mönchswappen mit der württember­ gischen Hirschstange zurückzukehren.Nach längeren Verhandlungen einigte man sich auf die Darstellung, die nach dem Gemeinde­ ratsbeschluß vom 15. April 1922 nunmehr als endgültiges Wappen geführt wird. Bemer­ kenswert ist die anstelle der ursprünglich schwarzen (württembergischen) auf Vor­ schlag des GLA gewählte b I au e Hirsch- stange, da Mönchweiler vor der kurzen würt­ tembergischen Herrschaft zur vorderöster­ reichischen Landgrafschaft Nellenburg gehört hatte. Als deren Wappen galt das der alten Grafen von Nellenburg: In Gold drei blaue Hirschstangen übereinander. In neuerer Zeit findet man den aus dem Schildfuß „wachsenden“ Mönchsrumpf „schwebend“ dargestellt. Der Weiler mit dem Mönch im Wappen Ein erster Blick in das offene, saubere und heitere Antlitz des Schwarzwaldortes Mönchweiler läßt kaum die spärlichen Runen seines ehrwürdigen Alters erkennen: den Chor der Ortskirche aus dem 15. Jahr­ hundert etwa, oder die wenigen heimeligen Fachwerkgiebel unserer Schwarzwaldhäuser und Höfe. Das Ur-Munechewilar erstmals urkund­ lich 1258 feststellbar, nahe der trutzigen Mauer des wehrhaften Villingen, war durch Jahrhunderte eine kaum beachtete unge­ schützte Wegmarke an der großen Heer-und Kulturstraße im abendländischen Wiegen­ raum. Der fromme Mönch im Wappen erin­ nert bescheiden an die Entstehung des Wei­ lers im Zuge klösterlicher Kolonisationsbe­ strebungen des 11. und 12. Jahrhunderts in unserem Raum. Fromme Kuttenträger aus dem nahen Kloster 3,t. Georgen rodeten den Wald, zogen erste &kerfurchen ins Brach­ land und geleiteten Saat und Ernte durch Gebet und Segen. Damals wurde der Grund gelegt zur heimatlichen Gemarkung mit heute 959,96 ha, davon 400 ha Wald, 286 ha Wiesen, 123 ha Ackerland. Durch einen star­ ken Schub der letzten Jahre ist die Einwoh­ nerzahl auf über 3.000 angestiegen. Die Mönchweiler des Mittelalters, echte Alemannen, haben sich vor der abwehren­ den Trutzmauer des nahen Villingen früh dem reformatorischen Geist jener Zeit erschlossen. Sie wurden im Gebiet der kriege- 20 rischen Auseinandersetzungen um Villingen mit hineingerissen in die großen Unruhen des Bauernkrieges, des 30jährigen Krieges und des spanischen Erbfolgekrieges. Die Wendigkeit, der Lebenswille der Alemannen war stärker als Mauem und Waffen. Die Mönchweiler des Mittelalters blieben fest im ungeschützten Raum der zeitbedingten Aus­ einandersetzungen. Früher Wille zur Bildung zeigte sich in einer kuriosen Lösung des Schulproblems im Jahre 1663. In privater Initiative nahm ein Laie, Christian Schmid, sich der Ausbildung des Nachwuchses an. Er unterrichtete die Kinder in seiner eigenen Stube. Das Mönch­ weiler Schulwesen blieb durch 2 Jahrhun­ derte in der Hand der Schmids, die sich auf keine seminaristische Ausbildung berufen konnten. Dieser durch mehrere Generatio­ nen getätigte Unterricht prägte Charakter und Denken der Einwohner. Über einige Etappen des Schulhausbaues kam es schließ­ lich zur Erstellung der neuen, modernen Schule, zusammen mit der mehrzweckbe­ stimmten Alemannenhalle im Jahre 1965. Es entstand ein geschlossenes Bildungs- und Kulturzentrum als warmpulsierendes Herz im Kern unseres Ortes. Die 1970 anläßlich des 50jährigen Jubiläums des Fußball-Clubs 1919 eingeweihte, moderne Sportanlage ist eine würdige Ergänzung. Unsere Sportve­ reine und die musischen Vereinigungen haben Boden unter den Füßen und ein wür-

diges Haus für ihr Kulturstreben. Viele nütz­ liche Einrichtungen, wie Fischteich, Tennis­ plätze, Minigolf, Grillplatz, Wassertretstelle, Wanderwege, Schutzhütten, Reitanlage, Naturpark, sind durch Bürgerinitiativen geschaffen worden oder sind im Werden. jenseits der Die beiden großen Konfessionen haben sich lange überstandenen Schmerzen der Trennung im Geiste der Öku­ mene zusammengefunden. Nach dem Gastrecht der katholischen Kirchenge­ meinde in der evangelischen Ortskirche wurde diese dem Evangelium gemäße Glau­ bensbruderschaft mit dem Bau und der Weihe der katholischen Heilig-Geist-Kirche 1970/72 besiegelt. Ortserweiterung und Verschönerung gehen Hand in Hand. Die Straßen sind mit Gehwegen begrenzt und damit die Fußgän­ ger gesichert. An alten und neuen Straßen reihen sich wie an einer Perlenschnur hinter blühenden und gepflegten Vorgärten aparte Bürgerhäuser. Die einsichtige Einwohner­ schaft und deren Gemeinderat nehmen das anvertraute Erbe in allseitige Pflege. Im Frei­ land werden gewerbliche Betriebe sinnvoll angesiedelt. So findet der Bürger seinen Arbeitsplatz nahe seiner Wohnstätte. Die heimatliche schöner Mischung von Wald und Wiesen, von geschickter Menschenhand gepflegt, ergänzt oder sinnvoll verändert, bildet für Mönch­ weiler einen idealen Lebensraum für Gegen­ wart und Zukunft. Landschaft in P. Gotthilf Hölzer (t 1980) Vergänglichkeit Der Sommer ist vorüber, Wie das mein Herz bedrückt, Die Tage werden trüber, Der Herbst ist angerückt. Die Blumen welken wieder, Die Bäume werden kahl, Verstummt der Lerche Lieder, Weiß wird das grüne Tal. Doch will ich nicht verzagen, Weil alles wiederkehrt, Ich weiß, nach diesen Tagen Ein neuer wird beschert. Johannes Hawner Dankbarkeit Auf einer Tanne, schneebedeckt, Die stolz ihr Haupt zum Himmel reckt, Da hüpft ein Vöglein, still vergnügt, Dem schon ein Krümchen Brot genügt. Das achtlos lag auf einer Bank – Und was uns Menschen fehlt an Dank, Das spürt‘ und wußte ich gar bald, Als leis sein Zwitschern widerhallt. Dann ging ich weiter meinen Weg, Doch hielt ich kurz vor einem Steg, Um dem Schöpfer auch zu preisen, Alles Lob ihm zu erweisen. Johannes Hawner Fruitlingswind Zart und weich sind Deine Flügel, O Du sanfter Frühlingswind, Kommst von ferne, über Hügel, Wie ein neugebor’nes Kind. Bringst die Jugend immer wieder In das Leben uns zurück, Schenkst uns frohe, süße Lieder, Läßt uns jubeln, hoch vor Glück. Legst das Herz uns in die Hände, Daß qem Schöpfer danken wir, Für den Anfang und das Ende, Auf der schönen Erde hier. Johannes Hawner -·�“ 21

Behörden und Organisationen mit Außenstelle Donaueschingen Das Wasserwirtschaftsamt Rottweil ist eine untere Sonderbehörde des Landes, die im Rahmen des Wassergesetzes Aufgaben einer technischen Fachbehörde wahrnimmt. Es ist ihr Auftrag, alle Eingriffe in den natür­ lichen Kreislauf des Wassers zu ordnen und für einen Ausgleich der Interessen zu sorgen. Die räumliche Zuständigkeit des Wasser­ wirtschaftsamtes Rottweil wurde durch die Verwaltungsreform im Jahre 1973 festgelegt. Sie entspricht der Fläche der drei Landkreise Rottweil, Schwarzwald-Baar (Außenstelle Donaueschingen} und Tuttlingen. In diesem Gebiet kommt den Aufgaben der Wasser­ wirtschaftsverwaltung besondere Bedeutung zu. Hier, im Bereich der europäischen Was­ serscheide, am Ursprung von Donau und Neckar haben alle Vorfluter nur eine ?elativ geringe Wasserführung. Durch bedeutende Ansiedlungen und Industrien entstehen aber erhebliche Abwassermengen. Eine optimale Gewässerreinhaltung ist daher nicht nur im Hinblick auf die Unterlieger, sondern auch wegen des unmittelbaren Einflusses auf die Nutzung von Grund-und Oberflächenwas­ ser in der eigenen Region erforderlich. Abwasserbeseitigung-Gewässerreinhaltung Die Tätigkeit des Wasserwirtschaftsamtes im Rahmen der Gewässerreinhaltung umfaßt Beratung, Prüfung und Überwachui:ig von Kanalisationen und Kläranlagen; Ollage­ rungen gehören ebenso dazu wie Erhebun­ gen bei Gewässerverunreinigungen, Fisch­ sterben und Ölunfälle. Daneben sind Stel­ lungnahmen zu Bauleitplänen abzugeben und die ordnungsgemäße Verwendung von Staatsbeihilfen beim Bau von Abwasseran­ lagen zu überwachen und abzurechnen. 22 Das Wasserwirtschaftsamt Rottweil Der Umfang dieser Aufgaben kann ver­ deutlicht werden durch den Hinweis, daß derzeit rund 60 große kommunale Sammel­ kläranlagen das Abwasser von rund 850/o der Bevölkerung im Amtsbezirk reinigen. Wei­ tere Anlagen sind im Bau bzw. geplant. Dazu kommen rund 205 industrielle Abwasser­ reinigungsanlagen und zahlreiche private Kleinkläranlagen. Durch das Abwasserabgabengesetz, das seit 1981 Gültigkeit hat, ist das Wasserwirt­ schaftsamt mit einem weiteren Katalog von Aufgaben beauftragt. Die finanzielle Bela­ stung des Bürgers durch die Abwasserreini­ gung ist trotz erheblichen Zuschüssen von Bund und Land in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Dies hatte zur Folge, daß neben der Einsicht in die Bedeutung des Wassers für Haushalt, Gewerbe und Indu­ strie auch zunehmend Kritik an den erheb­ lichen Kosten geäußert wird. Abfallbeseitigung Ein weiterer Bereich der Umweltvorsorge, der in den vergangenen Jahren immer wieder die öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat, ist das Gebiet der Abfallbeseitigung. Nach dem Abfallgesetz des Bundes und des Landes aus dem Jahre 1973 konnte in Zusammen­ arbeit zwischen Kommunen, Landkreisver­ waltung und Wasserwirtschaftsamt erreicht werden, daß nahezu alle ungeordneten, ge­ meindlichen Abfallkippen geschlossen wurden. Die für die Abfallbeseitigung zu­ ständigen Landkreise betreiben inzwischen zentrale Deponien, auf denen Hausmüll und ähnliche Abfälle weitgehend schadlos besei­ tigt werden können. Im Schwarzwald-Baar­ Kreis konnte die Zahl der Müllkippen von

rund 61 im Jahre 1973 auf zwei Zentraldepo­ nien bei Tuningen und Hüfingen reduziert werden. Das Wasserwirtschaftsamt nimmt als technische Fachbehörde für Abfall die lau­ fende Überwachung alter und neuer Depo­ nien wahr. Es wirkt mit bei der Planung neuer, zentraler Abfallanlagen sowie bei der Be­ ratung und Überwachung der Abfallbeseiti­ gung im Bereich der Industrie. Es hat sich gezeigt, daß die Beseitigung von Bauaushub und Bauschutt, insbesondere aus der Sicht des Natur-und Landschaftsschutzes noch nicht überall befriedigend gelöst ist. Wasserversorgung In den vergangenen Jahren war die Vor­ sorge für eine langfristige Sicherstellung der Trinkwasserversorgung im Blick der Öffent­ lichkeit zeitweilig zurückgetreten hinter den Problemen der Entsorgung. Dies hatte seine Ursache zum Teil darin, daß fast alle Ge­ meinden der Region bereits seit Jahrzehn­ ten durch zentrale Einzelwasserversorgungs­ anlagen oder aber durch Wasserversorgungs­ verbände mit Wasser versorgt werden. Von Einzelfällen abgesehen, haben sich Probleme in neuerer Zeit dadurch ergeben, daß durch das Ansteigen des spezifischen Bedarfs auf250 bis 300 Liter pro Einwohner und Tag sowie durch Zunahme der Bevölkerung und des Verbrauchs bei Gewerbe, Industrie und Fremdenverkehr Engpässe entstanden sind. Zum Teil mußten auch O!iellen und Brun­ nen wegen Besiedelung oder landwirtschaft­ licher Beeinträchtigung aufgegeben werden. Die fehlenden Wassermengen können nicht immer nahe den Verbrauchsorten gefunden werden. Durch diese landesweite Entwick­ lung sind in den vergangenen Jahren ver­ schiedene Fernwasserversorgungsunter­ nehmen in Baden-Württemberg entstanden. Von einem der großen Fernwasserunterneh­ men, dem Zweckverband Bodenseewasser­ versorgung (BWV), werden auch Ge­ meinden in unserem Amtsbezirk mitver­ sorgt (Tuttlingen, Villingen-Schwenningen, St. Georgen, Rottweil). Nach den Untersuchungen des Sonder­ planes Wasserversorgung des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt Baden-Württemberg aus dem Jahre 1979 be­ trägt der künftige Wasserfehlbedarf im Schwarzwald-Baar-Kreis Oahr 2000) rund 26 Millionen Kubikmeter/a. Davon betroffen ist vor allem der nördliche Teil des Schwarz­ wald-Baar-Kreises. Die Wasserwirtschaftsver­ waltung führt in diesem Zusammenhang seit geraumer Zeit Erhebungen und Vorpla­ nungen durch und versucht Lösungsmög­ lichkeiten der Probleme anzubieten. Des wei­ teren wirkt das Wasserwirtschaftsamt mit bei der technischen Überprüfung von Wasser­ versorgungsanlagen, bei der Festsetzung von Wasserschutzgebieten, bei Grundwasserent­ nahmen und bei der Beurteilung von Wärme­ pumpen. Ausbau und Unterhaltung von Gewässern Der Ausbau von Gewässern, Hochwasser­ schutzmaßnahmen, bauliche Anlagen an Wasserflächen und die Unterhaltung von Gewässern sind weitere Aufgabenbereiche des Wasserwirtschaftsamtes. Die direkte Zu­ ständigkeit des Wasserwirtschaftsamtes Rott­ weil ist gegeben beim Ausbau und der Unter­ haltung der Donau bis Gemarkung Fridingen, der Brigach ab Gemarkung Marbach, der Breg ab Gemarkung Wolterdingen, dem Neckar ab Gemarkung Dauchingen sowie Strecken an der Kinzig. Insgesamt hat das Amt Rottweil eine Strecke von rund 170 km an Gewässern I. Ordnung auszubauen und zu unterhalten. Dazu verfügt das Amt über 28 Flußbau­ facharbeiter, die zusammengefaßt sind in 2 Baubezirken, in Donaueschingen und Rottweil. Diesem Personal steht ein beacht­ licher Gerätepark zur Verfügung. Bei allen wasserbaulichen Maßnahmen an oberirdischen Gewässern steht immer auch die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes im Mittelpunkt. Gewässer sind wesentlicher Bestandteil des Land­ schaftsbildes und Lebensraum für zahlreiche Tier-und Pflanzenarten. Es ist daher beson­ ders beim Gewässerausbau unabdingbar, zu-23

Kulturbau für die Landwirtschaft sammen mit den für Natur-, Landschafts­ schutz und Landwirtschaft zuständigen Stellen abzuwägen, inwieweit Maßnahmen sinnvoll und damit erforderlich sind. Als Beispiel für die langwierige, schließlich aber erfolgreiche Diskussion zwischen den ver­ schiedenen Fachbehörden über wasserbau­ liche Auswirkungen kann auf die Brigach verwiesen werden. Hier wurde nach langen Jahren der Planung der Ausbau der Brigach zwischen Villingen und Donaueschingen 1979 abgeschlossen. Aufgrund der inzwi­ schen vorliegenden Erfahrung kann festge­ stellt werden, daß die Interessen von allen Beteiligten weitgehend berücksichtigt wer­ den konnten. Die Forderung der Landwirt­ schaft, Schäden während der Vegetations­ periode möglichst zu vermeiden, konnte erfüllt werden, ohne daß der Grundwasser­ horizont allzu stark abgesenkt bzw. die Grundwassereinspeisung vermindert wurde. Ein Ausgleich zwischen den Forderungen der Landwirtschaft und denen des Land­ schafts-und Naturschutzes muß vom Was­ serwirtschaftsamt regelmäßig auch im Be­ reich des sogenannten Kulturbaues herbei­ geführt werden. Dazu gehören Maßnahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaues {Drän­ maßnahmen) ebenso wie der Ausbau von landwirtschaftlichen Wegen und die Mitwir­ kung bei Flurbereinigungsverfahren. Im Rahmen des Kulturbaues soll durch die Verbesserung der Bodenverhältnisse eine Steigerung der Bodenfruchtbarkeit und eine Erleichterung der Flächenbewirtschaftung für den Landwirt erreicht werden. Es handelt sich dabei um technische Maßnahmen zur Regelung des Wasserhaushaltes im Boden, z. B. durch den Bau von Gräben oder Dränungen, oder aber um Maßnahmen zur Bewässerung landwirtschaftlichen Grundstücken. Die ingenieurmäßige Bear­ beitung dieser Aufgaben liegt aus Tradition bei den Wasserwirtschaftsämtern, da die komplexen Zusammenhänge zwischen Na­ tur-, Landschaftsschutz und Wasserwirt- 24 von schaft eine unabhängige, übergeordnete Be­ trachtungsweise verlangen. Dazu kommt, daß in diesen Bereichen in der Vergangenheit erhebliche staatliche Zuschüsse gewährt wurden, deren Verwendung von den Wasser­ wirtschaftsämtern überwacht und abgerech­ net wurde. Träger der Maßnahmen des land­ wirtschaftlichen Wasserbaues sind im Regel­ fall Wasser-und Bodenverbände. Im Bereich des Schwarzwald-Baar-Kreises bestehen 29 derartige Verbände. Bedeutende Maßnah­ men des Kulturbaues wurden in jüngster Zeit ausgeführt bei den Wasser-und Boden­ verbänden Brigach, Buchenberg, Fürsten­ berg, Langenschiltach. Darüber hinaus hat das Wasserwirtschafts­ amt in den vergangenen Jahren auch als Fachbehörde für den ländlichen Wegebau erhebliche Investitionen betreut. Derzeit hat das Netz der landwirtschaftlichen Wege im Schwarzwald-Baar-Kreis eine Länge von rund 300 km. Obwohl die dringlichsten Wegebaumaßnahmen für die Landwirtschaft dadurch abgeschlossen sind, besteht immer noch ein großes Bedürfnis zur Verbesserung des Wegenetzes in Teilbereichen. Es wurde versucht, einen Überblick zu geben über die vielfältigen Aufgaben des Wasserwirtschaftsamtes. Dabei ist von Be­ deutung, daß die Vorrangigkeit des Gewässer­ schutzes als eine der wichtigsten Aufgaben der Wasserwirtschaftsverwaltung sich erst in den vergangenen Jahrzehnten herausgebil­ det hat. Die ursprüngliche Aufgabe der Wasserwirtschaftsämter war die technische Beratung der Kommunen bei Fragen der Wasserversorgung, die Unterstützung der Landwirtschaft bei dem Bemühen, die Er­ träge zu verbessern und abzusichern sowie den Hochwasserschutz zu organisieren. Heute treten Fragen der rein ingenieur­ mäßigen Beratung immer mehr in den Hin­ tergrund. Die Vielzahl dieser Aufgaben kann nicht mehr allein von einer staatlichen Be­ hörde wahrgenommen werden. An die Seite der technischen Ämter sind private Fach­ ingenieure getreten. Bruno Mössner

AOK Schwarzwald-Baar-Kreis im neuen Domizil Von Direktor P.E. Schweizer, Geschäftsführer der AOK Die AOK für den Schwarzwald-Baar­ Kreis -im Zuge der Gebietsreform hervorge­ gangen aus den früher selbständigen Orts­ krankenkassen Donaueschingen, Schwen­ ningen und Villingen-Triberg -konnte im achten Jahr ihrer Existenz ihr neues Domizil für die Hauptverwaltung in Betrieb nehmen. Damit hat die Fusion auch äußerlich ihren sichtbaren Abschluß gefunden. Der Neubau beherbergt einen für das ganze Kreisgebiet zuständigen Sozialleistungsträger, der in sei­ ner Sparte mit einem Haushaltsvolumen von 188 Mio. DM zu den großen im Lande gehört. Mit rd. 68.500 Mitgliedern sind ein­ schließlich der Familienangehörigen 130.000 Menschen bei der AOK versichert, d. h. etwa zwei Drittel der Kreisbevölkerung. Die AOK für den Schwarzwald-Baar-Kreis ist-das darf man heute feststellen -zu einer Institution geworden, die im Bewußtsein der Kreisbe­ völkerung fest verankert ist. Die Fusion der drei Ortskrankenkassen Donaueschingen, Schwenningen und Villin­ gen-Triberg, so sehr sie damals aus aktueller Sicht von Skepsis begleitet gewesen sein mag, gilt heute als unumstritten richtig. Denn ihre Bedeutung ging weit über die Ziele der Gebietsreform und das Prinzip der „Einräu­ migkeit der Verwaltung“ hinaus. Der eigent­ liche Vorteil lag in dem Entstehen einer grö­ ßeren Versichertengemeinschaft und einer ausgewogeneren Versicherungsstruktur. Denn jede Versicherung, so auch die gesetzliche Krankenversicherung, lebt von einer gesun­ den Risikomischung, die erst den Solidar­ ausgleich zu vertretbaren Bedingungen ermöglicht. Eine solche Risikogemeinschaft ist in der AOK für den Schwarzwald-Baar­ Kreis entstanden, die zugleich auch über die optimale Größe verfügt, um noch die Über­ schaubarkeit und Individualität garantieren zu können. Die terrassierte Rückseite des neuen Verwaltungsgebäudes der AOK in Villingen-Schwenningen 25

In dieser Situation der Neuorientierung hat sich die örtliche Selbstverwaltung und ihre paritätische Besetzung mit Arbeitgeber­ und Versichertenvertreter als außerordent­ lich vorteilhaft erwiesen. Denn es galt nicht nur die früher selbständigen Ortskranken­ kassen in der neuen AOK zu integrieren, sondern auch die AOK für den Schwarz­ wald-Baar-Kreis nach innen und außen neu zu formieren. Dies ist erstaunlich rasch ge­ glückt, ebenso wie die Kasse auch schnell zu einem erweiterten Selbstverständnis gefun­ den hat, das ihrer neuen Größenordnung entspricht. Dabei waren es keineswegs leichte Jahre, die der Fusion folgten. Für die neue Kasse und ihre Handlungsorgane blieb nur kurze Zeit, sich zu stabilisieren. Wirtschaftsrezes­ sion, Kostenexpansion und Kostendämp­ fung sind bekannte Schlagworte, die die Lage in der sozialen Krankenversicherung seit Jah­ ren kennzeichnen und für die Kasse eine große Herausforderung darstellen. Es waren Finanzprobleme zu meistern und restriktive Sozialgesetze zur Gegensteuerung in die Pra­ xis umzusetzen, ohne daß die Qpalität des Versicherungsschutzes allzusehr eingeengt werden durfte. Auch die Freiräume zur Eigeninitiative galt es positiv zu nutzen und in einem Prozeß sorgfältigen Abwägens zwi­ schen der Finanzierbarkeit und dem sozial­ politischen Wollen vernünftige Lösungen zu finden. Kernstück unserer Maßnahmen ist ein umfassendes Gesundheits-und Seminar­ programm zur Krankheitsvorbeugung, wo unsere Kasse im südwestdeutschen Raum und darüber hinaus Beispielhaftes leistet. In diese bewegten Jahre fiel auch die Erkenntnis, daß für den Aufbau einer durchorganisierten und effizient geführten Verwaltung ein Neubau am Sitz der Haupt­ verwaltung in VS-Villingen unumgänglich ist. Anfängliche Vefsuche, das bisherige Ver­ waltungsgebäude in der Villinger Bleiehe­ straße für die Hauptverwaltung der neuen und viel größeren AOK für den Schwarz­ wald-Baar-Kreis nutzbar zu machen, mußten schnell wieder aufgegeben werden. Die neue 26 Kassengröße mit 68.500 Mitgliedern statt bisher 28.000 Mitgliedern erforderte andere Dimensionen. Die auf die Gebäude in den Stadtbezirken Villingen, Schwenningen und der Stadt Donaueschingen aufgeteilte Hauptverwaltung konnte so nicht zusam­ mengeführt werden. Nachdem dies auch durch eine externe Unternehmensberatung nach gründlicher Analyse der Verhältnisse bestätigt wurde, haben sich die Selbstverwaltungsorgane rasch zum Verwaltungsneubau entschlossen. Die Grundsatzbeschlüsse wurden im Früh­ sommer 1977 gefaßt. Ein geeignetes Grund­ stück fand sich an der Ecke Schwenninger Straße/ An der Schehnengaß (ehemalige Görlacher-Villa). Nach sorgfältigen Bedarfs­ überlegungen wurde im Mai 1978 der Archi­ tekten-Wettbewerb ausgeschrieben und im Oktober 1978 der Planungsauftrag an den 2.Preisträger, die Architektengemeinschaft Kuhfeld/Binsdorf, Waldshut/Wutöschin­ gen, vergeben. Es folgte die Detailplanung, und die notwendigen bau-und aufsichts­ rechtlichen Genehmigungen wurden einge­ holt. Am 24. September 1979 war es dann soweit: der Bau konnte mit dem „Ersten Spa­ tenstich“ begonnen werden. Dank der umsichtigen Bauleitung der Werksgemein­ schaft Viehoff + Rolf + Partner, Freiburg, und des Bauingenieurs Horst Nolte, VS-Vil­ lingen, verlief die Bauabwicklung planmä­ ßig. Am 14. November 1980 konnte das Richtfest gefeiert werden, das mit der Grund­ steinlegung verbunden wurde, und am 22./ 23.Oktober 1981 wurde das Gebäude bezo­ gen. Die Einweihung und der“ Tag der offe­ nen Tür“ fanden am 20./21. November 1981 statt.Mit diesem neuen Verwaltungsgebäude verfügt die Kasse über eine Netto-Grundriß­ fläche von rd. 4.100 m2, die sich auf vier Geschosse verteilt. Im Erdgeschoß befinden sich die Melde-und Beitragsabteilung, die Leistungsabteilung und die Ersatzabteilung, also alle kundenintensiven Bereiche. Im 1. Obergeschoß sind die Direktion und als „kundenarme“ Abteilungen und Sachge-

biete die Allgemeine Verwaltung, Organisa­ tion, Personal-und Finanzwesen, Vertragsab­ teilung, Betriebsberatung, Innenrevision sowie die Textverarbeitung und die Datener­ fassung untergebracht. Das 2. Obergeschoß beherbergt schließlich die Konferenzräume, den Rechnerraum und das EDV-Büro sowie die Cafeteria, während das Untergeschoß die Personalgarderoben, alle technischen Räume für Heizung, Elektro, Klima und Steuerung sowie Hausdruckerei, Postausgang, Akten­ vernichtung, Archiv- und Materialräume aufnimmt. Die Büroflächen sind als Großräume gestaltet, die eine flexible Nutzung ermögli­ chen. Dennoch herrscht eine wohltuende Atmosphäre. Geschwungene Raumgliede­ rungs-Elemente unterteilen die Großflächen funktionsgerecht und schaffen für Besucher wie für Mitarbeiter abgeschirmte Zonen. Auf diese Weise ist ein ungestörtes und vertrauli­ ches Beratungsgespräch sichergestellt. Es ist uns trotz der Großraumlösung gelungen, die Voraussetzungen für humane Arbeitsplätze zu erfüllen. Seit 30 Jahren: Am 12. und 13. September 1981 feierten die ehemaligen Angehörigen der Badischen Bereitschaftspolizei in Bad Dürrheim den 30. _Gründungstag. Es war erstaunlich, in welch großer Zahl die früheren Bad Dürrheimer Bereitschafts­ polizisten mit ihren Angehörigen zu diesem ,,Geburtstag“ erschienen waren. Durch eine kurze zeitgeschichtliche Betrachtung will ich die Umstände erhellen, die zur Bildung der Badischen Bereitschafts­ polizei Anfang September 1951 führten: Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 7. und 8. Mai 1945 und der Verhaftung der letzten deutschen Reichsregierung am 23. Mai 1945 brach die gesamte deutsche Verwaltung zusammen. Das Deutsche Reich war funktionsunfähig Badische Bereitschaftspolizei in Bad Dürrheim Ebenso wichtig wie die Gliederung der Bürolandschaft ist die leichte Orientierbar­ keit im Gebäude und die kundenfreundliche Benutzbarkeit. Auf beides wurde streng geachtet. Das Gebäude ist vertikal und hori­ zontal gut erschlossen. Wegweiser und INFO-Zone im Erdgeschoß führen den unkundigen Besucher gezielt zur richtigen Stelle. Durchgängig behindertengerechte Gestaltung macht auch für diesen Personen­ kreis das Gebäude in allen Etagen zugäng­ lich. Kundentoiletten, Behinderten-WC und öffentliche Fernsprechmuschel im Foyer sind Beweise dafür, daß wir bei der Planung stets an den Besucher gedacht haben. Nach einer Betriebszeit von nahezu einem Jahr dürfen wir -auch nach dem Urteil zahlreicher Besucher-mit Freude fest­ stellen, daß die alte Spruchweisheit „Gut geplant, ist halb gebaut“ ihre volle Berechti­ gung hat. Denn das Gebäude und seine Ein­ richtungen haben ihre Bewährungsprobe im Alltag bestanden. geworden, die Träger der Verwaltung waren inhaftiert. Die Alliierten, die das gesamte Reichsgebiet besetzten, übernahmen die staatlichen Funktionen und damit auch die Polizeihoheit in Deutschland. Sehr bald wur­ den auf Befehl oder Billigung der Besat­ zungsmächte auf Orts- und Kreisebene deutsche Behörden gebildet. Sie waren den unmittelbaren Weisungen der Besatzungs­ mächte unterworfen, die sich insbesondere auf dem Gebiet der Polizeihoheit besondere Überwachungsinstitutionen schufen. Die weitere Entwicklung nahm in den einzelnen Besatzungszonen einen sehr verschiedenen Verlauf In der französischen Zone entstanden 1947 die Länder Baden mit der Hauptstadt Freiburg, Württemberg-Hohenzollern mit 27

Eine Hundertschaft auf dem Marsch zum Sportplatz. der Hauptstadt Tübingen und Rheinland­ Pfalz mit der Hauptstadt Mainz. Die Organisation der Polizei entsprach den Vorstellungen der jeweiligen Besat­ zungsmacht. Frankreich, als stark zentralisti­ scher Staat, hatte im Prinzip seine Polizeior­ ganisation auch in seiner Besatzungszone eingeführt. Anders in der amerikanischen und englischen Zone, wo eine neue, stark dezentralisierte Polizei aufgebaut wurde. In der französischen Zone wurde auch die Kri­ minalpolizei in selbständige, größere Dienst­ stellen zusammengefaßt und die örtliche und sachliche Zuständigkeit festgelegt.Auch die Polizeischulen wurden in der französi­ schen Zone schon 1946 eingerichtet. Die Militärgouverneure der drei westli­ chen Besatzungszonen übergaben am 1. Juli 1948 den 11 Ministerpräsidenten der deut­ schen Länder die »Frankfurter Dokumente“, deren wichtigstes die Erlaubnis der Einberu­ fung einer Verfassunggebenden Versamm­ lung enthielt. Damit war die Voraussetzung zur Schaffung einer „angemessenen Zentral­ instanz“ gegeben. Der „Parlamentarische Rat“ arbeitete das Grundgesetz für die Bun­ desrepublik Deutschland aus, das letztlich nach Bestätigung durch die Militärgouver­ neure am 24. Mai 1949 in Kraft trat. Die nun ·entstandene Bundesrepublik Deutschland hatte naturgemäß das Bestre­ ben, eine eigene Polizei zu erhalten. Auf 28 einen entsprechenden Antrag der Bundesre­ gierung vom 28. April 1950 antwortete die Alliierte Hohe Kommission am 28. Juli 19 50, daß sie der Bildung einer Bundespolizei nicht zustimmen könne. Es wurde Bundes­ kanzler Dr. Adenauer aber in Aussicht gestellt, daß eine mobile Polizeiformation von insgesamt 10.000 Mann in den Ländern genehmigt werden könnte. Die Bundesregierung bemühte sich wei­ ter, um den nach Artikel 91 Abs. 1 und 2 Grundgesetz möglichen Einsatz der Länder­ polizeien zum Schutze des Bundes genauer zu regeln. Es sollte auch die Bewaffnung und Ausrüstung der Polizei wesentlich verbessert und vereinheitlicht werden. Am 27. OktobeF 1950 wurde das „Verwaltungsabkommen über die Errichtung von Bereitschaftspoli­ zeien der Länder“ abgeschlossen. In diesem Abkommen wurde unter ande­ rem vereinbart, daß die Länder zur Aufrecht­ erhaltung der inneren Sicherheit und Ord­ nung neben den im Vollzugsdienst vorhan­ denen Polizeikräften, unabhängig von die­ sen, in Sammelunterkünften wohnende Polizeieinheiten zu errichten haben. Die Per­ sonalstärke dieser Polizeieinheiten richtet sich nach der Einwohnerzahl der Länder und sollte 30.000 Mann insgesamt nicht überstei­ gen. Dabei ist bemerkenswert, daß sich die Bewerber verpflichten mußten, nicht vor dem 27. Lebensjahr zu heiraten.

Nachdem die rechtlichen, sachlichen und finanziellen Voraussetzungen vorhanden waren, begann auch das Land Baden unter Staatspräsident Leo Wohleb mit der Auf­ stellung der Bereitschaftspolizei in Stärke von 300 Beamten. Da die Städte und Kreise im Lande Baden außerstande waren, geeig­ nete Unterkünfte anzubieten, fiel die Wahl auf Bad Dürrheim, weil dort das Kurheim „Waldblick“, gegenüber dem Hotel „Kreuz“, leerstand und in Hochemmingen eine ehe­ malige Wehrmachtshalle für die Unterbrin­ gung der Kraftfahrzeuge sofort zur Ver­ fügung war. Die Planung der badischen Staatsregierung sah allerdings vor, daß die Bereitschaftspolizei-Abteilung in Freiburg stationiert werden sollte, wo auch alsbald mit dem Bau in der Mühlheimer Straße, der heu­ tigen Landes-Polizeischule, begonnen wurde. Auf Montag, den 3. September 1951, wur­ den die ersten 150 Polizeianwärter in Bad Dürrheim eingestellt. Die weiteren 150 Beamten sollten nach Fertigstellung der Unterkunft in Freiburg folgen. Nach der Einkleidung mit maßgeschnei­ derten Uniformen erfolgte mit Schwerpunkt die Formalausbildung {Exerzieren) auf dem Sportplatz, um bei der feierlichen Vereidi­ gung am 14. September 1951 im Ku_riarten ein gutes, strammes Auftreten in der Offent­ lichkeit darzubieten. Der 14. September 1951 verdient beson­ ders erwähnt zu werden: Unter starkem Bei­ fall der Bevölkerung und der Kurgäste mar­ schierte die Abteilung um 10.30 Uhr geschlossen im Kurgarten ein und stellte sich zur Vereidigung auf. Um 11.00 Uhr meldete Polizeioberkommisar Ludwig Gantzer dem Minister des Innern, Dr. Schühly, die ange­ tretene Abteilung, der dann mit Landespoli­ zeirat Diedrichs und Oberregierungsrat Trip­ pe! unter den Klängen des preußischen Defi­ liermarsches die Front abschritt. Nach der Ansprache des Innenministers und dem Bereitschaftspoliui Bad Dürrheim. Angetreten zur Vereidigung am 14. 9. 1951. 29

Choral: ,,Gott des Himmels und der Erden“, erfolgte die Vereidigung durch Landespoli­ zeirat Diedrichs. Dabei intonierte die Kapelle das „Deutschland-Lied“. Neben dem Innenminister wohnten der Vereidigung bei der Minister der Finanzen, Dr. Eckert, der Präsident des Bad. Landtags, Dr. Person, Oberregierungsrat Trippe! vom Innenmini­ sterium, der Landrat des Kreises Villingen, Dr. Astfaller mit Regierungsrat Bergmann, außerdem Polizeioberst a. D. Blankenhorn, Bürgermeister Grießhaber, der Polizeiarzt Dr. Georg Huber, Stadtpfarrer Mutz vom kath. Pfarramt, Stadtpfarrer Jordan vom evangelischen Pfarramt, Gendarmerierat Zizmann vom Gendarmeriedistrikt Kon­ stanz und der Leiter der Polizeischule in Waldshut, Polizeirat Widmann. Es war ein besonderes Anliegen des ersten Kommandeurs der Bereitschaftspolizei­ Abteilung in Bad Dürrheim, des früheren Generalstabsoffiziers Kurt Rosewich, zu den Repräsentanten der Verwaltung, des Handels und der Industrie aus dem Raum Bad Dürr­ heim und zu der ansässigen Bevölkerung guten Kontakt herzustellen. Die jungen Poli­ zeibeamten wirkten in zahlreichen Sportver­ einen mit. Der Ausspruch des „Engel“-Wirts, Julius Rauh, mit dem er die Polizeistunde anzukün­ digen pflegte, wird von den ehemaligen Bereitschaftspolizisten heute noch mit Schmunzeln in Erinnerung zurückgerufen: „Ich bitte meine verehrten Gäste das Lokal zu verlassen, die Polizei bleibt hier!“ Im März 1953 waren die ersten Unter­ kunftsgebäude in Freiburg bezugsfertig. Die Polizisten mußten von Bad Dürrheim Abschied nehmen. Damit ist das Kapitel der Gründung der Bereitschaftspolizei im ehe­ maligen Land Baden abgeschlossen. Die Bereitschaftspolizei ist heute in Baden-Würt­ temberg stationiert: in Göppingen, Lahr, Bruchsal und Biberach. Otto Stärk 30 Zeit Zeit? -unfaßbar Phänomen. Nichts kann ohne dich geschehn. Ich sehne dich so oft herbei, dann wieder bist du schwer wie Blei. Zeit -kein Mensch konnt je dich halten. Man möchte dich auch noch verwalten. Allein dein Gehen gibt dir Sinn, dein stetes Kommen den Gewinn. Zeit-du läufst wie Sand durch meine Hände und machst mich gnadenlos zum Wild. Ein andres mal sperrst du mich zwischen Wände und läßt mich schmachten vor dem schön­ sten Bild. Zeit -du bist so ewig lang im Leid – vergeh! vergeh! du ewig lange Zeit. Sei ewig lang bewegt uns Freud – verweil, verweile doch o Zeit. Du trägst in dir das Leben und den Tod. Bringst uns die Nacht -jedoch auch Morgen­ erzwingst in uns die Reue; [rot, gibst aber auch die Chance aufs Neue. Du bist so unbegreifbar alt, machst niemals nur Sekunden halt. Ich leg mich irgendwann zum Rasten, doch du mußt ewig weiter hasten. Ich lauf so oft dir hinterher. Vergehst wie eine Prise Salz im Meer. Vermag dich nicht zu halten, ziehst mir ins Antlitz tiefe Falten. Und steht vor mir die letzte Stunde erspar mir Gott die Bürde zu flehen die Sekunde – ich möchte gehn mit Würde! Klaus Berbig

Schulen, Bildungseinrichtungen Die Landesberufsschule stellt sich vor: Deutschlands größtes Fachschul-Intemat Wo jährlich über 5 000 Junggastronomen lernen und ihre Freizeit verbringen Wo steht das größte Internat einer Fach­ schule in der Bundesrepublik? Auch für Ken­ ner der Branche eine knifflige Q!iizfrage; und wer’s nicht zufällig weiß, würde wohl kaum vermuten, daß sich der Schwarzwald­ Baar-Kreis mit diesem Superlativ schmücken darf. Genau gesagt, darf er dies seit jenem denkwürdigen Tag im Juni 1981, als der statt­ liche Erweiterungskomplex der Landesbe­ rufsschule für das Hotel- und Gaststättenge­ werbe an der Herdstraße im Stadtbezirk Vil­ lingen seiner Bestimmung übergeben wurde. Mit nunmehr 605 Plätzen setzte sich das In- ternat an die Spitze der deutschen Schulin­ ternate und in der Rangliste der Schüler­ heime auf den zweiten Platz. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hatte als Bauträger eine weithin beachtete Investi­ tionsleistung vollbracht. Mit insgesamt 15,5 Millionen DM steht der Bauaufwand für die Erweiterung der Schule und des Internats sowie für die schmucke neue Turnhalle zu Buch. Als sich am 27. Juni 1981 an der Herd­ straße die Pforten zu einem „ Tag der offenen Tür“ öffneten, strömten über 3 000 Besucher herbei, darunter viele aus dem benachbarten

Schwarzwald, vom Bodensee und aus dem Oberrheingebiet. Manche ehemaligen Schü­ ler darunter mögen sich dabei an ihre eigene Schulzeit in Villingen erinnert haben, als das Wort „Komfort“ im ehemaligen Villinger Krankenhaus noch klein und bescheiden geschrieben wurde. Die umfunktionierten Krankenzimmer von einst waren nicht gerade dazu angetan, sich heimisch zu füh­ len, und die Freizeitgestaltung war mehr oder weniger der eigenen Initiative überlassen. Sie spielte sich zwangsläufig außer Haus in den Lokalen ab. Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Es gab laufend Proteste von Anwohnern, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlten, und auch in den Polizeiakten sind eine Reihe ziemlich unerfreulicher Vorfalle aus jenen Tagen nachzulesen. Mit hauseigener Discothek Das alles ist längst vergangen und verges­ sen. Mit Franz Rengel kam nicht nur ein neuer Internatsleiter, der sich als strenger, aber doch auch verständnisvoller Hausherr Achtung und Respekt zu verschaffen wußte, mit der baulichen Erweiterung hat sich auch das Klima an der Landesberufsschule grund­ legend verändert. Nicht nur, daß es sich in den zwar einfach eingerichteten, aber doch behaglichen Zimmern des Internats ange­ nehmer wohnen und leben läßt, auch das hauseigene Freizeitangebot ist so reichhaltig, daß niemand mehr vor der kasernierten Tri­ stesse zu flüchten braucht. Manches professionelle Freizeitzentrum hat das nicht zu bieten, was den Junggastro­ nomen zur Erholung und Zerstreuung zur Verfügung steht. Acht Tischtennisplatten, sechs Billard-Tische, Tischfußballspiele sowie elektronische Spielgeräte gehören nebst vierzehn Fernsehgeräten ebenso zum Inventar wie das komplette Instrumenta­ rium für eine Musikgruppe. Der Stolz des Hauses aber sind eine sehenswerte Discothek und ein eigenes Kino. Seit März 1982 wird in einem zweiten Filmvorführraum zusätzlich ein Kontrastprogramm geboten. 32 Jeden Tag ist etwas los Das Geld für die Freizeiteinrichtungen ist gut angelegt. Dies kann Internatsleiter Franz Rengel mit eindrucksvollen Zahlen belegen. 1981 haben im Tagesdurchschnitt 500 Schü­ lerinnen und Schüler vom reichhaltigen Frei­ zeitangebot Gebrauch gemacht. Mit 160 bis 170 Besuchern liegt die Disco und das Haus­ kino erwartungsgemäß an der Spitze. Kein Wunder, daß die meisten Internatsbewohner dankbar bestätigen: „Wir gehen abends nur noch ganz selten außer Haus. Erstens ist hier für genügend Abwechslung gesorgt, und zweitens ist’s auch wesentlich billiger.“ Drit­ tens schließlich, so muß man hinzufügen, hat sich auch das Image der Schule in der Öffentlichkeit erheblich gebessert. Ärger mit den Nachbarn oder mit der Polizei kennt Franz Rengel schon lange nicht mehr. Vom Freizeitzentrum einmal abgesehen: „Los“ ist immer etwas an der Hofa, wie die Junggastronomen ihre Schule nennen. Kein Tag ohne Veranstaltung. Manchmal werden deren gleich drei oder vier gleichzeitig ange­ boten. Da gibt es praktische Kurse, wie bei­ spielsweise in Schreibmaschine, Kosmetik, Emaillieren, Blumenstecken, Glasgravieren usw., Lichtbildervorträge, Diskussions­ abende, Sportveranstaltungen und vieles andere mehr. Die Hälfte ist 18 und älter Über 5 000 junge Menschen lernen und leben im Verlauf eines Jahres in der gastrono­ mischen Bildungsstätte an der Villinger Herdstraße. Rund die Hälfte ist 18 Jahre und älter. Die Damen sind zahlenmäßig in der Regel etwas stärker vertreten als ihre männli­ chen Kollegen. Die Hotel- und Gaststätten­ schule ist selbst ein ansehnlicher Hotelbe­ trieb. Lediglich mit dem Unterschied, daß ein normales 600-Betten-Hotel schwerlich mit einer 20-Mann-Belegschaft zu betreiben wäre, wie sie dem Internatsleiter zur Ver­ fügung steht. Aber schließlich ist eine Berufsschule keine Urlaubspension und das Erlernen der

Gastronomie keine graue Theorie. Prakti­ sches Üben erstreckt sich auf die Küche ebenso wie auf den neu eingerichteten Ser­ vierraum. Gelegentlich kommen auch gela­ dene Gäste in den Genuß lukullischer Kost- Der Schwarzwald-Baar-Kreis konnte am 29.Januar 1982 den Erweiterungsbau der Richard-Bürk-Schule in Schwenningen ein­ weihen, zugleich auch den Abschluß der Bauarbeiten in der David-Würth-Schule feiern. Damit hat der Landkreis einen weite­ ren Punkt seines umfangreichen Schulbau­ programms mit Schwerpunkt im beruflichen Bildungswesen erfüllt. Drückende Raumnot in den beiden Schulen hatte dazu geführt, proben, wenn Prüfungen ins Haus stehen. Selbst erfahrene Gourmets haben da schon genießerisch mit der Zunge geschnalzt und geschwärmt: „Einfach superbe!“ Heinz Wegmann daß der Kreistag nach einem Architekten­ wettbewerb 1977 im darauffolgenden Jahr den Baubeschluß faßte und Architekt Georg Birkle den Planungsauftrag erteilte. Am 29. Mai 1979 vollzogen Landrat Dr. Rainer Gut­ knecht und Oberbürgermeister Dr. Gerhard Gebauer von Villingen-Schwenningen ge­ meinsam den ersten Spatenstich. Ein Jahr später konnte sich der Landrat freuen, den Rohbau für die Erweiterung der Richard- Der Landkreis baute im Oberzentrum Zwei Berufsbildende Schulen auf modernste Anforderungen ausgebaut Angehende Frisörinnen mit viel Freude bei ihrer Ausbildung in den Gewerblichen Schulen im Stadt­ bezirk Schwenningen (Richard-Bürk-Schule). 33

Bürk-Schule ohne größeren Unfall fertigge­ stellt zu sehen. Die beiden Schulen haben eine lange Geschichte. Die Schwenninger Handelslehr­ anstalten gehen bis ins Jahr 1911 zurück, als am 15. Mai hier eine selbständige Handels­ schule errichtet wurde. Die Berufsschule und Berufsfachschule jedoch begann schon 1854, als die Bauern-und Handwerkergemeinde Schwenningen, damals 4150 Einwohner, eine Gewerbliche Fortbildungsschule errich­ tete. Beide Schulzweige konnten dann 1960 in die Neubauten einziehen, erstmals gemeinsam unter einem Dach an der Erzber­ ger Straße. Fünf Millionen DM hatte damals der ganze Schulkomplex gekostet. Zwischenzeitlich wuchsen die Schüler­ zahlen stark an. Der Landkreis ging daran, das berufsbildende Schulwesen in seiner Hand zu vereinen und im Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit stark auszubauen, um überall im Kreis die Startmöglichkeiten ins Berufsleben zu verbessern. So trat die Stadt Villingen-Schwenningen am 1. August 1976 die David-Würth-Schule wie auch die Richard-Bürk-Schule an den Landkreis ab. Dies geschah gerade in einer Zeit, da in bei­ den Schulen die Raumnot sehr starken Druck ausübte. Schon 1980 hatte die Gewer­ beschule 1150 Schüler, die Handelsschule über 900 Schüler -und der Andrang zu bei­ den Schultypen stieg weiter an. So kam es zu Erweiterungsplänen im Kreistag und sie fanden einen sichtbaren Niederschlag 1977 bei dem schon erwähnten Architektenwettbewerb. Der Kreistag befaßte sich während der Bauzeit wiederholt mit dem Schulbau im Bereich des Stadtbezirks Schwenningen der gemeinsamen Stadt Villingen-Schwennin­ gen. Es ging ja nicht nur um den Rohbau, sondern auch um die Ausstattung, vor allem im gewerblichen Bereich. Beide Schulleiter, die Oberstudiendirektoren Alfons Grimm und Winfried Kapp wirkten bei der Planung sehr engagiert mit und standen wiederholt vor dem Kreistag, um ihre Wünsche vor­ zutragen und zu begründen. Nach zweiein- 34 halbjähriger Bauzeit waren die Arbeiten abgeschlossen und mit dem Beginn des Schuljahres 1981/82 zogen die Schüler ein, die Gewerbeschüler in die Neubauten, die Handelsschüler in die erneuerten alten Räume. 14,8 Millionen DM kosteten die Neu-und Erweiterungsbauten den Land­ kreis. Für die Richard-Bürk-Gewerbeschule mit ihren beiden Schularten, Gewerbliche Berufsschule und ein- und zweijährige Berufsfachschule, wurden im Erweiterungs­ bau neben Klassen-und Fachräumen vor allem Werkstätten für den fachpraktischen Unterricht geschaffen. So entstanden für den Metallbereich zwei Universalwerkstätten, eine Werkstätte für spanende und spanlose Formung, ein Meß-und Prüfraum, sowie ein Raum für Steuerungstechnik. Durch den Umbau der Metallwerkstatt im Altbau wur­ den zusätzlich ein Raum für Härten und Schmieden, sowie eine Schweißwerkstatt gewonnen. Die Elektriker erhielten Elektrolabors für elektrische Meßtechnik und Maschinen sowie einen Übungsraum für Installations­ technik. Die Friseure können nun in einem neuen Arbeits- und Kosmetikraum ihre praktische Fachkunde betreiben.Neu für die Schule ist, daß nun auch den Metzgern und Fleischereiverkäuferinnen praktischer Unterricht erteilt werden kann. Eine Wurst­ küche, Kühlräume, ein Verkaufsraum und eine Versuchsküche befinden sich in diesem Neubau. Für die David-Würth-Schule ergaben sich in einem Anbau an der Hans-Sachs-Straße drei Fachräume mit Nebenräumen: für eine EDV-Anlage Kienzle System 9066 mit vier Bildschirmen, Fernsehmonitoren und Auf­ nahmestudio, ein Büropraxisraum mit Diehl­ Textver-und Textbearbeitungssystem, Fern­ schreiber, Übungstelefon, Registratursyste­ men, ferner ein Sprachlabor. Im Zuge des Aus-bzw. Umbaues der „alten“ Schule und der Übernahme von Räumen der Richard­ Bürk-Schule wurden Fachräume gewonnen: für Physik/Chemie, für einen Experimen-

tierraum für Physik und Chemie, zwei SM­ Säle und ein Warenkunderaum. Für die Schüler konnten ein Arbeitsraum sowie Schüleraufenthaltsräume eingerichtet wer­ den und auch die Schülermitverantwortung (SMV) bekam einen eigenen Raum. Die Bau­ maßnahmen brachten im ganzen gesehen der David-Würth-Schule (Kaufmännische Schule) sechs Fachräume, fünf Klassen­ räume, drei Verwaltungsräume, drei Lehr­ mittelräume sowie drei Schüleraufenthalts­ und Schülerarbeitsräume. Als am 29.Januar 1982 in der Verbindung zwischen Alt-und Neubau der Einweihungs­ akt festlich begangen wurde, konnte Landrat Dr. Rainer Gutknecht viel Lob für Neu-und Umbauten entgegennehmen. Oberstudien- Als jüngstes der drei voll ausgebauten all­ gemeinbildenden Gymnasien der Stadt Vil­ lingen-Schwenningen wurde das Gymna­ sium am Romäusring am 1. August 1972 errichtet. Mit der Gründung dieser Schule sollte dem durch das rasche Anwachsen der direktor Alfons Grimm stellte voll Freude fest: „Wir sind rundum zufrieden“ und dankte für die Weitsicht, schnelle Planung und die Bezuschussung dem Landrat und dem Kreistag. Insgesamt seien 16 Millionen DM für 2200 Schüler an beiden Schulen investiert worden. Oberstudienrat Winfried Kapp versicherte: „Alle Probleme wurden in guter Zusammenarbeit optimal gelöst“. Mit einem Tag der offenen Tür kamen Tausende von Besuchern in die beiden Schulen, die sich in voller Funktion darstellten, sie kamen und staunten, was in modernen berufsbil­ denden Schulen heute gelehrt und gelernt wird. Von der modernsten Technik bis zur schlichten Kurzschrift war sehr viel zu sehen. Helmut Müller Schülerzahlen unabweisbar gewordenen Bedürfnis nach zusätzlichem Schulraum in Villingen entsprochen, zugleich aber auch das Bildungsangebot in diesem Stadtbezirk, das sich vorher -mit einer sprachlichen Variante in der gegabelten Oberstufe -auf 10 Jahre Gymnasium am Romäusring 35

den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich beschränkte, um ein sprachliches Gymnasium erweitert werden. Nach einer langen, bis in das Jahr 1957 zurückreichen­ den Vorgeschichte begann im Jahre 1969 noch unter Oberstudiendirektor Schwall der Aufbau der neuen Schule innerhalb des bestehenden Gymnasiums Villingen. Als sprachliche Ausrichtung wurde ihr der Typ II mit der Sprachenfolge Englisch/Latein/ Französisch zugewiesen und bei der Errich­ tung dem neusprachlichen Gymnasium aus schulorganisatorischen Gründen ein bereits alle Klassenstufen umfassender mathema­ tisch-naturwissenschaftlicher Zweig (Spra­ chenfolge Englisch/Französisch) angeschlos­ sen. So besaß die neue Schule schon am ersten Tag ihres Bestehens den Status eines voll ausgebauten Gymnasiums. Neu auf Grund der rechtlichen Konsti­ tuierung als selbständiges Gymnasium, neu auch im Hinblick auf die Führung eines bis dahin nicht bestehenden sprachlichen Zwei­ ges, ist das Gymnasium am Romäusring den­ noch sehr eng mit dem früheren Gymna­ sium Villingen, und durch dieses mit der in der Mitte des 17. Jahrhunderts beginnenden gymnasialen Tradition in der ehemaligen Stadt Villingen verbunden. Fast alle Lehrer und mit Ausnahme der fünften Klassen sämtliche Schüler des ersten Schuljahres hat­ ten bis zum Sommer 1972 dem Gymnasium Villingen angehört. Als kleinere Hälfte waren sie zu Beginn des Schuljahres 1972/73, als das Gymnasium Villingen mit der etwas größeren Hälfte in das neuerbaute Schulge­ bäude am Hoptbühl umzog und den Namen „Gymnasium am Hoptbühl“ annahm, im alten Gebäude am Romäusring verblieben, wo sie nun das neu errichtete zweite Gymna­ sium mit dem Namen „Gymnasium am Romäusring“ bildeten. Im Gegensatz zur rechtlichen Lage herrschte bei Lehrern und Schülern am Romäusring damals nicht das Gefühl, einer neuen Schule anzugehören, blieb doch das altvertraute Schulgebäude mit dem gesamten Inventar des früheren Gym­ nasiums Villingen weiterhin ihre Heimstatt. 36 Hinzu kam, daß die neue Schule Traditionen und Aufgaben der alten Schule übernahm und weiterführte. So ist es nicht verwunder­ lich, daß das Bewußtsein, beim Gymnasium am Romäusring handle es sich um eine neue Schule, auch heute noch weder bei den Schulangehörigen noch in der Öffentlich­ keit stark ausgeprägt ist. Stadt und Land sahen sich nach der Neu­ gründung vor die Aufgabe gestellt, durch zusätzliche Bauten und durch Umbau und Modernisierung des Altbaus die Vorausset­ zungen für eine gesunde Entwicklung der Schule zu schaffen. Entsprechend der bereits 1972 begonnenen Planung entstand in den Jahren 1974/75 der Erweiterungsbau und wurde die alte Turnhalle für die neue Nut­ zung umgebaut. Zwischen 1975 und 1978 erfolgte der Umbau des in den Jahren 1907 bis 1909 errichteten Hauptgebäudes. Den Abschluß der Hochbaumaßnahmen bildete die Errichtung der Sporthalle, die durch eine Fußgängerunterführung unter dem Romäus­ ring mit der Schule verbunden ist. Ihre Ein­ weihung im September 1979 war Anlaß für ein großes Schulfest und für die Herausgabe einer Festschrift mit Beiträgen zur Ge­ schichte und zum Bildungsangebot der Schule. Trotz zahlreicher Kompromisse, die wegen der Belassung der Schule am räumlich begrenzten alten Platz geschlossen werden mußten, stellt das erweiterte Schulgebäude eine im ganzen geglückte Synthese von Neu und Alt dar, mit einer Raum-und Sachaus­ stattung, die allen Anforderungen gerecht werden kann, und mit einer Atmosphäre, die es unverwechselbar machen. Die dynamische Entwicklung des ersten Jahrzehnts hat die Notwendigkeit der Neu­ gründung und die Richtigkeit der strukturel­ len Auslegung der Schule bestätigt. Obwohl anfänglich die äußeren Bedingungen schlecht waren, und trotz der bedrückenden Belastungen des Unterrichtsbetriebs wäh­ rend der langen Bauzeit, nahmen die Schü­ ler-und Klassenzahlen rasch und kontinuier­ lich zu. Ausgebend von 571 Schülern in 19 Klassen (1972/73) erreichte die Schule bereits

im neunten Jahr (1980/81) das bisherige Maximum von 1011 Schülern in 37 Klassen. Da das neusprachliche Gymnasium bevor­ zugt von Mädchen besucht wird, lag deren Anteil an der Gesamtschülerzahl trotz einer starken Mehrheit der Jungen im mathema­ tisch-naturwissenschaftlichen Zweig bisher jeweils knapp über der Hälfte. Das Einzugs­ gebiet erstreckt sich für die sprachliche Abteilung auf den ganzen Stadtbezirk Villin­ gen und dessen Umland, den mathematisch­ naturwissenschaftlichen Zweig besuchen vor allem Schüler der südlichen und westlichen Stadtteile und der sich daran anschließenden Außenbezirke und Umlandgemeinden. Aus dem flexiblen Verhalten vieler Eltern bei der Wahl des Schulzweigs in Verbindung mit der Festlegung der zweiten Pflichtfremdsprache am Ende der Klasse 6 läßt sich ablesen, wie sehr das Angebot, zwischen zwei verschiede­ nen gymnasialen Typen an der gleichen Schule wählen zu können, geschätzt wird. Seit der Einführung der Neugestalteten Oberstufe (mit der Klassenstufe II im Schul­ jahr 1977 /78) machen die Schüler ihrerseits in beachtlicher Zahl von der Möglichkeit Gebrauch, während der letzten zwei Jahre neue Schwerpunkte in ihrer Ausbildung zu setzen. Am Ende des ersten Dezenniums im Jahre 1982 kann so festgestellt werden, daß sich das Gymnasium am Romäusring als eine wertvolle Ergänzung und Erweiterung der vormals im Stadtbezirk Villingen vorhande­ nen Möglichkeiten gymnasialer Bildung Königsfeld ist kein Dorf, es ist aber auch keine Stadt, sondern es nennt sich „Ort“: Er ist erst 1806, also viel später als die jetzt eingemeindeten Ortsteile, wie z.B. Buchen­ berg, gegründet worden. In dieser Siedlung der „Herrnhuter Brüdergemeine“ mit dem charakteristischen Zinzendorfplatz und seinem Kirchensaal werden Sie vielen älteren Menschen begegnen: ,,Brüdern und Schwe- erwiesen hat. Im Kreis der allgemeinbilden­ den Gymnasien der Stadt Villingen-Schwen­ ningen hat es sich in dieser Zeit einen geach­ teten Platz erworben. Unübersehbar ist diese Schule auch im Stadtbild. An exponierter Stelle angesiedelt, fallt sie jedem, der die Villinger Altstadt umrundet oder den Stadtbezirk in Ost-West­ Richtung durchfahrt, in die Augen. Die von einem Türmchen überragte klassizistische Fassade steht in einem reizvollen Gegensatz zu dem modernen, auf Pfeilern aufruhen­ den, gefächerten Neubau, dem auf der ande­ ren Seite des Romäusrings der sachliche Bau der Großturnhalle antwortet. Die unmittelbare Nähe zum Kern der urbanen, alten Zähringerstadt und die Ein­ bettung in das herrliche Grün der Ringanla­ gen bewirkt für die Schüler eine eigene, in ihren Wirkungen unschätzbare Erlebnis­ welt. Sie erleichtert auch die Möglichkeit gegenseitiger Befruchtung von Stadt und Schule. Dr. Werner Herz Literatur: Festschrift Gymnasium am Romäusring, 1979. – Gymnasium am Romäusring 1972-1982, Ergänzung zur Festschrift von 1979. -Festschrift Gymna­ sium am Hoptbühl, 1972. -Almanach 81, Heimatjahrbuch Schwarzwald-Baar­ Kreis, Dr. Marianne Kriesche, Das Gym­ nasium am Hoptbühl. -Paul Revellio, Beiträge zur Geschichte der Stadt Villin­ gen, 1964. stern“, die hier ihren Ruhestand verbringen, und älteren Kurgästen, die neben der Er­ holung auch das geistliche Angebot im Orte wahrnehmen wollen. Daneben trifft man eine große Schar junger Menschen, denn Königsfeld ist auch eine „Stätte der Erziehung“. Außer der öffentlichen Grund-und Haupt­ schule beherbergt der Ort ein allgemein­ bildendes und ein berufliches Gymnasium 37 Die Zinzendorfschulen in Königsfeld

Beim Weben: im Berufikol!egfür Hauswirtschaft und Textilarbeit. (haushalts-und ernährungswissenschaftliche Richtung), eine Realschule und verschiedene berufliche Fachschulen im hauswirtschaftlich­ sozialpädagogischen Bereich (Fachschule für Sozialpädagogik, Berufsfachschule für Kinder­ pflege, Berufskolleg II für Hauswirtschaft und Textilarbeit, Hauswirtschaftlich-sozialpädago­ gisches Berufskolleg 1, Zweijährige hauswirt­ schaftlich-sozialpädagogische Berufsfachschu­ le, Fachschule für Wirtschafterinnen). Die Herrnhuter Brüdergemeine blickt auf eine lange Schultradition zurück. Bereits 1724 wurde in Herrnhut die erste Schule errichtet, und so geschah es überall, wo sich ,,Brüder und Schwestern“ in Europa und Übersee nieder­ ließen. In Königsfeld begannen bereits 1809 eine „Pension-Mädchenanstalt“ mit sechs Schülerinnen und 1813 eine ,,Knabenanstalt“ mit fünf Schülern ihre Arbeit. Diese Er­ ziehungsinstitute waren von Anfang an auch für junge Menschen, die nicht zur Brüder­ gemeine gehörten, geöffnet. Dabei gab neben 38 dem Unterricht das Internat dem täglichen Zu­ sammenleben eine besondere Prägung. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts hatten sich die Schulen immer mehr an den staatlichen Richt­ linien in Lehrplänen, Abschlußprüfungen und Lehrerausbildung zu orientieren. So wurde 1933 aus der ,,Knabenanstalt“ ein Progymnasium und 1940 eine „ Vollanstalt“ mit staatlich anerkanntem Abitur. 1943 mußte die „Mädchenanstalt“ aufgrund des damaligen politischen Druckes geschlossen werden, und die Schulräume wurden als Lazarett benutzt. Die ,,Knabenanstalt“ wurde im Herbst 1944 für eine sogenannte ,,Napola“ beschlagnahmt, und die Brüdergemeine konnte ihre erzieherische Arbeit nicht weiter fortsetzen. Aus dem Neuaufbau nach dem 2.Welt­ kriege, besonders durch den Ausbau des Berufs­ schulwesens nach 1970, entstand ein Schul­ werk mit z. Zt. rund 380 Schülem(innen) im Zinzendorf-Gyrnnasium, 170 in der Zinzen­ dorf-Realschule und rund 330 in den beruf-

liehen Schulen im Erdmuth-Dorotheen-Haus. Da alle Schulzweige staatlich anerkannt sind, haben sie sich nach den staatlichen Lehr­ plänen und Prüfungsbestimmungen zu richten. Die Schulen haben keine Sonder­ pädagogik, weisen aber doch wesentliche Spezifika auf: Die Lehrkräfte unterrichten, soweit möglich, in den verschiedenen Schul­ zweigen und bilden damit eine Klammer für das gesamte Schulwerk; auch der Schüler kann, je nach Begabung, in eine andere Schul­ art überwechseln. Durch die niedrige Klassen­ frequenz ist eine Unterrichtsatmosphäre möglich, in der Spontaneität und individuelle Förderung stärker gewahrt werden können. Das Angebot im musischen Bereich ist viel­ fältig: Werken, von Batik bis zur Holzarbeit, Marionetten und „großes“ Theater; neben dem normalen Musikunterricht gibt es ver­ schiedene Chöre und Instrumental-Kreise. Beim Abitur ist Religion als Prüfungsfach besonders gefragt. Doch würde die rein schulische Arbeit nicht unbedingt die Existenz einer solchen Schule in freier, d. h. in diesem Falle in kirchlicher Trägerschaft rechtfertigen. Einen wichtigen Teil der gesamten Zinzendorf­ schulen bilden die sechs Internate, mehr als die Hälfte der Schülerschaft ist dort unterge­ bracht. Sie kommen in verschiedenen Alters­ stufen, alle schon entscheidend geprägt von ihrer seitherigen Umwelt. Viele kommen gerne und wollen ein ge­ stecktes Ausbildungsziel erreichen; einige bringen ihren „Frust“ mit, wissen nicht, was ,,DK (/) JW -die Amateur-Funksta­ tion Don Bosco von Furtwangen an PP 5 ASN in Blumenau, Brasilien.“ Das ist ein Ruf von den über 2400 Funkverbindungen, die Jugendliche des Jugendwohnheims von Furtwangen seit jenem ersten Funkkon­ takt am 12. 2.1976 mit einer anderen Station sie in der Schule sollen, und hoffen doch ins­ geheim, durch eine andere neu „motiviert“ zu werden. Das stellt hohe Ansprüche an die Erzieher: sie sollen den jüngeren eine un­ beschwerte Freizeit mit Sport, Spiel und Basteln gestalten, den älteren einfühlsame Ansprechpartner in allen Nöten und Sorgen sein, ohne die Privatsphäre des einzelnen zu verletzen. Das verlangt Einsatzbereitschaft und Verständnis für die jeweilige Besonder­ heit des Schülers, ohne daß die Gesamtheit im Internat vernachlässigt werden darf. So spiegeln die Internate im Kleinen unsere Welt im Großen wider, in der neben fröhlichem Miteinander auch Aggressionen und Kon­ flikte keineswegs sind. ausgeschlossen Wichtig ist es, daß die Art der Austragung und Regelung solcher Ausbrüche in christ­ licher Nächstenliebe eingeübt wird. Das erfordert Mitarbeiter, die mehr als acht Stunden Dienst täglich zu leisten bereit sind; das verlangt aber auch von den Eltern eine finanzielle Leistung, denn personal­ intensive Arbeit kostet in heutiger Zeit Geld. Die christliche Komponente ist schwerer zu fassen, wenn sie sich nicht nur in Worten äußern soll; sie kann und muß sichtbar werden im Verhältnis zwischen Schülern und Er­ ziehern bzw. Lehrern. Der Weg weg vom ,,pädagogischen Paternalismus“ zur „Brüder­ lichkeit“ hat bereits Zinzendorf, für seine Zeit äußerst progressiv, gewiesen, die Schulen seines Namens müssen ihn in der heutigen Gesellschaft weitersuchen. Frau Dr. Bühler hatten. Auf diese Weise wurden unter jungen Menschen über die Grenzen der Heimat hinaus völkerverbindende Freundschaften geknüpft und der Name Don Boscos auch von Furtwangen aus in alle Welt getragen. Wer war dieser Don Bosco und was wollte er? Johannes Bosco lebte von 1815 bis 1888 in 39 Dienst an der Jugend im Geiste Don Boscos 20 Jahre Jugendwohnheim Don Bosco in Furtwangen

Oberitalien und ist bis heute eine weltweit anerkannte Erzieherpersönlichkeit. Zum Wohle der Jugend entwickelte er mit charis­ matischem Einsatz einen apostolischen Plan für einen ganzheitlichen, jugendpastoralen Heilsdienst. Seine Erziehungsmethode begründete Don Bosco im wesentlichen auf folgende drei geistige Grundlagen: 1.Vernunft: Sein radikaler Gewaltver­ zicht war sein großer pädagogischer Vorteil. Damit blieb er ganz und gar auf die Erzie­ hungsmethode des Werbens und Gewinnens angewiesen, auf gute Partnerschaft und Frei­ willigkeit des jungen Menschen. 2.Liebe: Dazu suchte Don Bosco stets den Weg ganzheitlichen Verstehens, den Weg des gegenseitigen Vertrauens, des Zutrauens und der Zuneigung-mit einem Wort: den Weg der Liebe. Hier liegt das Herzstück seiner Pädagogik. Er sagt: „Wer sich geliebt weiß, liebt wieder -und wer geliebt wird, erreicht alles, besonders bei der Jugend.“ 3.Religion: Die dritte wichtige Mög­ lichkeit zur inneren Formung des Jugend­ lichen sah Don Bosco in der ethischen und religiösen Veranlagung des Menschen. Auch hier hält er konsequent an seinem Grundsatz der zwangfreien Erziehung fest und verlangt vom jungen Menschen nur das, ,,was jeder praktizierende Christ“ Gott gegenüber zu tun pflegt. 20 Jahre lang versuchen auch wir Sale­ sianer von Furtwangen diese Grundsätze unseres Gründers im Jugendwohnheim Don Bosco zu verwirklichen. Und so hat alles begonnen. Der Chronist berichtet: Nach langen Verhandlungen und sorgfältigem Planen erklärte sich die Provinzleitung der Salesianer in München bereit, in der Schul­ stadt Furtwangen ein Lehrlingsheim für 85 Jugendliche zu erbauen. Die damalige drük­ kende Wohnungsnot drängte Stadt und Pfarrei zu raschem Entschluß. Durch einen Geländetausch mit der Stadt stellte der Stiftungsrat der katholischen Stadtpfarrei St. Cyriak den Bauplatz am Fuß des Großhaus­ berges großzügig zur Verfügung. So konnten bereits 1960 die Vorarbeiten beginnen. Bis zum Wintereinbruch 1961 wurde der Rohbau des Wohntraktes erstellt. Das felsige Gelände forderte zahlreiche Sprengungen und verzögerte dadurch den Fortgang der Bauarbeiten. 1962 wurde das Wirtschafts­ gebäude mit den Personalwohnungen fertig­ gestellt. Der überaus frühe und strenge Winter 1962/63 stellte die Bauarbeiten zeitig ein.Trotzdem konnte am 4. 2.1963 Bernhard Späth aus Furtwangen als erster Lehrling ins Heim aufgenommen werden. 40

Seit der Aufnahme dieses ersten Jugend­ lieben sind fast 20 Jahre vergangen, und über 900 Jugendliche lebten in dieser Zeit meist mehrere Jahre in unserem Haus; zur Zeit sind es fast 120. Diesen jungen Leuten stehen neben den Wohnräumen, dem Speisesaal und dem Lernraum noch folgende Freizeiträume zur Verfügung: Ein Gottesdienstraum, ein Mehr­ zweckraum für Audiovision und Meditation, ein Mehrzweckraum für Spiel, Sport, Tanz und Theater; Bücherei und Lesezimmer, Musikraum, Fotolabor, Clubstation für Amateurfunker, Bastelräume, mehrere Tee­ küchen, Hausbar, Hobbyküche und Fernseh­ räume. Die berufliche Ausbildung geschieht in den Betrieben, vor allem aber an folgenden Schulen: Staatliche Berufsfachschule, Otto­ Hahn-Gymnasium und an der Fachhoch­ schule für Feinwerktechnik, Elektronik und Informatik. Von der Stadt Furtwangen und dem Ski­ verband Schwarzwald wird auf Landes-und Bundesebene ein Sportinternat (Skilauf nordisch) geplant, das besonders talentierte Nach einer bis ins 17.Jahrhundert zurück­ reichenden Vorgeschichte von Einzelbemü­ hungen, den Katholiken gute Literatur zugänglich zu machen, kam es von der Mitte des 19. Jahrhunderts an zu einer breit ange­ legten und wirksamen Gründungsbewegung katholischer Vereins- und Volksbibliothe­ ken. Hier ist besonders der schon 1846 gegründete Borromäusverein zu nennen, der seither unverändert wichtige zentrale Auf­ gaben im Katholischen Büchereiwesen wahr­ nimmt. Ausgehend von diesen Impulsen des Bor­ romäusvereins und der Verantwortlichen in der Erzdiözese Freiburg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart wurden frühzeitig auch im heutigen Schwarzwald-Baar-Kreis Kath. Büchereien gegründet, so bereits 1866 jugendliche Wintersportler zusammenfaßt und ihnen neben der schulisch-beruflichen Ausbildung eine optimale sportliche Voll­ betreuung bietet. Diese Jugendlichen werden in unserem Haus wohnen. Das Jugendwohnheim sorgt für Mittel und Möglichkeiten, um die vielfältigen ent­ wicklungsbedingten Probleme der jungen Leute zu lösen. Ausgehend von den jahre­ langen und alltäglichen Erfahrungen in Beruf, Arbeit und Freizeitgestaltung, fördern die Erzieher den Entwicklungsprozeß des Jugendlichen. Im gesamten Lernprozeß des Heimaufenthaltes werden bei der Persönlich­ keitsbildung vor allem folgende Schwer­ punkte beachtet: Berufsförderung, Bildung des Personalen, soziales Verhalten und reli­ giöse Bildung. Don Bosco lag bis zu seinem Lebensende nichts anderes so am Herzen als die christ­ liche Erziehung der Jugend! Darin liegt sein Erbe -darin besteht auch weiterhin für uns Salesianer von Furtwangen sein Auftrag: Für die Jugend da zu sein -dort, wo sie uns wirklich braucht. P. W. Matawa, Direktor die des Kath. Gesellenvereins Villingen. Die so entstandenen Vereins-, Volks-oder Pfarr­ büchereien (im Schwarzwald-Baar-Kreis 34 Büchereien) arbeiten heute in den Katholi­ schen Kirchen gemeinsam und darüber hin­ aus in Krankenhäusern (zum Beispiel im Vil­ ling�r Krankenhaus), Heimen und Anstalten als Offentliche Büchereien in kirchlicher Trä­ gerschaft. Diese Büchereien verstehen sich als Angebot zu sachgerechter Information, als Mittel personaler und sozialer Bildung, als Treffpunkt für alle, die Gespräch, Meinungs­ austausch und Unterhaltung suchen, als hel­ fender Dienst für Benachteiligte und Behin­ derte und nicht zuletzt als ein Weg zur Teil­ nahme an jenem umfassenden „Gespräch der Gesellschaft“, das mit dem Begriff der ,,sozialen Kommunikation“ umschrieben wird. 41 Katholische Öffentliche Büchereien im Kreis

Die Büchereien folgen darin Forderungen und Anstößen der Weltkirche (siehe II. Vati­ kanum) und der gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutsch­ land, wobei gerade letztere die Arbeit der Katholischen Öffentlichen Büchereien als einen der Schwerpunkte kirchlicher Verant­ wortung im Bildungsbereich bezeichnet, der Kirche hier ein verstärktes Engagement emp­ fiehlt und unter den Aufgaben der Büche­ reien besonders die Befähigung der Christen zum Dialog mit Andersdenkenden hervor­ hebt. Die Mitarbeiter der Katholischen Öffent­ lichen Büchereien im Schwarzwald-Baar­ Kreis sind ausschließlich ehrenamtlich tätig, sie werden in ihrer Arbeit vom Referat Büchereiwesen des Bildungswerkes unter­ stützt. Diese Unterstützung erfolgt durch fachliche und organisatorische Hilfen sowie -besonders wichtig -Möglichkeiten der Aus-und Weiterbildung. Gerade diese Aus­ und Weiterbildung wird momentan im Schwarzwald-Baar-Kreis besonders intensiv vorangetrieben. Grundlage dieser Weiterbil­ dung ist das Grundausbildungsprogramm „Basis 12“, das speziell für ehrenamtliche Büchereimitarbeiter gefertigt worden ist. Um die Aus- und Weiterbildung zu erleichtern und den Kontakt der ehrenamt- Vor beinahe zwanzig Jahren war die Uni­ versität Tübingen letztmals Gast im heutigen Schwarzwald-Baar-Kreis. Diese zwanzig Jahre haben die Universität, ja das gesamte Bildungssystem völlig verändert. Bildungs­ politik wurde Gesellschaftspolitik, Bildung konnte als Bürgerrecht und als Grundlage sozialer Chancengleichheit von der gesam­ ten Bevölkerung in ungeahnter Weise reali­ siert werden. Die Hochschulforschung nahm den ihr gebührenden Rang in unserer Gesellschaft ein, die in ihrer weiteren Entwick- 42 Eine Universität geht auf das Land Tübinger Universitätswoche im Schwarzwald-Baar-Kreis Ka I hol i sehe örrentl iche Büchereien im Schwarz.wald-Baar­ Kreis liehen Büchereileiter untereinander zu för­ dern, ist im Herbst 1982 eine Kreisarbeits­ gemeinschaft der Katholischen Öffentlichen Büchereien eingerichtet worden. Erfreulich gut hat sich die Zusammenar­ beit mit der Kreisergänzungsbücherei des Landkreises entwickelt. Dankbar wird die Möglichkeit der Blockausleihe von den Katholischen Öffentlichen Büchereien wahrgenommen. Franz Zolk lung so sehr von technischem Wissen und Spitzenleistungen der Forschung abhängig ist. In diesen zwanzig Jahren wurden aber auch aus ehedem überschaubaren Einheiten Masseneinrichtungen. In drei Hochschul­ gesetzen hat der baden-württembergische Gesetzgeber seine Ordnungsfunktionen wahrgenommen. Die Folge: Die Universitä­ ten haben in dieser stürmischen Phase des Auf-und Umbaus je länger je mehr nicht nur ihre Umwelt aus den Augen, sondern auch den Kontakt zur sie tragenden Gesellschaft

weitgehend verloren. Der Öffentlichkeit wurden sie dadurch und durch die Differen­ zierung von Wissenschaft, Forschung und Studium immer schwerer durchschaubar. Diese Entwicklung muß beendet werden, die Universität muß sich und ihre Probleme ver­ ständlich machen, wieder mit dem Bürger ins Gespräch kommen. Hier nun knüpft die Universität Tübingen an bewährte Traditionen an, wenn sie seit drei Jahren im ganzen Land Universitätswo­ chen durchführt. Traditionen, die übrigens teilweise in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückreichen. Dabei ist sie bestrebt, sich exemplarisch und doch umfassend darzu­ stellen. Bei Elterninformationsabenden und Schülerberatungen werden in Einzelgesprä­ chen oder Podiumsdiskussionen grundle­ gende Informationen über das Studium und die Universität vermittelt. In allgemein zugänglichen (und auch jedermann ver­ ständlichen!) öffentlichen Vorträgen geben Hochschullehrer Einblick in ihre Arbeit, berichten von ihren Forschungsergebnissen. Dieses Programm wird ergänzt durch Kon­ zerte Tübinger Studenten und Ausstellun­ gen aus den umfangreichen Sammlungsbe­ ständen der Universität. Bei der Tübinger Universitätswoche Schwarzwald-Baar vom 9. 11. bis 14. 11. 1981 referierten Dr. Fritz Opitz vom Seminar für Ostasiatische Philologie über „Mentalität und Arbeitswelt der Japaner“, Professor Dr. Walter Frommhold, Direktor des Medizini­ schen Strahleninstituts der Universität Tübingen, über „Medizin und Technik“ sowie Professor Dr. RudolfHrbek über „Bür­ gerinitiativen als Herausforderung des Parla­ mentarismus“. Die Stadt Villingen-Schwen­ ningen, der Landkreis Schwarzwald-Baar, aber auch die Industrie-und Handelskam­ mer sowie die Gymnasien haben das Ange­ bot der Universität und des Universitätsbun­ des bereitwillig aufgenommen und mit besten Kräften unterstützt. Und da bei allen Veranstaltungen -einschließlich des Eltern­ informationsabends und der Schülerbera­ tung im Gymnasium am Hoptbühl -mehr als 800 Gäste gezählt wurden, hat sich das Wagnis auch gelohnt. Ist es doch gelungen, Hochschullehrer und Bürger zu einem Dia­ log zusammenzubringen. Die örtlichen Zei­ tungen haben ausführlich über die Veranstal­ tungen berichtet und so ebenfalls zum Erfolg beigetragen. SD Joachim Fürst zu Für­ stenberg und OB Dr. Gebauer gaben mit ihren Empfängen der Gesamtveranstaltung einen würdigen Rahmen. Die Universität Tübingen hat allen Betei­ ligten für eine reibungslose und außeror­ dentlich angenehme Zusammenarbeit zu danken. Uwe Ziegler 43

Wirtschaft und Gewerbe, Handwerk Zur Wirtschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis Von Hauptgeschäftsführer Dr. RudolfKubach Die wirtschaftliche Entwicklung verlief im Lande relativ besser als im Bund. Den­ noch mußte man auch in Baden-Württem­ berg erkennen, daß sich die Verschlechte­ rung der Wirtschaftslage hier immer stärker auswirkte. Das traf ebenfalls für unseren Kammerbezirk zu, wobei sich die Situation in den Kreisen Rottweil und Tuttlingen rela­ tiv besser darstellte als im Schwarzwald-Baar­ Kreis. Dessen Bild wurde insbesondere durch das Geschehen bei seinen größten Unternehmen geprägt, die durch den schnel­ len Wandel der Technik der Produkte, durch starke Rationalisierung der Fertigungsme­ thoden sowie durch die Verschärfung des Wettbewerbs, vor allem aus Fernost, beson­ ders betroffen wurden. Es wurde verstärkt Personal abgebaut, SABA wechselte seine Konzernzugehörigkeit, der deutsche Kon­ zern Mannesmann übernahm Kienzle Apparate, und DUAL ging schließlich in Konkurs – zwischenzeitlich zum größten Teil von dem französischen Konzern Thom­ son-Brandt, zu dem ja auch SABA gehört, übernommen. Dies alles führte dazu, daß dieser Wirt­ schaftsraum über seine Grenzen hinaus »ins Gerede“ kam. Das war bei dieser Konzentra­ tion der Ereignisse und der großen Bekannt­ heit der betroffenen Unternehmen nicht ver­ wunderlich, wurde aber nicht zuletzt durch unnötige Dramatisierung und nicht immer ausgewogene Presseberichte unterstützt. Die Kammer ging gegen dieses einseitige, nega­ tive und weitgehend undifferenzierte Mei­ nungsbild in Interviews mit der regionalen Presse sowie führenden Zeitungen und Wirt­ schaftsmagazinen der Bundesrepublik an und konnte dadurch eine den tatsächlichen Gegebenheiten eher entsprechende Darstel- 44 Jung erreichen. Ihrer nicht so pessimistischen Einschätzung hat die seitherige Entwicklung recht gegeben. Es gab einfach keinen Anlaß zu der Ver­ mutung, daß »im Schwarzwald die Lichter ausgehen“ könnten. Verständlicherweise machte man sich große Sorgen, zumal sich nach guten Jahren die schlechten Nachrich­ ten aus bekannten Unternehmen nahezu gleichzeitig häuften. Doch ging es im Grunde nie um den totalen Ausfall dieser Fir­ men, sondern um deren Anpassung an die veränderten Gegebenheiten der jeweiligen Branche und des Marktes. Auch bei DUAL bestanden von Anfang an realistische Chan­ cen für eine irgendwie geartete Fortführung. Gebannt von dem Blick insbesondere auf das Geschehen um die großen Unterneh­ men, die heute alle als Konzerntöchter siche­ rer in einen größeren Verbund eingebettet sind, haben viele aus den Augen verloren, daß dieser Kreis und der ganze Kammerbe­ zirk typisch mittelständisch strukturiert sind und über eine Vielzahl mittlerer und kleine­ rer Firmen verfügen, die eine wesentliche Stütze der Wirtschaftskraft dieses Raumes darstellen. Dies wird deutlich, wenn wir ein­ mal die Zahl industrieller Arbeitsplätze in Beziehung zur Wohnbevölkerung setzen. Danach steht dieser Bezirk an der Spitze im Lande, denn nahezu jeder 20. Einwohner findet eine Beschäftigung in der Industrie. Im Kammerbezirk gibt es rund 740 Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten, in denen rund 85 000 Mitarbeiter tätig sind. Auf den Schwarzwald-Baar-Kreis entfallen davon 295 Betriebe mit ca. 40000 Beschäf­ tigten. Der weit überwiegende Teil dieser Firmen gehört den Branchen Elektrotechnik, Fein-

mechanik/Uhren und Maschinenbau an. Dies sind Branchen, die zwar einerseits vom technischen Wandel besonders betroffen sind, andererseits aber nach allen Prognosen gerade auch Zukunftschancen haben. Diese Industrien werden in einer hochtechnisier­ ten Welt weiterbestehen, die Frage ist nur, ob unsere Betriebe mit der Entwicklung Schritt halten werden. Da ist unseres Erachtens Zuversicht angebracht, denn die Unterneh­ mer und das große Potential an qualifizierten Arbeitnehmern ist zur Anpassung an die ver­ änderten technischen und wirtschaftlichen Bedingungen bereit und auch in der Lage. Diese große Aufgabe muß in dem gemeinsa­ men Willen zur Lösung von allen Beteilig­ ten, von Unternehmern und Mitarbeitern, täglich neu angegangen werden. Dazu gehört die Innovation, ihre Umsetzung in die Praxis und die ständige Weiterbildung auf dem technischen wie kaufmännischen Sektor. Die hiesige Wirtschaft hat eine solide Basis und Struktur, auf die auch weiter erfolgreich im Sinne eines längerfristigen Wachstums gebaut werden kann. Schließlich sollte man bei all diesen Über­ legungen nicht vergessen, daß sich die wirt­ schaftliche Lage in diesem Raum nach der Rezession Mitte der siebziger Jahre schnell wieder erholt hat. Die Arbeitslosenquote lag jahrelang besser als der Durchschnitt im Land, teils mit Werten unter 2 %, und hat den Landesdurchschnitt erst seit Winter 1981 wie­ der überschritten, im Schwarzwald-Baar­ Kreis wegen der genannten Besonderheiten schon einige Monate früher und auch stärker. Magnete wirken anziehend -und Binder tut’s auch. Die Anziehungskraft dieses Vil­ linger Unternehmens liegt für den Außenste­ henden wohl vor allem in der Tatsache begründet, daß man sich unter den Binder­ Produkten nicht stets etwas sehr Genaues vorstellen kann. Es ist auch gar nicht so ein­ fach, das „Magnetfeld“ dieser Firma einzu- als in den Kreisen Rottweil und Tuttlingen. Die seitherige Entwicklung insgesamt zeigt jedoch, daß sie im wesentlichen im Landes­ trend liegt. Aus der Sicht Mitte des Jahres 1982 kön­ nen wir eine deutliche Verbesserung der Wirtschaftslage für die absehbare Zeit nicht erwarten. In der Konjunktur herrscht natio­ nal wie auch international „ Windstille“. Wir sind mit der bei uns verzeichneten Entwick­ lung und insbesondere nach der fortschrei­ tenden Konsolidierung der Verhältnisse bei den angesprochenen großen Unternehmen aber nicht ausnahmsweise schlecht dran, denn auch in anderen Kammerbezirken stek­ ken zwischenzeitlich bekannte Firmen offenkundig in Schwierigkeiten; nicht ein­ mal der Stuttgarter Raum blieb davon ver­ schont. Das bedeutet, daß wir uns alle auf weiterhin wirtschaftlich schwierige Zeiten einstellen müssen. Dieser Wirtschaftsraum und insbeson­ dere auch der Schwarzwald-Baar-Kreis haben noch immer eine beachtliche wirtschaftliche Potenz und eben auch Industrien, die in einer immer höher technisierten Welt Zukunftschancen haben. Im Vertrauen auf diese Möglichkeiten sollten Unternehmer wie Beschäftigte bei ihrem Handeln und auch die Öffentlichkeit mit Zuversicht in die künftige Entwicklung sehen. Es wäre wohl schädlich, wenn hier zu kurzatmig gedacht würde, denn schließlich zeigt gerade auch die Geschichte unserer wirtschaftlichen Ent­ wicklung, mit welchen Schwierigkeiten man hier immer wieder fertig geworden ist. kreisen und den technischen Einsatzbereich der Magnetgeräte in der Industrie auch nur einigermaßen abzugrenzen. Binder bearbei­ tet nämlich heute nahezu alle Anwendungs­ möglichkeiten des Magnetismus von Groß­ maschinen bis zu Haushaltsgeräten. Binder fahrt beispielsweise immer mit: So in Elektrolokomotiven, Straßenbahnen, 45 Die Anziehungskraft der Firma Binder

Flugzeugen, Schiffen oder Lastwagen. Und Binder ist in Kirchenorgeln, Waschmaschi­ nen oder Personenaufzügen dabei – eben dann, wenn durch direkte Magnethubkraft Ventilklappen, Auslöseklinken oder An­ preßkräfte für mechanisch arbeitende Teile eines Aggregates betätigt werden. Alle sich wiederholenden Vorgänge in der modernen Fertigungsindustrie werden automatisch über elektrische oder elektronisch ange­ steuerte Magnete mit Hilfe von Druckluft, Drucköl in ihren Ablaufprogrammen ge­ steuert. Noch ein Beispiel: Für Kreissägemaschi­ nen wurde zum Schutz gegen Verletzungen eine absolut funktionssichere, magnetisch betätigte Bremse für das augenblickliche Stillsetzen des Sägeblattes entwickelt. Ergo: Binder hilft ebenso Unfalle zu verhindern. Denn in der „Physik des Magnetismus“ kennt der Villinger Betrieb sich aus, da ist er zu Hause und unschlagbar. Aus der Beschäf­ tigung mit dem stationären Magnetfeld bei 46 Aufspannvorrichtungen für Werkzeugma­ schinen entstand im Laufe der Jahrzehnte ein ganzes Magnet-Programm, das praktisch den gesamten physikalischen Bereich des Magnetismus erfaßte – zwangsläufig gab das Unternehmen den einfachen Vorrichtungs­ bau auf und stieß bis in die Computerperi­ pherie vor. Die Firma Binder wurde 1910 in Villingen gegründet und produzierte damals Vorrich­ tungen für die Serienfertigung von Kleintei­ len für Uhrwerke, wie es für den Schwarz­ wald mit seiner Uhrenindustrie, die die Ferti­ gung rationalisierte, verlangt wurde. Binder­ Produkte waren Stanzvorrichtungen, Präge­ werkzeuge, Kleindrehbänke. Daß der von Wilhelm Binder etablierte Betrieb mit der Entwicklung Schritt hielt, ist nicht zuletzt auf die Gabe der Unterneh­ mensleitung zurückzuführen, rasch mit tech­ nischen Neuheiten zu reagieren. 1919 bei­ spielsweise erfolgte die erste Patentanmel­ dung für eine „Delaborierungsmaschine“,

die ein gefahrloses Auseinandernehmen von Munition ermöglichte. In diese Zeit fällt die erste Beschäftigung mit Elektromagnet-Vor­ richtungen, weil die wachsende Konkurrenz im Werkzeugmaschinenbau zur Suche nach neuen Artikeln veranlaßte. Die erste Kon­ struktion ließ denn auch nur einige Monate auf sich warten – seither ist Binder ein Magnet, ausgestattet mit allen guten Eigen­ schaften, die sich damit verbinden. Daran konnte auch die zwangsläufige Unterbrechung durch das Ende des Zweiten Weltkrieges nichts ändern, als nach der Demontage des Werkes nichts anderes übrig blieb, als sogenannte Tauschgüter wie Nudel­ maschinen, Tabakschneidemaschinen und Leiterwagen für die Villinger Bevölkerung zu fertigen. Der kontinuierliche Ausbau des Unternehmens mit gegenwärtig rund 1200 Mitarbeitern (davon sind 100 in der Binder­ Datentechnik GmbH beschäftigt) war dadurch nicht aufzuhalten. Der Einstieg in die Datentechnik ist ebenso der Suche nach neuen Artikeln auf einem veränderten Markt zu verdanken: Die Weiterentwicklung des Produktprogramms und das Bestreben, sich weitere Märkte zu erschließen, führte 1974 zur Entwicklung einer Baureihe von sogenannten Matrix­ Druckern, die als Ausgabedrucker in der Datentechnik verwendet werden. Heute ver­ treibt die Binder-Datentechnik, die vor drei Jahren in eine eigenständige Firma umge­ wandelt wurde, neben dem selbst produzier­ ten Drucker-Programm eine japanische Drucker-Reihe aus dem sogenannten »low­ cost“-Bereich. Außerdem wurde eine Elek­ tronikfertigung aufgebaut, die mit etwa einem Viertel zum Gesamtumsatz der Bin­ der-Datentechnik von rund. 12 Millionen DM beiträgt. (Umsatz der Binder-Magnete rund 80 Mio. DM.) Binder-Produktionsgesellschaften beste­ hen außer in Villingen noch im österreichi­ schen Eibiswald und in Sao Paulo in Brasi­ lien. Ein entsprechendes Vertriebsnetz -seit 15 Jahren systematische Politik des Hauses – sorgt für die flankierenden Maßnahmen. Vertreten ist der Villinger Betrieb durch eigene Vertriebsgesellschaften in Schweden, Frankreich, Österreich, England, Italien und in der Schweiz. Die Produkte freilich sind in der ganzen Welt begehrt. Daß an Binder die Konjunkturflaute der jüngsten Zeit nicht spurlos vorüberging, beweist die Kurzarbeitszeit, die man anzu­ melden hatte. Zwischenzeitlich blickt die Unternehmensleitung wieder optimistischer in die Zukunft, verspürt neue Impulse. Daß die Entwicklung eines Betriebes dieser Grö­ ßenordnung für die Stadt Villingen-Schwen­ ningen und für den Schwarzwald-Baar-Kreis sehr bedeutungsvoll ist, verdeutlicht sich an folgendem Beispiel: Von der Firma Binder sind rund 1200 Familien -also etwa 5000 Menschen – unmittelbar durch »Broter­ werb“ betroffen. Darüber hinaus flossen an die Stadt Villingen-Schwenningen im Ver­ lauf der letzten zehn Jahre direkte Steuerzah- Das außerordentlich breite Produktprogramm eifordert modernste Fertigungsverfahren und eine rationelle Montage 47

bei der Firma Binder sind dies zur Zeit jähr­ lich rund 45 Millionen DM oder waren es zusammen rund 300 Millionen DM in den vergangenen zehn Jahren, die als Einkom­ men der Mitarbeiter zum größten Teil in den Wirtschaftskreislauf des Schwarzwald-Baar­ Kreises flossen. Wilfried Heupel Dual – der Niedergang einer Weltfirma Jungen von rund 4,5 Millionen DM-Mittel, die in Erfüllung öffentlicher Aufgaben allen Bürgern der Stadt zugute kommen, ebenso wie die vom Bund an die Gemeinden zurückfließenden Teile aus den Steuern der Lohn-und Gehaltssummen der Firmen. Und nicht zuletzt: Die Löhne und Gehäl­ ter kommen insgesamt der Region zugute – An das Jahr 1982 werden sich die St. Geor­ gener Bürger noch lange erinnern: Dieses Jahr wird als eine Zäsur in die lokalen Geschichtsbücher eingehen, in dem wirt­ schaftliche Umwälzungen der Entwicklung der Stadt einen argen Dämpfer versetzten. Die Firma Dual, jahrzehntelang Garant und Motor einer bisweilen fast schwindelerregen­ den Aufwärtsentwicklung in der Bergstadt, ging in Konkurs. Das bekannteste Unterneh­ men der Industriestadt St. Georgen lag am Boden, die Region erlebte ihre bislang größte Pleite. Zwar waren die Schwierigkeiten des Weltunternehmens, deren Plattenspieler millionenfach den Schwarzwald verlassen hatten, schon einige Jahre vorher offenkun­ dig geworden, doch hatten sich die Hoffnun­ gen stets auf eine, wenn auch schmerzvolle Reform der Firma (etwa durch Kooperation mit anderen Herstellern der HiFi-Branche) gerichtet. Doch nun gab es einen dramati­ schen Knall, 150 Millionen Mark Schulden ließen das bittere Ende unausweichlich wer­ den: St. Georgen war geschockt. Inzwischen gibt es auch wieder Zukunfts­ perspektiven bei Dual in St. Georgen: Der französische Konzern Thomson-Brandt (bereits Inhaber der Villinger Saba-Werke) hat im Mai 1982 die Übernahme der Dual­ reste bekanntgegeben. Die Marke Dual soll auf dem Markt erhalten bleiben. Was dieser Transfer zu den Franzosen für den hart betroffenen Arbeitsmarkt in St. Georgen langfristig bedeuten wird, muß erst noch die Zukunft zeigen. Gehen die verkündeten 48 Das Stammhaus der Firma Dual im Herzen St. Georgens. Zielsetzungen der Thomson-Brandt-Mana­ ger in Erfüllung, so können die rund 600 geretteten Arbeitsplätze dereinst wieder sicherer werden, als sie dies in der jüngsten Vergangenheit waren. Thomson-Brandt will nämlich offenkun­ dig den Kampf mit den Japanern in der Unterhaltungselektronik, der für viele Be-

obachter bereits entschieden schien, voll auf­ nehmen. Und weil die Franzosen bislang über keine Plattenspieler-Produktion verfüg­ ten, reiht sich Dual nahtlos in ihr Konzept ein. Im Dual-Werk 5, im Industriegebiet in Richtung Peterzell gelegen, wollen die Fran­ zosen eine hochmoderne Produktions-Stätte einrichten. Verluste für eine Übergangszeit, in der große Investitionen getätigt werden sollen, sind eingeplant. Doch dann sollen bei Dual wieder schwarze Zahlen geschrieben werden. Trotz der Erhaltung eines Teiles von Dual durch den französischen Konzern bleiben die Auswirkungen des Konkurses auf viele direkt Betroffene und auf.die Stadt St. Geor­ gen gravierend genug. Bereits in den Jahren vor dem Konkurs schrumpfte Dual nicht allein durch natürlichen Abgang, sondern mußten bereits Entlassungen vorgenommen werden. Das Unternehmen, das zu Spitzen­ zeiten Mitte der 70er Jahre 3500 Mitarbeiter (einschließlich vieler Zweigwerke) zählte und damals mit einem Umsatz von 300 Mil­ lionen Mark drittgrößter Plattenspieler-Pro­ duzent der Welt war, hatte sich schon bis zur akuten Krise um die Jahreswende 1981/82 auf die Hälfte verkleinert. Die Arbeitslosig­ keit in St. Georgen, bei früheren wirtschaft­ lichen Krisen stets eine Oase der wirtschaftli­ chen Sicherheit, schnellte auf Spitzenwerte der gesamten Region hoch, mit allen nega­ tiven Folgeerscheinungen, die solch ein dramatischer Abschwung mit sich bringt: Kaufkraftverlust, Einwohnerschwund, Steuer- Neueste Elektronik-Technologie und aus­ gereifte Präzisionsmechanik werden in der Firma Adolf Hanhart GmbH+ Co. KG seit J ahrz.ehnten gleichermaßen gepflegt. Sie haben der Marke Hanhart weltweite Bedeutung ver­ schafft und garantieren eine erfolgreiche Zukunft des lOOjährigen Unternehmens. Die Zeit im Griff Größter Stoppuhrenhersteller der Welt in Gütenbach ausfalle. Besonders am Rückgang der Gewer­ besteuer hat die Stadt St. Georgen hart zu darben: Während Dual zu den besten Zeiten allein 12 Millionen Mark in die jährlichen Kassen brachte, suchte der französische Unternehmer Thomson-Brandt zunächst für einige Jahre um Steuererlaß nach. Der Dual-Konkurs sorgte in St. Georgen für viele harte Einzelschicksale, in denen ganze Familien in materielle Bedrängnis gerieten. Besonders langjährige Mitarbeiter waren von der Kündigungswelle beim Kon­ kurs betroffen, und gerade sie haben kaum noch Chancen, auf einem schwierigen Arbeitsmarkt eine neue Stelle zu finden. Der Konkurs von Dual ist auch der Nie­ dergang eines mehr als 80 Jahre alten Familien­ unternehmens. Aufschwung und Entwick­ lung der Firma sind untrennbar mit dem Namen Steidingerverbunden. Im Jahre 1900 gegründet, wurde das Unternehmen wäh­ rend dreier Generationen der Steidingers immer schneller größer, nahm einen atembe­ raubenden Aufschwung. Die vierte Genera­ tion vermochte das Erbe nicht zu bewahren. „Die übermächtige japanische Konkurrenz“ nannten die nach dem Rückzug von Sieg­ fried Steidinger in die Führungspositionen aufgerückten jungen Chefs als Hauptgrund für die Pleite. „Versagendes Management“ halten hingegen große Teile der entlassenen Belegschaft, eben jene vierte Generation, für die größte Ursache am Firmen-Niedergang. Erich Möck Die Firma wurde 1882 in Diessenhofen/ Schweiz als Uhren-und Goldwarengeschäft gegründet und wenige Jahre später nach Schwenningen am Neckar verlegt. Dort begann um 1920 die Fabrikation von Uhren. 1934 wurde ein Fertigungsbetrieb in Güten­ bach eröffnet und in mehreren Stufen immer 49

Weniger bekannt ist die Leistungsfähig­ keit der Fa. Hanhart im Bereich der Q!iarz­ uhrenfertigung. Namhafte Uhrenfumen im In-und Ausland beziehen Quarzuhrwerke und Wecker unter eigener Marke und profi­ tieren von den fortschrittlichen Fertigungs­ methoden der Fa. Hanhart. Millionen Uhren werden von Konsumenten gekauft, ohne zu ahnen, daß das Uhrwerk von Hanhart, dem Zeitrneßspezialisten, gefertigt wurde. Seit über 60 Jahren bestimmte Wilhelm Julius Hanhart als Unternehmer und Ge­ schäftsführer die Geschichte der Fa. Hanhart und ist als Vater und Initiator vieler erfolgrei­ cher Ideen und Projekte zu würdigen. Er ist heute 80 Jahre alt. Seine unternehmerische Initiative und sein Ideenreichtum kann jedoch manchen Vierziger vor Neid erblas­ sen lassen. Die folgenden Daten geben einen groben Überblick über die ungewöhnlichen unter­ nehmerischen Leistungen dieser Ausnah­ meerscheinung: 1920 trat W. J. Hanhart in das Detailge­ schäft seiner Eltern ein und errichtete bald darauf eine Fabrikationsabteilung, die sich rasch entwickelte. Bereits 1924 begann er die Konstruktion der ersten preiswerten Stopp­ uhr: eine kühne Tat, wenn man bedenkt, daß der Markt in jener Zeit ausgesprochen schwierig war und Stoppuhren als echter Luxusartikel galten. wieder vergrößert. Im Jahre 1963 wurde im ehemaligen Schul-und Rathaus in Neukirch ebenfalls die Produktion von Hanhart­ Uhren begonnen. Ein beträchtlicher Ausbau erfolgte hier vor 4 Jahren. Heute zählt das Unternehmen ca. 250 Beschäftigte. Verwal­ tung und Vertrieb sind in Schwenningen konzentriert, die Fertigungsbetriebe Güten­ bach und N eukirch ergänzen sich in funktio­ neller Aufgabenteilung. Hanhart ist seit Jahrzehnten der größte und erfolgreichste Stoppuhrenhersteller der Welt. Das Programm umfaßt über 200 ver­ schiedene -mechanische und elektronische -Typen: Einfache Kinderstoppuhren -Q!ia­ litätsstopper für Sport, Labor und Technik­ mikroprozessorgesteuerte komplizierte, Zeitrneßinstrumente und -anlagen für höchste Ansprüche bis zur 1/1000 Sekunde! Neben den weltweit bekannten Hanhart­ Doppelzeigerstoppuhren -einer feinmecha­ nischen Meisterleistung – sind Speicher­ stoppuhren in CMOS-Technik mit LCD­ Anzeigen und elektronischen Speichern ein Verkaufserfolg. so

Die Bestätigung für diese Entscheidung kam Jahrzehnte später mit der Ausweitung des Sports zum Breiten-und Schulsport. In den Folgejahren wurden kompliziertere Stoppuhren entwickelt und die Produktion verschiedener Taschen-und Armbanduhren aufgenommen. Ein 1939 in Fertigung ge­ nommener Armbandchronograph wurde wegen seiner überragenden Q!ialität zum gesuchten Sammelobjekt. Schwer vorstellbar ist der Rückschlag, den W.J. Hanhart 1946 verkraften mußte: die Fabriken wurden total demontiert, das Hauptwerk Schwenningen wurde bis 1952 als Kaserne beschlagnahmt. In Gütenbach begann der Wiederaufbau 1949, in Schwen­ ningen erst Ende 1952. Aber auch dieses einschneidende Ereignis konnte den Pionier nicht von seinem Weg abbringen. Der Name Hanhart war immer wieder gut für Neuerungen und Fortschritte auf dem Gebiet der Uhrenherstellung. Chro­ nographen, Armbanduhren und Stoppuh­ ren bildeten das Produktionsprogramm, bis Aus der Geschichte der-Industrie von Schonach Hört oder spricht man von Schonach, dann ist sofort das Wort „Ski-Dorf Nr. 1″ in aller Munde. Dabei sollte man aber die treffende Äußerung des Schonacher Bürger­ meisters Albert Haas nicht vergessen: ,,Schonach steht auf drei Säulen: Landwirt­ schaft, Industrie und Fremdenverkehr.“ Und eine dieser Säulen, die „Industrie“, deren Entstehung und Entwicklung, soll Gegen­ stand der weiteren Ausführungen sein. Anfänge wirtschaftlicher Tätigkeit in Form des Handwerks reichen in Schonach bis in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zurück. Es waren vor allem Schindler, Kübler, Schachtelmacher und Holzschnitzer, die das damalige Handwerk repräsentierten. Im 17. Jahrhundert kamen dann die Holzuhr- Von den Tüftlern zu soliden Unternehmern 1958 das neuartige Schwingmotor-Batterie­ werk in Fertigung ging und den Großuhren­ mark revolutionierte. Es wurden Batterie­ wecker und -Uhren im Programm auf­ genommen, und kontinuierlich mußte die Produktionsfläche ausgebaut werden. Ab 1972 erfolgte in diesem Bereich die Umstel­ lung auf Quarztechnologie, und heute wird eine ganze Produktpalette in Großserie pro­ duziert. Im Stoppuhrenbereich begann die Pro­ duktion von Digitaluhren 1975. Zunächst mit LED-, später mit LCD-Anzeige. Heute wird eine Reihe von komplizierten LCD­ Zeitmeßgeräten, auch mit elektronischem Drucker, gefertigt. Überall dort, wo es auf Bruchteile von Sekunden ankommt, sind Hanhart-Zeitmeßgeräte zuverlässig im Ein­ satz: im Sport, in der Wissenschaft, in der Industrie. Für W.J. Hanhart und das ganze Unter­ nehmen gilt heute, wie in allen Jahren zuvor, die Devise: ,,Q!ialität und Fortschritt.“ Klaus Eble macher und Löffelschmiede und zum Ende des 18.Jahrhunderts die Strohflechter hinzu. Industrielle Produktionsmethoden als Anfänge des Maschinenzeitalters lassen sich in Schonach bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückverfolgen. Es waren zwei Bereiche, in der die „Fabrik“ Einzug hielt. Hier ist zunächst die im Jahre 1863 gegrün­ dete Strohhutfabrik L. F. Sauter anzuführen, die die als Handwerk blühende Strohflech­ terei in die Bahnen der größeren Serienfer­ tigung lenkte und eine große überörtliche Bedeutung erlangte. Leider ließen Mode­ trend und auch die gesellschaftlichen Um­ wälzungen unseres Jahrhunderts keine weitere Entwicklung dieser Traditionsfirma zu, so daß man heute nicht mehr das wohl 51

einmalige Schild am Geschäftseingang dieser Firma bewundern kann: „Vertreter ohne Kopfbedeckung werden nicht empfangen“. Etwa zur gleichen Zeit entstanden auf dem Uhrensektor zwei Firmen, die sich zu bedeu­ tenden Fabriken entwickelten. Es waren dies die im Jahre 1862 gegründete Turmuhren­ fabrik Benedikt Schneider und die von Josef Burger im Jahre 1856 gegründete Messing­ gießerei. Die später -nach Aufnahme der Söhne – sobenannte Firma B. Schneider Söhne er­ langte auf dem Gebiet der Turmuhrenher­ stellung eine Bedeutung, die weit über die Grenzen unseres Landes hinausging. Noch heute kann man in fast allen renommierten Uhrenmuseen der Welt funktionstüchtige Turmuhrenwerke der Firma sehen, deren Herstellung teilweise bereits im letzten Jahr­ hundert erfolgte. Erfindungsgabe und Schwarzwälder Qualitätsarbeit ließen dieses Unternehmen alle wirtschaftlichen Notzeiten überstehen, und heute ist das jetzt als Firma Gebr. Schneider auftretende Unternehmen eine angesehene Spezialfabrik. Die vonJosefBurger gegründete Messing­ gießerei fand später unter der Firma Jos. Burger Söhne -ebenfalls nach Aufnahme von zwei Söhnen -einen guten Namen als Hersteller von Uhrenbestandteilen aus Me- 52 tall, Laufwerken, Drehteilen und Metall­ waren jeglicher Art. Heute hat diese Firma in der Schwarzwälder UhrwerkefabrikBurger und der Burger Industriewerke ihre Fortset­ zung gefunden. Aber auch in der reinen Uhrenherstellung brachte das letzte Jahrhundert einen Über­ gang zur „fabrikmäßigen“ Produktion. Hier war es zunächst die Firma L. Schyle Sohn, die den Anfang machte, und die bis in die Mitte dieses Jahrhunderts eine Uhrenfabrik im klassischen Sinne war. Den Übergang von der handwerklichen zur Serienfertigung -ohne dabei die Origi­ nalität und Q!ialität der Einzelfertigung zu verlieren -, fand die schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts entstandene Firma Anton Schneider Söhne. Sie gehört heute zu den Fabriken, die durch immer wieder neue Ideen -vor allem auf dem Gebiet der Kuckuck-und Musikuhrenher­ stellung -es fertigbringen, neue Märkte zu erschließen und mit guter Q!ialitätsarbeit zu beliefern. Durch kriegsbedingte Verlagerung kam in der Endphase des letzten Krieges die Firma Willi Hahn aus Wuppertal nach Schonach. Die zunächst auf mehrere Stellen verteilten Produktionsstätten wurden in den Nach­ kriegsjahren in einem modernen Fabrikbau

vereint, der sich auch nach verschiedenen Erweiterungsbauten harmonisch in den Luft­ kurort Schonach einfügt. Dieses hervor­ ragend geführte Unternehmen -eine Spe­ zialfabrik für Schraubenzieher mit weiterem sehr vielfältigen Programm -trug dazu bei, der etwas einseitig aufUhrenfertigung gerich­ teten Industrie in Schonach eine breitere Basis zu geben. Dasselbe gilt auch für die vor etwa zwei Jahrzehnten nach Schonach gekommene Firma AZ-Armaturen. Sie ist eine Spezialfabrik für Hochdruckarmaturen. Die Uranfänge der Firma gehen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück, als beim Herstellen der Schwarzwälder Uhren eine Arbeitsteilung einsetzte und nicht mehr jeder Uhrmacher alle Bestandteile selbst anfertigte. An der Wasserscheide von Donau und Rhein, auf dem Bregeme -Bregenbach­ Hof -im heutigen Ortsteil Neukirch der Diese Beispiele geben nur einen kleinen Ausschnitt aus der Entwicklung der Indu­ strie von Schonach. Noch viele andere Bei­ spiele ließen sich anführen, die zeigen, mit welchem Fleiß und mit welcher Hingabe sich aus den Schonachern Tüftlern und Bastlern eine bodenständige und solide auf­ gebaute Industrie entwickelt hat, deren Er­ zeugnisse als Zeichen Schwarzwälder Präzi­ sion und Wertarbeit in alle Welt gehen. Klaus Leier Stadt Furtwangen -hat Mathias Siedle um 1750 eine Gießerei errichtet, in der Uhren­ glocken, Räder, Gewichte und Zeiger gegos­ sen wurden. Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die handwerkliche Handarbeit -Manufaktur -der fabrikmäßigen Herstel­ lung weichen mußte, erwarb Salomon Siedle II am 23. 7.1868 die Bühlsäge in Furtwangen Pionier der Telefonie und Telegrafie Tradition und Fortschritt bei Siedle & Söhne 53

nebst zugehöriger Wasserkraft und ca. 1,75 Morgen Wiese für 8.500 Gulden. In der neu erbauten Fabrik wurden weiterhin Teile für Schwarzwälder Uhren gegossen und bearbei­ tet und das Sortiment durch Herstellung von Kettenrädern und Uhrenketten erweitert. Am 1. 7.1884 wurde die S. Siedle & Söhne oHG, Telefon-und T elegrafenwerke, gegrün­ det und damit der Grundstein für das heutige Fabrikationsprogramm gelegt. Die Firma Siedle kann als Pionier der Telefonie und Telegrafie bezeichnet werden. Es wurden elektrische Glocken produziert; die noch heute von vielen Firmen hergestellten „Bade­ nia-Läutewerke“ sind samt Namen eine Erfindung der Firma aus dem Jahre 1886. Zum Fabrikationsprogramm gehörten fer­ ner Tablos für Hoteltelegrafen. Hinzu kamen Telefone, wobei das damals verwen­ dete „Adersche“ Mikrofon durch eine ver­ besserte Eigenentwicklung mit senkrecht ste­ hender Membrane unter der Bezeichnung ,,Rechenmikrofon“, so wegen der rechenför­ migen Walzenhalter, ersetzt wurde. Im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhun­ dert wurde das Fabrikationsprogramm um Türöffner und Meßgeräte erweitert. 1902 wurde die Fertigung der Fernsprechapparate für Postanschluß um die Haustelefone Uni­ fon und Echofon erweitert, und 1905 kamen noch automatische Druckknopflinienwäh­ ler und Fernsprechzentralen hinzu. Im Jahr 1885 tätigte das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von 100.000 Gold-Mark; 1981 belief sich der Umsatz auf 43 Millionen DM. Salomon Siedle, der Firmengründer, war für die damalige Zeit nicht nur ein sozialer Unternehmer, er war auch schon im Alter von 19 Jahren, im Jahre 1849, als Schütze im badischen Revolutionsheer und in Kuppen­ heim mit dabei. Die Badener wurden damals geschlagen, und zusammen mit anderen Schwarzwälder Freiheitskämpfern mußte er sich in den Bergen und Wäldern verstecken. Als langjähriger Mitkämpfer seines Schwa­ gers Romulus Kreuzer setzte er sich für den Bau einer Eisenbahn ein und betätigte sich auch politisch. Sein Sohn Hektor war im 54 Bürgerausschuß, war Bezirksrat, Feuerwehr­ kommandant und Vorsitzender des Auf­ sichtsrates bei zwei Furtwanger Unterneh­ men. Sein Sohn Robert war 25 Jahre lang Stadtrat, ferner Bezirksrat und Vorsitzender in verschiedenen Vereinen. Am bekannte­ sten ist Robert aber wohl durch sein Buch ,,SO Jahre Furtwangen“ geworden. Der Erste Weltkrieg, die Weltwirtschafts­ krise der 20er Jahre und der Zweite Weltkrieg haben die Entwicklung des Unternehmens sehr stark beeinträchtigt, und ein Großbrand am 8.1.1941 zerstörte in wenigen Stunden sämtliche -in Generationen geschaffenen – Fertigungs-und Verwaltungsgebäude. 1953 entstand der erste Neubau, und mittlerwei­ le sind 4 Erweiterungsbauten erstellt wor­ den. ,, Tradition und Fortschritt“ ist das Leitmo­ tiv des heutigen Unternehmens. Durch eine konsequente Produkt-und Marketingpolitik ist das Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland jetzt Marktfiihrer im Bereich Hauskommunikation; es liefert in nahezu 30 Länder und fertigt nicht nur hochwertige Produkte, sondern erhält auch laufend Design-Auszeichnungen, wie das Prädikat „Gute Industrieform“ von der Deutschen Industrieausstellung in Hannover und vom Design-Center in Stuttgart. 1979 gründeten die Betriebsjubilare einen ,,Club der Jubilare“, der sich aktiv betätigt, um die zwischenmenschlichen Kontakte aktiver und im Ruhestand befindlicher Mit­ arbeiter zu pflegen und den Kontakt zum Unternehmen zu erhalten. Modeme und menschenfreundliche Ar­ beitsplätze sind die Voraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens, denn den größ­ ten Teil des bewußten Lebens verbringt der Mensch am Arbeitsplatz, und die Firma Siedle bietet diese optimalen Arbeitsplätze und hat daher auch keine Personalprobleme. Eine Unterstützungskasse, die voll vom Un­ ternehmen getragen wird und im Jahr 1981 ca. 110.000,-DM an Betriebsrentner zahlte, Gewinnausschüttung auf freiwilliger Basis für alle Mitarbeiter, flexible Arbeitszeit, ein

Management by delegation, ein betriebliches Weiterbildungsmodell, eine vorbildliche Ausbildungswerkstatt und eine Betriebs­ sportgruppe sind Fakten, die die 280 Mit­ arbeiter schätzen und durch mehr Verant­ wortungsbewußtsein honorieren. Modernste Fertigungsverfahren, speziell auf die Firmenbelange zugeschnitten, eine integrierte EDV und das klare Unterneh­ mensziel, auch künftig selbständig zu blei­ ben, fordern Unternehmensleitung und Mit­ arbeiter täglich zu Höchstleistungen. Ca. 10 % der Mitatbeiter sind in der Ent­ wicklung beschäftigt; dort investierte das Unternehmen in den letzten Jahren im Durchschnitt 8 % vom Jahresumsatz, wobei die Personalkosten für die Entwicklung nicht berücksichtigt sind. Um auch in Zukunft noch mit Wachstum rechnen zu können, hat sich das Unterneh­ men zusätzliche Beine geschaffen, stellt Stempelkugelschreiber aus Fischbach haben sich auf dem umkämpften interna­ tionalen Parkett der Schreib-und Werbe­ artikel einen festen Platz gesichert. Der Export ist heute stabiles „zweites Bein“ der Firma Herbert Rigoni, die 1963 den ersten Kugelschreiber mit Stempel „made in Fisch­ bach“ auf den Markt gebracht hat. Das Schreibgerät mit dem stempelnden Innen­ leben machte auf dem europäischen und auf dem amerikanischen Markt Furore: Nach Gebrauchsmusterschutz in Deutschland und Patentrechten in einer Vielzahl europäischer Länder führte das US-Patent mittlerweile zu zwei florierenden Firmen in den Vereinigten Staaten und einem eigenen Stempelservice in New York. Herbert Rigoni, einfallsreicher „Tüftler“, versierter Konstrukteur, begabter Designer und besonnener Unternehmer, verdankt den großen Durchbruch der eigenen Hartnäckig­ keit, seine Idee von einem Stempelkuli kon- Aus Fischbach auf den Weltmarkt Alarmanlagen für den Wohn-und Kleinge­ werbebereich her und bringt mikroprozes­ sorgesteuerte Bürosprechanlagen auf den Markt. Zukunftsorientierte Kommunika­ tionssysteme müssen eine Vielzahl von Son­ derfunktionen besitzen. Die Programmier­ barkeit des Mikroprozessors macht das System flexibel und intelligent, und erst durch diese Technik sind intelligente Kom­ munikationssysteme zu vertretbaren Preisen herstellbar, die mehr können als herkömm­ liche Anlagen und auch in der Hausleittech­ nik einsetzbar sind. Seit 1978 hat die Firma Siedle in Mönch­ weiler eine Tochterfirma, die technische Kunststoffteile für Dritte herstellt und auch sämtliche Thermoplastteile für den eigenen Bedarf produziert. Die Tochterfirma be­ schäftigt derzeit 50 Mitarbeiter und wird 1983 an die 5 Millionen DM Umsatz errei­ chen. Horst Siedle 55

angefordert werden kann. Die Bezahlung dieser individuellen Ergänzung ist im Preis des Kugelschreibers bereits enthalten. Neuestes „heri“-Kind ist seit Januar 1982 ein sogenannter „Damenkugelschreiber“, der – hochelegant in schwarz mit echt­ goldenen Beschlägen – erneut auf rund die Hälfte des Umfangs seiner großen Brüder geschrumpft und damit zierlicher denn je ausgefallen ist. Zugleich präsentierte Herbert Rigoni auf der jüngsten Internationalen Frankfurter Messe eine weitere Neuheit: Eine gedruckte Schnellinformation über die ge­ samten deutschen Kraftfahrzeug-Kenn­ zeichen, die zum Namen in Klarschrift auch über das „ Woher“ eine klare Aussage machen. Diese Idee hatte den Fischbacher Unter­ nehmer verfolgt, seitdem die Gebietsreform sich unmittelbar auch auf die Kraftfahrzeug­ Kennzeichen ausgewirkt hatte. Zwar erschie­ nen bald darauf schon tabellarische Zusam­ menstellungen der Abkürzungen und ihrer vollen Bezeichnung. Sie mußten letztlich aber unbefriedigend bleiben. Nachdem die Ver­ waltungsreform teils völlig neue Raumge­ bilde und vielfach auch Neubenennungen im Gefolge hatte, war eine spontane und geo­ graphische Zuordnung nur noch bedingt möglich. Die Geheimnisse von „DAN“, ,,FB“ und ,,NIB“ lüftet jetzt die „Kfz-Kennzeichen­ Info-Karte“: Eine in Suchfelder unterteilte Karte der Bundesrepublik wird von den Orts­ namen und ihren Abkürzungen eingerahmt. Die Karte enthält ausschließlich Städte­ namen mit eigenen Ortskennzeichen sowie im Fettdruck die Landeshauptstädte. Die Ländergrenzen sind durch zarten Gründruck markiert, zusätzlich erscheinen die größten Flüsse. Die neue Kennzeichen-Info-Karte ist durch Urheberschutz und Gebrauchsmuster­ schutz vor Nachahmung geschützt. Ro emarie v. Strombeck sequent und zu Beginn nicht ohne Schwierig­ keiten zu einem ausgereiften Schreib- und Stempelgerät zu entwickeln, das nicht nur durch optische Formschönheit glänzt. Die langlebige Funktion des Gerätedoppels ist garantiert. Der Weg von einer bescheidenen Werk­ statt in den Nebenräumen eines Bauern­ hauses bis zum Umzug Anfang derSiebziger­ jahre in ein modernes und inzwischen erheblich erweitertes eigenes Fabrikgebäude am Fischbacher Sommerberg war von einer konstanten Weiterentwicklung gekennzeich­ net. Der Kugelschreiber-Ahne von 1964 ver­ fügt über eine Nachkommenschaft, die heute mit mehr als einem Dutzend Varianten in Verbindung mit einer weitsichtigen Unter­ nehmenspolitik eine bemerkenswerte Zahl von Arbeitsplätzen sichert. Herbert Rigoni ist auf den internationalen Messen für immer neue Überraschungen gut. Nachdem der erste Sproß der „heri“­ Dynastie vor 18 Jahren zunächst noch eher schwergewichtig in der Hand lag, wurden mit den Veränderungen seines Designs parallel und systematisch ,,Abmagerungskuren“ ver­ bunden. Es gelang immer optimaler, Schreiber und Stempel auf noch kleinerem Raum zu verbinden. Mehrere Jahre lang dominierte eine Drei­ kantform.1977 ging ein Kugelschreiber in die Produktion, der sich in Rundform leichter und schlanker denn je präsentierte: Mit nur noch geringer Größendifferenz im Vergleich zu den Brüdern ohne stempelndes Innen­ leben gab der Abzug der Kappe erst das Geheimnis preis: Den vierzeiligen Stempel, dessen Kissen rund 15000 Stempelungen aushält und das dann neu eingefärbt werden kann. Der Geschäftserfolg wurde nicht nur durch die verschiedenartigsten Möglich­ keiten für werbende Gravuren gefestigt, sondern auch durch die Zuverlässigkeit des hauseigenen Stempelservices.Jeder Stempel­ kugelschreiber wird von einem Gutschein in der Form einer Bestellkarte begleitet, mit der ein Stempeltext binnen kurzem in Fischbach 56

Zwei Generationen Steinei-Werkzeugmaschinen Außenansicht des neuen Steinei-Werkes im Schwenninger Industriegebiet Ost. Unter den Werkzeugmaschinenfabriken des Schwarzwald-Baar-Kreises nimmt Stei­ ne! aus dem Stadtbezirk Schwenningen eine Sonderstellung ein: in Europa gehört man zu den führenden Herstellern von Werkzeug­ maschinen. Handwerkliche Tradition stand im Jahre 1925 schon Pate, als der Mechani­ kermeister Bernhard Steine! eine Mechani­ ker-und Reparaturwerkstätte gründete, im gleichen Jahr noch mit der Entwicklung eige­ ner Produkte begann und damit den ersten Schritt zur Werkzeugmaschinenfabrik tat. Am Anfang stand die Konstruktion und Fertigung kleiner Drehautomaten, Schleif­ böcke und Einspindel-Bohrmaschinen. Im Jahre 1927 machte die erste Mehrspindel­ Bohrmaschine aus dem Hause Steine! Kar­ riere. Daraus entwickelte sich ein Fertigungs­ zweig, der bis heute nichts an Bedeutung ein­ gebüßt hat. Schritt für Schritt wird in den fol­ genden Jahren das Fertigungsprogramm erweitert, fast zwangsläufig folgt die räum­ liche und personelle Erweiterung des Betriebs. Der gute Ruf des Unternehmens breitet sich in der ganzen Welt aus: Steinel­ Fräsmaschinen werden zu einem Begriff. Der weitere Ausbau des Betriebes erfolgt zielgerichtet und mit Nachdruck. Zwei ent- scheidende Stationen sind das Jahr 1939, als man mit der Entwicklung und Fertigung von Sondermaschinen beginnt, und das Jahr 1964, das den Einstieg in die NC-Technolo­ gie bringt. Immer mehr gewinnen Werkzeug­ maschinen mit hohen Leistungen und auto­ matischen Fertigungsabläufen an Bedeu­ tung. Neben einem Normalienprograrnm – einem Programm für den Werkzeug-und Vorrichtungsbau -bilden daher hochentwik­ kelte Sondermaschinen und NC-Bearbei­ tungszentren mit modernster Technologie den Schwerpunkt im Steinei-Fertigungspro­ gramm. Manchen Rückschlag gab es in den ver­ gangenen Jahren zu verkraften. Durch eine geschickte Unternehmenspolitik gelang es jedoch stets, auch in schwierigen Zeiten zu bestehen, sich schnell der veränderten Marktsituation anzupassen und sich mit neuen und interessanten Entwicklungen zu profilieren. Die letzte EMO, der Welt größte Fachmesse für Werkzeugmaschinen, bestä­ tigte erneut: Steine! steht im internationalen Wettbewerb technologisch mit an der Spitze. Weitsichtige Unternehmenspolitik brach­ te auch ein Revirement aus der drangvollen Enge der Schwenninger Innenstadt hinaus in 57

das neue Industriegebiet Ost: Einern im Män 1979 fertiggestellten, 4550 Q!iadratmeter großen Neubau – die erste Baustufe einer Gesamtplanung – folgte jetzt ein neuer Bauabschnitt, in dem weitere Fertigungs­ und Montageabteilungen untergebracht sind. Rund 400 CNC-Bearbeitungszentren und weit über 7000 Sondermaschinen hat Steine! bisher in alle Welt geliefert. Darunter waren zum Beispiel Transferstraßen zur Bearbeitung von Getriebedeckeln oder Pum­ pengehäusen und vollautomatische Ferti- gungssysteme für die „mannlose“ Schicht. Sie dokumentieren die hohe Q!ialität der Erzeugnisse aus Villingen-Schwenningen. In der Firmenleitung, an deren Spitze heute Bernhard Steine!, der Sohn des Fir­ mengründers, steht, macht man sich keine Illusionen über die Härte des internationalen Wettbewerbs. Es wird ähnlich wie bei der Entwicklung neuer Technologien zu den „Problemlösungen“ der 80er Jahre gehören, die Tradition des Hauses Steine! auch in eine sich ständig verändernde Entwicklung ein­ zubetten. Gerd Steinbach Arbeiter als „ Unternehmer“ Heinemann-Konkurs in St. Georgen mit Mitarbeiterbeteiligung beendet Zunächst machte sich bei der Belegschaft der Firma Heinemann in St. Georgen, die seit mehr als einem Jahrhundert Maschinen in alle Welt liefert, Unsicherheit und Angst breit. Angst vor allem um die Arbeitsplätze, die bei dem renommierten Unternehmen bereits in den 70er Jahren immer wackeliger wurden. Später denn, als die Maschinenfa­ brik im August 1980 Konkurs anmelden mußte und damit die Serie der wirtschaftli­ chen Tiefschläge in der Bergstadt einläutete, wurde die Angst zunehmend von einer Por­ tion Galgenhumor abgelöst, die der als Kon­ kursverwalter gekommene Hans Ringwald (er managte ein Jahr darauf auch die Dual­ Pleite) so in Worte faßte: „Was kann uns eigentlich noch passieren? Wir haben den Konkurs bereits hinter uns, die anderen haben ihn noch vor sich.“ Man blieb freilich bei Heinemann nicht im Sarkasmus stecken. Im Gegenteil: In den folgenden zwei Jahren im Konkurs schlug das Pleite-Unternehmen unter maßgeblicher Beteiligung des von Ringwald neu eingesetzten Geschäftsführers Reiner Lang einen Weg ein, der mit Fug und Recht als beispielgebend für eine wirtschaft­ liche Sanierung bezeichnet werden darf. Das Unternehmen und seine von Lang neu moti­ vierte Belegschaft zog sich sozusagen am 58 eigenen Schopf aus dem Sumpf wirtschaftli­ cher Schwierigkeiten und hat im Jahre 1982 einen neuen Anfang geschafft. Weil die Maschinenfabrik wieder mit Gewinn arbei­ tet, wurden neue Kapitalgeber gefunden, die nicht nur einen Teil der alten Verbindlichkei­ ten ablösten, sondern eine belebende Geld­ spritze auch in die neue Heinemann-Gesell­ schaft schossen. Darüber hinaus nimmt künftighin die 200köpfige Belegschaft die Geschicke der Firma zum Teil in die eigenen Hände. Die Mitarbeiter sind über das Geld aus dem Sozialplan des Konkurses mit rund einer Million Mark zu einem Drittel an der neuen Firma beteiligt. Diese Mitarbeiter­ Beteiligung, von der Gewerkschaft mit eini­ gem Mißtrauen verfolgt, ist ein Vorhaben, das im Schwarzwald-Baar-Kreis und der wei­ teren Umgebung bisher einmalig ist. Wie gut es in der Zukunft funktionieren wird, dürfte auch von Wirtschafts-und Gesellschaftspoli­ tikern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Nimmt man die ungewöhnlich schnelle wirtschaftliche Gesundung der Firma Heine­ mann genauer unter die Lupe, dann kommt man am Namen Reiner Lang nicht vorbei. Der quirlige Schwabe, der als „Wirtschafts­ Feuerwehrmann“ aus der Truppe von Hans

Ringwald nach St. Georgen gekommen war, verstand es der Belegschaft neuen Optimis­ mus zu vermitteln. Mut für die Zukunft war der Belegschaft in langen Jahren des Nieder­ gangs weitgehend abhanden gekommen, in denen die zunehmenden Schwierigkeiten des Familienunternehmens immer offen­ kundiger geworden waren. Es mußten nicht nur nach und nach viele Grundstücke ver­ kauft werden ( und der Beinemann-Grund­ besitz war stattlich, umfaßte sogar den St. Georgener Klosterweiher, den dann die Stadt aufkaufte), die Stimmung wurde auch innerhalb des Betriebes immer gedrückter. Das lOOjährige Bestehen des Unternehmens im Jahre 1977 wurde nicht einmal mehr rich­ tig gefeiert, ein bedenkliches Zeichen in einer Stadt, in der die Firmentraditionen bewußt gepflegt werden. Als dann im Jahre 1980 der Konkurs den vorläufigen Schlußpunkt unter diese traurige Entwicklung setzte, hatte sich allenthalben Resignation breit gemacht. „Konkurs -das muß das Ende der Firma sein“. Eine andere Vorstellung gab es für die Mehrzahl der St. Georgener innerhalb und außerhalb der Firma nicht. In dieser Situation mußte Reiner Lang gemeinsam mit Konkursverwalter Ringwald dem Unternehmen wieder neuen Atem ein- Wolkn die Firma Heinemann aus St. Georgen wieder in eine erfolgreiche Zukunft führen: Geschäftsführer Reiner Lang(rechts) und der Lei­ ter der Montage, PaulKnöpjle, vor einer der riesi­ gen Heinemann-Drehmaschinen. hauchen. Das Glück der beiden war dabei, daß Heinemann-Maschinen trotz des Kon­ kurses Produkte von hohem Ansehen in der Fachwelt waren und weiterhin ihren Platz auch im schwieriger werdenden Weltmarkt für schwere Maschinen behaupten konnten. Die Pleite des Unternehmens war offenkun­ dig nicht deshalb erfolgt, weil die bis zu 45 Tonnen schweren Heinemann-Drehmaschi­ nen bei den Kunden in aller Welt nicht geschätzt wurden, sondern weil es im kauf­ männischen und produktiven Bereich der Firma arge Versäumnisse gegeben hatte. Die Maschinen waren nicht nur zu billig verkauft worden, sondern auch nicht rationell genug hergestellt worden. Vor allem im letzteren Bereich setzte Lang an. Durch pausenloses Trommeln an der Ver­ kaufsfront füllte Lang nicht nur die Auf­ tragsbücher bis zum Platzen, sondern be­ gann auch die Fertigungszeiten zu beschleu­ nigen. In der modernen Montagehalle der Firma Heinemann nahe der Bundesstraße 33 59

(das ziemlich marode Stammhaus befindet sich bei der Stadtmitte) wurden die riesigen Maschinen in einem Tempo zusammenge­ baut, wie es noch niemals vorher bei Heine­ mann der Fall war. Lohnarbeit von der gleichfalls in St. Georgen ansässigen Maschi­ nenfabrik Weisser half am Anfangsstadium ebenfalls mit, die »Heinemänner“ nicht zur Rast kommen zu lassen. Die Mitarbeiter langten deshalb kräftig hin, weil sie geschlos­ sen hinter Lang standen und stehen (wie es der Betriebsratsvorsitzende Werner Haller formulierte) und weil sie mit ihm wieder die Chance für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze für die Zukunft sehen. Daß Lang den »Kon­ takt zur Werkbank“ nie verlor, sondern ihn geradezu suchte, zahlten die Maschinen­ bauer durch hohe Einsatzbereitschaft zurück. Im Konkurs kam es bei Heinemann zu einigen bemerkenswerten Ereignissen. So wurden etwa zwei große Weihnachtsfeiern abgehalten (Lang mußte bar bezahlen), eine davon in der randvollen St. Georgener Stadt­ halle. Die „Heinemänner“ stellten ihre Maschinen – wann hat es so etwas jemals im Konkurs gegeben – in einer groß angelegten Ausstellung ihren Kunden aus dem In- und Ausland vor. Kurzum: Heinemann zeigte wieder Flagge. Während die Frage der Mit­ arbeiterbeteiligung zunächst in die Diskus­ sion kam, um von den Konkursschulden (etwa 18 Millionen Mark) den Sozialplan abhaken zu können, war das Geld der „Hei­ nemänner“ nach einer so guten Entwicklung für eine Sanierung am Ende nicht mehr drin­ gend nötig. Aber nun wollten die Mitarbeiter partout diese Mitverantwortung. Nachdem sie sich zwei Jahre lang beispielhaft einge­ setzt hatten, erwarten sie auch für die Zukunft noch viel Gutes von dem Unter­ nehmen. Daran wollen sie teilhaben. Um auch für die weitere Zukunft die Firma auf Erfolgskurs zu halten, hat Reiner Lang weitere Umstrukturierungen geplant. So wird er unrentable Abteilungen zugun­ sten anderer Aktivitäten schließen. Der Ser­ vice für schwere Maschinen etwa ist ein Feld, das Lang zusätzlich zur Produktion aus­ bauen will und in dem er das große Fachwis­ sen der Heinemann-Belegschaft gewinnbrin­ gend einsetzen will. Vor allem aber stellt er sich für die Zukunft ein engeres Zusammen­ rücken aller Maschinenfabriken im Schwarz­ wald-Baar-Kreis vor, was sich vor allem in Kooperationen mit der Firma]. G. Weisser in St. Georgen und mit der Firma Steinei in Vil­ lingen-Schwenningen ausdrücken könnte. Nicht nur die Belegschaft, auch Reiner Lang, der in der neuen Heinemann-Gesell­ schaft ebenfalls beteiligt ist, geht die Zukunft jedenfalls optimistisch an. In einem Bereich der Zukunft investiert das Unternehmen stets wie in der Vergangenheit. Die Firma Heinemann – stets als guter Ausbildungsbe­ trieb begehrt – bildet weiterhin eine hohe Zahl an Lehrlingen aus. Und sogar eine Tra­ dition aus alten erfolgreichen Zeiten wurde von Lang wieder eingeführt: Die Heine­ mann-Lehrlinge dürfen wieder Fahrten in St. Georgens Partnerstadt an der französi­ schen Cote d‘ Azur, nach St. Raphael, unter­ nehmen. Erich Möck In 16 Stunden: 20 000 Kerzen Q!ialität aus hochmoderner Donaueschinger Kerzenfabrik Das lebendig-weiche Licht eines Kerzen­ schimmers bedeutet Musesturide, Festlich­ keit, Besinnung.Wenn aber Wolfgang Stein­ feldt an seinem Arbeitsplatz den Docht anzündet und lange Zeit gebannt in die Flamme schaut, ist dies weder Ausdruck von Arbeitsunlust oder Träumerei, sondern ganz besonders wichtige berufliche Pflichtübung. Als Kerzenmacher produziert und prüft er im Hochsommer, was – und nicht nur – zur 60

Modeme Technik beherrscht den Produktionsablauf in einer neuzeitlichen Kerzenfabrik. Automaten ergänzen die menschliche Arbeitskraft. Bei diesen Automaten – mit Produktionsleiter und Kerzen­ macher Wolfgang Steinfeldt – sind Stärke, Länge und Farbgebung von 880 Kerzen pro Charge vor­ programmiert. Weihnachtszeit die besondere Atmosphäre zaubert. Die Donaueschinger Kerzenfabrik Gärtner GmbH, seit 1. Januar 1982 in der Regie der Firma „Scan Candles“ mit über 200jährigem Stammhaus in Montabaur, ist bundesweit in Kapazität und Einrichtung ohne Beispiel: Im 16-Stunden-Rhythmus ist die Herstellung von 20 000 Leuchtkörpern aus Paraffin jeglicher Farbschattierung und Größe möglich. Es ist besonders bemerkenswert, daß der Verkauf von Kerzen in der Farbstellung den Risiken eines Modetrends unterliegt, wie ihn nur wenige Branchen kennen. Der Käuferge­ schmack ist ein äußerst unsicherer Faktor in der auf Monate notwendigen Vorauspla­ nung. Produktionsleiter und Kerzenmacher Wolfgang Steinfeldt sucht immer wieder nach Erklärungen:“ Vor zwei Jahren hat man uns die blau- und fliederfarbenen Kerzen aus der Hand gerissen – danach wurden fast aus­ schließlich Rosa- und Bordeauxtöne ver­ langt.“ Direkte Folge sind Stapel von Laden­ hütern. Denn mit Rücksicht auf die Grossi­ sten muß auf eine·n Ausverkauf an den Privatabnehmer verzichtet werden. Die technische Einrichtung der Donau­ eschinger Kerzenfabrik ist in Umfang und Ablauf ungewöhnlich. Wie von Geisterhand gelenkt, tauchen zehn Automaten in exakt programmierten Zeitabständen die Dochte von jeweils 880 Kerzen pro Charge in vor­ gegebener Höhe in die farbigen Wachsbäder, während unmittelbar darüber eine ganze Batterie kleiner Ventilatoren die Härtezeit verkürzen. Diese maschinelle Fertigung schlanker Formen vom Christbaumkerzen­ Format bis zur eleganten Leuchter-Bestük- 61

kung ist in Donaueschingen die schnellste Möglichkeit in der Herstellung hochwerti­ gen Kerzenmaterials. Nach skandinavi­ schem Vorbild wird die Dochtverbindung zwischen jeweils einem Kerzendoppel erhal­ ten -eine „twin-candle“ (Kerzenpaar) ist an jedem Nagel griffbereit aufhängbar. Den Lehrberuf des Kerzenmachers gibt es nur in Bayern als einzigem Bundesland, eine Meisterschule existiert im Bayrischen Wald. Die Experten dieser Branche sind gesucht. Vor allem dann, wenn sie mehr als nur hand­ werkliches Geschick und Wissen mitbrin­ gen: Das Gespür für Farbmischungen ist in der Kerzenherstellung ein entscheidendes Kriterium. Ein Minimum des hochkarätigen Fettkonzentrats, gemixt aus den Grundfar­ ben gelb, blau und rot-orange, genügt für einen 500-Kilogramm-Paraffin-Behälter – ein Element zuviel verdirbt die Mischung. Werkstall eines Kerz.enmachers (Wachsziehers) um 1700. 62

Entscheidend im Ablauf des Jahres sind für den Kerzenhersteller die im zeitigen Frühjahr beginnenden Messen als erste Test­ möglichkeit des Farbtrends. Die Konkurrenz um die Gunst der Abnehmer rekrutiert sich dabei vor allem aus den nordischen Ländern. Wolfgang Steinfeldt ist mit diesem Markt vertraut: Die Lehr-und Gesellenjahre absol­ vierte er in Dänemark. Zehn bis zwölf Arbeitskräfte sind durch­ schnittlich in der Donaueschinger Kerzen­ fabrikation im 1978/79 großzügig realisier­ ten Neubau im Gewerbegebiet an der Breg­ straße beschäftigt. Das Gros konzentriert sich auf die im Gießverfahren in Handarbeit gestalteten Formen, die bis zu einem Durch­ messer von 10 Zentimetern und einer Höhe von 40 Zentimetern möglich sind. Zu den streng gehüteten Geheimnissen des Kerzenmachers Wolfgang Steinfeldt gehören die Kerzen, die -mit einem ganz speziellen Paraffin unter Einschluß von Luftelementen unter ganz bestimmten Tem­ peraturen in besonderer Arbeitsmethodik hergestellt-eine marmorierte Struktur erhal­ ten und damit über eine besonders effekt­ volle Lichtwirkung verfügen. Die farbige und durch 60 bis 70 Grad Wärme verflüs­ sigte Paraffinrnasse wird aus den 500-Kilo­ gramm-Behältern geschöpft und in die ein­ gefetteten Kunststoff-Formen gefüllt. Das besonders hochwertige Paraffin, das in Großmengen direkt aus dem Irak bezogen wird, mußte in den letzten Jahren als Neben­ produkt der Rohölumwandlung ebenfalls beträchtliche Preisaufschläge hinnehmen. Auf den -in der Herstellung billigeren – Farbüberzug weißer Rohlinge wird aus optischen und aus Gründen der geringeren Brennqualität verzichtet. Wolfgang Stein­ feldt färbt das Paraffin teilweise in Großmen­ gen vor. Jede Rezeptur wird schriftlich fest­ gehalten -damit ist die Farbkontinuität gesi­ chert. Über Nacht erstarrt der Inhalt der For­ men. Eine Säge mit hoher Umdrehungszahl sorgt für den glatten Abschluß, durch ein gebohrtes Loch wird dann der -je nach Ker- zenurnfang -aus 18 bis 30 Fäden bestehende Docht gezogen und anschließend mit gleich­ farbigem Wachs verschweißt. Ein nochmali­ ges Tauchbad läßt Farbe und Luftbläschen in aller Klarheit sichtbar werden. Außer Gold, Silber und Kupfer, für die bisher noch keine befriedigende Brennquali­ tät gefunden wurde, ist keine Farbschattie­ rung unmöglich. Rund 50 Varianten, auf Wunsch auch mehrfarbig, werden geboten. Zudem ist für eine Kerze jede Gestalt denk­ bar -wiederum eine Preisfrage, weil die For­ men relativ teuer sind. Wolfgang Steinfeldt denkt mit Vergnügen an jenen Besucher, der mit Appetit in einen rotbackigen Apfel biß­ und baff war: Das vermeintlich knackig­ frische Obst war eine Kerze. Ähnlich natur­ getreu gelingen Ostereier und Fliegenpilze. Wenn indessen auch der Preis des Rohma­ terials Paraffin im Schatten des Rohölmark­ tes auf inzwischen über zwei Mark pro Kilo­ gramm kletterte und weitere Preiserhöhun­ gen zu erwarten sind, steht dennoch fest: Die Kerzen, deren Geschichte bis ins zweite Jahr­ hundert zurückreicht, werden nicht mehr die einstige Luxusgüte erreichen, die sich nur Kirche und Fürstenhäuser zu leisten ver­ sondern mochten, selbstverständlicher Bestandteil jedes gemütlichen Hausstands bleiben. Rosemarie v. Strombeck Wie ein Vogel beim Sturzflug zur Erde aus den Höhen des Himmels so fühle ich mich hinabgleiten in die Tiefe der Traurigkeit. Der Moment des Glücks erscheint mir vergangen ehe daß ich ihn richtig ausgekostet hätte. Das Glück trägt mich hinauf in glänzende Höhen, doch der Sturz in die Tiefe raubt mir die Möglichkeit jeden Strahl einzufangen. Leben Daniela Siek 63

Die Schwarzwälder Kuckucksuhr Wenn in unserer Zeit alljährlich hundert­ tausende von Kuckucksuhren aller Größen, angefangen vom schlichten kleinen Jockele bis zur repräsentativen 8-Tage-Kuckucksuhr mit Musikwerken die zahlreichen Produk­ tionsstätten und Fabriken im Schwarzwald in alle Länder der Welt verlassen und damit tausende von Arbeitsplätzen, �auptsächlich in unserem Kreisgebiet, gesichert sind, so haben wir dies einem genialen Tüftler aus unserer nördlichsten Kreisgemeinde, dem heute renommierten heilklimatischen Kur­ ort Schönwald, zu verdanken. In der Chronik aus dem Jahre 1789, funda­ mentiert durch eine Urkunde aus dem Badi­ schen Generallandesarchiv in Karlsruhe, ver­ faßt vom Obervogt des erzherzoglich-öster­ reichischen Obervogteiamtes in Triberg, Franz Joseph von Pflummern, ist zu lesen, daß der 1675 in Schönwald geborene Franz Ketterer im Jahre 1730 die erste Kuckucksuhr hergestellt hat. Es muß eine kleine Heim­ werkstätte der sogenannten „Häusler“ gewe­ sen sein, in welcher der zwei Jahre ältere Johann Duffner und der vier Jahre ältere Bru­ der Anton Ketterer sich gemeinsam mit der Herstellung von Holzuhren beschäftigt haben. Man ist geneigt, dieses Hofgut im Zinken Oberort zu suchen, dort wo lange, schneereiche Wintermonate die Schwarz­ waldbauern monatelang von der Außenwelt abgeschnitten haben. So fand man Zeit und Ruhe genug, sich handwerklich zu betätigen und mit allerlei Tüfteleien zu beschäftigen. Die den Schwa­ ben und Alemannen zugesprochenen Fähig­ keiten, aus ihrem Ideenreichtum sinnvolle und zweckmäßige Erfindungen zu gestalten, kamen hier besonders zum Ausdruck. In den Aufzeichnungen jener Zeit ist zu lesen, daß sich Franz Ketterer vom Spielmechanismus der Kirchenorgel inspirieren ließ und die Technik der Holzpfeifen für den heute im Schwarzwald wohl immer seltener hörbaren Kuckucksruf ausdachte. 64 Eine Kuckucksuhr, die von dem Schnitzer Emil Burger, Schonach, mit besonderer Sorgfalt und viel Liebe zum Detail vor Jahrzehnten geschnitzt wurde. Karl Joseph Dold, Uhrenfabrikant um die Jahrhundertwende, hat in seiner Firma, der 1842 gegründeten Uhrenfabrik, zunächst Holzuhren aller Art hergestellt, sich aber bald im größeren Teil seiner Produktionska­ pazität auf die Herstellung von Kuckucksuh­ ren spezialisiert. Die Zeit war gekommen, in der alljährlich tausende dieser schönen, handwerklich geschnitzten Uhren fein säu­ berlich mit Holzwolle in großen Holzkisten verpackt die Fabriktore verließen, per Pferde­ pritschenwagen zum Bahnhof in Triberg gebracht wurden, um von dort aus den Weg -via Hamburg -in die weite Welt anzutre­ ten. Lange feuchte Seereisen haben einer besonders sorgfältigen Verpackung bedurft, so daß die Uhren zusätzlich in Paraffinpapier

(Ölpapier) gegen eindringende Feuchtigkeit geschützt werden mußten. Es war dem Heimatsohn, als er 1912 in den Ruhestand ging, zur Lebensaufgabe gewor­ den, die Landesarchive in Karlsruhe zu durchforsten, um wichtige Daten für seine ausführliche, handgeschriebene Ortschro­ nik, die heute in zwei Bänden im Schönwäl­ der Gemeindearchiv aufbewahrt wird, fest­ zuhalten. Es war naheliegend für den Verfas­ ser, die Herkunft und Entwicklung seiner jahrzehntelang mit expandierendem Erfolg durchgeführte Produktion der Kuckucks­ uhren zu erkunden. Mit der vorgefundenen Urkunde wurden Vermutungen, die Kuk­ kucksuhr habe ihre Wiege in Neukirch, Gütenbach, Furtwangen oder gar in Lenz­ kirch gehabt, verworfen und eindeutig als Geburtsstätte Schönwald festgehalten. Diese Erfindung war zweifellos ein Markstein in der Entwicklung der Uhrmacherei im Schwarzwald, denn die Kuckucksuhren sind jetzt über die ganze Welt verbreitet und überall als echtes Schwarzwälder Erzeugnis, -Made in Germany -, erkannt und beliebt. Mit dem Kuckuck, der die Stunde ausruft, sein Türchen öffnet, Flügel und Schnabel bewegt, war auch der Keim zur weiteren Automation gegeben. Obervogt Franz Joseph von Pflummern schreibt in seinen Aufzeichnungen ferner: „Man darf sagen, daß diese drei Uhrmacher die Patriarchen der Kuckucksuhrmacherfa­ milien des Schwarzwaldes sind, denn aus ihren Werkstätten gingen die Begründer vie­ ler Uhrmachereien und späteren Uhrenfabri­ ken in N eukirch, Furtwangen, und aus diesen wiederum diejenigen aus Gütenbach, Nuß­ bach, Schonach, Triberg und vielen anderen Orten des Schwarzwaldes hervor.“ Die erste Kuckucksuhr, die von den drei Schönwälder Tüftlern und Uhrmachern hergestellt wurde, hatte auf der Frontseite ein einfaches, hübsch bemaltes Holzschild, aus dem unter dem Türchen des Kuckucks über dem Zifferblatt das Pendel heraus kam und vor dem Ziffer­ blatt hin-und hertickte. Auf dem Kästchen hinter dem Schild, in dem das Holzräder- werk untergebracht und von zwei an Schnü­ ren aufgehängten Steinen, später eisernen Tannenzapfen, in Bewegung gehalten wurde, saßen, ähnlich wie das heute wohl in wesent­ lich perfekterer Art und Weise gehandhabt wird, die zwei kleinen Luftbalge mit den Holzpfeifen, die im Rhythmus des laut ver­ nehmbaren Kuckuckrufes durch ein aus­ geklügeltes Hebelsystem auf-und abbewegt wurden. So ergab sich der dem Kuckucksruf sehr natürlich nachgeahmte Hoch-und Tief­ ton, der Kuckucksruf. Diese Grundideen wurden alsdann im Laufe der Jahrzehnte durch zusätzliche Erfindungen nicht nur perfektioniert, sondern auch mit allerlei Nebenwerken versehen. Die Verwendung von Eisen, Bronce und später Messing ließen selbstverständlich nicht nur Ganggenauigkeit, längere Laufzei­ ten -die Prototypen liefen nur knapp einen Tag -, sondern auch weitere mechanische Laufwerke zu, wie z.B. Musikwerke, Tanz­ spielgruppen u.ä., die wiederum im Halb­ und Stundenrhythmus ausgelöst dem Kuk­ kucksruf nachlaufend beliebte Attraktionen bildeten. Wie in allen europäischen Gebirgsgegen­ den, in denen Holz als Grundstoff in ver­ schiedenen �alitäten zur Verfügung stand, war auch die Holzbildhauerei im Schwarz­ wald zu Hause. Bald kam man so auf den Gedanken, die lange Zeit üblichen, bemalten Schilder durch allerlei Formen handwerkli­ cher Schnitzkunst zu ersetzen. Was lag wohl als Motiv näher, als das Laub und die Nadeln der Bäume, die Tier-und Vogelwelt der end­ losen Wälder u. a. m. in die Motive einzube­ ziehen, so daß sich in den letzten J ahrzehn­ ten ein überaus großes Sortiment an Mustern, Größen und Ausführungen ergab, unter deren typischem Stil die Schwarzwäl­ der Kuckucksuhr bekannt ist. Der „Viertelkuckuck“, in Massenproduk­ tion hergestellt und in jedem Reiseanden­ kengeschäft in Europa und Übersee mit den großen Kuckucksuhren in wohl hundert, wenig voneinander abweichenden Modellen zum Kauf angeboten, ist die kleinste Ausfüh-65

rung der kuckuckschreienden Ührchen. Sie haben nur ein Gewicht, welches das Uhrwerk mit Stunden und Minutenzeiger bewegt, gleichzeitig aber auch alle Viertelstunden durch ein mitlaufendes Hebelsystem die Pfeifen abfallen läßt. Viele Ideen, den Kuk­ kucksruf auf eine in Übersee mehr bekannte Vogelart umzustellen, schlugen fehl, weil deren Ruf mit Pfeifen nicht nachzuahmen war. So lag z.B. nach dem Zweiten Weltkrieg der Auftrag eines indischen Importeurs vor, den dort heimischen „Kiwi“ nachzuahmen versuchen. Dem roten, mit langem Schnabel versehenen Urwaldvogel konnte man seinen krächzenden Ruf, ähnlich einer Wachtel, nicht nachvollziehen, alle Versuche schienen unecht und blieben ohne Erfolg. Eine der größten uns bekannten Kuk­ kucksuhren, von der T riberger Kuckucksuh­ renfabrik Hubert Herr hergestellt, wurde als Jagdmotiv nach New York geliefert. Dort im Lande der Superlative hängt die Uhr an einer Außenfassade. Ihr Kuckucksruf wird, wie in allen häuslichen Modellen, alle halbe Stunde über große Lautsprecher weithin hörbar in die Broadways der Millionenstadt als größte Attraktion des in Amerika so beliebten ,,Black-Forest“ in Germany hineingerufen. Welch bedeutender Produktionsanteil die Kuckucksuhr inzwischen in unserer heimi­ schen Industrie darstellt, sollen einige stati­ stische Zahlen zum Ausdruck bringen, für deren Zusammenstellung wir dem Verband der Deutschen Uhrenindustrie, Sitz in Schwenningen, dankbar sind. Im Jahre 1980 wurden rund 300 000 Stück solcher Uhren in allen Größen hergestellt. Davon wurden 245 000 = 81 % exportiert, 19 %= 55 000 Stück blieben zum Verkauf im Inland und wurden hauptsächlich in den zahlreichen Touristengebieten in Reisean­ denkengeschäften verkauft. Dies bedeutet eine Produktionskapazität von annähernd 16 Millionen DM. Wohl der größte Abnehmer sind die Amerikaner mit ca. jährlich 57 000 Stück, es folgen Frankreich und die Schweiz mit je 40 000 Stück, Italien und Österreich mit je 13 000 Stück und mit ca. 10 000 Stück 66 Großbritannien. Doch in aller Welt finden wir diese niedlichen „Black-Forest Koucous“ z.B. in Ungarn, Bulgarien, der Tschechoslo­ wakei, Griechenland, Ägypten, Nigeria, Kanada, Equador, Chile, Syrien, Kuweit, Saudi-Arabien, um nur einige zu nennen. Auch im fernen Osten finden wir Abneh­ mer: in Singapur,Japan, Hongkong, Austra­ lien und Neuseeland. Die robuste Ausführung mit dem relativ unempfindlichen Räder- und Hebelwerk läßt die Uhren, hängen sie einmal beim Käu­ fer an der Wand, jahrzehntelang zur Zufrie­ denheit der Zeitableser aber auch zur Freude der Kinder ihren Dienst versehen. Herbert Dold Frühling Müde wird der weiße Mann ihm will nichts mehr glücken fröstelt nur noch dann und wann zeigt im Kleid schon Lücken. Spürt, daß seine Zeit vorbei schleicht sich fort in Bächen gibt die Wiesen wieder frei tränkt die grauen Flächen. Junge Triebe strecken sich Vögel singen lauter erstes Grün erfreuet sich ahne schon den Zauber. Täglich wird die Welt nun bunter Winter zur Erinnerung die Natur wird wieder munter lädt zu neuer Wanderung. Und auch ich verlaß den Bau in den mich der Winter trieb atme Düfte – Luft die lau sehne mich nach Lieb. Klaus Berbig

Soziales, Fürsorge, Gesundheitswesen Das Furtwanger Altenheim ist fünf Jahre alt Das Alten- und Altenpflegeheim St. Cyriak in Furtwangen mit den siebzig-, achtzig- und sogar neunzigjährigen Bewoh­ nern feiert den fünften Geburtstag. Ein Kon­ trast mit besonderem Reiz, aber mit solchen Kontrasten lebt ein Altenheim der Güte des Furtwangers. Man feiert Goldene Hochzeit – sogar schon zweimal die »Diamantene“; um den Festtagstisch sitzen bei dem Jubelpaar auch die jungen Schwestern und Praktikantinnen. Sie spüren da etwas von der Verantwortung, die Menschen durch die Heirat füreinander übernehmen, denn die Jubilarin ist im Pfle­ geheim, und ihr Mann besucht sie seit drei Jahren täglich an ihrem Pflegebett. Der zweitälteste Furtwanger wohnt hier und gibt einen Geburtstagsempfang, mit Sekt natür- lieh, unterdessen wetteifern die Urenkel im Kinderzimmer des Altenheims, wer aus Bau­ klötzchen den höchsten Turm errichten kann. Morgens werden in der Altenheimkapelle bei einem Hausgottesdienst die alten Marienlieder gesungen. Am selben Abend drückt eine Jugendgruppe mit ihren auslän­ dischen Freunden dort durch Tanz ihre Frömmigkeit aus. Die Schulkameraden des Jahrgangs 1942/43 treffen sich zu einem Eröffnungsgottesdienst ihres 40er-Treffens, und anschließend sind italienische Bewoh­ ner der Stadt mit ihrem Pfarrer zu einer heili­ gen Messe beisammen. Im Turnraum der Therapieabteilung gibt eine sehr rüstige Siebzigerin Altengymna­ stik, am Abend kommen Streßgeplagte zum Alten- und Altenpflegeheim St. Cyriak in Furtwangen. 42 JJkgeplätze, 48 Altenheimplätze, 6 Alten­ wohnheimplätze. 42 Beschäftigte. Eröffnet Februar 1977. 67

Autogenen Training, und die Volkshoch­ schule bietet einen Kurs für Folkloretanz in diesen Räumen an. Der Leseraum, gleichzeitig Bibliothek, wird schon vor dem Frühstück durch die Hausbewohner aufgesucht, um dort in den Tageszeitungen zu lesen, was in der Stadt und in der Welt passiert. Am Nachmittag hat sich dieser Raum in ein Schulungskranken­ haus verwandelt, wo in einem mehrwöchi­ gen Kurs Pflegehelferinnen ausgebildet wer­ den. Man muß es erlebt haben, um es zu glau­ ben, die attraktive Eingangshalle des Alten­ heims gleicht morgens einem Marktplatz: die Zeitung wird geholt, die Post kommt, einige Telefonate sind zu erledigen, kleine Einkäufe müssen gemacht werden, es wird geputzt und repariert, Nachrichten werden weitergegeben -mit und ohne persönliche Kommentare -es wird gefragt, beraten und erzählt bis zum gemeinsamen Mittagessen im Speisesaal, der sich an diesen „Markt­ platz“ anschließt. Nach dem Essen jedoch herrscht friedliche Stille. Die Flure sind men­ schenleer. Jedermann weiß die Ruhe zu schätzen. Die Rücksichtnahme spielt eine große Rolle. Um 14 Uhr öffnet die „Kirnerstube“, die Begegnungsstätte zwischen den alten und jungen Furtwangern, derer die in der Stadt wohnen und derer die im Alten-oder auch im Altenpflegeheim wohnen. Da treffen sich die Alterskameraden einer Heimbewohnerin zum wöchentlichen Schulkameradentreffen. Später kommen die Gruppenführer der Jugendgruppen, um ihr zukünftiges Pro­ gramm zu besprechen. Da treffen sich Acht­ zig-und Dreißigjährige, um sich in dem in Furtwangen so beliebten »Brettlespiel“ auf das jährlich stattfindende „Brettleturnier“ vorzubereiten. Die Hausbewohner haben aber auch Verständnis, wenn einmal ein ent­ scheidendes Gremium der Landeswohl­ fahrtspflege einen Tag lang „ihre“ Kirner­ stube in Anspruch nimmt. Es gibt schon Kontraste: Achtzigjährige schieben noch jede Woche einmal die Kugel 68 in der Kegelbahn, dagegen ist eine wesentlich jüngere Frau mit einer Lähmung an den Roll­ stuhl gefesselt. Oder eine sechzigjährige Angestellte bastelt mit Heimbewohnern, und eine siebzigjährige Praktikantin gibt einem alten Mann das Essen, weil er es allein nicht mehr kann. Es soll nicht verschwiegen werden, daß die Menschen im Altenheim auch sterben. Es sind aber schwere Verluste für Mitarbeiter und Mitbewohner, denn man gewöhnt sich aneinander, man kennt einander, ja man liebt einander, wenn man fünf Jahre zusam­ men haust. Wie zu Hause, so ist es auch im Alten­ heim: Manche Speisen liebt man mehr als andere. Es ist für den Koch nicht immer ein­ fach, den Geschmack der Badener und der Württemberger und der Leipziger gleichzei­ tig zu treffen. Alles in allem, ein ganz normales Wohn­ haus, in dem alte Menschen wohnen und jüngere arbeiten. Vielleicht ist das Furtwan­ ger Altenheim deshalb so beliebt und so angesehen, weil es ganz natürlich zugeht, nicht verkrampft, aber doch mit allem, was zu einem menschenwürdigen und altersge­ rechten Wohnen gehört. So war es vorgesehen vor fünfzehn Jah­ ren, als der Caritas-Altenheimverein gegrün­ det wurde mit dem Ziel, ein Altenheim zu bauen und zu unterhalten. In vielen Bespre­ chungen, Überlegungen und Besichtigungen haben einige Furtwanger Bürger das vor­ gestellte Konzept entwickelt. Folgende Prin­ zipien galten bei allem Planen als unumstöß­ lich: die Bewohner in diesem Haus sollen soviel Freiheit wie möglich, soviel Selbstverantwortung wie möglich, soviel Betätigung wie möglich, soviel eigene Wohnung wie möglich, aber so wenig wie möglich Reglementie­ rung, Vorschriften und Hausordnung haben. Wer heute das Furtwanger Altenheim in seiner Funktion überprüft, wird feststellen, daß diese Vorstellungen erfüllt sind. Konrad Uttenweiler

Eine Heimstätte für betagte Menschen Seit 1865 Fürstlich Fürstenbergisches Landesheim in Hüfingen Wer aus Richtung Freiburg oder Schaff­ hausen nach Hüfingen einfährt, muß das Tor passieren, das als Stadttor ein Bestandteil des ehemaligen Fürstenbergischen Schlosses und jetzigen Landesheimes ist. Der umfang­ reiche Gebäudekomplex hatte eine bewegte und wechselvolle Geschichte, ehe er zur Hei­ mat für alte und hilfsbedürftige Menschen wurde. Dort, wo früher Angehörige der weit­ verzweigten Fürstenfamilie lebten, verbrin­ gen jetzt unter der Obhut und Pflege von Schwestern und Betreuern Menschen, die nach einem arbeitsreichen Leben nicht mehr für sich selbst sorgen können, ihren Lebens­ abend. Ursprünglich wurde das Fürstlich Fürsten­ bergische Landesheim das „Obere Schloß“ genannt, das 1523 von Hans dem Älteren von Sehellenberg gebaut, 1620 durch Ver­ kauf an das Haus Fürstenberg fiel. 1712 ließ der damalige Landesherr, Frohen Ferdinand von Fürstenberg, das Gebäude abbrechen, und an seiner Stelle entstand in den Jahren 1765 bis 1766 ein neues, repräsentatives Schloß, dessen Baumeister der bekannte für­ stenbergische Architekt Franz Joseph Salz­ mann war. Bis 1814 bewohnten Angehörige der Fürstenbergischen Familie das Hüfinger Schloß. Teile des Gebäudes wurden als Amts­ räume für den Sitz des damaligen Oberamtes Hüfingen verwandt, ebenso als Wohnung für die fürstlichen Beamten. Zeitweise war zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Naturalien­ sammlung im Schloß untergebracht, die in den Koalitionskriegen sowie in den Napo­ leonischen Kriegen durch die Belegung mit Truppen schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die jetzige Funktion des als Schloß errich­ teten Gebäudes geht auf eine Stiftung der Fürsten zu Fürstenberg zurück, die 1772 das Gebäude zusammen mit einem Betrag von 69

145000 Gulden für den Zweck zur Ver­ fügung stellten, daß Arme, Waisen und Kranke des ehemaligen souveränen Fürsten­ tums der Fürstenberger eine Heimat fanden. Diese soziale Einstellung eines Landesherren war für die damalige Zeit sicherlich unge­ wöhnlich. Bis zum Jahre 1865 waren die Pfleglinge in einem von der Stiftung zunächst übernommenen Haus in Geisingen untergebracht. Im gleichen Jahr öffnete das Fürstlich Fürstenbergische Landesheim, in dem seither der Stifterzweck erfüllt wird, seine Pforten. Heute handelt es sich um eine Stiftung des Öffentlichen Rechts, den „F. F. Spitalfonds“, der von einem dreiköpfigen Verwaltungsrat, dessen Bestellung der Stifterfamilie obliegt, verwaltet Vird. Von seiner Gründung bis zum Jahre 1972 war das Haus gleichzeitig Kinderheim. Nach der Schließung der Kin­ derabteilung folgte ein umfangreicher Umbau, und seither wird das Gebäude aus­ schließlich als Altersheim geführt. 152 alte Menschen leben im Fürstlich Für­ stenbergischen Landesheim, betreut von acht Ordensfrauen und weiteren 35 Mit­ arbeitern. Bei den Bewohnern, die vorwie­ gend in Zwei-oder Dreibettzimmern unter­ gebracht sind, handelt es sich in der Regel um Personen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu Hause leben können oder die auf fremde Hilfe angewiesen sind. Auf­ grund der höheren Lebenserwartung steigt das Durchschnittsalter der Bewohner stetig an mit der Folge, daß ein vermehrter Auf­ wand an Pflege und Zuwendung notwendig wird. Obwohl das Landesheim kein Pflegeheim im eigentlichen Sinne ist, bleibt die Verwal­ tung, getreu dem Stifterauftrag, bemüht, die Bewohner auch dann zu behalten, wenn altersbedingte Schwierigkeiten auftreten, um, sofern nicht ein Krankenhausaufenthalt notwendig wird, den alten Menschen einen erneuten Wechsel ihrer Umgebung zu erspa­ ren. In der Regel verbleiben sie im Haus, das ihnen zur Heimat geworden ist, bis zu ihrem Lebensende. 70 Eng verbunden mit der Geschichte des Hauses ist seit dessen Bestehen als Landes­ heim die Tätigkeit der Schwestern vom Orden des heiligen Vinzenz von Paul. Ohne Unterbrechung waren Angehörige des Ordens im Fürstlich Fürstenbergischen Lan­ desheim tätig, und auch heute noch arbeiten die Schwestern hier segensreich, auch wenn ihre Zahl nicht mehr so groß ist wie in frühe­ ren Jahren. Der Kontakt zur Ordensleitung ist gut, und die Verwaltung hofft, auch wei­ terhin das segensreiche Wirken der Vinzenti­ n�rinnen im Landesheim gewährleistet zu wissen. Die Bewohner des Hauses kommen in der Regel aus Baden-Württemberg und vorwie­ gend aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Das Haus, obwohl ehrwürdigen Alters und unter Denkmalschutz stehend, gehört dank lau­ fender Investitionen in seiner Grundausstat­ tung zu den gehobenen Altenheimen. Die Pflegesätze bewegen sich im unteren Feld der vom Landesverband empfohlenen Sätze. Wie bereits erwähnt, wurden im Laufe der vergangenen Jahre umfangreiche Investitio­ nen im Fürstlich Fürstenbergischen Landes­ heim getätigt. Da ist zunächst der Einbau moderner Sanitäreinrichtungen zu nennen, ferner die Installation einer zentralen Hei­ zungslage, die Einrichtung von Personenauf­ zügen, die Neueindeckung des Daches, ein neuer Verputz sowie der Einbau von Ver­ bundfenstern im ganzen Gebäude. Zur Erleichterung der Pflege befindet sich in einem der modern ausgestatteten Bäder ein hydraulischer Badlifter. 1977 konnte ein schöner Mehrzweckraum bezogen werden, in dem alle Heimbewohner Platz zu gemein­ samen Unternehmungen oder Veranstaltun­ gen finden. Seither sind auch öfter Hüfinger Vereine zu Gast, die den Bewohnern in man­ cherlei Beziehung Unterhaltung und Abwechslung bieten. Das Haushaltsvolumen dieses Fürstlich Fürstenbergischen Betriebes, denn ein sol­ cher ist das Landesheim, beträgt derzeit runde zwei Millionen Mark. Für Modernisie­ rungsmaßnahmen sind im laufenden Jahr

weitere 800000 Mark vorgesehen, von denen die Ende 1981 eingeweihte neue Küche allein 500000 gekostet hat. Die Tatsache, daß das Haus unter Denk­ malschutz steht, bedeutet, daß alle Baumaß­ nahmen „gebunden“ und dementsprechend teuer sind, auch dann noch, wenn das Denk­ malamt Zuschüsse gewährt. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Ein Panzer der Bundes­ wehr war im Tor steckengeblieben. Bei die­ sem Manöverunfall wurde eine wertvolle Stuckdecke im Hause zerstört. Der Schaden wäre im Normalfalle relativ billig zu beheben gewesen, doch das Denkmalamt bestand darauf, daß die Stuckdecke in mühevoller Kleinarbeit rekonstruiert wird, deren Kosten mit rund 30000 Mark veranschlagt sind. Die Bewohner des Fürstlich Fürstenbergi­ schen Landesheimes betrachten sich als eine große Familie. Sie erfahren von den Schwe­ stern und Betreuern alle erdenkliche Zuwen­ dung, die ihnen das Gefühl der Geborgen­ heit schenkt. So kommt es nicht selten vor, daß ein Heimbewohner, der vorübergehend ins Krankenhaus kommt, bei Besuchen der Heimleitung ungeduldig fragt, wann er end­ lich wieder »heim“ dürfe. Auch einem Un­ eingeweihten fallt die Herzlichkeit auf, mit der hier den alten Menschen begegnet wird. Diese Tatsache mag darüber hinwegsehen lassen, daß es zweifellos modernere und attraktivere Altenheime gibt. Zu den Gebäudekomplexen gehören 1,23 Hektar Grund und Boden. Hier wird intensi­ ver Gemüseanbau zum Eigenverbrauch betrieben, wozu noch die Aufzucht von etwa 25 Schweinen zur teilweisen Deckung des eigenen Fleischbedarfes kommt. Die Garten­ anlagen betreut ein Fachmann, dem, soweit es möglich ist, einige Heimbewohner mit einfachen Arbeiten an die Hand gehen, für die die Gartenarbeit ein Stück Beschäfti­ gungstherapie bedeutet. Insgesamt erbringen Gemüseanbau und Fleischerzeugung einen jährlichen Gewinn von mindestens 25000 Mark. Eine ganze Anzahl von Heimbewohnern lebt schon jahrelang im Landesheim. Im Rahmen der Hausordnung haben sie jede Freiheit, soweit sie nicht, durch ein Gebre­ chen bedingt, der Aufsicht bedürfen. Jeder­ zeit können Besuche von Angehörigen emp­ fangen werden, denen bis in den späten Abend hinein das Haus offensteht. Selbst­ verständlich werden die Heimbewohner auch regelmäßig seelsorglich betreut, und in der Hauskapelle finden Gottesdienste für die Gläubigen beider Konfessionen statt. Das Landesheim ist, obwohl in den benachbarten Städten moderne Altenheime entstanden sind, in der Regel voll belegt. Seit 1966 leitet Rudolf Schenk mit großem Enga­ gement das Heim. Ihm steht als Sekretärin Clothilde Brem zur Seite, die schon seit 1946 ihre Arbeitskraft dem Fürstlich Fürsten bergi­ schen Landesheim zur Verfügung stellt. Nachschrift: Als der obige Beitrag bereits gesetzt war, kam es am Nachmittag des 1. Mai 1982 im Neubau des Fürstlich Fürsten bergischen Landesheims zu einem Großbrand, bei dem wie durch ein Wun­ der keiner der betagten Bewohner zu Schaden kam. Der materielle Verlust, der durch die Zerstörung des Dachstuhles im westlichen Flügel und durch Löschwasser entstand, betrug rund 1,5 Millionen Mark. Alle vorübergehend evakuierten alten Menschen konnten nach wenigen Tagen, sofern sie nicht krank oder bettlägerig waren, wieder ins Landesheim zurückkeh­ ren. Käthe Fritschi Majestätisch ragen Gipfel, Schaudern läßt der Sterne Pracht, Meeres Schoß ist voller Rätsel, Furchtbar des Atomes Macht. Tief herab die Stirn sich beuget, Welche dieser Dinge sinnt: Größtes aber aller Wunder Ist und bleibt das Menschenkind. Vieles Gewaltige lebt . Ernst Roskothen 71

Im Dienst behinderter Menschen Das heutige Pflegeheim und Altersheim Haus Wartenberg in Geisingen ist eine Ein­ richtung, die als Kreispflegeanstalt in der Form eines Zweckverbandes am 1. 2. 1872 vom Großkreis Villingen übernommen wurde. Sie dient der Aufnahme und Betreuung von alten, psychisch oder körper­ lich behinderten Menschen. Bereits im Jahre 1956 war diesem Heim für Behinderte ein Altersheim angegliedert worden. Im Zuge der Kreisreform wurden die beiden Einrich­ tungen des ehemaligen Landkreises Donaue­ schingen mit Wirkung vom 31. 12. 1971 auf­ gelöst. Es wurde ein selbständiger Zweckver­ band als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet. Verbandsmitglieder sind der Schwarzwald-Baar-Kreis und der Land­ kreis Tuttlingen, sowie die Städte Donau­ eschingen, Geisingen und Villingen-Schwen­ nmgen. Seit dem Jahre 1951 wurde die Sanierung des vorhandenen Bestandes an Gebäulich­ keiten durchgeführt und im Jahre 1976 zum Abschluß gebracht. Mit einem Kostenauf- wand von rund 20 Millionen Mark konnten die Gebäude neu erstellt bzw. von Grund auf renoviert und auf den neuesten Stand gebracht werden. Für die Unterbringung der auswärtigen Mitarbeiter wurde ein Personalwohnheim mit 18 Schlafplätzen erstellt. Dieses Wohn­ heim ist mit einem Schwimmbad ausgestat­ tet. Eine hauseigene Kegelbahn kann von den Bediensteten in Anspruch genommen werden, um die Kameradschaft und die Geselligkeit zu pflegen. Der Zweckverband gliedert sich in: a)Altersheim Haus Wartenberg Hier stehen etwa 95 Betten für alte Men­ schen zur Verfügung, die eine neue Hei­ mat suchen oder die wegen Gebrechlich­ keit auf fremde Hilfe angewiesen sind. b)Pflegeheim In diesem Bereich sind 480 körperlich behinderte und psychisch kranke Frauen und Männer untergebracht. Unseren Heimen sind angegliedert: landwirtschaftlicher Lehrbetrieb mit rd. 72

,,Hier Leitstelle Villingen“ 120 ha bewirtschafteter Grundstücksfläche sowie 1 gärtnerischer Lehrbetrieb, der rd. 1,8 ha als Freigelände und 1700 qm Fläche unter Glas bearbeitet. Es ist unser Bestreben, sämtliche Bewoh­ ner, die noch zu irgendeiner Tätigkeit fähig sind, in den verschiedensten Bereichen ein­ zusetzen. So haben wir z. B. zwei große arbeitstherapeutische Gruppen, in denen die Heimbewohner unter der Anleitung von zwei Arbeitstherapeuten auf freiwilliger Basis das Jahr hindurch zu sinnvoller Tätig­ keit angehalten und angeleitet werden. In verschiedenen anderen Bereichen, wie z.B. Küche, Gärtnerei, Landwirtschaft, Hausmeisterdienste usw. werden die Behin­ derten unter der Anleitung unserer fachkun­ digen Bediensteten zur freiwilligen Mitarbeit herangezogen. Ein Bericht über die Rettungsleitstelle des Deutschen Roten Kreuzes Villingen-Schwenningen, Josefsgasse 12. An einem Mittwochmorgen im März betrete ich das schmucke Gebäude, in dem das Vil­ linger Rote Kreuz in guter Nachbarschaft zur Feuerwehr untergebracht ist. Ich will einen Bericht über die Rettungsleitstelle schreiben und deshalb den Dienstbetrieb hautnah erle­ ben, um aus erster Hand darüber zu berich­ ten. Beim Eintritt komme ich nicht dazu, die beiden diensthabenden Rettungssanitäter zu grüßen. Gerade ging über die Villinger Feuer­ notrufleitung „112“ eine Meldung ein, nach­ dem in einem Kinderzimmer, dessen Tür nicht zu öffnen sei, schwarze Rauchschwa­ den herausdringen. Es werden Kinder darin vermutet. Schnellstens, mit exakter Präzision, beginnt die Rettungsaktion. Mit modernen Kommunikationsmitteln, mittels Funk­ alarmempfängern werden Feuerwehr, Ret­ tungsdienst und Notarzt an die Brandstelle beordert. Keine 60 Sekunden dauert es, bis Hierbei kann es uns nicht auf »Arbeitslei­ stung“ ankommen, sondern es geht uns viel­ mehr darum, daß sich der behinderte Mensch in seinem Bewußtsein insofern bestärkt fühlt, daß er doch noch für irgend eine Arbeit gebraucht werden kann. Es ist erfeulich festzustellen, daß durch diese arbeitstherapeutischen Maßnahmen sowohl das Selbstwertgefühl als auch die Lebensfreude erheblich gesteigert werden. Neben der allgemeinen Unterhaltung durch Radio und Fernsehen in den Aufenthaltsräu­ men auf den einzelnen Stockwerken werden das Jahr über in unserem Festsaal zahlreiche Veranstaltungen für die Bewohner des gesamten Bereiches angeboten. Ausflüge gehören ebenso zum jährlichen Veranstal­ tungsprogramm. Die Hauskapelle ist der Mittelpunkt des religiösen Lebens der Heim­ bewohner. Eugen Reich die Rot-Kreuz-Fahrzeuge ausrücken, selbst die schweren Feuerwehrfahrzeuge sind innerhalb kürzester Zeit am Einsatzort. Alle Einsatzkräfte haben ständigen Funkkontakt mit der Rettungsleitstelle. So erfahren wir schnell, daß glücklicherweise bei diesem Notfall keine Menschen zu Schaden kamen. Nach diesem ersten Notfalleinsatz haben die Männer der Leitstelle nun etwas Pause. Ich höre, daß für die sechs Rettungswachen, die im Bereich der Leitstelle ihren Standort haben, heute fast 50 Krankentransporte angemeldet sind. Das ist nicht extrem viel. Aber bis zum nächsten Morgen werden die Männer in ihren leuchtend roten Anoraks auf Weisung der Leitstelle bedeutend mehr Krankentransporte und Rettungseinsätze gefahren haben. Seit 1975 gibt es sie, die „Rettungsleitstelle Villingen“ in der Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Villingen­ Schwenningen e. V. Ihre gesetzliche Grund-73

Allein im Jahr 1981 haben die Mitarbeiter der Leitstelle Villingen 36.000 Einsätze für Krankentransport und Rettungsdienst ge­ steuert, ca. 700 Hubschraubereinsätze diri­ giert und 4.223 Mal im ärztlichen Notfall­ dienst vermittelt. Im Jahre 1980 wurde in der Rettungsleit­ stelle ein Feuerwehrleittisch installiert, bei dem alle Notrufmeldungen für die Feuer­ wehren im Schwarzwald-Baar-Kreis auflau­ fen. Von hier aus werden alle Feuerwehren durch Funk oder Sirene zum Einsatz beor­ dert. Dies geschah 1981 über 500 Mal. 17 Notrufmelder, von der Björn-Staiger-Stif­ tung an unseren Bundesstraßen installiert, sind an die Leitstelle in Villingen angeschlos­ sen. Rund um die Uhr, tagaus, tagein, ist man in der Leitstelle dienstbereit, um als „Gehirn“ des Rettungsdienstes tätig werden zu kön­ nen. Dafür stehen sechs hauptamtliche Mit­ arbeiter und mehrere ehrenamtliche Helfe­ rinnen und Helfer zur Verfügung. Die Leit­ stelle ist nicht etwa nur eine bessere Telefon­ zentrale des Roten Kreuzes. Vielmehr ist sie ein modernes Kommunikationsmittel mit dem Auftrag, bestens ausgebildete Mitarbei­ ter und hochqualifiziertes Gerät optimal ein­ zusetzen. Dafür stehen 12 Telefonleitungen 1:1!1d drei Funksprechgeräte zur Verfügung. Uber Funkalarmempfänger können Einzel­ personen und ganze Einsatzgruppen schnell­ stens alarmiert werden. Mit einem Fern­ schreiber besteht Kontakt zu anderen Leit­ stellen, wenn es gilt, wichtige Meldungen schriftlich abzusetzen. Ständige Funksprech­ möglichkeit zu allen Rettungswachen im Bereich ist ebenso selbstverständlich wie die Funkverbindung zu den 43 Fahrzeugen. 16 Funkgeräte sind für den ärztlichen Notfall­ dienst reserviert. Ausführliche Straßenpläne aller Gemeinden des Kreises helfen bei der Aufgabe, Fahrzeuge zu lotsen. Dies ge­ schieht mit einem großen Diabetrachter. Die Mitarbeiter der Leitstelle sind aus­ gebildete Rettungssanitäter und durchaus mit der Praxis vertraut. Die wichtigste Auf­ gabe ist es, bei Eingang der Meldung zu ent- Die zwei Arbeitsplätze in der Rettungsleitstelle des Deutschen Roten Kreuzes in Villingen­ Schwenningen. Jage findet sich im „Gesetz über den Ret­ tungsdienst Baden-Württemberg“ vom Juni 1975. Ihre Aufgabe besteht darin, die Ein­ sätze des Rettungsdienstes im gesamten Ret­ tungsdienstbereich zu lenken; sie koordi­ niert die Einsatzpläne der Rettungswachen. Rund um die Uhr arbeitet sie – zuständig für die Rettungswachen Bad Dürrheim, Königs­ feld, St. Georgen, Triberg und Villingen­ Schwenningen. 45 Spezialfahrzeuge für Krankentransport und Rettungsdienst wer­ den von dieser Leitstelle aus dirigiert. Dar­ über hinaus ist sie zuständig für die Einsätze des Rettungshubschraubers „Christoph Vil­ lingen“ in einem Radius von ca. 50 Kilometer Luftlinie und des Notarztes in der Doppel­ stadt. Ein weiterer Aufgabenbereich der Ret­ tungsleitstelle ist die Vermittlung des ärztli­ chen Notfalldienstes an Wochenenden und Feiertagen im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung sowie die Zusammenarbeit mit der Polizei, der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, der Bergwacht und der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft. Selbstverständ­ lich besteht auch ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu den Leitstellen, die an den hie­ sigen Bereich angrenzen. 74

Telefon besetzt halten), sondern auch unnö­ tige Leerkilometer verhindert. So werden durch die Leitstelle immer die dem Notfall­ ort am nächsten erreichbaren Fahrzeuge zum Einsatz beordert, gleichgültig welcher Ret­ tungswache das Fahrzeug angehört. Auch die ständige Kommunikation mit anderen Hilfsorganisationen und der Polizei bringt viele Vorteile mit sich. So zum Bei­ spiel bei einem Großbrand eines Bauernho­ fes im Kreisgebiet: nicht nur die Alarmierung der Feuerwehren wird von der Leitstelle aus getätigt, sondern auch die Verständigung des Kreisbrandmeisters, des jeweiligen Bürger­ meisters und anderer öffentlicher Stellen. Auch die Verständigung des Kraftwerks Lau­ fenburg, des regionalen Werkhofes und anderer Helfer, die am Notfallort notwendig sind, erfolgt von der Leitstelle, die von der Einsatzstelle aus den Auftrag erhielt. Hinter jedem Hilfeersuchen steht menschliche Not, und Menschen sind es, die mit Hilfe moder­ ner Technik versuchen, die daraus resultie­ rende notwendige Hilfe in die Wege leiten. Hans Rohrbach scheiden, welches Rettungsmittel eingesetzt werden muß. Das richtige Einschätzen des Notfalls oder Krankheitsbildes, das gezielte Abfragen der Fakten, das sind die ersten Schritte für präzise Hilfe, wenn es gilt, Men­ schenleben zu retten oder eine weitere Gefährdung von den Notfallpatienten abzu­ wenden. Höchste Konzentration und stän­ dige Aufmerksamkeit werden von den Mit­ arbeitern der Leitstelle während des Dienstes erwartet. Nicht selten kommen gleichzeitig mehrere Gespräche an, melden sich Gesprächspartner über Funk und beginnt auch noch der Fernschreiber mit der Uber­ mittlungwichtiger Daten. Um die anfallende Arbeit zu bewältigen, stehen tagsüber zwei Mitarbeiter und nachts einer zur Verfügung. Die Kosten für die Rettungsleitstelle werden im wesentlichen durch einen Anteil an den Krankentransporttarifen finanziert. Die Notwendigkeit und Effektivität die­ ser zentralen Einsatzleitstelle hat sich in den Jahren ihres Bestehens mehr als bestätigt. Durch sie werden nicht nur Personalkosten in den Rettungswachen gespart (jede Ret­ tungswache müßte sonst Tag und Nacht das Eine Exkursion der Kurseelsorge von Bad Dürrheim nach Gütenbach „Veilchen am Wegesrand“ wußte schon Franz Schubert zu besingen. Im Schwarz­ wald-Baar-Kreis stehen auch einige, z. B. Gütenbach. Der Ort hat weder Bahnhof noch ZOB (= Zentralomnibusbahnhof), sondern nur eine kurvenreiche Fernstraße als Verbindung zur weiten Welt. Kommt man von Waldkirch her, so durchfahrt man das malerische Simonswäldertal. Rechts türmt sich das Massiv des Kandel bis über 1.200 Meter. Auf dessen Südseite gründeten einst die Hirsauer Benediktiner das neue Grablege-Kloster der Zähringer. Heute ist „St. Peter“ das Priesterseminar der Erzdiözese. Zur Linken des Tales, tief hinten, wo die Welt zu Ende scheint, kurvt sich die Straße in mächtigen Serpentinen, -gleich an den Hang geworfenen Schlingen einer Wäsche­ leine -, zur Höhe. Etwa auf 1000 Meter steht plötzlich ein mächtiger Hobel (Sie wissen ja: „Und hobelt alle gleich“!) am Straßenrand. Dahinter fabriziert die bekann­ te Firma Faller die Weihnachtsüberraschun­ gen für den sechsjährigen Filius, damit „Vater endlich zu seiner Eisenbahn kommt“. -Das ist Gütenbach im Simonswald! – Aber nicht das ganze! -Man muß schon bis zur Ortsmitte einbiegen und die St. Ka­ tharinenkirche aufsuchen! Im Programm der Bad Dürrheimer katho­ lischen Kurseelsorge steht unter vielen Ange­ boten kunsthistorischer Fahrten seit Jahren 75 ,,Wir wollen zu Land ausfahren “

Die St. Katharinenkirche in Gütenbach. Gütenbach im Simonswald! – Kirch­ auch: “ liche Kunst und schwarzwälderische Gast­ freundschaft“. – Bei dieser Exkursion von Bad Dürrheim wird Gütenbach direkt ange­ steuert, also innerhalb des Landkreises … ,,von oben“ her. Wir haben in Gütenbach auch einiges “ an Kunst aufzuweisen“, … sagt der Orts­ pfarrer mit verschmitztem Blick auf die Reisegruppe, die soeben die Kirche betrat und nun mit gebanntem Blick auf die Altar­ raumgestaltung, – ein gewaltiges Relief von Oskar Steidle aus Schwenningen, – in den Bänken sitzt. Aus Stuck-Alabaster leuchtet in strahlendem Weiß, der Symbolfarbe für die Herrlichkeit Gottes, das Bildnis der Ver­ klärung Christi auf dem Berge Tabor(Mt. 9,2) in den Raum. Hoheitsvoll blickt Christus, im Gespräch mit Moses und Elias über seinen Ausgang in Jerusalem, auf die Gläubigen. – Über ihm deutet eine Wolke auf die Gegen­ wart Gottes in „unzulänglichem Licht“. – 76 Relief: ,,Die Verklärung“ von Oskar Steidle, Schwenningen. Die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes sind Zeugen des Offenbarungsgeschehens und zugleich Vertreter der gesamten Kirche als ,,neue Schöpfung in Christus“ und berufen, ein „im Reiche des Vaters wie die Sonne zu leuchten“. Unter diesem Kunstwerk steht der Tabernakel mit dem Zeichen des apoka­ lyptischen Gotteslammes und davor der Opferaltar aus poliertem Muschelkalk. Für die Kirchenwand beim Taufstein ist noch die Darstellung der ersten Taufe am Pfingst­ tag vorgesehen, – als Marienbildnis auf der linken Seite die Huldigung der Weisen aus dem Morgenland vor dem göttlichen Kind und seiner Mutter. Über dem gesamten Raum bildet eine warm getönte Holzdecke aus schwedischer Kiefer die Brücke zur rückwärtigen Eingangsseite. Diese ist ein ein­ ziges Lichtermeer aus in zarte Betonrippen gefaßtem Dickglas, das als Gegenpol zum Relief „ Verklärung Christi“ im Altarraum gedacht ist.

Ein sechsfaches Geläut, darunter die drei­ hundert Jahre alte ,,Heilandsglocke“, ruft zum Gottesdienst. Eine Orgel mit 23 Registern verstärkt die Freude der Gott lobenden Gemeinde. – (Neben dem Altarraum, nur durch eine Glaswand getrennt und so mit dem Blick auf den Hochaltar, ist eine Werk­ tagskapelle, [ die erste in der Freiburger Erz­ diözese], mit einem kunstvollen Kruzifix). – Nach dieser Einführung erzählt der Pfarrer aus der Gütenbacher „Kirchengeschichte“: Bereits im 14.Jahrhundert hatte der Ort eine kleine Kapelle. – Später wurde dann vom St. Margarethenstift in Waldkirch die Kir­ chengemeinde gegründet und übernahm den dortigen zweiten Heiligentitel „St. Katha­ rina von Alexandrien“ für das Pfarrpatronat. – Deshalb also der Wandteppich rechts in der Kirche mit Szenen aus dem Leben der Heiligen und ihrer Grablegung durch Engel auf dem Berge Sinai. – 1748 wurde eine größere Kirche errichtet, die dann 1963-1965 von der jetzigen abgelöst wurde. -(Von den 1584 Gütenbachern sind 1288 katholisch, 193 evangelisch, 83 altkatholisch). Eine kostbare Monstranz, eine vergoldete Treibarbeit aus Kupfer und Silber und mit leuchtenden Steinen reich verziert, spiegelt die örtliche „Kirchengeschichte“: Das Juwel wurde 1770 vom Hornberger Vogt gestiftet, kam dann zur Kulturkampfszeit in altkatho­ lischen Besitz und kehrte anläßlich des Kir­ chenneubaus wieder zurück, als Geste des Dankes der Altkatholiken. – Pfarrer Wagen­ brenner hatte ihnen als Hausherr die Kom­ munionbank, das Gestühl und die Elektro­ heizung der alten Kirche überlassen. Nach den geistigen Höhenflügen und Erinnerungen in der Kirche geht es dann eine Etage tiefer im Pfarrsaal recht „irdisch“ für alle weiter: Längst hat ja die Schwester des Pfarrers mit ihren Helferinnen aus der Eine warmgetönte Holzdecke überspannt den Kirchenraum. 77

. Pfarrjugend eine reiche Kaffeetafel bereitet. – Außer einem „guten Tropfen“ als Abschluß hält der Pfarrer noch eine Überraschung be­ reit, -eine höchstinteressante Filmvorfüh­ rung: ,,Schwarzwald-Jugend mit dem Seel­ sorger in der weiten Welt“ … In Gütenbach steht entgegen aller Abgeschiedenheit das Tor zur Welt offen: Vom nördlichsten Schottland bis herun­ ter nach Gibraltar und Marokko, von der Schweiz und Italien herüber nach Jugosla­ wien, Griechenland, zur Türkei und nach Israel und zu den Ufern des Nil im Reiche der Pharaonen reicht der Aktionsradius der jährlichen Busreisen. -Rundzelte sind das Hotel, die Lagerküche und der eigene Koffer sichern die Verpflegung. -Für Frühsport und Schwimmen sorgt der Pfarrer als Organi­ sator ebenso wie für die HI. Messe unter freiem Himmel. -Seine Fahrtenfilme sind Meisterwerke . Am Tage der Heimkehr . bereits werden die Zelte zum nächsten Auf­ bruch neu gerüstet und der Bus mit einem ,,Ehrenhäuptling am Steuer“ schon gechar­ tert! Gemütlicher und inhaltsreicher kann es für die Besuchergruppe Gütenbachs gar nicht hergehen. So gegen 17 Uhr drängt die Zeit zur Heim­ fahrt -und die Straßen sind voll von histo­ rischen „Tretminen“! … Der Weg über die ,,Kalte Herberge“ ist unpassierbar, seitdem dort ein Gast am geheizten Ofen erfroren ist. Zudem erinnert im schönen Urachtal die alte Wehrkirche heute noch an Kriegslärm. Und durch Hammereisenbach fährt man mit einem „VS-Auto“ besser nicht! -Warum haben denn auch die Villinger Ratsherren ihren Hufschmieden dort den Einkauf von Eisen verboten, wo doch das aus Schramberg schon beim Anschauen zerbröckelte? Eben­ so über Furtwangen und Donaueschingen ist’s gefährlich. Dort herrscht wegen der Do­ nauquelle Urfehde. Dabei hat der ortskun­ dige Volkssinn längst entschieden: ,,Das Brigachle und ’s Bregele bringen’s DonauJe aufs Wegele“, -und das hinter (!) dem Schloßpark. Zwischen Furtwangen und Do­ naueschingen liegt Vöhrenbach! -Hier ist 78 jeder Zorn berechtigt! -Als 1744 der brave Christof Storz aus der „Unteren Kirnach“ eine aus Vöhrenbach heiraten wollte, hat ihm Villingen einen Strich durch die Rech­ nung gemacht: ,,Soll sich um eine anstän­ digere Heirat umsehen und dieA uswärtige fahren lassen!“ … Anno 1747 hieß es dann: ,, … ist so lang in das finstere Cabinet erkennt worden, bis ihm die Heiratsgedanken ver­ gangen sein werden!“ Man kann all diese Gefahrenstellen aber auch nicht umgehen und sich über Klengen heimwärts schleichen. Auch dort lauert der ,,Feind“.seit 1759, als der Lehrer Bartle Ober­ gföll seinen Posten aufVillinger RatsbeschJuß einem Auswärtigen abgeben und sogar den Vorwurf einstecken mußte, er könne ja kaum lesen und schreiben! … Zu all dem Bedroh­ lichen kommen nun auch noch die vielen Gasthäuser: ,,Zum Löwen“ … ,,Zum Bären“ … „Zum Ochsen“ … ,,Zum Hirschen“ … ,,Zum Adler“ … ,,Zum Mohren“ … ,,Zum Engel“ … „Zum Rössle“ … ,,Zur Sonne“. Trotzdem braucht niemand zu bangen. -Die Morita­ ten aus der vorderösterreichischen Zeit stehen heute nur noch in den „ Villinger Ratsherren­ Protokollen“ verzeichnet, und die zuweilen uralten Gasthäuser mit ihren eigenartigen Namen hier im Land bis hinunter zu den Alpen haben eine mittelalterliche Vorge­ schichte. Damals begriff man das Leben und des­ halb auch das Reisen, als ein Unterwegssein zu Gott! -Drum stellte man sich unter seinen Segen und die helfende Fürsprache der Heiligen, ehe man aufbrach. Die Gast­ wirte ihrerseits bekannten sich zum Sinn christlicher Gastfreundschaft und gaben ihren Häusern entsprechende Namen. Die Evangelisten mit ihrer weltdurchdringenden Botschaft waren die besonderen Schutzhei­ ligen der Reisenden. So stehen ihre altbe­ kannten Symbole an den Gasthäusern: Der „Engel“ mit dem Antlitz des Menschen als das Zeichen für den hl. Matthäus; -der ,,Löwe“ für den hl. Markus; -der „Ochse“ als Opferzeichen für die Lukasbotschaft; – der ,,Adler“ für die vom hl. Johannes ver-

kündete Gottes-und Nächstenliebe! Der „Mohr“ zählt zu den Heiligen Drei Königen, ebenso wie die „Krone“, die vor dem Gött­ lichen Kind niedergelegt wurde, nachdem der „Stern“ die Weisen nach Bethlehem führte!-Und der »Bär“!? … Einst zog Korbinian, dessen Bischofsgrab in Freising verehrt wird, mit schwerbepacktem Lasttier durch die Schweiz(!) gen Rom. Da zerriß ihm ein Bär das Tragtier und fraß es auf. Zur Strafe mußte dieser nun dem heiligen Mann das Gepäck nach Rom tragen! -Der Gasthof Seit Donaueschingen zu Beginn der sieb­ ziger Jahre seinen Kreissitz verlor und auch andere Behörden die Stadt verließen oder allenfalls mit einer Außenstelle präsent blie­ ben, herrscht am Donau-Ursprung ein wenig die Mentalität, man dürfe nur behalten, was „Zum Hirschen“ erinnert an jene Christ­ nacht, in der Hubertus innerlich zerrissen auf die Jagd zog und ihm ein Hirsch mit leuchtendem Kreuz zwischen dem Geweih entgegentrat. Da erkannte der Rittersmann seine Torheit, bekehrte sich und wurde zum heiligen Bischof Hubertus! – Die Rückkehr aus Gütenbach ist also durchaus keine „weinselige Kreuzfahrt“ durch eine „reizvolle Gegend“, sondern eher eine Anregung, über den Sinn des Lebens nachzudenken. W.Goderski das Oberzentrum Villingen-Schwenningen nicht brauchen könne oder diesem gar eine Last wäre, und man müsse gar zusätzlich schlucken, was zumindest insgesamt nicht von Vorteil sei. Neben den Folgen der Kreisre­ form ist diese Mentalität vor allem vom Vom Militärlazarett zum Asylantenheim 79

jahrelangen Streit um den Ausbau des Do­ naueschinger Verkehrslandeplatzes genährt worden. Besonders der früher geplante „Re­ gionaJflughafen“ mit auf die Stadt zielender 2000-Meter-Rollbahn schuf in Donaueschin­ gen den Eindruck, daß seine Bürger Lärm und Abgase einer Einrichtung hinnehmen müßten, deren Nutzen fast ganz auf der Seite der fast fünffach größeren neuen Kreis­ hauptstadt lägen. Daß man also Donaueschingen aufbürdet, was anderswo nicht unterzubringen ist: Auch die Tatsache, daß das von den Franzosen 1977 geräumte Militärlazarett an der Landes­ straße nach Grüningen just zu einem Zeit­ punkt leerstand, als die Bundesrepublik von Asylbewerbern fast aus der ganzen Welt über­ flutet zu werden begann, und daß die Landes­ regierung flugs an dieses Domizil dachte, um hier einen Teil ihres Kontingentes an Ausländern unterzubringen, wurde in Donaueschingen nicht ohne Bitterkeit in diese Richtung interpretiert. Dabei schien es zuvor durchaus interessantere Verwendungs­ möglichkeiten für dieses hoch über der Stadt gelegene, vier Hektar große Areal mit Bauten aus dem Dritten Reich zu geben. Nach der Entführung Hanns Martin Schleyers im Oktober 1977 stationierte der Bundesgrenzschutz zwei Hundertschaften vorläufig dort, und die Bundesregierung wirkte nicht abgeneigt, Donaueschingen zur Grenzschutz-Stadt zu machen. Dann nahm Innenminister Maihofer, der als Befürworter dieser Lösung galt und angeblich auch bereit war, die Bedenken im Bonner Finanzmini­ sterium gegen die immensen Sanierungs­ kosten des von den Franzosen in miserablem Zustand zurückgelassenen Lazaretts zu über­ winden, seinen Hut-und Donaueschingen blieb für den Nachfolger ohne Interesse. Auch der Kreistag Schwarzwald-Baar stieg auf Donaueschinger Hoffnungen, hier eine Außenstelle der Villinger Hotelfachschule zu etablieren, nicht ein. Ministerpräsident Späth selbst hatte dieses Objekt für eine neu ins Leben zu rufende Landesjugendmusikschule neben Lahr und 80 Ottobeuren in die engere Wahl genommen und schon zu einem Zeitpunkt, da die Asyl­ bewerber kaum mehr unterzubringen waren, Bürgermeister Dr. Everke das Versprechen gegeben, daß Donaueschingen Ausländer nur für den Fall würde nehmen müssen, wenn es diese Jugendmusikschule nicht be­ kommen sollte. Doch dann wurde Späth von der Flut der echten und der Schein­ asylbewerber endgültig überrollt. Er brach sein Versprechen und nagelte Donaueschingen darauf fest, in den jetzt von der Bundesvermögensverwaltung be­ treuten Gebäude zunächst 300 Asylsuchende aufzunehmen -ohne daß zuvor über die Landesjugendmusikschule entschieden worden wäre. Und auch Späths zweite Zusage, die mit Fremden bereits ausreichend versorgte Stadt werde mehr als diese 300 Asylbewer­ ber nicht nehmen müssen, gilt mittlerweile als nicht mehr unbedingt „wasserdicht“: Das Innenministerium ließ insgeheim prü­ fen, ob es nicht auch ein paar mehr sein könnten -bis zu 700. Daß man in Donaueschingen die Maß­ nahmen vor allem zur Abkürzung der Ver­ fahren und des Abschiebens offensichtlicher „Wirtschafts-Asylbewerber“ und der von ganzen Schlepper-Organisationen eingeflo­ genen, meist ahnungslos über Ost-Berlin einreisenden Ostasiaten nunmehr greifen sieht und hofft, es werde bei den rund 300 »Donaueschinger“ Osteuropäern bleiben, deren relative ethnologische Homogenität die Probleme ein wenig mindert, hat seinen Grund freilich nicht in einer besonders gründlich ausgebildeten Ausländerfeindlich­ keit inmitten der seit jeher als „liberal“ geltenden Baar. Vielmehr resultiert die geschärfte Sensibi­ lität aus der unseligen Erinnerung an die über Kriegsende und wiedergewonnene Souve­ ränität jahrelang fortgesetzte „Besatzung“ durch französische Soldaten aus Marokko, aber auch aus der Gegenwart mit rund 3000 kontinentaleuropäischen Franzosen in Uni­ form und dazu rund 2000 Gastarbeitern mit ihren Angehörigen. Beiden Gruppen

wird niemand bewußte Unintegrierbarkeit vorwerfen wollen -doch die Polizei konsta­ tiert schon jetzt, daß in manchen Lokalen der Stadt spät abends kaum noch Donau­ eschinger und manchmal nicht einmal mehr Deutsche anzutreffen sind. Und nach dem Zuzug durch die 300 Asylbewerber ist die Arbeitsbelastung der Ordnungshüter gewiß nicht zurückgegangen … Dennoch hat sich die Reaktion der Do­ naueschinger keineswegs auf die Abwehr von noch mehr Asylanten beschränkt. Jene, die nun einmal da sind oder da waren, erfuhren tatkräftige Hilfe nicht nur durch die Caritas, die im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg die Osteuropäer betreut. Zahlreiche Donaueschinger spendeten vor allem Sach­ güter, mit denen erste Not gelindert werden kann, viele begannen, sich, da sie sich plötz­ lich mit leibhaftigen Asylsuchenden konfron­ tiert sahen, zum erstenmal wirklich mit deren Schicksal zu befassen; weltweit sind derzeit rund 17 Millionen Menschen auf der Flucht in ein sicheres Land, in dem ihre Rasse, Eine Anstalt zwischen Gemeinnützigkeit und Unrecht Das Problem der Nichtseßhaften und Wanderer -das enge ursächliche Zusam­ menhänge mit sozialen Erscheinungen wie Pauperismus und Verelendung aufweist – reicht weit in die Jahrhunderte zurück; erst nach 1850 wurde es bei uns als dringende gesellschaftspolitische Aufgabe erkannt. War es noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts üblich, ,,Vaganten“ allenfalls Almosen zu gewähren und sie dann über die Grenze abzuschieben, so besann sich das liberale Bürgertum auf ein staatswirtschaftlicheres Verständnis: man begann einzusehen, daß die armenrechtlich-caritativen Bemühungen und Aufwendungen zu ersetzen oder doch zumindest zu ergänzen waren durch ein Denken, das künftig nicht mehr Almosen zu geben, sondern Arbeit zu schaffen ge­ dachte. So trat neben die bestehenden Für- Religion oder Weltanschauung nicht mehr mit Verfolgung bis zur Gefahr physischer Vernichtung bedroht sind. Jeder aus dieser Millionenzahl hat ein persönliches Schicksal, und es sind nur die materiellen Beweggründe jener, die mit ihnen das Geschäft machen wollen, die über alle Asylbewerber das Odium des „Schein­ Asylanten“ gebreitet haben. Auch wenn diese Klassifizierung für viele leider auch im Do­ naueschinger Sammellager zutrifft: für jene, die der Verfolgung unter Gefahr entronnen sind und nun um das im bundesdeutschen Grundgesetz verbriefte Recht auf Asyl bitten, wirkt die pauschale Verdächtigung bitter in einem Land, das ihnen endlich die ersehnte Gleichheit zu gewähren schien -und dessen Bürger vor wenigen Jahrzehnten noch selbst dankbar und glücklich waren, irgendwo in der Welt auf der Flucht vor den braunen Machthabern Schutz und Sicherheit garan­ tiert zu bekommen. Gerhard Kiefer sorgeeinrichtungen wie N aturalverpflegungs­ stationen, Gemeindearmenfonds und Vereine zur Behebung der Not, die Arbeiterkolonie. Die erste Einrichtung dieser Art war 1882 im Rahmen der Bodelschwingh’schen An­ stalten in Bethel entstanden; nur drei Jahre später eröffnete der zu diesem Zweck von den badischen Landkreisen und Städten ins Leben gerufene ,,Badische Lan­ desverband für Arbeiterkolonien“ mit Sitz in Karlsruhe auf dem für 18.000 Mark er­ standenen Hofgut Ankenbuck bei Bad Dürr­ heim die 10. Anstalt dieser Art in Deutsch­ land. – In Baden sollte sie die einzige bleiben.-Die von der Mitgliederversammlung Mitte 1884 genehmigte Satzung bestimmte als ihren Zweck, ,,arbeitsfähige, aber arbeits­ lose und dadurch der Gefahr des Verkom-81 Arbeiterkolonie Ankenbuck 1883-1933

mens ausgesetzte Leute männlichen Ge­ schlechts, hierunter namentlich entlassene Strafgefangene, durch landwirtschaftliche und je nach Umständen auch durch sonstige Tätigkeiten sowie durch eine strenge Haus­ ordnung zu einem geordneten und arbeits­ samen Leben zurückzuführen und den Ar­ beitsscheuen den Vorwand des Arbeits­ mangels zu nehmen“. Diese Zielsetzung orientiert sich unverhüllt an der bürgerlichen Wertetrias Selbstdisziplin, Leistung und An­ passung und sollte „die verschiedenen Volks­ schichten und -klassen harmonisch aneinan­ der binden und dem Kampf ums Dasein des Einzelnen das Verbitternde und Herz­ zerreißende nehmen.“ Zur Unterbringung der Kolonisten mußte ein eigenes Gebäude erstellt werden, das Kolonistenhaus. (Heute sind noch am schmiedeeisernen Treppengeländer zum Ein gang die Buchstaben AA (Arbeiterkolonie Ankenbuck) und d ieJahreszahl 1888 zu sehen). Im Gründungsjahr beherbergte die Kolonie 125 Insassen; 1886 bereits 263, im folgenden] ahr 279. Da.mit war die durch­ schnittliche Belegungszahl der nächsten 30 Jahre bereits erreicht, die nur auf Kosten der Verweildauer der Kolonisten auf Anken­ buck hätte erhöht werden können. Eine solche Senkung der Aufenthaltsdauer war indes weder im Sinne des Landesverbandes noch im Interesse der Kolonieverwaltung. Die letztere war an einer effektiven Bewirt­ schaftung des Gutes interessiert und mußte daher auf eine gewisse Kontinuität des Kolo­ nistenstammes achten; der Landesverband hingegen hoffte mit zunehmender Verweil­ dauer einen positiven, wenn auch gewiß nicht überschätzten Einfluß auf den Lebens­ wandel der Kolonisten auszuüben. „Die Leute“, Liest man im Jahresbericht 1909, „die von der Landstraße zu uns kommen und auf derselben Jahre lang zugebracht haben, sind der großen Mehrzahl nach schwache Charaktere und das Leben, das sie bei dem beständigen Umherwandern geführt haben, hat sie oft innerlich verwildert … 82 Innerhalb eines so geringen Zeitraumes – durchschnittlich drei Monate – ist es schlechterdings unmöglich, einen Charakter umzubilden“. Was den Kolonien dennoch den Zuspruch der Wandernden sicherte, war die Möglichkeit eines Sprungs aus der größ­ ten Not! Vor 25 Jahren, so berichtet wiederum der Jahresbericht 1909, trafen die Kolonisten „der übergroßen Mehrzahl nach nur mit Lumpen bekleidet und mit Ungeziefer be­ deckt bei uns ein … Jetzt warten sie nicht mehr ab, bis sie in einen solchen Zustand geraten, sondern suchen, bevor dies geschieht, eine Kolonie auf“. Die Beeinflußbarkeit der Wanderer wird also eher skeptisch einge­ schätzt; dies aber allein mit der Willens­ und Charakterschwäche der Nichtseßhaften zu begründen, entspricht sicherlich auch ein Stück weit einem bürgerlichen Interpre­ tament: eine rigid-disziplinierte Lebensfüh­ rung mit der Bereitschaft zu Unterordnung und Leistung wird sich bei den meisten, die an ein mehr oder weniger ungezwungenes Leben gewöhnt sind, nur für kurze Zeit und vielfach nur, bis kritische persönliche oder saisonale Schwierigkeiten überwunden sind, einfordern lassen. „Die große Mehrheit“, so heißt es denn auch im Jahresbericht von 1909 weiter, „kann zwar, wenn sie dann an der nächsten Kneipe vorübergeht, der Ver­ suchung nicht widerstehen und fällt dem Schnapsteufel nur zu oft derartig wieder in die Krallen, daß sie ihre Barschaft und den guten Anzug ( den sie in der Kolonie erhalten haben, M.B.) dazu vertrinkt … Sie suchen dann meist nach einigen Tagen eine nicht zu weit entfernt gelegene andere Kolonie auf … “ Die Statistiken in den Jahresberichten zeigen denn auch, daß für einen hohen Prozent­ satz der Kolonisten der sozialpädagogische Zweck nicht erreicht wurde; viele verließen die Anstalt vor Ablauf der festgesetzten Frist, andere wurden wegen Arbeitsscheu abgewie­ sen oder wegen schlechten Betragens entlas� sen, andere entliefen oder wurden von Be­ hörden abgeholt, weitere gingen aufW ander­ schaft, um sich selbst Arbeit zu suchen. Die größte Hilfe hat der Ankenbuck dagegen

Zl’irlmung:Josef As(fäller sicher jenen Halbinvaliden bedeutet, die als landwirtschaftliche und industrielle Reserve­ armee Arbeit nur in Zeiten der Hochkon­ konjunktur und des Arbeitskräftemangels fan­ den. Wie sah nun das Leben der Kolonisten auf Ankenbuck aus? Besonderen Wert legten Landesverband und Anstaltsleitung-gemäß dem patriotisch-großbürgerlich dominierten Landesverband -auf die Pflege eines christ­ lichen und vaterländischen Lebens. Den Kolonisten wurde „täglich Gottes Wort, von dem sie zumeist seit langen Zeiten gänzlich entfremdet sind“, nahegebracht; die Geburts­ tage „Sr. Majestät des Kaisers und Sr. Kg!. Ho­ heit des Großhenogs“ wurden jeweils ,,in würdi­ ger Weise gefeiert“. Neben den patriotischen Festen standen die christlichen Hochfeste im Vordergrund, voran Weihnachten -zu diesem Anlaß wurden jeweils die während des Jahres und zum Anlaß selbst eingegan­ genen Spenden (Kleidungsstücke, Rauch- waren, kleinere Geschenke) an die Kolonisten weitergegeben. An eigenen kulturellen Tätig­ keiten nennen die Jahresberichte einen „lei­ stungsfähigen Gesangsverein“. Weniger spärlich verfahren die Bericht­ erstatter mit den Arbeiten, die die Kolonisten verrichten. Ihnen oblag der gesamte haus­ wirtschaftliche und landwirtschaftliche Be­ reich sowie die Übernahme sämtlicher hand­ werklicher Arbeiten; Ankenbuck war also ein rundum autarker Selbstversorgungsbetrieb, was ja aufgrund der alle Berufe umfassenden Kolonistenschaft kein Problem darstellte. Neben für den Markt gefertigten oder ange­ bauten Waren wie Torfstreu, Weidengerten, Gemüsen und Ackerfrüchten verlieh die An­ stalt sogar noch Arbeitskräfte auf Rechnung Dritter, so u. a. nach Bad Dürrheim in die Saline, zu Erdarbeiten nahe Schwenningen und während des Ersten Weltkrieges in die Rüstungsindustrie nach Rottweil und Vil­ lingen. 83

Mit diesem Konzept, dessen Prinzipien Selbstversorgung, Erledigung aller anfallen­ den Arbeiten und Reparaturen durch eigene Leute und die Annahme von Auftragsarbei­ ten waren, ließ sich eine wirtschaftliche Basis erreichen, die einen kontinuierlichen Ausbau des Ankenbuck bis auflSO Kolonistenplätze und einen größeren Zuerwerb von landwirt­ schaftlichem Nutzland ermöglichte. Hinzu kam eine positive Mitgliederentwicklung, regelmäßige Staats-und kommunale Zu­ schüsse und beachtliche Spendenfreudigkeit, so daß nicht nur Neubauten erstellt werden konnten, sondern auch eine Schuldenfrei­ heit des gesamten Betriebes erreicht werden konnte. Die 28 Jahre von der Errichtung der Arbeiterkolonie Ankenbuck bis zum Ersten Weltkrieg gelten als ihre Blütenzeit. War der Abschwung der Arbeiterkolonie kriegsbedingt, so ging das Ausbleiben einer Wiederaufwärtsentwicklung aufKosten eines sich vielfach überlagernden Ursachenkom­ plexes: die Geldentwertung ließ die Löhne in die Höhe schnellen; weder Geld-noch Sachspenden flossen so reich wie zuvor, die staatlichen und sonstigen öffentlichen Zu­ wendungen wurden stark reduziert, die Mit­ gliederbeiträge stagnierten bzw. entfielen durch gekündigte Mitgliedschaften, und die inzwischen eingeführte Arbeitslosenver­ sicherung und Arbeitslosenfürsorge beding­ ten, daß immer weniger Kolonisten für etwas arbeiten wollten, das sie auch so haben konn­ ten. Als sich der Zustrom an Kolonisten auch 1920 nicht steigerte, wurde die Justizverwal­ tung um die „Gestellung von Strafgefangenen“ zur Arbeitsleistung auf dem Ankenbuck ge­ beten; später kam von ihr das Angebot, den Ankenbuck für Zwecke des Strafvollzugs zu pachten -nebenher lief der alte Kolonie­ betrieb jedoch weiter. Ein Blick auf andere Arbeiterkolonien, etwa auf die beiden württembergischen Schwesterkolonien Dornahof und Erlach, zeigt, daß die Krise des Ankenbuck struktu­ relle Gründe hatte: das Konzept einer patri­ archalischen sozialpolitischen Einrichtung, die noch deutlich kaiserlich-obrigkeitliche 84 bzw. großherzogliche Spuren trug, hatte sich in der gesellschaftspolitischen Landschaft der Weimarer Republik überlebt; gefordert wäre eine sinnvolle Reform des Modells Arbeiterkolonie gewesen. Stattdessen lieb­ äugelte man mit wirtschaftsdirigistischen und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, und als 1929 die Justizverwaltung den Pacht­ vertrag löste, tauchte erstmals der Gedanke an die Möglichkeit einer Liquidation sowohl von Ankenbuck als auch des Landesverban­ des auf. Die finanzielle Lage war in der Tat ernst, und bis man sich zur Forderung nach Erstattung von Unterkunfts-und Verpfle­ gungssätzen durch die Fürsorgeverbände ver­ stand, sollten noch Jahre vergehen. Indessen nahm man auch jene wieder einmal laut werdenden Kritiken nicht ernst, die sich an­ läßlich der Zuweisung von Arbeitslosen an Ankenbuck vernehmen ließen. So urteilte beispielsweise das Bezirksamt Waldshut, die Aufnahme von Arbeit in einer Arbeiterkolo­ nie könne mit Rücksicht darauf, daß der Arbeitslose sich einer strengen Hausordnung unterwerfen müsse, nicht ohne ganz beson­ ders wichtige Gründe zugemutet werden. Und als es zu einem Lokaltermin auf dem Ankenbuck kam, bei dem eine Konstanzer Erwerbslosenkommission der Kritik am An­ kenbuck nachgehen sollte, zeigten sich nur um so krassere Mißstände, die ihren Aus­ druck in einem Artikel des Konstanzer Volks­ blatt fanden. Es hieß da u. a.: „Unter einer Kolonie versteht man im gewöhnlichen Leben ein Land in fernem Weltteil, das von einer fremden Macht verwaltet und leider auch tüchtig ausgebeutet wird . . . Deutschland hat keine Kolonien mehr, wenigstens nicht im Auslande; aber nicht weit von uns, in der Baar, gibt es noch eine. Inmitten einer reiz­ losen Landschaft aus sumpfigen Wiesen und moorigen Äckern, fast ohne Baumwuchs, liegt sie da und ist Eigentum eines sogenann­ ten gemeinnützigen Vereins. Der gemein­ nützige Zweck besteht angeblich darin, Arbeitern, die stellen-und mittellos sind, eine Unterkunft zu bieten, bis sie ander­ weitig etwas Besseres finden“. Die Kritik mag

etwas überzogen erscheinen; insgesamt kennzeichnet der Vergleich zwischen Aus­ lands- und Arbeiterkolonien die Schwach­ punkte, ja die Überlebtheit des Modells. Der Vorgang zeigt, daß der Landesverband in Karlsruhe nicht bereit oder fähig war, eine zeitgenössische sozialpolitische Sensibilität zu entwickeln, wie sie unter nunmehr demo­ kratischen Vorzeichen gefordert war. Und so ist auch das Versagen wenig verwunderlich, das der Landesverband anläßlich der Anfrage des Innenministeriums an den Tag legte, ob sich der Ankenbuck nicht zur Aufuahme eines „Conzentrationslagers zur Unterbrin­ gung in Schutzhaft genommener Personen“ eigne. ,,Es würde damit der Zustand eintreten“, heißt es in einem vertraulichen Schreiben des Präsidenten an die Mitgli�der des Landes­ verbandsvorstandes,“ der von 1921 bis 1929 be­ standen hat, als der. Landesverein, gedrängt durch die Finanzlage, Ankenbuk (!) der Justizverwaltung zur Einrichtung einer Straf­ gefangenenanstalt überließ.“ Allein auf eine Neuverpachtung des Ankenbuck achtend, hielt man den Unterschied zwischen einer normalen Gefangeneneinrichtung und einem Internierungslager für kriminalisierte Op­ positionelle für unerheqlich und befürworte­ te das Ersuchen. des Innenministeriurqs mit der lapidaren Feststellung: ,, Wie bereits er­ wähnt, haben wir genügend Raum“. Das Konzentrationslager wurde am 2. Mai 1933 eingerichtet und dem Bezirksamt Villingen. unterstellt, sein erster Kommandant wurde Polizeihauptmann Mohr. Im Lager wurden 80-100 Schutzhäftlinge untergebracht, die von den Kolonisten getrennt untergebracht werden sollten; das Tragen eigener Kleidung war den Inhaftierten gestattet. Das hauptsächlich für politische Häftlinge bestimmte Lager beherbergte führende Köp­ fe der badischen SPD, darunter die beiden Freiburger Stefan Maier und Philipp Martz­ loff, aber auch Führer des kommunistischen Widerstandes wie den 1942 in Stuttgart hin­ gerichteten Georg Lechleiter aus Mannheim; Intellektuelle – wie den marxistischen Wis­ senschaftler Karl August Wittfogel – und Parteimitglieder. einfache Beschäftigt wurden die Schutzhäftlinge mit landwirt­ schaftlichen und Meliorations- sowie Straßenbauarbeiten. Anfangs und solange Polizeihauptmann Mohr, ein Stahlhelrner, Lagerleiter war, kamen den Häftlingen die Spannungen zwischen Stahlhelm und SA zugute – ,,Mohr hat die SA bald öfter an­ treten lassen und härter rangenommen als die Häftlinge“, bezeugt ein Internierter von damals. Auch Julius Schätzle, Autor von „Stationen zur Hölle. Konzentrationslager in Baden-Württemberg 1933-1945″, schätzt die Situation auf dem Ankenbuck ähnlich ein; als ein Transport von Häftlingen vom Heuberg (wo es unter dem berüchtigten Kommandanten Buck ungleich härter und grausamer zuging) ankam, standen diese ,,vor jedem SA-Mann stramm. Zur Über­ raschung der Häftlinge erklärte der Kom­ mandant: ‚Laßt das, vor mir wird nicht strammgestanden. Bei mir wird auch kein Häftling geschlagen‘. Und er hielt Wort.“ Wenn auch der Ankenbuck kein Ver­ nichtungs-, sondern reines Arbeitslager war, kamen Mißhandlungen und Schikanie­ rungen dennoch vielfach vor; in Einzelfällen fielen meist nicht aus der näheren Umge­ bung stammende SA-Leute mit Knüppeln über Politische her. Mitte März 1934 wurde das KZ-Ankenbuck aufgelöst, die Inhaftier­ ten wurden meist nach Kislau verlegt. Wäh­ renddessen und das ganze ,,Dritte Reich“ über bestand der frühere Koloniebetrieb weiter, der nicht erst gleichgeschaltet werden mußte: der Landesverband Karlsruhe hielt es für seine „im Sinne christlicher Liebes­ tätigkeit getätigte Wanderfürsorge (für) selbstverständlich, die Kolonie in national­ sozialistischem Geiste (zu) leiten und auf die Pfleglinge (!) in diesem Sinne ein(zu)­ wirken.“ Genau SO Jahre umfaßt die aufgezeigte Entwicklung; sie umschloß eine Blütezeit dieser Anstalt, der eine wichtige sozialpoli­ tische Idee zugrundelag, aber auch das Ver­ säumnis, ihre Zukunft nach den gesellschafts­ politischen Erfordernissen der Demokratie 85

Nachtrag: umzugestalten, und letztlich eine Pervertie­ rung des ursprünglichen Ansatzes einer Hilfe zur Selbsthilfe. Es ist eine Entwicklung von der Gemeinnützigkeit zum Unrecht, die sich in diesen 50 Jahren erkennen läßt, eine genaue Entsprechung der Politik, von der sich auch die Arbeiterkolonien nicht trennen lassen. Die Forderung, die diese Geschichte des Ankenbuck ausweist, lautet demnach: .Qemokratie und Menschenwürde sind nicht bloß zu formulieren als politische Leitideen, sonderp, zu verankern und zu befördern in jeder einzelnen gesellschaftlichen Institution. Manfred Bosch Q!iellenhinweis: Akten des Landeskommissärs Konstanz im Staatsarchiv Freiburg (Fasz. 3070). Darin befinden sich auch die erwähnten Jahresberichte. Während des Zweiten Weltkrieges diente das Kolonistenhaus auf dem Ankenbuck den Gesundheitsbehörden und dem Roten Kreuz als Ausweichlager für medizinischen Bedarf. Nach dem Einmarsch der französi­ schen Truppen war der Verwalter des Hof­ gutes auf sich allein gestellt, weil wegen der Grenzsperre zwischen der französischen und der amerikanischen Besatzungszone keine Verbindung mit der Verwaltung in Karlsruhe möglich war. Es war naheliegend, daß das Landwirt­ schaftsamt und die Kreisverwaltung Villin­ gen sich des Hofgutes annahmen und dafür sorgten, daß der Betrieb aufrechterhalten werden konnte. Schließlich hat der Land­ kreis im Jahre 1946 den Ankenbuck zu Eigen­ tum erworben. Der Kreistag beschloß, daraus ein landwirt­ schaftliches Lehr-und Mustergut zu machen und sparte nicht mit Zuschüssen, um die vernachlässigten Gebäude instandzusetzen, fehlende Maschinen anzuschaffen, den Vieh­ bestand aufzustocken und die Felder zu be­ reinigen. Auch wurde ein moderner Schwei­ nestall gebaut, denn die Schweinezucht sollte neben der Rindviehhaltung (Milchwirtschaft) die Haupteinnahmequelle werden. Daneben 86 sollte der Kartoffelanbau und die Saatgut­ vermehrung weitere Erträge bringen. Die Kreisräte ließen sich laufend über die Geschehnisse auf dem Ankenbuck unter­ richten. Der Kreistag hielt immer wieder seine Sitzungen dort ab, wobei die abge­ schlossenen Maßnahmen begutachtet und neue Pläne geschmiedet wurden. Auch die Presse berichtete über den Ankenbuck, und bald wurde er als Mustergut bekannt. Viele Landwirte aus nah und fern knüpften Ver­ bindungen zu ihm an. Ein weiterer Grund für sein Bekanntwerden war, daß der Süd­ westfunk in unmittelbarer Nähe einen Sende­ mast errichtete, der weithin sichtbar war und einen guten Empfang der Rundfunksen­ dungen ermöglichte. Auch die Villinger Fasnet erinnerte sich des Ankenbucks. Wie oft hat doch bei den närrischen Veranstaltungen Oberbürgermei­ ster Kern dem Landrat und seinen Kreisräten die auf dem Ankenbuck genossenen Speck­ vesper vorgerechnet und der Landrat dem OB einen kostenlosen Erholungsurlaub dort angeboten! Wenn das Strählen Wirklichkeit geworden wäre, müßten die Beiden ihren Ruhestand auf dem Ankenbuck verbringen. Um das Kolonistengebäude ( das als Korn­ speicher gedient hatte) besser auszunützen und eine zusätzliche Einnahmequelle zu er­ schließen, stellte es der Landkreis mehrere Jahre hindurch der Arbeiterwohlfahrt als Er­ holungsheim zur Verfügung. Aber mit der allmählichen Gesundung der Wirtschaft trat die Bedeutung der Land­ wirtschaft immer mehr in den Hintergrund. Das Interesse der Landwirte am Mustergut Ankenbuck ließ allmählich nach. Arbeiter­ mangel erschwerte die Bewirtschaftung, die Rinder-und die Schweinezucht brachten nicht die erhofften Erträge, Mißerfolge im Kuh­ stall (seuchenhaftes Verkalben) stellten sich ein. Die beste Muttersau (Amanda war ihr Name), die in ihrem Leben über 300 Ferkel zur Welt gebracht hatte, wurde vom Strah­ lenpilz dahingerafft. Kurzum, der Ankenbuck einstmals voll zuversichtlicher Erwartung vom Landkreis

Vom Korn zum Brot bestens ausgestattet und betreut, konnte auf die Dauer seiner Zweckbestimmung nicht mehr gerecht werden. Der Betrieb geriet immer mehr in die roten Zahlen. Die vom Kreis zu leistenden Zuschüsse wurden von Jahr zu Jahr größer, so daß c;ier Kreistag schließlich einsehen mußte, daß es besser sei. ihn zu verkaufen. Von Dr.Johann Georg Schnitzer, St.Georgen/Schwarzwald Samen, Wildwurzeln und Blattschößlinge waren die U rnahrung des Menschen in seiner 10 Millionen Jahre langen biologischen Ent­ wicklung. Noch heute sind seine Erbanlagen auf diese Urnahrung programmiert, funktio­ nieren sein innerer Stoffwechsel und seine Verdauung mit einer daraus abgeleiteten zivilisierten Urnahrung am besten, wie ich in jetzt 20 Jahren wissenschaftlicher und prakti­ scher Arbeit aufzeigen konnte; mehrere bis­ her als unheilbar angesehene chronische verschwinden Zivilisationskrankheiten durch die Normalisierung des Stoffwechsels unter einer solchen Kost. Wie die verglei­ chende Gebißanatomie nachgewiesen hat, ist das menschliche Gebiß noch heute ein Frugi­ vorengebiß (Fruchtessergebiß); daran hat auch die Hinzunahme von tierischer Nah­ rung als Notnahrung in den vegetationsar­ men Eiszeiten (erste vor 500.000 Jahren) nichts geändert. Diese ist vielmehr durch die gefährliche Einlagerung von Eiweißüber­ schüssen in den Wänden des Blutgefäßsy­ stems, in die Zellwände und in das Bindege­ webe heute eine Hauptursache für chro­ nische Krankheiten wie z.B. Bluthochdruck, Herzinfarkt, Hirnschlag, Embolien, Überge­ wicht und Rheuma, Nierenversagen, Gicht. Unter den Samen der menschlichen Urnahrung waren die Gräsersamen die wich­ tigsten. Gräser wachsen in jedem Klima reichlich. Ihre Samen sind auch für unsere nächsten Verwandten, die Primaten, eine Nahrungsgrundlage; so konnten afrikani- Von 1962 bis 1974 gehörte der Ankenbuck der Bundesfinanzverwaltung, dann zwei Jahre lang der Landgesellschaft Baden­ Württemberg (Landsiedlung). Heute ist er wieder ein Hofgut in Privatbesitz, wie vor hundert Jahren. Altlandrat Dr.Josef Astfaller sehe Berggorillas dabei gefilmt werden, wie sie mit der Hand durch Gräsersamen streifen und sich die so gewonnenen Samen zum Munde führen. Für den afrikanischen Nomadenstamm der Tuaregs sind Gräsersa­ men ebenfalls noch heute eine wichtige Ernährungsgrundlage. Als der Mensch Ackerbau zu treiben begann, züchtete er aus den Gräsersamen die Getreide, aus den Wild­ wurzeln die heutigen Wurzelgemüse und aus 87

den Blattschößlingen die heutigen Blatt­ salate. Wichtigste Ernährungsgrundlage blieben auch weiterhin die Samen. Die Weltgetreide­ produktion beträgt jährlich etwa 1350 Millio­ nen Tonnen, während nur etwa 120 Millio­ nen Tonnen Fleisch erzeugt werden. Neuer­ dings ist eine Verknappung und starke Ver­ teuerung von Fleisch zu beachten, weil die Vermehrung der Weltbevölkerung dazu zwingt, den verlustreichen Umweg der Getreideverfütterung zur Nahrungserzeu­ gung zu vermeiden und die verfügbaren Getreidemengen immer vollständiger für die direkte Nahrungsversorgung der Menschen zu verwenden. Die ursprünglichste und gesündeste Zubereitung von Getreidenahrung ist das Vermahlen der Körner zwischen Steinen und das anschließende Anrühren mit kalten Wasser zu einem Brei, der dann unmittelbar gegessen wird. Dies war z.B. noch die Ernäh­ rungsgrundlage der römischen Legionäre, die pro Tag 850 g Weizen oder Gerste zuge­ teilt bekamen und pro Kohorte (100 Mann) auf einem Wagen eine Steinmühle mitführ­ ten. Als Ergänzung brauchten sie nur etwas „Grünzeug“ und Wurzeln. Diese Nahrung verlieh ihnen große Leistungsfähigkeit und Ausdauer; von Krankheiten wird wenig be­ richtet. Bekamen sie wegen Getreideknapp­ heit Fleisch, so meuterten sie, weil sie wuß­ ten, daß ihnen dann die abverlangten Marschleistungen schwerer fielen. Auch die Phönizier, zu ihrer Zeit hervorragende See­ fahrer, führten auf ihren Schiffen Steinmüh­ len und Getreidevorräte mit. In jüngster Zeit erreichen von mir in der Ernährung beratene Spitzensportler auf dieser frugivoren Nah­ rungsgrundlage Höchstleistungen. AufKörnerbreie folgten Fladenbrote und schließlich die heutigen Gärbrote, die zwar durch die Hitzeeinwirkung beim Backen einen Teil der vitalen Urkräfte der Getreide nicht mehr vermitteln können, die aber doch noch eine wertvolle Ernährungsgrundlage darstellten, solange das ganze Korn vor dem Backen frisch vermahlen und unmittelbar 88 danach zu Brot verarbeitet wurde. So geschah dies in Familien und später auch in den sich entwickelnden Bäckereien, die stets täglich Korn für die Teigbereitung mahlten; dies ist z.B. auf einer überlieferten Abbil­ dung einer römischen Bäckerei zu sehen. Auch die alten Windmühlen und Schwarz­ wälder Wassermühlen waren hierfür aus­ gelegt; so hatte der Mühlweiher als Energie­ speicher gerade soviel Fassungsvermögen, daß für einmal Brotbacken genügend Korn gemahlen werden konnte; danach war er leer und mußte sich erst wieder allmählich füllen. Der entscheidende Verlust der wichtig­ sten Gesundheitsgrundlagen trat im 19. Jahr­ hundert ein, als die Verfügbarkeit größerer Energiemengen und die Industrialisierung die Errichtung von Großmühlen möglich machten. Von nun an wurde Korn aufVorrat gemahlen. Es zeigte sich, daß das Mahlpro­ dukt nicht lagerfähig war, sondern durch die Oxidation der Öle des Keims und sonstige Zersetzungen bald muffig und ranzig wurde. Anstatt nun für eine weiterhin frische Wei­ terverarbeitung zu sorgen, beging man einen folgenschweren Akt der „Verschlimmbesse­ rung“: Man siebte die nicht haltbaren Keime und dazu die ebenfalls gröber ausfallenden mineral-und faserstoffreichen Randschich­ ten als „Kleie“ aus. Daß hierdurch Krankhei­ ten in der Bevölkerung ausgelöst werden, konnte man mit damaligen Methoden nicht erkennen, weil -wie man heute durch die Forschungen von Cleave und Campbell weiß -zwischen dem Beginn von Ernäh­ rungsfehlern und dem statistisch steilen Anstieg von Krebs, Herzinfarkt, Überge­ wicht, Paradontose und anderen Zivilisa­ tionskrankheiten ein Verzögerungsfaktor von 20 Jahren liegt. Ein klassisches Beispiel hierfür lieferte die Bundesrepublik Deutsch­ land: 1948 die Währungsreform mit drasti­ scher Abkehr von einfacher natürlicher Ernährung -1969 steiler Anstieg von Herz­ infarkt, Übergewicht, Zuckerkrankheit, Rheuma. Wer in der heutigen Zeit sich und seine Familie gesund erhalten oder bereits einge-

tretene chronische Krankheiten überwinden will, muß zu einer natürlichen,-der menschli­ chen Urnahrung entsprechenden Kostform zurückkehren. Der erste und wichtigste Schritt ist die Korrektur beim wichtigsten Grundnahrungsmittel, den Getreiden. Sie müssen wieder unmittelbar vor der Zuberei­ tung von Gerichten und dem Backen des Brotes frisch gemahlen werden. Das älteste Haushaltsgerät des Menschen, die Stein­ mühle, wird dadurch zum wichtigsten und modernsten der heutigen Zeit. Auch die Bäk­ kereien müssen wieder selbst frisch Getreide mahlen und das so gewonnene Vollkorn­ mehl unmittelbar danach weiterverarbeiten. Aus den wissenschaftlichen Erkenntnis­ sen und paktischen Erfahrungen heraus wurde in den letzten 20 Jahren das „Schnit­ zer-System zur Wiederherstellung der natür­ lichen Gesundheitsgrundlagen“ entwickelt: Einführungskurse und Spezialkurse „Backen mit Vollkorn“/ „lntensivkost für Diabetiker und Patienten“; Ernährungs- und Gesund­ heitsliteratur; keimfähige, auf Pestizide und kritische Schwermetalle geprüfte Getreide aus naturgemäßem Anbau; moderne, scho­ nend mahlende Stein-Getreidemühlen – handbetriebene, elektrisch angetriebene und große für Bäckereien. Schon heute sind es etwa 300.000 Familien, die dieses System zu ihrer Gesundheitsgrundlage gemacht haben, und etwa 10.000 Ärzte und Heilpraktiker set­ zen es als Basistherapie bei der Behandlung c�onischer Krankheiten mit großem Erfolg em. Erster Schritt in den meisten Familien zur Korrektur der Gesundheitsgrundlagen ist die Freilegung des direkten Weges vom Korn zum Brot. Daß diese Vollkornbackwaren darm auch noch über die Maßen köstlich schmecken, ist für viele eine höchst ange­ nehme Entdeckung. Ein besonders beliebtes Modell der verschiedenen Schnitzer-Getreidemühlen mit Mahlsteinen inmitten von Kom,frischem Vollkornmehl und Broten und Gebäcken, die sich daraus backen lassen 89

Archäologie, Geschichte und Wirtschaftsgeschichte Eine Runeninschrift der Merowingerzeit Aus dem Gräberfeld von Neudingen, Stadt Donaueschingen Das Baar-Dorf Neudingen, wenige Kilo­ meter donauabwärts von Hüfingen nahe dem Fürstenberg gelegen, blickt auf eine inte­ ressante Vergangenheit zurück. 870 als „Nidinga“ in einer St. Galler Urkunde erst­ mals namentlich erwähnt, tritt es wenig spä­ ter als Hauptort einer Grafschaft hervor (881 in comitatu Nidinga). Von hier aus wurde das fränkische Königsgut in der Baar verwaltet, hier hat man lange Zeit eine karolingische Abb. 1 Neudingen, historische Topographie. Doif, KönigshqflPfalz (Mariahof) und merowingerzeitliches Gräberfeld (schwarze Rechtecksignaturen). Pfalz lokalisiert, die allerdings in den Q!.iellen nicht ausdrücklich erwähnt wird. Bekannt wurde Neudingen als Verbannungsort(?) Karls III., der hier auch starb, dann allerdings auf die Reichenau überführt und dort bestat­ tet wurde. Wenn auch die Frage nach einer „Pfalz“ in Neudingen (richtiger Neidingen) diskutabel bleibt, erscheint doch die Exi­ stenz eines Königshofes gesichert, dessen Anfange in die Merowingerzeit zurückge- l=====’°°±======t20=0 ====·�*=====·±�===�5oom 90

hen. Er lag nicht im Dorf, sondern ganz in der Nähe, auf einem über die Donauniede­ rung sich erhebenden Hochplateau (Abb. 1). Hier wurde um 1200 das Kloster „Auf dem Hof“ gegründet, das später nach dem Namen der Kirchenpatronin „Mariahof“ genannt wurde und als Hauskloster der Fürstenberger noch lange Zeit eine politische Rolle spielte, auch dann noch, als sich der Herrschafts­ schwerpunkt schon längst von Neudingen auf den Fürstenberg verlagert hatte. Am Platz dieses „bedeutendsten Königs­ hofs auf der Baar“ (H. Schwarzmaier) und späteren Klosters, auf dem seit 1853 die Gruftkapelle des Fürstlich Fürsten bergischen Hauses steht, sind vor einigen Jahren (1972- 1975) schon Grabungen durchgeführt wor­ den mit dem Ziel, wenigstens in Umrissen die Verhältnisse in merowingischer und karolingischer Zeit zu klären, darunter die Frage, ob der Königshof befestigt war, wofür die natürlich geschützte Lage sprechen könnte�- Hübener). Zwar ließen sich durch diese ersten Sondierungen die aufgeworfe­ nen Fragen noch nicht lösen, doch wurde durch sie der Blick auf die archäologische Substanz des Ortes gelenkt, der bisher nur durch seine historische Überlieferung, nicht aber durch Funde aufgefallen war. Es galt daher jede Gelegenheit zu nutzen, das Bild dieses Ortes und seiner frühgeschichtlichen Bedeutung mit archäologischen Mitteln wei­ ter aufzuhellen. Als 1978 bei Baumaßnah­ men im Gewann „Auf Löbern“ die ersten merowingerzeitlichen Gräber auftauchten, war der Entschluß rasch gefaßt, an dieser Stelle keine Zerstörungen und damit �el­ lenverluste hinzunehmen. Seither wird hier, den Erschließungsmaßnahmen vorausge­ hend, jährlich ein weiterer Teilbereich dieses Reihengräberfeldes untersucht, das mittler­ weile nach Hüfingen als das zweitgrößte im oberen Donautal gelten darf, wobei sich allerdings der gesamte Umfang heute noch nicht absehen läßt. Die Vermutung, daß wie im nahegelege­ nen Hüfingen auch hier reiche Adelsgräber des 6. und 7. Jahrhunderts liegen könnten, hat sich zwar bisher nicht bestätigt. Große Kammergräber mit exklusiver Ausstattung an Waffen, Pferdegeschirr, Schmuck, Bron­ zegeschirr und Gläsern sind bisher ausgeblie­ ben. Es sind aber Bestattungen gefunden worden, die wir nach ihrem Inventar doch mit dem merowingerzeitlichen Königshof und der dort ansässigen Familie in Verbin­ dung bringen können, die demnach ihre Ver­ storbenen zunächst in der dörflichen Gemeinschaft bestattet hat, bevor sie ver­ mutlich im Lauf des 7. Jahrhunderts eine eigene, abgetrennte Sepultur anlegte. Eines dieser Gräber des 6. Jahrhunderts, die mit dem Königshof in Verbindung stehen könn­ ten, hat einen besonders wertvollen Fund geliefert, eine aus mehreren Worten beste­ hende Runeninschrift, die hier (dem wissen­ schaftlichen Bearbeiter S. Opitz folgend) kurz vorgestellt werden soll. Abb. 5 Neudingen, Gewann „Löbern ‚: Das Grabungs­ foto vermittelt einen guten Einblick in die Boden­ verhältnisse, die zur Erhaltung organischer Sub­ stanz (Hob.) beigetragen haben. 91

Abb.2 Neudingen, Grab 168. Holzstab mit Runeninschrift . .,1 • Q·'“�W�I\\\\�����\ DG Abb. 3 Neudingen, Grab 168. Holzstab mit Runen, Ansicht von drei Seiten. Zusammen mit Webstuhlteilen gefunden. M. 1: 3. Zuvor sind einige Erläuterungen zur Fundsituation und zu den Erhaltungsbedin­ gungen an diesem Platz notwendig.Nahe der Ortschaft liegt das Reihengräberfeld auf einem flachen, in eine feuchte Niederung auslaufenden Hang. Schon in den höher gelegenen Teilen wurden immer wieder ein­ zelne Gräber angetroffen, die durch relativ gut konservierte Holzreste auffielen. Ur­ sache ist der feuchte, schwere und tonige Boden, in dem organische Reste besser über­ dauern als in einer für Luft und Wasser durchlässigen Umgebung (Abb. 5). Beson­ ders eindrucksvoll war Grab 168, in dem nicht nur Bretter und Bohlen des Grabein- 92 baus sehr gut erhalten waren, sondern auch wesentliche Teile des hölzernen Inventars, bestehend aus einer Bettstatt, Resten eines Stuhls(?), hölzernem Geschirr und verschie­ denen Gerätschaften. Wichtigster Fund war das Unterteil eines großen rahmenförmigen Webstuhls mit vier Fußbrettern, eines tech­ nisch schon recht aufwendigen Geräts, mit dem man auch komplizierte Gewebe und Stoffmuster herzustellen vermochte. Der Befund ist früher schon kurz vorgestellt wor­ den. Erst bei der Restaurierung der Holzteile in der Werkstatt aber wurde erkannt, daß eine dünne Strebe (Abb. 3-4), die zum Web­ stuhl gehören muß, eine fein eingeritzte

Abb. 4 Neudingen, Grab 168. Umzeichnung der Runeninschrift. M. 1: 1 Runeninschrift trägt. Mit dreißig einzelnen Runenzeichen, insgesamt sechs Worten, gehört sie nicht nur zu den längsten „Schrift­ denkmälern“ des epigraphisch armen südger­ manischen Raumes, sondern ist außerdem die erste in diesem Gebiet, die auf einem höl­ zernen Gegenstand überliefert ist. Wie schon erläutert, kann sich Holz nur unter besonders günstigen Bedingungen über eine so lange Zeit im Boden erhalten. Wenn sich unter derart seltenen Funden dann noch ein Stück mit Runenschrift befin­ det, ist dies als ganz besonderer, kaum wie­ derholbarer Glücksfall zu werten. Die Inschrift (Abb. 4) lautet in lateinischer Transskription: LBI: IMUBA: HAMALE: BLIDGUND : URAIT RUNA S. Opitz zieht zwei nicht wesentlich ver­ schiedene Möglichkeiten der Lesung in Betracht. Die wahrscheinlichere lautet in sei­ ner Übertragung: Liebes (Zuneigung) für (in Bezug auf) Imuba von Hamal. (Eine Frau namens) Blidgund schrieb die Runen. Bleibt der erste Teil der Inschrift im Rah­ men der auch sonst bekannten Inhalte, die Zuneigung zu einer Frau ausdrücken, ist der zweite Teil wirklich neu und überraschend. Eine Frau namens Blidgund weist daraufhin, mit berechtigtem Stolz, wie S. Opitz be­ merkt, daß sie die Runen geschrieben hat. Tatsächlich ist dies der erste eindeutige Beleg für eine schriftkundige Frau bei den Alaman­ nen, genauer im alamannischen Raum, da über die Herkunft dieser Frau nichts aus­ gesagt ist. Wir dürfen als sehr wahrscheinlich annehmen, daß sie wie Hamal und Imuba zur „Königshof-Familie“ gehörte, zu einem sozial gehobenen Milieu also, in dem wir Zur Jahreswende zumindest vereinzelt die Fähigkeit des Lesens und Schreibens erwarten dürfen. Hamal selbst hat die Runen nicht eingeritzt, sondern Blidgund damit beauftragt. Er konnte also vielleicht nicht selber schreiben, durfte aber wohl bei Imuba (Frau, Verlobte) voraussetzen, daß sie den kurzen Text lesen konnte. Denn die Inschrift hat den Charak­ ter einer Mitteilung, einer Widmung, und ist nicht etwa als eine Art Liebeszauber zu ver­ stehen, der im Geheimen wirken sollte. Deutlich zeigt uns gerade diese Runenzeile, wie stark die altgermanische Schrift in dieser Zeit profaniert, wie weit sie von ihrer Ein Jahr ist viel, Wenn man es nützt und Werte schafft; Ein Jahr ist nichts, Wenn man’s verschläft, vertut, verpafft. Ein Jahr ist viel, Wenn man mit Eifer vorwärts strebt; Ein Jahr ist nichts, Wenn man aufKosten andrer lebt. Ein Jahr ist viel, Wenn man erfüllet seine Pflicht; Ein Jahr ist nichts, Wenn es an Wagemut gebricht. Ein Jahr ist viel, Wenn man in starkem Glauben steht; Ein Jahr ist nichts, Wenn man in Angst und Zweifel geht. G. F. Weber-Benzing 93

ursprünglich magischen Bedeutung schon entfernt ist. Wenig später beginnt dann auch im alarnannischen Siedlungsraum das latei­ nische Alphabet die Verwendung der Runen zu verdrängen. So bietet ein glücklicher und bisher auch einmaliger Inschriftfund mancherlei Infor­ mationen und auch Antworten auf beson­ ders interessante Fragen der Kulturge­ schichte. Darüber hinaus macht er uns namentlich mit drei Menschen des 6. Jahr­ hunderts bekannt und hebt das Grab einer Frau des frühen Mittelalters, das Grab der Imuba vom Königshof „Nidinga“ aus der sonst für diese Zeit herrschenden Anonymi­ tät. Gerhard Fingerlin Literaturhinweise: Jahresberichte der Außenstelle Freiburg des Landesdenkmalamts in: Archäolo­ gische Nachrichten aus Baden 22, 1979; 24, 1980 und 26, 1981. – W. Hübener, Pro­ begrabungen im Gelände der Pfalz Neu­ dingen an der Donau, Stadt Donaueschin­ gen, Schwarzwald-Baar-Kreis. Forschun­ gen und Berichte der Archäologie des Mit­ telalters in Baden-Württemberg 6, 1979, 5. – H. Schwarzmaier, Neudingen und das Ende Kaiser Karls III. a.a.O. 39. -5. Opitz, Runeninschriftliche Neufunde: Das Schwert von Eichstetten/Kaiserstuhl und der Webstuhl von Neudingen/Baar. Archäologische Nachrichten aus Baden 27, 1981, 26. Die Ausgrabungen im Eggwald 1980 Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 94

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Die Ausgrabungen im Eggwald 1980 Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. Kirchen und Klöster Villingens im Mittelalter Daß im Mittelalter das kirchliche Leben einschließlich dem der Klöster in einer Stadt wie Villingen eine große Rolle spielte, ist jedem klar. Wie es anfing, wie es sich entwik­ kelt hat und welche Formen es annahm, soll hier in Kürze skizziert werden. Villingen gehört noch zum Altsiedelland vor dem westlich ansteigenden Schwarz­ wald, der erst um das Jahr 1000 nach Christus besiedelt wurde. Die ingen-und heim-Orte der Baar sind schon im 4./5. Jahrhundert ent- standen, also in einer Zeit, in der das Land rechts des Rheins vom Christentum nicht berührt war. Im 7. Jahrhundert war es aber soweit, daß auch die hier siedelnden Aleman­ nen christlich wurden: die schönsten Zeug­ nisse dafür sind die Goldblattkreuze, die in den Gräbern führender Persönlichkeiten gefunden werden wie in Kirchdorf, Hüfin­ gen, Hintschingen, Dunningen. Namen von in dieser Gegend wirkenden Missionaren kennen wir nicht. 97

Es mag der Einfluß der christlich gewor­ denen Franken eine Rolle gespielt haben, aber auch der zum Christentum übergetrete­ nen Langobarden in Oberitalien, in deren Gräbern man viele solche Goldblattkreuze gefunden hat. Zum Teil bildeten sich recht großräumige Pfarreien wie die von Rottweil, Klengen-Kirchdorf oder Bräunlingen; ander­ wärts war in jedem Dorf aus der Kapelle des Herrenhofes eine Pfarrkirche geworden. Zur Pfarrei des Dorfes Villingen gehörten nur kleine Ausbauorte wie Nordstetten, Wald­ hausen und Vockenhausen, die später wieder untergegangen sind, und – nach der Besied­ lung des Schwarzwaldes – das naheliegende untere Kirnachtal. Eine neue Situation kam für das links der Brigach liegende Dorf Villingen mit seiner Pfarrkirche, deren Friedhof noch heute der Friedhof Villingens ist und deren romani­ scher Turm auf älteste Zeiten verweist, als in einiger Entfernung rechts der Brigach die Stadt gegründet wurde. Sie blieb zwar unver­ ändert im Bereich der bisherigen Dorfpfarrei, erhielt jedoch im Zuge der Stadtplanung und des Aufbaues eine eigene Kirche innerhalb der Mauern im Nordwestviertel der Stadt. Wie die jüngsten Ausgrabungen innerhalb des Münsters ergaben, wurde schon mit dem Beginn der Stadt eine geräumige dreischif­ fige Kirche errichtet, der bald darauf um UOO ein erweiterter Neubau folgte, der im 13. Jahr­ hundert durch eine noch größere Kirche ersetzt wurde, zu der die heute noch erhalte­ nen spätromanischen Teile des Münsters gehören. Aber trotz dem ansehnlichen Bau in der Stadt blieben die Pfarrechte draußen bei der alten Dorfkirche inmitten des Fried­ hofs, wie auch vielfach anderwärts zu be­ obachten ist, so in Rottweil (St. Pelagius), Ulm, Reutlingen, Weinheim, Heidelberg. Als es seit dem beginnenden 14. Jahrhun­ dert üblich wurde, einzelne Kaplaneien zu stiften, wurden solche sowohl in der Pfarr­ kirche vor den Mauern als auch im Münster in der Stadt errichtet, je etwa in gleicher Zahl. 1533 hat man diese Kaplaneien auf zehn zusammengezogen und ihnen ein Statut 98 gegeben. Sie bildeten eine solch geschlossene Körperschaft, daß sie die Pfarrei Kappel erwerben konnten und diese dann auch mit­ versehen haben. Der Pfarrer war inzwischen längst in der Stadt ansässig geworden, so daß, ohne formelle Übertragung, stillschweigend die Pfarrechte von der „Altstadtkirche“ auf das Münster übergingen. Merkwürdiger­ weise ist auch das Marienpatrozinium von der alten Dorfkirche auf das Münster über­ tragen worden, das zunächst dem hl. Johan­ nes geweiht war. Der Patron der Altstadt­ kirche wurde St. Barnabas. Das Patronat, das Recht dem Bischof den Pfarrer vorzuschla­ gen, lag bei dem Stadtherren: dem Herzog von Zähringen, dann dem Grafen von Für­ stenberg und, seit dem Übergang an Habs­ burg 1326, bei diesem Haus. Habsburg hat es an die von Lupfen verliehen; es kam erst 163 9 wieder an die Fürstenberger zurück. Besonders bemerkenswert ist eine Jahr­ tagsstiftung des Jahres 1349, die »Elenden­ jahrzeit“: nach der fürchterlichen Pest dieser Jahre haben die Überlebenden die Jahrzeit gestiftet für die, die so rasch aus dem Leben hinweggerafft wurden, weil sie selbst nicht mehr dazu gekommen seien, dafür zu sor­ gen, daß nach ihrem Tod für sie gebetet werde. Mit der Feier dieser Jahrzeit war jeweils eine große Brotspende für die Armen verbunden. Das Spital hatte einen eigenen Kaplan, der für die Kranken zu sorgen hatte. Die Sonderform kirchlichen Lebens, der klösterliche Zusammenschluß von Männern und Frauen, die sich ganz dem Gebet oder Werken der Nächstenliebe widmen, hat in unseren Gegenden, in denen es vor dem U. Jahrhundert keine Städte gab, im Lande draußen seinen Standort gefunden: die Kreuzgang des von 1268 bis 1806 in Villingen bestandenen Franziskanerklosters. Die 26 Maß­ werlifenster, von denen jedes für sich mit einem anderen Motiv gearbeitet wurde, stellen eine europäische Seltenheit dar. Die Datierung ist noch nicht gesichert, wahrscheinlich wurde er in den Jahrzehnten von 1430 bis 1460 anstelle eines älteren Kreuzganges geschaffen.

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Benediktinerklöster St. Georgen, Alpirs­ bach, Hirsau, St. Blasien wurden im unwirtli­ chen Wald gegründet und die Zisterzienser­ klöster Tennenbach oder Salem weit hinten im Tal, abseits aller Straßen und des Ver­ kehrs. Mit den Frauenklöstern ging es nicht anders: Amtenhausen bei lmmendingen, Friedenweiler oder Bernau hinter Tiengen lagen völlig nebendraus. Mit dem Aufkom­ men der Städte öffnete sich ein neuer Platz für klösterliches Leben, aber auch ein neues Konzept: es basiert nicht mehr auf großem Güterbesitz und sucht nicht nur den feierli­ chen Gottesdienst. Es drängt zu Predigt und Verkündigung und lebt vom Almosen der Gläubigen. Diese neuen Orden, die Bettelor­ den, haben von Anfang an ihren Platz in der Stadt. In einer von religiöser Erregung sehr erfaßten Zeit suchten sich bildende Frauen­ gemeinschaften neue Formen und Anschluß an die neuen Orden, der gar nicht so leicht gelang. Auch sie kommen in die Stadt, wo sie zwar nicht predigen können, aber durch Gebet und Beispiel wirken. Von Klöstern in Villingen hören wir im ersten Jahrhundert der Stadt noch nichts. Noch ist dieser Überschritt klösterlichen Lebens vom Lande in die Stadt nicht vollzo­ gen. Erst im 13. Jahrhundert wird Villingen Heimat für Klöster verschiedenster Art. Den Anfang machen Gründungen für Frauen: sie haben sich zuletzt den Dominikanern oder den Franziskanern angeschlossen. Die „Vet­ tersammlung“ -der Name kommt von den Vorbesitzern des Hauses, in dem sie schließ­ lich wohnten, (an der Stadtmauer, ein Stück nördlich des Bickentores) sie hießen Vetter­ ist wohl zuerst greifbar durch eine Haus­ schenkung von 1236, die ihnen zuteil wurde. 1255 treten sie unter dem ihnen bleibenden Namen auf. 1274 sind sie mit dem unterge­ gangenen Dorf Waldhausen in Verbindung, in dem wohl ihre Anfange zu suchen sind. Sie wurden der Betreuung der in Rottweil niedergelassenen Dominikaner unterstellt. Am oberen Tor tritt die Kürneggersamm­ lung in Erscheinung, die sich 1452 mit der Vettersammlungvereinigte. Schon 1240 kön- 100 nen wir Schwestern bei St. Nikolaus vor der Stadt fassen, die 1270 dem Augustinereremi­ tenorden eingegliedert werden und dann weggehen oder sich mit der Vettersammlung vereinen. 1303 ist dort eine neue Klause, deren Schwestern aber im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts in Konstanz Aufnahmefan­ den.1238 sind in Neuhausen Schwestern zu fassen, die dem Zisterzienserorden angehö­ ren. Sie vereinigen sich 1305 mit den Franzis­ kanerinnen im Bickenkloster, die dort nahe dem Bickentor 1278 als eine Gründung Vil­ linger Bürger ihren Anfang genommen hat­ ten. Dieses Haus unterstand den Villinger Franziskanern und lebte nach der dritten Regel des Ordens, die keine persönliche Armut verlangte. 1479 wurden sie durch die Berufung der Äbtissin Ursula Haider aus dem Vorarlberger Kloster Valduna bei Rank­ weil zu einem Klarissenkloster umgestaltet mit strenger Klausur und persönlicher Armut. Ursula Haider hat in den neuen Kon­ vent eine tiefe mystische Frömmigkeit gebracht, die sich eng an die Vorstellung einer Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten in Rom und Jerusalem anschloß. -Eine kleine Schwesternschaft in St. German vor der Stadt, die zuerst 1380 belegbar ist, wurde durch den Dreißigjährigen Krieg gezwun­ gen, ihr Heiligtum aufzugeben und zu den Schwestern des Bickenklosters umzusiedeln. Erst nach der Mitte des 13. Jahrhunderts kommen Männerorden nach Villingen: 1257 zunächst die Johanniter, die nicht notwendig in Städten siedeln. Ihr Standort von Haus und Kirche innerhalb der Ostmauer der Stadt ist durch ihre alte Kirche, die heute der evangelischen Gemeinde als Pfarrkirche dient,jedermann vor Augen. Dieser Ritteror­ den hatte für seine Aufgaben im Heiligen Land Nachwuchs zu sammeln und finan­ zielle Hilfe flüssig zu machen. Das Villinger Haus besaß schließlich vier Dörfer in der Umgebung und elf Pfarreien. Das letztere macht auch verständlich, daß sich innerhalb der Villinger Pfarrei eine ArtJohanniterpfar­ rei bildete, von der wir erstmals 1495 hören.

Von großer Bedeutung wurde das 1268 von den Grafen von Fürstenberg gegründete Franziskanerkloster, dessen Bau mit Kirche am Riettor noch heute steht. Dieses Haus hatte einen besonders engen Kontakt mit der Bürgerschaft, die ihre Versammlungen dort hielt. Gerade auch die Zünfte zeigten in vie­ ler Beziehung ihre Verbundenheit mit dem Orden der Franziskaner. Der gebürtige Vil­ linger Pater Heinrich Karrer, Provinzial gewor­ den, sorgte auch für die Umwandlung des Bickenklosters in einen Klarissenkonvent. Zum Jubiläum des 200jährigen Bestehens des „Lehrinstituts St. Ursula“ Im reichen Bildungsangebot des Ober­ zentrums Villingen-Schwenningen hat das „Lehrinstitut St. Ursula“ seinen festen Platz. 380 Schülerinnen aus der Stadt und der Umgebung, Externe und Interne, besuchen die drei Schularten, das Progymnasium, den angeschlossenen Realschulzug und die Wirt­ schaftsschule. „St. Ursula, die Klosterschule“, wie die Bürger kurzweg sagen, ist „eine Schule in freier Trägerschaft“. 1982 sind es 200 Jahre seit der Aufhebung der beiden Frauenklöster von St. Klara, dem Bickenkloster, sowie dem angrenzenden Kloster der Dominikanerinnen und der Gründung des „Lehrinstituts St. Ursula“ durch die Freiburger Ursulinen. Bereits im 13. Jahrhundert bestand eine klösterliche Gemeinschaft von T ertiarinnen, die nach der Zisterzienser-Regel lebte, später jedoch ein offenes Kloster wurde. Zweihun­ dert Jahre nachher war es ein Anliegen des Rates und der Bürgerschaft der Stadt Villin­ gen, dieses Biggenkloster in ein beschlosse­ nes Kloster umzuwandeln. Heinrich Karrer, der in Villingen geborene Franziskanerpro­ vinzial und Visitator der Klarissen, erreichte, aufgrund seiner Beziehungen zum Heiligen Stuhl in Rom, daß Papst Sixtus N. die Umwandlung der Villinger „Sarnrnlung“ in ein beschlossenes Kloster St. Klara verfügte. Erst im zweiten Drittel des 14. Jahrhun­ derts wird ein Haus des Spitalordens der Antoniter in Villingen faßbar (Rietstraße 24). Hier hat der Orden nie eine größere Rolle gespielt. Die Gründung der Kapuziner (am unte­ ren Tor) und die Umsiedlung der St. George­ ner Benediktiner nach Villingen, wie auch die Stiftung der Urselinen (1782) durch Ver­ einigung der Dominikanerinnen mit den Franziskanerinnen gehören der Neuzeit an. Wolfgang Müller Und wieder war es der Franziskaner Hein­ rich Karrer, der die Äbtissin von Valduna bei Feldkirch, Ursula Haider, und einige ihrer Mitschwestern beauftragte, nach Villingen zu gehen. Am 18. April 1480 machte sich Ursula Haideraufden Weg, und am 29. April 1480, nach dem Empfang durch den Rat und der anschließenden HI. Messe im Münster „Unserer lieben Frau“, zogen alle zum kleinen Biggenlcloster. Bald darauf erfolgte die „ewige Beschließung“. St. Klara zu Villingen war ein armes Klo­ ster, „die Kapelle finster und feucht“. Durch Ursula Haider erfolgte der Ausbau. Sie wid­ mete sich mit ganzer Hingabe der Vertiefung der Religiosität. Als fromme Frau und voll in ihrer Zeit wirkend, erreichte sie, als besonde­ ren päpstlichen Gnadenerweis, die Ablässe der sieben Hauptkirchen und des Heiligen Landes, um ihr Kloster zu erhalten (Urkun­ de vom 30. August 1491/Klosterarchiv St. Ursula). Die ursprünglich auf Pergament geschriebenen „Gnadengaben“ wurden spä­ ter in Sandsteinplatten gehauen und, „goti­ schen Kirchlein gleich“, als Andachtsstätten in die Wände der Klosteranlage eingemauert. Vierzehn Frauen lebten anfangs in dieser klösterlichen Gemeinschaft. Durch das hei­ ligmäßige Leben Ursula Haiders, der „ehr­ würdigen Mutter“, wuchs die Bedeutung des Das Bickenkloster in Villingen 101

der Kapelle. Die Oktav ihres Todestages wird heute noch in einer besonderen Andacht gefeiert. Ein Gemälde im Konvent des heuti­ gen Ursulinenklosters zeigt nach alter Über­ lieferung die Äbtissin Ursula Haider „bei dem schrecklichen Gewitter, das die Stadt zu vernichten drohte, auf den Knien, sich selbst als Sühneopfer darbietend, zur Rettung der Stadt“. In der Chronik über die Äbtissin wird dann von der Erscheinung der „Königin der Barmherzigkeit“ mit dem Jesuskind, der Zwiesprache und von der Rettung der Stadt berichtet. Die Reformation brachte für das Kloster der Klarissen keine Veränderungen. Zur Zeit des Bauernkriegs 1525 gab es ernste Sorgen. Als der Konvent 1580 das einhundertjährige Bestehen von St. Klara beging, waren es 25 Schwestern, die hier lebten. Das Kloster konnte baulich erweitert werden, die Kloster­ kirche erhielt 1610 eine Orgel. In den Wirren des 30jährigen Krieges gelang es zwar den gegnerischen Heeren nicht, bei dreimaliger Belagerung 1633 und 1634 die Stadt zu erobern, doch waren die Zerstörungen des Klosters, das ja auf der Angriffsseite lag, beachtlich. Die Folgen waren Armut und teilweise eine Verringe­ rung des Konvents, indem ein Teil der Schwestern von benachbarten Klöstern auf­ genommen werden mußte. Schließlich wur­ den 1653 zwei Schwestern ausgesandt, für den Wiederaufbau des Kirchleins „das hei­ lige Almuesen zu ersammeln“. Die Äbtissin Juliana Ernestin (1655-1665) gedenkt in einem Schreiben, das im Turmkopf der wie­ der errichteten Kirche aufgefunden wurde, voll Dankbarkeit all der Mühen der beiden Pilgerinnen, ihrer glücklichen Heimkehr und der 600 Gulden, die sie mitbrachten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstand der neue Ostflügel, der Wohntrakt. Schließ­ lich wurde der Aufbau der Kapelle abge­ schlossen (1737). Wenige Jahrzehnte später kamen neue Schatten und tiefe Besorgnis: Der Geist der Aufklärung richtete sich auch gegen Ordens­ personen. Kaiser Joseph II., der Sohn Maria Franz von Assisi. Ausschnitt aus dem Stick­ teppich „Christi Geburt“ des Klarissenklosters. Klosters als Stätte der Verinnerlichung im Sinne der spätgotischen Mystik. Das erken­ nen wir auch in den kunsthandwerklichen Arbeiten der Klöster in jener Epoche. Die wertvollen Bildteppiche „Christi Geburt“ mit den Darstellungen des heiligen Franz von Assisi und des heiligen Ludwig, Bischof von Toulouse, die schöne „Anbetung der Könige“, sowie ds feine Sticktuch „die Wur­ zel )esse“ im Museum „Altes Rathaus“, VS­ Villingen, sind aus dem St.-Klara-Kloster zu Villingen. Ursula Haider starb 1498; sie ruht neben dem Altar auf der rechten Seite des Chors in 102

Theresias, hob in den habsburgischen Lan­ den die „beschaulichen Klöster“, die kontem­ plativen Gemeinschaften, auf. Es war an den Fasnachtstagen des Jahres 1782, als ein Schementräger an der Kloster­ pforte erschien und den entsetzten Klarissen die nahe Aufhebung des Klosters kund tat. Der Abt des Benediktiner-Klosters St. Geor­ gen in Villingen, Anselm Schababerle, bestä- tigte diese Botschaft, hielt sich doch die kai­ serliche Aufhebungskommission bereits in der Stadt auf. Die Klausur mußte geöffnet werden, der landesherrliche Kommissär M. von Gleichenstein gab dem versammelten Konvent das Aufhebungsedikt bekannt. Die Klosterfrauen hatten sich zu entscheiden „in die Welt zurückzukehren“ oder in ein ande­ res Kloster, das der Unterrichtung der Jugend 103

Ablaßplatten mit der üblichen Zweiteilung, in der Zeit von 1731-173 7 mit barocken Fresken (Sz:enen der Geburt Christi / Herz jesu) umgeben. Obergeschoß neben dem Eingang zur Kirchenempore. oder der Krankenpflege diene, einzutreten. Das kaiserliche Edikt wurde in seiner gan­ zen Härte verwirklicht, die Bestände mußten genau inventarisiert und unter „Schloß und Siegel“ gelegt werden. Zahlreiche Schriften verbrannten. »Zwischen Furcht und Hoff­ nung lebten die Töchter von St. Klara dahin und bestürmten den Himmel mit ihren Gebeten“ (Chronik des Klosters St. Ursula). Doch die Klarissinnen wurden nicht allein betroffen. Das nahe Kloster der Dominikane­ rinnen (einstige Vetter-Sammlung), von dem zwei Schwestern bereits an der von Maria “ Theresia eingerichteten „Normalschule unterrichteten, wurde ebenfalls aufgehoben. Eine Wende brachte ein Beschluß des Rates der Stadt Villingen, die beiden Kon- 104 vente der Klarissen und der Dominikanerin­ nen zu vereinigen, die Annahme der Regel eines Lehrordens zu empfehlen, und den Ordensfrauen die Unterrichtung der Mäd­ chen anzuvertrauen. Der kaiserliche Hof genehmigte den Vorschlag, so daß nach län­ geren Verhandlungen das Kloster St. Ursula in Freiburg im Breisgau beauftragt wurde,die beiden nun vereinten Villinger Frauenklö­ ster in ein „Ursulinen-Institut“ nach der Regel der französischen Gründerin dieses Lehrordens Anne de Xainctonge (1567- 1621) umzuwandeln. “ So war aus den beiden früheren Frauenklöstern der neue „beschlossenen Konvent St. Ursula hervorgegangen, tief ver­ wurzelt in der klösterlichen Tradition von

fünf Jahrhunderten, doch nun geöffnet hin zu den Anliegen der Welt durch die Aufgabe der Jugenderziehung. Es war am 16. Oktober 1782, als die zwei Klosterfrauen, begleitet von ihrer Superiorin im Bickenkloster eintrafen. Maria Lichten­ auerin war als Oberin vorgesehen, die andere, Maria Salesia Königin, übernahm den Auf­ bau der Schule, die Organisation des Unter­ richts und die Ausbildung der Lehrfrauen. Das waren anfangs schwere Jahre, vor allem für die Priorin, die ihr Amt „im heiligen Gehorsam und auf die Gnade des Herrn“ führte. Frau Maria Lichtenauerin, nun die Schul­ präfektin, bot recht bald Französisch als Unterrichtsfach an. 1783 folgten die ersten öffentlichen Prüfungen mit guten Ergebnis­ sen. Da die „Klosterschule“ immer mehr Zuspruch erfuhr, erfolgte bald die Einrich­ tung eines Internats für auswärtige Schülerin­ nen. Das Bemühen der folgenden Superiorin­ nen des Lehrinstituts St. Ursula galt dem Ausbau der Schule, der Aus- und Fortbil­ dung der Lehrkräfte, der Schaffung von Schulraum und innerhalb der Gemeinschaft der Fürsorge für das Gotteshaus und der Pflege der Liturgie. Die beiden Seitenaltäre der Dominikanerinnen-Kirche wurden in die Kapelle von St. Ursula eingebaut, die dor­ tigen „schwarzen Altäre“ verkauft und ver­ schenkt. Die kriegerischen Folgeereignisse der fran­ zösischen Revolution, 1792-1807, wirkten sich störend auf das Klosterleben und den Unterricht aus. Ein Teil der Frauen floh. Ein­ quartierungen von Soldaten, Unterbringung 105

••••t,aum . .,. __ …… . _,….. ‚4 >JI.,…….,.. MIO·IID, l]·ßl�[- 18.ll·• .. ,…,……,. ………. …… Q >ß–:111J — … �- von Kriegsgerät und Requirierungen im Klo­ ster verursachten vielfältige Belastungen. Die Koalitionskriege und ihre Folgen brachten mehrfachen, recht unglücklichen Herrschaftswechsel über die Stadt. Schließ­ lich fiel Villingen im Pariser Vertrag vom 12. Juli 1806 an das Großherzogtum Baden. Nach harten Zeiten stellte der badische Kommissär den status quo wieder her, das Kloster blieb bestehen, doch war es viel ärmer geworden. Durch das sog. Regulativ der badischen Regierung von 1811 erfolgten schwere Ein­ griffe in die Gemeinschaft. Dieser Erlaß ,,regelte“ das religiöse und berufliche Leben, die Aufnahme und die Ausbildung der Kan­ didatinnen und begrenzte weiterhin die Zahl der Klosterfrauen. In einer Schrift, die 1824 erschien, richtete sich die „erweiterte und verbesserte Erzie­ hungsanstalt an dem weiblichen Ursuliner­ lnstitut zu Villingen“ an die Eltern und „Vor­ münder“. Sie bringt darin auch die Eintei­ lung der Unterrichtsstunden für die „Pensio- 106 naires“. Diese Kurse wurden von der Bevöl­ kerung dankbar angenommen, boten sie doch eine Weiterbildungsmöglichkeit der Mädchen nach dem Besuch der Volksschule. Während des Kulturkampfs brachte das Jahr 1876 mit der Aufhebung der konfessio­ nellen Volksschulen die Einführung der Simultanschule. ,,Die Klugheit der Superio­ rin Xaveria Dietz, die dem Kloster von 1850 bis 1899 vorstand, und die einsichtige und opferfreudige Gesinnung der Institutsmit­ glieder“ brachten die Entscheidung, den Unterricht in Villingen wie bisher fortzuset­ zen. In seinem Bericht vom 22. 10. 1873 an das Großherzogliche Ministerium des Innern hatte Altbürgermeister Wittum be­ reits in seiner Eigenschaft als landesherrli­ cher Kommissär „die altehrwürdige Stätte am Bickentor zu Villingen als Musteranstalt im Sinne des Staates“ herausgestellt. Es änderte sich in der konfessionellen Struktur der Schule kaum etwas, waren doch die wenigen evangelischen Schülerinnen, vor allem aus Nordstetten, schon immer in der Mädchenschule zusammen mit den katholi­ schen Schülerinnen unterrichtet worden, wobei es keine Schwierigkeiten gab. Nach dem ersten Weltkrieg wurden in der Verfassung des Landes Baden die Beschrän­ kungen den Klöstern gegenüber und ihren schulischen Einrichtungen aufgehoben. 1933 waren es in St. Ursula 56 Lehrfrauen, 2 Novizen, 24 Laienschwestern und eine Postulantin. Sie unterrichteten an der Volks-, Bürger- und Fortbildungsschule und hatten ferner eine sechsklassige Realschule und eine Frauenarbeitsschule aufgebaut. Trotz des Abschlusses des Konkordats 1933 zwischen der national-sozialistischen Regierung und der katholischen Kirche zeigte sich doch recht bald die Absicht des Regimes, ,,die Ent­ konfessionalisierung des öffentlichen Le­ bens“ voranzutreiben. Diese Bemühungen, das nationalsozialistische Gedankengut immer mehr zu verbreiten, vor allem unter der Jugend, hatte natürlich auch Auswirkun­ gen auf die Lehrtätigkeit in St. Ursula. 1940 mußte das „Lehrinstitut St. Ursula zu Villin-

gen“, mit Schule und Internat, nach man­ cherlei Schikanen seine Pforten schließen. Es wurde ein Lager für Volksdeutsche aus der Sowjetunion und Rumänien in den Räumen der Schule und des Pensionats eingerichtet. Gegen Kriegsende diente es als Altersheim für Bewohner des Raumes Karlsruhe/Mann­ heim. Nach Kriegsende erfolgte 1945 die Wie­ dereröffnung des Progymnasiums und der Wirtschaftsschule. Vier Jahre später konnte das neu ausgebaute Internat wieder auswär­ tige Schülerinnen aufnehmen. 1970/71 wurde der Erweiterungsbau an der Bärengasse mit den Fachräumen für den naturwissenschaftlichen Unterricht, für den musischen Bereich und einigen Klassenräu­ men eingeweiht. Mit Beginn des Schuljahres 1977 /78 wurde dem Progymnasium ein Real­ schulzug angeschlossen. Der Schulkomplex St. Ursula verfügt durch die Einrichtung eines Sprachlabors, der Neuausstattung der Lehrküche und die schöne Turnhalle über alle Einrichtungen, die für Unterricht, Erzie­ hung und Bildung notwendig sind. Der Unterricht einschließlich Arbeitsgemein- Schulhof des Lehrinstituts St. Ursula. schaften kann voll nach der Stundentafel erteilt werden. Heute steht Schwester Eva-Maria Lapp dem Kloster St. Ursula als Superiorin vor, Schwester Gisela Sattler ist Leiterin der Schu­ len. Vieles wäre noch zu berichten. Da wären die bedeutenden Superiorinnen im vergangenen Jahrhundert noch zu nennen und jene aus unseren unruhigen Jahrzehn­ ten. In Dankbarkeit wollen wir zum Jubi­ läum auch an alle Lehrfrauen denken, die segensreich Generationen junger Mädchen unserer Stadt, des Umlandes und von weiter her erzogen, förderten, christliche Weglei­ tung gaben und geben, heute unterstützt durch weltliche Lehrkräfte und an alle Schwestern, die, getreu ihrem Gelübde, viel­ fältigen Dienst getan und tun für die klöster­ liche Gemeinschaft und die Stadt. „Wer andere mit der Flamme der Wissen­ schaft und der Liebe Gottes entzünden will, muß selbst von heiliger Liebe bren- nen. “ (Anne de Xainctonge) Helmut Heinrich 107

Der Klosterhof von St. Ursula An der Kreisstraße zwischen den Ortstei­ len Schabenhausen und Fischbach der Gemeinde Niedereschach liegt der „Kloster­ hof“ des Klosters St. Ursula, Villingen, einst „Seyhof“ oder „Seienhof“ genannt. Umgeben von Wald und Wiesen liegen von einer Mauer umrahmt die verschiede­ nen Gebäude, der Garten und der große Hof. Dem Eingang mit seinem schmiedeeisernen Tor gegenüber steht eine mächtige Buche mit einem schönen Wegkreuz, das seine eigene Geschichte hat. Das Anwesen wurde vor etwa 200 Jahren errichtet. Doch die Ge­ schichte dieses Hofes ist älter: Sie ist eng mit der Geschichte der Klöster im nahen Villin­ gen verbunden. Hier auf dem Gelände des „Klosterhofs“ stand im Mittelalter das Clarissenkloster Neuhausen, das 1305 niederbrannte. So baten denn im gleichen Jahr die Clarissen des zerstörten Klösterleins, in das Villinger Cla­ rissenkloster aufgenommen zu werden. 23 Jahre später verkaufte Konrad von Burgberg den Platz mit dem „Seelhof“ (später „Seyhof“ genannt) an die Brüder und Schwestern St. Johannes in Lenzkirch. Über diese Bruder- 108 Zeichnung: Helmut Heinrich schaft kam er an die Johanniter-Kommende Villingen. Doch auch in den folgenden Zeiten wech­ selte der Besitzer mehrfach. So war der „Seienhor‘ Besitz verschiedener Freiherren, bis dann am 12. Oktober 1778 das Anwesen von der Gemeinde Niedereschach für 30.000 Gulden gekauft wurde. Nach einem Kaufbrief vom 11. November 1778 erwarb das Benediktiner-Kloster „St. Georgen“, Villingen, den Hof und noch einen weiteren Teil des „Bubenholzes“ durch seinen Abt, den Prälaten P. Anselm Schaba­ berle von Baden-Baden (1778-1806). Er war der letzte Abt der Villinger Benediktiner. „In seiner Person vereinigten sich alle Eigen­ schaften eines würdigen Vorstehers“. Durch seine Veranlassung erfuhr das einst freiherrliche Landgut eine wichtige Umge­ staltung: Neue Bauten entstanden, die Haus­ kapelle wurde eingerichtet, die Bibliothek erweitert. Das barocke Wohngebäude der Mönche und die Ökonomie waren ein sicht­ bares Zeichen der Bedeutung dieser Ordens­ niederlassung in der Zähringer-Stadt. Vom großen Konventszimmer führte eine Tür

und durch die damals geringen Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Da ent­ schloß sich der Besitzer, das Gut für 40.000 Mark an die Großherzogliche Domänenver­ waltung zu verkaufen und nach Herbolz­ heim zurückzukehren. Ein Forstwart übernahm die Bewirtschaf­ tung. Man begann ein großes Areal aufzufor­ sten. Die Kapelle wurde in eine Gastwirt­ schaft umgewandelt, die Steine des Ökono­ miegebäudes gingen an die Gemeinde Scha­ benhausen zum Bau der Schule. Wieder kam der „Seyhof“ in den Besitz der Gemeinde Niedereschach. Er wurde ver­ pachtet und verfiel zusehends. Auf Anregung des Bürgermeisters Osian­ der von Villingen bot die Gemeinde Nieder­ eschach den Hof dem Kloster St. Ursula in Villingen an. Das war am 23. Oktober 1918. Der“ Verein Villinger Lehrfrauen“ – so lau­ tete der Rechtstitel – unter der Führung der Superiorin Frau Maria Hedwig Hofmann erwarb die Gebäude, einiges Mobiliar und 10 Morgen Wiesenland. Zunächst begann die einfache Instandset­ zung im Innern des Hauses. Der herunterge­ kommene Wirtssaal wurde nach der Reno­ vierung wieder Kapelle. Der 22. Mai 1919 war ein besonderer Fest­ tag: „H. H. Pfarrer Bernhard Krieg von Nie­ dereschach weihte in Anwesenheit von H. H. Pfarrer Hug von Fischbach,der Frau Superio­ rin Frau Hedwig, der Assistentin M. Lioba, der Frauen Josepha, Cäcilia Johanna, Anto­ nia und der Schwestern Agnes, Rosa, Betha, Barbara und Veronika den Klosterhof ein.“ (Chronik des Klosters St. Ursula, Villingen 1919.) Bald darauf, am 28. Juli 1919, fand die Weihe der Kapelle durch die beiden Geistli­ chen der Nachbargemeinden im Beisein von weiteren Pfarrern, sowie des gesamten Kon­ vents und zahlreichen Bewohnern der nahen Gemeinden statt. „Die mit Tannen und Rosen geschmückte Kapelle war von Dekorationsmaler Albert Säger, Villingen, einfach und würdig reno­ viert worden, ebenso der Laufer-Altar, de·s- 109 Abt Anselm Schababerle des Benediktinerklnsters „St. Georgen“ in Villingen. unmittelbar in die Kapelle, die von Abt Anselm nach Erlaubnis des Bischofs von Konstanz vom 3. September 1780 St. Bene­ dikt geweiht wurde. Doch war es nur eine kurze Zeit der Ruhe und des Zurückziehens für die Mönche, hier draußen in diesem Refugium: Durch die Säkularisation 1806 wurde das Klostergut mit seinen 200-250 Morgen Land Eigentum des Staates. Die Ländereien verpachtete er an verschiedene Landwirte. 1831 erfolgte der Verkauf des gesamten Anwesens. Doch auch die folgenden Jahre brachten Zerstückelung und ungute Besitzverhält­ nisse. 1875 fand man nach einem Vollstrek­ kungsverfahren einen neuen Käufer aus Her­ bolzheim. Der Hof kam „durch die Tatkraft“ des Breisgauers und seines Sohnes „auf die Höhe“, so daß die Erträge stiegen. Aufzeich­ nungen der Gemeinde Niedereschach von 1901 berichten vom nun folgenden Nieder­ gang durch den Mangel an Arbeitskräften

So schloß sich der Kreis: Vor über 600 Jah­ ren wohnten hier zurückgezogen die Claris­ sen von Neuhausen, 1918 übernahmen die Villinger Ursulinen in der Nachfolge derCla­ rissen des Bickenklosters den Hof und wan­ delten ihn wieder um zu einem Platz der Ein­ kehr und der Erholung. Vieles ist in den fol­ genden Jahren noch geschehen, u. a. Installa­ tion von Wasserleitung und elektrischem Licht. Der weitere Aufbau und Erhalt des Klosterhofs war nicht immer leicht, beson­ ders in den Jahren 1933-1945 und den fol­ genden Nachkriegsjahren. Durch die Bemühungen der Superiorin­ nen Schw. Maria Anna und Schw. Eva-Maria wurden die Renovierungsarbeiten in den letzten Jahren erfolgreich weitergeführt. Zwei Schwestern stehen draußen dem Anwesen zwischen Wald und Wiesen mit viel Freude und Hingabe vor. ,,Sie sind uns ein Beispiel der Zufriedenheit, der sen Podium und Mensa der Schreinermeister Anspruchslosigkeit und der frohen Pflichter­ Armbruster, Villingen, erstellte.“ (Chronik füllung“, schrieb die Chronistin Frau Maria des Klosters St. Ursula.) Ausführlich wird Gabriele Loes in ihrem „Bericht über den dieser Freudentag von der Chronistin M. Klosterhof“. Josepha Blessing geschildert. Helmut Heinrich Vor 400 Jahren: Im Spätjahr 1583 wurde er in Villingen, auf der Baar und im Kinzigtal eingeführt Tage hinterher. Dieses Zurückbleiben – Ob wir es heute noch spüren (allenfalls an wenn auch in der Antike noch nicht um zehn den seitdem leicht in Unordnung geratenen Tage -hatte der Römer J ulius Cäsar verschul­ Wetterregeln) -daß vor 400 Jahren auf den 4. det, als er im Jahre 46 vor Christus den julia­ Oktober schlagartig der 15. Oktober folgte, nsichen Kalender einführte. Dieser be­ so daß der Oktober des Jahres 1582 statt 31 stimmte, daß alle vier Jahre ein Schaltjahr nur 21 Tage hatte. Es kam so: Am 24. Februar einzulegen sei. Im römischen Reich nahm des genannten Jahres hatte Papst Gregor XIII man die durchschnittliche Dauer des Jahres eine Bulle erlassen, die festlegte, daß die mit 365.255 Tagen an. Tatsächlich jedoch hat Zeitrechnung neu zu ordnen sei. Wirksam das Sonnenjahr nur eine Länge von wurde diese Bestimmung im Oktober 1582 365.24220 Tagen. Es ist somit um elf Minu­ in der Form, daß das nächstfolgende Datum ten und vierzehn Sekunden kürzer als das nach dem 4. Oktober 1582 „15. Oktober“ lau­ julianische Kalenderjahr. Oder mit anderen tete. Um diese Zeit hinkte nämlich das Kalen­ Worten: Das julianische Jahr war um 0.0078 Tage zu lang. Diese Abweichung ergab bis derjahr der Zeit der Sonnenuhr um zehn Als der Gregorianische Kalender kam 110

gegen Ende des 16. Jahrhunderts ein Zuviel von zehn Tagen. Noch im Reformjahr ist der gregoria­ nische Kalender in Spanien, Portugal und dem größten Teil Italiens eingeführt worden, das Jahr darauf dann im katholischen Frank­ reich und in den damaligen Habsburg-Län­ dern Holland, Brabant und Flandern, ebenso in den meisten katholischen Ländern Deutschlands. Eine sofortige Einführung auf deutschem Boden war am Widerstand der Protestanten gescheitert. Dem wurde im römischen Reich deutscher Nation dadurch Rechnung getragen, daß es den deutschen Reichständen anheimgestellt war, ob und wann sie die Kalenderreform übernehmen wollten. Auf der Baar, die uns hier vor allem inter­ essiert, ging das vorderösterreichische Villin­ gen mit der Einführung des gregorianischen Kalenders voran. In der Habsburgerstadt vollzog sich die Änderung so, daß man vom 21. Oktober (neuen Stils) sofort auf den 1.November, mithin das Fest Allerheiligen 1583, überging. Gewährsmann, richtiger gesagt: Gewährsfrau für die Villinger Rege­ lung ist eine Conventsschwester namens Euphrosyne Some aus dem Kloster der Cla­ rissinnen. Ihre Aufzeichnung vom Jahre 1586 ist heute im Besitz des Lehrinstitutes St. Ursula. ,,Gott der her wölle, das diese Ding alle der hailgen christenhait ze gutten d(i)e­ nen, wöllche der hailig vatter, der babst Gre­ gorius des namens der XIII. geordnet“ -ist der fromme Wunsch der Schreiberin, die bei der Niederschrift im 32. Lebensjahr stand und im 20. Jahr ihres Ordensgelübdes. An diesem Allerheiligenfest 1583 in Vil­ lingen -so ist einem Postscripturn zu entneh­ men -habe sich ferner zugetragen, daß die Conventschreiberin (des Klosters) Schwester Appolonia Moserin am Morgen vor der ,,Primzeit“ einen Marder mit einem Brat­ spieß durchstochen und im Fleischkeller gefangen und ihn also dem Konvent an dem Bratspieß „in die Stuben gebracht“ habe. Aus der Aufzeichnung erfahren wir auch, daß die Neuerung vielen im Kloster „hart und seltsam“ vorkam. Etliche fürchteten, es sei „gar nicht ein recht Ding, das(s) mir hond miese erlebe, was mengs alte sälge Mutter nie erlebt hatt“. Für sein Herrschaftsgebiet auf der Baar und über Wald folgte Graf Heinrich zu Für­ stenberg mit einer Verordnung vom 6. November 1583. Danach soll „anstatt des 15. November 1583 sogleich der 25. November gezählt werden“. ,,Also haben wir uns obge­ melltt new reformiert calendarium inn unns­ seren landtgrawe, herrschafftenn unnd ge­ bietten annzunemmen unnd ebenmessig zue geprauchenn enntschlossenn“ heißt es in der zu Donaueschingen gegebenen Verordnung, die für alle Besitzungen des Grafen Heinrich auf der Baar (mit Ausnahme der Herrschaf­ ten Blumberg und Möhringen) Gültigkeit hatte. Wörtlich besagte sie, ,,dass uff nech­ stennn sanct Katharinatag, so sonst der fünnffzehendt were, der fünfundtzwainnt­ zigste gezällt und die andere zehen Tag her­ ausgelassenn werdenn“. Für das unter Graf Albrecht zu Fürsten­ berg (t 1599) stehende Kinzigtal wurde durch Verordnung festgelegt, im Jahre 1583 „den Montag, 18. Oktober, für den 28. ze nemmen“. Mit anderen Worten: statt des 18. November wurde der 28. November ge­ schrieben. Es bedeutete, daß der Andreastag, ein gebotener Feiertag, auf den nächstfolgen­ den Mittwoch fiel. Die zehn verlorenen Tage des Jahres 1582 -beziehungsweise auf der Baar des Jahres 1583 -sind gewiß längst vergessen. Sie tau­ chen allenfalls in der Erinnerung noch ein­ mal flüchtig auf, wenn etwa die „Eisheiligen“ später kommen, als es die uralte Bauernregel vorschreibt, oder wenn ein Regensommer nicht pünktlich am Siebenschläfertag ein­ setzt, sondern erst in den ersten Tagen des Juli. Schließlich sind die meisten der alten Wetterregeln schon im 14. und 15. Jahrhun­ dert fixiert worden -zu einer Zeit, als noch der julianische Kalender galt. Papst Gregor, in dessen Auftrag sich zahl­ reiche Wissenschaftler vor 400 Jahren mit der Kalenderreform befaßt hatten, brachte 111

jedoch nicht nur die Zeit wieder auf das sie, um Energie zu sparen, in den Sommer­ rechte Maß, indem er das Jahr 1582 um zehn monaten die Sommerzeit einführen, oder Tage kürzte. Er ließ seinen neuen Kalender aber es bei der Normalzeit belassen wollen. zugleich auch derart beschaffen sein, daß ein Lorenz Honold Mißverhältnis zwischen Sonnenjahr und Kalenderjahr nicht so rasch sich wieder ein­ Literatur: Roder, Christian: Einfüh­ stellen wird. Seitdem läßt nämlich der grego­ rung des gregorianischen Kalenders in Vil­ rianische Kalender an jeweils drei von vier lingen. Schriften des Vereins f. Geschichte Jahrhundertjahren den Schalttag ausfallen. und Naturgeschichte der Baar (Baar­ Das geschieht in der Form, daß nur jene Schriften) 1885, V, Seite 146-148. Säkularjahre, deren erste zwei Ziffern durch Baumann, F. L.: Die Einführung des gregorianischen Kalenders in der Fürsten­ vier teilbar sind, Schaltjahre bleiben. So waren die Jahrhundertjahre 1700, 1800, 1900 bergischen Baar. Baar-Schriften 1885, V, keine Schaltjahre. Das Jahr 2000 jedoch wird Seite 144. ein Schaltjahr sein. Damit ist sichergestellt, Tumbült, G.: Die Einführung des gre­ daß der gregorianische Kalender erst nach gorianischen Kalenders in den Fürsten­ etwa drei Jahrtausenden vom Lauf der Sonne bergischen Landen. Baar-Schriften XV, wieder um einen Tag abweichen wird. (1924) Seite 83. Ho n o I d, Lorenz: Almanach, Kalender, Dank des gregorianischen Kalenders hat­ ten seit vierhundert Jahren Regierungen und Jahrbuch. Almanach 80. Heimatjahrbuch Politiker sich nicht mehr mit den Tücken der Schwarzwald-Baar-Kreis 4. Folge, Seite Zeitrechnung herumzuschlagen. Allenfalls 121-124. noch im 20. Jahrhundert mit der Frage, ob Seine Zeit und seine Bedeutung für Triberg aus Anlaß des 400. Todestages am 27. 5.1983 schichte und Sprachen an den Universitäten Gut verloren -nichts verloren Basel, Straßburg und Paris. Es war ein eifriger Mut verloren -viel verloren Student, der aber auch sein Leben zu ge­ Ehre verloren -alles verloren nießen wußte. Die Räte von Memmingen So der Wahlspruch von Lazarus von sperrten ihn deshalb 1545 wegen „Übermut Schwendi, Ritter, Freiherr zu Hohenlands­ und Widerspenstigkeit“ fünf Tage ein. Im perg, Herr zu Kirchhofen, Pfandherr zu gleichen Jahr wurde er mündig. Er trat in Burkheim, Dreyberg (Triberg) und Kaysers­ den diplomatischen Dienst des Kaisers berg, der Röm. Kath. Majestät Rath und gewester Feld Obrister zu Ober-Ungarn, auch Karl V. Seine Dienstherren waren: Karl V., Burgvogt von Breisach. deutscher Kaiser 1519-1556; Philipp, König Lazarus von Schwendi wurde 1522 in von Spanien 1555-1598; Ferdinand I., deut­ scher Kaiser 1556-1564; Maximilian II., deut­ Mittelbiberach in Schwaben geboren. Sein scher Kaiser 1564-1576; RudolfII., deutscher Vater war Ruland von Schwendi. Vater Kaiser 1576-1612; Lazarus von Schwendi Ru land starb schon drei Jahre nach Lazarus‘ (1522-1583) betätigte sich als Diplomat, Sol­ Geburt 1525. Der Rat von Memmingen war dat, Feldherr, Schriftsteller und Verwalter als Vormund von Lazarus bestimmt. Lazarus seiner vielen erworbenen Güter. Seine Zeit hatte als einziges Kind ein beträchtliches war geprägt von der Reformation (Martin Vermögen geerbt. Bis zu seinem 23. Lebens­ Luther 1483-1546), sozialen Spannungen, jahr studierte er sehr fleißig) urisprudenz, Ge- 112 Lazarus von Schwendi

Titelseite zum „Kriegs-Diseurs“ 1593. Titelbild zum ,,Kriegs-Diseurs“ 1593 von Schwendi der Entladung in Bauernkriegen (bis 1525), weltanschaulichen Neuerungen, Humanis­ mus (Erasmus von Rotterdam 1466-1536), Gegenreformation (Ignatius von Loyola 1491- 1556,Jesuiten seit 1541), Wiederaufleben der Inquisition (Papst Paul III., 1534-1549). Von 1564 bis 1568 war er in österreichi­ schen Diensten unter Maximilian II., dem Neffen Karls V. Er bekämpfte als Feld­ Obrister und Oberkommandierender in Ober-Ungarn die Türken, nahm T okaj und andere Stützpunkte ein. Für alle seine Dienste erhielt er hohe materielle Belohnung und Ehrungen, Titel und die Erlaubnis, Herr­ schaften in Vorderösterreich (Breisgau-Elsaß) zu erwerben oder als Pfand zu nehmen. Gesundheitlich schwer angeschlagen, zog er sich zur Verwaltung dieser Güter zurück und betätigte sich als Schriftsteller und kaiser­ licher Ratgeber. Sein bestes militärwissen­ schaftliches Werk ist der ,,Kriegs-Diseurs“; ein Original dieses Buches aus dem Jahre 1593 und 1676 befindet sich in Triberg! Von 1552 bis 1583 war Lazarus von Schwendi Burgvogt von Breisach, ließ sich aber meist von einem Vogt vertreten. Im Jahre 1563 kaufte Lazarus von Schwendi Schloß und Herrschaft Landsperg im Elsaß mit den Dörfern Sigolsheim, Ingersheim, Katzental, einem Teil der Stadt Ammersch­ weier, der Hälfte der Stadt Türkheim und den Orten Morschweier und Winzen­ heim.1568 verlieh ihm Kaiser Maximilian II. den Titel ,,Freiherr zu Hohenlandsperg“. Im ] ahre 15 72 erwarb er die Herrschaft Kirchhofen. Im Jahre 1559 wurde er Pfandherr von Burk­ heim, im ] ahre 15 73 wurde er Pfandherr von Kaysersberg. Am 27. 4.1563 hatte Kaiser Ferdinand I. La­ zarus von Schwendi bewilligt, ,,Herrschaft und Schloß Treyberg“ gegen den daraufliegenden Pfandschilling vonJoh. Ulrich Zasius abzu­ lösen. Um seiner Kriegsverdienste willen wurde ihm diese Herrschaft auf seine und seines Sohnes Hans Wilhelm (1558-1609) Lebenszeit und nach ihrem T ade auf die Erben noch für zwei] ahre lang als unablösbar verschrieben. 113

Lazarus von Schwendi hat mit dem Kaiser­ haus in Wien zäh um die Erhaltung der Pfandherrschaft Triberg für sich und seine Erben gerungen, woraus hervorgeht, daß sie ihm ans Herz gewachsen war. Ganz zum Unterschied von in rd. 300 Jahren 29 voraus­ gegangenen Pfandherren hat sich Lazarus Rüstung des Lazarns von Schwendi in der Waffenabteilung des kunsthistorischen Museums in Wien Schwendi-Denkmal auf dem Rathausplatz in Colmar. v. S chwendi winkt mit der Tokajer-Rebe. von Schwendi um Triberg große Verdienste, besonders auf den Gebieten der Sozialfür­ sorge und des Gesundheitswesens, erworben. Am 3.12.1578 machte er beachtliche Schen­ kungen und Stiftungen „zur Errichtung und Erhaltung des Armenspitals“, und am 28.7. 1581 erließ er eine Ordnung für das „Spital und Siechhaus“ Triberg, aus dem sich das sogenannte Bezirksspital entwickelte . . In Straßburg gibt es wie in Freiburg und Triberg eine Schwendistraße. In Kirchhofen steht heute noch sein einstiges Wasserschloß, das als Schulhaus genützt wird. In einem Weingarten der Schwendi’schen Schloßruine von Burkheim a. K. befindet sich eine ein­ gelassene Tafel mit dem Bildnis Schwendis und dem einer Winzerfamilie mit dem Spruch:Dem deutschen Ritter, der einst zum Rhein uns bracht aus Ungarn den Feuerwein, ihm sei für diesen Zaubertrank von Winzern und Zechern Lob und Dank. 114

Er wird deshalb heute noch in den Wein­ gebieten auf beiden Seiten des Rheins bei­ nahe wie ein Schutzpatron des Weinbaues verehrt und lebt so weiter im Volke. Lazarus von Schwendi, “ ein schöner, statt­ licher Mann“, war zweimal verheiratet. Aus der ersten Ehe des Jahres 1552 mit der reichen Anna Böcklin aus Straßburg entsproß ein Sohn Hans Wilhelm (1557-1609). Zwei Jahre nach dem Tod der ersten Frau heiratete er 1573 Elenore von Zimmern, die viel jünger als er war. Diese Verbindung verlief sehr glücklich, aber kinderlos. Lazarus von Schwendi war von 1555 bis 1568 ein draufgängerischer, aber kluger Truppen­ führer und General, wußte aber vor und nach dieser Zeit als Diplomat auch die Zunge und die Feder gut zu führen und vertrat seine Dienstherren auf den damaligen Reichs­ tagen. Der zweimalige Druck seines berühm­ ten Werkes ,,Kriegs-Diseurs“ 1593 vor und 1676 nach dem Dreißigjährigen Krieg be­ weist seine Qualitäten als Militärschriftsteller. Lazarus von Schwendi hatte sich zur Lin­ derung seiner Gichtanfälle in das warme Klima von Kirchhofen im Breisgau zurück­ gezogen. Die jahrelange Schwächung seiner Gesundheit führte jedoch am 27. 5. 1583 zu seinem frühzeitigen Tod. Nach seinem Wunsch wurde er in der Klosterkirche der Clarissinen zu Kienzheim im Elsaß nach katholischem Brauch beigesetzt. In der dor­ tigen Kirche sieht man heute noch sein überlebensgroßes Standbild in Sandstein ge­ hauen, daneben das kleinere seines Sohnes Hans Wilhelm. Rudolf Fleig Rottweiler Bergbauversuche im Schwarzwald-Baar-Kreis Von Winfried Hecht Keineswegs außergewöhnlich war es, daß im Jahre 1401 der Rottweiler Meister Klaus Gutsch den Auftrag zur Fertigung einer Kunstuhr für das Münster in Villingen erhielt und somit der erste namentlich bekannte, offensichtlich hochqualifizierte Spezialist der Uhrenlandschaft am östlichen Schwarzwaldrand wurde. Und bei jenem Vil­ linger Wagner Bixlin, der 1562 an einem ein­ zigen Tag ein Rad herstellte, es nach Rottweil rollte, dort verkaufte und den Erlös in der Reichsstadt verzehrte, um noch am selben Tag in seine Heimatstadt zurückzukehren – der Versuch wurde 400 Jahre später erfolg­ reich von Helmut Glatz aus Unterkirnach nachvollzogen – war allenfalls das Tempo beeindruckend, mit dem sich sein Marktbe­ such in Rottweil insgesamt abgespielt hat; daß für Villinger der Markt in Rottweil und umgekehrt für die Reichsstädter die Beliefe­ rung von Kunden in Villingen zum Alltag gehörten, war seit dem Mittelalter nichts weni­ ger als selbstverständlich, denn der Schwarz­ wald und die Baar waren mit dem Gebiet am oberen Neckar durch zahllose Beziehun­ gen, aber eben gerade auch durch wirtschaft­ liche Verbindungen jahrhundertelang eng verknüpft. Erst politische Entwicklungen vergleichsweise jüngeren Datums haben diese Bezüge zeitweilig beeinträchtigt oder den Blick auf sie verstellt. Daß in diesem Zusammenhang vor bald 500 Jahren ausgerechnet dem Bergbau beachtliche Bedeutung zukam, mag heuti­ gentags überraschen. Trotzdem entspricht dies der bekannten Tatsache, daß an der Schwelle zur Neuzeit die gesamte euro­ päische Wirtschaftsgeschichte von einer in ihrem Umfang bisher nicht gekannten Aus­ beutung der Bodenschätze gekennzeichnet war. Gilt diese Feststellung für ein damaliges Wirtschaftszentrum wie Augsburg, so in frei­ lich bescheidenerem Umfang auch für die Reichsstadt Rottweil. Zwar sind die Anfange der entsprechenden Bemühungen an Hand des vorliegenden Urkundenmaterials nicht mehr nachvollziehbar, aber es deutet einiges darauf hin, daß sie um 1507 eingesetzt haben. 115

Damals unternahmen die Rottweiler näm­ lich erhebliche Anstrengungen, um ihre tra­ ditionsreiche, bis in die Stauferzeit zurückrei­ chende Münzstätte wieder zu beleben, um dadurch die finanztechnischen Möglichkei­ ten der heimischen Wirtschaft zu stärken. Ein solches Vorgehen erforderte den Einsatz erheblicher Mengen Edelmetall unter günsti­ gen Bedingungen, die am ehesten bei eigener bergmännischer Gewinnung der Erze gege­ ben waren. In dieser Hinsicht war man aller­ dings vom deutschen König abhängig, denn die Ausübung des Bergbaus war ein Regal, ein Vorrecht des Königs, vorausgesetzt, ein geeignetes Metallvorkommen war bekannt. Die Rottweiler glaubten, gut 10 km südöstlich von ihrer Stadt zwischen Kappel, Schabenhausen und Niedereschach ein Metallvorkommen zu kennen, wo sie im Bereich der Hauptmuschelkalkstufe Kupfer­ und vor allem Silbererze vermuteten. In einem ziemlich schwierigen politischen Pro­ zeß, der sich über mehrere Jahre hinzog, lösten die Reichsstädter nun die delikate Aufgabe, sich zu Kaiser Maximilian politisch so zu stellen, daß sie von seiner Seite die Zustimmung zum Abbau der vermuteten Metalle erhielten. Das bedeutete fiir Rottweil eine vorsichtige Distanzierung gegenüber der Schweizer Eidgenossenschaft, der man sich gerade nach dem Schwabenkrieg und im Zeitalter der Schweizer Italienzüge gefühls­ mäßig besonders verbunden fühlte, und andererseits eine Annäherung an die Habs­ burger, die von der vorderösterreichischen Nachbarschaft Rottweils aus dessen eigen­ ständige Politik auf die Dauer in erhebliche Schwierigkeiten bringen konnten. Wenn die Rottweiler trotzdem eine entsprechende Schwenkung ihrer Politik durchführten und zuletzt auch in aller Form im Herbst 1511 bei Gesprächen mit Kaiser Maximilian in Tirol festlegten, dann beweist dies, wie wichtig den Reichsstädtern ihr Bergbauvorhaben am Nordrand der Baar gewesen ist. Wie schwie­ rig die Verhandlungen mit Maximilian in Tirol gewesen sein mögen, ergibt sich aus der Dauer über mehr als einen Monat hinweg. 116 Eine der maßgeblichen Persönlichkeiten hinter den Rottweiler Bergbauversuchen am Schwarz­ waldostrand zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Konrad Mock, Ritter von Hochmauren, seit 1535 auch Schultheiß der Reichsstadt Rottweil. Auch unmittelbar im Zusammenhang mit dem Bergbauvorhaben in Kappel waren die Verhandlungen von Lienz und Innichen in Tirol zwischen den Abgesandten der Reichsstadt Rottweil und dem Kaiser erfolg­ reich. Der Herrscher, der wie meistens auch in diesen Monaten während der Vorberei­ tung eines Feldzuges gegen Venedig jeden Pfennig dringend benötigte, räumte den Rottweilern einen SOprozentigen Nachlaß aller Abgaben aus der Bergsteuer und den anderen mit ihr verbundenen Belastungen ein. Sicherlich hatte sich die Reise der Rott­ weiler Abgesandten zum Herrscher nach Tirol damit gelohnt, zumal man annehmen kann, daß sie unterwegs in Schwaz und Rat­ tenberg Anlagen des für die damalige Zeit führenden Tiroler Bergbaus studiert haben.

In Kappel kamen die Rottweiler 1514 zunächst dadurch weiter, daß sie eine Hälfte des Dorfes zu ihrem Territorium hinzukauf­ ten. Hinsichtlich des Bergwerks selbst einig­ ten sie sich 1520 mit Konrad Bolsnitzer, seit 1512 „obrister Bergmeister“ aller Bergwerke in den österreichischen Vorlanden, über die Ausbeutung der vermuteten Silber-und Kupfervorkommen bei der Ortschaft. Bols­ nitzer hatte die Oberaufsicht über die Berg­ werke von Kappel und Schabenhausen zu führen, während die „Gesellschaft und Gewerkschaft“, die das kleine Rottweiler Revier am Schwarzwaldrand erschlossen und bisher ausgebeutet hatte, wie zuvor tätig bleiben sollte. Dem Vertrag mit Bolsnitzer zufolge waren die Angehörigen dieser Gewerkschaft und Gesellschaft in einem Bergbuch eingetragen; jetzt wurde für sie festgelegt, daß sie in der Regel ein Achtzehn­ tel der Bergwerksrechte, allerhöchstens aber ein Viertel der entsprechenden Anteile in einer Hand vereinigen durften. Über die Ein­ haltung solcher Vorschriften sollte künftig ein Bergrichter wachen, den die Reichsstadt Rottweil und die königlichen Behörden gemeinsam berufen wollten. Seine Aufgabe war es auch, darauf zu achten, daß der ,,zehend Kübel“, der jeweils gefördert wurde, je hälftig der Stadt Rottweil und der könig­ lichen Kasse zugute kam, weiter, daß die steuerlichen Abgaben in Rottweil einwand­ frei verrechnet wurden, und schließlich, daß die Bergleute in Kappel ordnungsgemäß ihre Löhne erhielten. Darüber hinaus machte Bolsnitzer den . Reichsstädtern weitere Zugeständnisse. Bei entsprechendem Bedarf sollten in Kappel nur Rottweiler Handwerker arbeiten, und die Verpflegung hatte ausschließlich durch Rott­ weiler Bäcker und Metzger zu erfolgen. Wie fest man glaubte, gerade auch auf diesem Sektor in Kappel gut verdienen zu können, ergibt sich aus dem Umstand, daß sich die Rottweiler die Einrichtung eines festen Wochenmarktes beim Bergwerk Kappel vor­ behielten, ,,wo sich das Volckh mehren“ würde. Schließlich sicherten sich die Rott- weiler Vorzugspreise beim Erwerb von zu förderndem Silber, Kupfer und Blei, räum­ ten aber ihrerseits der Kappler Gewerkschaft die Nutzung der städtischen Waldungen in der Umgebung und der Wasserkraft der Eschachnebenbäche im Bereich von Kappel und Fischbach ein. So hoffnungsvoll sich die Zukunft des Rottweiler Silberbergwerks in Kappel 1520 damit abzeichnete, so sang-und klanglos mußte das Projekt offensichtlich auf Grund mangelhafter geologischer Voraussetzungen wieder aufgegeben werden – jedenfalls berichten die erhaltenen Archivalien für die folgenden Jahre rein gar nichts von der Wei­ terführung der mit soviel Nachdruck einge­ leiteten Rottweiler Bemühungen, die im übrigen auch bald nachließen, wenn es darum ging, die reichsstädtische Münzstätte auszubauen und in ihrem wirtschaftlichen Einfluß zu stärken. Nur zu Beginn des fol­ genden Jahrhunderts machten die württem­ bergischen Behörden, denen das benach­ barte Schabenhausen unterstand, nochmals den Versuch, den Silberabbau in Kappel in Schwung zu bringen. Die Initiative, für die sich auch der Villinger Unternehmer Michael Schwert einsetzte, und die unter württembergischer Beteiligung vor allem mit Straßburger Geld zum Ziel kommen sollte, scheiterte allerdings am Desinteresse der Rottweiler, die hier vermutlich ein uner­ wünschtes Erstarken des württembergischen Wirtschaftseinflusses befürchteten. So erinnerte sich Rottweil erst wieder in der bitteren Armut der Jahre unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg des Berg­ werks in Kappel und des einst von Kaiser Maximilian hierfür gewährten Privilegs.1652 verpflichtete die Reichsstadt deshalb den Bergmeister Michael Pallandt und zwei wei­ tere, wohl aus Tirol stammende Fachleute zur Wiederaufnahme der Nachforschungen in den Wäldern nördlich von Kappel. Es wurde auch alles getan, um die drei Männer bei guter Stimmung zu halten, und wieder­ holt machte man ihnen damit eine Freude, daß vom Rottweiler Rat Bier für sie nach 117

Niedereschach hinausgeschickt wurde. Aber auch beim vorab in Auftrag gegebenen Bau einer Schmelzhütte mit Schmelzofen für die zu fördernden Erze erwies sich der Wunsch der Rottweiler als Vater des Gedankens, nicht weniger bei der beachtlichen Zahl von Berg­ knappen, die zusammenströmten und „zuo Kappel graben wöllen.“ Die Beurteilung der geförderten Erzproben durch den Münzmei­ ster des Bischofs von Konstanz und ebenso das Gutachten des Bergmeisters von Wolf­ ach im Kinzigtal fielen nämlich mehr als ernüchternd aus. Das Schabenhauser Mate­ rial sei „der müehe nit wehrt“, das Nieder­ eschacher „Erz“ ein „wilder Stain“ und hin­ sichtlich des im Gestein bei Kappel auftre­ tenden Silbers sei bei einer Förderung „der unkosten höher als der ertragende nutzen“, so ließen sich die Sachverständigen verneh­ men – kein Wunder, daß man in Rottweil daraufhin den Traum vom leicht gewonne­ nen Silber von Kappel endgültig begrub. Er wurde zu Reichsstadtzeiten und auch später nicht wieder mit neuem Leben erfüllt, so daß heute in den dortigen Gewannen „Silber­ halde“ und „Knappental“ nur noch Reste von Abraumhalden, Stollenzugängen und Spuren des Abbaus von Gestein über Tag an die bergmännische Vergangenheit von Kap­ pel im frühen 16. Jahrhundert und in der Mitte des folgenden Jahrhunderts erinnern. Wenige Jahre nach dem Einsetzen der Anstrengungen der Reichsstadt Rottweil, in ihrem eigenen Machtbereich in Kappel Sil­ ber abzubauen, ist ein weiterer Rottweiler Versuch zu verzeichnen, am Schwarzwald­ rand ins Bergbaugeschäft einzusteigen. Viel­ leicht die gleiche Gruppierung wie in Kappel verfolgte als „Rottweiler Gesellschaft“ von Privatleuten das Ziel, in Eisenbach und Fah­ lenbach im Neufürstenbergischen die Erze im Bereich der Eisenglanzvorkommen des dortigen Granitmassivs abzubauen, zumal hier auch mit Erfolg nach Silber und anderen Mineralien geschürft wurde. Zwar kann es keinen Zweifel darüber geben, daß in diesem Gebiet schon zuvor Bergbau getrieben wurde, aber der früheste nachweisbare Besit- 118 zer des größten Teiles der dortigen Anlagen war Konrad Mock aus Rottweil, der als gebürtiger Meßkircher zunächst in fürsten­ bergischen Diensten stand, um 1515 nach Rottweil einheiratete und sich als Jurist in der Stadt des Kaiserlichen Hofgerichts nieder­ ließ, die er 1532 auf dem Reichstag zu Augs­ burg vertrat und deren Bürgermeister er schließlich im Jahre 1535 geworden ist. Für Mocks wirtschaftliche Aktivitäten im Bereich des Bergbaus zu Eisenbach waren offenbar zwei Aspekte seines Lebenslaufes von Bedeutung. Man wird einmal annehmen dürfen, daß die Fürstenberger anfänglich in Mock einen Mann ihres Vertrauens erblick­ ten und ihm bei seinen Bemühungen wenig­ stens zunächst keinerlei Schwierigkeiten machten. Höchstwahrscheinlich ist weiter, daß er durch seine Heirat mit der Rottweile­ rin Anna Maria Bodmer in den Besitz der für den nachhaltigen Einstieg ins aufwen­ dige Bergbaugeschäft notwendigen fman­ ziellen Mittel gelangte. Sein Schwager Caspar Bodmer erscheint dementsprechend zusammen mit Berchtold Has aus Hüfingen als Mitgesellschafter Mocks in Eisenbach. Schon vor 1523 drängten freilich Philipp von Almendshofen zu Irnmendingen und Jörg von Hornstein Konrad Mock und seine bürgerlichen Gesellschafter aus dem unmit­ telbaren Besitz der Erzbergwerke von Eisen­ bach. Die Gründe für diese Entwicklung dürften politischer Natur gewesen sein, denn die neuen Bergwerkseigner blieben vom Kapital ihrer Vorgänger abhängig, von denen allein Mock noch 1523 vermutlich min­ destens 3000 Gulden im Bergwerksgeschäft stecken hatte. Allem Anschein nach war Mock aber auch noch durch einen weiteren Verwand­ ten, den Rottweiler Hans Volmar-Rot den Jüngeren, mit Eisenbach verbunden. Vol­ mar-Rot ist möglicherweise schon seit 1518, als er Blei nach Schaffhausen lieferte, ,,Fak­ tor“ des Eisenbacher Bergwerks gewesen, worunter man heute vielleicht eine Art „Technischen Direktor“ verstehen würde. Hans Volmar-Rot fmanzierte – gestützt auf

die Schaffhauser Bankier-Familie Peyer -in noch stärkerem Umfang als Mock Philipp von Almendshofen und Jörg von Hornstein und versuchte wohl, die beiden Adeligen aus dem Unternehmen wieder hinauszudrän­ gen, da sie rasch in erhebliche Schwierigkei­ ten gerieten, auch nur die Zinsen für die vor­ gestreckten Kapitalien aufzubringen. Aber obwohl Volmar-Rot in dieser Situation auch mit der für ihn leicht zu erreichenden Rük­ kendeckung des Rottweiler Hofgeric;hts gegen die beiden vorgehen konnte, erreichte er dieses Ziel nicht. Philipp von Almends­ hofen und Jörg von Hornstein erzielten im Januar 1526 einen Vergleich, auf Grund des­ sen sie Hans Volmar-Rot zusagten, ihm 4400 Gulden nach Rottweil bar auszuzahlen und zusätzlich 100 Zentner Eisen „wol gelut“ (wohl geläutert) und „suber geschmidt“ (sau­ ber geschmiedet) zu liefern, womit auch ein­ mal eine Aussage dafür vorliegt, daß im Revier von Eisenbach in diesen Jahren offen­ bar nicht nur Erz gefördert, sondern auch fachmännisch verhüttet wurde. Wenn darü­ ber hinaus gegenüber Volrnar-Rot auch Ansprüche abzugelten waren, welche Ulrich Bletz von Rotenstein und Hans Brülinger von Villingen gegenüber den genannten Herren vom Adel angemeldet hatten, dann werden so die Umrisse einer Gesellschaft noch deutlicher, die zuvor mit Angehörigen in Rottweil, aber auch in Villingen und Hüfingen das Bergwerk von Eisenbach finanziell getragen hatte. Es fallt auf, daß alle so bekannten Eisen­ bacher Gesellschafter außerhalb des Fürsten­ bergischen Machtbereiches ansässig und damit auch von anderen politischen Größen abhängig waren. Wenn das Bergwerk in Eisenbach schließlich über den Spekulanten Veit Jakob Tänzl zu Tratzberg bis 1530 an Graf Friedrich von Fürstenberg gelangte, wird deutlich, welcher politische Wille hinter der Besitzentwicklung des Bergwerks seit spätestens 1523 stand: Nachdem bürgerli­ ches Kapital aus der ganzen Region das Eisenbacher Bergwerk erschlossen hatte, ver­ suchte die fürstenbergische Landesherr- schaft offenbar über die „Strohmänner“ Jörg von Hornstein und Philipp von Almendsho­ fen und mit sichtlichem Erfolg das Bergwerk unmittelbar in ihre Hand zu bringen, auch wenn es von der Rendite her zeitweilig nicht die ganz großen Gewinne abwarf; immerhin dürfte dieser Gesichtspunkt den ursprüng­ lichen Eisenbacher Gesellschaftern den Abschied von »ihrem“ Bergwerk wenigstens erleichtert haben. Die beiden Rottweiler Versuche, am Schwarzwaldostrand im Bergbau eine Hih­ rende Rolle zu spielen, waren zum Scheitern verurteilt, auch wenn die Reichsstadt an der Schwelle zum 17. Jahrhundert nochmals in bemerkenswert enger Beziehung zu Michael Schwert von Villingen erscheint, der gerade das Erzbergwerk von Eisenbach erstmalig im neuzeitlichen Stil betrieben hat. Um auf die­ sem Wirtschaftssektor auf die Dauer erfolg­ reich zu arbeiten, fehlten sowohl den Rott­ weilern, wie auch anderen politischen Kräf­ ten, die hierfür in diesem Raum hätten in Frage kommen können, die erforderlichen Voraussetzungen, ganz abgesehen davon, daß der Bergbau auf Grund der natürlichen Gegebenheiten nicht unbedingt die große wirtschaftliche Zukunft unserer Region hätte versprechen können. Statt dessen gab es auf anderen Sektoren des wirtschaftlichen Geschehens zwischen der Baar und dem Gebiet am oberen Neckar auch danach Austausch und Zusammenar­ beit, zumindest bis weit hinein ins 18. Jahr­ hundert. Nachdem die damalige Wirtschaft auf dem Weg zur „Knappheitsgesellschaft“ einem engstirnigen Konkurrenzdenken ständig mehr Gewicht zugestand und dem­ entsprechend Zollschranken immer wichti­ ger wurden, und als in der napoleonischen Zeit unser Gebiet durch eine wenig vorteil­ hafte Grenzziehung in zwei Teile zerschnit­ ten wurde, die wirtschaftlich zunächst sowohl auf der württembergischen, wie auf der badischen Seite in erster Linie als Zoll­ grenzbezirke charakterisiert waren, hat im Grunde erst die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg früher auch wirtschaftlich 119

250 Jahre unterwegs zusammengehörige Räume wieder vollends mer betreut wird, mag als Ausdruck dessen vereint. Daß die gesamte Region Schwarz­ gelten und entspricht zweifellos traditions­ wald-Baar-Heuberg seit einigen Jahren von reichen geschichtlichen Strukturen unserer einer einzigen Industrie-und Handelskam- Heimat. Die Brüdergemeine in Königsfeld war Mittelpunkt eines Jubiläums Am 21. August 1982 hat sich der Tag zum Daraus entstand eine lebendige Gemein­ schaft, die in ganz Europa und in vielen 250.Mal gejährt, an dem Leonhard Dober und David Nitschmann als Handwerker­ Ländern anderer Kontinente erhebliche Aus­ strahlung erzielte. Missionare von Herrnhut aus zu den Neger­ Im Schwarzwald-Saar-Kreis entstand 1807 sklaven auf der damals dänischen Kolonial­ insel St. Thomas in der Karibik auszogen. auf dem Gelände des Hörnlishofes die Sied­ Mitte Dezember kamen sie an, zu Fuß und lung Königsfeld, vom württembergischen König privilegiert, später badisch, und bis per Segelschiff. Die Herrnhuter Brüdergemeine-offiziell heute ein Ort, wo Menschen aus nah und fern einander begegnen, die im Dienste des auch Evangelische Brüderunität genannt – ist eine Freikirche, die auf die sogenannte Königs Jesus Christus stehen. Vom 8. bis 10. Oktober 1982 war Königs­ „Erste Reformation“ zurückgeht, die von feld der Mittelpunkt für die Jubiläumsfeier Hus in Böhmen im 15.Jahrhundert ausging. im süddeutschen Raum. Die Brüdergemeine Entscheidende Impulse erhielt sie im 18.Jahr­ arbeitet in Königsfeld eng mit der Landes­ hundert durch den Grafen Zinzendorf, der kirche zusammen, was besonders auch bei auf seinem Gut den Ort Herrnhut gründete den Feierlichkeiten zum Ausdruck kam. und dort Glaubensflüchtlinge aufnahm. Erste Missionsstation auf St. Thomas, wo die Missionare im Dez.ember 1732 mit der Arbeit begannen. 120

Zu den Armen Auffällig ist bei der Betra�h�ung der G�­ schichte der Herrnhuter Mission, daß die Brüder sich häufig zu den ärmsten, unter­ drückten, aussterbenden Völkern gerufen wußten um ihnen von Jesus zu sagen, Ge­ meinde� zu bilden, Schulen und medizi­ nische Hilfe zu bringen. Wir erwähnten die Sklaven in St. Thomas. Es folgten andere Inseln, unter ihnen vor allem Jamaika, wo heute eine größere Brü�er­ kirche besteht. Der englische Name ist: Moravian Church. Die Eskimos in Grönland, Labrador und Alaska, die australischen Ur­ einwohner, Buschneger in Surinam, die Indianer Nordamerikas, die Hottentotten in Südafrika waren neben vielen anderen Völkern Zielgruppen für die Herrnhuter Missionare. Die Tibeter in Nordindien und Aussätzige in Palästina kamen im 19. Jahr­ hundert hinzu. Von dem Gedanken der Liebe Gottes für alle Menschen her und nach dem Vorbild Jesu Christi, der sich der �men e�barmte, gaben viele ihr Leben für diesen Dienst. In der frühen Zeit erlagen Hunderte den Krank­ heiten der tropischen Lärider. Immer wieder traten neue Schwestern und Brüder an ihre Stelle. Sie waren überzeugt, dieser Dienst sei ihr Weg. Die Aussichten auf S_chif:1,ruch, Krankheit und Tod schreckten sie nicht ab. Mancher frühe Versuch mißlang. Aber an vielen Orten erlebten sie, daß Menschen die Botschaft hörten, annahmen, sich taufen ließen und Gemeinden bildeten. Es war nicht das Ziel, ganze Völker zu christianisieren. Vielmehr sahen sie ihre Auf­ gabe darin, ,,Erstlinge“, also Mind_�rheits­ gruppen aus vielen V�lk�rn un� Stamm�n zu Jesus zu führen, die ihrerseits dann m ihrem Land die Arbeit weitertragen sollten. Lebendiger Austausch Die gesamte Brüderkirche besteht heute aus einer halben Million Menschen, von denen nur ein Viertel Weiße sind in Ost­ und Westeuropa und Nordamerika. Schwer- punkte sind Tansania, S�d�rika un? der karibische Raum einschließlich Surmam, Nicaragua und eine Reihe von Inseln. Königsfeld sieht sehr oft Gäste eine� oder mehrerer dieser Kirchen, und stets gibt es neue Berichte von Reisenden oder Mitar­ beitern, die Grüße aus einer der Schwester­ kirchen bringen. Die Kontakte zu den Ge­ meinden in der DDR, nach Südafrika und zu den surinamischen Migranten in den Niederlanden sind besonders eng. Nicht nur auf den Grabsteinen auf dem als Gottesacker“ bekarmten Friedhof in Königsfeld finden wir Missionarsnamen mit exotischen Geburtsorten. Auch unter der heutigen Bevölkerung sind ältere und jüngere Gemeindeglieder, die einen Teil_ ihres Le­ bens oder doch Jahre in der Dntten Welt verbracht haben oder dort geboren sind. Der Geist der Brüdergemeine ist durch christlichen Ernst, zugleich aber durch diese weltweiten Verbindungen geprägt und daher nie provinziell oder eng. Nicht zuletzt diese Ausstrahlung ermutigt viele Gäste- und Be­ suchergruppen, immer wieder gern _nach Königsfeld zu kommen. Es macht diesen Ort zu einem Kurort einzigartiger Prägung. Das Heilklima umfaßt auch den geistig-see­ lischen Bereich, sofern der Gast dies sucht W. Günther und wünscht. -·�“ Frühlingserwachen Auf Schnee und Eis – ein Sonnenstrahl Durch alte Bäume grau und fahl Zieht schon ein Frühlingslüftchen mild, Der Himmel blau – ein herrlich‘ Bild. Leben kommt jetzt in die Straßen, Kinder freu’n sich ohne Maßen, Alle spüren gar die Wärme Und schon ganze Vogelschwärme. Ja, neu erwacht ist die Natur, Wir folgen alle Gottes Spur, Der uns’re Welt so schön gemacht, An Dich und mich voll Lieb‘ gedacht. J oharmes Hawner 121

Die Fürstengruft zu Neudingen Abseits vom lautstarken Treiben liegt weithin sichtbar das Bauerndorf Neu­ d ingen. Markant erhebt sich ein kleiner Hügel, mit mächtigen alten Bäumen be­ stockt, aus deren Kronen die Kuppel eines Gotteshauses herausragt: die Gruftkirche Mariahof, die Grablege der Grafen und Fürsten zu Fürstenberg. GrafHeinrich II., welcher 1337 am 14. De­ zember in Villingen stirbt, ist der erste der auf „Mariahof‘, einem zu jener Zeit knapp einhundert Jahre bestehenden Frauenkloster, begraben wird. Schon Heinrich I., Graf von Urach und Freiburg, Großvater von Hein­ rich II., der 1287 in Villingen beerdigt wurde, verfolgte das Ziel, Neudingen zur Grablege seiner Familie zu machen. Der Plan wurde verwirklicht, als Villingen 1326 für das Haus Fürstenberg an Habsburg verloren ging. Ein Blick in das Innere: Der Hauptaltar der Gruftkirche im Neorenaissancestil. Unmittelhar davor befindet sich eine große Bronzeplatte, die den eigentlichen Zugang zur etwa 15 Meter tieferliegenden Gruftkammer abschließt. In der Wahl des Klosters Neudingen als Grablege, erstmals erwähnt im Jahre 1244, wenn vom Zusammengehen frommer �.rauen zu gemeinschaftlichen religiösen Ubungen ausgegangen werden kann – liegt ein tiefer symbolischer Sinn. Auf alter geweih­ ter Erde wurde hier bereits seit] ahrhunderten Recht gesprochen, über Leben und Tod ge­ richtet. Diese Stätte sollte zum Ort der letzten Ruhe werden für die Mitglieder des Hauses Fürstenberg. In ständigem Wechsel geschichtlicher Er­ eignisse verflochten, traf das Kloster mannig­ faltige Schicksale. Schon 1413 zerstörte es ein Brand. Bei einer Teilung zwischen den Die Vorderansicht der Gruftkirche „Mariahof‘, von der Westseite her gesehen. 122

Gebrüdern Wilhelm und Friedrich im Jahre 1522 blieb Mariahof als gemeinsame Fami­ liengrableg; in beider Besitz.Am 19. Oktober 1596 starb GrafHeinrich, vermutlich infolge der Pest, und wurde auf Mariahof beigesetzt. 1736 wird ein Einbruch im klostereigenen Gasthaus registriert und 1756, am 6. Mai, brannte es mit der Scheune ab, wobei Brand­ stiftung vermutet wird. Dabei soll ein ,,Kruzi­ fixbild“ aus den Flammen „aufgestiegen“ sein. Das „Kruzifixbild zu Maria Hof‘ wurde auf emem Seitenaltar der alten Klosterkirche aufgestt:llt. Gebetserhörungen und Wunder verbreiteten seinen Ruf und zogen Wallfah­ rer an. Bereits nach elfJ ahren war die Kirche erneuert und ein neuer Altar errichtet. Beim Bau dieses Altars, 1767 vom Reichsprälaten Anselm II. aus Salem eingeweiht, entdeckten die Maurer bei Grabarbeiten in einer Tiefe von 1 Y2 Metern eine Grabplatte mit der Inschrift: ,,Den 9. February anno 1592 starb die Edel und Tugendreich Frau Elisabeth Fürstenbergerin geb. von arnoperg des Edlen und vesten Philips Jacob Fürstenbergs gemahl. Deren gnad Amen.“ Darunter folgte: „den 27. Septembris 1607 starb die Edel und Tugendreich jungfrauw Amalie Fürsten­ bergerin beder ehelicher Tochter deren sambt allen Christgläubigen Gott gnedig sein wolle Amen“. Nicht alle Angehörigen der fürstlichen Familie fanden ,,Auf Hof‘ in Neudingen ihre letzte Ruhestätte. Karl Egon I. (t1767) und Karl Alois, am 25. März 1799, als Mar­ schall-Liutinant in der Schlacht bei Liptingen auf Seiten Österreichs gegen Napoleon ge­ fallen, sind die letzten des Geschlechts, die noch in geordneter Obhut klösterlicher Tra­ dition und Fürsorge dort bestattet wurden. Im Jahr 1802 ereilte das in fürstenber­ gischen Besitz übergegangene Hauskloster das Schicksal der Säkularisation. Die Güter nahm man weg, die Aufnahme neuer Kandi­ datinnen wurde versagt, die Klöster sollten aussterben. Ab 1812 registrierte man die Klosterfrauen mit bürgerlichem Namen. Zwi­ schen 1813 und 1814, kurz nach Auflösung, fand das Neudinger Kloster Verwendung Das Kreuz über der Aref?engrufi, die 1954 ange­ legt wurde. In ihr ruhen der am 10.januar 1952 tödlich verunglückte Prinz Kari, sein 1959 ver­ storbener Vater Prinz Max Egon sowie seine Mutter Wilhelmine, eine geborene Gräfin und Herrin von Schönburg-Glauchau, die 1964 verstarb. als Spital für russische Kriegsgefangene.1826 richtete man mit Hilfe der fürstlichen Fami­ lie für die Dauer von einem Jahr eine Blin­ denanstalt ein, und vom Jahre 1843 an dienten die Gebäudlichkeiten als Anstalt für sittlich verwahrloste Kinder. Ein Großbrand am 23. März 1852 ver­ nichtete die Klosteranlage einschließlich der Kirche. Der Brand fügte den tiefliegenden Grabkammern der alten und der neuen Gruft, die unter der Sakristei der alten Kirche lagen, keine Schäden zu. Karl Egon II., von 1804 bis 1806 letzter souveräner Fürst zu Fürsten­ berg, ordnete den Bau der heutigen Gruft­ kirche, unter der er selbst seit 1854 ruht, an und beauftragte damit seinen Baumeister 123

Th. Diebold, der aufReisen nach Italien An­ regungen und Vorbilder suchte. Die Bauzeit der heutigen Gruftkirche, im Neorenaissancestil errichtet, dauerte von 1853 bis 1856. Einige Jahre später erfolgte der Innen­ schmuck der Kapelle mit Entwürfen der Kartons zu den Aposteln in der Kuppel und den Bildern im Chor von dem Historienmaler Heinemann aus Hüfingen. Der Maler Scha­ bets aus München lieferte die Entwürfe zu den vier Evangelisten. Die Skulpturen am Außenbau, am Hauptaltar sowie die Seiten­ altäre sind Werke des Hüfinger Bildhauers F.X. Reich und die Mater Dolorosa am rechten Seitenaltar ist eine Schöpfung des Bildhauers Benzoni aus Rom. Orgelbauer Walke aus Ludwigsburg baute 1859 die Orgel ein. Ein Jahr später lieferte Glockengießer Rösenlächer aus Konstanz die mit den Neu­ dinger Kirchenglocken übereinstimmende Glocke mit der Inschrift: „Majorum Serenis­ simi Memoriae Carolus Egeno Princeps de Fürstenberg 1860″. Die Engelsfiguren zu beiden Seiten des Hauptaltars, Meisterwerke des Klassizismus aus der Werkstatt von Professor Heer aus Karlsruhe, kamen 1881 hinzu. 1872 legte man den Park an. Mit der Montage des mächtigen Eingangstors im Jahre 1873 fand die Gesamtanlage ihre Voll­ endung. Nach ihrem Gemahl, Karl Egon II., wird auch Fürstin Elisabeth, eine geborene Prin­ zessin von Baden, welche 1869 starb, unter der neuen Gruftkapelle beigesetzt. Ihr folg­ ten 1892 Karl Egon III. und 1896 Karl Egon IV. 1954 legte Prinz Max Egon außer­ halb der Familiengruft in unmittelbarer Nähe der Kirche eine neue Grabkammer an. Hier ruhen der 1896 in Prag geborene Prinz Max Egon, der Vater des jetzigen Fürsten, und seine 1964 verstorbene Gemahlin Wil­ helmine, geborene Gräfin und Herrin von Schönburg-Glauchau. Prinz Kari, der 1954 tödlich verunglückte-nach ihm ist das Donau­ eschinger Reitturnier benannt -war als erster in der äußeren Ruhestatt beigesetzt worden. 124 Relief„ Verkündigung“ Marmor Katholische Geistliche, die imKaplaneihaus neben der Gruftkirche residierten, übten über viele Jahrzehnte das Amt des Hof­ kaplans aus. Der letzte langjährige Fürstlich Fürstenbergische Hofkaplan Dr. Schupp, der vor wenigen Jahren starb, war ob seiner um­ fassenden Geschichtskenntnisse weithin ge­ schätzt. Der Dienst als Mesner in der Gruft­ kirche ,,Alter Hof“ lag über zwei Generatio­ nen in Händen der Familie Bury aus Neu­ dingen. Auch die Pflege des Parks war mit dieser Tätigkeit verbunden. Am 19.Juli 1981 schloß im Alter von fast 77 Jahren FranzBury, der letzte Fürstlich Fürstenbergische Gruft­ mesner, für immer die Augen. Seine Frau Karolina führt seitdem die Tradition der Familie fort. Mit Mariahof und der Gruftkirche in Neu­ dingen besitzt die Baarlandschaft ein kost­ bares kulturelles und geschichtliches Kleinod, das vielen zugleich zu einem Ort stiller Besinnung geworden ist. Franz Gottwalt

Maria Antoinettes Brautfahrt Von Wien nach Paris: der Aufenthalt in Donaueschingen Man schrieb das J ahrl 770, als der Fürsten­ bergische Residenzort Donaueschingen vom 3.auf 4. Mai das prunkvollste Fest aller Zeiten erlebte. Regierender Fürst zu der Zeit war Joseph Wenzel Fürst zu Fürstenberg (1728-1783), der zusammen mit seiner Ge­ mahlin Maria Josepha Erbtruchsessin zu Waldburg, Gräfin zu Friedberg-Scheer, im Schloß am Donau-Ursprung residierte. In Wien regierte Kaiserin Maria Theresia, und ihre Absicht war es, ihre T achter, die 1755 geborene Erzherzogin Maria Antonia J osepha J ohanna, mit dem Enkel des fran­ zösichen Königs Ludwig XV., dem Dauphin (Thronfolger) Louis Auguste und späteren König Ludwig XVI. von Frankreich (1754- 1793), zu verheiraten. Kaiser Franz 1. von Österreich (Franz Stephan von Lothringen) war bereits 1765 verstorben. Seit diesem Jahr hatten wegen der beabsichtigten Verbindung Verhandlungen zwischen den Höfen von Wien und Paris stattgefunden. Diese stießen am fran­ zösischen Hof zuerst auf gewaltigen Widerstand. Das ausgezeichnete diplomatische Talent Maria Theresias brachte es aber soweit, daß am 19. April 1770 in der Wiener Hofkirche der Augustiner die Trauung durch Prokura­ tion (Stellvertretung) stattfinden konnte, denn am 16. April 1770 war die feierliche Werbung des französischen Botschafters um die Hand der jungen Erzherzogin erfolgt. Während der päpstliche Nuntius Visconti die Trauung vollzog, vertrat Erzherzog Ferdinand, ein Bruder der Braut, des Bräutigams Stelle. Man war sich in Wien schon seit Mona­ ten darüber im klaren, daß diese Allianz zu­ stande kommen werde, denn schon im Dezember 1769 traf am Fürstlich Fürsten­ bergischen Hof in Donaueschingen ein Schreiben Joseph II., des ältesten Sohnes Maria Theresias und ihres Mitregenten, mit folgendem Wortlaut ein: ,,Nächsthin tritt unsere Schwester Maria Antonia die Reise nach Paris über Straßburg an. Wie auf jeder Station nun 330 Pferde zum Auswechseln nötig sind, so haben wir ergebenst ersuchen wollen, Sie ( also Fürst] oseph Wenzel) wollen zu dessen Beförderung allen Vorschub tun und verfügen, damit unserer freundlichst geliebten Schwester und ihrem Gefolge mit deren benötigten Pferden auf jeder Station an Handen gegangen, die Brücken und Straßen, wo es nötig ist, ausgebessert werden, und an denen Orten, wo sie des Mittags oder Abends einkehren deren Viktualien halber solche Maßnahmen geschehen mögen, damit man die Notdurft um billige, bare Bezahlung haben könne.“ Fürst Joseph Wenzel setzte alles daran, um der Königlichen Hoheit einen würdigen Empfang zu bereiten. Das Schloß wurde zum Aufenthaltsort bestimmt, es wurden keine Mühen und keine Kosten, aber auch kei­ ne Schulden gescheut, um die Anhänglichkeit 125

an das habsburgische Haus und an die populäre Kaiserin Maria Theresia deutlich zu bekun­ den. Das Schloß wurde aufs zweckmäßigste umgebaut, fehlendes Mobiliar wie Tafeltische, Stühle, Bettstatten und Schränke wurden aus der Umgegend geliehen. Die Fürstenbergi­ schen Schlösser Heiligenberg, Meßkirch und Stühlingen schickten, was verlangt wurde. 130 von den besten Matratzen, 130 Couvert­ Decken, 40 Oberbetten mit dem nötigen Überzeug, 300 Leintücher, 130 Kopfkissen, 100 Kopfpolster von Matratzen und Stroh­ säcke, 24 „Lavor“ und die dazugehörigen Platten und 80 „zinnene Pots de chambre“ waren zum Vorhandenen nötig, um die Nachtlager für die Erzherzogin und ihr Gefolge einrichten zu können. Diese waren in der zweiten bzw. dritten Etage des Schlos­ ses vorgesehen. Für die großen Tafeln, die in der ersten Etage aufgebaut werden sollten, war ebenfalls Zusätzliches erforderlich. Es wurden noch angefordert: 100 von den besten Fayencetellem mit den brauchbaren Tee-und Kaffeekannen von Zinn und Fayence, alle brauchbaren Messer und Gabeln, 40 oridinari-silberne Vorlegelöffel und Teelöffel und alle »Bastetenmödeln“. Nach dem von Wien bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Programm mußte der Braut­ zug am 3. Mai von Stockach kommend in Donaueschingen eintreffen, es war hier die elfte von 16 Nachtstationen zwischen Wien und Straßburg vom 21. April bis 7. Mai 1770 eingeplant. Sieben weitere Tagesfahrten durch das Elsaß und Lothringen brachten die Braut mit ihrem großartigen Hofreisezug, dem letzten des 18.Jahrhunderts, Paris bzw. Compiegne näher, wo die erste Begegnung der Neuvermählten stattfand. In Donaueschingen war man auf den großen Tag gerüstet. Nicht nur das Fürsten­ haus und die Donaueschinger Bevölkerung fieberten diesem Tag entgegen, auch das ganze Umland wurde mobilisiert und die Männer teils in Uniformen gesteckt. Köche, Bäcker und Hilfspersonen wurden herbei­ beordert und eingeteilt. Die Wirte sollten für die Ankunft der Königlichen Hoheit einen 126 genügenden Vorrat an Wein und anderen Viktualien bereithalten. Da die eigentlichen Wirtshäuser, wie es heißt, für die „honora­ tiores“ bereitgehalten wurden, war jedem Einwohner gestattet, Wein auszuschenken. Diese Erlaubnis galt acht Tage vor bis acht Tage nach dem festlichen Ereignis. Man befürchtete, daß durch die vielen Schaulustigen aus der Umgebung die hiesi­ gen Bäcker nicht genügend Brot aufbringen würden, deshalb durften zu diesem Anlaß die Bäcker der umliegenden Ortschaften Brot nach Belieben in den Residenzort brin­ s:en. Auf Wunsch der Metzger erging an die Amter Hüfingen und Neustadt und deren Umgebung der Befehl, kein Vieh und keine Masttiere nach auswärts zu verkaufen, son­ dern alles den Donaueschinger Metzgern gegen bare Bezahlung zuzuschicken. Die Vögte in der Umgebung wurden er­ sucht, die Bewohner ihrer Gemeinden anzu­ halten, daß sie bei der Ankunft ihrer König­ lichen Hoheit nicht haufenweise in die Resi­ denz zu kommen, sondern sich auf beiden Seiten der Straße gleichmäßig verteilen soll­ ten. Eine einheitliche Kleidung war er­ wünscht. Die Burschen sollten mit ihren roten Kamisolen (von lat. camisia, Hemd, kurz­ ärmeliges Unterwams), die verheirateten Männer mit ihren grauen oder braunen Röcken und die ledigen Mädchen mit ihren Schappeln oder mit Hochzeitskränzchen geschmückt erscheinen. Um eventuelle Brandkatastrophen zu ver­ hindern, wurden die Feuerspritzen von Aasen, Heidenhofen, Pfohren, Sumpfohren, Neu­ dingen, Wolterdingen, Tannheim,Kirchdorf und Hochemmingen nach Donaueschingen beordert und in allen Teilen des Ortes in Bereitschaft gehalten. Die Einfahrt am sogenannten unteren Schloßtor wurde eigens abgeändert, was die Anlegung einer neuen Straße zur Folge hatte. Es ist damals die lange Straße von Pfohren nach Donaueschingen nach dem Muster französischer Chausseen mit je einer Reihe von Bäumen (hier Pappeln) seitwärts ange­ legt worden. Die Gemeinden Donaueschin-

gen, Wolterdingen, Tannheim, Kirchdorf und Hochemmingen wurden damit beauf­ tragt. Für das Spalier am unteren Schloßtor war eine Abteilung der Fürstenbergischen Berg­ leute in ihrer malerischen Bergmannstracht eingeteilt. Sie trugen weiße baumwollene Strümpfe, rote Hosen, schwarze Bergkittel mit roten Aufschlägen und als Kopfbedek­ kung ihre Sehachthüte, auf die das Fürsten­ bergische Wappen mit den überkreuzten Bergmannshär em aus Zinn aufgenäht war. 127

Dahinter postiert waren die ledigen Mäd­ chen mit ihren Schappeln sowie die Bur­ schen und die Mannsbilder von Donau­ eschingen. Am 3. Mai, dem Tag der Ankunft, waren zwei „Cavaliers“ des Hofes nach Stockach geschickt worden, wo die hohe Braut Nacht­ station zu halten gedachte. Die Kavaliere hatten ihr dort das Kompliment des Fürsten zu machen und die „Dauphine allerunter­ tänigst zu invitieren“. In Meßkirch wur­ den nochmals die Pferde gewechselt. Ein Trupp berittener Jäger hatte den Zug zwi­ schen Aach und Engen in Empfang zu nehmen und diesen nach Donaueschingen zu geleiten. Auf das große Ereignis hin wurde eigens ein berittenes Jägerkorps (Bild 1) ins Leben gerufen. Es waren Männer der ganzen Umgebung. Die Offiziere trugen graue Röcke mit grünem Samtaufschlag und Klappen, das Kamisol war von grünem Tuch mit Gold­ B ordüre nebst einer Samt-Kappe. Die Ge­ meinen trugen graue Röcke mit Tuchauf­ schlag, ein grünes Kamisol, einen grünen Hut mit goldenen Borten, grüner Masche und grünem Busch. Jeder Jäger mußte ein sau­ beres Pferd samt Sattel und Zaum haben, dann ein paar schwarze Stiefel mit Sporen. Die Jäger bekamen für ihr Pferd einen gewis­ sen Nahrungszuschuß. Schon zwei Monate vor den Festlichkeiten wurde den Mitgliedern des Jägerkorps ein­ geschärft, daß sie sich von nun an den Schnurrbart wachsen lassen, daß sie sich allmählich daran gewöhnen, einen Zopf ein­ zubinden und die Seitenhaare nicht abzu­ schneiden, damit solche leicht frisiert und an den Schläfen zu „Boucle’s“ aufgerollt werden konnten. Auf den W artenberg und Fürstenberg waren Militärs abgesandt worden, um den hohen Gast mit Böllerschüssen zu begrüßen. Als die „Saluts“ vernommen wurden, trafen in Donaueschingen schon die „G’schwindreiter“ ein und meldeten, daß der Zug nicht mehr fern sei. Unter Böller­ gekrache und Glockengeläute zog die Braut in ihrer weiß-goldenen, von sechs rassigen 128 auch Lipizzanern gezogenen Karosse mit ihrem großen und glänzenden Gefolge durch dich­ tes Spalier in die Fürstenresidenz ein. Das Gefolge bestand aus rund 250 Per­ sonen, 57 Kutschen und Wagen und 450 Zug-und Reitpferden. Für alle Augenzeugen war es ein überwältigender Anblick, denn 21 sechsspännige Wagen fuhren die hohen Herrschaften, eine Reihe hübscher Karossen brachte die Angestellten und die Dienerschaft. Im Schloßhof empfing Fürst Joseph Wenzel die Königliche Hoheit an ihrem Wagen und geleitete sie zusammen mit den anwesenden „Hofcavaliers“ und Stabsoffi­ zieren zum Hauptportal des Schlosses, wo die Fürstin mit ihren Damen den Gast in Empfang nahm. Maria Antoinette wurde von Fürst und Fürstin durch ein Spalier aller Kammer-und Hoflaquais in Galalivree in ihr Audienzzimmer geführt. Die Hoflaquais hatten sich an der unteren und mittleren Stiege aufgestellt. Die Geheim-, Hof-, Regie­ rungs-und Kammerräte, die Sekretäre, Regi­ stratoren und die Kanzlisten, bildeten auf dem oberen Gange Spalier. In ihrem Audienzzimmer verblieb die Braut bis zur Festmahlzeit, nach der sie sich bald in ihr Schlafgemach begab, denn zeitig am anderen Morgen sollte die Weiterreise nach Freiburg angetreten werden. Für Unter­ haltung, Musik und Tanz blieb nicht viel Zeit übrig. Zur Verstärkung seines Hoforche­ sters hatte der Fürst eigens auswärtige Vir­ tuosen engagiert. Als Bevollmächtigten hatte Kaiserin Maria Theresia den Diplomaten Staats-und Konferenzminister Georg Adam Fürst Star­ hemberg ausersehen. Er hatte die Braut auf der Reise als Ranghöchster zu begleiten und sie in Versailles dem Bräutigam zu übergeben. Die technische Reiseleitung war dem Obrist­ Postrneister Fürst von Paar übertragen wor­ den. Fürstin von Paar hatte als Obrist-Hof­ meisterin die Aufgabe, stets in nächster Nähe der Braut zu sein. Träger bekannter Namen wie Trautmannsdorf, Schaffgotsch, Win­ dischgraetz, Kollowrath, Lamberg, Sternberg und Staray gehörten zum engeren Gefolge.

Mit auf die Reise geschickt waren: ein Kücheninspektor, zwei Mund-, ein Meister-, zwei Brot-, zwei Bäckereiköche, sieben Ordi­ nari-Köche, neun Küchenjungen, vier Küchenträger, sechs Spießtreiber, zwei Hof­ zuckerbäcker, ein Silberdiener, ein Silber­ wäscher mit fünf Gehilfen, ein T afeldecker mit fünf Gehilfen, 13 Extratafeljungen, ein Kellerdiener, ein Kellerbinder (Küfer) mit zwei Gehilfen und zwei Hofkellerjungen, alles zusammen 73 Personen. In der Fürstlichen Hofküche selbst war zahlreiches Personal vorhanden. Aus früheren Zeiten hatte man noch einen Meßkircher Koch in bester Erinnerung. Dieser stand in solch gutem Rufe, daß er unverzüglich gerufen wurde. Außerdem wurden aus He­ chingen zwei Köche und ein Hoftrompeter ausgeliehen. Aus Wolfach ließ man den Bäcker Fidel Schmider kommen, der wegen seiner vor­ züglichen Backwaren bekannt war. Dieser ließ sich später in Donaueschingen nieder, er­ baute sich im Jahre 1783 in der Nähe des Schlosses ein Haus (das spätere Gasthaus und Hotel ,,Zum Lamm“) und verzierte den Eingang desselben mit einer kunstvoll ge­ arbeiteten S teinmetzarbeit aus Sandstein, die das Zunftzeichen der Bäcker zeigt. Zwei ste­ hende Löwen halten einen geflochtenen Hefe­ kranz, darin eine Semmel und ein Gipfel. Dieser Stein wurde beim Abbruch des Hotel „Lamm“ rechtzeitig entfernt und in der Haus­ wand eines nahen Gebäudes eingelassen. Die Inschrift zeigt, wie stolz der Wolfacher Bäk­ ker auf seine Berufung nach Donaueschingen war; sie lautet: ,,Anno 1770, den 3ten May wurde ich Fidel Schrnider anhero berufen, den ersten Mundsemmel zur Hochfürst­ lichen Tafel zu backen, woran der Königin von Frankreich Majestät Maria Antonia speißten: Darnach erbaute ich dieses Haus Anno 1783″ (Bild 2). In der Frühe des 4. Mai, nach einem Gottesdienst in der Stadtkirche St.Johann und nach dem Umwechseln der Pferde, ging der Zug weiter. Die großen Böller krachten, und sämtliche Glocken begannen zu läuten. Die Bergleute paradierten nun am oberen Schloßtor, und am Zugweg in Richtung Hüfingen standen die Leute dichtgedrängt. Der ganze Glanz des Rokokozeitalters, die prächtigen Karossen, die Pracht und Eleganz der Kleidung, die schmucken Kavaliere zu Pferd neben und hinter den Wagen, die Vornehmheit und Zierlichkeit in Haltung und Benehmen und natürlich die junge Braut-man wollte es sehen. Die Braut (Bild 1), die diesen strapaziösen langen Weg ihres Brautzuges zu durchstehen hatte, wird in den Memoiren der Madame de Campau und in dem Geschichtswerk »Histoire de France“ von Larousse wie folgt beschrieben: „Sie war keine regelmäßige Schönheit, die Stirne war ein wenig zu ge­ wölbt, die Augen ein bißchen zu vorstehend; sie hatte die Habsburgische Unterlippe. Aber ihre Jugend -sie war erst 15 Jahre alt -, die Frische ihres Teints, ihr üppiges blondes Haar, ihr eleganter geschmeidiger Gang, ihre Heiterkeit und Lebhaftigkeit machten sie zu einem reizenden Geschöpf.“ Eine Abordnung des Fürstenbergischen Jägerkorps begleitete die Königliche Hoheit bis Freiburg, wo der Zug um die dritte Mittagsstunde eintraf. Nach dem Freiburger Aufenthalt zog die Dauphine ihrem neuen Heimatland entgegen, wo sie, ebenso wie ihr Gemahl Ludwig XVI., während der Fran­ zösischen Revolution 1793 enthauptet wurde. Damit ging der Name „Maria Antoinette“ für immer in die Bücher der Geschichte ein. Georg Goerlipp Literatur: Beck, Gertrud: Die Brautfahrt der Marie Antoinette durch die vorder­ österreichischen Lande. In: Barock in Baden-Württemberg. Band 2. 1981, S. 311-324. Moriz, Humbert: Maria Antoi­ nettes Aufenthalt in Donaueschingen auf ihrer Brautfahrt von Wien· nach Paris. In: Die Heimat.1932, Nr.13. ·’­“ 129

Die Wiederholung der Radmacher-Wette Helmut Glatz trat vor 20 Jahren in die Fußstapfen des Wagners Bixlin Zu den meistfotografierten Villinger Sehenswürdigkeiten gehört der Radmacher­ brunnen in der Rietstraße. Erst wenn man die hölzerne Tafel mit der Inschrift über die Geschichte des Radmachers studiert, weiß man, welche Bedeutung der geschnitzte Wagnergeselle darstellt. Am 4. Mai 1504 hat der Wagner Bixlin eine Wette abgeschlossen, daß er an einem Tag ein Wagenrad herstellt, es nach Rott­ weil rollt, dort den Wert des Rades verzehrt und am selben Tag wieder nach Villingen zurückkehrt. Der Wagner hat die Wette ge­ wonnen. Den Beweis dafür liefert die sog. Hug’sche Chronik, in der Aufzeichnungen über manche historischen Ereignisse zu lesen sind. Das Wagenrad wird heute noch als histo­ rische Rarität im Villinger Museum aufbe­ wahrt. Eine „nette Legende“, meinten die einen, „ein echtes Schwarzwälder Meister­ stück“, sagten die anderen. Die Zweifel, ob sich auch wirklich alles so zugetragen hat, wie es die Chronik berichtet, sind nie ganz verstummt. Das ließ den Wagnergesellen He Im u t Glatz aus Unterkirnach nicht ruhen. Er wollte die Berufsehre seines Kol­ legen retten und beweisen, daß ein tüchtiger Handwerksmann auch heute noch in der Lage ist, Überdurchschnittliches zu leisten und ein Wagenrad genau nach den Bedin­ gungen seines Vorbildes zu bauen. Am 25. August 1962 war es dann soweit. Der damals 30jährige Wagnergeselle, in der Schreinerei der Stadt Villingen beschäf­ tigt, griff zum Handwerkszeug und wieder­ holte erfolgreich wie sein Vorgänger vor 400 Jahren die historische Radmacherwette. In 11 Stunden baute er mit den vor 400 Jahren üblichen Werkzeugen ein 1,30 m hohes Rad mit zwölf Speichen und sechs Felgen. Dann marschierte er in sieben Stunden den 39 km langen Weg nach Rottweil und zurück. Das Rad rollte er neben sich her. Über den 130 Radmacherbrunnen im Stadtbezirk Villingen weiteren Verlauf dieses Berichtes schildert uns der Radmacher seine persönlichen Er­ fahrungen: „Die Sache mit dem Wagenrad ging mir schon eine ganze Weile im Kopf herum. Beruflich hatte ich öfters im Villinger Mu­ seum zu tun. Dabei hatte ich zufällig das sagenhafte Wagenrad entdeckt. Randbemer­ kungen des Museumsdieners, daß Handwer­ ker dieses Formates, wie der damalige Wagner es bewiesen habe, ausgestorben seien, haben mich bewegt, die Berufsehre der heutigen Handwerker zu überdenken. Dabei war mir schnell bewußt, daß bei einer eventuellen Wiederholung dieser Radmacherwette eine Demonstration des Handwerks heutiger Prä­ gung gegeben wäre. Daß der damalige Rad-

Bei einem Lehrmeister vom “ macher die Wette gewonnen hat, war mir schon immer klar. Der Umgang mit Hand­ werkzeugen war sicher perfekter als im heu­ tigen Maschinenzeitalter. Durch den Mangel an Fortbewegungsmitteln war man jederzeit fit und auf größere Strapazen eingestellt. Schließlich galt es nun, mich kritisch selbst zu überprüfen. Nach Arbeitsproben von Speichen und Felgen, die ich mit herkömm­ lichen Werkzeugen gefertigt habe, konnte ich der Angelegenheit nähertreten. Das gut funktionierende Proberollen eines Wagen­ rades von Vaters Heuwagen auf abgelegenen Waldwegen erleichterten meinen Entschluß. alten Schrot und Korn“ habe ich in Vöhrenbach das Wag­ nerhandwerk, das seinerzeit noch goldenen Boden hatte, gründlich erlernt. Als um 7.00 Uhr die Arbeitszeit begann, hatte ich schon einen 1!-‚2-stündigen Fußmarsch hinter mir. Der Lehrmeister betrieb nebenher noch eine kleine Landwirtschaft. Das Stallmisten und Kühemelken waren Bestandteil meines Ar­ beitspensums. Während der Arbeitszeit von 64 Stunden pro Woche ging es nicht immer zimperlich zu. Die Werkstatt war nach da­ maligen Gesichtspunkten modern eingerich­ tet. Vorteile mit Handwerkzeugen konnte ich mir trotzdem verschaffen, weil der Meister auf dessen Umgang großen Wert legte. Die Absicht, eventuell die vor 400 Jahren gemachte Wette zu wiederholen, hatte sich schnell herumgesprochen. Es verging kaum eine Woche, ohne daß von irgend einer Zei­ tung ein Reporter aufkreuzte und sich über meine Absicht informieren wollte.Nach dem Grundsatz: Wer A sagt, muß auch B sagen“, “ hatte ich dann zugesagt. Eine neutrale Kom­ mission aus Fachleuten wurde zusammen­ gestellt, die während der Anfertigung des 1,30 m großen Wagenrades prüfend dabei sein sollte. Die Organisation hatte Zunft­ meister Franz Kornwachs, Villingen, über­ nommen. Die Wiederholung der Radmacher­ wette sollte ein richtiges Volksfest werden. Es galt nun, buchstäblich einen Fahrplan aufzustellen. Zwei Tage vor dem angesetzten Termin bekam ich während der Vesperpause Besuch in der Werkstatt. Oberbürgermeister Kern erkundigte sich nach meinem Befinden. Er war sichtlich beruhigt, als er mich beim Verzehr eines riesigen Stücks Schwarzwälder Specks und selbstgebackenen Bauernbrotes antraf. Nach der Bemerkung: �ei solchem Vesper kann nichts mehr schief gehen,“ ver­ ließ er zuversichtlich die Werkstatt. Damit die Bevölkerung das Geschehen bei Tage beobachten konnte, hatte man den Beginn auf den24.August1962 um18.00Uhr angesetzt. Um dieselbe Zeit am 25. August (innerhalb von 24 Stunden) mußten alle Be­ dingungen, die vor400 Jahren bei jener Wette gegolten hatten, erfüllt sein. Pünktlich um 18.00 Uhr griff ich unter Beteiligung eines großen Aufgebotes von Bildreportern, Kameraleuten, Journalisten Helmut Glatz wiederholte 1962 die Villinger Radmacherwette vom Jahre 1504 131

Naß, das mir in einem Becher als Ehrentrunk überreicht wurde. Beim Mittagessen im Hotel „Paradies“ mußte der Wert des Rades verzehrt werden. Da das Rad nach den Gesichtspunkten vor 400 Jahren angefertigt wurde (keine Maschi­ nenstunden, Lohnfortzahlung, Steuern und Versicherungen) wurde ein Betrag von DM 40,-angenommen. Die Speisekarte sah Bodenseeforellen mit verschiedenen Zutaten und eine Flasche Sekt vor. Die Fische waren teuer und bekömmlich. Der Champagner gab mir den richtigen Schwung auf dem Heimweg. Der Ansturm von Kameraleuten war so groß, daß kein Bissen unfotografiert verzehrt wurde. Zwei Stunden waren nötig, um die geschmackvoll zubereitete Mahlzeit einzunehmen. Das Essen war anstrengender als das Marschieren. Der Rückweg war von Zuschauern dicht umsäumt, die reichlich Beifall spendeten und Glückwünsche zuriefen. Bei dem langen Anstieg von Kappel zum„Stumpen“ mußten die letzten Kraftreserven angewendet werden. Um 17.30 UhrwarVillingen erreicht. Was dort bevorstand, hätte ich mir wahrhaftig nicht träumen lassen. Die Kavallerie kam angeritten, die Bürgerwehr ist aufmarschiert. Die Villinger Stadtmusik und die Unterkir­ nacher Musikkapelle spielten auf. Der damals noch bestehende Stadtgarten konnte die Menschenmenge kaum fassen. Als erster Gratulant bestieg Oberbürgermeister Severin Kern das Podium. Ihm folgten der stellver­ tretende Bürgermeister Alo Seheilhorn aus Rottweil, Landesinnungsmeister Brugger aus Konstanz sowie Zunftmeister Franz Korn­ wachs aus Villingen. Die Herzlichkeit, die ich an diesem Tage erfahren durfte, wird unver­ gessen bleiben.“ Helmut Glatz und Zuschauern zum Werkzeug. Nach dem Abdrehen der Radnabe begann die mühe­ volle Handarbeit beim Ausbohren der Spei­ chenlöcher. Das Zurechthauen der Speichen mit dem Beil war nicht ungefährlich. Mit der Handsäge wurden die Zapfen in die Speichen gesägt und danach mit dem Ziehmesser zu­ rechtgeschnitten. Für die Felgen hatte ich besonders hartes Eschenholz ausgesucht, um ein Absplittern auf dem teils holperigen Weg nach Rottweil zu vermeiden. Die Felgen wurden mit dem Beil zunächst grob ausge­ hauen und anschließend mit einem scharfen Ziehmesser rundgeschnitten. Beim Zusam­ menbauen des Rades hatte alles gut gepaßt, so daß ich um 5 .00 Uhr morgens den schwie­ rigsten Teil der drei B.edingungen, nämlich das Herstellen des Rades, hinter mir hatte. Die Werkstatt war die ganze Nacht übervoller Menschen. Musiker von der Stadtharmonie Villingen spielten ein Musikstück nach dem anderen. Das gab mir während der Arbeit den richtigen Schwung. Auch die Kleidung mußte der damaligen Zeit angepaßt werden. So verließ ich um 7.30 Uhr in der historischen Tracht mit braunem Wams, weißen Strümpfen und Barett die Werkstatt. Durch krachende Böller­ schüsse zuckten die Zuschauer, die auf der ganzen Strecke Spalier standen, einige Mal zusammen. Das Rad hatte ich mit blosen Händen neben mir hergerollt. Der vorsichts­ halber mitgebrachte Handschuh konnte in der Hosentasche bleiben. Mein Arbeitskame­ rad Josef Riehle war treuer Begleiter auf der ganzen Strecke. Der Weg führte zunächst über N ordstetten nach Kappel. Nach einer Kaffee-Pause in Niedereschach „radelte“ ich munter und gut gelaunt über Horgen, Hausen nach Rottweil. Am Stadtrand erwarteten mich meine Musik­ kollegen aus Unterkimach, die mich mit zünftiger Blasmusik zum Rathausplatz be­ gleiteten. Die Bürgermiliz aus Villingen sowie die Rottweiler Stadtknechte in ihrer maleri­ schen Tracht marschierten mit. Lobeshym­ nen auf dem Rathausplatz schätzte ich zu diesem Zeitpunkt weniger als das kostbare 132

Der Furtwänglehof Der bekannteste und größte der 54 ehe­ maligen Furtwanger Lehenshöfe, von denen noch etwa 20 heute als Vollerwerbsbetriebe anzusprechen sind, ist der Furtwänglehof im oberen Katzensteig. Er ist der im Norden der Furtwanger Gemarkung am weitesten von der Stadtmitte entfernte Bauernhof. Der Weg zum Rathaus beträgt etwa sieben Kilo­ meter. Aber gerade dieser weit entfernte Hof hat in der Familiengeschichte und in der Heimatchronik der Stadt eine große Bedeu­ tung erlangt, wie schon Primus Dorer in seinem 1936 erschienenen Aufsatz über die damaligen Furtwanger Erbhöfe feststellte. Er kann sich dabei auf mündliche Überliefe­ rungen und auf großes Wissen um die Schicksale der Furtwanger Bauernhöfe und ihrer Familien berufen. Primus Dorer schildert den Furtwänglehof als ersten der Furtwanger Höfe, wobei er sich auf die geschichtliche Tatsache beruft, daß Furtwangen vom Kloster St. Georgen gegründet wurde. Daher ließen sich die ersten Siedler im oberen Katzensteig eben auf der Hochfläche des , ,Furtwängle“ nieder. Er vertritt allerdings die wohl nicht ganz unbegründete Auffassung, daß Furtwangen auch von Osten, also vom Bregtal her, besiedelt wurde. Dorer bezeichnet den Furtwänglehof auflOOO Meter Höhe als den größten und wohl auch schön­ sten HofFurtwangens. Sein Name besagt, daß hier einst das Geschlecht der Furtwängler seine Heimat hatte. Er vermutet mit Recht, daß auch der Ortsname „Furtwangen“ mit dieser Hofbezeichnung „Furtwängle“ in Verbin­ dung zu bringen ist. Schon im Jahre 1622 war ein nBalthasar Furtwanger“ Bauer auf dem Furtwänglehof. Aus diesem Geschlecht stammten die Ge­ brüder Furtwängler aus dem Schwefeldobel Zeichnung: Helmut Heinrich 133

in Neukirch, die sich in Gütenbach nieder­ gelassen hatten und die später vor der Wende zum 20.Jahrhundert in Furtwangen die welt­ bekannte Uhrenfabrik Lorenz Furtwängler Söhne gründeten. Dieser Betrieb fiel dann nach dem Ersten Weltkrieg der Wirtschafts­ krise zum Opfer. Einer der Söhne von Lorenz war Oskar Furtwängler, der als“ Turn­ vater des Schwarzwaldes“ bezeichnet wurde, und dem wir das wertvolle Heimatbuch in Mundart „Die Uhrmacher im Schwefeldobel“ verdanken. Er wurde deswegen von der Kritik als „der Hebel in Prosa“ bezeichnet. Auch der im Jahre 1886 in Berlin geborene weltbekann­ te Dirigent und Komponist Wilhelm Furt­ wängler entstammt diesem Geschlecht, wie den Gütenbacher Pfarrbüchern zu entneh­ men ist. Der Furtwänglehof umfaßt ein Gelände von 315 badischen Morgen, das sind 115 Hek­ tar Feld und Wald. Im Jahre 1804 kaufte Klemens Kaltenbach aus Schonach für 2000 Gulden den großen Furtwänglehof. Zuvor, um 1800, war Albert Fehrenbach „Furtwäng­ libur“. Der Hof soll damals in schlechtem Zustand gewesen sein, doch Kaltenbach schaffte den Wandel. Die am Brücklerain entspringende starke Quelle, die ihren natür­ lichen Lauf nach Norden, dem Elztal zu, hatte, leitete er durch einen künstlich angelegten Graben nach Süden auf seine Wiesen und sorgte so für eine gute Bewäs­ serung. Eine gute Wirtschaftsweise half, den Wohlstand des Hofbesitzers begründen. Kaltenbach war im Nebenerwerb Uhrmacher, der die Hausuhrenmacherei betrieb. AufKlemens Kaltenbach, der acht Söhne und zwei Töchter hatte, folgte 1857 -wie im Schwarzwald üblich -der jüngste Sohn Engelbert. Er war wie sein Vater ein sehr gescheiter Bauer, der 25 Jahre lang die Be­ lange seines Berufsstandes im Furtwanger Gemeinderat mit Erfolg vertrat. Dann über­ nahm sein einziger Sohn Klemens den Hof. Dieser war ein prächtig gewachsener Mensch, dazu intelligent und mit echtem Schwarz­ wälder Mutterwitz begabt. Seinen Hof be­ wirtschaftete er ausgezeichnet. 134 Im Jahre 1910 wurde, wie als ziemlich sicher angenommen wird, das stattliche Anwesen durch Brandstiftung ein Raub der Flammen. Klemens Kaltenbach baute den Hof sofort wieder auf. Nach der Meinung von Bern­ hardenbauer Primus Dorer wurde dabei ein Muster geschaffen, wie man einen Wälderhof neu bauen soll; denn bei ihm findet man das Alte, Bewährte verbunden mit den neu­ zeitlichen Erfordernissen der damaligen Zeit in beispielhafter Weise. AufKlemens folgte im Jahre 1913 sein einziger Sohn Alfred, den Primus Dorer als „kerndeutschen Mann“, als Kämpfer im Ersten Weltkrieg, als Bauer und Familienvater von drei Söhnen und einer Tochter schildert, der den Fußstapfen seiner Ahnen folgend seine Pflichten erfüllte. Zu der anschaulichen Schilderung von Primus Dorer gibt die Verfasserin des Buches „Die Furtwanger Lehenshöfe und ihre Besit­ zer“, Klara Werber, einen ergänzenden Be­ richt, der bis auf die Gründungszeit des Hofes zurückgeht und auf gründlichem Aktenstudium beruht. Darin heißt es, daß der Furtwänglehof aus des „Gyren Gut“ ent­ stand und im Jahre 1783 der drittgrößte Lehenshof Furtwangens war. Um das Jahr 1300 war ein „Henni im Furtwenglin“ Lehens­ träger von „seines Vaters Gut“. Er besaß also noch keinen bestimmten Geschlechts­ namen, sondern wurde nach der Lage seines Hofes benannt. Auf ihn folgten Besitzer anderer Namen. Erst um 1482 ist ein Klaus (Klösi) Furtwengler Lehensbesitzer. Das Lehensgut blieb bis 1634 bei dieser Familie. Bald nachdem der Name Furtwengler in Furtwangen auftaucht, ist dies Geschlecht ab 1495 auch auf dem Oberheubachhof in Neukirch mit Werlin Furtwengler nachzu­ weisen. So kann man wohl als ziemlich sicher annehmen, daß die Neukircher Furtwengler aus Furtwangen stammen. Während dies Ge­ schlecht in Furtwangen aber als Lehensträger schon 1634 ausstarb, behielt es in Neukirch den Hof bis 1901, und wenn man die Erb­ tochter Karotine einrechnet, sogar bis 1935. Der letzte Bauer dieses Namens war in Furt­ wangen „Blase Furtwengler“, der 1634 starb.

Vier Jahre darauf starb auch sein erst fünf­ jähriger einziger Sohn Michael. Den Hof erhielt seine Witwe Eva Fehrebächin, die sich mit Hans Fehrenbach vom Furtwanger Schuchhof wieder verheiratete. Bei diesem Geschlecht blieb der Hof bis 1820. Auf Eva folgte der jüngste Sohn „Lorenz Fehrenbach“. Von seinen 13 Kindern lebten beim Tode seiner Witwe Elisabetha Pfäffm nur noch zwei: Maria und Stefan. Stefan erbte als Hof­ nachfolger auch den Fürsatzhof, den er aber seinem zweitältesten Sohn Benedikt abtrat. Auf Stefan folgte als letzter seiner Familie sein Sohn Jakob Fehrenbach, dessen Ehe kinderlos blieb. Er starb 1823 als Leibge­ dinger (auf dem Libding). Den Hof kaufte Clemens Kaltenbach vom Reinertonisenhof in Schönwald. In dieser neueren Geschichte des Furtwänglehofes sind zwischen den Aus­ sagen von Dorer und Werber noch einige Widersprüche vorhanden, die in den alten Kauf.. briefen, in den Grundbüchern auf dem Rat­ haus und in den Pfarrbüchern noch geklärt werden müssen. Dipl. rer. oec. Sigrid Burger D’Hauptsach Alles kan i mir fascht kaufe, Wa mer g’fällt uf dere Welt. Un i thät mi g’wiß nit klage, Aber grad halt d’Hauptsach fehlt. ’s g’hört zwar in der ganze Runde, Just der schönste Hof jo mi. Un die beste Kenner freut es, Sehe si min Stall voll Vieh. Felder han i rich un üppig, Un en Wald so stark un dicht. Kum daß do en Sunnestrahl, Sich e Bah‘ dur d’Äscht dur bricht. Un dur ’s Feld do fliaßt e Bächli, Wimmle thuet es voller Fisch. Un so mengrnol es mi g’luschtet, Sin Forelle uf em Tisch. Haase git’s in Hüll in Fülle, Tummle si im grüene Klee. Fehlt es am en Leckerbisse, Brucht’s en Schuß, no liegt e Reh. Der Peterli Sag Peter, warum kommst du denn heute so spät? Weißt du denn nicht, wenn die Schule angeht? ,,Jo frili, Herr Lehrer, des weiß i g’wiß, Aber der Weg isch so voller Schnee un ‚Is, Daß mer fascht gar it vora‘ kunt, Un dorum kum i au z’spot in d’Stund. Bi jedem Schritt, wo i fürschi g’macht, Het’s mi um zwei Schritt hinderschi ‚bracht!“ ,,Nanu, jetzt schwindelst du Galgenstrick! Ging’s bei jedem Schritt vorwärts, stets zwei zurück, Dann wärst du Schlingel doch gar nicht hier. Also keine Flausen, sonst komm ich dir!“ ,, U n es isch“, seit der Peter, ,,halt doch e so, Denn gli wo i des emol g’merkt han, demo, Han mi umdreiht, un bin hinderschi g’loffe, Un so bin i schliaßli halt doch i’troffe.“ Arthur H. Duffner Un bim Hof do guckt e Hüsli Hoh vom Berg in d’Thalschlucht na‘, Hanget wia e Vogelnestli, Zwische Beem am Abhang dra. Inne drinn isch jedes Stübli fg’richt, aber menscheleer. Liaß si ’s do so gmüetli lebe, Wenn i nit so einsam wär. An de lange Winterobe, Merk i erst recht, wia’s mi quält. Un wia alles gar kei Wert het, So lang as mer d’Hauptsach fehlt. D’Hauptsach aber isch e Frauli, Un des find i leider kei’s. Un so lang si des nit findet, Isch mer alles ander ei’s. Arthur H. Duffner 135

Kirchliche Kunst Das Villinger Münster unserer Lieben Frau Dr. Frank T. Leusch Zur Renovierung in den Jahren 1977 bis 1982 Mit der feierlichen Wiedereinweihung des Villinger Münsters am 2. Mai 1982 durch den Erzbischof von Freiburg fand die zweite umfassende Renovierung des Gotteshauses in unserem Jahrhundert seinen Abschluß. Im Bewußtsein der Verantwortung für das Münster, seine Geschichte, seine bauliche Entwicklung und seine Ausstattung -sämt­ lich Dokumente der Frömmigkeit vorheriger Generationen -wurde eine Baukommission ins Leben gerufen, die verantwortlich die Renovierung begleiten sollte. Diese Bau­ kommission setzte sich zusammen aus dem Münsterpfarrer, dem Kirchengemeinderat, den Vertretern des Erzbischöflichen Ordina­ riates und des Erzbischöflichen Bauamtes, sowie den Vertretern des Landesdenkmal­ amtes Baden-Württemberg. Als unschätzbar fruchtbar erwies sich die Bereitschaft von Prof. Albert Knöpfli, in der Baukommission mitzuwirken. Vor Beginn der eigentlichen Renovie­ rungsarbeiten wurden zur Gewinnung eines Renovierungskonzeptes umfangreiche Bestandsaufnahmen und Bestandsdoku­ mentationen erstellt. Diese Untersuchungen, wie etwa die fotogrammetrischen Aufnah­ men 1, die archäologischen Grabungen im Inneren der Kirche2 oder die Farbbefundun­ tersuchungen am Außen-und lnnenbau3, sollten Auskünfte über die Baugeschichte und die Ausstattungsgeschichte des Mün­ sters geben. Zum Verständnis des Renovie­ rungskonzeptes und des Renovierungser­ gebnisses ist es unerläßlich, sich die wesent­ lichsten Bau-und Ausstattungsphasen4 zu vergegenwärtigen: Die erste Bauphase um­ faßt die Bautätigkeit von der Wende des zwölften zum dreizehnten Jahrhundert. In 136 diesem Zeitraum entstanden die Mittel­ schiffarkaden mit dem darüberliegenden Obergaden bis zur Höhe des Dachgesimses, ferner das West-und Südportal, wobei es der architektonischen Form nach der Romanik angehört, die Kapitelle und Basen jedoch schon formale Merkmale der Gotik aufwei­ sen und Bezüge zur Straßburger Bauhütte um 1220 vermuten lassen. Das Südportal ist möglicherweise bei einer Verbreiterung der Seitenschiffe nach außen versetzt worden. Unter den Seitenschiffdächern hat sich das ursprünglich mehr als zwei Meter tiefersit­ zende Wasserschlaggesims in großen Partien erhalten. Die Seitenschiffdächer lagen also ursprünglich tiefer und hatten eine andere Neigung. Die heutige Dachneigung wurde im 18. Jahrhundert erreicht, als man die Seitenschiffmauern erhöhte. Die Ansatzlinie des älteren Daches -jedoch möglicherweise nicht des originalen -war an der Turmwest­ seite noch deutlich ablesbar. Die zweite Bauphase ist zeitlich schwer einzugrenzen. Die Türme mit den Kapellen im Erdgeschoß und dem Archivraum, bzw. der ursprünglichen Sakristei im Oberge­ schoß, gehören eindeutig einer späteren, in Kanu/ des Villinger Pfarrmünsters mit Dar­ stellung des Leidensweges und der Kreuzigung Christi in Hochrelieftechni.k. Nach mündlicher Überlieferung stel!L sich der blinde Meister, der mit seiner Tochter Ende des 15. jhs. dieses Werk ge­ schaffen haben soll in Gestalt des Samson mit Eselskinnbacken an der kannelierten gedrehten Säule dar. Bedeutendste Plastik ist der Schmerzens­ mann an der 8-Eck-Säule unter dem spätgotischen Kan:zel.korb. Der Schafladen wurde 1907108 von dem hiesigen Bildschnit:zer Moog gearbeitet.

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den konstruktiven Details ausgeprägt goti­ schen Stufe an. Unklar bleibt die Abfolge der Entstehung der beiden Türme, doch gehören wohl die beiden untersten Geschosse der Mitte des 13. Jahrhunderts an. Demnach kann der Rundbogenfries des Südturmes nur eine romanische Reminiszenz sein. Die Sok­ kelprofile scheinen zu einem späteren Zeit­ punkt um Chor, Türme und Seitenschiffe herumgeführt worden zu sein. Die dritte Bauphase umfaßt die Bautätig­ keit des späten 13. Jahrhunderts. Wohl nach dem Brand von 1271 entstand der heutige Chor. Die vom Langhaus abweichende Chorachse ist wohl durch eine ältere Chor­ anlage verursacht, über deren Gestalt aller­ dings keine Aussagen möglich sind, lediglich die Breite hat in Beziehung mit der des Lang­ hauses gestanden. Spätestens um 1300 dürfte der Chor, der ein besonders typischer Vertre­ ter der »Pfarrkirchenchöre“ Südwestdeutsch­ lands ist, vollendet gewesen sein. Die weite­ ren Bauphasen der Türme sollen hier nur gestreift werden. Auffällig ist, daß beide Türme im dritten Geschoß an den Ecken im Grundriß sporenartig ausgebildet sind: eine Architekturform, die von den Architekten der Parlerfamilie in ganz Mitteleuropa ver­ breitet wurde. Dieser Formenvergleich spricht für eine Bauzeit um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Am Langhaus sind manche Veränderun­ gen in Details seit dem ausgehenden Mit­ telalter heute kaum mehr zu fassen. Wesent­ liche bauliche Veränderungen wurden dann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts durchgeführt. Die Erhöhung der Seiten­ schiffe ist bereits oben genannt worden. Der wichtigste Eingriff war jedoch die Anbrin­ gung der flachen Stuckdecke im Jahre 1701. Diese Stuckdecke ersetzte eine gezimmerte Holztonne, die im Dachstuhl aufgehängt war. Ihr Umriß zeichnet sich innen am Gie­ bel noch ab, sie wurde gerahmt von einer spätgotischen Rankenmalerei. Gezimmerte Holztonnen im Langhaus scheinen für Vil­ lingen besonders typisch gewesen zu sein, wenn man bedenkt, daß auch das Langhaus 138 der Kirche des Franziskanerklosters mit einer solchen Decke versehen war. In Kenntnis der baugeschichtlichen Gege­ benheiten bestanden bei der Renovierung des Außenbaues keine Zweifel daran, daß der überlieferte substantielle Zustand nach Möglichkeit konserviert werden sollte; hier galt es die Sandsteinquader und Architektur­ teile sorgfältig zu reinigen und auf Fehlstel­ len hin zu untersuchen. Eine sachgerechte Verfügung und steinmetzmäßige Ergänzung der Fehlstellen wurde durchgeführt, um dem weiteren Verfall Einhalt zu gebieten. Zur Unterstützung dieser Zielvorstellung wurde eine Steinfestigung mit Kieselsäure-Esther durchgeführt, die aufgrund einer über zwan­ zigjährigen Erfahrung im Bereich der Schweizer Denkmalpflege als erfolgverspre­ chend anzusehen ist. Bedauerlicherweise war der Verfall des Sandsteines insbesondere an den Architekturteilen der Portale so weit fortgeschritten, daß man sich nach reiflichen Überlegungen, insbesondere im Bereich der Basen, zum Ersatz durch Kopien durchrin­ gen mußte. Schwer fiel es auch, sich von der farbigen Ziegeldeckung des Nordturmes, die 1739 aufgebracht worden war, zu trennen und durch eine neue, der alten entspre­ chende zu ersetzen. Der Wunsch, die alte Dachdeckung des Langhauses zu halten und durch gelagerte alte Biberschwänze zu ergän­ zen, unterlag bedauerlicherweise – wie so oft – den Gesichtspunkten der Wirtschaftlich­ keit. Als gravierendstes Problem erwies sich die Gestaltung der Außenwand des Obergadens, wobei zu beobachten war, daß die äußere Hülle des Münsters weitestgehend von dem steinsichtigen, behauenen Sandsteinquader­ werk geprägt war; lediglich die Obergaden­ wände und im unteren Bereich der westli­ chen Turmseiten befanden sich- formal völ­ lig unmotiviert – Putzflächen. Wie die sorg­ fältig durchgeführten Befunduntersuchun­ gen der Restauratoren Peter Rau und Ernst Lorch zeigten, besteht dieses äußere Erschei­ nungsbild erst seit der Erhöhung der Seiten­ schiffe von 1701. Davor waren die Sandstein-

und Putzflächen an Obergaden und Türmen Träger einer umfassenden homogenen Farb­ gebung: Es gab also bis in das ausgehende 17. Jahrhundert hinein keine Trennung von Ver­ putz und Stein, da der ganze Baukörper mit einer roten Farbe (roter Ocker) gefaßt und eine weiße Scheinquadrierung, die mit den Mauerwerksfugen nicht identisch war, dar­ übergelegt worden war. Auch in diesem,Zusammenhang darf auf die Klosterkirche der Franziskaner verwiesen werden, denn auch hier förderte die Farbbe­ funduntersuchung eine sehr ähnliche mit­ telalterliche Farbfassung des Chores zutage, die nun im Zusammenhang mit der Reno­ vierung des Franziskaners rekonstruiert wer­ den konnte. Im Interesse der Wiedergewinnung eines einheitlichen Baukörpers, der im wesentli­ chen von den mittelalterlichen Bauphasen geprägt ist, und unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten bei der Farbbefundinterpre­ tation und der Befundlage (Farbgebung an den Türmen, die 1906 und 1881 neu auf­ geführt wurden, Farbgebung der Portale) und den zu akzeptierenden baulichen Ver­ änderungen des 18. Jahrhunderts (Erhöhung der Seitenschiffe, Vermehrung der Fenster­ öffnungen von 10 auf 14) entschloß sich die Baukommission im Sinne des 19. Jahrhun­ derts, die Steinsichtigkeit der Sandsteinqua­ der in ihren vielfältigen Farbschattierungen als Fassung zu sehen und diese auf die Putz­ flächen zu übertragen. Bei dieser Entschei­ dung war sich die Baukommission bewußt, daß mit dieser Form der Behandlung der Putzflächen ein Erscheinungsbild geschaf­ fen wurde, das stärker ästhetischen Gesicht­ spunkten, als denen der historischen Authentizität folgt. Im Vergleich zur Außenrenovierung gestaltete sich die Innenrenovierung un­ gleich schwieriger, und die Diskussion inner­ halb der Baukommission verlief stark kon­ trovers. Die Schwierigkeiten waren begrün­ det in dem Konflikt von der als notwendig erachteten liturgischen Umgestaltung des Chorraumes und dem Einbau einer Fußbo- denheizung einerseits und den bau- und aus­ stattungsgeschichtlichen Zusammenhängen andererseits. Zum Verständnis der Schwierig­ keiten, die sich der Baukommission stellten, seien die wesentlichen Fakten der Geschichte der Ausstattung des Münsters seit dem 18. Jahrhundert stichwortartig aneinanderge­ reiht: 1701 Einzug der Langhausdecke, Stuckierung der Gewölbezwickel im Chor, der Langhaus­ decke und der Seitenschiffdecken durch lgnaz Burgner. 1719-1723 Aufstellung der Jpostelfiguren von Anton Josef Schupp d. A, Abbruch des mit­ telalterlichen Lettners, neue Chorstufen, Versetzung zweier Altäre, Versetzung der Schwalbennest-Orgel von den Chorseiten­ wänden auf die Westempore, Ausweißung der Kirche. 1724 Aufstellung des neuen Chorgitters von Johann Stern und Kaspar Speth aus Villin­ gen. 1738 Aufstellung des neuen Hochaltares von Johann Martin Herrmann. (Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden insgesamt vierzehn Altarstellen errichtet.) 1830 Beginn der Entbarockisierung außer an der Decke und Stuckierung an den Stirnsei­ ten der Arkaden, Erhöhung des Fußbodens um eine Stufe. 1851 Entfernung des Rokokoschalldeckels der Kanzel, Entfernung des barocken Hochalta­ res, Grünfassung des Stucks und der Wände. 1857 Errichtung von vier Seitenaltären von P. Metz. 1862 Errichtung des neuen Hochaltares von P. Metz, Versetzung des Taufsteines aus der Kirche von Weilersbach in das Nordseiten­ schiff des Münsters. Diese sich geradezu überschlagenden 139

Ereignisse in der Ausstattung des Münsters während des 18. und insbesondere des 19. Jahrhunderts machte zu Beginn des 20.Jahr­ hunderts ein neues Ausstattungskonzept erforderlich. Die in den Jahren 1905-1909 durchgeführte Neuausstattung erfolgte un­ ter der Leitung von Raimund Jeblinger, der seit 1901 Nachfolger Max Meckels im Frei­ burger Erzbischöflichen Bauamt war. Jeblin­ ger fand eine ausgeräumte Kirche mit den Stuckdecken von 1701 im Mittelschiff, in den Seitenschiffen und im Chor und den weni­ gen neuen Ausstattungsstücken im Chor vor. Sein Konzept war, wie Sauer in seinem Bericht über die Münsterrestaurierung im Freiburger Diözesanarchiv von 1909 berichtet, ,,das historische Gesamtbild im Inneren zu schonen und nicht etwa auf eine Regotisierung des Langhauses zu drängen.“ Jeblinger ging also davon aus, daß im Chor des Münsters die gotischen Elemente über­ wogen, während das Langhaus durch die erhöhten Seitenschiffe, die Stuckdecken und den Apostelzyklus stark barock geprägt war. Er beließ die Apostelfiguren an ihrer Stelle, hinterfing die Figuren mit neubarocken Stuckädikulen der Stukkateure Weißburger und Kubanek aus Freiburg und verband diese mit einem Bilderzyklus des Münchner Malers Theodor Baierl zu einer waagerecht gliedernden Zone. Im Hinblick auf das Patrozinium des Münsters werden auf die­ sem Bilderzyklus die sieben Freuden und sie­ ben Schmerzen Mariä dargestellt. Darüber ließ Jeblinger eine breite Stuckzone, die den kräftigen Stuck der Decke wieder aufnimmt, anbringen, um einerseits das Motiv der waa­ gerecht gliedernden Zone darunter wieder aufzunehmen und andererseits die Hoch­ wand und die Decke formal zusammenzu­ binden. Die hohen Seitenschiffe erhalten eine reich verzierte hohe Lambris mit einem ihr formal zugehörenden Kreuzweg von Simnher, Offenburg. Die Kreuzwegrahmun­ gen entsprechen den Apostelädikulen im Mittelschiff weitgehend. Glanzpunkte dieses barockisierenden Ausstattungskonzeptes 140 sind die großen Doppelaltäre an den Ost­ wänden der Seitenschiffe (ebenfalls von Simnher) mit den Altarblättern des Münch­ ner Malers Feuerstein. Diese Altäre verwan­ deln das durch den Bau vorgegebene „Tot­ laufen“ der Seitenschiffe an den Turmkapel­ len in eine Schmuckform. Aus praktischen Gründen mußte die Orgelempore mit der neuen Orgel um ein Joch verbreitert werden. Die Decke des brük­ kenartigen Unterzuges wurde mit Malereien von F. Schilling versehen. Im Bereich der Arkadenzone wurde der barocke Verputz entfernt und mit farbigen Lasuren eine Steinsichtigkeit vorgetäuscht. Diese Maß­ nahme ist sicherlich als gestalterischer Kunst­ griff zu werten, um das Langhaus mit dem stark gotisch wirkenden Chor zusammenzu­ binden. Die wertvolle spätgotische Kanzel rückte er um zwei Pfeiler nach vorn -sicher aus liturgischen Gründen, wohl aber auch, um sie näher an den gotischen Chor zu brin­ gen. In diesem Zusammenhang ist auch die Ergänzung der Kanzel durch einen gotisie­ renden Schalldeckel zu sehen. Die bauliche Gestalt der Kirche mit dem durch die seitliche Anordnung der Türme dunklen Vorchorjoch erschwert eine gleich­ sam organische Verbindung von Chor-und Langhaus. Das war für J eblinger eine unabän­ derliche Vorgabe, die Konsequenzen für die Gestaltung haben mußte. Die Chorzone wurde daher konsequent gotisch, ohne aber die erhaltene barocke Stuckierung des Gewölbes zu zerstören, gestaltet. Die Stuk­ kierung wurde nur farbig zurückhaltender übermalt. An die Stelle des Tabernakelaltares trat ein großer Altar der Gebrüder Marmon, Sigmaringen, nach einem Entwurf des Erzbi­ schöflichen Bauamtes. Das ikonographische Programm des Altares wurde speziell aufVil­ lingen bezogen. Zur Verdichtung der gotisie­ renden Neuausstattung des Chores wurden die Fenster mit einem Glasmalereizyklus nach Entwürfen von Schilling ausgestattet. Zur Belebung der dunklen Vorchorjoche wurden von F. Schilling Monumentalge­ mälde, die Schutzmadonna und das Jüngste

gen, durchgeführt wurden, mußte festgestellt werden, daß die Bindemittel der Leimfarben­ fassung von 1905/09 in den Deckenberei­ chen unter der außerordentlich starken, zum Teil bis 1 cm dicken Verschmutzung abge­ baut waren und die Farbschichten bei den Reinigungsarbeiten abfielen. Eine Neufas­ sung in den Deckenbereichen und den monochromen Wandbereichen wurde daher unumgänglich. Zur besseren Haltbarkeit der neuen Leimfarbenfassung wurde ein wasser­ lösliches anorganisches Bindemittel beigege­ ben. Die künstlerisch gestalteten Wandflä­ chen von Franz Schilling wurden gereinigt und Fehlstellen notwendigerweise ergänzt. Die Altäre, Beichtstühle und Lambris wur­ den während der Arbeiten im Bodenbereich abgebaut und weitgehend in den Werkstät­ ten gereinigt; wo Fehlstellen es erforderlich machten, wurden sie ergänzt und nach Abschluß der Bodenarbeiten wiederaufge­ baut. Die Beichtstühle wurden entsprechend der modernen liturgischen Erfordernisse mit Türen versehen. Als wesentlichste Veränderung gegenüber dem Zustand von 1909 ist die Absenkung des Bodenniveaus im Mittelschiff zu nen­ nen, wobei unter Berücksichtigung der ursprünglichen Anbringung der Lambris und den damit verbundenen Kreuzweg­ reliefs, der seitlichen Windfange und der Beichtstühle entlang der Seitenschiffaußen­ wände in Form eines Podestes von ca. 2 m Breite das Bodenniveau von 1905 beibehal­ ten wurde. Durch die Absenkung des Bodens konnten die Basen der Arkadenpfei­ ler des Langhauses wieder sichtbar gemacht und die Proportionen der Arkaden wiederge­ wonnen werden. Diese Maßnahme wurde darüber hinaus gleichsam als Vollendung der Rebarockisierungsabsicht Jeblingers angese­ hen. Die künstlerische Gestaltung der neuen Ausstattungsgegenstände wurde in die Hände der Bildhauer Prof. Hillenbrand, Köln, und Ringwald, Schonach, gelegt, über die künftig im Almanach eingehend berich­ tet werden soll. Erwähnt werden darf in die-141 Südturm Ostseite, Fragmente van arefgemalter Fugung (mit Kreide verstärkt}. Gericht darstellend, angebracht. Darüber hinaus wurden in der Zone des Vorchores und der beiden Turmkapellen umfangreiche Bodenveränderungen durchgeführt; das „helle“ und „dunkle“ Chörlein wurden neu ausgestattet. Hier allerdings wird der herr­ schende Zeitgeschmack, den wir heute mit dem Begriff „Jugendstil“ umschreiben, stär­ ker anschaulich. Die einzige aufgefundene Renaissancemalerei blieb im Durchgang zum „dunklen Chörle“ erhalten. Die abge­ schlagenen Dienste des Chores wurden an alter Stelle wieder eingefügt und mit neuen Figuren geschmückt. Anläßlich der Baukommissionssitzung vom 27. Juli 1978 wurde nach Abwägung einer Vielzahl von Argumenten beschlossen, zu Gunsten der Instandsetzung der Fassung und der Ausstattung von 1905/07 auf eine grundlegende Veränderung des Raumes zu verzichten. Als Leitmotiv der Restaurierung galt die Bemerkung von Domkapitular Dr. Bechthold:,, Wir haben hier in Villingen dem Bauwerk zu dienen und uns einzuordnen!“ Bei der Durchführung der nun folgenden Restaurierungsarbeiten, die durch die Werk­ statt des Restaurators Ernst Lorch, Sigmarin-

Die Reinigungs- und Freikgungsproben zeigten den hohen Grad der Verschmutzung. Die nun vollendete Restaurierung und die neuen Ausstattungsstücke sind nach Auffas­ sung des Verfassers geeignet, Zeugnis für das Streben nach historischer und künstlerischer Kontinuität abzulegen. Anmerkungen ‚ Die archäologische Grabung im Inneren des Mün­ sters wurde von Herrn Thomas Keilhack unter der Leitung von Dr. Peter Schmidt-Thome durchgeführt. 2 Die Farbbefunduntersuchungen führten die Restau- ratoren Ernst Lorch, Sigmaringen, und Peter Rau, Ulm, durch. 3 Die fotogrammetrische Aufnahme wurde vom Lan­ desdenkmalamt durchgeführt. • Der Nennung der Bauphasen liegt eine Zusammen­ fassung von Dr. Peter Scbmidt-Thome, Landesdenk­ malamt, Außenstelle Freiburg, zugrunde. sem Zusammenhang der neue Bodenbelag, der anstelle des vorangegangenen Rosen­ spitzmusters nun in Form von achteckigen Sandsteinplatten in rötlichen, gelben und grauen Tönen sich harmonisch in den Raum einfügt. Als selbstbewußt zurückhaltend darf auch der neue Celebrationsaltar-Bereich gewertet werden. Nicht verschwiegen werden sollen die Verluste an überlieferten raumprägenden Elementen: So fielen die Gestühlspodeste im Langhaus und in den Seitenschiffen der Fuß­ bodenheizung ebenso zum Opfer wie die Podeste der Altäre, wobei die fehlende Stu­ fenanlage am Hochaltar als besonders schmerzlich empfunden werden muß und bei den Seitenaltären der Durchgang zu den Turmkapellen wesentlich erschwert wird. Das Doggengestühl von 1909 wurde aus for­ malen Gründen durch ein neues Stollenge­ stühl ersetzt. 142

Die Wehrkirche in Urach Von Dr. Ema Huber, Donaueschingen In ungeschützten, weit auseinandergezo­ genen Ortschaften oder in solchen in un­ übersichtlicher Landschaft treffen wir auch in unserer Gegend Kirchen mit wehrhaftem Aussehen. Gelegentlich ist es nur der Turm, der wuchtig, aus meterdicken Quadern er­ baut und in den unteren Geschossen mit schlitzartigen Fenstern versehen, wie ein Wächter das Dorf überragt (Riedböhringen). Andere Gotteshäuser boten den Dorfbewoh­ nern bei Kriegsnöten in ummauerten Fried­ höfen etwas Schutz und einen Bergungsort für Vieh und eilig zusammengeraffte Habe. Oft aber wurden diese Friedhöfe im Mittel­ alter zum Nahkampfplatz gegen den heran­ rückenden Feind. Wir besitzen mehrere solcher befestigter Friedhöfe im Schwarz­ wald-Baar-Kreis (Öfingen, Pützen, Buchen­ berg u. a.). Entschieden die auffallendste Wehrkirche aber hat die Streusiedlung Urach. Die Kirche ist von einem Friedhof-Areal von unregel­ mäßig-rechteckiger Form und beträchtlicher Ausdehnung umgeben. Die Anlage bestand wohl schon im 12. oder 13.Jahrhundert und wurde vielleicht während der Bauernkriege erweitert. Sie besitzt heute vier Kapellen in den Ecken, von denen eine noch vor einigen Jahren eine wertvolle Kreuzgruppe aus dem 17.Jahrhundert barg. Auch der hohe, in den unteren Geschossen massive Turm hat wehrhaftes Aussehen. Erst ganz oben öffnet sich die Glockenstube mit romanischen (restaurierten) Doppelfenstern. Die elegante, eigenwillige Turmhaube mil­ dert heute den strengen, wehrhaften Charak­ ter dieser Kirchenburg. Auffällig ist in diesem Zusammenhang Zeichnung: Josef Asifäller .;;:, : . 143

auch das etwas unterhalb der Kirchenanlage am Hang gelegene Pfarrhaus. Das vierge­ schossige Gebäude besitzt an der Vorderseite ein hohes, fensterloses Untergeschoß, das wohl ursprünglich als Aufbewahrungsplatz für Vorräte (oder Zehent-Abgaben?) gedacht war. Man ist versucht, diese auffallende Wehr­ anlage Urach im Zusammenhang mit den Bestrebungen zu sehen, das Territorium der Zähringer, später der Fürstenberger durch Stadtgründung (Vöhrenbach) und Burgan­ lagen (Neu-Fürstenberg, Zindelstein) zu sichern. Urach besaß wohl schon im 12.Jahrhun­ dert eine Pfarrei, zu der später auch, das ganze Tal umfassend, die Gemeinden Schollach, Bregenbach und Hammereisen­ bach gehörten.1275 ist sie erstmalig genannt. Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler Auf der linken Chorwand in Urach ,Johannes tauft Christus‘: im Hintergrund die Kapelk in Bregenbach und die Ruine Neu-Fürstenberg 144 gab mit Zustimmung des Grafen Heinrich zu Fürstenberg als seinem Schirmherrn in der „Ura“ ein Waldgebiet zur Urbarmachung frei. Alle Einwohner sollen zur Pfarrei Urach gehören, wobei der halbe Zehnte dem Kloster Friedenweiler, die andere Hälfte der Kirche in Urach zugesprochen wurde (Lauer). Im vorigen Jahrhundert gewann Urach einiges Aufsehen durch den dortigen Pfarr­ verweser Andreas Oschwald. Oschwald, ein der Mystik zuneigender Schwärmer, der in Visionen den nahen Weltuntergang voraus­ sah, sammelte in einer Anzahl von Orten (Urach, Schollach, Hubertshofen, Wolter­ dingen, Mundelfingen) eine beachtliche An­ hängerschaft. Obgleich er sich keineswegs von der katholischen Kirche und ihrer Lehre trennen wollte, wanderte er mit 150-200 seiner Anhänger nach Nordamerika aus, um dort „eine Niederlassung zu gründen, in der sich die Mitglieder gegenseitig wie eine Art Brüdergemeinde unterstützen sollten. Er starb daselbst 1873“ (Lauer). Am Kirchenbau dürfte der neben der Nordseite, nahe am Chorende stehende Turm der älteste erhaltene Teil sein. Er weist im oberen Geschoß zweigeteilte, allerdings ausgebesserte Rundbogenfenster in roma­ nischer Art auf. Der Chor zeigt innen noch das gotische Gratgewölbe und zwei spitz­ bogige Türöffnungen wohl aus dem 14.Jahr­ hundert, ihren einfachen Form nach zu schließen. Das Langhaus dürfte nach etwa1730alsNeu­ bau oder Erweiterung angefügt sein. Damals wohl erhielt der Bau die fünf hohen Fenster auf der Südseite (auf der Nordseite sind es wegen der Kanzel nur vier). Es ist anzu­ nehmen, daß der verdiente Pfarrer Martin Ketterer (1744-1799) das Werk der Barocki­ sierung weitergeführt hat. Eine wohltuende Renovierung in den letzten Jahren zeigt das Gotteshaus in neuem Glanz. Dabei wurden neben Reinigungsar­ beiten besonders die Ornament-Bemalungen an der Decke und den Fensterleibungen auf­ gefrischt und ergänzt, ebenso die Stuck­ Ornamente im Chor.

Das Altarblatt des Hauptaltars in Urach – ein 1739 datiertes Allerheiligen-Bild von dem Tiroler Johann Pfunner Das gut proportionierte Langhaus fällt durch eine rundbogige Decke in Holzkon­ struktion auf, deren einzelne Felder aufge­ malte Ornamente in im vorigen Jahrhundert gebräuchlichen etwas rustikalen Formen auf hellblauer Grundfarbe zeigen. Orgelempore und Orgelprospekt sind dem Rokoko ange­ paßt. Unter der Empore befindet sich ein modernes Fresko, die Heimkehr des verlo­ renen Sohnes darstellend. Das nach mehrmaligen Diebstählen noch vorhandene Inventar beschränkt sich auf den Hochaltar und die Kanzel. Z. Zt. steht der Altartisch ohne Tabernakel ( ein moderner ist anstelle des linken Seitenaltars angebracht). – Neu hinzu kamen in den letzten Jahren gute geschnitzte Kreuzwegstationen und das Ge­ stühl mit geschnitzten Rokoko-Wangen­ stücken. Die ehemaligen Seitenaltäre sind z. Zt. entfernt. Der Hochaltar-Aufbau, in blauem Stuck­ Marmor gearbeitet, wurde gut in die Apsis- Nische eingepaßt. Vier Säulen mit vergol­ deten Kapitellen, dazu je eine geschwungene Volute als seitlichen Abschluß tragen das Gebälk, in dessen luftigen vergoldeten Orna­ menten sich sechs Putten tummeln. Das Altarbild ist unten rechts mit ,Johann Pfunner“ bezeichnet. Pfunner, aus Schwaz in Tirol stammend (1716-1788), war ein vielbeschäftigter Altar-und Deckenbildmaler der Barockzeit. Viele seiner Werke sind im südbadischen Raum anzutreffen. – Das Uracher Altarblatt ist 1739 datiert, laut Auf­ schrift („Omnibus Sanctis Honor et Gloria“) und Bildinhalt ein Allerheiligenbild. In der Schar der Heiligen erkennt man als große Vordergrundsfiguren die vier abendlän­ dischen Kirchenväter: Arnbrosius mit dem Bienenkorb. Augustinus als Bischof mit einem flammenden Herzen, Hieronymus als büßender Eremit und Gregor mit der Tiara und päpstlichem Gewand. Über ihnen schwebt in Chorrock und Birett der erst 145

1729 heilig gesprochene Johannes von Nepomuk. Nicht von Pfunner dürften die wohl aus dem 18. Jahrhundert stammenden, aber später überholten Bilder an den Chorwänden sein: links: Johannes tauft Christus, darunter ,Joh. Bapta Patronus in Bregenbach“. Links unten im Hintergrund die Ruine Neu-Für­ stenberg und eine Kirche, die nur als die­ jenige von Bregenbach gedeutet werden kann. -An der rechten Wand ist die Taufe des hl. Wolfgang dargestellt, darunter „St. Wolfgang, Patronus von Schollach,“ im Hintergrund die Kirche von Schollach, einst Filiale von Urach. Ein Blumengehänge rechts oben weist das Bild in die Zeit um 1740, doch ist hier, wie auch beim gegenüber­ liegenden Gemälde besonders bei den Engels­ gruppen ein Anklang an die Kunst der Nazarener um 1830 zu spüren. Das mittlere Deckenbild im Chor, die Aufnahme Mariae in den Himmel, ist sehr qualitätsvoll und könnte ein Werk des Breis- Nach dreijähriger Renovierungszeit wurde Mitte 1981 eine der schönsten und wertvollsten Kapellen des Landkreises wie­ der ihrer Bestimmung übergeben: Die kleine Kirche im Fischbacher Ortsteil ist seitdem mehr denn je Anziehungspunkt für Besu­ cher aus der weiten Umgebung. Zunehmend wird das kleine Gotteshaus inmitten bäuerli­ chen Lebens- und Arbeitsbereichs zu Trauungen und Taufen in ganz familiär-inti­ mem Rahmen genutzt. Bis vor wenigen Jahrzehnten war die Sin­ kinger Kapelle während des ganzen Jahres Anziehungspunkt für Wallfahrten und Bitt­ gänge. Eine ganze Zahl von Dankanzeigen für Hilfe in Stunden großer Bedrängnis und Gefahr, gesammelt auf einem Tisch des Sei­ tenaltars, zeugten vom großen Glauben an den Schutz der Muttergottes. Die Ausstat­ tung des aus dem Jahre 1669 stammenden 146 gauer Kirchenmalers Simon Göser aus der 2.Hälfte des 18.Jahrhunderts sein. Die restlichen kleinen Zwickel-Bildchen an der Decke des Chors in grauen Farbtönen gehalten und meist Landschaften mit Ge­ wässern darstellend, sind in ihrer Aussage kaum zu deuten. Sie scheinen nicht in Zusammenhang mit dem farbig gehaltenen mittleren Bildchen über dem Hochaltar zu stehen. Dieses erzählt den Traum des „ägyp­ tischen“ Joseph, nämlich die elf Garben, die sich vor einer zwölften, aufrecht stehenden Garbe verneigen (I. Buch Mose, 37. Kap.). Das heute schönste Ausstattungsstück im Langhaus ist zweifellos die Barockkanzel. Der Kanzelkorb ist in weichen Formen ge­ schweift, der Schalldeckel reich verziert. Leider sind auch hier die einst vorhandenen zwei Figuren entwendet. Die Kanzel hat vom Kirchenraum aus keinen Zugang, sondern es führt nur von außen eine überdachte steile Treppe empor. Sie mündet innen in einer Türe, die durch eine vergoldete Stuck­ Vorhangdraperie nur angedeutet ist. Hochaltars, eines sogenannten „Retable“, erfolgte zu Ehren von Dreifaltigkeit und Muttergottes. Dieser Altar ist, davon zeugt die Inschrift, eine Stiftung des Abtes Ordo vom Kloster St. Blasien. Sein Mittelpunkt und wertvollster Bestandteil ist eine Nachbil­ dung der Madonna von Einsiedeln. Die Seitenaltäre verbargen eine Überra­ schung: Hinter ihnen befanden sich bisher unbekannte Seccomalereien, die allerdings aus finanziellen Gründen wieder mit den Altären zugestellt werden mußten. Eine Restaurierung hätte die knappe Finanzie­ rung nicht mehr verkraftet. Mit einem Kostenaufwand von 330 000 DM war das Projekt ohnedies an der Grenze des Verkraftbaren. Der Niedereschacher Pfarrer Peter Frank setzte dennoch seine ganze Kraft ein, um die Renovation möglich zu machen. Wie ihm später Fachleute bestä- Sinkinger Kapelle – vielbesuchtes Kleinod

Im Mittelpunkt des Altars: Die Nachbildung der schwarzen Madonna von Einsiedeln. tigten, war der Hochaltar „hart am Rande des Verkommens“. In den Deckenbalken, die deshalb stückweise erneuert werden mußten, befand sich der heimtückische Haus­ schwamm: Große Flächen von Stuck und Putz waren erneuerungsbedürftig, Boden und Wände bedurften dringend einer Isola­ tion. Allein die Außenrenovation, die 1978/79 der Auftakt war, verschlang runde 80 000 DM. Die schwarze Madonna, die unter beträchtlichen Wurmschäden litt, wurde von Experten restauriert. Die Gläubigen halfen bei der Finanzierung kräftig mit: Weit über hunderttausend Mark gingen als Spende ein. Landkreis, Gemeinde, Ordinariat und Denk­ malspflege beteiligten sich mit beträchtli­ chen Zuschüssen. Für Bänke und Sakristei erfolgte ein Holzeinschlag im Pfarrwald. Für die noch offene Restsumme wird auf Spen­ den und Zuschüsse des Ordinariats gehofft. Im Zuge der Renovation verschwand die Kanzel, die Empore wurde mit Stahlschie­ nen verstärkt und vergrößert. Nach dem mehrjährigen Aschenputtel-Dasein während der Bauzeit wurde die Kapelle als eines der wertvollsten Kleinode im weiten Raum erneut vielbesuchter Ort zu Andacht und stiller Einkehr. Die Wallfahrten der früheren Jahrzehnte fielen dem zunehmenden Stra­ ßenverkehr und möglicherweise auch der immer knapperen Zeit zum Opfer. Auf die Zeitangabe der Turmuhr ist der­ zeit noch kein Verlaß -ihre Reparatur steht noch aus. Jahrzehntelang hat der verstorbene Landwirt Josef Hils, zu dessen -heute von Frau und Kindern fortgesetzter -Familien­ tradition die Betreuung der dem Hof benachbarten Sinkinger Kapelle gehörte, täg­ lich die alte Turmuhr mit der Kurbel auf­ gezogen. Das Räderwerk der alten Uhr verrät das handwerkliche Können eines namenlo- 147

sen Meisters. Von halber Turmhöhe bis zur Sakristei hinunter reichen das Uhrenpendel und die schweren Steingewichte. Das im Turm hängende, 35 Pfund schwere Silberglöcklein ist über 200 Jahre alt. Zeit sei­ nes Lebens Läutete Josef Hils das Glöckchen morgens um 11 Uhr zu der Zeit, da früher die Bauern die Pferde ausspannten, um Mittag zu machen. Abends bei Einbruch der Dun­ kelheit wurde Betzeit geläutet, auch bei Aus­ bruch eines Brandes und beim Herannahen eines Gewitters wurde das Glöcklein geläu­ tet. Noch heute kündet die Glocke vom Tod eines Einwohners. Sein würdiges Alter ver­ schonte das Glöckchen vor dem Einschmel­ zen während des letzten Krieges, es wurde jedoch von seinem Platz genommen, um für mehrere Jahre in der Fischbacher Pfarrkirche die eingeschmolzenen Glocken zu ersetzen. Der ursprüngliche Standort des Kirch­ leins war ein paar hundert Meter südlich in der unmittelbaren Nachbarschaft des „alten Pfarrhofs“, der heute den Namen Clausen­ hof trägt und in dem noch Ende des 18. Jahr­ hunderts der letzte Sinkinger Pfarrer wohnte. Nach einem Brand wurde es am heutigen Standort wieder aufgebaut. Seine Geschichte ist eng verwoben mit dem wechselvollen Schicksal des Ortsteils Sinkingen, der zeit­ weise zum Kloster St. Georgen, zum Kloster Alpirsbach und eine Zeitlang zur Freien Reichsstadt Rottweil gehörte. 1800 wurden die Sinkinger, die früher einen Schlüssel im Wappenschild trugen, badisch. Als das heu­ tige Fischbach als“ Visbach“ in alten Urkun­ den aus dem Jahr 1066 erstmalig erwähnt wurde, gehörte Sinkingen mit seinen mächti­ gen Bauerngehöften bereits zum Ort. Rosemarie v. Strombeck s’Büebli Motter, s’Büebli isch verwacht, ’s nosteret im Krättli. Guck emol wies Füschtli macht, los wies kraijet, wie-n-e-s lacht, ’s stampft sich usem Bettli. 148 Büebli, wa hesch am mer gseah, mosch jo grusig gucke? Wenn i Di dürft use neah kinnt Der amend ebbis gscheah, dät Di grad verdrucke! Je, ziehsch jetz e Lätschli na! Nai! Bisch so verschroke? Büebli, lach mi wider a, d’Motter duet scho’s Schöppli na und si lait Di trocke. Zwoe Wanderer Mir gfellt e bluemig Wisli au, en Heckeroe, de Vogelgsang, und mengmol kani stundelang versunne ame Bächli gau. Doch wie mi übers Wasser buck siehni kon Fisch drin inne stau, kon Stoe: Es gucket usem Blau nu’s oege Gsiecht verschwumme z’ruck. Du saisch, ich wandle wie im Troom dur d’Welt und seah nit rum und num. Ich kenn mi jo no selber kum, wa kümmeret doo anderi om? Dich hät die Welt mit Bilder gfüllt, Du suechsch es Best zum lebe-n us. Ich waas vu inne-n us mer rus und moß ells modle no mim Bild. Früehling Jetz quillt us eile Kiime de Früehling uf de Boor und trübt. Au mich helt nimme, jetz: Maidli, bind Di Hoor! En Luft waiht über d’Felder iiskalt und nimmt om fast, doch i de stille Wälder blüeht rot de Seidelbast. Hans Hauser

Wolr, ohne Titel, 1946-47, Öl auf Leinwand. 145 :X: 113,5 cm. Sammlung D. Grässlin. 149

Heinz Kolerski: Eine Sammlung deutscher Kunst der Nachkriegszeit Die Kunstsammlung Dieter Grässlin in St. Georgen/Schwarzwald Wenn man von Triberg kommend die Höhe des Schwarzwaldes in St. Georgen erreicht hat, so fallen am Ortseingang in einem kleinen, sich unvermittelt öffnenden Geländeeinschnitt gelegen, einige Gebäude ins Auge, die durch ihre überzeugende moderne Architektur zunächst an für diese Gegend zu groß geratene Verwaltungs- oder Versicherungsbauten denken lassen, dann – durch entsprechende Hinweise – sich als Fabrikationsräume der Dieter Grässlin Fein­ werktechnik zu erkennen geben. Durch ihre sechseckige Grundform vielfach gegliedert, fügen sich diese Gebäude, die für einige hun­ dert Menschen tägliche Wirkungsstätte sind, ohne zur Schau gestellte Gigantomanie in die Landschaft ein. Ihren besonderen Akzent aber erhalten sie durch eine große Raum­ säule, ein Werk des in Rottweil lebenden, in­ ternational anerkannten Bildhauers Erich Hauser. Als das erste dieser von einem Gutbrod­ Schüler erbauten Gebäude 1971 seiner Be­ stimmung übergeben wurde, hatte für den 150 noch nicht fünfzigjährigen Firmengründer ein Lebensabschnitt seinen sichtbaren Höhe­ punkt erreicht, in dem alle Kräfte nur auf die­ ses eine Ziel der Existenzgründung, des Auf­ baues seiner Firma gerichtet waren. Nun, nach der Sicherung des Erreichten, konnte sich Dieter Grässlin anderen Dingen zuwenden. Mit der gleichen Leidenschaft und Hartnäckigkeit, mit der er bislang für seine Fabrik tätig war, widmete er sich fortan als Sammler und Mäzen der modernen Kunst. Konnte er in den Aufbaujahren der stets latent vorhandenen Liebe zu den schönen Künsten nur gelegentlich nachgeben mit dem Erwerb volkskundlicher Objekte oder Zeichnungen und Bildern von Künst­ lern der heimatlichen Region, so tritt mit der Fertigstellung der Fabrik eine Wende ein. Über die künstlerischen Erzeugnisse der Region hinaus gilt jetzt der Gegenwartskunst sein Interesse. Es sind zunächst die Bilder und Plastiken der konstruktiv arbeitenden Künstler, die ihn ansprechen. Ihre Arbeiten

kann er unmittelbar mit den in seiner Fabrik gefertigten Produkten in Verbindung bringen. Er ist in dieser Zeit begeistert von den Ideen des Bauhauses, von einer möglichen Einheit von Funktion und Gestalt, einer Syn­ these von Kunst und Technik. Diese Gedanken möchte er auch seinen Mitarbeitern, mit denen ihn ein außeror­ dentlich partnerschaftliches Verhältnis ver­ bindet, und darüber hinaus den interessier­ ten Bürgern seiner Heimatstadt mitteilen. Er veranstaltet deshalb alljährlich in den Räu­ men seiner neuen Fabrik Ausstellungen mit moderner Kunst. Eine der schönsten Ausstellungen „Kunst in der Fabrik“ findet im April 1974 mit Plasti­ ken und Zeichnungen von Erich Hauser statt. Anlaß für diese Ausstellung ist die Erwerbung einer bedeutenden Arbeit von Erich Hauser, einer großen Raumsäule, einer überzeugenden Arbeit von einfacher, leich­ ter Schönheit, die -vor dem Fabrikgebäude stehend – einen mitreißenden künstleri­ schen Kontrapunkt zur Architektur setzt. Erich Hauser gehört mit seinem bis heute überschaubaren, vielfach ausgezeichnetem Werk in die Spitzengruppe der deutschen Plastiker unserer Zeit. Neben anderen Aus­ zeichnungen war es vor allem der große Preis der X. Biennale von Sao Paulo, der 1969 seine Leistung auch international bestätigte. Der ersten Arbeit Erich Hausers folgen noch viele weitere, die in St. Georgen auf­ gestellt werden, in der Fabrik, im Park der Fabrik, im Wohnhaus am Klosterberg oder in den Gartenanlagen rings um das Wohn­ haus. Die verschiedenen Schaffensperioden im Werk Erich Hausers sind so mit hervorragen­ den Beispielen in St. Georgen vertreten. Sie bilden einen wesentlichen Kern der Samm­ lung Dieter Grässlin, die damit die größte Hauser-Sammlung besitzt. Viele dieser Arbeiten sind den Bürgern St. Georgens zugänglich. Und als die Verwal­ tung den Bau einer neuen Stadthalle plant, da ist es für Dieter Grässlin selbstverständ­ lich, aus diesem Anlaß ein monumentales 151

Relief Erich Hausers den Bürgern St. Geor­ gens zu stiften. So will er in seiner Heimat­ stadt Signale setzen für die moderne Kunst. Aus der Begegnung mit Erich Hauser erwächst eine Freundschaft, die bis zum frü­ hen Tode Dieter Grässlins in vielfacher Weise die Sammlung befruchtet. Im Hause Erich Hausers und in dem von ihm geleiteten Forum Kunst in Rottweil begegnet er erst­ mals Bildern der deutschen Maler des Infor­ mel. Die Begegnung mit den Bildern und Pla­ stiken dieser Künstler ist für ihn eine wahre Offenbarung. Spontaneität, Kraft, Dynamik – hier findet er die Bezüge zu seinem bisheri­ gen Leben. Diese Kunst, der er fortan mit ganzer Leidenschaft zugetan ist, ist Zeugnis der Zeit, in der auch er seine große Leistung vollbracht hat. Es sind die Jahre, die gekennzeichnet sind durch die Währungsreformen, den Beginn neuen wirtschaftlichen, politischen, kulturel­ len Lebens, eines recht bald einsetzenden grenzenlosen Fortschrittglaubens, der im 152 Wirtschaftswunder seinen Höhepunkt er­ reicht; aber es sind auch Jahre, die geprägt werden von zunehmender Konfrontation, kaltem Krieg, Atomexplosionen, einer tief­ greifenden Existenzangst. In dieser Zeit müssen andere Bilder entste­ hen, eine andere Kunst, eine Kunst, die die gerade überstandenen Schrecken des Krie­ ges, aber auch die noch apokalyptischer erscheinende Zukunft des Atomzeitalters in ihren Werken auszudrücken vermag. Einer, der mit außergewöhnlicher Sensibi­ lität die Schwingungen dieser Zeit wieder­ gibt, ist Emil Schumacher, 1912 in Hagen geboren. Von ihm erwirbt Dieter Grässlin sein 1959 entstandenes Bild „Siles“. Es ist das erste Bild dieses Künstlers, das in die begin­ nende Sammlung gelangt. Heute ist Schuma­ cher mit mehr als einem halben Dutzend sei­ ner schönsten Arbeiten in der Sammlung vertreten. Kurze Zeit später begegnet DieterGrässlin Karl Otto Götz, einem anderen Wegbereiter dieser Malerei in Deutschland, der mit seiner

1948 gegründeten Zeitschrift „Meta“ ein in­ ternationales Forum für die junge Kunst in Deutschland zu begründen sucht und 1949 Mitglied der für diese Zeit wichtigen Künst­ lergruppe „Cobra“ wird. Mit seinen spontan, mit großer, heftiger Geste niedergeschriebe­ nen Bildern erregt er sehr bald Aufmerksam­ keit. In Frankfurt trifft er gleichgesinnte junge Künstler, mit denen er 1952 bei Klaus Franck jene berühmte Quadriga-Ausstellung veranstaltet, die eine ganz frühe Dokumenta­ tion der deutschen Malerei des Informel ist. Dieter Grässlin erwirbt für seine Samm­ lung neben einer sehr großen Werkgruppe von Karl Otto Götz auch Bilder der anderen Quadriga-Künstler Kreutz, Greis und vor allem Arbeiten von Bernard Schultze, dessen Entwicklung in St. Georgen belegt ist von den frühen, plastisch strukturierten Bild­ gründen bis hin zu seinen raumplastischen Gebilden, den Migofs, diesen animalischen, morbiden, lasziv farbigen Ungetümen. Längst schon reichen die Wände der Büroräume in der Fabrik nicht mehr aus, ist Fa. Grässlin mit Plastik von Erich Hauser. das Wohnhaus zu klein geworden, um die erworbenen Bilder aufzunehmen. Unterhalb des Wohnhauses entstehen neue Räume, eine Galerie, die sich zum Garten hin weit öffnet und den Blick freigibt auf Hausers vielleicht wichtigste Arbeit, der 1968 entstan­ denen Sao-Paulo-Wand. Dazu gehören Ne­ benräume, ein Archiv, in dem heute über zehntausend Bücher und Kataloge der Kunst der Gegenwart zur Information bereitliegen und ein großer Lagerraum, in dem die Bilder, an beweglichen Wänden gehängt, jederzeit leicht zugänglich sind. Hier findet man Dieter Grässlin abends, nachdem die Geschäfte in der Fabrik getan sind, neu eingetroffene Bilder zu bereits vor­ handenen hängend, so neue Bezüge herstel­ lend, neue Einsichten gewinnend. Hier tref­ fen sich die Freunde, hier wird leidenschaft­ lich jede Neuerwerbung diskutiert. Es sind dies glückliche Jahre für Dieter 153

Grässlin. Die Geschäfte prosperieren. Er kann sich jetzt mehr Zeit nehmen für seine Sammlung. Seine Frau, an seinem industriel­ len Aufbauwerk von Anfang an mit aller Kraft beteiligt, teilt jetzt auch seine Lust am Sammeln. Die heranwachsenden Kinder zei­ gen erstes teilnehmendes Interesse. Dieter Grässlin erwirbt jetzt in einem atemberaubenden Tempo Bilder der deut­ schen Maler des Informel. Er ist besessen von der Idee, hier in St. Georgen die größte Sammlung von Bildern der deutschen Maler dieser Kunst zusammenzubringen. Es gelangen Werkgruppen von Brüning, Sanderborg, Thieler, Dahmen und Rainer in die Sammlung. Unter den jungen deutschen Malern der ist vielleicht Gerhard fünfziger Jahre Hoehme der lyrischste. In seinen Bildern die­ ser Zeit werden in einem psychischen Auto­ matismus vibrierende Oberflächen geschrie­ ben, werden farbig rhythmische Strukturen erzeugt, die schon bald das Geviert des Bildes sprengen. In der Folge dringt sein Werk sehr 154 Emil Schumacher, „Roma !“, 1963. 115 x 166 cm. � K. R. H. Sonderborg, 16 h 11 – 17 h 23, 1958. 71 x 108 cm. weit in künstlerisches Neuland vor. Ein umfangreicher Block seiner frühen Arbeiten in der Sammlung Grässlin bezeugt die Quali­ tät dieses Künstlers. Immer wieder taucht auch in den Gesprä­ chen mit den Künstlern der Name eines bereits 1964 verstorbenen Malers auf, dessen Bilder bisher in der Sammlung noch nicht vertreten sind, der aber für die jungen deut­ schen Maler unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg den Boden bereitet hatte, auf dem ihr Werk aufgehen konnte: Carl Buchheister. Carl Buchheister, dessen seit den frühen zwanziger Jahren international anerkanntes Werk von den Nazis als entartet aus den deutschen Museen entfernt wurde, macht mit unerschütterlicher Kraft nach dem Krieg und Gefangenschaft 1945 einen neuen Anfang. Nach einer Phase, in der er konstruktive Elemente seines Frühwerkes mit organi­ schen Formen zu einer neuen Bildsynthese zusammenführt, entstehen Bilder, in denen er mit Fundstücken aus Glas, Holz, Bindfa-

den, aber auch mit pastoser Malerei oder sub­ til-verästelten Zeichnungen unbegrenzte, komplexe Bezirke der Materie in einem Mikrokosmos auf der Bildfläche entstehen läßt. Dieses sind die Arbeiten, die für die jun­ gen deutschen Maler nach dem Kriege so bedeutungsvoll sind. Mit ihnen findet Carl Buchheister auch recht bald wieder interna­ tionalen Anschluß. Als sich die Gelegenheit bietet, eine Gruppe von über dreißig Bildern aus auslän­ dischem Besitz geschlossen zu erwerben, da zögert Dieter Grässlin keinen Augenblick lang, diese überzeugende, wohl umfas­ sendste in privatem Besitz befindliche Werk­ gruppe in seine Sammlung zu holen. Die Sammlung Dieter Grässlin hat inzwi­ schen Profil erhalten. Alle wichtigen deut­ schen Maler des Informel sind mit umfang­ reichen, exemplarischen Werkgruppen ver­ treten. Dazu das plastische Werk Erich Hau­ sers. Jetzt gilt es, die Sammlung kritisch zu ordnen, die Qualität noch weiter zu verbessern. Stadthalle St. Georgen, Relief Erich Hauser. Ein Künstler, der seit 1933 in Paris lebende Alfred Otto Wolfgang Schulze, Wois, fehlt noch in der Sammlung. Er steht mit seinem Werk am Anfang dieser neuen Malerei. Als 1947 vierzig seiner Arbeiten in Paris aus­ gestellt werden, da sind es vor allem die Künst­ ler, die von diesen Bildern ergriffen werden. In einer radikal mit allem bisher Dagewe­ senen brechenden Verwendung der Malmit­ tel entstehen Bilder, in denen sich das Drama des Lebens manifestiert. Sie sind Aus­ druck eines intuitiven Innenlebens, das bestimmt wird von einer grenzenlosen Exi­ stenzangst, von still erlittener Einsamkeit. Hier werden erstmals die Ausdrucksmittel einer neuen Zeit mit größter Intensität vorgetragen. Aber von ihm sind keine Bilder erhältlich. Alles befindet sich in der Hand großer Samm­ ler oder der großen internationalen Museen. Als endlich die Möglichkeit der Erwer­ bung eines wichtigen, großformatigen Bildes von Wols besteht, da lebt Dieter Grässlin 155

.. • • . � ·‘; . ……. .. . . • . . ·. .. . • ·- .. . · . nicht mehr. Im November 1976 stirbt, gera­ de fünfzigjährig, dieser leidenschaftliche Sammler und Förderer der modernen Kunst. Seine Frau aber erwirbt für ihren Lebensge­ fährten das großartige Bild von Wois aus dem Jahre 1946/47, das seither der Glanz­ punkt der Sammlung Dieter Grässlin ist. Welch weiter Weg, der hier in den weni­ gen Jahren zurückgelegt ist: Von den ersten liebenswerten Bildern regionaler Künstler bis zu Wois, diesem Früh vollendeten, der, als er im Alter von achtunddreißig Jahren stirbt, ein Werk hinterläßt, das zu den unbestritte­ nen Höhepunkten der europäischen Malerei in der Mitte des Jahrhunderts zu rechnen ist. Heute schickt sich mit Thomas Grässlin, dem Sohn, eine andere Generation an, das Abenteuer der modernen Kunst einzugehen. Wieder hat sich die Kunst gewandelt, werden 156 K. 0. Götz, ,,Metsa“, 1961. 100 x 120 cm. die Probleme der Welt in anderen Formen, in anderen Bildern von den Künstlern der unmittelbaren Gegenwart dargestellt. Jetzt reisen aus Italien oder den USA junge Künstler an, um an Ort und Stelle ihre Arbeiten in zu Galerieräumen umgebauten ehemaligen Fabrikhallen zu installieren, und die jüngsten deutschen Maler eines gerade Konturen gewinnenden Stiles, die »Jungen Wilden“, kommen mit ihren Arbeiten aus den Metropolen des Rheinlandes, aus Ham­ burg und Berlin in den Schwarzwald. In der Auseinandersetzung mit der Kunst der unmittelbaren Gegenwart wird die Sammlung Grässlin mit Engagement von den Jüngeren fortgeführt.

Carl Buchheister, Collage, 1961. 60 x 42 cm. Carl Buchheister, ,,Kamp. m. Rot-Thema“, 1953. 90 x 65 cm. Carl Buchheister, Collage, 1961. 60 x 42 cm. Carl Buchheister, ,,Staubsaugerbild“, 1950. 46x 54 cm.

Gerhard Hoehme, ,,Korpuskelar‘: 1960. 80x 99cm. Bernard Schultz.e, ,,Flügeltier-Migof‘, 1974. Fred Thieler, ohne Titel, 1957. 88 x 150 cm. K. F. Dahmen, ,,Strukturelle Erscheinung“, 1958. 60x80cm.

Sammlung Thomas Grässlin mit Arbeiten von Mario Merz, Ulrich Rückriem. Sammlung Thomas Grässlin mit Arbeiten von Wavrin, Mucha, Genzlun, Bauch. T -1..§9

Museen und Kunstsammlungen Die Glasabteilung im Schwenninger Heimatmuseum Von Dr. Manfred Reinartz, Villingen-Schwenningen Kulturgut unserer Landschaft Zwar ist das Schwarzwälder Glas schon seit Jahrzehnten mit einer kleinen Kollek­ tion im Heimatmuseum vertreten. Aber erst in den Jahren 1974 bis 1980 wuchs die Samm­ lung trotz mancherlei Schwierigkeiten, frei­ lich auch von manchem Glücksfall begün­ stigt -zu einer Größe und Bedeutung heran, die jeder Stadt zur Ehre gereichen kann. Warum denn eine große Glasabteilung im Schwenninger Heimatmuseum, wenn doch in Villingen schon eine schöne Glassamm­ lung existiert? Zwei Gründe waren dafür aus­ schlaggebend. Das Schwarzwälder Glas ist, wie die alte Schwarzwalduhr auch, historisch betrachtet ein für die Landschaft kennzeichnendes, bodenständiges Kulturgut; so ist es ganz natürlich, daß sich das volkskundlich orien­ tierte Heimatmuseum des alten Glases an­ nimmt, um es, wissenschaftlich aufgearbei­ tet, der Öffentlichkeit vorzustellen. Außer­ dem: unter den vom Heimatmuseum betreu­ ten kleineren Stadtbezirken befinden sich ja auch der ehemalige Glasmacherort Herzo­ genweiler. Der zweite Grund ist im besonderen Cha­ rakter der Villinger Glassammlung zu suchen. Oskar Spiegelhalder aus Lenzkirch, der sie seinerzeit zusammentrug, schrieb zur Art und Weise seiner Sammeltätigkeit: „Ich muß … bemerken, daß ich nicht den eigent­ lichen Handelsartikel, die glatte übliche Ware gesammelt habe, sondern hauptsäch­ lich diejenigen Gläser, deren der Bauer bedurfte und mit denen er seine Wohnung schmückte.“ Genau hier nun hat das Heimatmuseum eingehakt und sich auf den Bereich des Gebrauchsglases konzentriert, den Oskar 160 Spiegelhalder seinerzeit bewußt vernachläs­ sigt hatte und der demzufolge in der Villin­ ger Sammlung unterrepräsentiert ist. Es wäre ja ganz unsinnig gewesen, in Schwenningen wiederholen zu wollen, was in Villingen schon vorhanden ist. So aber wurde die Glassammlung der Stadt Villingen-Schwenningen insgesamt komplettiert und abgerundet. Mit dem Erfolg, daß die Stadt Villingen-Schwennin­ gen heute wohl der Welt größte und bedeu­ tendste Sammlung von Schwarzwälder Glas­ waren besitzt. Schwarzwälder Gebrauchsglas Die weitaus meisten Abhandlungen zum Thema Glas befassen sich entweder mit der Geschichte der Glashütten einer bestimmten Gegend, mit deren Organisation und Rechts­ stellung, oder aber, soweit es ihnen um das Glas selbst zu tun ist, mit Produkten hoher oder doch zumindest gehobener Q!ialität, wie sie im Umfeld adeliger Häuser ge­ wünscht und bezahlt werden konnten und wie sie in den allermeisten Ausstellungen und Museen nicht ohne Stolz gezeigt wer­ den. Der Schwarzwald aber lag nun einmal nicht so nahe bei den europäischen politi­ schen Entscheidungszentren der Vergangen­ heit wie etwa der Böhmerwald. Was nicht heißen soll, daß nicht auch die Schwarzwäl­ der Glasbläser Bemerkenswertes geschaffen hätten; was sie jedoch „als Handelsartikel herstellten, waren gewöhnliche Gläser für den Hausierer, und die mußten billig sein“.1) Zwar darf man davon ausgehen, daß keine deutsche Glashütte jemals allein von Spit­ zenerzeugnissen leben konnte, daß vielmehr die Masse der Produkte aus Gebrauchsglas

Wasserbarometer (“ Wetterglas“); Schwarzwald 2. Hälfte 18./ 1. Viertel 19. Jahrhundert bestand, das in seiner Ausstattung von der Zweckmäßigkeit bestimmt war und des Schmucks und künstlerischer Formen weit­ gehend entraten durfte. Indessen kann als gesichert gelten, daß der prozentuale Anteil des Gebrauchsglases am Gesamtausstoß der Schwarzwälder Glashütten im Vergleich zu anderen Glashütten verhältnismäßig groß gewesen ist. Wo wir beim Schwarzwälder Glas aber auf Schmuck-und Zierelemente stoßen, da bie­ ten sie kaum jemals etwas Unverwechselba­ res, sozusagen typisch Schwarzwälderisches, vielmehr sind gleiche oder doch sehr ähn­ liche Linienführungen und Techniken längst schon anderweitig vorgegeben. Bei Schliff und Schnitt ist böhmischer Einfluß unver­ kennbar, aufgemalte Motive sind volkstüm­ liches Allgemeingut. Vogeltränke oder Öllampe; Schwarzwald Mitte 19. Jahrhundert Hilfestellung für den Laiensammler Eine Ausstellung, die das Schwarzwälder Glas zum Thema hat, wird also nicht umhin können, dem schmucklosen Gebrauchsglas einen angemessenen Platz einzuräumen. Da nun aber zugleich das Gebrauchsglas in der Bevölkerung am weitesten verbreitet und vorhanden ist, bietet die Sammlung des Hei­ matmuseums auch vielen die Möglichkeit, die in ihrem Besitz befindlichen Gläser mit den hier gezeigten zu vergleichen, um auf diese Weise über deren Gestaltungsmerk­ male mehr als bisher möglich in Erfahrung zu bringen. So können denn diese Ausstellung und der dazugehörige Katalog dem Laien helfen, nicht nur mehr über Schwarzwälder Glas, sondern ganz allgemein mehr über Glasfor­ men, ihre Benennung, ihre örtliche und zeit-161

Seherzglas, Schnapsflasche in Gestalt eines Hundes (,,Schnapshund“); Schwarzwald 1. Viertel 19.Jahr­ hundert liehe Einordnung zu erfahren. Ausstellung und Katalog mögen dem normalen Samm­ ler, dem allzugroße finanzielle Mittel zum Erwerb wertvoller Gläser nicht zur Ver­ fügung stehen, das bewerten helfen, was ihm erschwinglich war. Grundsätzliches zur Typenfrage Die Einfachheit des Schwarzwälder Gla­ ses, namentlich des Gebrauchsglases, kon­ frontiert denjenigen, der es ordnen und beschreiben will, mit der schwierigen Frage, welches die kennzeichnenden Merkmale sind, nach denen man die verschiedenen Glä­ ser untereinander zu ordnen hat. Die Form, der Verwendungszweck, die Verzierung? Wen kann man hindern, einen Krug als Most- oder als Wein- oder als Bierkrug zu verwenden, Öl darin aufzubewahren oder Essig oder sonst etwas? Die Funktion des Gefäßes kann also für seine gattungsmäßige Zuordnung nicht aus­ schlaggebend sein. Ebensowenig das Mate­ rial, aus dem das Gefäß hergestellt wurde, denn es gibt ja z.B. Bierkrüge aus Glas, Zinn, Ton und sogar Holz. Ebensowenig auch die Verzierung, denn da sind der Phantasie schließlich am wenigsten Grenzen gesetzt, und Zierformen des Glases selbst sind wohl zu ungegenständlich dazu. Was als Maßstab für die typologische Zuordnung bleibt, ist die Form, die der Glas­ bläser dem Gefäß bei dessen Entstehung gibt. Von den bekannteren Glasbuchautoren folgt nur Thomas Dexel konsequent, wenn auch mit Einschränkungen, dieser Erkennt­ nis. Kein Wunder: sein Buch „Gebrauchs­ glas“2) hat das Alltagsglas zum Thema, das viel benutzt wird, denen es um den Ge­ brauchswert geht und nicht um Verzierung. 162

Kelchglas, Weinglas; Schwarzwald 1. Viertel 19. Jahrhundert (klassizistisch) Essig- und Ölflasche, Doppe!flasche; Schwarz­ wald 2. Hä!fte 18. Jahrhundert Die Merkmale nun, die hinreichen, um einfaches Gebrauchsglas zu klassifizieren, müßten, so darf vermutet werden, auch auf ,,anspruchsvollere“ Gläser Anwendung fin­ den können, liegen diesen doch bei allem Schmuck die gleichen Formstrukturen zugrunde wie den Gläsern des täglichen Gebrauchs. Dexel macht den vernünftigen Vorschlag, ,,die Vielzahl der verschiedenen Formen auf die wenigen allgemeinen Grund­ typen zurückzuführen, die allenthalben und in jedem Material in ähnlicher Gestalt vor­ kommen. Das sind Schale, Topf, Flasche, Kanne und Krug. „3) Diese fünf Grundtypen mögen für die Zuordnung der allermeisten Gläser durchaus genügen, aber es gibt auch eine Reihe gläser­ ner Gegenstände, die sich der Einordnung in dieses Raster entziehen. Zu ihnen gehören alle Massivkörper (z.B. Plättstein, Briefbe- schwerer, Glätter) und jene, die zwar hohl, aber nicht eigentlich Gefäße zur Aufnahme und Wiedergabe einer Flüssigkeit sind (z.B. hohles Stopfei, Barometerrohr). Und Objekte wie Kleiderknopf und Vogeltränke wird man nicht gern der Flasche zuordnen wollen, fehlt ihnen doch der für die Flasche kennzeichnende Hals als Füll- und Ausgieß­ öffnung. Die eben erwähnten fünf Grundtypen sind also noch um einige Grundformen zu ergänzen, die es erlauben, die durch jene fünf nicht faßbaren Objekte typologisch zu fixie­ ren. Hier seien Kugel, Scheibe, Kegel, Zylin­ der, Tropfen, Ei, Pflanzen- und Tierformen genannt; es ist möglich, daß sich noch wei­ tere empfehlen, die genannten ergeben sich aus der im Heimatmuseum vorgestellten Sammlung. 163

Der Teil und das Ganze Hohl- oder Massivformen als geome­ trische Körper gibt es als selbständige Objekte oder als Teile von solchen. Man könnte daran denken, die verschiedenen aus Glas hergestellten Gegenstände in ihre Ein­ zelteile zu untergliedern und dieselben dann typologisch einzuordnen. Bei formenrei­ chen Gegenständen indessen würde die kor­ rekte Zuordnung dadurch wohl eher erschwert als erleichtert. Vielmehr erscheint es sinnvoll, das kenn­ zeichnende Element eines Gegenstandes zur Typologisierung heranzuziehen, dasjenige nämlich, das für die Funktion des Gegenstan­ des am wenigsten entbehrlich ist. Bei einem Leuchter z. B. wäre es der Teil, in den oben die Kerze eingesteckt wird: eine Becherform – wobei man freilich darüber streiten mag, ob nicht der Schaft, der ja die Wirksamkeit der Lichtquelle erhöht, noch wichtiger ist. Ein weiteres Beispiel: bei der Öllampe entschei­ det die Form des Ölbehälters als des unent­ behrlichsten Teils darüber, ob die Lampe typologisch der Schale, dem Topf oder, wie in den meisten Fällen, der Flasche zuzuord­ nen ist. Die schwierigen Grenzfälle Bei jedem Typ ergibt sich das Problem der Grenzfälle, bei denen fraglich ist – und oft auch bleibt -, welcher Grundtypus sich hier in einer fernen Abart wiederfindet. Ein Bei­ spiel dafür ist die Trinkflasche nach Art des spanischen „Porro“. Der Gefäßkörper ist der einer Flasche, jedoch mit einer Ausgießtülle versehen, mit deren Hilfe man, ohne ein zusätzliches Glas zu benutzen und ohne die Flasche selbst an den Mund zu setzen, trin­ ken kann. Die Ausgußröhre ist ein für die Kanne typisches Element, dem Gefäß fehlt aber der für die Kanne ebenfalls unverzicht­ bare Henkel. So müssen wir den „Porro“ denn typologisch der Flasche zuordnen und nicht der Kanne, auch wenn uns dabei viel­ leicht nicht ganz wohl ist. Unsicherheiten können sich auch bei scheinbar unverdächtigen Gegenständen 164 einstellen, etwa bei der Vase. Sie ist formal häufig ein Abkömmling der Flasche, wie diese besteht sie dann aus einem einzigen Stück, dem Gefäßkörper. Ist nun der Hals der Vase etwas geweitet und der Rand trich­ terförmig ausgestellt, so zeigt sie sich in einer Form, wie sie auch bei der Weinflasche vor­ kommt. Tatsächlich ist im Einzelfall schwer zu entscheiden, ob ein Gefäß, das einer Vase ähnelt, auch als Vase diente oder doch zur Aufnahme von Wein. So kann denn auch Dexels Definition, die Flasche sei „ein Gefäß mit einem in jedem Falle engen Hals“4), nicht einschränkungslos gelten. Die Milchflasche beispielsweise weicht von dieser Norm ab; ihr Hals ist sehr weit, in Anpassung fraglos an die besondere Konsistenz ihres Inhaltes, der Milch, die dickflüssiger ist als sonst üblicher Flaschenin­ halt und durch Rahmbildung einen engen Flaschenhals leicht verstopfen kann. Ande­ rerseits ahnt man wohl, daß es bei der Hals­ weite der Flasche einen maximalen Grenz­ wert geben muß, bis zu dem eine Flasche noch als Flache zu bezeichnen ist. Ein Rest an Ungewißheit bleibt da alle­ mal. Nicht daß irgendwelche Dinge formal überhaupt nicht definierbar wären, die Schwierigkeiten sind vielmehr begründet in den Unzulänglichkeiten sprachlicher Kon­ vention – ein letzlich unlösbares Problem, will uns scheinen. Ein Q!ientchen Willkür ist wohl unumgänglich. Gefäße aus Glas Glas bietet eine Menge Vorteile: es ist flüs­ sigkeitsundurchlässig, hat eine glatte Ober­ fläche, ist geschmacksneutral, leicht zu reini­ gen, durchsichtig, meist farblos und deshalb zur Verzierung geeignet, leicht, in der Her­ stellung – falls ohne Schmuckelemente – nicht sonderlich kompliziert, ziemlich billig, rostet und verrottet nicht. Sein großer Nach­ teil: es ist spröde und zerbrechlich. Als Material für Gegenstände, die druck­ und stoßgefährdet sind, oder für solche mit beweglichen Teilen, kommt Glas kaum in Frage. Es empfiehlt sich aber für Gegen-

stände -besonders für Gefäße -, die einen natürlichen Schutz genießen: solche, die man im Haushalt verwendet, wo sie der Sorg­ falt und der Aufsicht der Hausfrau sicher sein dürfen, solche, die man in der Kleidung oder in einer schützenden Umhüllung mit sich führt, schließlich solche, die von ihrer Größe und ihrem sonstigen Zuschnitt her geeignet sind, bequem und sicher in der Hand gehal­ ten zu werden. Der letztgenannte Umstand vor allem dürfte dazu beigetragen haben, daß das Wort Glas zum Synonym für das Trink­ glas schlechthin geworden ist. Vergleichsmaterial -wenig aber wichtig Bei aller Vorliebe, die man dem Schwarz­ wälder Glas entgegenbringen möchte, sollte man nicht übersehen, daß auch an vielen anderen Orten Süd-und Südwestdeutsch­ lands Glas erzeugt worden ist. Bewußt haben wir deshalb dem Glas aus dem Schwarzwald eine Anzahl von Vergleichsstücken vorwie­ gend süddeutscher Herkunft an die Seite gestellt. Wir haben uns bemüht, Wiederholungen zu vermeiden, in der Absicht, dem Betrach- Vor 65 Jahren in Mönchweiler: Ungläubig werden Sie als Leser diese Überschrift zur Kenntnis nehmen. Im nach­ folgenden Artikel werden Sie die Begrün­ dung dieser Tatsache erfahren, die zurück­ geht in die Jahre des Ersten Weltkrieges, genau gesagt in das Jahr 1918, als der Jurist und Philologe Dr. Karl-Theodor Weiß mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter nach Mönchweiler zog und hier im Leibge­ dinghaus des Johannes Lehmann Wohnung nahm. Er war es denn auch, der hier den Grundstein für das heutige in aller Welt bekannte Papiermuseum in Leipzig durch seine Sammelleidenschaft und wissenschaft­ liche Forschungstätigkeit legte. Dr. Karl-Theodor Weiß, der früher als Notar und Anwalt in Baden-Baden und Gründung des Deutschen Papiermuseums ter ein möglichst breites Spektrum an Schwarzwälder Glasprodukten vorzustellen. An manchen Stellen haben wir aber -gern – Ausnahmen zugelassen: kleine Schnapsfla­ schen, Becher und auch Krüge sind ver­ gleichsweise zahlreich vertreten. Das hat zwei Gründe: erstens gehören sie zu denjeni­ gen gläsernen Gegenständen, die früher im Schwarzwald am gebräuchlichsten waren und deshalb am häufigsten produziert wur­ den; zum anderen bieten sie in Dekor oder Verwendungszweck oder in beidem einen Reichtum an Variationen, der das Interesse auf sich zieht. Mit einer einzigen Ausnahme sind alle in der Ausstellung gezeigten Objekte mundge­ blasen. Die gesamte Sammlung ist Eigentum der Stadt Villingen-Schwenningen. ‚) Spiegelhalder, Oskar: Die Glasindustrie auf dem Schwarzwald. In: Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde (1908), s. 267-277; s. 271 ‚) Dexel, Thomas: Gebrauchsglas. Gläser des Alltags vom Spätmittelalter bis zum beginnenden 20. Jahr­ hundert. Braunschweig: Klinkhardt und Biermann 1973 3) Dexel S. 12 4) Dcxel S. 12 Engen tätig war, wurde 1872 in Schwetzingen als Sohn des Gymnasialprofessors Theodor Heinrich Weiß geboren. 1918 gab Dr. Karl­ Theodor Weiß seine Anwaltspraxis auf. Da die Inflation ihm und seiner Familie alles geraubt hatte, war er gezwungen, auch seine Wohnung in der Stadt aufzugeben. In Mönchweiler, wo Verwandte mütterlicher­ seits ansäßig waren, fand er die Ruhe und Zeit, um sich ganz seiner Papierleidenschaft widmen zu können. Schon als Schüler und später als Student fühlte er sich zum Papier hingezogen. Was zuerst nur als Hobby betrieben wurde, entwickelte sich in der Zukunft bis zu seinem Tode im Mai 1945 zu anerkannter wissenschaftlicher Forschung. Die Jahre in Mönchweiler waren für die 165

Familie nicht einfach, denn sie war vom Materiellen her nicht besonders gesegnet. Allein die Räumlichkeiten im ehemaligen Leibgedinghaus waren mehr als bescheiden. In allen Räumen, mehr Rumpelkammern, standen kleine und große Kisten mit Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Stößen weißer Bogen herum, so daß man kaum gehen konnte. Eine aus alter Zeit stammende Petroleumlampe diente zur Beleuchtung. Inmitten des Wirrwarrs von Papier stand eine Schreibmaschine, auf der Dr. Weiß seine Forschungsergebnisse zu Papier brachte. Nach der Umsiedlung nach Mönchweiler soll er ausgerufen haben: ,,Nun endlich bin ich der juristischen Fron entronnen.“ Er war ein Enthusiast in Sachen Papier, ein Fanati­ ker, der mit einzigartiger Begeisterung und Hingabe unter größten Opfern für sich und seine Familie gewirkt hat. Er war ein Volks­ kundler „alter Schule“. So gab er in Mönch­ weiler die nur in einem einzigen Jahrgang erscheinende Heimatzeitung „Unterm Rosenhub“ heraus, fertigte Familienwappen und Stammbäume alteingesessener Fami­ lien, betrieb die papiergeschichtliche For­ schung verschiedener Papiermühlen wie Stockach, Schramberg und anderer Orte. Auch gehörte er der Redaktionsmannschaft der „Katzenmusikzeitung“ während der Vil­ linger Fasnet an und steuerte diesem Blättle manch lustigen Artikel bei. Er schrieb für mehrere Zeitungen heimatkundliche Bei­ träge, hielt Vorträge, um sich und seine Fami­ lie mit den kärglichen Honoraren über Was­ ser zu halten. Aus der wissenschaftlichen Arbeit wurde zu seinen Lebzeiten nur recht wenig ver­ öffentlicht. Die Herausgabe wichtiger Manuskripte blieb seinem Sohn Dr. Wisso Weiß überlassen. So erschien im Jahre 1962 das „Handbuch der Wasserzeichenkunde“, das Dr. Karl-Theodor Weiß in Mönchweiler ausgearbeitet hatte. Da sein Sohn Wisso, der sein Abitur an Ostern 1923 am Fürstenberg­ gymnasium Donaueschingen absolviert und Volkswirtschaft studiert hatte, nach Erfurt aus beruflichen Gründen verzogen war, folg- 166 ten die Eltern dem Sohne im Jahre 1939 ebenfalls. Viele Bürger Mönchweilers erin­ nern sich noch heute, wie er mit einem stol­ zen Vierspänner seine vielen Kisten zum Vil­ linger Bahnhof transportieren ließ. Mancher Gemeindevorsteher im Landkreis war froh darüber, denn Dr. Weiß war wegen seiner Hartnäckigkeit in Sachen Konzeptpapier und Wasserzeichen schon als rechter Archiv­ schreck bekannt. Die kostbaren Papier­ schätze landeten alle wohlbehalten in Erfurt. Und als er am 12. Mai 1945 starb, mußte Sohn Wisso dafür sorgen, daß die Forschungsar­ beit des Vaters und die immer umfangreicher werdende Sammlung fortgeführt wurde. Im Juni 1945, zurückgekehrt aus dem Kriege, faßte er den Entschluß, die Sammlung seines

Ein hundertfacher „Schloßherr“ Vaters einer breiteren Öffentlichkeit zugäng­ lich zu machen. Er hatte Erfolg. Am 7. Okto­ ber 1957 wurde im Schloß Greiz in Thürin­ gen die offizielle Einweihung des „Deut­ schen Papiermuseums“ mit einer Ausstel­ lung mit dem Thema „Handbüttenpapier – gestern und heute“ realisiert. Aus räumlichen Gründen wurde das Museum dann im Jahre 1964, als eine Abtei­ lung des „Deutschen Buch-und Schriften­ museums“ nach Leipzig verlegt. Nicht zuletzt deshalb folgte dieser zweite Umzug, weil der Wert der Sammlung weit mehr als in den Jahren zuvor von maßgeblicher Seite erkannt worden war. Auch sollte das einma­ lige Museum mehr in zentraler Lage unterge­ bracht werden, um mehr Besuchern die Schätze des Dr. Karl-Theodor Weiß zeigen zu können. Dr. Wisso Weiß wurde Leiter des Alte Schlösser, Beschläge und Truhen in einer Villinger Privatsammlung Eigentum und Besitz ist nicht denkbar ohne die Möglichkeit, Erworbenes oder Ererbtes zu sichern und zu wahren. So kam der Mensch schon sehr früh darauf, Vorrich­ tungen zu schaffen, die seinen Besitz vor dem Zugriff anderer schützten. Das Schloß mit dem Schlüssel, der feste Riegel, waren schon fünf Jahrhunderte vor unserer Zeitre­ chung bekannt; Griechen, Ägypter und Römer benutzten Vorhängeschlösser mit Drehschlüssel. Die Materialien waren damals �upfer, Zink und Zinn, Bronze oder Mes­ smg. So weit zurück reicht nun die Privatsamm­ lung von Karl Kratt in der Villinger Zinser­ gasse nicht, aber trotzdem ist der gelernte Werkzeugmacher hundertfacher „Schloßbe­ sitzer“. Seine Schlösser und Schlüssel stam­ men aus der Zeit der Spätgotik, aus der Renaissance und aus dem Barock. Die Hand­ werkskunst als Werk des künstlerisch inspie­ rierten Geistes und der geschulten Fertigkeit standen damals in Blüte. Frankreich und Ita- Papiermuseums in Leipzig.1968 setzte er sich zur Ruhe. Selbst heute noch, 43 Jahre nach dem Wegzug von Mönchweiler, stehen noch Kisten aus der Mönchweiler Zeit ungeöffnet im Leipziger Museum. Weitere Räumlich­ keiten sind notwendig, um all diese Schätze der Öffentlichkeit zeigen zu können. In Mönchweiler selber deutet heute nichts mehr auf die Zeit des Volkskundlers, Heral­ dikers, Heimat- und Ahnenforschers Dr. Karl-Theodor Weiß hin -abgesehen von einigen Familienstammbäumen in Privat­ hand und einem Flurnamenverzeichnis, das er für die Gemeinde Mönchweiler verfaßt hatte. Das Leibgedinghaus des Johannes Lehmann wurde vor etlichen Jahren abgeris­ sen, um einem Mehrfamilienwohnhaus Platz zu machen. Dieter-Eberhard Maier lien, aber auch Deutschland hatten Meister, denen die Liebe zum Detail, der Sinn für For­ men und Schmuck angeboren schien und die ihre Handschrift in die Ornamentik der Schlösser schrieben. Die Sammlung von Karl Kratt umfaßt etwa 600 Stücke rund um das Schloß. Dazu gehören auch Schlüssel, die Beschläge, Verzierungen und Truhen mit raf­ fmiert ausgedachten Sperrungen. Für Karl Kratt sind diese Schlösser mehr als Vorrichtungen. Es sind Kunstwerke, und jedes hat seine Geschichte, die der Sammler faszinierend und lebendig zu erzählen weiß. Das beginnt mit der rein zufälligen Art, wie der Werkzeugmacher und Mechaniker im Jahre 1950 überhaupt zum Sammeln kam. Er erhielt neben anderem Nachlaß von sei­ nem Freund ein Schloß geschenkt, das wohl mal ein Gesellenstück war, und dieses Geschenk übte aufgrund seiner handwerkli­ chen Präzision und seiner kunstvollen Ver­ zierung so viel Faszination aus, daß es ein Stück Lebensinhalt für den Villinger wurde. 167

Kapellenschlösser werden diese kleinen Kunstwerke genannt, die in der Zeit der Renaissance und des Barock entstanden (links). -Mit vielen Sperriegeln versehen ist diese Armeekasse vergangener Zeiten, die Karl Kratt (links im Bild) bei einer Ausstellung zeigte (Bild rechts). Solide Schlösser mit mächtigen Schlüsseln verwandten die Schwarzwaldbauern des Kinzigtales, um ihre Vorratsscheunen zu sichern. 168

Rund 350 Jahre alt ist dieser Türbeschlag, der eine meisterliche Arbeit ist. Die Jagd nach seltenen Stücken begann. So galt es für Karl Kratt eines Tages, das Schloß eines Bauernhofes des ehemaligen Klosters St. Georgen zu erwerben, des sogenannten „Kastens“. Zum Öffnen dieses Schlosses waren zwei Schlüssel notwendig, die zwei Mönche bewahrten, um in gefahrvollen Zei­ ten eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten. Mit Geld und guten Worten war dieses sel­ tene Stück im Besitz eines Privatsammlers nicht zu erwerben. So gab Karl Kratt nach langen Verhandlungen zwei doppelläufige Reiterpistolen und ein Zinngefäß her, um dieses Zeugnis früherer Handwerkskunst zu erwerben. Etwas einfacher war es da für ihn schon, an zwei riesige Holzschlösser, mit denen früher die Schwarzwaldbauern ihre Vorratsscheunen verschlossen, heranzukom­ men. Der Zufall kam ihm dabei zu Hilfe. Zwischen Schiltach und Wolfach blieb sein Wagen stehen, und als er in einer Tankstelle dem Mangel abhalf, sah er eine Tür mit einem alten Schloß an der Wand lehnen. Das Interesse des Sammlers war geweckt, und der Tankwart war bereit, ihm nicht nur dieses Schloß, sondern auch zwei der kompakten Holzschlösser zu überlassen, weil er wohl selbst den Eindruck gewann, daß hier ein Mann mit Leib und Seele Sammler ist. So gleicht das kleine Haus in der Villinger Zinsergasse heute fast einem Museum. Schlösser aus aller Herren Länder, aus Indien, Ceylon und Indonesien, schmücken die Wände und Vitrinen; daneben hängen Stücke aus Frankreich und Italien, steht eine durch ein ausgeklügeltes Riegelsystem gesi­ cherte Regimentskasse aus dem 17.Jahrhun­ dert. Alle Schlösser, die Karl Kratt in seine Obhut nahm, sind voll funktionsfähig und blitzblank hergerichtet. Hier ließ der Mann vom Fach seine eigenen Erfahrungen und Fähigkeiten in der Metallbe- und -verarbei­ tung einfließen. Aufgrund seiner beruflichen Erfahrung fällt es ihm leicht, den Wert einer guten Schlosserarbeit oder eines kunstvoll geschmiedeten Beschlages zu erkennen. Mit Geld, so Karl Kratt, ist eine solche Sammlung nicht aufzubauen. Sie erfordert viel Liebe zum Objekt; daneben aber auch so etwas wie Jagdeifer, Menschenkenntnis und Gespür für das, was an Überliefertem wahren Wert Klaus-Peter Friese besitzt. 169

Profane Kunst und Künstlerportraits Der Bildhauer Gerson Fehrenbach Die nachfolgenden biographischen Daten zeigen den Weg des begabten einsti­ gen Bildschnitzers auf: Nach dem Besuch der Kunsthandwerk­ schule Bonndorf bei Walter Schelenz beginnt er 1954 nach einem Studienaufent­ halt in Paris als Stipendiat des „Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie“ und der „Studienstiftung des deutschen Vol­ kes“ an der Hochschule für bildende Kunst Berlin (Bildhauerei) und wird bereits 1959 Meisterschüler von Professor Karl Hartung. Er nimmt an verschiedenen internationalen Symposien teil. 1959 erhält er den Preis der großen Berliner Kunstausstellung, und als Träger des Villa-Romana-Preises geht er 1962 für ein Jahr nach Florenz. Diese Zeit und vor allem Aufenthalte auf Stromboli haben sein künstlerisches Schaffen besonders beein­ flußt. Von 1963 bis 1975 ist er Assistent bei Professor E. F. Reuter, Lehrstuhl für plasti­ sches Gestalten an der Technischen Universi­ tät Berlin. In diesem Zeitabschnitt beschickt Gerson Fehrenbach Ausstellungen u. a. in Frankfurt, Berlin, Stuttgart, Paris (Muse Rodin), Stockholm und Kassel (Docu­ menta). 1968 ist er als Gastdozent an der Techni­ schen Universität in Istanbul, Türkei, tätig. Arbeiten von Fehrenbach finden wir in unserem Raum in Offenburg (,,Brückentor“) und in der Kaserne Pfullendorf (,,Atom­ pilz“); eine weitere Plastik ist im Juni 1982 im Hof der durch den Schwarzwald-Baar-Kreis erweiterten Handelslehranstalten im Stadt­ bezirk Schwenningen aufgestellt worden. Aus Anlaß des SO. Geburtstages des Künstlers gab im August 1982 eine Ausstel­ lung mit Werken von Fehrenbach in der Städtischen Galerie (Foyer des Theater am Ring) Villingen-Schwenningen einen Ein­ blick in sein weitgespanntes CIEuvre. Am 18. Februar 1982 beging Gerson Feh­ renbach, Berlin, seinen SO. Geburtstag. Daß er heute zu den bedeutendsten Bildhauern in der Bundesrepublik gehört, und seine Plasti­ ken an vielen Plätzen stehen, wissen nur die, die dem in Villingen geborenen Künstler nahestehen, bzw. sich mit der Modeme aus­ einandersetzen. In einem Artikel der „Berli­ ner Rundschau“ unter der Überschrift „Berli­ ner Künstler im Gespräch -wenig Pathos – viel Raum für Phantasie -“ hat Gerson Feh­ renbach eingangs ausführlich über seine Kindheit, das Elternhaus in der Frieden­ straße, die Förderung seiner schöpferischen Begabung am Ende seiner Schulzeit und über seine Holzbildhauer-Lehre in ViJJingen berichtet. 170

eben der ständigen Auseinandersetzung mit den plastischen Problemen. Da stehen ferner neben Entwürfen und zahlreichen Skizzen die „Schachfiguren“, polierte Messing-Klein­ plastiken, Ergebnisse jener „strengeren Periode“, die 1970 einsetzt. Sein Lehrer war vor allem Karl Hartung; dieser kam von Maillol. Fehrenbachs Gestal­ tungen sind ein Zusarnmmenwirken von positiven und negativen Räumen, von oft lavahaften Figurationen mit begreifbaren Wölbungen und grottenartigen Tiefen, Ele­ mente, die durch ein Maß überlegener Ord­ nungen letztlich -wenn auch nicht immer unmittelbar sichtbar -in die Natur einmün­ den. Der Kunstkritiker Heinz Ohff schreibt: „Der Rhythmus, den Gerson Fehrenbach allen seinen Figuren einverleibt, das metrische Maß ist es denn auch, das ihn befä­ higt, selbstbewußt zu sein und sensibel, selbstverständlich und komP.liziert, ein Akt bildnerischer Freiheit ohne Uberheblichkeit und Ungestüm. Eine Pranke der Gewaltlosig­ keit.“ Helmut Heinrich Was sind der Worte viel geschrieben Seit uns’re Welt besteht, Was aber ist geblieben, – Der Wind hat sie verweht. Was große Männer einst geleistet In jedem Vaterland Und was der Mob sich schon erdreistet, Das keine Grenzen fand. Was alles wurde schon besungen Von Liebe und vom Glück, Gar manches Lied ist schon verklungen, Nie kommt es mehr zurück. Auch was die Menschen stets bedrückte Der Hunger und der Krieg, Wie Eichenlaub den Helden schmückte, J. Hawner 171 Was aber war der Sieg? – Geschriebene Worte ·’·“ Plastik im /nnenhef der beruflichen Schulen im Stadtbezirk Schwenningen. Es ist hier nicht möglich, das Werk Feh­ renbachs ausführlich zu interpretieren; es sollen jedoch einige Gedanken noch ange­ fügt werden. „Ausgangspunkt war stets die Figur-Feh­ renbach ist auch ein sehr guter Zeichner – gleichermaßen wie das Monument. Die ver­ tikal betonten Plastiken können ebensogut Steine mit anthropromorphem Charakter sein, wie auch menschliche Gestaltformen, die den Anschein von gewundenen, sprie­ ßenden ,barocken Säulen‘ annehmen und zur Versteinerung gekommen sind. Die breitgelagerten Skulpturen hingegen liegen auf der Ebene zwischen Baukörpern wie Tore oder Brücken und gleichzeitig vegetabi­ len organisch wachsenden Formen (L. Schauer).“ Wenn wir in sein Berliner Atelier eintre­ ten, so stehen wir am Eingang vor einer gro­ ßen Gipsfigur, an der er schon viele Jahre arbeitet: „Hommage an Michelangelo“, Zei-

Symbole für Verletzbarkeit und Isolierung Die polierten Kopf-Plastiken des Bildhauers Hubert Rieber aus Furtwangen Als im Juli 1981 das renommierte Kunst­ magazin „Art“ den „Großen Wächter“ des Bildhauers Hubert Rieber zusammen mit Jakobus dem Jüngeren, einer Figur des Hei­ ligblut-Altars von Tilman Riemenschneider in Rothenburg ob der Tauber, präsentierte, war dem 37jährigen Furtwanger aus regiona­ ler Bekanntheit der Durchbruch in die bun­ desdeutsche Kunstlandschaft gelungen. Inzwischen ist der Kunstunterricht an der Furtwanger Robert-Gerwig-Schule und der Berufsakademie Villingen-Schwenningen, bisher als wirtschaftliche Grundlage der künstlerischen Existenz hoch willkommen, für Hubert Rieber zu einer Belastung gewor- den. Der Schuldienst verlängert nicht nur die wöchentliche Arbeitszeit, sondern lenkt auch von schöpferischer Tätigkeit und Auf­ tragsarbeiten ab. Im Atelier von Hubert Rie­ ber bestimmen nämlich zur Zeit (im Som­ mer 1982) die Figuren für die Gewerblichen Schulen in Donaueschingen das Bild, und für die künstlerische Ausgestaltung der Mensa der Furtwanger Fachhochschule steht das Modell bereits parat. Darüber hinaus müssen für Kunstausstellungen, an Einla­ dungen ist kein Mangel, neue Plastiken und Zeichnungen geschaffen werden. Obwohl Hubert Rieber nun sehr gefragt ist, hat er sich nie den Tendenzen des Kunst- 172

marktes angepaßt; seine Entwicklung ist sehr gradlinig verlaufen. Seit er sich in seiner Stu­ dienzeit (Hubert Rieber: ,,Sie ist auch und gerade Experimentierzeit“) von abstrakten Formen gelöst und sich mehr und mehr der menschlichen Figur, vor allem in Ausschnit­ ten, zugewandt hat, ist er nicht nur seiner Thematik, sondern auch seinem bevorzug­ ten Material, dem Holz, treu geblieben. Hubert Rieber hat sich dabei aber weit von der herkömmlichen Technik des Holzschnit­ zens entfernt, das er an der Schnitzbank in der väterlichen Werkstatt erlernt hat. Der Künstler verzichtet seit jeher darauf, Arbei­ ten aus einem Block herauszuhauen. Er leimt das Material vorher schichtweise zusammen, so daß durch die verschiedene Maserung der Holzschichten zusätzliche, oft zufällige, aber auch berechnete Effekte entstehen. Arbeiten aus den Anfängen seines künst­ lerischen Schaffens zeigen, daß Hubert Rie- Der große Wächter. her damals noch viel konsequenter Schich­ ten als gestalterisches Element benutzt hat. Ein leichter Einfluß der Pop-Art ist bei die­ sen kräftig gefärbten, glatt polierten Flächen unverkennbar. Aber auch heute noch ver­ fremdet der Furtwanger Bildhauer das Mate­ rial Holz: Er glättet und poliert es so intensiv, daß der Betrachter nicht widerstehen kann, den Formen mit der Hand nachzuspüren, sie mit fast sinnlichem Vergnügen zu ertasten und zu erfühlen. Lange Zeit waren für Hubert Rieber Köpfe und Hände die bevorzugten Sujets, an denen er sein bevorzugtes Thema, Isolierung und Einsamkeit des Menschen, aufzeigte. Obwohl seine Kopf-Plastiken und Hand­ Werke realistisch gearbeitet sind, gelten sie nur als Symbole: ein Kopf in Stäben gefan­ gen, zwischen Platten gepreßt, in Rahmen 173

Seine Kopf Plastiken versteht Hubert Riebe, als Symbole der Verletzbarkeil und der Isolierung des modernen Menschen. weltpolitik die grauhaarigen finanziers verkaufen günstige papiere gegen hohe beteuerungen dies läßt hoffen der heisere makler mit dem teueren geschäftssinn verkündet heftig die aktien am waffenmarkt steigen um dreißig punkte hingegen fällt der kurs bei ehrlich erworbenem kapital auch der eifrige kleinaktionär stellt mit seinen dünnen fingern stille berechnungen an und nur darüber erschrecke ich norbert fleck eingeengt, mit Bändern verschnürt, mit Hel­ men geschützt und abgeschottet; aber auch Hände, die ins Leere greifen, auf Hilfe warten und sich an Stricken halten. Nur in wenigen Werken kann sich Hubert Rieber von diesen Assoziationen frei machen, aber dann gelin­ gen ihm so reizvolle Arbeiten wie „Kopf mit Armen“, ein Mädchenporträt, das das Regie­ rungspräsidium Südbaden für das Augusti­ nermuseum in Freiburg angekauft hat. Seit etwa einem Jahr bezieht Hubert Rie­ ber nun auch Torsi und Beine in sein künstle­ rische Vokabular mit ein, ohne dabei seinem Anspruch untreu zu werden, „Menschen als Existenzen“ zu zeigen. Seine Plastik „Schritt­ folge“ (1982) läßt dann auch an Flucht den­ ken, und ein“ Torso“ (1981) ist am Halsansatz durch eine Kerbe verletzt. Seit 1979 wendet sich Hubert Rieber immer mehr der Bronze zu, ordnet aber auch dieses Material ganz sei­ nem künstlerischen Ausdruck unter: Köpfe und Hände aus Bronze, glatt geformt und 174

poliert, sind idealtypische Darstellungen ohne jede individuelle Eigenschaft. Der künstlerische Weg des 37jährigen Furtwangers begann in der väterlichen Werk­ statt. Unter der Anleitung seines Vaters Karl Rieber eignete er sich das handwerkliche Rüstzeug eines Bildhauers an und schloß die Lehre mit der Gesellenprüfung ab. Im Lei­ stungswettbewerb der Handwerksjugend wurde Hubert Rieber Landessieger. Als einer der profiliertesten Bildhauer der Schweiz, Beat Gasser aus Luzern, sich für den jungen Schwarzwälder interessierte, war der weitere Weg von Hubert Rieber vorgezeichnet. Drei Jahre lang arbeitete er bei Beat Gasser und besuchte gleichzeitig die Kunstgewerbe­ schule in Luzern. Daran schlossen sich, unterbrochen durch den Dienst bei der Bun­ deswehr, zwölf Semester an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe an, wo der Furtwanger zum Meisterschüler von Pro­ fessor Wilhelm Loth avancierte. 1973 zog Hubert Rieber in seine Heimatstadt Furt­ wangen, wo er sich im väterlichen Betrieb ein Atelier einrichten konnte, das nur einen Nachteil hat: es wird langsam nun doch zu eng. Erich Schlenker Der T riberger Johann Baptist Rimprecht Ein im Schatten der Großen vergessener Maler “ Da steht der Betrachter zwischen zwei Ausstellungen der Modeme und docu­ menta 7/82″ vor einem alten Bild, oder er entdeckt mehrere von ihnen in einem ansprechenden Büchlein, das nahezu uner­ wartet vor ihm auf dem Tisch liegt, sich zum Beispiel mit dem ungewohnt behäbigen Namen ,Johann Baptist“ vorstellt und freundlich in eine Zeit versetzt, in der sich Zukünftiges verhalten ankündigte: Eine Auf­ lehnung gegen vielfältige Willkür beispiels­ weise und der Beginn einer Industrialisierung. Aber noch ist er, der Betrachter, mit dem Namensträger nicht so vertraut, daß die zeitgenössische Duzbrüderschaft ange­ bracht erscheint, trotz aller Anziehung, und so verlangt Ehrerbietung vor einem ernsten, vom Leben gezeichneten Gesicht die Nen­ nung des Familiennamens Rimprecht“: Ein “ Triberger Maler, dessen sieben Lebensjahr­ zehnte, nämlich 1801 bis 1877, zu bieder­ meierlichem Umdenken und -sehen auf­ fordern. Die hohen Ideale der Romantik und eine universale Weitsicht glichen zu seiner Zeit dem letzten Licht der untergehenden Sonne; treuherzig kehrte man hier in die Häuslich­ keit zurück, um dem Märchen von der “ guten alten Zeit“ träumend nachzuhängen “ und sich dank dem Druck der Verhältnisse nach 1815 in politischer Passivität abzukap­ restauriert“ werden. Im seln. Alles mußte Schwarzwald zog man sich womöglich noch tiefer als andernorts in das Schneckenhaus lange entbehrter Behaglichkeit zurück. Aus dieser schlichten, auf alles nahe gerichteten Klein-Welt, die so manche Spötter als spieß­ bürgerlich bezeichneten und die doch nur für das Atemholen vor einem revolutionären Umbruchsversuch reichte, grüßt auch der Name Johann Baptist Rimprecht herüber. Ein bescheidenerer Malername als der des Furtwangers und Großherzoglich-Badischen Hofmalers Kirner mit denselben Rufnamen oder dessen Bruders Lukas, der 1830 bis 1850 zu den besten Porträtisten im Lande zählte und dennoch liebenswert dank seiner künstlerischen Hinterlassenschaft, so knapp diese auch auf uns überkommen ist. Es gibt nur noch wenige Werke von). B. Rimprecht, doch die nach den wechselnden Zeitwirren vorhandenen lassen bedauern, daß hier jemand in Vergessenheit geriet, der seiner Zeit zwar nicht voraus war, sie aber in den erkannten Grenzen seiner künstlerischen Äußerungsmöglichkeiten ohne genialische 175

stützender Institutionen. Zu ihnen zählt der engagierte T riberger RudolfFleig, ein Urenkel des Malers Johann Baptist Rimprecht. In einer empfehlenswerten Publikation des Hei­ mat-und Gewerbevereins Triberge. V. hat er in mühevoller Kleinarbeit und mit detektivi­ schem Spürsinn vieles noch Feststellbare über den Maler zusammengetragen und mit dem erhaltenen Bildmaterial abgerundet. Eingebettet in seine Zeit und ihre Strö­ mungen, erhält ein vordem verschwom­ menes Lebensbild klarere Konturen: Johann Baptist Rimprecht wurde am 19. Juni 1801 in Triberg als Sohn des Seiler­ meisters Bartholomäus Rimprecht und des­ sen zweiter Frau J osefa geboren. Vier Ge­ schwister aus erster und ebensoviele aus zweiter Ehe sowie der Zeitraum der napo­ leonischen Kriege unterstreichen eine ent­ behrungsreiche Jugend. Unterlagen weisen darauf hin, daß der junge und zeichnerisch begabte Johann Baptist mit der im Schwarz­ wald heimischen Uhrenschildmalerei be­ gann, um die Großfamilie zu unterstützen. Das Bildnis der damals 20jährigen Marie Luitgard Creszentia Dorer, seiner späteren Ehefrau, malte er als 24jähriger. Es ist das erste, noch erhaltene kleine Werk (pastell­ zarte Tempera aufKarton). Bei K. L. Fromme! an der Kunstschule Karlsruhe und in Wien wurde er in der Bildnis-und Genremalerei unterrichtet. Eine Kritik im „Kunst-Blatt“ vom 19. März 1839 über eine Karlsruher Kunstausstellung erwähnt das Talent von Rimprecht, der sich mit einem Genrebild beteiligte. Seine Ausbildung wird in Romu­ lus Kreuzers »Zeitgeschichte von Furt­ wangen und Umgebung“ angedeutet: »Rim­ precht, Zeichenlehrer an der Gewerbeschule in Triberg, dessen Laufbahn mit dem (Uhren-) Schilde begonnen hat, konnte sich durch Staatsunterstützung in Wien in seinem künstlerischen Berufe ausbilden“. Zehn Jahre nach dem Freiheitskrieg ver­ nichtete der große Stadtbrand von Triberg (1826) auch das elterliche Anwesen vor dem damaligen „N ußbacher Tor“. Nach dem Wiederaufbau heiratete Johann Baptist 1828 ]. B. Rimprecht (nach einer Fotografie seines Sohnes). Züge getreulich schildernd widerspiegelte und damit das Erlebnis vertrauter Nähe mit dem Verzicht auf intellektuelle Distanzie­ rung schuf. Auch andere Namen wie die der zur Gut­ acher Malerkolonie zählenden Schwarz­ waldmaler Follenweider, Vautier, Hasemann, Eyth, Reich, Pfaff oder Liebich, um nur einige zu nennen, sind nahezu vergessen. Nur der später geborene Bemauer Hans Thema schlägt noch jetzt eine unzerstörbare Brücke aus der Zeit ländlicher und klein­ städtischer „Idylle“ in unsere mit ihrer Zu­ spätbesinnung auf unwiederbringlich Verlo­ renes, das so mancher vagen Sehnsucht Vorschub leistet. Daß dieser und jener Künstler von Staub und Asche der Zeitläufte befreit wird, um eine Epoche mit vielfältigen künstlerischen Be­ mühungen lückenschließend abzurunden, ist das Verdienst verantwortungsbewußter Heimat-und Kulturforscher sowie unter- 176

Gregor Martin (1801-1869), Gastwirt „Zur Krone“ in Triberg und bekannter Schwarz­ wälder Holzhändler, gemalt von]. B. Rimprecht die schon genannte Jungfer Dorer. Zwei von sechs Kindern überlebten. Um 1830 entstand sein bekanntestes Werk, nämlich die Zeich­ nung vom Triberger Marktplatz, die von C.Keller in Donaueschingen lithographiert wurde. Dieselbe Vedute führte er bald da­ nach mit Änderungen in den Gruppierungen der Figurinen, in der Erfassung der Häuser­ zeilen und eines Pferdegespannes in Öl auf Holz aus, die in ihrer trefflichen Farbigkeit leider weniger bekannt ist und doch zu seinen überzeugendsten Arbeiten zählt. Nach dem zu frühen Tod seiner Frau (1842) heiratete er 1845 Johanna Gerau aus Mainz, die er ,,s’Wieble“ nannte. Möglich, daß diese kin­ derlose Ehe ohne engere innere Bindung Johann Baptist dazu bewog, im Jahre 1853 allein nach Amerika auszuwandern. Wie viele andere hoffte er dazu wahrscheinlich, dort sein Glück zu machen und wohlhabend in die Heimat zurückzukehren. Er sah sie nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, an dem er zwei Jahre teilnahm, erst 1865 wieder und lebte dann in der Familie seines Sohnes „Der Seilerbartle und ’s Seilerbart/es Bärbele“ – der Vater und die Stiefmutter (seit 1825) des Malers ]. B. Rimprecht. Rudolf, der als Goldschmied ein Geschäft besaß und etwa um 1869 das erste fotogra­ fische Atelier in Triberg eröffnete. Einen Mo­ nat nach dem Tod des 76jährigen Johann Baptist Rimprecht starb, erst 43 Jahre alt, auch sein Sohn. Die Fotografie des Malers stammt von Rudolf Rimprecht. 17 Reproduktionen von Werken des Jo­ hann Baptist Rimprecht, von denen sich elf in Familienbesitz, vier im Besitz seines Urenkels und zwei im Heimatmuseum Triberg befinden, hat Rudolf Fleig dem Büchlein über seinen malenden Urgroßvater zugeordnet. Ein bescheidener künstlerischer Nachlaß, der sich durch Entdeckungen im jetzt noch Verborgenen eines Tages ver­ größern könnte. Doch auch das sichtbar Erhaltene zeigt die schlichte Verbundenheit des Malers mit der Heimat und ihren Menschen. Da gibt es die farbige Zeichnung „Fall der Gutach bei Tryberg“, ein romantisches und oft fotografiertes Motiv, das mit Rim­ prechts „Marktplatz von Tryberg“ zu seinen 177

bekanntesten Blättern gehört und ebenfalls bei Keller in Donaueschingen gedruckt wurde. Da haben die Porträts von engeren Verwandten, angesehenen Bürgern und Bauern die Zeiten überdauert: Wie zum Bei­ spiel das kleine, familiäre „Der Seilerbartle und ’s Seilerbartles Bärbele“, Vater und Stief­ mutter Liebevoll in warmen Farben gemalt. Oder das so selbstbewußt wirkende Porträt des „Krone“-Wirtes Gregor Martin, die Tem­ pera-Arbeiten mit dem Schonacher Ferdi­ nand Haberstroh und seiner Ehefrau sowie der stolz posierende Haldenhofbauer Bern­ hard Hock mit dem Pendant seiner Frau in heimischer Tracht. Streng und den porträ­ tierenden Künstler abschätzend beobach­ tend, ob er sie der Nachwelt auch lebensnah in aller Stattlichkeit überliefere, blicktJosefa Rimprecht, die Frau des ebenfalls abgebil­ deten, aber milder wirkenden Stiefbruders Ferdinand, des „Beckeferdi“, aus ihrem Rah­ men, und Johann Baptists Sohn Rudolf, Goldschmied und Fotograf, posiert wie vor der Kamera, so daß die Grenze zwischen Ölmalerei und Ablichtung verwischt er­ scheint. Monsieur Daguerres zur Fotografie führen­ de Erfindung zwang] ohann Baptist noch nicht Laudatio von Lorenz Honold anläßlich der 10. Jahresausstellung Am 18. 11. 1981 beging in Anwesenheit namhafter Gäste, an ihrer Spitze MdB Dr. Hansjörg Häfele, Landrat Dr. Rainer Gut­ knecht und Bürgermeister Dr. Bernhard Everke, die Künstlergilde Donaueschin­ gen ihr zehnjähriges Bestehen. Bei der Vernissage zur 10. Jahresausstellung in der Donauhalle in Donaueschingen würdigte Redakteur i. R. Lorenz Honold mit nach­ stehender Laudatio den Werdegang und die Ziele der Vereinigung. 10 Jahre Künstlergilde Donaueschingen. Auch der Kunstrezensent kommt bei dem Jubiläum zu Wort. Er erinnert sich: das war 178 wie andere Maler auf neue Wege. Es kam ihm, der Auffassung des bürgerlichen Mittel­ standes zu jener Zeit entsprechend, auf dessen gewünschte genaue Repräsentation an. Die Auffassungen beispielsweise der zur selben Zeit neuen künstlerischen Wegbereiter Frankreichs, nämlich eines Delacroix, Dau­ mier, Manet und Cezanne oder der nach der Märzrevolution von 1848 deutschen Realisten Menzel und Leib!, waren noch nicht bis in den Wald gedrungen. Hier gab es keinen „Salon des Refuses“, der mit alten Vorstellungen aufräumend Furore machte. So führte der Weg dieses so bieder und Liebenswürdig bemühten Malers nachbar­ licher Beobachtungen und Schilderungen mit der großen Schar ihm ähnlicher Künst­ ler ohne weiterreichende Intuitionen in den Schatten der größeren und damit ins un­ dankbare Vergessen. Bemühungen, Beharr­ lichkeit und einige Zeugnisse des ] ohann Baptist Rimprecht verdienen es jedoch, an ihn zu erinnern. Empfehlend sei an dieser Stelle noch einmal an die Publikation Johann Baptist Rimprecht -1801 bis 1877 -Ein Triberger Maler“ von Rudolf Fleig (Heirnat­ und Gewerbeverein Triberg e. V.) erinnert. Jürgen Henckell ein weitgestecktes Programm, als vor zehn Jahren das junge Unternehmen begann. Ein mitreißender Optimismus und ein geradezu stürmischer Drang, der Öffentlichkeit mit dem kreativen Schaffen der Mitglieder sich zu stellen. Die nahezu 20 Mitglieder, darun­ ter beachtliche Talente, suchten das Echo, die Diskussion, um aus ihr neue Anregungen und gewiß auch jene Bestätigung, die der Künstler braucht, zu finden. Gleich im Jahr nach der Gründung stell­ ten sich zehn Mitglieder der Gilde mit rund 70 Arbeiten in Bad Dürrheim der Öffent­ lichkeit in der Nachbarschaft. Es folgten Gil- Zehn Jahre Künstlergilde Donaueschingen

. 1′. in Donaueschingen. Stadtkirche St.Johann Zeichnung: Reinhold Moch, Donaueschingen 179

de-Ausstellungen im Hohner-Haus in Tros­ singen, im Beethovenhaus in Villingen­ Schwenningen und schließlich im Sommer 1975 innerhalb weniger Wochen die reprä­ sentativen Ausstellungen im Trompeter­ schloß in Säckingen und in der Galerie im Wesenberghaus in Konstanz. Die Künstler aus dem Bodenseeraum revanchierten sich mit in Donaueschingen. einer Freundschaftsausstellung Die Gildemitglieder aus dem Raum von Villingen, Donaueschingen, Tuttlingen, aus den Städten Furtwangen, Vöhrenbach, Hüfingen bis hinüber nach Blumberg kamen an; sie konnten sich auch draußen sehen las­ sen. Bei über 100 Exponaten, die von 17 Künstlern am Hochrhein und in der Boden­ seestadt 1975 gezeigt wurden, stellte die Kri­ tik in den beiden Städten ein breites Spek­ trum durch die verschiedensten Techniken und eine respektgebietende Qpalität in der Aussage fest. Zugleich erstaunte die breit gefächerte Skala von Talenten und Tempera­ menten und der innere Zusammenhalt. Das Spektrum der künstlerischen Disziplinen reichte von der Öl-, Batik- und Aquarellma­ lerei über das Pastell, die Zeichnung, den Holz- und Linolschnitt bis hin zur künstleri­ schen Fotografie, bis zur Stein- und Holz­ skulptur. Die Stadt der Musiktage hatte in wenig Jahren als Sitz der Künstlergilde auch in der engeren und weiteren Heimat bei den Freunden der zeitgenössischen Kunst einen Namen. Mehrere Künstler der Gilde sind seitdem auch Mitglieder in Bodenseeclubs, dessen rege Sektion West von dem Blumber­ ger Jürgen Henckell mit Geschick und Enga­ gement geleitet wird. Dann, an der Wende von 1975/76 gab es eine einschneidende Zäsur in der nun zehn­ jährigen Geschichte der Gilde. Es kam der Rückzug, die Konzentration auf die Jahres­ ausstellungen in Donaueschingen. Die Kol­ lektivausstellungen draußen gingen finan­ ziell über die Kräfte der Künstlergilde. Und auf die Dauer hätten sie gewiß auch von der primären, der eigentlichen Aufgabe abge­ lenkt. Schließlich waren die meisten Gilde- 180 mitglieder Autodidakten. „Von Jugend auf gezeichnet und gemalt“ war die Antwort, wenn man nach ihrer Ausbildung, ihrem Kunststudium sich erkundigte. Sie waren mehr oder weniger Naturtalente, und stolz auf diesen Titel. Sie arbeiteten mit Pinsel und Farbe, griffen zu Zeichenstift und Schnitz­ messer zur eigenen Entspannung, aus Freude am kreativen Gestalten. Sie kamen von grafi­ schen und kunsthandwerklichen Diszipli­ nen, in denen sie ausgebildet waren. Der Autodidakt, sei er nun Grafiker oder Maler, beginnt als Künstler bei der Landschaft, beim Blumenbild, bei der Baumstudie, bei impressionistischen Stimmungsbildern. Und diese Themen überwogen denn auch bei den frühen Ausstellungen der Künstlergilde. Nun aber waren sie eine Gemeinschaft mit gleichen Interessen, gleichen Zielen, glei­ chem Ehrgeiz. Die Gilde stellte Aufgaben, die den einzelnen anspornten, nicht nur die Umwelt darzustellen, nicht nur eigenen Gefühlen in Farben Ausdruck zu geben. Der einzelne wurde gefordert, die erlernten Tech­ niken nicht nur handwerklich zu beherr­ schen, sondern sie zum Träger der persön­ lichen Sprache, eines eigenen Stils zu machen. Erstmals 1975 hatte die Künstlergilde auch mit abstrakten Kompositionen aus Anlaß der Donaueschinger Musiktage auf­ gewartet und seitdem gab es keine Jahresaus­ stellung mehr, die nicht von einer Sonder­ ausstellung mit freien, auf das Thema Musik bezogenen Kompositionen begleitet war. Als weiteres Beispiel für die Erziehungsarbeit der Gilde ist das Figürliche zu nennen. Nur wenige Mitglieder pflegten in den ersten Jah­ ren das Porträt, den Akt, das Gruppenbild. Auch in diesem Bereich hat sich das Bild der Jahresausstellungen nach 1975 mehr und mehr zugunsten figürlicher Themen gewan­ delt. Die Palette der Themen ist breiter, viel­ fältiger, zeitbezogener, gesellschaftskritischer geworden. Auch die Erziehung zur Selbstkritik be­ gann Früchte zu tragen. Es sei erinnert an die Herbstausstellung vor zwei Jahren: die erste

juryfreie Ausstellung der Gilde. Trotz der Rekordzahl von 180 Arbeiten, die von 20 Ausstellern gezeigt wurden, gab es keine Nie­ ten. Die Mitglieder bedurften nicht mehr des Gängelbandes einer vereinsintemen Jury, die über die Wahl der Bilder des einzelnen Aus­ stellers bestimmte. Lassen Sie mich, meine Damen und Her­ ren, nach dieser Bilanz kurz noch einen Blick nach vorne tun. Wie die Musik, wie das Thea­ ter, so erfüllt sich auch die Bildende Kunst in der Beziehung auf den Menschen. Auch der Maler, der Bildhauer kann nicht ausschließ­ lich in Erinnerungen leben. Sein Schaffen erschöpft sich nicht in Formproblemen. Mit seinem Werk gibt er Antwort auf eigene Fra­ gen und Nöte, und damit auch immer auf die Fragen und Nöte der Zeit, der Umwelt, in der er lebt. Mit seinem Werk sucht er sein eigenes Leben zu meistem und zeigt damit auch Wege für den Mit-und Nebenmenschen auf. Lassen Sie mich aus dem Kreis der Gildemit­ glieder stellvertretend für alle anderen nur einen Namen nennen: den des Blumberger Bildhauers Walter Richter, eines Kriegsblin­ den, dem sensible Hände, dem das geistige Auge das verlorene natürliche Augenlicht ersetzen, um seine meisterlichen Tierplasti­ ken zu schaffen, mit denen er auf jeder neuen Ausstellung der Künstlergilde die Besucher überrascht, beglückt und zugleich einen Weg aufzeigt, wie noch in der Not, in der physi­ schen Verstümmelung, im Ausfall und im Verzicht menschliches Leben einen Sinn hat und beispielhaft gemeistert werden kann. Ein Beispiel, mit dem ich -wenn es hier auch nur stichwortartig geschehen kann – abschließend das Thema Jugend und zeitge­ nössische Kunst ansprechen möchte. Auch die heutige Jugend, mit ihren Fragen an die Zukunft, an den Sinn des Lebens, braucht den ständigen Kontakt mit der Kunst von heute. Mit den oberflächlichen, billigen Kli­ schees, die die modernen Medien von der zeitgenössischen Bildenden Kunst zu liefern pflegen, kann die Jugend den Weg in das Leben, in die Zukunft nicht gehen. Mit dem Kontakt zwischen Jugend und zeitgenössi- scher Kunst aber ist es in der Provinz beson­ ders schlecht bestellt. Der Staat tut für die Künstlervereinigungen in der Provinz so gut wie nichts. Und Gemeinden und Städte in der Größe von Donaueschingen sind über­ fordert, wenn sie im Lauf des Jahres mit meh­ reren Kunstausstellungen aufwarten wollen. Daher der Appell an die Vereine dieser Stadt und dieses Raumes, an die Schulen, die Kir­ chen, an die heimische Wirtschaft und Indu­ strie, geben Sie der Begegnung mit zeitgenös­ sischer Kunst mehr Raum, verstehen sie Kunstausstellungen nicht nur als eine Feier­ tagsangelegenheit, nicht nur als einen Dienst am Künstler, sondern vor allem auch als eine Verpflichtung den jungen Menschen gegen­ über. Nehmen Sie als aktive Partner das Angebot der Künstlergilde auf, noch engere Kontakte zwischen der Kunst und der Jugend als bisher zu schaffen. Der Nikolaus Heute abend Ihr Kinder wenn Ihr zu Bette geht denket dran und stellt die Schuhe raus denn morgen kommt der Nikolaus! Er bringt Äpfel und Nüsse Kekse mit Schokolade und Marzipan vielleicht ein Pfefferkuchenhaus das alles bringt der Nikolaus! Doch hütet Euch durch das Schlüsselloch zu späh’n da wird er böse und nimmt schnell Reißaus ja, so ist der Nikolaus! Petra Presley 181

Stadtsanierung – Modemes Bauen und Wohnen Wie auf einem Marktplatz Das neue City-Rondell in Schwenningen Da sitzt man also bequem an einem run­ den Tischehen auf einer Art frei in einer gro­ ßen Halle aufgehängten Empore vor seiner Tasse Kaffee, löffelt sein Eis oder genießt das Viertel Wein, schaut dem bunten Treiben eine Etage tiefer oder ein paar Treppen höher zu, freut sich am flanierenden Publikum und hat Zeit und Muße, sich auf einen Einkauf vorzubereiten oder sich vom Einkaufsbum­ mel zu erholen, oder einfach nur zuzu­ schauen, sich mit jemanden zu einem Schwätzchen zu treffen, nicht allein zu sein. Und das alles ist möglich mitten in einem Einkaufszentrum, das so ganz anders ist, als man’s bis vor gut einem halben Jahr noch gewohnt war und weitherum auch gewohnt ist. Sicher, auch in diesem Hause ist die Atmosphäre einer Einkaufsstätte unver­ kennbar, aber von Schieben und Gedränge, von Hektik und Verkrampfung ist nichts zu spüren; nicht jeder Q!iadratmeter ist für den Verkauf direkt am Kunden genutzt. Da gibt’s noch Freiräume, einen kleinen Platz mit brei­ ten und geschwungenen Treppenaufgängen, mit einem kleinen Wasserfall, freilich auch mit Rolltreppen, wenn man’s eben ganz bequem haben will. Und rings um den Platz im Zentrum der großen Halle, auf der Etage darüber oder darunter sind die einzelnen Geschäfte untergebracht, die keine Abteilun- Die feingliedrige Fassadengestaltung nimmt dem mächtigen Baukörper des City-Rondell die Wucht und wird zugleich zum »Markenzeichen“ 182

Wie ein Marktplatz präsentiert sich die Halle des City-Rondells gen eines Kaufhauses sind, sondern echte Einzelhandelsgeschäfte, oft Filialen ortsansä­ ßiger Handelsunternehmen, auch immer wieder ein gastronomischer Betrieb dazwi­ schen. Neu an dieser Konzeption des City-Ron­ dells im Schwenninger Ortskern, in der Mus­ len, ist die Verbindung von Kaufen, Bum­ meln, Schauen und Erholen -alles unter einem Dach sozusagen, auch das Parken der Autos auf drei Parkdecks mit zusammen 420 Stellplätzen auf einer Fläche von 12 000 Q}ia­ dratmetern. Trotz dieser Dimensionen -der Handelsbereich breitet sich auf weiteren 10 000 Q}iadratmetern aus -hat man in der großen Halle nie das Gefühl der endlosen Weite; überall sorgen Winkel, Nischen und versetzte Ebenen für die Gliederung des Raums, der Fläche, so wie’s die Laubengänge um die Marktplätze alter Städte einst taten. Und wie auf einem Marktplatz fühlt man sich denn auch. Draußen allerdings nimmt sich das City­ Rondell schon als wuchtiger Baukörper aus, der das ganze Areal einer ehemaligen Uhren­ fabrik ausfüllt. Von ihr ist nicht mehr als ein Stück des Hauptportals erhalten geblieben, und lediglich die Rundung der Fassade zum Muslenplatz hin erinnert noch an den für die Industriearchitektur der Jahrhundertwende typischen und fast zierlichen Ziegelrundbau der einstigen Produktionsstätte. Lange wurde um Mächtigkeit, Fassade, Verkaufs­ fläche und Höhe diskutiert und im Laufe von drei Jahren auch gestrichen und korri­ giert, bis das City-Rondell nach vierzehnmo­ natiger Bauzeit im November 1981 schließ­ lich eröffnet werden konnte. Heute hat man sich an den Gebäudekomplex schon ge­ wöhnt, dessen Wucht durch die in sich ge­ gliederte Fassade und in Bälde wohl auch durch die Außengestaltung gemildert wird. Und nun natürlich interessiert’s, wie’s drinnen aussieht, wer eigentlich im City­ Rondell anzutreffen ist. 33 Firmen sind’s der­ zeit mit einem recht unterschiedlichen Ange­ bot. Das reicht vom Lebensmittelsektor mit einigen Spezialitäten über Mode und Schuhe 183

bis hin zum Hobby, Sport und Musik oder Geschenkideen. Auch etliche Spezialisten sind anzutreffen: Optik, Foto, Mineralien. Blumen fehlen natürlich nicht, und im Dienstleistungsbereich sind Reinigungsbe­ triebe und ein Immobilienmakler vorhan­ den. Ein Reisebüro und sogar eine Apotheke (im übrigen die 13. in Schwenningen) haben sich das City-Rondell als Domizil aus­ gewählt. Daß die Gastronomie in einem solch großdimensionierten Haus nicht fehlt, ist selbstverständlich; sie reicht vom Restau­ rant übers Eiscafe bis zur Pizzeria. Gute vierzig Millionen DM hat diese große Einkaufsstätte gekostet, aufgebracht von 215 Anlegern des City-Fonds mit Einsät­ zen zwischen 20 000 und 300 000 Mark. Gebaut wurde das City-Rondell von einer Düsseldorfer Anlagengesellschaft, die das Haus auch über ein Vierteljahrhundert hin­ weg betreibt und betreut. Sie, die Anleger und natürlich auch die Einzelhändler, Fach­ händler, Filialisten und Gastronomen setzen auf den Erfolg dieser neuen Idee eines modernen Einkaufszentrums – daß sie ange­ nommen wird. Nach gut einem halben Jahr hat’s den Anschein, als würde sie’s. Zumin­ dest für jüngere Menschen ist das City-Ron­ dell längst zu einem beliebten Treff gewor­ den. Auf der Kaffee-Empore in der großen Halle sitzt sich’s recht gut. Man fühlt sich mitten im Getriebe einer Einkaufsstätte und doch mit einiger Distanz von ihm entfernt. .. Karl Rudolf Schäfer 10 Jahre gemeinsame Stadt Villingen-Schwenningen “ Zehn Jahre Villingen-Schwenningen – ein rundes Jubiläum für die gemeinsame Stadt“, gleichwohl kein Grund zu Jubel oder zum Feiern. Eher Grund, nüchtern Bilanz zu ziehen über die Dekade seit der Fusion, zu fragen, was die Städteehe letztendlich für den Normalbürger gebracht hat, welche der großen Hoffnungen aus dem Anfang der siebziger Jahre sich erfüllt haben und – vor allem – welche Erwartungen nicht in Er­ füllung gegangen sind. In der Ehe der Städte V und S ist längst der rauhe Alltag eingekehrt, die Harmonie ist gebremst, man hat Sorgen und Probleme. Gleichwohl, an Scheidung denkt eigentlich niemand in der Doppelstadt, der kommunalpolitische Verantwortung trägt, und wohl auch nur ein geringer Teil der Bevölkerung. Schließlich sind zehn Jahre in der Ge­ schichte einer Stadt ein minimaler Zeit­ abschnitt, schließlich hat man ja noch eine gemeinsame Zukunft, schließlich ist noch Zeit, das – zweifellos noch vorhandene – Trennende zu überwinden, zu einer Einheit zusammenzuwachsen. Diese Zukunft der gemeinsamen Stadt muß allerdings in den 184 nächsten 10 bis 15 Jahren beginnen, vor allem muß mit dem städtebaulichen Brückenschlag zwischen Villingen und Schwenningen be­ VS“ die Bewäh­ gonnen werden, sonst hat “ rungsprobe nicht bestanden, die Existenz­ berechtigung nicht erbracht. Bei aller Skepsis, die man diesem doch einzigartigen kommu­ nalen Gebilde Villingen-Schwenningen mit den beiden Kernstadtbezirken und zehn kleinen Stadtbezirken als „Trabanten“ ent­ gegenbringen mag, trotz des durch diese Konstellation gegebenen Mangels an Bürger­ nähe, darf nicht vergessen werden, daß die Fusion auf freiwilliger Basis zustande kam. Anders als bei mancher Eingemeindung im Zuge der Kommunalreform hat hier der Staat nicht von oben herab die Fusion diktiert. Das Gesetz, mit dem zum 1. Januar 1972 die ge­ meinsame Stadt installiert wurde, war auf das zustimmende Votum der betroffenen Bürger gestützt: 63 Prozent der damals abstimmenden Villinger und gar 77 Prozent der Schwenninger hatten sich für die Fusion ausgesprochen. Wenn auch der staatliche Zwang fehlte, von Versprechungen und hochfliegenden Visionen war diese Fusion, die nicht nur Kreisgrenzen

Fußgängerzonen: in Villingen . . . . . . in Schwenningen. 185

(Kreise Villingen und Rottweil), sondern auch alte Landesgrenzen (Baden und Württemberg) überwand, durchaus begleitet. Da war etwa von Verwaltungsvereinfachung durch Zentrali­ sierung die Rede, da sollte eine neue Stadt mit dynamischer Wirtschaftskraft“ als zentraler “ Mittelpunkt für und mit Ausstrahlung auf die gesamte Region Schwarzwald-Baar-Heuberg entstehen, da schien die Ansiedlung einer Universität bereits beschlossene Sache zu sein, da entstand vor dem geistigen Auge der Planer bereits ein Behördenzentrum auf der grünen Wiese zwischen Villingen und Schwenningen. Und bei alldem wollte das Land als Pate hilf­ reich und großzügig der neugeborenen Doppelstadt zur Seite stehen. Das meiste, was man damals noch im Lauf der siebziger Jahre verwirklichen wollte, steht heute noch unerledigt auf dem Wunsch­ zettel. Daß Villingen-Schwenningen einmal Universitätsstadt werden könnte, hat man längst vergessen müssen (allerdings hat das Land sein Versprechen, eine Hochschul­ einrichtung anzusiedeln, wahrgemacht und trotz zahlreicher und ernsthafter anderer Bewerber die Fachhochschule für Polizei nach Villingen-Schwenningen vergeben). Nordbogen“, mit dem das Be­ Das Wort hördenzentrum zwischen den beiden großen Stadtbezirken umschrieben wurde, ist längst aus dem Wortschatz der.Kommunalpolitiker verschwunden. Von Verwaltungsverein­ fachung, von unmittelbaren Vorteilen für den Bürger, kann ebenfalls keine Rede sein: Angesichts der Tatsache, daß die Stadt zwei Rathäuser hat, daß die städtischen Dienst­ stellen auf mehr als zwei Dutzend Gebäude in beiden Stadtbezirken verteilt sind, muß eher von einem Ämter-Wirrwarr geredet werden. “ Wie dornig und gewunden der Weg zur Integration der Stadt ist, läßt sich an zahl­ reichen Beispielen belegen. Erst nach Jahren gelang es, die Doppelstadt auch postalisch zu einer Einheit werden zu lassen, indem die gemeinsame Postleitzahl 7730 eingeführt wurde. Noch immer muß ein Ferngespräch führen, wer von Villingen nach Schwen- 186 ningen telefoniert. Noch immer laufen alte Grenzen durch die Stadt: So fahren die Sportvereine zweigleisig, weil man sich – trotz der Existenz eines gesamtstädtischen Sportverbandes seit über zehn Jahren- über die Neufestlegung der Sportverbands­ grenzen zwischen Württemberg und Süd­ baden nicht einig werden konnte; so haben auch die Kirchen die Städtefusion noch nicht nachvollzogen und ordnen die Stadtbezirke verschiedenen Dekanaten zu. Noch immer ist es, trotz mancher Verbesserungen im öffent­ lichen Nahverkehr, umständlich und zeit­ raubend, als Nicht-Autofahrer von Villingen nach Schwenningen zu kommen. Und noch auf lange Zeit wird es unmöglich sein, bei der Deutschen Bundesbahn eine Fahrkarte nach Villingen-Schwenningen“ zu lösen: Für die “ Schwenningen am Neckar“ Bahn gibt’s nur “ und »Villingen im Schwarzwald“. Daß viele Wünsche auf der Strecke blie­ ben, liegt sicherlich nicht am mangelnden Integrationswillen der Bürger, sondern eher an den widrigen Umständen: Die Fusion fiel in eine schlechte Zeit. Schon bald nachdem die gemeinsame Stadt installiert war, ver­ schlechterte sich die wirtschaftliche Situa­ tion, der warme Geldregen vom Land blieb aus, und die Stadt selber wurde durch die Krise (Konkurse der Uhrenfabriken Kaiser, Mauthe, Fichter, die mit dem Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen verbundenen Schwierigkeiten anderer Firmen) besonders hart betroffen. Die Folge: Abwanderung von Arbeitskräften, Bevölkerungsschwund statt Zuwachs. Doch trotz der Schwierigkeiten wurde in den zehn Jahren gemeinsame Stadt auch vieles bewegt. Daß Villingen-Schwenningen zum Zentrum der Region geworden ist, be­ streitet niemand. Das vielfältige kulturelle Angebot der Doppelstadt würde auch eine größere Stadt zieren. Die Innenstädte von Villingen (Fußgängerzone, die Niedere-Tor­ Sanierung ist ins Rollen gebracht) und Schwenningen (Muslensanierung) präsen­ tieren sich attraktiver denn je. Die Kranken­ häuser werden für die Zentralversorgung aus-

gebaut. In beiden Stadtbezirken wurden neue Gewerbegebiete er­ schlossen. So mancher Millionenzuschuß wäre nicht hierher geflossen, wenn es die gemeinsame Stadt nicht gäbe. ausgewiesen und Und der Wille zur weiteren Integration ist durchaus vorhanden, wie ein Seminar zeigte, das die Stadt anstelle einer Jubiläumsfeier veranstaltete. V iele Bürger machen sich Ge­ danken, wie das Trennende überwunden werden kann, wie mehr Gemeinsamkeit – sei es im Sport, sei es im kulturellen Bereich, sei es im Vereinsleben – erreicht werden kann. Und auch die Chancen für den oft zitier­ ten städtebaulichen Brückenschlag sind ge- stiegen. Die Straßenbauvorhaben im Norden der Stadt mit einer zweiten Verbindungsstraße zwischen den beiden großen Stadtbezirken {,,Nordring“) nehmen konkrete Formen an – Möglichkeiten für die Stadt, dort neue Ent­ wicklungsräume auszuweisen. Noch grasen im Nordring“-Gebiet die “ Kühe. V ielleicht entsteht dort bis ins Jahr 2000 eine neue Mitte für die Gesamtstadt. Und vielleicht ist es bis dahin auch gelungen, die Wappentiere Adler und Schwan zu­ gemeinsamen sammenzubringen und der “ Stadt“ ein zu verschaffen. eigenes Stadtwappen Franz Dannecker Vom alten Fachwerkhaus zur Arztpraxis Beispielhafte Sanierungsmaßnahme in der Altstadt von Hüfingen Das schmucke Fachwerkhaus in der Senn­ hofstraße in Hüfingen mag den bewundern­ den Blick von Uneingeweihten, die einen Gang durch die Hüfinger Hinterstadt machen, auf sich ziehen. Ein Schild neben der dunklen, rustikalen Haustür, die sich, wie das Holz der Fenster und des Gebälks wir­ kungsvoll von dem hellen Putz abhebt, ver­ kündet, daß sich hier die Arztpraxis von Dr. von Lintig befindet. Die Hüfinger hingegen wissen, was es mit diesem Haus auf sich hat, konnten sie doch während einer zweijähri­ gen, durch verschiedene Umstände immer wieder unterbrochenen Bauzeit miterleben, wie aus diesem, dem drohenden Verfall preis­ gegebenen Objekt in mühevoller Kleinarbeit und mit beispiellosem Engagement der Familie von Lintig ein Haus werden konnte, das eine wirkliche Bereicherung der Hinter­ stadt darstellt und mit dem ein weiterer, auf privater Initiative beruhender Beitrag zur Altstadtsanierung geleistet wurde. Begonnen hat die Geschichte der Wieder­ erstehung dieses Hauses zu jenem Zeitpunkt, als es Eva von Lintig zusammen mit ihren Kollegen vom Gemeinderat besichtigte. Während man im Gremium der Ansicht war, daß dieses Haus nicht mehr zu retten sei und man nicht mehr tun könne, als es abzurei­ ßen, erkannte sie unter der Patina längst ver­ gangener Jahre unverfälschte Zeugnisse handwerklicher Baukunst. Sie war von die­ sem Haus, in dem damals noch das betagte Landwirtsehepaar Edwin Schmid wohnte, regelrecht fasziniert. Zwar kam ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Gedanke, es selbst zu erwerben, doch dachte sie an ein Heimat­ museum, das hier ideal unterzubringen wäre und das all jene Dinge aufnehmen könnte, die im Laufe von Jahrhunderten Künstler aus Hüfingen hervorgebracht hatten. Doch die Stadt hatte andere Sorgen und stellte ein Museum auf unbestimmte Zeit zurück. Nachdem auch Dr. von Lintig sich das Haus angesehen und sich, wie seine Frau, buchstäblich hinein verliebt hatte, entschlos­ sen sich die Eheleute, es selbst zur Sanierung zu erwerben. Auf diese Weise, so erinnern sie sich, wollten sie auch dokumentieren, daß sie nicht immer nur für die Erhaltung altehrwür­ diger Bausubstanz plädieren, sondern auch selbst bereit seien, sich – wenn auch unter 187

Ringen aufgrund ihres hohen Alters ent­ schlossen, zu ihrem Sohn zu ziehen, und so mag ihnen die Zusage der Familie von Lintig, daß das Haus erhalten werde, ein gewisser T�ost beim Abschied von Hüfingen gewesen sem. Als Hermann Sumser mit der Vermessung und den Vorbereitungen zur Sanierung begann, stellte er zunächst noch nicht fest, daß es sich bei diesem Haus, dessen hintere Mauer ein Teil der ehemaligen Stadtmauer darstellt, um ein Fachwerkhaus handelte. Doch mit fortschreitender Freilegung des alten Gemäuers stand schließlich fest, daß man hier vor langer Zeit ein Fachwerkhaus erstellt hatte, das für Hüfmgen ganz und gar untypisch war. Mit einer wahren Entdecker­ lust forschte Hermann Sumser weiter, doch je weiter man mit der Beseitigung schadhaf­ ter Teile kam, um so deutlicher zeigten sich die ganzen Ausmaße dessen, was hier auf die Sanierer zukam. Doch nun gab es kein Zurück mehr. Insbesondere der Giebel an der Nordseite zeigte bedenkliche Zerstörungen, die, so stand bald fest, die anfänglich veranschlagten Sanierungskosten bei weitem übersteigen würden. Auch im Inneren des Hauses zeig­ ten sich bei näherem Hinsehen Schäden von erheblichem Ausmaß. Salpeter hatte Spuren hinterlassen, überall zeigte sich jahrzehnte­ lange Verwahrlosung an diesem etwa zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandenen Haus. Doch die Familie von Lintig besaß den Mut, trotzdem mit der Sanierung zu begin­ nen. Auf Schritt und Tritt begegneten ihnen und dem Architekten Zeichen davon, wie damals die Menschen gelebt hatten. Nach­ dem 1978 die ersten Vermessungen vor­ genommen worden waren, konnte im Mai 1979 mit den Bauarbeiten begonnen werden. In der Folgezeit stießen Bauherren und Pla­ ner immer wieder auf Ablehnung und Unverständnis bei Bekannten und auch in der Bevölkerung. Man belächelte ihren Elan und prophezeite ihnen, daß doch nichts Rechtes aus dem alten Bau, der zu zwei Drit­ teln als Ökonomieteil und nur zu einem großen Opfern -zu engagieren und einen Beitrag zur Altstadtsanierung zu leisten. Und mit diesem Entschluß begann für die Familie von Lintig ein Abenteuer, das es aber, wie sie im nachhinein sagen, wert war, bestanden zu werden. Einen echten Verbündeten fand die Fami­ lie Lintig in dem Architekten Hermann Sumser, Eva von Lintigs Bruder, der eben­ falls auf Anhieb erkannte, daß aus diesem Haus etwas zu machen sei, wenn man nur Geduld, das nötige Durchstehvermögen und natürlich auch die notwendigen finanziellen Mittel dazu aufbrächte. Er als Fachmann sah das Originale an diesem heruntergekomme­ nen Objekt, während die meisten Leute nur den Grad der Verwahrlosung wahrzuneh­ men vermochten, denen aber die ange­ wandte Baukunst früherer Meister verbor­ gen blieb. Die ehemaligen Eigentümer, das Ehepaar Schmid, wollten auf keinen Fall, daß das Haus, in dem sie sozusagen ihr gan­ zes Leben verbracht hatten, der Spitzhacke zum Opfer fiele. Sie hatten sich nach hartem 188

Drittel zu Wohnzwecken genutzt war, wer­ den könne. Doch die Familie von Lintig ließ sich nicht beirren. Die am Bau beteiligten Handwerker stan­ den bei ihrer Aufgabe, das Alte so original wie möglich wieder herzustellen, vor gewis­ sen Problemen. So wurden von ihnen ganz spezifische Fertigkeiten verlangt, die heute am Bau kaum noch angewandt werden. Doch mit bewundernswertem Einfühlungs­ vermögen verstanden sie es, das nachzuvoll­ ziehen, was mehr als 200 Jahre zuvor hand­ werkliche Baukunst auszudrücken ver­ mochte. Sie fanden zusehends Freude daran, das, was den Bauherren wichtig war, nämlich so original wie möglich zu arbeiten, in die Praxis umzusetzen. So wurde im Laufe von zwei Jahren aus einem Objekt, das schon zum Abbruch verurteilt war, durch die Initia­ tive der Bauherren und die Arbeit eines ein­ fühlsamen Planers ein Haus, in dem nicht nur eine Arztpraxis sondern auch eine kom­ fortable Wohnung Platz gefunden haben und wo man, wo immer es von der Bausub­ stanz her möglich war, alles so belassen bezie­ hungsweise wieder so hergestellt hat, wie es früher einmal der Fall war. Das Fachwerk wurde dort, wo es vom Zahn der Zeit zerstört war, erneuert, erhaltenswerte Details liebe­ voll renoviert und so der Beweis erbracht, daß auch bei der Sanierung eines unschein­ baren, ja verkommenen Hauses manches möglich ist, was auf den ersten Blick völlig undenkbar erscheint. Die“ Wiederkehr“, jener Anbau, sollte auf jeden Fall erhalten bleiben, denn seine Origi­ nalität ließ keine andere Lösung zu. Dort, wo sich früher das Scheunentor befunden hatte, sind Garagen untergebracht, wobei die Tore so unauffällig sind, daß sie eher an eine Öko­ nomie denken lassen, die sich dahinter befände, wenn nicht das Praxisschild an der Hauswand etwas anderes aussagte. Die Größe des Sanierungsobjektes war von den Bauherren nicht angestrebt, sondern vor­ gegeben, und nach ihr mußten sie und der Planer sich richten. Eine ganze Reihe von Sondergenehmigungen, etwa bezüglich der Deckenhöhe und vieles andere waren not­ wendig, doch bei einem so altehrwürdigen Objekt werden auch schon einmal Ausnah­ men bewilligt, die es sonst so schnell nicht gibt. Die Familie von Lintig hat für die Sanie­ rung dieses Hauses große finanzielle Opfer gebracht. Zwar war der Kaufpreis, den die Stadt verlangte, sehr günstig, doch blieb den Bauherrren noch ein hoher Betrag zur eige­ nen Finanzierung. Die besondere Sanie­ rungskonzeption erbrachte für die Familie von Lintig eine unrentable Kapitalanlage, doch das nahm sie bewußt in Kauf. Das Denkmalamt, das zunächst sehr zur Sanie­ rung ermuntert hatte, versagte schließlich jede Beteiligung. Für den Wohnbereich erhielten die Bauherren jenen Zuschuß, der bei derartigen Objekten gewährt wird und der zu einem Drittel vom Bund, vom Land und von der Gemeinde aufgebracht wird. Für den Praxisbereich können die Bauherren nur die steuerliche Abschreibung in An­ spruch nehmen. Während der ganzen Bauzeit, so ver­ sichern die Eheleute von Lintig, waren die Nachbarn verständnisvoll und zuvorkom­ mend und nahmen Belästigungen hinsicht­ lich Lärm und Schmutz gelassen hin. Selbst als man sich während der Bauzeit plötzlich im Schlafzimmer der Nachbarfamilie be­ fand, weil dort eine Wand nicht standgehal­ ten hatte, gab es keinen Ärger mit den Betrof­ fenen. Die Familie von Lintig weiß heute, daß ihre Bemühungen Früchte getragen haben. Das Haus, in dem Dr. von Lintig praktiziert, präsentiert sich als Schmuckstück der Senn­ hofstraße, in dem es sich lohnt, zu leben und zu arbeiten. Käthe Fritschi ··�“ 189

Jazz und Konzerte Das Festival der leichten Muse: ein Glücksfall für Villingen-Schwenningen Jazz und Swing im Schwarzwald Die mannigfachen Bemühungen der Stadt Villingen-Schwenningen auf dem Gebiete des Theaters und der Musik, ihrer Funktion als kulturelles Oberzentrum gerecht zu werden, haben in den letzten Jahren reiche Früchte getragen. Da ist zum einen die Reihe der Meisterkonzerte, ein Abonnement mit inzwischen 600 T eilnehmem, welche hervor­ ragende Orchester, Instrumentalensembles, Solisten und Sänger aus aller Welt in die Doppelstadt führt. Wenn man bedenkt, daß vor sechs Jahren hier noch keinerlei über provinziellen Zuschnitt hinausgehendes Konzertleben zu verzeichnen war, so ge- 190 winnt dieser Erfolg seine ganz eigene Dimen­ sion. Mit dem neuen Franziskaner-Konzert­ haus wird hier ein weiterer Schritt nach vom erfolgen, wenn unter besonders günstigen akustischen Bedingungen in einem der schönsten Konzerträume des südwestdeut­ schen Raumes diese junge Tradition fort­ gesetzt wird. Heute läßt sich schon voraus­ sagen, daß hier über kurz oder lang ein jährlich wiederkehrendes sommerliches Musikfestival, etwa nach dem Vorbild der Konstanzer Musiktage, der Schaffhausener Bach-Wochen oder der Alpirsbach er Kloster­ Konzerte ins Leben gerufen wird.

Doch von einem anderen Festival, das ebenfalls auf eine sechsjährige Tradition zu­ rückblicken kann, soll hier die Rede sein. „VS swingt!“ hieß es im April 1977 zum ersten Mal im Theater am Ring, als an vier aufeinanderfolgenden Tagen Jazz-Musiker aus aller Welt sich ein vielumjubeltes Stell­ dichein gaben. Der Gründer und Motor dieses Festivals, das seither an Renommee, Beliebtheit und Zugkraft ständig gewonnen hat, ist Fritz Ewald, der, seines Zeichens Werbekaufmann, begeisterter Jazz-Fan seit frühester Kindheit ist. In Zusammenarbeit mit Hans-Georg Brunner-Schwer, dem Gründer w1d Leiter der Schallplattenfirma MPS (Musikproduktion Schwarzwald), be­ gründete Ewald hier eine Jazz-Tradition, die inzwischen in der ganzen Bundesrepublik Anerkennung gefunden hat. Waren es zu Beginn der 70er Jahre Einzelkonzerte mit Größen wie Muddy Waters, KeithJarret und Oscar Peterson, die J azz:J üngervonKonstanz bis Freiburg und von Stuttgart bis Ulm nach Villingen-Schwenningen lockten, so erwies sich die Bündelung zu einem inzwischen fünf Tage dauernden Festival als ein wahrer Glücksfall; denn es gehört heute für viele „Doppelstädter“ zum guten Ton, dieses Fest Ende April/ Anfang Mai zu besuchen. Was sich zunächst als ein Wagnis ausnahm, hat inzwischen vollen Erfolg: Eine Koppelung mit dem alljährlich zur gleichen Zeit statt­ findenden (größeren und finanzkräftigeren) Jazz-Festival in Bern ermöglicht die Ver­ pflichtung von erstklassigen Jazz-Musikern, Gospel-Sängern und Big Bands. Villingen­ Schwenningen allein könnte nie so gute Leute bekommen, wie das durch die Ko­ operation mit Bern möglich ist. Ein kleiner historischer Schnörkel am Rande: Bern ist wie Villingen eine Zähringerstadt. Ihre besondere Note erhalten die großen Konzerte im Theater am Ring – 1983 sollen sie ebenfalls im Franziskaner-Konzert­ haus stattfinden -durch die fast familiäre Geselligkeit, das Gedränge und Getöse bis in die frühen Morgenstunden bei den meist kurz vor Mitternacht beginnenden Jam- Sessions im Foyer des Theaters am Ring. So gleiten die ganz Unentwegten von abends acht Uhr bis morgens vier Uhr in den neuen Tag und gehen bei jedem Festival mit etwa vierzig vollen Stunden Jazz und offenbar keineswegs lärmgeschädigten Ohren er­ schöpft nach Hause. 1982 war der Höhepunkt das Auftreten des schon zu Lebzeiten Legende gewordenen Top-Stars Lionel Hampton mit einer neuen 17-köpfigen Big Band, die alles bisher dage­ wesene in den Schatten stellte. Wild Bill Davison, der grandiose Posaunist und „Grand old man“ des Dixieland, war auch diesmal, bereits hoch in den 70er Jahren, wieder mit von der Partie, wie überhaupt Fritz Ewald beim Engagement seiner Jazzer eine heutzutage fast altmodisch anmutende Treue an den Tag legt. Da gibt es einen Bassisten aus Zürich mit Namen lslaEckinger, der es in wechselnden Formationen bereits auf gut drei Dutzend Auftritte in der Doppel­ stadt gebracht hat. Eine gewisse Unruhe gab es in diesem Jahr, als bei der sogenannten MPS-Gala (von Hans-Georg Brunner­ Schwer in mäzenatischer Weise für das Jazz­ Festival kostenfrei arrangiert) eine Band an­ rückte mit Verstärkeranlagen, Licht- und 191

Toneffekten, die das Trommelfell arg strapa­ zierten und ungewohnt moderne Klänge in das Haus am Ring wehten. Ein Zeichen dafür, daß auch für den Jazz die Uhr nicht stehenbleibt und eine neue Generation mit neuen Klangideen im anrücken ist. An die 5000 Besucher sind es in diesem Jahr gewesen, wenn man das dreitägige „Vor­ festival“ des rührigen ,Jazz-Clubs Villingen“ mit dazurechnet, das unter dem Management des bienenemsigen Journalisten Friedhelm Schulz vor allem die junge, experimentielle deutsche Jazz-Szene berücksichtigt. Die Mit­ glieder des Jazz-Clubs sind es auch, die ihrem Hobby während der VS-swingt-Tage frönen und sich beim Aufbau der technischen An­ lagen wie der Betreuung der Musiker als Hilfskräfte nützlich machen. Viele fleißige Hände sind es also -auf rein kommerzieller Basis wäre diese Mammutveranstaltung weder für die mit Subventionen keineswegs geizende Stadt, noch für einen Privatver­ anstalter zu bewältigen-, die das ganze Jahr über zusammenwirken und unter Fritz Ewalds Leitung die Vorbereitungen treffen, daß es auch 1983 wieder heißt: VS swingt! Walter Eichner Türkische Helferin Kein Wort erreicht sie! Stumm bleibt ihr Mund, wenn sie den Boden fegt und aus Versehen das Glas umstößt. Sie antwortet nicht, und nichts gibt ihr Antwort, wenn verängstigt ihr Auge fragt: warum bin ich hier zwischen endlosen Korridoren, flügelschlagenden Türen aus Glas und lautlos gleitenden Lifts? Vielleicht lauscht sie auf das Lied ihrer Heimat. 192 Max Rieple Die Heimat in Farben Auf den acht nachfolgenden (nicht nume­ rierten) Seiten des Almanach bringen wir acht Farbreproduktionen. Die hierveröffent­ lichten Motive (der Bildautor jeweils in runder Klammer) haben folgende Titel: 1.Schappelkrone (Fred Hugel, Villingen) 2. Trachtengruppe bei der Mühle in Gütenbach (Foto-Maier, Furtwangen) 3.Motiv bei Gütenbach (German Hasenfrat� Hüfingen) 4. Oberfallengrund, das Geburtshaus des Bildschnitzers Mathias Faller (Lorenz Honold, Donaueschingen) 5.Schwarzwald-Marathon (Foto-Sehmieder, Schonach) 6.Meister von Meßkirch: Wildensteiner Altar. 1536. Mittelbild: Maria mit den 14 Heiligen des Hauses Zimmern (F. F. Sammlungen, Donaueschingen) (German Hasenfratz, Hüfingen) 7.Turmuhr im Altenheim in Furtwangen (Foto-Maier, Furtwangen) 8.Abendstimmung am Unterhölzer Weiher (Kurt Grill, Donaueschingen)

Sieben Jahre Meisterkonzerte Villingen-Schwenningen Im Frühjahr 1975 trat Dr. Gebauer, der Oberbürgermeister der Stadt Villingen­ Schwenningen, an den Verfasser dieses Bei­ trags heran und fragte, ob er sich die Einrich­ tung einer Konzertreihe zutraue. Seit Jahren hatte man ein solches Unterfangen für undurchführbar gehalten. Man traute dem „ Villinger“ bzw. ,,Schwenninger“ Publikum ein ernstliches Interesse an einem Konzert­ abonnement nicht zu und hielt alle Versuche in dieser Richtung für vergebliche Liebes­ m üh! Mit dem damals noch frischen „städte­ partnerschaftlichen“ Schwung sollte aber wenigstens ein ernsthafter Anlauf gewagt werden. Hinzu kam, daß der geglückte Umbau des Theaters am Ring erheblich ver­ besserte räumliche Voraussetzungen schuf, wenngleich die Akustik nach wie vor in kei­ ner Weise befriedigen konnte. An der Spitze des Kulturamts saß ein in erster Linie dem Theater verbundener Amts­ leiter. Sein Verdienst waren die erfolgreichen Theaterabonnements und ein engagierter Filmdienst. So sollte die Mithilfe von interes­ sierten und informierten Bürgern eine wei­ tere Bewährungsprobe bestehen. Interesse und Informiertheit des Verfassers beruhten auf mehreren Ursachen. Da war zum einen die jahrelange aktive Beschäftigung mit Kammermusik im Freundeskreis. Es gehörte ferner die Mitwirkung im Freiburger Bach­ chor bei der Aufführung der wichtigsten weltlichen und geistlichen Oratorien und Chorwerke dazu. Hinzu kam die Tätigkeit im Rechtsausschuß der Deutschen Phono­ akademie in Berlin und damit beispielsweise eine gute Vertrautheit mit dem Medium Schallplatte und wichtigen Interpreten. Über die Deutsche Phonoakademie wurden dann auch erste und wichtigste Kontakte zu Künstlern und Konzertagenturen geknüpft. Schließlich stand das Programm für zwei Konzertreihen von je 6 Konzerten für die Saison 75/76 und 76/77. Auch der Finanzbe­ darf zeichnete sich in etwa ab. Ein Mindest­ zuschuß von DM 30.000,-und ein Höchst­ betrag von DM 60.000,-pro Saison wurde zugrundegelegt und beschlossen. Ferner war vereinbart, den Versuch dieser neuen Kon­ zertreihe auf mindestens drei Jahre zu erstrecken. Es ist Dr. Gebauer hoch anzu­ rechnen, daß er die Planziele akzeptierte und 193

die Ermächtigung zum Abschluß der Ver­ träge für die erste Saison erteilte. Mit der höchst dankenswerten Unterstützung des „Profis“ Fritz Ewald, der aufgrund seiner Jazzfestivals über einen ziemlichen Erfah­ rungsschatz verfügte, wurden Werbemaß­ nahmen wie Programmhefte und anspre­ chende Plakate entwickelt. Heinz Gallist half mit beim Verfassen der Texte zum Pro­ grammheft. Schnell und überraschend nachhaltig zeigte sich, daß das Konzept einer Mischung von Solisten-, Kammer-und Orchesterkon­ zerten beim Publikum ankam. Mit über 500 Abonnenten war weit mehr als die Hälfte der Plätze ausverkauft. Namen wie Hermann Prey, Beaux Arts Trio und Südwestfunkor­ chester, aber auch Werke wie Beethovens Tri­ pelkonzert, Schuberts C-Dur-Sinfonie und Schumanns „Dichterliebe“ machten jedem Musikfreund klar, daß die Stadt mit großer Musik und großen Künstlern das breite Publikumsinteresse anstrebte. Es war eine freudige Überraschung für alle an der Vor­ bereitung der Reihe Beteiligten, daß das erste Konzert am 29. Oktober 75 mit der Sloveni­ schen Philharmonie, mit Beethovens „ Tri­ pelkonzert“ und Dvoraks 9. Sinfonie auf dem Programm zwei Tage vorher ausver­ kauft war. Die anschließenden Vorbereitungen der zweiten Saison, für die Namen wie Maurice Andre und Anneliese Rothenberger eine gewaltige Zugkraft auf das Publikum aus­ strahlten, erfolgten mit dem neuen Leiter des Städtischen Kulturamtes, Dr. Eichner. Er brachte seine reichen Erfahrungen als Dra­ maturg, Opernintendant und Opernregis­ seur, aber auch seine Liebe zur Musik und eine genaue Kenntnis des Marktes in eine Zusammenarbeit ein, die bis heute nur das eine Ziel kennt, den Musikfreunden Jahr für Jahr ein ausgewogenes und zugleich interes­ santes, möglichst viele Aspekte musikali­ schen Schaffens berücksichtigendes Pro­ gramm zu präsentieren. Schon in der dritten Saison wurde die Reihe der Meisterkonzerte auf je acht Veranstaltungen erweitert. Die 194 Kosten der Konzerte wurden über Jahre voll von den Einnahmen gedeckt und dies trotz sehr mäßiger Abonnementspreise. Natürlich gab es auch Ärger. Häufig genug wurde Kritik mit gesellschaftspolitischen Aspekten vermischt. Nun, die Musik hat viele Aspekte, nicht nur diejenigen ab 1900 und später. Zu berücksichtigen ist auch, daß angesichts der Misere an unseren Schulen im Bereiche des musischen Unterrichts ein beträchtlicher Nachholbedarf auszugleichen ist. Dies gelingt in unserer Stadt zu Preisen und Bedingungen, von denen man in ande­ ren vergleichbaren Städten oder gar Groß­ städten, wo das Musikgeschäft häufig in Händen privater Veranstalter liegt, nur träu­ men kann. Welche Künstler sind nun in all den Jah­ ren aufgetreten und was haben sie gespielt? Die nachfolgende Auflistung kann nicht vollständig sein; gleichwohl mag sie Beweis für ein anspruchsvolles Programm, aber auch für ein nicht minder anspruchsvolles Publi­ kum sein, das die Bemühungen fast stets mit einem ausverkauften oder doch fast ausver­ kauften Haus honorierte. Es sind aufgetreten: Alban-Berg-G.!iartett Amsterdam-Streichquartett Maurice Andre Bartholdy Q!iartett Beaux Arts Trio Ernest Bour Capella Academica Wien Deutsche Bachsolisten Karl Engel Philharmonisches Oktett Köln Kammerorchester Franz Liszt London Bach Orchestra Melos Q!iartett Mozarteum Q!iartett Münchner Kammerorchester Hermann Prey Rheinische Philharmonie Rumänische Philharmonie Freiburger Bachchor Radiosinfonieorchester Hilversum Ulf Hoelscher

Leonhard Hokanson Nicole Holliger Philharmonia Hungarica Janacek Q!iartett Staatsphilharmonie Kattowitz Kölner Kammerorchester Alfons und Aloys Kontarsky Wolfgang Schneiderhahn Slowenische Philharmonie Stuttgarter Philharmoniker Südwestfunk Orchester Syrinx-Q!iartett Orchestre du Capitol de Toulouse Ungarische Nationalphilharmonie Jean Pierre Wallez W aseda-Sym phonie-Orchestra W estfilisches Sinfonie Orchester Und nun zu einigen Werken, die auf­ geführt wurden: Johann Sebastian Bach: Suite h-moll für Violine solo. Musikalisches Opfer. Branden­ burgische Konzerte Nr. 3, 4, 5 und 6. Violin­ konzert E-Dur. Bela Bartok: 6. Streichquartett. 3. Klavier­ konzert. Rumänische Tänze. Ludwig van Beethoven: Klaviersonaten op. 2 Nr. 1 f-moll, 28 E-Dur, 53 C-Dur, 54 F­ Dur, 57 f-moll, 109 E-Dur, 110 As-Dur, 111 d­ moll. Sonate für Klavier und Violine op.12/1. Klavier-Trio op. 1 Nr. 1 Es-Dur, op. 70/1 D­ Dur und op. 97 B-Dur. Streichquartette op. 59 Nr. 3 und op. 127. Sinfonie Nr. 5 c-moll und Sinfonie Nr. 9 d-moll. Tripelkonzert op. 56. Missa Solemnis. Johannes Brahms: Vier ernste Gesänge, op.121. Ausgewählte Volkslieder. Klaviertrio op. 87 C-Dur. Streichquartett 51/2 a-moll. Sinfonien Nr.1 c-moll, Nr. 3 F-Dur und Nr. 4 e-moll.Anton Bruckner: Symphonie Nr. 7 E­ Dur. Frederic Chopin: Sonate für Klavier h­ moll. Klavierkonzert f-moll. Anton Dvorak: Klaviertrio e-moll op. 98. Streichquartett Es-Dur op. 51. 9. Sinfonie e­ moll op. 9°5. Joseph Haydn: Sonate für Klavier F-Dur. Streichtrio E-Dur. Streichquartette op. 33 Nr. 5, op. 67 Nr. 5, op. 77 Nr.1. Sinfonien Nr. 88, 92 und 101. Cellokonzert. Paul Hindemith: Cello-Konzert. Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4, G-Dur. Kindertotenlieder. Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierso­ nate a-moll KV 310. Streichquartette in d­ moll KV 421 und g-moll KV 516. Q!iintett für Bläser c-moll KV 406. Dorfmusikanten­ sextett. Adagio und Fuge c-moll KV 546. Divertimenti KV 137, 157 und 334. Die Sin­ fonien KV 199, G-Dur und KV 543, Es-Dur. Violinkonzert D-Dur KV 218. Konzert für Hornorchester Nr. 3 KV 443. Konzert für zwei Klaviere KV 365. Arnold Schoenberg: Streichquartett Nr. III opus 30. Franz Schubert: Phantasie für Violine und Klavier D 934. Die Streichtrios B-Dur op. 99 und Es-Dur op. 100. Quartett Es-Dur 125/1. Oktett für Streicher und Bläser. Die Sinfo­ nien Nr. 8 h-moll (Unvollendete} und 9 C­ Dur. Igor Strawinsky: Concerto D-Dur „Basler Concerto“. Le Sacre du Printemps. Peter I. Tschaikowsky: Souvenir de Flo­ rence. Sinfonien Nr. 5 und Nr. 6. Violinkon­ zert. Giuseppe Verdi: Streichquartett e-moll. Richard Wagner: Ouvertüren zu „Tann­ häuser“ und »Meistersinger“. Carl Maria von Weber: Ouvertüre zu „Oberon“. In der Saison 1982/83 werden wir unter anderem hören: 25. 10. 82: Slowenische Philharmonie, mit Mozart, Klavierkonzerte d-moll KV 466; Dvorak, Sinfonie Nr. 8. 12.12. 82: Freiburger Bachchor, Südwest­ funkorchester, Bruckner, Messe f-moll, Te deum. 10.1. 83: Kammerorchester der Wiener Philharmoniker, Respighi, Antiehe Danze ed Arie; Mozart, Klavierkonzert Nr. 12 A­ Dur KV 514; Dvorak, Nokturno für Strei­ cher; Mendelssohn-Bartholdy, Streichersin­ fonie Nr. 19 c-moll. 2.3. 83: Staatsphilharmonie Breslau, 195

Grieg, Klavierkonzert a-moll op. 16; Tschai­ kowsky, Sinfonie Nr. 3 op. 19. Unvergessen ist übrigens auch jene Saison vor einigen Jahren geblieben, in der die Zahl der Abonnenten ohne ersichtlichen Grund um mehr als 140 Plätze zurückging und man fürchten mußte, wieder am Anfang zu ste­ hen. Über 250 Neuabonnenten haben sich für die Saison 1982/83 eingeschrieben, und noch etwas Neues hat steh ereignet: Ver­ ständnisvolle Sponsoren haben ein mit der Kassenlage der öffentlichen Hand nicht zu vereinbarendes Konzert doch noch möglich gemacht: Das Konzert mit Anne-Sophie Mutter und Alexis Weissenberg. Ein großartiges neues Konzerthaus mit weit besserer Akustik gegenüber dem Thea­ ter am Ring kann eingeweiht werden. Aber auch das Verständnis des Gemeinderats, zum einen für den Finanzbedarf einer solchen Konzertreihe, und zum anderen für das aus­ schließlich auf die Sache bezogene Engage­ ment unpolitischer aber engagierter Bürger, sind ein Ansporn für weitere Jahre. Dr. Berweck Der Donaueschinger Lyriker Max Rieple hat sich auch mit zeitkritischen Themen auseinandergesetzt, was vermutlich nur wenigen bekannt ist. In einer Zeit der „Ausländerfeindlichkeit“ sind die nach­ folgenden Gedichte vielleicht eine Mög­ lichkeit zum Verständnis. Flucht von Türen durchnumeriert wie Ordner im Büroschrank 390 -410, Zahlen nur, doch dahinter Krankheit, Leid, Schmerz und Q!]al, aber auch Hoffnung. 196 Max Rieple: Aktuelle Lyrik Zimmerflucht Indische Krankenschwester Zimmer, oft nur einen Tag lang belegt, oft monatelang vom gleichen Kranksein erfüllt. Zimmer 390 -410 und dazwischen die Nummer 403 mein Zimmer. Erst brachte man ihr Gottes Wort ins ferne Land. Jetzt gibt sie es uns zurück durch die Tat. Täterin des Worts will sie sem durch ihr Lächeln, die nimmermüden, feingliedrigen Hände, das gleichbleibende Gut-Sein. Tritt sie ins Zimmer, scheint die Sonne. Wir kennen uns nicht und schlafen doch Wand ari Wand. Kranksein verbindet. Das Knarren der Schranktür von nebenan verrät nicht ob die Hand eines Greises, ob Frauenhände sie schließen. Gierig tastet das Ohr hinüber ins Nachbarzimmer. Einsam wär‘ ich, vernähme ich nicht meines Nachbarn Da-Sein. Aus einer Gedichtfolge: „Impressionen aus dem Krankenzimmer“. Zimmernachbarn

Naturschutz und Heimatpflege Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis Es ist zur Tradition geworden, im Alma­ nach einer Auswahl von Naturdenkmälern einen Platz einzuräumen. Den 19 in den Vor­ jahren beschriebenen Naturdenkmälern schließen sich hier weitere im. Naturdenk­ malbuch ausgewiesene Bäume und Felsen in Wort und Bild an. Rein zufällig lenken als erste zwei Linden die Aufmerksamkeit auf sich. Auf der Anfahrt von Villingen-Schwenningen über Obereschach und Schabenhausen taucht plötzlich auf einer Straßenkuppe eine Linde auf, zum Greifen nahe, die „ M o r i t z ­ L i n d e „, a m südlichen Rand des Nieder- Moritz-Linde Niedereschach/Fischbach. Paulis-Linde Niedereschach/Fischbach. eschacher Ortsteils Fischbach. Auffällig durch ihre Höhe von 30 Metern bleibt sie im Blickfeld des Anreisenden. Und nach weni­ gen Augenblicken kann dieser Baum mit einem Stammumfang von 6 Metern an Ort und Stelle bewundert werden. Der Stamm dieser Linde teilt sich in fünf mächtige Äste auf, Stützen für ein dichtes lindengrünes Laubwerk. Blitze jagten schon öfters durch die „Moritz-Linde“ zur Erde, ohne das im Jahr 1730 gepflanzte und im Jahr 1950 erklärte Naturdenkmal knicken zu können. Das bunt gefärbte Laub kann im Spätjahr auch zur Plage werden, wenn es in die Dachrinne des benachbarten Bauernhauses geweht wird und dort den Abfluß des Regen- 197

wassers verhindert. Der Name „Moritz­ Linde“ geht auf einen der früheren Besitzer des Gehöftes zurück. Bezüglich des Namens gilt gleiches auch bei der „Pa ulis-Linde“, die nuretwa200 Meter westlich, oberhalb der Königsfelder Straße steht. Diese Linde schmückt ein Gelände, das nach dem Abbruch eines alten Bauernhauses mit einem neuen stilechten Schwarzwaldhaus verschönert und auf­ gewertet werden soll. Die auch über den Bühlweg zu erreichende „Paulis-Linde“, im Wuchs der „Moritz-Linde“ etwas unterlegen, aber mit weit ausladenden Ästen in eine 198 2 Silberpappeln bei der Schächerkapelle in Hüfingen. Höhe von 30 Metern strebend, hat schon über 250 Jahre überstanden. Duftende Flie­ derbüsche säumen den Wegesrand neben der seit dem Jahr 1950 im Naturdenkmalbuch eingetragenen Linde. Unter ihr breitet sich das idyllische Fischbach aus, in dessen Mittel­ punkt die dem heiligen Mauritius geweihte Kirche ihren Standort hat. Ein Abstecher in den Süden des Kreisge­ bietes führt zu interessanten Bäumen, die mancher schon oft gesehen hat, ohne zu wis-

sen, um welch alte Naturdenkmäler es sich handelt. Auf Hüfinger Boden, nur etwa 50 Meter vom ehemaligen Bahnübergang am nördlichen Ortsrand entfernt, ragen zwei S i l b e r p a p p e l n in eine Höhe von etwa 30 Metern. Diese zwischen der Bahnlinie Donaueschingen-Freiburg und der Verbin­ dungsstraße Donaueschingen-Hüfingen stehenden Pappeln nennen sich seit dem Jahr 1959 Naturdenkmäler. Sie sind oft den Stür­ men aus westlicher Richtung schutzlos aus­ geliefert, verfügen aber immer noch über ein gesundes Astwerk, das alljährlich mit neuem frischem Grün überrascht und in den heißen Sonnenstrahlen kühlenden Schatten spen­ det. Mit ihren dicken Stämmen rahmen diese Silberpappeln die vermutlich Anfang des 17. Jahrhunderts erbaute und in den Jahren 1968 und 1969 renovierte SchächerkapeUe ein, in der neben einem Kruzifix die aus Holz geschnitzten Hüfinger Kirchenpatrone St. Gallus und St. Verena ihren Platz haben. Friedhofslinde in Heidenhofen. Neiniger-T anne Unterkirnau; Bis vor wenigen Jahren strömte neben den bald 200 Jahre alten Silberpappeln der Stra­ ßenverkehr auf der B 27 /31 durch. Heute ver­ läuft diese Bundesstraße etwa 1 Kilometer weiter östlich. Die Straßenbauer respektier­ ten die beiden Naturdenkmäler, indem sie die Trasse der Donaueschingen mit Hüfin­ gen verbindenden L 171 in gebührendem Abstand von ihnen fernhielten. Der z w e i t ä l t e s t e n L i n d e im Schwarz­ wald-Baar-Kreis, die im Jahr 1670 gepflanzt und im Jahr 1959 zum Naturdenkmal erklärt wurde, begegnet man im Donaueschinger Stadtteil Heidenhofen. Schützend breitet sich diese Linde im Ortszentrum vor der restaurierten St.-Hilarius-Kirche aus, über deren Portal die Jahreszahl 1581 eingemeißelt ist, und blickt in die Kreuzstraße, in die Rathaus- und die Vogtstraße. Sie sucht auch mit einem unter der Friedhofmauer durch­ greifenden Wurzelarm nach Nahrung. Zwei 199

Bänke am Lindenstamm laden zu einer Rast ein. Dort kann man dem fröhlichen Gezwit­ scher der Vögel, die sich in der fülligen Baumkrone tummeln, lauschen. Und neben­ bei stellt man fest, daß zwischen den Häuser­ reihen der Fürstenberg zu sehen ist. Ein Naturdenkmal muß nicht immer solo im Freiland stehen. Ein Beispiel hierfür fin­ det sich am Waldesrand oberhalb des Schle­ gelwaldweges, nur 100 Meter vom Lippenhof entfernt. Wie erreicht man diese Stelle? Man verläßt Unterkirnach in Richtung Friedrichs­ höhe. Nach 2 Kilometern zweigt auf der rechten Seite der Schlegelwaldweg ab, der zum Lippenhof führt. Auf diesem Bauern­ hof lebt schon die 7. Generation mit dem Namen Neininger. Und diesen Namen erhielt eine im Jahr 1720 gepflanzte Tanne am bereits erwähnten Waldesrand, die alten „Neininger-Tanne“. Schwarzwaldhof gehört eine leicht baufällige Mühle, in der eine komplette Einrichtung noch vorhanden ist, aber nicht mehr betrie- Zum ben wird. Angeschlagen ist die im Jahr 1950 als Naturdenkmal ausgewiesene „Neininger­ Tanne“, denn bei Holzfallerarbeiten wurden die unteren Äste dieser Tanne lädiert. Die Wälder auf Gemarkung Villingen beherbergen zwei bekannte Felsgruppen, die ebenfalls seit dem Jahr 1950 als Naturdenk­ mäler gelten. Ein Spazierweg zum Wildge­ hege, ausgehend vom Parkplatz zwischen dem Stadtteil Villingen und der Gemeinde Unterkirnach, führt unmittelbar am Natur­ denkmal „Salvestfelsen“ vorbei. Wis­ senschaftlich fundierte Beiträge über den geologischen Bau und über die erdgeschicht­ liche Entwicklung des Schwarzwald-Baar­ Kreises enthält das Heimatbuch »Der Schwarzwald-Baar-Kreis“, so daß auf eine Wiederholung hier verzichtet werden kann. An diesem aus Granit bestehenden »Salvest­ felsen“ weist eine Schrift zur Ruine »Kirn­ eck“ hin, die wie das Naturdenkmal selbst Salvest-Felsen 200

an in diesem Fall soll die Kurzwanderung beim Bahnübergang beginnen. Nach Über­ querung der von der Schwarzwaldbahn befahrenen Schienen ist zur Rechten ein leichter Anstieg von etwa 150 Metern bis zum Waldsportpfad zu überwinden, um dann nach links einbiegen zu können. Ein Brunnen animiert zu einem Armbad. Bald passiert man die 4. Station des Parcours, und nach wenigen Minuten begegnet der Wande­ rer der „steinernen Sau“. Obsiewohl an eine erfolgreiche Jagd eines Waidmanns erin­ nern soll? Zwei Minuten später erreicht man auf dem mit schwarz-roter Raute markierten Weg einen Rast- und Trimmplatz, der mit einem Holzbrunnen ausgestattet ist und an den das Naturdenkmal „Uhustein“ angrenzt. Vorsicht gebietet der kurze Abstieg auf die felsige, mit Eisengittern gesicherte Aussichts­ kanzel, die den Blick nur auf die 30 Meter tie­ fer liegende Groppertalstraße und die umlie­ genden Wälder freigibt. Bei sommerlicher Hitze lohnt es sich, weitere 200 Meter des Weges zu gehen, um sich am kühlen Naß im Wassertretbecken zu erfrischen. Daß dieser· Platz stark frequentiert ist, läßt sich an den zahlreichen am hölzernen Vespertisch einge­ ritzten Initialen ablesen. Wer sich noch kräf­ tig genug fühlt, darf seinen Spaziergang bis ins hintere Groppertal, ein reizvolles Land­ schaftsschutzgebiet, fortsetzen, vielleicht bis zum Gasthaus „Forelle“. Sicher kommt keine Langweile auf, wenn für den Rückmarsch der gleiche Weg durch diese schöne Natur bis zum Ausgangspunkt benutzt wird. Werner Heidinger Zeichnungen: H. Heinrich,]. Asifäller, W Heidinger. 201 Uhustein von hohen Fichten umgeben ist. Und um die Felsblöcke scharen sich auch Massen von Heidelbeerstauden. Eine Tanne vis-a-vis spricht über sich: „Ich bin ca. 200 Jahre alt. In meiner Jugendzeit wurde der Absolutismus in Europa überwunden. Die Französische Revolution brachte eine neue Gesellschafts­ ordnung. Die Dichter und Denker der Klas­ sik huldigten der Humanität. Ich habe in meinem langen Leben vieles erlebt und bin stets gewachsen.“ Was sind aber schon 200 Jahre im Vergleich zum Alter des „Salvestfel­ sens“? – Niemandem sei verwehrt, den Weg zum Wildgehege fortzusetzen, wo große Wiesenflächen auch Kindern Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung bieten. Nur 2 Kilometer Luftlinie trennen den „Salvestfelsen“ vom zweiten Naturdenkrnal­ Felsen, dem „Uhus t ein“ im Germans­ wald. Auf dem Parkplatz beim Bahnhof Kirnach-Villingen kann das Auto abgestellt werden. Der Wegweiser bei der Kirnach­ brücke bietet zwar einige Rundwanderwege

Alfred Bausch: ,,Die Schmetterlinge, meine Freunde“ Die Pennäler in Hüfingen waren eine eigene Clique und sammelten unter anderem auch Schmetterlinge. Reaktion des Nicht­ Pennälers: „Was die können, kann ich als Volksschüler schließlich auch“. Der Schul­ kamerad des Bruders -stolzer Besitzer eines Schmetterlingsbuches -hielt zu ihm. Eines Tages brachte der Bruder einen „Mords­ Brummer“ aus der Schule mit, den er von einem Klassenkameraden eingehandelt hatte. Es war ein Totenkopfschwärmer, und die Buben hatten erhebliche Mühe, den Falter zu präparieren. Es gelang schließlich, und stolz präsentierten sie den Schatz den ande­ ren Pennälern, die darauf sehr sauer waren. Später kamen dazu ein „Trauermantel“ mit weißem Rand, was als eine ganz große Seltenheit galt, ein „Nagelfleck-Spinner“ und ein „Blaues Ordensband“, das sich der an­ gehende Entomologe in der Kirche, während des Gottesdienstes, von einem Schulkame­ raden einhandelte. Einer der ersten Fangtage hat Alfred Bausch in seinem Leben nie vergessen. Es war ein herrlicher Frühlingstag. Ziel der beiden Freunde war eine große Saalweide, eine halbe Stunde weit, die in schönster Kätzchenblüte stand. Da flogen Zitronen­ falter, Tagpfauenauge, kleiner Fuchs und viele andere. Es war eine Lust zuzuschauen und zu versuchen, einzelne Exemplare zu erha­ schen, und vor lauter Sammeleifer bemerkten die Buben nicht, daß sich ein schweres Gewitter zusammenzog. Die Schmetterlinge hatten die Gefahr längst erkannt und suchten Schutz in den Büschen. Plötzlich ging es los mit Blitz und Donner, und es schüttete wie aus Kübeln. Damit war die Jagd vorbei, und kopflos rannten die ,Jäger“ nach Hause, wo sie triefend naß, aber sonst heil, ankamen. 1901 übersiedelte die Familie Bausch nach Freiburg. Jetzt durfte der 12jährige die Ober­ realschule besuchen und machte bald die Bekanntschaft mit mehreren anderen Samm­ lern, darunter dem späteren Professor Dr. Wer kennt nicht -wenigstens einige – unserer „fliegenden Kleinode“, wie sie von be­ geisterten Entomologen bezeichnet werden! Der Name Schmetterling weckt unwillkür­ lich die Erinnerung an sonnendurchflutete Sommertage und blütenübersäte Wiesen, auf denen sich die zarten Geschöpfe tum­ meln und dabei mit ihrem langen Rüssel Nektar aus den Blüten saugen. Leider sind sie auch bei uns nicht mehr häufig; ja ein­ zelne Arten sind im letzten Jahrzehnt ganz verschwunden. Intensive Landwirtschaft ließ Ödflächen mit ihrer Artenvielfalt an Blüten­ pflanzen fast verschwinden. Übermäßige Düngung fördert auf den Wiesen zwar den Graswuchs, aber viele Kräuter kommen nicht mehr zum Blühen. Insektizide und Herbizi­ de werden zur Unkraut-und Schädlingsbe­ kämpfung versprüht; Futterpflanzen werden dadurch ausgerottet oder reichem sich mit Schadstoffen an. Folge: die Raupen sterben. Während eines langen Lebens hat Alfred Bausch, der frühere Stadtapotheker von Blumberg, unzählbar viele Stunden den Schmetterlingen, von denen einige Arten wahrscheinlich schon im Tertiär, vor etwa siebzig Millionen Jahren, auf der Erde lebten, gewidmet -als Sammler, Züchter oder bei intensiver Betrachtung. Heute, als Zweiundneunzigjähriger, erin­ nert er sich noch gut daran, wie die Schmet­ terlinge „seine Freunde“ wurden. Vor etwa fünfundachzig Jahren war es, in Hüfingen. Seine Eltern besaßen eine Gastwirtschaft und zwei Buben. Der ältere, sein Bruder, durfte in Donaueschingen aufs Gymnasium. Er hingegen schien seinem Vater dafür etwas zu schüchtern, meinte er doch gelegentlich: ,,Der lacht nur, wenn ein Haus umfällt“. Heute, weise geworden, meint Herr Bausch dazu, wenn er so an seine Kindheit zurück­ denke, könne er das seinem Vater nicht mal verübeln. Er ahnte ja nicht, daß fehlendes Temperament durch um so mehr Geduld und Ausdauer kompensiert wurde. 202

Hans Kilian. Dieser hatte Gelegenheit, Eier vom großen Atlasfalter zu besorgen, deren Aufzucht auch glückte. Das Fangrevier in Freiburg war besonders der Mooswald, wo Rot-und Blauschillerfalter, großer und klei­ ner Eisvogel und noch viele andere Falter in Hülle und Fülle vorkamen. Fangplätze für die Nachtfalter waren die städtischen Gaslaternen und die beste Zeit hierzu die frühen Morgenstunden. Mit Eintritt ins Berufsleben, als Apothe­ kerlehrling, 1908, trat eine längere Pause ein­ im Sammeln -das Interesse blieb. Nach einigen schicksalsreichen Jahren, die Alfred Bausch auch dazu benutzte, seine künstleri­ schen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Malerei unter Beweis zu stellen, erhielt der junge Apo­ theker die Konzession in Blumberg, und als sich herausstellte, daß die Blumberger Gegend geradezu ein Paradies für Schmetterlinge war, begann er wieder zu sammeln und auch zu züchten, denn gerade die Zucht und das Studium der Metamorphose: -Ei-Raupe­ Puppe -Falter, machte Alfred Bausch be­ sonders viel Freude. Es war immer ein Erleb­ nis, wenn es glückte, das ganze Gelege eines Schmetterlings zu züchten und die Falter nach dem Schlüpfen aus den Puppen auf einmal in die Freiheit zu entlassen. Fanggründe für die Nachtfalter waren Hauswände in der Nähe von Straßenlampen und die beste Fangzeit ab Mitternacht mit einem Eigenbaugerät auf einer langen Stange. Es gab reiche Beute an Eulen, Spinnern, Spannern und Schwärmern. Als geborener Tüftler entwarf Alfred Bausch auch die für eine einwandfreie Präparierung notwendigen Spannbretter und Aufbewahrungskästen, die es dem Betrachter gestatten, die Schmetter­ linge von beiden Seiten zu studieren. So entstand im Laufe der Jahre eine Sammlung von rund 1.000 einheimischen Tag-und Nachtfaltern, die fein säuberlich in 14 Kästen aufbewahrt sind. Sie zählen zu den Faltern der gemäßigten Zone (Palaeark­ ten) und werden nach einem bestimmten System in Gruppen, Familien und Arten eingeteilt. So sind z. B. typische Vertreter der Gattung Papilio, der Schwalben­ schwanz und der Segelfalter. Als große Sel­ tenheit kommt in der Wutachschlucht der zur Gattung Paranasius gehörende Schwarze Apollo vor. Zu der Familie der Eckfalter (Nymphalidae) gehören aus unserer Fauna der kleine und große Fuchs, Tag­ pfauenauge, Distelfalter, Trauermantel, C-Falter und Admiral. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien weiterhin genannt: der große Schillerfalter, der kleine Eisvogel, viele Arten Bläulinge, Scheckenfalter, Samtfalter und die äußerst seltene Zygäne-Fausta. Auch bei den Nachtfaltern gibt oder gab es sehr viele seltene Arten, wie z. B. der Buchen­ spinner, der Pergamentspinner und der Lö­ wenzahnspinner. Zu den einheimischen Arten kamen im Laufe der vergangenen 30 Jahre auch rund 4.500 der schönsten Exoten aus Süd-und Mittelamerika, Afrika, Indonesien, Indien und Ostasien, die teils als Falter, teils als Eier oder Puppen erworben und gezüchtet wurden. In 56 Kästen aufbewahrt, erfreuen sie heute den aufmerksamen Betrachter. Ein Zuchtkasten stand viele Jahre in der Apotheke, und die geschlüpften Falter fanden bei den Kunden stets große Bewunderung. Beim Betrachten der einzelnen Schmetter­ linge aus dieser reichhaltigen Sammlung fallt auch dem Laien auf, daß die verschiedenen Farben und Flügelmuster wohl eine be­ stimmte Bedeutung haben müssen. Und in der Tat unterscheidet der Fachmann die sogenannten „Warn-und Tarntrachten“. So haben z. B. die Augflecke des Tagpfauen­ auges auf der Flügeloberseite die Aufgabe, einen anfliegenden Freßfeind (Vogel) abzu­ schrecken. Bei tropischen Arten, die in Ruhe­ stellung mit gefalteten Flügeln sitzen, sind die Augflecke an der Unterseite der Flügel, z.B. ganz ausgeprägt bei der Gattung Caligo. Beim Atlasspinner wiederum sind die Flügel­ spitzen wie Schlangenköpfe ausgebildet und gezeichnet. Bei den großen Morphos aus Südamerika sind die Schuppen auf den Flügeln Träger pysikalischer Interferenz und leuchten, je nach Lichteinfall, dunkelblau203

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bis irisierend violett. Diese Erscheinung zei­ gen auch unsere einheimischen Schillerfalter. Bei den Tarntrachten sind die Flügel in Form, Farbmuster und Zeichnung etwa einem Blatt täuschend ähnlich. Ein typischer einheimischer Falter, der diese Erscheinung zeigt, ist die Kupferglucke, die in Ruhe­ stellung einem dürren Buchenblatt gleicht oder der Admiral, bei dem die Flügelunter­ seite eine grobe Baumrinde imitiert. In Afrika ist es vor allem die Gattung Charexes, wo die verschiedenen Arten auf den Flügel­ unter- oder auf den Oberseiten die Blatt­ formen ihrer Umgebung faszinierend nach­ ahmen. Mit zu den schönsten und interessantesten Faltern, von denen Alfred Bausch ebenfalls eine große Anzahl in seiner Sammlung hat, zählen die Vogelschwingenflügler (Ornithop­ tera), die in Neuguinea und auf den Südsee­ inseln vorkommen und bis 20 cm Spann­ weite aufweisen. In Madagaskar gibt es, wohl bedingt durch die isolierte Insellage, viele Besonderheiten; z. B. die Kometenfalter (Argemamitrrei), die mit ihren schmalen Flügelspitzen bis 20 cm messen. Sehr selten und eigenartig ist auch ein Falter aus diesem 232 Oben Brahmaea aus Japan Mitte seitlich 2 Argema Mittrei aus Madagaskar 81 c Morphos o + 9 aus Südamerika 85 a Papilio-Arten aus Afrika 95 a Ornithoptera-Arten aus Neuguinea Mitte oben Victoria regis 9 Mitte Victoria regis O 97 a Ornithoptera paradisea aus Neuguinea 98 a Ornithoptera priamus aus Neuguinea links unten 9 darüber O Land, der auf der Oberseite der Flügel, als perfekte Warnung für Freßfeinde, ein Lemurengesicht frappierend imitiert. So vermittelt diese einmalige Sammlung dem aufmerksamen Betrachter einen faszi­ nierenden Ausschnitt aus der Vielfalt und Buntheit der Insektenwelt, von der zierlichen Federmotte, deren Flügel einer weißen Flaumfeder gleichen, bis zum herrlich ge­ zeichneten Atlasspinner mit 25 cm Spann­ weite und der südamerikanischen Eulenart Thysania agrippina. Aber es sind nicht nur die schönen Farben und die in Jahrmillionen durch Mutation und vor allem durch Evo­ lution entstandenen Formen, die unser In­ teresse erregen, nein, wir können nur ahnen, daß eben jeder Fleck, jede Zeichnung, jede Farbgebung einen ganz bestimmten Zweck im Schöpfungsplan erfüllt und dem Tier dazu dient, zu leben und zu überleben. Die Sammlung, und das betrifft ganz besonders die einheimischen Arten, ist eine heute nicht mehr wiederholbare Dokumen­ tation einer erstaunlichen Vielfalt von Schmetterlingen, die einst bei uns heimisch waren, denn mit großer Sorge muß das Ver­ schwinden vieler Arten registriert werden. Das bedeutet nicht nur eine Verarmung unserer Fauna, sondern es ist auch ein Indi­ kator dafür, daß unsere Umwelt an der ständig zunehmenden Vergiftung krankt und daß es höchste Zeit ist, die Schadstoff­ belastung in der Natur entscheidend zu reduzieren. Das gilt aber auch für die tropischen Länder, wo in letzter Zeit rücksichtslos große Teile des Urwaldes zur Nutzholzgewinnung und zur Anlage von Plantagen g�rodet wurden. Um diese riesigen Monokulturen wirtschaft­ lich zu nutzen, werden Unmengen von Gift gegen Insekten versprüht, und die Schmetter­ linge, die eine wichtige Aufgabe bei der Be­ stäubung verschiedener Pflanzen haben, sterben mit. „Die Beschäftigung mit den Schmetter­ lingen hat viele Stunden meines Lebens beglückend ausgefüllt, aber es ist heute nicht mehr zu verantworten, daß auch nur ein 205

einziges Exemplar der Natur entnommen wird, nicht bei uns und nicht in den Tropen. Wer sich an diesen Tieren erfreuen und sie sammeln will, hat heute die Möglichkeit, sich mit der Farbfotografie eine Bildersamm­ lung anzulegen, so wie ich es ebenfalls in den letzten 15 Jahren tat“ – meint Alfred Bausch. Es bleibt zu wünschen, daß seine Sammlung auch in Zukunft möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht wird, damit sich diese an den Zeugen der Herrlichkeit Gottes in der Natur erfreuen können. Karl Zimmermann Remigius Mans von Villingen Gestorben 1513 in der Schlacht zu Novara/Oberitalien den 1840er Jahren die äußere Stadtmauer geschleift und somit das Bildnis zerstört wurde. Dem Wunsch der Villinger Bürger­ schaft entsprechend wurde bald die Romäus­ darstellung an würdiger Stätte im Stil der romantischen Historienmalerei nach einem Entwurf des aus Villingen stammenden Künstlers Wilhelm Dürr (1815-1890) auf der Nordseite des Michaelsturms ( des heutigen Romäusturms) angebracht. Es ist nicht be- Romäus-Turm. Holzschnitt von H. Simon. Remigius Mans (Romeias, Romias, Romius, Romäus) wurde von seinen Landsleuten sehr verehrt. So wurde bald nach seinem Tode sein Bildnis in gewaltigen Ausmaßen und bunten Farben an die äußere Stadtmauer vor dem Oberen Tor gemalt. Dieses Bild wird bereits 1520 erwähnt. Es war der Müller Heinrich Gebhart von Niedereschach, der in jenem Jahr gefänglich eingezogen wurde, weil er sich erlaubt hat, auf der Kirchweih zu Mönchweiler die Vil­ linger zu verspotten. Er sagte unter anderem: ,,sy malendt lütt für die statt an die muren, umb das man sy fürchten soll!“ Auf einer der ältesten Bildkartenansichten von der Stadt Villingen (Rottweiler Pürsch­ gerichtskarte von 1564) erkennt man die riesige Landsknechtfigur des Romeias deut­ lich an der Mauer beim Oberen Tor. Daß es sich um eine Sehenswürdigkeit gehandelt hat, darüber berichtetJosua Maler anläßlich eines Besuches bei seinen Ver­ wandten in Villingen im Jahre 1569: (H. A. Neugart Der unsterbliche Rebell“ 1970) “ „Wir besahind ouch andere Kilchen und namhafte ort der statt, wie ouch usserhalb der statt an der ringmuren nebent einem thor ein alt gemäll und abkonterfeyung Remigius Mansen sei., so by sinen zyten ouch von wägen siner unverzagten frävenheit (Verwegenheit) Remigius Tüfel genannt worden, von dem mir oft und vil min lieber vatter sei. selzamer sachen erzelt hat.“ Jahrhunderte hindurch war dieses Ro­ mäusbild ein Wahrzeichen der Stadt, bis in 206

kannt, ob Dürr vor seinem Weggang aus seiner Heimatstadt 1841 das Bild nach seinem Entwurf auch selbst gemalt hat. Erneuert wurde das Bild im Jahre 1891. Die Romäusbildnisse einheimischer Künstler blieben meist auf eine Symbolgestalt beschränkt, wie wir es vom Villinger Maler Albert Säger (1866-1924) kennen. Erst der hiesige Künstler Richard Acker­ mann, so schreibt H. A. Neugart, hat die gesamte Romeiuslegende mit all ihren sta­ tionären Begebenheiten mannigfach ins Bild gebannt und ihren vertieften Sinngehalt an­ gedeutet. Kunstmaler Richard Ackermann hat sich mit viel Liebe des heldischen Vor­ bildes seiner Heimatstadt angenommen. In Sepia tusche und Aquarell ist der vielblättrige Zyklus seiner „Romäuslegende“ entstanden. Aus Kreisen der Villinger Bürgerschaft wurde die Historische N arrozunft seit Jahren immer wieder angesprochen, sie möge sich doch dafür einsetzen, daß das Bildnis des Romäus wieder am Michaelsturm (Romäus­ turm) angebracht werde. Als Trägerin alt­ überlieferten Villinger Brauchtums mit großem Traditionsbewußtsein hat sie sich gerne dieser Aufgabe gestellt und bewiesen, daß eine einige Bürgerschaft ohne den Ruf nach der Stadt oder dem Staat in der Lage Aus einem Festzug: Romeius mit Landsknechten im Jahre 1498. ist, sich selbst einen Wunsch zu erfüllen und ein städtebauliches Merkzeichen zu setzen. Im Dezember 1980 wurde mit Unter­ stützung der Presse eine großangelegte Spen­ denaktion begonnen. Die Resonanz aus der Bevölkerung war groß, auch einige Veranstal­ tungen zu Gunsten der Aktion waren sehr erfolgreich. Parallel zur Spendenaktion war es bald gelungen, viele Meinungen unter einen Hut zu bringen, um gleich nach Beendigung der Aktion mit der Realisierung des Vorhabens beginnen zu können. So war es möglich, daß vom ersten Spen­ denaufruf bis zur Fertigstellung des neuen Romäusbildes nur zehn Monate ins Land gingen. Man war besonders stolz, in Maler­ meister Manfred Hettich einen Villinger Künstler gefunden zu haben, der in Zusam­ menarbeit mit Professor Schlegel den Vil­ linger Lokalhelden Romäus wieder an den Turm brachte. Die bildliche Lösung hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, war er gleichzusetzen einem zwar kriegerischen, aber gütigen Mann, der sich in einer wohlwollenden Pose 207

darstellt, oder war er mehr ein deftiger, rauh­ bautziger, furchterregender Riese, Drauf­ gänger und Soldat, der stets in vielerlei Streit und Acht war und durch seine „Taten“ auch in der Erinnerung der Bürger blieb. Das Romäus-Wandbild hat beträchtliche Ausmaße: es ist 8,65 m hoch und 5,30 m breit. Die Malerei auf dem Kalkputz wurde mit Keim‘ sehen Mineralfarben durchgeführt, die Flächen mit metallischer Wirkung vor­ behandelt und überarbeitet. Die gewählte Maltechnik verkieselt, d. h. versteinert sich mit dem Kalkunterputz und hat dadurch eine optimale Lebensdauer. Am 10. Oktober 1981 konnte das Bild feierlich enthüllt werden. Christian Huonker 208

Baaremer Volkskunst Aus der Geschichte und vom Wirken seines Freundeskreises Viele gehen an ihnen vorbei – an den Medaillons im Kurpark von Bad Dürrheim. Unmittelbar rechterhand vom Musikpavil­ lon haben die im Durchmesser 50 cm breiten Medaillons ihren Platz. Markant treten die insgesamt 5 Köpfe (2 weibliche und 3 männ­ liche) hervor. Im ersten Augenblick muten sie fremd an und sind doch direktes Erbe eines baaremer Künstlers. Franz Xaver Reich war es, der 1851 den Auftrag erhielt, fürs Karlsruher Hoftheater einen plastischen Schmuck zu schaffen, so geht es aus der Abschrift des Vertrages zwischen Reich und dem großherzoglichen Bauamt hervor, die sich heute im Generallandesarchiv Karlsruhe befindet. Da heißt es: ,,Reich liefert 64 Medaillons mit 16 Zoll Durchmesser, jedoch so, daß die darin befindlichen Köpfe alle von verschiedenem Ausdruck sind in rötlichem Tone, das Stück zu sieben Gulden, ferner 40 Stück Medaillons zu 13 Zoll, jedes mit einem anderen Kopf. Reich bleibt für die Haltbar­ keit der Ware nach dem Landrecht haftbar.“ Damit hatte der Hüfinger Bildhauer sei­ nen größten zusammenhängenden Auftrag. Um die Arbeit bewältigen zu können, rich­ tete er sich in Hüfingen die vom Vater über­ nommene Ziegelhütte zu einer Brennerei nach seinen Bedürfnissen ein. Arbeiten aus seiner Werkstätte erhielten auch die badi­ schen Ortschaften Baden-Baden, Kehl, Bad Rippoldsau, Donaueschingen, Hüfingen, Neudingen, Heiligenberg, Konstanz, Sigma­ ringen, Schwetzingen und Bad Dürrheim. Die Arbeit für das Karlsruher Hoftheater, die sich über Jahre erstreckte, beflügelte den Künstler. Einmal berichtete er nach Karls­ ruhe: ,,Das Brennen geht fortwährend und gut vonstatten. Es ist wieder eine Kiste mit dem Rest der kleineren Figuren und Köpfe nach dort abgegangen. Die großen Figuren und Köpfe möchte ich per Achse bis Carls­ ruhe transportieren lassen.“ Über einhundert Jahre überstanden die Terrakotten, abgese- hen von Rissen durch Witterungseinflüsse, ohne nennenswerten Schaden. Als in der Bombennacht 1944 am 27. September das Karlsruher Hoftheater vernichtet wurde, blieben die Terrakotten erhalten, sie wurden buchstäblich ein zweites Mal gebrannt. Die Staatlichen Baubehörden und die Denk­ malspflege retteten mit Unterstützung des baden-württembergischen Landtages die Reichsehen Medaillons und etliche Relief­ figuren aus den Mauerstümpfen. 1963 bewil­ ligte der baden-württembergische Landtag einen Sonderbetrag von 250.000 Mark, um die meisterlichen kunsthandwerklichen Arbeiten von Franz Xaver Reich zu erhalten. Der Restaurator nahm sie in seine Obhut und fügte sie 1967 anläßlich der Karlsruher Bundesgartenschau zum größten Teil in die Wände des wieder erstellten Wintergartens ein. Ein kleinerer Rest wurde für besondere Verwendung reserviert. Kurt Senn, passio­ nierter Heimatforscher, unterstützt von Bür­ germeister und Kurdirektor Otto Weissen­ berger, setzte sich in besonderer Weise für die Rückführung der Reichsehen Arbeiten auf heimatlichen Boden ein. Der Vater des Bild­ hauers war am 7. Januar 1787 von Anastasia Buck, der Tochter des Hänslehof-Vogtes, verehelicht mit Mathias Reich, geboren wor­ den. Am 2. Dezember 1967 konnte man in der Bad Dürrheimer Rundschau lesen: ,,Im Heil­ bad wird in diesen Tagen eine Serie von T er­ rakotten-Medaillons erwartet. Sie werden in Bad Dürrheim zu neuen Ehren kommen und die Kunst eines alten Meisters in Erinne­ rung bringen.“ Ein halbes Jahr später konn­ ten die fünf Medaillons gerade noch recht­ zeitig zur Eröffnung des Mineral-Sole-Hal­ lenbades im Juni 1968 im Kurpark (auf dem Grund und Boden des Landes Baden-Würt­ temberg, so lautete die Vereinbarung} durch die Kur- und Bäderverwaltung aufgestellt werden. 209

Ausschnitt der fünf Medaillons von Franz Xaver Reich im Kurpark von Bad Dürrheim – den Männerkopf ließ der Restaurator rußgeschwärzt zum Gedenken an das Jahr 1944. ren ihm an. Über all die Jahre füllten Mel­ dungen des Vereins über Wiederentdeckun­ gen verschüttet gegangener Kunstwerke, über historische Beweise und über den Wunsch nach Erhaltung geschichtsträchtiger Stätten, sowie deren Meister immer wieder die Tagespresse. So am 14./15. Februar 1970 die Meldung: „Ein handgeschriebenes Tagebuch, das eines der denkwürdigsten Kapitel badischer Hee­ resgeschichte schildert, hat soeben seinen Standort von Karlsruhe nach Bad Dürrheim gewechselt. Es ist das Tagebuch des August Freiherr von Althaus mit den Aufzeichnun­ g�n über die militärgeschichtlich berühmten Ubergänge badischer Truppen über die Bere­ sina anno 1812. Erna Freifrau von Althaus, die zusammen mit ihrer Tochter Sibylle Wüstenhagen geborene Freiin von Althaus, das Erbe des Geschlechtes von Althaus in Karlsruhe bewahrt, hat das Buch als Leihgabe Bürgermeister und Kurdirektor Weissenber­ ger für das Dürrheimer Heimatmuseum übergeben. Der Freundeskreis Baaremer Volkskunst hatte hierfür Monate vorher die Fäden gesponnen.“ Auch der Südwestfunk hatte sich für diese Tagebuchaufzeichnun­ gen des ersten Salinenverwalters von Bad Dürrheim interessiert und in einer Morgen- An den Bildhauer Franz Xaver Reich erin­ nert in Bad Dürrheim eine weitere Arbeit. Sie steht in den Amtsräumen des Rathauses. Es ist die Büste des Großherzogs Ludwig von Baden. Als in den Jahren 1822 in Dürrheim die Sole entdeckt und dann 1823 gefördert wurde, ging in das Atelier von Reich der Auf­ trag, diese Büste zu fertigen. Der junge Künstler fertigte sie mit bemerkenswerter Ausdruckskraft. Heute steht sie ganz selbst­ verständlich in den Arbeitsräumen des Bür­ germeisters der Kur-und Bäderstadt. Dies sind zwei Beispiele für die gründ­ liche, mit beachtenswerter Intensität betrie­ bene Arbeit von Kurt Senn, der fast 2 Jahr­ zehnte nicht nur in Bad Dürrheim, sondern im gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis hei­ matkundlich forschte. Am 4. Oktober 1919 wurde er in Villingen geboren, wirkte später als Rektor an der Sonderschule für lernbe­ hinderte Kinder in Ettlingen/Karlsruhe und beschäftigte sich, wann immer es seine Zeit erlaubte, als Heimatforscher. In Bad Dürr­ heim war Kurt Senn im Gästehaus Hug zu Hause. Kurt Senn war es auch, der 1965 den Freundeskreis Baaremer Volkskunst grün­ dete. Heimatfreunde aus Kirchen-Hausen, Hausen vor Wald, Villingen, Hüfingen, der Ost-und Südbaar und Bad Dürrheim gehö- 210

sendung des 21. März 1968 zwischen 9.35 und 9.55 Uhr darüber berichtet. Im Heimatfeuilleton der Neckarquelle vom September 1971 war dann die Meldung über „Baaremer Meister der Kruzifixe“. Alles nahm seinen Anfang, als man in Bühl daran­ ging, die Geschichte der Bühler Stadtkirche zu schreiben. Hermann Brommer, Rektor, aus Merdingen bei Freiburg, meldete sich bei Fritz Grießhaber, um Näheres über den Büh­ ler Altar zu erfahren. Der Hochaltar der katholischen Pfarrkirche St. Johann in Bad Dürrheim sollte aus Bühl gekommen sein. So die VermutW?-g. Und richtig, man fand die Bestätigung, nachdem man die private Chro­ nik des Josef Reichmann aus Dürrheim ent­ ziffert hatte. Josef Reichmann war Bauer gewesen und hatte wichtige Ereignisse im Ort im vergangenen Jahrhundert niederge­ schrieben, so z.B., wann wieder eine neue Wirtschaft eröffnet worden war und den Tag, an dem zum ersten Male das elektrische Licht gebrannt hatte und auch davon, daß der aus Bühl gekommene Hochaltar am Hei­ ligen Skapulierfest des Jahres 1879 einge­ weiht worden sei. Die Verbindung nach Bühl erklärte man sich so: 1864 war Pfarrer Diet­ rich von Dürrheim nach Bühl gegangen. Er wußte um die schmucklose Ausstattung der Dürrheimer Kirche und so darf man anneh­ men, daß der Altar auf seine Vermittlung hin nach Dürrheim gekommen ist. Das Tabernakel, ein ausgereiftes Werk des späten Barocks, schuf Philipp Rauch. Es zählt zu einem der schönsten Werke, das Rauch geschaffen hat. Der Künstler wurde am 15. Februar 1730 laut Taufbuch des katho­ lischen Pfarramtes in Dürrheim geboren. Philipp Rauch war Meister der barocken Schule der Villinger Benediktiner. Sein Lehr­ meister war Jos. Anton Hops, dessen Nach­ folge Rauch 1761 antrat. Rauch schuf auch den Reliefschmuck des vielbeschriebenen Geläuts aus 7 Glocken, das 1809 von der Vil­ linger Benediktinerkirche montiert wurde und nach Karlsruhe kam. Auch den Schmuck für das 15stimmige Geläut in St. Blasien war seine Arbeit. Beide Geläute gin- gen im 2. Weltkrieg in Karlsruhe verloren. Seine Kruzifixe hatten hingegen Bestand. Neben Bad Dürrheim ist auch eines im Vil­ linger Museum zu finden. Zwei weiteren Pro­ jekten, einmal im Bad Dürrheimer Ortsteil Hochernmigen dem 400jährigen Baar-Hof in der Ortsmitte bei der Kirche und in Öfin­ gen dem „Tempel“, einem originellen sakral­ förmigen Anbau an einem Bauernhaus galt ebenfalls die besondere Aufmerksamkeit des Baaremer Freundeskreises. Der Hochem­ minger Baarhof ist architektonisch bemer­ kenswert, weil er einen Staffelgiebel und einen Fachwerkgiebel besitzt. Diese Kombi­ nation gilt für die Baar als nicht alltäglich. Untersuchungen haben ergeben, daß der Hausteil mit dem Staffelgiebel rund 400 Jahre alt sein muß, während der Teil mit dem Fachwerk später, im 17. Jahrhundert, nach dem großen Brand, anzusetzen ist. Der „Tempel“ in Öfingen diente im 18.Jahrhun­ dert einem Klausner als Behausung und Stätte der Andacht. Er besitzt die Form eines Dreiachtei-Chores mit schindelgedecktem Mansardendach. Beide Objekte befinden sich im Stadium der Sanierung. Im Jahre 1976 verstarb Kurt Senn im Alter von 56 Jahren. Aber der Freundeskreis Baare­ mer Volkskunst besteht weiter. So konnte der Freundeskreis unter anderem zwei bedeutende Ausstellungen im „Haus des Gastes“ in Bad Dürrheim zeigen: 1. Sakrale und rustikale Kunst der Baar im Sommer 1977. 2. Faksimilie-Ausstellung im Sommer 1978. Oberlehrer Vögele aus lmmendingen und Günter Hug, stellvertretender Bürger­ meister in Bad Dürrheim, sind besonders um die Erhaltung und weitere Fortentwicklung der Volkskunst der Baar zusammen mit den Freunden bemüht. Immer wieder trifft man sich zu Exkursionen auf der Baar, und nimmt neue Anregungen wahr. Evelyn Schwenk 211

Stätten der Entspannung Gästebücher der Aselfinger „Traube“ Gekeltert von Jürgen HenckelJ, Blumberg Wer kennt diese Situation nicht: Wenn ein geselliger Höhepunkt erreicht oder gar überschritten ist und die ersten Gäste schon zum Aufbruch drängen, dann naht die Gast­ geberin oder ihr kaum so mutiger Gatte mit einem Wälzer in Schweins- oder Kunstleder und schockt mit einem: ,, Würden Sie sich bitte noch in unser Gästebuch eintragen?“ Dem Zusammenzucken des überrumpelten und von langer Sitzung randvollen, wenn nicht vom Frage- und Antwortspiel aus­ gelaugten Gastes folgt unweigerlich die lie­ benswürdig kaschierte Drohung: ,,Aber etwas Nettes!“ Eine Weigerung ist im priva­ ten Bereich gefährlicher als im gastronomi­ schen. Denn im ersteren wird der sich müde Zierende als Poesie-Muffel kaum wieder ein­ geladen, während sich im letzteren meistens jemand findet, der andere in seinen Schatten stellen möchte, sich einen mehr oder weniger geglückten Reim auf alles machen kann und womöglich noch ein Schlotzviertele auf Rechnung des Wirtes erlistet. Im altehrwürdigen Gasthaus „Zur Traube“ zu Blumberg-Aselfingen gibt es zwar Frem­ denbücher seit dem Jahre 1902 mit den damals geforderten Eintragungen und Anga­ ben zur übernachtenden Reiseperson, jene Gästebücher mit den Lobeshymnen auf gasthäusliche Besonderheiten oder Land­ schaft und Leute jedoch erst seit dem Jahr 1955. Möglich, daß man die Vergangenheit davor anders bewältigte. Alles vor dieser Zeit, auch das auf knapp 13 Jahre reduzierte „lOOOjährige Reich“, war im Gedächtnis des am 10. Januar 1982 im 84. Lebensjahr verstor­ benen Traube-Wirtes, ehemaligen Bürger­ meisters und Kreistagmitglieds Karl Bausch erstaunlich aufgezeichnet. Er machte die Aselfinger „ Traube“ dank seiner Auf­ geschlossenheit und geistigen Lebendigkeit 212 zu einem bekannten und gerühmten Treff­ punkt von Geologen und Naturfreunden aus vielen Ländern. Da ein Großteil der Gäste seit Jahrzehnten aus Geologen besteht, trugen sich hauptsäch­ lich die Teilnehmer an geologischen sowie paläontologischen Exkursionen (Paläonto­ logie – Lehre von den ausgestorbenen Lebe­ wesen) in die Gästebücher ein. Die erste Ein­ tragung vom 8. Mai 1955 stammt von einer Exkursion des „Badischen Landesvereins für Naturkunde und Naturschutz“; ihm folgt das Zoologische Institut der Universität Tübingen mit 32 Studenten unter der Lei­ tung von Professor Dr. Gerhard Krause, der oft ins Wutachtal kam. ,,Auch hier gewesen“, schreibt ein lakoni­ scher Siegfried Häberle im Oktober dessel­ ben Jahres, ohne den Pfleiderer zu erwähnen. Im Dezember notiert ein Gast, dessen Name Prediker dank weinseliger oder akademischer Schreibweise wie viele andere nur erraten oder gar nicht entziffert werden kann: ,,Es gibt eine Zeit, um Steine zu sammeln, und eine Zeit, die Steine wieder wegzuwerfen.“ Damit ist ein Gast im April 1956 laut Fuß­ note keineswegs einverstanden: ,,Ob diesem Spruch zu unseren Steinen / vermag man lediglich zu weinen“. Dr. Eberhard Buck vom Geologischen Landesamt gab im Juli 19 56 zu: ,,Nach mehr­ jährigem Anlauf wurde der Scheffheu und Eichberg-West bezwungen – geologisch“. Was seine „Säckleshalterin“ Maria Buck bestätigte. Im selben Monat reimt die Som­ mer-Exkursion der Universität Frankfurt über Muschelkalk, Bunten Sandstein und Keuperton, was auch das ihr folgende Geolo­ gische Staatsinstitut Hamburg liest. Im August 1956 kommt der berühmte Geologe Dr. Karl Hoffmann aus Hannover-

Langenhagen zum x-ten Mal ins Tal: „Die Katze kann das Mausen nicht lassen; ein Geologe kann auch im Urlaub nicht unge­ rührt an Amoniten vorbeigehen! Aselfingen mit seiner gemütlichen ,Traube‘ ist die ideale Verbindung von klassischen Aufschlüssen und Erholsamkeit“. Dieses Geo-As, das als bemerkenswerter Gelehrter Aufnahme in den Lexika fand, gehörte zum Kollegium des Bundesforschungsinstitutes, dessen Präsi­ dent Dr. Martini schon vor dem Zweiten Weltkrieg den Weg nach Aselfingen fand. Die Geologischen Institute der Universitä­ ten Utrecht, Leiden, London und Wien tru­ gen sich ebenso ein wie diejenigen von Erlan­ gen, Kiel, Berlin und Freiburg, um nur einige der Exkursionen zu nennen. Am 4. September 1957 tagt die 109. Hauptversammlung der „Deutschen Geolo­ gischen Gesellschaft“ nach einer Exkursion „Baar-Höwenegg“ in der „Traube“, und am 20. und 21. Juni 1959 gibt es das 6. Euro­ päische Mikro-paläontologische Kollo­ quium im erdgeschichtlich interessanten und aufschlußreichen Tal. Rund 81 Fachwissenschaftler der landes­ geologischen Institute ganz Europas nah­ men unter der fachkundigen Regie der Lan­ desgeologen Dr. Sauer und Buck daran teil, unter anderem Dozenten der Universitäten West- und Ost-Berlin, Freiburg, München, Oslo, Stockholm, London, Warschau, Wien, Messina, Paris und Uppsala. Sie wohnten in der „ Traube“ und „Scheffellinde“ und ent­ nahmen dem vom Landesgeologen Dr. Sauer vorbereiteten Jurameer-Profil am Aubächle viele Schichtproben, die – in ver­ plombte Säckchen abgefüllt – tonnenweise auf der alten Freiluft-Kegelbahn der „Traube“ auf ihren Abtransport warteten. Der Ordina­ rius der Uni Wien wurde dazu „ verdonnert“, dieses Zusammentreffen elitärer Wissen­ schaftler „gebrauchslyrisch“ im Gästebuch zu dokumentieren. Der Schreiber war selbst dabei und stellte fest, daß die Wissenschaft nicht immer eine „trockene“ zu sein braucht. Im Juli 1959 erkennt ein geologischer Betriebsausflug schriftlich: ,,Es ruht ein bitter böser Fluch / auf diesem Haus: Das Gäste­ buch!“ Danach witzeln Göttinger Mineralo­ gen im August 1959: ,,Jura kann der Mensch studieren / auf zwei verschiedene Manieren: / Bei uns füllten sich die Kisten/ mit verstei­ nerten Juristen!“ Am 1. Juni 1961 „verewigte“ sich eine Exkursion des Geologischen Instituts der Justus-Liebig-Universität Gießen mit einer Zeichnung im Gästebuch. Die studentische Eintragung der Uni Hamburg von 1962: »Dieses geben zu Attest: hier schon wieder voll gewest“ läßt tief ins Zwetschgenwasser­ glas blicken. Im September 1962 war die englische Lei­ cester University im Tal, und im April 1963 folgte ihr die Universite de Besan�on ins ,, Vallee de la Wutach“. Der Oktober 1963 sieht eine „Grabung“ des Instituts für Paläontologie und histo­ rische Geologie, München; eine Teilgrabung aus den Gästebuchreimen fördert zutage: „An des Stobergs steilen Halden / sieht man schäbige Gestalten, / die da tiefe Löcher wüh­ len/ und den Durst mit Bier sich kühlen … “ Am 18. Juli 1965 schrieb der unvergessene Dichterfreund und Landschaftsschilderer Max Rieple, der das Tal liebte, nach seiner Festrede anläßlich des Gründungsfestes vom Talemer Musikverein: ,, … umsorgt von lie­ ben Menschen, bei guten und anregenden Gesprächen wird man in der ,musikalischen‘ Landschaft des Wutachtales wieder ein neuer Mensch“. Nach einer „Mollusken-Exkursion Nr. 3″ reimen die Teilnehmer vom Institut für All­ gemeine Zoologie der Universität Mainz: »Jetz‘ kumma die Määnzer / und suche die Schnegge / an alle Egge … / dann dringe mer Woi / und gehe ins Hoi“. Eine Gaudi für die wenig betuchten Studenten, zudem eine reine Platzfrage war es, daß auf dem riesigen Heuboden der „Traube“ genächtigt wurde. Dann gab es so etwas wie einen „UvD“, der darauf achten mußte, daß nichts Ärgeres als ein Heuschnupfen zu Forschungsbuch schlug. Im August 1967 ist die University of Lon- 213

don zu Gast, und im Oktober 1970 ver­ abschieden sich die Teilnehmer des Gelände­ praktikums des IT. Geographischen Instituts der Freien Universität Berlin mit verdräng­ tem Neidkomplex, weil im Schrank und auf dem „Kunscht“-Bort der „Traube“ bessere Ammoniten-Exemplare liegen als die von ihnen gefundenen. 1971 sind im Gästebuch Besucher aus Cle­ veland (Ohio), Long Beach und La Habra (California) ebenso zu entdecken wie im August 1972 die bierselig verschwommene akademische Eintragung: ,,Über das Vor­ kommen von Belemnites hofbräuhausensis im Oberen Delirium Unterstufe Alcoho­ lien“. 1973 trägt Dr. K. G. Baer aus Ludwigsha­ fen ein:,, … wir haben uns den Muschelkalk und Lias Epsilon diesmal aus einer sehr unge­ wöhnlichen Perspektive angeschaut. Mit zwei großen Taschenlampen und etwas ban­ gem Gefühl haben wir die beiden Kehrtun­ nel der strategischen Bahn durchwandert, (ob das wohl erlaubt ist?). Falls nein, Strafan­ zeige an … “ Nach drei Wochen Talerholung schreiben der frühere dpa-Kulturredakteur und spätere geistreiche Verfasser der „Köpfe der Woche“ Eugen Schmidt (Gütersloh) und seine Frau, die Musikpädagogin Ingeborg Schmidt­ Henckell: ,,Zuletzt vor fünfzehn langen Jah­ ren / sind wir ins Wutachtal gefahren … “ Auch sie sind langjährige Freunde dieser erhaltenswerten Erholungslandschaft, die von der Volkshochschule Villingen-Schwen­ ningen im Rahmen der Geologie-Kurse oft besucht wird, wie die Eintragung vom November 1975 unterstreicht: ,,Die VHS war heute hier mit Willi Paul, dem ,Stein-Genie'“. (Dem anläßlich seiner Verdienste vor einiger Zeit der Professoren-Titel verliehen wurde.) Von internationaler Farbigkeit wie viele geologische Treffen war auch das „Jurassic Field Meeting 1977″, wie die ersten Zeilen einer munteren Niederschrift andeuten: ,,Der Jura in this Wutachtal / ist realy interna­ tional, / that we from many fernen Landen / uns hier for science wieder fanden“. 214 Im August 1978 zieht es Brigitte Erler (damals noch MdB) mit Parteifreunden auf Schusters Rappen ins Tal: ,,Von Schönwald zum Bodensee / wandern wir -weh tut der Zeh!“ Anschließend gesteht die Politikerin, daß sie besser wandert als dichtet. Schon Ostern 1980 bittet die Familie Her­ bert Klein aus Marbach am Neckar mit einer flotten Farbzeichnung: ,,Bitte keine weiteren Wege mehr asphaltieren; es hat hier schon zu viele Leute!!“ Ähnlich äußern sich am 11. April 1980 der Diplom-Geologe Dr. Hans Tangermann und seine Frau, die Geographin Ingrid, die seit 13 Jahren immer wieder ins Tal kommen: ,,Ach, wie war es ehedem / hier im Wutachtal so schön! … Heut‘ aber sieht man überall die Mengen, / die selbst in steilen Wänden hängen./ Wenn sie dann endlich wieder gehn, / ist tonnenweise Schutt zu sehn!“ Das liest sich wie ein Zollhaus-Ried­ Aufschrei 5 Minuten vor 12! So wandelt man 1981 kaum noch, wie die VHS Klettgau nach einer geologischen Exkursion einträgt, ,,in den Fußstapfen von Ferdinand Schalck.“ Der Professor aus Schaffhausen, der in Hei­ delberg lehrte, sorgte schon Anfang dieses Jahrhunderts für eine beispielhafte geolo­ gische Kartierung dieser Gegend. Seine Fuß­ stapfen sind nur noch platonisch vorhanden. Daß sie bei den zeitbedingten Talverände­ rungen nicht gänzlich verwischt werden, ist nur zu hoffen. E g’fährli Wasser Der Summerbürli isch arem wore Het sit Johre si Hab un Guet verlore. So vielmol mer’n froget, wia des denn kumme, Guckt er eim trurig un wehmüetig a, Un seit: ,,’s Wasser heb em ’s ganz Güetli gnomme.“ Mueß der, denkt mer, en Überschwemming g’ha ha! Doch frog’t mer sunsch ebber do drüber us, No kunt scho ganz ebbis anders rus. Hätt er, heißt’s, halt ’s Suffe eh‘ bliebe lau, No g’hörtig si Güetli au jetz no sie, No hätt em au ’s Wasser si Güetli nit genau, Denn des Wasser isch’s Griesewasser g’si. Arthur H. Duffner

Das älteste Gasthaus Gremmelsbachs Über 300 Jahre Höhengasthaus „Staude“, ein beliebtes Ausflugsziel Das erste Gremmelsbacher Gasthaus soll „auf der Landstraße“ gestanden haben und durch das „leidig Kriegswesen“ zerstört worden sein. Mehr ist über diese „Würth­ schafft“ zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges nicht bekannt. 1657 wollte ein Georg Bles­ singer wieder ein Gasthaus führen; der Be­ trieb aber wurde ihm von Obervogt Sebastian Hildenbrandt wieder eingestellt. Dann unter­ nahm 1674 ein Andreas Kuoner einen Anlauf in Gremmelsbach eine Wirtschaft zu er­ öffnen. Ihr Standort lag weit außerhalb des Dorfes, dort, wo man von Gremmelsbach aus die Paßhöhe in Richtung St. Georgen erreicht, am Fahrweg zwischen Langenschilt­ ach und Sommerau und damit unmittelbar an der damaligen badischen Grenze zu Württemberg. Sicher ist es nicht nachge­ wiesen, aber man kann davon ausgehen, daß es sich bei dieser Gaststätte um den Vor- gänger der heutigen „Staude“ handelt – zumindest muß sich die Wirtschaft in diesem Gebiet befunden haben. Andreas Kuoner hatte es nicht leicht. Denn in Nußbach gab es eine – offen­ sichtlich auch von Gremmelsbachern häufig besuchte – Gastwirtschaft, deren Wirt sich heftig gegen die Konkurrenz wehrte. Georg Hilser, so hieß er, fand dabei die Unter­ stützung des N ußbacher Vogts Jacob Feren­ bach wie auch des N ußbacher Kaplans Georg Schwab. Die einen fürchteten wirtschaftliche Einbußen, der andere hatte moralische Be­ denken. Der Nußbacher Wirt und sein Vogt betonten, Kuoner sei ein schlechter Haus­ halter, der das Erbe seiner Eltern vertan und einen Haufen Schulden habe. Außerdem besitze er nur ein „klein schlechtes Tagloh­ nerhäußlein“, das nicht einmal an einer Landstraße liege. Die neue Wirtschaft werde 215

nur ein „Tanzblaz“ neben den „Wirtten­ bergern“. Der Kaplan sorgte sich, daß Kuoners Gaststätte „eine gantze Stunde wegs auff der heid und ahn wirtbergischen teri­ torien gelegen, alwo sich dys Junge Volg in allerhand Gelegenheiten danzten, spilen, sauffen, fressen, bei tag und nacht allwo weder christlich, noch weltlich Obrigkeit kein Obsicht nit haben kan“. Kaplan Schwab befürchtete, ,,liederliche Pfarrkinder“ könn­ ten sich an dem so außerhalb ohne jegliche Kontrolle befindlichen Ort zusammen­ rotten, den Gottesdienst versäumen und für alle ein „Ergenuß“ bilden. Die weltlichen und die seelsorgerischen Bekümmernisse aus Nußbach wurden durch­ aus auch geteilt vom Triberger Obervogt Octavian Bidermann, der von 1664 bis 1674 amtierte und die Sache der damals ober­ hoheitlichen vorderösterreichischen Regie­ rung und Kammer in Freiburg zu vertreten hatte. Auch er meinte, Kuoners Wohnung sei zu weit abgelegen und sie sei deshalb „für boese Buben zu Treibung allerhand ypigkeit ein gelegen orth“. In seinem Namen argumentierten aus „Tryberg“ Schultheiß Bernhard Hahn und Burgmeister Jacob Schmidt, daß sich in dem kleinen Haus die Leute nicht einmal setzen könnten und auch nicht genug Geschirr da sei. Ganz im Gegensatz dazu meinte der Gremmelsbacher Vogt Jacob Weinackher in seinem Kommentar nach Freiburg, daß das Gasthaus den „Gremmelsbachern Ambtsan­ gehöhrigen wohlbeköhmmlich“ sei, sich an einer gangbaren Straße befinde und von Fremden und Durchreisenden ständig be­ sucht werde. Der Gremmelsbacher Vogt ver­ gaß auch nicht, auf die zu erwartenden Steuereinahmen in Anbetracht der nahen württembergischen Grenze hinzuweisen. Vielleicht gab dies den Ausschlag: am 26.Juli 1674 wurde Kuoner die Konzession erteilt. Aber es dauerte nicht lange – schon am 10. September im gleichen Jahr wurde sie wieder zurückgenommen, weil Kuoner kein Geld hatte, kaum Waren und schon gar nicht seine Steuern bezahlen konnte. Aber 216 der Wirt auf der „Staude“, wenn man ihn so nennen darf, gab nicht auf: er wirtete einfach unerlaubt weiter, schenkte unversteuerten Wein aus und richtete sogar eine drei Tage andauernde Hochzeit aus – er war ja weit vom Schuß und hatte auch, wie aus histo­ rischen Unterlagen hervorgeht, die Nach­ sicht seines offensichtlich recht lebensfrohen Gremmelsbacher Vogts Weinackher. In Tri­ berg aber ließ man nicht locker, bezeichnete den Gremmelsbacher Vogt als „stutzkopfig“ und seine Umgebung als „strafbahre, hals­ starrige Leute“. Schließlich mußte Andreas Kuoner Ende 1674 die Gaststätte aufgeben. Einer seiner Nachfolger ist daher bekannt, weil er unversteuerten Wein ausschenkte, danach ist bis 1683 nichts mehr von der Wirtschaft verzeichnet. In diesem Jahr wird die Gaststätte erstmals als „bei der Staude“ benannt, als Vogt Marx Faller, gleichzeitig Wirt auf der „Staude“, von Obervogt Johann Heinrich Moser in Weiler die Konzession erhielt, mit der Genehmigung der vorder­ österreichischen Regierung natürlich. Auf­ lage aber war, daß der Wirt sein Brot in Triberg kaufte, den Wein vom Weinschätzer „anscheiden“ lassen und alle halbe Jahre seine Steuern bezahlen mußte. Außerdem mußte in der Wirtschaft alles „sauber, ehr­ bar, aufrecht und redlich“ zugehen. Land­ fahrern, Strolchen und „andren unnützen Gesindle“ durfte kein „unterschlaiff“ gegeben werden. Am 30. Oktober 1683, schon nach zwei Monaten, verkaufte Marx Faller, warum auch immer, die „Staude“ an Gabriel Kalten­ bach, der möglicherweise ein Enkel von ihm war. Vor seiner Wirtstätigkeit war Gabriel Kaltenbach Hofpächter in Gremmelsbach. Er erbaute 1687 die „Staude“ neu.1692 wurde er Bauer auf dem Obergefellhof. Gabriel Kaltenbach ist ein Vorfahre des Pfarrers und Heimatforschers Konrad Kaltenbach. Nach Gabriel Kaltenbach wirteten auf der „Staude“ die Familien Feiß, Gießler und Hettich. Einzelheiten sind aber aus ihrer Wiitstätigkeit nicht bekannt. Offensichtlich hatten sie weniger Schwierigkeiten mit der Obrigkeit, wie ihre Vorgänger. Freilich bei

In- und Ausbauten des traditionsreichen Gasthauses hat es an Erschwernissen nie ge­ fehlt. Auch wenn es um die Erteilung der Konzession an die jungen Leute ging, hätte man sich an die einstigen Obervögte erinnern können. Doch ist bei allen administrativen Ein­ schränkungen glücklicherweise die „Staude“ bis heute erhalten geblieben -als ein Stück Vergangenheit, das dank ihrer heutigen Be­ sitzer jung geblieben ist, ohne an Urtümlich­ keit zu verlieren. Das Höhengasthaus ,,Staude“ ist mehr denn je ein beliebtes Aus­ flugsziel, geschätzt ob seiner Gastfreundlich­ keit, seiner behaglichen Unterkunftsmög­ lichkeiten und ob seiner guten Küche. Die wenigsten Gäste werden daran denken, daß sie im ältesten Gasthaus Gremmelsbachs beherbergt werden. Ihnen wird in der nostal­ gischen Atmosphäre eines alten Schwarz­ wälder Bauernhauses moderner Komfort ge­ boten. Die Familie Flaig hat vor einigen Jahren die Gasträume renoviert, 1978 die Toiletten modernisiert und zusätzlich drei Fremdenzimmer mit Dusche und WC einge­ richtet. In dem Höhengasthaus stehen heute für Übernachtungen insgesamt neun gemüt­ liche Doppelzimmer zur Verfügung, alle im rustikalen Schwarzwälder Stil eingerichtet, der in jedem Detail zu spüren ist. Alfred N eumaier Haus am Rohrhardsberg, Z,eichnung: Klaus Burk 217

Persönlichkeiten der Heimat Andre Noel Gouverneur des Landkreises Donaueschingen 1945-48 Am 28. 11. 1969 überreichte Regierungs­ präsident Dr. Person in einer Feierstunde im F. F. Schloß in Donaueschingen dem frühe­ ren Gouverneur Noel das vom Bundespräsi­ denten verliehende Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Es war ein ungewöhnlicher und denk­ würdiger Vorgang -die hohe Ehrung eines Besatzungsoffiziers, der 1945 unser Land mit der Waffe in der Hand betreten hatte, durch den besetzten Staat -als Dank und Anerken­ nung für sein mutiges und erfolgreiches Bemühen um den europäischen Gedanken zu einer Zeit, wo dies nicht selbstverständ­ lich, ja ein riskantes Wagnis war. Was war geschehen: Früher einmal, zu Zeiten Karls des Großen, waren Frankreich und Deutschland ein einziges Reich. Sie trennten sich, Streit und Krieg waren durch die Jahrhunderte, und wir haben in der Schule gelernt, der da drüben sei unser Erb­ feind; das gleiche hat man drüben Herrn N oel über uns gesagt, wie er in einer Rede vor der Deutsch-Französischen Gesellschaft bekannte. Ein wahnsinniger Verbrecher hetzte uns in den letzten Krieg, und es waren nicht wenige auf unserer Seite, die den Zusammenbruch nicht nur kommen sahen, sondern als Befreiung von zwölfjähriger Knechtschaft herbeisehnten. Am 21. April 1945 rückten unsere Befreier in Donaueschingen ein, aber wer auf Befreiung gewartet hatte, wurde zunächst bitter enttäuscht. Die ersten Kampftruppen und auch die ersten Persönlichkeiten der Ver­ waltung behandelten jeden Deutschen, wie gelernt, als Erbfeind und als Nazi; Über­ griffe, Räubereien, Gewalttätigkeiten, Ver­ gewaltigungen waren alltäglich; mancher Donaueschinger hat den ersten Komman­ danten Verchot in übler Erinnerung, der 218 allerdings später von französischer Seite vor Gericht gestellt wurde. Man mag sich vorstellen, mit welchen Gefühlen und Erwartungen ich, ab Septem­ ber 1945 als Landrat dieses Kreises eingesetzt, bei meinem Antrittsbesuch vor der Tür des vor wenigen Tagen eingetroffenen neuen Gouverneurs Noel wartete; vielleicht fuch­ telte er nach gelegentlichem Brauch mit einer Pistole, vielleicht würde er mich gleich als Nazi beschimpfen oder für den Krieg verant­ wortlich machen. Die Tür wurde geöffnet, mir entgegen kam mit allen Zeichen der Liebenswürdig­ keit und mit gewinnendem Lächeln Herr Noel: nicht der Sieger stand dem Besiegten gegenüber, nicht ein Erbfeind dem andern, sondern zwei Verwaltungsbeamte finden sich in einem noch nicht gerade freund­ schaftlichen, aber freundlichen, sachlichen, vernünftigen Gespräch über die Frage, welche Wege zur Behebung der Notstände zu gehen seien. Es war Herr Noel, der mir trotz der damaligen Sorgen Freude an mei­ nem neuen Beruf und an meiner Arbeit gege­ ben hat. Es war alsbald zu merken, daß Noel sich berufen fühlte, nicht nur für die französische Seite, sondern in gleicher Weise für die ihm anvertraute deutsche Bevölkerung da zu sein. Man wurde gleich gewahr, daß Noel von Wesen und Charakter grundsätzlich positiv, wohlwollend, nicht mißtrauisch war; alle Menschen, auch die Deutschen, sind gut, bis sie ihm das Gegenteil beweisen. Mit den Denunziationen, diesen häßlichsten aller Laster, war es aus -Noel verlangte Beweise. Herr Noel hatte nicht den Blick nur auf den Tag gerichtet, er schaute in die Feme einer gemeinsamen Zukunft beider Länder,

Andre Noel in Begleitung von Altlandrat Dr. Robert lienhart. in die wir seit Adenauer und de Gaulle die ersten Schritte machten; er hatte Verständi­ gung und Europa im Blick. Es hat wohl sei­ nen Grund, daß Noel zu den engsten Freun­ den von Coudenhove-Calergi gehört. Diese Gedanken brachte er schon früh bei den zahlreichen Bürgermeisterversammlungen zum Ausdruck. Es entsprach völlig der Denkweise Noels und zeigte, auf welch gutem gemeinsamen Boden wir beide standen, als ich auf einer Versammlung 1946 einmal sagte (was eigentlich schon lange ein simpler Gemeinplatz sein sollte): Es ist tragikomisch, was sich zwischen unseren beiden Ländern im Streit ums Elsaß abgespielt hat – wir haben uns zerfleischt, maßlos ist Blut geflos­ sen, unzählige Väter und Söhne sind zu Krüppeln geschlagen worden; einmal hat der eine gesiegt, einmal der andere, aber was haben die Sieger jedesmal für sich erreicht? Nichts als menschliche und wirtschaftliche Not; unsere elsässischen Brüder wurden in immerwährendem Bruderkampf zerrissen, der nächste Krieg war vorprogrammiert, kei­ ner hat etwas davon gehabt. Eine Lösung kann nur liegen im Frieden und in Europa. Bei allem Verständnis für uns und aller Hilfsbereitschaft war Noel Franzose, wie wir Deutsche waren. Er kann bestätigen, daß die Vertreter aller hiesigen Behörden ihm gegen­ über die deutschen Belange so nachdrücklich wie möglich vertreten und vor allem auch um Freigabe von Wohnungen und um Sen­ kung der zeitweise sehr drückenden Abliefe­ rungsauflagen gekämpft haben. Aber dieses Kämpfen war diplomatisch, elegant und fand unter gebildeten Menschen statt, und nur ein einziges Mal hat Herr N oel mich auf­ gefordert, bei ihm nicht mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Noel sagte am 8. Mai 1963 vor unserer Deutsch-Französischen Gesellschaft: „Trotz all dessen, was gerade vergangen war, haben 1945 sehr schnell Leute eine gemeinsame Aufgabe in Angriff genommen, nur als Men­ schen mit ihrem Herzen und ihrem Ver- 219

stand. Schon waren da die Grenzen über­ wunden. Wir haben damals alle zusammen durch unsere Taten so gearbeitet, als hätte die Deutsch-Französische Gesellschaft damals schon bestanden“. Zahllose Bürger in unserem Raum werden heute noch vielfältig von dem Guten berich­ ten können, das Noel für sie tat. Ich will nur wenige Beispiele nennen: Noel versprach gleich zu Beginn seiner Amtstätigkeit, gegen die damals hoch im Schwang befindlichen illegalen „Requisitio­ nen ohne Schein“ vorzugehen, benötigte dazu aber natürlich Beschreibungen der Per­ sonen und Fahrzeuge. Als ich bei der Suche nach einem neuen Bürgermeister in einer Landgemeinde Zeuge einer solchen Requisi­ tion von Schweinen und Kälbern war -der Lastwagen war schon wohlbeladen -, konnte ich, allerdings mit einiger Gefahr und unter Mißhandlung durch Soldaten, die Auto­ nummer feststellen und kurz darauf Herrn Noel mitteilen. Wenige Stunden darauf rief er an und sagte mit hörbarer Freude, man habe die zu einer Einheit in Waldshut gehö­ renden Burschen schon eingesperrt. Noel hat sich oft mit Nachdruck und Erfolg für die Senkung von Ablieferungs­ auflagen eingesetzt. Wenn die (gelegentlich unkluge) Behauptung vorgetragen wurde, die Auflagen griffen ins Saatgut ein, dann erklärte Noel, man könne nicht der Kuh das Euter abschneiden, und veranlaßte Prüfun­ gen. Dabei stellte sich allerdings gelegentlich peinlich heraus, daß die Kontrolleure aus Baden-Baden umfangreiche versteckte Kar­ toffellager fanden. Das war natürlich für Noel so peinlich wie für uns, aber er konnte noch lächelnd sagen, die Franzosen hätten es doch unter deutscher Besatzung genau so gemacht. Ende 1945 entflohen zwei deutsche Kriegsgefangene aus einem nach Frankreich fahrenden Transportzug. Als Sanktion ließ der Transportführer auf dem Donaueschin­ ger Bahnhof wahllos zwei andere Gefangene erschießen. Herr Noel hat sofort seinen Abscheu darüber uns gegenüber zum Aus- 220 druck gebracht und hat mit großer Mühe erreicht, daß unserem um die Gefangenenbe­ treuung hochverdienten Pater Gärtner vom Missionskonvikt St. Heinrich, Donaueschin­ gen, die kirchliche Beerdigung der beiden Soldaten erlaubt wurde. Noch heute betrach­ tet Noel diesen Vorgang als eines der schwär­ zesten Ereignisse in seiner Amtszeit. Unmögliches vermochte auch Noel nicht zu bewirken. Er war z.B. nicht Vorgesetzter der Sfuete, auf deren Tätigkeit manches Unrecht zurückging; wir erinnern uns, daß ihm manche Intervention gelang, manche auch nicht. Jede Besatzung braucht beschlagnahmte Wohnungen, die französische bei uns wie die deutsche drüben. Ich selbst hatte als Dolmet­ scher in Italien die widerliche Aufgabe, bei solchen Beschlagnahmen mitzuwirken. Ver­ ständlich, daß der Gouverneur laufend mit Freigabeanträgen überhäuft wurde, nur in seltenen Fällen helfen konnte und daher Ent­ täuschungen zurückließ. Auch er empfand mit uns schmerzlich, daß bei der großen Zahl benötigter Wohnungen (zudem in der schwer beschädigten Stadt) es unvermeidbar war, daß auch Wohnungen von Bürgern beschlagnahmt wurden, die nicht politisch belastet, ja gelegentlich als Nazigegner bekannt waren, denn so viele wirkliche Nazis gabs in Donaueschingen gar nicht. Immer wieder waren solche Fälle Gegenstand sor­ genvoller Erörterungen zwischen uns. Wenig erfreulich dann, wenn jemand, der kräftig an den Endsieg geglaubt hatte, äußerte, sobald unsere französischen Gäste einmal über den Rhein gingen, dann sollten diejenigen Deutschen, die mit der Besatzung zusammengearbeitet haben, rechtzeitig mit über den Rhein gehen, denn man habe sie sich gemerkt. Ich will die aus der Fülle gegriffenen Bei­ spiele mit dem Fall des Robert Iden in Geisin­ gen beenden: Es gab zwar den von uns einge­ setzten tüchtigen Bürgermeister Schmid, aber der Ortskommandant Ltn. Hirondelle hatte einen „Oberbürgermeister“ für Stadt und Umland eingesetzt, einen früheren KZ-

des Automobilkonzerns Citroen in Paris). Insassen, der bei der Beschießung eines Zugs Als er Konstanz verließ, widmete ihm Ober­ bei Geisingen verletzt geflohen war. Der nun bürgermeister Knapp am 5. Mai 1951 im hauste in der übelsten Weise mit Beschlag­ nahmungen. Vom Bürgermeister in Hint­ „Südkurier“ ein Abschiedswort, in dem es schingen verlangte er die Herausgabe von u. a. heißt: „Die Nachricht wirkte allgemein Kriegsmaterial, das dieser zu besitzen ver­ gleich einer Trauerkunde … Sein Weggang neinte. Da band Iden ihm die Arme auf dem ist für Konstanz ein unersetzlicher Verlust. Rücken zusammen und zog ihn am Heuauf­ Nicht nur als Künder, sondern auch als Wir­ zug hoch, ließ ihn herabschnurren, zog wie­ ker der Gerechtigkeit und Güte versah er sein der hoch. Als wir davon erfuhren, war es gewiß oft sehr schweres Amt … Er hat viel Noel wie uns klar: das ist ein Krimineller. Gutes versucht und viel Gutes erreicht … Aber Noel war offensichtlich nicht Vor­ Während man früher mit peinlichen Gefüh­ len in das Gouvernement gegangen war, gesetzter von Hirondelle, und ein Erfolg sei­ wußte man jetzt, daß ein Mann dort wirkte, ner Interventionen trat erst ein, als wir aus Hamburg einen Strafregisterauszug beschaf­ dem man unbedingtes Vertrauen entgegen­ bringen durfte. Aus diesem Vertrauen wurde fen konnten: 26 Vorstrafen quer durchs ganze StGB hindurch. Dann eines Tags lebendige Wertschätzung, wurde Liebe.“ konnte uns Noel freudestrahlend sagen, er Konstanz hat in Dankbarkeit nach Herrn Noel eine Straße benannt. Donaueschingen, könne Iden der deutschen Justiz freigeben. Sehr groß waren N oels Verdienste um das ihm viel mehr zu Dank verpflichtet ist, ist Jugend, Kunst und Kultur. Wir erinnern uns diesen Dank schuldig geblieben. Nur die DFG hat ihn zum Ehrenmitglied ernannt. der schon sehr früh veranstalteten Kulturwo­ chen, die auf seine Initiative und Hilfe Deshalb und um diese Dankespflicht zu zurückgingen, und auf diese Weise hat er erfüllen, hat das Landratsamt am 3. Juli 1968 wesentlich dazu beigetragen, daß wir zu einer Antrag auf Verleihung des Bundesverdienst­ brauchbaren Festhalle in der früheren F. F. kreuzes gestellt. Ich habe meine Laudatio bei Reithalle kamen, die später bei einer Auffüh­ der Verleihungsfeier mit den Worten Mon­ rung von Schillers „Die Glocke“ nieder­ tesquieus geschlossen: brannte. »Jeder arbeitet an seinem Geist, nur Am 9. Februar 1948 verließ uns Herr N oel, wenige am Herzen; denn neu erworbene um als Kreisdelegierter in Konstanz tätig zu Kenntnisse spüren wir deutlicher als neu werden. Es war ein schwerer und bitterer Ver­ gewonnene Vollkommenheit. Überragender lust für uns alle. Im Mai 1951 mußte er aller­ Geist ist längst nicht so selten wie eine große dings auch Konstanz wieder verlassen, um in Seele. Die meisten Menschen sind eher befä­ Trier weiter zu wirken (später im selbständig higt, große als gute Taten zu vollbringen. gewordenen Marokko als Leiter der staatli­ Eine edle Tat ist eine Tat, die Güte besitzt chen Fremdenverkehrsverwaltung, sodann und Kraft verlangt, um getan zu werden“. als Direktor für den Gemeinsamen Markt Altlandrat Dr. Robert Lienhart Mit sieben Vornamen im Taufbuch -Aus dem Alltag eines gekrönten Hauptes Bei seiner Geburt wurden sieben Vor­ wird. Die sechs weiteren Namenspatrone, die namen ins Taufbuch eingetragen. Im bürger­ dem künftigen Fürsten ins Leben mitgege­ lichen Alltag bescheidet er sich mit einem: ben wurden, sind: Egon, Maximilian, Fried­ Joachim Fürst zu Fürstenberg, der im Kalen­ rich, Leo, Joseph-Maria, Hubertus. In dem derjahr 1983 das 60. Lebensjahr vollenden von ihm unterzeichneten Lebenslaufformu-221 Fürst Joachim zu Fürstenberg wird 60

liert der Schloßher zu Donaueschingen sach­ lich-nüchtern: „Ich Joachim Fürst zu Für­ stenberg bin geboren am 28. Juni 1923 als ältester Sohn und zweites Kind des Prinzen Maximilian Egon zu Fürstenberg und seiner Gemahlin, Prinzessin Wilhelmine, geborene Gräfin von Schönburg-Glauchau, im Schloß Grund bei Nischburg in Böhmen“. So der Beginn in dem Lebenslauf, den der Fürst auf Wunsch des Almanach-Redakteurs dem Heimatjahrbuch Schwarzwald-Baar-Kreis für einen Artikel „zum Sechzigsten“ über­ mitteln ließ. Die weiteren Daten: Besuch der Volks­ schule, Schüler des Jesuitenkollegs in St. Bla­ sien, Abitur an der Wirtschaftsoberschule in Freiburg/Breisgau im Juli 1941. Das Ende der Jugend fiel in den Zweiten Weltkrieg. Sofort nach dem Abitur begann die Rekrutenausbildung, dann der „Dienst im Feld“ und im Dezember 1942 die Beförde­ rung zum Leutnant. In Rußland und an der Invasionsfront in Frankreich dreimal ver­ wundet, geriet der inzwischen 21jährige in den letzten Kriegstagen in Gefangenschaft, aus der er im August 1945 entlassen wurde. Doch von all diesen Details aus der Zeit der „Wehrmacht“ ist in dem bereits erwähnten „Lebenslauf“ nicht die Rede. Dort heißt es einfach: „Ab 1. August 1941 war ich bei der Deutschen Wehrmacht und wurde im August 1945 aus der Gefangenschaft als Leutnant entlassen“. Um so lieber spricht Fürst Joachim von seinen Beziehungen zur 1956 geschaffenen Bundeswehr, zu der er ein geradezu herzli­ ches Verhältnis hat, seit er 1959 als Leutnant der Reserve in das neu geschaffene Heer der Bundesrepublik eintrat und sich – so im „Waldboten“, der Hauszeitschrift der Für­ stenberger, zu lesen – „mit großem Einsatz in zahlreichen Wehrübungen zunächst bei der aktiven Fallschirmjägertruppe und später in der territorialen Verteidigung bis zum Oberstleutnant der Reserve hochdiente“. Mit der »Ehrennadel des Wehrbereichskom­ mandos“ wurde im August 1977 der ver­ diente Reserveoffizier aus dem Heer ver- 222 abschiedet. Außerdem ist er Ehrenkorporal des in Donaueschingen stationierten 110. französischen Infanterie-Regiments. 1947, drei Tage vor seinem 24. Geburtstag, hatte sich der damalige Erbprinz verheiratet mit Paula, Gräfin zu Königsegg-Aulendorf. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, drei Töchter und drei Söhne, die inzwischen im Alter zwischen 18 bis 35 Jahren stehen. Und wie sein Vater wird Erbprinz Heinrich, der Nachfolger in spe, künftig in seinen „Lebens­ lauf“ schreiben können: „Ich bin geboren als ältester Sohn und zweites Kind des … “ Erbprinz Joachim liebte Motoren und schnelle Wagen. Zum Leidwesen seines Vaters, des Prinzen Max zu Fürstenberg, der in Würdigung seiner wissenschaftlichen Interessen und kulturellen Aktivitäten im März 1956 mit dem Dr. h.c. der mathema­ tisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität in Freiburg/Breisgau ausgezeich­ net wurde. Schon sah sich der Erbprinz vor einer hoffnungsvollen Rennfahrer-Karriere. Da stoppte der Vater die erbprinzliche

Motorleidenschaft mit der Alternative: Ent­ weder Motorrad-As oder Fürst im Warte­ stand. Zwei Jahre danach, mit dem Tode des Prinzen Max zu Fürstenberg (t 1959), rückte der Erbprinz zum Inhaber des „Schwäbi­ schen Hausgutes“ und der angeschlossenen Betriebe des Hauses Fürstenberg auf. Ein Landkomplex von rund 25 000 Hektar, davon etwa 22 000 Hektar Wald. Und wei­ tere zwei Jahre danach (1961) vermehrte der „Fürst im Wartestand“ den überkommenen Besitz durch den Kauf von rund 3 000 Hek­ tar Land und Forsten in Kanada -eine Erwer­ bung, die heute ein Vielfaches des seinerzeiti­ gen Kaufwertes hat. Seit dem Heimgang des kinderlos gebliebenen Karl Egon V. Fürst und Landgraf zu Fürstenberg (t am 23. 9. 1973) ist der Inhaber des „Schwäbischen Hausgutes“ Fürst und damit Chef des Hau­ ses Fürstenberg. Rationalisierung, Umstrukturierung -es sind die Stichworte bei den Managern, wenn von der Bewirtschaftung der F.F. Betriebe, der Forsten, des Landbesitzes die Rede ist. Erläutern wir die beiden Fremdworte am Bei­ spiel der F.F. Waldungen. Unter Fürst Joa­ chim wurden die bis dahin sechs Forstämter des „Schwäbischen Hausgutes“ zu drei Groß­ forstämtern: Donaueschingen-Wolfach, Lenzkirch-Friedenweiler, Bachzimmern­ Messkirch, jeweils mit einem Forstdirektor an der Spitze, zusammengefaßt. Nicht weni­ ger aufgeschlossen zeigte sich der Fürst für die Modernisierung der Betriebe. „Der Mann hat fröhliche Augen, hat Wärme, man kann mit ihm reden“ notierte 1968 ein ortsfremder Journalist, als er nach halbjährigem Briefwechsel schließlich doch noch zu dem Interview mit dem Donau­ eschinger Schloßherrn kam. Seine menschli­ chen Seiten erleben die Gäste beim alljähr­ lich ausgetragenen CHI-Reitturnier ebenso wie bei den international bekannten Donaueschinger Musiktagen, bei denen das »Du“ zwischen Fürst und einem Mann der Avantgarde wie etwa Pierre Boulez längst selbstverständlich ist. Nicht zu reden von den Blattjagden auf den Bock um die Mitte des Sommers und den Hubertusjagden im November, bei denen der passionierte Jäger mit Sachkenntnis, Würde und Fröhlichkeit seines Amtes als Jagdherr waltet. Schließlich gehört -nicht erst seit den Kaiserbesuchen in Donaueschingen -Jagd und weidgerechtes Tun zu den geheiligten „Traditionen des Hauses“ Fürstenberg, und es überrascht nicht, daß ausgerechnet am Hubertustag 1965 das jüngste Töchterchen des Fürsten das Licht der Welt erblickte. Die Hubertus-Jagd­ Prinzessin heißt: Anna-Lucia, Maria, Huberta, Egona, Maximiliane, Wilhelmine, Joachima, Pauline, und sie hört auf den Kose­ namen Nuschi Bei den vielfältigen Verpflichtungen im Dienst der Öffentlichkeit blieben die Ehrun­ gen nicht aus. Der Donaueschinger Schloß­ herr erhielt an päpstlichen Auszeichnungen: 1965 das Goldene Laterankreuz I. Klasse, 1966 das Großkreuz des Malteser Verdienst­ ordens mit Stern und im gleichen Jahr den Comptur-Ritterorden des Hl. Georg in der Zivilklasse mit Stern; er ist Ritter des Ordens vom goldenen Vlies, und er trägt Stern und Schulterband des Schwarzen Adlerordens. Die Verdienstmedaille des Landes Baden­ Württemberg wurde ihm im April 1978 unter Ministerpräsident Dr. Filbinger verlie­ hen. Als Ehrenbürger führen den Sechzig­ jährigen: Donaueschingen, Heiligenberg, Fürstenberg, Neudingen und die Gemeinde Friedenweiler. Nach soviel hohen und höchsten Aus­ zeichnungen wieder zurück in den bürgerli­ chen Alltag. Der „Waldbote“, die Hauszeit­ schrift der Fürsten zu Fürstenberg, erzählt die Episode von dem Fürsten, der einen Mit­ arbeiter nach einer glücklich verlaufenen Operation im Krankenhaus besucht. Der Patient stellt die junge Lehrschwester dem Fürsten vor. Die schaut sehr böse, weil sie eine andere Vorstellung von einem Fürsten hat und sich veräppelt glaubt. Darauf Fürst Joachim zu der Lehrschwester:»Ja wissen Sie, Schwester, ich trage meine Krone nur sonn­ tags“. Lorenz Honold 223

Vor 80 Jahren in Donaueschingen geboren: Dr. jur. h. c. Max Güde Ein badischer Christ im Dienst der Gerechtigkeit Berücksichtigt man die Lebensumstände seines Elternhauses, mag es als bloßer Zufall erscheinen, daß Max Güde gerade in Do­ naueschingen am Dreikönigstag des Jahres 1902 das Licht der Welt erblickte. Sein Vater war nämlich erst einige Jahre zuvor von Kehl als Amtsrevident an das Großherzogliche Bezirksamt Donaueschingen versetzt wor­ den, und schon 1904 wechselte er zum Bezirksamt Oberkirch. Die Kindheitserinne­ rungen Max Güdes an Donaueschingen be­ schränken sich daher auf das Bild von den Schwänen und Enten im Schloßpark. Den­ noch führte eine beinahe schon sentimentale Bindung den älteren Güde immer wieder in diese Stadt zurück. Zu ihr als seinem Geburts­ ort bekannte er sich stets voll Stolz, und wenn es sich später ermöglichen ließ, machte er hier Station, um den Schloßpark oder die fürstlichen Sammlungen zu besuchen. Nach dem Abitur, das er 1920 in Heidel­ berg ablegte, studierte Güde zunächst in die­ ser Stadt, später in Bonn Rechtswissenschaft. Den beiden juristischen Staatsprüfungen folgte der Eintritt in den badischen Justiz­ dienst. Nach seinem Einsatz als Gerichts­ assessor in Rastatt und Mannheim wurde er 1929 zum Staatsanwalt in Mosbach ernannt, 1932 wurde er Amtsrichter in Bruchsal. Weil er sich wegen einer kritischen Äußerung über die öffentliche Beschimpfung eines jüdi­ schen, sozialdemokratischen Reichstagsab­ geordneten mißliebig gemacht hatte, ließ Güde sich 1933 an das Amtsgericht Wolfach versetzen. Dort verlebte er nach eigenem Bekunden während der nächsten 10 Jahre als alleiniger Amtsrichter die schönste und erfüllteste Zeit seines beruflichen Lebens. Wegen seiner Popularität ist er dort auch heute noch nicht vergessen. Von den Auswirkungen des „Dritten Rei­ ches“ und des Krieges blieb Güde freilich auch in Wolfach nicht verschont. Als der ört- 224 liebe Kreisleiter das Gericht inspizieren wollte, widersetzte sich der Amtsgerichtsrat Güde diesem Ansinnen erfolgreich mit der · Hartnäckigkeit der Bauern seines Bezirks. Andererseits war es für ihn ein Gebot selbst­ verständlicher Menschlichkeit, sich um die in das Wolfacher Gerichtsgefängnis verbrach­ ten französischen politischen Gefangenen, unter ihnen der spätere Beigeordnete von Straßburg Robert Heitz, fürsorglich zu kümmern und sie mit Lesestoff aus seiner Bibliothek zu versehen. Die Franzosen dankten ihm dieses Engagement viele Jahre später bei einem mit ihm veranstalteten Treffen in Wol­ fach. Von 1943 bis Kriegsende mußte schließ­ lich auch Güde noch als einfacher Soldat Dienst in der deutschen Wehrmacht leisten. Schon bald nach seiner Heimkehr wurde Güde zum Leiter der Staatsanwaltschaft Konstanz bestellt und zum Oberstaatsan­ walt ernannt. Sein Geburtsort Donaueschin­ gen gehörte damit zu seinem Dienstbezirk. Gelegentlich vertrat er hier selbst die An­ klage in wichtigen Strafprozessen, so auch gegen den Schuldigen des furchtbaren Om­ nibusunglücks, das sich damals bei Döggin­ gen ereignet hatte. Während dieser Zeit sind Güdes aufrechte Gesinnung, sein unbestechliches Bemühen um eine – auch von Einflußversuchen der Besatzungsmacht – unabhängige Justiz und sein nur am Maßstab der Gerechtigkeit orientiertes Handeln über den eigenen Raum seines beruflichen Wirkens hinaus bekannt geworden.1950 erreichte ihn seine Berufung zum Bundesanwalt beim neugebildeten Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Mit dem Umzug seiner großen, inzwischen acht Kin­ der zählenden Familie in die neu entstan­ dene Residenz des Rechts begann für Güde ein neuer Lebensabschnitt. Bereits 19 52 wurde er zum Leiter der poli­ tischen Abteilung der Bundesanwaltschaft

bestellt. Damit geriet er in den Widerstreit zwischen den berechtigten Interessen eines auf einen effektiven Staatsschutz gerichteten politischen Willens und den grundgesetzli­ chen Geboten unseres jungen Rechtsstaats, wie sie der liberale Badener verstand und ohne Ansehen des politischen Standorts der Beschuldigten vertrat.Nur ein Jahr lang, von 1955 bis 1956, nahm Güde als Senatspräsi­ dent die Aufgaben des Vorsitzenden des für Verkehrsstrafsachen zuständigen 4. Strafse­ nats des Bundesgerichtshofs wahr. Dann kehrte er als Generalbundesanwalt und Chef dieser Behörde zur Bundesanwaltschaft zu­ rück. Bis 1961 wirkte Güde als ranghöchster Staatsanwalt der Bundesrepublik. Wie schon als Amtsrichter, hat Güde auch als Inhaber hoher und höchster Ämter in der Justiz seine Aufgabe nie bloß in der Bewälti­ gung der Alltagsarbeit gesehen. Überall und stets stellte er sich gewissenhaft die Frage nach der Gerechtigkeit. Er verschloß nicht die Augen vor dem Versagen großer Teile der Justiz im „Dritten Reich“ und erkannte die Dr. Güde im Gespräch mit Kardinal Frings Schwierigkeiten einer N achkriegsrechtspre­ chung „im Schatten von Gestern“. Er warnte schon 1947 auf dem Konstanzer Juristentag davor, an die Stelle der Gerechtigkeit die Ausübung von Rache zu setzen, und wandte sich entschieden gegen die systematische Verfolgung politisch Andersdenkender mit den Mitteln des Strafrechts. Gegen einige der damals geltenden Staatsschutzbestimmun­ gen äußerte er schwerwiegende Bedenken, wenn gleichwohl er erkannt hatte, daß der Gesetzgeber sie aufgrund trauriger Erfahrun­ gen erlassen hatte. Seine reichen beruflichen Erfahrungen wollte Güde in der Gesetzgebung fruchtbar werden lassen. Er schied 1961 aus dem Amt des Generalbundesanwalts aus und zog nach erfolgreicher Wahl als Karlsruher Wahlkreis­ abgeordneter der CDU in den Bundestag ein. Hier konnte er seine umfangreichen Kenntnisse im Strafrecht noch nachhaltiger einbringen, als ihm dies schon vorher als 225

Mitglied der großen Strafrechtskommission beim Bundesjustizministerium möglich war. Alsbald wurde er Vorsitzender des Sonder­ ausschusses für die Strafrechtsreform. Unter Güdes stets den Ausgleich suchender Regie wurde die seit Jahrzehnten diskutierte Reform des deutschen Strafrechts erfolg­ reich in Angriff genommen. Güde hat seine rechts- und gesellschafts­ politischen Vorstellungen nicht nur in beruf­ liche gebotene Stellungnahmen einfließen lassen, sondern bei zahlreichen Gelegenhei­ ten in Wort und Schrift geäußert. Er war ein von den verschiedensten Veranstaltern gesuchter, eloquenter Referent, so auch bei­ spielsweise bei Tagungen der katholischen Akademien in Freiburg und Hohenheim und der evangelischen Akademie in Bad Boll. Der Erzdiözese Freiburg stellte er sich außerdem bis 1973 als Mitglied ihres Seelsor­ gerats zur Verfügung. Engagement, Ausstrahlung und Wir­ kungsbereich des am 6. Januar 1983 das 81. Lebensjahr vollendenden Max Güde ließen ihn zahlreiche Ehrungen erfahren.1957 ver­ lieh die rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg dem „der Justiztradition seiner badischen Heimat verbundenen“ damaligen Generalbundesan­ walt für seine Verdienste um den Wiederauf­ bau der deutschen Justiz die Ehrendoktor­ würde. 1962 zeichnete ihn der Bundespräsi­ dent mit dem großen Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepu­ blik Deutschland aus, und 1973 verlieh ihm Papst Paul VI. das Komturkreuz des Grego­ riusordens. Da seine Ehefrau verstorben ist, lebt Generalbundesanwalt a. D. Dr. jur. h. c. Max Güde seit einigen Jahren in der Familie seiner in Westfalen verheirateten ältesten Tochter. Karlheinz Keller Reinhold Dietl – Partner der heimischen Wirtschaft Der Mann, der während seiner langen Amtszeit so überaus viele Menschen unseres Wirtschaftsraumes zu ehren verstand, hat für sich selbst zu keinem Zeitpunkt eine öffent­ liche Ehrung gewünscht oder gar gesucht. Nur einmal, zum Ausklang der aktiven Phase seines beruflichen Wirkens, mußte er sich schließlich den Regeln des „Protokolls“ fügen: Am 29. September 1978 in Bad Dürr­ heim. Mehr als dreihundert Repräsentanten der Wirtschaft, Behörden sowie Kreis- und Gemeindeverwaltungen kamen, um „ihren“ !HK-Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhold Dietl anläßlich seiner offiziellen Verabschie­ dung zu ehren und ihm zu danken – in Anwesenheit des Wirtschaftsministers unse­ res Landes Baden-Württemberg, Dr. Rudolf Eberle. An jenem Abend konnte Dr. Dietl, 65 Jahre alt und dennoch jung geblieben, auf 32 Jahre „Kammerdienst“, wie er humorvoll und bescheiden sein ungewöhnlich erfolgrei­ ches Schaffen zum Wohle einer ganzen Wirtschaftsregion nannte, zurückblicken. Reinhold Dietl wurde am 4. August 1913 in Eger/Böhmen geboren. Nach den Studien der Rechtswissenschaften an der Deutschen Universität in Prag und der Betriebswirt­ schaft an der Wirtschaftshochschule Berlin kam er unmittelbar nach Kriegsende in den Schwarzwald, der ihm – sicher nicht zuletzt durch seine aus Triberg stammende Ehefrau Lieselotte- zur neuen Heimat wurde. Bei der damaligen Schwarzwälder Industrie- und Handelskammer in Villingen begann er im April 1946, wurde 1948 deren Geschäftsführer und war seit dem Zusammenschluß der Vil­ linger und der Rottweiler Kammer Hauptge­ schäftsführer der zum 1. 1. 1973 neu gebilde­ ten IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Als Mann der ersten Stunde nach dem totalen Zusammenbruch 1945 war Dr. Dietl mit großem persönlichen Engagement und Einsatz am Wiederaufbau der Wirtschaft unseres Raumes maßgeblich beteiligt. Man kannte ihn, man vertraute ihm, und man wandte sich an ihn, Rat und Unterstützung 226

ausschusses und des Ständigen Fahrplanaus­ schusses der Deutschen Bundesbahn. Zahl­ reiche Verbesserungen der Verkehrsverbin­ dungen gehen auf seine Anregungen zurück, wobei sein Einsatz für die Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn besonders hervorzu­ heben ist. Auch um den Fremdenverkehr hat sich Dr. Dietl intensiv bemüht, so als langjähriges Mitglied des Arbeitskreises Fremdenverkehr beim Deutschen Industrie- und Handelstag. Er förderte ferner die Ausbildung des Nach­ wuchses im Hotel- und Gaststättengewerbe. Als Vorstandsmitglied des Schulvereins war ihm der Aufbau des Internats der Landesbe­ rufsschule für das Hotel- und Gaststättenge­ werbe in Villingen-Schwenningen ein beson­ deres Anliegen. Mit dem Zusammenschluß der beiden Kammern Villingen und Rottweil wurde die Grenze zwischen Baden und Württemberg übersprungen. Es ist vornehmlich Dr. Dietls Verdienst und speziell Ausdruck seiner inte­ grierenden, charmant-verbindlichen Persön­ lichkeit, daß die neue Kammer so reibungs­ los zu einer leistungsfähigen Einheit zusam­ menwuchs. Zu den Höhepunkten während der Schlußphase seiner !HK-Tätigkeit gehört der Bau der Beruflichen Bildungsstätte Tutt­ lingen. Damit wurde der gesamten Bezirks­ wirtschaft eine Bildungseinrichtung mo­ dernster Art zur Verfügung gestellt. Zu die­ sen Höhepunkten zählt aber zweifellos auch die Planung und Errichtung des neuen Kam­ mergebäudes im Stadtbezirk Villingen. Es war Dr. Dietl, der die recht schwierige Grund­ stücksfrage und damit die Standortfrage glücklich löste, und er war es auch, der den Architektenwettbewerb organisierte, der im Ergebnis letztlich zu einem Werk geführt hat, das für sich selber spricht. Auf diese ebenso vielfältige wie vorbild­ liche Weise hat Dr. Reinhold Dietl eine über­ ragende Lebensleistung erbracht, hat sich Dr. Reinhold Dietl um die Wirtschaft und um die Menschen unseres Raumes verdient gemacht. suchend – in einer problemreichen Zeit, da um die Zustimmung der französischen Besatzungsmacht auch in Detailfragen immer wieder zäh gerungen werden mußte. Dr. Dietl half, ohne zuvor lange nach seiner Zuständigkeit und nach den Grenzen seiner Kompetenzen zu fragen. Gerade die in dieser schweren Zeit hergestellten engen Kontakte zu Menschen und Unternehmen, aus denen in nicht wenigen Fällen echte Bindungen entstanden, erwiesen sich in der nachfolgen­ den Aufschwungphase für eine vertrauens­ volle Zusammenarbeit der Wirtschaft unse­ res Raumes mit der Industrie- und Handels­ kammer als besonders tragfähig, für beide Seiten effizient und erfreulich. Auf dieser Basis eines fruchtbaren Zusammenwirkens führte Dr. Dietl zielgerichtet eine Stärkung der Selbstverwaltung der Wirtschaft herbei, die in der Errichtung eines neuen Kammer­ gebäudes in den Jahren 1956/57 ihren sicht­ baren Ausdruck fand. Über unseren Raum hinaus machte sich Dr. Dietl bundesweit einen Namen als Ver­ kehrspolitiker und Fahrplanexperte. Noch heute ist er Mitglied des Großen Fahrplan- Alfred Liebetrau 227

Ein Schulmann und Heimatforscher Nachruf für Oberschulrat i. R. Paul Willimski Am 7. Januar 1982 verstarb Paul Wil­ limski, Oberschulrat i. R., Blumberg, im 74. Lebensjahr. Er gehörte auch zu den Mitarbei­ tern des „Almanach“. Am Abend vor seinem Hinscheiden sicherte er noch zu, erfüllt von vielerlei Plänen, zwei Beiträge für die Aus­ gabe 1983 zu liefern. Paul Willimski wurde am 13. Mai 1908 in Mannheim geboren. Nach Besuch der Grundschule und des Gymnasiums war sein Berufsziel, Lehrer zu werden: 1931 konnte er nach dem Besuch der Lehrerbildungsanstalt Freiburg die erste Staatsprüfung mit sehr gutem Erfolg ablegen. Nach einem Einsatz als Hilfslehrer im südbadischen Raum kam der gebürtige Unterländer – und dies ist er auch in seiner Sprache und Vitalität geblie­ ben – nach Mauenheim. Er heiratete kurz vor dem II. Weltkrieg lrene Gruber aus der Mühle von Aulfingen. Drei Kinder wurden dem Paar geschenkt. In der nun folgenden Zeit des II.Weltkriegs war er Soldat an verschiedenen Fronten, zuletzt in Italien. Immer wieder brachen die ihn belastenden Kriegserlebnisse (Verschüttung) auch nach Gefangenschaft und glücklicher Heimkehr bis ins Alter durch. Es wuchs daraus die Dankbarkeit für das neuge­ schenkte Leben. Er hat sein Leben sehr bewußt gelebt. Die Familie war in seine Für­ sorge fest eingebettet. Daß er in der Schule als Lehrer und Erzieher wie als Schulleiter sich voll einsetzte, kam aus seiner ethisch-religiö­ sen Grundhaltung, aus seiner Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber. Nach Tätigkei­ ten in Aasen kam er 1958 als Rektor an die Scheffelschule in Blumberg. Sie vereinigte sowohl die Grund- und Hauptschule als auch die Realschulzüge und die Schule für Lernbe­ hinderte unter einem Dach. 1965 wurde der befähigte Pädagoge in die Schulaufsicht berufen. Er arbeitete an den Staatlichen Schulämtern Waldshut und Stockach. 1967 228 erfolgte seine Versetzung in den heimatli­ chen Raum, an das Staatliche Schulamt Vil­ lingen-Schwenningen. Paul Willimski war allen in der Dienststelle ein froher, allzeit zur Übernahme von Aufgaben bereiter fachlich qualifizierter Mitarbeiter, der auch draußen in den Schulen durch seine pädagogische Erfahrung und seine Menschlichkeit hohes Ansehen bei der Lehrerschaft genoß. 1972 trat der verdiente Pädagoge in den Ruhe­ stand. Es war die Geschichte, und die der Heimat im besonderen, die den Schulmann schon während seiner aktiven Zeit intensiv beschäf­ tigte, und so fühlte sich Paul Willimski im Generallandesarchiv in Karlsruhe, wie im Fürstenbergischen Archiv in Donaueschin­ gen zu Hause. Zahlreiche Ortschroniken ent­ standen, vollendet in Inhalt und äußerer Gestaltung, die der Bevölkerung die oft

wechselvolle Geschichte ihres Gemeinwe­ sens aufzeigten. Da sind die Chroniken von Aulfingen, Aasen, Mauenheim, Hattingen, Mundelfingen, Zimmern, Achdorf und Flit­ zen. Die Chronik der Stadt, die ihm zur zwei­ ten Heimat wurde, die er liebte und der er sich vielseitig zur Verfügung stellte, der Gemeinde Blumberg, konnte von ihm nicht mehr vollendet werden. Vieles hatte er bereits zusammengetragen. Unerwartet, zu früh, gab Paul Willimski die Feder aus der Hand, verstummte die Stimme, die Wissen vermittelte, Freude gebracht und Toleranz geübt. »Man kann einen Menschen nur verstehen und lieben, wenn man sein Leben und seinen Lebensstil gut kennt. Ähnlich verhält es sich mit der Heimat . . . Was heißt schon Heimat! Sind es nur unsere Fluren und das Dorf mit den Gebäuden? Das, was dem Begriff »Heimat“ Seele verleiht und unser Herz an ihn bindet, das sind die Menschen, die in der Heimat leben und unsere gemeinsamen Erlebnisse mit ihnen.“ (Aus dem Vorwort der Ortschronik Hat­ Helmut Heinrich tingen) Gedenkblatt für Elisabeth Rothweiler Ein Leben voll Mut, Geradlinigkeit und Herzenswärme Als Beitrag über eine Lebende konzipiert und im biographischen Teil auch so entstan­ den und unverändert gültig, muß dieses Bild einer beispielhaften Persönlichkeit nun doch zum Nekrolog werden: Am 8. Juni 1982 wurde die Donaueschinger Ehrenbürgerin Elisabeth Rothweiler aus diesem Leben abberufen, sieben Wochen vor ihrem 88. Geburtstag. Dennoch wird dieses Beschrei­ ben einer vorbildlichen Bürgerin des Schwarzwald-Baar-Kreises nun auch nach ihrem Tod nicht zur überzeichnenden Glori­ fizierung, denn Elisabeth Rothweiler reiht sich würdig in den Kreis jener Persönlichkei­ ten, die der »Almanach“ zu portraitieren pflegt. Als Tochter einfacher Eltern bäuerlicher Herkunft am 27. Juli 1894 in Freiburg zur Welt gekommen, wurde die 20jährige, die eigentlich Ärztin hatte werden wollen, im Schicksalsjahr 1914 als Lehrerin mit dem Staatsexamen in Englisch und Französisch ins damals noch selbständige Allmends­ hofen versetzt. Ein Jahrfünft unterrichtete sie die Dorfkinder dieses heutigen Donau­ eschinger Stadtteils, bis sie ihre Heirat in die 229

häusliche Pflicht nahm, doch als 1940 die Lehrer erneut in den Krieg mußten und die Schulen verwaisten, wollte sie eigentlich nur für kurze Zeit einspringen -und blieb fast ein Vierteljahrhundert Lehrerin an der Hein­ rich-Feurstein-Schule. Doch im Schuldienst sah die als energisch und zupackend, aber auch als verständnis­ voll und herzlich geltende kleine Frau nur einen Teil ihres Daseins; neben der Familie gehörte der „Rest“, der sie später auch zur Ehrenbürgerin werden ließ, in vielfachem rastlosem Einsatz der Gemeinschaft ihrer Mitbürger und in ungezählter stiller Hilfe den einzelnen, die auf ihr gutes Herz bauten. Schon als junge Lehrerin sah Elisabeth Roth­ weiler ihre Aufgabe darin, den Müttern, deren Männer und Väter ihrer Kinder im Feld waren, über die Schule hinaus in Erzie­ hungsfragen mit Rat und Tat zur Seite zu ste­ hen. Und als 1919 die junge Demokratie auch den deutschen Frauen das Wahlrecht brachte, war es für die Pädagogin eine Selbst­ verständlichkeit, sich auch politisch zu enga­ gieren. Ihr Eintreten für die politische Auf­ klärung der Frau in zahlreichen Reden und nicht zuletzt ihre Gedenkansprache von 1921 für den ermordeten Reichsfinanzminister Matthias Erzberger ließen Frau Rothweiler in Schwarzwald und Baar bald zu einer bekannten Persönlichkeit werden. Dennoch lehnte sie aus familiären Gründen die ihr von der Zentrumspartei, dessen Frauengemein­ schaft sie maßgeblich mitbestimmte, ange­ botene Landtagskandidatur ab. Die aktive Katholikin blieb bereits unter persönlichem Risiko noch politisch tätig, als die braune Diktatur schon bedrohliche Schatten über das Ende der Weimarer Republik warf. Elisabeth Rothweiler lehnte es standhaft ab, NS-Mitglied zu werden, und diese Weige­ rung war der Grund, weshalb sie 1936 aus ihren Ämtern als Bereitschaftsleiterin und Ausbilderin im Roten Kreuz entfernt wurde. Ausgerechnet bei der 7 5-J ahr-Feier des DRK, zu der sie Fürstin Mena zu Fürstenberg, die Präsidentin des „Badischen Frauenvereins vom Roten Kreuz“ begleitete, erhielt sie 1936 230 in Berlin die Nachricht ihrer Suspendierung. Und als man sie ungeachtet des Lehrerman­ gels 1944 und 1945 zweimal kurz sogar aus dem Schuldienst entfernte, warf man ihr vor, ,,eifrige Kirchgängerin“ zu sein … 1946 fand Elisabeth Rothweiler in der in Donaueschingen mit ihrer Assistenz eben entstehenden CDU eine neue politische Hei­ mat, war erneut für eine Landtagskandidatur im Gespräch. Dennoch sollte es noch ein ganzes Jahrzehnt dauern, bis ihr der CDU­ Stadtverband die Nominierung als Kandida­ tin für den Gemeinderat antrug. Mit der höchsten Stimmenzahl aller Bewerber von 1956 erhielt sie auf Anhieb ein Mandat und verschrieb sich der Mitarbeit fast zwei Jahr­ zehnte; erst 1975, mit 81 Jahren, wollte sie nicht ein weiteres Mal wiedergewählt wer­ den. Auch ihre politischen Ämter sah Elisa­ beth Rothweiler stets als Verpflichtung zum Dienst am Mitmenschen; so nach dem Krieg in der heiklen Aufgabe als Mitglied des städ­ tischen Wohnungsausschusses, die ihr glei­ chermaßen Dankbarkeit wie Anfeindung eintrug; denn bestechlich oder auch nur begünstigend wurde ihr aufrechter Charak­ ter nicht: ,,Die Bemühung um unbedingte Gerechtigkeit hat sich hier wie auch in der Schule gelohnt“, bilanzierte sie wenige Tage vor ihrem Tod im Gespräch mit der Verfasse­ rin. Mut und Geradlinigkeit, Hilfsbereit­ schaft und Herzenswärme waren auch gefragt in ihrer Eigenschaft als Vertreterin des Frauenvereins im Sozialausschuß des Kreises, wenn es in Bedürftigkeitsfallen aus den 59 Kreisgemeinden mit konkreter Hilfe einzuschreiten galt. Viele Jahre war die Donaueschinger Ehrenbürgerin Krankenhausreferentin des Gemeinderates gewesen; so gehörte sie auch zum Kern jener Stadt-und Kreispolitiker, die das städtische Max-Egon-Krankenhaus schon Mitte der sechziger Jahre als langfristig nicht mehr zureichend erkannten und auf den Neubau eines Kreiskrankenhauses drängten. Daß es politisch damals für die Projektierung des 55-Millionen-Objektes

hohe Zeit war und daß das heute einzige Kreiskrankenhaus im Schwarzwald-Baar­ Kreis schon wenige Jahre später in den Ver­ änderungen der Verwaltungsreform wohl kaum noch in Donaueschingen gebaut wor­ den wäre, darf heute als gesichert gelten. Nur schwer trennte sich Elisabeth Roth­ weiler nach der Einweihung des Kreiskran­ kenhauses 1974 dann aber vom Gedanken, das bisherige Krankenhaus doch nicht Alten­ heim, sondern Lehrerfortbildungsakademie werden zu lassen. Daß ihr jahrelang uner­ müdlich verfolgtes Ziel, Donaueschingen eine Altenheimstätte zu geben, dann noch stadtnäher und architektonisch nicht weni­ ger gelungen am Rande des Parkes erreicht wurde, hat sie angesichts der fast idealen Bedingungen für die knapp 200 alten oder/ und pflegebedürftigen Menschen in St. Michael im Nachhinein akzeptiert. Die Stärke aus ihrem Glauben ließ Elisa­ beth Rothweiler den plötzlichen Tod ihres Mannes im Jahre 1956 ebenso verkraften wie die zahlreichen Aufgaben meistern, deren sie sich annahm. Und Frau Rothweilers Leistun­ gen sind mit reicher Anerkennung honoriert worden. Ihre Wahl-Heimatstadt verlieh ihr die goldene Medaille, den Wappenring und 1974 zum 80. Geburtstag schließlich die sel­ tene Ehrenbürgerwürde; der Bundespräsi­ dent dekorierte sie mit dem Bundesver­ dienstkreuz Erster Klasse, und der Papst ließ ihr den Orden „Pro Ecclesia et Pontifice“ anheften. Körperlich erstaunlich rüstig und täglich in der Stadt unterwegs, geistig außergewöhn­ lich frisch mit präziser Erinnerung über acht­ einhalb Jahrzehnte Geschichte und noch immer mit voller Übersicht über das Leben in Donaueschingen und in der Welt, war sie ohne wirkliche Krankheit im Schlaf verschie­ den, als am Morgen des frühsommerlichen Tages eine Schwester der von ihr mit initiier­ ten Sozialstation St. Elisabeth wie gewohnt nach dem rechten schauen wollte. Die Bilanz eines so reichen Lebens, das für Elisabeth Rothweiler so gar kein heroisches, sondern ein ganz selbstverständliches gewesen war, hatte sie bei dem diesen Beitrag vorbereiten­ den Gespräch Ende Mai bescheiden mit dem Satz gezogen, sie habe „nur ein langes Leben Christiane Kiefer ausgenützt“. Gisela Mather / von Helmut Heinrich Verhältnisse ,,Ein fremder, unter dem Zwang der politi­ schen zugewanderter Mensch findet in der Stadt Villingen Boden unter den Füßen, Standort, Tätig­ keit, Heimat.“ Das sagt Gisela Mather von sich, die als Sudetendeutsche unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hierher kam und seitdem in der Zähringerstadt lebt. Ihre engere Heimat war das von Wäldern des Altvatergebirges eingebettete Bad Karls­ brunn-Hubertskirch, wo ihre Vorfahren Generationen hindurch Forstbeamte bei Hoch- und Deutschmeister ( dem Deutschen Ritterorden) waren. Inmitten des Waldes aufgewachsen, hat sie sich das angeborene und durch die Umwelt geprägte Gefühl für die Natur und das Natürliche bewahrt. Am deutschen humanistischen Gymna­ sium in Olmütz legte sie als einzige Abitu­ rientin unter ihren Mitschülern die Reifeprü­ fung ab. Der Sprach- und Literaturunterricht dieser Schule beeindruckten sie sehr und formten ihren künftigen Weg. Sie studierte an der Prager Deutschen Uni­ versität Germanistik und Philosophie und legte die „kleine Staatsprüfung“ in Franzö­ sisch und Englisch ab. – Diese Sprachkennt­ nisse, mit Latein als Fundament, haben sich später günstig ausgewirkt. – In die dreißiger Jahre fallen ihre ersten dichterischen Versuche, die u. a. auch in dem in Karlsbad damals erscheinenden Monats­ heft „Der Ackermann aus Böhmen“ ver­ öffentlicht wurden. Eines der früheren Gedichte ist: 231

Als Gisela Mather hier ankam, besaß sie außer ihrem kargen Flüchtlingsgepäck nur noch den eisernen Willen zum Neubeginn bei ganz anderen Voraussetzungen. So arbei­ tete sie fünfzehn Jahre als Fremdsprachen­ sekretärin in einem Villinger Unternehmen. Nach der Heimkehr ihres Mannes Adolf Mather, eines ehemals österreichischen Offi­ ziers aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1948, galt es dann, die häuslichen Bereiche zu erweitern. Das Kreative mußte einstweilen zurück­ treten. Denn Kunst, gleich welcher Art, ist harte Arbeit, bedarf der Auseinanderset­ zung, der „großen Vergeudung der Stunden“. Doch da es Gisela Mather drängte, litera­ risch sich kundzutun, fand sie in der Rezita­ tion ein fruchtbares Neuland. Seit mehr als dreißig Jahren bilden ihre anspruchsvollen Rezitationsabende einen wichtigen Bestand­ teil im kulturellen Leben der Stadt Villingen­ Schwenningen. Ihr Talent, sich in schwierige Verse und dichterische Prosa einzufühlen und diese so wiederzugeben, daß sie sich dennoch dem Hörer erschließen, ferner die Gabe, die jewei­ lige geistesgeschichtliche Epoche treffend zu charakterisieren, die hohe Kunst des Vor­ trags und ihr herausragendes Gedächtnis befähigen sie, solche Leistungen dem dank­ baren Zuhörerkreis zu schenken. Diese Abende sind immer gut besucht. Beweis, daß auch in unserer hektischen Zeit das Ästhe­ tische, die Achtung vor dem Kunstwerk und das Miterleben noch einen festen Platz haben. Es seien nur einige Darbietungen der letz- ten Jahre genannt: „Schillers Gedankenlyrik“, „Goethes späte Gedichte“, „Die Odyssee“, „Georg Trakl“, „Hugo von Hofmannsthal“, „Eduard Mörike“, „Rainer Maria Rilke“ … Seit dem Tode ihres Mannes lebt Gisela Mather allein in Villingen. Sie konnte sich nicht entschließen, diese Stadt, in der sie und Im Frühling Milde Strahlen streicheln meine Lider, Atmend senkt sich unter mir die Erde, Schluchzend fallt ein Vogellied hernieder, Grasend streift durch junges Grün die Herde. Spielend treibt der Wind an meine Wange, Blüten, wie sie träufeln von den Zweigen, Weht die Gräser auf dem Wellengange, Daß die Halme flüsternd sich mir neigen. Wenn ich leise meine Augen rege, Zieht sich eine goldne Straße hin, Wenn des Abends ich zur Ruh mich lege, Mein ich, daß ich sie gegangen bin. Während des Zweiten Weltkriegs war sie einige Jahre am Anthropologischen Institut der Universität Prag tätig. Ihre dort gemach­ ten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen schufen beste Voraussetzungen für eine fundierte Beurteilung ihrer Mitmen­ schen. 232

Bewahrung ihr Mann viele Jahre gelebt, zu verlassen und nach Paris zu ziehen, wo die Tochter des Ehe­ paars verheiratet ist. Ein Enkel und zwei Urenkel sind ihre Nachfahren. Gisela Mather ist eine Persönlichkeit, die kein großes Aufsehen von sich macht, sie lebt sehr bescheiden. Neben all denen, die der nun schon über Achtzigjährigen Dank zollen, stehen auch viele junge Menschen, denen die unermüdliche Lehrerin oft lang­ jährige schulische Hilfe gab und auch heute noch gibt, nach dem von ihr „erwählten“ Goethewort: „Versäumt nicht, zu üben die Kräfte des Guten.“ Trotz ihres Alters ist ihre literarische Schaffenskraft ungebrochen, und es ist erstaunlich, daß Gisela Mather in den letzten eineinhalb Jahren wieder Gedichte schreibt. Für sie und ihre Freunde eine Q!ielle der Be­ glückung. Dies tiefe Gelb in dem schon müden Grün scheint der Natur willfähriges Bemühn, ein Übermaß für uns noch aufzuwenden, eh sie vergeht, die hochgeliebte Farbe von Sonnenblumen, reifer Frucht und [Garbe, damit die trüben Monde wir beständen. Der Geist vermag die innere Bewahrung. Er filtert Festes um in Seelennahrung und tränkt damit sein fühlendes Gefild. Wenn sich Gewesendes in IHM bewahrt, wird es zur dauerhaften Gegenwart, als höheres und reineres Gebild. Mach mich zum Strom aus Luft, misch mich mit Pflanzensäften, schaff mich zum Rosenduft, zum Harz, mich anzuheften! Leg mich in Kieselgrund, gib Flügel oder Hufe, gib Schweigen oder Mund, preß mich zur Felsenstufe! Bitte Gaben Was immer deinen Normen geziemend sich erweist, verleih mit seine Formen: doch lasse mir den Geist! Wehre das Lächeln nicht ab, fromm dir gespendet! Dulde den Arm, um die Schulter sacht dir gelegt! Wahre das schlichtere Wort, tröstend gesendet! Gleich wie die Kätzchen der Pappel, Daunen im Nest, speichern der frierenden Brut kostbares Warm, werden die kleinen Tribute freundlicher Herzen dankbare Hülle dir sein, wenn einst dein Abend erkühlt. Die harzigen Hüllen behüten die Knospen, bis unter dem Widder die Sonne erstarkt ist. Die winzigen Hirne der Vögel verstehen die Fahrten und Ziele aus Mittag und Morgen. Die Sterne des Bären am Himmel bewahren den ewigen Abstand im kosmischen Bild. Und Hoffnung befallt wie ein Rausch mich, es könnten auch unsere Leben -von fernen Kräften gehalten, im eignen Einsehn gewandelt – am Ende gerettete sein. 233 Die Hoffuung

Erzähler, Lyriker und Komponist Finanzpräsident i. R. Dr. Ernst Roskothen wurde 75 „Es ist nicht der Rede wert, mit 68 Jahren zählt man noch zur Jugend“. So hatte vor Jahren der Bad Dürrheimer Finanzpräsident i. R. bei einem seiner literarisch-musikali­ schen Abende sich geäußert, als man ihm zum Geburtstag gratulieren wollte. Inzwischen sind sieben Jahre vergangen: Dr. Ernst Ros­ kothen reihte sich am 27. Juni 1982 – in beneidenswerter körperlicher und geistiger Rüstigkeit – in die Reihen der Fünfund­ siebziger ein, ein universaler und aktiver Geist, der auch im Ruhestand seine literarisch­ musikalischen Hobbys und vielseitigen Kenntnisse nicht für sich behält, sondern als Erzähler, Lyriker und Komponist selbstlos in den Dienst der Öffentlichkeit stellt. Eine Persönlichkeit, die sich ein Leben lang dem Recht, den Musen und dem Humanen verpflichtet fühlte. Was ihm die Kurstadt Bad Dürrheim ver­ dankt, hat vor Jahresfrist Bürgermeister und Kurdirektor Gerhard Hagmann gewürdigt, als er Dr. Roskothen im Rathaus die große Stadtmedaille überreichte. Anlaß war der Entschluß Dr. Roskothens, nach zehnjäh­ rigem aktiven Wirken die geschätzte musi­ kalisch-literarische Reihe zu beenden. 60 öffentliche Auftritte hatte im Lauf von zehn Jahren der literarische und musikalische In­ terpret in Bad Dürrheim durchgeführt. Musik und Dichtung bildeten bei diesen Abenden eine Einheit. Der Rezitator euro­ päischer Lyrik und Prosa war zugleich der musikalische Gestalter. Als eine Arthrose im Handgelenk sich einstellte, war eine Fortsetzung ohne Dr. Roskothen am Flügel nicht vorstelJbar. Mit seinem Namen für immer verbunden sind die vier Bände seiner köstlichen Gedicht­ reihe „Die Pampel-Muse“. Es sind besinn­ liche und heitere Verse, meisterlich in der Form und voller Anschauungskraft, erlebte und gestaltete Gedichte, die nicht im gläser­ nen Turm ausgeklügelt sind. nAm Puls der 234 Zeit“ und „Menschlich-Allzumenschliches“ lauten die Abschnitte in der Reihe Band N. Da sind, nach Art von Parabeln, Geschichten mit kritischen Randbemerkungen, die dem Hier und Heute gelten, in ein fernes Land verlegt. Gegenwärtiges wird verfremdet, um desto ungeschminkter die Wahrheit über die eigene Zeit, über Mißstände und Unvollkom­ menheiten der Gegenwart sagen zu können. Gerne ist ein Schmunzeln mit dabei, ob man nun mit dem Autor auf den Spuren des Eros wandert oder dem leichten Fluß der Verse folgt, in denen er menschliche Schwä­ chen im Alltag und an den Zentren der Macht glossiert. Humor mit Tiefgang, kritische Gänge, die nichts Überhebliches, keine Selbstgerechtigkeit an sich haben oder beim Leser einen bitteren Nachgeschmack auf­ kommen lassen. Neben Freierfundenem dann wieder Selbstbiographisches. Erinnerungen, die an den Niederrhein führen, in die Heimat

Dr. Roskothens, dessen Geschlecht aus Esch­ weiler bei Aachen stammt. Erinnerungen an die heile Welt der zwanziger Jahre, erzählt mit einer Frische, als seien sie heute erlebt, dabei angefüllt mit den Erfahrungen und Lebensweisheiten des reifen Mannes, der zurückblickt. Der zurückblickt auf ein Leben, das zu­ gleich verknüpft war mit bedeutsamer, er­ regender Zeitgeschichte. Hier nur einige der wesentlichen Stationen. Als Berufsziel schwebte dem jungen Akademiker, der in Genf, München und Münster die Rechts­ wissenschaften studierte, die Diplomaten­ laufbahn vor. Mit Rücksicht auf die Ereignisse des Jahres 1933 und unter dem befremden­ den Eindruck einer persönlichen Begegnung mit Roland Freisler im gleichen Jahr in Berlin entschied sich der mehrsprachige Jurist für das Richteramt, das immerhin noch ein Maxi­ mum an Unabhängigkeit ermöglichte. Der Beförderung 1937 zum Landgerichtsrat in Essen folgte zwei Jahre später die Ein­ berufung, der Dienst als einfacher Soldat, dann als Leutnant der Reserve am Fuß der Ardennen, schließlich die Berufung zum Kriegsrichter an das für Franzosen zuständige Heeres-und Kriegsgericht in Paris. Vor fünf Jahren, anläßlich seines 70. Ge­ burtstages, überraschte Dr. Roskothen die internationale Öffentlichkeit mit seinem Buch „Groß-Paris. Place de Ja Concorde 1941-1944“. Ein Buch, das bedrückende Zeit­ geschichte enthält, kein nüchternes Sach­ buch, vielmehr aufgelockert durch die Form der Erzählung und doch so wirklichkeits­ getreu, daß man, wie ein geistvoller Richter­ kollege aus dem Elsaß formuliert, „mit beiden Händen die Wahrheit greifen kann, mit der die Erinnerungen niedergeschrieben sind“. 1950-1952 als Oberlandesgerichtsrat für besondere Aufgaben zum Justizministerium nach Düsseldorf und Bonn abgeordnet -in jenen Jahren hätte es bei einem der maßgeb­ lichen Politiker gelegen, dem hochqualifi­ zierten Juristen aus Essen, dem integren Offi­ zier und Kriegsrichter der Jahre 1941-44 in Paris, dem geborenen Diplomaten Rosko- then, dem Kontakt von Mensch zu Mensch eine Sache des Herzens ist, in Bonn die politische oder diplomatische Karriere, die er einst angestrebt hatte, zu öffnen. Der Ruf in die Bundeshauptstadt blieb aus. Und Ernst Roskothen war nicht der Mann, der seine Person auf den Präsentierteller stellte. Wirtschaftliche wie menschliche Überle­ gungen legten, nachdem er in Baden-Baden seine künftige Lebensgefährtin, die Bild­ hauerin und Malerin Alice Roskothen-S cher­ zinger, kennengelernt hatte, einen Berufs­ wechsel nahe. Der Jurist wechselte zum B un­ desfinanzministerium, war in der Bundes­ vermögensverwaltung in Karlsruhe und von 1960 in Freiburg tätig, seit1964 mit dem Titel eines Finanzpräsidenten, mit dem er 1971 in den Ruhestand trat. Der „kuriose Lebensweg eines jungen Mannes, der in Essen aufgebrochen und im Schwarzwald gelandet ist“, so hat Dr. Ernst Roskothen mit dem ihm eigenen Humor sich vorgestellt, als er am 24. August 1981 in kleinem Kreis im Bad Dürrheimer Rathaus mit der großen Stadtmedaille geehrt wurde. Nicht vergessen wurden dabei neben den literarischen seine musikalischen Meriten. Bereits als Unterprimaner -so wissen seine Freunde -war Ernst Roskothen mit Klavier­ konzerten (unter anderem Werke von Mozart} an die Öffentlichkeit gegangen. Er komponierte vor Jahresfrist eine Sonate „La Romantica“ und zuletzt noch die $a­ statter Schloßsonate“. Daß er einmal Pianist werden wollte, blieb allerdings ein Jugend­ traum. Lorenz Honold Am Nachbartisch höre ich jemanden, der eben noch das Fehlen echter Ideale bedauerte, sagen: Für einen Wurstsalat gäbe ich jetzt mein Leben. Na bitte! Manfred Bosch 235

26 Jahre Landarzt im Bregtal Dr. Paul Obergfell in Vöhrenbach ging in den Ruhestand Nach 26jähriger Tätigkeit als Arzt für All­ gemeinmedizin hat Dr. Paul Obergfell seine Praxis in Vöhrenbach einem Nachfolger übergeben. Für Paul Obergfell, der in Mar­ bach aufgewachsen ist, hat es seit jeher nur einen Berufswunsch gegeben: Landarzt zu werden. Nach Schule und Studium in Frei­ burg, Berlin und Prag folgte eine achtjährige Tätigkeit an Kliniken in Karlsruhe. Seine Doktorarbeit hatte der Arzt über aseptische Knochennekrosen, Entwicklungskrankhei­ ten bei Jugendlichen, verfaßt. Während sei­ nen klinischen Jahren eignete sich Dr. Obergfell Fachkenntnisse in den Bereichen innere Medizin sowie Chirurgie an und ver­ vollständigte sein Wissen durch Weiterbil­ dung an der Kinder-und Frauenklinik. Das Ende seiner klinischen Arbeit kam überraschend: Mitten im Urlaub, damals gab es noch keine Niederlassungsfreiheit, wurde er nach Vöhrenbach gerufen, wo dringend eine freigewordene Arztstelle besetzt werden mußte. Unvergeßlich sei ihm seine Ankunft in Vöhrenbach, erzählt der praktische Arzt. Als die Obergfells 1956 mit ihrem gesamten Hausrat in der Stadt eintrafen, stand keine Wohnung zur Verfügung. Eine eben erst frei­ gewordene Wohnung konnte dann in nach­ barschaftlicher Bereitschaft in wenigen Stun­ den geräumt und bezugsfertig gemacht wer­ den. Besonders gern erinnert sich der Landarzt an die Zusammenarbeit mit seinem verstor­ benen Kollegen Dr. Georg Lang. Im Vöhren­ bach er Krankenhaus konnte Paul Obergfell seine klinische Erfahrung in die Praxis umsetzen. Es wurde operiert, Geburtshilfe geleistet und innere Kranke versorgt. Die Arbeit, die Dr. Obergfell in den ver­ gangenen 26 Jahren zu bewältigen hatte, war hart. Ein 14stündiger Arbeitstag ist die Regel gewesen. Vor allem in den Anfangsjahren, als das Rettungswesen noch nicht so perfekt organisiert war wie heute, wurde dem Arzt 236 noch zusätzliches Engagement abverlangt, wenn es galt, auf manchmal sogar fast aben­ teuerliche Weise rasch zu Patientenzugelan­ gen, die in abgelegenen Gebieten zuhause waren und dringend ärztliche Hilfe benötig­ ten. Einer dieser Fälle hat sich in dem beson­ ders schneereichen Winter 1956/57 zugetra­ gen. Der Landarzt wurde zu einem Säugling auf einen abseits gelegenen Berghof gerufen, der an Gehirnhautentzündung erkrankt war. Da die Straßen nicht befahrbar waren, mußte sich Dr. Obergfell drei Stunden lang durch den tiefen Schnee kämpfen, um mit den ret­ tenden Medikamenten zu seinem kleinen Patienten gelangen zu können. Diesen beschwerlichen Weg galt es dann vier Tage lang zurückzulegen. Mit Dr. Obergfell geht ein Landarzt in den Ruhestand, der ein Repräsentant jener

Ferdinand Rothmund aus Achdorf immer kleiner werdenden Gruppe von ‚Arz­ ten ist, die bei der Heilung ihrer Patienten nicht nur auf ihr allgemeinrnedizinisches und spezielles Fachwissen zurückgreifen können, sondern durch die langjährigen Kontakte zum kranken Menschen auch Ein­ blicke in familiäre und gesellschaftliche Ver­ hältnisse haben. In den 26 Arbeitsjahren hat sich vieles gewandelt. Auch die Arbeit im Krankenhaus ist eine andere geworden. Es sind meist ältere und alte Menschen, akut und chronisch Kranke, die heute betreut werden. Die Bewäl­ tigung dieser speziellen Aufgabe in stets her­ vorragender Zusammenarbeit mit den Or­ densschwestern gehörte zu den besonderen Anliegen des Arztes. Ein Talemer aus Schrot und Korn: Bürgermeister und Ortsvorsteher Die 1200:J ahr-Feier seiner engeren Heimat Achdorf am kiesigen Strand der Wutach war so etwas wie die Krönung seiner 3 3 Jahre währenden Amtszeit. Viktor von Scheffel, der so gern in Achdorfs „Linde“ ländlichen Kontakt suchte und fand, hätte seine helle Freude an ihm gehabt. Denn auch „Ferdi“ Rothmund, wie seine Freunde ihn nennen, ist ein seßhafter Vierteleschlotzer und mun­ terer Rede sowie Gegenrede zugetan. Dieser T alemer vom alten Schrot und Korn schrieb einen Teil der wechselvollen Talgeschichte mit, denn er war über drei Jahrzehnte ein Motor ihrer Gestaltung, mit allen Erfolgen und Rückschlägen, die von den Zeitströmen ins Tal getragen wurden, es grünen ließen, überschwernrnten und wieder zum stillen Blühen brachten. Nicht ohne Grund er­ schienen so viele Ehrengäste zur großen Feier seiner dörflichen Wirkungsstätte, die ihm Höhepunkt und Abschied zugleich war. Alle Festredner nahmen Bezug auf Ach­ dorfs Geschichte und besondere Struktur, sprachen von den Widrigkeiten der Natur, der die Kultur abgerungen werden mußte, symbolisierten die Tendenzen der Entwick- Die vielen Arbeitsjahre brachten gute und schwere Stunden, und gerade in den letzte­ ren konnte der Landarzt dank seines Einfüh­ lungsvermögens, seiner Erfahrung dem Patienten und den Angehörigen auch wert­ volle menschliche Hilfeleistungen geben. Mit Dr. Obergfell verlieren die Vöhrenba­ cher einen Landarzt, der zu seinem Wirken berufen war. Auch nach seinem Abschied von der 4 200 Einwohner zählenden Stadt, Dr. Obergfell lebt nun in Villingen, werden sich die Bürger gerne an den beliebten und angesehenen Arzt erinnern, der sich vor allem auch um den DRK-Ortsverein, wo er die Funktion des Bereitschaftsarztes ausübte, viele Verdienste erworben hat. Wilfried Dold Jung mit Aufstiegen und Rutschungen und drückten die Hoffnung aus, daß man im Tal wie bislang gegen die Naturgewalten kämpfen und die Kultur zum fruchtbaren Tragen bringen möge. Eine mit Augenmaß überschaubare, kleine Welt, die der größeren angeschlossen sei, lebe mit den Schwierig­ keiten einer Dorfentwicklung unter den Aspekten von Vorurteilen und Überliefe­ rungen. Das betraf auch „Ferdi“ Rothmunds Welt und sein so oft bewiesenes Augenmaß für die Möglichkeiten im Rahmen seines ernstgenommenen Auftrages. Am 18. Dezember 1981 wurde er im „Haus des Gastes“, das er mit seinen Amtskollegen allen Widerständen zum Trotz und auf die jetzt allmähliche Annahme durch die Bevöl­ kerung hoffend, verwirklichen half, in den verdienten Ruhestand verabschiedet: Ein Talemer Bürger von hohem Ansehen, der auch jetzt die Hände nicht in den Schoß legt, sondern seinem jungen Nachfolger mit jenem gewichtigen Rat, wie er aus dem großen Reservoir der Erfahrungen geschöpft wird, zur Seite steht. 1912 im Achdorfer Tal geboren, übernahm 237

Ferdinand Rothmund im Jahre 1930 die Landwirtschaft des Vaters, gründete 1940 mit Sophie Dischinger eine Familie, die sich mit einer Tochter und drei Söhnen ver­ größerte. (Maria ist in Achdorf verheiratet, Werner lebt als Gymnasial-Studienrat in Villingen, Rudolf übernahm den väterlichen Hof, und Josef ist Ingenieur in München.) Inzwischen hat „Ferdi“ Rothmund acht Enkelkinder.1941 wurde er Soldat und geriet für fast vier Jahre in amerikanische und eng­ lische Gefangenschaft. 1947 ins heimatliche Tal zurückgekehrt, wurde er auf Wunsch der Achdorfer 1948 Bürgermeister. Ein weites Aufgabengebiet wartete auf ihn: Die Heimatvertriebenen mußten unterge­ bracht und die landwirtschaftlichen Erzeug­ nisse erfaßt werden. Mit diesen Aufgaben meisterte er die erste bauliche, nämlich die Errichtung eines Farrenstalles in Aselfingen. 1953 galt es, die von ungewöhnlich starken Regenfällen verursachten Katastrophen­ schäden zu beseitigen. Der Ausbau des Schulhauses in Eschach mit 190.000 Mark und der Schulanbau in Aselfingen mit Kosten in Höhe von 250.000 Mark folgten. Auch die Rutschkatastrophe von 1966 fiel in seine angestrengte Amtszeit: Rund 80 Hektar Gelände wurden schwer davon be­ troffen. Die Straße zwischen Achdorf und Eschach wurde so zerstört, daß sie für längere Zeit auf die andere Talseite verlegt werden mußte, wo sie den volksmundlichen Namen „Milchstraße“ erhielt. Regierungspräsident Anton Dichtei überzeugte sich mehrmals persönlich über den Umfang der Schäden und die eingeleiteten Hilfsaktionen. Hier half auch die Bundeswehr aus Immen dingen, die den Bürgermeister „Ferdi“ Rothmund respektvoll zum Ehrenfeldwebel ernannte. Ähnliche Katastrophen wiederholten sich sporadisch und mußten wie die überwun­ denen mit Übersicht und Tatkraft gemeistert werden. Stets war sich der Bürgermeister der Unterstützung seiner Talbürger sicher. Daß man ihm auf Grund der katastrophalen Geländeveränderungen scherzhaft den Spitz­ namen „Rutschbürgermeister“ anhängte, 238 kam seinem eigenen Humor augenzwin­ kernd entgegen. Unterstrich diese Bezeich­ nung doch nur die ständige Konfrontation mit den Naturgewalten und keineswegs eine mangelnde Standfestigkeit. In seine Amtszeit fielen der Anschluß von Eschach und Opferdingen an den ,,Ai­ trach-Wasserversorgungsverband“ und nach der Verwirklichung der Gemeindereform, dank seiner positiven Einstellung, im Jahre 1972 die Eingemeindung als Blumberger Ortsteil. Bewiesene Umsicht und angebo­ rene Zähigkeit bei der Interessenvertretung der Taldörfer führten zur Anerkennung und schufen die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Blumbergs Bürger­ meister Werner Gerber sowie dem städ­ tischen Gemeinderat. So kam es zu den geförderten Erschließungen von Baugelände, einer abgeschlossenen Flurbereinigung als Folge der Rutschkatastrophen, mit Ferdi­ nand Rothmund als dem Vorsitzenden der Teilnehmerschaft. Anerkennend überreichte Altlandrat Dr. Robert Lienhart ihm 1973 das Bundesverdienstkreuz.

Der Dorfentwicklungsplan brachte mit Hilfe der Kernstadt vorteilhafte Verände­ rungen, wie zum Beispiel den Ausbau von Gehwegen, die Straßenbeleuchtung, weitere Bebauungspläne und den wichtigen An­ schluß an die neue Kläranlage. Nach dem Tod seiner Frau heiratete Ferdinand Roth­ mund im Jahre 1978 Sophie Burger, gebo­ rene Kaiser, und wohnt jetzt in Aselfingen, das Tal- und Stadtgeschehen nicht nur von der besinnlichen Warte des Ruheständlers betrachtend, sondern bei allen kleineren und größeren Anlässen interessiert sowie immer noch engagiert teil- und anteilnehmend. Nicht nur als Ehrenmitglied von Scheffel­ verein und Musikverein, sondern wie ein Bürger, der mit den von ihm übernommenen, weitergeführten, erweiterten Aufgaben innig verwachsen war und ihre vielfältigeh Wir­ kungen aufmerksam im Auge behält. Diese ungebrochene Anteilnahme sichert ihm einen großen Freundeskreis. Jürgen Henckell Der Vorname Der Michel goht trurig zum Pfarrer ni, Sie Frau isch em g’storbe, schwer schickt er si dri. Si hen enand Liabi un Treui b’halte, 40 Jährli in Z’friedeheit zemme g’halte, 1m e Lebe voll Arbet vo früeh bis spot. Jetzt isch uf eimol der G’spane tot! Er kann’s kum fasse, kum kann er ’s glaube, Mueß wieder un wieder der Liehe b’schaube. Der Pfarrer tröscht en un bitt‘ en z’sage, Daß er’n ni in’s Kirchebuech kin trage, Wa d’Frau doch gli für en Vorname g’ha? Doch der Michel guckt en verwunderet a. „Der Name, jo richtig, wia heißt der nu gli? Wia mer au gar so vergeßli kann s�“ Seit der Michel, „jetzt kann i der Name nit sage, Un wia guet hen mer is doch ’s ganz Lebe vertrage. Vierz’gJohr hen mer us are Schüßle ‚gesse, Aber der Name, Hochwürde, dei han i vergesse! Han im Ernst wia im G’spas, in Freud un in Leid, Nia anderscht als ,Alti‘ halt zuen ere g’seit“. Arthur H. Duffner Jung un alt Es isch e mol e Meidili g’si Mit roserote Bäckli. Un ’s G’sichtli sunsch au sufer nett, Mi Seel, au nit e Fleckli! Un d‘ Äugli blau, un d’Hoor so blond Als wia en frische Wecke. Un d’Ärmli wiß un fescht un rund, Mer hätt‘ dra möge schlecke. Dro Zähnli erseht – wia Elfebei! Der Mund wia g’macht für d’Küssle. Und d’Nase munzig, d’Öhrli klei, Wia au de Kaffeschüßle. Un d’Hut so zart wia Milch un Blut, Un schlank isch’s g’si, wia d’Nymphe! ’s Köpfle im en Trachtehuet, DWade in Busilistrümpfe. Um’s Hälsli het’s e Gellerli g’ha, Um’s Herz e fürnehms Mieder. E schöner Meidili het’s nit gei, Des sag ich – uf un nieder! ’s isch jetz e Johre vierzge her, Un alles anderscht wore. Des Meidili isch e Wibli jetz, So an die sechzig Johre. D’Hut isch runz’lig, nirnmi glatt, S’Mul groß vor luter schwätze. Un es, wo’s früehr so licht g’ha‘ het, Treit jetz e schweri Krätze. Verbuckled isch’s, un Zähn sin hus, Vom Schaffe d’Händ verschunde. Un ’s Aug isch trurig, müed un matt, Un d’Lippe voller Schrunde. Un ’s Hoor isch wiß, wia Strau so gsterg Un graublig lauft es urnme. Wo’s Meidili buschber g’sunge het, Thuet ’s Wibli nu no brumme. Drum han i bi mer selberts gseit: Am Mensch isch doch au gar nint dra, Daß so e Jährli vierzge Zitt, Eim so verflixt verstalte ka! Arthur H. Duffner 239

Sport und Freizeit „Goldener Ball“ für den Ski-Club Schonach Ein Ski-Club und ein Ball? Man stellt sich die Frage zu Recht. Aber es stimmt: Am 27. November1981 erhielt der SCSchon­ Goldenen Ball“ der Sportpresse ach den “ Baden-Württemberg verliehen – eine Aus­ zeichnung, die in jedem Jahr an einen Verein im Bundesland vergeben wird, der sich besondere Verdienste um den Sport – Lei­ stungssport und Breitensport – erworben hat. In einem Festakt im »Haus des Gastes“ überreichte der Minister für Kultus und Sport des Landes Baden-Württemberg, Gerhard Mayer-Vorfelder, die Auszeichnung an den Vorsitzenden des Ski-Clubs, Adolf Petrino. Gleichzeitig mit dem Verein wird jeweils eine Einzelperson für die Verdienste um den Sport ausgezeichnet. Die Wahl der Sportjournalisten des Landes fiel aufSchon­ achs Bürgermeister Albert Haas, der sich seit seiner Amtsübernahme mit großem Engagement für den geehrten Verein einge­ setzt und ihm die Durchführung großer internationaler Wettkämpfe mit den Junio­ ren-Weltmeisterschaften im nordischen Ski­ sport 1981 ermöglicht hatte. Diese Veranstaltungen – vor allem der internationale Wettbewerb in der Nordi­ schen Kombination um den Schwarzwald­ Pokal – waren es, die den Namen des Ski-Clubs Schonach buchstäblich in alle Welt hinaustrugen. Athleten aus aller Welt kamen und kommen nämlich in jedem Jahr in den Schwarzwald und kämpfen um die wertvolle Trophäe; und der Schreiber dieser Zeilen als einigermaßen weitgereister Ski­ J ournalist kann es bestätigen: Man kennt den Namen Schonach genau so in den USA wie in Japan, in der UdSSR wie in Kanada. Eine vorzügliche Organisation, für die ein Mann wie Ernst Sehmieder, der im Mai 198 2 mit dem Bundesverdienstkreuz nicht zuletzt wegen seiner großen Verdienste um 240 Kultusminister Mayer-Vorfelder (links) bei der Überreichung des Go/denen Balls an Bürger­ meister Haas (Mitte) und den Vorsitzenden des Skiclubs Petrino (rechts). den Skisport ausgezeichnet wurde, verant­ wortlich zeichnet, aber auch Schwarzwälder Gastfreundschaft haben diesen Ruf von Jahr zu Jahr mehr gefestigt und schließlich dazu geführt, daß der I nternationale Skiverband (FIS) zum 75.Jubiläum des Clubs die Junio­ ren-Weltmeisterschaften in den nordischen Disziplinen nach Schonach vergab. Was sich vom 12. bis 15. Februar 1981 in Schonach abspielte, ist noch in bester Erinnerung. Es wurden Junioren-Weltmeisterschaften, die ein Maß für diese noch relativ jungen Welt­ titelkämpfe setzten. Beim FIS-Kongreß 1981 auf Teneriffa im Mai 1981 kam Schonach nocheinmal in aller Munde, als Ernst Sehmieder den Abschlußbericht abgab und langen Beifall aus dem Plenum des Kon­ gresses erhielt.

Schonachs Bedeutung im Hochleistungs­ sport freilich fußt nicht nur auf der Organi­ sation von internationalen Wettbewerben. Mit Urban Hettich, der am Ende der Saison 1981/82 sich vom internationalen Geschehen zurückzog, hatte Schonach auch einen Akti­ ven, der weltweit bekannt war. Seine Silber­ medaille bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck/Seefeld verschaffte nicht nur seinem Namen Weltruf, sondern auch dem seiner Heimatgemeinde im Schwarzwald. Das ist der geeignete Übergang, um etwas über den „anderen“ Ski-Club Schonach zu sagen, über die Verdienste, die nicht so sehr an die Öffentlichkeit drangen und dringen, aber gerade bei der Wahl der Sportjourna­ listen mit den Ausschlag gaben, den SC Schonach zu wählen: Einen Verein, der in den 75 Jahren seines Bestehens dem Skisport an der Basis gedient hat. Die Jugendarbeit gehörte immer zum festen Programm des Vereins seit seiner Gründung. Man wußte von Anfang an, daß man die Jugend ge­ winnen mußte, um eine Zukunft zu finden. Daraus erwuchsen dem Verein immer wieder große Talente, deren Können dem Skiver­ band Schwarzwald viele Erfolge auf natio­ naler Ebene brachten, bis dann einer wie Urban Hettich kam, der die nationalen Grenzen sprengte und zu einem der Besten der Welt wurde. Aber nicht nur deshalb hat sich das Bemühen um die Jugend durch viele ehrenamtliche Kräfte über Jahrzehnte ausbezahlt. Schonachs Jugend fand in diesem Ski-Club ein Zuhause. Das war überhaupt ein Anliegen des Ski­ Clubs in Schonach: In den vielen Jahren seines Zum zweiten Mal nach 1970 und anläß­ lich seines 75jährigen Gründungsjubiläums wurde der Ski-Club Schönwald vom Deut­ schen Skiverband mit der Austragung der ,,Deutschen Nordischen Skimeisterschaf­ ten“ beauftragt. Als im Jahre 1979 in einer Ein Schwarzwälder Skifest Bestehens stieg er über die Bedeutung eines reinen Sportvereins im Ort hinaus. Er wurde zu einer Gemeinschaft, zu einem Sammel­ becken, zu einer der Grundfesten des ört­ lichen Lebens. ,,Man“ war einfach im Ski­ Club, wenn man sich als Schonacher fühlte. Über diesen Weg gelang es dem Verein, ski­ sportliches Gedankengut in die ganze Bevöl­ kerung zu tragen. Langlauf in der Form des gesundheitsfördernden Skiwanderns gab es durch diesen Ski-Club in Schonach schon, als noch niemand an die „Fitness-Welle“ dachte, geschweige denn, davon sprach. Und um die Frauen in den Skisport mit einzu­ beziehen, bedurfte es nicht des Wortes ,,Emanzipation“. Ein Blick in die Chronik des Vereins beweist es: Der Ski-Club Schon­ ach leistete von seiner Gründung an Pionier­ Arbeit für den Skisport, und wenn man Schonach einmal den Titel „Skidorf N um­ mer eins“ gab, dann durfte es sich dieser Verein als Verdienst anrechnen. Das alles hatten die Sportjournalisten aus Baden-Württemberg berücksichtigt, als sie zum einstimmigen Entschluß kamen, dem SC Schonach den „Goldenen Ball“ für 1981 zu verleihen. Der 27. November 1981 wird sicher als bedeutendes Datum in der Ge­ schichte des SC Schonach seinen Platz haben. Schonachs Skisportler, ja, die ganze Gemeinde feierten den Anlaß. Es wurde ein rauschendes Fest, denn das weiß man ja: Die Schonacher können nicht nur Wett­ kämpfe organisieren, Gäste aus aller Welt mit herzlicher Gastfreundschaft überschütten: Sie können auch feiern! Werner Kirchhofer Vereinsausschußsitzung die Entscheidung fiel, sich um die Meisterschaften zu bewer­ ben, stimmten die Verantwortlichen darin überein, diese Meisterschaften als Schwarz­ wälder Skifest zu veranstalten, und sie somit zu einem weiteren Höhepunkt in der 75jäh-241 Deutsche Nordische Skimeisterschaften 1982 in Schönwald

ngen Tradition des Schönwälder Skilaufs werden zu lassen. Noch älter als der Ski-Club Schönwald selbst, der am 4. Februar 1907 gegründet wurde, ist der Skilauf in Schönwald. Vor nahezu hundert Jahren waren drei Norweger in das schneereiche Hochtal der Gutach gekommen, um Skitouren zu unternehmen. Bedingt durch die an Ereignissen arme Win­ terzeit hatte es sich damals sehr schnell im Dorf herumgesprochen, daß Norweger im Dorf weilten und Schneeschuhe mitgebracht hatten, mit denen sie mühelos Touren in die tiefverschneite Umgebung über den Mühle­ berg in die Prisen, zum Stöcklewald und zum Brend unternahmen. Am Abend kamen jung und alt in den Gasthof »Hirschen“, dort hatten die norwegischen Gäste Q!iartier genommen, um die im Hausflur abgestellten Schneeschuhe kritisch zu betrachten. Noch lange bevor der Ski seinen Siegeszug als Win­ tersportgerät antreten sollte, herrschte bei den Betrachtern Unsicherheit darüber, ob man die merkwürdigen Laufgeräte belächeln oder bestaunen sollte. Als die Norweger, in deren Heimat der nordische Skilauf seinen Ausgang genom­ men hatte, nach ihrem dreitägigen Auf­ enthalt von Schönwald Abschied nahmen, brachten sie ihre Begeisterung über das ideale nordische Skigelände und die Gastfreund- 242 schaft der Schönwälder zum Ausdruck. Sie prophezeiten, daß Schönwald als Winter­ sportplatz eine erfolgreiche Zukunft haben werde. Am Eröffnungstag der „Deutschen Nor­ dischen Skimeisterschaften 1982″ lag strah­ lender Sonnenschein über dem farbenfro­ hen Langlaufstadion am Straßwald. An den aufgezogenen Flaggen der teilnehmenden Landesverbände war zu erkennen, daß Schönwald rief, und alle, alle waren gekom­ men. Der Berliner Bär grüßte, leicht tänzelnd im Morgenwind, herüber und bestätigte, daß selbst die „Schneehasen Berlin“ die weite Anreise in den Schwarzwald nicht gescheut hatten, um mit dabei zu sein. Da trafen sich aber nicht nur die Athleten, die um die deut­ schen Meistertitel kämpfen wollten, sondern es gab für die Alt-Meister von 1970 ebenso ein Wiedersehen wie für die Sportkorrespon­ denten von Presse, Rundfunk und Fernse­ hen sowie für Trainer und Funktionäre der Skiverbände. Die große Familie des deut­ schen nordischen Skilaufs gab sich in Schön­ wald ein Stelldichein. Der besondere Reiz dieser Meisterschaf­ ten lag aber auch darin, daß es bei den Wett­ bewerben in Langlauf, Sprunglauf und Kom­ bination um mehr ging als nur um einen deutschen Meistertitel, denn die Teilnahme an den Weltmeisterschaften in Oslo sollte

letztlich von den hier gezeigten Leistungen abhängig gemacht werden, das machte natür­ lich auch die Plätze hinter dem Meister hochinteressant. In den Langlaufdisziplinen gab es bei den Herren nur mit Jochen Behle aus Willingen im Sauerland einen klaren Favoriten, der die Flugkarte nach Oslo prak­ tisch schon in der Tasche hatte. Bei den Damen war es Karin Jäger aus Willingen, die für den Bayerischen Skiverband startete und als klare Medaillenanwärterin in die Spur trat. Die nordische Kombination, die Königs­ disziplin des Skilaufs, stand im Zeichen des Kampfes der jungen Athleten mit Hubert Schwarz, Hermann Weinbuch, Martin Scharte!, Thomas Müller und Peter Müller gegen den erfahrenen achtfachen Deutschen Meister Urban Hettich, der in dieser Saison letztmalig gegen seine Konkurrenten antrat. Der Schonacherwar entschlossen, alles daran zu setzen, um seine Karriere mit einem neun­ ten Deutschen Meistertitel in ununterbro­ chener Reihenfolge, eine wahrhaft großar­ tige Leistung, zu beenden. Als Favorit für das Kombinationsspringen trat Hubert Schwarz aus Oberaudorf vom Bayerischen Skiver­ band an, und die besten Chancen für den Kombinationslanglauf konnte Urban Het­ tich für sich in Anspruch nehmen. Man konnte gespannt sein, wie der neue deutsche „Skikönig“, als der der Sieger in der Kombi­ nation auch heute noch anerkannt wird, hei­ ßen würde. Mit viel Spannung erwartete man aber auch die in diesem Winter flügge geworde­ nen Spezialspringer, die sich bei der Vier­ schanzen-Tournee im Wettbewerb mit der Weltelite durch ihren Mut und ihr Können so hervorragend plaziert hatten. Die Zu­ schauer an der Adlerschanze in Schönwald und an der Hochfüstschanze in Neustadt, der größten Naturschanze Deutschlands, konnten sich auf eine Konkurrenz freuen, deren Ausgang bei der derzeitigen Leistungs­ dichte der deutschen Spezialspringer völlig offen war. Neben Joachim Ernst aus Trossin­ gen, Christoph Schwarz aus Oberaudorf, Andreas Bauer aus Oberstdorf, Thomas Prosser aus Oberkochen, Peter Rohwein aus Isny und Thomas Klauser aus Reit im Winkl konnte man aber auch auf unsere drei jungen Schwarzwälder Georg Waldvogel vom Feld­ berg, Uli Boll aus Blasiwald und Wolfgang Steiert aus Hinterzarten gespannt sein, die entschlossen waren, vor heimischem Publi­ kum für Tannenzweig mit gekreuztem Ski, den Insignien des Schwarzwälder Skiverban­ des, ihr Können unter Beweis zu stellen. Als die Meisterschaften am Mittwoch, dem 3. Februar 1982, mit dem 10-Kilometer­ Langlauf der Damen eröffnet wurden, waren die Langlauf-Loipen und die Adlerschanze in einen meisterschaftsgerechten Zustand versetzt worden, die einer deutschen Meister­ schaft würdig sind. Die Langlaufstrecken wurden zum Teil neu angelegt und führten durch wechselndes Gelände westlich und nordwestlich von Schönwald in einer schneesicheren Höhenlage zwischen 950 m und 1100 m. Die Adlerschanze wurde im Aufsprungbereich nach den neuesten FIS­ Richtlinien umgebaut und somit an die modernen Erkenntnisse des Skispringens angepaßt. Eine notwendige Maßnahme, deren Finanzierung den Skiclub Schönwald für die nächsten Jahre erheblich belasten wird. Der Skiclub Schönwald gehört zu den wenigen Vereinen, die eine eigene Schanze unterhalten und öffentliche Mittel bisher nur sehr begrenzt in Anspruch genommen haben. Nach dem Umbau der Adlerschanze ist das Profil der Schanze vergleichbar mit dem traditionsreichen Mistubakken am Hol­ menkollen bei Oslo. Der deutschen Sprin­ germannschaft bot sich damit die Gelegen­ heit, sich optimal auf die Weltmeisterschaf­ ten in Oslo vorzubereiten. Nicht nur die 375 Helfer, die sich für den reibungslosen Ablauf der sportlichen Wett­ bewerbe zur Verfügung gestellt hatten, son­ dern darüber hinaus stand das ganze Dorf hinter den Meisterschaften, so daß die Akti­ ven, Offiziellen und Gäste nicht nur hervor­ ragend organisierte sportliche Wettbewerbe erlebten, sondern sich gerne auch an die 243

Gastfreundschaft erinnern, die ihnen durch die Schönwälder entgegengebracht wurde. Die Deutschen Meister 1982 Hessischer Skiverband Bayerischer Skiverband 10-km-Langlauf Damen Karin Jäger 30-km-Langlauf der Herren Jochen Behle Nordische Kombination Hermann Weinbuch Bayerischer Skiverband Kombinationssprunglauf Hubert Schwarz 15-km-Kombinationslanglauf Urban Hettich Skiverband Schwarzwald Bayerischer Skiverband Bayerischer Skiverband 5-km-Langlauf der Damen Karin Jäger 15-km-Langlauf der Herren Jochen Behle Bayerischer Skiverband 3 x 5-km-Landesverbandstaffel der Damen Bayerischer Skiverband Karin Jäger – Susi Riermeier – Eva Eggert 4 x 10-km-Landesverbandstaffel der Herren Skiverband Schwarzwald Harald Hepting – Georg Zipfel – Thomas Riesle – Peter Zipfel Dieter Englert Langläufer: Die Adligen des Skisports Von den Anfängen der Skiveranstaltung „Rund um Neukirch“ Wer kennt sie nicht, die sturmzerzausten Wettertannen am Brend. Zähverwurzelt im Boden, unermüdlich und erfolgreich an­ kämpfend gegen alle Unbill der Jahreszeiten. Ob die Handvoll Männer ahnten, als sie im Jahre 1949 die Skizunft Brend gründeten, das Vereinswappen mit dem Brendturm schmückten, daß sich das künftige Vereins­ leben sinnbildlich wie die Natur am Brend gestalten würde?Viel Energie und noch mehr Idealismus waren über die Jahre hinweg not­ wendig, um dem Skilanglauf den ihm ge­ bührenden Platz im Wintersport des Schwarzwaldes zu verschaffen. Über den Skilanglauf als Laie zu schreiben, ist ein mißliches Vorhaben. Ich will mich dabei nicht mit angeschminkten Kenntnissen in den Kreis der Fachleute schmuggeln, son­ dern von dem Vorrecht des Laien, dem schönsten Recht auf Ahnungslosigkeit, Ge­ brauch machen. Wer ahnungslos ist, ist unvoreingenommen, und Unvoreingenom­ menheit kann gelegentlich ihren Vorteil haben. Woran erinnere ich mich noch, wenn ich die erste erlebte Skiveranstaltung „Rund um N eukirch“ Ende Dezember195 7- kurz nach meinem Amtsantritt als Bürgermeister in Furtwangen – zurückdenke? Ein tiefblauer Himmel und wärmende Sonne tauchten 244 die verschneite und mit flatternden Fahnen umsäumte Höhe bei Neueck in strah­ lendes Licht. 300, 400 Langläufer, jung und alt, kamen nacheinander und neben­ einander an den Start, begannen das Rennen unter den Augen Tausender, begannen es mit den Anfeuerungsrufen von Menschen, denen Laufen auf leichten schmalen Hölzern immer schon Feststunden bedeuteten. Die Men­ schen im farbigen Bunt der Anoraks standen dichtgedrängt, sie säumten die Spur, die sich zum Leimoos dahinzog, sich im Wald unseren Blicken entzog und schließlich in einer großen Schleife zurückführte an Start und Ziel. Einige gaben unterwegs auf, doch die anderen kämpften den Lauf vom ersten bis zum letzten der unzählig gleitenden Schritte durch. Als einer nach dem anderen mit jagenden Pulsen, mit heißem Atem und heftig klopfendem Herzen die letzten 200 m der freien Ebene zwischen den dicht­ gedrängten Menschenmauern zu beiden Seiten der Loipe unter begeistertem An­ feuerungsruf durchwuchtete, da lagen hinter ihm die 45 und mehr Minuten des ver­ bissenen Kampfes. Eines Kampfes gegen Konkurrenten, die irgendwo vorne oder hinten liefen, gleich kämpften, eines Kampfes mit den Brettern, die vielleicht zu glatt waren oder zu stumpf, eines Kampfes mit den

Georg und Peter Zipfel. Ihre Zeiten können verbessert werden, ihr Wert als Vorbild für die skibegeisterte Jugend aber nicht. Neben zahlreichen regionalen Meister­ schaften sind in der stolzen Geschichte der Skizunft 24 Deutsche Meisterschaften und die Teilnahme ihrer Spitzenläufer an Q!ym­ pischen Spielen und Weltmeisterschaften aufgezeichnet. Im Damenlanglauf, erstmals 1950 in das Programm der Veranstaltung „Rund um N eukirch“ aufgenommen, war die Skizunft sogar bahnbrechend im Schwarz­ wald. Gehörten damals Monika Weiß, Anita Dorer zu den deutschen Spitzenläuferinnen, so sind es heute Edeltraud Kleiser und Andrea Thurner. Als im Jahr 1967 die Veranstaltung „Rund um Neukirch“ zum ersten Mal mit interna­ tionaler Beteiligung durchgeführt wurde, meldeten sich auf Anhieb 452 Langläufer aus 6 Nationen. Seit dem Winter 1970/71 ist die Veranstaltung um eine weitere Attrak­ tion reicher. Am Vorabend des Hauptlaufes findet seither auf der im Jahr 1968 von und für die Aktiven erbauten und inzwischen auf 2 km erweiterten beleuchteten Trainingsrund­ strecke bei der Martinskapelle ein Nacht­ staffellauf mit internationaler Beteiligung statt. Im Winter 1972/73 entschloß sich dann die Skizunft den internationalen Elitelauf getrennt durchzuführen. Für die Teilnehmer der übrigen Rennen und als Ansporn für den Nachwuchs stiftete der Furtwanger Ein­ zelhandel für den schnellsten Läufer den begehrten Brendschild. Seitdem umfaßt das Programm der Internationalen Neukircher Langlaufwoche mit seinen nahezu 1000 Langläufern und -läuferinnen den Nacht­ staffellauf, den Lauf um den Brendschild und den Elitelauf um den Ehrenpokal der Stadt Furtwangen. So nimmt heute die Ver­ anstaltung im FIS-Kalender einen festen, an­ gesehenen Platz ein. Es waren nicht immer konfliktlose Zeiten. „Taktische Überlegungen“ der bundes­ deutschen Landesverbände und der natio­ nalen Verbände, der Deutsche Ski-Verband nicht ausgeschlossen, schienen oft das eine 245 Georg Zipfel, Kirchzarten, Gewinner des Brend­ schildes 1982. Tücken der Strecke, die sich zwischen den Bäumen durchwand, in kurzen, steilen An­ stiegen, in schnellen Abfahrten. Habe ich nun, wenn ich mich an all dieses erinnere, das Empfinden, es habe sich damals nur um ein Schwarzwälder Skifest gehandelt? Oder war es mehr. Nicht nur eine regionale Leistungsschau, mit Lautsprechern, Rund­ funkreportern. Ich gestehe: Es war mehr! Mindestens in den schönsten Augenblicken. Angesichts stolzer Sieger, beherrschter Ver­ lierer, fairer, wenn auch bis zur Erschöpfung zielender Wettkämpfer. Und wenn dann der Beste in den Vordergrund trat und die be­ geisterte Skijugend in dem Sieger ihr Vor­ bild sah. Ein Vor-Bild. Denn die Laien und Freunde des Langlaufsports haben ja nicht Zahlen mit Langlaufzeiten im Kopf und eines Tages in der Erinnerung, sondern Namen wie Oskar Burgbacher, Siegfried und Peter Weiß, Karlheinz Scherzinger und später Jörg Thoma, Walter Demel, Jean Paul Pierrat,

oder andere Rennen von der Qualität her Veranstalter über die Grenzen hinweg in zu gefährden, das Teilnehmerfeld durch freundschaftlicher Atmosphäre zu einer Teilnahme oder Nicht-Teilnahme der partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Es war Spitzenläufer auf-oder abzuwerten. Einsichts­ eine gelungene Veranstaltung, wenn auch nur 33 Läuferinnen aus 8 Nationen am Start volle Vermittler aus der Ski-Oberschicht mühten sich, ärgerliche Kluften zu schließen. waren. Mangelnde Solidarität? Oder wollten einige Nationen vier Wochen vor den Ski­ Der Deutsche Skiverband belohnte in der Skisaison 1981/82 das Durchstehvermögen Weltmeisterschaften in Oslo ihre Trumpf­ karten einfach nicht präsentieren?Trotzdem, der Skizunft, indem er ihr die Durchführung des einzigen, der insgesamt 10 Laufwertungen, der Skizunft gelang es, eine familiäre Atmo­ auf deutschem Boden stattfindenden Welt­ sphäre zu schaffen, die den Weltcup-Skilang­ cup-Skilanglaufs der Damen übertrug, den lauf zu einem Erlebnis gestaltete. Wie schon der FIS-Kongress 1981 in seiner Sitzung in immer -viele trugen dazu bei, halfen mit, waren guten Willens, gleich worin ihre Auf­ Teneriffa aus der Taufe gehoben hatte. Ich freute mich wie andere Sportbegeisterte, „die gabe bestand. Adligen des Skilanglaufs auf den Schnee­ Weitere herausragende nationale und internationale Veranstaltungen werden die feldern beobachten und bewundern zu traditionsreiche Geschichte der Skizunft können“. Eine Formulierung unserer fran­ Brend ebenso fortschreiben wie ihre Be­ zösischen Skifreunde aus den Vogesen, die vom französischen Skiverband ebenfalls den mühungen, den Breiten-und Freizeitsport in dem reizvollen Langlaufparadies der Ruhe Auftrag erhielten einen Weltcup-Skilanglauf ausströmenden Umgebung Neukirchs zu durchzuführen. Aus organisatorischen fördern. Hans Frank, Altbürgermeister und finanziellen Gründen fanden sich beide Esther Lindenlaub gewann mit der Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft im Trampolinturnen Für den Turnverein 1848 Villingen und Gefallen an diesem Sport. Während die ganz besonders für die Trampolinabteilung damals 12jährige gerade die ersten Hüpfer dieses Vereins muß das Jahr 1982 zu den vollbrachte, turnten ihre heutigen National­ bemerkenswertesten in der Geschichte ge­ mannschaftsmitglieder bereits auf Landes­ zählt werden. Eine Turnerin aus den eigenen und Bundesebene, und Ute Luxon aus Salz­ Reihen, die 20jährige Esther Lindenlaub, gitter war bereits Deutsche Meisterin. gewann am 13. Mai 1982 zusammen mit der Die damaligen und heutigen Trainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft die Trampolinabteilung jedoch erkannten Mannschafts-Weltmeisterschaft im Trampo­ schnell das Talent und den Leistungswillen linturnen. Überglücklich kehrte die Villin­ der jungen Turnerin. Trotzdem fielen Esther gerin mit dem begehrten Edelmetall aus den die Erfolge nicht in den Schoß, im Gegen­ USA zurück; eine von vielen Schwierigkeiten teil, in den ersten 5 Jahren gab es mehr gezeichnete Karriere hatte einen glänzenden Rückschläge als Erfolge, und manch andere Höhepunkt erreicht. aus der Villinger Mannschaft sind zu dieser Für eine Spitzenturnerin begann Esther Zeit gescheitert. Die Gründe für die Misere Lindenlaub relativ spät mit dem Trampolin­ waren so einfach wie unveränderlich für die springen. Vor 9 Jahren stand sie zum ersten Verantwortlichen der Trampolinabteilung. Mal auf einem Trampolin und fand sofort Während die Konkurrenz aus Freiburg, 246 Von der Spitzenturnerin zum As am Trampolin

in die Halle. Trotz dieser Verhältnisse gelang 1979 der Durchbruch nach oben. Endkampf­ teilnahme und Platz 9 bei den Deutschen Einzelmeisterschaften, Baden-Württem­ bergische Meisterin und zusammen mit Ute Oder Deutsche Vizemeisterin im Synchron­ turnen. Endlich erfolgte für die damals 18jährige die Einladung zum B-Kader. Außerdem konnte im Winter 79/80 erstmals richtig trainiert werden, und eine weitere Steigerung folgte prompt: Platz 6 bei den Deutschen Einzelmeisterschaften und erster Länder­ kampfeinsatz in England. Ganz knapp ver­ paßte Esther Lindenlaub 1980 die WM-Teil­ nahme. Typisch für die Villingerin ihre Reaktion: Nächstes Jahr schaffe ich es bestimmt. Und sie schaffte es. Zu Beginn des Jahres 1981 Aufnahme in den A-Kader und mit Mannschaftssilber und einem 6. Platz im Einzel nahm sie mit Erfolg an den Europa­ meisterschaften in England teil. Bei allen Erfolgen, auch den ganz großen der letzten Wochen, hat sich Esther Linden­ laub persönlich wenig geändert. Auf dem Trampolin sicherer, selbstbewußter; im Training wie immer zielstrebig und leicht zu führen und privat weiterhin unbekümmert Helmuth Schubnell und sympathisch. Esther Lindenlaub am Trampolin Bruchsal, Wiesloch, Salzgitter usw. zwischen acht und fünfzehn Stunden pro Woche trai­ nierten, konnten die Villinger regelmäßig im Winterhalbjahr nur drei bis vier Stunden Eishockey im Stadtbezirk Schwenningen Das Eishockey-Wunder in Villingen­ Schwenningen geschah: Der ERC Schwen­ ningen wird auch in der Saison 1982/83 in Deutschlands höchster Spielklasse, in der Bundesliga, um Sieg und Punkte streiten. Doch der Weg zum Klassenerhalt war schwer; schließlich half jene Portion Glück, von der SERC-Vorsitzender Erich Schlenker schon vor dem Bundesliga-Abenteuer sprach, etwas schier Unmögliches möglich zu machen. Niemand aus Eishockeyfach­ kreisen hatte zuvor dem Zwerg vom Neckar­ quell die Spur einer Chance eingeräumt. In der neuen Saison wird sich der Bundes- ligist auf einigen Positionen gezielt verstär­ ken. Sensationell beinahe mutet der Transfer des Nationaltorhüters Matthias Hoppe an, der mit seinem Berliner Mannschaftskolle­ gen Karl Altmann von der Spree in den Schwarzwald wechselte. Beide sollen die Abwehr festigen. Überhaupt legte man in Schwenningen das Hauptaugenmerk zu­ nächst auf die Achillesferse der Mannschaft, auf die Abwehr, die, vornehmlich zu Saison­ beginn, eine Reihe von Treffern kassierte. Wie oft nur mußte Torhüter „Barnie“ Köpf in der allerersten Spielminute hinter sich greifen? Das soll nun anders werden; Mat- 247

vollwertige Kraft an den Neckarursprung zurückkehren. Beim Formen der ersten Mannschaft aber wollen die Verantwortlichen den eigenen Nachwuchs nicht vergessen. Mit Christian Benzing, der sein Studium zunächst zurück­ stellt, und Jens Martens sollen zwei »Young­ ster“ eingebaut werden. Gerade die Junioren schnitten in der letzten Saison mit ihrem fünften Rang großartig ab. Auch in Zukunft soll die Jugendarbeit vorrangig betrieben werden. Eishockey ist in Villingen-Schwenningen längst sportliches Aushängeschild Nummer 1 geworden. Nur schade, daß manchmal das Stadion zu klein ist. Nur 4800 Zuschauer faßt die Schwenniner Anlage nach dem Aus­ bau und dennoch wirtschafteten die cleveren Geschäftsleute beim Bundesligisten in der letzten Saison ein Plus heraus. Den Wanderpokal des Landrates gewann im Rahmen des Wettbewerbs ,Jugend trainiert für O{ympia“ beim Kreisschu!fußballtag 1981/82 die Mannschaft des Fürstenberg-Gymnasiums D>­ naueschingen. Verdienste um den Klassenerhalt des ER C in der ersten Bundesliga erwarb sich der Kanadier Kirk Bowman, der nicht nur die meisten Tore erzielte, sondern auch in spielerischer und kämpferischer Hinsicht für die Mannschaft ein Vorbild war. thias Hoppe (24) soll der Garant dafür sein, ein Mann, der zwischen den Pfosten in Ber­ lin wahre Wunderdinge leistete und mit Abstand bester Berliner Akteur in der letzten Runde war. Mit Harald Krüll, Werner Klatt, Jaroslav Maly und Karl Altmann (ab Februar 1983 mit Karl Koska) und den beiden Tor­ hütern, ist der einzige echte Ausländer Brian Young, von dem in dieser Saison eine Lei­ stungssteigerung erwartet wird. Der ERC Schwenningen, der es zu einem Großteil seinen Deutsch-Kanadiern ver­ dankt, daß er überhaupt in Deutschlands höchste Spielklasse vorstieß, will auch in Zukunft von diesem Rezept nicht abwei­ chen, denn Abteilungsleiter Dr. Hermann Benzing sagte: „Wir sind mit unserer Mischung mit Deutschen und Deutsch­ Kanadiern bislang sehr gut gefahren“. Der Motor und gute Geist der Mannschaft, Kirk Bowman, der sich im Frühjahr in Schwen­ ningen einer Knieoperation unterzog, will als 248

Unsere Dichter und Schriftsteller Die Stadt brennt Eine Kindheitserinnerung von Max Rieple Am 5. August 1983 jährt sich zum 75. Mal der Stadtbrand von Donaueschingen.120 Wohnhäuser, den größten Teil des Stadt­ kerns, darunter das Rathaus, hatte der Großbrand vom 5. August 1908 in Schutt und Asche gelegt. Aus diesem Anlaß brin­ gen wir einen Beitrag des im Vorjahr ver­ storbenen Schriftstellers Max Rieple. Seit Wochen lag sengende Sonne in den Straßen und auf den ausgedörrten Haus­ dächern unserer Stadt. Heute war es selbst unserer alten Katze, die sich sonst immer den wärmsten Fensterplatz aussuchte, zu heiß. Eine seltsame Unruhe schien das Tier befal­ len zu haben. Nirgends wollte es bleiben, nicht auf dem Plüschsessel und nicht auf dem altväterlichen Sofa. „Heute wollen wir ein wenig früher zum Schwimmen gehen“, sagte mein Vater. Und rasch wickelte ich meine rotgeringelte Bade­ hose in die schwarze Wachstuchhülle, die sich so angenehm kühl anfühlte. Als wir aus der Haustür traten, schlug uns mit dem grel­ len Licht die Luft heiß wie aus einem Back­ ofen entgegen. Kaum waren wir ein paar Schritte gegangen, bog ein Mann in großer Eile um die nächste Straßenecke, schwenkte eine golden auffunkelnde Trompete und blies ein Signal, das seltsam erregend klang. „Feurio, Feurio“, schrie jemand in der Feme. „Da scheint es irgendwo zu brennen“, meinte mein Vater. Neugierige Gesichter erschienen in den Fenstern, und der dicke Metzger trat, angetan mit seiner weißen 249

Schürze, vor die Ladentür. „Was gibt’s, wo brennt’s denn“, fragte er so, als ginge ihn das eigentlich gar nichts an. »In der Vorstadt, an der Stadtmühle“, kam es zurück. -„So, ganz dort hinten. Da kann’s nicht viel scha­ den.“ Er pfiff seinem Hund, der kläffend an dem Trompeter emporsprang, wischte sich die Hände an der Schürze ab und ver­ schwand unbekümmert wieder im Laden­ dunkel. Demnach hatte der Brand nichts Schlimmes für uns zu bedeuten. Um so mehr wunderte ich mich, daß mein Vater plötzlich umkehren wollte. »Ich habe mich doch so auf das Schwimmen gefreut“, rief ich mit wei­ nerlicher Stimme. Aber meine Bitte wurde überhört. »Sieh nur“, meinte mein Vater, „da kommen schon Aschenflocken, und unsere Wäsche hängt noch im Garten. Wir wollen sie lieber hereinholen.“ Während ich unwil­ lig die Wäschestücke zusammenlegen half, schaute ich eifrig nach Schmetterlingen aus. Aber kein Falter ließ sich sehen, und keine Biene. Sie schwirrten nicht einmal mehr um den alten Holunderbaum, dessen gilbende Blätter reglos herabhingen. Es schien, als hielte die Natur wie vor etwas Drohendem den Atem an. Feurio, Feurio! Ein Mann in Feuerwehruniform rannte die Straße hinunter. Auf seinem blanken Goldhelm spiegelte sich blitzend die Sonne. Dann lag die Straße wieder still und leer, so leer, wie der tiefblaue Himmel, an dem seit Wochen kein Wölkchen stand. Endlich war die ganze Wäsche im Haus. „Schade“, sagte meine große Schwester, »ein Leintuch hat schon einen Brandfleck bekommen.“ Und so, als folge sie einer inne­ ren Eingebung, rief sie plötzlich: »Ich will noch rasch hinunter in den Keller und den Waschkessel mit Wasser füllen -man kann me wissen. Ich war froh, mit ihr in das Haus gehen zu können und zuschauen zu dürfen, wie das Wasser in die bereitgestellten Behälter schoß. Auf einmal floß es schwächer, sprudelte dann nur noch in kurzen Stößen aus dem Hahn, als wolle es Versäumtes nachholen, und war plötzlich versiegt. »Gottlob“, seufzte 250 “ . . meine Schwester, „wir sind gerade noch zur rechten Zeit gekommen.“ Mein Vater stand droben am Fenster und sah aufmerksam hinaus. Plötzlich wandte er sich zu uns: »Der Wind gefallt mir gar nicht. Darauf hätten wir verzichten können.“ Schon fuhr ein Windstoß in die Krone des alten Holunderbaumes, riß ein paar herbst­ lich-braune Blätter ab und ließ sie wie erschreckte Vögel über den Gartenzaun flat­ tern. Dann zerrte er an den schlecht verwahr­ ten Fensterläden des Nachbarhauses und klappte sie auf und zu, daß es schien, als schnappe das Haus nach Luft. Über die Straßen fegte er raschelndes Laub, wirbelte den Staub hoch und trieb ihn als tanzende Säule vor sich her. Dann blies er plötzlich eine Wolke Rauch über den Garten und ließ Funken niederregnen. »Jetzt wird es ernst“, rief mein Vater und schloß rasch das Fenster. Ein Hund begann kläglich zu heulen. Es klang unsagbar trost­ los in die atemberaubende Stille. Klingelnd ratterte drunten auf der Straße eine Feuer­ spritze vorbei. Dann fauchte wieder der Wind ums Haus. Irgendwo am Rande der Stadt hatte er ein winziges Flämmchen zu einem lodernden Feuer angefacht und es hin­ eingetragen in das Heu einer Scheuer. Er hatte die Flammenflocken emporgerissen, sie in entferntere Straßen getragen und sie als feurige Vögel auf den ausgedörrten Schindel­ dächern nisten lassen. Häuserzeile um Häu­ serzeile ließ er so auflodern und trieb nun das Flammenmeer bereits in unsere Straße. Noch ragte der Treppengiebel der benach­ barten Glaserei unversehrt aus dem Qualm. Bald aber saßen zuckende Flämmchen auf dem Dachfirst und auch auf dem Schuppen, in dem große Bretterstapel lagen. »Wenn nur das Holz da drüben nicht Feuer fangt“, hörte ich meine Mutter sagen, »sonst sind wir verloren. Da hilft nur noch beten!“ Ich verstand ihren Wink, ging folg­ sam vom Fenster weg und kniete vor dem Bild des Heilands nieder. »Mein Herz ist klein“, und: »Müde bin ich, geh zur Ruh“, betete ich inbrünstig. „Wir müssen für alle

Fälle das Nötigste zusammenpacken“, hörte ich indessen meine Mutter rufen. Sie holte hastig Kleider und Wäsche aus den Schrän­ ken und verstaute sie in Koffern. Ich aber ging an meine Spielzeugtruhe und entnahm ihr, was mir besonders lieb war: ,,Ein Rinden­ schiff, und eine kleine Dose. Beides barg ich in meiner Schürze und betete wieder: ,,Lieber Gott, laß mir wenigstens das Schiffchen.“ Als Antwort heulte draußen der Wind noch lau­ ter. Schon sank der Abend mit glutroten Schleiern über die Stadt. Jetzt hatten die Flammen auch die Bretterstapel der Schrei­ nerei erfaßt, aus denen mit Knattern Feuer­ garben emporschossen. Die Flammenhand griff gierig nach unserem Haus. Schon krachte es unheimlich in den heiß geworde­ nen Fensterrahmen, und der spröd gewor­ dene Kitt sprang aus den Fugen. ,,Schnell die Läden zumachen“, rief meine Mutter. Nun, da sie sich geschlossen hatten, war es ganz dunkel im Zimmer geworden.Nur durch die Ritzen drang noch flackernder Flammen­ schein und huschte unruhig über die Stuben­ wände. Ich war ganz versunken in • das gespenstige Spiel des Lichtes, als jemand durch das Dunkel schrie: ,,Macht doch die Läden wieder auf, sie fangen sonst Feuer.“ Und wieder waren die Fenster schutzlos dem Anhauch der Flammen ausgesetzt. Klirrend sprang da eine Scheibe und dort eine. Not­ dürftig wurden die Lücken mit feuchten Lap­ pen verschlossen. Auch ich sollte mit achtge­ ben, daß sie nicht trocken würden, und eifrig bespritzte ich sie mit dem Wasser aus mei­ nem Spieleimerchen. „Jetzt nur nicht nachgeben“ mahnte mein Vater, ,,sonst ist alles verloren.“ Auch der Feuerwehr, die in den Straßen einen vergebli­ chen Kampf führte, schien es wichtig, gerade unser Haus als letztes Bollwerk gegen die Flammenflut zu halten. So kamen uns zwei behelmte Männer zu Hilfe. Keuchend schleppten sie das kostbare Wasser, das allein uns vielleicht retten konnte, aus dem Keller auf den Speicher und spritzten es gegen die glosenden Dachsparren. Fast schien die schlimmste Gefahr gebannt. Da schrillte die Hausglocke und Fäuste trommelten an die verschlossene Haustür. ,,Aufmachen!“ rief es, ,,das Brand­ kommando fordert Sie auf, sofort das Haus zu verlassen, es ist nicht mehr zu halten.“ Meine Mutter schob als einzige Antwort auch noch den Türriegel vor. ,,Hier kommt niemand herein! Wir halten das Haus!“ und mir befahl sie hart: ,,Bete!“ Und wieder kniete ich vor dem Bild des Heilands nieder, wußte aber nur noch die ersten Worte des Vater­ unser, die ich immer wieder vor mich hin­ sagte. Plötzlich entstand draußen eine Stille, die noch unheimlicher als das Tosen der Flam­ men war. Es schien, als wolle das entfesselte Element noch einmal seine Kräfte sammeln, bevor es zum letzten Sturm ansetzte. Angst­ voll lauschten wir in die Nacht hinaus. Aber seltsam, alles blieb still. Endlich trat meine Mutter zögernd ans Fenster und mit veränderter Stimme hörte ich sie sagen: ,,Gott sei Dank, der Wind hat sich gedreht.“ Meine Schwester schluchzte plötzlich laut auf. Ich aber glaubte, daß mein Gebet allein es war, das den lieben Gott bewogen hatte, die Flammen vor unserem Haus abzuwenden. „Der Bub muß jetzt schlafen“ sagte mein Vater. Angekleidet wurde ich aufs Bett gelegt und schlief vor Erschöpfung sofort ein. Als ich am nächsten Morgen spät aus todähnlichem Schlaf erwachte, war ich erstaunt, mich in meinem eigenen Bett zu finden. Also war das Haus doch durch ein Wunder verschont geblieben. Obwohl es schon gegen Mittag war, wollte es heute kaum Tag werden. Dichter Qyalrn, von Glut durchschwelt, verhüllte tagelang den Him­ mel Beißender Rauch drang durch alle Rit­ zen des Hauses und nahm uns den Atem. Endlich kam der Regen. Mildtätig legte er sich über die rauchenden Trümmer. Noch immer zogen die leeren Schlauch­ leitungen der Feuerwehr wie graue Schlan­ gen durch unseren Garten. Die Beete waren zertrampelt, die Beerensträucher geknickt und Goldlack und Reseden verkohlt auf 251

den Rabatten. Doch der alte Holunderbaum stand noch. An seinem verwundeten Stamm hatte sich eine Katze angekrallt. Ihr Fell war versengt und ein Auge hatte sie verloren. Immerfort wackelte sie mit dem Kopfe und schrie messerscharf. Sie wollte den rettenden Baum auch dann nicht loslassen, als wir ihr eine Schüssel Milch brachten. Schließlich fand sie bei uns eine neue Heimat. – Und wie der alte Holunderbaum als einziges über dem zerstörten Garten stand, so ragte auch unser Haus, nur vom Rauche geschwärzt, hoch aus den schwelenden Trümmern. Nun konnte es auf einmal ungehindert über nie­ dergesunkene Dächer und Giebel weithin in die Runde blicken. Und mit glanzlosen Fen­ steraugen, die ein feiner Regenschleier ver­ hing, starrte es über die entseelte und fremd­ gewordene Stadt. Ernst Roskothen erzählt: Das Benrather Schloßkonzert Vor allem diejenigen, welche, zumeist aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, fast zehn Jahre hindurch in Bad Dürrheim meine lite­ rarisch-musikalischen Veranstaltungen be­ sucht haben, wird es vielleicht interessieren, welcher Anlaß zur ersten derartigen Darbie­ tung für mich – als Juristen – vorgelegen haben mag und wie dieser Start verlaufen ist. Im Rückblick gesehen, das sei vorweg bemerkt, war es die eigenwilligste und groß­ artigste Veranstaltung von allen, die später nachfolgten. Um das in Kürze zu erzählen, muß ich – ohne daß der Leser etwa eine Kriegsge­ schichte zu befürchten hätte – auf den Anfang des Jahres 1940 zurückgreifen. Als Angehöriger von älteren Jahrgängen, die nicht gedient hatten, befand ich mich damals in der Ausbildung zum Offiziersanwärter und war mit etwa zwei Dutzend Kameraden, sämtliche wie ich Gefreite, zu einem Lehr­ gang nach Benrath bei Düsseldorf einberu­ fen worden. Unsere Unterkunft, Saal mit Kegelbahn einer an sich hübschen Gast­ stätte, des »Lindenhofs“, reichte für soviel Menschen kaum aus, zumal der Raum auch noch für den Unterricht herhalten sollte. Ins Freie ausweichen konnten wir nur selten, da infolge des harten Winters die Gartenterrasse und die Wege vereist oder, soweit nicht frei­ gemacht, mit hohen Schneemassen bedeckt waren. Kurzum, nur äußerste Disziplin konnte die Erschwernisse überwinden helfen. 252 Der Lehrgangsleiter, ein jüngerer aufge­ schlossener Leutnant, gab sich unter diesen Umständen alle Mühe, besonders außerhalb der Dienststunden den Aufenthalt seiner Zöglinge aufzulockern. Als er mich in die­ sem Zusammenhang einmal fragte, was man hier von Benrath aus unternehmen könne, hatte ich bereits auf der Zunge, eine Besichti­ gung des nahegelegenen prächtigen Rokoko­ schlößchens vorzuschlagen, das ich aus mei­ ner Düsseldorfer Jugendzeit her gut kannte. Aber blitzschnell ging meine Phantasie mit mir durch. Sie spiegelte mir vor, wie wunder­ schön es sein würde, einmal auf einem Kon­ zertflügel im runden Kuppelsaal des Schlos­ ses zu musizieren. Und schon war es heraus: „Wir machen im Schloß ein Schloßkonzert“. Leutnant Heinen, der meinen Zivilberuf als Richter kannte, ließ sich angesichts seiner ersten Verwunderung von mir darlegen, welche musikalische Ausbildung in der Schulzeit und auch welche Praxis in öffent­ lichen Auftritten seither ich aufzuweisen hätte; Noten bräuchte ich nicht besonders zu beschaffen. Der Leutnant nahm darauf meine Anregung unter zwei Bedingungen auf: Nach innen sollten Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung ausschließ­ lich in meiner Hand liegen; auch die Kosten seien, wie ich es angeboten hatte, meine Sache. Nach außen trete nur der Lehrgang, vertreten durch ihn, in Erscheinung. Das war erst recht in meinem Sinne. Es galt noch

immer der für den militärischen Dienstbe­ reich gültige Satz „nur nicht auffallen, geschweige denn sich unnötig hervortun wollen“. Hier war das besonders wichtig, weil der Leutnant seinen Wunsch durchsetzte, zu der Veranstaltung auch den Bataillonskom­ mandeur und die Herren seines Stabs sowie den Kompanieführer einzuladen. Das, so ahnte ich, würde allerdings den Rahmen des Unternehmens erheblich erweitern. Ich erhielt die Zusicherung, für die Vorbereitung ab und zu vom Dienst befreit zu werden. Nach diesem Gespräch ging ich sofort ans Werk. Fast wie im Handstreich gelang es, bei der Stadtverwaltung Düsseldorf die grund­ sätzlich unentgeltliche Benutzung des Schlosses für den angegebenen Zweck zu erwirken; lediglich die Kosten für Heizung, Verdunkelung und Reinigung seien zu erstatten. Es wurde mir zugesichert, daß der Kastellan den Saal im einzelnen nach mei­ nen Weisungen einrichten sollte. Vom Rathaus her suchte ich mehrere Geschäfte in der nahen Altstadt auf. Ich hatte mir nämlich in den Kopf gesetzt, das Konzert in histori­ scher Treue der Zeiten von Kurfürst Carl Theodor v. d. Pfalz und seines Benrather Baumeisters Nicola de Pigage bei Kerzen­ licht abzuhalten. Trotz der schon beginnen­ den kriegsbedingten Knappheit glückte es mir, für die hohen Kandelaber des Schlosses die notwendigen Kerzen aufzukaufen. Am nächsten Nachmittag mietete ich in einem Düsseldorfer Pianohaus einen Ibach-Kon­ zertflügel. Als ich für die Anlieferung des Instruments den bei der Stadtverwaltung festgelegten Veranstaltungstermin vom 20. Januar 1940, 18.00 Uhr nannte, tauchte die erste Schwierigkeit auf: ich müsse, so hieß es, nach den neuesten Bestimmungen über Ra­ tionierung von Treibstoff vorher einen soge­ nannten Benzinschein beibringen. In diesem Punkte kam mir noch am selben Abend der reine Zufall zu Hilfe. Ich besuchte, da ich bis zum Zapfenstreich noch Zeit hatte, den ersten Teil eines Sinfoniekonzerts, dessen Gast-Dirigenten ich aus meiner Münchner Studentenzeit kannte. Zu Beginn der Pause suchte ich ihn im Künstlerzimmer auf und erzählte ihm von meinem beabsichtigten Benrather Konzert. Als ich dabei zufällig auf den fehlenden Benzinschein zu sprechen kam, sicherte er mir zu, das noch am näch­ sten Morgen zu regeln, was auch geschah. Da meine Kameraden auch nicht wissen sollten, was ich im einzelnen im Schloß spie­ len würde, ließ der Leutnant bei einem Aus­ marsch des Lehrgangs unter einem Vorwand mich im »Lindenhof“ zurück, um am Klavier der Gaststätte die musikalische Prograrnrn­ folge zusammenzustellen und entsprechend nach Leibeskräften zu üben. Ich war erfreut, daß meine Fingerfertigkeit trotz der Tätigkeit am »SMG“ (schweren Maschinen-Gewehr) kaum gelitten hatte. Den Wirt und seine Frau mußte ich bei dieser Gelegenheit in den Kon­ zertplan einweihen; ich brauchte beide später noch in anderem Zusammenhang. Unter meinen Kameraden, die wohl irgendetwas ahnen mochten, mußte ich einen einzigen, Karl Wirnrnelmann, wie ich aus Essen, von dem Vorhaben in Kenntnis setzen. Er schrieb mir in alter Schrift auf pergamentarti­ gem Papier mit dem verzierten Emblem »CT“ (Carl Theodor), das man überall in Bauten des Kurfürsten, wie in Mannheim und München, findet, die Einladung zur »· .. soiree musicale im Hertzoglich Bergisch Schloss zu Benrath, Sala della Rotunda, wo produciret werden opera di Bach, Mozart Beethoven, Brahms und anderer maestri … “ Ein schriftliches Programm im einzelnen hatte ich mir aus bestimmten Gründen noch vorbehalten. Es wurde erst nach Abschluß des Abends den Teilnehmern ausgehändigt. Ein Blick am späten Nachmittag des 20. Januar in den prachtvollen Saal genügte mir, um festzustellen, daß der Kastellan alles wunschgemäß hatte herrichten lassen. In gehöriger Entfernung zum Flügel, der, in der Mitte des Rundsaals, bereits hochgestellt war, bildete das kostbare goldumrandete Gestühl aus historischer Zeit einen Halbkreis: zunächst prunkende Gobelin-Armsessel für die Offiziere, dahinter in gehörigem Abstand in sich verbreiternden Reihen bro-253

katbezogene Stühle für die Lehrgangsteil­ nehmer. An die 50 hohe Kerzen strahlten aus kunstvoll geschwungenen Kandelabern ein mildes Licht aus. Als die Teilnehmer, voran der Kommandeur mit seinem Stabe, kurz vor 18.00 Uhr, vom Leutnant begrüßt, den festlichen Saal betraten, empfing sie wohlige Wärme. Als alle Platz genommen hatten, ergab sich, auch von den Uniformen her, ein malerisches Gesamtbild. Zur Einleitung der Veranstaltung hatte ich einige Verse verfaßt, die ich nun, aus einem Nebensaal tretend, leicht an den Flü­ gel gelehnt, in meiner schlichten Gefreiten­ Uniform vortrug. Sie begannen: „In Wehr und Waffen starret haßerfüllt die Welt. Mit hartem Griffe unerbittlich fern uns hält Des Krieges rauhes Handwerk heimat­ licher Scholle. Doch wie dein Schicksal, -stets ins Leben greif ins volle! … “ und schlossen: ,, Wo einst Carl Theodor manch‘ rau­ schend‘ Fest begangen, Da werden heut‘ bei Kerzenschimmer uns umfangen Im Dämmerlicht die Weisen uns’rer gro­ ßen Meister: Des Dichters Genius entzünde hell die Geister. So laßt uns eilen, daß die Zeit nicht unnütz rinne, Greift Saitenspiel und Schrift, das Spiel im Schloß beginne!“ Am Flügel brachte ich nun eine brillante Klavier-Komposition von Chopin (,,Fantai­ sie-Impromptuj und sodann zwei verhalte­ nere Werke von Brahms (,,Intermezzij zu Gehör. Ich hatte das Gefühl, daß die Zuhörer mitgingen, und war zugleich froh, daß die feierliche Stimmung nicht etwa durch gedan­ kenloses lautes Klatschen zerrissen wurde. Kühn fügte ich noch eine eigene Komposi­ tion an, den 2. Satz meiner späteren 1. Kla­ viersonate. Dann kam die große Über­ raschung, die, obwohl ich sie vorbereitet 254 hatte, also genau um sie wußte, sogar mich selbst nicht nur überraschte und ergriff, son­ dern mir ein Erschauern über den Rücken jagte: Von irgendwoher, aber ganz weit her, wie aus der Unendlichkeit, erscholl in sono­ rer männlicher Stimme Goethes� Wanderers Nachtlied“: ,,Der Du von dem Himmel bist … „. Niemand von den Anwesenden hätte normalerweise auch nur ahnen können, woher die Stimme erklang. Ich muß es erklä­ ren: Als Kind hatte ich mit meiner kunstsin­ nigen Großmutter Ameis mehrfach von Düsseldorf aus das Schloß besichtigt und dabei von ihr erfahren, daß der Kurfürst bei Festlichkeiten seine Hofkapelle im obersten Rundgang der Kuppel, der sogenannten ,,Laterne“, also von unten her unsichtbar, untergebracht hatte. In Erinnerung daran hatte ich auf einen spontanen Einfall hin noch kurz vor dem 20. Januar das Benrather Gymnasium um einen sprechgewandten Pri­ maner gebeten, der, anonym und unsichtbar bleibend, einige klassische Verse aus der Kup­ pel heraus sprechen sollte. Dies Geheimnis habe ich erst später gelüftet, als ich nach der Feier mit meinen Kameraden wieder allein war. Diese „Stimme von oben“ (Hans Goe­ bel), wie ich sie im Programm genannt habe, meldete sich noch ein zweites Mal, nachdem ich das Adagio aus der sogen. Mondschein­ sonate von Beethoven vorgetragen hatte, mit Goethes „Beherzigung“: ,,Feiger Gedanken bängliches Schwanken … “ Mit Robert Schu­ manns „Aufschwung“ schloß der erste Teil. Es gab großen Beifall. Aus Erfahrung wußte ich nur zu gut, wie sehr sich selbst ein kunstbeflissenes Publi­ kum in der Pause eine kleine „Stärkung“ gönnt. Darum hatte ich den Wirt des „Lin­ denhofs“ gebeten, in der Pause im Foyer für die Gäste ein Glas Wein bereitzuhalten. Ich merkte bald, wie sehr dies begrüßt und in Anspruch genommen wurde. Der zweite Teil des Abends begann wieder mit einem kurzen Vorspruch aus meiner Feder. Schloß Benrath hatte mich schon immer an Sanssouci erinnert. Das Bild des dort Flöte spielenden preußischen Monar-

chen lag dabei nicht fern. In den Rahmen der Jahreszeit gestellt, hatte sich folgendes Gedicht ergeben: „Mit weichen Flocken deckt der Schnee Entlaubten Park, erstarrten See. Aus Schlosses königlicher Pracht Dringt hell in weiße, stille Nacht Ein Flötenspiel, erklinget leise Des Thomaskantors neue Weise. Der König spielt, und aus der Feme Erstrahlen leuchtend große Sterne“. Ich setzte mich dann wieder an den Flügel, an dem sich so herrlich und mit so wunderba­ rer Akustik musizieren ließ, und wartete eine ganz kleine Weile. Dann kam, wie durch den Vorspruch vorbereitet, die zweite große Überraschung der Soiree: Von irgendwoher erscholl, wiederum unsichtbar, dem Klange nach offensichtlich diesmal aber nicht aus der Kuppel, eher durch eine offenstehende Tür von draußen her, der weiche, fast kla­ gende Ton einer Flöte, deren Weise nach ein oder zwei Takten von mir am Flügel zurück­ haltend untermalt wurde. Es war Bachs berühmte Cantate zum HI. Geist. Woher kam diese Flötenmusik? Wieder muß ich erklären: An dem Abend, an dem mir Gene­ ralmusikdirektor Elmendorf in der Pause sei­ nes Konzerts den Benzinschein versprochen hatte, war ich, noch bevor der zweite Teil des Konzerts begann, mit dem Ersten Flötisten des Orchesters kurzerhand darüber einig geworden, daß er bei meinem Benrather Abend mitwirke. Da im Saal nur Unifor­ mierte anwesend sein würden, hatte ich aus der Not eine Tugend gemacht und ihn als Zivilisten im Nebenzimmer der Rotunde mit seinem Instrument so Platz nehmen las­ sen, daß vom Saale her, nur ich ihn durch den Spalt einer leicht geöffneten Seitentür sehen konnte. Dies genügte zu korrektem, einfühlsamen Zusammenspiel; eine Probe vorher war nicht erforderlich gewesen. Die Noten hatte der Flötist aus einer einschlägigen Sammlung besorgt, die mir von der Hausmusik im Elternhaus her gut bekannt war. Gewählt hatten wir daraus klassische Stücke, die mein Vater früher auf der Böhm�erflöte, von mir am Klavier begleitet, geblasen hatte. Im Rundsaal kam jetzt der wie aus einem Orche­ stergraben etwas abgedeckte, dabei unsicht­ bare Ton des Instruments bei der Kerzenbe­ leuchtung sehr gut an. Die Überraschung der Zuhörer, die wieder vor einem Rätsel stan­ den, war vollendet. Nach zwei klangschönen Arien von Hän­ del, die der Flötist, wiederum von mir beglei­ tet, noch spielte, trug ich noch je eine Kom­ position von Beethoven und Mozart vor. Sie wurden, erneut unerwartet, unterbrochen durch die „Stimme von oben“, die einige Zei­ len aus Goethes Gedicht »An den Mond“ („Füllest wieder Busch und Tal .. . j sprach. Nach herzlichem Beifall war mein Benra­ ther Schloßkonzert damit zu Ende. Der Leutnant verabschiedete die hohen Gäste, ohne daß viel Worte gemacht wurden, an der Portaltüre. Seine persönliche Anerkennung und Freude über die gelungene Darbietung war wie die meiner Kameraden aufrichtig und ungeteilt. Zu seinem Leidwesen mußte er mir wenige Tage später vom Kommandeur ausrichten, ich möge künftig, auch und gerade bei solchen Veranstaltungen, nicht die gebotene »stramme Haltung“ vernachlässi­ gen, wenn er mit mir spreche. Gemeint war eine kurze Begegnung, die ich in der Pause mit dem Kommandeur hatte. Im übrigen, so habe der Kommandeur noch gesagt, sei der Abend „nett“ gewesen, der Wein „sehr gut“. Für diese Art der „Manöverkritik“ war ich schon am Abend der Veranstaltung, an dem normalerweise von uns im „Lindenhof“ hätte gekegelt werden sollen, dadurch ent­ schädigt, daß einstimmig beschlossen wurde, das Kegeln ausfallen zu lassen, um „die schöne Stimmung nicht zu verwischen“. Der Wirt des „Lindenhofs“, der ohne mein Wis­ sen mit seiner Frau und zahlreichen Freun­ den und Bekannten unerkannt vom Hinter­ grund einer Balkonloge her die Soiree mit­ erlebt hatte, kredenzte mir einen Ehren­ trunk. Von diesem 20. Januar 1940 führte inso­ weit dann ein langer Weg, der durch Krieg, 255

Wett-Lauf Gefangenschaft, Nachkriegszeit und Dienst­ tätigkeit in Justiz und Finanz oft erheblich unterbrochen wurde, über Berlin, Paris, Baden-Baden und Freiburg in den Schwarz­ wald nach Bad Dürrheim. Dort konnte ich mich im sogenannten Ruhestand im Laufe von fast 10 Jahren mit jährlich rund sieben literarisch-musikalischen Veranstaltungen Der Atem der Zeit überholt Deine Schritte im Wett-Lauf nach dem Leben In Ordnern: Gesichter, Gefühle sorgfältig ab-gelegt … An-gedeutete, mechanische Bewegungen im Zeit-takt: MENSCH! … Das Gesicht sehend, erblickte er seme Ober-fläche … In Deiner Zelle ,,sozialer Wohnungsbau“ sitzt Du täglich vor dem Bildschirm der vermittelten Tat-sachen Spiegel-Bild Frei-Zeit Frustration voll und ganz meinen künstlerischen Nei­ gungen widmen, wofür ich dankbar bin. Oft habe ich mich in all‘ den vielen Jahren gefragt, was wohl aus den Vorgesetzten und Kameraden, die das Benrather Fest miterlebt haben, in den anschließenden schrecklichen Kriegszeiten geworden sein mag. Dabei trinkst & rauchst Du den mehrfach versteuerten Lebens-genuß Zer-brochen an Deiner Einsamkeit aus Angst: Die Wahrheit könnte stimmen … Du fällst in Dich hinein und ertrinkst an Deinen Lügen … Zwanzigjährig um Freiheits-ideale kämpfend, gegen Alles eingestellt … Jetzt: Hinter einem Schreibtisch an der eigenen „Bürgerlichkeit“ erstickt … Lebensstil Bernhard Brommer – Modeme Lyrik MENSCH 256

Aus der Gedichtfolge ,,Fußgängerzone“ Von Jürgen Henckell Tagesnachricht „Beim heftigen Orkantreiben haben mehr als 600 Menschen den Tod gefunden“ Woher weiß man, daß der Tod gesucht wurde? … Stadtbilder I Über den Tälern Du möchtest Vogel sein und fliegen, beflügelt nur von deiner Lust, die Schwere, die dir jetzt bewußt wie selten, einmal zu besiegen und in des Schöpfers Hand zu liegen so leicht wie eine Vogelsbrust. Wohin du kommst; Die Städte tragen schon die gleiche Uniform der Sachlichkeit – und nennen sie, zentral und peripher, Entwicklung. Doch rundum entwickeln sich allein die Schatten ihrer Riesen, und nur Linde, Palme, Maulbeerbaum, wenn nicht ein Wort auf einem Schild, erleichtern dir zonale Eigenart. Ein paar Fassaden aus dem Trödelladen der Erinnnerung versuchen sich Verstellungskunst Die junge Mutter schrie ihr Kind an und kurz darauf lächelte sie ihre Nachbarin an Stadtbilder II für Ansichtskarten bunt zu mausern und wie jede Minderheit vom Größeren sich arrogant zu distanzieren -oder weiter eingeengt auch schüchtern anzubiedern, aber das schafft lediglich Verlegenheiten beiderseits. Da hat wer mutig oder nur für Rätsellöser dort in grauer Un-Natur, um mit dem Kopf nicht immer gegen eine Wand zu rennen, einen Wald naturalistisch an die Wand gestellt – Will einer mit dem Kopf ganz einfach durch die Wand, stößt schmerzhaft er sogleich darauf, wie weit die Sehnsucht geht, wohin sie führt, die sich nur Bilder macht. Auf eine andre Wand hat irgendwer ins Himmelblau ein Wolkenreich 257

In einer Kunstausstellung gemalt, das unterm Giebel festgelegt nicht weiterzieht und mit der Zeit verstaubt- wie jeder Traum, der den Ersatz für Freiheit hält. II Immer wieder werden diese bunten ANSICHTSKARTEN stark vergrößert an Betrachter adressiert, die dann ungefordert von bequemer Warte Emotionen reflektieren – doch erschrecken, wenn die Ansichtssache in idyllischen Verstecken das Gewohnte absichtsvoll verwendet, um als Wespe oder Skorpion ganz unerwartet zuzustechen – und das Ungewohnte als Erfahrung zu lokalisieren. III Auch die Blicke flüstern – Fingerkuppen wischen suchend über Nachgedunkeltes, als könnten sie den Morgen dieser ungewollten Nacht der Farben neu entzünden – 258 In einer Kunstausstellung Mobliertes Grün Doch ertastbar sind auch hier nur alle Spuren der Vergänglichkeit. Jedem Menschenschicksal folgen später, aber unabwendbar seine Bilder in das Zwielicht der Verfälschung, in das Dunkel oder ins Verblassen-. Die Entdecker rar gewordener Oasen sind dabei, die Wälder mit den ländlich übersetzten Wünschen des Gewohnten möglichst wohnlich zu möblieren und zu scharf Gegrilltes auf den Rosten mit Ozon dosiert zu würzen, alles der Erholung wegen in den Wäldern, die sich selbst erholen möchten, doch nur in den Ruhepausen die Visitenkarten ihrer lauten Schuldner lesen dürfen. Am Morgen blüht die Heiterkeit in einer Blume auf, die nachts geweint, doch in den letzten Tränen schon den Lerchenflug in Wendeln hochgeschraubter Lust an Licht und Leben spiegelt. Nach dunklen Träumen

Aus fernen Tagen: Der Schwarzwälder Bauer Der Schwarzwälder Bauer ist entweder reich oder arm, entweder Herr von vielem oder Tagelöhner. Der reiche Bauer ist Besitzer eines Hofes und einiger hundert Morgen Waldungen. Das Holz verkauft er am Stamm oder ver­ flößt es in den Rhein und nach Holland. Sein Holzhandel trägt ihm mehr als man­ chem Edelmann seine Baronie oder Graf­ schaft. Darum hält er sich seine eigenen Wagenpferde und eine schöne Equipage, aber der Kutscher auf dem schwebenden Bock trägt Lederhosen und einen Dreispitz. Er selbst sitzt drinnen im Gefährt und lehnt sich in eine Ecke wie einer, der’s gewohnt ist, in Chaisen zu fahren, und um seine Schul­ tern hängt ein feintuchener Mantel mit herr­ lichem Pelz besetzt, aber Rock und Schuhe und Strümpfe sind die eines gewöhnlichen Schwarzwälders. Sein Keller ist gefüllt mit Rheinwein und Champagner, aber er ißt Sauerkraut und Schweinefleisch und Kartof­ feln mit seinen T aglöhnern. Er sitzt daheim im wohlgepolsterten Altvatersessel, angetan mit dem seidenen Schlafrock, aber seinen Kopf ziert eine weiße gewobene Schlaf­ mütze, und seine Hände sind rauh von der Arbeit mit der Hacke. Er besitzt die schönsten geschliffenen Kommoden, aber wenn du die Schubladen aufmachst, so findest du neben dem reich­ sten Silberzeuge vielleicht einen Radschuh oder eiserne Ketten. Auf einem eleganten Teetische stehen geschliffene Gläser und ein Teeservice; aber in der Ecke hängt eine haushohe Uhr mit schwerem Behänge, die den Kuckuck alle Stunden hören läßt, und wie sie auch bei dem geringsten Schwarzwälder zu treffen. Du sitzest auf dem bestgepolsterten Sofa mit gewirktem Zeuge bezogen, aber daneben steht ein roher tan­ nener Stuhl, und im Hause findest du kein Buch zur Unterhaltung und Belehrung, die Bibel ausgenommen. Anders steht es mit dem armen Schwarz­ wälder. Er ist Holzhauer, Flößer, Kohlen­ brenner, Uhrenmacher, Fabrikarbeiter und Feldtaglöhner, wie man es haben will. Zwar mit den Äckern hat man nicht viel zu tun. Höchstens muß am Bergab hange ein Hafer-, Flachs- oder Kartoffelland behackt werden, was meist die Frauen tun, oder ist im tiefsten Tale die Wiese zu bewässern, damit sie sie­ benfachen Ertrag das Jahr hindurch gebe. Mehr Geld verdient er in den Hammerwer­ ken, deren laute Schläge Tag und Nacht gleichmäßig forttönen, in den Glashütten und Pottaschen- oder Terpentinsiedereien. In tiefer Winterszeit setzt er sich auch wohl hin und schnitzelt Löffel und Schaufeln und Schachteln, oder er macht Uhren, deren jährlich über 100 000 vom Schwarzwalde versandt werden. Als Flößer in seinen zwei Ellen hohen Stiefeln, die ihm bis an den Leib gehen, durchwandert er die Welt vom Anfang des Neckar-, Nagold- und Enztales bis hinab nach Mannheim oder gar noch weiter. Manchmal auch kauft er sich ein Paar Pferde, wenn er soviel Wiesen hat, um sie zu nähren, und schafft sich Holz an und Kohlen um niedrigen Preis und fährt hinab in’s Unterland nach Tübingen und Stuttgart und verkauft’s mit Profit und handelt dafür ein, was er nicht hat: Stroh und Frucht und Gemüse und Wein. Übrigens liebt er den Wein nicht sehr, absonderlich weil er ihm zu teuer ist, sondern begnügt sich mit Brannt­ wein, den er sich aus Heidelbeeren und Wacholderbeeren selbst bereitet; denn diese Früchte wachsen in Menge im Walde, und die Kinder sammeln die Beeren und verkau­ fen sie sirnriweise. Seine Lieblingsspeise das ganze Jahr durch sind Kartoffeln und dann wieder Kartoffeln und dann etwas Sauerkraut und Speck und dann noch einmal Kartoffeln. Der Schwarzwälder Bauer ist klein und mager wie seine Pferde, zum Bergsteigen ist braun- geeignet; seine Gesichtsfarbe 259

Das Mädchen aus der Baar schwarz wie das Getäfel in seiner niedern Stube. Kälte und Wärme verträgt er gleich gut. Denn im hohen Sommer glüht die Sonne fast unerträglich in die tiefen Täler hinein, und der Winter dauert fast neun Monate. Das Holz weiß er nicht zu sparen; denn man heizt im Sommer ein wie im Winter, und in den Stuben mit den unge­ heuern töneren Öfen kann nur ein Schwarz­ wälder die Hitze ertragen und sich sogar noch behaglich dabei fühlen. Er ist arbeitsam, treuherzig, gelenkig, geschickt zu allen Hand- Im Stil des Biedermeiers Sie ist blond, nicht sehr groß, sehr schlank und zierlich gewachsen, hat rote Wangen, feine Züge, blaue Augen und rote Strümpfe. Die roten Strümpfe sind ihre Hauptauszeich­ nung; ein Mieder -nun das tragen andere Schwabenmädchen auch, obwohl bei ihnen die Brust vielleicht nicht so fest eingeschnürt ist; einen Faltenrock -nun den hat man überall im ganzen Oberlande, nur vielleicht nicht so kurz, denn er geht bloß bis auf die Knie und nicht so sehr faltig, denn die Baar­ mädchen brauchen oft 14 bis 18 Ellen dazu und haben einen Bausch um die Lenden, wie wenn sie schon 14 Kinder geboren hätten, und der Rock ist so schwer, daß eine schmächtige Person es nicht darin aushalten könnte; lange Zöpfe -nun solche tragen alle Bäuerinnen des Schwabenlandes, nur nicht vielleicht so lang und nicht so breit und keine so breite und schöne Bänder darin; aber rote Strümpfe und ein solches Bein darin, das hat bloß ein Mädchen aus der Baar. Im Winter sind sie angenehm, diese Strümpfe,aberimSomrner-wollene Strümp­ fe! Denn nicht jede hat soviel Geld, um baumwollene oder leinene von dieser Farbe zu kaufen. Ein Mädchen aus der Baar ist so herzig als sein Mund und so treuherzig als seine Sprache. Es trägt ein Hütchen von gelbem 260 arbeiten, erfinderisch und abergläubisch. Im Winter in den Spinnstuben, da erzählen die alten Mütterchen die Märchen von den Berg­ geistern, und die Jungen hören andächtig zu. Seine Hütte steht meist isoliert, sie ist klein und niedrig mit weit vorstehendem Dache und einer Altane, die zu den Schlafstellen führt. Hinten geht das Dach bis auf den Boden. Dicht am Hause ist stets ein Brunnen oder eine Quelle. Die Stelle des Lichts ver­ tritt eine Lampe von Teer oder nicht selten auch hell flackerndes Spanholz. Stroh, stülpt es auf das linke Ohr und um das Hütchen herum windet es ein schwarzes Band. In der Trauer kommt das schwarze Band weg. Sie ist sehr verliebter Natur, aber du irrst dich sehr, wenn du glaubst, sie leicht ver­ führen zu können, weil sie freundlich gegen dich ist. Sie traut dir nicht, weil du fremd bist, und wenn du auch noch so schöne Worte machst. Ihren Buben aber hat sie über alles lieb und gesteht ihm auch alles zu, und ihr Bub liebt sie wieder und heiratet sie noch zur rechten Zeit. Das Kiltgehen ist in der Baar ebenso gut Sitte als in der Schweiz. Sie singt gern und tanzt gern. Einige Aus­ drücke wie: Oineweg (dennoch), dovo ist koi Red (nein Gott behüte}, Hent d’Wahl (ist mir einerlei) usw. kannst du nur aus ihrem Munde anhören. Am hübschesten ist sie, wenn sie Heu zusammenrecht. Die Beiträge „Der Schwarzwälder Bauer“ und „Das Mädchen aus der Baar“ ent­ nehmen wir-mit freundlicher Genehmi­ gung des Konrad-Theiss-Verlag Stuttgart dem 1979 erschienen Band „Schwäbische Arche Noah“, deren Erstdruck aus der Feder von Carl TheodorGriesinger 1838- also 3 Jahre nach Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahn -unter dem Titel „Silhouetten aus Schwaben“ erschienen ist.

Goethes Begegnung mit einem Baaremer Im November 1787, also 12 Jahre nach sei­ ner Ankunft in Weimar, trifft Goethe – inzwischen geadelt und zum Sachsen-Wei­ marischen Staatsminister ernannt – in Rom mit einem jungen Gelehrten zusammen, und zwar anläßlich einer Fackelbeleuchtung der Denkmäler im Kapitolinischen Museum. Es ist der aus Behla gebürtige, spätere Professor der Archäologie Ludwig H i r t . Goethe beschreibt das denkwürdige, kul­ turgeschichtlich bedeutsame Zusammen­ treffen in seiner „Italienischen Reise “ so : „Bei einer so feierlichen Gelegenheit ist es der Erinnerung gemäß, auch Herrn Hirts zu gedenken, der unserm Verein auf mehr als eine Weise nützlich und förderlich gewesen. Im Fürstenbergischen 1759 geboren, fand er nach zurückgelegten Studien der alten Schriftsteller einen unwiderstehlichen Trieb, sich nach Rom zu verfügen. Er war einige Jahre früher daselbst angekommen als ich und hatte sich auf die ernstlichste Weise mit alten und neuen Bau- und Bildwerken jeder Art bekannt gemacht und sich zu einem unterrichteten Führer von wißbegierigen Fremden geeignet. Auch mir erwies er diese Gefälligkeit mit aufopfernder Teilnahme … Seine theoretischen Ansichten über Kunst gaben in dem streit- und parteisüchtigen Rom vielfältige‘ Gelegenheit zu lebhaften Diskussionen … “ Mit echt Goethe’scher Distanz und inne­ rem Schmunzeln geht nun Goethe auf dies Hin und Her der Kunstansichten näher ein und beschließt das Kapitel mit der einsichts­ vollen Feststellung: „Weil aber die Kunst im Tun und nicht im Reden besteht, man aber dennoch immerfort mehr reden als tun wird, so begreift man leicht, daß dergleichen Unterhaltungen damals grenzenlos waren, wie es bis in die neuesten Zeiten geblieben ist.“ R. St. Der Minkhoof Miar sind uf em Minkhoof friar gsessa als Buursliit grooß uf der Böör, miar hond ii’ser oaga Broot gessa, – ou d’Mile ischt oaga gsii‘, jö wääger wöör! sind Richter und Vegt gsii‘ wol a hundert Jöör. Jetz sind mer zwöör fiernäame Mai’tscha und Herraliit uf däara Welt, mit Schlips und mit Huat und mit Hai’tscha, Uf Riinela hond miar friar ghouba schau‘ gottgriisig Tanna mit Stolz, und hond ii’sra Dachstual ufbouba mit Schparra samt Schindla vum oagena Holz. Miar hond kinda fischa-n-und jaga im Nekker, im oagena Waald, koan Schuhes ischt jee ii’s an Kraga, koan Jäger, koan Ferschter hät aa’gwendt sii‘ Gwaalt. Und näamerd hät iber is gscholta, und näamerd gfiat vu-n-is a Gföör, miar Minkhoofer hond ebbis golta, aber uu’ne a Meckile Feld! Otto Benzing Freundliche Mahnung 0, kostet mehr denn je die Stunde! Ich ruf es laut in froher Runde. O liebt und lebt! Noch ist es Zeit. Bedenkt: des Himmels Seligkeit Verblaßt vor einem Erdentag Mit seiner Lust und seiner Plag‘. Denn droben sind wir nur noch Schatten Wenn auch auf immergrünen Matten. Ernst Roskothen 261

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Bernhard Everke wurde am 27. Sep­ tember 1981 als Bürgermeister der Stadt Donaueschingen auf weitere 8 Jahre wieder­ gewählt. Von den abgegebenen gültigen Stimmen erhielt der Amtsinhaber 92 %. Die Wahlbeteiligung betrug 38,6 %. Die zweite Amtsperiode hat am 19. November 1981 begonnen. Karlheinz Schneider, der Bürgermeister der Stadt Vöhrenbach, wurde am 25. Okto­ ber 1981 auf weitere 8 Jahre wiedergewählt. Bei einer Wahlbeteiligung von 51,3 % entfie­ len 98 % von 1362 abgegebenen gültigen Stimmen auf den Amtsinhaber. Die zweite Amtsperiode hat am 10. Dezember 1981 begonnen. Willi Klein beging am 3. November 1981 sein 25jähriges Jubiläum als Bürgermeister von Tuningen. Zum ersten Mal im Jahre 1956 zum Bürgermeister von Tuningen gewählt, leitet er seither die Geschicke dieser Gemeinde. Landrat Dr. Gutknecht sprach ihm in einer Feierstunde die Glückwünsche des Landkreises aus. Johann Reiser, der langjährige Verwal­ tungsdirektor des Kreiskrankenhauses in Donaueschingen, ist am 29. 11. 1981 überra­ schend verstorben. Nach Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft trat er im Jahre 1948 bei der Stadtverwaltung Donaueschingen ein und wurde im Jahre 1955 Krankenhausverwalter des Städtischen Max-Egon-Krankenhauses, das mit der Er­ öffnung des neuen Gebäudes im Jahre 1974 in die Trägerschaft des Landkreises überging. Die Nachfolge von Johann Reiser hat mit Wirkung vom 1. 2.1982 der langjährige Kreis­ kämmerer Heinz Krug angetreten. Krug war seit 19. 11. 1956 im ehemaligen Landkreis 262 Donaueschingen tätig und leitete seit der Entstehung des Schwarzwald-Baar-Kreises die Kämmereiverwaltung. Neuer Kreiskämmerer: Als Nachfolger von Herrn Krug wurde Rolf Schmid, lang­ jähriger Mitarbeiter in der Kämmerei, mit Wirkung vom 1. Februar 1982 zum neuen Kreiskämmerer bestellt. Der Kreistag hat ein­ stimmig seine Ernennung zum Kreisverwal­ tungsrat beschlossen. Gottlieb Rombach wurde vom Kreistag am 7. 12. 1981 als neuer Kreisbrandmeister gewählt. Er tritt die Nachfolge des langjähri­ gen Kreisbrandmeisters Kurt Hog an. Herr Rombach war seit 1976 Feuerwehr­ kommandant in Schonach i. Schw. und seit 1978 stellvertretender Kreisbrandmeister. Gute Nachbarschaft mit dem Kanton Schaffhausen. Im Berichtszeitraum fanden zwei weitere freundschaftliche Treffen zwi­ schen Vertretern des Kanton SchaHhausen und des Schwarzwald-Baar-Kreises statt. Am 26. 8. 1981 fuhr Landrat Dr. Gutknecht mit einer Abordnung des Kreistags in den Nach­ barkanton, wo sie von Regierungsrat Bernhard Stamm in traditionell herzlicher Weise empfangen wurden. Zu einem Gegenbesuch weilte eine Abordnung aus dem Kanton SchaHhausen, an der Spitze wiederum Regierungsrat Bernhard Stamm, am 19. 8.1982 im Schwarzwald-Baar-Kreis. Unter dem Motto: Kunst und Kultur im Schwarzwald­ Baar-Kreis wurden die Kirchen in Ried­ böhringen und Mundelfingen besichtigt sowie die Fürstenberg-Sammlungen in Donaueschingen und das Uhrenmuseum in Furtwangen besucht. Zum Abschluß der Tag­ fahrt stattete man dem renovierten Münster und dem kurz vor der Vollendung stehenden Franziskanermuseum im Stadtbezirk Villingen einen Besuch ab.

Orden, Medaillen Landespreis für Dr. Max Frommer. Dienstältester Bundestrainer: Seit mehr als ,,lrsingen -Kulturkunde einer kleinbäuerli­ 10 Jahren ist Heinz Pfeiffer aus Villingen­ chen schwäbischen Gemeinde“, war das Schwenningen Honorarbundestrainer des Thema von Dr. Max Frommer aus Schwen­ Bundes Deutscher Radfahrer und damit ningen, dem der mit 5000 Mark dotierte, dienstältester Bundestrainer. In dieser Zeit erstmals verliehene Landespreis für Heimat­ erreichten die von ihm betreuten Radsportler forschung zuerkannt wurde. In dieser Schrift 129 Medaillen bei Europa-und Weltmeister­ stellt der Oberstudiendirektor im Ruhestand schaften. Auch kommunal politisch ist Heinz in einmaliger Weise die Lebensverhältnisse Pfeiffer aktiv: von 1968 bis 1972 gehörte er in seinem Heimatort zu Beginn dieses Jahr­ dem Stadtrat der ehemaligen Stadt Schwen­ hunderts dar. Gemeinsam mit der Landesre­ ningen und seit 1972 dem Stadtrat von gierung hat der Württembergische Genossen­ Villingen-Schwenningen an. Seit Oktober schaftsverband den Landespreis für Heimat­ 1979 ist er Mitglied des Kreistages des forschung ins Leben gerufen. Schwarzwald-Baar-Kreises. Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1981 aus­ gezeichnet: a)mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: (Die Abkürzungen bedeuten: VK = Verdienstmedaille, VK a. B. -Verdienstkreuz am Bande). Anderer, Emil 30. 07. 1981 VK a. B. Villingen-Schwenningen Beistier, Herbert 17. 02. 1982 VK a. B. Donaueschingen Abt Dr. Böhm, Wolfgang 17. 03. 1982 VK a.B. Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Brieger, Friedrich Gustav 24. 09. 1981 VK a. B. Bad Dürrheim 25. 03. 1982 VK a. B. Unterkirnach Glatz, Helmut 11. 12. 1981 VK a.B. Furtwangen Dr. Guttenberg, Friedrich Hauser, Emil 29. 06. 1981 VK a.B. Donaueschingen Hauser, Karl Hans 31. 08. 1981 VK a.B. Villingen-Schwenningen 10.05. 1982 VK a. B. Villingen-Schwenningen Kirchberg, Heinz 22. 09. 1981 VK Furtwangen Koch, Carla 21.12. 1981 VK a.B. Furtwangen Stud. Dir. Panther, Klaus 28. 08. 1981 VK a. B. Villingen-Schwenningen Schleicher, Hans Sehmieder, Ernst 27. 04. 1982 VK a. B. Schonach Sauser, Martin 28. 08. 1981 VK a. B. Bad Dürrheim-Oberbaldingen 02.06. 1982 VK a. B. Donaueschingen Stegmann, Max Uttenweiler, Konrad 23. 02. 1982 VK a.B. Furtwangen Zähringer, Lothar 24. 11. 1981 VK a.B. Vöhrenbach b) Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg: Holtzhauer, Herbert Villingen-Schwenningen 08. 05. 1982 c)mit der Zelter-Plakette: Hüfingen 19.12. 1981 Gesangverein Liederkranz 1844 263

Ausländer in Zahlen Stand: Ausländerbetreuungsprogramm 1981 (Fortschreibung 1982) •Jeder 9. Einwohner im Schwarzwald-Baar-Kreis ist ein Ausländer (das sind bei insgesamt 199 000 Einwohnern 22 000 Ausländer). •Die häufigsten Nationalitäten sind: Jugoslawen Spanier 32 % 5,1 % Türken Griechen 24,1 % 3,6% 23,4 % Sonstige Italiener 11,8% •Der Ausländeranteil in den Gemeinden beträgt in: Bad Dürrheim 4,9 % Mönchweiler 10,7% 11,8 % Blumberg 6,1 % Niedereschach 12,4 % Bräunlingen St. Georgen 13,5% 6,8 % Brigachtal 3,2 % Schönwald Dauchingen 5 % 8,9% Schonach 8,9 % Donaueschingen Triberg 9,9% Furtwangen 10,5 % 8,7% Tuningen Gütenbach 3,6 % 11 % Unterkirnach Villingen-Schwenningen 10 % 14 % Hüfingen 5,2 % Königsfeld Vöhrenbach 14,1 % •Jedes 4. Neugeborene ist ein Ausländerkind. •Der Anteil der ausländischen Schüler sieht wie folgt aus: 15,5 % bei Gymnasien 2,4% bei Grundschulen 14,8 % bei Sonderschulen bei Hauptschulen 14,5% 1,6 % bei beruflichen Schulen 4,7% bei Realschulen •Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist etwa jeder 7. Arbeitnehmer ein ausländischer Erwerbstäti­ ger. •Etwa 75 % aller ausländischen Erwerbstätigen arbeiten in Industriebetrieben mit 20 und mehr Beschäftigten. •Die höchste Anzahl an ausländischen Arbeitnehmern finden wir -in den Gemeinden Villingen-Schwenningen und St. Georgen -in größeren Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten -in den Branchen Elektro, Feinmechanik -Optik -Uhren, Metall. 264

Bevölkerungsentwicklung 7737 Bad Dürrheim 7712 Blumberg 7715 Bräunlingen 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen 7743 Furtwangen 7741 Gütenbach 7713 Hüfingen 7744 Königsfeld 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen 7741 Schönwald 7745 Schonach 7740 Triberg 7201 Tuningen 7731 Unterkirnach 7730 Villingen-Schwenningen 7741 Vöhrenbach Kreisbevölkerung 1. 1. 1982 10.153 10.156 5.523 4.874 2.707 18.100 10.536 1.485 6.239 5.381 2.997 4.438 14.980 2.489 4.940 6.218 2.284 2.578 78.507 4.234 198.819 1. 1. 1981 10.196 10.223 5.580 4.779 2.672 17.762 10.689 1.485 6.207 5.439 3.009 4.322 15.273 2.472 4.968 6.365 2.322 2.580 78.904 4.323 199.570 �·6 in% Veränderungen in Zahlen 43 67 57 + 95 + 35 + 338 153 +!- 0 + 32 58 12 + 116 293 + 17 28 147 38 2 397 89 751 0,4 0,6 1,0 + 1,9 + 1,3 + 1,9 1,4 +l-0,0 + 0,5 1,0 0,3 + 2,6 1,9 + 0,6 0,5 2,3 1,6 0,0 0,5 2,0 0,3 Ergebnisse beim Kreiswettbewerb 1982 ,,Unser Dorf soll schöner werden“ Mit ,,Auszeichnung“ für den Kreissieger Geldpreis DM Mühlhausen Mit „sehr gut“ Tuningen Buchenberg Dauchingen Kappel N iedereschach Schabenhausen 1.000 900 800 750 750 700 700 Mit „gut“ Fischbach Gremmelsbach Biesingen Aasen Unterbränd Oberbaldingen Döggingen Geldpreis M 650 600 550 500 500 450 400 265

Farbreproduktionen und Foto-Nachweis Die Farbreproduktion auf der Titelseite (Autor: German Hasenfratz, Hüfingen) zeigt das Villinger Münster mit dem Münsterplatz an einem Markt­ tag (siehe dazu den Beitrag »Zur Renovierung des Münsters“ auf Seite 136 ff.). Die Rückseite des Almanach schmückt ein Erzeugnis der Schwarz­ wälder Glashütten, heute im Besitz des Schwen­ ninger Heimatmuseums (Davon handelt auf den Seiten 160-165 der Beitrag von Museumsleiter Dr. M. Reinartz über Schwarzwälder Glas). Unsere Wiedergabe zeigt: Schnapsflasche aus farblosem Glas über hochgestrichenem Boden, der achtkantige Gefäßkörper mit angesetztem Stummelhals und Zinnschraubverschluß (:/er­ schlußkappe fehlt); in mehrfarbiger Emailmale­ rei: Auf der Vorderseite eine alte Jungfer, einen dürren Zweig (als Symbol der Unfruchtbarkeit) in der Hand haltend, auf der Gegenseite in weißer Schrift die Worte: »ohne ein man zu sein ist mir keine pein“, an den Seitenflächen mehrfarbige Blattmotive, an den Diagonalflächen bunte Blu­ men zwischen weißen Schlingenmotiven, auf der Schulter ein rotgelber Blattkranz. Höhe 14,6 cm. Schwarzwald, Ende 18. Jahrhundert. Die Kunstsammlung Dieter Gräßlin, St. Georgen, wird auf den Seiten 149-159 in Farbbildern vor­ gestellt. Für die Reproduktionen zeichnet das Ate­ lier Repro-Service Kötz, Villingen-Schwennin­ gen. – An der Reproduktion und am Druck der Bilder hat sich die Firma Gräßlin finanziell betei­ ligt. Die Redaktion dankt auch an dieser Stelle für die freundliche Unterstützung. 266 Foto-Nachweis für die weiteren Aufnahmen im Innern des Jahrbuches (Die Zahlen nach der Autor-Angabe beziehen sich auf die jeweiligen Textseiten): Otto Kritzer, Bräunlingen: 4, 33, 35, 171.-German Hasenfratz: 12, 137. -Gunter Sehär­ ger: 15. -Theo Arnold, Mönchweiler: 18, 19. -Foto Wehinger, Bad Dürrheim: 28, 29. – Bildarchiv Südkurier, Villingen: 31. – Foto-Maier, Furtwan­ gen: 40, 67. – Fa.Jos. Burger Söhne, Schonach: 52. – Rosemarie v. Stromheck: 55, 61, 147. – Gerd Steinbach: 57. – Firma Dual: 59. – Georg Goer­ lipp: 62, 124, 125, 127. – Herbert Dold: 64. -Käthe Fritschi: 69, 188. – Foto Reich, Donaueschingen: 74. -Gerhard Kiefer: 79, 222. -]. G. Schnitzer: 87, 89. – Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Freiburg: 90, 91, 92, 93, 141, 142. – Hans Letule: 94, 95, 96, 97. – Verlag Schöning u. Co., Lübeck: 99. – Helmut Heinrich (vermittelt durch): 102, 103, 104, 105, 106, 107, 109, 110. – Foto Carle, Triberg: 113, 114, 176, 177. -Stadtarchiv Rott­ weil: 116. – Franz Gottwalt: 122. – Lorenz Honold: 123, 144, 145. – Foto Biermann, Mönchweiler: 131. – Heimatmuseum Schwenningen: 161, 162, 163. – Verwaltungsrat Blümel, St. Georgen: 166. -Klaus­ Peter Friese: 168, 169. – Atelier Christiane Hart­ mann, Berlin: 170. – Wilfried Dold: 172, 173, 174, 236. -Helmut Müller(Südwest-Presse): 182, 183. – Werner Müller (Südwest-Presse): 182, 183. – BZ­ Archiv Villingen (Karger): 185. – Karl Zimmer­ mann: 204. – Alfred Naumaier: 215. – Foto Sauer, Villingen: 227. – Studio Wöhrstein, Blumberg: 228. – Foto Grill, Donaueschingen: 229, 249. -Jürgen Henckell: 238. – Hansjörg Hall, Furtwangen: 245. -Klaus Willner: 248. -Hermann Colli, Villingen­ Schwenningen: 248. -Helmut Ulbrich,Bad Dürr­ heim: 210. – Erich Möck: 48, 59. – Kath. Pfarramt Gütenbach: 76, 77. – Fa. Schnurr GmbH, Villin­ gen-Schwennigen: 208. – Privat-Archiv Dr. Max Güde: 225. – Gemeindearchiv Schonach: 240.

Die Autoren unserer Beiträge Astfäller, Dr.Josef, Landrat i.R., Am Warenberg 3, 7730 Vill i n g e n-Schwenningen Benzing, Otto, Studiendirektor, Weilerstraße 24, 7214 Zimmern 3 (Flötzlingen} Berg, Walter, Kreisamtsrat, Kaiserring 2, 7730 Vill i n g en-Schwenningen Berweck, Dr. Wolfgang, St. Georgener Straße 25, 7730 Vill i n g en-Schwenningen Bosch, Manfred, Schriftsteller, Neumattenweg 30, 7888 Rheinfelden Brommer, Bernhard, Schriftsteller, Fürstenbergring 9, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Bühler, Professor Dr. Gertrud, Zinzendorf-Schulen, 7744 Königsfeld Burger, Sigrid, Dipl. rer. pol., Hornwald 3, 7745 Schonach Dannecker, Franz, Redakteur, Freiburger Straße 3/2, 7730 Vill i n g e n-Schwenningen Dold, Herbert, Hauptstraße 19, 7741 Schönwald Dold, Wilfried, Redakteur, Schützenstraße 11, 7741 Vöhrenbach Eble, Hermann, Bürgermeister, 7741 Gütenbach Eble, Klaus, in Firma Adolf Hanhart GmbH, 7741 Gütenbach Eichner, Dr. Walter, Kulturamtsleiter, Romäusring, 7730 Vill i n g en-Schwenningen Englert, Dieter, Skiclub Schönwald, 7741 Schönwald Fingerlin, Dr. Gerhard, Oberkonservator, Waldhofstraße 49, 7800 Freiburg Fleig, Rudolf, Birkenweg 8, 7740 Triberg Frank, Hans, Bürgermeister i.R., St.-Blattmann-Straße 10, 7743 Furtwangen Friese, Klaus-Peter, Pforzheirner Straße 25, 7730 Vill i n g e n-Schwenningen Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Glatz, Helmut, Roßackerweg 11, 7731 Unterkirnach Goderski, Wilhelm, Pfarrer, Kath. Kurseelsorge, 7737 Bad Dürrheim Gottwalt, Franz, Hermann-Fischer-Allee 28, 7710 Donaueschingen Günther, Dr. W. , Pfarrer, Zinzendorfplatz 2, 7744 Königsfeld Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 Villi n g e n-Schwenningen Hawner,Johannes, An der Schelmengaß 14, 7730 Vill i n g e n-Schwenningen Hecht, Dr. Winfried, Stadtarchivar, Lorenzgasse 7, 7210 Rottweil Heidinger, Werner, Geschw.-Scholl-Straße 22 a, 7710 Donaueschingen Heinrich, Helmut, Schulamtsdirektor i.R., Waldhauser Straße 12, 7730 Vill i n g en-Schwenningen Henckell,Jürgen, Schriftsteller, Buchbergstraße 3, 7712 Blumberg Herz, Dr. Werner, Oberstudiendirektor, Schanzenweg 10, 7730 Vill i n g e n-Schwenningen Heupel, Wilfried, Redakteur, 7733 Mönchweiler Honold, Dr. Lorenz, Redakteur i. R., Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber, Dr. Erna, Alte Wolterdinger Straße 31, 7710 Donaueschingen Huonker, Christian, Niederwiesenstraße 58, 7730 Vill i n g e n-Schwenningen Keller, Karlheinz, Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Reinhold-Schneider-Straße, 7800 Freiburg Kiefe r, Christiane, Alemannenstraße 13, 7715 Bräunlingen Kirchhofer, Werner, Sportjournalist, Zasiusstraße 120, 7800 Freiburg Kubach, Dr. Rudolf, Hauptgeschäftsführer, Kronengasse 14, 7730 Vill i n g en-Schwenningen 267

Leier, Klaus, Dipl. rer. pol. Oeschweg, 7740 Triberg Letule, Hans, Bondelstraße 25, 7734 Brigachtal Leusch, Dr. Frank Tilmann, Am Blasiwald 22, 7808 Waldkirch-Kollnau Liebetrau, Alfred, Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg, Romäusring 4, 7730 Vi l l i n g e n-Schwenningen Lienhart, Dr. Robert, Landrat i. R., lrmastraße 3 a, 7710 Donaueschingen Maier, Dieter-Eberhard, Rektor, Schillerstraße 3, 7733 Mönchweiler Matawa, Pater Walter,Jugendwohnheim Don Bosco, 7743 Furtwangen Möck, Erich,Joumalist, Kirnachweg 13, 7742 St. Georgen Moser, Jürgen, Brunnenweg 10, 7710 Donaueschingen Müller, Helmut, Redakteur, Beethovenstraße 15, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Müller, Prof.Dr. Wolfgang, Spitzackerstraße 7, 7800 Freiburg Neumaier, Alfred, Bärenplatz 5, 7712 St. Georgen Reich, Eugen, Oberamtsrat, Am Wagrain 16, 7713 Hüfingen Reinartz, Dr. Manfred, Beroldingerstraße 29, 7732 Niedereschach Rieple, Max (t), Schriftsteller, Max-Egon-Straße 2, 7710 Donaueschingen Rohrbach, Hans, Rathausstraße 2, 7744 Königsfeld Roskothen, Dr. Ernst, Finanzpräsident i. R., Breslauer Straße 7, 7737 Bad Dürrheim Schäfer, Karl Rudolf, Redakteur, Eckener Straße 8, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Sehärger, Gunter, Lehrer, Grundtal 10, 7741 Gütenbach Schlenker, Erich, Redakteur, 7743 Furtwangen Schnippe, Klaus, Professor, Ilbenstraße 50, 7743 Furtwangen Schnitzer, Dr.). G., Feldbergstraße 11, 7742 St. Georgen Schubnell, Helmuth, Saarlandstraße 22, 7730 Vi l l i n g e n-Schwenningen Schwenk, Evelyn, Salzstraße 9 A, 7737 Bad Dürrheim Siek, Günter, Bürgermeister, Goethestraße 8, 7733 Mönchweiler Siedle, Horst, Bregstraße 1, 7743 Furtwangen Stärk, Otto, Färberstraße 44, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Steinbach, Gerd, Redakteur, Kantstraße 10, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Steiner, Rolf, Schriftsteller, Alemannenstraße 21, 7730 V i 11 i n ge n-Schwenningen Strombeck, Freifrau v., Rosemarie, Redakteurin, Abendtal 20, 7732 Niedereschach-Fischbach Uttenweiler, Konrad, Altenheim, 7743 Furtwangen Wegmann, Heinz, Redakteur, Bickenstraße 17, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Willner, Klaus, Sonnhalde, 1, 7730 Vi l l i n g en-Schwenningen Ziegler, Dr. Uwe, Wilhelmstraße, 5, 7400 Tübingen Zimmermann, Karl, Eichbergstraße 3, 7712 Blumberg Zolk,Josef, Kanzleigasse 30, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen 268

Inhaltsverzeichnis Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Ordnung/Dem Heimatjahrbuch zum Geleit von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1982/Rainer Gutknecht Badische Gemeindeverwaltungsschule/Walter Berg Werbung mit heimatlichem Brauchtum/Jürgen Moser „Was entdecke ich in meinem Heimatkreis?“ (Schülerwettbewerb) Die Gemeinden stellen sich vor Gütenbach: Paradies für Wanderer und Fotofreunde/Bürgermeister Hermann Eble Das Wappen der Gemeinde Gütenbach/Klaus Schnibbe Sanfte Höhen – Wilde Schluchten/Gunter Sehärger Mönchweiler – Kontrast aus Enge und Weite/Bürgermeister Günter Siek Das Wappen der Gemeinde Mönchweiler/Klaus Schnibbe Der Weiler mit dem Mönch im Wappen/P. Gotthilf Hölzer (t) Behörden und Organisationen Das Wasserwirtschaftsamt Rottweil/Bruno Mössner AOK Schwarzwald-Baar-Kreis im neuen Domizil/P. E. Schweizer Badische Bereitschaftspolizei in Bad Dürrheim/Otto Stärk Schulen, Bildungseinrichtungen Deutschlands größtes Fachschul-lnternat/Heinz Wegmann Der Landkreis baute im Oberzentrum/Helmut Müller 10 Jahre Gymnasium am Romäusring/Werner Herz Die Zinzendorfschulen in Königsfeld/Frau Dr. Bühler Dienst an der Jugend im Geiste Don Boscos/P. W. Matawa Katholische Öffentliche Büchereien im Kreis/Franz Zolk Eine Universität geht auf das Land/Uwe Ziegler W irtschaft und Gewerbe, Handwerk Zur Wirtschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis/Rudolf Kubach Die Anziehungskraft der Firma Binder/Wilfried Heupel Dual – der Niedergang einer Weltfirma/Erich Möck Die Zeit im Griff (Stoppuhren)/Klaus Eble Von den Tüftlern zu soliden Unternehmern (Industrien in Schonach)/Klaus Leier Pionier der Telefonie und Telegrafie/Horst Siedle Aus Fischbach auf den Weltrnarkt/Rosemarie v. Strombeck 2 3 4 4 6 8 9 12 12 14 15 17 19 20 22 22 25 27 31 31 33 35 37 39 41 42 44 44 45 48 49 51 53 55 269

Zwei Generationen Steinei-Werkzeugmaschinen/Gerd Steinbach Arbeiter als „Untemehmer“/Erich Möck In 16 Stunden: 20 000 Kerzen/Rosemarie v. Strombeck Die Schwarzwälder Kuckucksuhr/Herbert Dold Soziales, Fürsorge, Gesundheitswesen Das Furtwanger Altenheim ist fünf Jahre alt/Konrad Uttenweiler Heimstätte für betagte Menschen (F. F. Landesheim)/Käthe Fritschi Im Dienst behinderter Menschen (Haus Wartenberg)/Eugen Reich „Hier Leitstelle Villingen“ (Rotes Kreuz)/Hans Rohrbach Exkursion der Kurseelsorge von Bad Dürrheim nach Gütenbach/W. Goderski Vom Militärlazarett zum Asylantenheim/Gerhard Kiefer Arbeiterkolonie Ankenbuck 1883-1933/Manfred Bosch und Altlandrat Josef Astfäller Vom Korn zum Brot/]. G. Schnitzer Archäologie, Geschichte, Wirtschaftsgeschichte Eine Runeninschrift der Merowingerzeit/Gerhard Fingerlin Die Ausgrabungen im Eggwald 1980/Hans Letule Kirchen und Klöster Villingens im Mittelalter/Wolfgang Müller Das Bickenkloster in Villingen/Helmut Heinrich Der Klosterhof von St. Ursula/Helmut Heinrich Als der Gregorianische Kalender kam/Lorenz Honold Lazarus von Schwendi/Rudolf Fleig Rottweiler Bergbauversuche im Schwarzwald-Baar-Kreis/Winfried Hecht 250 Jahre unterwegs (Herrnhuter Mission)/W. Günther Die Fürstengruft zu Neudingen/Franz Gottwalt Marie Antoinettes Brautfahrt/Georg Goerlipp Die Wiederholung der Radmacher-Wette/Helmut Glatz Der Furtwänglehof/Sigrid Burger Kirchliche Kunst und Denkmalpflege Das Villinger Münster Unserer Lieben Frau/Frank T. Leusch Die Wehrkirche in Urach/Ema Huber Sinkinger Kapelle -vielbesuchtes Kleinod/Rosemarie v. Strombeck Eine Sammlung deutscher Kunst der Nachkriegszeit (Sammlung Dieter Gräßlin)/Heinz Kolerski 270 57 58 60 64 67 67 69 72 73 75 79 81 87 90 94 97 101 108 110 112 115 120 122 125 130 133 136 136 143 146 149 bis 159

Museen und Kunstsammlungen Die Glasabteilung im Schwenninger Heimatmuseum/Manfred Reinartz Gründung des Deutschen Papiermuseums/Dieter-Eberhard Maier Ein hundertfacher „Schloßherr“ (Sammlung K. Kratt)/Klaus-Peter Friese Profane Kunst und Künstlerporträts Der Bildhauer Gerson Fehrenbach/Helmut Heinrich Symbole für Verletzbarkeit (der Furtwanger Bildhauer Hubert Rieber)/Erich Schlenker Der Triberger Maler J. B. Rimprecht/Jürgen Henckell Zehn Jahre Künstlergilde Donaueschingen/Lorenz Honold Stadtsanierung – Modemes Bauen und Wohnen Wie auf einem Marktplatz (City-Rondell in Schwenningen)/Karl Rudolf Schäfer 10 Jahre gemeinsame Stadt Villingen-Schwenningen/Franz Dannecker Vom alten Fachwerkhaus zur Arztpraxis/Käthe Fritschi Jazz und Konzerte Jazz und Swing im Schwarzwald/Walter Eichner Die Heimat in Farben/8 Seiten Bildeinlage Sieben Jahre Meisterkonzerte Villingen-Schwenningen/Dr. Berweck Max Rieple: Aktuelle Lyrik Naturschutz und Heimatpflege Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Wemer Heidinger Alfred Bausch: Die Schmetterlinge, meine Freunde/Karl Zimmermann Remigius Mans von Villingen/Christian Huonker Baaremer Volkskunst/Evelyn Schwenk Stätten der Entspannung Gästebücher der Aselfinger „ Traube“ /Jürgen Henckell Das älteste Gasthaus Gremmelsbachs (,,Staude“)/ Alfred Neumaier Persönlichkeiten der Heimat Andre Noel/ Altlandrat Robert Lienhart Fürst Joachim zu Fürstenberg wird 60/Lorenz Honold Dr. jur. h. c. Max Güde/Karlheinz Keller Reinhold Dietl/ Alfred Liebetrau 160 160 165 167 170 170 172 175 178 182 182 184 187 190 190 193 196 197 197 202 206 209 212 212 215 218 218 221 224 226 271

Ein Schulmann und Heimatforscher (P. Willimski)/Helmut Heinrich Gedenkblatt für Elisabeth Rothweiler/Christiane Kiefer Gisela Mather/Helmut Heinrich Erzähler, Lyriker und Komponist (Ernst Roskothen)/Lorenz Honold 26 Jahre Landarzt im Bregtal (Dr. P. Obergfell)/Wilfried Dold Ferdinand Rothrnund aus Achdorf/Jürgen Henckell Sport und Freizeit „Goldener Ball“ für den Skiclub Schonach/Wemer Kirchhofer Ein Schwarzwälder Skifest (Schönwald)/Dieter Englert Langläufer: Die Adligen des Skisports/ Altbürgermeister Hans Frank Von der Spitzenturnerin zum As am Trampolin/Helmuth Schubnell Eishockey im Stadtbezirk Schwenningen/Klaus Willner Unsere Dichter und Schriftsteller Die Stadt brennt/Kindheitserinnerung von Max Rieple (t) Ernst Roskothen: Das Benrather Schloßkonzert Bernhard Brommer: Modeme Lyrik Aus der Gedichtfolge „Fußgängerzone“ von Jürgen Henckell Der Schwarzwälder Bauer Das Mädchen aus der Baar Goethes Begegnung mit einem Baaremer/R. Steiner Der Minkhoof/Otto Benzing Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Ausländer in Zahlen Bevölkerungsentwicklung Kreiswettbewerb 1982 „Unser Dorf soll schöner werden“ Farbreproduktionen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis Preisrätsel 1983 (Einlage) 272 228 229 231 234 236 237 240 240 241 244 246 247 249 249 252 256 257 259 260 261 261 262 262 263 264 265 265 266 267 269