Almanach 1985

A l m a n a c h 85 S ch w ar zw ald – Baar – Kr e is H e im a t ja h r b u c h d e s S ch w ar z w ald – Baar – Kr e ise s 9. F o lge H e r a u sg e b e r : Lan dr ats am t S ch warzw ald-B aar-Kreis Redakt ion : D r . Rain er Gu tk n ech t, Lan dr at D r. Lor en z H o n o ld , Redakt eu r H elm u t H ein rich , Sch u lam tsd ir ek t or i. R. Fü r den In h alt der Beiträge sin d die jew eiligen Au t or en veran tw ortlich Verlag, D r u ck u n d Gestalt u n g: Todt-Druck G m b H , Villin gen -Sch wen n in gen 1

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1985 G. Rebholz, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim Anne Rieple, Scheffel-Apotheke, Donaueschingen Dr. jur. Ernst Roskothen und Frau Alice, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Alte Wolterdinger Straße 13a, Donaueschingen Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt. des Städt. Krankenhauses Furtwangen Schwarzwälder Metallwarenfabrik Haugg, Triberg Ingenieurbüro für Bauwesen, Dipl.-Ing. (FH) K. Schweizer, ber. lng. BOB, Achdorfer Straße 29, Blumberg SEWO Wohnungsbaugesellschaft Seemann GmbH & Co. KG, Auf der Steig 6, Villingen-Schwenningen S. Siedle & Söhne, Telefon- und Telegrafenwerke GmbH, Bregstraße !, Furtwangen Fanny Simmler-Gramlich, Bundesstraße la, St. Georgen Franz Singer, lnh. E. Ettwein, Papier-und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Tri­ berg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und 40 weiteren Geschäfts­ stellen Josef Straub Söhne GmbH, Wellpappenwerke, Bräun­ lingen Südwestfunk GmbH, Baden-Baden TRW Thompson GmbH, Präzisionsventile für die Motoren-und Automobilindustrie, Blumberg Priv.-Doz. Dr. med. Hans Unseld, Suntheimstraße 20, Donaueschingen Verein für Heimatgeschichte e. V., St. Georgen Die Volksbanken der gemeinsamen Stadt Villingen­ Schwenningen Volksbank der Baar, Bräunlingen Wehrle Uhrenfabrik GmbH, Schönwald Kurt Weisser, Mühlstraße 7, St. Georgen Weisser Winterrnaschinen GmbH, Bräunlingen F. K. Wiebelt, Buchhandlung, Bickenstraße 6-8, Villingen-Schwenningen Dr. med. Fritz Wilke, Villingen-Schwenningen Fr. Winkler KG, Spezialfabrik für Bäckereimaschinen und Backöfen, Villingen-Schwenningen Dr. med. Karl Zäbisch, Hermann-Fischer-Allee 20, Donaueschingen Dr. Claus Zetzsche, Augenarzt, Unterkirnach 7 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünsch­ ten nicht namentlich genannt zu werden. Albert-Schweizer-Klinik, Fachklinik für Herz-, Kreis­ lauf-und Atemwegserkrankungen mit Fachabteilung für Psychosomatik, Parkstraße 10, Königsfeld Möbel-Amann KG, Vöhrenbach Dr. med. dent. Hanno Augstein, Hüfingen Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villingen-Schwenningen Alfred Bausch jr., Rosen-Apotheke, Blumberg Bezirkssparkasse Donaueschingen Bezirkssparkasse Furtwangen Rechtsanwälte Blessing & Berweck und Kollegen, Niedere Straße 92, Villingen-Schwenningen Ingenieurbüro für Gesundheitstechnik, Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen-Schwenningen Dresdner Bank AG, Filiale Villingen-Schwenningen Dr. Ernst Eisenmann, Steuerberater, Bahnhofstraße 52, St. Georgen Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH, Triberg Claus Eller, Zahnarzt, Vöhrenbach Lars Fryckman, Zahnarzt, Kantstraße 28, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Rudolf Geier GmbH, Tuttinestraße 6-10, Bräunlingen Walter Glatz, Freier Architekt, Uhlandstraße 8, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Kolpingstraße 12, Donaueschingen Dr. rned. Egon Hochmann, Hauptstraße 20, Triberg Dr. K. H. Höfler, Hüfingen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Dr. Josef Kury, Zahnarzt, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villingen-Schwenningen B. Lang, Kussenhofstraße, Furtwangen Lauffenmühle GmbH & Co., Lauchringen, Waldshut-Tiengen 2 Dr. Josef Laule, Bräunlingen MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Burgstraße 65, Villingen-Schwenningen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, Villingen-Schwenningen Buch-und Offsetdruck -Repro Merk, Karlstraße 32 – Viktoriastraße 4, Bad Dürrheim Leopold Messmer, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen Dr. med. Paul Obergfell, Leopoldstraße 21, Villingen­ Schwenningen Helmut Ochs, Freier Architekt, Hauptstraße 46, Blumberg Dr. P. Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. E. Pross, VS-Pfaffenweiler 2

Heimat und Familie Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1985 zum Geleit Heimat und Familie – diese beiden Begriffe stehen in enger Wechselbeziehung. Jeder von uns wird in eine Familie als der kleinsten menschlichen Gemeinschaft hineingeboren. Eine gesunde Familie ist der Hort der Geborgenheit und für die kör­ perliche und geistige Entwicklung des jungen Menschen von unschätzbarem Wert. Der Bereich der Familie ist für die jungen Leute nicht genug: sie suchen gleichaltrige Freunde und erobern sich ihr Umfeld. Diese Beziehung zu Menschen und zur örtli­ chen Gemeinschaft nennen wir Heimat. Wer kennt nicht die in späteren Lebensjah­ ren gerne aufgesuchten Jahrgangs- und Klassentreffen, bei denen Jugenderinnerun­ gen aufgefrischt werden und die eine tiefe Anhänglichkeit an die Heimat zum Aus­ druck bringen, wohin immer es den einzelnen in der großen oder kleinen Welt ver­ schlagen haben mag. Heimat und Familie sind heutzutage besonderen Gefahren ausgesetzt. Durch Ein­ fluß der Medien und gesellschaftsverändernder Kräfte wird das althergebrachte Bild der Familie mehr denn je in Frage gestellt. Keine andere Einrichtung kann die Fami­ lie jedoch ersetzen. Daher ist es unerläßlich, daß der Familie in der Gesellschaft wie­ der zu jener Anerkennung verholfen wird, die ihr zukommt. Auch die Heimat ist gefährdet. Stichworte wie Umweltschutz, Natur- und Land­ schaftsschutz sowie Denkmalschutz kennzeichnen unsere gefährdete Umwelt. Eine neue Bewußtseinsbildung ist auch in Bezug auf unsere Umwelt notwendig. Familie ist Geborgenheit, Geborgenheit ist Heimat. Hier schließt sich der Kreis. Dazu brauchen wir ein Umdenken, d. h. wir müssen von den starken materiellen Bedürfnissen wegkommen und den geistigen Werten wieder mehr Raum geben. Auf dieses Ziel ist auch unser Heimatjahrbuch ausgerichtet. Es möchte mit seinen vielfäl­ tigen Beiträgen unterrichten und zum Nachdenken beitragen. Jeder einzelne von uns ist aufgerufen, sich für die Aufwertung der Heimat und Familie einzusetzen. Ein herzliches Wort des Dankes sei allen gesagt, die zur guten äußeren und inne­ ren Ausstattung der diesjährigen Ausgabe unseres Heimatjahrbuchs beigetragen haben. In diesen Dank beziehe ich besonders unsere Freunde und Förderer ein, die durch ihre Spendenfreudigkeit es ermöglicht haben, daß unser Heimatjahrbuch wie­ der zu einem günstigen Preis herausgegeben werden kann. Möge unser Heimatjahrbuch auch im Jahr 1985 gleichsam eine Brücke zu den viel­ Ich wünsche, daß auch die 9. Folge unseres Heimatjahrbuches alle bisherigen Freunde aus nah und fern erreicht und vielleicht noch weitere Freunde hinzuge­ winnt. fältigen Werten unserer Heimat bilden. J ‚ Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1984 Im Jahre 1984 ging die zweite Wahlpe­ riode des Kreistags des Schwarzwald-Baar­ Kreises zu Ende. Am 28. Oktober 1984 wurde ein neuer Kreistag gewählt. Auf dem Hintergrund dieses wichtigen kreispoliti­ schen Ereignisses muß auch der Rückblick auf das Jahr 1984 betrachtet werden. Schul- und Turnhallenbau Mit dem Bau der Schule für Körperbehin­ derte auf dem Hoptbühlgelände im Stadtbe­ zirk Villingen wurde im April 1984 begon­ nen. Die Kosten für den Neubau belaufen sich nunmehr aufl0.412.000,- DM, an denen sich der Landkreis Rottweil anteilig beteiligt. An Zuschüssen vom Land Baden-Württem­ berg sind uns 3.850.000,- DM in Aussicht gestellt worden. Der Erwähnung bedarf ferner, daß für die Beruflichen Schulen im Stadtbezirk Schwen­ ningen eine neue Turnhalle (Gesamtkosten voraussichtlich 5.330.000,- DM) fertigge­ stellt werden wird, die auch von den Schü­ lern der in der Trägerschaft des Landes Baden-Württemberg stehenden Berufsfach­ schule mitgenutzt wird. Mit diesen Baumaßnahmen ist das Schul­ bauprogramm des Landkreises abgeschlos- Die Schule für Körperbehinderte im Stadtbezirk Villingen soll noch vor dem Wintereinbruch 1984/85 im Rohbau fertig werden 1 4

Die neue Turnhalle des Landkreises im Stadtbezirk Schwenningen sen, abgesehen von der noch ungelösten Frage, ob der Landkreis die Staatliche Berufs­ fachschule in Furtwangen vom Land Baden­ Württemberg übernehmen und zusammen mit den bereits in seiner Trägerschaft stehen­ den Beruflichen Schulen ausbauen soll. Die Investitionen im Schulbereich haben den Landkreis stark verschuldet. Wir neh­ men im Schuldenstand eine Spitzenstellung im Land Baden-Württemberg ein. Es wird für den neuen Kreistag eine der wichtigsten Aufgaben sein, die Kreditfinanzierung erheb­ lich einzuschränken und die Verschuldung schrittweise abzubauen. Erfreulich ist, daß im Jahre 1984 in dieser Richtung wenigstens ein Anfang gemacht werden konnte, indem die Verschuldung des Landkreises in beschei­ denem Umfang abgebaut werden konnte. Neue Aufgaben Nach dem sich die großen Schulinvestitio­ nen des Landkreises ihrem Ende nähern, sind neue Aufgaben zu bewältigen bzw. alte Aufgaben erhalten eine noch größere Bedeu­ tung. Das K r e i s s t r a ß e n n e t z hat nach der Umstufungsaktion, bei der mit Wirkung vom 1. Januar 1984 56 km Landesstraßen zu Kreisstraßen abgestuft wurden, eine Gesamt­ länge von nunmehr etwas über 300 km. Die Verhandlungen mit dem Land gestalteten sich schwierig, weil der Landkreis nicht bereit war, alle Wünsche des Landes in Bezug auf die Abstufung zu erfüllen. Schließlich kam jedoch ein vertretbarer Kompromiß zustande. Der Landkreis ist ab 1. August 1983 auch für die S c h ü l e r b e f ö r d e r u n g zuständig, eine Aufgabe, die bisher das Land zu erfüllen hatte. In Ergänzung der Ausführungen im Almanach 1984 ist anzumerken, daß bezwei­ felt werden muß, ob die Zuschüsse, die wir vom Land erhalten, zur Deckung der nun­ mehr dem Landkreis entstehenden Kosten ausreichen werden. Schließlich ist auch die Um w e 1 t p o 1 i – t i k zu nennen, wenn von künftigen Schwer- 5

punktaufgaben die Rede ist. Der Landkreis betreibt zwei Hausmülldeponien in Hüfin­ gen und Tuningen und hat so eine geordnete Abfallbeseitigung geschaffen. Da in Tunin­ gen der erste Bauabschnitt mit dem „Südgra­ ben“ nahezu verfüllt ist, mußte die Deponie in den „Nordgraben“ erweitert werden. Mit der Gemeinde Tuningen konnte nach lang­ wierigen Verhandlungen im April 1984 eine verttagliche Regelung, insbesondere auch über die finanzielle Abgeltung, erreicht wer­ den. Ferner wurde mit dem Landkreis Tutt­ lingen vereinbart, daß ab dem Jahre 1986 auf der Mülldeponie Tuningen „Nordgraben“ der im Landkreis Tuttlingen anfallende Müll abgelagert werden soll und nach dem Verfül­ len dieser Deponie der Landkreis Tuttlingen dem Schwarzwald-Baar-Kreis gestattet, den im Einzugsbereich der Deponie Tuningen anfallenden Müll auf der Deponie Talheim ,,Nord“ abzulagern. Umweltpolitik, darunter fallen ferner die Bereiche des Landratsamtes als Untere Naturschutzbehörde und Untere Wasserbe­ hörde. Organisatorisch haben wir zur Bewäl­ tigung der genannten Aufgaben seit einigen Jahren im Landratsamt ein Amt für Umwelt­ schutz eingerichtet. Nach meiner Meinung haben wir zwar einen guten Anfang gemacht, dem jedoch bei der steigenden Bedeutung des Umweltschutzes in den nächsten Jahren verstärkte Anstrengungen auch des Land­ kreises nachfolgen müssen. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Wirtschaftsminister Dr. Rudolf Eberle Auf Besuch im Schwarzwald-Baar-Kreis am 1. Dezember 1983 Der zweite Besuch von Wirtschaftsmini­ ster Dr. RudolfEberle im Schwarzwald-Baar­ Kreis am 1. Dezember 1983 (über den ersten Besuch wurde im Almanach 1978 auf den Seiten 16-17 berichtet) fiel in eine Zeit, die nach schwierigen Jahren die heimische Wirt­ schaft und Industrie wieder hoffen lassen. Nicht, daß alle Sorgen verflogen wären! Nach wie vor geben der Rückgang der Bevöl­ kerung und die verhältnismäßig hohe Arbeitslosenquote zu Besorgnis Anlaß. Auf der anderen Seite waren auf allen Stationen der Tagreise verhaltener Optimismus und Zuversicht zu spüren. Keine Worte wurden öfter gebraucht als: Neue Technologien, Innovation, Technologietransfer. Der hohe Gast stellte immer wieder fest, daß die Menschen in unserem Lande heute gegenüber den wirtschaftlichen Notwendig­ keiten viel aufgeschlossener geworden seien, als noch vor wenigen Jahren und wir gute Voraussetzungen haben, die Herausforde­ rungen aus Amerika und Japan zu bestehen. Es müssen jedoch der alte Pioniergeist und der unternehmerische Wagemut wieder 6 lebendig werden. Das Land Baden-Württem­ berg wolle mithelfen, zukunftsträchtige Ansätze im Landkreis zu unterstützen. Diese Leitgedanken standen bereits bei dem Eröffnungsgespräch im Beethovenhaus im S ta d t b e z i r k S c h w e n n i n g e n im Vordergrund, an dem der Abgeordnete des Wahlkreises Villingen-Schwenningen im Landtag, Erwin Teufel, die Fraktionsvorsit­ zenden der im Landkreis vertretenen Par­ teien, die Bürgermeister, Vertreter der Behör­ den und Verbände, der Industrie- und Han­ delskammer und Handwerkskammer sowie der Arbeitnehmerschaft teilnahmen. In dem Gespräch wurden auch Fragen des Straßen­ und Schienenverkehrs sowie der Energiever­ sorgung angesprochen. Der anschließende Besuch bei der Firma Kienzle-Uhren im Stadtbezirk Schwennin­ gen galt einem vorwärtsstrebenden mittel­ ständischen Unternehmen, bei dem alle Vor­ aussetzungen für einen weiteren künftigen Aufschwung gegeben sind. Die Betriebsbe­ sichtigung hat aber auch gezeigt, daß die einer modernen Produktion hinderlichen

Der Wirtschaftsminister (links im Bild) wurde mit den Sorgen des Landkreises bekannt gemacht. Rechts: Erwin Teufel, der Abgeordnete des Wahlkreises Villingen-Schwenningen im Landtag Entspannte Atmosphäre vor dem Beethovenhaus im Stadtbezirk Schwenningen 7

Bei der Betriebsbesichtigung der Firma Kienzle-Uhren im Stadtbezirk Schwenningen Der Wirtschaftsminister beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Blumberg 8

Betriebsanlagen dringend einer räumlichen Verbesserung bedürfen. Bei der nächsten Station in B l u m b e r g wurden vorwiegend Verkehrsfragen erörtert, besonders wurde der Minister mit den Über­ legungen über eine neue Verkehrsführung der B 314 im Blumberger Raum bekannt gemacht. Die Reise führte sodann in den Zimmerei­ betrieb von Lukas Riedlinger nach H ü f i n – g e n . Am Beispiel dieses bekannten Hand­ werksbetriebs wurde deutlich, daß das Zim­ merhandwerk immer noch einen „goldenen Boden“ hat. Mit viel Lob und Anerkennung wurde die Mitteilung des Firmeninhabers aufgenommen, daß er seit 1948, als er sich selbständig machte, 36 Lehrlinge ausgebildet und die gesamte Belegschaft selbst „herange­ zogen“ habe. S t . G e o r g e n war die letzte Station. Zunächst fand ein Sachgespräch mit Vertre­ tern der Gemeinde im Rathaus statt. An der Entwicklung dieser Stadt läßt sich das Auf und Ab der wirtschaftlichen Lage besonders deutlich ablesen. Vor einigen Jahren noch eine Stadt mit blühender Industrie, mußte St. Georgen große wirtschaftliche Einbrüche hinnehmen. Heute gibt es Ansätze, die wie­ der bessere Zeiten erwarten lassen. Der Tag klang aus bei einem Stehempfang in der Stadthalle auf dem Roßberg in St. Georgen, zu dem ein Querschnitt der Bevölkerung aus dem Kreisgebiet eingeladen war. Dr. Gutknecht Der Minister (Bildmitte) interessierte sich in St. Georgen auch für das Phono-Museum im Rathaus 9

Das Kreiskrankenhaus in Donaueschingen In zehn Jahren das Vertrauen der Menschen in weitem Umkreis gefunden Seine Einordnung in den Krankenhaus­ Bedarfsplan des Landes Baden-Württem­ berg liest sich schmucklos: Ein Haus der sogenannten Regelversorgung. Für den Schwarzwald-Baar-Kreis indes ist das Kreis­ krankenhaus Donaueschingen mehr als eine Klinik, die es so in dutzendfacher Ausferti­ gung gibt: es bedeutet das einzige Kranken­ haus in der Trägerschaft dieses für viele noch immer „neuen“ Kreises – und es ist die gewichtigste Erbschaft, die der Schwarzwald­ Baar-Kreis vom einstigen Kreis Donau­ eschingen übernommen hat. Als finanzielle Last zunächst und nun, da dieses Kranken­ haus eben sein zehnjähriges Bestehen gefeiert hat, bereits als Schmuckstück. Daß viele seiner Patienten aus der gesamten Region, ja sogar aus benachbarten Gebieten nach Donaueschingen kommen, um hier Heilung zu finden, belegt dies. Ob dieses Kreiskrankenhaus in Donau­ eschingen stünde, wenn seine Väter im Kreis­ tag Schwarzwald-Baar säßen, wurde anläß­ lich des zehnjährigen Bestehens und einer Feierstunde des Kreisparlamentes am 30. April 1984 diskutiert, doch von Substanz ist diese hypothetische Frage nicht; wesentli­ cher – und nicht nur für die einstige Kreis­ stadt im Süden des Kreises – ist die Tatsache, daß das 310-Betten-Haus im Gewann „Sonn­ halde“ der Donaueschinger Weststadt steht und eine gewichtige Funktion hat. Ihr segensreiches Wirken läßt auch die Frage nicht zu, ob der Schwarzwald-Baar-Kreis überhaupt ein Krankenhaus gebaut hätte, wenn bei seiner Gründung zum 1. Januar 1973 nicht schon ein weitgehend fertigge­ stellter Rohbau eines Kreiskrankenhauses in Donaueschingen gestanden hätte. Daß das damalige Städtische Max-Egon­ Krankenhaus auf lange Sicht nicht mehr zureichend sein würde, erkannten schon Mitte der sechziger Jahre sowohl der Donaueschinger Landrat Dr. Robert Lien­ hart wie auch der damalige Kreisstadt-Bür­ germeister Robert Schrempp; aber auch Kreisräte wie Lukas Riedlinger und Hans Frank, Bernhard Blenkle oder Theo Greiner förderten den Gedanken, ein leistungsfähi­ geres Krankenhaus zu bauen und es nicht mehr von der Stadt, sondern vom Landkreis tragen zu lassen; vier Jahre verhandelte vor Klinik im Grünen: das vor zehn Jahren eingeweihte Kreiskrankenhaus Donaueschingen 10

Das Kreiskrankenhaus-Direktorium: Arztlicher Direktor Professor Dr. Klemm, leitende Schwester Annemarie Bühr und Verwaltungsdirektor Krug allem Landrat Dr. Lienhart mit dem Stuttgar­ ter Sozialministerium, ehe 1968 der Beschluß für den Klinik-Neubau in Donaueschingen fiel; im Frühjahr 1970 vollzog der Landrat mit ein paar Metern eigenhändiger Bagger­ fahrt den „ersten Spatenstich“ für dieses Pro­ jekt, das sich für den Auftraggeber ums Haar als finanziell viel zu ehrgeizig erwiesen hätte. Denn als nach der Einweihung des Kreis­ krankenhauses Donaueschingen am 27. April 1974 der Rechtsnachfolger des initiie­ renden Bauherrn, der Schwarzwald-Baar­ Kreis, alle Rechnungen addierte, hatten der Krankenhaus-Trakt, das Personalwohnheim und die Schwesternschule nicht wie ver­ anschlagt 30 Millionen Mark gekostet, son­ dern mit 55 Millionen Mark fast das Dop­ pelte. Die finanzielle Leistungskraft des damals nagelneuen (und im Vergleich zu heute bei weitem nicht so verschuldeten) Großkreises, vor allem aber die zwischenzeit­ liche Verabschiedung des Krankenhausfi­ nanzierungsgesetzes, das vor allem die Län­ der in die Krankenhaus-Baupflicht nahm, retteten die Situation, die -wären Reform und Gesetz nicht gekommen -den nicht sehr finanzstarken Landkreis Donaueschin- gen möglicherwiese zu einer Art „Offenba­ rungseid“ gezwungen, zumindest aber sei­ nen finanziellen Spielraum auf Jahre blok­ kiert hätte. Altlandrat Dr. Robert Lienhart war es bei der Feier des ersten Jubiläums für dieses Kreiskrankenhaus selbst, der seinen Nachfolger Dr. Rainer Gutknecht und den Kreisrat an diesen drohenden Engpaß erin­ nerte. Daß sich das Kreiskrankenhaus Donau­ eschingen nicht weiter zum Sorgenkind sei­ nes Trägers entwickelt hat, sondern das Ver­ trauen der Menschen fand, daß seit 1974 rund 17 000 Operationen verbucht und in zahllosen Fällen ambulant Hilfe geleistet wurde, daß sich diese Klinik schon zwei Jahre nach ihrer Eröffnung zum akademischen Lehrkrankenhaus berufen sah und seit 1976 mehr als 100 junge Mediziner in Donau­ eschingen die letzte Stufe ihrer ärztlichen Ausbildung durchliefen und hier auch ihr Staatsexamen machten, daß Dutzende von Krankenschwestern in diesem Haus ihr hel­ fendes Handwerk lernten und daß einmal – 1982 – dank verantwortungsbewußtem Wirtschaften sogar der Pflegesatz leicht gesenkt werden konnte: all dies markiert den 11

zehnjährigen Weg des Kreiskrankenhauses in Donaueschingen. Daß seine Logistik mit dem entsprechen­ den Mehraufwand bereits auf-nie gebaute – 105 Betten mehr ausgerichtet worden ist, fällt in dieser durchweg erfreulichen Bilanz kaum ins Gewicht; eine Belegung von um die 80 Prozent trotz einer unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt liegenden Verweildauer weist nach, daß die von Landesregierung und Kreistag 1968 für die erste Ausbaustufe vor­ gegebene Dimension der Klinik bereits aus­ reicht und daß die Erweiterungsmöglichkeit nicht genutzt zu werden braucht. Persönlichkeit und Wirken seiner Füh­ rungskräfte prägen den Ruf auch dieses Krankenhauses; an seiner Spitze steht das Krankenhaus-Direktorium, das sich aus dem Ärztlichen Direktor Professor Dr. Dieter Klemm, Verwaltungsdirektor Heinz Krug und der Leitenden Schwester Annemarie Bühr zusammensetzt. Krug, zuvor Kämme­ rer sowohl des Landkreises Donaueschingen wie auch des Schwarzwald-Baar-Kreises, war in dieser Funktion mit Entstehen und Ver­ walten dieses Hauses bereits intensiv befaßt gewesen, ehe er 1982 Nachfolger des plötz­ lich verstorbenen Verwaltungsdirektors Hans Reiser wurde. Frau Bühr lenkt den Dienst der rund 160 Pflegekräfte, die rund um die Uhr für die im Durchschnitt 250 Patienten im Kreiskrankenhaus Donau­ eschingen sorgen. Ärztlicher Direktor Professor Dr. Klemm ist auch Chefarzt der Abteilung Innere Medi­ zin, die mit – einschließlich der Infektions­ Station -114 Betten die größte Abteilung die­ ses Kreiskrankenhauses ist; Chefarzt der radiologischen Abteilung ist der für seine zusätzliche Lehrtätigkeit an der Universität Tübingen 1983 zum Professor ernannte Dr. Gernot Bürkle, der am Kreiskrankenhaus Donaueschingen Röntgendiagnostik, Strah­ lentherapie und Nuklearmedizin leistet. An der Spitze der mit 102 Betten zweitgrößten Abteilung steht als Chefarzt Privatdozent Dr. Ruprecht Zwirner; er und seine Ober­ ärzte Dr. Volkart Rüppell (bis 1981) und des- 12 sen Nachfolger Dr. Hans Keusen betreiben als Spezialdisziplin Gefäßchirurgie, die es zwischen den Universitätskliniken Freiburg und Tübingen nur in Donaueschingen gibt. Chefarzt der mit 48 Betten drittgrößten Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe ist Dr. Hans Beck -der einzige unter den Chef­ ärzten, der noch vom einstigen Städtischen Donaueschinger Krankenhaus übernom­ men worden ist. Über 11 Betten verfügt schließlich der Chefarzt der Anästhesieabtei­ lung, Privatdozent Dr. Hans Unseld, der die Intensivstation und das krankenhauseigene Blutdepot betreut. Als Belegärzte verpflich­ tet sind die Donaueschinger Fachärzte Dr. Manfred Hoffmann (Hals, Nasen und Ohren), Dr. Ulrich Klein (Urologie), Dr. Die­ ter Olivier (Augen) und Dr. Walter Hausner (Haut). Sie verfügen zusammen über die 35 restlichen Betten. Modernste Technik macht in einem solchen Krankenhaus leistungsfähige Hilfe möglich -gefragt ist jedoch am meisten der Mensch, der solche Hilfe leistet. Mehr als 400 Mit­ arbeiter sind am Kreiskrankenhaus Donau­ eschingen beschäftigt, fühlen sich nach dem Zeugnis von Professor Dr. Klemm als Team; er selbst nennt ebenso wie Verwaltungsdirek­ tor Krug und Annemarie Bühr, die Leiterin des Pflegedienstes, dieses Kreiskrankenhaus gar „meine Leidenschaft“. Daß es denn die Technik, auch die modernste, nicht allein ist, die hier Hilfe leisten läßt, die dem Patienten wiederzugesunden hilft oder sein Leiden zumindest leichter zu ertragen, hatte der namhafte Mediziner schon am 27. April 1974 bei der Einweihung verdeutlicht: ,,Medizin und Technik“, so formulierte Pro­ fessor Dr. Klemm damals den Ehrengästen der ersten Stunde, ,,brauchen ein Stück Wärme und Menschlichkeit“. Heute, im Rückblick ein Jahrzehnt später, da dieses Kreiskrankenhaus Donaueschingen das Ver­ trauen der Menschen in weitem Umkreis gefunden hat, freut sich der Ärztliche Direk­ tor über diese, wie er es nennt, ,,offenkundige Abstimmung mit den Füßen“. Gerhard Kiefer

Wie unser Kreiswappen entstand Ein Heraldiker erinnert sich -Irrwege und Umwege Ja, wie war das damals? Natürlich sollte der neue Kreis auch ein Wappen kriegen. Bereits im Spätsommer 1972 ließ Dr. Astfäl­ ler, der Landrat des damaligen Landkreises Villingen-Schwenningen, beim Generallan­ desarchiv (GLA) in Karlsruhe wegen eines Wappens für den neuen Kreis anfragen. Das GLA schlug vor, einfach die beiden Wappen der alten Landkreise Villingen und Donaueschingen zu kombinieren. Doch könne man auch ein Preisausschreiben ver­ anstalten, um vielleicht Ideen für ein neues Symbol zu bekommen. Ein Umweg Diese Anregung wurde aufgegriffen, und nach einer Vorbesprechung erhielt am 27. Oktober 1972 das Staatliche Schulamt Villin­ gen den kreisamtlichen Auftrag, an einigen ausgewählten Schulen des Kreises einen Wappenwettbewerb zu starten -allerdings mit der Bedingung, die Symbole aus den Wappen der beiden Alt-Landkreise Villingen und Donaueschingen nach Bild 1 und 2, die mitgeliefert wurden, zu verwenden. Bil.d 1: Wappen des ehem. Landkreises Villingen (1958-1972): Gespal­ ten von Si/}Jer und Blau, vorn ein rotes Malteserkreuz, hinten ein si/}Jerner Balken Bil.d 2: Wappen des ehem. Landkreises Donau­ eschingen (1956-1972): Gespalten von Blau und Gol.d, vorn drei goldene Ahren neben­ einander, hinten zwei kämmende schwarze Zahnräder Die fleißigen Schüler kombinierten nun lustig drauflos und lieferten ein Fülle von ,,Wappen“, auf denen die vorgegebenen Zei­ chen in mannigfacher Weise über den Schild verteilt waren. -Auf einer Sitzung am 18. Januar 1973 sichtete der vom Übergangskreis­ tag eingesetzte „Wappenausschuß“ die Ergebnisse und sortierte sie vor. Am 12. Februar wählten die Mitglieder des Kultur­ und Sozialausschusses aus den vielen Bilder­ bogen mit Johanniterkreuzen, Ähren und Zahnrädern das Modell nach Bild 3 aus. Es sollte nach Begutachtung durch das GLA dann dem Kreistag zur Beschlußfassung vor­ gelegt werden. Doch machte das GLA als­ bald Bedenken gegen die kleinliche Häufung der Symbole geltend. Ohne eine positive Stellungnahme bestand aber keine Aussicht, daß das Innenministerium das Wappen zur Verleihung akzeptieren würde. Bil.d 3: Ergebnis des Schüler­ wettbewerbs (1972) Denkpause Wo lag denn der Fehler? Durch die vielen Symbole: Schild�paltung und Balken mit Malteserkreuz, Ahren und Zahnrädern fehlte den Schülerentwürfen jegliche Prä­ gnanz, die erst ein gutes Wappen ausmacht. Dazu kommt noch die bei Wappen uner­ wünschte Vielfarbigkeit. Ein gutes Wappen sollte nur zwei, höchstens drei Farben auf­ weisen. -Selbst wenn man die Zahnräder besser golden (d. h. gelb) färbte, blieben immer noch vier: Silber-Rot-Blau-Gold! Schuld daran war einmal die Beschränkung des Preisausschreibens auf Schüler. Dadurch 13

war es ganz unwahrscheinlich, daß über­ haupt jemand erreicht würde, der sich im Wappenwesen auskennt; zudem stand die Vorgabe der beiden Altkreis-Wappen neuen Ideen im Wege. Im Kulturausschuß ging die Diskussion weiter hin und her. Man kam aber nicht los von der einmal eingeschlagenen Richtung. Auf die Symbole der bisherigen Kreiswap­ pen sollte nicht verzichtet werden. Manchen Kreisräten erschienen sie gar noch zu spär­ lich: man solle doch als „typisches Schwarz­ waldsymbol“ noch eine Tanne hinzuneh­ men! Mittlerweile hatte sich ein Heraldiker, der sich schon ein Jahr zuvor Gedanken zu einem Wappen für die neuvereinigte Stadt Villingen-Schwenningen gemacht hatte, überlegt, wie das Problem zu lösen wäre. Beim Gestalten von Wappen können im all­ gemeinen drei grundsätzliche Möglichkeiten herangezogen werden: -Am häufigsten trifft man historische Bezüge an, die einzeln oder in Verbindung miteinander auf alte Herrschaftszeichen zurückgreifen, wie den Reichsadler, die würt­ tembergischen Hirschstangen, die zolle­ rische Vierung, den österreichischen Binden­ schild usw. -Sodann sind Hinweise auf die Topogra­ phie (wie Berge, Wasser o. ä.) oder örtliche Wahrzeichen und Symbole wie Bauten (Brücken, Türme usw.) möglich. Herausra­ gend in dieser Kategorie ist der Auerhahn für den Kreis Freudenstadt! -Und schließlich kann man auch Zeichen aufnehmen, die auf wirtschaftliche Gegeben­ heiten deuten: Bäume, Früchte, Mühlräder, Hämmer, Zahnräder, Gläser, Chemische Zeichen usw. -Doch ist bei dem raschen wirtschaftlichen Wandel hier einige Vorsicht am Platze, denkt man z.B. an das Atomsym­ bol im Wappen der Gemeinde Gundrem­ mingen! Eine weitere Möglichkeit war im Mittelal­ ter sehr beliebt: die sog. „redenden Wappen“, d. h. Namensanklänge, die uns heute aller­ dings oft recht an den Haaren herbeigezogen 14 erscheinen (z.B. der Bär für Berlin oder Bern, das Wildschwein für Schweidnitz, der Streit­ kolben für Colmar u.ä. -Auch Übernamen können zur Wappenbildung genutzt wer­ den, wie der Maikäfer im Wappen der Schweizer Gemeinde Romairon VD zeigt, deren Einwohner von den Nachbarn „Mai­ käfer“ geheißen werden). Das Villinger Landkreiswappen enthielt historische Zeichen, nämlich das alte blau­ weiße Bannerbild der Stadt Villingen für die Kreisstadt und das Malteserkreuz der Johan­ niterkommende Villingen für diese in der Geschichte der Baar bedeutsame Institution. -Das Wappen des Donaueschinger Kreises zeigte dagegen die etwas allgemein gehalte­ nen Wirtschaftssymbole Ähren und Zahnrä­ der für Landwirtschaft und Industrie im Kreisgebiet; leider waren auch seine Farben Blau-Gold ganz willkürlich festgelegt wor­ den: der Bräunlinger Künstler hatte das Wap­ pen ursprünglich ganz in Schwarz und Gold entworfen -doch auch dafür gab es keine notwendige Begründung. Neue Überlegungen Für den neuen Großkreis mit seinem weit­ gespannten Wirtschaftsgefüge von Land­ und Forstwirtschaft über den Fremdenver­ kehr bis hin zu einer vielgestaltigen Industrie mußten Wirtschaftssymbole für ein Wappen wohl ausscheiden. -Da ein einheitliches Zeichen für das vielgliedrige Kreisgebiet schwerlich gefunden werden konnte, schie­ nen wohl nur historische Wappenfiguren noch in Betracht zu kommen. Beim Ende des alten Reiches 1803 gehör­ ten rund 34 % des heutigen Kreisgebiets zum vorderösterreichischen Breisgau (Herrschaft Triberg 17%, Stadt Villingen 12%, Stadt Bräunlingen 5 %); hierfür wären der rotweiße Bindenschild, die Triberger Hörner, der Vil­ linger Adler und der Bräunlinger Löwe ein­ zusetzen gewesen. Weitere 34 % des Kreisge­ biets waren damals fürstenbergisch (Adler mit Wolkenfeh-Schildrand), 18 % waren württembergisch (Hirschstangen), 6 % gehör­ ten zur Reichsstadt Rottweil (Reichsadler),

4 % dem Fürstabt von St. Blasien (Hirsch), 2 % der Deutschordenskommende Mainau (Ordenskreuz), 2 % der Johanniterkom­ mende Villingen (Malteserkreuz) und knapp 1 % noch weiteren Herren. Ein Wappen ließ sich daraus beim besten Willen nicht gewin­ nen – höchstens ein unübersichtlicher Bil­ derbogen. Geht man jedoch in der Geschichte immer weiter zurück, dann findet man, daß im 10. bis 12. Jahrhundert fast das ganze heu­ tige Kreisgebiet den Baargaugrafen und spä­ teren Herzögen von Zähringen gehörte (Graf Bertold erwirkte im Jahre 999 von Kai­ ser Otto III. das Marktrecht für sein DorfVil­ lingen). – Hier ergab sich ein Ansatzpunkt: Die Zähringer haben nach ihren Reitersie­ geln einen Adler im Wappen geführt, der, wie die heraldische Fachwelt übereinstim­ mend annimmt, rot in goldenem Feld gewe­ sen sein soll. Man schließt das daraus, daß die Grafen und späteren Fürsten von Fürsten­ berg, die wie die Grafen von Freiburg von den Zähringem abstammen, bis heute noch dieses Wappenbild führen – unter Hinzufü­ gung des Uracher Wolkenfehs als Schild­ rand. Das kann jedermann auf den Wappen der fürstlichen Brauerei erkennen (Bild 4). Natürlich lassen sich auch ganz andere Bildungen denken: Betrachtet man beispiels­ weise die S t ä d t e w a p p e n im erweiterten Kreisgebiet, dann führte Villingen ein Wap­ pen von Silber und Blau gespalten (seit 1530 mit dem roten Adler belegt); Schwenningen hatte einen von Blau und Silber geteilten Schild (mit Schwan und Steigrad), während Donaueschingen ihn noch heute von Silber und Blau geteilt (mit dem Rad) verwendet. – Überlagert man nun Spaltung und Teilung, STADT VILLINGEN STADT SCHWENNINGEN VORSCHLAG •>B« VORSCHLAG »A« Bild 4: Vorschlag zur Über­ nahme tks Wappens tkr alten Zähringer far tkn Schwarz­ wald-Baar-Kreis: In Gold ein blau­ bewehrter roter Adler STADT /) DONAU- ESCHINGEN x.r. Bild 5: Alternativ-Vorschlag zur Bildung eines Kreiswappens aus den Schildteilungen der drei größten Städte des Kreises: Geviert von Si/her und Blau 15

dann führt das zu einem gevierten Schild, der in den verbreiteten Farben Silber (d. h. Weiß) und Blau gehalten werden sollte, wie es Bild 5 zeigt: Einfacher geht’s nicht mehr … Ein neuer Anlauf Nach der Sommerpause sollte in der 4. Sit­ zung des Kultur- und Sozialausschusses am 19. September 1973 „das Kreiswappen end­ lich vom Tisch … „. Man hielt das Thema für ausdiskutiert. – Um nun einer falschen Ent­ scheidung zuvorzukommen, hatte es ein Furtwanger Kreisrat übernommen, die heral­ dischen Gedanken „Zur Frage eines Wap­ pens für den Landkreis Schwarzwald-Baar“ dem Gremium vorzulegen. – Das Adlerwap­ pen fand Anklang; die Ausschußmitglieder beschlossen erleichtert, es mit dem Expose des Heraldikers ans GLA zur Stellungnahme einzusenden. – Der Vorschlag „B“ war dage­ gen wohl zu einfach geraten. Man konnte sich dafür nicht erwärmen, eher dann noch mit einer weiteren vorgeschlagenen Variante „C“: Geviert mit dem Zähringeradler im ersten Feld (siehe Bild 6 !). Das Generallandesarchiv nahm diese Vor­ schläge beifällig auf und entsandte zur abschließenden Sitzung des Kultur- und Sozialausschusses am 21. Januar 1974 einen Vertreter, der jedoch Bedenken gegen den Vorschlag „A“ äußerte: „Adlerwappen gibt’s so viele … „. – Obwohl das für den Zähringer­ adler gar nicht zutrifft (in Baden-Württem­ berg führt nur noch Villingen diesen Adler – jedoch im silber-blauen Schild), wurden einige Ausschußmitglieder in ihrer Meinung wieder schwankend; und so lautete dann der Beschluß, dem Kreisrat den Vorschlag „C“ samt einer weiteren Variante, die im vierten Feld noch zusätzlich ein Malteserkreuz ent­ hielt, vorzulegen. Das neue Wappen Die entscheidende Sitzung des Kreistags am 18. Februar 1974 brachte noch einmal eine hitzige Debatte. Doch lautete die Abstimmung dann schließlich auf Annahme des Vorschlags „C“ – ohne zugefügtes Malte­ serkreuz. – Der Schwarzwald-Baar-Kreis führt also seit diesem Tage das Wappen nach Bild 6 mit folgender Beschreibung: „Geviert von Silber und Blau, im ersten Feld ein blau­ bewehrter roter Adler.“ – Das Innenministe­ rium Baden-Württemberg sprach mit Datum vom 7. Juni 1974 dann die förmliche Verleihung aus. Für dieses schöne Wappen läßt sich übri­ gens noch eine ganz andere Deutung finden, wie in viele Wappen nachträglich noch ein weiterer Sinn hineingelegt wird: Man kann die beiden blauen Felder als Symbol für die beiden Schwarzwaldflüsse Brigach und Breg als Quellflüsse der Donau nehmen, die damit als Zeichen für „Schwarzwald“ angese­ hen werden können, und das weiße („bare“) Feld kann als Zeichen für „Baar“ stehen, wäh- Die sechs „heraldischen Tinkturen“ können bei Schwarzweißabbildungen durch einheitliche Schraffer dargestellt werden: SCHWARZWALD- BAAR-KREIS 16 Bild 6: Vorschlag „ C“ als Kombination der bei­ den Vorschläge A und B wurde vom Kreistag als Wappen gewählt rot blau heraldische ,,Farben“ grün schwarz ,,silber“ (= weiß) } heraldische ,,Metalle“ ……. ,,gold“ (=gelb) . . . . . . . . . . . . . .

rend der Zähringeradler die Verbindung zur geschichtlichen Vergangenheit des ganzen Raumes herstellt. Inzwischen ist unser Kreiswappen zu einer vertrauten Erscheinung geworden, wir begegnen ihm überall im Kreisgebiet. Und man kann sich kaum noch vorstellen, daß es nicht schon immer da war … Klaus Schnibbe Wanderausstellung „Natur und Umwelt“ Erstmals ging der Schwarzwald-Baar­ Kreis mit seiner neu geschaffenen Wander­ ausstellung „Natur und Umwelt“ innerhalb des Landkreises aufReise. Der Startschuß fiel am 9. November 1983 in der Sparkasse in Furtwangen, wo Landrat Dr. Gutknecht und der Hausherr, Sparkassendirektor Funke, über 100 geladene Gäste begrüßen konnten. Der Landrat wies auf die Bedeutung von Natur und Umwelt für den Menschen hin und verdeutlichte anhand der Themenkreise (Abfall- und Abwasserbeseitigung, Natur­ und Landschaftsschutzgebiete, Landwirt­ schaft und Denkmalpflege) die Anstrengun- gen und das Bemühen des Landkreises, Natur und Umwelt zu erhalten. Die zweite Station dieser Wanderausstel­ lung war die Volksbank der Baar in Hüfin­ gen, wo Landrat Dr. Gutknecht und Direk­ tor Meister im Beisein der Altlandräte Dr. Astfäller und Dr. Lienhart am 3. Februar 1984 die Ausstellung eröffneten. Besondere Anziehungspunkte bei dieser Ausstellung waren die Sonderschauen „Heimische Vö­ gel“ der Grund-und Hauptschulen Bräunlin­ gen sowie „Giftige und eßbare Pilze“ der Pilz­ beratungsstelle Hüfingen. Jürgen Moser Bei der Wanderausstellung des Kreises, von links: Altlandrat Dr. Lienhart, Landrat Dr. Gutknecht und Altlandrat Dr. Asifäller 17

Unsere Gemeinden stellen sich vor Niedereschach im Eschachtal Die lebens- und liebenswerte Gemeinde in Hinter-Villingen Romantisch eingebettet in das badische Eschachtal, umgeben von herrlichen Tan­ nen- und Fichtenwäldern, liegen die Eschachtalgemeinden Niedereschach, Fisch­ bach, Kappel und Schabenhausen am Ostrand des Schwarzwaldes. Im 11. Jahrhundert in Urkunden erstmals erwähnt, haben unsere vier Ortschaften eine wechselhafte, oft parallel verlaufene Ent­ wicklung und Geschichte durchlebt. Eine wechselhafte Geschichte mit Nöten und Sor­ gen aller Art, Verwüstungen und Katastro­ phen. Sie haben nicht nur unsere Bürger­ schaft geprägt, sondern durch Fleiß und Mut, Arbeit und Ausdauer unserer Ahnen sind diese vier Ortschaften heute zu blühenden Gemeinwesen herangewachsen. Die Geschichte von Niedereschach ist eng verbunden mit dem Schloß Granegg und dem Geschlecht der Ifflinger. Im 14.Jahrhun­ dert war dieses Schloß im Besitz des Klosters Gengenbach und ging damals über an die Pfuser von Nordstetten. 1405 erwarb die Patrizierfamilie der Mäslin zur Rottweil das Dorf. Weitere Eigentümer des Dorfes Nie­ dereschach waren das Kloster St. Georgen und die Stadt Rottweil, bis es schließlich 1810 zum Großherzogtum Baden kam. Fischbach hatte ebenfalls einen eigenen Ortsadel, so 1094 einen „Alker de Fispach“ und 1108 einen „Adelbertus de Fispach“. Man nimmt an, daß er hier auch sein Schloß gehabt hat. Später gehörte der Ort zum Klo­ ster St. Georgen; er wurde im Jahre 1488 von der Reichsstadt Rottweil erworben und gehörte bis 1805 zu Rottweil. Der Ort dürfte eine Tochtergründung des benachbarten Sinkingen sein, worauf die Sinkinger noch heute besonders stolz sind. Geschichtlich interessant ist das Römerkastell im soge­ nannten „Bubenholz“, das unter Denkmal- 18 schutz steht. Dort wurde Ende des vorigen Jahrhunderts eine römische Bronzemünze aus dem Jahre 68/69 entdeckt. Auch der Ort Kappel gehörte 1086 zum Kloster St. Georgen. Die Pfarrkirche wird schon sehr viel früher erwähnt. Das Kloster Salem hatte hier Besitz, dann kam ein Drittel des Ortes an Württemberg. Im Dorf besaßen die Grafen von Falkenstein ein Schloß, das 1544 erbaut wurde. 1566 kaufte die Stadt Rottweil die Hälfte von Kappel einem Jun­ ker von Freyberg, Bürger der Stadt Villingen, ab und verkaufte diesen Teil 1677 dem Her­ zog Wilhelm von Württemberg. 1810 kam Kappel zu Baden. Der Ort Schabenhausen gehörte 1483 einem Bürger von Rottweil und ging 1494 an Horgen über, 1502 erwarb das Kloster St. Georgen den Flecken Schabenhausen. Das früher katholische Dorf wurde 1553 nach Einführung der Reformation durch Herzog Ulrich von Württemberg evangelisch. Es gab hier einen Ortsadel, der von Ende des 11. bis Mitte des 14. Jahrhunderts urkundlich be­ zeugt ist. Schabenhausen war bis 1810 würt­ tembergisch und kam danach mit anderen altwürttembergischen Baarorten zu Baden. Das Dorf wurde im 30jährigen Krieg total zerstört. In Niedereschach konnte sich seit dem Jahre 1833 Gewerbe und Industrie entwik­ keln. Die damalige Bürgerschaft war der Incl ustrialisierung gegenüber aufgeschlossen. Was mit einer Pulverfabrik und Seidenspin­ nerei begann, entwickelte sich zu einer kon­ kurrenzfähigen Uhren-und mechanischen Industrie, ergänzt durch eine Vielzahl von Handwerks- und Handelsbetrieben mit heute immerhin noch knapp 700 Arbeits­ plätzen. Es steht außer Zweifel, daß Nieder­ eschach seine Entwicklung nicht zuletzt der

Niedereschach: Die Ortsstraße als eine Hauptverbindung in die schwäbische Nachbarschaft und über Dauchingen in Richtung Schwenningen ist stark befahren. Rechts das Rathaus. Die Geschäfte, Bank­ filialen und Arztpraxen in Niedereschach werden auch von den Einwohnern der Ortsteile frequentiert. Ansiedlung von Industrie und Gewerbe ver­ dankt. Ein gewaltiger Sprung in der Geschichte unserer Gemeinden führt uns in die Jahre der Gemeindereform. Heute sind jene schwieri­ gen kommunalpolitischen Jahre bei uns bereits vergessen. Sie gehören der Geschichte an und sind in der Chronik unserer Ge­ meinde festgeschrieben. Dort besonders ver­ merkt ist der 1. Juli 1974, der Geburtstag der heutigen Gesamtgemeinde Niedereschach. Heute präsentiert sich unsere Gemeinde als eine geschlossene Dorfgemeinschaft mit ca. 4 500 Einwohner auf einer Gemarkungs­ fläche von 3 300 ha, davon 1200 ha Wald. Die Bürgerschaft bekennt sich zu dieser Dorfgemeinschaft und bildet eine verschwo­ rene Gemeinschaft. Dies war das „Rezept“ unseres Erfolges in der Entwicklung unserer Gesamtgemeinde. Unser Ziel war und ist, unseren ländlichen Raum lebenswert, vor allem für unsere Jugend, für unsere junge Generation liebenswert zu erhalten. Jedem der Ortsteile wollen wir seine eigene Entwicklung belassen. Konzentration streben wir nur dort an, wo dies sachlich sinn­ voll, menschlich vertretbar, finanziell vor­ teilhaft geschehen kann. Darüber hinaus bleibt jeder Ortschaft ihre Eigenart, die wir bewahren und pflegen wollen. Diese Basis hat das Zusammenleben erleichtert. Es gab weniger an Reibungsverlusten, es wurden keine falschen Wünsche und Hoffnungen geweckt, emotionelle Vorbehalte rasch abge­ baut. Heute, 10 Jahre nach der Gemeindere­ form, haben wir die Entwicklung unserer Gesamtgemeinde, vor allem im investiven Bereich zu einem vorläufigen Abschluß bringen können. Wünsche gibt es zweifels­ ohne; die Zeit erfordert jedoch, daß wir Wünschenswertes vom unabdingbar Not-19

Mensch nicht anonym ist, sondern in einem pulsierenden Gemeinschaftsleben sich wie­ derfinden kann. Diese lebendige Gemeinschaft wird vor allem geprägt durch eine Vielzahl und Viel­ falt von Vereinen und Organisationen, die unbestritten die Bindeglieder unserer Dorf­ gemeinschaft darstellen. Sie sind mit die Grundpfeiler unseres bisherigen Erfolges und unsere Zukunftschance zugleich. Die Verwaltung haben wir von Anfang an kon­ zentriert auf das Rathaus in Niedereschach, in den Ortsteilen halten die ehrenamtlichen Ortsvorsteher als Anlaufstelle die Verbin­ dung zur Verwaltung in Niedereschach. Jeder unserer Ortsteile verfügt über einen Kindergarten. Dies war eines unserer ersten Entwicklungsziele, in jedem Ortsteil einen Kindergarten zu erhalten, wobei als Beson­ derheit festzustellen bleibt, daß nur der Kin­ dergarten Fischbach in der Trägerschaft der Gemeinde selber steht. In Niedereschach hat diese Aufgabe die katholische Kirchenge­ meinde von jeher übernommen. In den Ortsteilen Kappel und Schabenhausen sind Kindergartenvereine Träger dieser Einrich­ tung. Dies bedeutet, die Eltern selber, organi­ siert in einem Kindergartenverein, haben sich dieser Aufgabe verschrieben. Dies mit großem Erfolg, der sich nicht nur finanziell positiv für unsere Gemeinde auszahlt, son­ dern den Eltern die Möglichkeit eröffnet, den Kindergartenbetrieb selber zu bestim­ men. Die erweiterte Grund- und Hauptschule in Niedereschach mit ihrer Außenstelle in Fischbach garantiert den Kindern und Schü­ lern eine bestrnöglichste Ausbildung. Wir sind in der räumlichen und sachlichen Aus­ stattung der Grund- und Hauptschule, vor allem im naturwissenschaftlichen und tech­ nischen Bereich der Aufwertung der Haupt­ schule durch das Land Baden-Württemberg gefolgt. Wir glauben, daß gerade im schuli­ schen Bereich jede investierte Mark sich mit Zins und Zinzeszinsen zurückzahlen wird. Wert legen wir in Niedereschach auf ein gutes Verhältnis zu beiden Kirchengemein- Niedereschach-Kappel: Die Hoffnungen auf eine Zukunft als erfolgreicher Fremdenverkehrsort mit Mineralquelle erfüllten sich bisher nicht. Durch grqßjlächige Neubebauung nahm der zweitgrößte Ortsteil deutlich in der Einwohnerzahl zu. Ein zentraler Punkt ist bis heute die von landwirt­ lichen Anwesen umrahmte Dotjkirche. wendigen trennen. Die Bereitschaft hierzu ist vorhanden. In der Zukunft wird es darum gehen, das Geschaffene zu erhalten und zu unterhalten. Niedereschach bietet sich heute als attrak­ tive Wohngemeinde mit einer an der Größe der Gemeinde nicht zu unterschätzenden Wirtschaftskraft und als Gemeinde der Geborgenheit an. Unser Raum hat sich zu einem eigenständigen Lebensraum entwik­ kelt, in dem man sich wohlfühlen kann, der Arbeitsplätze und Möglichkeiten der Frei­ zeitgestaltung bietet, in dem eine ausrei­ chende Versorgung im Dienstleistungsbe­ reich geboten und vor allem der Bürger und 20

den. Im sozialen Bereich, in der Altenbe­ treuung, in der Jugendarbeit, ist eine enge und hervorragende Zusammenarbeit gege­ ben. Gegenseitige Unterstützung und Ergän­ zung und Rücksichtnahme prägen das Ver­ hältnis zwischen den Kirchengemeinden und der politischen Gemeinde. Wir freuen uns, daß die evangelische Kirchengemeinde ihr Kirchenzentrum an der Steigstraße zwi­ schenzeitlich verwirklichen kann. Auch die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger können sich bei uns wohlfühlen. Aktive und stille Nachbarschaftshilfe ersetzt bei uns auf dem Land das Abschieben unse­ rer alten Menschen in Heime. Örtliche Altentreffs, Altennachmittage und Alten­ ausflug sollen unseren betagten Mitbürgerin­ nen und Mitbürgern, das Gefühl vermitteln, daß sie nach wie vor zu unserer Dorfgemein­ schaft gehören, daß wir ihre Leistungen, auf die wie heute aufbauen, anerkennen und zu schätzen wissen. In der Vielzahl kultureller und sporttrei­ bender Vereine -in der Gesamtgemeinde sind über 40 Vereine und Organisationen tä­ tig -sowie in den geschaffenen Freizeitein­ richtungen, bietet sich der Jugend ein breites Betätigungsfeld. So besteht seit über 10 Jah­ ren in Fischbach ein Jugendclub mit über 100 Mitgliedern, der die Jugendarbeit abdeckt und als Musterbeispiel der von der Jugend selber getragenen Jugendarbeit bezeichnet werden darf. Mit 2 praktischen Ärzten, 1 Zahnarzt, Apotheke, Dorfhelferinnenstation und Ko­ operation der katholischen Kirchengemein­ de mit der Sozialstation Villingen-Schwen­ ningen decken wir den gesundheitlichen und sozialen Bereich hervorragend ab. Mit 4 in den letzten 10 Jahren neu geschaf­ fenen Gerätehäusern, entsprechender Ein­ richtung und Fahrzeugen sind unsere Feuer­ wehren hervorragend ausgerüstet. Unsere beiden DRK-Ortsgruppen Niedereschach Niedereschach-Schabenhausen: Der Wohnbereich des kleinsten Ortsteils Niedereschachs ist weil gestreut. Den Ortsmittelpunkt bilden heute in direkter Verbindung zu einem Neubaugebiet eine Mehr­ zweckhalle und – unser Foto – der Kindergarten im ehemaligen Rathaus. 21

und Fischbach sind in diesen Gebäuden jeweils mit integriert. Während in den vergangenen Jahren durch umfangreiche Erschließung von Neu­ baugebieten die Bevölkerungszahl erheblich gewachsen ist, wollen wir künftig nur noch für den Eigenbedarf Neubaugebiete verpla­ nen und erschließen. Das Augenmerk gilt derzeit der Dorfentwicklung und der Dorfer­ neuerung. Ob eine Gemeinde als fortschritt­ lich oder rückständig anzusehen ist, wurde in den zurückliegenden Jahren an der Einwoh­ nerzahl und am Einwohnerzuwachs beur­ teilt. Heute entscheidet auch im ländlichen Raum vor der Qyantität die Qyalität. Wir haben damit begonnen, in unseren alten Ortskernen entsprechende Sanierungsmaß­ nahmen durchzuführen. Der Erhaltung der Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze messen wir große Bedeutung zu. Durch die Erschließung von Gewerbege­ bieten konnten wir nicht nur Betriebe aus den Wohngebieten aussiedeln und die Wohnqualität verbessern, sondern auch einige neue Betriebe ansiedeln und zusätz­ liche Arbeitsplätze schaffen. Allerdings müs­ sen wir hier die klare Strukturveränderung sehen. Niedereschach als „Industriege­ meinde“, hierauf können wir leider nicht bauen. Unsere geschaffenen Freizeit- und Erho­ lungseinrichtungen über Spielplätze, Grill­ plätze, Tennis, Minigolf, Sportstätten bis hin zur neugeschaffenen Tennishalle, unserer Freizeitanlage mit Mineralquelle im Ortsteil Kappel, der Teufensee in Fischbach soll nicht nur der einheimischen Bevölkerung dienen, sondern auch der Entwicklung des Fremden­ verkehrs in der Gesamtgemeinde. Dies ver­ bunden mit der Schaffung von Arbeitsplät­ zen im Dienstleistungsbereich, sehen wir als Chance der Verbesserung und Erhaltung der Struktur der Gesamtgemeinde in Nieder­ eschach. Zwar bedarf es nicht unerheblicher Investitionen und einer Bündelung kommu­ naler und privater Maßnahmen, um den Fremdenverkehr voll zu erschließen. Aus diesen Investitionen können sich jedoch 22 auch wirtschaftliche kommunale und struk­ turelle Vorteile für die Gesamtgemeinde ergeben. Ziel ist, die Gemeinde zum Erho­ lungsort zu entwickeln und über den Frem­ denverkehr das örtliche Gewerbe und den Handel zu stärken. Große Bedeutung messen wir auch künf­ tig der Waldwirtschaft bei. Auch wenn wir davon ausgehen müssen, daß der Gemeinde­ wald mit 250 ha nur noch geringe Erträge für den kommunalen Haushalt abwerfen wird, kommt der Waldwirtschaft aus ökologischer Sicht große Bedeutung zu. Waldsterben läßt uns die Waldwirtschaft zudem zwischenzeit­ lich in einem anderen Licht erscheinen. Die Ver- und Entsorgungseinrichtungen sind für die Gesamtgemeinde geschaffen. Eine neue Wasserversorgung im Verbund­ system aller Ortsteile, basie’rend auf Eigen­ wasserversorgung, steht der Bevölkerung zur Verfügung. Die Abwässer der Gesamtgemein­ de werden dem Sammelklärwerk des Zweck­ verbandes Abwasserreinigung Eschachta1 in Horgen zugeführt. Auch die Landwirtschaft hat nach wie vor ein gebührender Platz in unserer Gemeinde. Sie soll ihre nicht unbedeutenden Funktio­ nen im Ort selber wahrnehmen können. Durch Flurbereinigungsverfahren, Aussied­ lungen und einem voll ausgebauten Feld­ wegnetz hat die Gemeinde der Landwirt­ schaft die notwendige Unterstützung nicht versagt. In diesen Tagen ist viel die Rede von Soli­ darität. Solidarität in Niedereschach heißt Selbstverpflichtung, Hilfe für die Schwäche­ ren und Sicherung der gemeinsamen Zu­ kunft. Wir meinen, der Weg in die Zukunft unserer Gesamtgemeinde birgt nicht nur die angesprochenen Risiken und Probleme. Die­ ser Weg ist auch Chance, daß wir noch mehr aufeinander zugehen, mehr gemeinsame Verantwortung entwickeln. Die Jahre des Wachstums in allen Bereichen haben eher zum Gegeneinander, anstatt zum Miteinan­ der geführt. Wachstum hat Ansprüche und egoistische Neigungen ausgelöst. Wir mei­ nen deshalb, wenn wir in diesen schwierigen

Niedereschach-Fischbach: Das Ortsbild wurde durch Gemeinde- und private Initiativen verschönert. Rechts im Bild das traditionsreiche Gasthaus „Mohren� in dem sich auch die Poststelle befindet, im Hintergrund das ehemalige alte Rathaus. Der vom privaten Eigentümer mit großem Aufwand sanierte Fachwerkbau gibt dem Ortsmittelpunkt heute entscheidendes Gepräge. weiterhin gegeben sind. Der Bürger muß sich mit diesem für ihn überschaubaren Raum verbunden fühlen, der ihn heimatliche Geborgenheit finden läßt. Otto Sieber, Bürgermeister Ortszeichen noch nicht als Wappen anzu­ sprechen, denn es fehlten ihm die Farben! N iedereschach hat sogar noch ein früheres Siegel gehabt: Dem Protokoll der Gemeinds­ huldigung von 1811 für Großherzog Carl von Baden ist ein Siegel aufgedrückt mit der Umschrift FLECKEN· SIGEL· NIDER · 23 wirtschaftlichen Zeiten in echter Solidarität zusammenstehen, daß wir auch unsere Zukunft schaffen werden. Unser ländlicher Raum muß sich weiter dadurch auszeichnen, daß die Überschaubarkeit der menschlichen Gemeinschaft und das soziale Miteinander Klaus Schnibbe: Dieses „redende“ Wappenbild geht auf ein Siegel aus der Mitte des vorigen Jahr­ hunderts zurück. Das ovale Siegel mit der Umschrift GEMEINDE NIEDER­ ESCHACH zeigte in einem von Lorbeer­ zweigen umgebenen Oval das aus einem Fisch wachsende Eschenblatt. Doch ist dieses Das Wappen der Gemeinde Niedereschach Wappen: In Bl.au ein silberner Fisch, aus dem ein fünffiedriges goldenes Eschenbl.att wächst.

der auf die richtige Darstellung zurück. Im Jahre 1901 wurden vom großherzoglich Badi­ schen Generallandesarchiv die Farben für dieses Wappen festgelegt. Nach den Eingemeindungen von Scha­ benhausen (1971) und Fischbach und Kappel (1974) gab es Überlegungen, ein neues Wap­ pen zu schaffen, das auch Symbole der einge­ meindeten Ortsteile aufnehmen sollte, und das GLA macht 1982 noch Vorschläge dazu. Doch die Gemeinde war gut beraten, weiter bei ihrem schönen und prägnanten Wappen zu bleiben. Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe 236/1679 Gemeindsh11ldingen Amt Villingen (1811). – GLA 450/F Wappenakten Amtsbezirk Villingen. – GLA Siegelkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA/Siegelzeich­ nungen F Held. – H.-G. Zier: Wappenbuch des Landkreises Vil/ingen, Stuttgart 1965. ESCHEN. Es zeigt in einem rocaillen-ver­ zierten Ovalschild einen mit einem Fisch belegten Balken, oben und unten von einem Stern begleitet. Dieses Siegel kommt bereits auf einer Urkunde des Klosters St. Georgen von 1771 vor. Auf späteren Stempeln des 19. Jahrhun­ derts entartete der Fisch zu einem Aststum­ mel, aus dem das Eschenblatt hervorwächst. Doch kam man Ende des Jahrhunderts wie- Wirtshäuser und Wege in Niedereschach Als der „edle und veste“ Hanns Sebastian Ifflinger von Graneckh, Obervogt der Graf­ schaft Zollern und Herr über Niedereschach, Stetten und Lackendorf, am 17. Oktober 1555 sein Testament machte, zählte er alles auf, was er im Verlaufe seines Lebens ererbt oder selbst zusammengekauft hatte. Dabei erwähnte er auch einen (Hanß?) Zinkh, der ihm jährlich „ain malter vesen, ain malter habern, unnd drey pfundt zynns“ schuldig sei und fährt fort: ,,Die Te f e r i n hat Er noch, Dauon gibt Er Drey pfundt zynns.“ Die Taverne, d. h. das Wirtshaus, lag unterhalb des Pfarrhauses, etwa dort, wo zuletzt das Haus von Bauer AdolfVosseler stand (1977 abgebrochen) und wo sich heute der Springbrunnen befindet. Der genannte Zinck war wahrscheinlich ein Vorfahr des Bäckers Hanß Zinck, der im Rottweiler Ratsprotokoll vom 18. Juni 1629 (also mitten im 30jährigen Krieg) verzeich­ net steht: er hatte – ebenso wie Michael Rosenfelder und der Schmied Hanß Knör – „bey jüngstem Durchzug (von Truppen) mit Iren Rossen zum Vorspann hinder sich ge­ halten, dieselbige gleichsamb verstellt und dahero schier einen Tumult under dem Kriegßvolckh verursacht“. Die drei wurden in Rottweil in das Turmgefängnis geworfen und erst nach Zahlung einer saftigen Strafe wieder freigelassen. 1671 hören wir von derselben „Taverne“, sie sei abgebrannt. In der Sitzung des Rott­ weiler Stadtrates vom 30. Juni 1671 wird mit­ geteilt, man habe den dem „Simon oder Hanß Zinckhen abgebrenten oder niderge­ fallenen hof zue Nidereschen mit aller des­ selben zuegehördt, und gerechtigkheit, sambt der w ü h r t s t a f e r n und derselben gerechtigkheit“ an Müller Nicolaus Freysin­ ger von Niedereschach für 800 Gulden ver­ kauft. Da Nicolaus Freysinger mit seiner Mühle genug zu tun hatte, gab er den Hof nach dessen Wiederaufbau mitsamt der Wirtschaft seinem Sohn Georg Oerg), der sie jahrzehntelang betrieb. 24

Am 13. Dezember 1690 verkaufte die Stadt Rottweil das DorfNiedereschach und das Schloß Graneck, die ihr seit 1598 gehört hatten, an Sebastian Ludwig von Beroldin­ gen, Obervogt zu Bischofszell (Schweiz). Nach Auskunft des Steuerrevisionsproto­ kolls von 1701 wurde auf dem Freysingischen Hof zunächst noch die Wirtschaft weiterbe­ trieben, dann aber verkaufte der Beroldinger den Hof „nach einiger Zeit Verlust“ an den Rottweiler Handelsmann Geppert, behielt indessen die“ T abern-Gerechtigkeit“ für sich, ohne Steuern abzuführen. Als des Beroldin­ gers Enkel Marquard Joseph Ruodolph Frei­ herr von Beroldingen am 2. April 1737 Nie­ dereschach – diesmal mitsamt dem Tabern­ Recht – wieder an die Stadt Rottweil ver­ kaufte, ließ diese die Wirtschaft eingehen. Der alte Weg von Niedereschach zum Seyenhof (heute Klosterhof von St. Ursula); Abb. aus dem Topograph. Atlas des Königreichs Württemberg 1821-1851, Blatt 10, Neuausgabe von 1859 (etwa 1:1) Das war nicht gar so schlimm, denn seit Jahrhunderten schon gab es in Nieder­ eschach noch eine zweite Wirtschaft. Auch von ihr ist in jenem Ifflinger-Testament des Jahres 1555 die Rede. Es heißt da: „Item Stockhenslin, soll von der a n n d e r n T e f e ­ r i n geben drey pfunndt.“ Aus der gleichho­ hen Steuerabgabe darf geschlossen werden, daß diese Wirtschaft damals mit der beim Pfarrhaus durchaus gleichrangig war. Die älteren Niedereschacher werden sich denken können, wo das „Stockhänsle“ – mit bürgerli- 25

ehern Namen hieß er Hanß Kirn – seine Wirtschaft betrieb: es war das spätere Gasthaus „Zum Raben“. Hier an der Ecke Villinger Straße/Steig wirtete fast 200 Jahre später nach Auskunft des Lagerbuchs von 1731 der „herrschaftliche Jäger“ Joseph Roll, der indessen, will man für­ sten bergischen Prozeßakten Glauben schen­ ken, höheren Ortes in schlechtem Rufe stand; ihm wurde nämlich nachgesagt, er stecke mit Wilddieben unter einer Decke und dies sogar mit Billigung durch die Berol­ dingische Herrschaft. Als die Rottweiler 1737 wieder das Sagen hatten, machten sie diesem Spuk kurzerhand ein Ende und übertrugen die Konzession dem Schmied Joseph Herbst, einem Rottwei­ ler Bürger, der nun eine Zeitlang der einzige Wirt im Ort war. Im Steuerrevisions-Protokoll von 1749 wird das Haus beschrieben als „Behaußung, Scheuren und Hofraithin, alles an- und beyeinander an der Land Straß, 2stöckig mit 1 Blattendach, guth, darinnen ist eine Schmit­ ten“. Von Joseph Herbst heißt es da, er habe sein Handwerk „zünftig erlernt . . . hält beständig einen Schmid-Knecht, hat mithin genug zu arbeiten“. Dieser erste uns bis dahin bekannte Herbst in Niedereschach, so lesen wir weiter, „schencket Wein, Bier und Brand­ tenwein, speißet und beherberget, treibt auch dabey einen kleinen Tabacc-Handel“. Zwar sei, so das Steuerprotokoll, ,,die Zäh­ rung nicht zum Besten, doch gibt es im­ merzu Gäste, die über Mittag, oder Nacht sich bewirthen !aßen, so das Jahr hindurch ein Nahmhaftes abwerfen und so viel Nut­ zen schaffen kann, als wann einer sich von ettlichen Jauchert Ackers und einigen Wüßen ernähren müste.“ Joseph Herbst, als Schmied und Wirt ein idealer Ansprechpartner für die Fuhrleute zwischen Rottweil und Villingen, hat offen­ sichtlich seine Spuren in Niedereschach hin­ terlassen. Man erkennt es daran, daß noch heute manche Herbst-Familien den Beina­ men „Schmieds“ führen. Warum wohl gab es gerade an diesem 26 Platze schon so früh eine Wirtschaft? Die Antwort findet sogleich, wer sich vor Augen hält, wie die Straßen zu jener Zeit verliefen. Solange nämlich die Burg Graneck existierte, gab es dort für den allgemeinen Verkehr kein Durchkommen in Richtung Fischbach. Die Straße – besser: der Fahrweg – nach Fisch­ bach ging stattdessen die Steig hinauf und von da hinunter in Richtung Vogelsanghof. Und der Fahrweg nach Schabenhausen ging nicht am Schlierbach entlang (die Straße dort wurde erst im Spätjahr 1876 fertiggestellt), sondern zweigte als Hardtweg von der Steig ab und verlief am Kohlerberg entlang bis zum Seihhof (Klosterhof), der auf halbem Weg zwischen Schabenhausen und Fisch­ bach liegt und seit jeher zu Graneck/Nieder­ eschach gehört. Verständlich also, weshalb bei der Eschachbrücke, beim heutigen !FA-Markt, eine Wirtschaft ideal gelegen war. Nicht von ungefahr gab es ja auch bis in neuere Zeit eine Schmiede am Fuß der Steig, eine Steilstrecke, die sowohl Pferden und Wagen alles abver­ langte. Mit dem Vogel gleichen Namens hatte der „Raben“ übrigens ursprünglich nichts zu tun, vielmehr leitet er sich von dem Bäcker Antoni Rapp her, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dort wirtete. Zu ihm, dem „Rappewirt“, ging halt, wen es nach einem Gläschen Bier oder Wein gelüstete. In der Niedereschacher Mundart spricht man den Rabenvogel ja auch mit weichem B, die Wirtschaft jedoch, 197 6 abgebrannt, ist in der Erinnerung immer noch „dr Rappe“. Als dann später Wirte mit anderen Familienna­ men dort aufzogen, geriet der ursprüngliche Zusammenhang aus dem Gedächtnis, und so wurde denn der ähnlich klingende Vogel zum Kennzeichen des Gasthofs. Interessant, daß seit wenigen Jahren am Beginn der – jetzt durchs Schlierbachtal verlaufenden – Straße nach Schabenhausen wieder eine gut gehende Wirtschaft besteht: der „Eschach­ hor‘. Jetzt aber zurück zur Ortsmitte Nieder­ eschachs, dorthin, wo jahrhundertelang jene

Brigachtal – eine attraktive Wohngemeinde erstgenannte Wirtschaft bestanden hatte. Die Situation war fast die gleiche wie an der Steig: auch hier zweigte von der Verkehrs­ achse Villingen-Rottweil eine wichtige Qierverbindung ab: die Straße nach Dau­ chingen. Ein wahrhaftig sehr geeigneter Platz für eine Wirtschaft, zumal auch jeder Kirch­ gänger hier vorbei mußte. So dürfen wir davon ausgehen, daß bald nach der Neuer­ bauung der Kirche (1738-1740) hier bereits wieder eine Wirtschaft eröffnet wurde. Aller­ dings nicht mehr am alten Platz unterhalb des Pfarrhofs, sondern auf der anderen Seite der Straße Villingen-Rottweil, dort, wo heute das Verwaltungsgebäude der Uhrenfa­ brik Jerger steht. Im Niedereschacher Urbar von 1780 wird ein Joseph Schneider hier als Wirt genannt, und auch den Namen der Wirtschaft erfahren wir dort: sie heißt „zum Adler“. Und selbstverständlich gehört eine Hört man den Namen“Brigachtal“, denkt man nach wie vor unwillkürlich zuerst an das Tal des einen Qiellflusses der Donau, näm­ lich der Brigach. Über diese rein geogra­ phische Bedeutung hinaus hat allerdings die­ ser Name seit einiger Zeit auch kommunal­ politisches Gewicht erhalten. Unter dem Namen „Brigachtal“ schlossen sich am l. Oktober 1974 die früher selbstständigen Gemeinden Kirchdorf, Klengen und Über­ auchen zu einer Einheitsgemeinde zusam­ men. Diese neue Gemeinde -übrigens die einzige aus der Gemeindereform übrigge­ bliebene selbständige Gemeinde zwischen dem Stadtbezirk Villingen und der Stadt Donaueschingen -liegt an der Bahnlinie Vil­ lingen -Konstanz und ist über die Landes­ straße 178 a über gute Straßenverbindungen erreichbar. Klengen, der größte der drei Ortsteile, ist eines der ältesten Schwarzwalddörfer. Schon 765 n. Chr. findet man es in einer Urkunde als“ Villa Chöinga“. Auch der Ortsteil Kirch­ dorf blickt auf eine langjährige Geschichte Schmiede dazu, denn die Dauchinger Straße ist nicht weniger steil als die Steig. Auch hier dürfte die Herbst-Sippe wieder eine bedeu­ tende Rolle gespielt haben, denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts befindet sich das Gebäude im Besitz eines Johann Herbst, der es 1826 dem aus Vöhrenbach stammenden Tierarzt (!) Xaver Merz verkauft. Wann der „Adler“ in „Rößle“ umbenannt wurde, ist mir noch nicht bekannt. 1870/71 wird dann die Realwirtschaftsgerechtigkeit vom alten „Rößle“ auf das Nachbargebäude, das „Neue Rößle“, übertragen, das seit 1901 „zum Deutschen Kaiser“ heißt. Wege und Wirtschaften -eines haben sie gemeinsam: sie führen zusammen. Alle Wege, sagt man, führen nach Rom. Alle wichtigen, mag man ergänzen, führen auch zu einer Wirtschaft. Dr. Manfred Reinartz zurück. Im Jahre 793 wird Kirchdorf erstmals in einer Schenkungsurkunde zugunsten des Klosters St. Gallen erwähnt. Überauchen, im Tal des Bondelbaches, ist das kleinste der drei ehemals selbständigen Dörfer. Erstmals wird das Dorf 1132 urkundlich als „Öberach“ erwähnt. Es trifft sich gut, daß die Vorstellung unse­ rer Gemeinde im Almanach des Schwarz­ wald-Baar-Kreises mit dem zehnjährigen Bestehen, das am 1. Oktober 1984 gefeiert wird, zusammenfallt. Blickt man heute auf die Anfangsjahre dieser neuen Gemeinde zurück, stellt man fest, daß dieses neue Gemeinwesen keinen besonders guten Start hatte. Gegensätze zwischen den Ortsteilen, die zum Teil in dieser stürmischen Gemein­ dereformszeit auch künstlich geschürt wur­ den, ließen die Entwicklung des neuen Dor­ fes problematisch erscheinen. Heute können wir zufrieden feststellen, daß dank des guten Willens der Bevölkerung zu einem sachli­ chen Miteinander und insbesondere durch die ortsteilübergreifende gute Zusammenar-27

Ortsdurchfahrt Kirchdorf beit des Gesamtgemeinderates diese Gegen­ sätze überwunden sind. Als Beispiel dafür mag gelten, daß sich seit mehreren Jahren bereits die Jugendabteilungen der drei selb­ ständigen Fußballvereine unserer Gemeinde zu einer Spielgemeinschaft Brigachta1 zusammengefunden haben oder daß im Jahre 1984 die Abschaffung der seinerzeit vereinbarten unechten Teilortswahl in der Gesamtgemeinde -die Ortschaftsverfassung wurde sowieso nicht eingeführt -und die Einführung des Einheitsverhältniswahl­ rechts im Gemeinderat nur ganz knapp abge­ lehnt wurde. Seit dem Zusammenschluß der drei frühe­ ren Gemeinden ging die Entwicklung in unserem Dorfwesen mit riesigen Schritten voran. Dies zeigt sich auch im Anwachsen der Einwohnerzahl von 3 790 am 31.12.1974 auf 4 943 am 31.12.1983. Um das Ziel des 1976 erstellten Gemeindeentwicklungsplans, eine attraktive Wohngemeinde zu erreichen, mußten seit 1975 erhebliche Maßnahmen 28 zur Verbesserung der Infrastruktur durchge­ führt werden. So wurden die Abwasserpro­ bleme gelöst durch den Bau eines Abwasser­ sammlers zur Kläranlage Donaueschingen. T um-und Festhallen sind zwischenzeitlich in allen drei Ortsteilen vorhanden. Die Fer­ tigstellung eines Kindergartenneubaues im Ortsteil Klengen sowie die Erweiterung des Kindergartens Kirchdorf, der Bau eines Rasensportplatzes mit leichtathletischen Anlagen und die Durchführung einer Schul­ hauserweiterung im Ortsteil Klengen mit etwa 2,3 Millionen DM Baukosten zeigen, daß die Gemeindeväter die Notwendigkei­ ten und Probleme der Zeit erkannt und sach­ gerechte Lösungen getroffen haben. Nachhaltig verändert wurde das Gesicht der Ortsteile Kirchdorf und Klengen durch den Ausbau der Ortsdurchfahrt der Landes­ straße. 178 a mit der Erneuerung des Kanal­ und Wasserleitungsnetzes sowie der Anle­ gung von Gehwegen. Abschluß dieser Neu­ gestaltungsmaßnahme war die 1980 durchge­ führte Bepflanzungsaktion entlang der Haupt­ straße mit der Anlegung von Dorfplätzen.

Kinderspielplatz Klengen St.-Nikolaus-Kirche Überauchen

Entlastungswirkung. Nachdem der Bau der Brigachtal-Umgehungsstraße seinerzeit ver­ waltungsgerichtlich abgelehnt wurde, zeich­ nen sich hier noch keine endgültigen Lösungsmöglichkeiten ab. Eine einmalige Gelegenheit, zu einem völ­ lig neuen Ortszentrum zu kommen, bot sich dem jungen Gemeinwesen nach der Ent­ scheidung der Denkmalschutzbehörde und des Erzbischöflichen Ordinariats in Frei­ burg, die Umbaupläne für die alte Pfarr­ kirche im Ortsteil Kirchdorf abzustoppen und eine neue katholische Kirche mit Pfarr­ zentrum zu errichten. Diese Jahrhundert­ chance wurde genutzt und über einen städte­ baulichen Ideenwettbewerb der Bebauungs­ plan für dieses neue Ortszentrum geschaf­ fen. Die ersten Schritte in dieser Richtung sind mit dem Bau und der Inbetriebnahme der katholischen Kirche und des Pfarrzen­ trums bereits erfolgt. Nachdem mit der Auf­ nahme dieses Ortszentrums in das Sanie­ rungsprogramm des Landes Baden-Würt­ temberg auch die finanziellen Voraussetzun­ gen weitgehend gegeben sind, werden die weiteren Schritte in Richtung Zusammenfas­ sung der Gemeindeverwaltung, der öffentli­ chen Einrichtungen, wie Post, Bank bzw. Sparkasse usw., bald folgen. Mit den die öffentlichen Einrichtungen ergänzenden zu­ sätzlichen Geschäfts-und Wohnhausbauten bestehen optimale Möglichkeiten zu einem echten Zusammenwachsen der Ortsteile in der Gemeinde Brigachtal. Bevölkerung, Ge­ meinderat und Verwaltung können daher insoweit optimistisch in die Zukunft Meinrad Belle, Bürgermeister schauen. * Mit der Verbindung der Wasserversor­ gungsnetze aller drei Ortsteile, dem Bau von Drucksteigerungsanlagen und Erweiterung des Hochbehälterraums sowie dem Bau eines weiteren Tiefbrunnens ist die Wasser­ versorgung der neuen Gemeinde zwischen­ zeitlich bis weit in das nächste Jahrhundert gesichert. Der begonnene großzügige Aus­ bau von Kinderspielplätzen dokumentiert die Kinderfreundlichkeit. Die Unterstüt­ zung des von der Gesellschaft für Altertums­ und Brauchtumspflege Brigachtal durchge­ führten Ausbaues der alten Schule Überau­ chen zu einem Heimatmuseum zeigt, daß nicht nur bauliche Schwerpunkte gesetzt, sondern auch notwendige Verbesserungs­ maßnahmen im kulturellen Bereich durch­ geführt wurden. Mit der Erschließung von Neubaugebie­ ten in allen drei Ortsteilen sowie eines klei­ nen Gewerbegebietes im Ortsteil Kirchdorf wurden auch hier die Weichen zu einer opti­ malen Entwicklung gestellt. Sehr früh hat sich hier auch die Erkenntnis durchgesetzt, daß die ungezügelte Entwicklung der Gemeinde nicht nur positive Seiten hat, son­ dern durchaus Probleme mit sich bringen kann. Diesen Problemen versucht man seit einiger Zeit dadurch Rechnung zu tragen, daß Baugelände in erster Linie für die ortsan­ sässige Bevölkerung bereitgestellt wird. Im Vordergrund steht seit längerer Zeit bereits die Integration der Neubürger in die einhei­ mische Bevölkerung. Das ausgeprägte Ver­ einsleben, Seniorentreff, das Katholische Bil­ dungswerk und die offene Jugendarbeit der Gemeinde leisten hier überaus wertvolle Hilfe. Es ist allerdings auch in unserer Gemeinde Brigachtal nicht alles „eitel Freud und Son­ nenschein“. Großes Kopfzerbrechen bereitet uns die außerordentlich hohe Verkehrsbela­ stung auf der Ortsdurchfahrt der L 178 a in Kirchdorf und Klengen mit rund 9 000 Fahrzeugen in 24 Stunden zwischen diesen beiden Ortsteilen. Auch die neugebaute Nordumgehung Marbach der B 33 hatte nicht die von den Experten vorausgesagte 30

Klaus Schnibbe Das Wappen der Gemeinde Brigachtal Wappen: In Grün ein verbreiterter silberner Schräglinksbalken, überlegt von einem aufgerichteten, rot­ gezungten und -bewehrten schwarzen Bären. Wappen zu symbolisieren. Die Brigach sollte durch einen Schrägbalken und St. Gallen durch den Bären des heiligen Gallus wieder­ gegeben werden. Nach der Heiligenlegende hatte der (angebliche) Klostergründer einen Bären – Symbol der heidnischen Wildnis – gezähmt; dieser wird daher meist mit einem Halsband oder auch Bauholz herbeischlep­ pend dargestellt. Während der Bär traditionell schwarz tin­ giert ist, hatte das Generallandesarchiv in eigenen Vorschlägen zur Wappengestaltung vor allem auf die Villinger (Fürstenberger) Farben Weiß-Blau abgehoben. Doch bestand die Gemeinde, wohl hauptsächlich im Hin­ blick auf die Ortsfahnen, auf Weiß-Grün, um Verwechslung mit den Farben der angren­ zenden Stadt Villingen-Schwenningen aus­ zuschließen. Da der Bär über das Heroldsbild des Schrägbalkens gelegt werden sollte, mußte dieser, um das unheraldische Zusammentref­ fen von Grün und Schwarz möglichst gering zu halten, ungewöhnlich verbreitert werden. Nach einigem Hin und Her wurde dann das Wappen in der dargestellten Form vom GLA positiv begutachtet und am 27. Februar 1976 vom Landratsamt des Schwarzwald-Baar­ Kreises verliehen. Q;,tellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe 450/F Wappenakten Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Wappenkartei Schwarz­ wald-Baar-Kreis. – H.-G. Zier: Wappenbuch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. – R. Jjlei­ derer: Die Attribute der Heiligen, 2. Aufl., Ulm 1920. – Gemeindewappenkommission: Die Gemeindewappen des Kantons St. Gallen, St. Gallen 1947. – E. Ziegler: Wappenblatt der vier Ortsgemeinden in der Politischen Gemeinde St. Gallen 1979. – Gemeinsames Amtsblatt Baden­ Württemberg 25 (1977) S. 313. 31 Die Gemeinde Brigachtal ging erst am 1. Oktober 1974 aus der Vereinigung der frühe­ ren Gemeinden Kirchdorf, Klengen und Überauchen hervor. Deren Wappen waren durch die Vereinigung erloschen, und die neue Gemeinde suchte nach einem neuen Wappen. Die früheren Gemeindewappen waren von Überauchen 1901 und Kirchdorf 1902 angenommen worden, während Klen­ gen erst 1960, anläßlich der Vorbereitung zum Wappenbuch des Landkreises Villin­ gen, sein Wappen verliehen bekommen hatte. Im vorigen Jahrhundert hatte nur Kirch­ dorf ein Siegel mit einem Siegelbild, der Mar­ tinskirche, besessen. Die beiden anderen Gemeinden hatten sich mit den Buchstaben K bzw. U A im Siegel begnügt. Das Kirchenbild, das auch ins Kirchdorfer Wappen aufgenommen wurde, hätte sich sicher auch für die Gestaltung des Brigachtä­ ler Wappens geeignet. Doch wurde 1975 in der neuen Gemeinde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben, der schließlich zu dem oben gezeigten Wappen führte. Postoberverwalter W. Geng hatte vorgeschlagen, die Brigach als namengebenden Fluß und das Kloster St. Gallen, das im 8. und 9. Jahrhundert aus­ gedehnten Grundbesitz im heutigen Kreis­ gebiet, hier speziell in Eigenhofen (Kirch­ dorf), Beckhofen und Klengen, hatte, im

Stadt Bad Dürrheim – 10 Jahre Aufwärtsentwicklung Vor 10 Jahren hat Bad Dürrheim durch den damaligen Innenminister Karl Schieß den Titel „Stadt“ erhalten. Die von Minister­ präsident Dr. Filbinger unterzeichnete Ur­ kunde der Landesregierung hat folgenden Wortlaut: ,,Baden-Württemberg. Urkunde. Die Landesregierung hat durch Beschluß vom 28. Mai 1974 der Gemeinde Bad Dürr­ heim, Schwarzwald-Baar-Kreis, die Bezeich­ nung »Stadt« verliehen. Stuttgart, den 28. Mai 1974, gezeichnet, Dr. Filbinger, Minister­ präsident“. Nur noch wenigen Einwohnern dürfte bekannt sein, daß Bad Dürrheim dreimal den Versuch gemacht hat, diesen Titel zu erhalten. Als der Gemeinde im Jahre 1921 die Bezeichnung „Bad“ verliehen wurde, hat das Badische Staatsministerium mit dem Mini- sterium des Innern die Verleihung des Titels ,,Stadt“ g�prüft. Sie konnte nicht erfolgen, weil eine Anderung des Gemeinderechts be­ vorstand. Im März 1922 wurde dann ein neuer Antrag gestellt, der vom Badischen Bezirksamt in Villingen befürwortet wurde. Das Staatsministerium beschloß jedoch im Oktober 1922, ,,daß dem Gesuch z. Zt. eine Folge nicht gegeben werden kann“, wie es damals wörtlich hieß. Ein weiterer Antrag wurde 1929 gestellt, der aber bis 1936 keine Antwort erfuhr. Dann lehnte der damalige Reichsstatthalter in Baden das Gesuch 1938 endgültig ab. Ende 1973 beauftragte der Gemeinderat die Verwaltung, an der Spitze Bürgermeister und Kurdirektor Otto Weissenberger, erneut einen Antrag zur Verleihung der Stadtrechte 1821 im Weinbrennerstil erbaut – das Rathaus von Bad Dürrheim 32

Der Kurpark von Bad Dürrheim mit dem Kurhaus (im Hintergrund) zählt zu den schönsten im Land zu stellen. Diesmal klappte es. Landtagspräsi­ dent Camill Wurz nahm den Antrag bei einem Besuch selbst entgegen. Es war ein denkwürdiger Tag, als dann im Mai 1974 die Mitteilung von der Verleihung des Titels „Stadt“ einging. Mit einer großen Festwoche im September 1974 wurde die Stadterhebung anschließend gebührend gefeiert. Das Pro­ gramm wurde von den Vereinen und Organi­ sationen der Stadt selbst vorzüglich gestaltet. Innenminister Karl Schieß sagte in seiner Festrede, die Entwicklung der Gemeinde zur Stadt hin habe sich während der vergange­ nen 20 Jahren in drei Richtungen vollzogen: a) in Richtung Bäderwesen, b) dann in der gemeindlichen Entwicklung mit dem Aus­ bau der Infrastruktur und des Städtebaus, und c) schließlich im Rahmen der Förderung und des Ausbaus der Ostbaargemeinden. Somit sei ein zentraler Ort entstanden mit modernsten kommunalen Einrichtungen. Schieß dankte vor allem Otto Weissenberger für dessen Aufbauarbeit in den vergangenen Jahrzehnten. Bad Dürrheim hat sich als Kurort nicht nur im Land Baden-Württemberg, sondern darüber hinaus in der Bundesrepublik und in den Nachbarländern einen guten Ruf erwor­ ben. Nicht ohne Grund wurden ihm zwei Prädikate im Kurwesen zuerkannt, der Titel ,,Bad“ und 1976 „Heilklimatischer Kurort“, eine Tatsache, die nur noch ein weiteres Bad des Landes aufweisen kann. Da Otto Weis­ senberger von Anfang an gleichzeitig auch Kurdirektor war, gab es stets gute Verzah­ nungen zwischen der Gemeindepolitik und der Kurortentwicklung. Nach 5 Jahren „Stadt“ gab 1979 Otto Weissenberger sein Amt in jüngere Hände ab. Neuer Bürgermeister und später auch 33

Kurdirektor wurde Gerhard Hagmann aus Villingen, der zuvor beim Stuttgarter Finanz­ ministerium und im Landtag von Baden­ Württemberg eng mit den Aufgaben der Ver­ waltung einer Gemeinde und eines Kurortes vertraut war. Sofort nach seinem Amtsantritt hieß es, die Finanzen in den Griff zu bekom­ men und trotz aller finanzieller Schwierigkei­ ten große Aufgaben anzupacken und zu bewältigen. Vor allem die Abwasserversor­ gung wurde verbessert. Es entstand eine moderne Kläranlage und ein großes weitläu­ figes Kanalnetz für die Ostbaargemeinden einschließlich der Gemeinde Tuningen mit einem Kostenaufwand von 28 Mio. DM. Dank einer sehr guten finanziellen Unter­ stützung seitens des Landes und einer stren­ gen Sparpolitik im kommunalen Haushalt konnte die Stadt dieses große Vorhaben durchführen, ohne die Bürger zu sehr bela­ sten zu müssen. Im Vorjahr wurde ebenfalls ein wichtiger Schritt nach vom auf dem Gebiet der Abwas­ serentsorgung für die Kernstadt getan. Das Abwasser der Kernstadt wird künftig zur gro­ ßen Kläranlage in Donaueschingen fließen. Der Gesamtanschluß wird etwa 11 Mio. DM kosten. Auch hier hat das Land eine kräftige Hilfe zugesagt. Damit wird ein jahrelang gehegter Wunsch der Bevölkerung und Ver­ waltung 1985 in Erfüllung gehen. Die Bauar­ beiten für den Hauptkanal sind in vollem Gange. Im Kurwesen wurde Anfang 1984 eben­ falls ein bedeutender Schritt eingeleitet. Das Land übertrug die ihm bis dato gehörenden Kur- und Kurmitteleinrichtungen in die Hände der Kommune. Als „Hochzeitsgabe“ wurden der Stadt vom Finanzministerium als Ausgleich für die Übernahme der Einrich­ tungen 20 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Weitere Fördermittel zum Ausbau und zur Modernisierung der Gesamtanlage aus ande­ ren Fördertöpfen wurden zugesagt bzw. ste­ hen in Aussicht. Aber auch auf vielen anderen Gebieten ging es aufwärts. Die Überschuldung der Stadt wurde schrittweise abgetragen. In allen 34 6 Stadtteilen der Ostbaar wurden zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Infra­ struktur, wie z.B. in der Baulanderschlie­ ßung, dem Straßen-und Gehwegbau bis hin zum Bau und zur Förderung von Sportein­ richtungen durchgeführt. Im Kernort selbst wurde schon 1980 mit dem Bau der Realschultumhalle eine wich­ tige Infrastrukturmaßnahme erfüllt. Die Erschließung des Gewerbegebietes, der Bau von Geh- und Radwegen sowie jüngst umfangreiche Sanierungsmaßnahmen des lebenswichtigen Baumbestandes der Stadt folgten, um die Stadt für Bürger und Kur­ gäste gleichermaßen attraktiv und lebens­ wert zu machen und zu erhalten. „Die Zukunft wird so aussehen, wie wir sie gestalten“. Dieser Ausspruch wiegt für Bad Dürrheim besonders schwer. Er gilt sowohl für den Kurbetrieb und die entsprechende Entwicklung des Kernortes, als auch für die Entwicklung der Ostbaargemeinden und er gilt speziell für das Zusammenwachsen aller Stadtteile selbst untereinander und mit der Kernstadt. Das rege blühende Vereinsleben in Bad Dürrheim ist ein gutes Zeichen von Bürgersinn und Gemeinschaftsgeist. Der Ausbau der 1982 gebildeten kirchlichen Sozialstation, der Feuerwehr und des Roten Kreuzes sind weitere Lichtzeichen im gemeindlichen Alltag. Mögen alle diese posi­ tiven Ansätze dazu führen, daß die Stadt Bad Dürrheim auch in den nächsten Jahrzehnten blüht und gedeiht. Gerhard Hagmann, Bürgermeister Autobahnzubringer von der B 27 zum Auto­ bahndreieck Bad Dürrheim. Im Hintergrund der Aufnahme: die Ortschaften Biesingen (rechts), Sunthausen (links) und Öfingen (oben rechts). (Freigegeben vom Reg.-Präsidium Stuttgart Nr. 2153981, Luftbild Albrecht Brugger, Stuttgart).

Behörden und Organisationen Annemarie Conradt-Mach: ,,Der Freiheit Tag bricht an … “ 100 Jahre Arbeiterbewegung in Schwenningen Der erste „Communist“, der im Oberamt Rottweil aktenkundig wurde, war der Schu­ ster Mathis Wenz aus Rottweil. In einem Schreiben des Königl. Ministeriums des Innern vom 18. Mai 1853 wird das Oberamt angewiesen, den Schuster zu durchsuchen und ein weiteres Eindringen solcher Bestre­ bungen in Württemberg zu verhindern. Mathis Wenz hatte sich bei seiner Wander­ schaft in der Schweiz einem „Arbeiter-Rei­ seunterstützungs-Verein“ angeschlossen. In diesem Verein wurden nach Informationen des Königlichen Innenministeriums „demo­ kratische Lieder“ gesungen und sozialistische Schriften von Fourier gelesen. Die Handwerksgesellen brachten wohl als erste Gruppe von ihren Wanderungen frei­ heitlich-demokratische aber auch „commu­ nistische“ Ideen nach Württemberg. Sie waren die mobilen Elemente in einer relativ stabilen vorindustriellen Gesellschaft Aller­ dings vermochten die staatlichen Behörden damals die Begriffe ,freiheitlich‘ -,demokra­ tisch‘ -,republikanisch‘ -,sozialistisch‘ noch nicht so recht zu unterscheiden. Die Einführung der Industrie in unserer Region veränderte die Bedingungen des alten Handwerks völlig. Arbeitsteilung, Fabriksystem und Eisenbahn bestimmten die gewerbliche Produktion mehr und mehr. Zu Beginn der Schwenninger Industriali­ sierung 1857 gab es hier sieben Fabrikarbei­ ter, 1875 schon 300, 1895 arbeiteten bereits 1600 Menschen in der Uhrenindustrie, und im Jahr der Stadterhebung Schwenningens 1907 waren es 3000. Diese gewaltigen Ver­ änderungen des „dörflichen“ Wirtschafts­ und Sozialsystems löste bei vielen Angst und Unsicherheit aus. Die alten Schwenninger – vor allem die Bauern -fürchteten um ihre 36 gesellschaftliche Vorrangstellung, um Moral und Sitte im Dorf, da die Eisenbahn und die in ihrem Gefolge rasch wachsende Industrie eine völlige Veränderung des Gemeinwesens erwarten ließ. Verspottet wurde diese Einstel­ lung 1864 in einem zeitgenössischen Leser­ brief des Johannes Bürk (zitiert nach dem Heimatblättle): ,,Durch das Verlassen des alten ange­ stammten ländlichen Berufes und die Ein­ führung gewerblicher Beschäftigung, welche den Gewerbsleuten fremdes Geld eintrug, sind auch die Tagelöhne auf das Vierfache gestiegen und die Tagelöhner übermütig geworden. In vielen Haushaltungen hat nicht nur ein Luxus der Kleider, sondern auch der Lebensweise Eingang gefunden, vor dessen Folgen wir mit Schrecken stehen … Die Eisenbahn mit ihrer rasenden Eile wird noch mehr Fremde hierher bringen, sie wird uns unsere Söhne entführen und ihnen Gele­ genheit geben, die verderblichen Einrichtun­ gen anderer Gegenden kennen zu lernen und hierher zu verpflanzen … In der Fremde und von Fremden, welche hierher kommen, wer­ den sie (unsere Söhne) Neigung für Fremdes, selbst für fremde Frauen bekommen, sie wer­ den selbst vor den Faßreifen der modernen Frauenröcke nicht zurückschrecken und die nationale Schwenninger Weibertracht, dieses letzte Bollwerk alter Sitte wird fallen.“ Die einflußreichen Schwenninger Bauern sahen ihre Positionen schwinden, aber auch die „freien“ Handwerker begegneten dem neuen System mit tiefem Mißtrauen. Das Fabriksystem zwang zur Arbeitsteilung, ver­ langte von den Arbeitern völlig monotone Tätigkeiten; die überlangen Arbeitszeiten in den Fabriken behinderten die damals weit­ verbreitete landwirtschaftliche Nebentätig-

Der Genosse Johannes Schlenker, später Paradieswirt, mit seiner Familie auf dem Alten Ange� um 1890. Die Verbindung von Landwirtschaft, Handwerk und Industriearbeit war in der frühen Phase der Industrialisierung üblich. (Foto: Sammlung Felix Schlenker, Mühlhausen) keit. Landwirtschaft vermittelte nach land­ läufiger Einstellung existenzielle Sicherheit, Unabhängigkeit in der Versorgung mit Lebensmitteln und Sicherheit im Alter. Die Fabrikarbeit erschien dagegen als unkalku­ lierbares Risiko. Die Löhne wurden hier ein­ seitig von den Unternehmen diktiert, waren abhängig von einer unüberschaubaren Marktsituation. Den Arbeitsrhythmus in der Fabrik bestimmte der Fabrikherr. Er legte die Arbeitspausen und die Arbeitszeiten fest, und schließlich löste das Fabriksystem auch die vorindustrielle familiäre Arbeitsverfas­ sung auf Viele Schwenninger Bauernhand­ werker lebten mit ihrer zahlreichen Familie in einer Zweizimmerwohnung und betrie­ ben in der gleichen Wohnung noch ein Gewerbe. Den Vorteil, den die Trennung von Arbeitsplatz und Privatwohnung brachte, wollten die Schwenninger Handwerker zu Anfang nicht so recht einsehen. Landwirt­ schaft und überschaubarer Familienbetrieb waren Teil der vorindustriellen Freiheit und sozialen Sicherheit. Die Ausdehnung der Industrieproduk­ tion mit ihren niedrigen Preisen drückte die Preise der „freien“ Handwerker ins Boden­ lose. Immer mehr mußten ihr unrentables Gewerbe aufgeben und den Weg in die Fabrik antreten, der allenthalben als gravie­ render sozialer Abstieg empfunden wurde. Die Auswirkungen des „neuen Fabrikzeit­ alters“ auf die Schwenninger Handwerker lassen sich am Beispiel des Schwenninger Sozialdemokraten Johannes Schlenker, Para­ dieswirt, deutlich machen. Sein Lebenslauf ist in einem Familienbuch recht gut überlie­ fert. Johannes Schlenker wurde am 23. Februar 1859 in Schwenningen geboren. Er „besuchte zunächst drei Jahre die Volksschule, dann wurde er in die Realschule aufgenommen, die er fünf Jahre in Anspruch nahm. Nach seiner Schulentlassung kam er 14jährig zu 37

Thomas Haller in die Uhrmacherlehre. Nach vier Jahren gings zu Fuß auf die Wander­ schaft, ein l lhjähriger Aufenthalt in St. Geor­ gen und ein ebensolanger in Ulm folgten.“ (Familienbuch, Felix Schlenker) Die Phase einer längeren Wanderschaft zwischen Aus­ bildungszeit und Familiengründung war fast typisch für den Lebenslauf der Schwennin­ ger Industriearbeiter. Die Handwerksgesel­ len und Arbeiter ließen sich eine Zeitlang den Wind um die Nase wehen, man ging „auf die Walz“, man war mobil, wollte die Welt kennenlernen, brachte neues berufliches Wissen mit, aber oft auch neue fremde politische Ideen und Organisationsformen. Nach seiner Wanderschaft wurde Johannes Schlenker Fabrikarbeiter in der neugegrün­ deten Uhrenfabrik Johannes Müller in Schwenningen. Nach drei Jahren wechselte er zur Württembergischen Uhrenfabrik. Seit seinem 25. Lebensjahr engagierte sich Johan­ nes Schlenker für die Sozialdemokratie, damals „die einzige Partei“, „die für die Arbeiter eintrat“. Sein Enkel schreibt über ihn: „Bei seinen Vorgesetzten war er nur wenig beliebt, denn als freiheitlich gesinnter Mann erlaubte er es sich des öfteren auf eine Stunde zum Vesper wegzugehen, oder einen oder zwei Tage zu Hause zu bleiben und für sich zu arbeiten. Kurzum er haßte den Zwang.“ Das Leben unter der Arbeitsdisziplin der Fabrikordnung fiel den freiheitlich denken­ den Handwerksgesellen schwer. Die ersten Fabrikarbeiter müssen die Fabrikarbeit als äußerst bedrückend empfunden haben. Die Abhängigkeit von großen Organisationen machte Angst. Die kleine Landwirtschaft, welche die eingesessenen Arbeiter noch besa­ ßen, gab dieser Gruppe einen letzten Rest an Sicherheit und Unabhängigkeit. Die neuzu­ gezogenen Arbeiter, ohne die Sicherheit des landwirtschaftlichen Grundbesitzes, muß­ ten ihr Dasein wohl als ein völliges Ausgelie­ fertsein an die Fabrik mit ihren unsicheren Löhnen und ihren Zwängen erfahren. Der Verlust der vorindustriellen Geborgenheit und Sicherheit, die Abhängigkeit von den 38 undurchschaubaren Strukturen der neuen Fabriken, waren wohl die häufigsten Triebfe­ dern, einer sozialistischen Vereinigung bzw. einer Gewerkschaft beizutreten. Gemeinsam fühlte man sich stärker, konnte man sein Unbehagen artikulieren. Die erste Schwenninger Gewerkschaft war der Fachverein für Metallarbeiter aller Bran­ chen. Unter dem Datum vom 30. Juli 1885 zeigte der Vorsitzende Julius Treiber, ein Arbeiter der Uhrenfabrik Mauthe, und der Schriftführer Philipp Hauser dem König!. Oberamt in Rottweil an: „In Schwenningen hat sich mit heutigem Tag ein Fachverein ge­ gründet, alls Mitgliedschaft der Vereinigung der Metallarbeiter Deutschlands. “ Schon am 13. Juli 1885 hatte in Schwen­ ningen – in der „Neckarquelle“ über mehrere Wochen als Metallarbeiterversammlung an­ gekündigt – eine große Arbeiterversamm­ lung stattgefunden. ,,In praktischer Hinsicht hatte diese Versammlung das erfreuliche Resultat, daß die hiesigen Metallarbeiter den erfreulichen Beschluß faßten, der Vereini­ gung beizutreten.“ (Metallarbeiterzeitung Nr. 22 v. 25. 7.1885) Die Vereinigung der Metallarbeiter Deutschlands war um die Jahreswende 1884/ 85 in Gera gegründet worden. Ihre Mitglie­ der waren vor allem die wandernden Metall­ arbeiter. Die Gewerkschaft sollte Reiseun­ terstützung bieten, die Arbeitsbedingungen verbessern helfen, berufliches Wissen ver­ mitteln, aber auch die Interessen der Arbeiter im Konfliktfall gegen die Fabrikanten unter­ stützen. Für Neuankömmlinge war sie häu­ fig die erste Anlaufstelle, vermittelte Gebor­ genheit und half, sich am neuen Wohn-und Arbeitsort zurechtzufinden. Das Mitglieds­ buch garantierte überall in Deutschland Hilfe und freundschaftlich-kollegiale Auf­ nahme. Am 4. August 1885 befand das Oberamt in Rottweil über die Schwenninger Metallar­ beiter: ,,Der Verein ist nicht politischer Natur … Nach seinen Statuten verfolgt der Verein auch keine sozialdemokratischen, sozialisti­ schen oder kommunistischen auf den

wohn betrachtet. Am 19. August 1885 glaubte der Badische Landeskommissär, der für Mannheim zuständig war, genügend Material zusammenzuhaben, um die Orga­ nisation mit sämtlichen Mitgliedschaften zu verbieten wegen Vergehens gegen das Sozia­ listengesetz. Die Mannheimer Gewerk­ schaftsvorsitzenden hatten offenbar mit einem Verbot ihrer Organisation gerechnet. Am 18. August 1885 verschickten die Genossen Willig und Hänsler aus Mann­ heim ein vertrauliches Schreiben an die örtli­ chen „Filialvorstände“. Darin wurden diese aufgefordert, „sofort eine Mitgliederver­ sammlung anzuberaumen“. In dieser Ver­ sammlung sollte der sofortige Austritt aus der Vereinigung der Metallarbeiter Deutsch­ lands beschlossen werden und ein entspre­ chender „Lokal Verein für Metallarbeiter aller Branchen“ gegründet werden. ,,Im Inter- ]ulius Treiber, 1. Vorsitzender des Schwenninger Fachvereins 1. Seite der Statuten des Schwenninger Fachver­ eins von 1885 Umsturz der bestehenden Staatsordnung gerichtete Zwecke.“ Diese Feststellung war für die Schwenninger Metallarbeiter wichtig, da sozialdemokratische Aktivitäten und andere „Bestrebungen“, die den „öffentli­ chen Frieden“, )nsbesondere die Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährdeten“, durch das Sozialistengesetz des Deutschen Reiches von 1878 unter Strafe gestellt waren. Insgesamt darf man aber davon ausgehen, daß die sozialistischen Ideen in den 80er Jah­ ren in Schwenningen unter der Arbeiter­ schaft populär waren. Schon 1883 unterhielt der bereits zitierte Johannes Schlenker in Schwenningen eine Station der Roten Feld­ post. Es bestanden auch Verbindungen zu den Villinger Gesinnungsgenossen, die bereits im Juni 1884 einen Metallarbeiter­ fachverein gegründet hatten. Das Villinger Beispiel machte dann auch in Schwenningen Schule. Die Vereinigung der Metallarbeiter Deutschlands wurde überall in Deutschland, wo sich Ortsvereine gebildet hatten, mit Arg- 39

Uhrmacherwerkstatt in der Württembergischen Uhrenfabrik um 1900 (Stadtchronik Schwenningen) Mauthe eine Möglichkeit, gegen den Metall­ arbeiterfachverein, der von dem Mauthe­ Arbeiter Julius Treiber geleitet wurde, einzu­ schreiten. Der Fabrikant Jakob Mauthe wandte sich an den Staatsanwalt in Rottweil: „Seit ca. 4 Wochen besteht hier unter der Arbeiterbevölkerung ein in sozialdemokrati­ schem Sinne geleiteter Arbeiterverein … des­ sen Mitglieder meist ziemlich verwehte Sub­ jekte sind und sich in wöchentlichen Zusam­ menkünften in den bekannten Theorien aus­ bilden. Verflossenen Samstag den 15. August hatte genannter Verein eine Zusammen­ kunft in der hiesigen Bahnhofrestauration nach deren Schluß einige Mitglieder des Ver­ eins, darunter … der Uhrmacher Schleyerer aus Bonndorf sich in die Wirtschaft zur For­ tuna begaben, um hier mit einigen ruhigen … Bürgern anzubinden … Dabei beschimpf­ ten sie meine Person in gemeinster Art.“ Es fielen angeblich die Worte: „Was der Mauthe! Zuerst kommt ein schlechter Spitz­ bub -dies ist der Mauthe nicht! Denn wenn esse der Sache ersuchen wir die schleunige Ausführung dieser Rathschläge … Alles Anstößige ist zu beseitigen … Es gilt wenig­ stens die Lokal-Organisation zu retten.“ Die Schwenninger Metallarbeiter setzten diesen Ratschlag im Gegensatz zu ihren Vil­ linger Genossen am 22. August 1885 in die Tat um und gründeten den „Fachverein der Metallarbeiter aller Branchen in Schwennin­ gen“. Die Ziele dieses neuen Fachvereins, dessen Statuten noch in einem handschriftli­ chen Exemplar erhalten sind, waren nach Paragraph 2 folgende: „Der Verein hat den Zweck, die geistige und materielle Lage der Metallarbeiter zu verbessern. Der Wirkungs­ kreis bleibt vorläufig auf Schwenningen beschränkt. Ferner gewährt er seinen Mitglie­ dern im Falle Maßregelung von Seiten der Fabrikanten, welche hervorgerufen durch seine Thätigkeit für genannten Verein ange­ messene Unterstützung.“ Aber schon einen Tag vorher, am 21. August 1885, sah der Fabrikant Jakob 40

ein noch viel schlechterer kommt, das ist dann der Mauthe!“ Der Fabrikant sah diese Aussage „im Anschluß der vorher in jener Versammlung eingesogenen Lehren“. Am 28. August 1885 übergab Jakob Mauthe seine Anzeige der Rottweiler Staats­ anwaltschaft, „wegen Beleidigung und wegen sozialdemokratischer Umtriebe“. Die Anzeige wurde außerdem so begründet: „Meines Erachtens liegt ein öffentliches Interesse an Verfolgung dieser Beleidigung deshalb vor, weil die beileidigende Äußerung in einer öffentlichen Wirtschaft ohne allen Anlaß von unserer Seite gefallen ist und weniger unserer Person als vielmehr dem Stand der Fabrikanten und Arbeitgeber über­ haupt gegolten hat.“ Zeugen für Mauthes Anzeige waren zwei Schwenninger Unter­ nehmer und der Wirt des Gasthauses zur Fortuna, Christian Merz. Gaststätten resp. Wirtschaften nahmen im öffentlichen Leben des 19. Jahrhunderts einen zentralen Teil ein. Sie waren Informa­ tio_nsbörsen, hier lagen Zeitungen aus, hier wurden Geschäfte abgeschlossen, hier gab es Unterhaltung, hier konnte man gemütlich sitzen, hier entwickelten sich politische Streitgespräche auch zwischen den sozialen „Ständen“, wie der beschriebene Vorfall beweist. Für die zuwandernden mobilen Handwerksgesellen und Arbeiter waren sie häufig der einzige Ort, an dem sie ihresglei­ chen treffen konnten, an dem man sich nach der Tagesarbeit in der Fabrik aufhalten konnte. Die Unterkünfte der männlichen ledigen Arbeiter bestanden oft nur in einem Schlafplatz, einem Bett auf dem Korridor bzw. in der Abseite, welches man bei einer Schwenninger Arbeiter-bzw. Handwerkerfa­ milie gemietet hatte. Die Wirtschaft wurde für die ledigen Arbeiter häufig zum Zuhause, verlockte viele ihr sauer verdientes Geld schnell wieder los zu werden. Auch die Arbeiterversammlungen mußten in Gast­ häusern stattfinden. Dieser Sachverhalt war oft die Ursache dafür, daß die Arbeiter der Frühindustrialisierung gegen Bierpreiserhö­ hungen, die den Lokalbesuch verteuerten, Der Fabrikant Jakob Mauthe (Stadtchronik Schwenningen) mit Demonstrationen und gewerkschaftli­ chen Boykottmaßnahmen einschritten. Am 19. September 1885 wurde die Schwenninger Metallarbeitergewerkschaft endgültig verboten. Der Fabrikant Jakob Mauthe hatte seine Interessen vorerst durch­ gesetzt. Aus der Distanz von fast 100 Jahren erscheint der Vorfall in der Fortuna als Pro­ vinzposse par excellence. Die unfreiwillige Komik der Anzeigensache Fabrikant Mauthe gegen den Uhrmacher Schleyerer aus Bonndorf überdeckt die soziale Kon­ fliktsituation, gibt dem Streit eine vergnüg­ liche Seite. Trotzdem wirft er ein bezeichnen­ des Licht auf das Verhältnis von Arbeitge­ bern und Arbeitnehmern, wie es in der Früh­ industrialisierung hierzulande üblich war. Die Fabrikanten -hier der Fabrikant Jakob Mauthe -identifizierten ihre Anliegen als 41

Heute stellen die Gewerkschaften in unse­ rer Gesellschaft einen wichtigen Bestandteil unseres demokratischen und freiheitlichen Staatswesens dar. Ohne die Existenz wir­ kungsvoller Interessenvertretung von Ar­ beitnehmern wäre eine freie demokratische Gesellschaft-wie sie unser Grundgesetz vor­ sieht -unmöglich. Quellennachweis: Die Quellen stammen aus dem Staatsarchiv in Sigmaringen, dem Generallandesarchiv in Karlsruhe, dem Archiv der Industriegewerkschaft Metall in Frankfurt. Außerdem wurde das Familien­ buch der Familie Felix Schlenker, Mühlhau­ sen, verwendet. Stammhaus der Uhrenfabrik Mauthe bis 1898 (Stadtchronik Schwenningen) gleichrangig mit den Interessen der Öffent­ lichkeit, mit Staatsinteressen. In dieser Logik wird dann der „heimat-und vaterlandslose“ Uhrmacher Schleyerer zum Feind der Öffentlichkeit und mit ihm die organisierten Metallarbeiter in Schwenningen, die noch am 24. August 1885 glauben, daß sie mit einer Neugründung eines örtlichen Fachver­ eins ihre Organisation vor dem Zugriff des Staatsanwalts retten können. Welche langfristigen Auswirkungen die Koalition von Staats-und Unternehmerinte­ ressen für die deutschen Arbeiter bewirkte, welches Verhältnis sie zu dieser Gesellschaft entwickeln konnten, welches Vertrauen sich der Staat und die Behörden unter diesen Bedingungen bei der Arbeiterbevölkerung erwarben, diese Frage kann sich jeder selbst beantworten. Die Anfange der Schwennin­ ger Gewerkschaftsbewegung hatten jeden­ falls gegen eine Übermacht von Staat und Fabrikherren zu kämpfen. Arbeitnehmerin­ teressen konnten nur allzuleicht kriminali­ siert und in den illegalen Untergrund abge­ drängt werden. 42

Von Regierungsvermessungsdirektor Dipl. Ing. Karl König Warum wird noch vermessen, es ist doch alles schon vermessen! Um dieses Schlagwort zu entkräftigen, möchte ich aus der Vielfalt der Forschungs-und Anwendungsbereiche des Vermessungswesens die Aufgaben vor­ stellen, die in unserem Land durch die Ver­ messungsbehörden wahrgenommen wer­ den. 1.Das amtliche Vermessungswesen Das amtliche Vermessungswesen, wie es sich heute darstellt, hat seine Wurzeln in den großen landesvermesserischen und kataster­ technischen Aufgaben, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts zur Lösung anstanden. Im Zuge des napoleonischen Hau-Ruckver­ fahrens zur Neugliederung des deutschen Südwestens wurden 1806 das Königreich Württemberg, das Großherzogtum Baden und die Fürstentümer Hohenzollern­ Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen geschaffen. Es waren Staatsgebilde ohne ein­ heitliche Maß-und Gewichtssysteme, ohne einheitliche und vollständige Beschreibung der Bodennutzung und der Besitzverhält­ nisse und ohne kartenmäßige Darstellung. All dies war und ist jedoch für ein geordnetes Staatswesen erforderlich, wenn die Besteue­ rung (Grundsteuer) gerecht, wenn das Eigen­ tum gesichert und die Verwaltung übersicht­ lich sein soll. Es ist klar, daß ein Land nur vollständig beschrieben und in Karten dargestellt werden kann, wenn eine einheit­ liche Vermessungsgrundlage besteht. So begannen in Württemberg, in Baden und Hohenzollern sog. Landesvermessun­ gen, durch die jeweils zunächst das ganze Land in einem einheitlichen Maßsystem erfaßt wurde. Parallel oder im Anschluß an die Landesvermessungen wurden sämtliche Flur-bzw. Grundstücke vermessen, ihre Nut­ zungsart, Fläche und Eigentümer ermittelt, und die Ergebnisse in öffentlichen Büchern (Primärkataster bzw. Lagebuch), Dokumen- ten (Handriß, Feldbuch) und Karten (Flur­ karten, Gemarkungsatlas) festgehalten. Die Führung und Fortführung der Vermessungs­ ergebnisse oblag sog. Bezirksgeometerstel­ len. übergeordnete Aufgaben der Landesver­ messung wurden vom „Katasterbüro“ durch­ geführt, das z.B. in Württemberg dem Finanzministerium, in Baden der Oberdirek­ tion der Wasser-und Schiffahrtsverwaltung angegliedert war. Aus den Bezirksgeometer­ stellen und den Katasterbüros entwickelte sich die heute bestehende Vermessungsver­ waltung. 2.Aufbau der Vermessungsverwaltung Das Vermessungswesen ist Länderangele­ genheit. In Baden-Württemberg ist die Ver­ messungsverwaltung eine Sonderverwaltung im Sinne des Landesverwaltungsgesetzes. Oberste, für das Vermessungswesen zustän­ dige Stelle ist das Innenministerium Baden­ Württemberg. Mittelinstanz ist das Landes­ vermessungsamt Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart und einer Außenstelle in Karlsruhe. Es ist eine Landesoberbehörde, d. h. seine Zuständigkeit erstreckt sich über das ganze Land. Es ist Dienst-und Fachauf­ sichtsbehörde für die Staatlichen Vermes­ sungsämter und Fachaufsichtsbehörde für alle sonst zu hoheitlichen Vermessungsarbei­ ten befugten Stellen. Auf unterer Ebene werden die Aufgaben entsprechend der Kreiseinteilung von 35 Staatlichen Vermessungsämtern wahrge­ nommen. So ist für den Schwarzwald-Baar­ Kreis (mit Ausnahme des Stadtgebietes Vil­ lingen-Schwenningen) das Staatliche Ver­ messungsamt Villingen-Schwennin­ g e n mit Sitz in Villingen zuständig. Nach dem Vermessungsgesetz können darüber hinaus weitere Stellen mit der Wahr­ nehmung hoheitlicher Vermessungsaufga­ ben ermächtigt werden: Aufbau und Aufgaben der Vermessungsverwaltung 43

1. Einer Gemeinde können auf deren Antrag und für ihr Gemeindegebiet sämt­ liche Aufgaben eines Staatlichen Vermes­ sungsamtes übertragen werden. Davon haben in Baden-Württemberg 26 Städte Gebrauch gemacht; u. a. auch die Stadt Villingen-Schwenningen. 2.Einzelnen Landesbehörden können Auf­ gaben aus dem hoheitlichen Vermes­ sungsbereich übertragen werden, soweit es für ihre Aufgabenerledigung zweckmäßig ist. In diesem Rahmen können z. B. das Autobahnamt, das Flurbereinigungsamt, die Finanzdirektion Flurstücksgrenzen feststellen und Vermessungsarbeiten durchführen. 3.Hoheitliche Aufgaben können auch auf freiberuflich tätige Vermessungs­ ingenieure übertragen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse gebo­ ten ist. Der freiberuflich tätige Vermes­ sungsingenieur muß hierfür als Träger eines öffentlichen Amtes bestellt werden 44 Klassische Streckenmessung mit 5-m-Stangen (Abb. l) (Öffentlich bestellter Vermessungsinge­ nieur). Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind z.Z. 15 Öffentlich bestellte Vermessungs­ ingenieure zu hoheitlichen Vermessungs­ arbeiten zugelassen. Die unter Nr. 2 und 3 genannten Stellen sind nicht zur Führung des Liegenschaftska­ tasters befugt, sondern übergeben ihre Vermes­ sungsergebnisse der zuständigen Vermes­ sungsbehörde zur Prüfung und zur Über­ nahme in das Liegenschaftskataster. Schließ­ lich gibt es noch freiberuflich tätige Vermes­ sungsbüros, die nicht zu hoheitlichen Ver­ messungsarbeiten befugt und damit nicht zur Vermessungsverwaltung zu zählen sind. 3.Aufgaben der staatlichen Vermessungs­ verwaltung Die hoheitlichen Aufgaben sind der Ver­ messungsbehörde durch Gesetz zugewiesen. §6 des Vermessungsgesetzes lautet: „Vermessungsaufgaben sind insbesondere

1. die Erhaltung und Erneuerung der geodä­ tischen Grundlagen der Landesvermes­ sung (Dreiecksnetze und Höhennetze), 2. die topographische Landesaufnahme, 3. die Bearbeitung und Herausgabe der topographischen Kartenwerke, 4. die Erneuerung von Katasterkarten, 5. das Feststellen und Abmarken der Lan­ desgrenze, 6. die Katasterneuvermessung, 7. das Feststellen und Abmarken der Flur­ stücksgrenzen und der Gemeindegrenzen sowie die Sicherung gefährdeter Vermes­ sungszeichen und Grenzzeichen, 8. die Katasterfortführungsvermessung, 9. die Führung des Liegenschaftskatasters einschließlich der Übernahme der Boden­ schätzungsergebnisse in das Liegen­ schaftskataster sowie 10. die Überwachung der Vermessungszei­ chen und die Erfassung topographischer Änderungen.“ Die unter Nr. 1 bis 6 genannten Aufgaben werden vom Landesvermessungsamt wahr­ genommen, da es sich um kreis- und vielfach länder- und staatenübergreifende Aufgaben handelt. Einige davon sollen kurz beschrie­ ben werden: Erhaltung und Erneuerung der geodäti­ schen Grundlagen: ,,Dreiecksnetze“ und „Höhennetze“ bil­ den sozusagen das Gerippe für die lage- und höhenmäßige Festlegung aller Punkte der Erdoberfläche oder von Bauwerken. Eck­ punkte der geodätischen Dreiecke sind im Gelände u. a. mit großen Granitpfeilern gekennzeichnet und an dem eingemeißelten Kreuz auf der Oberseite leicht erkennbar. Von ihnen ausgehend werden heute alle Grenzsteine, Gebäudeecken und sonstige für die Planung wichtigen Geländepunkte auf­ gemessen und in einem rechtwinkligen Koordinatensystem berechnet. Moderne Strecken-und Winkelmessung mit elektrooptischem Theodolit. Der Computer befindet sich im Di.ensifahruug (Abb. 2). 45

Die Abszissenachse dieses Koordinaten­ systems ist in Baden-Württemberg der 9°­ Meridian. Sein Schnitt mit dem Äquator ist der Nullpunkt des Koordinatensystems. Alle Berechnungen beziehen sich heute auf das sog. Bessel-Rotationsellipsoid, das im europäischen Bereich der „wahren Erdge­ stalt“ gut angepaßt ist. Es hat folgende Dimension: Große Halbachse 6 377 397,155 m, kleine Halbachse b = 6 356 078,963 m und einer Abplattung (a – b) : a = 1:299,1528. a Punkte des Höhennetzes sind mit Metall­ bolzen häufig an Bauwerken vermarkt. Sie tragen meist eine entsprechende Aufschrift. Alle Höhenangaben beziehen sich heute auf eine vom Amsterdamer Pegel abgeleitete Höhe (Höhe über Normalnull = Höhe über NN). Das war nicht immer so. Im letzten Jahrhundert bezog z.B. das Land Baden seine Höhen auf den Pegel von Marseille, also auf das Mittelmeer. Ausgewählte Punkte des Höhennetzes werden in längeren Zeitab­ schnitten erneut vermessen. Aus Unterschie­ den können Rückschlüsse auf Höhenände­ rungen des Geländes geschlossen werden. Neuerdings wird auf ausgewählten Punk­ ten die dort wirkende Schwerkraft vermes­ sen. Aus Vergleichen mit theoretischen Schwerkraftwerten können Schlüsse auf evtl. unregelmäßige Massenverteilungen in der Erdrinde gezogen werden. Zusammen mit geologischen Untersuchungen können Hin­ weise auf evtl. Lagerstätten (Eisen, Kohle, Öl … ) abgeleitet werden. Topographische Landesaufnahme: Sie umfaßt speziell die Vermessung der Geländeformen aller topographischer Ge­ genstände (Gewässer, Bodennutzung, Wege, Straßen, Häuser … ). Sie wird heute überwie­ gend mit Hilfe der Luftbildmessung (Photo­ grammetrie) durchgeführt und dient vorwie­ gend der Fortführung der topographischen Karten. Diese Luftbilder stehen allen Interes­ senten zur Verfügung und können vom Landesvermessungsamt bezogen werden. Die Befliegungen werden alle 5 Jahre wieder- 46 holt, so daß Vergleiche u.a. über die Siedlungs­ entwicklung angestellt werden können. Bearbeitung und Herausgabe topographi­ scher Karten: Das Landesvermessungsamt bearbeitet die amtlichen topographischen Karten der Maßstäbe 1:25000, 1:50000, 1:100000 und 1 :200000 und gibt sie heraus. Wichtigste Karte ist die im Maßstab 1 :50000, die sich vor allem als Wanderkarte großer Beliebtheit erfreut. Die amtlichen topographischen Kar­ ten bilden die Grundlage für viele Sonder­ karten privater Verlage bzw. staatlicher oder kommunaler Stellen. Die unter Nr. 7 bis 10 genannten Aufgaben werden von den stattlichen Vermessungs­ behörden bzw. städtischen Vermessungs­ dienststellen oder von anderen in Abschnitt 2 genannten Stellen wahrgenommen. Einige sollen kurz erläutert werden: Führung des Liegenschaftskatasters und Übernahme der Bodenschätzung: Das Liegenschaftskataster ist ein öffent­ liches Verzeichnis und der einzige vollstän­ dige Nachweis über die gesamte Bodenfläche eines Landes. Es enthält auch die Teile, die im Grundbuch nicht eingetragen werden dürfen oder müssen (z.B. öffentliche Gewässer, öffentliche Verkehrswege). Das Liegenschaftskataster wird von den Staatlichen Vermessungsämtern oder städti­ schen Vermessungsdienststellen auf Kreis­ ebene geführt und besteht aus: Zahlennach­ weis, Katasterkarten und Buchwerk. Im Zah­ lennachweis ist jede Flurstücks grenze so fest­ gelegt, daß sie in der Örtlichkeit“ zur Vermei­ dung von Grenzstreitigkeiten genau wieder hergestellt und mit Grenzsteinen abgemarkt werden kann. Daneben sind topographische Gegenstände zahlenmäßig festgelegt, soweit sie für die Planung notwendig sind (z.B. Gebäude, Brücken). In großmaßstäblichen Karten sind alle Angaben des Liegenschaftska­ tasters graphisch dargestellt. Sie werden in den Maßstäben 1:500, 1:1500 und 1:2500 geführt.

Datenverarbeitungsanlage des staatlichen Vermessungsamtes (Abb. 3) Das Buchwerk des Liegenschaftskatasters besteht aus Flurbuch und Liegenschafts­ buch. Im Flurbuch sind die Flurstücke in der Reihenfolge ihrer Nummer mit allen Anga­ ben wie Lage, Nutzungsart, Fläche, Art der Bebauung, Hinweise, wenn ein Bauwerk ganz oder teilweise auf einem fremden Grundstück steht, und Ertragsmeßzahlen eingetragen. Im Liegenschaftsbuch sind die Flurstücke nach Eigentümer geordnet zusammengestellt. Das Liegenschaftskata­ ster unterliegt in allen Teilen dem Daten­ schutz. Katasterfortführungsvermessungen: Sie dienen der Vorbereitung von Rechts­ geschäften im Grundstücksverkehr und/ oder um die Angaben des Liegenschaftskata­ sters auf dem laufenden zu halten. Hierzu zählen vor allem die Vermessungen, mit denen bisherige Grundstücksgrenzen geän­ dert werden. Nach den Bestimmungen der Grundbuchordnung können nur solche Teile eines Grundstücks den Eigentümer wechseln, die zuvor als selbständige Grund­ stücke im Grundbuch eingetragen sind. Katasterfortführungsvermessungen sind auch die umfangreichen Vermessungen zur Erschließung von Bauland. Gleichgültig ob es sich um ein sog. freiwilliges Verfahren han­ delt oder um ein Verfahren, das nach den Bestimmungen des Bundesbaugesetzes abgewickelt wird. Schließlich zählen auch z.B. Gebäudeaufnahmen, d. h. die kataster­ technische Aufmessung der Gebäude nach Abschluß der Baumaßnahme, zu den Kata­ sterfortführungsvermessungen. Sie werden auf Antrag vorgenommen, können aber auf­ grund des Vermessungsgesetzes auch „von Amts wegen“ (d. h. ohne Antrag) durchge­ führt werden und dienen der Fortführung des Liegenschaftskatasters und Grundbuchs. Katasterfortführungsvermessungen werden von den Staatlichen Vermessungsämtern,47

den städtischen Vermessungsdienststellen, den öffentlich bestellten Vermessungs­ ingenieuren und, in gewissem Umfang, von den in Abschnitt 2 genannten Landesbehör­ den durchgeführt. Ausblick Die Vermessungsverwaltung ist eine stark technisierte Verwaltung. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben sind die Staatlichen Vermessungs­ ämter und die anderen zugelassenen Stellen mit modernsten technischen Hilfsmitteln aus­ gerüstet, u. a. mit elektrooptischen Entfer­ nungsmessern, die das mühselige Messen mit 5-m-Latten (Abb. 1) immer entbehrlicher machen. Mit diesen Geräten können Ent­ fernungen bis zu mehr als einem Kilometer schnell und mühelos und mit hoher Genau­ igkeit gemessen und ausgewertet werden. So ist z.B. beim Staatlichen Vermessungsamt V i l l i n g e n-S c h w e n n i n g e n eines dieser Geräte mit einer leistungsfähigen Rechen­ anlage im Dienstfahrzeug gekoppelt, die über Drucker und Bildschirm verfügt (Abb. 2). Mit ihr können auch im Gelände kompli­ zierte vermessungstechnische Berechnungen und Auswertungen durchgeführt werden. Die gespeicherten Ergebnisse können im Innendienst auf einer amtseigenen EDV­ Anlage bis hin zur graphischen Darstellung automatisch weiter verarbeitet werden. Über Datenfernverarbeitung ist die Benutzung des Großrechners des Rechenzentrums des Innenministeriums möglich (Abb. 3). Dem hohen Automatisierungsgrad im vermessungstechnischen Bereich steht noch nichts Vergleichbares bei der Führung der Katasterbücher gegenüber. Diese öffentlichen Bücher werden noch manuell geführt. Auswer­ tungen zu statistischen oder planerischen Zwecken sind daher z. Z. nur mit einigem Auf­ wand möglich. Einigen Aufwand erfordert auch die Erhaltung der Übereinstimmung zwischen Liegenschaftskataster und Grund­ buch, die im Interesse der Rechtssicherheit am Grundeigentum erforderlich ist. Unter Mitarbeit der Justizverwaltung haben die Vermessungsverwaltungen der Länder ein bundeseinheitliches Programm entwickelt, das eine automatisierte Führung der Bücher des Liegenschaftskatasters er­ möglicht. Das Staatliche Vermessungsamt V i l l i n g e n -Sc h w e n n i n g e n ist an der Erprobung dieses bundeseinheitlichen Ver­ fahrens mit 4 Gemarkungen beteiligt. Abschließend möchte ich auf eines hin­ weisen: Die vielfältigen Vermessungsaktivi­ täten und der Einsatz modernster Techniken sind nicht Selbstzweck. Sie dienen dem Bür­ ger und Grundstückseigentümer bei der Wahrung seiner Eigentumsrechte, aber auch der Allgemeinheit durch die Bereitstellung vielfältiger Planungsdaten, z.B. in Form von Karten, Plänen oder Tabellen. 100 Jahre soziale Krankenversicherung Für die Gründung der sozialen Kranken­ versicherung und damit für die Begehung des lOOjährigen Jubiläums stehen mehrere historische Daten zur Wahl. Das „Gesetz , betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“, datiert vom 15. 6.1883, trat am 1.1. 1884 in Kraft, und das Bezirksamt Villingen vollzog am 26.4.1884 den Gründungsakt. Man wird daher zu Recht- zumindest aus lokaler Sicht – 1984 als das Jubiläumsjahr ansehen dürfen, das in der wechselvollen Geschichte der sozialen Krankenversicherung wieder einmal von einer Finanzkrise über­ schattet wird. Dieses Mal, weil sie von den Sozialpolitikern eingebunden wird in das Finanzgeschehen der Sozialversicherung und ihre Finanzmasse mit rd.1,5 Mrd. DM herange­ zogen werden soll zur Stabilisierung der Rentenversicherung, die sich in Liquiditäts­ nöten befindet. Dabei hat die gesetzliche Krankenversicherung durchaus ihre eigenen 48

Geschichtlicher Rück­ blick Die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881 Die starke Industrialisierung im 19. Jahrhundert und die damit verbundene Um­ strukturierung des Deutschen Reichs vom Agrar- zum Industriestaat führte zuneh­ mend zu inneren Unruhen. Die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft mit den Arbeits­ bedingungen und der Schutzlosigkeit bei Krankheit äußerte sich in einer immer stärker werdenden Radikalisierung und wurde schließlich zur „Sozialen Frage“. Kaiser Wilhelm 1. hat deshalb in seiner bekannten Thronrede am 17. November 1881 vor dem Reichstag ,dem Vaterlande zur dauernden Bürgschaft des inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen zur größeren Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes“ die deutsche Arbeiterversicherung gefordert. Die als 11Charta der deutschen Arbeiterversicherung« in die Geschichte eingegan· gene Kaiserliche Botschaft führte in der Folge zu einem Gesetzgebungswerk, das fortentwickelt wurde und zu jeder Zeit seines Bestehens als beispielhaft in der ganzen Welt gegolten hat. Als vordringlich erschien die Schaffung der sozialen Krankenversicherung, die durch das 11Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ vom 15. Juni 1883 (RGBL. S. 73) eingeführt wurde und am 1. Dezem­ ber 1884 in Kraft getreten ist. Es verwirklichte erstmalig die vier Grundsätze, auf denen die gesetzliche Krankenversicherung heute noch aufgebaut ist, nämlich: den Versicherungszwang, den Rechtsanspruch auf Leistungen, die Haftung des Arbeit­ gebers für den Beitragseingang und die Selbstverwaltung. Probleme, auf die bereits Mitte der siebziger Jahre mit dem Schlagwort Kostenexplosion aufmerksam gemacht wurde; drei aufeinan­ derfolgende Kostendämpfungsgesetze haben noch keine dauerhafte Lösung dieser Pro­ bleme gebracht. Zwei Entwicklungsdaten im Vergleich der Jahre 1960 und 1981 machen dies deutlich: Das Bruttosozialprodukt (nomi­ nal) ist in dieser Zeit von jährlich 303,0 Mrd. (Index 100) auf 1.551,9 Mrd. (Index 512,2) gestiegen, während die Gesamtausgaben der GKV (gesetzlichen Krankenversicherung) von 9,5 Mrd. (Index 100) auf 95,9 Mrd. (Index 1009) angewachsen sind und sich damit gegenüber dem Bruttosozialprodukt nahezu verdoppelt haben. Dieser Zeitabschnitt und seine enormen Entwicklungsdaten haben dann auch die Einsicht geweckt, daß hohe Wachstumsraten nicht stets als sozialer Fortschritt gewertet werden können. Eine andere Einsicht ist viel­ mehr gewachsen. Nämlich, daß die Entwick­ lung der Krankheitskosten sich an dem Wirt­ schaftswachstum orientieren muß, wenn der soziale Rechtsstaat nicht in Gefahr geraten soll. Diese Struktur- und Finanzkrise, in der sich die soziale Krankenversicherung am Ende ihrer hundertjährigen Geschichte befindet, soll ihre Verdienste um die Ver­ menschlichung und die innere Befriedigung unserer Gesellschaft in keiner Weise schmä- 49

.M 9. (‚1r. 1496.) lll•f•b, &.trrffrnb bl, .Rrnn!mUrfid1rru119 btr llrbrltrr. ßom 15. :)uni 1883. mit �iU)e[nt / Jon @ottes @nnbcn �eutfd)er �nif er, �onig Jon �reuficn ic. urrorbn,n inr Jlomm bd !Rtid)31 nad) trfc!gtrr 8uflimmung bd !Bunbdrnt�I unb btö !Rtid)ßt,1g8, 11>Q3 folgt: s. 1. s. 88. jj‘.Jtrfonm I n>dcf)t gtgtn .!ltbn!t obtr !o!)n brfd)öftigt finb: 1. in !l,rgn>,rfm I ein!intn 1 �!ufbmihtnJ3111fl,1!kn 1 1Britdirn unb @rub,n, in finbrifcn unb .l;>iitt,mu,r!en 1 btifit l!ifrnbnbn• unb !BinnmbnmpffdJiif, f,t!1rt3bctci,&,, nuf !ffirrftrn unb &,i !Bnutrn, 2. im .l;),rnbtutrf unb in fonfligtn flrbrnbcn @t1utrbrbdritbtn1 !Ili, !ltflimmungtn bit[d @,[,er« tr,trn f [ol1ltit fit bi, !füfcf)!ufif,tffung übtr bit flatutarifcf)t (l;infiibnmg b� m,rtidJtrung30n>,rngtö 1 foroi, bi, .l;)trfldlung btr iur !Ilurdifiibrung bd &rfid),rung,0iu,rng,3 bientnbtn fönrid)hmgt11 bdrtfftn1 mit btm !. !Ilriembtr 18831 bi, übrig,n mit �,m 1. !Iltitmbtr 1884 in ltr.t�. Urfunb!id) unltr Unfmr .l;>öd)fltigrn�nnbigtn Un!erfd)ri� unb btigtbrufttm .ffaiftr!icf)m Snfitgd. @egebtn !ltr!in, bm 15. ,Suni 1883. (L. S.) fil1 il � e[ lll. fiürfl u. lB i 3 m n rf. lern. Im Gegenteil: Die Tatsache, daß wir eine grundlegende Neuorientierung benötigen, ist Ausdruck des hohen Versorgungsstan­ dards erfolgreicher Sozialpolitik und Folge verlangsamter und z. T. stagnierender wirt­ schaftlicher Wachstumsraten, die schwer miteinander in Einklang zu bringen sind. Dabei war das Reichsgesetz über die Kran­ kenversicherung vom 15. 6.1883, das als erstes Sozialgesetz erlassen wurde, – gemes­ sen an dem, was heute ist – ein bescheidener Anfang. Hineingestellt in die damalige Zeit war es jedoch von epochaler Bedeutung. Zu Recht wird von Sozialhistorikern die „Kai­ serliche Botschaft“ vom 15.11.1881, auf der die deutsche Sozialgesetzgebung beruht, als „Magna Charta“ bezeichnet Deutschland befand sich in jener Zeit im Umbruch vom Agrarstaat zum Industriestaat. Die Völkerwan­ derung vom Lande in die Stadt setzte ein. So entstand die „soziale Frage“, die von der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung auf­ gegriffen und gemildert wurde. Es begann 1883 mit dem Krankenversicherungsgesetz. Es folgten 1884 das Unfallversicherungsge­ setz, 1889 das Invaliditätsgesetz und 1927 schließlich das Arbeitsvermittlungs- und Arbeitslosenversicherungsgesetz. Damit war der Kreis geschlossen und der Versicherungs­ schutz umfassend sichergestellt 50

In die Krankenversicherung war zunächst nur ein relativ kleiner Kreis Pflichtversicher­ ter in abhängiger Beschäftigung einbezogen, der sich mit dem Vordringen der gewerblich­ industriellen Struktur immer mehr aus­ dehnte. Ähnlich verlief die Entwicklung auf dem Leistungssektor, der im Laufe der Jahr­ zehnte, besonders auch in den letzten zwei Jahrzehnten, eine kontinuierliche Erweite­ rung erfuhr. Die Versicherungsansprüche wurden auf Familienangehörige ausgedehnt, begrenzte Bezugszeiten verlängert bzw. auf­ gehoben und neue Leistungen eingeführt. Dabei waren nicht selten einzelne Kassen Vorreiter und haben auf freiwilliger Grund­ lage Leistungen erbracht, die später dann gesetzlich normiert wurden. Dazu zählte auch unsere Kasse bzw. ihre Vorläufer, die sich stets um eine fortschrittliche Leistungs­ erfüllung bemühten. Heute bietet die soziale Krankenversicherung für über 90 % der Bevölkerung einen umfassenden Versiche­ rungsschutz, der die hochwertigsten Leistun­ gen einschließt. Die Entwicklung im S c h w a r zw a l d ­ B a a r – K r e i s bzw. in den i n ihm aufgegan­ genen früher politisch selbständigen Ge­ bietseinheiten ist diesem stufenweisen Auf­ bau der sozialen Krankenversicherung gefolgt. Dabei haben sich die materiell-recht­ lichen Grundsicherungen im wesentlichen reichs- bzw. bundeseinheitlich entwickelt. Die gesetzlichen Freiräume wurden jedoch – insbesondere in der Nachkriegszeit – stets schöpferisch und sinnvoll genutzt. Dafür ste­ hen beispielhaft die Krebsfrüherkennung (195 8), die Jugendzahnpflege (1951), die För­ derung der vorbeugenden Gesundheitslei­ stungen (1967), diverse Schutzimpfungen (1969) und die sozialmedizinische Akzen­ tuierung des Vertrauensärztlichen Dienstes ( sog. Hausarztverfahren -1967). Auch unser jetziges Gesundheitsprogramm ist in seiner Vielfalt im südwest-deutschen Raum einma­ lig und hat schon viele Nachahmer gefun­ den. Organisatorisch hat die AOK für den Schwarzwald-Baar-Kreis eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Ursprungskasse ist die „Gemeinsame Ortskrankenkasse“ für das Bezirksamt Villingen, die am 26. 4.1884 zunächst vorläufig und am 20. 3.1887 end­ gültig gegründet worden ist. Zum 1.1.1947 kam es zur Zwangsvereinigung mit der AOK Triberg; fortan führte die Kasse den Namen AOK Villingen-Triberg. Zur AOK für den Schwarzwald-Baar-Kreis wurde sie am 1. Januar 1974 als Folge der Gebietsreform, die zu einem freiwilligen Zusammenschluß der früher selbständigen Ortskrankenkassen Donaueschingen, Schwenningen und Villin­ gen-Triberg führte. Diese Kasse besteht mit Ablauf des Jahres 1983 bereits wieder 10 Jahre. Sie hat 1974 begonnen mit 69.877 Mitgliedern und einem Haushaltsvolumen von 102 Mio.DM. Durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist die Mitgliederzahl inzwischen auf rd. 68.000 geschrumpft, das Haushaltsvolumen jedoch auf nahezu 180 Mio. DM angewach­ Gerhard Mäder sen. 60 Jahre Bergwacht Villingen Am 12.11. 1983 feierte die Bergwacht – Ortsgruppe Villingen – ihr 60jähriges Beste­ hen. Dieses Jubiläum darf zum Anlaß genommen werden, einige Schlaglichter auf die Geschichte der Ortsgruppe Villingen zu werfen und die Tätigkeit der Bergwacht im Bergrettungsdienst, im Katastrophenschutz und im Naturschutz zu würdigen. Derzeit verfugt die Ortsgruppe Villingen über 43 aktive Mitglieder, darunter 4 aus­ gebildete Helferinnen. In materieller Hin­ sicht verfügt die Ortsgruppe über ein Dienst­ fahrzeug, das mit hochwertigen Geräten und Rettungsmitteln ausgestattet ist. Dazu gehö­ ren ein Katastrophenschutzanhänger, ein Sauerstoffgerät, eine Schaufeltrage und ein 51

damals führenden Männern des Schwarz­ waldvereines herangetragen wurde, auf und bildete zusammen mit einigen Kameraden aus dem Touristenverein „Die Natur­ freunde“ eine Ortsgruppe, die damals etwa ein halbes Dutzend Freiwilliger umfaßte. Im Laufe der folgenden Jahre erweiterte sich die­ ser Kreis und fand im Jahre 1932 seine beson­ dere Anerkennung dadurch, daß die Haupt­ versammlung der Bergwacht Schwarzwald in Villingen tagte. Den Schwerpunkt der Tätigkeit in den ersten Jahren bildete der Naturschutz; der Wintersport steckte erst in den Anfängen und machte einen Bergrettungsdienst noch nicht erforderlich. Der erste Tätigkeitsbe­ reich der Villinger Ortsgruppe . war das Gebiet um das Küferhäusle bei Schönwald. Später kamen das Hirzwaldgebiet, der Rohr­ hardsberg, die Wutachschlucht, die Wutach­ flühe, der Eichberg, der Buchberg, der Hüfin­ ger Wald, der Blindensee und das Groppertal hinzu. Diese Gebiete bilden auch heute noch das wesentliche Betätigungsfeld der Orts­ gruppe. Während des Naziregimes konnte sich die Bergwacht der allgemeinen Gleichschaltung nicht entziehen. Sie war dem Reichsbund für Leibesübungen unterstellt. Eine schwerwie­ gende Beeinträchtigung der Betätigung brachte der 2. Weltkrieg, als die meisten Berg­ wachtrnänner zum Wehrdienst eingezogen wurden. Die Leitung der Ortsgruppe in die­ ser Zeit hatte der inzwischen verstorbene Thomas Maurus inne. Nach Kriegsende ging es bald wieder aufwärts. Der Wiederaufbau nach dem Kriege geht zu einem guten Teil auf das Konto von Franz Kaiser. Als sich die­ ser im Frühjahr 1962 aus der Leitung der Ortsgruppe nach 40jähriger Tätigkeit als Vorsitzender zurückzog, fiel die Wahl auf Engelbert Beha, der dieses Amt seit nunmehr über 20 Jahren ausübt. In den 50er und 60er Jahren trat der Berg­ rettungsdienst, bedingt durch die steigende Bedeutung des Wintersports, immer mehr in den Vordergrund. Hand in Hand mit dieser Entwicklung verstärkte die Bergwacht sich Funkgerät im 4-m-Band. Die Unfallstatistik weist in den letzten 25 Jahren 403 Hilfelei­ stungen, davon 232 Abtransporte aus; davon entfallen auf die Jahre 1973 bis 1983 211 Hilfe­ leistungen, davon 137 Abtransporte. Diese Zahlen dokumentieren, daß die Hilfeleistun­ gen innerhalb der letzten 10 Jahre im Ver­ gleich zu früher stark zugenommen haben. Bereits im Jahre 1922 begannen die Bemü­ hungen um die Gründung einer Ortsgruppe der Bergwacht, nachdem im selben Jahr die Bergwachtabteilung Schwarzwald in Frei­ burg gegründet worden war. Die Ortsgruppe Villingen ist die drittälteste unter den heute 28 Ortsgruppen des Landesverbandes. Bei der Rückschau auf das Gründungsda­ tum verdient der Name Franz Kaiser beson­ dere Erwähnung: Der Name des einzigen noch lebenden Gründungsmitgliedes der Bergwacht Schwarzwald. Diesem Mann ist es maßgeblich zu verdanken, daß die Grün­ dung der Ortsgruppe Villingen zustande kam. Er griff die Anregung, die an ihn von 52

personell bis heute um das Dreifache. Die Standardausrüstung für den Winterdienst wurde innerhalb weniger Jahre auf den fünf­ fachen Stand gebracht. Daneben wurde am Kesselberg eine weitere Station errichtet. Im Jahr 1973 konnte die Bergwacht Villin­ gen ihr SO jähriges Bestehen feiern. In der Zeit danach gab es keine spektakulären Ereignisse in der Geschichte der Bergwacht. Die Ausbil­ dung konnte intensiviert werden und die Ausrüstung vervollständigt werden. Im Jahr 1981 wurde ein neues Einsatzfahrzeug ange­ schafft. Die Mittel konnten durch gemein­ same Anstrengungen der Ortsgruppe und der Landesleitung, durch private Spenden und durch Zuschüsse des Landes, des Kreises und der Stadt Villingen-Schwenningen auf­ gebracht werden. Seit 1978 findet regelmäßig ein Bergfest statt. Basare und Ausstellungen prägen das Bild der Bergwacht in der Öffent­ lichkeit. Auch die Mitarbeit bei der Aufarbei­ tung außergewöhnlicher Schneebruchschä­ den wird durch die Betroffenen dankbar anerkannt. Zahlreiche Sondereinsätze, so z.B. die Ausrichtung von Wandertagen und die regelmäßige Mitwirkung beim alljährli­ chen Schwarzwälder Skimarathon runden das Tätigkeitsfeld der Bergwacht ab. Nach diesem streiflichtartigen Rückblick auf die Geschichte der Bergwacht -Orts­ gruppe Villingen -schließen sich einige zu­ sammenfassende Bemerkungen zu den Zie­ len und Aufgaben der Bergwacht an. In die­ sem Zusammenhang soll der Tätigkeit der Bergwacht im Rettungswesen, im Katastro­ phenschutz und im Naturschutz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Tätigkeit der Ortsgruppe Villingen beschränkt sich nicht, wie man dem Namen nach annehmen könnte, auf die Gemarkung Villingen-Schwenningen. Die Einsatzgebiete weiten sich bis ins südliche Kreisgebiet aus. Die Mitglieder der Ortsgruppe rekrutieren sich aus fast allen Gemeinden des nördlichen Kreisgebiets. In Zusammenarbeit mit der Ortsgruppe Furtwangen werden die Auf­ gaben der Bergwacht im gesamten Schwarz­ wald-Baar-Kreis abgedeckt. Bergrettungsdienst Der Bergrettungsdienst bildet derzeit den bedeutendsten Aufgabenbereich der Berg­ wacht, insbesondere während des Winters. Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind insgesamt 29 Skilifte errichtet worden. Hiervon werden mehr als 10 allein von der Bergwacht ständig betreut. Auf spezifische Kenntnisse und Erfahrungen kann die Bergwacht bei der Ber­ gung von Verletzten und Verunglückten in unwegsamem oder schwer zugänglichem Gelände zurückgreifen. In den Jahren 1981 und 1982 wurden über 2000 Hilfeleistungen, über 1000 Abtransporte, 39 Hubschrauber­ einsätze, 82 Suchaktionen und leider auch 17 Totenbergungen durchgeführt. Die Helfer der Bergwacht leisteten in diesen beiden Jah­ ren ca. 320 000 Einsatzstunden. In diese Zahl muß auch die Sicherstellung des Rettungs­ dienstes bei den Wintersportveranstaltun­ gen einbezogen werden. Die Ausbildung in Erster Hilfe für Skilehrer der Skiclubs und des Alpenvereins wird in den letzten Jahren mit steigender Tendez durch die Ortsgruppe Villingen durchgeführt. Den Bergrettungsdienst versieht die Berg­ wacht Schwarzwald als vom Land amtlich anerkannte Rettungsdienstorganisation. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wer­ den diese Dienste ehrenamtlich und auf frei­ williger Basis geleistet. Die Bergwacht nimmt wie andere Rettungsdienstorganisationen eine eigentlich dem Land verfassungsmäßig zustehende Aufgabe wahr. Deshalb ist die Frage berechtigt, wieviel sich das Land diese Aufgabenübertragung auf die privaten Hilfs­ organisationen kosten läßt: Hierzu ein Bei­ spiel: Für die Beschaffung der persönlichen Ausrüstung eines Bergwachthelfers, die ca. 2 000 DM kostet, erhält der Helfer 200 DM­ also genau 10% -erstattet. Den Rest muß er aus der eigenen Tasche finanzieren oder dafür die Sammelbüchse schwingen. Ange­ sichts dieser -bildlich gesprochen -Schmal­ spurkost ist die Forderung der Bergwacht nach einem angemessenen finanziellen Ausgleich nur allzu berechtigt. Dabei ist der Hinweis angebracht, daß es nicht um eine 53

volle Entlohnung, sondern um einen Aus­ lagenersatz geht. Der Bergwacht gebührt auch Unterstützung, wenn sie kostendek­ kende Benutzungsentgelte verlangt. Denn es ist einsehbar, daß ein Bergrettungseinsatz im Vergleich zum straßengebundenen Ret­ tungsdienst ein Vielfaches an Zeit- und Materialaufwand fordert. Katastrophenschutz Die Bergwacht sieht in der Mitwirkung im Katastrophenschutzdienst einen zweiten Aufgabenschwerpunkt. Sie hat ihre Bereit­ schaft zur Mitwirkung im Katastrophen­ schutz gegenüber dem Schwarzwald-Baar­ Kreis schon vor einigen Jahren erklärt. Dieses Engagement findet Ausdruck in der Bereit­ schaft zur Aufstellung eines Bergrettungszu­ ges. Ein solcher Zug verfügt über eine Stärke von 28 Helfern und ist mit den erforderli­ chen Rettungsmitteln für Bergung und Erste Hilfe in unwegsamen Gelände ausgestattet. Er kann im Katastrophenfall auch im allge­ meinen Rettungsdienst eingesetzt werden. 54 Das Land Baden-Württemberg hat lan­ desweit insgesamt 4 Bergrettungszüge auf­ gestellt. Davon entfallen auf den Regierungs­ bezirk Freiburg 3 Bergrettungszüge in den Landkreisen Freiburg, Lörrach und Walds­ hut. Leider sieht der derzeit gültige Stärke­ und Gliederungserlaß des Landes die Auf­ stellung eines Bergrettungszugs für den Schwarzwald-Baar-Kreis nicht vor. Den in­ tensiven Bemühungen der Landesleitung der Bergwacht, für den Schwarzwald-Baar­ Kreis die Aufstellung eines solchen Zuges durch das Land zu erreichen, ist deshalb vol­ ler Erfolg zu wünschen. Auch wenn bislang eine offizielle Aufstellung dieses Zuges nicht durchgesetzt werden konnte, nimmt der Schwarzwald-Baar-Kreis die Bereitschaft der Bergwacht, auf freiwilliger Basis im Katastro­ phenschutz mitzuwirken, gerne an. Diese Bereitschaft wurde durch den Kreis in den letzten Jahren dadurch honoriert, daß er die Beschaffung der Ausrüstung für die beiden Ortsgruppen Villingen und Furtwangen mit ca. 15 000 DM unterstützt hat.

schutzlobby oder des parteipolitischen Spek­ trums ziehen. Sie nimmt es mit der Sache Natur- und Umweltschutz deshalb min­ destens so ernst, wie diejenigen, die sich mehr durch öffentliche Verlautbarungen profilie­ ren wollen. Gerade bei den jüngeren Mitgliedern, die sich insbesondere durch die Betätigung im Winterdienst faszinieren lassen, sollte ins Bewußtsein dringen, daß das Engagement in der Bergwacht nicht vor den Toren des Naturschutzes haltmachen darf. Eine Rück­ besinnung auf die Ursprünge der Bergwacht könnte Veranlassung sein, das eigene Blick­ feld für die Belange des Schutzes der Tier­ und Pflanzenwelt zu weiten. * Naturschutzdienst Der Naturschutzdienst als dritter Tätig­ keitsschwerpunkt der Bergwacht tritt in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund. Die Tätigkeit der Naturschutzwarte, die vor Ort mitunter nicht das richtige Verständnis der betroffenen Bürger findet, wird absprachege­ mäß in Zusammenarbeit mit dem Schwarz­ waldverein durchgeführt, dem auch die Federführung dabei übertragen worden ist. Die Bergwacht versieht diesen dienstplanmä­ ßig organisierten Streifendienst zum Schutz von Natur und Umwelt nicht in spektakulä­ rer Weise, nicht durch Demonstration und Agitation, sondern mehr im stillen, praxisbe­ tont und punktuell gezielt. Die Bergwacht ließ sich auch nicht in den Sog der Umwelt- Wilhelm Frank 55

Schulen und Bildungseinrichtungen Die Karl-Brachat-Realschule Die älteste Realschule im Schwarzwald-Baar-Kreis Der Schwarzwald-Baar-Kreis zeichnet sich auf dem Gebiet des mittleren Schulwe­ sens mit insgesamt zehn Realschulen durch eine erfreulich hohe Schuldichte aus. Wäh­ rend in Württemberg diese Schulart eine über hundertjährige Tradition aufweisen kann, entstanden die Realschulen in Baden erst nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Die Gründung der Karl-Brachat-Realschule er­ folgte im Jahre 1953, also relativ spät. Trotz­ dem stellt sie die älteste Realschule des Krei­ ses dar. Sie befindet sich in den altehrwürdi­ gen Gebäuden des früheren Benediktiner­ klosters St. Georg im Stadtbezirk Villingen. In achtzigjähriger Bauzeit von 1688 bis 1768 wurden die Gebäude erstellt. Nach der Fer­ tigstellung hatten sich die Mönche nicht lange in ihrem neuen Kloster aufhalten kön­ nen, das 1803 auf einen Reichstagsbeschluß hin aufgelöst wurde. 1815 erwarb die Stadt die Gebäude zu dem damals sehr niedrigen Preis von 5010 Gul­ den. Nach umfangreichen Umbau- und Renovierungsmaßnahmen dienten sie von 1826 an als Schule. Seitdem haben insgesamt zwanzig Schulgenerationen die sog. Knaben­ oder „Buebeschuel“ besucht. Da Karl Bra­ chat zehn Jahre lang Leiter dieser Schule Vorderansicht des Hauptgebäudes, rechts das 1680 erstellte Ballofsche Haus mit der Schulküche 56

gang, rückläufig. Immerhin umfaßt die Schule in diesem Schuljahr noch 33 Klassen und ist damit voll ausgelastet. Es ist nicht verwunderlich, daß sich wäh­ rend der ungemein starken Expansionsphase der letzten zwanzig Jahre räumliche Pro­ bleme ergaben, die schließlich nur unter Auf­ wendung hoher finanzieller Mittel seitens der Stadt und des Landes gelöst werden konnten. Anfangs der siebziger Jahre erfolgte die Sanierung des Fachklassentraktes einschließlich der Schaffung eines hochmo­ dernen Sprachlabors und einer Schul-und Lehrküche. Vor fünf Jahren wurden die umfangreichen Innenrenovierungsarbeiten abgeschlossen. Durch die Erstellung eines zusätzlichen Schulgebäudes mit vier Klas­ senzimmern im Jahre 1983 wurde die schu­ lische Kapazität so stark erweitert, daß nach einer fast fünfjährigen Auslagerung von zehn Klassen in der früheren Berthold-Son­ derschule, die in einem neuen Gebäude untergebracht wurde, der derzeitige Bedarf vollauf gedeckt werden kann. Glücklicherweise ist die Realschule wäh­ rend ihrer geradezu stürmischen Aufwärts­ entwicklung in den fünfziger und sechziger Jahren von den Schultheoretikern, Schul­ ideologen und Reformeiferern völlig igno­ riert worden. Sie war weitgehend auf die gut ausgebildete Lehrerschaft angewiesen, die behutsam die Weiterentwicklung ihrer Schulform förderte. Dabei wurde sie ermun­ tert durch die Anerkennung, die ihre Arbeit in der Industrie, im Handel, im Gewerbe und in der Verwaltung fand. Dadurch, daß die Realschule eine in sich geschlossene allge­ meine Bildung vermittelt und sich sehr stark an der Lebensrealität orientiert, konnte sie sich auch sehr weit allen sozialen Schichten der Bevölkerung öffnen. Über ein Drittel der Schüler und Schüle­ rinnen der Karl-Brachat-Realschule kommt aus acht Umlandgemeinden des Stadtgebie­ tes von Villingen. Damit leistet die Schule einen wertvollen Beitrag beim Abbau des Bildungsgefälles zwischen Stadt und Land und eröffnet somit Bildungschancen für 57 Oktober 1957: Albert Schweitur (zweiter von rechts) besucht die heutige Kari-Brachat-Realschule gewesen war (von 1950 bis 1960) und später als Oberschulrat Villingens und langjähriger schulpolitischer Sprecher des baden-würt­ tembergischen Landtages große Verdienste auf schulischem und sozialem Gebiet erwor­ ben hatte, wurde die Schule 1973 nach die­ sem bedeutenden Schulmann benannt. Als 1953 in der damaligen Knabenschule die erste Realschulklasse gebildet wurde, konnte niemand vorhersehen, daß diese Schulart so stark expandieren würde. Inner­ halb von zehn Jahren verzehnfachte sich die Klassenzahl. Bereits sechs Jahre später ver­ doppelte sie sich erneut und umfaßte nun­ mehr zwanzig Klassen. Im Jahr 1979 wurde mit 1039 Schülern in 37 Klassen der Kulmi­ nationspunkt erreicht. Seitdem ist die Schü­ lerzahl, bedingt durch den Geburtenrück-

den altbewährten methodisch-didaktischen Erkenntnissen leiten lassen und bestrebt sind, den ganzen jungen Menschen zu erfas­ sen, also Kopf, Herz und Hand. Dies spiegelt sich in dem lebenspraktischen Fächerkanon, dem reichhaltigen Angebot an Arbeitsge­ meinschaften und den vielseitigen sonstigen schulischen Aktivitäten wider. Ganz behutsam werden die Schüler vom Konkret-Anschaulichen zum Abstrakten geführt. Von Klasse 7 an bis 10 besteht im sogenannten Wahlpflichtbereich die Mög­ lichkeit der schulischen Selbststeuerung. Die Schüler wählen aus den drei Gebieten Natur und Technik, Hauswirtschaft/Textiles Wer­ ken und Französisch eines aus und können dadurch je nach Neigung und Begabung selbst Einfluß nehmen auf ihren Bildungs­ gang. Am Ende ihrer Realschulzeit qualifi­ zieren sich die Schüler nach Bestehen einer zentral gestellten schriftlichen, fachprakti­ schen und mündlichen Abschlußprüfung für den Besuch eines Berufskollegs, eines beruflichen Gymnasiums oder unmittelbar für den Eintritt in die berufliche Ausbildung in einem weiten Berufsfeld zwischen Wis­ senschaft und Praxis. 1967 wurde diese zen­ tral gestellte Realschulabschlußprüfung in ganz Baden-Württemberg eingeführt. Sie hat sich seitdem zum Prototyp des mittleren Bil­ dungsabschlusses entwickelt, der in der Indu­ strie, in der Wirtschaft und Verwaltung hoch geschätzt wird. Karl Scherb schaftsschule, die für gute Hauptschüler Gelegenheit bietet, in zwei Jahren die Fach­ schulreife (= ,,mittlere Reife“) zu erlangen, und 3. die Kaufmännische Berufsschule als Pflichtschule mit Teilzeitunterricht für alle Auszubildenden in kaufmännischen und Verwaltungsberufen. (Fachklassen: Apotheken, Banken, Drogisten, Einzelhandel, Großhan­ del, Industrie, Post, öffentliche Verwaltung.) Ein Sproß der „Handelsschule Villingen“ Umbau und Erweiterung der Kaufmännischen Schulen in Villingen Das 1983 .fertiggestellte Gebäude Bevölkerungsschichten, denen zuvor der Zugang zu einer höheren erweiterten Bil­ dung verschlossen war. Dadurch wurde diese Schulart zu einer Institution des sozialen Aufstiegs. Es ist ein wesentliches Merkmal der Realschule, daß sich die Lehrkräfte auf­ grund ihrer Ausbildung und Ausrichtung bei der Vermittlung von Allgemeinwissen von Am 14. Oktober 1983 feierte der Schwarz­ wald-Baar-Kreis die Einweihung des Erweite­ rungs-und Umbaus der Kaufmännischen Schulen an der Herdstraße in Villingen, ein ganz besonders bedeutsames Ereignis in der Geschichte der Schule. Die Kaufmännischen Schulen I umfassen drei Schularten: 1. das Wirtschaftsgymnasium, das als gymnasiale Oberstufe zum Abitur führt, 2. die Wirt- 58

Wie klein und bescheiden hatte diese Geschichte am 7. Januar 1901 begonnen! Damals nahm die „Handelsschule Villingen“ mit 16 „Knaben“ ihren Betrieb auf und zwar als Abteilung und mit Lehrern der bereits seit 1835 bestehenden Gewerbeschule. Rechts­ grundlage dafür war das Ortsstatut des Villin­ ger Gemeinderats vom 30. April 1900, das „sämtliche hier in Stellung befindlichen Lehrlinge und Gehilfen des Handelsgewer­ bes, welche das 18. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, zum Besuch der Han­ delsschule“ verpflichtete. (Dank der privaten Initiative engagierter Villinger Geschäftsleute hatte es seit 1889 einen sog. „Handelskurs“ gegeben.) Die ersten vier Mädchen wurden 1908 aufgenommen. Die Gesamtzahl der Schüler betrug jetzt 29. Die Entwicklung der Schule ging in der Folgezeit -die Kriegsjahre ausgenommen – stets aufwärts. Am 1. April 1921 wurde die Handelsschule selbständig. Man zählte jetzt 155 Schüler, dabei waren die Mädchen mit 85 erstmals, aber gleich sehr deutlich in der Mehrzahl und sind es bis auf den heutigen Tag geblieben. 1924 erhielt die Schule ihr ,,zweites Bein“: Die „Höhere Handelsschule“, e101ger eine zweijährige berufsvorbereitende Schule, wurde eröffnet. Sie gilt als Vorläuferin der heutigen Wirtschaftsschule und erfreute sich bald bei der Jugend großer Beliebtheit und bei der hiesigen Wirtschaft hohen Ansehens. Aber immer noch war man ohne eigenes Gebäude und deshalb auf die Gastfreund­ schaft anderer Schulen, insbesondere des Gymnasiums, angewiesen. Dieser Zustand sollte noch fast 30 Jahre andauern: Erst 1953 erhielt die Schule ihr erstes eigenes Schul­ haus in der Bertholdstraße gegenüber der Tonhalle. Die Eröffnung der „ Wirtschaftsober­ schule“ (heute: Wirtschaftsgymnasium) im Jahre 1957 und der stetige Anstieg der Schü­ lerzahlen bei den anderen beiden Schularten brachten bald wieder Raumprobleme, so daß der Kreistag des damaligen Kreises Villingen den Bau einer neuen Schule an der Herd­ straße beschloß. Ostern 1961 konnte das neue, sehr großzügig bemessene und ausge­ stattete Gebäude bezogen werden. Die Schü­ lerzahl war im vorausgegangenen Schuljahr auf 627 angestiegen. 1971 ist schließlich mit 1387 Schülern der bisher absolute Höchst­ stand erreicht. Die Raumknappheit wird für 59

Lehrer und Schüler unerträglich. 1975 be­ schließt der Kreistag des Schwarzwald-Baar­ Kreises sein umfassendes Schulbaupro­ gramm und weist den Kaufmännischen Schulen I Platz 7 auf der Prioritätenliste zu. Im April 1980 erhält der Architekt Dipl.-Ing. Walter Glatz, Blumberg, den Planungsauf­ trag. Termingerecht beginnen im Herbst 1981 die Erdarbeiten, und nach etwa zweijähriger Bauzeit können zum Schuljahresbeginn 1983/84 die neuen Räume mit 1201 Schülern bezogen werden. Seit der Fertigstellung der neuen Räume gehören Raumprobleme für die Kaufmänni­ schen Schulen Villingen endgültig der Ver­ gangenheit an. Zwar besteht bei den allge­ meinen Unterrichtsräumen (= Klassenzim­ mern) noch ein Engpaß, da das Raumpro­ gramm den augenblicklichen „Schülerberg unterfahren“ mußte. Er ist aber noch erträg­ lich und wird mit dem Schülerrückgang der nächsten Jahre von selbst verschwinden. Dafür ist die Schule in allen übrigen Berei­ chen schon heute räumlich optimal versorgt: 60 Für die Naturwissenschaften stehen jetzt im Neubau insgesamt vier Lehrsäle bzw. Lehr­ übungsräume und drei Sammlungs-und Vorbereitungsräume zur Verfügung, alle sowohl sicherheitstechnisch als auch pädago­ gisch nach den neuesten Erkenntnissen aus­ gestattet. Im musischen Bereich verfügt die Schule erstmals über einen Kunst-und einen Musikraum, die beide gleichzeitig als Mehr­ zweckräume ausgelegt sind. Auch sie befin­ den sich mit ihren Sammlungsräumen im Neubau. Darüber hinaus beherbergt der Neubau noch ein Sprachlabor mit 36 Plät­ zen, ein kleines, aber gut eingerichtetes Foto­ labor, einen Lernmittelraum, eine Lehrerbü­ cherei und zwei Klassenzimmer. Nur noch drei Fachräume haben im Altbau ihre end­ gültige Bleibe gefunden und wurden im Zuge der Baumaßnahme neu ausgestattet oder wesentlich umgestaltet: der EDV­ Raum, der Büromaschinenraum (z. Z. noch als einfacher Schreibmaschinensaal genutzt} und der Schreibmaschinensaal. Letzterer wurde völlig neu als „Phonotypie“ -Raum

konzipiert, so daß die Schüler über die Beherrschung der Schreibmaschine hinaus nun auch das Schreiben nach Band (= Pho­ nodiktat), die Bedienung von Diktiergeräten und das Diktieren auf Band nach den Regeln des „Ausschusses für wirtschaftliche Verwal­ tung in Wirtschaft und öffentlicher Hand e. V.“ erlernen können. Von großer Bedeutung für das Leben an der Schule sind aber auch die im Altbau neu­ gewonnenen Räume des Schülerbereichs: Die Schülermitverantwortung (SMV) hat im Untergeschoß ihr ständiges Domizil bekom­ men. Der Schülerarbeitsraum erlaubt den Schülern ungestörtes Arbeiten in den Hohl­ stunden. Ein eigener Raum für die Schülerbi­ bliothek ermöglicht deren planmäßigen Auf-und Ausbau. Hervorgehoben sei hier auch der gelungene Umbau der alten Pausen­ halle zum Schüleraufenthaltsraum als einem Ort der Begegnung. Schließlich bleibt noch der Pausenhof zu erwähnen: Durch Gliede­ rung mit Hilfe der vieldiskutierten Überda­ chung, durch neu angelegte Grünflächen, Die Schule für Sprachbehinderte (Sprach­ heilschule) ist eine der 10 Sonderschultypen des Landes Baden-Württemberg. Eine sprachliche Behinderung im Sinne der Sprachheilkunde liegt dann vor, wenn jemand darin beeinträchtigt ist, seine Mutter­ sprache in Laut und/oder Schrift altersent­ sprechend zu gebrauchen und dadurch in sei­ ner Persönlichkeitsentwicklung und in der Entfaltung seiner Lern-und Leistungsfahig­ keit behindert wird. Die Schule für Sprachbehinderte wird von normalbegabten Grundschulkindern besucht, die aufgrund ihrer Sprachstörung in der allgemeinen Schule nicht genügend gefördert werden können. Dem Unterricht liegen die Bildungspläne der Grundschule zugrunde. Wichtigstes Ziel ist es, die Schüler möglichst rasch von ihrer sprachlichen Behinderung zu befreien und in die allge- vor allem aber auch durch die kreisförmigen Sitzbänke mit ihren ansprechenden Natur­ holzsitzen wurde aus einer öden Asphalt­ fläche ein einladender „Schüleraufenthalts­ raum“ im Freien gestaltet. Alles in allem ist trotz der architektoni­ schen Verschiedenheit von Alt-und Neubau ein neues Ganzes entstanden, dem man bescheinigen kann, daß es in gelungener Weise Funktionalität und Wirklichkeit mit­ einander verbindet. So konnten am Einwei­ hungstag Landrat Dr. Rainer Gutknecht als „Motor“ des Schulbauprogrammes und Dipl.-Ing. Walter Glatz als planender und ausführender Architekt Worte der Anerken­ nung und des Dankes entgegennehmen. Am 15.Oktober 1983, dem „Tag. der offenen Tür“, hatte die interessierte Offentlichkeit Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, daß die Baukosten in Höhe von 7 Millionen DM für die Ausbildung unserer kaufmännischen Jugend gut angelegt sind. Das Echo war stark und durchweg positiv. Gerhard Walther meinbildenden Schulen zurückzuführen. Die Sprachheilschule steht gleichberechtigt neben den Grundschµlen, mit demselben Bildungsangebot und den gleichen Chancen für einen Übergang in weiterführende Schu­ len. Neben der schulischen Betreuung sprach­ behinderter Kinder hat die Schule für Sprachbehinderte noch eine Vielzahl weite­ rer Aufgaben, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Die Schule für Sprachbehinderte hat 2 Hauptaufgaben zu erfüllen: Unterricht und Therapie. Diese Doppelaufgabe erfordert besondere personelle und organisatorische Maßnahmen. Sodann hat die Sprachheil­ schule einen erhöhten Raumbedarf im Ver­ gleich zu einer Grundschule. Therapie-, Gruppen-und Rhythmikräume sind unver­ zichtbare Zusatzräume einer Sprachheilschule. 61 Die Sprachheilschule in Villingen-Schwenningen

Kleine Klassen ermöglichen eine intensive und individuelle Betreuung . Die Schule in Villingen-Schwenningen Die Schule für Sprachbehinderte in Vil­ lingen-Schwenningen wurde 1974 ein­ gerichtet. Nach Fertigstellung der Grund­ schule im Steppach (Stbz. Villingen) wurde ein Klassenraum dieser Schule für eine Sprachheilklasse zur Verfügung gestellt. Diese Klasse wurde als Kombinationsklasse 1./2. (16 Schüler) von 2 Sprachheillehrern betreut. Im folgenden Schuljahr 1975/76 wurde der Sprachheilschule als Provisorium ein Wohngebäude im Stadtbezirk Schwen- nmgen zugewiesen. 1978 beschloß der Gemeinderat der Stadt Villingen-Schwenningen neben der Grund­ schule im Steppach einen Neubau für die Schule für Sprachbehinderte zu erstellen. Die Schulträgerschaft sollte danach auf den Landkreis übergehen. In den neuen Räumen wäre· die Sprachheilschule als Ganztages­ schule geführt worden, wie es nach den Richtlinien für Erziehung und Unterricht in der Schule für Sprachbehinderte vorgesehen 62 . ist. Leider wurde dieser Plan aus finanziellen Gründen nicht verwirklicht, und die Sprach­ heilschule mußte noch mehrere Jahre im unzureichenden Provisorium verbleiben. Im Frühjahr 1982 stellte der Schulträger 3 Pavillons im Stadtbezirk Schwenningen, Paulinenstraße 47, der Sprachheilschule zur Verfügung. Der Stadtrat beschloß diese Pavillons umzubauen, um den Raumbedürf­ nissen einer Sprachheilschule besser gerecht zu werden. Mit Beginn des Schuljahres 1982/ 83 konnten die renovierten Räume bezogen werden. Die Sprachheilschule wird auch wei­ terhin im Halbtagesbetrieb geführt, da auch nach dem Umbau die Zusatzräume für den Ganztagesbetrieb fehlen. Der Schule für Sprachbehinderte stehen jetzt folgende Räume zur Verfügung: 6 Klas­ senzimmer, 1 Mehrzweckraum (Rhythmik, Musik usw.), 4 Therapiezimmer, 1 Beratungs­ zimmer, 1 Rektorat, 1 Lehrerzimmer. Für den Sportunterricht steht die Turn­ halle der Hirschbergschule zur Verfügung,

in der der Schwimmunterricht wird Schwimmhalle der Lebenshilfe Schwennin­ gen abgehalten. Mit dem Einzug in die Pavillons konnte auch der Einzugsbereich der Schule auf den gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis ausge­ dehnt werden. In 6 Kleinbussen werden die Schüler zur Schule gebracht und nach dem Unterrichtsende wieder nach Hause gefah­ ren. Selbst aus den Raumschaften Schonach, Furtwangen und Blumberg besuchen inzwi­ schen Kinder unsere Schule. Die Eingangs­ klassen 1 und 2 werden doppelzügig geführt, die Klasse 3 und 4 einzügig. Während des Schuljahres 1983/84 wur­ den 58 Kinder unterrichtet, so daß die Richt­ zahlen ( ca. 60-70 Schüler) für unseren Schul­ kreis schon fast erreicht wurden. 48 % der Schüler kommen aus der Stadt V i 11 in gen – Schwenningen, 52% aus dem übrigen Kreisgebiet. Mit dem Umzug in die Pavillons am Hirschberg konnte die größte Raumnot unserer Schule behoben werden; wir ver­ fügen heute über ausreichende Unterrichts- und Therapieräume. Die Lehrkräfte der Sprachheilschule versuchen mit starkem pädagogischem und therapeutischem Enga­ gement, eine rasche Rehabilitation der sprachbehinderten Kinder zu erreichen. In­ tensiver Kontakt und nach Möglichkeit enge Zusammenarbeit mit den Eltern unterstützt diese Bemühungen. Die überschaubar klei­ nen Klassen ermöglichen auch den Schülern, sich schnell in der Schule zurechtzufinden und diese insbesondere als Gemeinschaft zu erleben, wozu gelegentliche kleine Feste, Ausflüge, Lehrgänge, Basteln zusammen mit den Eltern usw. da Ihre beitragen. Gerd Müller Sprach therapeutischer Einzelunterricht gehört mit zum Unterrichtsprogramm der Sprachheil­ schule 63

Wirtschaft und Gewerbe Herausforderungen von morgen bewältigen Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg Die Wirtschaft unserer Region wird im weltweiten Wettbewerb nur bestehen kön­ nen, wenn sie mit der zunehmend schnelle­ ren technischen Entwicklung Schritt hält. Die Mikroelektronik als ein wesentlicher Auslöser dieses Wandels verändert interna­ tionale Markt-, Wirtschafts- und Beschäfti­ gungsstrukturen. Schon innerhalb unseres Jahrzehnts wird nach Voraussagen etwa jeder zweite Beschäftigte durch die Mikroelektro­ nik betroffen sein. Konnten sich Technolo­ gien und Produkte bisher über eine Genera­ tion am Markt halten, veralten jetzt viele nach zwei bis drei Jahren. Das Entwicklungs­ tempo bewirkt immer kürzere Innovations­ zwischenräume und setzt neue Produkte, Märkte und Berufsbilder anstelle der alten. Die Expansion des Wissens, Verschiebun­ gen zwischen traditionellen Berufen und Wandlungen der Tätigkeitsinhalte lassen damit den einmal erworbenen Wissensstand der Beschäftigten veralten. War früher die Berufsausbildung die solide Grundlage für eine lebenslange Tätigkeit, so genügt dies heute nicht mehr für ein ganzes Arbeitsle­ ben. Das „Life-long-learning“ ist für die Lei­ stungsfähigkeit des Einzelnen wie auch des Unternehmens von entscheidender Bedeu­ tung. Im letzten Jahrzehnt waren es vorwiegend die Fertigungsbereiche, deren Arbeitsplätze durch die Automatisierung stark verändert wurden. Die Entwicklung in den 80er Jahren erreicht jetzt auch die Büros. Der Angestellte in Verwaltung und Konstruktion, der Inge­ nieur oder der Kaufmann, sie alle müssen für die Computertechnologie umlernen und auf die Arbeit an Terminal, Bildschirmgerät, Textautomaten etc. vorbereitet werden. Der Weiterbildungsbedarf ist allerdings nicht auf die von der Mikroelektronik erfaßten 64 Bereiche beschränkt; hier zeigt er sich nur besonders deutlich. In den verschiedensten Arbeitsgebieten ergeben sich laufend sach­ liche und rechtliche Änderungen. Neue Fachgebiete, erweiterte Anforderungspro­ file, veränderte Organisationsformen, entste­ hen auf allen Ebenen der Unternehmens­ struktur und verlangen entsprechende zu­ sätzliche Kenntnisse, die die tägliche Praxis am Arbeitsplatz nicht oder nur unzurei­ chend vermitteln kann, die aber für den Ein­ zelnen im Konkurrenzkampf des Berufsle­ bens und für das Bestehen des Unterneh­ mens am Markt unerläßlich sind. Berufliche Weiterbildung für Unterneh­ mer und Mitarbeiter wird deshalb ein Gebot der Stunde. Hierbei zu helfen ist eine wich­ tige Aufgabe der Industrie- und Handels­ kammer. Kaum eine andere Institution ist dazu vom gesetzlichen Auftrag her besser geeignet. Die Industrie- und Handelskammer als Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft steht im ständigen Kontakt zu den Betrieben und weiß, welche Anforderungen an qualifizierte Fachkräfte in den einzelnen Wirtschafts­ zweigen zu stellen sind. Die Kammern im Bundesgebiet haben frühzeitig die Initiative ergriffen und entwickelten Konzepte zur praxisorientierten beruflichen Weiterbil­ dung. Ausgangspunkt war die Überlegung, die in Betrieben gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse zu nutzen, die Anforderun­ gen der Praxis als Maßstab zu erhalten und gleichzeitig die Veränderungen des techni­ schen und wissenschaftlichen Standes in die tägliche Praxis einzuführen. Darüber hinaus sollten Q!ialifikationen, Abschlüsse geschaf­ fen werden, die ebenso wie die Leistungs­ zeugnisse der dualen Erstausbildung, überall in der Wirtschaft anerkannt werden. Es ent-

stand eine umfassende Weiterbildungskon­ zeption der Kammern mit einem abge­ stimmten System von Prüfungen. Berufliche Weiterbildung hat neben der laufenden Aktualisierung des beruflichen Wissens, auch als Anpassungsweiterbildung bezeichnet, die Aufgabe, Grundlagen für den beruflichen Aufstieg zu vermitteln. Diese Form der Fortbildung wird als Aufstiegswei­ terbildung verstanden. Angesichts eines expandierenden staatlichen Bildungswesens muß es für die große Zahl der betrieblich aus­ gebildeten Mitarbeiter Q!ialifikationsmög­ lichkeiten geben, damit sie in der beruflichen Konkurrenzsituation mit den Absolventen weiterführender staatlicher Bildungsgänge bestehen können. In der Aufstiegsweiterbildung kann heute eine Industrie- und Handelskammer ein bundesweit anerkanntes einheitliches Qiali­ fikationskonzept anbieten. Dem Bildungs­ willigen stehen nach abgeschlossener Berufs­ ausbildung im Betrieb und einigen Jahren einschlägige Berufspraxis Weiterbildungs­ möglichkeiten mit den Q!ialifikationsprofi­ len „Fachwirt“, ,,Fachkaufmann“ und „Mei­ ster“ offen. Fachwirte besitzen die Allround- Fähigkeiten auf der Breite eines Wirtschafts­ zweiges. Das Kammerangebot umfaßt Lehr­ gänge und Prüfungen zum Bankfachwirt, Industrie-und Handelsfachwirt. Fachkauf­ leute besitzen dagegen eine funktionale Spe­ zialisierung. Hierzu gehören die Lehrgänge und Prüfungen zum Bilanzbuchhalter, Ko­ stenrechner, Organisator; Personalfachkauf­ mann, Fachkaufmann für Außenwirtschaft­ Marketing, – Einkauf/Materialwirtschaft. Die Meisterqualifikation können Facharbei­ ter, Köche und Kellner erwerben, wenn sie sich die erforderlichen Kenntnisse und in Vorbereitungslehrgängen Fähigkeiten zum Industriemeister, Küchenmeister oder Serviermeister aneignen. Diese berufsbeglei­ tenden Lehrgänge zwischen 400 und 1000 Unterrichtsstunden schließen mit anerkann­ ten !HK-Prüfungen ab und bieten den Ab­ solventen die Chance, sich auf Führungsauf­ gaben vorzubereiten und zu qualifizieren. Die Anpassungsweiterbildung ermöglicht den Teilnehmern ihr Fachwissen und Kön­ nen auf aktuellem Stand zu halten und die berufliche Qialifikation gezielt zu erweitern. Hier wird eine moderne Industrie-und Han­ delskammer den vielfältigen Wünschen von 65

Unternehmen und Mitarbeitern aus Handel, Dienstleistung und Industrie mit praxis­ orientierten Ein-oder Mehrtagesseminaren und Kursen zwischen 20 und 300 Stunden gerecht werden. Zugang zu diesen Veranstal­ tungen, die in der Regel ohne Prüfungen abschließen, haben Berufsanfänger, Prakti­ ker, Teilnehmer der Aufstiegsweiterbildung sowie Hoch-und Fachhochschulabsolven­ ten mit und ohne Berufspraxis. Die Semi­ nare und Kurse sind für Interessenten der verschiedensten Q!ialifikationsebenen kon­ zipiert. Das Angebot reicht von Fachsemina­ ren in den Bereichen EDV, Informations­ technik, Elektronik, Fertigungswirtschaft, Einkauf/Materialwirt­ Absatzwirtschaft, schaft, Personalwirtschaft, Außenwirtschaft, Finanz- und Rechnungswesen, Steuern, Recht, Sekretariatspraxis, Schreibtechnik und Fremdsprachenschulung für Mitarbeiter bis hin zu Führungsseminaren in den Berei­ chen Führungspraxis, Rhetorik, Gesprächs­ führung, Besprechungstechnik für Unter­ nehmer und leitende Angestellte. Speziell auf die Belange von Unternehmen abge­ stimmte Firmenseminare werden von der Kammer ebenso organisiert wie Fachkurse für Arbeitslose zur Verbesserung der Arbeits­ marktchancen im Auftrag der Arbeitsämter. Das breitgefächerte Leistungsangebot der Industrie-und Handelskammer sowohl bei der Anpassungsweiterbildung als auch bei der Aufstiegsweiterbildung trägt so zu einer stetigen Verbesserung der Bildungsstruktur in der Region bei und bietet allen Interessen­ ten die Chance zur beruflichen Q!ialifika­ tion. Die Realisierung des Weiterbildungskon­ zeptes der Kammer erfordert qualifizierte Dozenten, die die betriebliche Praxis ken­ nen. Deshalb sind Führungskräfte, die an verantwortlichen Positionen ihrer Unterneh­ men mitarbeiten, wichtige Dozenten in der beruflichen Weiterbildung. Sie ergänzen sich mit Unternehmensberatern sowie Referen­ ten von Berufs-, Fach-und Hochschulen. Erwachsenengerechter Unterricht verlangt eigene Methoden. Aktivierende Lehrformen 66 wie Lehrgespräche, Gruppenarbeit, Rollen­ spiele, Fallstudien und praktische Übungen sichern eine lebendige Wissens-und Fertig­ keitsvermittlung. Die Referenten der Kam­ mer trainieren deshalb die in der Erwachse­ nenbildung notwendigen Fähigkeiten in besonderen Dozentenseminaren. Auch die funktionale Gestaltung und Ausstattung der Schulungsräume muß den Ansprüchen einer erfolgreichen beruflichen Weiterbildung entsprechen. Die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg hat diese Vor­ aussetzungen für eine optimale berufliche Weiterbildungsarbeit geschaffen. Seit der Errichtung des Kammergebäudes in Villin­ gen-Schwenningen, im Jahre 1981, stehen für die Kursbesucher gut ausgestattete Semi­ narräume mit verschiedenen Projektoren, Video-Anlage, Sprachlabor, Phonotypieein­ richtung, Schreibmaschinen sowie eine EDV-Schulungsanlage zur Verfügung. Auch außerhalb des Kammergebäudes ist dafür gesorgt, daß unter guten Bedingungen gear­ beitet werden kann. Spezielle technische Ein­ richtungen stehen in einer gemeinsam mit der Handwerkskammer getragenen Berufli­ chen Bildungsstätte oder in speziellen Be- Weggeworfene der Gesellschaft auf den Parkbänken des Rausches hinter den Gittern des Wahns in den Mauern der Einsamkeit Weggeworfene Wir schützen uns mit Spott Friederike Siek

rufs- und Fachschulen und in entsprechend eingerichteten Betrieben bereit. Das notwen­ dige Umfeld zur Realisierung eines umfas­ senden Weiterbildungskonzeptes ist damit vorhanden. Seit 1981 wird ein breitgefächer­ tes Seminar- und Lehrgangsprogramm im kaufmännischen und technischen Bereich realisiert. In Programm-Marketing-Aktionen mit Plakaten, Broschüren, Kursprogrammen und Anzeigen wird regelmäßig auf die Ver­ anstaltungen im Kammergebäude oder an anderen Orten der Region aufmerksam gemacht. Das Ergebnis für das Jahr 1983 lautete: 210 Seminare, Kurse und Lehrgänge mit insge­ samt 11 000 Unterrichtsstunden und über 4000 Teilnehmern wurden durchgeführt und 35 Fortbildungsprüfungen mit über 500 Prüflingen abgenommen. Mittlerweile besu­ chen täglich ca. 200 Kursteilnehmer die Ver­ anstaltungen der Kammer. Das Weiterbil­ dungsangebot hat, wie die Nachfrage deut­ lich zeigt, breite Anerkennung in der Wirt­ schaft gefunden. Die Industrie- und Handels­ kammer ist heute der größte Träger beruf­ licher Weiterbildung in der Region. Sie wird auch zukünftig als Partner der Wirtschaft „Eine wirklich gute Adresse“ für berufliche Weiterbildung sein und damit den Unter­ nehmen und deren Mitarbeitern bei der Bewältigung der Herausforderungen von Klaus Zährl morgen helfen. Von der Flaschnerei zum Q!iarzuhren-Großbetrieb Die Firma Gehr. Staiger, Uhrenfabrik St. Georgen, in der dritten Generation Die Firma Gebr. Staiger wurde von 2 Brü­ dern, den in St. Georgen beheimateten Emil und Wilhelm Staiger, im Jahre 1898 als offene Handelsgesellschaft gegründet, mit der Absicht, eine Flaschnerei und ein Laden­ geschäft durch Hinzunahme neuer Artikel zu erweitern. Zu diesem Zwecke erwarben die Firmeninhaber das Haus an der Bundes­ straße, bekannt unter dem Namen „Alte Post“, und begannen mit wenigen Mitarbei­ tern ihre Tätigkeit. Diese umfaßte die Betreuung der Brunnen- und Wasserleitungs­ anlagen der Stadt und die Herstellung samt dem Verkauf von Acetylen-Gaslichtanlagen vor allem in Gebieten, die der elektrischen Stromversorgung noch nicht angeschlossen waren. In einem für damalige Verhältnisse beachtlichen Umfange wurden Exportauf­ träge nach Italien, der Schweiz, dem Balkan und selbst nach China ausgeführt. 1906 trat der dritte der Brüder, Ludwig Staiger, nach jahrelangem Aufenthalt in den USA in die Firma ein und wurde Geschäfts­ führer. Um die vorhandene mechanische Werkstätte besser auszulasten, wurde mit der Herstellung von elektrischem Installations­ material begonnen. Emil und Ludwig Staiger waren bei Beginn des Krieges 1914 zum Wehrdienst einberufen worden. Der dritte Teilhaber, der gleichzeitig Leiter der städt. Sparkasse war, bemühte sich, den stark reduzierten Betrieb über die Kriegsjahre hinweg zu retten. Im Zuge des nach dem Kriege einsetzenden Ra­ diogeschäftes konnte die Firma als Spezialfa­ brik für Rundfunkzubehör ein gutes In- und Auslandsgeschäft aufbauen und damit auch die Zeit der Wirtschaftskrise und der großen Arbeitslosigkeit in den späten zwanziger Jah­ ren überstehen. Als im Februar 1937 Ludwig Staiger ver­ starb, ging die Leitung des Unternehmens auf Werner Staiger, den Sohn des Teilhabers Wilhelm Staiger, über.1931 war er nach Able­ gung des Staatsexamens als Elektro-Inge­ nieur und Beendigung seiner Sprachstudien in Paris und London in die Firma eingetre­ ten. Die folgenden Jahre standen im Zeichen intensivster Aufbauarbeit. Die Firma war auf 67

den Funkausstellungen und Leipziger Mes­ sen vertreten. Es wurden Verbindungen zu den großen Kabelwerken angeknüpft und Kontakte zur Werkzeugmaschinenindustrie gesucht, mit der Idee, als zweite Fertigungsli­ nie hydraulische Steuerungsgeräte für Werk­ zeugmaschinen zu bauen. 1938 entstand der erste Bauabschnitt der Fabrikanlage am Bahnhof, der im Laufe der Zeit ca. 6000 qm Arbeitsfläche umfaßte. Der Zweite Weltkrieg brachte das Radio­ zubehörteilegeschäft zum Erliegen. Die Fir­ ma wurde zu einer Spezialfabrik für Hydrau­ likgeräte. Bei dem Bombenangriff am 22. 2. 4 5 auf die Bundesbahn wurden die Fabrikge­ bäude stark beschädigt; dabei ist auch ein Mitarbeiter ums Leben gekommen. Nach­ dem 1941 Emil Staiger und 1944 Wilhelm Staiger verstorben waren, ist die Firma Wer­ ner Staiger als alleinigem Inhaber übertragen worden. Die bitterste Zeit begann nach dem Kriege, als 1945-1946 und 1947 der gesamte moderne Maschinenpark bis auf wenige ver­ altete Reste beschlagnahmt und die Firma total ausgeräumt wurde. Abgesehen von den riesigen finanziellen Verlusten durch unein­ bringliche Forderungen im In-und Ausland sowie durch Bombenschaden und Demon­ tage wog weit schwerer die Tatsache, daß kein Fertigungsprogramm mehr vorhanden war und mangels Einrichtung auch alle schon vorbereiteten Pläne für eine zukünftige Ferti­ gung zunichte wurden. Auf Veranlassung der französischen Besatzungsbehörde entstand eine Serie Spielwaren unter dem Namen „MIGNON“­ Metallbaukasten, später noch ergänzt durch eine elektrische Eisenbahn. Ausgebend von dem Gedanken, die eigene Fabrik von Grund auf reparieren zu müssen, wurde ferner in den leerstehenden Fabrikhallen die Herstel­ lung von Leichtbauplatten betrieben, einem Gemisch von Holzwolle und Zement, in Holzformen gepießt, getrocknet und be­ schnitten. Es war ein mühsames Einarbeiten in eine dem Betrieb völlig fremde Materie, erfolgsversprechend durch den allerorts herr- 68 sehenden Mangel an Baumaterial. Das Trans­ portproblem wurde durch den Ankauf und die eigene Wiederinstandsetzung von Schrottfahrzeugen gelöst. Aus Ersatzteilen zusammengetragen, sind in dieser Zeit auch zahlreiche VW-Käfer montiert worden, um den Vertretern im Außendienst einen fahr­ baren Untersatz zu beschaffen. Dabei konnte es sich nur um eine Übergangslösung handeln. Die Firma mußte wieder einen Weg zu ihrem eigentlichen Gebiet der Feinmecha­ nik suchen. Zur zusätzlichen Sicherung des Betriebes wurde der Versuch unternommen, in der Haushaltbranche, deren Nachholbe­ darf auf jedem Gebiet groß war, Eingang zu finden. Bis zum Eintritt der Währungsre­ form 1948 versprachen diese Unternehmun­ gen ein wenn auch knappes, so doch sicheres Brot. Die Belegschaft, damals wieder auf rund 200 Mitarbeiter angestiegen, wurde in den schlimmsten Jahren durch zusätzliche Mahlzeiten und weitgehende materielle Unterstützung über Wasser gehalten. In einem früheren Kontrollraum war ein langer Tisch aufgestellt, an dem sich täglich Arbei­ ter und Angestellte, Besucher und Vertreter zu einem markenfreien Eintopfgericht zu­ sammenfanden. Nach dem Eintritt der Währungsreform wurden die begonnenen Fertigungen auf­ gegeben, da die einschlägigen Fachfirmen den Absatzmarkt wieder beherrschten.1947 hat man erste Schritte unternommen, sich im Zusammenhang mit der Spielzeugproduk­ tion, mit der Verarbeitung von Kunststoffen zu beschäftigen. Die ersten Maschinen und Werkzeuge wurden selbst gebaut; lediglich in der Verarbeitung der Kunststoffe konnte die BASF beratend mithelfen. Eine im Jahre 1950 getroffene Entschei­ dung, den größten Teil der Fabrikanlage an die Firma SABA zu vermieten, erwies sich in der Folgezeit als richtig. Durch die Verflüssi­ gung vorhandener Reserven bekam die schwer angeschlagene Firma, die sich auf zwei kleinere Fabrikgebäude zurückgezogen hatte, wieder Aufwind. 1954 konnte der gesamte Komplex wieder voll übernommen

werden.1955 wurde die Kunststoffspritzerei als Zulieferant für die verschiedensten Bedarfsfälle durch die Abteilung der Ober­ flächenveredelung im Hochvakuum-Be­ darnpfungsverfahren erweitert. Aus jener Zeit stammt auch die Idee, Uhrgehäuse für Wecker und Kleinuhren anstatt aus Metall künftig aus Kunststoff herzustellen. Um nicht nur Zulieferant zu sein, wandte sich die Firma 1952 der Uhrenherstellung zu und wurde Uhrenfabrik. Da die Verwendung von Kunststoffen für Uhrgehäuse und Uhr­ werksteile in jener Zeit auf dem Inlands­ markt abgelehnt wurde, blieb nur der Weg des Exports, insbesondere nach USA. 1955 wurde das erste kleine Sortiment auf der Messe in Hannover ausgestellt, ein Jahr spä­ ter unternahm der Firmenchef seine erste USA-Reise. Innerhalb weniger Jahre wurde eine ganze Anzahl Entwicklungen zur Pro­ duktion gebracht -Synchronwecker -Kurz­ zeitmesser -Betriebsstundenzähler -tech­ nische Laufwerke für Belichtungsuhren und vor allem Uhrwerke für batteriebetriebene Großuhren, ein Fertigungszweig der zur tra­ genden Säule des Verkaufsprogrammes wurde. Am 1.10.1960 wurde das alte Schulhaus in Hardt als Ausweichmöglichkeit zunächst gemietet und dann gekauft. Von anfänglich 30 Mitarbeitern ist dieser Betrieb innerhalb von 10 Jahren auf rund 270 angewachsen. Den endgültigen Durchbruch und die welt­ weite Anerkennung schaffte Gebr. Staiger im März 1971, als das erste �arzuhrwerk für Großuhren der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Damit ist eine neue Phase in der jahr­ hundertealten Tradition der Zeitmessung eingeleitet worden. Als im Oktober 1973 das 75jährige Bestehen der Firma gefeiert wurde, waren zwei zusätzliche Erweiterungsbauten in St. Georgen und Hardt mit 3000 qm Arbeitsfläche gerade fertiggestellt. 1976 mußte der Betrieb in St. Georgen erneut ver­ größert werden. Am 5. April 1977 starb der Firmeninhaber Werner Staiger. Dank der im Jahre 1963 erfolgten Grün­ dung eines Vorstandes, bestehend aus 69

mehrheitliche Anteile die Witwe Gertrud Staiger hält, während die Kinder, Cornelia Bohnert geb. Staiger und Martin Staiger zu je 24,5 % beteiligt sind. 1980 wurde ein in der Uhrenbranche ungewöhnliches Experiment gestartet: die Gründung der UTS -Uhrentechnik Schwarz­ wald GmbH als gemeinsame Tochter der bei­ den Firmen Staiger und Kundo, in den Räu­ men der jeweiligen Zweigwerke Hardt und Mariazell mit dem Ziel, ein gemeinsam ent­ wickeltes kostengünstiges G.!iarzwerk in Großserie zu produzieren. Die Erwartungen haben sich erfüllt. Heute wird diese Werks­ konzeption in nahezu hundert Varianten dem Markt angeboten, zu Bedingungen, die dem Preisdruck von außen her standhalten können. Um auch in Zukunft am technolo­ gischen Fortschritt teilzuhaben, sind bei der Firma Gehr. Staiger seit Jahren Entwicklun­ gen im Gange, in der Mikroelektronik mit Schwerpunkt Dünnschichttechnik und deren Anwendungsbereiche sowie auf dem medizinisch-technischen Sektor Fuß zu fas­ sen. Die bislang noch kleine Abteilung arbei­ tet sehr erfolgsversprechend, einerseits im Dienstleistungsbetrieb für kundenspezi­ fische Anwendungen und andererseits in der Herstellung kompletter Geräte. Auch die dritte Generation im Hause Staiger, die mit dem Eintritt von Dipl. Kfm. Martin Staiger in der Firma aktiv geworden, ist dürfte einen guten Weg in die Zukunft gehen. Gertrud Staiger Weiterverarbeitung; die Mühle ist zugleich für den Landwirt Absatzmarkt und Ein­ kaufsstelle. Nun hat sich natürlich im Lauf der Zeit das Bild und auch die Zahl der Villin­ ger Mühlen gewandelt. Modernste Technik hat das behäbige Wasserrad abgelöst, der Müller von einst mit Zipfelmütze und rau­ chendem Pfeifchen wurde im Zeitalter der bewährten Mitarbeitern in Verwaltung und Produktion, hat sich der Betrieb sehr positiv weiterentwickelt. Das Verkaufsprogramm ist sowohl auf dem G.!iarzuhrensektor wie auf einer neu aufgenommenen mechanischen Linie noch größer geworden. 1983 wurde eine erneute bauliche Erweiterung notwen­ dig. Heute wird auf insgesamt 12 000 qm Arbeitsfläche produziert. Die Firma wurde 1977 in eine GmbH umgewandelt, deren Bis ins 14.Jahrhundert geht das Mühlengewerbe an der Brigach zurück Eine Stadt als Zentrum urbanen Lebens war in der Vergangenheit und ist auch in der Gegenwart ohne Mühlen nicht denkbar. So wird auch die Geschichte der tausendjähri­ gen Stadt Villingen begleitet von den Müh­ len, die, einst mit Wasserkraft getrieben, längs der Brigach angesiedelt waren. Hier sammelte sich das Getreide des Umlands zur 70 Die „neue“ Kutmühle in Villingen

1 5000 Tonnen Getreide können von dieser modernen Schaltz.entrale in der Villinger Kutmühle in Bewe­ gung gesetzt werden. Neueste Technik zeichnet dieses traditionsreiche Unternehmen an der Mühlen­ straße aus. Technik eine hochqualifizierte Fachkraft, die Tonnen von Getreide durch Knopfdruck lenkt und spielerisch ein Rädeiwerk in Gang setzt, dessen Leistungsfähigkeit die Kraft des Flusses um ein Vielfaches übersteigt. Eine Mühle mit jahrhundertelanger Tradition, die sich im Wandel der Zeiten behaupten konnte, ist die Kutrnühle in Villingen an der Mühlenstraße. sondern auch alle anderen Daten, die dieses Bauwerk aufweist, sind imponierend. Der umbaute Raum dieses Getreidesilos umfaßt 4500 Kubikmeter. Ausgerüstet ist das Ganze nicht nur mit unzähligen Behältern für die verschiedensten Getreidesorten, die eine ganze Jahresernte aus der Umgebung auf­ nehmen können, sondern auch mit modern­ ster T echoik. Seit etwa einem Jahr beherrscht ihre Sil­ houette den Süden der Stadt. Es entstand ein neuer riesiger Getreidesilo, der trotz seiner Zweckmäßigkeit einen eigenen Reiz aus­ strahlt Mit 50 Meter Bauhöhe ist dieser Betonpfeiler mit der architektonisch gelun­ genen blauen Kappe fast so hoch wie die Münstertürme. Die Kuppe� aus Stahl und Glas geschaffen, bietet eine herrliche Aus­ sicht weit ins Land und nimmt dem Zweck­ bau seine starre Strenge. Nicht nur die Höhe, 72 Es bedurfte schon eines hohen architekto­ nisches Könnens, um diesen Koloß unmit­ telbar neben der Brigach fest zu gründen. Tausende von Kubikmeter Beton und über hundert Tonnen Stahl waren für den Bau notwendig, und an die hundert Betonpfahle mit etwa einem Meter Durchmesser mußten in den Grund gerammt werden, damit der Riese nicht auf Sand gebaut ist. In den ver­ schiedenen Silos der Kutrnühle können 5000 Tonnen Getreide gespeichert werden,

wovon der Neubau allein 1400 Tonnen auf­ nimmt Aus dem ganzen Schwarzwald-Baar­ Kreis liefern Landwirte hier ihr Getreide an. Die Anhänger werden auf eine hydraulische Kippbühne gefahren, und das Korn fällt rau­ schend in rote Trichter, um dann mit Förder­ ketten und Becherwerken zur Spitze des T ur­ mes transportiert zu werden. Von dort rieselt es, über eine Vielzahl von steuerbaren Kanä­ len geleitet, in die verschiedenen Silos. Das Getreide durchläuft dabei eine Reinigungsanla­ ge und wird danach auf etwa acht Grad abge­ kühlt, umso für ein Jahr konserviert zu bleiben. Was das Land im Schwarzwald-Baar-Kreis an Getreide hergibt, wird, soweit es Roggen und Weizen betrifft, in der Kutrnühle selbst verarbeitet. Zu dem Unternehmen gehört eine Bäckerei, die das Mehl zum täglichen Brot verarbeitet. Das andere Korn gelangt über den Großhandel an die Verarbeiter, zu denen auch Ölmühlen gehören. Die Bedeu­ tung der Villinger Kutrnühle ist in den letz­ ten Jahren stark gestiegen, nicht nur weil sie die einzige größere Mühle im Umkreis ist, sondern weil immer mehr Landwirte vom Hackfruchtanbau zum Getreide überwech­ seln. Nicht nur mit der Kutmühle, sondern mit allen Mühlen im engeren Umkreis der Stadt ist der Name Riegger eng verbunden. Die Geschichte der ältesten Mühle reicht bis ins 14.Jahrhundert. Eine erste Urkunde weist die Mühle an der unteren Brigach als die ,,Eschinger Mühle“ aus, da sie dem Ge­ schlecht derer von Eschingen gehörte. Im Jahre 1438 wird die Mühle als Eigentum des Klosters „Santa Clara“ bezeichnet. Am St.­ Ursula-Tag im Jahre 1569 brannte die Mühle bis auf die Grundmauern nieder, wurde jedoch unmittelbar danach wieder auf­ gebaut. Rund sechzig Jahre später waren es die Württemberger, die den Roten Hahn, im Zuge einer Belagerung der Stadt, ins staubige Gebälk setzten. Zwanzig Jahre später folgte der Wiederaufbau durch einen Müller mit Namen Jakob Müller, dem das Kloster für seine großen Aufwendungen – so die Chro­ nik – den Zins für 3 Jahre erließ. Ihren heutigen Namen erhielt die Mühle im Jahre 1760. Damals wurde Anton Kuth Müller an der Brigach, und seine Familie behielt das Anwesen bis zum Jahre 1840. Dann beginnt die Geschichte der Familie Riegger auf der Kutrnühle. Im Jahre 1844 kaufte der Ochsenwirt Xaver Riegger die Mühle, die damals noch drei Mahlgänge, einen Gerbgang, eine Grießmühle sowie Stall und Wohngebäude umfaßte. Doch nicht der Ochsenwirt betrieb die Mühle, sondern sein Bruder Karl, der einen Lehensbrief des Klo­ sters St. Ursula unterschrieb. In den zwanzi­ ger Jahren unseres Jahrhunderts machte der damalige Besitzer Berthold Riegger aus der Not eine Tugend und begann das schwer ver­ käufliche Korn in einer eigenen Bäckerei zu verarbeiten. Dabei ist es geblieben, und so stützt sich das Unternehmen heute auf drei Bereiche. Da ist einmal der Ankauf und die Einlagerung von Getreide, wozu der neue Silo unerläßlich war. Daneben der Mühlen­ betrieb und als Drittes die Bäckerei. Klaus-Peter Friese Beeindruckungen Da gibt es die Städte, an denen man schnell vorbeifährt – Da gibt es Gedanken, an denen man schnell vorbeidenkt – Da gibt es auch Menschen, an denen man schnell vorbeigeht – Da gibt’s aber Spiegel, vor denen man stehnbleibt – um dann zu entdecken: Man wäre an ihnen doch besser ganz schnell vorbeigelaufen. 73

Seit 25 Jahren: Bad Dürrheimer Mineralbrunnen Ein bodenständiges Unternehmen feiert ein kleines Jubiläum Bad Dürrheimer Mineralbrunnen. Blick auf eine der beiden großen Abfüllanlagen. Die Wiederentdeckung der von alters her vorhandenen Johannisquelle durch den damaligen Bürgermeister und Kurdirektor Otto Weissenberger war im Herbst 1958 Anlaß zur Gründung der Firma Bad Dürr­ heimer Johannisquelle Vogt KG. Im Januar 1959 lief die erste Flasche Bad Dürrheimer Mineralwasser vom Band; das Produkt konnte sich schnell am Markt durchsetzen. Als bescheidener Newcomer setzte man sich anno 1959 still und leise ans kapazitätsmä­ ßige Schlußlicht bei der Liste der Mitglieder im Verband Deutscher Mineralbrunnen. Heute, nach 25 Jahren, hat man sich als Anbieter von Mineralwasser, von Limona­ den, Fruchtsaftgetränken und vor allem auch von Heilwasser einen Platz unter den ersten 30 erobert. Durch Bohrungen in den Jahren 1977, 1978 und 1983/84 wurden vier neue Mineral­ quellen erschlossen. Dadurch wurde die Grundlage für die nötige Kapazitätsauswei­ tung geschaffen. Neue Anlagen und ein ver­ stärkter Fuhrpark wurden gleichzeitig instal­ liert. Heute ist die Bad Dürrheimer Mineral­ brunnen GmbH ein wichtiger Anbieter im Südwesten. Der Brunnenbetrieb versorgt – getreu den werblichen Aussagen -Baden­ Württemberg und angrenzende Gebiete mit „erfrischenden und gesunden Grüßen aus Bad Dürrheim“. Bodenständig, wie das köst­ liche Naß, das man nutzt, ist auch das Markt­ verhalten dieses Betriebes aus dem Schwarz­ wald-Baar-Kreis. Schon die Brunnengeschichte der alten Johannisquelle ist eine Heimatgeschichte, 74

wie man sie sich schöner nicht wünschen kann. Otto Weissenberger hatte die Idee, die alte, verschüttete, früher genutzte Qp.elle wiederzufinden, der schon in alten Zeiten Heilkräfte beim Pferd zugeschrieben wur­ den. Otto Weissenberger damals: „Was gut für Pferde ist, kann dem Menschen nicht schaden“. Seit 1980 ist zu den Mineralwassern und den Mineralwassergetränken, die in Bad Dürrheim abgefüllt werden, noch etwas Neues hinzugekommen: Die Bad Dürrhei­ mer Bertoldsquelle, ein Heilwasser. Diese Arzneimittelspezialität ist vom Bundesge­ sundheitsamt unter der Nummer 2145.00.00 als Calcium-Magnesium-Sulfat-Hydrogen­ karbonat-Wasser und als ein natürliches Heilmittel des Bodens zugelassen und regi­ striert. Mit diesem Produkt hat man in Bad Dürrheim das Angebot abgerundet, das von hier aus in alle Himmelsrichtungen geht. Klaus Dettling Ein Musterbeispiel für gute Ausbildung Firma Schmidt Feintechnik in St. Georgen verfügt über moderne Lehrwerkstatt Jugendarbeitslosigkeit“ ist ein Schlag­ wort, das seit einigen Jahren durch politische Diskussionen ebenso wie durch die Medien geht. Der Begriff beschreibt die gewachsenen Probleme junger Menschen an der Schwelle zwischen Schul- und Berufsleben einen eini­ germaßen nahtlosen Übergang zu finden, wie er noch vor zehn Jahren für eine ganze Generation fast selbstverständlich war. Jugendarbeitslosigkeit, darüber sind sich alle einig, die in dieser Gesellschaft Verantwor­ tung tragen, ist eine der schwersten Heraus­ forderungen der bundesrepublikanischen Wirtschafts-Gesellschaft in den 80er Jahren. Wenn es nicht gelingen sollte, diese schwer­ wiegendste Form der Arbeitslosigkeit zu bannen, dann sammelt sich binnen weniger Jahre genug sozialpolitischer Zündstoff an, der später zu schweren Erschütterungen füh­ ren könnte. Die Stadt St. Georgen kann in Bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit mit vergleichs­ weise guten Werten aufwarten. Seit geraumer Zeit weisen die Statistiken des Arbeitsamtes aus, daß die Bergstadt die geringste Jugendar­ beitslosigkeit im gesamten Schwarzwald­ Baar-Kreis aufweist. Diese günstige Entwick­ lung rührt daher, daß die mittelständisch geprägten Unternehmen St. Georgens, oft als Familienbetriebe geführt, ihre Verantwor­ tung für die Jugend ganz besonders ernst nehmen. Wo anderswo bisweilen nur Lip- penbekenntnisse zu hören sind, stellen die St. Georgener Industriebetriebe (und natür­ lich auch Handel, Handwerk und Gewerbe) Ausbildungsplätze in großer Zahl zur Ver­ fügung. Ein solches Unternehmen mit außeror­ dentlich großen Anstrengungen im Ausbil­ dungsbereich ist die Firma Schmidt Fein- Ausbilder Werner Rosenfelder (Mitte) setzt sich bei der Firma Schmidt in St. Georgen mit ganzem Herzen dafür ein, daß seine Schützlinge mit einer guten Ausbildung in den Beruf starten können 75

technik. Das 220 Mitarbeiter große Unter­ nehmen auf der Seebauernhöhe, das nicht nur mit der Produktion von Schreibgeräten groß geworden ist, sondern sich auch zuneh­ mend im Bau von Sondermaschinen und Pressen einen Namen gemacht hat, unterhält eine Ausbildungsabteilung, wie sie ihresglei­ chen suchen dürfte. 20 Lehrlinge werden der­ zeit bei Schmidt ausgebildet, davon 17 ge­ werbliche und drei kaufmännische. Die jun­ gen Mitarbeiter haben dabei auch große Chancen nach drei Lehrjahren weiter bei der Firma bleiben zu können: Im letzten Jahr hat die Firma Schmidt alle neun Lehrlinge, die ihre Ausbildung beendet hatten, als feste Mitarbeiter übernommen. Das Ausbildungszentrum bei Schmidt Feintechnik läßt keine Wünsche offen. Als das Unternehmen in den Jahren 1978/79 sei­ nen neuen Standort auf der Seebauernhöhe erweiterte, wurde auch der Ausbildungsbe­ reich vollkommen neu eingerichtet. An die 20 moderne Maschinen stehen in der Lehr­ werkstatt zur Verfügung, mit denen Ausbil­ der Werner Rosenfelder seinen Schützlingen alle Fertigkeiten beibringen kann, die heute von einem Facharbeiter in einem modernen Betrieb gefordert werden. Beispielhaft: Die Firma Reinhold Flaig in Niedereschach-Fischbach Parallel zur Uhrenindustrie entwickelte sich in der ländlichen Region Niedereschachs schon früh eine Reihe feinmechanischer Unternehmen. Diese Betriebe mit meist überschaubarem Mitarbeiterstamm arbeiten überwiegend als Zulieferer und sind nur soweit von den konjunkturellen Schwan­ kungen mehr oder weniger betroffen, wo wiederum die Uhrenbranche der ausschließ­ liche Abnehmerbereich ist. Ein empfindlicher Schlag war die Kündi­ gung von über hundert Belegschaftsmitglie­ dern eines Uhrenzweigbetriebs in Nieder­ eschach. Damit reduzierte sich die Zahl der Neben sieben Drehmaschinen, drei Fräs­ maschinen, verschiedenen Hobel- und Schleifmaschinen, ist ein teurer Tomos­ Drehautomat das Prunkstück in der Schrnidtschen Lehrwerkstatt. Auch Werk­ zeug-Ausstattung und Meßeinrichtungen sind auf dem modernsten Stand. Firmenchef Hans Schmidt über die Gründe für diesen aufwendigen Lehrbetrieb: ,, Wir nehmen nicht nur unsere gesellschaftspolitische Auf­ gabe wahr, sondern wir wollen uns auch unseren eigenen qualifizierten Nachwuchs heranziehen.“ Daß der Übergang eines Schmidt-Lehr­ lings zum anschließenden festen Arbeits­ platz in dem Unternehmen reibungslos ver­ läuft, dafür sorgt eine enge Verzahnung des Lehrbetriebs mit der Produktion. Weil mit den Maschinen in der Lehrwerkstatt hohe Qualitätsanforderungen eingelöst werden können, dürfen sich die Lehrlinge schon während ihrer Ausbildung nach und nach durch die Lösung von Aufgaben bewähren, die ihnen aus dem Betrieb gestellt werden. Welche hohen Fertigkeiten die jungen Mit­ arbeitervermittelt bekommen, läßt sich an den imponierenden Werkstücken ablesen. Erich Möck Arbeitsplätze in der Gesamtgemeinde auf rund 650. Das Gewerbesteueraufkommen, in früheren Jahren ein stabiler Faktor in den Gemeindefinanzen, rutschte von noch rund 1,2 Milionen DM im Jahr 1981/82 auf eine heutige Erwartung von einer halben Million DM ab. Insgesamt verfügt die Gemeinde mit ihren drei Ortsteilen über 34 Industrie-und Gewerbebetriebe, 39 Firmen der Bau-und Ausbaubranche, 27 Dienstleistungsbetriebe und 14 Gaststätten. Nachdem der erste Abschnitt eines neuen Gewerbegebiets an der Peripherie in Richtung Dauchingen voll Stabilität durch Präzision 76

Durch {htalität, Präzision und Flexibilität voUbeschäftigt: Der Fischbacher Betriebsinhaber Reinhold Flaig bei der Demonstration des hochwertigen Mehrspindelautomaten, mit dem hauptsächlich Großteile für die Auto- und Bauindustrie hergestellt werden belegt ist, wird deneit in der Hoffnung auf die Ansiedlung weiterer Unternehmen eine Anschlußfläche von vier Hektar erschlossen. Beispielhaft für eine verbreitete Form betrieblicher Struktur ist der Fischbacher Hersteller von Präzisionsdrehteilen, Rein­ hold Flaig. Seit der Investition in einen lei­ stungsfahigen Mehrspindelautomaten pro­ duziert er in großen Stückzahlen Zuliefer­ teile für Automotoren und Nutzfahneuge. Für die Baubranche stellt er in auflagestarken Serien stählerne Verbindungsstücke für frei­ tragende Treppen her. Ein fünfzehnprozentiger Umsatzanteil geht auf das Konto der Reifendruck-Meßge­ räte, die Reinhold Flaig seit geraumer Zeit als weiteres betriebliches „Bein“ nicht nur bis zur sorgfältigen Endkontrolle selbst fertigt, sondern auch bundesweit vertreibt. Abneh­ mer des Werks, das durch sein mechanisches Innenleben kälte-und energieunabhängig und durch seine Meßbereiche von null bis zehn bar einmalig auf dem deutschen Markt ist, sind nebst Autofahrern und Auto­ branche die Bundeswehr sowie die Post, die die stabilen Druckmesser mit Metallgehäuse zu Meßzwecken im Kabelnetz benutzt. Die Fertigungshalle am Schulberg aus dem Jahr 1964 ist mit modernen Maschinen ausgestattet. Vor der Umstellung auf die großformatigere Produktion befand sich der Produktionsschwerpunkt der Firma Flaig im Bereich präziser Kleinteile wie Wellen, Pfei­ ler und Büchsen für Apparate verschieden­ ster Bauarten. Fünf Jahnehnte lang und bis vor wenigen Jahren wurden Gongschrauben für die Uhrenindustrie gefertigt. Der Betrieb wurde im Jahr 1922 von den Brüdern Richard, Karl und Wilhelm Flaig gegründet. Auslösend für den Entschluß zur Selbständigkeit schon in jungen Jahren war der Wunsch, am Wohnort zu arbeiten und 77

Glas aus Wolterdingen sich damit tägliche weite Fußmärsche zu nach Möiichweiler, Tuningen und Schwen­ Arbeitsplätzen in Schwenningen, Villingen nmgen. Eines hat sich nicht verändert: Rezessio­ und St. Georgen zu ersparen. Gefertigt wur­ nen belasteten den Betrieb weder früher den vor allem für Betriebe in Schwenningen noch heute. Schon der Vater hatte in den und Pforzheim Einzelteile für Uhren. Kun­ schwierigen Zeiten der Arbeitslosigkeit in denbesuche und Warentransporte waren den zwanziger Jahren genügend Aufträge. schwierig, soweit ab Villingen nicht die Bahn Über eine gleichartige Stabilität in der benutzt werden konnte. Erst 1959 schaffte Beschäftigung verfügt der Sohn Reinhold sich Wilhelm Flaig, der den Betrieb nach dem Wiederbeginn 1949 allein weitergeführt Flaig, der seit 1973 Firmenchef ist. Die fünf Arbeitsplätze sind stabil und waren bisher hatte, das erste Auto an. Bis dahin war er im nie von Kurzarbeit betroffen. Sommer per Fahrrad oder Fuhrwerk, im Rosemarie v. Strombeck Winter zu Fuß unterwegs, das Material be­ förderte er dann auf einem Rodelschlitten bis Vor 140 Jahren Konzession zur Errichtung einer Glasfabrik im Bregtal Lange bevor im Schwarzwald die ersten Bekarmtwerden hatte das großzügig ge­ dort gefertigten Uhren tickten, rauchten die plante und kühn konzipierte Projekt unter Öfen der Schwarzwälder Glasmacher. Ihre den Schwarzwälder Glasmachern erhebli­ kunstvollen Produkte wurden durch Glasträ­ chen Schrecken verbreitet. Sie kämpften be­ ger in fast ganz Europa vertrieben. Bis in die reits seit Jahren um ihre Existenz. Die Mei­ ster von Herzogenweilerwandten sich daher, Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Wald­ glas ausschließlich in den straff handwerk­ als Wortführer auch der anderen Glashütten, an die großherzogliche Regierung mit der lich organisierten Glashütten wie Äule, Alt­ und Neuglashütten, Bubenbach und Her­ Bitte, die an Maggi erteilte Konzession wie­ zogenweiler hergestellt. der zurückzuziehen. Gegen die übermäch­ Das beginnende Industriezeitalter ver­ tige Konkurrenz aus Böhmen, die aller­ feinste Glaswaren herstellte, und gegen die änderte jedoch auch die Produktionsweise in den Glashütten. In Glasfabriken wurde nun Glasmacher aus Bayern, die wesentlich billi­ ger ihre Produkte in den Ländern der Zoll­ nach kapitalistischen Gesichtspunkten Glas union und der Schweiz absetzen könnten, hergestellt. Der Geldgeber wurde zur ent­ scheidenden Person, der sich der Glasmacher hätten sie nur geringe Chancen ihre Betriebe aufrecht erhalten zu können. In den letzten unterzuordnen hatte. Ein solches neuartiges drei Jahrzehnten seien die Holzpreise um das Unternehmen begann am 22. 6.1844 in Wol­ Dreifache gestiegen. terdingen. Trotz dieser Einwände befürwortete das Am genannten Tage wurde dem Donau­ Forstamt das Wolterdinger Projekt. Es ver­ eschinger Kaufmann Maggi von dem Groß­ herzoglich Badischen Ministerium des Inne­ sprach sich einen guten Absatz auch des schlechten Holzes, besonders aus den umlie­ ren die Konzession zur Errichtung einer genden großen Waldgemeinden Vöhren­ Glasfabrik in Wolterdingen erteilt und ihm bach, Villingen und Bräunlingen. In ihrer die Holzflößerei auf der Breg mit der Auf­ Sorge suchten die Glasmacher Hilfe beim lage genehmigt, daß er für jeden Schaden an Fürstenhaus in Donaueschingen. Die Fürst­ der Floßstraße aufzukommen habe. Maggis liche Kammer wandte sich in Karlsruhe Verhandlungen mit der Regierung in Karls­ gegen das Maggi zugesprochene Flößerei- ruhe waren geheim geblieben, aber mit dem 78

recht, das allein der Standesherrschaft zustehe. Das Gesuch der Glasmacher und der ·Protest des Fürstenhauses hatten teilweise Erfolg. Zwar wurde die Maggi erteilte Kon­ zession nicht zurückgenommen, doch wur­ den ihm am 25. 5.1846 einschränkende Auf­ lagen gemacht: Das Flößereirecht des Für­ sten durfte durch den Betrieb Maggis nicht beeinträchtigt werden. Zum Schutze der Glasmacher in Herzogenweiler wurde ihm nur erlaubt, Glaswaren nach böhmischer Art in vorzüglicher Qyalität und Tafelglas her­ zustellen. Er durfte also nur besseres und damit teureres Glas, als es aus den bisherigen Schwarzwälder Glashütten kam, herstellen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, holte sich Maggi einen Fachmann von der bayrisch-böhmischen Grenze als Teilhaber nach Wolterdingen. Es war dies der Hüttenmeister Conrad Bodenmüller, der zuvor die Glashütte Rabenstein bei Zwiesel geleitet hatte. Am 18.12.1848 wurde die Firma Maggi & Bodenmüller durch Gesell- schaftsvertrag gegründet und der Hüttenbe­ trieb in Wolterdingen aufgenommen. Es dauerte nicht lange, bis die Fabrikanten gegen die ihnen auferlegten Beschränkungen angingen. Die Landesregierung beauftragte den Bergrat Walchner mit der Erstellung eines Gutachtens, das eindeutig zugunsten der Wolterdinger Glasfabrik ausfiel. Er erklärte, daß der Glasbedarf im Lande nur zu einem geringen Teil aus heimischer Produk­ tion gedeckt werden könne. Die Herstellung von gewöhnlichem Gebrauchsglas in Wol­ terdingen könne angesichts des großen Bedarfs keine negativen Auswirkungen auf die anderen Schwarzwälder Glashütten ha­ ben. Außerdem seien die Wolterdinger auf die Verwendung der bei der Herstellung von Qyalitätsglas entstehenden Abfälle angewie­ sen, da sie sonst zu reinem Verlust für sie wür­ den, was möglicherweise auflängere Sicht zu ihrem Ruin führen werde. Obwohl die hinderliche Beschränkung aufgehoben wurde, konnte sich die Firma 79

nicht lange halten. Wohl aufgrund der inzwi­ schen eingetretenen Verluste und unglückli­ chen Geschäftsgebarens wurde die Firma Maggi & Bodenmüller im Jahre 1854 auf­ gelöst und die Glashütte mit Zubehör im sel­ ben Jahr für 5.600 fl. zwangsversteigert. Neuer Eigentümer wurde Bernhard Rein­ fried von Appenweier. Zusammen mit Leo Enzmann aus Küßnacht gründete dieser die Firma Reinfried und Enzmann. Miteigentü­ mer war Eduard Bauer aus Donaueschingen. Neun Jahre lang stellte diese Firma nach einer Anzeige in der „Breisgauer Zeitung“ vom 30. 8. 1855 „Alle Sorten Tafel-Glas, so­ wie Farben-und Mousselinglas, Glas-Glok­ ken und Glasziegel“ her. Am 21. 9.1863 kauften die Krefelder Han­ delsleute Ernst Ihle und Adolf Heilgers für 57.000 fl. den Betrieb, der fast 11 Jahre lang unter der Firma Heilgers & Ihle weitergeführt wurde. Von Ernst Ihle erwarb Matthä Josef Böhringer, Kaufmann in Glashütte bei Klo­ sterwald in Hohenzollern, am 9. 2. 187 4 für 40 000 fl. die Wolterdinger Fabrik. Böhringer 80 stammte aus einer Familie, die schon seit vie­ len Jahrzehnten in der Glasfabrikation wie im Handel erfolgreich tätig gewesen war. Er sollte zum erfolgreichsten Wolterdinger Glas­ fabrikanten werden. Die Glasfabrik hatte bis­ her, wie es auf dem Schwarzwald üblich war, die Feuerung mit Holz betrieben. Die von Robert Gerwig 1866-1873 erbaute Schwarz­ waldbahn bot im Bahnhof des nahen Do­ naueschingen günstige Verlademöglichkei­ ten und ermöglichte 1880 die Umstellung der Wolterdinger Hütte auf Kohlengasfeuerung. Nach Böhringers Angaben verbrauchte sie etwa 30 000 Zentner Kohle im Jahr, was etwa 13-14 Waggons im Monat entsprach. Noch eine andere Neuerung machte die Fabrik unabhängig vom Wald. Ende des 18. Jahrhunderts war dem Franzosen Nicolas Leblanc in St. Denis die künstliche Herstel­ lung von Soda aus Kochsalz gelungen. Die­ ses Soda wurde als Ersatz für die zur Glasher­ stellung erforderliche Pottasche verwendet. Somit konnte der Rohstoff Holz neben der Feuerung der Öfen auch für die Glasherstel-

lung direkt entbehrt werden. Der Betrieb lief Mitte der achtziger Jahre auf vollen Touren. 1885 stand der Schmelzofen bereits drei Jahre ununterbrochen unter Feuer. Mit 30 000 Zentner Kohle (Frachtkosten hierfür jährlich ca. 7000,-DM) konnte die achtfache Menge Glas hergestellt werden, als dies frü­ her mit 10 000 Ster Holz möglich war. Spe­ zialisten aus allen Teilen Deutschlands, aus Böhmen und Belgien, fertigten Glas für alle Zwecke an. Zeitweise wurden 60-70 Arbeiter in zwei Schichten beschäftigt. Die Familie Thoma übte über zwei Generationen das Glasgravieren aus. Die Fabrik beschäftigte auch Glasmacher der 1880 eingegangenen Glashütte in Herzogenweiler. Die an der Breg gelegene Schleiferei wurde mit einer 30 PS starken Wasserkraft angetrieben. Charakteristisch für die Arbeitsmethode war die zu jener Zeit hochmoderne, voll durchgeführte Arbeitsteilung. Eine Flasche, die früher von einem Glasbläser allein her­ gestellt wurde, ging in der Wolterdinger Fabrik durch fünf Hände und wurde tech­ nisch vollkommener in etwa 800 Exempla­ ren täglich hergestellt. Die Ware wurde, nach Erhöhung des schweizerischen Glaszolls im Jahre 1885, vor allem in Süddeutschland abgesetzt. Trotz der bis 1885 erzielten Erfolge war die Wirtschaftsentwicklung im Glasgewerbe der Wolterdinger Fabrik auf die Dauer nicht günstig. Besser gelegenen und mit niedrige­ ren Löhnen arbeitenden Betrieben gleicher Art in Deutschland war sie nicht gewachsen. Der frühere Standortvorteil durch das in unmittelbarer Nähe großer Waldungen gele­ gene Wolterdingen war durch die Umstel­ lung auf Kohlegasfeuerung entfallen. Die höheren Frachtkosten für die Anlieferung der Kohle und die enormen Investitionsko­ sten beim Umbau der Schmelzöfen machten die Fabrikation auf Dauer unrentabel. 1896 wurde über MatthäJosefBöhringers Nachlaß Konkurs eröffnet. Die Glasfabrik ging für 71000 Mark in den Besitz des Bank­ geschäftes Karl Otto jr. in Villingen über, von dem sie am 20.10.1896 für 71300 Mark zwei andere Mitglieder der Familie Böhrin­ ger erwarben, die die Fabrik noch sechs Jahre hindurch weiterbetrieben. 1902 legte man sie endgültig still. Die nun erwerbslosen Glasmacher muß­ ten sich in anderen Gewerben neue Arbeit suchen. Ein Teil der Glasmacher verzog in die Schweiz, wo sie in der Glashütte Küß­ nacht in ihrem Beruf weiterarbeiten konn­ ten. 1918 wurde die gesamte Anlage ein­ schließlich Schleiferei an Dionys Reiner aus Eisenbach verkauft, durch dessen Nachkom­ men heute die Metallwarenfabrik Reiner GmbH betrieben wird. Noch heute geben die in fast allen volks­ kundlichen Museen Süddeutschlands aus­ gestellten Wolterdinger Glaswaren Zeugnis von der Vielfalt und Schönheit des in Wol­ terdingen hergestellten Glases. In vielen Vitrinen und Regalen erfreuen Wolterdinger Glaswaren Sammler und Liebhaber schönen Glases. Artur Kaiser * Es dunkelt die Nacht. – Auf einsamer Wacht Erstrahlet uns fern Ein einsamer Stern. Wir wandern zu zweit, Und die Welt ist so weit. Wir wünschten uns gern Hinauf zu dem Stern. – Gar still wird die Nacht. Kein Stern hält mehr Wacht. Die Wolken zieh’n schwer Tief über uns her. Wir wandern zu zweit, Das Herz wird uns weit. Es schwindet uns nicht Das innere Licht. Alice Roskothen-Scherzinger 81 Das innere Licht

Persönlichkeiten der Heimat Der badische Gesandte aus Riedböhringen Rechtsanwalt Franz Xaver Honold -Eine Karriere in den „goldenen zwanziger“ Jahren nur die führenden Persönlichkeiten des damaligen politischen, kulturellen und wirt­ schaftlichen Lebens, auch ungezählte Bade­ ner, die studienhalber oder in Geschäften in Berlin zu tun hatten und die Gastfreund­ schaft der Familie Honold in der Lenne­ straße genossen. Eine Gastlichkeit, die im Berlin der „goldenen zwanziger“ Jahre für den Chef der badischen Gesandtschaft, damals auch Ehrenpräsident im Berliner Ver­ ein der Badener, sprichwörtlich war. F. X. Honold kam aus Riedböhringen. Sein Vater war Wachszieher und Landwirt. Seine früh verstorbene Mutter war eine gebürtige Baumann. Zwei alteingesessene Geschlechter, die im 19. Jahrhundert der Gemeinde mehrfach auch die Bürgermeister stellten. Geboren am 26. 8. 1881, war der nachmalige badische Gesandte nur um drei Monate jünger als Augustin Bea, der spätere Kardinal. Beide verbanden gleiche Jugend­ erinnerungen und eine lebenslange Freund­ schaft. Das Dorf in der Südbaar war nach den siebziger Jahren gleichsam über Nacht ver­ kehrsmäßig „ins Abseits“ geraten. Es gab nicht mehr die gelben Postkutschen, nicht mehr die Gesellschaftsdroschken mit Eng­ ländern, die zuvor über Riedböhringen in die Schweiz reisten. Auch die Pilger, die nach Einsiedeln wallfahrteten oder zur Verena und den jährlichen Handelsmessen ins nahe Zurzach zogen, kamen nicht mehr durch den Ort mit den insgesamt fünf Gasthäusern bei rund 700 Einwohnern. „Drei Bahnli­ nien“ -so F. X. Honold -„führten in mäßi­ ger Entfernung an dem Ort vorbei. Es glückte nie, den Anschluß an die Bahn zu bekommen. Durch das Dorf führte die Landstraße von Donaueschingen nach Auf dem Weg über Karlsruhe, wo er seit 1911 ein Anwaltsbüro hatte, kam ein Baare­ mer in den zwanziger Jahren nach Berlin und spielte auf diplomatischer, gesellschaftlicher und kultureller Ebene für die Dauer eines halben Jahnehnts in der Reichshauptstadt eine Rolle, die ihm in seiner Jugend niemand prophezeit hätte. Es war Franz Xaver Honold, von 1926 bis 1931 Badischer Gesandter und Reichsbevollmächtigter in Berlin. Wer immer in der Spätzeit der Wei­ marer Republik in Berlin Rang und Namen hatte, an der Spitze Reichspräsident v. Hin­ denburg und Nuntius Pacelli, der spätere Papst Pius XII., findet sich in den noch erhal­ tenen Gästebüchern aus dem Besitz von Franz Xaver Honold verzeichnet. Und nicht 82

Das Wachszieherhaus in Riedböhringen, in dem Franz Xaver Honoldgeboren wurde Schaffhausen, die, zunächst stark befahren, mit zunehmendem Eisenbahnverkehr aber fast bedeutungslos geworden ist“. Als eines Tages eine Engländerin dem Knaben auf der Straße ein Stück Schokolade gab, war dies eine Neuheit, die man im Ried­ böhringen der achtziger Jahre noch nicht kannte. Nach der Erstkommunion hieß es aus dem Wachszieherhaus Abschied nehmen. Der Pennäler absolvierte die Unterstufe in Sasbach – offensichtlich ohne große Begei­ sterung; denn der Direktor der Lenderschen Anstalt riet zur Erlernung eines praktischen Berufes und fügte bei, das Studium könnte dem Jungen vielleicht auch nicht zu „seinem Seelenheil“ gedeihen. Der Riedböhringer Wachszieher, ein ernster, stiller Mann, hielt nichts von autoritärer Strenge und ließ den Filius entscheiden. Der wechselte als Tertia­ ner in das heimat- und auch lebensnähere Konstanzer Gymnasium über, machte dort das Abitur und studierte an den Universitä­ ten Freiburg, München und Berlin die Rechtswissenschaften. fü folgten 1906 und 1910 die Staatsexamina, und nach Ablauf des für den Staatsdienst erforderlichen Volonta­ riats nahm Honold 1911 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Karlsruhe auf im Büro sei­ nes Wellendinger Landsmannes Konstantin Fehrenbach, des nachmaligen Reichskanz­ lers und 1926 verstorbenen Zentrumspoliti­ kers. Nichts deutete in den nächsten 15 Jah­ ren auf eine ungewöhnliche Karriere hin. F. X. Honold stand im 44. Lebensjahr, als er im Frühjahr 1926 den Ruf nach Berlin erhielt. In seinen „Lebenserinnerungen“ schildert Heinrich Köhler, damals Badischer Staatspräsident, wie er Rechtsanwalt Honold kennenlernt. Es war bei einer Abendgesell­ schaft im Hause des Karlsruher Zentrum­ Stadtrats Willy Menzinger, seines Zeichens 83

,,Generalkonsul der Republik Deutsch­ Österreich“. Köhler bietet dem überraschten Gesprächspartner „unter vier Augen“ den Posten des Badischen Gesandten in Berlin an und hat innerhalb 24 Stunden die Zusage. „Eine repräsentative Erscheinung“ – so Köhler, 1927128 Reichsfinanzminister, – „hatte Honold eine ausgesprochene Freude am gesellschaftlichen Auftreten; dabei war er sehr vermögend, CV-er und Anhänger des Zentrums, wenn auch bisher nicht hervorge­ treten; in allen Kreisen der Gesellschaft samt seiner ebenfalls recht lebensfrohen Frau angesehen und beliebt, führt er ein großes Haus mit gepflegter Geselligkeit. So schien er mir – vorausgesetzt, daß er politisch in jeder Beziehung einwandfrei war – die geeignete Persönlichkeit, Baden in der Reichshaupt­ stadt würdig zu vertreten“. Die Berufung war „ein ausgesprochen guter Griff“, versichert Köhler und fahrt fort: „Die Ernennung Honolds erregte natürlich Aufsehen, aber auch viel Zustimmung, da er als außerhalb des politischen Kampfes Ste­ hender nicht in die angebliche Parteibuch­ maschinerie eingegliedert werden konnte.“ ,,Mit 17 Möbelwagen, was damals erhebli­ ches Aufsehen erregte“ – erinnern sich im Gedenkblatt zum 100. Geburtstag von F. X. Honold die Badischen Neuesten Nachrich­ ten, Karlsruhe, vom 26. 8. 1982 – ging die Übersiedlung in die Reichshauptstadt vor sich. Mehr als fünf Jahre nahm dann F. X. Honold die badischen Interessen in Berlin war. Heinrich Köhler rühmt die gesellschaft­ lichen Talente und die großzügige Repräsen­ tation, mit der der Rechtsanwalt aus Karls­ ruhe innerhalb kurzer Zeit die badische Gesandtschaft in der Lennestraße 12 zu einem gesuchten Treffpunkt der politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen und lands­ mannschaftlichen Kreise in Berlin zu ma­ chen verstand. ,,Seinem Lande leistete er in großzügiger Arbeit wie in vorbildlicher Re­ präsentation, oft beide miteinander erfolg­ reich verbindend, unschätzbare Dienste. Daß der amerikanische Botschafter Schur- 84 man eine Millionenspende für den Bau eines Kollegienhauses der Universität Heidelberg mobilisierte, war Honolds Bemühungen zu verdanken.“ Freilich, mit Beginn der Wirtschaftskrise war früher oder später ein Ende dieser Ein­ richtung der innerdeutschen Gesandten abzusehen. Für F. X. Honold waren fman­ zielle Überlegungen maßgebend, als er zum 31. 10. 1931 auf eigenen Wunsch aus dem Amt als Badischer Gesandter ausschied und in seine Anwaltspraxis nach Karlsruhe zurückkehrte. ,,Die Tatsache“ – so Heinrich Köhler – ,,daß meine Nachfolger im (badischen) Staatsministerium sich zwar die Honoldsche Gastfreundschaft in Berlin gefallen ließen, sich aber nicht für eine entsprechende geld­ liche Ausstattung des Postens im badischen Etat einsetzten, so daß Honold einen großen Teil seines Privatvermögens opfern mußte, waren die Gründe, daß er nach Karlsruhe als Anwalt zurückzog.“ Es ist hier nicht der Raum, auf die Förde­ rungen, die der Badische Gesandte für das Land Baden und seine Wirtschaft erwirkte, im einzelnen einzugehen. Daß Pfarrer Son­ nenschein, der moderne Berliner Großstadt­ Seelsorger der zwanziger Jahre, in Franz Xaver Honold einen maßgeblichen Gönner und Mitorganisator bei der Schüler-und Stu­ dentenbetreuung hatte, sei wenigstens ange­ deutet. „Auch seine eigene Heimat“ – so der Donaubote vom 25. 8. 1931- ,,ist vom badi­ schen Gesandten nicht vergessen worden. An der Verwirklichung der für die Baar so wichtigen Autolinie Donaueschingen­ Schaffhausen hat er wesentliche Verdienste. Die Baar schätzt an ihm seine enge Heimat­ und Volksverbundenheit, die er auch im hohen Norden sich bewahrte.“ Und aus gleichem Anlaß – dem 50. Geburtstag des Gesandten – berichtet das Donaueschinger Tagblatt am 26. 8. 31 aus Riedböhringen: ,,Die Verbindung zu seiner Heimat pflegt Honold aufs herzlichste. Jederzeit hat er sich angelegen sein lassen, für

Eine Villa im 7-eichen des Jugendstils: Haus Ho.ffstraße 2 in Karlsruhe, in dem die Familie Fr. X Honold wohnte. Das Anwesen wurde gegen Ende des 2. Wellkrieges durch Bomben totalz.erstört. alle Belange des badischen Landes, insbeson­ dere seines Heimatbezirks Donaueschingen seine ganze Person einzusetzen, und man­ cher Erfolg wäre ohne ihn nicht zu verzeich­ nen gewesen.“ Der Kreis und die Stadt Donaueschingen – so weiß der Autor dieses Beitrags – profi­ tierten in der Ära von Bürgermeister Fried­ rich Fischer, einem Studienfreund von F. X. Honold, von den Ratschlägen und vielsei­ tigen Beziehungen des Badischen Gesand­ ten, als es in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre um den Ausbau des Nahverkehrs durch die Baaremer Postbus-Linien ging. F. X. Honold, seit 1913 mit Cornelie Helene Schmitt und nach deren frühem Tod seit 1924 mit Alice Müller verheiratet, war nach 1933 als Zentrumspolitiker nicht unge­ fährdet. Sein Haus war nun nicht nur eine Stätte der Gastfreundschaft, sondern mehr und mehr auch ein Treffpunkt der Gegner des Nazi-Regimes. Honolds Sozius in der Anwaltskanzlei, Rechtsanwalt Reinhold Frank, ist am 20. Juli 1944 als führender Mann des Widerstandes in Baden verhaftet und Anfang 1945 hingerichtet worden. F. X. Honold, mit seinen 1,91 Meter ein Hühne von friderizianischem Gardemaß, starb, erst 58 Jahre alt, am 28. Januar 1939 in Karlsruhe. „Für ihn war“ – so sein Sohn und Nachfolger in der Anwaltspraxis, Rechtsan­ walt Robert M. Honold – ,,neben der Familie und der beruflichen und politischen Auf­ gabe die Förderung der schönen Künste selbstverständlich“. Literatur: Heinrich Köhler: Lebenserin­ nerungen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1964. – R. M. Honold: Franz Xaver Honold, in: Heimschule Lender 1875- 1975. – Lorenz Honold: Der Kardinal, der aus der Stille kam, in: Almanach 82, Hei­ matjahrbuch Schwarzwald-Baar-Kreis. – Josef Werner: Gedenkblatt zum 100. Geburtstag von F. X. Honold, in: Badische Neueste Nachrichten, Karls­ ruhe, vom 26. 8.1982. Lorenz Honold 85

Werkstatt im Schwarzwald Ein Besuch bei Generalintendant i. R. Gustav Rudolf Sellner Im Schwarzwald-Baar-Kreis, in Königs­ feld-Burgberg, hat der langjährige Gene­ ralintendant der Deutschen Oper in Ber­ lin, Gustav Rudolf Sellner, vor elf Jahren eine neue Heimat gefunden. Nachste­ hend ein Besuch in seiner Schwarzwald­ Kate und eine Würdigung in „Der Tages­ spiegel“, Berlin, aus der Feder von Sybill Mahlke, die die Autorin der Almanach­ Redaktion für einen Abdruck liebenswür­ diger Weise zur Verfügung stellte. * Die Schwarzwald-Kate als Herberge für Bücher und Gedanken, erfüllter Wunsch­ traum von einer Privatbibliothek an abgele­ genem Ort, aber vom großzügigen Wohn­ haus nur ein paar Schritte entfernt – dieser geistige Raum ist der Arbeitsbereich Gustav Rudolf Sellners seit knapp zehn Jahren. Das damals glücklich erworbene alte Gebäude, dessen viele enge Zimmer ausgehoben wor­ den sind zugunsten größerer Innen-Dimen­ sionen, gibt an der Längsseite den Blick auf eine leicht abschüssige Schwarzwald-Wiese frei; durch die Natur empfinde man auch die Kunst neu, ist Sellner heute überzeugt. Das Leben als Theaterleiter hatte er ange­ strebt, von der Pike auf gelernt und geliebt. Wenn ein Gast aus Berlin kommt, steht die Deutsche Oper, deren Generalintendant Sellner 1961 bis 1972 war, zunächst im Zen­ trum des Gesprächs. Nicht nur Erinnerung an den Neubeginn im neuen alten Haus an der Bismarckstraße, die dynamische Auf­ bauarbeit jener Jahre, die er der intensiven Partnerschaft mit Karl Böhm vor allem dankt, auch der mit einem „unentbehrli­ chen“ Dirigenten wie Heinrich Hollreiser; viel klingt noch immer an von Zugehörig­ keit, ein Rest Verantwortung, der sich nicht ablegen läßt. Da sind ja noch die eigenen alten Inszenierungen, die er aus der Feme 86 eher mit Sorge auf dem Spielplan sieht. Extrem erklärt er sich „froh um jedes Stück, das in Berlin verschwindet“. Einerseits wegen der unvermeidlichen Verfallserscheinungen verjährter szenischer Produkte – andererseits vor allem, weil der Regisseur Sellner sich selbst gewandelt sieht „in eine andere Reali­ tät hinein“. Das künstlerische Credo impli­ ziert mehr als selbstverständlich, daß er jene Sophokles-Inszenierung, die das Landes­ theater Darmstadt unter seiner Intendanz in den fünfziger Jahren als Brennpunkt des deutschen Schauspiels beglaubigte, nämlich den „Oedipus“, heute vollständig „umstür­ zen“ würde. Das Schwarzwald-Retiro aber bedeutet „ganz bewußte Gegenwelt“. Wie aufgetaucht aus jahrzehntelanger „Untertage-Arbeit“, der

Turbulenz und Verantwortung des regiefüh­ renden Theaterleiters, nimmt er seit dem Weggang aus Berlin (1972: „das war neulich“) wahr, „daß es wieder Jahreszeiten gibt“. Es ist zugleich Bewältigung des Alters, dieses Annehmen einer neuen Lebensphase, Ver­ änderung. Daher auch die Betätigung als Filmschauspieler nach der Intendanten-Zeit. Der bald 80jährige wollte „auf keinen Fall normal weitermachen“. Sich jedes Buch, das man über die reichen eigenen Bestände hin­ aus benötigt, selbst besorgen zu müssen, war für Sellner eine besondere Erfahrung. Er hat sich entsprechende Quellen erschlossen, darunter die Fürstenbergische Bibliothek zu Donaueschingen. Er weiß jetzt viel vom Glück, den Tag, die Zeit zu nutzen. Die großen Reisen, die er zusammen mit seiner Frau unternimmt, wer­ den akribisch vorbereitet, ob es in die Bre­ tagne geht oder nach Nepal. Die asiatischen Kulturen inspirieren das Denken (und Insze­ nieren) Sellners seit langem: vielleicht beginne man durch solches Hineinholen der Welt „etwas zu verstehen, bevor man weg muß“. Eine Silvesternacht im Vorgebirge des Himalaja haftet romantisch im Gedächtnis, ein Tanz junger Mädchen unter dem glän­ zenden Scheinwerfer des Mondes: „Ich sah diese Buntheit der Welt … kunstlose Kunst, das Höchste für den, der Kunst macht.“ Die beiden Gebäude des Schwarzwald­ Domizils stellen sich dem Besucher als eine offene „Gegenwelt“ dar. Die flüchtige Thea­ terkunst beherrscht die Lektüre, Zeitungen liegen zahlreich herum, von der „Zeit“ über „FAZ“ und „Tagesspiegel“, einzelne Artikel oder Fotos werden zeitweilig an die Wand des Arbeitszimmers gepinnt, dessen Schreib­ tischplatte „Schichten“ von Papieren beher­ bergt. Es geht Sellner schon sehr darum, „daß das Leben nicht an einem vorbeirutscht“. Austausch von Innen-und Außenwelt erlaubt auch die geographisch günstige Lage des Ortes. Und die alte Neugier bedingt Information: das bisher nicht szenisch reali­ sierte „Ring“-Konzept von Harry Kupfer hat Sellner beeindruckt, Dieter Doms „hochmu- sikalische“ Salzburger „Ariadne“, Thomas Bernhard mit Bernhard Minetti; Peter Stein stehe er fast zu unkritisch gegenüber, „weil Kritik an einer Sache, die mich einfängt, kei­ nen Spaß macht“; und er „haßt“ den Zadek­ schen „Lear“, obwohl (oder weil?) „ich begreife, daß der gut war“. Die wesentlichen modernen Opern sind ihm Henzes „ Wir erreichen den Fluß“ und Reimanns „Lear“ – „das Zerrissene“ und „das Gebaute“. Ein Dach für Kinder und Enkel und Freunde, muß der idyllische Ruhesitz einem Künstler dieser Art auch heute immer wieder einmal Werkstatt sein. Jetzt beunruhigt, ent­ zündet, entzückt ihn der Urtext des Schiller­ schen „Don Karlos“, die sogenannte „Tha­ lia“-Fassung, die er in Darmstadt inszenieren will, die „Substanz und Wildheit“, die, teil­ weise später eliminiert, dort zu finden sind. Das „Flackernde“ des Don Karlos, seine „zerstörte Gestalt“, wird durch eine Lesung Sellners abends am Kamin des Bibliotheks­ Häuschens veranschaulicht. Jetzt geht es dem Regisseur darum, das „Wort des Autors in seiner ganzen Bedeutung“ auszuschöpfen, die geschichtliche Umwelt, soweit greifbar, zu ermitteln, wie sie Schiller zu seiner Zeit gekannt und ihn an dem Stoff gefesselt haben mag. Dies alles muß schließlich „Bild werden“. Sybill Mahlke Zersprungen mein Inneres die Scherben gefallen in meine Augen sehen nur Kaputtes mechanisch sammeln meine Hände die kleinen Stückchen Traurigkeit Friederike Siek 87 *

Vom Dorfschulmeister zum Stadtschultheiß David Würth -Schultheiß in Schwenningen 1887-1912 Den ersten Schwenninger Stadtschult­ heiß kennen nur noch wenige dem Namen nach. ,,David Würth“ – eine Berufsschule des Schwarzwald-Baar-Kreises trägt seinen Na­ men. In seinen Lebenserinnerungen „Vom Dorfschulmeister zum Stadtschultheiß“ zeigt er sich als Verfasser für Schwenninger Gebrauchslyrik in einer nahezu konflikt­ freien Festwelt, die politischen Probleme der Jahrhundertwende werden verdrängt, bestä­ tigt wird die Vorstellung von der heilen Welt der Vergangenheit. Als der Schwenninger Dorfschulmeister David Würth 1887 zum Schultheiß gewählt wurde, zählte die Gemeinde 6800 Einwoh­ ner, gegen Ende seiner langen Amtszeit 1912 über 16000. In dieser Zeit entwickelte sich Schwenningen von einer Bauern- und Hand- werkergemeinde zur Industriestadt mit dem Sitz einer dynamischen Weltindustrie, die Außenhandelsbeziehungen bis nach Japan und Argentinien unterhielt. Allein neun Uhrenfabriken beschäftigten 1912 ca. 6800 Arbeiter. Die industrielle Revolution überrollte das größte Dorf Württembergs und veränderte dessen Wirtschafts- und Sozialstruktur voll­ ständig. Die Kommunalpolitik wurde mehr und mehr durch die Probleme bestimmt, die eine gewaltige Industrieexpansion und die sich dadurch verschärfende Soziale Frage verursachten. Bis 1906 wurden im Königreich Württem­ berg die Ortsvorsteher von den Gemeinde­ bürgern auf Lebenszeit gewählt, die Wahl von der königlichen Kreisregierung bestätigt. Der Schultheiß war demnach recht unabhän­ gig von den politischen Interessengruppen, nachdem er einmal im Amt war. ,,Ich respek­ tiere jede Religion, die Gott und die Näch­ stenliebe predigt, und jede politische Partei, welche das Wohl des Vaterlandes anstrebt.“ Ich bin „mit dem hiesigen Arbeiterstande genau bekannt geworden und weiß, wo ihn der Schuh drückt. Für das Wohl dieses zahl­ reichsten Standes würde ich jederzeit eintre­ ten. Besonders würde ich bestrebt sein, das freundschaftliche zwischen Arbeitern und Fabrikanten zu unterhalten und zu festigen.“ Diese Sätze aus der Wahl­ rede des David Würth von 1887 stellten das Programm dar, nach dem er die politischen Verhältnisse Schwenningens während seiner 25jährigen Amtszeit zu beeinflussen suchte. Seine Jugendzeit verbrachte er in Illingen, wo er 1850 geboren wurde, und in Pforz­ heim. Nach der Schulzeit arbeitete er – der Sohn eines Postschaffners – eine Zeitlang als Mechanikerlehrling in der Pforzheimer Schmuckindustrie. Danach ließ er sich in Eßlingen zum Lehrer ausbilden. Nach Schwenningen kam er 1874 als Unterlehrer. Verhältnis 88

Die Klassen der Schwenninger Volks­ schule zählten zu dieser Zeit fast 90 Schüler. Während seiner 13jährigen Lehrtätigkeit legte er den Grundstein für viele persönliche Kontakte vor allem zu der ärmeren Schwen­ ninger Bevölkerung. Viele Arbeiterkinder sind zu ihm in die Schule gegangen. Auch später als Schultheiß hatte Würth die Ange­ wohnheit, sich um einzelne persönlich zu kümmern. Er fühlte sich für seine Schulkin­ der noch verantwortlich, als die selber schon Kinder hatten. In einer sozialdemokrati­ schen Arbeiterfamilie erzählt man sich heute noch, daß der Schultheiß der Familie gehol­ fen habe, als der Vater arbeitslos war. einer David Würth war ein konservativer Politi­ ker. Er hielt an den alten überlieferten Wer­ ten fest. Schutz der Familie, Vorrang des Familienvaters, aber auch die Pflicht, für die Schwachen zu sorgen. Er wünschte sich ein harmonisches Zusammenleben auf der Grundlage christlichen Weltan­ schauung. Landwirtschaftlicher Grundbesitz und landwirtschaftliche Tätigkeit hatten nach seiner Meinung einen beruhigenden Einfluß auf das Gemeindeleben. Ein Arbei­ ter, der außerdem noch Hausbesitzer und Bauer war, der war seßhaft und an der Erhal­ tung seines bescheidenen Wohlstands inter­ essiert, der war nicht radikal. Die entstehende Industriegesellschaft löste dieses alte Wertsy­ stem mehr und mehr auf. Für David Würth wurde es gegen Ende seiner Amtszeit immer schwieriger, zwischen den beiden neuen sozialen Gruppen „Fabrikanten“ und „Arbei­ tern“ auszugleichen und zu vermitteln. An der erstarkenden Arbeiterbewegung störte ihn offensichtlich auch nicht, daß die Arbeiter „eine Besserstellung des Arbeiter­ standes anstreben.“ Für solche Forderungen hatte der Schwenninger Schultheiß Ver­ ständnis. Er setzte sich daher besonders für den evangelischen Arbeiterverein und den katholischen Gesellenverein ein. Die neu entstandene katholische Arbeitergemeinde wurde von ihm tatkräftig unterstützt. Als David Würth sein Amt antrat, herrschte in Deutschland noch Bismarcks Sozialistengesetz, welches den Arbeitern politische und gewerkschaftliche Aktivitäten fast unmöglich machte. Nach der Auf­ hebung des Gesetzes mußten die „gemeinge­ fährlichen Bestrebungen der Sozialdemokra­ tie“ noch bis 1908 von den Ortsvorständen und der Ortspolizei überwacht werden. Diese Überwachung erschien dem Schwen­ ninger Schultheiß äußerst fragwürdig. „Wie die Erfahrung lehrt, wird durch das Ein­ schreiten der Polizei besonders einer schwa­ chen … das Treiben der Sozialdemokraten eher gefördert.“ „Die Leiter … sind ruhige und einsichtsvolle Leute … Ihre Bestrebun­ gen sind (nicht) auf den Umsturz der beste­ henden Ordnung gerichtet.“ Würth nützte die Unabhängigkeit seiner Position, die Schwenninger Arbeiterschaft möglichst selten mit Polizeieinsätzen zu konfrontieren. Während des großen Arbeits­ kampfes in der Schwarzwälder Uhrenindu­ strie, an dem in Schwenningen fast 1500 Arbeiter beteiligt waren, lehnte er bis zuletzt die angebotene Polizeiverstärkung und auch militärische „Hilfe“ ab. „Man vertraut zu der seither bewiesenen Einsicht der hiesigen Arbeiterschaft, daß sie Maßnahmen zu ver- hüten sucht, durch welche eine Verständi­ gung mit den Arbeitgebern .. . wesentlich erschwert würde.“ Der Schwenninger Schult­ heiß wollte den Konflikt nicht, er versuchte zu entschärfen, wo immer es nur ging, so gut er konnte, auch indem er sich selbst der öffentlichen Kritik aussetzte. Er war davon überzeugt, daß wohlgemeinte Ermahnun­ gen, Vertrauen und Verhandlungen dem sozialen Frieden nützlicher waren als der massive Einsatz staatlicher Autorität. Am 1. Mai 1912 trat David Würth als Stadtschultheiß zurück. Der Beruf war ihm zur Last geworden. Er spürte, daß er nicht mehr genügend Kraft hatte, die Schwierig­ keiten, die mit diesem Amt verbunden waren, zu meistern. In seiner Abschiedsrede bewertete er seine Tätigkeit: „Ich bin weit davon entfernt, zu glauben, daß ich aus Schwenningen gemacht habe, was es gewor­ den ist. Die Entwicklung wäre gekommen, 89

Seine wesentliche politische Leistung war, daß er in einer Zeit hektischen sozialen Wan­ dels eine friedliche Anpassung an die ver­ änderten gesellschaftlichen Bedingungen ermöglichte, daß er sich mit der Autorität sei­ nes Amtes dafür einsetzte, allen Schwennin­ gem -auch den vielen neu hinzugezogenen -die Mitwirkung am Gemeindeleben zu ermöglichen. Annemarie Conradt-Mach Quellen/Literatur: David Würth, Vom Dorfichulmeister zum Stadtschultheiß. Schwenningen 1928. Haupt­ staatsarchiv Stuttgart E 150/Bü 2045. Staatsarchiv Sigmaringen Wü 65/30 (F 197) Nr. 80/81. Die Neckarquelle v. ]. Z 190Z F.F. Oberforstdirektor i. R. Dr. Karl Kwasnitschka auch wenn ein anderer an meiner S teile gewe­ sen wäre, ja, sie wäre vielleicht noch viel schneller und glatter vor sich gegangen.“ Während der Amtszeit des David Würth wurde in Schwenningen so viel gebaut, wie wohl kaum unter einem anderen Schwen­ ninger Bürgermeister. Es entstand das Kran­ kenhaus, viele Schulbauten, Arbeiterwoh­ nungen, das Elektrizitätswerk und vieles mehr. Für ihn aber keinesfalls ein Beweis sei­ ner Größe; das alles hätte ein anderer genauso -vielleicht noch besser -gemacht. Die Wohnungen, Schulen und Straßen wa­ ren notwendig, es hätte nicht zu ihm gepaßt, sein Ansehen damit zu schmücken. Er blieb Dorfschultheiß trotz aller neumodischen Entwicklung. 22 Jahre an der Spitze des größten Privatwaldes in Baden-Württemberg „Er verkörpert beispielhaft das, was den größeren privaten Waldbesitz traditionell gewissermaßen als Sauerteig im forstlichen Bereich ausgezeichnet hat: von hohem Fach­ wissen getragener Ideenreichtum, verantwor­ tungsbewußte Risikobereitschaft, Durchset­ zungsvermögen gepaart mit der Kunst der Menschenführung und Einsatzbereitschaft für den anvertrauten Betrieb wie für die Sache der Forstwirtschaft und des Waldes ganz allgemein“: so umriß ebenso knapp wie treffend die „Allgemeine Forstzeitschrift“ Dr. Karl Kwasnitschka, als er 60 wurde und ohne vorhergehende niedrigere Stufe vom Bundespräsidenten gleich das Verdienst­ kreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhielt. Jetzt, als er im Sommer 1984 seinen 65. Geburtstag feierte und sein Amt an der Spitze der Fürst­ lich Fürstenbergischen Forstdirektion nach 22jähriger Tätigkeit an verantwortungsvoll­ ster Stelle in jüngere Hände legte, wurde sein Abschied über das Donaueschinger Schloß hinaus zu seinem zäsurhaften Ereignis. Seine Karriere im Dienst der Fürstenber­ ger und sein Wirken in zahlreichen Ehren- 90 ämtem hatten Dr. Kwasnitschka zu einem weit über die Bundesrepublik Deutschland hinaus anerkannten Fachmann werden las­ sen, der heute über den Forst der gesamten nördlichen Hemisphäre bestens Bescheid weiß und dessen Kenntnisse auch noch die Wälder der Subtropen umfassen; liegen doch aus dem mehr als 30 000 Hektar umfas­ senden Waldbesitz des Fürsten Joachim zu Fürstenberg, davon 21000 Hektar in Süd­ deutschland und 4000 im niederösterreichi­ schen Weitra, rund 5500 Hektar in Kanada und in den Südstaaten der USA. Vom Vater, dem Verwalter der großen Wälder des Erzbischofs von Olmütz, bekam Karl Kwasnitschka gewissermaßen forstli­ ches „Erbgut“ mit auf den Lebensweg, als er am 15. Juni 1919 in Nirklowitz im Sudeten­ land zur Welt kam. 1938 legte er am Staats­ realgymnasium zu Olrnütz die Reifeprüfung ab und absolvierte noch ein halbjähriges forstliches Praktikum, ehe ihn 1939 der Mili­ tärdienst rief und bald auch die Waffen des Zweiten Weltkrieges. Schwerverwundet und dekoriert mit dem Deutschen Kreuz in Gold, dem Eisernen Kreuz I und II, dem Panzer-

Von 1. Januar 1955 an gehörte der junge Forstexperte dann ganz dem Dienst bei den Fürstenbergern; er wurde Forstassessor beim Forstamt Donaueschingen, 1958 Forstmei­ ster und 1960 Leiter des damaligen F. F. Forst­ amtes Lenzkirch. Am 6. November 1961 berief ihn F. F. Oberforstdirektor Dr. Lukas Leiber als Referenten in die F. F. Forstdirek­ tion und stellte damit auch die Weichen für seine Nachfolge, denn schon wenige Wochen später übernahm Dr. Karl Kwas­ nitschka als neuer Leiter der Donaueschinger F. F. Forstdirektion die Verantwortung für den größten Privatwald Baden-Württem­ bergs. 1974 beförderte ihn Joachim Fürst zu Fürstenberg dann zum F. F. Oberforstdirek­ tor. Der im persönlichen Gespräch zurückhal­ tend-bescheidene, jederzeit aber Kompetenz vermittelnde Mann zeichnete sich sein Berufsleben lang durch die Liebe zum Wald und Treue zu seinem Arbeitgeber ebenso aus wie durch klaren Blick für die Realitäten im Forst und bei der Holzernte. Träumerische Romantik war auch nicht gefragt, als zwi­ schen 1965 und 1968 insgesamt 50 000 Fest­ meter fürstlichen Waldes dem Windbruch zum Opfer fielen und ihre Verarbeitung die in der Wirtschaftskrise ohnehin schwierig gewordene Situation auf dem Holzmarkt zusätzlich verschärfte, oder als das begin­ nende Waldsterben zum Nachdenken über die Konsequenzen zwang, was der Flächen­ tod vor allem der Tannenwälder auch für das Haus Fürstenberg, an dessen Gesamtbesitz der �ald einen ganz erheblichen Teil aus­ macht, langfristig bedeuten wird. Daß der Chef einer so großen Forstdirek­ tion mit seiner Aufgabe eigentlich nie ans Ende kommt, daß er das nach Jahrzehnten, ja manchmal nach Jahrhunderten zählende Wachstum seiner Bäume immer nur ein klei­ nes Stück betreuen darf: Für Dr. Karl Kwas­ nitschka hat diese Erkenntnis immer zum Grundverständnis seines Wirkens gehört; dies schließt die Einsicht ein, daß er auf der Arbeit seiner Vorgänger ebenso aufzubauen gezwungen war, wie sein Nachfolger auf sei- 91 sturmabzeichen und dem Verwundetenab­ zeichen jeweils in Silber, erlaubte man ihm im Winter 1942/43 ein Studium an der Hochschule für Bodenkultur in Wien. Im Krieg hatte er als Abteilungsführer in einem Panzerregiment auch den damaligen Erbprinzen Joachim zu Fürstenberg kennen­ gelernt – eine Bekanntschaft, die auch Kwas­ nitschkas Gefangenschaft in der Sowjet­ union bis Ende 1949 überdauerte und die später zur Freundschaft wurde. Schon wäh­ rend seines 1950 in Freiburg begonnenen Studiums leistete der spätere Oberforstdirek­ tor beim F. F. Forstamt Heiligenberg sein Praktikum ab und machte nach der forstli­ chen Hochschul-Abschlußprüfung auch sein zweijähriges Referendariat bei der F. F. Forstverwaltung. Am 8. Juli 1954 wurde Karl Kwasnitschka mit einer Arbeit über „Stand­ ortuntersuchungen im südlichen Ostschwarz­ wald“ an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zum Dr. rer. nat. promoviert; wenig später bestand er auch die Große Forstliche Staatsprüfung.

nem Wirken aufzubauen hat. ,,Ich habe den Herrn Leiber sehr verehrt“, bekennt Dr. Kwasnitschka im Gespräch unumwunden sein Verhältnis zu seinem Vorgänger, der, wie auch er, in den kleinen Kreis deutscher Spit­ zenforstexperten aufgerückt war und dem nachzufolgen für Dr. Kwasnitschka über den erstrebten ,Job“ hinaus auch eine Ehre bedeutet hat. Daß ihn dieses Amt dann in 22 Jahren mehr forderte, als er es sich 1962 wohl vor­ gestellt hat, räumt der bisherige F. F. Ober­ forstdirektor freilich ebenfalls ein: ,,Ich war entsetzlich viel unterwegs“, klagt er und kor­ rigiert dennoch gleich: ,,Aber ich möchte meine Stellung mit keinem in der Bundesre­ publik tauschen; keine Staatsstelle könnte mir diese Vielfalt bieten.“ Vor allem sein Ver­ hältnis zu Joachim Fürst zu Fürstenberg, dem der Forst unter Umgehung des F. F. Generalbevollmächtigten direkt untersteht, prägt diese Treue; Dr. Kwasnitschka nennt den Schloßherm ein „ Vorbild unter den Pri­ vatwaldbesitzern“ und schätzt, ,,daß ich so nicht nur einen imaginären Vorgesetzten gehabt“ habe. In vielen Fällen habe der Fürst ,,mehr sozial als wirtschaftlich gedacht“, unterstreicht Dr. Kwasnitschka die Fürsorge seines Chefs für die Mitarbeiter. Für den Donaueschinger Fürsten und des­ sen nun auch schon kränkelnden Wald hat Dr. Karl Kwasnitschka in fast dreieinhalb Jahrzehnten denn auch eine Menge getan. „Noch bis 1955″, so erinnert er sich, ,,war die Forsttechnik noch wie zu Neros Zeiten“, ehe dann die technische Möglichkeit der Mecha­ nisierung auch den Wald erfaßte und mit ihr der wirtschaftliche Zwang, die handgezo­ gene Blattsäge von der motorbetriebenen Holzerntemaschine ablösen zu lassen. 1000 Mitarbeiter in der Regie von sechs Forstäm­ tern hatte das F. F. Unternehmen Forst bis dahin gezählt – 300 in drei Forstämtern sind es jetzt noch: ,,Wir haben den Betrieb restlos auf den Kopf gestellt“, bilanziert Dr. Kwas­ nitschka. Dazu gehört auch die Einrichtung des großen Holzhofes in Hüfingen und eines zweiten, mit weiteren Privatwaldbesitzern 92 gemeinschaftlich betriebenen in Ostrach. ,,Zur Ruhe bin ich eigentlich nie gekom­ men“, erinnert sich der 65jährige, auch wenn er an Wind und Wetter denkt, die das Forst­ einrichtungswerk immer wieder durchein­ anderbringen: ,,Letztlich sind der liebe Herr­ gott und Petrus immer stärker.“ Ob und wie sich ihre Natur gegen jene chemischen Einflüsse behauptet, die ihnen (und damit auch sich selbst) der Mensch zumutet, weiß Dr. Kwasnitschka noch nicht. Genau aber weiß er, daß das Waldsterben nicht erst die Entdeckung der Grünen Ende der siebziger Jahre ist. ,,In Wolfach haben wir 1962/63 zuerst gemerkt, daß sich der Wald verändert“, berichtet er; ein Jahr später kam die Erkenntnis, daß die retardierte Vitalität der Bäume und ihr nur noch mageres Wachs­ tum auch nicht mehr nur die Folge des Kli­ mas schlechthin sein konnten. Auf seine Ini­ tiative hin gab es damals in Donaueschingen das erste Treffen bayerischer und baden­ württembergischer Forstexperten über das Phänomen, daß die Tannen krank wurden und abzusterben begannen. Dr. Kwas­ nitschka sieht in dieser Umweltkatastrophe „eine sehr schwere Aufgabe für meinen Nachfolger, denn keine Generation vor uns war mit so etwas konfrontiert“; als Wissen­ schaftler jedoch reizt es Dr. Kwasnitschka, den Ursachen nachzugehen und – vielleicht – Abhilfe zu finden: ,,Auf jeden Fall ist dies auch eine hochinteressante Zeit“. Denn auch als Wissenschaftler ist Dr. Karl Kwasnitschka zu hohen Ehren gelangt. Unter seinen Veröffentlichungen und Reden finden sich Titel wie „Die Entwicklungsdy­ namik der Mischbestände auf dem Bunt­ sandstein des Ostschwarzwaldes“, ,,Die Windwurfkatastrophe 1967 – ihre Auswir­ kungen, Maßnahmen zu ihrer Überwindung und Folgerungen“ oder auch die in den Ver­ einigten Staaten gehaltenen Referate „Der Holzmarkt der Vereinigten Staaten. Forst­ liche Reiseeindrücke“ und „ Vollbaum-Nut­ zung der südlichen Kiefern“. Auf drei DIN­ A4-Blättern läßt sich die Fülle der Berufun­ gen zusammenfassen, die Dr. Kwasnitschka

in den vergangenen 20 Jahren erreicht haben. Fraglos an der Spitze steht dabei seine zwölf­ jährige Amtszeit als Präsident des Deutschen Forstvereins, dessen Ehrenpräsident er nun seit 1982 ist; acht Jahre war er Vorsitzender des baden-württembergischen Forstvereins, die gleiche Zeit Vorsitzender des Freundes­ kreises der Leiter der größeren Privatforstver­ waltungen in der Bundesrepublik Deutsch­ land; von 1963 bis 1974 war er Donaueschin­ ger Kreisjägermeister, ehe ihn die Waidmän­ ner zum Ehrenkreisjägermeister machten. Ausschußmitglied ist oder war Dr. Kwas­ nitschka beim Badischen Waldbesitzerver­ band, bei der Forstkammer Baden-Württem­ berg, bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, im Deutschen Forst­ wirtschaftsrat, beim Ausschuß für Betriebs­ wirtschaft beim Deutschen Forstwirtschafts­ rat, beim Stuttgarter Landwirtschafts-und Umweltministerium und bei dessen Holz­ marktkommission, bei der Arbeitsgemein­ schaft Umweltschutz Baar, bei der Zentralen Holzmarktforschungsstelle Freiburg, bei der Gesellschaft zur Förderung der forst-und holzwirtschaftlichen Forschung, bei der Forstkommission des Grundbesitzerverban­ des Baden-Württemberg, beim Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik, im Landes­ forstwirtschaftsrat, beim Lenkungsausschuß für den deutsch-amerikanischen forstlichen Gedanken-und Erfahrungsaustausch sowie der Freiburger Forstlichen Versuchs-und Forschungsanstalt Baden-Württemberg-bei jener Institution, bei der er auch seinen 52jährigen Nachfolger Dr. Peter Dietz ent­ deckte. Auf Dr. Kwasnitschka zählen konn­ ten oder können auch die Gesellschaft zur Förderung der forst-und holzwirtschaftli­ chen Forschung, die Fachhochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg, die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt Schwarzwald-Baar, die Sudetendeutsche Landsmannschaft sowie der Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar. 1979, als er 60 wurde, hat Joachim Fürst zu Fürstenberg Dr. Karl Kwasnitschka das Kompliment gemacht, ,,auf Ökologie und Ökonomie im Wald beispielhaft geachtet“ zu haben; das „Holz-Zentralblatt“ nannte ihn damals „einen der verdienstvollsten Forstmänner unserer Zeit“, während das Kuratorium für Waldarbeit und Forsttech­ nik schrieb: ,,In wenig mehr als einem Jahr­ zehnt hat sich Dr. Kwasnitschka dank sei­ nem profunden Wissen und seiner Überzeu­ gungskraft zu einer im In-und Ausland als Forstmann hoch angesehenen Persönlich­ keit profiliert.“ Keine Frage, daß ein so verantwortungs­ voller Beruf und so viele wichtige Ehrenäm­ ter und nicht zuletzt die Inspektionsreisen in die F. F. Wälder-darunter in jedem Jahr auch mit Flügen nach Kanada und South-Caro­ lina -dem Vater von zwei erwachsenen Söh­ nen für seine Familie und auch für sich selbst allzu wenig Zeit gelassen haben. Nach seiner Pensionierung sucht er zwar „nicht den abrupten Abschluß“ -viele seiner Ehrenäm­ ter sind nicht an seinen Beruf, sondern an eine Wahlzeit gebunden -, aber doch danach, mit seiner Frau Ilse im Eigenheim an der Donaueschinger Heinrich-Feurstein­ Straße ein Stück mehr Privatleben zu finden als bisher. Sein Amt an der Spitze der F. F. Forstdirektion habe von ihm stets „die Bereitschaft gefordert, zu lernen und nicht mit Arroganz aufzutreten“, sagte er wenige Wochen vor seinem Abschied dem „Alma­ nach“. Doch so aufgefaßt, habe ihn sein be­ rufliches und ehrenamtliches Wirken dann ,,immer auch fachlich und persönlich berei­ chert“. Gerhard Kiefer draußen spielt der Sommer wirft mir ein Kinderlachen zu und emen Augen-Blick des Glücks Friederike Siek 93

Prof. Dr. Karl Haag (1860 -1946) Ein Ahnherr der modernen Mundartwissenschaften der Architektur, dann der modernen Fremd­ sprachen, führen ihn über Rottweil und Reutlingen nach Stuttgart und Tübingen. Nach Abschluß des Studiums folgen aus­ gedehnte Reisen nach England und Frank­ reich. Schließlich wird er Professor und tut Dienst an mehreren württembergischen Oberrealschulen, zuletzt lange Jahre in Stutt­ gart. Die Ferien nutzt er immer wieder zu weiteren Reisen in ganz Europa. Er bereitet sie vor, indem er die Sprache des Landes lernt, in das er reisen will, wenigstens soweit, daß er Geschriebenes lesen und verstehen kann und die Prinzipien des Sprachbaus erfaßt hat. Wo es sich machen läßt, forscht er auch nach den verschiedenen Mundarten. Mehrere Publikationen entstehen aus den Ergebnissen dieser Studien und dieser Rei­ sen. Sprachbauvergleiche werden angestellt, die Grundlage bildet eine „Zehnsprachen­ schau“. Aber es ist nicht diese ausgebreitete dienstliche und wissenschaftliche Tätigkeit, die Karl Haag bekannt gemacht haben, in Fachkreisen geradezu berühmt. Seine wahre Bedeutung liegt auf dem Gebiet der Mund­ artforschung. Jeder, der sich mit den deut­ schen Mundarten und ihrer wissenschaftli­ chen Erforschung und Beschreibung jemals beschäftigt hat, weiß etwas von der Wichtig­ keit und Gültigkeit der Arbeiten Haags. Es ist im besonderen die Dialektgeogra­ phie, die ohne seine Arbeiten nicht denkbar ist. Die Dialektgeographie beschreibt die geographische Ausbreitung sprachlicher Erscheinungen. Sie versucht, Ortsmundar­ ten zu umgrenzen, indem sie vor allen die einzelnen Laute untersucht, sie nach ihrer örtlichen Verbreitung kartiert und daraus Aufschluß über Zusammenhänge und Ursa­ chen dieser Erscheinungen zu gewinnen ver­ sucht. Das ist nun kein leichtes Geschäft. Jedermann weiß, daß zwischen den einzel­ nen Ortschaften mehr oder weniger große Unterschiede in den Mundarten vorkom- In Schwenningen gibt es seit einigen Jahren in der neuen Stadtbibliothek einen Karl­ Haag-Saal. Schon zuvor hat der Gemeinde­ rat der Stadt Villingen-Schwenningen den ehemaligen Nordstetter Weg in Karl-Haag­ Straße umbenannt. Mancher Bürger der Stadt und des Kreises wird nicht wissen, wer Karl Haag war und weswegen ihn die Stadt auf diese Weise geehrt hat. Deshalb sollen hier einige Informationen gegeben werden. Karl Haag wurde 1860 in dem damaligen württembergischen Baardorf Schwenningen am Neckar geboren. Sein Vater war Lehrer an der Realschule (dem heutigen Gymnasium am Deutenberg) und war fränkischer Her­ kunft. Die Vorfahren mütterlicherseits waren Schwenninger. Haag selber hat sich immer als „alten Schwenninger“ bezeichnet, obwohl er nach dem frühen Tod seiner Eltern bald sein Heimatdorf verlassen mußte. Schulbesuch und Studium, zunächst 94

men, meistens in abweichender Lautung, weniger im Wortschatz oder in der Gramma­ tik. Woher kommen diese Erscheinungen? Gibt es eine Systematik darin oder ist alles willkürlich, regellos und letztlich nicht zu erklären? Der Laie steht sicherlich ratlos vor der Vielfalt der Erscheinungen. Eine solche Ratlosigkeit hatte sich zu Ende des 19. Jahrhunderts auch der deut­ schen Sprachwissenschaft bemächtigt. Man sah auf den Karten, daß zwischen den Ort­ schaften unzählige Mundartgrenzen kreuz und quer, in völliger Regellosigkeit, wie man meinte, hindurchliefen. Niemand konnte das erklären. Es sah auch nicht so aus, als ob die Theorie sich noch länger würde aufrecht­ erhalten lassen, daß die modernen Mundart­ grenzen auf den Siedlungsgrenzen der alten germanischen Stämme beruhten. Alles schien beliebig, unerklärlich. Da erschien im Jahre 1898 Karl Haags Arbeit „Die Mundarten des oberen Neckar­ und Donaulandes (Baarmundarten)“. Haag hatte in unermüdlichen Fußmärschen etwa 400 Orte in diesem Gebiet aufgesucht, die Bewohner befragt und so ein reiches und vor allem genaues Material gewonnen. Dieses Material war wesentlich verläßlicher als die Materialien, die etwa der Deutsche Sprachat­ las oder der Schwäbische Sprachatlas besa­ ßen, die sich auf ausgefüllte Fragebogen stüt­ zen mußten, die ihnen die Ortspfarrer und -lehrer, meistens Ortsfremde, zugeschickt hatten. Aber Haags Grundlagen waren nicht nur genauer, er zog auch andere Schlüsse daraus als es die Wissenschaft seiner Zeit bis dahin getan hatte. Er stellte fest, daß die scheinbar so wirren Grenzlinien sich an manchen Stel­ len nicht nur zu Linienbündeln vereinigen, sondern daß sie auch nach Stärke und Gewicht verschieden zu bewerten sind. Eine sprachliche Grenze hat um so mehr Bedeu­ tung und Gewicht, je mehr Merkmale und je mehr Wörter, die diese Merkmale zeigen, in ihr zusammenfallen. Auf diese Weise lassen sich die Grenzlinien ordnen und gewichten, und es offenbaren sich dem tiefer dringen- „fürstenbergisch“. den Blick Haags Sprachlandschaften mit Kernzonen und Saumgebieten. Gleichzeitig zeigt sich, worauf die Grenzen dieser Sprach­ landschaften offenbar beruhen: es sind die Grenzen der spätmittelalterlichen Territo­ rien des ehemaligen Römischen Reiches Deutscher Nation, ,,so wie es in besonderer Buntheit bei uns bestand in seinen Fürsten-, Kirchen-, Ritter- und Bürgerherrschaften“. Diese Herrschaften lieferten in der Folge dann auch die Bezeichnungen für die Sprachlandschaften – in unserer Gegend etwa Sprachgrenzen bezeichnen immer auch Grenzen des Ver­ kehrs, und die politischen Verkehrsschran­ ken sind offenbar von jeher einschneidender gewesen als die natürlichen. Mit dieser bedeutenden Entdeckung Haags war der Mundartforschung, im besonderen der Dia­ lektgeographie, aus ihrer Stagnation gehol­ fen. In seinen eigenen Worten: es war gelun­ gen, ,,aus dem Wirrsal der Mannigfaltigkeit auf eine Aussichtshöhe hinaufzukommen“. Die geistige Leistung, die Haag dabei auf der Grundlage seiner genauen Kenntnis der ale­ mannischen Mundart seines Heimatorts Schwenningen und seiner weitergehenden Forschungen erbracht hat, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die deutsche Mundartforschung ist ihm gefolgt. Haag ist heute, so könnte man sagen, einer der Ahnherren der modernen Mundartwis­ senschaften. Später hat er die „Grenzen des Schwäbischen in Württemberg“ erforscht und beschrieben und die notwendigen Kar­ ten dazu vorgelegt (1946). Eine Bibliographie seiner Arbeiten, die weit umfangreicher sind als hier erwähnt, fin­ det sich in dem von der Stadt Villingen­ Schwenningen 1982 herausgegebenen Band ,,Karl Haag, ein Menschenleben in acht Ver­ wandlungsbildern. Von einem alten Lehrer.“, in dem er sein Leben und seine Arbeit selbst beschreibt. So ist es zunächst die wissenschaftliche Leistung in Karl Haags Lebenswerk, die es rechtfertigt, daß ihn seine Heimatstadt ehrt. Darüber hinaus ehrt sie aber auch einen 95

Menschen, der zeit seines Lebens an seiner Baarheimat hing und die Entwicklung Schwenningens in der Zeit der Industrialisie­ rung, der Stadterhebung 1907 und auch spä- ter teilnehmend begleitete und verständnis­ und humorvoll kommentierte. Er verdient als Wissenschaftler und als Bürger, daß ihn seine Heimat nicht vergißt. Rolf Mehne Dr. Ema Huber wird 7 S Vor 30 Jahren kam sie nach Donaueschin­ gen. 18 Jahre betreute sie das Institut, an dem einst Viktor von Scheffel kostbare Bände und berühmte Handschriften gesichtet und katalogisiert hatte: Dr. Erna Huber, die ehe­ malige Leiterin der Fürstlich Fürstenbergi­ schen Hofbibliothek zu Donaueschingen. Am 16.Junil985 vollendet die Bibliotheksrä­ tin i. R. ihr 75. Lebensjahr. Eine gebürtige Münchnerin, die nicht zuletzt durch ihre wissenschaftlichen und kulturellen Interes­ sengebiete zur Baaremerin geworden ist. In ihrer Geburtsstadt und danach in Frei­ burg hat sie vor und nach dem Zweiten Welt­ krieg Kunstgeschichte, Klassische Archäolo­ gie und Geschichte studiert. Das Diplom für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken hatte sie bereits 1931 erworben. Bis 1942 war sie danach an verschiedenen wissenschaftlichen Bibliotheken im gehobe­ nen Dienst verwendet worden. 194 8 promo­ vierte sie zum Dr. phil., um anschließend als wissenschaftliche Assistentin an der Univer­ sität in Freiburg und an der Bibliothek des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stutt­ gart zu arbeiten. In Donaueschingen fand Dr. Erna Huber ihre Lebensaufgabe. Am 1. März 1955 war sie durch Prinz Max zu Fürstenberg zur Leiterin der Hofbibliothek, der größten Privatbiblio­ thek in der Bundesrepublik, berufen worden .. Rund 160 000 Bände und an die 1200 Hand­ schriften galt es zu betreuen. Hinzu kommt die Musikaliensammlung mit rund 3000 Notendrucken und über 2000 Abschriften, die in der Amtszeit von Dr. Erna Huber stär­ ker in den Blickpunkt der Forschung und des öffentlichen Interesses rückte. Nach dem Übertritt in den Ruhestand am 1. Juli 1973 kamen die wissenschaftlichen und 96 kulturellen Aktivitäten der Kunsthistorike­ rin in gesteigertem Umfang der Erforschung der Kunst- und Kulturlandschaft der Baar und des angrenzenden Schwarzwalds zu­ gute. Eine der ersten Aufgaben war die Sich­ tung des künstlerischen Nachlasses des Hans-Thema-Preisträgers Hans Schroedter, Hausen vor Wald. In Gemeinschaft mit F. F. Archivar Georg Goerlipp legte die Biblio­ theksrätin i. R. in der Festschrift zum hun­ dertjährigen Bestehen der Schriften des Ver­ eins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar den „ Vorläufigen Versuch einer Rekon­ struktion“ der Entenburg zu Pfohren vor. Den Malern und Bildhauern sowie den Kunstdenkmälern in der Baar und im nahen Schwarzwald galten die besonderen Interes­ sen Dr. Erna Hubers. So schrieb sie den kunstgeschichtlichen Teil in dem von Prof es-

sor Dr. Günther Reichelt herausgegebenen Buch „Die Baar“ und in dem von Landrat Dr. Rainer Gutknecht 1977 herausgebrachten Band „Der Schwarzwald-Baar-Kreis“. 1978 erschien weiterhin ihre Bestandsaufnahme über „Kunst- und Geschichtsstätten im Schwarzwald-Baar-Kreis“ als Band 5 in der Reihe der Thorbecke Taschen-Bildführer (siehe die genauen Angaben der genannten sowie weiterer Veröffentlichungen in der Bibliographie am Ende dieses Beitrages). Der Verein für Geschichte und Naturge­ schichte der Baar zu Donaueschingen ist Dr. Ema Huber zu besonderem Dank verpflich­ tet. Nach dem plötzlichen Tod von Dr. Alt­ graf zu Salm im Jahr 1973 betreute Frau Dr. Huber für mehrere Jahre das Amt des Vorsit­ zenden für die geschichtliche Abteilung. Anfang 1978 auf eigenen Wunsch von der Last des Amtes entbunden, gehörte sie bis 15. März 1984 dem engeren Vorstand des Ver­ eins an. Für die Kunstfreunde im Schwarz­ wald-Baar-Kreis ist der Name Dr. Ema Huber ein Begriff, und im Kreis ihrer Bekannten und engeren Mitarbeiter ist ihre Bescheidenheit ebenso sprichwörtlich wie ihr charmanter Humor. Möge er der Jubila­ rin, die – nach schwerer Krankheit – seit 15. März 1984 ihren stillen Lebensabend im Donaueschinger Altenheim St. Michael ver­ bringt, auch weiterhin erhalten bleiben. Die nachstehende B i b l i o g r a p h i e von Arbeiten aus der Feder von Dr. Ema Huber beschränkt sich auf Veröffentlichungen im Zeitraum der letzten 30 Jahre, das heißt auf die Zeit ihrer Tätigkeit auf der Baar. In den Schriften des Vereins für Ge­ schichte und Naturgeschichte der Baar sind erschienen: „Die Donaueschinger Hand­ schrift 335. Ein Beitrag zum Werk des Jean Colombe“. 1956 (Heft 24). – „Die Enten­ burg“. 1970 (Heft 28). – „Hans Schroedter, ein Maler in der Baar“. 1974 (Heft 30). „Vom Schwarzwald zur Baar“. Kunst-und Geschichtsstätten im Schwarzwald-Baar­ Kreis, Thorbecke Verlag, Sigmaringen, 1978. „Kunst und Kultur“ in: Wacker, Der Landkreis Donaueschingen. Verlag des Süd­ kurier, Konstanz, 1966. „Kunstgeschichtlicher Überblick“ in: Günther Reichelt (Hrsg.): Die Baar, Neckar­ Verlag Villingen, 1972. „Kunstgeschichte und Kunstdenkmäler“ sowie Sopographie der kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten“ in: Der Schwarzwald­ Baar-Kreis. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und Aalen, 1977. Im A l m a n a c h , Heimatjahrbuch für den Schwarzwald-Baar-Kreis, liegen fol­ gende Beiträge von Dr. Erna Huber vor: „Die Dauchinger Madonna“, Jahrgang 1978. – „Die Bildhauerfamilie Winterhalder von Vöhrenbach“, Jahrgang 1979. – „Die Wall­ fahrtskriche ,Maria in der Tanne‘ in Triberg“, Jahrgang 1980. – „Die renovierte Pfarrkirche in Obereschach“,Jahrgang 1981.- „Die Pfarr­ kirche in Riedböhringen in neuem Glanz“, Jahrgang 1982. – „Die Wehrkirche in Urach“, Jahrgang 1983. – „Die Pfarrkirche in Unter­ kirnach“; „Das Bruderkirchlein in Vöhren­ bach nach der Renovierung“,Jahrgang 1984. Lorenz Honold Dr. med. Friedrich Guttenberg Seit 47 Jahren Landarzt in Furtwangen Dr. med. Friedrich Guttenberg, geboren am 22. Mai 1908, entstammt einer Freiburger Arztfamilie. Als praktischer Arzt und Be­ zirksarzt hatte sein Vater schon Randgebiete seines heutigen Praxisgebietes betreut. Nach Abitur (1926), Studium und medizi- nischem Staatsexamen (1931), erfolgten 1933 in Freiburg Approbation und Promotion bei Professor Ziegler in der Medizinischen Poli­ klinik. Im Anschluß an eine gynäkologische und chirurgische Ausbildung war Dr. Gut­ tenberg von 1934 bis zu seiner Niederlassung 97

in der geographisch und klimatisch bekannt schwierigen Lage des mittleren Schwarzwal­ des. Um diese immense Arbeit erfolgreich zu bewältigen, waren neben einer für die hiesi­ gen Bedürfnisse maßgeschneiderten Ausbil­ dung insbesondere erforderlich seine heute noch vorhandene exzellente Kondition, angeborene Improvisationskunst und psy­ chologisches Einfühlungsvermögen, die ihm die oft mißtrauische Schwarzwälder Volks­ seele erschlossen. Nach seiner Niederlassung gestaltete er das bis dahin als Erholungsheim dienende Furtwanger Krankenhaus um. Einrichtun­ gen wie EKG-, Röntgen-und Laborgeräte wurden zur Routinediagnostik eingesetzt, stärkten das Vertrauen der Patienten und führten schlagartig zu einer guten Belegung. Operative Eingriffe und die damals vorherr­ schende Hausgeburtshilfe waren bei den Kriegsverhältnissen mit besonderen Risiken behaftet und erforderten seinen ganzen Ein­ satz. In der Vor-Antibiotika-Zeit waren wäh­ rend des Krieges eine Diphterie-, in der Nachkriegszeit eine schwere Polio-Epidemie besonders verantwortungsvolle und schwie­ rige Krisenzeiten. Letztlich waren für den Erfolg aber immer wieder ärztlicher Instinkt und sein besonderes Diagnostikvermögen ausschlaggebend. Bei Kriegsbeginn wurde dem Zweitarzt, Dr. Wintermantel, die Leitung des Lazarettes in Triberg übertragen, und Dr. Guttenberg war gezwungen, von 1939 bis 1944 als Allein­ arzt das große Furtwanger Praxisgebiet mit Krankenhaus und geburtshilflicher Station zu versorgen (ca. 80 Betten). Bestimmte Gasthäuser oder Gehöfte mit Telefon waren Nachrichtenstellen, Fähnchen an den Häu­ sern Zeichen für notwendige Hausbesuche. Treibstoffprobleme meisterte er mit einem bescheidenen Opel P 4, der mit Leuna-Gas, Fahr-Petroleum und Holzgas wechselweise je nach Versorgungslage betrieben wurde. In den besonderen Notzeiten war Dr. Gutten­ berg auf ein kleines Motorrad, zeitweise nur mit einem Diesel-Äther-Gemisch betrieben, Dr. Guttenberg in der Bergwelt Tibets, 1980 in Furtwangen am 1. Januar 1937 als Assi­ stent in der Universitäts-Poliklinik in Frei­ burg tätig. Seine Furtwanger Praxis über­ nahm er von Dr. Waclc, dessen Sohn kurz zuvor tödlich verunglückte. Vom 1. Januar 1937 bis zum heutigen Tage, also 47 Jahre, ist „Dr. Fritz“, wie ihn die Bevölkerung in Furtwangen liebevoll nennt, in seinem Hause in der Baumannstraße als praktischer Arzt und Geburtshelfer tätig. Waren Landschaft und Bevölkerung für den damals 28jährigen jungen Arzt zunächst fremd, zeigte sich nach kurzer Zeit, daß der Entschluß, sich in Furtwangen niederzulas­ sen, für beide Teile ein besonderer Glücksfall war. Sein Vorgänger hatte schon eine große Patientenzahl, es war aber Dr. Guttenberg „vergönnt“, jahrzehntelang die im südbadi­ schen Raum zahlen- und gebietsmäßig größte Praxis auszuüben. Das Praxisgebiet beträgt im Durchmesser ca. 30 km und dies 98

mit noch daran angebundenen Skiern, ange­ wiesen. Unzählige Geschichten und Anek­ doten resultieren aus jener Zeit, die den Rah­ men dieser Ausführungen sprengen würden. 1944 kam Dr. med. Zorbach als Hilfskas­ senarzt nach Furtwangen, Dr. Wintermantel nahm nach dem Krieg seine Praxistätigkeit in Furtwangen wieder auf, und 1946 ließ sich Dr. Obertreis als Chirurg hier nieder. Es war somit eine komplette Mannschaft, die in der Folgezeit gemeinsam erfolgreich die ärzt­ liche Versorgung gewährleistete. Dr. Guttenberg hat sich in den vielen Jah­ ren in die Seele der Schwarzwälder eingegra­ ben, ist beliebt und versteht es in besonderer Weise, die Originalität und das Wesen der Menschen zu erfassen, so daß er im Laufe der Jahre selbst zum Original und Idol seiner Patienten wurde. Um ein lebendiges Bild des Menschen Dr. Guttenberg zu �alen, müßte die Palette von zarten Pastell- bis hin zu kräf­ tigen Poppfarben reichen. Seine Naturver­ bundenheit führten ihn zu steilen Skihängen oder in zerklüftete Berge. Immer ist er aber einfach und bescheiden in seinen Ansprü­ chen geblieben und für jede Stunde dankbar, die ihm an Freizeit geschenkt wird. Seit seiner Niederlassung hat er die Furt­ wanger Bergwacht und viele Jahre (1956- 1971) auch als Landesarzt die Ausbildung und den Einsatz dieser wichtigen Hilfsorga­ nisation geleitet. Zahlreiche besondere Ehrungen wurden ihm dafür zuteil. Die Stadt Furtwangen ehrte ihn (1973) mit der Bürgermedaille. Goldene Ehrenabzeichen des Alpenvereins, des Versehrten-Sportver­ bandes, der Skizunft Brend und des Skiclubs Furtwangen überreichte man ihm in den fol­ genden Jahren. Die Verleihung des Bundes­ verdienstkreuzes am 12. Mai 1982 war krö­ nende Anerkennung seiner besonderen Ver­ dienste. Die Person und Tätigkeit von Dr. Gutten­ berg werden in den Analen der Furtwanger Ärzteschaft immer ein Ruhmesblatt bleiben und späteren Generationen Beispiel und Ansporn sein. Dieter Herth Martin Münzer Erinnerungen an den Villinger Maler und Grafiker Als der Villinger Kunstverein am 5. November 1983 seine 30. Jahresausstellung eröffnete, stand die Feier im Zeichen des Gedenkens. Es galt dem Maler und Grafiker Martin Münzer. Genau zwei Monate vor dem Jubiläum war er überraschend gestor­ ben – wenige Tage vor der Vollendung seines 70. Lebensjahres. Über eineinhalb Jahr­ zehnte hatte Münzer als Vorsitzender die Geschicke des Villinger Kunstvereins maß­ geblich bestimmt. Die Gründung des Ver­ eins war weitgehend seiner Initiative zu danken. Münzer war ein Baaremer; er stammte aus Neudingen.,, Von Jugend auf gezeichnet und gemalt“. So könnte eine Biografie des Malers und Grafikers beginnen. Bei Malermeister Leopold Messmer, dem ersten Donaueschin- ger Nachkriegsbürgermeister, erhielt der Junge die erste Ausbildung. Dann ging er in eine Privatschule für Kirchenmalerei in Mannheim. Noch vor dem Jahre 19 3 3 gestal­ tete Münzer Plakate für die nachmalige Bun­ desbahn. Es folgte der Besuch der Hoch­ schule für Bildende Künste, nachdem die Hochschulreife im Abendunterricht nachge­ holt worden war. Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg ließ Münzer sich zum Gewerbe­ lehrer ausbilden. 24 Jahre leitete er die Fachabteilung für grafische Berufe und Malerei an der Villinger Gewerbeschule. Als er 1970 vorzeitig den Abschied als Kunsterzieher und Gewerbe­ schulrat nahm, geschah es mit Rücksicht auf ein Kriegsleiden. Fünf Jahre hatte er den Zweiten Weltkrieg mitgemacht. 99

ger Malers am liebsten als Ganzes erworben – wenn sie käuflich gewesen wäre. Seinen Stil als Maler sah Münzer so: Impressionismus und Expressionismus wür­ den in seinem Schaffen eng zusammenge­ hen. Er sprach vom Abstrahieren mit impres­ sionistischen Mitteln und erläuterte den Vor­ gang an einer Komposition mit dem Titel ,,Musik“. Da sind Menschen, Musikinstru­ mente, Ohrmuscheln großflächig und stille­ benhaft miteinander in Beziehung gesetzt. Die Komposition wirkt wie eine Erzählung. „Der eine schreibt, ein anderer zeichnet und malt eine Erzählung“, kommentierte Mün­ zer. Daß es in der Malerei dieses Baaremers auch die lichten und heiteren, die „goldenen“ Töne gibt, Daseins-und Lebensfreude, weiß der Freund der Münzer’schen Landschaften, sei es aus dem Hegau, aus dem Donauried mit dem Blick aufWartenberg und Fürsten­ berg oder aus dem nahen Schwarzwald. Erin­ nert sei an die furios hingewischte Vision einer Landschaft im Sturm, an Motive aus dem Schwenninger Moos, an die „Mühle im Glasbachtal“, die eingebettet ist in das Schwefelgelb eines gewittrigen Sommertags. Denkwürdig mein letzter Besuch am 5. September 1983, einem Montag -wenige Tage vor dem unerwarteten, nicht vorausseh­ baren Tod des Malers. Münzer hatte eine Flasche mit altem französischem Rotwein entkorkt; er entschuldigte seinen J unggesel­ lenhaushalt“ -seine Frau war ihm zu Beginn des Jahres durch den Tod entrissen worden­ und lehnte sich dann genießerisch und nach­ denklich zugleich in seinen gepolsterten Lehnstuhl zurück. Vor uns waren mehrere Pinselgrafiken ausgebreitet, und ich wollte von meinem Gastgeber wissen, ob bestimmte äußere Ein­ flüsse ihn beim Schaffen inspirieren oder aber seinen Malprozeß stören. Darauf Mar­ tin Münzer: ,, Wenn ich male, ist für mich ausschlaggebend und allein wichtig, was ich fühle“. Und auf die ausgelegten Kompositio­ nen deutend, fährt er fort: ,,Bei Themen wie ,Der Com1mtermensch‘, ,Der Mehrzweck- Für den Kunstfreund wurden die Besuche in seinem Haus an der Hans-Thoma-Straße 8 in Villingen zu starken und unvergeßlichen Erinnerungen. Bereits im Treppenaufgang Bilder und Grafiken bis hinauf zum Atelier unterm Dach. Da stapelten sich Mappen und Skizzen in Regalen, auf ebener Erde und an den Wänden rund um die Staffelei. Der erste Eindruck war der einer Vielfalt an Themen und Techniken, an Entwürfen und Bildge­ stalten, die förmlich auf den Besucher ein­ stürmten. Die Welt eines Malers, der gesellig, aber im Umgang nicht ganz einfach war und dessen Werk sich nicht in bequeme Schub­ laden mit gängigen Etiketten einordnen läßt. Da sind Arbeiten in Öl, Temperabilder und Aquarelle. Unter den grafischen Blät­ tern vor allem Pinselgrafiken, bald mehr abstrakter, dann wieder betont surrealisti­ scher Art. Man begegnet Titeln wie ,,Alraune“ und „Flächennetz“, ,,Der Schrei“, ,,Herz und Technik“, ,,Knabe mit Tauben“. Dann wieder Blätter wie: ,,Kranke Hoheit“, ,, Weihnacht in Plüsch“, ,, Wasserweibchen“ und „Ewige Jungfrau“. Sie gehören in die Reihe der Satiren und Grotesken, die Mitte der siebziger Jahre auf einer Ausstellung zeitgenössischer Satiren im bulgarischen Gubrovo Furore machten. Der Veranstalter hätte damals die fünfteilige Serie des Villin- 100

mensch‘ oder auch der Serie ,Die 7 Schöp­ fungstage‘ (die zuletzt im Vordergrund von ,apokalyptischen‘ Gestaltungen Martin Münzers standen), ist es so, daß diese Stoffe mich innerlich so erregen und bewegen, daß ich dieser Gemütsbewegung nur mit dem für meine Pinselgrafiken und Temperabilder eigenen nervösen und erregenden Pinsel­ strich künstlerische Sprache geben kann.“ Und abschließend: ,,Es sind innere Bilder, oft wirken dabei noch Erinnerungen an den Krieg nach, an Tote, Verwundete, Partisanen und anderes mehr, das mich bedrängt und das ich mir von der Seele malen muß … “ Auch als Kenner der Heimatgeschichte hat Martin Münzer sich einen Namen gemacht. 1973 erschien seine Untersuchung zur „Geschichte des Dorfes Neudingen“. Sie brachte neue Erkenntnisse über die soge­ nannte Kaiserpfalz und den – nach Münzer­ bis ins 7. Jahrhundert zurückreichenden Gründerbau der nachmaligen Pfarrkirche St. Andreas. Eine weitere Studie widmete der Historiker und Familienforscher Münzer 1979 der „Geschichte des Dorfes Hondin­ gen“, der Heimat seiner Vorfahren, wobei er nachweisen konnte, daß der Stammbaum der Martin auf dem „Adler“ in Hondingen zurückgeht bis ins Jahr 1435, in der Person eines „Marty, der Wirt, gebürtig von Sulz“. Lorenz Honold Oskar Wickert – Kunsterzieher und Landsehafter In den Annalen des Villinger Kunstver­ eins behauptet der Name Oskar Wickert einen Ehrenplatz. Ein gebürtiger Karlsruher, der zum Villinger und zu einem echten Baa­ remer wurde. Als er an der Jahreswende 1982/83 im Alter von 76 Jahren den Folgen eines Herzanfalles erlag, hatte die Doppel­ stadt Villingen-Schwenningen einen Kunst­ interpreten verloren, der weit über den Schwarzwald-Baar-Kreis hinaus einen Na­ men hatte. Über vierzig Jahre hat er als Kunsterzieher an Mittelschulen gewirkt, davon 31Jahre im Gymnasium am Romäus­ ring in Villingen, wo er 1971 als Oberstudien­ rat in den Ruhestand verabschiedet wurde. Von 1960 bis kurz vor seinem Tode war er Vorsitzender des Villinger Kunstvereins gewesen. Unter ihm waren die Herbstausstel­ lungen des Vereins zu einer ständigen Ein­ richtung geworden. Sein Vater war Volksschullehrer in der badischen Residenz gewesen. Fünf Geschwi­ ster, die alle mittlere oder gar höhere Schulen besuchten. Oskar Wickert, angetan vom ,,Duft im Zeichensaal“ schon als Junge, wählte das Fach der Kunsterziehung. An der Badischen Landeskunstschule – nachmals Akademie der Bildenden Künste – 101

erhielt er das zeichnerische und malerische Rüstzeug und die theoretischen Kenntnisse unter den Professoren Hub buk, Scholz, Bek­ ker und vor allem Ernst Württemberger, den Oskar Wickert zeitlebens als einen „begnade­ ten Pädagogen“ in Erinnerung behielt. Es war ein schwerer Beginn, als der junge Kunsterzieher seine Examina abgelegt hatte. In den Jahren der wirtschaftlichen Rezession um 1930 wurde auch an den Mittelschulen gespart. Zu einer festen Position von längerer Dauer kam Oskar Wickert erst 1933 -aller­ dings nicht als Zeichen-, sondern zunächst als Musiklehrer an einem Mädchengymna­ sium in Baden-Baden, wo er sieben Jahre wir­ ken konnte. Dann wurde er als Grenadier eingezogen. An der Front in Frankreich erreichte ihn die Beförderung zum Studien­ rat und wenig später der Ruf an das Gymna­ sium in Villingen. Dann wieder Frontdienst, diesmal im Osten, wo Wickert den schweren Winter von Stalingrad miterlebte, in russische Kriegsgefangenschaft geriet und vier Jahre und zwei Monate in einem Gefangenenlager in der Ukraine verbrachte -umgeben von Kameraden, die zu Hunderten an Hunger starben oder dem Fleckfieber erlagen. „Das Zeichnen und Malen“ -so Oskar Wickert – „hat mir damals das Leben gerettet.“ Er hielt Vorträge über Kunstgeschichte und durfte einen Clubraum für sowjetische Offiziere mit den Bildnissen der sowjetischen Feld­ herren ausmalen. Das Wirken des Spätheimkehrers blieb in den Jahrzehnten nach 1946 nicht auf die Schule beschränkt. Als Mitarbeiter von Tageszeitungen schrieb der Kunsterzieher über das kulturelle Geschehen in der Stadt, die ihm Wahlheimat wurde. Er hielt Lichtbil­ dervorträge über künstlerische und kunstge­ schichtliche Themen an den Volkshochschu­ len und Volksbildungswerken in Villingen, Bad Dürrheim, Donaueschingen und Im­ mendingen, wo der Villinger Kunstexperte in den sechziger Jahren in der aufstrebenden Garnisonsgemeinde ein besonders dankba­ res Publikum hatte. 102 Die Meister des 19. Jahrhunderts hatten es Oskar Wickert besonders angetan: die Romantiker Otto Runge und Caspar David Friedrich, unter den Deutschrömern ein Feuerbach, dann die Impressionisten Frank­ reichs, die Maler von Worpswede und die Vertreter des Jugendstils bis hin zu den deut­ schen Expressionisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Kaum eine große Kunstaus­ stellung der Meister des vergangenen Jahr­ hunderts auf deutschem Boden, zu der der Villinger Oskar Wickert nicht gepilgert ist, um die empfangenen Eindrücke dann wie­ der in Lichtbildervorträgen an junge Men­ schen und passionierte Kunstfreunde in der Region weiterzuverrnitteln. Nach Verabschiedung aus dem Schul­ dienst hatte der Oberstudienrat a. D. ausrei­ chend Zeit für eigenes kreatives Schaffen. Als Landsehafter und Gestalter fein empfun­ dener Stilleben huldigte er einem poetisch verklärten Realismus. Ein bleibendes Werk schuf er mit den Glasfenstern für die katho­ lische Heilig-Geist-Kirche in Mönchweiler: insgesamt 120 Einzelfenster, deren Überfülle der Künstler dadurch reduzierte, daß er jeweils zwei Bildwände spiegelbildlich anordnete. Die Vorderseite zeigt Symbole, die das Wirken des Heiligen Geistes versinn­ bildlichen; die Fenster der Rückseite sind abstrakt-ornamental gehalten, so daß durch das gegenseitige Überspielen der Ornamente der Eindruck einer zusammenhängenden Einheit entsteht. Lorenz Honold Titel und Namen Sind Hauch nur und Wind, So wie sie kamen, Vergeh’n sie geschwind. So ist das Leben, Der Stunde Gebot, Die sich erheben, Sind morgen schon tot. Johannes Hawner

Geschichte und Archäologie Professor Dr. Karl S. Bader Zu Herkunft, Bedeutung und Geschichte der Baar Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat in den Tagen der Verwaltungs- und Kreisreform einen Namen erhalten, der gewiß schon oft, besonders außerhalb des Kreisgebietes und der engeren Heimat, zu Fragen geführt hat Der erste Teil des Doppelnamens bietet keine Schwierigkeiten: den Schwarzwald kennt man allüberall; unser Nachbarkreis Breisgau-Hochschwarzwald läßt auch bezüg­ lich des Zusatzes „Breisgau“ keinen Zweifel zu, da der alte Gau, nicht zuletzt wegen des Stadtnamens „Freibuq� im Breisgau“, im Volksbewußtsein kontinuierlich verankert ist. So kann sich der Uneingeweihte zunächst nur vorstellen, daß Schwarzwald und Baar Nachbarlandschaften sein müssen, und daß es sich bei unserem Landkreis um einen Teil des Schwarzwaldes „in Richtung Baar“ han­ delt. Was aber hat es mit dieser Baar, von jeher weiblichen Geschlechts, auf sich? Die Nachbarkreise bieten wenig Aufschluß, sie sind wie anderwärts nach Städten benannt. „Baar“ ist aber weder Gebirge, TaL Fluß oder See, die man bei der Namensverteilung auch Urkunde von 1283,januar 18. Verl.eihung der Landgrafschaft Baar an Graf Heinrich l von Fürsten­ berg durch König Rudo!f l von Habsburg 103

bemüht hat, und schon erst recht keine Stadt, wie wir sie bei den Vorgängern, den Land­ kreisen Donaueschingen und Villingen, als Namensspender finden. Wie kommt man auf den Namen Baar, wenn ihn zuvor nicht einmal alle einheimischen Bewohner, son­ dern in der Hauptsache Dichter und Litera­ ten, Historiker und Geographen, gekannt und benützt haben – auch sie, um es gleich zu bemerken, sind sich keineswegs klar oder gar einig über Herkunft, Bedeutung und Geschichte des Begriffes. Darüber in mir durch Alter und Gesundheit gebotener Kür­ ze zu berichten, soll Aufgabe des von mir erbetenen kleinen Beitrags sein, mit dem ich zu früheren Forschungen zurückkehre, aller­ dings ohne sie im wesentlichen Kern berei­ chern zu können. Vor und nach mir (1-4) haben sich Historiker (6), Philologen (9), Geographen und Geologen (10, vgl. auch die Sammelwerke) um das „Baar-Problem“ be­ müht. Ausgetragen ist die vielschichtige Pro­ blematik nicht, gänzlich und letztlich lösbar ist das Rätsel wohl überhaupt nicht, da uns die �eilen Grenzen setzen. 1. Die erste und wichtigste Frage ist dabei, ob es sich bei der Baar von Hause aus um einen landschaftlichen oder um einen funktionel­ len (verfassungsgeschichtlichen) Begriff han­ delt. Vor etwas mehr als einem Jahrhundert hatF . L . B a u m a n n , aus dem Allgäu stam­ mender und als Archivar lange im Dienste des Hauses Fürstenberg stehender namhafter Historiker (6, 7), den Anstoß zu einer seit­ dem nicht mehr abreißenden Kontroverse gegeben. Während man zuvor Namen und Begriff ganz positivistisch mittelalterlichen und neuzeitlichen �eilen entnahm und als gegebene Tatsache registrierte, versuchte Baumann nach urkundlichen Belegen der fränkischen Zeit, im Zusammenhang mit den zeitüblichen Begriffen pagus (Gau) und comitatus (Grafschaft), einen verfassungs­ rechtlichen Gehalt des Begriffes bara., para u.ä. auszumachen. Da er ebenso wie die gesamte Forschung seiner Zeit die Grafschaft 104 als gemeingermansich-fränkisch-alemanni­ sches Institut, den Grafen in seiner Haupt­ rolle als Richter ansah, suchte und fand er im Gerichtswesen einen Anhaltspunkt: der Gerichtsplatz der Frühzeit, die Malstatt, war durch eine Schranke abgegrenzt, für die im fränkisch-französischen Bereich das Wort barre (= Barre), auch als Ortsnamen überlie­ fert, herhalten mußte. Das war (oder schien) so überzeugend, daß Baumanns Erklärung durch Jahrzehnte hindurch von der For­ schung, übrigens zunächst auch vom Verfas­ ser dieses Beitrags, übernommen wurde. Widerspruch gab es erst seit dem dritten Jahr­ zehnt unseres Jahrhunderts, als u. a. A . B a u e r (5) und K . W e l l e r (20) Zweifel bezüglich Alter und Herkunft von Gau und Grafschaft anmeldeten, ohne, was die Baar betraf, deren Rechtsgehalt völlig zu bestrei­ ten. Auch in der jüngeren landesgeschichtli­ chen Forschung blieb ein Rest der Bau­ mann’schen Vorstellungen erhalten, wenn H . J ä n i c h e n (11/12) das Problem der Baar­ ( en) mit dem der Huntaren verband, was zu recht differenzierten Beziehungen verhalf, das eigentliche Baar-Problem aber eher ver­ wässerte. Die ständige Beschäftigung mit der für­ stenbergischen Geschichte (1, 2) gab mir 1941 nach mehreren Vorstufen Anlaß, das „Pro­ blem der alemannischen Baaren“ auf breite­ rer Basis neu aufzurollen. Aus dem Titel des Aufsatzes ist zunächst zu entnehmen, daß es mehrere, mindestens zwei, Baaren gab, was selbstverständlich auch Baumann und der auf ihn folgenden Forschung bekannt war. Den Ansatz barre glaubte ich sowohl mit sprachgeschichtlichen als auch mit verfas­ sungsrechtlichen Überlegungen ablehnen zu können: das Wort bara-para hat ein !angezo­ genes, dumpfes a (mundartlich oa), das kein doppeltes rr vertrug; wichtiger aber, daß die alemannischen Baaren in Zeiträume zurück­ wiesen, die keine (von den Franken her über­ nommene) Grafschaftsverfassung kannten. Sonstige sprachlich-etymologische Verknüp­ fungen führten zu keinem sicheren Ergebnis, etwa mit dem Wort baro-Mann oder dem nur

Rottweil • (Hofg,,;dd) :Der Landgerichtssprengel ·. ..Baar e Exemtionen ‚i’1 „Richtstätte d. Lgrsch . • Landgräfl. Städte lt Stn,iti9e Gebiete zw. Landgericht f Landgericht,3föNcn Wü�ltem�ergisches und fremden Gerichten NORDEN ·.r�-…… 01° �- St . .Blasien . M.1 :200000 . �..Bodv, su Karte „Der Landgerichtssprengel Baar“ aus Veröffentlichungen aus dem Fürstlich Fürstenbergi.schen Archiv, Heft 10, 1964, Leiber Gert, Das Landgericht der Baar -bar adjektivisch überlieferten in (z. B. „fruchtbar“); ebenso blieb fraglich, ob das althochdeutsch überlieferte bare = Bahre in übertragenem Wortsinn von „Erbgut“ – ,,Handgemal“ weiterfuhren würde. Immer­ hin ließ ich die Möglichkeit zu, auf etymolo­ gischem Wege zu einer Deutung der Baar( en) als frühalemannisches Herzogsgut zu kom­ men. Der Rechtshistoriker, kein Fach-sondern allenfalls Liebhaberphilologe, hatte sich mit solchen Überlegungen auf unsicheres Ter­ rain begeben, um die eigentlichen Ziele sei­ ner Untersuchung, die Zusammenschau der historischen Q!iellenbelege, besser beleuch­ ten zu können. Es war nun eigenartig, daß die auf meinem Aufsatz (1) alsbald folgende Dis­ kussion sich nicht mit dem urkundlichen Befund, sondern vorab mit der sprachge­ schichtlichen Deutung befasste. Schon im folgenden Jahr antwortete F. Beyerle in einer Besprechungsmiszelle (8) mit einer skeptischen Beurteilung meiner etymologi­ schen Hinweise, die ja mehr Fragen als sichere Urteile sein wollten. In sehr differen­ zierter Weise erörtert er die Möglichkeiten, zu einer Begriffsbestimmung zu gelangen; ohne abschließend sein zu wollen, sieht er einen Wortsinn „umhegtes Feld“, dann ,,Gebiet“ aus der Verbindung mit den aller­ dings später bezeugten „Bargilden“ Güngere Wortform „Biergelden“), die ich nur beiläu­ fig erwähnt hatte. Wir können diese Bargil­ den-Zinsleute hier beiseite lassen, weil sie, ihrerseits höchst umstritten, vom Baar-Pro­ blem zuweit wegführen würden. Als Her­ zogsland, das nach dem sogenannten Blut­ bad von Cannstatt (746) vom Frankenkönig konfisziert worden wäre, kann Beyerle die Baar(en) nicht anerkennen, wohl aber ge­ langt er, hier mit mir übereinstimmend, nach kritischer Auseinandersetzung mit Bau- 105

mann (6) und Bauer (5) zum Ergebnis, daß „so ziemlich alles für ein hohes Alter der Baamamen“ (auch seine Bargilden) spreche (S. 322). Waren hier bei Beyerle die Rechts­ bezüge noch erkennbar, die allerdings von Baumanns „Gerichtsschranke“ weit weg­ führten, so verzichtete, wiederum ein Jahr später K. Bohnenberger (9) ganz auf funktionelle Zusammenhänge, indem er im Wort „Baar“ lediglich eine altertümliche „Landschaftsbezeichnung“ sieht; im Ergeb­ nis neigt er mehr meiner als Beyerles Beweis­ führung zu. Im Grund ergab sich aus der gesamten Kontroverse ein Zirkelschluß, den man auch ruhig als circulus vitiosus bezeichnen kann. Denn daß die Baar ein Landschaftsname – im übrigen für zwei voneinander früh räum­ lich geschiedene Landschaften („westliche Baar“, „östliche Baar“) – war, hatte wohl kaum jemand bestritten; immer nur ging es um den Versuch, dem Wort eine zusätzliche Bedeutung als Begriff für eine altaleman­ nische oder doch altfränkische Institution beizumessen. Kritisch darf ich von meinem heutigen Standpunkt aus bemerken, daß weder die eine noch die andere Deutung zwingend ist; was feststeht, ist das über die Zeit der schriftlichen Qpellenbelege zurück­ gehende Alter. Und selbst da sind noch längst nicht alle Möglichkeiten erörtert: ein „altalemannisches“ (und damit altgermani­ sches) Wort oder vielleicht noch eine Schicht älter? Kaum beachtet wurde bei der Erörte­ rung des Baar-Problems, daß auch die Orts­ namenforschung mitzureden hat. Baumann (6) hat zwar die französischen Vorkommen­ Bar-Le-Duc u. a. -bemüht, weil sie so gut in sein Vorstellungsbild von der „Barre­ Schranke“ paßten, dagegen eine ganze Reihe italienischer und spanischer Orts-und Land­ schaftsnamen mit bara, ba1,T’a beiseite gelas­ sen. Der Name des im schweizerischen Kan­ ton Zug gelegenen alten, heute großen Indu­ strieortes Baar wird in mehreren Lexiken zwar unter Verweis auf unsere Baar als „Gau“ erklärt, doch beruht dies auf keineswegs überzeugenden Rückschlüssen und ergibt 106 auch im Hinblick auf die historischen und landschaftlichen Verhältnisse kein zwingen­ des Bild. Daß der Allgäuer Baumann meh­ rere Baar-Orte (z.B. das Pfarrdorf Baar im Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm) im Gebiet von Bayrisch-Schwaben übergangen hat, ver­ wundert ebenso wie die Mißachtung von Flußnamen im Gebiet der mittleren Donau. Gerade bei diesen wäre u. U. an vorgerma­ nische (keltische?) Überbleibsel zu denken. Das zu entscheiden, ist nicht Sache dessen, der mit seiner germanistischen Forschung gewiß nicht der Keltomanie bezichtigt wer­ den kann.Jüngerer sprach-und auch landes­ historischer Methodik entspricht es im übri­ gen, stets mehrere Ursprungslinien offen zu halten. Um so mehr aber wird es nun not­ wendig, die historischen Verknüpfungen aufzudecken, die bisher hinter der sprach­ lichen Deutung des Namens und Wortes Baar zurückgetreten sind. II. Die Qpellenzeugnisse zeigen, daß im Gebiet der obersten Donau und des oberen Neckars zwei „Nester“ von Baar-Vorkom­ men liegen, die man herkömmlicherweise in eine westliche und in eine östliche Gruppe trennt. Ob die Trennung ursprünglich ist, soll vorerst ausgeklammert werden. In der Vita St. Galli wird zwischen 7 41 und 747 erstmals eine Perahtoldespara genannt. Diese Bertholdbaar kehrt mehrfach in den Quellen, letztmals im Jahre 890, wieder. Schon früher ist aber auch kurzerhand von der „Baar“ die Rede, und seit dem Ende des 9. Jahrhunderts spricht man für dasselbe Gebiet nur noch von der Baar überhaupt. Wo eine Landschaft des alemannischen Rau­ mes als Baar bezeichnet wird, ohne durch einen Namenszusatz als eine der östlichen Baaren ausgewiesen zu werden, ist stets die Bertholdsbaar oder eines der Teilgebiete, die innerhalb ihres alten, großen Umfanges lie­ gen, gemeint. Für einen Gerichtsbezirk ist diese Bertholdsbaar, wie man schon vor Bau­ mann erkannt hat, zu groß. Im Qpellgebiet von Donau und Neckar sind als Grenzorte

im Norden Schopfloch und Dornstetten (bei Freudenstadt), Wiesenstetten und Bierlingen (bei Horb), Bissingen, Hechingen, im Osten Beuron, Mühlheim und Fridingen an der Donau, gegen die Alb zu Spaichingen und Wehingen, dem Heuberg zu rechts der Donau Buchheim genannt. Im Süden bilden die Wutachtalorte Achdorf und Aselfingen, im Westen Wolterdingen, Tannheim, in Spätzeugnissen auch St. Georgen die Grenz­ zone gegen den Schwarzwald, in den die Bertholdbaar – und die aus ihr gebildeten Teilhaaren – im übrigen nicht hineinreichen. Es handelt sich, wie man dann auch in der späteren fürstenbergischen Zeit sagt, um das Gebiet „ vor dem Wald“, das im Rahmen des Bistums Konstanz auch dem Archidiakonat – Vorgänger des heutigen Regionaldekanats – seinen Namen gegeben hat. Innerhalb die- �es Raumes werden zahlreiche Orte vor allem in den sanktgallischen Urkunden genannt, von denen es dann heißt, daß sie in pago Bertholdespara o. ä. liegen. Wer nun die­ ser Berthold ist, der einem umfangreichen Gebiet östlich des Schwarzwaldsaums den Namen gegeben hat, ist ein umstrittenes genealogisches Problem. K . W e 11 e r (20) erblickt in ihm einen der beiden 724 genann­ ten Alemannenherzöge, wogegen H . J ä n i – c h e n (11) ein sehr kompliziertes genealogi­ sches Gefüge zur Verfügung stellt; darüber zu befinden, ist nicht Sache des Rechtshisto­ rikers. Auf alle Fälle war die (Bertholds-)Baar mehr als ein einziger Grafschaftsbezirk, die Anlehnung an ein anderes Besitz- und Ver­ waltungskonglomerat wie das Herzogtum drängt sich auf. Neben der Bertholdsbaar tauchen nun aber in den Q!iellen Teilgebiete auf, die wir als (westliche) ,, Teil haaren“ bezeichnet haben (1). Der einfachste Fall ist die A d a l h a r d s ­ b a a r , die 769 ein einziges Mal unter diesem Namen erscheint und ihn gewiß einem auch sonst bekannten Grafen verdankt, der jedoch als solcher auch im Breisgau auftritt. Es handelt sich hier lediglich um eine Perso­ nalbenennung, wie sie für die fränkisch-ale­ mannische Grafschaftsverfassung typisch ist; eine selbständige Adalhardsbaar hat es nicht gegeben, sie ist ein Teil der Bertholdsbaar, scheint aber in einem östlichen Teil, in der Herrschaft Wartenberg, fortgelebt zu haben – die Freiherren von Wartenberg waren neben und für die Grafen von Sulz zeitweise, bis zu deren Übergang an das Haus Fürsten­ berg, Landgrafen in der Baar. – In der P i r i c h t i l o s b a a r , die785 und 786 für den Albrand, jedoch für Orte außerhalb des Ge­ birges, bezeugt ist, hat Baumann einen selb­ ständigen Gau erblickt. In Wirklichkeit ist sie keine bleibende Erscheinung, sondern ein vorübergehendes Spiegelbild der Bertholds­ baar, auf die ja auch der Name Birchtilo-Bert­ hold deutet. – Als weitere (westliche) ,, Teil­ haar“ begegnet uns schließlich die im Raum Löffingen beheimatete A 1 b u i n s b a a r , in der 851 der schon an der Grenze des Altsie­ dellandes liegende Ort Röthenbach er­ scheint. Sie verschwindet dann für Jahrhun­ derte aus den Q!iellen, um überraschender­ weise 1123 nochmals aufzutauchen, offenbar aber nur deswegen, weil der reichenauische Schreiber die ältere Urkunde zur Hand hatte, als er einen Tauschvertrag seines Klosters mit dem zu St. Georgen über Besitzungen im Raum von Löffingen zu beurkunden hatte. Wenn aus diesem Einzelzeugnis auf eine selbständige, außerhalb der allgemeinen Grafschaftsverfassung liegende „allodiale“ (d. h. hausrechtliche) Grafschaft im Rahmen des „Staates der Herzoge von Zähringen“ (Th. Mayer, 1935) geschlossen wurde, bedeu­ tete dies eine Überbewertung des bloßen Ab­ sprengsels der (Berthold-)Baar, die ihrerseits aus den hochmittelalterlichen Quellen ver­ schwindet. – Der östlichen Baargruppe im Gebiet rund um den Bussen ist in der landesgeschichtli­ chen Literatur eher übertriebene Bedeutung beigemessen worden. Zunächst ist festzustel­ len, daß eine räumlich-flächenhafte Verbin­ dung zur Bertholdsbaar und ihren (westli­ chen) Teilhaaren nicht besteht; hervorzuhe­ ben sodann, daß sich im Raum der schwäbi­ schen Donaustädte Riedlingen-Ehingen kein „Baarbewußtsein“ wie an Oberlauf von 107

Donau und Neckar entwickelt und gar bis in die Gegenwart erhalten hat (Fischer, 10, S. 8 ff.). Die nur ein einziges Mal 805 erwähnte Folcholtsbaar, deren Namenspender nicht sicher zu eruieren ist, bleibt eine Ein­ tagserscheinung; die nach der sanktgalli­ schen Urkunde in pago nuncupante Folchol­ tespara liegenden Ortschaften, etwa mit dem Zentrum Emerkingen, lassen sich von denen, die als in der AI b u ins b a a r gelegen bezeichnet werden, nicht räumlich trennen, liegen vielmehr auch nach Baumanns Fest­ �tellung „unscheidbar durcheinander“ (6, S. 69). Diese (östliche) Albuinsbaar, die mit der im Raum um Löffingen überlieferten gleich­ namigen (westlichen) Teilhaar weder flä­ chenmäßig zusammenhängt noch sonst etwas zu tun hat, ist als pagus zwischen 788 und 838 in Urkunden verschiedener Prove­ nienz mehrfach, insgesamt fünfmal genannt. Natürlich bleibt die Wiederkehr des Grafen­ namens Albuin auffällig, doch ist es J ä n i­ ch e n (11, 12) nicht gelungen, die genealo­ gische Verbindung eindeutig herzustellen. Auffällig ist bei beiden, Folcholts- wie Albuinsbaar, daß sie in einem Teil ostale­ mannischen Gebietes liegen, dessen Graf­ schaftsverfassung -wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann -höchst verworren aussieht. Am Albtrauf und in den Donauniederungen bis hinauf nach Sigma­ ringen und hinüber bis Meßkirch treten Gaunamen und Baaren überdies in Konkur­ renz mit einer anderen frühen Verwaltungs­ einheit, einer Mehrzahl von sogenannten Huntaren, die, kaum weniger undurchsichtig als die Baaren, in frühalemannische Zeit zurückreichen dürften, aber mit den fränki­ schen Centenen begrifflich verknüpft wor­ den sind. Bei dieser Gesamtsituation tut man gut daran, den östlichen Baaren keine wirk­ liche oder gar bleibende Existenz zuzubilli­ gen. Kehren wir in unser echtes und eigentli­ ches Baargebiet zurück, so haben wir die – scheinbar -überraschende Tatsache festzu- 108 III. stellen, daß der Name der Baar nach 1123 für anderthalb Jahrhunderte aus den Quellen verschwindet. Eine nur scheinbare Uberra­ schung, wenn wir die großen Urkundenlük­ ken der Epoche und überdies bedenken, daß in der gesamten, langwierigen Auseinander­ setzung zwischen Staufern und Zähringern der Baarbegriff keine Rolle spielt. Erst mit dem Aufkommen der Landgrafschaften im deutschen Südwesten nach dem Interre­ gnum erhält die Baar, und zwar unsere ehe­ malige Bertholdsbaar, eine Art Wiederbele­ bung, allerdings in einer nun ganz veränder­ ten Verfassungslage. Die Landgrafschaft Ba a r begegnet uns 1273 erstmals, und zwar in Personalform, indem ein C(onradus) de Wartenberg als lantgravius in Bara neben sei­ nem Bruder Heinrich (ohne Titel) Güter in Oberschwaben an Kloster Salem vergabt; bemerkenswert, daß Graf (comes) Hermann von Sulz unter den Zeugen erscheint: zwi­ schen den Sulzern und den Wartenbergern besteht nämlich ein auch später bezeugtes Verwandtschaftsverhältnis. Nun sind diese „neurechtlichen“ Landgrafschaften eine von den Historikern umstrittene Institution. Ohne daß wir hier näher auf das Problem eingehen können, sei wenigstens soviel bemerkt: Während man -so etwa Bau – m ann (6) und Tu m bült (18)-früherohne weiteres annahm, daß Kontinuität zwischen den alten „Gaugrafschaften“, in unserem Falle also der Bertholdsbaar, und der im 13. Jahrhundert hier und anderswo installierten Landgrafschaft bestehe, hat sich vor allem Th. Mayer (15) für eine verfassungsrecht­ liche Neubildung eingesetzt. Die Frage ist noch nicht endgültig beantwortet, doch neigt die jüngste Forschung (z.B. M. S eh a ab in einem noch ungedruckten Kon­ stanzer Vortrag) eher wieder dazu, an ältere Erscheinungen in Reichsorganisation und Gerichtsverfassung anzuknüpfen. So er­ scheint es uns möglich, schon bestehende Herrschaftsgebilde im Raum der alten Bert­ holdsbaar, etwa Besitzkonglomerate der Gra­ fen von Sulz und der Freiherren von Warten­ berg, vorzuschalten. Die letzteren bleiben

Der Fürstenberg, der Stammsitz der Fürstenberger in der Baar, nach einer Lithographie um 1820 nun auch im Zeitraum zwischen 1273 und 1302 Landgrafen in der Baar, während seit 1283 die Grafen Hermann von Sulz und Heinrich zu Fürstenberg Grafschaftsrechte im Gebiet von Villingen und Rottweil bean­ spruchen. Das undurchsichtige Dreiecksver­ hältnis kommt in der Urkunde vom 18. Januar 1283 zum Ausdruck, in der König Rudolf von Habsburg, ohne den Landgrafen aus dem Hause Wartenberg nur zu nennen, den Verzicht des Sulzers auf den comitatus de Bare entgegennimmt und diese Würde sei­ nem lieben Getreuen, dem Grafen Heinrich zu Fürstenberg überträgt. Was hinter der Sache steckt, habe ich in meiner Studie von 1960 (3) exegetisch herauszufinden versucht, ohne aber den Anspruch erheben zu kön­ nen, die verzwickte Rechtslage eindeutig erklärt zu haben. Jedenfalls gibt es in diesen Jahrzehnten einen comes de Bare in der Person des Fürstenbergers, und einen lantgravius in Bare aus dem Hause Wartenberg. Erst als es nach offenbar heftigen Auseinandersetzun­ gen zu einer Heiratsverbindung zwischen einer wartenbergischen Erbin und dem Gra­ fen Heinrich II. zu Fürstenberg kam, nahm dieser die Funktion des Landgrafen in Anspruch, und wiederum erst nach einer Fehde mit dem in die Baar vordringenden Hause Habsburg – wobei Bräunlingen habs­ burgisch wurde – konnte ein Vetter Hein­ richs, der GrafEgen zu Fürstenberg-Haslach, sich unwidersprochen Landgraf in der Baar nennen. Seitdem ist die Landgrafen würde als Reichslehen im Hause Fürstenberg erblich geworden; man sprach jetzt auch von einer L a n d g r a f s c h a f t F ü r s t e n b e r g , und die Grafen, späteren Fürsten zu Fürstenberg führten als vornehmsten Teil ihres großen Titels den eines Landgrafen in der Baar. Das ist bis zur Mediatisierung des Fürstentums Fürstenberg so geblieben. 109

Ansicht von Geisingen um 1680 von Martin Menrad aus Hüfingen. Original: Ölgemälde auf F. F. Schloß Heiligenberg. Charakter annahm. So ist es der Baar gegan­ gen wie den Alemannen, die erst dank J. P. Hebels Gedichten wieder von etwas Nostal­ gie begleitete Urständ feierten. Für die litera­ rische Wiederbelebung, der dann übrigens bald die wissenschaftliche (geographische und historische) folgte, mag, was die Baar betrifft, eine immerhin charakteristische Beobachtung dienen: als 1805 in Donau­ eschingen -also kurz vor der Mediatisierung -ein wissenschaftlicher Verein gegründet wurde, dessen Ziel Erforschung von Geschichte und Naturgeschichte der Heimat war, gab man ihm den geographischen Titel „an den Q!iellen der Donau“; als derselbe Verein, dessen Wirken durch die politische Restauration unterbunden worden war, 1870 wiedergegründet wurde, erhielt er, von Historikern geleitet, den Namen des „Ver­ eins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar“. Nicht zuletzt diese, bekanntlich ja fortbestehende Vereinigung hat der ihrer restlichen Bedeutung beraubten Baar eine gewisse Popularität, wenigstens in der Welt der Honoratioren und Gelehrten, verschafft. Die Benennung unseres Landkreises aber hat der Baar eben die verlorengegangene recht­ liche Funktion wieder gegeben, und während Für unser Thema von Bedeutung ist noch vor all diesen schwierigen dynastischen Fra­ gen die Tatsache, daß der Begriff „Baar“ zu einer festen rechtlichen Institution gewor­ den war. Seit dem Beginn des 14. Jahrhun­ derts verstand man, wenn von der Baar die Rede war, in Reich und Ländern darunter eben die Landgrafschaft Baar, deren Haupt­ funktion das Landgericht der Baar war (14). Der Hohen Gerichtsbarkeit der Grafen zu Fürstenberg unterstanden auch einige Ort­ schaften im Norden der Baar, in denen andere Herrschaften, vor allem die Grafen, späteren Herzöge von Württemberg mit der Niedergerichtsbarkeit Landeshoheit bean­ spruchten. Daher kam es, daß der Begriff Baar auch über das Territorium des Hauses Fürstenberg hinaus Klang und konkrete Bedeutung bewahrte. Im ganzen allerdings verlor der Baarbegriff seine Volkstümlich­ keit, als das Fürstentum Fürstenberg zwi­ schen der Markgrafschaft (dann Großher­ zogtum) Baden und dem Herzogtum (Kö­ nigreich) Württemberg aufgeteilt wurde. Das volkstümliche „Baarbewußtsein“ schwand zu Beginn des 19.Jahrhunderts, weil sich kein Hoheitsbegriff mehr mit dem Wort Baar ver­ band, das nun mehr und mehr literarischen 110

noch in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg der Bauer in meinem Geburtsort Waldau (heute zum Kreis Breisgau-Hoch­ schwarzwald gehörig) beim Blick nach der Hochfläche im Osten noch „im Schwobe dusse“ sagte, wissen heute er und alle seine Landsleute, daß da drüben eben der „Land­ kreis Schwarzwald-Baar“ das landschaftliche Sagen hat. Es war aber nicht unser Ziel, diesem Land­ kreis eine Retterrolle zuzuspielen, sondern zu berichten, was es denn nun eigentlich mit der Baar für ein historisches Bewenden hat. Donaueschingen im Jahre 1664 IV. Es bleibt bei der schon eingangs festgestell­ ten Tatsache, daß das „Baar-Problem“ auch nach erneuter Prüfung nicht völlig und ein­ deutig gelöst werden kann. Immerhin kön­ nen wir, was Herkunft und Bedeutung des Wortes betrifft, als ziemlich sicher anneh­ men, daß es sich bei unserer bara-para-Baar um ein über die urkundlichen Zeugnisse weit zurückreichendes al ta 1 em an ni s eh es Wort -mit vielleicht sogar indogermani­ scher Wurzel -handelt. Damit wurde eine Landschaft bezeichnet, die im oberen Donau-und Neckarraum ein außerhalb der Bergzonen von Schwarzwald und Alb lie­ gendes, waldarmes und nutzungsreiches Flachgebiet umfaßt. Eine ursprüngliche ver­ fassungsrechtlich-oq;tlllsatorische Funktion 111

im Rahmen z.B. des voifränkisch-alemanni­ schen Herzogtums ist nicht nachweisbar; die Vorstellungen „Gau“ und „Grafschaft“ treten erst im nachhinein auf. Das Ke rn s t ü c k , die B e r t h o l d s b a a r am Ostabhang des Schwarzwaldes und im Q!iellgebiet von Donau (Brig und Breg) und Neckar, ging über den Raum einer Grafschaft weit hinaus und wurde demgemäß, als sie mit den Comi­ taten verbunden wurde, in „Teilhaaren“ zer­ legt. Die östlichen Vorkommen – Folcholts­ und (östliche) Albuinsbaar – bleiben spora­ disch und verschwinden in nachfränkischer Zeit auch im allgemeinen Sprachgebrauch vollkommen. Jedoch darf man aus ihrer kurzfristigen Existenz wohl schließen, daß ganz zu Beginn die alte Baar ein fester 1 a n d – s c h a f t l i c h e r B e g r i f f und ein relativ geschlossenes Gebiet, bis hinab in den Ulmer Raum reichend, gewesen war. Die Einen­ gung setzt sich nach der Urkundenpause im Hochmittelalter fort und läßt die Baar in der zunächst wartenbergischen, dann fürsten­ bergischen La n d g r a f s c h a f t B a a r weiter­ leben. In Spätmittelalter und Frühneuzeit war der Baar-Name nie recht populär; nach dem Untergang der Landgrafschaft im Zuge der Mediatisierung des Fürstentums Fürsten­ berg wurde er von wissenschaftlicher und literarischer Seite her neu bewertet und zum geographisch-historischen Begriff erhoben. Nach anderthalb Jahrhunderten erhielt er neuen La n d k r e i s schließlich S eh w a r z w a l d -B a a r seine flächenmäßig und inhaltlich festumrissene Eigenschaft als Verwaltungseinheit: Schwarzwald und Baar, ehedem vorstellungsmäßig landschaftliche Gegensätze oder Gegenstücke, haben sich nicht zuletzt unter dem Einfluß von sozialen und wirtschaftlichen Tatsachen zusammen­ gefunden. im L i t e r at u r U m dem Leser des .Almanachs“ eine Vorstel­ lung davon zu geben, wie oft das .Baar-Problem“ schon Gegenstand landes- und sprachgeschichtli­ cher Forschung gewesen ist, seien im folgenden auch Arbeiten und Sammelwerke genannt, die 112 nicht zum engeren Kreis der unmittelbar benutz­ ten Studien gehören. Angesichts der durch per­ sönliche Umstände bedingten Kurzfassung des Textes mögen diese Hinweise künftige Forschun­ gen anregen und erleichtern. – A b k ü r z u n g e n: .Schriften Baar“ – Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar .• ZG Oberrhein“ – Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. „Schriften LKD“ = Schriften des Landkreises Donaueschingen. »ZRG gA.“ – Zeit­ schrift der Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte, germanist. Abteilung. „Veröffentl. AI“ – Ver­ öffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br. ,, Veröffentl. FFA“ – Veröffentli­ chungen aus dem Fürst!. Fürstenbergischen Archiv. S a m m e I w e r k e : Die Baar. Badische Heimat 8.Jg., hrsg. v. M. W i n g e n r o t h , Karlsruhe 1921. – Die Baar: Donaueschingen-Villingen. Badische Heimat Jg. 25, hrsg. v. H . E . B u s s e , Freiburg i. Br. 1938. – Die Baar in naturkundlicher u. histo­ rischer Sicht, hrsg. v. K . S a u e r: Schriften LKD 8, D’Eschingen 1956. – Der Landkreis Donaueschin­ gen. Bearb. v. K. W a c k e r u. a.: Schriften LKD 26, Konstanz 1966. – Villingen und die Westbaar, hrsg. v. W . Mü l l e r : Veröffentl. AI 32, Bühl/ Baden 1972. – Der Schwarzwald-Baar-Kreis. Hrsg. v. Landratsamt (LR Dr. G u t k n e c h t ), Theiss­ Verlag, Stuttgart-Aalen 1977. Die Baar. Wande­ rungen durch Landschaft und Kultur, hrsg. v. G. R e i c h e l t . Neckar-Verlag Villingen 0.2. (1972). Mon o g r ap h i e n u n d A ufs ä t z e (die vor­ angestellten Ziffern kehren im Text statt besonde­ rer Anmerkungen wieder): (1) B a d e r , K. S., Zum Problem der alemanni­ schen Baaren, in: ZG Oberrhein NF. 54 (1941) S. 403 ff., jetzt auch: Ausgewählte Schriften (1983) III S. 267 ff. (2) d e r s . , Zur politischen und rechtli­ chen Entwicklung der Baar in vorfürstenbergi­ scher Zeit. Freiburg 1937, auch: Ausgewählte Schriften III S. 232 ff. (3) d e r s . , Die Landgraf­ schaft Baar vor und bei ihrem Uebergang an das Haus Fürstenberg, in: Schriften Baar 25 (1960) S. 9 ff. auch: Ausgewählte Schriften (1983) II1 S. 320 ff. -(4) B a d e r , K. S., u. W o h l e b, J. L., Die Baar als historische Landschaft. Freiburg 1948. – (5) Ba u e r, A., Gau und Grafschaft in Schwaben (­ Darstellungen a. d. wttbg. Gesch. 17) Stuttgart 1927. -(6) Ba u m a n n , F. L., Die Gaugrafschaften im wirtenbergischen Schwaben. Stuttgart 1879. – (7) d e r s . , Die Ortsnamen der badischen Baar u.

der Herrschaft Hewen, in: Schriften Baar 4 (1882) S. 7 ff. – (8) B eye r l e, F., Zum Problem der ale­ mannischen Baaren, in: ZRG. gA. 62 (1942) S. 305 ff.-(9) B o h n e n b e r g e r, K., Zu den Baaren, in: ZRG. gA.63 (1943) S. 319 ff. – (10) F i s c h e r, E., Beiträge zur Kulturgeographie der Baar (- Bad. Geogr. Abhandlungen 16) Freiburg/Heidelberg 1936. -(11) J ä n i c h e n, H., Baar und Huntari, in: Grundfragen der alemannischen Geschichte (Mainauvorträge) 1955 S. 83 ff.-(12) d e r s . , Baa­ ren und Huntaren, in: Villingen und die Westhaar, Veröffentl. AI. 32 (1972) S. 56 ff.-(13) L a u e r. H., Geschichte d. kathol. Kirche in der Baar, Donau­ eschingen 1921, 2. Aufl. (als „Kirchengeschichte der Baar“) ebd. 1928. -(14) L e i h e r, G.,Das Land- gericht der Baar 1283-1632 (Veröffentl. FFA. 18) Allensbach 1964. -(15) M ayer, Th., Ueber Ent­ stehung und Bedeutung der älteren Landgraf­ schaften, in: ZRG. gA. 58 (1938) S. 138 ff. – (16) Re v e l l i o, P., Die Baar in vor-u. frühgeschichtli­ cher Zeit. in: Schriften Baar 15 (1924) S. 35 ff. -(17) de r s . , Aus der Geschichte der Baar im Mittelal­ ter. Villingen 1938. -(18) Turn b ü l t, G., Das Für­ stentum Fürstenberg von seinen Anfängen bis zur Mediatisierung im Jahre 1806. Freiburg i. Br.1908. – (19) d e r s . , Die Eigenkirchen der ehemal. Für­ stenbergischen Landgrafschaft Baar (Veröffentl. FFA. 9). D’Eschingen 1941. – (20) W e l l e r, K., Besiedlungsgeschichte Württembergs vom 3. bis zum 13. Jahrh. Stuttgart 1938. ,,Römische Villa unter dem Spott des Pöbels ausgegraben“ Das Haus Fürstenberg und die archäologische Forschung auf der Baar im 19 .Jahrhundert Seit dem Frühjahr 1984 ist die Abteilung der Ur-und Frühgeschichte der Fürstlich Für­ stenbergischen Sammlungen in Donau­ eschingen wieder geöffnet. Zehn Vitrinen im Westflügel des Gebäudes am Karlsplatz prä­ sentieren wesentliche Funde aus der Zeit der frühesten Besiedelung der Baar über die Kul­ turepoche der Römer bis hin zur Ausschal­ tung der alamannischen Führungsschicht um die Mitte des 8. Jahrhunderts nach Chri­ stus. Funde sowohl aus Fürstenbergischem Besitz wie auch aus staatlichen Beständen, hier vorzugsweise Grabbeigaben, die bei Gra­ bungskampagnen der jüngsten Jahrzehnte – so vor allem in Hüfingen, Neudingen und an der oberen Donau -ans Tageslicht kamen. Ein repräsentativer Qyerschnitt durch die einzelnen Epochen der Ur-und. Frühge­ schichte unserer Heimat. Anlaß für Heimatfreunde und Schulen, sich mit römischer Tischkultur aus der nachaugusteischen Zeit vertraut zu machen, den „Hüfinger Reiter“ kennenzulernen, der aus einem alamannischen Adelsgrab vor wenigen Jahren geborgen wurde, oder eine Runeninschrift der Merowingerzeit zu ent­ rätseln, die eine schriftkundige Frau aus dem Stamm der Alamannen in die Strebe eines Webstuhles ritzte, dessen Reste im Gewann „auf Löbern“ bei Neudingen 1978 ans Licht des Tages kamen -und manches andere mehr. Anlaß aber auch, um im „Almanach“ ein­ mal sich mit den Anfängen der archäologi­ schen Forschung auf der Baar zu befassen. Oberkonservator Dr. Gerhard Fingerlin, wis­ senschaftlich zuständig für die N eugestal­ tung der Abteilung Ur-und Frühgeschichte in den F. F. Sammlungen, gab das Stichwort hierzu. Der Leiter des Amtes für Bodendenk­ malpflege in Freiburg sprach davon, daß im 19. Jahrhundert die vor-und frühgeschicht­ liche Forschung in Donaueschingen eine der ersten Heimstätten des Landes hatte. Das Verdienst dabei kommt einigen herausragen­ den Männern im Dienst beziehungsweise im engeren Umkreis des Hauses Fürstenberg zu. Am Beginn steht der fürstliche Leibarzt Wilhelm August Rehmann (1792-1840). Ihm überträgt der junge Fürst Karl Egon II. im Jahr 1818, mit Beginn seines Regierungsan­ tritts, die Obhut und Pflege der im Hüfinger Schloß untergebrachten Sammlungen. Un­ ter den Mitgliedern der 1805 gegründeten „Gesellschaft der Freunde vaterländischer Geschichte und Naturgeschichte an den 113

im Schloß zu „Antiquitätensarnmlung“ Hüfingen. Um dieselbe Zeit freilich mußte sich im Meßkircher Raum der streitbare Pfar­ rer Eitenbenz, vormals F. F. Hofkaplan und Professor am Gymnasium in Donaueschin­ gen, gegen Verständnislosigkeit und Mißach­ tung römischer Bodenfunde noch zur Wehr setzen. „Unter dem Spott des deutschen und lateinischen Pöbels habe ich eine römische Niederlassung zutage gefördert“ -heißt es in seiner Schrift über die „Untersuchung einer römischen Villa bei Meßkirch“. Nach dem Tode von Leibarzt Rehmann ist von 1842 bis 1846 Carl Borromäus Aloys Fickler, ein Schüler des Freiburger Histori­ kers Heinrich Schreiber, die Seele der vor­ geschichtlichen Forschung auf der Baar. Aus seiner Feder stammen die Berichte (in der Schriftenreihe des »Altertumsvereins des Großherzogtums Baden“) über Rehmanns F. F. Leibarzt Dr. Wilhelm August Rehmann (1792-1840), der führende Kopf bei der Frei­ legung des Römerbads in Hüfingen Fürst Karl Egon II. (1796-1854) setzt 1821 eine Kommission für Ausgrabungen am Fuß des Galgenbergs bei Hüfingen ein Qyellen der Donau“ ist W. A. Rehmann der erste, der seine Aufmerksamkeit auch der Kulturgeschichte der engeren Heimat zu­ wendet. Und als Fürst Karl Egon 1821 eine Kommission für Ausgrabungen am Fuß des Galgenberges bei Hüfingen einsetzt, ist W. A. Rehmann der führende Kopf des Gre­ miums und wird mit der Grabungskam­ pagne betraut, in deren Verlauf das „Römer­ bad Brigobanne“ freigelegt wurde. Leibarzt Rehmann ist auch der Schutzbau zu danken, den der Fürst über dem freigelegten Objekt aus der Zeit Kaisers Vespasians errichten ließ. Funde aus Reihengräbern, die seit Ende der zwanziger Jahre im vorigen Jahrhundert bei Grabungen ans Tageslicht gelangten -so in Bachzimmern (1828), Döggingen (1833), Klengen und Donaueschingen-Hagelrain (je 1834) – erweitern unter W. A. Rehmann rasch den Grundstock der sogenannten 114

Ausgrabungen des Hüfinger Römerbades sowie über die Funde im Bereich des Kastells auf dem Galgenberg. Im Auftrag des Groß­ herzoglichen Ministeriums befaßt sich Gym­ nasiumsdirektor Fickler auch mit Funden aus Grabungskampagnen von Hallstatt- und Reihengräbern, unter anderem bei Mauen­ heim. Neue Anstöße für die ur- und frühge­ schichtliche Forschung bringt das 1869/70 unter Fürst Karl Egon III. geschaffene Sammlungsgebäude am Donaueschinger Karlsplatz. Die wissenschaftliche Gesell­ schaft aus dem Jahr 1805 erfahrt- nunmehr unter dem Namen „Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar“ – eine Neu­ gründung und schafft sich mit den „Schrif­ ten des Vereins“ ein Publikationsorgan, das im Abstand von 3 bis 4 Jahren nun laufend auch die Ergebnisse archäologischer Grabun­ gen in den ehemals fürstlich fürstenbergi­ schen Gebieten der Forschung zugänglich macht. In dieser dritten Ära der archäologischen Tätigkeit unter dem Mäzenatentum des Hauses Fürstenberg ist die ur- und frühge­ schichtliche Forschung auf der Baar mit dem Namen des Leibarzt(;s Emil Rehmann, eines Neffen von W. A. Rehmann, verknüpft. Seit 1842 betreut er die naturwissenschaftliche Sammlung des Fürstenhauses.1869 gehört er der von Karl Egon III. einberufenen Kom­ mission für den Aufbau und die Organisa­ tion der vom Hüfinger Schloß in den Donaueschinger Karlsbau überzuführenden Sammlungen an. Sein Interesse gilt beson­ ders der Reihengräberkultur aus dem 4.-7. Jahrhundert bis in die Zeit der frühen Chri­ stianisierung. In seine Zeit fallt im Sommer 1870 die Freilegung der alamannischen Grä­ ber am Donaueschinger Tafelkreuz, über die Susanne Buchta, eine Studentin der Archäo­ logie in Würzburg, derzeit ihre Doktorarbeit schreibt. Der Villinger Gymnasialprofessor Paul Revellio, ein Hüfinger von Geburt, ist es dann, der im Auftrag der „Reichslimeskom­ rnission“ im ersten Drittel unseres)ahrhun- Fürst Karl Egon III., der Bauherr des Samm­ lungsgebäudes am Karlsplatz, im Jahre seines Regierungsantritts (1854) derts den Kastell-Komplex am Hüfinger Gal­ genberg systematisch untersucht und die F. F. Sammlungen in Donaueschingen um weiteres wesentliches Material aus Hüfingen­ Brigobanne bereichert. Revellios Urteil aus dem Jahr 1950 über die Verdienste des Hau­ ses Fürstenberg um die archäologische For­ schung im 19. Jahrhundert möge diesen Bei­ trag beschließen: „Kaum eine andere Samm­ lung in Baden vermag das Fundmaterial von vier Generationen so geschlossen vorzule­ gen“ – dank der Tätigkeit von Männern, die in einer Zeit, als es noch keine staatliche Insti­ tution für Bodendenkmalpflege gab, archäo­ logische Pionierarbeit mit den Mitteln und Möglichkeiten ihrer Zeit geleistet haben. Lorenz Honold 115

Restaurierung der Grabanlagen im Eggwald Auf der Gemarkung Brigachtal-Überauchen Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 116

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Restaurierung der Grabanlagen im Eggwald Auf der Gemarkung Brigachtal-Überauchen Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. St. Georgen und Schwenningen am Neckar Die Beziehungen zwischen dem Kloster St. Georgen und dem Dorf Schwenningen sind schon sehr alt. Am 2.2.1095, also schon kurz nach der Klostergründung, schenkten der Ritter Manegold von Steinbrunnen und seine Gemahlin Adelheit „Gott und dem Heiligen Georg“ eine Hufe (etwa zehn Hektar) bei Schwenningen. Damals gehörte ein großer Teil von Oberschwenningen mit seiner Michaelskirche wahrscheinlich noch zum Kloster Reichenau, aber bereits 1139 nahm Papst lnnozenz II. die Besitzungen St. Georgens unter seinen besonderen Schutz, darunter auch Schwenningen. Im selben Jahr vergaben der Edelfreie Burchard und sein Sohn Hermann ihre Schwenninger Güter an das Kloster und traten dann in dessen Glaubensgemeinschaft ein. Ob diese beiden gebürtige Schwenninger waren, läßt sich nicht mehr feststellen. Aber bei denen, die im nächsten Jahr in St. Georgen Mönche wurden, wissen wir es: Das waren der Gemein­ freie Burchard und seine Söhne Conrad, Walter und Ulrich. Die übertrugen alle ihre Güter samt ihren Leibeigenen, welche sie in besaßen, Schwenningen ,,Deum et S.Georgium“, und sieben weitere Dorf­ genossen, alles Gemeinfreie, bezeugten diese Schenkung. Zur Zeit Barbarossas (1179) bestätigte Papst Alexander III. dem Kloster abermals seine 118 Schwenninger Besitzungen, namentlich die dortige Michaelskirche mit der Hälfte ihrer Zehnten. -Dann schweigen die Urkunden mehr als hundert Jahre lang. Erst 1301 wird bezeugt, daß das Kloster St. Georgen den ,,Oberen Hof“ in Schwenningen inne hatte, welcher unter dem Vogteischutz der Fürsten­ berger lag. Ziemlich sicher ist er identisch mit dem „Münchhof“, von dem im letzten Almanach ausführlich die Rede war. Außer dem Hans Münch und seinem Vater, die ihn bewirtschafteten, sind um 1360 noch zwei Dutzend andere Schwenninger Familien bezeugt, welche Klostergüter umtrieben und den Mönchen kräftig zinsten, -insgesamt rund 200 Zentner Dinkel undHaber,20Stück Geflügel, 120 Eier und soviel an Geld, daß man damals 250 Liter Wein davon kaufen konnte. Von da ab reißt die Reihe der Urkunden, welche die enge Verbindung des Klosters mit dem Baardorf belegen, nie mehr ab bis in die Neuzeit. Dabei handelt es sich um die ver­ schiedensten Dinge. Vornean stehen die Lebensverhältnisse und die Leibeigenen. Da legte Hans Münch, ,,seßhaft uf dem Münch­ hofe, und Ennely, die Wißhöptin, sin eliche frouwe“, 1420 auf das genaueste fest, unter welchen Bedingungen sie Eigenleute des Klosters bleiben wollten: Sie wollten nicht Stadtbürger werden, sich nie unter fremden

Schutz stellen, nichts von ihrem Lehenshof veräußern, und sie wollten, falls sie vertrag­ brüchig würden, dem Abt zur Strafe 100 Gulden bezahlen. – Da verkauft ein Villinger Patrizier 1433 das Eheweib eines Schwenninger Bauern samt ihren Kindern, welche sie jetzt schon hat und in Zukunft noch bekommen wird“, an den Abt von St.Georgen um fünf gute rheinische Gulden. – Da bittet 1468 die Hausfrau eines Klosterleibeigenen, sie gleich ihrem Mann als Eigenfrau aufzunehmen; das Kloster möge ihnen helfen, sie schützen und schirmen. “ “ Der älteste Lehensbrief, den wir von einem Schwenninger Hof besitzen, stammt aus dem Jahr 1382 und betrifft auch den Münchhof. Der Brief stellt einen Vertrag dar zwischen dem Kloster und den Hofbauern: Conrad Klaren und seine beiden Söhne Hans und Claus verpflichten sich, den Dinghof in Acht und Pflege zu halten, sowohl die Häuser wie die Hofstatt, das Backhaus, den Keller und den Zaun mit seinem verschließbaren Tor“. Neben den Wiesen und Äckern wollen sie insbesondere die Wälder hegen und schützen. Jedes Jahr am Gallustag wollen sie 26 Malter Frucht, 10 Hühner und 120 Eier als Zins in den Villinger Pfleghof liefern. Als besondere Auflage solle der jeweilige Inhaber den Münchhof herrichten für die Kloster­ vögte, wenn sie dort Gericht halten wollten. Unter diesen und vielen anderen Bedingungen waren der Abt und sein Konvent bereit, den großen Hof dem Bauern und seinen Söhnen zum Erblehen zu geben. Zum Schluß wurde noch festgesetzt, daß im Todesfall das Kloster nicht mehr fordern dürfe „als zwölf Pfund guter, gängiger Häller“; das entsprach dem Wert eines mittelmäßigen Pferdes. Zwölf solcher Lehensbriefe aus dem Spät­ mittelalter sind uns noch erhalten. Den über Caspar Sutter wollen wir noch herausgreifen und zwar nur wegen dessen Namen. Es war höchstwahrscheinlich sein Vorfahr Heinrich Sutter, ebenfalls ein Schwenninger, der sein Haus in Villingen dem Kloster St. Georgen verkauft hatte. Dieses Haus in der Hafner­ gasse“ gab das Kloster 1374 weiter an die “ Anbetung des Kindes: Innenseite eines Altaiflügels (oberschwäb. Meister, 2. Viertel des 16. Jahr­ hunderts), Öl Tannenholz 172 x 110,5 cm. Ursprünglicher Teil des Hochaltars der St.-Laurentius-Kirche St.Georgen/Schwarzwald, heute im Besitz der Staat/. Kunsthalle Karlsruhe. Wenn sie ihr Korn ablieferten, mögen die Schwen­ ninger Bai,ern vor diesem Altarbild in St. Georgen gekniet und gebetet haben. „ehrbare Frau Anne Mittelhofer“ um fünfzig Pfund Stüber. Und in diesem Haus wuchs vermutlich der nachmalige Schwenninger Pfarrer Martin Mittelhofer auf, der zwanzig Jahre später den Zehnten von seiner Michaels­ kirche dem Kloster stiftete, damit dieses erfolgreich zu Ende gebaut werden konnte. So verschmolz das Schicksal des Klosters immer wieder mit der Geschichte des Dorfes. Sechs ausführliche Zehnt- und Zinsrodel berichten, was die Klosterleute ihrem Gottes­ haus liefern mußten an Frucht, an Leib- und 119

an Zehnthühnern, an Eiern und an Geld. Erst waren es noch zehn Lehensgüter ge­ wesen, die dem Kloster zinsten. Nach der Reformation wurden die vier Güter des Hans Benzing zu einem zusammengefaßt, so daß fortan nur noch sieben Lehensbauern in Schwenningen genannt wurden. Freilich um­ faßte der Münchhof nun rund 200 Hektar. – Natürlich konnten die sieben Höfe nicht von St. Georgen aus direkt verwaltet werden; das geschah vom Münchhof aus, der deswegen auch abwechselnd Ding-, Meier- oder Laubenhof genannt wurde. Ob der durch den Bauernkrieg bekannt gewordene Vogt Hans Schlenker auch den Münchhof inne hatte, läßt sich aus den vor­ handenen Urkunden nicht feststellen. Möglich ist es, weil der Besitzer dieses Hofes soviel Macht im Dorf ausübte, und weil der Hof so kurz nach dem Krieg (1529) in den Besitz der Brüder Gebhard und Hans Benzing überging.Jedenfalls nahm sich Abt N icolaus außerordentlich besorgt um den Vogt an und schrieb zu dessen Verteidigungsrede einen Begleitbrief an die österreichische Regierung in Stuttgart, als Schlenker in Villingen ge­ fangen lag. Ehe die Falkensteiner das Dorf Schwen­ ningen an die Grafen von Württemberg ver­ kauften, besaßen sie drei Viertel des Zehnten der Michaelskirche zu Lehen, der Rest ge­ hörte dem Kloster St. Georgen. Nach her konnte es drei Achtel des Zehnten aus dem ganzen Dorf einziehen, der Hauptteil ging an Württemberg. Das galt auch noch nach der Reformation und bis zur Auflösung des Klosteramts im letzten Jahrhundert. Vom Jahr 1784 stammt eine Beschwerdeschrift des Löwenwirts in St. Georgen, wonach die Schwenninger Fuhrleute sonst regelmäßig bei ihm untergestellt hatten, wenn sie ihren Zehnten ablieferten. (Nach der Reformation brachten sie ihre Abgaben nicht mehr auf den Villinger Pfleghof, sondern aufs Kloster­ amt, -jedesmal ein mühevolles Unterfangen). Nun aber war ihnen von der Regierungskasse „das Zöhr- und Futtergeld“ gestrichen worden, worauf sie ihre Einkehr beim Löwen- 120 wirt einstellten. Dabei erfahren wir, daß die Schwenninger Bauern insgesamt 54 sechs­ spännige Wagen voll Frucht nach St. Georgen führten. Über die Besetzung der Schwenninger pfarr­ stelle geben die Urkunden keine klare Aus­ kunft. Seitdem es nur noch einen Pfarrer im Ort gab, lag das Recht dazu abwechselnd beim Abt von St. Georgen und beim Herzog von Württemberg. Noch 1435 hatteAigelwart von Falkenstein dem Konstanzer Bischof einen Pfarrer Camerberger von Hechingen „präsentiert“. Wer aber Pfarrer Maijer, der um 1508 an beiden Kirchen Dienst tat, vorge­ schlagen und eingesetzt hatte, bleibt unbe­ kannt. 1535 schrieb Herzog Ulrich dem Abt Johann Kern, er solle die katholischen Pfarrer in den Gemeinden, die ihm unterstanden, absetzen und an ihre Stelle evangelische Prädikanten berufen. Tatsächlich kam gleich danach ein Schweizer Prädikant nach Schwen­ ningen, aber bestimmt nicht auf Wunsch des Abts. Dieser nützte im Gegenteil die Gelegen­ heit des Interims, um 1548 den Rottweiler Priester Paulus Rieberlin in den evangelisch gewordenen Ort zu setzen. Erst nach vier Jahren konnte der Herzog den „Kirchensatz“ endgültig an sich ziehen. Bald danach (1567) wurde die Michaelskirche in Schwenningen abgerissen. Vielfältig waren die Beziehungen zwischen Dorf und Kloster. Die von dort eingesetzten Pfarrer lasen ihre Messe in der Dorfkirche und sorgten für die Armen und Kranken unter den Bauern. Der Abt stand in schlimmer Zeit für ihren Vogt ein. Das Kloster streckte den Bauern Geld vor, wenn sie Kapital brauchten, oder bürgte mindestens für sie. Die Klosterbeamten sprachen regelmäßig Recht auf dem Münchhof. Die Bauern liefer­ ten jährlich ihre Leibhühner und ihre Zinsen ab, im Sterbefall die Geldablösung für das Besthaupt und das Bestkleid. Sie leisteten mittelbar ihren Beitrag zur Erneuerung des Klosters. Und als 1479 in Schwenningen auf dem Schützenwiesle ein großes Gesellen­ schießen stattfand, da mischten sich die Mönche unter die einfachen Bauern und die

Die Schwenninger Allmend-Karte von 179 5 vornehmen Städter. Als aber das Fest jäh mit einem zweifachen Totschlag endete, da er­ griffen die Mönche hinterher schriftlich die Sache der Bauern. Seit 150 Jahren verschollen, wurde sie jetzt wiederentdeckt Im Schwenninger Stadtarchiv fanden wir 1983 in einem Bündel von Akten aus den Jahren 1832 bis 1835, die die Erschließung eines neuen Baugebietes „auf dem Bildacker“ betreffen, zu unserer Überraschung eine fest zusammengefaltete Karte von Schwennin­ gen, die wir verschollen geglaubt hatten. Sie ist 1795 von dem „examinierten und beaydigten Feldmesser“ Thomas Weyler gezeichnet worden als „Geometrischer Mit der Säkularisation des Klosters und der Angliederung St. Georgens an das Groß­ herzogtum Baden hörte die Verbindung mit Schwenningen natürlich auf. Otto Benzing Grund-Riss und Vorstellungen von der gan­ zen dem Ort Schwenningen, Herzoglich­ Würtenbergischer Herrschaft zugehörigen Allmand, ihrer Lage, Graenzen und der dadurch gehenden Weege, nebst den Namen der Plaeze und ihrer Groesse“. Daß es eine Allmend-Karte im 18. Jahr­ hundert auch für Schwenningen gegeben haben müßte, hatten wir seit langem ver­ mutet, gibt es doch vergleichbare Darstellun- , ..,J 1%“· 121

gen aus dieser Zeit auch in anderen Orten der näheren und weiteren Umgebung. Für unseren Zusammenhang interessant ist vor allem eine Allmend-Karte, die der­ selbe Feldmesser Thomas Weyler im Jahr 1797 für den Ort Weiler (zwischen Fischbach und Mariazell) zeichnete. Kann man aus der bemerkenswerten Verwandtschaft des Fami­ liennamens mit dem Ortsnamen vielleicht Rückschlüsse auf die Herkunft der ersten Schwenninger Weiler ziehen? Aus welchen Gründen unsere Karte sei­ nerzeit bei der Planung des Neubaugebietes auf dem Bildacker beigezogen wurde, ist heute nicht mehr zu ermitteln. Offensicht­ lich wurde sie aber dann auch nicht mehr gebraucht, zumal nach der 1819-1840 in Württemberg durchgeführten Landvermes­ sung neue Flurkarten zur Verfügung standen (für Schwenningen 1839). So sind es denn zufällig gerade 150 Jahre her, daß die schöne Schwenninger Allmend-Karte den Blicken der Öffentlichkeit entschwand, um nun gewissermaßen imJubiläumsjahrwieder her­ vorzutreten. Auf der Allmend-Karte von 1795 sieht man das alte Wegenetz auf Schwenninger Markung, den Neckar in seinem alten Ver­ lauf, viele alte Flurnamen und eine recht detaillierte Darstellung des Ortes selbst mit Ein Fund, der Schneideteil einer durch­ bohrten Steinhacke, ist erstes Zeugnis und Beweis für den frühen Aufenthalt von Men­ schen in der Gemeinde Nußbach. Ihr Her­ steller gehörte der Jungsteinzeit an, sie erst konnte Stein durchbohren, ihr Besitzer hatte das Leben als Nomade hinter sich gelassen, er trieb im Geutschegebiet Ackerbau, denn beim Arbeiten ist ihm sein Gerät aller Wahr­ scheinlichkeit nach zerbrochen. In Nußbach hatte also die Landwirtschaft sogleich eine Heimat, als die Menschen ihre Existenz auf eine neue, bessere Grundlage stellten. 122 Zum 700. Geburtstag: Nußbach in der Geschichte einzeln hineingemalten Häusern. Hier fin­ den sich noch Flurnamen, die auf der Karte der Landvermessung schon nicht mehr erscheinen: Ober Espele (B), Alte Leingrub (C)und Bei den Leingruben (G), Voßers Wies (Y), Ziehen (Z), Thomaswies (1), Ob und unter der kleinen Mühle (11 u. 12), der LangEspann (13), HagenEspann (17 u. 18), der Roß-oder Roosen Rhain (23), Winter Halden (24), Sommer Halden (25), Aufm Galgen (26), Am BettelStegle (44 u. 45), Schützenwiesle (57), Im Helgle (58), Im Steinbruch (60), Beis Veitenbaum (61), Am Hochsträßle (62, 66 u. 67). Die Karte ist in zarten Tönen koloriert. „Die bereits umgebrochene Felder sind mit rother, diejenige aber, welche noch jezt zum Waidgang benutzt werden, mit grüner Farbe bezeichnet. Das Moos aber, d. h. derjenige Plaz, auf welchem der Torff gestochen wird, ist durch eine dunklere Farbe von dem lez­ tern unterschieden.“ Eine Ausstellung der Originalkarte (88 x 90 cm) im Schwenninger Museum ist im Blick auf ihren Erhaltungszustand auf abseh­ bare Zeit unmöglich. Stattdessen haben wir im Herbst 1983 einen Nachdruck (49 x 50 cm)herausgebracht, den wir in diesem Alma­ nach vorstellen. Manfred Reinartz Von dieser frühesten Kunde menschli­ chen Aufenthalts läßt sich bis ins hohe Mit­ telalter keine Kontinuität feststellen. Im Dunkel bleiben muß auch, woher die ersten Siedler kamen und wer dem Dorf den Namen gab. Er wird mit der einstigen Häu­ figkeit von Nußbäumen erklärt, wie auch das Gemeindesiegel den Nußbaum führt. Die Rodungskolonisation von Althornberg, aber auch die gleichzeitige vom Kloster St. Geor­ gen her muß seit 1084 solche Fortschritte gemacht haben, daß 200 Jahre später ein „her Johannes von Nußpach“ als Zeuge eines

Gasthaus »Frieden“ in Nußbach Rechtsaktes genannt werden konnte, bei dem es um ein Gut in Pfohren und um ein Haus in Villingen ging (1284). Nach zwei Jahrhunderten der Plackerei war der Kampf gegen Urwald und Ödland gewonnen. Bereits 1200 soll an der Stelle der heutigen Kirche eine Kapelle erbaut worden sein, 1250 soll der Feißenhof gestanden haben. Die Arbeit der ersten Siedler war von Dauer, und kein Krieg und keine Einquartierung, keine Seuche und keine Ungunst der Witterung konnte ihren Fortgang aufhalten. Tiefes Dunkel senkt sich während des Mittelalters wieder über dieses Dorf; wer auf kargen Böden um seine Existenz ringt, legt nicht auch noch ein Archiv an. Dörfer hatten im allgemeinen in dieser Zeit eigene Kompe­ tenzen, die Aufsicht über die der Landwirt­ schaft zugeordneten Betriebe (Schmieden, Mühlen), die niedrige Gerichtsbarkeit unter­ stand dem Dorfgericht, und alle diese Auf­ gaben wurden von Bauern wahrgenommen. Eine Liste von Leibeigenen aus dem Jahr 1450 kam in Wien vor kurzem wieder ans Licht. Leibeigene in Nußbach gehörten zu „ Wirtenberg“, zu den Klöstern St. Georgen und Waldkirch, viele Menschen waren aber auch Leibeigene „königlicher Majestät“. Jahrhundertelang war das Schicksal Nuß­ bachs mit dem der Herrschaft Triberg auf Gedeih und Verderb verbunden, d. h. es war im Besitz des Erzhauses Österreich von 1355 bis 1640 ganzen 18 Verpfändungen aus­ gesetzt, wobei die Pfandherren sich zu berei­ chern versuchten, ein anderes Interesse an ihren Herrschaftsuntergebenen kaum hatten und dazu die Vögte anstellten. Die Habsbur­ ger hielten sich an das Versprechen, nach dem Loskauf aus der Pfandherrschaft (1640), Triberg nie wieder zu verkaufen bzw. zu verpfänden. Und so blieb die Raumschaft bis 1806 bei Vorderösterreich. Zu wiederholten Malen besitzen wir die Zählung der Höfe in Nußbach. 1608 und 123

1654 waren es 36 Höfe, 1669 zählte das Dorf 49 Höfe und 181317 ganze, 8 halbe Höfe und 5 Viertelbauern. Die Q!]ell.en sind voll von Klagen über das rauhe Klima und den kargen Boden, so galt es auszuschöpfen, was immer sich dazu eignete. Der Wald schied dabei größtenteils aus, er war „eher der Feind des Bauern“ (Liehl/Sick: Der Schwarzwald -Für den, der mehr erfahren möchte, 1980, S. 395), er war zugunsten von Ackerland und Weid­ feld zurückgedrängt worden. Große Hoff­ nungen wurden 1744 auf die Eröffnung zweier Bergwerke gesetzt. Silber, Blei und Kupfer, Schwerspat, Jaspis und Achat, Ko­ balt, Eisen und Kalk glaubte man in ausrei­ chendem Maße schürfen zu können in den beiden Gruben „Der Weg zum Achat auf Hirschwald“ und „Die Schlangen am Baum auf dem Falkenberg“. Obervogt Franz Mein­ rad von Pflummern erwarb sich mit den Regierungs-und Kammerräten von Bosier und von Blümeggen die Rechte. ,,Die Berg­ werke wurden sogleich aufgethan, einige Jaspis-und Agatsteine emporgebracht und einige hundert Gulden aufgeopfert, als der Krieg sowohl den Bergbau, als die Bearbei­ tung der Steine und die Verdebitierung schwierig und unausführbar machte.“ (Hi­ storisch-topographisch-statistisches Lexikon von dem Großherzogtum Baden von J. B. Kolb, S. 337). Noch einmal wurde 1840 mit der Grube Jakob“ der Versuch gemacht, Schätze aus dem Erdinnern zu gewinnen, doch brach auch dieses Unternehmen bald wieder zu­ sammen. Ein dauernder Erfolg war auch trotz der Anstrengungen des Obervogtei­ amtes Triberg der Verwertung des Lehms im Liemet nicht gegönnt. Was auf diese Weise nicht zu erreichen war-der Armut Herr zu werden-wurde auf verschiedenen anderen Gebieten versucht. Die Uhrenherstellung war eine der Möglich­ keiten. Nußbach war es zwar nicht gegeben, ein Zentralort der Uhrenfabrikation zu wer­ den wie etwa Schonach, Schönwald oder Furtwangen, doch hatten die Berufe, die irgendwelche Uhrenteile herstellten, in Nuß- 124 bach einen festen Platz. Nach einem offen­ bar langsamen Anlauf zu Beginn des vorigen Jahrhunderts -Nußbach zählt 1833 bereits 52 Uhrmacher -überwiegen die Berufe in der Uhrenherstellung und im Uhrenhandel an seinem Ende eindeutig; eine Statistik von 1905 zählt 25 Familien, die mit der Anferti­ gung von Uhrenkästen beschäftigt waren. 1906 lebten in Nußbach neun Uhrenbe­ standteilmacher, zwei hatten sogar Wasser­ kraft, zehn Uhrengestellmacher, zwei Uhren­ kastenschreiner, ein Uhrenschildmaler und acht Uhrmacher. In zeitlicher Parallelität zu dieser Auf­ wärtsbewegung verbreitete sich das Stroh­ flechten, das zur Freizeitbeschäftigung schlechthin -und nicht nur im Winter – wurde. Die Initiative des Obervogts Huber hatte durchschlagenden Erfolg. Die Herstel­ lung von Hüten, Taschen und Hausschuhen aus Stroh hatte Hochkonjunktur, der Han­ del mit ihnen erreichte sogar die Neue Welt. Mit dem Bau der Schwarzwaldbahn (1867-73) und der Einrichtung einer eigenen Bahnstation fand das Dorf neben der Durch­ gangsstraße eine weitere Möglichkeit der Mobilität und des Anschlusses an die Ent­ wicklung der Industrialisierung und den technischen Fortschritt. Die beiden Welt­ kriege mit ihrem namenlosen Leid in ihrem Gefolge unterbrachen alle guten Ansätze, dennoch mußte das Leben weitergehen. Die Landwirtschaft wurde modernisiert, auf Gemeindeinitiative hin wurden Zufahrts­ straßen zu den Höfen gebaut, Holzabfuhr­ wege angelegt, neue Wohnmöglichkeiten erschlossen, ein modernes Schulhaus, ein Feuerwehrgerätehaus erstellt. Handwerk und Gewerbe stehen auf einem soliden Funda­ ment. Das Vereinsleben entfaltet eine reiche Aktivität und schafft vielfältige Formen der Kommunikation. Das gepflegte Dorf haben viele Gäste liebgewonnen und suchen es Jahr für Jahr zu ihrer Erholung auf. Karl Volk

900 Jahre Weiler Seit den siebziger Jahren ein Ortsteil von Königsfeld In der „Geschichte des Klosters St. Geor­ gen, dermalen zu Villingen gegeben den 23. 4.1786″, aufbewahrt im Archiv des Benedik­ tinerstifts St. Paul in Kärnten, wird im Zusammenhang mit der Gründung des Klo­ sters 1083 ein He rman us de v ilere genannt. Zwischen 1122 und 1132 befand sich der Feldsee im Besitz eines gewissen Reginhard von Weiler, der, wie der Rotulus Sanpetrinus berichtet, zusammen mit seiner Ehefrau dem Kloster St. Peter neben einer Hube Land beim Dorf Zarten die Hälfte des Sees beim „Ueltperk“ (Feldberg) schenkt. Im Rottweiler Urkundenbuch ist zu lesen, daß 1306 ein Berthold von Weiler, Bürger von Rottweil, dem dortigen Spital ein Gut in Feckenhau­ sen und einen halben Hof zu Wehingen schenkt. Vielleicht war er es, der seinen Besitz an Eiteleck von Reyschach, der auf dem Mägdeberg saß, veräußerte, denn dieser ver- kaufte seinerseits „Schloß und Sitz Weyler, uff dem Schwarzwald gelegen, mit sampt den Häusern, Scheuren, Hofraitinen und Krautgärten … mit allen seinen Rechten“ an Ludwig Reyff, genannt Weiterer von Bleydeck. Weiler hatte also ehemals einen adligen Dorfherrn. Das Schloß wird später nicht mehr erwähnt, es ist auch keine Spur von ihm zurückgeblieben. Im 15. Jh. hatten reiche Patrizier von Rott­ weil die Herrschaftsrechte in Weiler. Es war Bernhard Hagg, der 1445 die Hälfte der Vog­ tei und des Gerichts von Weiler an GrafLud­ wig von Württemberg verkaufte. 1452 erwarb dieser von Heinrich Hagg die andere Hälfte. Damit war das ganze Dorf württem­ bergisch geworden. Jahrhundertelang waren in Weiler nur 9 Lehenshöfe vorhanden. Bis zum Ende des 16.Jh. nutzten die Hofbauern allein die 125

ganze Gemarkung. Das zahme Feld (Äcker und Mähwiesen) war Eigentum der einzel­ nen Bauern. Das Wildfeld diente ursprüng­ lich nur zur Weide und war gemeinsamer Besitz, also eine Allmend. Die Bauern waren nicht in der Lage, ihren Hof allein mit den Kräften ihrer Familie zu bewirtschaften. Neben Knechten und Mägden hatten sie die Hilfe der Taglöhner. Diese hatten keinen Besitz und lebten nur von der Arbeit bei den Bauern, in deren Höfen sie mit ihren Fami­ lien wohnten. Sie waren größtenteils Nach­ kommen der Bauern. Da nach altem Brauch der Hof an den jüngsten Sohn vererbt wurde, blieb den Geschwistern oft nichts anderes übrig, als bei ihrem Bruder in dienender Stel­ lung zu bleiben. Im letzten Jahrzehnt des 16. Jh. wurde den Taglöhnern durch die Obrig­ keit dazu verholfen, sich „heußliche Under­ schleuffe“ (häuslichen Unterschlupf) auf der Allmend zu erbauen, die man Taglöhnerher­ bergen nannte. Durch „unerläßlich amtliches Zusetzen“ ließen die Bauern sich bewegen, den unter ihnen wohnenden Taglöhnern ein Stück Wildfeld zum Anbau von Getreide zu geben. Außerdem erhielten diese das Recht, jeweils 2 Stück Vieh auf die Weide zu treiben und 2 Klafter Holz im Wald zu schlagen. Aber schon 1603 und dann wieder 1621 beklagten sich die Taglöhner „zu vielen Malen“ beim Oberamt in Hornberg. Die Bauern versuchten, ihre früher unter dem Druck der Obrigkeit gemachten Zusagen teilweise rückgängig zu machen. Zudem ver­ langten sie von den Taglöhnern Bodenzins für die Herberge, den Backofen und den Krautgarten mit der Begründung, die Häus­ chen ständen auf ihrem Eigentum. Der 30jährige Krieg ließ den Streit ver­ stummen. 1634 wurde Weiler von Villinger Reitern niedergebrannt. Nach dem Krieg saßen größtenteils andere Geschlechter auf den Höfen. Sobald wieder geordnete Ver­ hältnisse eingetreten waren, begann der alte Streit aufs neue. 1685 wurde in Hornberg endlich eine gerichtliche Klärung der Rechtsverhältnisse 126 vorgenommen. Die Bauern erklärten, daß die von den T aglöhnern so bezeichnete All­ mend ein zu ihren 9 Höfen gehörendes Wildfeld sei, ebenso sei es mit dem Wald. Das sei seit unvordenklichen Zeiten so gewe­ sen, was sie davon den verbürgerten Taglöh­ nern zur Nutznießung gäben, geschehe aus freiem Willen; es sei diesen bisher folgendes zugestanden worden: 1.Zu jeweils 3jähriger Nutzung ein Stück Wildfeld von der Größe, um 4 Simri Frucht ansäen zu können. 2.Aus dem Wald 2 Klafter Holz gegen Bezahlung von 20 Kreuzern. 3.Jeder Taglöhner dürfe eine Kuh auf die Weide treiben gegen 8 Kreuzer Weidgeld. Werde die Kuh alt, so sei gestattet, ein jun­ ges Stück daneben aufzuziehen, bis es melkend geworden sei. Dafür seien wei­ tere 30 Kreuzer zu zahlen. 4.Für eine Hofstatt oder ein Stück zu einem Krautgarten sei ein jährlicher Zins von 6 Kreuzern, für einen Backofenplatz 2 Kreuzer zu entrichten. Die Taglöhner sollten beweisen, ob es je anders gewesen sei. Diese beharrten aber auf ihrer Überzeugung, Wildfeld und Wald seien nicht Eigentum der Bauern, sondern Ge­ meindebesitz, also eine Allmend. Da auch die Taglöhner Bürger der Gemeinde seien, stünden ihnen dieselben Rechte zu wie den Bauern, diese dürften deshalb keine Abga­ ben von ihnen fordern. Im Urteil stellte sich die herzogliche Kanzlei ganz auf die Seite der Bauern. Sie wurden erneut „in ihre uralten, wohlhergebrachten Gerechtsame“ einge­ setzt. Die Taglöhner gaben sich aber damit nicht zufrieden. In den Jahren 1726-1735 versuch­ ten sie wiederholt in Hornberg recht zu bekommen, wurden aber stets auf das Urteil von 1685 verwiesen. 1747 gingen 2 Depu­ tierte ohne Wissen des Oberamts nach Stutt­ gart. Dort ließen sie sich ihre Gesuche von einem Kanzleiadvokaten aufsetzen, der ihnen Mut machte, da sie für eine gerechte Sache kämpften. 17 49 bestimmte aber ein herzoglicher Ent-

scheid, es habe beim Rechtsspruch von 1685 zu bleiben. Trotz Strafandrohung legten die Taglöhner weitere Gesuche vor. Anfang 17 52 wurden deshalb 6 Deputierte 14 Tage bei Wasser und Brot eingesperrt. Matthias Pal­ mer zählte 683 Tage, die er in diesen Jahren als Deputierter unterwegs war.1766 waren es erstmals die Bauern, die den Klageweg beschritten. Sie brachten vor, die Taglöhner würden mehr als die ihnen zustehenden 2 Klafter Holz schlagen, sie zahlten kein Weid­ und Holzgeld mehr und ebenso wenig den Zins für Hofstatt und Backofen. Das Verhält­ nis der beiden Bürgerklassen wurde dadurch aufs äußerste gespannt. Der Oberamtmann schrieb in einem Bericht, die Taglöhner würden ihre Sache mit einem solchen „enthusiastischen Furore“ vertreten, daß wirklich Mord und Totschlag bei diesen verhetzten Leuten zu befürchten sei. Alle gütigen Versuche des Oberamt­ manns, alle Befehle und Strafen nützten nichts 11?-ehr. Jetzt wurde härter zugegriffen. Als die Taglöhner 1769 wieder 9 Deputierte nach Stuttgart schickten, bestrafte man den Anführer mit 6, die übrigen mit 4 Wochen Arbeit auf der Festung Neuffen. Im Kriegsjahr 1796 baten die Taglöhner darum, die Obrigkeit möge auf die Bauern einwirken, daß sie den T aglöhnern bei den gegenwärtigen bedrängten Zeiten vom All­ mendfeld 2 Morgen an jede Familie unent­ geltlich abtreten würden. Seit dem Urteils­ spruch von 1685 war die Einstellung der Regierung dieselbe geblieben. Sie betrachtete die althergebrachten Rechte der Bauern als unantastbar. Es waren die Auswirkungen der französischen Revolution, die darin einen Wandel brachten. Jetzt erhielt der Oberamt­ mann von Liebenstein den herzoglichen Befehl, durch jede zweckdienliche Vorstel­ lung die Bauern dahin zu bringen, ,,daß sie der Taglöhnerschaft gemäß ihres Gesuchs teils durch unentgeltliche Abtretung einer ausreichenden Anzahl Morgen Allmenden, teils durch Einräumung eines verhältnismä­ ßigen Genusses aus den Waldungen und von der Viehweide aufhelfen möchten.“ Nach anfänglicher Weigerung traten die Bauern schließlich 200 Morgen Wildfeld an die Taglöhner ab und verzichteten auf die bisher geforderten Abgaben. Im selben Jahr ergab sich für 19 der 28 Tag­ löhner die Möglichkeit, gemeinsam den Ste­ genvogtshof zu kaufen und den Besitz unter sich aufzuteilen. Bald darauf erreichten die Bauern mit Unterstützung des Oberamt­ manns, daß die Verteilung des Waldes geneh­ migt wurde. Jeder Bauer erhielt 58 Morgen und mußte jährlich 7 Klafter Holz an die Taglöhner abgeben. Die 19 Hoftagelöhner bekamen zudem 1/19 eines Bauernanteils als Eigentum. Damit hatte der 200 Jahre lange Streit zwischen Taglöhnern und Bauern ein Ende gefunden. Jahrhundertelang bildete Weiler mit Erd­ mannsweiler und Burgberg zusammen den Stab Weiler. Das änderte sich nicht, als 1810 die Gemeinden des bisherigen Oberamts Hornberg dem Land Baden zugeteilt wur­ den. 1804 kaufte die Herrnhuter Brüderge­ meine den zum Stab Weiler gehörenden 276 Morgen großen Hörnlehof, auf dessen Gelände im wesentlichen der heutige Kurort Königsfeld später entstand. In einer Gemein­ deversammlung, die in der Stabswirtschaft in Weiler stattfand, stimmten die Bürger von Weiler, Erdmannsweiler und Burgberg 1805 der Loslösung des Hörnlehofes vom Stab Weiler zu. 1847 stellten Weiler und Erd­ mannsweiler beim Ministerium in Karlsruhe den Antrag aufTrennung der 3 Stabsgemein­ den. Man hoffte, den verschiedenen Verhält­ nissen und Interessen besser gerecht zu werden, wenn jedes Dorf seine eigene Ver­ waltung hätte. Mit Gesetz vom 2. 12. 1850 erfolgte dann die Erhebung der 3 Orte zu selbständigen politischen Gemeinden. Durch die Verwaltungsreform unserer Tage verloren sie wieder ihre Selbständigkeit und sind jetzt Ortsteile der Gemeinde Königs­ feld. Willi Mößner 127

Das Luftschiff Z 1 über Donaueschingen Kaiser Wilhelm II. und Graf Zeppelin zu Gast bei Fürst Max Egon II. vor 75 Jahren Am 7. November 1983 jährte sich zum 75. Erbprinzen Karl Egon, Graf Almeida und Mal ein großes Ereignis für das Fürstenhaus Baron Reisebach eingefunden. Außer der und die Stadt Donaueschingen. Knapp 3 Donaueschinger Feuerwehr und den Schul­ Monate nach dem katastrophalen Groß­ kindern, die Spalier standen, wartete eine brand der Stadt am 5. August 1908 etwartete große Menschenmenge auf die Ankunft des man als Jagdgast des Fürsten Max Egon II. Kaisers und jubelten ihm und seinem Ge­ (1863-1941) Kaiser Wilhelm II. Zu Ehren und folge zu. Während der Begrüßung durch den zur Begrüßung des deutschen Kaisers gab es Fürsten Max Egon II. und den Donaueschin­ an demselben Tag noch das Luftschiff Z 1 ger Bürgermeister Hermann Fischer erschien über Donaueschingen zu bestaunen. An in langsamer Fahrt in 250-300 Meter Höhe Bord, d. h. in der Gondel des „Zeppelin“, über dem Bahnhof unter großem Jubel der saßen Graf Zeppelin, der Erfinder dieses Bevölkerung das Luftschiff. Luftschiffes, und Kronprinz Wilhelm, der Nach der Fahrt mit Kutschen durch den Sohn des Kaisers. Park zum Schloß, wo die Fürstin Irma mit Der kaiserliche Hofsonderzug mit dem den Prinzessinen und Prinzen den hohen Kaiser und seinem Hofstaat traf am Samstag, Gast begrüßten, hatten Kaiser Wilhelm II. und Fürst Max Egon II. im Schloßhof auf die den 7. November, kurz vor 14.00 Uhr im geplante Überfahrt des Luftschiffes gewartet. Bahnhof Donaueschingen ein. Zum Emp­ fang hatten sich Fürst Max Egon II. mit dem In der Zwischenzeit hatte es über dem riesi- Das LufischiffZ 1 über dem Donaueschinger Schloß 128

‚ Wilhelm II., in grüner Jagduniform mit weitem Umhang (rechts) und Fürst Max Egon II., in der Uniform des Garde du Corps, bestaunen vom Schloßhof aus den Luftriesen gen Brandplatz von Donaueschingen einige Schleifen gedreht, um fotografische Aufnah­ men von den Brandruinen zu machen. Wie es üblich war bei Kaiserbesuchen, trug Fürst Max Egon II., den langjährige freundschaftliche Beziehungen mit dem Kai­ ser verbanden, die Uniform des Garde du Corps. Der Kaiser war in der grünen J agduni­ form mit weitem Umhang angereist. Beide bestaunten vom Schloßhof aus die Über­ fahrt des „Zeppelin“ und nahmen Briefe in Empfang, die Kronprinz Wilhelm an den Kaiser, die Kronprinzessin und den Fürsten gerichtet und über dem Schloßhof abgewor­ fen hatte. Wenn man so will, Luftpost aus der Anfangszeit. In der Zwischenzeitwaren vom Bahnhof her die vielen Schaulustigen auf die Museumswiese geeilt, um das Schauspiel aus nächster Nähe miterleben zu können. „Der Kaiser, der Fürst und die hohen Gäste verfolgten vom Schloßportale aus mit sichtlichem Interesse den wunderbaren und ruhigen Flug; schon als das Luftschiff noch hinter den hohen Parkbäumen versteckt war, hörte man das Surren und Brummen der Motoren und der Propeller“, so berichtet die Donaueschinger Volkszeitung, ,,Der Donau­ Bote“, am 10. November 1908 unter der Überschrift: ,,Ein großer Tag in Donau­ eschingen, Kaiserempfang und das Erschei­ nen des Zeppelinischen Luftschiffes zur Begrüßung des Kaisers“. Nach zweimaliger Überfahrt (ein Luft­ schiff fahrt bekanntlich, es fliegt nicht!) drehte das riesige Monster wieder ab in Rich­ tung Bodensee. Das erstmalige Erscheinen eines lenkbaren starren Luftschiffes über dem fürstlichen Schloß und der Stadt Do- Gruppenaufnahme vom 8. November 1908 vor dem Hauptportal des Schlosses,· im Vordergrund (von links): Fürstin Irma, Fürst Max Egon II., Graf Zeppelin, Wilhelm II., Geheimrat Prof Dr. Hergeseti der“ Vater der Luftschiff-Technik“ 129

Gast und Gastgeber auf der Museumswiese vor dem Schloß (von links): Fürstin Irma, Wilhelm Jl, Fürst Max Egon Il naueschingen, eigens zur Begrüßung des Herrschers aufgestiegen, hinterließ, wie aus den damaligen Berichten zu entnehmen ist, bei allen, die es gesehen, einen nachhaltigen Eindruck. Nach 6 1f2stündiger Fahrt erfolgte um 17.50 Uhr auf dem Wasser des Bodensees vor Manzell bei völliger Dunkelheit wieder eine glatte Landung, das Luftschiff wurde von einem kleinen Bodenseeschiff in eine eigens erbaute Ballon-Halle gezogen. Auf Einladung des Fürsten erschienen tags darauf Graf Zeppelin und der Vater der Technik, Prof. Dr. Hergesell, zu einem Ein­ tagebesuch im Donaueschinger Schloß. Sie mußten ausgiebig über Einzelheiten berich­ ten, und der Kaiser sprach ihnen seinen Bei­ fall für die vorzügliche Leistung aus. Nach einem Empfang und einem nachfolgenden Essen im Schloß wurde vor dem Hauptpor­ tal eine Gruppenaufnahme gemacht, die heute noch vorhanden ist. Sie zeigt neben dem Kaiser die Hauptperson, links Ferdi­ nand Graf von Zeppelin sowie rechts Ge­ heimrat Prof. Dr. Hergesell und die gesamte fürstliche Familie mit Gästen und dem Hof­ staat. 130 Am 10. November erlebte Manzell, bei Friedrichshafen, seinen größten Tag in der Geschichte. Der Kaiser wollte die dortigen Werftanlagen, den „Zeppelin“ und die noch im Bau befindlichen weiteren Luftschiffe und erste Aluminiumkonstruktionen aus nächster Nähe besichtigen. Mit dem Sonder­ zug von Donaueschingen kommend, traf er, sein Gefolge und die fürstliche Familie um 13 .00 Uhr in Manzell ein. Auch dort war eine riesige Menschenmenge versammelt. Mit der Motorbarkasse „ Württemberg“, die kaiser­ liche Standarte am Mast, ging es zur schwim­ menden Ballonhalle, in der das Luftschiff befeits klar zur Abfahrt stand. Außer dem Grafen Zeppelin, seinem Steuermann Lau und seinem Ingenieur Stahl fuhren einige Herren vom kaiserlichen Hofstaat, Fürst Max Egon II. und Fürstin Irma mit. Nach einer einstündigen Fahrt, die auch um das Schloß Heiligenberg führte, kehrte „der herr­ liche Luftriese“, nach Paradevorführungen und Beweisen seiner Leistungsfähigkeit, wie­ der mit glänzender Landung in seine Halle zurück. Dann ging Kaiser Wilhelm II. auf Graf Zeppelin zu, hielt eine Ansprache, in welcher er Graf Zeppelin als „Stolz des Vater-

landes“ bezeichnete, darauf hängte er dem sichtlich überraschten Grafen das Band des „Schwarzen Adlerordens“ um und ernannte ihn zum Ritter des allerhöchsten preußi­ schen Ordens. Der Jubel der beiwohnenden Menschenmenge war groß. Die Rückfahrt mit dem Hofsonderzug er­ folgte um 16.00 Uhr, auch Graf Zeppelin ist „in seiner Luftschifferjoppe, aber mit dem Band des Schwarzen Adlerordens darüber“ mitgefahren, um am Abend an der kaiserli­ chen Tafel im Schloß teilzunehmen. Zur Erinnerung an den denkwürdigen Tag der Überfahrt des „Zeppelin“-Luftschif­ fes Z 1 über seinem Schloß ließ Fürst Max Egon II. an der Fassade des Schlosses in Donaueschingen, rechts vom Hauptportal, eine bronzene Gedenktafel anbringen. Die 111 cm hohe und 56 cm breite Bronzetafel, An der Fassade des Schlosses in Donaueschingen: Gedenktafel zur Erinnerung an den Tag der ,, Überfahrt“ des Z 1 über dem Schloß in Donau­ eschingen Die Nacht deren Ausführung Bildhauer Sauer über­ nahm, wurde genau ein Jahr später, am 17. November 1909, anläßlich eines erneuten Jagdaufenthaltes im Beisein des Kaisers Wil­ helm enthüllt Während auf dem unteren Teil der Tafel die Namen sämtlicher Gäste und Mitglieder des Hauses Fürstenberg, die das unvergeßliche Schauspiel erlebt hatten, aufgeführt sind, und der Kopf der Tafel mit dem Allianzwappen Fürstenberg-Schön­ born geschmückt ist, beginnt der Text wie folgt: ,,7. Nov.1908-Zu Ehren der Ankunft Sei­ ner Majestät des Kaiser Wilhelm II. traf am 7. November 1908 Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff Z 1, mit Seiner Kaiserlichen Hoheit, den Kronprinzen Wilhelm an Bord, genau zur Tags zuvor angesagten Stunde, von Manzell kommend, um 2 Uhr nachmit­ tags bei klarem, schönem Wetter vor dem Schloß ein und paradierte über dem Schloß­ hofe. Von Allen, die das Glück hatten, diesen unvergeßlichen Augenblick mitzuerleben, mit begeistertem Jubel begrüßt“. Georg Goerlipp Hell und klar, Wunderbar, Sternennacht, W eiche Pracht. Frühlingslau, Sommerblau, Kühle Nacht, Ruh‘ gebracht. Herbstlich mild, Lieblich Bild, Winternacht, Stille Wacht. Herrgottsnah, Christ ist da Heil’ge Nacht, Himmelsmacht Johannes Hawner 131

Als die Bomben auf das Landratsamt fielen Vor 40 Jahren fanden über 40 Zivilisten im alten Donaueschinger Landratsamt den Tod Endphase des Zweiten Weltkrieges: 22. Februar 1945. Der Donaueschinger Chronist spricht von einem „Dies ater“. Ein „schwar­ zer Tag“ in der neueren Geschichte der Stadt. Es ist Donnerstag gegen 13.45 Uhr, als ein schwerer Bombenangriff das Landratsamt, Max-Egon-Straße 21, in der Zeit von weni­ gen Minuten bis auf die Grundmauern zer­ stört. Über 40 Personen sind bei diesem Angriff allein unter den Trümmern des Landratsamtes geblieben, unter ihnen Land­ rat Rudolf Binz mit seiner Familie. Der Almanach 85, das Heimatjahrbuch im Schwarzwald-Baar-Kreis, nimmt den 40. Jahrestag zum Anlaß, das damalige Gesche­ hen in die Erinnerung zu rufen. Der nachfol- genden Darstellung liegt im wesentlichen die „Chronik der Stadt Donaueschingen“, Jahr­ gang 1945, zugrunde (der Kürze halber zitiert: Chronik). Der damalige Chronist stützt sich – von eigenen Erlebnissen abgese­ hen – auf Auskünfte aus dem Donaueschin­ ger Rathaus, die nach der Stunde O unter Leo­ pold Messmer von Beamten seines Hauses sowie Mitgliedern des Gemeinderats ihm gegeben wurden. Für mündliche Informatio­ nen dankt der Autor dieses Beitrages: 1. Frau Kreisamtmann i. R. Else Doser, Jahrgang 1905; als Beamtin der Kreisverwaltung, die vor dem genannten Termin bereits nach Bräunlingen ausgesiedelt war, hat sie den Angriff in Donaueschingen nicht persönlich Die Stätte, wo das alte Donaueschinger Landratsamt stand. Im Hintergrund die stark beschädigte Evangelische Kirche. Reproduktion nach einer farbigen Zeichnung aus dem fahre 1947 von W Merz­ Ziegler. 132

erlebt, zählte aber seit 1936 -nach der Auf­ hebung des Bezirksamtes Engen -zum enge­ ren Personalbestand des Donaueschinger Landratsamtes. 2. Der Donaueschinger Pia­ nistin Liese! Haager, die lange Jahre durch gemeinsame Haus-und öffentliche Kon­ zerte mit Landrat Binz aufs engste verbun­ den war. Die schwersten Sprengbombenangriffe in der Endphase erlitt die Stadt am 22. und 25. Februar. Gegen 13.45 am 22. Februar waren es Bombenteppiche und Reihenwürfe, die das Zentrum Donaueschingens zum Ziel hatten: Poststraße, den unteren Teil der Max­ Egon-Straße, die Herdstraße, Zeppelinstraße und die Käferstraße sowie im neuen Stadtteil die Goethestraße. Insgesamt wurden 38 Häu­ ser total zerstört und 38 mittelschwer beschä­ digt, unter den letzteren die evangelische Stadtkirche. Völlig in Trümmer sank der mehrstöckige Bau des Landratsamtes. ,,In seinem scheinbar sicheren Keller fanden sehr viele Menschen den Tod: Beamte und Angestellte des Land­ ratsamtes und etwa ( ! ) 25 weitere Personen. Die ganze Familie des Landrats Binz kam ums Leben. Dort war auch das Warnkom­ mando untergebracht, meist junge Mädchen, die als Luftschutzhelferinnen eingezogen waren, und außerdem hatten Leute aus der Nachbarschaft dort vermeintlichen Schutz gesucht“ (Chronik). Landrat Binz hatte sich während des Angriffs im Durchgang zum Luftschutzkel­ ler aufgehalten. ,,Er saß auf einem Stuhl, als ob er noch am Leben wäre“ -so der Bericht eines Helfers bei der Bergung. Unter den Toten im Kellerwaren Frau Hilde und Toch­ ter Eva Binz, die beim Auffmden noch schwache Lebenszeichen zeigte, jedoch nicht mehr zu retten war. 14 Tage zuvor war auf dem Rückzug bei Warschau der einzige Sohn der Familie, Rudolf, gefallen. Unter den Toten im Landratsamt auch Regierungs­ rat Dr. Heimlich. Erst im Januar 1945 war er von einem Einsatz im Osten wieder auf seine Dienststelle in Donaueschingen zurückge­ kehrt. Altlandrat Binz, Donaueschingen Über RudolfBinz, seit dem 5. April 1937 Landrat in Donaueschingen, urteilt die ,,Chronik“: ,,Er war ein hochbegabter, allge­ mein geschätzter und geschickter Verwal­ tungsbeamter. Als ungewöhnlich befähigter Musiker verdanken ihm und seiner Familie die Stadt Donaueschingen und ihre Musik­ kreise sehr viel“. In seinen Studienjahren war er lange unentschieden, ob er Jura studieren oder die Musik als künftigen Beruf wählen solle. Er spielte Klavier und Geige, beteiligte sich aktiv an Konzerten im Kindersolbad, im Lazarett und bei militärischen Veranstaltun­ gen. Er war Initiator der Hauskonzerte für Klavier-und Kammermusik in seiner Woh­ nung im Gebäude des Landratsamtes, wo zwei Flügel dem kleinen Musikkreis aus Zivi­ listen und Soldaten zur Verfügung standen. ,,Ein Musiker von Berufung und musikali­ scher Partner von hoher Bildung, wie man ihn selten findet“ -so die Donaueschinger Pianistin Liese! Haager. Erst am 2. März wird ein Teil der Bomben­ opfer des 22. Februar, darunter die Toten aus 133

dem Landratsamt, beigesetzt -hinter dem dörflichen Friedhof oberhalb Allmendsho­ fen: „Dreimal 12 rohgezimmerte Särge sind nebeneinander aufgereiht, nur mit Kreide stehen die Namen flüchtig aufgeschrieben, alles Zivilisten, viele Frauen und Kinder“ (Chronik). An den Särgen der Zivilisten verrichtet der protestantische Pfarrer seinen Dienst -und gleichzeitig spricht dicht ne­ benan der katholische Geistliche den Segen der Kirche über einer großen Zahl von Solda­ tengräbern; es handelt sich um Wehrmachts­ angehörige, die am Sonntag, den 25. Februar, beim Bombenangriff auf die Kasernen ums Leben kamen. Die Wehrmacht ist durch Offiziere vertreten. Bürgermeister und Orts­ gruppenleiter der NSDAP sind nicht anwe­ send. „Nur die Geistlichen haben das Wort. Man findet die Beschränkung auf das Wesentliche wohltuend“ (Chronik). Den Luftangriffen war Donaueschingen ziemlich schutzlos ausgeliefert. Nicht viel sicherer als die Privathäuser die öffentlichen Luftschutzräume im Rathaus, in der F. F. Kammer, im F. F. Archiv und an sieben wei­ teren Stellen. „Große Bunker, wie sie seit Jah­ ren in vielen Städten gebaut wurden, konnte der örtliche Luftschutzleiter, Bürgermeister Sedelmeyer, nicht bauen lassen; sie wurden nur für Luftschutzorte erster Ordnung(!) genehmigt“. In den letzten Wochen vor der Besetzung sahen sich die öffentlichen Dienststellen – vielfach außerhalb der Stadt -nach neuen Unterkünften um. Der kleine Rest der Beam­ ten und Angestellten des Landratsamtes ließ sich unter dem nach Donaueschingen abgeordneten Landrat Trippe! im Fürstlich Fürstenbergischen Badehaus (heute Fürstli­ ches Park-Restaurant) nieder. Die Landkreis­ verwaltung, zunächst beheimatet im Kur­ haus „Schützen“, hatte bereits vor dem An­ griff auf das Landratsamt im „Grafenbräu“ in Bräunlingen neue Unterkünfte gefunden. Das alte Landratsamt in Donaueschingen vor dem Bombenangriff 134

Die Staatlichen Forstämter verlegten ihren Sitz nach Hammereisenbach im Bregtal. Ein letztes Mal erlebte die Stadt kurz vor dem Einmarsch die Schrecken des Luftkrie­ ges. Der Angriff löste einen Großbrand aus, vergleichbar dem Brand der Stadt am 5. August 1908. 32 Häuser brannten am Freitag, dem 20. April, und in der Nacht von Samstag auf Sonntag nieder, darunter die im klassizi­ stischen Stil erbaute Hofapotheke. „Donaue­ schingen soll in Flammen stehen“ -meldete im Nachrichtendienst der Schweizer Sender von Beromünster, den man im „Reich“ nicht hören durfte. Nach der Stunde O wechselten in Donau­ eschingen die Landräte innerhalb weniger Wochen. Für die erste Zeit stellte sich Prinz Max zu Fürstenberg zur Verfügung. Für kurze Zeit wurde er von Fabrikant Dr. Mauthe aus Schwenningen vertreten. Un­ mittelbar nach dem Tod von Rudolf Binz und in den ersten Tagen nach der Besetzung hatte Justizoberinspektor Kirrmaier die Ge­ schäfte geführt. Mit der Besetzung nahm das Landratsamt seinen Sitz in der F. F. Kammer in der Karl­ straße, wo auch das Gourvernement militaire zunächst residierte. Als Anfang Oktober der Gouverneur ins Rathaus einzog, konnte das Landratsamt sich in der F. F. Kammer wieder „900 Jahre Hüfingen -2000 Jahre Ge­ schichte“. Unter diesem Leitsatz stand die Festwoche anläßlich der 900-Jahrfeier, wel­ che die Stadt Hüfingen vom 14. bis 23. Juli 1984 mit einjähriger Verspätung beging.1083 ist die Stadt erstmals urkundlich erwähnt, obwohl auf ihrem Boden mit Sicherheit schon in vorrömischer Zeit gesiedelt wurde. Reiche ur-und frühgeschichtliche Funde beweisen dies. Im vergangenen Jahr hätte ein würdiger Rahmen für das Stadtjubiläum wegen der noch im Umbau befindlichen Festhalle gefehlt, doch 1984 holte die Stadt auf glanz- Hüfingen wurde 900 Jahre alt stärker ausbreiten. Die Kreisverwaltung unter Kreisgeschäftsführer Lienert kehrte aus dem Exil in Bräunlingen zurück und fand Unterkunft im F. F. Neubau, dem heuti­ gen Verwaltungssitz der F. F. Brauerei. Mit dem 20. September 1945 trat Landrat Dr. Robert Lienhart sein Amt in Donaueschin­ gen an. Als zweiter juristischer Beamter wirkte auf dem Landratsamt vom Sommer 1945 an der von der Italienfront heimge­ kehrte Regierungsrat Schuster. Unvollständig wäre dieser Beitrag ohne einen kurzen Blick auf das örtliche N achrich­ tenwesen. Seit Anfang 1936 gab es im Kreis Donaueschingen keine freie Presse mehr. „Donaubote“ und „Donaueschinger Tag­ blatt“ hatten im Zuge der Gleichschaltung ihr Erscheinen eingestellt. Das Sagen hatte von da an in Stadt und Kreis Donaueschin­ gen das in Villingen erscheinende „Schwarz­ wälder Tagblatt“, ein Organ der NSDAP. In den letzten Kriegswochen kam es noch mit zwei Seiten heraus. Am 17. April 1945 trug es den Kopf „Der Führer“, dann blieb es ganz aus. Erstmals wieder lokale Nachrichten aus Donaueschingen brachten am 2. Oktober 1945 der „Südkurier“ und wenig später die „Freiburger Nachrichten“, die seit dem 1. Februar 1946 als „Badische Zeitung“ firmie­ ren. Lorenz Honold volle Weise ihr Fest nach, das zum Fest der Superlative wurde und alles überstieg, was je in Hüfingen zuvor gefeiert worden war. Ein Festakt in der gerade fertiggestellten Festhalle, an dem eine große Zahl illustrer Gäste teilnahm, eröffnete am 14. Juli die Feierlichkeiten. Landrat Dr. Rainer Gut­ knecht nannte Hüfingen eine „anmutige und wohlgeratene Tochter“ des Landkreises. Zahlreiche solcher Lobesworte durfte Bür­ germeister Gilly als Repräsentant der Stadt in weiteren „Laudationes“ entgegennehmen. Eigens zum Stadtjubiläum komponiert war die „Musica urbana“ von Professor Bertold 135

Ehrengast in Hüfingen anläßlich der 900-jahrfeier war Fürst Joachim zu Fürstenberg (rechts), der von Bürgermeister Gif!y die neue Chronik der Stadt Hüfingen überreicht bekam An jedem Tag der Festwoche wurde eine Veranstaltung angeboten. Hierzu gehörte auch ein anspruchsvolles Kirchenkonzert, das der katholische Kirchenchor unter Mit­ wirkung eines Orchesters sowie verschiede­ ner Gastsolisten gab. Die Leitung hatte Hein­ rich Kling. Weitere Abendveranstaltungen waren ein Dia-und Filmabend über „Hüfin­ ger Originale“ und die Hüfinger Altstadtsa­ nierung, ein Vortrag von Oberkonservator Gerhard Fingerlin vom Landesdenkmalamt über die Hüfinger Ausgrabungen sowie die Vorstellung der fertiggestellten Hüfinger Chronik von August Vetter, der auf mehr als 700 Seiten die reiche Hüfinger Geschichte lebendig werden läßt. Ein „Tag des Sports“ brachte unter Federführung des soeben Hummel, einem gebürtigen Hüfinger. Sie erklang als Uraufführung beim Festakt, diri­ giert vom Komponisten und gespielt von Mitgliedern der Hüfinger Stadtmusik. Mit einem Schulfest hatte die Lucian­ Reich-Schule ihren Beitrag zur 900-Jahrfeier geleistet, das bei der Bevölkerung großen Anklang fand. In der katholischen Stadtkirche wurde am Sonntag, 15. Juli, die seit mehr als 160 Jahren verschollen gewesene Deutsche Messe von Johann Nepomuk Schelble, einem ehemals berühmten Hüfinger Musiker, aufgeführt, der dieses Werk eigens für die Kirche seiner Heimatstadt geschrieben hatte. Der Abend gehörte den Vereinen der Hüfinger Stadt­ teile. 136

Turn-und Sportvereins zum ersten Hüfinger Stadtlauf zahlreiche Läufer in die Stadt, darunter auch Spitzenathleten aus der gan­ zen Region. am Ein Bürgernachmittag zweiten Wochenende des Festes brachte in der Festhalle ein Wiedersehen zwischen zahlrei­ chen, teils weitgereisten Gästen und Einhei­ mischen, ehe das Straßenfest begann, das ins­ gesamt drei Tage dauerte und am späten Abend des 23. Juli mit einem Feuerwerk zu Ende ging. Tags zuvor trugen sich in einer kleinen Feierstunde im Sitzungssaal des Rathauses zahlreiche Ehrengäste, darunter Fürst Joachim zu Fürstenberg und Landrat Dr. Rainer Gutknecht in das Goldene Buch der Stadt ein. Vor einer großen Zuschauerku­ lisse wurden nachmittags historische Vorfüh­ rungen aus den einzelnen Epochen der Stadtgeschichte eindrucksvoll dargestellt, an denen sich Mitglieder verschiedener Vereine beteiligten. Zum Straßenfest in der für den Verkehr gesperrten Innenstadt hatten die Hüfinger Vereine mit beispielhaftem Gemeinsinn mehr als 20 fantasievoll ausgeschmückte Lauben aufgebaut, in denen nicht nur lukul­ lische Genüsse, sondern auch Vorführungen vielerlei Art angeboten wurden. Zehntau­ sende von Gästen besuchten während des Straßenfestes die Stadt. Sie sparten nicht mit Lob für die Veranstalter, deren langwierige und intensive Vorbereitungen sich gelohnt hatten. Parallel zur Festwoche war im Bürger­ haus „Krone“ eine bemerkenswerte Ausstel­ lung über die Geschichte der Stadt zu sehen, die von den beiden jungen Hüfingem Mat­ thias Kneußlin und Roland Straub zusam­ mengetragen worden war. Käthe Fritschi In einer kleinen Feierstunde anläßlich der Hüfinger 900-jahrfeier trug sich auch Landrat Dr. Rainer Gutknecht in das Goldene Buch der Stadt Hüfingen ein 137

Kultur- und Kirchengeschichte Anno 1700: Die Zeit tat einen gewaltigen Sprung Einführung des neuen Kalenders im württembergischen Klosteramt St. Georgen „Den Wievielten haben wir heute?“ -eine schon oft gehörte und gelegentlich auch von uns selbst gestellte Frage. Aber haben wir den Tag wirklich, oder hat die Zeit allmählich uns? Letzteres werden besonders Leute mit prall­ vollem Terminkalender gewiß beklagen und sich manchmal in die gute alte Zeit zurück­ versetzt wünschen, als die Stunden und Tage gemächlich dahinzuziehen schienen. Aber schon damals hatten viele den Eindruck, die Zeit fliehe ihnen davon: „TEMPUS FUGIT“ malten und gravierten unsere Vorfahren bis­ weilen auf ihre Uhren … Einmal tat früher die Zeit sogar einen gewaltigen Sprung um mehrere Tage. Diesem einschneidenden Ereignis soll der heutige Beitrag gewidmet sein. Der alte, im Abendland gültige Julianische Kalender, ihn hatte Gajus Julius Caesar im Jahre 46 vor Christi Geburt im Römischen Reich einge­ führt, stimmte mit dem wirklichen Sonnen­ jahr nicht ganz überein. Es war genau elf Minuten und 14 Sekunden kürzer als jenes Kalenderjahr. Deshalb kam man im Lauf der Jahrhunderte infolge der sich ständig ver­ größernden Zeitdifferenz mit der christlichen Festrechnung, vor allem mit der Berechnung des Osterfestes, nicht mehr zurecht. Dies veranlaßte Papst Gregor XIII. im Jahre 1582 zu seiner großen Kalenderreform. Näheres hierüber und über die Einführung des Gregorianischen Kalenders im damals vorder­ österreichischen Villingen sowie in den fürstenbergischen Herrschaftsgebieten auf der Baar und im Kinzigtal im Spätherbst des Jahres 1583 hat Dr. L o r e n z Ho nold im „Almanach 83“ berichtet. Nun gehörte aber ein nicht gerade kleines Gebiet im nördlichen Teil des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises zu 138 seinerzeit Württemberg und damit der evangelischen Konfession an. Dies galt vor allem für St. Georgen mit seinen fünf inzwischen ein­ gemeindeten Stadtteilen, vier der heute zu Königsfeld gehörenden Orte, Niedereschach mit Schabenhausen und Kappel sowie für L Jq YT�1t. 1699. · • ilottllitteslJatiibttt/ · dBafittcbltübwtot ; · iia009;u9lt1rtnn6�g11c. Mit seinem Generalreskript vom 14. November 1699 ordnete Herzog Eberhard Ludwig die Ein­ führung des „verbesserten Neuen Cal.enders“ in Württemberg an – Reproduktion mit Genehmi­ gung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart (A 39; Negativ-Nr. 60/29)

Schwenningen mit Mühlhausen, ja sogar für das vor den Toren Villingens liegende Mönchweiler. Wie war es in diesem Bereich mit der Kalenderreform bestellt? Den Gre­ gorianischen Kalender mit seiner minimalen Zeitdifferenz von nur zwölf Sekunden im Vergleich zum wirklichen Sonnenjahr hatten in Deutschland vorerst nur die katholischen Länder bei sich eingeführt. Zur damaligen Kleinstaaterei, dem Währungswirrwarr auch noch zwei verschiedene Zeitrechnungen – armes Deutschland! Über ein Jahrhundert sollte vergehen, bis man in den Villinger und St. Georgener Amtsstuben wieder das gleiche Datum schrieb. In der Übergangszeit wurden, um Verwechslungen auszuschließen, bisweilen beide Daten angegeben, und zwar das gre­ gorianische stets über dem julianischen. Betrug die Zeitdifferenz zwischen beiden Kalendersystemen 1583 noch zehn Tage, so vergrößerte sich die Spanne am 1. März 1700 bereits auf elf, um in unserem Jahrhundert, als Rußland, Griechenland und Rumänien ihre Kalenderumstellung vornahmen, auf13 Tage anzuwachsen. So lange schob man in den protestantischen Ländern Qeutschlands dieses Problem allerdings nicht vor sich her. Im Jahr 1699 – es war die Zeit, als es in Deutschland rund hundert Reichsfürsten und 1500 kleine selbständige Herrschafts­ gebiete gab – versammelten sich die Reichs­ stände, also das aus den weltlichen und geist­ lichen deutschen Regenten, Würdenträgern und Grundherren bestehende Gremium, das über Angelegenheiten des Reiches zu beraten hatte, zu einem Reichstag in Regensburg. Dort evangelischen deutschen Fürsten und Stände einmütig, den Gregorianischen Kalender bei sich einzu- beschlossen die Bereits vorab wurden die Beamten des württembergischen Klosteramtes St. Georgen von der Kalender­ Umstellung des Jahres 1700 informiert. Sie residierten damals im 1666 erstellten neuen Amtshaus, das unser Bild (Negativ-Nr. 24/33) bei seinem Abbruch etwa 1903 zeigt. 139

führen. Allerdings nicht unter dem Namen des katholischen Papstes, sondern mit der Bezeichnung „ v e r b e s s e r t e r N e u e r C a l e n d e r “ . Eberhard Ludwigs „Befelch für sem Hertzogthumb“ Zu jener Zeit regierte Herzog Eberhard Ludwig, in die Geschichte als Gründer der Stadt Ludwigsburg und Erbauer des dortigen Schloßes eingegangen, in Württemberg. Reformen gegenüber sehr aufgeschlossen, erließ er noch vor Beendigung des erwähnten Reichstages am 14. November 1699 ein so­ genanntes Generalreskript, eine Verordnung mit ausführlichen Anweisungen zur vorge­ sehenen Kalender-Reform. Dieses Doku­ ment, von dem wir einen Ausschnitt im Bild zeigen, wird im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrt. Als Zeitzeuge des Ab­ solutismus beleuchtet es nebenbei die da­ malige Herrschaftsstruktur; war doch der Landesfürst seinerzeit nicht nur weltlicher Gebieter, sondern hatte auch in Dingen der Landeskirche zu bestimmen: ,,Aus der Uns sowohl in Sacris als Politicis zustehender hoher Gewalt und Bottmässigkeit in Unserem Hertzogthumb und Landen … „, heißt es gleich in der Einleitung des an die „ehrsamen, lieben, getreuen“ württembergischen Super­ intendenten herzoglichen Generalreskriptes. Und weiter: ,,Also ist Unser Befelch hiemit, Ihr wollet die Verfügung thun, daß auf Sonntag, den 26. hujus (des laufenden Monats), in allen Eurer Euch gnä­ digst anvertrauten Superintendenz ange­ hörigen Kirchen, mäniglichen zu künfftiger Nachricht verkündet werde, wie Wir nam­ lichen den verbesserten Neuen Calender in dem gemeinen Wesen sowohl als in Unsern Kirchen haben wollen … “ Auch in der Lorenzkirche zu St. Georgen hatte demzufolge Pfarrer M. Johann Vischer am 26. November 1699 seinen Gläubigen im Sonntagsgottesdienst den Erlaß des Herzogs zu verlesen. Hierin hatte Eberhard Ludwig, ,,daß man dardurch, so viel immer möglich, die Zeit und Fest- gerichteten durchaus eingeführt 140 Rechnung mit dem wahren Lauffder Sonnen und deß Monds vereinbahre, und vor das künffiige alle Confusion unterbleiben möge“, für sein Land angeordnet, es solle im herbei­ rückenden Jahr 1700 auf den 18. Februar alter Zeitrechnung gleich der erste März neuen Stils folgen. Gleichzeitig bestimmte das Generalreskript, daß anno 1700 das üblicher­ weise auf den 24. Februar fallende Fest des Apostels Matthias ausnahmsweise am letzten Tag vor der Zeitumstellung, also am 18. Februar zu feiern sei, ,,und hinkünfftig die Festrechnung, wann je kein perfecter und beständiger Cyclus auszufinden seyn solte, nach dem accuraten Astronomischen Calculo (genauer astronomischer Berechnung) ein­ gerichtet werden solle.“ Von alldem waren die Beamten des württembergischen Klosteramtes St. Georgen, als Amtmann fungierte damals Georg Ludwig Magnus Zimmethäuser, bereits zuvor durch einen gesonderten fürstlichen Erlaß unter­ richtet worden. Wie die dortigen Einwohner das herzogliche Reskript und den damit ver­ bundenen Zeitsprung aufnahmen, ist in den Archivalien leider nicht überliefert. Aber die 400-Seelen-Gemeinde war zu jener Zeit ja auch anderweitig, und zwar mit dem Wieder­ aufbau des Dorfes, voll in Anspruch ge­ nommen. So schrieb Friedrich Wilhelm Breuninger in seinem 1719 erschienenen Buch „Die Urquelle des weltberühmten Donau-Stroms“ über das 1633 im 30jährigen Krieg bis auf drei Gebäude zerstörte St.Georgen: ,, … biß man nach erfolgtem Westphalischen Friedens-Schluß sowohl in den Ring-Mauren des Closters die vor die Herrschaffi:lich-Geist- und Weltlich-Bediente nöthige Gebäu auffzuführen und in dem Flecken selbsten von neuem wieder zu bauen angefangen, so auch bißhero continuirt worden, allermaßen der gantze Ort vor jetzo in die sechzig Gebäu begreiffet.“ Die größten Objekte dürften dabei der „Kasten“ (die etwa 1661 erstellte Zehntscheuer), das 1666 ge­ baute neue Amtshaus, von dem wir ein bei seinem Abbruch etwa 1903 aufgenommenes Foto veröffentlichen, und die Erneuerung

des baufälligen Turmes der Lorenzkirche anno 1680 gewesen sein. Als man dann genau zwanzigJahre später die besagte Kalender-Umstellung auch im damals württembergischen Teil des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises vollzog, und so­ mit für den gesamten Landkreis endlich wieder eine einheitliche Zeitrechnung be­ stand, war zwar dieses Problem gelöst, jedoch taten sich andere auf. Ein wichtiges für die früher größtenteils von ihren landwirtschaft­ lichen Erträgen lebende Bevölkerung sei hier erwähnt. Sie durfte damals ihr Vieh im Früh­ jahr nur bis zum 23. April weiden lassen. Da jedoch im Jahr 1700 bei der Einführung des „verbesserten Neuen Calenders“ zehn Tage ausfielen, hätte sich die Zeit der Frühlings­ weide um diese Spanne verkürzt. Deshalb er­ ließ Herzog Eberhard Ludwig unterm 20. April 1700 ein Generalreskript, wonach die Gemeinden künftig die Schafweide bis zum 4. März und das Weiden des gehörnten Viehs bis zum 1. Mai gestatten mußten. Nun – 285 Jahre sind seither ins Land gezogen und alle Umstellungsschwierigkeiten natürlich längst überwunden; der Gregorianische Kalender ist zur alltäglichen Selbstverständ­ lichkeit geworden. Hans-Martin Müller Literatur: H o n o l d , Lorenz: Als der Gregorianische Kalender kam. ALMA­ NACH 83, Heimatbuch Schwarzwald­ Baar-Kreis 7. Folge, Seite 110-112. Z i e r , Hans Georg: Wappenbuch des Landkreises Villingen. Herausgegeben vom Landkreis Villingen im Jahr 1965, Seite 37 ff. F r ö h 1 i c h , Rudolf: Wie in Württemberg der Gregorianische Kalender eingeführt wurde. Schwäbische Heimat, 1955, Heft 6, Seite 227-228. Breuninger, Friederich Wilhelm:FONS DANUBII PRIMUS ET NATURALIS oder Die Ur-Qyelle Des Welt-berühmten Donau-Stroms. Tübingen, 1719, Seite 369-373. Sankt Nikolaus – einmal anders Im Schwarzwald und auf der Baar als Nothelfer gegen Überschwemmungen Seit bald tausend Jahren gibt es den N iko­ lauskult diesseits der Alpen. Allein rund um den Bodensee zählt man etwa drei Dutzend Nikolauskirchen und selbständige Kapellen, die zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert errichtet wurden, darunter in Überlingen, Aach und Allensbach, und auf der Schweizer Seite als bekannteste die Gotteshäuser in Frauenfeld und St. Katharinental. Im Schwarzwald und auf der Baar dürften es einst nicht viel weniger gewesen sein. Fast immer sind es Orte an Seen, Flußläu­ fen und reißenden Gewässern, die im frühen Mittelalter den Heiligen mit dem Bischofs­ stab zu ihrem Schutzpatron wählten. Als Nothelfer gegen Überschwemmungen und Wasserschäden hielt der spätere Kinder­ bischof bei uns seinen Einzug. Den Anfang dürfte in unseren engeren Heimat Buchenberg in der heutigen Ge­ meinde Königsfeld gemacht haben. Seine Nikolauskapelle geht noch vor die Zeit zurück, da der Nikolauskult im Abendland seinen Anfang nahm. Ob Buchenberg, urkundlich bereits 782 genannt, über das Kloster Hirsau, in dem 1091 Nikolausreli­ quien erwähnt sind, seinen Kirchenpatron erhielt, ob über die Reichenau, die um das Jahr 1000 in Peterzell ihren nördlichsten Stützpunkt auf der Baar hatte, ob über das 1084 durch Hirsauer Benediktinermönche besiedelte Kloster St. Georgen im Schwarz­ wald – all diese Fragen hat die Forschung bis heute nicht klären können. Was tut’s! Der Ort, ehedem weiter unten, im Bereich des rei­ ßenden Glasbachs gelegen, war durch seine 141

Altarbild St. Nikolaus in der Leonhardskapelle in Hüfingen Die Nikolauskirche m Königsfeld/Buchenberg Lage von Anfang an auf den Nothelfer gegen Wasserkatastrophen angewiesen. Nicht minder schutzbedürftig seiner Lage nach Achdorf im Tal der Wutach. Als Pfarrei, im Dekanat Pfohren gelegen, ist Achdorf 1275 erstmals erwähnt. Rund 150 Jahre spä­ ter, 1434, erwirkte die Nikolauspfarrei Ach­ dorf die Zusammenlegung mit der zunächst ebenfalls selbständigen Otmarspfarrei in Aselfingen, vermittelt durch Abt Nikolaus von St. Blasien auf der Kirchenversammlung in Basel. ,, Wegen der bösen Zeiten und der ständigen Überschwemmungen der Wut­ ach“ – so wird die Maßnahme begründet – seien „die Früchte und die Einkünfte der bei­ den Pfarreien so geschwächt, daß jede für sich einen eigenen Priester nicht mehr unter­ halten könne“. Nikolaus als Kirchenpatron hat spätestens um die Mitte des 13. Jahrhunderts auch Schö­ nenbach im oberen Bregtal. 1221 wird seine Kapelle als Filiale der Pfarrei Herzogenweiler genannt. Es mag offen bleiben, ob das Patronat auf das nahe Schwarzwaldkloster St. Georgen zurückgeht oder auf das Kloster Salem, dem um die Mitte des 13. Jahrhun­ derts als Inhaber der Pfarrei Herzogenweiler die Tochterfiliale Schönenbach durch Bischof Konrad von Konstanz zuerkannt wird. Nikolauskirchen haben auf der Baar Aul­ fingen an der Aitrach und Geisingen im obe­ ren Donautal. Patron von Anfang an war St. Nikolaus für die Pfarrei Schluchsee, deren früheste Kirche bereits 1095 erwähnt ist. Heute noch befindet sich auf einem der Sei­ tenaltäre die Statue des Heiligen mit Mitra, Stab und den drei Kugeln auf dem Evange­ lienbuch. Auch Lenzkirch, im Tal des Haslachba­ ches gelegen und 1275 als Pfarrei bezeugt, hat das Nikolauspatronat. Für Schluchsee wie 142

für Lenzkirch dürfte bei der Wahl des Patrons die Abtei St. Blasien die Mittierrolle gespielt haben. In St. Blasien selbst war die erste Kirche dem Bischof aus Kleinasien geweiht. Nikolauskapellen im einstigen St. Blasianischen Herrschaftsbereich haben Wellendingen, Filiale von Bonndorf, Wittle­ kofen im Steinatal, Filiale von Bettrnaringen, und Lausheim, das auch als Nikolaus-Wall­ fahrtsort durch mehrere Jahrhunderte eine wichtige Rolle spielte. Auf der Baar und im angrenzenden Schwarzwald hatten Nikolauskapellen das im Einflußbereich von St. Peter gelegene Waldau, ehe es 1807 eigene Pfarrei mit dem Titel „Mariae Himmelfahrt“ wurde, sowie Neudingen, für das die Nikolauskapelle 1363 auf dem Platz der einstigen Pfalz bezeugt ist. Eine Kaplanei der HI. Katharina und des HI. Nikolaus, 1419 gestiftet von den Ortsher­ ren, gab es bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Sunthausen an der Kötach. In der Stadt Hüfingen waren es die Herren von Blumberg, die eine Nikolauspfründe am St.-Blasius-Altar in der Pfarrkirche stifteten; sie erhielt später in der Vorstadt eine eigene Kapelle. Und als 1788, in der Zeit der Josefini­ schen Reformen, die Kapelle zum Abbruch versteigert wurde, fand das Altarbild mit dem HI. Nikolaus eine neue Bleibe in der Kapelle St. Leonhard, der heutigen Fried­ hofskapelle. Villingen hatte 1270 in der Altstadt eine Nikolauskapelle und erhielt im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts zwei weitere, von Prie­ stern gestiftete Nikolauspfründen in der Alt­ stadtkirche und im Münster „Unserer Lieben Frau“. Der Ortsadel in Bräunlingen erbaute dem Heiligen, der auch als Burgenpatron Verehrung genoß, schon früh am Fuße des Lützelberges, beim Eingang zum sog. Zwin­ ge! oder Herrenhof, ein Klausenkirchlein, das 1673 wegen Baufälligkeit aufgelassen wurde. Lorenz Honold 1 ���������������������������������- 143

Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1)Blick auf die Nikolauskirche in Achdorf (Lorenz Honold, Donaueschingen) 2)An den Triberger Wasserfällen (German Hasenfratz, Hüfingen) 3)Frühsommertag in Schönwald (German Hasenfratz, Hüfmgen) 4)Blick auf die Baar (Winter) (Hans Swoboda, Donaueschingen) 5)Drachenflieger am Fürstenberg (Hans Swoboda, Donaueschingen) 6)Bei den Irnmenhöfen (Gewitter) (Hans Swoboda, Donaueschingen) 7)Fachwerk-Galerie in Beckhofen (Lorenz Honold, Donaueschingen 8)Schwarzwälder Uhrenschildmaler aus Furtwangen-Linach (Lorenz Honold, Donaueschingen) Friederike Siek Bindung Ich komme aus dem Wald. Mein Kindsein lag auf einem lichten Plan inmitten eines dunkelgrünen Forsts. Ich pflückte Augentrost und Thymian, ich hielt die Hände in den klaren Bach, ich horchte auf die Flüsterstimmen aus dem Unterholz. Ich lebe in der Stadt und achte ihren Gang, der mich die Flüchtigkeit der Zeiten lehrt. An Feiertagen gehe ich hinaus zum Anstieg eines Waldgebirgs. Ich tauche ins vertraute Rauschen ein, ich lagre mich ins kindliche Versteck des hohen Farns. Ich bin gerührt, daß hier -wie dort und einst – ein Wasserfall den feuchten Staub auf Lattichblätter sprüht. Gisela Mather draußen spielt der Sommer wirft mir ein Kinderlachen zu und emen Augen-Blick des Glücks manchmal Ängste die mich umfangen dann kleid ich mich mit meinen Unwirklichkeiten und trag mein Herz darin spazieren 144 Friederike Siek

Die Loretto-Kapelle Villingen um 1704 Loretto-Kapelle – Einst umgaben dieses Kirchlein Wiesen und Gärten. Ein mit altem Baumbestand gesäumter Weg führt noch heute von der Stadt hinauf auf die leichte Anhöhe. Es ist ein schöner Platz mit seinen Steintischen und Steinbänken, dem Kreuz, umgeben von Birken, den mächtigen alten Linden und den Fichten, ein Ort, an dessen Ostseite die Kapelle steht, mit ihrer Giebel­ seite hinunter auf die Stadt schauend, zum Frieden und zur Verständigung mahnend. Sie ist ein Ort der Stille geblieben, hat sie sich doch noch einen Freiraum von Grün gerettet, wenngleich die Wohnbauten ziem­ lich nahe herangerückt sind. Für den Be­ schauer etwas fremd ist der Außenanstrich in Rot mit den weißen Streifen, ähnlich dem des Franzsikaner, doch soll dies dem Erstan­ strich entsprechen. Wir sitzen auf einer Bank und sprechen über die Kapelle heute. Ich höre von den Prozessionen, die aus der Stadt heraufzogen, von den Bittgottesdien­ sten und vom Beten des Rosenkranzes in der Kapelle, heute noch jeden Sonntagnachmit­ tag. An Christi Himmelfahrt zelebriert der Münsterpfarrer ein Amt, feierlich umrahmt vom Gesang der Kirchenchöre, wenn das Wetter gut ist. Lorettokapellen sind Dankopfer der Bür­ ger, denen, vor allem in Kriegszeiten, „wun­ derbare Hilf‘ zuteil wurde. Das war auch in Villingen so: Das Ringen um die Vorherrschaft in Nach einem Ölgemälde von Albert Säger: Aquarell Helmut Heinrich 145

Verbündet mit dem französischen König Ludwig XIV. war der Kurfürst Max Emanuel von Bayern. Um diesen gegen Kaiser und Reich kämpfenden Landesfürsten zu unter­ stützen, zumal man seiner Zuverlässigkeit nicht ganz traute, zogen die französischen Heere über Straßburg durch den Schwarz­ wald, um sich mit dem Heer des Bayern zu vereinigen und durch den geplanten Ein­ marsch in Österreich mit dem Fall von Wien die Macht des „Hauses Österreich“, wie sich diese Habsburger nannten, zu vernichten. Villingen sollte hierbei ein Stützpunkt und Versorgungsplatz werden. Ausführlich berichtet Dr. Nepomuk Häß­ ler (t 1981) nach intensiven Quellenstudien in seinem Bändchen „Villingen im Spani­ schen Erbfolgekrieg“ über die Vorgeschichte und die Belagerung der Stadt. Wir wollen uns in diesem Beitrag jedoch nur mit dem Schicksalsjahr 1704 beschäftigen. Den ganzen Monat Mai des Jahres 1704 war die „Reichsfeste Villingen“ von Feinden umzingelt Da die Befestigungsanlagen einen schlechten Zustand aufwiesen, mußten die Mauem und die Türme durch freiwilligen Einsatz der Bürgerschaft ausgebessert wer­ den, wurde das „Bügeleisen“ (heute Platz des Gymnasiums am Romäusring) als Flanken­ schutz gebaut Obrist Baron von Wilstorf, der vom Kai­ ser ernannte Stadtkommandant, gibt die Zahl der Verteidiger mit 900 Mann an. Die Stadt zählte damals 4000 Seelen. Inzwischen hatte sich der Krieg ausgewei­ tet: die mit dem deutschen Kaiser verbünde­ ten Heere der englisch-holländischen Streit­ kräfte unter John Churchill, dem Herzog von Marlborough, und dem Markgraf von Baden, Ludwig Wilhelm, beabsichtigten, gegen Bayern zu marschieren. Prinz E ugen übernahm den Befehl am Oberrhein. Diese neue Situation forderte die Franzosen zu Gegenaktionen auf: Am 1. Juli 1704 überschritt der franzö­ sische Marschall T allard den Rhein bei Straß­ burg. Mit rund 30.000 Mann und schwerem Geschütz zog der französische Befehlshaber � :- �““»��� —*-� Europa nach dem Ende des 30jährigen Krie­ ges ist gekennzeichnet durch harte Aus­ einandersetzungen und kriegerische Opera­ tionen der streitenden Parteien. Das durch die Schrecken des Krieges gezeichnete Volk hoffte auf ruhige Zeiten, doch 50 Jahre nach dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648 gab es wieder neue Konflikte, die auch das vorderösterreichische Villingen bedroh­ ten: Am 1. November 1700 war Karl II., der letzte Habsburger auf spanischem Thron, kinderlos gestorben. Ludwig XIV., der Sonnenkönig und abso­ lutistischer Monarch Frankreichs, und der deutsche Kaiser Leopold 1. (1658-1705) machten ihre Erbansprüche geltend. Da trotz Vermittlungsversuchen keine Einigung erzielt werden konnte, begann der folgen­ schwere, weite Gebiete Westdeutschlands zerstörende Spanische Erbfolgekrieg. Vier­ zehn Jahre dauerte dieses blutige Ringen. Mit Mühe gelang es dem Markgrafen Lud- , wig-Wilhelrn von Baden, dem Türkenlouis – Oberbefehlshaber am Oberrhein-1701 eine kleine Streitmacht zu schaffen und Verteidi­ gungsstellungen im badischen Raum anzulegen. 146

durch das Kinzigtal. Dabei wurden die Bewohner zu Dienstleistungen gezwungen, mußten Wagen, Futter und Pferde gestellt werden. Nach der Niederlage der Bayern am Sehel­ lenberg bei Donauwörth, beschloß Tallard auf dem Weg zur Entlastung der Bayern Vil­ lingen einzunehmen, um hier eine Nach­ schubbasis zu errichten. Er schlug Lager mit 30.000 Mann auf dem Gewann Engelhard auf. ,, .. . Zu wissen aber, daß gleich bei dem Anmarsch des Feinds die Sturmglocken gelütten und sowohl die Gar­ nison, als auch die Burger alle ins Gewehr stunc:jen, auch alle Posten besetzet“ (Chro­ nist Benedikt Berger u. Roder). Und wir lesen weiter vom gleichen Tag: ,,Der Herr Stadt­ pfarrer samt allen geistlichen Herren, auch Weibsbilder und Kinder sind mit einer Pro­ zession mit Begleitung des hochwürdigen Guts und Benediction um den Wall rings herumb, den hl. Rosenkranz mit großer Andacht und einhellig laut Gott den All- mächtigen gebeten umb sein göttlichen Bei­ stand, und die allerseligste Jungfrau und Mutter Gottes wolle unsere Vorbitterin und Beschützerin sein, von diesem feindlichen Anfall uns zu erhalten.“ 12. Mai 1704: Gegnerische Aufklärungstrupps kommen näher. Die Villinger treiben ihre Viehherden in die Stadt. Einzelne Patrouillen dringen bis zum Oberen Tor vor. 14.Juli 1704: Feindliche Eskadronen (etwa 1500 Mann) bilden einen Gürtel um die Stadt, um sie von der Außenwelt abzuschließen. Die Belage­ rung steht bevor. 16.Juli 1704: Marschall T allard gibt dem General seiner Vorhut, dem Marquis d’Hautefort, den Befehl, mit 3 lnfanteriebrigaden, einer Kaval­ leriebrigade und einer Artillerieabteilung – 147

etwa 10.000 Mann – auf diesem Gelände, nordwestlich der Stadt, das Lager aufzuschla­ gen. Zwölf Geschütze werden dem Belage­ rungskorps zugeteilt. Es soll zwischen dem Riettor und dem Michaelsturm (Romäus­ turm} eine Bresche in die Mauem geschossen werden, die den Sturm in die Stadt, und damit deren schnelle Niederlage, ermöglicht. Das Hubenloch gleicht einem Arbeitsla­ ger: die Schanzarbeiten beginnen; Stellungs­ gräben im Zickzack und die Plätze für die Geschütze werden in Eile gebaut. Die Chro­ nik berichtet von 900 bis 1000 m Graben­ Aushub. Doch auch die Bürger der Stadt sind nicht untätig. Sie rücken auf ihre Posten, besetzen die Türme, Tore und Wälle, andere warten im Wachhaus auf weitere Befehle. „Pfarrer Riegger von der Münsterpfarrei und viele Gläubigen machen mit dem Allerheiligsten und dem Nägelinkreuz eine geistige Ring­ mauer um alle vier Wälle“ (Pfarrchronik). Zur Verstärkung der Verteidiger gelingt es einem Trupp von 200 kaiserlichen Soldaten und SO Reitern die Umklammerung zu umgehen und in die Stadt zu kommen. 17.Juli 1704: Die feindliche Artillerie beginnt die Beschießung. Ziele sind der St. Michaels­ turm und das Riettor sowie die Ringmauer zwischen den Türmen. Sie legen eine Bresche von SO bis 60 Schritt und zerstören große Teile des Klosters der Franziskaner, das unmittelbar an der bedrohten Mauer liegt. Bericht des Guardian der Franziskaner, Funk: „Am 17. Juli stürzte das Provinzialat zusammen, ebenso das Sekretariat, der Korn­ speicher – auch das Dach – der Konvent, die Küche, die beiden Schulen, alle anderen Zel­ len … “ 18.Juli 1704: 148 Wieder beschießen die französischen Ge­ schütze das gefährdete Gebiet des Vortags. Obwohl der Gegner hohe Verluste hat durch das Flankenfeuer der beiden Türme, rückt er näher an den Mauerring heran. Wieder ein Ausschnitt aus dem Bericht des Guardian Funk: „Es fielen die Ruinen zusammen, … das Dach des Kirchenschiffs wurde stark beschä­ digt. Gefährlicher waren noch die Zerstörun­ gen des Daches des Chores sowie der Gewöl­ bekonstruktionen. Auch der Turm (damals hatte die Franziskaner-Kirche noch einen Dachreiter} wurde so unbarmherzig von den eisernen Kugeln zerstört, daß nur ein einzi­ ger Balken unversehrt blieb … “ 19.Juli 1704: Nach Ausbesserung ihrer Stellungen er­ folgt die pausenlose Beschießung zur Erwei­ terung der Bresche. Am Nachmittag füllen etwa 2000 gegnerische Dragoner mit Faschi­ nen und Reisigbündeln den äußeren und inneren Graben auf. Dann tritt eine Sturm­ kolonne (etwa 2000 Mann) zum Angriff an. Doch der Ansturm bleibt im sumpfigen Vor­ gelände und dem Abwehrfeuer der Verteidi­ ger stecken. 20.Juli 1704: Marschall Tallard erkennt die schwierige, ja erfolglose Situation. Er schreibt am 18.Juli an Ludwig XIV. „Willingens Widerstandsfä­ higkeit ist größer als alle Berichte angegeben haben; der Kommandant (hier ist Obrist Wilstorf gemeint} verteidigt sich bewunde­ rungswürdig und hält mich länger hin, als ich gedacht habe“. Der französische Oberbefehlshaber be­ sichtigt die Stellungen und befiehlt, das Feuer zu verstärken und die Stadt Villingen in Brand zu schießen. Die Zeit drängt! Dem Bayern Hilfe zu bringen, duldet keine Ver­ zögerung mehr. Es beginnen schwere Stun­ den für die Bürgerschaft, doch ist es nicht möglich, die seelische Widerstandskraft der Belagerten zu schwächen. Alle stehen zusam­ men, jeder an seinem Platz, einschließlich der Frauen und Kinder. Der Gegner hat die Zuläufe für das Trink­ wasser und die Bäche abgeleitet. Sie flossen, wie heute noch in Freiburg, durch die Haupt­ straßen der Stadt.

Marschall Tallard belagert Villingen. Nach einem Ölgemälde von Johann Anton Schilling, 1718 Die Gefahren vergrößern sich, zumal die Die Einnahme Villingens ist ihm nicht Beschießung immer stärker wird. Da geht plötzlich ein wolkenbruchartiger Regen nieder, löscht die Brände und verwan­ delt das ganze Grabengelände in einen einzi­ gen Sumpf mit tiefen Wasserlachen, so daß der Feind zum Rückzug aus den vorderen Stellungen gezwungen ist. 21.Juli 1704: Diese neue Situation verzögert fürTallard die Einnahme der Stadt um mindestens vier bis fünf Tage. Dem anrückenden Prinzen Eugen will er aus dem Weg gehen. Der Marschall beschließt, die Belagerung aufzugeben. 22.Juli 1704: Das Lager wird abgebrochen, der Ballast verbrannt, die Verwundeten und Gefallenen nach Straßburg gebracht und die Truppen in Richtung Schwaben in Marsch gesetzt. gelungen. In dem Bericht des Münsterpfarrers Rieg­ ger lesen wir: „Alles rufte in den schweren Tagen nach der alten Villinger Manier zu Gott und Unser Frauen, und diese hat aus blauem Himmel Regen geschickt und die Stadt erhalten. Während der Belagerung habe ich, der Münsterpfarrer, dem Rat vorgeschlagen, er möge zur Erhaltung der Stadt das Gelübde machen, außerhalb der Mauern eine hl. Loretto-Kapelle zu errichten. Er machte das Gelübde … “ (Pfarrchronik). Die Villinger hielten ihr Versprechen: Auf dem Platz, auf dem Marschall Tallard sein vorgeschobenes Lager errichtet hatte, im Gewann Engelhard, auf einer kleinen Anhöhe, bauten sie aus „gemeiner Stadt Mit­ tel“ die Loretto-Kapelle: Am 22. Juli 1705 wurde der Grundstein gelegt. 149

,,Am 12. September 1706 geschah die feier­ liche Einweihung (Benediction) derselben durch den Abt Michael Glücker des hiesigen Klosters zu St. Georgen mit einem in der Kapelle abgehaltenen Hochamt in pontifica­ libus“ (Roder). Diese kleine Kirche als Dank für glück­ liche Errettung aus Kriegsnot, zu Ehren Mariens, der Schutzpatronin der Stadt, gleicht in der Anlage den Loretto-Kapellen von Freiburg (1657) und Konstanz (1637). So entstand mitten in der Zeit des Barock ein schmuckloser Bau nach dem Vorbild von Loretto in Italien: 11 m lang, 4,5 m breit mjt einem kleinen Glockentürmchen auf dem Satteldach. Zwei schmale Türen führen ins Innere. Auf der Westseite befand sich ein Anbau mit Pultdach, er konnte nach außen durch zwei Flügeltüren geöffnet werden. Der Innenraum ist in zwei Räume auf­ geteilt: Eine gegliederte Holzwand mit Gitter­ werk bildet die Trennung zwischen dem klei­ neren „Haus der Gottesmutter“ mit der Sta­ tue Mariens mit dem Kinde und den im 19. Jahrhundert angebrachten Kerzen tragenden Putten und dem eigentlichen Andachtsraum. Beachtenswert ist auch die Kreuzigungs­ gruppe über dem Gitter. Auf den Konsolen für Maria und Johannes sind Wappen Villin­ ger Geschlechter sichtbar. Seitlich sehen wir die Statuen des HI. Antonius und des HI. Leonhard. Ein barockes vergoldetes Rankenwerk steht auf dem Altartisch im größeren Raum; in der Mitte des Bogens die Statue der Him­ melskönigin, umgeben von der heiligen Katharina und dem Hl. Bernhard. Dieser Rosenkranzaltar stammt aus dem 19. Jahr­ hundert. Einige Änderungen gab es im Innern der Kapelle; die einfachen Fresken sind nur noch spärlich erhalten, Bilder wur­ den herausgenommen und teilweise durch andere ersetzt -geblieben ist jedoch rue Ein­ fachheit, wie es das Vorbild des Wallfahrtsor­ tes bei Ancona fordert. Immer wieder waren auch außen Restau­ rationen notwendig, so nach dem Zweiten 150 Weltkrieg (19 52). Es war ein großes Anliegen des damaligen Dekans Weinmann, djese Kapelle als Ort der Andacht in steter Erinne­ rung an die Errettung der Stadt den Bürgern zu erhalten. Dreißig Jahre später wurde sie wieder überholt und erhielt ihr neues, altes Gewand. Das Gewann Hammerhalde mit dem Engelhard ist heute bebaut. Die Straßen dieser Wohnlandschaft tragen die Namen der einstigen Widersacher, heute im friedli­ chen Nebeneinander: Tallardstraße, Wilstorf­ straße, Türkenlouisstraße, Bürgerwehrstraße -auch ein Beitrag zur Verstänrugung. Helmut Heinrich

Bau- und Kunstdenkmäler „Der Franziskaner“ – ein herausragendes Baudenkmal Villingen-Schwenningen aus der Sicht der Denkmalpflege berichtet. Der folgende Beitrag befaßt sich mit baulichen Gesichtspunkten, die bei der Sanierung zu beachten waren. Baudirektor Karl Böhler Im Almanach 84 (Seite 167-170) wurde zur Restaurierung der ehemaligen Franziskanerklosterkirche in Im Januar 1978 wurde das Planungs-und – Das Osianderhaus soll im Erdgeschoß ein Nutzungskonzept für den Ausbau des ehe­ Regionalmuseum für Vor-und Frühge­ schichte, im l. und 2. Obergeschoß das maligen Franziskanerklosters verabschiedet. Mit dem Theater am Ring, der Konzert­ Stadtarchiv aufnehmen. halle mit Foyer und Ausstellungsräumen, Grundlage der Programmstellung waren dem Museumsbereich im ehemaligen Klo­ planerische Konzepte über eine Restaurie­ stergebäude und dem Osianderhaus sowie rung und Nutzung des ehemaligen Kloster­ dem Stadtarchiv sollte ein einmaliges kultu­ gebäudes. Bereits anfangs der 70er Jahre relles Zentrum geschaffen werden. wurden statische Untersuchungen zur Standsicherheit des Gebäudes eingeleitet Programm und Aufgabe und erste Sicherungsmaßnahmen durchge­ – Nutzung des ehemaligen Kirchenraumes führt. Mit dem Beschluß, den weiträumigen Kir­ und Chores als Konzerthalle. Ausbau, Ausstattung und Gestaltung sind auf chenraum primär als Konzerthalle zu nut­ diese Zweckbestimmung auszurichten. zen, waren Leitlinien für das weitere Vor­ gehen gegeben. Bei dieser wichtigen Ent­ Für die Meisterkonzerte ist ein Fassungs­ scheidung hat sicher auch das Klangerlebnis vermögen von 800 bis 900 Besuchern anzustreben. Es ist in Abstimmung mit der 1972 aufgeführten „Schöpfung“ mit­ gewirkt. Dieses Oratorium mit Solisten, der Denkmalpflege zu prüfen, ob durch Chor und Orchester hat raumakustisch eine Empore die gewünschte Besucher­ einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. zahl erreicht werden kann. Besonderen Die bis zur letzten Ecke ausbestuhlte Wert wird auf die Raumakustik gelegt. – Für die Besucher sind angemessene Frei­ Halle hatte einen Bretterboden, noch keine Empore und eine zum Chorgebäude ge­ und Bewegungsflächen anzubieten durch schlossene Stirnwand. Subjektive Wahrneh­ Einbeziehung des Kreuzganges mit einer mungen dürfen nicht am objektiven Maß­ Verglasung oder einer Überdachung des stab gemessen werden. Die Frage stellte sich, Innenhofes. wird nach dem erfolgten Umbau die Raum­ – Das Refektorium soll für Repräsenta­ akustik besser oder schlechter sein? tionszwecke zur Verfügung stehen. Die ehemaligen Wirtschaftsräume und der Sicherung und Erhaltung der wertvollen überdachte Wirtschaftshof sollten für Bausubstanz Wechselausstellungen eingerichtet wer­ Das historische Erbe, das die Stadt Villin­ den. Ein kleines Theaterbufett ist mit ein­ gen-Schwenningen mit der Übernahme des zuplanen. ehemaligen Klostergebäudes und des Osian­ – Alle übrigen Räume in den oberen derhauses angetreten hat, stellte hohe An­ Geschossen des ehemaligen Klosterge­ sprüche hinsichtlich der Sicherung und der bäudes sind für Museumszwecke aus­ Erhaltung unter denkmalpflegerischen Ge­ zuweisen, mit Ausnahme der Gardero­ sichtspunkten. benräume für Mitwirkende. 152

Eingriffe in den früheren Sakralraum und den Chor. Hier zeigten sich erste Schwierigkeiten. Die bisher unkontrollierbare Eigenbewegung des gewaltigen Dachstuhles sowie die bis zu einer halben Mauerstärke überhängende Traufe der Ostwand haben zu einer Verfor­ mung geführt, die eine akute Gefährdung darstellte. Das meterdicke Mauergefüge mit seiner inneren und äußeren Schale ohne sta­ tische Bindung der Füllschicht war nicht mehr in der Lage, bei einer Länge von 40 m und einer Höhe von 11 m alle auf sie einwir­ kenden Kräfte aufzunehmen. Eine statische Sicherung konnte nur durch einen Vertikalpfeiler mit einer Rück­ verankerung zur Westwand im Boden und über den Dachraum erreicht werden. Nachdem das Landesdenkmalamt Beden­ ken gegen außenliegende Pfeiler anmeldete, wurde die Hallenwand an der Rietgasse in einer Breite von ca. 6 m auf die gesamte Höhe ausgebrochen und mit einem Stahlbeton­ kern gesichert. Formal wurde so die alte Mauerflucht erhalten. Weitere Schäden, fast noch schwerwiegender, zeigte die Hallen­ westwand.Nach der Säkularisation waren im nordwestlichen Teil der Halle Pferdestallun­ gen untergebracht. Die Folge war eine fort­ schreitende Zerstörung des Mauerwerkes. Durch zwei Maßnahmen konnte hier eine Sicherung erreicht werden: durch das Verfah­ ren einer Vemadelung, d. h. ein diagonal ver­ setztes Aufbohren der schadhaften Wand, das Einführen von Bewehrungsstählen und das Ausgießen der Hohlräume mit Zement­ milch. Dabei mußte mit großer Vorsicht zu Werke gegangen werden, damit die Putz­ schichten der Halleninnenwand für die spä­ tere Restaurierung erhalten blieben. Eine weitere Sicherung konnte durch das Einzie­ hen einer Empore erreicht werden. In das Flä­ chentragwerk der Stahlbetondecke wurden alle umgrenzenden Wände verankert. Ein neues Problem brachte das Öffnen der Chorwand sowie das Ausbrechen der Mauerbrüstungen und der Geschoßdecken. Hier wurde zunächst die Tragfähigkeit der 153 Der Spitalfond, Eigentümer und Nutzer der Anlage, hat sich schon in den 60er Jahren Gedanken gemacht, ob der Stiftungsauftrag -Betreuung und Pflege der alten Menschen -im bisherigen „Hl.-Geist-Spital“ verwirk- licht werden kann. Bei allem Bemühen, die Kontakte der Heimbewohner zur Altstadt zu erhalten, war es nicht möglich, einen Bauplatz in unmittel­ barer Nähe der Stadt zu finden. So entschloß man sich für einen Neubau im Wohngebiet „Erbsenlachen“. Im Juli 1978 verließen die letzten Heimbe­ wohner ihre Räume an der Rietgasse und der Rietstraße. Damit stand der gesamte Gebäudekom­ plex frei für bauliche Maßnahmen. Ein erster Schritt war eine Bestandsuntersuchung der tragenden Konstruktion, der Mauem, der Decken und des Dachstuhles. Es war ein Neubeginn notwendig. Vorliegende Gutach­ ten und durchgeführte Sanierungen erwie­ sen sich als nicht tragfähig. Es galt ein kon­ struktives Konzept zu finden ohne störende

schlanken Mauerpfeiler durch endosko­ pische Aufnahmen überprüft. Dabei zeigte sich, daß die Pfeiler nicht homogen hochge­ mauert, sondern im Innern mit Bruchmate­ rial verfüllt waren und große Hohlräume auf­ wiesen. Dazu kamen die Zerstörungen durch das Einziehen der Geschoßdecken und der Fensterbrüstungen. Auch hier erfolgte eine Vernadelung nach dem bewährten Verfah­ ren. Erst nach Abschluß der baulichen Siche­ rung konnte die 2. Phase, der Ausbau nach dem vorgegebenen Raumprogramm, in Angriff genommen werden. Schwerpunkte beim weiteren Vorgehen waren Fragen der Akustik, der Bauphysik, des Raumklimas, des baulichen Brandschut­ zes, der Einbruchsicherung. Eine Konzerthalle stellt hohe Ansprüche an die Raumakustik. Ein Raum muß antwor­ ten, pflegen die Akustiker zu sagen. Eine Antwort ist aber nur möglich, wenn alles stimmt, wenn die Verständlichkeit auch in den Randbereichen vorhanden ist, wenn der Nachhall sich in den dem Raum eigenen Grenzen bewegt. Um diese Stimmigkeit zu erreichen, wurde schon sehr bald die fach­ liche Beratung eines Akustikers hinzugezo­ gen, der bestimmend Einfluß auf die Gestal­ tung der Wände, der Decken, der Empore sowie der Einrichtung und Ausstattung neh­ men sollte. Die Bauphysik und das Raumklima brachten eigene Gesetzmäßigkeiten in die Diskussion zwischen Denkmalpfleger, Ar­ chitekt und Ingenieur. Vorrangig standen die Belange der Denkmalpflege: Erhaltung und Sicherung der alten Wandmalereien, der Putzschichten und Putzstrukturen vorwie­ gend an der Westwand, an der Chorwand sowie im Chorraum, in Bereichen, die nach der Zerstörung 1704 noch erhalten geblieben sind und die Säkularisation und die Folge­ jahre schadlos überstanden hatten. Es galt ein Raumklima zu schaffen, das einmal den Ansprüchen von Ausstellungen und der musealen Nutz_ung entsprach und 154 zum anderen dem Besucher einer mehrstün­ digen konzertanten Aufführung kein raum­ klimatisches Unbehagen aufkommen ließ. Die mönchischen Tugenden der Franziska­ ner, die Abhärtung und die Anspruchslosig­ keit werden sicher auch heute noch geachtet, aber niemand wird mehr bereit sein, sich in diesen Tugenden zu üben. Wenn man be­ denkt, daß seit der Entstehung des Franziska­ nerklosters der Kirchenraum mit dem Chor nie beheizt worden ist, Kälte und Feuchtig­ keit das Raumklima bestimmt haben, war nunmehr die Frage, wie würde das Bruch­ steinmauerwerk und das alte Holzwerk auf die geänderten Einflüsse reagieren. Durch Gründungsuntersuchungen konnte nachge­ wiesen werden, daß im Bereich der Rietgasse der Grundwasserspiegel sehr hoch anstand, d. h. das Bruchsteinmauerwerk wird, nach­ dem keine horizontalen Sperrschichten ein­ gebaut werden können, immer eine aufstei­ gende Durchleuchtung haben. Nach einem 2-Stufen-Verfahren kann in einer ersten Stufe über eine Fußbodenhei­ zung eine Raumtemperatur von ca. 12° C erreicht werden, ausreichend für alle Ausstel­ lungen und die museale Nutzung. Für Ver­ anstaltungen konzertanter Art kann in einer zweiten Stufe durch ein im Boden und im Dachraum geführtes Lüftungssystem bis auf 20° C hochgefahren werden. Dieses Hoch­ heizen geschieht in sorgfältiger Abstimmung mit den bauphysikalischen Eigenarten des Holz-und Mauerwerkes (max. 1° Tempera­ turanstieg pro Stunde). Nach Ende einer Vor­ stellung wird die Raumtemperatur wieder abgesenkt. Damit soll vermieden werden, daß langanhaltende, hohe und trockene Raumtemperaturen zu nachteiligen Ver­ änderungen im Mauerwerk und im Holz führen. Zur Unterstützung dieses Vorganges wurde die Innenseite der Hallenostwand auf die gesamte Länge mit einer wärmedämmen­ den Schale versehen. Bei anspruchsvollen Konzertveranstal­ tungen kann auf einen angemessenen techni­ schen Aufwand nicht verzichtet werden. Die eingebaute Technik sollte ohne Minderung

schoß unter den Komödiengarten gelegt werden konnten, wurden der Kreuzgang, der ehemalige Küchentrakt, der eindrucksvoll gestaltete frühere Wirtschaftshof sowie das neu gefaßte Refektorium in die Foyerfläche mit einbezogen. So entstand eine interes­ sante Raumfolge mit Zeugnissen verschiede­ ner Zeitepochen auf einer Fläche von ca. 680 qm. Überlegungen, den Kreuzganginnenhof als Wandel- und Ausstellungshalle mit­ zunutzen, wurden schon sehr bald aufgege­ ben. Während in Schwäbisch Gmünd, beim Umbau und der Renovierung des ehemali­ gen Dominikanerklosters, dem heutigen »Prediger“, zu einem „Haus der Kultur“ der überdachte Innenraum ein zentrales Anlie­ gen war, mußten in Villingen andere Wert­ maßstäbe angelegt werden. Eine Öffnung des Kreuzganges zum Innenhof hin hätte die Zerstörung der in ihrer Vielfalt einmaligen gotischen Maßwerke aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts zur Folge gehabt Demgegenü­ ber waren die Kosten für ein Glasdach zweit­ rangig. So entschied man sich für eine Vergla­ sung des Kreuzganges mit einer subtilen An­ passung an die reiche Formensprache des gotischen Maßwerkes. Ausstattung und Einrichtung Es wurde versucht, die Einrichtung und Ausstattung in der Formensprache mit den Stilmitteln unserer Zeit einfach zu halten. Schlicht und einfach sollte auch das Ge­ stühl sein, ohne daß der Besucher auf einen angemessenen Sitzkomfort verzichten muß. Für die gewünschte Mehrfachnutzung der Halle wurden stapelbare Stühle gewählt, die bei Bedarf über einen Stuhlaufzug in das Untergeschoß transportiert werden können. Mit dem 1. Bauabschnitt ist nur ein Teil der gesamten Maßnahme realisiert worden. Eine vordringliche Aufgabe war es, den bau­ lichen Brandschutz und die räumliche Siche­ rung zur Erhaltung der wertvollen Kulturgü­ ter funktionsfähig zu halten. · 155 der Funktion in den Raum integriert werden. Die Meisterkonzerte, bisher ein fester Be­ standteil im kulturellen Angebot des Thea­ ters am Ring, sollen ebenso wie andere Kon­ zerte im ehemaligen Franziskanerkloster ein neues Zuhause haben. Zur Verbesserung der akustischen Wir­ kung und der Sichtverhältnisse wurde ein mehrstufiges Hubpodest eingebaut, das ergänzt durch mobile Elemente bei einer Szenentiefe von 14 m bis zu einer Höhe von 1,75 m ausgefahren bzw. aufgebaut werden kann. Mit dieser Einrichtung können große Chorwerke mit Orchesterbesetzung, Orato­ rien und Sinfonien ohne räumliche Enge aufgeführt werden. Für Künstler und Mitwir­ kende wurden im Obergeschoß des nahelie­ genden Südflügels Solisten- und Auf­ enthaltsräume geschaffen. Eine Konzerthalle für 800-900 Besucher erfordert auch ausreichende Frei-und Bewe­ gungsräume. Während die Garderoben­ räume mit den Toiletten, erreichbar über eine großzügige Treppenanlage, in das Unterge-

Die renovierte Pfarrkirche von Epfenhofen Ein Beispiel für Neoromanik und Neogotik im späten 19.Jahrhundert Die alte Kirche stand an einer anderen Stelle als die heutige, nämlich auf dem Fried­ hofsgelände. Wie diese war sie dem HI. Gal­ lus geweiht. Schon seit Jahrhunderten befand sich dort eine Kirche, und wahrscheinlich – so vermutet Pfarrer Kleiser – ist dieser Ort schon in vorchristlicher Zeit eine Kultstätte gewesen. Im Jahre 1846 wurde Epfenhofen, das bis dahin seelsorgerisch von Pützen aus betreut worden war, eine eigene Pfarrei. Man begann mit dem Bau eines Pfarrhauses und errichtete anschließend die heutige Kirche, die Ende 1864 eingeweiht wurde. Dazu verkündet im Advent 1864 der damalige Pfarrer Schmalze!: »Am nächsten Donnerstag (8. Dez.) feiern wir das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, ein gebotener Feiertag. An diesem Tage findet zugleich die feierliche Einwei­ hung unseres neuen Gotteshauses statt. Da dieser Tag ein besonderer Fest- und Freuden­ tag für die Gemeinde ist, so wird man es an nichts ermangeln lassen, um dieses Freuden­ fest in feierlichster Weise zu begehen. Zur Abholung des Allerheiligsten aus der alten in die neue Kirche wird feierliche Prozession gehalten. Die Jungfrauen sind mit Kränzen geschmückt.( … ) Vom nächsten Donnerstag an wird nun für immerhin der Pfarrgottes­ dienst in der neuen Kirche stattfinden.“ Drei Jahre später wurde die, wahrschein­ lich baufällige, alte Kirche abgerissen, wie eine Notiz in den Kirchenakten vom 30. 6.1867 sagt: „Am 3. Juli dieses Jahres wird der Abbruch und die Versteigerung der alten Kirche fest­ gesetzt. Folgende Bedingnisse gelten: a) Die Steigerer haben den Abbruch selbst zu besorgen. b) Der Verkauf des Gebäudes wie der Stühle und des Altars geschieht abtei­ lungsweise.“ In Epfenhofen steht eine Dorfkirche, die dem Durchfahrenden nur durch ihr frisch geweißtes Äußeres auffallt. Gelingt es aber dem Besucher, einen Blick in ihr Inneres zu werfen, so überrascht ihn ein frisch renovier­ ter Kirchenraum von eigenartiger Form-und Farbgestaltung, die in unserer Gegend wahr­ scheinlich einmalig ist. Pfarrer Drabek aus Pützen, der die Kir­ chengemeinde betreut, und sein Vorgänger, Pfarrer Kleiser, Riedböhringen, waren für die 1983 abgeschlossene Renovation der Kirche zuständig. Epfenhofen gehörte bis zur Reformation dem Kloster Allerheiligen in Schaffhausen und kam dann, bis 1805, in den Besitz der Deutschordens-Kommende Mainau. 1839 wurde das Dorf badisch. 156

Aus dieser alten Kirche stammen nach­ weislich eine Heiligenfigur, spätgotisch, und wahrscheinlich die seitlichen Figuren des Hauptaltars (Rokokozeit). 1874 mußten die römischen Katholiken auf Erlaß des Großherzogs den Altkatholi­ ken die Kirche überlassen. Sie bauten sich in der Nähe eine Notkirche, die bis nach dem 2. Weltkrieg bestehen blieb. Die wenigen Alt­ katholiken konnten aber den großen Bau nicht unterhalten, so daß 1895 ein Tausch vollzogen wurde. Der Kirchenneubau, der 1864 vollendet war, entstand nach den Plänen des Karls­ ruher Architekten Fischer. Gemäß dem Zeit­ stil verwendete er bei seinen Plänen histori­ sierende, im wesentlichen romanische und gotische Stilelemente. Das schlichtweiße Äußere wird akzen­ tuiert durch Spitzbogenfenster aus Tuffstein mit profilierter, tiefer Laibung. Ein schlan- ker, spitzer Turm von 37 m Höhe, der im Zuge der Renovation gänzlich erneuert wer­ den mußte, überragt das Gotteshaus. Im Innern ist die Kirche durch den spitzen in Langhaus mit Chorbogen deutlich Empore und einen schmäleren Chorraum gegliedert. Im Chorraum befindet sich der geschnitzte Hauptaltar, verziert mit goti­ schem Maßwerk. In der mittleren Altar­ nische steht St. Gallus, der Kirchenpatron, links der Heilige Bernhard und rechts die Heilige Margarete. Die beiden letzten Figu­ ren sind wesentlich kleiner als der HI. Gallus. Durch ihre Zierlichkeit und ihre Eleganz der Linienführung weisen sie in eine andere Bild­ hauerwerkstatt. Den Abschluß des Chorrau­ mes bilden zwei bunte Glasfenster, aus­ geführt in romanisierendem floralem Oma­ mentstil. Überall drückt sich in kräftigen Farben die Ornamentfreude aus. Im Chorbogen sind es Neoromanik und Neogotik im Langhaus und Chor der St.-Gallus-Kirche in Epfenhefen 157

Der Rückgriff auf Stilelemente der Roma­ nik und Gotik ist sicher nicht zufällig, son­ dern im Zusammenhang mit den nationalen Bestrebungen jener Zeit zu sehen. Die Kirche hatte Teile ihrer alten Unabhängig­ keit an das Staatskirchentum verloren, das die neue Macht nun mit altem Glanz schmücken wollte. Die Renovierung von 1969 bis 1983 Die vergangenen Jahrzehnte standen der Ornamentfreude, wie sie in Epfenhofen zum Ausdruck kommt, ablehnend gegenüber. Erst im letzten Jahrzehnt hat sich die Einstel­ lung zu den historisierenden Stilen des letzten Jahrhunderts geändert und wird der Versuch unternommen, diese Kirchen in ihrer damaligen Ausstattung zu erhalten. Nach einem Brand wurde 1969 unter der Leitung von Pfarrer Kleiser das Pfarrhaus neu erstellt. Danach erfolgte die Außenreno­ vation der Kirche, die Neuaufführung des Turmes, dessen Holzkonstruktion verrottet war, und des Daches. Sein Nachfolger im Amt, Pfarrer Drabek, veranlaßte den Einbau einer Heizung, die Verlegung des Stromes unter Putz und die anschließend erfolgte Säuberung und Neu­ ausmalung der Innendekoration in den Jah­ ren 1980-83. Die Kosten für die Innenreno­ vation beliefen sich auf 265 861 DM. Der Restaurator, Horst Sommer aus Mös­ singen, beschrieb den Zustand der Kirche, bevor er seine Arbeit aufnahm: die Farbe an den Deckenbalken war infolge des undich­ ten Daches abgeblättert, durch die undichten Fenster lief Wasser, der Putz fiel ab, die Sok­ kelzone der Chorpartie war überstrichen worden. Die ursprünglichen Farben waren mit der Zeit verblaßt und unansehnlich geworden, Schmutz war bis in die tiefsten Farbschichten gedrungen. Restaurator Sommer begann mit einer Bestandsaufnahme. Noch verwendbare Tei­ le, wie z.B. der Chorbogen, wurden sorg­ fältig retuschiert. Zur Wiederherstellung der Ornamente verwendete Sommer alte, origi- die sieben Sakramente in Medaillonform, an den Wänden sich wiederholende geome­ trische Muster, die einen tapetenartigen Ein­ druck erwecken. Die Holzbalkendecke ist geziert mit stilisiertem Wein-und Eichen­ laub. Die Deckenmitte wird durch quadratisch gefaßte Medaillons betont. Die bemalte Decke assoziiert Vergleiche mit der 1220 ent­ standenen bemalten Holzdecke von St. Michael zu Hildesheim. Ferner erinnert der Radleuchter, verwandt dem bekannten Bar­ barossaleuchter im Aachener Dom, an die Zeit der Staufer. Charakteristisch für Epfen­ hofen sind, neben gotisierenden Formen, an den Altären, den Spitzbogenfenstern, Stilele­ mente der Spätromanik, verbunden mit einer ausgesprochenen Ornamentfreude, die sich bis in den letzten Winkel ausdehnt. Die Ornamente sind in vielen Farben ausgeführt, wobei Chromoxidgrün in verschiedenen Farbabstufungen, Rottöne samt Ocker vor­ herrschend sind. 158

nale Leimfarben. Häufig war er einen ganzen Tag mit dem Mischen eines Farbtones beschäftigt. Im Laufe der Zeit gelang es ihm immer mehr, sich in das Farbempfinden des ehemals ausführenden Künstlers einzufüh­ len. Besonders mühevoll war die Arbeit an den Chorwänden, weil für die Wiederherstel­ lung der geometrischen Muster mit Schablo­ nen gearbeitet werden mußte. Neben den Wänden und der Decke hat Horst Sommer auch die drei Altäre restau­ riert, deren gotische Verzierung zum großen Teil zerstört war. Seinem Einfühlungsvermö­ gen und seiner sorgfältigen Arbeit ist es zu verdanken, daß der ursprüngliche Gesamt­ eindruck der Kirche wiederhergestellt wer­ den konnte. St. Gallus von Epfenhofen ist nun ein strahlendes Beispiel der Neoroma­ nik und Neugotik aus dem letzten Jahrhun­ dert. Brigitte Kehrer-Reichmann Die Kurgast-Kirche in Bad Dürrheim Endlos und begeistert schwärmte er sei­ nem Gesprächspartner etwas über „moderne Kunst“ vor, welche großen Ideen da zum Durchbruch kämen, und was alles so an Gedanken im Künstler lebe … „Höre ein­ mal!“ sagte ihm der andere, – „rein zufällig“ als Architekt auch „nicht so ganz unerfah­ ren“ in Sachen Kunst -: „Ich hatte früher einen väterlichen Freund, der in Ungarn berühmt gewordene Kirchen erbaut hatte und sie eines Tages wieder einmal sehen wollte … “ Da stand er nun, völlig inkognito, inmitten einer Reisegruppe und hörte den Erläuterungen über eine seiner Kirchen zu, die der Fremdenführer da von sich gab … Urplötzlich hielt es ihn nicht mehr, und er 159

bat für einige Augenblicke um das Wort: „Voller Erstaunen höre ich nun seit zwanzig Minuten, welche Ideen hier in diesem Kir­ chenbau zu Stein geworden sind, und was sich der Erbauer alles gedacht habe! – Gar nichts hat er sich gedacht! – Ich bin nämlich der Erbauer!“ Nach dieser ernüchternden Erinnerung, die nicht aus der Luft gegriffen ist, stellt sich die Frage, ob es bei unserer hier folgenden E i n l a d u n g z u e i n e m B e s u c h der am Bad Dürrheimer Kurpark gelegenen und über eine Freitreppe allen Spaziergängern zugänglichen Kapelle des „Kurheim und Sanatorium“ etwa auch so steht. – Gottlob, nein! – Denn, noch ehe sich die Künstler an die ihnen zugefallenen Aufgaben heran­ machten, wurde am 13. Juli 1973 ein theologi­ sches Konzept vorgetragen, dessen Grund­ ideen hier als Hilfe zum Verständnis der „Kur-Kirche“ für den Leserkreis des Alma­ nach dargeboten werden: Kunst kommt von Können. – Aber reli- giöse Kunst greift tiefer: Sie schöpft aus dem Jenseitig-Religiösen und so aus den Myste­ rien Gottes, um sie diesseitig darzustellen und Botschaft zu sein. – Eine Kirche als „Sakralbau“ ist schon durch die bischöfliche Konsekration „Aula Majestatis Dei“, – “ Thronsaal Gottes in Herrlichkeit“, Stätte Seiner Gegenwart und das ureigentliche Zuhause des Christen. – Hier spricht Gott zum Menschen. Hier werden in der Liturgie die Mysterien der Erlösung gefeiert, – bis zum großen Tag der Wiederkunft Christi und deshalb in der Ausrichtung auf diesen. – Zudem ist der Bau aus Stein ein Symbol für die lebendige Kirche als „Dombau Gottes im Heiligen Geist“. – Aus all diesem folgt, daß einem Kirchen­ bau auch künstlerisch-architektonisch eine Symbolik als Thema für alle am Bau Beteilig­ ten zu Grunde gelegt werden muß. – Es gibt deren verschiedene und dies zur Sicherung auch der „Einheit im Raum“. – Für die Kurheim-Kirche, die die Gestalt 160

eines achteckigen Zeltes hat, bot sich die Symbolik aus der Apokalypse vom „Zelt Gottes unter den Menschen“ geradezu an, – Zelt nicht als „Wetterschutzhütte“, sondern als Zeichen der kommenden Erfüllung des Gottesreiches und somit auch als „Himm­ lisches Jerusalem“. Nach dieser mehr theoretischen „Beleh­ rung“ besuchen Sie uns bitte! – Wenn Sie den Kapellenraum ein wenig erfaßt haben, ach­ ten Sie zweckmäßig auf die beiden „Ebe­ nen“, auf denen die Symbolik des „Gottes­ zeltes“ zum Ausdruck kommt. Das „Kommen Gottes“ und sein „Woh­ nen mitten unter uns“ deutet zunächst die ,, Vertikale“ an: Mit Vorbedacht ist die zelt­ förmige Dachkuppe durch einen umlaufen­ den Lichtschlitz von einem das Dach auf­ fangenden Mauerring, der seinerseits von acht zierlichen Säulen getragen wird, abgeho­ ben. – Sie erweckt so den Eindruck des „Kommenden“ und wird deshalb von einem apokalyptisch gestalteten Hängekreuz beherrscht: Auf leuchtendem Thronstein steht Christus mit einladenden Händen. Der Vater reicht ihm die Krone vom Himmel her, zu seinen Füßen stürzt der höllische Drache in den Abgrund. Auf der Rückseite des Kreu­ zes, die je nach der Festzeit der Gemeinde zugewandt wird, sieht man Christus als Lamm Gottes auf dem Opferaltar mitten im goldleuchtenden himmlischen Jerusalem. – Unter diesem den Sieg des Herrn verkünden­ den Zeichen steht, als Terrakottaarbeit, der Opferaltar. Er trägt in Anlehnung an die letzte Vision der Apokalypse vom „Altar Gottes und des Larnrnes“ die Zeichen des Paradiesstromes und des Lebensbaumes. Denn vom Altar her strömen ständig die Kräfte der Erneuerung aus dem Messopfer, bis der Herr zur Vollendung des Gottesreiches kommt. Um dieser Ausrichtung auf das Kom­ mende willen, zeigt der in die Kirchenmauer eingelassene Tabernakel als Ort der euchari­ stischen Gegenwart des Herrn das Symbol des Weinstockes als Zeichen Christi und sei­ ner zur endzeitlichen Vollendung drängen­ den Kirche. Die gesamte Symbolik nimmt so Bezug auf die Vision der Apokalypse: ,,Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde … und die Heilige Stadt, das Neue Jerusalem, sah ich vom Himmel herabkommen … Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Siehe, das Zelt Gottes unter den Men­ schen. Er w i r d b e i i h n e n w o h n e n , u n d s i e w e r d e n s e i n V o l k s e i n !“ (Apk. 21, 1 ff.) Weiter sagt die Geheime Offenbarung, diese Neue Stadt ist „erfüllt von der Herrlich­ keit Gottes und ihre Leuchte ist das Lamm!“ Um diesen heiligen Bezirk der Mitte schart sich die Gemeinde zum heiligen Opfer und zum Hören auf Gottes Wort, um draußen in der Härte des Alltags, als Kirche zu leben und so die „ Verwandlung der Welt auf das Reich Gottes hin“ (Card. Franzelin SJ) mitzutragen. – Bei dieser „Meditation“ über den Kirchen­ raum ist der Besucher bereits unmerklich von der „Vertikalen“ in die „horizontale Ebene“ seiner Gedanken übergegangen. Darum gilt jetzt seine Aufmerksamkeit der Symbolik der Predigtstätte neben dem Opferaltar. – Die Grundidee dieser Bron­ zearbeit nimmt Bezug auf die Kirche als „Säule der Wahrheit“, die die Botschaft des Lebens in den vier Evangelien den Men­ schen zuruft. – So zeigt diese Stätte mit vier vergoldeten Plaketten die uralten Symbole der Evangelisten. Sie finden sich erstmalig in der alttestamentlichen Vision von den vier Wesen bei Ezechiel und dann in der Apoka­ lypse bei der „ Thronbesteigung des Lam­ mes“, als „ Thronassistenten Gottes“, die den lebendigen Cosmos versinnbilden. – Gehen wir einen Schritt weiter! – Die Kapelle ist ein Bild vom „Zelt Gottes“. Dieses aber ist in der Geheimen Offenba­ rung identisch mit der vom Himmel her­ absteigenden „Neuen Stadt Jerusalem“. – Sie wird von einer mit Edelsteinen reich verzier­ ten Mauer umgeben und birgt das Volk der Erlösten in der Herrlichkeit Gottes. – In dieser Richtung sind die farbenprächti­ gen Kirchenfenster zu verstehen. Im Detail 161

Rückwandfenster der Kapelle nehmen sie Bezug auf die Siegesverheißun­ gen in den Sendschreiben an die Gemeinden. So wird jeder Gläubige, der das Wort Got­ tes hört und das Erlösungsopfer mitfeiert, durch die Symbolik der ihn umgebenden Fenster aufgerufen, zuversichtlich als »Christ in Christus“ das Reich Gottes mitanzubah­ nen … – Bei einem Besuch der Kapelle sollten Sie den dort ausgelegten »Kirchenführer“ zur Hand nehmen, um die einzelnen Zeichen der Sendschreiben in den Symbolen der Fen­ ster wiederzufinden. – Wer dieses Gotteshaus ein wenig „von innen her“ begreift, versteht auch das große Abschlußbild von der Kirche als »Braut Christi“ in seiner hellen Leuchtkraft. -Gern hört er auch auf die Klänge der kleinen Orgel, der „Königin der Instrumente“, und versteht: Da Gott unter uns wohnt und alles 162 zur Vollendung in Herrlichkeit führen wird, braucht niemand zu verzagen! – Wenn Sie diese Darlegung anregt, unser Gotteshaus einmal in Ruhe aufzusuchen, dann verstehen Sie, warum auf den langgezo­ genen Griffleisten der Portaltüren geschrie­ ben steht: „WER DÜRSTET, DER KOMME! – WER VERLANGEN HAT NACH DEM WASSER DES LEBENS, DER TRINKE UMSONST … “ (Apk. 22) – HERZLICH WILLKOMMEN! Lic:, Lic. Wilhelm Goderski Kurseelsorger

Zur Geschichte des Turmes auf dem Brend gerissen hätten, konnte die Turmerhöhung nicht durchgeführt werden. Schließlich ergab sich Ende der 70er Jahre dann doch eine Möglichkeit zur Aufstok­ kung des Turmes, als im Zusammenhang mit dem Ausbau eines flächendeckenden Netzes von Betriebsfunkstellen die beiden Elektrizi­ tätsgesellschaften Badenwerk AG Karlsruhe und Elektrizitätsgesellschaft Triberg im Bereich Brend und Rohrhardsberg nach ge­ eigneten Standorten zur Errichtung von Funkmasten und Gerätehäuschen suchten. Hier hat sich der Bezirksnaturschutz des Gaues Fohrenbühl des Schwarzwaldvereins in Zusammenarbeit mit dem Hauptnatur­ schutz mit Erfolg eingesetzt. Aus Gründen des Landschaftsschutzes konnte erreicht werden, daß statt der Errichtung der Beton­ funkmasten der Brendturm aufgestockt und mit einem Antennenmasten versehen wer- Der Turmbau im Jahre 1905 Zu Pfingsten 1983 wurde der aufgestockte Brendturm für den Publikumsverkehr freige­ geben. Die Erhöhung von 8 auf 15 Meter ermöglicht jetzt wieder unbehinderte Sicht über die Baumwipfel, so daß bei klarem Wet­ ter ein herrliches Alpenpanorama vom Jung­ fraumassiv im Süden bis zur Zugspitze im Osten zu bestaunen ist. Vor 100 Jahren stand auf dem 1150 Meter hohen und damals nahezu kahlen Brendgip­ fel ein kleiner Holzturm, den der Sturm bereits innerhalb eines Jahrzehnts hinwegge­ fegt hat. Auch die von Oberförster Julius Wetzel von der Sektion Triberg 1887 erbaute Schutzhütte für Viehhirten und Waldarbei­ ter wurde im Herbst 1901 durch einen schwe­ ren Sturm völlig vernichtet. In der Generalversammlung von 1904 beschloß die damals noch Sektion genannte Ortsgruppe Furtwangen, statt der zerstörten Juliushütte einen den Unbilden der Witte­ rung besser standhaltenden Granitturm zu errichten, der im Rahmen eines großen Volksfestes im Jahre 1905 eingeweiht werden konnte. Während des Zweiten Weltkrieges dien­ ten der Turm und seine nähere Umgebung als Flugwachtstützpunkt mit Geschützstand und Flakbunker. Die Überreste der nach dem Krieg gesprengten Befestigungsanlagen sind in der Landschaft kaum noch zu erkennen, da sie mittlerweile von Niederwald über­ wachsen wurden. Bereits während der 60er Jahre kam der Plan auf, den 8 Meter hohen Turm um etwa den gleichen Betrag zu erhöhen, da die Aus­ sicht nach Norden und Osten hin durch den inzwischen hochgewachsenen Wald be­ trächtlich eingeengt wurde. In diesem Zu­ sammenhang diskutierte man einen Vor­ schlag von Paul Winkler, nach dem die Auf­ stockung des Turmes so vorgenommen wer­ den sollte, wie es die Aufnahme des aus Blech gefertigten Modells zeigt. Da jedoch die Kosten für ein derartiges Bauvorhaben die Ortsgruppe Furtwangen tief in Schulden 163

gegeben ist. Bei günstigen Witterungsver­ hältnissen soll jedoch der Turm nach der Schneeräumung auch im Winter für die All­ gemeinheit zugänglich bleiben. Zunächst hatte die Bauaufsichtsbehörde des Landrats­ amtes des Schwarzwald-Baar-Kreises mit Ver­ ordnung vom 13. 9 .1983 entschieden, daß der Turm vom 1. November bis zum 15. April ständig ��schlossen bleiben müsse, was in der breiten Offentlichkeit aufKritikgestoßen ist. Schließlich hat der Landrat auf entsprechen­ des Ersuchen und nach wiederholter Über­ prüfung des Sachverhaltes am 23. November 1983 die ursprüngliche Verfügung, die die Witterungsverhältnisse nicht berücksichtigt hatte, gelockert und den Turm, unter den oben genannten Bedingungen, auch im Winter für Besucher freigegeben. Die offizielle Übergabe des Turmes an die Ortsgruppe Furtwangen des Schwarzwaldvereins zur Nutzung als Aussichtsturm erfolgte anläß­ lich einer kleinen Feier am 13. Juli 1983 im Gasthaus „Zum Brendturm“, während die vereinsinteme Einweihung zusammen mit einigen Gästen der Nachbarortsgruppen am 10.September 1983 in einem Zelt neben dem Turmgefeiertwurde. W. Liepelt * Wie einsam alte Menschen sind, Kannst jung Du nie begreifen, Drum freue Dich, zu sein noch Kind, Zu spielen Ringelreifen. Wie traurig alte Leute sind, Das kann man öfter sehen, Sie wären gerne wieder Kind, Wer kann es ganz verstehen? – Doch kommt die Zeit nicht mehr zurück, So sehr ich darum bitte, Denn sie allein, sie war mein Glück, – Jetzt zähl‘ ich meine Schritte. Johannes Hawner Beklommenheit Der aufgestockte Brendturm vor der Renovierung des alten Turmteils den sollte, wobei EGT und Badenwerk diese Funkstelle gemeinsam nutzen könnten. Verhandlungen mit der Ortsgruppe Furt­ wangen führten schließlich im Juni 1981 zu einem Vertrag, der den beiden Elektrizitäts­ gesellschaften die beiden Räume im alten Turmteil zum Ausbau der Funkstelle zu­ spricht. Der neue Turm wird laut Vertrag insgesamt, jedoch ohne die Sendeanlagen, gemeinsames Eigentum der 3 beteiligten Par­ teien. Die Bauarbeiten zur Aufstockung des Turmes wurden im Sommer 1982 begonnen und im gleichen Jahr bis auf einige Restarbei­ ten, vor allem die Renovierung des alten Turmteils, beendet. Im Winter ist die Benutzung des Turmes als Aussichtspunkt gelegentlich nicht mög­ lich, da bei Antennenvereisung oder starkem Schneebelag auf Außentreppen und Plattfor­ men die Sicherheit der Besucher nicht mehr 164

Wider den tierischen Ernst Bunte Welt der Schemen und Hästräger Der Narrenschopf in Bad Dürrheim: Schaufenster des schwäbisch-alemannischen Fasnetbrauchtums Im Jahre 1950 veröffentlichte Johannes Künzig seine Schrift über „Die alemannisch­ schwäbische Fasnet“. Sie dokumentierte die ganze Vielfalt an ortsgebundenen, unver­ wechselbaren Erscheinungsformen dieses alten Brauchtums auf der Baar, am Bodensee, Hochrhein, in den Tälern und auf den Höhen des Schwarzwaldes sowie im weite­ ren alemannisch-schwäbischen Raum bis hinüber in die Schweiz und hinauf bis nach Oberschwaben. Der interessierte Laie, der wissen wollte, was ein Schuddig, Gole, Schrä­ tele, ein Schnabelgieri, Federeschnabel, Gel- tentrommler, ein Wohlauf-Rufer, ein Harras­ Mädle, Surhebel, ein Nüßler oder ein T otengfriß ist, der konnte sich bei dem Frei­ burger Volkskundler informieren. Und er erfuhr bei ihm auf ebenso anschauliche wie wissenschaftlich verläßliche Weise, wo all diese Figuren und viele andere mehr zuhause sind, und was es mit dem Strählen, Schnur­ ren, Schnaigen, Hecheln, mit all dem Mum­ menschanz und eifersüchtig von den einzel­ nen Zünften gehüteten Zeremoniell ihrer örtlichen Fastnachtsbräuche auf sich hat. Es ist ein Menschenalter her, seit die Ver- 165

Vor der Haupifronl des erweiterten Fasnachtsmuseums öffentlichung des Freiburger Volkskundlers erschienen ist Inzwischen gibt es andere, weit attraktivere Informationsmöglichkei­ ten: die Fastnachtsmuseen und unter ihnen den Narrenschopf in Bad Dürrheim. 12 Jahre werden es im Jahr 1985, seit er seine Pforten öffnete. Und bereits nach weni­ gen Jahren stand fest, daß die Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte finanziell nicht schlecht mit ihrem „Narren­ haus“ im erweiterten Kurgebiet der Solestadt auf der Baar fahrt. 15 000 Besucher pro Jahr hatten in den ersten fünf Jahren sich einge­ stellt. Das ergab eine Bilanz von rund 75 000 Besucher, als man im Mai 1978 das fünfjäh­ rige Bestehen des Narrenschopfes beging. Damals, mitten im Feiern, gebaren die Gründer des „Schopf“ die Idee eines Zwil­ lingsbruders. Sie wurde spontan und dank­ bar aufgegriffen. War doch die Stadt Bad Dürrheim im Besitz von zwei Solebehältern der ehemaligen Rottweiler Saline Wilhelms- hall – beides Zeugnisse schwäbischer Zim­ mermannskunst aus der Zeit um 1825.Jeder der beiden Rundlinge mit einem Durchmes­ ser von 40 und einer Höhe von acht Metern. Die Lösung für die Erweiterung durch den „Zwillingsbruder“ war damit von vorneher­ ein vorgezeichnet. Mehr Kopfzerbrechen bereitete den Nar­ renschopf-Vätern die Finanzierung. Immer- Seite 167 links oben: Narrenzunft Bad Dürrheim: Narro, 2 Salzhan­ se!, Narrensamen und Zunftmeister Seite 167 rechts oben: Die Kandelhexe aus Waldkirch Seite 167 links unten: Narrenzunft Rottenburg/Neckar: Ahlandgruppe (Schrecklarve, Lammfell, Geschell bemalles Häs und der Stecken mit der Schweinsblase) Seite 167 rechts unten: Narrenzunft Elzach 166

hin ging es um ein Vorhaben, das 1980 auf rund 500 000 Mark veranschlagt war. Nun, der „Verein Narrenschopf Bad Dürrheim“, am 19. April 1980 aus der Taufe gehoben, stellte das Vorhaben (sprich: den „Zwillings­ bruder“) auf stramme, finanziell verläßliche Beine. Jahresbeitrag für jede der über 65 Zünfte: 100 Mark, für die Einzelmitglieder jährlich: 30 Mark. Einschließlich Rücklagen, Zuschüssen aus der Denkmalpflege und einem „Förderpreis“ standen als Eigenmittel 90 000 Mark zur Verfügung, und das noch benötigte Geld wurde als Kredit aufgenom­ men. Dann ging es Schlag auf Schlag: Erster Spatenstich am Freitag vor Pfingsten 1981 durch zwei Vorstandsmitglieder des Narren­ schopf-Vereins: Bürgermeister Hagmann und Ehrenzunftmeister Walter Sieger; am 18. Dezember 1981 Richtfest für den zweiten Kuppelbau, dessen 36 Rippen in acht Meter Höhe in einer runden Laterne zusammen­ laufen. Der Innenausbau wurde von Mitglie­ dern einzelner Zünfte weitgehend ehrenamt­ lich getätigt. Weitere Geld- und Material­ spenden sowie Preisnachlässe von Firmen ermöglichten es dem Verein – so der „Nar­ renbote 1982“ – für 500 000 Mark ein Millio­ nenprojekt zu erstellen. Den Anschluß an die Gasfernversorgung (Kostenpunkt: 21 000 DM) finanzierten mit je 7 000 Mark die Stadt Bad Dürrheim, die Kur und Bäder GmbH und der Narrenschopf-Verein. Die Isolierung der beiden Rundlinge und ihre Beheizung mit Erdgas erlauben künftige Öffnungszei­ ten auch in den Wintermonaten und garan­ tieren in den Ausstellungsräumen – zum Schutz der Exponate -gleichmäßige Tempe­ raturen. Dann am 17. September 1983 der Eröff­ nungsakt in Form einer „Sommerfastnacht“. An der Spitze der 400 geladenen Gäste und Freunde des schwäbisch-alemannischen Fastnachtbrauchtums der Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Sport, Professor Theo Balle, der dem größten, künftig täglich geöffneten Fastnachtsmuseum des Landes den Segen gab. Und der Präsident der Ver- 168 einigung, Karl Dilger aus Donaueschingen, formulierte vielsinnig, daß es nun vorbei sei mit der „arge Druckete“ – und er meinte damit gewiß auch die „finanzielle Schwerge­ burt des Zwillings“, vor allem aber die Tat­ sache, daß im geschaffenen Doppeltrakt die Schemen- und Hästräger nun mehr „Luft und Licht“ haben und den Besuchern eine „größere Distanz“ zu den Exponaten ermög­ licht ist. Dank schließlich den Mitgliedern der Zünfte und Förderern, die mit Spenden oder freiwilliger Arbeit eine halbe Million Mark einsparen halfen – „ein schöner Bat­ zen, der genau die Hälfte der Gesamtkosten ausmache“. Schließlich – beim Rundgang – präsen­ tierten sich den Gästen nicht nur die über 350 historischen Figuren der mehr als 65 Zünfte. Vertreten sind nunmehr auch die nach 1950 ausgeschiedenen „historischen“ Zünfte Überlingen, Villingen, Oberndorf am Neckarund Elzach. Lediglich die Narren­ stadt Rottweil hält sich weiterhin fern. In den „Zwillingsbruder“ sind die Fast­ nachtslandschaften Baar, Donau, Schwarz­ wald, Hegau, Hochrhein, einschließlich der Zünfte aus der Schweiz, eingezogen. Die Narrenfiguren und Schemen aus den Fast­ nachtslandschaften Bodensee, Linzgau, N ek­ kar-Alb, Oberschwaben und Allgäu findet man nunmehr im Altbau. In Großfotos und Architekturkulissen kommen die althistori­ schen Narrenstädte zusätzlich zur Geltung. Die eiserne Plattform in drei Metern Höhe über dem alten Kuppelbau ist als Ausstel­ lungsfläche für die Dokumentation zur Geschichte der Fastnacht sowie für Wechsel­ ausstellungen gedacht. Seite 169 oben: N arrenzun.fi „Frohsinn „Donaueschingen: Zun.fi­ meister, Grelle, Hanse!, Narrensamen (Grelle, H anse/J, Narrenvater Seite 169 unten: Narrenzunft Bräunlingen: Stadtknecht, Ale­ mannischer Trumm/er, Stadthanse! mit Narren­ schwert, Grelle und Narrensamen

In Sachen „Donauquelle“ Aufgeuichnet a de Fasnet, den 18. 2. 84 lern, Zünften und Gesellschaften, die vor­ Unter dem Verbindungsbau zwischen wiegend aus dem schwäbisch-alemannischen den Rundlingen gibt es ein Kellergeschoß mit Werkstattraum und mit den bisher ver­ Raum kommen. Auch die Schulen in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg zeigen mißten Toiletten. Den neuen Rundling ein gesteigertes Interesse. krönt eine Glaskuppel. Der bisherige Bau wird durch vier Dachfenster aufgehellt. Daß der Narrenschopf in der Mitte der schwäbisch-alemannischen Fastnachtsland­ ,,Hat sich der Erweiterungsbau gelohnt?“ schaft liege, dazu in Bad Dürrheim, einem Auf die Frage, die wir um die Mitte des Jahres gepflegten Kurort mit eigener Note -so 1984 an den Schatzmeister des Narren­ Schatzmeister Rebholz -,,sind zusätzliche, schopf-Vereins stellten, läßt Architekt Guido nicht zu unterschätzende Werbefaktoren für Rebholz die gesteigerten Besucherziffern das Fastnachtsmuseum auf der Baar“. Reb­ sprechen. Waren im Jahr 1982 insgesamt holz schätzt die Jahresziffern künftig auf30- 9000 Gäste gezählt worden, so brachten es 35 000 Besucher, und spätestens in 15 Jahren die ersten drei Monate nach der Wiedereröff­ -so hofft er -werde der Narrenschopf­ nung bereits auf rund 7000 Besucher. Positiv Verein das aufgenommene Darlehen in wirkt sich bereits jetzt eine bundesweite Wer­ Höhe von rund 300 000 Mark getilgt haben. bung aus, bei der rund 250 Busunternehmen Drei Experten stehen für die Führungen zur angeschrieben wurden. Eine ganze Reihe die­ Verfügung, und es gibt Tage, an denen es der ser Unternehmen hat den Narrenschopf seit­ ,,Schopf“ auf 500-600 Besucher bringt. dem in ihrem Jahresprogramm. Dabei han­ Lorenz Honold delt es sich um Fahrten mit Seniorenausflüg- Der Furtwanger Stadtpfarrer Beha vor dem Grobgünstigen Narrengericht aus Stockach Des isch nit so eifach, nit daß ihr meine, wenn mer unschuldig muß vor em Richter [ erscheine. Die Rechtsverdreher und die Juriste sin meischtens keine so g’mütliche [ Chrischte. Defür aber spitzfindige G’setzesverschieber. Ä Titel vom Papst wär mir d o scho viel lieber Prälat, Monsignore und solchene Sache, die au beim Fürscht könnte Eindruck mache. Ich komm mir hit vor, de Vergleich isch kei [Spott, wie de arm La z a ru s nebe nem liebe Gott, wie de Balbo im Chore der seligen Geister, wie de Siedle Horst nebe nem Bürgermeister. Was isch denn scho en Pfarrer vom Land und no us Furtwange, weltweit bekannt? Was muß mer nit deswege alles erdulde. Wo mer hikunnt wirsch g’frogt: Hen ihr no [so viel Schulde? I de Fachhochschuel zu Furtwange Thront es Grobgünstige Narreg’richt vu In Sachen F. F. »Donauquelle“. [Stocke De Fürscht vu Eschinge zum Erschte: 200 Liter veredeltes Donauquellwasser. De Seelsorger des HL Cyriak goht degege Mit Geist, Witz und Gottesgelahrtheit Zugunsten des Sprüchle »Die Q]tel� die richtig, hän mir“. Nachstehend sein Plädqyer Und das entwajfnende Finale: „Humor isch, wenn mer sich selbst Uf de Arm nehme cha’� Verehrtes, grobgünstiges Narregericht, osancta justitia von höchstem Gewicht und alle ihr Narre, des sag ich euch ehrlich: Au so en Pfarrer lebt ziemlich gefährlich! 170 (Vorwort der Redaktion) *

Breg{Donau-)Q;telle bei der Martinskapelle über Furtwangen Ich leb ja sonscht friedlich im Pfarrhus, dem Natürlich isch des uf de Kapelle g’si [Kaschte, und n i t uf de Baar, wo denke’ner hi! verbring meine Tage mit Bete und Faschte An der richtigen Quelle saß der römische und g’messe an meiner Gläubige Zahl, [Knabe und die Gründ sin erdrückend, die ich dafür wär ich in Italie längst Kardinal. [habe: In summa: Mir Furtwanger täte halt meine, Denn’s Klima dort obe, het d’Römer ent- ’s isch Unrecht, daß ich vor Gericht muß [ setzt: [erscheine Im Pelz sin sie kumme, hän Kappe ufg’setzt nur, weil’s die Donaueschinger stört, un g’frore hen sie im eisige Rege daß d’Donauquelle nach Furtwange g’hört! un fünf Meter Schnee sin au no dort g’lege! O sancta justitia, die wahrhafte Q!ielle Die furchtbare Kälte, des isch der Beweis! der Donau entspringt bei der Martinskapelle. Wo gibt’s in Donaueschingen so viel Des reimt sich vorzüglich und wie auf [Schnee und Eis? [Geheiß. Ich weiß es und sag’s euch so ganz nebenbei: Drum isch des für uns scho de erschte Eis gibt’s dort nur in de Konditorei. [Beweiß! Und e richtige Kälte, i muß jo grad lache, In fast jedem alte geschichtliche Buch hen sie nur, wenn alle de Kühlschrank stobt drin, daß au Kaiser dort nuf sin uf [ufmache. [B’such. Sie nenne sich Sonnenterrasse der Baar. Vor allem der Kaiser Valentinian De Schnee git’s in Furtwange, seil isch wohl kam mit seinem. Dichter Ausonius an. [klar! 171

Die Römer hen damals scho ziemlich gern [klaut und au de Ausonius het g’raubt sich e Braut, uf de K apelle obe, ich zeig euch die Stell: Kidnapping war damals scho hoch aktuell! O sancta justitia, in so ferne Zite isch z’Eschinge g’wiß no kei Kaiser rumgritte. Do gab’s noch kei Schloß, aber Wölf, Molch [und Geier ’s war alles en einzige sumpfige Weiher. Er het sie nach Rom bracht, die vieledle [Dame und B i ssula war nun ihr vornehmer Name. Uf d e u t s c h heißt des„S p r i n g e r l e“, mer [übersetzt es halt so Un d i e git’s in Furtwange, ihr wisse ja wo! De Auso n ius het d’Bissula zur Braut sich [erkore und später isch au no e Hochzit drus wore. Er het sie besunge in sämtliche Tön: Sie war wohlgestaltet und zauberhaft schön! Au h e u t kannsch am Donauquell Schön- [heite finde und e römische Kuchi, von vorne bis hinte. So isch des tatsächlich, gehn nur emol ni; mit einer Mark achtzig isch jeder debil In summa: daß d’Römer do obe scho ware, kannsch in der z w e i tausend jährige Ku chi [ erfahre. No hit wird dort kocht drin für Mensch und [für Tier. Denn d’Donauquelle, die richtig, hen mir! De Alteheimpfarrer, Pater Schaaf isch er [g’nannt und als S t r a n d seelsorger von Thailand [bekannt, behauptet nach Forschunge, tiefe und lange, die Bissula hätt mer per Lasso ig’fange. Er kann sich ja wirklich ä Urteil erlaube und seit er in Thailand war, muß mer’s ihm [glaube. Zur Klärung noch eins, daß kein Zweifel [ euch rührt: D’Thars i 11 a het er d o r t nit am Lasso rum­ [gführt! 172 Erseht fünfhundertJohr später isch en Kaiser [hig’loffe Carolus der Dicke und isch prompt dort ver­ [ soffe. Er war uf de Enteburg häufiger Gast und het nach de Donauquell g’sucht ohne [Rast. Aber d e r artig’s het er rein gar nix dort [g’funde, obwohl er im Moor und Morast sich het [g’schunde. Im selbige Sumpf isch er schließlich er­ [trunke: Gluck, Gluck, tönt es schaurig – scho war er [versunke. In summa: Nach alledem isch zu verbuche: De Ursprung der Donau muosch z’Furt- [ wange suche. Die Wegwieser alle, sie zeige nach ihr. Denn d’Donauquelle, die richtig, hen mir! Von der Martinskapell bis zur Mündung in’s [Meer wird die Donau gemesse, sowohl hin, als [auch her. Probatum et factum, die Wissenschaft lehrt: Wer anderscht will messe, der denkt halt ver- [kehrt! Do drüber gibt’s Bücher, Faszikel und Akte und unwiderlegbar historische Fakte. Drum stell ich de Antrag: des G’richt soll ver­ [füge, daß mir z’hinderscht im hintere Donautal [Liege. Die Tatsache hen in frühere Zite Scho d’E r s c h t kläßler g’wißt, wer will das [bestrite? Drum stimmt mich des folgende nit so ganz [heiter: Ich glaub, damals ware au d’Le h r e r no [g’scheiter!

Von der Martinskapelle Richtung Katzensteig Im Bregtal 173

Ja, Lehrer solls ge, an manchene Orte von so’re bestimmte politische Sorte mit Scheuklappe und ideologischem Tick: Statt Rechne vermittle sie G’sellschaftskritik! De Schwarzwald kunnt in ihrem Lehrstoff [nit vor, Defür Nicaragua, EI Salvador. Sie mache kei Usflug an Donau und Rhi: Aber nach Moskau, do fahre sie hi! In summa, mer müßt manche Lehrer be- [kehre, daß d’Kinder normal bliebe und au no lehre: daß zwei mal zwei isch immer noch vier: Denn d’Donauquelle, die richtig hen mir! Die hintere Donau -fließt hurtig und mun­ [ter und sichtbar vor allem de Katzesteig runter. Bim Schulhus, genannt auch „Maison de [Kultur“, do kriegt sie en Zufluß vom Furtwänglebur. Bim Zier unte -aber des isch bekannt wird sie auch Zier-de des Tales genannt. Und unentwegt rauscht sie nach Furtwange [weiter. Dort regiert grad en schwäb’sche Diplom­ [Gastarbeiter! Nach sämtlichen Regeln der schwäbischen [Kunscht werde mir jetzt verwaltet -sehr sparsam und [sunscht hörsch nur noch ein Satz, der kommt hurtig [und fix. Jeder kennt ihn im Städtle: Mir gäbet heut Nur spare und spare un em Himmel vertraue nix läuft meh, mer muß jo die Schulde ab­ [baue. Doch die wachse und wachse, so steht’s in de [Zeitung. Ich glaub bald, do isch en Defekt in de Lei­ [tung! 174 1rux. [ • Durch Furtwange tut sich die Donau beeile. Wer will bi dem kritische Stadtrat verweile? Doch g’mütlich de Weg sie durch Schöne- [bach nimmt: do wird’s Tempo vom Technische Rotbus [bestimmt! Im Dienst sind sie zweifellos alle beflisse, von de Fünfedrißg-Stundewoch wen sie nix [wisse. Warum soll mer denn so en Blödsinn [i’führe? Pro Woch tät mer fünf Stunde Schlof do ver­ [liere! Die Donau will sich dann au Vöhrebach [b’sehe. Des war einst e fürstebergisches Lebe, mit leibeig’ne Bure und fürstliche Knappe mit Zinse und Zehnte und em Esel im Wappe! Der Esel im Wappe, des war ene z’viel. Sie hen en jetzt ausg’merzt mit Stumpf und [mit Stiel und seitdem erhebt sich an selbiger Stelle grad wie zum Protest eine Donauforelle! De Bürgermeister von Vöhrebach-Stadt versteht viel von Kunscht, Malereie und hat, nachdem an sim Rotbus die Farb war ver- [bliche D’Fassade jetzt äußerst dezent wieder g’striche. Aber’s glanzvollste Kunstwerk, des i s c h [ nach wie vor Sei Gebild an de Stroß us’me uralte Rohr vun’me Herd oder Ofe und ich glaub jeder [kennt’s! Ja, allmählich macht er mir verdammt Kon­ [kurrenz! In Kunstsache sin au die Bürger uf Zack, doch seller „Gugelhupf maximus“ war sau – [mäßig im G’schrnack. Mit solchene Bäcker will i mi nit messe, die täte ihr Zeug besser selber ufesse!

Doch eines der größten Kunststücke der [Welt het der B ü r g e r meister Schneider persön­ [lich ufg’stellt: Seit sechshundert Johr, so wird glaubhaft [erzählt, hen sie i h n als erschten e zweites Mal [g’wählt! Au het mer vor Johre in Vöhrebach unte für d’Fasnet e scharfsinnig’s Motto rus­ [g’funde: . Wenn d’Bahn nimmi fährt, mir dürfe nit [schla fe und baue ersatzweis an de Donau en Hafe! Die z w e i t Q!lelle macht uns erbe b lich Ver­ [druß In me Gumpe bim Schloß, kunnt spärlich sie [rus. Doch, wenn’s s o m m erlich heiß isch, will [ meistens sie streike und keinerlei Spure von Flüssigkeit zeige. Vor vielen Jahrzehnten isch einer druf­ [kumme und het sich in maßloser Willkür rus- [g’n umme des Wässerle „Donauursprung“ zu taufe . Seitdem mien mir uns mit de ‚E s c h i n g e r [raufe! In summa: die Vöhrenbacher sind schlau. Die denke weitsichtig und wisse genau, wie mer für d’D o n a u s c h i f f a h r t ö f fnet [die Tür: Denn d’Donauquelle, die richtig, hen mir! O sancta justitia, die Donau, die hinter isch bi u n s no romantisch, doch des wird gli [minder denn nach vierz’g Kilometer kunt sie alsdann vor Donaueschingens Toren am Schelleberg [an. Ern Fürscht sini Ahne hän dort a n e paar [Orte de Bach heimlich anbohrt und so isch es [worde, daß in ehemals fürstenbergischen Landen us unserem Wasser zwei Quellen entstanden. Die erste fließt seitdem versteckt und grad- [ aus hinein in das fürstliche Hofbierbräuhaus Us Furtwanger Wasser und Hopfe und Malz braut de Fürscht dort sei Bier und de Himmel [erhalt’s! Das Fürstenberg-Bier, berühmt in der Welt us unserem Wasser – und er verdient’s Geld, mit dem fürstlichen Wappen als Werbepa- [nier: Doch d’Q!lelle für’s Wasser, die richtig, hän 1nur. [ • Ja kann mer denn so ebbes Donauquell [heiße, wo’s Wasser von uns isch, ich kanns ja be­ [weise und so e klein’s Gümple, kannsch kaum [ drinne wate, viel z’wenig, um nur au en Säugling zu bade. Un e i n ‚ s wir i heut euch wohl sage no derfe: Sei Geld, wo als d’Lit dort in’s Wasser niwerfe isch ein S e g e n von oben und was für ein rei- [ cher. Für de Fürscht isch’s de fürschtliche Tasche- [geldspeicher. Für selbigen Zweck isch der Gumpe bestellt. Es geht halt au do, wie immer, um’s Geld. Nur eines isch sicher: Die Sache isch heiß. Ich glaub nit, daß d’Fürschtin von der Geld- [ quelle weiß! In summa: wie en fürschtliche Frack isch kein [Lumpe, so unterscheidet sich unsere Q!lell von dem [Gumpe, der gepriesen wird als Donaueschingens Zier: Denn d’Donauquelle, die richtig, hen mir! Unser früherer Bürgermeister Hans Frank, mer müsst en bedenke mit Lob und mit [Dank, isch öfters der Q!lelle zu Hilfe gekomme und het als e Gütterle Wasser mitg’nomme, 175

Um dem Rinnsal devon ä paar Liter zu gebe, daß wenigstens d’Wasserflöh drin überlebe! Sein Amtsnachfolger heißt Adolf der [Schwabe und isch dank des Stadtrats ein sparsamer [Knabe. „Noi, Wasser, dös kennet mer kois ver­ [schenke mir miässet an oisre Kendskender denke.“ So spricht er, energisch, punktum und läßt’s [hier. Un jetzt steht em’s Wasser am Hals obe [schier! So wird selle Q!ielle verspottet, veracht’t und schier von der Hälfte der Menschheit [verlacht. Ganz ‚Eschinge grämt sich vom Abend zum [Morge: Hesch Schade, dann brauchsch für de Spott [ nit zu sorge. Au d’Frankfurter Zitung kennt gar keinen [Spaß „Ä s u b a ltem Wässerle“, so schreibt sie, ist [das! O nehrnt’s euch zu Herze, es liegt auf der [Hand: Die Demut trägt Rose, de Hochmut bringt [Schand! Un e Schweizer Lokalblatt treibt alles auf [d’Spitze und nennt gar des Wasser „hochmütige [Pfütze“. So kräftige Ausdrück sin ä wahre Pläsier: Denn d’Donauquelle, die richtig, hän mir! O sancta justitia, ich will jetzt noch schnell des Denkmal erkläre am Donaueschinger [Quell: Ä Frau sieht mer druf und en Bue kheb [denebe, der soll als die Donau gen Oste hinstrebe. 176 In Wirklichkeit aber, mir wisse es g’nau isch’s em Fürst sei G r o ß mutter, e bild­ [hübsche Frau Sie het de jung Erbprinz an ihriger Hand und deutet hinüber in’s schwäbische Land: ,Joachim“, so sait sie, „des sollsch du dir [merke im Badische muoß mer die Tugend bestärke. Und daß die nit ständig sich voll lasse laufe, sollsch’s Bier du dert enne im Schwobe ver- [kaufe!“ Des isch uns’rer Forschunge neuester Stand und hoffentlich auch schon dem Fürsten [bekannt! Die G’schichte, die sonscht noch sich um­ [ enand triebe, kann jeder getrost in e Märchenbuch [schriebe! In summa: Aus alledem läßt sich ersehe, wie leicht sich auch Tatsache lasse verdrehe. Im Grund isch des Denkmal Reklame für’s [Bier. Denn d’Donauquelle, die richtig, hän mir! O sancta justitia, im Fürscht seim Archiv, do liege die Akte in Schublade tief un de Fürscht, der meint wohl historische [Q!ielle, könnte den Streit um die Donau erhelle. M i r sehe des in’me ganz andere Licht. Uf trockene Q!ielle sin mir nit erpicht. Uns isch e e i n zige Q!ielle nur wichtig: Die Donauquelle, aber die richtig! O sancta justitia, ich beweise allhier: Es het immer scho Lit ge, die denkt hän wie [mir. En Feldherr des Kaisers, von Beruf General, nit de Kießling, de Marsigli, einer ohne Skan­ [ dal! Wie de Öhrlein hat auch e r Q!lellefor­ [schunge triebe und der Donau ihr’n Lauf aufs Genauste [beschriebe.

Die Donauquelle im Schloßhof Am Zusammenfluß von Brigach und Breg 177

Im Jahre des Heils Siebzehnhundert und [zwei isch in Schwarzwald er g’fahre, in de Chaise [ganz ellai. Z’erscht isch er nach Donaueschinge [kumme und het seilen Gumpe in Augeschein [g’numme. Er het en betrachtet und g’merkt het er gli: Des kann doch der Donau ihr Ursprung nit [si! Dann het en nach Furtwange g’führt [seine Spur, bewundert vom Volk, wege si’re Statur. Dort hat er die Quelle der Donau erblickt. Er war us em Hisli und maßlos beglückt. Sofort het er Feder un Tinte uftriebe un en 1 ä n gere Brief an de Kaiser geschriebe: „Brege verus Danuvius“, des merke euch [sehr, Denn’s war damals scho richtig und heut [ noch vielmehr! Für a 11 e, die nit könne ausländisch [schwätze, will ich jetzt no des Sprüchle in’s Deutsche [übersetze: „Die Breg ist die Donau, wahrhaftig und [mächtig! Und wer’s nit will glaube, isch als Ketzer ver­ [ dächtig! In summa: ich könnt viel Beweise ufzelle, Traktätle und Schmöker und was ihr nur [welle. Ich spar mer’s und mach’s e weng kürzer [defür: Denn d‘ Donauquelle, die richtig, hän mir! O sancta justitia, es isch nit zu glaube, was sich die Donaue s chinge r alles erlaube: Vor Johre hän d’Narre zusamme sich g’rottet und’s Stockacher Narregricht gröblich ver- [ spottet: 178 Gerichtssitzung über die Donauquelle, so heißt das Spektakel und’s ware zur Stelle e Publikum, wie us de Unterwelt kroche un Zeuge, von vorneweg alle bestoche. E Hofrat us Wien, völlig degeneriert, het sich wie de Kaiser Franz Josef ufgführt: Verehrung, Grüß Gott, Küß die Hand, [W ohlgebore Den het scheint’s ’s zoologisch Museum ver­ [lore! Der zweite der Zeuge, des war en ganz alte. Do het sich de Fürscht sogar d’Nase zug’halte. En Sauhirt us Ungarn un was für en tolle Wege Pestung der Luft, hätt mer’n isperre [ solle. E Sau het er mitbrocht, ganz ohne Gewisse. De Tierschutz-Verein hätt do einschreite [müsse. Mit solchene Posse und wie mer’s will heiße wen die uns den Ursprung der Donau be­ [ weise. De berühmt Doktor Öhrlein, den hän sie [verlacht un si Q!ielleforschung verächtlich gemacht. Doch gege alles Spotte und Tobe hen mir ihn zum Kirchelehrer erhobe! De Pfarrer Blattmann selig, mit großem [Vertraue het welle ihm noch e Kapelle erbaue. Doch si d‘ Z i t war verflosse, jetzt kriegt er [halt nur sobald i was find, in d’Kirch e Figur! Und wenn d’N arre von ‚Eschinge sich [noch emol mucke, werde mir mit em Furtwanger Volkssturm [anrucke und vor ihren Toren mit Macht demon- [striere, daß sie de Respekt nit gänzlich verliere! Und sonstige Strofe -mir werde’s ja sehe. Vielleicht könnt mer eventuell’s Wasser [abdrehe.

Sobald sie emol müsse Ganter-Bier trinke, werde sie uns glei mit de Friedensfahn‘ [winke! In summa: Des all’s war mitnichten ein Witz, vielmehr ein Skandal unserer Narrejustiz. Verhöhnung des Rechtes in übler Manier: Denn d’Donauquelle, die richtig, hen mir! O sancta justitia, ich muß es betone: de Fürscht sollt am richtige Donauquell [wohne. Durchlaucht, so ziehe Sie doch d’Konse­ [ quenz und mache Sie Furtwange zur Hauptresi­ [denz. Für en Umzug täte sich lohne die Koste. Mir hän was zu biete -vielleicht au en Poste. Denn sicher het ihne scho jemand erzählt: De Bürgermeister wird’s nächste Johr [g’wählt. Für uns wärs e Glück, für Sie wär’s en Sege, denn d’Gartenschau bräucht Sie dann nimi [ufrege. De Wald und’s halb Städtle isch zu erwerbe, die Stadträt wen eifach in Schulde nit sterbe. E standesg’mäß Schloß, das könnte Sie habe, ’s Gymnasticum magnurn, am Wald, fast [bim Rabe. Do het’s Sä ä 1 drin und Zimmer, die gröscht [Kolonie: Die Lehrer sind nämlich verwöhnter als Sie! E Musikraum isch au im Gymnasticum [ drin. So e bißele Kunst liegt ja Ihne im Sinn. Und daß Sie begabt sin und immer scho [g’wese, des kann mer in sämtliche Zitunge lese. Der Fürscht, der kann jodle, seit mehrere Uahre, ob er jodelt nach Note, han i n o nit erfahre. unsere Stadträt, aber des muß mer verstehe, die jodle grad nur, wenn sie Banknote sehe! Au d’Stadtrnusik tät zu Diensten stets stehn. Sie such ja sowieso ein Mäzen. Un de Kirchechor, der wär ganz sicher dabei als fürstenbergische Hofkantorei. Au ans geistliche Wohl für Sie hen mir denkt. En polsterte Sitz in de Kirch, der wird [g’schenkt un de Klingelbeutel und sämtliche Kasse tät ich kunstsinnig verschönere lasse. Bescheide und vorsichtig frag ich noch an: Bruche Sie auch einen Hofkapellan? Wenn de Bischof meine närrische Um­ [triebe erfährt wir i g’wiß mit me neue Poste beehrt. Bevor Sie de Küng oder Greinacher wähle, tät ich mich untertänigst empfehle. Doch als Beichtiger und als geistlicher Vater für de Hofstaat tät’s au en ältere Pater. Die berühmte Musiktage, könnt mer [ ebenfalls halte im Jugendtreff mein ‚i, ließ sich’s prächtig [gestalte, Und wenn’s noch so rumpelt, Krawall macht [und tönt, an den schräge Klamauk het sich d’Nachbar­ [ schaft g’wöhnt! Was zum Wohlsein noch fehlt, das müßt [ mer halt borge und Hofnarre, könnt i zwei Dutzend be­ [ sorge. Überspannti, verruckti, sonderbarliche W ese. In de Fachhochschul kannsch sie in Menge [verlese! In summa: So könnte der Qpellestreit ende und all’s sich zum Gute und Bessere wende. De Fürscht nimmt am Ursprung der Donau [Qpartier: Denn d’Donauquelle, die richtig, hän mir! O sancta justitia, ich will nit vergesse, die Mensche an Worte und Tate zu messe. 179

Drum kann ich’s auf gar keinen Fall unter­ [lasse mich auch noch mit Erwin dem Teufel z’be­ [fasse: Es war en Parteitag mit Sprüch‘ und mit [Rede, Prominente und Fußvolk war zahlreich ver­ [ trete, Do het er an Furtwange sich maßlos versün­ [ digt und die Irrlehre dieses Jahrhunderts verkün­ [ digt. Politiker bringe’s Unmöglischste z’weg: In Donaueschinge verein’ge sich Brigach [und Breg zur Donauquell‘ sagt er, ohne Komplex. Mir fehle die Worte, Erdkunde sechs! Des bringt unsre zarte Gefühle zum Koche: De Schultes von ‚Eschinge het de Teufel [bestoche Sin Parteispende g’flosse, war’s wenig, war’s [viel? So tönt es im Chore von Konstanz bis Kiel! Nach langer inständiger frommer Belehrung verspricht er uns Reue und Buß‘ und Bekeh­ [ rung: E Wallfahrt mit Erbse, zum Schluß uf de [Knie und Nachhilfestunde in Geographie. So lautet der Vorsatz und was het er g’macht? E Spritztur im Sommer, bi Nebel und Nacht zum Hoch Mariele, ’s wird euch wohl intres- [ siere. Do kann selbst en Pfarrer de Glaube verliere! O sancta justitia, do kann mer sehe, wie Politiker mit de Wohret umgehe. Wär’s en Pfarrer, ich sag euch, der hätt nix [zu lache de Spiegel tät g’wiß e Affäre drus mache. In summa: Ihr Richter, ich will mich be­ [ schwere: de Teufel in ihm muß christlicher were. 180 En Eid soll er schwöre am g’richtliche Tisch, daß d’Donauquelle in Furtwange isch. Er soll au de Landrat, so wie mir des welle hart strofe und an de Pranger hi’stelle. Vielleicht kapiert dann au der mit de Zit, daß es d’Donauquelle nur z’Furtwange git! Des weiteren soll er in Stuttgart verfüge, daß endlich e Landeshymne mir kriege. Und mir liefre ohne Gehälter und Spese die zweite Stroph gratis, ich will sie verlese: Holdseliges Land vieler stillen Genüsse, wie anmutsvoll sind deine Täler und Flüsse. Doch die Krone der Schöpfung ist die [Donau die schnelle und in Furtwange sprudelt die wirkliche [�eile! In summa: es gäb ja noch viel zu berichte, grad stundelang könnt mer do reime un [dichte. Doch, leider, au des muß i‘ heut emol sage: Es könne nit alle ä Späßle vertrage. Den �ellestreit mein i, ums Himmels Gotts- [ wille, sie sehne en nur durch die schwärzeste Brille. Und grad wege dene fahr i jetzt fort und sag euch zum Schluß no e emschteres [Wort: Humor isch e Gabe, die het mer nur dann, wenn mer sich selbst uf de Arm nehme kann. Und wenn es dann anderscht kunnt, au no [verstoht, daß deswege d’Welt nit sofort untergoht. Doch dozue bruchsch z’allererscht und z’al­ [lerrneischt ä bißele Herz und dann au no Geischt. Wo die zwei aber fehle, was i sag isch nit [neu, such’sch Humor so vergeblich, wie ä Nadel [im Heu!

Drum will ich de Fü r s c h t un de Teufel jetzt [lobe. Daß sie Spaß verstehn, sie beweise’s hit übe. Und eine Bemerkung, i kann sie nit lasse: ’s täte b e i d e in’s hintere Donautal passe. Jetzt wünsche mir, daß dieses hohe Gericht sei Urteil so weise wie Salomo spricht. Mir sin ja mit unsere Ansprüch bescheide: D‘ �elle hen mir und ’s Wasser g’hört beide! Ich hoff, daß mei Red het erfreut eu’re Ohre. Pardon, ’s isch e bißele länger wore. Doch jetzt bin i fertig, mei Teil isch erledigt. Ich halt euch dann morge e kürzere Predigt! Haus im Katz.ensteig Zeichnung: Klaus Burk 181

Der Maler Helmut Müller-Wiehl, Donaueschingen Unsere Gegenwartskunst ist meist Aus­ druck ganz persönlicher innerer Auseinan­ dersetzungen, sie ist oftmals eine Kunst des Pessimismus. Prof. A. Buchdrucker mahnte bei der Eröffnung einer Ausstellung 1981: „Wenn nun wirklich das Materielle unsere Zeit bestimmt, das Sinnlose, die Beziehungs­ losigkeit, der Haß, das Mißtrauen, die Ein­ samkeit und damit die Leere, warum richtet die Kunst nicht Brücken des Verstehens, der Hoffnung auf?“ Hierzu ein Wort des Malers, den wir in dieser Abhandlung näher kennen lernen wollen: ,,Ich habe das Grauen des Krieges, Rechts: Hohlweg, Tuschskizz.e und Öl, 70 x 90 cm Kunst und Künstler Die Mittel des bildenden Künstlers sind die gleichen geblieben wie ehedem: Linien, Flächen, Räume, Formen und Farben. Sie sind auch die Instrumente in unserer Zeit, an denen der Schaffende sich bewähren muß. Die Kunst lebt vielgesichtig. Der Künstler kann auf die Dauer nicht für sich selbst schaffen. Die Anteilnahme der Mitmenschen ist ihm Bestätigung seines Tuns als Denkender und oftmals als Wegwei­ sender. Das Werk soll zwar für sich selbst sprechen, doch es muß in ihm die Persönlich­ keit des Schaffenden transparent werden las­ sen. Der Schwede Swedenborg sagte: Jedes Besondere lebt aus dem Gemeinsamen, jeder Einzelne aus dem Allgemeinen. Das ist die Lage im Himmel und auf Erden, daß sie in Gemeinschaft leben, und daß es ohne sie kein Leben gibt.“ Das bedeutet, daß der Künstler sich als Partner dem Mitmenschen stellt, der an sei­ nem Werk Anteil nimmt, beobachtend, empfindend, beurteilend. „Es kann“, wie wir von Herbert Read, dem englischen Kunstkritiker wissen, ,,keine echte Interpretation geben, ohne ein auf Sympathie beruhendes Verständnis“. Viel­ leicht muß man den Mangel an Sympathie und auch die Schwierigkeit im Verständnis auf die Mannigfaltigkeit der modernen Kunstszene zurückführen. Diese Fülle neuer Ausdrucksformen ist auch oft für den sich um das Erfassen „moderne Kunst“ Mühen­ den irritierend. Manchmal weiß man nicht, ob die betreffenden Arbeiten überhaupt „verstanden“ sein wollen. Wie oft bringt eine Vernissage in einer Galerie Interpretationen zum :muvre des Schaffenden, die im Raum verhallen, meist noch mit einem Vokabular belastet, das nicht hin zum Werk führt, son­ dern den Anwesenden noch mehr verunsi­ chert. 182

junge Donau, Öl, 80 x 100 cm des Völkermordens erlebt. Ich möchte mit meinen Bildern aussagen, daß unsere Erde schön ist und daß sie nicht zerstört werden darf.“ Am 9. August 1970 wurde in Bernau dem Maler Helmut Müller-Wiehl, Donaueschin­ gen, der Hans-Thoma-Staatsgedenkpreis durch den damaligen Regierungspräsidenten Dr. H. Person verliehen. Wir freuten uns, daß mit dieser Verlei­ hung das Werk eines Künstlers unserer Raumschaft sichtbar herausgestellt werden konnte und gewürdigt wurde. Helmut Müller-Wiehl ist am 26. Septem­ ber 1923 in Heidelberg geboren. Nach Besuch der Gymnasien Karlsruhe, Pforz­ heim, München und Berlin machte er 1941 das Kriegsabitur. Die Berliner Reimann­ Kunstschule gab ihm das Rüstzeug zum Besuch der dortigen Akademie der Bilden­ den Künste (Prof Tank und Prof. Koch-Zeu­ then). Dieses Studium mußte durch mehr­ malige Einberufungen zu Fronteinsätzen unterbrochen werden. Nach Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft im Februar 1946 siedelte Helmut Müller-Wiehl nach München über. Studium und freies Schaf­ fen, Ausstellungen, wie der „Malermarkt 1948″ am Alten Botanischen Garten der bayerischen Hauptstadt, kennzeichnen die Jahre des Bemühens jener jungen Künstler nach der Zeit der Vernichtung bedeutender Kunstwerke, ein neues Kunstschaffen über den Trümmern aufzubauen. Seit 1956 lebt der Künstler in Donau­ eschingen. Seine Gattin stammt aus dem Cafe Hengstler, der bekannten Donaueschin­ ger Hofkonditorei. Eine Präsentation seiner Arbeiten wurde in den Räumen des Cafes durchgeführt. 184

Diese Form der Begegnung des Besuchers mit der Kunst, auch durch den Wechsel der Bilder, gab dem Cafe Hengstler eine beson­ dere galerieähnliche Note. Das ist heute noch so. Zahlreiche Einzelausstellungen zeigten das Werk des Künstlers: Donaueschingen, Trossingen, Freiburg, München, Düsseldorf, Frankfurt, Eßlingen, Baden-Baden, Bad Krotzingen und Zurzach; ferner nahm er an Ausstellungen im heimatlichen Raum teil. Studienreisen nach Frankreich, Italien, Griechenland, Spanien, Nordafrika und zu den Inseln des Mittelmeeres gaben Helmut Müller-Wiehl vielfache Anregungen. Reich gefüllt sind die Skizzenbücher, die in straffer Strichführung die Eindrücke einfangen und im Atelier die Vorwürfe für die Bilder in Öl, Tempera oder Aquarell bilden. Doch auch die nähere Heimat hat in seinem Werk einen festen Platz. Nach Gerhard Gollwitzer ist Kunst „Ge- Verschneites Bernau, Öl, 70 x 90 cm staltung für das Auge“. Eine solche Gestal­ tung ist an das Gegenständliche gebunden, das im schöpferischen Prozeß zur künstleri­ schen Bildaussage wird. Es sind vor allem die Landschaften, die ihn anregen: Auf magerem Kreidegrund entstehen die Darstellungen der Plätze, Straßen und Gas­ sen, der hellen kubischen Häuser, eingebettet in die typische Landschaft, getaucht in das differenzierte Licht von Wasser und Him­ mel. Das Meer, der Hafen, Boote und die Menschen im Alltag sind Themen, die er auf englisch-roten oder ockerfarbenen Gründen häufig gestaltet. Da trottet der graublaue Esel im Schatten der Moschee, kauert eine Men­ schengruppe, in ihre weiten Gewänder ge­ hüllt, auf dem Boden, alles gekonnt flächig zusammengefaßt, und doch die Tiefe mit einbeziehend. 185

Sehr interessant, vom Thema her, wie von der künstlerischen Verarbeitung, sind auch die Skizzen und Ölbilder aus dem Westen der USA, jene Wälder, die die Urlandschaft noch spüren lassen und jene einsamen klei­ nen Häfen, dort, wo John Steinbeck „Die Straße der Ölsardinen“ schrieb. Da stehen die Bilder der Baar. Wie oft hat er diese Landschaft gemalt und sie regt ihn immer wieder von neuem an: den fürstlichen Park mit der Brücke, die Donau bei Pfohren und Gutmadingen, Öfingen oder Aufen, Portraits der liebgewonnenen Heimat. Nicht zu vergessen die aufgelockerten Bodensee­ Landschaften und die meist mit begrenzter Farbskala gemalten Schwarzwald-Bilder. Links oben: Tunesisches Cafe, Pastell, 40 x 50 cm Links unten: Siesta, Öl, 50 x 60 cm Alte Brücke, Öl 70 x 90 cm Doch ist es nicht nur die Landschaft, deren Darstellung Helmut Müller-Wiehl beherrscht, das CJEuvre zeigt auch zahlreiche Stilleben, Tierbilder und Bildnisse des Men­ schen. Gerade diese letzteren sind nicht vor­ dergründige Naturwiedergaben, sie schaffen einen Du-Ich-Bezug und fordern zum Zwie­ gespräch auf. Nicht zu vergessen sind die Kleinplastiken, entstanden in den letzten Jahren, die Tiere und Skulpturen von beson­ derer Anmut. Bei manchen Bildern ist man an die Impressionisten erinnert – die Farbe wird in Tupfen aufgegliedert. Doch meist ist es die Expression, die mit nahezu pastosem Farb­ auftrag die Umsetzung des Geschauten voll­ zieht. Der Kunstkritiker seiner Ausstellung in der Schweiz schreibt: ,,Es ist ein bewährter Pfad, den der Deutsche beschreitet – ein Stil, den man als gedämpften Expressionismus bezeichnen könnte – intensiv in den Farben, zuweilen zu Konturen neigend, doch des 187

Stilleben, Öl, 60 x 50 cm Schreienden, allem Ausdrucksstarken be­ raubt.“ Den Standort eines Künstlers zu bestim­ men, ist sehr schwierig, zu komplex ist seine Persönlichkeit, zu differenziert oft seine künstlerische Sensibilität. Wir sollten ihn erleben, im Atelier, vor der Staffelei, beim Behauen des Steins, beim Formen des Tons, 188 überall dort, wo die schöpferische Idee sich zum Kunstwerk hin entwickelt. „Man soll nicht meinen, daß es etwas nützt, das Licht zu preisen und zu predigen, wenn es niemand sehen kann; es wäre not­ wendig, den Menschen die Kunst des Sehens und des Verweilens beizubringen.“ (C. G. Jung). Das Werk Helmut Müller-Wiehls lädt zum Innehalten und zum Betrachten ein. Helmut Heinrich

Die Barockbildhauer-Familie Schupp Dr. Ema Huber: Die Meister Johann und Josef Anton und ihre Werkstatt in Villingen Sieht man die Fachliteratur über die deut­ schen Barock-Bildhauer durch, so findet man unser Gebiet so gut wie nicht berücksichtigt. Mit Ausnahme der Arbeiten von Benno Griebert (Oberrheinische Kunst 1939) über Joh. Michael Winterhalder und Jos. Anton Hops, blieben alle übrigen Stiefkinder der Kunstgeschichte. Das gilt besonders für die Familie Schupp. Dabei sind ihre Werke noch zahlreich vorhanden. Einige Vorarbeiten leistete Paul Revellio (Gesammelte Aufsätze 1964). Inzwischen aber konnte da und dort ein Altar, eine Kanzel oder verschiedene Einzel­ statuen durch Vergleich mit gesicherten und schon bekannten Werken der Schupp-Werk­ statt zugeschrieben werden. Bereits vor Jahren beschäftigte sich der Freundeskreis Baaremer Kunst mit der Schupp-Werkstatt. Dabei untersuchte man besonders Orte zwischen Kinzigtal und Hochrhein und entdeckte zahlreiche Werke der Villinger Meister. Es war auch geplant, ein Werkverzeichnis zu erarbeiten, ein Vorhaben, das leider nach dem Tod von Kurt Senn nicht weiter verfolgt wurde. Es soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, darüber hinaus eine Reihe von Werken der Meister oder der Werkstatt auf­ grund der Überlieferung oder des stilistischen Vergleichs zusammenzustellen. Es wäre er­ wünscht und erfreulich, wenn dieser Anfang ein Echo finden würde, da die folgende Liste keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit er­ heben kann. Dabei soll der Begriff der „ Werkstatt-Arbeit“ durchaus nicht abwertend verstanden werden. Vater, Söhne und Gesellen arbeiteten zusammen an einem der oft sehr umfangreichen Aufträge. Andere Gehilfen besorgten das Vergolden und das ,,Fassen“ (farbige Bemalung der fertig ge­ schnitzten Figuren oder Omamentteile). Auch die Altarschreiner zählten zur Werkstatt. Aus der Familie Schupp sind nach Revellio folgende Meister hervorgegangen: Johann Schupp (1631-1713) ,,Ilgenwirt“ in Villingen. Josef Anton Schupp (oder nur Josef 1664-1729). Josef Schupp, wohl ein Sohn von Josef Anton, starb 1748 in Villingen nach lljähriger Wanderschaft (kein weiterer Nachweis vor­ handen). Johann lgnaz Schupp(odernurlgnaz), Meister der nicht erhaltenen Kanzel von St. Georg (keine Daten). Ein Zach ari as Schupp ist nur einmal bei Revellio -ohne Daten -erwähnt. Die Schupp-Werkstatt benutzte, besonders bei Altarwerken und Kanzeln, gelegentlich eine Sonnenblume als eine Art von Werk­ stattzeichen, wie man vermuten könnte. Aber signiert mit Namen ist keine der Schupp-Arbeiten. Als Künstlerpersönlichkeiten greifbar bleiben uns eigentlich nur die beiden ersten Meister: Johann und Josef Anton Schupp. 1.) Johann Schupp (1631-1713), der „Ilgenwirt“ (diesen Zusatz bringt nur Revellio, ohne nähere Angabe der Qyelle). Für ihn hat Revellio folgende Werke nach­ gewiesen oder vermutet: Die Nebenaltäre der im 2. Weltkrieg zer­ störten Bickenkapelle in Villingen 1671-74. Das Chorgestühl der Johanniterkirche in Villingen, 1687 vollendet, später in Teile zer­ legt und in verschiedenen Kirchen zerstreut. Die schöne Steinfigur des hl. Johann v. Nepomuk, ursprünglich aufgestellt an jener Stelle, bis wohin 1634 bei der Be­ lagerung Villingens das aufgestaute Wasser der Brigach vorgedrungen war. Sie steht heute vor dem Eingang zum Sägewerk Beha. 1705 vollendeten Vater und Sohn,Johann und Josef Anton Schupp, die Ausstattung 189

der Wallfahrtskirche Maria in der Tanne bei Triberg. Die Kanzel schreibt Revellio dem jüngeren Schupp zu (ohne Q!iellen­ angabe). Für die Klosterkirche in Rheinau schufen die Meister (in Schweizer Kirchenführern wird der Name mit „Tschupp“ angege­ ben) die drei Steinfiguren an der Fassade: Maria, Petrus und Blasius sowie das Fintansgrab im Chor, eine sehr feine Stein­ arbeit, ferner die Muttergottes und die zwölf Apostelbüsten auf dem Chorgestühl in dunklem Holz. Eines der frühesten Werke Johann Schupps scheint die 1661 errichtete Kanzel im Münster zu Rottweil zu sein. Spuren der Schupp-Werkstatt finden wir am Hochrhein (Konstanz, Rheinau, Tiengen, Waldshut) und in der Gegend um das Kinzig­ tal (Wolfach, Haslach, Hausach, Gengen­ bach, Wittichen), ebenso im nahen Württem­ bergischen (Rottweil, Dreifaltigkeitsberg, Seitingen) und vor allem in Villingen und seiner Umgebung. Auftraggeber dürften vor allem die Kinzigtal er Linie der Fürstenberger, ferner Klöster und Orden wie St. Blasien und die Johanniter gewesen sein. Einige Städte und Ortschaften der näheren Umgebung ließen. ihre Kirchen mit neuen Altären im Zeitgeschmack ausstatten: die Bräunlinger Pfarrkirche, Vorgängerin der heutigen, eben­ in Hüfingen, Hondingen, Marbach, so Kirchdorf. Die Werke des älteren Meisters Johann Schupp sind echte Kinder des Hochbarock mit Gewand-und Lockenfülle, mit ausladen­ den Gebärden und viel vergoldetem Akanthus-Laubwerk, wie sie im Zeitstil üblich waren. Aber des Meisters persönlicher Stil besteht aus einer großen Feinheit der kleinen, fast zierlichen Gesichter, besonders bei den Steinbildhauerwerken. Auffallend ist auch bei vielen Figuren die etwas schräge Haltung des Halses. 2.) Sein Sohn] os e f Anton (1664-1729) hat wohl zunächst in seines Vaters Werkstatt gelernt. Was seine Wanderjahre betrifft, so läßt manche Ähnlichkeit von Figuren aus 190 ehemaligen Schupp-Altären mit Werken des jüngeren Winterhalder Oohann Michael) die Vermutung aufkommen, auch Josef Anton Schupp habe eine wenn auch kurze Ausbil­ dung in Wien gehabt und sei vielleicht mit den Brüdern Winterhalder in Mähren tätig gewesen, ehe er in die Werkstatt seines Vaters zurückkehrte. Stilistisch gehört Josef Anton Schupp jener beruhigten, etwa 20 Jahre dauernden Stilperiode am Ende des Hochbarock an, die iin Ornament das Bandelwerk hervorbrachte, in der Gewandgestaltung die enggedrängten, parallel-laufenden Faltengebilde. Erst nach etwa 1740/50 herrscht das Übermaß an Bewegung und Ornament des Rokoko. Damals aber war die Schupp-Werkstatt bereits an Josef Anton Hops übergegangen. Erst nach dem Tod des Vaters profiliert sich die Künstler-Persönlichkeit Josef Antons. Die obengenannten Stilmerkmale treffen besonders auf die noch erhaltenen Figuren in der Pfarrkirche Hondingen zu: St. Anna selbdritt, Andreas, Sebastian und Joseph. Sie stehen heute im neugeschaffenen Chorraum. Laut Revellio stammen ferner folgende Werke von Josef Anton: Die Kanzel der Wallfahrtskirche Maria in der Tanne bei Triberg als ergänzendes Ausstattungsstück. Der Hochaltar der Benediktinerkirche St. Georg in Villingen, zusammen mit seinem Sohn lgantius. Dieser Altar war offenbar ein mächtiges Werk mit zahl­ reichen großen Figuren. Aber als er auf­ gestellt werden sollte, ergab sich, daß er für den Chorraum von St. Georg zu groß war. Der Grund lag wohl nicht allein bei der Schupp-Werkstatt, sondern wohl auch an Veränderungen der Baupläne durch die Benediktiner. Der Altar mußte also zerlegt und verkleinert werden. Vier große weiß gefaßte Gestalten befinden sich heute im Museum Altes Rathaus in Villingen. Auch die Pfarrkirche in Furtwangen er- Triberg, Wallfahrtskirche: Hochaltar

hielt einen Altar aus Resten des St.-Georg­ Altars in Villingen, und schließlich über­ nahm die Kirche in Friedenweiler zwei große Gestalten (Melchisedech und Isaak) und zwei kleine Figuren. Auch die Kanzel von St. Georg- sie gilt als einziges gesichertes Werk von Ignaz Schupp (nach Revellio) – war zu groß gewesen und wurde wieder entfernt, später durch die elegante Rokoko-Kanzel von Josef Anton Hops ersetzt. Aus der Schaffenszeit des jüngeren Schupp muß auch die Ausstattung der damaligen Pfarrkirche in Bräunlingen stammen. Es ist ungewiß, ob es sich um einen oder drei Altäre handelte.- Jedenfalls mußten sie beim Neubau von 1884 entfernt werden. Ein Bräunlinger Schupp-Altar kam später in die zwischen 1910 bis 1913 im Neo­ Rokoko-Stil ausgestattete Pfarrkirche von Obereschach. Zwei große schöne Gestalten, St. Rernigius und St.Johann von Nepomuk, vielleicht auch aus einem der Schupp-Altäre, be­ finden sich noch in der heutigen Kirche in Bräunlingen zu Seiten des Haupteingangs. Ebenso blieb in der heutigen Bräunlinger Kirche glücklicherweise eines der schön­ sten Werke wohl des jüngeren Schupp, die prachtvolle Kanzel, erhalten. Von den ursprünglich geplanten zwölf Aposteln für die Pfarrkirche Hüfingen befinden sich heute noch zwei, Petrus und Paulus, unbemalt an den Wänden. In der Kirche zu Hondingen entfernte man bei der letzten Renovierung um 1960 alle Schupp-Altäre und die Kanzel. Heute sind davon noch vier Gestalten, St.Anna selbdritt, St.Joseph, Sebastian und Andreas, auf Sockeln im Chorraum auf­ gestellt. Der Schupp-Werkstatt sind auch die ur­ in weiß gefaßten sprünglich vierzehn Apostelgestalten zuzuzählen. Zwölf davon befinden sich heute an den Mittelschiff­ wänden des Villinger Münsters, zwei (Paulus und Barnabas) wurden später im Rathaus­ Museum aufgestellt. 192 Schwerpunkte der Schupp-Werkstatt und wahre Perlen der Barock-Kunst sind ihre Altäre und Kanzeln. Gelegentlich ist eine fast bombastische Pracht entfaltet wie beim Hochaltar der Wallfahrtskirche Maria in der Tanne. Farbige Fassung von Figuren und Tei­ len des Altarbaues, viel vergoldetes Blattwerk und Figurenreichtum sind hier, wie auch etwas vereinfacht an anderen Altären zu be­ obachten. Der Bau der Schupp-Altäre ist überall ähnlich: über einem Tabemakel-Sok­ kel erhebt sich ausladend ein Aufbau, flan­ kiert von einer Dreiergruppe von schrägge­ stellten Säulen, die manchmal auch gedreht, farbig gefaßt, oder mit Laub geziert sind. Seitlich und auf dem Gebälk sind Figuren zwischen üppigem Akanthus-Blattwerk ein­ gestellt. Der Mittelteil schließt mit flachem Bogen ab. Auf ihm erhebt sich die verklei­ nerte W iederholung des unteren Altarteils als abschließende Krönung des Werkes. Da und dort sind die Sonnenblume oder Engels­ köpfchen mit ausgebreiteten Flügeln ange­ bracht. Die späteren Schupp-Altäre zeigen gele­ gentlich vereinfachte Formen. So sind oft die Säulen, zwar noch in Dreiergruppen vorhan­ den, aber nicht mehr gedreht oder mit Wein­ laub umkränzt. Ein Beispiel hierfür ist der in verkleinerter Form nach Obereschach ge­ kommene einstige Altar der Pfarrkirche in Bräunlingen. Einige Altäre haben als Mittel­ teil nur eine Heiligengestalt in einer Muschel. Die Kanzeln aus der Schupp-Werkstatt sind unverkennbar und enthalten ähnliche Stilelemente wie die Altäre: Der Kanzelkorb ist mittels Dreiergruppen von schräggestell­ ten Säulen in fünf Felder eingeteilt. Das erste enthält den Aufgang, die übrigen, in ein Muschelgebilde eingestellte Gestalten, meist die Evangelisten oder die abendländischen Links: Nepomukstatue von Johann Schupp, einst auf dem Markt, heute beim Sägewerk Beha in Villin­ gen aufgestel/J Rechts: Hondingen: Hf. Sebastian

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Kirchenväter. Darüber liegt die reich profi­ lierte Kanzel-Brüstung. Der Kanzel-Deckel ist ein prachtvolles kronenartiges Gebilde aus vergoldetem Akanthus-Blattwerk. Nur die Rottweiler Kanzel wird von einem Löwen getragen, die übrigen trägt eine kräf­ tige Säule. In der Wallfahrtskirche Maria in der Tanne befindet sich auch noch ein weiteres Werk aus der Schupp-Werkstatt, das vermut­ lich Vorbild für eine Anzahl von Bildwerken gleichen Themas wurde: Die Kreuzgruppe. Vom Scheitel des Triumphbogens hängt ein großes Kreuz, Maria (links) und Johannes (rechts) stehen auf Konsolen zu Seiten des Kreuzes. Diese farbig gefaßte Gruppe steht stilistisch ganz im Zeichen des Hochbarock. In den folgenden Jahren wurde dieses Werk sicher zum Vorbild für einige jener Kreuz­ gruppen, die, an der Langhauswand ange­ bracht, in verschiedenen Kirchen in unserem Bräunlingen: Kanzel Gebiet zu finden und die ziemlich sicher in der Schupp-Werkstatt entstanden sind. Besonders prächtig zieren sie die Kirchen in Achdorf und Hondingen. Gelegentlich ist heute die Gruppe nicht mehr vollständig, manchmal fehlt das Kreuz. In Bachheim sind Maria und Johannes durch Petrus und Paulus ersetzt. Eine besonders schöne Gruppe besitzt die Kirche in Obereschach. Sie ist wahrscheinlich eine Arbeit der Schupp­ Werkstatt, jedoch umrahmt vom üppigen Neo-Rokoko-Ornament des Wilhelm Fügli­ ster, der die ganze Kirche um 1913 in diesem Stil ausstuckierte. Auch in der Kirche zu Hei­ denhofen sind noch die Gestalten von Maria und Johannes aus einer Kreuzgruppe vor­ handen. Außer den genannten Schupp-Werken konnten noch einige weitere gefunden und durch Stilvergleiche der Schupp-Werkstatt an folgenden Orten zugeschrieben werden: Villingen: Der Ölberg unter der Orgel­ empore im Münster. Im Museum einJohan- 194

nes der Täufer, ferner St. Agatha auf dem Scheiterhaufen und eine klagende Maria aus der Spitalkapelle. Heidenhofen: Die Kanzel mit Evan- gelisten. Riedböhringen: Die Kanzel. Marbach: Zwei kleine Nebenaltäre. Schwenningen: Ein segnender Chri- stus in der Kirche St. Franziskus im Chor. In der alten Pfarrkirche zu Kirch­ dorf: Zwei große Heiligen-Gestalten: St. Blasius und ein Bischof, vielleicht auch. die Kanzel. Furtwangen: Ein Johannes der Täufer. Tiengen: Eine Immaculata auf dem ,,unteren Brunnen“. Esslingen: Zwei Figuren -vermutlich von Schupp -in der Pfarrkirche. Zimmern : Ein heiliger Bischof(?). Nach Friedrich Thöne: ,,Vom Rheinfall bis St. Blasien“ befinden sich Schupp-Werke an folgenden Orten: W a 1 d s h u t: In der Gottesackerkirche ein Heiliges Grab anstelle des Hochaltars, dazu­ gehörig zwei Holzstatuen, Moses und Elias, die Thöne dem älteren Schupp zuschreibt. Konstanz: Bei St. Stephan ein Hl. Johann v. Nepomuk. Im Heimatmuseum in Bräunlingen befindet sich eine Statue des Hl. Joseph mit dem Kind auf dem Arm, die man ziemlich sicher der Schupp-Werkstatt zuschreiben kann. 1890 gemalt. Eine Niederschrift über den Auftrag soll sich in Karlsruhe befinden. Zugrunde liegt dem Bild das Motiv vom alljährlichen Wallfahrtsfest am 15. August. Hasemann, mit den Gutachem aufs engste verbunden, zeigt die Landsleute seiner Wahl­ heimat vor der überfüllten Kirche. In Andacht versunken, sitzen, stehen oder leh­ nen sie einzeln und in Gruppen vor dem Ein­ gang auf der Südseite. 195 Furtwangen: Johannes der Täufer (Schupfr Werkstatt) „Maria in der Tanne“ bei Triberg Zur Farbreproduktion auf der Rückseite des Almanach 84 Im Almanach 84 wurde auf der Rückseite eine Farbreproduktion der Wallfahrtskirche ,,Maria in der Tanne“ bei Triberg veröffent­ licht. Das Original, das die Redaktion einem unbekannten Maler um 1900 zuschrieb, ist identifiziert. Laut einer Mitteilung des Tri­ berger Heimatfreundes Fritz Lienhard stammt das Gemälde von dem Gutacher Maler Wilhelm Hasemann. Es wurde im Auftrag des badischen Großherzogs um

Das Bild entstand allerdings nicht vor, sondern hinter der Kirche. Die Straße von Triberg nach Schonach führte damals noch am gegenseitigen Berg entlang, wie es ein altes, von Fritz Lienhard der Almanach­ Redaktion übermitteltes Foto zeigt. Der ursprüngliche Weg zur Wallfahrtskirche war ein Karrenweg, der vor dem Gotteshaus auf die Südseite überwechselte und somit auf der Rückseite der Kirche in Richtung Schönwald weiterführte. Aus diesem Grunde befindet sich auch heute noch das Hauptportal auf der Rückseite der Kirche. Erst später ist ein Anbau und auf der Nordseite: ein zweiter Eingang geschaffen worden – der heutige Haupteingang, der durch das Untergeschoß des Kirchturms ins Gotteshaus führt. Professor Wilhelm Gustav Friedrich Hasemann war kein Schwarzwälder. Am 16. Spetember 1850 ist er in Mühlberg an der Elbe geboren. Sein Vater, von Beruf Mecha­ niker, hatte den Sohn ebenfalls für ein Hand­ werk bestimmt und gab den Jungen in eine Schlosserlehre. Nach Abschluß der Lehre 196 besuchte Hasemann, dessen Maltalent sich schon früh zeigte, die Akademie der Bilden­ den Künste in Berlin. Auf Anregung Adolf Menzels, dessen Meisterschüler er war, setzte Hasemann seine Studien Mitte der siebziger Jahre an der Kunstschule in Weimar fort. Auf Wanderungen in Thüringen studierte und zeichnete er Land und Leute. Als das Stuttgarter Verlagshaus Cotta für Berthold Auerbachs „Schwarzwälder Dorf­ geschichten“ einen Illustrator suchte, wandte es sich an den damals 30jährigen Menzel­ schüler. So kam Hasemann Anfang 1880 nach Karlsruhe und in den Schwarzwald, dessen Menschenschlag ihn derart anzog, daß er abwechselnd in Karlsruhe und in Gutach lebte und schließlich zum Begründer der „Künstlerkolonie“ im Gutachtal wurde. Seine Charakterköpfe aus den Seitentälern der Kinzig, seine Interieurdarstellungen mit den genreartig verteilten Gruppen in der schmucken Tracht der Gutacherinnen haben ihn zum führenden und populärsten „Schwarzwaldmaler“ an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gemacht. Als Land-

schafter und Trachtenmaler hat er sich sowohl malerisch wie graphisch betätigt. „Zunächst“ – so Ingeborg Schroth in „Schwarzwälder Maler im 19.Jahrhundert“ – „tonig braungrün, dann in feiner, leichter Farbigkeit hat Hasemann lichte Wiesen zwi­ schen dunklen Tannenwäldern, braunen Höfen und Bäumen gemalt. Mit der Land­ schaft erfaßt er die bunte Tracht der Bauern in Einzelfiguren, in Genrebildern beim Kirchgang, bei Hochzeiten und festlichen Gelegenheiten. Immer beobachtend und skizzierend verbrachte er seine Jahre zwi­ schen den Bauern und Bergen, die er lieben gelernt hatte wie ein Einheimischer“. Außer Auerbachs „Lode“ und Jensens „Der Schwarzwald“ hat Hasemann vor allem die Volksbücher Heinrich Hansjakobs, dar­ unter „Der Vogt auf Mülstein“, illustriert. Bis nach Amerika fanden seine Bilder, darunter Trachtenbilder vom Renchtal bis hinauf auf die Baar und ins Markgrä.flerland, ihren Weg. Durch mehr oder weniger qualitätsvolle Wiedergaben gelangten sie in ungezählte Bauernstuben: die „Mädchen aus dem Müh­ lebachtal“, der „Sehellenmarkt der Schwarz­ wälder Hirtenbuben“, die „Kindstaufe in Lehengericht“, die „Schapbacherin vor einem Bildstock“ – um nur einige Titel aus der bunten Galerie zu nennen. Großherzog Friedrich I. von Baden hat ihm den Professortitel verliehen. Als er am 28. November 1913 seine Augeii schloß, kamen aus den Tälern ringsum die Bauern und Bäuerinnen, um dem „Herrn Professor“ das letzte Geleit zu geben. Sechs Burschen in der GutacherTracht trugen den Sarg. In dem 16 Jahre jüngeren“ Wahl-Gutacher“ Curt Lie­ bich, den er bereits in Weimar kennengelernt hatte und der sein Schwager wurde, hatte Hasemann einen kongenialen Schüler und Nachfolger. Lorenz Honold Es word so sii Nii in d’Kraune, drinn im Städle Goot dr Schelmbuur mit siim Bue On verlangt en Schoope Rotwii On zwoa Esse au drzue. Gawle, Messer, au paar Leffel On drzue no meh so Sache Treit dr Keller uff, ons Büewle Duet gar große Auge mache. On am Schaubeärmel zupft es Schnell dr Vatter on duet sage: „Vatter, worom dien se doo So en Huufe Bschteck ufftrage?“ „Bscht“, so hät dr Vatter dreiwet „Schwätzig still vor älle Dinge, Wenn se wißte, daß mers stehle, Dät e se nuu d’Hälfte bringe!“ Rudolf Wintermantel * Auen Troscht! Dr Martisbuur däär hät en Stier, Es isch koan von dr Fiine, Er schlet on stoßt on bißet au, Es bruucht koa Sonne z’schiine. E mol, doo nimmt ern an me Soal On füehrt en nuus ge trenke, Dr Stier, däär dabbet hintenoi On duet dr Kopf fromm henke. Z’mol do, waa gschieht! Er springt in d’Heh On gitt em Buur en Renn On werft en iwern Gartezau, Daß em äll Sinn vergenn. E wenig verdrießle liegt dr Buur Am Bodde z’erscht so doo, Do schließle stoot er uff on monnt: Dr Gscheidischt däär gitt noo! Rudolf Wintermantel 197

Musik Jazz in St. Georgen Seit S Jahren finden in St. Georgen regel­ mäßig Jazzkonzerte statt. Mit wechselndem Publikumserfolg veranstaltet der Kleinkunst­ Kulturkreis der Stadt innerhalb seines Klein­ kunstprogramms Jazzkonzerte- nicht zu oft, durchschnittlich drei Konzerte pro Jahr – und nicht mit der Regelmäßigkeit, die früher die Szene in Villingen Oazzclub) auszeichnete. Trotzdem haben die Konzerte bei den Jazz­ fans des Schwarzwald-Baar-Kreises einen festen Stellenwert, sind sie doch neben der alljährlich bei den Donaueschinger Musik­ tagen stattfindenden SWF:Jazz-Session, dem Programm des Jazzclubs und dem Oldtime VS-swingt“ eine Ergänzung, die vor Festival “ allem die Liebhaber des zeitgenössischen Jazz anspricht. Jazz, eine Musikrichtung, die nicht unbe­ dingt in großen Sälen und vor großem Publi­ kum stattfinden muß, ist gekennzeichnet durch Spontanität, Kreativität, Individualität und Virtuosität und kann somit problemlos auch in nicht großstädtischen Regionen durchgeführt werden. Gerade die intime Atmosphäre einer kleineren Bühne (z.B. die Pausenhalle des Schulzentrums) reizt große Musiker ebenso wie Rundfunk-und Fernseh­ auftritte und Festivals (die z. Zt. bedeutend­ sten Festivals in Europa finden in Provinz­ nestern wie Willisau, Saalfelden und Moers statt, nicht etwa in Hamburg, Berlin oder London!). Im Januar 1979 fand, von den Veranstaltern mit Spannung erwartet, das erste Jazzkonzert (von internationalem Niveau) in St. Georgen statt. Viele kamen, vor allem Einheimische, mit den unterschiedlichsten Erwartungen: von Dixieland oder Swing bis hin zu dem, was eigentlich geboten wurde, nämlich Post­ Coltrane:Jazz mit einem der führenden euro­ päischen Tenorsaxofonisten, dem Engländer Alan Skidmore. Die Reaktionen waren unter- 198 schiedlich, obgleich das Konzert in Presse und Infos als „modern Jazz“ angekündigt wurde. Fortan waren die einheimischen Besucher vorsichtiger, die Industriestadt St. Georgen ist sicher kein Forum für moderne zeitgenössische kulturelle Strömungen. Bei den darauffolgenden Konzerten jedoch zeigte sich, daß es die vielen Besucher von auswärts waren, die den Zuschauerschnitt bei Jazz erträglich gestalteten – bisweilen kamen die Fans aus der gesamten süddeutschen Region (z. B. 1980 bei der SWF:Jazz-Session mit dem Kühn-Akkerman-Duo und dem Marion Brown O!iartet, oder bei Konzerten des amerikanischen Gitarristen John Scofield oder dem Pianisten Stu Goldberg). Dazwischen gab es auch wieder leichtere Kost, so das Quintett des Zigeunergeigers Titi Winterstein oder, innerhalb der Fast­ nachtsveranstaltungen, traditionellen Dixie­ Swing mit der „Old Metropolitan Band“ aus Krakau, Blues mit der „Frankfurt City Blues Band“ oder, wie 1983, südamerikanisch­ karibische Salsamusik mit der Big Band ,,Coneccion Latina“. 1981 wagte sich der Kleinkunst-Kulturkreis in ein weiteres Feld vor, in das der Workshops (für Schlagzeug und Jazzdance) und Schul­ konzerte. Die Afro-US-Gruppe „Mombasa“ gab vor über 600 Schülern aller Schularten ein Konzert, didaktisch geschickt aufbereitet: Jazz für Kinder und jugendliche zum An­ fassen, zum Kennenlernen von fremd­ ländischen Instrumenten sowie eine kleine Einführung in Jazzimprovisation. Neben den schon genannten amerikanischen und euro­ päischen Spitzenmusikern (zu erwähnen wären noch der kanadische Trompeter Kenny Wheeler, die norwegisch-schwedische RhythmusgruppeJon Christensen und Palle Danielsson, Steve Swallow, Freddie Waits, Hilton Ruiz) gastierten auch deutsche Top-

Thomas Timmler, Tenorsaxofonist aus St. Georgen Schlagz.euger Peter Baumgärtner aus St. Georgen Gruppen, wie das Q!iartett des in Stuttgart lebenden Grafikers und Trompeters Herbert Joos (Wiener Art Orchester), das Wolfgang Engstfeld Q!iartett oder die Gruppe „Orexis“ des Gitarristen Georg Lawall. Sensible Duo­ Musik für Fortgeschrittene boten Gunter Hampel, einer der bedeutendsten deutschen J azzmusikermitweltweiter Anerkennung, zu­ sammen mit dem US-Altisten Marion Brown. Im Januar 1984 gastierte die „Peter Herbolz­ heimer Rhythm Comb. & Brass“. Im An­ schluß an eine SWF-Studio-Woche gab die Big Band ihr einziges Live-Gastspiel in der Stadthalle St. Georgen. Eine Nacht, die die gut 600 Anwesenden nicht so schnell ver­ gessen werden. Im Mai 1984 fand beim Jubi­ läum des KKKK (Kleinkunst-Kulturkreises) eine weitere Jazznacht statt, die dem Tenor­ saxofon gewidmet war (mit der Gruppe „Saxtett“ und dem zur Zeit wohl besten deutschen Saxofonisten Christof Lauer). Erstaunlich für eine Provinzstadt wie St. Georgen, obwohl relativ geringes Interesse an Jazz besteht, daß sie seit einigen Jahren einige namhafte Jazzmusiker hervorgebracht hat. Talente gerade da, wo Kultur klein­ geschrieben oder durch eine enge Brille der Klassik gesehen wurde? Einige der im süd­ deutschen Raum mittlerweile etabliertesten Musiker konnten ihr Können bei der 1.Jazz­ nacht im Dezember 1982 in der Stadthalle zeigen. In allen verpflichteten Gruppen stand ein Musiker, der aus St. Georgen stammt. Alle Musiker, aber auch Freunde und Ver­ wandte, machten diese Jazznacht zu einem großen familiären Spektakel mit hohem Niveau. Der jüngste der vorzustellenden Musiker ist der T enorsaxofonist Thomas Timrnler (geb. 1960). Seine musikalische Ausbildung führte über die Swiss:J azz-School in Bern, wo er auch heute noch als Berufsschüler bei Andy Scherrer studiert. Außerdem nahm er an Workshops teil, spielte mit vielen be- 199

doch dem Jazz. Wichtigste Stationen seiner schon beachtlichen Laufbahn waren das Titi Winterstein Q!lintett (LP), Jörg Niessner’s Date (LP 1983) und seit 1978 das Q!iartett des amerikanischen Pianisten Marque Loewen­ thal. Mit ihm war er bei den Gewinnern des Pop-Nachwuchsfestivals der Phonoakadernie in Würzburg (Platte und Fernsehauftritt) und Gast bei der Freiburger SWF-Jazz-Session 1981 (Rundfunkmitschnitte). Im Herbst 1983 erschien eine vielbeachtete LP dieser Gruppe. Fichters musikalische Stärken sind seine brillante Technik, sein voller Ton, sein sicheres Timing und sein ausgeprägtes Improvisationsvermögen. Schlagzeuger Peter Baumgärtner, Schüler von RolfKilchling und Billy Brooks (Bern), ist in der Region durch sein Mitwirken in zahlreichen Bands bekannt geworden. Seit 1981 arbeitet er fest mit einer Hamburger Jazzgruppe zusammen (Strays) und nahm an Workshops des NDR mit dem amerika­ nischen Schlagzeuger Gerry Brown teil. Daß er ein sehr vielseitig verwendbarer Musiker geworden ist, zeigen zum einen seine Tour­ neen durch ganz Deutschland mit dem Karls­ ruher Folk:Jazz-Gitarristen Martin Müller (wo er besonders seine Stärke in den süd­ amerikanischen Rhythmen ausspielen konnte) und zum anderen die Tatsache, daß Baumgärtner ab Herbst ’83 beim Düssel­ dorfer Kommödchen fest als Schlagzeuger angestellt wurde (verschiedene Fernsehauf­ tritte). Dienstältester St. Georgener Jazzer, für manche der genannten Jüngeren Initiator und Antrieb, ist der 1952 geborene Dietrich Jeske. Jeske, schon Anfang der siebziger Jahre in der St. Georgener Szene als Gitarrist be­ kannt, hat nach seinen Rockanfängen (Mac­ Lehmann) 1977 zum Jazz gefunden. Mit der Gruppe „Litfass“ nahm er die LP „Spring­ balance“ auf. 1978 gründete er sein erstes Jazz-Quartett ,J-Unit“, das bis heute hin und wieder zusammen auftritt. Seit 1980 arbeitet er im Duo mit dem Freiburger Gitarristen Christian Beining (Shades ofJazz), den er bei einem Gitarrenworkshop mit Bamey Kessel TbomasFischer,ge.fragterBassistinjauundK!assik kannten Musikern, gehört zur BBS-Big-Band (LP ,Nobody’s perfect‘) und machte sich vor allem mit seinen eigenen Gruppen (Pulse) einen guten Namen. Seit einiger Zeit spielt er auch in einem Saxofon-Quartett (S.1x1c1 t). Sein Spiel ist orientiert an den großen schwarzen US-Saxofonisten wie John Coltrane, Archie Shepp, George Adams oder Billy Harper. Die Arrangements seiner Gruppe stammen teils von diesen Vorbildern, teils aus eigener Feder, alle sind jedoch sehr großflächig angelegt – allen Mitspielern bietet sich viel Freiraum zur individuellen Ent­ faltung. Der zweite der vorzustellenden Musiker ist der Bassist Thomas Fichter. Nach Unter­ richt an der Jugendmusikschule und Studium (klass. Kontrabaß) in Freiburg bei Professor W. Stert gilt Fichter als gefragter Musiker in Jazz und Klassik gleichermaßen (er arbeitet heute auch gelegentlich im Orchester des Südwestfunks). Sein Hauptinteresse gilt je- 200

Dietrich ]eske, dienstältesler St. Georgener Jazzer . kennengelernt hatte. Jeske, der an der freien Jazzschule in Darmstadt bei Eddy Marron und in Bern bei Ira Kriss studiert hat, spielte von 1982 bis 83 wieder mehr im Rock-Funk­ Bereich. Mit der Gruppe „Squish“ spielte er die LP „Royal Flash“ und eine Single ein. Neben Auftritten in Clubs oder bei Festivals arbeiten alle Musiker noch als Lehrer an ver­ schiedenen Musikschulen. Es ist zu wünschen, daß ihre Karriere weiterhin steil aufwärts geht, damit sie sich künftig ganz auf ihren Haupt­ beruf ,Jazzmusiker“ konzentrieren können. Dieter Dorer Keine Regel ohne Ausnahme Bäärig isch dr Schnee vergange Word es grüe im Daal am Bach On so witt es Aug kaa gucke, Ischs e frohe, scheine Sach! Niemedmeh denkt zruck an Winter On es isch oa Glick, oa Freid; Wer vor Sorg hät geschtert g’wiifret Hitt vor Glick on Muetwill schreit! „So isch d’Welt“, seit s’Diise Bääwel, »Äl1s vergoot on hät sii Zitt On bii säUe wo hitt lache, s’Morge wieder z’brüele gitt! Äl1e Mensche müesse sterwe, So duets drinn im Gsangbuech stau, – Z’letzscht – mer kaas halt do net wisse – Gar drmit, am End, ich au!“ Rudolf Wintermantel 201

Volkstum, Volkskunde, Brauchtum ,,Zurück will ich nie mehr … “ Umgesiedelte Rußland-Deutsche haben am Warenberg ein neues Zuhause gefunden ,,Zurück will ich nie mehr- nur noch tot.“ Theodor Mehlhaff sagt es mit entschlossenem Kopfschütteln. In seiner Stimme schwingen die Erinnerungen an eine lange Leidenszeit mit: vertrieben, verfolgt, verschleppt und interniert. Mit zwei Koffern, seiner Frau und den vier Kindern ist Theodor Mehlhaff, er selbst auf Krücken, 1974 nach unzähligen Ausreiseanträgen aus der Sowjetunion in seine Heimat nach Deutschland gekommen. Mit ihm haben etwa 20 deutsche Familien, überwiegend aus den russischen Provinzen Kasachstan und Kirgisien, in Villingen am Warenberg ein Zuhause gefunden. Acht Jahre mußte zum Beispiel Gustav Strecker warten, bis sein Ausreiseantrag 1979 genehmigt wurde. Seine Tochter wartet bis heute noch in Alma Ata, wo auch ihre Eltern wohnten, auf grünes Licht von der Sowjet-Regierung. „Es ist ganz unterschiedlich“, meint Gustav Strecker, ,,bei den einen dauert es länger, bei den anderen geht’s schneller.“ Als gläubige Baptisten gehörten sie meistens zu denjenigen, die noch eher abgeschoben wurden. ,, Weil wir denen zu unbequem sind.“ Andere aber warten ihr ganzes Leben. Viele haben, wie Gustav Strecker, noch Kinder oder Eltern in der Sowjetunion, die seit Jahren vergeblich auf das Ausreisevisum hoffen. Über die Übergangslager Friedland und Rastatt kam der in Odessa geborene Theodor Mehlhaff, wie die meisten seiner Landsleute, ins Asylantenheim nach Donaueschingen und von dort ins Aussiedlerheim des DRK nach Villingen. ,,Für den einen war’s schwerer, für den anderen leichter, sich hier in der neuen Welt zurechtzufinden“, erzählt Theodor Mehlhaff. Denn man stand sozu- Baptistenkirche der Rußland-Deutschen am Villinger Warenberg 7.eichnung Helmut Heinrich 202

sagen vor dem Nichts. Alles, was man besessen hatte, mußte in der Sowjetunion zurückge­ lassen werden. Ganze 20 Kilogramm Hand­ gepäck war ihre einzige Habe. Das größte Problem sind anfangs die Sprachschwierig­ keiten gewesen. ,, Wir konnten ja nur hinter verschlossenen Türen deutsch sprechen. Und außerdem hätte uns hier mit dem Deutsch, das wir gesprochen haben, sowieso niemand verstanden.“ Es habe vor allem mit der Grammatik gehapert. In Sprachkursen mußte all das nachgeholt werden. Hinzu kamen Probleme mit der mangelhaften Schul- und Berufsausbildung. Theodor Mehlhaff konnte zum Beispiel mit seinen Kenntnissen als gelernter Schlosser in Deutschland nicht viel anfangen. In Heidel­ berg drückte er erst einmal die Schulbank und holte fünf Klassen nach, ließ sich anschließend umschulen und ist heute als Feinmechaniker in Villingen beschäftigt. ,,Ich hab‘ büffeln müssen wie ein Ochs‘, und manchmal dachte ich, mir platzt der Kopf. Wenn die Leute dann noch gespottet haben, guck, da kommt der dumme Russ‘, sagte ich mir, jetzt schaffst du’s erst recht.“ Überhaupt wollen die umgesiedelten Rußland-Deutschen die schmerzlichen Er­ innerungen an ihr Leben in Rußland „nicht mehr hervorholen“, wie Theodor Mehlhaff sagt. ,,Es waren harte Jahre, wir galten nur als die deutschen Faschisten, die man drang­ salierte, wo es nur ging. Und für die Russen waren wir leicht an unserem Dialekt zu er­ kennen.“ Besonders die chronische Lebens­ mittelknappheit in der UdSSR bekamen die Deutschen, wie aUe anderen nicht-russischen Volksstämme in der Sowjetunion, am meisten zu spüren. ,, Wenn du deine Monatsration abholen wiUst – es waren monatlich 300 Gramm Fleisch und genausoviel Butter pro Familie – mußt du erst einmal Schlange stehen, um eine Marke zu bekommen. Und dann muß man sich nochmal anstellen, um die Lebensmittel einzulösen. Als Deutscher wirst du immer in die hintersten Reihen zu­ rückgedrängt, so daß du am Ende froh sein konntest, wenn du überhaupt etwas zu essen hattest,“ berichtet Ewald Sauter von seinen Erlebnissen. Manchmal habe man vor Hunger Gras gegessen. ,,Das war vielleicht unsere Rettung.“ Das ständige Unterdrücktsein, die Verfol­ gungen und Verschleppungen besonders in der Stalin-Zeit, die schlimme Zeit in den Ge­ fangenenlagern von Sibirien, wo ein Mensch nach dem anderen grausam ums Leben kam, verhungerte, erfror, zu Tode gefoltert wurde – ,,all das radiert uns keiner mehr aus. Vor allem unsere Eltern, die jetzt zum Teil mit uns ausreisen durften, sind dahin. Sie sind nervlich total kaputt gemacht worden durch diesen schlimmen Psychoterror“, er­ zählt Theodor Mehlhaff, dessen gelähmte Mutter in Villingen von seinem Bruder ge­ pflegt wird. Er ballt die Hand zur Faust und schlägt sie auf seine Schenkel. ,,2000 Mann waren wir damals im Gefangenenlager, 50 haben überlebt. Ich war einer von ihnen, ob­ wohl ich auch schon auf der Todesliste stand“, sagt Gustav Strecker. Solche Erinnerungen sind für diese Men­ schen jetzt Vergangenheit. Heute wohnen sie, teilweise schon seit zehn Jahren, in . Villingen. Zunächst war man in Sozial­ wohnungen in der Stadt, seit etwa drei Jahren lebt man in eigenen Häusern. Im Baugebiet Warenberg erstand man Grundstücke, baute Einfamilienhäuser oder bezog die Reihen­ häuser, die dort errichtet wurden. 450 000 Mark mußte jeder von ihnen aufbringen, besser gesagt aufnehmen, ,,weil wir doch nichts hatten.“ Bei der Bank wurden zinsverbilligte Darlehen aufgenommen. Der eine oder andere bekam im Rahmen des Lastenaus­ gleichsgesetzes eine Entschädigung, wenn er in Rußland durch Enteignung sein Land ver­ loren hatte oder lange Zeit interniert war. Ob­ wohl die Stadt Villingen-Schwenningen bei den Grundstückspreisen und den Er­ schließungsgebühren „bis an den Rand des Möglichen entgegengekommen ist, haben wir heute den Buckel voller Schulden“, meint Theodor Mehlhaff. Mehr als ein Drittel ihres Lohnes müssen sie monatlich für die Abzah­ lung der Schulden abzweigen. 203

Durch den Bau einer eigenen Kirche haben sich die gläubigen Baptisten zusätzlich finanziell belastet.1,5 Millionen Mark hat die Kirche gekostet. 1,1 Millionen Mark wurden durch Spenden zusammengetragen, die übrigen 400 000 Mark mußten aus eigener Tasche bezahlt werden. Beim Bau der Kirche haben die Umsiedler selbst kräftig mit Hand angelegt: außer dem Rohbau wurde alles selbst gemacht – von den Holz- und Fliesen­ arbeiten bis zur Polsterung der Sitzbänke. „Bis dahin hatte noch niemand von uns Fliesen verlegt. Wenn’s auch manchmal zu Beginn nicht so richtig klappte, am Ende haben wir alles irgendwie geschafft.“ Bis zu 14 Stunden am Tag haben sie gearbeitet, zum Teil bis tief in die Nacht. ,,So war die Kirche in nur sieben Monaten fertig“, sagen die Gläubigen nicht ohne Stolz. Dabei haben sie beim Bau nichts vergessen. Neben einem großen Gemeinschaftsraum für größere Feste gibt es für die Kinder und jugendlichen ver­ schiedene Unterrichts- und Gebetsräume. Auch für die Kleinsten ist gesorgt: während der Gottesdienste sind sie nebenan in einem kleinen Spielzimmer untergebracht. Ein eigenes Gotteshaus war schon immer ihr Traum. Eine Kirche, in der sie ihre Gottes­ dienste, Gebet- oder Bibelstunden abhalten können, ,,ohne die Angst, entdeckt zu werden.“ Hier haben sie die Freiheit, öffent­ lich zu ihrem Glauben stehen zu können, ohne die Furcht, ins nächste Internierungs­ lager gesteckt zu werden. ,, Viele unserer Brüder und Schwestern schmachten zwei, fünf, zehn Jahre, Ja sogar ein ganzes Leben im Gefängnis – nur für ihren Glauben“, erzählt Gustav Strecker. Auf einer langen Liste, die im Gebetsraum angeschlagen ist, stehen die Namen – für die Rußland-Deutschen in Villingen nicht die letzte Erinnerung an die lange Zeit der Unterdrückung in der UdSSR. Gerade diese Erfahrungen lassen sie trotz der finanziellen und psychologischen Be­ lastungen in der neuen Welt zufrieden sein. Theodor Mehlhaff sagt es stellvertretend für seine Freunde: ,,Wir werden es nie bereuen und sind froh darüber, daß wir in unsere Heimat zurückkehren konnten.“ Claudia Borowy Die Heimat im Herzen Die Sudetendeutschen im Schwarzwald-Baar-Kreis Im Herzen Mitteleuropas, in Böhmen und Mähren-Schlesien, liegen die nach dem Gebirgszug der Sudeten benannten Sudeten­ länder, die seit acht Jahrhunderten bis 1945, zuletzt von 3,5 Millionen Sudetendeutschen, besiedelt waren. Sie wurden 1918 unter Miß­ achtung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker in die Tschechoslowakei eingeglie­ dert. Zwanzig Jahre dauerte das friedliche Ringen der Sudetendeutschen um Selbstbe­ stimmung. Bei Ende des Zweiten Weltkrie­ ges wurden die Sudetendeutschen ihres Gesamtbesitzes im Werte von heute 150 Mil­ liarden DM beraubt und aus ihrer Heimat unter menschenunwürdigen Umständen vertrieben. 24 1000 mußten ihr Leben lassen. Bettelarm kamen die Heimatlosen in Deutschland an. Manche von ihnen fanden im Schwarzwald-Baar-Kreis eine neue Hei­ mat. Mit bewundernswertem Mut begannen sie – gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung – das Aufbauwerk. Jahrelang hausten die Heimatvertriebenen in Notun­ terkünften und Lagern. Mit Hilfe öffent­ licher Förderungsmittel von Bund und Land gelang es, die Wohnungsnot allmählich zu lindem. Von 194 9 bis 1965 wurden z. B. im Stadtbezirk Schwenningen 38 80 Wohnungs­ einheiten gebaut; ein Drittel davon waren Wohnungen für Heimatvertriebene. Nur wenigen Sudetendeutschen war zunächst Arbeit beschieden; später wirkten 20 4

Sing- und Spielschar der Sudetendeutschen Landsmannschaft Villingen-Schwenningen sie als Facharbeiter, kaufmännische Ange­ stellte und Prokuristen in vielen Betrieben beim Wiederaufbau mit und waren bald als tüchtige Arbeitskräfte, als Meister, Schlosser, Ingenieure, Verkäufer und Buchhalter bekannt. Auch die Stadtverwaltungen, Bun­ despost und Bundesbahn, die Polizei, Lan­ desbehörden und Banken übernahmen Angestellte und Beamte. Nur ganz wenigen Geschäftsleuten gelang es, ein Geschäft zu gründen oder zu übernehmen. Besonders schlimm wurden die Bauern durch die Vertreibung betroffen. Keinem von ihnen gelang es, wieder Grund und Boden oder einen Hof zu erwerben. Sie wur­ den umgeschult und fanden in der Uhren­ oder metallverarbeitenden Industrie ein Unterkommen. Ebenso erging es den daheim selbständig gewesenen Handwerks­ meistern, die als Angestellte oder Arbeiter – meist in berufsfremden Betrieben – ihren Lebensunterhalt verdienen mußten. Die arbeitslos Gebliebenen fristeten unter heute kaum vorstellbaren Verhältnissen ihr Leben. Zu ihnen zählten auch viele Erzieher, die erst ab 1951- sechs Jahre nach der Vertrei- bung- als Aushilfslehrkräfte mit vierzehntä­ giger Kündigungsfrist angestellt und nach Jahren endlich wieder ins Beamtenverhältnis übernommen wurden. Seither wirken sie als Lehrer, Oberlehrer, Studienräte und Rekto­ ren an vielen Schulen des Kreises. Manche von ihnen waren pädagogische Leiter des Berufsbildungswerkes der DAG, der Ange­ stelltenakademie, Dozenten der Volkshoch­ schule, sind Bibliothekare und wirken beim Kulturwerk der Stadt �it. Sudetendeutsche waren im Stadtrat, sind in allen politischen Parteien und Gewerkschaften, in Turn- und Sport-, in Gesangs- und anderen Vereinen ebenso vertreten wie im kirchlichen Leben, vor allem im Aufgabenbereich der katholi­ schen Kirche; denn 98 Prozent der Sudeten­ deutschen sind Katholiken. Im Jahre 1950 schlossen sich die Sudeten­ deutschen bundesweit zur Sudetendeut­ schen Landsmannschaft zusammen; sie gründeten in Schwenningen, Villingen, Donaueschingen und St. Georgen starke Ortsgruppen. Ihre grundlegenden Zielset­ zungen lauten: Wiederaufbau Deutschlands; Schaffung eines geeinten Europas, in dem 205

alle Völker in ihrer angestammten Heimat in Frieden und Freiheit leben können; Verzicht auf Haß und Rache; Völkerverständigung auf der Grundlage gleichberechtigter Part­ nerschaft; Bewahrung und Pflege des sude­ tendeutschen Kulturerbes. In ihren Heimatabenden pflegen die Orts­ gruppen das heimatliche Brauchtum (Weih­ nachtsfeiern, Totengedenken am 4. März, Sommersonnenwende auf dem Wieselsberg) und Liedgut. Im Mittelpunkt standen bisher Vortragsreihen über große Sudetendeutsche wie Adalbert Stifter, Gregor Mendel, Ebner­ Eschenbach, Ferdinand Porsche (OStR Tinz­ mann) und andere. Auch Dichterlesungen (Rilke, Schiller und Goethe in Böhmen) mit Dr. Mühlberger sowie Film-und Diavorfüh­ rungen des sudetendeutschen Filmwerkes standen auf dem Programm. Viele Feiern und Heimatnachmittage wurden von Sing­ und Spielgruppen der Landsmannschaften Villingen, Freiburg, Lahr und Gottmadingen gestaltet. Eine Bereicherung sind die zweimonat­ lich erscheinenden Mitteilungsblätter der Ortsgruppen Villingen und Schwenningen; sie berichten über wichtige Ereignisse im Bereiche des Kreises, über hohe Geburtstage und Veranstaltungen. Anläßlich des dreißig- Schwarzwälder Uhrenhändler als Pionier in North Carolina Forscht man in der Historie mancher alteingesessenen Familien des Hochschwarz­ waldes, so stößt man mitunter auf bemer­ kenswerte Schicksale, auf Lebenswege, die, vom engen heimatlichen Raum ausgehend, überraschende Weite gewannen. Am 9. April 1785 verließ der 16jährige Joseph Kirner den Ort seiner von Wäldern behüteten Kindheit, um als Gehilfe eines Uhrenhändlers nach Amerika zu reisen. Aus­ gestattet mit Kaiserlich-Vorderösterreichi­ schem Reisepaß, erreichte er New York im August desselben Jahres, um alsbald, in jährigen Bestehens, das mit großen Feiern in Villingen-Schwenningen und St. Georgen begangen wurde, erschien eine umfangreiche Festschrift („Heimat Sudetenland“), die Kul­ turreferent Roderich Tinzmann verfaßte. Mit Hilfe von Spenden der Heimatver­ triebenen und der Städte entstanden Gedenksteine auf dem Schwenninger Wald­ friedhof, ein künstlerisch wertvolles Mahn­ mal in Villingen und ein Denkmal für den Heimatdichter des Erzgebirges, Anton Gün­ ther, in Donaueschingen beim Altenheim. Mehrere Straßen wurden nach sudetendeut­ schen Städten und Persönlichkeiten benannt (Egerstraße, Karlsbader Straße, Reichenber­ ger Straße, Bertha-Suttner-Straße u. a.). In Verbundenheit mit allen anderen ost­ deutschen Landsmannschaften und mit den Verbänden des Bundes der Vertriebenen, mit der Heimat im Herzen werden die Sudeten­ deutschen des Schwarzwald-Baar-Kreises – dem Recht, dem Frieden und der Freiheit verpflichtet -auch im nächsten Jahrzehnt ihre ganze Kraft einsetzen, um das Recht auf Heimat und Selbstbestimmung gemäß unse­ rer demokratischen Verfassung in einem in Frieden und Freiheit geeinten Deutschland und Europa zu verwirklichen. Roderich Tinzmann Richtung Philadelphia operierend, rührige Tätigkeit zu entfalten. Der „hölzerne Uhren­ händler“ hatte von den Seinen Abschied genommen in der Absicht, nach Ablauf der kontraktlich vereinbarten ‚.Zeit von 2J.’2 Jahren zurückzukehren -er sah die Heimat niemals wieder. Die Umstände ließen SchuhP.eters Jüng­ sten „drüben“ seßhaft werden. Uber seinen ungewöhnlichen Lebensweg wäre wohl heute nichts mehr bekannt, hätten sich nicht Nachkommen seiner dort gegründeten Familie aufgemacht, um nach Verwandten Joseph von Kemersville 206

Kaiserlich-Vorderösterreichischer Reisepaß vom Jahr 1785 für die Übeifahrt nach New York ihres Stammvaters, dessen Paß sie in den Schwarzwald verwies, zu suchen. Dies geschah kurz vor dem 1. Weltkrieg, und so erfuhren die Nachkommen der Furtwanger Kirner, daß es seit 1869 in North Carolina eine blühende Stadt gibt, die den Namen des Pioniers aus Furtwangen trägt: Kernersville. Über das Individuelle hinaus zeigt sich hier im Familiengeschichtlichen etwas Allge­ meingültiges: Im amerikanischen Völkerge­ misch kommt dem Blutsanteil aus Schwarz­ wälder Provenienz eine kräftige Präsenz zu. Abkömmlinge Joseph Kirners finden sich – als Kirn er, Kerner oder Körner -von Kalifor­ nien bis Florida, von Texas bis Neuengland. Mehrere Gründe mögen Joseph veranlaßt haben, sich selbständig zu machen. Für einen Mann seiner Fähigkeiten -er war wach, zu­ packenden Geistes und von quellfrischer Energie -boten sich in Amerika umfassende Möglichkeiten. Er hatte sein Handwerk gründlich gelernt und war gewillt, Neues hin­ zuzulernen. – Im Jahre 1796 kaufte der „Clock and Watchmaker“ Joseph Kirner 200 acres (Morgen) gutes Land in North Caro­ lina, zur Siedlung Friedland gehörig, im Q!iellgebiet des Yadkin River gelegen. Bei geschäftlichen Überlandfahrten bis nach New Orleans hinunter hatte er die deutschen Siedler im sogenannten Wachoviagebiet kennengelernt; das Gefühl des Sichzuhause­ fühlens keimte ihn ihm auf. Die Leute waren fleißig und freundlich; sie hatten, gleich ihm, die harte Bewährungsprobe, sich im fremden Lande zu behaupten, hinter sich. Hier waren sozial denkende christliche Gemeinschaften entstanden, hier walteten Strebsamkeit und aufrichtiger Wille, hier wurde deutsch gesprochen. Hinzu kam Toleranz in religiö­ sen Dingen, die ihn, den Katholiken, nicht nur anerkannte, sondern gastlich willkom­ men hieß. Zu Josephs Entschluß mag auch 207

die Überlegung beigetragen haben, daß er in Deutschland kaum jemals Aussicht haben würde, Grundbesitz zu erlangen. In der Neuen Welt war ihm Gelegenheit geboten, mehr davon zu erwerben, als die Leute zuhause sich vorstellen konnten. Mit dem -Landkauf löste sich der 26jährige Kirner von seiner Vergangenheit, ohne jedoch die brief­ liche Verbindung mit der Heimat abreißen zu lassen. Josephs nächster Schritt zur Seßhaftma­ chung war seine Verehelichung mit Christi­ nia Kastner. 1798 wurde Frederick geboren, 1799 Salome und 1805 als drittes Kind Philipp. – Die Jahre nach seiner Heirat sahen Joseph Kirner mit wachsendem Erfolg tätig; binnen weniger Jahre hatte er sich eine feste Existenz geschaffen. Der junge Mann, an sei­ ner Umgebung und ihrem Alltag wachen Anteil nehmend, erlangte steigende Wert­ schätzung. So war es nicht verwunderlich, daß ihn die Gemeinschaft mit Aufgaben betraute, die verantwortungsfreudiges Han­ deln voraussetzten; der 30jährige regelte ihre Transaktionen. Wie der Name vermuten läßt, war Josephs Erwählte ebenfalls deutschen Blutes. Gebo­ ren in Königsbach (Baden-Durlach) befand sich Anton Kastner 1769 unter den Schiff­ brüchigen, die von Boston aus North Caro­ lina angesteuert hatten. Er betrieb im Gebiet der Moravian Mission (Herrnhuter) eine Sägemühle, war von vitalem Wesen und hatte sich während des Unabhängigkeitskrie­ ges als Reitersoldat den Ruf eines verwege­ nen Haudegens erworben. Er hinterließ 11 Kinder; einer der Erbanteile wurde seiner Tochter „wife of Joseph Körner“ vermacht. Im Jahre 1817 erwarb Joseph, 48jährig, die Besitzung Cross Roads, das Gebiet, auf dem in raschem Wachstum der Ort „Kernersville“ entstehen sollte. Welche Meriten veranlaßten eine Nach­ welt, einem einfachen Einwanderer aus dem Schwarzwald die Ehre zu geben, seinen Namen auf der Landkarte der Vereinigten Staaten zu hinterlassen? Der Furtwanger Kir­ ner war weder Politiker, noch Wissenschaft- 208 ler, noch half er Scharmützel oder Schlach­ ten entscheiden. Er war lediglich outstanding als Persönlichkeit, ein Mann der hart arbei­ tenden und Entbehrungen erduldenden Be­ völkerung, Katholik in einer Brüdergemeine, ein rastloser Mühlengeist, der nie die Hände in den Schoß legte; er verstand, sich bietende Chancen zu nützen und war nie bereit, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Was ihn darüber hinaus auszeichnete, waren Phantasie und Hartnäckigkeit, Gläubigkeit und stete Bereitschaft, Aufgaben für die Gemeinschaft zu übernehmen. Ohne jemals zu spekulieren, fand er den Weg, der den Sei­ nen und den Familien seiner neuen Heimat zu Wohlstand verhalf. Und – er hatte jenen harten Kern der Menschen aus karger Her­ kunft, der ihn, der aus der Kindheit über­ gangslos in ein volles und abenteuerliches Mannesleben hineinfinden mußte, davor bewahrte, jemals mit sich selbst Mitleid zu haben. Ganz ausgeprägt besaß er den Instinkt der Wäldler, die, wenn sie die Auf­ gabe ihres Lebens gefunden haben, unbeirrt und geradlinig vorwärtsschreiten. Der Platz „Cross Roads“ hatte schon Geschichte, bevor dort befindliche Einrich­ tungen (Taverne, Poststelle und Pferdesta­ tion) ihren Besitzer wechselten. Hier trafen sich ehedem die Pfade schweifender India­ ner, hier kreuzten sich wichtige Verkehrsli­ nien für Bespannte, Berittene und Überland­ gänger. Als 1791 George Washington Salem besuchte, stand Joseph unter der Menge, nicht ahnend, daß der Platz, an dem der Präsident kurze Rast einlegte, dereinst das Zentrum einer nach ihm benannten Stadt werden würde. Jedenfalls hieß die wichtige Straßenkreuzung 26 Jahre später „Kerner’s Cross Rd“. Der Kauf machte Kirner zum Besitzer von über 1000 Morgen guten Plantagenlan­ des, eines zentralen Gebietes mit uranfängli­ chen Waldbeständen, mit �eilen und Was­ serläufen, im „anmutigsten Land unter dem Gewölbe des Himmels“. Nachdem er mit sei- nem Hausstaat – es gehörten auch Sklaven dazu – von Friedland nach Cross Roads

Im :ZCntrum von Kemersville, das von Joseph Kimer aus Furtwangen gegründet wurde gezogen war, war er allein im Umkreis von 7 Meilen, aber bald entfaltete sich bauliche Verdichtung. Joseph blieb Motor. Er unter­ nahm nichts, was er nicht übersehen konnte, aber stetig wuchs das Werk. Er regierte es planvoll und unanfechtbar im Sinn des All­ gemeinwohls. Joseph baute seinen Kindern Häuser. Handel und Wandel blühten, neue Familien, vor allem englischstämmige, schu­ fen sich Wohnsitze. Jedes der drei Kinder war Mitarbeiter und Mitbesitzer. Joseph selbst blieb vielerlei in einer Person: er stand der Posthalterei vor, betrieb die Taverne, leitete Weizen-, Mais-und Tabakplantagen, baute eine Mühle mit Wasserrad, richtete eine Fabrikationsstätte für Dreschmaschinen ein und gab nie sein erlerntes Uhrengewerbe ganz auf. Familienberichte sagen, daß er „unermüdlich in seiner Energie und scharf­ sinnig bei geschäftlicher Unternehmung“ gewesen sei. In seinem Gebets-und Lieder­ buch hinterließ er kennzeichnende Eintra­ gungen. Eine davon lautet: „In Furtwangen bin ich geboren, im Himmel ist mein Vater­ land … “ Der katholisch gebliebene Mann starb 61jährig und wurde in Friedland beerdigt. Das Salem Diary vom 10. 6.1830 besagt u. a., daß die Begräbnispredigt außerhalb gehalten wurde, weil die Halle zu klein war, alle Hörer aufzunehmen. Wie man weiß, legte die Geschichte im 19. Jahrhundert ein eiliges Schrittmaß an den Tag. In J. Kirners Heimat hatte der vorder­ österreichische Doppeladler, dank Napoleons Taten, ausgedient. Man sah ihn hinfort noch als schmiedeeisernes Schild manchen Wirts­ hauses. Die gesunde und reine Luft war noch wie früher, aber im nunmehr Badischen rumorte es bald von Hecker’scher Unruhe. 209

Vergleichsweise zur selben Zeit steuerten die Staaten auf die Sezessionskriege zu, dem blu­ tigen Waffengang zwischen Sklavereigeg­ nern und Sklavenhaltern -unruhige Zeiten auch und besonders für North Carolina. In Furtwangen kam die Kirner-Linie männlicher Folge zum Erlöschen. Johann Baptist Kirner, der Großherzog!. Bad. Hof­ maler, starb, 1866, unverheiratet; der Portraitist Lukas hinterließ zwei Töchter im Bayri­ schen. Das Kirnerhaus, „Schuhpeterhaus“, wurde 1857 ein Raub der Flammen. In North Carolina stiegen mit Josephs Kindern neue Generationen herauf, Kerner und Körner, alle von dem Ort ausgehend, der sich zur Stadt „Kernersville“ entwickelte. Neue Namen, zum Teil bedeutsam ver­ knüpft mit der Besiedelungsgeschichte der Neuenglandstaaten, kamen durch Eheschlie­ ßung hinzu. In den Nachkommen hat sich Schwarzwälder Erbgut vermischt mit angel­ sächsischem, irischem, walisischem und fran­ zösischem. Neue Generationen schreckten nicht zurück vor der Weite des Kontinents. Erloschen ist in der Zwischenzeit jener Zweig, der auf Josephs Tochter Salome zurückgeht. Die Nachkommenschaft Frede­ ricks und Philipps jedoch ist in direkter Folge verbreitet. Heute noch leben in der Stadt ihres legendären Ahnherrn· aus Furtwangen zahlreiche Kerner und Körner als Namens­ träger. Unter den Abkömmlingen waren bemerkenswerte Persönlichkeiten: Ärzte, Juristen, Lehrer, Ingenieure, Unternehmer, Plantagenbesitzer, Künstler. Sie alle konn­ ten, als sie zu den Vätern versammelt wur­ den, auf die Ernte eines arbeitserflillten Lebens zurückblicken. Beim Studium der Kirner-Kerner-Körner­ Genealogie stößt man auf Ähnlichkeiten mit den Furtwanger Kirnern. Betrachtet man die Gesichter der „drüben“ noch vorhandenen frühen Photographien, so stellt man un­ schwer den Klang verwandschaftlicher Aus­ prägung fest. Bei Jule Gilmer Körner, Maler und berühmtester Designer seiner Zeit in den Staaten (1851-1924), wird dies besonders deutlich. Dieser Enkel Josephs, ideenreicher 210 schlichten Individualist, nützte sein Können zu sensa­ tionellen Erfolgen. Die Entwicklung des Ortes Kernersville wurde, als längst andere Siedlerfamilien hin­ zugekommen waren, maßgeblich von den Kindern des Stammvaters bestimmt. Junge Leute zogen aus nach Indiana, Ohio, Penn­ sylvania, um dort zu lernen. Sie kehrten mit College-und Hochschuldiplomen zurück, um ungesäumt ein tätiges Leben aufzuneh­ men. Andere kamen nur besuchsweise wie­ der, aber der Zusarnrnenhalt des Clans blieb bestehen. Bei allen öffentlichen Belangen waren sie beteiligt und sei es nur, daß sie Bau­ land zur Verfügung stellten. Viele der Ker­ ner-Körner-Sprößlinge waren zeitlebens auf irgendeine Art dem Musischen verpflichtet. Sie organisierten das erste Orchester in Ker­ nersville, schufen das erste Kleine Theater in Amerika mit beachtlichen Aufführungen. Beim Begräbnis Henry Clay Körners (1927) erklang Händels Largo in dem von ihm aus­ gestalteten der Feierraum Gemeindekirche. Joseph Kirner fand, an den Blue Ridge Mountains entlangwandernd, die ihn an die fernen Berge seiner Heimat erinnert haben mögen, das „Gelobte Land“, ein Land, dessen rote Erde Milch und Honig spenden konnte, jedoch nur dem, der gewillt war, sich einzu­ setzen und zu arbeiten. Land unter südlicher Sonne und kaum berührte Wildnis waren bereit, besonnene Tatkraft zu belohnen. Joseph und seinen Abkömmlingen eignete ein hoher Grad von Schönheitsliebe und Sinn für ethische Werte. Entlang der Haupt­ straße wurden Bäume angepflanzt, Ulmen, die im Lauf der Zeit zu einer einzigartigen Allee heranwuchsen. Josephs Plantage ge­ wann die Ausmaße einer Stadt, ruhig und von gewisser Würde. Auf den Gottesäckern von Friedland und Kernersville liegen sie begraben,Joseph aus dem Schwarzwald und seine in der neuen Heimat geborenen Nach­ kommen, viele mit biblischen Vornamen. Sämtliche Grabstätten sind noch vorhanden, gekennzeichnet durch die schlichten mora­ vianischen Steinplatten.

Noch immer ist Cross Roads historische Straßenkreuzung. Pulsierendes Leben erfüllt den Ort. Man möchte dieser Stadt, deren Einwohner auf ihre Herkunft stolz sind, wünschen, daß es gelingt, ihre gedieg_ene Eigenart im City-Dreieck Greensboro/H1g�­ point/Winston-Salem zu bewahren. Die Geschichte Joseph Kirners, des Schwarzwäl­ ders in N orth Carolina, klingt in unsere Tage hinein: ein Lied von der immerwährenden Herausforderung des einzelnen durch das Leben und von der Bewältigung zugeteilten Geschicks. Als Allie Dore Körner, Urenkelin Josephs, Enkelin Philipps, im Jahre 1912 im Schwarz­ wald nach Verwandten forschte, konnte sie solche nur auf Umwegen ausfindig machen. Sie veröffentlichte später ihren Reisebericht in den „Kernersville News“: »· . . und die Leute sagten mir, ich solle in Furtwangen (nicht Triberg) nach Kirnern suchen. Am nächsten Morgen wartete ich auf die Diligence. Ich wußte nicht, was das war, aber man hatte mir gesagt, darauf zu warten. Straßenabwärts hörte ich durchdringendes Hornsignal und Getrappel von Pferdehufen; vor dem Hotel fuhr eine richtige Postkutsche vor. Der Postillon saß vorn auf hohem Sitz und schwang eine lange Peitsche über dem Viererzug. Ich war freudig erregt und klet­ terte hinein. -Viele Meilen später gab das kleine Horn eine wilde Tonfolge von sich und wir hielten neben einem Gasthaus. Ich streichelte die Nasen der Pferde, während ich des Postillons hohen Platz betrachtete. Ich brauchte nicht lange: Als der Fahrer zurück­ kam, saß ich bequem oben auf seinem Thron. Schließlich lachte er und ich lachte, und dies klingt gleich in allen Sprachen. -Es gab weiße und gelbe Gänseblümchen, roten Mohn und Meilen von Tannen längs der Straße. Landleute waren unterwegs in farbi­ ger Tracht. -An einem anderen Haltepunkt kehrte der Fahrer aus dem Gasthaus zurück mit einem großen Packen. Es machte mich herzkrank zu sehen, daß es ein Reh mit wun­ dervollem Gehörn war; es schien mir ein Ver­ brechen, solch ein prächtiges Geschöpf Frühling * Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte, und der erste Gratulant ist mein Ischias in der Hüfte. Fröhlich knirscht es im Getriebe, jubiliert durch Mark und Bein, und ich fühl mit dumpfem Triebe: Ja, das muß der Frühling sein! Und des Frühlings blaue Bänder wecken überall Applaus, neue Schuhe und Gewänder flattern ebenfalls ins Haus. Rechnungsschreiben, Mahnungsbriefe flattern fröhlich hintendrein, und ich schreie aus der Tiefe: Frühling, laß das Flattern sein! Ach, des Frühlings süßes Wehen … Allenthalben treibt der Saft und erfüllt zu neuem Leben die Natur mit frischer Kraft Seidelbast und Märzenbecher und der bunte Krokus blüht – und ich selbst fühl mich noch schwächer und vor allem ziemlich müd. All das Blühn macht mich benommen und verdüstert mein Gemüt, denn ich fühle angstbeklommen, daß auch mir noch einiges blüht Was des Winters ruhige Zeiten mir an Speck bescherten, bleibt, und viel Mühe wird’s bereiten, bis es wieder abgekneippt! Ulrich Stratmann * 211

umzubringen … Dann war die Fahrt zu Ende und wir fuhren nach Furtwangen hinein, sahen den Marktplatz und schließlich mein Hotel ,Zum Ochsen‘, ehrwürdig wie die alten Hügel, aber blitzsauber vom deutschen Scheuern … Ich traf den Bürgermeister und forschte mit ihm in alten Berichten nach Vor­ fahren der Kirner-Familie … stieg den Hang zum alten Friedhof hinauf und fand die Gräber meiner Ahnen. Ich wußte, es waren die richtigen Kirner, weil die Vornamen die­ selben waren wie in Kernersville und die Daten stimmten. Da war ein Grabmal mit einer lebensgroßen Büste von Johann Baptist Kirn er … Ich traf den Pfarrherrn, der freund­ lich und wohlwollend war und wir forschten in den Kirchenbüchern -es gab keine leben­ den Kerner oder Körner in Furtwangen … (Allie fuhr zurück nach Triberg) … ich konnte es nicht ertragen, abzureisen, ohne meine Mission erfüllt zu haben und zögerte zwei weitere Tage. Da kam die Wende: Ein Brief erreichte mich aus Furtwangen, signiert von Marie Wintermantel. Er besagte: ,Ich habe von Ihrem Besuch gehört. Meine Großmutter war Karoline Kirner. Bitte kommen Sie zu­ rück -wir freuen uns, wenn Sie uns im alten Sein Hobby ist die Mundart -In zehn Jahren rund 50 Hörspiele verfaßt Sieben Lebensjahrzehnte liegen hinter Heinrich Laschinger, dem Mundartschrift­ steller und Verfasser zahlreicher Hörspiele und Theaterstücke. Seit mehr als 20 Jahren lebt er in Hüfingen, wo er die letzten 15 Jahre seiner beruflichen Laufbahn als Stadtrechner wirkte. Zahllt>sen Menschen hat er mit sei­ nen herzhaften, meist bäuerlichen oder länd­ lichen Schwänken Spaß und Vergnügen bereitet, deren Themen sich aus Alltagssitua­ tionen ergaben. Dabei ist er eigentlich nicht der Typ, den man mit den von ihm ersonnenen Gestalten identifizieren könnte. Eher ist er einer der Stillen im Lande, ein unauffällig Beobach- 212 Kirnerhaus besuchen .. .‘ Ich konnte kaum die Postkutsche abwarten, mich hinzubringen. Ich stand vor einem alten Haus, an einer ab­ wärtsführenden Straße. Dieses Haus schien ein wenig größer als die anderen, und es hatte eine gewisse Würde. Ich klopfte an die Tür, und schnell wurde sie geöffnet. Ich stand vor mei­ ner Verwandschaft: Marie und Olga Winter­ mantel waren da mit ihrer Mutter, um mich zu begrüßen. Es war ein hoher Moment in meinem Leben, und ich werde ihn nie verges­ sen. Ich schaute mich um im Wohnzimmer und da, an den Wänden, hingen Bildnisse der Familie, gemalt von Lukas Kirner. Diese Kir­ ner-Leute hatten Züge, Gestalt und Persön­ lichkeit der Kerner/Körner in Kernersville. Es war erstaunlich, unglaublich! Ich ver­ brachte glückliche Stunden im Haus, trank Tee aus Porzellan, das einer Ur-Ur-Großmut­ ter gehört hatte … Wir wurden gute Freunde … Ich wanderte über die Höhen und durch die Straßen und fühlte, daß ich auf geheilig­ tem Grund war. Eines Tages, als ich vor Karo­ lines Portrait stand, kam Marie neben mich: ,Du siehst aus wie sie!‘ Plötzlich fühlte ich mich zuhause und ich wußte, daß ich meine Mission erfüllt hatte … “ Christian Baumann tender, der es versteht, die Schwächen und Eigenheiten seiner Mitmenschen unver­ wechselbar zu zeichnen, zwar immer erhei­ ternd, doch nie verletzend. Seine „Geschich­ ten“ haben alle einen wahren, realen Hinter­ grund, und um diesen herum baut Laschin­ ger die Handlungen auf, läßt die Figuren Gestalt annehmen. Oft stiften Verwechslun­ gen heitere Verwirrung, das obligate Liebes­ paar kommt schließlich zusammen, und immer gibt es ein Happy-End. Das Heitere liegt Laschinger mehr als das Problematische. Er verzichtet bewußt auf allzu viel Tiefgang, er will erheitern, dabei aber zum Nachden­ ken anregen, doch nicht belasten. Und so Heinrich Laschinger

Mißerfolge erspart, die ein anderer mit glei­ cher Begabung wohl hätte hinnehmen müs­ sen. So entstand auch sein Erstling und bisher erfolgreichstes Stück „De klei Wahlkampf“ zunächst als Hörspiel, das auf Anhieb er­ folgreich war und das ihn animierte, weiter­ zuschreiben. Als »D’Bürgermeischterwahl“ hat dieses Stück unzählige Aufführungen auf verschiedenen Theaterbühnen erlebt und tausenden von Zuschauern Schmun­ zeln entlockt und Vergnügen bereitet. Insge­ samt hat Heinrich Laschinger in den Jahren 1953 bis 1963 nahezu 50 Hörspiele verfaßt, die ausnahmslos gesendet wurden. 70 Sen­ dungen brachte allein der Südwestfunk und weitere 47 wurden vom Südfunk und vom Saarländischen Rundfunk ausgestrahlt. Sogar Radio Bremen interessierte sich für die „Bürgermeischterwahl“ und brachte sie, ins Plattdeutsche übertragen, in seinem Pro­ gramm. Heinrich Laschinger schreibt ausschließ­ lich im alemannischen Dialekt und zwar nicht in einem auf einem bestimmten Ort beschränkten Idiom, sondern so, daß seine Sprache im Breisgau, in der Ortenau, am Hochrhein oder im Schwarzwald genauso verstanden wird wie auf der Baar. In dem von ihm entwickelten Stil, den er mittlerweile so fließend beherrscht wie reines Hochdeutsch, vermag er all das auszudrücken, was die Men­ schen der alemannischen Region gemeinsam haben: Mutterwitz, Schlitzöhrigkeit, Humor und Sinn fürs Reale, Bodenständige. Und nach diesen Gegebenheiten entstehen seine Stücke, die ihn zum Kreis der am meisten aufgeführten Mundartautoren zählen lassen. Zwölf Theaterstücke stammen außer seinen vielen Hörspielen aus Heinrich Laschingers Feder, die immer noch gern aufgeführt wer­ den und zwar sowohl von der Alemannischen Bühne Freiburg als auch von zahlreichen Vereinsbühnen, wo Laschinger-Stücke als Garant für einen gelungenen Abend gelten. Der Bund „Heimat und Volksleben“ hat viele der von Laschinger verfaßten Theater­ stücke preisgekrönt und dem Autor überdies 213 sind alle seine Stücke Lacherfolge. Er hält sei­ nem Publikum den Spiegel vor, ohne es vor den Kopf zu stoßen. Das mag wohl eines der Geheimnisse seines Erfolges sein. Zu schreiben begonnen hat Laschinger in einem belgischen Gefangenenlager. Damals schrieb er sein einziges Stück in Hoch­ deutsch, das für seine mitgefangenen Kame­ raden anhand eines einzigen handgeschrie­ benen Textes einstudiert und aufgeführt wurde. Aber befaßt hat sich Heinrich Laschinger schon viel früher mit dem Stük­ keschreiben, möglicherweise als Ausgleich zu seinem Beruf, der im Umgang mit nüch­ ternen Zahlen bestand. Als Handwerkszeug diente ihm – und hat ihn ein ganzes Leben lang begleitet – Wolfgang Liebeneiners „Dra­ maturgie des Theaters und des Films“ – ein mittlerweile arg zerlesenes Werk, das immer wieder sorgsam ausgebessert und geklebt wurde, wo der Zahn der Zeit ihm zugesetzt hatte. Mit diesem Rüstzeug und einem Buch über das Verfassen von Hörspielen blieben ihm, dem Autodidakt, manche Fehler und

Mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet: Mundartdichter Heinrich Laschinger (Mitte),jlankiert von den Gratulanten Landrat Dr. Rainer Gutknecht (links) und Bürgermeister Gilly (rechts) „in Würdigung seiner besonderen Ver­ dienste um Heimat und Brauchtum“ 1976 die Ehrennadel in Gold verliehen. In jüngster Zeit hat Heinrich Laschinger eine Anzahl seiner erfolgreichsten Stücke überarbeitet und aktualisiert. Neben seinem Hobby, der Mundart, ist ihm aber auch ein zweites sehr wichtig, die Musik. Beethoven, Mozart und vor allem Richard Wagner zäh­ len zu seinen Lieblingskomponisten, und wenn er zur Feder greift, um seine Ideen in Mundartspiele umzusetzen, so braucht er zur völligen Konzentration seine „musikali­ schen Schätze“, von denen er eine beacht­ liche Sammlung auf Platten oder als Kassette besitzt. Heinrich Laschinger genießt seinen Ruhe­ stand ganz bewußt und hat noch keinen Tag Langeweile verspürt. Der Sohn eines fürstli­ chen Kanzleirates aus Donaueschingen war gelernter Kaufmann, ging aber später in die Finanzverwaltung, wurde dann Ratsschrei­ ber in Prechtal und schließlich 1963, nach­ dem er erneut einige Jahre im Donaueschin- 214 ger Finanzamt Dienst getan hatte, Stadtrech­ ner von Hüfingen. Mit seiner aus Bräunlin­ gen stammenden Frau Stefanie hat er eine Tochter und vier Söhne, die inzwischen erwachsen sind. Im Sommer 1983, als diese Zeilen geschrieben wurden, arbeitete Heinrich Laschinger an einem heiteren Mundart-Büh­ nenstück und einem besinnlichen Hörspiel. Möge noch manches Heitere, Ergötzliche seiner Feder entsprießen. In Anerkennung seiner Verdienste um die heimische Mundart wurde Heinrich Laschin­ ger beim Neujahrsempfang der Stadt Hüfingen am 8.Januar 1984 durch Landrat Dr. Rainer Gutknecht das Bundesverdienstkreuz über­ reicht, das der frühere Hüfinger Rechnungs­ amtsleiter und Mundartautor sichtlich be­ wegt entgegennahm. Hüfi.ngens Bürgermeister Gilly ließ den Wunsch anklingen, daß aus Anlaß der 900-:Jahrfeier der Stadt ein weiteres Werk aus der Feder Heinrich Laschingers mit einem Hüfinger Thema entstehen möge. Käthe Fritschi

Alte Hochzeitsbräuche um St. Georgen Im Schwarzwald war das Brauchtum einst sehr vielseitig und bot das ganze Jahr über neben der schweren Arbeit etwas Abwechs­ lung. Besonders schön und lustig war es aber bei den Bauernhochzeiten. Bis vor etwa drei­ ßig Jahren gab es im Kirchspiel St. Georgen noch Trachtenhochzeiten, wo die unverhei­ rateten Mädchen und die Braut die schöne festliche Hochzeitstracht trugen. Der bis zu sechs Pfund schwere „Schäppel“ mit den vie­ len Glaskugeln, Spiegeln und Flitter, der weiße Kragen und der reich geschmückte Gürtel sorgten neben den teils bunten Bän­ dern für ein farbenprächtiges und stolzes Aussehen der „Schäppelmeidle“. Gerne erinnern sich noch die älteren Leute an die Zeit, als bis zu vierzig Schäppel­ mädchen bei einer sogenannten rechten Hochzeit von der Kirche aus durch die Stra- ßen St. Georgens zogen. Diesen Hochzeits­ zügen ging immer die Musik voran. Bis um 1920 war dies meistens die „Elias-Musik“, die aus den vier Musikanten Wendel und Elias Staiger sowie dem Bäßle und Barnabas Her­ mann bestand. Der Ablauf einer solchen Schäppelhoch­ zeit fand nach ganz bestimmten, altüberlie­ ferten Regeln statt. Zuerst lud ein „Hoch­ zeitsläder“ einige Zeit vor dem Fest Ver­ wandte, Freunde und Bekannte der Braut­ leute zur Hochzeit ein. Am Tage der Hoch­ zeit fand dann zuerst die „Morgensuppe“ statt, bei der manchmal bereits um 9 Uhr morgens das Tanzbein geschwungen wurde. Waren die Braut und der Bräutigam aus ver­ schiedenen Gemeinden, so mußte die Braut zuerst „gekauft“ werden. Je nach Schönheit und Vermögensverhältnissen kostete die Hochzeitszug in St. Georgen, voran die sogenannte Elias-Musik um 1910 215

Braut 100 oder 200 Liter Wein, manchmal sogar noch mehr, der dann bei der Hoch­ zeitsfeier von den „Zechbuben“ und den Schäppelmädchen verkonsumiert wurde. Bei dieser, nach der Trauung stattfindenden Hochzeitsfeier wurden nacheinander im Abstand von 2 – 3 Stunden 5 verschiedene warme Gerichte aufgetragen. Es gab gewöhn­ lich Brotsuppe, Schinken, Saueressen, Bra­ ten, gekochtes Fleisch und frische Brat­ würste. Dazwischen wurde eifrig „Oberab“, d. h. altüberlieferte „Zwiefache“ getanzt. Kaf­ fee und Kuchen, wie heute nachmittags allge­ mein üblich, gab es damals noch nicht. Wenn Kaffee aufgetischt wurde, war das das Zei­ chen zum Aufbruch. Deshalb wurde dieser auch fott“ genannt. scherzhaft der „Scher de Den Ablauf einer Hochzeit vor 200 Jah­ ren hat ein noch unbekannter Chronist aus St. Georgen um 1790 genau beschrieben, woraus zu entnehmen ist, daß sich altes Brauchtum über Generationen hinweg kaum verändert hat. Er schrieb: ,,Die Hochzeitsgäste erscheinen am Mor­ gen des Hochzeitstages entweder bei dem Bräutigam oder der Braut, werden vor der Türe des Hauses empfangen, in die Stube geführt und sobald sie Glückwünsche abge­ stattet haben, an eine zubereitete Tafel gesetzt. Hier wird dann Wein und Brot vor­ gesetzt, manchmal auch Weinsuppe oder Kaffee. Unterdessen werden die Mannsleute mit einem Strauß auf dem Hut geschmückt. Sind die Gäste alle versammelt und dieselben etwa 1 Stunde beisammen, so tritt einer von ihnen auf, heißt die Versammlung stille und hält eine Rede. Nun rüstet sich die Versamm­ lung zum Aufbruch. Die Mädchen mit ihren Schäppeln, schwarzen Wulfenhemden, lan­ gen Kitteln mit großen Ermeln und weißen Krägen gehen voran. Danach folgen die Braut mit ihren Gespielinnen, bzw. der Bräu­ tigam mit seinen Ehrengesellen, hernach die ledigen Gesellen, die Weiber und endlich die Männer. Welche Partei nun zuerst im Dorf an­ kommt, muß auf die andere warten. Der 216 Bräutigam mit seinen Gästen geht der Braut und ihrem Gefolge entgegen. Ehe sie sich aber einander nähern können, versammeln sich die ledigen Mannsleute um die Braut herum, und einer trägt dem Bräutigam vor, daß sie ihm die Braut nicht eher abtreten wer­ den, bis er ihnen selbige abgehandelt haben würde. Nach einem hartnäckigen Handel einigt man sich bei etwa 10 Maß Wein. Nach der Copulation (Trauung) geht der Zug vor das Wirtshaus zum Löwen. Die Brautleute mit den unverheirateten Personen begeben sich auf die Tanzlaube, allwo ein sogenannter Ehrentanz gehalten wird.Wann dieser, der in drei Tänzen besteht, zu Ende ist, so geht der Bräutigam und sein Gesell in das Kloster, und ladet die Honoratiores in eigener Person zum Essen. Von den anwesenden Gästen setzen sich einige sogleich in die Zeche, oder das Hoch­ zeitsmahl, andere zehren um ihr Geld so wohlfeil als sie können. Geschenke erhalten die Hochzeitsleute keine, außer allenfalls von Gevatterleuten oder den nächsten Bluts­ verwandten, wogegen diesen ein Schnupf­ tuch oder ein anderer Kram zugestellt und manchmal auch die Zeche für sie bezahlt wird.“ So weit die Auszüge aus einem alten Manuskript, das sich heute in der württem­ bergischen Landesbibliothek in Stuttgart befindet. Diese alten Bräuche sind heute leider zum größten Teil in Vergessenheit geraten. Nur noch die Trachtenvereine von St. Georgen und Langenschiltach lassen an Heimataben­ den manchmal Erinnerungen wach werden, wenn sie altes Brauchtum vorführen. Dann hört man auch in Gedichtform die Beschrei­ bung einer Bauernhochzeit, wie sie der unvergessene St. Georgener Heimatdichter Rudolf Wintermantel (1877 – 1935) auf­ geschrieben hat: Naw duur Dorfgaß uß dr Kilche, Schiergar wie es Dorf so lang, Goot en Zug von Litt in d’Linde Mit Musik on Spiel on Gsang.

Ei, wie glitze d’Schäppelgralle On wie sinn die Meidle sehe� Net e Wonder, daß die Buewe Koene wenn uß Hände gei! In der Linde wartet s’Esse On es word net g’sparet draa, Jedes ißt waa s’Geld im Beitel On dr Buuch vertrage maa. Gsang on Spiel on Tanz on Musik, Oas vergonnt em andre d’Zitt Bis dr Wirt dr Schank verrigglet On es ninnt meh z’trinke gitt. Über 50 Jahre im Dienst von Sitte, Brauchtum und Heimat Wer das Land seiner Väter liebt, der liebt sein „Sitt‘, sein Brauch und seine Tracht“. Dieses Dichterwort ist für die heimatver­ bundenen Menschen der Baar keine inhalts­ lose Floskel. Die Liebe zur angestammten Heimat ist hier so selbstverständlich, daß Der Trachtenverein Bad Dürrheim Schlet es uff dr Dorfuhr Zwelfe, Goot es Hochzigpaar in d’Rueh, On dr Maa macht los dr Schäppel Siire Brutt on seit drzue: Ich bin der Mörder Deiner Krone, Die Deiner Jugend Zierde war, Ich hebe sie von Deinem Scheitel Und schwöre Treu Dir immerdar. Wolfdieter Gramlich darüber eigentlich nicht geschrieben zu werden braucht. Verbindet sich Bodenstän­ digkeit mit althergebrachter Sitte, der Wah­ rung und Treue zu guten Bräuchen der Vorfah­ ren mit der Übernahme von bewährtem Neuen, so entspricht dies der inneren geistigen Haltung 217

des Trachtenvereins Bad Dürrheim e. V. Nicht nur die Weiterführung bestehender Traditionen, sondern die Suche nach neuen Ausdrucksformen in Sitte und Brauch prägen den Verein nachhaltig. Schon im Jahre 1892 nahm eine Bad Dürr­ heimer Trachtengruppe beim Gaufest in Villingen teil. Für den mit viel Liebe gestal­ teten Festwagen erhielten sie den ersten Preis. 1930 gründeten 10 Bürgerinnen und Bürger eine eigene Trachtengruppe. 1934 wurde für die Kurverwaltung zum erstenmal ein Brauchtumsauftritt veranstaltet. Schwierig­ keiten bereitete die Wiederbeschaffung der bereits im vorigen Jahrhundert abgegangenen Männertracht der Baar. Nach Originalen der Fürstlich-Fürstenbergischen Sammlun­ gen in Donaueschingen wurden 1935 vier Män­ nertrachten angefertigt. [m gleichen Jahr wurde auch der altüberlieferte Volkstanz neu aufge­ nommen. Die sich gut entwickelnde Gruppe nahm in den Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges an vielen Trachtenfesten teil und führte das Baaremer Brauchtum vor. Die Kriegsjahre ließen dann eine Vereins­ arbeit nicht mehr zu. 1946 nahmen die aus dem Kriege heim­ gekehrten Mitglieder die Vorkriegstradition ‚:‘:’ieder auf und führten sie erfolgreich weiter. Außerer Höhepunkt war das große Gautrach­ tenfest im Jahre 1959. Regelmäßige Heimat­ abende im Kurhaus gehören zum festen Be­ standteil der T rachtengruppe. Als Sendboten der Kur-und Bäderstad t Bad Dürrheim ist der Verein in vielen Städten und Gemeinden des [n-und Auslandes tätig und wirbt mit Gesang, Tanz, Sitte und Brauch für die Kurstadt. Herausragendes Ereignis dieser Jahre war das 50jährige Vereinsjubiläum im Jahre 1980 in Verbindung mit einem Freundschaftstreffen mit T rachtenvereinen und Musikkapellen des Trachtengaues Schwarzwald aus der nahen Umgebung. Neben den Senioren üben zwei Jugend­ tanzgruppen regelmäßig und helfen tatkräftig mit, die Heimatabende zu gestalten. Die vielen Erfolge wären undenkbar ohne die aufopfernde Arbeit vieler Idealisten. In den kommenden schwierigen Jahren wird ihr Rat und ihre Tatkraft notwendiger denn je sein. Hans Hohner Der Brauch des Trachtenstickens ist Den Besuchern von Heimatfesten und sicherlich Volkstumsveranstaltungen schon immer die Schönheit und Besonder­ heit der „Baaremer Frauentracht“ aufgefallen. Ihr Erscheinungsbild paßt sich mit ihren Motiven unserer Gegend an. Sie besteht aus der Bändelkappe, dem Mieder, dem Koller, einem langen schwarzen Rock und einer gemusterten Schürze. Die Bändelkappe, das Mieder und der Koller sind in mühsamer und kunstvoller Arbeit mit handgestickten Ornan1enten ver­ sehen. Dies macht die Besonderheit der Baaremer Tracht aus. Um das Trachtensticken hat sich in den letzten Jahrzehnten weit über den Schwarz­ wald-Saar-Kreis hinaus Frau Maria Deusch aus Donaueschingen-Aasen einen Namen gemacht. Sie war eine der bekanntesten Trachtenstickerinnen im gesamten Regie­ rungsbezirk Südbaden. Im Hinblick auf ihre Verdienste für das Trachtenhandwerk wurde sie bereits vor Jahren vom „Bund Heimat und Volksleben e. V.“ mit der gol­ denen Ehrennadel ausgezeichnet. In unzäh­ ligen Stickkursen hat sie die Kunst des Trachtenstickens an andere weitergegeben. Mitten aus ihrer Arbeit ist Frau Deusch im Jahr 1982 von uns gegangen. Die Familie Müller aus Hüfingen, die bereits in den vergangenen Jahren sehr eng mit Frau Deusch zusammengearbeitet hat, setzt nun das traditionsreiche Handwerk fort. Sie nennt in der Zwischenzeit ebenfalls 218

viele Muster ihr eigen, die sie den Gruppen zur Verfügung stellen kann. An Motiven sind hier zu nennen insbesondere das Rosen­ muster, Maiglöckchen und das Trauben­ muster, die in unserem Raum bevorzugt gestickt werden. Das gewünschte Muster wird auf einen Karton gepaust und anschließend ausgestochen. Dies geschieht mit feinen Messern auf einer Unterlage aus Holz. In einer enormen sorgfältigen Kleinarbeit muß das Ausstechen dieser Muster erfolgen, so daß später das Muster auch ordnungsgemäß gestickt werden kann. Nach dem Ausstechen der Muster wird ein Stickrahmen mit einem kräftigen Nessel­ stoff straff bespannt. Der Stickrahmen ist ein Gestell aus zwei rechteckigen Rahmen, die durch vier Stäbe in einem gewissen Ab­ stand verbunden sind. Auf den mit dem Nesselstoff bespannten Stickrahmen wird das bereits zugeschnittene Miederteil oder Kollerteil und darauf wiederum das ausge­ stochene Muster geheftet. Bereits diese Vor­ arbeiten sind mit einem erheblichen Zeit­ aufwand verbunden. Danach wird mit dem eigentlichen Stik­ ken des Musters begonnen. Es handelt sich um eine sehr schwierige Arbeit. Der Silber­ faden, er ist sehr fein und brüchig, wird über die einzelnen Teile des Musters hin­ und hergeführt und jeweils am Rand des Musters mit einem normalen Fadenstich überfangen und festgenäht. Dieser Halte­ faden ist auf der Oberfläche der Tracht, d. h. des Musters nicht sichtbar. Nur der Silber­ faden, der am Schluß der Stickerei die ge­ samte Schablone überdeckt, ist zum Schluß noch zu sehen. Die fertige Stickerei wird anschließend von der Rückseite aus mit einem Holz­ hammer geklopft, bis sich die Metallfäden zu einer kompakten Form geglättet haben. Das Muster einschließlich des Nesselstoffes wird sodann mit Mehlkleister bestrichen und aus dem Spannstoff des Stickrahmens her­ ausgeschnitten. Der Silberfaden selbst wird mit einer Lack­ schicht überzogen, damit die Oxydation verhindert wird. Nach dem Besticken der einzelnen Teile wird die Tracht zusammen­ genäht. Für das Herstellen einer Frauentracht werden ca. 400 Arbeitsstunden benötigt. Harald Weh 219

Gesundheit, Soziales Eine Spezialklinik von hoher Qialität Unter all den Kliniken in Bad Dürrheim ist die Espan-Klinik die einzige anerkannte Fachklinik für die Behandlung von nichttu­ berkulösen Erkrankungen der oberen Luft­ wege, also Asthma bronchiale und Bronchi­ tis. Darüber hinaus gehört diese Fachklinik zu den fünf Spezialkliniken für Erkrankun­ gen der Atmungsorgane in der Bundesrepu­ blik und ist hier Schwerpunktklinik für den süddeutschen Raum. Chefarzt Dr. G. Kola­ rov, Facharzt für Lungen-und Bronchialheil­ kunde, ist auf seinem Gebiet ein bundesweit geschätzter Spezialist und führt als ärztlicher Leiter dieses Haus. Den Grundstein für ein solches Unterneh­ men legte vor über fünfzigJahren die Mutter Die Espan-Klinik in Bad Dürrheim der beiden Geschäftsführerinnen, Anneliese und Annelore Benner, als sie mit der Vermie­ tung von Fremdenzimmern begann und die Konzession im Jahr 1932 für eine Fremden­ pension erhielt. Was aus bescheidenen An­ fängen in der Salzstraße, innerhalb der Orts­ mitte, begann, hat sich nun in ruhiger Kur­ zone, direkt am Kurpark in der Gartenstraße als umfangreichster Kur-und Sanatoriums­ betrieb Bad Dürrheims entwickelt. Zunächst erstand 1962 das Parksanatorium Benner mit SO Betten, das heute als Fachsanatorium aus­ schließlich mit Privatgästen belegt wird, nebst der dazugehörenden Dependance „Villa Anneliese“ mit 20 Betten. Im Sommer 1976 konnte dann nach nur 220

Bmonatiger Bauzeit die Espan-Klinik, modern gestaltet, jedoch gemütlich und mit allem Komfort ausgestattet, als Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane in Betrieb genommen werden. 172 Patienten­ betten in Einzelzimmern, alle mit Naßzelle und Balkon, und 4 Intensivpflegebetten ste­ hen dem Chefarzt und seinen 7 Fachärzten zur Verfügung. Rund 70 Mitarbeiter umsor­ gen die Patienten und lassen es an nichts feh­ len. Als Herzstück der ärztlichen Abteilung in der Klinik wurde eine auf zukunftsorientier­ tem Konzept basierende und hochmodern eingerichtete diagnostische Abteilung erstellt. Die Möglichkeiten reichen vom elek­ tronisch gesteuerten Lungenfunktionsmeß­ platz mit Ganzkörperplethysmografie, Ruhe- und Belastungs-EKG, Phonokardio­ gramm über die Röntgenanlage mit Bildver­ stärkung und Fernsehkette bis hin zum gro­ ßen klinisch-chemischen Labor mit modern­ sten Meßplätzen und Untersuchungsverfah­ ren, auch der Blutgasanalyse. Die neuesten Verfahren der Allergietestung einschließlich der Provokationstests werden angewandt. Auch im cardialen Bereich, der eng mit den oberen Luftwegen zusammenhängt, wurden die entsprechenden Einrichtungen und Untersuchungsplätze geschaffen. Durch solch hervorragende Vorausset­ zungen werden die Patienten individuell und nach neuesten klinischen Erfahrungen behandelt. Daß dabei die ortsgebundenen Kurmittel und die natürlichen Heilmetho­ den eine besondere Berücksichtigung fin­ den, versteht sich von selbst. Hier stellt die hohe Ebene der Baar zusammen mit dem Heilklima und der Sole von Bad Dürrheim eine kräftige Hilfe bei der Patientenbehand­ lung dar. All dieser besonderen Vorzüge wegen gehört die Espan-Klinik von der ersten Stunde an zu den ausgewählten Kliniken, welche für die Durchführung von Anschluß­ heilbehandlungen (Stabilisierung des Ge­ sundheitszustandes nach Aufenthalt im Akkutkrankenhaus) prädestiniert sind. So ist in knapp 50 Jahren – mit der kleinen Fremdenpension begann es damals – ein ansehnliches Gesundheitszentrum entstan­ den. Dabei muß der Unternehmergeist und der Mut in oft schweren und harten Zeiten, den die Familie Benner in zwei Generationen bewies, bewundert und anerkannt werden. Im Vordergrund stand und steht jedoch der Gast, der Patient: „Der kranke Mensch ist Mittelpunkt all unserer Bemühungen“. So ist es nicht verwunderlich, wenn dieser Grund­ satz, dem Patienten zu dienen, dann immer wieder in Freude überschlägt, wenn ein Kran­ ker Linderung oder Heilung von seinem Lei­ den in diesem Haus gefunden hat. Theo Weiss Das Blumberger „Kinderhaus am Buchberg“ Lebendiges Wachstum im ständigen Aufeinandereingehen Eine kinderreiche Familie, so denkt man beim Vormittagsbesuch im „Kinderhaus am Buchberg“. Die „Eltern“ Irene und Lothar Huber mittleren Alters, dazu Kinder wie die Orgelpfeifen, Mädel und Buben gemischt, größere und kleinere. Einige sitzen im gemütlichen Wohnraum noch um den run­ den Tisch und vespern, andere haben schon in der Küche im Souterrain zu tun, wo die Kartoffeln für das gemeinsame Mittagessen gar kochen. Als familiäre Abrundung zwei Hunde unterschiedlichen Temperaments; der eigenwilligere von ihnen wird zutrauli­ cher, als er merkt, daß keines der zwölf Kin­ der abgeholt werden soll. Der Besichtigungs­ rundgang durch das Haus, das eigentlich aus mehreren zusammenge­ schachtelt ist, verstärkt den Eindruck kinder­ freundlichen Engagements. Heimelige Atmosphäre, und jedes Zimmer, behaglich raumnützlich 221

warm durch großzügig verwendetes Holz wirkend, deutet auf seine Bewohner hin: fetzige Poster, Sportgeräte, Bücher, Bilder, Handarbeiten, Gebasteltes und vielerlei Nei­ g!,mgsattribute sind ein offenes Tagebuch. überall grünen oder blühen Pflanzen und Blumen, sogar auf vielen Bildern, die als Zim­ merschmuck dienen. Denn die als Floristin ausgebildete lrene Huber malt gern, vorzugs­ weise Blumen und Landschaften. Beide Ehe­ partner entstammen Gärtnerfamilien. Hinter dem Haus in der Scheffelstraße von Blumberg die Oase eines bunten, gepflegten Gartens; über die Sträucher hin­ weg und an hohen Bäumen vorbei der noch unverbaute Ausblick auf den bewaldeten Buchbergrücken. Sonnenschein, so kommt dem Besucher in den Sinn, auch bei bewölk­ tem Himmel, aber kein Zuviel an entspre­ chenden und dabei ganz natürlichen Schat­ ten. So kinderhäuslich großzügig abgerundet, trotz noch einiger vorhandener Winkligkeit, hat sich das „Kinderhaus am Buchberg“ erst in den letzten Jahren, und noch immer ist es nicht ganz fertig. Hier und dort entdeckt man offensichtlich permanente Umbau-und Verbesserungsspuren. Lebendiges Wachs­ tum. Als 1936 erstmals eine „Kinderkrippe“ mit der Betreuung der Säuglinge von berufstäti­ gen Müttern eröffnet wurde, sah alles noch einfacher und beengter aus. 1940 und 1942 übernahmen Martha Thiele und Maria Lin­ gemann als Kinderschwestern die Leitung des Säuglingsheimes, das 1945 in den Wirren der Nachkriegszeit aufgelöst, dann aber auf Wunsch der Blumberger Bürger als „Säug­ lingsheim Freude“ von den obengenannten Schwestern wieder in Betrieb genommen wurde. Trotz schwerer Zeiten erwarben sie zur Scheffelstraße 105 noch die Häuser 103 und 107 hinzu. Aus dieser Konzentration entwickelte sich das „Kinderheim Freude“, in dem zeitweise bis zu 40 Kinder Aufnahme fanden. Die entstandene Raumnot wurde 1968/69 durch einen modernen Anbau eini­ germaßen behoben. Von Schwester Maria 222 Lingemann, die nach dem Ausscheiden ihrer Mitarbeiterin ab 1970 das Heim noch neun Jahre allein leitete und dann Ende 1982 starb -beide ehemaligen Heimleiterinnen erhiel­ ten für ihre aufopfernde Arbeit im Novem­ ber 1980 die Bundesverdienstmedaille – übernahm das Ehepaar Huber im Juni 1979 in privater Trägerschaft das Haus und taufte es in „Kinderhaus am Buchberg“ um. Dort bilden die aufgeschlossenen Erzieher Huber eine „Lebensgemeinschaft“ mit den auf­ genommenen und in Heim und eigener Wohnung betreuten zehn-bis achtzehnjäh­ rigen Kindern. Obwohl familienstrukturiert, legen sie mehr Gewicht auf eine Partner­ schaft mit den Kindern und Jugendlichen als ,1uf das Rollenfach „Ersatzeltern“. Lothar Huber wurde in Östringen bei Bruchsal, lrene Huber in Sinsheim bei Hei­ delberg geboren. Nach seiner Lehr-und Gesellenzeit als Stahlformenbauer folgte er seiner Neigung, als Erzieher zu arbeiten. So begann Lothar Huber in einem Heim des Landeswohlfahrtsverbandes Baden in Sins­ heim, nahm an der Fachschule für Sozialpä­ dagogik in Flehingen die berufsbegleitende Ausbildung wahr und bestand nach fünf Jah­ ren die staatlich anerkannte Prüfung. Irene Huber holte ihre entsprechende Ausbildung im 14tägigen Turnus jeweils für zwei Tage in zweieinhalb Jahren in Flehingen nach und machte 1984 ihre Prüfung. Beide halfen schon ab 1977 bei Schwester Linge­ mann in Blumberg mit. Als Lothar Huber gerade zwei Monate im Hüfinger „Mariahof“ tätig war, erreichte ihn der Wunsch, das Blumberger Kinderhaus weiterzuführen. Seit 1979 mit Frau Irene verheiratet, kaufte er im selben Jahr das aus drei ehemaligen Sied­ lungshäusern und einem Erweiterungsbau zusammengewachsene Kinderhaus mit jetzt sechs Zweibett-und zwei Einbettzimmern, Speiseraum, Spielzimmer, Werk-und Fern­ sehräumen, Büro, Erzieherwohnung, Küche und anderen Wirtschaftsräumlichkeiten sowie einer Hauseltern-Wohnung. Damit ging das Erzieherehepaar ein Risiko ein, das vom gleichbleibenden Pflegesatz, in dem

auch die Gehälter der Erzieher enthalten sind, kaum ganz abgedeckt werden kann. Da der Pflegesatz trotz „marktgerechter“ Dekla­ rierung nicht erhöht wird, kommt es zwangs­ läufig zu Streichungen all dessen, was zur zeitgemäßen Erhöhung der Sach-und Perso­ nalkosten führen müßte. Das erfordert ein nahezu akrobatische Wirtschafts-und Men­ schenführung. Im Gespräch bei einem freundlich servier­ ten Kaffee fühlt man sich sogleich integriert, einbezogen in diesen Kreislauf ohne Fremd­ heit, in die Selbstverständlichkeit des Auf­ einandereingehens. Ringsumher die ge­ dämpften Geräusche munterer, aber diszipli­ nierter Geschäftigkeit Ab und zu eines der Kinder mit einer Frage oder Mitteilung. Alle bewegen sich natürlich und ungezwungen. Es gibt verschiedene Aufnahmegründe für die Kinder: gestörte Familienverhältnisse, Erziehungsschwierigkeiten und Entwick­ lungsauffälligkeiten gehören zu ihnen. Dadurch, daß im Kinderhaus jeder für jeden etwas für das tägliche Leben tut, entsteht ein echtes pädagogisches Klima. Die Erzieher Unterhaltung der Kinder am Kamin sind partnerschaftlich, zudem jederzeit erreichbar und ansprechbar. Die Betreuung ist langzeitorientiert und zwar bis zur Ver­ selbständigung oder zum eigenen Wunsch, dieses langjährige Zuhause zu verlassen. Die Rückkehr zu den eigenen Angehörigen ist, soweit Chancen dafür gegeben sind, selbst­ verständlich möglich. Zur Familienstruktur des Kinderhauses gehört auch, daß Jungen und Mädchen zusammenwohnen. „Durch die gemeinsame Erziehung kön­ nen geschlechtsspezifische Spannungen besonders im Umkreis der Pubertät nutzbar gemacht, Krisen gemildert und falsche Ideal­ und Idolbildungen weitgehend verhindert werden“, meint Lothar Huber. „Dazu bietet der umfassende Lebensraum einer Großfa­ milie den Kindern eine Vielzahl von Lern­ möglichkeiten, in sozialer und kognitiver Hinsicht. Hier werden sie auf ein selbständi­ ges Leben vorbereitet“. Das wird deutlich bei allen Freizeitaktivi­ täten, lebenspraktischen Techniken, haus-223

wirtschaftlichen Aufgaben und angebotenen Mitentscheidungen sowie Problembewälti­ gungen. Das soziale, kooperative, schöpfe­ rische und emotional reifende Verhalten wird gefördert. Die Kinder und Jugendlichen können alle kulturellen, sportlichen und musischen Angebote Blumbergs und seiner Umgebung nutzen. Von den Vereinen wer­ den sie akzeptiert, und die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ist selbstver­ ständlich. Vier Kinder besuchen die Real­ schule, drei die Eichberg-, vier die Weiher­ dammschule und zwei Jugendliche die Gewerbliche Berufsschule in Donaueschin­ gen. Besorgnis erregt ein Problem: Lag das Durchschnittsalter 1975 noch etwas über 10, 1979 bei 12,5 Jahren, so liegt es jetzt schon bei 15 Jahren, und damit droht eine „Überalte­ rung“. Als weitere Probleme werden die bela­ stenden Sparmaßnahmen und der Mangel an Lehrstellen nach beendeter Schulzeit gesehen, denn wenn kein Ausbildungsver­ hältnis besteht, können die Jugendlichen nicht im Haus verbleiben. Die Erziehungsplanung erfolgt haupt­ sächlich in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Kreisjugendamt, dessen Leiter, Werner Fricker, für sein Verständnis ein besonderer Dank gilt, und gleicherweise den pädagogischen Mitarbeitern. Das „Kinder­ haus am Buchberg“ untersteht der Heimauf­ sicht des Landesjugendamtes; durch ständi­ gen offenen Gedankenaustausch mit den Amtsleitern und deren Mitarbeitern wird helfende Bürgernähe positiv praktiziert. Zwei zusätzliche Jugend-und Heimerzieher, zwei Praktikantinnen und drei Stundenhil­ fen, unter anderem für Küche und Büro, stel­ len das Personal dieses Kinderhauses, das unauffällig im Wohngebiet liegt, sich also im besten Sinne nachbarschaftlich in das soziale Umfeld eingliedert. Gemeinde und Land­ kreis geben mit ihrem Wohlwollen insbeson­ dere einen ideellen Rückhalt. Daß trotzdem Probleme bestehen, ist wohl den angestreng­ ten Zeitläuften zuzuschreiben, und so bedarf es besonderer Anstrengungen und auch Unterstützungen, um diese erzieherisch so 224 Mii Muettersproch wichtige und segensreiche Einrichtung auf dem schwer erarbeiteten Leistungsstand zu halten, der von Lothar und lrene Huber durch persönliches Engagement „rund um die Uhr“ erstrebt und erreicht wurde. Man sollte dieser funktionierenden Lebensge­ meinschaft noch mehr helfende Beachtung schenken, zumal unsere Zeit an Vorbildern so arm ist. Jürgen Henkell * Mii Muettersproch, ei, isch so schei, Wie Honnig, süeß on guet, Se klingt so frindle wie koa Sproch, Koa andre klinge duet! Se kennt koan Hääl on isch net falsch On ernscht isch ihren Sinn, Koa Wort so korz, koa Wort so lang, s’liegt ebbis „hoamlichs“ drinn. Es konnt mer vor, aß sei ne klei On no e glickle Kind, Verspüre nuu, o Muettersproch, Diin fromme, woache Wind. Es triwt me fort ins Hoametland Zue dir, mii oazig Guet, Dii g’hert, e merks dagdägle meh, Miin letschte Tropfe Bluet! Mii Muettersproch, du machsch mer Freid Ons Herz drzue so frei: Ich will dr äwell, äwellfort Mii ganz Vertrauwe gei! Rudolf Wintermantel ,, Waa isch denn Sepp, gang sag, mit Dir“ So seit dr Buur zom Bue, „Daß so verdrießle bisch on still On so verscheicht drzue?“ ,,Ei Vatter“, gitt dr Sepp zom Kehr, Es Düse Annemei Se hät mer, wo se gfroget honn, Statts ,Jo‘ e Ohrfüg gei!“ Rudolf Wintermantel Es hät siin Grond

Landwirtschaft 100 Jahre organisierte Tierzucht In der Baar und im Schwarzwald Ein für die heimische Landwirtschaft be­ deutendes Ereignis fand im letzten Jahr seine Würdigung: Einhundert Jahre sind nämlich vergangen, seit die Rinder-Zuchtgenossen­ schaft Donaueschingen gegründet wurde. Sie war die zweite oberbadische Zuchtgenos­ senschaft nach Meßkirch; fünf Jahre später erfolgte eine Gründung in Villingen. Natürlich gab es schon vor 1884 Vieh in der Baar und im Schwarzwald, doch wurde die Rinderhaltung zunächst vernachlässigt. Der Getreidebau stand im Vordergrund, und der Name der Baar als Kornkammer Badens hatte seine Berechtigung. Auch stimmt der Ausdruck Kornkammer der Schweiz, denn damals wurde viel Getreide über den Hoch­ rhein hinüber transportiert. Dazu brauchte man Pferde, und es gab damals eine gute Pfer­ dezucht, die auf jeden Fall besser war als die Rinderzucht. Nicht allein Getreide, sondern auch Heu wurden seinerzeit, wie heute noch, in die Schweiz verkauft. Für das Vieh, das man nur zur Eigenversorgung hielt, blieb nicht mehr viel übrig: Waldweide oder Futter von mageren Allmendwiesen, im Winter Stroh und Druschabfälle. Welche Bedeutung z.B. die Waldweide hatte, geht aus einer Mit­ teilung der Fürstlich Fürstenbergischen Forst­ verwaltung hervor, wonach in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im heutigen Naturschutzgebiet Unterhölzer bis zu 6000 Stück Vieh Nahrung fanden. Das reichte nur zu einem „mittelgroßen Viehschlag von geringen Nutzungseigenschaften“, wie aus einer über 80 Jahre alten Veröffentlichung über die Viehzucht im Großherzogtum Baden hervorgeht. Mit der Industrialisierung und dem Bau der Eisenbahnen kam Getreide aus anderen Ländern oder aus günstigeren deutschen Gebieten auf die Baar und trat mit der einhei- mischen Landwirtschaft in Wettbewerb. Die­ ser konnte nicht gut ausgehen, so daß man nach anderen Betriebszweigen Ausschau hal­ ten mußte. Dazu kam der erhöhte Bedarf an Fleisch und Milchprodukten für die in der Industrie arbeitende Bevölkerung, womit sich die Intensivierung der Viehhaltung an­ bot. Die Mendelschen Gesetze waren inzwi­ schen allen aufgeschlossenen Landwirten be­ kannt, so daß man in der Zucht nach Verbes­ serungen suchte. Solche boten sich in den kräftigen Tieren des Simmentaler Schlages an, und vor allem Viehkaufleute brachten die nötigen Zuchttiere. Für die Weiterarbeit waren zwei großherzogliche Gesetze über die Vatertierhaltung (Faselvieh) und über die Durchführung von Bezirksrindviehschauen von Bedeutung. Dies alles schuf die Voraus­ setzung dafür, daß sich die Züchter zusam­ menschließen konnten. Es wurden die ersten Zuchtbücher geführt und die Abstammung der Tiere festgehalten. Die hierfür nötigen Lenkungsarbeiten übernahmen die Bezirks­ tierärzte, Dienststellen, die 1865 in Baden eingerichtet wurden. Ihre Vorstände waren auch lange Zeit hindurch die Vorsitzenden der Zuchtgenossenschaften. Bald stellten sich Erfolge ein. Auf den Wanderausstellungen der DLG gab es für die Baaremer schon 1887 in Frankfurt und 1889 in Magdeburg Preise und Anerkennungen. Aus dieser Zeit ist eine Zahlenangabe interes­ sant: 1891 wurden 4000 Stück Zuchtvieh und über 14 000 Stück Schlachtvieh mit der Eisenbahn aus Oberbaden abtransportiert. Im grundlegenden Werk von Lydtin und Werner aus dem Jahr 1899, ,,Das deutsche Rind“, sind aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis eine ganze Reihe von Betrieben aufgeführt, aus denen laufend Tiere zur Zucht abgege­ ben werden konnten: Der Fürstlich Fürsten- 225

„Neuhof‘, ein sechsjähriger Bulle der Stadt Hüfingen, wird im Stadtteil Munde!fingen zur Zucht einge­ setzt. Auf der Zuchtviehschau am 2. Mai 1974 wurde er als Bester bewertet. Für ihn liegt ein sehr gutes Ergebnis der Zuchtwertschätzung vor; er verkörpert den angestrebten Zweinutzungstyp. bergische Sennhof, die Stallungen des Posthal­ ters Schaller und der Stadtmühle in Donau­ eschingen, der Betrieb des Landwirts Frank und der der „Rettungsanstalt Mariahof“ in Hüfingen, der des Sternenwirts Frei in Behla, der Gebrüder Hauser in Hausen vor Wald, der Herren Straub und Weißhaar in Bräun­ lingen, des Bürgermeisters Fleck und des Friedrich Steuer in Kommingen. Weiterhin die Betriebe J. B. Blessing und J. B. Konstan­ zer, beide in Villingen, der des Gutsbesitzers Karl Reich und des Adolf Jäger in (Bad) Dürrheim, des Müllers Binz in Sunthausen, des Fr.Josef Weißhaar und des Fr.Josef Ral! in Marbach sowie die Betriebe der Landwirte Ferdinand Hirt und Birkhofer in Klengen. Der Erste Weltkrieg und die Inflationszeit brachten Einschnitte und Rückschläge mit sich, doch konnten die Züchter aus dem heu- 226 tigen Kreisgebiet bereits wieder bei der Wan­ derausstellung der DLG im Jahr 1925 aus Stuttgart Preise mit nach Hause nehmen. Später hielt man dann, von oben her emp­ fohlen, eine Typumstellung auf kleinere Tiere für nötig, die die ganzen 30er und 40er Jahre in der Fleckviehzucht herumgeisterte. Damals war wenig Ruhm zu holen, denn die Baaremer gingen bedächtiger vor und mach­ ten nicht alles mit. Nach dem Zweiten Welt­ krieg, als der Marshall-Plan zu greifen anfing, zeichnete sich eine umgekehrte Entwicklung ab, und die hiesigen Züchter konnten sich mit ihren größeren Tieren wieder sehen las­ sen. So gab es 1955 für den Bullen Norton aus Fürstenberg in München einen Ia-Preis. Dann wurden die Leistungsanforderungen immer höher geschraubt, und es wurde für die Züchter wegen der natürlichen Gegeben-

Donaueschingen. Uber 160 Tiere wurden in der Donauhalle vorgestellt und bewertet. Der Vertreter des Ernährungsministeriums, Professor Dr. Moser, würdigte das Engage­ ment und die Liebe zum Tier, die einhundert Jahre hindurch wirksam waren. Dabei wurde vernünftige Züchterarbeit geleistet und nicht nur auf Milch gebaut, vielmehr wird heute im Fleckvieh ein Viehschlag gehalten, der genügend Rahmen für eine gute Bemuske­ lung besitzt. Auch die „ Wurstkuh“ stellt noch einen bedeutenden Wert dar. Professor Moser brachte das mit einem interessanten Rechenexempel zum Ausdruck: Die Fleck­ viehkuh habe 800 Liter Milch im Jahr gegen­ über anderen Rassen „gut“: der bessere Käl­ berpreis entspricht dem Wert von 400 Litern, die längere Nutzungsdauer dem von 180 und der höhere Schlachtwert der Altkuh dem von 250 Litern Milch. Trotzdem kann sich auch die Milchleistung im Bezirksverein Schwarzwald-Baar sehen lassen: 1983 er­ zeugte jede der 1803 eingetragenen Kühe 4845 Liter Milch mit 3,95 % Fett. Wenn auch die Q!iotenregelung für die Milcherzeuger schmerzliche Eingriffe mit sich bringt, hat die Zucht dennoch in derselben Richtung weiterzuarbeiten, nämlich auf gute Leistun­ gen des Einzeltieres zu achten. Hans-Eberhard Meier heiten (Höhenlage, Klima, kürzere Vegeta­ tionsdauer) immer schwerer, mit den Züch­ tern in günstigeren Produktionslagen Schritt zu halten. Kühe mit 7000 Litern Jahreslei­ stung und mehr können hier nur schwer erreicht werden, so daß die Erfolge auf gro­ ßen Schauen spärlicher wurden. Man mag das bedauern, fest steht jedoch die Tatsache, daß der Landwirt mit einer Kuh besser daran ist, die über Jahre hinaus gleichbleibend genügend Milch gibt, als mit einer, die zwar Rekordleistungen vollbringt, dann aber um so rascher abbaut. Dies erkannte man in der Baar und im Schwarzwald, und die Kuh „Gunde“ aus dem Betrieb von Eberhard Merz in Hüfingen-Mundelfingen wurde so etwas wie ein Idealbild. Sie lebte von 1957 bis 1970 und hat in 10,6 Jahren 65.926 Liter Milch gegeben; sie brachte in regelmäßigen Abständen insgesamt 10 Kälber. Sicher konnte seither auch dieses Ergebnis übertrof­ fen werden, aber gerade das ist ein Beweis dafür, daß in der einheimischen Zucht die genetische Grundlage für solche wirtschaftli­ chen Dauerleistungstiere vorhanden ist. Heute sind die Rinderzüchter im Bezirks­ verein Schwarzwald-Baar des Fleckviehzucht­ verbandes Meßkirch zusammengeschlossen. Sie nahmen das hundertjährige Bestehen der organisierten Zucht zum Anlaß für eine große Zuchtviehs�au am 2. Mai 1984 in Von Regierungs-Landwirtschaftsdirektor Wolfgang Zenz Durch seine Höhenlage und das rauhere liehen Kulturpflanzen sind somit enge Gren­ Klima bedingt, ist der gesamte Schwarzwald­ zen gesetzt. Baar-Kreis bezüglich der landwirtschaftli­ Dies gilt nicht für die Kartoffel. Ihre gute chen Produktionsbedingungen dem „von Anpassungsfähigkeit an die Höhenlage und der Natur benachteiligten Gebiet“ zugeord­ an ungünstige klimatische Verhältnisse net. Dies kommt augenfällig darin zum Aus­ ermöglicht auch in schwierigen Lagen druck, daß die landwirtschaftlich genutzte Erträge, die denen günstiger Erzeugungsge­ Fläche von rund 44 000 ha zu etwa 64 % als biete kaum nachstehen. Kein Wunder also, Dauergrünland und zu nur 36 % -einem daß der Kartoffelanbau im Schwarzwald­ guten Drittel also -als Ackerland genutzt Baar-Kreis innerhalb des begrenzten Acker­ wird. Anspruchsvolleren landwirtschaft- landanteiles schon immer einen hohen Stel-227 Der Kartoffelanbau im Schwarzwald-Baar-Kreis

Schwarzwald-Baar-Kreis Baden-Württemberg Bundesgebiet Kartoffelanbauflächen in ha lenwert besaß. Allerdings hat -dem Trend flächen eingesetzt. Einige Zahlen mögen im gesamten Bundesgebiet folgend -seit diese Entwicklung verdeutlichen: etwa 1960 ein starker Rückgang der Anbau- Pflanzkart. gesamt Pflanzkart. gesamt gesamt Pflanzkart. ca. 450 2878 2709 130000 1950 1140000 108 570 ca. 350 127 318 1453 3 256 1955 1128 300 93 300 ca. 300 125 055 3 319 1531 1041100 1960 85 070 ca. 240 1536 102 390 2 765 782 950 1965 45 900 195 2086 1367 67 843 1970 590 840 29340 55421 1471 155 1 Oll 467480 1974 19996 129 37924 979 889 275 840 1979 16240 99 659 723 18100 238 000 1982*) 14390 Veränderung% -71,8 -78,0 -67,2 -79,1 1950 :1979 -66,0 -86,7 *) ab 1979 geänderte Erfassungsmethode der Bodenbenutzungserhebung: Kleinflächen werden nicht mehr erfaßt, der Vergleich zu den Vorjahren ist beeinträchtigt. Der Kartoffelanbau verlor damit für viele Die Tabelle zeigt zweierlei: Betriebe seine Wirtschaftlichkeit und wurde Zum einen den nahezu dramatischen insbesondere auf schweren bzw. steinigen Rückgang der Kartoffelanbauflächen in Böden aufgegeben. Hinzu kommt, daß der Kreis, Land und Bund innerhalb von 30 Jah­ Arbeitsaufwand pro Hektar Kartoffeln weit ren um ?/3 bis % der ursprünglichen Flächen; höher liegt als beispielsweise bei Getreide zum anderen die Tatsache, daß im Schwarz­ und die Kostenbelastung für moderne T ech­ wald-Baar-Kreis die Flächenentwicklung nisierung ganz erheblich zu Buche schlägt. zwar dem allgemeinen Trend folgt, jedoch in Als Folge dieser betriebs-und arbeitswirt­ deutlich geringerem Tempo. Bezogen auf das schaftlichen Zusammenhänge hat sich der Ackerland betrug der Anteil des Kartoffelan­ Kartoffelanbau auch im Schwarzwald-Baar­ baues im Kreis im Jahre 1955 -20,9 % (Baden-Württemberg = 13,9 %), im Jahre Kreis drastisch „gesundgeschrumpft“. Es bleibt zu hoffen, daß sich mit dem nun 1979 = 6,3 % (Baden-Württemberg -3,8 %). erreichten Minimum an Fläche ein ausgewo­ Die Gründe für diese abwärts gerichtete Entwicklung sind vielgestaltig: Da ist einmal genes Verhältnis von Angebot und Nach­ frage einstellen wird. Im Interesse der Sicher­ der stark rückläufige Kartoffelverzehr(l952/ stellung der Ernährung unserer Bevölkerung 53 = 167 kg, 1981/82 = 74 kg pro Kopf der – besonders in Krisenzeiten – ist eine Bevölkerung) und der noch stärkere Rück­ bestimmte Mindestanbaufläche unabding­ gang der Verwendung von Kartoffeln zu Fut­ bar.Naturgemäß liegt der Anbauschwerpunkt terzwecken zu nennen. Zusammen mit dem deutlich höheren Ertragsniveau neuerer Sor­ im Kreis eher im Gebiet der Baar als im ten wurden somit erhebliche Mengen an Schwarzwaldteil. War das Verhältnis beider Kartoffeln freigesetzt, für die in den meisten Gebiete früher etwa ?/3 : 1/a, so beträgt der Flä­ Jahren wegen des fehlenden Bedarfes ein chenanteil der Baar laut Bodenbenutzungs- kostendeckender Preis nicht zu erzielen war. 228

Pjlanzkarto.ffelbestand in einer Höhenlage von 1000 m bei Sommerau. erhebung 1979 nur noch 56 %. Hier sind mit stärkerem Kartoffelanbau besonders die Orte Biesingen, Bräunlingen, Döggingen, Fürstenberg, Hüfingen, Klengen, Mundel­ fingen, Ileudingen, Pfohren, Riedböhringen und Riedöschingen zu nennen. Im Schwarz­ waldteil des Kreises sind größere Anbauflä­ chen noch in Brigach, Buchenberg, Furtwan­ gen, Langenschiltach, Schönwald, Schonach, Tannheim, Unterkirnach und Weilersbach anzutreffen. Die Geschmacksqualität von Kartoffel­ sorten ist neben anderen Einflüssen be­ kanntlich auch vom Standort, d. h. von den Bodenverhältnissen, abhängig. Ganz all­ gemein kann festgestellt werden, daß im Schwarzwald-Baar-Kreis mit seinen überwie­ gend mittelschweren und leichteren Böden gute Qualitäten heranwachsen. Die Erzeu­ gung guter Speisequalitäten wird darüberhi­ naus durch die Wahl geeigneter Sorten maß­ geblich bestimmt. In enger Zusammenarbeit zwischen staatlicher Beratung, Genossen­ schaft und Handel sowie den erzeugenden Landwirten ist der Kartoffelbau im Land- kreis voll auf die Interessen der Verbraucher abgestimmt. Unter den insgesamt 25 im Anbau 1982 befindlichen Sorten sind insbe­ sondere die Sorten Sieglinde als Salatkartoffel, Granola, Grata und Jetta als vorwiegend festkochende Sorten sowie Datura und Aula als mehligfestkochende Sorten, zu den bevorzugten Qualitäten zu zählen und aus heimischem Anbau erhältlich. Durch enge Verbindungen der Landwirte zu den Verbrauchern ist der Anteil an direkt­ vermarkteten Speisekartoffeln noch sehr hoch. Er mag im Kreisgebiet bei 30 %-40 % oder mehr liegen. Der Großteil des Erntegu­ tes wird jedoch über die Lagerhäuser der Badischen Raiffeisen-Zentralgenossenschaft erfaßt und vermarktet. Speziell für den Kar­ toffelanbau im Schwarzwald-Baar-Kreis wurde von der Raiffeisen-Zentralgenossen­ schaft im Jahre 1969 in Villingen ein moder­ nes Kartoffel-Lagerhaus mit einer Kapazität von 5000 dz in Betrieb genommen. Dort werden alljährlich in mehrmaligem Um- 229

schlag große Mengen an Speise-und Pflanz­ kartoffeln direkt vom Feld her erfaßt, sor­ tiert, in Großkisten gelagert und vermarktet. Ein besonders intensiver Zweig des Kar­ toffelanbaues ist der Pflanzkartoffelanbau. Dabei handelt es sich um die Erzeugung gesunden Pflanzgutes; die Voraussetzung für jeden erfolgreichen Kartoffelanbau über­ haupt. Da bestimmte Blattlausarten Überträ­ ger von Virus-Krankheiten der Kartoffel­ pflanze sind und diese Krankheiten zu star­ ken Ertragseinbußen führen, werden Pflanz­ gutvermehrungen bevorzugt in relativ blatt­ lausarmen Höhenlagen, sogenannten „Gesundlagen“ stationiert. Dazu war der Schwarzwald und somit der Schwarzwald­ Baar-Kreis von vornherein prädestiniert. Lei­ der sind auch hier die Flächen im Landkreis stark rückläufig. Festzustellen bleibt aber, daß durch eine sehr straffe Organisation der Saatgutvermehrung seitens der Vertragsfu­ men ZG und Fa. H. 0. Ernst sowie den staat­ lichen Dienststellen hier ein qualitativ sehr Das Ziel der Landjugend auf den Landju­ gendtagen ist, einerseits die eigenen Jugendli­ chen, welche sich mit einem Thema beschäf­ tigen, anzuregen und über verschiedene Dinge nachzudenken, andererseits die Öf­ fentlichkeit auf Probleme und Wünsche der Jugendlichen aufmerksam zu machen. Oft geschieht dies natürlich auch, indem man den Politikern kräftig auf den Zahn fühlt, z.B. beim Landjugendtag 1982, wo es um Themen wie Umweltverschmutzung, Selbst­ mord, Menschenrechtsverletzungen, Abrü­ stung in Ost und West ging. Wie man dies darstellt, darauf möchten wir etwas näher eingehen, in dem über den Landjugendtag 1984 berichtet wird. In einer Gruppenleitersitzung, an der Vor­ standsmitglieder aus allen 13 Mitgliedsgrup­ pen des Schwarzwald-Baar-Kreises teilneh­ men, wird über das jeweilige Thema gespro- 230 hochwertiges und leistungsfähiges Pflanzgut erzeugt wird, welches sich mit dem aller übri­ gen deutschen Erzeugungsgebiete sehr wohl messen kann. Der Abriß über den Kartoffelanbau im Schwarzwald-Baar-Kreis wäre unvollständig ohne einen kurzen Hinweis auf eine im Kreis stationierte, aber für das ganze Land Baden­ Württemberg zuständige staatliche Dienst­ stelle, welche alle speziellen Fragen des Kar­ toffelanbaues bearbeitet: das Saatbauamt Donaueschingen; heute Außenstelle der Landesanstalt für Pflanzenanbau und Tabak­ forschung in Forchheim bei Karlsruhe. Hier laufen die Fäden für 30 000 ha Kartoffeln im Lande zusammen. Eine Vielzahl von Ergeb­ nissen aus umfangreichen Versuchen und Untersuchungen bildet die Grundlage, der erzeugenden Landwirtschaft geeignete Sor­ ten und Anbautechniken an die Hand zu geben, um letztlich dem Verbraucher gute Speisekartoffelqualitäten aus heimischem Anbau liefern zu können. chen. Nach oft langen Diskussionen wird mehrheitlich ein Thema verabschiedet. Dies sind oft Themen, die stark problembezogen sind (Frieden, Umwelt, Zukunft), ab und zu aber auch Themen, die ganz aus der Rolle fal­ len (Zärtlichkeit, Märchen). Es wird nun jeder Ortsgruppe aufgetra­ gen, sich bis zum nächsten Treffen Gedan­ ken zu machen. Beim nächsten Mal sind dann meistens viele Gruppen bereit, an der Theatermontage mitzuspielen. Man be­ spricht die Vorstellungen und Ideen der ein­ zelnen Gruppen und trifft sich dann wieder, um zu proben. Jede Gruppe darf und kann auf der Bühne ihre Vorstellungen darstellen, die Proben dienen nur dazu, die verschiede­ nen Stücke der Jugendlichen in einem zusammenhängenden Stück unterzubrin­ gen. Der Landjugendtag spiegelt also die Meinung der Gruppen wieder, nicht nur die Landjugendtag 1984 – Jugendliche melden sich zu Wort

der Kreisvorstandschaft. Zum Gelingen solch einer Theatermontage opfern die Jugendlichen viele Stunden ihrer Freizeit, aber die Aussagen und Aufführungen recht­ fertigen dies. Nun aber zum Landjugendtag 1984, der am 5./6. Mai in Pfohren stattfand. Das Thema lautete: ,,Landjugend im Märchen­ land“. Man wollte versuchen, einmal etwas ganz anderes zu machen, dies gelang zu unse­ rer Überraschung gut. Von vielen Jugendli­ chen und Ehrengästen bekam dieser Landju­ gendtag eine gute Kritik. Warum? Obwohl es überwiegend sehr ernste Themen waren, wurden diese in einer auflockernden, erfri­ schenden Art dargestellt. Es konnte gelacht werden, viel bewundert wurden die schau­ spielerischen Talente der Jugendlichen. Anhand von Märchen wurde auf heutige Probleme aufmerksam gemacht. Durch das Programm führten eine Hexe und eine Fee, die das Gute und Böse im Märchen verkör­ pern. Was Hänsel und Gretel mit Drogen, wie Alkohol, Rauschgift zu tun haben, weiß man spätestens seit dem Stück der Gruppe lppingen. Auf eindrucksvolle Weise wurde anhand dieses Märchens dargestellt, weshalb und wie Jugendliche zum Drogenkonsum verführt werden. Ehrlichkeit und zwischenmenschliche Beziehungen kamen in dem Märchen Frau Holle zur Sprache. Dargestellt wurde dieses von der Gruppe Mönchweiler. Auch die Landgruppen sind betroffen von den vielen sinnlosen Tierversuchen. Was liegt näher, als dies mit den Bremer Stadtmusikanten zu zei­ gen. In diesem Stück bekam man viel Infor­ mation, dabei stand das schauspielerische Element etwas im Hintergrund. Ganz anders wieder bei der Landjugendgruppe Aasen. Sie packten das Thema Video und moderne Medien an. Durch die lustige Darstellung einiger Märchen durch Zwerge und Hexen wurde dieses Stück ein Lacherfolg. Auch ein Vertreter von Computerfirmen tauchte im ,,Aasener Stück“ auf. Trotz der lustigen Dar­ stellung glauben wir, daß die Zuhörer im Saal viel von diesem Stück mitgenommen haben. Traurig ging es bei den Schonachern zu: „Ein Männlein steht im Walde“. Es liegt auf der Hand, daß hierbei das Waldsterben beleuchtet wurde. Durch traurige Musik und viele Forderungen zeigte die Gruppe Schon­ ach, daß es beim Waldsterben schon zwölf Uhr geschlagen hat. Es ist verständlich, daß es hier nichts mehr zum Lachen gibt. Ein Appell an die Landjugend, sich mit ausländi­ schen Jugendlichen zusammenzutun, Pro­ bleme auszutauschen, richtete der „Ratten­ fänger von Hameln“ aus Pfohren. Die Gruppe Pfohren widersprach mit ihrem Mär­ chen eindeutig der Ausländerfeindlichkeit. Ein romantisches Ende hatte die „Märchen­ stunde“. Nach dem Märchen von einem klei­ nen Mädchen und seinen Wünschen, wel­ ches die Gruppe Hausen vor Wald spielte, wurden in der Halle Wunderkerzen ange­ zündet. Dieser Nachmittag war ein Märchen, welches die harte Realität auf amüsante, lustige und ironische Weise dem Zuschauer näherbrachte. Vielleicht wird aus diesem Bericht klar, weshalb die Landjugendtage der Landjugend des Schwarzwald-Baar-Kreises seit Jahren aus dem kulturellen Leben des Kreises nicht mehr wegzudenken sind. Reinhold Wischnewski und Gerda Albicker, Kreisvorsitzende * Goldrega En Wasserfaal vu Gold und Grää schummet in Gaarta; i meet graad nüü en Strööl druus nää kää’s net verwaarta. Dia gräa und gilde Truuba hanged so hoo, i meet se aabakluuba. Aber wiasoo? – Sie hanged jo am Himmel droba: Laß si oba! Otto Benzing 231

Landschaftsschutz, Naturdenkmäler Die Walderkrankung in der Baar Beobachtungen in den Wäldern des Forstbezirkes Donaueschingen Die Ausdehnung des Forstbezirkes reicht von den Schwarzwaldhöhen bei Eisenbach bis hinüber zur Alb auf der Länge und von Grüningen bis hinab in die Gauchach­ schlucht. Mit nahezu 8000 Hektar Wald bie­ tet er eine gute Möglichkeit, den Zustand der Wälder der Baar zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb im Zusammenhang der Luftschadstoffe darzustellen und über die Jahre hin die weitere Entwicklung zu verfol­ gen. Wissenschaftliche Erkenntnisse Es soll hier nicht zu den vielfältigen Ein­ wirkungsmöglichkeiten von Schadstoffen auf den Wald, auf die einzelnen Baumarten Stellung genommen werden. Die Wissen­ schaft ist derzeit bemüht, über ein scheinbar unübersehbares Geflecht von Wechselbezie­ hungen und Wirkungsweisen im Ökosystem Wald mehr Klarheit und Wissen zu erlangen. Es wird Jahre dauern, bis wir auch nur annä­ hernd wissen, welche Schadstoffe sich auf welche Weise, woher und in welcher Kombi­ nation so gefährlich auf den Wald auswirken. Bei aller unterschiedlicher Beurteilung des Phänomens durch die verschiedenen Fach­ richtungen der Wissenschaft läßt sich jedoch zweifelsfrei feststellen, daß die Schadstoffe, die Industrie, Kraftwerke, Verkehr und Haus­ halte in die Luft ausstoßen, in ihrer Gesamt­ heit die Widerstandskraft unserer Wälder inzwischen übersteigen. Ausreden Aufgrund unseres heutigen Wissenstan­ des ist die Behauptung nicht mehr haltbar, daß die Art der Bewirtschaftung mit der Bevorzugung von reinen Nadelholzbestän­ den entscheidend verantwortlich für die Erkrankung unserer Wälder sei. Landesweit 232 Stark erkrankte Fichte gibt es keine Waldform, die, auch wenn sie bestens gepflegt und naturnah aufgebaut ist, nicht in gleicher Weise von der Erkrankung erfaßt wäre. Es ist allerdings nicht zu verken­ nen, daß Erkrankungen in gleichförmigen Wäldern schneller spür-und sichtbare Schä­ den hervorrufen können als in natürlichen Mischwäldern. Auch die Behauptung, Erkrankungen der Wälder hätte es in der Vergangenheit immer wieder gegeben, kann nicht von der wirk­ lichen Ursache der derzeitigen Erkrankung ablenken. Es hat immer wieder Erkrankun­ gen einzelner Baumarten gegeben, es gab

aber noch nie eine alle Baumarten erfassende und so den gesamten Wald gefährdende Erkrankung des Waldes, wie wir dies augen­ blicklich erleben. Desgleichen führt der Versuch in die Irre, die verschiedensten Schädlinge unserer Waldbäume für die Walderkrankung verant­ wortlich zu machen. Schädlinge können sich nur in Ausnahmesituationen zu Massenver­ mehrungen entwickeln und sind in aller Regel nur sekundär wirksam. Ein in seiner Vitalität geschwächter Wald erst schafft die Voraussetzungen, die optimale Entwick­ lungsbedingungen für Schädlinge schaffen. Vielfach hat erst der sich verstärkende Schäd­ lingsbefall auf die zunehmende Schwäche des Waldes aufmerksam gemacht. Zustand In unseren Wäldern herrscht bei weitem die Fichte vor. Über 75 0/o der Waldfläche werden von ihr bestockt. Daher ist ihr Zu­ stand entscheidend für den gesamten Wald. Noch bis zum Jahr 1981 konnte man keine Fichte weitgehend gesund 23% kränkelnd 54% krank 23% sehr krank Daraus ergaben sich für Fichte und Kiefer eine durchschnittliche Entnadelung von ca. 17 %, für die Tanne von 24 % und die Dougla­ sie von nahezu 10 %. Die Laubhölzer ließen noch keine Schadensmerkmale erkennen. Konnten bei diesem Zustand kaum ein­ zelne stark entnadelte d. h. schwer erkrankte Bäume festgestellt werden, so änderte sich dies im Spätherbst 1983 deutlich. Zusam­ men mit einer zunehmenden Entnadelung besonders von Fichte und Kiefer wurden ver­ stärkt im Bereich des Baar-Schwarzwaldes absterbende Bäume entdeckt, die eingeschla­ gen werden mußten, um einer starken Ent­ wertung des Holzes zuvorzukommen. Erst­ mals mußten über den Winter 1983/84 ca. auffälligen Krankheitssymptome feststellen. Auch der Zuwachs der Bäume war unver­ mindert. Nur die wenigen Weißtannen (2 % der Waldfläche) ließen schon Jahre zuvor durch lichte Kronen, einzelne Ausfälle und durch geringeren Zuwachs erkennen, daß sie nicht mehr gesund waren. Im Herbst und Winter 1982 wurde eine deutliche Nadelschütte erkennbar. Viele Bäume, die bislang noch in ihren Kronen dicht benadelt gewesen waren, wurden zunehmend licht. Von innen nach außen wurden z. T. noch grüne Nadeln abgeworfen. Die Gelb-und Braunverfärbungen traten bei uns nicht so stark in Erscheinung. Eine erste gewiß noch etwas oberfläch­ liche Schätzung des Zustandes ergab im Winter 1982/83 einen durchschnittlichen Entnadelungszustand der Fichten von ca. 10 %. Im Frühjahr 1983 wurde daraufhin eine stichprobenartige Erhebung in allen über 40jährigen Nadelholzbeständen vorgenom­ men. Aus den nahezu 2400 beurteilten Bäu­ men ergab sich folgendes: Tanne Kiefer Douglasie 13% 22% 90% 33% 58% 10% 54% 20% 1500 Festmeter Holz stark geschädigter Bäume genutzt werden. Entwicklung Die fortschreitende Entnadelung gebot eine Wiederholung der Aufnahme 1983 an denselben Bäumen im Frühjahr 1984. Es ergibt sich daraus eine differenzierte Ent­ wicklung. Während in den höheren Lagen im Westteil des Bezirkes die Erkrankung deutlich zugenommen hat, ist der Fortschritt im Zentrum der Baar und im Osten mit we­ nigen Ausnahmen geringer. Bei Fichte und Kiefer ist der Durchschnitt auf ca. 25 %, bei der Weißtanne auf 30 %, bei der Douglasie auf ca. 15 % angestiegen. Die Laubholzbe-233

Beobachtungen stände zeigen bislang noch keine Krankheits­ symptome. Wenngleich die Zunahme relativ gering ausgefallen ist, so nähert sich die Entnade­ lung doch einer kritischen Grenze von ca. 30 %, von der ab die Ausfälle einzelner Bäume rasch zunehmen werden. Die Folge davon werden Bestandeslücken, den Stür­ men geöffnete Bestandesränder und zuneh­ mende Zuwachsausfälle sein. Neben der immer deutlicher sichtbar wer­ denden Entnadelung der Bäume fallt auf, daß besonders die Fichte gehäuft Blütejahre hat. Dabei gibt es zahlreiche Bäume, die nur noch männliche Blüten tragen. Die Zapfen enthielten bereits in den vergangenen 2 Jah­ ren nur noch zum Teil Samen, die oft nicht mehr keimfähig waren. Das sind Anzeichen einer deutlichen Vitalitätsschwäche der Fichte. Außerdem wirkt die zunehmende Ent­ nadelung lichtend auf den Waldboden. Frühzeitige Ansamung von Fichten und frühzeitige Verkrautung und Vergrasung der Bestände, auch wenn sie von ihrer Stamm­ zahldichte pflegedringlich sind, müssen als Zeichen einer krankhaften Entwicklung gewertet werden. Abwehrmaßnahmen des Forstbetriebes sind kaum möglich. Mit zunehmender Er­ krankung der Wälder müssen gleichwohl Konsequenzen gezogen werden. In den Jungbeständen muß durch frühzei­ tige Freistellung der vitalsten Bäume eine Stärkung der Widerstandskraft durch Erhö­ hung der Nadelmenge in den Kronen ver­ sucht werden. In den älteren Beständen müssen die Ein­ griffe zurückhaltender geführt werden, um das Kronendach möglichst lange geschlossen zu halten. Kahlschläge werden vermieden. Alte Bäume werden nur eingeschlagen, wenn sie abgängig sind. Unter dem Schutz der älte­ ren Bäume werden auf großen Flächen junge Notwehr 234 Düngung in erkrankten Beständen Bäume gepflanzt, damit die Nachfolgebe­ stände noch unter dem schützenden Schirm der alten, kranken Bäume anwachsen kön­ nen. Dabei werden standortsgerechte Misch­ bestände vorbereitet. Mit finanzieller Unterstützung des Lan­ des werden auf nährstoffarmen Standorten des Baar-Schwarzwaldes Bestandsdüngun­ gen vorgesehen, die zwar die weitere Erkran­ kung nicht verhindern können, aber durch Zugabe von mangelnden Nährstoffen wie Kalk, Phosphor, Magnesium und Kalium den Bäumen eine Stärkung ihrer Wider­ standskraft ermöglichen. Dadurch kann die weitere Entwicklung gebremst und die ver­ armten Böden können langfristig für den Neuaufbau der Wälder vorbereitend verbes­ sert werden. Der im Vergleich zum hohen Schwarz­ wald, dem Bayrischen Wald und dem Harz Ausblick

weniger schlechte Zustand unserer Wälder darf uns nicht in Ruhe wiegen, als ob bei uns die Welt noch in Ordnung wäre. Solange keine entscheidenden Verringerungen der Schadstoffgehalte der Luft erreicht werden, wird auch in unseren Wäldern die Erkran­ kung fortschreiten, bald auch kritische Gren­ zen überschreiten und eine geordnete Wald­ pflege unmöglich machen. Da wir alle Nutznießer sowohl der Wohl­ standseinrichtungen als auch unseres Waldes sind, wird es an uns allen liegen, ob wirksame Maßnahmen auf politischer Ebene und bei uns selbst rasch getroffen werden, damit uns unsere Wälder erhalten bleiben. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren! Ekkehard Köllner Hände weg von Schleiereulen Es liegt schon einige Jahre zurück, da hörte ein Landwirt in Tuningen vom Beginn der Abenddämmerung an Schnarchlaute, die die ganze Nacht über anhielten. Die unheim­ lichen Töne kamen aus seinem nicht mehr benützten Taubenschlag. Obwohl ihm die ganze Sache nicht geheuer vorkam, suchte er mutig die ausgediente Taubenwohnung auf. Auf dem Boden des Schlages standen 4 weiße Dunenjunge der Schleiereule und sahen unseren Landwirt mit großen Augen an, dabei bewegten sie ihre Köpfe hin und her und ließen die nun schon bekannten Schnarchlaute hören. Des Rätsels Lösung war gefunden. Schleiereulen hatten sich den Taubenschlag als Nistplatz ausgesucht und hier ihre 4 Jungen ausgebrütet. Dieses Vor­ kommnis sprach sich schnell herum, und einige Jungen aus der Gemeinde nahmen die jungen Eulen zu sich, um sie selbst großzu­ ziehen. Das dürfte in keinem Fall gelungen sein, denn junge Eulen nehmen nur selten Auch während der Tageszeit reagi.ert die Schleiereule au/jedes Geräusch 235

gereichte Fleischbrocken aus der menschli­ chen Hand. Meistens müssen sie gestopft werden, das heißt, man muß versuchen, den Schnabel aufzubekommen und die Nahrung hineinschieben. Da pure Fleischstückchen jedoch nicht die Spurenelemente bieten, die eine Maus mit ihren Innereien samt Magen­ inhalt aufweist, ist eine solche Nur-Fleisch­ fütterung nicht das Richtige. Als weiteres Erschwernis kommt hinzu, daß junge Eulen des Nachts um Futter betteln und das teil­ weise stundenlang. Das Fazit: Hände weg von jungen Eulen und selbstverständlich auch von allen anderen Greifvögeln. Alle Eulenarten haben in den letzten Jahren im Bestand abgenommen, so daß sie unser aller Schutz verdienen. Den beiden Schleiereulen schien der Tau­ benschlag jedoch so als Nistplatz zu gefallen, daß sie hier ein Nachgelege von 5 Eiern aus­ brüteten. Das erfuhren zwei kundige Natur­ freunde. Diese traten umgehend in Aktion. In dem Taubenschlag wurden die zwei Alt­ vögel gefangen und mitsamt ihren Jungen nach Dauchingen transportiert. Im Giebel­ bereich einer älteren Scheune entstand schnell ein Taubenschlag, dessen Größe ungefähr 1 cbm entsprach. Das Einflugloch hielt ein kleines Brett versperrt, welches jedoch von außerhalb der Scheune weggezo­ gen werden konnte. In diese Behausung kamen alle sieben Eulen, dazu noch einige geschlachtete Tauben. Das Innere des Vier­ ecks konnte durch ein kleines Loch beobach­ tet werden, und es wurde gleich in der ersten Nacht erleichtert festgestellt, daß die Eulen die Tauben als Nahrung akzeptierten. Nach dem Beginn der Dämmerung wurde am 3. Tag das Brett am Einflugloch weggezogen. Die beiden Altvögel flogen sofort aus. 10 Minuten später flog die erste Eule den Giebel wieder an und verschwand im Einflugloch. Die verstärkt einsetzenden Schnarchlaute verrieten, daß Beute an die Jungvögel verteilt wurde. Das Experiment war gelungen. Noch bis in den Spätherbst hinein konnten die Alt­ vögel mit den nun schon längst flüggen Jun­ gen in der Scheune beobachtet werden, wie 236 sie hoch oben im Gebälk sitzend den Tag ver­ brachten. Nach dem Ausfliegen war der ganze Boden ihrer Aufzuchtstätte mit Gewöllen bedeckt, die anzeigten, daß sie ihren Jungen unzählige Mäuse zugetragen hatten. Auch heute halten sich noch einige Schleiereulen in Dauchingen auf, wo sie in schneereichen Wintern in den weiträumigen, mehrstöckigen Scheunen manche Maus und manche Ratte schlagen können. Diese Umsiedlungsaktion konnte nur aufgrund vorheriger Erfahrungen gelingen. In Schwenningen, im Schillerdorf an der Weilerbacher Straße, waren Dachdecker am Werk, die unerwartet junge_ Schleiereulen vorfanden. Hier wurde so ein Versuch zum ersten Mal gestartet. Eine Holzkiste mit einem seitlichen Einflugloch kam auf das Dach eines Nebengebäudes. Inhalt: 4 junge Schleiereulen. Auch diese Kiste steuerten die Altvögel nach dem Einbruch der Dämme­ rung umgehend an. Mitten in Schwenningen, in der Bachen­ straße, suchten sich Schleiereulen ihre Be­ hausung in einer Dachhöhlung. Nur eine dünne Wand trennte diese Unterkunft vom Schlafzimmer eines Ehepaares. Als die jun­ gen Eulen schnarchend um Futter bettelten, war es mit der Nachtruhe der menschlichen Nachbarn nicht mehr weit her. Hier mußten unsere Vogelfreunde das zweite Mal eingrei­ fen. Um an die jungen Eulen heranzukom­ men, mußten einige Dachziegel entfernt werden. Im Garten eines Nebenhauses wurde auf einem Baum besagte Holzkiste angebracht, wo die Eulen in Ruhe ihre Jun­ gen aufziehen konnten. Doch was sind das für Vögel, die menschliche Ansiedlungen aufsuchen wie Schwalben oder Störche? Es sind Eulen, deren Bestand in den letzten 25 Jahren wesentlich abgenommen hat. Außer an den bereits beschriebenen Orten horste­ ten sie in e�em Taubenschlag in Hochem­ mingen, bei Pfohren in Türmen und Scheu­ nen und in noch einigen anderen Siedlungen unseres Kreises. Das ist gar nicht so selbstver­ ständlich, ihr optimaler Lebensraum sind ja offene Feld-und Wiesenlandschaften, die

junge Schleiereulen, deren Eltern sich als Nistplatz einen unbewohnten Taubenschlag ausgesucht haben Ein Familienverband, der bis zum Herbst zusammenhält 237

Schleiereule mit erbeuteter Feldmaus Schleiereule mit weißem Brustgefieder 600 Meter Meereshöhe nicht überschreiten. Nistplatz und Jagdgebiet sind menschliche Ansiedlungen und nicht der Wald. Da jedoch die offenen Feldscheunen der Baar­ hochm ulde immer mehr verschwinden, in modernen Scheunen, Türmen und in den renovierten Häusern nur noch selten Ein­ fluglöcher und Nistmöglichkeiten vorhan­ den sind, haben wir schon einen Grund für das verminderte Vorkommen. Kleinsäuger, die durch Insektizide und Herbizide ver­ seucht sind, durch den zunehmenden Kraft­ fahrzeugverkehr überfahrene oder angefah­ rene Schleiereulen, haben zu einer weiteren Bestandsabnahme geführt. Auch ohne die durch die heutige Zeit verursachte Gefähr­ dung sorgen Naturereignisse für sehr starke Bestandsschwankungen. Infolge ihrer gerin­ gen Fettreserven kann die Schleiereule ca. 8 Hungertage verkraften. Das bedeutet, daß es zu einem Massensterben kommt, wenn der Winter eine Schneedecke von ungefähr 15 cm bringt und dieser über 14 Tage liegen bleibt. Überleben werden in dieser Zeit nur Schleiereulen, die in ein Biotop mit weniger Schnee ausweichen können oder die Scheu­ nen und hier besonders die offenen Feld­ scheunen der Baarhochmulde als Winter­ jagdrevier aufsuchen. In solche Gebäude zie­ hen sich im Winter unter anderen Haus­ mäuse und Ratten zurück, die jetzt statt der unerreichbaren Feldmäuse geschlagen wer­ den. Hat die Anzahl der Schleiereulen nach einer Winterkatastrophe wieder zugenom­ men – in guten Mäusejahren vermehrt sie sich rasch, eine Brut hat bis 7 Junge, und die Weibchen sind schon mit 7 Monaten brutfä­ hig – kann der Zusammenbruch der Mäuse­ population zu erneuten Massensterben füh­ ren. Verbunden sind damit auch größere Wanderbewegungen in Gegenden, in denen noch ein Nahrungsangebot vorhanden ist. In 238

Jahren mit normalen Kleinsäugerpopulatio­ nen sind die Schleiereulen sehr standorttreu. Ca. 40 % der jungen Eulen suchen sich einen Nistplatz in einem Umkreis von 25 km vom Geburtsort. Während der Balzperiode lockt das Männchen im Einflugloch des Nistplatzes sitzend mit lauten Rufen das Weibchen. Dabei schweben sie immer wieder, sich gegenseitig verfolgend, über diese Stelle. Dabei kann der auserwählte Ort direkt neben dem Brutplatz von Dohlen, Tauben und Turmfalken liegen. Falls sich der stär­ kere Waldkauz einmal die gleiche Niststätte aussuchen sollte, hat die Schleiereule das Nachsehen. Das Weibchen verläßt den Brut­ platz nicht mehr, sobald dort das Männchen die erste Maus überreicht hat. Auch während der 30tägigen Brutperiode wird es von dem Männchen mit Nahrung versorgt. Die Eier werden im 2tägigem Abstand gelegt, aber vom ersten Ei an bebrütet. Deshalb schlüp­ fen die Jungen ebenfalls in dem gleichen zeit­ lichen Abstand. Bei einem Gelege von 7 Eiern beträgt aus diesem Grund der Alters­ unterschied zwischen dem jüngsten und dem ältesten Nestling 14 Tage. Bei einer gro­ ßen Brut fressen die über 3 Wochen alten Jungen die angeschnittene Beute schon selbst, während die jüngeren N estgeschwi­ ster noch von den Altvögeln gefüttert wer­ den. Wenn durch einen länger anhaltenden Regen der Beutefang unmöglich ist, werden bis zu 20 Tage alte und geschwächte Junge an ihre Geschwister verfuttert, damit wenig­ stens ein Teil der Brut diese Zeit überleben kann. Mit 9 Wochen fliegen die jungen Schleier­ eulen aus. Ein Teil bleibt in der Nähe des Nistplatzes und andere suchen nicht weit davon ihre Tageseinstände. Im Alter von 13 Wochen verlassen sie das elterliche Revier. Alle Greifvögel würgen einige Stunden nach der N ahrungsaufaahme die unverdaulichen Überreste der Beutetiere wieder heraus. Während die Taggreife die Knochen mit verdauen, bleiben sie in den Gewöllen der Nachtgreife (Eulen) erhalten. Dadurch können Art und Anzahl der Beutetiere genau bestimmt werden. Ein Schleiereulengewölle enthält überwiegend die Reste von 1 bis 2 Mäusen. 239

Die Schleiereule erbeutet ihre Nahrung durch die Anstandsjagd, wie bei den Taggrei­ fern der Mäusebussard, oder aber durch einen Jagdflug. In beiden Fällen wird sie durch ihr feines Gehör geleitet, welches sogar noch Kurskorrekturen beim Angriffsflug ermöglicht. Sie rüttelt wie ein Turmfalke über den Schlupflöchern von Kleinsäugern oder schlägt mit den Flügeln gegen Zweige, auf denen sie schlafende Vögel vermutet, um diese aufzuscheuchen und als leichte Beute zu schlagen. Nur wenige Mitbewohner merken, wenn sie Schleiereulen zu Gast haben. Lautlos streichen sie ab und lautlos kommen sie wie­ der. Die Ausnahme bildet, wie bereits ge- schildert, die Balzzeit und die J ungenauf­ zucht. Die Lautäußerungen während den genannten Zeiten hören sich an wie nicht überhörbares Schnarchen. Die Betonung liegt dabei auf nicht überhörbar. Auch der Schleiereule kann man bei der Wiederansiedlung behilflich sein. Es genü­ gen schon Einfluglöcher in der oberen Gie­ belhälfte der Scheunen und Geräteschup­ pen, in den oberen Teilen von Türmen und im Offenhalten von nicht mehr betriebenen Taubenschlägen. In schneereichen Wintern kann man von einer Wiese etwas Schnee zur Seite schieben und dort Getreidekörner aus­ streuen. Nachts kommen dann die Mäuse, um sich die Körner zu holen. Roland Kalb Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis Noch lange nicht endet die Reihe der im Schwarzwald-Baar-Kreis vorhandenen Natur­ denkmäler. Gehen Sie, verehrter Leser, mit auf Exkursion? Es gilt, eine Weißtanne, die sogenannte ,,Rä u be r t a n ne“, im Stellwald aufGemar- kung Königsfeld im Schwarzwald aufzu­ finden. Sie versteckt sich zwischen Fichten, wird aber dennoch aus der Feme wegen ihrer überragenden Größe von rund 40 Metern schnell entdeckt. Man startet in der Berg­ straße, überquert die nach Bu�gberg führende 240

Eine Bank lädt zur Rast ein. Die Gedanken beschäftigen sich mit dieser Weißtanne. Ob sie krank ist, an der Last ihres Alters leidet? Im unteren Drittel ihres Stammes fehlen Äste, zwei nach oben herausragende Auswüchse sind verkümmert, der Stamm krümmt sich, das Nadelkleid lichtet sich bis zur zweigeteil­ ten Spitze der Tanne. Warum „Räubertanne“? Die Erklärung hierzu ist nicht so spektakulär, wie die Bezeichnung dieser Weißtanne ver­ muten läßt. Hier sollen Jugendliche schon vor Jahrzehnten beim Spiel „Räuber und Gendarm“ das „Räuberlager“ gehabt haben. Auch Buchenberg, Ortsteil von Königs­ feld im Schwarzwald, hat ein attraktives Naturdenkmal aufzuweisen, das zu betrachten sich lohnt. Es ist die Rede von der „ Fr i e d – h o fl in de“, so benannt, weil sie im Bereich des alten Friedhofs von Buchenberg steht. Eine an ihrem Stamm angebrachte Holztafel spricht ihr das Prädikat „geschütztes Natur­ denkmal“ zu, wie es auch im Naturdenkmal­ buch seit dem Jahr 1949 vermerkt ist. Kaum zu glauben, daß diese prachtvolle Linde mit ihrem wuchtigen Gehölz schon über 300 Jahre alt ist. Im Jahre 16 70 soll sie gepflanzt worden sein. Und immer aufs neue schmückt sie mit ihren mehr als 10 starken weit aus­ greifenden Ästen, mit ihrer ästhetisch schön geformten über 20 Meter im Durchmesser gereiften Krone das Gelände in der Nachbar­ schaft von Rathaus, Feuerwehrhaus, ,,Gast­ haus Linde“ und der alten Nikolauskirche. Von dunklen Fichten im Halbrund um­ geben behauptet sich die einzige aus silbern schimmernden Zwillingsstämmen ge­ wachsene Buche im Schwarzwald-Baar­ Kreis, die als Naturdenkmal ausgewiesen ist. Die vor 35 Jahren unter Schutz gestellte zweistämmige Buche bei Volkertsweilerüber­ ragt ihre weichholzigen Nachbarn deutlich, weist sie in ihre Schranken und läßt ihnen keine Chance, auch nur im geringsten gegen die in 190 Jahren gestärkte Buchenhärte angehen zu können. Rings um die moos­ bewachsenen Wurzelstränge kämpfen sich im Frühjahr zahlreiche Anemonen durch das verdorrte Laub des Vorjahres. Die Buche 241 Räubertanne, Königsfeld, 1790 Landesstraße 177a, schlägt den Waldweg in Richtung Nordost ein und folgt der Markie­ rung mit rotem Punkt. Mühelos läßt sich die Steigung in einer Rechtskurve überwinden. Man sieht zur Rechten Heidelbeerstauden. Munteres Vogelgezwitscher aus den Wipfeln der Bäume grüßt den Wanderer, der nach etwa 350 Metern beim Ziel ankommt und der mächtigen im Jahr 1790 gepflanzten und im Jahr 1959 ins Naturdenkmalbuch einge­ tragenen „Räubertanne“ gegenübersteht.

Linde am alten Friedhof zu Buchenberg 1670 kleidet ihre von Vögeln gern besuchte Krone hellgrün -sie muß ja auch farblich auffallen-, bis in Mannshöhe reichen die dichtbelaubten Zweige herab. Wer vom Stadtteil Villingen nach Volkertsweiler wandert oder fährt, kann beim Verlassen des Waldes die zweistämmige Buche am linken Waldesrand in Richtung Südwest sehen. Es ist nicht schwer, den Weg zu ihr über Volkertsweiler und den Eich­ wäldleweg zu finden, den man nach etwa 400 Metern verläßt, in östlicher Richtung ein kurzes Waldstück durchschreitet, um nach wenigen Schritten vor der kräftigen Natur­ schönheit stehen zu können. Eine zentrale Position nimmt eine U Im e ein, und zwar in Donaueschingen nur wenige Meter neben dem Schnittpunkt der 242 Z,eichnungen: Helmut Heinrich nach Konstanz, Ulm und Freiburg führen­ den Straßen. Sie, die einzige Naturdenkrnal­ Ulme im Schwarzwald-Baar-Kreis, und dies erst seit dem Jahre 1957, steht vis-a-vis der böhmisch-barocken zweitürmigen Stadt­ kirche St. Johann in unmittelbarer Nähe des Schell’schen Hauses, in dem heute die Jugendmusikschule Donaueschingen unter­ gebracht ist. Keine 100 Zentimeter trennen den Stamm der im Jahre 1810 gepflanzten Ulme vom Gehweg, den täglich zahlreiche Fußgänger benutzen und nicht einmal von dieser Ulme Notiz nehmen. Dabei kann man ihr quasi auf die Füße schauen. Sie mußte vor dem Ausbau der Umgehungsstraße um Donaueschingen viel durchstehen, floß doch an ihr der gesamte Durchgangsverkehr vor-

Doppe/stämmige Buche, Volkertsweiler, 1795 bei. Der „naturgeschützten Ulme“ wehte eine starke Umweltverschmutzung entgegen. Besonders in der Reisesaison bildeten sich Autoschlangen bis über Hüfingen hinaus, bis nach Pfohren, und diese quälten sich durch das Nadelöhr vor der Ulme; ein Spektakel grober Umweltverschmutzung. Doch die robuste Natur des Naturdenkmals überstand auch diese Zeit. Die Ulme wächst und wächst. Sie wird aber nie die Höhe der beiden Zwiebeltürme von gegenüber erreichen. Unter Schutz gestellte Felsgruppen be­ finden sich in großer Zahl im Nordwesten des Kreisgebietes, so z.B. auch die „ Wald­ h ä u s I e f e I s e n“ auf Gemarkung Schonach im Schwarzwald. Von der Bundesstraße 500 zwischen Schönwald im Schwarzwald und Triberg im Schwarzwald führt die Kreisstraße 5751 nach Schonach im Schwarzwald. Nach zwei Kilometern kommt eine Haltestelle ins Blickfeld. Hier beginnt in einer scharfen Rechtskurve ein Sträßchen, auf dem man nach etwa 450 Metern abwärts zum Wald­ häusle kommt und nach weiteren 150 anstei­ genden Metern die geschützten „ Waldhäusle­ felsen“ erreicht, imposante Felsblöcke mit Baumbestand. Fichten und Birken kon­ kurrieren miteinander. Und auf den an­ grenzenden Wiesen leuchtet im Frühjahr wie vielerorts das satte Gelb des Löwenzahns. Es bieten sich Wanderwege an: Entweder zur „Langenwaldschanze“ in Schonach im Schwarzwald oder in entgegengesetzter Richtung zu den „Triberger Wasserfällen“. 243

Hohlenstein, Gremmelsbach Waldhäusle-Felsen, Schonach Z,eichnungen: Dr. Asifäller � … Ulme in Donaueschingen, 1810 Und noch eine Felsgruppe, mit Bezeich­ nung „Hohlenstein“, gehört zu den im Jahr 1950 erklärten Naturdenkmälern des Schwarzwald-Baar-Kreises. Obwohl sie dicht an die Kreisstraße 5726 nach Gremmelsbach angrenzt, kann man sie dennoch infolge äußerster Konzentration im Verkehr auf der kurvenreichen und steilen Straße leicht über­ sehen. Schon nach 400 Metern nach der Ab­ zweigung aus der Bundesstraße 33 sieht man zur Linken ein Geschäftshaus, an das ein Parkplatz anschließt. Wie wärs mit einem kurzen Halt? Unterhalb dieses Geschäfts­ hauses befindet sich der terrassenförmig abgestufte „Hohlenstein“. Seinetwegen mußten die Straßenbauer eine scharfe Kurve trassieren. Eine schwache Fichte auf der Felsspitze kämpft um ihre Existenz. Auch die Technik in Form einer Fernsehantenne hat an dieser Felsgruppe Halt gefunden. Werner Heidinger 244

Alte Bauernhöfe Im Volksmund „Heidenhäuser“ genannt Der Obere Gschwendhof in Gütenbach Von der N eueck her ist nur das übermäch­ tige Dach zu sehen. Zwei ausgedehnte, tra­ pezförmige Flächen über den Langseiten, zwei schräge Dreiecke, die sogenannten Wal­ men, über den Schmalseiten. Der Volks­ mund sagt, Heiden hätten den Oberen Gschwendhof in Gütenbach erstellt. Im Jahr 1613 erbaut, über Jahrhunderte unverändert erhalten geblieben, wurde er in den vergange­ nen drei Jahren durch eine umfassende Sanierung vor dem Zerfall gerettet. Die Althofsanierung erfolgte im Rahmen eines Schwerpunktprogrammes für Denkmal­ pflege des Landes Baden-Württemberg. Heidenhäuser finden sich nur noch in den zuletzt gerodeten Gebieten, in den hinter- sten Schwarzwaldtälern. An den breiten Talausgängen und auf den Hochflächen, wo sich die Menschen zuerst ansiedelten, gibt es nur noch Nachformen der älteren Art, denn im Verlauf der 900jährigen Besiedlungsge­ schichte wurde dort bereits die dritte Folge von Häusern erstellt. Die Urform des Hei­ denhauses trifft man noch in einem Gebiet an, das den Großraum Triberg/St. Georgen, Elzach, Waldkirch, Titisee-Neustadt und das hintere Bregtal umfaßt. Der Obere Gschwendhof zählt zu den jüngeren Heidenhäusern, die sich vom älte­ ren Typus nur unwesentlich unterscheiden. Der Wohnteil des Gütenbacher Hofes ist nach Süden, dem Lauf der Sonne ausgerich- 245

tet und schmiegt sich an das abfallende Gelände an. Die Stallungen sind vom Boden abgesetzt und ruhen auf Pfosten. Das Hei­ denhaus ist zweigeschossig, das erste zweige­ schossige Bauernhaus des deutschen Volks­ bodens, vermutet Hermann Schilli in seinem Standardwerk über die Schwarzwaldhäuser. Es dient speziell der Feld-Graswirtschaft, bei der ein Teil des Bodens abwechselnd als Acker, Wiese und Weideland benutzt wird. Das mächtige Einhaus beherbergt Men­ schen, Tiere und Ernte unter seinem Dach. Das Holz für diese Höfe durfte nur zu bestimmten Zeiten geschlagen werden. Beim Fällen der Fichten und Weißtannen waren sogar die Mondphasen von größter Bedeu­ tung. Auf fürstenbergischem Gebiet bei­ spielsweise, durfte Holz erst nach Michaeli, 29.September, geschlagen werden und zwar bei abnehmendem Mond. In einer um 1580 geschriebenen Donaueschinger Handschrift steht zu lesen: ,,Auch soll der Holzhauer in der selben Nacht und tags zuvor von allen frauwen rain sein, sonst wird das Holz wurm­ stichig.“Doch nicht nur beim Fällen der Bäume ging man mit großer Sorgfalt ans Werk. Waren die erforderlichen 300 Klafter, das sind etwa 1000 Kubikmeter, Holz beisam­ men, ging es an den Hofbau, und während dieser Zeit wurden Holzhauer und Zimmer­ leute in Männergesellschaften zusammenge­ faßt, um alle bösen Einflüsse, vor allem durch das weibliche Geschlecht, ausschlie­ ßen zu können. Geheimnisvoll ist auch das Entstehen der Ritzzeichnungen. Sie waren beim Oberen Gschwendhof in so reichem und bedeu­ tungsvollem Umfang vorhanden, daß Her­ mann Schilli in den 60er Jahren im Flur die gesamte Wand zum Stall hin ausbauen und in das Freilichtmuseum „ Vogtsbauernhöfe“ schaffen ließ. Da die Ritzzeichen vor allem an Dreschtennenwänden, an den Wänden der Stallungen und am Eingang zur Scheuer zu finden sind, vermutet man, daß sie in erster Linie etwas mit Fruchtbarkeit zu tun haben. Fünfsterne, Achtspitzen, Kirchen, 246 Tiere und anderes sollte böse Kräfte vom Oberen Gschwendhof fernhalten. In den 60er Jahren wurde der Gütenba­ cher Hof unter Denkmalschutz gestellt. Für die Familie Eschle, die seit 1893 auf dem Oberen Gschwend zu Hause ist, begann damit keine leichte Zeit. Erst viele Jahre nach der Unterschutzstellung konnte durch die Aufnahme in das Sonderförderprogramm des Landes die dringende Hofsanierung in die Wege geleitet werden. Auch Dank der Unterstützung des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses. Nachdem in den Jahren 1978/79 die ersten Pläne ausgearbeitet wurden, war es am l.Oktober 1981 dann soweit, mit dem Um­ bau konnte begonnen werden. Er sollte rund drei Jahre dauern. Erschwerend wirkte sich aus, daß während der gesamten Bauzeit der landwirtschaftliche Betrieb aufrechterhalten werden mußte. Die Eschles mußten ihre Hei­ mat auch ein Jahr lang verlassen, wurden im Unteren Gschwend, bei Nachbarn, heimisch und versorgten von dort aus Feld, Wald und Vieh.Dem Architektenteam Prof. Dr. Ing. Ulrich Schnitzer und Ing. Rolf Wagemann aus Karlsruhe gelang in der Folge, was lange Zeit als unmöglich galt: landwirtschaftliche Betriebstechnik mit denkmalpflegerischen Gesichtspunkten abzustimmen. Der Wirt­ schaftlichkeit Rechnung zu tragen, war von besonderer Bedeutung, denn die Hofbesitzer Hilda und Hans Eschle betreiben die Land­ wirtschaft nach wie vor als Haupterwerb. Die Probleme, die bei der Renovierung alter Schwarzwaldhäuser anfallen, traf Pro­ fessor Schnitzer beim Oberen Gschwendhof in konzentrierter Form an. Das als Baudenk­ mal hoher Wertigkeit eingestufte Hofge­ bäude befand sich vor der Sanierung in einem bedrohlichen Zustand, der sogar Zweifel an der Durchführbarkeit des Projek­ tes aufkommen ließ. Die Wohnverhältnisse mußten grundlegend verbessert werden, die Geschoßhöhen waren zu gering, der Wirt­ schaftsteil mußte nach modernen Gesichts­ punkten umgebaut und auch das Tragwerk

saniert werden, um nur einige wesentliche Punkte herauszugreifen. Dies alles nicht ohne Konflikt mit den Bauvorschriften, besonders im Bereich des Brandschutzes. Auch der Nachweis der Standsicherheit erforderte ungewöhnliche Wege. Die Brandschutzbestimmungen der Lan­ desbauordnung verlangen feuerbeständige Brandwände, beziehungsweise mit ihnen vergleichbare Ausbildung der Decken zwi­ schen Wohn- und Betriebsteil. Deshalb mußte bei gleichgelagerten Sanierungsfällen bislang der meist noch am besten erhaltene Wohnteil in Massivbauweise erneuert wer­ den. Beim Oberen Gschwendhof machten die Baubehörden nun erstmals eine Aus­ nahme und schufen so einen Präzedenzfall. Sie ließen zu, Brandabschnitte durch den Einbau von Leichtbaustoffen herzustellen. Somit blieb der alte Wohnteil erhalten. 1807 war an Stube und Küche des Gschwendhofes ein Leibgeding angebaut worden, die Heimat des Altbauern. Im Win­ ter 1981 häuften sich drei Meter Schnee auf dem Dach dieses Gebäudeteiles. Eines Nachts schließlich hielt die Konstruktion diesen Kräften nicht mehr stand, sie krachte in sich zusammen, inmitten der Bauarbeiten. Professor Schnitzer erinnert sich auch an die­ sen Vorfall, wenn er sagt, daß bei der Sanie­ rung des Gschwendhofes alle Probleme an­ fielen, die anfallen können. Bei dem auf der Gemarkung Gütenbach liegenden Hof haben Planer und Handwer­ ker ihr ganzes Können aufgeboten. Mit viel Liebe zum Detail wurden alte Holzverbin­ dungen nachgearbeitet, zu stark beschädigte Gebäudeteile wieder originalgetreu rekon­ struiert. Ja, selbst bei den Kacheln des Stubenofens ging man mit Sorgfalt ans Werk. Von den alten Kacheln wurden Gipsabdrücke angefertigt, um sie exakt nach­ bilden zu können. Immer wieder mußte Altes mit Neuem kombiniert werden, und es gelang dennoch eine harmonische Verbindung. Wer den Oberen Gschwendhof heute betritt, hat nicht das Gefühl, in einem neuen Hof zu sein. Vielmehr ist er das geblieben, was er vor der Sanierung war, ein altes Heidenhaus mit all seinen Merkwürdigkeiten und Schönhei­ ten. Die Eschles sitzen heute zufrieden unterm HerrgottswinkeL Oft leisten ihnen dabei auch Fremde Gesellschaft. Die Ur­ wüchsigkeit des Hofes, der harmonisch in die Landschaft eingebettet ist, zieht viele an. Auch die Gemeinde hat das Kleinod bereits für sich entdeckt. In der guten Stube des Gschwendhofes treffen sich die Kurgäste mit Bürgermeister Krieg zum Speckvesper, so partizipiert auch der Fremdenverkehr an dem Projekt. Der moderne Wirtschaftsteil ermöglicht es der Familie Eschle zudem, 30 Hektar Wald und Wiesen optimal zu bewirtschaften. Nun sind auch die Voraussetzungen dafür ge­ schaffen, daß sich Hilda und Hans Eschle eines Tages ins Libding zurückziehen und die Kinder die bäuerliche Tradition fortset­ zen können. Eines allerdings hat sich verändert. Das „Ahnenstengli“ auf dem Hofdach ist nicht mehr vorhanden. Die verstorbenen Vorfah­ ren müssen sich nun einen anderen Aus­ sichtsplatz suchen, wenn sie wissen wollen, was sich im Diesseits, auf dem Oberen Gschwend, so alles tut. Wilfried Dold Quellennachweis: ,,Das Schwarz­ waldhaus“, Hermann Schilli Am Gaartahaag bliajed Zirinka, wiiß, lila und häalviolett; vum Waaldrand her schlaged zwei Finka, si jubled und pfiifed um d’Wett. ’s ischt Sunntig, mer sott schätzwohl heiba, toal Buuraliit maid schaü ufs Feld. I sitz und kää me nüü freiba ab däara voolsunniga Welt. Otto Benzing 247 Zirinka

Im Lukasenhäusle an der Martinskapelle Viele Wanderer und Naturfreunde lockt der Schwarzwald und auch die weitere und nähere Umgebung Furtwangens immer wie­ der an. Beliebtes Ziel ist dabei die Martins­ kapelle, sowohl im Sommer als Streckenpunkt für eine Zwischenrast und Besichtigung, als auch im Winter als Ziel vieler Skiwanderer und Loipengänger. Was jedoch nur wenige wissen, ist, daß sich außer der Martinskapelle noch eine Sehenswürdigkeit an diesem Ort befindet. Natürlich ist sie nicht das, was sich verwöhnte Touristen unter einer Sehens­ würdigkeit vorstellen. Dennoch hat sie einen ganz besonderen Reiz und die Anziehungs­ kraft des Urtümlichen. Gemeint ist das Luka­ senhäusle, im Bregtal „Luksehisli“ genannt, das unterhalb der Martinskapelle steht und in dem s’Hoche Marile, sprich: die Bäurin Maria Hoch, wohnt. Von außen sieht das Bauernhaus wie viele andere im Schwarzwald aus. Im Gegenteil, man glaubt sogar, daß es verwahrlost oder gar ausgestorben ist. Die Zeit scheint wirklich nicht spurlos am Luksehisli vorbeigegangen zu sein, denn Dach und Fassade deuten tatsächlich darauf hin, daß der Bauernhof 1715 erbaut wurde. Im Innern allerdings scheint die Zeit stillzu­ stehen: Maria Hoch führt ihre Besucher durch einen dunklen schmalen Gang gerade­ wegs ins 18. Jahrhundert. Eine 250 Jahre alte Küche mit „gewachsenem“ Steinboden, einem ebenso alten Granitherd, ausgestattet mit uralten Küchenhilfsgeräten und allerlei Dingen, die Maria Hoch im Laufe ihrer ,,Führung“ erklärt. Die 62jährige Bäurin wohnt ganz alleine im Häusle bei der Martinskapelle. Sie lebt hauptsächlich von dem, was sie selbst anbaut. In langen, kalten Wintern kann es durchaus vorkommen, daß das Marile ihre Stube vier 250 Jahre alL ist die Küche im Lukasenhäusle bei der Martinskapelle. Ein a!Ler Granitherd bietet Platz für große Töpft, in denen Maria Hoch heute nur noch selten etwas zubereitet. 248

Monate lang nicht verläßt. Ab und zu fährt sie mit dem Bus in die Stadt, denn Arzt­ besuche oder manche Einkäufe lassen sich eben doch nicht umgehen. Mit Romantik hat das Leben von Maria Hoch allerdings recht wenig zu tun. Das erfährt man nicht nur, betrachtet man die vielen Arbeiten, die sie als alleinstehende Bäurin zu verrichten hat, oder sieht man die strengen Winter im Schwarzwald, die sie in ihrer Abgeschieden­ heit verbringt. So hat Maria Hoch, die bis vor wenigen Jahren noch ihren Vater pflegte, eine weitere Erwerbsquelle für sich gefunden. Sie bietet Führungen durch ihre 250 Jahre alte Küche an. Viele bunte Tücher um den Kopf ge­ schlungen öffnet sie ihre quietschende Haus­ tür: ,,Sie wünschen?“ fragt die Bäurin in einer Mischung aus Schwarzwälderisch und Schriftdeutsch. Ist der Grund des Besuchs klar, wird man durch den dunklen Gang in die kühle Küche geführt. Maria Hoch ist modernen Dingen durchaus aufgeschlossen, und so hat sie ihren Vortrag auf Kassette gesprochen und stellt den Recorder in der Küche auf einen der 150 Jahre alten Schränke. Sie erklärt die Funktionsweise eines in die Wand eingelassenen Ofens – Maria Hoch repariert ihn übrigens alle paar Jahre selbst, indem sie hineinkriecht und Löcher aus­ bessert – zeigt auf alle Schöpfkellen und Töpfe, die 30 bis 130 Jahre alt sind, erklärt das Räuchern von Speck, das sie in der Küche vornimmt. Hinzu kommen viele Aussagen, die auf das Leben von früher schließen lassen: ,,Die Gselligkeit stand im Vordergrund“, betont die 62jährige, die seit ihrer Geburt im Lukasenhäusle wohnt. In der Großfamilie habe jeder seinen Platz und seine Arbeit ge­ habt, man habe Zeit zum Reden gehabt und gemeinsam wurden die Abende bei Gesang, Spielen oder Gesprächen verbracht. Natür­ lich versucht sie auch etwas Romantik zu vermitteln, doch hört man die Worte der Frau, so merkt man, was heute eigentlich ver­ lorengegangen ist. Maria Hoch trauert dem auch nach, sie lebt aber trotz all dieser Erinnerungen in der Gegenwart. Zwar richtet sie sich noch nach alten Grundsätzen wie: Hausarbeit so wenig wie nötig, kein unnötiges Waschen oder Putzen. Sie lebt, allem Anschein nach, zufrieden und ist auch modernen Dingen gegenüber nicht abge­ neigt. So steht, allerdings für die Besucher verborgen, eine Tiefkühltruhe in einem der Zimmer, und auf dem alten Herd werden auch nur noch große Gerichte gekocht. ,,Alles so wie mer’s brucht“ sagt sie mit einem ver­ schmitzten Lächeln. Sie versucht, Alther­ gebrachtes mit Modernem zu vereinen und erhält dabei für viele Neugierige ein Stück Vergangenheit. Ingrid Pfeiffer * D‘ Häx.e rännet D‘ Fasnet, schints, mueß doch bald kumme. ’s schliicht e Häx im Winkel umme. ’s rännt dert oni au i d‘ Gaß, fiecht ’s Wätter nitt, des gschliddrig naß. Hä guck doch nuu, us sellem Huus hinkt au e fiechtig Gschierr druß uus. E Hippe hätt sell Tier doch aa, ’s ischt nitt en ganze Fade draa. En Bese hätt die Häx debei, wo passe duet fer d‘ Häxerei. Jetz lood si zmool en feschte Schroa, dear goht om schier dor Maark und Boa. Di andre johlet gruusig mit, ’s ischt Fasnetziit jo sitt ab hitt. I d‘ Hinterschtadt word ghunke nuu. En Huufe Kinder rennt devuu. Si brüelet fescht, so luut es goht und johlet mit bis z‘ Obed schpoot. Wenns Bättziit liit, no ischt verbei fer hitt die luschtig Häxerei. I‘ s Bettli schliift de Gerold glii und hättet luut bim Lampeschii: ,,Schutzengel, ech empfehl mech dier, gell, machscht moarn au e Häx us mier!“ Gottfried Schafbuch, Hüfingen 249

Stätten der Gastlichkeit Gasthof „Ochsen“ in Schönwald im neuen Gewand wußte und beständige Erweiterung. Auf­ grund der ständig steigenden Gästezahlen in Schönwald und den damit verbundenen Ansprüchen auf besseren Komfort, führte Horst Martin sein Haus aus dem Umfeld einer Dorfwirtschaft in den Rang eines Hotel-Gasthofes. Schließlich entstand im Jahre 1983, nach dem umfassenden siebten Um-und Neubau seit der Übernahme vor 19 Jahren, mit einem Kostenaufwand von 4 Millionen Mark aus der kleinen Dorfwirt­ schaft eines der führenden Häuser in Schön­ wald und Umgebung. Bevor es aber soweit war, mußten erst ein­ mal 150 Jahre in die Geschichte der Wirts­ leute Martin eingehen. Laut Heimatbuch der Gemeinde Schönwald erwarb Blasius Mar­ tin, Sohn des Escheckwirts Nikolaus Martin, das Gasthaus Ochsen von Georg Siedle, Adlerwirt. Im Jahre 1863 wurde noch ein Brauereigebäude erstellt, da der Nachkom­ me Blasius das Bierbrauhandwerk erlernt hatte. Diese Brauerei wurde bis zum 1. Welt­ krieg betrieben und dann stillgelegt. Im Jahre 1906 übergab Blasius Martin das ganze Gut an seinen Sohn Adolf Adolf Martin verhei­ ratete sich mit Pauline Kienzler vom Halden­ mathisenhof. Aus dieser Ehe gingen 6 Kin­ der hervor. Adolf Martin verstarb 1938. Pau­ line Martin führte die Gastwirtschaft weiter bis zur Übergabe im Jahre 1965 an ihren Enkel Horst Martin. Durch den Um- und Neubau können Ulla und Horst Martin in der rustikalen Gast­ stube 55 Gästen Plätze bieten, weitere 40 Gäste finden Platz in dem pavillonartigen Konferenzsaalanbau. Eine besonders gast­ liche Note vermittelt das Kaminstüble, wel­ ches unmittelbar hinter dem Nebenzimmer liegt und für 15 Gäste Platz hat. Das Hotel­ restaurant Ochsen hat nun über insgesamt Wer aus östlicher Richtung von St. Geor­ gen – Villingen kommend in den heilklima­ tischen Kurort und Wintersportplatz Schön­ wald einfährt, kommt am Gasthof Ochsen nicht vorbei, ohne daß dessen neues Gewand in die Augen springt. Der Gasthof Ochsen im östlichen Teil der Gemeinde Schönwald gehört zu den erstrangigen Häusern der Gastronomie im Schwarzwald-Baar-Kreis und darüber hinaus. Die Firma Götz GmbH, Hoch- und Fer­ tigbau, Villingen-Schwenningen, und ihr ver­ antwortlicher Architekt Kubertschik, haben hier den Wünschen und Vorstellungen der Familie Ulla und Horst Martin Rechnung getragen und in städtebaulicher Hinsicht einen beachtlichen Um- und Neubau ge­ schaffen. Horst Martin gehört zur jungen Genera­ tion der Gastronomie, er betrieb seit der Übernahme des Hauses von seiner Groß­ mutter Pauline Martin im Jahre 1965 (sein Vater Friedrich Wilhelm Martin kehrte aus russischer Gefangenschaft nicht zurück) zusammen mit seiner Frau Ulla eine zielbe- 250

140 Plätze, die den Gästen zur Verfügung stehen. Auch an die Gäste, welche in Schönwald aktiv Kur betreiben, hat die Familie Martin gedacht. Es steht allen Gästen das 50 qm große Hallenbad zur Verfügung. Ebenso befindet sich im Hause ein Einzelsolarium für textilfreies Sonnenbräunen und eine Sauna sowie eine Tischtennisplatte im Fit­ nessraum. Wer sich weiter aktiv sportlich betätigen will, kann dies jederzeit auf der hauseigenen Tennisanlage tun. Gästen, die dem Angelsport huldigen, ist die Möglich­ keit im eigenen Fischwasser gegeben. Der Hotel-Gasthof Ochsen ist sehr kinder­ freundlich. Eltern mit Kindern werden es als sehr angenehm und erholsam finden, daß für die Kleinen extra ein Kinderspielzimmer vorhanden ist. Für Erholung und Entspan­ nung findet der Gast eine überdachte Liege­ terrasse, welche durch ihre Lage besonders heilklimatische Wirkung ausübt. Großzügig ausgebaut sind die 28 Zwei­ bett-, die 5 Dreibett-und die 6 Einzelzim- mer, alle mit WC und Dusche, teilweise sind sie mit Telefon- und Fernsehanschlüssen ausgestattet. Außerdem sind noch 2 Appar­ tements mit 2 und 3 Zimmern vorhanden. Die stilvolle Raumausstattung, wie die ge­ schmackvollen Bilder an den Wänden und einzelne Sitzgruppen in den Zimmern und Etagen vervollkommnen die wohnliche Note. Nicht zuletzt gehört zur Gastlichkeit eine gute Küche. Die Sorge um das Wohl der Gäste liegt in den Händen von Ulla und Besitzer und Chefkoch Horst Martin. Weiter sind über 20 Beschäftigte um das Wohl des Gastes bemüht. Das Betriebsklima ist im Ochsen als sehr gut zu bezeichnen. Darauf ist die Familie Martin sehr stolz, ein Großteil der Bediensteten ist über 15 Jahre bei ihr beschäftigt. Daß Horst Martin von der Kochkunst etwas versteht, bestätigen nicht nur die ein­ heimischen Feinschmecker, sondern dies ist weit über die Kreis-und Landesgrenzen, ja sogar bundesweit bekannt. Der Gast wird 251

ganz individuell behandelt, und Horst Mar­ tin geht auch auf die Sonderwünsche, wie z.B. Diät- oder Schonkost, ein. Das Haus wird auch immer wieder hinsichtlich seiner Q!ialität in zahlreichen Reiseführern und Journalen angeboten und gelobt. Die Familie Martin bietet ein breitgefä­ chertes Unterhaltungsprogramm an. Neben Sport- und Wanderwochen gibt es Musik- abende. Es spielt eine kleine Kapelle Unter­ haltungsmusik. Die Familie Martin möchte an drei Abenden pro Woche ihren Gästen zusätzlich zur schönen Landschaft und Luft noch weitere Unterhaltung bieten. Schönwald ist durch den gelungenen Um­ und Neubau um einen Anziehungspunkt reicher geworden. Emil Rimmele Vom „Neuen Haus“ zur „Krone“ Ein Wirtshaus gab einer Grenz- und Zollsiedlung ihren Namen Schon von alters her machen schweres Tagwerk und lange Wege durstig. Dann war und ist ein Gasthaus am Wege, das zu erfri­ schender Rast einlädt, mit einem Stoßseufzer der Erleichterung hochwillkommen. Zumal wenn schwerfällige Fuhrwerke, deren Len­ kung den Schweiß aus allen Poren trieb, paßähnliche Steigungen zu überwinden hat­ ten. Um das Jahr 1600 wird es ähnlich gewe- sen sein. Aber erst im Jahre 1791 war es den Untertanen der Herrschaft Blumenfeld, die in Nordhalden wohnten, endlich möglich, in einer eigenörtlichen Gastwirtschaft ihren Durst zu löschen und sich bei Strafandro­ hung davor zu hüten, „einen über den Durst“ zu trinken. Vordem bestanden Schwierigkei­ ten in der Art genauester Hinweise, wo und bei wem die trockene Kehle befeuchtet wer- 252

den durfte. Auch das gehört zur Geschichte und Vorgeschichte der „Krone“ von Neu­ haus, die jetzt gut sichtbar vor oder nach dem Grenzübergang, je nachdem von wo man kommt, auf einer Erhebung über der Straße zu erholsamer Reiseunterbrechung oder zum Feierabendtrunk einlädt. So entnehmen wir der Chronik: Als Ausüber des „jus tabernae“ tritt die Herr­ schaft Blumenfeld, zu der Nordhalden gehörte, in Gastwirtschaftsakten nie hervor. Der Deutschorden war Nutznießer der betreffenden Rechte. Das galt nicht nur für den Tavernenzins. Er beanspruchte in seinen Herrschaften alle Abgaben, die hochobrig­ keitlichen Ursprungs waren und bestimmte zu jener Zeit: ,, Welcher Undertan in der Herrschaft Bluemenfeld sich künftiglich der Wirtschaft gebrauchen will, der soll sich mit Stallung zu vier reisigen Pferden oder sechs Pauren Rossen, und zum wenigsten mit drei anbereiteten Bettstatten, so jederzeit auf die gäst warten sollen, gefaßt machen. Welcher oder welche das überführen, deren jeder würdt gestraft um drey pfund Heller. Item welcher anfahet zu schenken, der soll nach altem Brauch und Herkommen dieser Herr­ schaft Bluemenfeld ein gantz Jahr unaufher­ lich zu schenken schuldig sein. Und so er vierzehn Tag über das Jahr weiter schenkt, soll er aber dasselb Jahr ausschenken, und davon nit entlassen, alles bey Straf zehen pfund Heller. Es ist auch dem gemeinen Mann zu guetem angesehen, daß fürohin kein Wirt in bemelter Herrschaft Bluemen­ feld einem Undertan über zwey pfund Heller Zehrung warten und borgen soll. W eiche das überfahren, denen soll und will man um ver­ melt aufgeloffen Zehrung weder Pott noch Recht gedeihen lassen, darnach wisse sich meniglich zu richten.“ Bei solchen Auflagen kam in Nordhalden wahrscheinlich kaum jemand auf den ver­ wegenen Gedanken, sich der ausgedörrten Kehlen zu erbarmen. Bis in die neuere Zeit blieb Nordhalden nicht nur aus diesen Grün­ den ohne Gastwirtschaften. Hatte man damals Verlangen nach einem aufmuntern- den Tropfen, dann hatte man seinen Durst gefälligst beim Blumenfelder Barbier und den mauernahen Wirten zu Hinterburg zu löschen. Seitensprünge zu den Wirtshäusern von Bargen, die häufiger als genehm vor­ kamen, waren den durstigen Seelen von Amts wegen auf das schärfste untersagt. So bestimmten die Blumenfelder um 1600: ,, Welcher fürohin ein Hochzeit oder Schen­ kin haben will, der soll die nirgend anderst dann bey den offenen Gastgebern in der Herrschaft haben, es werde dann ihme von meines gnädigen Herren Ambtrnann diesel­ bige zu halten gnadenhalber zugelassen und erlaubt, bey Strafzehen pfund Heller.“ Auch später scheint den an der „Getränk­ longe“ geführten und dressierten Untertanen genau vorgeschrieben worden zu sein, wo sie feuchtfröhlich zu feiern hätten. Denn im Januar 1784 klagte „Sigmund Auer, Wirten zu Hinterburg, wider die Gemeind Orthal­ den, daß selbige Jahresgemeind zu Bargen gehalten und getrunken, und nicht bei ihm“. Als nun in den Jahren 1790/91 die über den Nordhaldener Bann verlaufende Teil­ strecke der Straße Donaueschingen-Schaff­ hausen im Rahmen der Chaussierung befe­ stigt wurde, ergab sich logischerweise ein star­ kes Anwachsen des Verkehrs. Es war der Obervogt von Senger in Blumenfeld, der den Nordhaldener Josef Sauter dazu ermunterte, 1791 auf dem sogenannten „Verschlagenen Kreuz“ nahe der Straße ein Wirtshaus zu bauen. Dieser Bau war der Anfang der heuti­ gen Weiler-und Zollsiedlung Neuhaus. Nun besaß Nordhalden mit dem „Neuen Haus“ eine eigene Gaststätte. Nahezu zwangsläufig folgten Schwierigkeiten durch die Konkur­ renz. Franz Auer, Wirt in Hinterburg, beschwerte sich 1801 über die dort abgehalte­ nen Hochzeiten, Kindstaufen und „Ge­ meindstrünke“. Der Beklagte wehrte sich: er sei noch nicht lang auf der Wirtschaft, und gegen diese Tafernenausübung sei noch nie protestiert worden. Die morgige Hochzeit könne er nicht mehr abstellen, da er sich auf sie eingerichtet habe. (175 Jahre später war es genau umgekehrt. Da kursierte im Juni 1976 253

ein zu früher Eröffnungsabend der neuen „Krone“, und alle, alle kamen. Da die Gäste so voreilig eintrafen, aber man auf sie – im Gegensatz zu 1801 – noch nicht eingerichtet war, mußten Speisen und Getränke flugs her­ beigeschafft werden. Als historische Vor­ spannsteUe von anno Bergfuhrwerk war man, dank traditionell rasantem Pferdewech­ sel, auf rasche Bedienung gedriUt und kam mit dem unerwarteten Stoßgeschäft wie in alten Zeiten gut über den Berg.) Im selben Jahr 1801 ist Jakob Gromann im Komminger Kirchenbuch als „Straßen­ würth“ eingetragen. Im Mai 1811 erhielt Lorenz Sauter zu Neuhaus als Nachfolger von Jakob Gromann einen „ Tanzschein“ für einen halben Tag gegen eine Gebühr von 30 Kreuzern. Die Witwe von Lorenz Sauter, dem Bruder des Erbauers des „Neuen Hau­ ses“, heiratete 1816 den Hans Pfeifer aus Riedöschingen, der weiter als Wirt und Zol­ ler Erwähnung findet. Bis 1834, so meldet die Chronik, besaß das Pfeifer’sche Wirtshaus noch kein Schild. Im Jahre 1836 stellte der Wirt neben das ursprüngliche „Neue Haus“ gesondert ein größeres, das noch heute steht. 1844 erscheint zum ersten Mal der Name „Zur Krone“. Im selben Jahr ging es durch Verkauf in den Besitz des Bierbrauers und Metzgers Martin Büche von Grießen über; damit wurde das Recht seines Vorgängers auf den Betrieb einer Gastwirtschaft auf ihn übertragen. 1845 stellte der neue Besitzer den Antrag, auf dem sogenannten „Büchle“ bei Neuhaus eine Sommerwirtschaft mit dem Namen „Zum Rehmschuh“ betreiben zu dürfen. Diese Namensgebung wies auf die nach Neuhaus talwärts fahrenden Fuhrwerke hin, für die es Pflicht war, zur Sicherheit einen Radschuh anzulegen. Vor der Verwirk­ lichung seines Vorhabens starb Büche. Seine Witwe verkaufte 184 7 die Gastwirtschaft „Zur Krone“ an den Lindenwirt Johann Steuer von Kommingen. 1848 vernichtete ein Brand das ungenutzte „Neue Haus“. Bis 1854 wird Johann Nepomuk Riegger aus Hindelwangen als Besitzer der „Krone“ genannt, dem dann Jakob Maus aus Korn- 254 mingen folgte. Dessen Sohn Albert ver­ kaufte das Anwesen 1895/96 an Josef Fluk aus Nordhalden, und dessen Frau Karoline, eine Schwester von Albert Maus, war die Mutter von Albert Fluk und Großmutter des heutigen „Krone“-Besitzers Josef Fluk. Letz­ terer verlegte 1976 die Gastwirtschaft aus der 1836 gebauten „Krone“ in ein näher an der B 27 gelegenes Haus. Dieses wurde neu auf dem Platz errichtet, auf dem von Andreas Sauter 1839 in der Absicht, ein weiteres Wirtshaus zu ersteUen, das spätere Eltern­ haus von Gottfried Sauter gebaut worden war, dessen ausgezeichnete Chronik als Qielle für etliche Angaben in dieser Rück­ schau diente. Behaglichkeit ausstrahlend, steht das Gasthaus und Hotel „Krone“ an einem historischen Knotenpunkt angesichts des im Schatten urtümlicher Baumkronen ti:äumenden alten Gemäuers seiner Her­ kunft, an dem noch die Spuren der getilgten Gasthausschilder zu sehen sind. Nur die höhere Lage läßt das Neuzeitliche scheinbar darauf herabblicken; die gewählte Nähe gestattet, freundlich auf eine Entwicklung zurückzublicken. Jürgen Henckell * Altwiewersummer September du bisch wie ä reife Frau sanft un samtig isch de Himmel blau silberne Fäde hange in de Luft du verbreidesch en ganz b’sondere Duft leuchtende Farwe draisch du dezu s’Heidekraut sieht us wi lilane Schuh‘ d’Feme ganz in d’Nähe rickt wie d’Erinnerunge an Kindheitsglick mit dienere Schenheit verzauberesch die ganz Welt wie ä reife Frau, die Ebbis uf sich helt! Rose Renner *

Sport und Freizeit Schonach: Vom Skidorf zum Weltcup-Ort Der Ehrecytitel „Skidorf‘ wurde Schonach schon vor langer Zeit verliehen -damals, als „man“ sich in der Pionierzeit des Skisportes in Schonach zu den ersten Wettkämpfen traf. ,,Man“, das ist der Sammelbegriff für alles, was im Schwarzwald dieser Sportart huldigte, die ihre Wiege im Schwarzwald, in Todtnau nämlich, hatte. Es gab damals noch nicht die gravierenden Unterschiede zwi­ schen nordischem und alpinem Skisport. Man bewegte sich eben auf den hölzernen Brettern -ob bergauf oder bergab oder flach, das spielte nicht die entscheidende Rolle. Wer skifahren konnte, der konnte auch ski­ laufen und umgekehrt. Immerhin aber: Schon geländemäßig bedingt, neigte man im 255

Laufe der Zeit mehr und mehr zum „nordi­ schen“ (weil aus den skandinavischen Ur­ sprungsländern kommend) Teil dieser Sport­ art hin: Zur Skitouristik, zum Wandern auf Ski, aus dem der Langlauf schon früh als Wettkampfform entstand. Und für das Springen hatten die Schonacher auch bald viel übrig. Schonach wäre also eigentlich schon vor Jahrzehnten ein idealer Ort für die Nor­ dische Kombination gewesen. Sie wurde natürlich auch gepflegt und es gab schon früh bei verschiedenen Meisterschaften in Schonach diesen Wettbewerb. Bis Schonach aber zum „Spezial-Veranstalter“ der Nordi­ schen Kombination wurde, dauerte es lange. Bis dann eines Winters die Idee Gestalt annahm, zusammen mit der Skizunft Brend eine zunächst regionale, dann nationale und schließlich internationale Veranstaltung auf­ zuziehen. „Schonach-Neukirch“ wurde schon bald zu einem Begriff. Die Doppel­ veranstaltung mit der Kombination in Schonach und dem Langlauf in Neukirch erfreute sich von Jahr zu Jahr größerer Beliebtheit. Daß die „Ehe“ schließlich aus­ einanderging, war nicht auf Zerwürfnisse zurückzuführen, sondern einfach eine Maß­ nahme der Vernunft. Die Spezialisierung griff auch im Skisport mehr und mehr um sich. Die Kombinierer wurden eigenständig. Und auch Schonach wurde es. Man wollte mehr als nur ein Skifest. Dieses „Mehr“ hieß Schwarzwald-Pokal. Und Schonach hatte einen Glücksfall namens Ernst Sehmieder. Dieser außeror­ dentliche Organisator mit vielen guten Ver­ bindungen wurde zur Seele dieses Wettbe­ werbes, der als reine Kombinations-Konkur­ renz in unglaublich kurzer Zeit Weltruf erlangte. Er fand Gehör und großartige Mit­ arbeit im Ski-Club mit seinen verschiedenen Vorsitzenden. Und es gab einen zweiten Glücksfall: Bürgermeister Albert Haas. Er und sein Gemeinderat zogen mit, erkannten die Chance für Schonach, den Ort in aller Mund, und das weltweit, soweit es den Ski­ sport betraf, zu bringen. Der Schreiber dieser 256 Zeilen hatte Gelegenheit, im „Mekka des Ski­ sports“, am Holmenkollen über Oslo, bei den klassischen nordischen Veranstaltungen im schwedischen Falun oder im finnischen Lahti, bei Weltmeisterschaften und Olympi­ schen Spielen zu hören, wie man über Schonach und seinen Schwarzwald-Pokal denkt. Von Jahr zu Jahr mehr wurde dieser Wettbewerb als das größte Ereignis in der Nordischen Kombination in der ganzen Ski­ welt eingestuft. Selbst die Holmenkollen­ Spiele wurden vom Gehalt der Besetzung her vom Schonacher Wettbewerb übertroffen. Eines freilich fehlte dieser Nordischen Kombination: In den alpinen Disziplinen schon lange, dann im Langlauf, später im Springen gab es einen Weltcup, einen welt­ weiten Wettbewerb über die Dauer eines Winters, bei dem der Athlet Sieger wurde, der in der ganzen Saison die besten Resultate hatte. Endlich, beim Kongreß des Internatio­ nalen Skiverbandes (FIS) in Sidney, bekam auch die Kombination ihren Weltcup. Und es gab nicht den geringsten Zweifel daran, daß Schonach einer der Austragungsorte die­ ses Weltcups sein würde. Niemand konnte es wagen, Schonach nicht zu berücksichtigen. Die Aktiven und mit ihnen die Fachleute in aller Welt hätten zu einem Sturm der Ent­ rüstung geblasen, wäre die bestbesetzte Kombination nicht berücksichtigt worden. So kam es, daß Schonach in den Tagen vom 5. bis 8. Januar 1984 seine Weltcup-Pre­ miere erleben durfte. Worum sich die Ski­ Orte in aller Welt bei der Vergabe von Ver­ anstaltungen beinahe schlagen, das hatte Schonach dank seines guten Rufes durch den Schwarzwald-Pokal kampflos erhalten. Drei­ zehn Nationen schickten ihre besten Kombi­ nierer in den Schwarzwald, und es wurden prächtige Sporttage. Schon beim Springen auf der Langenwald-Schanze kamen die Zuschauer in den Genuß einer hervorragen­ den Konkurrenz. Geir Andersen aus Norwe­ gen gewann. Mit 91 Metern stand er die größte Weite des Tages, haltungsmäßig aber imponierte noch mehr sein 88-Meter­ Sprung. Wenn Sprungrichter bei einem

Kombinationswettbewerb dreimal 18 und zweimal 18,5 Punkte für einen Sprung geben, dann muß er schon außerordentlich sein. Und Andersen lobte die Schanze: „Sie ist wunderbar zu springen. Da kann man etwas riskieren.“ Mit 9 ;2 Punkten Rückstand wurde Gunter Sehmieder aus der DDR Zweiter vor dem kleinen Hubert Schwarz aus Oberaudorf und dem Studenten Thomas Müller aus Oberstdorf, der in Freiburg studiert. Man war gespannt auf den Langlauf am nächsten Tag im Skistadion mit Start und Ziel bei der Schule. Dieser Langlauf nahm einen Verlauf, wie er spannender nicht sein konnte. Und er brachte eine Sensation: Kerry Lynch aus den USA gewann zwar (bei der ersten Weltcup­ Kombination in Seefeld hatte er sich mit Uwe Dotzauer aus der DDR den Sieg geteilt), aber Thomas Müller lief ein begeisterndes Rennen. Nur 6,4 Sekunden war er langsamer als der Amerikaner, aber 23,5 Sekunden In einem Alter, in dem fast alle Sportler ihren Leistungszenit unwiderruflich über­ schritten haben, erlebt er seinen dritten „Hantel-Frühling“, gehört er als „Oldtimer“ noch immer zu den Leistungsträgern der Donaueschinger SV-Bundesliga-Gewichthe­ ber und war auch in der Saison 1983/84 einer der Garanten dafür, daß die einstige Gewicht­ heber-Hochburg in diesem Herbst nun schon in ihre 14. Bundesliga-Saison ohne Unterbrechung geht: Von Viktor Pacowsky ist die Rede, einer Ausnahmeerscheinung des Sports. Wenn er sich etwa im Stoßen noch immer 150 Kilogramm auflegen läßt, die drei Zent­ ner schwere Hantel mit ebensoviel Kraft wie Technik umsetzt und dann mit einem für ihn typischen Höchstmaß an Konzentration und Kampfgeist nach oben wuchtet, erleben die Fans bei den Heimkämpfen der blau-wei­ ßen Donaueschinger in der Turnhalle der schneller als Weltmeister Tom Sandberg aus Norwegen. Ein begeistert mitgehendes Publikum feierte den jungen Oberstdorfer, der Geir Andersen, dem besten Springer, 1.45,3 Minuten abgenommen hatte und damit vor dem Norweger und Kerry Lynch seinen ersten Sieg in einer Weltcup-Kombi­ nation feierte. Als abends im „Haus des Gastes“ die Sie­ ger geehrt und der sektgefüllte Schwarzwald­ Pokal zum ersten Mal geleert waren, konnte der Ski-Club Schonach wieder einmal stolz sein: Nach Schwarzwald-Pokal und Junio­ ren-Weltmeisterschaft hatte er auch die Welt­ cup-Premiere großartig hinter sich gebracht. Diese Wettkampftage brachten nicht nur Thomas Müller einen Sieg, sondern Schonach, dem Schwarzwald und der gan­ zen Bundesrepublik ein Lorbeerblatt. Die Skiwelt sprach von ihnen in Worten höch­ ster Anerkennung. Werner Kirchhofer Heinrich-Feurstein-Schule einen Schwerath­ leten, den es so in nur noch wenigen Exem­ plaren gibt. Denn Viktor Pacowsky ist 4 7 und immer noch kein bißchen müde. Der schwarzhaarige, schnauzbärtige SV­ Gewichtheber gehört zusammen mit Diet­ mar Ernst, Rainer Herr, Karl Rirnböck und Hans Schmidt zu jenem kleinen Kreis bun­ desdeutscher Spitzenheber, die in den Jahren 1974 und 1976 die Deutsche Gewichtheber­ Mannschaftsmeisterschaft nach Donau­ eschingen holten und 1978 als vorläufigen Abschluß jener Gewichtheber-Epoche, die Donaueschingen für fünf Jahre zum Top­ Team der bundesdeutschen Schwerathleten machte, noch einmal die Vizemeisterschaft; der Rekord, den sie mit 823,6 Kilopunkten damals aufstellten, steht heute noch. Viktor Pacowskys sportliche Erfolgs-Sta­ tionen decken sich zum Teil mit jenen seines beruflichen Wirkens; geboren im niederrhei-257 Viktor Pacowsky: Dritter „Hantel-Frühling“

nischen Moers, erlernte er in einem Bergwerk das Handwerk des Maschinenschlossers; 1965 sattelte er um, wurde Schwimm-Mei­ ster, ging nach Homberg und kam 1974 nach Titisee-Neustadt. Seit 1977 ist er nun Schwimm-Meister im städtischen Bad im schwäbischen Ruit und hält Donaueschin­ gen von dort aus gewichthebend die Treue. Zum Gewichtheben fand Pacowsky, der zuvor als Leichtathlet (,,von 100 bis 5000 Meter bin ich alles gelaufen“), Turner und Tischtennisspieler Erfolg gehabt hatte, über bereits hantelbegeisterte Kollegen: ,,Die haben mich mal mitgeschleift“, erinnert er sich an den Beginn seiner Karriere. Daß er damals „schon“ 19 war und kein früh hochge­ züchteter Kinder-Leistungssportler heutiger Provenienz, hat ihn nach seiner festen Über­ zeugung „im Alter“ vor frühen Sportverlet­ zungen bewahrt, vor raschem Verschleiß durch den Kraftsport Gewichtheben. fm Ver­ ein mit einer vernünftigen Lebensweise. hat der späte Beginn Viktor Pacowsky geholfen, seine Leistungshöhe fast unverändert zu erhalten; zweimal -1976 und 1980 -hatte er der Hantel bereits ade gesagt, zweimal stieg er wieder ein und packte nach intensivem, ja 258 zuweilen prompt wieder die früheren Lasten. selbstquälerischem Training, Schon ein Jahr nach seinem ersten Griff zum Gewicht qualifizierte sich Pacowsky 1957 für die Deutschen Meisterschaften; mit dem PSV Oberhausen stieg er dann in die Bundesliga auf. Landesmeistertitel holte er sich in Nordrhein-Westfalen ebenso wie in Baden-Württemberg; bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften stand er seit 1977 mittlerweile sechs Mal auf dem Zweikampf­ Treppchen ganz oben. Auch wenn ihn das Duell mit den eisernen Kilos mitunter sicht­ lich strapaziert, wenn er zitternd einen geris­ senen oder gestoßenen, geglückten Versuch stabilisiert, ehe er vom Kampfrichter das erlösende „Ab“ hört: Er, der so manchem Jungen noch eine Menge vormacht, läßt sich von kaum einem Gleichaltrigen besiegen. Auch der Bundesverband Deutscher Gewichtheber honorierte so viel Leistungs­ bereitschaft; er entsandte Viktor Pacowsky als Mitglied seiner Nationalmannschaft vor Jahren zum Dreiländerkampf mit Belgiern und Franzosen und vor allem zum „Baltic­ Cup“ nach Finnland, wo sich der drahtige Schwimm-Meister mit den Stars aus der

DDR und der Sowjetunion, aus Schweden, Norwegen und Polen sowie den gastgeben­ den Finnen maß. 290 Kilogramm, seine per­ sönliche Bestleistung im Zweikampf, wollen erst gehoben sein. Leistung freilich war für den für einen Schwerathleten eher schmächtig taillierten Viktor Pacowsky stets nur ein Teil seines Engagements im Sport. ,,Die Kameradschaft muß stimmen“, sagte er im Gespräch mit dem „Almanach“, ,,und die habe ich in Donaueschingen gefunden“. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich im Kreis der SV­ Gewichtheberabteilung stets wohlgefühlt habe, ließ er sich zweimal bewegen, sich das 1974 zum erstenmal getragene blau-weiße Trikot noch einmal überzustreifen. Daß er ein so untadeliger Kämpfer an der Hantel ist, Wolfgang Humble: Europa- und zweimal Deutscher Meister im Fechten daß er stets voll konzentriert ans Gewicht geht und meist zu den Hebern mit den wenigsten Fehlversuchen zählt, nennt er bescheiden „halt eine Mentalitätsfrage“. Auch in der Saison 1983/84 gehörte er wieder zu jenen Persönlichkeiten des Teams, deretwegen wieder mehr Gewichtheber­ Freunde zu den Heimkämpfen kamen als noch vor drei oder vier Jahren und sie zum Teil sogar zu den Auswärtskämpfen begleite­ ten. Und als er gefragt wurde, ob er sich auch für die Bundesliga-Saison 1984/85 zur Ver­ fügung stelle, da brauchte „der Viktor“ nicht lange nachzudenken oder gebeten werden, um noch einmal„einJahr dranzuhängen“. 48 wird er dann -und bringt noch immer mehr als 100 Kilopunkte. Gerhard Kiefer Wolfgang Humble -ein Gesprächspart­ ner, der im Dialog seine Worte leise und ver­ halten setzt -nach jedem Gedankengang eine Pause machend, abwartend, ob sein Gegenüber nicht doch die Wortführung übernehmen werde -dabei ein Sportler, der in der Auseinandersetzung mit der Klinge seinen Gegner mit blitzschnellen Angriffen attackiert, in die Enge treibt, Finten anbringt und Angriffe geschickt paradiert. Wer es mit ihm im Florettfechten zu tun hat, tut sich schwer und hat Mühe, erfolgreich zu sein. In den vielen Jahren seiner sportlichen Lauf­ bahn hat er es geschafft, eine ganze Reihe großer Erfolge in seinen Fechterpass eintra­ gen zu lassen. Zu seinen größten Leistungen zählen die Europameisterschaft im Florett und Degen der in Europa stationierten ame­ rikanischen Armee, in der er eine Zeitlang diente, und die erkämpfte Deutsche Meister­ schaft im Florett der Senioren im Jahre 1976 sowie der jüngste deutsche Meistertitel im Seniorenflorett des Jahres 1983. Für diejenigen, die in unserem Raum und in den angrenzenden Nachbarländern, im 259

Fechtsport zu Hause sind, hat der Name Hum b I e bedeutsamen Klang. Verbunden ist der Wohlklang dieses Namens einmal mit dem seiner Ehefrau Hannelore und zugleich mit dem Turn-und Sportverein Hüfingen, dessen bekannt rührige Fechtabteilung von beiden Ehepartnern Humble seit über einem Jahrzehnt erfolgreich geleitet und ausgebaut wurde. So lag es nahe, daß sich auf höherer als der Vereinsebene eine Mitarbeit für den Wahl-Hüfinger Wolfgang Humble anbot. Seit bereits zwölf Jahren ist er Gaufechtwart im Badischen Schwarzwald-Turngau. Vor einem Jahr gab er wegen allgemeiner Über­ lastung sein Amt als Jugendsportwart im Südbadischen Fechterbund auf. Der am 27. Dezember 1934 in Essen gebo­ rene Sportler absolvierte eine Kaufmanns­ lehre in Augsburg, wo er die ersten Kontakte zum Fechtsport über einen Arbeitskollegen knüpfte. Sein erster Lehrmeister war der in den 50er Jahren bekannte Fechtmeister Karl Striteski, der alle 14 Tage von München nach Augsburg fuhr und dort Lehrstunden im Fechten gab. Er legte bei dem damals jungen begeisterten Humble die Grundlagen für den von ihm gewählten Fechtsport. Bereits zwei Jahre danach – im Jahre 1935 – wurde Humble bayerischer Juniorenmeister im Flo­ rett, das zu seiner Lieblingswaffe wurde. Sein weiterer Lebensweg führte ihn mit seinen Eltern 1955 nach Texas und Kalifornien. Hier wurde er Soldat und kehrte nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1957 mit seiner Mutter nach Deutschland zurück. Zunächst im Lager Lechfeld stationiert, war sein fol­ gender Einsatzort Pforzheim. Bei Armee­ meisterschaften der im gesamten europäi­ schen Raum stationierten amerikanischen Truppen holte er sich 1960 die Meisterschaft im Florett und Degen. In Pforzheim be­ suchte er das Abend-Gymnasium, quittierte den Dienst bei der amerikanischen Armee und machte sein Abitur. Sportlich wieder engagiert, holte er sich zwei Badische Mei­ sterschaften in seiner Waffe, dem Florett. Beruflich folgten drei Jahre Pädagogische Hochschule in Karlsruhe. 260 Während eines Urlaubsaufenthaltes in der Schweiz lernte er die Hüfingerin Hanne­ lore Wölfle kennen, die er 1962 heiratete. Im Jahre 1969 nahm das junge Paar eine Woh­ nung in Hüfingen. Wolfgang Humble ist seitdem an der Bräunlinger Schule als Lehrer tätig und schloß sich der von Karl Pokorny in Hüfingen gegründeten Fechtabteilung des TuS an. Auch seine Frau Hannelore wußte er für sein Hobby Fechten zu begeistern. Beide gemeinsam leiteten die Hüfinger Fechtabtei­ lung in den siebziger Jahren. Die Erfolge der inzwischen kleinen Fech­ terhochburg Hüfingen gehen auf das Konto des fechtbegeisterten Ehepaares. Nicht selten lassen Spitzenleistungen von Jugendlichen und Aktiven, zu denen auch seit Jahren Tochter Linda zählt, aufhorchen. Vom Badi­ schen Sportbund erhielt Humble für seine ihm anvertrauten Schützlinge Schützenhilfe durch einen Fechtmeister. Seit Jahren kommt einmal in der Woche Maitre Auberd Sirjean in die kleine Baarstadt, um die Aus­ bildung talentierter Fechter mitzubestreiten. Die Bilanz von zwölf Gaumeistern und sie­ ben Vizemeistern im vergangenen Jahr spre­ chen für das erfolgreiche Wirken der Ausbil­ der und die Förderung des Nachwuchses. Der Arbeitsstil des Fechttrainers Humble mit den Jugendlichen ist ein antiautoritärer. Seine Art, die Zügel lang und locker zu füh­ ren, empfindet er selbst zuweilen als eigene Schwäche, spürt aber gleichzeitig, daß er gerade so „ankommt“ und daß man ihn gerade deshalb toleriert. Seine Gabe, seinen technisch hervorragenden Stil weitergeben zu können an seine Schüler, weiß man wohl zu schätzen. Viel Freiheit und Fröhlichkeit herrschen beim Übungsbetrieb. Es gab in der Vergangenheit viele Trainingsplätze: unter dem Dach des Rathauses, auf dem Flur der Turnhalle, weil drinnen der Platz ausgebucht war, im Heizungskeller der Turnhalle oder in Räumlichkeiten der Bräunlinger Schule. Wolfgang Humbles Traum ist, obwohl er sich in einer der zwei Hüfinger Turnhallen fest etablieren konnte, eine ihm stets aufge­ baute und zur Verfügung stehende Fechtbahn.

Die Fahrten des sich für Deutsche Mei­ sterschaften qualifizierten Nachwuchses gehen mit seinem eigenen privaten „Fuhr­ park“ in die verschiedensten Richtungen des Bundeslandes, wie Moers, Osnabrück oder nach Tauberbischofsheim. Bei der Reparatur der empfindlichen elektronischen Waffen macht er „Grobes“ im Keller, das „Feine“ anschließend in der Wohnung, wobei er von den früher handgeschmiedeten Klingen mit großer Elastizität und Stabilität mehr als von Teamgeist ist großgeschrieben beim Luftsportverein Blumberg Welche Stadt kann sich schon eines ver­ einseigenen Flugplatzes mit der Zulassung als Sonderlandeplatz für Motorflugzeuge bis zu 2000 Kilogramm Gewicht rühmen? Mit diesem erstaunlichen Freizeit-und (Flieger)­ Ferienangebot, das sich weithin eine ver- Erfüllter Traum vom Fliegen Ideales Fluggelände mit bestem Aufwind – ein attraktives Freizeitangebot der Stadt Blumberg den heutigen hält, die sehr schnell lahm wer­ den und brechen können. Gut gerüstet zu sein für wichtige und schwere Wettkämpfe ist seine Devise. Daß er auch selbst wieder dabei sein will, wenn es darum geht, die Klin­ gen zu kreuzen bei den Meisterschaften der Senioren in Bad Dürkheim, versichert er beim Auseinandergehen. Seine zahlreichen Trophäen in seinem Heim sprechen Bände. Isolde Weidenbach diente Anerkennung sicherte, besitzt die Stadt Blumberg neben der „Museumsbahn Wutachtal“ eine weitere Attraktion, die nicht nur für Inländer, sondern auch Ausländer ihre ungebrochene Anziehungskraft be­ weist. Der uralte Traum vom Fliegen, der den 261

sagenhaften Ikarus noch ins Ikarische Meer und den mutigen Schneider von Ulm in die Donau stürzen ließ, erfüllt sich, ohne der wachsschmelzenden Sonne zu nahe zu kom­ men und ohne die naive Lust, einen flügel­ schlagenden Vogel nachahmen zu wollen, für jung und alt auf dem Segelfluggelände und Sonderlandeplatz des Luftsportvereins e. V. Blumberg östlich der Bundesstraße 27. Gemeinschaftsgeist und -arbeit schufen hier im besten Aufwind ein ideales Flugge­ lände mit drei Hallen, einem reichbestückten Flugzeugpark, dem behaglichen Clubheim mit Tower, Werkstatt-und Schulungsräu­ men sowie allen notwendigen Geräten und Einrichtungen. Die Gemeinnützigkeit wird nicht zuletzt durch eine beispielhafte Jugendbetreuung und -förderung unterstri­ chen. Denn vor der Verwirklichung des Trau­ m es vom Fliegen, die ebenso wie die geschaf­ fenen Voraussetzungen in persönlichem Einsatz erarbeitet werden muß, stehen die vielschichtigen Ausbildungen und anzueig- nenden Handfertigkeiten. Für diese tech­ nische Reife sorgen versierte Ausbilder und Fluglehrer. Die in nun 28 Jahren erarbeiteten Millionenwerte erfordern eine ständige, ver­ antwortungsbewußte Pflege. Nichts darf läs­ sig nur mit der „linken Hand“ angepackt wer­ den, sondern mit der rechten, wenn diese die richtige ist. Teamgeist ist deshalb vonnöten, weil zum Fliegen nicht nur derjenige gehört, der fliegt, sondern außer ihm noch alle, die ihm aufeinander eingespielt dazu verhelfen. So ist der erstrebte und schließlich erreichte Alleinflug immer eine Sache der Hand-in­ Hand-Kameradschaft, eine täglich und oft­ mals stündlich wiederholte Erprobung der umfassenden, bis ins kleinste disziplinierten Verläßlichkeit und darum von einem erzie­ herischen Wert, der kaum hoch genug ver­ anschlagt werden kann. Keines der zehn Gründungsmitglieder vom 17. März 1957 -unter ihnen so erfahrene Flieger wie Fluglehrer Walter Kellermeier und die alten Junkerspiloten Flugkapitän Karl-Heinz Bernhard Kindermann und Adolf Böhme -hätte sich damals auch nur 262 im Traum den heutigen Rundblick vom eige­ nen kleinen Tower vorstellen können: Ein unter dem Stoberghang lebendig pulsieren­ des Flugsportgelände, besonders farbig wäh­ rend der herbstlichen Großveranstaltungen mit ihren atemberaubenden Vorführungen sport-und kunstfliegerischer Höchstleistun­ gen und ruhiger, doch von gleichbleibender Intensität im Fliegeralltag oder bei den Urlaubsaufenthalten von befreundeten Sportgruppen. Doch nach der ersten Testlan­ dung einer von Adolf Böhme geflogenen eidgenössischen Motormaschine im Früh­ jahr 1958 und bis zum heute rundherum funktionierenden Flugbetrieb mußte ein weiter, oftmals beschwerlicher Weg zurück­ gelegt werden, der kaum als reizvoller Flug­ weg, sondern als steinige Stolperpiste für das über die Maßen strapazierte Bodenpersonal bezeichnet werden konnte: Befristete Nut­ zung des Geländes und hinderliche Auf­ lagen, Schulflüge auf auswärtigen Flugplät­ zen; Instandsetzung des ersten, gekauften Segelflugzeuges »Doppelraab“, der vom technischen Fachmann Ciro Bralla geleitete Eigenbau einer Seilwinde; langwierige Ver­ handlungen in Sache des Geländekaufs durch die Stadt Blumberg, die sich besonders mit ihrem Bürgermeister Werner Gerber als Förderin des Projektes große Verdienste im Sinne eines reibungslosen Sportflugbetrie­ bes erwarb, und der Kauf einer alten Well­ blechhalle als Hangar für das bis dahin behelfsmäßig in einer Ortsscheune in de­ montiertem Zustand untergebrachte Schu­ lungsgerät kennzeichneten die Geburtswe­ hen in einer Schritt-für-Schritt-Entwicklung unter den von 1957 bis 1973 nacheinander amtierenden Vorsitzenden Karl-Heinz Bern­ hard Kindermann und Leonhard Treinen. Nach diesen grundlegenden Anfangen ging der weitere Ausbau der Flugplatzanla­ gen dank einem tatkräftigen Vorstand, mit dem ab März 1973 dynamisch organisieren­ den Vorsitzenden Stefan Scherer an der Spitze, durch die Anschaffung moderner Schul-und Übungsflugzeuge, mit entspre­ chenden Geräten und Einrichtungen, dem

Blick von oben auf den Flugplatz Blumberg. Freigegeben durch Regierungs-Präsidium Freiburg Nr. 71419 vom 4. 8.1983 Bau des mehrzweckdienlichen Clubheimes, der dringend notwendigen Herrichtung und Erweiterung des Fluggeländes sowie der Hal­ lenbauten zügig voran. Parallel mit dieser Entwicklung wuchsen die Mitgliederzahlen und damit die des Ausbildungspersonals, von dem -für alle anderen -nur der Ausbil­ dungsleiter Albert Heerwagen, die Fluglehrer Karl Gehrke, Walter Kellermeier, Klaus Pfalzgraf, Technischer Leiter Hans Vetter und Walter Seidel sowie als Spezialkräfte Erwin Freiwald und Peter Gburek genannt werden sollen. Auch Krisen bleiben beim Umfang dieses Projektes nicht aus. Meistens waren sie finanzieller Art. Doch dank den Erfolgen auch der gesellschaftlichen Ver­ anstaltungen, die wie die Fliegerbälle nun bereits Tradition sind, gelang es auch diese Hindernisse zu meistern. Flugtage seit 1964 und internationale Fallschirmspringen ab 1965 mit ihren wachsenden, in den gegebe- nen Größenordnungen beispiellosen Besu­ cherzahlen schufen alle Voraussetzungen für die landes-und sogar bundesweite Anerken­ nung dieses rührigen Luftsportvereins, der jetzt über sieben vereinseigene Segelflug­ zeuge unterschiedlicher Typen und eine Schleppmaschine verfügt, aber dazu die Unterstellmöglichkeiten für sechs private Segelflugzeuge und vier Motormaschinen, also für insgesamt 18 Flugzeuge besitzt und nutzt. Vom 10. bis 13. September 1982 feierte man im Rahmen großartig organisierter Flugtage mit internationaler Beteiligung das 2Sjährige Bestehen. Das aber ist heute schon wieder „Schnee von vorvorgestern“. Der Aufbauphase folgten die Ausbauphasen, und da es immer mehr Freunde der Luftfahrt gibt, besonders in der heranwachsenden Jugend, deren Betreuung die größte Auf­ merksamkeit gewidmet wird, ist kein Ende 263

der gemeinnützigen Arbeit im kamerad­ schaftlichen Miteinander abzusehen. Aber eben das macht die Lebendigkeit dieses Ver­ eines aus, der den uralten Traum vom Fliegen für jedermann erfüllt, wenn er einleuchtend Roland Mall: Als die Frauen laufen lernten lehrt, daß die besungene Freiheit über den Wolken nicht über die eigene Leistungs­ grenze hinaus grenzenlos sein darf. Jürgen Henckell Zum erstenmal liefen 1984 Frauen während Olympischer Spiele Marathon. Der erste Marathon der Welt eigens für Frauen hat 1968 beim Schwarzwald-Marathon stattge­ funden. Wir haben den Initiator, Dipl-Volks­ wirt Roland Mall, gebeten, Rückschau zu hal­ ten und auch seine persönliche Motivation darzulegen. Bereits im September 1945 hatte der Ver­ fasser das große Glück gehabt, den Stachel­ draht hinter sich gebracht zu haben. Somit war er schon bald an der Donauquelle in die Lage versetzt worden, ein sich selbst gegebe­ nes Versprechen aus den Tagen der Götter­ dämmerung im Endkampf um Berlin zu erfüllen: Damals, Ende April, hatte er nach einem russischen Feuerüberfall auf seine letzte Batteriestellung in Berlin aus seiner Deckung heraus ein etwa 1 Meter hohes, umzäumtes Bäumchen entdeckt. Auf einer Emailplakette war zu lesen gewesen: „Sieger­ eiche 1936 des Olympiasiegers H. Woellke, gefallen 1943 in Rußland“. Als seinerzeitiger Augenzeuge der Sieger­ leistung Woellkes in den berauschenden Ber­ liner Olympiatagen 1936 (Der Kugelstoßer Hanns Woellke war Olympiasieger, gewann 7 Deutsche Meisterschaften und stellte 5 deutsche Rekorde auf.) war der Verfasser nun 9 Jahre später mit demselben, jetzt aber bren­ nenden und zerfetzten Berlin konfrontiert worden. Dies hatte in ihm das Versprechen ausgelöst: „Wenn du jemals mit heilen Kno­ chen aus diesem Inferno herauskommst, dann wirst du dich für den Wiederaufbau des Sports einsetzen.“ Denn nur dem Sport konnte es seiner Ansicht nach gelingen, menschliche Kontakte auch über die Gren- 264 zen hinweg wiederherzustellen. Die Skiläufe­ rinnen bahnten den Weg. Zu Hause war es ihm dann schon bald mit einigen Gleichgesinnten gelungen, durch Bil­ dung der Sportvereinigung Donaueschingen mit 7 selbständigen Fachabteilungen dem heimischen Sport eine gesunde entwick­ lungsfähige Basis zu geben. In diesem Ver­ ein war er aber nicht nur Vorsitzender, er war auch in den Abteilungen Leichtathletik, Ski und Schwimmen aktiv und als Sportwart tätig. Und gerade die Tätigkeit als Sportwart des Skiclubs 1900 sollte ihn in den sechziger

auf den Gedanken bringen, Jahren nicht nur einen Männermarathon, sondern auch erstmals in der Geschichte des Sports einen Frauenmarathon auszuschreiben. Zu dieser Zeit war nämlich im Deutschen Ski­ verband der Langstreckensport auch der Frauen schon ein sogenannter alter Hut. Bereits 1951 hatte es hier im Schwarzwald die erste Deutsche Skimeisterschaft im Damen­ Skilanglauf gegeben, wobei die Donau­ eschinger übrigens die Vizemeisterin gestellt hatten. Auch später waren die hiesigen Mäd­ chen mit Deutschen und Schwarzwaldmei­ sterschaften erfolgreich gewesen und hatten sogar internationale Erfahrungen sammeln können. Derartige Erfolge wären natürlich ohne Vorbereitung mit Feld-, Wald-und Wiesenläufen in der schneelosen Zeit nicht möglich gewesen. Und gerade dabei war aufgefallen, daß das weibliche Geschlecht nicht, wie angenom­ men, weniger, sondern mindestens genauso belastbar gewesen war, wie das männliche. Warum also sollten die Frauen bei dem ge­ planten Marathonvorhaben ausgeschlossen werden? Allerdings gab es dabei einen gro­ ßen Haken: Er bestand darin, daß die erste Ausschreibung eines Frauenmarathons ille­ gal war, nämlich weder durch nationale noch durch internationale Regeln gedeckt war. Würde es bei diesem Vorhaben zu gesund­ heitlichen Schäden von Frauen kommen, dann stand dem Vereinsvorstand und Orga­ nisationschef nicht nur der Staatsanwalt, sondern auch noch der Zivilrichter ins Haus. Die Tatsache anzuführen, daß schon früher gelegentlich die eine oder andere Frau teils mit teils ohne Wissen des Veranstalters an einem Marathon teilgenommen hatte, konn­ te dabei ebensowenig etwas nützen wie der Hinweis auf die Ausdauerleistung der Ski­ damen. Waren diese doch über weit kürzere Strecken erbracht worden. Die Sportärzte schwiegen. Um daher im Ernstfall nicht ganz ungedeckt dazustehen, informierte man einige Sportärzte mit Hin­ weis auf die Ski-Langläuferinnen über das Donaueschinger Vorhaben und bat um Stel- lungnahme, Erfolg: Schweigen im Walde. Darauf bemühte man sich, das Vorhaben beim DLV-Volkslauf unterzubringen. Aber auch dieser Plan mußte scheitern. Dort waren derart lange Strecken nicht im Pro­ gramm. Um nun das Risiko eines Strafverfahrens und einer womöglich noch folgenschweren Zivilklage auf das Niedrigste herunterzu­ schrauben, mußte man als erstes das Zeitli­ mit in der Ausschreibung sehr großzügig bemessen. Weiter enthielt die Ausschrei­ bung eine Einteilung des Starterfeldes in 4 Altersklassen laut DLV-Vorschrift und den Passus des Haftungsausschlusses für alle Schäden, also auch für solche gesundheitli­ cher Art. Das letzte hätte aber im Ernstfall wegen der Illegalität der Veranstaltung auch nichts genützt … Dann aber wurde auch nur die Lokalpresse von dem Vorhaben benach­ richtigt. Eingedenk des Schlagworts, daß für die Presse schlechte Nachrichten gute Nachrichten und somit ein gefundenes Fres­ sen sind, sollte weitgehend vermieden wer­ den, daß ein möglicher Kollaps einer Athle­ tin am nächsten Tag den ganzen deutschen Blätterwald zum Rauschen bringen könne. Dies wäre das Signal für den ersten und letz­ ten Frauenmarathon auf lange Zeit gewesen. Mit keinem Wort war bei dem seinerzeiti­ gen Vereinsantrag auf Veranstaltungsgeneh­ migung durch den DLV von dem geplanten Frauenstart die Rede gewesen. Nicht einmal der Badische Leichtathletik-Verband wußte etwas davon. Im gegenteiligen Fall hätte man mit einem Verbot expressis verbis rechnen müssen. So hatte sich die DLV-Genehmi­ gung nur auf den Männerlauf bezogen. Die­ ser Genehmigungsvermerk war indes auf der Ausschreibung so plaziert worden, daß Nichtinformierte meinen mußten, dieser gälte auch für den Frauenmarathon. Der Ausschreibungsversand selbst erfolg­ te mit Schwerpunkt gezielt an die Skiclubs. Dies schon deswegen, weil es damals im Leichtathletik-oder Turnerlager ja noch gar keine Langstrecklerinnen gegeben hatte. Hierbei war die Geschäftsstelle des Skiver-265

bands Schwarzwald in Freiburg i. Br. eine wertvolle Hilfe gewesen. Auch hatte man von dort noch ausländische einige Adressen erhalten können. Dem Skisport war es also zu verdanken gewesen, daß man am 6. Oktober 1968 beim ersten Marathon der Frauen in der Sportge­ schichte 51 Frauen aus 5 Nationen am Start hatte. Zudem hatte DSV-Bundestrainer Hitz eine Gruppe aus der Elite der deutschen Ski­ Langlaufdamen nach Bräunlingen bei Donaueschingen an den Start geschickt. Darunter waren mit Endler und Rothfuß die letztjährige Deutsche-und die Vizemeiste­ rin. Wie sehr dieser erste Frauenmarathon im Jahre 1968 unter der Patenschaft des Ski­ sports gestanden hatte, ging auch daraus her­ vor, daß auch bei der Siegerehrung als Tages­ beste zunächst Endler und Rothfuß genannt worden waren. Daß aber die in der Alters­ klasse II gestartete und dort siegreiche Flach­ länderin Marthel von dem Berge aus Mün­ ster/Westf. Tagessiegerin und damit die erste Marathonsiegerin in der Sportgeschichte überhaupt gewesen war, hatte sich peinli­ cherweise erst einige Minuten später heraus­ gestellt. Die Veranstaltung selbst war völlig rei­ bungslos verlaufen, wenn man von der Tat­ sache absieht, daß in der Nacht zuvor ein Sandsteinbruch bei Kilometer 25 auf die Strecke abgerutscht war. Dies hatte kurzfri­ stig eine steile Umleitung mit einigen hun­ dert Metern Streckenverlängerung nötig gemacht. Dennoch hat man den Waldrund­ kurs in all den Folgejahren nur unwesentlich verändert beibehalten. Bei den Athleten und Läuferinnen ist er derart populär geworden, daß er sich auch im Vergleich mit den inzwi­ schen kapitalstarken aufgekommenen, Stadtläufen gut behaupten konnte.1983 hat­ ten doch immerhin noch 2324 Athleten ihre Meldung abgegeben. Natürlich ist dem DLV das Unternehmen der Schwarzwälder nicht verborgen geblie­ ben. Doch da ein späteres Veto genauso aus­ geblieben war wie eine gravierende Frauen­ ausfallziffer, hatte man bereits im November 266 1970 den Antrag aufDLV-Genehmigung des Frauenlaufs gestellt. Es zeugt von dem auf­ geschlossenen Sinn des damaligen DLV­ Sportwarts Fallak, daß er diesem Antrag am 27. Januar 1971 entsprochen hat. Somit ist der D LV im ganzen internationalen Verbands­ sektor der erste Landesverband gewesen, der einen Frauenmarathon genehmigt hat. Wesentliche Verbandsimpulse dazu waren aber auch von den DLV-Vizepräsidenten Ilse Bechthold, Frankfurt, und Helmut Rang, Karlsruhe, ausgegangen. Speziell die Erstge­ nannte hat sich dadurch in das Buch der Sportgeschichte eingeschrieben, daß sie gegen den massivsten Widerstand anderer Landesverbände den Langstreckensport der Frauen für den ganzen IAAF-Bereich durch­ gedrückt hatte. Heute ist sie Präsidentin des IAAF-Frauenrats. Schon 1972 wurde noch ein weiterer Markstein gesetzt. Die sprunghaft angestie­ genen Teilnehmerziffern, die den Schwarz­ wald-Marathon zeitweilig zum beteiligungs­ stärksten Marathon der Welt gemacht hat­ ten, hatte die Donaueschinger veranlaßt, erstmals in der Sportgeschichte eine Vereins­ veranstaltung mit EDV auszustatten. Beim Schwarzwaldmarathon nahmen schon bald die Frauenmeldungen eine drei­ stellige Ziffer an. Davon hat dann auch Dr. van Aaken profitieren können, der über die Entwicklung im Schwarzwald von seinem Mitarbeiter Meinrad Nägele stets informiert worden war. Denn als bei seinem ersten Frauenmarathon 1973 in Waldniel nur drei Meldungen bei Nennungsschluß vorgelegen hatteni.wurden die Schwarzwälder dringend um Ubersendung ihrer Karteiadressen ersucht. Die entsprechende Reaktion hat dann schließlich nach Worten Dr. van Aakens dazu beigetragen, den dortigen Frauenmarathon doch noch über die Bühne zu bringen. Im Jahr darauf, 1974, wurde beim 7. Inter­ nationalen Schwarzwald-Marathon, eben­ falls erstmals in der Sportgeschichte, ein ver­ bandsoffizieller Ländervergleichskampf der Frauen im Marathonlauf ausgetragen. Dazu

Der Femskiwanderweg Schonach-Belchen Per Langlaufski einhundert Kilometer durch den südlichen Schwarzwald waren die Läuferinnen vom Schweizerischen und Deutschen Leichtathletikverband no­ miniert worden. Das Kuriosum, daß dabei die deutschen Läuferinnen in Zeitaddition mit einer Sekunde Vorsprung gewonnen haben, wird sich so bald nicht wiederholen. 1975 war es dann so weit, daß der DLV als erster Verband in Europa und als zweiter nach den USA die erste Nationale Meister- Es gibt ihn erst seit ein paar Wintern, und doch genießt er unter Skilangläufern und Skiwanderern bereits einen legendären Ruf, vergleichbar dem Westweg der Sommer­ wanderer von Pforzheim nach Basel. Der Fernskiwanderweg von Schonach auf den Belchen ist im Begriff, zum Skiklassiker, zur ,,Haute Route“ des Skiwanderns zu werden. Der Langlaufboom, der auf den Rund­ loipen mitunter schon zu Gedränge und Parkplatznot führt, hatte Anlaß zur Frage gegeben: Wie kann verhütet werden ange­ sichts der Massen der in die Langlaufspur drängenden Skijünger, daß den Individua­ listen unter den Skiläufern die Lust am Laufen vergeht? Unter dieser Fragestellung formierte sich 1974 in Freiburg eine ,,Arbeits­ gemeinschaft Skiwanderwege Schwarzwald“, in der sich nahezu alle am Skiwandern inte­ ressierten Verbände und Organisationen zusammengefunden haben. Die Idee war bestechend einfach: Um den Skilanglaufbetrieb zu entzerren, ver­ knüpfe man die schönsten und schneesicher­ sten Rundloipen des Südschwarzwaldes mit­ einander mittels eines durchgehend mar­ kierten und regelmäßig präparierten Skiwan­ derwegs. Das zusätzliche Angebot an Lauf­ strecke sollte sowohl die Rundloipen ent­ lasten, als auch die Läufermassen kanalisieren; um so unberührter sollten die noch nicht von Loipen erschlossenen Höhengebiete schaft der Frauen im Marathonlauf aus­ geschrieben hat. Die Pionierleistungen der Schwarzwälder wurden dabei insofern hono­ riert, als man an sie die Ausrichtung dieser ersten Frauenmarathon-Meisterschaft ver­ geben hatte. Aus „Condition 1/84″, Zeitschrift für Langstrek­ kenlauf, Wuppertal. bleiben. Die Voraussetzungen für diesen Plan waren im Südschwarzwald geradezu ideal: ein durchgehender Höhenzug bot sich an, ausreichend schneesicher und (noch?) nicht allzu oft von Straßen-und Lifttrassen unter­ brochen. Langläufer mögen es abwechs­ lungsreich: Wie der Laufrhythmus im Auf und Ab des Geländes, so wechseln die Land­ schaftsbilder auf den hundert Kilometern; inszeniert in einem großen Spannungsbogen mit dramaturgischer Steigerung der Höhe­ punkte zum Belchen hin. Gestartet wird im „nordischen Skidorf Nummer eins“, im Skistadion der Gemeinde Schonach, wo sich alljährlich die besten Kombinierer der Welt ein Stelldichein geben. AufSchonacher und Schönwälder Loipen geht es hinauf zum Langlaufzentrum Martinska­ pelle, dann, der europäischen Wasserscheide folgend, über die Loipen von Neukirch und Waldau hinüber zur Thurnerspur, dem älte­ sten und wohl auch bekanntesten Langlauf­ zentrum der Bundesrepublik. Weiter durch Hinterzarten und auf dem einzigen maschi­ nell nicht präparierbaren Teilstück hinauf auf den windverblasenen Grüblesattel des Feld­ bergs, wo mit1422 Höhenmetern der höchste Punkt der Wanderung erreicht wird. Die ersten sechzig Kilometer von Schonach bis Hinterzarten sind identisch mit der Wett­ kampfstrecke des Schwarzwälder Skimara­ thons, der populärsten Langlaufveranstal­ tung hierzulande. 267

Vom breiten Rücken des Feldbergs gleiten wir auf der Stübenwasenspur zum Langlauf­ zentrum Notschrei hinab, wo pro Winter schon an die einhundertfünfzigtausend Langläufer gezählt wurden; jenseits des Not­ schreipasses führt uns die Schauinslandspur weiter in Richtung Wiedener Eck. In sausen­ der Talfahrt passieren wir hier prachtvolle Weidbuchen und queren den steilen Ein­ hang des obersten Münstertals. In Reich­ weite alpiner Skiarenen gilt es nun, den letz­ ten schweren Anstieg zum Langlaufzentrum Hohtann hinauf zu bewältigen, ehe wir nach langgezogener, erholsamer Abfahrt unser Ziel in Multen am Belchen erreichen. Nur guten Abfahrern sei die Besteigung des Belchengipfels empfohlen, des zweithöch­ sten und markantesten Schwarzwaldbergs, dessen Flanken teilweise alpinen Charakter haben. Zusammen mit den Wintersportgemein­ den und mit der Forstverwaltung sorgt die Arbeitsgemeinschaft mit den Beiträgen ihrer Mitglieder für die sorgfältige Markierung und regelmäßige Wartung der langen Strecke; sie gibt auch einen kleinen handlichen Führer mit Übersichtsplan heraus, der alle wichtigen Informationen enthält, die zur Vorbereitung und Durchführung der großen Tour benö­ tigt werden. Die Beliebtheit des Wanderwegs zeigt sich nicht zuletzt in der Tatsache, daß der Führer bereits in siebter Auflage erscheinen konnte. Wer die Wanderung plant, der sollte Je nach Können und Kondition mindestens drei Tagesetappen einplanen. Wer sich Zeit lassen kann, der beziehe die zahlreichen zusätzlichen Varianten auf den Rundloipen noch mit ein oder leiste sich auch den Ab­ stecher zum Schluchsee hinüber. So läßt es sich zehn und mehr Tage durch den Schwarz­ waldwinter wandern – ohne nennenswerte Wiederholungen. Dem i das Tüpfelchen auf­ gesetzt haben – was Serviceleistung anbe­ trifft – die Wirte der unmittelbar an der Strecke liegenden Gasthäuser und Hotels: Etappenweise chauffieren sie ihren Gästen das Gepäck hinterher. 268 Allerdings werden die Organisatoren des Fernskiwanderwegs nicht müde, die Läufer immer wieder darauf hinzuweisen, daß zu­ mindest ein Leichtrucksäcklein mit Notver­ pflegung und Kälteschutz allzeit am Mann sein sollte. Die Tücke des Schwarzwald­ winters besteht nicht so sehr in den ver­ steckten Fußangeln der Weidezäune und deren haftungsrechtlichen Folgen, wie sie unlängst die obersten Gerichte des Landes beschäftigt haben. Nebel und Schneestürme sind allemal tückischer, werden sie doch selbst von den Einheimischen immer wieder unterschätzt. Risiken birgt insbesondere die Überquerung des Feldbergmassivs, wo sich schon so manches Drama abgespielt hat. Die Tour wird daher grundsätzlich nur ge­ übten Läufern empfohlen; ihre Gesamtstei­ gung beträgt rund zweieinhalbtausend Höhenmeter, und auch die Abfahrten stellen – zumal bei Harsch und Eis – allerhand An­ forderungen. Als Werbung für ihren Fernskiwanderweg, aber auch für das sportliche Skiwandern mit dem geschulterten Rucksack (das den Ak­ tionsradius, die Unabhängigkeit und Sicher­ heit der Läufer erhöht) hat sich die Arbeits­ gemeinschaft noch etwas ganz und gar Aus­ gefallenes einfallen lassen: Alljährlich ver­ anstaltet sie den „100-Kilometer-Rucksack­ lauf um den Wäldercup“, der an einem ein­ zigen Tag über die volle Distanz von Schon­ ach zum Belchen führt. Anders als bei Volks­ skiläufen mit ihrem immer üppigeren Service, mit ihrer immer aufwendigeren Organisation, sind die Teilnehmer hier gänzlich auf sich selbst gestellt. Verpflegung, Wachs und Wäsche, für den Notfall auch Führer und Taschenlampe, trägt jedermann mit sich auf dem Rücken, so schreibt es das Reglement vor. Der Rucksack hat am Start zumindest vier, im Ziel noch drei Kilo zu wiegen. Um zu verhindern, daß unzureichend trainierte Läufer sich nächtens noch gen Belchen quä­ len, sind Limitzeiten einzuhalten: Wer Hin­ terzarten nicht in fünf, den Notschrei nicht in acht und das Ziel in Multen nicht in zehn Stunden erreicht hat, der scheidet aus.

Für den Olympiasieger von Squaw Valley 1960, den Weltmeister und vielfachen Hol­ menkollensieger, für Hinterzartens Georg Thoma, der sich bekanntlich noch immer einer unvergleichlichen Popularität und einer um nichts geringeren Kondition er­ freut, ist dieses Rennen nicht nur das längste seiner langen sportlichen Laufbahn, sondern auch das schönste überhaupt. Für den Ski­ wanderer, der sich, die Natur genießend, belchenwärts bewegt, sind dies schlechter­ dings unfaßbare Zeiten. Der Fernskiwanderweg ist von Schonach zum Belchen, also nur in einer Laufrichtung markiert. Übernachtung und Rückreise er­ fordern daher ein Mindestmaß an Organi­ sationstalent. Lohn der Mühen: Mit wach­ sendem Abstand zum abgestellten Wagen, mit zunehmender Intensität der Ausein­ andersetzung mit der Landschaft und dem eigenen, strapazierten Körper vergrößert sich auch der Abstand zum Alltag, zum skifahre­ rischen Einerlei der üblichen Sonntagsunter­ nehmungen. Gefragt ist mehr denn je ein Hauch von Abenteuer. WolfHockenjos. * Ich kann ihn drehn und wenden, es bleibt dasselbe doch: der Strumpf in meinen Händen hat ein perfides Loch, und einer meiner Nägel, der mit dem Zackenriß, war sicherlich der Flegel, der meinen Strumpf zerbiß. Nun sitze ich verdrossen vor meinem Unikat, das einst den Fuß umschlossen und denk, es wäre schad, ihn wegen einiger Fädchen, die fehlen, wegzutun. Ich geb ihn meinem Mädchen; die läßt der Fall nicht ruhn. Das Loch 270 Doch wenn sie sich nun weigert? Dann will ich doch mal sehn, wie so ein Loch sich steigert, und weiter mit ihm gehn. Dann wird das Loch sich weiten, die Ferse kommt hinzu, und beide Löcher streiten sich bitterlich im Schuh nur durch den Wunsch verbunden, das größre Loch zu sein, bis beide sich gefunden – dann höm sie auf zu sein. Nackt muß auf voller Breite mein Fuß am Boden stehn, nur auf der Oberseite ist Socke noch zu sehn wie eine schmale Nehrung, die sich im Sturm noch hält – bis einer Letzten Zehrung auch dieses Bollwerk fällt. Kein Fädchen wird gefunden, ist mit dem letzten Rand sogar das Loch verschwunden, das sich dort einst befand. Wo ist der Strumpf geblieben, verschwand er mit dem Loch? Er ward zu Staub zerrieben und existiert so noch! Ein tröstlicher Gedanke, daß er hemiederfällt und -etwa auf dem Schranke – mir noch die Treue hält. Ulrich Stratmann Mit freundlicher Genehmigung ent­ nommen dem im Selbstverlag von Sigrid Stratmann, Villingen-Schwenningen, her­ ausgebrachten Lyrikbändchen „Ein jeder weiß, die Ziege weidet … “

Unsere Dichter und Schriftsteller Mit Caesar leben Er saß auf hohem Roß, der feingliedrige, durchgeistigte Caesar, der stolze Römer, und hörte sich an, was der Suebenfürst Ariovist ihm zu sagen hatte, ebenfalls vom hohen Roß aus. Dieser, bärtig, bärbeißig, grob, rauh­ bauzig, unterstrich seine Ausführungen mit einer Handbewegung – die bedeutsame Erfindung der Sprechblase war damals noch weniger in Gebrauch – als wollte er wie einer seiner späten Nachfahren auf gut Deutsch, besser: auf gut Schwäbisch fragen, ob er seine Knochen in der Schlinge heimtragen wolle. Wenn je ein Schwabe wacker war … Aber der Gegner rührte sich nicht von der Stelle. So reden also feindliche Feldherren vor der Schlacht miteinander. So machen Män­ ner Geschichte: dargestellt im Lateinbuch für Sextaner zur Illustration des Lehrstücks: Caesar verhandelt mit Ariovist – meine frü­ heste Begegnung mit Caesar. Ave Caesar! Das gleiche Buch berichtete auch – latei­ nisch (versteht sich) – von den Umständen seiner Ermordung. Diese Lektion hätte ich für die Privatstunde beim Dorfpfarrer vor­ bereiten sollen. Doch ich sagte mir: „Ich habe ihn nicht umgebracht, ich kann ihn auch nicht mehr ins Leben zurückrufen“ und tat nichts. Als ich dann für die ersten Sätze eine gute halbe Stunde brauchte, brach auch der sonst so reißfeste Geduldsfaden meines Pfar­ rers, und er meinte:“ Wenn das so weitergeht, bringen wir den Caesar heute nicht mehr um. “ Allerdings war das erst der Anfang. Wie oft begegneten wir ihm noch im Laufe vieler Gymnasialjahre in Merksätzen für die Gram­ matik und in Stilübungen! Caesar am frühen Morgen, Caesar am späten Abend, Caesar im Sommer, Caesar im Winter. Ja, ein Jahr war ihm gleich ganz und gar gewidmet, da lasen wir eines seiner Werke: „Der Gallische Krieg“. Kürzlich kam er mir wieder in die Hände, und mit ihm stieg der ganze Zauber der Tertia wieder auf. Lang ist’s her und den­ noch wie frisch in der Erinnerung! Er hatte unsere Zuneigung, obwohl er es uns mit seinen langen, verschachtelten Sät­ zen nicht immer leicht machte. Aber wir hat­ ten Glück. Es half uns dabei ein Lehrer, ein Schulmann mit Leib und Seele, ein Meister seines Fachs, Veteran des Ersten Weltkrieges obendrein, der nicht wie ein Blinder von der Farbe sprach, der wußte, was tagelanges Mar­ schieren, Hunger und Erschöpfung, was Angst und Kampf bedeutet und wie ein Schlachtfeld aussieht.Nein, Militaristen wur­ den wir nicht, der Kampf mit Vokabeln und Grammatik genügte uns, unsere „Kriegsbe­ geisterung“ beschränkte sich auf die Sympa­ thie mal für die eine, mal für die andere Seite. Wir halfen Caesar die Pfahlbrücke über den Rhein bauen, in den Augen unserer ger­ manischen Vorfahren eine technische Groß­ tat, ein Weltwunder, ein Jahrhundertereignis. Wir lachten über eine merkwürdige Art von Tieren in Germaniens Wäldern, die keine Gelenke in den Beinen hatten und sich zum Schlafen an einen Baum lehnen mußten – rechte Mondkälber, von denen Caesar gehört hatte und als biologische Absonder­ lichkeit seinen römischen Landsleuten vor­ stellte. Auch große Männer saßen Enten auf. Wir kehrten auf schwankenden Schiffen wieder von Britannien auf den Kontinent zurück. Wir kannten uns allmählich ganz gut in Gallien aus, nachdem wir aus gehöriger Entfernung bei der Niederringung aller Stämme zugesehen hatten. Ob wir uns alle über die weltgeschichtliche Bedeutung dieses Unternehmens klar waren, weiß ich heute nicht mehr zu sagen. Wahrscheinlich ist uns das Verständnis dafür erst später gekommen. 271

,,Quibus rebus cognitis“ (nach so viel Wis­ sen) und mit Gottes Hilfe in der Oberstufe des Gymnasiums angekommen, ieschah etwas Denkwürdiges, der Nachwelt Überlie­ fernswertes. Nach so viel Anstrengung reg­ ten einige Schüler eine Caesar-Feierstunde an, sein 2000. Todesjahr durfte nicht wie jedes andere vorübergehen. Sie beantragten – vom Geist erfaßt -auf der Direktion, wäh­ rend der Unterrichtszeit den Iden des März 44 v. Chr. eine Gedenkstunde zu widmen mit Darbietungen des Schulorchesters, Vor­ trägen von Schülern, der Rede des Antonius aus Shakespeares Julius Caesar“ und einem Hauptreferat, das ein Lehrer übernehmen sollte. Sie fanden Zustimmung, die Ver­ anstaltung wurde durchgeführt und war eine der besten während der ganzen Schulzeit. Die Gedenkrede hielt der Direktor persön­ lich und es war eine gute. Jahre später wollte es der Zufall, daß ich Ich bin ein einfacher Mann. Könnt‘ ich lesen und schreiben, würde ich aufzeichnen, was mir an jenem Tage vor dem Sabbat-wir Juden nennen ihn Rüsttag -dort in Jerusa­ lem begegnet ist. Noch immer kann ich’s nicht glauben, daß ich damals plötzlich ein anderer geworden bin und Haus und Acker verlassen habe, um einem Manne nachzufol­ gen, den sie ans Kreuz schlugen und verlach­ ten. -Aber wozu grübeln: es muß mir wohl bestimmt gewesen sein, IHM zu begegnen, den sie den Nazarener nannten und dem ich einfach helfen mußte, ob ich wollte oder nicht. -Bin ja nur ein einfacher Bauer, der besser mit der Harke umgehen kann als mit dem Schreibgriffel. Aber vielleicht dünkt es einen doch wichtig genug, später einmal auf­ zuzeichnen, was ich so recht und schlecht erzähle. Weiß ja auch die Rede nicht so zu setzen, daß sie schön und gerad hinläuft wie eine Ackerfurche unter der Pflugschar. Das 272 Simon von Cyrene, der den Kreuzweg erlebte Von Max Rieple t im Studium, um Fleiß und wissenschaftli­ ches Verständnis nachzuweisen, mit den Künsten der Philologie untersuchen sollte, welche propagandistische Wirkung seine Schrift in Rom erzeugen mußte. Das war gar nicht so einfach. Bei dieser Gelegenheit wurde ich mit einem Aufsatz eines bedeuten­ den Historikers bekannt, der die mutige These vertrat, Caesar habe gar nicht das For­ mat eines Staatsmannes gehabt. Eine Überra­ schung -nicht nur für mich. Doch dieses Schicksal teilt er mit vielen, die als Große der Weltgeschichte galten. Darum sei den Großen ins Stammbuch geschrieben: Nehmt Euch in acht, Ihr Gro­ ßen, Ihr Größen! Noch ist nicht aller Tage Abend, und das letzte Wort über Euch ist noch lange nicht gesprochen. Eines fernen Tages steht ein Historiker auf und bestreitet Euch alle Größe, und Ihr Ersten werdet die Karl Volk Letzten sein. versteht unsereins, der sein Leben lang schin­ den und schaffen mußte, nicht. Sie nennen mich den Cyrenäer, als ob es etwas Besonde­ res wäre, daß ich aus Cyrenaika stamme. Bin deswegen doch nur ein armer Landmann geblieben. Oder kann man das vielleicht reich nennen, wenn man zwei steinige Äcker besitzt, und im Stall ein paar magere Ziegen stehen und ein einziges Zicklein? -Aber ich komme aus der Reihe. Es ist mit dem Erzäh­ len wie mit dem Pflügen: wenn man nicht aufpaßt -schon ist die Furche krumm. Am Rüsttag,glso war’s, als ich mit meinem Zicklein nach Jerusalem zum Markte ging. Die Sonne brannte heiß, und das Tier zerrte an seinem Strick, als ahne es, daß es verkauft werden solle. War ein furchtbares Drängen und Schieben auf dem Markt. Da und dort standen die Menschen in Gruppen herum und redeten aufgeregt miteinander von einem Nazarener, wie ich hörte, und daß man ihn zum Kreuzestod verurteilt habe.

Was geht das dich an, dachte ich. Lieber wär’s mir, wenn einer mein Zicklein kaufen würde und ich rechtzeitig heimkäme. Und wie ich so den Gewinn überschlage, höre ich, wie neben mir einer sagt: „War nicht klug von dem Nazarener, daß er den Hoben Priestern ins Gesicht schleuderte, er sei Gottes Sohn“. Und ein anderer meinte: „Schlimmer noch, daß er sich beim Verhör dem römischen Statthalter Pilatus gegenüber als König auf­ spielte. So was durften die Herren aus Rom nicht ungestraft hinnehmen, wollen sie es nicht mit dem Volke oder gar mit dem Kaiser verderben“. Ich verstand das alles nicht so recht Hab mich ja nie um Politik geküm­ mert, es ist mir in Cyrene und unter König Herodes auch nicht besser oder schlechter gegangen als unter den römischen Statthal­ tern. Also hörte ich auch nimmer weiter zu. Indessen kam auch schon einer und fragte mich, was das magere Zicklein kosten solle. Ich war es leid, noch länger in der sengenden Hitze herumzustehen, und so nannte ich einen so niederen Preis, daß ich mich heute noch darüber ärgern könnte, wenn ich nicht … Aber wie gesagt, ich wollte nach Hause, und überdies leerte sich der Markt zuse­ hends. Männer und Frauen drängten sich zum Stadttor, durch das es hinaus geht nach Golgatha. Ich griff mir meinen Knotenstock und dachte, wo so viele hinrennen, gibt’s sicher was zu sehen. Noch heute frage ich mich manchmal, warum ich damals nicht lie­ ber nach Hause gegangen bin. Was war es wohl, das mich trieb, dem Zug auf einer klei­ nen Seitengasse den Weg abzuschneiden, so daß ich ihn am Stadttor wieder erreichte. Hatte der Nazarener damals schon solche Gewalt über mich, daß ich ihm einfach fol­ gen mußte, ob ich wollte oder nicht? Als ich IHN dann vorbeikommen sah, beladen mit einem mächtigen Kreuz und angetrieben von den Geisselhieben roher Schergen, wäre ich, offen gestanden, lieber wieder meines Wegs gegangen. Doch da strauchelte der Schmerzensmann, stürzte, und das Kreuz fiel auf ihn. Von einem, der neben mir ging, wollte ich wissen, was mit dem erbarmungs­ würdigen Menschen denn geschehen solle, und warum das ganze Volk so tobe. Er aber herrschte mich an: ,,Blöder Bauer, weißt du nicht, daß es Jesus ist, der Nazarener, den sie den Judenkönig nennen. Schau nur, zum Spott haben sie ihm dafür die Dornenkrone aufs Haupt gedrückt.“ Jetzt erst sah ich, daß der mit dem Kreuze Beladene eine aus Domen geflochtene Krone trug, unter der Blut hervorsickerte, und der ganze Körper von Geißelhieben zer­ fetzt war. Wer will mir’s schon verargen, daß mich dieser Anblick so erschreckte, daß ich abermals zu entkommen versuchte. Aber dies war leichter gedacht als getan. Nachdem sich der Nazarener wieder mühsam erhoben hatte, schob mich die Menge einfach weiter, immer weiter, den Weg hinauf nach Gol­ gatha. Da trat auf einmal eine blasse Frau dem Schmerzensmann in den Weg, richtiger gesagt, sie wollte es nur, aber ihr Schritt stockte, und so blieb es nur bei einem leich­ ten Heben der Hände, als wolle sie ihn stüt­ zen. Es war eine Gebärde, die, kaum begonnen, schon in sich erstarrte. In den Augen der Frau aber lag ein solches Verste­ hen, ein solches Mitfühlen, daß ich wußte, daß kann nur die Mutter des Kreuzträgers sein. Dies alles dauerte nur ein paar Augen­ blicke, dann keuchte der Nazarener unter der Last des Kreuzes weiter bergan. Mir war’s genug. Plötzlich erspähte ich eine Lücke, durch die ich entkommen konnte. Am klüg­ sten schien mir’s so zu tun, als käme ich gerade vom Felde und hätte nichts von all­ dem gesehen. Gerade will ich mich an einem der Soldaten vorbeidrücken, als dieser mich anfährt: ,,He Du, Bauer, siehst Du denn nicht, daß der dort unter dem Kreuz zusam­ menbricht! Er darf uns nicht sterben, bevor wir ihn nicht ans Holz genagelt haben. Marsch, hilf ihm tragen!“ Zuerst glaubte ich, der Mann habe nur gescherzt, und ich wandte mich einfach um, als habe ich nichts gehört. Da packt mich der Soldat und will mich unters Kreuz zwingen. Ich wehre mich, versuche mich loszureißen – 273

da trifft mich der Blick des Nazareners, und dieser Blick war zwingender als der Griff des Schergen. Ob ich wollte oder nicht, ich mußte mich einfach unters Kreuz beugen. Hab‘ als Bauer schon manche Last vom Felde heimgeschleppt und bin wahrlich kein Schwächling, aber dieses Kreuz legte sich so hart auf meine Schultern, daß ich beinahe zusammengebrochen wäre. Mit aller Kraft stemmte ich mich unter die Last wie die Zim­ merleute unter einen Dachbalken, wollte ich mich doch von der johlenden Menge nicht verlachen und auch von dem Nazarener nicht beschämen lassen. Als dieser spürt, daß ich ihm beigesprungen bin, trifft mich wie­ der sein Blick -o ich kann’s nicht beschrei­ ben, was diese Augen sagten. Dieser Blick schob alles andere zur Seite, die Gaffer am Wegrand und die Schergen. Ich sah nur noch IHN. Eine unbekannte Kraft strömte von ihm herüber zu mir. Sie bewirkte, daß die Last des Kreuzes beim Weitersehreiten leich­ ter und leichter wurde, ja, der schwere Bal­ ken, den ich trug, schien mich auf einmal sel­ ber zu tragen. -Ich spürte es kaum, als mich einer der Peitschenhiebe traf, die Jesus gegol­ ten hatten. Ich war durch das Kreuz wie durch ein gemeinsames Joch mit ihm ver­ bunden und litt mit ihm. Ich war ihm nah, als eine Frau, Veronika geheißen, aus der Menge trat und ihm ein Tuch reichte, den Schweiß und das rinnende Blut abzutrocknen. Ich kann es bezeugen, daß dieses Stück Leinen, als er es zurückgab, sein Antlitz trug: die vom Schmerz gezoge­ nen Furchen von den schmalen Wangen herab zum Mund, die großen, klagenden Augen, die zerschundene Stirn, das alles war dem Linnen eingeprägt wie ein Siegel. Und als er dann wieder stürzte, war sein Schmerz auch mein Schmerz. Was war aus mir geworden? Ich, der ich mich mit allen Kräften gegen das Kreuz gewehrt hatte, dür­ stete danach, es tragen zu helfen. Noch sehe ich die klagenden Frauen, die sich zum N aza­ rener hindrängten, sehe, wie man ihn droben auf der Schädelstätte seiner Kleider beraubte, höre die dumpfen Hammerschläge, mit 274 denen man seine Hände und Füße ans Holz nagelte. Ich sah den, der mir unter der gemeinsam getragenen Last Bruder gewor­ den war, am Kreuze zwischen den beiden Schächern hängen, fühlte seinen Durst und das Bittere der Galle, mit der sie ihn tränkten, ich empfand die Q!ialen des Sterbens mit ihm und mußte dabei mit ansehen, wie sie um seine Kleider würfelten und ihn verspot­ teten. Den Schergen hätte ich niederschlagen mögen, der da rief: „Bist du der Sohn Gottes, dann steige doch vom Kreuz herab!“ Das alles war so furchtbar, daß sich sogar der Himmel verfinsterte. Und als der Nazare­ ner dann um die neunte Stunde in einer Sprache, die ich nicht verstand, etwas rief und bald darauf seinen Geist aufgab, da war die ganze Welt aus den Fugen geraten. Die Erde zitterte, und die Felsen spalteten sich. Eine furchtbare Angst packte mich. Ich rannte den Hügel hinunter, immer noch den Todesschrei des Nazareners im Ohr. Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause kam. Meine Hütte stand noch. Das Erdbe­ ben, das den Tempelvorhang zerrissen und die Gräber geöffnet hatte, war spurlos an ihr vorübergegangen. Ich aber war in jenen Stun­ den ein anderer geworden. Nicht nur des­ halb, weil meine Haare sich gebleicht hatten, nein, sein Blick hatte mich verwandelt. Ich wußte, jener Gekreuzigte war wirklich Got­ tes Sohn. Jetzt werde ich nicht mehr ruhen und rasten, bis ich einen von jenen gefunden habe, die zu ihm gehören, und die man seine Jünger nennt. Vielleicht nehmen sie mich auf in ihren Kreis. bist gefangen in Nichtigkeiten die Gitter der Alltäglichkeit werfen Schatten in deine Augen niemand schenkt deiner Seele Flügel Friederike Siek

Aus der Gedichtfolge ,,Trinakria im Licht“ Sizilische Blätter von Jürgen Henckell Du bist der Fremde Alles fügt sich: das Geschaute bildet sich aus Mensch und Zeit – Aus dem Fluß der fremden Laute schöpfe nur die Freundlichkeit. Unverständnis kann gefährden, was du suchst am neuen Ort, übersetzt du die Gebärden, findest du auch bald das Wort. Topographie sizilischer Etagen 1 Über den schreienden Gassen, in denen Serpotas an Mörtel gebundene pausbäckig lächelnde Engel der Wäscherin rhythmischen Rücken mehr irdisch denn himmlisch betrachten, auf den die gebeugten Atlanten enttäuscht nur die Schatten vergeblicher Hoffnungen werfen – über dem hofwärts gestapelten Trödel, den strengen Gerüchen von Menschen, gebratnen Sardinen, Kloaken und Unrat sortierenden Katzen wohnen die müden, verhaltenen Gesten in Räumen mit ständig geschlossenen [Fenstern im Zwielicht der Resignation – II Zwischen geordneten griechischen Münzen, französischen Büchern mit venezianischen Rücken, in Sesseln des fünfzehnten Louis und unter dem Glas aus Murano im Licht, das von Schatten vergifteter Fliegen gebrochen, wartet das Gestrige auf das Verblassen der Seidentapeten sowie des Verlangens nach fruchtloser Zeugung und läßt hyazinthroten Bernstein das Rätsel der Einschlüsse ähnlich bewahren. III Namen vergilben mit den auf Papier nur geerbten Erfolgen nach Taten – Doch abends in dem von Platanen gefilterten Licht der Laternen, da sind alle lange geschriebnen Memoiren auf über den Knochen gerunzelten Seiten zu lesen: Die hinter geschlossenen Blenden verstaubten Geschichten von Pächtern, die ihren Besitzern und Schändern geschwängerter Töchter am Ende des Tages die Füße gewaschen – IV Über der Hektik der Gassen erstirbt deren Aufschrei in kostbaren Grüften verrosteter Uhren als vages Geflüster —- * 275

Sizilische Blätter Aus der Gedichtfolge „Trinakria im Licht“ Sizilien ist eine vor zweitausend Jahren in mediterranen Problemen vor Anker gegangene Galeere, von Sklaven verschiedener Völker in wechselndem Takt auf der Stelle gerudert – Gezwungene zählen die Stunden der Sanduhr und lauschen dem Rinnen all ihrer vom Meer an die Strände getragenen und immer zerschlagenen Träume: Verrinnende Jahre – II Das Maultier trägt den Mann mitsamt der Ackerfrucht – Dahinter trägt die Frau in schwarzem Kleid die nächste Leibesfrucht und spürt bei jedem Schritt die Steine Gestern,Jetzt und Weiterhin – Das Kind, das ihren Schoß schon heftig tritt, wird eines Tags 276 des Maultiers Reiter sein, wenn nicht den Staub des Weges im Geruch verschlossener Zentauren erben. III Vulkanisches unter gerastertem Licht und versteinerte Flüsse, gesäumt von dem Gold der Mimosen und Ginster – Die Narben erlittener Wunden erinnern bei Landschaft und Menschen an alles, das drängend aus tiefen magmatischen Q!ieUen, vom Druck sich befreiend, hervorbrechen könnte, das sonst so Besonnte verdüsternd und dann durch zu Fackeln entflammte Oliven, Karuben und Eichen wie Dantes Inferno erhellend – bis dunkle Erstarrung das Beispiel vulkanischen Wesens verdichtet. Es g�bt auf der Insel als Atna den einen, daneben Millionen verborgene Vulkane. Es mischt in den Blicken der Menschen sich beides: Die feurige Lava und blauschwarz versteinert die Trauer des Wartens auf eine Erlösung

Bernhard Brommer durch sprengendes Grün – So gilt Unterdrücktes als lange erloschen und lockt, prometheisch gefesselt, die Adler und Geier herbei. IV Die römische Wölfin säugt jeden, der unsere Insel von jeher für Afrika hält, mit der Milch aus gerissener sizilischer Beute! So gestikulieren die Männer mit ihren versteckten Gewehren und achten nach Regeln Gejagter auf Häfen und landende Schiffe gerüstet mit wölfischen Jägern, die nicht mehr auf Namen wie Remus und Romulus hören, doch Erdöl, Phosphate und Unordnung wittern und letztere nutzen, um alles wie früher zu kolonisieren. Die Küsten der Insel sind ihre oft würgende Schlinge, die ablenkt von allen zentralen Problemen. So hälftet die Schwäche im Rücken die Kräfte der Abwehr und macht es den wachen Instinkten der fremden und eigenen Wölfe noch leichter. Beliebiges Beispiel: Es gibt auch von Ländern umschlossene Inseln. Modeme Lyrik Windkuß auf ihre kühle Wange Im Reisegepäck die Gewißheit: Ihre Gedanken sind bei Dir 4iC Bernhard Bromroer Es warf sein angebissenes Kuchenstück ,,Schwarzwälder Kirsch“ in den Abfalleimer. Irgendwo in der Welt starb ein Kind vor Hunger … Der Ausfahrt eines Sackbahnhofs zusehend: Vielleicht führen die in alle Himmelsrichtungen gelegten Schienen zu irgendeiner Menschen-Begegnung … Überspringe die Hürde der Sprache. Schweige und berühre die fremde Hand. Grenzen passiert auf dem Weg in den Westen Angekommen Neue Grenzen entdeckt Bernhard Brommer Bernhard Brommer Bernhard Brommer 277

Verschiedenes Personen und Fakten in Villingen- Verwaltungsspitze Schwenningen wieder komplett. Zum Finanzbürgermeister der Doppelstadt wurde vom Gemeinderat der Stadt Villingen­ Schwenningen Edward Schmiedt (FDP) ge­ wählt. Er hat am 1. 12. 1983 seinen Dienst angetreten. Bisher war Herr Schmiedt Käm­ merer der Stadt Northeim (Niedersachsen). Günter Lauffer, seit 16 Jahren Bürgermei­ ster von St. Georgen i. Schw., wurde am 20. 5.1984 für die dritte Amtsperiode zum Bürgermeister gewählt. Als einziger Bewer­ ber erhielt er 97,9 % der abgegebenen Stim­ men. Die Wahlbeteiligung lag bei 38,02 %. Walter Klumpp ist am 27. 5. 1984 unter sieben Kandidaten im ersten Wahlgang zum neuen Bürgermeister der Gemeinde Tunin­ gen gewählt worden. Er erreichte 53,50/o bei einer Wahlbeteiligung von 83,1 %. Er ist Nachfolger von Bürgermeister Willi Klein, der nicht mehr kandidiert hat. Der neue Bür­ germeister hat sein Amt am 15. 8.1984 ange­ treten. Professor Lothar Mattheiß, der Leiter der Staatlichen Akademie für Lehrerfortbil­ dung in Donaueschingen, ist am 14.10.1983 überraschend verstorben. – Zum neuen Leiter der Akademie wurde mit Wirkung vom 1. 5. 1984 Albert Pfaff, bisher Ober­ regierungsrat im Ministerium für Kultus und Sport, ernannt. 278 Helmut Kohler, seit 1. 3.1975 Leiter der Polizeidirektion Villingen-Schwenningen, wurde mit Wirkung vom 13.12.1983 zum Polizeidirektor ernannt. 25 Stadt- und Gemeindepräsidenten aus dem Kanton Schaffhausen machten am 29. 9. 1983 einen Besuch im Schwarzwald-Baar­ Kreis. Die Begegnung diente der Vertiefung der bereits früher geknüpften Kontakte zwi­ schen den Bürgermeistern des Schwanwald­ Baar-Kreises und ihren Kollegen aus dem Nachbarkanton. Die Tagfahrt im Schwarz­ wald-Baar-Kreis, während der auch der Wer­ befilm „An den O!Jellen von Donau und Neckar“ vorgeführt wurde, darf als eine gelungene Zusammenkunft bezeichnet wer­ den.Im Rahmen unserer freundschaftlichen Verbindungen zum Kanton Schaffhausen fand am 23. 8. 1984 eine weitere Begegnung statt. Regierungspräsident Bernhard Stamm kam mit einer kleinen Delegation aufBesuch in den Schwanwald-Baar-Kreis, wo in Bad Dürrheim, Triberg, Schonach und Schön­ wald Einrichtungen des Fremdenverkehrs gezeigt wurden. Der Besuch, bei dem von Seiten des Schwarzwald-Baar-Kreises einige Kreistags­ mitglieder und Altlandrat Dr. Astfaller teil­ nahmen, war Ausdruck der schon seit Jahren gegenseitig gepflegten freundschaftlichen Kontakte.

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1983 aus­ gezeichnet: a) mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: (Die Abkürzungen bedeuten: VM = Verdienstmedaille, BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande) Geissler, Werner Dr. Gutknecht, Rainer Heinrich, Helmut Herrmann, Helmut Jauch, Erwin Ketterer, Lothar Laschinger, Heinrich Reith, Siegfried Schmidt, Anna Springindschmitten, Softe 17. 10. 1983 15. 11. 1983 10. 01. 1984 19. 03. 1984 30. 01. 1984 30. 01. 1984 28. 09. 1983 03. 01. 1984 01. 09. 1983 19. 03. 1984 BVKa. B. BVK a. B. BVKa. B. BVKa. B. BVKa. B. VM BVKa. B. BVKa. B. BVKa. B. BVKa. B. Villingen-Schwenningen Bad Dürrheim Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen Furtwangen-N eukirch Hüfingen Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen Hüfingen-Mundelfingen b) Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg Bächle, Rosa Johanna 15. 05. 1984 Villingen-Schwenningen Bevölkerungsentwicklung 7737 Bad Dürrheim 7712 Blumberg 7715 Bräunlingen 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen 7743 Furtwangen 7741 Gütenbach 7713 Hüfingen 77 44 Königsfeld 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen 7741 Schönwald 7745 Schonach 7740 Triberg 7201 Tuningen 7731 Unterkimach 7730 Villingen-Schwenningen 7741 Vöhrenbach Stand Wohnbevölkerung 1.1.1984 1.1.1983 10.184 10.136 10.077 10.043 5.443 5.366 4.943 4.943 2.729 2.794 18.078 18.045 10.519 10.293 1.448 1.428 6.224 6.285 5.370 5.334 2.972 2.983 4.446 4.472 14.491 14.665 2.483 2.458 4.851 4.813 6.036 5.967 2.244 2.219 2.601 2.486 77.776 76.861 4.137 4.088 Veränderungen in Zahlen in % 48 -0,5 34 – 0,3 77 – 1,4 0 -0 + 2,4 + 65 + 61 33 – 0,2 226 – 2,2 20 -1,4 + 1,0 36 -0,7 11 -0,4 + 26 +0,6 – 1,2 174 25 -1,0 38 -0,8 69 -1,1 25 -1,1 115 – 4,4 915 -1,2 49 – 1,2 Kreisbevölkerung insgesamt 197.237 195.494 -1.743 – 0,8 279

Ausländer in Zahlen Ausländer davon insgesamt Türken 485 1.216 592 290 124 966 37 585 243 264 238 1.916 55 345 532 187 221 Gemeinde Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen 1.383 Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkimach Villingen- Schwenningen 9.805 Vöhrenbach Gesamt Mit „Auszeichnung“ für den Kreissieger Mühlhausen Mit „sehr gut“ Buchenberg Sunthausen Tuningen Schabenhausen Kappel Klengen 504 19.988 280 Ergebnisse beim Kreiswettbewerb 1984 ,,Unser Dorf soll schöner werden“ Stand 31. 3. 1984 Ausländer- Sonstige anteil in% 71 4,8 12,1 11,0 5,9 4,4 7,7 9,4 2,6 9,3 4,6 8,9 5,3 13,2 2,2 7;2 8,9 8,4 8,9 12,8 12,3 Jugo- slawen 160 341 33 41 34 323 348 1 99 70 121 75 556 25 133 123 9 15 3.705 165 6.377 Italiener 133 27 40 43 17 304 198 30 154 22 83 8 673 11 90 83 130 35 2.020 142 4.243 164 195 109 so 465 151 6 83 122 40 91 476 13 54 135 28 67 2.106 31 4.457 28 653 410 135 23 291 269 249 29 20 64 211 6 68 191 20 104 1.974 166 4.911 Geldpreis DM 1.000,- 900,- 750,- 700,- Mit „gut“ Gremmelsbach 800,- Niedereschach Fischbach Biesingen 650,- Nordhalden 650,- Weilersbach 600,- 600,- 550,- 500,- 450,- 450,-

Ergebnisse der Landtagswahl am 25. März 1984 55 54 Wahlkreis Tuttlingen – Villingen- Schwenningen Donau- eschingen 109.065 111.716 Wahl- berechtigte 78.253 78.927 Stimmen 71,75% 70,65% insgesamt 1.004 865 ungültige 1,28% 1,10% Stimmen 77.249 78.062 gültige 98,72% 98,90% Stimmen 42.370 43.999 CDU 54,85% 56,36% 20.015 22.042 SPD 25,91 % 28,24% 7.291 4.667 FDP 9,44% 5,98% 4.631 6.991 GRÜNE 5,99% 8,96% 177 188 DKP 0,23% 0,24% 175 EAP 0,22% 2.765 Einzel- 3,58% bewerber im Schwarzwald-Baar-Kreis Wahlbeteiligung Wahlberechtigte darunter mit Wahlscheinen Wähler davon Briefwähler ungültige Stimmen gültige Stimmen 43,92 % 140.488 7.008 61.708 6.242 831 60.877 Gewählt wurden: Im Wahlkreis 54 Villingen-Schwenningen Erwin Teufel (CDU) Dreifaltigkeitsbergstraße 44 7205 Spaichingen Kurt Kempf (SPD) Josef-Hepting-Straße 9 7741 Vöhrenbach Im Wahlkreis 55 Tuttlingen-Donaueschingen Roland Ströbele (CDU) Schloß-Bronnen-Weg 2 7203 Fridingen Herbert Moser (SPD) Wartenbergstraße 24 7200 Tuttlingen Ernst Pfister (FDP/DVP) Achauer Straße 20 7218 Trossingen Von den gültigen Stimmen entfielen auf: 32.381 (53,19 %) l.CDU 14.579 (23,98 %) 2.SPD 4.435 ( 7,28 %) 3.FDP 4. GRÜNE 6.025 ( 9,9A %) 103 ( 0,17%) 5. EAP 441 ( 0,72 %) 6. Zentrum 7.Frieden 623 ( 1,02 %) 8.EFP 130 ( 0,21 %) 9. Frauen 308 ( 0,51 %) 10. NPD 1.442 ( 2,37 %) 11. ÖDP 230 ( 0,38 %) 162 ( 0,27 %) 281 12. Mündige Bürger Endgültige Ergebnisse der Europawahl am 17.Juni 1984

Farbreproduktionen und Fotonachweis 105, 109, 110, lll, 114, 115, 128, 129, 130, 131, 134, 191, 193 rechts, 194, 195. -Hans Letule 116, 117. -Otto Benzing 119. – Gemeinde Königsfeld 125. – Foto Grill/Donaueschingen 132, 133. – Käthe Fritschi 136, 137, 213, 214. – Städt. Bauamt Villingen 153, 155. -Kath. Kurseelsorge Bad Dürrheim 159, 160, 162. – Wolfram Liepelt 164. – Foto Maier, Furt­ wangen 171, 173. – G. Hasenfratz 199, 200, 201. – Roderich Tinzmann 205. – Christian Baumann 207, 209. -Wolfdieter Gramlich, 215. -Hans Hoh­ ner 217. – Espan-Klinik 220. – Jürgen Henckell 223, 255. -Luftsportverein Blumberg 261. – Staat!. Saatbauamt Donaueschingen 227. – Hans-Eber­ hard Meier 226. – Staatl. Forstamt Donaueschin­ gen 232, 234. – Wilfried Dold 245. – Ingrid Pfeif­ fer, Dauchingen 248. – Kurverwaltung Schonach 255. – Privat 250, 251.-Isolde Weidenbach 259. – Roland Mall, Donaueschingen 264. – WolfHok­ kenjos 269. – Südwest-Presse 88. – 0. Huber, Donaueschingen 182, 183 oben, 186 unten, 188. – Fa. Wehrle, Waldkirch 185, 186 oben. – Fa. Kötz, Schwenningen 183 unten, 184, 187. – Helmut Heinrich 14 7, 149, 150. -Kritzer, Landratsamt, 4, 5, 7, 8, 9, 219. – Moser, Landratsamt 17. Die Farbaufnahmen auf der Titelseite und auf der Rückseite des Almanach ’85 stammen aus dem Atelier von G. Hasenfratz, Hüfingen. Die Titel­ seite schmückt eine Aufnahme aus dem Zentrum der Stadt St. Georgen, die im Sommer 1984 den 900. Jahrestag der Gründung des Klosters der Benediktiner zu St. Georgen beging. Die Auf­ nahme auf der Rückseite gibt den Blick auf eine der im Frühjahr 1984 am Liebfrauenmünster in Villingen eingeweihten Bronzetüren des Bild­ hauers Klaus Ringwald, Schonach im Schwarz­ wald. Für die Farbaufnahmen des Beitrags „Bunte Welt der Schemen und Hästräger“ aus dem Nar­ renschopf in Bad Dürrheim zeichnet Lorenz Honold, für die des Beitrags „Hände weg von den Schleiereulen“ Roland Kalb, Dauchingen. Foto-Nachweis für die Schwarz-Weiß-Aufnah­ men im Jahrbuch 1985. (Die Zahlen nach der Autoren-Angabe beziehen sich auf die jeweiligen Textseiten.): G. Kieferl0, 11, 258. -Gemeinde Nie­ dereschach 19, 20, 21, 23. – M. Reinartz 25, 121. – Gemeinde Brigachtal 28, 29. – Stadt Bad Dürr­ heim 32, 33. – Annemarie Conradt-Mach 37, 39, 40, 41, 42. – Staat!. Vermessungsamt 44, 45, 47. – Bergwacht Villingen 52, 54. – Karl-Brachat-Real­ schule Villingen 56, 57, 58. – Kaufmännische Schulen Villingen 59, 60. – Sprachheilschule Vil­ lingen 62, 63. – Fa. Gebr. Staiger 69, 70. – Klaus­ Peter Friese 71, 72. – Fa. Mineralbrunnen Bad Dürrheim 74. – Fa. Flaig, Niedereschach 77. – F. Krick!, Donaueschingen 79, 80. – Lorenz Honold 82, 83, 96, 100, 101, 114 unten, 142, 156, 157, 158, 177, 193 links. – Rechtsanwalt R. Honold, Karlsruhe 85. -Sybill Mahlke, Berlin 86. – Jeweils Privat 31, 94, 98. – Georg Goerlipp, Donaueschingen 103, 282

Die Autoren unserer Beiträge Bader, Dr. Karl S., Universitäts-Professor, Rehberg-Strasse 57, CH-8049 Zürich Baumann, Christian, Grünmatten 23, 7813 Staufen Beha, Joseph, Pfarrer, Gartenstraße 2, 7743 Furtwangen Belle, Meinrad, Bürgermeister, 7734 Brigachtal-Kirchdorf Benzing, Otto, Studiendirektor, Weilerstraße 24, 7214 Zimmern-Flözlingen Böhler, Karl, Baudirektor, Städt. Hochbauamt, 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Borowy, Claudia, Holzstraße 13, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Brommer, Bernhard, Schriftsteller, Fürstenbergring 9 , 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Conradt-Mach, Annemarie, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Dettling, Klaus, Von-Althaus-Weg 9, 7737 Bad Dürrheim Dold, Wilfried, Redakteur, Schützenstraße 11, 7741 Vöhrenbach Dorer, Dieter, Kirnachweg 12, 7742 St. Georgen Frank, Wilhelm, Regierungsrat, Birkenweg 3, 7735 Dauchingen Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Goderski, Lic. Lic Wilhelm, Pfarrer, Kath. Kurseelsorge, 7737 Bad Dürrheim Goerlipp, Georg, Archivar, Hindenburgring 10, 7710 Donaueschingen Gramlich, Wolfdieter, Ingenieur, Bundesstraße lc, 7742 St. Georgen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 Vil l i n g e n-Schwenningen Hagmann, Gerhard, Bürgermeister, Luisenstraße 4, 7737 Bad Dürrheim Heidinger, Werner, Geschwister-Scholl-Straße 22a, 7710 Donaueschingen Heinrich, Helmut, Schulamtsdirektor i. R., Waldhauser Straße 12, 7730 V i II i n g e n – Schwenningen Henckell,Jürgen, Schriftsteller, Buchbergstraße 3, 7712 Blumberg Herth, Dr. med. Dieter, Lindenstraße 3, 7743 Furtwangen Hockenjos, Wolf, Oberforstrat, Kaiserring 8, 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Hohner, Hans, Richard-Wagner-Straße 5, 7209 Aldingen Honold, Dr. Lorenz, Redakteur i. R., Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber, Dr. Ema, Bibliotheksrätin i. R., Altenheim St. Michael, 7710 Donaueschingen Kaiser, Artur A., Ulmenweg 10, 7710 Donaueschingen-Wolterdingen Kalb, Roland, Albstraße 7, 7735 Donaueschingen Kehrer-Reichmann, Brigitte, Apothekerin, Donaustraße 16, 7710 Donaueschingen-Pfohren Kiefer, Gerhard, Redakteur, Alemannenstraße 13, 7715 Bräunlingen Kirchhofer, Werner, Sportjournalist, Zasiusstraße 120, 7800 Freiburg Köllner, Dr. Ekkehard, Oberforstrat, lrmastraße 7, 7710 Donaueschingen König, Karl, Reg.-Vermessungs-Direktor, Frankenstraße 17, 7730 Vil l i n g e n – Schwenningen Letule, Hans, Rathausstraße 14, 7734 Brigachtal-Überauchen Liepelt, Wolfram, Buchenweg 4, 7743 Furtwangen Mall, Roland, Dipl.-Volkswirt, Eichendorffstraße 9, 7710 Donaueschingen 283

Mäder, Gerhard, Julius-Leber-Straße 4, 7710 Donaueschingen Mehne, Dr. Rolf, Oberstudiendirektor, Frühlingshalde 6, 7730 ViUingen- S c h w e n n in g e n Meier, Dr. Hans-Eberhard, 0.-Reg.-Veterinärrat i. R., Ludwig-Kirsner-Straße 7, 7710 Donaueschingen Möck, Erich, Journalist, Kirnachweg 13, 7742 St. Georgen Mößner, Willi, Köhlerweg 5, 7530 Pforzheim Moser, Jürgen, Brunnenweg 16, 7710 Donaueschingen-Allmendshofen Müller, Gerd, Sonderschulrektor, Paulinenstraße 47, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Müller, Hans-Martin, Hermann-Köhl-Weg 2, 7560 Gaggenau Pfeiffer, Ingrid, Redakteurin, Blumenweg 6, 7735 Dauchingen Reinartz, Dr. Manfred, Museumsleiter, Beroldingerstraße 29, 7732 Niedereschach Rieple, Max t, Schriftsteller, Max-Egon-Straße 2, 7710 Donaueschingen Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Beethovenstraße 13, 7741 Schönwald Scherb, Karl, Realschulrektor, Karl-Brachat-Realschule, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Schnibbe, Klaus, Professor, Ilbenstraße SO, 7743 Furtwangen Sieber, Otto, Bürgermeister, Hardtweg 21, 7732 Niedereschach Staiger, Gertrud, Mozartstraße 12, 7742 St. Georgen Strombeck, Freifrau v., Redakteurin, Abendtal 20, 7732 Niedereschach-Fischbach Tinzmann, Roderich, Oberstudienrat, Otto-Gönnenwein-Straße 13, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Walther, Gerhard, Oberstudiendirektor, Schanzenweg 12, 7730 V i l l i n g e n -Schwenningen Weh, Harald, Alemannenstraße 5, 7713 Hüfingen Weidenbach, Isolde, Lindenstraße l, 7713 Hüfingen Weiss, Theo, Kaufmann, Ludwigstraße 32, 7737 Bad Dürrheim Zährl, Klaus, Industrie- und Handelskammer, Postfach 1560, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Zenz, Wolfgang, Reg.-Landw.-Direktor, Schubertstraße 11, 7710 Donaueschingen 284

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Familie/Zum Geleit – von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1984/Dr. Rainer Gutknecht Wirtschaftsminister Dr. Rudolf Eberle auf Besuch/Dr. Rainer Gutknecht Das Kreiskrankenhaus in Donaueschingen/Gerhard Kiefer Wie unser Kreiswappen entstand/Klaus Schnibbe Wanderausstellung „Natur und Umwelt“/Jürgen Moser Unsere Gemeinden stellen sich vor Niedereschach im Eschachtal/Bürgermeister Otto Sieber Das Wappen der Gemeinde Niedereschach/Klaus Schnibbe Wirtshäuser und Wege in Niedereschach/Manfred Reinartz Brigachtal – eine attraktive Wohngemeinde/Bürgermeister Meinrad Belle Das Wappen der Gemeinde Brigachtal/Klaus Schnibbe Stadt Bad Dürrheim/Bürgermeister Gerhard Hagmann Behörden und Organisationen „Der Freiheit Tag bricht an … „/Annemarie Conradt-Mach Aufgaben der Vermessungsverwaltung/Karl König 100 Jahre Krankenversicherung/Gerhard Mäder 60 Jahre Bergwacht Villingen/Wilhelm Frank Schulen und Bildungseinrichtungen Die Karl-Brachat-Realschule/Karl Scherb Ein Sproß der „Handelsschule Villingen“/Gerhard Walther Die Sprachheilschule in Villingen-Schwenningen/Gerd Müller Wirtschaft und Gewerbe Herausforderungen von morgen bewältigen/Klaus Zährl Von der Flaschnerei zum Qyarzuhren-Großbetrieb/Gertrud Staiger Die „neue“ Kutrnühle in Villingen/Klaus-Peter Friese 25 Jahre: Bad Dürrheimer Mineralbrunnen/Klaus Dettling Ein Musterbeispiel für gute Ausbildung/Erich Möck Stabilität durch Präzision/Rosemarie v. Stromheck Glas aus Wolterdingen/Artur Kaiser 1 2 3 4 4 6 10 13 17 18 18 23 24 27 32 31 36 36 43 48 51 56 56 58 61 64 64 67 70 74 75 76 78 285

Persönlichkeiten der Heimat Der badische Gesandte aus Riedböhringen/Lorenz Honold Werkstatt im Schwarzwald (G. R. Sellner)/Sybill Mahlke Vom Dorfschulmeister zum Stadtschultheiß/ Annemarie Conradt-Mach F. F. Oberforstdirektor Dr. Karl Kwasnitschka/Gerhard Kiefer Prof. Dr. Karl Haag/Rolf Mehne Dr. Ema Huber wird 75/Lorenz Honold Dr. med. Friedrich Guttenberg/Dieter Herth Erinnerungen an Martin Münzer/Lorenz Honold Oskar Wickert – Kunsterzieher und Landsehafter/Lorenz Honold Geschichte und Archäologie Zu Herkunft, Bedeutung und Geschichte der Baar/Karl S. Bader „Römische Villa unter dem Spott des Pöbels ausgegraben“ /Lorenz Honold Restaurierung der Grabanlagen im Eggwald/Hans Letule St. Georgen und Schwenningen am Neckar/Otto Benzing Die Schwenninger Allmend-Karte von 1795/Manfred Reinartz Nußbach in der Geschichte/Karl Volk 900 Jahre Weiler/Willi Mößner Das Luftschiff Z 1 über Donaueschingen/Georg Goerlipp Als die Bomben auf das Landratsamt fielen/Lorenz Honold Hüfingen wurde 900 Jahre alt/Käthe Fritschi Kultur- und Kirchengeschichte Die Zeit tat einen gewaltigen Sprung/Hans-Martin Müller Sankt Nikolaus – einmal anders/Lorenz Honold Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) Die Loretto-Kapelle in Villingen/Helmut Heinrich Bau- und Kunstdenkmäler „Der Franziskaner“ /Baudirektor Böhler Die renovierte Pfarrkirche von Epfenhofen/Brigitte Kehrer-Reichmann Die Kurgast-Kirche in Bad Dürrheim/Wilhelm Goderski Zur Geschichte des Turmes auf dem Brend/W. Liepelt Wider den tierischen Ernst Der Narrenschopf in Bad Dürrheim/Lorenz Honold Narrengericht in Sachen „Donauquelle“/Pfarrer Karl Beha 286 82 82 86 88 90 94 96 97 99 101 103 103 113 116 118 121 122 125 128 132 135 138 138 141 144 145 152 152 156 159 163 165 165 170

Kunst und Künstler Der Maler Helmut Müller-Wiehl/Helmut Heinrich Die Barockbildhauer-Familie Schupp/Ema Huber »Maria in der Tanne“ (Der Maler W. Hasemann)/Lorenz Honold Musik Jazz in St. Georgen/Dieter Dorer Volkstum, Volkskunde, Brauchtum „Zurück will ich nie mehr“ /Claudia Borowy Die Heimat im Herzen/Roderich Tinzmann Joseph von Kemersville/Christian Baumann Heinrich Laschinger/Käthe Fritschi Alte Hochzeitsbräuche um St. Georgen/Wolfdieter Gramlich Der Trachtenverein Bad Dürrheim/Hans Hohner Der Brauch des Trachtenstickens/Harald Weh Gesundheit, Soziales Die Espan-Klinik in Bad Dürrheim/Theo Weiss Das Blumberger „Kinderhaus am Buchberg“ /Jürgen Henckell Landwirtschaft 100 Jahre organisierte Tierzucht/Hans-Eberhard Meier Der Kartoffelanbau im Schwarzwald-Baar-Kreis/Wolfgang Zenz Landjugendtag 1984/Reinhold Wischnewski – Gerda Albicker Landschaftsschutz, N aturdenkrnäler Die Walderkrankung in der Baar/Ekkehard Köllner Hände weg von Schleiereulen/Roland Kalb Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Wemer Heidinger Alte Bauernhöfe Im Volksmund »Heidenhäuser“ genannt/Wilfried Dold Im Lukasenhäusle an der Martinskapelle/Ingrid Pfeiffer Stätten der Gastlichkeit Gasthof „Ochsen“ in Schönwald/Emil Rimmele Vom „Neuen Haus“ zur „Krone“/Jürgen Henckell 182 182 189 195 198 198 202 202 204 206 212 215 217 218 220 220 221 225 225 227 230 232 232 235 240 245 245 248 250 250 252 287

Sport und Freizeit Schonach: Vom Skidorf zum Weltcup-Ort/Werner Kirchhofer Viktor Pacowsky: Dritter „Hantel-Frühling“ /Gerhard Kiefer Wolfgang Humble: Meister im Fechten/lsolde Weidenbach Erfüllter Traum vom Fliegen/Jürgen Henckell Als die Frauen laufen lernten/Roland Mall Der Fernskiwanderweg Schonach-Belchen/Wolf Hockenjos Unsere Dichter und Schriftsteller Mit Caesar leben/Karl Volle Simon von Cyrene/Max Rieple t Aus der Gedichtfolge „Trinakria im Licht“/Jürgen Henckell Modeme Lyrik/Bernhard Brommer Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Bevölkerungsentwicklung Ausländer in Zahlen ,.Unser Dorf soll schöner werden“ Ergebnisse der Landtagswahl und der Europawahl Farbreproduktionen und Fotonachweis Die Autoren der Beiträge Inhaltsverzeichnis Preisrätsel 1985 (Einlage) 255 255 257 259 261 264 267 271 271 272 275 277 278 278 279 279 280 280 281 282 283 285 288