Almanach 1986

Almanach 86 S c h w a r z w a ld – B a a r – K r e is H e i m a t j a h r b u c h d e s S c h w a r z w a ld – B a a r – K r e is e s 1 0 . F o l g e H e r a u s g e b e r : L andratsam t Schwarzwald-Baar-Kreis R edaktion: Dr. R ainer G utknecht, L andrat Dr. L orenz H o n o ld , R edakteur H elm u t H einrich, Schulam tsdirektor i. R. Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen A u to ren verantw ortlich Verlag, D m ck u n d G estaltung: Todt-D ruck G m bH , Villingen-Schwenningen 1

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1986 Albert-Schweitzer-Klinik, Fachklinik für Herz-, Kreis­ lauf- und Atemwegserkrankungen, Parkstraße 10, Königsfeld Möbel-Amann KG, Vöhrenbach Dr. med. dent Hanno Augstein, Hüfingen Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villingen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Blumberg Werner Benzing, Konditormeister, Harzerstraße 24, Villingen-Schwenningen Bezirkssparkasse Donaueschingen Binder Magnete GmbH, Mönchweilerstraße 1, Villingen-Schwenningen Rechtsanwälte Blessing & Berweck und Kollegen, Niedere Straße 92, Villingen-Schwenningen Ingenieurbüro für Gesundheitstechnik, Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen-Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG., Schonach Dr. E. A. Dietz, Marktplatz 14, Villingen-Schwenningen Dresdner Bank AG, Filiale Villingen-Schwenningen Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH, Triberg Claus Eller, Zahnarzt, Vöhrenbach Lars Fryckman, Zahnarzt, Kantstraße 28, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Rudolf Geier GmbH, Holz- und Sperrholzhandlung, Bräunlingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Donaueschingen Dipl.-Ing. Bernd Hezel, Ber. Ing. VB!, lng.-Büro für Bau­ statik, Herweghstraße 17, Villingen-Schwenningen Dr. med. Egon Hochmann, Hauptstraße 20, Triberg Kieninger & Obergfell GmbH & Co., St. Georgen Dr. Dietrich von Knobloch, Tierarzt, Forststraße 17, Königsfeld-Neuhausen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Küpper-Weisser GmbH, Bräunlingen Dr. Josef Kury, Zahnarzt, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villingen-Schwenningen B. Lang, Kussenhofstraße 43, Furtwangen Lauffenmühle GmbH & Co., Lauchringen, Waldshut-Tiengen 2 Dr. Josef Laule, Bräunlingen Löwenbrauerei Bräunlingen Heinrich Kalb KG.,Bräun­ lingen MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Burgstraße 65, Villingen-Schwenningen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, Villingen-Schwenningen Diplom-Kaufmann Harald Mattegit, Blumberg 2 Leopold Messmer, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen Dr. med. Paul Obergfell, Leopoldstraße 21, Villingen­ Schwenningen Helmut Ochs, Freier Architekt, Hauptstraße 46, Blumberg Dr. Peter Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. med. E. Proß, VS-Pfaffenweiler Guido Rebholz, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim Ricosta GmbH & Co., Schuhfabriken, Donaueschingen Anne Rieple-Offensperger, Scheffel-Apotheke, Donaueschingen Dr. E. Roskothen, Breslauer Straße 7, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Schulstraße 12, Donaueschingen Dr. med. H.-Ulrich Ruthig, Hüfingen Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt des Städt Krankenhauses Furtwangen Schwarzwälder Metallwarenfabrik Haugg, Triberg Ingenieurbüro für Bauwesen, Dipl.-Ing. (FH) K Schweizer, ber. Ing. BDB, Achdorfer Straße 29, Blumberg SEWO Wohnungsbaugesellschaft Seemann GmbH & Co. KG, Auf der Steig 6, Villingen-Schwenningen S. Siedle & Söhne, Telefon- und Tclegrafenwerke GmbH, Bregstraße l, Furtwangen Fanny Simmler-Gramlich, Bundesstraße la, St Georgen Franz Singe.r, Inh. E. Ettwein, Papier- und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Tri­ berg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und 40 weiteren Geschäfts­ stellen Josef Straub & Söhne GmbH, Wellpappenwerke, Bräun­ lingen Dr. Theo Striegel, Furtwangen Südwestfunk GmbH, Baden-Baden TRW Thompson GmbH, Präzisionsventile für die Motoren- und Automobilindustrie, Blumberg Die Volksbanken der gemeinsamen Stadt Villingen­ Schwenningen Volksbank der Baar eG, Hüfingen Wehrle Uhrenfabrik GmbH, Schönwald Kurt Weisser, Mühlstraße 7, St. Georgen F. K. Wiebelt, Buchhandlung, Bickenstraße 6-8, Villingen-Schwenningen Michael Wiesenbacher, Rechtsanwalt, Marktstraße 28, Lambrecht Dr. med. Fritz Wilke, Villingen-Schwenningen Dr. med. Karl Zäbisch, Hermann-Fischer-Allee 20, Donaueschingen 8 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünsch­ ten, nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat und Umwelt Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1986 zum Geleit Heimat und Umwelt gehören zusammen. Die Fra�en im Zusammenhang mit unserer Umwelt haben in der öffentlichen Meinung eme hohe Bedeutung erlangt. Eine sich im Gleichgewicht befindliche Umwelt ist eine wichtige Lebensgrund­ lage. Die Errungenschaften unseres heutigen Lebens mußten mit großen Belastun­ gen der Luft, des Wassers und des Bodens erkauft werden. Die zu trauriger Berühmt­ heit gelangte Walderkrankung macht uns den Ernst der Stunde nur allzu deutlich. Wir fragen uns heute oft selostkritisch, warum die Gefahren, die unserer Umwelt drohen, so spät erkannt worden sind. Ist dies nicht ein Zeichen unserer Gesellschaft, die oft in den Tag hinein lebt und die echten Lebenswerte vernachlässigt? Zur heimatlichen Umwelt gehören aber auch die im Laufe der Jahre geschaffenen Bauwerke, die unseren Städten und Dörfern ihr besonderes Gewicht gegeben haben. Auch hier droht Gefahr. Wird nicht oft allzu schnell zur Spitzhacke gegriffen, weil eine Straße neu geplant wird oder der geänderte Zeitgeist eine andere städtebauliche Gestaltung fordert? Die seelenlose Betonwelt verbreitet jedoch keine Wärme und Geborgenheit Zur Umwelt gehören schließlich auch die negativen geistigen Einflüsse, denen nicht nur die Jugendlichen mit den Videofilmen erliegen. Viele andere Gewalt ver­ herrlichende Darbietungen in den Medien zerstören Geist und Seele. Das Bewußtsein für eine gesunde Umwelt ist heute mehr denn je geschärft Umweltschutz geht heute jeden an. Viele leisten auch schon einen persönlichen Bei­ trag zur Erhaltung unserer gefährdeten Umwelt Allen Bemühungen ist gemeinsam, daß wir die Werte unserer Heimat möglichst unversehrt an die künftigen Generatio­ nen weiter�eben müssen und bei allem Verständnis und der Notwendigkeit für den wirtschaftlichen Fortschritt nicht das Recht haben, unsere Umwelt auf Kosten unse­ rer Kinder und Enkel auszubeuten. Dieses Anliegen macht sich auch unser Heimatjahrbuch zu eigen. Es ist kein Zufall, daß das Geleitwort zum lOjährigen Erscheinen des Almanach die Umwelt im Bezug zur Heimat besonders herausstellt Die Redaktion möchte mit dazu beitragen, daß jeder Leser sich angesprochen fühlt und das Umweltbewußtsein in der Bevölke­ rung noch weiter wächst Viele Freunde und Förderer haben uns nunmehr schon zum zehnten Mal in unse­ rem Bemühen finanziell tatkräftig unterstützt Mit meinem herzlichen Dank ver­ binde ich die Bitte um Erhaltung ihres Wohlwollens. Außer dem Jubiläumsband wird ein Register zum besseren Auffinden der seit dem Jahre 1977 erschienenen Beiträge veröffentlicht. Ich hoffe und wünsche, daß der Almanach 86 auch im zehnten Jahr seines Beste­ hens den Weg zu seinen Freunden aus nah und fern findet. ;}“�� Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1985 Das Jahr 1985 begann mit der Sacharbeit des neuen Kreistags, der am 28.10.1984 zum dritten Mal im Schwarzwald-Baar-Kreis ge­ wählt wurde. In der Zusammensetzung ist ein Novum zu verzeichnen: außer den bisher schon vertretenen Fraktionen der CDU (jetzt 27 Sitze), der SPD (jetzt 13 Sitze), der FVW (jetzt 6 Sitze) und der FDP (jetzt„6 Sitze) wurden neu in den Kreistag die GRU­ NEN (6 Sitze) und die NPD (1 Sitz) gewählt. Es wird nun darauf ankommen, alle politi­ schen Kräfte im Kreistag zu einem möglichst harmonischen Klangkörper zu vereinigen. Schulbau Im Schulbaubereich, lange Jahre das Thema Nummer eins der Kreispolitik, hat das Jahr 1985 weitere Fortschritte gebracht. Die Schule für Körperbehinderte, die wir zusammen mit dem Landkreis Rottweil seit dem Jahre 1976 betreiben, konnte auf dem Hoptbühlgelände im Stadtbezirk Villingen ein neues Gebäude beziehen. Wir haben nunmehr auch für unsere körperbehinderten Kinder und Jugendliebe die Ebene erreicht, die wir ihnen schuldig sind. Weiterhin ungeklärt ist die Frage, in wel- Die Aufnahme zeigt rechts die neue Schule für Körperbehinderte und links das Hoptbühl­ Gymnasium im Stadtbezirk Villingen 4

ehern Umfang das Berufliche Schulzentrum Furtwangen veiwirklicht werden soll. Eine Übernahme der Trägerschaft der Staatlichen Berufsfachschule durch den Landkreis ist zwar nicht mehr aktuell, der Prüfung bedür­ fen aber die weiteren Fragen, insbesondere welche Auswirkungen die rückläufigen Schülerzahlen in den Kaufmännischen und Gewerblichen Schulen in der Trägerschaft des Landkreises auf das Berufliche Schulzen­ trum haben. Die Veiwaltung hat vorgeschla­ gen, das Gebäude Baumannstraße 13 zu sanieren und einige Fachräume neu zu bauen. Der zuständige Ausschuß ist dem aber nicht gefolgt, sondern hat die Veiwal­ tung beauftragt, eine Reihe von anderen Möglichkeiten zu überprüfen. Umweltschutz Im Bereich des Umweltschutzes standen auch im Berichtsjahr Fragen der Abfallbesei­ tigung im Vordergrund. Die vom Landkreis betriebenen Deponien in Tuningen und Hüfingen schaffen für die Müllbeseitigung zwar Platz bis in das nächste Jahrtausend hin­ ein. Heute ist es aber ein Anliegen in weiten Bevölkerungskreisen, möglichst wenig Müll entstehen zu lassen und möglichst viel davon wiederzuveiwerten. Der Landkreis hat diese Gedanken bereitwillig aufgenom­ men. Er beteiligt sich an dem von den Stadt­ werken Rottweil in Gang gebrachten Pilot­ projekt Müllvergärung und geht davon aus, daß noch im Jahr 1985 mit der Diskussion über die Auswertung der Ergebnisse begon­ nen werden kann. Auch die Vorbereitungen zur Einführung der „Grünen Tonne“, in der mit einer zweiten Mülltonne Wertstoffe aus dem Abfall (Papier, Kunststoff, Glas, Metall) eingesammelt werden sollen, dienen dem Ziel, das Deponievolumen zu reduzieren und möglichst viel Abfall wieder dem Wirt­ schaftskreislauf zuzuführen. Ganz auf dieser Linie liegt auch die Absicht des Landkreises, das auf der Deponie Tuningen entstehende Gas wirtschaftlich zu veiwerten. Ein weiteres Thema des Umweltschutzes gewinnt an Bedeutung: Die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten, für die das Landratsamt als untere staatliche Veiwal­ tungsbehörde verantwortlich ist. Das Land­ ratsamt möchte gerne einvernehmlich mit den Betroffenen (Gemeinden und Landwir­ ten) die oft schwierigen Fragen regeln, sieht sich jedoch nach Jahren des Abwartens gezwungen, tätig zu werden. Kreisstraßen, öffentlicher Nahverkehr Nach dem Auslaufen des Kreisstraßen­ ausbauprogramms wurde vom Kreistag für die Jahre 1985 bis 1989 ein neues Programm für den Ausbau der Kreisstraßen verabschie­ det. Mehr noch als in den früheren Jahren wurden ökologische Gesichtspunkte berück­ sichtigt und die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit des Ausbaus gestellt. Trotz dieser kritischen Einwände wurde deutlich, daß der Kreisstraßenausbau, wenn auch in eingeschränktem Umfang, weiter­ geführt werden muß. Aktuell bleibt die Förderung des öffent­ lichen Nahverkehrs durch den Landkreis. Der Kreistag hat beschlossen, den Modell­ versuch „ Verkehrsgemeinschaft Bregtal“ in eine ständige Einrichtung unter maßgeb­ licher Förderung des Landkreises zu über­ führen. Andere Verkehrsräume (zu denken ist u. a. an das südliche Kreisgebiet) müssen ebenfalls daraufhin untersucht werden, ob eine Förderung durch den Landkreis in bezug auf ihre überörtliche Erreichbarkeit in Betracht kommt. Schließlich bemühen wir uns, daß der Schienenverkehr zwischen Frei­ burg und Donaueschingen sowie Villingen und Rottweil, der nicht nur von örtlicher, sondern auch von überörtlicher Bedeutung ist, verbessert wird und dadurch an Attrakti­ vität gewinnt. Fremdenverkehr Schon seit einigen Jahren bemühen wir uns zusammen mit dem Kreis Rottweil in der Werbegemeinschaft „Schwarzwald-Baar – Oberer Neckar“ den Fremdenverkehr zu ver­ stärken. Wir gehen dabei davon aus, daß unser Raum für den Fremdenverkehr noch 5

Abschied und Neubeginn im Kreistag stärker geöffnet werden kann. Der Fremden­ verkehr als eine der Grundlagen für unsere wirtschaftliche Entwicklung legt es ebenfalls nahe, uns um diesen Wirtschaftszweig zu kümmern. Neuere Überlegungen gehen dahin, nicht nur wie bisher, auf unser Werbe­ gebiet auf Messen und dergleichen aufmerk­ sam zu machen, sondern durch den Aufbau Die Kreistagswahl am 28. Oktober 1984 brachte für siebzehn Kreisräte den Abschied und für achtzehn einen neuen Anfang. Aus diesem Anlaß lud Landrat Dr. Gutknecht die ausscheidenden und neugewählten Kreisräte mit ihren Ehegatten am 30. November 1984 zu einem festlichen Abend in das Bad Dürr­ heimer „Haus des Gastes“. Die Bilanz, die der Landrat am Ende der zweiten Wahlperiode des Kreistags vorlegte, berührte drei kreispolitische Anliegen: einer zentralen Zimmervermittlung noch gezielter um Gäste zu werben. Alles in allem: Die Kreispolitik ist auch im Jahr 1985 im Fluß. Die finanzielle Lage bleibt zwar angespannt, aber im Rahmen unserer Möglichkeiten erfüllen wir weiterhin unsere kreispolitischen Aufgaben. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat – Die Integration des Schwarzwald-Baar­ Kreises habe in den vergangenen fünf Jah­ ren sicher Fortschritte gemacht. Aber es bedürfe weiterer gemeinsamer Anstren­ gungen, um den durch die Kreisreform Ausgeschiedene Kreisräte: (von rechts nach links) Dr. Hans Schknker, Hans-Peter Schondelmaier, Ingrid Rieb4 Karl Strobe4 Ingeborg Holtzhauer, Oskar Heinichen, Heinz ffeiffer, Max Hirt, Otto Stärk, Landrat Dr. Gutknecht 6

Theodor Heuss „Die Gemeinden sind wichtiger als der Staat“ mitunter falsch verstanden. Heuss habe damit zum Aus­ druck bringen wollen, daß die Gemeinden in ihrer Bedeutung vor den Ländern und dem Bund einzuordnen sind. Mit seinem Dank an den Kreistag für die sachliche und angenehme Zusammenarbeit bestätigte der Landrat, daß trotz gelegentli­ cher sachlicher Meinungsverschiedenheiten die gegenseitige Achtung nie Schaden gelit­ ten habe. Jetzt habe der Wähler zwei weitere politische Gruppierungen in den Kreistag entsandt Es werde sicher schwieriger wer­ den, aus „sechs Instrumenten“ ein harmoni­ sches Orchester zu formen. In seinem Dank an die ausscheidenden Kreisräte schloß der Landrat auch deren Ehe­ partner ein, denen manches Opfer abver­ langt worden sei. Zur Erinnerung an die Jahre im Kreistag erhielten die scheidenden Parlamentarier das Kreiswappen in Buntglas. Die Feierstunde, die ein Flötenquartett der Jugendmusikschule Villingen-Schwen­ ningen eindrucksvoll umrahmte, klang in geselliger Runde bei einem zwanglosen Steh­ empfang aus. Dr. Rainer Gutknecht geschaffenen Landkreis zu einer in sich gefestigten kommunalpolitischen Einheit zusammenzufügen. Es wurde auch nicht verschwiegen, wo der Hauptkonfliktherd liegt: Die im Grundsatz von allen ge­ wünschte Stärkung des Oberzentrums Villingen-Schwenningen und die gleich­ zeitige Interessenwahrung der übrigen Städte und Gemeinden seien in der prakti­ schen Kreispolitik gelegentlich schwer in Übereinstimmung zu bringen. -Als weiteres Anliegen nannte der Landrat, daß der Landkreis im Bewußtsein seiner Einwohner noch fester verankert werden möge. Er bedauerte, daß die Kreispolitik im vergangenen Kommunalwahlkampf eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle gespielt habe. Dies, obwohl der Landkreis erhebliche Mittel ausgebe, die vielen Bür­ gern unmittelbar zugute kämen. -Als kommunale Gebietskörperschaft sei der Landkreis mit den Städten und Gemeinden gleichwertig. Die gegenseitige Aufgabenverteilung sei keine Frage der hierarchischen Ordnung, sondern der Verhältnismäßigkeit Insofern werde der Ausspruch des ersten Bundespräsidenten Landrat Dr. Gutknecht an der Ruhestätte von RudolfBinz in Donaueschingen Zum 40. Mal jährte sich am 22. Februar 1985 der schicksalsschwere Tag, an dem allein bei der Zerstörung des früheren Landrats­ amtes in Donaueschingen durch Bomben 40 Menschen unter den Trümmern blieben, untern ihnen Landrat RudolfBinz mit seiner Familie, acht weitere Beamte und eine große Zahl von jungen Luftschutzhelferinnen des im damaligen Landratsamt etablierten Luft­ warnkommandos VII/1, das für den Raum Schwarzwald-Baar -Heuberg -Bodensee – östlicher Hochrhein zuständig war. Die Mehrzahl der Donaueschinger Bom­ benopfer des 22. Februar 1945 hat auf dem Gedenken der Bombenopfer im Landratsamt Ehrenfriedhof Donaueschingen-Allmends­ hofen ihre letzte Ruhe gefunden. Dort fand aus Anlaß des 40. Jahrestages ein Gedenken mit Kranzniederlegung statt, zu dem Land­ rat Dr. Rainer Gutknecht ehemalige Mit­ arbeiter des Landratsamtes und Angehörige der beklagten Opfer aus dem Raum Donau­ eschingen-Hüfingen eingeladen hatte. Dr. Gutknecht nannte bei der schlichten Feier den 22. Februar 1945, als sich die Bom­ benschächte über Donaueschingen öffneten, wobei insgesamt 339 Menschen innerhalb weniger Minuten den Tod fanden und die Stadt verwüstet wurde, einen“ Tag der negati-7

Landrat Dr. Gutknecht bei der Kranzniederlegung an der letzten Ruhestätte von Altlandrat Rudolf Binz auf dem Ehrenfriedhof in Donaueschingen-Allmendshofen ven Geschichte“. Seinen Amtsvorgänger Rudolf Binz aus den vierziger Jahren wür­ digte Gutknecht als einen „äußerst geschick­ ten Verwaltungsmann mit ausgesprochen musischer Begabung“. Dem Donaueschin­ ger Bürgermeister Dr. Everke, der sich im Namen der Stadt der Ehrung angeschlossen hatte, sowie den weiteren Teilnehmern dankte der Landrat für die Anteilnahme am Schicksal der Betroffenen. Der besondere Dank galt Altlandrat Dr. Robert Lienhart, der bereits ein Jahr zuvor das Gedenken aus Anlaß des 40. Jahrestages angeregt hatte. Fer­ ner wies Dr. Gutknecht auf den Beitrag im Almanach 1985: »Als die Bomben auf das Landratsamt fielen“ aus der Feder von Alma­ nach-Redakteur Dr. Lorenz Honold hin. Nacheinander legten dann Landrat Dr. Gutknecht und der Donaueschinger Bürger- 8 meister Dr. Everke je einen Kranz an der Stätte der Donaueschinger Bombenopfer und stellvertretend zugleich für alle unschul­ digen Opfer des vergangenen Krieges nieder. In den Ansprachen gaben sie der Hoffnung Ausdruck, daß es nie wieder Krieg geben möge und sich die Schrecken und Greuel von damals niemehr wiederholen mögen. Unter den rund 60 Anwesenden bei der Feier sah man außer Altlandrat Dr. Lienhart aus Donaueschingen auch Altlandrat Dr.Jo­ sef Astfaller aus Villingen-Schwenningen und Ltd. Regierungsdirektor Kühner vom Landratsamt. Während der Stunde des Er­ innerns Lag heller Sonnenschein über dem verschneiten Land, übrigens genau wie vor 40 Jahren -so erinnerten sich mehrere Teil­ nehmer -als die todbringenden Bomben auf L. H. Donaueschingen fielen.

Universitäten, Behörden, Kontakte über die Grenzen Eine Universität stellt sich vor Universitätstage der Universität Konstanz im Schwarzwald-Baar-Kreis Im Jahre 1959 schlug Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger erstmals vor, in Kon­ stanz eine Universität zu gründen, die zen­ trale Bildungsstätte im und für den südlichen Teil des Landes Baden-Württemberg sein sollte. Im Sinne dieses Gründungsauftrages stellte sich die Konstanzer Universität Mitte November 1984 im Rahmen von Universi­ tätstagen im Schwarzwald-Baar-Kreis vor. Kurz zur Geschichte und Struktur der Universität: Das nachhaltige Eintreten des damaligen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzlers führte am 27. Februar 1964 zu dem Beschluß des Landtags, in Konstanz eine Universität zu errichten. Unter dem Gesamtansicht der Universität Konstanz Vorsitz des damaligen Präsidenten der Deut­ schen Forschungsgemeinschaft, Professor Dr. Gerhard Hess, entwickelte der von der Landesregierung eingesetzte Gründungsaus­ schuß innerhalb eines Jahres das Konzept der neuen Universität, die bereits im Som­ mersemester 1966 die wissenschaftliche Arbeit in den Räumen des Inselhotels auf­ nehmen konnte. Im Wintersemester 1966/ 67 begann die Universität Konstanz dann mit der Immatrikulierung der ersten 53 Stu­ denten den Lehrbetrieb im Inselhotel. Im November1967 bezog die Universität eigene Gebäude auf dem Sonnenbühl, mit Beginn des Studienjahres 1972/73 konnten die ersten Neubauten auf dem eigentlichen Uni­ versitätsgelände, dem Gießberg, bezogen 9

werden. Trotz der schwierigen finanziellen Situation des Landes wurde im Juli 1984 mit dem ersten Spatenstich zum Bau des Labor­ gebäudes Physik die vorläufige bauliche Abrundung der Universität Konstanz in Angriff genommen. Die Universität Konstanz, in den Grün­ derjahren in Fachbereichen organisiert, glie­ dert sich heute in acht Fakultäten. Die Be­ zeichnung der Fakultäten spiegelt das Kon­ stanzer Fächerspektrum wider. Derzeit gibt es die Fakultäten für Mathematik, für Physik, für Chemie, für Biologie (mit Schwerpunk­ ten in Limnologie und Ökologie), die Sozial­ wissenschaftliche Fakultät (mit den Fach­ gruppen Psychologie und Soziologie, Politik­ wissenschaftN erwaltungswissenschaft, Erzie­ hungswissenschaft und Sportwissenschaft), die Philosophische Fakultät (mit den Fach­ gruppen Philosophie, Geschichte, Sprach­ wissenschaft und Literaturwissenschaft), die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Statistik sowie die Juristische Fakultät. Hohen Stellenwert haben an der Universi­ tät Konstanz die Ziele, die im Gründungs­ konzept verankert sind: Entwicklung von Lehre aus Forschung, lnterdisziplinarität, intensive Zusammenarbeit von Lehrenden und Lernenden, Konzentration auf Schwer­ punkte anstelle eines kompletten Fächer­ spektrums, Berufsbezogenheit und praxis­ orientierte Forschung sowie Weiterentwick­ lung von Lehrformen. Als Beispiele seien hierfür der Studiengang Verwaltungswissen­ schaft, die einstufige Juristenausbildung, das sozialwissenschaftliche Grundstudium, die Studienmodelle für Literatur- und Sprach­ wissenschaft sowie für Biologie und Chemie genannt. Die Universität Konstanz ist seit ihrer Gründung bestrebt, vereinfachte Formen der Verwaltung zu finden und damit die Wissen­ schaftler von Verwaltungsarbeiten zu ent­ lasten. Ausdruck dieser Reform war auch Aufbau und Anordnung der Universitätsbi­ bliothek. Sie ist als ein einheitliches, zentral geleitetes Bibliothekssystem für die gesamte Universität eingerichtet und in die drei gro- 10 ßen wissenschaftlichen Blöcke der Naturwis­ senschaften, der Sozialwissenschaften und der Geisteswissenschaften eingeteilt. Der Benutzer hat freien Zugang zum Bücherbe­ stand von z. Zt. 1,2 Millionen Bänden, wo­ durch übliche Wartezeiten und lästige Buchanforderungen entfallen. Die Universi­ tätsbibliothek ist nicht nur für Universitäts­ angehörige zugängig, sondern sie steht allen Bürgern zur Verfügung. Die große Zahl von ca. 5000 externen Nutzern zeigt, daß die Uni­ versität auch in diesem Bereich ihrer Auf­ gabe als zentrale Bildungsstätte im südlichen Teil des Landes gerecht wird. Nach den Vorstellungen der Landesregie­ rung und des Gründungsausschusses war die Universität Konstanz für 3000 Studenten geplant. Die Universität hat jedoch frühzei­ tig auf die bildungspolitische Entwicklung reagiert und war bereit, eine größere Zahl von Studenten aufzunehmen und somit zur Entlastung anderer Universitäten beizutra­ gen. Inzwischen hat die kontinuierliche Zunahme der Studentenzahl mit einer im Landesdurchschnitt überproportionalen Stei­ gerungsrate dazu geführt, daß die Universität Konstanz im Wintersemester 1984/85 ca. 6000 Studierende ausbildet, wobei als 6000er Student eine Studentin aus Villingen­ Schwenningen immatrikuliert wurde. Als neu geschaffene Bildungsstätte im südbadischen Raum ist die Universität bestrebt, den direkten Kontakt zu der sie umgebenden Landschaft und ihrer Bevölke­ rung zu suchen. So beteiligt sie sich seit 1979 ständig an der Internationalen Bodensee­ messe (IBO) in Friedrichshafen. Mit der Beteiligung des Lehrstuhls Informationswis­ senschaft an der Südwest-Messe in Villingen­ Schwenningen sowie der ständigen Einrich­ tung des Donaueschinger Wissenschaftsfo­ rums seit November 1983 wurden erste Inte­ grationsschritte in Richtung Schwarzwald unternommen. Mit den Universitätstagen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und der Stadt Villingen­ Schwenningen in der Zeit vom 16. bis 23.

Innenhof der Universität Konstanz, Blick auf die Mainau November 1984 stellte sich die Universität in diesem Landkreis in konzentrierter Form vor. Dieser Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit sollte dazu dienen, der Bevölkerung und den Vertretern des öffentlichen Lebens im Schwarzwald-Baar-Kreis die junge Universi­ tät näherzubringen und Einblicke in Lehre und Forschung an der Universität Konstanz zu ermöglichen. Die Universitätstage haben erkennen lassen, daß die Universität nicht nur die bessere Versorgung des Landkreises mit Studienplätzen im Auge hat, sondern sich auch in der Ausrichtung der Forschung, wo immer es möglich ist, den Problemfel­ dern ihrer Umgebung widmet. Als Beispiele seien hier.�ie Forschung�gebiete der Limno­ logie, der Okologie, der Okonomie sowie die der Regionalforschung genannt. Die Universitätstage, vom Rektor der Universität Konstanz, Prof. Dr. Horst Sund, angeregt und anläßlich einer Pressekonfe­ renz von Prorektor Prof. Dr. Ekkehard Reck­ nagel vorgestellt, fanden bei Oberbürgermei­ ster Dr. Gerhard Gebauer und Landrat Dr. Rainer Gutknecht größte Zustimmung. Den Auftakt der Informationswoche bildete eine feierliche Eröffnungsveranstaltung im Chor­ raum des Franziskaners im Stadtbezirk Vil­ lingen. Nach Begrüßungsansprachen durch den Oberbürgermeister und den Landrat 11

referierte Prorektor Prof. Dr. Ekkehard Reck­ nagel über das Thema „Die Universität Kon­ stanz und ihre Region“. Prof. Dr. Klaus Oet­ tinger von der Philosophischen Fakultät, Fachgruppe Literaturwissenschaft, hielt an­ schließend den Festvortrag zum Thema „Fein und listig, aber eben doch nicht recht … „, über Witz und Moral bei Johann Peter Hebel. Für den musikalischen Rahmen der Eröffnungsveranstaltung sorgten Mitglieder des Universitätsorchesters unter der Leitung von Howard Griffith. Gleichzeitig wurde im Foyer des Theaters am Ring, Stadtbezirk Vil­ lingen, eine Ausstellung mit dem Thema ,,Die Universität Konstanz stellt sich vor“ eröffnet, die der Öffentlichkeit während der gesamten Universitätstage zugänglich war. In der Ausstellung skizzierte die Universität auf 50 Ausstellungstafeln ihr Studienange­ bot und verdeutlichte an Beispielen, was in Lehre und Forschung geleistet wird. In meh­ reren Vitrinen wurden Publikationen Kon­ stanzer Wissenschaftler und Werkstücke der wissenschaftlichen Werkstätten vorgestellt. Größter Anziehungspunkt war ein 50 cm langer Zitterwels, der von der Fakultät für Biologie in einem großen Aquarium aus­ gestellt wurde und dessen elektrische Strom­ stöße auf einem Oszillographen sichtbar waren. Im Zeichen der Studienberatung stand der Samstagvormittag, der 17. November 1984, gedacht für Schüler der Gymnasien des Landkreises sowie für bildungspolitisch in­ teressierte Bürger. Die Veranstaltung, die sowohl im Stadtbezirk Villingen, Hoptbühl­ Gymnasium, als auch im Stadtbezirk Schwenningen, Gymnasium am Deuten­ berg, durchgeführt wurde, fand reges Inter­ esse bei der Bevölkerung. In einem Kurzrefe- Eröffnungsveranstaltung der Universitätstage im Franziskaner in Villingen-Schwenningen am 16. N(Yl)ember 1984. Von links nach rechts: Bürgermeister Kühn, Prorektor Prof Dr. Recknagel, Rektor Prof Dr. Sund, Landrat Dr. Gutknecht, Oberbürgermeister Dr. Gebauer. 12

rat wurden Hochschulzugang, Aufbau und Anforderung eines Hochschulstudiums skizziert, die in Konstanz angebotenen Stu­ dienmöglichkeiten und Studiengänge vor­ gestellt sowie ein detaillierter Überblick über die möglichen Fächerkombinationen und Abschlüsse gegeben. Die Universitätstage wurden am Montag, dem 19. November 1984, mit einem Vortrag von Prof. Dr. Ludwig Pack, Fakultät für Wirt­ schaftswissenschaften und Statistik, über das Thema „Lebensversicherung -Do it your­ self?“ im Matthäus-Hummel-Saal, Stadtbe­ zirk Villingen, fortgesetzt. Im Rahmen einer vergleichenden Wirtschaftlichkeitsanalyse be­ schrieb Prof. Pack als Alternative zur Lebens­ versicherung eine Kombination von Lang­ fristsparen mit einer Risikoversicherung, die den gleichen Versicherungsschutz gewährt wie eine entsprechende Kapitallebensversi­ cherung. Am Dienstag, dem 20. November 1984, standen gleich zwei weitere interessante Ver­ anstaltungen auf dem Programm. Im kleinen Saal des Beethoven-Hauses, Stadtbezirk Schwenningen, fand eine Podiumsdiskus­ sion zum Thema „Ist die Umwelt noch zu retten?“ statt Unter der Leitung von Prorek­ tor Prof. Recknagel diskutierten Natur-und Sozialwissenschaftler der Universität Kon­ stanz, die Professoren Kutsch, Pfennig, Schatz, R. Schmidt und Wiehn. Parallel dazu gastierte das Studententheater der Universi­ tät Konstanz im Theater am Ring, Stadtbe­ zirk Villingen, mit dem Theaterstück „Die Südliches Tor zum Schwarzwald-Baar-Kreis Wer von Schaffhausen auf der Schweizer Nationalstraße 4 in Richtung Stuttgart oder von Donaueschingen auf der Bundesstraße 27 nach Schaffhausen fährt, betritt bzw. ver­ läßt den Schwarzwald-Baar-Kreis und das Bundesgebiet über das Zollamt Neuhaus, das als Dienststelle des Hauptzollamtes Sin- Das Zollamt Neuhaus Wirtin“ von Peter Turrini nach der beliebten Komödie „La Locandiera“ von Carlo Gol­ doni. Prof. Dr. Rolf Knippers, Fakultät für Bio­ logie, befaßte sich am Donnerstag, dem 22. November 1984, im Haus des Handwerks, Stadt Donaueschingen, mit dem Titel „Auf dem Weg zum Verständnis der Krebskrank­ heit“. Im Mittelpunkt des aktuellen Themas standen hauptsächlich die neueren Ergeb­ nisse und Erkenntnisse der Zell-und Mole­ kularbiologie. Prof. Dr. Harald Gerfin, Fakultät für Wirt­ schaftswissenschaften und Statistik, beschloß die Veranstaltungswoche mit einem Vortrag über die „Ursachen der Arbeitslosigkeit“ im Karl-Haag-Saal -Stadtbibliothek-, Stadtbe­ zirk Schwenningen. Schwerpunktmäßig be­ schäftigte sich Prof. Gerfin in seinem Vortrag mit der Diagnose der Fehlentwicklung am Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutsch­ land in der jüngeren und jüngsten Vergan­ genheit. Rückblickend läßt sich feststellen, daß das angestrebte Ziel, die Universität Konstanz als wichtige Bildungs-und Forschungsanstalt im Landkreis stärker zu verankern und den Bürgern ihre Lehr-und Arbeitsweise vor­ zustellen, erreicht wurde. Die Informations­ woche konnte der Bevölkerung neue Ein­ blicke und Erkenntnisse über die regionalpo­ litische Bedeutung der Universität Konstanz im südbadischen Raum vermitteln. Ekkehart Recknagel und Wolfgang Fenge gen -zur Flächengemeinde Blumberg gehö­ rend -am nördlichsten Zipfel der Ausbuch­ tung liegt, die der Kanton Schaffhausen zur Bundesrepublik hin bildet. In der Nähe von Neuhaus zog schon eine Römerstraße (Verbindung nach Hüfingen) über den Randen. Im Mittelalter führte die 13

sogenannte „Straßburgerstraße“ über Neu­ haus, die damals die einzige Verbindung von Schaffhausen über den Randen – Donau­ eschingen – Bräunlingen – Villingen nach Straßburg bildete. Der Platz und die Straße hatten auch wesentliche Bedeutung für die kürzeste Verbindung zwischen den befreun­ deten Städten Schaffhausen und Rottweil. Heute führt diese, zum Teil noch dem alten Handelsweg folgende Straße von der Lan­ desgrenze über Donaueschingen (B 27) nach Stuttgart und auf der Schweizer Seite über Schaffhausen nach Zürich (N 4) mit Verbin­ dungen zu den nach Italien führenden Hauptverkehrsstraßen über St. Gotthard und St. Bernhard. Die nachweislich erste Zollerhebung in Neuhaus erfolgte im Jahre 1605 am „ Ver­ schlagen Creüz“ (einem durch Blitzschlag beschädigten Bildstock) durch das österrei­ chische Haus der Nellenburger. Aus dem Jahre 1693 ist die Einführung eines Zollstra­ ßenzwanges mit Strafandrohung (Abhacken eines Fingers bei Nichteinhaltung der offi­ ziellen Zollstraße) bekannt. Als Richtbaum soll die heute noch erhaltene und im Volks- mund als „Buchener Stumpen“ bekannte Eiche, ca. 1,5 km südöstlich von Randen, gedient haben. 1791 wurde am „ Verschlagen Creüz“ ein Wirts- und Zollhaus (gleichzeitig Umspannstation für die Pferdefuhrwerke) durch Johannes Sauter, Nordhalden, das sogenannte „Neue Haus“ (später Neuhaus) gebaut. Im Jahre 1816 wurde ein Johannes Pfeiffer als „ Wirt und Zoller“ in den Kirchen­ büchern von Komrningen erwähnt. 1834/35 erfolgte der Bau des alten Zollamts Neuhaus mit Revisionsschopf und Holzkran, das – nach Abriß des Revisionsschopfes und Zwi­ schenbau eines Dienstwohngebäudes im Jahre 1937 – bis November 1965 getreu sei­ nen Zwecken diente und 1973 abgebrochen wurde. Die für damalige Zeiten recht großzü­ gig gebauten Anlagen lassen auf einen nicht unbedeutenden Warenverkehr schließen, der jedoch mit Inbetriebnahme der Eisen­ bahnen und nach der letzten Fahrt der Post­ kutsche über Neuhaus im Jahre 1890, sehr schnell zurückgegangen sein dürfte. Erst durch die fortschreitende Motorisierung gewann der Übergang wieder an Bedeutung. Bei Kriegsausbruch 1939 wurde das Zollamt 14

geschlossen und erst im November 1945 wie­ der geöffnet. Der zunehmende Verkehr ab 1950 ließ die alte, heute noch als Wanderweg bestehende Zollstraße, den „Bargener Steig“ (mit seinem Gefälle von 18 % im Wint!!r besonders ge­ fährlich) und die vorhandenen Abferti­ gungsanlagen in kurzer Zeit völlig unzurei­ chend werden (August 1952 – 66 000 Perso­ nen, August 1953 – 188 000 Personen). Die deshalb bereits 1953 für einen Zollamtsneu­ bau begonnen Planungen verzögerten sich jedoch bis zur Festlegung der neuen Stra­ ßenführung zuständigen Schweizer und deutschen Behörden. Erst dann konnte an der neuen Straße, ca. 1 km von der Landesgrenze und ca. 2 km vom 1969 in Betrieb genommenen neuen Schwei­ zer Hauptzollamt Bargen, der günstigste Platz für den Neubau festgelegt werden. durch die Das neue Zollamt Neuhaus, das sich in annähernd 800 m Höhe harmonisch in die wildromantische Berglandschaft des Randen einfügt, wurde in schlichter einstöckiger Bau- weise aus gelben Klinkersteinen, Glas und Stahl erstellt und im November 1965 in Betrieb genommen. Es ist für den Reisever­ kehr mit überdachten drei Eingangs- und zwei Ausgangsfahrbahnen ausgestattet, zwi­ schen denen auf einer Verkehrsinsel eine Schutzkabine für die Abfertigungsbeamten installiert ist. In dem auf der Ausgangsseite befindlichen Nebengebäude sind eine Wech­ selstube und das Büro einer internationalen Zollspedition untergebracht; in einem zwei­ ten Nebengebäude auf der Einreiseseite befindet sich eine Garage mit Grube, in der verdächtige Pkw eingehend überholt werden können. Für den Warenverkehr stehen auf der Rückseite des Gebäudes ein Zollhof und eine Warenhalle mit Rampe zur Verfügung. Das Zollamt ist zweckmäßig, in seinem Inne­ ren weiträumig gestaltet und in seiner Gesamtkonzeption auch heute noch dem stark angestiegenen Reise- und Warenver­ kehr gewachsen. Modernste technische Aus­ stattung gewährleistet ein funktionelles und fachgerechtes Arbeiten der beschäftigten 15

B eam ten u n d A ngestellten der Zollverw al­ tu n g un d des B undesgrenzschutzes un d eine reibungslose A bfertigung der R eisenden u n d W aren. M it seinen einfachen, aber liebevoll gepflegten G rünanlagen stellt das Z ollam t N euhaus eine ansprechende V isitenkarte des Schwarzwald-Baar-Kreises u n d der B undes­ republik dar. Für den R eisenden b edeutet der A uf­ en th alt an der G renze eine unliebsam e U nterbrechung seiner Fahrt, w obei er auch no ch m it der Ü berp rü fu n g seines Fahrzeuges u n d seines G epäcks rechnen m uß. Ihm sind die vielfältigen A ufgaben eines G renzzoll­ am tes u n b e k a n n t od er n ich t bew ußt. N eben den paßrechtlichen, grenz- u n d verkehrspoli­ zeirechtlichen A ufgaben, die überw iegend u n d fachaufsichtlich d urch die seit 1953 in N euhaus bestehende G renzschutzstelle des B undesgrenzschutzes w ahrgenom m en w er­ den, sind diese wie folgt: – D i e E r h e b u n g u n d V e r w a l tu n g v o n Z öllen u n d A bschöpfungen (EG), v o n V erbrauchssteuern a u f Bier, B ranntw ein, Tabakw aren, Kaffee, M ineralöl, Z ucker usw., v o n E infuhrum satzsteuer (M ehr­ w ertsteuer) u n d v o n K raftfahrzeugsteuer. – D i e Ü b e r w a c h u n g d e r E in fu h r -, D u r c h f u h r – u n d A u s f u h r v e r b o t e z u m S c h u t z d e s M o n o p o l s fü r B ranntw ein. in Bezug a u f Ö f f e n t l i c h e O r d n u n g Schußw affen, M un itio n , Sprengstoff, radioaktives M aterial. G e s u n d h e i t in Bezug a u f Rauschgift, N arkotika, B akte­ rien, V iren, T richinen; T ie r e gegen Erre­ ger v o n V iehseuchen usw., A rtenschutz; P f l a n z e n gegen K rankheitserreger, Schäd­ linge. W i r t s c h a f t in B ezug a u f W arenbe­ zeichnung, K u l tu r g ü te r in Bezug a u f K unstw erke, A ltertüm er. – D i e D u r c h f ü h r u n g d e r A u ß e n w i r t ­ s c h a f t s b e s t i m m u n g e n h i n s i c h t l i c h a lle r W a r e n . – D i e s t a t i s t i s c h e E r fa s s u n g d e s g e s a m ­ t e n W a r e n v e r k e h r s . – D i e Ü b e r w a c h u n g d e s K r a ft fa h r z e u g ­ v e r k e h r s nach dem G esetz über H a ft­ pflichtversicherung ausländischer Kfz., 16 dem dem K raftfahrzeugsteuergesetz, G üterkraftverkehrsgesetz. U m alle diese A ufgaben bew ältigen zu k ö nnen, b ed arf es fachkundiger, engagierter Beam ter, die tro tz Belastung d urch das rauhe Bergklim a in Tag- u n d N achtschicht dem R eisenden u n d W arenführer sachkundig, höflich u n d korrekt gegenübertreten. sogenannten Im Jahre 1984 w urden v o n den in der Rei­ sendenabfertigung in dem seit 1971 prakti­ zierten „Personalverbund“ (wechselseitige W ah rn eh m u n g der A uf­ gaben beider V erw altungen) eingesetzten B eam ten des B undesgrenzschutzes u n d der Z ollverw altung ca. 2 583 000 Personen aller N ationalitäten m it 706109 Pkw u n d K rafträ­ dern u n d 7 483 O m n ib u ssen zu r Einreise abgefertigt; die A nzahl der ausgereisten Per­ sonen un d Fahrzeuge dürfte etw a gleich sein. Im R eiseverkehr w urden 381 Z ollvergehen im vereinfachten V erfahren erledigt und gegen 149 Personen Strafverfahren eingelei­ tet. D er W ert der nicht angem eldeten W aren belief sich a u f ca. 275 0 0 0 ,- D M . Beliebteste Schm uggelw aren sind U hren, G old, Schm uckw aren, T extilien u n d Zigaretten. G egen 32 Personen w urden in 28 Fällen A nzeigen wegen Vergehens gegen das B etäubungsm ittelgesetz erstattet. Im glei­ chen Z eitraum w urden 41 Personen wegen der verschiedensten V ergehen festgenom ­ m en. G egen 29 Personen w urden w egen Ver­ gehens gegen das A usländergesetz u n d gegen 205 Personen wegen V erstoßes gegen verkehrsrechtliche V orschriften A nzeigen erstattet. 7 Personen w urden v o n der Einreise zurückgew iesen. im R eiseverkehr D ie A nzahl der eingefahrenen L astkraft­ wagen betrug 1984 ca. 27 600, m it d enen ins­ gesam t 21696 W arensendungen eingeführt u n d zollam tlich abgefertigt w urden. A u f­ grund dieser A bfertigungen sind vom H au p tzo llam t Singen ca. 40 M illionen D M an A bgaben erhoben w orden, zu d enen no ch ca. 2 M illionen B areinnahm en des Z ollam ts h in zu kom m en. D ie A nzahl der zu r A u sfuhr abgefertigten S endungen belief sich a u f ca. 51550. H auptsächlich eingeführt w erden

chirurgische Fützen und Beggingen Backwaren, Teigwaren, Bier, Waren des Molkereiprodukte, Lebensmittelzubereitun­ Buchhandels, Stahl und Stahlerzeugnisse, gen, Teigwaren, Erzeugnisse der Elektro-, Leder und Lederwaren sowie Heu und Stroh. Textil-und Papierindustrie, Keramikwaren, Granit und Marmor, Stahl und Stahlerzeug­ Dieser in Reisenden-und Warenabferti­ nisse, Werkzeugmaschinen, T urbinenanla­ gung nicht unbedeutende Arbeitsanfall gen, Zahnersatz und Dentalwaren, Gocards wurde von durchschnittlich 20 Zollbeamten sowie Waren des Buchhandels und Zeit­ und einer der jeweiligen Sicherheitslage schriften. Bei den Ausfuhrsendungen han­ angepaßten Anzahl von Beamten des Bun­ delte es sich hauptsächlich um Holz, Möbel, desgrenzschutzes bewältigt. Konrad Schröder, Zollamtsrat Musikinstrumente, Instru­ mente, Waren der Unterhaltungselektronik, Wie steht es um Freundschaftskontakte über die Grenze hinweg? Im Süden der Bundesrepublik Deutsch­ land -zur Schweiz hin -wo sich grün-bzw. grauberockte Zollbeamte gegenüberstehen, verläuft auch die Grenze des Schwarzwald­ Baar-Kreises. Für den oberflächlichen Be­ trachter trennen sich hier Staaten und Völ­ ker. Der Kenner aber weiß von einer gemein­ samen alemannischen Vergangenheit der Baaremer und der Kantonsbürger von Schaffhausen. Zwangsläufig ergibt sich die Frage: Wie steht es um die Nachbarschaft auf unterster Ebene, dort wo sich die Menschen am nächsten sind -in Dörfern, wie zum Bei­ spiel Flitzen und Beggingen. Die Nachbarschaft im kleinen trägt viele Namen. Manche Grenzdörfer unterhalten sogar regelrechte Freundschaften. Erzinger und Schleitheimer reichen sich noch heute die Hand zum Gruß und zum Tanz. In Stüh­ lingen essen die Einwohner zur Fasnacht auch Schleitheimer „Rickli“, und anderswo treffen sich Schweizer und Deutsche zur Plauderei über Kühe und Politik. Während andernorts die nachbarschaft­ liche Welt also noch „heil“ ist, fehlt es im Bereich Fützen/Beggingen seit Jahren am regelmäßigen deutsch-schweizerischen Ge­ dankenaustausch. Das freundschaftliche Band habe sich bereits nach dem Krieg ge­ lockert, meinen die Begginger. In Flitzen gibt man unter anderem der Zwangseingemein- dung des Dorfes in das Blumberger Stadt­ gebiet vor elf Jahren die Schuld. Um so begrüßenswerter, daß die „alten Bekannten“ ihre Beziehungen nicht abbrechen lassen. So fand sich im Dezember 1984 der Begginger Gemeindepräsident Emil Werner zur Ver­ abschiedung des langjährigen Bürgermei­ sters von Flitzen, Josef Günthner, ein. Und 1985 beteiligte sich der Gesangverein Beggin­ gen unter der Leitung von Charlotte und Max Salathe-Neidhart mit seiner Trachten­ gruppe am Frühjahrskonzert des Fützener Chors „Sangeslust“. Probleme bringt die Situation der Land­ wirtschaft mit sich. Liegen doch über 400 Hektar Begginger Land auf deutschem Gebiet. Dennoch wird zwischen den Bauern beider Orte nicht gestritten. Man arrangiert sich, so gut es geht. Die Familie Vogelsanger, deren Hof gegenüber dem Schweizer Zoll liegt, bearbeitete lange Zeit zwei Drittel ihres Feldes auf deutschem Gebiet. Geht es um nachbarschaftliche Bande zu deutschen Bauern, kennen die Vogelsangers keine Grenzen. Die Bäuerin weiß die Geschichte vom letzten Krieg zu erzählen, als ihre Schwiegereltern oftmals Fützener in ihrem Schuppen verköstigt haben. Mit Freude den­ ken Hans Eugen und Vreni Vogelsanger an die Zeit zurück, als das Heu noch von Hand aufgeladen wurde und sich immer ein Grund 17

finden ließ, mit den Fützenern ein Glas zu heben und zu plaudern. Bis 1936, so der am 31. Dezember1984 aus­ geschiedene Gemeindepräsident von Beg­ gingen, Emil Werner, ,,hatten wir enge Kon­ takte mit der Fützener Bevölkerung. Diese gründeten auf zahlreichen verwandtschaft­ lichen Beziehungen. Im Krieg war dann aller­ dings ,Funkstille‘. Nach der Kapitulation haben wir aber vielen Fützenern helfen kön­ nen, die ersten schweren Jahre zu überstehen. Wir beschafften Ziegel, Werkzeug und andere Gebrauchsgegenstände. Die Kinder holten wir nach Beggingen, um sie satt zu machen und einzukleiden.“ Daß der Kontakt zwischen den beiden Dörfern heute nicht mehr so rege wie früher ist, weiß auch Walter Greutrnann, Gemein­ deschreiber von Beggingen. Seiner Meinung nach ist die zunehmende Motorisierung in den letzten 40 Jahren dafür verantwortlich. „Früher war der Fußweg nach Flitzen kürzer als die Autofahrt heute nach Schaffhausen“, sagt er. Das Restaurant „Hannesli“ kennt Walter Greutrnann allerdings noch gut. Bei dem Fützener Dorforiginal traf man sich immer wieder aus beiden Dörfern. Bis zu seinem Tod im Jahre 1977 pflegte Johann Gleichauf, liebevoll „Hannesli“ genannt, leb­ haften Umgang mit Schweizern wie Deut­ schen. Wie die Begginger, bedauern auch die Füt­ zener, daß der Kontakt zwischen den Grenz­ dörfern lockerer geworden ist. Der ehemalige Bürgermeister Josef Günthner verweist auf die Zwangseingemeindung nach Blumberg am 1. Januar 1975. 1946 und in den Folge­ jahren habe er noch in Beggingen die Grund­ steuer eingeholt für den Besitz, den die Schweizer auf deutscher Seite hatten. Damals sei die Jugend noch auf die Tanz­ veranstaltungen beiderseits der Grenze Unsere Aufaahme zeigt (von links): Blumbergs Bürgermeister Werner Gerber, Fützens ehemaliger Bürgermeister josef Günthner, den ehemaligen Gemeindepräsidenten von Beggingen, Emil Werner, und Landrat Dr. Rainer Gutknecht, die sich anläßlich der Verabschiedung von Josef Günthner im Dezem­ ber 1984 in Pützen trafen 18

gegangen. Günthner begrüßt es, daß wenig­ stens die Gesang- und Musikvereine noch Kontakte haben. Außer bei der Landgrenzbegehung, die alle sechs Jahre gemeinsam mit den Schwei­ zern stattfindet und den vorgenannten Anlässen, gibt es nur noch wenige ständige Kontakte. Sie liegen im familiären Bereich. Neue Kontakte auf kommunaler Ebene knüpfte Landrat Dr. Gutknecht im Jahr 1973 über Emil Werner zu den Kommunalpoliti­ kern des Kantons Schaffhausen. Im jähr­ lichen Wechsel finden seitdem Treffen im Schwarzwald-Baar-Kreis oder im Kanton Schaffhausen statt. ,,Daraus sind inzwischen Freundschaften geworden“, so der Landrat. Ein nicht aus der Welt zu schaffendes Pro­ blem bleibt die Landpachtung schweizeri­ scher Bauern in der Bundesrepublik. Aus Schweizer Sicht haben sich allerdings seit Motiv am Salinms1·c in Bad Dürrheim. Z,eichnung:j. Asifäller. einiger Zeit die Wogen etwas geglättet. Viel dazu beigetragen haben entsprechende Kon­ takte zwischen den Behörden in Freiburg und Schaffhausen. Auch die Bauernver­ bände haben dazu beigetragen. Ob die Ruhe von Dauer sein wird, ist ungewiß. Der Drang nach landwirtschaftlichen Flächen ist nach wie vor groß. Die deutschen Bauern weichen wegen des Milchüberschusses vermehrt auf Ackerbau aus, mit der Folge, daß sich Schweizer und Deutsche bei der Zupachtung von Land in scharfer Konkurrenz liegen. Aus einer solchen Situation entsteht unterschwel­ lig Ärger. Insbesondere dann, wenn die deut­ schen Landwirte große Flächen vor ihrer Haustür liegen haben, an die sie wegen der Subventionierung schweizerischen Bauern und des günstigen Wechselkurses des Franken nicht herankommen. der Günter M. Walcz 19

Schulen und Bildungsstätten Errichtung der Villinger Gewerbeschule Die Einführung der Gewerbeschulpflicht in Villingen vor 150 Jahren Am 15. Mai 1834 erschien eine landesherr­ liche Verordnung über die Einrichtung von Gewerbeschulen in Baden: Jungen Leuten, die sich einem Handwerk oder einem Gewerbe widmen, welches keine höhere technische oder wissenschaftliche Bildung erfordert, und das sie praktisch bereits zu ler­ nen begonnen haben, sind diejenigen Kennt­ nisse und graphischen Fertigkeiten beizu­ bringen, die sie zum verständigen Betriebe dieses Gewerbes geschickt machen.“ Noch im gleichen Jahr wurden die Planungen für die neu einzurichtende Villinger Gewerbe­ schule abgeschlossen, und am 4. Januar 1835, einem Sonntag, nahm die Gewerbeschule Villingen ihren Betrieb auf. Die alten Fertigungsmethoden konnten nicht mehr mithalten. Die Industrialisierung Badens forderte eine systematische Umset­ zung mathematischer und naturwissen­ schaftlicher Erkenntnisse in die Produktion. Nur durch genaue, überlegt konstruierte Pro­ dukte war es möglich, sich auf dem Markt zu behaupten, gegen die ausländische Konkur­ renz anzutreten. Das Erfahrungswissen der Alten reichte nicht mehr aus. Der industrielle Fortschritt erzwang ein möglichst genaues Arbeiten und setzte damit eine verbesserte Bildung der Handwerker und Arbeiter vor­ aus. Der Aufschwung der deutschen Indu­ strie in der zweiten Hälfte des letzten Jahr­ hunderts machte eine verbesserte Ausbil­ dung der Lehrlinge immer dringender. Am 24. Mai 1872 ging ein Schreiben des „Gewerbeschulraths“ in Furtwangen an den „Gewerbeschulrath“ in Villingen: ,,Durch die großartigen Fortschritte auf dem Gebiete der Wissenschaften, insbesondere auf dem der Naturwissenschaften, durch die mannigfa­ chen Erfindungen und Vervollkommnun- 20 gen im Maschinenwesen sowie durch die Industrieausstellungen, haben fast sämmt­ liche Gewerbe einen riesigen Aufschwung erfahren und der geschäftliche Verkehr ist durch die Banken, Börsen und Kreditvereine sowie durch zeitgemäße Abänderungen in den Gesetzen so außerordentlich gefördert und erhöht worden, daß die in den Elemen­ tarschulen dargebotenen Kenntnisse und Fertigkeiten zur selbständigen Führung eines Geschäfts absolut unzureichend sind. Man braucht sich nur in den Werkstätten und Fabriken und Geschäftslokalen aufmerksam umzusehen, um zu der deutlichen Überzeu­ gung zu kommen, daß kein Gewerbetreiben­ der ohne einen tüchtigen Schatz an naturwis­ senschaftlichen Kenntnissen, ohne Sicher­ heit im Zeichnen, in der Anfertigung von Geschäftsaufsätzen und der gewerblichen Buchführung den Anforderungen unserer Zeit nicht gerecht werden kann.“ Die Aufhebung jeglichen Gewerbeschul­ zwangs durch die Gewerbefreiheit 1862 hatte bei den Gewerbeschulen zu einem ziem­ lichen Schülerschwund geführt. Die bessere Einsicht hatte sich bei Lehrherrn und Lehr­ lingen keinesfalls durchgesetzt Der Schüler­ mangel an den Gewerbeschulen machte sich ganz offensichtlich auch an den Orten bemerkbar, ,, welche von Lehrlingen und Gesellen wimmeln“. Der freiwillige Besuch der Gewerbeschule hatte sich als wenig sinn­ voll herausgestellt An die Stelle der Freiwil­ ligkeit müsse das Gebot treten, lautete die Forderung des Furtwanger Gewerbeschul­ rats. Die Lehrherren waren leider nicht immer an einer guten Ausbildung ihrer Lehr­ linge interessiert und nutzten diese teilweise sehr stark aus. Für den Schwarzwald schlugen die Schulräte eine möglichst gleichzeitige

Einführung der Gewerbeschulpflicht vor, schon deswegen, ,,als die von allen Seiten auf­ tretende Concurrenz uns zur Einsetzung unserer vollen Thatkraft mahnt, wenn wir in den großen Wettkampf mit Aussicht auf Erfolg eintreten wollen „. Das Ortsstatut der Gewerbeschule Villin­ gen vom 25. April 1873 machte den Berufs­ schulbesuch zur Pflicht. Paragraph 1 des Sta­ tuts lautete: Jeder bei einem hiesigen Gewer­ betreibenden (Gewerbsmeister oder Fabri­ kant) befindliche Lehrling oder Gehilfe muß bis zum 17. Lebensjahr die Gewerbeschule besuchen. Die Arbeits- oder Lehrherren sind zur Gewährung der zu diesem Besuch erfor­ derlichen Zeit verpflichtet.“ 1875 drängte das Badische Handelsmini­ sterium auf Erweiterung des beruflichen Unterrichts mit der Begründung: ,,Von Ver­ tretern der Schwarzwälder Uhrrnacherei wurde schon wiederholt als ein Bedürfnis für die Forterhaltung der Absatzfähigkeit der Schwarzwälder Uhren gegenüber der Wett­ werbung mit den Uhren aus anderen Län­ dern die Fürsorge für eine bessere Vorbil­ dung der angehenden Uhrmacher zu ihrem künftigen Beruf bezeichnet und es wird die Obrigkeit durch das Urtheil wohlunterrich­ teter Sachverständiger aus anderen Kreisen bestätigt … denjenigen Schülern, welche die Uhrmacherei erlernen … Unterricht in den für die Uhrrnacherei hauptsächlichen wichti­ gen Lehren der Physik und Mechanik (zu ertheilen) … der Unterricht (soll) um den­ selben fruchtbringend erteilen zu können, nicht erst nach Ablauf der täglichen Arbeits­ zeit, sondern in den Vormittagsstunden ertheilt werden.“ Der nach Amerika ausgewanderte Villin­ ger Felix Fridolin Schönstein berichtete über 21

seine Lehrzeit in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts: „Ich selbst, damals gerade 14 Jahre alt, trat bei meinem Bruder Lukas in die Lehre, für fünfJahre, ohne Lohn wie damals übich und mit einem Lehrvertrag, wonach ich die Lehrzeit nicht unterbrechen durfte. Die Arbeitsstunden gingen für jedermann nach einer städtischen Verordnung von 5 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Gewerbliche Lehrlinge mußten die Gewerbeschule besu­ chen, wo sie Geometrie, Mathematik und Zeichenunterricht bekamen. Um 5 Uhr jeden Morgen, Sommer und Winter mußten die Lehrlinge aufstehen und sich ihren Schulaufgaben widmen. Dann folgte das Frühstück und der gewerbliche Arbeitstag.“ 0- Honold,in:Südkurier v.4. 7.1959,Nr. 150) Der Unterricht an der Gewerbeschule Vil­ lingen im Sommersemester 1874/75 fand in der Regel morgens zwischen 5 und 7 Uhr statt, außerdem am Sonntag vor und nach dem Kirchgang. Die Gewerbeschulpflicht wurde von den Betroffenen nicht sehr geschätzt. Die Meister fühlten sich bevor­ mundet, die Lehrlinge sahen vor allem im sonntäglichen Schulbesuch eine unnötige Belastung. Am 1. August 1877 wurde der Gewerbe­ schulhauptlehrer Karl Seifert nach Villingen versetzt. Ihm wurde auch die Schulleitung übertragen. Lehrer Seifert galt als „äußerst gestrenger Herr, der auf Zucht und Ordnung hielt und der an seine Schüler hohe Anforde­ rungen stellte“. Es hat auch den Anschein, als ob Lehrer Seifert nachdrücklich darauf hin­ wirkte, die Berufschulpflicht, sei es auch mit drakonischen Maßnahmen, in Villingen endgültig durchzusetzen. Am 20. April 1881 richteten 157 Handwerker „hiesiger Stadt“ eine Bitte an den Gemeinderat „um Auf­ hebung des Gewerbeschulzwangs“. „Auf­ Grund der Gesetze vom 29. Jänner 1868 … hat Wohlderselbe durch Ortsstatut vom 15. Mai 1875 den Besuch der Gewerbeschule durch Zwang angeordnet … Obwohl wir in der Einrichtung guter Schulen, insbesondere der Gewerbeschulen jeden guten Zweck er­ blicken, als auch anerkennen, welcher geeig- 22 net ist, beim richtigen Besuch der Ersteren dem Lehrling die zu seinem Berufe erforder­ liche Bildung zu verschaffen, beehren wir uns dennoch die geziemende Bitte zu stellen den Gewerbeschulzwang aufheben zu wol­ len und begründen unsere Bitte folgender Maaßen: 1 . Unsere Volksschulen sind heute derart vorgeschritten, daß ein Schüler, welcher eine solche Schule durchgemacht hat, in der Lage ist . . . bei einem Kleinhandwerker in die Lehre treten zu dürfen und genügt in den meisten Fällen die obligatorisch eingeführte Fortbildungsschule um die in der Volks­ schule gesammelten Kenntniße zu erhalten 2. Die strenge Handhabung des Gewerbe­ schulzwangs, die häufigen Anzeigen und harten Strafen, die ungeachtet vorausgegan­ gener Entschuldigung dennoch immer statt­ finden, veranlaßt uns zu gegenwärtiger Ein­ gabe. Etwa 20 Schüler, die den Unterricht am Sonntag Nachmittag versäumt hatten, wur­ den vom Bezirksamt mit Geldstrafen von 20 Mark belegt.“ 20 Mark entsprachen damals etwa zwei Wochenlöhnen eines Industrie­ arbeiters! Die Eltern konnten nicht bezah­ len. Vom Großherzoglichen Innenministe­ rium wurde die Geldstrafe dann auf drei Mark reduziert und außerdem der Unter­ richt am Sonntag nachmittag aufgehoben. Ein Gewerbeschüler, der nach einem Ver­ säumnis kein ärztliches Zeugnis zur Ent­ schuldigung mitbrachte, „Weshalb Herr Sei­ fert ihn am Kragen packte, ihn beohrfeigte und zur Thür hinauswarf‘, dieser Schüler „verfiehl .. . in eine Ohnmacht, daß er von andern Personen in ein Zimmer getragen werden mußte, bis er sich erhohlt hatte“. Falls der Gemeinderat der Bitte nicht nachkommen wolle, drohten die 157 Hand­ werksmeister „höheren Orts“ die Versetzung des Gewerbelehrers zu beantragen. Der Leh­ rer Seifert erhielt das Recht zu einer Gegen­ darstellung und konnte die Angriffe gegen seine Person entkräften. Die Ohrfeigen hatte der Schüler auf Grund von „beispielloser Frechheit“ erhalten. Den unterzeichnenden

Die Realschule am Deutenberg Eine Schule mit Tradition im Stadtbezirk Schwenningen 157 Handwerksmeistern warf Karl Seifert, der übrigens noch bis 1891 in Villingen lehrte, vor, daß es ihnen „ weniger um das Interesse ihrer Lehrjungen als viel mehr um die Auf­ hebung des Schulzwangs, welchen sie des­ halb als Last empfinden, weil die von Eltern ihnen anvertrauten Jungen nicht ununter­ brochen als Arbeitskraft besser ausgenützt werden können, zu thun ist“. Im Almanach 85 wurde Villingens Karla Brachat-Realschule vorgestellt und dabei in grundsätzlichen Ausführungen auf die Bedeutung der Realschulen in Baden-Würt­ temberg hingewiesen. Auch die nötigen Aus­ führungen über die vielseitigen Angebote in den Pflichtfächern, im Wahlpflichtbereich und in den Arbeitsgemeinschaften wurden dort gemacht. Ein Portrait der Schwenninger Realschule kann deshalb die ortsgeschichtli­ chen Bezüge stärker hervorheben. Die Karl­ Brachat-Realschule wurde als die „älteste Realschule im Schwarzwald-Baar-Kreis“ vor- Lehrer Seifert befürwortete eindeutig den Gewerbeschulzwang. Unter seiner Leitung nahm die Gewerbeschule Villingen an Bedeutung zu und konnte ihre Schülerzah­ len steigern. Annemarie Conradt-Mach Qiellen: Stadtarchiv Villingen VI 2 c 6; 100 Jahre Gewerbeschule Villingen, 1935 gestellt und auf das Gründungsjahr 1953 hin­ gewiesen. Ein so junger Schulzweig sind die Realschulen allerdings nur im badischen Landesteil; im alten Königreich Württem­ berg gab es Mittelschulen -und damit ein dreigliedriges Schulsystem -bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Noch ist die Mei­ nung weit verbreitet, daß es sich bei der Real­ schule um eine junge Schulform handle, die stärker als andere nach ihrem Bildungsauf­ trag und ihrer organisatorischen Ausprägung suche. Das entspricht nicht den Tatsachen, denn schon der Philosoph Leibniz hat auf 23

27. 5.1890: deshalb, weil eine aufgeschlossene Bevölke­ rung und ein weitblickender Gemeinderat schon 1840 -also vor dem vollen Übergang zur Industrialisierung -im altwürttembergi­ schen Bauerndorf eine „Realschule für Kna­ ben“ gründeten (heutiges Gymnasium). Bald machte man sich auch Gedanken über eine gehobene Mädchenbildung. Gemeinderats­ protokollen und Berichten in „Die Neckar­ quelle“ ist zu entnehmen: „Schon lange war es im hiesigen Orte ein Bedürfnis gleich den Buben auch den Mäd­ chen Gelegenheit zu geben, sich weiter aus­ bilden zu können und oft schon wurde diese Frage in hiesigen Kreisen ventiliert. Jetzt ist man nun dieser Angelegenheit nähergetre­ ten, als einige Familienväter definitiv be­ schlossen haben, Lehrkräfte zu gewinnen, welche an den freien Nachmittagen Unter­ richt in Deutsch, Französisch, Literaturge­ schichte, Zeichnen und anderen Fächern erteilen sollen … Der Unterricht wird mit 24 Schülerinnen begonnen und unterliegt es keinem Zweifel, daß dieses Institut noch ganz beträchtlichen Zuwachs erhalten wird.“ Weder der Staat noch die Gemeinde stan­ den an der Wiege der Mädchenmittelschule. Sie ist das Kind eines freien Entschlusses von Eltern, die nicht auf fremde Initiativen war­ ten wollten. Vielleicht erklärt sich daraus die bis heute besonders enge Bindung der Eltern an diese Schwenninger Schule. Alex Habeck hat in einer Schrift vor der Städtefusion die Mittelschule sogar einmal das „Lieblingskind der Schwenninger“ genannt, das man immer sehr streng gehalten habe. Bemerkenswert ist auch das starke persönliche Engagement, das Schwenningens hervorragender Schultheiß (ab 1907 Stadtschultheiß) David Würth die­ ser zunächst privaten Schulgründung zuwen­ det Im Gemeinderatsprotokoll ist zu lesen: „ Verschiedene hiesige Familienväter haben in einer Eingabe vom 14. d. M. um Einrichtung einer Mädchenmittelschule nachgesucht und ihre Bitte damit begründet, daß in der hiesigen Schulorganisation keine 7. 8.1890 • Der steile „ Weg nach oben“ die Notwendigkeit einer Realschule für Aus­ bildungsbedürfnisse zwischen Volksschule und Lateinschule hingewiesen. Leibniz gibt dieser neuen Schulform überwiegend tech­ nische Ziele, um dadurch das Handwerk zu heben und auch den Bedürfnissen des wohl­ habenden kaufmännischen und gewerbli­ chen Bürgertums gerecht zu werden. Diese mittlere Schule sollte eine gehobene Allge­ meinbildung vermitteln, die allerdings nicht die Hochschulreife einschließen mußte. In Schwenningen, das im vorigen Jahr­ hundert rasch zur bedeutenden Industriege­ meinde wird, entsteht die Mittelschule als ,,Realschule für Mädchen“ 1890 durch pri­ vate Initiative; sie kann 1990 auf ein lOOjähri­ ges Bestehen zurückblicken. Otto Benzing hat im Jahre 1965 in der Festschrift „125 Jahre Gymnasium“ die bemerkenswerte Schulgeschichte Schwen­ ningens dargestellt. Bemerkenswert ist die Entwicklung des Schwenninger Schulwesens 24

Einrichtung besteht, um für solche Töchter der hiesigen Gemeinde, welche die nötigen Gaben und Mittel besitzen, eine Schulbil­ dung ähnlich der Realschulbildung der Kna­ ben zu ermöglichen. Die Mädchen-Mittel­ schule würde zunächst eine einklassige Schule sein und Schülerinnen im Alter von 10 bis 14 Jahren umfassen.“ Daß die Schülerinnen der neuen Schule neben den nötigen Gaben auch über die finanziellen Mittel verfügen mußten, um zu einer „realschulmäßigen“ Bildung zu gelan­ gen, legt offen, daß die Mittelschule (wie alle Schulen damals) eine Standesschule war. Sie wurde fast ausschließlich von Töchtern der ,,gehobenen Schichten“ und von den Kin­ dern der reicheren Bauern besucht. Kaum eine der damaligen Mittelschülerinnen trat vor der Eheschließung ins Berufsleben ein. Die Schimpfwörter „Herretättel“ oder „Mit­ teltättel“ für unsere Schülerinnen sind alten Schwenningern noch geläufig. Am 1. 4. 1902 beschließt der Schwennin­ ger Gemeinderat-nach 12 Jahren -die Über­ nahme der Schule durch die Gemeinde. Ab 1903 betreibt die Gemeinde die Erweiterung der alten Mädchenschule in der Metzger­ gasse bis zum heutigen Hotel „Schlössle“; 1911 werden drei weitere Schullokale im Dachgeschoß des Altbaus eingerichtet. Von Anfang an beteiligt sich die Mittelschule stark am öffentlichen Leben der Stadt durch Schulaufführungen und durch die Tätigkeit ihrer Lehrkräfte auch außerhalb der Schule. So faßt 1919 Mittelschuloberlehrer August Reitz die Schwenninger Heimat-und Kunst­ geschichte in seinem Buch „ Von des Neckars Q}ielle“ zusammen (5. Auflage 1983), diri­ giert Mittelschulrektor Deschler die Chöre des „Liederkranz“ (heute Realschuloberleh­ rer Gerhard Flaadt), leitet der unvergessene Konrektor Richard Schmid den „Schwäbi­ schen Albverein“. Mittelschuloberlehrer Alfons Weidemann führt die „ TG“ (T urnge- Schüler vor einem Wandgemälde: Welche sind die „echten“, welche die ,,gemalten“ Schüler? 25

meinde) und beeinflußt die Gründung eines ,,Stadtverbandes“ der Sportvereine. 1936 be­ ginnt Rektor Otto Stäbler auf Burg Wilden­ stein mit der Durchführung von Landschul­ heimaufenthalten. Erstmals wird über eine 6. Klasse (10. Schuljahr) die volle „Mittlere Reife“ erreicht (1936). Das III. Reich bringt Rückschläge für die Mädchen-Mittelschule. Sie wird im Zweiten Weltkrieg in eine „Hauptschule“ nach österreichischem Muster umgewandelt; erstmals ist (bis 1945) nun der Zugang für Knaben offen.1955 hat die Mäd­ chen-Mittelschule bereits 9 Klassen und be­ ginnt zweizügig zu werden. Im gleichen Jahr führt sie mit anderen Schulen das Tanzspiel „Der goldene Zeiger“ im Waldeck-Stadion auf. Viele Schulopern (darunter Urauffüh­ rungen) wie „Die Wunderuhr“, ,,Der Ratten­ fänger von Hameln“, ,,Das kalte Herz“, ,,Die versunkene Stadt“ folgen.1957 wird auflni­ tiative von Otto Stäbler und Schulrat Georg Eckle der Zugang zur Mittelschule endgültig auch für Knaben geöffnet. Von zuerst 17 Mit­ telschülern neben lauter Mädchen hat sich heute das Zahlenverhältnis auf 456: 414 ein­ gependelt. 1964 beginnen mit der Aufstel­ lung eines Raumprogramms die Vorarbeiten für einen Mittelschulneubau. 1965 ziehen 12 der inzwischen 18 Mittelschulklassen in die alte Knaben-Realschule (Gymnasium) am Postplatz um. Im gleichen Jahr setzt die Kul­ tusministerkonferenz für alle Mittelschulen in der Bundesrepublik den Namen „Real­ schule“ fest. 1966 nimmt die Städt. Abend­ realschule ihre Arbeit auf, um berufstätige Bewerber in zwei bis drei Jahren zum Real­ schulabschluß zu führen. Im November 1971 wird nach jahrelangem „Kampf“ um Raum­ programme, Gemeinderatsbeschlüsse und Staatszuschüsse mit dem Bau der neuen 24klassigen Realschule „Auf Deutenberg“ begonnen. Am 5. 9. 1973 ziehen 830 Real­ schüler (26 Klassen) in den Neubau ein. Mit fast 1100 Schülern in 40 Klassen (bis zu 8 Parallelklassen pro Jahrgang) erreicht die Realschule zu Beginn der achtziger Jahre ihren größten Umfang. Auch bei rückläufi­ gen Schülerzahlen in den letzten Jahren scheint eine vierzügige Führung der Schule auf Dauer gesichert zu sein. Als erstaunlich dauerhaft erweist sich die jetzt dreiklassige Städt. Abendrealschule, die in diesem Jahr auf ihr 20jähriges Bestehen zurückblicken kann. In allen Regionen Baden-Württembergs hat sich die Realschule inzwischen zu einem kräftigen und gesun­ den Kind der Schulfamilie entwickelt; sie wird an jeder künftigen Ausprägung des schulischen Sekundarbereichs entscheidend mitwirken. Rolf Krülle Ausbildungszentrum Donaueschingen Eine Einrichtung des Berufsförderungswerks der Südbadischen Bauwirtschaft GmbH In Donaueschingen, in unmittelbarer Nachbarschaft der Hauptschule, verbirgt sich hinter dem Lärmschutzwall des Mittle­ ren Ringes das Ausbildungszentrum Donau­ eschingen. Eine harmonische Außengestal­ tung hebt die ansprechende Architektur des Bauwerkes hervor. Träger dieser Einrichtung ist das Berufsförderungswerk der Südbadi­ schen Bauwirtschaft, deren Gesellschafter der Verband der Bauwirtschaft Südbaden e. V., der Badische Zimmerer- und Holzbau- verband e. V. und der Fachverband Putz, Stuck und Trockenbau Baden e. V. sind, die sämtlich ihren Sitz in Freiburg haben. Das Berufsförderungswerk verfolgt aus­ schließlich gemeinnützige Zwecke. Es be­ treibt Ausbildungseinrichtungen für die Bauwirtschaft, die der Ausbildung, Fortbil­ dung und Umschulung von Arbeitnehmern der Bauwirtschaft, der Fortbildung des Un­ ternehmernachwuchses der Bauwirtschaft und der berufskundlichen Förderung des 26

Lehrkörpers von Fach-Bauschulen sowie aller bau beteiligter weiterer Personen dienen. Hauptaufgabe ist die praktische Berufs­ ausbildung. Dem Strukturwandel der Bau­ wirtschaft wurde 1974 durch eine Änderung der Ausbildungsverordnung Rechnung ge­ tragen, die seit dem 1. 1. 1982 auch für den Schwarzwald-Baar-Kreis gilt. Neue Bau­ stoffe, neue Arbeitsverfahren und T echni­ ken, umfangreichere und technisch komple­ xere Aufgaben erfordern mehr und besser ausgebildete Facharbeiter. Als dualer Partner der Schule, die die theo­ retischen Kenntnisse vermittelt und in Er­ gänzung der betrieblichen Ausbildung, wer­ den in fünf Werkstätten unter Anleitung von erfahrenen Meistern fachpraktische berufliche Fertigkeiten geübt. 20 Wochen im 1.Ausbildungsjahr, 13 Wochen im 2. Ausbil­ dungsjahr und 4 Wochen im 3. Ausbildungs­ jahr sind für die überbetriebliche Ausbil­ dung während der 33monatigen Ausbildung vorgesehen. Die Grundausbildung im 1. Ausbildungs­ jahr wird im Ausbildungszentrum Donau- eschingen für alle Berufe der Bauwirtschaft angeboten. Der Einzugsbereich ist hier auf den Schwarzwald-Baar-Kreis begrenzt. Die Ausbildung im 2. Ausbildungsjahr, die laut Ausbildungsverordnung fachbereichsbezo­ gen und im 3. Ausbildungsjahr „endberufs­ bezogen“ erfolgt, wird in Donaueschingen für die Berufe Maurer, Betonbauer und Flie­ senleger angeboten. Hier werden in Donau­ eschingen auch die Betonbauer aus Walds­ hut und Konstanz, die Fliesenleger aus Rott­ weil, Tuttlingen, Freiburg, Schopfheim, Kon­ stanz und Waldshut hinzugezogen. Schau­ stücke und Übungsstücke im Ausbildungs­ zentrum zeugen vom Fleiß und Können der Lehrlinge. In hellen Werkstätten mit ca. 2350 m2 ste­ hen rund 100 Plätze den Jugendlichen ein­ schließlich der erforderlichen Sanitärräume, Lager und Betonlabor zur Verfügung. Ein Verwaltungsbereich mit Eingangshalle, zwei kleineren Vortragsräumen, ein „Speisesaal“ für größere Veranstaltungen, ein Aufent­ haltsraum und eine kleine Küche mit insge­ samt 650 m2 ergänzen die Lehrwerkstätten. 27

Die Unterbringung der Lehrlinge, denen eine tägliche Heimfahrt nicht möglich ist, erfolgt im Wohnheim St. Heinrich. Es war ein langer Weg, bis auch für den Schwarzwald-Baar-Kreis diese Einrichtung stand. Standortgutachten, Auslastungsbe­ rechnungen, finanzielle Untersuchungen und Kostenanalysen waren notwendig, bis der Bau verwirklicht werden konnte. Dank der finanziellen Unterstützung des Bundes und des Landes, der Unterstützung der Fachbehörden, dem Einsatz der Planer und der Bauleitung, der Hilfe der Stadt Donau­ eschingen und mit Hilfe von Beitragsmitteln der Mitgliedsfirmen der Gesellschafter, konnte in kurzer Zeit diese Einrichtung erstellt werden, die im September 1983 den Betrieb aufgenommen hat und am 3. April 1984 offiziell eröffnet wurde. 8,4 Millionen kostete diese Einrichtung in Donaueschingen. Fünf weitere sind oder werden noch gebaut mit einer Gesamt­ summe von 74,2 Millionen, deren Träger­ schaft teils ausschließlich beim Berufsförde- rungswerk, teils in Kooperation mit den Handwerkskammern Freiburg und Kon­ stanz begründet ist. Sie alle dienen der Jugend, jungen Men­ schen, die gewillt und fähig sind zu lernen. Sie haben die Chance, alte handwerkliche Fertigkeiten und Erfahrungen mit alten Bau­ stoffen zu sammeln, neue Fertigungsmetho­ den mit neuen Baustoffen zu erproben, um den Aufgaben in ihrem Beruf gewachsen zu sein. Ziel des Berufsförderungswerkes ist es, Facharbeiter mit auszubilden, die den wech­ selnden Anforderungen im Beruf auch in Zukunft gewachsen sind, jungen Menschen Wissen und Können zu vermitteln, um Ver­ antwortungsbewußtsein und Selbstachtung zu fördern. Wunsch des Berufsförderungs­ werkes ist es, Heranwachsenden durch ver­ mitteltes Können Sinn und Zweck einer Tätigkeit zu begreifen helfen und das gelun­ gene Werk zu achten. Ein hoher Anspruch. Der Einsatz jedoch lohnt sich. Hubert Kraus 28

Starthilfe durch Umschulung Aus-und Weiterbildung bei der Firma Anuba -X. Heine & Sohn in Vöhrenbach woben, als rettende Leine: Die meisten Teil­ Langzeitige Arbeitslosigkeit hat viele nehmer der Aus-und Weiterbildungslehr­ Ursachen. Häufig bilden unzulängliche Aus­ gänge im praxisnahen Rahmen des Vöhren­ bildung oder ein chancenlos gewordener bacher Betriebs fanden auf Anhieb einen Beruf den Auslöser, der sich vielfach mit den neuen Start ins Berufsleben. Der landesweit zwangsläufig folgenden finanziellen, fami­ erstmals ausgeschriebene Umschulungskurs liären oder seelischen Schwierigkeiten zu für Automateneinrichter verlief insgesamt so einer geballten Ladung Resignation und erfolgreich, daß ein gleichartiges Zweitpro­ Angst entwickelt. Oft nur noch bedingt vor­ jekt unverzüglich angekurbelt wurde. handene Eigeninitiative wird vollends ge­ In den Zeiten, als die angehenden Lehr­ lähmt, wenn sichtbare Möglichkeiten letzt· linge noch unter einer Vielzahl von Ausbil­ lieh an der Abgeschiedenheit des Wohnorts dungsplätzen freie Wahl hatten, war der scheitern. Für den Lebensraum „oberes Breg­ Automateneinrichter-Nachwuchs regelmä­ tal“ erwies sich der seidene Faden, den die ßig knapp. Über mehr Anziehungskraft ver­ Firma Anuba -X. Heine & Sohn und das fügte die Mechaniker-Laufbahn. Der Bedarf Arbeitsamt Villingen-Schwenningen in einem an guten Automateneinrichtern, von denen ungewöhnlichen Muster gemeinsam ver- Engagement auf neuen Wegen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit: Die Vöhrenbacher Firma Anuba – X Heine & Sohn 29

führer Joachim Rombach empfinden heute zunehmend auch die Beherrschung der uneingeschränkt als „sinnvoll und erfolg­ CNC-Technik erwartet wird, besteht bis reich“, was sie im Frühjahr 1983 spontan rea­ heute. Die zwanzig Männer im Alter zwischen lisiert hatten. Die Abmachung war für beide zufriedenstellend: Durch die Lehrgänge fand Anfang 20 bis Mitte 40, denen im landesweit das leerstehende ehemalige Drehereigebäude ersten Umschulungskurs dieser Form das eine neue Nutzung, zwei erfahrene Ausbil­ theoretische und praktische Rüstzeug für die der fanden eine reizvolle Aufgabe. Die Beherrschung der Werkzeugmaschinen mit unmittelbare Bindung an den Betrieb der X. automatischem Ablauf eingegebener Pro­ Heine & Sohn mit hundert Mitarbeitern gramme vermittelt wird, werden im Herbst macht ohne Formalität Lehrzeit in der be­ 1985 nach Abschluß der Gesellenprüfung trieblichen Praxis möglich. Meister und vor der Industrie- und Handelskammer Facharbeiter des Beschläge-Produzenten keine Arbeitsplatzsorgen haben. Diese Ge­ übernehmen Patenschaften für die „Aus­ wißheit führte zur Ausschreibung eines wei­ zubildenden“ im Erwachsenenalter. Ein teren Lehrgangs über zwei Jahre nach dem Maschinenpark für den gesamten Arbeitsbe­ gleichen Muster mit parallelem Unterricht in reich Metall war vorhanden. selbständigen Klassen der Villinger Hans­ Die neue Initiative ist entscheidend daran Kraut-Gewerbeschule. beteiligt, daß die Arbeitslosenzahl im Groß­ Der Leiter der Abteilung Arbeitsvermitt­ raum Furtwangen inzwischen erheblich ge­ lung und Arbeitsberatung beim Villinger sunken ist. Über eine sechsmonatige Grund­ Arbeitsamt, Peter Hauswald, hatte die Ent­ ausbildung im Fachbereich Metall, den drei­ wicklung im Bregtal zwischen Furtwangen, . Hammereisenbach, Gütenbach und Schön­ monatigen Intensivkurs in der Bedienung wald schon seit geraumer Zeit mit Besorgnis gebräuchlicher Metallverarbeitungsmaschi­ beobachtet. Das überbetriebliche Ausbil­ nen und den Umschulungskurs mit dem dungszentrum in der Regie der Firma Fr. Berufsziel Automateneinrichter hinaus er­ Winkler, schon 1970 in Villingen gestartet, ist folgt auch ein Einzeltraining nach indivi­ inzwischen eine komplexe Institution mit duellem betrieblichem Wunsch, speziell auf Schwerpunktausbildungen für Mechaniker, den künftigen Arbeitsplatz eingestellt. Die Maschinen-und Blechschlosser sowie Holz­ Lehrgangsteilnehmer selbst sind für die neue mechaniker. Das Donaueschinger Berufsbil­ Chance zu Opfern bereit. Jahrelange dungszentrum spezialisierte sich auf die Arbeitslosigkeit hat den Wert eines Arbeits­ Umschulung zu Maurern und Maschinen­ platzes bewußt gemacht: Die Lehrlinge im bauern. Der Großraum Furtwangen, durch Erwachsenenalter setzen sich für den Lohn ungünstige Busverbindungen ohnehin be­ einer verantwortungsvollen Aufgabe mit nachteiligt, wurde mit zunehmenden Ar­ großem Engagement nochmals auf die beitslosenquoten zum brennenden Problem. Schulbank. Peter Hauswald und Anuba-Geschäfts- Rosemarie v. Strombeck Eine Krankenhausschule im Schwarzwald-Baar-Kreis Schon wenige Tage verpaßter Unterricht der Krankheit selbst und die Trennung vom können für ein Kind problematische Folgen gewohnten familiären Rahmen zu verkraf­ haben. Klinikaufenthalte von längerer Dauer ten, sondern zugleich die Angst vor einem werden damit zur psychischen Doppelbela­ schwer überschaubaren Berg nachzuholen­ stung. Das Kind hat nicht nur die Umstände den Unterrichtsstoffs. Mehrere Jahre lang 30 Sonderschule für kranke Kinder

verfügten nur die Patienten der Villinger Kinderklinik über die Betreuung durch eine Lehrkraft, die aus dem Kollegium der Schwenninger Sprachheilschule abgeordnet war. Seit dem Schuljahr 1983/84 werden alle sechs Krankenhäuser im Schwarzwald-Baar­ Kreis erfaßt: In der Trägerschaft des Schwarz­ wald-Baar-Kreises und mit Zustimmung des Ministeriums für Kultus und Sport richtete das Schulamt Villingen-Schwenningen die Institution am Krankenbett als zwölfte Son­ derschule im Kreisgebiet ein. Der Unterricht im Krankenhaus ist weder für Lehrer noch für Schüler mit dem einer Normalschule vergleichbar. Schulleiterin Gertrud Humpf beschäftigt sich mit diesem Spezialgebiet schon seit Jahren. Äußerste Fle­ xibilität ist eine der Grundvoraussetzungen für eine Lehrkraft, die sich unter Umständen innerhalb weniger Stunden mehrfach auf den Lehrstoff unterschiedlichster Schul­ typen und Altersstufen umstellen muß. Dieser Zwang, ständig mit der breiten Lehrplanpalette zumindest der Grund-, Haupt- und Realschulen konfrontiert und außerdem imstande zu sein, sich im Einzel­ unterricht oder der kleinen Gruppe ganz individuell auf einzelne Schüler einstellen zu können, faszinierten Gertrud Humpf beson­ ders. Nach siebenjähriger Tätigkeit an einer Realschule hatte sie ein Studium der Sonder­ pädagogik angeschlossen und anschließend in der Mitarbeit an einer Krankenhausschule in Esslingen mehrjährige praktische Erfah­ rungen gesammelt. Im Jahr 1980 nahmen die Vorstellungen von der Gründung einer „Sonderschule für Kranke in längerer Krankenhausbehand­ lung“ konkretere Gestalt an. Eine Vorbedin­ gung für die zwei Jahre später erteilte mini­ sterielle Genehmigung war die regelmäßige Schülerzahl von mindestens zwölf Kindern. Eine Erhebung des Staatlichen Schulamtes hatte das Ergebnis, daß sich im Schwarzwald­ Baar-Kreis durchschnittlich 14 bis 16 Schüler in längerer Krankenhausbehandlung befin­ den. Der Organisationsaufbau der neuen Son­ derschule war nicht leicht. Immerhin sind (in Villingen-Schwenningen, St. Georgen, Do- 31

Generalprobe fürs Berufsleben Der „ Verein für Jugendhilfe“ arbeitet erfolgreich naueschingen und Furtwangen) sechs Häu­ ser in verschiedenen Teilen des Landkreises zu betreuen. Für die Schule wurden zwei volle Lehrerdeputate genehmigt. Eines da­ von muß auf verschiedene Lehraufträge auf­ gesplittert werden -im Nahbereich jedes Krankenhauses sollen Lehrer der wichtigsten Fachbereiche aller Schulformen bis zur Gymnasial-Oberstufe mitarbeiten. Die Probe aufs Exempel hat Schulleiterin Gertrud Humpf im Villinger Kinderkran­ kenhaus gemacht: Enge Kooperation mit Ärzten, Pflegepersonal und Verwaltung sowie mit den Eltern. Krankheitsbild und Belastbarkeit sind besonders zu beachtende Kriterien eines Unterrichts im Krankenhaus, der nur bei gehunfähigen Kindern direkt im Wenn der Zug vom Schulabschluß in die Berufswelt verpaßt oder der erste Aufsprung durch einen Fehlstart zunächst einmal ver­ patzt ist, drohen rasch Hoffnungslosigkeit und Resignation. Übrig bleibt ein Kreis jun­ ger Menschen, die den Weg aus dem Teufels­ kreis trägen Nichtstuns mit eigener Willens­ kraft nicht mehr schaffen. Seit Herbst 1984 besteht im Kreisgebiet eine engagierte Gruppe, die der zunehmenden Ratlosigkeit nicht mehr tatenlos zusehen wollte. Mit beachtenswertem Elan verschaffte der „Ver­ ein für Jugendhilfe im Schwarzwald-Baar­ Kreis e. V.“ binnen weniger Monate fünfzig jungen Leuten Arbeitsplätze für zunächst sechs Monate nach den Richtlinien des lan­ desweiten Sonderprogramms für „freiwillige Gemeinschaftsarbeiten in gemeinnützigen Einrichtungen“ zur Einstimmung auf den beruflichen Ernstfall. Schon ein halbes Jahr später war auf fünfzig Prozent der Arbeits­ stellen die zweite Generation engagiert -die ersten 25 hatten binnen weniger Monate ,,echte“ Arbeits-bzw. Lehrstellen gefunden. Die Organisation hatte die Initiatoren in 32 Krankenzimmer und im übrigen jetzt im Kinderkrankenhaus in einem freien Unter­ richtsraum erfolgt. Für die kleinen Patienten in den Kranken­ häusern ist der regelmäßige Unterricht von mehrfacher Bedeutung. Nach den Erfahrun­ gen von Gertrud Humpf ziehen viele Kinder nicht nur besonderen Gewinn aus dem vor­ übergehenden Einzelunterricht, der gelegent­ lich über entscheidende Mathematik-oder Deutsch-Hürden hinweghilft. Die Lehrkraft wird zugleich bei längerem Krankenhausauf­ enthalt zur Bezugsperson. Der Lehrer über­ nimmt so eine wichtige Ersatzfunktion, wenn den Eltern durch entfernteres Wohnen kein täglicher Besuch möglich ist. Rosemarie v. Stromheck der Aufbauphase zunächst ungezählte Frei­ zeitstunden gekostet. Wenn auch sämtliche Vorstandsmitglieder beruflich zumindest in Teilbereichen mit den Problemen arbeits­ loser Jugendlicher vertraut waren, so betraten sie mit dem Aufbau des „Vereins für Jugend­ hilfe“ dennoch Neuland. Die Richtlinien und Anforderungen des Sonderprogramms der Landesregierung, das seit 1975 besteht und in einer NeufassungvomJuli1984 gültig ist, bedingten sorgfältigste Ausführung. Zielgruppe sind beschäftigungslose junge Menschen mit einem Höchstalter von 25 Jahren und ohne Anspruch auf Arbeitslosen­ unterstützung. Vielfach hat dieser Kreis keine oder nur minimale Erfahrungen in einem beruflichen Umfeld. Vorab sollen die Jugendlichen deshalb in der Praxis die Bedeutung von Disziplin, Leistungsbereit­ schaft und Einsatz erfassen. Diese General­ probe, die zunächst ein halbes Jahr dauert und um höchstens sechs weitere Monate ver­ längert werden kann, wird von Sozialpäda­ gogen und Berufsberatern helfend begleitet. Möglichst frühzeitig soll der Übergang in

Dauerarbeitsstellen bzw. Ausbildungsver­ hältnisse erfolgen. Die Vorgaben sind in der Bewilligung des Regierungspräsidiums Südbaden eindeutig formuliert: Grundsätzlich dürfen mit den sogenannten freiwilligen Gemeinschafts­ arbeiten keine echten Arbeits- bzw. Prakti­ kantenplätze belegt werden. Die Einsatzstel­ len in Kindergärten, Altenheimen, Erho­ lungseinrichtungen, bei mobilen Hilfsdien­ sten und dem Kinderschutzbund waren zusätzlich einzurichten. Die „Kandidaten“ mußten vorab Bewerbungen für mindestens fünf Stellen nachweisen. Arbeit unter den Fittichen des Vereins setzt Einsatzwillen vor­ aus; wiederholte Disziplinlosigkeiten führen zur Kündigung. Das Entgelt aus dem Lan­ desförderungsprogramm beträgt monatlich 650 DM netto. Das Land übernimmt zusätz­ lich die Sozialversicherung in voller Höhe. Vom Start weg fand der Hilfsverein eine Reihe prominenter Förderer. Landrat Dr. Rainer Gutknecht sowie mehrere Bürgermei­ ster sind Gründungsmitglieder. Den Vorsitz übernahm Arbeitsberater Volker Stadler, dessen Stellvertretung Sozialpädagoge Jür­ gen Steiert, die Schriftführung Abteilungslei­ ter Friedrich Hermann. Die Sozialpädagogin Birgit Stern, obwohl auf diesem Gebiet ohne Vorkenntnisse, arbeitete sich als Kassenver­ walterin in die Geheimnisse der Lohnbuch­ haltung ein. Die Abrechnung für die fünfzig Jugendlieben muß auf Heller und Pfennig korrekt dem Regierungspräsidium vorgelegt werden. Die neue Hilfsaktion sprach sich schnell herum. Über die fünfzig besetzten Plätze hinaus füllte sich eine Warteliste mit zwei Dutzend Namen. Schwerpunktgruppe sind ehemalige Hauptschüler mit und ohne Abschluß sowie Sonderschüler. Die Erziehe­ rin Christiane Bethke leistete mit der Suche und Auswahl der Arbeitsstellen auf Probe, Pionierabeit – aus Überzeugung, denn sie war selbst arbeitslos. Ihr Geld wird aus ABM­ Mitteln vom Arbeitsamt finanziert. Als besonders wertvoll hat sich bereits in den ersten Wochen im selbst renovierten 33

Immer wieder Spaß beim Lesen Zehn Jahre Vorlesewettbewerb im Schwarzwald-Baar-Kreis Haus am Benediktinerring die unmittelbare Nähe zur sozialen Betreuungsstelle unter einem Dach erwiesen. Die ankommenden Jugendlieben sind häufig in akuten N otsitua­ tionen, deshalb ist die unbürokratische und sofortige Ansprechbarkeit der Sozialpädago­ gin wichtig. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Arbeitsbeginn in einer der gemeinnützi­ gen Einrichtungen, die vielfach mit Konflik­ ten verbunden sein kann. Die sozialpädagogischen Hilfen sind zeit­ lich nicht begrenzt. Das Haus soll den jungen Menschen auch später für Gespräche und Hilfeleistung offenstehen. Die Initiatoren wissen um die Gefahren, die allenthalben Unter dem Motto „Lesen macht Spaß“ veranstaltet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die in Frankfurt am Main an­ sässige Spitzenorganisation der Verlage und Buchhandlungen in der Bundesrepublik, be­ reits seit 1959 in Zusammenarbeit mit allen an Jugenderziehung und Leseförderung inter­ essierten Kreisen alljährlich einen bundes­ weiten Vorlesewettbewerb. Seit 1979 steht die Veranstaltung, die neben parallel laufen­ den Schüler-und Jugendwettbewerben wie Jugend forscht“, Jugend musiziert“ und Jugend trainiert für Olympia“ von der Teil­ nehmerzahl her zu den „großen“ Wettbewer­ ben gehört (1984 beteiligten sich 440.000 Jungen und Mädchen), unter der Schirm­ herrschaft des Bundespräsidenten. Teilnehmen können Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen der Haupt-und Son­ derschulen, der Realschulen und der Gymna­ sien, wobei es für fremdsprachige Schüler, die nicht länger als vier Jahre in der Bundesre­ publik leben, eine Sonderentscheidung gibt. Der Wettbewerb beginnt in den Schulen mit der Ermittlung von Klassen-und Schulsie­ gern, führt über Stadt-bzw. Kreisentscheide zu Bezirks- und Landesentscheiden und 34 drohen: Enttäuschung und Resignation kön­ nen schnell den sozialen Abstieg, den Griff zur Flasche und Drogen oder gar den ver­ hängnisvollen Schritt in die Kriminalität zur Folge haben. Zwar kommt das Land für die Löhne der Jugendlieben auf, aber der ganze Verwal­ tungsaufwand, die Miete und die Entschädi­ gung hauptamtlicher Mitarbeiter sind Sache des Vereins, der sich auch für die Zukunft großzügige Freunde wünscht: Die Kosten können ausschließlich mit Spenden gedeckt werden. Rosemarie v. Stromheck endet schließlich mit der Ermittlung der Bundessieger im Frankfurter Goethe-Haus. Die Mühen aller Teilnehmer werden reichlich belohnt: Es gibt Urkunden, Plaket­ ten, Bücher, Buchgutscheine und zusätzliche Siegerpreise. Obwohl es für den Vorlesewett­ bewerb Regeln und Vorschriften wie bei jedem anderen Wettbewerb gibt, steht der Wett-,,Kampf“ nicht im Vordergrund. Die Kinder lesen aus einem selbstausgewählten Buch vor. Zusätzlich ist ab Kreisebene ein kurzer unbekannter Text vorzutragen. Gefragt ist das möglichst fließende, gut ver­ ständliche Lesen eines Textes. Die Sieger wer­ den jeweils von einer Jury ermittelt, die nach eigenem Ermessen, jedoch unter Berücksich­ tigung der vom Börsenverein vorgegebenen Bewertungsrichtlinien, ihre Entscheidungen trifft. Nachdem in den Jahren 1976 und 1977 die Mory’sche Hofbuchhandlung in Donau­ eschingen bereits zwei Kreisentscheide durch­ geführt hatte, machte es sich das Staatliche Schulamt in Villingen-Schwenningen zum Anliegen, den Schulen im Schwarzwald­ Baar-Kreis diese Veranstaltung zur Leseför­ derung näherzubringen. Um auf Kreisebene

eine möglichst breite Teilnahme zu errei­ chen, fordert das Schulamt seit 1978 regelmä­ ßig in seinen Rundschreiben die Schulen im Landkreis zur Teilnahme auf. Die 1977 neu eingerichtete Stadtbibliothek am Villinger Münster und die im gleichen Hause mit­ untergebrachte neue Kreisergänzungsbüche­ rei des Schwarzwald-Baar-Kreises erklärten sich zur Durchführung des ersten Kreisent­ scheides in Villingen-Schwenningen sofort bereit. Am 9. März 1978 lasen dann 14 Schul­ sieger aus dem Landkreis um die Wette. Landrat Dr. Gutknecht überreichte den drei Kreissiegern der Gruppen Hauptschulen, Sonderschulen sowie Gymnasien und Real­ schulen persönlich die Preise und Urkunden. In den Jahren 1979 und 1980 ermittelten jeweils 24 Schulsieger ihre Kreismeister, wie­ derum in der Münsterbibliothek in Villin­ gen. Nach dem ersten erfolgreich durchge­ führten Kreisentscheid 1978 stand es für die Kreisergänzungsbücherei und die Stadtbi­ bliothek fest, diesen Wettbewerb alljährlich zu veranstalten. Seit 1981 findet der Kreisvor­ lesewettbewerb in der 1980 fertiggestellten Muslenbibliothek in Schwenningen statt. 1981 nahmen 23 Schulsieger teil.1982 fanden erstmals getrennte Entscheidungen für 13 Haupt- und Sonderschulsieger sowie für ebenfalls 13 Schulsieger von Realschulen und Gymnasien statt. 1983 ermittelten insge­ samt 34 Teilnehmer ihre Kreismeister. 1984 waren es 32 und 1985 wieder 34. Von den jeweils zehn Realschulen und Gymnasien im Landkreis haben sich bis 1985 bereits acht Realschulen und neun Gymnasien am Vorle­ sewettbewerb beteiligt. Die Veranstalter des Vorlese-Kreisent­ scheides machen Jahr für Jahr immer wieder dieselbe freudige Erfahrung: die zum Wett­ bewerb eingeladenen Schulsieger kommen in voller Zahl. Selbst vom noch so einsamen und abgeschiedenen Bauernhof unseres Schwarzwald-Baar-Kreises kommen sie, um sich mit den anderen Jungen und Mädchen, die auch Schulsieger geworden sind, zu mes­ sen, um mit ihnen in den Wettstreit um den Titel des Kreissiegers im Vorlesen einzutre­ ten. Gewinnen wollen ist bei allen T eilneh­ mem vordergründig; sie kommen aber auch des Dabeiseins wegen. Von Anfang an herrscht stets eine erwar­ tungsvolle Spannung, gilt es doch, vor einer unbekannten Jury zu bestehen sowie vor 35

einem Publikum, das sich im wesentlichen aus Eltern, Lehrern und gleichaltrigen Schü­ lern zusammensetzt. Lampenfieber ist sicher vorhanden, wird aber kaum spürbar, weil es überdeckt ist von einem aus Können gewachsenen Selbstvertrauen und von freu­ digem Engagement. Gut lesen können sie wirklich alle! Auch äußerlich sehr diszipli­ niert-ein Verhalten, das heute von Jugendli­ chen nicht immer selbstverständlich ist. Während der gewöhnlich dreistündigen Dauer des Wettbewerbs bemühen sich die Veranstalter, dem Motto „Lesen macht Spaß“ gerecht zu werden und sorgen für einen gelösten und frohen Verlauf. Anders wäre es kaum denkbar, daß ein Junge bei einer lustigen Vorlese-Passage lauthals losge­ prustet und trotz verzweifelter Anstrengun­ gen und großzügig gewährter zusätzlicher Lesezeit mit dem Kichern nicht mehr auf­ hören kann. Er hat das Motto des Initiators, des Börsenvereins des Deutschen Buchhan­ dels, wahrlich wörtlich genommen. Ein anderer scheut sich nicht, dem Moderator gegenüber zum Ausdruck zu bringen, man möge doch -wenigstens solange er lese -das Blitzen mit den Kameras unterlassen, da ihn dies beim Vorlesen störe, und schließlich habe er den Wunsch, mit vielen Punkten bewertet zu werden. 36 In den Pausen gilt das ganze Interesse der Leseratten neben dem fröhlichen und unter­ haltsamen Programm den Büchern in der Jugendabteilung der Muslenbibliothek. Nach allen Seiten stürmen sie aus, als wollten sie von ihnen Besitz ergreifen. Zur Fortführung des Programms muß dann der Gong ganz laut und wiederholt ertönen, damit die zum Wettbewerb angetretenen Schülerinnen und Schüler nicht alles um sich herum vergessen. Der Herzenswunsch einer Teilnehmerin beim diesjährigen Wettbewerb, die Muslen­ bibliothek einmal einen ganzen Tag lang durchwühlen zu dürfen, kann in Erfüllung gehen. Sie ist von der Bibliotheksleitung zu diesem sehnlichst gewünschten Unterneh­ men eingeladen worden. Am Ende einer jeden Veranstaltung steht die Preisvergabe. Den Veranstaltern ist es immer ein wichtiges Anliegen, den Teilneh­ mern bei den Kreisentscheiden behutsam verständlich zu machen, daß in jeder Lese­ gruppe eben nur ein Leser ausdrücklich als Kreissieger ermittelt werden kann, daß aber letztlich alle Sieger sind, erkennbar an den Buchgeschenken, die sie mit nach Hause nehmen. Hans-Werner Fischer und Walter Mattes

Wirtschaft, Handel und Gewerbe Heimische Unternehmen beweisen Leistungsfähigkeit Betrachtungen zur Halbzeit der achtziger Jahre/ Von !HK-Präsident Alfred Liebetrau Leistungsfähigkeit verhilft als vor Jahren. Als vor Jahren ganze Industriezweige der deutschen Wirtschaft mit Wettbewerbspro­ Dabei können unseren Unternehmen die blemen „made in Japan“ in einem bis dahin eingetretenen Arbeitsplatzverluste mit nicht gekannten Ausmaß konfrontiert wur­ Sicherheit nicht angelastet werden; sie sind den, fühlten sich nicht wenige Kritiker beru­ die unabwendbare Folge des technologi­ fen, betroffenen Unternehmen vorzuwer­ schen Wandels und der Zwänge aus den Bedingungen des internationalen Wettbe­ fen, den technologischen Wandel verschla­ fen und nicht genügend Innovationskraft werbs. Gerade unter Berücksichtigung dieser har­ entwickelt zu haben. Mit dieser „Lesart“ ten Wettbewerbsbedingungen ist die -bei mußten auch die Betroffenen im Schwarz­ Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten – wald-Baar-Kreis leben, ohne zu resignieren. Hinweise auf unsere vergleichsweise zu erfaßte wirtschaftliche Entwicklung im hohen Personalkosten, auf einen für den Schwarzwald-Baar-Kreis außerordentlich be­ merkenswert. Vor allem in jüngerer Zeit ist es japanischen Export besonders günstigen Yen-Kurs und auf einen für den deutschen gelungen, die zunächst anhaltende Abwärts­ Export extrem ungünstigen Dollar-Kursfan­ bewegung nicht nur zu stoppen, sondern sie in eine aufwärts gerichtete Entwicklung den damals kaum Glauben. Da ist es interessant zu hören, was jetzt, umzukehren. nur wenige Jahre später, aus den USA berich­ So hat das verarbeitende Gewerbe des Schwarzwald-Baar-Kreises, aus einem Tief­ tet wird: Bekanntlich stellt Silicon Valley in punkt des Jahres 1982 heraus, das Gesamt­ den Spitzentechnologien geradezu ein Syno­ umsatzvolumen 1983 um 107 Millionen DM nym für die Innovations-und Leistungsfä­ und 1984 um weitere 297 Millionen DM, higkeit junger, dynamischer und erfolgrei­ cher Unternehmen dar. In jüngerer Zeit aber zusammen also um 404 Millionen DM = 9,5 % auf 4,6 Milliarden DM gesteigert. wird immer deutlicher, daß die Amerikaner Der Exportumsatz, der seinen niedrigsten zwar die meisten High-Tech-lnnovationen hervorbringen, diese Neuentwicklungen je­ Stand 1983 zu verzeichnen hatte, wurde 1984 doch, um sie zu wettbewerbsfähigen Preisen im Schwarzwald-Baar-Kreis um 231 Millio­ nen DM = 21,5 % auf 1,3 Milliarden DM absetzen zu können, zunehmend in Japan erhöht. Damit stieg die Exportquote auf und in den Schwellenländern Ostasiens pro­ 28,0 % (1983 = 24,6 %). duzieren lassen müssen. Die Ursachen sind hier im Prinzip die gleichen wie damals bei Diese günstige Entwicklung des Export­ uns: Vergleichsweise zu hohe Kosten in den umsatzes 1984 hat mehrere Gründe. Ein USA, ein für den Japan-Export günstiger besonders erfreulicher Grund ist der, daß Yen-Kurs und ein für den amerikanischen unsere Industrie effektiv wettbewerbsfähiger Export extrem ungünstiger Dollar-Kurs. geworden ist. Verstärkte Produkt-Innovatio­ Es ist zu wünschen, daß diese aussagekräf­ nen, meist auf Grundlage neuer Technolo­ tige Parallele auch unseren Unternehmen im gien, und Umstellungen auf modernste Ferti­ Schwarzwald-Baar-Kreis heute zu einer posi­ gungstechniken haben dazu ebenso beigetra­ tiveren und damit gerechteren Wertung ihrer gen wie Rationalisierungserfolge, aber auch -37

und gerade daraus sollte eine Lehre für die Zukunft gezogen werden -weniger hohe Personalkosten-Steigerungen aus Tarifab­ schlüssen. Ein weiterer Grund ist in der verbesserten internationalen Konjunktur zu sehen, und nicht zu übersehen ist die Stärke des US-Dol­ lars; sie hat auf wichtigen Auslandsmärkten, so auch auf dem großen amerikanischen Markt selbst, praktisch zu einer beachtlichen Verbilligung deutscher Erzeugnisse geführt. Wie lange die für unser Exportgeschäft günstige Kursrelation anhält, läßt sich nicht sagen. Da paßt das Vorhaben der Bundesre- gierung, die Steuerzahler 1986 und 1988 um runde 20 Milliarden zu entlasten, gut „in die Landschaft“. Hier wird zusätzliche Kaufkraft auf einem Weg geschaffen, der unsere Unter­ nehmen freihält von neuen Kostenbelastun­ gen -Kostenbelastungen, die, wie im Falle wirtschaftlich nicht verkraftbarer Personal­ kosten-Steigerungen, ganz zwangsläufig die Wettbewerbsfähigkeit einschränken und da­ durch letztlich zu Arbeitsplatzverlusten füh­ ren. Eine große Aufgabe besteht auch für die Unternehmen des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses darin, 1985 eine etwa gleich große Anzahl Aufgeschlossen far neue Technologie: Die Wirtschaft im Landkreis 38

von Ausbildungsbewerbern wie 1984 unter­ zubringen. Die Hoffnung, daß dies gelingen wird, stützt sich auf die vorbildliche Haltung und die daraus resultierende großartige Lei­ stung der Wirtschaft unseres Kammerbe­ zirks: Obwohl bereits 1983 eine um 11,3 % erhöhte Zahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung gestellt wurde, nahm 1984 die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsver­ träge nochmals um runde 10 % zu. Die Leistungsfähigkeit, die von den Un­ ternehmen des Schwarzwald-Baar-Kreises gerade auch in schwieriger Zeit unter Beweis gestellt worden ist, erlaubt es, die weitere Wirtschaftsentwicklung in diesem Raum positiv einzuschätzen. Transferzentrum für Mikroelektronik in Furtwangen gietransfer, wenn man das seinerzeit auch anders nannte. Technologischen Wandel hat es zu allen Zeiten gegeben, mal langsamer, mal schnel­ ler. Wenn die im Staate Verantwortlichen den Eindruck hatten, die Betroffenen seien dazu alleine nicht in der Lage, griffen sie mit Förderung und Subvention ein. Auch das Setzen von Forschungsschwerpunkten, ver­ besserter Zugang zu Forschungsergebnissen und Intensivierung der Aus- und Weiterbil­ dung sind geeignete Maßnahmen. Als Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Schwarz­ wälder Uhrenindustrie in einer schweren Krise steckte, wurde die Uhrmacherschule in Furtwanr;en gegründet. Dies war Technolo- Gebäude des Transferzentrums in Furwangen-Schönenbach (ehemaliges Technisches Rathaus) Heute hat die mittelständische Industrie wieder Probleme beim notw�ndigen Struk­ turwandel, insbesondere in der Schlüssel­ technologie Mikroelektronik. Kaum eine Industriesparte wird in Zukunft ohne Mi­ kroelektronik auskommen können. So ist die Frage zu stellen, ob die mittelständische Industrie Chancen hat, nicht nur zu überle­ ben, sondern zu florieren. Die klare Antwort heißt ja. Viele Voraussetzungen sind gege­ ben. Einige Produkte lassen sich durch Mikroelektronik verbessern, neue bieten 39

Schwingungsmeßplatz zur Feststellung der mechanischen Belastbarkeit von Bauteilen und Geräten bis JOOf ache Erdbeschleunigung Wafer-Prober gestattet das Messen mit feinsten Nadeln innerhalb von integrierten Schaltungen 40

sich an. Letztlich ist Mikroelektronik nur ein Teil eines Gerätes. Mechanik, Fertigung, Marktkenntnis, Ideen und Mut gehören dazu. Fehler der Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen. Noch gut in Erinnerung sind die Folgen des Ersatzes mechanischer Uhren durch elektronische, wo von der einst bedeutenden Schwarzwälder Uhrenindu­ strie nur Bruchstücke übriggeblieben sind. Seit vielen Jahren sind die Fachhochschu­ len, insbesondere deren Professoren, im Technologietransfer im Rahmen des Techni­ schen Beratungsdienstes tätig. Es stand jedoch kein hauptamtliches Personal zur Verfügung, was die Durchführung nur klei­ ner Projekte erlaubte. Im Herbst 1983 grün­ dete dann die Steinbeis-Stiftung für Wirt­ schaftsförderung in Stuttgart, deren Vorsit­ zender der Regierungsbeauftragte für Tech­ nologietransfer, Prof. Dr. Johann Löhn, ist, drei Transferzentren, darunter das Transfer­ zentrum für Mikroelektronik und System- technik an der Fachhochschule Furtwangen. Heute, im Frühjahr 1985, gibt es 12 Transfer­ zentren an Fachhochschulen, weitere sind geplant. Jedes Transferzentrum hat eine gewisse Spezialisierung, so daß in Baden­ Württemberg wichtige Dienstleistungen wenigstens ein Mal angeboten werden. Ursprünglich war für das Transferzen­ trum Furtwangen der Standort Villingen­ Schwenningen vorgesehen gewesen. Es zeigte sich jedoch die Notwendigkeit, die enge Verbindung mit der Fachhochschule aufrechtzuerhalten, so daß als Standort Furt­ wangen gewählt wurde. Im Herbst 1984 stellte die Stadt das ehemalige Technische Rathaus zur Verfligung, das in Kürze voll­ ständig von Einrichtungen der Steinbeis­ Stiftung belegt sein wird. Auf etwa 500 m2 stehen moderne Labor-und Büroräume zur Verfügung. Im Jahre 1984 konnten für Büroeinrichtungen und modernste Geräte 700 000,-DM ausgegeben werden. Personal­ kostenzuschüsse hat das Transferzentrum Bonder zum Verbinden eines /Cs mit seiner Umgebung mittels Gol.d- oder Aluminiumdrähten 41

nicht erhalten, da diese Ausgaben und die laufenden Bewirtschaftungskosten voll aus Projekten gedeckt werden müssen. Gegen­ wärtig hat das Transfenentrum 6 Mitarbeiter und 1 Sekretärin, zusätzlich freie Mitarbeiter. Die wissenschaftliche und administrative Leitung hat Prof. Dr. Kuntz übernommen, weitere Professoren sind für Spezialgebiete zuständig. Durch das Beschäftigen mit kon­ kreten Aufgabenstellungen wird auch ein Transfer in die Lehre und damit längerfristig wieder zurück erreicht. Die Inanspruchnahme der Leistungen ist einfach. Für eine erste Beratung, eine sog. Kunberatung, entstehen dem Unternehmen keine Kosten, sofern der Zeitaufwand 5 Stunden bzw. für Firmen im Bereich der IHK Schwanwald-Baar-Heuberg 8 Stunden nicht überschreitet. Viele Fragen und Pro­ bleme können sofort gelöst werden, Kon­ takte zu anderen Firmen hergestellt oder mit Geräten ausgeholfen werden. Für Projekte werden Kosten entweder 42 Miniaturisierung einer konventionellen Schaltung (rechts) in gleichwertige SMD-Technik (l.inks) nach einer vorher vereinbarten Pauschale oder nach Aufwand abgerechnet zu Sätzen, wie sie industrieüblich sind. Da die Transfer­ zentren nur Aufgaben bearbeiten, die ander­ weitig nicht angeboten werden, entsteht keine Konkurrenz zu kommeniellen Unter­ nehmen. Vielmehr werden Firmenkontakte und Firmengründungen nach Kräften geför­ dert durch Bereitstellung personeller und gerätetechnischer Ressourcen. Deswegen erfolgt u. a. auch eine sehr enge Zusammen­ arbeit mit dem St. Georgener Technologie­ zentrum. Das Dienstleistungsangebot umfaßt: Technisch-wissenschaftliche Beratungen, Literatur-und Patentrecherchen, Beschaf­ fung technischer Informationen, Semi­ nare, Gutachten. Förderung von Firmen­ gründungen: Beratung bei Produktfin­ dung und Diversifikation. Herstellung von Firmenkontakten. Entwurf von elek­ tronischen Systemen mit Mikrocompu­ tern, Gate-Arrays, Kundenschaltungen,

Hybriden. Miniaturisierung durch SMD­ Technik, Dick- und Dünnfilmschaltun­ gen. Entwicklung der Hard- und Software von Prototypen, insbesondere mit Mikro­ computern, bis zur Fertigungsvorberei­ tung. Beurteilung der Sicherheit von Systemen mit Mikrocomputern. Prüfung der elektromagnetischen Beeinflußbar­ keit, Schwingungsfestigkeit und Qialität. Selbsttest und Ferndiagnose, In-Circuit­ und Funktionstest. Simulation analoger und digitaler Schaltungen. Intelligente Sensoren. Professor Dr. Walter Kuntz Die Technologiefabrik St. Georgen Wie Pilze schießen sie derzeit aus dem Boden: Technologie-Transfer-Zentren, Tech­ nologieparks und Technologiefabriken. Für den Schwarzwald sind solche Einrichtungen, die Unternehmensgründern Starthilfe ge­ ben, besonders naheliegend. Denn der Struk­ turwandel in der Uhrenindustrie hat die Region schwer erschüttert. Doch nicht nur die elektronische Revolution in der Uhrenin­ dustrie brachte das wirtschaftliche Gefüge mancher Schwarzwaldgemeinde ins Wan­ ken. In St. Georgen war es der Zusammen­ bruch des einstigen Plattenspielerherstellers Dual, der die Stadt in ernste Schwierigkeiten brachte. Heute sind die schlimmsten Folgen des Dual-Konkurses ausgestanden. Und mit der Technologiefabrik, die zum Jahresbeginn 1985 ihren Betrieb aufnahm, sind die besten Voraussetzungen geschaffen, junge Unter­ nehmen, die in zukunftsträchtigen Branchen arbeiten, anzusiedeln und neue, sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Was die St. Geor­ gener Technologiefabrik von allen anderen unterscheidet, ist die beispielhafte Zusam­ menarbeit von regionaler Wirtschaft und Kommune bei der Gründung der Einrich­ tung. Was in anderen Städten nur unter erhebli­ chen Schwierigkeiten und nach langen Dis­ kussionen möglich wurde, entstand in der Schwarzwaldstadt ohne sichtbare Reibun­ gen und – vor allem – aus vorwiegend priva­ ter Initiative. Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Martin Herzog: ,,Die haben uns mit einem fix und fertigen Kon­ zept überrascht und präsentierten besenreine Räume.“ Ein halbes Jahr nach der offiziellen Inbetriebnahme der Technologiefabrik im Januar 1985 war schon die Hälfte der 4000 Qiadratmeter umfassenden Fläche an Fir­ men vergeben. Ihre Entstehung verdankt die Technolo­ giefabrik in erster Linie Hans Ringwald, dem Konkursverwalter des früheren Unterhal­ tungselektronikherstellers Dual. Von ihm ging die Initiative aus, einen Teil der leerste­ henden Dual-Räume zur Ansiedlung junger Unternehmer bereitzustellen. Dieser Ge­ danke war vom St. Georgen er Bürgermeister Günter Lauffer dankbar aufgenommen wor­ den. Daß schließlich auch noch die einhei­ mische Wirtschaft das Projekt unterstützte, machte den reibungslosen Start der Techno­ logiefabrik möglich. Hinter der Idee „ Technologiefabrik“ stek­ ken zwei Absichten. Zunächst soll die Förde­ rung von Unternehmensgründungen neue Arbeitsplätze in zukunftsträchtigen Bran­ chen schaffen, dann aber auch die Entwick­ lung neuer Techniken fördern und beschleu­ nigen. Als Standort einer Technologiefabrik bot sich St. Georgen geradezu an. Nach dem Zusammenbruch der Firma Dual kletterte die Arbeitslosigkeit drastisch in die Höhe. Tausend Einwohner verließen die Stadt, um anderswo Beschäftigung zu finden. Inzwi­ schen ist die Arbeitslosenquote von 9,4 auf 4,6 Prozent gesunken, Bedarf an neuen Stel­ len besteht jedoch noch immer. Für neue Arbeitsplätze braucht es vor allem neue Unternehmen. Die elektrome­ Industrie chanische und elektronische 43

Das Foto zeigt die pneumatischen Handhabungsgeräte, die bei der Firma GAS in der St. Georgener Technologiefabrik entwickelt werden chen beschleunigen. Andererseits sollen die neuen Firmen Gelegenheit haben, tech­ nische Aufgaben in Zusammenarbeit mit Universitäten oder Fachhochschulen zu lösen. Für St. Georgen bietet die Nähe der Fachhochschule Furtwangen in jeder Hin­ sicht günstige Voraussetzungen. Oft scheitern ehrgeizige Pläne zum Bau einer Technologiefabrik an finanziellen Schwierigkeiten. Nicht in St. Georgen. Hier schaffte private bzw. kommunale Initiative in kurzer Zeit das, was anderenorts nur mit Landesmitteln zu erreichen ist. Das ist wesentlich der Perpetuum-Ebner GmbH & Co. KG (PE) zu verdanken. PE ist die ehema­ lige Betriebsgesellschaft der früheren Dual. Ihr gehören Grundstücke und Gebäude des einstigen Plattenspieler-Produzenten. Die Gesellschaft war vom Dual-Konkurs nicht betroffen. Ihr Vermögen hat heute Stiftungs­ charakter mit dem Ziel, die Wirtschaft in St. Georgen zu fördern. Die Trägergesell- St. Georgens und seiner Umgebung bringen -so die Uberlegung Bürgermeisters Lauffer­ immer wieder Leute hervor, die sich selbstän­ dig machen wollen. Die Technologiefabrik kann diesen Schritt in die Selbständigkeit erleichtern; denn sie stellt den jungen Unter­ nehmern Arbeitsräume zu günstigen Bedin­ gungen zur Verfügung und hält Gemein­ schaftseinrichtungen wie Kopiergeräte, Fern­ schreiber oder Kantine bereit. Außerdem steht den frischgebackenen Unternehmern das Management der Technologiefabrik mit Rat und Tat zur Seite. In St. Georgen ist dies der Elektronikingenieur und Diplomkauf­ mann Dr. Karrer. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg einer Technologiefabrik ist der Kontakt zur Wissenschaft; denn ein solches Gründerzen­ trum soll jungen Forschern, die eine gute Idee in marktgängige Produkte umwandeln wollen, den Start erleichtern, und damit die Entwicklung neuer, zukunftsträchtiger Bran- 44

schaft kann der Technologiefabrik derzeit Räume mit einer Fläche von bis zu 4000 Qyadratrnetern zur Verfügung stellen. Außerdem stellt sie Gemeinschaftseinrich­ tungen und das Personal für die Betriebsge­ sellschaft bereit. Die Gesellschaft wurde im Dezember 1984 als St. Georgener Technologiezentrum GmbH gegründet. An ihrem Startkapital von 400.000 DM sind PE und die Stadt St. Georgen mit jeweils 30 Prozent beteiligt. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, beste­ hend aus namhaften St. Georgener Industrie­ betrieben, hält weitere 20 Prozent. Schließ­ lich liegen noch 10 Prozent bei der Bezirks­ sparkasse St. Georgen und der Villinger Volksbank. Das Interesse an der neuen St. Georgener Einrichtung ist groß. Jeden Monat gehen zwei bis drei Bewerbungen neu gegründeter Firmen ein. Diese Bewerbungen werden streng geprüft, denn -so Bürgermeister Lauf­ fer: ,, Wir wollen hier keinen Gründerfried­ hof‘. Die Bewerber, die in der Anlaufphase ihrer Firmengründung von den günstigen Bedingungen des Zentrums profitieren sol­ len, müssen Produkte oder Ideen mit guten Marktchancen aufweisen. Ein Beirat, in dem der Technologiebeauftragte des Landes, Prof. Johann Löhn, die Furtwanger Professoren Kuntz und Schönemann sowie der ehema­ lige Vorstandsvorsitzende der Dornier GmbH, Dr. Bernhard Schmidt, vertreten sind, nimmt Zunächst setzten die Mütter ein beträcht­ liches Potential im technologischen und finanziellen Bereich als ,,Aussteuer“ ein. Nach einem Jahr präsentierte die flotte Tochter eine amerikanische Enkelin, die der Familie zusätzliche Ehre macht. Eine günstige Zu­ kunft und stabile Marktstellung sind gesichert: Mit einer Tagesproduktion von 40 000 Qyarz- die Bewerbungen deshalb gründlich unter die Lupe. Welche Wachstumskraft in den ausge­ wählten Unternehmen steckt, beweisen die Gesellschaft für Antriebs-und Steuerungs­ technik (GAS), die zusammen mit der Firma ATB-Motron als erste in die Technologie­ fabrik einzog. Die GAS stellte auf der Han­ nover Messe einen Handhabungsroboter vor, dessen Technik großes Aufsehen erregte. Das über 20 Mitarbeiter beschäftigende Unternehmen konnte nach der Messe mit dem Aufbau der Produktion beginnen. Wenn der Platz im ehemaligen Dual-Verwal­ tungs-und Betriebsgebäude nicht mehr aus­ reicht, stehen für das aufstrebende Roboter­ unternehmen größere Räume bereit. Hier liegt ein weiterer Vorteil des Standortes St. Georgen: Die Trägergesellschaft besitzt noch ein ehemaliges Fabrikgebäude mit einer Fläche von 17 000 Qyadratrnetem. Wenn die Firmen der Technologiefabrik den Kinder­ schuhen entwachsen sind, bietet sich der Umzug in diese Hallen an. Das St. Georgener Konzept beeindruckte auch die Stuttgarter Regierungsstellen: Im April 1985 wurde die Technologiefabrik als förderungswürdig anerkannt. Dieser Be­ schluß ist für die St. Georgener Betreiber bares Geld wert. In den ersten drei Jahren beteiligt sich das Land an den Verlusten, die in der Anlaufphase entstehen, mit bis zu 300.000 DM. Peter Ludäscher werken für Großuhren hat die „Uhrentech­ nik Schwarzwald GmbH“ die Schallmauer ihrer Mindestauslastung erheblich über­ schritten. In den Betriebsgebäuden Hardt und Mariazell sind 250 Mitarbeiter beschäf­ tigt. Die U.T.S., Anfang 1979 aufsehenerre­ gende Kooperation der St. Georgener Fir­ men Kundo (Kieninger und Obergfell) und 45 Aus Konkurrenten wurden Partner Kundo und Staiger (St. Georgen) gründeten gemeinsam U.T.S.

In der eigenen Betriebsmitte!fertigung entwickelt und gebaut: vollautomatische Montagestation far Quarzgehwerke bei der U. T.S. in Hardt, neben dem Montageautomaten die beiden Geschäftsfahrer Peter Schmidt (links) und Friedbert jäck/e Gehr. Staiger, schlupfte aus den Kinderschu­ hen in eine stabile Position auf dem um­ kämpften Markt. Die entscheidenden Stär­ ken des bis heute beispiellos gebliebenen Modellfalls in der Uhrenbranche sind wirt­ schaftlichste Fertigungsmethoden im Ver­ bund mit äußerster Flexibilität. Seit 1. Januar 1985 ist als dritter Partner der Rottweiler Betrieb Peter-Uhren mit zehnprozentigem Anteil mit von der Partie. Der kaufmännische Geschäftsführer Peter Schmidt ist gleichzeitig Mitglied der Ge­ schäftsführung bei Kundo, der technische Geschäftsführer Friedbert .Jäckle ist tech­ nischer Leiter bei Staiger. Uber diesen Pari­ tätsanteil hinaus werden alle individuellen Möglichkeiten beider Betriebe vor allem in der Entwicklung und der O!ialitätssicherung genutzt. In Hardt und Mariazell waren vor Jahren schon die Zweigbetriebe der St. Georgener Firmen Staiger bzw. Kundo ein Lichtblick am Horizont vor allem für teilzeitarbeitende Frauen. Die enge Nachbarschaft gleichwerti­ ger Betriebsgebäude erleichterte den „Müt­ tern“ die Partnerschaft. Der Neubeginn war für eine beträchtliche Mitarbeiterzahl zu­ gleich Sicherung des Arbeitsplatzes auf der Ebene modernster Technologie. Zu einem Teil wurden die personellen Doppelfunktionen der Anfangszeit erhalten. 46 Ein Hauch von Pioniergeist wird noch immer empfunden: ,,Das Engagement unse­ rer Mitarbeiter hat die ersten Jahre sehr erleichtert“, das betonen die Geschäftsführer besonders. Allerdings war es in Hardt und Mariazell schon möglich, die Arbeitszeit den persönlichen Möglichkeiten anzupassen, als vom Job-sharing“ noch kaum die Rede war: Innerhalb der beiden achtstündigen Doppel­ schichten stehen neun Arbeitszeit-Varianten zur Wahl. Auf dem Markt der Weckeruhren sind Kundo und Staiger auch weiterhin Konkur-

renten. Diese Abgrenzungen behindern nicht die intensive Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung von Q!iarzwerken, mit denen -aus dem neu­ tralen Feld der U.T.S. -rund ein Drittel des bundesdeutschen Bedarfs gedeckt wird. Deutlich zunehmend sind dabei Kunden aus dem technischen Bereich, die das Q!iarzwerk als ein Grundelement für Schaltuhren und Steuerungen auf dem Meß-und Regelsektor beziehen. Die Vorgeschichte der heutigen Uhren­ technik Schwarzwald GmbH begann schon einige Jahre früher mit dem Zusammen­ schluß einiger führender Schwarzwälder Großuhrenhersteller zu einem Entwick­ lungskreis unter Obhut und Förderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Die Aufgabe: Entwicklung eines neuen Q!iarzwerks in optimaler Funk­ tion und vor allem ökonomisch preisgünsti­ ger Produzierbarkeit. Die gemeinsame Ferti­ gung wurde letztlich von einem Duett reali­ siert, das über gleichartige Voraussetzungen verfügte: Beide wirtschaftlich gesunde Un­ ternehmen mittlerer Größe mit Hauptsitz in St. Georgen verfügten über gleichwertige Zweigbetriebe in den benachbarten Orten Hardt und Mariazell. Die bis dahin im eigenen Betrieb notwen­ dige Entwicklung und Herstellung von Q!iarzwerken wurde eingestellt. Obwohl die vorhandenen Montageanlagen teilweise nach neuen Konzepten wieder verwendet wurden, mußten in den neuen Betrieb mehrere Millionen DM investiert werden. Den bedarfsgerechten Zuschnitt der Halb­ und Vollautomaten sichert die eigene Be­ triebsmittelfertigung in Mariazell -sämtliche Arbeitsplätze und Montagestraßen werden in eigener Regie konzipiert und gebaut. Die optimalen Voraussetzungen führten zu einer hervorragenden Wettbewerbsposi­ tion auf europäischer Ebene sowohl in Tech­ nologie, Q!ialität und Preisniveau. Durch den Zusammenschluß mit den 100-Mitarbei­ ter-Unternehmen Primex zur Neugründung der Firma Q!iartax in Lake Geneva (Wiscon- sin) gelang der wichtige Schritt auf den ame­ rikanischen Markt zu einem Zeitpunkt, da noch kein Q!iarzwerkehersteller in den USA die japanische Phalanx angegriffen hatte. Im vierten Jahr ihres Bestehens stellt die ameri­ kanische Enkelin dank des know-how-Trans­ fers aus dem Schwarzwald mit 100 Mitarbei­ tern pro Tag 15 000 Q!iarzwerke her. Mit der Zunahme der eigenen Produktion war auch die allgemeine Einfuhrstatistik eine Erfolgsbestätigung für die Geschäftsführer Peter Schmidt und FriedbertJäckle: Der bun­ desdeutsche Import an Q!iarzwerken für Großuhren ging zurück, wobei der Fachbe­ griff der Großuhr nicht ganz wörtlich zu nehmen ist: Laienhaft ausgedrückt zählt dazu jeder Zeitanzeiger, der nicht am Körper zu tragen ist. Eine Invasion auf dem Q!iarzwerksektor aus dem Femen Östen deutete sich bisher nicht an. Dennoch will sich die U.T.S. mit einer weiteren Verfeinerung der Anpassungs­ fähigkeit nicht nur wappnen, sondern weiter Expansionskurs steuern, um international noch mehr Boden zu gewinnen: Die früher weltweit marktführende Position der Bun­ desrepublik auf dem Gebiet der Großuhren nimmt heute mit einem erheblichen Vor­ sprungJapan ein. Als wirkungsvoller Brems­ klotz gegen ein asiatisches Überholmanöver gleichen Stils bei den Q!iarzwerken setzte die Firmenkooperation ein besonders deutliches Zeichen. Rosemarie v. Stromheck * Nichtssagendes Gesicht hinter breitem Immer-Lächeln Maske aus Jung fit begehrenswert austauschbar ohne Inhalt wo bleibst du Mensch Friederike Siek 47

In Donaueschingen wird Mode gemacht RICOSTA – der erste Jugendschuh der Welt mit Garantie Weder der erholungssuchende Tourist noch jeder einzelne Mitbürger Donau­ eschingens vermutet hinter den modernen Werkhallen RICOSTAs in der Donau­ eschinger Dürrheimer Straße (Industriege­ biet) eine „Hochburg“ der Schuhmode. Über 5.000 Paar modische Schuhe werden täglich produziert. Das Bekenntnis zur Mode und Q!ialität hat RICOSTA gerade in den letzten fünf bis sechs Jahren in die Spit­ zengruppe aller deutschen Schuhhersteller gebracht. Die Kollektionen sind regelmäßig ausverkauft und zeichnen sich durch hoch­ wertige Materialien, modische Schnitte und ein Superdesign aus. Über 25 Millionen Paare verließen die Produktionsbänder des modernen Fabrikgebäudes bisher. Und diese gingen nicht nur in die deutschen Schuh­ fachhandelsgeschäfte, sondern auch ins be- nachbarte Ausland, z.B. in die Schweiz, nach Österreich, Holland und Belgien. Die internationale Akzeptanz und Ver­ flechtung eines mittelständischen Unterneh­ mens wie RICOSTA ist ziemlich hoch. Da werden z. B. Materialien auch auf den großen internationalen Ledermärkten eingekauft, besonders in Italien, USA, Brasilien und auch Indien. Jeder einzelne Schuh ist jedoch eine sorgfältige hochqualitative „Maßarbeit“ aus Donaueschingen. Kleinere Zweigwerke bestehen in Fridingen und Mengen -diese arbeiten Hand in Hand mit der großen Mut­ terfabrik in Donaueschingen. Geschäftsführer Roland Bieger, unlängst befragt nach den modischen Aspekten RICOSTAs: Sestreisen durch Länder, die mitbestimmend und prägend in Sachen Mode sind, wie z. B. Italien und Frankreich, 48

gehören zu unserem Arbeitsprogramm. Wir orientieren uns regelmäßig dort, wo Mode gemacht wird. Zudem pflegen wir Kontakte weit über die Grenzen unseres Landkreises hinaus, um aus vielerlei Einflüssen und Impressionen ein gutes Design für unsere Kollektion zu schaffen. Gerade in Städten wie Berlin oder London entstehen Trends, die in unsere Kollektionserstellung mit ein­ fließen. Hier ist eines der Erfolgsrezepte RICOSTAs herauszustellen: Modische Ak­ tualität -gepaart mit Obermaterialien aus bestem Leder, hervorragender Verarbeitung und strapazierfähige und langlebige Sohlen.“ Die Sohle ist übrigens das große Plus. Die typische RICOSTA-Sohle ist aus dem Mate­ rial Polyurethan. Dieses Material ist sehr leicht, weich und flexibel und verleiht dem Schuh die unvergleichliche Sportlichkeit und Flexibilität. Apropos Sohle: RICOSTA ist der erste Jugendschuhhersteller der Welt, der einen Jugendschuh mit Garantie her­ stellt. In diesem Jahr jährt es sich zum 30.Mal, daß der erste Jugendschuh der Welt mit Garantie auf die Haltbarkeit der Sohle von RICOSTA produziert worden ist. Diese Entwicklung, die eigentlich den Erfolg bis heute mitbestimmt, geht auf eine Teamarbeit zwischen dem Mitinhaber der damaligen Tuttlinger Schuhfabrik Rieker & Co., Roland Rieker, und seinem techni­ schen Leiter Hermann Binder zurück. Mitte der SOer Jahre also gelang es diesen beiden Herren, einen Schuh zu entwickeln, der eine unlösbare Sohle hatte. Das ist gerade im Kin­ derschuhbereich eine sensationelle Erfin­ dung gewesen. Ein Q!ialitätsmerkmal, das auch heute noch jedes einzelne RICOSTA­ Modell innehat. Bekenntnis zur Q!ialität ist oberstes Firmenprinzip RICOSTAs bis heute geblieben. Die Verarbeitungsqualität wird im hohen Maße im Bereich Kinder-und Jugendschuhe gefordert. Gerade hier setzt RI COST A hohe Maßstäbe an, um den Anforderungen des WMS-Mehrweitensystems gerecht zu wer-49

Vielfalt ist ihr Markenzeichen Firma Tobias Baeuerle beliefert viele Branchen – Mechanik und Elektronik den. RICOSTAs Kinder-und Jugendschuh­ modelle werden in drei Weiten angeboten – weit, mittel und schmal. Wie es die Norm verlangt und wie es den neuesten medizini­ schen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Fußgesundheit entspricht. Das Weiten-Maß­ System WMS garantiert von Anfang an eine Paßformgarantie. Die hohen Qialitätsmaxime sind abhän­ gig nicht nur von einer sorgfältigen Verarbei­ tung, der Auswahl bester Materialien, son­ dern auch vom Zusammenspiel aller Mit­ arbeiter. Derer gibt es zur Zeit 450. Und damit die Anzahl der sehr gut ausgebildeten Fachkräfte auch in Zukunft aufrechterhalten werden kann, legt RICOSTA als führendes Unternehmen der deutschen Jugendschuh­ branche großen Wert auf eine qualifizierte Lehrlingsausbildung. Zur Zeit bildet RI- Schaut man sich die Firmengeschichte der Firma Tobias Baeuerle und Söhne in St. Georgen an, so kann man in ihr die typische Entwicklung eines Schwarzwälder Industrie­ Unternehmens erkennen, die sich so oder so ähnlich im Raume St. Georgen mehrfach vollzogen hat, wenngleich nicht immer so erfolgreich. Entstanden aus der Uhrmacher­ Tradition, wuchs das Unternehmen im Ver­ laufe von nunmehr gut 120 Jahren zu einem Betrieb heran, der vor allem durch das hohe feinwerktechnische Wissen und Können sei­ ner Mitarbeiter über Generationen hinweg groß geworden ist. Die sprichwörtliche Schwarzwälder Präzi­ sionsarbeit wird schon immer gerade auch durch Tobias Baeuerle vertreten. freilich zeigte man sich in dem heute 280 Mitarbeiter großen Unternehmen auch dem Fortschritt stets aufgeschlossen. So hat heute die Elek­ tronik in dem Betrieb in der Mitte von St. Georgen längst Einzug gehalten, allerdings in einer ganz speziellen Weise: Nicht Elek- 50 COSTA 23 Auszubildende aus, die nach Be­ endigung der Ausbildungszeit in das große Kollegium eingegliedert werden. In der Lehr­ lingswerkstätte qualifizieren sich Schuhferti­ ger, Facharbeiter und Facharbeiterinnen für alle Produktionsbereiche RICOSTAs. RICOSTA ist ein nach den neuesten Erkenntnissen und wirtschaftlichen Voraus­ setzungen geführtes Unternehmen in der Region Schwarzwald-Baar-Kreis. Mit einem hohen Investitionsvolumen in Technik und Know how -denn nur so ist ein Unterneh­ men dieser Größenordnung international konkurrenzfähig -steht es als hervorragen­ des Beispiel regionaler Wirtschaftskraft und Innovation. Eine verläßliche Größenord­ nung für sichere Arbeitsplätze und dyna­ mische Produktivität in diesem Landkreis. Frank Thienel tronik statt Mechanik heißt das Firmen­ Motto heute bei Tobias Baeuerle, sondern Elektronik und Mechanik. Die Verbindung von feinwerktechnischen Bauteilen mit elek­ tronischen Baugruppen ist heute eine beson­ dere Spezialität des Unternehmens. Ein Slo­ gan von Tobias Baeuerle lautet denn auch folgerichtig so: ,,Manche liefern Feinwerk­ technik. Und andere Elektronik. Wir bieten beides“. Ein weiteres Merkmal von TB, wie das Unternehmen im St. Georgener Volksmund kurz heißt, ist die Breite der Produktpalette. Die Firmenstrategie ist seit Jahren darauf angelegt, nicht von einigen wenigen Produk­ ten abhängig zu werden, sondern Konjunk­ turschwankungen in einzelnen Branchen möglichst dadurch ausgleichen zu können, daß man vielseitig ist. Dies bedeutet auch, daß Tobias Baeuerle seine Produkte meist in kleinen und mittleren Serien herstellt, dabei aber gezielt auf Wünsche und Bedingungen der Kunden eingehen kann. Ein schneller

Mitten in der Stadt, an der Bahnhofstraße in St. Georgen, hat die Firma Tobias Baeuer/e mit ihren 280 Mitarbeitern ihren Sitz. Wandel des Produktprogrammes ist dabei oft ebenso notwendig wie die Flexibilität der Mitarbeiter, die sich immer wieder auf neue Anforderungen einstellen müssen. Rund 1000 Baugruppen und Geräte hat die St. Georgener Firma derzeit im Programm, etwa 25 000 Einzelteile stehen im „Stamm­ satz“ und müssen somit stets abrufbereit Sem. Der springende Hirsch als das Wahrzei­ chen der Firma taucht dabei nur an wenigen Produkten auf, die täglich die Firma verlas­ sen, denn wirkliche Endprodukte machen nur einen kleineren Teil des Firmenumsatzes aus. Fertigprodukte stellt Tobias Baeuerle vor allem für den Fotobereich und in der Meß­ und Regeltechnik her. Eine weitere wichtige Produktgruppe sind Papiertransportwerke, die in verschiedenen Geräten Verwendung finden. Den größten Teil der TB-Produktion machen freilich Baugruppen aus, die nach Kundenwünschen gefertigt werden. Schließ- lieh hat das Unternehmen erst in jüngster Zeit eine weitere Produktgruppe in sein Pro­ gramm aufgenommen, das der übrigen Fir­ menpolitik in gewisser Weise zuwider läuft: Bestimmte feinmechanische Bauteile wie Getriebe und Kupplungen werden nach Standardmaßen hergestellt und angeboten: ,,Präzision nach Katalog“ verspricht der Her­ steller für diese Teile. Tobias Baeuerle ist noch immer ein Fami­ lienbetrieb, im Gegensatz zur Firma Mathias Baeuerle, die einst von einem Bruder gegrün­ det worden ist und schon lange zu einem multinationalen Konzern gehört. In der vier­ ten Generation wird die Firma heute von Ehr�� Baeuerle mitgeleitet. Die gegenwär­ tige Ara ist dabei gekennzeichnet vom Ein­ zug der Elektronik, die heute etwa 30 Pro­ zent Anteil innerhalb der TB-Produkte aus­ macht und deren Anteil noch immer anstei­ gend ist, obwohl das Haus ja bewußt nicht zu einer reinen Elektronik-Firma werden will. 51

Doch auch schon in der Vergangenheit war das Unternehmen starkem Strukturwan­ del unterworfen gewesen. Im Jahre 1864 wagte Tobias Baeuerle im „ Vorderen Nest“ in Brigach den Sprung in die Selbständigkeit und gründet mit einem Lehrling eine Uhr­ macherwerkstatt. 15 Jahre später zählt der Betrieb bereits 25 Beschäftigte, und das erste Patent für ein „getheiltes Uhrpendel mit einer Nachschwingungen verhindernden Hakenverbindung“ wird erteilt. Die frühe Industrialisierungsphase bringt rasanten Aufschwung: Um die Jahrhundertwende steigt die Zahl der Mitarbeiter bereits auf 100. Schiffsuhren, Wassermesser, Zählwerke und Laufwerke kommen bald zur Produktpalette hinzu. Zwischen den beiden Weltkriegen kommen neue Bereiche dazu: Gaswirtschaft, Wasserversorgung, Nachrichtenwesen und Verkehr werden von der Firma für ihre Pro­ dukte entdeckt. Der Zweite Weltkrieg bringt fast das Ende des Unternehmens: Der Demontage fiel mehr als die Hälfte der Ferti­ gungsanlagen zum Opfer. Doch es begann alles wieder im Kleinen, und schnell erlebte das Unternehmen eine ungeahnte Expan­ sion. In den letzten Jahren konnte sich das tra­ ditionsreiche Unternehmen aus St. Georgen der allgemeinen Wirtschaftsflaute natürlich nicht vollständig entziehen. Allerdings, und darauf ist man in der Firma stolz, konnten alle Konjunkturschwankungen ausgeglichen werden, ohne daß Entlassungen notwendig geworden wären. Gleichzeitig hat das Unter­ nehmen in seinen Anstrengungen um die Heranbildung eines qualifizierten Nach­ wuchses nie nachgelassen: Rund zehn Pro­ zent der Belegschaft sind heute Lehrlinge. In einer äußerst leistungsfähigen Lehrwerkstatt zieht sich das Unternehmen zum größten Teil seine späteren Spezialisten selbst heran und leistet damit gleichzeitig einen wichti­ gen Beitrag, daß Jugendarbeitslosigkeit in St. Georgen längst nicht solche Ausmaße erlangt, wie in anderen Regionen. Erich Möck Eine breite Produktpalette ist eines der Hauptmerkmale der Firma Tobias Baeuerle 52

Sphäroguß- ein Werkstoff mit Zukunft Beim Einfüllen des jlü.ssigen Eisens in vorbereitete Formen „No future“ -„Null Bock“ oder gar die Diskussion um die 35-Stunden-Woche sind für Hans Dhonau keine Gesprächsthemen. Am 1. Januar 1982 begann der Gießereiinge­ nieur mit fünf Mann in der ehemaligen Eisengießerei Triberg, Carl Werneth GmbH+ Co. KG zu arbeiten. Bereits am 17. Februar wurde das erste Mal geschmolzen und gegossen. Doch bis der aus dem Huns­ rück stammende Jungunternehmer soweit war, galt es, zähe Verhandlungen zu führen. Hans Dhonau, Jahrgang 1940, ist in Bad Kreuznach geboren und in Sobernheim (Hunsrück) aufgewachsen. Die Vorfahren waren alle Bauern und Bäcker, und so war es für Hans Dhonau nach beendeter Schulzeit klar, daß er Bauer lernt, denn er ist ja auf einem Bauernhof aufgewachsen. Der erste Jugendtraum platzte, denn sein älterer Bru­ der übernahm den elterlichen Hof, und der Jungbauer Hans Dhonau schulte zum Eisen­ former um. Sein neuer Lehrherr stellte vor­ wiegend Klavierrahmen (Stückgewicht rund 90 kg) her. Da ihn der Werkstoff Eisen faszinierte und Hans Dhonau den Traum vom selb­ ständigen Arbeiten noch nicht aufgegeben hatte, sondern ihn nur auf eine andere Ebene verlagern mußte, studierte er nach absolvier­ ter Eisenformerlehre Gießereiwesen in Fried­ berg (Hessen). Als Gießereiingenieur arbei­ tete Hans Dhonau unter anderem in Frank­ furt/Main, Siegen und Krefeld. Wie fast für jede Branche, gibt es auch für das Gießereiwesen eine Fachzeitschrift. Da Hans Dhonau gerne sein eigener Herr wer- 53

Handformguß, wenn der bisher betrie­ bene Massenguß aufgegeben wird. Das allerwichtigste, um überhaupt eine Startchance zu besitzen, waren eine gehörige Portion Idealismus und Optimismus, die Hans Dhonau bis heute nicht verlassen haben. So kann Hans Dhonau sicherlich mit Stolz darauf verweisen, daß er im Juli 1985 bereits wieder 24 Mann – einschließlich sei­ ner Frau – die die Büroarbeiten erledigt – beschäftigt. Der Grauguß – das freie Graphit ist als Lamellen vorhanden – ist ein eher spröder Werkstoff, hingegen Sphäroguß – das freie Graphit erscheint hier in Kugelform – ist ein dehnbarer, stahlähnlicher Werkstoff. ,,Dem Sphäroguß gehört die Zukunft, er ist zwar in der Herstellung aufwendiger, leistet aber mehr für weniger Geld“, meint Hans Dho­ nau. Derzeit wird jeden vierten Arbeitstag, bei Bedarf auch bereits zweimal pro Woche geschmolzen und gegossen. Dies ergibt Ein gegossenes Kompressorengehäuse Das Füllen des Schmelzofens ist eine „heiße“ Sache den wollte, verhandelte er mit rund einem Dutzend Firmen im gesamten Bundesgebiet Da das passende aber noch nicht dabei war – teilweise forderten die Besitzer astrono­ mische Summen – inserierte Hans Dhonau selber und erhielt bereits wenige Tage später die Zuschrift von Frau Lütten-Werneth. Von einem Geschäftsfreund in Karlsruhe hatte Hans Dhonau fast am gleichen Tage erfah­ ren, daß die Eisengießerei Triberg- sie befin­ det sich aber auf Schonacher Gemarkung – zum Verkauf stehe. Am 1. Mai war Hans Dhonau zum ersten Mal in Schonachbach. Drei Dinge gaben den Ausschlag, die Eisen­ gießerei Werneth zu übernehmen: 1. in Süddeutschland gab es einen guten Markt für Gießereierzeugnisse, 2. im Großraum Stuttgart waren seit 1973 rund ein Dutzend Gießereien „gestorben“, 3. die gute Bausubstanz – sie war nur in einem wenig gepflegten Zustand – erlaubte einen idealen Fertigungsfluß für 54

Das „M“ steht für „Muckle“ Hans Dhonau möchte seine Eisengießerei (Stand Juli 1985) eine Menge von 150 bis 180 zum Spezialisten für form-und/oder werk­ Tonnen pro Monat. Grauguß in allen DIN-und Sonderquali­ stoffkomplizierten Grau-und Sphäroguß machen. Seine Hauptabnehmer werden der täten (Güten) wird zur Herstellung von Werkzeugmaschinenbau, der Kompressoren­ Motorblöcken (Kfz), Kompressorengehäu­ bau, in Zukunft der Großdieselbau und der sen, Werkzeugmaschinenständer, -tischen allgemeine Maschinenbau sein. Derzeit und -betten benötigt. Der Sphäroguß findet befinden sich Hans Dhonau und seine Män­ für alle dynamisch beanspruchten Teile wie ner noch in der Aufbau-und Sortierphase. Gestelle für Großdiesel, Zylinderköpfe für Sein Hauptaugenmerk liegt im Aufbau eines Großdiesel, Kugelküken für Pipelinehähne möglichst einheimischen Mitarbeiterstam­ und Paletten für Bearbeitungszentren Ver­ mes. Sein Ziel wären 40-50 Mitarbeiter und wendung. Das Gewicht der einzelnen 200-300 Tonnen produziertes Eisen pro Stücke, die in Schonachbach gegossen wer­ Monat. Glück auf1 den, liegt zwischen 20 Kilogramm und 4 Sigrid Burger Tonnen. Skifabrikation am Linacher Stausee in dritter Generation Mattglänzende Oberflächen in Rot oder Wagners erlernt, obwohl zu seiner Jugend­ in edlem Silber, schwungvolle Schriften ver­ zeit schon feststand, das die Herstellung von mitteln internationales Flair: ,,Swinger“, ,,All­ Wagen und Holzrädern keine Zukunft mehr round“, ,,Strato“, ,,Competition“ -modi­ haben würde. Trotzdem wurde die Lehre als sches Design verbindet sich mit den maschi­ beste handwerkliche Grundlage für die wei­ nellen Hilfsmitteln moderner Skifertigung tere Skiherstellung befunden, in deren und traditioneller handwerklicher Gründ­ Branche es eine spezialisierte Ausbildung lichkeit. Im bescheidenen Fabrikationsge­ nicht gibt. Die weiteren Mitarbeiter kommen bäude weit außerhalb Vöhrenbachs an der als Schreiner und Zimmerleute überwiegend schmalen Straße noch hinter dem Linacher auch aus Holzberufen. Die vierte Generation Stausee verbirgt sich die einzige Skiproduk­ im Betrieb repräsentiert bereits die Tochter tion des gesamten Schwarzwaldes. Mit einer Brigitte Hummel. Sie teilt ihren Arbeitstag durchschnittlichen Skiproduktion mit nach absolvierter Industriekaufmannslehre 20 000 Paar „Brettln“ für Langlauf und zwischen dem Büro und der Feinarbeit einer Abfahrt setzt Albert Muckle in der dritten abschließenden Beschriftung. Generation fort, was sein Großvater unter Trotz der Bequemlichkeiten und des bescheidenen Bedingungen im Jahr 1911„als rationellen Einsatzes moderner Maschinen zweites Bein“ seiner Wagnerei begonnen und einiger Präzisionspressen, ohne die ein hatte. Die mehrschichtigen Schneeflitzer der konkurrenzfähiger Preis unmöglich wäre, ist Gegenwart mit dem übereinandergestellten der Vöhrenbacher Skihersteller besonders „M“ als Signum behaupten ihren Platz auf stolz auf die Qualität seiner Schneebretter. dem umkämpften Sportartikelmarkt der Der Wagnermeister wählt Eschenholz, das Bundesrepublik und werden darüber hinaus neuerdings durch Tanne ergänzt und mit der unter anderem nach Holland, Belgien, Umrahmung aus Kunststoffbahnen ein­ Frankreich und Dänemark exportiert. schließlich Fiberglaseinlage in fünf bis zwan­ Wie schon sein Großvater und Vater hat zig Schichten zwischen einem und zehn Mil­ auch Albert Muckle zunächst den Beruf des limeter verleimt wird, sorgfältig aus. Das 55

Elegant und repräsentativ im Design: Eine Skiauswahl aus Vöhrenbach, im Bild Skihersteller Albert Muckte selbst entwickelt und erprobt, setzt vielmehr auf den Normalverbraucher mit Anspruch auf eine solide Verarbeitung. Die Betriebs­ größe macht allerdings auch die Erfüllung von Sonderwünschen möglich. Beispiels­ weise die stabile Ausführung für einen besonders schwergewichtigen Skifahrer. Serienskier verkraften ein maximales Kör­ pergewicht von 90 Kilogramm. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden in Vöhrenbach rund 100 Paar Skier pro Winter produziert -damals noch für Touren und Abfahrten verwendbare und mit dem Angebot von heute nur noch entfernt verwandte Bretter von großer Schwerfällig­ keit. Der Skisport hatte erst nach der Jahr­ hundertwende auch in Deutschland eine breitere Anhängerschaft gefunden, nachdem der „Schneeschuh“ zuvor vor allem in Skan­ dinavien, in Nordrußland, dem nördlichen Holz wird als Schnittware geliefert, die Reste sind beträchtlich: Beim Zuschneiden der Lamellen werden zwei Drittel der Latten nur noch zum Verbrennen tauglicher Abfall. Um möglichst wirtschaftlich arbeiten zu können, werden von jeweils einem Modell Serien von mehreren hundert Stück in einem durchschnittlich zwei- bis dreiwöchigen Arbeitsgang hergestellt. Das Produktions­ programm umfaßt sechs Varianten von Langlaufskiern und drei alpine Ausführun­ gen für Kinder und Erwachsene von Längen ab 120 bzw. 80 bis zu 215 bzw. 200 Zentime­ tern. Dabei reichen die Zielgruppen von den Anfängern bis zu mittleren Leistungsklas­ sen. Von vornherein verzichtete Albert Muckle darauf, in das umkämpfte Feld der Wettbewerbsausstatter einbrechen zu wol­ len. Der Vöhrenbacher, der jedes Modell 56

Amerika und Kanada als praktisches Fortbe­ wegungsmittel im Tiefschnee entwickelt worden war. Zunächst in den mitteleuropäi­ schen Regionen noch vor allem dem Militär und den Forstleuten zugedacht, entdeckten immer mehr auch den sportlichen Aspekt. Anfang der 50er Jahre wurde begonnen, die Skier aus mehreren Schichten zu verlei­ men, um damit vor allem mehr Elastizität zu gewinnen. Das früher fast ausschließlich benutzte Hickoryholz aus Nordamerika wurde durch Esche ersetzt. Heute wird nach weiteren Möglichkeiten gesucht, den Ski noch leichter zu machen, unter anderem durch Ausfräsungen im Holzkern und Tan­ nenholzschichten. Ob zum Feierabend am Stammtisch in der Kneipe nebenan, in einer Arbeitspause, zur Mahlzeit oder bei der Rast nach einer be­ wältigten Wanderstrecke, das Gebräu aus Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser ge­ hört zu den begehrtesten Getränken. Der Griff nach dem „kühlen Blonden“, nach dem Handwerk.liehe Braustätte in Bräunlingen Brauerei-Gaststätte „Zum Löwen“; im Vordergrund das landwirtschaftlich genutzte Gebäude Theoretisch könnte Albert Muckle pro Tag 150 Paar Skier herstellen -allerdings ent­ spricht die Nachfrage dieser Kapazität schon lange nicht mehr. Der Markt ist zu einem guten Teil gesättigt, der Langlaufboom in den 70er Jahren war für die Branche eine kaum wiederholbare Blütezeit. Während aber etliche andere Skihersteller aufgaben, konnten sich auch die Billigimporte aus dem Osten bei Muckle nicht existenzbedrohend auswirken. Dies allerdings nur durch den Einsatz aller Kräfte: Der Chef steht selbst täglich in der Produktion seinen Mann. Rosemarie v. Stromheck ,,Pilsener“ und „Export“ ist gesellschaftsfähig. Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis setzt sich die Tradition der Braukunst fort. Schon seit Jahrhunderten ist in der alten Reichs­ stadt Bräunlingen das Brauhandwerk heimisch. Einst gab es in dieser Stadt drei Brauereien. 57

Nach den Regeln der freien Marktwirt­ schaft konkurriert eine seit dem Jahr 1789 im Familienbesitz gebliebene handwerkliche Braustätte in Bräunlingen, die „Löwen­ “ brauerei , in den Ausmaßen bescheiden im Gegensatz zur großen Brauindustrie. Grund­ mauern und Kellerräume dieser Brauerei stammen noch aus alten Zeiten. Als Braumeister, Geschäftsführer und Komplementär wirkt Friedrich Kalb schon seit einigen Jahren in der beruflichen Nach­ folge seines Vaters Heinrich Kalb, der in der Funktion eines Kommanditisten seinem Sohn beratend zur Seite steht. Im Büro des Familienbetriebs arbeiten auch Ehefrau und Mutter des noch jungen, dynamischen und zielbewußten in der Meisterschule Ulm aus­ gebildeten Unternehmers mit. Mit zwei Brauern bewältigt Friedrich Kalb einen Jahresausstoß von 5.000 hl Bier und 8.000 hl alkoholfreie Erfrischungsgetränke aus dem “ „Frucade-Programm . Zwei Kraftfahrer ver­ sorgen die Kundschaft in einem Einzugs­ gebiet von rund 30 km im Radius mit dem edlen Getränk. aus der Pfalz. Von Tettnang und aus der Hallertau kommt der Aromahopfen. Im Sudhaus, dem Herz der Brauerei, voll­ zieht sich das, was unter Braukunst zu ver­ stehen ist. Eine Aufbereitungsanlage enthärtet das Wasser, je Woche füllt sich sechsmal die kupferne Braupfanne. Sie faßt total 35 hl, jeder Sud ergibt etwa 30 hl Ausschlagwürze. Geschrotenes Malz mit Wasser vermischt leitet den Maischvorgang ein bei Tempera­ turen zwischen 50-78 Grad. Dabei wird Stärke von den Enzymen in Malzzucker um­ gewandelt, und anschließend wird die Würze von den Trebern getrennt. Zwei Stunden kocht die Würze, währenddessen der Hopfen dazukommt. Hopfenbitterstoffe und Gerb­ stoffe sowie Hopfenöle werden ausgelaugt, und Eiweiß wird ausgeschieden. Der Brau­ meister überprüft die Sudqualität, bevor der Sud in den Whirlpool gepumpt wird, wo die Braumeister Friedrich Kalb in Aktion bei der Braupfanne Selbstverständlich Man legt größten Wert darauf, die Stamm­ kundschaft zu halten und die Gunst neuer “ Kunden zu gewinnen. Die „Löwenbrauerei läßt deshalb keine Chance aus, den Betriebs­ ablauf organisatorisch zu verbessern, um den Wünschen der Kunden nachzukommen, um Kundennähe und optimalen Service prakti­ zieren zu können. Hilfe leistet eine im Jahr 1975 installierte betriebseigene EDV-Anlage. tritt die „Löwen­ brauerei“ für die Erhaltung des Reinheits­ gebots als das älteste Lebensmittelgesetz aus dem Jahre 1516 ein, das vorschreibt, daß für die Bierherstellung nur Gerstenmalz – die Seele des Bieres -, Hopfen und Wasser ver­ wendet werden dürfen. Für die Braukunst in Bräunlingen kommen nur erlesene Rohstoffe in Frage. Besonders aufmerksam schaut der Unternehmer auf die Herkunft der Rohstoffe, denn jeder Gersten- und Hopfenjahrgang unterscheidet sich vom vorhergehenden. Das Gerstenmalz bezieht die „Löwen­ brauerei teils aus der Schwäbischen Alb, teils “ 58

Hopfentreber zurückbleiben. Die Würze kühlt sich beim Durchlauf über Platten­ kühler von 100 auf 5 Grad ab. Nach Ab­ kühlung gelangt der Sud in den Gärkeller. Eine moderne Sudhauselektronik erleichtert die Arbeitsvorgänge wesentlich. Im Gärkeller kommt die Hefe dazu, sie vergärt innerhalb von acht Tagen den gewonnenen Malzzucker in Alkohol und Kohlendioxyd. Ca. 40/o Alkohol enthält „normales“ Bier. Nur während einer langen und kalten Lagerzeit kann eine geschmackliche Ausreifung des Bieres stattfinden. Kühlaggregate sorgen für gleiche Temperaturen zwischen 0-1 Grad. Etwa zehn Wochen lagert das Bier in den zwölf in der neuen Lagerhalle installierten Tanks mit einem Fassungsvermögen von ins­ gesamt 100.000 1. Noch bis vor einem Jahr waren die felsig gewölbten Kühlräume süd­ lich des Sudhauses als Lagerräume nützlich. Filtriert wird das Bier über einen Abfülltank zum Faß-oder Flaschenfüller gedrückt. Die Neue Maßstäbe für die Zusammenarbeit zwischen regionalen und kommunalen Elek­ trizitätsversorgungsunternehmen soll das ,,Unterkirnacher Energieversorgungs-Modell“ setzen. Das regionale Versorgungsunterneh­ men deckt dabei vorwiegend die Grundlast, während das kommunale Unternehmen die kostenintensive Spitzen-und in erheblichem Maße auch die Mittellastversorgung vor Ort durchführt. Das Modellprojekt wurde als Demonstrationsvorhaben von der Europä­ ischen Gemeinschaft (EG) finanziell geför­ dert. Wegen seiner zukunftsweisenden Kon­ zeption soll es europaweit als Vorbild dienen. Erstmals wurde es durch gezielte Steue­ rung von Leistung und Betriebsdauer eines Wasserkraftwerkes in Abhängigkeit von der Netzlast möglich, auch kleinere Wasservor­ kommen wie die Kirnach wirtschaftlich zu nutzen. Im EG-Bereich ist nach Schätzung der Vereinigung Deutscher Elektrizitäts- vollautomatische Anlage füllt in einer Stunde 3.500 Flaschen. Von hier aus nimmt das Bier, davon etwa 750/o „Pilsener“ und 250/o „Edel­ Export“, seinen Weg zu den Kunden. Zur ,,Löwenbrauerei“ gehören die „Brauerei­ Gaststätte zum Löwen“ und das Gasthaus ,,Zacher“ in Bräunlingen sowie die neu ent­ standene „Löwenschänke“ in der Käferstraße in Donaueschingen. Das ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude vor der Brauerei-Gaststätte dient heute als Garage für die brauereieigenen Fahrzeuge, die in der Autowaschhalle neben den Lagerräumen immer wieder auf Hoch­ glanz gebracht werden. Hier endet die Stippvisite bei der kleinen handwerklichen Braustätte in Bräunlingen, die durch große Anstrengungen im harten Wettstreit sich zu behaupten weiß, getreu ihrer Devise: ,,Braukunst nach der alten Regel, macht’s Bräunlinger Bier fein, würzig, edel“. Werner Heidinger werke (VDEW) mit einer Vielzahl ähnlich gelagerter Anwendungsfalle zu rechnen. Neben der Nutzung umweltfreundlicher Energie als wirksamen Schritt gegen Luftver­ schmutzung und „ Waldsterben“ waren wirt­ schaftliche Gesichtspunkte für das neuent­ wickelte Energieversorgungskonzept der Fremdenverkehrsgemeinde Unterkirnach maßgebend. Die Gemeindewerke Unterkir­ nach versorgen ca. 1000 Haushalte, mehrere mittelständische gewerbliche Unternehmen sowie eine Reihe von Fremdenverkehrsbe­ trieben über ein eigenes Stromnetz. Der Bezug der Energie erfolgt von der Elektrizi­ tätsgesellschaft Triberg (EGT). Wie aus den Aufzeichnungen der tägli­ chen Bezugsleistung abzulesen ist, betrug die höchste bezogene elektrische Leistung der letzten Jahre 1400 kW {1982). Da nun in ganz wesentlichem Maße der Strombezugspreis von den monatlichen Spitzenwerten des 59 Umweltfreund.lieber Strom für Unterkirnach

Bezugs abhängt, weil die Stromversorgungs­ . unternehmen diese Kapazität vorhalten müssen, ist man natürlich vorrangig daran interessiert, diese Bezugsspitzen abzubauen. Die Planungsstrategie der Gemeindewerke Unterkimach zielte daher auf eine umfas­ sende Nutzung der zur Verfügung stehenden regenerativen Energie Wasserkraft einerseits und auf eine damit verbundene größtmög­ liche Senkung der Strombezugskosten ande­ rerseits. Realisiert wurde dieses Konzept durch das Zusammenwirken dreier Maßnahmen: 60 1.werden durch kurzzeitige gezielte Ab­ schaltungen ausgewählter Verbrauchergrup­ pen wie elektrische Heizungen, Wärmepum­ pen, Warmwasserspeicher etc. die Spitzen­ werte abgesenkt. Durch diese mit dem Ver­ braucher abgestimmte Maßnahme läßt sich ohne nennenswerte Beeinträchtigung die Netzlast um ca. 150 kW senken. 2.eine weitere Absenkung um 200 kW soll im Jahresmittel die Wasserkraftanlage bewirken, deren Betriebsdauer und Lei­ stungshöhe rechnergesteuert an den Bedarf angepaßt werden.

3. soll ein Blockheizkraftwerk über 10 Monate im Jahr eine Reduzierung um wei­ tere 27 kW im Mittellastbereich ermögli­ chen. Die Installierung ist noch für das Jahr 1985 vorgesehen. Herzstück der gesamten Konzeption ist die Rundsteueranlage, die über einen zentra­ len Rechner das Zusammenwirken aller Ein­ richtungen automatisch steuert. Sie tut dies, indem sie die Stromversorgungsleitungen zu den einzelnen Verbrauchern als Übertra­ gungskanäle benutzt und bestimmten Adressen, z.B. Heizungen oder Maschinen, Steuerbefehle zum Ein- oder Ausschalten erteilt, wenn der Strombezug von der Elek­ trizitätsgesellschaft Triberg bestimmte Werte überschreitet. Auf diese Weise können auch Tarifumschaltungen und die Freigabe von Nachtspeicherheizungen erfolgen. Dem Wasserkraftwerk kommt die Auf­ gabe zu, das im Fluß Kirnach zur Verfügung stehende Wasser möglichst optimal, also zu Zeiten des höchsten Energiebedarfs, zur Stromerzeugung zu nutzen. Dazu wurde ein Speichersee mit 20 000 m3 Inhalt, eine 2,50 m hohe Staumauer mit Einlauf und Fischpaß, eine Druckleitung mit ca. 1 km Länge und 1 m Durchmesser und ein Turbi­ nenhaus errichtet. Messungen des Wasserab­ flusses der Kimach ergaben, daß die anfal­ lende Wassermenge auf Grund der Speicher­ wirkung der umliegenden Wälder ganzjährig ausreicht, um eine Turbine mit maximal 1,2 m3/s Schluckvermögen zu versorgen. Die biologisch notwendige Mindestwassermen­ ge zur Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt im Bachbett wurde vom Wasseiwirtschaft­ samt auf 55 l/s festgelegt. Es zeichnet sich auch jetzt schon ab, daß der See von zahlrei­ chen Wasservogelarten als neuer Lebensbe­ reich akzeptiert wird. Bei maximaler Wasserzuführung liefert der von der Turbine angetriebene elektrische Generator dann eine Leistung von etwa 230 kW ins Netz. Diese Leistung läßt sich jedoch über den Wasserzufluß zur Turbine auch verringern, denn im Normalbetrieb steuert eine elektronische Druckmeßsonde Blick in das Turbinenhaus im Stausee den Wasserzulauf in die Turbine, d. h. wenn der See voll ist, wird die Turbine nur mit dem zufließenden Wasser angetrie­ ben. Steigt jedoch, z.B. in den Vormittags­ stunden, der Strombedarf stark an, so über­ nimmt die Rundsteueranlage die Kontrolle und öffnet je nach Leistungsbedarf stufen­ weise den Wasserzustrom, bis der Generator die erforderliche Strommenge liefert. Sinkt die Leistungsanforderung im Versorgungs­ netz wieder ab, so geht die Steuerung wieder in den Wasserstandsregelbetrieb über. Bei geringer Wasserführung der Kimach wird die Anlage in den Minimalschüttungs-Betrieb umgeschaltet und von der Rundsteueranlage soweit möglich nur noch für die gezielte Spit­ zenstromerzeugung eingesetzt. Dann wird bei voll aufgestautem See das Wasser im gün­ stigsten Wirkungsgrad der Turbine so lange abgefahren, bis der Wasserstand 10 cm unter dem maximalen Pegelstand liegt. Die Was­ sermenge, die zur Spitzenabdeckung wäh­ rend der Vormittagsstunden nicht benötigt wurde, wird zum Ende der Hochtarifzeit während der Abendstunden abgefahren, da nachts der Strombedarf gering ist und der See wieder gefüllt wird. Auf Grund der Wasserstandsmessungen der Kimach ist zu erwarten, daß das Wasser­ kraftwerk jährlich etwa 1 Mio. kWh elek­ trische Energie erzeugt. Dies bedeutet eine 61

Einsparung an Prirnärenergie von rund 250 000 Liter Heizöl in einem Jahr, die zur Erzeugung der genannten Energiemenge in einem konventionellen Kraftwerk verbrannt werden müßten. Neben der bereits seit Anfang des Jahres 1985 ununterbrochen in Betrieb stehenden Rundsteueranlage und dem Wasserkraft­ werk beabsichtigen die Gemeindewerke Unterkirnach zusätzlich noch die Installa­ tion einer Blockheizkraftanlage in der Schloßberghalle, von der aus das Hallenbad, die Grund- und Hauptschule sowie die Mehrzweckhalle selbst beheizt werden sol­ len. Das Blockheizkraftwerk besteht im wesentlichen aus einem Dieselmotor, der einen elektrischen Generator antreibt, mit dem in konventioneller Weise Strom erzeugt wird. Dieser Strom wird unmittelbar in das öffentliche Niederspannungsnetz einge­ speist. Die beim Betrieb des Dieselmotors entstehende Wärme (Abgase, Kühlwasser etc.) wird über einen Wärmetauscher zur Raumheizung und Brauchwasserbereitung eingesetzt. Bei einem Gesamtwirkungsgrad der Anlage von 88 %, den ein Großkraftwerk nicht erreichen kann, wird die Bruttoleistung von 76 kW in 40 kW nutzbare Wärmeener­ gie und 2 7 kW elektrische Energie umgewan­ delt. Da die Anlage bei Temperaturen unter + 11 °C ständig in Betrieb ist, ergibt sich eine jährliche Laufzeit von ca. 8000 Stunden, in der 536 000 kWh als Wärme und Strom erzeugt werden. Die darüber hinaus in Spit­ zenzeiten benötigte Wärmeenergie wird durch die bereits bestehende konventionelle Heizungsanlage abgedeckt. Die Ansteuerung der Blockheizkraftan­ lage zur Spitzenstromerzeugung erfolgt ebenfalls über die Rundsteueranlage. Zur Wärmespeicherung wird ein Pendelspeicher sowie das Beckenwasser des Schwimmbades verwendet, das dabei um weniger als 1 °C erwärmt wird, was etwa dem normalen Wär­ meverlust des Wassers pro Tag entspricht. Gegenüber der jetzigen konventionellen Heizungsanlage in der Schloßberghalle, die jährlich etwa 74 000 Liter Heizöl benötigt, 62 wird zwar durch die Blockheizkraftanlage der jährliche Ölverbrauch um rund 7000 Liter ansteigen, aber es wird dadurch nicht nur die Heizungsanlage ersetzt, sondern gleichzeitig noch Strom produziert. Allein die ins Netz abgegebene elektrische Energie entspricht schon 54 500 Liter Heizöl, die ein konventionelles, ölbefeuertes Großkraft­ werk dafür benötigen würde. Zusammen mit dem noch größeren Anteil der für Heizungs­ zwecke genutzten Wärmeenergie ergibt sich daraus eine Prirnärenergie-Ersparnis von jährlich rund 47 000 Liter Heizöl, ganz abge­ sehen von der höheren Strom-Eigenproduk­ tion der Gemeinde Unterkimach. Die Bilanz seit Inbetriebnahme der Rund­ steueranlage und des Wasserkraftwerks ist bisher positiv. So konnte die Gesamtbezugs­ leistung der Gemeindewerke Unterkirnach auf 1130 kW reduziert werden, obwohl sich der gesamte Stromverbrauch seit 1982 um 16 % erhöht hat. Die Schwankungsbreite der von auswärts bezogenen Leistung hat sich deutlich verringert; dabei sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dieses Ergebnis kei­ neswegs durch Komforteinbußen beim Stromkunden erzielt wurde. Andererseits zeigt sich auch bei dem an die Rundsteueran­ lage angeschlossenen Verbraucher ein fühl­ barer Vorteil, denn durch die Vermeidung teurer Spitzenlast fällt auch für ihn die Stromrechnung günstiger aus. Klaus Maiwald * T agleuchten meine Seele weht mit dem Blättergelb durch blauklare Luft Sonnenduft mein Blick fließt mit der Windesfrische zu altem Baum Himmelsraum trägt mich mit wo fern mein Aug in Weiten fällt Friederike Siek

Wagner aus Hondingen Auch der König von Schweden ist sein Kunde In einer kleinen Werkstatt in Blumbergs Stadtteil Hondingen werden die Bestandteile hergestellt, ohne die eine Kutsche eigentlich völlig nutzlos wäre. Ein längst ausgestorbe­ nes Handwerk wurde dort wieder zum Leben erweckt, und die Nachfrage nach den Produkten scheint geradezu grenzenlos. Vor knapp vier Jahren hat sich Adolf Degen, ein 52jähriger Wagnermeister, in Hondingen selbständig gemacht, und in der Hauptsache stellt er Kutschenräder her. Praktisch kon­ kurrenzlos in Europa beliefert er sowohl große Kutschenfirmen als auch Privatleute, die sich dem Fahrsport verschrieben haben. Doch die Tätigkeit Adolf Degens er­ schöpft sich nicht im bloßen Rädermachen: Er stellt auch ganze Kutschen oder Pferde­ schlitten her. Der wohl berühmteste Besitzer eines Adolf-Degen-Pferdeschlittens dürfte der König von Schweden sein. Sein Schwarz­ wälder Pferdeschlitten fegt jeden Winter zur vollen Zufriedenheit des Monarchen durch den schwedischen Winterwald. Das Wagnerhandwerk war eine Zeitlang eigentlich ausgestorben, denn Kutschen ge­ hörten um 1950 herum der Vergangenheit an. Adolf Degen war zu jener Zeit als Säge­ werksmeister tätig, und auf Drängen einiger Freunde stellte er in seiner Freizeit ein paar Wagenräder her. Diese waren in ihrer Qyali­ tät so überzeugend, daß sich Degens Wag­ nerkunst sehr schnell herumsprach. Der Hondinger konnte sich vor Aufträgen kaum noch retten. Zuerst, so erzählt der Mann, wollte er das Rädermachen neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit ausführen. Auf­ grund der vielen Aufträge war ihm das jedoch recht bald schon nicht mehr möglich. In seiner kleinen Werkstatt bearbeitet Adolf Degen gerade eine Radnabe, das Herz eines Kutschenrades. 800 Räder hat er in der Zeit seiner Selbständigkeit bereits hergestellt, Auch Schlitten und Kutschen hat der Wagnermeister aus dem Blumberger Stadtteil schon hergestellt. Er liebt geschwungene, schwienge Arbeiten. 63

und die Ausstattung seiner Werkstatt macht es ihm zwischenzeitlich einfacher. Er stellt Räder zwischen 64 Zentimeter und 1,70 Meter Durchmesser her, nimmt jedoch auch alle Individualanfertigungen in Angriff. Rund zwölf Stunden Arbeit benötigt Adolf Degen heute für die Anfertigung eines Kut­ schenrades, und rund ein Drittel der Arbeit wird von Hand ausgeführt. 40 Jahre, so meint der Wagnermeister, halten seine Räder bei guter Pflege. Gutes Holz ist natürlich Vor­ aussetzung, und auch die Trockenlagerung – und das ist Adolf Degens Berufsgeheimnis – ist wichtig für die Haltbarkeit des Rades. Je geschwungener und krummer die Aus­ arbeitung“, erklärt Adolf Degen seine Liebe zum Handwerk, ,,um so mehr Spaß bereitet mir die Arbeit.“ So stellt er auch, wenn es ihm Praktisch konkurrenzlos in Europa ist Wagner­ meister Ado!f Degen aus Hondingen, der Kut­ schenräder zwischen 64 Zentimeter und 1, 70 Meter Durchmesser anfertigt. die Zeit zwischen. den Rad-Aufträgen er­ laubt, gerne Kutschen und Schlitten mit ge­ schwungenen und verzierten Knäufen und Kufenenden her. Rund eine Woche arbeitete er beispielsweise an dem Schwarzwälder­ Pferdeschlitten, der nach Schweden ging. Stolz kann der Hondinger zweifelsohne auf seine Arbeit sein, denn wer ein Lob von englischen Kutschenfahrern, aus dem eigent­ lichen Ursprungsland des Fahrsports be­ kommt, der darf sich sicherlich etwas darauf einbilden. Zwar macht Adolf Degen die Arbeit Spaß, aber der Gedanke an die Zu­ kunft beunruhigt ihn doch etwas. Denn ein Nachfolger für seine Werkstatt steht nicht in Aussicht, und so kann es durchaus sein, daß mit seinem Ausscheiden aus dem Berufsle­ ben die Radmacherkunst im Schwarzwald­ Baar-Kreis ausstirbt. Ingrid Pfeiffer * Holz vor de Hirte Holz vor de Hitte, des isch modern d’Farnilie Schpecht hät des au gern wie lang hen die wohl do dra g’hackt un wieviel Holzwirm dodebei g’knackt. Sie hacke fleißig eins zwei drei un baue s’Nescht for ihre Ei! No findet d’Vogelhochzig schtatt sie schmause „Holzwurm a Ja carte.“ Dennoch zieht mer sich z’ruck in’s Hus un brietet oa zwoa Eier us. Liege de Jonge no im Nescht bringene d’Eltere wieder s’Bescht. Om die hongrige Schnäwel z’schtopfe duet de Vatter Schpecht wieder fleißig klopfe Doch sin se fligge, no schmeißt er se nus un bringt ene bei wie mer baut ä Hus! Er duet ene s’Hacke un s’Klopfe lehre un wie mer sich selwer duet ernähre so goht des Schpiel von Generation zu Gene­ ration des isch ä echte Holzhackertradition. Rose Renner 64

Persönlichkeiten der Heimat Zwei Jahrzehnte im Stuttgarter Parlament Wilhelm Buggle – auch den Menschen der Südbaar ein engagierter Abgeordneter Parlament wirkte, sich dort bleibende Ver­ dienste erwarb und in seinen letzten acht Abgeordneten-Jahren auch für den nun zum Landtagswahlkreis 55 Tuttlingen/Donau­ eschingen gehörenden Süden des Schwarz­ wald-Baar-Kreises zuständig war. Was eine gehörige Untertreibung ist: Wil­ helm Buggle fühlte sich niemals nur „zustän­ dig“. Seine stets zum Engagement genützte Sachkenntnis, seine Vitalität und nicht zuletzt sein politisches Temperament sowie sein manchmal sehr gerades, aber von takti­ schen Winkelzügen freies und darum ehrli­ ches Wort ließen ihn zu einem Landespoliti­ ker werden, dem weit über die CDU-Frak­ tion hinaus die Wertschätzung des Landta­ ges galt, in dem er ein wahrhafter „Volksver­ treter“ war. Einer „modernen“ Generation von Abgeordneten, die vor allem ihre Kar­ riere sehen und ihr „Volk“ so fast nur noch im Wahlkampf, wird er noch lange Vorbild sem. Ein solches ist er -wäre die geschichtliche Abfolge umkehrbar -auch seinem Vorgän­ ger gewesen, denn Wilhelm Buggle gewann auch die Menschen der Südhaar, als er von 1976 an über den Landkreis Tuttlingen hin­ aus auch ihr Abgeordneter wurde, nicht zuletzt durch sein gutes Beispiel, das seinen in den letzten Jahren in Stuttgart nahezu interesse-und tatenlosen Vorgänger Franz Leuser aus Donaueschingen weit in den Schatten stellte. Wilhelm Buggle, der gebürtige Freiburger und Tuttlinger Wahl-Schwabe, verstand sich immer als echten Baden-Württemberger. Nach der Mittleren Reife ging er bei der AOK in Rottweil in die Lehre und erweiterte seine Kenntnisse bei sieben weiteren Allge­ meinen Ortskrankenkassen, ehe er in Frank-65 Vier Jahre -von 1980 bis 1984 -war er der ,.Alterspräsident“ des baden-württembergi­ schen Landtages, doch er war es nur als Folge seines Geburtsdatums. Denn der Typ des Politikers, der am Ende der Karriereleiter abgeklärt und hoch über den Wogen des Tagesgeschäfts seine Diäten kassiert und sich im übrigen in der Rolle des unbeteiligten „elder statesman“ gefällt, war er und ist er auch heute noch nicht, da er mittlerweile sei­ nen 70. Geburtst�g gefeiert hat und noch immer zahlreiche Arnter innehat und Funk­ tionen ausübt: von Wilhelm Buggle ist die Rede, dem früheren Tuttlinger AOK-Direk­ tor, der volle zwei Jahrzehnte im Stuttgarter

reich und Italien Soldat wurde, im Süden auch in Gefangenschaft geriet, 194 7 in die Heimat entlassen und schon 1948 kommissa­ rischer Geschäftsführer der AOK für den Landkreis Tuttlingen wurde. Zwei Jahre spä­ ter wurde er zum AOK-Chef bestellt und blieb es bis 1979. Schon 1959 hatte es ihn in die Politik gezo­ gen; er wurde CDU-Stadtrat in Tuttlingen, sechs Jahre später rückte er auch in den Kreis­ tag ein. Und ein Jahr zuvor hatte er gegen zwei Bürgermeister, die dasselbe Ziel hatten, auf Anhieb die Nominierung als CDU-Land­ tagskandidat geschafft und nach der Wahl dann die Nachfolge des seitherigen Abgeord­ neten Landrat Dr. Geiger angetreten. 1968, 1972, 1976 und 1980 wurde Buggle dann jeweils mit nahezu „bayerischen“ Ergebnis­ sen jenseits der SO-Prozent-Marke wiederge­ wählt. In der CDU selbst stand der Parlamenta­ rier auf der Seite der Sozialausschüsse, ohne sie allerdings kritiklos zu betrachten: ,,Ich habe immer die Interessen der arbeitenden Menschen vertreten, darin aber keinen Klas­ senkampf gegen das Kapital gesehen“, bilan­ zierte Buggle aus Anlaß seines im Februar 1985 gefeierten 70. Geburtstages, ,,ich habe immer eine mittlere Linie gesucht“. Diese freilich kastrierte ihn politisch keineswegs zum stromlinienförmigen Mitläufer. Immer riskierte er ein mutiges Wort -parteiintern und damit eher karrierehemmend meist noch eher als ein markiges nach außen. Auch die Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger, Hans Filbinger und Lothar Späth mußten fraktionsintern mit Buggles furcht­ loser Courage rechnen, wenn sie -vor allem Filbinger und Späth -im Gefühl der satten absoluten Mehrheit die „eigene“ Fraktion nur noch als Erftillungsgehilfen zu betrach­ ten und allzu souverän zu herrschen began­ nen. ,, Vielleicht bin ich deswegen auch nicht mehr geworden“, formulierte Buggle mög­ liche Rückwirkungen seiner Unerschrocken­ heit auch den ganz mächtigen Parteifreun­ den gegenüber, doch wehleidig oder fru­ striert ist er deswegen nicht: ,,Ich habe nicht 66 nur ja gesagt, sondern immer auch mitgestal­ tet; ich habe vieles initiiert und darauf kann ich schon ein bißchen stolz sein.“ 1964, als er ins Stuttgarter Parlament ein­ rückte, regierte als Ministerpräsident der spä­ tere Bundeskanzler Kiesinger mit einer klei­ nen Koalition, und der Landtag hatte, wie Buggle aus 20jähriger Erfahrung sieht, damals noch mehr Gewicht als heute, da sich Kompetenzen in Bonn konzentrieren und der Landeshaushalt kaum noch wirklichen Spielraum zur Gestaltung bietet. Später -in der Großen Koalition ebenso wie von 1972 an mit der absoluten Mehrheit der CDU – nahmen dann Hektik und Geschäftigkeit stark zu und begann -so Buggle -die Masse an Verwaltungsarbeit im Landtag zuneh­ mend kreative Politik zu erdrücken. Seine Erfahrungen in der Großen Koali­ tion lassen Buggle diese ungewöhnliche Kräftekonstellation heute mit Skepsis betrachten: ,,Für eine Demokratie nicht das richtige.“ Aber auch die absolute Mehrheit, mit der die CDU Baden-Württemberg seit nunmehr 13 Jahren beherrscht, sieht der CDU-Politiker nicht nur aus dem satten Wohlbehagen unangefochtenen Schaltens und Waltens: ,,Man wird manchmal etwas zu selbstherrlich.“ Wilhelm Buggle, für den 1964 die damals auf 800 Mark festgesetzten Diäten kaum mehr als ein Zubrot bedeuteten und den mit seinen Wahlkreis-Abgeordnetenkollegen Herbert Moser (SPD) und Ernst Pfister (FDP) ,,ein menschlich sauberes Verhältnis“ verband, stieg in Stuttgart bis zum stellvertre­ tenden CDU-Landtagsfraktionsvorsitzen­ den auf -ein Amt, das er erst verlor, als man festlegte, daß Ausschußvorsitzende nicht gleichzeitig in der Fraktionsspitze tätig sein dürfen. Und gerade als Vorsitzender des Peti­ tionsausschusses wurde Wilhelm Buggle ein landesweit bekannter Mann; mehrere zehn­ tausend Petitionen von Bürgern, die sich von Verwaltungsinstanzen zu unrecht behandelt fühlten, wandten sich an den von Buggle acht Jahre geführten Ausschuß. ,,Ich bin dankbar, daß ich in dieser parla-

mentarischen Arbeit so vielen Menschen habe helfen können“, sagt Wilhelm Buggle. Das Wissen, daß „Buggle hilft“, ist immer noch weit verbreitet, denn noch immer errei­ chen ihn viele Bitten von Bürgern, sich für ihr Anliegen einzusetzen. Daß dieser immense Einsatz in so vielen gewichtigen Positionen nur möglich gewesen ist durch ein sehr hohes Maß an Verständnis, ja Ver­ zicht seiner Familie, vor allem seiner Frau, verschweigt der Vater von sechs Kindern und Opa von mittlerweile ebenso vielen Enkeln nicht. Verschweigen will er auch nicht, daß die Umstände, die ihn 1983 auf seine fünfte Wie­ derwahl in den Landtag verzichten ließen, bittere Spuren zurückließen. Schon 1979 hatte ihm sein heutiger Nachfolger, der Fri­ dinger Bürgermeister und Tuttlinger CDU­ Kreisvorsitzende Roland Ströbele, die CDU­ Nominierung streitig machen wöllen, war aber in der von 1300 Christdemokraten besuchten Wahlkreiskonferenz in der völlig überfüllten Geisinger Festhalle deutlich unterlegen. Vier Jahre später warf dann der Tuttlinger CDU-Landrat Hans Voile seinen Hut gegen Buggle „ohne Wenn und Aber“ in den Ring. Der Abgeordnete hätte sich – so waren und sind maßgebliche Parteifreunde noch heute überzeugt – zwar auch gegen Voile durchgesetzt, wäre erneut nominiert und damit gewiß auch wieder gewählt wor­ den, doch der 68jährige mochte sich damals den Streß des monatelangen parteiinternen Hickhacks um die Sympathie der Mitglieder nicht noch einmal antun. Er verzichtete „freiwillig“ und animierte den der „Papierform“ nach scheinbar chan­ cenlosen Roland Ströbele, gegen Voile anzu­ treten. Und die Unionsbasis verzieh dem Fri­ dinger Schuhes den versuchten „Königs­ mord“ von 1979 und „bestrafte“ dafür den selbsternannten „Buggle-Killer“ aus dem Tuttlinger Landratsamt, als in der mit erneut 1300 CDU-Mitgliedern landesweit Schlag­ zeilen machenden CDU-Wahlkreiskonfe­ renz in der Donaueschinger Donauhalle der Dorfbürgermeister Ströbele gegen seinen Landrat Voile deutlich die Oberhand behielt. Bände der Genugtuung sprach die Art, wie Buggle seinen Nachfolger auf der Hallen­ bühne spontan und gerührt umarmte. Heute, da die Narben zu heilen beginnen, betont der nunmehr-Ex-Abgeordnete, ,,wie gut ich meinen Abschied verkraftet habe“. Endlich mehr Zeit für seine Frau, eine statt­ liche Bücherei, die Gottesdienstbesuche im nahen Benediktinerkloster Beuron, seine Ämter als CDU-Stadt- und Kreisrat, sein Wirken im Ortsseniorenrat und sein Engage­ ment in der Lebenshilfe beschäftigen den vitalen Jubilar. Lothar Späth, mit dem ihn ein fast freundschaftliches Verhältnis verbin­ det und der ihn unmittelbar nach seinem Verzicht auf die Wiederwahl als Folge der ungestümen Volle-Ambition demonstrativ im Tuttlinger Eigenheim besuchte, bat ihn zum 70. Geburtstag, seine großen Erfahrun­ gen den Mitbürgern auch künftig zur Ver­ fügung zu stellen. Und der Ministerpräsident bescheinigte ihm, sich „um Baden-Württemberg blei­ bende Verdienste erworben“ zu haben. Als Mitglied des Rundfunkrates des Südwest­ funks hat Buggle im übrigen durchgesetzt, daß der Baden-Badener Sender am Ende sei­ nes Tagesprogrammes die Nationalhymne spielt und daß mittlerweile auch weitere ARD-Anstalten diesem Beispiel gefolgt sind: ,,Das tut mir gut“, bekennt Wilhelm Buggle. Er war und ist stets ein Mann des entschie­ denen, zuweilen auch selbstbewußten Wor­ tes – nie jedoch versteht er sich egozentrisch als Politstar auf regionaler Ebene. Angenom­ men hat er für sein Wirken – neben mehre­ ren Ehrenmitgliedschaften – nur die Landes­ verdienstmedaille, die ihm Lothar Späth 1984 überreicht hat, abgelehnt hingegen das Bundesverdienstkreuz. Und der Empfang an seinem 70. Geburtstag, bei dem ihm der T utt­ linger Oberbürgermeister Koloczek die sel­ ten verliehene Plastik des „Kannitverstan“ überreichte, fand zwar in ganz großem Rah­ men, aber auch ganz gegen seinen Willen statt. Gerhard Kiefer 67

Hotelier Hans Diegner Als ich ihn zum ersten Mal sah, anno 1950, war er gerade ins Schwabenalter getreten, ein junger Mann noch, zupackend und pla­ nungsfroh – aber er wirkte älter, abwägend und besonnen: eher gemessen und distan­ ziert als von jener Unbekümmertheit erfüllt, die oft genug der Herausforderung gleich­ kommt. (Ach, was kann mir denn schon pas­ sieren?) im Schwarzwaldhotel Vierunddreißig Jahre später, beim Ab­ schiedsritual in Königsfeld, einer Art von bürgerlichem Gro­ ßen Zapfenstreich, war Hans Diegner ein alter Mann – und doch noch immer der sou­ veräne, von Plänen und Ideen strotzende Hotelier, der er auch als Vieniger gewesen war. Als Mann, weit vor der Zeit, bereits so etwas wie ein Weiser und an der Schwelle des Greisenalters noch immer ein ganzer Kerl, ein Riese an Einsicht, die darauf wartete, in 68 Aktionen verwandelt zu werden: Hans Diegner, der Hotelier vom Schwanwald­ hotel, das ist ein junger Alter und ein alter Junger – und insofern zeitlos. Nie angepaßt, nie mit dem Strom schwim­ mend, nie in den sicheren Niederungen zuhaus, wo sich die vielen tummeln. Er dage­ gen, Hans Diegner: stets an der Tete – aber nicht als Draufgänger und tollkühner Anführer, sondern als bedächtiger Planer, der das gewonnene Terrain erst absicherte, bevor er sich ins noch nicht Gebahnte begab. B e d ä c h t i g , ja, das Wort trifft auf ihn zu, sofern man sich auf das d e n k e n besinnt, das diese Vokabel trägt. Denn denken, medi­ tieren, sich Rechenschaft geben, über den Sinn des tagtäglich Geleisteten grübeln ( o ja, auch Grübeln! Unter Zweifeln und vielen Ängsten!) – das ist Hans Diegners eigentliche Leistung gewesen, in den Jahren, als er, zu­ sammen mit seiner Frau und einem bewähr­ ten Team alter Mitarbeiter, das Schwanwald­ hotel leitete. Ein Hotelier, aber auch ein Herbergsvater, der im Gleichnis vom barmhenigen Samari­ ter hätte mitspielen können: mildtätig, jedoch vernünftigem Erwerb nicht abge­ neigt. Wo andere, Erfolg mit äußerer Wohl­ fahrt identifizierend, munter drauflosstür­ men (um dann, nach dem Heninfarkt oder der großen Pleite, auf der Nase zu liegen), hielt Diegner ständig inne: Wozu tue ich dies und weshalb lasse ich jenes? Bauen um des Bauens, Vergrößern um des Vergrößerns wil­ len – macht das einen Sinn? Ein großer: weil ein nachdenklicher Hote­ lier – so steht Hans Diegner in Königsfeld vor meinen Augen. Wäre er derart weit gekommen, frage ich mich oft, hätte eines der komfortabelsten und freundlichsten Häuser im Schwanwald schaffen können: ohne seinen philosophischen Sinn, ohne die ständige Frage nach dem Wozu, ohne die Fähigkeit, aus seinem Leben – Wechsel von großer Ausfahrt, Weitläufigkeit und trauri-

gern Kriegsdienst -humane Konsequenzen zu ziehen? Gewiß nicht! Hans Diegner, ein glücklicher Mann, für den Passion und Existenz, strenger Dienst und großes Glück identisch waren. Der Beruf als Leidenschaft. Morgens der erste, abends der letzte (dazwischen ein paar listig einge­ legte Pausen: ,,Es darf nur keiner merken!“) und dabei nie gehetzt wirkend, nie Streß und Erschöpfung vorspielend. Unmöglich sich vorzustellen, Hans Diegner sei einmal mit raschem Atem gelaufen! Immer nur gegangen, nein, nicht gegangen – ge­ schritten: so wie ein Patron und chef de famille schreitet-souverän, zielstrebig, gelas­ sen. (Und seine Herren Kellner hatten’s ihm nachzutun: ,,Ober, die rennen, taugen nichts!“) Ein freundlicher Vater im Grandhotel: bei der Begrüßung der Gäste (,,es wird ein heite­ rer Tag, gnädige Frau“) kunstreich verber­ gend, daß er gerade zuvor den Eltern eines in Erwartung befindlichen, der Niederkunft mit Bangen entgegensehenden Lehrlings die Leviten gelesen hatte: ,,Ihre Tochter bleibt hier. Meine Frau wird sich kümmern um sie. Und Sie sollten sich künftig ein bißchen häu­ figer sehen lassen, in Königsfeld und nach Ihrem Kind schauen.“ Da paart sich Familiäres mit Noblesse und Urbanität; da kommt zum strengen Regle­ ment (wieviele Betten sind im Spätherbst belegt?) die Freundlichkeit und die Lust an der Improvisation (Kinder, zwischen den Tischen herurnwuselnd, im Sommer herz­ lich willkommen); da fügt sich zur streng-zar­ ten Erziehung des Personals die geheime Pädagogik zum Nutzen jener Gäste, die Hans Diegner immer mit den Augen seines Vaters ansah: ,,Der Baron, der den Kaffee zuerst für den Kutscher draußen und dann erst für sich selbst bestellt“, so, im ostpreußi­ schen Braunsberg, Vater Diegner, ,,ist unser Mann. Die anderen sollen sich gefälligst ein bißchen gedulden.“ Dank an einen der letzten Philosophen im Kreise der Hoteliers. Dank an Hans Diegner. Walter Jens Lorenz Honold und die Baar Ein Journalist und qualifizierter Kunstinterpret aus unserer Heimat Der „Almanach“, das Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises, gratulierte einem seiner drei Väter: Dr. Lorenz Honold, neben Landrat Dr. Rainer Gutknecht und Schul­ amtsdirektor a. D. Helmut Heinrich von Beginn an Mitglied des Redaktionsteams, hat am 7. Juli 1985 seinen 80. Geburtstag gefeiert und ist schon neun Monate zuvor mit einer hohen Ehrung bedacht worden: Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat ihn als ersten Journalisten im Schwarz­ wald-Baar-Kreis mit dem Bundesverdienst­ kreuz am Bande ausgezeichnet. Der Landrat selbst dekorierte den vitalen Jubilar bei einer Feierstunde im Donaueschinger Rathaus. Dr. Gutknecht ehrte dabei nicht nur einen Mann, der sich um die Heimat verdient gemacht hat, sondern auch einen Sohn dieser Baaremer Heimat, der seine Herkunft nie verleugnet und dessen Lebensweg ihn in diese Heimat zurückgeführt hat. Der gebür­ tige Riedböhringer besuchte die humanisti­ schen Gymnasien in Sasbach und Freiburg und absolvierte in der Breisgau-Metropole dann ein umfassendes Studium der Theolo­ gie und Philosophie, der Neuphilologie und der Geschichte, der Literatur und der Kunst­ geschichte. Über das Verständnis der Rechts­ philosophie in der Renaissance schrieb er seine Doktorarbeit. 1929 ging Dr. Honold zur Kölnischen Volkszeitung, die ihn schon zwei Jahre später in ihrem Kultur-Ressort zum Referatsleiter für Schauspiel und Bildende Kunst emann-69

te; auch Sonderseiten und Serien gehörten damals zu seinem Aufgabenbereich. Von 1935 bis 1937 arbeitete der Journalist für die Kölnische Volkszeitung als Umbruchredak­ teur in Essen. Die Ausstellung angeblich „entarteter Kunst“, mit der die Nazis 1937 in München ihr jedem Experiment und Avant­ gardismus feindliches Kunstverständnis demonstrierten, nahm Dr. Honold dann alle Hoffnung, in seinem angestammten Ressort noch einmal frei arbeiten zu können. Der Kultur-Redakteur, der sich mit der Rezension großer Aufführungen im Ruhrge­ biet und namhafter Ausstellungen im deut­ schen Westen bis in die Niederlande einen Namen gemacht und dabei stets auch die Bestrebungen, auf der Bühne und an der Staffelei Neuland zu betreten, lebhaft geför­ dert und über seinen Beruf hinaus engen Kontakt mit Schauspielern und Malern gepflegt hatte, zog sich illusionslos und resi­ gniert ins Lokal-Ressort zurück, wo er dem Meinungsdruck der braunen Partei in der täglichen Arbeit eher ausweichen konnte. Die „Säuberungsbescheinigung“ von 1949 wies den Journalisten, der nie Nazi-Partei­ mitglied geworden und auch nie Soldat gewesen war, ohne jede Einschränkung als ,,Entlasteten“ aus. Sieben Jahre blieb Dr. Honold bei der Dürener Zeitung, ehe auch diese Stadt unter den Bomben der Alliierten in Trümmer sank und des Jubilars umfangreiche Bibliothek und viele Kunstschätze entweder zerstört oder wenig später von einrückenden Besat­ zungs-Soldaten verbrannt wurden. Schon zwei Jahre zuvor hatte er seine Familie ins heimatliche Riedböhringen evakuiert. Mit seiner Frau und den beiden kleinen Söhnen fand er nach der Rückkehr im Opferdinger Schulhaus Unterkunft. Unmittelbar nach der Gründung der Freiburger „Badischen Zeitung“ im Frühjahr 1946 ging er als deren Redakteur nach Donaueschingen. „Nach 1937 war die Zeitung nur noch mein Brotberuf“, reduziert Dr. Honold heute in der Rückschau seine ihm damals aufgezwungene berufliche Perspektive. 70 Denn fortan und vor allem nach 1946 wurde die Arbeit im Lokalressort, die die Kultur nur noch als Teilgebiet sehen konnte und den Redakteur auch zur Beschäftigung mit den eher fremd gebliebenen Themen Kommu­ nalpolitik, Sport und Wirtschaft zwang, eher zum erwerbsnotwendigen Job. Unter Ar­ beitsbedingungen, die man sich heute kaum noch vorstellen kann, führte Dr. Honold die Donaueschinger BZ-Redaktion bis 1971 und sah dabei seine Arbeitsschwerpunkte in die­ sem Konkurrenzgebiet mehr in der flächen­ übergreifenden Berichterstattung aus dem gesamten Landkreis Donaueschingen. Von Gütenbach bis Immendingen erstreckte sich so sein weite Wege fordernder Tätigkeitsbe­ reich. Auch über seine Pensionierung hinaus und bis heute blieb Dr. Lorenz Honold „sei­ ner“ Zeitung mit zahllosen Beiträgen zu Kunst und Geschichte, Brauchtum und aktuellem Kulturgeschehen verbunden, ehe sich für ihn – wie er es heute nennt – der ,,Glücksfall“ ergab, mit einem ebenso pio­ nierhaften wie ehrgeizigen Vorhaben mit betraut zu werden: Das Angebot von Land­ rat Dr. Rainer Gutknecht, an der jährlichen

Herausgabe eines Heimatjahrbuches maß­ geblich mitarbeiten zu dürfen, führte den damals schon 70jährigen auf sein ange­ stammtes Metier zurück. Max Rieple, der 1981 verstorbene Donaueschinger Dichter und Reiseschriftsteller, hatte den Landrat auf diese „brachliegende“ Kapazität hingewie­ sen. „Ich habe mir ein paar Tage Bedenkzeit erbeten und dann ja gesagt“, erinnert sich Dr. Honold heute, ,, weil das genau mein Fall war.“ Und auch für den Landrat erwies sich diese Zusage als „Glücksfall“, wie er anläßlich der Überreichung des Bundesverdienstkreu­ zes bekannte. Honold, dessen Vorschlag das Jahrbuch auch seinen Titel „Almanach“ ver­ dankt, wurde nicht nur zu einem der frucht- barsten Autoren dieses jährlich mehr Freunde findenden und 1984 nach nur sie­ ben Wochen ausverkauften Buches, sondern auch zum Ideengeber für zahlreiche weitere Autoren, die das Heimatjahrbuch mit Beiträ­ gen mitgestalten. Daß mittlerweile fast alle baden-württembergischen Landkreise dieses Buch kopieren, beweist aus Dr. Honolds Sicht die Richtigkeit dieser „Almanach“ -Idee des Landrats. „Ich fühle mich dieser Arbeit mit Leib und Seele verbunden“, sagt Dr. Honold heute nach zehnjährigem Einsatz für die­ ses Werk und führt die Tatsache, daß er kör­ perlich so beneidenswert fit geblieben ist, nicht zuletzt darauf zurück, daß ihn dieses Wirken „auch geistig stets in Bewe�ng Landrat Dr. Rainer Gutknecht dekoriert im Donaueschinger Rathaus am 24.10.1984 den Almanach­ Redakteur mit dem von Bundespräsident Richard von Weizsäcker verliehenen Bundesverdienstkreuz am Bande. 71

gehalten hat“. Daß das Team, das den „Alma­ nach“ herausbringt, so gut funktioniert und daß neben den immer zahlreicheren Käufern vor allem Dr. Gutknecht seine Arbeit schätzt, beflügelt Honold zusätzlich. Das Bundesverdienstkreuz, von Dr. Gutknecht beantragt, ist ihm daher nicht nur persön­ liche Ehrung gewesen, sondern auch Aner­ kennung für das kenntnisreiche Beschreiben der Heimat -eines Begriffes, der in den letz­ ten Jahrzehnten vor allem von sogenannten Intellektuellen eher verächtlich gemacht oder politisch Interessierten vereinnam t wor­ den ist. Geehrt worden ist bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und an seinem 80. Geburtstag so nicht nur der engagierte Jour­ nalist, sondern vor allem der Mensch Dr. Lorenz Honold: Der stets bescheidene Kol­ lege, der geistvolle und liebenswürdige Plau­ derer, der stets engagierte, aber immer aus­ gewogene Schreiber, der Vermittler zwischen Meinungsfronten und nicht zuletzt ein Redakteur, der seine Kenntnisse aus einem fundierten Studium bezog und dessen Hori­ zont so über den Tellerrand des Tagesjourna­ lismus weit hinausreichte. Auf den Punkt gebracht hat diese Summe einer Pesönlichkeitsbeschreibung schon 1941 der damalige Hauptschriftleiter der Dürener Zeitung, Hans Watermann, der bei seinem Abschied Dr. Honold als seinen Nachfolger vorschlug und sich dabei von der „Erfahrung leiten ließ“, daß er in dem damals erst 34 jähri­ gen „einen Menschen von lauterstem Cha­ rakter“ habe kennenlernen dürfen. Gerhard Kiefer B i b l i o g r a p h i e Die von Lorenz Honold in den Almanach­ Jahrbüchern veröffentlichten Beiträge sind im Re­ gister verzeichnet, das mit dem vorliegenden Al­ manach 86 veröffentlicht wird. Die nachfolgende Bibliographie erfaßt eine Folge von quellenmäßi­ gen Untersuchungen und·größeren Beiträgen zu Themen der Kunst, des Brauchtums und der Hei­ matgeschichte, die aus der Feder von Lorenz Ho­ nold in verschiedenen Publikationsorganen im Lauf der letzten 50 Jahre veröffentlicht wurden: 72 A g a t h a k u l t und A g a t h a z e t t e l. Ein Bei­ trag zur Geschichte des Agathabrauchtums in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, in: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, Donaueschingen, 34. Band (1982), s. 9-35. Chr o n i k d e r S t a d t m u s i k H ü fi n g e n , in der Festschrift „325 Jahre Stadtmusik Hüfingen“ aus Anlaß des 325jährigen Jubiläums (9.-11.Juni 1956), s. 1-7. Im Ka r d i n a l – B e a -M u s e u m in R i e d ­ b ö h r i n g e n , in: Konradskalender (Freiburg i. Br.), 1982, S. 36-38. Kar l M e r z , d e r M a l e r d e r B a a r , in: Badische Heimat (Ekkhart 1981), S. 57-61. R e a l i t ä t und T r a u m b i l d. Ein bisher unveröffentlichter Brief von Hans Thoma zu sei­ ner Landschaft „Eiche am Flußufer“ (1910), in: Kölnische Volkszeitung, Köln, vom 16. März 1939. L i n d e n i m B u c h d e r N a t u r d e n k m ä­ l e r . Baum der Liebenden und Symbol für alte Gerichtsstätten (in der Region Schwarzwald-Baar­ Heuberg), in: Magazin der Südwest-Presse, Ulm, vom 28. Juli 1984. W id e r s t a n d , V e r fo l g u n g , G l e ic h­ s c h a l t u n g . Stadt und Landkreis Donaueschin­ gen in der Ära der Nationalsozialisten 1933 bis 1945. Eine Dokumentation zum 50. Jahrestag der Machtergreifung Hitlers, in: Badische Zeitung, Ausgabe Schwarzwald-Baar, vom 28. Januar 1983. D o n a u e s c h i n g e n und s e i n e S t a d t ­ teile. Vo n der alemannischen Landnahme bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Treffpunkt am Ursprung der Donau. Donaueschingen. Bildband des Verlags Karl Schillinger, Freiburg, 1978, s. 7-38. D o n a u e s c h i n g e r Kla s s i k e r-A u s g a – b e n. Ein überschlagenes Literaturkapitel aus dem badischen Biedermeier, in: Badische Zeitung (Länder-Ausgabe), Freiburg, vom 18. November 1947. lh. *

Berühmte Nachfahren vom Furtwänglehof Aus Anlaß des 100. Geburtstages des Dirigenten Wilhelm Furtwängler Auf der Höhe oberhalb des Katzensteigs, in der Nähe der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau, steht der um 1611 neuer­ baute Furtwänglehof, vermutlich einstmals an einem alten Paßübergang gelegen, auf den auch der Name Furtwangens hinweist. In der ältesten Aufzeichnung der Lehenshöfe um 1300 ist der Lebenshof Henni im Furtweng­ lin verzeichnet. Um 1480 wird erstmals Clöri Furtwengler mit dem Furtwänglehof in Zu­ sammenhang gebracht. Etwa zu derselben Zeit, um 1495, ist im Zinsrodel I des Klosters St. Peter in Neukirch ein Werlin Furtwängler auf dem Heidbachhof (Oberheubachhof) genannt. Die verwandtschaftliche Verbin­ dung ist anzunehmen, aber nicht nachweis­ bar. Der erste Furtwängler auf Gütenbachs Höfen war Martin Furtwängler (geb. 17. 10. 1670 in Neukirch, gestorben 1737 in Güten­ bach), vom Oberheubachhof stammend, der am 17. Januar1695 in Gütenbach Agathe Ket­ terer vom Unterleimgrubenhof heiratete und 1713 durch Kauf Wirt auf dem Bach­ wirtshof in Gütenbach wurde. Ihm folgt Michael (geb. 27. 9. 1698 in Gütenbach, gest. 22. 2. 1771), ein weiterer Martin (geb. 20. 9. 1729 in Gütenbach, gest 4. 3. 1798) und Bar­ tholomäus Furtwängler (geb. 21. 8. 1772 in Gütenbach, gest 26. 5. 1845) auf dem Bach­ wirtshof und im Schrniedshäusle nach. Wilhelm Furtwängler, der Humanist Bartholomäus Furtwängler ist, wie schon sein Vater Martin, nicht mehr Bauer, sondern Frachtfuhrunternehmer. Er ist der von Hein­ rich Hansjakob in seinem Buch „Verlassene Wege“ erwähnte Bachbartle und der Urgroß­ vater des Dirigenten. Mit dem Tag der Heirat am 7. Februar 1796 mit Helena Dold vom Ecklehof erwarb er das Bürgerrecht in Gütenbach. Seine Frau schenkte ihm im Laufe der Ehe zwölf Kinder. Als achtes Kind war am 10. Oktober 1809 Wilhelm, der Groß­ vater des Dirigenten, geboren worden. Er war 73 Wenige in Furtwangen weilende Gäste versäumen den Namen Furtwängler mit die­ ser Stadt in Verbindung zu bringen, was als Schmeichelei für die Einheimischen gemeint ist und von diesen als solche genossen wird. Furtwängler, ohne Vornamen natürlich, wie es sich für berühmte Leute schickt. Sie mei­ nen zwar Wilhelm Furtwängler, den Dirigen­ ten, wissen aber wenig von seinem Vater Adolf Furtwängler, dem Archäologen, und seinem Großvater Wilhelm Furtwängler, dem Humanisten. Von diesen drei Furtwäng­ ler soll die Rede sein, wenn auch des begnade­ ten Künstlers und unvergeßlichen Dirigen­ ten Wilhelm Furtwängler 100. Geburtstag am 25. Januar 1986 unmittelbarer Anlaß des Gedenkens ist. Aber nicht deren Leistungen und Verdienste sollen gewürdigt werden. Es geht vornehmlich um die Menschen, deren Vorfahren aus unserer Schwarzwaldgegend stammen.

Direktor des Berthold-Gymnasiums. Er war nicht nur ein hochbegabter und beliebter Schulleiter, sondern wurde auch als „Welt­ mann“ sehr geschätzt Wilhelm Furtwängler starb am 8. März 1875 in Freiburg. Nach sei­ nem Tod zog es die Witwe 1885 wieder in die Heimatstadt, wo sie am 12. Januar 1901 im Alter von 71Jahren verstarb. Sie fand, wie die am 26. März 1903 verstorbene Minna Furt­ wängler, Klavierlehrerin – eine Schwester des Gymnasialdirektors – auf dem Mannheimer Friedhof ihre letzte Ruhestätte. AdolfFurtwängler, der Archäologe Was Wilhelm Furtwängler versagt geblie­ ben war, das erreichte sein Sohn AdolfFurt­ wängler, der Vater des Dirigenten. Die Liebe zur griechisch-klassischen Welt war Adolf Furtwängler von seinem Vater vererbt Sein geistiges Zentrum war die Antike, daneben die Gotik. Er war sehr musikalisch. Er wurde am 30. Juni 1852 in Freiburg im Gebäude des früheren Amtsgerichts an der Kaiser-Joseph- Der Humanist Wilhelm Furtwängler, der Grqß- Die Eltern des Dirigenten vat.er des Dirigenten der erste seiner Familie, der nach Freiburg aufs Gymnasium gehen durfte. Zuerst wid­ mete sich Wilhelm dem Theologiestudium, um später in München seine Studien in alt­ klassischer Philologie und Pädagogik fortzu­ setzen. Sein Professor empfahl ihn dem grie­ chischen Kriegsminister in Athen als Haus­ lehrer. Nach Beendigung dieser Tätigkeit wanderte er noch zwei Jahre lang auf dem klassischen Boden Griechenlands, um sich intensiv mit archäologischen Studien zu befassen. In die Heimat zurückgekehrt, trat mählte er sich mit der Mannheimerin Chri­ er 1844 in Mannheim in den Schuldienst ein. Hier wirkte er am Lyceum vier Jahre als Pro­ fessor für Griechisch, Deutsch, Französisch und Philologie. Im Revolutionsjahr1848 ver­ stiane Schmidt, einer Tochter des Großh. Badischen Rechnungsrates Johann Michael Schmidt und seiner Frau Luise geb. Stephani. Bald folgten Versetzungen nach Konstanz und 1852 nach Freiburg. Dort wurde er 1865 74

Straße geboren. Am 4. Oktober 1884 heira­ tete Adolf Furtwängler in Karlsruhe die am 14. September 1863 geborene Adelheid Wendt, die dritte Tochter des Großh. Badi­ schen Geheimen Schulrats Gustav Wendt und dessen Gattin Anna geb. Dohrn, die nahe Freunde von Johannes Brahms gewe­ sen waren. Adelheid war musikalisch und als Malerin außergewöhnlich begabt. Als Por­ trätmalerin brachte sie es zu beachtlichem Erfolg. Nachdem Adolf Furtwängler in Bonn seine Laufbahn begonnen hatte, war er von 1880 bis 1894 Direktorial-Assistent bei Ernst Curtius am Antikenmuseum in Berlin. 1894 wurde er als Ordinarius für klassische Ar­ chäologie nach München berufen. Daneben übernahm er die Direktion der Glyptothek. Vorlesungen, ausgedehnte Studienreisen steigerten seine Urteilsfähigkeit bis ins Diffi­ zilste. Auf der Insel Aegina erlebte Adolf Furtwängler in den Jahren 1901 bis 1907 glückhafte Höhepunkte seiner archäologi­ schen Arbeit. Er machte bedeutende Funde, sein Ziel war es, die ganze Insel archäologisch zu erfassen. Als er im Spätjahr 1907 wieder einmal zu Ausgrabungen auf Aegina weilte, erkrankte er an einer Ruhr. Man brachte ihn schließlich ins Athener Krankenhaus, wo er wenig spä­ ter, am 10. Oktober 1907, starb. Er wurde in Athen mit den Ehren eines Staatsmannes beigesetzt. Auf seinem Grab steht eine er­ gänzte Marmorkopie jener Sphinx von Ae­ gina, die er gefunden hat. Wilhelm Furtwängler, der Dirigent Doch nochmals zurück in die glückliche Berliner Zeit. Am 25. Januar 1886 brachte Adelheid Furtwängler ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt, den die Eltern Gustav Hein­ rich Ernst Martin Wilhelm nannten. In die­ ser Namenskette waren so gut wie alle Vor­ väter enthalten, ein Beweis, wie verbunden sich die damaligen Generationen mit den Eltern und Großeltern fühlten. Es folgten später dann die Geschwister Walter, Mathilde und Marie. Daß die beiden Großväter klassische Phi­ lologen waren, begeisterte Verkünder der klassisch-griechischen Welt, und auch der Vater sein geistiges Zentrum in dieser Welt hatte, läßt die Bindung des Sohnes an die klassisch-romantische Gefühlswelt als schicksalhaft erscheinen. Im Elternhaus war indes von klassischer Lebensform wenig zu spüren. Der rastlos arbeitende Vater hatte für seine Kinder immer Zeit, brachte ihnen allen möglichen harmlosen Unfug bei, sorgte im übrigen dafür, daß sie sich auch sportlich betätigten. Im Sommer wurden vom Block­ haus Tanneck am Tegernsee aus Wanderun­ gen und Radtouren unternommen oder ge­ segelt, und im Winter war Skilaufen an der Reihe. Diese Vertrautheit mit der Natur bil­ dete das Gegengewicht zur geistigen Welt, die für Wilhelm schon sehr früh eine m usika­ lische war. Wilhelm war acht Jahre alt, als sein Vater nach München berufen wurde. Zunächst besuchte er ohne große Lust das humani­ stische Gymnasium. Seine Zuneigung galt mehr der Malerei und der Musik. Seine Mut­ ter, die Großmutter Christiane Furtwängler und die Schwester seines Vaters, Tante Minna, bei denen Willi manche Ferientage in Mannheim verbrachte, waren in diesen Fächern seine ersten Lehrer. Als seine musi­ kalische Begabung immer auffallender her­ vortrat, nahm der Vater den Zwölfjährigen aus dem Gymnasium und ließ ihm eine umfassende Bildung durch hervorragende Privatlehrer angedeihen. Die beiden Männer, deren bedeutende humanistische Gedanken­ welt er von nun an teilte, waren ehemalige Schüler Adolf Furtwänglers: Walter Riezler und Ludwig Curtius. In ähnlicher Weise erfolgte die musikalische Ausbildung: bei Beer-Wallbrunn, Prof. Rheinberger, dem damaligen Leiter der Münchner Musik-Aka­ demie, Max von Schillings und Conrad Ansorge. Wilhelm Furtwängler hat nie ein Konservatorium besucht, nie ein Abschluß­ zeugnis erworben. 1901 begleitete der Fünfzehnjährige den Vater zu dessen epochemachenden A?sgra- 75

bungen nach Aegina. Ein Jahr später reiste er mit seinem Hauslehrer Curtius nach Florenz zu Freunden der Familie. In dieser vom Bild­ hauer Adolf von Hildebrand beherrschten Welt wirkten Michelangelo, Goethe und Beethoven auf den 16jährigen Wilhelm ein; sie wurden zu seinen Leitbildern. Furtwäng­ ler wollte eigentlich Komponist werden, das Schicksal hat ihn einen der bedeutendsten Dirigenten werden lassen. Im Winter 1905 ging er als Korrepetitor nach Breslau. Als weitere Etappen folgten Zürich, München, Straßburg, Lübeck, Mannheim – eine steile Karriere. 1920-1922 war Furtwängler Nachfolger von Richard Strauss als Dirigent der Symphoniekonzerte der Berliner Staatsoper, gleichzeitig Leiter der Frankfurter Museumskonzerte, 1922- 1928 Dirigent der Leipziger Gewandhaus­ Konzerte und des Berliner Philharmoni­ schen Orchesters, 1928 die Ernennung zum ,,Städtischen Generalmusikdirektor“ in Ber­ lin, 1931 Übernahme der musikalischen Lei­ tung der Bayreuther Festspiele, 1933 Direk­ tor der Berliner Staatsoper. Zu seinen ständi­ gen Verpflichtungen traten mit der Über­ nahme der Berliner Philharmoniker zahllose Gastkonzerte und Orchester-Tourneen, deren Radius bald den europäischen Kultur­ kreis umspannte. Die Jahre von 1922 bis 1933 sind vielleicht die glücklichsten in Furtwänglers Dirigen­ tenlaufbahn. Zu Beginn dieses Zeitabschnit­ tes, am 22. Mai 1923, ging er die Ehe mit der Dänin Zitla Lund ein, die kinderlos blieb und später geschieden wurde. Kaum eine Ehrung gab es, die Wilhelm Furtwängler im Laufe der Jahre nicht zuteil wurde: die Goethe-Medaille (1932), die Frie­ densklasse des „Pour Je Merite“, das Kreuz der Ehrenlegion und der Doktor-Titel, den ihm die Heidelberger Universität schon 1927 verlieh. Wilhelm Furtwängler, eine bis in die Fin­ gerspitzen künstlerische Persönlichkeit, war seiner geistigen Haltung nach, aller Politik, besonders der des Dritten Reiches, abhold. Man kann sagen, daß er in politischen Din- 76 gen äußerst weltfremd war. Er wehrte sich mit Leidenschaft und unter Einsatz seines Ansehens gegen das Eindringen der Rassen­ politik in seine eigene Domäne. Als er für Freizügigkeit auf künstlerischem Gebiet ein­ trat, zug er unvermeidlich den kürzeren und warf am 4. Dezember 1934 seine Ämter den Machthabern vor die Füße. Ende April 1935 nahm Furtwängler seine öffentliche Tätig­ keit wieder auf. Er war der irrigen Meinung, er könne sich von der Politik dieser Zeit fern­ halten. Andererseits war man in der Welt ent­ täuscht, daß Furtwängler im November 1933 die Wahl zum Vizepräsidenten der Reichs­ musikkammer und im Juli 1933 die Ernen­ nung zum Preußischen Staatsrat hinnahm. Ein Artikel in der neutralen „Basler Zeitung“ zitierte in diesem Zusammenhang die Worte aus dem Freischütz „Schwach war er, doch kein Bösewicht“. Furtwängler verabscheute tief die Brutali­ tät der Machthaber, aber fast noch tiefer war seine Irritation über eine Kunstentwicklung, die er für falsch hielt und von der er hoffte – wie seine Freunde berichten -, daß Deutsch­ land sich ihr widersetzen werde. Wahrschein­ lich ist das der eigentliche Grund, warum er in Deutschland blieb und 1936 Toscaninis Angebot, die Leitung der New Yorker Phil­ harmoniker zu übernehmen, abschlug. Ungeachtet des Rufes wurde das Urteil über Wilhelm Furtwängler über seine im Jahre 1947 erfolgte Entnazifizierung – wenn auch voll rehabilitiert – von gegensätzlichen Auf­ fassungen beherrscht. Im Februar 1945 gelang es ihm, von Freun­ den rechtzeitig gewarnt, von Wien aus die Schweiz zu erreichen. In Clarens traf er seine zweite Frau, Elisabeth Ackermann geb. Albert, die er im Juni 1943 geheiratet hatte. Ihr erster Mann war zu Beginn des Krieges gefallen, sie blieb mit 4 Kindern zurück, die Furtwängler wie seine eigenen liebte. Im November 1944 wurde sein Sohn Andreas geboren. Am 25. Mai 194 7 dirigierte er erstmals wie­ der ein Konzert der Berliner Philharmoniker,

Literaturnachweis: Dr. Martin Hürlimann: W. F. Im Urteil seiner Zeit, Zürich 1955; H. Siebler: W. F. zum 95. Geburtstag, Ekkehard 1982; Karla Höcker: W. F. Begegnungen und Gespräche, Berlin 1961; Klara Werber: Die Bauern von Gütenbach, 1966; Klaus Weber: Aus der Geschichte von Neukirch, Freiburg 1968. Der dem Blenkle-Paß den Namen gab und empfindlichste Sinnesorgan, das Gehör, in Mitleidenschaft gezogen war. Am 18. und 19. September 1954, während der Berliner Festspielwochen, dirigierte Furt­ wängler im Berliner Titania-Palast die 1. Sin­ fonie von Beethoven und seine eigene 2. Sin­ fonie. Niemand ahnte damals, daß es seine letzten Konzerte waren. In Clarens erkrankte er an einer fiebrigen Bronchitis, die er im Sanatorium Ebersteinburg bei Baden-Baden zu kurieren hoffte. Sein geschwächter Gesundheitszustand überwand die Krank­ heit nicht mehr. Er starb am 30. November 1954 und wurde am 4. Dezember 1954 in Heidelberg beigesetzt. Wilhelm Furtwängler war in die Heimat seiner badischen Vorfah­ ren heimgekehrt. Hans Frank und am 10. und 13. August folgten zwei Kon­ zerte mit den Wiener Philharmonikern bei den Salzburger Festspielen, deren Gesamtlei­ tung er bald danach übernahm. Mit gleicher Hingabe und unverminderter Anziehungs­ kraft stand er auf der Höhe seines Künstler­ tums. In anderen großen Städten Deutsch­ lands und in vielen Ländern Europas, in Argentinien, Ägypten und Venezuela war er wieder ein gefeierter und umjubelter Gast. Die Aufregungen der Jahre 1933 bis 1947 waren nicht spurlos an Wilhelm Furtwängler vorübergegangen. Bei all seiner Vitalität war er ein viel zu sensibler Künstler, als daß die vielerlei Anfeindung�n ihm nicht nahege­ gangen wären. Die Uberanstrengungen der letzten Jahre taten das ihre, seine Gesundheit zu schwächen. Furtwängler hatte im Sommer 1952 in Salzburg eine schwere Lungenent­ zündung. Als er nach vielen Monaten ans Pult zurückkehrte, äußerlich erholt und gut aussehend, fühlte man doch, daß entschei­ dendes geschehen war; das Alter hatte ihn unerbittlich gestreift. Am schwersten traf ihn, daß auch das für den Musiker wichtigste Bräunlingens Altbürgermeister und Ehrenbürger Bernhard Blenkle ger und Bräunlinger, diese Straße einfach Straßen und Plätze werden durchaus ein­ ,,Blenkle-Paß“ zu taufen. mal auf den Namen verdienter Kommunal­ Doch dieses Verdienst ist bei weitem nicht politiker benannt -zur Ehre, daß ein ganzer die einzige Leistung, die aus Bernhard Blenk­ „Paß“ seinen Namen trägt und dies auch les Amtszeit im Bräunlinger Rathaus in die noch weitab der Alpen, ist im Schwarzwald­ Annalen der einstigen vorderösterreichi­ Baar-Kreis bislang nur einer gelangt: Bern­ schen Stadt auf der Baar eingehen wird. Eine hard Blenkle, Bürgermeister der Stadt Bräun­ ganze Reihe von Projekten, die in seinen 20 lingen von 1948 bis 1969 und seit 1980 ihr Bürgermeister-Jahren verwirklicht worden einziger Ehrenbürger. Denn es ist sein Ver­ sind, galt es einmal mehr zu nennen, als der dienst, daß in den sechziger Jahren der Feld­ Altbürgermeister im Mai 1985 seinen 80. weg über den Ostabhang des Sehellenberges Geburtstag und zwei Tage zuvor auch noch von Donaueschingen nach Bräunlingen zur Goldene Hochzeit feierte. Dabei war ihm das Kreisstraße ausgebaut und damit zum ersten­ Amt des Bürgermeisters seiner Heimatstadt mal zwischen den beiden Nachbarstädten keineswegs in die Wiege gelegt worden, als er eine ordentliche Verkehrsverbindung ge­ als Sohn von Schmiedemeister Adolf schaffen wurde. Und da war es eine Art Blenkle am 12. Mai 1905 in Bräunlingen zur 77 besonderer Anerkennung der Donaueschin-

Welt kam, mit sieben Geschwistern auf­ wuchs und nach seiner Schulzeit in die Fuß­ stapfen seines Vaters trat Er lernte bei ihm und machte 1931 seine Meisterprüfung im Schmiedehandwerk. Schwer verwundet aus dem Einsatz im Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt, bewarb er sich 1948 um das Amt des Bürgermeisters, in das nach dem Umbruch 1945 Johann Zirle­ wagen eingesetzt worden war, und schlug diesen denkbar knapp. Souverän dagegen 1957 seine Wiederwahl für weitere zwölf Jahre. 64jährig, verzichtete Bernhard Blenkle dann 1969 auf eine erneute Kandidatur und sprach sich im Wahlkampf für den von der CDU unterstützten damaligen Donau­ eschinger Kreiskämmerer Heinz Krug als sei­ nen Nachfolger aus, doch die Mehrheit sei­ ner Mitbürger entschied sich für den von der SPD unterstützten Kandidaten Karl Schnei­ der als neuen Bräunlinger Bürgermeister; unter dessen Amtsführung ernannte der Gemeinderat Bernhard Blenkle anläßlich sei­ nes 75. Geburtstages im Mai 1980 dann zum Ehrenbürger. Politisch betrachtete der „Brülinger“ Schultes die FDP als seine „Heimat“ – seiner Herkunft und Einstellung nach gewiß ein „Altliberaler“, der als Mitglied des Kreistages Donaueschingen von 1953 an und vor allem als Kreisratsmitglied die wesentlichen Ent­ scheidungen des 1972 dann aufgelösten Landkreises Donaueschingen mitbestimm­ te. Viele Jahre war Blenkle auch ehrenamt­ licher stellvertretender Vorsitzender des Kreistages, führte den Kreisverband des Bür­ germeistervereins, saß 28 Jahre im Aufsichts­ rat der 1972 mit der Volksbank der Baar fusionierten Kreditbank Bräunlingen und gehörte 18 Jahre dem Aufsichtsrat der Raiff­ eisenzentralbank Karlsruhe an. Schon 1968 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Seiner Ehe mit Elisabeth Mattes entstammen eine Tochter und ein Sohn – er gehört seit Okto­ ber 1984 als FDP-Stadtrat dem Bräunlinger Gemeinderat an. Bernhard Blenkles Leistung als Bürger­ meister ist untrennbar verbunden mit der 78 Bilanz, daß das abseits der großen Verkehrs­ wege liegende Bräunlingen die Chancen der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Welt­ krieg außergewöhnlich gut genützt hat Am Ende des Krieges von größeren Zerstörun­ gen glücklicherweise verschont, machte sich der Bürgermeister nach 1950 mit resoluter Tatkraft daran, zusammen mit seinem Gemeinderat Bräunlingen in die Zukunft zu führen. Der Bau der Stadthalle, der neuen Schule und des Hallenbades, der Ausbau des innerstädtischen Straßennetzes und des Ge­ flechts landwirtschaftlicher Wege, eine von Grund auf erneuerte Stromversorgung, die Korrektur der Breg, der Neubau der Leichen­ halle mit der Gedenkstätte für die gefallenen Bräunlinger, die Kanalisierung der Kernstadt nach dem zusammen mit Donaueschingen und Hüfingen realisierten Bau des Gemein­ schaftsklärwerkes am Zusammenfluß von Brigach und Breg, der Bau des Otto-Würth­ Stadions, die langfristige Sicherung der Was­ serversorgung und zahlreiche weitere Maß­ nahmen bescherten dem Bürgermeister ein gerüttelt Maß an Arbeit. Nach seinem Ausscheiden aus dem Rat­ haus, dem er jedoch schon als jahrzehnte-

langer Wohnungsnachbar buchstäblich“ ver­ bunden“ blieb, enthielt sich Bernhard Blenkle jeden öffentlichen Kommentars über die Stadtpolitik seines Nachfolgers und der Stadträte, begrenzte sein zuweilen kanti­ ges Urteil auf Anmerkungen beim Viertele, das dem 80jährigen nach wie vor mundet. Ungewöhnlich vital, lenkt er auch sein Auto noch immer selbst und hilft seinem Sohn im Büro des Handwerksbetriebes. Alle 20 Stadt­ räte hatten sich 1980 ausnahmslos dafür aus­ gesprochen, den Altbürgermeister auch zum Ehrenbürger zu machen, auch jene aus den vier „neuen“ Stadtteilen, deren Eingemein­ dung nach Bräunlingen nicht mehr in seiner Amtszeit vollzogen worden war. „Heute abend gilt es einen Bürger zu ehren, der sich in hervorragender Weise um das Wohl der Stadt Bräunlingen verdient gemacht hat und sich dabei weit über seine Pflicht hinaus für die Interessen seiner Mitbürger und der Gemeinschaft eingesetzt hat“, anerkannte sein Nachfolger am 18. November 1980, als er Blenkle den Ehrenbürgerbrief überreichte. Landrat Dr. Gutknecht formulierte seinen „größten Respekt vor der Leistung des Alt­ bürgermeisters“, und Altlandrat Dr. Lienhart attestierte seinem langjährigen kreispoliti­ schen Weggefährten, mit großem Sachver­ stand und nicht weniger Engagement die Interessen Bräunlingens vertreten zu haben: Worte der Anerkennung, die jetzt auch der Bürgermeister-Stellvertreter amtierende Bernhard Dury formulierte, als er dem Alt­ bürgermeister und Ehrenbürger zum 80. Geburtstag und zur Goldenen Hochzeit die Glückwünsche der Stadt überbrachte und damit einmal mehr den Dank ihrer Bürger. Gerhard Kiefer Karl-Heinz Jordan Pfarrer in Bad Dürrheim (1947-1977) – Ein Mann mit Persönlichkeitswert Geschichte in Religion und Politik ist immer durch Einzelne gemacht worden. Fast nie noch hat eine Predigt eine Wende ge­ bracht, sondern vielmehr die Bereitschaft, nach der eigenen Überzeugung zu leben und durch das persönliche Beispiel zu wirken. Letzten Endes als Einzelner zu wirken, mit Energie, Mut und Offensivgeist für das rich­ tig Anerkannte furchtlos einzutreten. Mutig, furchtlos und offensiv, das war der evange­ lische Pfarrervon Bad Dürrheim: Karl-Heinz Jordan, geboren in Blankenstein/Ruhr,Jahr­ gang 1911. Schon während seinem theologischen Studium fällte er seine Entscheidung zur „Bekennenden Kirche“. Die Generation jener Zeit weiß, dies war eine Entscheidung contra Politik, pro theologischer Überzeu­ gung. Durch den kirchlichen Notstand wur­ de der junge Pfarrer bereits 1936 mit der selb­ ständigen Pfarrarbeit in Recklinghausen/Süd 79

betraut. Es war eine reine Bergarbeiter-Ge­ meinde mit erheblichen sozialen Problemen. Im Frühjahr 1938 wurde Pfarrer Karl­ Heinz Jordan in die Welt-Mission nach Su­ matra, dem damaligen Niederländisch-In­ dien, berufen. Bereits im Mai 1940, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Hol­ land, erfolgte die Internierung aller Deut­ schen in Niederländisch-Indien in ein Lager mitten im Urwald. Mit dem Einmarsch der Japaner in Niederländisch-Indien wurden die Deutschen nach Britisch-Indien ver­ bracht, wobei ein Schiff mit rund 500 Deut­ schen bombardiert wurde und unterging. Weihnachten 1946 kam Pfarrer Karl­ Heinz Jordan nach 8 lhjähriger Trennung von seiner weltweiten missionarischen Arbeit zu seiner Familie zurück. Eine ernste asthmatische Erkrankung seiner Frau ver­ anlaßte ihn, in die Landeskirche im badi­ schen Land überzuwechseln. Zum 1.12.1947 wurde Pfarrer Jordan nach Bad Dürrheim versetzt. Seine Frau starb an ihrem schweren Leiden. 1950 ging der Bad Dürrheimer Pfar­ rer die Ehe mit Christiane Werre ein. Bad Dürrheims neuere Geschichte, sein Weg vom Bauerndorf zur Kur-und Bäder­ stadt, ist zur Lebensgeschichte des mutvollen Missionars und Theologen Karl-Heinz Jor­ dan geworden. Diese Zeit ist aber auch Geschichte der evangelischen Kirchen­ gemeinde Bad Dürrheim und der Diaspora Brigachtal. Es war fürwahr eine missiona­ rische Arbeit mit hohem theologischen Ein­ satz, aber auch Mühen auf der kommunal­ und kurpolitischen Ebene. Keine Rücksicht auf Gesundheit und wenig Zeit für Familie wurden zur Tagesordnung. Als langjähriger Wegbegleiter weiß ich um das äußere und innere Ringen zum Durchbruch der kleinen evangelischen Kirchengemeinde, zu einer ,,Struktur der Zukunft“. Der streitbare Missionar und ziel-, aber auch selbstbewußte Pfarrherr fand in Bad Dürrheim seine Lebensaufgabe, die wahrlich Offensivgeist, Kreativität, aber auch Gespür für das Machbare verlangte. Als kommunal­ und kurpolitischer_ �tstreiter auf den oft 80 holperigen Entwicklungsstraßen stelle ich fest: Bad Dürrheims evangelische Kirchenge­ meinde von heute wurde von Karl-Heinz Jordan, Pfarrherr von 1947 bis 1977, geformt, geprägt und nach vorwärts entwickelt. Dieser Mann verhalf dem ehemals kleinen Häuflein evangelischer Christen aus der Zeit des Großherzogtums Baden und der Großher­ zoglichen Saline, parallel zur stürmischen Entwicklung unserer jungen Stadt, zu Wachstum, zu Ansehen und zu Gewicht. Unvergessen dabei die aufrechten Männer um ihn: Otto Carl, sen., Malermeister, Hans Gerstenrnaier, Landwirt, Karl Götz, Zimmer­ meister, Dr. med. Heinz Harraß, Karl Jäckle, Konrektor, Hermann Müller, Unternehmer (verstorben),Johann Lauble, Landwirt, Mar­ bach, Helmut Schaaff, Amtmann, Emil Senk, Postverwalter, Georg Sickmüller, Amt­ mann i. R., die den Pfarrer bei seiner Arbeit im kirchlichen und auf dem politischen Feld begleiteten. Unvergessen, neben dem Bau des Pfarr­ hauses in der Ludwigstraße die Erweiterung der durch den Zuzug von Heimatvertriebe­ nen zu kleinen Kirche, ist und bleibt: der Bau der neuen Johannes-Kirche mit ihrem Kur­ seelsorge-Zentrum und dem neuen Pfarr­ haus inmitten des Kurgebietes von Bad Dürrheim; der Bau der Versöhnungskirche in der Gemeinde Marbach. Beides sind sakrale Bauwerke mit einer Solitär-Architek­ tur internationalen Ansehens. Beide wohl­ wollend begleitet von Landesbischof Dr. Bender, von Oberkirchenrat Dr. Siek und nicht zuletzt vom damaligen Schuldekan, dem jetzigen Oberkirchenrat G. Michel. Architekt war Professor Dr. Horst Linde, ein gemeinsamer Freund von Pfarrer und Bür­ germeister. Ein Mann, der Bad Dürrheim zum Glück bis in die heutige Zeit architekto­ nisch und städtebaulich berät und begleitet. Als Pfarrer Karl-Heinz Jordan am 19.11.1984 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen erhielt, wurden zwei von ihm entscheidend mitgetragene kur- und sozialpolitische Aufgaben mit Nachdruck festgehalten: 1. die Kurseelsorge als Bestand-

Werken des Pfarrers war getragen vom christ­ lichen Glauben, von Offensivgeist, von Zivilcourage, von Mut zur eigenen Meinung; geprägt von gegenseitiger Achtung der Geist­ lichen der katholischen und evangelischen Kirche; gefestigt von der Freundschaft von Männern, die den Raum der Kirche und der Politik im Kurort abdeckten. Otto Weissenberger Dury eine Frau, die sich seit einem Viertel­ jahrhundert um die Landfrauen-Organisa­ tion verdient gemacht hat. Die gebürtige Bräunlingerin, deren Elternhaus am Platz der jetzigen Stadt-Apotheke stand, die die Haus­ wirtschaftsschule in Villingen besuchte und mit ihrem Mann, Landwirtschaftsmeister Cäcilie Dury in Bräunlingen teil einer Ganzheits-Therapie, die Pfarrer Jor­ dan als Vertreter der evangelischen Kirche mit dem Deutschen Bäderverband zur heuti­ gen Bedeutung mitentwickelte; 2. sein Enga­ gement als Vorstandsvorsitzender des Kur­ stifts Bad Dürrheim. Ein Modell „des Al­ terns“ in eigener Verantwortung. Das Bad Dürrheimer Lebenswerk von Pfarrer Karl-Heinz Jordan gehört zur Geschichte unserer Stadt. Das Wirken und Ranghöchste Baaremer Landfrau seit der Verwaltungsreform „Das Rollenverständnis der Frau in der Familie ist stärker als früher auf Partnerschaft ausgerichtet, eine Partnerschaft, die auf Gleichwertigkeit beruht, aber den unter­ schiedlichen Voraussetzungen gerecht wird“: Diese These ist nicht dem Programm einer Frauenbewegung entnommen und nicht dem Wahlkampfpapier einer Partei, die plötzlich auch die Frau „entdeckt“, sondern sie findet sich in der Informationsschrift, in der der Deutsche Landfrauen-Verband sein Selbstverständnis formuliert. Und sie wird so auch zur Korrektur eines Bildes, das etliche allzu oft noch von „den Landfrauen“ haben: des Bildes von der allein der Arbeit in Hof und Feld verpflichteten, sich der Erziehung der (zahlreichen) Kinder widmenden und sich in ihrem Horizont ansonsten kaum über das Dorf hinaus interessierenden Landfrau. Die Wirklichkeit sieht freilich zunehmend sehr viel anders aus, und an diesem Wand­ lungsprozeß haben nicht zuletzt jene Land­ frauen großen Anteil, die sich organisieren. Zusammengetan haben sich Landfrauen in Deutschland schon 1898 im ostpreußi­ schen Rastenburg. Noch vor dem Ersten und vor allem zwischen den beiden Weltkriegen breitete sich diese Bewegung über das ganze Reich aus und erneuerte sich, als sie 1947 wie­ der zugelassen wurde, rasch. An der Spitze des Bezirks Donaueschingen des Land­ frauenverbandes steht heute mit Cäcilie 81

Andreas Dury, seit 1948 den reizvoll am Ufer der Breg gelegenen elterlichen Betrieb bewirtschaftet, gehörte 1961 zu den Grün­ dungsmitgliedern des Landfrauen-Ortsver­ eins Bräunlingen, wurde auf Anhieb zweite und schon drei Jahre später erste Vorsit­ zende.1965 rückte sie im Bezirksverband zur stellvertretenden Vorsitzenden auf und amtiert seit 1973 als Vorsitzende dieser Ver­ einigung, die heute in 35 Ortsvereinen fast 1700 Mitglieder zählt. Wer sich diese Ortsvereine und ihren Bezirksverband als deren Dachorganisation als reine Kaffeekränzchen vorstellt, irrt gewaltig. Jeweils Ende Mai oder Anfang Juni trifft sich Frau Dury mit den Vorsitzenden sämtlicher Ortsvereine, um gemeinsam das Winterprogramm festzulegen. Und was da­ bei dann in den Monaten zwischen Herbst und Frühjahr geboten wird, reicht fast an das Programm einer kleinen Volkshochschule heran. So umfaßte etwa die Bilanz im Winter 1983/84 insgesamt 31 Veranstaltungen mit 1135 Teilnehmern zur Gesellschaftspolitik, 34 mit 1226 Teilnehmern zur „kulturellen Bildung“, 86 mit 3449 Teilnehmern zum Thema Gesundheit. Auch Referate und Vor­ träge zu den Themen Wirtschafts- und Agrarpolitik, Rechts- und Sozialfragen, Haushaltsführung, Betriebswirtschaft und landwirtschaftliche Produktion, Ernährung und Vorratshaltung, Textilverarbeitung und -pflege, Nutz-und Wohngarten, Altenpflege sowie Lehr-und Besichtigungsfahrten wur­ den geboten und fanden großen Zuspruch. Obwohl der 61jährigen Mutter von drei erwachsenen Kindern ihr Doppelamt an der Spitze sowohl des Orts-wie auch des Bezirks­ verbandes zusätzlich zum großen Hof viel abverlangt, empfindet sie noch immer Freude an ihrer Arbeit für die Landfrauen. Sie ist zu den 35 Ortsvereinen -der Einzugs­ bereich des Bezirksverbandes deckt sich auch zwölf Jahre nach der Verwaltungsreform noch immer mit dem des 1973 aufgelösten Landkreises Donaueschingen -viel unter­ wegs. Generalversammlungen, Ehrungen, Programmberatung und neue Initiativen 82 erfordern einfach die stete Präsenz der rang­ höchsten Baaremer Landfrau. Und ihr ,,Ehrenamt“ ist ein wirkliches: eine Entschä­ digung in Mark und Pfennig gibt es nicht. Cäcilie Durys Anerkennung findet die Bereitschaft von Behörden und Berufsorga­ nisationen zur Ztisammenarbeit. Beim Landwirtschaftsamt in Donaueschingen fin­ det sie ebenso offene Ohren wie beim BLHV-Kreisverband (auch er immer noch selbständig und nicht kreiseinheitlich orga­ nisiert) und beim Landratsamt. Lob gilt auch der Aufgeschlossenheit aller Vorsitzenden der Landfrauen-Ortsvereine und deren Wei­ terbildungsbestreben. Auch viele junge Landfrauen finden so den Weg zu den Orts­ vereinen, beleben deren Wirken und ihr Pro­ gramm, das überkonfessionell ist und nicht parteipolitisch ausgerichtet sein will. Jede Frau im ländlichen Raum -sie muß nicht aus einem bäuerlichen Beruf kommen -kann Mitglied werden. Als Höhepunkt der Jahres­ arbeit gilt der zu Beginn jeden Jahres stattfin­ dende Landfrauentag stets in der Bräunlin­ ger Stadthalle, wenn gewöhnlich mehr als 500 Frauen ein Fachreferat und auch ein Unterhaltungsprogramm erleben. Bei die­ sem Anlaß erhalten die ländlichen Hauswirt­ schafterinnen den Gehilfenbrief. Die Landfrauen pflegen in der Öffentlich­ keit nicht für negative Schlagzeilen zu sor­ gen. Heftige Auseinandersetzungen, Rück­ tritte oder gar Ausschlüsse, in üblichen Ver­ einen gar nicht so selten, sind ihnen fremd: ,, Wir sind alle sehr dankbar für das gegensei­ tige Vertrauen und das Mitwirken an einer gemeinsamen Aufgabe“, formulierte Cäcilie Dury einmal, ,,in diesem gegenseitigen Ver­ ständnis sind wir gerne füreinander da“. In fast jedem Ortsverein kümmert man sich auch um die betagten Mitmenschen, gestal­ tet ihnen jährlich einen Altennachmittag. Die Brauchtumspflege im Ort liegt oft zum wesentlichen Teil in den Händen der Land­ frauen. Den Sorgen der Landwirtschaft stellen sie sich ebenso wie der Kritik, die der Vorsitzen­ den etwa zum Thema Umweltschutz ent-

gegengebracht wird. Den Sorgen der Bauern also, die die Milchquotenregelung der EG vor allem der an Milchviehhaltung orientier­ ten Agrarstruktur der Baar bereitet, und der Kritik am zu intensiven Düngen der Böden und dem allzu eilfertigen Spritzen mit Insek­ tiziden und Herbiziden: ,, Wir machen da so wenig wie möglich, aber natürlich auch so viel wie nötig“, unterstreicht Frau Dury ihr Verständnis für manche Kritik, die sich jedoch zumindest unter dem Vorwurf der Fahrlässigkeit oder des gewinnorientierten Egoismus als unzutreffend erweise. Die Bedeutung ihrer Organisation als bewahrende Kraft gerade dort, wo der „Fort­ schritt“ seine Spuren hinterließ: So versteht sich auch der von Cäcilie Dury geführte Bezirk Donaueschingen der Landfrauen. ,, Ganz wichtig ist es, daß das Dorfleben erhal- ten bleibt“, formuliert sie mit Ernst und Nachdruck. Angesichts aufgelöster Schulen und täglich in die Zentralgemeinden trans­ portierter Kinder, von Rathäusern, in denen nur noch ein machtloser Ortsvorsteher und ein Ortschaftsrat ohne Kompetenzen zu fin­ den sind, und von Pfarrhäusern, die der Prie­ stermangel verwaisen ließ, erweisen sich gerade die Landfrauen als stabilisierende, Tradition und vor allem die Dorfgemein­ schaft erhaltende Gruppe, deren Programm dennoch die Gegenwart meistem und die Zukunft erkennen hilft. Ohne öffentliche· Anerkennung bleibt ein solches engagiertes Wirken nicht: Aus der Hand von Landrat Dr. Rainer Gutknecht erhielt Cäcilie Dury 1983 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Christiane Kiefer Josef Günthner 36 Jahre Arbeit im Dienst der Gemeinde Fützen ,,Für mich war meine Arbeit die beste The­ rapie“, erklärte Fützens beliebter Ortsvorste­ her Josef Günthner kurz vor Ende seiner Amtsära im Herbst 1984 und benutzte bei diesem Bekenntnis mit einem wohl unter­ drückten, aber doch spürbaren Hauch von Wehmut schon die Vergangenheitsform. Trotz seiner behindernden Kriegsverwun­ dungen sah er seinem Start in das neue ,,Leben der Zurückgezogenheit“ mit ge­ mischten Gefühlen entgegen. Denn bald nach dem Gespräch mit ihm begann für den engagierten Kommunalpolitiker, der Füt­ zens Geschicke so viele Jahre umsichtig als Bürgermeister und danach rühriger Ortsvor­ steher mit kreisweiter Anerkennung lenkte, das ungewohnte Leben im Ruhestan�1 näm­ lich mit der Verabschiedung aus dem Offent­ lichen Dienst 36 Jahre Arbeit für die Gemeinde, doch einschließlich der Berufs­ soldatenzeit insgesamt 43 Jahre im Öffentli­ chen Dienst, das ist eine Summierung des Einsatzes für das Gemeinwohl, die nur wenige Bürger nachweisen können. Josef Günthner, mit dessen Amtszeit auch die letzte Selbständigkeit Fützens, die perso­ nell und gesetzlich mit ihm als ehemaligem Bürgermeister verbunden war, zu Ende ging, nämlich die standesamtliche, wäre nicht ein besorgter „Vater“ seiner Gemeinde gewesen, wenn er nicht sogleich die dringlichsten künftigen Aufgaben seines Nachfolgers im Sinn gehabt hätte: den notwendigen Bau einer Kläranlage, die Verbesserung des Kanalnetzes oder die Erschließung von neuen Baugebieten. Alles Vorhaben, die wie der Dorfentwicklungsplan in Entwürfen schon vorlagen, wegen der allgemeinen Finanzsituation bislang aber noch nicht zum Zuge kamen. DochJosef Günthner kann mit dem im Rahmen der Möglichkeiten Erreich­ ten trotzdem zufrieden sein, obwohl der Ver­ lust der Gemeindeselbständigkeit dank der Zwangseingemeindung sogar nach zehn Jah- 83

eschinger Uniformschneiderei tätig. Die Ein­ berufungen zum Arbeitsdienst und zur Wehrmacht erfolgten 1938. Mit dem Garmischer Gebirgsjäger-Regiment 98 kam er 1939 in Polen an die Front. Frankreich­ und Rußlandfeldzüge folgten.1941 schloß er mit Frau Margret die Ehe, aus der vier Kinder hervorgingen. Nach dem Frankreichfeldzug verpflichtete er sich für weitere zehn Dienst­ jahre in der Wehrmacht. Schwere Verwun­ dungen erlitt er im Kaukasus und 1943 als Oberfeldwebel mit vielen Auszeichnungen, von denen das Verwundetenabzeichen in Gold leider am schwersten wog, bei den Kämpfen im Kubangebiet. Nach einjähriger Lazarettzeit besuchte Günthner die Heeres­ fachschule für Verwaltung in Heidelberg und erhielt das Abschlußzeugnis 11. Als Angehö­ riger des Heeresfachschulkornmandos geriet er Anfang 1945 in amerikanische Kriegsge­ fangenschaft, aus der er im Juli 1945 als Schwerstbeschädigter nach Pützen entlassen wurde. 1946 berief die Gemeindeverwaltung ihn in den Verwaltungsdienst, wo nach dem Brand des Rathauses zunächst die dabei ver­ nichteten Grund- und Standesbücher wieder hergestellt werden mußten. 1947 wurden ihm die Geschäfte des Gemeinderechners und Grundbuchhilfsbeamten übertragen. Fast ein Jahr lang besuchte er die Verwal­ tungsschule Villingen und legte dort die Ver­ waltungsprüfung 1 ab. Am 6. Dezember 1969 wählte man ihn zum Bürgermeister von Pützen, der er bis zur Eingemeindung in die Stadt Blumberg am 1. Januar 1975 blieb. Anschließend berief Landrat Dr. Rainer Gut­ knecht, wiederholt am 27. Juni 1980, ihn zum Ortsvorsteher seiner Heimatgemeinde und damit in das Beamtenverhältnis als „Ehren­ beamter auf Zeit“ der Stadt Blumberg und ihres Stadtteils Pützen. 1972 leitete Josef Günthner nach zwei mißlungenen Ansätzen seines Vorgängers die Flurbereinigung erneut ein, die dann im August desselben Jahres angeordnet wurde. Die Verfahrensfläche betrug 660 Hektar. Aus 2133 alten Flurstücken ergaben sich 595 ren zuweilen noch klagend um das Rathaus geistert. Bei einem intensiven Gespräch im Jahre 1980 meinte der ehemalige Bürgermeister noch hoffnungsvoll: ,,Das Verhältnis zur Kernstadt und ihrer Verwaltung ist gut. Alles hat sich ganz zufriedenstellend eingespielt. Viele unserer Wünsche sind erfüllt worden oder stehen wenigstens kurz vor ihrer Ver­ wirklichung. Das wird allmählich auch die letzten Wogen glätten. Denn die aus der Ein­ gemeindung resultierenden Vorteile sind ein­ fach nicht zu übersehen.“ Das war vor sechs Jahren. Im unberechen­ baren Strom der Zeit gab es auch für Blum­ bergs Stadtteil Fützen einiges Gutgegerbtes, das trotz bester Pläne ins Wasser fiel und wie die sprichwörtlichen Felle fortschwamm. Deshalb istJosefGünthners erreichter Ruhe­ stand kaum zu einer Entfernung aus dem Interesse am Gemeindegeschehen und -wohl geworden. Dazu war er ihm nach wechselvol­ lem Leben zu lange und eng verbunden. JosefGünthner wurde am 12. April 1917 in Fützen geboren. Nach der Schulzeit machte er in Gottmadingen die Lehre als Herren­ schneider und war vier Jahre in einer Donau- 84

neue. Die Kosten beliefen sich auf 570 000 Mark. Unter anderem fielen in Günthners Amtszeit folgende Neuerungen: 1973: Die Einweihung der noch vom selbständigen Flitzen für insgesamt 850 000 Mark erstellten Mehrzweckhalle. 1978: Fertigstellung der Ortsdurchfahrt B 314. 1979: Schulanschaf­ fungen und Verbesserung der Straßenbe­ leuchtung im Niederdorf. 1979/80: Ausbau des Kommenbaches. 1980: Ausbau des Sportplatzes. Bessere Straßenbeleuchtung im Altbaugebiet. Verbesserungen im Schul­ haus. Im Neubaugebiet „Ob der Kapellen­ gaß II“ blieb es bislang bei getätigtem Grund­ erwerb und Vermessungen. Alle anderen schon bearbeiteten Planungen, die mit Klär­ anlage und Kanalisation zusammenhingen, fielen vorerst dem Rotstift der Zeit zum Opfer. Was weder der zähneknirschend ver­ lorenen Selbständigkeit noch dem eifrig bemühten Ortsvorsteher anzulasten war, der seinem Nachfolger, so und nicht anders kennt man ihn, mit Erfahrungsrat und Tat den Amtsbeginn erleichtern half. Ende 1984 verließ JosefGünthner das Füt­ zener Rathaus mit dem Bewußtsein, der Hei­ matgemeinde nach besten Kräften gewissen­ haft gedient zu haben. Für das verdienstvoll Geleistete blieben die Anerkennungen nicht aus. „Die 900-Jahr-Feier war für die Gemeinde und mich eines der größten Erlebnisse“, meinte er nachdenklich, und es ist bezeich­ nend für ihn, daß er seine Gemeinde vor die Person setzte. Als Ehrenmitglied des SV Flitzen, Ange­ höriger des Musikvereins „Eintracht“, der Eggäsli-Zunft, des Schwarzwaldvereins und des V dK sowie als Vorsitzender des altkatho­ lischen Kirchengemeinderates und kaum zuletzt dank seiner Familie hat er auf dem Ruhesitz über Langeweile bestimmt nicht zu klagen. Zudem bleibt dann ja noch der sich weiterentwickelnde Stadtteil, dessen Vergan­ genheit und Gegenwart von ihm so entschei­ dend mitgeprägt wurde und dessen Zukunft er weiterhin im Auge behalten möchte. Aus Erfahrungen gewonnene Erkenntnisse sind trotz der für ständige Veränderungen sorgen­ den Schnellebigkeit der Zeit von denen nicht zu überhören oder wegzudenken, die das richtige Ohr am Puls einer Gemeinde haben und gute Beispiele auch aus jüngster Vergan­ genheit für die Zukunft heraushören kön­ nen. Jürgen Henckell Rektor a. D. Alfons Diemer Der nimmermüde Heimatforscher – Ein engagierter Furtwanger, Jahrgang 1899 Noch vor der Jahrhundertwende, am 24. Oktober 1899 in Todtnau geboren, hätte der Furtwanger Bürger Alfons Diemer jetzt eigentlich ein Alter erreicht, in dem er sich zur Ruhe setzen, seinen Hobbys frönen und der Hektik des öffentlichen Lebens entflie­ hen könnte – jedoch, das Hobby des Seniors ist just jenes öffentliche Leben in all seinen Belangen, sei es die Kommunalpolitik, sei es das Wohl und Wehe der älteren Mitbürger in der Schwarzwaldstadt, sei es die Berichter­ stattung für die Tageszeitung, die er schon seit Jahrzehnten betreibt und vor allem durch sein fundiertes heimatgeschichtliches Wissen immer noch bereichert. Alfons Die­ mer, ein ruheloser Hans-Dampf-in-allen­ Gassen, hoch angesehen und allseits respek­ tiert, weit über die Grenzen der kleinen Stadt am Bregursprung hinaus. Bereits im Alter von drei Jahren kam er nach Furtwangen, doch sein Lebensweg führte ihn zunächst in zahlreiche Städte und Gemeinden des Landes, bevor er in der von ihm so geliebten Uhrenstadt endgültig seß­ haft wurde. Mit 17 Jahren zog Alfons Diemer in den Ersten Weltkrieg; als er in den Z weiten 85

Neben seinem Beruf war und ist Diemer auch heute noch auf vielen Gebieten aktiv. Bereits als Schüler beschäftigte er sich in­ tensiv mit der Politik, war Vorsitzender des Windthorstbundes in Furtwangen, der Ju­ gendgruppe der damaligen katholischen Zentrumspartei, war Fraktionssprecher die­ ser Partei im Bürgerausschuß von 1927 an bis zur Auflösung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 und engagiert bei den Wahl­ kämpfen „Gegen Hakenkreuz und Sowjet­ stern“. Diemer war weiterhin Vorsitzender in der deutschen Jugendkraft und nach deren Verbot „Gauleiter“ im Gau Schwarzwald­ Baar der DJK, Mitarbeiter in der Kolpingfa­ milie Furtwangen, Leiter eines freiwilligen Arbeitsdienstes mit 24 jugendlichen Arbeits­ losen von 1930 bis 1933 und von 1937 bis 1945 Vorsitzender des Furtwanger Turnver­ eins 1872. Ungezählt sind die Aktivitäten Diemers auf wohl hundert anderen Gebieten: bei der Gründung eines Altenheims in Furtwangen, als CDU-Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister, im Schwarzwaldverein und, und, und .. . Für seine hohen Verdienste wurde er im Jahr 1970 mit dem Bundesver­ dienstkreuz ausgezeichnet. Hervorragend sind vor allen Dingen Diemers Leistungen auf dem Gebiet der Heimatforschung und Brauchturnspflege, sowohl im Furtwanger Geschichts- und Heimatverein als auch auf privater Ebene. Alfons Dieroer ist verheiratet – 1984 konnte er mit seiner Frau Josefine die Dia­ mantene Hochzeit begehen – und hat vier Kinder und 19 Enkel, zehn davon in Kanada. Gesundheitlich ist Alfons Diemer – wie könnte er seine engagierte Arbeit sonst auch bewältigen – außerordentlich rüstig; bis vor wenigen Jahren noch, wen wundert’s, arbei­ tete er noch mit aufgekrempelten Änneln in seinem Wald. Fred ()hnewald * Weltkrieg als Soldat eintreten mußte, der ihn nach Rußland, Frankreich und Italien führte, war er 45 Jahre alt. Das Abitur hatte Alfons Diemer in Rastatt abgelegt. Es war der Grundstock für seine weitere berufliche Zukunft als Lehrer – ein Beruf, den er insgesamt 57 Jahre lang aus­ übte. Seine erste Anstellung bekam Diemer in Ettlingen, bereits 1927 kam er wieder nach Furtwangen als Lehrer in die damals noch selbständige Gemeinde und den heutigen Furtwanger Stadtteil Schönenbach. Von 1948 bis 1965 war Diemer Rektor der Furt­ wanger Friedrichschule und anschließend – eigentlich bereits im Ruhestand – in Zeiten des Lehrermangels „Aushilfslehrer“ an der Sonderschule für Lernbehinderte. Diemers Weg bis zu diesem Punkt hatte ihn jedoch auch in viele andere Schulen geführt, so in den Linzgau nach Steißlingen und Stockach, an den Bodensee nach Radolfzell, in die Baar nach Hüfingen und an die Hirtenschulen Katzensteig, Gütenbach, Neukirch, Linach und Schönenbach, diese alle im Furtwanger Raum. 86

Der „Feldere-Karli“ von Schonach Ein Wälder-Original aus der „guten alten Zeit“ „Originale“, Menschen mit einer ihnen eigenen Ursprünglichkeit und Einmaligkeit, denen der Schalk tief im Nacken sitzt, wer­ den immer seltener. Liegt es an unserer schnellebigen Zeit, an der Hektik unseres Alltags, daß man diesen keine Aufmerksam­ keit mehr schenkt, sie nicht mehr beachtet, oder geht in unserem Jahrhundert eine solche Ursprünglichkeit aus gleich welchen Gründen verloren? Eine solche Entwicklung wäre sehr zu bedauern; gab es doch in früheren Zeiten, und ganz besonders auf dem hohen Schwarzwald, genug solcher ,,Originale“, die heute noch nicht in Verges­ senheit geraten sind. Zu ihnen gehörte der Feldere-Karli. Zwischen Rohrhardsberg und Schonach liegt eine einsame Höhe, die „Feldere“. Dort betrieb der Feldere-Karli, mit bürgerlichem Namen Karl Hummel, eine kleine Landwirt­ schaft mit 10 Morgen Land, und fertigte in einer kleinen Werkstatt mit zwei bis drei tüchtigen Gesellen -später halfen ihm dabei seine eigenen Buben -Walzräder, Werk­ zeuge und maschinelle Einrichtungen. Und überall, wo man in der näheren und weiteren Umgebung Schonachs Uhren herstellte, brauchten die Uhrmacher den Karli so nötig wie Messing, Draht, Guß und hölzerne Uhr­ werkgehäuse. Auf seine Tüchtigkeit als Mechaniker hielt man viel, und manchem brachten seine guten und wohlgemeinten Ratschläge nur Vorteile. Waren seine Walzrä­ der, seine Werkzeuge und Einrichtungen auch teurer als die anderer Lieferanten, die Uhrmacher bezahlten für seine Werkzeuge lieber ein paar Mark mehr, denn sie wollten auf die gute und gediegene Arbeit des Felde­ re-Karli nicht verzichten. Jede Woche hängte er für zwei Tage den ledernen Ranzen um und brachte den Uhr­ machern in den Winkeln und Dobein des Schwarzwaldes ihre Bestellungen. Man freute sich auf sein Kommen, denn er brachte nicht nur die bestellten Waren, er lie­ ferte zudem gratis den besten Unterhaltungs­ stoff. „Jetzt wird g’sunge“, waren seine ersten Worte, wenn er die Uhrmacherstuben betrat, und bald erklangen fröhliche Lieder, in die die Meister und Gesellen einstimmten. Und dann packte er seine Neuigkeiten aus, war er doch durch sein weites Umherkommen über alles, was sich ereignet hatte, bestens unter­ richtet. Und war einer ganz besonders neu­ gierig, dann log ihm der Karli das Blaue vom Himmel herunter, so daß bald niemand mehr zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden vermochte. Er war mit allen Wassern gewaschen und nie um ein Wort oder eine Ausrede verlegen. Seine Beziehun­ gen zu den Uhrmachern litten darunter kei­ nen Schaden, im Gegenteil, man lachte dar- 87

über. ,,Es ist halt der Schonacher Feldere­ Karli“, so hieß es nur. Daß der Karli wilderte, war allgemein bekannt, und er machte auch keinen Hehl aus seiner Meinung, daß alles, was auf vier Füßen im Wald umherrannte, ihn störe und irre. Die Bauern und Uhrmacher legten ihm auch nichts in den Weg, hatten sie doch meist selbst kein reines Gewissen. Die Förster aber und die Gendarmen kamen öfters ein­ mal auf seinen Hof zu einer Hausdurchsu­ chung, aber immer vergebens; denn der Karli war zu gerissen, um sich erwischen zu lassen. Nur den Triberger Sonntagsjägern gelang dies einmal, und sie brachten ihn zu fünft mit schußbereitem Gewehr hinunter nach Triberg auf das Amt. Erst dort entdeckte man aber, daß der Lauf an seinem Gewehr ein mit Bronze angestrichener Besenstiel war, im Pulverhorn sich Rapssamen befand und in der Kugeltasche Saubohnen. Man mußte ihn wieder frei lassen und, da gerade Markt war, hielt er dort schon eine Stunde später Vor­ träge über sein Jagdabenteuer. War einer ihm nicht wohlgesonnen, so wurde er vom Karli auf eine solche Art ange­ führt. So geschah es auch seinem Nachbarn, dem Wolfbauern, mit dem er nicht gut stand und der ihn gern der Wilderei überführt hätte, obwohl dieser selbst auch ab und zu einen „schwarzen“ Schuß tat und den auf­ kommenden Verdacht dann dem Feldere­ Karli zuschob. Um den Karli endgültig der Wilddieberei zu überführen, wurden ein För­ ster und ein Gendarm von auswärts zugezo­ gen. Der Karli aber hatte viele Freunde und bekam Wind von einer drohenden erneuten Hausdurchsuchung. In Furtwangen kaufte er gegen Q!iittung ein Dutzend Hasenbälge, an denen noch die Löffel waren, und beim Tri­ berger Stadtwirt, der Jäger war und dem Karli gut gesonnen, einen fetten Hasen und das Eingeweide, den „Aufbruch“ eines Rehes. In der Nacht schlich sich der Karli zum Wolf­ bauemhof und warf den Aufbruch vor das Milchhaus, damit es den Anschein erwecke, als hätte dies der Hofhund herbeigeschleppt. Der Wolfbauer, in der Meinung, der Karli 88 habe ein Reh geschossen, erstattete Anzeige beim Triberger Amt, und so kamen am näch­ sten Tag prompt Förster und Gendarm, um beim Karli nach dem Reh zu suchen. In Erwartung dieser Hausdurchsuchung hatte der Karli ein spektakuläres Schauspiel inszeniert: Über die Haustür waren ein paar Hasenpfoten genagelt, der Karli trug einen Frack und auf dem Kopf eine Kappe aus Hasenpelz, die Kinder, die ebenfalls Hasen­ kappen trugen, vollführten um den Vater einen Reigen, auf der Werkbank sitzend spielten die Gesellen auf der Ziehharmonika, und die Hasenlöffel an ihren Kappen bau­ melten dazu im Takt. Der Tisch war gedeckt und dazwischen stand eine Blumenvase mit einem Strauß aus Hasenpfoten, Hasenohren und Hasendeckel. Auf die Frage von Förster und Gendarm, was hier vor sich gehe, erwi­ derte der Karli: ,, Wir feiern heute ein großes Fest, das Hasenfest. Heute sind es gerade zwölf Jahre und siebzehn Tage, seitdem mir das erste Mal wegen eines Hasen das Haus durchsucht wurde.“ Sprach’s, legte die Q!iit­ tungen über alles auf rechtschaffene Weise Erworbene auf den Tisch und lud zum Hasenbraten ein. Im folgenden Frühjahr nahm der Karli seine Gesellen und seine Buben mit zum Wolfbauernhof. Auf den Wiesen lag noch Schnee, den Gräben entlang aber zeigten sich schon bloße Stellen. Auf einer solchen stellte der Karli einen Stiefelknecht auf, dem er ein Hasenfell übergestülpt hatte, so daß sich dies in der Dunkelheit wie ein männchenma­ chender Hase ausnahm. Hinter der Mühle verborgen warteten der Karli und seine Gefolgschaft auf den Wolfbauern. Der Wolf­ bauer sah den Hasen in der Matte sitzen und schon krachte ein Schuß; der Hase war getroffen. Als der Wolfbauer seinen „Braten“ holen wollte, fand er nur ein Fell und einen Stiefelknecht, dazu aber dröhnendes Lachen vom Feldere-Karli und seiner Gefolgschaft hinter der Mühle hervor. Eines Tages teilte der Karli den Jägern mit, daß ein Hase dauernd in seinem Acker in der Nähe des Hauses sitze und den Klee abfresse.

Die Jäger versprachen ihm, am folgenden Morgen zu kommen und den Missetäter unschädlich zu machen. Der Karli aber streifte anderen morgens seiner großen Katze ein Hasenfell über, was er ja immer vorrätig hatte, ließ nur Augen und Pfoten frei, befestigte es mit starkem Bindfaden und setzte das Tier in den Kleeacker. Nicht lange darauf erschienen die Jäger, und ihr Hund spürte den vermeintlichen Hasen auch gleich auf. Dieser aber nahm Reißaus und kletterte auf den nächsten Baum. Als die Jäger das * Sinkendes Schiff Zu spät – wer rettet noch das Schiff? – Auf schlagen Flammen und ein Pfiff Vom Steuermann genügt nicht mehr; Wo käm‘ auch schnelle Hilfe her? – Die Mannschaft löscht, die Gäste mit, Wie fieberhaft vielhundert Schritt, Verzweifelnd schon, in größter Not, Vor Angst und Schreck, verfolgt vom Tod. Der Kapitän auf hoher Wacht Noch hoffnungslose Pläne macht; Indess‘ das Wasser steigt, ein Schrei: Sind alle Ring und Boote frei? – Der Himmel rot, ein heller Schein, Du, Herrgott, wollest gnädig sein; Zu Ende geht’s, wär’s nur vorbei, Da, plötzlich reißt das Schiff entzwei. Noch einmal stöhnt es fürchterlich, Entsetzt, verbrannt, so wehren sich Zum letzten Mal, in Schmerzen gleich, Die tagszuvor an Glück so reich. Wer hat’s gewußt, was blieb zurück, – Nichts als ein Mensch mit scheuem Blick, Dem unvergessen blieb die Nacht, Die blind und sehend ihn gemacht. Johannes Hawner sahen, bekreuzigte sich der ernstere von ihnen; ein anderer aber nahm sich ein Herz und schoß den „Hasen“ herunter. Da nun die Jäger erkannten, daß der Karli sie zum Besten gehalten, wollten sie mit ihm abrechnen; er war jedoch spurlos verschwunden. Einst hatte der Karli in einem Nachbarort zu tun. Nach Erledigung seiner Geschäfte gedachte er, sich bei einem Schoppen Wein zu erholen. Er ging in eine Wirtschaft, legte Stock und Hut sowie seinen Lederranzen, den er auf dem Rücken trug, ab, setzte sich an einen Tisch und bestellte einen Schoppen Wein, den er beim Empfang gleich bezahlte. Als er den Wein gekostet hatte, rief er dem Wirt zu, er möge ihm seinen Ranzen herbrin­ gen. Nachdem dies geschehen war, leerte der Karli zuerst den Inhalt des Glases und darauf den des Weinkruges in den Ranzen. Der Wirt machte große Augen und fragte, was das bedeuten solle. Der Feldere-Karli aber erwiderte: „Es ist mir lieber, es zerreißt den Lederranzen anstatt mich“. Vor seinem Tode lag der Karli eine zeit­ lang kränklich zu Bett. Gelegentlich eines Besuches fragte der Ortsgeistliche ihn, wie alt er sei. „Ich bin 77 Jahre alt“, antwortete der Karli. Da sprach der Pfarrer: „Das ist ein schö­ nes Alter“. – „Was sagen Sie, Herr Pfarrer“, versetzte der Patient, „das soll ein schönes Alter sein, wenn man an das Krankenlager gefesselt ist? Ich will Ihnen sagen: Das war ein schönes Alter, als ich noch den Mädchen nachgelaufen bin.“ Werner Hamm „Der Feldere-Karli Literatur: von Schonach“ von Erich Alfred Unger, zusammengefaßt, neu bearbeitet und ergänzt von Werner Hamm. * 89

Archäologie und Geschichte Spuren der Vergangenheit am Tümleberg Der Türnleberg bei Schwenningen ist Teil eines Waldgebietes, das sich zwischen den Markungen der Gemeinde Mühlhausen, Hochemmingen, Bad Dürrheim und Schwenningen aufteilt Zwar gehört der höchste Teil zu Mühlhausen und Hoch­ emmingen, aber die Schwenninger haben ihn längst „adoptiert“ und zum Hausberg gemacht Seit Menschengedenken bietet er Wanderern und Spaziergängern Ruhe und Erholung.Neuerdings belebt sogar die bunte Sportkleidung der ,Jogger“ die einsamen Waldwege. Geologisch gesehen ist der Türnleberg Teil der Keuper-Lias-Stufe, die sich von Lau­ fen und Aixheim herkommend an Schwen­ ningen vorbei nach Süden zieht Der Berg­ rücken wird von einer Schwarzjuraplatte gebildet, die als langgestreckte Zunge nach Westen ausläuft Wer ahnt aber schon, wenn er die stillen Wege geht, -oder trabt, -die Spuren, die von der Geschichte in seinen Boden eingegraben wurden? Sicherlich haben alte Sagen dafür gesorgt, daß Erinnerungen an eine Zeit wach blieben, in welcher der Tümleberg nicht eine abseits- 90

gelegene Oase der Stille, sondern Mittel­ punkt menschlichen Handelns und Strebens war. Erhärtet durch entsprechende Flurna­ men wurde immer wieder die Volksphanta­ sie beflügelt, die sich schließlich ein prächti­ ges Schloß auf der Höhe des Be�ges ausmalte. Was aber gab Anlaß zu diesen Uberlieferun­ gen? Eine einsame Tafel des Schwäbischen Albvereins erläutert bei der Richard-Schmid­ Bank, daß wir auf vorgeschichtlichem Boden stehen, -an der Stätte einer einstigen Hall­ stattburg. Aber welcher Wanderer, der vom Setze­ brünnele herkommend, den Berg erstiegen hat, hat auch bemerkt, daß er die Spuren zweier Ringwälle überstieg, und wer hat, dem ebenen Weg folgend, der vom Wanderpark­ platz zur Westspitze führt, gesehen, daß er zwei Gräben passieren mußte, um ins ehema­ lige Burginnere zu gelangen? Man muß schon zweimal schauen, um die Spuren im Gelände zu finden, welche die erwähnte Tafel ausweist. Denn man findet keine Mauerreste, kein eingestürztes Ge­ wölbe und keine Ziegelscherben, – nur Bruchsteinfelder und offensichtlich künst­ liche Veränderungen der Erdoberfläche geben Zeugnis von vergangener Zeit. So wie diese Reste einst die Volksphanta­ sie weckten, erregten sie auch die Neugier der Heimatforscher. Pioniere auf diesem Gebiet, wie August Reitz und Hermann Rupp, haben sich mit der Problematik des Türnle­ berges auseinandergesetzt, und Paul Revellio hat das Gelände eingehend untersucht. Schließlich wurden die Ergebnisse von dem verstorbenen Schwenninger Archivar Dr. Ströbel überprüft, ergänzt und zusam­ mengestellt. Leider machte ein zu früher Tod seinem Schaffen ein Ende, und so blieb es Otto Benzing vorbehalten, die verfiigbaren Ergebnisse der Arbeiten Dr. Ströbels posthum zu veröffentlichen. Früh schon setzte sich die Erkenntnis durch, daß das Türnleberggebiet ein Stück der keltischen Vergangenheit unserer Hei­ mat bewahrt hat und daß seine höchste Erhe­ bung einst eine hallstattzeitliche Abschnitts- burg trug. Da die noch auffindbaren Stein­ trümmer keinerlei Mörtelreste enthielten, wurde die Suche nach einer einstigen mit­ telalterlichen Burg aufgegeben. Erhärtet wurde dieser Befund durch mindestens sechs Grabhügel, die in unmittelbarer Nachbar­ schaft des Türnlebergs liegen. Der größte und ausgeprägteste dieser Hügel mißt 34 m im Durchmesser und ist von der Hallstattan­ lage nur ca. 80 m entfernt. Man vermutet, daß er die sterblichen Überreste des Erbauers und Herren der Burg enthält. Schon längst darf man diese Fakten als feststehend betrachten, es ist deshalb völlig unverständlich, wie es geschehen konnte, daß gerade dieser Grabhügel bei einem Waldwegbau in der jüngeren Vergangenheit zu einem Drittel weggebaggert wurde. An Platz hat es wahrhaftig nicht gefehlt, diese Stelle genauso sorgfältig zu umgehen, wie dies beim alten Wege vordem der Fall war. Es ist allerdings einzuräumen, daß es keine offizielle Dokumentation gibt, die den genauen Standort der Bodendenkmäler im Türnleberggebiet ausweist. Auch in den neueren topographischen Karten sind nur die östlichen Abschnittsgräben auf dem Tümleberg selbst und ein ziemlich entfern­ ter Grabhügel eingetragen. Nachdem es in einer früheren Aktion mit Hilfe der den obengenannten Forschem noch unbekannten Schwenninger Lager­ büchern gelungen war, den möglichen Standort des mutmaßlich frühmittelalterli­ chen Burgstalles „uff der Burg“ zu bestim­ men, wurde versucht, alle Bodendenkmäler des Türnleberggebietes zu erfassen und maß­ stabsgerecht in Karten einzutragen. Bei den entsprechenden Untersuchungen stellte es sich sehr schnell heraus, daß, zwar oft in Gestrüpp verborgen, noch sehr beacht­ liche Spuren zu erkennen sind. An der Süd­ flanke des Berges zeichnen sich noch deut­ lich die Reste der von Dr. Ströbel beschriebe­ nen beiden Ringwälle ab. Der westliche Steil­ abfall des Berges ist durch den Bau der Bodenseewasserleitung, deren Hochbehälter heute auf dem Mühlhauser Teil des Berges 91

Es bedeuten: 1. Holzgerüst, 2. Holzverschalung zur Aufaahme der St.ein-Erdfallung, 3. St.einverb/endung, 4. St.ein­ Erdfallung, 5. Brustwehr aus Rundhölzern —- – Rekonstruktionsversuch einer hallstattuitlichen Holz-Stein-Mauer (um 400 v. Chr.) nach den Ergeb­ nissen der Heuneburgforschung steht, weitgehend verebnet. Nun müßte sich die Fortsetzung der zwei Wälle auf der Schwenningen zugewandten Nordseite des Berges wiederfinden. Hier kann jedoch nur festgestellt werden, daß sich der obere Wall, der in der Gegend der Höhenlinie 790 ver­ läuft, zu einem Ring schließt. Die Fortset­ zung des zweiten Walles jedoch läßt sich in der bisher angenommenen Form mit dem besten Willen nicht erkennen. An seiner 92 Statt finden wir eine Häufung von Erdstufen und -terrassen, die sich unterhalb des oberen Walles bis auf eine Höhe von etwa 755 Meter den Hang hinab in Richtung „Setze“ zieht. Durch ihre Geometrie würde ein Erklärungs­ versuch der Entstehung durch natürliche Rutschung nicht sehr überzeugen. In der Höhe 755 geht der Steilhang der höchsten Bergerhebung über in die erwähnte Setze, einer Erhebung, die in dieser Gegend

durch die Keuper-Lias-Stufe gebildet wird. In Höhe 750 geht dann das Gelände erneut in einen Steilabfall über, der von Steilheit und Länge her bedeutender ist, als der des oberen Berges. Die dargestellte Geländebeschaffenheit läßt daran denken, daß möglicherweise der äußere Verteidigungsring in diesem Bereich an die Kante der Setze vorverlagert war. Diese Maßnahme hätte bewirkt, daß eine ,,uff der Burg“ gelegene Q!ielle im Belage­ rungsfall die Wasserversorgung der Schutz­ suchenden und Verteidiger sicherstellen konnte. In diesem Fall sollte der Burgstall „uff der Burg“ als Eckpfeiler der keltischen Wehranlagen gesehen werden, was allerdings eine spätere, frühmittelalterliche Wieder­ nutzung nicht ausschließen würde. Die Untersuchung zeigte weiterhin, daß offensichtlich auch versucht worden war, den Berg durch einen Vorwall in der Nähe des Wasserbehälters zusätzlich zu schützen. Die Reste dieses Walles wurden bisher nie erwähnt. Bei seiner Einordnung sollte be­ dacht werden, daß in der Zeit der Ungarn­ einfalle (900-950) verschiedentlich derartige alte Anlagen reaktiviert, verstärkt und zum Schutz der Bevölkerung herangezogen wur­ den. Über die Erbauer der beschriebenen Wehranlagen werden wir erst Genaueres wis­ sen, wenn sich die Archäologen mit ihnen befaßt haben. Aus den Spuren aber, die sie hinterließen, läßt sich eine gewaltige Lei­ stung ahnen. Wenn man davon ausgeht, daß der obere Ringwall rund 400 Meter lang war Rekonstruktionsversuch einer keltischen Holzkastenmauer nach den Ergebnissen der Heuneburtfor­ schung (um 600 v. Chr.) . ‚.:./“// _,.,,-:: /’/—:///, ___ -: …… Es bedeuten: 1. Holzrahmenaufbau aus behauenen Baumstämmen. Die Kelten kannten noch keine Säge, die Kon­ struktion findet heute noch im Blockhausbau Anwendung. 2. Füllung aus Steinen und Erde. Sie stammt überwiegend aus du näheren Umgebung, insbesondere düifte hier der Grabenaushub verwendet worden sein. 3. Brustwehr aus Astgeflecht. Gegen feindliche [feile düifte dieser Schutz genügt haben. 93

und der untere ein gutes Stück länger, dann bedeutet dies im Hinblick auf die andernorts erforschte Konstruktion derartiger Wälle, daß mindestens 3000 Kubikmeter Erde und Gestein mit einem Circagewicht von 7000 Tonnen bewegt werden mußten, um das Werk zu vollenden. Man nimmt an, daß die Burg auf dem Türnleberg in der Hallstattzeit entstanden ist. Dieser Begriff wurde nach der Erstfund­ stelle, Hallstatt im oberösterreichischen Salz­ kammergut, geprägt -ihr Beginn wird um das Jahr 7 SO v. Chr. angenommen. Zu dersel­ ben Epoche wird auch die Entstehung des ,,Magdalenenbergle“ bei Villingen gezählt. Die dort ausgegrabenen Bestattungen wer­ den in den Zeitraum 577-530 v. Chr. datiert. Zu Beginn der Hallstattzeit sollen sich die Illyrer und Kelten aus dem Nebel ihrer Vor­ geschichte herausprofiliert haben. Noch fehlt uns die Gewißheit, daß wir auf dem Türnleberg wirklich keltische Spuren vor uns haben. Es ist aber heute schon sicher, daß die­ ses Werk von Menschen vollbracht wurde, die das Fleckchen Erde, auf dem wir leben, genauso Heimat nannten, wie wir dies heute tun. Der Türnleberg hat die Kunde von ihnen treulich bewahrt, es ist nun an uns, das noch Vorhandene zu sichern und vor leichtfertiger Zerstörung zu schützen, damit es eines Tages sachgerecht ausgewertet werden kann. Was aber wissen wir überhaupt über jene Menschen, für die unser Berg einst Schutz und Zuhause war? Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß wir die Hinterlassenschaft von Kelten vor uns haben. Deshalb sei im folgenden ihre Geschichte kurz rekapituliert: Die Kelten geben uns noch viele Rätsel auf. Über ihr Verbreitungsgebiet wird auf Grund von Berichten antiker Autoren geschlossen. Nach den heutigen Erkenntnis­ sen lag ihr Kernraum etwa zwischen Paris, Prag, Linz/Wien und Genf. Archäologische Funde aus der Hallstatt­ zeit geben uns erste konkrete Kunde. Aus dieser Zeit noch erfahren wir von einem ersten Vorstoß keltischer Stammesverbände 94 im Jahre 520 v. Chr. nach Oberitalien. Sieb­ zig Jahre später verzeichnet man den Beginn einer neuen Aera. Nach einer neuen wichti­ gen Fundstelle, einer Untiefe des Neuenbur­ ger Sees in der Westschweiz, spricht man nun von der La-Tene-Zeit. Uns Menschen des zwanzigsten Jahrhun­ derts muß heute noch das hohe technische Niveau der Kelten jener Tage faszinieren, und nicht nur die Reste ihrer Bauten erregen unser Staunen, sondern auch ihre Kennt­ nisse in der Metallverarbeitung. Sie waren beispielsweise in der Lage, Feinbleche her­ zustellen. Aus dem Jahre 400 v. Chr. wird ein neuer keltischer Einfall in Italien gemeldet, der die Verdrängung der Etrusker zur Folge hatte, und zehn Jahre später erfolgt der erste, nun unvermeidbare Zusammenstoß mit den Rö­ mern. Im Jahre 378 v. Chr. belagern die Kel­ ten schließlich Rom, die Stadt wird der Legende nach nur durch die Wachsamkeit der Gänse auf dem Kapitol gerettet. Im gleichen Zeitraum meldet die Archäo­ logie die plötzliche Aufgabe zahlreicher nordalpiner Siedlungen, ein Zusammen­ hang mit den oberitalienischen Ereignissen wird vermutet. Vielleicht endete hier auch die Geschichte der Burg auf dem Türnleberg. Danach scheint sich die Situation wieder beruhigt zu haben, und erst 225 v. Chr. bricht der Konflikt erneut aus und zwingt die Römer zu systematischem Vorgehen gegen die ständige Bedrohung. Welche Rolle die in unserem Raum ansäßigen Kelten in diesem Geschehen spielten, entzieht sich unserer Kenntnis; erst der Bericht Cäsars über den Beginn der gallischen Kriege im Jahre 58 v. Chr. zeigt, daß die in unserer Gegend und in der Schweiz wohnenden „Helvetier“ und ihre nördlichen Nachbarn in die folgenden Ereignisse verwickelt waren. Es mag der Druck gewesen sein, den Ario­ vist mit seinen Sueben auf diese Stämme aus­ übte, der die Helvetier mit ihren Verbünde­ ten, den Tulingern, Latobrigern, Raurakern und Boiern, zu einem fast unvorstellbaren Schritt trieb. Sie rüsteten zur totalen Aus-

wanderung und brachen alle Brücken hinter sich ab, indem sie Wohnsitze, 12 Städte, 400 Dörfer und sämtliche Einzelgehöfte nieder­ brannten. Einer Einladung der Häduer fol­ gend, setzen sie sich dann in Richtung Saöne und Loire in Marsch. Einschließlich der Frauen und Kinder zählte der Zug 263 000 Helvetier, 36 000 Tulinger, 14 000 Latobriger, 23 000 Rauraker und 32 000 Boier. Cäsar ver­ legte ihnen jedoch den Weg, schlug sie ver­ nichtend und zwang den nur noch 110 000 Köpfe zählenden Rest zur Rückkehr in die verwüstete alte Heimat. Die Boier durften im Häduerland bleiben und kehrten nicht mehr zurück. In unserer Gegend scheinen sich damals die Sueben festgesetzt zu haben, bis auch sie im 1. Jahr­ hundert nach Christus den Römern weichen mußten. Nachdem nun die Vergangenheit des Ber­ ges dargestellt worden ist, sollen auch einige Gedanken seiner Zukunft gewidmet sein. Das einst stille Waldgebiet wurde oder wird in diesen Tagen von zwei neuen Straßen durchschnitten, über deren Notwendigkeit die Meinungen sehr weit auseinandergehen. Trotzdem, oder gerade deswegen, sollte ver­ sucht werden, die noch vorhandene Sub­ stanz einer weiteren Beschneidung zu entzie­ hen und vielleicht in Teilen zu rekonstruie­ ren. Die alten Grabhügel und typische Wall­ stücke könnten zusammen mit den histori­ schen Grenzsteinen in diesem Bereich einen archäologisch-geschichtlichen Wanderweg ergeben, der von weiten Teilen der Bevölke­ rung sicher gerne angenommen würde. Dieser Vorschlag ist nicht neu; obwohl die früheren Bemühungen nicht zum Erfolg führten, sei er erneut aufgegriffen. Vielleicht war die verzwickte Grenzlage bisher hinder­ lich. Darum muß es Anliegen des Landkrei­ ses sein, hier koordinierend und helfend ein­ zugreifen, an tatkräftiger Unterstützung durch Bürger auf allen Seiten der Grenzen dürfte es dann nicht fehlen. Dieter Knaupp L i t e r a t u r : Otto B e n z i n g: Der Türnleberg zwischen Schwenningen und Bad Dürrheim – Eine keltische Burganlage aus der Hallstattzeit; Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, Heft 31, 1976. -J u l i us C ä s a r : Der Gallische Krieg; Übersetzung Dr. Max Oberbreyer, Leipzig: Reclam – Karl E h m e r t : Regenbogenschüsselchen; Sonder­ druck aus dem Geschäftsbericht 1976 der Volksbank Nürtingen. – Gerhard He rrn: Die Kel­ ten; Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1977. -Wolfgang K i m m i g: Die Heuneburg an der obe­ ren Donau; Stuttgart: Theiss 1983. -August R e i tz: Von des Neckars Quelle; Schwenningen/ N.: Selbstverlag 1919. – Paul R e v e l l i o : Aus der Ur-und Frühgeschichte der Baar; Schwen­ ningen/N.: M. Link (Stadtbuch 1932). -Konrad S p i n d l e r : Der Magdalenenberg bei Villin­ gen; Stuttgart: Theiss 1976 900 Jahre Kloster St. Georgen Eine Nachlese zum Jubiläum von Münsterpfarrer Kurt Müller, Villingen Auf dem „Scheitel Alemanniens“ wurde 1084 von Hirsau aus das Kloster St Georgen gegründet In den Wirren der Reformations­ zeit sind die „Söhne des Heiligen Benedikt“ dort vertrieben worden. Seit 1536 pflegten sie ihre „ vita communis“ in Villingen. Ihre Abtei – anfänglich nur ihr Stadthof mit der St-Josefs-Kapelle – wuchs langsam in Nord- osten der Altstadt an die Ringmauer ange­ lehnt. Wenige Jahrzehnte erst vor der Auf­ hebung des Klosters 1806 war die barocke Anlage vollendet mit Kirche, Prälatur, Kon­ ventsgebäude und Gymnasium. Die Stadt und die Pfarreien in St. Georgen begingen 1984 festlich den 900jährigen Gründungstag des Klosters. Anschließend 95

haben auch die Villinger, in deren Mauern der Konvent 270 Jahre lang gelebt und gewirkt hatte, das Jubiläum gefeiert. Da war auf einmal reges Leben in der Benediktiner­ kirche: Festakt, Choralamt mit dem Erzabt von Beuron, Ausstellung und viele Besucher. Droht nach dem Fest das „Benediktiner“ wieder im Dornröschenschlaf zu versinken? Im Konventsgebäude und im alten Gymna­ sium herrscht ständig reges Leben, darin ist die Karl-Brachat-Realschule untergebracht. Die alte Prälatur indes steht leer, und ihre Renaissancefresken harren der Restaurie­ rung. Still ist es auch in der Kirche geworden, die doch lichtdurchflutet eine einladende Stätte ist für Gebet, Gottesdienst, Meditation und auch für geistliche Musik. Sogar ihr Turm hat etwas Musikalisches an sich im Kontrast zu der martialischen Wirkung der Wehrtürme und zum gestrengen Nachbarn, dem Münster. Ich selber habe – im Winter schrecklich frierend – als kleiner Ministrant im „Bene­ diktiner“ Dienst getan von 1946 bis 1957. Dort bin ich zur Erstkommunion gegangen, und dort habe ich auch 1963 meine Primiz gefeiert, so daß so etwas wie eine Herzensbin­ dung an dieses Gotteshaus in mir gewachsen 96 ist. An manchen Feiertagen, wenn der fest­ liche, doch auch anstrengende Gottesdienst im Münster zu Ende ist, gehe ich gern noch eine Weile ins stille „Benediktiner“. Mir ist dann, als wären die schwarzen Mönche erst eben ausgezogen. Der zurückhaltende, klare Rhythmus der Architektur spricht mich an. Etwas wie das Echo der ehrwürdigen Weisen des gregorianischen Chorals scheint noch in den Gewölben zu wohnen. Ein nachdenklicher Rundgang durch die Kirche läßt mich an manchen Stellen inne­ halten, und dann wird mancherlei lebendig von dem, was ich selber erlebt, gelesen oder gehört habe vom „Reichsgotteshaus“ der Benediktiner: 1. Die Statue des Ordensgründers B e n e – d i k t v o n N u r s i a , aus Sandstein ge­ hauen von Johann Schupp für die hohe Nische im Fassadengiebel, steht zur Zeit in der Kirche am hinteren Pfeiler. Vor die­ ser majestätischen Plastik fallen einem klingende Namen von Prälaten ein, die hier in ruhigen und stürmischen Zeiten den Abtstab geführt haben: Etwa Coelestin Wahl von Ochsenhau­ sen, der mit der „großen Reparation“ – wie aus dem S t u c k w a p p e n zu ent-

nehmen -1 7 60 d i e K i r c h e eigentlich v o l l e n d e t hatte. Ihm verdankt sie das berühmte Geläute von Joseph Benjamin Grüninger, auch die kunstvolle Turmuhr mit dem Glockenspiel. Schon vor seiner Abtswahl hatte er mit dem Straßburger Johann Daniel Silbermann den Orgel­ baukontrakt geschlossen und mit dem Gehäusebau Martin Hermann und den Bildhauer Hops beauftragt Der zum Abt erhobene Villinger Hiero­ nymus Schuh hat das Gymnasium geplant und den Turmbau abgeschlos­ sen. Georg III. Gaisser von Ingoltingen war 1685 das für den kleinen Konvent große Wagnis eingegangen, ein ganz neues Kloster mit großer Kirche zu bauen. Was er mit Mut begoI?,Uen hatte, beansprucht während der 80 Jahre Bau­ zeit alle finanziellen Kräfte des Klosters, brachte aber für Künstler und Handwer­ ker gute Aufträge in die Stadt. Eine archivalische Kostbarkeit ersten Ranges und eine nicht zu überschät­ zende Geschichtsquelle für unsere Stadt sind die Tagebücher von Prior und Abt Georg II. Gaisser aus der Zeit des 30jähri­ gen Krieges. Wenige Zitate aus dem zwei­ bändig neu aufgelegten Tagebuch sollen die farbige Persönlichkeit dieses einfluß­ reichen Prälaten verdeutlichen. Als Prior von Amtenhausen schreibt er unter dem 1. U.1623 „Die Priorin berich­ tet, daß die Meisterin und die übrigen Nonnen nicht beichten wollen. Ich erwi­ derte, es sei ein gering anzuschlagender Gewinn, ,mit unwilligen Hunden zu jagen'“. Prior in Rippoldsau geworden, berichtet er am 2. August 1625 „ Vor der Firmung: Nach dem Frühstück geht der Kaplan des Bischofs Petrus Rassler mit mir nach Zimmern, um nachzusehen, wie alles steht. Der Meßner war betrunken, der Vogt mit den Schnittern auf dem Feld, und das, was ich ihnen zur Besorgung aufgetragen hatte, war in keiner Weise erledigt“. Am 7. September 1625 heißt es gar: ,,Mit mir frühstückt ein Priester N. H. künfti­ ger Kaplan in der Markgrafschaft Baden. Der genannte Priester reist ab, nachdem er mir ein Messer im Wert von 3 Talern gestohlen hat“. Ein Jahr später lesen wir am 8. August: ,,Nach dem Frühstück studierte ich, danach trinke ich aus lauter Melancho­ lie“. Der 15. November 1627 brachte ihm durch die Wahl des Konvents die Abts­ würde. Am Abend schreibt er in seinen Kalender: ,,Ich unglücklicher wurde zum Abt des Klosters St. Georgen gewählt, wobei Ort, Zeit und Umstände nur das schlimmste Unheil ahnen ließen, das auch eingetroffen ist und immer noch eintrifft“. Was ein Abt in Villingen schon am 27. Februar 1629 erleben mußte, erregt ein wenig Heiterkeit: ,,Ausbruch von Unruhen im Konvent wegen nicht 97

feierlich genug abgehaltener Fastnacht. Pater Martin hat in seiner Aufregung wegen verweigerter oder vielmehr nicht angebotener – man hat ja nicht darum nachgesucht – Fastnachtslustbarkeit die Becher auf den Boden geschmettert und starke Drohungen ausgestoßen, alles gestern Abend nach der Mahlzeit“. II. Im Chor steht prächtig restauriert das C h o r g e s tüh l . Martin Hermann (1688-1782) hat es geschaffen, und die vornehme Intarsienarbeit ist für mich nicht nur ein Meisterwerk der Kunst­ schreinere� das – Gott sei Dank – erhal­ ten werden konnte; es ist eine kostbare Gebetsstätte für 24 Mönche, die nicht mehr sind, leider. Mir fallen, wenn ich mich auf einen der leeren Plätze setze, die Worte des letzten Abtes von St. Peter Ignaz Speckle ein. Er hat nach dem Ver­ stummen des Chorgebetes 1806 in sei­ nem Tagebuch vermerkt: ,, Wer kann wis­ sen, ob ’s nicht einst wieder in vollen Chören ertönt!“ III. Ein schlichter Holzdecke! rechts vom Hochaltar führt hinab in die M ö n c h s ­ g r u f t . Lustvoll schaudernd sind wir als Ministranten oft hinabgestiegen und haben die Grabkammern, die zerbroche­ nen Platten und ganz hinten die Reste der Gebeine beschaut. Heute weiß ich, daß viel reife Menschlichkeit und geläu­ terter Osterglaube diese Anordnung der Gräber unter dem Chor angeregt hat. Dort, wo das feierliche „Offizium“ und das tägliche „Sacrifizium“ als die Lebens­ mitte der Mönchsgemeinde sich ereig­ nete, dort sollten die Toten unmittelbar mit dabei sein. Damit war die „Commu­ nio sanctorum“ (Gemeinschaft der Heili­ gen) plastisch erlebbar. Schon die Novi­ zen standen beim Altardienst buchstäb­ lich auf den Gräbern ihrer Vorgänger. So wurde ihnen die Treue zum verpflichten­ den Erbe, zur Tradition des Mönchtums und des Klosters als der die Gemein­ schaft prägende Auftrag verstehbar. IV. Bescheiden, weit hinten in der Kirche fin- 98

Es werde werden, sogar bis auf ein paar Kaffeeschäl­ chen und Löffelehen, die Herr Bardot gleich­ wohl dem Hochwürdigen Greis, dem Abt angesucht, überließ“. Mit großherzigen Schenkungen der Stifter Hezelo und Hesso wurde das Kloster 1084 begründet Vom Kommissar gerade noch belassene zwei Kaf­ feeschälchen markieren das Ende. Ich bin als Münsterpfarrer dankbar, daß ich mithelfen darf, die Kirche der Benedikti­ ner zu erhalten und das Andenken der Mönche ehrend zu pflegen. * So fing das erste Wunder an, Das Gott von Ewigkeit ersann, Als in der Finsternis er Licht Entzündet hat im Angesicht Des Sohnes und des Heil’gen Geistes. Des Vaters Hand hat’s so vollbracht, Den Tag der Schöpfung groß gemacht, Gebaut das weite Himmelszelt, Die Erde und die ganze Welt, In seiner Allmacht, Lieb‘ und Güte. Ein Lebenshauch -es ward Natur – Wie Sterne, Mond und Sonnenuhr Erschien der Mensch -nach seinem Bild, Welch‘ ein Geheimnis uns erfüllt, Da schon zugegen Tier‘ und Pflanzen. So wurden Meere, Berg und Tal Wie Gott sie schuf und es befahl, Damit sein Wille offenbar, Er selbst es werde, immerdar, Zum Heile uns für alle Zeiten. Drum ist er auch der Herr der Welt, Weil er dies Meisterwerk erstellt Und sie, solang‘ es ihm gefällt In seinen starken Armen hält, Auf daß es allen sichtbar werde. Johannes Hawner 99 det man an einen Pfeiler gelehnt den Gedenkstein an den letzten Abt Anselm Schababerle aus Baden­ Baden. Er war der Vater des Konvents und der Verantwortliche des Stifts, als 1806 das Verhängnis hereinbrach. ,,Allein es unterging leider! im Sturm der Zeiten, die so vieles Hohe und Edele und Ge­ meinnützige schauerlichst zerstörten. – Auseinandergeschleudert vom unerbitt­ lichen Verhängnisse mußten wir St Georgens Fallmitansehen und überle­ ben“. Ooh. Bapt Schönstein „Geschichte des Klosters St. Georgen“ 1824.) Die Aufhebung des Klosters war religiös, kulturell und wirtschaftlich ein ungeheurer Verlust für die Stadt Villingen. Die rück­ sichtslose Degradierung des Abtes kommt deutlich zum Ausdruck in Pater Schönsteins Chronik: ,,So verlas Herr Bardot das in der Abtei aufgenommene Inventar, und alle Artikel mußten auf der Stelle herbeigeschafft

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Zwölf Baaremer Familiennamen Ihre Erstnennung und ihre Bedeutung Leider können wir zu diesem Beitrag keine Bilder zeigen, denn die alten Familien waren ausnahmslos Bauerngeschlechter, und Bauern trugen niemals Wappen, obwohl sie mit den Rittern in den Kampf zogen. Ur-,,Fatter Bentzing“ wird in einem Haischbuch des Klosters St Georgen vom Jahr 1360 zum erstenmal genannt. Er wurde ums Jahr 1260 in Schwenningen geboren, um dieselbe Zeit, als man anfing, einzelne nicht­ adlige Familien zu benamsen. Der Name B e n z i n g besagte, daß die Angehörigen die­ ser Sippe entweder von einem „Bernhard“ abstammten oder ihm als Grundholden dienten. Die Abkürzung von Bernhard lau­ tete „Benno“, und ein solcher ist uns 1140 als Gemeinfreier aus Schwenningen bezeugt. Eine weitere Kurzform war „Benz“ (ähnlich: Kunrad – Kuno – Kunz, Heinrich – Heino – Heinz). Es gibt den Namen „Benzing“ auch als Orts- und Bergnamen, teilweise mit „P“ geschrieben. So heißt ein Vorort von Wien .,Penzing“; eine Sennhütte im Wendelstein­ gebirge trägt den Namen „Benzing-Alm“, und der zugehörige Berg heißt „Benzing­ Spitze“. Der Familienname B ü r k ist eine Kose­ form von „Burkhard“, -verständlicher in der Durchgangsform von „Bürkle“. Er kommt in Trossingen zuerst vor im 15. Jh.; da besaß ein Hans Byrk einen Hof in dem zugehörigen Talhausen. Von ihm stammt der Müller und Vogt Christian Bürk von Schwenningen ab (1678-1760). Flaig oder F l e i g ist ein Übername für einen flinken, lebhaften Menschen. Der Familienname taucht erst während des 30jährigen Krieges in unserer Gegend auf. 1641 wurde „Eva Fleigin von Münchweyler“ in Villingen der Hexerei bezichtigt und geköpft 25 Jahre danach heiratete der Bäcker .,Christian Flaig“ in der Schwenninger Spi­ thalgaß die Tochter des Heiligenpflegers Michael Haußer. 105 Die H a u s e r kamen von einem der zahl­ reichen Orte „Hausen“,-vielleichtvon Hau­ sen vor Wald oder Kirchen-Hausen. Schon 1457 ist ein Bader „Claus Huser“ in Villingen urkundlich bezeugt. Und bald nach dem Bauernkrieg lebten in Tuningen eine Agatha Hauser, in Talheim ein Paul Hauser. Held ist entweder eine Ableitun�. des Vornamens „Hildo“ oder aber ein Uber­ name. Schon 1244 taucht im Fürstenberger Urkundenbuch ein „Cuonrad dictus (- ge­ nannt) der Held zu Villingen“ auf.1375 nen­ nen zwei Ritter in Villingen einen „Hans Held von Ewattingen“ als Bürgen. Aus dem Bauernkrieg sind uns „Bläsin Held aus Bal­ dingen“ und „Martin Held aus Biesingen“ als Anführer bekannt Der Name J ä c k l e kommt von ,Jakob“. Mein Vorfahr Jacob Benzing wurde „Schloß­ jäcklin“ genannt Im Jahr 1440 wurde der Vil­ linger Bürger „Clously Jaecklyvon Clengen“ geächtet. Und 1471 half ein anderer Closly Jackly mit weiteren Villinger Bürgern einen Streit schlichten zwischen verschwisterten Klosterfrauen in Friedenweiler. Auch derNameJauch komrntvon dem Vornamen ,Jakob“. Das Brüderpaar Theiß und Thyß Jauch heißt in einer Musterungs­ liste von 1523 noch ,Joch“. Zwölf Jahre spä­ ter verlieh der Abt Gallus von St Blasien den ,,erbern Matheus und Mathis Jochen, geprue­ dern“ seinen Fronhof zu Schwenningen. Nun wechseln im Alamannischen regelmä­ ßig „eh“ und „k“, und in verschiedenen Orten der alamannischen Baar und des ala­ mannischen Allgäus heißt der Jakob einfach ,Jök“. Es liegt also nahe, ,Joch“ und ,Jök“ gleichzusetzen, und schon haben wir die Wurzel des Familiennamens ,Jauch“. Kienzle ist ursprünglich ein Kosename für Kunz, und dieser ist eine Abkürzung aus Kuno – Konrad. Ein Hannß Kientz, dessen Tochter urkundlich Anna Küentzle hieß, war der erste Untervogt in Schwenningen

nach dem 30jährigen Krieg. Ein Thomas Küentzle starb damals in Oberbaldingen, und seine Tochter Christina heiratete kurz danach einen Hannß Kaiser in T uningen. Inzwischen ist der Name „Kienzle“ weltbe­ kannt geworden. Den Namen Link kennen viele Orte auf der Baar. 1546 verspricht ein „Berchtold Lingk zu Villingen“, etwaige Streitigkeiten nur vor dem dortigen Stadtgericht abzuhan­ deln. 1594 wird Martin Linckh in Trossingen geboren, wenig später eine Maria Linckh in Aldingen. Im Jahr 1712 heiratete der Bauer Johannes Link, dessen Vater aus Schura zuge­ wandert war, eine Schwenninger Bauern­ tochter und wurde so zum Stammvater der „Schloßhansen“. -Der Name „Link“ soll entweder einen Linkshänder oder einen lin­ kischen Menschen bezeichnen. Der weitbekannte Vogt Hans Schlen­ ker, der im Bauernkrieg aus seiner Villinger Haft einen langen Verteidigungsbrief an die österreichische Regierung in Stuttgart schrieb, kam wahrscheinlich aus Schliengen im Markgräfler Land nach Schwenningen. In den frühen Urkunden heißt sein Name ,,Schliencker“, einmal sogar „Schliengger“. Daß ein Auswärtiger gleich zum Dorfvogt Von Wilderern hört und sieht man heut­ zutage wenig, allenfalls trifft man sie in gefühligen Heimat-und Bergfilmen an, wo sie als düstere Antitypen unverzichtbar sind. In früheren Jahrhunderten, in denen von „ Wohlstand für alle“ nicht die Rede sein konnte, war die Wilderei und der Kampf gegen sie ein immer wiederkehrendes Thema für die herrschaftlichen Gerichte. Um einen solchen Fall ging es auch am 16.Juli 1745 vor dem zuständigen Gericht des fürstenbergi­ schen Hofes zu Donaueschingen. Dem Sitzungsprotokoll entnehmen wir folgende Ausführungen: 106 gewählt wurde, war nichts Außergewöhnli­ ches. Auch Christian Bürk aus Trossingen und Ludwig Schuler aus Dürrwangen wur­ den in Schwenningen Vögt!!, Man brauchte dazu nur gute Beziehungen im Dorf und eine reiche Frau aus der Gemeinde und einen klugen Kopf. Ein Johann Schlenker wurde Zunftmeister und Schultheiß in Villingen. Der Name Schrenk kommt von dem althochdeutschen Wort „screnc“, und das bedeutet „schlau“. Schrenk könnte also mit „Schlaule“ übersetzt werden. 1515 klagte der Vogt Thoma Schrenk aus Schwenningen eine dortige Lohnwäscherin wegen Hexerei an; sie wurde wahrscheinlich hingerichtet. 1532 gehörte ein Cuonradt Schrenck dem Schwenninger Gericht (-Gemeinderat) an. Vier Jahre vorher hatte ein „Andres Schrenck zu Mulhusen“ dem Villinger Rat Urfehde geschworen. Ein V o s s e l er ist einer, der andere Men­ schen gern foppt und neckt. In Villingen taucht 1519 ein „ Votzeller zuo Thayiningen“ in einer Urkunde auf. Ebenfalls zu Tuningen wurde ein Hannß Votzeler 1605 geboren. Ein anderer Vosseler-Zweig stammt aus Talheim, wieder ein anderer aus Trossingen und Otto Benzing Schura. ,,Dato erscheint Joseph Troll Herrschaftli­ cher Jäger zu Sundthausen und zeiget pflichtmäßig an, welchergestalten derselbe an dem Vorabendt des hl. Joannis Baptistae die Schwenninger Höltzer besuchet und gegen Abend sich oberhalb dem sogenanten Kauffholtz auf dem Allment nidergesezt, und über daß Feldt durch daz Perspectiv (-Fernrohr) gesehen habe, ob nicht etwas Verdächtiges da oder dorten passiren möchte. Kaum aber habe er, (der) Jäger, eine Pfeif­ fen Tabac halb außgerauchet und sich gegen dem Kauffholtz umbgesehen, so habe er ,,Schlagt der Dunter, da ist der Jäger!“ Dauchinger Wilderer im Schwenningcr Kaufholz?

�{; … .,.. … Tatort Kaufholz; Ausschnitt aus der Chorographia Ducatus Wirtenbergici, Beschreybung des löblichen Fürstentums Wirtenberg 1596-1612 von Georg Gadner und Johannes Öttinger, Tafel 27, gez. von] Öttinger 1612 (etwa 1:1) einen Baursmann mit einem weißen Kittel ohngefehr 60 Schritt von ihme auß dem Kauffholtz heraußgehendt und anbey wahr­ genommen, das selb(ig)er ein kleinen Stutzer mit einem teitschen Anschlag bey sich habe. Deme seye gleich der andere, so ein Flin­ ten, und so forth der dritte ebenmäßig mit einer Schwantzflinten gefolget, welch letzte­ rer dann auch ihne Jägern also gleich wahrge­ nommen und gegen den anderen gesagt: Schlagt der Dunter, da ist der Jäger. Hierauff auch auf Denuncianten (- den Anzeige erstattenden Jäger) angeschlagen (- angelegt) und abgetruckht, allein seye die Flinten zu allem Glickh nicht looß gegangen, er (der) Jäger aber andurch (- dadurch) zur Rettung seines aigenen Lebens gemißiget worden, sich in Gegenwehr zu setzen und gleichwohlen auf dißen Dritten Feür zu geben, wodurch dann derselbe zu Boden gefallen und außgeruffen: Jesus, es muß gestorben seyn. Weilen er, (der) Jäger sich nun überman­ net gesehen, so habe er sich mit der Schlucht in daz Holtz salvirt (- in Sicherheit ge­ bracht); kaum seye er aber etwelche (- einige) Schritt geloffen, so seyen allschon 3 Schitz (- Schüsse), welche zu allem Glickh 107

ihne gefählet (- verfehlt) haben, looß gebrändt worden. Dahe er nun in den Waldt gekommen und wider seine Büx geladen gehabt, so habe er aus dem Waldt herauß gesehen, daß nebst dem Geschossenen annoch 7 Wiltschitzen zusammengeloffen und den · Blessirten (- Verwundeten) gleich über das Feldt Dauchingen zu getragen haben. Nun habe er zwarn gleich dazumahlen (- damals) nicht aigentlich erkennt, wer der Geschoßene gewesen seyn dörfte, nunmehro aber in Erfahrung gebracht, daß es der berich­ tigte (- berüchtigte}, allhier allschon etlich­ mahl ingelegene urpfeedbrichige (Urfehde – Versprechen, ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten und sich für eine Verurteilung nicht zu rächen) Wiltschitz Weissee so bekannterdingen (- der bekanntlich) sich vor 7 Jahren auff dem Brändt (- Name eines Berges bei Furtwangen) beym Haasenloch absolute nicht ergeben wollen gewesen, und nunmehro verstorben seyen.“ So weit der Bericht des fürstenbergischen Jagdaufsehers. Da sich die tatsächlichen oder vermeintlichen Wilderer nun aber nach Dau­ chingen davongemacht hatten, das zum Rottweiler Gebiet gehörte, vedangten die Fürstenberger von den Rottweilern die Aus­ lieferung oder Bestrafung der Entkomme­ nen. Die Stadt Rottweil indessen tat ihnen den Gefallen nicht, sondern teilte mit, die Dauchinger, die der fürstenbergische Jagd­ aufseher als Wilderer bezeichnet habe, seien gar keine Gesetzesbrecher. Vielmehr hätten sie sich ihren eigenen Angaben zufolge stets auf Rottweilischem Gebiet aufgehalten, wo sie nach dem Recht der „freien Pirsch“ unbeanstandet jagen durften. Dem fürstli­ chen Jäger seien sie gar nicht begegnet, und der angeschossene und einige Tage darauf in Dauchingen verstorbene N. Weisser sei ums Leben gekommen, nachdem sich unbeab­ sichtigterweise aus dem Gewehr des ihn be­ gleitenden Daniel Baumann ein Schuß gelöst habe. Kurz und gut: die Sache verlief im Sande, war den Fürstenbergem und der Stadt Rott­ weil wohl auch nicht wichtig genug, um sich deswegen ernstlich in die Haare zu geraten. Ob Notwehr oder Unglücksfall, ob Wil­ derei oder freie Pirsch – wie es wirklich war, das wissen wohl nur einige alte Bäume im Schwenninger Kaufholz, sofern sie der saure Regen noch nicht dahingerafft hat. Dr. Manfred Reinartz Kappel und Ohereschach um 1607 Zwei Orte an der Eschach auf einer alten Karte Das Tiroler Landesarchiv in Innsbruck bewahrt unter der Nr. 294 eine alte Karte auf, die den Pirsch-, d. h. Jagdbezirk der Stadt Vil­ lingen zeigt. Sie wurde mit großer Wahr­ scheinlichkeit von dem Villinger Maler An­ ton Berin im Jahr 1607 gezeichnet. Aus ihr entnahmen wir die beiden folgenden Abbil­ dungen, die gewiß allgemein noch nicht so bekannt sind wie die Darstellungen aus der berühmten Rottweiler „Pürschgerichtskarte“ von 1564. Die Blickrichtung ist Westen. 108 Eine besondere Bewertung der Ortsan­ sichten soll hier nicht versucht werden; zum Thema „Karthographie der Baar“ sei auf den Aufsatz von Günther Reichelt in den Schrif­ ten der Baar (Heft 28, 1970) verwiesen. Dr. Manfred Reinartz Rechts: Ausschnitt aus der Villinger Pirschgerichtskarte von 1607; Original im Tiroler l..Andesarchrv Innsbruck/Österreich.

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Die Pestkreuze auf der „Fuchsfallenhöhe“ Viele Wanderer haben sie schon gesehen, die drei Kreuze, die auf der „Fuchsfallen­ höhe“ bei Furtwangen-Rohrbach stehen. Welche Bedeutung die aus Eichenholz geschnitzten und im Juni 1984 geweihten Kreuze jedoch haben, ist sicher nur den wenigsten bekannt Und auch in Furtwangen selbst kann kaum jemand Auskunft über die Kruzifixe geben. Pestkreuze sind es, darüber ist man sich einig. Was die drei hölzernen Zeugen jedoch mit der Pest zu tun haben, darum ranken sich manche Gerüchte und Sagen. Letztendlich Klarheit konnte noch niemand so recht in die Sache bringen. Nur Manfred Kimmig, ein Lehrer, der in Rohr­ bach wohnt, hat bei seinen Nachforschun­ gen für die Ortschronik der Gemeinde (sie erschien 1981) einige Spuren über die Vergan­ genheit der drei Kreuze gefunden. Doch zuerst einmal zur Gegenwart, die alles andere als sagenumwoben ist 1971 näm­ lich mußten die drei Pestkreuze, die seit Jahr­ hunderten auf der „Fuchsfallenhöhe“ stehen und von den Familien Ketterer, Blessing und Henninger seit Generationen gepflegt wer­ den, dem Straßenbau weichen. Die moderne Verbindungsstraße über den Hirzwald nach St Georgen wurde gebaut, und da standen die alten Kreuze im Weg. Eigentlich hätten sie bereits im nächsten Jahr an anderer Stelle wieder aufgestellt werden sollen, sie waren jedoch zu verwittert, als daß sie das schadlos überstanden hätten. So wurden neue Kreuze in Auftrag gegeben, und der sogenannte ,,Herrgottschnitzer“, Werner Adolf aus Kon­ stanz, und der Zimmermann Albrecht Rei­ ner aus Brigach fertigten sie an. Auch zwei Bänke, die zur Ruhe und Besinnung an die­ sem Ort einladen sollen, wurden angefertigt. Aufgestellt wurden Kreuze und Bänke aller­ dings erst am Pfingstmontag im Jahr 1984, denn der Straßenbau hatte sich sehr ver­ zögert. Und der Platz, an dem die Kreuze heute stehen – zwischen Asphaltpisten, einer Brücke und ein wenig Grün – mindert sicher deren historischen Wert. 110 13 Jahre lang, von 1971 bis 1984, standen auf der Fuchsfallenhöhe keine Pestkreuze. Sie mußten dem Straßenbau weichen. Wo liegt er nun eigentlich, der Wert dieser Kreuze, die vermutlich um 1640 zum ersten Mal auf der Anhöhe zwischen Rohrbach und Brigach aufgestellt wurden? Damals, so meint der Hobby-Geschichtsforscher Man­ fred Kimmig, stellten die Bauern solche Kreuze auf, um Gottes Schutz vor Pest, Krieg und Elend zu erflehen. Dazu hatten sie damals wohl auch allen Grund, denn Solda­ tenheere General Pappenheims, spanische Regimenter und bayrische Räubersoldaten trieben in der Umgebung ihr Unwesen. Mündlich wird berichtet, daß 1639 Franzo­ sen die Pest auf ein Hofgebäude des Ortes eingeschleppt haben. Im Jahr 1655 sind die drei Kreuze erstmals erwähnt. Bei Grenzum­ ritten des Triberger Obervogts wurden sie in

ein Protokoll aufgenommen. Berichte aus dem 30jährigen Krieg wurden von den Bauern überliefert. Anders wieder lauten Nachforschungen eifriger Geschichtsforscher, die den Pest­ kreuzen den Namen „Napoleonkreuze“ geben wollten, was der Schreiber der Orts­ chronik, Manfred Kimmig, allerdiJ?-is wider­ legte. Er schenkte der mündlichen Uberliefe­ rung der Bauern mehr Bedeutung. Die drei Holzkreuze stehen auf dem Gelände des sogenannten „Seppenjockels­ bauern“ Ketterer (das Geschlecht Ketterer ist seit mehr als 400 Jahren auf diesem Hof). Die Familie Ketterer pflegt zusammen mit dem Fuchsfallenwirt und dem Hirzwaldwirt diese Kreuze, die von Pater Fleig aus Rohrbach geweiht wurden. Und auch der Seppenjok- kelsbauer bestätigte in seiner Ansprache bei der Weihefeier im Jahr 1984 die Theorie Manfred Kimmigs über die Pestkreuze: ,,Die Tradition, diese Kreuze zu erhalten und zu pflegen, wurde von unzählbaren Generatio­ nen der Bauern weitergeführt, und man erzählte sich den Sinn der Kreuze. Diese mündliche Weitergabe um die Pestkreuze aus dem 30jährigen Krieg hielt sich bis heute, so daß wohl sicher den Berichten der Bauern eher Glauben geschenkt werden kann, als irgendwelchen Annahmen von eifrigen Nachforschern, denen es manchesmal mehr um das Aufstellen wilder Theorien geht als um die Sache selbst.“ Ingrid Pfeiffer Am 11. Juni 1984 wurden die drei Pestkreuze auf der „Fuchsfallenhöhe“ geweiht. Der Ortsgeistliche, Pater Fleig, nahm die Weihe vor. 111

Landesgrenzsteine zwischen Baden und Württemberg Geschichte und gegenwärtiger Zustand -Pilotteststrecke Dauchingen -Niedereschach zogtum Baden und dem Königreich Würt­ Im Jahre 1806 entstand auf der Grundlage temberg noch kleine Grenzkorrekturen, die des Rheinbund-Vertrages das Großherzog­ jedoch im Gebiet des heutigen Schwarzwald­ tum Baden (Karl-Friedrich von Baden), und Baar-Kreises um 1810 zum Abschluß kamen. am 1. Januar des gleichen Jahres nahm Her­ In einer Zeit zunehmenden Interesses an zog Friedrich von Württemberg die Königs­ historischen Gebäuden und Steinen (Sand­ würde an (Friedrich 1. von Württemberg). stein), war es den Verfassern angelegen, die Daher wurde es notwendig, die Grenze zwi­ alten Grenzsteine zwischen Baden und schen Baden und Württemberg genau zu Württemberg aufzusuchen und zu doku­ markieren und zwar mit Grenzsteinen längs mentieren. der ganzen Strecke vom Bodensee bis Nord­ Durch Verwitterung und Umweltver- baden. Es folgten zwischen dem Großher- Abb. 1 Die aktuelle Untersuchungsstrecke der Grenzsteine N 97 bis N 107 – östlich von Längental (Dauchin­ gen), „aus dem Uebersichtsp/an der Gemarkung Dauchingen� gezeichnet von Crecelius 1893. f(iiniareich ‚iirlf emliero 112

Abb. 2a, 2b, 2c Die Grenzsteine haben fünf behauene Flächen: Das Badische Wappen, Nummer (hier N 100), die Rille als Richtungshinweis zu den angrenzen­ den Steinen und das,für Vennessungszwecke ein­ gehauene Zentrierloch. Das Württembergische Wappen und Jahreszahl (hier 1838). Der Grenzstein (N 100) ist gut erhalten und bekommt 4 Bewertungspunkte. schmutzung sehen wir in unseren Tagen eine zunehmende Zerstörung des Sandsteins, und die Verfasser betrachten es daher jetzt als ihre Aufgabe, den gegenwärtigen Zustand der ehemaligen Landesgrenzsteine zwischen Baden und Württemberg festzuhalten. Material und Methodik Als Pilot-Teststrecke wurden die ehemali­ gen Landesgrenzsteine zwischen Baden und Württemberg östlich von Längental – zwi- 113

sehen Dauchingen und Niedereschach – aus­ gewählt. Jeder Grenzstein hat eine Nummer, und die Teststrecke umfaßt die Grenzsteine N 97-N 107 (s. Abb. 1). Bewertungsmaßstab des gegenwärtigen Zustandes der Grenzsteine Um den derzeitigen Zustand der Grenz­ steine klassifizieren zu können, wurde jedem Stein, abhängig von seinem Zustand, 1 bis 4 Bewertungspunkte vergeben: 4 Punkte: In bestem Zustand, ohne feststell­ bare Verwitterungsanzeichen, sehr gut lesbar. 3 Punkte: Leichte Anzeichen von Verwitte­ rung, ohne Beschädigungen, gut lesbar. 2 Punkte: Deutliche Verwitterung, mecha­ nische Beschädigungen, kaum lesbar. 1 Punkt: Starke Verwitterung, starke mecha­ nische Beschädigungen, nicht lesbar. Die Steine wurden in Höhe und Breite vermessen und mit den obigen Punkten bewertet und dokumentiert. Vermerke even­ tueller nicht korrekter Position oder völligen Fehlens der Steine wurden gemacht, und bei Bedarf wurde die Distanz zwischen den ein­ zelnen Grenzsteinen gemessen. ERGEBNISSE Maße und Symbole Die Grenzsteine sind quaderähnlich und aus Buntsandstein gehauen. Jahreszahl, Nummer, Badisches und Württembergi­ sches Wappen sind mehr oder weniger künst­ lerisch eingeschlagen. Bei Stein N 100 (s. Abb. 2 a-c) – dem wir 4 Bewertungspunkte geben konnten – erkennt man deutlich die Jahreszahl (1838), die Stein­ nummer (N 100), das württembergische Wappen mit seinen Geweihen und das badische Wappen mit seinem schräggestell­ ten Balken. An der oberen Fläche des Steines finden wir eine gerade Rille mit Hinweis auf die Richtung zu den angrenzenden Steinen, und auch das, für Vermessungszwecke einge­ hauene Zentrierloch. Bei den sogenannten Ecksteinen (z.B. Stein N 105, s. Abb. 3 a-3 b) erkennt man eine gewinkelte Rille. 114 Abb. 3 a und 3 b Der umgefallene Stein N 105 mit Winkel-Rille, sog. Eckstein. Maße des Steins: Höhe 117 cm, oberen Seitenlänge 29 x 29 cm, untere Seitenlängen 32 x 36 cm.

Im Prinzip sind die Steine in unserem Untersuchungsgebiet ca. 120 cm hoch, wovon sich etwa 60 cm im Erdreich befin­ den. Bei Stein N 105 (s. Abb. 3 a und 3 b) konn­ ten wir sämtliche Maße feststellen. Die Ursache hierfür war, daß dieser Stein umge­ fallen war, so daß wir auch den Sockel aus­ messen konnten. Dieser Stein N 105 war ins­ gesamt 117 cm hoch. Die unbehauene Basis des Steines zeigt die Maße 36 x 32 cm, das oberirdische Maß beträgt 29 x 29 cm. Ursprünglich war dieser Stein 60 an tief in die Erde gesetzt. Weitere Ergebnisse beim umgefallenen Stein N 105 Es ist bekannt (Vermessungs-und Karten­ wesen, Baden-Württemberg, 1983), daß zur Sicherung von Grenzen geheime Zeichen unter oder neben die Grenzsteine gelegt wur­ den, die sogenannten Marksteinzeugen. Diese Marksteinzeugen waren immer aus einem anderen Material als der Grenzstein selbst oder das anstehende Material (Kera­ mik, Glas, Ton). Sogar glasierte Miniatur­ grenzsteine wurden gefunden. Daher war es für uns von Interesse, unter dem umgefallenen Stein N 105 nach einem eventuell vorhandenen Zeugenstein zu suchen. Tatsächlich haben wir auch einen solchen gefunden! Dieser Zeugenstein ist aus Ton, dreieckig, mit der Basis 9,5 cm. Einige Tonscherben ohne bestimmte Form lagen auch dabei. Besondere Grenzsteinformen Nicht alle Grenzsteine waren quaderähn­ lich. Ein Stein (N 101) hatte die Form eines nur leicht bearbeiteten Findlings, eher schmal und mit gewölbter Oberfläche. Die­ ser Stein ist wahrscheinlich älter als 1838, und es ist nicht auszuschließen, daß nachträglich an der Badischen Seite die Initialen – G.B. – (Großherzogtum Baden) und an der Würt­ tembergischen Seite die Initialen – K. W. – (Königreich Württemberg) eingehauen wur­ den. Die Maße von Stein N 101: Breite – 20 cm, vordere Front – 36 cm, Bewertungs­ punkt: 1! Wo ist Stein N 107? Trotz intensiver Suche konnten wir Stein N 107 nicht finden. Dieser Stein ist also ver­ schwunden, vielleicht wurde er gestohlen. Schon früher haben wir auf der Grenzlinie zwischen Baden und Württemberg fehlende Steine festgestellt und zwar, wenn die Grenz­ linie entlang von Wegrändern verlief. Auch hier liegt die Vermutung nahe, daß diese Steine gestohlen wurden! Der grenzbegleitende Graben – ein Rätsel Inmitten des Waldes längs der Grenzlinie der Steine N 97-N 101 fanden wir auf der Württembergischen Seite der Grenzlinie einen ca. 2 m breiten und 1 m tiefen Graben. Einen solchen grenzbegleitenden Graben (limesähnlich!) haben wir bis jetzt während unserer jahrelangen Grenzsteinstudien nicht gefunden. Die Geschichte und Bedeutung dieses Grabens ist für uns zur Zeit noch rätselhaft. L. Mannerfelt und A Schlenker * Entfernung von der Küste Die Küste hat mir die Geschichten von alter Lust am Raub erzählt – Die Frucht der bitteren Erkenntnis ist nach dem Pflücken bald geschält. Die Stadt mit ihren Lärmkaskaden bleibt unter mir, gelöscht vom Wind der Berge, wo Odysseus‘ Segel nur noch verirrte Möwen sind. Schon nach den ersten Kaktushecken im Ödland mit Geröllbesatz – da haben alle Strandnovellen auf einem Eselrücken Platz. * 115

Viktor von Scheffel in Donaueschingen Erinnerungen an den Hofbibliothekar aus Anlaß des 100. Todestages Zum 100. Mal jährt sich am 9. April 1986 der Todestag des Dichters Joseph Viktor von Scheffel. Wenn sich bei diesem Anlaß im Lande Baden die Städte -darunter Karls­ ruhe, Heidelberg, Säckingen -zu Wort mel­ den, mit denen der Dichter zu Lebzeiten besonders enge Verbindungen hatte, dann darf in der Liste Donaueschingen nicht feh­ len. Die Stadt, in der der Dichter des „Ekke­ hard“ unter Fürst Karl Egon III. als Fürstlich Fürstenbergischer Hofbibliothekar wirkte. Nur ein und dreiviertel Jahre währte Schef­ fels Tätigkeit am Fürstlichen Hof in Donau­ eschingen. Aber noch ist die Stadt und ist der Raum der Baar voller Erinnerungen an den Dichter. Welche Rolle die Stadt an der Donauquelle an einem besonders kritischen Punkt dieses Poetenlebens gespielt hat, ist den Briefen Scheffels ins Karlsruher Eltern­ haus zu entnehmen. Unter dem Titel „Pflicht und Neigung. Scheffel in Donaueschingen“ sind sie im Jahr 1946 von Dr. Wilhelm Zent­ ner veröffentlicht worden. In keinem Augenblick kommt in der erre­ genden Brieffolge der Widerstreit „zwischen Pflicht und Neigung“ zur Ruhe. Die Pflicht sprach für Donaueschingen, die Neigung des Dichters für Weimar, wo er Eindrücke für einen Wartburgroman sammeln wollte. Schon im ersten Brief vom 10. Dezember 1857 aus Donaueschingen stehen sich die beiden Höfe als geheime Konkurrenten gegenüber: ,, Von Weimar schreibt mir der Grossherzog neulich wieder persönlich und hofft, mich in allernächster Zeit zu haben, hier in Donaueschingen erhalte ich ein Dekret mit provisorischer Anstellung zum Hofbibliothekar und jedermann gratuliert mir zu dem enormen Glück“. Gewiß, die Residenz der Fürstenberger auf der Baar hatte ihren höfischen Glanz und ihre theatralische Nachblüte hinter sich, als der Dichter am 1. Dezember 1857 die Stadt betrat Das Hoftheater, am 28. April 1850 116 Viktorvon Scheffel, eine Zeichnung von A. v. W (Anton von Werner) mit Datum vom 16. Februar 1878. niedergebrannt, war nicht mehr aufgebaut worden. Die Zeit nach der 48er Revolution wandte sich neuen, prosaisch-nüchternen Aufgaben zu. In Donaueschingen begann die Pflege der Sammlungen in der Galerie, dem Archiv und der Hofbibliothek. Der idealistischen Epoche der Klassik und der Romantik folgte eine wissenschaftliche, pädagogisch-praktische. In den Provinzstäd­ ten begann das Kulturleben sich im bürger­ lichen Vereinsleben zu zersplittern. Zunächst wirkte auch auf Scheffel die Begegnung mit der Kleinstadt an der Donau­ quelle beklemmend. Einen Monat zuvor noch hatte er am Hof in Weimar die ehren­ und verhängnisvolle Verpflichtung, einen Wartburgroman zu schreiben, eingegangen.

Wenige Wochen später schreibt der Dichter aus Donaueschingen: Die Kleinstädterei, wenn sie „kolossale Dimensionen“ an­ nimmt, könne geradezu „etwas Ehrwürdi­ ges“ an sich haben, und er fährt fort: ,,Donaueschingen ist nicht für jedermann, aber für mich eine stille Oase in der Wüste des Lebens, wo unvermerkt und von keinem Samum bestrichen, gute Gedanken wie Dat­ teln an den Palmbäumen zur Reife kommen können.“ Ein kleiner Freundeskreis scharte sich rasch um den Naturburschen Scheffel, der die ersten acht Tage noch bei Baptist Baur, dem Wirt zur „Falkenpost“, wohnte, dann beim Dreher Limberger in der Gaisengasse – heute Max-Egon-Straße – eine Unterkunft fand. Dort, in des Meisters Junggesellen­ klause, traf man sich, oder aber in seinem Stammlokal, der Anfang der zwanziger Jahre in diesem Jahrhundert eingegangenen „Fal­ kenpost“. Der Hofkapellmeister Kalliwoda zählt zu dem engeren Kreis, der Hofapothe­ ker und Badische Abgeordnete Kirsner, Pro­ fessor Bär von der Lateinschule, dem nach­ maligen Fürstenberggymnasium, Oberamt­ mann Lang, Amtsrevisor Wenz, Lehrer Dullenkopf und Galerieinspektor Frank. Noch gibt es in Donaueschingen eine Zeichnung von Heinrich Frank, seines Zei­ chens Zeichenlehrer der Fürstlichen Kinder, Hofmaler und nach 1872 Galeriedirektor, die ein nächtliches Ständchen für eine Donau­ eschinger Schöne im Bilde festhält. Auf dem Blatt stehen ein paar humorvolle Verse des Dichters Scheffel auf das galante Abenteuer. Bei besonderen Anlässen fehlte in der Dich­ terklause die selbstgebrannte exquisite Tasse Mokka nicht, die Scheffel mit feierlich orien­ talischem Zeremoniell in vorgeschrittener Stunde seinen Gästen vorzusetzen liebte. Die Mansardenwohnung mit junggesellen­ haftem Zuschnitt schildert im Herbst 1858 ein Brief des Dichters an seine in Freiburg verheiratete Base Emma Mackenrodt: ,,Auf meiner Stube merkt man den alten Jungge­ sellen, der sich viel für leblose Gegenstände interessiert . . . auf einem Blumentisch ein ausgestopfter Falk, mitten unter Rosen und Fuchsien, nächstens bestelle ich noch aus­ gestopfte Fledermäuse, die vom Plafond an Fäden herabflattem müssen. Dabei viel Pho­ tographien berühmter Künstler, worunter auch mein lieber Freund Anselm Feuerbach in Rom – eigene Zeichnungen und Reiseerin­ nerungen. Es sieht bunt, wohnlich, aber unsolid bei mir aus“. Dann wieder geht der Blick des Dichters in den Donaueschinger Jahren zurück auf seinen bisherigen Lebensweg. Was war er nicht alles gewesen – dieser Fahrende mit dem unruhigen Herzen: Maler, Poet, Jurist, Referendar, Bibliothekar, Naturschwärmer. Mit dem Ehrentitel eines „Primus omnium“ hat er im Juli 1843 das Gymnasium in Karls­ ruhe verlassen. Er wollte Maler werden. Der Vater fordert – der Sicherheit halber – ein „Brotstudium“. Die Familie in Karlsruhe einigt sich auf das Studium der Rechte, dem Scheffel in München, Heidelberg und Berlin obliegt. Zwei Jahre ist er Sekretär des Badi­ schen Bundesgesandten K. Th. Welker in Frankfurt, danach Rechtspraktikant in Säk­ kingen, später am Hofgericht in Bruchsal. Doch in keiner dieser Positionen konnte er dem herrschenden System Sympathien ab­ gewinnen. „Mit der Kleinstädterei“ – so zwei Monate nach dem Einzug in Donaueschingen – ,, ver­ söhne ich mich. Das leidige Besuchmachen ist freilich hart, man sieht entsetzlich darauf. Und doch wäre mir nicht unlieb, eine Reihe von Jahren hier zu verleben, weitab von der unbefriedigenden und resultatlosen Unruhe der großen Welt. Die Bibliothek ist vortreff­ lich. Den Fürsten verehre ich persönlich. In die grosse und elegante Welt tauge ich nicht. Karriere mag ich keine machen. Für den Nor­ den habe ich keine Sympathien“. Auch die Muse kommt nicht zu kurz. Mehrere Rodensteinlieder fallen in die Donaueschinger Zeit, darunter „Rodensteins Nachtlied“ und „Des Rodensteins Ritt zum Mond“. Auf einen im Kanzleistil gehaltenen Fragebogen der Freunde in Heidelberg, wie es dem abhängigen Dichter an der Donau-117

Der Freundeskreis des Hofbibliothekars Scheffel bringt (1859) einer Donaueschinger Schönen ein nächtliches Ständchen; es gab den Anlaß far 7 humorvolk Verse des Dichters auf das galante Abenteuer. 118

quelle gehe, gibt der fürstliche Bücherwart die Antwort: ,, Wie einem Ovidius, da man ihn an den Pontus ins Exil geschickt, trinkt viel Bier, macht grosse Fusswanderungen ins Wutachtal, Gaucbachtal, Brigachtal, hat Händel mit Revisoren und Rechnungsrä­ ten“. Mit der Sichtung und Katalogisierung brachte Scheffel einheitliche Maßstäbe in die Bücherhallen an der Donaueschinger Hal­ denstraße. Die 21 vorhandenen Katalog­ bände wurden unter seiner Amtsführung auf 28 Folianten gebracht und um mehrere tau­ send Titel vermehrt. Seine besondere Auf­ merksamkeit galt den Bucheinbänden. Alle Buchbinder der Stadt waren in Scheffels Amtszeit damit beschäftigt, den Bänden der Hofbibliothek ein neues Gesicht zu geben. Den Bücher- und Aktenstaub hat er, dank seinem unbezähmbaren Wandertrieb, immer wieder rechtzeitig abgeschüttelt Das Stette­ ner Schlößchen am Eingang zum Hegau, mit dem Blick auf den Hohentwiel des „Ekke­ hard“, das wildzerklüftete Tal der Wutach, wo die „Scheffellinde“ in Achdorf die Erin­ nerung an frohe Musestunden des Dichters wach erhält, waren immer neu aufgesuchte Ziele und haben unzählige Anregungen gegeben zu Scheffels Juniperus“-Erzählung, die ursprünglich als Einlage im Wartburg­ Roman gedacht war. ,,Ich bin viel draussen herumgekommen und weiss jetzt in der Baar, im Hegau, am Schaffhauser Rhein, im Uhr­ macher-Schwarzwald und bei den württen­ bergischen roten Strümpfen an den Q!iellen des Neckars gut Bescheid“, ist in einem Brief aus Donaueschingen zu lesen. Doch die Ungewißheit über das künftige eigene Schicksal ließ dem Dichter keine Ruhe. Immer stärker überkommt Scheffel in Donaueschingen das Gefühl des Abneh­ mens seiner poetischen Schaffenskraft Mochte der kunstsinnige Fürst dem Frei­ heitsdrang Scheffels noch so sehr entgegen­ kommen, auf die Dauer konnte das geruh­ same Dasein, eingeengt zwischen Büchern und Museumsfrieden, den schweifenden Geist dieses Fahrenden aus dem Geschlecht der späten Romantiker nicht befriedigen. „Ich sehne mich sehr“, heißt es im Sommer 1858, ,,aus der hiesigen Stille und Museums­ monotonie nach anderen Eindrücken und Gesichtern. Steter Verkehr mit Büchern macht die Seele schlaff“. Wenige Monate später ist die Entschei­ dung gefallen. Der letzte Eintrag Scheffels im Ausleihjournal der fürstlichen Bibliothek findet sich am 16. April 1859. Im Sommer löste er offiziell sein Verhältnis als fürstlicher Bücherwart, wohl wissend, daß „das Glück und der Friede, die er hier reichlich genossen, schwerlich auf seiner einsamen Poetenlauf­ bahn wieder zu finden sein werden“. Wie bit­ ter der Abschied geworden ist, gebt aus dem Entlassungsgesuch vom 30. August 1859 her­ vor. ,,Ein Heimweh nach der Baar, das sich jetzt schon zuweilen fühlbar macht, wird mich noch oft daran erinnern, dass ich mit dem Schritt, den ich durch dieses Schreiben tue, vielem entsage, was mir nicht wieder zuteil wird. Es ist nun mein Schicksal“. Für Scheffel ging die unstete Wander­ schaft vor 100 Jahren in Karlsruhe zu Ende – eben da, wo er vor 160 Jahren – am 16. 2.1826 – das Licht der Welt erblickt hatte. Lorenz Honold Der Gasthausboom in Nußbach Auf die Einrichtung und den Betrieb von Gast-, Bier- und Schankwirtschaften hielten in früheren Jahrhunderten weltliche und zuzeiten auch geistliche Obrigkeiten ein wachsames Auge, sie verweigerten die „ Wirtsgerechtigkeit“ in Orten, in denen die Entwicklung stillzusteben schien und erteil­ ten sie nur, wenn ein wirkliches Bedürfnis entstand und der Leumund und die Eignung des Antragstellers über jeden Zweifel erha­ ben waren. Wer Wirt werden wollte, hatte es auch deshalb schwer, weil er auf den entschie- 119

denen Widerstand aller bisherigen Wirte in der Gemeinde stieß, die die Notwendigkeit weiterer Gasthäuser nur mit Mühe oder über­ haupt nicht einzusehen vermochten und eine neue lästige Konkurrenz von vorneher­ ein zu unterbinden versuchten. Überstürz­ ten sich ab�r einmal die Ereignisse und ver­ änderte sich in einem Dorf binnen kurzem die Bevölkerungsstruktur, so mußten auch Bezirksämter und Regierung auf die neuen Verhältnisse reagieren und „Konzessionen“ machen, um den elementaren Bedürfnissen menschlichen Lebens gerecht zu werden. In Nußbach hatten in den nach der März­ revolution 1848 wieder ruhigen Jahren ein­ zelne Bürger die Absicht, eine Gastwirtschaft oder wenigstens einen „Bierschank“ einzu­ richten (wobei Anträge und Bescheide nicht immer eine Gewannangabe enthalten); und es wurden alle Möglichkeiten -gelegentlich selbst illegale -ausgeschöpft, wenn es um die Wahrnehmung eigener Vorteile ging. 1851 erteilte die Regierung des Oberrhein­ kreises in Freiburg d_em F�edrich Hör die Konzession, �sein selbst gebrautes Bier und Branntwein auszuschenken.“ Damit war kraft Gesetzes von 1834 die Erlaubnis ver­ bunden, auch kalte Speisen zu verabreichen. Vier Jahre später versuchten Joachim Kienzler und Cölestin Fehrenbach ihr Glück ohne amtliche Genehmigung, doch das Großherzogliche Bezirksamt Triberg ord­ nete an, daß Kienzler „den Wirthsschild einstweilen abzunehmen habe“ (bei einer Strafandrohung von 5 bis 15 Gulden). Beide kamen ungestraft davon, aber während letz­ terem die Freude am Wirten schon vergan­ gen zu sein schien, gab Kienzler nicht auf. Er wußte „die rechte Stelle“, wohin man sich in einem Fall wandte, wenn auch die Regierung in Freiburg abgelehnt hatte: an das Großher­ zoglich Badische Ministerium des Innern. Aber auch dieses verweigerte ihm das Bier­ schankrecht 1857. In der „ Wirtschaftspe­ riode“ 1860-65 versuchte er es wieder auf der niederen Ebene, gemeinsam mit dem Krämer und Gemeinderat Benedict Bleibe!. Wieder vergeblich. Ein weiteres Gasthaus uo

neben „Kaiser“, ,,Krone“ und „Geitsche“ fand man nicht notwendig. Bleibe! mußte sich mit einem Teilerfolg zufrieden geben. Im kleinen durfte er Wein verkaufen, den Ausschank des Weines versagte man ihm. – Aussichtslos war dagegen die Absicht des Mathä Reiner, ein Realwirtschaftsrecht zu erhalten (1863). Nach Ablauf von fünf Jah­ ren gab Kienzler wieder um die Konzession einer Bierwirtschaft ein: abermals vergebens. An der Einwohnerzahl hatte sich nichts geändert, der Eisenbahnbau stand zwar in Aussicht, war aber noch nicht in Angriff genommen, die „Zuglinie“ durch Nußbach noch nicht einmal festgelegt. Aber schon in der zweiten Hälfte des Jah­ res 1865 kam Bewegung in die Angelegen­ heit. Zwar hatten sich „Armbruster zum Kai­ ser“ und „Dold zur Krone“ gegen eine Bier­ wirtschaft gewehrt, ihre Einsprüche wurden jedoch in einer Kreisratssitzung verworfen. Auch in früherer Zeit hätten drei verschie­ dene Besitzer „Realwirtschaften“ betrieben, eine -inzwischen erloschene „persönliche Bierwirtschaftsconcession“ (im „Hirschenj – sei noch hinzugekommen. Auch Nuß­ bachs Gemeinderat stellte die Notwendig­ keit einer zusätzlichen Gaststätte einstimmig mit der Begründung fest, daß die „im Dorfe wohnenden eigentlichen Wirthe zum Ver­ zapfen von Bier nicht gezwungen werden“ können und „just der Verkehr nach allen Richtungen in jedem Fall ein gesteigerter ist und zudem die Bierconsumtion, wie aller­ wärts, insbesondere auch auf dem Schwarz­ wald täglich zunimmt und ausserdem der Verkehr ganz besonders sich steigern wird, wenn, wie dies fest steht, im kommenden Frühjahr die Eisenbahn nach Hausach eröff­ net und zuversichtlich auch der Weiterbau der Bahn beginnen wird.“ In geheimer Sitzung gewährte endlich der Bezirksrat Triberg am 19. Oktober 1865 Joa­ chim Kienzler die Berechtigung, Bier, Branntwein und kalte Speisen auszugeben. Nach zehn Jahren! Das Gesuch des Benedict Bleibe! wurde abschlägig beschieden, weil es zu spät eingereicht worden war. Außerdem: Gasthaus „Krone“ 121

da „in Nußbach noch zwei sehr gut betrie­ bene Gast-und Weinwirtschaften“ bestan­ den, war „dem Bedürfniß … nach allen Rich­ tungen z. Zt. genügt“. Dem „Bierwirth“ Kienzler aber war seine Konzession schon nicht mehr genug, er wollte eine Restauration und beantragte so­ gleich die Erweiterung seines Bierschank­ rechts in ein Schank-und Speisewirtschafts­ recht: vergeblich. Das Bezirksamt Triberg verwarf das Gesuch als unbegründet und unstatthaft. 1867 wurde endlich mit dem lange erwar­ teten, schwierigsten Abschnitt der Schwan­ waldbahn begonnen. Der erste, der um das leibliche Wohl seiner Bahnarbeiter -und offenbar auch anderer Mitmenschen – besorgt war, war der Bahnbauakkordant Jean Francois Simeon Brenet aus Bourget, der spä­ tere Erbauer der Friedhofskapelle in Nuß­ bach. Auf ihn sollte im Auftrag des Bezirks­ amtes das Bürgermeisteramt Nußbach ein wachsames Auge haben. Er durfte zwar „den bei ihm in Arbeit stehenden Personen die Kost verabreichen und dazu an geistigen Getränken soviel, als für einen Arbeiter üblich ist“, auf keinen Fall aber war ihm (in seinem Lokal, dem „Hirschen“) vor der Ertei­ lung der Konzession „das Verabreichen von Speisen im größeren Maaße oder an nicht bei ihm beschäftigte Arbeiter oder Fremde, mit anderen Worten das förmliche Wirtschaf­ ten“ erlaubt. Auf die neue Lage hatte sich auch Gabriel Reiner eingestellt. Seine Wohnung lag nahe der Eisenbahnbaustelle, er beherbergte und verköstigte Bahnarbeiter, die aber auch ihre Kameraden mitbrachten. Damit ihm keine Unannehmlichkeiten entstanden, bean­ tragte er (1868) eine Konzession für fünf Jahre, um Speisen und Getränke anbieten zu können. Und nun überschlagen sich die Gesuche geradezu: Einheimische und Ausländer, Männer und Frauen bemühten sich um Kon­ zessionen. Josef Asprion und Andreas All­ gaier wollten Barackenwirtschaften für die Dauer der Bahnbauzeit einrichten, sie durf- 122 ten es (mit der Einschränkung auf Eisen­ bahnarbeiter). Josef Gilles (aus dem König­ reich Preußen) konnte mit dem Wirten be­ ginnen, ,,wenn die Großherzogliche Eisen­ bahninspektion den Bau der Eisenbahn in jener Gegend für begonnen erklärt hat“. Augustin Plano durfte für die Bahnbauzeit Speisen und Getränke (nur) an Bahnarbeiter abgeben. Angelo Anessi machte man zur Auflage, mit seiner „Barakenwirtschaft“ am Hohnentunnel erst zu beginnen, wenn sie für die Beherbergung von mindestens 30 Arbeitern eingerichtet war. Rosa Battista erhielt das persönliche Gastwirtschaftsrecht am oberen Portal des Famwaldtunnels. Be­ dingung: 30 Schlafstellen für Eisenbahn­ arbeiter. Die gleiche Auflage machte man Stefano Misenta. Ebenso wurde Giovanni Dellmissier und Mathias Hettich das persön­ liche Gastwirtschaftsrecht gewährt. -Selbst der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 und die vorübergehende Unter­ brechung der Arbeiten vermochten die Ent­ wicklung in Nußbach nicht wesentlich zu bremsen. Joachim Kienzler war gestorben, seine Witwe beantragte, die Wirtschaft weiterbe­ treiben zu dürfen. Dafür war keine beson­ dere Erlaubnis nötig. Josef Bader durfte am Graisbach eine Gastwirtschaft führen, wäh­ rend das Gesuch des Gregor Schwab, nur wenig später eingereicht, vom Gemeinderat ohne Begründung abgelehnt wurde. Inzwi­ schen konnte Pietro Bertino im Hause des Michael Kieninger für die Dauer des Eisen­ bahnbaus unter der Bedingung, daß er 20 Betten für die Arbeiter aufstellte, eine Gast­ wirtschaft betreiben. Bei Lorenz Scherzinger sollte der Gemeinderat Nußbach überprü­ fen, ob sich die für die Beherbergung von 20 Arbeitern vorgesehenen Räume nach Be­ schaffenheit und Lage eigneten. So wenig wie Joachim Kienzler 10 Jahre lang die Hoffnung aufgab, tat es jetzt Gregor Schwab. Er wußte genau, warum man ihm die Erlaubnis versagte, während man sich jetzt doch sonst so großzügig gab: Die mei­ sten Mitglieder des Gemeinderates waren

Das Gasthaus .,,Geutsche“ mit den Wirten in Nußbach verwandt oder verschwägert. Schwab ersparte den Gemein­ deräten die Peinlichkeit nicht, den Grad ihrer Verwandtschaft dem Bezirksamt bekanntzu­ geben. Der Gemeinderat wurde außerdem aufgefordert, einen ausführlichen Bericht mit den Gründen vorzulegen, die dem Ge­ such Schwabs entgegenstehen. (Der Bericht ist nicht erhalten.) Bis sich Schwab wieder zu Wort meldete, wurde Joseph Tränkle von Schönwald gestat­ tet, im Krähendobel eine Gastwirtschaft ein­ zurichten. Maria Rosa Löffler wollte einen Kleinhandel mit Branntwein aufmachen, aber nach Meinung des Bezirksamtes be­ stand „keinerlei Bedürfniß des Publikums“. Johann Reiner durfte im oberen Hirzwald eine Gastwirtschaft betreiben, nachdem der Gemeinderat festgestellt hatte, wieviele Zim­ mer und „Better“ zur Verfügung standen. Damasius King eröffnete mit amtlicher Erlaubnis für die Dauer des Bahnbaues „im sog. Hirschrang“ eine Gastwirtschaft. Als der Bahnbau sich allmählich seinem Ende näherte, erhielt (1872) auch Gregor Schwab das Schankwirtschaftsrecht, er durfte aber auf Anordnung des Bezirksamtes keinen „Brandwein“ ausgeben. Doch jetzt wollte sich der Gemeinderat für Schwab ver­ wenden. Was den inzwischen eingetretenen Meinungsumschwung verursachte, ist nicht zu ergründen. ,,Dem Gregor Schwab geben wir hiermit Zeugniß, daß wir es allerdings auch für ein Bedürfniß des Publikums hal­ ten, daß mit seiner Schankwirtschaft auch das Recht zum Branntweinschank verbun­ den werde. In unserer Gegend kommt es nämlich sehr häufig vor, daß zu einer Tasse schwarzen Kaffees, oder auf einige Glas Bier noch ein Kirschwasser getrunken wird. Letz­ teres ist sogar für die meisten Biertrinker in Rücksicht auf ihre Gesundheit dann ein wirkliches Bedürfniß, wenn, was eben überall oft vorkommt, das Bier noch sehr jung aus­ geschenkt wird. Es kommen deshalb die Gäste, welche eine Wirthschaft besuchen, in welcher Kaffee und Bier ausgeschenkt wird, sehr oft in wirkliche Verlegenheit, wenn es ihnen unmöglich gemacht wird, namentlich 123

auf genoßenes jüngeres Bier noch ein Gläs­ chen Kirschwasser genießen zu können … “ Die Gründerjahre in Nußbach! Einer Tor­ schlußpanik vergleichbar wurde jetzt Antrag auf Antrag gestellt und allen wurde stattge­ geben. Neue Gaststätten eröffneten: Titus Riegger, Andreas Norer, Domenico Oddo­ netto, Lorenz Ketterer, Cölestin Haas, Niko­ laus Helmstaedter, Balbina Zehner (ledig), Walburga Keller führte die Barackenwirt­ schaft des Friedrich Pabst weiter. Selbst als der Bahnbau 1873 beendet war, brach die Gründung neuer Existenzen nicht ab. Niko­ laus Dold wurde gestattet, Branntwein im kleinen zu verkaufen. Die frühere Wohnung des Akkordanten Asprion im Hirschrank diente der Frederike Schwab (ledig) als Gast­ wirtschaft mit Ausschank von Branntwein. 1876 erhielt Johann Georg Faller die Geneh­ migung für einen Gastwirtschaftsbetrieb in seinem Hause, 1877 wurde das persönliche Wirtschaftsrecht des Johann Georg Binder bei der Bahnstation Nußbach nicht bean­ standet. Dieser Gasthausboom mußte aber schließlich auch einmal wieder eingedämmt werden. Viele Wirte werden wegen ausblei­ bender Kundschaft ihre Betriebe ohne große Umstände aufgegeben haben, die mit zeit­ lich beschränkter Konzession ausgestatteten sowieso. Eine Ausnahme machte Gregor Schwab, indem er das Bezirksamt Triberg hinters Licht führen wollte. Ohne dessen Wissen wirtete er in einer Baracke und in sei­ nem Wohnhaus mit ein und derselben Genehmigung bis 1879. Doch seiner Schläue verdanken wir Details über die Verhältnisse im Leben Schwabs und in den Baracken, die uns sonst verborgen geblieben wären. Das Bezirksamt führte in seinen „Ent­ scheidungsgründen“ aus (5. Febr. 1879): ,, Wenn in dem zur Gastwirtschaft bestimm­ ten Häuschen einer s. g. (sogenannten) Barake, auch früher nach mehrmaliger abweislicher Entscheidung vom Bezirksrath schließlich die Erlaubnis zum Betrieb einer Gastwirtschaft ertheilt worden war, so geschah dies eben mit Rücksicht auf den Bau 124 der Schwarzwaldbahn, wo viele Hunderte von Italienern in seiner Gegend beschäftigt waren und dringend einer Unterkunft bedurften. Heute aber wo solche Rücksich­ ten nicht mehr geboten sind, ist es dagegen vom polizeilichen Standpunkte aus drin­ gend geboten, diese Ueberbleibsel aus der Eisenbahnzeit zu beseitigen und der sehr überhand genommenen Manie nach Errich­ tung von Wirtschaften ein Ziel zu setzen. Fragliche Barake entspricht in keiner Weise den Anforderungen an eine Gastwirtschaft Das Wirtschaftslocal ist nur 2 m hoch, der Dachraum, in dem die Fremden beherbergt werden sollen, noch niedriger; von einem ordnungsgemäßen Abtritt keine Rede, und kann solcher der bergigen Lage wegen auch gar nicht der V. 0. v. 27. Juni 1874 und den Regeln bei Wirtschaften entsprechend ange­ legt werden. Dazu kommt, daß Bittsteller selbst die Wirtschaft gar nicht betreiben könnte, da er nach seiner eigenen in der Sit­ zung abgegebenen Erklärung hier in Triberg Oberbrauer in der Bierbrauerei zum Engel bleibt und die Wirtschaft in Nußbach durch seine Frau ausüben ließe, welche als solche nach Ansicht des Bezirksraths nicht im Stande ist, bei Gelegenheiten wie bei den in Nußbach immer stark besuchten Hochzei­ ten und dergleichen die nöthige Ordnung aufrecht zu erhalten … “ Der Gemeinderat Nußbach wurde beauf­ tragt, Gregor Schwab von dieser Entschei­ Karl Volk dung Mitteilung zu machen. Qu e l l e n : Akten der Gemeinde Nußbach 1. Verwaltungssache Handel, Gewerbe und Kunst; 2. Gewerbebetriebe; Den Wirthschaftsbe­ trieb; Gesuche um Errichtung neuer Wirth­ schaften und Verlegung der Wirthschaf­ ten betreffend 1851/81 3. Gemeinderath: Protokollbuch 1865 – 1877 4. Die Schwarzwaldbahn: Jubiläumsbro­ schüre, herausgegeben von der Bundes­ bahndirektion Karlsruhe 1973.

Maria Tann Ein Überblick über Ort und Entwicklung Es war in den ersten Tagen des Jahres 1946, da stand ich zum ersten Male an den Pforten von „Maria Tann“. Die Wirren des Krieges lagen hinter uns, und ich sollte hier bei den „Schulbrüdern“ mit ca. 80 Jugendlichen eine schulische Heimat erhalten. Die einzige Kenntnis über die „Klosterschule im Wald“ hatte ich über eine Zeitungsanzeige und einen kleinen Briefwechsel. Der Gebäude­ komplex bestand damals aus Teilen, welchen man verschiedenste Bauepochen ansah, die verschiedenstes Material als Baustoff auswie­ sen. Insgesamt ein Arrangement, das nicht den Eindruck eines Klosterbaus aufkommen ließ. Da war zunächst an der Talstraße entlang der eingeschossige Trakt, der das Refekto­ rium und den Speisesaal der Schüler auf­ nahm. Nach außen zeigte sich -zeigt sich noch heute -eine verspielte Holzkonstruk- tion, die sich in der Vertäfelung des Innen­ ganges wiederholt Den Besucher empfing gedämpftes Licht, dem die farbigen Jugend­ stilfenster des Refektoriums eine mystische Beigabe verliehen. Ein überdachter Gang, zum Innenhof offen, zur Straße durch ein großflügeliges Hoftor abgeschirmt, verband diesen Trakt mit einem zweigeschossigen Gebäude, das sich dem fallenden Hang zum Bach anschmiegend quer zur Talflucht erhob und sich als Pendant zum aufgesetzten Ober­ geschoß über dem Refektorium spiegelte. Die Holzkonstruktion des Flachbaus wurde durch ein leichtes Fachwerk aufgenommen, das sich in einer Galerie um den Dachgaupen fing. Zuletzt schwang sich ein pagodeähn­ liches Turmgebilde oben auf, das dem talauf­ wärts Reisenden eher einen spielerisch locke­ ren Eindruck, als den einer strengen klöster­ lichen Abgeschiedenheit vermittelte. 125

So zeigt sich noch heute dieser Trakt und wirft die Frage nach seiner Herkunft auf. Die ursprüngliche Bausubstanz ist im südlichen, der Kirnach zu befindlichen Gebäudeteil erhalten. Sie entstammt dem ältesten im Kimachtal erbauten Fabrikgebäude, nämlich der 1852 errichteten Spinnerei, der damali­ gen Tuchfabrik Dold und Schmidt, später Gebrüder Dold. Aus kleinen Anfängen hatte sich -Herr Heinrich Dold datiert sie in sei­ nen 1898/1900 für seine Familie niedergeleg­ ten Aufzeichnungen auf das Frühjahr 1831 in das ehemalige Haus Nr. 429 in der Rietstraße in Villingen -ein blühender Industriezweig entwickelt. Nachdem in Villingen mit der Zeit an mehreren Stellen (z. B. Oberes Was­ ser, Schleife) fabriziert wurde, machte man sich das Wasser der Kirnach als Energiespen­ der und im Fertigungsprozeß nutzbar. Die Tuchfabrikate wurden besonders in der Schweiz abgesetzt. Ein Teil der Uniformen des Bad. Heeres wurde aus diesem Villinger Tuch geschneidert. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ging die Fabrikation so zurück, daß viele Tuchfabriken im süddeut­ schen Raum den Betrieb einstellten. Auch die Firma Gebrüder Dold mußte aufgeben. Die Spinnerei, in der dann auch kleinere Mengen gewebt wurden, stand als letztes Gebäude zum Verkauf.1903 wurde es von Herrn Alois Jörger aus Heidelberg erworben und in ein Hotel umgebaut. So entstanden durch Umgestaltung das zweige­ schossige Hauptgebäude mit ca. 40 Fremden­ zimmern und ein Saalgebäude -es ist der bereits erwähnte Trakt der Straße entlang. Als der Komplex 1919 zur Klosterniederlas­ sung wurde, waren dort außerdem das sog. Schuhrnacherhäusle, das Blockhaus und kleinere Wirtschaftsgebäude vorhanden. Wenden wir uns nach diesen bauge­ schichtlichen Exkurs nun denjenigen zu, die hier wirkten, den Brüdern vom HI. Johannes von Lasalle, einem in Frankreich entstan­ denen, nun weltweit verbreiteten Brüder­ orden. Am 15. 9.1919 trafen die ersten Brüder in Maria Tann ein. Ein Kaufvertrag des Cari­ tasstifts Freiburg mit dem _Hotelier ermög- 126 lichte, eine Niederlassung des Brüderordens im Schwarzwald zu errichten. Innerhalb der Vertragsgeschichte erscheint dann im Jahre 1929 der Begriff „Mutterhaus Maria Tann“. Zunächst bestand die Gemeinschaft aus ca. 40 Personen, nämlich der eigentlichen Brüdergemeinde, dem Scholastikat, dem Noviziat und dem Juvenat. In den künftigen Jahren ist die Entwicklung der Örtlichkeit mit dem Aufbau der klösterlichen Gemeinde und ihrer Aufgabe verknüpft. Bereits im Jahre 1920 war deren Entwicklung so weit fortgeschritten, daß die Brüder an eine Erweiterung der vorhandenen Gebäulichkei­ ten denken mußten. So entstand in zweijäh­ riger Bauzeit östlich des Hauptgebäudes ent­ lang der Kirnach ein mehrgeschossiges Schulgebäude. Dorthin verlegte man auch die Kapelle, die bisher im ehemaligen Speise­ saal des Hotels untergebracht war. Die künst­ lerische Ausgestaltung wurde der Kunst­ schule Beuron anvertraut. So entstand durch die Hand benediktinischer Mönche im Chorraum eine Pieta, die in ihrer kanoni­ schen Strenge, verbunden mit der fast ägyp­ tisch anmutenden Ornamentik, die Ge­ meinde und Besucher in Bann schlug. Im Zug der Außenarbeiten wurde der Hotelpark in den Klosterbereich einbezogen; eine Pieta, eine Herz-Jesu-Statue wurden erstellt und den im 1. Weltkrieg gefallenen Brüdern ein Gedenkstein geweiht. Wenn man bedenkt, daß dies alles in den Jahren der Inflation geschah, ermißt man das eigene Engagement der Klostergemeinde. Zwei Ereignisse sollten die Weiterentwick­ lung positiv beeinflussen. Da war zunächst die Idee, das Juvenat in ein Lehrerseminar umzugestalten. Um der späteren Lehrerbil­ dung Rechnung zu tragen, entstand dann bald aus dem staatlich anerkannten Seminar ein Realgymnasium. Diese äußerlich viel­ leicht nur organisatorisch anmutenden Er­ eignisse wurden vom Sendungsbewußtsein des Ordensgeistes getragen, der Jugend Bil­ dung zu vermitteln. So wurde zum anderen bewußt die christliche Grundlage wissen­ schaftlicher und schulischer Bildung ange-

strebt und durch Publikationen -unter­ mauert. Auf diesem Fundament wuchs die schulische Einrichtung, und bereits 1925 mußte an eine Erweiterung gedacht werden. Innerhalb des alten Hotelareals wurde der neue Juvenatsbau errichtet, der auch einen Theatersaal enthielt, war doch das darstel­ lende Spiel und das musische Tun ein Schwerpunkt im erzieherischen Wirken Maria Tanns. Um diese Zeit wurde auch der kleine Wald­ friedhof angelegt, der -später vergrößert – noch heute den Spaziergänger, wenn er von der Romäusquelle herkommend sich Maria Tann nähert, zum besinnlichen Verweilen einlädt. Waren die ersten Toten der Brüder­ gemeinde zunächst auf dem Bergfriedhof in Unterkirnach begraben worden, fanden sie und später Verstorbene hier ihre Ruhestätte. Mit dem ehemaligen Hotelgebäude hatte die Brüdergemeinde – es wurde schon erwähnt -auch die Wirtschaftsgebäude und eine Scheune übernommen. Auch eine ‚Zeichnund/lf:]. Asif’d/ler eigene Wasserversorgung bestand, und die Wasserkraft der Kirnach, die früher der Spin­ nerei als Energiequelle diente, drehte die Tur­ binen für die Stromversorgung. Diese Ein­ richtungen wurden ausgebaut. Es entstanden ein neues Ökonomiegebäude, ein Hühner­ und Entenhaus, der eigene Backofen ver­ sorgte die Gemeinde mit Brot, und die Was­ serkraft wurde durch den weiteren Ausbau des Staubeckens oberhalb des Klosters stär­ ker genutzt. So entstand eine Klosterge­ meinde, die sich eigenständig versorgen konnte. In den frühen 30er Jahren wurde der Spiel­ platz jenseits der Kirnach erweitert, und im Anschluß an die Landwirtschaftsfläche, gegen die Romäusquelle zu (Große Setze), wurde ein Fußballplatz eingerichtet. Es war selbstverständlich, daß dem Sport neben der geistigen Ausbildung ein hoher Rang zukam: Das Leben in der Klosterschule und 127

im Kloster war keinesfalls „leibfeindlich“ geprägt. Spiel, Gestaltung und auch sportli­ cher Wettkampf gehörten zum Maria Tan­ ner Schulleben. Einen besonderen Platz nahm auch das Musizieren ein. Über die Mauern des Klosters hinaus bekannt war der Chor, getragen durch die Männerstimmen der Brüder, umspielt von den Jungenstirn­ men der Juvenisten. Gleichrangig sind auch virtuose Organisten zu nennen, und um das Lob der „musica“ zu vollenden, muß in die­ sen Chronikjahren der Klangkörper eines Orchesters genannt werden, der aus ca. 30 Musikern bestand. Auch geistliche Musik vom einfachen Choral bis zum Oratorium gehörte mit zum Repertoire. Die Gottes­ dienste an den Hochfesten waren musika­ lische Höhepunkte. Besonders die Weih­ nachtsgottesdienste galten als Erlebnis. Die Kapelle konnte dann die Anzahl der Gläubi- gen oft nicht aufnehmen. . . Bei solchem Tun -die geistliche Ubung und die wissenschaftliche Lehre eingeschlos­ sen -konnte es nicht ausbleiben, daß die Klostergemeinschaft weiter wuchs. Um Platz für die Schule zu gewinnen, wurde das Novi­ ziat nach Bad Honnef verlegt.1933 genossen 148 Juvenisten Erziehung und Unterricht; die ursprünglich 40 Köpfe zählende Ge­ meinde war auf über 200 angewachsen. In den folgenden Jahren waren Kloster und Schule eng verbunden mit der unglück­ seligen Geschichte unseres Volkes. Es konnte nicht ausbleiben, daß dem totalitären System der Naziherrschaft, das einem anderen Men­ schenbild huldigte, klösterliches Leben und christliche Erziehung ein Dorn im Auge waren. Gesetze und Verordnungen sollten den Zugang zu Kloster und Schulen ver­ bauen. So wurde zunächst Kindern von im öffentlichen Dienst stehenden Eltern der Besuch der Klosterschulen verboten, denn es war klar, daß hier die zur Staatsjugend erklärte HJ keinen Fuß fassen konnte. Den Eintritt ins Kloster wurde jedem arbeitsfähi­ gen „Volksgenossen“ untersagt; denn er ent­ zog seine Kraft dem Arbeitsprozeß! Selbst vor Verleumdung schreckten die Macht- 128 haber nicht zurück. Die Zahl der Schüler schrumpfte immer mehr zusammen; zu Kriegsbeginn kehrten die letzten -es waren noch 9 -nicht mehr aus den Sommerferien zurück. Etliche Brüder wanderten aus; so wurde eine segensreiche Tätigkeit in Chile begründet. Durch die Wehrgesetzgebung wurden der Nachwuchs und die jüngeren Brüder erfaßt, Verpflichtungen zu Arbeits­ stellen außerhalb des Klosters dezimierten die Brüdergemeinde, die Einberufungen zu Beginn des 2. Weltkrieges taten ein letztes: nur noch wenige ältere Brüder weilten im Mutterhaus. Was wurde aus dem Gebäudekomplex? Zunächst wurde das Kloster in ein Lazarett umgewandelt, um aber bereits 1941 ein Sam­ mellager für Umsiedler zunächst aus Sieben­ bürgen, dann aus Slowenien zu werden. Zuletzt waren die wenigen alten Brüder auf engstem Raum im eigenen Hause zusam­ mengedrängt. 12 von ihnen erlebten so das Kriegsende. Bis August 1946 wuchs durch die Rück­ kehr die Gemeinde auf 31 Brüder an. Es galt aus dem Vorhandenen, Übriggebliebenen Neues zu gestalten. Da war zuerst der Gebäu­ dekomplex, der mit den damals vorhande­ nen Mitteln im Innern hergerichtet wurde. Da waren Ordensbrüder, die sich danach sehnten, eine Aufgabe im Sinne ihrer Sen­ dung anzupacken -andererseits stand da in einer geistigen Leere eine desillusionierte Jugend. Ordensnachwuchs war nicht vorhanden. Deshalb keimte die Idee, ein Privates Lehrer­ seminar zu errichten. Nach unsäglichen Schwierigkeiten erlangten die Brüder Kilian und Reinhold, der Hausdirektor und der künftige Seminardirektor von der damaligen französischen Besatzungsmacht die Einrich­ tungsgenehmigung. Nachdem die Vorberei­ tungen noch im Jahre 1945 abgeschlossen werden konnten, begann die Seminararbeit in den ersten Januartagen 1946. -Es gab keine amtlichen Lehrpläne, keine Prüfungs­ ordnungen, keine Bücher, kaum Schreibma­ terial, und es wurde trotzdem -heute fast

undenkbar -mit Begeisterung gelernt. Hier wurde gezeigt, daß es möglich ist, auf christli­ cher Basis ein Weltbild zu erschließen und zu erfahren. Hier erfuhren angehende Lehrer in ihrer Aufgabe begeisterte Lehrer, die sie mit­ rissen und ihnen zum Vorbild für eigenes Tun wurden. Das musische Leben erwachte wiederum, Sport und Spiel nahmen wieder ihren Platz ein. Die Verbundenheit mit Volkskunde, Brauchtum, Muttersprache waren Selbstverständlichkeiten -Dinge, auf die wir uns heute wieder besinnen. Hier ent­ stand im Aufbau unseres Landes ein konser­ vatives Element. Nicht im Sinne einer pole­ mischen Schlagwortdiskussion, hier wurden auf dem Fundament christlichen Glaubens die Elemente der Tradition mit neuen Auf­ gabenstellungen verbunden. Ein steter Begleiter auf dem Weg der ersten Nachkriegsjahre ist zu erwähnen. Da war vor allem der Hunger. Nur durch Hilfe bei den Bauern der Umgebung, durch man­ chen Sack Kartoffeln, an der Pforte abge- Wandfliesen in einem Badezimmer stellt, durch die „Hamstermärsche“ der Semi­ naristen zuhause und die Pakete, die die Gemeinschaft von ausländischen Niederlas­ sungen erhielt, konnte die Küche das tägliche Brot auf den Tisch bringen. Ein sichtlicher Aufschwung im wirtschaft­ lichen Bereich, der sich dann auch im schuli­ schen fortsetzte -es gab wieder Arbeitsmate­ rial, Bücher, Unterrichtsmittel -brachte die sog. Währungsreform (20. 6.1948). Zwi­ schenzeitlich hatte auch die staatliche Leh­ rerbildung wieder begonnen (Meersburg/ Gengenbach). So war dann auch die Mög­ lichkeit geschaffen, auf dem Folgeinstitut, der damaligen Pädagogischen Akademie, das Studium abzuschließen. Finanzielle Schwierigkeiten, aber auch die Überlegung, die Schule für den Ordensnach­ wuchs zu öffnen, zwangen, das Seminar 1950 in eine Aufbauschule umzuwandeln. Parallel hierzu ist auch die Aufbauleistung des Ver­ lages der Schulbrüder zu erwähnen. Den Bemühungen um den Ordensnachwuchs war kein großer Erfolg beschieden, so daß die Aufgabe von Maria Tann abgelöst wurde. 129

jugendsti!fenster im Refektorium Wenden wir uns nun wieder dem Gebäu­ dekomplex zu. Die Kriegsjahre und die erste Nachkriegszeit waren nicht spurlos daran vorbeigegangen. Kriegsschäden waren zwar nicht zu verzeichnen, aber es mangelte an Geld und Material, um die dringendsten Unterhaltungsarbeiten, von gründlichen Re­ novierungen ganz zu schweigen, durchfüh­ ren zu können. Das änderte sich dann in den 50er Jahren. Wurden zunächst Schäden aus­ gebessert, so begannen dann die Renovierun­ gen, zum Teil sogar Innenumbauten, den neuen Bedürfnissen und Anforderungen an­ gepaßt. 1963 konnte auf dem Terrain jenseits der K.imach die neue Sporthalle – als Mehr­ zweckhalle konzipiert – eingeweiht werden. Je mehr sich die Wirtschaftsblüte in unse­ ren Landen entfaltete, desto spärlicher ent­ wickelte sich der Ordensnachwuchs. Der Orden stand vor der Frage der Konzentra­ tion der Niederlassungen. So mußte 1967 der Unterrichtsbetrieb eingestellt werden. 1968 wurde das Anwesen an die Schwarzwald­ schule Triberg verkauft, im August 1969 ver- 130 ließen die restlichen Brüder das K.imachtal, um im Schulzentrum Illertissen neue Auf­ gaben zu übernehmen. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Der internatsschulmäßige Betrieb durch die damals in privater Regie stehende Schwarzwaldschule war nicht von langer Dauer. 1979 zog die Fachhochschule der Polizei ein. Drüben im Stadtbezirk Schwen­ ningen geht inzwischen der Neubau der Fachhochschule der Vollendung entgegen, so daß die Frage „Was wird aus Maria Tann?“ wieder aktuell wird … Maria Tann erreicht man über die Land­ straße zwischen Villingen-Schwenningen und Vöhrenbach, wenige Autominuten vom Dorf Unterkirnach entfernt. Der Komplex wird durch die K.irnach geteilt; der nördliche Teil liegt auf Unterkirnacher, der südliche Teil aufVillinger Gemarkung. Ludwig Kühn *

Kunst und Künstler Ein Spiegel der modernen Malerei Die Sammlung Felix Schlenker in der Stadtbibliothek Schwenningen Kein Plakat weist auf die größte ständige Kunstsammlung der Stadt Villingen­ Schwenningen hin. Keine Hinweistafeln oder Einladungen führen den Liebhaber moderner Kunst Ausstellungen moderner Kunst? Ja, die gibt es in der Doppelstadt schon: im Villinger Franziskaner, im Beet­ hoven-Saal in Schwenningen, die Galerie im Rathaus, dazu die kleineren kommerziellen Galerien der Stadt, die zumeist ums über­ leben kämpfen müssen und nur gar zu oft unterliegen. ,,Villingen-Schwenningen, das ist doch kein Pflaster für zeitgenössische Kunst!“ Der resignierende Ausspruch des Galeristen Walter Storms, bevor er seine Kof­ fer in Villingen packte und nach München in die Metropole der Kunst zurückkehrte, beschreibt nicht nur eine momentane Stim­ mung. Dabei lebt die Stadt spätestens seit dem 26. April 1982 mit einer großen Samm­ lung zeitgenössischer Kunstwerke, mit einem Spiegel der modernen Malerei, der Sammlung Felix Schlenker in der Stadtbi­ bliothek in Schwenningen. Und diese Sammlung braucht keine Pla­ kate und keine Einladung, und sie hat trotz­ dem Tag für Tag einen Besucherandrang, den sich viele Kunsthäuser kaum zu wünschen hoffen. Natürlich kommen die meisten Besucher nicht der Kunst wegen. Aber viele dieser Besucher werden vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt mit der Kunst der Modeme konfrontiert Kunst im Museum, das ist eher eine Notlösung. Mit der Kunst muß man leben. Der Prozeß der Sichtbarmachung durch die Kunst setzt stän­ dige Begegnung mit Kunst voraus. Galerien und Museen, Kunstvereine bieten Möglich­ keiten dazu. Daß diese Begegnungsmöglich­ keiten so wenig genutzt werden – die Staats- galerie in Stuttgart mit ihrem Besucheran­ sturm im letzten Jahr beweist noch nicht das Gegenteil – liegt auch daran, daß der Besuch einer Galerie noch immer als etwas Besonde­ res, Außergewöhnliches gilt. Wo kann man also besser Erfahrungen mit Kunst machen als in der Bibliothek? Kinder gehen mit den Bildern ganz naiv um. Unten an der Treppe zur Kinderbuchab­ teilung hängt ein Bildobjekt der Gruppe X, rotierende Metallscheiben, die mit Schwung in Bewegung gesetzt werden können. Der Betrachter selbst kann die Grundformen variieren, er kann durch Wechsel der Farbe, der Dichte, des Zusammenhangs verschiede­ ne optische Erscheinungen hervorrufen. Eingreifen in einen optischen Vorgang, Sehenlemen, das sind Grundvoraussetzun­ gen des Begreifens. Sie sind besser geeignet als verbales Erklären, denn wenn sich der Vorgang sprachlich einfacher darstellen ließe, dann wäre der Künstler besser Schrift­ steller geworden. Kinder haben es einfacher, Erwachsene tun sich da viel schwerer. Sie suchen nach „Erklärungen“, vor allem, wenn es sich wie hier um nichtgegenständliche Kunst handelt Das ganze Spektrum kon­ struktivistischer Kunst nach 1945 ist hier ver­ sammelt: Die Auseinandersetzung mit Pro­ blemen wie Licht, Farbe und Raum, die Beschäftigung mit bildnerischen Materialien und ihren Ausdrucksmöglichkeiten. Natür­ lich trägt die Sammlung die Handschrift des Sammlers. Aber das macht vielleicht gerade ihren Reiz aus. Denn welche öffentliche Sammlung könnte es sich leisten, so extrem auszuwählen und Stellung zu beziehen auf einem gegenwärtigen Kunstmarkt, der sich überschlägt in der Ablösung neuer Moden und Stile. Für viele Besucher der Stadtbiblio- 131

Rudolf Vombeck, Dispersion auf Leinwand, 1973 132

thek sind die Bilder der Sammlung „bloße Geometrie“ und damit vielleicht Erinnerung an manche mühsame Mathematikstunde. Ein Blick auf die Bilder genügt zumeist, um zu diesem abwertenden Urteil zu kommen. Der Satz: ,,Das kann meine kleine Tochter auch!“ ist zu einer modischen Redewendung geworden. Der frühere Stuttgarter Galerist Hans­ Jürgen Müller beschrieb einmal seine Begeg­ nung mit dem Künstler Hans-Peter Fitz. Er empfand die nervösen Bleistiftstriche, die da scheinbar gedankenverloren auf ein Blatt Papier hingekritzelt wurden, als „albernen Dillettantismus“ und gab dieser Empfin­ dung entsprechenden Ausdruck. Fitz aber versuchte nicht weitläufig zu erklären, son­ dern drückte ihm einfach ein Stück Kohle in die Hand und forderte ihn auf, den Beweis dafür anzutreten, daß er es ebenso oder bes­ ser könnte. ,,Aber keine Kopie von irgendet­ was, das Sie kennen!“ Müllers Erkenntnis aus seinen mühsamen und fruchtlosen Ver­ suchen war einschneidend: ,,Dies war die beste Methode, einen vorlauten Kunstba­ nausen auf den Boden der Tatsachen zurück­ zuführen.“ Diese Bilder sind nicht mehr von einer wie auch immer gearteten Realität abgeleitet. Sie sind nicht mehr Landschaft, Porträt, Stil­ leben oder Historienbild. Auch wenn manchmal die Schichtung von Farbe oder Flächen an eine Landschaft erinnern mag. Sie erzählen keine Begebenheiten aus der Geschichte oder dem Alltag mehr. Auch wenn man davorstehen kann und Geschich­ ten erzählen. Aber diese Geschichten han­ deln dann nicht mehr von bekannten Perso­ nen oder historischen Begebenheiten, sie handeln von der Wirkung von Farben, von den unendlich vielen Möglichkeiten, die in einfachsten geometrischen Formen, die im Material drinstecken. Sie handeln von unse­ rem Sehen! Der Betrachter vergißt häufig, daß jedes Bild, auch das „gegenständliche“, aus Farben, Formen, Material besteht. In der Werbung sind uns diese Zusammenhänge der Gestal- tung auch durchaus bewußt. Farben und For­ men, ganz unbewußt reagiert der Verbrau­ cher darauf. In der Kunst aber fühlen sich viele verunsichert, vielleicht sogar abgesto­ ßen. Zu Anfang dieses Jahrhunderts feierte der russische Konstruktivist Malewitsch die ,,volle Befreiung der Kunst vom Gegen­ stand“: ,,Wenn die Denkgewohnheit ver­ schwunden sein wird, in Bildern das Abbild von Winkelehen der Natur, von Madonnen und schamhaften Venus-Geschöpfen zu sehen, dann werden wir ein reines Produkt der Malerei erblicken.“ Und genau solche Einblicke ermöglicht die Sammlung in der Stadtbibliothek! Das 1973 entstandene Bild von Rudolf Vom b eck zieht den Blick wie magisch an. Das liegt zum einen an der grellroten Farbe, die auf die ganze Wand auszustrahlen scheint. Ein flirrender „Rahmen“ scheint die­ ses Rot einzugrenzen, aber je näher man tritt, um so weniger ist diese abgesetzte Kante erkennbar. Der schmale Streifen, der sich rechteckig entlang der äußeren Bildbegren­ zung hinzieht, weist auf eine Abgrenzung hin. Aber seine Farbe wechselt von schwarz nach weiß in horizontaler und vertikaler Richtung. In den jeweilig einander gegen­ überliegenden Ecken wird die Farbe rein weiß oder schwarz. Und trotzdem wird die Begrenzung, nach der das Auge sucht, wieder aufgehoben, denn die untere und obere Waa­ gerechte erstrahlt im Rot des gesamtes Bildes. Eine neue Abgrenzung ist vorhanden, denn der rote Rahmen wird jetzt erneut durch weiße oder schwarze Linien abgesetzt. Aber das führt dazu, daß das Auge keinen Ruhe­ punkt findet, daß das Rot nach außen hin abstrahlt, grenzenlos wird; das Auge wird immer wieder auf das zentrale Rot hin­ gelenkt. Das ist schon lange kein einfarbiges Bild mehr, denn das Auge, das hin-und her­ geleitet wird, nimmt andere Farbeindrücke auf. Das Rot beginnt sich zu verändern, wird einmal dunkler, einmal heller, das Bild erhält für Augenblicke sogar plastische Tiefe. Und weil die Randlinien nicht mehr verfolgbar sind, das Auge aber nach Orientierungs-133

punkten sucht, werden wir immer auf das Bild starren, weil wir uns der Wirkung nicht entziehen können. Auf der anderen Seite der Treppe ist mit ganz anderen Mitteln von der Engländerin Bridget Riley eine ähnlich verwirrende Wirkung erzielt. Bridget Riley beschäftigt sich fast ausschließlich mit der optischen Wirkung von zumeist gleichmäßigen farbi­ gen Flächenmustern. Farbbänder, nur aus den Farben hellblau, rot-violett und olivgrün bestehend, schlängeln sich von oben nach unten. In der Mitte sind sechs dieser Farbbän­ der zu Paaren geordnet, am Rand grenzt jeweils ein Farbband das Bild ab. Die ein­ fachen Linien überlappen sich jetzt inner­ halb des Bandes, überdecken sich teilweise, das ganze Band schwingt. Es scheint sich auf­ zudrehen und durch den eigenen Schwung wieder selbständig in seine Ausgangsposi­ tion zurückzubewegen. Dabei verändern sich für das Auge die Farben. Die Breite der Linien oder ihre Nähe zu anderen Farben las- sen auch die Einzelfarbe -nicht nur das ganze Band -mitschwingen in den Verände­ rungen der Farbnuancen. Farbe sei nur lang­ weilig, alltäglich? Je länger und häufiger man das Bild betrachtet, um so dramatischer wird das Farbgeschehen. Und um so stärker erhält das Bild eine fast ironische Komponente. Unsere Augen, auf die wir uns Tag für Tag »blindlings“ verlassen, sie spielen uns Streiche. Das ist aber weit davon entfernt, „nur“ optische Spielerei zu sein. Unsere Sin­ nesorgane haben die Aufgabe, eine Verbin­ dung mit der Außenwelt herzustellen. Sehen ist ein wesentlicher Bestandteil des Denkens. Bilder, die uns diese Beziehung verdeutli­ chen, lassen uns unsere Umwelt begreifen. Und das ist eine der hervorragendsten Auf­ gaben der Malerei von Beginn an gewesen. Farbe hat aber nicht nur eine optische Wirkung, sondern sie hat bestimmte Eigen­ schaften wie jedes andere Material auch. Neben dem Bild der Bridget Riley hängt eine Zeichnung von Gotthard Graubner, 134

der einem internationalen Publikum späte­ stens seit der Biennale in Venedig 1982 bekannt geworden ist. In Venedig hing frei­ schwebend ein vier mal vier Meter großes Farbkissen. Ganz eingetaucht in ein Rot, das dem Maler Tintoretto nachempfunden war. Die Nylonüberspannung des Farbkissens ermöglicht allerfeinste Nuancen der Farbe, die bis zum komplementären Grün gehen können. Die Beschaffenheit des Materials Farbe läßt den Betrachter gleichsam in das Bild eintauchen. Schon zehn Jahre zuvor ist das Bild in der Stadtbibliothek entstanden, und schon hier thematisiert Graubner die Licht-und Materialqualität von Farbe. In der Mitte ein verwischter Bleistiftumriß, nach draußen hin saugt sich graue Farbe ihren Weg durch das Papier. Der Weg durch das Pa­ pier verändert die Farbe, die manchmal das Pa­ pier sättigt, manchmal an der Oberfläche zu gerinnen scheint. Wie Farbe auf Löschpapier wirkt das. Die Farbe wird sinnlich faßbar. Ähnliches läßt sich von Wolfgang Fincks Bild sagen, das großformatig fast eine ganze Wand beherrscht. Wolfgang Finck schöpft das Papier selbst, tränkt Sei­ denpapiere mit Farbe und addiert diese Papiere zu großen Bildern. Nur wer nicht genau hinschaut, wird die äußerste Beschrän­ kung der Mittel als Dürftigkeit, die Strenge des Aufbaus als simpel empfinden. Das Bild zwingt den Betrachter, ganz genau hinzuse­ hen. Und plötzlich wirkt das Papier wie Leder, entfaltet den Reiz, daß man es anfas­ sen möchte, um die Risse, die minimalen Fal­ ten, die glatten Stellen mit den Fingerspitzen zu ertasten. Das handgeschöpfte Papier bekommt eine organische Struktur. Die Fas­ rigkeit des Materials und die verfließenden Ränder, die nicht absolut von Finck beein­ flußt werden können, kontrastieren mit dem strengen Raster, das durch das Sieb entsteht, mit dem Finck das Papier schöpft. Der vor­ herrschende braune Ton der Farbe wirkt so beruhigend wie das geometrische Raster. Und diese Ruhe ist notwendig, um die Asso­ ziationen an die Natur, an Sandflächen, Böden, Baumrinden, auszugleichen. Gerd Hauebeck, Dispersion auf Leinwand, 1963 Farbe, gebändigt durch Flächen, einge­ grenzt durch ein geometrisches Muster, das läßt sich am deutlichsten an den Bildern von Peter Staechelin und Georg Karl Pfahle r nachvollziehen. Peter Staechelins Bild variiert die Farbe Violett. Zwei Recht­ ecke heben sich von der Basis ab. Das eine, in einem dunklen Farbton, ist voll ausgemalt. Es wirkt wie eine Öffnung, die in das Bild hineingeht. Das rechte, in einem helleren Violett und nur die Konturen aufgetragen, scheint sich auf den Betrachter zuzustülpen. Der umschlossene Farbton des Untergrunds wirkt heller. Das Umfeld bestimmt die Farb­ nuance. Und bereits das Erkennen dieser scheinbar unwesentlichen Strukturen ist die Folge eines gesteigerten optischen Bewußt­ seins. Die Ausstellung bietet Möglichkeit genug, diese Sensibilität zu schulen. Auf dem Bild Pfahlers fallt zunächst das leuchtend blaue Q!iadrat ins Auge. Da wir es gewohnt sind, von links nach rechts zu 135

„lesen“, scheint dieses �adrat nach rechts wegzurutschen. Das Auge versucht das �a-� drat auf der schwarzen Fläche festzuhalten, es gerade zu „rücken“. Das Bild bietet Hilfs­ mittel, diese Harmonie wiederherzustellen, diese scheinbare Ordnung der Dinge. Am unteren Rand scheint die Leinwand umge­ klappt, der weiße Untergrund blickt hervor und treibt das Quadrat in die Ruhelage zurück. Die Bewegung auf der Leinwand und die Bewegung in unserem Kopf, sie bil­ den eine Einheit. Dabei versagt die Sprache, um diesen Vorgang nachzuvollziehen. Auch die Regeln der Geometrie helfen hier nur unvollkommen. Man muß vor dem Bild ste­ hen und es auf sich einwirken lassen. Harmo­ nie tritt ein beim meditierenden Betrachter. Ruhe und Ausgewogenheit, für die der Raum, die Stadtbibliothek, sicherlich den geeignetsten Platz abgibt -Stätte von Besin­ nung, Aufmerksamkeit und Lernen. Ist da so gar nichts Gegenständliches in der Ausstellung zu finden? Die kalkige über­ dimensionale Darstellung eines eingeschnit­ tenen Fingernagels von La m b e r t Maria Wintersberger wäre nur scheinbar ein Beispiel dafür. Die magisch anmutende grünlich-weiße Farbe, die riesenhafte Vergrö­ ßerung, die Verletzung selbst, die so gar nichts mit körperlicher Versehrtheit zu tun hat, demonstrieren, daß diese Realität absurd geworden ist. Realistische Malerei produziert Irrationales. Und sehr bald stellt der Betrach­ ter fest, daß er viel eher auf die Wirkung der Farbe achtet, auf ihren magischen Glanz. Aus der „Figur“ des Fingers wird sehr bald ein geo­ metrischer Körper. Der Daumen wird zum Keil mit dem verdickten Ende im oberen Teil des Bildes. Und in diesem Keil schiebt sich als „Verletzung“ ein zweiter, der die Grund­ form variiert. Es gibt inzwischen eine Reihe von Besu­ chern dieser ständigen Ausstellung, die ihre Vorlieben entwickelt haben und immer wie­ der einzelne Bilder herausgreifen, davor ste­ henbleiben, um sie zu betrachten. Da wäre etwa das 1979 entstandene „Wandbild“ von Elfie Schmidt. Eine Leinwand, die aus- 136 Neuanschaffung in der Sammlung Felix Schkn­ ker: Bild von Lumen sieht wie eine abblätternde, getünchte helle Wand, in deren Öffnung ein Netz gespannt ist. Und in dieses Netz haben sich Federn und verwelkte Blätter verfangen. Die Leich­ tigkeit dieser Gegenstände, die hier festgehal­ ten sind und sich mit dem Netz verbinden, korrespondiert mit dem Eindruck des Gefangenseins. Das Netz läßt die Freiheit des Umherfliegens im Wind nicht mehr zu. Aber diese Blätter und Federn decken auch den Riß in der „Wand“ zu. Diese festgehalte­ nen Gegenstände werden zu einer Beklei­ dung der aufgerissenen Wand. Und diese sinnliche Beziehung von Blättern und Federn stellt Elfie Schmidt in ihrem Werk immer wieder her, wenn sie sich in Federn kleidet, wenn Blätter die eigene nackte Haut bedecken. Die Ausstellung ändert ständig ihr Gesicht. Neue Bilder kommen durch Kauf oder Tausch hinzu. In den letzten Bildern etwa ein Bild von Lumen, das zuvor im

Bilder der Sammlung Felix Schlenker strukturieren den Raum der Stadtbibliothek in Schwenningen 137

Raum inszeniert. Sie beziehen sich nicht nur aufeinander, sondern sie reagieren auch auf die räumlichen Gegebenheiten. Nicht alles ist so geblieben, wie die Ausstellung am Anfang inszeniert war. Der „Raum Biblio­ thek“ fordert seinen Tribut. Die Veränderun­ gen des Raumes erfordern immer auch eine Veränderung der Hängung. Aber das macht die Ausstellung auch spannend, nicht museal. Mavignier, Rainer, �inte, Dorazio, Ücker, Spoerri, Soto usw., die Namen der Künstler lesen sich wie das Inhaltsverzeich­ nis eines Lexikons der Modeme. Und dieses Lexikon entwickelt sich beständig weiter. Eines der letzten Bilder, ein Bild von F r i t z S c h w e g l e r , das ausdrücklich für den Sammler Felix Schlenker gemalt ist, trägt den schriftlichen Zusatz: „Indem wir sie und ihn da raus halten, kommen wir ab und zu bis unters Dach unserer Gesinnung.“ „Raus hal­ ten“ sollte man zumindest keinen auf­ geschlossenen Besucher. Aber ein besseres Motto für Bücher und die Kunstsammlung Felix Schlenker ist wohl kaum zu finden. • Uwe Conradt Ölbild: Klaus Burk Franziskaner hing. Mit dicker gelber und roter Farbe hingetröpfelte Wesen, deren Umrisse sich aus den Tropfen der Farben ergeben. Das Bild zeigt auch, daß die meisten Bilder der Sammlung schon einmal in der Doppelstadt ausgestellt waren – entweder in der Kleinen Galerie in Schwenningen, die Felix Schlenker zusammen mit Karl Heini­ chen leitete, später in der Städtischen Galerie am Theater am Ring und im Franziskaner. Insoweit sind die Bilder der Sammlung auch Rückerinnerung für die Kunstfreunde der Doppelstadt. Aber neben dieser Erinnerung wird auch deutlich, daß vieles, was vor Jahren einmal ungewohnt war, weil es unser Sehen verun­ sicherte, heute längst zum beinahe klassi­ schen Bestand der zeitgenössischen Malerei geworden ist. Was heute gemalt und aus­ gestellt wird, das muß sich an dem messen lassen, was beinahe schon Tradition gewor­ den ist. Trotz aller Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß der Raum der Schwen­ ninger Stadtbibliothek ja ein Funktions­ raum, kein Museum ist, sind die Bilder in den Dilgerhof Im Breg, Furtwangen 138

Ein Rokokoaltar aus dem Jahr 1774 Der ehemalige Hochaltar der alten katholischen Pfarrkirche in Bad Dürrheim Die heutige katholische Pfarrkirche St.Johann in Bad Dürrheim ist kein einheit­ licher Neubau aus den Jahren 1970-72, son­ dern eine großzügige Erweiterung einer bestehenden und schon längere Zeit zu klei­ nen Kirche. Betritt man sie und nimmt sich genügend Zeit, um den Raum auf sich wir­ ken zu lassen, so empfindet auch derjenige, der nichts von der Baugeschichte weiß, daß der Erweiterungsbau der vorhandenen Kirche nur angefügt, der alte Kirchenraum noch weitgehend erhalten ist. Er war um 1848 nach langem Hin und Her nach nicht genau eingehaltenen Plänen des Karlsruher Architekten Heinrich Hübsch erbaut. Von außen gesehen gehört schon der für die Mitte des 19. Jahrhunderts charakteristische Turm zu diesem älteren Bau. Kommt man durch den heutigen Haupteingang, so steht man zunächst in einem schmäleren, quer verlau- 139

fenden Raum, dessen linke Seite in Form einer gerundeten „Kapelle“ mit bunten Glas­ fenstern aus dem 19. Jahrhundert ausgestattet und durch Stufen und Gitter vom übrigen Raum getrennt ist. Man erkennt in dieser „Kapelle“ unschwer die Chor-Apsis der einstigen kleineren Kirche. Der Raum war etwa 40 m lang und einschiffig. Der Eingang lag dem Chor ge­ genüber unter dem Turm. Dort befindet sich heute eine Taufkapelle. An der Wand über der jetzigen Sakristeitüre erkennt man noch die Umrisse des jetzt verschwundenen rech­ ten Seitenaltars. Vom linken Nebenaltar ist keine Spur mehr zu entdecken, ebenso wenig von der Kanzel, denn diese Kirchenseite mußte ja der heutigen gläsernen Eingangs­ wand weichen. Es befinden sich jedoch im neuen großen Kirchenraum eine Anzahl Sta­ tuen aus dem 18. Jahrhungert, die sicher einst zur Ausstattung der alten Kirche gehörten. In der einstigen Chor-Apsis aber zieht ein auffallend schöner Rokoko-Altar den Blick auf sich. Dabei ist seine Einpassung beson­ ders befriedigend. Er hat genügend Platz zur Entfaltung, ist aber auch für den verfügbaren Raum nicht zu groß. Dieser Altar wurde 1984 vom Freiburger Restaurator Michael Bauern­ feind renoviert und gereinigt. Man fragt sicher sogleich, welche Bewandtnis es mit diesem auffallenden Altarwerk hat und fin­ det in dem Beitrag von Kurt Senn in dem umfassenden Werk „Bad Dürrheim, Weg und Ziel“, 1969, Seite 116, lediglich den kur­ zen Satz: ,,Der Hochaltar stammt aus der ehemaligen Pfarrkirche in Bühl“. Es ist also naheliegend, sich an die einschlägige Litera­ tur, betreffend dieser Pfarrkirche in Bühl, zu wenden. Der frühere Bühler Pfarrer Karl Reinfried hinterließ eine 1877 erschienene Schrift: ,,Beschreibung der alten und der neuen Stadtpfarrkirche in Bühl“. Erweitert wurde diese Schrift 1977 durch die Jubi­ läumsschrift: ,,Bühl/Baden. Katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul 1877-1977″. Sie enthält drei Aufsätze, von denen derje­ nige von Hermann Brommer über „Die ehe­ malige St. Peter-und Paulskirche des Markt- 140 fleckens Bühl“ für uns besonders aufschluß­ reich ist. Brommer bemerkt da, S. 21: ,,Auf noch nicht ganz geklärte Weise gelangte der Hochaltar des Jahres 1774 in die Pfarrkirche von Bad Dürrheim. Dort ist aus ortsge­ schichtlichen Aufzeichnungen des Bürgers JosefReichmann zu entnehmen, daß 1879 … der neugerichtete Hochaltar, den man von der Stadt Bühl gekauft hat, eingeweiht wor­ den“. Ferner: ,,Auf die Aufstellung des Büh­ ler Tabernakels hatte man verzichtet, weil bereits ein stattlicher Rokoko-Tabernakel aus dem Villinger Benediktinerkloster 1824 übernommen worden war“. Als Schöpfer dieses Altarwerks nennt Brommer, S.19, die Brüder Martin und lgna­ tius Eigler, ,,Söhne des aus Bregenz stam­ menden Martin Eigler d. Ä (gest. 1769), der auf dem Gebiet des Barockaltarbaues die führende mittelbadische Werkstatt gegrün­ det hatte“. Vater und Söhne waren Baden­ Rastatter Hofschreiner, und ihre Werkstatt galt als „führend im mittelbadischen Raum“. Der schon genannte Karl Reinfried fand auf der Rückseite des Hochaltars eine Zettelauf­ schrift: ,,Dieser Altar ist aufgebaut worden im Jahre 1774, den 5. Julius … und ist dieser Altar gemacht worden durch zwei Brüder, Schreinermeister und Kabinettschreiner bei Hof zu Rastatt, Herrn lgnazi Eigler und Mar­ tin Eigler und dem Bildhauer Thomas Heil­ mann, auch von Rastatt“. Die Faßmaler-Arbeiten, das ist die Stuck­ Marmorierung der Säulen und des Gebälks, sowie die Vergoldung und ebenso die Weiß­ Fassung aller Figuren wurden dem aus Wertach bei Augsburg stammenden und in Rastatt ansässigen Meister Gottlieb Schaff­ roth übertragen. Der Bildhauer Thomas Heilmann, den Brommer ebenfalls nennt, darf man sowohl als Entwerfer des gesamten Altarwerks und ebenso als Schnitzer der großen Seitenfigu­ ren, Petrus und Paulus, sowie aller anderen Rechts: Der Mitte/teil des Altars: Altartisch und Tabernakel

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figürlichen Zutaten ansehen. Sein Name ist jedoch in Thieme-Becker’s Künstlerlexikon nicht genannt Das gleiche gilt für die Brüder Eigler, wohl weil man sie unter die Handwer­ ker zählte. Somit wissen wir noch nichts Näheres über ihren künstlerischen Werde­ gang. Nach diesem Dürrheimer Altarwerk könnte man jedoch vermuten, daß sie .in ihrer Lehr- und Wanderzeit mit der Würz­ burger Auwera-Werkstatt in Berührung kamen, aus der einige Altäre ganz ähnlichen Typus‘ im nahegelegenen Frankenland zu finden sind. Der in bräunlich-goldenen Farbtönen ge­ haltene Altar besteht aus mehreren Teilen, die jedoch optisch als ein Ganzes wirken. Da ist zunächst der Altartisch (Mensa), dann der darüber aufgebaute Tabernakel hinter ihm das Altarbild. Dieser Innenteil des Altars ist umrahmt von Säulen und endet in einem baldachinartigen Aufbau. Besondere Beach­ tung verdient zunächst der Tabernakel. Er gilt als ein Hauptwerk des Villinger Hops­ Schülers Phillip Rauch (1730-96), übrigens ein geborener Dürrheimer. Das prachtvolle Werk ist geschnitzt, vergoldet und reich ge­ ziert mit leicht farbig abgesetztem Rokoko­ Ornament. Ein Aufsatz über den Meister von K. Senn findet sich in „Bad Dürrheim, Weg und Ziel“, S. 288-94. Die vergoldete Tabernakeltüre ist nach vorne gebogen und trägt ein schön gestaltetes Kreuz, das in sei­ nem, schon an klassizistische Formen anklin­ genden Corpus auf den „Meister der schö­ nen Kreuze“, Phillip Rauch, hinweist Die Seitenteile des Tabernakels verlaufen in wel­ lenartig schwingenden Linien und enden oben mit je einem zierlichen Putto (Engelsfi­ gürchen). Den Abschluß des Mittelteils bil­ det eine versilberte Pelikan-Gruppe, eine oft auf Tabernakeln angebrachte symbolhaltige Darstellung. Der Pelikan reißt sich mit dem Schnabel die Brust auf, um seine Jungen zu ernähren und opfert sich damit selbst. Des­ halb gilt der Vogel als Christus-Symbol. Dieser Mittelteil des Altars, als Altartisch und Tabernakel, ist gleichsam hinterlegt von einem zusammenfassenden und bekrönen- 142 den Umbau, der auch das nunmehr gerei­ nigte und im alten Glanz wirkende Altarbild enthält. Das Bild steht auf einem kräftigen hölzernen Unterbau hinter dem Tabernakel. Es stellt die Szene der Berufung Petri dar, denn die alte Bühler Kirche war den Apostel­ fürsten Petrus und Paulus geweiht. Über den Maler konnten bisher von Brommer nur Vermutungen ausgesprochen werden: ,,Ein · Rastatter Maler Nicodemo oder Lieh!“. Wir sehen in der Hauptszene in der Bildmitte die große Fig�r Christi in rotem Gewand mit blauem Überwurf. Er hält einer demütig knienden Gestalt die rechte Hand mit den Schlüsseln entgegen, die dieser schlicht gekleidete ältere Mann ergreift Die linke Hand Christi aber weist schräg nach oben, wo vor einem abendlichen Himmel, von hel­ len Strahlen umgeben, auf hohem Felsen ein festes, turmartiges Gebäude steht. Im bogen­ förmigen oberen Bildrahmen finden sich auf einem kleinen roten Täfelchen die Worte ,,Tu es Petrus“, ein Hinweis auf den Evange­ lientext: ,,Du bist der Fels und auf diesen Fel­ sen will ich meine Kirche bauen“. Den Altar umrahmen im Halbkreis zu­ nächst zu beiden Seiten je zwei schlanke, stuckmarmorierte Säulen mit vergoldeten Basen und Kapitellen. Sie sind farblich zurückhaltend in Grautöne gefaßt und ste­ hen im Halbkreis in größerem regelmäßigem Abstand zueinander. Zwischen sie ist rechts und links je eine Schnitzfigur, weiß gefaßt mit Teil-Vergoldungen eingestellt Die Figu­ ren sind im Verhältnis zu den Säulen von wohlbedachter mäßiger Größe, so daß der Gesamteindruck des lockeren, Aufgelösten des Altarwerks bewahrt wird. Genau besehen handelt es sich um je eine Figurengruppe in Weiß und Gold. Links St Petrus und eine kleinere Engelsgestalt, die die Schlüssel hält, und hinter Petrus schräg ein vergoldetes Kreuz. Auf der anderen Seite der Apostel Paulus mit dem Schwert, vor ihm ebenso eine Engelsfigur, die ein aufgeschlagenes Buch dem Heiligen entgegenhält Über den Säulen liegt ein kräftig ausladen­ des, lebhaft geschweiftes Gesims, ebenfalls in

Holzarbeit, jedoch in rötlichen Marmortö­ nen gehalten. Es steigt im Mittelteil in einem flachen Bogen über dem Altarbild an und enthält dort die Taube des Heiligen Geistes in goldenen Wolken und Strahlen. Ergän­ zend ist am oberen Rand die Gestalt Gott Vaters in Segensgestus und mit der Weltku­ gel, umgeben von zwei Putten, angebracht. So sind Gott Vater und der Heilige Geist ein­ bezogen in die durch die Berufung Petri voll­ zogene Gründung der christlichen Kirche. Sie schweben und wachen über sie. Als Abschluß steigen aus dem Gesims vier geschwungene Träger auf, die dann in einer kleinen, baldachinartigen Bekrönung zu­ sammenlaufen. Besonders an diesem oberen Altarteil ist nicht an Vergoldung gespart. Dieser im Gegensatz zu den festgefügten Altargebäuden des Barock ganz aufgelöste Altartypus ist bezeichnend für die Zeit des späten Rokoko. Die Jahreszahl 1774 paßt trefflich dazu. So prächtig dieser St. Petrus und Paulus gewidmete Altar in seiner ganzen Ausfüh­ rung ist, so war er doch als Hauptaltar der Johannes dem Täufer geweihten Dürrheimer Kirche von Anfang an ein Fremdkörper. Denn der Hauptaltar einer Kirche soll in sei­ nem Thema Bezug nehmen auf den Titelhei­ ligen. Das gleiche gilt auch für die heutige Kirche. So sehr man sich vielleicht wünschen möchte, ihn am Ehrenplatz im jetzigen Chor zu sehen, so sprechen doch künstlerische Gesichtspunkte dagegen: Der Chorraum würde für den Altar zu breit sein, sein schö­ nes Ebenmaß käme nicht genügend zur Gel­ tung, wohl auch nicht seine farbliche Wir­ kung in Nähe der neuen bunten Glasfenster. So dürfte wohl die jetzige Lösung, die Auf­ stellung im kapellenartig gestalteten ehemali­ gen Chorraum die befriedigendste sein, die gefunden werden konnte. Dr. Erna Huber Die Malerin Waltraud Oloff Mit einem freien Blick über Unterkirnach zu den gegenüberliegenden bewaldeten Hängen sitzen wir am Tisch des geräumigen Zimmers, in dem die Malerin Waltraud Oloff wohnt und arbeitet. In diesem Raum begegnen sich Bilder dreier Generationen in ihren unterschiedli­ chen künstlerischen Ausdrucksformen. Dominierend hängt da das Jugendbildnis der frühverstorbenen Mutter, in Stimmung und Farbe an die Worpsweder Künstler erin­ nernd. Gemalt wurde das lebensgroße Ölbild Anfang des Jahrhunderts von Johanna Koch, der Schwester von Waltraud Oloffs Vater. Sie unterrichtete auch die Mutter in den Fächern Portrait und Landschaft an der Stuttgarter Akademie, wo diese ihre Ausbil­ dung zur Kunsterzieherin absolvierte. Unter der Leitung von Prof. Landenberger gehör­ ten namhafte Künstler wie Hollenberg,J ung, Strich-Chapell und der Tiermaler Kerschen- steiner zu ihren Lehrern und prägten ihren Stil. Ein kleines Dorfmotiv in Aquarell aus ihrer Hand verrät die Sicherheit ihres Kön­ nens. Daneben sehen wir in knapper Pinsel­ schrift eine japanische Geisha, vom Vater während seiner Reise als Schiffsarzt skizziert. Seine Stärke lag in der treffenden Charak­ terisierung der Menschen, die der Mutter vor allem im Erfassen der Landschaft, wie es die Skizzenbücher beider Eltern zeigen, die vor uns liegen. Als Ältester ist der Großvater mütterlicherseits mit kleinen Landschaften vertreten, die er als Pfarrer unterwegs bis ins hohe Alter malte. Die Reihe der künstlerisch begabten Verwandten ließe sich noch weiter verlängern und zeigt, wie Anlage und Umge­ bung fast selbstverständlich den Beruf von Waltraud Oloff und ihren beiden ältesten Schwestern bestimmt haben. Ein Rasenstück, altmeisterlich auf dunk- 143

lern Grund, zeigt die Vorliebe der ersten, eine spontane Reiterskizze das Temperament der zweiten Schwester, Gustel Koch, die als geschätzte Illustratorin in Stuttgart lebt. Von sich selbst sagt Waltraud Oloff: „Meine fachliche Ausbildung ist kriegsbe­ dingt kurz geblieben -leider-, so daß ich mich eigentlich als Autodidakt bezeich­ nen müßte. Aber diesen Mangel glich eben das musische Elternhaus zu einem guten Teil aus. Dabei lag meinen Eltern alles Lehrhafte fern, und sie waren sehr darauf bedacht, ihre Töchter vor einer Selbstüberschätzung ihrer Talente zu bewahren. Man lebte materiell sehr bescheiden, von Medien noch nicht überflutet, aber reich an Anregung aus dem großen Familien­ und Freundeskreis. Neben Naturwissen­ schaftlichem wurde Musik, Malerei und Literatur teils beruflich, teils aus Lieb­ haberei, gepflegt. Bei Ausflügen wurde botanisiert, und am Abend las der Vater vor, wenn es der Beruf erlaubte“. 1926 in Stuttgart geboren, verbrachte sie ihre Jugend in der Umgebung von Reutlin­ gen, wo der Vater 1932 eine Landpraxis über­ nommen hatte. Nach dem Besuch der Ober­ schule begann Waltraud Oloff ihr Studium an der Stuttgarter Akademie, die damals unter der Leitung von Prof. von Grävenitz stand. Nach Schließung der Hochschulen, nach Arbeitsdienst und Kriegsende folgte eine Weiterbildung an der Freien Kunst­ schule Stuttgart, Studienreisen nach Hol­ land, Belgien und Frankreich, und daneben erste Beteiligung an Ausstellungen in Reut­ lingen und Stuttgart, z.B. „Drei Schwestern Koch im Kunsthaus Fischinger“. Sie war Mitglied des Verbandes Bildender Künstler Baden-Württembergs bald nach dessen Gründung und wurde nach Verheira­ tung 19 51 und Übersiedlung in den Schwarz­ wald, dort in den Villinger Kunstverein auf­ genommen. Seit 1955 nimmt sie an dessen Rechts: Bickentor Villingen im Winter Kartqf[elernte in der Baar 144

regelmäßigen, wie auch gelegentlich an aus­ wärtigen Ausstellungen teil. Bestrebt, ihre Kenntnisse in verschiede­ nen Techniken zu vertiefen, besuchte sie 1966/1667 Seminare für Lithografie, Bild­ hauerei und Aquarell an der Salzburger Som­ merakademie und richtete sich danach eine eigene Werkstatt für Steindruck ein. Über ihren Werdegang erzählt Waltraud Oloff: „Meine Maitechnik hat sich allmählich aus dem Zeichnen entwickelt, da war Pastellkreide naheliegend. In manchem Haus begegne ich heute meinen Zeich­ nungen aus den Nachkriegsjahren, z. T. auf Schachtelkarton gemalt, aus Mangel an Besserem, während ich nun die zweite oder dritte Generation einer Familie im Bild festhalte“. Zwanglos sollen die Sitzungen für das Modell, ob Kind oder Erwachsener, vor sich gehen, äußerste Konzentration bedeuten sie jedoch, trotz Spielen und Plaudern, für die Malerin auf diesem heikelsten Gebiet Dabei wechseln Zeichnungen in Kohle oder Rötel mit Kompositionen in Öl oder Tempera und Pastell. ,,An die Landschaft habe ich mich erst relativ spät in größerem Stil gewagt“, gesteht Waltraud Oloff. ,,Heute bedeutet sie mir den willkommenen Wechsel mit mehr gestalterischer Freiheit. Die Unbe­ quemlichkeit und Abhängigkeit von Standort und Wetter werden durch das unmittelbare Naturerleben reichlich auf­ gewogen“. In ihren Bildern, ob verschneiter Schwarz­ wald oder herbstliche Ackerfurchen der Baar, ob an einer Mittelmeerküste oder in Villingens Altstadt, gelingt es ihr, durch einen ungewohnten Blickwinkel und die atmosphärische Stimmung, den Reiz einer Landschaft einzufangen und zu steigern. Bei der Tierdarstellung ist ihr die Katze, meist die eigene, schon immer dankbarstes Modell gewesen, vom Litho bis zum kleinen Bronze­ guß. Seit einigen Jahren hat sie ihre Liebe zum Stilleben entdeckt. 146 Pastell: Bildnis eines jungen Mädchens P,�JtLl/;.fiJi!f!ltm, 111i!Jdlit.

Kohle: Knabe mit Huhn Kohle: Bildnis eines jungen Arbeiters ,,Hier bin ich nur mir allein verantwort­ lich“, stellt sie fest. ,,Kümmere ich mich auch sonst nicht um irgendwelche ,Ismen‘, so kann ich hier noch mehr meiner Freude am Detail nachgeben oder mich im Weg­ lassen üben, Formen und Farben abwä­ gen, mir in Ruhe Aufgaben stellen“. An Aufgaben fehlt es allerdings nie in ihrem Leben, so meint sie: „Auch heute noch ist es ein Kunststück für eine Frau, neben der Freude und Sorge, welche Kinder und Familie bringen, die nötige Sammlung zu finden beim Wech­ sel vom Kochlöffel zur Staffelei. Da kann die äußere Notwendigkeit der beruflichen Tätigkeit zugleich Hemmnis wie Hilfe, Verzicht wie Anregung für eine Weiter­ entwicklung bedeuten“. Bei allem Traditionsbewußtsein fühlt sich Waltraud Oloff doch als Kind ihrer Zeit, das sich mit deren Widersprüchen aktiv aus­ einandersetzt. Auf dem Gebiet ihrer künstle­ rischen Arbeit aber versucht sie einen ver­ söhnlichen Ausgleich – für sich und andere. Helmut Heinrich/Waltraud Oloff . ———— Litho: Katze * 147

Der Maler und Grafiker Gotthard Glitsch Symbolist und Manierist aus der Geisteslandschaft Schlesien Am Ortsausgang von Königsfeld in Rich­ tung Schramberg lenkt eine weithin lesbare Schrift den Blick auf sich: ,,Albert-Schweit­ zer-Haus“. Der Urwalddoktor hat es 1923 erbauen lassen. Nach dem allzufrühen Tod von Helene Schweitzer-Bresslau, der gebürti­ gen Elsässerin aus Straßburg, ging die an­ sehnliche Liegenschaft mit Haus und Garten wieder an die frühere Eigentümerin, die Brü­ dergemeine Königsfeld, zurück. Mitarbeiter des Zinzendorffgymnasiums fanden ein Jahr nach der Stunde Null im Haus Schramberger Straße 6 eine neue Hei­ mat: zwei schlesische Flüchtlingsfamilien mit acht Kindern. Eines der Kinder, beim Einzug neun Jahre zählend, ist der Königsfel­ der Maler und Grafiker Gotthard Glitsch. ,Janus‘: 1981, Radierung ,,Ein großer Junge mit neugierig-fröhli­ chen Augen“ -notiere ich, als ich an einem schweren, klobigen Tisch im Erdgeschoß mich niedergelassen habe. Mir gegenüber der Künstler, der in Jahresfrist die Fünfzig über­ schreitet. Karg, bürgerlich-rustikal möbliert der große viereckige Raum. Er mag Emp­ fangs-, Wohn-und Arbeitsraum je nach Bedarf sein. Etliche große Radierungen des Künstlers an den hohen Wänden. Sie wirken auf den Besucher vertraut. Bildthemen mit der Note: Gotthard Glitsch. Zur Person: 1937 im oberschlesischen Niesky geboren, ist Glitsch in Königsfeld aufgewachsen und begann nach dem Abitur 1958 eine zweieinhalbjährige Lehre als Kunstglaser bei der Glasmalerei Wilhelm Derix in Rottweil. Es war die Zeit -so erin­ nert sich Glitsch -, als der Münchner Wil- 148

heim Geyer und der Deißlinger Romuald Hengstler für Kirchen in Schwenningen und einigen weiteren Plätzen in der Ostbaar ihre religiösen Farbfenster schufen. Erste Blüte des Wohlstandwunders! 1958-1963 Besuch der Kunstakademie in Karlsruhe. Von Mal zu Mal wechselt der Kunststudent für Malerei und Grafik die Professoren: HAP Grieshaber, Emil Wach­ ter, Walter Herzger. Erst in den zwei letzten Semestern findet er in Otto Laible, der aus der Schule Ernst Württenbergers kam, den Lehrer, der ihm von Grund auf die Technik der Radierung, seines künftigen Metiers, bei­ brachte. Es sollte die handwerkliche Grund­ lage werden, die es Glitsch ermöglichte, seine persönlichen Eindrücke und Vorstellungen ins Bild umzusetzen. Erlebnisse, die weitge­ hend geprägt waren durch ein der klassischen Philologie verpflichtetes Elternhaus und den schlesischen Pietismus der Herrnhuter. Im Gespräch schildert der Künstler, wie „Confocale Liegende‘: 1976, Radierung Königsfeld mit seiner pietistischen Tradition auf ihn als Kind gewirkt hat. Im Gemeinde­ saal, dem klassizistischen Bauwerk mit sei­ nem klinischen Weiß habe er einerseits die Schönheit der Architektur bewundert, ande­ rerseits aber auch die Kälte des Raumes emp­ funden, die für den protestantischen Pietis­ mus charakteristische „Bildfeindlichkeit“. So sei in ihm der Wunsch erwacht, mit Bildern, mit seiner Kunst zu protestieren, anzugehen gegen eine Bildfeindlichkeit, die stets auch eine „Körperfeindlichkeit“ sei. Damit sind wir beim Werk Glitschs. Seine Radierungen haben den Menschen, den menschlichen Körper zum Gegenstand. Mit Vorliebe den weiblichen Körper: die Frau als Liegende, Hockende, Stehende, sich Rek­ kende, Badende. Dann wieder Doppelpor­ traits: sich umarmende Paare. Doch es wäre verfehlt, in den Figuren nur 149

den schönen Akt sehen zu wollen. Glitschs Interesse erschöpft sich nicht im N ur-Figürli­ chen. Das deuten Phantasietitel an wie: Hah­ nenmädchen, Traumkatze, Luftkatze, Ele­ phanterueiterin, Glücksreiterin. Dann wie­ der Varianten mythologischer, biblischer Themen: Frauenraub, Leda, Madonna, Adams Fall, Eva, Rabenbraut. Es ist die Frau als animalisches wie als rät­ selhaftes Wesen, der klassisch schöne Körper in all seinen erotischen Spannungen wie ver­ führerischen Reizen, die der Künstler zu ergründen sucht. Mit Symbolen aufgeladen auch die Blätter mit dem männlichen Partner. Er ist der fau­ stische Mensch. Erlöser und Opfer in Titeln wie: Ekstatischer Verkündiger, Gekreuzigter am Bügel, Sturmgenius, Ascensus, Transgres­ sus, Janus. Da gibt es den zur Höhe Schwe­ benden mit dem Erlösergestus, den Sphären­ sturz und den Grand Nageur – über einer Liegenden ein riesiger männlicher Schädel mit bleckenden Zähnen. Immer wieder sind seltsame, schwermü­ tige Tiere der Einzelfigur beigegeben: Raben, Katzen, Panther, Pferde, Fuchs, Hahn, Pfau, Pelikan. Rätselhafte Wesen, Symboltiere, zeitlos, eingekerkert zwischen Vergangen­ heit und Gegenwart – wie auch die mensch­ liche Figur selbst, die den Kosmos spiegelt, den Widerstreit von Geist und Körper, von Seele und Natur. So finden sich auf den Radierungen des Malers Pflanzen, Versteinerungen, Korallen, Schnecken, Muscheln, kreisende Schalen vor Baum- und Wolkengekröse, dann wieder sind es magische Zeichen, geometrische For­ men – so das Mäandermuster – schwärzli­ ches Gitterwerk. Auch sie nicht nur dekora­ tive Versatzstücke. ,,Die Synthese oder Dis­ krepanz von organischen und anorgani­ schen Formen“ – so der Künstler – ,, wird ge­ radezu zum Inhalt meiner Bemühungen“. Kaum einmal geht Glitsch im Gespräch oder bei Vernissagen auf die Gegenstände, den Inhalt seiner Radierungen, ihre Her­ kunft ein. Tut er es dennoch, dann sind die Formulierungen ebenso knapp wie allge­ mein. ,,Auf der Seelenbühne meiner Blät­ ter agiert der Mensch, nackt, isoliert bis zum Martyrium, oder aber in der Verknüpfung des Paares, in der Gesellschaft des Tieres“ heißt es in der Eröffnungsrede von diesem Jahr anläßlich einer Ausstellung in der Stutt­ garter Galerie Fischinger. Oder ein andermal: „ Wenn der Autor dieser Radierungen sich zu Wort meldet, dann nicht um die visuelle Bot­ schaft seiner Blätter in Sprache zu über­ tragen. Dies ist ebenso unmöglich, wie es andererseits nicht angeht, dem Betrachter den individuellen Sehakt, das Dechiffrieren dieser Bilderrätsel abzunehmen“. Glitschs Scheu, sich selbst zu interpretie­ ren, ist nur zu verstehen, wenn man seinen Begriff des Mediums Kunst sich vor Augen hält. Für ihn sind stets zwei erforderlich, wenn es um die Verwirklichung von Kunst geht: der Künstler, der die visuelle Botschaft formuliert, und der Betrachter, der seine Denkbilder enträtselt, dem, entsprechend seinen Fähigkeiten, ,,die Chance des Weiter­ denkens und Weiterträumens“ der vom Bild­ autor „ visuell formulierten Botschaften“ bleibt. Verweigert der Betrachter in der Aus­ stellung den „individuellen Sehakt“, das Dechiffrieren der Bilderrätsel, so ist es zum eigenen Schaden des potentiellen Mitautors * Zerschlage die Mauer hinter der Du Dein Gefühl eingesperrt hältst. Klopfe an den Kerker Deines Nachbarn. Vielleicht öffnet er, sein vergittertes Tor … 150 Gerhard Brommer Rechts: „Dialog‘: 1981, Radierung

am Phänomen Kunst, „zum Schaden seiner Seh- und Welterfahrung“ – so der Königsfel­ der Maler-Philosoph, als er am 10. November 1984 im Villinger Theater am Ring in seiner Eigenschaft als neuer Vorsitzender des Kunstvereins Villingen-Schwenningen GmbH die Antrittsrede hielt. Festzustellen, daß es eines langen Anlaufs bedurfte, ehe der Königsfelder Maler und Grafiker in der engeren Heimat die verdien­ ten Lorbeeren pflücken konnte. Wie anders! Der Bilderkatalog des Symbolisten und Manieristen aus dem Geistesland Schlesien hat viele Väter und geistige Anverwandte. So waren es zunächst Galerien in den Universi­ täts- und Hochschulstädten Westdeutsch­ lands, die mit Einzelausstellungen eine Bresche zum Verständnis der Kunst von Gotthard Glitsch schlugen: Heidelberg, Stuttgart, Frei­ burg, Karlsruhe, Konstanz. Erst 14 Jahre nach Heidelberg kam der Königsfelder Künstler zu Einzelausstellungen im Schwarzwald­ Baar-Kreis: Art und Design in Villingen-Mar­ bach 1980, Museum Altes Rathaus Villingen 1981, Rathaus St. Georgen 1983. Lorenz Honold Heimat- und Phonomuseum St. Georgen Prunkstück: eine astronomische Uhr, an der 20 Jahre gearbeitet wurde Eigentlich ist es nur eine Raumfrage, die das St. Georgener Heimatmuseum daran hindert, eine wirklich große Stätte der Schwarzwälder Vergangenheit zu sein. Es ist bis jetzt auf engstem Raum im Untergeschoß des Rathauses untergebracht und bietet so nur Platz für einige wenige Dinge, die gleich­ wohl interessant, aufschlußreich, ja sogar ein­ zigartig sind. Verstärkt wird der Museums­ charakter des St. Georgener Heimatmuse- Der „Dreigötter“-Stein wurde an der Brigachquelle bei St. Georgen gefunden 152

Das Urena-Grammophon (links) und das Mammut-Grammophon (rechts) stechen den Besuchern des St. Georgener Phonomuseums wohl als erstes ins Auge Wohl das einzigartigste Stück des Heimatmuseums St. Georgen ist die astronomische Uhr von Christoph jäckle. Der St. Georgener Uhrenkonstrukteur hat rund 20 Jahre an ihr gearbeitet. 153

ums durch das direkt danebenliegende Pho­ nomuseum, das mit Vitrinen und Schau­ kästen einen ebenso großen Raum wie das Heimatmuseum einnimmt und von einer für die Stadt wichtigen Industrie zeugt: Plat­ tenspieler und einzelne technische Details aus frühester Zeit sind dort zu sehen. Was das Heimatmuseum so auszeichnet, ist in erster Linie die astronomische Uhr von Christoph Jäckle, einem unlängst verstorbe­ nen Uhrenkonstrukteur. An ihr hat Jäckle gut 20 Jahre lang gebaut, und sie ist seit Dezember 1983 als Leihgabe im Museum zu sehen. Die Hauptuhr zeigt nicht nur die Mit­ teleuropäische Zeit in Sekunden, Minuten und Stunden an, sondern auch die Sonnen­ zeit, ausgerichtet auf die Stadt St. Georgen, und die Sternenzeit. Das Datumswerk gibt Wochentag, Monatstag, Monat und Jahres­ zahl einschließlich der Schaltjahre bis zum Jahr 2099 an. Die Uhr erfüllt eine Fülle von Funktionen, zeigt beispielsweise die jeweilige Stellung von Mond und Sonne im Tierkreis an, Auf-und Untergangszeiten der beiden Planeten oder Mondphasen. Das Kalender­ werk hat Feiertage bis zum Jahr 2099 gespei­ chert. Sie wird als das Prunkstück des Museums bezeichnet. Im 1972 gegründeten Museum sind T rach­ ten der Stadt, Schäppel und andere Kopfbe­ deckungen zu sehen, viele alte Uhren, darun­ ter die älteste, eine Waagbalkenuhrvon 1640, oder eine originalgetreue alte Uhrmacher­ werkstatt mit vielen Werkzeugen und einer Werkbank. Hinzu kommt ein altes Bauern­ schlafzimmer mit allen damals üblichen Ein­ richtungsgegenständen: Die „Kammer“ weist ein Himmelbett, eine Wiege, eine Truhe, einen Schrank, Stuhl und Wand­ schränkchen auf. In kleinen Vitrinen sind noch einzelne Gegenstände ausgelegt. Der an der Brigachquelle gefundene „Dreigöt­ ter“ -Stein ist ebenfalls zu besichtigen. Im selben Jahr wie das Heimatmuseum wurde auch das Phonomuseum gegründet. Die ausgestellten historischen Phono-Geräte sind Leihgaben aus den Hobby-Sammlun­ gen zweier St. Georgener Bürger und der 154 St. Georgener Phono-Industrie. Die beiden Sammler Walter Grieshaber und Jürgen Weisser gestalteten diese Ausstellung mit Hilfe des Photo-, Film-und Phono-Clubs St. Georgen und mit Unterstützung der Stadt. Den Grundstein zum Phono-Museum legte der im Oktober 1964 verstorbene Gott­ lob Weisser, der seit 1950 historische Phono­ Geräte sammelte. In lückenloser Reihe kön­ nen heute Besucher die an Kuriositäten reiche Entwicklungsgeschichte der Phono­ Technik von Edisons Walze 1877 bis zur HiFi-Stereotechnik der Gegenwart sehen. Besonders beeindruckend wirken im Pho­ nomuseum die großen Trichtergrammo­ phone, die alle Anfang des 20. Jahrhundert gebaut worden sind. Darunter befindet sich auch ein Gaststättengerät, in das eine Münze eingeworfen werden mußte. Wesentlich wertvoller und technisch interessanter sind jedoch sicherlich die ganz alten Stücke. Das älteste dürfte wohl die mechanische Spieluhr von 1890 sein. Sie funktioniert durch ein sogenanntes Zungenstimmwerk, das heißt, die in eine Platte eingestanzten Häkchen rei­ ßen beim Drehen Stahlzungen an und brin­ gen sie zum Klingen. Ein Modell des ersten Edison-Phonographen ist zu sehen, aber auch zwei original Edison Phonographen sind ausgestellt. Interessant sind auch die Spielzeug- und Koffergrammophone, die davon zeugen, daß es auch um 1930 Men­ schen gab, die nirgends ohne Musik sein wollten. Thematisch abgerundet wird die Ausstel­ lung durch die in Vitrinen aufgezeigten Ent­ wicklungen der Grammophone zu Platten­ spielern der heutigen Q!ialität, der Platten­ wechsler, der Tonarme, ja sogar der Schall­ platten. Ingrid Pfeiffer Rechts: Die Turmuhr des alten Rathauses der Bergstadt, die in der zweiten Hä!fte des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, ist im Heimatmuseum im Rathaus ausgestellt

Mit dem Blick über die Region hinaus Blumberger Kunstausstellungen – der Glücksfall im Schwarzwald-Baar-Kreis gen namhaften Schulstädten im Schwarz- Zeitgenössische Kunst in der Provinz! wald-Baar-Kreis. Etwa in Donaueschingen. Auf der politischen Ebene steht sie nicht son- derlich hoch im Kurs. Schon gar nicht, wenn Um das Manko an Kunstausstellungen zu überbrücken, springen Bankinstitute, Kor- es um die Frage der Förderung aus Landes- porationen, neuerdings auch die Volkshoch- mitteln geht. Manchem Politiker ist sie allen- schule Baar für die Stadt ein. Ohne sie als Ini- falls willkommen als Thema für Sonntags- tiatoren geht seit den sechziger Jahren auch reden. Dabei appelliert der Gast am Pult an in der Fürstenstadt bei diesem Medium so das private Engagement, an die Verantwor- gut wie nichts. tung des Bürgers und würdigt-im Blick auf In St. Georgen war es bis vor einem Jahr- den jungen, noch im Reifeprozeß stehenden zehnt Dieter Gräßlin -ein leidenschaftlicher Menschen -die zeitgenössische Kunst gerne Sammler moderner Kunst, der seine Schätze als stabilisierenden Faktor bei der Persönlich- in beispielhaften Wechselausstellungen auch keitsbildung, unverzichtbar für die Jugend der breiten Öffentlichkeit vermittelte. Seit gerade in unruhigen Zeiten. seinem allzufrühen Tod sucht der rührige Wann gehen schon in Sachen zeitgenös- „Kleinkunst-Kulturkreis“ das Manko an zeit- sische Kunst Mittel des Landes in Städte und genössischer Kunst in der Bergstadt zu über- Gemeinden, die unter der Marke „Große brücken. Ausstellungen mit Werken des Kreisstadt“ liegen? Sehen wir uns um in eini- Die Frau in Rot, Mischtechnik von Jürgen Henckell {im Vordergrun.d links unten) 156

Der Blumberger Bildhauer Walter Richter mit seiner Plastik „Tote Augen“ Furtwanger Bildhauers Hubert Rieber und Radierungen des Königsfelder Grafikers und Malers Gotthard Glitsch beweisen immerhin ein gutes Gespür für junge, anerkannte Künstler in der Region. Bad Dürrheim hat in der Kur- und Bäder GmbH einen auch finanziell verläßlichen Partner und Förderer zeitgenössischer Aus­ stellungen, deren Programm vom Ge­ schmack und Kaufinteresse der Kurgäste mehr oder weniger bestimmt wird. In der Stadt am Eichberg gibt es – nun­ mehr bereits im achten Jahr- die sogenannte „Blumberger Kunstausstellung“. Für eine Stadt von rund 10 500 Einwohnern ein aus­ gesprochener Glücksfall, dem die weiteren Zeilen dieses Beitrags gelten. Träger ist die Fachgruppe Bildende Künste des Internatio­ nalen Bodensee-Clubs (Sektion Südwest). Ein Ausstellungsforum, dessen Mitglieder nahezu im gesamten südbadischen und süd- württembergischen Raum beheimatet sind. Je bis zu 12 Künstler präsentieren sich in den vom Land geförderten Jahresausstellungen mit Werken der Malerei, der Graphik und der Bildhauerei. Sie kommen vom Hotzen­ wald, aus dem Klettgau, von der Baar, dem Hegau, dem Bodensee und von der oberen Donau bis in den Raum von Sigmaringen. Damit weitet dieses Forum den Blick der Besucher weit über die Region Schwarzwald­ Baar-Heuberg hinaus. Zum Unterschied etwa von den Jahresausstellungen der Künst­ lergilde Donaueschingen wie auch von den alle zwei Jahre im Schwenninger Beethoven­ haus stattfindenden Präsentationen der Künstler und Freizeitmaler aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Initiator der Ausstellungen in Blumberg ist Jürgen Henckell, Sektionschef der oben genannten Fachgruppe. Ein Wahl-Blumber­ ger seit der Erzgräberzeit gegen Ende der 157

Dreißiger Jahre. Von Anfang an hat er, der als Schriftsteller wie als Maler und Grafiker einen Namen hat, seinem Unternehmen anspruchsvolle Maßstäbe gesetzt. Die figürliche Darstellung: Portrait, Akt und Gruppenbild -Themen, mit denen sich Freizeitmaler so schwer tun – nehmen in den Blumberger Ausstellungen den ersten Platz ein, der Zahl nach wie im Niveau. Das ist bei den drei Bildhauern, die regelmäßig vertre­ ten sind, ohnehin selbstverständlich. Es sind der Blumberger Kriegsblinde Walter Richter und der Vöhrenbacher Wolfgang Kleiser (beide hat Jürgen Henckell bereits in den „Almanach“-Jahrgängen 80 und 81 den Kunstfreunden vorgestellt). Seit Jahren mit von der Partie derTrossinger Wendelin Matt, der in seinen urtümlich vereinfachten Blök­ ken aus Stein und Kalktuff figürlichen The­ men wie etwa „Mutter und Kind“ geschlos­ sene Form wie beseelten Ausdruck zu geben weiß. Jedes Jahr ist die Ausstellungspalette der Maler und Grafiker anders – dabei stets interessant und abwechslungsreich gemischt. Es gilt – so Jürgen Henckell – die Kunst­ freunde in der Provinz einmal mit neuen, herausragenden Persönlichkeiten bekannt zu machen, gl�ichzeitig aber auch die oft Das Labyrinth, Öl auf Leinwand von Roland Heyder recht unterschiedlichen Temperamente, Techniken und Arbeitsweisen dem Betrach­ ter zu erschließen. So wurden in der Jahres­ ausstellung 1983 die Besucher mit nicht weniger als fünf neuen Vertretern der ver­ schiedensten Stilrichtungen konfrontiert. Da war der aus Frankfurt stammende Horst Kalbhenn, Jahrgang 1929, ein Schüler der freien Kunstschule Stuttgart, heute als freier Maler in Ravensburg-Baienfurt tätig. Vertre­ ten mit an Kubismus und Konstruktivismus geschulten Kompositionen. in Acryl – ein Expressionist mit ungewöhnlich sicherem Sinn für Form- und Farbdynamik. Aus England stammend der um sechs Jahre jüngere Anthony Piper, der vor Jahren in Bernau/Schwarzwald seine Wahlheimat fand. Ein Gestalter von „modernen“, ganz aus der Farbe inspirierten Portraits, die an Schöpfungen der Naiven erinnern und mit ihrer popartigen Farbfreude wie den großzü­ gig abstrahierenden Formelementen den ein­ fachen wie den anspruchsvollen Kunst­ freund begeistern können. Von Roland Heyder, Singen/Hohentwiel, Jahrgang 1956, dem Jüngsten unter den Aus­ stellern, sah man Akte in einer surrealistisch verfremdeten Landschaft, darunter „Abend am Strand“ und „Das Labyrinth“ – in der 158

Doppelhildnis, Öl auf Leinwand von Friedrich Knödler Maimanier wie im zeitkritischen Engage­ ment ein moderner „Moralapostel a la Salva­ dor Dali“. Seit Jahren mit in der Runde der Donau­ eschinger Hans Lang, ein Meister stim­ mungsvoller Impressionen aus der Provence, dann der Löffinger Friedrich Knödler, bekannt für seine humorvoll-hintergründi­ gen, expressionistisch gespachtelten Portraits und Selbstportraits, und selbstverständlich auch der Manager der Blumberger Ausstel­ lungen: Jürgen Henckell mit symbolstarken, gesellschaftskritischen Themen in Misch­ technik aus seiner Sizilien-Serie. Ein Satiri­ ker, der im Stil der Neuen Sachlichkeit dem technisierten Robotermenschen des 20. Jahr­ hunderts, einem skrupellosen Industriekapi­ talismus in der Dritten Welt wie auch der „Unterwelt“ in den Ländern der Mafia immer wieder neu den Spiegel vor Augen hält. Auf nahezu 1000 Interessenten hatte es die Ausstellung im Spätherbst 1983 gebracht. Über 700 Kunstfreunde nahmen im Vorjahr den Weg in die knapp 14 Tage dauernde Aus- Stellung in der attraktiven „Galerie unter der Kirche“ von St. Andreas in Blumberg. Wie­ derum für Anfang November, vor allem um den interessierten Schülern und Schulklas­ sen entgegenzukommen, ist auch die Jahres­ ausstellung 1985 vorgesehen. Von Jahr zu Jahr wächst die Zahl an Kunstfreunden, Künstlern und Vertretern der Öffentlichkeit, unter ihnen Landrat Dr. Gutknecht und Bür­ germeister Gerber, die der Initiator bereits bei der Vernissage begrüßen kann. Mögen die Besuchserfolge Jürgen Henckell Ansporn sein, sein selbstloses Engagement in Sachen zeitgenössischer Kunst noch viele Jahre fort­ zusetzen. Lorenz Honold * 159

Carl Rang – Radierungen aus dem Schwarzwald )eh wünsche mir, daß in jedem Haus eine Sammlung von Original-Graphiken einge­ richtet werde. Auf jeden Fall wird die Samm­ lung mehr Interessantes bieten, als eine gleich teure Briefmarkensammlung.“ Carl Rang {1886-1965), Lithograph, Maler und Radierer aus Freiburg, ist in seiner zwei­ ten Heimat Frankfurt/M. bekannter gewor­ den als im Schwarzwald. In dieser Großstadt lernte er lithographieren, hier machte er sich, seit 1913 mit Karoline Steidinger aus St. Georgen verheiratet, 1918 als Kunstmaler und Radierer selbständig. In den ersten Jah­ ren arbeitete er als Portraitmaler, später wid­ mete er sich vorwiegend der Landschaftsma­ lerei. Gelegentlich schrieb er Artikel und illu­ strierte sie gleich selbst. Alt-Frankfurt mit sei- nen verwinkelten Gassen und Sträßchen, heute kaum noch vorstellbar, mit seinen engen Plätzen und alten Häusern bot unzäh­ lige Motive für seine Arbeiten, insbesondere seine Radierungen. Die Kunst der Radierung kam dem dama­ ligen Stand der Drucktechnik sehr entgegen, und so fanden seine Werke auch Eingang in Tages-und Wochenzeitungen. Der „Bund tätiger Altstadtfreunde“ in Frankfurt, der ,,die wunderliche Welt ihrer besonders eng­ geschachtelten Häuser und versteckten Höf­ chen in seine Obhut genommen“ hatte, fand in Carl Rang den idealen Illustrator für seine Ziele. Von den Techniken der Radierung nutzte Carl Rang vor allem Kaltnadel, Strichätzung, 160

Aquatinta und Schabmanier. Diese Kunst setzt eine große Kunstfertigkeit voraus: Auf eine Kupferplatte wird eine Zeichnung ein­ geritzt (KaltnadeL ähnlich auch der Kupfer­ stich); die Kupferplatte wird mit einer Asphaltschicht überzogen, in die mit der Nadel die Zeichnung eingeritzt und das so freigelegte Kupfer durch eine Säure geätzt wird (Strichätzung); die Kupferplatte wird mit Asphalt oder Colophonium eingestäubt und erhitzt, danach die Zeichnung mit Asphaltlack negativ aufgetragen und wieder geätzt (Aquatinta); schließlich wird die Kup­ ferplatte mit dem Wiegeisen aufgerauht, danach an den Stellen wieder geglättet, die im Druck heller erscheinen sollen (Schabma­ nier). Meist müssen die einzelnen Arbeits­ schritte mehrfach hintereinander wiederholt werden. Der Druck wird auf der Kupfer­ druckpresse vorgenommen, meist von der Hand des Künstlers selbst. Nicht jeder Abzug gelingt: Radieren und Drucken einer Kupferplatte erfordern viel Erfahrung und technisches Können. Hier sollen einige charakteristische Arbei­ ten von Carl Rang aus dem Schwarzwald wiedergegeben werden, sie sind bislang un­ veröffentlicht. Die letzte Ausstellung seiner Werke -aus dem Nachlaß -fand 1969 in Frankfurt statt. Den Künstler zog es immer wieder in den Schwarzwald zurück, hier machte er seine Studien, hier sammelte er Anregungen: ,.Der Eisenbahn erst vor einer Stunde entstiegen, liege ich nun auf diesem Lieblingsplatz, lasse mir vom Wald erzählen, begrüße altbekannte Bäume und liebgewor­ dene Plätze.“ 161

mit den umstehenden Baum-und Strauch­ gruppen ein sehr malerisches Bild.“ Er führt uns in das Innere der Mühle, beschreibt ihren Bau und die Arbeit, die in ihr erledigt wird. „Hier ändert sich nichts, hier sah es vor 100 Jahren genauso aus wie heute . . . Hier in dieser immer gleichbleibenden Landschaft vergessen wir unsere kleinen Sorgen, hier finden wir wirkliche Ruhe.“ Er sieht mit Zweifeln die Veränderung der Landschaft und der Menschen durch den Anschluß an das überregionale Verkehrsnetz, durch die Industrialisierung, zunehmende denn: in einem entlegenen »Einige Wochen Schwarzwaldtal zugebracht, vollkommen abgeschlossen von der übrigen Welt, nur beschäftigt mit den paar Menschen, dem Wald, Wiesen, Bach und dem hohen Him­ mel darüber, wer würde anders sprechen können als: Es waren die glücklichsten Tage meiner Erdenwanderung.“ Uwe Ziegler So besuchte er den Uhrmachermeister Jacob Philipp Bäuerle, den seinerzeit letzten selbständigen Uhrrnachermeister in Stock­ wald bei St. Georgen: „Ein kleiner Bauernhof mit vier Kühen, einigen Schweinen und wenig Feld. Wir treten in die Wohnstube, die zugleich auch als Werkstatt dient. In der Ecke der große Kachelofen mit der Bank umgeben, Sofa, Tisch und Stühle, an der Fen­ sterreihe entlang die Arbeitsstische, vier Drehbänke mit Fußantrieb bilden die Ein­ richtung der Stube. Überall liegt und hängt das Werkzeug wie Meißel, Blechschere, Boh­ rer, Fräser, Bohrapparate, Hohltriebbohrer umher, das alles noch von Groß- und Urgroßvater übernommen wurde.“ Carl Rang beschreibt dann den Alltag und seine Mühsal, den Stolz des Handwerkers, das Schicksal der Uhrmacher auf dem Schwarz­ wald. Aber auch die Schwarzwaldmühlen fan­ den in ihm ihren Liebhaber: „Zerstreut lie­ gen die Mühlen im Wiesentale und bieten Helmut Heinrich: Gedanken zur Errichtung des Franziskusbrunnens am Franziskaner zu Villingen „Gerade der Mühseligen und Beladenen 1182-1226 Franz von Assisi: An den Hän­ gen des Monte Subasio in Umbrien liegt in den jungen städtischen Siedlungen hat­ Assisi, der Geburtsort des großen Heiligen. ten sich die Söhne des hl. Franziskus besonders angenommen, die nun Graf Über dem Grab, derTomba, des „poverello“, Heinrich von Fürstenberg 1268 in die wie ihn die Italiener nennen, erhebt sich die zweigeschossige Basilika, ausge­ Stadt Villingen rief … Dem Geiste des Gründers entsprach der Kirchenbau (ge­ schmückt mit Fresken bedeutender Maler des 14. und 15. Jahrhunderts. weiht 1292). Schlichtheit und Anspruchs­ losigkeit gebot schon die Armut des Nicht schwärmerische Naturliebe waren Ordens … Man nimmt an, daß bei der Vil­ ihm eigen, sondern „das Lob des Schöpfers linger Bettelordenskirche der Chor bereits in aller Kreatur“. So entstanden sein „Son­ in die Planung mit hereingenommen nengesang“, die „Vogelpredigt“, seine Gebete wurde … für den Frieden in jener unruhigen Zeit „Pact Die Franziskanerkirche war Schauplatz et bene“, mit diesen Worten grüßte er seine des religiösen und politischen Lebens Brüder und Freunde. unserer Stadt: die zahlreichen Bruder­ 1268 aus Paul Revellio: ,,Beiträge zur schaften hatten hier ihre Altäre; das Fran- Geschichte der Stadt Villingen“: 162 Ein Brunnen entsteht reich

Basilika San Francesco, Assisi Ölgemäl.de „Franziskaner mit Garten“ von Alhert Säger 163

Erster Entwurf: Das Friedensgebet ziskancr war Sitz der ersten höheren Schule; es war die Zufluchtsstätte für die Fakultäten der Universität Freiburg, wenn diese von ,sterblichen Läufen‘ (Seuchen) heimgesucht wurde. Es hatte ab 1324 in dieser Stadt, die durch das strenge Regle­ ment der Zünfte geprägt wurde, seinen festen Platz. Fast 500 Jahre lang wurde in dieser Kirche an Johanni vor versammel­ ter Bürgerschaft das Stadtrecht verlesen und der Bürgermeister, sowie der Schult­ heiß und der Rat gewählt und vereidigt. Einer der großen Persönlichkeiten des Vil­ lingcr Franziskancrklosters war gegen Ende des 15. Jahrhunderts der Provinzial Heinrich Karrer, der 1480 die fromme Ursula Haider und einige Mitschwestern aus dem Clarissenkloster ValdunaNorarl­ berg abholte und mit der Einrichtung von St. Clara im einstigen Biggenkloster-, im 164 damals düster Haus‘ -zu Villingen beauf­ tragte. 1791 wurde das Kloster der Franziskaner aufgehoben; das Gebäude blieb bis zu den napoleonischen Kriegswirren Kaserne. Die Kirche wurde Pferdestall und Pro­ viantmagazin, die zahlreichen Altäre und Chorstühle wechselten die Besitzer. Am 9. August 1813 erwarb die Stadt den ganzen Komplex und gab ihn später an das Heilig-Geist-Spital ab, das nach der ,Translocation‘ den Kirchenraum zur Ökonomie ausbaute. Da der Bedarf an Plätzen für die Alten und Kranken wuchs, wurden später im Chor der Kirche drei­ stöckig mit Wohnungen eingerichtet, wurden die hochgotischen Fenster zuge­ mauert und weitere Häuser angemietet“ 1982 konnte – im Bewußtsein der Rettung wertvollen Kulturguts -in einer großange-

straße zur Rietgasse veranschaulicht das deutlich“ (Dr. F. T. Leusch). Und draußen an der Rietgasse, dort in der Nische, wo das Kirchenschiff in den schma­ len, hohen Chorraum übergeht, steht seit dem 14. Oktober 1984, von Pater Dr. Palrna­ tius Säger geweiht, der Franziskusbrunnen, der in seiner Aussage Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet. Einst war der Brunnen eine Viehtränke für die Tiere der Kleinbauern des Rietviertels, unmittelbar an der Mauer. Nicht die Schaffung eines „Denkmals“ war beabsichtigt, nicht die Anbringung einer Plakette mit dem Hinweis, daß hier einst die Franziskaner lebten, gefordert -vom ersten Gedanken der Planung an war es meine Absicht, eine Franziskus-Aussage in Verbin­ dung mit Wasser zu gestalten. Fest stand fer­ ner, das Friedensgebet: ,,0 Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“ … in seiner ganzen Länge, als Mahnruf in unsere bedrohte Zeit, sichtbar zu machen. Mehrere Entwürfe entstanden, einer entwickelte sich aus dem andern. Besprechungen, Ortster­ mine, Modellanfertigungen, Gutachten führten schließlich zur Gestaltung des Brun­ nens, wie wir ihn heute sehen. Dank all denen, die in Verantwortung fachlichen Bei­ stand leisteten oder diese Bürgerinitiative durch ihre Spenden freudig unterstützten. Der Franziskusbrunnen ist eine Brunnen­ stele mit ovalem Grundriß (Höhe 2,10 m). Ihr Kern bildet ein stabiler, verleimter Holz­ kern, den der Städtische Werkhof herstellte. Die Kunstschmiede Klaus Walz, VS-Villin­ gen, fertigte den Brunnen an; sie gab wert­ volle Anregungen im künstlerisch-techni­ schen Bereich. Der Holzkern ist umkleidet mit einem Kupfermantel, in den in drei einander zugeordneten Schriftblöcken das franziskanische Friedensgebet in etwas ver­ einfachten Unzialen eingeprägt ist. Die Gestalt des Heiligen ist aus Messing, getrieben, bräuniert, aus einzelnen sich über­ lappenden, unterschiedlich starken Messing­ platten gefertigt. Die Darstellung der gekreuzten Arme mit der Bibel in der rechten 165 Entwürfe zur Franziskusgestalt legten Bau-und Restaurierungsmaßnahme der erste Bauabschnitt „des Franziskaner“ abgeschlossen werden. Die einstige Barfüßerkirche, die ehemals einen kleinen Dachreiter trug, wurde zum Konzertsaal. Chor und Schiff bilden wieder eine Einheit, der nun verglaste Kreuzgang mit seinem beachtenswerten Maßwerk, die einstige Sakristei und das Refektorium sowie einige neugeschaffene Räume konnten in das Konzept miteinbezogen werden. „Die städtebaulich zurückgewonnene Bedeutung ,des Franziskaner‘ in seinem rekonstruierten mittelalterlichen Gewand ist unübersehbar. Ein Gang durch die Brunnen-

sehen Lebens und der sichtbaren Identifika­ tion mit dem Leiden Christi – in den Stig­ mata sichtbar – gedeutet werden. Die im mit­ telalterlichen „Emblem“ über den gekreuz­ ten Armen schwebende Krone ist auf der Stele am Ende des Friedensgebets eingesetzt. Mit der Halterung des Brunnenrohrs, ebenfalls aus Messing, die ausschwingend die Horizontale betont, wird der notwendige Spannungsbogen zur mehr statisch aus­ gerichteten Vertikalen der Stele geschaffen. Die Rosette steht in einem direkten Bezug zur Gestalt des Heiligen. Die doppelten Kreise sind Zeichen der Vollendung. Sie kön­ nen auch unseren Erdkreis darstellen, die durch die Kreuzesbalken durchbrochen sind. Sie tragen Blattornamente, ein Hinweis auf die Natur, die zu erhalten wir aufgerufen sind. Der Franziskusbrunnen, unmittelbar an der Franziskanerkirche mit seiner religiösen und historischen Aussage möge den Vor­ übergehenden zum kurzen Innehalten anre­ gen. Er möge seinen Teil dazu beitragen, die Generationen zusammenzuführen im ge­ meinsamen Bemühen um den Frieden in der Welt und der Achtung der göttlichen Schöp­ fung. Ich bin dankbar, daß die Katholische Jugend von St. Fidelis, Villingen, die Paten­ schaft über den Brunnen übernommen hat. Möge er damit in seiner stillen Ausstrahlung vermehrt im Bewußtsein der Bürger seinen Platz haben. Der fertige Brunnen Hand geht auf ein im 15. Jahrhundert ent­ standenes Sinnbild zurück. Dieses sog. ,,fran­ ziskanische Wappen“ ohne heraldische Gesetzmäßigkeiten offenbart Hingabe und Hoffnung. Es will als ein Zeichen asketi- Die Bildhauerin Alice Roskothen-Scherzinger Ein Gedenkblatt für die in Bad Dürrheim beheimatete Künstlerin Ober zwölf Jahre verbrachte die aus Baden-Baden stammende Bildhauerin und Malerin in Bad Dürrheim ihren Lebens­ abend. Der Kunstverein Villingen-Schwen­ ningen zählte sie zu ihren renommierten Mitgliedern. Durch ihre künstlerischen Akti­ vitäten wie durch ihre jährlichen Ausstellun­ gen, vor allem in Bad Dürrheim, Villingen- Schwenningen, Donaueschingen, hat sie im vergangenen Jahrzehnt die Kunstszene im Schwarzwald-Baar-Kreis wesentlich mit­ bestimmt. Am 9. November 1984 hatte sie das 82. Lebensjahr vollendet. Von einer schweren Operation, der sie zu Beginn des Jahres 1984 sich hatte unterziehen müssen, sollte sie sich nie mehr ganz erholen. In 166

»Der Storch ist da� eine Arbeit in Bronce von Alice Roskothen-Scherzinger Baden-Baden ist sie am 13. November 1984 ihrem Leiden erlegen. Von ihrem Vater her, der aus Bräunlingen stammte, war sie ein Kind der Baar. Als Toch­ ter eines angesehenen Architekten, der sich durch bürgerliche Bauten in der Bäderstadt an der Oos einen Namen machte, ist Alice Scherzinger in Baden-Baden geboren und auf gewachsen. Beide Kulturen waren in der nachmaligen Künstlerin vereinigt: die länd­ liche aus Bräunlingen mit einer starken Naturverbundenheit und die städtische aus Baden-Baden in der Form verfeinerter Lebensart. Die kunstsinnige Abtissin Bemharda in Baden-Baden hatte das junge Mädchen mit der Malerei in Verbindung gebracht. An der Akademie in Karlsruhe zählte sie zu den Schülerinnen von Albert Haueisen, der in den Bahnen Hans Thomas wandelte. Drei Studienjahre in New York und Philadelphia weiteten den Blick und waren ausgefüllt mit Die Bildhauerin Alice Roskothen-Scherzinger in ihrem Atelier in Bad Dürrheim zeichnerischen und malerischen Entwürfen für kunstgewerbliche Erzeugnisse. Eine Tätigkeit, ohne die das nachmalige Schaffen Alice Roskothen-Scherzingers in den Tech­ niken der Unterglasurmalerei, des Glasbran­ des und der Radierung nicht denkbar gewe­ sen wäre. Entscheidender noch, nach der Rückkehr in die Heimat, die Ausbildung in der Werkstatt eines Bildhauers in Oberam­ mergau. Hier erlebte die Künstlerin den Roh­ stoff Holz, lernte das Modellieren und Gestalten mit freier Hand, ohne Zeichnung und Vorlage, und fand zu jener Tätigkeit, in der ihre Phantasie und ihr reicher Fundus aus Begabung und wacher Beobachtung sich voll entfalten konnte. Dies ist die Bilanz nach einem künstleri­ schen Schaffen von mehr als 50 Jahren: an die 400 Radierungen, die die Künstlerin mit der Kaltnadel schuf, über 80 Ölgemälde, die sie in den ersten Jahrzehnten ihrer Laufbahn malte, die längst in fester Hand oder aber in 167

den Kriegs-und Nachkriegswirren verloren gegangen sind. Schließlich 75 Arbeiten, die die Bildhauerin im Lauf der zwei letzten Jahrzehnte für den Bronceguß modellierte. Alice Roskothen-Scherzingers Skulptu­ ren, die ureigene Domäne der Künstlerin, verlieren sich nie in formale Experimente oder gewagte Übersteigerungen. Das Reich dieser Bildhauerin war nicht die große, die monumentale Form, sondern die mehr intime Sphäre. Ihre Stärke waren die Portraits und die Kleinbroncen. Figürliches aus dem Reich von Mensch und Natur, das bei aller freien Erfindung und Gestaltung stets voller Lebensnähe und naturhafter Ursprünglich­ keit ist Nicht nur in der engeren Heimat -auch im Ausland hatte der Name der Bad Dürrhei­ mer Bildhauerin seit Jahren Klang und Gewicht. Der Rahmen ihrer Ausstellungs­ orte reichte -um nur wenige Namen zu nen­ nen -von Köln, München, Paris, Monte Carlo über Stuttgart, Freiburg bis Baden­ Baden. Eine besonders hohe Ehrung wurde ihr zuteil mit der Mitgliedschaft bei der Inter­ national Arts Guild in Monte Carlo -eine Vereinigung, die 1980 die Künstlerin auf der Baar zusätzlich noch mit dem Ehrendiplom der Schönen Künste ausgezeichnet hat, in Würdigung der ungewöhnlichen künstleri­ schen Laufbahn wie des Engagements von Alice Roskothen-Scherzinger im Dienste des kulturellen Austauschs zwischen den Natio­ nen. Ein großer Teil des künstlerischen Nach­ lasses der Heimgegangenen hat seit Oktober 1983 Heimatrecht im Heimatmuseum der Stadt Bräunlingen, darunter die über 60 Modelle ihrer Bronceskulpturen sowie eine größere Auswahl von den insgesamt 400 Kaltnadel-Radierungen. Auch die Bücher, Schriften und Klavierkompositionen des Ehemanns der Künstlerin, Finanzpräsident i. R. Dr. Ernst Roskothen, der in Bad Dürr­ heim seinen Lebensabend verbringt, werden als Dauerleihgaben im künftigen Museum ,,Kelnhof“ in Bräunlingen ausgestellt wer­ den. Lorenz Honold Sitzmder weihlicher Akt (1981), Bronce, von Alice Roskothen-Scherzinger. 168

Der Mundartdichter der Baar Gottfried Schafbuch (1898-1984) Nachruf auf den großen Mundartdichter der Baar ,,0 Boor, mii Boor, hol mech doch hoam, dier g’hör ech alli Ziite. Es mont zum Grabgsang mier emol nuu d’Hoametglocke liite.“ Nun haben sie ihm geläutet: am 25. Okto­ ber 1984, um 13.30 Uhr, als der im 86. Lebens­ jahr Heimgegangene auf dem Hüfinger Hei­ matfriedhof seine letzte Ruhestätte fand. Über 20 Jahre stand er im Dienste der Stadt, davon 15 Jahre als Ratschreiber. ,,Die Pflege des heimatlichen Brauchtums, der Baaremer Mundart sowie die Erforschung der Ge­ schichte seiner Heimatstadt lag ihm beson­ ders am Herzen. Wir wollen ihm für all das, was er uns gegeben hat, mit seinen eigenen Worten danken.“ So Bürgermeister Max Gilly in seinem Nachruf am offenen Grabe, wobei er den eingangs wiedergegebenen Vers aus Gottfried Schafbuchs Kantate „Mii Boor -mii Hoamet“ zitierte. Emil Bader, der aus Göschweiler stam­ mende Volksschullehrer und unvergessene „ Vater der badischen Heimatstuben“, hat Schafbuch einen „der guten Geister der Lucian-Reich-Stadt“ genannt. Er war es nicht nur für die Bürger seiner Heimatstadt. Wer immer, von auswärts kommend, der reichen Geschichte, der Kunst und Kultur der einsti­ gen fürstenbergischen Oberamtsstadt auf der Baar nachspürte, der fand im „Hüfinger Stadtschreiber“ einen guten Freund und ver­ läßlichen Wegweiser. Er war die lebendige Chronik seiner Vaterstadt, die er liebte. Echt, treu und herb wußte er das Lob der Baar und seiner Menschen zu singen. Die kirchlichen und weltlichen Feste, den schlichten Alltag und die Natur im Wandel der Jahreszeiten lebte und schilderte er in seiner besinnlich­ alemannischen Art wie kein anderer vor ihm. Keiner in unserem Jahrhundert war so wie er berufen, dem Fremden die Schatztruhen Hüfingens zu öffnen. Es war mit ein Ver­ dienst Gottfried Schafbuchs, als die Stadt 1958 Lucian Reichs „Hieronymus“, diese erste Volkskunde des alemannischen Landes, im Original neu erscheinen ließ. Man hat Schafbuch bisweilen den Johann Peter Hebel der Baar“ genannt. Zweifellos ist er einer der stärksten und sprachgewandtesten Nachfahren aus dem Hüfinger Künstler­ völkchen des vorigen Jahrhunderts, vor allem der Brüder Lucian und Franz Xaver Reich. Ihr Werk und ihre Persönlichkeiten hat er in liebevollen Studien und Essays für die Nachwelt festgehalten. Vorwiegend Themen der Vergangenheit, der Romantik und dem bürgerlichen Bieder­ meier auf der Baar galt Schafbuchs schrift-169

stellerisches Schaffen. In seiner Mundart­ dichtung aber ist er unmittelbar gegenwärtig und unauswechselbar. Der bürgerlich-bäuer­ liche Mensch, Natur und Jahreszeiten auf der Baar: sie werden von dem Mundartdichter Schafbuch nicht nach-, sondern mitempfun­ den. Sie sind erlebt: Menschen und Dinge haben ihr Leben aus der schmucklosen, da­ für farbenreichen und bildkräftigen Sprache des heimatlichen Idioms. Und Humor und Mutterwitz sind stets rechtzeitig zur Stelle, um diese Volkspoesie nicht ins Rührselige abgleiten zu lassen. Nach 1945, in Jahren der Not, angesichts einer zunächst noch ungewissen Zukunft, sind die ersten Gedichte Gottfried Schaf­ buchs in der Baaremer Mundart entstanden. Bei den verschiedensten Anlässen. Sie wur­ den veröffentlicht in Heimatblättern, klei­ nen Festbroschüren, Tageszeitungen. Oft sind sie einem Heimatfreund und gleichge­ sinnten Wegbegleiter gewidmet. Ursprüng­ lich nur für die Hüfinger gedacht, für Ver­ wandte und Bekannte, eroberten sie sich in wenigen Jahren die Herzen der Baaremer und der Kenner dieser herben Landschaft zwischen dem Schwarzwald und dem Bodensee. Nicht ohne Grund hat Gottfried Schaf­ buch seiner Lyriksammlung vom Jahr 1945, die im Selbstverlag in Hüfingen (ohne Jahr) erschien, den Titel einer seiner schönsten Mundartschöpfungen gegeben: ,,Ägetli“. Wie ein Selbstporträt des Schafbuchsehen Sagens und Dichtens aus dem Mutterboden der Baar erscheint uns dieses Gedicht von den Reckhölderli. Nachstehend fünf Stro­ phen: Kennscht des Blüemli, des demütig wo im Wald verborge schtoht? ’s blüeit verschrocke, duftet zärtli, wenn dor d’Boor de Friehling goht. Därfscht’s nitt breche und nitt rupfe, sunscht verliirt es d’Hoamet gli. ’s wär doch schad um des nett Gschöpfli, kinnt es nirnme bei is si. 170 Guck, ech ha haar Schößli gfunde, und dehoam in Bode gsetzt, bi am Sunntig zuene gsesse, ha’s mit Hoametliebi gnetzt. Z’erscht do hond si kleiweng gsäerbet, selli schi und ängstli dau; aber mit vill Hättschle, Schtriichle ha ne ne ech de Butze gnau. Ägetli sind schtill, verdattret, hanget zäh am Hoametgrund. Pflegs reacht guet mit Lieb und Güeti, daß en frische Trüb nohkunnt! Herausgegeben von der Stadt Hüfingen, liegt seit dem Jahr 1972 Gottfried Schafbuchs dichterisches wie schriftstellerisches Schaf­ fen in dem Band „Mii Boor -Mii Hoamet“ vor. Als Nr. 15 ist er in der Schriftenreihe des Landkreises Donaueschingen erschienen. In diesem Buch findet sich unter anderem der dem vergänglichen Menschenleben gewid­ mete Vierzeiler: ,,Sitt J ohr und Tag verschenk ech mech, min kühle Trunk erfrischt au Dech. Ech lauf all witter uhni Rueh; Du aber gohscht im Kerchhof zu.“ Heute ist diese Mahnung Inschrift auf dem aus dem Jahre 1703 stammenden und 1964 erneuerten Marienbrunnen auf dem Vorplatz des Hüfinger Rathauses. 1978 hat die Stadt ihren langjährigen Rat­ schreiber und Heimatdichter zum Ehrenbür­ ger ernannt. Im Ehrenbürgerbrief heißt es: „Der ganze Reichtum des Baaremer Dialekts wurde durch ihn in seiner Vielfalt erkennbar und als unschätzbares Gut erhalten. Darüber hinaus hat er sich mit seinen Schriften aus der Geschichte unserer Stadt verdient ge­ macht“. Mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande war Gottfried Schafbuch bereits am 20.Dezember 1973 ausgezeichnet worden. Die äußeren Lebensschicksale des Mund­ artdichters und treuen Hüters der heimi­ schen Geschichte verzeichnet neuerdings August Vetters Chronik der Stadt Hüfingen (1984). Hier nur einige der wichtigsten Daten. Der Gottfried, als jüngster von sechs

Söhnen des Josef Schafbuch am 3. Januar 1898 in Hüfingen geboren, entstammte der zweiten Ehe seines Vaters, die 1894 mit Ida Kramer geschlossen worden war. Zwei seiner vier Schwestern wurden Ordensfrauen. Vier seiner Brüder fielen während des Ersten Weltkrieges in Frankreich. Den Traum vom Besuch des Donaueschinger Gymnasiums mußte der Schulbub angesichts der wirt­ schaftlichen Verhältnisse der kinderreichen Familie begraben. Dem Tod seiner Brüder sowie seiner schwächlichen Konstitution – unter Freunden nannte sich Gottfried einen „Säerbling“ (Schwächling) – hatte es der nachmalige Heimatdichter zu verdanken, daß ihm der Kriegsdienst erspart blieb. Unter dem langjährigen Hüfinger Ratschreiber August Hutzler ausgebildet, wurde der Gott­ fried Ratschreiber. Während des Zweiten Weltkrieges tat er Dienst beim Donaueschin­ ger Wehrbezirkskommando. Danach übte er erneut sein Amt im Rathaus bis 1962, dem Jahr des Übertritts in den Ruhestand, aus. Der ersten Ehe des Hüfinger „Stadtschrei­ bers“ mit der Hüfingerin Paula Nabholz ent­ stammen fünf Kinder. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau heiratete Gottfried Schafbuch die Freiburgerin Gretel Beiz. Ein Sohn des nunmehr Heimgegangenen wurde Palottinerpater, die älteste Tochter leitete bis 1985 die Hauswirtschaftsschule in Donau­ eschingen, ein Sohn wirkt an der Villinger Gewerbeschule, eine Tochter und ein weite­ rer Sohn haben ihren Wohnsitz in Donau­ eschingen. Mit dem Heimgang Gottfried Schafbuchs verlor der Verein für Geschichte und Natur­ geschichte der Baar in Donaueschingen eines seiner langjährigsten und ansehnlichsten Mitglieder. 1918 – damals 20 Jahre zählend – war er in den Verein eingetreten. Vom 14. Oktober 1964 bis zum 12. Januar 1978 wirkte er als Vorstandsmitglied im Verein. Als er im letztgenannten Jahr – inwischen war er ein Achtziger – auf eine Wiederwahl in den Vor­ stand verzichtete, ernannte die Mitglieder­ versammlung ihn einstimmig zum Ehren­ mitglied. Auch der Almanach, das Heimatjahrbuch im Schwarzwald-Baar-Kreis, hatte in Gott­ fried Schafbuch einen aufrichtigen Freund und geschätzten Mitarbeiter. Gerne stellte er Proben seines Mundartschaffens von der ersten Nummer an der Redaktion des Jahr­ buchs zur Verfügung. Als den „großen Mundartdichter der Baar“ haben wir zu Beginn dieses Nachrufs Gottfried Schafbuch tituliert. Wie sehr er ebenbürtig ist einem Johann Peter Hebel aus dem Wiesental, einem Heinrich Hansjakob auf dem Kinzigtal, einem Lucian Reich aus Hüfingen – um nur diese drei Großen unter den badischen Heimatschriftstellern des vorigen Jahrhunderts zu nennen – das frei­ lich wird man erst voll ermessen können, wenn eines Tages der gesamte schriftstelle­ rische Nachlaß aus der Feder von Gottfried Schafbuch vorliegt. In diesem Sinne ist die Redaktion des Almanach glücklich darüber, nachstehend zwei bisher unveröffentlichte Beiträge aus dem Schaffen des Heimgegan­ genen, das Selbstporträt „Ech iber mech“ und den Vortrag „Die Mundart“, heute bereits der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. Lorenz Honold Ech iber mech / Selbstporträt von Gottfried Schafbuch Wer vor dem „Fünfziger“ steht, die Wirr­ nisse und Schicksale des Lebens an sich selbst und in der Gemeinschaft erlebte und mit­ empfand, wer vom Wellenschlag des Berufs­ lebens an verschiedene Ufer gesetzt wurde und immer wieder nach neuen Gestaden Ausschau halten mußte – um als Vater von 5 Kindern vor seiner Familie und vor dem Herrgott als getreuer Knecht und kluger Ver­ walter in Ehren bestehen zu können -, der 171

kann die nüchternen Daten am Kletterbaum seines Lebens mit gar mannigfachen Girlan­ den zieren. Wenn ich in das Paradies meiner Kindheit zurückblicke, dann neige ich mich in Liebe und Dankbarkeit vor meinem sehr strengen Vater, der 1913, SSjährig, starb, und vor mei­ ner stillen, zärtlichen Mutter, die 1924, im Alter von 57 Jahren das Zeitliche segnete. Die Schafbuch sind in ununterbroche­ ner Reihenfolge in Hüfingen, von der ersten Seite der Pfarrbücher an, -um das Jahr 1500- zu finden. Meine Vorfahren waren allesamt mit Kindern reich gesegnet, ich habe wohl aus diesem Grunde in den vergilbten Akten nie einen Sportelzettel gefunden, der einem Notar für die Testamentsvollstreckung einen fetten Hasen in die Küche gejagt hätte …. Von Mutters Seite her habe ich einen Schuß Schwabenblut mitbekommen. Valentin Krame r kam aus Bildechingen bei Horb nach Hüfingen, schlug hier seinen Webstuhl auf und heiratete 1796 eine hiesige Bürgers­ tochter. Sein Urenkel, mein Großvater, war der letzte Kramer, der noch den Webbaum drückte. Oft war ich bei dem dauernd zu Spä­ ßen aufgelegten Großvater als stiller Zu­ schauer, war doch seine Werkstatt, in der es so heimelig nach „blauem Löwen“ roch, den er bei seinem Eidam einkaufte, ein Raritäten­ kabinett, welches seinesgleichen suchte. Der kleine, lebhafte Mann war ein großer Sinnie­ rer und dokterte zeitlebens an seinem Perpe­ tuum mobile herum. Die Hüfinger, nie ver­ legen um einen Spitznamen, nannten ihn kurzerhand „Professer“ und hatten damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Der Pro­ fesser, seinen Tod ahnend, zerlegte sein Per­ petuum mobile, das wohl lief, aber keine Kraft abzugeben vermochte, verbrannte alle seine Berechnungen und Zeichnungen und entschlief hierauf sanft im Herrn anno 1913. Mein Vater wurde 1894 Witwer; seine erste Frau starb im Wochenbett. Fünf Kindern, der älteste Bub war 10 Jahre alt, der jüngste ein 14tägiges Tragbettkind, hatte der uner­ bittliche Tod die Mutter genommen. Schon einige Monate später bekamen sie wieder 172 eine Mutter, „eine seltene Frau“, wie der Pfar­ rer an ihrem offenen Grabe sagte. Ja, sie war eine seltene Frau, meine liebe Mutter selig. Vier Kindern schenkte sie das Leben, im Schafbuch’schen Hause waren 9 stramme Orgelpfeifen zur schönsten Harmonie gestimmt. -In meinem Gedichtbändchen „ÄGETLI“ habe ich meiner lieben Mutter ein bescheidenes Bildstöcklein gesetzt, und jedes Leid und jede Freude des Lebens trage ich immer zu ihr. – Die Sorge um 9 Kinder, 6 Buben und 3 Mädchen, lastete schwer auf meinen Eltern, zumal in jenem Zeitalter, wo reicher Kinder­ segen von verschiedenen Stellen mit einem vielsagenden Achselzucken beurteilt wurde. Trotzdem bewiesen meine Eltern immer wie­ der durch verhältnismäßig große Opfer, die hohe sittliche Auffassung, daß Kindersegen Gottessegen ist. Ein kleiner Kramladen und eine kleine Landwirtschaft, die meine Eltern besaßen, gaben uns das Tischlein-deck-dich. Uns Kindern wurde schon frühzeitig zur Gewißheit, daß Arbeit, Sparsamkeit und eine ausgeprägte Gottesfurcht, begleitet von einem unendlichen Gottvertrauen, die besten Begleiter des Menschen auf seinem Lebenswege sind. So mein Elternhaus, in dem ich am 3. Januar 1898 als siebtes Kind geboren wurde. – Zwei Schwestern, die nachkamen, gingen zu den Benediktinerinnen ins Kloster. – Ostern 1904 kam ich in die Volksschule. – Selige Kinderzeit! -Ich glaube, daß die 3 „Herren Lehrer“, die mir während der acht Jahre Volksschule das Lesen, Schreiben, Rechnen und die anderen Fächer beibringen mußten, mit mir zufrieden waren, durfte ich doch deren Frauen gar manchesmal während den Schulstunden das bescheidene Dienst­ mädchen machen; eine Ehre, die mich bei meinen Kameraden in „gruusiges“ Ansehen brachte und mir manches Stück Beerebrot, das die liebevollen Herrinnen dem „Grean­ oocher“ gaben, zwischen die Zähne schob. Von 1912 bis 1914 besuchte ich als „Kauf­ mannslehrling“ die gewerbliche Fortbil­ dungsschule in Hüfingen … Mein innigster

Wunsch und das Zureden von Stadtpfarrer und Lehrer, mich auf das Gymnasium zu schicken, lehnte mein Vater entschieden ab, weil er der Meinung war, daß ein „Studierter“ aus einer kinderreichen Familie doch zeitle­ bens ein armer Schlucker und aufgrund sei­ ner Herkunft nur ein geduldeter Ducker blei­ ben müsse. Der Bub muß Bauer werden! Mit diesem väterlichen Machtspruch wurden alle meine Wünsche und Hoffnungen zerschlagen. Ich litt unsäglich unter diesem harten Spruch, weil ich keinerlei Neigung zu diesem Berufe hatte und mir die körperlichen Vorausset­ zungen dazu auch völlig fehlten. -Meine Mutter sagte mir später oft, daß sie furchtbar mit mir litt, aber der anderen Kinder und der öffentlichen Meinung wegen, den Vater nicht umstimmen wollte. -In meiner großen Herzensnot schrieb ich einen jugendlich-feu­ rigen Aufsatz an eine Frankfurter Illustrierte Zeitung: ,,Eltern laßt euem Kindern freie Berufswahl.“ Der Aufsatz erschien in der Zeitschrift an bevorzugter Stelle, kurz vor Ostern 1913. Mein Vater, für dessen Sinnes­ änderung er bestimmt war, hatte ihn nie gele­ sen; er war kurz vorher plötzlich verschieden … Einige Tage später brachte der Briefträger eine Postanweisung zur Unterschrift und händigte „Herrn Gottfried Schafbuch“ als Honorar für redaktionelle Mitarbeit ein Zehnmarkgoldstück aus. Ich weiß heute nicht mehr, ob ich vor lauter Freude, oder im Schmerz, weil ich meinem Vater das viele Geld nicht geben und damit nicht beweisen konnte, daß ich halt doch zum Schreiber geboren sei, weinte … Das Gymnasium in Donaueschingen war für mich ein Heiligtum, in das einzutreten mir die Götter nicht erlaubten. -Heute noch erfüllt es mich mit Weh, wenn ich an diesem Hause vorbeigehe, -trotzdem mein Ältester, der als Abiturient dieses Jahr freudig „Ade Gymnasium“ sagte, mir die hellen Sonnen­ strahlen, die durch blanke Fenster in die Klas­ senzimmer fluten, abdunkeln will. Vaters plötzlicher Tod brachte eine Ände­ rung in unser Haus. Mein ältester Bruder hatte sich kurz vorher verheiratet und über­ nahm die Landwirtschaft, meine Mutter behielt das Haus „am untern Tor“ mit dem Ladengeschäft, und ich kam am 15. April 1913 als Schreibgehilfe auf das Rathaus in Hüfingen. Tintenfaß, Schreibfeder, Kanzlei­ papier und Schreibmaschine waren für mich ein Himmel voller Baßgeigen. Siebzehnjäh­ rig wurde ich im Jahre 1915 als Ratschreiber­ stellvertreter für die Gemeinde Hüfingen verpflichtet und ein Jahr später, im Novem­ ber 1916, als 6. Sohn der Familie zum Husa­ rendienst (Fußart!. Regt.14 Straßburg) einbe­ rufen. Nach einer kurzen Ausbildungszeit kam ich in die Schreibstube der Batterie, spä­ ter in das Bataillonsgeschäftszimmer und wurde anfangs Mai 1918 vom stellv. General­ kommando XIV. A.K als Schreiber angefor­ dert. Als ein vierter Bruder von mir den Heldentod starb, wurde ich im September 1918 entlassen. Einige Tage später saß ich als Schreiberling in der Fürst!. Fürstenbergischen Kammer in Donaueschingen und machte damals, nach meinem Empfinden, den dümmsten Streich in meinem Leben, weil ich auf Anraten meiner Mutter die mir dort angebotene Lebensstellung ausschlug. Durch den Tod von 4 Brüdern war ich vor die Frage gestellt, entweder „ Tintenkleckser“ zu blei­ ben und das elterliche Geschäft zu verkau­ fen, oder aber beruflich umzusatteln. Ich gab Mutters Bitten und Drängen nac:4 und trat als Volontär in die Eisengroßhandlung Gut­ terrnann zu Blumenstrauß, Biberach-Riß, ein. Im November des gleichen Jahres kam ich als neugebackener Kaufmann wieder nach Hause und übernahm das elterliche Geschäft. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie mir eines schönen Tages oben im Städtchen ein zierlich gekleidetes Mädchen auffiel, das ich nach ihrem Namen frug. Ich war kaum 6 Jahre alt, das Mädchen zwei Jahre jünger. Der Zufall wollte es, daß dieses Kind kurze Zeit nach diesem „Erlebnis“ meine allernächste Nachbarin, später meine Braut, im Septem­ ber 1924 meine Frau und im Laufe der Jahre Mutter von 5 Kindern wurde. 173

Als ich 1924 das elterliche Geschäft über­ nahm und glücklicher Ehemann geworden war, glaubte ich mit meinem Los zufrieden zu sein. Ich hatte aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Mit jedem Jahresab­ schluß sank meine Neigung zum Kauf­ mannsstande tiefer dem Nullpunkt zu. Mir fehlte der kaufmännische Schliff der Kund­ schaft und den Reisenden gegenüber. Mein Ladenstüblein wurde ein Poetenwinkel. SOLL und HA B EN konnten ruhig verstau­ ben. Kalendergeschichten und Erzählungen aus der Geschichte von Hüfingen zu schrei­ ben lag mir weit besser, als unter eine Zahlen­ reihe einen dicken Strich zu machen und dazu zu schreiben: „tut zusammen soundso­ viel … um baldige Begleichung wird gebe­ ten.“ In der Ladenstrazze(!) hatte ich einige Seiten, die nicht mit Zahlen, dafür aber mit M u n d a r tw ö r t e r n beschrieben wurden. Ich wußte damals allerdings nicht, was ich mit diesen Wörtern einmal anfangen sollte, ich hatte nur den Trieb zu sammeln. An den Werken unseres Heimatschrift­ stellers Lucian Reich und an den Hebel-, Hansjakob- und August- Ganter- Büchern usw. hatte ich den Narr gefressen. – Über­ haupt die Bücher – Wie oft sagte meine Mut­ ter: „Bischt du emool e Leskatz, Kerli!“ Was nur kleinwenig nach Heimat und Heimatge­ schichte roch, mußte ich kaufen. So habe ich mir im Laufe der vielen Jahre eine beschei­ dene Bibliothek zusammengestellt, die mir um so wertvoller ist, weil der Erwerb der mei­ sten Bücher mit einem mehr oder weniger großen Opfer, mit einem Verzicht auf etwas anderes, verbunden war. Durch Zufall bekam ich 1918 ein Heft der „Badischen Hei­ mat“. Ich war sofort Feuer und Flamme für diesen Verein; warb in Hüfingen ziemlich viele Mitglieder und stand mit unserem lie­ ben (Hermann Eris) Busse in einem freund­ schaftlichen Verhältnis. Die Tagungen der Badischen Heimat, auf denen ich manchen tapferen Kämpen kennenlernte, zählen neben den herrlichen Tagfahrten des V e r – e i n s f ü r G e s c h i c h t e u n d N a t u r g e ­ s c h i c h t e d e r B a a r zu den schönsten 174 Erlebnissen und Erinnerungen. Je mehr ich mich mit diesen „Liebhabereien“ beschäf­ tigte, wurde ich ein immer größerer Fremd­ ling in meinem eigentlichen Berufe. Es war nicht nur die Zwiespältigkeit selbst, die mich geradezu unglücklich machte, sondern die Aussichtslosigkeit, daß ich nie meinem Leben je einmal eine andere Wendung geben könnte, – zumal das Bestreben der tonange­ benden Bürgerschaft, mich zum Bürgermei­ ster von Hüfingen zu machen, 1933, selbst­ verständlich zu Wasser wurde. Anfangs Mai 1938 wurde ich vom damaligen Bürgermei­ ster gebeten, für den erkrankten Ratschreiber auf dem Rathaus einzuspringen; die Auf­ arbeitung der Rückstände würde nur einige Wochen dauern. Meine liebe Frau brachte das große Opfer, den Kramladen zu führen, weil sie, die Gute, ja schon längst wußte, wie mich der „Kaufmann“ seelisch zermürbte. Nun war ich wieder in meinem Element! Aus den vermeintlichen Wochen wurde ein Jahr. lmJahr 1939 wurde mir beim Wehr­ bezirkskommando Donaueschingen eine Stelle angeboten, die mich finanziell bedeu­ tend besser stellte. Dazu kamen inzwischen auf dem Rathaus personelle Änderungen, die äußerst stark durch die Politik mitbestimmt waren, daß ich am 1. 6. 39 die Stelle annahm. Schon im darauffolgenden Januar mußte ich mich in Ulm/Donau einer fünftägigen Prü­ fung unterziehen und war nach bestande­ nem „Examen“ laut Machtspruch von Oberst H. der erste Angestellte im Hause und damit „Freiherr“. Ich hatte die selbstän­ dige Stelle eines Rechnungsführers des W.B.K. und Wehrmeldeamts Donaueschin­ gen und dazu die Aufgabe der Einzelausbil­ dung von Rechnungsführern und Zahlmei­ steranwärtern; eine Arbeit, die mich tiefin­ nerst befriedigte. Am 30. April 1945 wurde die Dienststelle aufgehoben. Die letzten Zigeunertage dieser Dienststelle und meine damalige Pilgerreise von Überlingen nach Hause, sind dermaßen mit Geschehnissen ausgefüllt, daß ich darüber ein „Geschichtle“ schreiben könnte. Am 1. Mai 1945 kam ich glücklich in der Heimat an, und schon am 3.

Mai -meine Füße waren noch wundgelaufen -wurde ich auf das Rathaus in Hüfingen zurückgeholt und bin seit dieser Zeit wieder in der Gemeindeverwaltung tätig. Damals wimmelte es in unserem kleinen, lieben Städtchen geradezu von Angehörigen der Besatzungsmacht. Für die hiesige Orts­ kommandatur mußte ich wöchentlich einen umfangreichen Bericht über die kulturellen, die wirtschaftlichen, die politischen und über alle möglichen Verhältnisse machen. Zur Abfassung jener Berichte nahm ich mit Vor­ liebe Tatsachenmaterial aus dem reichen Aktenbestand unseres Stadtarchivs. ,,Alti Akte, alti Schwarte, Biecher, wo de Holzworm hont, clont i iis bitt no verzelle mengi Gschechtli us de Gmond.“ Die Heimat, an der ich mit inniger Liebe hänge, wurde mir in jenen Tagen geradezu zum Schmerzenskind, das ich nun mit einer zärtlichen Liebe überhäufte. Ich schrieb gleich beim Erscheinen der ersten Zeitungen einen Artikel, -er geriet allerdings zu lang und wurde leider gerupft und gestutzt-, der die Saiten der Heimatliebe, des Heimatstol­ zes und der Schönheit der leidenden und blutenden Heimat anschlug. In vertrautem Kreise hatte ich die Befürchtung geäußert, daß durch die Fremdsprachkurse, die z. Zt. allenthalben eingeführt wurden, das große kulturelle Gut, unsere urchige Mundart, zuguterletzt noch der Gefahr ausgesetzt sei verwässert zu werden, da der Jugend an und für sich schon viele Wurzeln und „Zäserle“ in den Jahren des Marschtritts und Befehltons abgeschnitten worden seien. „Du kannst die Mundart retten, du mußt der Heimat dienen, jetzt hat deine Stunde geschlagen!“ Dies war die Antwort der Getreuen. Ja, meine Stunde hatte geschlagen, -ich ward begnadet. In mir war plötzlich ein Plan gereift, dessen Ausführung mir bislang unmöglich erschien, der nun aber zielklar und ohne Hemmung von mir Besitz nahm: Mundartgedichte! Die Schulentlassungsfeier stand vor der Türe, und ich gab das Versprechen, für die- selbe ein Mundartgedicht zu verfassen. Offen gestanden: ich gab dieses Versprechen so ring (= leicht), als ob ich zugesagt hätte einen Zeitungsartikel zu schreiben. Was war es denn, was mit so ungestümer Gewalt in mir pochte, woher kam denn diese untrüg­ liche Gewißheit, das Gedicht überhaupt fer­ tig zu bringen? Die Heimat, die liebe Heimat, streckte ihre mageren Hände nach mir aus und bat mich: diene mir fortan! Noch in der gleichen Nacht fing ich an zu schreiben, und am anderen Abend war das Mundartgedicht ,,Schulentlassung 1946″ im Entwurf fertig. Das Gedichtle gefiel, die 4 Mädchen in Baa­ remer Tracht trugen es bei der Entlassungs­ feier mit Seelenwärme vor, und ich mußte mit den Tränen kämpfen, als ich in der Festhalle die ehrliche Begeisterung ob mei­ nes ersten Mundartgedichtes miterlebte. Ich war nun nicht mehr ich, nein, meine liebe Mutter selig, ,,die seltene Frau“ kam in mich und machte mir Mut zu Auftrag und Sen­ dung. ,,Es ist einer aus der Sippschaft vom Professer.“ So und ähnlich war nun das Urteil über mich. Mein zweites Gedicht war „Die Breg“. Das Wäldermaidle mußte in Wolter­ dingen ein Baaremer-Meidli werden und dort die ehrbare Baaremertracht anziehen. Auch dieses Gedicht, vorgetragen im „engen Kreis“, gefiel, und dann wagte ich mich an das Gedicht „MUTTER „. Wievielmal ich bei der Niederschrift jenes Gedichtes meine Bril­ lengläser abputzen mußte, weiß ich nicht. Eines ist Tatsache: so heimwehkrank nach meiner Mutter, so erschüttert wie ich in jenen Tagen war, habe ich mich noch nie gekannt. Und dieses seelische Schütteln und Rütteln, dieses tiefe Miterlebenmüssen, ist mir geblie­ ben. Wenn diese „ Witterungen der Seele“ der Gradmesser eines Dichters sind, dann will ich ehrlich und demütig bekennen: ja, ich glaube. Meine ganzen Gedichte hatte ich eigent­ lich nur für die Hüfinger gemünzt. Ver­ wandte, Freunde und Bekannte wollten Abschriften davon haben. Eines Tages packte ich meine dichterischen Windeln zusammen und schickte dieselben an Univ.-175

Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1)Blick vom Eichberg zum Achdorfer Tal Oörg Michaelis, Blumberg) 2)Fischweiher im Zollhausried Oörg Michaelis, Blumberg) 3) Wutach bei Blumberg-Achdorf Qörg Michaelis, Blumberg) 4)Frühling am Teilhof, Gemarkung Pfohren (German Hasenfratz, Hüfingen) 5) Der Balzer Herrgott bei Neukirch (Hans Swoboda, Donaueschingen) 6)Blick vom Brendturm (German Hasenfratz, Hüfingen) 7) Bei Wolterdingen (Hans Swoboda, Donaueschingen) 8) Wintermotiv am Pulverturm in Villingen (Helmut Heinrich, Villingen) Professor Dr. 0 c h s, Freiburg, zur Begut­ achtung. Er fand noch manchen Siegel und manche „verstreezte Stelle“ -hauptsächlich der Schreibweise der Mundartwörter wegen, manche Buchstaben müßten auf den Kopf gestellt werden, er schrieb vom offenen a und geschlossenen o -nahm mir aber die Freude am Weiterarbeiten nicht. Mich überfiel nun doch ein Bienenschwarm von Zweifeln, hatte es überhaupt einen Zweck, den vor­ gesteckten Weg weiter zu wandern, war es nicht schade um all die Stunden, die ich einer lächerlichen Verseschmiederei zum Opfer brachte. In dieser Niedergeschlagenheit und Zerrissenheit traf mich Professor Dr. Revellio. „Nenne mir einen Baaremer, der Mundartgedichte schrieb? Deine Gedichte gehören der Baar und dem Schwarzwald, sie dürfen sich sehen lassen und werden in Revellios Werkstätte gedruckt!“ Dies war das Urteil meines lieben Landsmannes Paul. Nun fand ich meine Zuversicht wieder und arbeitete weiter. Eine geradezu fieberhafte Arbeitslust überfiel mich, jede freie Stunde – und ach wieviele Nachtstunden -habe ich nun seither der lieben Mundart geopfert. Und wie eigenartig: die Mundart konnte ich auf einmal fließend, ohne Stockung schrei­ ben, und Wörter fand ich, daß ich oft darü­ ber staunte. Mich beunruhigte das geschlos­ sene a oder das offene o oder ein Buchstabe auf den Kopf gestellt nicht mehr. Eines ist allerdings geblieben und wird, ja, muß blei­ ben: das Ringen um Versmaß und Reim. Wie eng begrenzt ist doch der Sprachschatz der Mundart. Bei all dem, was man von meiner Mund­ artdichterei hält, muß man bedenken, daß mir das gesamte Rüstzeug ja eigentlich fehlt. Ich bin ein Musikant, der ohne jede Noten­ kenntnis in sein Waldhorn bläst und dabei auch glücklich ist . . . Mit einer gefüllten Schnupftabakdose, einer Zigarre und womöglich einem Schoppen Wein dabei, will und muß ich trotzalledem weiterschaf­ fen. Es ist ja meine liebe Baar, die mich dazu zwingt und wenn es Gottes Wille ist, mit einer Sendung begnadet hat. 176

Was ist Mundart? Aus einem Vortrag von Gottfried Schafbuch (t) in Hüfingen 1947/48 Als ich vor einem Jahr hier im Volksbil­ dungswerk aus einer Truhe in den reichen Kammern unserer Heimat die Mundart her­ vorkramte, fand meine Erstlingsarbeit, der ich den echt Hüfingerischen Namen ,,ÄGETLI“ gab, allenthalben Anklang. Lei­ der aber bis heute noch nicht in Baden­ Baden, wo das Manuskript des Ägetli verdat­ teret immer noch auf den französischen Druckgenehmigungsstempel wartet. Dessen ungeachtet habe ich auf den reichen Acker unserer Heimatsprache keinen „Pfändwisch“ gesteckt; nein, ich ging bisher zielklar durch die Fußwege und fand manches Blümlein, das des Mitnehmens wert war. Wir alle in Hüfingen kennen das Blumenparadies in ,,Rauschachen“ und freuen uns ob der Man­ nigfaltigkeit der seltenen Pflanzen, die durch das Naturschutzgesetz bis jetzt vor ihrem völligen Aussterben bewahrt wurden. So wie der Naturfreund schützend vor ein zartes Pflänzlein steht, muß der Heimatkundler sorgsam: Volksbrauchtum, Volkssitten und nicht zuletzt die Volkssprache -die Mund­ art -, hüten. Alles ist dem Wandel unterworfen! Wenn vor 50 und mehr Jahren eine Bäue­ rin ihre Baaremer Tracht im Kasten verbarg und am Hüfinger Jakobifest mit einem reich mit Feder geputzten Hut zur Kirche ging, ward die modische Wandlung sichtbar. Oder: wenn wir heute auf dem Tanzboden die Er­ rungenschaften der letzten 20 Jahre bewundern sollen, dann schütteln wir unsere Köpfe und brummen: ,,’s ischt nimme we früehr!“, weil Polka, Mazurka, Schottisch, Walzer und Rheinländer, weil das, was zu Vaters und Großvaters Zeiten noch im Schwung war, verdrängt wurde und sich beim Tanz ein umwälzender Schrittwechsel vollzog. Eine Änderung, die sich innerhalb eines halben Jahrhunderts immer unsichtbar und lautlos vollzieht, nehmen wir unbewußt in aller Ruhe hin, die teilweise Umgestaltung unseres Sprachgutes, das Verschwinden von urchigen Wortgebilden in der Mundart. Die großen Fortschritte innerhalb von zwei Menschenaltern verdrängten viel Alt­ hergebrachtes, schufen neue Ausdrucks­ weisen und Wörter. Erfindungen auf allen Gebieten warfen großväterliche Bastelein und bewährten Hausrat auf den Schutthau­ fen, und damit verschwanden gleichzeitig auch die Bezeichnungen, die Wörter, aus dem Wortschatz der Heimat. Nur einige Beispiele: In einem Bauernhaus wird an Stelle des „Obedesoals“ ein elektrischer Heuaufzug eingerichtet. Mit dieser Neuerung und Arbeitsvereinfachung, die zu verwerfen eine Dummheit wäre, verliert das „Grächmännli“ sein Heimatrecht und mit diesem zieht in kurzer Zeit auch sein gut baarischer Name aus dem Haus selbst. Oder: Fragen wir heute die Jugend, was ist e Bräche, e Hächle, was ist d‘ Riibi und en Schwingstock, was ist riischti Tuech? Diese Ausdrücke sind wohl nur wenigen noch bekannt, weil die Schornsteine der Tuchfa­ briken und Webereien die Tätigkeit mit die­ sen großmütterlichen Gebrauchsgegenstän­ den verdrängten und damit gleichzeitig auch die Wörter verschluckten. Auch im Alltags­ leben sind eine Unmenge baaremer Wörter vom Hochdeutschen angekränkelt und auch aufgezehrt worden. Aus der Vielzahl dieser Abgestorbenen will ich nur ein paar aus dem Grabe hervorholen: Noch im letzten Jahrhundert begegneten wir in den Amtsstuben der Mundart, die der preußische Geist mit seinem schättrigen Befehlston leider mit Stumpf und Stiel aus­ merzte. Im Hüfinger Stadtarchiv ruhen, säu­ berlich geordnet, viele Urkunden. Die älteste 177

trägt das Datum vom 15. März 1399. Mit einer gewissen Ehrfurcht nimmt man so ein Pergament in die Hand. Es sind Urkunden, die Treu und Glauben atmen, aus denen die liebe Heimat zu uns spricht, und die mit ihren Siegeln wie ehrwürdige Gestalten auf uns wirken. ,,Kundt und zu Wissen allmän­ niglich, daß im Jahre des Herrn als man zählte nach Jesu Christi gnadenreicher Geburt am Dunschtig nach St. Gallitag, diese gegenwär­ tige Urkunde gefertiget wurde zwischen dem Hochedlen usw.“ So und ähnlich beginnen diese zierlich geschriebenen Urkunden, diese Fundgruben für Heimatgeschichte. Wie lie­ beleer, kalt und in unser Schicksal grausam tief eingreifend, sprechen heute die Bekannt­ machungen und Verordnungen zu uns, die gewöhnlich beginnen: Auf Anordnung der Militärregierung. tausendfünfhundertsechzig, Nun, was ist denn M u ndart? Die Mundart ist ihrer Vorstellungswelt nach die Sprache der Heimat. Formal unter­ scheidet sie sich von der Schriftsprache besonders durch andere Lautgebung (iis für uns, seil für das, selli für arg usw.), und inhalt­ lich unterscheidet sie sich durch eine andere Begriffswelt. Die Mundarten führen n e b e n der Hochsprache ihr eigenes Dasein. Die Schriftsprache ist überlandschaftlich, .. . die Mundart, die Heimatsprache, ist landschaft­ lich gebunden. Der Heimatraum und seine Volksbesonderheiten haben in ihr den sprachlichen Niederschlag gefunden. Die Besonderheit der Landschaft, wie Hochge­ birge, Waldlandschaft, Ebene, Meeresküste, bedingt besonderen Wortschatz (Alm, Firn, Grat, Gemse, Brise, Düne, Moor, Wrack). Sie bedingt besondere Berufe (Bergsteiger, Holz­ fäller, Winzer, Schiffer, Fischer) mit ihren Bezeichnungen. Sie wird ferner bedingt durch besondere Bauarten und Anlagen des Hauses und Hofes und zahllose Besonder­ heiten in Sitte und Brauch, die alle in der Hei­ matsprache ihren Ausdruck gefunden haben. Die Mundart ist in ihrer Entwicklung raumgebunden, sie hat aber, verglichen mit 178 der hochdeutschen Sprache, die Möglichkeit einer größeren Fortentwicklung, weil sie nicht durch ein schriftliches Vorbild und durch Sprachregeln gehemmt ist.“ Wir in Baden haben die alemannische und die fränkische Mundart, die sich aber wieder durch ihre lautlichen Unterschiede unterteilen. Es würde im Rahmen dieses Vor­ trages zu weit führen, der Gliederung der badischen Mundarten auch nur auf deren Hauptstraßen nachzuspüren, dieses Gebiet ist nämlich dermaßen umfangreich, daß eine ganze Reihe Vorträge darüber gehalten wer­ den könnten. Universitätsprofessor O c h s (Freiburg) arbeitet an dem mehrbändigen ,,Badischen Wörterbuch“, dessen Fortset­ zungen durch die Ungunst der Zeit leider in Frage gestellt sein dürften. Wir hier in der Baar, ,,in dieser sprachlich hochbedeutsamen Landschaft“, wie Prof. Ochs öffentlich behauptet, müssen besorgt sein, daß unsere Mundart nicht noch mehr verwässert wird, und daß vor allem k e i n e F r e m d w ö r ter Einzug halten. Aus dem 18. und 19. Jahrhundert haben wir noch so kleine Überbleibsel von fremdem Sprachgut in unserem Mundartwortschatz; ja es besteht sogar die irrige Meinung, Wörter wie Adiö, mersi, duschur und wie die Brocken alle hei­ ßen mögen, seien eingefleischte Mundart von altersher. Nein, nicht eingefleischt, son­ dern leider eingeschleift! Nun, was müssen wir tun, um dieses Volksgut, dieses heimatliche Herzgut, zu erhalten und es den kommenden Geschlech­ tern in unverfälschtem Wohllaut und Hei­ matklang als teures Erbe vermachen zu kön­ nen? Vor einigen Tagen bekam ich zur selben Zeit zwei Briefe. Der eine stammt vom Hebelbund in Lörrach, und der andere kam aus einer Redaktionsstube. Und wie eigenar­ tig, beide hieben in die selbe Kerbe. Der Präsi­ dent des Hebelbundes schreibt: ,,Im besonderen sucht der Bund zu errei­ chen: 4. die wissenschaftliche Erforschung und Darstellung des noch lebenden alemanni-

sehen Sprachguts in Wortschatz und Redewendungen in volkstümlicher Form und die E r h a l t u n g von Hebels M u n d a r t a l s Um g a n g s s p r a c h e . “ Der andere Brief, aus Konstanz, enthält u. a. den Satz: ,,Unser berühmter Kurzgeschichten­ schreiber Johann Peter H e b e l , den erprobte Berufskollegen immer wieder als Meister auch der Tagesberichterstattung seiner Zeit in Anspruch nehmen, würde mehr als ein ,Tausendsappermoscht‘ los­ lassen, müßte er den heutigen Mangel an Sprachkultur in seiner alemannischen Heimat mitansehen!“ Nehmen wir diese zwei Sätze aus den bei­ den Briefen und machen wir sie zur Tat. Wir haben dann mit dieser Kurzgeschichte für unsere Heimat, für unsere warme und liebe Mundart mehr erreicht, als wenn wir dicke Bände über Brauchtum, Sprache und Sitten lesen und kopfschüttelnd bedauern, ,,daß es nimme soo ischt we früehr.“ Jawohl, unsere Mundart soll auch unsere Um g a n g s s p r a c h e sein und bleiben. Man sagt, sie sei nicht schön, gut, wenn sie nicht schön ist, dann ist sie auf alle Fälle „selli nätt“, und ein echter Booremer kann damit auch ,,reacht guet und diitli diitsch schwätze!“ Nehmen wir ein Beispiel an unserem sprachverwandten Schwiizervolk. Dort spricht der Bundespräsident im hohen Rat dasselbe Schwiizerdütsch wie der Senn auf der Alpenfirn. Wir behalten unsern Wortschatz und sind stolz darauf1 Ein Sprichwort lautet: ,,Sag mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Dieses Sprichwort auf die Mundart übertragen heißt: ,,Schwätz, we dier de Schnabel gwaase ischt, noo woas ech glii, woher de bischt!“ Oft genügt schon ein einziges Wort, und wir wissen, mit welchem Stammesbruder wir es zu tun haben. Wir Hüfinger unterscheiden uns doch schon sprachlich sehr von den Bräunlingern oder gar den Riedböhringern. Der Jugend, die unbewußt für manches heimelige Mundartwort einen_ ,,greanoo- ehige“ Ersatz bringt, möchte ich nur kurz sagen, daß wir Hüfinger keinen Dienstag sondern en Züschdig, keinen schönen Anzug sondern e nätt Häs, keine Kirschen sondern Kriiesi, keine Trollblumen sondern Schloßrolle, keine Schlüsselblumen sondern Badengele, keine Margrittchen sondern Gaasbloeme, keine heiligen Bildchen son­ dern Helgle und Zigoriebildle, keine Leon­ hardskapelle sondern e Leanedle haben. Die Großen spielen; aber Kinder gvätterlet. Eltern, achtet bitte darauf; ,,mier und üseri Kinder dont so schwätze, we iis de Schnabel gwaase sieht: krottebroat Hüfingerisch!“ Nun zu meinen Gedichten und Ge­ dechtli, die ich aus einer überaus warmen Liebe zu unserer Mundart schuf. Sie sind meistens plötzliche Einfälle, die mich dann mit einer schier hartnäckigen Eigensinnig­ keit verfolgen und plagen, bis ich sie zuguter­ letzt aus meiner Werkstatt stäube. Der Drang zu einem Gedichtli machen kommt mir nicht von irgend einem schönen Wortge­ bilde der hochdeutschen Sprache, sondern einzig nur aus dem Sprachschatz unserer Mundart. Witterungen der Seele, Natur, geschichtliche Begebenheiten aus der Hei­ mat, Volkstum- und brauchtum, die Schild­ bürgerstreiche unserer Originale, ja eben all das, was sich im Raume unserer Heimat abspielt, kommt mit einem s ei t e n g e w o r ­ d e n e n Mundartausdruck zu mir und darin wird die Begebenheit, jede in ihrer Eigenart mit den dazu passenden Mundartwörtern gheblet, knetet und zuguterletzt bache. „Wa debei uusi kunnt sind M i i n i G e d e c h t l i. Wa ech Eu bring, ischt Buure­ brod.“ * 179

Volkskunde, Brauchtum Das Wunder der Christrose Sie hat viele Namen: die Christrose. In der Schweiz nennt man sie Winterblume, in Tirol Schneerose und im ehemaligen West­ preußen Eisblume. Ziemlich allgemein fin­ det sich der Name Christwurz, bisweilen auch Herrgottsblume. Der Franzose kennt sie als „Rose de Noel“, der Engländer als „Christrnasrose“, der Italiener als „Rosa di Natale“. Eine ihrer engsten Verwandten ist die Rose von Jericho, vermutlich so benannt nach Jesu Sirach 24,18, wo die Rosen von Jericho erwähnt sind. Die Botaniker zählen sie zu den Hahnen­ fußgewächsen. Ihr wissenschaftlicher Name ist Helleborus niger (= schwarz). Die Benen­ nung leitet sich von der schwarzen, übrigens sehr giftigen Wurzel her. Pilger und Kreuzfahrer -so nimmt man an -brachten im Mittelalter die seltsame Pflanze aus dem vorderen Orient ins Abend­ land. Genannt wird der Kreuzritter Thi­ beaud IV. de Champagne, der 1240 erstmals mit der Wunderblume aus dem Orient in seine Heimatstadt Provins heimkehrte. Man sprach ihr, wie jeder neuen Pflanze, Heil­ kräfte zu und kultivierte sie in den Kloster­ gärten. Den Gläubigen erschien sie gleich­ sam als eine Erinnerung an den Garten Eden, der nach dem biblischen Sündenfall ver­ lorenging. Im Geiste des Neuen Testaments gesprochen -als ein Unterpfand des Frie­ dens, der in der Botschaft der Christnacht verkündet wird. Wie aber kam die Christrose mit dem schwarzbraunen, kräftigen Wurzelstock in unsere alemannische Heimat? Da sie im ale­ mannischen Volksglauben eine besonders große Rolle spielt, schreibt der Volkskundler H.Marzell ihre Verbreitung als Heilpflanze der Rührigkeit örtlicher Händler zu. Er mag sich dabei auf die zahlreichen Stadtapothe- 180 ken berufen, die im oberdeutschen Raum recht früh auftreten: Ulm 1327, Esslingen 1351, Freiburg 1352, Konstanz 1368, ferner im 15. Jahrhundert Überlingen und Meersburg. Wie dem auch sei -nachweislich sind es zwei Volkskundler von der Baar, die der Rose und ihrer Geschichte in Lied und Brauch des Mittelalters ihr besonderes Interesse schenk­ ten: die aus Aasen stammenden Eugen und Ernst Fehde. Anhand der Namensforschung kommt der Erstgenannte zu dem Schluß, daß der Name der Rose erst nach dem 6. Jahr­ hundert aus dem Vulgärlatein ins Aleman­ nische gelangt ist. Über die Heilkräutergärten von Klöstern wie St. Gallen, Reichenau, Allerheiligen in Schaffhausen, später auch Hirsau und St. Georgen im Schwarzwald, nahm der orientalische Fremdling seinen

Weg in deutsche Rechtsbräuche und aleman­ nischen Volksglauben. So Ernst Fehrle in sei­ ner Dissertation „Garten, Rose und Rosen­ garten im deutschen Mittelalter“ (1923). Dem Kunstfreund begegnet die Christ­ rose in den Stundenbüchern des späten Mit­ telalters. So in dem Donaueschinger Codex 325, in dem eine Darstellung der Anbetung des Kindes eingerahmt ist von Vögeln, bun­ ten Schmetterlingen und stilisierten Blumen, darunter die Christrose mit ihren breit-eiför­ migen, an den Rändern sich deckenden weiß­ rosa angehauchten Blüten. Die Christnacht war wie keine andere im Jahreslauf geradezu prädestiniert, der Wun­ derblume aus dem Orient in der Vorstel­ lungswelt der alemannischen Rauhnächte einen Vorzugsplatz einzuräumen. Ausge­ rechnet in der Mittwinternacht, in der neben den hellen, christlichen Gestalten auch die dunklen, dämonischen Mächte ihr Wesen treiben, läßt die dürre Staude auf kalkigem Grund bei Zugabe von Wasser ihre lederigen, langgestielten Laubblätter ergrünen und ihre – vorwiegend fünf – weißen Blütenhüllen­ blätter sich öffnen. Mithin in einer Zeit, in der das Blühen im kalten Mitteleuropa wider alle Natur zu sein scheint und nur als Wun­ der gedeutet werden kann. Verständlich, daß seit dem wundergläubi­ gen 14. und 15. Jahrhundert allerlei Aber­ glaube im Abendland an die Christrose sich heftet. Da wird im nachrnittelalterlichen Gregorianischen Kalender aus der Art des Sichöffnens der Christrose dem Bauern Wet- ter und Ernte im kommenden Jahr geweis­ sagt. In der Volksmedizin wird die Christrose zur Krätzeblume, weil sie gegen Krätze und Viehkrankheiten Verwendung findet. An­ derswo bekommt sie den Namen Feuer­ kraut, da der Sud aus der dunklen giftigen Wurzel gut sein soll gegen Krämpfe, ge­ schwollene Füße oder gar – laut dem Römer Plinius dem Älteren – gegen den Wahnsinn. Noch um die Jahrhundertwende empfah­ len im badischen Wallfahrtsort Walldürn Augustinerinnen die getrockneten Blätter der Christrose als Heilmittel zum Auflegen bei allerlei Krankheiten, während auf den Jahrmärkten die getrockneten Rosenblätter als Rauchverzehrer und Luftverbesserer für die bürgerlichen Schlaf zimmer gehandelt wurden. Dem aber, der die Christrose partout in der Christnacht zum Blühen bringen will, verraten Experten folgenden Trick: Die Anfang Dezember in einer Gärtnerei gekaufte, knospenbesetzte Pflanze kommt mit Wurzelballen und Erde so in einen Blu­ mentopf, daß das Gießwasser abrinnen kann (gewölbte Scherbe auf das Loch im Topfboden!). An einem sonnigen Platz bleibt der Blumentopf im Garten oder im kühlen Treppenhaus, wird dann fünf Tage vor Weihnachten ins Wohnzimmer geholt, wo bei der Bescherung – zur Freude der Kin­ der- die Wunderblume ihre weißrosa schim­ mernden Blüten öffnet. Lorenz Honold Ehe der Palmesel ins Museum kam Als volkstümliche Redensart gibt es in den katholischen Dörfern auf der Baar noch den „Palmesel“. So in Riedböhringen, der Kardinalsgemeinde in der Südhaar, in der seit 1969 Augustin Kardinal Bea seine letzte Ruhestätte fand. Karn in dem bald nach der Jahrhundertwende noch stillen, abgelegenen Ort am Palmsonntag ein Spätaufsteher als letzter in den feierlichen Gottesdienst der Palmenweihe, dann war er für die Dauer eines Jahres der „Palmesel“. Es war ein Schelt­ name, der zu meiner Schulzeit auch den jun­ gen, ungeschickten Palmträger treffen konnte, sei es daß er mit seinem riesigen Palmbaum Schwierigkeiten hatte, sei es daß er wegen der Übergröße seines „Palmen“ den 181

Segen für den Baum vor dem Gotteshaus empfangen mußte. Was hat es mit dem Ulknarnen auf sich? Nun, er ist nur noch die blasse Erinnerung an einen Kultgegenstand, der im Mittelalter aus dem kirchlichen Brauchtum nicht wegzu­ denken war. Damals, als das einfache Volk noch nicht lesen konnte, nahm die Kirche bildliche Dar­ stellungen zu Hilfe, um den Gläubigen das biblische Geschehen zu vergegenwärtigen. Eine solche Darstellung war der Palrnesel am Palmsonntag: ein Eselchen aus Linden-oder Birnbaumholz, das auf einem Wägelchen, aufgebaut auf vier hölzernen Rädern, ange­ bracht war. Bei der Prozession wurde der Palrnesel, mit der Figur Christi darauf, mit­ geführt. In der Zimmern’schen Chronik, deren Ori­ ginal in der Donaueschinger Hofbibliothek gezeigt wird, haben wir aus dem 16. Jahrhun­ dert die Schilderung aus Meßkirch, wo die Prozession am Vorabend stattfand, wie folgt: „Als uf den Palrnabend der brauch gewest, das(s) der Palrnesel nach der Vesper mit sei­ ner gantzen priesterschaft und den schülern gelaitet und von sechsen der fürnehmsten des rates daselbst gefürt wurd zu unsrer frauen ennet der ablach“ (zur Frauenkirche jenseits des Abflachflüsschens). Gewiß nicht viel anders war es damals auch in der Reichs­ stadt Rottweil und in der vorderösterreichi­ schen Stadt Villingen. Diese Prozession „cum effigie sedentis Domini super asinum“ (mit der Darstellung des Herrn, der auf dem Esel sitzt), erwähnt im Abendland zum erstenmal der Schüler Gerardus in seiner „Vita“ des heiligen Bischofs Ulrich von Augsburg; gestorben ist er 973. Laut diesem Bericht ging der Bischof Ulrich, das E vangelienbuch in der Hand, in einer Prozession, in der das Bild des auf dem Esel sitzenden Christus mitgeführt wurde. Geistlichkeit und Volk, alle mit Palmzwei­ gen, begleiteten die Figur zum Stadttor hin­ aus auf eine Anhöhe, die den Ölberg versinn­ bildlichte. Damit knüpft der abendländische Brauch 182 an eine Palrnprozession in Jerusalem an, die bereits für das vierte Jahrhundert nach Chri­ stus bezeugt ist. Dort, in der heiligen Stadt, ist es eine Eselin, auf der der Bischof als Stellver­ treter Christi reitet. Die Prozession führte vom Ölberg hinunter in die Stadt und zur Auferstehungskirche. In frühchristlicher Zeit hatte in der abend­ ländischen Kirche der Palmsonntag noch ganz den Charakter eines Passionstages; das Leiden des Herrn stand im Vordergrund der Liturgie. Erst nach dem Jahre 1000 finden wir auf deutschem Boden und in Oberitalien die aus dem Orient übernommene Palrnprozes­ sion. Dabei reitet in Mailand noch im 12. Jahrhundert der Bischof auf einem Pferd, das ein vornehmer Soldat am Zügel führt. In anderen Städten aber ist es eine Eselin, „des Herrn Christus Pferd“, auf dem der Priester oder ein Kaplan zur Kirche reitet. Und früh schon tritt im Abendland an die Stelle des im Orient beheimateten und als störrisch be­ kannten Grautiers der aus Holz geschnitzte Palrnesel, wie wir ihn eingangs geschildert haben. Aus Essen, wo die Prozession über den Markt, auf dem Halt gemacht wurde, zur Gertrudenkirche führte, wird berichtet, daß das Volk Zweige und die Schüler „ihre Chor­ hemdchen vor den Palmesel warfen“. Und bereits im Spätmittelalter überwuchern Aberglaube und allerlei Unfug die ursprüng­ lich rein liturgische Feier. im Auch schwäbisch-alemannischen Raum. Da artete nach der Prozession am Vormittag der Brauch am Nachmittag bald in einen Volkstrubel aus. Kantor und Schüler zogen mit dem Palrnesel von Haus zu Haus und bedankten sich mit geistlichen Liedern für Eier, Brot, Gebäck und Geld. Die Mütter ließen ihre Kinder auf dem Holzesel reiten, in der Hoffnung auf künftiges Gedeihen. In den oberschwäbischen Städten, die vielfach einer Geistlichen Herrschaft hörig waren, legte man Heu-und Strohbündel längs der Prozessionsstraße vor die Stallungen und Gehöfte, um Viehseuchen fernzuhalten. Aus Zürich wird im 15. Jahrhundert von nächtli-

Konstanzer Antes und Archivars J. N. Mar­ mor, dem glaubwürdigen Gewährsmann des Hüfinger Malers Lucian Reich) ein übereifri­ ger Dekan den Konstanzer Palmesel „zu Brennholz verspalten“ ließ. Auch Geisingen, das die Herren von War­ tenberg zur Stadt erhoben, hatte einen Palm­ eseL der gegen die Jahrhundertwende -nach dem Zeugnis von Rektor Karl Wacker -am Palmsonntag noch um die Kirche gezogen wurde. Das Jahr über stand er auf der Bühne der Kirche hinter einem Holzverschlag mit weiteren alten Plastiken und Holzschnitze­ reien. ,,Es mag um 1903 oder 1904 gewesen sein“ (siehe Wacker, Der Landkreis Donau­ eschingen, S. 232) -,,da wurden die Statuen an die Kirche eines benachbarten Dorfes ver­ kauft. Dort hat man sie zu Kleinholz zer­ hackt und die Sakristei damit geheizt.“ Eine unerhörte Barbarei, durch die wertvolle Kunstdenkmäler in unserer engeren Heimat vernichtet wurden. Glücklicher das Schicksal des Palmesels der Zähringerstadt Villingen. Da lesen wir im „Mercurius Villinganus“ des Dr. J. B. Steidt vom Jahre 1634, daß der in der Altstadt, in der heutigen Gottesackerkirche aufbewahrte Palmesel 1633 anläßlich einer Belagerung der Stadt entwendet, um das Lager geführt und von den Belagerern als „ein Retter auf die Wacht gestellt, endtlich einer auß (von) ihnen einen Fewr gemacht und ihn verbren­ nen wöllen“ -ein teuflischer Plan, den der Palmesel „samt drauff sitzendem Bild Christi aus bemelter todtenkapell“ in der Altstadt – wie wir wisssen -dank einer guten Konstitu­ tion glücklich überstanden hat. Rund 300 Palmprozessionsorte hat Graf Adelmann, ein Experte der Palmesel-For­ schung, ermittelt. Nur noch an die 160 Palmesel sind erhalten, vorwiegend als Rari­ täten in Museen mittelalterlicher Handels­ städte: Augsburg, Ulm, Zürich, Basel, Straß­ burg, Freiburg, Konstanz-Reichenau, Villin­ gen, aus dessen Franziskaner-Museum unsere Abbildung stammt. Lorenz Honold 183 chen Possenfahrten der Bürger berichtet, bei denen „außer dem Esel und dem Heiland“ keiner mehr nüchtern heimkehrte. Wer erin­ nert sich da nicht an den bissigen Zweizeiler im „Narrenschiff“ des Straßburger Humani­ sten Sebastian Brant vom Jahre 1494: ,,Den Esel wüste Rotten tragen/Mit ihm die ganze Stadt durchjagen“. In den Städten, die nach 1500 den neuen Glauben annahmen, waren es die Bilderstür­ mer und Reformatoren, die den Palmesel aus dem Gotteshaus vertrieben. In den katholi­ schen Ländern setzten spätestens im 18. Jahr­ hundert die aufgeklärten Landesherren und die Reformen Kaiser Josephs II. dem Brauch ein Ende. So in Konstanz, der für unseren Raum damals noch zuständigen Bischofsstadt. Da war am Nachmittag des Palmsonntag der im Kreuzgang aufgestellt und Palmesel wurde gegen Entrichtung eines Kreuzers vom Mesner einige Male auf und ab gezogen -bis im Biedermeier (laut dem Zeugnis des

Baudenkmäler, alte Schwarzwaldhöfe Das Herrnhuter Haus in Königsfeld Die Geschichte des ersten Hauses am Ort Im Jahr 1806 hatte die Brüdergemeine in Herrnhut in Sachsen den Hörnlishof im Amte Hornberg in Württemberg käuflich erworben, um hier, dem Wunsch ihrer vielen Freunde im Württembergischen, in der Schweiz und im Elsaß zu entsprechen, eine Brüdergemeine anzulegen. Solche Brüder­ gemeinen gab es schon zahlreiche in den deutschen Landen, wie auch in England, Nord-Amerika, Holland, Dänemark und anderswo, die zumeist Verbindungsstellen zu gleichgesinnten Christenmenschen sein sollten. Nachdem vor allem auch der König Friedrich 1. von Württemberg, der später der jungen Siedlung den Namen Königsfeld gab, seine Genehmigung zum Anbau gegeben hatte, konnte mit der Anlage begonnen werden. Die Pläne, sowohl für die Ortsanlage wie auch für die wichtigsten Gebäude, waren in Herrnhut entstanden und trafen, sehnlichst erwartet, am 19. Juni 1807 auf dem Hörnlis­ hof ein. Gleich am folgenden Tag begannen die Vermessungsarbeiten und das Abstecken des Bauplatzes für das erste Haus des Ortes. Es sollte das sogenannte „Gemeinlogis“ wer­ den, der spätere Gasthof der Brüdergemeine und heute „Herrnhuter Haus“ benannt. Bereits am 9. Juli waren die Arbeiten soweit fortgeschritten, daß in einer Feierstunde von dem ersten Vorsteher der Gemeine, dem Pfälzer Georg Adam Heißer, im Beisein von Pfarrer Kind aus Weiler und den Freunden aus Mönchweiler, der Grundstein gelegt wer­ den konnte. Die drangvolle En�e im Hörnlishof, der G ST B-4 l)i ,a, der BBUDEB· EKEI E KÖNIG FELD i. Batlcn. (Schwarzwald). 184

die ersten Bewohner des entstehenden Ortes aufzunehmen hatte, zwang zu einem schnel­ len Bauen. So wurde schon Anfang Oktober der Dachstuhl aufgerichtet, und am 13. Juni 1808 zogen die ersten Bewohner in das Gemeinlogis ein. Von einem Gasthof im landläufigen Sinne konnte man in diesen ersten Jahren noch nicht sprechen, denn anderes war zunächst wichtiger. So z.B. die Einrichtung eines „Sälchens“ für die sonn­ täglichen Versammlungen, das am 24. Juli eingeweiht werden konnte. Im November kam dann noch eine kleine Orgel hinzu, die man geschenkt bekommen hatte. Da aber noch kein Orgelspieler vorhanden war, kam der Organist aus St. Georgen zu Hilfe. Wie in allen Herrnhuter Gemeinorten üblich, mußte auch gleich zu Anfang schon an Einrichtungen zur Erziehung der Jugend gedacht werden. So begründete man im Gemeinlogis 1809, zunächst natürlich recht bescheiden, eine Mädchenanstalt und 1813 eine Knabenanstalt. Diese zogen jedoch nach Fertigstellung der eigenen Anstaltshäu­ ser in den Jahren 1810 und 1817 wieder aus. Als dann auch das sogenannte Gemeinhaus (Kirche mit Amtswohnungen) 1812 erbaut war, wurde auch das Sälchen nicht mehr benötigt. So entstand allmählich immer mehr Raum für die Beherbergung und Bewirtung von Gästen. An diesen fehlte es von Anfang an nicht, war doch das Interesse an dieser Gemeingründung der Brüderge­ meine in der damaligen Schwarzwaldein­ samkeit sehr groß. Hier muß eines Mannes ganz besonders gedacht werden, der sich als Pionier in den Gründerjahren Königsfelds und als erster umtriebiger und umsichtiger Leiter des Gemeinlogis bzw. Gasthofes verdient ge­ macht hat. Es war dies der aus sehr bescheide­ nen Verhältnissen in Liestal bei Basel stam­ mende Nikolaus Seiler (1768-1840). Er war in der Brüdergemeine in Neuwied am Rhein zum Töpfer ausgebildet worden und schon 1806 auf den Hörnlishof gekommen, um in dem neuen Ort seinem Beruf nachzugehen. Doch waren seine Fähigkeiten und Begabun- gen so vielfältig, daß man ihm gleich den Betrieb des Gemeinlogis mit allem was dazu gehörte anvertraute. Und was hat Nikolaus Seiler in den 30 schweren Jahren seiner Wirk­ samkeit nicht alles umtreiben müssen. Neben seiner Hauptbetätigung als Haus­ vater und Verwalter besorgte er die Landwirt­ schaft des Hauses, brannte Ziegel und Branntwein, braute das Bier und backte Brot und betätigte sich schließlich auch als Metz­ ger. Noch in seinen letzten Lebensjahren war er als Uhrmacher tätig und hat hier sogar Lehrlinge ausgebildet. Wahrlich ein solcher Mann war für die junge Siedlung, in der es noch an allem fehlte, von unschätzbarem Wert. Er wurde Stammvater eines weitver­ zweigten und verstreuten Geschlechts; Nachkommen von ihm leben noch heute in Königsfeld. Sein Nachfolger in diesem vielseitigen Amt wurde 1837 der ebenfalls aus der Schweiz stammende Schuhmacher Samuel Furter (1796-1871), der Vater des späteren Königsfelder Vorstehers und ersten Bürger­ meisters von 1902 bis 1911 Adolf Furter (1839-1923). Bevor er sein Amt antrat, mußte er jedoch heiraten. Bei der Trauung am 18. 5.1837 gab der originelle Königsfelder Pfarrer Johann Heinrich Martin dem Paar folgende bemerkenswerte Worte mit auf den künftigen Berufsweg: „Der Gasthof der Brüdergemeine soll der erste Predigtstuhl derselben sein; im Gasthof suchen diejenigen Fremden, welche die Gemeine kennen lernen wol­ len, den Geist derselben. Ist der erste Ein­ druck der, den ein Wirtshaus macht, dann ist es kein Gasthof der Brüdergemeine. Auch soll das Gemeinlogis die Heimat eines jeden Gastes sein und namentlich Geschwister und Freunde der Gemeinde sollen sich da zu Hause fühlen.“ Diese sehr gute Beschreibung des Begriffs eines Gasthofes der Brüdergemeine war nicht nur für Samuel Furter sondern für alle nach ihm kommenden Verantwortlichen, bis auf den heutigen Tag, eine ernste und schwere Verpflichtung. 185

In die 26 Dienstjahre von Samuel Furter bis 1863 fiel auch die in unserem Gebiet sehr unruhige Revolutionszeit. Er schreibt dar­ über selbst: ,,Das Revolutionsjahr 1849 brachte uns auch manche Angststunden, doch durften wir da recht augenscheinlich erfahren, wie der Herr seine schützende Hand ganz besonders über unser Haus und den ganzen Ort hielt; es flüchteten sich sogar einzelne Regierungsbeamte zu uns. Unter anderen kam ein Obereinnehmer mit seiner Kasse mitten in der Nacht. Als ich ihm das Haus öffnete, sagte er: Gott lob! daß ich nun hier bin! Ich erwiderte: Mein Herr, wir sind ganz ohne äußeren Schutz! 0, Sie sind bewahrt! erwiderte er. Dies beschämte mei­ nen Kleinglauben.“ Die anschließenden Amtsjahre von 1863 bis 1896 des gebürtigen Korntalers Gottlob Jakob Binder (1832-1916) waren wohl die fruchtbarsten in der Geschichte des Hauses. Nach den schweren Anfangsjahren und einer langen Stagnation begann jetzt für Königsfeld ein allgemeines Aufblühen. Allenthalben wurde gebaut; auch die Schu­ len florierten und errichteten stattliche Neu­ bauten. Kurz: Königsfeld wuchs und wurde betriebsamer. Zu dieser Entwicklung trug nicht zuletzt die 1873 erfolgte Einweihung der Schwarzwaldbahn bei, durch die Königs­ feld seinen unmittelbaren Anschluß an das 186 Gasthof der Brüdergemeine um 1868 große Verkehrsnetz erhielt. Natürlich war es auch bald mit der lange gehüteten Monopol­ stellung des Gasthofes zu Ende, da das Ent­ stehen weiterer Gästebetriebe nicht mehr verhindert werden konnte. Der Konkurrenz­ druck wurde spürbar wie auch die Kraft zu neuen Anstrengungen. Der erwarteten neuen Zeit wollte man nicht tatenlos ent­ gegensehen. Schon frühzeitig war das dem Gasthof benachbarte Haus, das sich einstmals der Kaufmann Veil aus Schorndorf erbaut hatte, erworben worden. Durch einen Zwischen­ bau wurde es 1869 mit dem Gasthof verbun­ den, wodurch die stattliche Front am „Platz“ entstand. Das in der jetzigen Mönchweiler­ straße angebaute Ökonomiegebäude wurde im selben Jahr abgerissen und in hintere Grundstücksteile, weniger sichtbar, verlegt. Gleichfalls verlegt und aus dem Gasthofbe­ trieb herausgenommen wurde die Bierbrau­ ere� die ihren neuen Standort in der jetzigen Stellwaldstraße erhielt (heute Altenheim Christoph-Blumhardt-Haus). 1893 entstand an der Stelle des erwähnten ehemaligen Öko­ nomiegebäudes ein großzügiger Anbau mit Speisesaal im Erdgeschoß (heute Gemeinde­ saal) und darüber in zwei Stockwerken wei­ tere Gästezimmer.

Die Entwicklung Königsfelds zu einem Luftkurort war jetzt eingeleitet. Man sprach von „Pensionären“, den Kurgästen und erst­ mals auch von einer „Saison“. Das Fremden­ buch des Gasthofs von 1880 weist neben einer beträchtlichen Zahl von Passanten 4 70 ,,Pensionäre“ mit 7800 Übernachtungen aus. Auch das sommerliche Kaffeegeschäft muß 1887 den Bau einer gedeckten Halle auf dem Platzviereck gegenüber dem Haus, trotz der Bedienung über die Straße, gelohnt haben. Der Nachfolger Binders, der Burgberger Simon Schwarzwälder (1863-1914), setzte in seiner 18jährigen Dienstzeit die Bautätigkeit fort. Es entstand die Balkonanlage an der Nordfront des Hauses, verbunden mit einem dem Stil der damaligen Zeit entsprechenden Erkertürmchen an der Hausecke.1900 wurde die Azetylengasbeleuchtung eingerichtet, und im Jahre 1912 erfolgte der Anschluß an das Stromleitungsnetz. Die Zeit des 1. Weltkrieges, in der man • anfangs in Königsfeld den Kanonendonner vom Elsaß herüberhörte, und die Wirren der Nachkriegszeit und Inflation überstand das Haus äußerlich unbeschadet Die Schwierig­ keiten in der Wirtschaftsführung teilte man mit allen ähnlichen Betrieben, bis langsam wieder eine Normalisierung eintrat. Doch die Zeit der Erholung war nur kurz bemessen. Der 2. Weltkrieg brach aus und damit auch für den Gasthof der Beginn eines langen Leidensweges. Gleich zu Beginn des Krieges wurde das Haus von der Wehr­ machtsverwaltung zum Lazarett erklärt und blieb dies, mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 1941, in der Kinder aus luftgefahrde­ ten Gebieten hier Aufnahme fanden, bis zum Kriegsende. Es erfolgte der Einmarsch der französischen Truppen und in diesem Zusammenhang eine kurze Belegung des Hauses mit Marokkanern. Schlimmer war Gasthof der Brüdergemeine um 1900 187

der Brand des Dachstuhls an der Hausecke am 6./7. August 1945, mit den vielen Schwie­ rigkeiten des Wiederaufbaus, die sich des­ halb fast 2 Jahre hinzogen. Und dann kamen sie ab 1946, die Flüchtlinge und Heimatver­ triebenen, zumeist aus den Brüdergemeinen in Schlesien, die hier in einer ihnen vertrau­ ten Umwelt Schutz und Bleibe suchten. Es war naheliegend und auch eine der wenigen Möglichkeiten, sie zunächst einmal im Gasthof unterzubringen. Unvorstellbare Probleme gab es dabei zu bewältigen. Für die Verpflegung wurde eine Gemeinschafts­ küche im Hause eingerichtet, doch fehlte es dieser oft am Nötigsten. Als es immer wieder an Kartoffeln mangelte, wurden die Ortsbe­ wohner zur Kartoffelabgabe aufgefordert und auch die Nachbarorte um Hilfe gebeten. Das Ehepaar Gerhard und Elisabeth Przi­ bill erhielten in dieser schweren Zeit den Auftrag der Hausleitung. Selbst Vertriebene aus Oberschlesien, waren sie unermüdlich für ihre Schutzbefohlenen tätig. Als sie schließlich ihr Amt 1957 in jüngere Hände legen konnten, ging es schon langsam wieder bergauf. Mit dem allmählichen Auszug der Flüchtlinge kamen auch wieder die Gäste. Nach dieser jahrelangen Fremdbenutzung zeigte sich immer deutlicher das erschreckende Ausmaß der Verluste und Zer­ störungen am Haus und seinen Einrichtun­ gen. Hinzu kam das stetig steigende Kom­ fortbedürfnis der Gäste. Das alles erforderte Investitionen, die das Haus selbst nicht Seit 1804 bewohnt das Geschlecht der Dorer nun in der sechsten Generation den Pfeifenhansenhof im hinteren Schützen­ bach in Furtwangen. Nach den Forschungen von Klara Werber über die 54 ehemaligen Lehenshöfe des Klosters St. Georgen läßt sich der ehemalige Hanselihof schon um 1300 herum nachweisen. Von Johann Baptist 188 jetzt erwirtschaften konnte. Es waren Investitio­ nen der Hoffnung, die von der Eigentümerin erbracht wurden und mehr als einmal die Existenz des Hauses in Frage stellten. 1962 erfolgte der Ausbau des ehemaligen Speisesaales durch die Evang. Kirchenge­ meinde Königsfeld zu einem Gemeindesaal. Da dieser auch dem Hotel zur Verfügung stand, eröffnete er die Möglichkeit, mehr als bisher Tagungen und Freizeiten zu beherber­ gen. Eine Totalrenovation folgte in den Jah­ ren 1971/72 sowohl der Gasträume wie auch der Gästezimmer, die durchweg Bad-bzw. Duschanlagen erhielten. Die neueingerich­ tete Kneippanlage mit Sauna und Solarium vergrößerte das Angebot des Hauses. Aller­ dings wurde das Bettenangebot des Hauses auf etwa 45 beschränkt zu Gunsten von Altenwohnungen in einem besonders aus­ gewiesenen Altenwohnheim. In diesem Zusammenhang erhielt das in den letzten Jahren als Hotel der Brüdergemeine bezeich­ nete Haus den neuen Namen „Herrnhuter Haus“, zur Erinnerung an den Ausgangs­ und Stammort der Brüdergemeine in der sächsischen Oberlausitz. Heute zeigt sich das erste Haus Königs­ felds von einer reichen, fast 180jährigen Geschichte voller Höhe-und Tiefpunkte geprägt, aber immer noch mit dem Bestre­ ben, mit seinen anheimelnden Räumlichkei­ ten „Heimat eines jeden Gastes“ zu sein, wie es einstmals das Gemeinlogis war. Heinz Burkhardt Dorer, der im Jahre 1804 vom nahen Basler­ tal in Schönwald auf den Hof einheiratete und ihn bis 1817 bewirtschaftete, hat der Hof statt „Hanselihof“ den seltsamen alemanni­ schen Namen „Pfiefehansehof“ erhalten, weil J. B. Dorer als Nebenerwerb auch die Kunst der Herstellung von Tabakspfeifen aus Ton auf diesem Hof einführte. Auf ihm Alter Schwarzwald-Bauer auf altem Bauernhof Aus dem Geschlecht der Dorer auf dem Pfeifenhansenhof

sind im letzten und in diesem Jahrhundert bedeutende Persönlichkeiten aufgewachsen. Richard Dorer (1863 bis 1950) hat sich als Schulmann (Kreisschulrat) und als Heimat­ forscher einen Namen gemacht. Er verfaßte schon 1948 die umfangreiche Chronik ,,Schönwald in Vergangenheit und Gegen­ wart“. Dafür wurde er zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt, und eine Straße im Schönwälder Neubaugebiet bekam nach ihm ihren Namen. Sein Gedichtband „Meine Heimat, Erinnerungen aus der Jugendzeit eines Schwarzwälders“, der von seinen beiden Töchtern Dr. phil. Dr. med. Maria Dorer und Emma Dorer, jetzt Schwe­ ster Seraphina Dorer in Freiburg, posthum 1971 herausgegeben wurde, bildet eine uner­ schöpfliche Q!ielle für altes Schwarzwälder Volks- und Brauchtum. Für den vor einem Jahrzehnt von seiner Tochter Seraphina (Emma) Dorer herausgegebenen familien­ kundlich äußerst wertvollen Band „500 Jahre Dorer in Furtwangen, Geschichte einer Schwarzwälder Bauernfamilie“ hat Richard Dorer das umfangreiche Material in mühsa­ mer Kleinarbeit zusammengetragen. Auch sein Bruder Primus Dorer, gestor­ ben 1951, war als Vertreter der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit und als Verfasser von heimatlichem Schrifttum ein Sohn dieses Bauernhofes. Er heiratete auf den drei Kilo­ meter entfernten Bernhardenhof im Mäders­ tal ein. Von dort kehrte sein zweiter Sohn Engelbert, geboren am 13. Februar 1900, wie­ der auf den Hof seiner Vorfahren zurück, den er im Jahre 1929 von seinem kinderlosen Onkel Eduard übernommen hat und fast vier Jahrzehnte lang bis 1967 als selbständiger Bauer und Forstwirt bewirtschaftete. Er hätte dem Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob als Modell für einen seiner originellen „Erz­ bauern“ in seinen Schriften vom Bauernadel dienen können. Er erbte nicht nur das gute Gedächtnis seiner Ahnen, sondern auch seine Liebe zur heimatlichen Erde und zum Bauernstand. Er hat diese Gabe auch seinen sechs Kindern, vier „Buebe“ und zwei ,,Meidli“, weiter vererbt. Altbauer Engelbert Dorer So ist sein ältester Sohn Josef nicht nur auf dem Hof, sondern auch im Beruf und im öffentlichen Leben in die Fußstapfen seines Vaters Engelbert Dorer eingetreten. Nun leben jetzt in geradezu patriarchalischer Weise mit dem 14 Jahre alten Enkel Markus drei Generationen unter dem großen Bauerndach: der Altbauer mit seiner Bäuerin Theresia Dilger vom Schweizerhof in Neu­ kirch „im Stübli uf em Libding“, der Sohn Josef mit seiner fünfköpfigen Kinderschar und dem 1969 geborenen „Lebsitzer“ (Lehensbesitzer) daneben in der großen Bauernstube. Diese farnilienkundlichen Erinnerungen wurden beim 85. Geburtstag des Altbauern Engelbert Dorer wieder lebendig. So schrieb die Badische Bauernzeitung in ihrer Lauda­ tio zu diesem Geburtstag, daß mit Engelbert Dorer eine weit über die Berge und Täler des mittleren Schwarzwaldes hinaus bekannte P�rsönlichkeit in geistiger und körperlicher 189

Frische diesen hohen Geburtstag feiern konnte. Er begann diesen Tag, wie es für die­ ses außergewöhnliche Schwarzwälder Ge­ wächs gehörte, in aller Frühe trotz bitterster Kälte mit einem Gang zum fernen Gottes­ haus. Der Bauernverband dankt diesem tem­ peramentvollen Mann für seine treuen berufsständischen Dienste und für sein fruchtbares Wirken für viele Schwarzwälder Berufskollegen besonders für sein fachmän­ nisches und originelles Mitziehen in Fragen der Viehzucht, der Milch-und Forstwirt­ schaft, der Kommunalpolitik und des Ge­ nossenschaftswesens. Erwähnt wurde auch seine Mitarbeit in zahlreichen Ausschüssen auf örtlicher und überörtlicher Ebene. Seine Persönlichkeit würdigte auch der damalige Staatssekretär und bekannte Politiker Erwin Teufel, als er im Auftrag des Ministers Weiser am 7. November 1977 Engelbert Dorer das Bundesverdienstkreuz überreichte. Er schil­ derte ihn als einen aufrechten Demokraten, der sich stets für seinen Berufsstand und für die Allgemeinheit eingesetzt hat. So war er 32 Jahre lang Vorsitzender der örtlichen Zuchtgenossenschaft und viele Jahrzehnte lang Vorstandsmitglied der Genossenschaft der Rinderzüchter im Brigach-und Bregtal. Er gehörte der Körgenossenschaft in Neu­ stadt an und war seit der Gründung des Orts­ vereins Furtwangen des landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) bis 1968 dessen rühriger erster Vorsitzender. Ferner gehörte er dem Kreisjagdamt an. Im öffentlichen Leben war er in der schweren Aufbauzeit der ersten Nachkriegs­ jahre von 1948 bis 1968 als Vertreter der Freien Demokraten in den Gemeinderat gewählt worden. Dem Donaueschinger Kreistag gehörte er von 1958 bis 1965 an. Dabei war er nicht immer ein bequemer Part­ ner, sondern vertrat seinen Standpunkt sach­ kundig und nachhaltig. Der BLHV hat ihm als Mann der ersten Stunde das „Grüne Band Alfons Diemer in Gold“ verliehen. Ölbild: Klaus Burk 190

Stadt- und Ortssanierung Die Hüfinger Altstadtsanierung Wie viele alte Kleinstädte war auch Hüfin­ gen nach dem Kriege einem viel.faltigen Funktionswandel unterworfen. Zu der stark vernachlässigten städtebaulichen Situation im alten Stadtkern der Kleinstadt-eine über­ alterte Bausubstanz und mangelhafte Min­ destausstattung vieler Wohnungen -kam die über Jahre anhaltende Tendenz einer räumlichen Trennung von Wohnstandort und Arbeitsstandort hinzu. Die Stadterneue­ rung und damit die Verbesserung und Erhal­ tung des kleinstädtischen Lebensraumes wurde zur vorrangigen Aufgabe, ja geradezu zum kommunalpolitischen Auftrag. Da sich der Leser wohl vor allem mit der Entwicklung der Sanierung in Hüfingen beschäftigen möchte, verzichte ich auf die Erläuterung allgemeiner Grundsätze zur Stadterneuerung, sondern möchte ver­ suchen, so gut wie möglich auf unsere beson­ deren Verhältnisse einzugehen. Die Sanierung der Hüfinger Altstadt, die inzwischen Modellcharakter für Kleinstadt­ im süddeutschen, sanierung ländlichen Raum besitzt, hat eine schon fast 20jährige Geschichte. Als 1965 die Kanalisation und die Straßen ausgebaut wurden, begannen wir unverzüglich mit der Gestaltung des öffentli­ chen Raumes unter Einbeziehung der priva­ ten Vorplätze. Fast überall im süddeutschen Raum wurde das Kleinpflaster aus Naturstei­ nen entfernt und oft als wertloses Gut vergra­ ben. Ich selbst sah darin eine große Chance und erwarb größere Mengen Naturstein­ Kleinpflaster in Pfullendorf, Singen, Frei­ burg, ja sogar im Lörracher und Offenburger Raum. Unser Bauhof war über Monate in Pfullendorf damit beschäftigt, aus dem in großen Mengen abgelagerten Pflaster brauchbare Steine in Handarbeit auszusor­ tieren. So haben wir dann im Winter 1966 Lastwagen für Lastwagen nach Hüfingen transportiert und damit die Grundlage für die heute so sehr gelobte Pflasterung des gesamten Altstadtbereichs geschaffen. Was andere als wertlos beseitigten, haben wir in Hüfingen auf Lager gelegt und dann über Jahre hinweg Stein um Stein verlegt. Die Kosten von 45,-DMJm2 wurden von der Stadt, vom Denkmalamt und von den Anlie­ gern anteilig getragen. Auf meine Initiative wurde eine Villinger Firma neu gegründet; sie war mit ihren Pflästerern über Jahre bei uns beschäftigt. In Fortsetzung der Stadterneuerung haben der Gemeinderat und ich als Bürger­ meister uns im Jahre 1969 zum Ziel gesetzt, den Kernbereich unserer Altstadt aus dem Mittelalter durch eine großzügig angelegte Sanierung der Gebäude vor dem Zerfall zu retten, dem sie sonst unweigerlich anheim gefallen wäre. Daß dies ein langer und dor­ nenvoller Weg sein würde, war uns allen klar. Heute ist die Sanierung des ältesten Bereichs nahezu abgeschlossen, und wir konnten. den Bereich II bereits in Angriff nehmen. Das Ergebnis kann sich sicher sehen lassen. Merkwürdigerweise finden diese Bestrebungen außerhalb der Stadt weit mehr Beachtung als zuhause. Doch dies soll uns nicht von unserem selbstgewählten Weg, zügig fortzufahren, abbringen. Die Hüfinger Altstadt, eine hervorragend angelegte städtebauliche Gesamtanlage einer Kleinstadt, hat keine herausragenden und dominierenden Einzelobjekte aufzuweisen. Sie ist vielmehr geprägt durch einfache Architektur in zusammenhängender Bau­ weise. Von den 70 Gebäuden im Altbereich wurden etwa 45 als „Ackerbürgerhäuser“ genutzt. In diesen Anwesen wohnten die Bürger, die -wie der Name sagt -Bauern waren, in einfachst ausgestatteten Räumen und bewirtschafteten einen landwirtschaftli-191

chen Familienbetrieb, manchmal über Jahr­ hunderte hinweg. Nach dem 2. Weltkrieg setzte hier ein ent­ scheidender Strukturwandel ein: Viele Bür­ ger verkauften ihre Anwesen und bauten Einfamilienhäuser in den neu erschlossenen Baugebieten „Auf Hohen“ und „An der Gierhalde“. Diese Entwicklung wurde durch großzügige Förderung des Wohnungsbaues stark beeinflußt. Es war auch nicht einzuse­ hen, daß unsere Altbürger in ihren schlecht ausgestatteten Häusern meist ohne Sanitär­ bereich, also in relativ primitiven Verhältnis­ sen, wohnen mußten. Durch den Auszug dieser seßhaften Bewohner aus dem klein­ städtischen Qiartier ging entscheidend die gewachsene Sozialstruktur verloren. Erst als im Rahmen des Städtebauförderungsgeset­ zes erhebliche Zuschüsse für Maßnahmen im Altstadtbereich gewährt wurden, konn­ ten wir auf diese verheerende Entwicklung Einfluß nehmen und bestmöglichst Einhalt gebieten. Nun zu den Sanierungsmaßnahmen selbst: 192 Alle Grundstücke innerhalb des abge­ grenzten Sanierungsgebietes wurden im Rahmen einer vorbereitenden Untersu­ chung erforscht. Damit wurde schon 5 Jahre vor der gesetzlichen Regelung die Sanierung selbst intensiv vorbereitet. Eine Vielzahl junger Ingenieure prüfte als Lehrauftrag der Planberatungsstelle des Regierungspräsidi­ ums die sich bietenden Möglichkeiten einer Sanierung, damals mit Blick auf eine allge­ mein angestrebte Flächensanierung. Erst nach gründlicher Untersuchung kamen wir zu dem Ergebnis, daß eine geord­ nete Funktion nach heutigen Bedürfnissen nur durch eine Objektsanierung zu erreichen ist. Durch die Vielzahl von Ökonomieberei­ chen wurde dieses Bemühen, die Altsub­ stanz zu erneuern, negativ beeinflußt; denn die Viehhaltung in diesen Gebäuden hinter­ ließ Spuren (Salpeter und Geruchsbildung}, die selbst bei gründlichster Sanierung kaum zu beheben waren. Selbst im Städtebauför­ derungsgesetz sind diese für uns typischen kleinstädtischen Probleme nicht berücksich­ tigt, denn Zuschüsse gibt es nur für die

Modernisierung bestehenden Wohnraumes. Unser Anliegen, die Umnutzung der Ökonomieteile, wird bis heute im Rahmen der Sanierung nicht gefördert. Erst als das großzügig ausgestattete Zukunfts-Investi­ tionsprogramm (ZIP) der Landesregierung 1976 herauskam, konnte endlich begonnen werden. Bei der Vorbereitung legten wir großen Wert auf die unveränderte Erhaltung der städtebaulichen Anlage. Freiwilligkeit blieb bis heute oberster Grundsatz. Eingriffe in das Eigentum, vor allem Bodenordnungsmaß­ nahmen, erfolgten immer einvernehmlich mit den jeweiligen Eigentümern. Die Pläne für den ruhenden und fließenden Verkehr mußten am vorhandenen Bestand orientiert werden, was zwangsläufig dazu führt, daß das Parkierungsproblem bis heute noch sehr im argen liegt. Die im Mittelalter angelegte Altstadt beherbergte bäuerliche Kleinbe­ triebe mit Viehhaltung auf engem Raum, der auch für Futtervorräte reichen mußte. Die Dunglegen befanden sich fast ausschließlich im öffentlichen Straßenbereich, eine Sonder­ heit, wie sie in fast allen durch eine Wehr­ mauer abgeschirmte Kleinstadt anzutreffen ist Unsere Bürger blieben über Jahre hinweg zurückhaltend, ja skeptisch, denn die in Aus­ sicht gestellte Zahlung verlorener Zuschüsse durch Land und Gemeinde hatte es noch nie gegeben. Die Realisierung der Pläne erfor­ derte viel Kleinarbeit und intensive Aufklä­ rung, denn nur eine gute Vertrauensbasis zwischen Bürger und Gemeinde machte den sichtbaren Erfolg erst möglich. In allen Phasen blieb die Stadt die ent­ scheidende Instanz. Der Gemeinderat war stets bereit, große Risiken zu tragen. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: – Von insgesarnt46 sanierten Gebäuden hat die Stadt 38 selbst aufgekauft oder an einen Sanierungswilligen vermittelt. – Für den sehr schwierigen Sanierungsbe­ reich „Gerbe“ wurde als besonders mutige Entscheidung ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Der 1. Preisträger, Dipl- Ing. Saß, Freiburg, führte die Bauten aus; die Bauträgerschaft blieb bei der Stadt, ebenfalls die gesamte Verwaltungsarbeit. Alle Häuser konnten wir noch während der Rohbauphase verkaufen. Nur so konnten wir unser Ziel, die städte­ bauliche Anlage in einfacher Architektur zu erhalten, verwirklichen. Am Wettbewerb selbst beteiligten sich viele maßgebende Pla­ ner unseres Landes. Von den vielfältigen Ideen wurde dadurch der beste Vorschlag verwirklicht. Auch wenn dieses Objekt ,,Gerbe“ wegbereitend blieb, so konnte trotz­ dem die angestrebte architektonische Viel­ falt im Sanierungsgebiet erreicht werden; denn es waren über 7 Architekten tätig. Von der Stadt aus kümmerten wir uns um jedes kleine Detail, nahmen Einfluß auf die Gestaltung der Fassaden und waren darüber­ hinaus stets bemüht, für die Gestaltung nur einfache ortstypische Elemente zuzulassen. Dies führte später dazu, daß von einem ,,Hüfinger Baustil“ die Rede war. Der Ein­ druck, es werde uniformiert gebaut oder Altes nostalgisch imitiert, ist sicherlich nicht entstanden. Die bei uns übliche einfache Bauweise wollen wir auch künftig beibehal­ ten und bei der Zulassung gestalterische Ele­ mente gründlich prüfen, ob derartige Wünsche der Architekten städtebaulich – auf unsere Kleinstadtsituation bezogen – vertretbar sind. – Die überaus guten Erfahrungen mit die­ sem Wettbewerb „Gerbe“ haben uns auch veranlaßt, in der Ochsengasse einen weite­ ren Wettbewerb auszuschreiben. Auch die dort erzielten Ergebnisse sind erfreu­ lich und führen zu einer weiteren wesent­ lichen Bereicherung unserer Sanierung. Die Aktivitäten der Stadt umfassen folgende Punkte: – Aufkauf von ca. 80 % der Sanierungs­ grundstücke und Gewährung von Be­ standsentschädigung nach dem Verkehrs­ wert. – Gewinnung auswärtiger Investoren. – Eigeninitiative der Stadt durch Über- nahme der Bauträgerschaft. 193

– Starke Einflußnahme bei Planung und Ausführung. – Umfassende Beratung in der Finanzie­ rung der Bauvorhaben. – Gewährung von 40 % verlorener Zu­ schüsse für Modernisierungsmaßnah­ men. D.as Ergebnis nach Abschluß der 1985 einge­ leiteten Maßnahmen sieht wie folgt aus: – Altbestand vor Wohnungen der Sanierung 79 meist unzureichend ausgestattet, schlechte oder keine sanitäre Aus- stattung, meist unzumutbare Wohnverhältnisse. – Bestand nach Wohnungen der Sanierung sanierte bzw. neu gebaute, moderne Wohnungen 135 alte Wohnungen, die ohne Sanierung den modernen Anfor- derungen entsprechen 17 alte Wohnungen, die nicht moder- nen Anforderungen entsprechen 22 174 194

Die Hüfinger Sanierung zeigt, daß es in Sanierungsgebieten durchaus möglich ist, durch aktive jahrelange Kleinarbeit und die verständnisvolle Risikobereitschaft des Ge­ meinderates gezielte Strukturmaßnahmen durchzuführen, zusätzlichen neuen Wohn­ raum zu schaffen, der von Eigentümern und Mietern bevorzugt in Anspruch genommen wird. Die Erfassung von großen Reserven in den Kerngebieten führt darüberhinaus zur Minderung des erheblichen Flächenbedarfs bei der Erschließung von Neubaugebieten. Eine weitere Besonderheit ist bei uns der Einsatz öffentlicher Förderungsmittel fast ausschließlich für die Sanierung von Privat­ gebäuden unter Verzicht auf großen Erschlie­ ßungsaufwand für öffentliche Bereiche. Eine Ausnahme macht hier das Amann’sche Haus in der Kronengasse, das mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde und den Vereinen zur Nutzung zur Verfügung steht. Unsere Arbeit und die vom Gemeinderat getroffenen Entscheidungen im 1. Bauab­ schnitt waren so überzeugend, daß alle Grundstückseigentümer bei der Festsetzung eines weiteren Sanierungsgebietes schriftlich ihre Zustimmung gaben, ohne daß eine Auf­ klärungsversammlung stattfand. Dieses Ver­ trauen der Bürger freut und ehrt uns zu­ gleich; denn zu Beginn der Sanierung stan­ den die Bürger dieser Entwicklung sehr skep­ tisch und überaus zurückhaltend gegenüber. Mit unseren Maßnahmen haben wir ziel­ strebig versucht, den Grundsätzen des Städ­ tebauförderungsgesetzes gerecht zu werden. Trotz anfänglicher starker Fluktuation stel­ len wir eine Stabilisierung der Sozialstruktur fest. Die Neubürger wohnen sehr gerne im Sanierungsgebiet, trotzdem glauben wir, daß über unsere Sanierung, die mit viel gutem Willen und zielstrebiger Kleinarbeit aus­ geführt wird, erst nach Jahren ein abschlie­ ßendes Urteil möglich ist. Im Sanierungsgebiet wurden in den letz- 195

ten Jahren über 32 Millionen investiert, wovon allein 29 Millionen auf den Bau und die Modernisierung von Gebäuden entfal­ len. Für die Zuschüsse des Landes und der Gemeinde steht ein Zuschußrahmen von über 16 Millionen zur Verfügung. Die hier­ von für das Sanierungsgebiet I bereitgestell­ ten Mittel sind nahezu aufgebraucht. Der Fortgang der Sanierung ist sehr stark davon abhängig, daß die 10 %ige Abschrei­ bung nach § 82 Einkommenssteuerdurch­ führungsverordnung bleibt und auch für den Ersatzwohnungsbau nach wie vor öffentliche Förderungsmittel gewährt werden. Zum Schluß möchten wir nochmals aus­ drücklich feststellen, daß die Sanierung in Hüfingen nur deshalb gelingen konnte, weil erhebliche zusätzliche Mittel über das Zukunftsinvestitionsprogramm 1976 bewil­ ligt wurden. Aus diesem Programm konnten allein 42 Wohnungen zinsgünstig mitfinan­ ziert werden. Die Sanierung ist ein Werk bür­ gerschaftlicher Zusammenarbeit. Allen, die uns geholfen haben, schulden wir Dank und Anerkennung. Max Gilly, Bürgermeister Die Hüfinger Stadtmühle – ein Juwel der Altstadtsanierung Zu einem der wohl gelungensten Einzel­ objekte der Hüfinger Altstadtsanierung zählt heute das Gebäude der Hüfinger Stadt­ mühle aus dem Jahre 1750. Es stellt sich als ein Juwel der geschichtsträchtigen Hinter­ stadt von Hüfingen dar und präsentiert sich dem Beschauer mit eindrucksvollen Zinnen­ giebeln und leuchtend weiß verputztem Mauerwerk und zierenden blau-weißen Fen­ sterläden, die frühere Bedeutung der Mühle mit der Farbe weiß für Mehl wie blau für Wasser, beide zusammen die Stadtfarben gleichzeitig versinnbildlichend. Der helle Naturputz läßt den steinfarbenen Grünton der Fenstergewänder besonders wirksam werden. Auch die alte zweiflügelige Rund­ bogen-Eingangstür mit dem Entstehungs­ jahr „1750″ mit ihrem Sandstein-Rundbo­ gengewand wurde erhalten. Eine reichhaltige Geschichte bergen die trutzigen Mauern am alten Gewerbe-und Mühlkanal -von den Einheimischen kurz „Mühlebach“ genannt -in denen im Laufe der Geschichte viele Müllermeister ihr Handwerk betrieben. Der letzte von ihnen hieß Hermann Kern, dessen Vater, Müller­ meister Josef Kern, im Jahre 1934 aus Zell 196 i. W. kommend, die Mühle von der damali­ gen Erbengemeinschaft Frank kaufte und als Kunden-und Handelsmühle betrieb. Unter seinem Besitz wurden zahlreiche Investitionen getätigt: 1937 ein Doppel-Wal­ zenstuhl eingerichtet und wenig später ein neues Wasserrad angebracht. Im Zweiten Weltkrieg war die Hüfinger Mühle ein wich­ tiger Versorgungsfaktor für die Bevölkerung, weshalb sie Tag und Nacht in Betrieb gehal­ ten wurde. Auch wurden die Wehren Härle­ falle und der Ablaß erneuert und störende Dunglegen auf dem Vorplatz des Gebäudes entfernt. Für die Rentabilität und Erneue­ rung der Maschinentechnik wurde ein massi­ ves Silogebäude im hinteren Bereich errich­ tet und zwei weitere Walzenstühle eingebaut sowie durch Betonierungen damalige Holz­ verfestigungen ersetzt Ein neuer Turbinen­ bau wurde im Jahre 1952 erstellt. Obwohl vollautomatisiert und auf zehn Tonnen Tagesleistung ausgerichtet, wurde der Mahl­ betrieb im Jahre 1975 eingestellt und dem jungen Müllermeister Hermann Kern, in dessen Besitz die Mühle übergegangen war, nahegelegt, mit seinem Betrieb wegen der Immissionsbelästigung -die Mühle diente

zuletzt als Getreide-Annahme für Landwirte -in das Mühlöschle umzusiedeln, was im Jahre 1980 geschah. Die Stadt hatte das Gebäude zur Sanie­ rung erworben und entschädigte den Besit­ zer zum Neuanfang an der Bräunlinger Straße. In dem Hüfinger Arzt Dr. Ulrich Ruthig fand sie einen sanierungswilligen Käufer, der mit dem Umbau den Hüfinger Architekten Emil Schafbuch beauftragte. Begonnen wurde mit der Sanierung im Jahre 1983. Im November 1984 konnte das in besonderer Weise gelungene Bauwerk abge­ schlossen und an den Besitzer übergeben werden. Es zählt seitdem allein schon wegen seiner Größe und seiner Lage unmittelbar am romantischen Mühlkanal zu den prä­ gnantesten Häusern der Hüfinger Hinter­ stadt. Auch nach seiner Sanierung wird es über seine Geschichte eine enge Beziehung zur Stadt behalten und die Stadtmühle blei­ ben, wenn es auch einem anderen Zweck zugeführt wurde. Im Innern birgt das Haus eine Arztpraxis im Erdgeschoß sowie im Ober-und Dachge- Die „sanierte Stadtmühle“ schoß vier Wohnungen, von denen eine der Besitzer selbst mit seiner Familie inzwischen bezogen hat. Die durch die frühere Mühle betriebsbedingten Dachaufbauten sind ins­ gesamt entfernt und durch eine Spitzdach­ Wiederkehr mit Balkonen im optimal be­ sonnten östlichen Bereich ersetzt worden, so daß man mit Recht von einer wesentlichen Wohnwert-Verbesserung sprechen kann. Über dem von der Stadt im östlichen Bereich angebrachten unterschlächtigen Wasserrad erzielt man für die städtischen Brunnen die Wasserversorgung. Schleppgau­ ben an der vorderen Sichtseite des attrakti­ ven Gebäudes beleben das mit naturfarben roten Biberschwänzen gedeckte Dach. Im Gebäudeinnern fanden auch wieder die ein­ zigartigen menolithen Steinsäulen mit Schaft, Basis und Kapitel nicht nur eine optische, sondern auch wieder tragende Funktion, wie man auch die alte Rundholz­ stütze mit Steinbasis und verziertem Eichen­ joch als Zeugnis der Vergangenhei� und 197

Empfangsraum Arztpraxis Dr. Ulrich Ruthig in der sanierten Stadtmühle somit schmückendes Element empfindet. Neben der Verwendung heimischer natürli­ cher Baustoffe wurde soviel Altholz wie möglich im Innenbereich für Fachwerk­ wände und Holzbalkendecken wiederein­ gebaut. Auch die zur 900-Jahrfeier der Stadt im Jahre 1984 durch August Vetter herausgege­ bene umfangreiche Stadtchronik widmet sich in einem ausführlichen Teil des geschichtsträchtigen Gebäudes, das erstmals im Jahre 1523 in einem Teilungsvertrag zwi­ schen Burghart III. und Hans dem Älteren von Sehellenberg genannt wurde. Die damals als „Schupflehenmühle“ genannte Mühle ging beim Verkauf der Stadt Hüfingen in das Besitztum des Hauses Für­ stenberg über. Ein neues Mühlengebäude wurde im Jahre 1715 von Baumeister Conrad Lorenz von Michelwinida errichtet und von Barthle Riedmüller als Stadtmüller betrie­ ben. Viele Schwierigkeiten gab es beim damaligen Bau des Hauses, von denen die Chronik ausführlich berichtet, und das 198 bereits im Jahre 1750 einem Schadenfeuer zum Opfer fiel. Unmittelbar nach seiner Ver­ nichtung wurde das Gebäude wiederaufge­ baut. Es folgten für die damaligen Stadtmül­ ler nicht nur gute Zeiten, wie die Chronik aussagt. Hohe Auflagen und ebenso hohe Abgaben wurden oftmals als unbillig und zu hart empfunden. So klagt Stadtmüller Josef Bury im Jahre 1760 mit seinem Eheweib darüber, daß ihm unter dem Strich nichts mehr verblieben sei und die Arbeit eines Jah­ res umsonst gewesen sei. Auch fast 100 Jahre später kämpfte Stadtmüller Xaver Rottier mit den fast gleichen Sorgen. Aus Bärental bei Meßkirch stammte Philipp Frank, dem das Donaueschinger Rentamt die Mühle im Jahre 1851 verpachtete. Er erwarb sie später als Eigentum, bis sie von seinen Erben im Jahre 1934 an Josef Kern verkauft wurde. Isolde Weidenbach *

Blumbergs „neue gute Stube“ Beispielhafter Förderverein sanierte die Stadthalle im Herrengarten ,,Füllet mit Schalle jubelnd die Halle“, sang der jetzt 125 Jahre alte Männergesang­ verein 1860 am Abend des 1. Juni 1985 zur Eröffnung der dank vorbildlicher Bürgerini­ tiative sanierten und damit nahezu neuen, in ihrer Kernsubstanz im 45. Lebensjahr ste­ henden Blumberger Stadthalle. Gründe zum Anstimmen dieses Jubelliedes von Chri­ stoph Willibald Gluck gab es genug, denn echter Bürgersinn schuf mit der Gründung des „Fördervereins zur Sanierung der Stadt­ halle Blumberg e. V.“ und dem Appell an die freiwilligen Kräfte aus Vereinen, Handwerks­ und Industriebetrieben im Dezember 1982 alle Voraussetzungen für ein vorbildliches und gelungenes Experiment, das zur wir­ kungsvollen Nachahmung kreis-und landes­ weit empfohlen wird. Noch ein paar Monate vor ihrem schon oder erst 45. Geburtstag sah man der „alten Dame“ Stadthalle ihr Alter an. Denn nach einer ersten Zweck-Ehe mit dem Turnsport, die am 17. November 1940 nach einem Kostenaufwand von rund 28.000 Reichs­ mark im Rahmen eines bunten Programmes geschlossen wurde und ihr zur kurzlebigen Bezeichnung „Sport-und Festhalle“ verhalf, wechselten ihre Liebhaber so häufig, daß sie allmählich schier auf den Hund kam und schon im 45. Lebensjahr „geliftet“ werden mußte. Auch Hallen, die zeitbedingt und damit zwangsläufig diskrepanten Verwen­ dungszwecken dienen müssen, nutzen sich so schnell wie überstrapazierte Menschen ab. Zudem hatte ein Schreiben vom August 1940 an das Landratsamt noch unterstrichen, daß diese in Leichtbauweise errichtete Halle ,,nicht auf Dauer stehen soll“. Wirkungsort der „alten Dame“, die sich so oft für die unterschiedlichsten Veranstaltun­ gen oder Verwendungen schmücken oder derangieren ließ, wurde 1939/40 der ehema­ lige „Herrengarten“ nahe dem alten Blum­ berger Städtle. Die urkundlich beglaubigten Herren von Bluomberg oder Plomberg und ihre Nachfolger benutzten ihn als ritterli­ chen Turnier-und Festplatz im Weichbild ihrer Burgmauern. Dieser bis in das Indu­ striezeitalter noch von einer (inzwischen geschleiften) Bruchsteinmauer eingefaßte Bezirk nahm in der längeren Folge notschu­ lische und kleinbetriebliche Nutzer auf. Dem Hallen-Provisorium, das im November 1940 mit einem großen, bunten Herbstkon­ zert der „Singgemeinschaft der Doggererz AG Blumberg“ eingeweiht wurde, erging es nicht anders. Nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem als Garage von französischen Panzern, einem Postbus und der Fabrikation von Bausteinen zwangsläufig mißbraucht, reiften im Jahre 1950 die Pläne des Architek­ ten Theodor Schmid, die so arg strapazierte ehemalige Schulsporthalle wieder aufzufri­ schen, um ihr neues kulturelles und sportli­ ches Leben einzuhauchen. Nachdem viele Veranstaltungen noch im Ersatzsaal des „Adlers“ und späteren „Grenzhofes“ oder in der Scheffelschulturnhalle über die meistens zu kleinen Bühnen gehen mußten, spielte sich das kulturelle Geschehen im Jahre 1955 mit dem fünfjährigen Bestehen des „Ate­ Werkchores“ und dem Kostümball der rühri­ gen „Heimatgilde Frohsinn“ in der Halle des „Herrengartens“ allmählich ein. So viele Schicksalsstationen, aber auch turbulente Vergnügungen zehrten jedoch an ihrer un­ terernährten Substanz und ließen sie in knapp 45 Jahren zur „alten Schachtel“ werden, die der Volksmund despektierlich als „Hasen­ stall“, ,,Preßluftschuppen“ und „ Tropfstein­ höhle“ apostrophierte. Nahezu 15 Jahre waren die Meinungen über einen erforderlichen Hallenneubau – Sport-, Stadt-oder Mehrzweckhalle? -so extrem geteilt gewesen, daß die Sache an sich stagnierte. Stets den Standort „Herrengar­ ten“ als am besten für eine den Bedürfnissen entsprechende Halle im Auge, trug CDU-199

Stadtrat Stefan Scherer, ,,Förderverein“-Ini­ tiator und dessen treibender Motor, seiner Fraktion und Bürgermeister Werner Gerber die Idee bürgerinitiativen Einsatzes zur Ver­ besserung der Lage vor. ,,Mein Ziel war es, durch eine kostengünstige Sanierung der alten Stadthalle, die für die nächsten 20 bis 3 0 Jahre vorsorgen soll, den finanziellen Weg für eine dringend benötigte dreiteilige Sport­ halle so schnell wie möglich frei zu machen.“ Die Nützlichkeit wurde eingesehen, und so beauftragte der zustimmende Gemeinde­ rat das heimische Architektenteam Gerhard Ditsch/Hans Thoma, dem sich der Statiker Karlhans Schweizer später zugesellte, die ent­ sprechenden Vorschläge und Entwürfe zu erarbeiten. Der Gesamtkostenvoranschlag nannte 1,3 Millionen Mark, von denen der Förderverein durch Beiträge, Spenden und freiwillige Arbeitsleistungen der Bürger rund ein Drittel aufzubringen gedachte. ,,Dieses Ziel“, so der unermüdliche Fördervereins­ „Motor“ Scherer, ,,wurde erreicht und sogar noch überschritten“. Der Einsatzstart nach dem überraschend starken Echo in der rich- 200 Blick in die „neue gute Stube“ Blumbergs tig angesprochenen Bürgerschaft erfolgte in der alten Stadthalle am 4.Juni 1984; der erste Spatenstich für die bauliche Erweiterung im September. Bis dahin hatten die Organisato­ ren Stefan Scherer (Gesamtleitung) und Lud­ wig Sonntag als Zweiter Vorsitzender (Ein­ teilung aller Arbeitseinsätze) einen vielfälti­ gen Programmkatalog zu bewältigen. So schlugen in einem Jahr insgesamt 13 000 frei­ willige Arbeitsstunden zu Buch. Eine Lei­ stung, die den Umfang der beherzt ange­ packten Sanierung überzeugend dokumen­ tiert. Mit ihrem organisatorisch und hand­ werklich versierten Leiter Ludwig Sonntag an tatkräftiger Spitze, setzten er und die Mit­ arbeiter des Städtischen Bauhofes sich auch außerhalb ihrer Dienstzeit und in ihrem Urlaub freiwillig ebenso ein wie die Mitglie­ der vieler Vereine. ,,Alles in allem eine großartige Gemein­ schaftsarbeit“, lobten die Verantwortlichen. „Richtig motivierte Bürger brachten für ein gemeinsames Ziel die diesem angemessene

ten Eröffnung sämtliche Arbeitsspuren die­ Solidarität auf.“ Die Architekten schlossen ses großartigen Einsatzes für die Gemeinnüt­ sich dem Lob an: ,,Eine Baustelle mit vielen zigkeit bis auf den letzten Holzspan getilgt Überraschungen und unvorhergesehenen wurden. Schwierigkeiten, die uns Architekten neue In handwerklicher Q!ialität um-und neu­ Erfahrungen vermittelte. Angesteckt vom Elan der freiwilligen Helfer, kam es zu einer gestaltet zeigt sich die Stadthalle, vormals eine „alte Dame“ mit allzu sichtbarer Vergan­ guten, konstruktiven Arbeit.“ genheit, dank Anhänglichkeit und Zeitein­ Initiator Scherer meinte: ,,Mit der Grün­ sicht der Bürger, die ihr wieder zu neuem dung des Fördervereins konnten wir auch Ansehen verhalfen, überraschend regene­ politischen Druck ausüben.“ Denn die bei­ riert des Ansehens wert und beweist, wie spielhafte Bürgerfreiwilligkeit mußte in schmuck man auch bei sparsamster Anwen­ unterstützender Form als Bürgerbegehren dung der richtig eingeteilten Mittel mit 45 akzeptiert werden. ,,Hier gab es einen bislang nie gekannten Aufwand an freiwilliger noch aussehen kann. Daß sich diese Bürgerleistung her­ Arbeitszeit.“ Genannte Fakten imponierten. umsprach, nimmt nicht wunder. So zog sie Schließlich waren Abbrucharbeiten, Ein­ auch viele Vertreter des öffentlichen Lebens bau einer neuen Heizung, die Installierung am 1. Juni 1985 zur Eröffnung von Blum­ notwendiger Brandschutzmaßnahmen, die bergs „neuer guter Stube“, wie der Bürger­ Vergrößerung der Bühne und ihrer Neben­ meister die Stadthalle beeindruckt hervor­ räume, Beleuchtung, Wärmeschutz, Gestal­ hob, in die Eichbergstadt. Die landesweite tung der Wandverkleidungen, einer abge­ Anerkennung drückte sich bei der im hängten Lamellen-Saaldecke und der Namen des Ministerpräsidenten Lothar Außenfassade zu bewältigen. Hinzu kam der Späth vorgenommenen Verleihung der Erweiterungsbau mit Foyer, Küchenbereich, Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg Garderobe, sanitären Anlagen und anderen an die tatkräftigen Organisatoren Stefan Zweckräumen. Im unmittelbaren Anbaube­ Scherer und Ludwig Sonntag aus, die sie reich wurden die Außenanlagen gepflastert auch für die umfassende Gesamtleistung und begrünt. Den emsigen Helfern stiftete aller Beteiligten in Empfang nahmen. Der man Getränke und stärkende Mittagessen, heutzutage so rar gewordene Optimismus um ihre Kräfte nicht erlahmen zu lassen. Als sollte in allen zeitgenössischen Problembe­ alle Räume nach modernsten Gesichtspunk­ wältigungen ähnlich fundierte Fortsetzun­ ten eingerichtet waren, sorgten weibliche gen finden. Anlässe gibt es genug. Hilfskräfte dafür, daß vor d�r �ermingerech- Jürgen Henckell Privates Engagement rettete in Mundelfingen die alte Kaplanei für die Nachwelt Eines der ältesten Gebäude des Hüfinger Kindern in das Haus eingezogen und hat Stadtteiles Mundelfingen ist zweifellos die nach sehr sorgfältig vorgenommenen Um­ bauarbeiten wieder Leben hineingebracht. alte Kaplanei. Die Jahreszahl 1575 über dem steineren Türsturz an der Vorderfront weist Vorher hatte hier noch die Haushälterin des letzten altkatholischen Mundelfinger Pfar­ es als ein solches aus. Seit über einem Jahr ist rers, Hans Huber, gelebt, die später zu Ver­ hier nach einer langen Zeit des Dornröschen­ wandten zog. Für die Eheleute Titz, die schlafes neues Leben eingekehrt. Das Lehrer­ schon lange auf der Suche nach einem ehepaar Roland und Eva-Maria Titz, das zu­ vor in Bräunlingen wohnte, ist mit seinen solchen Objekt waren und die sich bei der 201 Ein Haus als Lebensaufgabe

Auswahl unter mehreren Möglichkeiten für die Mundelfinger Kaplanei entschieden, war dies sozusagen ein Glücksfall. Der Hüfinger Bürgermeister Gilly ermöglichte den Erwerb des Gebäudes, das ursprünglich im Besitz der Erzdiözese Freiburg war und von dieser an die Stadt Hüfingen verkauft wurde. Bürger­ meister Gilly mag erkannt haben, daß die Eheleute Titz die geeigneten Bewerber für dieses unter Denkmalschutz stehende altehr­ würdige Gebäude waren. Diese erwarben mit dem Haus auch ganz bestimmte Auflagen für eine Sanierung. Der beauftragte Planer, der Donaueschinger Architekt Eckart Roth­ weiler, fertigte nun in enger Zusammenarbeit mit seinen Auftraggebern die Pläne für eine künftige Nutzung des Hauses, wobei die Eheleute Titz ihre eigenen Vorstellungen weitgehend verwirklichen konnten. Die Bausubstanz erwies sich als zufrieden­ stellend. Das Gebälk, bis auf wenige Ausnah­ men, war stabil und gesund und wurde als sichtbares Element im Hausinneren verwen­ det. Der Wirtschaftsteil der ehemaligen 202 Die alte Kaplanei in Munde/fingfn, wie sie sich heute darstellt Kaplanei soll später einmal als zweite Woh­ nung genutzt werden. Vorerst wurde die Toreinfahrt zum Zwecke der Belichtung verglast und gibt nunmehr den Blick frei in eine geräumige Eingangshalle, von der aus eine neue Holztreppe zum oberen Wohnbe­ reich führt. Wo immer es möglich war, haben die neuen Besitzer vorhandenes Material ver­ wendet. Aus Bohlen und Balken entstanden unter den geschickten Händen des neuen Hausherrn Kästen und Regale. Unter Ver­ wendung vorgefundener Hölzer restaurierte der Hüfinger Schreinermeister Ernst Heine­ mann die Eingangstüren mit den alten eiser­ nen Beschlägen. Dort, wo es nötig war, wurde das Mauerwerk ausgebessert. Kopfzerbre­ chen bereiteten die beiden schadhaften Gie­ bel. Im Einvernehmen mit dem Denkmal­ amt wurde hier eine Lösung gefunden, die für die Bauherren tragbar und dem Gebäude nicht abträglich war.

Im hinteren Bereich, wo das Dach schad­ haft war und erneuert werden mußte, wurde es im Zuge dieser Maßnahme über dem ehe­ maligen Wirtschaftsteil heruntergezogen, wodurch nicht nur die Optik bedeutend ver­ bessert sondern auch Platz für einen kleinen Wintergarten geschaffen wurde. Das ehe­ mals nach hinten steil abfallende Gelände wurde mit dem anfallenden Bauschutt auf­ gefüllt, und so entstand eine grüne Terrasse, auf der sich ein kleiner Teich befindet. Für die neuen Besitzer stand fest, daß der ursprüngliche Charme des Hauses erhalten, ja gesteigert werden sollte. Sie und ihre Kin­ der verwuchsen mehr und mehr mit dem Haus, das ihnen mittlerweile, obwohl noch längst nicht fertiggestellt, zur Heimat gewor­ den ist, die sie nicht mehr missen möchten. Sie betrachten dieses Haus als Lebensauf­ gabe. Eine Wohnung im üblichen Sinne ent­ sprach noch nie ihren Vorstellungen von Lebensbereich. Schritt für Schritt wollen sie das Haus ihren Bedürfnissen anpassen, immer darauf bedacht, nach Möglichkeit zu erhalten, was immer erhaltenswert ist. Mitt­ lerweile haben sie von dem alten Gebäude Besitz ergriffen, wie auch das Haus von seinen neuen Bewohnern mehr und mehr Besitz ergriffen zu haben scheint. Die Fami­ lie Titz fühlt sich in der dörflichen Umge­ bung wohl, hier, wo die Welt noch einiger­ maßen heil ist, auf eigenem Grund und Boden, von den Dorfbewohnern akzeptiert und angenommen. Idealismus, so versichern die neuen Be­ wohner der alten Mundelfinger Kaplanei, sei notwendig, wenn man ein Wagnis, wie den Erwerb eines solchen Hauses eingehe. Aber für sie, so finden sie, habe es sich gelohnt. Sie nehmen Wege und den Verzicht auf manche Annehmlichkeit in Kauf, um hier in Mun­ delfingen ihren eigenen Lebensstil verwirkli­ chen zu können, einfach und im Einklang mit der Natur, dabei doch in einem kultivier­ ten Heim, wo Kunst und Musik eine Heim­ statt haben. Und die Stadt Hüfingen kann sich glück­ lich schätzen, in den Eheleuten Titz so ver- ständnisvolle Käufer für ein Haus gefunden zu haben, das ohne Engagement von Ideali­ sten zweifellos noch lange im Dörnröschen­ schlaf verharrt hätte. Käthe Fritschi * Am Warenberg im Stadtbezirk Villingen Zeichnung: Dr. J Asifäller 203

Verkehrswesen 25 Jahre Verkehrslandeplatz Donaueschingen-Villingen Nach Wiedererlangen der Lufthoheit 1955 haben sich Vertreter der Kommunen und der heimischen Industrie in der Raum­ schaft Donaueschingen und Villingen das Ziel gesetzt, dieses Gebiet verkehrlich durch die Luftfahrt zu erschließen. Im März 1959 wurde die Flugplatz Donaueschingen-Villin­ gen GmbH gegründet und der Verkehrslan­ deplatz beim Weiherhof an der Bundes­ straße 27 /33 am 1. Mai 1959 seiner Bestim­ mung als Landeplatz für die allgemeine Luft­ fahrt übergeben. Die Grasstart-und -lande­ bahn wurde auf 1100 m x 60 m ausgelegt. 1960 wurde die Genehmigung als Zollflug­ platz erteilt und das Landegewicht der Flug- zeuge auf 5,7 t erweitert. Dadurch war es möglich, auch die Geschäftsfliegerei in unse­ rem Raum zu betreiben. In den darauffol­ genden Jahren wurde die Flugplatzanlage durch Hochbauten (Flugzeughallen und Restaurant) erweitert und ein luftfahrtechni­ scher Betrieb zur Wartung und Reparatur der Flugzeuge angesiedelt. Aufgrund der Witte­ rungsverhältnisse in den Herbst-und Win­ termonaten war es für den Geschäftsflugver­ kehr notwendig geworden, eine Hartbelag­ bahn zu bauen, um auch in den genannten Jahreszeiten das Flugzeug als Verkehrsmittel einsetzen zu können. Im Mai 1966 wurde eine 800 m x 20 m Asphaltstart-und -lande- 204

bahn mit den dazugehörigen Rollbahnen eingeweiht Die Leistung der Bauträger für diese Maßnahme wurde durch das Land Baden-Württemberg gewürdigt in voraus­ schauender Sicht auf das künftige Flugver­ kehrsnetz im Zusammenhang mit dem Generalverkehrsplan 1965. Durch den Aus­ bau des Flugplatzes hat die Bedeutung dieser Verkehrsanlage durch den Geschäftsreise­ und Schulflugbetrieb zugenommen. Aufgrund der 1968 vorn Bundesminister für Verkehr herausgegebenen Richtlinien für die Genehmigung der Anlage und des Be­ triebs von Landeplätzen wurden ab 1971 Ent­ wurfsplanungen für eine Eiweiterung der Start-und Landebahn und der dazugehöri­ gen bodenseitigen Anlagen erarbeitet In einem Vertrag zwischen der Stadt Donau­ eschingen als Gemarkungsgerneinde und der Flugplatz GmbH wurde festgeschrieben, daß ein Sicherheitsausbau in Abstimmung mit der Landes-und Regionalplanung zugelas­ sen werden kann. Der Sicherheitsausbau sah die Verlängerung der Start-und Landebahn nach Süden um 400 m auf insgesamt 1200 rn vor und eine Verbreiterung der Bahn von bis­ her 20 rn auf30 rn einschließlich der notwen­ digen Entwässerungsmaßnahmen. Ferner die Anlage eines Schnellabrollweges und die Verlängerung der Rollbahn nach Süden. Die Verlegung des östlich der Start-und Lande­ bahn liegenden Segelfluggeländes um 200 rn nach Süden und eine Veränderung des beste­ henden Bauschutzbereichs. Die Verlänge­ rung der Start-und Landebahn um 400 rn war notwendig, da aufgrund der Höhenlage des Landeplatzes (680 rn ü.NN) die im Geschäftsflugverkehr eingesetzten Maschi­ nen bei extremen Wetterverhältnissen nicht landen bzw. starten konnten oder nur mit halber Zuladung ihren Flug antreten konn­ ten. Für den Sicherheitsausbau wurde ein Genehmigungs- und Planfeststellungsver­ fahren nach dem Luftverkehrsgesetz einge­ leitet In Abstimmung mit den Trägern öffentlicher Belange wurden diese Verfahren durchgeführt. Nach Vorlage verschiedener Gutachten und umfangreicher Verhandlun- Tag der offenen Tür auf dem Flugplatz gen hat das Regierungspräsidium Freiburg am 2. 8.1982 die Genehmigung zur Ände­ rung der Flugplatzanlage erteilt und am 1.12.1982 den Planfeststellungsbeschluß er­ lassen. Die Bauarbeiten wurden von Dezember 1982 bis Herbst 1984 durchgeführt Hierbei ist auch zu erwähnen, daß im Zuge der Ver­ längerung der Start-und Landebahn als aus­ gleichende Ersatzmaßnahme nach dem Naturschutzgesetz die Flugplatz GmbH die Kosten für die Anlegung eines Biotops mit einer Fläche von 1,44 ha südwestlich des Flugplatzgeländes übernommen hat und sich ferner freiwillig verpflichtet hat, die für die Verlegung des Segelfluggeländes zu ent­ fernenden Hecken umzusetzen bzw. Neuan­ pflanzungen vorzunehmen südlich des Flug­ platzgeländes. Träger des Flugplatzes sind die Städte Donauesching_en und Villingen-Schwennin-205

gen, die Landkreise Schwarzwald-Baar und Tuttlingen, die Industrie- und Handelskam­ mer und das Haus Fürstenberg. Der Ver­ kehrslandeplatz Donaueschingen-Villingen konnte Dank der großen finanziellen Unter­ stützung des Landes Baden-Württemberg und der Gesellschafter zu einem leistungsfä­ higen, den heutigen Sicherheitsbedürfnissen entsprechenden Flugplatz ausgebaut wer­ den. Der jetzige Ausbauzustand bietet die Gewähr dafür, daß der Bedarf des Geschäfts­ flugverkehrs für die Region Schwarzwald­ Baar-Heuberg voll abgedeckt wird und die Verkehrsanlage das ganze Jahr über genutzt werden kann. Diese Betriebsbereitschaft ist vor allem dadurch gewährleistet, daß eine Schlechtwetterbefeuerung auf dem Platz installiert und flugnavigatorische Geräte auf­ gestellt wurden (Sichtfunkpeiler, Funkfeuer u.ä.). Ferner durch den Einsatz von Schnee­ räumgeräten in den Wintermonaten. Von den Benutzern wird der jetzige Aus­ bauzustand des Landesplatzes sehr geschätzt und deshalb entsprechend frequentiert, was sich auch in den steigenden Flugbewegungen im Geschäftsflugverkehr aufzeigt. Von Do­ naueschingen aus werden täglich Flüge innerhalb des Deutschen und Europäischen Raumes von und zur hiesigen Wirtschaft und Industrie durchgeführt. Die zentrale Lage des Platzes innerhalb Europas erlaubt es, in sogenannten Tagesrandverbindungen jedes gewünschte Ziel zu erreichen und die Geschäfte innerhalb eines Tages abzuwik­ keln. Die wesentliche Bedeutung im Ge­ schäftsflugverkehr nimmt der eigenständige Bedarfsluftverkehr ein. Die sogenannte „2. Ebene“ im Luftverkehr verbindet die einzel­ nen Wirtschaftsräume über das Luftver­ kehrsnetz der Regionalflughäfen und Ver­ kehrslandeplätze, da diese Räume durch die Linienflugnetze nicht abgedeckt werden können. Auf dem Flugplatz sind 30 Motormaschi­ nen stationiert. Neben dem Geschäftsreise­ flug wird auch Motor- und Segelflugsport Flugplatzgebäude, im Vordergrund modernes Geschäftsreiseflugzeug Do-228 206

Der Baum betrieben. Flugschulen für diese Sportarten sind auf dem Platz untergebracht Jährlich werden ca. 25.000 Gesamtflugbewegungen (Geschäftsflüge, Motor-und Segelflüge) regi­ striert. Davon entfallen ca. 4.000 auf Geschäftsreiseflüge. 1984 benutzten 49.513 Personen das Flugzeug als Reisemittel, darunter 9.996 Personen im Geschäftsreise­ verkehr und 5.203 Personen im Auslandsver­ kehr. Der auf dem Flugplatz Donaueschin­ gen-Villingen ansässige Luftsportverein ist sehr aktiv. Aufgrund der geographischen Lage des Flugplatzes sind günstige An­ schlüsse an die Thermik über dem Schwarz­ wald, der Schwäbischen Alb und des Schwei­ zer Juras gegeben. Überlandflüge mit dem Segelflugzeug mit Strecken von 300 km und Durchsichtig noch und wenig erst geschmückt steht er vorm Zelt, empfängt von ihm das Licht und hält es hoch, nährt sich von seinem Tau und hegt die Wurzeln im befreiten Grund. Bald wird er schwerere Gewinde tragen und breite Fahnen wehn, mit seinem Saft die Blüten aus den feuchten Wunden pressen, die leichte Zier den Lüften überlassen, doch die Fruchtböden nähren bis zum Rund, an Humus, Mensch und Tier sie zu verschenken. Nach solchem Werk wird ihn der Herbststurm peitschen, der Regen schwemmen und der Frost umklammern. Er wird in scheinbar dauerhafter Jugend, stets neu geweckt, noch viele Lenze stehn, mit seinem Blattgewand und Blütenkleid die Risse, Blößen, Modergänge deckend, die ihm die Zeit in ihrem Amt verleiht. Erst wenn der Mutterwurzel Kraft erlahmt, wird er des Laubes mählich sich entkleiden, sich neigen, an den starken Nachbarn lehnen, zuletzt auf seine Arme sich noch stützen, und wird in diesem Augenblick der Schwebe, die jetzt sein Einssein noch vom Allsein trennt, aus eines Astes sanft gehöhlter Kehle, aus einem gnädig noch gesproßnen Reis ein Blatt und eine Blüte auswärts senden, sich selbst und seinen Diensten zum Beweis. 500 km werden dadurch begünstigt. Für den Segelflugsport werden ca. 18 moderne ver­ einseigene bzw. private Flugzeuge eingesetzt Auf dem Flugplatz werden jährlich etwa 20- 30 Schüler für Motorflug und Segelflug aus­ gebildet Der Verkehrslandeplatz wurde mehrfach bei sportlichen Veranstaltungen angeflogen (Südwestdetiischer Rundflug, Deutschlandflug und Europaflug). Um den Kontakt mit der Bevölkerung zu pflegen, werden jährlich Veranstaltungen auf dem Flugplatz durchgeführt. Diese finden sehr großen Anklang. Das ganze Jahr über besteht die Möglichkeit, mit Motor-oder Segelflugzeugen Rundflüge zu machen. Edgar Schwarzwälder Gisela Mather 207

Gesundheit, Soziales Im Dienst der Heilkunst Lehrstätte für „Reflexzonentherapie am Fuß“ in Königsfeld-Burgberg Am Haus Nr. 15 im Prof.-Domag-Weg ist ein schlichtes Schild mit der Aufschrift ange­ bracht: ,,Lehrstätte -Praxis“. Nur Fachkun­ dige wissen, daß dahinter eine weltweit aner­ kannte Arbeit zum Wohl der Menschheit geleistet wird. Besitzerin und Leiterin der ,,Lehrstätte -Praxis“ ist Frau Hanne Mar­ quardt. Ihre Lebensaufgabe ist die fortlau­ fende Erforschung und praktische Aus­ übung der „Reflexzonentherapie am Fuß“ und deren Weitervermittlung an jene Heil­ kundigen, die behördlich zur Behandlung kranker Menschen berechtigt sind: Ärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten bzw. Phy­ siotherapeuten und staatlich geprüfte Mas­ seure. Diese der Physiotherapie eingegliederte Behandlungsmethode geht von der Erfah­ rung aus, daß jedes Organ des Körpers eine im Fuß befindliche Reflexzone hat, die durch subtile Variationen in der Griffintensi­ tät und Arbeitsrhythmik beeinflußt werden kann. Resultat der fachkundig angesetzten Grifftechnik ist eine Harmonisierung der Energieabläufe im Organismus. Frau Marquardt hat diese Spezialmassage, die in ihrer Wirkung den ganzen Menschen erfaßt, in folgenden Schriften dargelegt: 1. ,,Reflexzonentherapie am Fuß“, ein Lehrbuch für Fachkräfte. In seinem Vor­ wort zu diesem Standardwerk stellt Dr. med. Erich Rauch, leitender Arzt eines Sanatoriums, fest, daß der Autorin Dank und Anerkennung gebührt, dieser „wir­ kungsvollen Methode“ einen anerkann­ ten Platz im Bereich der manuellen Thera­ pieformen eingeräumt zu haben. Wie sehr dieses Buch eine Lücke auf dem Gebiet der physikalischen Heilweisen schließt, geht daraus hervor, daß es bereits in der 20. Auflage (Erstauflage 1975) vorliegt 208 und in acht Sprachen (englisch, franzö­ sisch, holländisch, dänisch, isländisch, ita­ lienisch, spanisch und japanisch) über­ setzt worden ist. China, das Land der klas­ sischen manuellen Therapie, bemüht sich ebenfalls um eine Übersetzung. 2.,,Reflexzonentherapie am Fuß -Infor­ mationsschrift für Verordner“. In dieser Broschüre behandelt Frau Marquardt in Kurzfassung die Geschichte, Möglichkei­ ten und Grenzen dieses Behandlungsver­ fahrens, die Topographie der Reflexzo­ nen, Inspektion und Palpation am Fuß, Symptomzonen und Kausalreflexzonen und die Reaktionsformen, zwei Kranken-

geschichten, letztlich die Indikationen und Kontraindikationen. 3. „Reflexzonentherapie am Fuß“, eine Informationsschrift für Laien. Diese Bro­ schüre, in der Theorie und Praxis der Spe­ zialbehandlung am Fuß in konzentrierter Weise dargelegt werden, liegt bereits in der 30. Auflage vor und ist in acht Sprachen (z. T. ebenfalls in mehreren Auflagen) übersetzt. Die Forschungsarbeiten, Behandlungs­ und praktischen Vermittlungsdienste von Frau Marquardt sind von weitreichender Bedeutung. Beweis hierzu sind allein schon statistische Angaben: Die „Reflexzonenthe­ rapie am Fuß“ findet in Kliniken, Sanatorien, Rehabilitationsstätten, Kur- und Bäderbe­ trieben, in Praxen von Ärzten, Masseuren, Krankengymnasten u. a. eine sich ausweiten­ de Verbreitung. In Grund- und Fortbildungs­ kursen hat sie etwa 12 000 Fachkräfte, die aus 27 Ländern angereist kamen, ausgebildet. In sechs Zweiglehrstätten im Ausland wird ihre Pionierarbeit erfolgreich weitergeführt. Die therapeutische Arbeit am Fuß hat ihre Anfänge bereits in urgeschichtlichen Zeiten. In allen Kulturkreisen sind von alters her ein­ zelne Organe und Körperteile als Sinnbilder von bedeutungsreichen, zum Teil lebensent­ scheidenden Regulationsvorgängen angese­ hen und dementsprechend behandelt wor­ den. Die moderne Psychosomatik hat sich diese uralten Erfahrungen zunutze gemacht und in der Körper- und Organsprache Aus­ drucksformen von seelischen und geistigen Vorgängen in positiver und negativer Hin­ sicht entdeckt. Über das vegetative Nerven­ system sprechen sich Seele und Geist in den Körper hinein aus. Im Organ- bzw. Körper­ befund spiegelt sich daher Freud und Leid, Erfolg und Niederlage, Geborgenheit und Selbstverlust. Über den Körper als Reso­ nanzboden menschlicher Wünsche, Stre­ bungen und Erlebnisse läßt sich wiederum Seele und Geist ansprechen. In der Massage­ therapie kommt dieser Erfahrungswert voll zur Geltung. Im Fuß signalisiert sich in besonderer Weise die Befindlichkeit des Menschen: wie er geht und steht, wie er den Weg des Lebens beschreitet, die Hindernisse überwindet. Lebensweg ist Fußweg, Lebens­ wandel. Der amerikanische Hals-, Nasen-, Ohren­ arzt Dr. med. William Fitzgerald entriß die Reflexzonentherapie der Vergangenheit und Vergessenheit. An vielen Patienten beobach­ tete er, daß unmittelbar ausgeübter Druck auf bestimmte Körperstellen eine soge­ nannte korrespondierende Wirkung an anderer Stelle ausübt, die anästhesierend ist. Anfang dieses Jahrhunderts entdeckte er die „organfernen Punkte am Körper“, durch deren Behandlung mit Druck- bzw. Griff­ intensität die Funktion eines Organs beein­ flußt werden kann. In Kollegenkreisen fand er nachhaltige Befürworter. Die „Zonenthe­ rapie“, ein von Dr. med. E. F. Bowers einge­ führter Fachbegriff, nahm zum Wohl vieler Menschen ihren Lauf durch das Gesund­ heitswesen des 20. Jahrhunderts. Eine Mit­ arbeiterin des Zonentherapeuten Dr. med. J. S. Riley, die amerikanische Masseurin Eunice Ingham, entdeckte, daß der Fuß mit einem Atlas zu vergleichen sei, der den ganzen Organismus erfaßt. Ihre Erkennt­ nisse und Erfahrungen hat sie 1938 in der Schrift zusammengefaßt: ,,Geschichten, die die Füße erzählen“. Auf dieser geschichtli­ chen Grundlage, einer persönlichen Begeg­ nung mit Eunice Ingham (1967) und Gesprä­ chen mit namhaften Zonentherapeuten baute Frau Marquardt ihre „Reflexzonenthe­ rapie am Fuß“ in der eigenen Praxis aus. Kraft ihrer Intuition und Studien der Geschichte der Heilkunde, ihrer Beobachtungen am kranken Menschen und der intensiven Aus­ einandersetzung mit dem Schmerz ist es ihr gelungen, diese Spezialmassage einer laien­ haften Anwendung zu entziehen und sie zu einer Fachdisziplin zu entwickeln. Frau Hanne Marquardt, Jahrgang 1933, Heimat im Allgäu, kam über eine Tätigkeit in Irland zur Ausbildung in der Kranken­ pflege nach England. 1955/56 avancierte sie zur Kneipp-Bademeisterin, staatlich geprüf­ ten Masseurin und Atemtherapeutin. 1957 / 209

58 war sie Lehrkraft für Massage in Boppard/ Rhein. Ab 1958 eigene Massagepraxis. 1960 Prüfung und Zulassung als Heilpraktikerin. Seit 1967 Kurse und Unterricht in „Reflex­ zonentherapie am Fuß“. Von 1970 an Ausbil­ dungsstätte in Burgberg. Durch ihre Lehrtä­ tigkeit ist Königsfeld-Burgberg in vielen Län­ dern der Erde bekannt geworden als ein Ort, an dem uraltes Wissen mit neuen Erkennt­ nissen und Erfahrungen aus dem Bereich des Heilwesens verknüpft und zum Wohl vieler Menschen angewandt wird. Die „Reflexzonentherapie am Fuß“ hat ihre exakt nachweisbaren Wirkungen auf das Gesamtbefinden des Menschen. Dem for­ schenden Verstand ist es allerdings noch nicht gelungen, den Zusammenhang zwi­ schen der Massage am Fuß als Ursache und dem Erlebnis des Wohlbefindens als Folge auf einen wissenschaftlich verständlichen Nenner zu bringen. Den Forschern auf die­ sem Gebiet obliegt noch eine verantwor­ tungsvolle Aufgabe. Über die Behandlungs­ folgen berichtet Frau Marquardt: ,,Meistens treten beachtliche Reaktionen auf. Sie sind erwünschte und eiwartete, meist kurzfristige Heilkrisen, die nicht mit neuen Krankheiten veiwechselt werden dürfen. Sie werden durch die Therapie hervorgerufen und kenn­ zeichnen eine Reaktivierung der geschwäch­ ten Regenerationskräfte im Menschen. Des­ halb bedient sich die Selbstheilkraft im Men­ schen bevorzugt der Ausscheidungsorgane, um sich so von Belastungsstoffen und T oxi­ nen zu befreien. Die Reaktionen, die der Patient zu bewältigen hat, sind in jedem Fall positiv zu bewerten, selbst wenn sie für ihn vorübergehend unangenehm sein können. Die innere Selbstheilkraft entscheidet letzt­ lich, ob der Organismus seine Reinigungs­ phase über den Darm, die Nieren, die Haut oder die Schleimhäute abwickelt. Nicht sel­ ten melden sich früher einmal erlittene, aber nicht ganz ausgeheilte bzw. unterdrückte Krankheiten, und -vielleicht auf den ersten Blick überraschend -oft berichten Patienten von einer Überwindung emotionaler Schwan­ kungen und einem besseren Lebensgefühl.“ 210 Die „Reflexzonentherapie am Fuß“ dient nicht nur der Linderung von Schmerzen, der Ausheilung von Krankheiten; sie gehört in die Reihe jener wirkungsvollen Maßnah­ men, die der Vorsorge bzw. Verhinderung von Krankheiten dienen. Diese Heilweise, als Prophylaktikum richtig angewandt, ist eine Hilfe auf dem Weg zur inneren Homöo­ stase, in der Seele, Geist und Körper in einem natürlichen Zusammenspiel miteinander verbunden sind und harmonisch zusam­ menarbeiten. In den von Frau Marquardt durchgeführ­ ten Grund-und Fortbildungskursen geht es nicht nur um die Vermittlung und Einübung einer „aktuellen Griff-Technik“ am Fuß. Sie übt mit ihren Kursteilnehmern die richtige Haltung und Einstellung gegenüber dem lei­ denden und hilfesuchenden Mitmenschen. Von den in ihrer Lehrstätte ausgebildeten Therapeuten verlangt sie uneingeschränkte Beachtung der Maxime: Der Behandler er­ faßt den sich ihm anvertrauenden Patienten als eine göttliche Originalität. Er begegnet ihm als Informator und Berater. Er hat die Philosophie und Psychologie der Gesund­ heit und Krankheit, des Wohlergehens und des Schmerzes stets neu zu erarbeiten und dem angefochtenen Mitmenschen in geeig­ neter Weise zu vermitteln. Er übt nicht ein­ fach eine Heiltechnik am Fuß aus, er dient dem ganzen Menschen und durch ihn dem Leben im weitesten Sinn des Wortes. Es ist sein Anliegen, ein personal-helfendes Ver­ hältnis zwischen sich und dem Patienten her­ zustellen. Von sich und den Kursteilneh­ mern verlangt Frau Marquardt Pflege und Weitervermittlung der „Kultur des Alltages“. In allen ihren Kursen, Lehrgängen und Vor­ trägen im In-und Ausland legt sie großen Wert auf die Feststellung: Behandlung ist Arbeitsgemeinschaft zwischen Behandler und Patient auf der Grundlage der Ehrfurcht vor dem Leben und des gegenseitigen Ver­ trauens. Und: ,,Die Heilkunst ist der Gottes­ dienst des Lebens!“ Pfarrer Otto K. Fischer

,,N achsorge“-Krankenhaus in Bräunlingen Ohne staatliche Zuschüsse -Aber sichtlich nicht von einer Schließung bedroht Kreiskrankenhauses in Donaueschingen hat Unter den kleinen Krankenhäusern, die auch diesen Teil medizinischer Versorgung einst der Bevölkerung ihrer Gemeinde und der Bevölkerung „zentralisiert“. Und den­ ihrem unmittelbaren Umland zur Verfügung noch hat der 55-Millionen-Mark-Neubau in standen, nimmt es längst eine Sonderstel­ Donaueschingen dem Bräunlinger Kranken­ lung ein: Das Städtische Krankenhaus in haus die Existenzgrundlage nicht genom­ Bräunlingen. Das Krankenhaus der Nach­ men, sondern sie sichern geholfen. Auch der barstadt Hüfingen ist schon zu Beginn der bisherige Sozial-und Innenminister Baden­ siebziger Jahre geschlossen worden; die Württembergs, Dietmar Sehlee, würdigte bei Nachbarstadt Löffingen stritt Anfang der seinem Besuch in der Donaueschinger Kli­ achtziger Jahre vergeblich für die Erhaltung nik unmittelbar vor der Landtagswahl am 25. ihres Krankenhauses, und jetzt bangt mit März 1984 die vorbildliche Symbiose der bei­ Vöhrenbach eine weitere vergleichbare den so unterschiedlich dimensionierten Nachbarstadt um ihr Krankenhaus. Das Krankenhäuser. Bräunlinger Krankenhaus indes steht immer noch -und es ist, wie es scheint, von Schlie­ Das Stichwort „Nachsorge“ umschreibt die Aufgabe, die dem Bräunlinger Städti­ ßung noch nicht einmal bedroht. schen Krankenhaus heute gestellt ist. Nach­ „Krankenhaus“ im umfassenden Sinn sorge etwa für Patienten, die operiert worden von Diagnose, Operation und Intensiv­ sind und deren problemlose Rekonvales­ pflege freilich ist es längst nicht mehr. Seit rund zehn Jahren hat es auch keine Entbin­ zenz kein Zimmer im Kreiskrankenhaus mehr erfordert für einen Tagessatz von rund dungsstation mehr -die Einweihung des 211

250 Mark. In Bräunlingen, wo den Kranken­ kassen lediglich 65 Mark berechnet werden (davon ganze 43 Mark Personalkostenan­ teil), wird so mancher, der Intensivpflege ebenso wenig braucht wie chefärztliche Spe­ zialkenntnis, ebenso rasch wieder gesund wie im viermal so teuren Kreiskrankenhaus. Daneben findet aber auch jeder Aufnahme, der vom Hausarzt behandelt werden kann, diese Behandlung aus den unterschiedlich­ sten Gründen aber nicht zuhause erfahren kann. FünfBelegärzte teilen sich die 34 Betten in Einzel-und in Zweierzimmern, über die das Krankenhaus in Bräunlingen heute verfugt: die in Bräunlingen niedergelassenen Ärzte Dr. Josef Laule, Dr. Ulrich Mehnert und Arnold Sumser sowie die Hüfinger Kollegen Dr. Harm-Dietrich von Lintig und Dr. Hans­ Ulrich Ruthig. Mehr als diese fünfBelegärzte sind, so beschied vor zwei Jahren der Gemeinderat das Angebot eines weiteren Hüfinger Arztes, der sich zusätzlich etablie­ ren wollte, nicht erforderlich. Einen neuen Belegarzt in diesem Haus gibt es somit nur, wenn einer der bisherigen von seinem Ver­ trag mit der Stadt zurücktritt. Seit eineinhalb Jahrhunderten verfugt die einstige vorderösterreichische Stadt Bräun­ lingen über ein eigenes Krankenhaus; dies belegen die im Rathaus sorgsam verwahrten, noch in bestechender Handschrift zu Papier gebrachten Beschlüsse des Gemeinderates aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahr­ hunderts, als Bräunlingen um die 1500 Ein­ wohner zählte und neben seinem Kranken­ haus noch ein Armenhaus in der Unteren Waldstraße unterhielt, dessen Räume heute städtische Wohnungen sind. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg war das Krankenhaus in seiner Versorgung mit Naturalien nahezu autark. Seine Bediensteten pflanzten selbst­ verständlich Kartoffeln, Getreide und Gemüse an -der Garten, der nun nur noch einen Teil der benötigten Nahrungsmittel liefert, wird noch immer bewirtschaftet. Dies und vor allem der Dienst der Ordens­ schwestern gestalten den Pflegesatz im 212 Bräunlinger Krankenhaus so ungewöhnlich günstig. Bis 1966 wirkten die Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul in Bräunlingen, ehe Superior und Genera1- oberin in der Folge des, wie sie am 27. No­ vember 1965 schrieben, ,,anhaltenden Mit­ gliederschwundes unserer Kongregation“ ge­ zwungen waren, im Zuge der Aufgabe gleich einer ganzen Reihe von Stationen ihre Or­ densfrauen auch aus Bräunlingen zurückzu­ ziehen. Vor allem die Kurzfristigkeit, mit der die Vinzentinerinnen ihren Schwesternge­ stellungsvertrag kündigten, stellten Bräun­ lingens damaligen Bürgermeister Bernhard Blenkle vor ein großes Problem. Hilfe kam nach intensiven Bemühungen aus Südtirol, wo sich die Kongregation der Franziskaner­ Tertiarschwestern bereiterklärte, im Bräun­ linger Krankenhaus Dienst zu tun. Der zusagende Brief der Generaloberin Franziska Abfalterer vom 4. Juli 1966, Schwestern nach Bräunlingen zu entsenden, „ wenn die dortige Gemeindevorstehung dies wünscht und auf die provisorisch dargeleg­ ten Bedingungen in der Hauptsache ein­ geht“, muß Blenkle damals wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein. Zunächst taten vier Nonnen aus dem in der Diözese Bozen­ Brixen gelegenen Mutterhaus in Bräunlin­ gen Dienst; jetzt sind es noch drei unter Schwester Oberin Margharita. Zusammen mit Schwesternhelferinnen und den Hausge­ hilfinnen sorgen insgesamt 15 Frauen für die bis zu 34 Patienten. Unter ihnen hat sich Anna Zirlewagen besondere Verdienste erworben: Sie wirkt, heute als Pfründnerin, seit einem halben Jahrhundert in diesem Krankenhaus! Mit einem Kostenaufwand von mehr als 700 000 Mark hat die Stadt, die von Anfang an Bauherrin und Trägerin dieser Einrich­ tung war, Anfang der achtziger Jahre ihr Krankenhaus saniert; es bekam endlich einen Aufzug und nach neuesten Erkennt­ nissen modernisierte Zimmer. Das Vertrauen der Patienten zu diesem Haus dokumentiert auch der Belegungsgrad, der mit 82,6 Prozent im Jahr 1983 und mit sogar 86,7 Prozent ein

Vom Frauenvereinshaus zum neuen Altenheim in Triberg Jahr zuvor noch besser war als jener im ohnehin überdurchschnittlich gut belegten Donaueschinger Kreiskrankenhaus. Die Ver­ weildauer entspricht der Art der Patienten und der für sie erforderlichen Nachsorge und ist mit 37,5 Tagen 1983 und 39,5 Tagen 1982 vergleichsweise lang. Von den 287 (1982: 289)Patienten im Jahr 1983 kamen 102 aus Hüfingen, 96 aus Bräunlingen, 55 aus Donaueschingen und der Rest aus anderen Umlandgemeinden, vor allem aus dem fast doppelt so großen, aber völlig krankenhaus­ losen Blumberg. Daß das Städtische Krankenhaus Bräun­ lingen im Krankenhausbedarfsplan des Lan­ des nicht mehr enthalten ist und so auch nicht mehr gefördert wird, hat sich für seine Patienten bislang nicht nachteilig aus­ gewirkt. Neben den Bräunlinger Kommu­ nalpolitikern haben sich in den letzten Jah- Eine Idee ist Wirklichkeit geworden. Das neue Alten-und Altenpflegeheim St. Anto­ nius in Triberg konnte am 1. Oktober 1983 eingeweiht werden. Der Platz, auf dem es erbaut wurde, hat Tradition in der sozialen und caritativen Tätigkeit der Stadt. Hier wurde 1880 von dem damaligen Frauenver­ ein ein Haus für eine Krankenschwesternsta­ tion und eine Kinderschule errichtet. 1902 wurde es zu einer Volksküche und Näh­ schule sowie für die Unterbringung von Pen­ sionären ausgebaut. Viele Jahre wirkten die barmherzigen Schwestern vom hL Vinzenz v.Paul segensreich zum Wohle Triberger Bürger, bis die Machthaber des Dritten Rei­ ches 1938 den Frauenverein auflösten. 1942 gelang es der Stadtgemeinde, das Haus zu kaufen und als Altenheim mit Hilfe der Schwestern weiterzuführen. Als schließlich die hochbetagten Schwestern vom Orden abberufen wurden und Auflagen der Heim­ Mindestbau-Verordnung für die Sanierung des Frauenvereinshauses nicht erfüllt werden konnten, entschloß man sich, die Heimbe- ren die Bundestags-und Landtagsabgeordne­ ten der Region dafür eingesetzt, daß dieses Krankenhaus nicht den selben Weg gehen muß wie jene in der Nachbarschaft. Doch nicht zuerst politische Einflußnahme, son­ dern vor allem sein wichtiger Dienst als Nachsorge-Krankenhaus haben ihm bislang unangefochten die Zukunft gesichert. Gefahr droht ihm, wenn überhaupt, nur von sturem bürokratischem Richtliniendenken in einem Stuttgarter Ministerium, doch selbst dort ist die Euphorie von den Vor­ zügen zentralisierter Großeinheiten, die noch zu Beginn der siebziger Jahre die Struk­ turen der Verwaltungsreform diktierte, der Einsicht gewichen, daß -verdeutlicht am Beispiel dieses Krankenhauses -die kleine, persönliche Ansprache ermöglichende Ein­ heit ihre unbestreitbaren Vorteile hat. Christiane Kiefer wohner 1979 in das inzwischen frei geworde­ ne Krankenhaus in der Wallfahrtsstraße umzusiedeln. Verantwortungsvolle Bürger hatten sich in den letzten Jahrzehnten Gedanken gemacht, wie man zu einem zeitgemäßen Altenheim kommen könnte. 1964 gründete der damalige Stadtpfarrer Opitz das Alten­ werk der Katholischen Kirchengemeinde mit dem Ziel, in Triberg ein neues Altenheim zu bauen, und 1966 das Sozialwerk Schwarz­ wald e. V., um die Basis für die Finanzierung zu erweitern. 1976 hatte man aus Beiträgen und Spenden rund 1 Million DM zusam­ mengebracht. Das Heim sollte dem Städti­ schen Krankenhaus angegliedert werden und gleichzeitig dessen Lebensfähigkeit stärken. Die Standortfrage für das Objekt blieb jedoch umstritten, und schließlich lehnte das Sozialministerium den favorisierten Ent­ wurf des Freiburger Architekten Toni Huller ab, weil das Krankenhausfinanzierungsge­ setz für Krankenhausneubauten unter 100 Betten keine Zuschüsse genehmigte. 213

Das Städtische Krankenhaus wurde geschlossen und die Stadtverwaltung hätte es gern mit Hilfe des Sozialwerkes in ein Alten­ heim umfunktioniert. Bei hohen Sanie­ rungskosten hatte dieser Verein aber wenig Neigung, den alten Bau zu übernehmen. Man wollte die bis 1979 angesammelten 1,5 Millionen DM lieber in einen Neubau an der Stelle des Frauenvereinshauses in der Schulstraße investieren, nachdem von den zuständigen Behörden ein Bedarf von 50-55 Heimplätzen für Triberg anerkannt worden war. Der Koordinierungsausschuß des Landes für Jugend-, Alten-und Gefährdetenhilfe bestätigte den Bedarf für ein Alten-und Altenpflegeheim in Triberg; so konnte mit einem Zuschuß des Landes gerechnet wer­ den. Ebenso wollten die Gemeinden Schon­ ach und Schönwald, der Landkreis und das leisten. Die Erzbistum Freiburg Beiträge Stadt Triberg brachte das Grundstück als Spende ein. Damit erschien die Finanzierung 214 bei 1,8 Millionen DM Eigenmitteln und den Zuschüssen gesichert. Man rechnete mit einem Kostenaufwand von 7, 7 Millionen DM. Der Differenzbetrag sollte mit zinsgün­ stigen Darlehen gedeckt werden. Nach Erteilung der Baugenehmigung begann man am 6. 6. 1981 mit dem Bau. Der Grundstein wurde am 12. 9.1981 gelegt. Auch über den Winter wurde unter einem Zelt wei­ tergebaut, und trotz einiger Probleme bei der Fundierung und Hangbefestigung gingen die Arbeiten so zügig voran, daß am 21. 11. 1982 der Rohbau mit einem Tag der Offenen Tür vorgestellt werden konnte. Um die finanzielle Grundlage des Unter­ nehmens zu verbessern, regte der Vorstand des Sozialwerkes an, Stadtfeste zu veranstal­ ten, die im Juni 1982 und 1983 unter großer Beteiligung der Bevölkerung stattfanden. Der Reinerlös betrug rund 190.000,-DM. Im August 1983 war das Haus fertiggestellt, und die Heimbewohner konnten einziehen. Schon nach wenigen Tagen fühlten sie sich in

der Schulstraße zu Hause und genossen es, mit wenigen Schritten in der Stadt unter den Leuten zu sein. Es darf als ein besonderer Glücksfall angesehen werden, daß man ein neues Altenheim mitten in der Stadt und doch in ruhiger Lage ansiedeln konnte. Am 1. Oktober 1983 wurde das Heim feierlich ein­ geweiht. Es bietet den hochbetagten Bürgern alles, was man an räumlichen, technischen und organisatorischen Erfordernissen von einem neuzeitlichen Institut erwarten kann. Die Architekten Huller und Banzhaf waren vor eine schwierige Aufgabe gestellt, galt es doch, auf einem relativ kleinen Grundstück in Hanglage die erforderlichen Räume zu schaffen und dabei auch den Cha­ rakter der bestehenden Gebäude zu berück­ sichtigen. Ein Betonhochbau war also aus­ geschlossen. So wurde ein gegliederter Bau­ körper entworfen, dessen Größe von außen nicht sofort erkennbar ist; dreigeschossig an der Schulstraße, eingeschossig an der Berg­ straße. Unterstützt wird die gute Gliederung durch die abgesetzte Kapelle und die Biblio­ thek, welche durch einen gedeckten Holz­ g�g mit dem Hauptbau verbunden sind. Uber den Hauptzugang an der Schul­ straße gelangt man in die Halle und in den ,,Altentreff“. Die Halle ist der Drehpunkt, bedeutet Leben, Sehen und Gesehenwerden, bietet Ausblick auf den Innenhof mit Find­ lingsbrunnen. Daneben sind im Erdgeschoß der Speisesaal, die Verwaltung und die Küche mit Lagerräumen untergebracht. Der „Alten­ treff“ ist die Begegnungsstätte zwischen den Heimbewohnern und der Bevölkerung. Hier finden Vorträge, Unterhaltungsnachmittage und Festveranstaltungen statt. Ein Kiosk ver­ sorgt die Heimbewohner mit Getränken und kleinen Bedarfsartikeln. Die beiden Obergeschosse sind den Bewohnern des Altenheims vorbehalten. Je 13 Einzelzimmer mit Naßzelle und Balkon, gemeinsame Teeküche, Schmutzarbeits­ raum, Abstellraum und Badezimmer stehen zur Verfügung. In einem Erker mit Sitzni­ schen hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt. Pflegebedürftige Bewohner werden im Dachgeschoß (Mansardendach) versorgt. Hier überwiegen die 2-Bett-Zimmer. Den Mittelpunkt der Pflegegruppe bilden das Schwesterndienstzimmer und ein Aufent­ haltsraum. In einem abgeschlossenen Ge­ bäudeteil liegen 4 Ein-und Zweizimmer­ wohnungen mit Naßzelle und kleiner Küche; sie können über einen separaten ebe­ nen Zugang von der Bergstraße erreicht wer­ den. Insgesamt wurden 26 Plätze im Alten­ heim, 20 Plätze im Pflegeheim und 9 Plätze in Altenwohnungen, zusammen 55 Plätze, geschaffen. Eine Erweiterungsmöglichkeit für zusätzliche 15 Pflegebetten ist im Dachge­ schoß planerisch und baulich vorgesehen. Die auf polygonalem Grundriß errichtete Kapelle und die darunter liegende Bibliothek wurden mit Mitteln der Katholischen Kir­ chengemeinde Triberg erstellt. Die Kapelle ist geprägt durch die von Bruder Benedict Schmitz, Ingolstadt, entworfene Fenster­ komposition, in der mit der Erlösungstat Jesu Christi am Kreuz der entscheidende Schlüssel für die Ausrichtung unseres Lebens und Sterbens aufgezeigt wird. Die Kapelle ist ein Besinnungs-und Meditationsort für die Heimbewohner und Bürger gleich welcher Konfession. Die Bibliothek kann von jeder­ mann benützt werden. Um das Heim mit innerem Leben zu erfüllen und zur wirklichen Heimat für seine Bewohner werden zu lassen, sind alle, die darin wirken, aufgerufen, ihren Dienst unter die Verpflichtung helfender christlicher Nächstenliebe zu stellen. Die aktive Rolle fallt dabei nicht nur den Angestellten des Hauses, sondern auch Bürgern, Vereinen und gemeinnützigen Organisationen der Stadt zu. Sie setzen sich in vorbildlicher Weise ein im Bewußtsein, daß Wert und Würde des Menschen nicht vom Maß seiner Leistungsfähigkeit abhängen, sondern in der Tatsache begründet sind, daß der Mensch Geschöpf Gottes ist und bleibt; auch in Behinderung und Gebrechlichkeit. Ernst Bausch 215

Landwirtschaft 100 Jahre Kreisjungviehweide Villingen Mit der Schließung der Kreisjungvieh­ weide Villingen zum 31. Dezember 1982, endete eine fast lOOjährige Fördermaßnahme für die Landwirtschaft des Kreises Villingen beziehungsweise des Schwarzwald-Baar­ Kreises. Die Industrialisierung Deutschlands im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte eine explo­ sionsartige Vermehrung der Bevölkerung zufolge. Die Kriege und die Hungersnöte durch Mißernten {184 7 /48) rückten Überle­ gungen zur Verbesserung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion immer mehr in den Vordergrund. Landesherren, Ärzte, Apotheker, auch Geistliche – vgl. Kompendium über die Viehzucht von Pfar­ rer Bandei, 18281, – befaßten sich mit der Frage, wie man die Produktionskraft der Landwirtschaft verbessern könnte. Auf Kreisebene war es vor allem der landwirtschaft­ liche Bezirksverein, an dessen Spitze der Bezirksamtmann (heute Landrat) stand. Gerade die Rindviehhaltung war sehr im argen, da viele Landwirte dieselbe lediglich als ein notwendiges Übel betrachteten, welche vorwiegend zur Zugleistung und Stallmistproduktion diente. In seinem Buch: ,,Die deutsche Landwirt­ schaft nach dem jetzigen Stande“, 1830, for­ dert J. G. Elsner2 die Landwirte auf, diese Mängel zu beseitigen; denn „dürftig ge­ nährte Rinder geben wenig Dung, wenig und schlechte Milch, haben geringe Kraft und beim Verkauf geringen Wert“. In der Stadt Villingen wurden Mitte des letzten Jahrhunderts bei 4000 Einwohnern 1505 Stück Rindvieh gehalten. Die Allmend­ fläche {Gemeindeland) mit 580 Hektar diente als Gemeinschaftsweide, auf die den Sommer über täglich 1000 Stück Rindvieh der Bürger aufgetrieben wurden. War die All- 216 mendfläche abgefressen, so erfolgte der Ein­ trieb der Herden in den städtischen Wald. Hierfür stand eine Waldfläche von 1000 Hektar zur Verfügung, während auf 2000 Hektar der Gemeinde Unterkirnach seit dem 14. Jahrhundert ein Weiderecht eingeräumt war. Da die Tiere insbesondere die jungen Waldpflanzen abfraßen, war eine geordnete Waldwirtschaft nicht möglich (vgl. Roden­ wald – ,,Der Villinger Stadtwald“ -3. Mit der Ablösung des Weiderechts (1838) und des Allmends (1860) standen diese Weideflächen nicht mehr zur Verfügung, so daß man zur Stallhaltung überging. Somit fehlten die vor allem für das Jungvieh dringend notwendi­ gen W �ideflächen. Seit Gründung der landwirtschaftlichen Winterschule in Villingen {1868) waren vor allem deren Vorstände und Berater, wie Karl Römer (Landwirtschaftslehrer in Villingen, von 1875 bis 1881) und dessen Nachfolger Franz Hagmann {Landwirtschaftslehrer und Ökonomierat, von 1881 bis 1912), bestrebt, eine Verbesserung der Viehhaltung herbeizu­ führen. Hagmann war Fachmann auf diesem Gebiet und bewirtschaftete in Villingen bis zur Jahrhundertwende einen landwirtschaft­ lichen Betrieb mit Viehhaltung. Auf dessen Initiative hin stellte im Jahre 1885 der land­ wirtschaftliche Bezirksverein Villingen an die Stadt den Antrag auf Errichtung einer Jungviehweide in den Gewannen „Milchwa­ sen“, ,,Hungerberg“, ,,Sauerwasen“ und „Rennwasen“ – mit einer Fläche von rund 60 Hektar. Es handelte sich hier um Allmend­ land von unterschiedlicher �alität, was die Namen der Gewanne schon zum Ausdruck bringen. Die Stadt erklärte sich einverstan­ den, und mit Schreiben des Verwaltungsrates der Städtischen Sparkasse aus dem Jahre 1887 teilte dieser mit, daß er zur Unterstützung

Wo sich fast hundert Jahre lang den Sommer über bis zu 150 Stückjungvieh und 15-20 Fohlen aus dem ganzen Schwarzwald-Baar-Kreis tummelten, ist heute Ruhe eingekehrt. Niemand weiß zur Zeit, was aus der ehemaligen Kreisjungviehweide Villingen einmal werden wird. der Errichtung einer Jungviehweide 65 Anteilscheine übernehme. Im gleichen Jahr wurde mit der Gesellschaft für die Jungvieh­ weide ein Vertrag abgeschlossen; die jähr­ liche Pacht betrug 750 Mark, deren Fahrnis­ versicherung 18.850 Mark. In seinem Jahresbericht von 1890 schreibt Hagmann folgendes: ,,Selbst die anerkannt guten Erfolge der Villinger Weide vermögen nicht die Vorurteile gegen freie Bewegung (der Tiere) zu heben, wenigstens nicht zur Nachahmung in Kleinem, wenn auch nur zu Tummelplätzen zu veranlassen“. In diesem Jahre wurden in der Zeit vom 1. Juni bis 27. September 91 Tiere (72 Kalbin­ nen und 19 Jungfarren) aufgetrieben. Ziel dieser Jungviehweide sollte es sein, den Landwirten, die auf der Baar und im „Hinter­ villingerraum“ infolge der Realteilung keine Weidemöglichkeit hatten, eine bessere Auf­ zucht der Tiere zu ermöglichen. Gleichzeitig war es ein Musterbeisl’iel, das zur Nachah- mung empfohlen wurde. Nach wie vor blieb die Rindviehhaltung das Hauptsorgenkind. Zehn Jahre später schreibt Hagmann erneut in seinem Jahresbericht: ,,Auch die Rindvieh­ zucht ist in ihrer Entwicklung vielleicht weniger fortgeschritten als es wünschenswert wäre“ 4. Er führt dies auf die geringen Ein­ nahmen, aber auch auf den Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft zurück. Erst die Einrichtung der örtlichen Milchsam­ melstellen haben zur Behebung dieser Nach­ teile beigetragen. Im Jahre 1906 wurde der Jungviehweide eine Fohlenweide mit 13 Tieren angeschlos­ sen. 1919 befaßte sich die Badische Landwirt­ schaftskammer sogar mit dem Plan, auf die­ sem Gelände ein „Schwarzwälder Versuchs­ und Lehrgut“ einzurichten. Trotz großer Versorgungsschwierigkeiten mit Dünger, Maschinen und Arbeitskräften, konnte der Weidebetrieb während der beiden Welt­ kriege weitestgehend aufrechterhalten blei-217

ben. Die Zahl der jährlich aufgetriebenen Tiere lag zwischen 120 und 150 Stück; die Zunahmen während der Weideperiode belie­ fen sich in langjährigem Durchschnitt auf75 kg je Tier. Die steigenden Produktionskosten in der Landwirtschaft, vor allem nach dem 2. Welt­ krieg, führten dazu, daß das Jahresdefizit des Kreises in den 50er Jahren auf durch­ schnittlich 17.000 Deutsche Mark anstieg. So trug sich 1958 der Kreisrat mit dem Gedan­ ken, die Jungviehweide aufzulösen. In seiner Stellungnahme betonte der damalige Leiter des Landwirtschaftsamtes Villingen, Ober­ reg.-Landw.-Rat Branner, den Nutzen der Weide für die Landwirtschaft in diesem Raume. Auch die Verlegung der Weide, vom Stadtrand Villingen in den Raum des Schwarzwaldes, stand damals zur Diskus­ sion. In seiner „Schriftlichen Hausarbeit“ für die Landwirtschaftsmeisterprüfung befaßte sich 1959 der Sohn des damaligen Weidewär­ ters, E. W. Meder6, mit der Frage der Verbes­ serung der Arbeitswirtschaft auf der Jung­ viehweide. Im Sommer 1958 wurden insge­ samt 149 Tiere aufgetrieben, zu deren Be­ treuung drei männliche Arbeitskräfte (Wei­ dewärter, Sohn und Hilfskraft) erforderlich waren. Meder schreibt u. a. folgendes: ,,Früh morgens, etwa 6.00 Uhr, wird das Vieh auf­ getrieben. Vor Auftrieb müssen die Tiere jeden Morgen geputzt werden. Zu dieser Arbeit benötigen drei Mann eineinhalb Stunden. Nach dem Auftrieb und Frühstück beginnt das Entmisten der Stallungen, wozu drei Personen volle drei Stunden beschäftigt sind. Vierzig Schubkarren Mist fallen täglich an“. Nach seinen Vorstellungen könnten durch die Einführung der Laufstallhaltung diese Arbeiten vereinfacht und technisiert werden, was wesentlich zur Kostensenkung beitragen würde. Dieser Vorschlag wurde von seitens der Beratung unterstützt und führte zu einer großen Arbeitserleichterung und Arbeitseinsparung für den Weidewärter und seine Familie. Eine wertvolle und tat­ kräftige Unterstützung erhielt die Jungvieh- 218 weide in den 60er und Anfang der 70er Jahre durch den persönlichen Einsatz des damaligen Verwaltungsdirektors Burkart sowie des Kreisrats Karl Riegger, Bad Dürr­ heim, die bestrebt waren, zur Senkung der Festkosten kreiseigene Rinder zur Mast auf­ zustellen. Trotz dieser Rationalisierungs­ maßnahmen stieg jedoch das Defizit von Jahr zu Jahr und erreichte schließlich die beachtliche Höhe von jährlich rund 50.000 Deutsche Mark. Hinzu kam die Kündigung des Weidewärters Neininger sowie der aus­ laufende Pachtvertrag mit der Stadt Villin­ gen-Schwenningen Ende 1983; ferner die anstehenden hohen Investitionskosten für die Gebäuderenovierung und die Neube­ schaffung von Maschinen. Abschließend erhebt sich nun die Frage: Haben sich diese Aufwendungen für die Landwirtschaft gelohnt, und konnte da­ durch eine Verbesserung der Rinderproduk­ tion im Schwarzwald-Baar-Kreis erreicht werden? Diese Frage kann grundsätzlich mit einem Ja beantwortet werden. Neben der verbesserten Aufzucht von mehreren tausend Weidetieren, hat man heute in weiten Kreisen der Landwirtschaft im hiesigen Raume erkannt, daß eine gesunde Weidehaltung bei Jungrindern not­ wendig ist. Viele Betriebe bringen ihre Tiere auf Jungviehweiden des Hochschwarzwal­ des, haben selbst Jungviehweiden beim Hof eingerichtet oder betreiben die Jungviehwei­ den des ehemaligen Landkreises Donau­ eschingen in Mundelfingen und Riedböh­ ringen auf gemeinsamer Basis. Mit den eingesparten Mitteln bei der Kreisjungviehweide Mundelfingen konnten z.B. seit 1974 die Beschaffung von Großma­ schinen für den überbetrieblichen Maschi­ neneinsatz sowie der Betriebshilfsdienst mit insgesamt 200.000 Deutsche Mark gefördert werden. Gerade diese Maßnahme hat sich für die Senkung der Produktionskosten und für die Sicherstellung der Bewirtschaftung unse­ rer landwirtschaftlichen Betriebe segensreich Hans Rösch ausgewirkt.

Naturdenkmäler, Tier- und Landschaftsschutz Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis In den Almanach-Jahrbüchern 1979-1984 wurden 12 als Naturdenkmäler ausgewiesene Felsgruppen vorgestellt, von denen 5 im Raum Triberg und 4 auf der Gemarkung Schonach liegen. Zwei geschützte Felsgrup­ pen zieren den Villinger Stadtwald, eine Basaltklippe im Walddistrikt Randen gehört zum Blumberger Stadtteil Riedöschingen. Ein Naturschutzgebiet schließt eine Fels­ gruppe mit ein, eine Felsgruppe bildet einen Teil eines Landschaftsschutzgebietes. Mit den zwei letzten noch zu erwähnenden Fels­ gruppen komplettiert sich hier die Runde der insgesamt 16 besonders geschützten Zeugen geologischer Urgeschichte im Schwarzwald­ Baar-Kreis. Es handelt sich um den im Jahre 1955 in das Naturdenkmalbuch aufgenom­ menen Jakobfelsen“ und den seit dem Jahre 1959 unter Schutz gestellten „Schillerfelsen“. Auch diese beiden gewichtigen Blöcke gehö­ ren zum Triberger Granit. Wie kommt man zum Jakobfelsen? Ein Sträßchen zweigt leicht ansteigend von der an der Kreisstraße 5727 gelegenen Geutsche in nordwestliche Richtung ab. Nach etwa 250 Metern, kurz vor einer Links­ kurve, verläßt man diese geteerte Wander­ strecke, biegt nach rechts in den Wald ein, und nach weiteren 100 Metern fällt der Blick auf die an einem Baum befestigte Holztafel mit dem Hinweis: Geschütztes Naturdenk­ mal Jakobfelsert. Ringsum betritt man wei­ chen Waldboden, ein mit Nadeln und Laub beschichteter Waldteppich. Fichten und Buchen konkurrieren miteinander und sor­ gen immer aufs neue für einen guten Wald­ humus. Man befindet sich auf dem Gipfel der zum Teil sehr stark bemoosten Felsbrok­ ken, der obersten Etage uralten Gesteins, das genügend Sitzgelegenheit für eine Picknick­ pause bietet. Noch ist das Ausmaß des Jakobfelsens Zeichnung: Dr. J Asifäller nicht abzuschätzen. Man muß etwa 40 Meter mit Vorsicht am teils rutschigen Hang im dichten Wald hinabsteigen, um die auf­ geschichteten Felsblöcke auf sich wirken zu lassen, um die Schönheit des im Wald ver­ steckten Naturdenkmals optisch genießen zu können. Baumwurzeln klammem sich um die Felsbrocken und finden festen Halt. Auch bis hierher in die Felsnischen dringen die Spuren der Zivilisation mit Cola-Büchsen, Plastikbeuteln und Rückständen der Nikotin­ abhängigen vor. Zu stark fordert dieses harte Naturwerk Bewunderung und Staunen heraus, so daß ein Jet hoch in den Lüften im Him­ melsblau oder das motorenbegleitende Trei­ ben in der nahen Stadt Triberg im Schwarz­ wald keine Chancen haben, die Begegnung mit den stummen Felsriesen zu stören. 219

Schilleifelsen Einige Nummern kleiner als der Jakobfel­ sen ist der Schillerfelsen geblieben. Zu diesem Naturdenkmal stellt der am Bergsee beginnende Panoramaweg eine für den Wan­ derer unbeschwerliche und schnelle Verbin­ dung her. Oft spiegeln sich Wolken in die­ sem idyllischen See, den die aufwärts nach Schönwald im Schwarzwald ziehende Bun­ desstraße 500 einrahmt. Zu schauen gibt es immer etwas, das Treiben auf dem See oder auf dem im Osten angrenzenden Spielplatz. Wenig später rückt zur Linken die Wall­ fahrtskirche ins Blickfeld. In der Tiefe des Tales rauscht die Schonach, die der Gutach zustrebt. Auch der Straßenverkehr hoch oben im Wald bleibt akustisch präsent. Nach einer gemütlichen Gehzeit von 10 Minuten sind die etwa 700 Meter Fußweg überwun­ den. Nur wenige Schritte unterhalb des Panoramaweges am Wallfahrtsb�rg taucht 220 Zeichnung: Dr. J Asifäller auf der linken Seite der Schillerfelsen auf, einige formschöne Felsblöcke, auf die ein verwittertes, fast unleserliches Holzschild am Stamm eines Baumes nur ungenügend hin­ weisen kann: Geschütztes Naturdenkmal. Der Ausblick ins Städtchen bleibt hier ver­ wehrt, ist aber teilweise möglich von der Kan­ zel, die an dem weiter nach Südosten führen­ den Panoramaweg steht und nach wenigen Minuten zu erreichen ist. Nun gilt es zu ent­ scheiden: Zurück auf dem Panoramaweg oder weiterspazieren zu den tosenden Triber­ ger Wasserfallen oder den Rückweg antreten über den abzweigenden Weg hinab in die Stadt. Vom Schillerfelsen gehts zu der ältesten als Naturdenkmal geschützten Tanne im Schwarzwald-Baar-Kreis. Ihr Schutz ist seit dem Jahr 1950 im Naturdenkmalbuch garan­ tiert. Sie steht am Mittelweg Waldshut-

Tanne bietet Platz zum Verweilen an einem Ort, wo noch zahlreiche Vögel ihr Repertoire zwitschern, wo Eichhörnchen ihre Spielchen treiben. Der nächste Besuch gilt der zweitältesten seit dem Jahre 1949 geschützten Eiche, der zu Buchenberg gehörenden S t i e l e i c h e im Zinken Brogen. Sie wurde im Jahre 1600 gepflanzt, also 450 Jahre nach der Eichense­ niorin in Tannheim. Ihren Namen „Burgba­ cher Eiche“ hat sie ihrem Standort hinter dem Burgbacher Hof zu verdanken. Von Peterzell kommt die Kreisstraße 5725, von der bei Brogen die Kreisstraße 5724 in Rich­ tung Hardt abzweigt, jene Straße, auf der man nach wenigen 100 Metern die Burgba­ cher Eiche am Burgbacher Hof zur Rechten erkennen kann. Warum Stieleiche? Die Äste der kurzstämmigen Burgbacher Eiche wuch­ sen stielförmig nach oben, eine Bündelung zahlreicher Stiele, die eine Krone mit 20 Metern Durchmesser bilden. Fast 4 Jahrhun­ derte hielt dieser Baum den harten Natur­ kräften auf dieser Hochebene über dem Glasbachtal stand. Sie hat Blickkontakt zum 2 Kilometer entfernten schlanken Turm der Buchenberger Kirche, der östlich jenseits des Glasbachtals in einer Waldlücke herausragt. Ein Schmuckstück in Gestalt einer seit dem Jahr 1949 als Naturdenkmal geschütz­ ten Linde ziert den Richtung Obereschach zugewandten Ortsrand des Königsfelder Ortsteils Neuhausen. Obwohl diese Linde erst im Jahre 1800 dicht neben dem Bauern­ hof mit Namen „Schleicher Hof‘ (die frühe­ ren Eigentümer hießen Schleicher) gepflanzt wurde, hat sie schon eine Höhe von fast 30 Metern erreicht Saftig grün leuchtet das dichte Laubwerk dieses Baumriesen. Im Frühling spendet die Linde ihrer Umgebung in großen Mengen Blütenstaub, der mit sei­ ner Farbe nicht nur die Natur belebt, sondern auch manch zusätzlichen Hausputz am be­ nachbarten Bauernhaus verursacht Zur Herbstzeit belasten die abgefallenen Blätter das Arbeitsprogramm des Landwirts, wenn es gilt, die Dach- und Abflußrinnen von dür­ rem Laub zu befreien. Auffallend an dieser 221 Schilkrtanne Zeichnung: H Heinrich Pforzheim südlich der Stadt St Georgen im Schwarzwald im Wald „Fohrenbühl“. Beim Brigachstüble westlich der neuen Eisenbahn­ brücke der Bergstadt zweigt der mit roter Raute markierte Wanderweg ab und führt zur 1,5 Kilometer entfernten S c h i 11 e r ­ ta n n e , die nahe am Wegesrand steht Etwa 35 Meter ragt diese Tanne in die Höhe. Man muß schon 8 große Schritte im Kreis gehen, um den mächtigen Stamm von über 5 Metern Umfang umrunden zu können. Oberhalb des astlosen Stammdrittels breitet sich ein dunkelgrünes dichtes Nadelkleid aus, bis hoch zum abgerundeten Gipfel. Im Jahre 1675 wurde diese Tanne gepflanzt. Wie klein erscheint doch der Mensch neben die­ sem gewaltigen, rund 35 Festmeter starken Naturdenkmal! Eine neue Bank neben der

Linde ist deren im unteren Teil oval gewach­ sener Stamm mit einem Durchmesser von fast 2 Metern. Hier im Bereich dieser soge­ nannten „S c h l e i c h e r-L inde“, in deren Schatten noch der Hahn über seine Gras pik­ kenden Hennen wacht, neben angrenzenden Wiesen, die im Frühjahr von goldgelbem Löwenzahn übersäht sind, herrscht noch eine bäuerliche Atmosphäre. Erlaubt sei noch ein Abstecher in das süd­ liche Kreisgebiet. Dort liegt einer Esche die Baar zu Füßen. Im Jahr 1870 wurde diese Esche gepflanzt, und seit dem Jahr 1959 gehört sie dem Kreis der anerkannten Natur­ denkmäler an. Sie thront im Grenzbereich Aasen-Heidenhofen an einem markanten Platz, der bei klaren Witterungsverhältnissen eine phantastische Aussicht rundum in die nähere Umgebung und auch in die Feme bis zu den Schweizer Alpen anbietet. Auf die Lage und die Namen zahlreicher Orte und Berge weist eine Orientierungstafel hin. Neben dem aus Buntsandstein gehauenen „Bettelhanskreuz“, das an die schreckliche Zeit im Dreißigjährigen Krieg erinnert, lädt eine Sitzgruppe zur Rast ein. Rad- und Wan­ derwege führen an der 20 Meter hohen, nach dem Kreuz benannten „ B e t t e l h a n s e n – Es ehe“ vorbei. Trotz der druckvollen West­ winde neigt sich die 767 Meter über dem Meeresspiegel stehende Esche der südlichen Sonne entgegen, ihre kahlen Äste zeigen nach Norden. Für Pkw-Anreisende steht ein Parkplatz beim Wasserhochbehälter in un­ mittelbarer Nähe dieses sehenswerten Natur­ denkmals zur Verfügung. Werner Heidinger Oben: Stieleiche; sts oben: die Schleicher­ Linde; rechts unten: die Bettelhansen-Esche. Zeichnungen: H Heinrich 222

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Gehölze in unserer heimischen Landschaft Unsere Vorfahren haben in der Baar seit über 2000 Jahren das ursprüngliche Wald­ land urbar gemacht. Es entwickelte sich dabei eine weite, offene Landschaft, die jedoch bei näherem Hinsehen reich geglie­ dert war. Entlang von Grenzen, Hangkanten, -Rücken, Bächen und Wegen kamen Sträu­ cher, Büsche und in ihrem Schutz Bäume auf. Es waren die ehemaligen Waldbegleiter, die Waldsaumgesellschaften, die auf den vom Menschen ausgesparten Kleinflächen wieder Fuß faßten. Eine vielfältige Land­ schaft entstand, die die darin wohnenden Menschen ebenso vielfältig zu nutzen lern- ten, die sie aber auch als ihre Heimat betrach­ teten. In einer Zeit wachsender Holznot in den umliegenden Wäldern wuchs die Bedeutung der Feldgehölze. So lieferten die Hecken Reiswellen und Brennholz, die Bäume Wagnerholz und das Blattwerk Laubheu. Die reichlichen Früchte wie Eicheln, Buchek­ kern, Wildäpfel, Kirschen und Beeren boten zusätzliche Nahrung. Durch die stetige Nut­ zung ergab sich gleichzeitig eine intensive Pflege und Verjüngung der Gehölze, so daß Heckenlandschaft bei Bräunlingen 224

landwirtschaftlich genutzte Flächen und Gehölze in einem Gleichgewichtszustand gehalten wurden. Die Bauern erfuhren aber auch, daß die Gehölze Windruhe schafften. Dadurch er­ höhte sich der Feuchtigkeitsgehalt der Fel­ der, und der Ertrag war besonders auf den flachgründigen Muschelkalkböden besser. Auch wenn das Heu entlang der Gehölze im Schatten langsamer trocknete, war doch der Ertrag auf der gesamten Fläche bis zu 20% höher. Die Erfahrung lehrte auch, daß der austrocknende Wind die Bodenkrume ver­ wehte. Die Gehölze boten hier einen wert­ vollen Schutz gegen den allmählichen Bodenabtrag. Entlang der Gewässer boten die Gehölze Uferschutz gegen die reißende Kraft des Wassers. Noch zwei weitere wichtige Erfah­ rungen konnten unsere Vorfahren machen. Die Gehölze boten zahlreichen Tieren und Pflanzen, die sich aus der offenen Flur zurückziehen mußten, neuen Lebensraum. Die Tiere halfen den Bauern von hier aus bei der Bekämpfung von Schädlingen. So sorg­ ten z. B. Fuchs, Marder, Wiesel, Bussard und Eulen dafür, daß sich keine Mäuseplagen entwickeln konnten. Amphibien, Spitz­ mäuse und viele Vögel hielten die Insekten kurz. Viele Kräuter und Gehölze boten mit ihren Wurzeln, Blättern, Blüten oder Früch­ ten heilende Stoffe, deren sich unsere Vor­ fahren zu bedienen wußten, als es noch keine Apotheken gab. Nicht zuletzt boten die Gehölze den auf den Feldern arbeitenden Menschen und dem weidenden Vieh Schat­ ten und Schutz. Dieses harmonische Zusammenwirken verlor seine Basis mit dem tiefgreifenden Wandel in den bäuerlichen Betrieben. Die Technik erzwang eine Zusammenlegung und Arrondierung der Felder. Viele Grenzg�­ hölze wurden so zum Hindernis. Das 01 ersetzte weitgehend das Baumholz, und damit entfiel der Anreiz zur Gehölzpflege. Der Wagnerberuf starb aus, weil es keine Holzräder mehr gab. Der Maschineneinsatz kann sich nicht mehr auf die vielfach ge- schwungenen Gehölzränder einstellen. Die Möglichkeit, die Erträge mit Düngern und Pflanzenzüchtung zu steigern, hat die kostenlosen Hilfen der Natur vergessen las­ sen. Die chemischen Wirkstoffe ließen die Mithilfe der Tiere bei der Schädlingsbe­ kämpfung als überholt erscheinen. So verfielen die Feldgehölze innerhalb von wenigen Jahrzehnten vom wertvollen Helfer der Bauern vielfach zu einem stören­ den Hindernis, so daß immer mehr Gehölze beseitigt wurden. Unterlassene Pflege hat außerdem zu Veränderungen in den Gehöl­ zen geführt, die die ursprüngliche Vielfalt stören, zum Absterben überalterter Büsche führen und durch Hochwachsen von Hasel­ strauch und Bäumen im bodennahen Be­ reich den Deckungsschutz vermindern. Diese Entwicklung muß uns in mehrfa­ cher Weise mit Sorge erfüllen. Wie können wir ernstlich den Schutz vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten betreiben, wenn wir zulassen, daß diese letzten natürli­ chen Lebensräume immer weiter eingeengt oder vernichtet werden? Wie können unsere Landwirte einen gangbaren Weg finden – weg von Chemie und Giften, wenn gleichzei­ tig die natürlichen Kräfte weiter ausgeschal­ tet werden? Wie können wir glaubhaft für die Erhaltung unserer heimatlichen Land­ schaft eintreten, wenn wir nichts gegen das weitere Ausräumen unternehmen? Gibt es überhaupt noch einen Ausweg, einen Aus­ gleich der Interessen zwischen Naturschutz und Landwirtschaft? Fragen, die uns alle angehen und für die wir eine Antwort finden müssen. Das wachsende Umweltbewußtsein macht uns sensibler für alle Eingriffe in die Natur. Das Interesse an ökologischen Zusammen­ hängen wächst bei vielen Menschen. Die Landwirtschaft erfährt immer deutlicher die Grenzen eines hochrationalisierten Land­ baus und beginnt über naturnähere Verfah­ ren nachzudenken. Dabei werden Erfahrun­ gen aus der Vergangenheit wieder aktuell Unter diesen Voraussetzungen erscheint die Erhaltung des Bestandes oder sogar eine 225

Entwicklung von zusätzlichen Gehölzen denkbar. Für eine Übergangszeit können die Vor­ schriften des Naturschutzgesetzes, die die Gehölze als schützenswerte Grünbestände in der Landschaft besonders schützen, hilfreich sein. Ausgewählte Bereiche können nach einer Bestandskartierung durch eine Schutz­ verordnung gesichert werden. Ein solcher Schutz ist langfristig aber nur sinnvoll und durchsetzbar, wenn gleichzeitig mit den Eigentümern zusammen ein praktikables Pflegekonzept festgelegt und dann konse­ quent verwirklicht wird. Die Gehölzstreifen müssen wieder ihre alten Funktionen Wind­ schutz, Erosionsschutz, Lebensraum und Ablagerungsort für Lesesteine wahrnehmen. Sie dürfen nicht mehr mit Mist, Altheu, Altreisig und sonstigen Abfällen überdeckt 226 Feldkreuz und Feldgehölz bei Bräunlingen und dadurch erstickt werden. Bei zunehmen­ der Verwendung von Holzhackschnitzeln kann das bei der Pflege anfallende Holz wie­ der sinnvoll verwertet werden. Ein je nach Wachstum periodisch wiederkehrendes Aus­ lichten oder Zurück.schneiden verhindert ein den landwirtschaftlichen Betrieb störendes Ausdehnen, erhöht oder erhält die Vielfalt der Tier-und Pflanzengemeinschaften. An einzelnen Bereichen, so z.B. bei Bräunlingen, soll in den kommenden Jahren beispielhaft erprobt werden, wie die Gehölze als wertvolle Landschaftselemente auch in Zukunft erhalten und gepflegt werden kön- nen. Ekkehard Köllner

Meister Grimbart, auch Dachs genannt An einer bestimmten Stelle in unserer näheren Heimat werden die Wälder durch eine breite Wiese unterbrochen, durch die ein kleiner Bach fließt. In diesem Gewässer wälzt sich ein 90 cm langes Tier, sich vor Schmerzen krümmend. Es ist ein Dachs, der hier in der Feuchtigkeit Linderung sucht. Ein Jäger beendet das Leiden des Tieres durch einen Fangschuß. Der Dachs wird an das Tierhygienische Institut in Freiburg ge­ schickt und dort untersucht. Die Diagnose lautet Milzschwellung. Dieses Vorkommnis liegt jetzt 25 Jahre zurück. Doch was war geschehen? Die Tollwut hatte unsere Gegend erreicht. Fuchsbauten wurden begast, um die gefähr­ liche Seuche einzudämmen. Da sich der Alt­ fuchs die wenigste Zeit im Bau aufhält, war der Erfolg mäßig. Was jedoch Wirkung zeigte, war die Fastausrottung des Dachses. Als Nur-Höhlenbewohner hatte es ihn voll erwischt. Nicht immer war jedoch die Gas­ menge sofort tödlich. In dem zerklüfteten Kalkgestein unserer näheren Heimat konnte ein Teil des Giftstoffes entweichen. Der Rest reichte meistens aus, daß die betroffenen Tiere qualvoll verendeten. So auch in dem geschilderten Fall. Drei Tage vorher wurden die Fuchs- und Dachsbauten begast. Es dauerte viele Jahre, bis sich wieder Dachse zeigten und der Bestand erholt hatte. Der Dachs zeichnet sich besonders durch Standorttreue aus. Es sind Dachsbauten bekannt, die seit mehr als 100 Jahren von vie­ len Dachsgenerationen bewohnt sind. Diese Höhlensysteme erreichen teilweise eine Durch die Fuchsbauvergasungen Mitte der sechziger Jahre wurde der Dachs bei uns fast ausgerottet. In dem zerklüfteten Kalkgestein, welches in unserer Heimat teilweise den Untergrund bildet, verflüchtigte sich das Gas schnell. Q;t.alvoll. mußten die Tiere dann einen tagelangen Todeskampf.führen. Nur die gebleichten Schädel zeigten anschließend an, daß hier einmal Dachse ihren Bau hatten. 227

Die normale Aktivitätsphase des Dachses beginnt, wenn die Sonne den Horizont erreicht hat und die Zeit zwischen Tag und Nacht beginnt. Nach dem Verlassen des Baues wird erst die nahe Umgebung untersucht, ehe die Weite des Revieres auf gesucht wird – Ein Familienverband nach dem Verlassen des Baues. 228

Tiefe von 5 Meter und können im Innern sehr verzweigt sein. In solchen Bauten sind mehrere Wohnkessel angelegt, in die weiches Pflanzenmaterial eingetragen wird. Dieses schiebt der Dachs· rückwärtsgehend in den Bau. Beim Entfernen von Erde und Steinen aus dem Bau verfährt er genauso. Ebenfalls im Rückwärtsgang schiebt er das Material mit seinen Branten aus der Röhre. Der Dachs hält seine Wohnung sehr sauber. Das weiß wahrscheinlich auch der Fuchs. Möchte sich dieser ein Stück des Dachsbaues aneignen, wird er solange verschmutzt, bis der Dachs diesen Teil meidet Der Dachs gräbt sich sogar eigene Aborte. Das sind trichterför­ mige faustgroße Vertiefungen, meist in der Nähe des Baues, in die er seine Losung absetzt Diese Dachsaborte sind wieder Nist­ stätten von Käfern, und Käfer zählen ja zu seiner Nahrung. Der Kreislauf ist geschlos­ sen. Der Dachs lebt im Familienverband, wobei es nicht selten ist, daß sich die einzel- nen Dachsfamilien gegenseitig besuchen und daß der Dachs einige Tage bei den bekannten Nachbarn bleibt Bei der Nah­ rungssuche durchwühlt Meister Grimbart den Boden nach Würmern und Schnecken. Er sucht Insekten und gräbt Mäusebauten aus. Bei Magenuntersuchungen wurden schon 9 erwachsene und 74 junge Mäuse gezählt Dadurch ist er für die Land-und Forstwirtschaft sehr nützlich. Möhren, Rüben, Kartoffeln, Hafer, Mais, Obst und zum Nachtisch Pilze oder Weintrauben, alles wird gefressen. Frösche, Eidechsen, Schlan­ gen, Gelege von Bodenbrütern gehören ebenfalls zu seinem Speisezettel. In der Dachslosung findet man dann die unverdau­ ten Überreste seiner Nahrung -Käferflügel wie Pflaumenkerne. Die Ranzzeit liegt in den Monaten Juli­ September. Dabei kann es schon einmal pas­ sieren, daß er am Tage bei der Verfolgung sei­ ner Angebeteten einem ruhig im Gelände stehenden Beobachter vor die Beine rennt Der Dachs gräbt sich kleine faustgroße Vertiefungen, in die er seinen Kot absetzt. Das sind die sogenann­ ten Dachsaborte. 229

Dauerregen macht auch manchen Dachsbau ungemüdich Uhr, sah der Verfasser dieses Beitrags schon junge Dachse am Bau spielen. Der Dachs hält auch keinen festen Winterschlaf, sondern nur Winterruhe. Er verläßt in dieser Zeit sogar den Bau und nimmt Flüssigkeit -in Form von Schnee -und feste Nahrung auf. Freuen wir uns, wenn wir dem größten unserer Marder einmal begegnen sollten, denn er ist wieder heimisch in den Wäldern. Durch das Waldsterben ist der Dachsbestand jedoch gefährdet, denn er braucht die Dek­ kung und Ruhe des Forstes, um überleben zu können. Roland Kalb sterben“ bezeichnet oder ob hierfür die Sprachregelung „neuartige Walderkrankun­ gen“ gebraucht wird. Der augenblickliche Zustand kann ortweise sicherlich noch als Erkrankung angesprochen werden; die rasche Fortentwick]ung der Schädigungen wird durch den Begriff „ Waldsterben“ tref­ fender gekennzeichnet. Wesentlich ist aber, Warnsignal für Bedrohung der Umwelt Beobachtungen im Forstbezirk Triberg von Forstdirektor Ludwig Heneka Eine Verschnau.fPause bei den immerwährenden Grabarbeiten am Bau Wer sich dann zuerst schreiend in die Büsche schlägt, das ist reine Nervensache. Im Februar/März kommen die 2 bis 5 jungen Dachse blind zur Welt. Sie tragen 5 Wochen ein wolliges weißes Haarkleid und öffnen erst nach 4 Wochen ihre Augen. 4 Monate werden sie von der Mutter gesäugt. Nach 2 bis 3 Monaten gibt es die erste feste Zusatz­ kost und erst mit 2 Jahren sind sie ge­ schlechtsreif. Der Dachs ist ein Dämmerungs-und Nachttier. In ruhigen Revierteilen, dort wo er nicht verfolgt und gestört wird, zeigt er sich auch am Tage. Im August, nachmittags 16 Die im gesamten mitteleuropäischen Raum nahezu gleichzeitig und gleichartig sichtbar gewordenen Waldschäden wie auch deren Entwicklung führten zu dem Schluß, daß mit an Sicherheit grenzender Wahr­ scheinlichkeit hierfür Luftschadstoffe ver­ antwortliche Ursache sind. Unwesentlich ist, ob die Schädigungen der Wälder mit „ Wa]d- 230

Schadensbilder und Beobachtungen das Phänomen der Waldschädigungen nicht ausschließlich waldbezogen zu betrachten. Die großflächige Erkrankung des Waldes ist ein ernstzunehmendes Warnzeichen für die Bedrohung der Umwelt, d. h. in den Wald­ schäden ist weniger ein Problem der Forst­ wirtschaft als eines der Gesellschaft zu sehen. Im Forstbezirk,“ der die Waldungen im Gebiet der Raumschaft Triberg und der Stadt St. Georgen umfaßt, ist die Fichte mit 77 % vorherrschende Baumart; die Tanne ist mit 9 %, die Kiefer mit 11 % und die Buche mit 3 % am Waldaufbau beteiligt. Zur Beurteilung des Gesundheitszustandes der Waldbe­ stände ist ein Panoramablick auf bewaldete Fichtenhänge nicht ausreichend. Erst aus dem Erscheinungsbild der einzelnen Bäume kann auf die Schädigung des Waldes geschlossen werden. Die Schadensmerkmale sind unterschiedlich und auch bei derselben Baumart nicht einheitlich. Fichte -Nadelverlust, vom Kronenin­ nem nach außen fortschreitend, vor allem bei jüngeren Bäumen unterhalb Wipfelbe­ reich beginnend; Gelb-, Rot-und Braunfär­ bung der Nadeln. Auf Ästen erster Ordnung oft aufwärtsgerichtete kurze Ersatztriebe; schlaffes Herabhängen von Ästen zweiter Ordnung (Lametta-Fichten). Tanne – Verliebten der Kronen von unten nach oben; Nadeln fallen oft grün ab. Verstärkte Wasserreißerbildung. Nur gerin­ ger Höhenzuwachs (,,Storchennestbildungj. Naßkem im Wurzel-und unteren Stammbe­ reich. Kiefer – Nadelverluste im gesamten Kronenbereich, an den älteren Nadeljahr­ gängen beginnend. Im fortgeschrittenen Sta­ dium nur noch jüngster Jahrestrieb benadelt; steigender Dürrastanteil. Buche -zunehmend schüttere Belau­ bung, kleinblättrig; Vergilbung und Schiff­ chenbildung der Blätter. Steigender Dürrast­ anteil, Absterben einzelner Kronenbereiche. Während die Tanne schon seit Jahren durch zunehmendes Verkürzen der grünen Kronen Anlaß zur Sorge gab, wurde bei der Fichte im Spätherbst 1982 und während des Winters 82/83 die ersten Schadensmerkmale deutlich: Vergilben der Nadeln an jüngeren Fichten in Nebellagen der Winterhänge zum oberen Elztal; Schütten von grünen Nadeln bei älteren Fichten im Kammbereich von Martinskapelle und Rohrhardsberg. Von West nach Ost fortschreitend waren die Schädigungen innerhalb Jahresfrist im Raum St. Georgen in gleicher Weise sichtbar. Auffallend bei der Fichte ist eine seit Sichtbarwerden der Waldschädigungen sich häufende Zapfenbildung; 1985 in abge­ schwächtem Maße zum dritten Mal. Der Zapfenbehang 1984 war ausnahmsweise stark, oft auch an Bäumen, die durch Nadel­ abfall bereits lichte Kronen hatten. Kranke Buchen fruktifizieren ebenfalls vermehrt. Die Zusammenhänge zwischen Schad­ stoffbelastung und Schädigung der Bäume wurden dadurch offensichtlich, daß dort, wo der Wald seine „Filterwirkung“ am besten ausübt, auch die vorgenannten Schadens­ merkmale zuerst auftraten: – aufgelockerte Verjüngungsbestände auf Kammlagen bzw. vom Schnee verbroche­ ne Wintereinhänge, die von Wind bzw. Nebel leicht durchströmt werden können – stufig aufgebaute Waldungen mit brem­ sender Wrrkung auf Luftströme infolge der rauhen Bestandesoberfläche – steile Westeinhänge oder entsprechend ausgerichtete Waldränder, die den ankommenden Winden unmittelbar aus­ gesetzt sind. Geschlossene Fichtenbestände in ver­ ebneten, gering nebelbelasteten Lagen -z.B. Teile der Gemarkung Schönwald -zeigten die Schadensmerkmale verzögert. Die be­ sondere Schadensanfälligkeit von zur natür­ lichen Verjüngung aufgelockerten, von stu­ fig aufgebauten oder auch von Laubholz durchmischten Beständen macht die Ein­ engung des waldbaulichen Handelns deut­ lich, das vielerorts bereits beim derzeitigen Schadensstand auf ein bloses „Reagieren“ be­ grenzt wird. 231

Schadensverlauf und Auswirkungen Da im Forstbezirk Triberg im Schädi­ gungszustand der einzelnen Baumarten kein grundsätzlicher Unterschied mehr besteht, wird der Übersichtlichkeit wegen die Scha- densentwicklung nach prozentualem Anteil der einzelnen Schadstufen lediglich getrennt nach Beständen unter bzw. über 60 Jahre dar­ gestellt. Erhebungszeitraum gesund kränkelnd krank sehr krank Bestände unter 60 Jahren August 1983 Mai 1985 Bestände über 60 Jahren August 1983 Mai 1985 47% 29% 35% 12% 41 % 45% 34% 44% 10% 20% 26% 34% 2% 6% 5% 10% 232

Beängstigend ist die Zunahme der Schad­ stufen „krank“ und „sehr krank“ auch in jün­ geren Beständen; dies trotz des für das Wald­ wachstum günstigen Witterungsverlaufs im Sommer 1984. Bei dieser Gesamtgefährdung des Waldes wäre es unverantwortlich, Entscheidungen für Emissionsminderungen im Hinblick auf eine erhoffte Aufklärung der quantitativen Zusammenhänge zwischen den verschiede­ nen Luftschadstoffen und deren Anteil an den Waldschäden auf einen späteren Zeit­ punkt zurückzustellen. Gleiches gilt für die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Straßen, um die Nachbarstaaten, die durchweg ent­ sprechende Festsetzungen haben, nach­ drücklich für notwendige internationale Maßnahmen zur Schadstoffreduktion in der Luft zu überzeugen. Sicherlich müssen auch forstlicherseits Möglichkeiten geprüft werden, den raschen Schadensfortschritt in den Wäldern zu bremsen. Ob die in vergilbten Fichtennadeln festgestellten Mangelerscheinungen der Ele­ mente Magnesium und Kalium durch gezielte Düngergaben ausgeglichen und eine Revitalisierung der erkrankten Bäume be­ wirkt werden kann, inwieweit geschädigte mittelalte und ältere Bäume auf derartige Ausgleichsdüngungen überhaupt noch rea­ gieren u. a. m., muß durch weitere Untersu­ chungen mit entsprechenden Blatt- und Bodenanalysen geprüft werden. Der Belastung durch Luftschadstoffe mit der Züchtung entsprechend resistenter Baum­ arten zu begegnen, würde sicherlich in die falsche Richtung zielen. Abgesehen von der im Wald nur über lange Zeiträume mögli­ chen Umstellung auf Neuzüchtungen darf die über Jahrhunderte durch natürliche Aus­ lese erfolgte Anpassung der Baumarten an die jeweiligen Standortverhältnisse nicht auf­ gegeben werden. Vor allem wäre aber die schleichende Schädigung anderer Naturgü­ ter wie Boden und Wasser mit unabsehbaren Folgen nicht behoben. Blick über Prisen, Gemarkung Schönwald Eine rasche Minderung der Luftschad­ stoffe ist auch notwendig, da die immissions­ geschädigten Bäume anfälliger für Witte­ rungsextreme sowie tierische und pflanz­ liche Schädlinge sind. Das Auftreten von Sekundärschäden wirkt als zusätzlicher Schub im Absterbevorgang der Bäume. Die Kälteperioden im Januar und Februar 1985 haben zu einem starken Schütten grüner Nadeln bei Tanne geführt. Anhand von Begasungsversuchen wurde festgestellt, daß unter Schwefeldioxideinfluß die Frostresi­ stenz der Nadeln herabgesetzt wird. Eine Nachwirkung des niederschlagsarmen Som­ mers 1983 ist wahrscheinlich das zuneh­ mende Absterben wipfelgebrochener Fich­ ten aus dem Schneebruchwinter 1981/82. Der hohe Anteil ausgeheilter Kronen in schneebruchgeschädigten Beständen frühe­ rer Jahre bezeugt andererseits die Regenera­ tionsfähigkeit der Bäume unter natürlichen Bedingungen, aber ohne Vorbelastung mit Luftschadstoffen. Daß vorgeschädigte Bäume auch gegen Insekten-und Pilzbefall anfälli­ ger sind, ist bekannt. Waldhygienischen Maßnahmen kommt deshalb derzeit beson­ dere Bedeutung zu. Nahezu 60 % der Waldungen im Forstbe­ zirk Triberg sind Privatwald. Für die meist bäuerlichen Betriebe als Bewirtschafter die­ ser Waldflächen trägt das Einkommen aus dem Wald wesentlich zur Existenzsicherung bei. Aus der im Bereich der Streusiedlung gegebenen Gemenglage zwischen land-und forstwirtschaftlich genutzten Flächen resul­ tiert eine Vielzahl von Waldrändern. Diese tragen wesentlich zum Erholungswert der Landschaft bei, sind aber gerade in windex­ ponierten Lagen der Schadstoffbelastung besonders ausgesetzt. Ein auch nur teilweises Absterben dieser bestandsschützenden Träufe hätte verheerende Auswirkungen auf die gewachsene Waldstruktur. Das Aufrollen der geöffneten Waldbestände durch Sturm, Sonne und Insekten würde sich selbst dann noch fortsetzen, wenn eine den Erfordernis-233 Betroffenheit und Existenzbedrohung

sen des Waldwachstums angepaßte Reduk­ tion der Luftschadstoffe erreicht ist. Eine besondere Betroffenheit der Wald­ bauern erwächst auch daraus, daß es sich fast durchweg um forstliche Aufbaubetriebe han­ delt. Um die Jahrhundertwende beginnend wurden unrentable landwirtschaftliche Flä­ chen durch Aufforstung mit Fichten wieder dem Wald zugeführt. Diese Waldflächen, in welche ein halbes Bestandesleben Arbeit durch Kultur-, Schutz-und Pflegemaßnah­ men investiert wurde, wachsen nun allmäh­ lich in den Ertrag hinein. Deren zwangsweise Nutzung vor Erreichen der Hiebsreife würde nicht nur große finanzielle Einbußen bedeu­ ten, sondern durch das Zerstören der Vorrats­ struktur auch das Prinzip der Nachhaltigkeit, im Walde nicht mehr zu nutzen als nach­ wächst, zunichte machen. Die Beachtung dieses Prinzips ist gerade für Waldbauern zur Sicherung der Existenz der Folgegeneration unabdingbar. Aber auch ohne flächenweises Absterben bzw. starkes Durchlöchern der Wälder durch Auszug abgängiger Bestandesglieder hat der Waldbesitzer schon beim heutigen immis­ sionsbedingten Schadensstand Minderein­ nahmen durch Zuwachsverluste hinzuneh­ men. Im Schwarzwaldbereich des Landkrei­ ses ist im Schnitt für über 60jährige Bestände Schadstufe „krank“ erreicht. Nach Modell­ rechnungen für Baden-Württemberg wird hierfür ein Zuwachsrückgang der Bestände um 40 % angenommen, was bei den standört­ lichen Verhältnissen des Forstbezirks und derzeitiger Marktlage jährlichen Einbußen von etwa 250 bis 300 DM je ha entspricht. Da der Waldbauer den aus dem Holzein­ schlag erwachsenen Erlös als Arbeitseinkom­ men betrachtet, ist schon heute ein Teil hier­ von nicht mehr realisierbar, sofern es nicht auf Kosten der Nachhaltigkeit geht. Die aus Gründen der Hygiene zur Vermei­ dung von Insektenbefall verstreut im Wald zu entnehmenden kranken Bäume machen erhöhte Aufwendungen für Holzernte und Holzbringung notwendig. Diese Zwangs­ nutzungen können aufgrund der Marktlage 234 Lebensraum und Erlebnisraum – verringerte Aufnahmefähigkeit durch rückläufige Bauwirtschaft bei gleichzeitig überhöhtem Angebot wegen der Sturmholz­ anfälle vom November 1984 -nur zu ge­ drückten Preisen abgesetzt werden. Teilweise sind �alitätsverluste durch nicht rechtzeiti­ gen Einschlag immissionsgeschädigter Höl­ zer unvermeidbar, da gerade der Bauer durch Zwänge im Jahresablauf nicht frei in der Arbeitseinteilung ist. Diese finanziellen Ein­ bußen wird der bäuerliche Waldbesitzer auf Dauer nicht verkraften können. Hinzu kommt, daß aus dem Waldsterben notwen­ dig werdende Bestandsbegründungen und Bestandesumbauten erforderliche auch Schutzmaßnahmen -selbst bei an die er­ schwerten waldbaulichen Bedingungen an­ gepaßten Wildständen -gegenüber der bis­ herigen Praxis aufwendiger werden. Wo die bäuerlichen Existenzen bedroht sind, ist auch die künftige Pflege unserer Erholungs­ landschaft nicht mehr gesichert. Das rasche Fortschreiten der Walderkran­ kung in den vergangenen beiden Jahren und das übergreifen auf alle Baumarten läßt nicht nur eine forstökonomische, mehr noch eine ökologische Katastrophe unvorstellba­ ren Ausmaßes befürchten. Wald in unter­ schiedlicher Zusammensetzung ist die ur­ sprüngliche Vegetationsform von Schwarz­ wald und Baar. Trotz seiner Vielfachnutzung hat er auf den ihm belassenen Flächen in der Vergangenheit alle natürlichen Gefahren überstanden und galt als besonders stabiles Ökosystem. Seine Abwehrmechanismen sind aber nicht mehr ausreichend gegen die vom Menschen verursachte Schadstoffbela­ stung der Luft. Das Waldsterben ist ein Hin­ weis auf die Bedrohung der Umwelt insge­ samt. Wald ist notwendiger Bestandteil unseres Lebensraumes. Im Forstbezirk Triberg sind knapp 20 % als Bodenschutzwald ausgewie­ sen; er muß zur Vermeidung von Errosion, Steinschlag u. a. erhalten bleiben. Der Anteil der Wasserschutzwaldungen ist im Wachsen

begriffen. Aus Waldflächen werden nur geringe Nitratmengen in die Gewässer einge­ tragen. Schon wegen der Gefahr einer Nitrat­ anreicherung sind daher Düngungsmaßnah­ men gegen das Waldsterben Grenzen ge­ setzt. Die Wirkung des Waldes als Luftfilter wird gerade jetzt durch seine Schädigung auf tragische Weise deutlich. Sein Einfluß auf das Lokalklima ist ein wichtiger Beitrag, daß Städte wie Triberg das Prädikat „Heilklimati­ scher Kurort“ erlangen konnten. Die Schutz­ funktion des Waldes für die Lebensgrundla­ gen Boden, Wasser, Luft, Klima ist durch die Waldschädigungen ernsthaft gefährdet; ebenso seine Funktion als Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Wald im Schwarzwald-Baar-Kreis ist aber auch landschaftsprägendes Element und trägt wesentlich zum herausgehobenen Erho­ lungswert des Raumes bei. Der Wert des Wal­ des als „Erlebnisraum“ ist sicherlich nur schwierig finanziell faßbar, aber er genießt gerade in dieser Funktion die Wertschätzung des einzelnen ganz besonders. Umwelt ist nicht vermehrbar und auch nicht zum Nulltarif zu haben. Diese Tat­ sache muß richtungsweisend für viele Ent­ scheidungen im großen, aber auch im klei­ nen, alltäglichen sein. Der Fischerhof – die Baaremer Kälteinsel Wenn es kalt wird auf der Baar und im Schwarzwald, dann ist fast immer unvenüg­ lich vom Fischerhof die Rede. Denn dort, am Ostrand der Stadt Donaueschingen und in 675 Metern Höhe über dem Meer, werden seit langem die tiefsten Temperaturen gemes­ sen, die es in weitem Umkreis zu vermelden gilt. So auch im Winter 1984/85, der einmal mehr mit extremen Kältegraden aufwartete. 34 Grad waren es im Januar in einer Winter­ nacht mit klirrendem Frost und kaum weni­ ger in etlichen weiteren Nächten. ,,Die Korn­ kammer Badens“, so überschrieb damals die ,,Badische Zeitung“ eine dem Witterungs­ phänomen Fischerhof gewidmete Sonder­ seite, ,,und die kälteste Ecke der Republik“. Fischerhof-Rekord sind übrigens 37 Grad unter dem Gefrierpunkt, gemessen im soge­ nannten „Stalingrad-Winter“ 1941/42. Und Rekord auf dem Hofe Eugen Fischers sind auch minus ein Grad – an einem Augustmor­ gen des Jahres 1980! Auf der Suche nach den Ursachen für so viel bittere Kälte just in dem Landstrich, der als fruchtbar besonders für das Getreide gepriesen wird, schreibt der Donaueschinger „Umwelt-Professor“ Günther Reichelt der Baar eine Sonderstellung zumindest inner- halb Süddeutschlands zu. Der Wissenschaft­ ler und Vorsitzende des Landesnaturschutz­ verbandes Baden-Württemberg nennt sie eine „montankontinentale Klima-Insel“, für die geringe Niederschläge, große Tempera­ turschwankungen mit sehr niedrigen Werten im Winter und hoher Spätfrostgefährdung sowie überdurchschnittliche Nebelhäufig­ keit typisch sind. Die vermeintliche Hochebene zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb erweist sich, so Reichelt, als Hochmulde. Und in diese fließt während der nächtlichen Käl­ teausstrahlung von den umgebenden Höhen die Kaltluft über die teilweise schon vor Jahr­ hunderten entwaldeten Hänge dem Mulden­ grund zu, wo· die Kälteausstrahlung selbst erheblich ist. Der Wissenschaftler glaubt, daß sich die Kaltluft von einem Einzugsbe­ reich von mindestens 250 Q!iadratkilome­ tern auf diese Weise auf der Baar konzen­ triert. Und abfließen kann dieser „Kälte-See“ erst, wenn er sich auf über 700 Meter Meeres­ höhe aufgestaut hat, weil das enge Donautal bei Geisingen einen rascheren Abfluß nicht zuläßt. Im Norden wird der Abfluß bei der Schwenninger Möglingshöhe in 705 Metern Höhe ins Neckartal möglich, im Süden 235

jedoch erst bei rund 740 Metern, wenn die Kälte bei Mundelfingen ins Wutachtal „stürzt“. Und daraus folgt die extreme Frost­ gefährdung aller Baar-Höhenlagen von weniger als 700 Meter, folgt auch die gele­ gentliche lnversionswetterlage, wenn es in den Gemeinden im Baaremer Muldengrund neblig und kalt ist und in den Orten, die deutlich höher liegen, sonnig und warm. Der Mensch hat, so Professor Reichelt, zu allen Zeiten seinen Anteil daran gehabt, daß sich die Witterung der Baar so wie heute gewohnt präsentiert. Waren es seit dem Jahre 700 nach Christus die ersten festen Besiedler, die die Hänge entwaldeten, so haben die Stra­ ßenbauer unserer Tage das ihrige zum Klima dieser Jahre beigetragen. Schon 1970, als Umweltschutz noch kaum ein Thema war und die Verfügbarkeit der Natur für den Menschen unbegrenzt schien, warnte der Donaueschinger Wissenschaftler davor, die auf der Baar geplanten, großdimensionierten Straßenbauten auf Dämmen zu errichten. Denn diese wirken nach Überzeugung Rei­ chelts als zusätzliche Kälte-Staudämme und verstärken die Wirkung der naturgegebenen Klima-Ungunst. Die Zahl der Winter und 236 Der Fischerhof bei Donaueschingen der Tage mit extremen Kältegraden auf der Baar wird zunehmen, ist Reichelt fest über­ zeugt. Fischerhof-Landwirt Eugen Fischer frei­ lich weiß, daß es auf dem Gut, das seine Eltern vor 60 Jahren erbauten, schon immer kalt war; daß die tiefsten Temperaturen aus dem Jahr stammen, da noch kein Straßen­ damm im Süden am Fischerhof vorbeizog und dennoch selbst im Sommer sein mittler­ weile „berühmtes“ Thermometer gelegent­ lich Werte um den Nullpunkt anzeigte. Und zu den Dämmen meint Eugen Fischer ledig­ lich, wenn der Zubringer Donaueschingen­ Mitte und die Überführung über die auto­ bahngleiche B 27 /33 nicht ebenerdig geführt werden konnten, hätte man sie ihm doch wenigstens auf die Nordseite seines Hofes bauen können: „Dann hätte ich wenigstens Schutz vor dem Geisentöter, dem kalten Nordwind“. Denn der gefürchtete Baaremer „Goasetöter“ im Verein schon mit mäßigen Kältegraden macht Mensch und Tier mehr zu schaffen als noch so extreme Kältegrade bei Windstille. Gerhard Kiefer

Lawinengefahr im Schwarzwald? Von WolfHockeojos Lawinen im Schwarzwald -gibt es die? Angst einjagen gilt nicht, und so wollen wir dem Skiwanderer von Schonach zum Bel­ chen beileibe nicht den Rat mit auf den Weg geben, Rettungsschnur, Sonde oder Piepsge­ rät im Rucksack mitzuführen. Dennoch soll das Folgende als Warnung dienen: Die Tücke des Schwarzwaldwinters besteht gerade darin, daß man ihn allzu leicht unterschätzt. Beim Versuch, das grausige Geschehen jener Februarnacht des Jahres 1844 zu rekon­ struieren, hilft uns ein Protokoll, das die Beamten des Bezirksamts Triberg nach Augenzeugenaussagen anzufertigen hatten. Ihr Bericht soll uns nebenbei auch einen Ein­ blick vermitteln in die Lebensweise und die Wohnverhältnisse der Schwarzwälder im vorigen Jahrhundert. Der Königenhof stand im hintersten Wagnerstal, einem der steil eingeschnittenen Täler, die von der Fernhöhe (zwischen Kalter Herberge und Schweizerhof) ins Hexenloch hinabführen. Den Wald auf der Steilhalde oberhalb des stattlichen, ganz aus Holz erbauten Hofs hatte der Bauer-nichts Böses ahnend -Jahre zuvor kahlgehauen. Jetzt hatte ein heftiger Weststurm den Schnee hier zwei bis drei Meter hoch abgeladen. Um den Hof mit seinen Nebengebäuden (einem Speicher mit der Hofkapelle und e.iner Mahl­ m ühle mit dem Backhaus) duckten sich auch noch zwei weitere Häuser unter den Schnee­ massen. Der Hof selbst wird erstmals um das Jahr 1450 urkundlich erwähnt. In ihm lebten im Jahr des Unglücks: Der Bauer mit Frau, Schwiegermutter und elf von zwölf Kindern, im hinteren Teil des Hauses der Hausmann Hilar Winterhalder nebst Ehefrau und vier Kindern, sowie seine Schwägerin mit einem Kind, zusammen also nicht weniger als 22 Personen. Ein paar Schritte bachaufwärts befand sich das zwei­ teilige Haus des Uhrengestellmachers Phi­ lipp Beha und des Dachdeckers Johann Löff- ler; jenseits des Baches lag das Häuslein der Witwe des Blasius Faller. Am Samstag, dem 24.Februar, hatte es einen Wettersturz gege­ ben und den ganzen Tag in den Schnee hin­ eingeregnet. Um sechs Uhr abends riß eine „Schneeschalte“ (Schneebrett) den Immen­ stand weg, und die Weibsleute fingen an, sich Sorgen zu machen. Dennoch begaben sich die meisten Hausbewohner in ihre Schlaf­ kammern. Der Bauer dagegen setzte sich see­ lenruhig zusammen mit seinen Söhnen Lorenz und Thomas, mit dem Knecht Hilar und den Nachbarsöhnen Blasius und Philipp in die große Stube, um mit ihnen Cego zu spielen. Die Lawine ging gegen 23 Uhr mit fürchterlichem Krachen nieder, hob den Hof aus seinen Grundmauern und drückte ihn wie ein Kartenhaus zusammen. Die Frau des Uhrengestellmachers Beha im Nachbarshaus hatte, wie sie später aus­ sagte, nur ein „Schausen“ wie von einem Windstoß gehört und gespürt, wie ihr Haus erzitterte. Doch da es eine sehr stürmische Nacht war, hatte sie sich nichts dabei gedacht und war wieder eingeschlafen. Um vier Uhr morgens stand sie auf und kochte das Mor­ genessen, denn ihre beiden Söhne sollten an diesem Morgen Uhrengestelle über die Fern­ höhe hinüber nach Urach tragen. Als die Söhne nicht erschienen, als man sie auch nicht in der Kammer fand, stapfte Vater Beha zum Hof hinüber, fand aber in der Dunkel­ heit nur einen Haufen Schnee vor. Allmäh­ lich erst konnten die Eltern fassen, was geschehen war. Sie weckten den Dachdecker Löffler, der talauswärts hastete, um auf dem Kajetanshof Hilfe zu holen, und begannen, im Laternenschein nach Überlebenden zu suchen. Als die ersten Helfer an der Un­ glücksstelle eintrafen, hatte man soeben vier Töchter des Königenbauem lebend aus den Trümmern geborgen. Die Rettungsmaß­ nahmen wurden zusätzlich durch einen Kälteeinbruch erschwert, der den nas-237

llir)lict,, .An91C�l �rr 11,�aurrlic�rn .irftnrt, l’awint ,11 lrulurc� 1m �ciimoo..Oc, =::…�· .. „.::::,_-::,_,;;:::.::::r;e-.:-,:=.�-=.:1:z,t::;‘;.���J�….,-‚!f’z::‘,J.� . ,……., – Nördliche Ansicht der schauerlichen Schnee-Lawine zu Neukirch im Schwarzwalde, welche am Schalt­ tage, den 24. Februar 1844, nachts 11 Uhr den großen, an einem steilen, sehr hohen Bergabhange stehen­ den Hof des Bauern Martin Tritschler (der sogenannte Königenhef) total zertrümmerte und bei 20 Schritte von seiner Stelle abwärts schob. Von 24 Personen, die darin wohnten, wurden 17 auf die schrecklichste Weise, nebst vielem Vieh, getödtet und nur 7 konnten gerettet werden. (Bildunterschrift einer zeitgenössischen Lithographie, nach der Natur gezeichnet von Casimir Stegerer, Vöhrenbach. Nachdrucke befinden sich in den Wirtsstuben der Kalten Herberge und des Schweizer- hofs). sen Schnee zu Eis gefrieren ließ und die Überlebenschancen der Verletzten weiter verschlechterte. Nur sieben Personen über­ lebten das Unglück, die Bergung der Toten dauerte noch Tage. Umgekommen waren: 1.Bauer Martin Tritschler, 60, 2.dessen Ehefrau Walburga, geb. Heitzmann, 50, 3.deren Mutter Maria Faller, 70, 4.Lorenz Tritschler, 23, 5.Fidel Tritschler, 14, 238 6.Maria Tritschler, 19, 7.Magdalena Tritschler, 13, 8.der Hausmann Hilar Winterhalder, 30, 9.dessen Ehefrau K.Jara, geb. Hofmeier, 28, 10.deren Kinder Wilhelmine 5, und 11.Balbine, 3, 12.Salomon Hofmeier, 1, alle aufgebahrt auf Brettern in der Hofkapelle, 13.Philipp Beha, 20, der noch lange ge­ rufen hat, erst am Sonntagnachmittag,

3 Uhr, lebend geborgen werden konnte, aber eine halbe Stunde später starb, aufgebahrt in seinem Elternhaus, 14.Theresia Tritschler, 15, erlag ihren schweren Verletzungen am 27. Februar auf dem Jägerstieg, wohin man sie zu Verwandten gebracht hatte, 15.Katharina Hofmeier, Mutter von 12), Schwester zu 9), 21, am 27. Februar, abends 7 Uhr, tot aus dem Schutt geborgen, 16.Blasius Beha, 23, am 28. Februar abends tot in der Stube gefunden, 17.Thomas Tritschler, 18, am 29. Februar abends tot aus der Stube geborgen. Das Vieh, 28 Stück Rindvieh und zwei Pferde, wurde großteils noch lebend unter den Trümmern hervorgezogen; es mußte an Ort und Stelle von fünf Metzgern notge­ schlachtet werden, was das Grauen unter den Helfern noch verstärkt haben mag. „Nichts als Leichen heraustragen, selbe visitieren, beten“, so schrieb der an die Unglücksstelle geeilte Hochbergbauer Andreas Troll in sei­ nem Brief an einen ihm befreundeten Für­ stenbergischen Beamten, „Nichts als an dem zu Grund gegangenen oder halbtoten Vieh schlachten . . . Ich kann mir keine solche Szene vorstellen als in Rußland. An der Bere­ sina mag es auch so gewesen sein.“ Auf sechzehn Schlitten wurden die Toten auf den Friedhof von Neukirch überführt und in einem gemeinsamen Grab bestattet. Im weiten Umkreis verzeichnete man eine Welle spontaner Hilfsbereitschaft: Zugun­ sten der überlebenden wurden Kirchenkol­ lekten abgehalten, die Donaueschinger Hof­ kapelle veranstaltete ein Wohltätigkeitskon­ zert, der Fürst zu Fürstenberg und der Groß­ herzog spendeten jeweils fünfhundert Gul­ den. Der Oberwolflochbauer Andreas Bäuerle im Nachbartal verzichtete „aus edler, menschenfreundlicher Gesinnung“ auf einen ihm zugedachten Spendenanteil. Ihm hatte der Schnee drei Tage nach der Un­ glücksnacht ebenfalls übel mitgespielt: Mor­ gens um halb sieben hatten die Bäuerin und die Mägde eben den Jungviehstall verlassen, da drückte die Schneelast das Dach und zwei Drittel des Hauses ein und tötete zwei Rin­ der; nur Stube, Küche und Hausgang und der angrenzende Kuhstall waren unversehrt geblieben. Auf den Tag einhundertvierund­ dreißig Jahre später, am 26. Februar 1978, sollte dem Unterwolflochhof das gleiche Schicksal widerfahren; ihm freilich hatten seine Bewohner, ortsfremde Städter, in unsachgemäßer Weise einige tragende Bal­ ken entnommen, um sich ihr „Wochenend“ wohnlicher zu gestalten. Zwei Monate nach dem Unglück des Königenhofs mußte der Neukircher Pfarrer trotz der vielfältigen Hilfe feststellen: »Die Tritschlerschen älteren Kinder ziehen hei­ matlos umher.“ Im Jahr darauf wollte der Kajetansbauer den Hof wieder aufrichten. Das Bauholz lag schon bereit, doch, gerade als ob es nicht hätte sein sollen, starb der Bauer plötzlich während einer Pferdeprozes­ sion. Danach wurden auch die noch unver­ sehrten Nebengebäude abgerissen, das Grundstück vom Staat im Jahr 1878 erwor­ ben und aufgeforstet. Das Schicksal des Königenhofs bewegte die Gemüter der Wälder bis zum heutigen Tag. Auf dem Thurner wurde noch nach dem Zweiten Weltkrieg von bäuerlichen Laiendarstellern das Stück »Der Untergang des Königenhofs“ aufgeführt. Da Theater bekanntlich immer auch moralische Anstalt zu sein hat, geraten hier die Bäuerin zur frommen Dulderin, der Königenbauer zum tyrannischen Schurken und das Cego-Spiel zum wüsten Saufgelage. Dem gotteslästerli­ chen Fluchen des Bauern folgt denn auch – wie höheren Orts befohlen -die Strafe auf dem Fuße: Anderntags findet man die Spie­ ler -die Karten noch in den erstarrten Hän­ den! Nein, auf dem gottverlassenen Wagners­ tal liegt wahrlich nicht der Segen. Anno Fünfundvierzig lieferten sich hier, wo Fuchs und Has sich Gute Nacht sagen, „Wehr­ wölfe“ noch ebenso blutige wie sinnlose Gefechte mit den einrückenden Franzosen. Eine Lawinentragödie wie die vor 130 J ah­ ren ist im Schwarzwald eine Einzelerschei-239

nung geblieben, was nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken ist, daß seine Steil­ hänge großteils wieder bewaldet sind. Lawi­ nengefahr aber herrscht noch immer in den Wächtenkesseln der Hochlagen. Wehe dem Skiwanderer, der sich hier zur Unzeit hinein­ wagt oder hineinverirrt! Die nachfolgenden Beispiele sollen die Gefahr verdeutlichen: Auf dem das Feldseekar in halber Höhe querenden „Felsenweg“ wurde im Winter 1902 der Freiburger Dr. Otto Scheller von einer Lawine erfaßt und getötet. Am 1.Januar 1939 geriet hier eine Skiläufergruppe unter eine Lawine; sie brachte dem Freiburger Leonhard Wagner den Tod. Erst im Frühjahr 1940 gab ein Lawinenkegel am steilen Nord­ abfall des Stübenwasens die Leiche des monatelang vermißten Freiburger Fritz Steinbrück frei. Im Zastlerloch verschüttete am 23. Februar 1941 eine Lawine drei Skiläu­ fer; während der Bergungsarbeiten begrub eine Nachlawine die Rettungsmannschaft, aus der der Freiburger Bergwachtmann Fritz Nübling nur noch tot geborgen werden konnte. Ein Jahr darauf wurde die Zastler Viehhütte von einer Lawine teilweise zer­ stört. In einem Schneebrett starb am Dreikö­ nigstag 1966 der Kirchzartener Bergwacht­ mann Walter Wernet, im Winter 1980 der Freiburger Wolfgang Ehret, auch er ein Mit­ glied der Bergwacht. Es fällt auf, daß die Verunglückten alle­ samt ortskundige Einheimische waren: Alle hatten sie die Heimtücke des winterlichen Feldbergs unterschätzt! Die Route des Fern­ skiwanderwegs vom Rinken über den Feld­ bergrücken zur Todtnauer Hütte und weiter über den Stübenwasen ist zwar lawinensi­ cher, doch jedes Abweichen von der markier­ ten Strecke kann hier -zumal bei Nebel und Schneesturm – lebensgefährlich werden. Dem, der diesen Streckenteil bei ruhigem Wetter zurückgelegt hat, fehlt es in aller Regel an Vorstellungskraft, wie rasch sich die Feldbergüberschreitung bei einem Wetter­ sturz zum Drama entwickeln kann. Es kommt also nicht von ungefähr, daß die in­ ternationale Lawinenforschung dem Schwarz- 240 wald wichtige Impulse verdankt: Auf dem Feldberg sammelte der Freiburger Skipionier und Alpinist, der Professor der Geologie an der Technischen Hochschule Karlsruhe, Dr. Wilhelm Paulcke, genannt „Lawinen-Paul­ cke“, erste Lawinenerfahrung. Wie alle Dinge, so haben selbst Lawinen mitunter auch ihr Gutes: In den Jahren nach 1965 plante die Gemeinde Zastler die Erschließung des oberen Zastlertals mit einer Kabinenbahn. Die Verwirklichung des Plans, die fraglos die Zerstörung dieses Kernbe­ reichs des Naturschutzgebiets Feldberg mit seiner subalpinen Pflanzenwelt nach sich gezogen hätte, konnte letztlich nur mit dem Hinweis auf die übergroße Lawinengefahr verhindert werden. „Lawinengefahr“ – mit freundlicher Genehmigung des Verlags Schillinger in Frei­ burg. * Nun ist er da, der erste Schnee Und gleich soviel, o weh, o je, Die Kinder aber freuen sich, Ist das vielleicht verwunderlich? – Denk‘ doch zurück an diese Zeit, Auf die wir uns als Kind gefreut, Konnten noch von Herzen lachen, Wieder einen Schneemann machen. Das weiße Bild, es ist so schön, Wir können Gottes Wunder seh’n, Denn auch in einer Winternacht Ward uns des Himmels Kind gebracht. Johannes Hawner Erwartung *

Sport und Freizeit Erstmals Nationenpreis der Springreiter … und Junioren-Weltmeisterschaften der Gewichtheber in Donaueschingen 1986 wird Donaueschingen die beiden bedeutendsten Sportereignisse seiner Ge­ schichte erleben. Im Herbst, beim traditio­ nellen „Prinz-Kari-zu-Fürstenberg-Gedächt­ nis-Reitturnier“, sieht die Stadt am Donau­ Ursprung zum erstenmal einen Nationen­ preis der Springreiter, und im Frühjahr fin­ den in der Gewichtheber-Hochburg Donau­ eschingen die Junioren-Weltmeisterschaften der starken Männer statt. Zur Ehre des Nationenpreises kommt die Stadt quasi stell­ vertretend für den traditionellen Austra­ gungsort Aachen, wo im kommenden Jahr aber ohnehin die Weltmeisterschaften der Sattelartisten stattfinden, und stellvertretend auch für München. wo der Nationenpreis ausnahmsweise hätte stattfinden sollen und sich dann jedoch die Tribüne des Olympia­ Reitstadions von 1972 als nicht mehr stand­ fest genug erwies. So besannen sich die Ver­ antwortlichen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung der Organisationskünste und der gewohnt herzlichen Gastgeberschaft der Donaueschinger für die Springreiter und ver­ gaben den Nationenpreis für 1986 auf die Baar. Großereignisse des Sports großartig ge­ meistert zu haben, qualifizierte Donau­ eschingen auch für die Weltmeisterschaft der Gewichtheber-Junioren. Nicht nur die bei­ den Deutschen Mannschaftsmeisterschaf­ ten, die die blau-weißen Heber 1974 und 197 6 nach Donaueschingen holten, sondern vor allem die glanzvolle Ausrichtung der drei Donau-Cup-Veranstaltungen 1968, 197 5 und 1982 prädestinierten die Donaueschinger auch für die Übernahme einer derart gewalti­ gen Aufgabe. Präsident dieser Weltmeister­ schaft ist der Donaueschinger Kurt Weg­ mann, der „ Vater“ der großen Gewichtheber- Erfolge dieser tüchtigen Abteilung der Sport­ vereinigung Donaueschingen. Offizieller Veranstalter ist freilich der Bundesverband Deutscher Gewichtheber, offizieller Aus­ richter die Stadt Donaueschingen. In ihrem Namen hatte sich Bürgermeister Dr. Everke beim Abschluß-Bankett des Donau-Cups 1982 in der Donauhalle um diese Weltmei­ sterschaft beworben. Zehn Tage wird das weltweit Beachtung findende Sport-Spektakel in der Donauhalle A dauern, wenn vom 24. Mai bis 3. Juni die stärksten Heber-Junioren der Welt um die Titel im Reißen, Stoßen und im Zweikampf in zehn Gewichtsklassen kämpfen. Das 241 Kurt Wegmann

Organisationskomitee rechnet ein halbes Jahr vor dem feierlichen Auftakt zu dieser Weltmeisterschaft mit der Teilnahme von an die 50 Nationen, darunter auch so gewicht­ heber-exotische Länder wie Kuba, Japan oder einige südamerikanische Staaten. Unter den 450 Teilnehmern sollen rund die Hälfte Aktive, der Rest Offizielle und Trainer sein. Sie zu betreuen erfordert den Einsatz von mindestens 80 Helfern; sie werden über die Gewichtheber-Abteilung hinaus auch von den übrigen Abteilungen der Sportvereini­ gung gestellt. Gewaltig sind auch die Kosten für diese Veranstaltung: um die 600 000 DM umfaßt der Voranschlag, davon 83 000 DM, die die Stadt Donaueschingen aufzubringen hat. Vom Land werden 60000 DM Zuschuß erwartet, aus Bonn weitere 150 000. ARD und ZDF haben -anders als in den letzten Jahren beim Reitturnier -Übertragungen zugesagt, und beide Anstalten werden 1986 gewiß auch beim Nationenpreis wieder mit dabei sein. Bei den Gewichthebern wird es im übrigen einen ähnlichen Wettbewerb -eine „Nationenwertung“ -geben. Während alle Wettbewerbe in der Donauhalle A über die Bühne gehen, wird die Donauhalle B für jeden Publikumsverkehr gesperrt und ein­ schließlich des hallenartigen Durchganges Gerhard Strittmatter -Bankkaufmann und Radrennfahrer Von Kopf bis Fuß ein schneller Mann ist der Villinger Gerhard Strittmatter. Die Woche über hat der fixe Rechner als Bank­ kaufmann bei der Sparkasse Villingen­ Schwenningen mit Zahlen zu tun, am Wochenende jagt er als Radrennfahrer im Viererteam über die heißesten Bahnen Deutschlands und manchmal auch der Welt. Gerhard Strittmatter gehört zu dem deut­ schen Qiartett, das sich im Jahre 1983 den Weltmeistertitel im Viererverfolgungsfahren Auf dem Weg zum Weltmeistertitel 242 als Aufwärm-und Trainingszentrum, für Umkleideräume, als medizinischer Bereich und die nunmehr zwingend vorgeschriebe­ nen Dopingkontrollen zumindest für alle Medaillengewinner reserviert. Auch das ,,Pressezentrum“ soll hier noch Platz finden. Keine Probleme erwartet WM-Präsident Wegmann aus dem politischen Bereich, nachdem Russen und Bulgaren, Polen und die DDR-Heber in etlichen Klassen zu den Favoriten gehören. In kaum einer anderen Sportart sind die Kontakte über den Eiser­ nen Vorhang hinweg so ungetrübt herzlich. Anteil daran haben zwei Gewichtheber­ Funktionäre, die Donaueschingen aus zahl­ reichen Veranstaltungen kennen und jedes­ mal beeindruckt waren von der Organisation und Gastgeberschaft: der Wiener Gottfried Schödl, der Präsident des 125 Nationen als Mitglieder zählenden Gewichtheber-Welt­ verbandes, und Tamas Ayan, sein Stellvertre­ ter aus Budapest, im Hauptberuf der unga­ rische Sportminister. Beide haben, so heißt es, sofort zugestimmt, als der Bundesver­ band Deutscher Gewichtheber als mit der Ausrichtung dieser Juniorenweltmeister­ schaft beauftragter nationaler Verband vor­ schlug, diese Veranstaltung nach Donau­ eschingen zu vergeben. Gerhard Kiefer erstrampelte. Bei dieser Disziplin huschen vier athletisch gebaute Rennfahrer in hauten­ gen Trikots und seltsam, strömungsgünstig geformten Helmen möglichst eng hinterein­ ander über das Oval der Radrennbahn und erreichen dabei Geschwindigkeiten bis zu 60 Kilometer in der Stunde. Wichtig ist bei die­ sem Sport nicht nur eine eiserne Kondition und stahlharte Beinmuskeln, sondern auch ein kühler Kopf und gute Nerven. Siegen kann nämlich nur das Team, dem es gelingt,

möglichst eng beieinander zu bleiben und damit den Windschatten des Vordersten am besten auszunutzen. ,,Bei dieser Geschwin­ digkeit muß man“ so erzählt Gerhard Stritt­ matter, ,,höllisch aufpassen, wenn man mit nur wenigen Zentimetern Abstand am Hin­ terrad des Vordermanns klebt und so Runde um Runde dreht.“ Den ersten Schritt aufs Fahrrad machte der heute 23jährige Mitte der siebziger Jahre unter den Fittichen des Villinger Radfahrer­ clubs beim alljährlichen „Ersten Schritt“, einem Anfängerrennen rund um den Waren­ berg. Dabei dachte der sympathische Sport­ ler damals überhaupt nicht daran, auf Dauer in den Sattel und in die Pedale einer Rennma­ schine zu steigen. Der damals Zwölfjährige war begeisterter Skifahrer und fuhr nur Rad im Sommer, um so in Form zu bleiben für die schnellen Schußfahrten im Winter. Zum ersten Rennen, bei dem er dabei sein wollte, kam er gar nicht erst an den Start, denn bei der Ankunft nach Rietheim platzte ein Rei- Gerhard Strittmatter beim Training ten, und so begann die Sportkarriere des Ger­ hard Strittmatter eben erst ein Jahr später, nämlich 1975. Dann radelte er allerdings auf Anhieb seinen gleichaltrigen Konkurrenten souverän davon. Überrascht war nicht nur er selbst, son­ dern auch der erfahrene Vorsitzende des Vil­ linger Radfahrerclubs, Karl Weckerle, der sofort das Talent des Neulings erkannte. Bei Jugend-und Schülerrennen zeigte sich, daß Karl Weckerle sich nicht getäuscht hatte, und drei Jahre lang strampelte Gerhard Strittmat­ ter in den Farben des Villinger Clubs auf allen Straßen des Landes von Sieg zu Sieg. Doch dann war es wieder der Zufall, der den jungen Villinger Rennfahrer von der Straße auf das Oval der Radrennbahn lenkte. Nur so zum Spaß, wie er sich heute erinnert, startete Gerhard Strittmatter im Jahre 1978 bei den Württembergischen Bahnmeister­ schaften und wurde auf Anhieb Sieger. 243

Damit änderte sich für ihn mehr als nur die Bahn unter seinen schnellen Rädern. Ger­ hard Strittmatter wechselte nicht nur die Dis­ ziplin, sondern auch den Club und startete von da an für die Radsportgemeinschaft Böblingen. Hier fand er ideale Trainings­ möglichkeiten für das Bahnfahren, und bald wurde er in die Deutsche Nationalmann­ schaft gerufen. Gerhard Strittmatter hatte sich damit endgültig für die Bahnrennen ent­ schieden und startete fortan immer weniger auf der Straße. Die sportliche Karriere von Gerhard Strittmatter kam ins Rollen und nahm Fahrt auf. Im Jahre 1979 wurde er Deutscher Mei­ ster und erreichte im Team den dritten Rang bei der Weltmeisterschaft Doch diese Erfolge stiegen ihm nicht zu Kopf, und so wurde der Alltag zwischen den Siegen nicht vergessen. Gerhard Strittmatter begann 1978 eine Lehre als Bankkaufmann, die er 1980 abschloß. Die Sparkasse Villingen-Schwen­ ningen beschäftigt ihn heute als Kundenbe­ rater und läßt ihm viel freie Zeit für den Sport. Nach der Lehre folgte der Wehrdienst in Böblingen, der ideale Trainingsmöglich­ keiten und auch die dafür notwendige Beur­ laubung vom Dienst brachten. Doch noch im gleichen Jahr setzte ein schwerer Stun der glatten Durchfahrt zur Weltspitze ein vor­ läufiges Ende. Mit hartem Training und eisernem Willen nahm Gerhard Strittmatter nach seiner Genesung im Jahr 1981 einen neuen Anlauf. Mit Udo Hempel übernahm ein neuer Trai­ ner die Nationalmannschaft, und schon das Jahr 1982 brachte dem deutschen Team die Vize-Weltmeisterschaft. Der große Wurf gelang dann im Jahr 1983 nach einem span­ nenden Rennen in Zürich. Der Weltmeister­ titel kam nach Deutschland. Gerhard Stritt­ matter und seine Kameraden hatten es ge­ schafft Die Fahrkarte zur Olympiade 1984 nach Los Angeles lag damit bereit, doch der Start in Amerika brachte dem jungen Villin­ ger nur Ärger und eine große Enttäuschung. Eigentlich wollte er damals das Rad in die Ecke stellen, doch dann gab es für ihn doch noch einmal ein erstrebenswertes ZieL näm­ lich im Jahr 1985 noch einmal auf der ober­ sten Stufe der Treppe für die Weltmeister zu stehen. Wie man das macht, hat Gerhard Stritt­ matter über Jahre hinweg gelernt. So klettert er wieder Tag für Tag auf das Rennrad und dreht im Schwanwald seine Trainingsrun­ den. Kein Berg ist ihm dabei zu hoch und kein Wind zu kalt So an die hundert Kilo­ meter am Tag sind es allemal, was der junge Villinger mit den schnellen Beinen herunter­ strampelt, um sich damit für die großen Radrennschlachten und auch die kleinen Rennen fit zu halten. Der Weltmeistertitel wird, so Gerhard Strittmatter, dann endgül­ tig der Schlußpunkt hinter der Laufbahn als Amateur im Radrennsattel sein. Klaus-Peter Friese Portrait einer vorbildlichen Sportlerin Elke Meyer nach sechzehnjähriger Trainingsarbeit auf dem Höhepunkt ihrer Karriere Elke Meyer, 1964 in Furtwangen geboren, stammt aus einer sehr sportlichen Familie. Ihre Eltern, Erika und Leo Meyer, können selbst sehr große sportliche Leistungen nach­ weisen. Elkes Vater ist heute erfolgreicher Sportlehrer am Otto-Hahn-Gymnasium Furtwangen und Trainer der Leistungsriege im Turnverein 1872 e. V. Furtwangen. 244 Im Alter von 4 Jahren absolvierte Elke ihre ersten sportlichen Versuche im Turnver­ ein Furtwangen. Ein Jahr später bestritt sie schon den ersten Wettkampf im Geräte-Vier­ kampf beim Kinderturnfest des Schwan­ waldtumgaues. Drei Jahre später errang sie mit einer Schülermannschaft den 1. Platz in der Allgemeinen Klasse. 1972 wurde im

Schwarzwald-Turngau eine Gauliga im Gerä­ teturnen eingeführt. Den Titd eines Mann­ schafts-Gaumeisters errang sie 12Jahre in Folge. Nach 7 Jahren intensivem Training gdang ihr der Durchbruch zur Spitze. Sie errang zum ersten Male den Gautitel in der Lei­ stungsklasse Geräteturnen, den sie dann sie­ benmal hintereinander errang. Durch ihre Erfolge und ihre vorbildliche Lebensfüh­ rung wurde Elke in den C-Kader des Landes berufen. Elke Meyer ist nicht nur eine sehr gute Turnerin, sie hat auch Talent zur Leichtathle­ tik. Seit 1977 betrieb sie neben dem Turnen auch Leichtathletik und spezialisierte sich von nun an auf gemischte Mehrkämpfe. So hatte sie auf Gau-, Landes-und Bundesebene gleich Erfolge zu verzeichnen. 1977 gewann sie den Titel einer Gau-Mehrkampfmeiste­ rin. Diesen Titel konnte sie bis 1984 erfolg­ reich verteidigen. 1978 wurde sie Badische Vizemeisterin bei den Mehrkampfmeister­ schaften. Den ersten großen Höhepunkt hatte sie ein Jahr später. Neben 3 Einzelsie­ gen im Turnen und in der Leichtathletik wurde sie Badische Meisterin im gemischten Mehrkampf. Als Elke Meyer zum erstenmal bei Deutschen Mehrkampfmeisterschaften starten durfte, erreichte sie einen hervorra­ genden 5. Platz. Auch mit der Mannschaft des Turnvereins Furtwangen nahm sie mehr­ mals an Badischen Meisterschaften im Tur­ nen teil und konnte einen 1. Platz, zwei 2. Plätze und einen 3. Platz erreichen. Für die weiteren Jahre blieben ihre Lei­ stungen konstant So wurde Elke Meyer im Jahre 1980 bei den Badischen Mehrkampf­ meisterschaften 3. und bei den Deutschen Mehrkampfmeisterschaften 4. Siegerin. Dies war ihre beste Plazierung bei den Deutschen Mehrkampfmeisterschaften. In den weiteren 4 Jahren errang sie bei den Badischen Mehr­ kampfmeisterschaften noch einen 2. und einen 3. Platz, bei den Deutschen Mehr­ kampfmeisterschaften einen 11. Platz. Aber wie es im Sport so ist, blieb auch Elke Meyer von Verletzungen nicht verschont 245

und mußte etwas kürzer treten. Durch eigene Ausdauer und Energie, aber auch durch die Unterstützung ihrer Eltern, die Elke immer auf Wettkämpfe hervorragend einstellen konnten, erlebte sie einen außergewöhnli­ chen Erfolg mit der Schulmannschaft des Otto-Hahn-Gymnasiums beim Wettbewerb ,Jugend trainiert für Olympia“. Diese Mann­ schaft hatte durch die Erfolge auf Kreis-, Oberschulamts-und Landesebene das Bun­ desfinale erreicht. Ein einwöchiger und erlebnisreicher Aufenthalt in Berlin war schließlich der verdiente Lohn für alle Mühen und Strapazen. Eine langwierige Ver­ letzung beeinflußte Elkes sportliche Ent­ wicklung im Jahre 1981. Sie bestritt im turne­ rischen Bereich weniger Wettkämpfe und versuchte es nur mit leichtathletischen Diszi­ plinen. Auf Anhieb schaffte sie einen 4. Platz bei den Badischen Leichtathletikmeister­ schaften im Frauen-Fünfkampf. Durch die­ ses Ergebnis qualifizierte sie sich sofort für die Deutschen Leichtathletikmeisterschaf- Seine Bronzemedaille bei der Senioren­ W eltmeisterschaft 1984 am traditionsreichen Holmenkollen im norwegischen Oslo hielt er seinerzeit eigentlich für den größten Er­ folg seiner aktiven Laufbahn als Langläufer. Doch ein Jahr später sollte es, diesmal auf deutschem Boden, noch besser kommen. Am 8. Februar 1985 stand der Obereschacher Klaus Weiß ganz oben auf dem Podest -als Weltmeister bei der Senioren-WM in der 3 x 10-krn-Staffel. Ein Traum war Wirklichkeit geworden; eine lange, erfolgreiche, sehr hart erarbeitete Sportkarriere hatte ihren Höhepunkt gefun­ den. Das süddeutsche Trio, die Staffel I der Bundesrepublik in der Altersklasse der 40- 45jährigen -mit dem Schwarzwälder Klaus Weiß als Startläufer, dem Schwaben Georg Allgaier als zweitem Läufer und dem Bayer Heini Simon als Schlußläufer -gab den star- 246 ten und errang einen beachtlichen 23. Platz beim Deutschen Turnfest in Frankfurt. Das Jahr 1984 war ein weiterer Höhepunkt ihrer Laufbahn, Elke Meyer war nun wieder „topfit“. Beim Landesturnfest in Singen wurde sie wieder Badische Meisterin im Mehrkampf und gleichzeitig Turnfestköni­ gin. Bei den Deutschen Mehrkampfmeister­ schaften in Waiblingen errang sie einen beachtlichen 10. Platz. Ein krönender Ab­ schluß des Jahres 1984 war die Kürung zur Sportlerin des Jahres durch den Schwarz­ wald-Turngau beim Gauturntag in Hüfin­ gen. Für ihre 16jährige erfolgreiche sportliche Tätigkeit und für ihre vorbildliche Lebens­ führung wurde Elke Meyer diese hohe Aus­ zeichnung zugesprochen. Verwunderlich ist es nicht, daß ihre Berufsausbildung eng mit dem Sport verknüpft war, denn sie studierte in Karlsruhe Sport und Technik. Wer weiß, wie lange sie noch Leistungssport betreiben wird. Otto Weißer ken Skandinaviern und Tschechen das Nach­ sehen. Mit einem Vorsprung von 2,28 Min. erkämpften sich die drei Süddeutschen unter der insgesamt 47 gestarteten Staffeln das begehrte Gold. Qualifiziert für die Teil­ nahme in der Staffel I der Bundesrepublik hatte sich Klaus Weiß durch einen aus­ gezeichneten 5. Platz im 30-krn-Einzellauf und einen 4. Platz im 15-krn-Rennen. Dieser Weltmeistertitel von Klaus Weiß ist für Eingeweihte zwar ein überaus erfreuli­ ches Ereignis, aber beileibe keine Überra­ schung. Schließlich stehen auf dem Konto des Obereschachers seit 1959 unzählige Siege und hervorragende Plazierungen. Nur wenige Tage nach dem WM-Gold gewann er auch Europas schwersten Skimarathon, den Rucksacklauf von Schonach zum Belchen. Wer den Weg des im guten Sinne ehrgeizi­ gen und zielstrebigen Sportlers mitverfolgt Klaus Weiß – Seniorenweltmeister im Langlauf

Baar-Kreis. Die Schreinerwerkstatt ist inzwi­ schen verlassen, im elterlichen Anwesen ent­ standen 1984 neue schmucke Geschäfts­ räume mit angenehmer Atmosphäre. Letztere, wie auch seine sportliche Lauf­ bahn, sind freilich nicht nur sein eigener Ver­ dienst. Zusammen mit seiner Frau Anneliese und den Zwillingen Cordula und Bettina besteht ein harmonisches Familienleben, ohne das, nach seinen eigenen Worten, sowohl sein sportlicher Werdegang als auch die positive geschäftliche Entwicklung nicht möglich gewesen wären. Sorgen macht sich Klaus Weiß um die Zukunft des Langlaufsports im W ettbe­ werbsbereich. Die neue Finnstep-Technik, die nicht mehr den Stilisten und Techniker benötigt und bei der auch die hohe Kunst des richtigen Wachsens in den Hintergrund tritt, die also eher den „Kraftprotz“ favorisiert, betrachtet er, trotz der erzielbaren schnellen Zeiten, mit großer Skepsis. Die gesundheit­ lichen Risiken, die gerade für junge Läufer mit der neuen Technik verbunden sind, erscheinen ihm als Jugendtrainer und Betreuer zu groß. Auch die Perspektive, künftig überwiegend „zertretene“ Loipen vorzufinden, nähren seine kritische Betrach­ tung für diese zweifelhafte Entwicklung im Langlaufsport. Kraftsport statt Ästhetik-das ist nicht die Sache des Seniorenweltmeisters Klaus Weiß. Hilmar Kirchgessner * Herr, ich bin auf Deinen Wegen, Laß sie mich gehen, wie Du willst, Schenk‘ mir, Herr, nur Deinen Segen, Der Du die Tränen aller stillst. O bleib‘ bei mir, verlaß mich nicht Auf dieser großen weiten Welt; Du bist die Wahrheit und das Licht, Das auch die dunkle Nacht erhellt. Johannes Hawner 247 Auf Gottes Spur I hat, weiß, daß der Obereschacher immer für Spitzenleistungen gut ist. Sei es im Sommer auf dem Rennrad, im Herbst auf den Ski­ Rollern oder im Winter in der Spur -seine Freunde und Trainingspartner sehen ihn eigentlich am meisten von hinten. Seine sportlichen Erfolge distanzieren ihn aber nicht von seinem Umfeld-das Gegenteil ist der Fall. Im Skiclub Villingen, dem Klaus Weiß seit 1965 angehört und wo er seit 1969 als Sport­ wart und Trainer für das Langlaufgeschehen verantwortlich zeichnet, ist sein Rat und seine reiche Erfahrung eine gefragte „ Ware“. Folgerichtig und für seine Art schlüssig war dann auch seine berufliche Entscheidung vor über 10 Jahren. Der gelernte Schreiner und Techniker entschloß sich, Sport und Beruf in einen Topf zu werfen und eröffnete in Vaters Schreinerwerkstatt ein kleines Sportgeschäft. Ohne großen äußeren Pomp und in bemerkenswerter persönlicher Bescheidenheit entwickelte er seine Firma vom „Feierabend-Lädele“ zu einem der füh­ renden Sportfachgeschäfte im Schwarzwald-

Skiinternat Furtwangen „ Wir müssen neue Wege gehen“, befand der Präsident des Skiverbandes Schwarz­ wald, Dr. Freddy Stober. Eine Ansicht, mit der er nicht alleine dasteht: Da gibt es noch zahlreiche weitere Sportler und Funktionäre, die haben es ebenfalls satt, zusehen zu müs­ sen, wie die Nordischen bei internationalen Vergleichen hinterherlaufen. Um im nordi­ schen Skisport in naher Zukunft wieder vorne dabei sein zu können, so Stobers Gedankengang, müsse man sich verstärkt dem Nachwuchs zuwenden. Dann begann er zu handeln, und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Das Skiinternat Furtwangen, eine Talentschmiede für Langläufer, Sprin­ ger und Kombinierer. Eine Fördereinrich­ tung zugleich, in der auch an die „Zeit danach“, an die Berufsausbildung gedacht wird. Als in der Bundesrepublik bislang ein­ malige Institution hat das Skiinternat zum Schuljahresbeginn 1984/85 seinen Betrieb aufgenommen. Für die Gründung der Talentschmiede waren jedoch nicht nur die ausbleibenden Erfolge der Senioren maßgebend, auch menschliche Aspekte spielten eine Rolle. Denn: Die Nordischen sind ein ganz anderer Menschenschlag als die Alpinen. Letztere besuchen das Skigymnasium in Berchtesga­ den, widmen sich in erster Linie dem Lei­ stungssport und machen „nebenher“ ihr Abi­ tur. Die Nordischen aber, die möchten nach den Erfahrungen des Schwarzwälder Skiver­ bandes lieber im heimischen Schwarzwald bleiben und ein Handwerk erlernen. In der Tat kein ungewöhnlicher Wunsch und doch, er schafft Probleme. Leistungssport und Schule nämlich lassen sich gerade noch „unter einen Hut bringen“, die völlig anders gelagerte Berufsausbildung aber ist mit Lei­ stungssport nur schwer zu kombinieren. Deshalb sah sich schon so manches Talent vor die Entscheidung Leistungssport oder Berufsausbildung gestellt Und manch einer, der sich für den Sport entschied und bei dem der große Erfolg ausblieb, stand nach seiner Aktivenzeit mit leeren Händen da. Freddy Stober wollte nun beides errei- Ex-Trainer Urban Hettich (von links) weist seinen jungen Schützlingen im Gründungsjahr des Skiinter­ na/es Furtwangen den Weg: Christian Kieh! Friedrich Braun, Frank Schneider und Wolfgang Scbyle. 248

eben: eine optimale sportliche Förderung und die Absicherung für die Zukunft in Form einer Berufsausbildung. Wie schwierig es letztlich war, diese Gedankengänge zu rea­ lisieren, das zeigt schon allein ein Blick auf das Kuratorium des Furtwanger Skiinterna­ tes. Mit all diesen Behörden und Institutio­ nen sowie Ministerien galt es bereits im Vor­ feld der Gründung langwierige Verhandlun­ gen zu führen: Bundesministerium des Innern, dem Land, vertreten durch das Mini­ sterium für Kultus und Sport, Deutscher Sportbund, Deutsche Sporthilfe, Deutscher Skiverband, Skiverband Schwarzwald und Schwäbischer Skiverband, Landessportbund Baden-Württemberg, Badischer Sportbund, Deutsche Provinz der Salesianer Don Bosco, der Stadt Furtwangen und last not least dem Schwarzwald-Baar-Kreis, der das Zustande­ kommen dieser Modelleinrichtung ebenfalls begrüßte. Die Suche nach einem geeigneten Stand­ ort konnte Stober schon bald erfolgreich abschließen. In der knapp 10 000 Einwohner zählenden Schul- und Sportstadt Furtwan­ gen fand der SSV-Präsident einen geradezu idealen Partner. Neben einer ganzen Reihe von beruflichen und weiterführenden Schu­ len besitzt die Stadt auch vorbildliche Sport­ anlagen. Hinzu kommt: Furtwangen ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Schneeloch. So bietet unter anderem das über 1100 Meter hoch gelegene Skizentrum Martinskapelle den gesamten Winter über optimale Trai­ ningsmöglichkeiten. In Furtwangen ist zu­ dem einen beleuchtete Sprungschanze vor­ handen, die nun zu einer Mattenschanze umgebaut werden soll, was Kosten von rund einer Million Mark verursacht. Danach kön­ nen die Springer auf der 60-Meter-Schanze das.ianze Jahr über trainieren. Uberhaupt machte die Koordination der sportlichen Belange die wenigsten Probleme. Alles was man für ein optimales Aufbautrai­ ning benötigt, liegt in Furtwangen quasi vor der Haustüre. Auch einen Trainer hatte man bald gefunden: Urban Hettich, Silbermedail­ len-Gewinner in der Nordischen Kombina- tion bei den Olympischen Winterspielen 1976. Er leitete das Skiinternat (Bundesstütz­ punkt IV Hochschwarzwald) im Gründungs­ jahr und wurde nun von einem Dreier-Team abgelöst: Uli Gasehe trainiert künftig die Springer, Martin Schartel die Langläufer, und Bundestrainer Klaus Faist widmet sich den Kombinierern. Schwieriger war es jedoch, die Sportler in den Alltag der Furtwanger Berufsfachschule zu integrieren. Denn mit dieser Schule ist das Skiinternat eng verflochten, hier erhalten die Sportler ihre Berufsausbildung. Tägliches Training und zahlreiche Wettkämpfe im Winter machen einen speziellen Stunden­ plan erforderlich. Im Gründungsjahr gehör­ ten gerade vier Leistungssportler dem Skiin­ ternat an, und alle wollten zu Feingeräteelek­ tronikern ausgebildet werden. Da die vier jedoch oft dann nicht zum Unterricht er­ scheinen können, wenn ihre Klassenkamera­ den anwesend sein müssen, gestand ihnen das Kultusministerium eine individuelle Ausbildung zu. Neben Gruppenunterricht zählt auch eine Verlängerung der Ausbil­ dungszeit von drei auf dreieinhalb Jahre dazu. Die Verlängerung der Lehre erfolgte wegen der Doppelbelastung, und daß diese ernorm ist, zeigte sich bereits am Ende des ersten Schuljahres: Freddy Stober meint nun, es sei sogar ratsam, den Ausbildungsplan auf vier Jahre zu strecken. Auch in der Zukunft dürfte wohl vor allem die Finanzierung des ehrgeizigen Pro­ jektes ein Problem darstellen. Hätte sich nicht das Land Baden-Württemberg beson­ ders großzügig gezeigt, dann wäre das Skiin­ ternat wohl für immer ein Wunschtraum geblieben. Das Land trägt einen großen Teil der laufenden Kosten und finanziert unter anderem 50 Prozent des Trainergehaltes. Die andere Hälfte bezahlt der Bund über den Deutschen Skiverband. Das Land geneh­ migte aber auch Investitionszuschüsse für zusätzliche Ausbildungsplätze an der Berufs­ fachschule und finanziert zudem den Bau einer Mattenschanze. Und: Das Land hat auch dazu beigetragen, das Wohnproblem 249

sein Skiinternat im übrigen noch nicht gefunden. Skiverband Schwarzwald und Kultusministerium hoffen nach wie vor, daß die Stadt Furtwangen eines Tages in diese Rolle schlüpft. Freddy Stober jedenfalls zeigt sich, was die Zukunft anbelangt, optimi­ stisch. Fest steht: Mehr, als in Furtwangen für den nordischen Nachwuchs getan wird, kann wohl nicht mehr getan werden. Bleibt für die kommenden Jahre zu hoffen, daß sich der kostspielige Betrieb des Skiinternates auch in sportlichen Erfolgen niederschlägt. Wilfried Dold * Wintergefühl Ich weine meine Tränen nicht vor deinem Harm, entlaubter Wald. Ich will dem Froste mein Gesicht und meine Haare der Gewalt des Sturmes bieten, übers Eis hingehen, das mich drohend wiegt, und einsam durch den Schnee, der weiß und endlos mit dem Winde fliegt. Ich will mit Lust des Winters Pein und seine lange Nacht ertragen. Ich will in seinem Schatten schweigen. Nach Fristen wird die Lerche steigen. Die Welle wird ans Ufer schlagen. Das Unvergleichliche wird sein. Gisela Mather * zu lösen, indem es die Einrichtung und Aus­ stattung der benötigten Zimmer im Don­ Bosco-Heim übernahm. In dem Wohnheim der Salesianer sind die vier vom „Skif“ (Abkürzung für Skiinternat) zuhause. Der Platz im Jugendwohnheim kostet monatlich 720 DM. Zwar gewähren Sporthilfe und Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg Unterstützung, die Eltern müssen im Monat jedoch mindestens einen Eigenanteil in Höhe von 220 Mark aufbringen. Im vergangenen Jahr hatte die Gründer­ mannschaft ihr erstes Jahr absolviert. Die Talente scheinen zufrieden zu sein. Die 16jährigen halten es mit ihrem ehemaligen Trainer Hettich, der meinte: ,,Für die Jungen soll nicht der Eindruck entstehen ich muß, sondern ich darf trainieren“. Zur Gründer­ mannschaft gehören: Frank Schneider aus Schonach, Deutscher Schülermeister in der Nordischen Kombination 1983 und Mit­ glied des Bundeskaders C. Wolfgang Schyle aus Schonach, Deutscher Schülervizemeister im Spezialspringen und ebenfalls Angehö­ riger des Bundeskaders C. Friedrich Braun aus Baiersbronn und Christian Kiehl aus Schopfheim, die dem D-Kader des Landes angehören. Freddy Stobers Zielvorstellung ist es, eines Tages mindestens drei Klassen im Skiinter­ nat zu haben, rund 24 Sportler zu betreuen. Doch bis dorthin scheint es noch ein weiter Weg zu sein. Im zweiten Jahr des Bestehens stieg die Zahl der Sportler zunächst einmal auf sieben, außerdem gibt es auch „Externe“, Talente, die mit den Angehörigen des Skiin­ ternates trainieren, aber zuhause wohnen. Daß sich der Ansturm auf das Skiinternat zunächst in Grenzen hält, hat viele Gründe. Eine Rolle spielen einmal die hohen Anfor­ derungen der Furtwanger Berufsfachschule, und zum anderen gibt es nordische Talente eben nicht wie „Sand am Meer“, wie Urban Hettich meint. Eine der Aufgaben des Skiin­ ternates wird es deshalb auch sein, selbst nach talentierten Buben und Mädchen Ausschau zu halten. Einen Träger hat SSV-Präsident Stober für 250

Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Die Villinger Jugendherberge Von Helmut Heinrich „Willkommen in dieser Herberge, der du den heutigen Tag in Gottes freier Natur ver­ bracht hast und nun hier einkehrst! Denn diese Herberge ist für dich da, sie steht dir mit allen Einrichtungen zur Verfügung und will dir gastliche Unterkunft und freundliches Obdach sein … Und wir bitten dich, der du heute einkehrst: Achte die Hausordnung, denn sie gewährleistet die Ruhe und Ord­ nung in der Herberge, und achte jeden andern, der gleich dir heute hier übernachtet, denn auch er ist ein Wanderfreund wie du, ein Mensch, der sich an der Schöpfung Got­ tes erfreuen und erholen will. Im Geiste der Gemeinschaft sollt ihr alle zusammen heute am gleichen Tisch sitzen und in froher Runde eure Lieder singen. Und ihr sollt bedenken, daß euch allen die Aufgabe gestellt ist, ein neues Volk zu schaffen, in neuem Geiste, im Geist des Miteinander und Füreinander. In der Freude am Wandern soll Zeichnung: H Heinrich die Jugend der Welt sich zusammenfinden zu aufrichtiger Gemeinschaft, hinein in eine bessere Zukunft.“ Das ist ein Ausschnitt aus „zum Geleit“ des Gästebuches 1951-1956 der alten Villin­ ger Jugendherberge. Diese Widmung ist nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben. Es klingt darin jene Zeit der zwanziger Jahre nach, als wir selbst in der bündischen Jugend den Schwarzwald erwanderten und die Klampfe und der „Zupfgeigenhansl“ zum Marschgepäck der Jugendgruppe gehörten. Die Jugendherbergen entstanden um die Jahrhundertwende aus der deutschen Ju­ gendbewegung heraus. Diese Bestrebungen der Jugend nach einer besseren Welt waren zeitkritisch mit unterschiedlichen Zielvor­ stellungen. Rousseaus Forderung „Zurück zur Natur“ wurde wieder lebendig; Dichter, Schriftsteller und Philosophen untermauer­ ten diese Strömung. Hermann Löns mit sei-251

nen Liedern gilt als Symbolfigur der Jugend­ bewegung, der bündischen Jugend, die kon­ fessionellen Jugendverbände eingeschlossen. Der pädagogische Bereich erhielt in die­ sem Prozeß der Menschenbildung wichtige Anregungen. ,,Dazu gehört die grundsätz­ liche Anerkennung der Berechtigung der Jugendkultur, die Erkenntnis, daß die Jugend ein Recht auf Selbsterziehung besitzt“ (Walter Scheel). In dieser Zeit des Umbruchs, des Sichhin­ wendens in „Gottes schöner Welt“ zu den neuen Idealen, entstanden die J ugendherber­ g�n. Sie wurden der wandernden Jugend Ubemachtungs-, Aufenthalts- und Begeg­ nungsstätte. Und was 1912 in Deutschland begonnen, setzte sich auch bald in anderen Ländern durch. So haben die Jugendherbergen eine gesell­ schaftliche und soziale Funktion: Sie ermög­ lichen der ,Jugend unterwegs“ eine gezielte Freizeit und Erholung. Sie sind soziale Ein­ richtungen durch ihr Angebot. Sie schaffen einen pädagogisch motivierten, letztlich po­ litischen Rahmen für internationale Begeg- 252 Speisesaal der Jugendherberge nungen. Sie tragen dazu bei, dem Menschen unserer Industriegesellschaft Hilfen für die Bewältigung seiner Freizeit zu geben. Sie bie­ ten Möglichkeiten, in einem ergänzenden sozialen Lernen während der Schullandheim­ aufenthalte der Schulklassen formend auf den jungen Menschen einzuwirken. ,,Die gesell­ schaftlich und politisch relevanten Funktio­ nen der Jugendherbergs-Arbeit haben auch in Zukunft eine wichtige Bedeutung“ (DJV). Die erste Villinger Jugendherberge, vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden, war in der Kanzleigasse bis 1962 untergebracht. Frau Ruck, die ehemalige Herbergsmutter, erzählt von jenen Jahren, als im Oberge­ schoß die „jungen Leute“ Aufnahme fanden. Zuerst schliefen sie auf prall gefüllten Stroh­ säcken, dann, erst Jahre später, kamen die Matrazen. Eine Kochstelle war ebenfalls vor­ handen. Frau Ruck zeigt die Gästebücher, in denen die Wanderer Dank und Anerken­ nung zollten und „die Schönheit des Städt­ chens und der Natur“ rühmten.

1963 wurde im Norden der Stadt die neue Jugendherberge gebaut. Initiator dieser Maß­ nahme war Karl Brachat, Oberschulrat, einst Leiter des hiesigen Staatlichen Schulamts und selbst im Vorstand des Jugendherberg­ werks tätig. Als Abgeordneter und Vorsitzen­ der des kulturpolitischen Ausschusses im Landtag Baden-Württemberg war ihm die Errichtung dieser Jugendherberge ein beson­ deres Anliegen. Das Haus hatte zuerst 125 Betten. Nach dem Ausbau des Daches 1978 stieg die Bet­ tenzahl auf 147. Diese neugewonnenen Räume, Drei- und Vierbettzimmer, werden meist von Familien und Einzelwanderern belegt. Die Übernachtungszahl betrug 25.000 im Schnitt pro Jahr. Der erste Her­ bergsvater des neuen Hauses war Herr Respondek, und nach dem Abschied dieser umsichtigen Herbergsfamilie kam 1971 die Familie Bruno Scharf, ein tüchtiges Arbeits­ team, das einen vielseitigen Einsatz leistet. Es gehört ein großes Maß an Idealismus und Verständnis dazu, einem solchen Haus mit einer mobilen, ständig wechselnden Bele­ gung vorzustehen. Beim Gespräch wurden die mannigfachen Aufgaben aus dem Alltag der Herbergseltern erörtert. Die Übernach­ tungszahlen sind drastisch zurückgegangen. Die Schullandheimaufenthalte werden weni­ ger, bzw. zeitlich reduziert. Um die Winter­ belegung zu aktivieren, wäre es notwendig, den Raum des Oberzentrums noch mehr als Wintersportgebiet auszuweisen und z.B. durch Skischulangebote mehr junge Gäste und Schulklassen hierher zu bringen. Ferner sollten sich die Busmöglichkeiten in die nahen Wintersportgebiete verbessern. Das Wandern könnte noch mehr in das Auf­ enthaltsprogramm einbezogen werden, bie­ tet doch dieser Raum eine Menge interessan­ ter geologisch-botanischer Besonderheiten und birgt eine Fülle historischer und kunst­ geschichtlicher Plätze. Die Jugendherberge schafft auch gute Möglichkeiten für die Durchführung von Wochenendfreizeiten. Gerade in den An­ fangsjahren, als das Bedürfnis nach einer Begegnung der Jugendlichen und Erwachse­ nen miteinander zu musischem Tun noch stärker war, wurden solche „Wochenenden“ in der Jugendherberge Villingen zu festli­ chen Stunden in der Gemeinschaft. Wie oft waren wir doch hier draußen mit 50 bis 60 Teilnehmern zu „musischen Wochenenden“: Musikanten, Sängerinnen und Sänger, Werker zur Einstimmung für die Feste des Jahreskreises in Schule und Haus. Es waren Junge und Ältere aus allen Schich­ ten, die sich zusammenfanden zu musi­ schem Team. Und die Herbergseltern leiste­ ten zum Gelingen solcher Begegnungen mit ihrem Beitrag. Solche Treffen könnten auch heute noch durchgeführt werden; gerade in unserer hastenden und auch oft unpersönli­ cher werdenden Gesellschaft ist die mensch­ liche Begegnung notwendig. Die Jugendher­ berge mit ihren räumlichen Möglichkeiten ist ein günstiger Rahmen für solches Tun. Jugendliche und Erwachsene besuchen die Jugendherberge im Stadtbezirk Villingen aus dem westlichen Europa, aber auch aus dem Norden – vor einiger Zeit verließ eine finnische Schulklasse nach zehntägigem Aufenthalt das gastliche Haus. Es kamen Schülergruppen mit ihren Lehrern aus Fried­ richsthal, der Patenstadt, aus Bremen, Bochum, Köln, Müllheim und Wolfsburg, um nur einige Städte zu nennen. Sie werden in der Jugendherberge voll verpflegt. Auch die caritativen Verbände führen über die Ferienmonate hier Erholungsmaßnahmen sozial schwacher Kinder durch. Gerade in unserer Zeit mit verstärktem Umweltbewußtsein und Streben nach dem Erhalt unserer Landschaft sind die Familien und die Jugendlichen aufgerufen, die Heimat kennenzulernen, ,,damit sie ihr eigenes Land besser verstehen“ (DJH). Es ist zu wünschen, daß die Jugendherbergen wieder mehr ins Bewußtsein unserer Zeit hineinwachsen, auf daß sie wieder ihren Beitrag für uns alle lei­ sten können. * 253

Das Feriendorf in Unterkimach Als im Juli 1983 das Feriendorf der Hapi­ mag in Unterkirnach seine Tore öffnete, fand eine recht lange Erkundungs-, Planungs-und Bauphase ihren positiven Abschluß. Das Grundstück, auf dem das Dorf der Hapimag gebaut wurde, liegt an schönster Hanglage etwa 10-15 Gehrninuten vom Dorfkern ent­ fernt. Die Lage oberhalb des Dorfes, am Waldrand und in der Nachbarschaft zu einer Einfamilienhauszone gelegen, verlangte nach einer diesen Umständen angepaßten Baukonzeption und Architektur. Nachdem 1980 ein erstes Vorprojekt in den Augen der Bauherrin noch keine Gnade fand, ver­ mochte ein zweites den Ansprüchen, Anfor­ derungen und Erwartungen zu genügen und wurde anschließend weiterbearbeitet. Nach einer Phase intensiver Planung, nach zahlrei­ chen Verhandlungen mit den verschiedenen zuständigen Behörden, mit Nachbarn und anderen am Bau Interessierten wurde 1981 die Baubewilligung erteilt. Mitte September 1981 konnte es losgehen mit dem Ziel, bis Ende des Jahres die Tief­ garage im Rohbau fertigzustellen. Daß die Arbeiten programmgemäß voranschritten, zeigte sich dann im Frühling 1982. Auf der im Rohbau fertig erstellten Unterflurgarage waren drei Häuser schon bis zur ersten Decke gebaut und die Kanalisation für das Ferien­ dorf in Arbeit. Durch entsprechende Vor­ kehren -es wurde ein schützendes Bauzeit aufgestellt -war im Winter trotz Kälte und Schnee fast ohne Unterbruch gearbeitet wor­ den. Im Herbst ’82 konnte der Betrachter bereits die Struktur des Feriendorfes in seiner Gesamtheit erkennen, und nach 18monati­ ger Bauzeit am Sommerberg war im Juli im neuen Hapimag-Feriendorf alles bereit. Das Verwalter-Ehepaar Kasper freute sich mit 254

seinen Mitarbeitern, die ersten Gäste emp­ fangen zu dürfen. Die beim Start der Planungs-und Bauar­ beiten zuweilen aufgetauchte Skepsis wich mit der Realisierung freundlicher Zustim­ mung, insbesondere auch beim ansässigen Gewerbe. Das befürchtete touristische Mam­ mutprojekt entpuppte sich als gefällige, der sie umgebenden Erholungslandschaft her­ vorragend angepaßte Ferien-Anlage. Man stellte allgemein fest, daß es sich hier wirklich um ein Dorf und nicht etwa nur um eine Reihe phantasielos nebeneinandergestellte Häuser handelte. Der Dorfcharakter kommt auch zum Ausdruck in den engen Gäßchen, den Winkeln und Zwischenhöfen, den Gie­ beln und Dächern. Bei der offiziellen Eröffnungsfeier im Oktober 1983 herrschte eitel Freude über das gelungene Werk. Unterkirnachs Bürgermei­ ster Siegfried Baumann lobte die gute Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unter- nehmen, das wesentlich dazu beitrage, den Fremdenverkehr in Unterkirnach zu bele­ ben. ,,Der Hapimag haben wir es zu verdan­ ken, daß wir jetzt schwarze Zahlen schrei­ ben“, führte Bürgermeister Baumann weiter aus. Inzwischen, bald zwei Jahre nach der In­ betriebnahme, sind die Unterkirnacher noch um eine schöne Erfahrung reicher: Sie ken­ nen die Hapimag-Gäste als angenehme, rück­ sichtsvolle Urlauber, die viel zur wirtschaftli­ chen Nutzung der touristischen Infrastruk­ tur beitragen. Die Tatsache, daß das Hapi­ mag-Urlaubs-System dem 67 Wohnungen umfassenden Feriendorf zu einer über das ganze Jahr sehr hohen Auslastung verhilft, ist volkswirtschaftlich sinnvoll und wird von der Gemeinde besonders geschätzt. Das Feriendorf mit einer Grundstücks­ fläche von 10 857 m2 umfaßt 9 Häuser mit insgesamt 62 Ferienwohnungen, den Zen­ tralbau mit weiteren 5 Ferienwohnungen 255

und 11 Hotelzimmern, die Tiefgarage mit 63 Einstellplätzen, Spiel- und Freizeiträume. Der Zentralbau beherbergt insbesondere auch das Restaurant Fohrenhof mit Bar und Aussichtsterrasse – ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Urlaubsgäste-, Emp­ fangshalle und Reception, Einkaufsladen, Konferenz- und Schulungsräume, Hallen­ bad, Sauna und Liegeraum. Im Dorf findet man auch Begegnungsplätze und Grünflä- chen. Spiel-, Sport- und Ausflugsprogramme bringen viel Abwechslung. In den Wohnun­ gen sorgen massive Holzmöbe� getäfelte Decken und darauf abgestimmte Wohntex­ tilien für einen gemütlichen Rahmen. Für behinderte Menschen sind acht Wohnungen rollstuhlgängig konzipiert. Das Hapimag-Feriendorf bringt Dorf­ und Schwarzwaldstimmung auf Schritt und Tritt. F. Steiner Der Bernreutehof bei Hammereisenbach Ein Begriff für Tradition und Schwarzwälder Gastlichkeit Die rustikale Innenausstattung vermittelt die „heimelige“ Atmosphäre von Schwarz­ wälder Gastlichkeit. Doch nicht nur die bäuerlich gehaltene Wirtsstube mit Kachel­ ofen, auch das imposante äußere Erschei­ nungsbild des Bernreutehofes hat großen Anteil daran, daß das Cafe mit Pension für Einheimische und Feriengäste zu einem beliebten Ausflugsziel geworden ist. Sie alle sind zu Gast bei Hubert und Ingeborg Heini, einem Geschlecht, das seit Ende des 17. Jahr­ hunderts auf der Bernreute bei Hammerei­ senbach ansäßig ist. Die Geschichte des Bernreutehofes ist noch wenig erforscht. Der Archivpfleger Walter Fauler – er schreibt die Chronik der Vöhrenbacher Ortsteile Hammereisenbach und Urach- vermutet, daß die Bernreute zur Zeit der Gründung der Stadt Vöhrenbach besiedelt wurde, also im 13. oder 14. Jahrhun­ dert. Schriftliches findet sich jedoch erst spä­ ter. In der Vöhrenbacher Chronik heißt es: „ Von der Bernreute hören wir 1672, daß der Meierhof daselbst dem Junker Ifflinger gehörte, der die längst verfallene Burg Gra­ negg bei Niedereschach bewohnte. Das Hof­ gut war an die Familien Hebding und Heine verliehen und blieb lange in deren Besitz. 1793 gehörte der Hof zur Gemarkung Bre­ genbach, sein damaliger Inhaber war Johann Merz.“ Doch ist bei dieser Notiz mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vom hinteren 256 Bernreutehof die Rede, der heute noch dort zu finden ist, sondern von einem älteren, zweiten Hof, der laut Walter Fauler um 1600 auf der vorderen Bernreute gebaut und 1861 abgebrochen worden sein soll. Der hintere Bernreutehof entstand laut Feuereinschätz­ verzeichnis erst um 1700 und das dazugehö­ rige Leibgedinghaus um 1730. Beide Höfe jedoch gehörten zu der fünf Anwesen umfas­ senden Gemeinde Bregenbach. Interessant ist die Erwähnung der beiden alteingesessenen Vöhrenbacher Geschlech­ ter Hebting und Heine. Vor allem die Heine sind in diesem Zusammenhang von Bedeu­ tung. Sie wechselten um 1700 ihren Wohn­ sitz und zogen auf die Bernreute. Da laut Feuereinschätzverzeichnis der hintere Bern­ reutehof um 1700 entstand, liegt die Ver­ mutung nahe, daß mit diesem Wechsel auch ein Hofneubau verbunden war. Es gab jedoch immer auch enge Verflechtungen mit dem vorderen Bernreutehof, der gleich vier Besitzer hatte, einer von ihnen war ebenfalls ein Heine. Der Hof selbst läßt leider auf­ grund umfangreicher Sanierungsarbeiten Ende der SOer Jahre kaum Rückschlüsse auf sein tatsächliches Alter zu. Der erste Heine auf der Bemreute war Josef Heine, der 1683 geboren wurde. Bereits eine Generation später, zu Zeiten von Johann Heine, begann sich die Geschichte des Geschlechts der Heine, Heini oder

Heyne, wie sich die Familie schrieb, wieder mit der der Stadt Vöhrenbach zu verknüp­ fen.Johann Heine verließ die Bernreute und kehrte als Uhrmacher nach Vöhrenbach zurück. Sein Sohn war der Stricker Franz Xaver, der 1782 geboren wurde. Dessen Söhne Xaver und Josef schließlich spielen eine bedeutende Rolle in der Vöhrenbacher Industriegeschichte. Beide reisten nach Petersburg. Josef widmete sich dort dem Musikwerkebau und Xaver der Uhrmache­ rei. Schließlich errichtete Xaver Heine später in Lenzkirch die erste Uhrmacherfabrik des Schwarzwaldes und legte 1852 in Vöhren­ bach den Grundstock für das noch heute exi­ stierende Unternehmen X. Heine & Sohn. Auf der Bernreute waren im übrigen von 1700 bis etwa 1760/70 zwei Vögte von Bre­ genbach zu Hause, und 1839 wurde dort mit Roman Heini auch ein späterer Bürgermei­ ster von Bregenbach geboren. Die 280 Jahre seit dem Bau um 1700 gin­ gen am Bernreutehof nicht spurlos vorbei und deshalb baute Friedrich Heini, der Vater von Hubert Heini, den Hof im Jahre 1957 um und sanierte diesen von Grund au( Dabei ging der Charakter des alten Hofes jedoch nicht verloren, allerdings begann mit dem Umbau ein neues Kapitel in der Hofge­ schichte, man bot Ferien auf dem Bauernhof an; im Schwarzwald begann sich verstärkt der Fremdenverkehr zu entwickeln. 1967 übernahm Hubert Heini den Hof; er glie­ derte der 12 Betten umfassenden Pension 1972 noch ein Cafe an. Dort wird den Gästen unter anderem deftige Schwarzwälder Haus­ mannskost geboten. Als Spezialität gelten die Forellen, die in einem eigenen Gewässer gezüchtet werden. Gelobt werden aber nicht nur Speis und Trank, die Gäste fühlen sich auf der Bernreute vor allem auch wegen dem persönlichen Kontakt zu den Wirtsleuten wohl. Hubert und Ingeborg Heini betreiben aber nicht nur ihr Cafe mit Pension, sie füh­ ren auch den land- und hauptsächlich den forstwirtschaftlichen Betrieb weiter. Daß sie sich der langen Familientradition verpflichtet fühlen, beweist die Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Leibge­ ding, das. au_s dem Jahr 1730 stammt. Das 257

Gebäude befand sich in einem bedenklichen Zustand, wurde nun aber mit viel Liebe zum Detail von dem Villinger Architekten Rüdi­ ger Sturm saniert. Mitgeholfen hat dabei auch der Schwarzwald-Baar-Kreis, der finan­ zielle Unterstützung gewährte. Tradition wird auf der Bemreute groß geschrieben. Noch heute sind die Heini stolz auf ihre Unabhängigkeit, die sie sich über Jahrhunderte erhalten haben. Das Ge­ schlecht der Heini war immer frei, nie von einem Fürsten oder einem Kloster abhängig, es trieb einen der größten Höfe im Bregtal um. Tradition hat auch die Gastlichkeit und die herzliche Atmosphäre, die immer wieder dazu animiert, auf der Bemreute Halt zu machen und für eine Weile sich zu entspan­ Wilf ried Dold nen. Das „Schwarzwaldhotel“ in N eukirch „Zweites Bein“ für den Inhaber des Höhenhotels „Neueck“ Unter den gastronomischen Angeboten des Schwarzwald-Baar-Kreises nimmt das ,,Schwarzwaldhotel“ in Furtwangen-Neu­ kirch eine Sonderstellung ein. Es handelt sich um ein sogenanntes Appartementhotel, das von dem Villinger Architekten Müller-Trim­ busch gebaut worden ist. Es besitzt 25 Eigen­ tumswohnungen, die ihre Ergänzung in einem Restaurationsbetrieb finden. Offen­ sichtlich wurden etwas zu hohe Erwartungen in den Fremdenverkehr speziell im Bereich Neukirch gesetzt, denn es sollte sich bereits nach k�rzer Zeit herausstellen, daß die Kapa- zität des Hauses nicht ausschließlich von Gästen bestritten werden konnte, die sich Neukirch als Standort eines Urlaubs im Schwarzwald aussuchen. Die Wende kam, als das „Schwarzwald­ hotel“ in die Hände eines neuen Pächters überging, der bereits gute Erfahrungen mit dem Höhenhotel „Neueck“ oberhalb von Furtwangen gemacht hat. Es ist der erfahrene Gastronom Wolfgang Bett, der den schmuk­ ken Hotelkomplex als eine Dependance vom „Neueck“ pachtete, die entsprechenden Verträge mit den Appartementbesitzern und 258

Über die „Kalte Herberge“ dem Villinger Architektenbüro abschloß und davon überzeugt ist, in dem „Schwarz­ waldhotel“ Neukirch ein echtes „zweites Bein“ fürs „Neueck“ gefunden zu haben. In Neukirch stehen 100 Betten zur Ver­ fügung; es können 150 Gäste im Restaurant­ teil bedient werden. Möglich wurde die neue Konstellation, weil das Höhenhotel im Ver­ lauf eines Jahres von vielen Busgesellschaf­ ten angefahren wird, die hier ein sogenanntes „Standquartier“ aufschlagen. Im Hotel gibt es Frühstück und Abendbrot, tagsüber ist man unterwegs. Hotelier Wolfgang Bett, der sich auf Omnibusgesellschaften organisiert hat und, Früher waren meist Handwerksburschen und reisende Händler die Gäste in der „Kal­ ten Herberge“ in Vöhrenbach-Urach, heute sind es Wanderer und Skiläufer. Das Höhen­ gasthaus „Zur Krone“ dürfte zu den ältesten Gaststätten im weiten Umkreis gehören. Schon um das Jahr 1000 soll hier auf der Höhe zwischen Breisgau und Baar eine Her­ berge gestanden haben. In 1030 Metern Höhe ist das Klima rauh, die Winter sind lang und die Sommer kurz, so daß sich der Name „Kalte Herberge“ von selbst ergab. Wann später einmal die Bezeichnung ,,Krone“ hinzukam, weiß niemand genau. Seit ungefähr 500 Jahren befindet sich die „Kalte Herberge“ im Familienbesitz. Ein Stammbaum, in der Gaststube aufgehängt, beginnt mit dem Jahre 1620, als Kaspar Win­ terhalder heiratete, und führt bis zum jetzi­ gen Inhaber Emil Winterhalder. Die Hauptverbindungsstraße von Frei­ burg führte von alters her über den Thurner und die „Kalte Herberge“ nach Villingen und Donaueschingen, so daß hier auf der Höhe durchreisende Händler und Wanderbur­ schen Rast machten. Die Gaststätte gehörte stets zum Staighof und war dessen Leibge­ ding. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wie von ihm zu hören ist, mit bis zu 600 Busunternehmen korrespondiert, mußte zu­ letzt rund ein Fünftel der Angebote abschla­ gen, weil seine Bettenkapazität im „Neueck“ nicht mehr ausreicht Das „Schwarzwald­ hotel“ in N eukirch war für ihn fast wie ein „Geschenk des Himmels“,auf jeden Fall aber ein „zweites Bein“, auf dem er gut zu stehen hofft. Das Hotel in Neukirch ist vor allem für Familien vorgesehen, die in die modern ein­ gerichteten Appartements einziehen sollen: als Gäste des Höhenhotels „Neueck“. Gerd Steinbach Auf der Ofenbank rastet das Ehepaar Winterhal­ der nur selten. Der schöne Kachelofen wurde im Jahre 1830 gebaut, als das Gasthaus „Kalte Her­ berge“ nach einem Brand wieder aufgebaut wurde. 259

Die „Kalte Herberge“ lädt auf der Höhe an der B 500 zwischen Furtwangen und Waldau zur Rast ein. Seit 500 Jahren ist die Gaststätte im Besitz der Familie Winterhalder. brannte das Gebäude zweimal in drei Jahren ab. Verursacht wurde der Brand jedesmal von Reisenden, die in den Pferdeställen leichtsin­ nig mit Feuer umgingen. Nach dem ersten Brand war das Haus kaum wieder aufgebaut, als es zum zweiten Mal ein Raub der Flam­ men wurde. Den Bauhandwerkern verbrann­ te sogar noch Arbeitsgerät. Um 1830 ent­ stand dann das jetzige Gebäude, der Kachel­ ofen im Nebenzimmer zeigt diese Jahres­ zahl. Heute wird die „Kalte Herberge“ vom Ehepaar Emil und Anna Winterhalder bewirtschaftet. Den Staighof auf der anderen Straßenseite haben sie inzwischen an ihren Sohn übergeben. Durch die B 500 ist die ,,Kalte Herberge“ mit dem Auto gut erreich­ bar und bietet sich als Ausgangspunkt für viele Schwarzwaldwanderungen an. Drei Fernwanderwege kreuzen sich hier: Pforz­ heim-BaseL Pforzheim-Waldshut und der Baden-Württemberg-Weg. Aber auch kür- 260 zere Rundwanderungen lassen sich von hier aus unternehmen. Im Winter ist auf der Höhe für Skiläufer viel geboten: zwei Skilifte sind auf der „Kal­ ten Herberge“ meist schon in Betrieb, wenn in tieferen Lagen noch die Grashalme aus dem Schnee schauen. Und wenn andernorts im Frühjahr das Tauwetter die Pisten auf­ weicht, herrschen hier noch gute Winter­ sportmöglichkeiten. Für Langläufer und Ski­ wanderer werden Loipen gespurt, unter anderm führt der Skifernwanderweg Schon­ ach-Belchen über die „Kalte Herberge“. Wanderer und Ausflügler, die sich im Gasthaus auf der Höhe stärken wollen, fin­ den vor allem eine reichhaltige Auswahl an deftigen, hausgemachten Spezialitäten wie Vesperteller, Schinken oder Schäufele. 20 Hausgäste kann die Familie Winterhalder beherbergen. Meist sind es Wanderer, die nur ein oder zwei Nächte bleiben. Pensionsgäste, die hier längere Zeit Ferien machen, sind eher

rar. Dafür verursacht die Bundesstraße, die unmittelbar an der „Kalten Herberge“ vor­ beiführt, zuviel Lärm. Die „Kalte Herberge“ liegt an der B 500, an der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau, an den Ortsgrenzen zwischen drei Gemeinden. Hof und Gasthaus gehören zu Vöhrenbach-Urach. Unmittelbar hinter dem Gasthaus verläuft die Grenze zum Furtwan­ ger Stadtteil Neukirch, und auch die Grenze nach Waldau berührt das Anwesen. Natürlich ranken sich Sagen und Ge­ schichten um ein so traditionsreiches Haus. Eine von ihnen erzählt, in der „Kalten Her­ berge“ sei einmal ein Wanderbursche auf der Ofenbank erfroren. Plausibler ist wohl die Version, nach der ein Wanderbursche drau­ ßen in eisiger Kälte starr gefroren gefunden wurde. Man holte ihn herein und wollte ihn am warmen Ofen ins Leben zurückholen. Doch die Bemühungen waren vergeblich, der Wanderer starb auf der Ofenbank. Christa Hajek „,r ….. * Das Rasenstück Es wird an einem ersten Strahl die kühle Erde wund und öffnet in dem weißen Saal ein magisch-grünes Rund. Noch tief beschwert mit kleinen Eis­ kristallen wie aus Glas rührt sich in dem gezackten Kreis das aufgesparte Gras. Was einmal lebend überstand, strebt doppelt nach dem Licht, wer wegfand vom bedrohten Rand, verändert sein Gesicht. Das aufgetane Feld verführt das Herz zum Überschwang, die dunstbefreite Sonne schürt den alten Liebesdrang. Der überstandenen Gefahr uneingedenk, umarmt es ausgesöhnt die Welt, das Jahr, als sei es nie verarmt. Magnetisch bannt die grüne Bucht im Flimmerspiel den Blick, und alles, was die Sehnsucht sucht, stürzt mir in dieses Rasenstück. Gisela Mather * 261 Zeichnung: H Heinrich

Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Ob wir einst bei Regensburg waren? Oder: Ahnenforschung muß sein/ Eine Erzählung von Karl Volle Dem Ritter Jörg Volle verlieh Kaiser Fried­ rich III. den Titel „Ritter und Herr zu Lind­ ach“ bei Regensburg, sein Sohn Albrecht brachte es zum Feldmarschall unter Kaiser Maximilian I. So steht es in der Legende zum Familienwappen. Dieses, ein echtes Wappen, allen Gesetzen der Heraldik standhaltend, ein uraltes, wie der Archivar hinzufügte, kam in meinen Besitz. Mich faßte ein Stolz, der schon eine Spur von Ruchlosigkeit an sich hatte. Das Wappen erhielt einen Ehrenplatz an der Wand, und ich erklärte bereitwillig jedem, der es wissen wollte, welche Bedeu­ tung die roten und die weißen Rauten hatten, daß die Krone auf dem Haupt des Löwen den Dank des Kaisers für besonders treue Dienste symbolisierte, ebenso die Helmzier, und daß schließlich die zwei Streitäxte den kriegerischen Beruf während der Aszendenz meiner Familie bedeuteten. Das alles stand fest, felsenfest. Ritter, Aristokraten, Vertraute und Ge­ folgsleute des Kaisers also waren die Ahnen. Es tat gut, die geheime Bewunderung von Verwandten, Freunden und Gästen festzu­ stellen und die geäußerte entgegenzuneh­ men. Verse kamen mir in den Sinn: ,,Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.“ Und: ,,0 lerne fühlen, welchen Stamms du bist!“ Alle Kraftausdrücke des Götz von Berlichin­ gen! Der Götz mußte ja ihr Zeitgenosse gewesen sein, er hätte mit ihnen die Klingen kreuzen können. Waren von Regensburgs größtem Maler und Kupferstecher Albrecht Altdorfer keine Portraits von ihnen erhalten? Am geistigen Aufbruch der Renaissance und des Humanismus, als es eine Lust war zu leben, hätten sie Anteil nehmen, die Huma­ nisten als Gäste bewirten können. 262 Noblesse oblige! Mindestens dazu, den Ursprungsort des Namens aufzusuchen. Ein einziges Mal wollte ich die Beine von der Burgruine baumeln, wenigstens einmal eine Stunde den Blick in die Feme schweifen las­ sen und in Gedanken Herr über ein weites Land sein, das bei günstigerem Verlauf der Geschichte mein wäre. Ich tat die Reise vom deutschen Südwesten in die Stadt des Reichs­ tages, später des „Immerwährenden Reichs­ tages“ in der Gewißheit dort fündig zu wer­ den, wobei mich, je länger desto weniger der Gedanke losließ, welche bewundernswerten Marschleistungen die Altvorderen in umge­ kehrter Richtung zurückgelegt haben, auch auf des Pferdes Rücken noch eine Strapaze. Doch hatten sie früher ja auch mehr Zeit als wir (sagt man heute immer). In jedem Lindach stelle ich die Fragen nach den zu erforschenden Personen. ,, Wia schreiben’s Ihna Sie?- Naa, den Nom‘ hob i nie g’hört“. Es stellt sich von Höhe zu Höhe bei wachsender Spannung immer deutlicher heraus, daß dieser Name in dieser Gegend nicht vorkommt. Zwei der kleinen Berge haben eine durchaus respektable Geschichte, Forschungsreisen können ihre Über­ raschungen in sich bergen. Da gibt es in der näheren und weiteren Umgebung Regens­ burgs mindestens fünf Lindach. Eines auf einer ebenen Fläche, für Ritter untypisch, alle anderen stehen auf Anhöhen und werden von Bauernhöfen, die Rittergütern kaum nachstanden, beherrscht. Da wäre vielleicht etwas zu erforschen. Die Reste von Burgen – in einer erblickte Heinrich II. das Licht der Welt, eine andere wurde von den Staufern erbaut – tragen berühmte Namen, kommen also nicht in Betracht.

über einen führte eine Salzstraße, hier war der Zoll zu entrichten; der andere sollte in den Schulbüchern stehen. Von ihm aus, genauer: von seinem Kirchturm aus leitete Napoleon gegen die Österreicher 1809 eine Schlacht und gewann sie. Geschichtshaltiger Boden, nur nicht in den Zusammenhang mit meinen Fragen zu bringen. Nirgendwo ein Mauergewölbe, überhaupt kein Mauerrest, auf den man sich hätte setzen können, geschweige denn eine Gedächtnistafel für Ritter Jörg. Da kommt man also mit hohen, ja höchsten Erwartungen von weit her, um vor dem Nichts zu stehen. Wie viele, die nicht mehr weiterwußten, wende ich mich an die Kirche. Zwei Geist­ liche tun ihr möglichstes, zeigen mir Heimat­ bücher, breiten ihr Wissen aus – eine köst­ liche Unterhaltung nimmt ihren Verlauf, doch können sie mir nur mitteilen, was sie wissen, und meine Fragen bleiben ohne Ant­ wort. Schon neigt sich der Tag, es neigen sich auch meine Gedanken. Verflogen ist der Stolz, am Ende gehörten meine Ritter auch zu denen, die auf Kosten anderer lebten, sich durch deren Arbeit bereicherten, selbst herr­ lich und in Freuden schwelgend, eigenen Reichtum und fremde Armut als gottgege­ ben ansahen, Kinder einer Zeit, die ungeach­ tet ihrer kulturellen Blüte nur wegen der Ungleichheit der Besitzverhältnisse heute von vielen in Grund und Boden verdammt wird. Wie, wenn der Kaiser, was ja oft ge­ schah, den Titel nur ehrenhalber verliehen hätte, ihre Träger aber nie Besitzer eines Lindach gewesen wären? Als sichere Erkenntnis blieb lediglich – und dazu hätte es der Reise nicht bedurft – daß einige ihrer Nachkommen arme Schluk­ ker waren und es ihr Leben lang blieben. Noch vom Urgroßvater würden ältere Q!iel­ len aussagen, daß er „ein klein schlecht Tag­ löhnerhäuslein“ besaß, ich habe es noch mit eigenen Augen gesehen. Eventuelle Frevel der Frühen hatte die Buße der Späteren gründlich löschen können. Ein junges Genie bezaubert Weimar Schlußkapitel einer Novelle von Rolf Steiner kraftstrotzenden Epoche des „Sturmes und Dranges“, sowie die beginnende Abkehr von dem vom Rokoko geprägten gesellschaftli­ chen Lebensstil. Es ist also nicht der Olym­ pier, um den es sich in meiner Novelle han­ delt, sondern der mitten im geistig-seelischen Gärungsprozeß stehende junge Goethe. Noch ist der Weg zum gebändigten, aus­ gewogenen und erhöhten Geist der Klassik als Gipfelpunkt dichterischen Schaffens bei ihm in weiter Feme, aber der aufgelockerte, fruchtbare Boden für das großartige Aufblü­ hen der Kunst ist bereitet. ,,Mein Kompliment, Doktor: nach Klop- stocks ,Messias‘ hat noch kein Buch soviel Aufsehen erregt wie Ihr Roman“, stellt Wie­ land im Laufe des ungemein lebhaften Gesprächs fest. ,,Er wird nicht nur in deut- * 263 Kurzgefaßte Einführung: Spätherbst 1775. Der 26jährige Frankfurter Lizentiat der Rechte, Johann Wolfgang Goethe, in halb Europa berühmt durch seinen aufrüttelnden Roman „Die Leiden des jungen Werthers“, ist von Carl August, dem jugendlichen Her­ zog von Sachsen-Weimar, an seinen Hof geladen worden. Bald nach seiner Ankunft in der kleinen Residenz macht er bei dem hoch­ geschätzten Dichter Hofrat Christian Martin Wieland seine Aufwartung und wird von ihm und den anwesenden Hofdamen Frau von Stein, Fräulein von Wertbern, Fräulein von Waldner und dem Kammerherrn von Einsiedel mit huldigendem Willkomm emp­ fangen. Die Novelle veranschaulicht den literari­ schen Umbruch vom schal gewordenen Geist der „Aufklärung“ zur naturfrohen,

sehen Landen gelesen und bewundert.“ „ Verschlungen, Herr Hofrat!“ berichtigt die Waldner leidenschaftlich. ,, Verschlun­ gen!“ ,,Auch mißverstanden, Mademoiselle, und verteufelt“, lacht Goethe ohne Verbitte­ rung. ,, Wie haben wir uns im Frankfurter Freundeskreis darüber belustigt! Da prasselte es nur so von echtfrankfurter Flüchen und Verwünschungen.“ „Bravo!“ grölt die Waldner und klatscht wie toll in die Hände. ,,Eine literarische Kostbarkeit, ohne Zwei­ fel“, lobt von Einsiedel mit großem Ernst „Ein Beispiel tödlicher Liebesbesessenheit, aufwüh­ lend, erschütternd, flott geschrieben, immer verblüffend neu in Wortwahl und Bild.“ „Huh!“ schimpft die Werthern. ,,Nicht so gelehrt und geschwollen, Einsiedel! Geste­ hen Sie schlicht, daß Sie bei der Lektüre über den unglücklich verliebten Werther nicht weniger Tränen vergossen haben als wir!“ „Erstaunlich, daß Ihnen die Frankfurter Anwaltspraxis soviel Zeit ließ, Doktor, um sich auch der Muse widmen zu können“, meint Frau von Stein etwas frostig, was die jungen Damen veranlaßt, recht mißbilligend die Nase zu rümpfen und einander zuzu­ schielen. „Anwaltspraxis, Madame? Ha! Ohne den rührigen, in Gesetzesparagraphen wollüstig schnüffelnden Kaiserlichen Rat, meinen Herrn Vater, hätte ich wohl alle meine Pro­ zesse verloren. Es war ein herrlich ruheloses Leben, Madame, das ich in den letzten Jah­ ren führte. Ein um spießbürgerliche Anschauungen unbekümmertes Treiben war’s, ein Wirbelsturm, ein rasender Wechsel von Erlebnissen: flüchtige Liebeleien; ernste, quälende Liebe; einsames Herumstreifen in Wald und Feld, bei Regen und Hagelschlag; Flucht aus der Enge; von wildem Schaffens­ drang gehetztes Dichten in stiller Kammer; zügellose Geselligkeit im Freundeskreis; so laute Narreteien, daß die Leute erschrocken die Fenster aufrissen. -Der Herzog jubelte, als ich es ihm erzählte. Wir sind gleichge­ sinnte Naturen, Madame.“ 264 Der schwärmerisch zustimmende Beifall reizt Frau von Stein zu schulmeisterlicher Mahnung: ,,Alles schön und gut, Doktor, aber wir dürfen nicht vergessen: der Herzog braucht einen ernsten, weisen Ratgeber, der ihm zugleich unaufdringlicher Erzieher ist. Er ist ja fast noch ein Kind.“ ,,Ich weiß, was Sie damit sagen wollen, Madame“, ereifert sich Goethe. ,,Aber lassen wir die hundertfältigen Pflichten getrost auf uns zuwogen! Mitunter bewährt sich Bruder Leichtsinn ganz famos, wenn es gilt, der geplagten Menschheit zu helfen. Mit einem weise ausgeklügelten Programm -ich gesteh‘ es offen -bin ich nicht nach Weimar geeilt. Sollte man hierzulande kein kräftig Mannes­ wort vertragen können, jede Kundgebung eines hochgemuten Lebensgefühls zimper­ lich, muckerisch, engherzig auf die Gold­ waage legen und beargwöhnen, so bin ich hier fehl am Platz.“ „Sie sind es nicht, Doktor, ich schwöre es Ihnen“, beteuert die Werthern in ehrlichem Eifer. ,,Sie sind zur rechten Zeit gekommen“, betont von Einsiedel mit feierlicher Bestimmtheit. ,, Wir sind geistig am Verhungern und Ver­ dursten“, klagt die Waldner schrill. „So lade ich Sie alle zur Tabel d’höte der Götter ein und verspreche Ihnen Nektar und Ambrosia“, lacht Goethe jungenhaft-übermü­ tig und löst einen Sturm der Begeisterung aus. Frau von Stein aber erstarrt, mit einem süßsauren Lächeln auf den Lippen, zu einer Bildsäule. Wieland kann ihren schmerzlichen inne­ ren Aufruhr nachfühlen, neigt sich ihr gütig zu und sucht ihr das Neue, Ungewöhnliche begreiflich zu machen: ,,Madame, eine Epoche ist abgelaufen, eine neue Epoche beginnt. Sie bricht wie von selbst und doch halb ertrotzt aus jungen Herzen mit der Ver­ heißung, daß erst jetzt, und zwar durch sie, der Menschheit das wahre Glück zuteil werde. Liegt in diesem stolzen Selbstbewußt­ sein nicht etwas Schöpferisches und daher Bestrickendes, Madame?“

„Die Zeit, die allmächtige, wird nicht zögern, uns das Gesetz der Beschränkung und Besonnenheit aufzuerlegen“, weissagt Goethe. ,,Aber wir dürfen uns unser Wachs­ tum nicht vorzeitig und kleinmütig abwür­ gen und verkümmern lassen. Nein! Wir wol­ len zunächst ein wenig vermessen sein. Die Bäume sollen in den Himmel wachsen! Wir besteigen allen Warnungen zum Trotz mit Phaeton den Sonnenwagen und wissen wir kühnen Toren auch, daß er an den dunklen Wolkenbergen zu zerschellen droht!“ Wieland wischt sich, seltsam ergriffen, eine dicke, schimmernde Träne von der Wange. ,,Mit derlei Evangelien werden Sie Jung-Weimar im Sturm erobern, Sie Sause­ kopf. Man wird Ihren Einzug mit Triumph­ bogen und Girlanden ehren, wird allen Moder aus Herz und Stube bannen, in Brand und Flammen aufgehen lassen. Und ich alter Graukopf wär‘ am Ende noch töricht genug, mich der mutwilligen Horde anzuschließen. -Aber wenn die Deiche brechen, erfordert’s Riesenkräfte, um die wild ausschäumenden Fluten einzudämmen, Doktor! Werden Sie’s meistem?“ „Ein Kassandraruf, Herr Hofrat? Nun, ich vertraue auf meinen stets wachen Geist nüch­ terner Einsicht, der im stillen Winkel all‘ meine Taten belauert -und zuweilen sogar mit Erfolg zur Mäßigung mahnt.“ Die jungen Damen kichern über diese lau­ nige Selbstkritik. Auch Frau von Stein nimmt dies offene Bekenntnis mit einem Anflug von Humor auf. Etwas versöhnlicher gestimmt, fragt sie Goethe in auffallend mil­ dem Ton: ,,Apropos, wie gefallt Ihnen unser Thüringer Land, Doktor?“ Aber ehe Goethe antworten kann, beeilt sich Papa Wieland, mit feiner Ironie und wie zum Scherz die Fabelwesen aus der Zauber­ welt idyllisch-verspielter Poesie heraufzube­ schwören: ,,Nicht wahr, es guckt zur Zeit ein bißchen düster drein, aber ich denke, Sie sehen es dank Ihrem vorausschauenden Dichterblick schon im vollen Glanze des Frühlings. An Q!iell und Bachufer, um Busch und Baum geistern Najaden und Dryaden, und Dionys zieht mit einem Gewimmel geschwätziger Mänaden ins hei­ tere Funkeln der Sonne und höhnt den flie­ henden Winter. Zephir aber säuselt leis in grünem Gezweig und bunter Blütenpracht.“ Da lacht Goethe auf:,, Weit gefehlt, Herr Hofrat! Natur ist mir kein Komödienhaus mit Kulissen, Attrappen und Kostümprunk. Natur ist mir etwas viel Schlichteres und Wundersameres. Strecke ich die Hand aus, und sei’s auch bloß nach einem unscheinba­ ren Pflänzlein oder lahmen Kiebitz, so greife ich immer an Gottes feierlich pochendes Herz. -Nein! Ich nahm das Thüringer Land, wie es war -und es war mir herrlich genug so. Auf Feld, Ast und Dach liegt schmuck der erste Schnee, und wie prangen die Bäche mit ihrer feinen, glitzernden Eisdecke! -Kalt sollte es werden, Herr Hofrat, daß uns die Nasenspitze erfröre und der Atem uns wie Rauchwolken umqalmte; kalt Mesdames, daß die dünne Eiskruste der Ilm sich über Nacht zur Lustbahn für den Schlittschuhlauf festigte!“ ,,Für den Schlittschuhlauf, Doktor?“ wie­ derholt von Einsiedel mit gespieltem Entset­ zen. ,,Welch ein Orkan der Entrüstung würde es auslösen, wenn der Hof sich auf der Eisbahn tummelte!“ ,,Unsinn!“ wettert die kleine Waldner. „Was für feige Gesellen! Gewiß, erst mag es ein paar Steinwürfe aus dem Hinterhalt geben … “ ,, … bald aber helles Entzücken, Mesda­ mes. Also, wagen wir’s!“ ruft Goethe aus. ,,Ach, wie beglückend ist es, so ungehemmt, von aller Erdenschwere erlöst, über die spie­ gelglatte Eisfläche zu schweben! Da ist man des Sturmwinds Bruder. Alle Engel, Teufel­ chen und der Feuergeist der Musen um brau­ sen einen. Alle üble Laune verliert sich, alles Halbe und Kranke fällt wie eine faule Frucht von Gemüt und Gliedern. Ein himmlisch fri­ scher Hauch durchweht uns. Man atmet mit der Natur; man ist eins mit ihr. Und das bese­ ligte Auge blitzt mit der Sonne über die weite, die unendliche Schöpfung hin. -Klop­ stock gab der Seele den „Messias“, mit seinen 265

Hymnen auf den Eislauf aber beschenkte er Seele und Leib zugleich.“ Es ist feierlich still geworden in der klei­ nen Stube. Wieland wird es vor diesem jun­ gen Menschen, dessen Geist ganz Ursprüng­ lichkeit, Tiefe und Glut ist, gar eigen zumute. Und er spricht wie ein Seher und kommt sich dabei selbst wie ein Gewandelter vor: ,,Der Genius der Jugend grüßt das tote Weimar, daß es aus der Vergangenheit erwache. Es wetterleuchtet um den alten, grauen Schloß­ turrn. Die engen Gassen weiten sich, und Tür und Fenster öffnen sich, daß Sonne und Luft hereinfluten und alle Schlaftrunkenheit ver­ scheuchen!“ Ein erhabener Augenblick! Aber -wie schade! -ein wütendes Hundegebell von der Straße her entweiht ihn jäh. ,,Huh! Eine tolle Balgerei!“ grölt die Waldner wie eine Markt­ schreierin, was so ganz ihrer etwas derben Wesensart entspricht.,, Wie Lausbuben zan­ ken sich des Herzogs Jagdhunde vor dem Gartentor.“ „Dann beehrt uns der Herzog mit seinem Besuch“, sagt Wieland und rüstet sich zum Empfang. ,,Ha! Das könnte den Herrschaften so pas­ sen“, donnert Carl August vergnügt, schon unter der Tür, ,,mir meinen Goethe wegzu­ schnappen und einzuspinnen! Natürlich kreist alles um das Wundertier herum, samt dem Hofrat. Hab’s nicht anders erwartet.“ „Da haben Durchlaucht einen kapitalen Fang gemacht. Aber -wie prickelt mir die Schadenfreud‘ durch alle Adern, daß das Wundertier aus dem herzoglichen Gehege gleich in meine Gefilde herüberwechselte!“ frohlockt Wieland mit dem pfiffigsten Gesicht der Welt. Das ist der Ton, den der Herzog über alles schätzt; ein frisches, kerniges, ehrliches Scherzwort ist ihm tausendmal lieber als hohle, kriecherische Phrasendrescherei mit steifen Bücklingen. Und nichts ist ihm so zuwider, wie den Serenissimus auf hohem, erdentrückten Thron zuweilen spielen zu müssen. „Papa Wieland, machen Sie sich nicht zu 266 mausig, he“, poltert er lachend, genüßlich schwelgend in der gleichen Tonart, ,,sonst hänge ich Ihnen den verwünschten Falken­ orden samt Purpurband doch noch wie eine Kuhglocke um den Hals!“ In das schallende Gelächter· mischt sich Goethe nicht ein. ,,Ich fürchte, man über­ schätzt mich“, seufzt er, ,,mir wird dabei doch ein wenig angst und bange, zumal ich weiß, daß der Mensch nicht nur sein eigenes Schicksal, sondern auch das seines Nächsten entscheidender mitbestimmt, als gemeinhin angenommen wird.“ Doch schon rafft er sich wieder auf zu Mut und Zuversicht: ,,Ist uns aber der Beistand aus dem Bereich des Göttli­ chen nicht gewiß.“ ,,Hallo, Einsiedel!“ wendet sich der Her­ zog unvermittelt an den Kammerherrn. „Melden Sie dem Oberstallmeister, er soll uns sofort den großen Jagdwagen schicken. Es geht auf die Pirsch. Tag und Nacht gibt’s kein Rasten, kein Ruhen, kein Ausschlafen. leuchtet die Sonne, ist’s gut; schneit’s, hagelt’s, regnet’s aus Kübeln, was kümmert’s uns? Ist die Nacht mond-und sternenhell, ist’s gut; ist sie pechschwarz, was schadet’s? – Du wirst dich wundern, Goethe, was für prächtiges Wild wir in unsern Domänen haben -nicht nur Reh, Fuchs und Hase, he! Die Christei in Stützerbach wartet schon seit Wochen auf dich. Was hab‘ ich dem Miesel­ chen nicht alles von dir vorgefabelt! -Nun, komm! Natürlich lassen auch die Kammer­ herren einspannen und folgen nach! Aber weh! wenn mir einer in den faden Alltagskla­ motten erscheint! Werthertracht ist nun­ mehr Trumpf: blauer Frack, gelbe Weste, Schlapphut und Stulpenstiefel!“ Bei soviel herzoglichem Ungestüm kommt Goethe kaum dazu, sich mit einer Verbeugung zu verabschieden. Aber um die Schroffheit des Abgangs gleichsam zu mil­ dern, deklamiert er im Hinausstürmen:,, Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unseres Schicksals leichten Wagen durch. Wohin es geht, wer weiß? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.“

„Aus einer neuen Dichtung, Doktor?“ ruft ihm Wieland nach. „Aus meinem Egmont!“ tönt’s aus dem Treppenhaus zurück. Und dann fällt die Haustür ins Schloß, aufdonnernd wie ein gewaltiger Schlußakkord. Oder aber wie der Auftakt zu einem großen Beginn -wie eine Offenbarung, wie eine Verheißung? „Weimar! Weimar! Weh deinen sechstau­ send Seelen! Ein Genie rüttelt und schüttelt dich,“ raunt Wieland schmunzelnd vor sich hin. „Unterstützt von einem blutjungen Heiß­ sporn, unserm Landesherrn, Herr Hofrat“, ergänzt Frau von Stein grollend. Die Waldner aber stampft zornig auf: ,,Ich könnte den Herzog samt seinem Herzogtum zermalmen! Die Christel aus Stützerbach soll uns ausstechen? Kennt ihr sie? Haben wir nicht auch hübsche Gesichter? Und ist es uns nicht auch zum Gähnen langweilig?“ „Hätte ich nicht noch mehr Grund zur Klage?“ fragt Wieland begütigend. „Ent­ thront! Aber Goethe ist ein so prächtiger Junge, daß ich ihm die Krone neidlos gönne. Meine Seele ist, wenngleich nicht ganz ohne Weh, von ihm so voll wie ein Tautropfen vom goldenen Sonnenlicht. Und ich weis­ sage Ihnen, Mesdames: Regen und Sonnen­ schein wird er uns schenken, gerade wie es ihm beliebt. Und wir werden ihn dafür, wohl nicht immer freudigen Herzens, salben und krönen.“ In diesem Augenblick schusselt Mama Wieland mit duftenden Rehschnitzeln a Ja Duchesse de Weimar herein. „Pardon! Wir haben uns so beeilt, konnten aber mit dem besten Willen nicht eher fertig werden.“ Wieland streichelt ihr liebevoll-gerührt die Hand. „Nur langsam, Muttchen! Goethe ist schon wieder über alle Berge und Täler.“ „Ach! Nun hat ihn Ulrike, unsere Jüngste, kaum zu Gesicht bekommen“, jammert Mama Wieland bestürzt. „Der gnädige Herr schleppt ihn auf die Pirsch und Gott weiß in was für obskure Jagdgründe noch“, unkt die Werthern. Wieland aber paßt es nicht, daß man Goe- thes Bild in diese banale Alltagswelt zerrt; er will es nicht vom Allzu-Irdischen her ver­ unstaltet, will es, zum eigenen Labsal, in alle Ewigkeit durch den Zauber der Musen und aller höheren Geister veredelt wissen. „Laßt’s gut sein, Kinder! Der läßt sich nicht in ein enges Häuschen mit üppig rankendem Efeu und zierlichen Blumengärtlein bannen. Der schnappt sogar in Gottes grenzenlosem Reich nach Luft und Freiheit. Selbst die geschickteste Mutter fängt ihn nicht für ihr Töchterlein ein.“ Die Waldner mault etwas Unverständli­ ches vor sich hin, läßt sich indessen den Appetit nicht schmälern, langt in weitem Bogen nach einem Rehschnitzel und ermun­ tert ihre Freundin forsch zum Zugreifen. Frau von Stein aber schließt ihre Gedan­ ken in ihre geheimste Herzkammer ein und wechselt mit Mama Wieland ein paar lie­ benswürdige Worte … Noch ehe die kleine Gesellschaft sich trennt, gibt’s auf der Straße ein Schauspiel, das alle Welt an Fenster und Gartenzäune lockt. Vierspännig kommt der große Jagdwa­ gen des Herzogs vom Schloß her ange­ sprengt, vollbesetzt: hoch auf dem Bock, die Zügel straff in der Faust, Carl August mit Goethe und zwei kläffenden irischen Set­ tern; im Fond zwischen Flinten, Sätteln und Kisten die Kammerherren; hinter ihnen, ste­ hend, Kutscher und Lakai. Die Neugier der Leute gilt vorab dem berühmten jungen Frankfurter. Dröhnend rast der Wagen an Wielands Haus vorbei. Man grüßt und winkt hinauf; die jungen Damen auf dem Balkon klatschen Beifall. Ein Rasen ist’s daß die knir­ schenden Räder zu brechen drohen und die Funken des Hufschlags über dem Kopfstein­ pflaster ein sprühendes Wirbelspiel treiben. Im Huihui geht’s zum Stadttor hinaus, wo die Schildwache präsentiert, Thüringens stattlichen Dörfern, winzigen Weilern und dunklen Wäldern zu. ,,Eine Hetze, wie wenn feindliche Schwa­ dronen, die aus allen Gassen schwärmen, zum Teufel gejagt werden müßten“, spottet Frau von Stein ergrimmt. ,,Und ich wette: 267

Eine Reise nach Wien Freund einen schweren Stand haben, Herr schon am Stadtrand läßt der Herzog aus­ Hofrat.“ spannen; und dann gehr’s hoch zu Roß über „Auch umgekehrt, Madame! Goethe ist Stock und Stein, Strauch und Tümpel, ver­ ein im höchsten Maße schöpferischer und wegen, allen Gefahren zum Trotz, unbesorgt zutiefst guter Mensch. Sein Drang, zu for­ um Familie und Staat! Und so wird es weiter­ men, sinnvoll umzuprägen, wird sich auch dauern Tag für Tag: Sturmfahrten, Parforce­ auf das Wesen des Herzogs zwingend auswir­ ritte, Verrücktheiten, Überschwenglichkei­ ken. Und vor unsern erstaunten Blicken wird ten, Maßlosigkeiten aller Art. Der Herzog ist sich ein einzigartiger Freundschaftsbund ent­ gewiß ein wohlwollender Souverän, aber wickeln. Meine Vision vom Beginn einer noch erschreckend unbeherrscht, launen­ Blütezeit ist kein Trugbild, Madame!“ haft, unreif. Ich fürchte, Goethe wird als sein Wolfgang Duffner Ein wenig bekanntes Kapitel aus der Lebensgeschichte des Hans Jakob Kraut zu ViJlingen Hans Jakob Kraut, Sohn des berühmten schaft aus dem kaiserlichen Wien: der Auf­ trag, dem sterbenden Erzherzog in Wien sein Kunsttöpfers Hans Kraut zu Villingen, Grabmal zu bauen, mit Wappen, Kreuz und erzählt die Anekdote aus dem Leben seines berühmten Vaters: wie sie diesen gern und allem, was dazu gehört. Jenem Herzog, der einst seinem Vater Wappen und Siegelrecht heimlich einen Hexenmeister nannten, weil verliehen hatte, eine Auszeichnung, die die sie am kaiserlichen Hof in Wien nicht mit seinem Ofen zurecht kamen und nur er Zunft der Kraut-Sippe nie verziehen hatte. Der erste Gedanke der hohen Herren zu Vil­ allein und an einem einzigen Tag den Ofen lingen: Wer steckt hinter der Einladung, ist zum Brennen brachte. Dann aber hütet er die Botschaft echt, oder ist alles nur ein fauler sich, die Geschichte noch einmal zum Besten Trick. Und dann: Wieviel ist er uns wert, was zu geben, denn ihm bleibt nicht verborgen, verlören wir. Die Antwort der Zunft:Je län­ wie die Zeichen der Zeit stehen, dort, wo die ger er weg ist, umso besser für die allgemei­ Hafnerkunst zu Hause ist. Das rote Gewölk nen Wettbewerbsbedingungen, für einen über der Stadt, der tägliche Aufmarsch der Stadtknechte durch die Gassen, das Gespenst gleichmäßigen Aufschwung des Hafnerge­ werbes, für die Entfaltung der bisher weniger des Ketzertums am Himmel, das Hochge­ leistungsfähigen Hafnereibetriebe. Der Kle­ richt über allen. Daß sie, die Krauts, Fremde rus in der Stadt hält sich zurück, nur der Abt blieben, war es wegen der Verkaufsstube auf läßt -inoffiziell -verlauten, daß er sich nie dem Münsterplatz, war es der geschäftliche Erfolg, der Ruhm, der bis zum Kaiserhof und nimmer vorstellen könne, daß der fromme Erzherzog einen solch undurchsich­ gedrungen war? Oder waren es gelegentliche tigen Kandidaten zu sich nach Wien holen Verstöße gegen die Zunftordnung oder lasse, aber das sei seine ganz persönliche Mei­ Berufsgeheimnisse, die sie nicht preisgeben nung, und des Herzogs Wege seien im übri­ wollten? Oder war es die Beziehung zu jener gen nicht unsere Wege undsoweiter. Aus Magd aus dem protestantischen Mönchwei­ dem Volk selbst, das sich in jenen schweren ler, die ihm das Bett wärmte? Tagen wohl mehr um seine tägliche Morgen­ In dieser Phase seines ungesicherten suppe sorgt als um die Aus-oder Nichtaus­ Lebens erreicht ihn, Hans Jakob Kraut, -wie reise eines erfolgreichen, aber unbeliebten ein freundlicher Wink von oben -eine Bot- 268

Interessen wie Einzelgängers sind immer wieder Stimmen zu hören, die ihr Erstauen äußern, daß ein Künstler und Hexenmeister, was bekannt­ lich das Gleiche ist, sich so einfach ungerupft davonstehlen könne. Der junge Fürstenber­ ger, ein kluger und der Hafnerkunst der Stadt zugetaner Mann, der der großen Kraut‘ sehen Werkstatt regelmäßig einmal im Jahr einen Besuch abstattet, sieht voraus, daß sich die wirtschaftlichen immer durchsetzen werden. Er rät auch dem Haf­ nermeister, sogleich seine Sachen zu packen, denn, merk dir’s, Sicherheit gibt es nicht. Und so geschieht es: man läßt ihn gehen, auf daß er einmal wiederkehre. So manchem mag das schreckliche Ende des Hans Jakob Kraut im Gedächtnis geblie­ ben sein, aber wer kennt schon die Ge­ schichte des Versuchs, diesem Ende zu ent­ gehen? Noch vor der ersten Morgenmesse verläßt er die Stadt, Skizzen, Töpferscheibe, Zirkel, Kohle und eine Menge Pläne im Gepäck. Wenn er die hohen Mauern hinter sich hat, beginnt es hell zu werden. Er wird in Wien nicht unfreundlich emp­ fangen, auch wenn der Erzherzog bereits ver­ storben ist und ein anderer, ein Italiener, das Grabmal angefertigt hat. Man gibt ihm am Hof zu verstehen, daß man Leute wie ihn gebrauchen könne, das Hafnerhandwerk ist kaum entwickelt, die Nachfrage nach der Kunst ist nicht gering: Öfen, Kacheln, Wand­ reliefs, Wappentafeln, Model, Tintenge­ schirr. Mit Hilfe von Hofleuten, die sich etwas von der Niederlassung versprechen, richtet Kraut sich seine neue Werkstatt ein: ein Dutzend Gesellen führen die Arbeiten aus, die er entwirft. Später wird seine Werk­ statt so groß sein, daß seine Kunst bis ins Salzburgische und Vorarlbergische hinein gehandelt wird. Kraut nutzt die Freiheit, die er vorfindet; er findet neue, dauerhaftere Glasurmischungen, versucht sich an neuem Material wie Farbglas und Email, verwendet neue Motive. Bei allem achtet er auf äußerste Sorgfalt bei der Ausführung der Arbeit, auf die Schärfe der Formen, auf die harmonische Farbwirkung. Die Stadt unterm roten Gewölk ist weit. Wenn er daran denkt, ist es wenig, was ihn berührt, nicht die Kinder, eher die Magd, die nach Mönchweiler zurückgekehrt ist, vielleicht einige Arbeiten, die er nicht abgeschlossen hat, aber sonst? Eines Tages fallt das erlösende Wort: wenn er bleiben wolle … Aber, in Villingen, hat man ihn nicht vergessen, hat man ihn nie aus den Augen gelassen, man weiß Bescheid. Und dann ergeht die erste herzliche Aufforderung an den verlorenen Sohn: ob er nicht lange genug in der Fremde zugebracht habe, und daß es im übrigen auch hier genug zu tun gebe, und zwar in aller Freiheit, die wenigen Freunde bestätigen es. Vielleicht lacht der so Angesprochene darüber, denn es geht ihm gut, und was soll er dort? Doch so leicht gibt mall nicht auf, die Stadt bangt um ihren guten Ruf, und das Hafnergewerbe hat keineswegs den erhoff­ ten Aufschwung genommen, die Herrschaf­ ten am Rhein und anderswo schicken ihre Bestellung immer noch an die alte Adresse. Also folgt die zweite, wohl weniger herzliche, aber dafür auch eindeutige Botschaft: man brauche ihn. Man erinnert ihn an seine Bür­ gerrechte (wie Besitzansprüche, offenste­ hende Forderungen, Versorgungsregelung im Alter und Krankheitsfall, Grablegung u. a.), aber was soll er damit, wo er dabei ist, sich freizumachen, und sie merken es nicht, und seinen neuen Freunden erzählt er, daß es in jener Stadt nach Feuer und Blei rieche. Eines Tages wird er erfahren, daß sie die Magd nach Villingen zurückgebracht haben, und Kraut redet sich ein, daß es ein Versehen sei und denkt über neue Farbwirkungen nach. Dann erfährt er, daß man die Fleig ein­ gezogen und verhört hat, sie sei des Schaden­ zaubers an Menschen und Tieren verdächtig. Und schließlich die dritte und letzte Bot­ schaft: es stehe nicht gut um die Magd, die Untersuchung habe nicht Unbedenkliches an den Tag gebracht, nicht nur sie betreffend, es sei da allerhand zu klären, ob er -Hans Jakob Kraut zu Villingen (!) -nicht dazu bei­ tragen wolle, es wäre nicht sein Schaden und­ sofort. Kraut legt den Zirkel zur Seite, spricht 269

am Hof vor, und der Hof, der informiert ist und weiß, was er an Kraut hat, läßt von dem Gespräch ein nicht ungünstiges Protokoll anfertigen; Kraut kann weiterarbeiten. Kraut läßt einen Prachtofen bauen, den der Hof in Auftrag gegeben hat: bestimmt für den eigenwilligen Salzburger Fürstbi­ schof: neununddreißig bemalte Kacheln um den Schamotte, jede Kachel mit einer Abbil­ dung, wie zum Beispiel von der Sonne, einem fliehenden Pferd, einem Kranich, einer Fahne im Schneewind, einer Stadt auf den Bergen, einem Lautenspieler unter einem Baum, einem Boot auf einem ruhigen See, einem dunklen Käfig, einem Wandel­ stern, unter den der Meister seine Initialen brennt: ein Werk, das das außergewöhnliche plastische Können des Kunsthafners be­ zeugt. Als die Arbeit zu Ende ist, fahrt Kraut von Wien nach Salzburg, um die Aufrichtung des Ofens zu überwachen. Er wundert sich, in einem der Gemächer des fürstbischöflichen Palasts bereits einen anderen Ofen mit sei­ nen Initialen vorzufinden. Nachdem er den Ofen lange genug betrachtet hat, weiß er, daß es nicht sein Ofen ist. Und im Lauf der Woche muß er hören, daß es nicht die ein- zige Arbeit ist, die fälschlicherweise unter sei­ nem Namen verkauft wird. Später wird er erfahren, woher der Handel kommt. Er, dem seine Kunst über alles geht, ist tief getroffen. Böse Träume suchen ihn heim, die er in einem Brief an den Fürstbischof beschreibt: Am blutroten Himmel unzählige Monde, drei Flammen auf einem Feld, ein Adler auf einem Hügel sitzend, zitternd. Er gehe zu wenig an die frische Luft, sagen die Freunde in Wien, und dabei haben wir hier so viele Parks. Kraut weiß es: er wird gebraucht in Villingen, und man läßt nichts unversucht, ihn zurückzuholen, und da schreckt man nicht einmal vor Fälschungen zurück. Kraut hat Angst. Er möchte nicht, daß Pfuscher und Fudler sein Werk ruinie­ ren. Schließlich schickt er heimlich einen Boten, der freundlich aufgenommen und abgefertigt wird: man sei bereit, ihn zu emp­ fangen, ohne Groll und Bitterkeit, und dies­ mal liegt wieder ein Schreiben von einem der Freunde bei, in dem er ihm Mut zuspricht. Nach zwei Jahren, zwei Monaten, dreiundzwanzig Tagen kehrt Hans Jakob Kraut der Stadt Wien den Rücken und kehrt nach Villingen zurück. Jürgen Henckell: Modeme Lyrik Aus der Gedichtsammlung „Beschreibungen einer Randlage“ Ein Augenblick Alpen – 1. Hierzulande gilt es als glückliche Fügung: die Alpen zu sehen. Entscheidend sind Standpunkt und Wetter. So bleibt auch dieser GlücksTreffer mit höchstem Augengewinn nur dem Zufall überlassen. Noch seltener rücken Pilatus und Glärnisch der Wanderlust so nahe, daß unverbesserliche Romantiker voreilig zu jodeln beginnen – 270 was die kältesten Gipfel veranlaßt, sich nach kurzem Erröten dem unbezahlten Urlaub auf Sicht zu entziehen – Ich habe die Alpen gesehen! so melden die glücklichen Späher und meinen über Schillers eingeschweizten, doch unbewiesenen Apfelschuß und abgelaufene verschneite Pässe hinaus nicht die humanistischen Q!lellen des Dante und Petrarca, sondern immer noch Rom

oder vordem Arkadisches mit sämtlichen Schätzen aus lang schon vergilbten Geschichten. 2. Dem Älpler hingegen läuten beim umgekehrten LuftlinienHinblick des Tieflandes Dunstglocken keine erstrebsamen Ziele – und er weiß nicht, ob er den neuen Völkerwanderungen mit dem letzten Melkschemel drohen oder winken soll. A la carte postale Wer an der Grenze zur Schweiz wohnt, stellt hier höhere Ansprüche bei der Auswahl von Ansichtskarten. Denn jenseits der Grenze werden sie nach jeder Straßenbiegung und Tunnelpassage noch ungedruckt angeboten und verteuern den Aufenthalt Sogar nachts hängen sie mit beleuchteten Kirchen, säkularisierten Klöstern, Burgen und Viadukten stark vergrößert beiderseits vielbefahrener Straßen vor hintergründigen Waldkulissen, Wildwassern und Bergketten. Das beweise, wie verlautet, trotz ungelüfteter Bankgeheimnisse einen Überfluß an Nationalstolz und Elektrizität als Folge des ungebrochenen Rütli-Schwurs und Fremdenverkehrs. Nur Anrainerneid hält die Schweiz deshalb für eine reine Ansichtssache. Versuch einer Spurensicherung (Im Achdorfer Tal) Abseits der gedrechselten Säulen des Herdrauchs, die flüchtig das flimmernde Licht tragen – abseits ein Wildwuchs von Apfelbäumen als sperriges Gitter zwischen Grashang und Himmel geflochten: Verschorfte Ungereimtheit, doch wie in Verzweigtes geknotet das Gleichnis von Schatten schon lange verlassener Nester – Hier scheint alles fruchtlos in kryptischen Erinnerungslücken zu wurzeln, die da in vermutlich gesprengten Gevierten vormals atmender Wohnungen klaffen und Namen vergessen. Allein in einer Lendenfurche dieser Verödung ein erkennbar behauener Stein als wohl selten befragter, doch deutlich geschwärzter Zeuge verhinderter Zukunft, wie noch brandheiß von der eiligen Zeit weggeworfen – Unbestimmtes Q!iellgeriesel ohne gespiegelte Klarheit läßt nur Trauer über die so ferne Nähe fließen – – Trotzdem blühen die Gräser im Unbehausten versöhnlich und nicken den seßhafteren Schnittern zu. * 271

Vergilbter Ort Vernarbt sind die Schwüre in Rinden von Bäumen, vergilbt schon die Blätter, beschrieben mit allem Geflüster des Windes als Humus zu Büchern zertretener Jahre gebunden. Das Krähen des Hahnes am Morgen bestätigt erfolgte Verleugnung – denn rasch sind die Augen des Mondes erblindet, die alles erkannten: Minuten der Wahrheit im bergenden Schatten und Küsse als Schwüre in Seufzern verblühend – In Rinden von Bäumen vernarbten die Schwüre – Die wachsenden Blätter im Frühling erfahren das alles erst später. Die Mauem und Hänge verschwistern sich wieder, des Aiolos strenge Windharfen Gesänge verdrängten die Lieder, die unter den Hainen von Alten und Jungen beim Ernten von Weinen, Oliven und Steinen zur Syrinx gesungen. Die Öde ließ Hände und Hoffnung ermatten – Die rostroten Wände 272 Rückkehr zum Anfang (Alter Hof Gangivecchio, Madonie) Herbst Das Blatt notierten Lebens weht davon – und überläßt dem Zufall, wo es liegenbleibt und welche Seite dann gelesen wird -vorübergehend – die zugekehrte oder abgekehrte? Rasch Vergessenes und Ungelesenes verbinden sich in weggekehrten Blätterhaufen, den die Kinder spielend nutzen, die Vergilbtes rascheln lassen – aber noch nicht lesen können. verblühen am Ende im holzigen Schatten. Die Ziegel berichten zerbrochen mir leise die alten Geschichten von Scherbengerichten für Landesverweise. Der Honig der Stille lockt Sagen und Fabeln; Zikade und Grille benutzen die Fülle für ihre Parabeln. Pirolhelles Lachen scheint in den Zypressen den Wunsch zu entfachen, zuweilen die Wachen der Nacht zu vergessen.

Wissenswertes über den Schwarzwald-Baar-Kreis Landschaftsgrenten Von Gymnasialprofcssor a.D. Dr. Alfred G. Bcnzing Der amtliche Name des Landkreises, des­ sen Kraftfahrzeuge das VS-Schild tragen, lau· tet „Schwarzwald-Baar-Kreis“. Zwei Land­ schaftsnamen sind darin verbunden, und das möge Anlaß sein, wieder einmal die Land­ schaftsgrenzen im Landkreis zu betrachten und zu überdenken. Mit dem Namen „Schwarzwald“ verbin­ det jedermann ein bestimmtes Gebiet mit einer besonderen Landesnatur, die sich von der abhebt, die außerhalb herrscht, also eine sog. naturräumliche Einheit. Anders bei der Baar. Hier handelt es sich um einen historischen, kulturräumlichen Landschaftsbegriff, der sowohl Teile des Schwarzwaldes einschließt wie Teile der Schwäbischen Alb, und es ist eindeutig falsch, nur die Baar-Hochmulde, das Land zwischen den genannten Gebirgen, als ,,Baar“ zu bezeichnen. Im Sinne von solchen kulturräumlich­ historischen Landschaften gehört der west­ lichste Teil des Landkreises zum Breisgau, der südlichste zum Klettgau, und der Haupt­ teil zur Baar. Ein Beispiel für politisch-/ver­ waltungsgeographische Raumgliederung mögen „Albprogramm“ (1971) und „Schwarz­ waldprogramm“ (1973) der Landesregierung liefern: Der Schwarzwald-Baar-Kreis gehört demnach größtenteils zum Gebiet des Alb­ programmes (westlich etwa bis zur Linie [einschließlich] Langenschiltach-Herzogen­ weile!)· Beim Schwarzwaldprogramm gibt es hier Uberschneidungen, so daß danach zum Programmgebiet des Schwarzwaldes von Westen her noch gehören (einschließlich): Weiler, Burgberg, Peterzell, Unterkirnach, Herzogenweiler, Hammereisenbach. Im folgenden wollen wir uns beschränken auf naturräumliche Grenzen höherer Ord- nung. Dabei soll auch gezeigt werden, wie unterschiedlich die Grenzziehung von Fach­ leuten immer noch ist (und vielleicht auch immer bleiben wird). Die beigefügten drei Karten zeigen den Landkreis nach folgenden Gliederungen: Abb. 1: Regionale Gliederung der Landes­ forstverwaltung (1976), nach Karte 1:600 000. Abb. 2: Agrarökologische Gliederung des Ministeriums f. Ernährung, Landwirtschaft u. Umwelt (1978), nach Karte 1:250 000. Abb. 3: Naturräumliche Gliederung der Bundesforschungsanstalt f. Landeskunde u. Raumordnung (1959, 1964, 1967), nach Karte 1:200 000. Nach der Regionalgliederung der Landes­ forstverwaltung gehört der Landkreis zu drei Wuchsgebieten, dem Wuchsgebiet „Schwarz­ wald“ etwa westlich der Linie St. Georgen/ Vöhrenbach/Hammereisenbach (also ähn­ lich der Grenzlinie des o. a. Albprogramms), dem Wuchsgebiet „Baar-Wutach“ und dem Wuchsgebiet „Schwäbische Alb“. Die Grenze des letzteren folgt etwa der geologi­ schen Schichtgrenze Unter-/Ober-Aalenium (Dogger alpha/beta). Der in den anderen Gliederungen der geologischen Grenze Buntsandstein/Muschelkalk folgende Schwarzwaldrand hat hier nur untergeordne­ ten Rang als Scheidelinie zwischen Einzel­ wuchsbezirk „Baar-Schwarzwald“ und Ein­ zelwuchsbezirk „Baar“. (Das südlichste Kreisgebiet rechnet zu den Einzelwuchsbe­ zirken „Obere Wutach und Bonndorfer Platte“ und Einzelwuchsbezirk „Untere Wutach und südöstlicher Hotzenwald“.) Vergleichen wir nun die agrarökologische Gliederung, sicher die feinste, sorgfaltigste (auch arbeitsaufwendigste) naturräumliche Gliederung (i. w. S.) unseres Landes und auch 273

unseres Landkreises. Dieser hat demnach Anteil an der Großlandschaft „Schwarz­ wald“, der Großlandschaft „Neckar- und Mainland“, der Großlandschaft „Schwä­ bische Alb“ und der Großlandschaft „Hoch­ rheingebiet“. Der Schwarzwaldrand fällt hier mit der Grenze Buntsandstein/Muschelkalk zusammen, das Hochrheingebiet setzt mit den tiefen Einschnitten des Wutach-Fluß­ systems ein. Ganz auffällig eigenwillig erscheint hier die Abgrenzung der Großland­ schaft „Schwäbische Alb“. So ist der Fürsten­ berg, der „fürderste“ (vorderste) Berg, nicht im Albgebiet, erst recht nicht das hoc�sele­ gene Dorf Fürstenberg, so wenig wie Ofin­ gen. Die Grenzlinie folgt also etwa dem Fuß des Malm-(Weißjura}Plateaus, ohne. Auslie­ ger und Zeugenberge einzubeziehen, und schließt damit auch hier die hochliegende Dogger-Terrasse aus (z.B. den Tanzbühl nördlich Öfingen, 884 m ü. M.). Bei der forstlichen Regionalgliederung wollte man sich nach den Umweltansprü­ chen (Klima in erster Linie, Böden in zweiter) der Forstgehölze richten, bei der agrarökolo­ gischen Gliederung nach den Standortbedin­ gungen für landwirtschaftliche Nutzpflan­ zen einschließlich der Obstgehölze. Von anderer, geographischer Seite wurde ver­ sucht, nach allgemeineren (und entspre­ chend unbestimmteren) Gesichtspunkten unter Beachtung der „gesamten“ Landesna­ tur eine naturräumliche Gliederung (man kann sie die naturräumliche Gliederung im engeren Sinne nennen) zu finden. Die ande­ ren, ökologischen, Gliederungen sind natür­ lich auch naturräumliche Gliederungen, aber solche im weiteren Sinne. Nach einem Vorläufer im Maßstab 1:1 Million (1953) ging man zu einer feineren Gliederung 1:200 000 über, deren wichtigste Grenzlinien (s. Abb. 3) den Landkreis drei Großregionen zuordnen: Dem „Schwarz­ wald“, den „Neckar- und Tauber-Gäuplat­ ten“ und der „Schwäbischen Alb“. Wie man sieht, deckt sich der Schwarzwaldrand etwa mit der Auffassung in der agrarökologischen Gliederung, der Albrand aber schließt hier 274 mehr an die forstliche Regionalgliederung an. Auf Feinheiten, gar die weitere Unterglie­ derung, sei hier verzichtet. Welche der Gliederungen ist nun die beste? Jede hat ihre besonderen Ziele, denen sie mehr oder weniger gut nahekommt. Die in der (nicht amtlichen) Kreisbeschreibung (in der Reihe „Heimat und Arbeit“, K. Theiss Verlag, Stuttgart 1977) und im Wanderbuch ,,Die Baar“ (Neckar Verlag, Villingen 1972) angenommene Gliederung und ihre Beschreibungen seien zum weiteren Stu­ diu� empfohlen. Ubrigens: Wissen Sie, wo sich der Mittel­ punkt des Schwarzwald-Baar-Kreises befin­ det? Wenn man an die Behörden denkt, natür­ lich in der Kreisstadt, und zwar in ihrem Stadtbezirk Villingen. Wenn man von der gesamten Landkreisbevölkerung ausgeht und den B e v ö l k e r u n g s s c h w e r p u n k t als Mittelpunkt nimmt, steht man ungefähr 1,5 km nordöstlich der Kirche Pfaffenweiler. Geht man von der Landkreisfläche aus, fin­ det man den F l ä c h e n s c h we r p u n k t etwa 1,5 km südwestlich der Kirche Pfaffen­ weiler. Beide Punkte liegen natürlich auf der Baar, aber der letztere innerhalb der Schwarz­ waldgrenze, der erstgenannte außerhalb (in der Baar-Hochmulde). Der höchste Punkt des Landkreises ist bekanntlich der Rohrhardsberg mit 1155 m ü. M., der niedrigste Punkt ist in älteren Drucksachen des Landratsamtes mit 515 m genannt (,,südlich von Blumbergj, in neue­ ren mit 472 m (,,Gutach nördlich von Tri­ bergj. Bestimmt man die m i t t l e r e H ö h e auf 257 Gitterpunkten der T K 50, so kommt man auf 808 m ü. M. Die Landkreisfläche verteilt sich danach folgendermaßen auf die Höhenschichten: über 1050 m ü. M. 2 % 1000-1050 6% 950-1000 5% 10% 900- 950 850- 900 9% 800- 850 12 % 750- 800 17%

700- 750 650- 700 unter 650 24% 12% 3% Wichtiger als die Meereshöhe ist aber die Wuchsklimastufe. Nach der ökologischen Klimakarte 1:350 000 (Stuttgart, MELU, 1974) findet man (nach 257 Gitterpunkten berechnet): Stufe mittlere Jahrestemperatur (OC) XI -sehr kalt X -kalt IX -mäßig kalt VIII-kühl VII -mäßig kühl u. wärmer 4,5-5,5 5,5-6,5 6,0-6,5 6,5-7,0 über 7,0 Anzahl der Tage mit Mitteltemperaturen über 5 °C 175-189 189-196 196-203 203-210 über 210 Anteil an der Landkreis­ fläche 9% 28% 50% 10% 4% Solche Daten setzen der Landwirtschaft Grenzen, jeder spürt sie am Heizbedarf. Legenden zu den Abb. 1 bis 3 Abb. 1: Forstliche Gliederung des Schwarzwald­ Baar-Kreises (Regionale Gliederung der Lan­ desforstverwaltung 1976) Kreise: Grenzen von Wuchsgebieten gestrichelt: Grenzen von Einzelwuchsbezir­ ken Abb. 1 1 – – – – – – – – – – – – – – — — –. – – – – – —–· 1 �� 1 Abb.2: Agrarökologische Gliederung des Schwarz­ wald-Baar-Kreises (Agrarökologische Gliede­ rung des Landes Baden-Württemberg, Mini­ sterium f. Ernährung, Landwirtschaft u. Um­ welt 1978) dicke Linien: Grenzen von Großlandschaf­ ten 275

Abb. 3: Naturräumliche Gliederung des Schwarz­ wald-Baar-Kreises (Naturräumliche Gliede­ rung Deutschlands 1:200 000, Bundesfor­ schungsanstalt f. Landeskunde u. Raumord­ nung, Kreisgebiet auf 4 Blättern, ersch.1959, 1964, 1967). dicke Linien: Naturräumliche Grenzen 3. Ordnung (Regionen). Auf die Gliederung außerhalb der Land­ kreisgrenzen und auf die feinere Untergliede­ rung wird nicht eingegangen; diese Linien wurden deshalb nicht mit übertragen. Die Gitterlinien in den Karten sind die Blattgrenzen der Topographischen Karten 1:25 000, die man zum Vergleich heranzie­ hen möge, bzw. die TK 50, die jeweils 4 Blät­ ter der TK 25 darstellt. Abb.3 -,_ 10 km Die Sonne über dem Schwarzwald-Baar-Kreis „Im Osten geht die Sonne auf, im Westen geht sie unter.“ So lernen es alle Kinder. Diese Aussage ist nicht so genau wörtlich zu nehmen; sie stimmt nur einigermaßen, am besten um die Tag- und Nachtgleichen, also im März und September. Die anscheinend so wirklichen und doch nur scheinbaren Son­ nenbahnen steigen von den Aufgangspunk­ ten je nach Jahreszeit mehr oder weniger schnell und hoch am Himmel auf. Den tägli­ chen Höchststand (die Kulmination) er­ reicht die Sonne zwischen 12 und 13 Uhr MEZ, bei Sommerzeit zwischen 13 und 14 Uhr, und steht dann genau im Süden (sog. Wahrer Mittag). Der Mittlere Mittag ist um 12h26m27s MEZ. Wegen einiger Ungleich­ mäßigkeiten im Sonnenlauf schwankt der Zeitpunkt des Wahren Mittags um rund eine halbe Stunde, mit dem o. a. wahren Mittag etwa in der Mitte (die entsprechenden Zeit­ differenzen nennt man Zeitgleichung). Der früheste Sonnenuntergang ist im Dezember, der späteste im Juni, wo wegen der Sommer- zeit sogar noch 1 Stunde zu addieren ist. Der besorgte Leser wird fragen, ob die markierten Sonnenstände oder ihre Zeiten auch stimmen; der Schwarzwald-Baar-Kreis hat ja schließlich nicht nur Punktgröße (es sind 1025 krn2) und stellt auch keine Ebene dar. Die der Abbildung zugrunde liegenden Berechnungen beziehen sich auf einen Punkt 47 °58’48“ nördl. Breite und 8°23’13“ östl. Länge, der gewählt ist als Mittelwert der geo­ graphischen Breite des nördlichsten und des südlichsten Punktes des Landkreises und der geographischen Länge des westlichsten und des östlichsten Punktes. Bezogen auf diesen Mittleren Punkt (er liegt übrigens etwa 3 km südwestlich Tannheim) erreicht die Sonne am östlichsten Punkt 1 Minute früher ihren höchsten Stand, am westlichsten Punkt 1 Mi­ nute später (Verschiebung also 3 Sek. je km). Am Horizont, wenn die Sonne auf- oder Tag und Nacht 1984 im Schwarzwald-Baar-Kreis 276

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untergeht, werden diese Unterschiede durch Reliefunterschiede allerdings übertroffen, besonders in Tallagen und auf herausragen­ den Berglagen. Dazu kommt dann noch die unterschiedliche Strahlenbrechung in der Atmosphäre, die vorn jeweiligen Wetter abhängt: Die Sonnenstrahlen laufen nicht gerade, sondern etwas gekrümmt durch die Lufthülle. Gehen wir zum nördlichsten Punkt im Landkreis, so bleibt die Mittagshö­ he der Sonne 0,21° niedriger; am südlichsten Punkt steigt sie entsprechend höher. Je 1 km Nord-Süd-Abstand vorn o. a. Mittleren Punkt ergibt das etwa 112 Winkelminute Un­ terschied der maximalen täglichen Sonnen­ höhe (höher südlich, niedriger nördlich). Für die meisten praktischen Zwecke (soweit es nicht auf die sprichwörtliche astro­ nomische Genauigkeit ankommt) kann man daher unsere Berechnungen für das ganze Gebiet des Landkreises als gültig ansehen. Das gilt übrigens auch für die weiteren Jahre. Nehmen wir als Beispiel den Sonnenunter­ gang am Heiligabend: 1985 um 16.37, ebenso 1986, 1987; 1988 16.38, also praktisch immer um die gleiche Zeit Das Verhältnis von Tag und Nacht wird in der Abbildung für jeden 1., 10. und 20. Tag eines jeden Monats veranschaulicht Man sagt, die Sonne geht auf oder unter, wenn der obere Rand der Sonnenscheibe erscheint oder verschwindet Ihr Mittelpunkt steht dann im Mittel 0,83° unter dem Horizont (der mittlere Einfluß der Strahlenbrechung ist dabei mitberücksichtigt). In der Abb. mar­ kiert die dünne waagrechte Linie die Därn­ merungszeit, genauer die sogenannte Bürger­ liche Dämmerung; Sonnenmittelpunkt höchstens 6° unter dem Horizont. Die Däm­ rnerungsdauer schwankt im Jahreslauf um einige Minuten; ihr Mittelwert ist rund 35 Minuten. Die Formeln für derartige Berechnungen verdanken wir einigen Zweigen der Astrono­ mie, nämlich der Himmelsmechanik und der Sphärischen Astronomie. Die in der Abbil­ dung vorgestellte Anwendung führt zum Solaren Klima des Landkreises, also zur Regionalen Klimakunde. Fast immer ist die tatsächliche Sonnenscheindauer kürzer als die maximal mögliche. Dr. Alf red Benzing * 278

Verschiedenes Personen und Fakten Elmar Österreicher wurde am 7. 10. 1984 in der dritten Amtsperiode zum Bürger­ meister von Dauchingen mit 99,3 O/o der ab­ gegebenen gültigen Stimmen wiedergewählt. Die Wahlbeteiligung betrug 63,15 0/o. Der bisherige Amtsinhaber war Allein­ bewerber. Günter Siek, Bürgermeister in Mönch­ weiler, konnte am 25. 4.1985 sein 25jähriges Bürgermeister-Jubiläum begehen. In einer kleinen Feierstunde, an der auch Landrat Dr. Gutknecht teilnahm, wurden im Rahmen einer Gemeinderatssitzung die Verdienste und Persönlichkeit des Jubilars gewürdigt. Paul Riegger und Bugen Müller, Kreis­ räte aus Villingen-Schwenningen, empfin­ gen aus der Hand des Landrats für ihr 25jäh­ riges parlamentarisches Wirken eine Medaille samt Urkunde des Landkreistags Baden-Württemberg. Erwin Teufel, Abgeordneter im Landtag des Wahlkreises Villingen-Schwenningen und Vorsitzender der CDU-Landtagsfrak­ tion, wurde am 7. 6. 1985 die Würde eines Ehrensenators der Fachhochschule Furtwan­ gen verliehen. Professor Dr. Rainer Schulte, seit Mitte Mai 1979 Rektor der neugegründeten Fach­ hochschule für Polizei in Villingen-Schwen­ ningen, ist mit Wirkung vom 1.11.1984 zum neuen Präsidenten der Landespolizeidirek­ tion Karlsruhe ernannt worden. Die Nach­ folge von Professor Dr. Schulte hat Ltd. Kriminaldirektor Dr. Ralf Krüger am 15. 3. 1985 angetreten, der zuletzt als Leiter der Kri­ minalpolizei bei der Landespolizeidirektion Karlsruhe tätig war. Professor Dr. Ernst Eduard Hirsch, der seinen Lebensabend in Königsfeld-Burgberg verbracht hat, ist am 29. 3.1985 im Alter von 83 Jahren gestorben. Professor Hirsch war ein bekannter Rechtsprofessor und einer der besten deutschen Türkei-Kenner. Die Per­ sönlichkeit des Verstorbenen wurde im Almanach 1981 auf den Seiten 146-148 gewürdigt. Bernhard Stamm, langjähriger Schaff­ hauser Regierungsrat und wirksamer Förde­ rer der gutnachbarschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kanton Schaffhausen und dem Schwarzwald-Baar-Kreis, am 31.12.1984 zurückgetreten. Sein Nachfolger wurde Ernst Leu, der am 9. 9.1984 zum Regierungsrat gewählt worden ist. ist 279

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1984 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet: (Abkürzung: BVK a. B. -Bundesverdienstkreuz am Bande) Strohm, Liselotte Lauffer, Günter, Bürgerm. Kaiser, Albrecht Schmidt, Julia Dr. Honold, Lorenz Jordan, Karl Heinz, Pfarrer a. D. Gebauer, Liselotte Gilly, Max, Bürgerm. Gerber, Werner, Bürgerm. Ketterer, Karl Zschischang, Werner 20. 06.1984 BVK a. B. Bad Dürrheim 16. 07.1984 BVK a. B. St. Georgen i. Schw. 23. 07.1984 BVK a. B. Schonach i. Schw. 31. 07.1984 BVK a. B. Triberg i. Schw. 21. 08.1984 BVK a. B. Donaueschingen 14. 09.1984 05. 10.1984 12. 11.1984 12. 11.1984 10. 12.1984 15.02.1985 BVKa.B. BVKa.B. BVKa.B. BVKa.B. BVK a.B. BVKa.B. Bad Dürrheim Villingen-Schwenningen Hüfingen Blumberg Bräunlingen-Döggingen Blumberg Bevölkerungsentwicklung 773 7 Bad Dürrheim 7712 Blumberg 7715 Bräunlingen 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen 7743 Furtwangen 7741 Gütenbach 7713 Hüfingen 77 44 Königsfeld 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen 7741 Schönwald 7745 Schonach 7740 Triberg 7201 Tuningen 7731 Unterkirnach 7730 Villingen-Schwenningen 7741 Vöhrenbach Stand Wohnbevölkerung 1.1.1985 1.1.1984 10.228 10.136 9.927 10.043 5.366 5.400 4.942 4.943 2.794 2.800 18.333 18.045 9.923 10.293 1.433 1.428 6.285 6.285 5.344 5.334 2.972 2.995 4.472 4.505 14.380 14.491 2.410 2.458 4.720 4.813 5.919 5.967 2.236 2.219 2.431 2.486 76.600 76.861 4.007 4.088 0 +0,2 + 1,6 -3,6 +0,4 0 in% +0,9 -1,2 +0,6 Veränderungen in Zahlen + 92 -116 + 34 1 + 6 +288 -370 + 5 0 + 10 + 23 + 33 -111 48 93 48 + 17 55 -261 – 81 +0,2 +o,8 +0,7 -0,8 -2,0 -1,9 -0,8 +0,8 -2,2 -0,3 -2,0 Kreisbevölkerung insgesamt 195.494 194.818 -676 -0,4 280

Ausländer in Zahlen Gemeinde Ausländer davon insgesamt Türken Stand 31. 3. 1985 Jugo- slawen Italiener Sonstige Ausländer- anteil in % Bad Dürrheim 458 Blumberg 1.002 Bräunlingen 518 Brigachtal 258 Dauchingen 120 Donaueschingen 1.383 Furtwangen 908 Gütenbach 28 Hüfingen 535 Königsfeld 194 Mönchweiler 265 Niedereschach 213 St Georgen 1.763 Schönwald 61 Schonach 310 Triberg 537 Tuningen 179 Unterkimach 203 Villingen- Schwenningen 9.498 504 Vöhrenbach Gesamt 18.937 21 544 366 113 30 291 238 2 236 23 12 53 193 7 45 178 19 84 173 298 35 34 27 323 326 1 96 64 115 75 545 17 125 127 11 14 121 15 33 43 18 304 187 23 139 17 89 4 597 12 91 85 123 32 143 145 84 68 45 465 157 2 64 90 49 81 428 25 49 147 26 73 1.808 184 4.447 3.582 167 6.155 1.929 117 3.979 2.179 36 4.356 4,5 10,1 9,6 5,2 4,3 7,5 9,2 2,6 8,5 3,6 8,8 4,7 12,3 2,5 6,6 9,1 6,6 8,4 12,4 12,6 Ergebnis der Kreistagswahl vom 28.10.1984 Zahl der zu wählenden Kreisräte (Ausgleichssitze 5) Wahlberechtigte im Landkreis Wähler Wahlbeteiligung ungültige Stimmzettel gültige Stimmzettel abgegebene gültige Stimmen 54 59 139.405 81.182 58,23 % 3.491 77.691 779.543 Stimmen insgesamt für: CDU 320.051 (41,06%) 27 Sitze (- 1) SPD 189.703 (24,33 %) 13 Sitze (- 6) GRÜNE 92.982 (11,93 %) 6 Sitze (+ 6) FWV 89.013 (11,42 %) 6 Sitze (± 0) F.D.P. 60.684 ( 7,78 %) 6 Sitze (+ 1) NPD 27.110( 3,48%) lSitz (+1) 281

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahme auf der Titelseite des Alma­ nach ’86 stammt von G. Hasenfratz, Hüfingen. Es zeigt ein Motiv beim „Haus des Gastes“ in Bad Dürrheim. Bei der Abbildung auf der Rückseite (Museum für Ur- und Frühgeschichte, Freiburg) handelt es sich um eine Glasflasche aus einem Alamannengrab auf der Gemarkung Hüfingen: Import aus Italien, 5. Jahrhundert nach Chr. Ori­ ginalgröße 17 Zentimeter. Von G. Hasenfratz fer­ ner die Farbaufnahme S. 139. Das Dia-Farbbild S. 141 besorgte L. Honold. Für die Farbreproduktio­ nen zu „Ein Spiegel der modernen Malerei“ (S. 131-137) zeichnet Uwe Conradt, der Autor des Beitrags. – Die drei Farbaufnahmen S. 129 und 130 zu „Maria Tann“ lieferte Klaus Maiwald. Aus dem Buch „ Wilhelm Furtwängler im Urteil seiner Zeit“ von Martin Hürlimann stammen die drei Furt­ wängler-Fotos S. 73/74. Das Buch erschien im Atlantis Musikbuch-Verlag, Zürich, dem die Almanach-Redaktion für die freundliche Geneh­ migung zum Abdruck zu besonderem Dank ver­ pflichtet ist. Der Autor der Farbaufnahmen S. 227-230 ist R. Kalb. Fotonachweis für die weiteren Aufnahmen im Innern des Jahrbuchs (Die Zahlen nach der Auto­ ren-Angabe beziehen sich auf die jeweilige Text­ seite): Sokolowski, Konstanz (Luftbild freigege­ ben Reg.-Präsidium Freiburg unter der Nummer 38/3709-308) 4. – Kritzer, Landratsamt, 6, 31. – L. Honold 8, 167 (2), 168, 183. – Univ. Konstanz 9, 11. – Südwest-Redaktion Schwenningen 12. – H. Schleicher, Blumberg 14. – H. Schey, Neuhaus, 15. – G. Walcz 19. – A. Conradt-Mach 21. – Archiv Schule am Deutenberg 23-25. – Archiv H. Kraus 27, 28. – R. v. Stromheck 9, 30, 46, 56. -]. Steiert, Landratsamt, 33. – F. Stockmann, Südwestpresse, 35, 36. – IHK-Präsidium 38. – Transferzentrum Furtwangen 39-42. – A. Braig, St. Georgen (Süd­ kurier) 44. – Firma Ricosta 48, 49. – Möck 51, 52. – S. Burger 53, 54. – W. Heidinger 57, 58. – K. Mai­ wald 60, 61. -1. Pfeiffer 63, 64, 110, 111, 152, 153, 155. – G. Kiefer 65, 70, 78, 236, 241. – Privat H. Diegner 68. – G. Goerlipp 71, 116, 118, 180. – Privat K. H. Jor­ dan 79. – Ch. Kiefer 81, 211. – Bildarchiv]. Hen­ ckell 84, 156-159. – Privat A. Diemer 86. – Hamm 87. – Archiv Münsterpfarrei 96-99. – Letule 102, 104. – L. Mannerfelt lU-114. – K. Volk UO, Ul, U3. – H. He.inrich/W. Oloff144-147. – Archiv G. Glitsch 148, 149, 151. – U. Ziegler 160, 161. – H. Heinrich 163-166. – Foto Grill 169. – H. Burck­ hardt 184, 186, 187. – Stadtarchiv Hüfingen 192, 194, 195. – 1. Weidenbach 197, 198. -]. Michaelis 200. – K. Fritschi 202. – E. Schwarzwälder 204, 205, 206. – Privat H. M. 208. – E. Bausch 214. – H. Rösch 217. – E. Köllner 224, 226. – Luftbild Prisen 232, freig. Reg.-Präs. Darmstadt Nr. 1680/80. – K. P. Friese 243. – 0. Weißer 245. – H. Kirchgeß­ ner 247. – W. Dold 248, 257. – Archiv Hapimag 254, 255. – G. Steinbach 258. – Ch. Hajek 259, 260. – Archiv H. Heinrich: Jugendherberge 252. 282

Die Autoren der Beiträge Bausch, Ernst, Belchenstraße 3, 7241 Schönwald Benzing, Dr. Alfred, Staufenstraße 62, 7730 Villingen -Sc h wenn in gen Benzing, Otto, Studiendirektor, Weilerstraße 24, 7214 Zimmern-Flözlingen Burger, Sigrid, Dipl. rer. pol., Feldbergstraße 37, 7745 Schonach Burkhardt, Heinz, Jahnstraße 15, 7744 Königsfeld Conradt, Uwe, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Conradt-Mach, Annemarie, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Diemer, Alfons, Rektori.R., Allmend 79, 7743 Furtwangen Dold, Wilfried, Redakteur, Schützenstraße 11, 7741 Vöhrenbach Duffner, Wolfgang, Am Bildstöckle 6, 7734 Brigachtal Frank, Hans, Bürgermeister i. R., Stephan-Blattmann-Straße 10, 7743 Furtwangen Fischer, Hans-Werner, Dipl.-Bibliothekar, Hausacher Straße 5, 7730 Villingen-S c h wenn in gen Fischer, Otto K., Pfarrer, Ludwigstraße U, 7737 Bad Dürrheim Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 7730 V i 11 in gen – Schwenningen Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Gilly, Max, Bürgermeister, An der Gierhalde 14, 7713 Hüfingen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 V i II in gen -Schwenningen Hajek, Christa, Wilhelmstraße 4, 7743 Furtwangen Hamm, Werner, Albrecht-Dürer-Straße U, 7745 Schonach Hawner, Hans, Grünallee 2, 7737 Bad Dürrheim Heidinger, Werner, Oberamtsrat, Geschw.-Scholl-Straße 22a, 7710 Donaueschingen Heinrich, Helmut, Schulamtsdirektor i. R., Waldhauser Straße 12, 7730 V i 11 in gen -Schwenningen Henckell, Jürgen, Schriftsteller, Buchbergstraße 3, 77U Blumberg Heneka, Ludwig, Forstdirektor, Amtshausweg 2, 7740 Triberg Hockenjos, Wolf, Oberforstrat, Kaiserring 8, 7730 V i 11 in g e n-Schwenningen Honold, Dr. Lorenz, Redakteur i. R., Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber, Dr. Erna, Bibliotheksrätin i. R., Altenheim St. Michael, 7710 Donaueschingen Jens, Professor Dr. Walter, Sonnenstraße 5, 7400 Tübingen Kalb, Roland, Albstraße 7, 7735 Dauchingen Kiefer, Christiane, Alemannenstraße 13, 7715 Bräunlingen Kiefer, Gerhard, Redakteur, Alemannenstraße 13, 7715 Bräunlingen Kirchgeßner, Hilmar, Waldstraße 35, 7730 V i 11 in gen -Schwenningen Knaupp, Dieter, Dipl.-Ing. Christophstraße 36, 7730 Villingen -Sc h wenn in gen Köllner, Dr. Ekkehard, Oberforstrat, Irrnastraße 7, 7710 Donaueschingen Krülle, Rolf, Steglitzer Straße 5, 7730 Villingen -Sc h wenn in gen Kühn, Ludwig, Schulamtsdirektor, Kronengasse 14, 7730 V i 11 in gen -Schwenningen Kuntz, Professor Dr. Walter, Transferzentrum, Ziriakenhofstraße 1, 7743 Furtwangen Letule, Hans, Rathausstraße 14, 7734 Brigachtal-Überauchen 283

Liebetrau, Alfred, !HK-Präsident, Am Doniswald 4, 7744 Königsfeld Ludäscher, Peter, Hegnerstraße Sb, 7753 Allensbach Maiwald, Klaus, Schlietenstraße 4, 7737 Bad Dürrheim Mannerfelt, Professor Dr. Lennart, Reutestraße 48, und Schlenker, Alfons, Längental, 7735 Dauchingen Mather, Gisela, Saarlandstraße 48, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Mattes, Walter, Schellingstraße 31, 7730 Villingen -S c h w e n n i n g e n Möck, Erich, Journalist, Kimachweg 13, 7742 St. Georgen Müller, Kurt, Dekan, Münsterpfarramt, Kanzleigasse 10, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Ohnewald, Fred, Vogt-Dufner-Straße 9, 7743 Furtwangen Pfeiffer, Ingrid, Redakteurin, Eichendorffstraße 31, 7710 Donaueschingen Recknagel, Professor Dr. Ekkehard, und Fenge, Wolfgang, Universitätsstraße 10, 7750 Konstanz Reinartz, Dr. Manfred, Museumsleiter, Beroldinger Straße 29, 7732 Niedereschach Rösch, Hans, Görlitzer Straße 89, 7730 V i l I i n g e n -Schwenningen Schafbuch, Gottfried t, Wagrain 18, 7715 Hüfingen Schröder, Konrad, Zollamtsrat, Hochgärten 8, 77U Blumberg-Kommingen Schwarzwälder, Edgar, Goethestraße 11, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Siek, Friederike, Goethestraße 8, 7733 Mönchweiler Steinbach, Gerd, Redakteur, Weiherstraße 11/2, 7730 V i l l i n g e n -Schwenningen Steiner, F., Hapimag-Marketingleitung, Zugerstrasse 53, CH-0340 Saar Steiner, Rolf, Schriftsteller, Alemannenstraße 21, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Strombeck, Rosemarie, Freifrau v., Redakteurin, Abendtal 20, 7732 Niedereschach-Fischbach Thienel, Frank, Firma Ricosta, Dürrheimer Straße 43, 7710 Donaueschingen Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Walcz, Günter, Schwimmbadstraße 31, 7712 Blumberg Weidenbach, Isolde, Lindenstraße 1, 7713 Hüfingen Weissenberger, Otto, Bürgermeister i. R., Bahnhofstraße 4c, 7737 Bad Dürrheim Weißer, Otto, Katzensteigstraße 12, 7743 Furtwangen Ziegler, Dr. Uwe, Eberhardstraße 13, 7400 Tübingen 284

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Umwelt/Zum Geleit – von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1985/Dr. Rainer Gutknecht Abschied und Neubeginn im Kreistag/Dr. Rainer Gutknecht Gedenken der Bombenopfer im Landratsamt/Lorenz Honold Universitäten, Behörden, Kontakte über die Grenzen Eine Universität stellt sich vor/Ekkehart Recknagel und Wolfgang Fenge Das Zollamt Neuhaus/Konrad Schröder Fützen und Beggingen/Günter M. Walcz Schulen und Bildungsstätten Errichtung der Villinger Gewerbeschule/ Annemarie Conradt-Mach Die Realschule am Deutenberg/Rolf Krülle Ausbildungszentrum Donaueschingen/Hubert Kraus Starthilfe durch Umschulung/Rosemarie v. Strombeck Sonderschule für kranke Kinder/Rosemarie v. Strombeck Generalprobe fürs Berufsleben/Rosemarie v. Strombeck Immer wieder Spaß beim Lesen/Hans Werner Fischer und Walter Mattes Wirtschaft. Handel und Gewerbe Heimische Unternehmen beweisen Leistungsfähigkeit/ Alfred Liebetrau Transferzentrum für Mikroelektronik in Furtwangen/Walter Kuntz Die Technologiefabrik St Georgen/Peter Ludäscher Aus Konkurrenten wurden Partner/Rosemarie v. Strombeck In Donaueschingen wird Mode gemacht/Frank Thienel Vielfalt ist ihr Markenzeichen/Erich Möck Sphäroguß – ein Werkstoff mit Zukunft/Sigrid Burger Das „M“ steht für Muckle/Rosemarie v. Strombeck Handwerkliche Braustätte in Bräunlingen/Werner Heidinger Umweltfreundlicher Strom für Unterkimach/Klaus Maiwald Wagner aus Hondingen/Ingrid Pfeiffer Persönlichkeiten der Heimat Zwei Jahrzehnte im Parlament: Wilhelm Buggle/Gerhard Kiefer Hotelier Hans Diegner/Walter Jens 1 2 3 4 4 6 7 9 9 13 17 20 20 23 26 29 30 32 34 37 37 39 43 45 48 50 53 55 57 59 63 65 65 68 285

Lorenz Honold und die Baar/Gerhard Kiefer Berühmte Nachfahren vom Furtwänglehof/Hans Frank Der dem Blenkle-Paß den Namen gab/Gerhard Kiefer Pfarrer Karl-Heinz Jordan/Otto Weissenberger Cäcilie Dury in Bräunlingen/Christiane Kiefer Josef Günthner ( Fützen)/Jürgen Henckell Rektor a. D. Alfons Diemer/Fred Ohnewald Der „Feldere-Karli“ von Schonach/Werner Hamm Archäologie und Geschichte Spuren der Vergangenheit am Türnleberg/Dieter Knaupp 900 Jahre Kloster St. Georgen/Münsterpfarrer Kurt Müller Beckhofen, Chronik eines Weilers/Hans Letule Zwölf Baaremer Familiennamen/Otto Benzing „Schlagt der Dunter, da ist der Jäger“ /Manfred Reinartz Kappel und Obereschach um 1607 /Manfred Reinartz Die Pestkreuze auf der „Fuchsfallenhöhe“/lngrid Pfeiffer Landesgrenzsteine zwischen Baden und Württemberg/L. Mannerfelt und A. Schlenker Viktor von Scheffel in Donaueschingen/Lorenz Honold Der Gasthausboom in Nußbach/Karl Volk Maria Tann ( Ort und Entwicklung)/Ludwig Kühn Kunst und Künstler Ein Spiegel der modernen Malerei/Uwe Conradt Ein Rokokoaltar aus dem Jahr 1774/Erna Huber Die Malerin Waltraud Oloff/Hclmut Heinrich und Waltraud Oloff Der Maler und Grafiker Gotthart Glitsch/Lorenz Honold Heimat- und Phonomuseum St. Georgen/Ingrid Pfeiffer Mit dem Blick über die Region ( Blumberger Kunstausstellungen)/Lorenz Honold Carl Rang – Radierungen aus dem Schwarzwald/Uwe Ziegler Ein Brunnen entsteht/Helmut Heinrich Alice Roskothen-Scherzingert/Nachruf von Lorenz Honold Die Mundartdichter der Baar Gottfried Schafbuch (1898-1984)/Lorenz Honold Ech iber mech/Sclbstporträt von Gottfried Schafbuch Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben ( Einlage) 286 69 73 77 79 81 83 85 87 90 90 95 101 105 106 108 110 112 116 119 125 131 131 139 143 148 152 156 160 162 166 169 169 171 176

Was ist Mundart?/Aus dem Nachlaß von Gottfried Schafbuch Volkskunde, Brauchtum Das Wunder der Christrose/Lorenz Honold Ehe der Palmesel ins Museum kam/Lorenz Honold Baudenkmäler, Alte Schwarzwaldhöfe Das Herrnhuter Haus in Königsfeld/Heinz Burkhardt Alter Schwarzwaldbauer auf altem Bauernhof (Engelbert Dorer)/ Alfons Diemer Stadt- und Ortssanierung Die Hüfinger Altstadtsanierung/Max Gilly Die Hüfinger Stadtmühle – Juwel der Altstadtsanierung/Isolde Weidenbach Blumbergs .neue gute Stube“ /Jürgen Henckell Ein Haus als Lebensaufgabe (Mundelfingen)/Käthe Fritschi Verkehrswesen 25 Jahre Verkehrslandeplatz Donaueschingen-ViUingen/Edgar Schwarzwälder Der Baum (Gedicht)/Gisela Mather Gesundheit, Soziales Im Dienst der Heilkunst/Pfarrer Otto K. Fischer .Nachsorge“-Krankenhaus in Bräunlingen/Christiane Kiefer Vom Frauenvereinshaus zum Altenheim in Triberg/Ernst Bausch Landwirtschaft 100 Jahre Kreisjungviehweide in ViUingen/Hans Rösch Naturdenkmäler, Tier- und Landschaftsschutz Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Werner Heidinger Gehölze in der heimischen Landschaft/Ekkehard Köllner Meister Grimbart, auch Dachs genannt/Roland Kalb Warnsignal für Bedrohung der Umwelt/Ludwig Heneka Der Fischerhof – die Baaremer Kälteinsel/Gerhard Kiefer Lawinengefahr im Schwarzwald? /Wolf Hockenjos Sport und Freizeit Erstmals Nationenpreis der Springreiter/Gerhard Kiefer Auf dem Weg zum Weltmeistertitel/Klaus-Peter Friese 177 180 180 181 184 184 188 191 191 196 199 201 204 204 207 208 208 211 213 216 216 219 219 224 227 230 235 237 241 241 242 287

Porträt einer vorbildlichen Sportle.rin/Otto Weißer Klaus Weiß – Seniorenweltmeister im Langlauf/Hilmar Kirchgeßner Skiinternat Furtwangen/Wilfried Dold Wintergefühl (Gedicht)/Gisela Mather Stätten der Gastlichkeit und Entspannung Die Villinger Jugendherberge/Helmut Heinrich Das Feriendorf in Unterkimach/Prokurist Wallmann Der Bemreutehof bei Hammereisenbach/Wilfried Dold Das „Schwarzwaldhotel“ in Neukirch/Gerd Steinbach Über die „Kalte Herberge“ /Christa Hajek Das Rasenstück (Gedicht)/Gisela Mather Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Ob wir einst bei Regensburg waren?/Karl Volk Ein junges Genie bezaubert Weimar/Rolf Steiner Eine Reise nach Wien/Wolfgang Duffner Jürgen Henckell: Modeme Lyrik Wissenswertes über den Schwarzwald-Baar-Kreis Landschaftsgrenzen/ Alfred G. Benzing Die Sonne über dem Schwarzwald/ Alfred G. Benzing Verschiedenes Personen und Fakten Orden und Medaillen Bevölkerungsentwicklung Ausländer in Zahlen Ergebnis der Kreistagswahl 1984 Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 288 244 246 248 250 251 251 254 256 258 259 261 262 262 263 268 270 273 273 276 279 279 280 280 281 281 282 283 285