Almanach 2019


Foto: Impression vom Kreiserntedankfest 2018 in Weiler. Die Landjugend Mundelfingen präsentierte den ideenreichen Schwarzwald-Baar-Kreis. Auf einem Erntedankwagen war mit Sonnenblumen verziert der Umriss des Landkreises dargestellt. He raus ge ber: Land rats amt Schwarz wald-Baar-Kreis www.schwarz wald-baar-kreis.de land rats amt@schwarz wald-baar-kreis.de Informationen zum Jahrbuch können auch im Internet recherchiert werden: www.almanach-sbk.de Re dak ti on: Sven Hinterseh, Land rat Wil fried Dold, Re dak teur (wd) Kristina Diffring, Referentin des Landrats Heike Frank, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Kultur und Archiv Susanne Bucher, Leiterin Informations- und Kulturamt Stadt Hüfingen Clemens Joos, Kreis ar chi var Andrea Lauble, Stadtmarketing St. Georgen Für den In halt der Bei trä ge sind die je wei li gen Au to ren ver ant wort lich. Nach dru cke und Ver viel fäl ti gun gen je der Art wer den nur mit Ein wil li gung der Re dak ti on und un ter An ga be der Fund stel le ge stat tet. Gestaltung: dold.media + dold.verlag Verlag: dold .ver lag, Vöh ren bach 2018 www.dold ver lag.de Druck: jetoprint GmbH, Vil lin gen-Schwen nin gen ISBN: 978-3-927677-83-8 2



Aus dem Kreisgeschehen Leben im Denkmal Wirtschaft Mobilität für die Region – Breisgau- S-Bahn 2020 Das schmalste Haus Villingens Hechinger: Spulen, Kunststoff- und Elektronikbauteile 16 64 116 Mit der „Höllentalbahn Ost“ wird ein bedeutender Beitrag zur besseren Mobilität geleistet. Die Elektrifizierung ermöglicht, ohne Umstieg im Stundentakt von VS-Villingen über Donaueschin- gen, Löffingen, Neustadt, Hinter- zarten nach Freiburg sowie weiter bis Breisach bzw. Endingen am Kaiserstuhl mit neuen, zeitgemäß ausgestatteten Zügen fahren zu können. Die Baumaßnahme hat im Sommer 2018 begonnen. Das schmalste Haus Villingens wirft viele Fragen auf, die nicht beantwortet werden können. Wieso „quetschen“ Menschen im 13. Jahrhundert in eine 2,8 Meter breite Lücke im Stadtbild ein ganzes Haus hinein? Und: Wie lebt es sich auf dieser Mini- Breite bei einer Mega-Raum- länge von 21 Metern auf vier Stockwerken und sechs Ebenen? „Ausgezeichnet“, befinden die heutigen Bewohner. 4 Ein genialer Unternehmer- geist mit schwäbischem Spar- und akkuratem Ge- schäftssinn steckt hinter der Erfolgsgeschichte der Firma Helmut Hechinger GmbH und Co. KG in VS-Schwenningen. Mit über 1.200 Mitarbeitern weltweit produziert das Unternehmen Hechinger überwiegend elektrome- chanische Produkte für die Automobilzulieferbranche. Inhalt


Da leben wir Klaus Richter – Vollkommen in ver- schiedenen Rollen Inhaltsverzeichnis 2 8 10 Impressum Abschied vom Vater des Almanach – das Gedächtnis des Schwarzwald-Baar-Kreises wird weiterleben! / Sven Hinterseh 1. Kapitel / Aus dem Kreisgeschehen In Memorian Dr. Rainer Gutknecht – Ein Landrat aus Leidenschaft / Wilfried Dold 16 Aus dem Kreisgeschehen / Sven Hinterseh 30 Sturmtief „Burglind“: Hochwasser verlief dank Rückhaltebecken ohne große Schäden / Michael Koch 2. Kapitel / Leben im Denkmal 46 Vom Reihenhaus in die Pfohrener Entenburg / Madlen Falke Im „Kuckuck“ ist „Schwer was los“ / Susanne Kammerer 56 64 Das schmalste Haus Villingens / Sabine Przewolka 74 82 88 Posten 61: Ferien an einer der berühmtesten In Hondingen ein Schmuckstück geschaffen / Bernhard Lutz Fridlis Hus in Aasen / Tanja Bury 96 Gebirgsbahnen der Welt / Roland Sprich „Federwerk“ St. Georgen – das Hotel in der Fabrik / Wilfried Dold 3. Kapitel / Wirtschaft 116 Helmut Hechinger GmbH und Co. KG: Spulen, Kunststoff- und Elektronikbauteile / Sabine Przewolka 124 Highspeed im Grünen – SCHUNK Electronic Solutions setzt Maßstäbe in der Hochleistungsautomation / Johannes Grotz 132 Von Bugatti bis Bacardi – Hochwertige Pumpen von SCHERZINGER / Bernward Janzing 142 Spezialist im µ-Bereich – Die HAKOS GmbH in Villingen- Schwenningen legt seit über 100 Jahren größten Wert auf Präzision / Roland Sprich 4. Kapitel / Da leben wir – Daheim im Schwarzwald und auf der Baar 150 Klaus Richter / Marc Eich 158 Clemens Scherzinger / Ramona Lahrzal 164 Lisa Wolber / Barbara Dickmann 170 Kim Klausmann / Daniela Schneider 176 Susanne Seidel-Buri und Jörg Seidel / Wilfried Strohmeier 184 Isabella Schulz / Franziska Furtwängler 5 150 Klaus Richter ist Bergstei- ger, Weltreisender, Stadt- führer, Schauspieler, Haus- mann oder Geschäftsführer in einer Person. Und jede dieser Facetten wäre eine eigene Geschichte wert. Doch vollkommen ist der 56-jährige Villinger, der im Unterkirnacher Röthenloch lebt, nur mit all seinen Rollen – egal, ob sie nun gespielt sind oder nicht. Inhalt


Geschichte Natur und Umwelt Kunst Zur Geschichte der Natursteine aus Schwarzwald und Baar Vom guten Gefühl, wenn man genau weiß, woher die Lebensmittel kommen Über die unendliche Freiheit von Farbe, Malerei und Raum 190 252 268 Granit, Muschelkalk und Quarz- porphyr – dass diese und andere schöne Natursteine im Landkreis vorkommen und über Jahrhunder- te hinweg abgebaut wurden, ist teils wenig bekannt. Viele Stein- brüche sind längst verschwunden, doch in älteren Bauwerken sind die mehr oder weniger vor Ort ge- brochenen und bearbeiteten Bau- steine bis in die Gegenwart hinein oft gut sichtbar. Aus Unzufriedenheit mit den Produkten aus industrieller und auf Höchsterträge abzie- lender Landwirtschaft heraus, gründete sich im Januar 2017 der Verein „Solidarische Land- wirtschaft Baarfood e.V.“ Das Konzept kam an: Nach einem Jahr zählt der Verein über 160 Mitglieder – Tendenz stei- gend. Bei Brigachtal wird ein Hektar Land bewirtschaftet. Seit einigen Jahren greift Emil Kiess mit spielerischer Leichtigkeit auf bekannte Themen seines Werks zurück. Er variiert in unter- schiedlichen Techniken und Formaten ein großes The- ma der Moderne und seiner Arbeiten: das Verhältnis von Abstraktion zu Figura- tion, die Relation von Form und Farbe. 6 Inhalt


5. Kapitel / Geschichte 190 Zur Geschichte der Natursteine aus Schwarzwald und Baar / Martin Fetscher 210 100 Jahre Erster Weltkrieg – Wie Brigachtal und Marbach den Gefallenen des Krieges ein Gesicht gaben / Josef Vogt 216 Eskimos im Wilden Mann – 100 Jahre Kinogeschichte in Villingen und Schwenningen / Klaus Peter Karger 6. Kapitel / Wald- und Jagdgeschichte 226 Durch den Unterhölzer – ein jagdgeschichtlicher Waldspaziergang / Wolf Hockenjos 236 Fürstenbergische Jagden: Impressionen und Emotionen / Wolf Hockenjos 238 Die Jagden im Raum St. Georgen – eine Spurensuche / Wolfgang Göbel und Clemens Joos 246 Lässt sich das Aussterben des Auerhuhns noch aufhalten? / Wolf Hockenjos 7. Kapitel / Natur und Umwelt 252 Vom guten Gefühl, wenn man genau weiß, woher die Lebensmittel kommen – Solidarische Landwirtschaft Baarfood e.V. / Birgit Heinig 262 Das Teich – eine der romantischsten Schluchten Deutschlands / Wolf Hockenjos 8. Kapitel / Kunst und Kultur 268 Emil Kiess – Über die unendliche Freiheit von Farbe, Malerei und Raum / Ursula Köhler 9. Kapitel / Gastlichkeit 278 „die Säge“ in Kappel / Marc Eich 284 Paletti in Villingen / Roland Sprich 10. Kapitel / Freizeit 288 Das römische Hüfingen / Gabi Lendle 294 Ein Schwarzwaldhof zwischen Tradition und Moderne / Barbara Dickmann 11. Kapitel / Musik 302 Die Quellenländer / Susanne Kammerer 308 Imperium Dekadenz / Jens Fröhlich Anhang 316 Almanach-Magazin 319 Die Autoren und Fotografen unserer Beiträge / Bildnachweis 320 Ehrenliste der Freunde und Förderer Musik Die Quellenländer – Haus- und Hofkapelle des Landratsamtes 302 Ein Liedtext voll Liebe und Begeisterung für die Heimat, dazu eine fröhliche und be- schwingte Melodie: Mit dem Marsch „Im Quellenland“ hat der Schwarzwald-Baar-Kreis seit diesem Frühjahr sein eige- nes Musikstück. Gespielt wird der Quellenlandmarsch von der „Haus- und Hofkapelle“ des Landratsamtes: den Quel- lenländern. Inhalt 7


Das Hochwasserrückhaltebecken kappte die Spitze des Hochwassers, reduzierte durch den kontrollierten Abfluss die Wassermenge um bis zu 60 Kubikmeter in der Sekunde. Sturmtief „Burglind“ Hochwasser verlief dank Rückhaltebecken ohne große Schäden von Michael Koch 30 30 Aus dem Kreisgeschehen


Das Jahr 2018 begann unruhig mit Sturm und Hochwasser. Dass das Sturmtief „Burglind“ letztlich glimpflich ablief, war dem am 5. Januar nachlassenden Regen und dem Hochwasserrückhaltebecken in Wolterdingen zu verdanken. Ohne die Wirkung des Rückhaltebeckens wäre es unterhalb des Dammes zu einem 20- bis 50-jährlichen Hochwasser gekommen – mit je nach Standort bis 70 cm höheren Wasserständen! Aus dem Kreisgeschehen 31


Wie lebt es sich in einem Denkmal oder historischem Gemäuer? Überwiegend ausgezeichnet, wie die nachfolgende Artikelserie aufzeigt – teils jedoch mit baubedingten Einschränkungen. Nur mit wenig Annehmlichkeiten unserer modernen Zeit darf der Mieter des Posten 61 rechnen, eines Bahnwärterhäuschens an der Schwarz wald bahn bei Gremmelsbach. Dafür verbringt er seine Zeit mitten in der Natur und hat „direkten Anschluss an den Weltverkehr“. Unbestritten ist ebenso: Wer das schmalste Haus von Villingen bezieht, wohnt auf gerade mal 2,80 Meter Breite bei 21 Metern Länge und lebt somit wie Patrick Weigert und Hubertus Hofmaier fürwahr „auf kleinem Fuß“. Ganz anders die Familie Schwer: sie erwarb die frühere Uhrenfabrik Kuner in Schonach und bewohnt mit dem einstigen Fabriksaal das wohl mit größte Wohnzimmer im Landkreis. In einer früheren Uhrenfabrik übernachten jetzt auch die Gäste des Hotels „Federwerk“ in St. Georgen. Die Familie Papst hat die einstige Uhrenfabrik Tobias Bäuerle und Söhne mustergültig saniert. Die Familie Sauser indes lebt „kaiserlich komfortabel“ – an einem Ort, an dem einst Kaiser Maximilian jagte: in der Entenburg in Pfohren. Den Lebensabend verbringen, wo die Familie seit Jahrhunderten zuhause war, mit einem Storchennest auf dem Dach, das erlebt das Ehepaar Hall in ihrem Haus mit Baaremer Giebel in Aasen. Und eine sprichwörtliche Ruine, ein Fachwerkhaus in Hondingen, verwandelte Opernsänger Claus Gerstmann in ein Schmuckstück. 46 82 88 Die Entenburg in Pfohren – Heimat der Familie von Kerstin und Kai Sauser. Fridlis Hus in Aasen mit über 1.000 Jahre altem Keller. Ferien an der Schwarzwaldbahn in Gremmelsbach – den dortigen Posten 61 hat Christoph Freudenberger im Original erhalten, jetzt wird er als Ferienhaus vermietet. 44 2. Kapitel – Leben im Denkmal


74 Opernsänger Claus Gerstmann hat in Hondingen ein ab- bruchreifes Fachwerkhaus in ein Schmuckstück verwandelt. 96 Das Hotel „Federwerk“ in St. Georgen befindet sich in der früheren Uhrenfabrik Tobias Bäuerle und Söhne. 56 64 Die Familie Schwer hat in Schonach die frühere Kuckucksuhrenfabrik Kuner in ein Wohnparadies ver- wandelt. Integriert ist die Konditorei Kirsch von Kondi- tormeisterin Waltraud Schwer (links). Im schmalsten Haus von Villingen leben Patrick Weigert und Hubertus Hofmaier auf 2,80 Meter Breite und 21 Meter Länge. L A M K N E D M I N E B E L 45 45


Mit ihren dicken Mauern, den vier Türmen und ihrem imposanten Grundriss steht sie trutzig auf einer Wiese unweit der jungen Donau. Die Entenburg ist das Wahrzeichen des 1500-Seelen-Ortes Pfohren. Das Was- serschloss wurde von Graf Heinrich VI von Fürstenberg erbaut– und ist als „hus zu Pforren“ 1471 erstmals erwähnt. Prominentester Gast war Kaiser Maximilian I. Vier Jahrhunderte stand die Burg leer, bevor sie Ralf Röver liebevoll renovierte. Heute lebt hier die Familie Kerstin und Kai Sauser. Die Familie Sauser – Kerstin und Kai Sauser mit den Kindern Lilli (14), Janne (7), Mika (10) und Henri (11) vor der Entenburg. 46 Leben im Denkmal


Familie Kerstin und Kai Sauser Vom Reihenhaus in die Pfohrener Entenburg von Madlen Falke 47


Die Entenburg (rechts) mit der jungen Donau und Pfohren. Die jahrhundertelange Geschichte um das „hus zu Pforren“, das von Graf Heinrich VI. um 1471 in Auftrag gegeben wurde, ist heute zugleich ein Teil der Familien geschichte der Sausers. Völlig unerwartet, wie Kerstin und Kai Sauser beim Besuch im früheren Wasserschloss versichern: 2016 hat das Ehepaar die Entenburg erworben und wohnt seither mit den vier Kindern darin. Wo beispielsweise um die Jahre 1567/68 diverse Fuhrwerke, vollgeladen mit den Abgaben der Bauern standen – die Burg wurde damals als Zehntscheuer genutzt – steht heute neben der Eingangstür aus Stahl ein bunter Fuhrpark aus Fahrrädern und Tret rollern. Zwei Fußballtore für die Kinder haben im großen Garten ebenso ihren Platz gefunden wie das Trampolin. Wer vor der Burg steht, die abgesehen von dem zugeschütteten Wassergraben fast noch in Wenn mir vor drei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich mal auf dem Land und dann auch noch in einer Burg wohnen würde, hätte ich laut lachen müssen. ihrer ursprünglichen Form inmitten von Pfohren thront, ist von ihrer schlichten Erhabenheit beein- druckt: 17 Meter ist sie hoch und elf Meter breit. Wer ein Herz für das Mittelalter hat, mit dem wird die Fantasie durchgehen, der wird sich im Kettenhemd und langem Schwert oder in Jagd- montur an den altehrwürdigen Mauern stehen sehen und denken: „Einmal Burgherrin oder Burg- herr sein – das wär´s!“ Wovon der eine oder an- 48 Leben im Denkmal


dere träumen mag, ist für Kerstin und Kai Sauser Realität geworden. „Wenn mir vor drei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich mal auf dem Land und dann auch noch in einer Burg wohnen würde, hätte ich laut lachen müssen“, erzählt Kai Sauser, der von Beruf Eventmanager ist. Das Sauser-Event- management hat er im April 2000 mit seinem Bruder Rick Sauser gegründet. Die Agentur hat sich der Vermarktung und Gesamtabwicklung von Sport- und Kulturveranstaltungen verschrie- ben und betreibt ein Büro in Donau eschingen und Villingen-Schwenningen. Burgbesichtigung mit Folgen… Die sechsköpfige Familie wohnte bis 2016 mit- ten in der Donau eschinger Innenstadt, in ihrem Die Entenburg von Osten – in das denkmalgeschützte Gebäude ist wieder Leben eingekehrt. Entenburg Pfohren 49


Waltraud und Gerold Schwer Im „Kuckuck“ ist „Schwer was los“ von Susanne Kammerer Wo früher Kuckucksuhren montiert wurden, lässt sich heute blendend Billiard spielen und die in vielen Jahren zusammengetragene Radio-Sammlung präsentieren. 56 Leben im Denkmal


„Wir haben vermutlich die größte Stube im ganzen Landkreis“, lachen Waltraud und Gerold Schwer. Und vermutlich die einzige, in der einst Kuckucks uhr um Kuckucks uhr hergestellt wurde. Solange, bis die Uhren- fabrik Kuner ihre Produktion einstellte, das Gebäude der Familie Schwer veräußerte und die Werkbank der Couch wich. Heute leben und arbeiten die Schwers mit den Kindern Anna, Pia und David in der früheren Fabrik. Und: Waltraud Schwer betreibt im Haus zudem die Konditorei Kirsch. 57 57


Familie Schwer wohnt in der ehemaligen Kuckucksuhrenmanufaktur der Gebrüder Kuner in der Schonacher Ortsmitte. 2000 haben Waltraud und Gerold Schwer das vier- stöckige Haus erworben, parallel zum Einzug gingen die letzten Kuckucksuhren der im Jahre 1876 gegründeten Firma über den Verkaufstisch. Die Familie zog erstmal in die kleine Wohnung im Dachgeschoss, während sich unten, in der ehemaligen Werkstatt sowie den Lager- und Bü- roräumen, langsam alles leerte. Das Gefühl bei diesem Haus habe sofort gestimmt, sagen Waltraud und Gerold Schwer. Und tatsächlich, erfährt man ein wenig über die Geschichte des 94 Jahre alten Baus, entdeckt man die ein oder andere Parallele zu heute. So erzählen sich die Schonacher, dass viele Rei- sende, die früher in der Schwarzwaldgemeinde ankamen, zuerst die Kuckucksuhrenmanufaktur der Gebrüder Kuner ansteuerten. „Durch den Verkauf der Kuckucksuhren sprach man hier Englisch und Französisch, Gäste fühlten sich Durch den Verkauf der Kuckucks uhren sprach man hier Englisch und Fran zösisch, Gäste fühlten sich deshalb sofort willkommen. Unten: Das Haus der Familie Schwer, die ehemalige Kuckucksuhrenmanufaktur der Gebrüder Kuner. Im Anbau rechts befindet sich die Konditorei Kirsch von Konditormeisterin Waltraud Schwer. Rechte Seite: Die einstige Kuckucksuhrenfabrik Kuner ist heute ein mit viel Liebe eingerichtetes Wohnparadies. Die Uhren und Gewichte an der Wand erinnern an die frühere Verwendung des Raumes. Auch einige Maschinen und Teile der Einrichtung der Uhrenfabrik finden sich in den Wohnräumen. 58 Leben im Denkmal


59


Patrick Weigert und Hubertus Hofmaier Das schmalste Haus Villingens von Sabine Przewolka Geheimnisse umwittern das schmalste Haus in Villingen. Dabei: das moosgrüne Gebäude in der Bickenstraße 5 fällt im Vorbeilaufen mit seinen 2,80 Meter Breite fast nicht auf. Und doch stellt es witzigerweise in einer Welt von „höher-weiter-besser“ einen Superlativ dar. Und in der gleichen Welt, in der es kaum noch Geheimnisse gibt, hütet es seine eisern. Das schmalste Haus Villingens wirft viele Fragen auf, die nicht beantwortet werden können. Zum Beispiel: Wie- so quetschen Menschen im 13. Jahrhundert hier ein ganzes Haus hinein? Und: Wie um Himmels Willen können Menschen auf dieser Mini-Breite und der Mega-Länge von 21 Me- tern auf vier Stockwerken und sechs Ebenen überhaupt leben? Darauf jedenfalls gibt es eine klare Antwort: „Wir wohnen gerne hier!“ Das sagen Patrick Weigert und sein Lebenspartner Hubertus Hofmaier wie aus einem Munde und öffnen exklusiv für den Almanach des Schwarz- wald-Baar-Kreises ihre Haustüre, um einen Blick in dieses ungewöhnliche Bauwerk und eine Stadtwohnung mit außergewöhnlichem Charme zu ermöglichen. Im Mai 2017 zogen die beiden aus einer fast 80 Quadratmeter großen Wohnung im Villinger Riet zusammen mit ihren Perserkatzen Casa- nova und Penelope hier ein und schildern in bunten Bildern den Gewaltakt, um Möbel die schmalen Treppen hinauf zu bugsieren. Heute 64 Leben im Denkmal


65


Patrick Weigert (links) und Hubertus Hofmaier bewohnen das schmalste Haus in Villingen mit ihren Perser- katzen Casanova und Penelope. Hier sitzen sie auf dem Sofa in der Galerie ganz unter dem Dach. verteilen sich die zum Teil antiken Schmuck- stücke auf den insgesamt 300 Quadratmetern Fläche problemlos und mit herrschaftlich-edlem Stil auf den insgesamt sechs Ebenen. Blumen, seltene Deko-Artikel und auserlesene Backwaren Patrick Weigert betreibt in der Rietstraße zu- sammen mit Hubertus Hofmaier einen Blumen- laden mit Deko-Artikeln, die es sonst nirgends gibt, und ein Café mit auserlesenen Backwaren. Ihr Geschäft haben die beiden im Juli 2017 eröff- net, also nur kurze Zeit nach ihrem Einzug in das schmalste Haus Villingens. „Die Entscheidung war genau richtig“, wissen die beiden heute, auch wenn es damals alle Kräfte und Kreativität herausforderte. Die „Poleposition“ in der Rietstraße und der kurze Weg zum Heim erwiesen sich als goldrichtig. Manchmal liegt die Zukunft eben im Dunkeln, und dann braucht es eine Vision und den unerschütterlichen Glauben an ein gutes Gelingen. Das schmalste Haus Villingens scheint beides irgendwie herauszufordern. Wohnen mit Chic und Stil ist auch im kleinsten Haus von Villingen möglich. 66 Leben im Denkmal



Familie Papst „Federwerk“ St. Georgen – das Hotel in der Fabrik von Wilfried Dold 96 Leben im Denkmal


97 97


98 Leben im Denkmal


St. Georgen 360º – der rundum verglaste Raum bietet einen herrlichen Blick auf die Stadt und den umliegenden Schwarzwald bis zur Schwäbischen Alb. Er dient als Besprechungszimmer und soll für besondere Veranstaltungen wie Raclette- und Fondue-Abende genutzt werden. Darüber hinaus lädt die Dachterrasse zum Verweilen ein. 99 XXX


Das Federwerk treibt Uhrwerke und Plattenspieler an, machte einst den Herzschlag von St. Georgen aus. Jetzt hat die Phono-Stadt das „Federwerk“ zurück – und damit ein Stück ihrer Identität: Im Herzen von St. Georgen entwickelte die Familie Papst im Zusammenspiel mit Dipl.-Ing. Wulf Wössner und ihrer Heimatstadt St. Georgen aus der früheren Uhrenfabrik Tobias Baeuerle und Söh- ne, einer Industriebrache, das Hotel „Federwerk“. Für St. Georgen verkörpert das „Federwerk“ einen Wendepunkt der Stadtentwicklung, für die gesamte Re gion eine spürbare Verbesserung der Infrastruktur, so Bürgermeister Rieger. Stehende Ovationen der über 300 Gäste bei der Hotel eröffnung im September 2018 für die Familie Papst unterstreichen die Worte des Bürgermeisters – Michael Rieger ist der Impuls zum „Federwerk“ zu verdanken. Die Eröffnung: Ein besonderer Tag in der Geschichte der Stadt St. Georgen Wie sehr das Hotelprojekt der Familie Papst die Menschen in St. Georgen aufhorchen lässt, zeigt allein schon die Resonanz auf die Eröffnungs- feier: An diesem sonnigen 22. September 2018 kommen in der festlich dekorierten Garage des Hotels „Federwerk“ über 300 Gäste zusammen. Derart viele Menschen hätte der Konferenzsaal im Innern dann doch nicht aufnehmen können, auch wenn das Haus zweifellos zu den großen Hotels im Schwarzwald-Baar-Kreis zählt. „Die Stadt sind wir alle“. Bürger- meister Michael Rieger versteht das Hotel „Federwerk“ als Aufruf an die Bürger, gemeinsam das St. Georgen der Zukunft zu gestalten. Durch den technologischen Wandel in der Unterhaltungsindustrie und den damit verbun- denen Niedergang von DUAL und PE verliert St. Georgen in den 1980er-Jahren in kurzer 100 Leben im Denkmal


Zeit 1.300 Einwohner und zugleich ein großes Stück seiner Identität. Bis heute sind nicht alle damit verbundenen Rückschläge verkraftet, aber St. Georgen befindet sich spürbar auf dem Weg in eine neue Zeit. Und diejenigen, die wie die Familie Papst durch ihre Erfindungen und ihr Unternehmertun den früheren Aufstieg zur Phono-Stadt maßgeblich mitgestaltet haben, begleiten nun an vorderer Stelle den Wandel. So versteht Bürgermeister Michael Rieger das Hotel „Federwerk“ als Aufruf an die Bürger, gemeinsam das St. Georgen der Zukunft zu ge- stalten. Bürgermeister Rieger: „Die Stadt sind wir alle!“ Ob Ärztehaus, Phonomu seum oder Freizeitheim Weißloch, die Familie Papst gehe mit allerbestem Beispiel voran. Und er attestiert der Investorenfamilie: „Der Begriff ,Federwerk‘ könnte nicht besser gewählt sein“. Die Familie Papst verhelfe St. Georgen mit diesem Hotel zu einem enormen Aufschwung. Wirtschaftlich – aber vor allem auch, was ihre Identität anbelan- ge. Michael Rieger: „Das ist ein besonderer Tag in der Geschichte unserer Stadt. Sie haben es verdient, ihn zu genießen.“ Für Doris, Constantin und Daniel Papst gab es bei der Eröffnungsveranstaltung zum „Federwerk“ mehrfach minutenlangen Beifall. Stehende Ovationen erhält Con stantin Papst. Daniel Papst bekräftigt, das „Federwerk“ sei zuallererst das Werk seines Bruders – bis hin zur Namensgebung. Constantin Papst sitzt für die CDU auch im Gemeinderat von St. Georgen. Bei der Begrüßung führt Constantin Papst aus, seine Familie sei dankbar, dass sie diese groß- artige Aufgabe zu bewältigen vermochte. Als bekennende Christen verstehe die Familie ihre Fähigkeiten als Gabe des Schöpfers. Es hätten sich so viele Menschen bemüht: Im „Federwerk“ waren über 24 Monate hinweg in 80 Gewerken fast 700 Handwerker und 250 weitere Dienst- leister beschäftigt. Die Initiative zu diesem Vorhaben schreibt Constantin Papst dem St. Georgener Bürger- meister zu: „So ein bisschen, Herr Rieger, haben Freude über die Eröffnung des Hotels „Federwerk“, v. links: Planer Wulf Wössner von der Wössner + Lechler Projektentwicklung und Generalplanung mit Sitz in Freiburg und Stuttgart, Daniel Papst, Constantin Papst (vorne), Doris Papst sowie St. Geor- gens Bürgermeister Michael Rieger. 101


Susanne Seidel-Buri und Jörg Seidel Willkommen in der Villa „Schmiedledick“ 176



von Wilfried Strohmeier Es war einmal ein alter, abgeschossener Zigeunerwagen. Der hatte sein Lebtag noch keine knechtliche Arbeit verrichtet. Er machte nur Spazierfahrten durch das badi- sche Land. Er wusste selbst nicht mehr, wie oft er schon von Mannheim nach Konstanz und von Basel nach Wertheim gezogen war…“ So beginnt Elisabeth Walter ihr Buch die „Abenteuerliche Reise des kleinen Schmiedledick mit den Zi- geunern“. Zigeuner? Politisch unkorrekt in der heutigen Zeit, 1930, als das Buch erschien, ein gängiger Begriff. Die „Abenteuerliche Reise des kleinen Schmiedledick mit den Zigeunern“ sollte im Badischen ein Bestseller werden, denn das Buch wurde zur Heimatlektüre in den Schulen eingesetzt. Ziel war es, den Kindern – im Sinne der Autorin – die langweiligen Fächer Geogra- fie, Geschichte und Geologie der badischen Heimat auf kindgerechte Art beizubringen. Nebenbei vermittelte sie auch die Märchen und Sagenwelt sowie die wirtschaftliche Entwick- lung des Landes zu damaliger Zeit. Das große Vorbild für Schmiedledick-Autorin Elisabeth Walter war Selma Lagerlöf, die Frau, die im Auftrag des schwedischen Lehrerverbands „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ schrieb. Bekanntlich lässt sie darin den kleinen Nils zusammen mit der Die „Abenteuerliche Reise des kleinen Schmiedledick“ illustriert von Susanne Seidel-Buri. Die Villa „Schmiedledick“ samt Traktor, ein schmuck sanierter früherer Zirkuswagen. 178 Daheim im Schwarzwald und auf der Baar


Die Bewohner der Villa „Schmiedledick“: Jörg Seidel und Susanne Seidel-Buri. Bei der Übergabe eines Heugeschenks an einen Zirkusmann entdeckte Jörg Seidel einen alten Zirkuswagen… gessen, da wollte es der Zufall, dass Jörg Seidel einen Zirkusmann traf, der nach Heu und Stroh für das Winterquartier suchte. Er hatte welches von seiner Pferdehaltung übrig, bot es ihm an, und brachte es ihm. In einer Ecke des Winter- quartier entdeckten sie einen ausrangierten Zir- kuswagen. Und wenig später gehörte er ihnen. Ein Traktor war auch bald gefunden. Hausgans Martin durch Schweden fliegen. So lernt er – und somit auch die Schulkinder – sein Heimatland Schweden kennen. Etwas Ähnliches passiert dem Schmiedledick. Er wird von Zi- geunern entführt und fährt mit ihnen in ihrem Wagen durch das badische Land. Während Nils Holgersson heute noch ein populäres Buch ist – nicht zuletzt auch wegen der Zeichentrickserie – geriet der Schmiedledick in seinem Heimatland Baden allerdings etwas in Vergessenheit. Durch Zufall wurde ein Zirkuswagen gefunden Zwei, die seit Jahrzehnten gegen dieses Verges- sen arbeiten, ist das Ehepaar Jörg Seidel und seine Frau Susanne Seidel-Buri. Jörg Seidel war früher ein passionierter Reitersmann, als er die- ses Hobby aufgab, waren er und seine Frau auf Schusters Rappen unterwegs. Bei einer Wande- rung entdeckten sie einen Schäferkarren. „So was wäre es doch, mit so einem Karren durch die Lande ziehen“, sinnierte er laut und seine Frau gab die Antwort: „Wie der Schmiedledick.“ Durch diese Begebenheit entdeckten sie nach vielen Ehejahren, dass sie beide das Buch aus ih- rer Schulzeit kennen. Die Idee schon etwas ver- Lesestunde bei Kerzenschein und Tee auf einem der zahlreichen Ausflüge mit der Villa „Schmiedledick“. Susanne Seidel-Buri und Jörg Seidel


Zur Geschichte der Natursteine aus Schwarzwald und Baar von Martin Fetscher 190 190 5. Kapitel – Geschichte


Das markante Villinger Münster besteht vollständig aus Buntsandstein. Die Abbaustellen befanden sich im Bereich des heutigen Stadtrandes beim Kurgebiet. Granit, Muschelkalk und Quarzporphyr – das sind Handelsnamen beliebter Natursteine. Dass diese und andere schöne Natursteine im Landkreis vorkommen und über Jahrhunderte hinweg abgebaut wurden, ist teils wenig bekannt. Viele Steinbrüche sind längst verschwunden, doch in älteren Bauwerken sind die mehr oder weniger vor Ort gebrochenen und bearbeiteten Bausteine bis in die Gegenwart hinein oft gut sichtbar. 191


Die Verwendung von Natursteinen ist „in“: Sie geben vielen Gebäuden sozusa- gen den „letzten Schliff“. Sie sind chic, besonders dort, wo es etwas repräsentativ sein darf: an öffentlichen Gebäuden, an Fassaden von Banken und Versicherungen, aber auch im privaten Umfeld besonders im Eingangsbereich, im Bad oder auf der Terrasse. Das liegt auch da- ran, dass heute Natursteine aus aller Welt ver- gleichsweise günstig zu haben sind. Daher wird Importware nicht nur im hochpreisigen Bereich eingesetzt, sondern gerade auch dort, wo große Mengen benötigt werden: Granite aus China finden sich als Sitzstufen an unseren Flüssen, Treppenstufen oder Balkonplatten. Viele hoch- wertige Natursteine kommen aus Indien. Dabei kommen viele abbauwürdige und durchaus ästhetische Natursteine auch in Mit- teleuropa vor, doch nur wenige werden derzeit noch abgebaut wie zum Beispiel Granite im Bayrischen Wald, der häufig in Form von Rand- steinen oder Pflastersteinen zu uns kommt, oder der „Jura-Marmor“ der Schwäbischen Alb, der in Fenster- und Bodenplatten Anwendung findet. Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es einige geeignete und schöne Naturbausteine. Davon zeugen zahlreiche monumentale Gebäu- de, aber auch viele ältere, einfache Wohnhäuser und sonstige Bauwerke. Es gibt zwar einige aktive Steinbruchbetriebe, aber deren Gesteine werden nicht mehr zu Bausteinen verarbeitet. Diese wären preislich nicht konkurrenzfähig mit marktfähigen Steinen aus dem In- und Ausland. Der Abbau dient vor allem zur Herstellung von Die wichtigsten Bausteine im Land- kreis sind verschiedene Sandsteine, Kalksteine und der Granit. Schottern oder allenfalls von Flussbausteinen und Findlingen für den Garten- und Land- schaftsbau. Die wichtigsten Bausteine im Land- kreis sind verschiedene Sandsteine, Kalksteine und der Granit. Buntsandstein Der verbreitetste und am häufigsten verwende- te Naturbaustein ist der Buntsandstein. Er fällt auf durch seine überwiegend roten Farbtöne. Teilweise enthält er typische weiße Quarzkiesel mit mehreren Zentimetern Größe. Häufig weist er auch eine Schrägschichtung auf, die ihm ein schönes Aussehen verleiht und auf seine Entstehung in wüstenhaften Trockentälern der Triaszeit hinweist. Manche Schichten bestehen aus gleichkörnigen, glänzenden Quarzsanden, so dass man von zuckerkörnigem Sandstein spricht. Andere Sandsteine sind fleckig grau, was ihnen den Namen Tigersandstein verleiht. Buntsandstein zeichnet sich dadurch aus, dass er gut bearbeitbar und relativ witterungsresis- tent ist. Er ist am östlichen Schwarzwaldrand entlang einer Linie von Bräunlingen – Wolter- dingen – Villingen – Fischbach anzutreffen. Die Altstädte von Villingen und Bräunlingen sind überwiegend aus Buntsandstein erbaut. Gesamtansicht und Detail: Buntsandstein an der Stütz- mauer der Stadtkirche Do- naueschingen mit markan- Geschichte ten, weißen Quarzgeröllen.


VERBREITUNGSKARTE DER NATURSTEINE ORTENAUKREIS z l E Schonach Triberg uta c h G h c a t l i h c S St. Georgen Königsfeld LANDKREIS EMMENDINGEN Schönwald Brigachquelle Oberkirnach Mönchweiler LANDKREIS ROTTWEIL Fischbach Niedereschach Dauchingen N e ck ar Furtwangen W ilde Gutach B r i g a c h Unterkirnach Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen Breg Linach- talsperre U r a c h Vöhrenbach Mühlhausen Mühlhausen Neckar- ursprung Hochemmingen Hochemmingen Hammereisenbach- Bregenbach Überauchen Brigachtal Klengen Bad Dürrheim Bad Dürrheim Tuningen Wolterdingen Breg Aasen Öfingen Unterbaldingen Donaueschingen Donau- ursprung Donau Riedseen Pfohren Hüfingen Neudingen Fürstenberg LANDKREIS TUTTLINGEN Bränd b a c h Bräunlingen Kirnbergsee Gauc h a c h Döggingen Döggingen Mundelfingen Hondingen h c A itr a Riedöschingen Riedöschingen Randen Wutach LANDKREIS WALDSHUT Achdorf Blumberg Epfenhofen Fützen Randen LANDKREIS BREISGAU-HOCHSCHWARZWALD Triberger Granit Buntsandstein Oberer Muschelkalk Sandsteinkeuper Arietenkalk Randengrobkalk Travertin (Roter Stein) Basalt (Blauer Stein) XXX 193 LANDKREIS KONSTANZKANTONSCHAFFHAUSENSCHWEIZ


Vom guten Gefühl, wenn man genau weiß, woher die Lebensmittel kommen Solidarische Landwirtschaft Baarfood e.V. von Wolfgang Heinig 252 7. Kapitel – Natur und Umwelt


253


Seit sie zwei kleine Kinder hat, hat Sabrina Goldmann aus Villingen die Ernährung ihrer kleinen Familie komplett auf Bio umgestellt. Dazu gehört natürlich gewachse- nes, von Pestiziden unbelastetes und umweltschonend produziertes Gemüse, das die Goldmanns als Mitglieder des Vereins „Baarfood“ genießen können. Auch Hardy Bisinger, Nadja Pohl, Carla André, Sabine Wagner, Marlene Reichegger und Anna Stangl essen gerne viel Gemüse, das sie bisher bequem im Bioladen erstanden haben. Inzwischen kommt in ihren Familien aber nur noch selbst Angebautes und persönlich Geerntetes auf den Tisch. Man traf sich beim odysso-Dokumentarfilm „Die Stra- tegie der krummen Gurken“, der im Schwen- ninger „Capitol“ gezeigt wurde. Darin stellt die 2011 gegründete „GartenCoop“ Freiburg die Idee der „Solidarischen Landwirtschaft“ vor. Gleichgesinnte Mitglieder eines Vereines küm- mern und sorgen sich ehrenamtlich und aus eigener Kraft um die Produktion ihres Gemüses in Bioqualität als Alternative zu Lebensmittel- skandalen und Biomassenware aus aller Herren Länder, wie sie inzwischen auch die Discounter überschwemmt. Ein Einsatz für eine bodenscho- nende und vielfältige Landwirtschaft und gegen Monokulturen, für den ökologischen Gemüse- anbau und gegen die massenweise Vernichtung von Lebensmitteln. Eine „Solawi“ nach Freibur- ger Muster ins Leben zu rufen, sollte doch nicht so schwer sein, sagten sich die sechs Filmzu- schauer und taten sich zusammen. Alle waren ähnlich unzufrieden mit den Produkten aus industrieller und auf Höchsterträge abzielender Sabrina Goldmann aus Villingen holt ihre Ration Gemüse ab. 254 Natur und Umwelt


Oben: Anni Kohnle (rechts) und Tanja Sikler sind Ge- müsegärtnerinnen und die einzigen Festangestellten. Rechts: Auch kleine Gärtner helfen mit. Landwirtschaft ohne Rücksicht auf die Umwelt. Man tat sich zusammen und gründete im Janu- ar 2017 den Verein „Solidarische Landwirtschaft Baarfood e.V.“ Das Konzept kam an: Nach einem Jahr zählt der Verein schon über 160 Mit- glieder, Tendenz steigend. Hardy Bisinger ist der Vorsitzende eines sechsköpfigen Vorstandes. Acker bei Überauchen Wesentlich schwerer war es dagegen, ein geeig- netes Gelände zu finden. „Wir sind wochenlang von Hof zu Hof gezogen, haben nur Absagen erhalten und dachten schon ans Aufgeben“, erinnert sich Hardy Bisinger. Schließlich fand sich in Brigachtal-Überauchen ein Landwirt, den die Idee überzeugte und der dem jungen Verein direkt neben dem Sportplatz einen Hektar Land verpachtete. Inzwischen kümmert man sich Solidarische Landwirtschaft Baarfood e.V. 255