Almanach 2020

Schwarzwald-Baar Jahrbuch
Almanach 2020

Foto rechts: Die Sauschwänzlebahn auf dem Viadukt bei Epfenhofen.

Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis
www.schwarzwald-baar-kreis.de

landratsamt@schwarzwald-baar-kreis.de

Redaktion: Sven Hinterseh, Landrat Wilfried Dold, Redakteur (wd) Kristina Diffring, Referentin des Landrats Heike Frank, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Kultur und Archiv Susanne Bucher, Leiterin Informations-und Kulturamt Stadt Hüfingen

 

 

 

Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke und Vervielfältigungen jeder Art werden nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet.

Gestaltung: dold.media + dold.verlag

Verlag: dold.verlag, Vöhrenbach 2019
www.doldverlag.de

Druck: jetoprint GmbH, Villingen-Schwenningen

 

ISBN: 978-3-948461-01-0

 

 

Digitalisierung und Klimawandel – die Themen unserer Zeit

Liebe Leserinnen und Leser,

ein ereignisreiches Jahr 2019 – das letzte in diesem Jahrzehnt – liegt hinter uns und ich freue mich, dass unser Schwarzwald-Baar-Jahrbuch, der Almanach 2020, bereits in seiner 44. Auflage vorgelegt werden kann. Prall gefüllt mit brandaktuellen Themen wie beispielsweise die Fertigstellung der Elektrifizierung der Höllentalbahn oder zum digitalen Wandel, aber auch mit zeitlosen Geschichten aus dem Kreisgeschehen oder interessanten Persönlichkeiten unserer Heimat widmet sich das diesjährige Werk wieder einem breiten Themenspektrum.

Unsere Gesellschaft befindet sich im digitalen Wandel. Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran und auch der Klimawandel ist, neben der immer größer werdenden Bedeutung der Mobilität, ein weiteres Thema, das landauf und landab viel diskutiert wird. Ebenso haben uns die Kommunal- und Europawahlen 2019 gezeigt, welch große Bedeutung diese Themen für die Bürgerinnen und Bürger haben. Die üblichen Verhaltensweisen und Gewohnheiten des täglichen Lebens werden immer häufiger infrage gestellt.

Der Schwarzwald-Baar-Kreis stellt sich diesen Aufgabenfeldern und geht beispielsweise den Breitbandausbau, die Digitalisierung von Schule und Bildung, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und viele andere Dinge – oftmals mit landes- oder bundesweiter Leuchtturmfunktion – proaktiv an. Ein echtes „Megathema“ der Infrastruktur, das im Dezember 2019 seinen Abschluss findet, ist die Elektrifizierung der Höllentalbahn, welche zukünftig eine umsteigefreie Verbindung zwischen den beiden Oberzentren Villingen-Schwenningen und Freiburg ermöglicht.

Die aktuelle Klimadiskussion führt uns allen wieder ganz deutlich die sensiblen Ökosysteme unserer wunderschönen Heimat und der herrlichen sowie vielfältigen Naturräume vor Augen. Es ist Zeit, die Herausforderungen unserer Gegenwart und Zukunft gemeinsam noch engagierter anzugehen und dabei möglichst alle Interessen zu berücksichtigen sowie alle Generationen aktiv mit einzubinden. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns im Schwarzwald-Baar-Kreis diesbezüglich bereits auf einem guten Weg befinden und werde auch in Zukunft alles in meiner Macht stehende tun, um unseren Landkreis – unsere Heimat – noch weiter voranzubringen.

Wie immer bedanke ich mich sehr herzlich bei allen, die dazu beigetragen haben, dass erneut ein ansprechendes und informatives Heimatjahrbuch entstehen konnte. Dieser Dank gilt insbesondere den treuen Freunden und Förderern des Almanach sowie den Autoren und Fotografen, ohne die das Schwarzwald-Baar Jahrbuch 2020 nicht möglich gewesen wäre.

Eine erfreuliche Seltenheit in der Jahrbuch-Geschichte erlebten wir im vergangenen Jahr mit dem Almanach 2019: dieser war binnen kürzester Zeit ausverkauft. Einen ähnlichen Erfolg wünsche ich mir natürlich auch für den Almanach 2020. Daher gilt ein herzlicher Dank insbesondere auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser der 44. Ausgabe. Ich hoffe, Sie finden auch in diesem Almanach, unserem Schwarzwald-Baar-Jahrbuch 2020, jede Menge anregenden Lesestoff und wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Freude sowie gute Unterhaltung.

Ihr

Sven Hinterseh Landrat

 

 

Auf dem Weg in die Zukunft
Der Schwarzwald-Baar-Kreis im Wandel

Wie steht es um unseren Landkreis, in dem wir leben, wohnen, arbeiten – unseren Alltag verbringen? Ist er für die Zukunft ausreichend gerüstet? Können wir beruhigt in die Zukunft blicken und sind gut gewappnet, für die Herausforderungen, die uns bevorstehen? Diesen Fragen widmet sich der Almanach 2020 in gleich mehreren Beiträgen.

Digitales Lernen in den Schulalltag zu integrieren, ist eine der großen Zukunftsaufgaben des Schwarz wald-Baar-Kreises. Pionierarbeit leistete hierbei das St. Georgener Unternehmen imsimity GmbH. Hier der Blick in einen Cyber-Classroom.

 

 

Junge Menschen mischen mit: Über einen sehr guten Besuch freute sich Landrat Sven Hinterseh bei der Erstwählerveranstaltung des Schwarzwald-Baar-Kreises im Vorfeld der Kommunalwahlen 2019. Für die politisch Verantwortlichen sei das die Chance, den jungen Menschen zuzuhören.

von Sven Hinterseh

Unser Alltag wird beeinflusst von ständiger Veränderung. Der Schutz unserer Umwelt und unseres Klimas gewinnt an Stellenwert. Das Thema ist in aller Munde und viele treibt die Frage um: „Was tut jeder Einzelne für den Klimaschutz?“. Auch der Schwarzwald-Baar-Kreis nimmt sich des Themas an. Nicht erst seit heute. Schon seit etlichen Jahren stehen Klima-, Umwelt- und Naturschutz wie selbstverständlich im Mittelpunkt der Kreispolitik im Landkreis.

Spürbar verändert sich auch, wie mobil wir sind. Wie wichtig ist es, ein Auto zu besitzen, vor allem im ländlichen Raum? Die große politische Fragestellung lautet: Wie können Bus- und Zugverbindungen attraktiv gestaltet werden

– für Jung und Alt, für Stadt und Land, in den frühen Morgenstunden und am Wochenende für Nachtschwärmer? Vor allem unsere Jugend bewegt dieses Thema, wie wir erneut bei unserer Erstwählerveranstaltung vor den Kommunalwahlen feststellen konnten.

Gesellschaftlicher Wandel

Es tut sich etwas in unserer Gesellschaft. Junge Menschen mischen mit. Interessieren sich politisch und bringen ihre Ideen vor. Sie nehmen immer mehr wahr, dass politische Entscheidungen ihren Alltag ganz unmittelbar beeinflussen können. Wir, die politisch Verantwortlichen, haben die Chance, den jungen Menschen in unserem Landkreis zuzuhören, Ideen aufzugreifen, in die politische Gestaltung aufzunehmen und zu Zukunftsthemen zu machen.

Demografischer Wandel

Wir wissen alle, dass wir uns seit Jahren mitten im demografischen Wandel befinden und diesen zu gestalten haben. Im Ländlichen Raum wirkt er sich anders aus als in der Stadt – die Herausforderungen sind dabei aber sowohl in den Orten als auch in den Städten groß. Mit unserer Demografiestrategie, die wir in den Jahren 2012/2013 erarbeitet haben, sind wir immer noch gut gerüstet, aber natürlich ist dies kein

 

 

statischer Prozess und wir müssen immer wieder prüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind.

Von größter Bedeutung ist, dass wir eine wettbewerbsfähige Infrastruktur erhalten – in allen Bereichen, sei es Bildung, Soziales, Straßen oder Schiene. Die Daseinsvorsorge im Ländlichen Raum wie der Ausbau einer kreisweiten Breitbandinfrastruktur in kommunaler Trägerschaft steht dabei ebenfalls im Mittelpunkt.

Klimawandel

Beim Klimaschutz (Stichwort „fridays for future“) spielen für unseren Landkreis die Gebäudesanierungen und die Arbeit unserer Energieagentur eine wichtige Rolle. Zudem müssen wir eine echte Alternative oder zumindest aber eine Ergänzung des Individualverkehrs mit unserem ÖPNV bieten können. Ein Projekt, welches gut angelaufen ist und einen großen Teil zum Naturschutz beiträgt, ist beispielsweise die weitere Umsetzung des „Naturschutzgroßprojekts Baar“. Dieses Projekt ist ein wichtiger Baustein unseres ganz erheblichen Engagements, mit dem wir unseren Beitrag zum Erhalt unseres nationalen Naturerbes und zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen zu leisten versuchen.

Mobilität im Wandel

Für die Menschen im Schwarzwald-Baar-Kreis ist es immer mehr von Bedeutung, wie mobil sie sich in ihrem Landkreis und darüber hinaus bewegen können. Deshalb ist die Mobilität in Form des ÖPNVs ein Schwerpunkt der Kreispolitik. Eine gut vernetzte Mobilität und zukunftsfähige Verkehrskonzepte sind unabdingbar, um für unsere Bürger im gesamten Landkreis ein attraktives ÖPNV-Angebot sicherzustellen. Es ist deshalb notwendig, den ÖPNV ständig fortzuentwickeln, was größtenteils auf Basis unseres aktuellen Nahverkehrsplanes aus dem Jahr 2017 geschieht.

Das Naturschutzgroßprojekt Baar trägt den Belangen von Fauna und Flora in vielfacher Weise Rechnung: Die Fotos zeigen von oben links: Unterhölzer Weiher, startender Silberreiher, Rundblättriger Sonnentau und das Naturschutzgebiet Birken-Mittelmeß. Fotos: Helmut Gehring Die Mobilität, sprich der Nahverkehr, bleibt auch zukünftig ein zentrales Thema der Kreispolitik. Ständig optimiert werden die Busverkehrsleistungen, um das Verkehrsangebot insgesamt nachhaltig auszurichten und zu steigern. Und ab Dezember 2019 ist die östliche Höllentalbahn elektrifiziert, fahren dort 3- und 4-teilige Elektrotriebzüge des Typs Coradia Continental von Alstom (siehe Beitrag S. 30).

 

 

In diesem Nahverkehrsplan sind Schwerpunkte erarbeitet worden, die nun in den kommenden Jahren in die Umsetzung gelangen oder teilweise schon umgesetzt werden. Über die Vergabe der Busverkehrsleistungen für die Südbaar (Donaueschingen, Bräunlingen, Hüfingen, Blumberg) wurde nicht nur bereits entschieden, sondern dieser neue Verkehr wird ab Mitte Dezember 2019 Wirklichkeit. Ferner werden Standards für die Vergabekriterien festgelegt und Vorgaben zum Fahrzeugeinsatz vorgenommen. Nach und nach wird der Nahverkehrsplan nun abgearbeitet, um das Verkehrsangebot insgesamt nachhaltig auszurichten und zu steigern.

Die Elektrifizierung der östlichen Höllentalbahn ist ein weiteres „Megathema“ unserer Infrastruktur und trägt dazu bei, dass der Verkehr auf der Schiene attraktiver wird. Der Schwarzwald-Baar-Kreis beteiligt sich mit rund 18

Die Elektrifizierung der östlichen Höllentalbahn trägt dazu bei, dass der Verkehr auf der Schiene attraktiver wird. Der SchwarzwaldBaar-Kreis beteiligt sich mit rund 18 Mio. Euro an der Modernisierung.

Mio. Euro an der Modernisierung seines Streckenabschnittes, um eine gute Verkehrsverbindung vom Oberzentrum Villingen-Schwenningen zum Oberzentrum Freiburg zu schaffen.

Und das Projekt „Ringzug 2.0“ gilt es, weiter voranzutreiben, um dann möglichst ab Mitte der 2020er-Jahre umsteigefrei von Stuttgart nach Villingen fahren und zukünftig den Ringzug auch für die Fahrt nach St. Georgen nutzen zu können.

 

 

Der knapp 110 Kilometer lange Premiumfernwanderweg WasserWeltenSteig ist seit Mai 2019 eröffnet. Die Eröffnungsveranstaltung fand in Blumberg-Achdorf statt. Von links: Landrat Sven Hinterseh, Regierungsrat Walter Vogelsanger, Kanton Schaffhausen, Justizminister Guido Wolf, Jochen Becker, Deutsches Wanderinstitut, Michael Braun, Wirtschaftsförderung und Tourismus Schwarzwald-Baar-Kreis.

Tourismus im Wandel

Tourismus spielt im Schwarzwald-Baar-Kreis eine ganz besondere, eine zentrale Rolle und ist bedeutender Wirtschaftsfaktor. Unsere 2017 fertiggestellte Tourismuskonzeption für den Schwarzwald-Baar-Kreis war 2018 „Impulsgeber“ für die Machbarkeitsstudie Gästekarte und die weiteren Überlegungen zu einer „3WeltenCard“. Der knapp 110 km lange, grenzüberschreitende Premiumfernwanderweg „WasserWeltenSteig“ wurde im Mai 2019 eröffnet.

Gute Bildungsinfrastruktur mit Tradition

Einfluss hat die Digitalisierung auch auf unsere „Landkreisschulen“. Die gute Bildungsinfrastruktur im Schwarzwald-Baar-Kreis hat eine lange und große Tradition. Für den bestmöglichen Bildungserfolg benötigen die Kinder und Jugendlichen im Schwarzwald-Baar-Kreis natürlich auch eine gute und zeitgemäße Infrastruktur, die neben dem Gebäudezustand auch eine moderne technische Ausstattung beinhaltet. Aus diesem Grund haben wir unsere Digitalisierungsstrategie für die Schulen des Landkreises ausgearbeitet, die nun umgesetzt wird. Die Schulen sollen mit dem notwendigen Rüstzeug ausgestattet werden, um auch künftig mit der digitalen Entwicklung unserer Bildungslandschaft Schritt halten zu können.

Mit der Einrichtung der beiden Lernfabriken in VS-Schwenningen und nun einer dritten in Donaueschingen ist uns schon ein großer Schritt gelungen, um die Zukunftsfähigkeit der Ausbildung an den Beruflichen Schulen des Landkreises weiterhin zu garantieren.

Nun soll die Digitalisierung von Schule und Unterricht nach und nach alle Kreisschulen erreichen.

 

 

Digitaler Wandel

Zu einer guten Infrastruktur zählt auch eine gute Breitbandversorgung. Die Anforderungen an die Datenübertragung über das Internet werden in den nächsten Jahren immer noch rasant ansteigen. Die Ursachen sind vielfältig und liegen in technologischen Verbesserungen, aber auch in der Entwicklung von Innovationen wie Telemedizin oder Cloud-Computing. Dass die angelaufene Digitalisierung in Industrie und Verwaltung nur mit Hochgeschwindigkeitsnetzen umsetzbar ist, haben wir im Schwarzwald-Baar-Kreis schon früh erkannt. Im Frühjahr 2014 wurde gemeinsam mit allen 20 Städten und Gemeinden im Landkreis und dem Landkreis selbst der Zweckverband Breitbandversorgung Schwarzwald-Baar gegründet, um den kreisweiten Breitbandausbau zügig voranzutreiben.

Der Zweckverband baut seither in kommunaler Regie ein marktneutrales Glasfaser-Höchstgeschwindigkeitsnetz bis zum Endkunden auf. Mittlerweile gilt der Schwarzwald-Baar-Kreis mit seinem Zweckverband in Sachen Glasfaserausbau als führend in ganz Baden-Württemberg – darauf können wir zu Recht stolz sein. Ein maßgeblicher Faktor unseres Erfolges ist die Zusammenarbeit aller Kommunen im Landkreis. Ohne diesen Solidargedanken wäre dieses Projekt so sicher nicht möglich gewesen.

Zukunftsthemen erfordern Weitblick

Zusammenfassend lässt sich für unseren Schwarzwald-Baar-Kreis festhalten, dass wir täglich Veränderungen und einem Wandel in zahlreichen Aufgabenbereichen gegenüberstehen. Dank einer positiven Grundeinstellung unserer politisch Verantwortlichen sowie unserer Kreisverwaltung, nehmen wir diese Herausforderung an und stellen uns den Zukunftsthemen mit dem erforderlichen Weitblick. Wir können uns nicht auf dem Erarbeiteten ausruhen, sondern müssen stets die weiteren Entwicklungen im Auge behalten, um auch in Zukunft weiterhin gut aufgestellt zu sein.

Sind wir also gut aufgestellt im SchwarzwaldBaar-Kreis? Ja, das sind wir! Deswegen legen wir aber nicht die Hände in den Schoß, sondern bleiben ständig am Ball, damit unser Landkreis auch zukünftig weiterhin in der ersten Liga mitspielt.

Mit dem Glasfaserausbau geht es zügig voran: Der Schwarzwald-Baar-Kreis darf für sich in Anspruch nehmen, dabei in Baden-Württemberg führend zu sein.

 

 

Dank an engagierte Kreisräte des Schwarzwald-Baar-Kreises

Landrat Sven Hinterseh: „Es geht vor allem um die Menschen, die den Landkreis geprägt haben.“

Mit einem Rückblick auf die neunte Legislaturperiode des Kreistages eröffnete Landrat Sven Hinterseh im Großen Sitzungssaal die konstituierende Sitzung des Kreistages mit anschließenden Ehrungen.

Der 22. Juli 2019 war ein besonderer Tag – geprägt von Neubeginn, Abschied und Dank. Der neu gewählte 10. Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises hielt seine erste Sitzung ab, in der die frisch gewählten Kreisräte verpflichtet wurden. Im Mittelpunkt stand der Dank an zahlreiche langjährig engagierte Kommunalpolitiker für ihren Einsatz für den Landkreis und die Rückschau von Landrat Sven Hinterseh. Er würdigte direkt im Anschluss an die konstituierende Sitzung des neuen Kreistages im Großen Sitzungssaal des Landratsamtes das große ehrenamtliche Engagement der Kreistagsmitglieder, von denen 23 aus dem Kreistag verabschiedet wurden.

Der Kreistag, der am 28. Juli 2014 für die 9. Wahlperiode verpflichtet worden war, hatte 61 Mitglieder: 23 Frauen und 38 Männer. Ein gutes Drittel der Mitglieder ist zum Ende der Wahlperiode aus dem Gremium ausgeschieden.

Rückschau auf die Leistungen des

9. Kreistages im Schwarzwald-Baar-Kreis

In seiner Laudatio blickte der Landrat auf die Amtsperiode des neunten Kreistages zurück. Großprojekte wie das Megathema Breitbandausbau, der Bezug der Integrierten Leitstelle nahe des Schwarzwald-Baar Klinikums im Zentralbereich von Villingen-Schwenningen Anfang 2017 sowie der Bau und Bezug des neuen Kreistierheims in Donaueschingen im September 2018 standen an. Zudem hatte das Gremium auch kurzfristige Entscheidungen zu treffen, wie zum Beispiel den Kauf des Postgebäudes in VS-Villingen. Der

 

 

Mit der Verdienstmedaille in Bronze des Landkreistages Baden-Württemberg für eine Zugehörigkeit zum Kreistag von über 20 Jahren wurden v. links Bernd Hezel, Wolfgang Schyle, Christian Muthmann, Elke Bettecken, Robert Strumberger, Jörg Frey, Hans-Joachim von Mirbach und Christian Kaiser ausgezeichnet. Bernd Hezel, Wolfgang Schyle, Christian Muthmann und Robert Strumberger erhielten zudem für vier Wahlperioden die Verdienstmedaille in Gold des Schwarzwald-Baar-Kreises.

Nahverkehrsplan und die Tourismuskonzeption wurden in die Wege geleitet und gingen nun an den 10. Kreistag über.

Landrat Sven Hinterseh erinnerte an weitere Meilensteine: Zwei „Lernfabriken“ mit Standort VS-Schwenningen und Donaueschingen wurden initiiert und umgesetzt. Um geflüchteten Menschen eine Integration durch Bildung möglich zu machen, richtete der Landkreis sogenannte VABO-Klassen ein.

Auch die Elektrifizierung der östlichen Höllentalbahn beschäftigte das Kreistagsgremium regelmäßig. Es handelt sich um ein Großprojekt mit enormen Verbesserungen beim Schienennahverkehr nach Freiburg (s. S. 32). Weiter wurde das Projekt „Ringzug 2.0“ auf den Weg gebracht, um perspektivisch umsteigefrei von Villingen nach Stuttgart fahren und zudem zukünftig den Ringzug auch für die Fahrt nach St. Georgen nutzen zu können.

Die Bewältigung des Flüchtlingsstroms in den Jahren 2014 und 2016 stellte die Landkreisverwaltung vor etliche Herausforderungen. Landrat Sven Hinterseh dankte dem Gremium für das entgegengebrachte Vertrauen in dieser Extremsituation.

Das Naturschutzgroßprojekt Baar konnte ab 23. Mai 2018 in die Umsetzungsphase eintreten.

Schon 2014 griff der Schwarzwald-Baar-Kreis gemeinsam mit allen 20 Städten und Gemeinden im Landkreis und dem Landkreis selbst das Thema Breitbandversorgung auf und gründete den Zweckverband Breitbandversorgung Schwarz-wald-Baar. Dieser baut seither in kommunaler Regie ein marktneutrales Glasfaser-Höchstgeschwindigkeitsnetz bis zum Endkunden auf.

In den vergangenen fünf Jahren konnten zudem einige Jubiläen gefeiert werden: 20 Jahre Partnerschaft mit dem ungarischen Partnerkomitat Bács-Kiskun im Jahr 2016, 40 Jahre Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, 25 Jahre Amt für Abfallwirtschaft und 40 Jahre Christy-Brown-Schule. Zudem feierte die CarlOrff-Schule ihr 50-jähriges Bestehens.

Politische Bildungsreisen wurden nach Brüssel und Stuttgart unternommen. Regelmäßige Freundschaftstreffen im Bildungsbereich mit dem Schweizer Kanton Schaffhausen standen an. Kreispolitische Höhepunkte waren der offizielle Kreisbesuch von Ministerpräsident Kretschmann im Mai 2018 und die Verleihung der Verdienstmedaille des Schwarzwald-Baar-Kreises in Gold

 

 

Die Verdienstmedaille des Landkreistages Baden-Württemberg in Silber für eine Zugehörigkeit zum Kreistag von über 30 Jahren erhielten durch Landrat Sven Hinterseh (links) Walter Klumpp und Karl Rombach, MdL. Bild rechts: Für die Zugehörigkeit über drei Wahlperioden hinweg bekamen Klaus Martin und Siglinde Arm die Verdienstmedaille des Schwarzwald-Baar-Kreises in Silber verliehen.

an den ersten Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises, Dr. Rainer Gutknecht im Jahr 2016.

In der Legislaturperiode des 9. Kreistags fanden 112 Kreistags- und Ausschusssitzungen statt, 814 Drucksachen wurden versandt und über 800 Tagesordnungspunkte behandelt.

Den Landkreis ein gutes Stück vorangebracht

„Es geht heute Nachmittag aber vor allem um die Menschen, die sich dieser Fragen angenommen, die die besten Lösungen gesucht und in 99 Prozent aller Fälle auch gefunden haben. Sie prägten mit ihrem Wirken das Wesen des Schwarzwald-Baar-Kreises und brachten ihn in seiner Entwicklung ein gutes Stück voran“, hob Landrat Sven Hinterseh weiter hervor.

23 engagierte Frauen und Männer wurden nun aus dem Kreistag verabschiedet. Für ihr Engagement während der letzten Wahlperiode wurden mit einer Dankesurkunde ausgezeichnet: Erich Bißwurm, Andreas Braun, Prof. Dr. Barbara Fink, Siegfried Heinzmann, Sabine Heizmann, Rolf Breisacher, Frank Lobstedt, Ilse Mehlhorn, Mathias Schleicher, Christian Stark, Matthias Weisser und Georg Wentz.

Für die Zugehörigkeit zum Kreistag über zwei Wahlperioden hinweg erhielten eine Verdienstmedaille des Schwarzwald-Baar-Kreises in Bronze und eine Urkunde: Gunther Dreher, Thorsten Frei, MdB, Thomas Petrolli und Dr. Michael Walter.

Für die Zugehörigkeit über drei Wahlperioden hinweg erhielten Siglinde Arm und Klaus Martin die Verdienstmedaille des SchwarzwaldBaar-Kreises in Silber.

Die Verdienstmedaille des Landkreises in Gold erhielten für vier Wahlperioden: Bernd Hezel, Christian Muthmann, Ernst Reiser, Jürgen Schützinger, Wolfgang Schyle und Robert Strumberger.

Zudem überreichte Landrat Sven Hinterseh die Verdienstmedaille des Landkreistages Baden-Württemberg in Bronze für eine Zugehörigkeitsdauer von über 20 Jahren an: Elke Bettecken, Jörg Frey, Bernd Hezel, Christian Kaiser, Christian Muthmann, Wolfgang Schyle, Robert Strumberger und Hans-Joachim von Mirbach.

Die Verdienstmedaille des Landkreistags Baden-Württemberg in Silber für eine Zugehörigkeit zum Kreistag von über 30 Jahren erhielten: Walter Klumpp und Karl Rombach, MdL.

 

 

Neuer Kreistag hat 58 Mitglieder

Wahlbeteiligung von 53,4 Prozent – 13 Frauen gehören dem Gremium an

Neuer Kreistag hat 58 Mitglieder Die Sitzverteilung im 10. Kreistag nach der Wahl am 26. Mai 2019 22 10 8 10 5 3 22 Sitze 299.876 St. (38,3%) 10 Sitze 145.298 St. (17,4%) 10 Sitze 156.266 St. (16,8%) 5 Sitze 80.609 St. (9,5%) 3 Sitze 47.219 St. (4,5%) 8 Sitze 118.751 St. (13,3%)

„Wir wollen das Beste für den Landkreis, seine Städte und Gemeinden und unsere Mitbürger erreichen“, so Landrat Sven Hinterseh bei der konstituierenden Sitzung des neuen Kreistages des Schwarzwald-Baar-Kreises. Von 166.752 Wahlberechtigten gaben am 26. Mai 2019 exakt 89.000 Wähler ihre Stimme für den 10. Kreistag ab, so dass die Wahlbeteiligung bei 53,4 Prozent lag (2014 waren es 47,6 Prozent).

Dem 10. Kreistag gehören 58 Kreisräte an – 13 Frauen und 45 Männer. Die Frauenquote liegt damit bei mehr als einem Fünftel, aber nicht ganz einem Viertel. Die jüngste Kreisrätin ist mit 30 Jahren Bürgermeisterin Lisa Wolber aus Gütenbach, die erstmals in den Kreistag einzog. Mit Dr. Karl-Henning Lichte, 76 Jahre alt, wurde der älteste Kreisrat in das Gremium wiedergewählt. Er gehört dem Kreistag bereits seit 2004 an.

14 Oberbürgermeister und Bürgermeister sind im Kreistag vertreten, dazu einige „außer Dienst“.

35 Kreisrätinnen und Kreisräte gehörten bereits dem 9. Kreistag an und wurden wiedergewählt, neu hinzugekommen sind 23 Mitglieder.

Die CDU ist als stärkste Partei mit 22 Sitzen vertreten, gefolgt von Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Wählern mit jeweils 10 Sitzen. Die SPD ist mit 8, die FDP mit 5 und die AfD mit 3 Sitzen im Kreistag vertreten, was dazu führt, dass erstmals in der Geschichte des Schwarzwald-Baar-Kreises sechs Fraktionen die Geschicke dieses Gremiums gestalten.

Landrat Sven Hinterseh freute sich auf eine gute Zusammenarbeit mit dem neu gewählten Kreistag: „Die vergangenen Jahrzehnte sind für uns – die ehrenamtlich tätigen Kreisräte, die Mitarbeiter im Landratsamt sowie die Städte und Gemeinden im Landkreis – Verpflichtung, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Landkreis auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in eine gute Zukunft zu führen.“

 

 

Der Kreistag 2019 – 2024

Als Fraktionsvorsitzende fungieren: CDU: Oberbürgermeister Jürgen Roth, Villingen-Schwenningen; BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Christian Kaiser, Donaueschingen; Freie Wähler: Bürgermeister a.D. Walter Klumpp, Tuningen; SPD: Edgar Schurr, Villingen-Schwenningen; FDP: Niko Reith, Donaueschingen; AFD: Hans-Peter Huonker, Bad Dürrheim

CDU, 22 Sitze

Jürgen Roth, Villingen-Schwenningen
Detlev Bührer, Villingen-Schwenningen
Elke Bettecken, Villingen-Schwenningen
Maria Noce, Villingen-Schwenningen
Thomas Ettwein, Villingen-Schwenningen
Dirk Sautter, Villingen-Schwenningen
Katharina Hirt, Villingen-Schwenningen
Michael Schmitt, Brigachtal
Theobald Effinger, Brigachtal
Martin Ragg, Niederschach
Fritz Link, Königsfeld
Torben Dorn, Dauchingen
Karl Rombach, MdL, Schonach
Manfred Scherer, St. Georgen
Erik Pauly, Donaueschingen
Patrick Bossert, Donaueschingen
Josef Herdner, Furtwangen
Lisa Wolber, Gütenbach
Markus Keller, Blumberg
Michael Kollmeier, Hüfingen
Micha Bächle, Bräunlingen
Matthias Fischer, Blumberg

SPD, 8 Sitze
Edgar Schurr, Villingen-Schwenningen
Dr. Rupert Kubon, Villingen-Schwenningen
Nicola Schurr, Villingen-Schwenningen
Birgit Helms, Königsfeld
Oliver Freischlader, St. Georgen
Peter Rögele, Donaueschingen
Anton Knapp, Hüfingen
Kerstin Skodell, Hüfingen

Freie Wähler, 10 Sitze

Walter Klumpp, Tuningen

Dr. Karl-Henning Lichte, Villingen-Schwenningen

Werner Ettwein, Villingen-Schwenningen

Dominik Beha, Villingen-Schwenningen

Bertold Ummenhofer, Villingen-Schwenningen

Dr. Klaus Götz, Bad Dürrheim

Sigrid Fiehn, Königsfeld

Michael Rieger, St. Georgen

Jörg Frey, Schonach

Rainer Jung, Furtwangen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 10 Sitze

Christian Kaiser, Donaueschingen

Cornelia Kunkis-Becker, Villingen-Schwenningen

Armin Schott, Villingen-Schwenningen

Dr. Ursula Roth-Ziefle, Villingen-Schwenningen

Hans-Joachim von Mirbach, Villingen-Schwenningen

Wolfgang Kaiser, Bad Dürrheim

Beate Berg-Haller, Königsfeld

Angela Nock, Triberg

Martina Braun, MdL, Furtwangen

Maren Ott, Bräunlingen

FDP, 5 Sitze

Niko Reith, Donaueschingen

Dr. Marcel Klinge, MdB, Villingen-Schwenningen

Michael Steiger, Villingen-Schwenningen

Roland Erndle, Donaueschingen

Adolf Baumann, Hüfingen

AfD, 3 Sitze

Hans-Peter Huonker, Bad Dürrheim

Martin Rothweiler, Villingen-Schwenningen

Joachim Senger, Donaueschingen

Maria Noce, CDU

Wolfgang Kaiser, GRÜNE Micha Bächle, CDU

Jörg Frey, FWV

Lisa Wolber, CDUAnton Knapp, SPD Rainer Jung, FWV Katharina Hirt, CDU Werner Ettwein, FWV

Edgar Schurr, SPD Michael Kollmeier, CDU

Dominik Beha, FWVMatthias Fischer, CDU

Walter Klumpp, FWV Markus Keller, CDU

Christian Kaiser, GRÜNEDetlev Bührer, CDUAdolf Baumann, FDPJürgen Roth, CDU

Joachim Senger, AfD

Erik Pauly, CDUNicola Schurr, SPDMartin Rothweiler, AfD

 

 

Konstituierende Sitzung des 10. Kreistages in der Geschichte des Schwarzwald-Baar-Kreises. Links: Landrat Sven Hinterseh verpflichtet stellvertretend für alle Gremiums mitglieder die Gütenbacher Bürgermeisterin Lisa Wolber (CDU), zugleich das jüngste Mitglied des Gremiums.

 

 

Horst Siedle

(1938 – 2019)

Zuhause in der Welt, im Schwarzwald verwurzelt

Unternehmerlegende, im Herzen immer Furtwanger, Kreisrat und Gemeinderat. Ebenso Mäzen, Sponsor und großer Kunstliebhaber. Träger des Bundesverdienstkreuzes, der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg, der Verdienstmedaille des Schwarzwald-Baar-Kreises in Gold und Empfänger vieler weiterer Auszeichnungen. Mit Horst Siedle ist am 11. April 2019 im 80. Lebensjahr ein Mann verstorben, den Wirtschaftsminister Ernst Pfister als „Prachtexemplar der Bürgergesellschaft“ bezeichnete, bei dem politisches Engagement, soziale Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg auf vorbildliche Weise Hand in Hand gingen. „Stolz, dankbar und glücklich“ sei er über die Ernennung zum Furtwanger Ehrenbürger, sagte Horst Siedle im Jahr 2009. Der „sozial engagierte Fabrikler“, so Horst Siedle über sich selbst, erfuhr bei einer der größten Trauerfeiern in der jüngeren Geschichte der Stadt Furtwangen die Wertschätzung von Hunderten von Trauergästen. Landrat Sven Hinterseh sprach im Namen vieler, als er ausführte: „In Horst Siedle trafen Sachverstand, Souveränität, Herzlichkeit und die tiefe Überzeugung zusammen, dass man Zukunft praktisch und lebensnah gestalten kann. Als äußerst heimatverbundenen, willensstarken und liebenswürdigen Menschen werde ich persönlich und werden wir in Furtwangen und im Schwarzwald-Baar-Kreis Horst Siedle in Erinnerung behalten.“

„Ich bin Weltbürger, Europäer, Deutscher und sein Vater Max zu sagen pflegte, natürlich an Badener – aber im Herzen bin ich Furtwanger.“ einer badischen Adresse: Die Siedles wohnten So hat Horst Siedle auf die Frage geantwortet, in der Zähringerstraße, wo der kleine Horst, wie wo er sich zu Hause fühlt. Dabei war er zwar er sich erinnerte, mit Kindern spielte, die einen Spross einer alteingesessenen Schwarzwälder gelben Stern an der Jacke trugen. Dass Max Familie, aber ein waschechter Berliner von Ge-Siedle seinen Sohn mit jüdischen Nachbarskinburt. Sein Vater vertrieb die Produkte des hei-dern spielen ließ, war nicht ohne Risiko, aber mischen Unternehmens in der Hauptstadt, dort mit den Nationalsozialisten wollte Max Siedle kam Horst Siedle 1938 zur Welt. Seine ersten auch sonst nichts zu tun haben. 1944 musste Lebensjahre erlebte er in Berlin. Als Badener, wie er für diese Haltung mit einem Berufsverbot

 

 

büßen, denn er war als einziges Mitglied des Elektrogroßhandelsverbandes nicht Mitglied der NSDAP – und gab lieber sein Geschäft auf, als Parteigenosse zu werden. So ging die Berliner Zeit zu Ende, und Horst Siedle wurde mit sechs Jahren zum Furtwanger; seine Familie bezog jenes Haus in der Baumannstraße, das er fast sechzig Jahre später aufwändig sanieren und in den damaligen Zustand zurückversetzen ließ. Heute residieren darin die Geschäftsführung und die Unternehmenskommunikation. Abriss und Neubau wären fraglos billiger gewesen und hätten der unter Platzmangel leidenden Firma mehr Raumgewinn gebracht. Doch wie so häufig fällte Horst Siedle seine Entscheidung nicht aus nüchternem Kalkül allein.

Im Herzen Furtwanger

Eine zweite Siedle-Immobilie unterstreicht diese Einstellung. Das 1994 in Betrieb genommene Logistikzentrum am Furtwanger Stadtrand ist das modernste und markanteste Firmengebäude. Noch bevor mit der Planung begonnen wurde, setzte der Firmenchef gegen das Votum von Führungskräften des eigenen Unternehmens eine Grundsatzentscheidung durch: Eine Auslagerung an einen Dienstleister oder ein alternativer Standort kamen nicht in Frage. Nicht nur die Arbeitsplätze im Logistikzentrum selbst, auch die Bauarbeiten und die gesamte Wertschöpfung mussten so weit als möglich in Furtwangen bleiben. Als sichtbarer Glaube an die Zukunft sollte das neue Gebäude ein Zeichen setzen für die Verbundenheit mit dem Standort. Zudem musste es sich harmonisch in die Landschaft einfügen.

Horst Siedle stellte hohe Anforderungen an die Umsetzung, an deren Ende ein Industriebau von außergewöhnlicher architektonischer Qualität stand. Das Logistikzentrum hätte an einem anderen Ort erheblich kostengünstiger errichtet werden können. Dem stand nur eines entgegen: Horst Siedles Bekenntnis zum Standort Furtwangen, das betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Kalkulationen des sonst so scharfen Rechners manches Mal außer Kraft setzte.

Schon legendär ist der Millionenkredit zu besten Konditionen, mit dem Siedle in den 1980er-Jahren der quasi zahlungsunfähigen Stadt Furtwangen half, die Gemeindefinanzen wieder ins Lot zu bringen und eine schwierige Phase zu überstehen. Woher stammt diese besondere Verbundenheit mit der Heimat? Siedle begriff Standorttreue als Teil einer Verantwortung, die jedes Unternehmen zu tragen hat. Ob ein Unternehmer gut wirtschaftet, war für den überzeugten Mittelständler nicht nur eine Frage der Bilanzen, obwohl er keinen Zweifel daran ließ, dass ein Unternehmen profitabel arbeiten muss.

Aber Gewinn darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern soll Zielen dienen: den Menschen und der Welt, in der sie leben. Den Begriff Shareholder Value schätzte er ebenso wenig wie Manager, die ihn zur obersten Maxime ihres Handelns erklärten. Siedle sah in ihm den Inbegriff eines Wirtschaftsegoismus, der nur zwei Ziele kennt: die persönliche Bereicherung des Managers und die persönliche Bereicherung des Aktionärs.

Großes Erbe und stolze Bilanz – Vom Gießer zum Pionier der Elektrotechnik

Vor mehr als 260 Jahren wurde ein „Mathäus Siedle, Glockengießer“, urkundlich erwähnt – Horst Siedles Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater. Aus der kleingewerblichen Gießerei für die Schwarzwälder Uhrenmanufaktur wurde im 19. Jahrhundert eine Fabrik. Siedle wandelte sich zu einem Pionier der Elektrotechnik und war einer der ersten Telefonhersteller in Deutschland. Im 20. Jahrhundert spezialisierte sich das Unternehmen auf die Haus- und Türtelefonie, die bis heute das Hauptgeschäftsfeld ist.

Über die Jahrhunderte und alle Wandlungen hinweg blieb das Unternehmen stets im Besitz und unter der Leitung der gleichen Familie. Horst Siedle trat ein weit zurückreichendes Erbe an – aber in den Schoß wurde es ihm nicht gelegt. Wie viele seiner Vorfahren hat auch er nicht in der Führungsetage angefangen, als er 1957 als Praktikant ins Unternehmen eintrat. Von den Mitarbeitern, denen er später als Geschäftsführer vorstehen sollte, hat er das Löten, die Herstellung von Kabelbäumen, die Montage

 

 

von Netzgleichrichtern oder Telefonen und vieles mehr gelernt.

Höhere Weihen erwarb er sich bei der Schweizer Tochter Siedle Electric, die er vom Ein-Mann-Betrieb zum florierenden Unternehmen aufbaute und zehn Jahre lang leitete. Geschäftsführer der Mutterfirma wurde er schließlich 1970 – nach langwierigen und teilweise bitteren familiären Auseinandersetzungen. Geschenkt bekam er nichts. Im Praktikum, bei seinem Karriereeinstieg in der Schweiz und auch während der ersten Jahre als Geschäftsführer – Horst Siedle musste sich immer durchsetzen. Und der Erfolg gab ihm Recht. Unter seiner Leitung wurde aus einem soliden, aber stagnierenden Unternehmen eine Firma mit Weltruf.

Trauerfeier spiegelt die vielfachen Verdienste und die hohe Achtung wider

In einem 1.000 Menschen fassenden Zelt fand am 26. April in Furtwangen die Trauerfeier für Horst Siedle statt. Sein Sarg war vor einer großformatigen Fotografie des Unter- und Oberfallengrundes in Gütenbach/Neukirch aufgebahrt, der geliebten Schwarzwaldheimat. Der Kunst- und Kulturkenner Roland Doschka sowie Freund brachte der Trauergemeinde den Menschen Horst Siedle und seine Liebe zur Kunst nahe. Pater Xaver Berchtold, der mit dem evangelischen Pfarrer Lutz Bauer den liturgischen Teil übernahm, zeigte sich Horst und Gabriele Siedle gegenüber dankbar für die vielen freundschaftlichen Begegnungen und die Hilfe bei der Jugendarbeit der Salesianer in Furtwangen.

Bürgermeister Josef Herdner skizzierte das reiche Wirken des Furtwanger Ehrenbürgers. Er unterstrich, was Horst Siedle anging und initiierte, das hatte aus kommunaler Sicht immer das Ziel, „seine“ Stadt Furtwangen zu stärken. „Ein Unternehmen hat sich in eine Gemeinde zu integrieren, eine soziale Aufgabe zu übernehmen und sich am Stadtgeschehen zu beteiligen. Mitarbeiter wollen auf ihre Firma stolz sein und das auch zeigen können“, zitierte Herdner den Ehrenbürger. 38 Jahre lang prägte Horst Siedle als Mitglied des Gemeinderates der Stadt Furtwangen das kommunale Geschehen entscheidend mit. Der Bürgermeister: „Als Stadtrat und 25 Jahre lang als Fraktionsführer der FWV/FDP-Fraktion kämpfte er für die Interessen der Stadt Furtwangen, für ein starkes Furtwangen.“

Horst Siedle spezialisierte sein in Furtwangen im Schwarzwald beheimatetes Unternehmen auf die Haus- und Türtelefonie.

An Beispielen machte der Bürgermeister fest, was das Wirken von Horst Siedle auszeichnete. Sah der Gemeinderat z. B. nicht die Notwendigkeit für die Einstellung eines Jugendbegleiters in Furtwangen, so finanzierte Horst Siedle diesen kurzer Hand selbst und lieferte dadurch bald überzeugende Argumente für den Sinn einer solchen Maßnahme. Er finanzierte ebenso Planungen zur künftigen Stadtgestaltung und legte damit den Grundstein für die Stadtkernsanierung. Immer wieder griff er der

 

 

Stadt mit finanziellen Mitteln unter die Arme und half mit, dass sie ihre finanziellen Schieflagen meistern konnte. So bei der Finanzkrise in den 1980er-Jahren, bei der Sanierung der Tartanbahn im Bregstadion, der Anschaffung eines Röntgengerätes zur Sicherung der ärztlichen Versorgung oder der Finanzierung des Klara-Siedle-Sinnesgartens in St. Cyriak Wohnen und Pflege.

Besonders erinnerte der Furtwanger Bürgermeister an den Festakt zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde im Jahr 2009. Über die Verleihung der Ehrenbürgerschaft freute sich Horst Siedle riesig, betonte Josef Herdner und zitierte ihn: „Ich bin stolz, dankbar und glücklich und es tut gut, dass Sie mich zum Ehrenbürger gemacht haben. Ehrenbürger wird man nicht so einfach. Ich werde weiterhin für Furtwangen kämpfen und ich werde mich bemühen, dass ich Sie nicht enttäusche.“

Aufbau der Siedle-Gruppe

Das Wirken im Unternehmen umriss das Mitglied der Geschäftsleitung Joachim Beyer. Herausragend sei auch der Weitblick von Horst Siedle gewesen. Schon früh dachte er darüber nach, wie er sein Unternehmen und seine Mitarbeiter absichern kann. So erwarb er 1978 die Kunststofffirma K&E in Mönchweiler und sicherte damit Know-how in der Kunststoffverarbeitung und im Betriebsmittelbau und ein Stück Unabhängigkeit von Zulieferern. 1984 kaufte Horst Siedle die Novotechnik in Ostfildern-Ruit und kurz darauf die Contelec im Schweizerischen Biel. Zwei Unternehmen, die in einem völlig anderen Technologiebereich angesiedelt sind. Mit der dadurch entstandenen Siedle-Gruppe wollte er sicherstellen, dass eine Firma die andere unterstützen kann. Horst Siedle diversifizierte und streute das Risiko.

Joachim Beyer schilderte ein weiteres Beispiel für die Weitsicht von Horst Siedle nach einer schweren Erkrankung im Jahr 2005. Er selbst sorgte für eine klare Nachfolgeregelung, indem er die Geschicke des Unternehmens in die Hände seiner Ehefrau Gabriele Siedle legte. „Durch die Übertragung seiner Unternehmensanteile in eine Familienstiftung und durch das festgeschriebene Unternehmensleitbild ist das Lebenswerk von Horst Siedle sichergestellt. Es war Horst und Gabriele Siedle ein persönliches Anliegen, dass dies allen Mitarbeitern bereits 2006 mitgeteilt und in Schriftform ausgehändigt wurde“, betonte Joachim Beyer.

Der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Ergun Can würdigte im Namen der Mitarbeiter den sozialen, menschlichen Charakter von Horst Siedle: „Er wurde nicht müde zu betonen, dass das eigentliche Kapital seiner Firma seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Und das konnten wir auch spüren. Es war ihm wichtig, dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fair und wertschätzend behandelt wurden und er ermöglichte uns Rahmenbedingungen, die nicht selbstverständlich sind.“

Wegweisende Entscheidungen

Landrat Sven Hinterseh zeigte sich in seinem Nachruf beeindruckt von der zwei Jahrzehnte währenden ehrenamtlichen Tätigkeit von Horst Siedle als Kreisrat mit großem persönlichen Einsatz, um an den Themen der Zeit mitzuarbeiten. Seine unternehmerische Erfahrung und durchaus auch sein Mut, Themen aktiv anzugehen, taten dem Landkreis und der Kreispolitik gut, hob der Landrat hervor. Sven Hinterseh: „Er ging keiner Diskussion aus dem Weg und vertrat seine Meinung klar und unzweideutig. Bei aller Klarheit in der Aussprache und vielleicht auch einer gewissen Härte, war er aber doch mit großer menschlicher Herzlichkeit und Wärme ausgestattet und hat vor allen diejenigen, die es im Leben manchmal schwerer hatten – ob unverschuldet oder auch aus eigenem Zutun – nie aus dem Blick verloren.“

In diesen zwanzig Jahren Kreispolitik wurden zahlreiche wegweisende Entscheidungen getroffen, die noch weit in die Zukunft des Landkreises hineinwirken werden und bei denen Horst Siedle seine Weitsicht, den großen Erfahrungsschatz, seine Willensstärke und eine außerordentlich hohe Motivation unter Beweis stellte. Der Landrat erinnerte an die große Herausforderung der Neuorganisation der

 

 

Horst und Gabriele Siedle mit Philipp Rösler und Bürgermeister Josef Herdner. Der Bundeswirtschaftsminister besuchte das Unternehmen Siedle im Juni 2013. Zur Bundespolitik pflegte Horst Siedle persönliche Kontakte.

technisch und organisatorisch anspruchsvollen Abfallwirtschaft. Ein Thema, das in den 1980er- und den beginnenden 1990er-Jahren ein kreis-politisch sehr anspruchsvolles Gebiet war und bei dem sich Horst Siedle mit großem – auch technischem – Sachverstand in betriebliche Abfallfragen einbrachte.

Gleiches gilt für den Ausbau der vielfältigen und – das war ihm auch immer wichtig – dezentralen Schullandschaft. Im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es die vielen Kreisschulen eben nicht nur in den beiden großen Kreisstädten, sondern darüber hinaus und nicht zuletzt auch in Furtwangen. 1995 war für den Kreisrat Horst Siedle diesbezüglich ein wichtiges Jahr, denn nach jahrelangem Ringen und vielen Diskussionen konnte endlich der architektonisch gelungene Neubau der Robert-Gerwig-Schule übergeben werden, und elf Jahre später dann die neue Sporthalle.

In die Zeit der Tätigkeit als Kreisrat fielen zahlreiche weitere wichtige Fragen rund um die Infrastruktur und die Daseinsvorsorge. Nicht zuletzt aber auch das wohl schwierigste und zugleich politisch am härtesten diskutierte Thema des vergangenen Jahrzehnts: die Neuordnung des Krankenhauswesens und der damit verbundene Strukturwandel hin zu einem großen Neubau des Schwarzwald-Baar Klinikums in Villingen-Schwenningen. Und gerade in Furtwangen galt es harte Einschnitte einzustecken, da das ehemals städtische Krankenhaus, das in die Trägerschaft des Landkreises überführt worden war, einfach nicht zu halten war. Für Horst Siedle schwere Stunden, die Spuren hinterlassen haben, wie Landrat Hinterseh unterstrich.

Er sei dankbar für die Begegnungen mit Horst und Gabriele Siedle, betonte Sven Hinterseh, für ihr gemeinsames Wirken. Die Erinnerung gelte abseits aller Funktionen und Leistungen letztendlich dem Menschen Horst Siedle, den er in vielerlei Hinsicht sehr geschätzt habe. Und der über die Stadt- und Landkreisgrenzen, ja sogar über die Landesgrenzen hinaus, höchste Anerkennung und Wertschätzung erfahren durfte.

 

 

Nach fast 120 Jahren beginnt auf der Höllentalbahn eine neue Ära

von Bernward Janzing

Die Einweihungsfeier zur Elektrifizierung der Höllentalbahn erfolgt im Dezember 2019 – das künftige Angebot auf der östlichen Höllentalbahn umfasst einen Stundentakt zwischen Schwarzwald und Kaiserstuhl, der in den Hauptverkehrszeiten bis zum Halbstundentakt verdichtet werden kann. Die Elektrifizierung der Höllentalbahn Ost ermöglicht, dass Fahrgäste ohne Umstieg im Stundentakt und mit neuen, zeitgemäß ausgestatteten Zügen von VS-Villingen über Donaueschingen, Löffingen, Neustadt, Hinterzarten und Kirchzarten nach Freiburg sowie weiter bis Breisach beziehungsweise Endingen am Kaiserstuhl fahren können. Der Landkreis investiert in diese Verbesserung über 18 Millionen Euro. Für Landrat Sven Hinterseh ein zukunftsweisender Meilenstein: „Mit dem verbesserten Schienenangebot wird der Schwarzwald-Baar-Kreis als Lebens- und Arbeitsort erheblich an Attraktivität gewinnen.“

Was für eine Präzision! Und diese gelang den Bauingenieuren bereits vor fast 120 Jahren. „Der Tunnel weicht in seinem Verlauf nur zwei Zentimeter von den historischen Plänen ab“, sagt Bauingenieur Eric Teßmar, während er im Frühjahr 2019 durch den Dögginger Tunnel führt, den längsten an dieser Strecke. Der Zugbetrieb ruht hier bereits seit Anfang November 2018, die Gleise sind längst abgebaut. Denn die Trasse muss in den fünf Tunnels der östlichen Höllentalbahn zwischen Neustadt und Donaueschingen um 42 bis 62 Zentimeter abgesenkt werden. Dieser zusätzliche Raum im Tunnelprofil wird nötig für die Oberleitungen. Die historischen Bauwerke mussten daher zum Start der Arbeiten nochmals genau vermessen werden.

Für die Oberleitung ist unter Brücken und in den Tunnels im Regelfall eine Durchfahrtshöhe von 5,70 Metern erforderlich, gemessen von der Schienenoberkante. In den Tunnels ist daher die Absenkung der Gleise die einzige praktikable Option. Brücken hingegen können mitunter mit vertretbarem Aufwand umgebaut werden. An der Höllentalbahn-Ost waren drei Straßenüberführungen nicht ausreichend hoch.

Der Dögginger Tunnel

Das anspruchsvollste Teilstück der östlichen Höllentalstrecke ist der Dögginger Tunnel. Die Geologie ist auf der Baar im Vergleich zu den vier anderen Tunnels zwischen Neustadt und Rötenbach, die das kristalline Grundgebirge des Schwarzwaldes durchstoßen, deutlich vielfältiger. Im Verlauf des Dögginger Tunnels wechseln sich der Keuper und der Muschelkalk ab und damit auch die Geostatik. Der Tunnel westlich das Dögginger Bahnhofs ist zudem der längste der Höllentalbahn. Mit einer Ausdehnung von

Nach dem Entfernen der Gleise und dem Absenken der Talsohle im Tunnel standen Festigungsarbeiten am Tunnelbau im Vordergrund. Dazu wurden Injektionen in die Wände vorgenommen. Um die Elektrifizierung zu ermöglichen, mussten entlang der gesamten Bahnstrecke Strommasten aufgestellt werden.

 

 

535,60 Metern unterquert er sogar ein ganzes Wohngebiet. Und nebenbei befindet sich der Tunnel nicht nur geologisch, sondern auch topografisch in markantem Gelände – er unterquert die europäische Hauptwasserscheide zwischen Nordsee und Schwarzem Meer, das heißt zwischen Gauchach und Donau.

Selbst im westlichen Teil der Strecke zwischen Freiburg und Neustadt sind die Tunnels durchweg kürzer; der Loretto-Tunnel in Freiburg kommt mit 514 Metern allerdings fast an den Dögginger Tunnel heran. Unter formalen Aspekten ist das Bauwerk auf der Baar übrigens der einzige „richtige“ Tunnel zwischen Neustadt und Donaueschingen. Die anderen vier mit Längen zwischen 104 und 220 Metern gelten hinsichtlich der Sicherheitskonzepte nur als Brücken – was sie faktisch natürlich nicht sind, denn sie durchstoßen allesamt sehr wohl die Schwarzwaldberge.

Weil nun alleine der Dögginger Tunnel formal ein vollwertiger Tunnel ist, wurde für dieses Bauwerk ein ganz eigenes Sicherheitskonzept

Ein weit verzweigtes Streckensystem ermöglicht es ab 15. Dezember 2019 mit der dann elektrifizierten Höllentalbahn Ost im Stundentakt nach Freiburg zu fahren.

entwickelt, wie es die anderen Tunnel an der Strecke nicht brauchen. So wurde im Zuge der Elektrifizierung auch ein neuer Rettungsweg zum östlichen Tunnelportal geschaffen, samt Rettungsplatz. In die Böschung wurde ein Löschwassertank eingebracht. Auch am Westportal wurde ein neuer Rettungsplatz geschaffen. Als der Tunnel um die Jahrhundertwende gebaut worden war, hatte man all das noch nicht für nötig befunden. Das Sicherheitsempfinden war noch wenig ausgeprägt.

Aber auch schon vor 120 Jahren wussten die Ingenieure sehr genau, was sie taten. Sauber und präzise haben auch sie schon gearbeitet, trotz ihrer einfachen Technik. Während nun Bauingenieur Teßmar durch den Tunnel führt, an dessen Wänden vielfältige Markierungen angebracht sind, zeigt er, wie man heute arbeitet. An den Decken hängen Spiegel, die Laserstrahlen reflektieren; damit werden die Bewegungen des Berges beobachtet, während die Bauarbeiter an der Tunnelsohle tätig sind. Da der Tunnel nach unten vertieft werden muss, müssen die neu entstehenden Seitenwände mit Beton stabilisiert werden. Sollte bei den Arbeiten das umgebende Gestein allzu sehr nachgeben, könnte man aufgrund der stetigen Messung rechtzeitig eingreifen. „Wir erkennen Setzungen mit einer Präzision von einem Millimeter“, sagt Teßmar.

 

 

Zuerst mussten alle Schienen aus dem ca. 535 Meter langen Dögginger Tunnel raus und die Trasse wurde um 42 bis 62 Zentimeter abgesenkt, dann kamen sie wieder hinein (oben). Zuvor mussten teils größere Erdbewegungsarbeiten stattfinden wie hier am östlichen Dögginger Tunneleingang (unten).

 

 

Höhepunkte einer Reise mit der Höllentalbahn sind noch heute die Fahrt durch den unteren und oberen Hirschsprung-Tunnel (links) und über das Ravenna-Viadukt (rechts). Die Abbildungen stammen aus einem frühen Führer zur Höllentalbahn. Die Bahn wurde erst 1898 in Richtung Hüfingen/Donaueschingen erweitert und endete damals noch in Neustadt.

Mit Zahnradbahn in den Hochschwarzwald

Mit einfachsten Mitteln hingegen hatten die Baumeister des späten 19. und des beginnenden

20. Jahrhunderts bereits eine ideale Linienführung realisiert. So war jede Bahnstrecke dieser Zeit eine technische Meisterleistung und die Höllentalbahn mit ihrem steilen Anstieg zwischen Himmelreich und Hinterzarten ohnehin. Aber auch der anschließende Teil von Neustadt auf die Baar wollte gut geplant sein.

So war in dem topografisch anspruchsvollen Gelände des Schwarzwaldes die Trassenführung der Höllentalbahn zuvor intensiv diskutiert worden. Viele Optionen hatte man geprüft – und dann wieder verworfen. Schon Jahre zuvor, nämlich als der Bau der Schwarzwaldbahn anstand, hatte man das Höllental bereits als eine Option für eine badische Hauptstrecke im Blick gehabt. Doch dann fiel die Entscheidung zugunsten der Trasse von Offenburg über Hausach, Triberg und die Sommerau nach Villingen. Die Höllenbahn wurde anschließend als Nebenbahn realisiert und 1887 von Freiburg bis Neustadt in Betrieb genommen. Der Anschluss bis Donaueschingen folgte 14 Jahre später. Damit erreichte die Bahn eine Gesamtlänge von fast 75 Kilometern.

In Donaueschingen trifft die Höllentalbahn auf die Schwarzwaldbahn von Offenburg. Die Strecke überwindet auf den ersten rund 25 Kilometern zwischen dem Freiburger Hauptbahnhof und dem Bahnhof Hinterzarten mehr

 

 

als 600 Höhenmeter. Sie zählt mit bis zu 5,7 Prozent Steigung zu den steilsten Bahnstrecken Deutschlands. Der Abschnitt Hirschsprung – Hinterzarten musste deswegen anfangs sogar als Zahnradbahn betrieben werden, weil die Loks der frühen Jahre die Steigung anders nicht bewältigen konnten.

Täglich verkehrten in der ersten Zeit drei Personenzugpaare und ein gemischtes Zugpaar. Mit maximal 30 Kilometern pro Stunde waren die Züge unterwegs. Für die 35 Kilometer bis Neustadt benötigte ein Zug im Jahr 1888 zwei Stunden und 22 Minuten bergwärts, sowie zwei Stunden und 4 Minuten talwärts.

Trassenverlauf war lange Zeit fraglich

Bereits frühzeitig galt die Weiterführung der Bahn nach Osten als beschlossene Sache. Schon im Budget des Jahres 1869 hatte die Großherzogliche Regierung 30.000 Mark vorgesehen „zu einer erschöpfenden Aufsuchung einer bau- und betriebswirtschaftlichen Linie Freiburg-Donaueschingen“. Und so richteten im März 1873 die Gemeinden des Schwarzwaldes und der Baar eine Eingabe an das Großherzogliche Handelsministerium, die Vermessungen auch auf der Strecke Neustadt – Donaueschingen fortzusetzen.

Offen war lange Zeit aber der Trassenverlauf. Eine der diskutierten Varianten hätte den Bau einer weiteren Zahnradstrecke bedurft: Über Eisenbach hätte die Linie nach Hammereisenbach geführt, wo sie im Bregtal auf den Gleisen der privaten Bregtalbahn über Wolterdingen, Bräunlingen nach Donaueschingen geführt hätte. In diesem Fall hätte der Staat den Streckenabschnitt Hammereisenbach – Hüfingen aufkaufen müssen. Das war weniger ein Problem, weil eine solche Transaktion in der Konzession zum Bau der Bregtalbahn schon frühzeitig als Option berücksichtigt worden war. Aber die Zahnradstrecke schreckte ab. Diskutiert wurde alternativ auch eine konventionelle Bahn ohne Zahnradstrecke von Neustadt über Hammereisenbach ins Bregtal, doch eine solche Trasse wäre sehr lang geworden, weil nur so die großen Höhenunterschiede zu überwinden gewesen wären.

Furtwangen machte sich zwar lange noch für einen Anschluss der Höllentalbahn in Hammereisenbach stark, weil damit die 1893 eröffnete Bregtalbahn deutlich aufgewertet worden wäre. Aber die Stadt konnte sich nicht durchsetzen.

Auch beim Verlauf der Strecke über Löffingen wurden noch Alternativen diskutiert. Zur Debatte stand die Option, die Bahn von Neustadt über Rötenbach und Löffingen nach Bräunlingen zu führen, wo sie dann auf den Gleisen der Bregtalbahn nach Donaueschingen gelangt wäre. Die Trasse wäre dem Verlauf der jetzigen B 31 bis Löffingen gefolgt und hätte einer großen Brücke über das Tal der Gutach bei Neustadt bedurft. Hinter Löffingen wäre wieder eine Brücke über die Gauchach notwendig gewesen um die Strecke an Dittishausen vorbei nach Bräunlingen zu führen.

Am 20. November 1895 beschloss dann die Zweite Kammer, das Parlament des Großherzogtums Baden, die heutige Streckenführung über Reiselfingen, Seppenhofen, Bachheim, Unadingen, Hausen vor Wald nach Hüfingen. Löffingen hatte zwischen 1861 und 1887 in neun Petitionen für diese Variante geworben. Die Forderung einiger Baargemeinden, auch Mundelfingen, Eschach, Opferdingen und Achdorf anzuschließen, lehnte die Kammer jedoch ab, denn einen weiteren Umweg der nun knapp 40 Kilometer langen Strecke wollte man nicht mehr hinnehmen.

Als im Februar 1896 das Gesetz der endgültigen Variante durch Großherzog Friedrich unterschrieben wurde, war dies ein Kompromiss, der lokalpolitische Interessen berücksichtigte

 

 

und möglichst vielen Gemeinden einen Bahnanschluss brachte. Die Gemeinden an dieser Strecke hatten sich zuvor geradezu mit Geldleistungen und Geländeabtritt überboten um einen Bahnanschluss zu bekommen.

Im Dezember 1898 wurden die Arbeiten für den Bau der östlichen Höllentalbahn vergeben. Viele italienische Gastarbeiter kamen zum Bahnbau auf die Baar und in den Schwarzwald, sie galten als tüchtig und integrierten sich aufgrund des gemeinsamen katholischen Glaubens schnell.

Schon 1934 wurde die Elektrifizierung diskutiert

Am 19. August 1901 wurde die Bahn eröffnet. Die geplanten Baukosten von sieben Millionen Mark konnten allerdings nicht eingehalten werden, vor allem die aufwendigen Tunnelbohrungen trieben die Kosten auf 10,3 Millionen. Auch die Brücken gingen erheblich ins Geld. Denn fünf Brücken befinden sich auf der Strecke, darunter die Gutachbrücke, die mit einer Länge von 141 Metern und einem 64 Meter weit gespannten Steinbogen jahrzehntelang die größte steingewölbte Bogenbrücke Deutschlands war.

Auch wurde der Bahnhof Hausen vor Wald großzügig angelegt, denn es war geplant, von dort einen Anschluss nach Schaffhausen zu bauen. Zudem sollte die Bahnstrecke von Neustadt nach Bonndorf, die 1907 fertiggestellt wurde, bis nach Schaffhausen verlängert werden. Realisiert wurde aber keine der beiden Trassen.

Die Höllentalbahn erlebte fortan eine wechselvolle Geschichte. Einerseits kamen schon frühzeitig die Forderungen auf, man möge auch die östliche Höllentalbahn elektrifizieren. Schon ehe der Bau der Oberleitungen bis Neustadt im Juni 1936 abgeschlossen war, forderte Löffingen erstmals im Oktober 1934 auch den Ausbau im westlichen Teil. Ein solches Projekt wurde dann 1939 sogar ins Auge gefasst, doch dann kam der Zweite Weltkrieg dazwischen.

Einerseits wurde die Elektrifizierung bis Donaueschingen auch in der Nachkriegszeit immer wieder diskutiert. Andererseits fürchteten die Menschen im Hochschwarzwald und auf der Baar ab den Siebzigerjahren immer wieder das komplette Ende der Höllentalbahn. Sogar noch im Jahr 1987, als die Höllentalbahn ihr 100-jähriges Bestehen feierte, galt deren Stilllegung weiterhin als denkbar. Schließlich hatten

Der Bau der Höllentalbahn bei Hausen vor Wald. In der Baargemeinde wurde auch ein großzügiger Bahnhof errichtet, da die Bahn von hier aus bis Schaffhausen weitergebaut werden sollte, was aber nie geschah.

 

 

die Schwarzwälder in den 20 Jahren zuvor viele Streckenstilllegungen erleben müssen.

Aber es gab auch in den Achtzigerjahren schon Kämpfer für die Bahn, die ambitioniert nach vorne blickten. So schrieb im Jubiläumsjahr 1987 die AG Höllentalbahn (ein Zusammenschluss unter anderem von Umwelt- und Verkehrsverbänden, von SPD und Grünen, von der Initiative Pro Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokführer und Anwärter) ein Manifest. Dieses sah allerdings vor allem in einer neuen Trassenführung eine Option zur Steigerung der Attraktivität, erst zweitrangig propagierte das Papier auch die Elektrifizierung.

Bereits um 1980 war die Idee geboren, die Trasse über die Baar zu ändern. Es kursierte der Vorschlag, einen neuen Bahnhof am Schneekreuz in Löffingen anzulegen, und die Bahn entlang der B 31 zu führen – wie man es vor dem Bau der heutigen Trasse auch schon mal angedacht hatte.

In dem Manifest der Verbände von 1987 hieß es dann: „Investitionen von 70 bis 90 Millionen DM erlauben Streckenbegradigungen zwischen Kappel-Gutachbrücke und Rötenbach sowie zwischen Löffingen und Döggingen. Dadurch lässt sich die Fahrgeschwindigkeit auf 110 Kilometer pro Stunde erhöhen, sodass die Fahrzeit Neustadt – Donaueschingen um circa 50 Prozent gesenkt werden könnte. Eine Elektrifizierung ist nach erfolgter Streckenbegradigung ebenfalls sinnvoll.“ Ernsthafte Chancen auf Realisierung hatte dieser Vorschlag allerdings nicht.

Immerhin war schon wenig später zumindest das Thema Stilllegung erledigt. Lediglich einen imageträchtigen Zug nahm die Bahn im Dezember 2003 vom Fahrplan: den Kleber-Express. Dieser war seit 1954 täglich von Freiburg nach München gefahren, 379 Kilometer in rund sechseinhalb Stunden. Das Zugpaar hatte 1997 den Namen Kleber-Express bekommen, da sich die Hoteliers-Familie Kleber aus Bad Saulgau erheblich für die durchgehende Verbindung eingesetzt hatte. Doch gegenüber den schnelleren Verbindungen von Freiburg über Karlsruhe und Stuttgart nach München hatte der Zug keine Chance, obwohl er die Fahrgäste ohne Umstieg in die bayerische Landeshauptstadt führte.

Schwarzwald-Baar-Kreis fordert mit Nachdruck die Elektrifizierung der Höllentalbahn

Nach der Jahrtausendwende wurden die Diskussionen über die Elektrifizierung des noch fehlenden Teilstücks Neustadt – Donaueschingen immer intensiver. Der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises verabschiedete bereits 2008 einen Grundsatzbeschluss zur Elektrifizierung. Noch stieß man damit beim Land auf taube Ohren. Die Badische Zeitung berichtete im Dezember 2008: „Eine elektrische Oberleitung für die Bahnstrecke zwischen Neustadt und Donaueschingen ist für die Landesregierung derzeit kein aktuelles Thema.“ Immerhin hieß es dann aber im Oktober 2009: „Bahn prüft Elektrifizierung“.

Die beiden betroffenen Landkreise kamen schließlich im Juli 2011 überein, die Elektrifizierung voranzutreiben, einen Schritt, zu dem Landrat Karl Heim aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis sehr gedrängt hatte. Denn immerhin 13 von knapp 40 Kilometern der östlichen Höllentalbahn verlaufen im Schwarzwald-Baar-Kreis. 55 Millionen Euro wurden seinerzeit für das Projekt veranschlagt. Im Juli 2018 begann schließlich die Elektrifizierung der Höllentalbahn-Ost – das größte Bauprojekt auf dieser Strecke seit Inbetriebnahme der Eisenbahn.

Schon lange vorher hatten die Ingenieure geplant und technische Konzepte entwickelt. So kommen nun statt einer Konstruktion aus Fahrdraht und einem Kettenwerk aus Drahtseilen in den Tunneln stabile Stromschienen zum Einsatz. Vor und hinter den Tunnelabschnitten wurden Rampen gebaut, um die Gleise entsprechend abzusenken.

 

 

Eine spektakuläre Aktion gab es im Mai 2019 zu beobachten: Mit dem Helikopter wurden die neuen Strommasten an Ort und Stelle gebracht. Rund 250 Masten waren zuvor in Löffingen-Stettholz abgelegt worden, genau sortiert in der Reihenfolge, wie sie vom Helikopter abgeholt wurden. 15 Masten pro Stunde, so die ambitionierte Kalkulation, könnten aufgestellt werden. Dafür müssen sie sehr präzise aus der Luft abgesetzt werden.

Der Umbau der gesamten Strecke soll im November 2019 abgeschlossen sein, zum Monatsbeginn sollen die Züge wieder verkehren. Dann werden durchgehende Zugverbindungen im Stundentakt von Villingen über Donaueschingen, Löffingen, Neustadt, Hinterzarten und Kirchzarten nach Freiburg möglich sein. Die Züge werden sogar weiter bis Breisach beziehungsweise Endingen am Kaiserstuhl fahren können, da diese Strecke ebenfalls im Jahr 2019 elektrifiziert wurde. Entsprechend läuft auch die Elektrifizierung der Höllentalbahn unter der Bezeichnung „Breisgau-S-Bahn 2020“.

An den Haltepunkten Bachheim und Unadingen, die bisher nur sporadisch bedient wurden, halten alle Züge nun im Stundentakt. Gleiches gilt für Hüfingen-Mitte, das bislang nur zweistündlich von den Zügen zwischen Neustadt und Ulm angefahren wurde. Darüber hinaus ist auf der Höllentalbahn eine Ausweitung des Angebots in den Tagesrandzeiten vorgesehen. Und im Westen verkehren die Züge sonntags im 20-Minuten-Takt von Freiburg bis Titisee – eine Verdichtung gegenüber dem bisherigen Takt, der bei 30 Minuten lag.

Für Doppelstockzüge ist allerdings nun auf der Strecke kein Raum mehr, das ließ sich in den Tunnels mit vertretbarem Aufwand nicht realisieren. Jetzt verkehren stattdessen 3-teilige und 4-teilige Elektrotriebzüge des Typs Coradia Continental von Alstom. Die Züge sind sehr modern, haben auch ein automatisches Zählsystem für Passagiere, damit die Bahn auswerten kann, zu welchen Zeiten die Auslastung besonders hoch ist. So lassen sich die Zugkapazitäten durch zusätzliche Waggons zu bestimmten Zeiten optimal anpassen.

Der Zeitplan wird trotz schwieriger Verhältnisse eingehalten

Auch für die Industrie an der Strecke bringt die Bahn, die damit deutlich an Attraktivität gewonnen hat, enorme Vorteile. Die Firma FreiLacke in Döggingen zum Beispiel, die direkt am Bahnhof liegt, erhofft sich eine stärkere Nutzung der Bahn durch ihre Mitarbeiter. Zum einen könne man dann mit weniger Parkplätzen auskommen, zudem werde es leichter fallen, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, wenn die Pendler auch aus dem Raum Freiburg bis auf die Baar bequem und ohne umzusteigen mit der Bahn fahren können. Für die Warenanlieferung und den Abtransport der Produkte hat die Bahn hingegen heute keine Bedeutung mehr.

Die Baumaßnahmen auf der Strecke erforderten eine rund 18-monatige Vollsperrung zwischen dem Bahnhof Neustadt und der Station Hüfingen-Mitte. Der Zeitplan konnte weitgehend eingehalten werden, obwohl die Arbeiten im Hochschwarzwald unter schwierigen Verhältnissen stattfanden, wie die Bahn vorab erklärt hatte.

Der Abschnitt zwischen Hüfingen und Donaueschingen musste nur für rund fünf Monate gesperrt werden: während einer längeren Phase im Sommer 2018 und einer kurzen Phase zur Inbetriebnahme der Oberleitung und der Signaltechnik im Herbst 2019. Außerhalb dieser beiden Phasen konnte der Ringzug von und nach Bräunlingen wie gewohnt fahren.

Zugleich wurden in Löffingen und Döggingen neue elektronische Stellwerke aufgebaut. Und auch die Bahnsteige mussten zum Teil umgebaut werden, denn an den Stationen der

 

 

Oben: Nächtliche Schweißarbeiten bei Hüfingen – der Zeitplan musste unbedingt eingehalten werden. Unten: Im Zuge der Elektrifizierung der Höllentalbahn musste eine Vielzahl an Strommasten an Ort und Stelle gebracht und errichtet werden – teils kam dabei in einer spektakulären Aktion ein Helikopter zum Einsatz.

 

 

Auch nachts wurde gearbeitet – oben ist eine Schotterplanier- und Profilierungsmaschine im Einsatz.

Höllentalbahn-Ost waren sie in vielen Fällen relativ alt, in einzelnen Fällen auch zu kurz. Die Bahnsteige wurden auf eine Länge von 140 Metern verlängert, abgestimmt auf die maximale Länge der künftigen Elektrotriebzüge. Am Bahnhof Neustadt wurde der Bahnsteig an Gleis 1 sogar auf 210 Meter ausgebaut, weil dort aus Richtung Freiburg längere Züge einfahren und wenden können müssen.

Das leidige Thema Kostensteigerungen war aber auch bei den Bahnhofsarbeiten aktuell. Der Bahnhof Donaueschingen zum Beispiel sollte für 5,2 Millionen Euro umgebaut werden,

Auf der modernisierten Strecke fahren nun 3- und 4-teilige Elektrotriebzüge des Typs Coradia Continental von Alstom.

im Juni 2019 wurden dann bereits 9,4 Millionen veranschlagt – zu einem Zeitpunkt, als der Umbau eigentlich schon seit einem halben Jahr abgeschlossen sein sollte.

Auch die Bauarbeiten auf der Strecke wurden teurer als geplant. Für die östliche Höllentalbahn am Neustadt waren im Jahr 2009 in einer ersten Grobabschätzung Kosten in Höhe von 24,7 Millionen Euro kalkuliert worden, 2012 rechnete man bereits mit 47,8 Millionen, die tatsächlichen Kosten wurden im September 2019 auf gut 102 Millionen taxiert. Daran freilich war auch die boomende Baukonjunktur dieser Zeit Schuld, die die Baupreise aufgrund der enormen Auslastung der Baufirmen zwischenzeitlich erheblich in die Höhe getrieben hatte.

Auf den Streckenabschnitt des Schwarzwald-Baar-Kreises entfielen Kosten in Höhe von rund 30 Millionen Euro, wovon der Kreis selbst ca. 18,51 Millionen tragen muss. Das sind am Ende auch fast vier Millionen Euro mehr als nach der Submission im Februar 2018 zu erwarten war.

Die Inbetriebnahme der Strecke Neustadt-Donaueschingen wurde auf den Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2019 datiert. Es war eine beachtliche Aktion – mit 19.246 Metern Schienen, die neu verlegt werden mussten, 14.279 neuen Bahnschwellen und 20.251 Tonnen Gleisschotter, die herbeigeschafft werden mussten.

Gelohnt hat sich der Aufwand allemal für dieses Projekt, das den umweltfreundlichen Verkehr in der Region erheblich voranbringt.

 

 

Oben: Großbaustelle östliche Höllentalbahn – Impression vom Dögginger Bahnhof. Unten: Millimeter-Arbeit war beim Neuverlegen der Gleise verlangt.

 

 

Erwin Teufel zum 80. Geburtstag

Große Verantwortung für Land, Region und Stadt – den Menschen sehr zugeneigt

Am 4. September 2019 wurde Erwin Teufel 80 Jahre alt. Mit einem Festgottesdienst im Villinger Münster, einem Symposium in der Neuen Tonhalle Villingen und einem Großen Zapfenstreich würdigten die Landes-CDU und eine große Schar illustrer Festgäste am

7. September 2019 den Politiker und Menschen Erwin Teufel, dem unsere Region viel zu verdanken hat. Erwin Teufel war von 1972 bis 2006 direkt gewählter Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Villingen-Schwenningen und von 1991 bis 2005 der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg.

von Dieter Wacker

Ein Tag Mitte Januar 1991. Lothar Späth war gerade als Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg zurückgetreten. Potenzieller Nachfolger: Erwin Teufel, zu diesem Zeitpunkt CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag und direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Villingen-Schwenningen. Ich war damals Leiter der Villinger Lokalredaktion des Südkurier. Zusammen mit den Chefs der drei weiteren Lokalzeitungen in VS hatte mich Erwin Teufel in den Stuttgarter Landtag eingeladen. Die CDU-Landtagsfraktion sollte an diesem Tag ihren Fraktionschef zur Wahl zum neuen Ministerpräsidenten nominieren. Bekanntgegeben wurde die Entscheidung nachmittags bei der Landespressekonferenz, an der wir teilnahmen. Bevor die Konferenz begann, kam Erwin Teufel kurz bei uns vorbei und bat uns nach der Veranstaltung doch noch in sein Landtagsbüro zu kommen. Dort erwartete uns Erwin Teufels Sekretärin mit einer Flasche Sekt und sechs Gläsern. Mit dem Ministerpräsidenten in spe stießen wir vier Journalisten und die Sekretärin dann auf die erfolgte Nominierung an. Weshalb ich das erzähle? Es ist typisch Erwin Teufel.

Natürlich waren die Nominierung und die bevorstehende Wahl zum Ministerpräsidenten für ihn der Höhepunkt einer bis dahin bereits erfolgreich verlaufenen politischen Karriere. Doch nicht mit den politisch Großkopfeten oder der Landespresse wollte Erwin Teufel an diesem Nachmittag auf die Entscheidung der Fraktion ein Schlückchen trinken, sondern zuerst einmal mit den Journalisten, die ihn zum Teil seit langen Jahren publizistisch daheim in seinem Wahlkreis begleitet hatten. Genau das war ihm in diesem Moment wichtig. Und es sagt viel über den Menschen Erwin Teufel, der bis zum heutigen Tag genau weiß, wo seine sozialen wie politischen Wurzeln zu finden sind: Im Dreieck zwischen Rottweil, Spaichingen und Villingen-Schwenningen.

 

 

Mit einer Kutsche wurde Erwin Teufel nach dem Festgottesdienst zum Festakt in die Neue Tonhalle gefahren. Mit dabei Ehefrau Edeltraud Teufel, die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und der CDU-Landesvorsitzende und Innenminister Thomas Strobl. Standing Ovations gab es für Erwin Teufel beim Symposium in der Neuen Tonhalle.

Erwin Teufel zum 80. Geburtstag

 

 

Einst jüngster Bürgermeister Deutschlands

Der am 4. September 1939 in Zimmern ob Rottweil geborene Bauernsohn hat eine makellose Karriere hingelegt. Bereits mit 25 Jahren wurde der gelernte Diplom-Verwaltungswirt 1964 in seinem Wohnort Spaichingen zum damals jüngsten Bürgermeister von Deutschland gewählt. 1972 zog er als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Villingen-Schwenningen in das Stuttgarter Landesparlament ein. Insgesamt acht Mal wählten ihn die Bürgerinnen und Bürger in und um VS jeweils direkt in den Landtag. Gleich in seinem ersten Landtagsjahr wurde Erwin Teufel in der Regierung des Ministerpräsidenten Hans Filbinger Staatssekretär im Innenministerium, 1974 folgte die Ernennung zum Umweltstaatssekretär. Doch damit war die Karriere Teufels noch lange nicht beendet. 1978 übernahm er für 13 Jahre den CDU-Fraktionsvorsitz im Landtag, eh im Januar 1991 die Wahl zum Ministerpräsidenten folgte. 14 Jahre blieb er im Amt, bis er 2005, als zu seiner Zeit dienstältester Ministerpräsident in Deutschland, nach parteiinternen Spannungen zurücktrat. Von 1991 bis 2005 war Erwin Teufel zugleich auch Vorsitzender der CDU Baden-Württemberg und von 1992 bis 1998 stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU.

1994 wurde Teufel erstmals zum Mitglied im Ausschuss der Regionen Europas der EU berufen. Im Europäischen Konvent, initiiert vom Europäischen Rat, vertrat er von Februar 2002 bis Juli 2003 die deutschen Länder. Am 13. Februar 2008 wurde Teufel vom Bundeskabinett und Deutschen Bundestag zum Mitglied des Deutschen Ethikrates bis 2012 ernannt.

Erwin Teufel regierte mit glücklicher Hand

Als Ministerpräsident regierte Erwin Teufel meist mit glücklicher Hand. Obwohl von politischen Gegnern gerne mal als konservativ und rückwärtsgewandt angefeindet oder als „ewiger Erwin“ verspöttelt (stammt vom heutigen Stuttgarter OB Fritz Kuhn), erkannte Teufel wichtige Zeichen der Zeit und brachte Fusionen auf den Weg, an denen sein Vorgänger Lothar Späth noch gescheitert war. So führte er

Gerade die Attribute Fairness und
Respekt, begründet und geprägt durch Erwin Teufels christliche und soziale Wertvorstellungen, machen ihn bis zum heutigen Tag im Land, in der Region, in seinem (ehemaligen) Wahlkreis so populär.

die regionalen Energieversorger zur Energie Baden-Württemberg zusammen, fusionierte die beiden Rundfunkanstalten SDR und SWF zum neuen Südwestrundfunk (SWR), stellte die schlagkräftige Landesbank Baden-Württemberg auf die Beine und setzte die neue Landesmesse in Stuttgart durch.

Sein letztes großes politisches Projekt war die Verwaltungsreform von 2004, bei der u. a. Landesfachbehörden wie Forstämter oder Gewerbeaufsichtsämter in Stadt- und Landkreise bzw. in die Regierungspräsidien eingegliedert wurden. Dadurch sollte es, ganz im Sinne des Schwaben Erwin Teufel, zu massiven Kostenreduzierungen der öffentlichen Hand kommen. Teufels große Sorge galt immer den Finanzen. Das Land dürfe nicht über seine eigenen Verhältnisse leben, gehörte zu seinen Prämissen.

Teufel war und ist kein Mann der lauten Worte oder gar ein Polterer, wie manch einer seiner politischen Kollegen. Auch in den hitzigsten Debatten war ihm Polemik fremd, der Umgang mit dem politischen Gegner war immer von Gradlinigkeit, aber auch von Fairness und Respekt geprägt. Auch daheim im eigenen Wahlkreis, wo die SPD lange Jahre das Zweitmandat hielt.

Gerade die Attribute Fairness und Respekt, begründet und geprägt durch Erwin Teufels christliche und soziale Wertvorstellungen, machen ihn bis zum heutigen Tag im Land, in der Region, in seinem (ehemaligen) Wahlkreis so populär. Als Erwin Teufel 1991 Ministerpräsident wurde, hatte Baden-Württemberg nach den Jahren des manchmal fast zur Hyperaktivität neigenden Lothar Späth endlich wieder einen echten Landesvater. Ein Begriff, dem der Ex-Politiker

 

 

Zum Symposium und Empfang der CDU Baden-Württemberg anlässlich des 80. Geburtstages von Erwin Teufel versammelten sich zahlreiche prominente Weggefährten und Parteimitglieder. Von links: CDU-Landesvorsitzender und Innenminister Thomas Strobl, der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der CDU Thorsten Frei, Schwester Lintrud Funk, langjährige Generaloberin des Klosters Untermarchtal, VS-Oberbürgermeister Jürgen Roth, die langjährige Kultusministerin Annette Schavan, Erwin und Edeltraud Teufel, CDU-Europaabgeordneter Andreas Schwab, der Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg Manuel Hagel, die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Rombach und Rainer Wieland, CDU-Europaabgeordneter und Vorsitzender der Landesgruppe der CDU-Abgeordneten aus Baden-Württemberg im Europäischen Parlament.

durchaus einiges abgewinnen kann. „Landesvater mag der eine oder andere für altbacken halten, ich jedoch habe das nicht so gesehen, sondern ich habe das als ein großes Zutrauen der Menschen zu mir empfunden. Aus diesem Grund habe ich gesagt: Auszeichnungen von unten, von den Bürgern selbst, sind noch wichtiger und befriedigender als Auszeichnungen von oben“, beschrieb Erwin Teufel mal den Begriff in einem Fernsehinterview mit dem Bayrischen Rundfunk.

Spaichingen stets der Lebensmittelpunkt

Erwin Teufels Lebensmittelpunkt war, auch in all den Jahren seiner politischen Tätigkeit in Stuttgart, die Kleinstadt Spaichingen am Fuße des Dreifaltigkeitsberges. Hier lebte und lebt er mit seiner Frau Edeltraud, mit der er seit 1962 verheiratet ist und die ihn zu vielen Terminen begleitete. Das Ehepaar hat vier erwachsene Kinder und sechs Enkelkinder. „Spaichingen wurde so etwas wie meine erste politische Liebe, sie ist es bis heute geblieben“, sagt Erwin Teufel. Legendär sind seine täglichen Zugfahrten von Spaichingen nach Stuttgart – auch als er Ministerpräsident war. „Ich bin immer morgens um halb sechs Uhr aufgestanden, weil um halb sieben mein Zug nach Stuttgart fuhr. Meine Sekretärin fuhr dabei mit, sodass ich die ganze Post, die Eingangs- wie die Ausgangspost, im Zug erledigen konnte. Wenn ich diese Zugfahrt mal nicht hatte, dann sind sofort riesige Berge an Post auf meinem Schreibtisch gewachsen, die ich dann zu anderer Zeit abbauen musste,“ erzählte Teufel in einem Interview.

Durch den Wohnort Spaichingen war auch die Nähe zu seinem Wahlkreis Villingen-Schwenningen garantiert. Und der lag Erwin Teufel immer ganz besonders am Herzen. Seine Präsenz, wann immer es einen entsprechenden Anlass gab, war beachtlich. Erst als er zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, musste er zwangsläufig aufgrund der hohen Terminfülle seine Auftritte vor Ort reduzieren.

 

 

Zum Großen Zapfenstreich für Erwin Teufel spielten die Stadt- und Bürgermusik Villingen, der Landesverband der Bürgerwehren und Milizen Baden-Südhessen sowie der Landesverband der historischen Bürgerwehren und Stadtgarden Württemberg-Hohenzollern.

Ein wahrer Glücksfall für die gesamte Region

In den 1970er- und vor allem in den 1980er-Jahren erwies sich der Landtagsabgeordnete Erwin Teufel als wahrer Glücksfall für die gesamte Region, besonders für Villingen-Schwenningen. Die Uhrenkrise ließ ein Traditionsunternehmen nach dem anderen untergehen. Arbeitsplätze im produzierenden Bereich gingen in großem Maße verloren. Am Ende erwischte es auch so bedeutende Firmen wie Kienzle oder den Unterhaltungselektronikhersteller Saba. Das Oberzentrum Villingen-Schwenningen, das ehrgeizige Entwicklungsziele auf seiner Agenda hatte, stolperte von einem Problem in das nächste. Erwin Teufel war damals derjenige, der das Heft des Handelns in die Hand nahmen. Dank seiner Kreativität und seiner exzellenten Kontakte in die Tiefen der Landesregierung hinein, wurden Projekte für VS und die Region entwickelt, die bis heute in hohem Maße nachwirken. Nachdem klar war, dass Tausende von Arbeitsplätzen in der Produktion ein für alle Mal verschwunden waren, galt es zukunfts- und krisensichere Alternativen zu entwickeln. Erwin Teufels Vision: Villingen-Schwenningen sollte zum Hochschulort ausgebaut werden. Eine Idee, mit der er damals bei den vielen kommunalpolitisch Verantwortlichen in VS, auch bei solchen, die kein CDU-Parteibuch hatten, auf offene Ohren stieß. Am Ende der Überlegungen kam es mit Unterstützung des Landes zum großflächigen Ausbau der Hochschule für Polizei, Einrichtung einer eigenen Abteilung der Hochschule Furtwangen (heute Hochschule Furtwangen University Campus Schwenningen) in der ehemaligen Uhrenfabrik Kienzle, Einrichtung eines Zweiges der Dualen Hochschule Baden-Württemberg oder der Eröffnung der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. Ohne Erwin Teufels tatkräftige Unterstützung, seine Kontakte und ohne seine Überzeugungskraft in viele Richtungen wäre dieser zukunftsweisende Schritt für Villingen-Schwenningen und damit für die ganze Region damals nicht gelungen. Tatsachen, die historisch unstrittig sind.

Auf Wandertour mit Lothar Späth

Während seiner Zeit als CDU-Fraktionschef im Landtag hatte Erwin Teufel eine nette Tradition eingeführt. Einmal im Jahr traf er sich im Wahlkreis Villingen-Schwenningen mit dem Ministerpräsidenten, Lothar Späth, zu einer gemeinsamen Wanderung. Dabei blieben, bis auf die Begrüßung am Anfang, zu der auch die Presse geladen war, die beiden Spitzenpolitiker unter sich und sie nutzten die Gelegenheit zu einem vertraulichen Gedankenaustausch. In einem Jahr, an das genaue Datum kann ich mich leider nicht mehr erinnern, wollte Erwin Teufel dem Ministerpräsidenten das schöne Glasbachtal zwischen Fischbach und Burgberg zeigen. Alles

 

 

war bestens vorbereitet. Wir, die Presse, hatten den Hinweis bekommen, dass am frühen Nachmittag Lothar Späth per Hubschrauber auf einer Wiese bei Sinkingen oberhalb von Fischbach einschweben sollte. Zur genannten Uhrzeit fanden sich vier Journalisten und vielleicht zwei oder drei Polizisten auf besagter Wiese ein. Pünktlich auf die Minute landete der Hubschrauber mit Lothar Späth an Bord, der kurze Zeit später bei uns stand. Ein wenig ratlos, denn von Erwin Teufel war weit und breit nichts sehen.

Weder wir Journalisten noch die Polizeibeamten konnten ihm da weiterhelfen und das Handyzeitalter war noch nicht angebrochen. „Er wird hoffentlich noch kommen“, Späths knappe Bemerkung, um zugleich zu fragen: „Hat es hier irgendwo eine Wirtschaft in der Nähe, dann gehen wir erst einmal einen Kaffee trinken und ihr Journalisten kommt mit.“ In der Tat war es zu Fuß nur ein Katzensprung ins Gasthaus „Kreuz“ („Taubenmarkt“) in Sinkingen. Der Wirt war angesichts des überraschenden Besuches des Ministerpräsidenten erst einmal völlig von der Rolle und verschwand schlagartig, um sich seine beste Krawatte umzubinden und ein Sakko anzuziehen.

Der Kaffee wurde schnell durch ein Viertele ersetzt und Lothar Späth erwies sich als genialer Helmut Kohl-Witzeerzähler. Gegen später traf dann auch noch ein ziemlich aufgelöster Erwin Teufel ein, begleitet von der lautstarken wie spöttelnden Begrüßung durch „Cleverle“ Späth: „Ja Erwin, bist Du auch schon da? Hättest Dir ruhig noch etwas Zeit lasse können, es war grad so lustig.“ Die Auflösung, weshalb sich Lothar Späth und Erwin Teufel erst einmal verpasst hatten, gab‘s natürlich auch noch oben drauf: Erwin Teufel war davon ausgegangen, dass Späth mit dem Auto komme und er hatte an der Autobahnausfahrt Rottweil auf den MP (umsonst) gewartet. Die Wanderung fand dann übrigens auch noch statt…

Aus der Politik hält sich Erwin Teufel raus

Und was macht Erwin Teufel heute, 14 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik? Er ist nach wie vor in vielen Kreisen ein gefragter Mann. Erwin Teufel hält Reden und Vorträge, manchmal mehrere pro Woche. Aus der Politik hält er sich hingegen raus, zu aktuellen Themen, Fragen und Entwicklungen nimmt er keine Stellung mehr seit seinem Ausscheiden aus den Spitzenämtern. „Wenn der Tag kommt, dann ist es mit dem Tag zu Ende“, sagt Erwin Teufel aus voller innerer Überzeugung und verfolgt dieses Prinzip bis heute konsequent. Nachdem Schluss war im Stuttgarter Staatsministerium, erfüllte sich Erwin Teufel einen langgehegten Herzenswunsch und studierte fünf Semester an der Hochschule für Philosophie in München. „Das hat mir auch Spaß gemacht“, betont er im Rückblick.

In seinem ehemaligen Wahlkreis ist er nach wie vor ein gern gesehener und als Festredner geschätzter Mann. Sehr verbunden ist er zum Beispiel dem Villinger Geschichts- und Heimatverein oder der Historischen Narrozunft Villingen, wo er jedes Jahr den Zunftball besucht und dort immer mit großem Applaus begrüßt wird.

Dass Erwin Teufel den heutigen grünen Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, schätzt, daraus hat er, trotz seiner politischen Zurückhaltung, nie einen Hehl gemacht. Und umgekehrt ist es ebenso. „Er hat nicht nur Politik gestaltet, sondern auch über deren Grundlagen und Voraussetzungen nachgedacht“, bescheinigte Kretschmann seinem Vorvorgänger bei der Verleihung des Ehrentitels eines Professors 2015. Um zu ergänzen: „Erwin Teufels Wirken war durch ein starkes Verantwortungsgefühl für das Ganze und eine große Zuneigung zum Land und seinen Menschen geprägt. Was er tat, tat er mit Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit, aber auch mit Fleiß und Ehrgeiz.“ Diesen Worten ist nichts mehr hinzuzufügen.

 

 

TRINKWASSER

Lebenswichtig, hochwertig + regional

von Carla André und Michael Koch

Wasserhahn auf – und Trinkwasser bester Qualität steht jederzeit und für alle zur Verfügung. Für uns ist das zur Selbstverständlichkeit geworden! Aber ist es wirklich selbstverständlich? Was steckt eigentlich alles dahinter, bis das Trinkwasser aus der Leitung fließt? Woher und in welcher Qualität kommt unser Wasser im Schwarzwald-Baar-Kreis aus der Leitung? Was kommt im Zeichen des Klimawandels auf uns zu? Diese Fragen sollten wir uns ebenso stellen, wenn das frische Wasser als unser mit kostbarstes Lebensmittel aus dem Hahnen sprudelt.

 

 

Woher kommt unser Trinkwasser?

Die Trinkwasserversorgung im SchwarzwaldBaar-Kreis erfolgt in Verantwortung der Städte und Gemeinden überwiegend durch ortsnahe Wassergewinnungsstellen: Das Wasser kommt zu großen Teilen aus Quellen oder Brunnen im Gemeindegebiet oder dessen direktem Umfeld. Dies ist nicht selbstverständlich, denn in anderen europäischen Ländern oder in Wassermangelgebieten wird das Wasser zum Teil über weite Strecken transportiert bis es, teils mit entsprechender Qualitätsminderung, den Verbraucher erreicht. Die Versorgung mit Trinkwasser aus ortsnahen Wasservorkommen ist ein wichtiger Grundsatz im deutschen Wasserrecht. Er gewährleistet, dass wir unsere regionalen Wasserressourcen eigenständig, kommunal bewirtschaften können und das Trinkwasser aus den „Quellen vor unserer Haustür“ stammt. Dieser deutsche Grundsatz wird durchaus auf europäischer Ebene immer wieder infrage gestellt, da der Wassermarkt privatwirtschaftlich interessant ist. Bisher konnte die Liberalisierung des Wassermarktes verhindert werden, denn im Gegensatz zu Strom oder Gas handelt es sich bei Wasser um das Le-Rahmen der öffentlichen Daseinsfürsorge gut bei den Städten und Gemeinden und damit direkt bei den Verbrauchern aufgehoben.

Neben den ortsnahen Wasservorkommen muss im Landkreis in einigen Bereichen, aufgrund nicht ausreichender ortsnaher Wasservorkommen, eine Zuleitung von Wasser über die Fernwasserversorgung der Bodenseewasserversorgung (Zusammenschluss kommunaler Wasserversorger) erfolgen. So haben die Gemeindegebiete von Villingen-Schwenningen, Dauchingen (Zweckverband Keckquellen/ Stadtwerke Villingen-Schwenningen), Tuningen (Zweckverband Baar), Triberg und St. Georgen einen Anschluss an die Bodenseewasserversorgung und ergänzen damit das eigene Wasserangebot. Das Wasser der Bodenseewasserversorgung wird bei Sipplingen in ca. 70 m Tiefe aus dem Bodensee gefördert und dann in weite Teile des Landes Baden-Württemberg verteilt.

 

 

Wie wird unser Trinkwasser geschützt?

Das blaue Verkehrsschild mit dem Tank-Übersicht der Wasserschutzgebiete im Schwarzwald-Baar-Kreis

Die Ausweisung der Wasserschutzgebiete erfolgt nach den fachlichen Kriterien Topografie, Geologie und Hydrologie. Im Regelfall werden

 

 

unbelastetes Wasser am Brunnen ankommt. Die Zone III (weitere Schutzzone) umfasst das gesamte unterirdische Einzugsgebiet einer Trinkwassergewinnungsanlage. Je nach örtlicher Situation kann das Wasserschutzgebiet deshalb eine sehr große Fläche umfassen.

Das genannte blaue Verkehrsschild mit dem Tankwagen steht am Rande der weiteren Schutzzone und mahnt Fahrzeugführer mit wassergefährdenden Stoffen sich besonders vorsichtig zu verhalten. Denn in Wasserschutzgebieten gelten entsprechende Vorgaben. So sind manche Nutzungen im gesamten Gebiet verboten (z.B. Geothermiebohrungen) und andere Nutzungen und bauliche Einrichtungen werden je nach Zone verboten oder eingeschränkt. In der weiteren Schutzzone beispielsweise werden bestimmte Anforderungen an den Bau von Abwasserleitungen oder den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gestellt. In der engeren Schutzzone darf nicht gebaut werden und die landwirtschaftliche Bodennutzung ist nur mit entsprechenden Auflagen erlaubt. In der Zone I, dem Fassungsbereich, ist jede Art von Nutzung verboten.

Organisation der Trinkwasserversorgung

Damit das Wasser von den Quellen und Brunnen in unsere Häuser gelangen kann, muss eine umfangreiche Infrastruktur vorhanden sein und unterhalten werden. Von den Wasserentnahmestellen wird das Wasser zum Teil mit Pumpen über das weitverzweigte Leitungsnetz sowie die Wasserwerke und die Hochbehälter in die Haushalte geliefert. In den Wasserwerken wird das Wasser zunächst aufbereitet und anschließend hoch über den Häusern in Hochbehältern im Vorrat gespeichert. Im Regelfall ist die Wasserversorgung in den Kommunen eine kleine eigene Organisationseinheit, die zumeist vom sogenannten Wassermeister der Kommune betreut wird. In acht der 20 Kreisgemeinden werden weniger als 5.000 Einwohner versorgt (0,3 Mio. m³ Jahresabgabe).

Mit den Stadtwerken Villingen-Schwenningen GmbH (Versorgungsgebiet VS und Dauchingen mit 88.000 Einwohnern und 4,7 Mio. m³ Jahresabgabe) sowie der aquavilla GmbH (Versorgungsgebiet Furtwangen, Königsfeld, Schönwald, Schonach, St. Georgen, Triberg, Vöhrenbach mit 47.000 Einwohnern und 2,4 Mio. m³ Jahresabgabe) existieren auch zwei größere Wasserversorgungsunternehmen.

Im Gespräch mit dem Hüfinger Wassermeister

Der Unterhalt und die dauerhafte Gewährleistung einer gesicherten Wasserversorgung ist eine herausfordernde, aber auch spannende Aufgabe. Davon kann Luzian Sulzmann berichten, der Wassermeister der Stadt Hüfingen, der seit über 20 Jahren die Wasserversorgung seiner Stadt betreut. Gemeinsam mit zwei Mitarbeitern sorgt er dafür, dass bei den Hüfingern stets Trinkwasser in einer ausgezeichneten Qualität aus dem Hahn kommt. „Als ich vor 20 Jahren in den Bereich der Wasserversorgung kam, konnte ich mir nicht vorstellen, welche aufwändige Infrastruktur und wie viel Arbeit dahintersteckt, bis das Wasser aus dem Wasserhahn kommt“, so Luzian Sulzmann.

Die Stadt Hüfingen ist in Sachen Wasserversorgung weitsichtig unterwegs. Vor ca. 15 Jahren hat die Stadt viel Geld in die Hand genommen, um beispielsweise den Hochbehälter Schosen zu bauen. Das 80 km lange Rohrnetz wird fortlaufend jedes Jahr erneuert und die Schieber und

 


Bauwerke werden regelmäßig kontrolliert und gewartet. So kommt es, dass Hüfingen mit nur fünf bis zehn Rohrbrüchen im Jahr eine recht gute Bilanz aufweisen kann. Trotzdem ist Erfahrung im Falle eines Rohrbruches besonders wertvoll – Wassermeister Sulzmann kennt sein Gebiet gut und weiß genau, wo die unterirdischen Leitungen verlaufen. So wird man in der Regel auf der Suche nach der Bruchstelle schnell fündig und kann rasch handeln, damit die Bürger möglichst nur für kurze Zeit ohne Wasser auskommen müssen.

Als Wassermeister trägt man nicht nur Sorge, dass das Wasser von A nach B fließt und in jedem Haus ausreichend verfügbar ist. Auch die Qualität des Trinkwassers liegt in der Verantwortung von Luzian Sulzmann. In Hüfingen hat das Wasser, so wie es aus den Tiefbrunnen gefördert wird, Trinkwasserqualität. Bei den Schächerquellen in Fürstenberg wurde zudem eine Ultrafiltrationsanlage eingerichtet. Entscheidender noch als die Aufbereitungsanlagen ist jedoch, dass in den Wasserschutzgebieten alles ordnungsgemäß ist. Die Schutzzonen werden daher alle vier Wochen von Mitarbeitern des Wasserwerks abgefahren. Und auch der enge Kontakt mit den dortigen Landwirten ist für ein sauberes Wasser wichtig.

Bisher gab es aufgrund von Trockenheit noch keine Probleme im Versorgungsgebiet von Hüfingen. Selbst im sehr trockenen Jahr 2018 sind die Schafäcker-Brunnen nur um 1,5 m tiefer abgesunken, als üblich. Durch Versuche weiß man aber, dass auch bei 4,5 m unter dem üblichen Maß noch ausreichend Trinkwasser gefördert werden kann. Hüfingen befindet sich somit in der glücklichen Lage, über einen großen Trinkwasservorrat zu verfügen.

Beruf und Berufung zugleich

Im Gespräch wird klar – das ist kein normaler Job, sondern ein Beruf, der auch das private Leben prägt. Um die sichere und problemfreie Versorgung mit Trinkwasser zu gewährleisten hat das Wasserwerk einen Bereitschaftsdienst eingerichtet. Doch auch außerhalb der Arbeit hat Luzian Sulzmann die Wasserversorgunganlagen im Blick, wenn er privat mit dem Mountainbike durch sein Zuständigkeitsgebiet fährt.

Der Hüfinger Wassermeister Luzian Sulzmann im Hochbehälter Schosen.

Ihm ist ein sorgsamer Umgang mit Wasser wichtig, wie auch mit allen anderen Ressourcen. Auch die Bürger dafür zu sensibilisieren versteht er als Teil seines Berufs. Die Besichtigung der Trinkwasserhochbehälter mit Schulen und beim Ferienprogramm sieht er deshalb als wichtigen Teil seiner Arbeit an. Die Arbeit mit Kindern bereichert auch den Berufsalltag.

Den Beruf des Wassermeisters würde er jederzeit wieder ergreifen. Für die Zukunft hat er zwei wichtige Anliegen: Zum einen muss die Wasserversorgung in der öffentlichen Hand

 

 

bleiben, da nur so sichergestellt werden kann, dass die Anlagen dauerhaft fachmännisch betreut und mit guter Qualität erhalten bleiben. Und zum anderen ist es ihm wichtig, die Arbeit im Wasserwerk attraktiv zu halten. „Wer sich heute für die Ausbildung zur „Fachkraft für Wasserversorgung“ entscheidet, den erwartet ein vielfältiges und verantwortungsvolles Aufgabenfeld zum Wohle der Mitbürger“, so Luzian Sulzmann.

Wie viel Wasser haben wir denn?

Das sogenannte Wasserdargebot, also wie viel Wasser im Untergrund zur Verfügung steht, ist im Schwarzwald-Baar-Kreis durchaus unterschiedlich. Der mannigfaltige Wechsel der geologischen Schichten im Landkreis von Westen nach Osten, vom Grundgebirge über Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper und Jura, beeinflusst auch das jeweilige Wasserdargebot der Quellen und Brunnen.

Das kristalline Grundgebirge mit Gneis und Granit im Schwarzwald ist weitgehend wasserundurchlässig. Lediglich an Klüften und Verwerfungen kann sich hier Wasser sammeln und Quellen mit relativ geringer Schüttung bilden. Der Buntsandstein ist zwar durch seinen Aufbau porös, aber so dicht gelagert, dass auch hier nur Quellen mäßiger Schüttung auftreten. Die

Die Beschaffenheit des Trinkwassers und sein Mineralgehalt hängen in erster Linie von den lokalen Gesteinen und dem Bodenaufbau ab. Denn auf seinem Weg durch verschiedene Erd- und Gesteinsschichten löst das Wasser auch die dort vorhandenen wertvollen Mineralien wie Calcium und Magnesium aus.

 

 

mittlere Wasserschüttung der Quellen in diesen Gebieten liegt bei ca. 5 – 10 l/s.

Der Muschelkalk im Bereich der Baar ist stark verkarstet, weist also große Hohlräume auf und hat relativ große Einzugsgebiete. Karst-quellen im Landkreis sind u.a. die Gutterquelle in Donaueschingen und die Keckquelle in Villingen-Schwenningen bzw. Deißlingen. Dabei handelt es sich um Karstquellen mit einem größeren Einzugsgebiet, die mit Entnahmemengen von maximal 70 bzw. 150 l/s für die Trinkwasserversorgung genutzt werden. Im Bereich des Keupers und Juras ist das Wasserdargebot dann insgesamt wieder eher gering.

Wie hoch ist unser Wasserverbrauch?

Für die öffentliche Trinkwasserversorgung im Schwarzwald-Baar-Kreis, d.h. für rd. 209.000 Konsumenten einschließlich Industrie- und Gewerbebetriebe, werden jährlich etwa 11 Millionen Kubikmeter Wasser benötigt. Der mittlere Pro-Kopf-Verbrauch von rund 110 Liter pro Einwohner und Tag liegt unter dem Bundesdurchschnitt eher im sparsamen Bereich. Bekanntermaßen nutzen wir unser kostbares Trinkwasser nur zu einem geringen Anteil (ca. vier Liter) zum Trinken oder Kochen. Große Anteile werden für die Toilettenspülung und das Duschen oder Baden (jeweils ca. 35-40 Liter), der Rest für Wäsche, Spülen, Putzen usw. verwendet. Im Vergleich zu anderen Ländern ist unser Wasserverbrauch insgesamt eher gering. Spannenderweise ist dieser direkte Wasserverbrauch jedoch nur ein geringer Anteil unseres tatsächlichen Wasserverbrauchs. Denn auch die Produktion der Waren, die wir täglich benutzen, vom Mikrochip bis zur Tasse Kaffee, verbraucht eine Menge Wasser. Dieser sogenannte „virtuelle oder indirekte Wasserverbrauch“

Baar – Gäuplatten

Grundgebirge Buntsandstein Unterer MuschelkalkMittlerer Muschelkalk Oberer Muschelkalk ca. 880 m + NN ca. 700 m + NN ca. 770 m + NN Quelle: ahu AG

Reinstes Trinkwasser wie hier aus der Neukircher Rösslequelle kann mit jedem Mineralwasser mithalten.

 

 

liegt bei rund 4.000 Liter pro Einwohner und Tag – aber dies ist ein anderes Thema.

Trinkwasser aus dem Supermarkt oder dem Wasserhahn – Wie gut ist unser Trinkwasser?

Trinkwasser ist das Lebensmittel, das am strengsten überwacht wird und das gerade hier im Schwarzwald-Baar-Kreis mit hoher Qualität zur Verfügung steht. Dennoch nutzen wir das Wasser aus dem Wasserhahn in vielen Fällen nicht direkt, sondern vertrauen auf das Wasser aus dem Supermarkt. In puncto Reinheit, aber auch in der Zusammensetzung mit Mineralien, kann das Wasser aus dem Hahn hier bei uns mit Wasser aus dem Supermarkt gut mithalten. Ein Tipp: Vergleichen Sie mal die mineralische Zusammensetzung Ihres Leitungswassers mit dem herkömmlichen Tafelwasser aus dem Supermarkt! Informationen über die Zusammensetzung des Leitungswassers erhalten Sie bei Ihrer Gemeinde.

Die Beschaffenheit des Trinkwassers und sein Mineralgehalt hängen in erster Linie von den lokalen Gesteinen und dem Bodenaufbau ab. Denn auf seinem Weg durch verschiedene Erd- und Gesteinsschichten löst das Wasser auch die dort vorhandenen wertvollen Mineralien wie Calcium und Magnesium aus. So kommt es aufgrund der unterschiedlichen Geologie im Landkreis, dass es je nachdem, ob man beispielsweise in Schonach oder in Bad Dürrheim den Wasserhahn aufdreht, Wasser in einer unterschiedlichen mineralischen Zusammensetzung zutage kommt. Das Leitungswasser in Schonach hat beispielsweise einen Calciumgehalt von 13,1 mg/l, während das Trinkwasser in Bad Dürrheim einen Calciumgehalt

Riedbaar Baar – Albvorland Baaralb

ca. 890 m + NN

MittelkeuperUnterkeuper Lias (Schwarzer Jura) Ölschiefer (Lias) Opalinuston (Dogger) Dogger (Brauner Jura) Malm (Weißer Jura) ca. 680 m + NN ca. 740 m + NN

 

 

von 110 mg/l aufweist. Ein Zeichen dafür, dass sich Calcium im Granitgestein des Schwarzwaldes nicht so leicht löst wie im Kalkgestein auf der Baar. Dementsprechend sind auch die Härtegrade des Wassers in unserer Region sehr unterschiedlich. Im Schwarzwald sind die Quellwässer sehr weich (5°dH) während die Wässer aus den Karstquellen und Brunnen auf der Baar üblicherweise hart (15 – 25 °dH) sind. Wer auf der Suche nach hohen Magnesium-Gehalten ist, wird z.B. in Brigachtal fündig. Dort hat das Wasser einen Magnesium-Anteil von ca. 25 mg/l. Wenig Magnesium im Leitungswasser gibt es hingegen z.B. in Vöhrenbach mit Werten von 2 mg/l. Unabhängig von diesen Unterschieden des Mineralgehaltes im Landkreis weisen die Trinkwässer in allen Gemeinden eine gute Qualität auf und stehen einem Tafelwasser aus dem Supermarkt nicht nach.

Einzelwasserversorgungs-anlagen im Schwarzwald-Baar-Kreis

Nitratgehalt: Unser Grundwasser hat ein langes Gedächtnis

Die Mineralgehalte werden durch die natürliche Geologie des Umlandes bestimmt – andere, weniger wünschenswerte Eigenschaften, wie beispielsweise Schad- oder Düngestoffe, gehen vor allem auf den Eintrag durch den Menschen zurück. Der Boden spielt beim Rückhalt der Schadstoffe eine entscheidende Rolle. Je länger der Weg durch die Bodenpassage, desto mehr Stoffe können an die Bodenpartikel gebunden werden. Aber nicht alle Stoffe können im Boden absorbiert werden. Durch die Versickerung von Niederschlag können sie mit etwas Verzögerung auch in das Grundwasser eindringen. Dort können Schad- und Düngestoffe dann häufig langfristig nachwirken – denn das Grundwasser hat ein „langes Gedächtnis“.

Ein breit diskutiertes Thema ist in diesem Zusammenhang der Nitratgehalt im Grundwasser, der in Folge der Landbewirtschaftung und entsprechenden Düngung erhöht sein kann. Neben den Nitratgehalten steht im Rahmen der Landbewirtschaftung auch das Thema Pflanzenschutzmittel und Verkeimung im Fokus. Landwirte müssen ihre Flächen innerhalb von Wasserschutzgebieten daher entsprechend der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) bewirtschaften. Je nach bereits vorhandener Vorbelastung des Grundwassers gibt es Vorgaben zur Mineraldüngung, zur Wirtschaftsdüngerausbringung, zur Bodenbearbeitung und zur Begrünung. Für die wirtschaftlichen Nachteile wird den Landwirten ein Ausgleich gewährt.

Die Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) prüft gemeinsam mit den Wasserversorgungsunternehmen in regelmäßigen Abständen die Qualität des Grundwassers, wie beispielsweise die Nitratgehalte. Je nach Nitratgehalt im Rohwasser werden die Wasserschutzgebiete in Normal-, Problem- und Sanierungsgebiete eingestuft. Die Ergebnisse werden auf der Internetseite der LUBW veröffentlicht.

Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind nur drei Wasserschutzgebiete als Problemgebiet eingestuft. Aber auch in diesen Gebieten übersteigt die Nitratkonzentration nicht den zulässigen Grenzwert von 50 mg/l. Dort liegt die Konzentration entweder über 35 mg/l, oder es hat sich dort

 

 

innerhalb der letzten fünf Jahre eine Tendenz zum Anstieg der Nitratkonzentration von mehr als 0,5 mg/l im Jahr gezeigt. Für die Landbewirtschaftung gibt es in diesen Gebieten zusätzliche Anforderungen. Im Durchschnitt liegt der NitratgehaIt im Landkreis bei ca. 9 mg/l und in vielen Gemeinden deutlich darunter, z.B. in Furtwangen bei 3 mg/l oder in Villingen bei 4 mg/l und damit insgesamt in einem unkritischen Bereich. Dies zu erhalten und in den Gebieten mit erhöhtem Nitratgehalt weiter zu verbessern ist Ziel des regionalen Wasserschutzes. Dies gilt natürlich auch für alle anderen Schadstoffe, die unsere Ressource Trinkwasser gefährden können. Aktiver Wasserschutz bleibt gerade bei unseren vielfältigen menschlichen Aktivitäten und Stoffen, mit denen wir umgehen, daher eine wichtige Daueraufgabe.

Nicht alle Einwohner sind an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen

Vor allem im Schwarzwald haben auch heute noch viele Höfe und Anwesen im Außenbereich eigene Quellen, um sich direkt mit Trinkwasser zu versorgen. Insgesamt sind rund 1.900 Anwesen nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen – das ist eine echte Besonderheit unserer Region und hat auf manchen Höfen schon eine Jahrhundert alte Tradition. Neben der Versorgung mit Trinkwasser für die Menschen spielt natürlich gerade auch die Versorgung der Hoftiere eine wichtige Rolle.

Rund eine Drittel dieser Anwesen versorgen auch Dritte mit Trinkwasser (Ferienwohnungen, Gaststätten, Milchproduktion usw.). Der Schwerpunkt dieser sogenannten Einzelwasserversorgungsanlagen (EWV) liegt im Bereich des Schwarzwaldes. Auf der Baar gibt es nur sehr wenige nicht angeschlossene Anwesen.

Die Pflege und Unterhaltung dieser Anlagen ist durchaus aufwändig und auch hier müssen vorgegebene Grenzwerte der Trinkwasserversorgung eingehalten werden. Gerade im Schwarzwald ist das Wasser oft sauer. Zum Schutz der Leitungen, und damit keine Schadstoffe in das Trinkwasser gelöst werden, muss das Wasser dort entsäuert werden. Auch die Belastung mit

Vor allem im Schwarzwald haben
auch heute noch viele Höfe und Anwesen im Außenbereich eigene Quellen um sich direkt mit Trinkwasser zu versorgen. Insgesamt sind im Landkreis rund 1.900 Anwesen nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen.

Keimen ist ein Thema, da die privaten Quellen kein eigenes Wasserschutzgebiet haben.

Im Zuge des Klimawandels zeigten sich in den letzten Jahren gerade bei den kleinen privaten Quellen verstärkt Probleme bei der Wasserversorgung. Nach langer Trockenheit kann die Quellschüttung deutlich bis ganz zurückgehen, so dass die eigene Wasserversorgung möglicherweise nicht mehr gewährleistet ist. Die zurückliegenden trockenen Spätjahre 2015, 2016 und insbesondere 2018 haben diese Problemlage mit entsprechenden Versorgungsengpässen bei den Einzelwasserversorgern vor Augen geführt. Hier müssen im Zeichen des Klimawandels Konzepte zur Versorgungssicherheit (Anschlussoptionen an die öffentliche Wasserversorgung, Notwasserversorgung) entwickelt werden.

Aber natürlich ist es insgesamt etwas Besonderes sich selbst mit eigenem Quellwasser zu versorgen, damit das „eigene“ Wasser zu genießen und unabhängig zu sein. Hiervon weiß auch die Familie Graf vom Deckerhof in St. Georgen-Brigach zu berichten. Der „alten“ Wasserquelle ist es sicherlich zu verdanken, dass der Hof im Jahr 1860 überhaupt erst errichtet werden konnte. Diese alte Quelle bringt seit jeher den Hauptanteil des benötigten Trinkwassers und ist noch nie trockengefallen.

Bernd Graf hat für die Abflussmessung ein ganz eigenes System. Nur einen halben kleinen Finger breit rann im Hitzesommer 2003 das Wasser aus der Quelle – das entspricht ca. 700 l/Tag. Für seine 15 Rinder, drei Pferde, zwei

 

 

Ziegen und die bis zu zehn Personen auf dem Hof benötigt er jedoch mindestens 1.000 l/Tag. Daher wurde schon im Jahr nach dem trockenen Sommer 2003 nach einer weiteren Wasserquelle gesucht. Mithilfe eines Wünschelrutengängers wurde man damals auch fündig! Eine weitere, ebenso ergiebige Quelle konnte jedoch nicht gefunden werden. Seither fasst man auf dem Hof zusätzlich über einen Drainageschlitz auch Schichtwasser und stockt somit das Eigenwasservorkommen auf. Um sich etwas Vorrat zu schaffen hat die Familie Graf außerdem einen unterirdischen Reservebehälter angeschafft und kann seither 5 m³ Wasser zwischenspeichern. 2018 ging dann alles glatt – aber auch Bernd Graf hatte Sorge, wie sich die Versorgungssituation entwickelt hätte, wenn es weiterhin trocken geblieben wäre.

Da das Grundwasser in seinem Einzugsgebiet sauer ist, muss es Bernd Graf vor der Verwendung noch kalken. Außerdem hat sich die Familie eine Ultrafiltrationsanlage angeschafft, um Keimbelastungen des Trinkwassers zu verhindern und fühlt sich seither auch für mögliche mikrobielle Verunreinigungen gut gerüstet. Einmal im Jahr wird das Trinkwasser vom Gesundheitsamt untersucht. Dies ist notwendig, da die Familie Graf auch Gäste in ihrer Ferienwohnung beherbergt und das Wasser somit nicht nur selbst verwendet.

Sein eigenes Wasser schmeckt Bernd Graf so gut, dass er sich jeden Tag eine Trinkflasche davon mit zur Arbeit nach St. Georgen nimmt. Dass dies so bleibt und sich im Zeichen des Klimawandels auch die nachfolgenden Generationen des Hofes eigenständig mit dem „Hofwasser“ versorgen können, wünscht sich die Familie Graf.

Bernd Graf aus St. Georgen-Brigach versorgt sich, seine Familie und seine Tiere mit eigenem Quellwasser.

Viele Höfe und Anwesen im Außenbereich haben auch heute noch eigene Quellen – hier der Deckerhof der Familie Graf in St. Georgen-Brigach.

 

 

Die Veränderung des Wasserdargebotes ist überall im Landkreis spürbar: Links die Herstellung einer Verbundleitung vom wasserreichen Katzensteigtal in Furtwangen nach Schönwald. Rechts die Bohrung des Ersatzwasserbrunnens für die Wasserversorgung Donaueschingen im Sommer 2019.

Was kommt im Rahmen des Klimawandels auf uns zu?

Nicht nur bei den kleinen „Hofquellen“ sind die Veränderungen des Wasserdargebotes im Rahmen des Klimawandels zu spüren. Die lange Trockenheit 2018 hatte auch so manche öffentliche Wasserversorgung vor Probleme gestellt und nur mit etwas Glück und den dann einsetzenden Niederschlägen konnte im Jahr 2018 in einigen Schwarzwaldgemeinden ein Versorgungsengpass umgangen werden. Der Bau von Verbundleitungen hilft, dieses Problem zu entschärfen.

Eine aktuelle Untersuchung zum Klimawandel und der Veränderung des Wasserdargebotes im Schwarzwald-Baar-Kreis (KLIMOPASS – Klimawandel und modellhafte Anpassung in Baden-Württemberg, 2018) zeigt auf, dass bei den Quellen im Schwarzwald die mittleren Schüttungen (< 10 l/s) in den vergangenen Jahrzehnten zwar keine größeren Rückgänge verzeichnen (max. -10 % seit 1955), jedoch oftmals deutliche Einbußen bei den ohnehin relativ geringen Mindestschüttungen der Quellen nach langer Trockenheit zu verzeichnen sind. Die minimalen Quellschüttungen sind für die Trinkwasserversorgung besonders relevant, da sie im Spätsommer bei zum Teil sehr hohem Wasserbedarf auftreten.

Bei den Karstquellen und Tiefbrunnen auf der Baar weisen die langjährigen Daten zu

 

 

den Wasserständen nicht auf ein sinkendes Grundwasserdargebot im Schwarzwald-Baar-Kreis hin. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Betrachtungsgebiet bisher relativ niederschlagsreich ist. Nach den Klimaprognosen muss überregional auch mit sinkenden Grundwasserdargeboten gerechnet werden (LUBW 2017), d.h. auch dieses Wasserdargebot sollte bei sich verändertem Niederschlagsverhalten beobachtet werden.

Für die weitere Planung der Wasserversorgung wird im Abschlussbericht zum Projekt zusammengefasst empfohlen, bei den Schwarzwaldquellen in den nächsten Jahren mit einem weiteren Rückgang der Mindestschüttung von bis zu 50 % zu rechnen, bei den Karstquellen mit bis zu 25 %. Bei den tiefen Grundwasserbrunnen auf der Baar wird aufgrund des heute großen Wasserdargebotes zunächst nicht von einer wesentlichen Verschlechterung ausgegangen. In allen Bereichen sollte das Wasserdargebot jedoch durch Messungen der Quellschüttungen und der Wasserstände überwacht und in Bezug auf deren langfristige Änderung bewertet werden.

Im Hinblick auf den Klimawandel und die Versorgungssicherheit rät der Abschlussbericht verstärkt Überlegungen zu Verbundleitungen zwischen den einzelnen Gemeinden aufzubauen oder ggf. „zweite Standbeine“ in Form von Ersatzbrunnen in den Blick zu nehmen, um in Zeiten mit engem Wasserangebot alternative Versorgungen zu ermöglichen.

Auch mikrobiologische Belastungen denkbar

Neben der Versorgungssicherheit muss vor allem bei den Einzugsgebieten mit flachgründigen Quellen, d.h. Quellen ohne ausreichende Schutzüberdeckung über dem Grundwasser, im Zuge des Klimawandels auch mit Verschlechterung der Wasserqualität gerechnet werden. Infolge langer Trockenheit (hier entstehen Bodenrisse, durch die Niederschlagswasser ohne Filtration direkt in das Grundwasser gelangt) und durch Starkregenereignisse kann es zu Trübungen und mikrobiologischen Belastungen der Quellen und Brunnen kommen. Hier sind unter Umständen in Zukunft nicht unerhebliche

Bei den Schwarzwaldquellen soll die Mindestschüttung aufgrund des Klimawandels um bis zu 50 % zurückgehen. Die wasserreiche Baar scheint nicht betroffen.

Finanzmittel für die Verbesserung der Aufbereitungstechnik notwendig.

Von Veränderungen im Rahmen des Klimawandels kann auch die aquavilla GmbH in St. Georgen berichten, die für eine Vielzahl der Schwarzwaldgemeinden im Landkreis die Wasserversorgung organisiert und unterhält. „Die Veränderungen im Rahmen des Klimawandels stellen uns vor große Herausforderungen“, so Michael Dold Geschäftsführer der aquavilla GmbH in St. Georgen. „Die vergangenen Sommer haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, gerade im Schwarzwald Verbundleitungen zwischen den einzelnen Kommunen zu bauen und auch Außenbereiche mit noch vorhandenen Eigenwasserversorgungen an die öffentliche Wasserversorgung anzuschließen. Hätten wir nicht vorsorglich in den letzten Jahren beispielsweise den Verbund von Furtwangen nach Schönwald und Schonach aufgebaut, so wäre es im Jahr 2018 für die öffentliche Wasserversorgung in einigen Bereichen eng geworden. Durch die Verbundleitungen konnten sich die Gemeinden gegenseitig aushelfen.“

All dies zeigt, dass uns Trinkwasser zu jeder Zeit in bester Qualität zur Verfügung steht. Selbstverständlich ist das keinesfalls. Denken wir doch daran, wenn wir das nächste Mal den Wasserhahn öffnen und einen guten Schluck Trinkwasser aus den Quellen und Brunnen unseres Landkreises genießen.

Messung des Grundwasserstandes durch eine Mitarbeiterin des Landratsamtes Schwarzwald-Baar.

 

 

An der Digitalisierung kommt niemand (mehr) vorbei

Vergleichbar mit dem Wandel, den die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert einläutete, verändert jetzt die Digitalisierung unseren Alltag – und zwar gewaltig. Wo der Einkaufszettel früher auf dem Notizblock aufgeschrieben wurde, wird heute oftmals in einer App auf dem Smartphone notiert, dass in Kühlschrank und Speisekammer Joghurt, Butter und Nudeln fehlen. Und alle Familienmitglieder können darauf zugreifen, damit nichts doppelt gekauft wird. Im Supermarkt wird zugleich der Bestand an Joghurt, Butter und Nudeln digital kontrolliert und automatisch die Nachbestellung beim Großhändler auf den Weg gebracht. Wurde mit Cousine Anna in den USA noch vor einigen Jahren ab und zu mal zu einem horrenden Minutenpreis telefoniert, findet heute kurzerhand mit Hilfe von Skype oder Facetime ein kostenloses Videotelefonat über das Internet statt. Das Jahrbuch Almanach wendet sich aus unterschiedlichen Perspektiven in drei Beiträgen dem digitalen Wandel zu.

Aus dem Kreisgeschehen

 

 

Digitaler Wandel: Segen oder Fluch?

Der fortschreitenden Digitalisierung kann sich niemand entziehen. Aber wo bringt der Fortschritt für die Gesellschaft einen Mehrwert – und wo muss man aufpassen? Wie wandelt die Digitalisierung die Gesellschaft und wie bereitet sich die nachfolgende Generation darauf vor?

 

 

von Roland Sprich

Digitalisierung ist das Schlagwort des 21. Jahrhunderts. Wo im 19. Jahrhundert der Begriff Elektrifizierung eine neue Stufe der industriellen Revolution kennzeichnete, beschreibt das Wort Digitalisierung im 21. Jahrhundert eine neue Entwicklungsstufe. Die Menschen setzen Hoffnungen und Erwartungen in die Digitalisierung, hegen aber auch Sorgen und Ängste. Ist dieser Fortschritt ein Segen oder ein Fluch für die Gesellschaft? Und wie wird die nachfolgende Generation auf diese Entwicklung vorbereitet?

Fakt ist, der digitale Wandel hat viele Facetten, und niemand kommt an ihm vorbei. Sich der fortschreitenden Digitalisierung entziehen zu wollen ist, als ob man sich seinerzeit der Erfindung des Telefons oder des elektrischen Lichts verschlossen hätte. Die Digitalisierung hat längst in allen Lebensbereichen Einzug gehalten. Ob bei der Arbeit oder zu Hause, im Finanz- und im Gesundheitswesen. Dank Smarthome schaltet das Licht automatisch ein, der Kühlschrank bestellt eigenständig fehlende Lebensmittel nach, der Rasenmäher erkennt, wann das Gras zu hoch ist und rattert selbstständig los. Was für die ältere Generation manchmal wie ein Spuk erscheint, ist für junge Menschen ganz normal. Für Banküberweisungen aus dem Haus gehen? Pah! Mit wenigen Klicks per Onlinebanking erledigt. Für den Urlaub Ferienkataloge wälzen und im Reisebüro buchen? Von wegen. Einfach Wunschziel eingeben, Internetsuchmaschinen finden das passende Angebot und erledigen den Rest.

Der neueste Hit wird aus dem Internet downgeloadet, die Musik-CD ereilt bereits das gleiche Schicksal wie seinerzeit die Schallplatte. Sie wird wohl über kurz oder lang aussterben. Aber ist das der digitale Wandel oder ist das lediglich die Nutzung des technischen Fortschritts? Und wo wandelt die Digitalisierung die Gesellschaft? Um das heraus zu finden, stellt das Land Baden-Württemberg im Rahmen einer Digitalisierungsstrategie 3,2 Millionen Euro für Forschungsprojekte zur Verfügung. So sollen der Einfluss und die Folgen der Digitalisierung auf die Gesellschaft wissenschaftlich untersucht werden.

Eines der beiden geförderten Forschungsprojekte ist an der Hochschule Furtwangen (HFU) angesiedelt und wird von Stefan Selke geleitet, Forschungsprofessor für Transformative und Öffentliche Wissenschaft. Zusammen mit Partnern an der Hochschule der Medien und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg will Professor Selke beispielsweise herausfinden, wie die Digitalisierung gesellschaftliche Werte verändert und wo die Chancen, vor allem aber auch die Gefahren der Digitalisierung liegen.

Prof. Dr. Stefan Selke lehrt Soziologie und gesellschaftlichen Wandel an der Hochschule Furtwangen. Er ist Forschungsprofessor für Transformative und Öffentliche Wissenschaft sowie Visiting Professor an der University of Huddersfield (UK). Selke studierte Luft- und Raumfahrttechnik und promovierte in Soziologie.

Im Auftrag von Bundes- und Landesministerien leitet Selke gegenwär

tig drei Forschungsprojekte zum digitalen Wandel der Gesellschaft. Als disziplinärer Grenzgänger ist Selke als Redner, Buchautor und Blogger sowie Interview- und Gesprächspartner auch außerhalb der Wissenschaft präsent. Selke versteht sich als öffentlicher Soziologe mit Passion, der Positionen und Haltung zu gesellschaftlich umstrittenen Themen entwickelt.

Seine aktuellen Forschungsthemen sind Digitalisierung, Utopien sowie die Besiedlung des Weltraums.

 

 

Vor allem kultureller Wandel

„Der digitale Wandel ist vor allem ein kultureller Wandel“, stellt Stefan Selke klar, denn der Begriff umfasst keineswegs ausschließlich technische Entwicklungen, sondern schreibt sich tief in Leben und Alltag der Menschen ein. Der digitale Wandel bringt unter dem Strich einen zivilisatorischen Umbruch. Hier gelte es, Wissenschaft und Bürger zusammenzubringen und deren Hoffnungen, Ängste und Sorgen ernst zu nehmen und mit einzubeziehen. „Die Wissenschaft muss Brücken bauen und Dialoge ermöglichen“, so Selke.

Eines seiner Forschungsthemen ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Im Fokus stehen Menschen, die mit Fitnessarmbändern, so genannten Trackern, Daten über sich aufzeichnen wie Schrittzahl, Herzfrequenz, Blutdruck, Puls, Kalorienverbrauch oder Schlafverhalten. Selke erforscht die Motive, die Menschen dazu veranlassen, diese Daten über sich zu sammeln und vor allem, von sich preiszugeben. „Das ist für die Menschen zunächst natürlich interessant, weil die Daten auf die Maßstabsebene des eigenen Körpers bezogen sind. Und das suggeriert zunächst eine attraktive Kontrollmöglichkeit.“

Allerdings kann das kollektive Sammeln von ichbezogenen Daten ungeahnte Auswirkungen auf das Zusammenleben haben. „Wenn die Datenspuren vieler Menschen zu einem Index zusammengefasst und ausgewertet werden, macht dies die Menschen vergleichbar. Der algorithmische Blick stellt Unterschiede deutlich heraus.“ Wer dem Index nicht entspricht, fällt auf und möglicherweise durch das Raster. Dies könnten sich beispielsweise Arbeitgeber und Krankenkassen zunutze machen. „Passt dieser Mitarbeiter in unser Unternehmen, leistet er genug?

Die Antworten, die daraus resultieren, können für den Einzelnen fatal sein und das Solidaritätsprinzip schnell ins Wanken bringen“, macht Selke deutlich, auf welch zivilisatorisch dünnem Eis wir alle stehen. Der Wissenschaftler warnt davor, alle zivilisatorischen Erkenntnisse, die sich die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten angeeignet haben, über Bord zu werfen. Er nennt dies zusammenfassend „digitale Ethik“ und sagt; „Der neue digitale Gesellschaftsvertrag muss un-

Wenn die Datenspuren vieler Menschen zu einem

Index zusammengefasst und ausgewertet werden, macht dies die Menschen vergleichbar.

ter Beteiligung aller ausgehandelt werden. Das ist hochpolitisch.“

430 Euro pro Schulkind aus dem Digitalpakt

Den Kompetenzerwerb im Umgang mit den neuen technologischen Möglichkeiten, deren sinnvoller Einsatz, den verantwortungsbewussten Umgang damit und erkennen, wo die Gefahren sind, muss man lernen. Und damit kann man nicht früh genug beginnen. Deshalb hält die Digitalisierung auch an den Schulen Einzug. Klaus Kuhnt ist Leiter des Kreismedienzentrums des Schwarzwald-Baar-Kreises. Er erläutert, wie die Schulen im Landkreis auf die technologischen Herausforderungen reagieren. Und weshalb das digitale Klassenzimmer lediglich eine Ergänzung, aber kein Ersatz für das analoge Lernen sein kann. „Die Einführung des digitalen Lernens ist für die Schulen eine gehörige Aufgabe“, sagt er. Die Förderrichtlinie des vom Kultusministerium beschlossenen Digitalpakts sieht vor, dass Schulträger innerhalb der nächsten Jahre pro Schulkind 430 Euro aus dem Digitalpakt abrufen können, um ihre Schulen für die Digitalisierung auszustatten. Bis 2022 müssen die Anträge eingereicht sein, bis 2024 muss das Geld ausgegeben und abgerechnet sein.

„Dieses Geld ist vor allem dazu da, die technische Infrastruktur auf den Weg zu bringen“, wie Kuhnt sagt. Hierfür sollen 80 Prozent des Budgets verwendet werden. Beispielsweise, um den Breitbandausbau weiter voranzutreiben oder zusätzliche Klassenräume zu bauen. „Hier hat sich schon viel getan, es ist aber auch noch viel zu tun.“ Es reiche nicht, den Schülern einfach einen Tabletcomputer zur Verfügung zu stellen.“ Zumal diese Minicomputer „keine eierlegenden Wollmilchsäue sind“, wie er betont.

 

 

Das Kreismedienzentrum berät die Schulen hierbei nicht nur auf methodischer Ebene, sondern unterstützt sie auch bei der technischen Rahmenplanung und Konzeption. So können die Klassenräume mit modernsten Lernmitteln ausgestattet werden. Wo früher Tageslichtprojektoren Folienbilder an der Wand zeigten, können Lehrer heute ihre Tafelbilder an interaktiven Whiteboards zeichnen.

Lernen auf verschiedenen Ebenen

Klaus Kuhnt stellt zudem deutliche Unterschiede fest, wie die Schulen sich dem Thema Digitalisierung nähern. „Manche Schulen sind bereits mit Freude dabei, andere noch nicht.“ Als ein positives Beispiel hierbei nennt Kuhnt die Schellenberger Schule in Hausen vor Wald. Für den Leiter des Kreismedienzentrums ist es keine Frage, dass die Digitalisierung eine neue Kultur in der Art der Wissensaneignung darstellt. Er möchte das digitale Lernen jedoch keinesfalls als alleiniges Wundermittel verstanden wissen. „Sondern als eines von mehreren Werkzeugen, das nicht im Mittelpunkt steht.“ Lernen sollte immer parallel auf unterschiedlichen Kanälen stattfinden.

Eine der Schulen, die in Sachen digitales Klassenzimmer seit einigen Jahren Vorreiter ist, ist das Thomas-Strittmatter-Gymnasium

Im Cyber-Classroom können Schüler mit VR-Technologien in virtuelle Welten eintauchen.

in St. Georgen. Hier gibt es schon länger einen Cyber-Classroom. Schüler können mit Virtual Reality-Technologien in künstliche Welten eintauchen. Das, was dem menschlichen Auge sonst verborgen bleibt, kann so sicht- und erlebbar gemacht werden. Verschiedene Lernmodule aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Biologie, Physik und Mathematik stehen zur Verfügung. Beispielsweise, wie das menschliche Ohr funktioniert, ein Herz schlägt oder magnetische Felder aussehen.

Der Cyber-Classroom wurde in Kooperation mit Fach- und Didaktikexperten des Thomas-Strittmatter-Gymnasiums und des Fürstenberg-Gymnasiums in Donaueschingen von der imsimity GmbH aus St. Georgen entwickelt. Inzwischen gibt es verschiedene Versionen auch für Berufs- und Hochschulen.

Man sieht, der digitale Wandel ist ein weit gefächertes Feld, mit zahlreichen Ansatzpunkten und Aspekten, die sowohl das Für als auch das Wider spiegeln. Und er verändert die Gesellschaft, ob man das will oder nicht. Aber es liegt an jedem Einzelnen, ob sich dieser Wandel zum Wohl der Gesellschaft vollzieht.

 

 

Smart Home – Intelligentes Zuhause

Wenn der 90-jährige Herr Maier nachts zur Toilette muss, braucht er nicht mehr lange nach dem Lichtschalter suchen: Eine Matte auf dem Boden vor seinem Bett registriert, dass er aufgestanden ist und schaltet das Licht automatisch ein. Seine Enkelin freut sich hingegen, dass sie nicht mehr ständig wegen nicht zugestellter Pakete in der Postfiliale Schlange stehen muss: Klingelt der Paketbote vergeblich an der Tür, kann sie ihm von ihrem Schreibtisch im Büro aus über ihr Smartphone die Haustür für eine kurze Zeitspanne öffnen, damit er das Paket abstellen kann. Und sollte wieder einmal die Waschmaschine kaputt gehen und den Keller unter Wasser setzen, weiß sie auch gleich Bescheid: Im ganzen Haus verteilte LED-Lämpchen leuchten blau auf und die Sprachassistentin meldet: „Ich habe einen Wasseraustritt im Keller registriert und den Stromkreis sicherheitshalber unterbrochen.“

von Nathalie Göbel

Was wie Science-Fiction klingt, ist längst machbar: Smart Home heißt das Stichwort, was übersetzt etwa so viel wie „intelligentes Zuhause“ bedeutet. Vernetzte und fernsteuerbare Verfahren und Systeme, mit denen Wohn-, Lebensqualität und Sicherheit erhöht werden und die im Idealfall auch noch helfen, Energiekosten zu senken.

 

 

Doch wie gelangt die moderne Technik zum Verbraucher? Und woher erfahren Entwickler, was auf dem Markt gefragt ist? Vernetzung lautet die Antwort – und genau das hat sich der 2016 gegründete Verein „Smart Home & Living Baden-Württemberg e.V.“ auf die Fahnen geschrieben, an dem die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. maßgeblich beteiligt ist und die mit dem Informatiker Dr. Christoph Rathfelder den stellvertretenden Vorsitzenden stellt.

Dr. Christoph Rathfelder hat am Tisch im smarten Wohnwagen Platz genommen. Auf dem Bildschirm hat der promovierte Informatiker alle Funktionen, die das mobile Heim zu bieten hat, im Blick.

Die App zum Smart Home erlaubt eine komfortable Steuerung des intelligenten Zuhauses.

Im Verein sind verschiedene Einrichtungen und Unternehmen engagiert. Die einen decken die technische Seite ab, die anderen wiederum haben den Kontakt zum Endverbraucher, so etwa Pflegedienste oder Handwerker. Denn: Im Bereich Smart Home steckt ein enormes Marktpotenzial für Unternehmen und damit auch für Arbeitgeber in Baden-Württemberg. Dieses will man nutzbar machen, indem die Bedürfnisse der Menschen mit den technischen Errungenschaften verknüpft werden.

Oder wie es Bastian Inthasane ausdrückt: „Wir wollen in allen relevanten Bereichen die Mehrwerte zeigen.“ Der 34-Jährige ist bei Hahn-Schickard als Transfermanager angestellt und zusätzlich im „Smart Home & Living“-Verein als Geschäftsstellenleiter tätig. „Natürlich gibt es viele technische Spielereien“, sagt Dr. Christoph Rathfelder, „Lampen, die ihre Farbe wechseln oder den Sonnenaufgang simulieren. Aber darum geht es bei uns nicht.“

Mehrwert lautet das Stichwort

Bei den einen können Smart Home-Lösungen den Lebenskomfort erhöhen – etwa, wenn die Heizung schon auf dem Heimweg von der Arbeit auf Wohlfühltemperatur schaltet, bei den anderen im Extremfall sogar Leben retten – etwa die automatische Herdabschaltung, die verhindert, dass der demente Senior seine Wohnung versehentlich in Brand setzt. „So etwas bekommt man beispielsweise schon für rund 300 Euro“, sagt Bastian Inthasane.

Nach oben gibt es freilich kaum Grenzen – theoretisch lässt sich jeder Raum eines Hauses

 

 

mit smarten Lösungen von A bis Z ausstatten. „Machbar ist grundsätzlich fast alles“, sagt Dr. Christoph Rathfelder. Und fügt hinzu: „Aber uns geht es um den Nutzen.“

Diesen Nutzwert konkret erleben kann man seit April im smarten Caravan, kurz „SmaC“ genannt, an dem der Verein mitbeteiligt ist, welcher finanziell vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg unterstützt wird und der auf dem Gelände der Hahn-Schickard-Gesellschaft unweit des Schwarzwald-Baar-Klinikums logiert. Der Wohnwagen ist dabei mobiler Showroom und Testlabor zugleich. Zum einen für die Vereinsmit-

Bastian Inthasane (links) und Dr. Christoph Rathfelder vor dem SmaC. Der Wohnwagen, schon von Haus aus mit vielen smarten Annehmlichkeiten ausgestattet, ist bei Hahn-Schickard Showroom und Testlabor zugleich.

„Machbar ist grundsätzlich fast alles“,
sagt Dr. Christoph Rathfelder. Und fügt hinzu: „Aber uns geht es um den Nutzen.“

glieder von Smart Home & Living Baden-Württemberg selbst, die darin neue Entwicklungen verbauen und testen können; zum anderen kann er von den Mitgliedern kostenlos ausgeliehen und auf Fach-, oder Verbrauchermessen gezeigt werden. Dort können die Besucher dann live erleben, welche Möglichkeiten moderne Haustechnik bieten kann.

Vernetzte Technik auf kleinstem Raum

Was von außen wie ein normaler moderner Wohnwagen wirkt, entpuppt sich beim Betreten als intelligentes Zuhause auf kleinstem Raum.

 

 

Verschiedene technische Vorrichtungen vermitteln einen Eindruck davon, wie Wohnen in der Zukunft aussehen kann und wird. „Willkommen, du bist jetzt zu Hause“, verkündet Alexa. Die virtuelle Assistentin aus dem Hause Amazon dient als Sprachausgabe für die im Caravan verbauten Systeme, sind doch nicht alle mit bloßem Auge sichtbar. Beispielsweise winzige Sensoren, mit denen die Qualität der Raumluft erfasst wird. Alexa sagt, was Sache ist: „Der CO2-Wert liegt im mittleren Bereich. Es sollte gelüftet werden.“

Bei dem Wohnwagen hat sich der Verein für ein Modell des Herstellers „Hobby“ entschieden, in dem schon einige smarte Vorrichtungen von Werk aus vorinstalliert sind.

„Hobby ist in Sachen vernetzter Technik schon relativ weit. Zum Beispiel ist die Klimaanlage vom Handy aus steuerbar, sodass man noch am Strand dafür sorgen kann, dass der Wohnwagen bei der Rückkehr angenehm kühl ist“, sagt Dr. Christoph Rathfelder. Damit war das Gefährt ein idealer Kandidat, um zum Showroom ausgebaut und mit noch mehr vernetzter und intelligenter Technik bestückt zu werden. Oder wie Rathfelder ganz unprätentiös sagt: „Wir basteln drumherum.“

Verschiedene Varianten smarter Lösungen sind in der Schaltzentrale verbaut, verborgen in einem Einbauschrank: Sowohl über Funk als auch über Kabel und Internet lassen sich die einzelnen Helfer steuern.

„Intelligent ist, wenn man einen Schritt weniger gehen muss.“

„Wir möchten die Systeme zusammenbringen“, verdeutlicht Dr. Christoph Rathfelder ein Ziel des Vereins, „verschiedene Lösungen in Kombination bringen noch mehr Mehrwert.“ Oder wie Bastian Inthasane es ausdrückt: „Intelligent ist, wenn man einen Schritt weniger gehen muss.“ Als Beispiel nennt er den Hausnotruf, ein seit vielen Jahren bewährter Service verschiedener Anbieter. „Hier könnte man über eine Vernetzung mit dem Türöffner die Wohnungstür für eine gewisse Zeit entriegeln, damit beispielsweise nach einem Sturz auch der Rettungsdienst, der keinen Schlüssel hat, hineinkommt.“

Der Wohnwagen des Herstellers Hobby ist schon von Haus aus mit zahlreichen technischen Finessen aus-gestattet. So lässt sich die Klimaanlage beispielsweise über das Smartphone steuern.

 

 

Bastian Inthasane zeigt das „Auge“: Der Bewegungs-melder hat rund um den SmaC alles im Blick und meldet auch ungebetene Gäste, die womöglich an der Tür rütteln.

Doch dazu muss man erst einmal wissen, was überhaupt möglich ist. Die beste Technik nützt schließlich nichts, wenn niemand davon erfährt. Die Vernetzung der einzelnen Akteure hat der Verein daher als eine Hauptaufgabe definiert. So simpel es klingt, so effektiv ist es: „Man muss halt miteinander reden“, sagt Dr. Christoph Rathfelder. „Bei den Herstellern ist vielleicht gar nicht unbedingt das Bewusstsein für manche Probleme vorhanden und der potenzielle Kunde weiß nicht, was technisch machbar wäre, um sein Problem zu lösen.“

Die Sensormatte vor dem Bett im smarten Wohnwagen etwa, die nachts zur Lichtsteuerung wird: Dabei handelt es sich um nichts anderes als eine Katzenmatte, die normalerweise vor der Haustür liegt und klingelt, sobald der Stubentiger um Einlass bittet. Kostenpunkt: 20 Euro. „So etwas gibt es bisher auf dem Markt nicht“, sagt Bastian Inthasane.

Überhaupt Sensoren: Die kleinen Messfühler leisten in vielen Bereichen wertvolle Dienste. Ein

Wir möchten die Systeme
zusammenbringen – verschiedene Lösungen in Kombination bringen noch mehr Mehrwert.

Mitglied bei „Smart Home & Living BW e.V.“ etwa ist die Firma „easierLife“ aus Karlsruhe. Hier hat man sich darauf spezialisiert, Senioren dabei zu helfen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können. Dabei helfen eine Vielzahl von Sensoren, welche die gewohnten Aktivitäten eines Menschen in dessen Lebensumfeld messen. „Eine Person bleibt beispielsweise stets bis zu einer Stunde im Badezimmer“, erklärt Bastian Inthasane. „Darauf sind die Sensoren programmiert. Hat die Person das Badezimmer auch nach zwei Stunden noch nicht wieder verlassen, wird diese Inaktivität an die Verwandten gemeldet – vielleicht ist die Person ja gestürzt und befindet sich in einer hilflosen Lage.“ Gleiches geschieht, wenn Senior oder Seniorin länger als gewöhnlich im Bett liegen oder die Haustür zu lange offen steht.

KUNDO Home Solutions aus St. Georgen hat den Wohnassistenten baseCON entwickelt

Längst haben auch Firmen aus der Region den Zukunftsmarkt für sich entdeckt. Die Firma KUNDO Home Solutions aus St. Georgen etwa, die den Wohnassistenten baseCON entwickelt hat (siehe Foto rechts). Das junge Unternehmen entwickelt, produziert und vermarktet mit knapp 20 Mitarbeitern dieses selbst entwickelte Wohnassistenzsystem. Der einfach zu bedienende digitale Helfer erhöht mit Hilfe von funkvernetzten Sensoren und Displays die Sicherheit und den Wohnkomfort von Mietern und Hausbesitzern.

Herzstück des Ganzen ist die Raumanzeige, ein quadratisches, weißes Display. Darauf: Verschiedene Symbole, die beispielsweise darauf aufmerksam machen, wenn beim Verlassen der Wohnung das Bügeleisen noch eingeschaltet ist. Das System ist aber auch in der Lage austre

 

 

tendes Gas zu registrieren und sofort Alarm zu schlagen, ebenso, wenn sich Einbrecher an der Tür zu schaffen machen.

Am smarten Wohnwagen registriert ein Bewegungssensor, genannt „das Auge“, jeden willkommenen, vor allem aber auch jeden ungebetenen Gast. Und wer versucht, „das Auge“ zu manipulieren, dürfte scheitern. „Jemand rüttelt am Bewegungsmelder“ vermeldet Alexa. Jalousiensteuerung oder Trinkerinnerung – die smarten Helfer können den Alltag in vielen Bereichen erleichtern.

„Egal, welchen Bereich man nimmt, man findet eigentlich immer Anknüpfungspunkte zum intelligenten Wohnen“, sagt Bastian Inthasane. „Darin liegt für mich auch der Reiz dieser Tätigkeit.“ Bis vor Kurzem war der 34-Jährige beim Smart Home & Living-Projekt des Landratsamtes als Technologietransfermanager beschäftigt. Das Projekt, angesiedelt beim Kreissozialamt, hatte ebenfalls das Ziel, intelligentes Wohnen einem breiten Publikum zugänglich zu machen, vornehmlich ging es dabei um Senioren, die von einer intelligenten Hausautomation profitieren.

„Wir betreiben hier ja keine Raketenwissenschaft“

„Man kann bei dem Projekt schon sehr weit über den Tellerrand hinausschauen“, sagt

Man kann bei dem Projekt schon
sehr weit über den Tellerrand hinausschauen. Es ist hochinteressant, zu erfahren, mit welchen Problemen ein Pflegedienst kämpft.

Dr. Christoph Rathfelder. Für den Informatiker, der seit 2013 bei der Hahn-Schickard-Gesellschaft arbeitet, ist seine Tätigkeit neben der „klassischen Informatikerkarriere“ eine spannende Herausforderung. „Ich finde es hochinteressant, zu erfahren, mit welchen Problemen zum Beispiel ein Pflegedienst kämpft und wie man diese zielgerichtet lösen kann.“ Er findet es wichtig, dass Lösungen nicht „von Technikern für Techniker“ angeboten werden: „Wir betreiben hier ja keine Raketenwissenschaft.“

Rathfelder ist von technischen Innovationen immer wieder aufs Neue begeistert. Die Katzen-matte als Lichtsteuerung zum Beispiel. „Das ist schon cool. Und eigentlich so naheliegend.“

Der Wohnassistent BaseCON des St. Georgener Unternehmens KUNDO.

 

 

Mit der App voll im Bilde

von Nathalie Göbel

Die Hühner-Herde Nummer drei ist heute ganz schön hungrig. Johannes Klausmann wischt auf seinemTablet durch die neuesten Daten. Von seinem Stall in Obereschach mit rund 9.000 Legehennen kann er dabei auch meilenweit entfernt sein, aber seine App hält ihn auf dem Laufenden.

 

 

Wenn sich Johannes Klausmann über seine Herden auch wirtschaftlich einen Eindruck machen möchte, ist er mit der App voll im Bilde. Wie hoch sind aktuell die Futterkosten pro Ei? Die App gibt darüber Auskunft – dem jungen Landwirt ebenso wie jedem anderen, der auf dem Klausmann-Hof mit der Anwendung namens „FarMS“ arbeitet.

Entwicklung eigener App

Das Besondere daran: Der Agribusiness-Absolvent der Universität Hohenheim hat die App selbst entwickelt. Zwischen Idee und Umsetzung lag ein Jahr. Mit Hilfe eines Bekannten, der ein auf Apps spezialisiertes IT-Unternehmen gegründet hat, wurde aus der Idee ein Programm. Inzwischen ist FarMS sowohl im App Store von Apple als auch im Google Play Store erhältlich.

Wie kommt man auf die Idee, seinen Hühnerstall zu digitalisieren? Ganz einfach: „Selbst in großen Betrieben werden die Daten im Stall noch mit Stift und Papier erfasst und dann allenfalls noch in eine Excel-Tabelle übertragen“, sagt der 26-Jährige. „Ein sehr großer zeitlicher Aufwand, der außerdem viele Fehlerquellen birgt.“

Erlebt hat Johannes Klausmann das unter anderem während eines Praktikums zu Studienzeiten – und zwar nicht, wie man meinen könnte, in einem Kleinbetrieb, sondern auf einem Hof mit über 100.000 Legehennen in Nordrhein-Westfalen. Daher kam er auf die Idee, im Rahmen seiner Masterarbeit mit dem Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre der Frage nachzugehen, wie die Datenerfassung vereinfacht werden könnte. Dabei herausgekommen ist die FarMS-App. „Einfach und intuitiv zu bedienen sollte das Ganze sein“, sagt er. „Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.“

Erster Platz für unternehmerische Innovation

Dieser Meinung war offenbar auch die Jury des Landwirtschaftspreises für unternehmerische Innovationen: Hier belegte Johannes Klausmann Ende des Jahres 2018 den mit 3.000 Euro dotierten ersten Platz.

Erfasst werden die Daten nicht zum Selbstzweck: Die Betriebe müssen ihrer Dokumentationspflicht nachkommen, etwa gegenüber dem Statistischen Landesamt oder auch dem Veterinäramt. Mit einem Klick lassen sich die Meldungen aus dem Programm als pdf-Datei verschicken. Ebenso schnell erstellt die App Grafiken, mit denen sich die Herden eines Betriebs – innerhalb einer Herde werden stets gleichaltrige Tiere gehalten – miteinander vergleichen lassen. Die Daten liegen dabei auf Servern in Nürnberg. Ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt in Zeiten der Angst vor gestohlenen oder manipulierten Daten. „Viele Betriebe fragen ganz gezielt danach, wo die Server stehen.“

Anhand der Daten lässt sich aber beispielsweise auch die Legeleistung mit den Zuchtzielen vergleichen. Dabei handelt es sich um Sollwerte, die von den Zuchtunternehmen für jede Rasse individuell angegeben werden. Der Landwirt kann damit seine Herden mit den ausgegebenen Sollwerten einfach vergleichen und seine Tiere damit besser einschätzen.

Erfasst werden die Daten direkt im Stall, am Smartphone oder am Tablet. Das funktioniert auch offline – schließlich dürfte in den wenigsten Ställen ein W-Lan-Router stehen. „Sobald man wieder im Netz ist, werden die Daten automatisch übermittelt.“

Echtzeit-Daten erleichtern die tägliche Arbeit

FarMS erleichtere die tägliche Arbeit mit den Geflügelherden sehr. „Egal, wo ich bin, ich weiß immer, was daheim im Stall los ist“, sagt Johannes Klausmann, liefert die App den Überblick doch schließlich in Echtzeit. Wie viel Wasser wurde verbraucht? Wie ist die aktuelle Legeleistung? Wie hoch sind die Füllstände der Silos? Eine bis eineinhalb Tonnen Futter – vorwiegend gemischt aus selbst angebautem Getreide – verbrauchen die 9.000 Hennen pro Tag. Sind Tiere gestorben? Wenn ja, wie viele? Eine Kommentarfunktion erleichtert die Kommunikation auf dem Hof und soll verhindern, dass Informationen im Alltagsgeschäft verloren gehen. „Futterkette war heute Morgen defekt“, steht da beispielsweise.

 

 

Moderne Landwirtschaft sei ohne Digitalisierung undenkbar, sagt Johannes Klausmann. „Das fängt schon bei Anträgen und Rechnungen an.“ Oft sei man dabei der Industrie um Längen voraus. Die Landwirtschaft habe schon früh damit begonnen, die neuen Techniken zu nutzen. GPS-gesteuerte Schlepper etwa seien längst Standard. Das erleichtert nicht nur die Arbeit der Landwirte, sondern schont auch die Umwelt und Ressourcen: „So kann man beim Säen und Düngen der Flächen Überlappungen vermeiden.“

Egal, wo ich bin, ich weiß immer, was daheim im Stall los ist.

Noch führen die Landwirtschaft Johannes Klausmanns Eltern. Wie viele Betriebe hat auch der Klausmann-Hof mehrere Standbeine. Neben den Legehennen sind das die Weihnachtsbäume aus dem eigenen Wald, Ackerbau, mehrere Blumenfelder zum Selbstpflücken und der Hofladen in Obereschach.

Momentan fährt Johannes Klausmann beruflich zweigleisig und ist an drei Tagen pro Woche in einer Stuttgarter Unternehmensberatung tätig, die auf Landwirtschaft spezialisiert ist. Hier werden Betriebe beraten, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, zugleich werden aber auch landwirtschaftliche Bauprojekte von betriebswirtschaftlicher Seite aus betreut. Eines steht jedoch schon fest: „Irgendwann werde ich hier voll einsteigen.“

Johannes Klausmann im Stall. Der 26-jährige Agribusiness-Absolvent arbeitet momentan noch in Teilzeit auf dem elterlichen Hof. Drei Tage pro Woche ist er in einer Unternehmensberatung in Stuttgart tätig. Unten ist die voll automatisierte Eier-Verpackungsanlage der Klausmanns zu sehen.

 

 

Der neue Zinzendorfplatz in Königsfeld

von Matthias Donath

Am 3. Oktober 2019 wurde der Zinzendorfplatz in Königs feld nach einer umfassenden Neugestaltung der Öffentlich keit übergeben. Der Haupt platz Königsfelds erhielt durch die gestalterische Aufwertung wieder seine frühere Funktion als städtebaulicher und sozia ler Mittelpunkt der Schwarz waldgemeinde zurück.

 

 

Die Herrnhuter Brüdergemeine

Der Zinzendorfplatz hat eine ganz besondere Geschichte. Seine regelmäßige quadratische Gestalt erklärt sich dadurch, dass er planmäßig nach einem städtebaulichen Grundmuster angelegt wurde. Denn Königsfeld ist kein historisch gewachsener Ort wie die umgebenden Gemeinden im Schwarzwald, sondern vergleichsweise jung. Die „Herrnhuter Colonie“ wurde erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet – als Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeine, einer weltweit verbreiteten evangelischen Freikirche. Und diese Siedlung wurde – wie andere Orte der Brüdergemeine auch – nach einem barocken Idealplan angelegt. Man baute eine Kleinstadt für Handwerker und Gewerbetreibende – und eben kein Dorf. Auch die Bewohner unterschie-

Ausschnitt aus dem Siedlungsplan für Königsfeld, 1807 von Johann Gottfried Schultz. Beim Planquadrat A (mit grünen Flächen) handelt es sich um den Zinzendorfplatz.

den sich von denen der Umgebung. Sie kamen aus verschiedenen Teilen Südwestdeutschlands und der Schweiz. Die Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeine wollten gemeinsam arbeiten, leben und ihren Glauben bezeugen. Königsfeld war die einzige Herrnhuter Siedlung im Südwesten Deutschlands und hatte daher ein großes Einzugsgebiet. Das wirkte sich auch auf die Sprache aus: Von Anfang an wurde in Königsfeld ein ausgeprägtes Hochdeutsch gesprochen. Damit unterschied sich der Ort sprachlich von den umliegenden Dörfern, in denen bis heute Dialekte vorherrschen.

Die Gründung und Entfaltung Königsfelds als Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeine lässt sich nur im Blick auf die christliche Erweckungsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts erklären. Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und Pottendorf (1700–1760), ein junger Adliger aus Sachsen, störte sich an dem oberflächlichen Christentum vieler seiner Zeitgenossen. Er hoffte, dass sich die Menschen die Botschaft von Jesus Christus mehr zu Herzen nehmen. 1722 nahm er auf seinem Rittergut Berthelsdorf in

 

 

der Oberlausitz, im Osten Sachsens, Glaubensflüchtlinge auf, die ihre Heimat in Böhmen und Mähren aufgrund ihres evangelischen Glaubens verlassen mussten. Gemeinsam mit den verfolgten Christen gründete er eine Siedlung, die unter den Schutz des Herrn – gemeint ist Jesus Christus – gestellt wurde und daher den Namen „Herrnhut“ erhielt. Nach einem Erweckungserlebnis 1727 bildete sich eine tief im Glauben verwurzelte Gemeinschaft, die in den folgenden Jahren weiter anwuchs. Immer mehr Menschen, die eine christliche Gemeinschaft suchten, kamen nach Herrnhut. Die Herrnhuter Brüder-gemeine – bis heute wird eine alte Schreibweise ohne -d- gebraucht – wurde auch in anderen Teilen Deutschlands und Europas bekannt. Erweckte Christen, die mit dem erstarrten Christentum ihrer Umgebung unzufrieden waren, schlossen sich der Bewegung an. Sie wollten in einer Gemeinschaft wie in Herrnhut leben, weshalb die Brüdergemeine in verschiedenen Teilen Deutschlands und Europas eigene Siedlungen schuf. Die Gründung dieser Siedlungen war nicht einfach, weil die Herrscher der jeweiligen Territorien zustimmen mussten. Auch hatten die örtlichen Kirchen nicht immer Verständnis für die „Glaubenskonkurrenz“.

Siedlungsgründung von Königsfeld

Besonders lange dauerte es, bis die Herrnhuter Brüdergemeine eine Niederlassung in Südwestdeutschland erhielt. Bereits in den 1730er-Jahren hatten sich in der Schweiz und in Württemberg erweckte Christen zusammengefunden, die nach Herrnhuter Vorbild leben wollten. Diese wurden durch „Diasporaarbeiter“, umherreisende Prediger, betreut. Mehrere Anträge auf Einrichtung einer Brüdergemeine in Württemberg scheiterten. Anfang des 19. Jahrhunderts, lange

 

 

nach dem Tod des Grafen Zinzendorf, stimmte die württembergische Regierung schließlich zu. 1804 fanden der Schorndorfer Prediger Lorenz Nagel und der Kaufmann Philipp Heinrich Veil einen Hof im Schwarzwald, der zu kaufen war. Für eine Siedlungsgründung an diesem Ort sprach, dass er gleich weit von Stuttgart, Straßburg und Basel entfernt war, wo sich Herrnhuter Gemeinschaften gebildet hatten. Die Brüder-gemeine kaufte den Hörnlishof und das umliegende Land zur Errichtung einer „Colonie“. König Friedrich I. von Württemberg (1754–1816), der gerade den Königstitel erworben hatte, erteilte am 12. August 1806 die Genehmigung und garantierte unter anderem Glaubens- und Gewissensfreiheit. In Kirchen- und Schulangelegenheiten sollte die Siedlung nicht der evangelischen Landeskirche Württembergs, sondern allein der Kirchenleitung in Herrnhut unterstehen. Die Brüdergemeine wollte die Ortsgründung „Nain“ oder „Friedrichsfeld“ nennen, doch der König lehnte ab. Er verlieh der Siedlung erst im Oktober 1809, als schon die ersten Häuser standen, den Namen „Königsfeld“. Dieser bezog sich auf die Erhebung Württembergs zum Königreich, wurde von der Brüdergemeine aber als Hinweis auf Jesus Christus als König verstanden. 1810 gelangte der Ort im Schwarzwald durch einen Gebietstausch an das Großherzogtum Baden.

Am 31. Oktober 1806 wurde der erste Baum gefällt, im April 1807 feierte man den ersten Gottesdienst, im Juni 1807 traf der Bauplan ein – und so konnte man mit der Errichtung der ersten Gebäude beginnen.

Geometrischer Grundriss

Soweit möglich, legten die Herrnhuter ihre Siedlungen über einem geometrischen Grundriss an. Ihre Niederlassungen waren barocke Idealstädte. Das Modell einer christlichen Gemeinschaftssiedlung verband sich mit dem Ideal einer durchgeplanten, gut funktionierenden und durchgestalteten Stadt. Der gemeinsame Kommunikationsraum der Bewohner war ein freigelassenes Quartier in der Mitte der Siedlung – der Platz. Um diesen rechteckigen Platz, der bei den deutschen Siedlungen heute meist

Der gemeinsame Kommunikationsraum der Bewohner war ein freigelassenes Quartier in der Mitte der Siedlung – der Platz. Um diesen rechteckigen Platz gruppieren sich schachbrettartig die Quartiere entlang rechtwinkliger Straßen.

den Namen Zinzendorfs trägt, gruppieren sich schachbrettartig die Quartiere entlang rechtwinkliger Straßen. In Platznähe befinden sich in der Regel die Gemeinschaftsbauten, von denen der Kirchensaal der wichtigste war.

Ein solcher Siedlungsplan wurde 1807 im Auftrag der Kirchenleitung, der Unitäts-Ältesten-Conferenz, auch für Königsfeld erstellt. Die Ausarbeitung des Siedlungsgrundrisses nahm der Jurist und Zeichner Johann Gottfried Schultz (1734–1819) vor, ein Mitglied der Brüdergemeine aus Niesky (Sachsen). Er war nie im Schwarzwald, kannte aber viele andere Herrnhuter Siedlungen, an deren Grundmuster er sich orientierte. Als städtebaulichen Mittelpunkt plante er – wie beispielsweise in Gnadau (Sachsen-Anhalt) – einen quadratischen, gärtnerisch gestalteten Platzraum. An der Nordostseite ordnete er den Kirchensaal an. Auf den benachbarten Karrees sollten – in unmittelbarer Nähe zum Platz und zum Kirchensaal – das Schwestern- und das Brüderhaus erbaut werden. Um den Platz herum sollten Wohnhäuser, die Apotheke und das Gemeinlogis errichtet werden. Dabei war eine Bauhöhe von zwei Geschossen gefordert. Der Gasthof der Brüdergemeine war das erste Gebäude, das nach diesem Bauplan errichtet wurde.

Die Herrnhuter Siedlungen zeichnen sich durch einen gleichartigen Baustil aus. Er leitete sich von der barocken Architekturrichtung ab, die in Sachsen im 18. Jahrhundert vorherrschend war. Kennzeichnend sind die symmetrisch gegliederten, aber sehr einfach gehaltenen Fassaden und die recht steilen Mansarddächer. In Königsfeld folgen nur wenige Bauten dieser

 


Stilrichtung, darunter der Kirchensaal. Das liegt an der späten Gründung und der recht langsamen Siedlungsentwicklung. Manche Grundstücke am Zinzendorfplatz wurden erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut – und bis dahin hatten sich die Architekturideale bereits geändert.

Gestaltung des Platzes

Der Kirchensaal ist das dominierende Gebäude am Zinzendorfplatz und das einzige mit einer unverkennbar barocken Prägung. Der Bauplan wurde 1810 von dem Lehrer und Prediger Renatus Früauf (1764–1851), damals Lehrer auf dem Katharinenhof in Großhennersdorf bei Herrnhut, erstellt. Die Kirchweihe erfolgte am 19. Oktober 1812. Dem Bautyp Herrnhuter Kirchensäle folgend, handelt es sich um einen querrechteckigen Saal. An den beiden Längsseiten öffnen sich vier große Fensterbahnen. Dieser Mittelbereich ist von einem hohen Mansarddach bedeckt, auf dem ein Dachreiter mit barocker Zwiebelhaube thront. Die symmetrischen, etwas zurückgesetzten Seitenbereiche enthalten Gemeinderäume und Wohnungen.

Die Gestaltung der Platzfläche hat sich in den letzten 200 Jahren mehrfach verändert. Nach dem Siedlungsgrundriss von 1807 wurde eine quadratische, ringsum von Straßen umgebene Platzfläche angelegt. Sie wird durch ein Wegekreuz in vier gleich große Felder geteilt. Die so geschaffene Vierteilung des Platzes ist bis heute erhalten geblieben. An den Außenseiten und entlang des Wegekreuzes wurden Bäume und Hecken gepflanzt. Die Betonung der Platzmitte erfolgte durch einen Brunnen, der einen praktischen Zweck hatte, versorgte er doch die Bewohner der Häuser und der Gemeinschaftsbauten mit Trinkwasser. Erst später kam es zu einer symbolischen Deutung des Brunnens – das Wasser wird von der Brüdergemeine heute auf Jesus Christus als Quelle des Lebens bezogen.

Die Königsfelder Brüder und Schwestern nutzten die Platzfläche ganz praktisch für unterschiedliche Bedürfnisse: Im Viertel vor dem Brüderhaus wurde 1814 eine kreisrunde Zisterne als Feuerlöschteich und als Wasserreservoir für die erste Fabrik Königsfelds angelegt. Das benachbarte Viertel in Richtung des Schwesternhauses diente als Bleichplatz. Hier wurde Wäsche getrocknet und unter Sonnenlicht gebleicht. Die

Der Brunnen ist zurück: Die Betonung der Platzmitte erfolgte beim Bau von Königsfeld durch einen Brunnen, der zugleich die Bewohner der umliegenden Häuser und der Gemeinschaftsbauten mit Trinkwasser versorgte.

 

 

beiden anderen Quartiere teilten sich in Nutzgärten mit Beeten und Obstbäumen.

Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte eine parkähnliche Umgestaltung der Platzviertel. Das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung und der aufkommende Fremdenverkehr verdrängten die früheren Nutzungen. Das südliche Quartier wurde dem Gasthof zugeordnet und zur Bewirtung genutzt. Eine Holzveranda begrenzte die Freifläche. Solitärbäume im „Lust- und Fürstengarten“ erinnerten an die „Helden“ der Reichseinigung, an Otto von Bismarck (1815-1898) und an Kaiser Wilhelm I. (1797-1888). Das als Bleichplatz dienende Viertel vor dem Schwesternhaus erhielt 1904 eine neue Gestaltung mit einem Rundweg und einem in der Mitte stehenden Bläserpavillon. Da hier die jährlichen Missionsfeste der Brüdergemeine stattfanden, wurde dieser Teil als „Missionsplatz“ bezeichnet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren die Platzviertel ihre unterschiedlichen Funktionen. Das öffentliche Leben verlagerte sich in den Nachkriegsjahren mehr und mehr in die Friedrichstraße und die angrenzenden Kurheime sowie Kliniken. Der Zinzendorfplatz wurde immer weniger genutzt und geriet dadurch in eine Randlage. In den 1970er-Jahren wurde eine vereinfachte Gestaltung vorgenommen, bei der man den Zinzendorfplatz „leerräumte“. Schmückende Bepflanzungen und Einbauten entfielen, zuletzt verschwand 1974 der Bläserpavillon. Als neues Element kam 1991 ein Gedenkstein mit einem Bildnis des Grafen Zinzendorf dazu. Seit den 1990er Jahren gab es Ideen, den Platz als Gesamtensemble wieder erlebbar zu machen und in einer ursprünglichen Funktion als Ortsmitte wieder zu beleben. Doch es dauerte zwanzig Jahre, bis dieser Gedanke eine Umsetzung erfuhr. Der Umgestaltung ging ein intensiver Diskussionsprozess unter Bürgerbeteiligung voraus. In Bürgerforen wurde unter anderem darum gestritten, wie viele der mittlerweile alt gewordenen Bäume der Platzbepflanzung stehen bleiben durften oder zu fällen waren. Am Ende des Diskussionsprozesses stimmte eine Mehrheit für eine grundlegende Neugestaltung und Neubepflanzung unter Erhalt weniger Solitärbäume. Die Neugestaltung der Platzfläche

Mit der Aufwertung des öffentlichen Raumes verbindet sich die Hoffnung, dass der Zinzendorfplatz wieder als Kommunikationsraum angenommen wird.

ging mit einer Wiederherstellung der früheren Platzgliederung und der ursprünglichen Bepflanzung einher. Der Platzraum wird durch neu gepflanzte Linden eingefasst. In der Platzmitte befindet sich wieder ein Brunnen.

Kommunikations- und Erlebnisangebote

Mit der Aufwertung des öffentlichen Raumes verbindet sich die Hoffnung, dass der Zinzendorfplatz von den Königsfeldern und den Besuchern der Schwarzwaldgemeinde wieder als Kommunikationsraum angenommen wird – als ein Ort, an dem man gerne verweilt, miteinander ins Gespräch kommt und mehr über die einzigartige Geschichte Königsfelds erfährt. Um das zu erreichen, wurden zusammen mit der Platzgestaltung moderne Kommunikations- und Erlebnisangebote geschaffen. Stelen am Zinzendorfplatz stellen den lebendigen Ort vor und erklären seine Geschichte. Über ein digitales Angebot kann man in deutscher und englischer Sprache vertiefende Informationen abrufen. Ein Animationsfilm erklärt in einer leicht zugänglichen Bildsprache, was es mit der Herrnhuter Brüdergemeine auf sich hat und warum Königsfeld so gebaut und gestaltet wurde, wie wir es heute sehen.

Die Häuser am Zinzendorfplatz haben eine moderne Beschilderung erhalten, die über die Bau- und Nutzungsgeschichte informiert und zu digitalen Angeboten weiterleitet. Alle Medien wurden so angelegt, dass sie barrierefrei nutzbar sind. So zeigt Königsfeld, wie Geschichte für ein lebendiges Zusammenleben in der Gegenwart ohne Ausgrenzung wie auch für einen modernen Tourismus nutzbar gemacht werden kann.

 

 

Ein Gedenkstein erinnert auf dem Zinzendorfplatz an den Gründer von Königsfeld, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf. Ein Schmuckstück des Platzes ist auch weiterhin der Seerosenteich (unten).

 

 

Die Alt-Villingerin

Die Frauentracht mit der kostbaren Radhaube ist der Stolz der Stadt Villingen

Der Tracht der Alt-Villingerin ist es ergangen wie vielen Trachten im Schwarzwald und auf der Baar: Nachdem sie zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Alltagsleben verschwand, weil sich die Menschen von alten Zwängen befreiten und freier kleideten, tauchte sie gut 40 Jahre später an der Fastnacht wieder auf. Und dort ist sie bis heute verblieben. Auch in Villingen erfüllt die Frauentracht die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, beflügelt sie das „verklärte Reichsstadtdenken“. Das hat Villingen mit anderen Reichsstädten gemein, betont Trachten-experte Jürgen Hohl, der frühere Vorsitzende des Kulturellen Beirats der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte mit Blick auf die Wiederkehr dieser Tracht an der Villinger Fasnet. Ihre Entstehung fällt in die Ära des Spät-Rokoko, sie dürfte somit erstmals um 1780 getragen worden sein. Außerhalb der Fastnacht wird die Alt-Villingerin durch die Trachtengruppe repräsentiert, die sich 1949 der Bürgerwehr angeschlossen hat. Das besondere Merkmal der Tracht ist die Radhaube, deren Herstellung viel Fingerfertigkeit verlangt und die mit im Mittelpunkt dieses Almanach-Schwerpunktthemas steht.

Alt Villingerin mit goldener Radhaube. Modell: Julia Oswald Tracht: Ingrid Beck Fotografie: Wilfried Dold

 

 

Eine kurze Geschichte der Radhaube

Das besondere Merkmal der Alt-Villingerin ist ihre Radhaube. Die entsprechende Kopfbedeckung gehörte auch in Villingen stets zur Tracht dazu. Das Bedecken gerade des weiblichen Kopfes war üblich – eingeführt von den Männern zur „optischen Verschließung“ ihrer Ehefrau. Die nachstehende kurze Abhandlung basiert auf einem umfassenden Beitrag von Jürgen Hohl, den dieser 2008 für die Schriftenreihe des Geschichts- und Heimatvereins Villingen verfasst hatte.

In der Mitte des 18. Jh. war für alle Altersstufen eine weiße Zughaube als Kopfbedeckung üblich, die sogenannte Dousette. Sie bildete den Grundstock der verschiedenen Hauben. Aus dem mittelalterlichen „Schlayer“ hatte sie sich durch die Zeit hindurch entwickelt. Um 1750 trug man als Modefrisur den „Kohlkopf“, das waren „gebrannte“ Locken: mal seitlich länger oder als Knoten am Hinterkopf oder seitlich gesteckt. Darauf saß die Dousette und auf diese wiederum kam die Haube der verheirateten Frau: die „Pockel- oder Bockelhaube. Genannt nach den Haarbuckeln seitlich und am Hinterkopf. Diese Haube bestand je nach Stand aus verschiedenen Materialien. So bei älteren Frauen aus schwarzem Gimpen, bei jungen Frauen aus der Hohlspitze in Gold und Silber. Gold für die Hochfeste, silber für normale Sonntage lautet eine der Erklärungen für die Farbunterscheidung zu bestimmten Zeiten. Diese vormals dem höchsten Stand vorbehaltene Haube wanderte ab 1740 auf Grund von Modeeinstellungen bis in die untersten Schichten.

Einzigartig ist der Haubenportraitbestand des Franziskanermuseums in Villingen. An diesen Bildern kann die Entwicklung der Villinger Hauben genau verfolgt werden. Zwischen 1820 bis 1845 bildete sich die heutige Villinger Haube heraus. Und zwar nach folgendem Rezept: Der Steg wird etwas kürzer, das Rad weitet sich bis zu 30 cm Durchmesser aus. Die Stellung des nach hinten gebogenen Rades unterscheidet sich von den steil und glatt aufgestellten Rädern anderer Radhaubengebiete. Nur an der Bodenseehaube z.B. von Überlingen/Konstanz ist die Verwandtschaft zur Villinger Haube erkennbar.

Der Trachtenabgang bescherte auch Villingen ab 1850/60 die Hinwendung zur Modekleidung. Aber nun kommt in den 1880er-Jahren wie in anderen Trachtengebieten das Auffangbecken Fasnet zum Tragen. Anfangs trug die Alt-Villingerin an der Fastnacht sogar eine Wachsmaske und später eine Holzscheme. Heute allerdings ist die Mehrzahl der Alt-Villingerinnen unverlarvt unterwegs.

Wenn man die Reichsstadtbockelhaube als „Urgroßmutter“ der Radhaube heranzieht, stellt man fest, dass es zu allen Zeiten zwei Arten von Materialverwendungen gab: die Haube in Hohlspitze und in geklöppelter Spitze. Die Hohlspitze – auch Schlauch- oder Windungsspitze genannt – ist eine sehr intensive Handarbeitstechnik, bei der über zwei sogenannte Seelenfäden Plätt oder Lahn geschlungen wird. Als Lahn, Plätt, Plätte oder Rausch wird ein platt gewalzter sprich geplättelter Draht aus Metall bezeichnet.

Eine weitere Art der Haubengestaltung hängt mit dem Alter der Trägerinnen zusammen: Ältere Frauen trugen die schwarze Flor- und Chenillehaube auch am Sonntag. Genau wie die goldene und silberne Muschelspitze kam auch das Florbesticken (Tüll) und der Chenillefaden aus den Klosterwerkstätten.

Alt-Villingerin mit goldener Radhaube. Modell: Jessica Bisceglia Tracht: Ingrit Rothmund Fotografie: Wilfried Dold

 

 

Im Portrait – Die „Alt-Villingerinnen“ Ingrit Rothmund und Ingrid Beck

Ingrit Rothmund (links) und Ingrid Beck mit einem vorbildlich geschneiderten Exemplar einer Villinger

Frauentracht.

von Birgit Heinig

Ingrit Rothmund weiß, wie es geht. Die 70-Jährige näht nicht nur eine Villinger Tracht im Jahr. Sie hat zwei Töchter, eine Schwiegertochter, vier Enkeltöchter, dazu Nichten und Großnichten. Und alle tragen sie die Villinger Tracht. Die Kleinen wachsen aus ihren Trachten heraus und auch die Großen brauchen ab und an ein neues Modell. »Ich habe genug zu tun«, sagt die gebürtige Schleswig-Holsteinerin, die schon als Sechsjährige nach Villingen kam. Die Tracht trägt sie seit fast 20 Jahren, seit mehr als zehn ist sie Mitglied der Historischen Bürgerwehr und Trachtengruppe. Sie trägt ihre Biedermeiertracht bei einem runden Dutzend Trachtentreffen und sonstigen Auftritten wie an Fronleichnam oder der Südwestmesse.

An ihrer Seite sitzt Ingrid Beck. Die gebürtige Villingerin ist Vorsitzende der Trachtengruppe, der sie 2003 beigetreten ist, weil »mich die Geschichte der Villinger Tracht begeistert«. Die 62-Jährige ist nebenbei Stadtführerin und führt ab und an auch in Tracht. Was die Geschichte der Alt-Villingerin anbelangt, so schildert sie, dass man anhand von Portraitbildern im Fran

 

 

Die Alt-Villingerin

ziskanermuseum nachvollziehen könne, dass die Tracht der Villingerin, wie sie heute dargestellt werde, ihre Anfänge im Spätrokoko um 1780 nahm. Das Wesen der Mode ist es, sich ständig zu verändern und diesem Wandel unterlag auch das Kleid der Alt-Villingerin (siehe Seite xxx).

Während an der Fasnet sowohl der Alt-Villingerin als auch dem Morbili nahegelegt wird, das zweiteilige Kleid unter der farbigen Schürze und den Wiener Schal in Schwarz, zumindest aber einer gedeckten Farbe zu halten, trägt man in der Trachtengruppe gerne Farben und Muster. „Eine Tracht ist schließlich keine Uniform“, findet Ingrid Beck. Ansonsten bleiben aber beide, die Historische Narrozunft und die Trachtengruppe, der Mode im geschichtlichen Zeitabschnitt des Biedermeiers treu. Die Spitze am Kragen und den Ärmeln ist weiß wie Unterrock, Strümpfe und Handschuhe, die Abschlusskanten der Jacke sind mit Posamenten verziert. Der Rock reicht bis zu den Knöcheln und ist in Falten gelegt. Die Silhouette der Alt-Villingerin ist auf Figur geschneidert.

Ingrit Rothmund greift gerne auf den einen Schnitt zu, der in der Trachtengruppe unter den Schneiderinnen die Runde macht. Früher habe es freilich Varianten gegeben, weiß sie, überliefert seien aber so gut wie keine. Generell werde es immer schwieriger, an geeignetes Material heranzukommen, weil die Zahl der Hersteller sukzessive abnehme.

Ölgemälde mit Bürgersfrauen sind der älteste Nachweis für die Radhaube

Kaum einem Detail der Villinger Frauentracht wird so viel Aufmerksamkeit zuteil wie der Radhaube. Sucht man nach frühen Zeugnissen der Villinger Tracht, so stößt man auf zahlreiche Portraitgemälde von Bürgersfrauen mit Trachtenhaube und vornehmen Gewand, so im Franziskanermuseum. Aus dem Jahresheft des Geschichts- und Heimatvereins 1983/84 geht hervor, dass zunächst die schwarze Haubenart vorherrschte und die Goldhaube seit etwa 1820 vertreten sei. „Offiziell“ soll die letzte Goldhaube 1868 von einer Braut zu ihrer Hochzeit getragen worden sein. Sie war wohl festlichen Anlässen vorbehalten. Die Form war damals als Rad noch kaum erkennbar.

Als Ansichtskarte vertriebene Lithographie einer Alt-Villingerin. Die Darstellung aus dem Jahr 1907 stammt von Carl Liebich.

Aus historischer Sicht werde »nirgendwo erklärt, warum sie welche Farbe hat«, schildert Ingrid Beck und verweist auf die goldenen und die eine silberne Haube, die im Franziskanermuseum erhalten sind. Es gebe ein Schriftstück, in dem die Unterschiede mit der gesellschaftlichen Hierarchie erklärt werden. Demzufolge trugen die Magistratsfrauen Gold, die Frauen von Zunftmeistern Silber. Da das Material unterschiedlich kostbar war, sei aber auch denkbar, dass nur an hohen kirchlichen Feiertagen Gold getragen wurde und man sonst eine Haube aus Silber, aus schwarzem Chenille oder weitaus billigerem Messing bevorzugte.

Bedeutend für den Fortbestand der Alt-Villingerin war die Trachtenerneuerungsbewegung, die in Villingen bereits um 1900 einsetzte. Jetzt wurden wieder vielfach neue Radhauben und die dazugehörige Kleidung mit seidenem

 

 

Eine ganze Familie in der Tracht der Alt-Villingerin. Bei Ingrit Rothmund tragen sowohl die Töchter als auch die Enkelinnen die von der Mutter, sprich Oma, angefertigte Tracht.

Schultertuch angeschafft und somit stieg auch die Zahl der Trachtenträgerinnen stetig. 1926 gründete sich in Villingen schließlich ein Volkstrachtenverein. In den nächsten Jahren besuchte man Trachtenfeste in ganz Baden und darüber hinaus. Zu diesen Umzügen und Festen während des Jahres wurde der Alt-Villingerin ein männlicher Begleiter zur Seite gestellt. Er trug die Kleidung der Villinger Zunftmeister um 1760, als Vorlage dienten die Zunfttafeln im Franziskanermuseum.

1949 schließlich wurde die Trachtengruppe von Franz Kornwachs neu organisiert und der Bürgerwehr angeschlossen. Von da an bis heute besuchen die Alt- Villingerinnen gemeinsam mit den Trachtenträgern und den militärischen Abteilungen der Bürgerwehr Trachtenfeste, Bürgerwehrtreffen und sonstige historische Feste im In- und im Ausland. „Dabei erregen sie besondere Aufmerksamkeit mit ihren schönen dezent-farbigen Trachten und den prächtigen Radhauben und repräsentieren damit die Stadt Villingen hervorragend“, wie der Verein in seiner Mitgliederzeitung „Depesche“ vermerkt.

Qualität der Tracht und der Radhaube sind von großer Bedeutung

In der Trachtengruppe lege man sehr viel Wert auf gute Qualität, betonen Ingrid Beck und Ingrit Rothmund. Beide haben auch schon mehrere Hauben in der Hohlspitztechnik hergestellt, in der auch die Hauben aus dem Franziskanermuseum gefertigt sind. Hier sei »der Weg das Ziel« erklären beide diese sehr zeitaufwändige Herstellungsart. Verständnis haben sie dafür, dass der Anspruch darauf bei Mädchen und Frauen, die einmal im Jahr an der Fastnacht ins Häs gehen, nicht ganz so ausgeprägt ist. Nicht in Ordnung finden sie dagegen, dass leider auch „Schund getrieben“ werde mit der Tracht der Alt-Villingerin. Bei aller Freude über das offenbar wachsende Interesse am Brauchtum, wünsche man sich, „dass das Niveau hochgehalten wird“.

Rechte Seite: Die Radhaube in schwarzer Ausführung wurde oft von älteren Frauen getragen.

 

 

Priska Haas – vom „Trieberkind“ zur Alt-Villingerin

Priska Haas ist in ihrer Villinger Tracht beileibe nicht nur an der Fastnacht zu sehen. Die 51-Jährige ist seit 32 Jahren leidenschaftliches Mitglied der Historischen Trachtengruppe, die der Bürgerwehr angegliedert ist. Sie trägt ihr Biedermeier-Kleid mit Radhaube und Fransentuch das ganze Jahr über bei Trachtentreffen und bei allerlei feierlichen Anlässen, zumeist im Auftrag des Vereins oder der Stadtverwaltung. Sogar beim Münchner Oktoberfest war sie schon Teil des Festumzuges.

Zuvor war sie eines der „Trieberkinder“, die an der Fastnacht den Butzesel hüten und eines der Ballettmädchen beim Ball der Historischen Narrozunft. Zur Bürgerwehr und Trachtengruppe kam sie durch ihren damaligen Freund und heutigen Ehemann Frank, Großneffe des einstigen Zunftmeisters und Vorsitzenden der Bürgerwehr und Trachtengruppe sowie „Erfinder“ des Villinger Schunkelliedes, Franz Kornwachs.

Ab und zu ist die Erzieherin heute an den hohen Tagen der Villinger Fasnet als „anonymes“ Morbili unterwegs, die Altfrauenvariante der Villingerin, die sich hinter einer Gesichtslarve, auch „Scheme“ genannt, versteckt.

Streng nach historischem Vorbild

Priska Haas achtet sehr genau darauf, dass ihre Tracht in allen Details dem historischen Vorbild entspricht. Wenig Verständnis hat sie daher für die Mädchen und Frauen, die sich das »Häs« für die Fastnacht zwar leisten können, aber keine Ahnung oder manchmal leider auch kein Interesse haben, es korrekt anzulegen. Zumeist ist es die Kälte, die Trägerinnen jedwede historische Korrektheit vergessen lässt. Da lugen Rollkrägen aus dem Spitzenausschnitt oder Moonboots unter dem Rock hervor. „Das geht gar nicht“, findet Priska Haas.

Ein wenig geht aber auch das Kleid der Villingerin mit der Mode. So war der Rock schon einmal kürzer und außer der Farbe Schwarz darf es mittlerweile auch eine andere Grundfarbe von Rock und Kittel sein. Ähnlich verhält es sich mit dem Schultertuch. An der Fastnacht ist es in der Regel der Wiener Schal, den sich die Alt-Villingerin – ebenso wie das Morbili – gegen die Kälte umlegen.

Sommers kommt indes ein Seidentuch mit Fransen zum Einsatz, das durchaus bunt, auch bestickt sein darf und – so viel noch zum Thema Mode – gerne farblich mit dem Seidenschurz korrespondiert. Die berühmteste Variante ist das Flammentuch, ein changierender Traum in Seide, der den Nachteil hat, dass er vergänglich ist. „Irgendwann bricht leider jede Seide“, bedauert Priska Haas, die noch ein altes Stück besitzt.

Radhaube aus Messingdraht

Der Augapfel der Alt-Villingerin aber ist ihre Radhaube. Priska Haas gehört ein Exemplar aus dem 19. Jahrhundert, über dessen Urheberin man sich nicht so ganz im Klaren ist. Es besteht aus goldfarbenen Messingdraht, früher das bevorzugte Material für all jene, die sich echtes Gold nicht leisten konnten, und ist entsprechend nachgedunkelt.

„Ihr Villingen“ hat Priska Haas nie verlassen, was sie zu einem „Gott sei Dank“ veranlasst. Sie ist Teil der Großfamilie Haas/Mauch, die 2011 im Europapark in Rust zu Deutschlands größter Trachtenfamilie gekürt wurde. Ihre zwei Kinder, 16 und 19 Jahre alt, wachsen mit der Tradition auf. „Unsere Tracht ist so schön“, sagt Priska Haas und ihre Augen funkeln mit dem Granatschmuck an Hals und Ohr um die Wette.

 

 

Claudia Raufer – Alt-Villingerin, Morbili und Wuescht

Ihr Vater war Kavallerist der Historischen Bürgerwehr und Mitglied der Trachtengruppe Villingen. Ihre Mutter stammt aus Nordstetten und hatte eigentlich keinen engen Bezug zur Villinger Fastnacht. Als Dreijährige war Claudia Raufer zum ersten Mal mit einer Bekannten auf der Villinger Fasnet. Über die Jugendtanzgruppe fand sie schließlich den Weg ins Häs und ist bis heute als Alt-Villingerin und Morbili, hauptsächlich aber mit der Wueschtgruppe unterwegs. Die raubauzigen Kerle (unter deren mit Stroh ausgestopften Hosen sich längst auch Damen verbergen dürfen), die „Schönschte“, die stets am Schluss kommen, haben es ihr angetan und stehen für sie in ihrem verwaschenen Häs nur äußerlich im Widerspruch zur eleganten Villinger Tracht.

Glücklich ist Claudia Raufer dennoch, wenn sie auch außerhalb der Fastnachtszeit hin und wieder in die wunderschöne Tracht hinein-schlüpfen und ihre Heimatstadt repräsentieren darf. Und das tut sie nicht nur in Villingen, sondern auch mit Begeisterung auf der Baar – in Donaueschingen.

An der Fastnacht mit Halbscheme

Doch zurück zur Villinger Tracht. „Wie mach ich‘s rächt?“ heißt eine Broschüre der Zunft, die aufzeigt, wie sich eine Alt-Villingerin zu kleiden hat. Claudia Raufer prangt auf der Titelseite. Innen erfährt man, dass die Trachtenträgerin nicht zu stark geschminkt sein sollte, dass nur Trachten-schuhe oder zarte Stiefeletten erlaubt sind und die Hände in weißen Handschuhen stecken. Claudia Raufer hat die Regeln verinnerlicht. Nur an der Fastnacht trägt die Alt-Villingerin, falls sie an der Seite eines Narros oder Surhebels einherschreitet, eine handgeschnitzte Halbscheme. „Die Anonymität der Herren muss gewahrt bleiben“, lautet nämlich die Vorschrift der Brauchtumsschützer.

Auch lange Haare haben auf der Schulter der Alt-Villingerin nichts zu suchen. Claudia Raufers Haar ist kurz. So eine Frisur trug seinerzeit keine Frau. Sie steckte ihr langes Haar zu einem Dutt zusammen, die prächtige Radhaube stützte sich darauf. Was also tun, damit die auch auf dem Bubikopf bleibt, wie es sein sollte? Beim alljährlichen Maschgere- und Mäschgerleabend gibt Claudia Raufer dazu profunde Tipps. Ein falscher Dutt, über der Stirn gehalten von einem breiten Gummiband, ist die Lösung, die von den neuen Hästrägerinnen gerne angenommen wird.

Eine gehäkelte Walz-Radhaube

Die 52-Jährige besitzt eine noch von Lina Walz gehäkelte Radhaube, die gut und gerne 40 Jahre alt ist. „Das Muster wurde nie weitergegeben, das ist also ein Unikat“, sagt sie nicht ohne Stolz. Der Haubenboden ist kunstvoll bestickt, die Schleife, die bis zur Taille reicht, blütenweiß. Claudia Raufer hat sich ihre Villinger Tracht mit viel Geduld ganz allmählich zusammengestellt. Den Granatschmuck hat sie seit ihrer Konfirmation nach und nach geschenkt bekommen oder bei Haushaltsauflösungen ersteigert.

„Ich wollte auf jeden Fall echten Schmuck“, sagt sie. In gleichem Maße legt sie Wert auf edle Materialien und näht auch selbst. „Ich bin in die Tracht hineingewachsen, ich lebe sie“, sagt die Mutter einer erwachsenen Tochter, die die Tradition ebenso zu schätzen weiß.

Eine Viertelstunde braucht Claudia Raufer, um für die Fotografin ihre wunderschöne Tracht mit den vielen Details anzulegen. Das zweiteilige Kleid ist schwarz mit weißen Spitzen am Hals und an den Ärmeln. Das dunkle Violett einer Aubergine stand Farbenpate für die Schürze und ist Grundlage für das in hellem Flieder geblümte Schultertuch. Claudia Raufer beweist damit Geschmack und zeigt außerdem, dass bei traditionellen Trachten auch Farbe im Spiel sein darf.

 

 

Jutta Grothaus – bis zu 900 Stunden für eine Villinger Radhaube

von Birgit Heinig

Wie viele Radhauben sie in 35 Jahren schon anfertigte, hat Jutta Grothaus nie gezählt. Für viele Trägerinnen der Alt-Villingerinnen-Tracht ist eine Kopfbedeckung aus der Grothaus-Werkstatt das Nonplusultra, schließlich hat sich die 67-Jährige intensiv mit der Entstehungsgeschichte der Radhaube beschäftigt und die Technik für die Hohlspitze wiederentdeckt.

Die prächtige Radhaube entwickelte sich im

18. Jahrhundert aus der einfachen „Judenkappe“ zu einem edlen Trachtenbestandteil der damals höher gestellten Gesellschaftsschicht. Als die Tracht aus der Biedermeierzeit ab 1840 allmählich von modischer Kleidung abgelöst wurde, fand sie vielerorts ihren Platz in der Fastnacht und lebt dort, wohl behütet von den Brauchtumspflegern, weiter. 1979 sah Jutta Grothaus zum ersten Mal eine Radhaube beim Umzug der Historischen Narrozunft an der Villinger Fasnet – und war sofort begeistert. Gerade war sie mit ihrem Mann aus Niedersachsen nach Erdmannsweiler gezogen, ihren norddeutschen Akzent erkennt man bis heute.

Manfred Merz überlässt Pfauenmuster

Es sollte indes noch einige Jahre dauern, bis Jutta Grothaus sich zum ersten Mal selbst an die Herstellung einer solchen Haube für ihre Tochter machte. Als Diplomingenieurin für Maschinenbau hatte sie den »technischen Blick« für die Konstruktion des umwobenen Metallgestelles. Als Tüftlerin, die viel nähte, strickte und häkelte, war es ihr ein Leichtes, mit Hilfe gekaufter Fertigspitze ihr erstes Exemplar zustande zu bringen.

Doch die Perfektionistin gab sich damit nicht zufrieden: Sie belegte einen Volkshochschulkurs im Klöppeln, eine Handarbeitstechnik zur Herstellung von filigranen Spitzen. 1994 war es, als sie sich, endgültig vom „Radhaubenfieber“ gepackt, im Museum alte Radhauben ansah und bemerkte, dass deren Spitze eine andere als ihre geklöppelte war – die Hohlspitze. Mit Hilfe ihrer damaligen Kursleiterin Anneliese Kirst – und auch des Villinger Schemenpapstes Manfred Merz, der ihr das bekannte „Pfauenmuster“ überließ – machte sie sich auf die Suche und fand die auch „Schlauch- oder Windungsspitze“ genannte Technik heraus.

 

 

Das bekannte Pfauenmuster der Villinger Radhaube in Gold als Hohlspitze.

1997 erstmals mit Hohlspitz-Radhaube als Alt-Villingerin unterwegs

Als sie 1997 selbst zum ersten Mal als Alt-Villingerin mit ihrer eigenen Hohlspitzen-Radhaube an der Fastnacht „auf der Gass‘“ war, fiel sie auf. Viele der älteren Damen riefen: „Das ist genau so eine Haube, wie wir sie früher hatten“. Und auch der als besonders kritisch bekannte Merz lobte die Norddeutsche mit den Worten: „Donnerwetter, das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut“. Seither gibt sie selbst Kurse an der Volkshochschule – sowohl für Klöppeln als auch für Hohlspitze und fertigt Radhaube um Radhaube.

Das ist Fleißarbeit. Je nach Größe und Muster sitzt Jutta Grothaus zwischen 450 und 900 Stunden an einer Haube. Voraussetzung ist der zuvor entworfene „Brief“, das Muster, dass das Endprodukt aufweisen soll. Geklöppelte Spitze kostet nur halb so viel Zeit. Je feiner der Draht und je dichter gewickelt die einzelnen „Schnecken“ der Hohlspitze, umso zeitaufwändiger ist die Herstellung. Jutta Grothaus verwendet am liebsten ganz dünne, gerade einmal 0,2 Millimeter dicke „Gespinste“ sowie einen 0,6 mm breiten Flachdraht, den sogenannten „Plätt“. Immerhin könne sie beim Arbeiten – egal ob Hohl- oder Klöppelspitze – fernsehen, sagt sie lachend. Für Laien unvorstellbar, denn vor ihr liegt eine verwirrende Anzahl von kleinen Holzspindeln, jede gemäß dem darunterliegenden Brief einen Draht um Stecknadeln führend.

 

 

Oben: Schwarze Radhaube in Klöppelspitze. Unten: Silberne Radhaube in Klöppelspitze.

Von welcher Farbe das Material und schließlich die fertige Prachthaube ist, hängt vom Wunsch der Trägerin ab. Früher arbeitete man ausschließlich mit Messingdraht, der für manche den Nachteil hat, dass er von Jahr zu Jahr dunkler wird. „Gold konnten sich damals nur die Reichsten leisten“, sagt Jutta Grothaus und weiß aus der Geschichte, dass die Gold- und auch Silberfäden vor und nach der Verarbeitung abgewogen wurden, damit die Haubenmacherinnen im Akkord keine davon abzweigen konnten.

An der Fasnet hat sich Gold durchgesetzt

Die Farbe Gold – das Zeichen für einen hohen Feiertag – hat sich bei der Villinger Fasnet durchgesetzt. Zu sehen sind ab und zu aber auch schwarze Hauben. Auch davon

 

 

Goldene Radhaube ausgeführt in Klöppeltechnik.

hat Jutta Grothaus schon Exemplare angefertigt. Sie sind aus Cenillefäden gewoben. Über die Ursache der Farbe rätseln die Geschichtsschreiber. Einfach preiswerter? Eine Alltagshaube? Ein Zeichen für die Konfession oder den Familienstand? Oder einfach nur modisch?

Ob sie lieber eine geklöppelte oder eine Radhaube mit Hohlspitze und in welcher Farbe trägt? Diese Frage kann Jutta Grothaus nicht beantworten. Ihr sind sie alle lieb. Momentan hat sie sich auf eine silberne in Klöppeltechnik verlegt, „weil die am besten zu meiner Haarfarbe passt“, sagt die Künstlerin augenzwinkernd. Dass es auch in Villingen die silberne Variante gab, das weiß sie und plädiert – mit einem kleinen Seitenhieb auf die aus ihrer Sicht allzu Traditionsbezogenen – bei den Teilnehmerinnen in ihren Volkshochschulkursen und bei ihren Kundinnen für mehr Offenheit.

Die Nachfrage nach einer Radhaube aus dem Hause Grothaus hat auch im vierten Jahrzehnt ihres Wirkens nicht nachgelassen. In ihrem Atelier in Villingen fertigt sie derzeit alle zwei Jahre eine neue Haube an – die Interessentinnen sollten also entsprechende Wartezeiten einplanen. Dafür erhalten sie dann ein Unikat. „Jede bekommt ihr eigenes Muster“, verspricht Jutta Grothaus. Für eine Radhaube in Hohlspitz-Technik werden – Mindestlohn adieu! – rund 3.000 Euro fällig. Dafür hält man dann eine historisch schwerwiegende Kostbarkeit in Händen.

 

 

Ingeborg Jaag – die Alt-Villingerin als lebensechte Miniatur-Puppe

Puppenmacherin Ingeborg Jaag. Hier zeigt sie das „Skelett“ für eine ihrer Puppen – es könnte auch eine Alt-Villingerin werden.

von Birgit Heinig

Sie sind genau um zwei Drittel kleiner als ihre menschlichen Vorbilder: die Alt-Villingerinnen der Puppenmacherin Ingeborg Jaag. Manch eine der Trachtenpuppen steht in einem privaten Haushalt und trägt sogar die Gesichtszüge der Bewohnerin. Die meisten aber – rund 90 Exemplare – sind jedes Jahr Teil der großen und immer wieder neu kombinierten Fastnachtsausstellung im Villinger Franziskanermuseum. Seit 15 Jahren, immer ab dem 6. Januar, sind die kleinen Kostbarkeiten dort zu sehen, die in über 30 Jahren in Ingeborg Jaags Werkstatt entstanden: Narros und Surhebel, Morbili, Wueschte, der Butzesel mit seinen Treibern, ein Teil der Villinger Stadt- und Bürgerwehrmusik und Alt-Villingerinnen mit und ohne Kinderchaise und Scheme – man kann sich kaum sattsehen. Die Künstlerin ist bekannt und wird geschätzt für ihre Liebe zum Detail, freilich immer historisch korrekt. In den 40 Jahren, in denen die heute 77-Jährige in Villingen lebt und sich in die Figuren der Villinger Fasnet verliebte, ohne jemals selbst in ein Häs geschlüpft zu sein, studierte sie jede Einzelheit der Villinger Frauentracht – von der aufwändig gefertigten Radhaube zuoberst bis hinab zu den Riemchenschuhen oder alternativ den schmalen Stiefeletten. Sie holte sich ihre Informationen bei Kennerinnen der Villinger Fasnet und wurde darüber selbst zur Expertin. Sie besorgte sich Originalmodelle des Kleides, des Unterrocks, der Schürze, des Wiener Schals, der Strümpfe und Schuhe und probierte so lange, bis die Ergebnisse ihren eigenen hohen Ansprüchen genügten.

Für eine Alt-Villingerin fallen über 120 Stunden an Arbeit an

Probleme gab es dabei genug zu lösen. Der mit einer Besenlitze endende Rock aus schwarzem Wollstoff stand zunächst zu sehr ab, wurde immer wieder genäht, aufgetrennt und neu

Blick in die Gruppe der Alt-Villingerinnen bei der Fastnachtsausstellung im Franziskanermuseum. Foto rechts: Lutz Hugel, visual artwork

 

 

genäht, bis Ingeborg Jaag zufrieden war mit der Silhouette. Bis das Oberteil en miniature passte, verbrauchte sie zahlreiche 30-Zentimeter-Stoffstücke und viele Stunden, um die winzigen Ärmel eingenäht zu bekommen und das Schößchen, der „Schnäpp“, saß. Für die Herstellung originalgetreuer Radhauben absolvierte sie sogar einen Kurs, um die Technik der anspruchsvollen Hohlspitze zu erlernen.

Ein Puppenexemplar der Alt-Villingerin bedeutet für Ingeborg Jaag mindestens 120 Stunden Handarbeit. Gesichter modelliert sie nämlich selbst, einige sogar nach der Vorlage lebender Personen. Schon für ihre Abschlussprüfung als Erzieherin hatte sie Köpfe für Kasperlepuppen modelliert. Mit dieser Erfahrung und nach vielen Versuchen wirkten ihre Puppen schließlich so lebendig, „dass ich mich scheute, in sie eine Nadel zu stecken“. Als Begleiterin des Narros hat die Alt-Villingerin eine Scheme zu tragen, damit die Anonymität des Paares gewahrt bleibt. Die Jaag‘schen Schemen

erhielten die Zustimmung des verstorbenen „Schemenpapstes“ Manfred Merz, eine Bestätigung für beste Arbeit.

Die Skelette für ihre Puppen fertigt ihr Mann Herbert, ein ehemaliger Werkzeugmacher und Ingenieur, aus Vierkantholz, die Arme entstehen aus Sisalschnur mit Drahtkern und sind somit beweglich. Über das schwarze – manchmal auch nachtblaue – Kleid der MiniAlt-Villingerin kommt eine Schürze. Ingeborg Jaag liebt die Stoffe dafür, die ihren Glanz durch zwei oder mehr unterschiedlich farbige, miteinander verwobene Fäden erhalten.

Knifflige Falt- und Fixierarbeiten

Der Figur liegt ein seidenes Tuch um die Schultern, wie man es früher im Sommer trug. Oder ein wärmerer Wienerschal, wie er aufgrund der Temperaturen in der Regel an der Fastnacht zum Einsatz kommt.

Ingeborg Jaag bei der Zusammenstellung einer lebensechten Fastnachtsgruppe. Die Alt-Villingerin-nen samt Kinder tragen meist die Gesichtszüge einer wirklichen Villingerin. Viel Liebe steckt auch in den Details der Miniatur-Kostüme.

Alle Fotos: Lutz Hugel, visual artwork

 

 

Ihn richtig zu falten und zu fixieren ist schon für die menschliche Trägerin knifflig: „Zum Dreieck gelegt, 16 cm nach vorne, 8 cm nach hinten und 4 cm wieder nach vorne umschlagen“ heißt es diesbezüglich in der Broschüre der Historischen Narrozunft mit dem Titel „Wie mach ich‘s rächt?“ Ingeborg Jaag rechnet freilich maßstabsgetreu um. Bei der Fixierung des Schals hat sie es dagegen etwas einfacher: statt einer verdeckten Sicherheitsnadel ist es bei ihr »halt ein Stich«.

Die Radhauben der Alt-Villingerin fertigt Ingeborg Jaag ebenso in Handarbeit wie die „Krättle“, die Korbtaschen (oben). Auch die Lederhandgriffe und der Inhalt sind originalgetreu „en Miniatur“ ausgeführt.

Immer kleiner werden jetzt die Accessoires der Puppen-Alt-Villingerin. Dennoch ist alles perfekt – auch unter dem Rock. Besonders stolz ist Ingeborg Jaag auf handgeklöppelte, feine Wäschespitze, die den weißen Unterrock abschließt. Großen Wert legt die Puppenmacherin auf die ebenfalls vorbildgetreu geformten schwarzen Wäschespitzen. „Meine Lieblingsobjekte“, sagt sie. Den Granatschmuck, der Villinger Tracht lötet Ingeborg Jaag aus originalgroßen Teilen auf Mini-Größe zusammen.

Die Korbtasche, das „Krättle“, flicht sie selbst aus Material für Stuhlgeflecht. Unglaublich, aber die wenige Zentimeter großen Behältnisse sind sogar mit Ledergriffen ausgestattet und lassen sich teilweise sogar öffnen. Darin befindet sich, man staune, ein pinkfarbenes „Mon Chérie“ – natürlich in Drittelgröße.

In jede einzelne Puppe investierte Ingeborg Jaag viele Stunden Handarbeit. Weitere fertigt sie inzwischen nicht mehr an, weil das Einfädeln eines Garnfadens in eine Nähnadel im Alter nicht mehr ganz so einfach ist. Alt-Villingerinnen sind und waren – neben der Wueschte – immer ihre Lieblingsfiguren.

Links und rechte Seite: Impressionen aus dem Fastnachtsumzug von Ingeborg Jaag. Den Narro rechts begleitet die Alt-Villingerin mit Maske, damit auch sie keine Hinweise auf den Schementräger gibt.

Alle Fotos: Lutz Hugel, visual artwork

 

 

EGT-Triberg – Nicht die Größe allein entscheidet über den Markterfolg

von Bernward Janzing

Vor über 120 Jahren in Triberg im Schwarzwald dank des Vorhandenseins von Wasserkraft – der Triberger Wasserfälle – gegründet, ist die EGT durch die „Energie der Veränderung“ geprägt, so der aktuelle Slogan der Unternehmensgruppe. Drei hundertprozentige Tochterfirmen der EGT AG bilden das Kerngeschäft des

Unternehmens. Heute sind rund 230 Mitarbeiter in den Geschäftsbereichen Energieservice, Netzbetrieb sowie Elektro- und Informationstechnische Gebäudeausrüstung tätig. Die Unternehmensgruppe mit ihren Töchtern und Beteiligungsgesellschaften erzielte im Jahr 2018 Umsatzerlöse in Höhe von rund 100 Millionen Euro. Ende 2018 kam im Rahmen eines von Rudolf Kastner initiierten Projektes zur Erweiterung des Aktionärskreises die Alb-Elektrizitätswerk Geislingen-Steige eG als strategischer Partner zur EGT hinzu. Private und kommunale Aktionäre sowie das AlbWerk halten seither jeweils ein Drittel der Anteile an der EGT AG. Der nachstehende Beitrag gibt Einblick, wie sich die EGT vor allem während der Ära Rudolf Kastner wandelte
– einerseits durch die Politik, die den Strommarkt öffnete und die Energiewende startete, andererseits aber auch durch den Weitblick des Firmenchefs. Nach 26 Jahren wechselte Rudolf Kastner in den Aufsichtsrat, übernahm dort den Vorsitz. Jens Buchholz, seit 2011 Finanzvorstand der EGT AG, obliegt nun als Alleinvorstand der EGT AG gemeinsam mit den Geschäftsführungskollegen der Tochtergesellschaften die Führung der Unternehmensgruppe.

Triberg und die EGT haben – auch über die Re-tung komplett auf Strom umgestellt. Im Mai gion hinaus – Wirtschaftsgeschichte geschrie-1896 gründet sich dann die EGT-Triberg (siehe ben. Begünstigt durch die örtliche Wasserkraft Infoblock S. 113). hatte Triberg bereits im Jahr 1884 als eine der In den vergangenen zwei Jahrzehnten indes ersten Städte Deutschlands die Straßenbeleuch-hat sich das Unternehmen stärker gewandelt

 

 

als je zuvor in der Firmengeschichte – denn die Zeiten haben sich geändert. Auf der Grundlage von EU-Richtlinien wurde in Deutschland 1998 der Strommarkt und 2004 der Gasmarkt liberalisiert. Die Kunden konnten nun Strom und Gas beim Anbieter ihrer Wahl beziehen.

EGT profitiert vom neuen Wettbewerb

Nur die großen Unternehmen werden überleben, Zusammenschlüsse werden nötig – so glaubte man in den Zeiten des Umbruchs. Viele Stadtwerke holten sich deswegen Partner ins Boot, am liebsten einen der großen Konzerne, von denen einige ihrerseits fusionierten und bald als EnBW, RWE, Eon und Vattenfall firmierten. Für die kommunalen Unternehmen sahen viele Beobachter schwarz, und so forderte der Deutsche Städtetag im Jahr nach der Marktöffnung die Bundesregierung auf, „das Sterben der Stadtwerke zu stoppen“.

Zwei Jahrzehnte später weiß man: Das Sterben der kommunalen Stromversorger ist

Der Slogan „Energie der Veränderung“ brachte auch eine neue Kuckucksuhr hervor: Das futuristische Design visualisiert, dass die EGT Triberg für die Energieversorgung der Zukunft bestens gerüstet ist.

ausgeblieben. Auch die EGT in Triberg bewältigte als einer der kleinen Versorger im Land die Marktöffnung gut. Und dies sogar während sie unabhängig blieb von den Stromkonzernen. Trotz ihrer überschaubaren Größe profitierte die EGT vielmehr vom neu geschaffenen Wettbewerb, denn sie konnte fortan auch außerhalb ihres angestammten Netzgebietes expandieren.

Rudolf Kastner (links) führte das Unternehmen seit 1993, formte die „neue EGT“. Seit seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Sommer 2019 wirkt er als Vorsitzender des Aufsichtsrates. Für die EGT AG zeichnet nun der bisherige Finanzvorstand-Vorstand Jens Buchholz verantwortlich (rechts).

 

 

Rudolf Kastner, der das Unternehmen seit 1993 führte, versichert im Rückblick auf die turbulente Zeit am Ende der Neunzigerjahre: „Ich hatte keine Bedenken um die EGT, als die Marktliberalisierung kam.“ Was er auch dadurch zum Ausdruck brachte, dass er nur kurz nach der Marktöffnung persönlich jene Geschäftsanteile der EGT übernahm, die die Gründerfamilie Linde zum Kauf anbot.

Im Sommer 2019 übergab der 67-Jährige nach 25-jähriger Tätigkeit an der Unternehmenspitze die Leitung an Finanzvorstand Jens Buchholz und die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften. Zugleich wechselte er in den Aufsichtsrat der EGT. Zu seinem Abschied aus der Geschäftsführung attestierten ihm Branchenexperten, er sei ein Visionär, Stratege und brillanter Denker – und ein „EGT-Urgestein“. Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) formulierte: „Er ist nicht nur Energieunternehmer, sondern auch Energiepolitiker – das meine ich im positiven Sinne.“

Dr. Hans Freiherr von Schoen, dessen Vorfahren die Gründung der EGT maßgeblich zu verdanken ist, beschrieb bei der Verabschiedung die Fähigkeit, Freundschaften zu schließen als eine der wichtigsten Eigenschaften des Menschen – Rudolf Kastner besitze sie.

Seine Karriere hatte der gebürtige Oberbayer Rudolf Kastner nach einem Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität München im Jahr 1977 beim Siemens-Konzern begonnen. Dort war er für Schaltanlagen und Großkraftwerke unter anderem im Nahen Osten, Südamerika und Süd-Ost-Asien zuständig.

Danach wechselte Rudolf Kastner zum Schweizer Energie- und Industriekonzern Elektrowatt AG. Dort war er in den zehn Jahren seiner Tätigkeit zuletzt Mitglied der Geschäftsleitung verschiedener Konzerngesellschaften im Bereich der Energiewirtschaft, so stellvertretender Vorstand beim Kraftwerk Laufenburg. Von 1993 bis 2019 führte Rudolf Kastner die EGT Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Triberg, deren Aufsichtsratsvorsitzender er heute ist.

Auch in Branchenverbänden engagierte sich Rudolf Kastner: Er war Präsident des Verbandes der Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg (VfEW) in Stuttgart und gehörte zum Vorstand des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin. Neu ist seine Berufung in die TOP JOB Jury. Mit dem TOP JOB-Siegel werden Unternehmen mit herausragenden Arbeitgeberqualitäten gekürt. Die Siegelvergabe basiert auf umfangreichen Mitarbeiterbefragungen zur Unternehmenskultur, die von der Universität St. Gallen durchgeführt und ausgewertet werden.

Leistungsstarkes Projektmanagement

Neben dem Kraftakt, die EGT aus Monopolstrukturen zu einem wettbewerbsfähigen Energiedienstleistungsunternehmen zu entwickeln, standen weitere Umbauten im Unternehmen an. Zum Beispiel konnte sich die EGT als einer

Verabschiedung aus dem Vorstand im Sommer 2019: Rudolf Kastner (Mitte) führte das Unternehmen seit 1993, formte die „neue EGT“. Jetzt wirkt er als einer der Gesellschafter der EGT AG als Vorsitzender des Aufsichtsrates. Das Foto zeigt ihn zusammen mit Dr. Hans Freiherr von Schoen (rechts) und Stefan von Schoen (links), deren Familie die Entstehung der EGT-Triberg zu verdanken ist und die bis heute zu den Gesellschaftern des Unternehmens zählt.

 

 

Die EGT-Zentrale in Triberg.

Ein Streiflicht auf die Geschichte der EGT

DAS MAGISCH-HELLE ELEKTRISCHE LICHT, das in den 1880er-Jahren die Eisengießerei Siedle in Triberg erleuchtet, weckt in den Tribergern den Wunsch nach einer elektrischen Straßenbeleuchtung. 1884 geht diese unter städtischer Regie in Betrieb – als eine der ersten in Deutschland überhaupt und die erste in öffentlicher Hand.

FRIEDRICH WILHELM VON SCHOEN, ein Freund von Richard Wagner und Kunstmäzen, sein Bruder, der Diplomat Wilhelm Eduard Freiherr von Schoen, Friedrich Kranich sowie Carl von Linde – Ingenieur, Erfinder und Kopf der Linde AG, gründen im Jahr 1896 gemeinsam mit der Firma Meißner & Co. die Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg. Erster Aufsichtsratsvorsitzender wird Friedrich Wilhelm von Schoen.

MIT DER KRAFT DES TRIBERGER WASSERFALLES

erzeugt die EGT im Oberen und Unteren Werk selbst elektrischen Strom, doch reicht dieser zur Versorgung des Absatzgebietes nicht aus: Der Bedarf explodiert geradezu. Als auch zusätzlich in Betrieb genommene Dampfmaschinen und große Dieselanlagen zur Sicherung des Bedarfs nicht mehr genügen, schließt sich die EGT im Jahr 1913 an das Versorgungsnetz des Kraftwerks Laufenburg an.

STÄNDIGE INVESTITIONEN IN DAS STROMNETZ

und die Krisenjahre im Gefolge des Ersten Weltkrieges veranlassen die Gründer, den Schulterschluss mit den Gemeinden in ihrem Versorgungsgebiet zu suchen: Neben Triberg werden auch Hornberg, Furtwangen, Schonach und St. Georgen mit Strom versorgt. Und 1922 beteiligen sich diese Kommunen mit insgesamt 50 Prozent am Stammkapital der EGT, die zweite Hälfte verbleibt in den Händen der Gründerfamilien.

Ende 2018 erweiterte die EGT den Aktionärskreis mit dem AlbWerk als strategischen Partner. Diese Transaktion wurde von Rudolf Kastner initiiert und umgesetzt. Private und kommunale Aktionäre sowie das AlbWerk halten seither jeweils ein Drittel der Anteile an der EGT.

 

 

Beim Neubau des Schwarzwald-Baar Klinikums in Villingen-Schwenningen, war die EGT Gebäudetechnik GmbH für die gesamte Stark- und Schwach-strominstallation sowie die Beleuchtung der OP-Bereiche verantwortlich.

der ganz wenigen Stromversorger in Deutschland über all die Jahre hinweg ein eigenes Elektroinstallationsunternehmen erhalten. Dieses allerdings sei bei seinem Amtsantritt „noch sehr handwerklich geprägt“ gewesen, erinnert sich der langjährige Firmenchef.

Diesen damaligen „Handwerksbetrieb“ baute Rudolf Kastner fortan zu einem leistungsstarken Projektmanagementunternehmen um. Er gründete die EGT Gebäudetechnik GmbH, die heute zu den führenden Unternehmen im Bereich Stark- und Schwachstrominstallationen zählt und deutschlandweit in der elektro- sowie informationstechnischen Gebäudeausrüstung tätig ist. Die Gebäudetechnik GmbH ist sowohl für Industrie- und Gewerbebetriebe als auch öffentliche Einrichtungen sowie Privatkunden im eigenen Stammgebiet tätig.

Bald rüsteten die Elektroinstallateure der EGT große, komplexe Bauvorhaben im deutschen Südwesten mit der nötigen Elektro- und Informationstechnik aus. Zum Tätigkeitsfeld gehören Lichtinstallationen, Steuerungen für das „intelligente Haus“, Brandmeldeanlagen, Daten- und Sicherheitstechnik sowie

Photovoltaik-Anlagen. Die

EGT Gebäudetechnik GmbH hat sich so zu einem der wichtigsten Standbeine der Unternehmensgruppe entwickelt und trägt zwischenzeitlich mehr als die Hälfte zum operativen Ergebnis der EGT bei. Oft hat sie in den vergangenen Jahren die gesteckten Ziele deutlich übertroffen.

Schwarzwald-Baar Klinikum gehört zu den Referenzprojekten

Zu den Referenzprojekten gehört beispielsweise der Neubau des Schwarzwald-Baar Klinikums in Villingen-Schwenningen, bei dem das Unternehmen für die gesamten Stark- und Schwachstrominstallation und die Beleuchtung der OP-Bereiche verantwortlich war. Auch im

Badeparadies Schwarzwald

in Titisee war die EGT enga

giert, indem sie Nieder- und

Mittelspannungsanlagen,

sowie Sicherheitstechnik in

stallierte, etwa Brandmelde-

und Alarmanlagen.

Dass die EGT aktuell auch ihren eigenen Neubau in St. Georgen zu einem Schaufenster der modernen Gebäudetechnik macht, ist da nur selbstverständlich. In dem dreigeschossigen, ovalförmigen Bau an der Bundesstraße wird künftig

Zukunftsweisend in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ist der Neubau der EGT Gebäudetechnik und von aquavilla in St. Georgen. Das High-tech-Gebäude wird nahezu vollständig mit Holz realisiert.

 

 

Vielfältiges Engagement für die Region

„Wir fühlen uns der Region und den Menschen, die hier wohnen, besonders verbunden. Deshalb setzen wir uns seit jeher für soziale sowie kulturelle Belange und ebenso die Unterstützung zahlreicher Sportvereine und Spitzensportler wie Aline Rotter-Focken ein“, so Rudolf Kastner, Aufsichtsratsvorsitzender der EGT AG und Vorstand Jens Buchholz.

Aline Rotter-Focken gilt als Deutschlands erfolgreichste Ringerin, wurde 2014 Weltmeisterin in der Gewichtsklasse bis 69 kg Körpergewicht, holte sich 2015 und erneut 2019 WM-Bronze und 2017 WM-Silber. „Sport ist pure Energie, also unser Spezialgebiet“ meint Jens Buchholz, Vorstand der EGT AG mit einem Augenzwinkern. „Wir freuen uns über die Bestleistungen von Aline und begleiten sie begeistert auf ihrem Weg zur Olympiade in Tokio.“

Bereits seit 2004 ist die EGT Sponsor des traditionsreichen Schwarzwaldpokals der Nordischen Kombinierer in Schonach. Für etwa ein Jahrzehnt förderte die EGT als Hauptsponsor den Bike-Marathon – seit 2011 tritt sie als Nebensponsor auf und freut sich über einen eigenen Cup, den EGT-Cross-Country Jugend Cup.

Für ihr Engagement wurde die Unternehmensgruppe bereits als „Partnerbetrieb des Spitzensports“ ausgezeichnet. Die so ausge

die EGT Gebäudetechnik zusammen mit der aquavillla untergebracht sein. Das Gebäude wird nahezu vollständig, inklusive Treppenhaus und Aufzugsschacht, in Massiv-Brettschichtholz-Technik ausgeführt. Auch in der Fassade ist der Baustoff Holz erlebbar. Im Inneren steckt Hightech zum Anfassen.

Der erste Spatenstich erfolgte im Februar 2018, im Juni 2019 war Richtfest. „Neben der sehr auffälligen Optik ist vor allem die Energiebilanz mit einem sehr hohen Grad an Energieeffizienz und Eigenversorgung auf regenerativer Basis herausragend“, betont das Unternehmen. Dies sei „passend zur neuen strategischen Aus-zeichneten Unternehmen stellen Ausbildungsplätze zur Verfügung, die Spitzensportlern die Möglichkeit geben, ihre Ausbildung mit den internationalen Trainings- und Wettkampfverpflichtungen zu vereinbaren.

Rudolf Kastner und Jens Buchholz von der EGT mit der Ringerin Aline Rotter-Focken.

Weiter fördert die EGT u.a. Bildungspartnerschaften mit Schulen. Vorstand Jens Buchholz: „Wir unterstützen mit der EGT Regio-Prämie bürgernahe Projekte, fördern Vereine, gemeinnützige Organisationen und regionale Veranstaltungen. Des Weiteren setzen wir uns seit vielen Jahren für die Rehabilitationsklinik Katharinenhöhe und damit für krebs- und herzkranke Kinder und Jugendliche ein.“

richtung der EGT.“ Fünf Millionen Euro investiert die EGT in das „Vorzeigeobjekt hinsichtlich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit“.

Richtungsweisende Entscheidungen – Einstieg in die Gasversorgung

Längst profitiert das Unternehmen von frühzeitigen und richtungsweisenden Entscheidungen. Speziell jener aus den Achtzigerjahren, ein Gasnetz in den Gemeinden aufzubauen, die zugleich Gesellschafter der EGT sind. Seit 1983 hat die EGT Energie GmbH ihr Gasversorgungsnetz im westlichen Schwarzwald-Baar-Kreis, im Or-

 

 

tenaukreis und im Landkreis Rottweil stetig erweitert. Für über 6.000 Hausanschlüsse wurden mehr als 390 Kilometer Rohrleitungen verlegt und instand gehalten.

Seit 2009 unterstützt die EGT Energie GmbH zudem die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) im Rahmen einer Kooperation und übernimmt dabei die technische Leitung der Gasversorgungsnetze Wembach und Schönau im Südschwarzwald.

Der damalige Geschäftsführer Michael Weinmann hatte zudem das Mittelspannungsnetz, das zuvor in vielfältige Zweige unterschiedlicher Spannung zersplittert war, auf die zwischenzeitlich gängige Spannungsebene von 20 Kilovolt vereinheitlicht. Das sparte Kosten, weil Sonderanfertigungen von Transformatoren für 15 oder 5 Kilovolt stets teuer waren.

Als dann kurz vor der Jahrtausendwende der Markt auf die Branche hereinbrach, hatte das Unternehmen gute Startbedingungen. Und weil die EGT mit ihrem eigenen Installationsbetrieb – anders als viele andere Versorger

– auch einen marktwirtschaftlichen Zweig stets in der Gruppe hatte, bewältigte sie den Kulturwandel in der Branche gut.

Der große Erfolg des Stromvertriebs wurde dem Unternehmen später allerdings fast zum Verhängnis. Es war die einzige große Krise, die die EGT in den letzten zwei Jahrzehnten durchzustehen hatte – nämlich jene der Jahre 2008 und 2009, die dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers folgte.

Mit der EGT Gebäudetechnik GmbH zählt die EGT zu den führenden Unternehmen im Bereich der Stark- und Schwachstrominstallationen.

 

 

Die durch die amerikanische Schuldenwirtschaft ausgelöste Finanzkrise hatte schnell viele deutsche Unternehmen der Realwirtschaft erfasst. Besonders die Automotive-Branche geriet in zwar nur kurze, aber umso heftigere Turbulenzen. Und da im Schwarzwald viele Automobil-Zulieferer ansässig sind, traf die Entwicklung die EGT, die entsprechende Strommengen vorab eingekauft hatte, und nun auf diesen sitzen blieb. Aber nicht nur in der Region, auch deutschlandweit war das Unternehmen im Vertrieb zuvor enorm erfolgreich gewesen: „Wir standen zeitweise auf Platz zehn der größten Stromvertriebe in Deutschland“, unterstreicht Rudolf Kastner.

Das erwies sich dann als gefährliches Klumpenrisiko, als die Stromabnahme einbrach. Besonders fatal: Auch andere Stromhändler und -lieferanten hatten das gleiche Problem, so dass zugleich die Preise am Strommarkt kollabierten. Kilowattstunden, die die EGT und andere Stromlieferanten frühzeitig für das Jahr 2009 eingekauft hatten, verloren rapide an Wert. Nur mit massiven Verlusten ließen sich die nicht benötigten Kontingente wieder verkaufen.

Heute, so ist Rudolf Kastner überzeugt, seien solche Turbulenzen bei der EGT ausgeschlossen. Zum einen befinden sich im Portfolio der EGT im Vergleich zum Zeitraum der Wirtschaftskrise mehrheitlich kleinere und mittlere Gewerbe-

Die Geschäftsbereiche der EGT sind vielgestaltig, gesamtheitlich hat sich die Gruppe in den drei Bereichen Energieservice, Energienetze und Elektro- und Informationstechnische Gebäudeausrüstung etabliert.

und Industriekunden aus allen Branchen, zum anderen verkauft die EGT Kunden mit größeren Energiebezugsmengen heute keinen Strom mehr zu Festpreisen. Die Preise orientieren sich zwischenzeitlich stets am Spotmarkt und sind somit variabel. Als Lieferant sei man damit von den Preisrisiken nahezu entkoppelt.

Mit diesem Prinzip war die EGT auch Vorreiter bei der Belieferung von kleineren und mittleren Unternehmen, so Rudolf Kastner. Das Geschäftsrisiko mehrjähriger Lieferverträge für größere Energiemengen zum Festpreis, das die EGT durch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in höchste Bedrängnis brachte, wurde so nachhaltig auf ein absolutes Minimum reduziert.

Gründung der aquavilla GmbH

Schon Jahre zuvor hatte die EGT sich auch auf neue Geschäftsfelder gewagt. Etwa, als die Konzerntochter EGT Energie GmbH zum Jahresbeginn 2003 zusammen mit den Kommunen Furtwangen, Königsfeld, Triberg und Vöhrenbach die aquavilla GmbH gründete. Inzwischen gehören

 

 

Die Sicherung der Trinkwasserversorgung ist komplex, hier ein Pumpwerk in Furtwangen. Im westlichen Schwarzwald-Baar-Kreis haben die Gemeinden diese Aufgabe an die aquavilla der EGT delegiert.

auch die Gemeinden Schönwald, Schonach und St. Georgen zu den Gesellschaftern.

Das Unternehmen betreibt die Wasserversorgung der sieben beteiligten Kommunen in technischer Hinsicht und ist damit für etwa

45.000 Einwohner in einem Gebiet von fast 390 Quadratkilometern verantwortlich. Die aquavilla betreut 45 Hochbehälter mit über 84 Wasserkammern und ca. 20.354 m³ Speichervolumen. Weiter u. a. 11.400 Hausanschlüsse und Wasserzähler, 205 Quellen sowie 19 Wasseraufbereitungsanlagen/Wasserwerke. Zudem berät die Firma auch Eigenversorger mit kleinen Wasserversorgungsanlagen, zum Beispiel bei der Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung. Das Dienstleistungsangebot ist sehr vielfältig und reicht vom Rohrleitungsbau bis hin zur Entnahme von Wasserproben.

Tankstellen für die neue Mobilität

Darüberhinaus engagiert sich die EGT auch in der Elektro- und Erdgas-Mobilität. Die erste öffentliche EGT-Elektro-Ladesäule wurde am

6. September 2016 im Parkhaus Triberg eingeweiht. Mittlerweile hat die EGT ihr Ziel erreicht, in jeder Gemeinde des Netzgebietes mindestens eine Elektro-Tankstelle zu installieren.

Die EGT betreibt weiter eine Erdgastankstelle in Triberg, versorgt mit 100 % Bioerdgas.

Beteiligung an der Oxygen Technologies GmbH

Und weil sich die deutsche Stromwirtschaft mit dem Wachstum der erneuerbaren Energien, dem Atomausstieg und dem Rückgang der Kohleverstromung in den kommenden Jahren weiterhin massiv verändern wird, suchte die EGT auch nach einem neuen Partner aus der neuen Energiewelt. Im April 2018 konnten die Triberger eine zukunftsweisende Akquisition bekanntgeben: Sie beteiligte sich an dem Freiburger Start-up Oxygen Technologies GmbH.

Das Unternehmen ist eine Ausgründung des Fraunhofer ISE und der Universität Freiburg. Sein Geschäftsmodell zielt darauf, die Chancen der Digitalisierung für die Bürgerenergiewende zu nutzen. Oxygen bietet sowohl für die Eigenverbrauchsoptimierung als auch für die komplexen energiewirtschaftlichen und technischen

 

 

Prozesse bei der Vermarktung
Intelligente Stromzähler ermögvon Strom aus dezentralen lichen es, kontinuierlich die Ver-Kleinanlagen eine Steuerungs-brauchsdaten an die EGT zu übertragen.

software und digitale Handelsplattformen an.

Attraktiv wird ein solches Konzept, weil inzwischen mehr ben und andererseits Akteure als 40 Prozent der installierten der Energieversorgung zu sein. Leistung zur Stromerzeugung Die Unternehmen sprechen von aus regenerativen Erzeugungs-einem „Peer-to-Peer-Handel“, anlagen im Besitz von Privat-der sich dadurch auszeichnet,

personen und Landwirten kommen. Mehr als eineinhalb Millionen kleine Bürgerkraftwerke produzieren Ökostrom und speisen diesen ins Netz ein. Die Zeiten, da es nur wenige große Stromerzeuger in Deutschland gab, sind endgültig vorbei. Der neue Akteur der Branche ist der „Prosumer“, der gleichermaßen, das heißt im stetigen Wechsel, Produzent und Konsument von Strom ist.

Bislang noch wird der Strom aus den vielen Privatanlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet. Doch das wird zum Teil nicht mehr lange so bleiben. Ab Anfang 2021 fallen nach 20 Jahren die ersten Anlagen aus der EEG-Förderung und jedes Jahr kommen weitere hinzu. Das hat zur Folge, dass in zunehmendem Maße auch Kleinanlagenbesitzer ihren Strom selbst vermarkten oder speichern und verbrauchen müssen. Die dafür nötigen Strukturen sollen nun von der EGT gemeinsam mit Oxygen entwickelt werden.

Damit soll es für die Kunden möglich werden, einerseits ihre Erzeugungsanlagen auch nach Auslaufen der Förderung durch das EEG sinnvoll weiter zu betrei-

Die EGT bietet die einzige Bio-Erdgas-Tankstelle im Raum

Triberg an.

dass die Handelspartner gleichberechtigt in einem dezentralen Netzwerk agieren ohne zentrale Vermittlungsinstanz wie etwa eine Börse.

Neue Chancen schaffen

Bei der EGT ist man davon überzeugt, dass die drei Phänomene „Dezentralisierung, Digitalisierung und Dekarbonisierung“ die Zukunft der Branche prägen werden. Und so will das Unternehmen für die Kunden „ein Realisierungspartner für CO₂-arme Energieversorgungskonzepte für Strom, Wärme und Kälte mit maximalem Autarkiegrad“ sein. Es gelte, „aus den vermeintlichen Bedrohungen der alten Energiewirtschaft neue Chancen zu schaffen.“ So klingt ein Optimismus durch, der in Zeiten der Energiewende nicht selbstverständlich ist. Diese Offenheit für neue Entwicklungen spiegelt übrigens auch der Firmenslogan der EGT wider: „Energie der Veränderung“.

 

 

Mit einem Verschleißring fing alles an

Die Firma Granacher Präzisionstechnik aus St. Georgen ist einer von 400 zertifizierten Zulieferern für die Luft- und Raumfahrtindustrie weltweit. Den Weg dazu ebnete Firmengründer Ewald Granacher vor mehr als 50 Jahren.

von Roland Sprich

120 Wirtschaft

Qualität und Liefertreue haben bei der Firma Granacher Präzisionstechnik aus St. Georgen eine besondere Bedeutung. Seit mehr als 50 Jahren produziert das Unternehmen ein Bauteil, das Firmengrün der Ewald Granacher einst zum großen Durchbruch verholfen hat: Ein Verschleiß ring, unscheinbar in der Optik, hochpräzise gefertigt und für die Funktion von Hydrau liksystemen unverzichtbar. Mit den Ringen werden beispielsweise in Flugzeugen die Landeklappen, das Höhen- und Seiten ruder, die Treibstoffpumpen und das Fahr werk gesteuert. Die „Manufaktur mit Seri enfertigung“, so Granacher über Granacher, fertigt nach DIN 9100 sowie DIN 9001. Das Unternehmen ist Lieferant der Luft-, Raumfahrt- und Medizintechnik sowie des Rennsports.

 

 

Ewald Granacher, Unternehmensgründer

Wann immer ein Verkehrsflugzeug am Himmel zu sehen ist, der Rettungshubschrauber zum nächsten Einsatz fliegt oder Rennwagen mit 300 Stundenkilometern um den Sieg fahren, kann man davon ausgehen, dass Bauteile von Granacher Präzisionstechnik mit dabei sind. „Von unseren Produkten hängen Menschenleben ab“, bringt es Stefan Granacher auf den Punkt. Der Sohn des Unternehmensgründers ist gemeinsam mit seiner Frau Silke heutiger Geschäftsführer. Er legt diesen Satz jedem Mitarbeiter ans Herz, damit diese sich wiederum ihrer Verantwortung bei der Herstellung der hochpräzisen Komponenten bewusst sind. Denn das Unternehmen stellt etliche Komponenten her, die in der Luft- und Raumfahrttechnik ebenso benötigt werden wie im Automobilrennsport. Fehler können hier besonders schwerwiegende Folgen haben. Deshalb ist es für Stefan Granacher wichtig, dass die Mitarbeiter zum Unternehmen passen. Neben dem handwerklichen Know-how müssen sie das entsprechende Feuer und vor allem auch Leidenschaft mitbringen. „Ich brauche Mitarbeiter, die brennen, die ebenso zur Luftfahrtfamilie gehören wollen wie ich selbst.“

Bis die Granacher Präzisionstechnik dort ankam, wo sie heute steht, war es ein langer und ehrgeiziger Weg. Alles begann in einer Garage:

Ewald Granacher war Bohrwerksdreher bei der St.Georgener Firma Heinemann, einem einst weltweit bedeutenden

Hersteller von Spezialdreh- und Fräsmaschinen. Er machte sich 1968 mit der Herstellung von elektromechanischen Bauteilen

für die heimische Feinwerktechnik- und Uhrenin

dustrie in der Garage seines Wohnhauses mit seiner Frau Rosemarie in St. Georgen selbstständig.

Schwarzwälder Tüftlergeist

Der hohe Qualitätsstandard, den Ewald Granacher lieferte, sprach sich herum. Die Aufträge wurden mehr, und eines Tages wurde ein bedeutendes Luftfahrtunternehmen auf den kleinen Betrieb im Schwarzwald aufmerksam. Ewald Granacher wurde damit beauftragt, einen Verschleißring für Hydraulikpumpen von hoher Präzision und vor allem gleichbleibender Qualität herzustellen. Andere, größere Betriebe scheiterten an der Aufgabe. Ewald Granacher bekam das mit seinem Fachwissen und Schwarzwälder Tüftlergeist hin. Und wurde so zu einem wichtigen Lieferanten für die Luftfahrtindustrie. Bis heute fertigt das Unter-

Neubau der Granacher Präzisionstechnik im Gewerbegebiet Hagenmoos.

 

 

nehmen diese Hydraulikbauteile, ohne die sich beispielsweise Passagierflugzeuge nicht in die Lüfte abheben könnten.

Doch auf der Produktion von Verschleißringen ruhte sich Ewald Granacher selbstverständlich nicht aus. Stetig wurde der Maschinenpark erweitert. Als Ewald Granacher 1981 die erste CNC-gesteuerte Drehmaschine anschaffte, konnten einerseits der hohe Qualitätsstandard gehalten und andererseits neue Aufgabenfelder erschlossen werden. Damit einhergehend wuchs auch die Zahl der Mitarbeiter. Gleichzeitig wurden die Räume immer beengter. 1981 zog die Firma um in ein kleines Fabrikgebäude im Döbele, am Rand von St. Georgen. 2002 wurden dort durch einen Anbau die Betriebsräume erweitert. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte das Unternehmen 15 Mitarbeiter.

Spezialdienstleister in der Zerspanungstechnik

Heute ist mit Stefan Granacher die zweite Generation in der Verantwortung des Familienunternehmens. Die Fabrik im Döbele ist mittlerweile Geschichte. Seit 2016 firmiert Granacher Präzisionstechnik in einem modernen, auf rund 1.600 Quadratmetern produzierenden Neubau im Gewerbegebiet Hagenmoos. Dort reiht sich das Unternehmen in die wachsende Liste anderer Global Player ein, die in dem größten St. Georgener Gewerbegebiet produzieren. An die Anfänge seines Vaters erinnert bis heute eine Stoppuhr, die eingerahmt an der Wand im Büro von Stefan Granacher hängt. „Damit hat mein Vater die Produktionszeiten gestoppt. Immer auf der Suche nach Optimierung.“

Wir machen das, was andere nicht können.

Das Unternehmen, das aktuell 27 Mitarbeiter beschäftigt, sieht sich heute mehr denn je als Spezialdienstleister im Bereich der Zerspanungstechnik. Je komplizierter die Anforderung, desto größer der Ansporn für die Mitarbeiter, das Problem zur vollsten Kundenzufriedenheit zu lösen. „Wir machen das, was andere nicht können“, fasst Stefan Granacher die Unternehmensphilosophie zusammen. So gehören beispielsweise eckige Drehteile zu den Spezialaufgaben des Unternehmens. Auch andere hochkomplexe Teile aus unterschiedlichen Materialien wie Stahl, Edelstahl, Kupfer, Bronze, Kunststoffen oder Materialkombinationen und Beschichtungen mit einem Durchmesser von 0,5 bis 120 Millimeter stellen für die Firma kein Problem dar. Dabei hat das Unternehmen eine hohe Fertigungstiefe. Lediglich Spezialbehandlungen gibt Granacher außer Haus. Hier sind es wiederum in erster Linie Teile für die Luftfahrtindustrie, wo bestimmte Lacke und Beschichtungen hohen Temperaturunterschieden von 45 Grad bis zu minus 50 Grad standhalten müssen. „Anschließend wird jedes einzelne Teil in der Qualitätskontrolle geprüft und sorgfältig dokumentiert“, betont Stefan Granacher. Auf die Qualitätskontrolle legt Granacher Präzisionstechnik großen Wert. Die

Blick in die Fertigung.

 

 

Präzisionsteile aus der „Manufaktur mit Serienfertigung“.

Mitarbeiter werden regelmäßig an modernsten Prüfmethoden weitergebildet.

Manufaktur mit Serienfertigung

Zum Kundenportfolio gehören auch Kunden aus der Industrie und dem Bereich Elektromobilität. Bei letzterer setzt Granacher durch die stetig wachsende Elektromobilität auf eine steigende Auftragslage. Eine Besonderheit des Unternehmens ist, dass Granacher Präzisionstechnik auch den Kundenwunsch nach kleinsten Losgrößen erfüllen kann. „Wir stellen auf Kundenwunsch auch nur ein Stück eines Produktes her“, sagt der Inhaber, weshalb er das Unternehmen auch eher als „Manufaktur mit Serienfertigung“ sieht. Meist sind es jedoch Kleinserien, die auf den modernen Dreh- und Fräsmaschinen produziert werden. Dies wiederum erfordert auch von den Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität, die die Maschinen häufig neu rüsten müssen. Hier ist Qualifikation gefragt. Deshalb setzt Granacher alles daran, seine Mitarbeiter und damit das Know-how im Hause zu halten. Auch der Standort Deutschland hat für ihn hohe Bedeutung. Selbst nur Teile seiner Produktion ins Ausland zu verlagern, käme für ihn schon aus Qualitätsgründen nie in Frage.

Ein Ziel, das sich Stefan kunft setzt, ist es, selbst künftige Fachkräfte auszubilden. „Die duale Berufsausbildung in Deutschland ist eine der besten“, weiß er. Und eines Tages will er wieder etwas davon zurückgeben, wovon er bis heute profitiert. Nämlich von gut ausgebildeten Fachkräften, die seinen eigenen Qualitätsanspruch umsetzen.

So wichtig wie höchste Kundenzufriedenheit, was Granacher mit Qualität und Liefertreue erreicht, ist dem Unternehmer auch das Thema Nachhaltigkeit. So werden die fertigen Teile einzeln und in Mehrfachverpackungen an den Kunden gesendet, die zurückgeschickt und anschließend wieder verwendet werden.

Unternehmensnachfolge bereits geregelt

Zwar denkt Stefan Granacher noch lange nicht an Ruhestand. Dennoch ist der heute 51-Jährige in der glücklichen Lage, die Nachfolge für sein Un

ternehmen bereits geregelt zu haben. Die älteste Tochter Katharina ist bereits im Unternehmen tätig. Sie ist gelernte Industriekauf

frau und studiert aktuell Betriebswirtschafslehre. Auch Sohn Tobias, gelernter Industriemechaniker, wird in das Unternehmen einsteigen. Seit September ist

Schwiegersohn Jonas King ebenfalls im Unternehmen und wird zusammen mit Stefan Granacher die Geschäfts-

Granacher für die nahe Zu-Stefan Granacher leitung übernehmen.

 

 

Impressionen: Von der Konstruktion bis zur Qualitätskontrolle.

 

 

B+B Thermo-Technik Donaueschinger Schmiede streckt weltweit ihre Fühler aus

Vor 36 Jahren gründete Rudolf Boll das Unternehmen B+B Thermo-Technik GmbH in Allmendshofen. Boll und ein Mitstreiter hatten damals den richtigen Riecher und besetzten mit ihrer Firma eine lukrative Marktlücke: Messtechnik und Sensoren.

von Jens Fröhlich

Was mit Steckverbindungen für Thermoelemente, Messlösungen und Elektronikbauteilen im kleinen Rahmen im Donaueschinger Ortsteil begann, entwickelte sich rasch zu einer echten Erfolgsgeschichte. Solche Bauteile werden in nahezu allen Bereichen benötigt. Gerade in der heutigen, vernetzten und technisierten Welt sind sie wichtiger denn je. Nur vier Jahre nach der Gründung expandierte das familiengeführte Unternehmen zum ersten Mal und zog in das neue Gebäude an der Heinrich-Hertz-Straße in Donaueschingen um. Mit dem raschen Wachstum in den Folgejahren wurden nach und nach neue Erweiterungen des Firmengebäudes nötig. Mittlerweile beschäftigt B+B Thermo-Technik 125 Mitarbeiter. Im Jahr 2018 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 12 Millionen Euro.

 

 

Das Portfolio von B+B Thermo-Technik umfasst mehrere tausend Produkte denen Temperaturen, Feuchte, Druck, Gas oder Helligkeit gemessen wird. Weitere Standorte in der ganzen Welt wurden aufgebaut. 2019 ist die Produktion in einem neuen Werk in Serbien angelaufen. Vor wenigen Jahren wurde auch ein Generationenwechsel eingeläutet, der sich auf einem guten Weg befindet: Firmengründer Rudolf Boll und seine beiden Töchter Evamaria Boll-Scholte van Mast und Kim-Chantal Boll führen den Betrieb nun Hand in Hand. 2019 wurde das 35-jährige Bestehen mit einem großen Sommerfest für alle Mitarbeiter und ihre Familien im Parkrestaurant in Donaueschingen gefeiert. Seither ziert ein von den Auszubildenden angefertigter Zeitstrahl die B+B-Erfolgsgeschichte im Gemeinschaftsraum. Hier werden die wichtigsten Stationen der Entwicklung dokumentiert.

und Lösungen für fast alle Branchen, in und Lösungen aus Donaueschingen finden nicht selten in der Automobilbranche, im Maschinen-bau, in der Medizintechnik, der Biotechnologie, der Pharmazie und der Umwelttechnik Verwen-dung. Auch in vielen Haushaltsgeräten sind

Sensoren in Hülle und Fülle

Seit 1984 entwickelt und produziert B+B Thermo-Technik erfolgreich Thermoelement-Steckverbinder, Temperatur-, Feuchtigkeits- sowie Druck- oder Gassonden. Die Anwendungsbereiche sind kaum zu überschauen. Die Bauteile

Die Temperaturfühler mit Anschlusskopf werden zur Temperaturmessung hauptsächlich in flüssigen und gasförmigen Medien bei Temperaturen bis 1.100°C eingesetzt.

B+B-Sensoren verbaut. „Weiße Ware“ lautet der Fachbegriff für Geräte wie Backöfen, Geschirrspüler oder Waschmaschinen.

Weitere Einsatzgebiete sind die Lebensmitteltechnik und die Gebäudetechnik. Letzterer Bereich umfasst neben Heizungs- und Lüftungstechnik auch den Wachstumsmarkt der Hausautomation. Viele Hersteller schwören auf die

Geschäftsführer und Firmengründer Rudolf Boll und seine zwei Töchter Evamaria Boll-Scholte van Mast (rechts) und Kim-Chantal Boll (links) führen das Unternehmen heute gemeinsam.

 

 

Sensoren aus dem Hause B+B Thermo-Technik. Zum Kundenkreis zählen namhafte Unternehmen wie Liebherr, Buderus, Audi, BMW und Bombardier.

Internet-Pionier

Nicht nur Gerätehersteller vertrauen auf die Qualität, sondern auch große Elektronik-Versandhäuser wie Conrad Elektronik und Reichelt haben Produkte und Bauteile aus Donaueschingen im Programm und verkaufen diese an ihre eigenen Kunden weiter. Als ein Vorreiter der Branche erkannte Boll bereits 1999 das Potenzial des Internets und wagte eigene Gehversuche mit einem ersten Internetshop. 2019 feierte der Online-Shop
www.temperatur-shop.de
seinen bereits 20. Geburtstag. Heute lautet die offizielle Shop-Adresse
shop.bb-sensors.com
.

Schnell stellten sich nach dem Start erste Erfolge ein. Der Umsatz aus dem Online-Handel stieg von Jahr zu Jahr. Von 2016 auf 2017 verdoppelte er sich. 2015 wurde der Online-Shop grundlegend erneuert. Ende 2018 folgte eine weitere Auffrischung. Die Seite ist in einem übersichtlichen Design sowie in deutscher und englischer Sprache abrufbar. Rund 1.000 Produkte können im Warenkorb abgelegt und bequem bezahlt werden. Seit geraumer Zeit trägt der Shop das Gütesiegel des Unternehmens TrustedShops, das die B+B-Plattform regelmäßig prüft und zertifiziert. Dies sorgt für ein sicheres Einkaufserlebnis und Datensicherheit. Bei Kundenbewertungen über TrustedShops erreicht B+B Thermo-Technik ein sehr gutes Ergebnis mit 4,88 von fünf möglichen Punkten.

Den erfolgreichen Internet-Shop gibt es bereits seit 20 Jahren.

Der Firmensitz in Donaueschingen.

 

 

Das Labor ist ein ESD geschützter Bereich. ESD steht im Englischen für electrostatic discharge, was auf Deutsch elektrostatische Entladung bedeutet. Mitarbeiter tragen daher spezielle Arbeitskleidung und müssen sich vor dem Betreten des Raumes auf einer Metallplatte „entladen“ lassen. Ansonsten könnten sensible elektronische Bauelemente beschädigt und Messergebnisse verfälscht werden.

Einträge wie „Alles super, gerne wieder“ und „Schnelle Lieferung“ sind dort nicht selten zu lesen. Auch Kommentare wie „Chat war sehr hilfreich“, „Die Geräte kann ich nur wärmstens empfehlen“ und „Sehr, sehr guter Anbieter“ bestätigen das Unternehmen auf dem eingeschlagenen Weg.

Mittlerweile macht der Online-Handel bis zu zehn Prozent vom Umsatz aus. Dem Wachstumsbereich wurde Rechnung getragen und ein separates Shop-Lager eingerichtet. 60 bis 70 Pakete verlassen pro Woche die hauseigene Versandabteilung.

Spezialisierung auf individuelle Lösungen

Warum sich die Produkte von der Baar trotz starker Konkurrenz so erfolgreich am Markt behaupten, lässt sich an mehreren Faktoren festmachen. Zum einen haben sich die Sensor-Spezialisten einen hohen Qualitätsanspruch auferlegt und versuchen nach der Null-Fehler-Philosophie zu produzieren. In den Jahren 2000, 2003, 2006 und 2013 wurden verschiedene Zertifizierungen absolviert. Ein internes Fehler-Erkennungssystem gewährleistet, dass nur einwandfreie Produkte das Haus verlassen.

Eine breite Produktpalette, moderne Produktionsverfahren, Fachkompetenz und langjährige Erfahrung zeichnen B+B Thermo-Technik zusätzlich aus. Die Kundenorientierung spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Getreu dem firmeneigenen Motto „Creating Measurement Solutions“, hat sich das Familienunternehmen in den letzten Jahren verstärkt auf individuelle Lösungen für seine Kunden spezialisiert.

Kaum ein Wunsch, der nicht realisierbar ist. Existiert ein vom Kunde benötigtes Produkt noch nicht am Markt, wird es kurzerhand und in Abstimmung mit dem Kunden entwickelt. Dafür ist die hauseigene Entwicklungsabteilung mit sechs Ingenieuren, zwei Labor-Mitarbeitern sowie einem Produktmanager zuständig.

Eigene Ideen sollen aber gleichfalls nicht zu kurz kommen. Diese entstehen häufig gemeinsam und im Austausch zwischen den einzelnen Abteilungen – dem Vertrieb, der Entwicklung und der Produktion.

 

 

2019 baute B+B Thermo-Technik den neuen Produktionsstandort in Serbien. 2020 sollen Teile der Produktion hierher ausgelagert werden und den Hauptstandort in Donaueschingen entlasten.

Technologischer Wandel

Wie wichtig eigene Innovationen sind, lässt sich am technologischen Wandel aufzeigen. Auch das mittelständische Familienunternehmen musste sich in den letzten Jahren auf diesen Wandel und die Industrie 4.0 einlassen, chen es, Temperatur, Feuchte, Druck und auch Helligkeit zu messen und kabellos zu übertragen. Die Daten sind bequem über einen Computer, ein Tablet oder auch mit einem Smartphone abrufbar. Über Funktechnologie können Nutzer

auch alarmiert werden, sobald

um den Anschluss nicht zu verlieren. So
Messwerte über- oder unter-entstand zum Beispiel die neue Wireless schritten werden. Produktreihe „kiro“. B+B Thermo-Technik kombiniert damit Weltweites Netzwerk ihr Fachgebiet der Der Erfolg der letzten Jah-Messtechnik mit re sorgte aber auch dafür, zukunftsweisenden dass das Unternehmen am Technologien. Diese Standort Donaueschingen Produkte ermögli-immer wieder anbauen und

sich vergrößern konnte. Mittlerweile sind die Möglichkeiten und freien Flächen auf dem Grundstück nahe-

Der kiro solo Datenlog

zu ausgereizt. Um sich am

ger übermittelt seine Messwerte egal ob Tem-Hauptstandort wieder Luft zu peratur, Feuchte, Druck verschaffen, werden momenoder Licht per WLAN. tan Teile der Produktion nach

 

 

Absolutdrücken in Flüssigkeiten oder Gasen.

B+B liefert die passenden Produkte für die Gebäude-technik, z.B. Temperatur-, Feuchte- und Druckfühler.

Drucksensoren sind ideal zur Messung von statischen und dynamischen Relativ- und

 

 

Serbien ausgelagert. Dort hat B+B einen neuen Standort aufgebaut, der Ende 2019 in Betrieb ging. Rund 20 Mitarbeiter sollen dort schon bald die Arbeit aufnehmen. Bereits im Jahr 2010 gründete man in Chongqing in China eine Produktionsstätte unter dem Namen B+B Industrial Automation Chongqing. 20 Mitarbeiter erledigen hier Vorarbeiten und fertigen zum Beispiel Gehäuse.

Um auf dem internationalen Markt neue Kunden zu gewinnen und bestehende Partnerschaften besser betreuen zu können, wurden nach und nach Vertriebsstandorte gegründet. Bereits seit 2003 sind zwei Mitarbeiter in der Zweigniederlassung „B+B Thermo-Techniek“ in den Niederlanden für das Donaueschinger Unternehmen tätig. 2018 kam der Vertriebsstandort in Hongkong hinzu. Von hier aus betreuen bis zu drei Mitarbeiter den asiatischen Markt. Weitere Standorte weltweit sind in Planung.

Erfolgreicher Generationenwechsel

Wie in vielen familiengeführten Unternehmen ist auch bei B+B Thermo-Technik ein Generationenwechsel irgendwann unausweichlich. Doch anders als in vielen anderen deutschen Betrieben scheint dieser Wechsel gut zu funktionieren. 30 Jahre lang hielt Firmengründer Rudolf Boll die Firma allein verantwortlich auf Kurs. Mit Weitsicht leitete der heute 70-Jährige vor fünf Jahren einen sanften Übergang im Familienbetrieb ein und berief seine Tochter Kim-Chantal Boll im Oktober 2014 in die Geschäftsführung. Nur drei Jahre später wagte auch die zweite Tochter Evamaria Boll-Scholte van Mast diesen Schritt. Die 31-Jährige nahm Ende 2017 neben ihrem Vater und ihrer zwei Jahre älteren Schwester in der Geschäftsleitung Platz, nachdem sie sich zuvor zwei Jahre im Unternehmen eingearbeitet hatte. Seither teilen sich die drei Geschäftsführer die Aufgaben. Ein großer Vorteil bei Familienbetrieben sind die kurzen Entscheidungswege.

kombinierten Tempera-tur-, Gas- und Druck-messung.

 

 

Die Gasentnahmesonde Eco TGD eignet sich zur

Motivierte Mitarbeiter

Doch ein Unternehmen mit kompetenter Führungsspitze ist nur erfolgreich, wenn auch die Mitarbeiter motiviert sind. Daher wird im Hause ein kollegialer Führungsstil gepflegt und viel für die Zufriedenheit der Mitarbeiter getan. Bei jedem Monats-Umsatzrekord steigt in einer Mittagspause ein „Gipfelschmaus“. Ein Hähnchenwagen verköstigt dann kostenlos die gesamte Belegschaft im Innenhof. „Wir wollen die Mitarbeiter dazu motivieren, immer besser zu werden und im Team gemeinsam gut zu arbeiten. Für diese Leistung erhalten sie große Anerkennung von uns und werden mit einem leckeren Mittagessen belohnt“, so Evamaria Boll-Scholte van Mast. Auch das jährlich stattfindende Biergartenfest im Sommer ist beliebt. Bei der traditionellen Weihnachtsfeier verbringen Mitarbeiter und Geschäftsleitung einen Abend mit gutem Essen und bei weihnachtlicher Atmosphäre. Für den letzten Arbeitstag vor den betrieblichen Weihnachtsferien wird zudem eine Tombola organisiert, bei der jedem Mitarbeiter ein kleines Weihnachtspräsent überreicht wird. „Jahr für Jahr freuen wir uns wieder auf diese Ereignisse. Es macht immer sehr viel Spaß und wir bekommen nur positive Rückmeldungen von den Mitarbeitern“, erzählt Kim-Chantal Boll. Auch Angebote wie das Jobrad und ein Gleitzeitmodell werden gerne von den Angestellten genutzt. Kostenlose Obstkörbe, die überall im Firmengebäude verteilt stehen, sind immer schnell leergefegt.

Unten: Blick in die Produktion.

 

 

Traditionsunternehmen mit großer Innovationskraft Wein-Riegger in Villingen hat auch einen klangvollen Namen in der Whisky- und Rumszene

Wo „flüssiges Gold“ aus Schottland und Mittelamerika sprich Whisky und Rum in großen Fässern und Mengen lagert im Depot, genannt „Warehouse Hall of Angels‘ Share , von Wein-Riegger in VS-Villingen. Oben Olaf Lauinger (links) mit Sohn Christopher Lauinger.

 

 

Seit 140 Jahren gibt es die Firma Wein-Riegger in VS-Villingen. Alles begann einst mit einer Küferei, Brennerei, Mosterei und einem Weinkeller in der Villinger Innenstadt, gegründet von Johann Nepomuk Riegger. Heute ist das Unternehmen nicht nur der größte Weinhändler in der Region, sondern hat quer durch die Republik einen ausgezeichneten Ruf unter Whisky- und Rumfreunden. Im Jahr 2016 gebauten „Warehouse Hall of Angels‘ Share“ am Firmensitz

im Villinger Industriegebiet Vockenhausen lagern

hunderte von Eichenfässern, gefüllt mit Whisky

aus Schottland und Rum aus Panama. Neben 1.200

Sorten Wein hat Wein-Riegger auch über 1.200 unterschiedliche Whiskys, über 150 Rumsorten und jede Menge weiterer Spirituosen in seinem vielfältigen Angebot. Die Geschäftsführung des Handelshauses besteht aktuell aus Olaf Lauinger, seinem Bruder Uwe Lauinger und seinem Sohn Sebastian Lauinger, der bereits die 5. Generation in dem Familienunternehmen repräsentiert, ebenso wie Christopher und Lisa Lauinger, die auch in der Firma tätig sind.

von Dieter Wacker

Sorgsam schließt Olaf Lauinger ein Hängeschloss nach dem anderen auf. Nach einigen Minuten lässt sich das große Tor öffnen. Irgendwie hat das Ganze etwas von dem legendären Fort Knox in den USA. Nur, dass in dem Villinger Depot hinter der schweren Eisentür keine Goldreserve im klassischen Sinne lagert, sondern flüssiges Gold aus Schottland und Mittelamerika. In bauchigen Holzfässern schlummert und reift ein Schatz, der darauf wartet, nach Jahren in Flaschen abgefüllt zu werden: Whisky aus Schottland und Rum aus Panama.

Wer sich mit solchen Spirituosen professionell intensiv beschäftigt, der braucht Zeit und Geduld. Das schnelle Geld ist mit edlem Whisky und Rum nicht zu machen. Ohne in ordentliche finanzielle Vorleistungen zu treten und ohne ein gewisses Risiko zu tragen, geht bei diesem hochprozentigen Geschäft gar nichts.

Dafür hat das Unternehmen Wein-Riegger aus VS-Villingen bei den Liebhabern des „flüssigen Goldes“ weit über die Region hinaus einen besonderen Klang und einen ausgezeichneten Ruf.

1880 in Villingen gegründet

Seit nunmehr 140 Jahren gibt es die Firma, die 1880 von Johann Nepomuk Riegger in der Villinger Innenstadt gegründet wurde. Heute ist bereits die fünfte Generation der Familie aktiv in das Unternehmen mit eingebunden, das seinen Hauptsitz längst in die Werner-von-Siemens-Straße im Industriegebiet Vockenhausen verlegt hat. In der Niederen Straße im Stadtzentrum existiert aber nach wie vor im Stammhaus ein zusätzliches Ladengeschäft. Der Onlinehandel hat sich zu einem weiteren existenziell wichtigen Standbein entwickelt.

Begonnen hat alles vor 140 Jahren mit einer Küferei, Brennerei, Mosterei und einem Weinkeller. Im Laufe der langen Jahre entwickelte sich die Firma zu dem, was sie heute noch ist: eine Weinhandlung mit direktem Weinimport und Großhandel. Ganz in der Familientradition werden zudem immer noch eine ganze Reihe von Spirituosen in der eigenen Brennerei in der Goldgrubengasse destilliert. Das Geschäft mit Whisky und Rum kam nachträglich hinzu und wird vor allem auch als zukunftsfähige Innovation und Investition betrachtet, wie Olaf Lauinger, der neben seinem Bruder Uwe und seinem Sohn

 

 

In einen Hang hineingebaut: Das Warehouse der Firma Wein-Riegger in Villingen, in dem edelster Whisky und Rum in Fässern langsam reift.

Sebastian, als Geschäftsführer fungiert, nachdrücklich betont.

Nach Johann Nepomuk Riegger übernahm Viktor Riegger die Küferei und Weinhandlung. Später gab er sie an seine Tochter Mechthilde weiter, die mit Günter Lauinger verheiratet war. Das Ehepaar führte die Firma gemeinsam durch die Nachkriegsjahre. Es baute den heutigen Hauptsitz an der Werner-von Siemens-Straße auf und betrieb im innerstädtischen Stammhaus eine Weinstube, die über 30 Jahre lang regelrechten Kultstatus genoss, höchst beliebter Treffpunkt für viele Villinger war und die der Historischen Narrozunft als Zunftstube diente. Die Fasnet in „ Rieggers Weinstüble“ war legendär. Über die hohen Tage einen Sitzplatz zu ergattern war reine Glückssache.

Auf Mechtilde und Günter Lauinger folgten deren Söhne Olaf und Uwe, die der Motor des Unternehmens sind, tatkräftig unterstützt von Olafs Kindern Sebastian und Christopher sowie Uwes Tochter Lisa, die alle über entsprechende Ausbildungen mit internationalen Erfahrungen verfügen.

1.200 Weine im Angebot – Riegger ist heute der größte Weinhändler in der Region

Mit einem Angebot von rund 1.200 Weinen ist Riegger heute der größte Weinhändler in der Region. Olaf Lauinger: „Wir kommen in unserer

 

 

Rund 1.200 Weine hat die Firma Wein-Riegger im Angebot. Fachliche Beratung, wie hier durch Olaf und Christopher Lauinger (rechts), hat bei dem größten Weinhändler in der Region einen hohen Stellenwert. Und selbstverständlich können die Weine bei Bedarf auch verkostet werden.

Unternehmenstradition vom Wein, deshalb haben wir nach wie vor auch so eine umfangreiche Auswahl.“ 40 bis 50 Weingüter, die meisten davon in Europa beheimatet, zählen zu den Stammlieferanten der Villinger.

„Wir kennen alle Produzenten, deren Weine wir verkaufen, persönlich. Wir nehmen nichts ins Weinsortiment, von dem wir nicht wissen, wie und wo es hergestellt wird“, unterstreicht Olaf Lauinger die Philosophie des Hauses Riegger. Was natürlich gleich mehrere Vorteile für die Kunden hat: Zum einen können sie auf die Selektion von Fachleuten vertrauen, zum anderen ist das Angebot entsprechend vielfältig und qualitativ verlässlich und zudem können die Käufer kompetent beraten werden.

Regelmäßige hauseigene Weinmessen, bei denen viele Weingüter und Produzenten mit ihren Produkten vertreten sind, erschließen zusätzliche Kundenkreise, schaffen Vertrauen und zugleich eine noch engere Kundenbindung.

Punkte, die der Firma Riegger extrem wichtig sind, wie Olaf Lauinger sagt. Kein Wunder, dass das Unternehmen über eine beachtliche Anzahl an Stammkunden verfügt.

Verkauft werden überwiegend Weine aus Deutschland (fast ausschließlich weiße), aus Spanien (von denen Olaf Lauinger regelrecht schwärmt), Italien und Frankreich, wobei letztere aktuell nicht mehr sehr gefragt sind. Weine aus Übersee runden die Vielfalt ab.

Dass sich das Villinger Unternehmen im Laufe der langen Firmengeschichte immer weiterentwickelt und auch verändert hat, lässt sich zum Beispiel an der großen Zahl der unterschiedlichen Spirituosen ablesen, die sich auch in den Verkaufsregalen finden lassen. Zum Beispiel Cognac, Grappa, Gin, Obstbrände, Liköre und vieles mehr. Und dann natürlich Rum und Whisky. Zwischenzeitlich gibt es sogar eine eigene Whisky-Serie mit Namen „Riegger´s Selection“.

 

 

Nicht nur Wein-, sondern ebenso ein Whisky-Spezialist: Über 1.200 verschiedene Sorten von Whisky hat das Villinger Traditionsunternehmen Wein-Riegger in seinen Verkaufsräumen im Industriegebiet Vockenhausen in seinem Angebot.

Der Whisky-Spezialist im Familienbetrieb ist Uwe Lauinger. Bei einer Urlaubsreise 2006 quer durch Schottland besuchte er zusammen mit seiner Frau Selma eine Whisky-Destille. Natürlich wurde die hochprozentige Spirituose probiert und irgendwie war es um den Villinger geschehen. Uwe Lauinger in einem Interview: „Wir kamen mit dem Master Distiller ins Gespräch und waren sofort von dieser Materie fasziniert.“ Ein Jahr später war Uwe Lauinger wieder in Schottland, diesmal mit einer Geschäftsidee im Gepäck. Dass die Firma Riegger in den Anfangsjahren zwei Generationen lang in der hauseigenen Küferei Fässer herstellte, spielte dabei eine nicht unwichtige Rolle. Schließlich durfte Uwe Lauinger sich in Schottland einige Fässer mit besonderen Whisky-Destillaten aussuchen, die anschließend den Weg in den Schwarzwald antraten.

Für den Mitgeschäftsführer von Wein-Riegger war das ein ganz besonderer Moment und zugleich eine Chance für den Betrieb in ein neues Metier einzusteigen. Daheim wurden die ersten Flaschen in Eigenregie abgefüllt und als sogenannter unabhängiger Abfüller, genannt Independent Bottler, gingen die Villinger auf verschiedene Whisky-Messen in Deutschland. Schnell wurde klar, dass es in unserem Land echte Whisky-Freaks gibt, die heiß sind auf ganz spezielle Angebote. Heute verfügt Deutschland über eine richtige Whisky-Szene, die sich in Clubs organisiert oder sich in geselligen Runden mit Kollegen, Nachbarn, Freunden Verwandten trifft, um zu fachsimpeln und unterschiedliche Whisky-Sorten zu testen.

Seit 2014 veranstaltet Wein-Riegger jährlich eine eigene Whisky-Messe („Hall of Angels`s Share“) in der Neuen Tonhalle in Villingen. Gut 30 Aussteller bieten bis zu 1.000 Whisky-Sorten zum Probieren und Verkaufen an. Aus ganz Süddeutschland, aber auch aus dem benachbarten Ausland kommen die Besucher. Sie freuen sich

 

 

Unter Whisky-Liebhaber sehr begehrt: „Riegger`s Selection“. Schottischer Whisky, der in sehr unterschiedlichen Holzfässern im eigenen Warehouse gelagert wurde und gereift ist, danach von Wein-Riegger als unabhängiger Abfüller auf Flaschen gezogen wurde.

über das breite Angebot, lassen sich aber auch gerne von dem schottischen Flair durch Kiltträger und Dudelsackspieler anstecken. Neben der Messe steht Wein-Riegger hinter dem „Black Forest Whisky Club“ und veranstaltet regelmäßig Tastings (das sind Probierabende, verknüpft mit spannenden Informationen rund um das Thema Whisky).

Im Verkaufsangebot hat das 140 Jahre alte Unternehmen über 1.200 verschiedene Whisky-Sorten in Flaschen. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf Destillaten aus dem vermeintlichen Mutterland des edlen Stoffes, aus Schottland. Längst hat sich Riegger auch darauf eingestellt, dass es immer mehr Freunde für Bourbon-Whisky aus den USA gibt. Entsprechend umfangreich ist das Sortiment. „Flüssiges Gold“ aus Irland, Wales und Deutschland darf nicht fehlen und dann gibt es da noch exotisch anmutende Whiskys aus Japan, Taiwan, Indien, Liechtenstein oder Finnland.

Der eigentliche Schatz von Wein-Riegger schlummert aber im Jahre 2016 errichteten Warehouse „Hall of Angels‘ Share“ auf dem Firmengelände im Industriegebiet Vockenhausen. Hineingebaut in einen mit Gras bewachsenen, von außen mit einer unscheinbaren Betonfassade verkleideten und durch die bereits am Anfang erwähnte mächtige Eisentür gesichert, stapeln sich im Lager in Hochregalen hunderte von Holzfässern mit schottischem Whisky und panamaischem Rum. Eine Duftwolke aus verdunstetem Destillat schwängert regelrecht die Luft im für Deutschland einmaligem Depot.

„Whisky für die Engel“

„Das ist der Teil des Whiskys für die Engel“, sagt Olaf Lauinger und erklärt: „Während der Lagerung in den Eichenfässern verdunstet ein gewisser Anteil des Destillats. Bis zu vier Prozent der Füllung pro Jahr.“ Fachleute nennen die Verdunstungsmenge „Angels’ Share“, sprichwörtlich „für die Engel“. Womit auch der Name von Lagerhaus und Whiskymesse erklärt wäre. Zugleich ist damit auch klar, weshalb das „Warehouse“ ein sogenanntes Steuerlager und damit zollfreies Gebiet ist. Würde der von der Firma Riegger in Schottland und Panama regelmäßig eingekaufte Whisky und Rum vor der eigenen Lagerung in Villingen schon versteuert, entstünde durch den bereits erwähnten Verdunstungsverlust ein enormer finanzieller Schaden, der nicht auszugleichen wäre. Also werden die Destillate erst einmal im Zollfreilager untergebracht und erst nach der Abfüllung auf die Flasche entsprechend nach den deutschen Gesetzen versteuert.

Whisky und Rum lagern bei Riegger in sehr unterschiedlichen Fässern, die letztendlich die bei den Liebhabern dieser Getränke so sehr geschätzten höchst unterschiedlichen Aromen hervorbringen. In Gebrauch sind unter anderem Fässer, die einst mit Wein, Sherry, Portwein oder auch amerikanischem Whisky gefüllt waren. Jedes einzelne Fass sorgt für einen individuellen Reifeprozess von Whisky und Rum, die besonderen Geschmacksnoten und die Farbe. Die hohe Kunst, den perfekten Zeitpunkt der Lagerung der wertvollen Destillate abzuwarten, das beherrschen die Verantwortlichen bei Wein-Riegger mittlerweile perfekt. Ihre „Riegger‘s Selection“ ist zum Objekt der Begierde unter Whiskyfreunden in der ganzen Republik geworden. Werden hier doch Destillate aus verschiedenen Fässern miteinander so verbunden, dass ganz besondere Geschmackserlebnisse entstehen.

Auch Rum spielt eine bedeutende Rolle

Dass der Villinger Weinhändler heute auch eine beachtete Rolle auf dem Markt für Rum spielt, das ist in erster Linie Sebastian Lauinger zu verdanken. Als er vor einigen Jahren mit Rum etwas enger in Berührung kam, war sein Interesse an dem alkoholischen Getränk aus Zuckerrohr bzw. Melasse schnell geweckt. Und Sebastian Lauinger wollte alles darüber wissen. Er flog nach Panama, schaute sich dort auf Zuckerrohrfeldern, bei Zuckerproduzenten und bei Brennereien um. Der Juniorchef orderte dann

In Eichenholzfässern, in den zum Beispiel einmal Rotweine, Portwein, Sherry oder auch Bourbon-Whisky gelagert wurde, reifen im hauseigenen Depot bei Wein-Riegger in Villingen schottischer Whisky und Rum aus Panama.

auch gleich mal 120 Fässer zu je 200 Liter Rum und ließ sie nach Deutschland verschiffen. Ein gewaltiger Invest, aus dem aber die nächste Erfolgsstory der Firma Wein Riegger hervorging. Im Warehouse hinter der dicken Eisentür hat der Zuckerrohrschnaps viel Zeit, um zu einem veredelten Destillat zu reifen und irgendwann in Flaschen abgefüllt zu werden. Im Verkaufsraum der Weinhandlung hat der Kunde derweil die Auswahl unter gut 150 Rumsorten aus der Karibik, Zentral- und Südamerika und dem Rest der (Rum-)Welt.

Wer heute die Geschäftsräume von Wein-Riegger an der Werner-von Siemens-Straße betritt, der hat die Qual der Wahl: Über 4.000 Produkte aus aller Welt warten auf die Käufer. Ein Angebot, so groß wie noch nie in der 140-jährigen Geschichte des Villinger Traditionsunternehmens, das damit aber gut gerüstet ist für die Zukunft.

 

 

5. Kapitel – Daheim im Schwarzwald und auf der Baar

Gabor Richter

Digital Artist – weltweit vernetzt

von Marc Eich

Ein ehemaliges Pfarr- und Gemeindehaus in einem 1.500-Seelen-Ort als digitale Kreativwerkstatt für große Agenturen und Global Player? Genau das macht Gabor Richter möglich. Der 36-Jährige ist Bildretuscheur, Digital Artist sowie Fotograf und bedient seine namhaften Kunden seit Herbst 2018 von St. Georgen-Peterzell aus.

 

 

Der Rasen im Hintergrund kaputt, das Wetter regnerisch und der Untergrund, auf dem der schmucke Porsche steht, von Rissen durchsetzt. Nein, so möchte kein Autobauer seine noblen Werke präsentieren. Doch genau solche Bilder bekommt Gabor Richter zugeschickt, um sie vorzeigbar zu machen. „Ich bin quasi Problemlöser“, sagt er – denkt kurz darüber nach und ergänzt dann grinsend: „Und wenn jemand sagt, dass das nicht möglich sei, dann habe ich darauf richtig Bock!“ Über Stunden oder manchmal sogar Tage hinweg sitzt Richter dann an Bildern, um diese bis ins kleinste Detail zu bearbeiten oder gar komplett neu zu erschaffen und aus mehreren Bildern zusammenzusetzen. Da wäre beispielsweise der Bereich Cinematic – eine der Spezialitäten des Familienvaters – bei dem die Filmplakate auch durchaus mal übertrieben gestaltet werden können und dadurch zu einem wahren Hingucker werden. „Wichtig ist mir, dass die Bilder so sauber bearbeitet sind, dass man sie auch groß drucken kann.“ Wenn er dann seine Bilder in Übergröße auf Plakatwänden oder Bussen entdeckt, erfüllt ihn das mit Stolz. Und das, obwohl er als Retuscheur quasi grundsätzlich „undercover“ arbeitet und sein Name nirgends erscheint. „Das stört mich aber nicht. Wenn andere an den Arbeiten eine Freude haben, dann bin auch ich glücklich“, so der 36-Jährige. Zumal es ohnehin wichtiger sei, dass seine Auftraggeber seine Arbeit zu schätzen wissen. Und das wiederum ist angesichts der Fülle an namhaften Kunden – angefangen bei Porsche, Mercedes über Coca-Cola bis hin zum Europapark – unbestritten.

„Ich wollte hier einfach nicht weg“

Doch der Weg zum Erfolg hat ihm einiges abverlangt. Das wird klar, wenn Richter in die Vergangenheit blickt und von seinem Werdegang berichtet. Geboren wurde er in Zittau, seine Eltern zog es aber bereits zwei Jahre nach der Geburt nach Villingen, wo Gabor aufwuchs. „Der Computer war eigentlich immer mein einziges Interesse“, erinnert er sich zurück. Bereits mit fünf Jahren hat er sich mit dem legendären Commodore 64 beschäftigt, später haben ihn seine Eltern zu einer Zeichenschule geschickt. „Ich habe dann immer auf dem PC gezeichnet“, erinnert er sich. Und eigentlich hätte sein Weg in die berufliche Laufbahn, die sich ja irgendwie frühzeitig aufgedrängt hatte, bereits mit 16 geebnet sein können. Denn nach seiner Mittleren Reife hatte der Digital Artist einen Platz für die damals recht frische Ausbildung zum Grafikdesigner in der Tasche. Allerdings in Stuttgart. „Und ich wollte hier einfach nicht weg.“

Links: Im Bereich Cinematic übernimmt Richter auch die Gestaltung von Plakaten. Hier eine Auftragsarbeit
für TutKit.com, als Model fungierte Jessica Bisceglia.

Unten: Gabor Richter, links, mit seinem Fotoshooting- Team für das Filmplakat links.

 

 

Die Folge waren Umwege, die ihn jedoch auch nachhaltig prägten. Zum Beispiel die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei einem Villinger Möbelhaus – und das, obwohl Richter von sich behauptet, kein Zahlenmensch zu sein. Den Weg des geringsten Widerstandes? Nein, das scheint für den 36-Jährigen schon in seiner Jugend nicht die Lebenseinstellung gewesen zu sein. „Ich habe dann auch gelernt, mit Menschen umzugehen und die Ausbildung durchgezogen.“ So erfolgreich sogar, dass der Betrieb ihn weiter beschäftigen wollte – doch Richter lehnte ab. Stattdessen stieg er in die Hausverwaltungsfirma seines Vaters mit ein, hätte diese dann übernehmen sollen. Allerdings sah der kreative Kopf seine Zukunft in einem anderen Bereich. Und so kam es, dass er durch Zufall über eine Anzeige für Mediengestalter-Azubis stolperte. Kurz darauf trat er die Stelle bei einer Werbeagentur in Rottweil an – der Grundstein für seine berufliche Laufbahn war gelegt. „Ich war beim Lernen zwar nicht der Fleißigste, aber es hat funktioniert.“ Denn er überzeugte mit seiner Arbeit. Als Vorbereitung für die Prüfung quartierte er sich gemeinsam mit einem Kumpel im Kloster Beuron ein. Dort fasste er mit ihm die Prüfungsmaterialien zusammen und machte aus ihnen eine Hörbuchfassung, die er

Am Mac verwandelt Gabor Richter die Bilder in wahre Kunstwerke.

sich anschließend laufend anhörte. Auch dieses Problem wusste er zu lösen.

Intensive Jahre bei Calvin Hollywood

Doch Richter strebte nach Höherem und hatte ein klares Ziel vor Augen. Er wollte zu Calvin Hollywood, einem Star in der Photoshop-Szene. Als dieser nach Interessenten für ein dreimonatiges, unbezahltes Praktikum suchte, packte er die Gelegenheit am Schopf und verkaufte nach der Zusage sein Hab und Gut, um bei Hollywood in der Nähe von Heidelberg zu lernen. Aus den drei Monaten wurden schließlich fünf Jahre – denn Richter bekam ein Jobangebot, welches er annahm.

„Photoshopmäßig konnte ich mich da voll ausleben“, erinnert er sich zurück. Es werden intensive Jahre, die der damals 27-Jährige bei Hollywood erlebte. Im Mittelpunkt stand dabei insbesondere die Vermittlung von Wissen zu Bildbearbeitung, Retusche, Fotografie und Bildkunst – sei es über Workshops, Vorträge, Live-Streamings oder Beiträge in diversen Ma

Oben: Vortrag von Gabor Richter auf der Photokina, der weltweiten Leitmesse der Foto-Branche. Unten: Auftragsarbeit für den Europa Park – Eurosat Coastiality.

 

 

gazinen. „Wir haben Bildstile entwickelt und in diesem Bereich auch Trends gesetzt“, berichtet der Bildretuscheur. Zu Schlaf kam Richter damals nur selten, er habe die Zeit bei Hollywood komplett ausnutzen wollen und deshalb auch oft die Nächte durchgearbeitet. Richter: „Es gab Momente, da bin ich vor Erschöpfung ins Bett gekippt und habe 48 Stunden geschlafen.“

Noch während seines Jobs bei Heidelberg trat Alexandra in sein Leben, die er im Rahmen eines Shootings in Villingen kennenlernte. Das Leben änderte sich: Heiratsantrag, Schwangerschaft – und viele Kompromisse mit der Familie, weil Richter auch am Wochenende oft arbeiten musste. Es war jedoch insbesondere eine berufliche Umorientierung bei Hollywood, die schließlich dazu geführt hat, dass das Paar den Blick wieder in Richtung Heimat wandte und schließlich in den Landkreis zurückkam. Hier wieder in einer Agentur arbeiten? Das kam für den Digital Artist aber nicht in Frage. „So wie ich zuvor geprägt wurde, hätte ich nirgends reingepasst.“ Stattdessen startete er nun, obwohl er sich anfangs dagegen sträubte, als Selbstständiger durch.

Neustart mit dem „Haus der Ideen“

Über den Verkauf von Bildbearbeitungs-Tutorials, die auch ins Englische übersetzt wurden und sich weiterhin bestens verkaufen, finanzierte er sich den Neustart in seiner Heimat.

Auftragsarbeit für die bekannte Fachzeitschrift für digitale Bildbearbeitung Docma.

Model: Patrick Mathis

Diesen Schritt bereut er keine Sekunde. Denn gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern Jonah (3) und Julian (5) genießt er jetzt das ländliche Leben in Peterzell, nachdem die Familie zuvor in Wolterdingen gewohnt hatte.

Im Herbst 2018 hat er dort das ehemalige Pfarr- und Gemeindehaus gekauft – und daraus sein „Haus der Ideen“ geschaffen. „Das Gemeindehaus habe ich eigentlich eher zufällig entdeckt“, berichtet er von der Annonce. Hier findet er jedoch ideale Bedingungen vor, um sein Familienleben und seinen Job zu verbinden. Unten, im ehemaligen Pfarrsaal, hat er sich ein Studio eingerichtet, in welchem regelmäßig Shootings stattfinden. Ein paar Räume weiter befindet sich sein Arbeitsplatz mit Blick in den Garten. Für den 36-Jährigen ein Traum: „Jetzt kann ich meine Kinder aufwachsen sehen – während ich im Büro sitze, spielen sie im Garten.“

Das Gebäude wird aber nicht nur durch ihn und seine Familie mit Leben gefüllt. Für Workshops, die er in dem Ortsteil von St. Georgen anbietet, stehen weitere Räumlichkeiten mit Rechnern zur Verfügung. Hier kann er Kunden in die Welt der digitalen Bildbearbeitung einführen – fernab der Metropolen und des hektischen Daseins. „Hier habe ich meine Ruhe. Obwohl ich nicht in einer Großstadt bin, kann ich auftragsmäßig die krassesten Sachen machen“, sagt er zufrieden. Denn ein international gefragter Problemlöser kann er überall sein – auch im ehemaligen Pfarrhaus in Peterzell.

Fotoshooting mit dem Komiker Kaya Yanar als Ausgangspunkt für das Comic-Style Porträt unten.

 

 

Sebastian Schnitzer

Ein künstlerischer Tausendsassa am Klavier und auf der Bühne

von Wilfried Strohmeier

Foto: Tobias Ackermann

Foto : Tobias Ackermann

Als ausgebildeter Musiker spielt er mehrere Instrumente, komponiert, singt, schreibt Kolumnen und spielt Theater. Das frühere Mitglied der Band „Mofarocker“ spielt heute unter anderem bei „Billy Bob and the Buzzers“ oder den „Black Forest Allstars“. Sebastian Schnitzer ist weiter der kreative Kopf des Duos „Man(n) singt deutsch“ und absolviert viele Soloauftritte. In die weite Welt hat es ihn nie gezogen: Ihm gefällt es in seiner Heimat Schwarzwald-Baar, er lebt in Donaueschingen.

Geboren wurde Sebastian Schnitzer am St. Martinstag 1982 in Villingen. Aufgewachsen in Nordstetten, kam er schon im zarten Alter von fünf Jahren mit der handgemachten Musik in Berührung und ebenso mit dem Ballett. Letzteres wurde jedoch schnell wieder aufgegeben. „Bei der Musik hat es sich gelohnt“, sagt Sebastian Schnitzer lächelnd. In der Familie lag die Musik nur bei seinem Großvater im Blut, welcher Musiklehrer war. Doch hatte er zu ihm so gut wie keinen Kontakt, da dieser hinter dem Eisernen Vorhang, in der damaligen CSSR, lebte.

Das Klavier gehörte zum Alltag

Schnell entdeckte der junge Sebastian Schnitzer das Klavier und das Akkordeon für sich, sie sollten seine Hauptinstrumente werden. Seine Lehrerin war Gertrud Herr-Hock. „Sie hat mich sehr geprägt“, erinnert er sich. Vor allem klassische Stücke von Johann Sebastian Bach durfte er erlernen. Damals nicht so sehr sein Ding, doch heute ist er froh, dass er diese Ausbildung bekam. Schon bald unterstrichen Preise bei Wertungsspielen sein großes Talent. Als Teenager gab es zwar ein Jahr Pause von der Musik, doch fand er den Weg zurück. „Klavier hat zum

 

 

Alltag gehört“, erinnert er sich, „es war kein Druck dahinter, vielleicht auch einfach, weil es mir Spaß gemacht hat.“ Mit 14 Jahren hatte er bereits seine erste eigene Band, nahm später an Schauspielkursen im Theater am Ring teil und spielte in dem einen oder anderen Theaterstück mit. Für sein Musik-Abi musste er nach Triberg fahren, um es abzulegen, aber die Mühen haben sich gelohnt. Als er nach dem Abitur sagte, er wolle Musiker werden, staunten seine Eltern nicht schlecht. Doch: „Sie haben mich stets unterstützt, wo es ging und dafür werde ich immer dankbar sein“, unterstreicht Sebastian Schnitzer.

Der Weg zum Berufsmusiker war kein einfacher. Die damalige Jazz- und Rockschule in Freiburg nahm ihn für das Studium an, er studierte Jazz- und Popularmusik. Diese Zeit finanzierte er sich mit Musikunterricht und Konzerten. „Ich war jedes Wochenende woanders für ein Konzert. Da merkst du schnell, ob das etwas für dich ist oder nicht“, blickt er zurück. Damals stieß er zu den Mofarockern. Und viele werden sich erinnern: Die rockten jede Bühne im weiteren Umkreis. Schnell gab es weitere Band-Projekte wie das bekannte Musikcomedy Duo „Man(n) singt deutsch.“, in dem Sebastian Schnitzer sein schauspielerisches und wortakrobatisches Talent unter Beweis stellen konnte. So schreibt

Oben: Sebastian Schnitzer (am Mikrofon) mit seiner Rock‘n‘Roll-Band „Billy Bob & the Buzzers“. Foto: Gabor Richter

Rechts: Oft auch solo unterwegs – stilvolles Portraitfoto von Tobias Ackermann.

er die Lieder für dieses Duo, an dem man seine Vorbilder klar erkennen kann. Als kleiner Junge verschlang er nämlich die Musik und Filme von Peter Alexander, seinem großen Idol. „Das waren noch richtige Entertainer, die viele Stile beherrschten und alles konnten: Singen, Klavier- und Schauspielen“, schwärmt Schnitzer. Auch Udo Jürgens prägt ihn bis heute. Und so schreibt Sebastian ausschließlich deutsche Texte. „Das ist eben meine Muttersprache, mit ihr kann ich am besten ausdrücken, was ich dem Publikum sagen will.“

Seine Kommilitonen sind meist in die großen Städte wie Hamburg oder Berlin gezogen, zum einen oder anderen hat er nach wie vor Kontakt. Und immer wieder hört er, wie schwierig es sei, dort Geld zu verdienen. „Es gibt zwar mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Berufsmusiker“, beschreibt Sebastian Schnitzer die Situation seiner Kollegen. „Hier im Ländle muss man aber allerdings aktiver sein und mehr machen,

 

 

als nur gut spielen. Netzwerken ist hier absolut wichtig“, erkannte er in den vergangenen Jahren.

Und so kam es zu den verschiedenen Musikprojekten. Darüber hinaus tritt er bei Stadtfesten in der Region auf, spielt Klavier im Hotel Öschberghof, tritt bei Firmenfeiern auf sowie in Restaurants und Live-Clubs. Hinzu kommt noch das Komponieren wie beispielsweise das VS-Lied „In meiner Stadt…“ den Blumberg Song „Leben und Erleben Hoch zwei“ oder das im Frühjahr 2020 erscheinende „Donaustadt“ Lied und vieles mehr.

Stilistische Vielfalt von Jazz über Pop bis Rock ‘n‘ Roll ist Teil der erfolgreichen Arbeit

Für seine Kompositionen sitzt er ganz klassisch am Klavier mit Fresszettel und Bleistift. Und die Frage, die von vielen immer wieder gestellt wird: Was ist zuerst da? Die Melodie oder der Text? Worauf er antwortet: „Das ist eine Kombination aus beidem. Meistens steht da eine Textzeile, der ich eine Melodie gebe, die mir gefällt. Dann ergibt sich wieder eine Textzeile. Es ist ein bisschen, wie ein Gedicht schreiben, nur freier. Musik kann Versmaße auch brechen, das macht die Komposition oft interessanter. Wenn Text und Melodie dann stehen, gebe ich dem Werk noch ein passendes Arrangement, das die Stimmung des Textes tragen soll.“

Und auch seine stilistische Vielfalt von Jazz über Pop bis Rock ‘n‘ Roll ist Teil seiner erfolgreichen Arbeit. Sebastian Schnitzer scheint nie still zu stehen und sich auszuruhen, gründet neue künstlerische Projekte, die nicht nur mit Musik zu tun haben. „Du musst als Künstler immer wieder neue Wege gehen und deinen Horizont erweitern.“ Eine der neuesten Ideen ist das Kunstfilmprojekt „Waldgeheimnisse“, das er mit seinem Freund Tobias Ackermann ins Leben gerufen hat. Hier spiegelt sich seine Liebe zum Schwarzwald und den Menschen sehr stark wider. „Wir leben in einem einzigartigen Gebiet, das Menschen hervorbringt, die entdeckt werden müssen“, schwärmt Schnitzer.

In die Großstadt, dort wo es eine entsprechende „Musikszene“ gibt, hat es ihn somit nie gezogen. „Ich bin der Heimat treu geblieben, weil ich es spannend finde, was es hier noch für kulturelles Potential gibt.“ Und Sebastian Schnitzer leistet einen großen Beitrag, dass es hier viel Kultur gibt und bringt mit Freunden immer wieder neue Ideen voran. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“ Er könnte sich auch nicht vorstellen etwas anderes zu machen. „Es ist eine Mischung aus täglich Brot und Ventil, wenn ich mehrere Wochen keine Musik gemacht habe, weil ich auf Fernreise bin, dann kribbelt es mir nach ein paar Tagen schon in den Fingern“, gibt er lachend zu, und: „Sobald ich spiele, vergesse ich alles Alltägliche. Ich spüre jedes Mal den Flow, die Kraft, die von der Musik ausgeht. Wenn das nicht mehr ist, muss ich etwas anderes machen.“

Aber dass es nicht so weit kommt, dafür sorgen die unterschiedlichen Projekte, an denen er beteiligt ist, nicht nur musikalisch. So steht er immer mal wieder im Sommertheater des Theater am Turm auf der Bühne. 2019 war es das Stück „Wir sind dann mal weg“, vor ein paar Jahren das Stück „Wochenend und Sonnenschein“. Und bei beiden Aufführungen kam sein schauspielerisches, musikalisches und gesangliches Können zum Einsatz. Zusammen mit der Cousine, mit der er einst im Musikunterricht saß, führte er mehrere Jahre erfolgreich „Ist das Liebe oder kann das weg?“ in ganz Deutschland auf. „Dem Theater bleibe ich treu“, verspricht er seinen Fans und mit Sicherheit auch der Musik und seiner Heimat.

In die weite Welt jedenfalls hat es ihn beruflich nicht gezogen, ihm gefällt es hier in seiner Heimat. Er wohnt heute zusammen mit seiner Frau in Donaueschingen. In seiner Wohnung befindet sich sozusagen die musikalische Schaltzentrale. Dort komponiert er, probiert neue Ideen aus und manch ein Konzert gab es sozusagen schon direkt vor der Haustür, beispielsweise beim Donauquellfest – und auch sonst spielt er regelmäßig auf den Bühnen der Region.

Sebastian Schnitzer – der Mann am Klavier. Foto: Tobias Ackermann

 

 

Laskhana Sivakumar

Intelligent, sozial engagiert und ehrgeizig – eine junge Frau mit zwei Kulturen

von Barbara Dickmann

Sie ist jung und voller Power. Sie lacht gerne und ihre großen, dunklen Augen schauen selbstbewusst in die Welt und lange, schwarze, lockige Haare fallen in sanften Wellen auf ihre Schultern. Sie trägt Jeans und Bluse und sie weiß genau, was sie will. Mit anderen Worten: Eine ganz normale junge Frau des 21. Jahrhunderts, die ihr Leben selbstbewusst und eigenständig in die Hand nimmt… Nichts besonderes, denken Sie jetzt, doch das war ihr nicht in die Wiege gelegt, denn Laskhana Sivakumar wurde „in einer anderen Welt“ geboren und ist aufgewachsen in einem Land, in dem Frauen nicht sicher und Vergewaltigungen eine ständige Bedrohung sind.

Laskhanas Geschichte Laskhana besucht die Schule und die Familie Sri Lanka, anno 1999. Es herrscht Bürgerkrieg lernt mit dem Krieg zu leben. zwischen der singhalesischen Bevölkerungs-Im Jahr 2009 ist der Bürgerkrieg offiziell mehrheit und den Tamilen. Ratnasingham nach 30 Jahren zu Ende, doch die Gefahr bleibt. Sivakumar und seine Frau Nageswory freuen Die Familie wird aus ihrem Haus vertrieben sich über die Geburt ihrer Tochter Laskhana. und erhält einen Ort zugewiesen, an dem sie Ratnasingham Sivakumar ist Fotograf, seine leben kann. Es ist nur ein Asyl, keine neue Hei-Frau hütet Kind und Haus. Sie sind Tami-mat. Durch eine Bombe verliert der Vater einen len. 2002 wird ihr Sohn Latheesan geboren. Unterschenkel und die Angst wächst. Im Jahr

Laskhana Sivakumar – die junge Frau aus Sri Lanka ist mit Power und Ehrgeiz in ihr neues Leben in Deutschland gestartet.

 

 

2012 beschließt Ratnasingham Sivakumar zu fliehen – alleine. Er geht nach Deutschland und landet in einem Auffanglager in Karlsruhe und beginnt sofort seine Zukunft aufzubauen. Sein Ziel: Die Familie muss so schnell wie möglich nachkommen.

Laskhana, ihre Mutter und ihr Bruder sind sehr traurig. Knapp 8.000 Kilometer trennen sie vom Vater. Er fehlt! Die Mutter geht jetzt arbeiten. „Doch Geld ist in Sri Lanka nicht so wichtig“, erklärt Laskhana, „denn jeder hat dort seinen Garten und genug zu essen“.

Der Vater, schon immer interessiert an allem was mit Technik zu tun hat, lernt bei einem Onkel in Stuttgart Handys zu reparieren. Und sobald er arbeiten darf, findet er einen Job. Er ist sehr froh. Das Einkommen ist gesichert und er kann seine Familie in der Heimat unterstützen. Erst jetzt besucht er den ersten Deutschkurs.

2015 ist es soweit: Der Vater lebt in Villingen-Schwenningen, hat eine feste Arbeit, eine Wohnung, die groß genug ist und erfüllt somit alle Voraussetzungen, um seine Familie zu holen.

Sie freut sich auf den Vater,
doch alle ihre Freunde muss sie verlassen, ihre Heimat, ihre Sprache, ihre Kultur – alles wird anders sein.

Laskhana, Bruder und Mutter brechen die Zelte ab und gehen nach Deutschland. „Das war zuerst sehr schlimm und ich war sehr traurig“, erzählt Laskhana. Sie freut sich auf den Vater, doch alle ihre Freunde muss sie verlassen, ihre Heimat, ihre Sprache, ihre Kultur – alles wird anders sein. Laskhana hat Angst!

Laskhana Sivakumar (vorne, 2. v. rechts) bei der Ehrung durch den Schwarzwald-Baar-Kreis. Landrat Sven Hinterseh (links) stellt ihr großartiges soziales Engagement besonders heraus.

 

 

Sie ist 15 Jahre alt, ihr Bruder 13, als das neue Leben in Villingen-Schwenningen beginnt. Ihr Bruder kann sofort die Schule besuchen, doch sie muss noch einige Monate warten. „Ich war für die eine Schule zu alt und für die andere zu jung,“ sagt sie. Doch Laskhana nutzt die Zeit.

Ihr erstes Ziel: Deutsch lernen. Sie besucht, gemeinsam mit ihrer Mutter, diverse Sprachkurse und jobbt nebenbei. „Ich konnte mich mit Englisch gut verständigen“. In dieser Zeit hat sie kaum Kontakt zu Gleichaltrigen. Das macht sie etwas traurig.

Ihr strahlendes Lächeln und ihre natürliche Freundlichkeit öffnen die Herzen

Laskhana ist 16, als sie das Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf (VAB) der Gewerbeschule Villingen-Schwenningen in Angriff nimmt. Ein neuer Weg, um Jugendliche ohne Hauptschulabschluss zu fördern. Laskhana lernt viel und schafft einen guten Hauptschulabschluss. Mittlerweile hat sie Kontakt gefunden und der ist international, denn in ihrer Klasse sind junge Frauen aus Serbien, Syrien, Polen und Italien.

Parallel zur Schule arbeitet Laskhana als Praktikantin in einem iMobile Store – immer mittwochs nach der Schule. Von Technik hat sie keine Ahnung, sie sucht den Kontakt zu Menschen und wird Kundenberaterin. „Hier habe ich erst richtig Deutsch gelernt,“ sagt sie, denn ihr strahlendes Lächeln und ihre natürliche Freundlichkeit öffnen die Herzen. „Gerade ältere Menschen waren meine besten Deutschlehrer“, sagt Laskhana. Sie helfen ihr beim Sprechen und Schreiben und heute kann Laskhana nicht nur fast perfekt deutsch sprechen und schreiben, sie versteht auch den Inhalt von Briefen in „amtsdeutsch“, an dem so mancher verzweifelt.

Laskhana macht weiter. 2017 beginnt sie an der Kaufmännischen Schule 1 Villingen-Schwenningen die Berufsfachschule Wirtschaft mit dem Ziel, auch den Realschulabschluss zu schaffen. Laskhana ist ehrgeizig und lernt. Sie wird zur Klassensprecherin gewählt. Bald ist sie so gut in Betriebswirtschaftslehre und Mathe, dass sie nach der Schule Nachhilfeunterricht für einige Mitschüler gibt – immer dienstags und donnerstags. „Zuerst habe ich das kostenlos gemacht, doch das hat nicht funktioniert, sie haben nicht so richtig aufgepasst,“ lächelt Laskhana. „Doch als ich dann 10 Euro pro Stunde genommen habe, klappte das“. Das Geld behält sie nicht, sondern gibt es ihrem Klassenlehrer für die Klassenkasse. Sie ist in vielerlei Hinsicht äußerst sozial: Wenn Schüler krank sind, bringt sie ihnen die Aufgabenblätter vorbei. Sie sortiert und ordnet – und mit großer Freude hilft sie, wo sie nur kann.

Beeindruckende Leistungen

Wieviel Geld sie erarbeitet und gleich wieder für gemeinsame Klassenausflüge und Unternehmungen gespendet hat, weiß Laskhana gar nicht, doch ihr Lehrer weiß das genau und ist beeindruckt von dieser jungen Frau. Im Juli 2019 hält sie ihr Zeugnis in Händen. Laskhana hat den Realschulabschluss geschafft. Die Note: 1,3 – eine Leistung der Superklasse.

Doch was mindestens genauso zählt ist eine ganz besondere Auszeichnung, die sie erhält. Im feierlichen Rahmen wird ihr soziales Engagement gewürdigt. „Der Schwarzwald-Baar-Kreis als Schulträger der Kaufmännischen Schule 1 Villingen-Schwenningen zeichnet mit dieser Urkunde die Schülerin Lakshana Sivakumar für ihren hilfsbereiten Einsatz als Klassensprecherin und die Organisation und Durchführung von Nachhilfeunterricht für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler aus“, steht es dort schwarz auf weiß.

Landrat Sven Hinterseh hat diese wunderbare Urkunde unterzeichnet und noch einen besonderen Satz hinzugefügt: „ Es braucht

 

 

Menschen, die sich neben den schulischen Leistungen auch für das Miteinander stark machen“. Keine Frage, Laskhana ist so ein besonderer Mensch. Die Eltern und der Bruder sind sehr stolz. Zusätzlich zur Urkunde gibt es 100 Euro. „Vielleicht spende ich die“, sagt Laskhana, überlegt einen Augenblick und dann lacht sie: „Oder ich gebe es doch für mich aus!“

Das wäre mehr als nur in Ordnung, denn es waren harte Jahre: Nachhilfe erteilte sie dienstags und donnerstags – montags, freitags und samstags arbeitet sie in Singen. Und sie spart eifrig, denn vom ersparten Geld finanziert sie ihre Fahrstunden. Die Belohnung: Seit dem 23. Juli 2019 hat sie einen Führerschein.

Die Familie Sivakumar ist angekommen in Deutschland

Seit September 2019 ist Laskhana Auszubildende. Ihr Berufsziel: Industriekauffrau! „Rechnungswesen, Textverarbeitung, Büropraxis und alles, was zum Kaufmännischen dazugehört, macht mir viel Freude,“ sagt sie. Sie konnte sich ihre Lehrstelle aussuchen, denn bei jedem Vorstellungsgespräch überzeugt sie und jeden Test besteht sie. Schlechte Erfahrungen? Diskriminierung? „Aber nein“, sagt sie voller Überzeugung. „Noch nie!“

Auch Laskhanas Bruder Latheesan absolviert gerade die Ausbildung als Systemelektroniker und ihre Mutter arbeitet als Reinigungskraft.

Keine Frage, die Familie ist angekommen in Deutschland. Und doch läuft hier einiges anders. Laskhana raucht und trinkt nicht, die Disko und zu kurze Röcke sind tabu. Sie ist Hindu und lebt ihre Religion aus Überzeugung. Sie fühlt sich gut damit. „Ich bin gleichberechtigt mit meinem Bruder und habe Freiheiten, die es in meiner Heimat nicht für Frauen gibt“, sagt sie voller Überzeugung. Irgendwann möchte sie auch einen Ehemann und Kinder haben. „Doch das hat Zeit und arbeiten werde ich immer“, sagt sie sehr bestimmt.

Zu Hause sprechen sie tamilisch und kochen viele Gerichte aus ihr Heimat. Das gemeinsame Abendessen ist ein Ritual, das allen wichtig ist. Doch Sri Lanka wird wohl für immer tabu sein

21. Jahrhunderts. Sie lebt in Deutschland mit allen Fasern ihres Herzens.

und Verbindung können sie nur über Skype halten.

Sie ist jung, hat Power und weiß was sie will. Sie ist eine junge, selbstbewusste Frau des

21. Jahrhunderts. Sie lebt in Deutschland mit allen Fasern ihres Herzens. Ihre Heimat ist Sri Lanka, ihre Kultur, die in ihr steckt und mit der sie aufgewachsen ist, bewahrt und achtet sie. Aber auch deutsche Kultur, Gesetze und Regeln achtet, beachtet und befolgt sie. Laskhana Sivakumar hat den Spagat geschafft diese beiden Welten zu verbinden, obwohl sie knapp

8.000 Kilometer trennen.

Laskhanas nächstes Ziel: Die Deutsche Staatsangehörigkeit.

Laskhana Sivakumar freut sich auf ihre Zukunft in Deutschland. Nächstes Ziel ist die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft.

 

 

Sandra Heinichen

Die Frau vom Bau – Sandra Heinichen setzt eine lange Familientradition fort

von Daniela Schneider

Im Schwenninger Dickenhardt, oben am beschaulichen Waldrand gleich neben dem Kugelmoos gelegen, hat die Firma Heinichen Bau ihren Sitz. Das Traditionsunternehmen, 1894 von Karl Gustav Heinichen gegründet, ist eine absolute Familiensache – und das wird auch in der nächsten Generation so bleiben. Was für viele Betriebe vor allem im Handwerk längst keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr eher eine Seltenheit geworden ist, hat hier geklappt. Seit 2016 nämlich steht fest, dass Sandra Heinichen, Ur-Ur-Enkelin des Firmengründers, die Leitung übernehmen wird.

Obwohl die junge Frau und ihre Schwester als Kinder auf dem Firmengelände oft auf den Sand- und Kieshaufen spielend herumgekraxelt sind und im Büro des Bauunternehmens ein ums andere Mal ihre Schulaufgaben gemacht haben, war es nicht gerade vorgezeichnet, dass eine von ihnen einmal die Firmenleitung übernehmen würde. „Die Leitung eines Handwerksbetriebs habe ich mir einfach nicht zugetraut“, gibt Sandra Heinichen in der Rückschau unumwunden zu. Für sie kam es nach dem Abitur, das sie 2006 am Gymnasium am Deutenberg machte, nicht in Frage, in den Betrieb einzusteigen, den ihre Eltern Sabine und Hans-Jörg Heinichen seit 1991 führten. Also schlug sie einen anderen Weg ein und studierte am Schwenninger Campus der Hochschule Furtwangen University Internationale Betriebswirtschaft, gefolgt vom Marketing-Masterstudium an der Hochschule Heilbronn. Danach stieg sie bei der Marquardt-Gruppe in Rietheim-Weilheim im Kreis Tutt-

Sandra Heinichen: Die Junior-Chefin wird in wenigen

Jahren die Firmenleitung von Heinichen Bau ganz

übernehmen. Den wesentlichen Teil ihrer Arbeit erle

digt sie vom Schreibtisch aus. Aber auch auf der Bau

stelle ist die junge Frau immer wieder anzutreffen.

 

 

lingen ins Berufsleben ein. Drei Jahre war sie dort im Produktmanagement im Schalter- und Non-Automotive-Bereich tätig. Dabei galt es, sich viel technisches Know-how anzueignen, schließlich ging es um Komponenten und elektronische Baugruppen. „Ich musste mich stark in technische Themen einarbeiten – und dabei habe ich gemerkt, wie viel Spaß mir das macht“, berichtet sie, „es war gar nicht so ein Riesenbrett zu bohren, wie ich gedacht hatte.“

Im Laufe der Berufsjahre wuchs das Selbstvertrauen immer mehr. Sandra Heinichen fand raus: „Es ist nicht so schwer, auch in einer männerdominierten Berufswelt zu bestehen, wenn man gut ist.“ Mit der Zeit stellte sie sich auch die Frage, warum sie selbst eigentlich nicht gleich einen technischen Beruf ergriffen hatte. Das Interesse war eigentlich schon immer da gewesen – das Talent vermutlich auch. Mathematik und Physik zum Beispiel waren für sie in der Schule immer Fächer, die sie mochte und gut meisterte. „Ein Wirtschaftsingenieur-Studium wäre ideal für mich gewesen“, sagt sie in der Rückschau. Und: „Ich würde jede junge Frau ermutigen, ein technisches Studium in Erwägung zu ziehen.“

Entscheidung für den Familienbetrieb

Was für sie immer schon in Frage kam, war die Selbstständigkeit. Ihre Eltern hatten vorgelebt, wie das auch mit Familie gut gelingen kann und welche Vorteile es mit sich bringt. Als dann bei ihrem damaligen Arbeitgeber auch noch größere Umstrukturierungen in ihrer Abteilung anstanden, kam sie ins Grübeln. „Ich habe mich gefragt: Wo sind meine Ziele? Wo möchte ich hin?“, erinnert sie sich. Ja, warum eigentlich nicht in den Familienbetrieb? Der Gedanke kam ihr immer öfter. Der erste, mit dem sie diesen teilte, war ihr damaliger Freund, der heute übrigens ihr Ehemann ist. Beide kamen gemeinsam zu dem Schluss, dass es einfach schön wäre, wenn der Familienbetrieb weitergeführt würde – und dass dies der richtige Weg für Sandra Heinichen sei. Als das geklärt war, verkündete sie vor drei Jahren dann ihren Eltern die frohe Botschaft. Die Freude, die damit ausgelöst wur-

Es ist nicht so schwer, auch in einer männerdominierten Berufswelt zu bestehen, wenn man gut ist.

de, war selbstredend groß. Zum einen bleibt die Firma so jetzt schon in Generation fünf in Familienbesitz, zum andern wäre es vermutlich sehr schwer geworden, sie an jemand anderen zu übergeben. Damit ging es Heinichens so wie vielen Handwerksbetrieben: Bei 37 Prozent aller Unternehmen im Gebiet der Handwerkskammer Konstanz sind die Inhaber 55 Jahre oder älter. In den nächsten zehn Jahren stehen damit rund 6.600 Unternehmen zur Nachfolge an. Und wahrlich nicht immer sind Söhne oder Töchter bereit, diese anzutreten.

Wenn es um die Nachfolge geht, ist eine familieninterne Übergabe längst nicht mehr vorgezeichnet. Nur noch 33,7 Prozent übergeben laut einer Erhebung der Handwerkskammer den Betrieb an die Kinder. Viele von ihnen wollen die unternehmerische Verantwortung nicht, berichten die Fachleute von der Handwerkskammer. Sandra Heinichen aber sieht es anders – zum Glück für die Firma und deren Mitarbeiter. Die freuten sich merklich und nahmen die Junior-Geschäftsführerin sehr positiv auf. Dass der ohnehin enge Zusammenhalt im Familienunternehmen nun weiter gepflegt wird, das steht für die Beteiligten fest, weiß Sandra Heinichen. „Der Zeitpunkt der Entscheidung war gut“, ist sie sich sicher.

Danach drückte sie übrigens noch einmal die Studienbank: In Konstanz hängte sie ein Bauingenieurstudium dran. „Hier habe ich die theoretische Seite mitgenommen, wenn es zum Beispiel um statische Berechnungen geht“, zieht sie Bilanz. Praktisch anwendbares Wissen allerdings wurde eher nicht vermittelt. Das holte sie sich stattdessen direkt am Bau: In den Sommerferien ging’s jeweils für mehrere Wochen mit den Mitarbeitern jeden Tag mit auf die Baustelle. Das wird ihr helfen, wenn es später mal darum geht, die Leute einzuteilen, Angebote zu kalkulieren und schlichtweg Bescheid zu wissen,

 

 

Spatenstich bei Heinichens: Klar, dass das Eigenheim von Sandra Heinichen und Ehemann Stefan im Schwenninger Steinkirchring quasi komplett in Eigenleistung gebaut wird. Vater Hans-Jörg Heinichen freut sich darüber.

„Ich hab‘ armiert, ich hab‘ betoniert – ich hab‘ eine Rüttelplatte bedient“, fasst die zierliche Junior-Chefin nicht ohne Stolz zusammen.

wie es ist, mit der Maurerkelle zu hantieren. „Ich hab‘ armiert, ich hab‘ betoniert – ich hab‘ eine Rüttelplatte bedient“, fasst die zierliche Junior-Chefin nicht ohne Stolz zusammen.

Dass sie dabei eine ganz gute Figur machte, bestätigten ihr auch die Kollegen. „Körperlich bin ich schon an meine Grenzen gekommen“, berichtet sie trotzdem lachend: „In der ersten Woche auf der Baustelle war ich abends tot.“ Großen Respekt zollt sie den Leistungen der Mitarbeiter, zumal denen, die dem Betrieb seit vielen Jahren die Treue halten. Allerdings macht der Fachkräftemangel auch vor dem Schwenninger Bauunternehmen nicht Halt. Deshalb zählt es schon jetzt zu den wichtigen Aufgaben von Sandra Heinichen, auch nach außen zu tragen, dass ein Arbeitsplatz im Baugewerbe eine relativ sichere Bank ist („gebaut wird immer“) und gerade in der Lehrzeit vergleichsweise gut bezahlt wird.

Jeden Tag Neues erleben

„Leider ist das Image des Bauarbeiters schlecht“, weiß die Junior-Geschäftsführerin aber auch. Der Beruf eines Maurers oder Betonbauers sei dabei doch anspruchs- und verantwortungsvoll und „jeden Tag erlebt man etwas Neues“, betont sie und ergänzt: „Man sieht immer, was man gemacht hat.“ Im nächsten Jahr nun geht der langjährige Bauleiter in Rente. Danach werden sich Sandra Heinichen und ihr Vater die Aufga-

 

 

Eine Giebelwand hochziehen? Sandra Heinichen weiß wie es geht.

ben an der Firmenspitze teilen. Die Eltern leiten den Betrieb hauptverantwortlich noch bis 2025, danach übernimmt die Tochter ganz.

Ob sie denn dann viele Veränderungen vor hat? Die 32-Jährige gibt Entwarnung: Das Unternehmen gründet auf Erfahrung und auf diese wird auch sie sich verlassen. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht auch selbst mit neuem Elan einbringen will. „Im Handwerk passiert vieles noch sehr hemdsärmelig“, meint sie, da kann es nicht schaden, wenn jemand mit der Erfahrung aus dem professionellen Produktmanagement auf die Abläufe schaut. So gibt es bei Heinichen Bau seit rund einem Jahr nun schon eine mobile Zeiterfassung per App übers Handy, die nach anfänglicher Skepsis mittlerweile auch bei den Mitarbeitern gut ankommt, weil sie vieles vereinfacht, berichtet Sandra Heinichen.

Besonders am Herzen liegt ihr im Übrigen das schlüsselfertige Bauen. Seit rund zwei Jahren bietet Heinichen Bau individuell geplante, schlüsselfertige Massivhäuser an. „Dabei sind wir der Ansprechpartner für die Bauherren. Wir entwerfen und planen das Haus für unsere Kunden, machen alle Erdarbeiten und den Rohbau selbst und beauftragen für alle anderen Gewerke Handwerker aus der Region“, berichtet die Junior-Chefin.

„Das ist meine Heimat, ich bin hier zuhause.“

Zu ihrem Schritt, sich für den elterlichen Betrieb zu entscheiden, passt auch ihr Bezug zu der Gegend, in der sie daheim ist. Über Schwenningen und den Schwarzwald-Baar-Kreis sagt sie: „Das ist meine Heimat, ich bin hier zuhause.“ Familie und Freunde leben hier. Dass sie sich als „bekennender Kleinstadtmensch“ hier wohl fühlt, wo alles in vertretbarer Entfernung zu erreichen ist, es „viel Grün drum herum gibt“ und es „noch persönlich zugeht“, daran lässt die 32-Jährige keinen Zweifel. In einer wirtschaftlich erfolgreichen, stabilen Region zu leben, spiegle sich einfach in der guten Lebensqualität wider.

Dabei ist es keineswegs so, dass es sie nicht auch einmal in die Ferne gezogen hätte: Nach dem Abitur war sie drei Monate in Australien. Später absolvierte sie ein Praktikum in Barcelona, ein Auslandssemester verbrachte sie in Peru in Lima, wo sie zwar an einer privilegierten Uni landete, aber doch die große Armut im Land sah. Vielleicht rührt daher auch ihr Engagement im Lions-Club Triberg-Schwarzwald. Dem Ser-vice-Club, der sich die Unterstützung sozialer Projekte zur Aufgabe gemacht hat, stand sie zuletzt sogar als Präsidentin vor, mal ganz abgesehen davon, dass sie im selben Jahr noch geheiratet hat und zusammen mit ihrem Mann auch noch ein Haus baute, das übrigens das erste schlüsselfertig gebaute von Heinichen Bau war. Die Bauherrin hat es zusammen mit ihrem Vater selbst entworfen, geplant und umgesetzt. Da wurde die Zeit für die Hobbys wie Joggen, Mountainbiken oder Wandern schon mal knapp. Für die „Frau vom Bau“ ist das aber kein Problem – sie hat sich für dieses Leben entschieden und es bisher noch kein bisschen bereut.

 

 

Karl Gustav Heinichen

HEINICHENBAU – DAS UNTERNEHMEN

Der Maurer Karl Gustav Heinichen, der aus Camburg an der Saale stammte und 1892 zum Aufbau der abgebrannten Zündholzfabrik aus Thüringen nach Schwenningen gekommen war, gründete 1894 hier ein Bauunternehmen samt Baustoffhandel.

Viele Wohnhäuser im Neckarstadtteil zum Beispiel wurden von Heinichen gebaut. Um die Jahrhundertwende wagte sich der fleißige Fachmann an größere Industriebauten, die Firma erarbeitete sich einen Namen auch über die Stadtgrenzen hinweg. Zusätzlich zum Baubetrieb eröffnete Karl Gustav Heinichen 1914 auch noch eine Gastwirtschaft, das „Deutsche Haus“ im Neckarstadtteil Schwenningens. 1923 übernahmen die Söhne Karl und Oskar Heinichen den Betrieb des Vaters und führten ihn unter der Bezeichnung „Karl Heinichen Söhne“ fort. Unter ihrer Führung wuchs der Betrieb rasch, sodass bis zu 250 Mitarbeiter beschäftigt werden konnten. Den Baustoffhandel des Vaters führten sie nicht mehr weiter, dafür kam zum Bauunternehmen ein Kalksteinbruch mit Schotterwerk hinzu.

Eine schwere Zäsur gab es durch den Zweiten Weltkrieg: Fast die Hälfte der Mitarbeiter wurde zum Bunkerbau verpflichtet und zum Ende des Krieges stand das Unternehmen kurz vor dem Niedergang, da kaum ein Mitarbeiter aus dem Krieg zurückkehrte und etliche Geräte verloren gegangen waren. So musste der Betrieb 1946 vollständig neu aufgebaut werden. Es gelang dem Unternehmen, am allgemeinen Wirtschaftsaufschwung teilzuhaben und wieder auf eine ansehnliche Größe von 125 Mitarbeitern heranzuwachsen.

Der erste Firmensitz.

Als Karl Heinichen Ende 1963 aus dem Unternehmen ausschied, übernahm sein Neffe, Oskar Heinichens Sohn Oskar Heinichen Junior, seine Stelle. Bereits in den 60er-Jahren war die Firma ein sehr fortschrittliches Unternehmen und begann, als eines der ersten in der Baubranche, Fertigteile herzustellen.

1972 wurde das Unternehmen schließlich in eine KG umgewandelt, wobei die Geschäftsführung Oskar Heinichen Junior als Komplementär übertragen wurde. Ein weiterer bedeutender Einschnitt in der Firmengeschichte war im März 1977 die vollständige Übernahme der Schwenninger Frischbeton GmbH & Co.KG, die 1964 von einigen Schwenninger Baubetrieben gegründet worden war. Der Firmensitz beider Betriebe wurde im ehemaligen Betriebsgebäude der Schwenninger Frischbeton im Dickenhardt 4 zusammengelegt, wo sich das Bauunternehmen auch heute noch befindet.

Durch den plötzlichen Tod von Oskar Heinichen jr., im Juli 1991, übernahm sein Sohn Hans-Jörg Heinichen den Baubetrieb in der vierten Generation. Tatkräftige Unterstützung erhielt der Bauingenieur durch seine Frau Sabine Heinichen, die als Betriebswirtin des Handwerks die kaufmännische Leitung des Unternehmens übernahm. Im Jahr 2019 konnte Heinichen Bau 125-jähriges Bestehen feiern – und den Fortbestand dank Sandra Heinichen, die die Firma samt 25 Mitarbeitern weiterführen wird.

 

 

Christophe Herr

Eine junge Energie, die altes Handwerk antreibt

von Susanne Kammerer mit Fotos von Wilfried Dold

 

 

„Ich bin stolz auf das, was unsere Vorfahren geschaffen haben“, sagt Christophe Herr. Der 41-jährige Holzbildhauer fertigt in seiner Firma „Robert Herr Kuckucksuhren-Unikate“ in Schonach hochwertige Uhren. In einer Werkstatt, wie sie ursprünglicher nicht sein könnte. Dabei ist er nicht einfach „nur Handwerker“, sondern ein weithin angesehener Botschafter der traditionellen Schwarzwälder Handwerkskunst – ein Kuckucksuhrenschnitzer von Rang!

Christophe Herr mit einigen seiner liebsten Stücke – Kuckucksuhren mit schwarzem Antikwachs behandelt. Rechte Seite: Beim Schnitzen eines Jagdstückes, der nach wie vor beliebtesten Kuckucksuhr.

Die Ohren sind getunnelt, die Kleidung ist mit Jeans und T-Shirt lässig. Christophe Herr ist ein Typ, der nicht so recht zu dem vermeintlich alten und staubigen Beruf des Uhrmachers passt. Gerne wird er als Revoluzzer bezeichnet. Im positiven Sinne: Der Schonacher ist Revoluzzer, aber einer, der sich nicht vor der Moderne und dem Zeitgeist verschließt, sich dem traditionellen Handwerk jedoch verpflichtet fühlt und es unbedingt wahren möchte: „Eine Kuckucksuhr ist kein Souvenir, sondern Handwerkskunst“, sagt er. „Man sollte die Geschichte, die dahinter steckt, nicht vergessen“. Und gerade diese Geschichte ist es, die die Kuckucksuhr so untrennbar mit dem letzten Uhrendorf des Schwarzwaldes, mit Schonach verbindet.

Familienbetrieb in fünfter Generation

Und diese geht weit zurück. Das Handwerk wurde über die Jahrhunderte stets verbessert und verfeinert – dieses Wissen gelte es, zu beschützen. Für Christophe Herr Passion und Familientradition gleichermaßen. In fünfter Generation führt er den Familienbetrieb, der nach seinem Urgroßvater Robert Herr benannt ist. Die Kuckucksuhren-Fabrikation wurde im Jahr 1868 gegründet. Damit sei man der älteste,

 

 

Auf Grundlage einer Schablone wird die Grundform der Kuckucksuhr aus einer Holzplatte herausgesägt. Auch das braucht Fingerfertigkeit. Dann folgt die Schnitzarbeit, die Christophe Herr tief und individuell ausführt wie die Beispiele links zeigen.

noch bestehende Hersteller für Schwarzwalduhren dieser Art. In der Zeit des Schwarzwald-uhren-Booms arbeiteten bis in die 1970er-Jahre in der Firma mehr als vierzig Beschäftigte und produzierten Serienuhren.

Ab 1981 kam es unter der Regie von Kuno Herr, Christophes Großvater, zur Veränderung: Man konzentrierte sich wieder auf die Wurzeln der Schwarzwalduhren-Herstellung und stellt seither ausschließlich Einzelstücke her. Das Motto: Jede Uhr wird zu 100 Prozent in Handarbeit gefertigt und bekommt dann auch eine entsprechende Signatur. „Jemand, der eine Kuckucksuhr kauft, will kein Massenprodukt, sondern auch eine Geschichte dazu haben“, ist Christophe Herr überzeugt. Jede Kuckucksuhr wird von Christophe Herr oder seinem Vater Hubert Gasche komplett von Hand geschnitzt, in einem aufwendigen Verfahren gewachst oder gebeizt und anschließend das mechanische Uhrwerk verbaut.

Mit acht Jahren schnitzte er die erste Uhr

Für den Schonacher war von klein auf klar, dass er die Firma seines Opas eines Tages übernehmen wird. Das Handwerk hat ihn von Anfang an begleitet, bereits mit acht Jahren schnitzte er seine erste Uhr: ein Muttertagsgeschenk für seine Mutter. „Sie hat sie immer noch“, lächelt Herr. Mit gerade mal 22 Jahren übernahm er den Familienbetrieb. „Das war nie eine Last, geschweige denn Arbeit. Für mich bedeutet das Herstellen von Kuckucksuhren einfach nur Spaß“, sagt Herr.

 

 

In den ersten zehn Jahren der Berufstätigkeit von Christophe Herr standen drei Generationen Seite an Seite an der Werkbank: Großvater Kuno, Vater Hubert und Enkel Christophe. Heute sind es Vater und Sohn. Die Nachwuchssorgen in diesem Handwerk sind groß. Der kreative Beruf verlange gleichermaßen Fantasie und Geduld ab. „Man muss auch mal Durststrecken durchstehen, denn es dauert eine Weile, bis man das Ergebnis sieht“, betont Christophe Herr. Eine Arbeitsweise, mit der junge Leute heute oft nichts mehr anfangen können, äußert er seine Sicht der Dinge. „Wenn man das Ergebnis nicht innerhalb von zehn Minuten sieht, ist es sofort langweilig“, bedauert der Holzbildhauer. Dabei ist die Arbeit äußerst vielfältig.

Das Jagdstück, die beliebteste Kuckucksuhr

Christophe Herr kreiert seine Kuckucksuhren selbst, er entwickelt neue Designs und reproduziert alte klassische Modelle, die in vielen Haushalten – national und international – einen besonderen Platz gefunden haben. In seiner Werkstatt hängen die Schablonen für Uhrengehäuse dutzendfach an den Wänden, die Bandbreite der Möglichkeiten ist groß. Drei Jahre trocknen die Bretter, bevor er sie zu Streifen sägt und zu einer Platte verleimt. „So gibt es später keine Risse“, erläutert Christophe Herr. Dann legt er eine der Schablonen auf das Holz und sägt die Form der Uhr aus. Danach beginnt die Schnitzarbeit: Pflanzen, Tiere, Menschen oder Ornamente schnitzt er mit unglaublicher Fertigkeit ins Holz. Die beliebteste Schwarzwalduhr ist nach wie vor das Jagdstück – eine Kuckucksuhr mit Jagdwaffen, Waldhörnern, erlegtem Hasen und Hirschkopf mit Geweih. Solche Uhren fertigt Christophe Herr auch in 1,50 Meter Größe – stets eine besondere Herausforderung.

Die Werke seiner traditionellen Uhren stammen von der SBS-Feintechnik. Der Welt-

 

 

marktführer produziert seine hochwertigen mechanischen Uhrwerke nur einen Kuckucksruf von der Werkstatt entfernt. Und auch die Blasebälge kommen aus Schonach, gefertigt von der Holzwarenfabrik Kienzler. Die kleinen Kuckucksfiguren sind ausschließlich selbst geschnitzt. Ihre metallenen Flügel, die sich beim Kuckucksruf bewegen, stellt ein Bekannter des Schnitzers in seiner Werkzeugmacherei her.

„Eine Kuckucksuhr lebt von der Schnitzerei“, sagt Christophe Herr. Die hochwertige Individualität der Kuckucksuhren von Christophe Herr ist es, die der Manufaktur nach wie vor die Auftragsbücher füllt. Diese sind sogar übervoll und der dadurch zum Ausdruck kommende Erfolg gibt seiner Philosophie Recht.

Kundschaft über den ganzen Globus verteilt

Die Kundschaft der Firma „Robert Herr Kuckucksuhren-Unikate“ ist über den gesamten Globus verteilt. Der gute Ruf der Produkte hinsichtlich Qualität, Optik und Präzision sorgt dafür, dass der Kundenkreis vom Sammler bis zum Adel reicht. Für Prinz Bernhard von Baden schnitzte er vor einigen Jahren eine „echt badische Kuckucksuhr“. Natürlich mit dem badischen Wappen.

Und ebenso stehen Scheichs auf der Kundenliste – aber auch Persönlichkeiten wie Erik Pretorius. Der Südafrikaner, dessen Vorfahren einst die Stadt Pretoria gründeten, ist mit einer Nachfahrin der Familie Krüger (Krüger Nationalpark) verheiratet. Er bestellte bei dem Schonacher eine Uhr, die die Wappen beider Familien vereint. Christophe Herr schuf eine 1,50 Meter hohe Kuckucksuhr, die sein Kunde voller Freude als „absolutes Meisterstück“ bezeichnete.

Die Kuckucksuhr – ein Stück Heimat

Das Ladengeschäft von Christophe Herr befindet sich direkt neben der Werkstatt. Dort hängt eine feine Auswahl verschiedenster Modelle an der Wand. Es handelt sich um Traditionsuhren: Kuckucksuhren mit Weinblättern auf dem Schild, aber auch mit Fasanen oder Vogelnestern. Die aktuelle Entwicklung bei der Kuckucksuhrengestaltung ist für Christophe Herr ein sensibles Thema. Dem Trend zu modernen, farbigen Uhren kann er nichts abgewinnen. Eine Kuckucksuhr sei kein Souvenir, sondern Kunst und gehöre nicht in die Geschenksegmentecke, so seine Argumentation.

Für ihn verkörpern Kuckucksuhren die Heimat, sind ein wichtiges Stück seiner eigenen Identität – das kommt bei den Kunden gut an. Sie schätzen es, den Künstler, der ihre Uhr geschaffen hat, persönlich im Verkaufsraum anzutreffen. Auch eine Werkstattführung ist immer wieder drin. „Nicht nur der Verkauf ist wichtig, ich will den Leuten zeigen, wie wir arbeiten“, sagt der Holzbildhauer. Dabei gelingt es ihm scheinbar mühelos, seine Begeisterung für das Handwerk und die Kuckucksuhr auf sein Gegenüber zu übertragen.

Christophe Herr ist ein besonderer Botschafter seiner Branche. Er hat einem alten Hand-

Blick in die Schonacher Kuckucksuhrenwerkstatt von Christophe Herr. Sie sieht exakt so aus, wie man sich so eine Werkstatt im Schwarzwald vorstellt.

werk neuen Schwung verliehen. Und das auf höchstem Niveau – mit 100 Prozent Handarbeit, als Manufaktur mit weltweitem Vertrieb und Service.

 

 

So schmeckt Liebe

Luisa Zerbo – jung, mutig, kreativ

von Barbara Dickmann

Sie sind verabredet mit netten Menschen. Das Restaurant haben Sie ausgesucht, einen Tisch reserviert und sind nun sehr gespannt, denn es ist Ihr erster Besuch. Pünktlich um 19 Uhr öffnen Sie die Tür und freuen sich. Das Restaurant „Da Gino“ ist sehr sauber aber nicht steril, liebevoll dekoriert aber nicht überladen. Ein angenehmer Duft liegt in der Luft, die Tischdecke ist strahlend weiß und das Besteck blinkt und blitzt.

Ein freundlicher Kellner begrüßt Sie mit strahlendem Lächeln und legt Ihnen die Speisekarte vor. Sie ist nicht groß, hat aber ein farbenfrohes Angebot mit etlichen Varianten und ganz besonders was die Beilagen betrifft. Auch ein paar ausgefallene Gerichte sind dabei. Der Wein wird gebracht und Ihre Sonderwünsche (nein, bitte keinen Reis, sondern Nudeln!!) werden mit einem Lächeln und einer Selbstverständlichkeit aufgenommen, dass Ihnen ganz warm ums Herz wird.

Die Stimmung am Tisch ist super. Und als das Essen nach 20 Minuten kommt, wird sie noch besser. Man sieht, riecht und schmeckt es schon beim ersten Bissen – alles frisch, gute Zutaten und einfach lecker. Und sobald ein Glas leer ist, fragt Ihr aufmerksamer Keller sehr diskret, ob noch etwas zu trinken gewünscht sei. Das war es an diesem Abend ziemlich oft, denn das Auto war zu Hause geblieben. Als dann die Rechnung kam, war keiner erschrocken. Alles ok, Preis-Leistungsverhältnis völlig in Ordnung und der Kellner hatte sich an diesem Abend sein Trinkgeld nun wirklich verdient.

Mal ehrlich, liebe Leserin und lieber Leser. So oder ähnlich sollte ein Abend in einem Restaurant aussehen, denn Sie gehen ja nicht nur dahin, um satt zu werden. Doch wie oft erleben Sie das, wo finden Sie heute noch Gastronomen mit Leidenschaft und mit Liebe zum Kochen? Es gibt sie, keine Frage!

Dienstag 11 Uhr. Das „Da Gino“ , ein italienisches Restaurant in Villingen-Schwenningen ist leer. Nur ein einsames Macaron und ein Rhabarbertörtchen mit Baiser, Estragon und Erdbeeren liegen in einer kleinen, gläsernen Café-Theke – winzige Reste vom Vortrag, denn übrig bleibt von diesen Köstlichkeiten so gut wie gar nichts. Von 14 bis 17 Uhr, zur besten Kaffeezeit, werden Maracons und feines Süßes im „Da Gino“ angeboten, zur Freude aller Genießer, die mal etwas anderes als Käsekuchen essen möchten.

Das italienische Restaurant Da Gino in VS-Schwenningen.

 

 

Dienstags ist Ruhetag im „Da Gino“, doch aus der Küche kommen verdächtige Geräusche. Dort wird nicht auf- oder eingeräumt, sondern geschnitten, geraspelt, geschlagen, gerührt, geschüttelt, geknetet und was nicht alles. Denn Luisa Zerbo, 30 Jahre jung, ist an ihrem Lieblingsplatz, ist in ihrem Element – in der perfekt eingerichteten Gastro-Küche des „Da Gino“. Mit Liebe und Leidenschaft kocht, brät und backt sie. Ausgestattet mit einem unglaublich hohem Wissen über die exotischten Obstsorten, über sämtliche Gemüsesorten, Fleisch oder Fisch. Doch auch über Gluten, Lactose und die Wir-

Mehr von Luisa Zerbo und ihrer Back- und Kochkunst gibt es u.a. im Internet: Facebook: /geschmackssinnblog Instagram: @soschmecktliebe

kung von übermäßigem Zuckerkonsum kann sie referieren und genau erklären, wie und was man tun oder lassen sollte.

Den Weg in die Küche fand Luisa nicht sofort. Ihr Lebensweg ist gezeichnet von Zufällen, glücklichen Umständen und davon, dass sie mutig ist und Chancen erkennt und ergreift.

 

 

Hier ihre Geschichte: Luisa

Luisas Mutter war Deutsche und ihr Vater ist Sizilianer. Geboren und aufgewachsen ist sie in Villingen-Schwenningen. Gino Zerbo ist selbstständiger Gastronom. Die Pizzeria „Da Gino“ wird Luisas zweites Zuhause, doch sie denkt nicht daran in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Sie absolviert eine Ausbildung zur Maßschneiderin und Designerin

– findet aber keinen passenden Job und arbeitet in der Gastronomie. Nach einem Jahr beginnt sie ein Studium und schließt mit dem „Bachelor of Arts Modedesign“ ab.

Ihre erste Stelle als Designerin führt sie nach Trier. Sie leitet ein Atelier, gibt Nähkurse und ist trotzdem nicht ausgelastet. „Ich bin nicht so kontaktfreudig,“ sagt sie, „und habe damals nach etwas gesucht, womit ich mich beschäftigen kann“.

Luisa beginnt einen „food blog“ auf Instagram. Er wird immer erfolgreicher. Und Luisa verändert sich: Anstatt an Mode und Design zu denken, fallen ihr immer wieder neue Geschmackskreationen ein, Rezepte mit ungewöhnlichen Zutaten. Bald hat sie neben der Nähmaschine einen Block liegen und schreibt auf, was ihr in den Sinn kommt. „Natürlich habe ich meine Arbeit gemacht,“ berichtet Luisa, doch immer mehr denkt sie ans Essen. Ihr ganzes Geld gibt sie für hochwertige – manchmal exotische Zutaten aus und kocht und backt – kreiert und steigt ein in das große Thema „gesunde Ernährung“. Sofort nach der Arbeit steht sie am Herd und hat so unglaublich viel Spaß dabei.

Ihre Mutter ist ihre Vertraute und beste Freundin. Und mit ihr spricht sie viel. „Am liebsten möchte ich den ganzen Tag nur backen und kochen,“ gesteht sie ihr in einer stillen Stunde und die Mutter horcht auf. Soll ihre Tochter im erlernten Beruf bleiben, obwohl ihre Leidenschaft ganz woanders liegt? Ihr Rat ist eindeutig. Ihre Tochter soll glücklich sein und Luisa kündigt. „Schweren Herzens, denn ich wusste nicht wie es weitergehen soll!“ Wer würde sie einstellen – ganz ohne Ausbildung?

Torten vom Feinsten – Luisa Zerbo ist vielseitig begabt.

Luisa überlegt Konditorin zu werden und

eine entsprechende Lehrstelle zu suchen. Doch dazu kommt es nicht, denn eine Kundin von ihr ist Leà Lister, bekannte Sterne-Köchin aus Luxemburg. „Du kommst zu mir“, sagt sie und bietet ihr in ihrer Patisserie zuerst eine Praktikumsstelle an. „Probier es“, sagt die Mutter und Luisa springt ins kalte Wasser. Sie ist jetzt 26 Jahre alt, lernt französisch und arbeitet bald in allen drei Betrieben von Leá Lister. „Von Trier nach Luxemburg war super“, erinnert sich Luisa gerne an diese Zeit.

Am 30. Juni 2016 stirbt Luisas Mutter. Luisa leidet sehr unter dem Verlust. Sie verlässt Luxemburg und Leá Lister und geht zurück, denn der Vater ist jetzt alleine. Luisa steigt voll ein, verändert die Speisekarte und präsentiert eine neue italienische Küche. Irgendwann in

der Nacht füllt sie einfach mal den Bewerbungsbogen für „The Taste“ aus, einer Kochshow , die SAT 1 ausstrahlt. Mit dem Erfolg ihrer neuen Speisekarte ist sie nicht zufrieden, irgendwie wollen die Gäste nicht so recht. Luisa muss verändern und fühlt dabei, dass ihre Kreativität auf der Strecke bleibt.

Luisa überlegt – und im Oktober 2017 eröffnet sie ihr eigenes Nachmittags-Càfe im „Da Gino“. Französische Pastisserie vom Feinsten,

 

 

kleine Törtchen, Maclairs (eine Kombination aus Maracon & Eclair und eine Sünde wert), oder salzige Haselnuss Macarons mit Muskatblüte und viele, viele weitere bekannte und exotische Köstlichkeiten bietet sie seitdem an. „Das ist einfach ideal, hier kann ich meine Kreativität ausleben,“ erklärt Luisa.

Und noch etwas passiert im Oktober 2017: Luisa ist im Fernsehen. „The Taste“, die Kochshow in fünf Staffeln beginnt. Hobby- wie Profiköche werben um die Gunst von vier Coaches und müssen etliche Köstlichkeiten backen, braten, kochen. Von 1.000 Bewerbern sind nach

Torten und Törtchen, Maclairs und weitere Köstlichkeiten bietet die Konditorei von Luisa Zerbo.

verschiedenen Bewerbungsrunden ganze 40 übrig. Und Luisa ist dabei. Ihre Macarons mit Lachstatar verzaubern Coach Roland Trettl, einen sehr bekannten, deutsch-italienischen Koch und Buchautor.

Luisa schafft es bis zum Finale im Dezember 2017, erst in der letzten Runde scheitert sie. Luisa durchlebt die unterschiedlichsten Gefühle. Sie ist froh über den Erfolg und doch ein biss

 

 

chen enttäuscht. „Das war eine ganz besondere Erfahrung“, sagt sie. Und nicht nur das, denn Luisa ist auf einmal in aller Munde. Der Kneesebeck-Verlag möchte mit ihr ein Kochbuch herausbringen. Luisa ist begeistert und macht sich an die Arbeit. Alles könnte so schön sein!

Doch im August 2018 meldet sich die Handwerkskammer Konstanz. Einige Anrufer hätten mitgeteilt, dass Luisa das Konditorhandwerk ohne entsprechende Ausbildung ausübe und das sei verboten. Luisa ist sprachlos. Doch nicht lange, denn ihre höhere Bildung, ihr Studium mit Abschluss ebnen den Weg. Sie wird zu einer Sonderprüfung zugelassen und am festgesetzten Termin stehen die Prüfer morgens um acht Uhr in Luisas Küche. Sie bleiben bis abends um 18 Uhr. Das volle Programm! Theorie und Praxis und alles, was es nur gibt. Doch Luisa besteht und ein Stein fällt ihr vom Herzen. Sie muss nichts mehr fürchten und könnte sich sogar in die Handwerksrolle eintragen lassen.

Kochbuch der besonderen Art erscheint

Am 10. Oktober 2018 ist es soweit. „So schmeckt Liebe: Gesundes Soulfood, das dich glücklich macht“ kommt auf den Markt – ein Kochbuch der besonderen Art. Die Autorin: Luisa Zerbo – und die ist mindestens genauso glücklich.

Ein Jahr nach dem großen Ereignis ist Luisas Leben bunt und vielfältig. Sie gibt Kochkurse, „Die Muskeltiere“ ihr neues Kinderkochbuch ist seit September auf dem Markt, sie ist die Juniorchefin des „Da Gino“ und ihre Leidenschaft ist eher größer geworden. „So schmeckt Liebe“ ist mittlerweile ihre eigene, geschützte Marke. Ihre Liebe zum Beruf, ihre Kreativität, lassen eine bunte Vielfalt von Süßem und Salzigen entstehen, das auf der Zunge zergeht, lassen Geschmackserlebnisse wahr werden, die unglaublich sind. Und doch liebt Luisa auch die „einfache“ Küche ihrer Großmutter. Im „Da Gino“ gibt es beides und alles in einer hervorragenden Qualität. Sie freuen sich auf einen Abend mit gutem, freundlichen Service und einem Essen, das nach Liebe schmeckt. Keine Sorge, es gibt sie noch, die Köche, die leidenschaftlich sind und gerne für Sie arbeiten.

Lauch im Schinkenmantel mit Schweizer Bergkäse

Die Zutaten: 3 Stangen Lauch 6 Scheiben Landschinken Béchamelsauce 100 g Schweizer Bergkäse, gerieben Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer

Den Backofen auf 180 °C (Umluft) vorheizen, und den Lauch von den äußeren Blättern sowie dem unteren Ende befreien, das Gemüse waschen und quer dritteln. Das obere Drittel für Gemüsebrühe benutzen.

In einem Topf reichlich gesalzenes Wasser zum Kochen bringen und die zwei unteren Drittel des Lauchs darin etwa 15 Minuten garen. Herausnehmen und gut abtropfen lassen. Die gekochten Lauchstangen mit dem Schinken ummanteln und in eine Auflaufform legen.

Die Béchamelsauce auf und um die Lauchstangen verteilen, alles mit dem geriebenen Bergkäse bestreuen. Den Lauch im Ofen etwa 30 Minuten überbacken. Am besten in der Auflaufform und nach Belieben mit Salz und Pfeffer bestreut servieren.

Entnommen dem Kochbuch „So schmeckt Liebe“ von Luisa Zerbo, Verlag Knesebeck

 

 

Weltberühmt:

Hexenlochmühle – Die schönste Mühle des Schwarzwalds

Jede Tourismusregion, die eine technische Sehenswürdigkeit zu bieten hat, schätzt sich glücklich. Die Hexenlochmühle, die einzige Mühle im Schwarzwald mit zwei Mühlrädern, ist so ein Glücksfall und weltberühmt. Sie darf für sich in Anspruch nehmen, eine der schönsten – wenn nicht die schönste – Schwarzwaldmühle überhaupt zu sein.

 

 

von Elke Schön

Die Mühle im romantisch-malerischen Hexenloch ist so bekannt wie der Feldberg oder die Triberger Wasserfälle. Selbst in der New York Times war sie abgebildet und findet sich in jedem Schwarzwald-Reiseführer weltweit wieder. Sie ist eine technische Besonderheit – und bietet einen idealen Platz zum Verweilen: Wanderwege vom Balzer Herrgott aus, dem Brenners-loch oder der Wildgutach führen hierher. Die Sonne, die im engeren Tal des Oberlaufs weniger zur Geltung kommt, legt sich hier an und kann bis in den Nachmittag hinein freundliches Licht und Wärme verbreiten, bis sie von den Höhen des Glasbergs abgeschirmt wird. Januar und Februar allerdings sind für die Besitzer der Hexenlochmühle die lichttechnisch schwierigste Zeit, dann scheint die Sonne um die Mittagszeit gerade einmal eine Stunde lang.

Immer enger wird das Bachbett unterhalb der Mühle. Und dort, wo der Glaserbach auf Dreistegen zufließt, sich mit dem Heubach vereinigt und als Wildgutach westwärts windet, ragen jetzt immer steilere Felswände auf. In diesem dicht bewaldeten, wasserreichen Gebiet war so manche kleine Sägemühle in Betrieb. Aber keine hat überdauert und ist so konsequent immer weiter in die Hände einer einzigen Familie weitervererbt worden, wie die Hexenlochmühle.

Begründer der Mühle bei Dreistegen – so der Name des Gewanns – waren 1825 Stefan Trenkle und drei Bauern aus der Umgebung. Stefan Trenkle unterhielt eine Nagelschmiede. Deren Schmiedehammer wurde vom Mühlrad des älteren Teils der Hexenlochmühle angetrieben. Dabei handelt es sich um das rechte, obere Gebäude. 1839 kaufte und Franz Sales Schirmaier den großen Schritt, am Heubachlauf eine Uhrengestellmacherei zu gründen. Dazu mussten sie die Hexenlochmühle um ein größeres Gebäude erweitern und ein zweites Mühlrad installieren. Es entstand das linke, untere Gebäude.

Schirmaier errichtete das Gebäude, der Wirt in Dreistegen stellte das zusätzlich benötigte Gelände zur Verfügung. Von einem erfahrenen Freiburger Zimmermann ließen die Inhaber ein Mühlrad mit vier Meter Durchmesser bauen, über das in der Sekunde rund 300 l Wasser laufen. Damit das Wasser kontinuierlich fließen kann, wird es gut 200 Meter oberhalb der Mühle angestaut und über einen Kanal auf die Mühlräder geführt. Die so bereitgestellte Wasserkraft entspricht in etwa 13 Pferdestärken. Das reicht aus, um eine Hochgang- und Kreis-säge anzutreiben und Baumstämme von bis zu einem Meter Durchmesser zu sägen.

Die Wasserkraft des Heubachs nutzen die Trenkles seit Ende der 1980er-Jahre zusätzlich zur Stromerzeugung. Es wird auf diese Weise mehr Strom produziert als die Mühle mit Gastronomiebetrieb selbst benötigt.

Eine Museumssäge als Bausatz

Die Säge befindet sich im Originalzustand und wäre einsatzfähig, doch wird sie nur noch zu Vorführzwecken in Betrieb gesetzt. Wirklich gesägt wird auch deshalb nicht mehr, „weil dann sämtliche Gläser aus dem Schrank springen“, wie Inhaber Karl Friedrich Trenkle anmerkt. Er freut sich über Besucher aus aller Welt, über ein ungebrochenes Interesse an der Mühle seiner Familie. Sie ist übrigens auch als Spielzeug sprich in Miniaturausführung zu bekommen: Die Gütenbacher Modellbaufirma Faller hat

 

 

Karl Friedrich Trenkle, Urgroßvater des heutigen Inhabers, die Anteile der Mit-Frühes besitzer auf. 1883 Hinweisschild auf wagten die Trenk-die Hexenlochmühle, les schließlich wohl 1960er-Jahre. zusammen mit Primus Rombach

 

 

Hexenlochmühle, 1920er-Jahre. Unten mit gegenüberliegendem Wohnhaus der Familie Trenkle.

Blick in die Uhrengestellmacherei der Familie Trenkle – Aufnahme um das Jahr 1900.

sie als Bausatz aufgelegt. Dieser besteht aus 255 Einzelteilen in 11 Farben. Das Modell ist mit einem Elektromotor ausgestattet, der gleichzeitig die Mühlräder antreibt und das Sägegatter auf- und abbewegt.

Forderung nach einer besseren Straße

Die Wahl des Standortes der Säge erwies sich in den kommenden Jahren als zukunftsträchtig: Der Heubach lieferte zuverlässig genügend Wasserkraft und die Straße von Neukirch bis St. Märgen ermöglichte das Transportieren der Baumstämme zur Säge sowie den Abtransport der Produkte. Schließlich hatten die Neukircher um den zeitgemäßen Ausbau ihrer Hexenlochstraße hartnäckig gekämpft, wie die vielen Eingaben an das Bezirksamt Triberg zeigen.

Dringlich werden die Forderungen nach einer besseren Straße erneut in den 1920er-Jahren. Es werden erstmals Hilferufe laut, den Fremdenverkehr, vor allem die „Automobilisten“, in diese einsame Gegend zu locken. Dies vor dem Hintergrund der großen Wirtschaftsnot. Dem Badischen Landeskommissär in Konstanz rechnen die Neukircher vor: Im Nord-Südverkehr nach Neustadt oder zum Feldberg werde unter Benutzung der Hexenlochstraße eine Abkürzung von etwa 15 bis 20 Kilometer erreicht. Um von Gütenbach oder Furtwangen per Auto nach St. Märgen zu gelangen, sei ohne die ausgebaute Hexenlochstraße ein Umweg über Neustadt oder das Glottertal von bis zu 50 Kilometer nötig.

Aufgrund der topografischen Bedingungen ist die Hexenlochstraße allerdings bis heute eine kurvenreiche, enge und teils nicht ungefährliche Nebenstraße geblieben.

Die Trenkles – Mühlenbesitzer in der bereits vierten Generation

Seit 1839 befindet sich die Hexenlochmühle im Besitz der Familie Trenkle, die heute in vierter Generation betrieben wird. Bereits ein Jahr nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Jahr 1883 übergibt Stefan Trenkle seinen Anteilsdrittel an Sohn Karl Friedrich Trenkle. 1930

Auch das Innenleben der Mühle kann besichtigt werden: Rechts das zweieinhalb Meter hohe Kammrad.

 

 

übernimmt dann dessen Sohn Stefan Trenkle jun. den väterlichen Anteil. Und 1957 schließlich wird Stefan Trenkle der alleinige Eigentümer der Hexenlochmühle.

Stefan Trenkle ist ein Mann von bewundernswerter Tatkraft und Unternehmungslust. In Dreistegen aufgewachsen, erlernte er das Uhren-Gestellmacher-Handwerk. Seine Kriegsjahre erlebte er in Stalingrad als Panzerfahrer. 1945 kehrte er gesund wieder in die Heimat zurück, heiratete Maria Herrmann vom Felsenhäusle in der Glashütte. Stefan Trenkle, der „Stegesteffe“, war im öffentlichen Leben rund um Neukirch vielseitig aktiv: bei der Feuerwehr, im Gemeinderat und im Musikverein Glashütte, wo er die große Trommel schlug. Seine Sternstunde erlebte er im Jahr 1966, als die Glashütter beim Besuch der Königin Elisabeth von England in Stuttgart aufspielen durften.

Er verstand es bestens, das Interesse an der Hexenlochmühle zu fördern. In seinem 1950 neu erbauten Wohnhaus gegenüber der Mühle empfing er Feriengäste und verkaufte Souvenirs. In der Sägemühle durften Besucher seine Werkstatt für Uhrengestelle bewundern. Die Badische Zeitung berichtete 2007 aus Anlass seines 85. Geburtstages: „Auf die Frage, wie es kam, dass die Hexenlochmühle heute so bekannt ist, weiß Stephan Trenkle viel zu erzählen. 1951 kamen die ersten Feriengäste zu ihm in sein neu erbautes Haus und bewunderten seine Uhrenausstellung und seinen Holzverarbeitungsbetrieb. Sie gaben ihm den Tipp: ‚Jeden Tag kommen Gäste vorbei, die deine Werkstatt und Mühle besichtigen, da musst du Uhren verkaufen.‘ Gleich am nächsten Tag holte er in Furtwangen bei einem Bekannten 20 Kuckucksuhren, diese waren in zwei Tagen alle verkauft. Die Erfahrung, dass man auch im hintersten Winkel des Schwarzwaldes mit Uhren und Souvenirs ein Geschäft machen kann, war für ihn und seine Familie der Auslöser, es zu tun. Heute besuchen in der Sommerzeit rund 200 Personen pro Tag die Mühle, in der man auch Vesper und Schwarzwälder Speck kaufen kann.“

Eine Generation später erscheint wieder der Name Karl Friedrich Trenkle in der Familie und auch dieser bleibt dem Holz treu: In Obersimonswald, wo 1825 sein Ahne Josef Trenkle hergekommen war, hat er die Kunst der Holzbildhauerei erlernt und übernimmt 1987 das Anwesen. Karl Friedrich junior baut die frühere Nagelschmiede, das ältere, obere Mühlengebäude somit, zum Kiosk um. Hier können die Besucher auch Getränke und ein Vesper erwerben und auf einer Holzbank Platz nehmen. Auch bringt er den Touristen die Technik der Mühle nahe, indem er die Rückwand des Sägengebäudes im Jahr 1990 verglasen lässt, so dass das zweieinhalb Meter hohe hölzerne Kammrad mit seinen Übersetzungen und die Treibriemen der Transmission in Bewegung bestaunt werden können.

Museums- und Gastronomiebetrieb

Der „große Wurf“ folgt im Jahr 2001: Die Söhne Benjamin und Pascal sind erwachsen; einer lernt Uhrmacher, der zweite wird zum Koch ausgebildet. Und auch Ehefrau Gerlinde, geborene Kern, ist gerne bereit, das Familienunternehmen mit neuer Ausrichtung weiterzuführen. Es kommen nun eine Gaststätte und ein großer Souvenir- und Schwarzwälder Spezialitätenhandel hinzu.

Bei der Modernisierung im Innern und der Realisierung von baulichen Erweiterungen steht fest: Die längst unter Denkmalschutz stehende Hexenlochmühle muss und soll die Hexenlochmühle bleiben. So bleibt zum Beispiel an der alten Nagelschmiede die Form der Fenster mit den Oberlichtern so bestehen, wie sie in den 1830er-Jahren üblich war. Drinnen erinnert das Gestänge der Transmission an der Decke über den Fenstern an die einstige Verwendung des Raumes. Auch ein gusseiserner Stubenofen mit dekorativ-emaillierten Frontplatten stammt aus vergangenen Zeiten. Heute werden hier Schinkenspeck und Liköre vom Feinsten zum Verkauf angeboten.

Die Besucher, die die Mechanik des Wasserrades und die Treibriemen in Aktion sehen wollen, machen sich auf den Weg ins Untergeschoss der Mühle zu einem an anderer Stelle bereits erwähnten riesigen „Schaufenster“. Im Untergeschoss lockt aber auch eine Türöffnung

 

 

In der Hexenlochmühle wurden bis zu einem Meter dicke Baumstämme verarbeitet.

in den weitläufigen Verkaufsraum für Souvenirs aller Art. Wer indes direkt die Gaststube ansteuert, der kann im Obergeschoss einen Blick in die alte Säge werfen, wo einst die Uhrengestelle hergestellt wurden. Die Metallschienen zur Führung der langen Baumstämme lenken das Auge durch das geöffnete Tor auf die eindrucksvolle Hochgangsäge und die Werkbank mit der Kreissäge.

Wenn auch die hier ausgestellten Gebrauchsgegenstände und originellen hochwertigen Holzspielsachen nicht mehr alle aus der Hand des Hausherrn, des Holzbildhauers Karl Friedrich Trenkle stammen, so ist doch überall die Verbundenheit mit der Schwarzwälder Holzschnitzer-Tradition zu spüren. Geschnitzte Figuren und Möbelverzierungen aus der Hand des Hausherrn Karl Friedrich Trenkle sind vor allem auch in der Gaststube zu bewundern, zusammen mit historischen Fotografien aus dem einstigen Alltag der Mühle.

Das Restaurant

Im unteren Stockwerk der Hexenlochmühle wurden früher Uhrengestelle aus den oben in der Säge zugeschnittenen Brettern hergestellt. Dieser Bereich ist nun der Gaststube und ihren Nebenräumen gewidmet: Ein quadratischer Raum, ganz und gar in hellem Holz getäfelt, der zu jeder Jahreszeit Gemütlichkeit und Wärme ausstrahlt. Die Küche des Hauses unter der Regie von Sohn Pascal Trenkle genießt weithin große Anerkennung. Einerseits auf Wünsche durchreisender Touristen abgestimmt, bietet sie ganztags warme Küche mit Schwarzwälder Spezialitäten, aber auch feine Menüs. Selbst Familienfeste mit bis zu 50 Personen werden vom Team des Hauses bewältigt.

Um auch größere Gästegruppen bei jedem Wetter bewirten zu können, haben die Trenkles auf der verlängerten Terrasse ein beheizbares Zelt mit Saalcharakter errichtet, das gerne angenommen wird.

 


Waren es schon in den 1960er- oder 1970er-Jahren in der Hochsaison bis zu 200 Besucher täglich, die zur Hexenlochmühle gekom-men sind, werden diese Zahlen heute deutlich übertroffen. Es vergeht kein Tag im Jahr ohne Besucher – selbst im Winter bei dichtem Schneetreiben ist das so. Touristen aus Holland, Italien oder Spanien – aus Amerika, China oder Japan kommen ins Hexenloch, wollen die Müh-le mit zwei Mühlrädern sehen und ein Foto von ihr in die sozialen Netzwerke, auf Facebook oder Instagram posten. Ein Foto von einem Stück „heiler Welt“ im Black Forest.Gerlinde und Karl-Friedrich Trenkle vor der Hexenlochmühle, die in bereits vierter Generation betrieben wird.Ein Winter-Selfie vor der Hexenlochmühle – ohne den Besuch von Touristen vergeht kein Tag im Jahr.

 

 

Einzigartig in Europa – Antik-Uhrenbörse ein Gewinn für gesamte Region Furtwangen

von Matthias Winter

Einmal im Jahr wird die akademische Routine der Hochschule Furtwangen University (HFU) durch ein besonderes Ereignis unterbrochen. Immer am letzten August-Wochenende werden Flure und Hörsäle, die sonst Studenten und Dozenten vorbehalten sind, von weit über 100 Uhrenhändlern und einigen tausend Uhrenfans gestürmt. Es ist Zeit für die Antik-Uhrenbörse, die frühere Antik-Uhrenmesse, und damit für eines der Großereignisse im Jahreslauf der Hochschul- und Uhrenstadt Furtwangen im Schwarzwald.

Dann werden Uhrmacherlupen gezückt, Klein-und Großuhren bewundert und begutachtet, es wird gehandelt und gefeilscht und am Ende freuen sich Verkäufer und Käufer. Von Freitagnachmittag bis Sonntag dauert das Uhren-Event mit Erlebnischarakter, das auch für Besucher interessant ist, die nicht unbedingt eine Uhr erwerben, sondern lediglich über die Uhrenbörse bummeln wollen. Für die Profis unter den Sammlern gibt es bereits am Freitagnachmittag eine Eintrittsmöglichkeit zu einem höheren Preis.

Heute gehört die Antik-Uhrenbörse genauso selbstverständlich zu Furtwangen wie das Deutsche Uhrenmuseum, das sich übrigens auch selbst gerne auf der Börse nach seltenen Stücken umschaut, mit denen die Museumssammlung bereichert werden könnten. Doch das war nicht immer so: Im Jahr 1982 fand die erste

Auch französische Prunk-Uhren gehören seit jeher zum Angebot der Furtwanger Antik-Uhrenbörse.

 

 

Uhrenmesse statt, die Idee dazu hatte Wilfried Dold aus Vöhrenbach. Dabei ging es ihm nicht einmal so sehr darum, eine eigenständige Veranstaltung ins Leben zu rufen. Vielmehr sollte so der traditionelle Trödlermarkt der Stadt Furtwangen aufgewertet werden, was vor allem das Ziel der Narrenzunft war, die sich zusammen mit der Stadt um den Erhalt der Traditionsveranstaltung bemühte. Wilfried Dold wirkte damals in Furtwangen als Redaktionsleiter der Badischen Zeitung und hatte ehrenamtlich die Öffentlichkeitsarbeit des Trödlermarktes übernommen. „Furtwangen und Uhren, das passt perfekt zusammen“, war seine Überzeugung. Schließlich ist die Stadt nicht nur Sitz der bekannten Uhrmacherschule, sondern sie war auch lange Zeit ein Zentrum der Uhrmacherei und Uhrenindustrie.

Nachdem Wilfried Dold die Idee den Marktmachern vorgetragen hatte, erklärte sich die Narrenzunft bereit, die Sache zu unterstützen. Diese betrieb beim Trödlermarkt einen großen Stand und war schon deshalb daran interessiert, dass die Veranstaltung florierte und ein großes Publikum anzog. Der spätere Uhrenbörsen-Organisator Jacques Barthillat war zu dieser Zeit für den Trödlermarkt zuständig und zeigte sich von der Uhrenmesse-Idee ebenfalls begeistert. Jacques und Gerda Barthillat gehörten wie Angelika Dold zu den Uhrenmesse-Stützen der ersten Stunde. Bis hin zum Auf- und Abbau der Uhrenhändler-Stände und den Reinigungsarbeiten war man gemeinsam ehrenamtlich aktiv.

Um eine entsprechende Organisation im Hintergrund zu haben, gründete sich die AG Trödlermarkt, die aber nie ein eingetragener Verein wurde.

Eine Anfangshürde für die Uhrenmesse bestand darin, überhaupt Uhrenhändler dafür zu gewinnen, ihre guten Stücke in Furtwangen anzubieten. Wilfried Dold verteilte auf zahlreichen Flohmärkten der Region – selbst in Stuttgart, Konstanz, Freiburg oder Lahr – an Ständen, die antike Uhren anboten, Flugblätter und leistete dabei viel Überzeugungsarbeit. Schließlich kamen 13 Händler zusammen, die im Rahmen der 1. Furtwanger Uhrenmesse im Herbst 1982 in der Aula der Hochschule antike Zeitmesser, Ersatzteile und Uhrenliteratur ausstellten. Der Schwerpunkt lag auf Schwarzwalduhren. Der Erfolg war riesig: „Nach der Messe waren die meisten Händler definitiv ausverkauft“, erin-

 

 

nert sich Wilfried Dold. Ein Händler hatte sogar für über 100.000 Mark Uhren verkauft und war überglücklich. Somit war klar: Die Uhrenmesse würde 1983 eine Fortsetzung finden.

Nun war es auch kein Problem mehr, Händler nach Furtwangen zu bekommen. Im Jahr darauf waren es bereits 22 Händler und die Messe fand zwei Tage lang statt. Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse musste Wilfried Dold sogar zwölf interessierten Händlern absagen. Sein Fazit: „Die Idee war toll, aber es war von Anfang an eine Menge Arbeit, die Messe zu organisieren und abzuwicklen.“

Profitiert hat von der schnell wachsenden Veranstaltung übrigens auch der Furtwanger Trödlermarkt, nicht zuletzt durch seine Verlegung in die Innenstadt vor die Tore der Hochschule. Aber auch finanziell, denn in den Anfangsjahren ging der gesamte Ertrag aus der Uhrenmesse an die AG Trödlermarkt, die damit unter anderem ein aufwändiges Kulturprogramm finanzieren konnte.

Fünf Uhrenmessen hat Wilfried Dold organisiert, bevor er die Organisationsleitung an Rechtsanwalt Falk Völker weitergab, da er sich mit einer Mediaagentur selbstständig machen wollte, was seine ganze Energie erforderte.

„Wir machen das“ – Narrenzunft übernimmt

1991 kündigte Falk Völker seinen Rückzug an und am Ende sagte die Narrenzunft mit ihrem stellvertretenden Zunftmeister Jacques Barthillat: „Wir machen das“. Denn die Zunft wollte die Einnahmen aus der Messe unter anderem für die Sanierung der 1987 erworbenen Zunftstube „Alte Färbe“ verwenden. Waren die Einnahmen zunächst an die AG Trödlermarkt gegangen, so blieb nun auch ein Teil für die Narrenzunft. Später gab es dann einen Schnitt und die Einnahmen gingen komplett an die Zunft, schließlich dann an den Verein „Uhr und Kultur“.

Schon zuvor waren beide Veranstaltungen organisatorisch getrennte Wege gegangen, auch wenn sie weiter voneinander profitierten. Und die Uhrenmesse wuchs und galt längst als „Muss“ für Uhrensammler und -liebhaber. 1989 beispielsweise waren 25 Uhrenhändler angekündigt, weiteren Interessenten musste aus Platzgründen abgesagt werden. Was daran lag, dass die Uhrenmesse in den Anfangsjahren vorwiegend in der Aula der Hochschule und der darunter liegenden alten Cafeteria stattfand, wo der Platz begrenzt war. Als Jacques Barthillat 1992 die Organisation übernahm, hatte er das Ziel, die Messe „größer, schöner und besser“ zu machen.

140 Händler aus zehn Nationen

Mit einem Umzug innerhalb des Hochschulgebäudes versuchte man, den chronischen Platzmangel in den Griff zu bekommen. So ging es von der Aula weg in ein anderes HFU-Gebäude und dann wieder zurück in den A-Bau der Hochschule (das Hauptgebäude am heutigen Gerwigplatz). Hier wurde zunächst versucht, die gesamte Messe in den drei Geschossen des A-Baus unterzubringen. Doch das war ein Flop, denn die Besucher waren nicht bereit, in das oberste Geschoss hinaufzusteigen. Also wurde die Aula wieder mit einbezogen.

„Viele Händler hatten damals den Wunsch, die Messe zweimal im Jahr zu veranstalten“, erinnert sich Jacques Barthillat. Doch er war dagegen: „Man kann sein Geld ja nur einmal ausgeben“. Am Ende beteiligten sich 140 Händler aus zehn Nationen an der Antikuhren-Börse, wie sie seit 2003 heißt. Und zu den besten Zeiten kamen über 4.000 Besucher. „Die Messe ist immer internationaler geworden“, so das Fazit von Jacques Barthillat. Längst ist sie die größte und erfolgreichste in ganz Europa.

Das liegt nicht zuletzt an dem enormen Engagement, das Jacques Barthillat zusammen mit seiner Frau Gerda und einigen wenigen Vereinsmitgliedern für die Uhrenbörse an den Tag legte. Auch Enkel Marius war die letzten zehn Jahre bei der Börse dabei und hatte sich so gut eingearbeitet, dass er alle Händler und Helfer kannte und wusste, welchen Platz sie bestellt hatten. Von großer Wichtigkeit war auch der gute Draht der Barthillats zu den Uhrenhändlern, die in der Regel Stammgäste bei der Veranstaltung sind.

 

 

Dicht an dicht drängen sich auf der Furtwanger Uhrenbörse die Stände und Besucher.

Für die gesamte Region ein Gewinn

Die Uhrenbörse hat sich längst zu einem wichtigen Faktor für das Hotel- und Gaststättengewerbe entwickelt. Der frühere Geschäftsführer des Tourismusverbandes „Ferienland“, Stefan Schürlein, hat einmal den ökonomischen Wert berechnet und kam zu dem Ergebnis, dass die Börse rund eine halbe Million Euro in die Region spült. Auch die Hotel- oder Gästezimmer der Nachbarorte sind in dieser Zeit lange im Voraus ausgebucht. Das liegt mit daran, dass viele Uhrenhändler, vor allem aus dem Ausland, den Aufenthalt im Schwarzwald bis zu einer Woche verlängern und oft mit Familie anreisen.

Deutlich breiter geworden ist die Palette der angebotenen Uhren. Dominierte in den Anfangsjahren die Schwarzwalduhr, so waren es schon bald auch prächtige antike Großuhren, etwa aus Frankreich. Oft sind sie Schildpatt verziert und feuervergoldet – wahre Schmuckstücke halt, die aber auch ihren Preis haben. Auch Ersatzteile und Literatur gehören zum Angebot. Mitte der 1990er-Jahre hatte Jacques Barthillat die Idee, Armband- und Taschenuhren mit dazuzunehmen, obwohl es Bedenken von Großuhrenhändlern gab, die um ihr Geschäft fürchteten. Das war nicht der Fall und heute sind es etwa 50 von 140 Händlern, die Kleinuhren anbieten. Und gerade die Armband- und Taschenuhren boomen nach wie vor.

Die Schwarzwalduhren – und hier vor allem die traditionellen Lackschilduhren – haben dagegen einen herben Einbruch erfahren. „In den 1990er- Jahren kostete eine schöne Schwarzwalduhr 1.200 bis 1.500 Mark. Heute muss man froh sein, sie für 50 bis 100 Euro verkaufen zu können“, kommentiert Jacques Barthillat die Entwicklung. Das liegt seiner Ansicht nach daran, dass die Sammler älter geworden sind und wegsterben. Da die Erben mit Antikuhren oft nichts anfangen können und sie verkaufen, gibt es ein Überangebot. Schöne Trompeter- oder Flötenuhren hingegen oder gar ein „Knödelfresser“ sind hingegen auch heute noch gefragt. Das gleiche gilt für prächtige Prunkpendulen etwa aus Frankreich, erst recht für die feuerver-

 

 

Viele Händler halten der Antik-Uhrenbörse seit fast der ersten Stunde die Treue. Nur bei der allerersten Uhrenbörse war Erwin Weyl aus Hildrizhausen (links) nicht dabei.

goldeten, da diese Herstellungstechnik in Europa wegen der damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit schon lange verboten ist. Und je seltener die Stücke, desto höher der Preis.

Auch bei den Besucherzahlen gab es bereits 2003 einen Einbruch, der auf die genannten Gründe – aber auch den damaligen wirtschaftlichen Abschwung – zurückzuführen sein dürfte. Allerdings wurde noch 2006 und 2007 die Marke von 3.000 Besuchern übersprungen und es gab eine lange Warteliste von Händlern für einen Platz auf der Börse.

2004 feierte die Uhrenmesse ihren 20. Geburtstag (streng genommen war es der 22…) und dabei wurde allseits betont, dass sich die „beiden Beine“ des Vereins „Uhr und Kultur“ bewährt hätten, nämlich einmal die Uhrenbörse zu organisieren und zum anderen die erwirtschafteten Mittel in die „Kulturfabrik am Straßberg“ zu stecken und damit ein hochkarätiges Programm anbieten zu können.

Landes-Wirtschaftsminister Ernst Pfister kam zum Jubiläum und erfreute beim traditionellen Empfang der Uhrenhändler am Freitagabend das Publikum nicht nur mit seiner Mundharmonika, sondern war auch voll des Lobes über die Uhrenmesse und das Engagement von Jacques Barthillat und seinen Helfern. Beim 25. Jubiläum der Veranstaltung im Jahr 2009 kletterten die Besucherzahlen dann erfreulicherweise wieder auf über 3.500.

Viele engagierte Helfer im Einsatz

Tatsächlich war mit dem Wachsen der Uhrenbörse auch der organisatorische Aufwand nochmals erheblich gestiegen, unter anderem musste ein Sicherheitsdienst engagiert werden. Froh ist Jacques Barthillat, dass schon früh die Skizunft Brend mit ins Boot geholt werden konnte, deren Mitglieder auch als Auf- und Abbauhelfer fungierten sowie die Kasse übernahmen. „Auf die Skizunft konnte ich mich immer verlassen.“ Weiter ist er dankbar über die Hilfe der Hochschul-Hausmeister. Schließlich müssen nicht nur 500 Meter Stellwände aufgestellt werden, es werden auch sämtliche Tische der Hochschule benötigt, selbst aus entfernteren Gebäuden werden sie herangekarrt. Ab Donnerstag sind die Hausmeister permanent vor Ort, „ohne sie hätten wir keine Chance gehabt“, betont Barthillat.

Bei einem solchen Großereignis mit tausenden Besuchern ist aber auch die Bewirtung wichtig. Zunächst hatte diese der Furtwanger Alle-Weltladen übernommen, dann der Schwarzwaldverein Gütenbach. Daraus erwuchs eine „super Zusammenarbeit“, so Barthillat rückblickend. Wichtig war auch der gemeinnützige Verein „Uhr und Kultur“ für die Organisation der Großveranstaltung. Aber nicht nur die Organisation an den Tagen der Uhrenbörse war und ist aufwändig, auch bei der Vorbereitung waren immer wieder zahlreiche bürokratische Hürden zu nehmen.

Bald schon war als Öffnungstag auch noch der Freitag hinzugekommen. „Die Profis wollten Sonderrechte und die Händler standen schon am Donnerstag vor der Tür.“ Schließlich habe

 

 

man sich darauf geeinigt, dass bereits am Donnerstag aufgebaut und am Freitag geöffnet wird, allerdings gegen ein deutlich erhöhtes Eintrittsgeld. Er habe dazu die Händler befragt, die 40 bis 50 Euro für angemessen hielten. Auf 40 Euro legte man sich schließlich fest. „Sonst hätten uns die Leute die Bude eingerissen“, ist Barthillat überzeugt. Der reguläre Eintritt am Samstag und Sonntag liegt derzeit bei fünf Euro.

Allerdings zeigten sich sparsame Uhrenliebhaber sehr erfinderisch, um das Eintrittsgeld zu umgehen. Am einfachsten war es, eine Kiste in die Hand zu nehmen und sich als Uhrenhändler auszugeben. Da der Trick bei den Einlasskontrollen aber nicht mehr verfing, schnappte sich ein Uhrenfan 2007 nicht nur eine Kiste, sondern zog sich einen grauen Arbeitskittel über, um sich am Einlass vorbei zu schummeln. Im Gebäude aber traf er auf Jacques Barthillat, der die meisten Uhrenhändler persönlich kennt. Auf die Frage, für wen er arbeite, nannte er irgendeinen Fantasienamen und flog damit auf. Er zeigte sich aber einsichtig und ließ sich hinaus spedieren. Kaum war er draußen, warf er seinen Kittel ab, um sich anzustellen und ein Eintrittsticket zu erstehen. Ein durchaus betuchter Uhrensammler aus dem Rheintal sei sogar einmal durch die Toilettenfenster eingestiegen. Barthillat kann diese Kleinlichkeit nicht verstehen. „Da kaufen die Leute eine Uhr im Wert von 1 .300 Euro oder mehr und wenn sie das Eintrittsgeld reut, könnten sie den Händler einfach fragen, ob er ihnen dieses abzieht“. Die meisten Händler würden darauf eingehen.

Nach 25 Jahren Abschied von der Uhrenbörse

25 Jahre lang, von 1992 bis 2017, haben Jacques Barthillat und seine Frau Gerda die Uhrenbörse federführend organisiert und ehrenamtlich unzählige Arbeitsstunden sowie viel Herzblut investiert. Die Veranstaltung wurde unter ihrer Regie zur größten Antikuhren-Börse im europäischen Raum und zieht ein internationales Publikum an. Sie ist ein Aushängeschild für die Stadt und ein Gewinn für die gesamte Region.

Aus Anlass der 33. Uhrenmesse wurde Jacques Barthillat durch Bürgermeister Herdner zum Ab-schied für sein Engagement die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg verliehen.

Nach 25-jähriger Tätigkeit als Leiter der Furtwan-ger Antik-Uhrenbörse und 33-jährigem kulturellen Engagement gab Jacques Barthillat (Mitte) sein Auf-gabenfeld ab. Bürgermeister Herdner (rechts) verlieh ihm aus diesem Anlass die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg.

Ab 2018 hat die Stadt Furtwangen federführend die Organisation übernommen, wobei mehrere Furtwanger Vereine mithelfen. Die Skizunft Brend etwa ist der Veranstaltung treu geblieben und führt nach wie vor die Kasse. Der Verein VFDU (Verein zur Förderung des deutschen Uhrenmuseums) ist für die Einlasskontrolle zuständig. Die Bewirtung haben das SHO (Schwarzwaldharmonika-Orchester) und der Sportverein 69 übernommen.

Der Verein „Uhr und Kultur“ muss nun für den Betrieb der Kulturfabrik auf die Einnahmen aus der Uhrenbörse verzichten und ist auf Sponsoren angewiesen. Die Antik-Uhrenbörse dürfte aber weiterhin ein Eldorado für Uhrenfreunde bleiben, so lange es Uhrensammler und -liebhaber gibt. Furtwangen und die Uhr bleiben auch auf diese Weise eng verbunden.

 

 

Hüfinger Sommertheater – eine Leidenschaft, viele besondere Momente

von Tanja Bury

Das Theater

Den einen besonderen Moment gibt es nicht. Es ist vieles, was das Hüfinger Sommertheater ausmacht. In diesem Jahr war es „Mit des Lebens Kunst“ die zehnte Aufführung des Laienensembles an der Ruine des einstigen Römerbads. Seit mehr als 20 Jahren wird hier von einer kleinen Gruppe Großes auf die Bühne gebracht. Angefangen hat es mit dem Wunsch, zum 150. Jahrestag der Badischen Revolution ein Theaterstück aufzuführen. Er wurde mit der Premiere des Revolutionsstücks im Juli 1998 Wirklichkeit. Das Theaterspiel, das Miteinander, das Ringen um eine gelungene Aufführung und nicht zuletzt der Zuspruch von Publikum und Stadt haben so starke Spuren hinterlassen, dass es weiterging. Nach einer anfänglichen Pause von vier Jahren wird nun alle zwei Jahren in Hüfingen Theater gespielt – und damit für viele besondere Momente gesorgt.

Bürgermeister Michael Kollmeier weiß das. Und er kann deshalb auch allen Besuchern zu ihrem Kommen gratulieren. „Möge ein Stück Ihrer persönlichen Lebenskunst sich zukünftig an die Erinnerungen an das Hüfinger Sommertheater anknüpfen“, schrieb er in seinem Grußwort zur Aufführung 2019, bei der rund 3.000 Zuschauer gezählt wurden.

Lucian Reich – „Des Lebens Kunst“

„Des Lebens Kunst“ spielt im Damals und im Heute. Zwei Jahre im Leben Lucian Reichs des Jüngeren, Mitte der 1850er, und sein Wirken im Hüfinger Künstlerkreis werden beleuchtet. Doch nicht nur Reichs Ansichten, Zweifel und das Wirken des großen Hüfinger Künstlersohns waren Thema der Aufführung, sondern auch der Beginn der Emanzipation. Die junge Johanna Sennhofer will Mitte des 19. Jahrhunderts Malerin werden – in einer Zeit, als Frauen lediglich Arbeitskräfte und das Beiwerk ihrer Männer waren. Die junge Frau setzt sich gegen die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen zur Wehr – trotz aller Widerstände. Gegen solche muss auch die Patchworkfamilie kämpfen, die im 21. Jahrhundert durch ein Gemälde mit der Geschichte Lucian Reichs und der jungen Johanna konfrontiert wird. Wie es bereits im 17. Jahrhundert einer Frau erging, die Talent hatte und Künstlerin werden wollte, erlebten die Zuschauer durch einen kleinen Bühnenausflug nach Italien und direkt hinein ins Leben von Artemisia Gentileschi, eine der schillerndsten Künstlerinnen des Barock. Sie dient Johanna Sennhofer in ihrem Kampf um ihren Berufswunsch als Vorbild.

Die Szenerie

Eindrucksvolle Kulisse für das Hüfinger Sommertheater ist stets das einstige Römerbad und das Gelände rundherum. Immer wieder wechselt die Ausrichtung der Bühne: Mal haben die Zuschauer das Bad im Rücken, mal schauen sie seitlich darauf oder das Museum bildet im Hintergrund einen Teil der Bühne. Für ihre Gestaltung ist stets Regisseur Paul Siemt

 

 

Theaterakteure und Zuschauer auf Wanderschaft – beim Hüfinger Sommertheater gehört das dazu. Die Bühne bestand aus drei Ebenen (Bild unten).

verantwortlich. Dabei setzt er auf Reduktion – weniger ist für ihn mehr. Viele Requisiten sucht man vergeblich. In diesem Jahr bestand die Bühne aus drei Ebenen. Die obere nur mit wenigen Stühlen versehen, hier zeigte sich stets die Familie von Lucian Reich. Die zweite mit einigen Fotos und Staffeleien stellte ein Atelier dar und ganz unten spielten bewegte Szenen, bei denen Platz gefragt war. Auch der Balkon des Museums wurde dieses Jahr in die Szene miteinbezogen und die Besucher begaben sich auf Wanderschaft über den neuen Römersteg. Damit knüpfte die Inszenierung an „Das kalte Herz“ an, als das Publikum durch den Wald geführt wurde und dort verschiedenen Szenen des Stücks zu sehen bekam. Zum Theaterplatz auf Zeit gehören auch einige Bewirtungshütten, die von Hüfinger Vereinen betrieben werden.

 

 

Der Regisseur und das Ensemble

Paul Siemt (Jahrgang 1954) ist ein Mann der ersten Stunde beim Sommertheater und hat seine „Leidenschaft an Hüfingen entdeckt“. Einige der Schauspieler sind wie er dem Projekt von Anfang an treu geblieben. „Es spielen sogar schon die Kinder einiger Darsteller mit“, erzählt er, schaut auf die von ihm gestaltete Bühne und hält eine Tasse in der Hand. Die hat ihm kurz zuvor eine der Schauspielerinnen gebracht. Der Kaffee ist schwarz, so wie Siemt ihn trinkt. Man kennt sich und ist so etwas wie eine Familie geworden. Eine Familie, die sich von Mitgliedern verabschieden musste und neue Gesichter in ihren Reihen begrüßen konnte. Eine Familie, die unterschiedliche Meinungen zulässt und diskutiert. Allen Mitgliedern ist gemein, dass sie mit Lust, Leidenschaft und Freude bei der Sache sind, wie ihnen der Regisseur bescheinigt. „Die Chemie stimmt.“

Und die Qualität. Es geht, so Siemt, um viel mehr als die Wiedergabe des meinst geschichtlichen Stoffs. „Wir arbeiten uns an der Inszenierung ab“, erzählt der Theatermacher. Er hat die bislang aufgeführten Stücke größtenteils geschrieben und dabei stets das Ensemble beteiligt. „Alle haben Einspruchsrecht, wir gehen in Diskurs miteinander.“ Im September gibt es die ersten Treffen, der Stoff wird vorgestellt, dann wird in dreiwöchigem Rhythmus an den Wochenenden geprobt. 21 Schauspieler von zwölf bis 68 Jahren zählt das Ensemble derzeit. „Das ist ein großes Spektrum“, freut sich Siemt. Wer welche Rolle bekommt, hat er manchmal schon beim Schreiben des Stücks im Kopf, ein anderes Mal fällt die Entscheidung eher spontan oder wird von allen getroffen. Ebenso ein Bonus: Die Zusammenarbeit mit professionellen Musikern rund um Kai Armbruster aus Donaueschingen. Er schreibt, nachdem er das Stück gelesen und sich mit Siemt ausgetauscht hat, die Melodien. „Es ist immer spannend, wie das, was ich im Kopf habe, in Musik umgesetzt klingt. Es funktioniert, dank Kai Armbruster.“

Für die Proben kommt Siemt von seiner Heimat auf der Schwäbischen Alb auf die Baar. Die letzten 14 Tage vor der Premiere mietet sich der Regisseur in Hüfingen ein – eine intensive Zeit beginnt. Und Paul Siemts besonderer Moment naht. Es ist das Loslassen, „dann, wenn ich merke, die Schauspieler haben es.“ Das geht so weit, dass der Regisseur bei den Aufführungen nicht dabei ist. Nur ein Mal kommt er – unangemeldet – und schaut zu. „Jetzt ist es Eures“, ruft er den Schauspieler in der Generalprobe zu.

 

 

Der Erfahrene

Helmut Vogel hat in den 20 Jahren Hüfinger Sommertheater mal ein paar Jahre Pause als Schauspieler eingelegt – seit er zurück ist auf der Bühne am Römerbad, ist er mit noch mehr Genuss dabei. „Das Schöne ist nicht nur das Spiel, sondern dass es zwischen uns keine Berührungsängste gibt“, freut sich der 68-Jährige, der damit das älteste Ensemblemitglied ist. Das Hüfinger Sommertheater lebe vom Einsatz aller – Schauspieler und Regisseur, Musiker und Techniker, Bauhof, Stadt und den Vereinen, die bei den Aufführungen bewirten. Im aktuellen Stück spielt Vogel Lucian Reich den Älteren, den Vater des bekannten Malers. Der Samstag nach der Premiere ist Helmut Vogels besonderer Moment. „Es ist immer ein ausgefallenes Publikum da – kunstbeflissen, hochinteressiert. Da gibt es auch mal weniger Applaus“, erklärt Vogel. Aber an diesem Abend bestanden zu haben, das gibt ihm ein gutes Gefühl. Und Sicherheit für das, was noch kommt.

Die Mutige

Ronja Wagner macht gern ihr Ding. Die Haare sind teils blau gefärbt und sie trägt gelbe Schuhe, bevor sie für „Des Lebens Kunst“ ins Kostüm für die Rolle der

Johanna Sennhofer schlüpft. Jenes Mädchen, das Mitte des 19. Jahrhunderts auch seinen

eigenen Weg geht. Die 16-jährige Ronja Wagner ist eines der neuen Gesichter beim Hüfinger Sommertheater – dabei ist es ihr schon seit vielen Jahren bekannt. Ihr Vater gehört zum Ensemble und so war Ronja Wagner schon als Kind bei den Aufführungen dabei. 2017 bei „Das Artefakt“ blieb es nicht mehr nur beim Zuschauen, Ronja spielte erstmals mit. „Das hat unheimlich viel Spaß gemacht“, sagt die Schülerin. Vor der Premiere und den Aufführungen ist die junge Frau zwar aufgeregt, aber sie sagt selbstbewusst: „Wir können es.“ Und fügt wie ein alter Theaterhase hinzu: „Ein bisschen Lampenfieber hat man immer. Das gehört dazu.“ Und welcher ist ihr Moment beim Sommertheater? „Wenn ich auf der Bühne stehe und spüren, dass mir so viel zugetraut wird – das ist etwas sehr Besonderes.

Der Begeisterte

Frieder Schräbler ist begeistert von der Schauspielerei. Und er ist begeistert vom Hüfinger Sommertheater. „Diese sagenhaft Spielstätte, rund 3.500 Zuschauer und der finanzielle Rahmen, den die Stadt uns bietet“, zählt er auf. Das alles bedeute Verantwortung für das Ensemble, der sich alle sehr bewusst seien. Dafür nehmen die Beteiligten Anstrengungen in Kauf. „Die Aufführungen sind eine große Freude, aber sie kosten auch Kraft. Viele nehmen in der Zeit Urlaub, um sich ganz darauf konzentrieren zu können“, erzählt der 57-Jährige. „Des Lebens Kunst“ war auch Schräblers zehnte Aufführung. Dass er als Lucian Reich der Jüngere eine der Hauptrollen spielt, sieht er ganz und gar nicht so. „Der Einzelne ist nicht entscheidend“, sagt er. Vielmehr ist für Frieder Schräbler die Gemeinschaft der zentrale Impuls beim Sommertheater.

 

 

Lucian Reich – Hüfinger Maler
in der Zeitung erstmals über den und Schriftsteller Hüfinger Brauch, der bis heute Am 26. Februar 1817 wurde Lucian gelebt wird, berichtet. Reich als Sohn des Oberlehrers Mit Johann Nepomuk Heiund Unternehmers Luzian Reich nemann hatte Lucian Reich einen treuen Weggefährten, den Josepha geb. Schelble geboren. er schon von Kindheit an kannte. Das 19. Jahrhundert, in das Lucian Gleichgesinnt gingen sie mitei-Reich hineingeboren wurde, war nander ihre ersten künstlerischen gekennzeichnet von einem grundlegenden Wandel der Gesellschaft und Politik. Die Vormachtstellung von Klerus und Adel wurde aufgelöst, das Bürgertum stieg zur wichtigsten Schicht im politischen, wirtschaftlichen wie auch kulturellen Bereich auf. Die Umbrüche in Politik und Gesellschaft schlugen sich auch im Kunstbereich nieder.

Reich setzt sich in seinem vielschichtigen bildnerischen und literarischen Werk mit der unmittelbaren Lebenswirklichkeit auseinander und war gegenüber seinerzeit neuen bildnerischen Mitteln wie der Lithografie und der Fotografie aufgeschlossen. Im Gegensatz zu den von ihm ausgeführten Auftragsarbeiten, wie Portraits oder Kirchengemälde, arbeitete Reich bei der Umsetzung von Themen über die Baar und den Schwarzwald ungewöhnlich frei.

Neben Lucian prägte auch Franz Xaver die Hüfinger Geschichte und Tradition. 1841 war er auf einer Studienreise in Italien und sah in Portici und Resina bei Neapel Prozessionswege mit farbenprächtigen Blumenteppichen. Als er in seine Heimat zurückkam, legte er vor seinem Haus ebenfalls einen Teppich aus Blumen. In den folgenden Jahren beteiligten sich auch die Nachbarn, bis allmählich der ganze Prozessionsweg belegt war. 1906 wurde

Schritte in der Mal- und Zeichenschule Luzian Reich des Älteren. Gemeinsame Werke der beiden sind „Hieronymus – Lebensbilder aus der Baar und dem Schwarzwalde“ aus dem Jahr 1852 und „Wanderblühten aus dem Gedankenbuche eines Malers“ aus dem Jahr 1855.

Am 8. August 1874 heiratete Lucian Reich Margaretha Stoffler aus Geisingen. Die gemeinsame Tochter Anna kam bereits am 12. Mai 1855 auf die Welt. Ebenso im Mai 1855 nahm er einen Lehrerposten in Rastatt an, nahm seine Familie aber vorerst nicht mit. Es ist zu vermuten, dass die beiden erst nach der Hochzeit zu Lucian Reich nach Rastatt zogen. Mit nur 56 Jahren starb Margarethe am 16. September 1880 in Rastatt. Noch bis 1889 unterrichtete Reich in Rastatt und wurde dann in den Ruhestand versetzt. Einige Wochen zuvor wurde er mit dem Ritterkreuz II. Klasse geehrt. Zusammen mit Anna kehrte er nach Hüfingen zurück. Sie zogen gemeinsam in eine kleine Wohnung in der Hauptstraße 22, in der er, betreut von seiner Tochter, seinen Lebensabend verbrachte.

Lucian Reich starb am 2. Juli 1900 im Alter von 83 Jahren.

 

 

Manche Szene spielte außerhalb der angestammten Ku-Johanna Sennhofer (Ronja Wagner) weint sich bei lisse, hier an der Breg (Birgit Lutz und Timon Vosseler). ihrer Mutter (Eleonore Szeglat) aus.

Zwei der insgesamt drei Damen der Reich-Familie: Erzählerin Heidi Mayer-Löhr. links Sonja Bühler, rechts Susi Hauser-Wollenberg.

Eine Patchworkfamilie tritt auf, v. li.: Loren Grüninger, Lucian Reich der Ältere (Helmut Vogel) und seine Verena Hau, Birgit Lutz und Timon Vosseler. Frau (Rosi Haak).

 

 

Die Netzwerker von der Möglingshöhe

Ein Besuch beim Umweltzentrum Schwarzwald-Baar-Neckar – Vielfalt ist Programm

von Daniela Schneider

Wer weiß noch, wie das Motto der Landesgartenschau in Villingen-Schwenningen lautete? Zur Erinnerung: „Die Natur verbindet“ hieß es. Dass das auch nach dem Ende der Schau weiter Gültigkeit hat, dafür sorgt unter anderem das Umweltzentrum Schwarzwald-Baar-Neckar auf der Schwenninger Möglingshöhe.

 

 

Im September 2011 wurde es offiziell eröffnet, und zwar in dem Gebäude, in dem während der Landesgartenschau 2010 der Treffpunkt Baden-Württemberg eingerichtet war. Der helle Holzbau liegt auf dieser Anhöhe mitten im Grünen. Er war während der Schau als Ausstellungsgebäude und Infozentrum des Landes genutzt worden und ging danach in den Besitz der Stadt Villingen-Schwenningen

Die Idee

Wie aber kam es überhaupt zur Idee des Umweltzentrums? Los ging alles mit dem Arbeitskreis Moos. Im Gespräch mit den heutigen Vereins-Verantwortlichen wird schnell deutlich, dass sie sich ihrer Wurzeln sehr bewusst sind. Die stellvertretende Vorsitzende Anita Sperle-Fleig

deutet dabei auf die große Luft-Aufnahme, die im Besprechungsraum im Umweltzentrum an der Wand hängt und sagt kurz und bündig: „Da kommen wir her“. Auf der Fotografie zu sehen ist das Naturschutzgebiet Schwenninger Moos. Dieser besondere Lebensraum drohte in Folge verschiedener Szenarien vollends auszutrocknen. Ende der 1980er-Jahre gründete sich deshalb ein Runder Tisch aus lokalen Institutionen, um das Moos durch Renaturierung zu retten. „Wir haben

 

 

Der Landespavillon der Garten schau passte perfekt für das Umweltzentrum.

über, die es wiederum dem Trägerverein Umweltzentrum überlässt. Denn auch bei den Verantwortlichen aus Gemeinderat und Stadtverwaltung herrschte die Überzeugung, dass diese Einrichtung das einstige Garten-schau-Motto bestens mit Leben füllen und diesem Auftrag gerecht werden kann.

versucht, Leute zu versammeln“, erinnert sich Anita Sperle-Fleig. Offiziell gegründet wurde der Arbeitskreis Moos dann 1997 auf Initiative des Unternehmens Bad Dürrheimer Mineralbrunnen und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Vereine und Verbände aus den Bereichen Naturschutz und Landschaftspflege und die Städte Villingen-Schwenningen und Bad Dürrheim schlossen sich ebenso an wie das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis und das Regierungspräsidium in Freiburg.

Der Rest ist ohne Übertreibung eine Erfolgsgeschichte: Das Moos ist heute ein Schutzgebiet von überregionaler Bedeutung. Es beherbergt eine Vielzahl bedrohter Arten und Lebensräume. Nach der Wiedervernässung hat neues Torfwachstum eingesetzt und zahlreiche typische Moorpflanzen wachsen wieder. Die Tierwelt ist mit vielen Amphibien-, Libellen- und Schmetterlingsarten vertreten. Insgesamt 124 Vogelarten wurden im Naturschutzgebiet nachgewiesen.

2007 ging aus dem Arbeitskreis dann der Trägerverein Umweltzentrum hervor. Denn auch, wenn das Moos bis heute nach wie vor ein Herzensort der Akteure im Verein ist: Dort war ein Großteil der entscheidenden Arbeit getan, so dass sich die Schwerpunkte nach und nach verlagerten und verbreiterten. Die Mitgliederzahl des Vereines wuchs rasch. Neben den Umwelt- und Wandervereinen der Region beteiligten sich fortan auch weitere Vertreter der Kommunen und der Wirtschaft.

Landespavillon der Gartenschau wird zum festen Raum

Armin Schott, ein Mann der ersten Stunde und heute stellvertretender Vorsitzender des Umweltzentrum-Trägervereins, berichtet: „Nach einigen Jahren hat man gesagt: ‚Jetzt suchen wir mal einen festen Raum‘“. Dass seinerzeit der Landespavillon gebaut wurde und nach der Gartenschau dann für eine Nachnutzung zur Verfügung stand, passte einfach perfekt. Hier ein Umweltzentrum einzurichten – diese Idee überzeugte alle. Die Entscheidung hierfür wurde ganz bewusst getroffen, zumal es solche Einrichtungen bis dato im Land kaum gab. Und daran hat sich übrigens bis heute nichts geändert. Wichtig ist den Verantwortlichen, dass es in diesem Haus auch, aber eben nicht nur, um Naturschutz geht. Sie wollen vermitteln, dass die Natur die Grundlage aller auf der Erde ablaufenden Prozesse ist. Anita Sperle-Fleig sagt zusammenfassend: „Wir wollen Menschen sensibilisieren.“

Unterdessen haben sich die Ziele und konkreten Aufgaben des Zentrums weiter ausgeweitet. Der Schutz der Moorgebiete der Baar mit ihrer positiven Wirkung als Rückzugsgebiet vieler Tier- und Pflanzenarten und als Klimaneutralisierer ist den Akteuren weiter wichtig. So findet auch das Naturschutzgroßprojekt Baar die Unterstützung des Umweltzentrums. Es hat ein eigenes Büro in dem Haus auf der Möglingshöhe, genau wie auch der BUND-Regionalverband. Allein das macht schon deutlich: Der Trägerverein Umweltzentrum bildet ein aktives „Netzwerk der Kompetenzen“, wie es auf einer ausgelegten Broschüre heißt – und zwar mit Akteuren aus sehr verschiedenen Bereichen.

Tourismus langfristig ökologisch verträglich gestalten

Ein weiteres wichtiges Thema für die Arbeit des Umweltzentrums ist der Tourismus in der Region. Ziel ist es, mitzuhelfen, diesen langfristig ökologisch verträglich zu gestalten. Wie das gelingen kann, zeigen zum Beispiel die Besucherlenkung im Schwenninger Moos oder die Offenhaltung der Flächen durch Beweidung.

Dass das Zentrum auch mit Unternehmen der Region gut und intensiv zusammenarbeitet, ist ein Alleinstellungsmerkmal dieser Einrichtungen. Thematisch begegnet man sich unter anderem auf den Feldern Natur- und Umweltschutz oder auch im Bereich Energieeffizienz. Gerne buchen Firmen aus der Region die angebotenen sogenannten Team-Buildings. Unter der Überschrift „Unternehmen in der Natur“ werden die Firmen-Gruppen in den hiesigen Naturschutzgebieten aktiv. Damit soll die Wirtschaft mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Natur und ihren Erhalt sensibilisiert werden. Während der Erlebnistage

 

 

betreuen Experten die Gruppen und vermitteln fundiertes Wissen und nebenbei können sich die Kollegen hier mal anders kennenlernen, gemeinsam anpacken und so im besten Fall auch noch für neuen Teamgeist sorgen. Das teilnehmende Unternehmen kann sich als Arbeitgeber mit zukunftsfähigen Leitbildern und Visionen und einer guten Mitarbeiterführung profilieren und der attraktive Standort des Arbeitsplatzes in einer intakten Umgebung kommt auch noch zur Geltung.

Apropos Unternehmen: Sie sind innerhalb des Umweltzentrum-Netzwerks verlässliche Partner. Das trägt zur Vielfalt bei und sorgt dafür, dass sich das Zentrum zu zwei Dritteln selbst tragen kann, durch die Mitgliedsbeiträge und durch die ausgeprägte Partnerschaft mit der Wirtschaft. Auch das Entgegenkommen der Stadt bei Gebäudeerhalt und Miete und ein jährlicher Zuschuss des Schwarzwald-

Das Schwenninger Moos hat seine Renaturierung und damit Rettung maßgeblich den Initiatoren des Umweltzentrums zu verdanken.

Baar-Kreises sind hier bedeutende Stützen. Die Deckungslücke von rund 30 Prozent gilt es durch geförderte Projekte gegenzufinanzieren, wofür der Verein viel Zeit und Mühe aufwendet. So wurde zum Beispiel bis 2017 das Projekt „Mit Freundschaft begegnen“ gestemmt. Junge Geflüchtete halfen zum Beispiel mit, schadhafte Stege im Moos zu reparieren. Zu diesem Projekt gehörte eine sehenswerte und vielbeachtete Ausstellung mit dem Titel „Klimaturgie“, bei der auch die Situation in den Herkunftsländern der Geflüchteten in den Blick genommen wurde. Projektpartner war die Stiftung Naturschutzfonds, eine Einrichtung des Landes Baden-Württemberg.

 

 

„Naturschutz ist eben nicht (nur) Aufgabe der öffentlichen Hand, sondern eine Sache der Menschen“

Für die weitreichende finanzielle Unterstützung durch die Vereinsmitglieder und die Förderer ist man selbstredend sehr dankbar – sie wird auch weiterhin unverzichtbar sein. Vereinsvorsitzender Michael Neuenhagen findet mit Blick auf die hohe Eigenleistung, „dass das alle Umweltzentren so machen müssten. Dann gäbe es viel mehr davon – und so sollte es eigentlich auch sein.“ Denn Naturschutz sei eben nicht (nur) Aufgabe der öffentlichen Hand, „sondern eine Sache der Menschen.“ Ein fester Zuschuss des Landes wird dennoch langfristig angestrebt, damit die finanzielle Unstetigkeit überwunden und die Energie noch mehr für die eigentliche Arbeit verwendet werden kann.

Noch einmal zurück zum Netzwerken – dieser Begriff ist ja schon länger in Mode. Im Umweltzentrum ist er aber nicht nur ein hübscher Gedanke, der dem Zeitgeist entspricht, sondern gelebte Realität. Und ein Ergebnis der Vernetzung ist auch das hier: Dass Villingen-Schwenningen zum Naturpark Südschwarzwald gehört und davon auch profitiert, dazu hat das Umweltzentrum, das seit jeher durch verschiedene Kooperationen mit dem Naturpark eng verbunden ist, sicher maßgeblich beigetragen. Es selbst will ein Haus für alle Gruppen, Vereine und Verbände sein. Der Trägerverein zählt heute über 100 Mitglieder, darunter sind zum Beispiel der BUND Schwarzwald-Baar-Heuberg, die Schwarzwaldverein-Ortsgruppen Schwenningen und Bad Dürrheim, die Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins Schwenningen, die Deutsche-Alpenverein-Sektion Baar, der Naturpark Südschwarzwald, das solidarische Landwirtschaftsprojekt „Baarfood“, die Industrie- und Handelskammer und viele mehr.

Und die Vielfalt spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Vorstands wider: Vorsitzender Michael Neuenhagen kommt aus der Wirtschaft, als Marketingchef bei Bad Dürrheimer Mineralbrunnen ist er auch die Schnittstelle zwischen Ökologie und Ökonomie. „Wir sind ein schlagkräftiges Team“, sagt er stolz mit Blick auf seine Mitstreiter, und: „Es liegt immer an den Menschen, die‘s machen.“ Zu denen gehören im Vorstand als stellvertretende Vorsitzende Anita Sperle-Fleig, die Regionalgeschaftsführerin des BUND Schwarzwald-Baar-Heuberg, und Armin Schott, Stabstellenleiter im Bereich Umweltentwicklung und nachhaltige Planung beim doppelstädtischen Stadtplanungsamt. Er sitzt außerdem im Kreistag, genau wie Schatzmeisterin Cornelia Kunkis-Becker, die auch dem VS-Gemeinderat angehört. Außerdem gibt es einen rührigen Vereinsbeirat. Leiter des Vereinsbüros ist Hans Hruby. „Die Kerntruppe ist seit 20 Jahren zusammen“, sagt Anita Sperle-Fleig, deshalb funktioniere das Ganze wohl auch so gut.

Das Umweltzentrum ist also eine ehrenamtlich aufgebaute Institution, die für die Allgemeinheit da ist – eben für alle, die möchten. Hausleiterin Angie-Diane Manton drückt es so aus: „Alles, was hier so zusammenkommt – das macht das Besondere des Umweltzentrums aus. Dazu gehören auch die verschiedenen Gruppen, die wir ansprechen“, also kleine Kinder, Schüler, Erwachsene, Mitarbeiter in Unternehmen, Flüchtlinge, Menschen mit und ohne Handicap, „das alles haben wir im Blick.“ Um alle anzusprechen und Natur- und Umweltthemen der Region zu präsentieren, gibt es seit 2012 jährlich ein Veranstaltungsprogramm mit Exkursionen und Vorträgen zu verschiedenen Themen. Ein wichtiges Ziel ist es, den Besuchern die Grundlagen eines nachhaltigen und verantwortungsvollen Handelns zu erläutern und vorbildliche Anwendungsbeispiele in der Region sichtbar

 

 

zu machen. Es geht also um Umweltbildung für Jedermann. Weil man damit schon an der Basis bei den Jüngsten beginnen möchte, gibt es das Schulprogramm (siehe nebenstehender Bericht) und die individuellen Naturgeburtstage für Kinder und deren Gäste auf dem Gelände des Umweltzentrums. Da heißt es dann: „Die Baumdetektive sind unterwegs“ oder „Zu Gast in der Pflanzenfarbenwerkstatt.“

Vorträge, Kurse und Exkursionen werden angeboten

Aber nicht nur Kinder finden im Zentrum interessante Angebote. Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen zu Themen des Naturschutzes, der Nachhaltigkeit und des ökologischen Handelns gibt es auch für Erwachsene, unter anderem in Kooperation mit der Volkshochschule Villingen- Schwenningen. Dabei werden die Themen möglichst mehrdimensional beleuchtet: So hieß es jüngst: „Windkraft auf der Länge Pro und Contra – Zwei Experten informieren über die Hintergründe der Diskussion“ – Schwarz-Weiß-Denken ist nicht gefragt im Umweltzentrum.

Oder wie wäre es einmal mit einer Tour mit einem der Moosführer? Sie sind ehrenamtliche Mitarbeiter, die ihre Begeisterung für diese

Nicht nur Kinder finden im Zentrum interessante Angebote. Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen zu Themen des Naturschutzes gibt es auch für Erwachsene.

spezielle Landschaft gerne weitergeben. Ausgebildet wurden sie zur Landesgartenschau – so schließt sich der Kreis dann wieder. Auch Gruppenführungen können bei Interesse über das Umweltzentrum gebucht werden. „Sind das Wildkräuter oder ist das Unkraut?“ – Dieser Frage wird zum Beispiel auf einem Rundgang über das Moos auf den Grund gegangen.

In anderen Führungen kann man die Geschichte einer erfolgreichen Renaturierung erfahren und außerdem, wie das Moos entstand und wie Torfabbau und Salzförderung es schädigten. Woher kommt der Neckar? Wie verhält es sich mit der europäischen Wasserscheide? Wo verläuft die ehemalige Landesgrenze? Welche Frösche, Kröten, Unken und Molche leben hier? Was treiben diese das ganze Jahr hindurch und wer sind ihre Feinde? Wieso gibt es eine Neckarquelle und einen Neckarursprung? Warum hat man überhaupt das Moos entwässert? Und welche Rolle spielte der Torf für das Schicksal des Moores? Dies und vieles mehr wird im Rahmen der beliebten Führungen be-

 

 

antwortet, zu denen auch die besonders beliebten Touren mit zwei versierten Vogelexperten zählen.

Auch Exkursionen bietet das Umweltzentrum übrigens an, oft in Kooperation mit dem Schwarzwaldverein, zum Beispiel zum Biotop und der Streuobstwiese, die die Schwenninger Ortsgruppe vor 20 Jahren in Unterkirnach angelegt hat oder ins Ippinger Tal mit seinen Orchideen. Wer möchte, kann bei einem der Naturschutz-Pflegeeinsätze auch selbst Hand anlegen. Gezeigt wird im Zentrum zudem noch eine interaktive Dauerausstellung mit dem Titel „Der Obere Neckar – Fluss – Natur – Kultur“. Sie wurde im Juli 2014 eröffnet und zeigt die Besonderheiten des Ursprungs des Landesflusses, den Lebensraum Gewässer und die Natur- und Kulturschönheiten am Oberen Neckar. Die Besucher können den Neckar-Radweg virtuell entlangfahren, einer sprechenden Moorschnucke begegnen und erfahren, dass der Neckar im Stadtgebiet von VS-Schwenningen zur Landesgartenschau 2010 offengelegt und renaturiert.

Verwaltung durch hauptamtliche Haus- und Projektleiterin

„Die große Vielseitigkeit der Veranstaltungen und Angebote zeichnet uns aus“, sagt Angie-Diane Manton. Vereinsvorsitzender Michael Neuenhagen ergänzt: „Es hat sich entwickelt, alles ist größer geworden. Heute sind wir ein kleines Unternehmen.“ Dass die Strukturen immer weiter professionalisiert wurden, zeigt sich auch daran, dass mit Angie-Diane Manton seit Juli 2014 eine hauptamtliche Haus- und Projektleiterin angestellt werden konnte. „Das ist einfach klasse“, sagt Vize-Vorsitzender Armin Schott, „vorher konnten wir Leute immer nur projektbezogen einstellen.“ Und manchmal sind es eben auch glückliche Fügungen, die zum Erfolg beitragen: Diplomagraringenieurin Angie-Diane Manton war damals vor fünf Jahren nach ihrem Studium und anderen beruflichen Stationen gerade in ihre Heimatstadt Villingen-Schwenningen zurückgekehrt. „Ich wollte mich im Umweltzentrum ohnehin ehrenamtlich engagieren. Gleichzeitig war ich aber auch gerade auf Jobsuche“, erinnert sie sich. Da passte es einfach prima, dass die Stelle just zu dieser Zeit ausgeschrieben wurde und der Verein die Frau engagieren konnte, die auch noch einen direkten Bezug zur Region hat, wuchs sie doch in Schwenningen auf und ging hier zur Schule. Moos und Co.? Das alles kannte sie schon wie ihre Westentasche und das entsprechende Herzblut war so auch von Anfang an mit dabei.

Was gehört zu ihren Aufgaben? Da wäre zum einen die Verwaltung des Hauses (sie selbst sagt: „Ich schaue, dass alles in Ordnung bleibt“). Wichtig ist hier der kurze Draht zur Stadtverwaltung als Eigentümerin des Gebäudes. Aber auch zu Ministerien in Bund und Land gilt es den Kontakt zu halten, ebenso wie zu Behörden wie den Landratsämtern der Region oder dem Regierungspräsidium in Freiburg, genauso

 

 

wie bei Bedarf zu den Umweltverbänden und all den anderen Ansprechpartnern. Außerdem organisiert und koordiniert sie Kurse und die Angebote für die Unternehmen. Mit Lehrer Johannes Nonnenmacher arbeitet sie eng bei der Planung des Schulprogramms zusammen. Die Betreuung der engagierten Ehrenamtlichen, die sich verschiedentlich für das Umweltzentrum einbringen, ist ebenfalls wichtiger Teil ihrer Arbeit. So steht sie zum Beispiel immer im Kontakt mit den Moosführern.

Die Arbeit der Hausleiterin findet zwar auch am Schreibtisch statt, aber eben nicht nur. Dafür ist sie viel zu sehr mit der Natur und allem verbunden, was eben draußen so stattfindet: Bei der Walderlebniswoche für Kinder zum Beispiel hält sie nichts mehr im Büro. Ganz schön groß ist dieser Aufgabenbereich – die Hausleiterin lächelt angesichts dieser Feststellung und sagt dann: „Aber auch ganz schön spannend!“

Ihren Arbeitsplatz im Umweltzentrum fand sie von Beginn an faszinierend. „Das Haus hat eine ganz besondere Atmosphäre“, freut sie sich über diesen offenen, hellen Ort auf der Möglingshöhe. Rückblickend und gleichzeitig mit dem Fokus nach vorn sei es schön zu sehen, wie alle Stück für Stück wachse. Ein paar Baustellen gilt es derweil noch abzuarbeiten. Neben der angestrebten langfristigen finanziellen Absicherung durch einen festen Landeszuschuss ist das Gebäude selbst dabei im Fokus: Der Saal im Umweltzentrum ist nämlich baulich ohne Heizung oder Klimaanlage gestaltet. Das bedeutet: Im Winter ist es hier oft eiskalt, und im Sommer fühlt‘s sich öfters mal an wie in einer Sauna. Das bremst die Veranstaltungsmöglichkeiten im Jahresverlauf doch etwas ein. So konzentriert sich das Veranstaltungsprogramm meist auf das Frühjahr und den Herbst. Ob und wie man hier baulich gegensteuern könnte, darüber wird aktuell nachgedacht. Das zeigt: Die Aufgaben und Ideen gehen den Vereinsmitgliedern bei Weitem nicht aus.

Das Schwenninger Moos hat eine reiche Flora und Fauna zu bieten. Von Kaninchen über Rehe und Wasservögel, Steinmarder ( unten recchts) sowie seltenen Amphibien-, Libellen- und Schmetterlingsarten reicht die Palette.

 

 

Es ist ein schöner Sommertag im Juni. Schon früh lacht die Sonne vom Himmel über Schwenningen. Die Grundschule Rietheim hat sich für diesen Morgen angekündigt. Die Schulkinder aus dem Ortsteil von Villingen-Schwenningen haben grade eine Projektwoche zum Thema Natur absolviert und dabei begeistert mitgemacht. Heute nun steht als passender Abschluss direkt vor den Pfingstferien noch ein besonderes Erlebnis auf dem Stundenplan: Die Erst- bis Viertklässler sind spürbar gespannt, was sie auf einer Runde durchs Schwenninger Moos erwarten wird. Johannes Nonnenmacher, Michael Rüttiger und Manfred Schröter erwarten die Rasselbande kleiner Naturforscher bereits auf dem Parkplatz beim Schwenninger Eisstadion.

Die Kinder erfahren, dass einer von ihnen „der Mann vom Umweltzentrum“ ist. „Das bin ich“, erklärt Johannes Nonnenmacher freundlich in die Runde lachend. Der Lehrer ist für das Schulprogramm zuständig, das die Institution mit Sitz im Schwenninger Stadtpark Möglingshöhe jedes Jahr aufs Neue anbietet.

Das Schulprogramm: Umweltbildung fängt bei den Jüngsten an

Und nun nehmen daran also auch die Rietheimer Grundschüler teil. Ihre Lehrerinnen haben für sie eine Schulprogramm-Tour mit zwei Moosführern gebucht. Michael Rüttiger und Manfred Schröter, die anderen beiden Herren vom Parkplatz, sind schon oft mit kleinen und großen Naturfreunden durch das Moorgebiet spaziert und haben dabei erklärt, was es mit diesem speziellen Ort so auf sich hat und was man hier alles entdecken kann.

Die Lehrerinnen teilen die Schülerschar in zwei Gruppen auf – und los geht‘s. Die Erst-und Zweitklässler hängen sich an Manfred Schröter, den pensionierten Lehrer aus Villingen. Der biegt mit den Schülern um die Ecke in Richtung Moos und bleibt bald gleich mal am Rande eines kleinen Wäldchens stehen. Wer genau hinschaut, entdeckt, dass um manche Baumstämme kleine Drahtgitter gewickelt sind. „Weiß jemand, wofür das ist?“, fragt der Moosführer. „Hm, vielleicht, weil sonst der Biber dran ‚rumnagen würde?“ So lautet die noch ein wenig zurückhaltend geäußerte Vermutung der Kinder – und genau damit haben sie Recht. Manfred Schröter freut sich schon jetzt. Diese Tour, das weiß er nun, wird eine gute mit diesen aufgeweckten, jungen Naturfreunden. Und grad‘ so geht die Wanderung durchs Moos dann auch den ganzen Vormittag über weiter. Mal bleiben alle am Teich stehen, wo plötzlich die eigens mitgebrachten Ferngläser aus den kleinen Rucksäcken gekramt werden. Warum? „Da drüben, ein Storch!“ ruft ein Junge und alle Köpfe gehen in Richtung Wasser. Der genauere Blick durchs Fernglas bringt dann aber doch die Gewissheit, dass es stattdessen ein Graureiher ist. Der glänzt mit einer majestätischen Flugshow-Einlage und die Kinder sind hin und weg.

„Dieser Tag in der Natur hat Spaß gemacht!“

Die Begeisterungsfähigkeit hält so fast zwei Stunden lang an, sei es wegen der Pferde auf der benachbarten Koppel („Oh, die sind so schön!“) oder wegen der Raupen von Gespinstmotten, die gerade einige Baumäste eingesponnen haben – vorsichtiges Anfassen ist hier sogar erlaubt, genau wie ausnahmsweise beim samtweichen, aber ganz schön feuchten Moosboden oder bei

Auf Entdeckungstour im Schwenninger Moos.

 

 

Was man ansehen und berühren kann, ist für Kinder in der Natur besonders spannend.

der Schnittfläche eines abgesägten Baums, auf der sich der frische Birkensaft sammelt. Pädagoge Schröter weiß nämlich, dass es wichtig ist, auch mal selbst hinzufassen: „Nur dann hat man‘s begriffen‘“. Anhand der Schilder des Vogellehrpfads erklärt er außerdem, was zum Beispiel genau ein Blässhuhn ist, an anderer Stelle dann, dass Bäume in saurem Wasser konserviert werden, dass Baumstümpfe, Zunderpilze und Walderdbeeren schon mal eine Symbiose eingehen und dass eigentlich – entgegen der grusligen Volksmeinung – im Moor niemand lebendig versinken kann.

Beim Infopavillon warten weitere tierische Gesellen auf die Besucher: Dort haben die Moosführer einige präparierte Wildtiere aufgestellt. „Hier könnte ihr jetzt mal sehen, was der Biber für Zähne hat“, sagt Manfred Schröter und natürlich schauen sich die Kinder das genauso neugierig an wie die ausgestopften Vertreter von Wildmaus, Sperber und heimischem Fuchs. Und es bleibt nicht bei diesen nur früher mal lebendig gewesenen Tieren: Mal quakt eine Krötenfamilie aus dem Schilf von links, mal hüpft tatsächlich ein Eichhörnchen, grad so als wär‘s dem Bilderbuch entsprungen, im Wald am Wegesrand von Baum zu Baum und dann landet ein Graureiher

– vielleicht ist es der von der Flugeinlage von vorhin – auch noch direkt vor den Kindern auf dem Moossteg. Am Moosweiher, wo sich die Frösche in Ufernähe genüsslich in der kräftigen Morgensonne räkeln und eine Blässhuhnfamilie mit putzigem Nachwuchs durchs Wasser quakt, gibt es schließlich die lang ersehnte Vesperpause. Irgendwann ist die Aufmerksamkeitsspanne dann doch ausgereizt. Drum ist auf dem Rückweg dann auch die Vorfreude auf den großen Spielplatz im Stadtpark am größten. Vorher aber gibt’s noch einen donnernden Applaus der Kinder für die Führung – der Tenor ist einhellig: „Dieser Tag in der Natur hat Spaß gemacht!“

Großes Schulprogramm

Lehrer Johannes Nonnenmacher kann deshalb eine positive Bilanz ziehen. Wieder einmal hat das Schulprogramm damit seinen Zweck erfüllt. Nonnenmacher selbst ist im Hauptberuf Lehrer am Schulverbund am Deutenberg und dort in der Realschulabteilung unter anderem als Klassenlehrer tätig. Der naturaffine Schwabe hat sich für diese zusätzliche Aufgabe am Umweltzentrum beworben und die Stelle, die vom Land finanziert wird und ein 13-Stunden-Deputat umfasst, letztlich auch bekommen. Zwei Mal pro Woche ist er im Zentrum und kümmert sich hier um seine Aufgaben. Vor ihm gab es auf dieser Position schon zwei Vorgänger, so dass er mit der Aufbauarbeit nicht bei null beginnen musste. Er kann sich im Übrigen vor allem auf die tatkräftige und fleißige Unterstützung der

 

 

Ehrenamtlichen verlassen, die Garanten und Umsetzer zahlreicher Programmpunkte sind: „Ohne sie würde das Ganze nicht funktionieren“, ist sich der Lehrer absolut sicher.

Der Kalender des Schulprogramms ist vor allem von Mai bis Juli voll, in diesen Monaten und im Herbst werden rund 40 Kurse angeboten. Im Winter pausiert das Programm. Der Angebotskatalog wird an alle Schulen im Bezirk verschickt. Viele melden sich dann auf diesem Weg, andere kommen über Mund-zu-Mund-Propaganda und positive Erfahrungen anderer Schulen auf Johannes Nonnenmacher zu. Er selbst spricht auch immer wieder Schulleitungen oder Kollegen aus der Lehrerschaft an. Einige Einrichtungen sind regelrechte Stammkunden, darunter zum Beispiel die Georg-Müller-Schule oder die Friedensschule aus Schwenningen, genau wie die Goldenbühloder die Warenbergschule aus Villingen. Schulartübergreifende Kurse werden in den Bereichen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz angeboten. Die Kurse und Führungen werden mit Hilfe des Naturparks Südschwarzwald angeboten.

„Was lebt in unserem Neckar“

Das große Schulprogramm umfasst Kurse im Umweltzentrum und außerhalb, darunter den „Junior- Wasserwart“, ein Projekt des Bad Dürrheimer Mineralbrunnens mit fachlicher Unterstützung des Umweltzentrums und mit fachlicher Unterstützung des Umweltzentrums und des Amtes für Umwelt, Wasser- und Bodenschutz des Landratsamtes, in dem die Schulkinder in sechs Unterrichtsblöcken lernen, welche Wege das Wasser nimmt und dass es die Grundlage für Leben ist. Beim Kurs „Was lebt in unserem Neckar“ ziehen die Schüler mit Kescher und Becherlupe los und erkunden, welche Tiere und Pflanzen man hier finden kann.

Aber auch die anderen Elemente spielen eine Rolle: In Kooperation mit der Schwenninger Firma Maico dreht sich alles ums „Lebenselexier Luft“: Kinder lernen die Funktion eines Elektromotors kennen. Dazu montieren sie kleine Windmaschinen, mit denen sie in Experimenten die Auswirkungen der Luftströmung kennen lernen. Oder aber es geht mit dem Förster in den Wald, in Kooperation mit dem städtischen Forstamt. In Zusammenarbeit mit dem BUND kann man auf dem Steinzeitgelände hinter dem Eisstadion erfahren, wie aus Korn Brot wird und in anderen Kursen, in welchen Lebensmitteln Zucker enthalten ist, welche Funktionen und Auswirkungen er hat und wie verschiedene Süßen schmecken oder woher der Honig kommt und welche wichtige Rolle Honig- und Wildbienen in der Natur spielen.

Welche Tiere leben im Wald – auch Hasen und Rehe sind im Moos daheim (s. S. 259).

„Wofür Häuser, wenn es Höhlen gibt?“ – dieser Frage wird in Kooperation mit der doppelstädtischen Wohnungsbaugesellschaft nachgegangen. Und auch die Themen Müll und Energie werden behandelt: Das Kreis-Amt für Abfallwirtschaft erklärt, wie eine Kompostanlage und ein Recyclingzentrum funktionieren, der BUND, wie Müll vermieden und aus Abfall Kunst entstehen kann, die Bräunlinger Firma Straub-Verpackungen, wie das Verpackungsmaterial Wellpappe aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und verarbeitet wird. Und die Stadtwerke Villingen- Schwenningen vermitteln, wie „clevere Kids dem Strom auf die Spur kommen“ können. INFO: Die Moos-Führungen im Schulprogramm werden von Günther Schütz, Johannes Nonnenmacher, Michael Rüttiger und Manfred Schröter angeboten. Jeder von ihnen setzt dabei auf eigene Schwerpunkte.

 

 

Die kommunale Mosterei in Hubertshofen

von Gabi Lendle

Die Herstellung von Saft aus Äpfeln und Birnen spielt vor allem auf der Baar seit Jahrhunderten eine bedeutende Rolle. Schon bei den Kelten war der Most (lateinisch mustum) als junger Wein bekannt, den sie meist zur Verdauungsförderung tranken. In Süddeutschland gehört frisch gepresster „Süßmost“ aus Äpfeln zum traditionellen Kulturgut des bäuerlichen Lebens und hat bis heute an Beliebtheit nichts eingebüßt. Der Apfelsaft oder Most stammt aus Mostereien wie der in Hubertshofen, die seit nunmehr zwei Generationen mit großer Leidenschaft und Sachkenntnis die Familie Georg Tritschler betreut.

Hubertshofen ist ein Stadtteil von Donaueschingen, der umgeben von großen Waldflächen idyllisch auf 800 Höhenmetern liegt. Bereits seit über 50 Jahren gibt es hier eine Mosterei. Das Gebäude gehört der Stadt Donaueschingen, sie bezahlt auch die Strom- und Wasserkosten. In der Mosterei herrscht ab September acht Wochen lang Hochbetrieb. Die Familie Tritschler sorgt dafür, dass der Saft aus heimischen Äpfeln und Birnen in der Tat „in Strömen fließt“: Jedermann kann sein reifes Obst zum Pressen anliefern und erhält dann auch tatsächlich den Saft aus seinen eigenen Früchten. Das ist nicht in jeder Mosterei so. Doch auch wer keine eigenen Obstbäume hat, kann sich in Hubertshofen mit köstlichem frisch gepresstem Apfelsaft oder Most eindecken. Die Äpfel und Birnen dazu stammen von garantiert ökologischen Streuobstwiesen in und um Hubertshofen.

Die Zahl der regionalen Mostereien ist seit Jahren rückläufig, immer mehr schließen ihre Pforten. Der stressige Job an der Presse ist nur möglich, wenn man Spaß und Leidenschaft für diese Tätigkeit empfindet, denn viel verdienen lässt sich damit nicht. Umso größer ist in der Erntezeit der Ansturm auf die verbliebenen Mostereien. Aber lange Wartezeiten werden ebenso gerne in Kauf genommen wie lange Anfahrtswege. Unter den heimischen Mostereien herrscht kein Konkurrenzkampf. Alle haben die selben Preise, man kennt sich und arbeitet zusammen wie in einem großen Team.

Die Familie Tritschler und ihre Liebe zum Apfel

Äpfel aller Art sind Georg Tritschlers Leidenschaft. Mit viel Hingabe betreut und pflegt er die Äpfel- und Birnbäume auf den Streuobstwiesen rund um Hubertshofen von der Blüte bis zur Frucht. Und verarbeitete das Obst anschließend zu einem köstlichen Saft. Ein Teil der Streuobstwiesen gehört ihm selbst, weitere befinden sich in Privatbesitz. Nur noch einen Landwirt gibt es inzwischen am Ort, alle weiteren landwirtschaftlichen Flächen sind verpachtet.

Zwei der Streuobstwiesen werden ausschließlich als Blumenwiese genutzt und erst nach dem Ausblühen gemäht. Denn zum

 

 

Mit Herz und Seele bei der Mosterei und der Pflege von Streuobstwiesen dabei: die Familie Tritschler aus Hubertshofen. Oben, von links: Finn Tritschler, Emil Tritschler sowie Sandra und Georg Tritschler. Es fehlt der Sohn Maximilian Tritschler. Unten: Blick in die Mosterei. Links werden die Äpfel in die Anlage eingefüllt und ge-waschen, in der Mitte rechts ist die Presse zu sehen und rechts vorne der Holzzuber, der den Apfelsaft sammelt.

 

 

Georg Tritschler auf einer seiner Streuobstwiesen zur Zeit der Apfelblüte. Schon an der Blüte kann Fachmann Georg Tritschler erkennen, ob es ein gutes Erntejahr gibt oder nicht. Vorausgesetzt, dass die Witterung gut bleibt und keine Hagel- oder Sturmereignisse auftreten oder dauerhafte Nässe die Blüten schädigt.

natürlichen Kreislauf eines Obstbaumes gehören Bienen zum Bestäuben. Ohne Insekten gibt es keine Früchte und keinen Saft. „Im Moment ist das in Hubertshofen noch kein Problem, wir haben Gott sei Dank noch Imker am Ort“ sagt Georg Tritschler, der sich dafür engagiert noch mehr Streuobstwiesen um Hubertshofen anzusiedeln. Es ist ihm sehr wichtig, diese traditionelle Form des Obstanbaus zu pflegen und weiter zu fördern. Die Streuobstwiesen sind für Insekten, Vögel und andere Kleintiere von immenser Bedeutung.

Georg Tritschler ist mit dem Mosten sehr vertraut, schon sein Vater Emil hat die kleine Mosterei in der Schwimmbadstraße betrieben. Daher weiß er auch von Kindesbeinen an die heimischen Baumfrüchte auf den Wiesen als Geschenk der Natur zu schätzen. Hier geht es ihm nicht nur ausschließlich um die Verwertung der Frucht und den Genuss des köstlichen Saftes bis in den Winter hinein, sondern auch um die Bewahrung einer alten Tradition.

Das Mosten ist für Georg Tritschler eine Bereicherung, für die er sich jedes Jahr zwei Monate unbezahlten Urlaub nimmt. Das meiste Wissen zum Thema Äpfel hat er von seinem Vater Emil vermittelt bekommen. Ebenso verschiedene Kniffe und Tricks beim Pressvorgang in der Mosterei. Darüber hinaus hat er sich umfangreiches Wissen zu allen Themen rund um Äpfel und deren Anbau angeeignet. Dieses Wissen gibt er nun an seine erwachsenen Söhne Maximilian und Finn weiter, die beim Mosten wie ihre Mutter Sandra mithelfen. „Ohne ihren Einsatz wäre das alles nicht zu bewältigen, ich bin sehr stolz, dass inzwischen die dritte Generation unserer Familie mit dieser schönen Tradition fortfährt“, freut sich Georg Tritschler.

Apfelsaft von herb bis lieblich-süß

Die Maxime der Familie ist die umfassende und nachhaltige Bewirtschaftung der eigenen Streuobstwiesen rund um ihre Heimatgemeinde. Sieben Streuobstwiesen mit Äpfeln und Birnen gibt es in Hubertshofen. Das Obst an den Bäumen reift unterschiedlich heran, sodass ab August bis in den September hinein geerntet werden kann. Die Früchte sehen nicht so schön aus wie das Tafelobst im Supermarkt, das tut der Güte des Saftes aber keinen Abbruch. Genauso unterschiedlich wie die Reifung ist auch der Geschmack des Obstes. Dieser reicht von herb bis zu lieblich, kann süß oder sauer sein. Georg Tritschler ist überzeugt: „Der beste Apfelsaft kommt aus gemischten Früchten“. Deshalb wird bei der Neueinrichtung von Streuobstwiesen auch großen Wert darauf gelegt, welche Bäume in die Region passen, welche Sorten Äpfel sie tragen und welche Erntezeit sie haben.

Das Mosten

Die arbeitsreichen Wochen in der Mosterei beginnen Anfang September. „Wir haben frü

 

 

221Am Beginn wird das Obst gewogen, aus dem Gewicht errechnet sich der Preis. Dann werden die Äpfel in die Anlage eingefüllt, gewaschen und in kleine Stücke gehäckselt. Schließlich wird die Maische in mehreren Lagen maschinell gepresst (u. links) – der eigene Apfelsaft fließt in Strömen. (u. rechts)

 

 

her immer erst Ende September geerntet und gemostet. In den vergangenen Jahren hat sich die Ernte klimabedingt allerdings verschoben, jetzt beginnt die Saison manchmal schon im August – je nach Witterung. Georg Tritschler: „Das Jahr 2018 war ein gigantisches Apfeljahr, es wird uns in guter Erinnerung bleiben. Während der Mostsaison verarbeiten wir in der Regel zwischen 60.000 bis 70.000 Kilo Äpfel und Birnen. In diesem Jahr aber waren es weit über

100.000 Kilo.“

Rund ums Pressen

Wenn im September die Mosterei ihre Pforten öffnet, sollte man bald mit Georg Tritschler einen Termin vereinbaren. Früher war das Mosten nur am Wochenende möglich, doch Georg Tritschler hat nun nach Absprache täglich geöffnet, um den Ansturm bewältigen zu können. Dann wird Hubertshofen zum Mekka von Apfel-Fans. Viele der Anlieferer sind Stammkunden. Sie kommen aus dem gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis, aber auch aus den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Tuttlingen.

Das Mosten beginnt mit dem Wiegen der Äpfel oder Birnen, aus dem Gewicht wird dann der Preis ermittelt. Jeder Kunde erhält den frisch gepressten Saft seines eigenen Obstes, das ist die Besonderheit in der Mosterei in Hubertshofen. Im zweiten Schritt wird das Obst gewaschen, danach wird es in einem Rohr zum Hechsler transportiert, der es zur saftigen Maische verkleinert. Diese wird zur motorbetriebenen Pressanlage befördert, die den Saft unter hohem Druck aus dem Fruchtfleisch herauspresst. Der durch den Druck frei werdende Saft fließt in einen großen Holzbehälter. Von dort wird die Flüssigkeit in die von den Kunden bereit gestellten Behältnisse wie Fässer, Kanister oder Flaschen abgefüllt.

Der ungekochte Saft fängt meist nach zwei Tagen an zu gären und wird zum Most. Der erhitzte Saft wird in Flaschen oder in einem Plastikbehälter (bag in bag) verkauft. Er ist bis zu fünf Jahren und darüber hinaus haltbar.

Am Ende des langen Arbeitstages wird dann das komplette Gebäude mitsamt aller Maschinen und technischen Geräte gereinigt, damit es am nächsten Tag wieder blitzblank weitergehen kann. „Wir produzieren null Abfall, denn der übrig gebliebene Trester wird an die Förster weitergereicht, die damit das Wild füttern“ freut sich Georg Tritschler über diese super gute Bio-Bilanz.

Ago e.V. – das Wissen an Jugend vermitteln

Tritschler erfüllt nebenbei auch einen wichtigen Bildungsauftrag. „Viele Kinder wissen heutzutage nicht mehr, dass ein Apfel von einem Baum stammt. Das ist traurig und beängstigend. Deshalb haben wir Kinder aus Schulen und Kitas zum Schau-Mosten nach Hubertshofen eingeladen. Da dürfen die alle mitarbeiten und haben eine Riesenfreude dabei. Das Angebot wird aus dem gesamten Kreisgebiet super angenommen, die Führung wird von uns kostenlos durchgeführt“, so Georg Tritschler.

Weil ihm viel an der Natur liegt und er sein Wissen darüber vor allem an die Jugend weitergeben möchte, hat Georg Tritschler 2011 mit anderen Gleichgesinnten in Hubertshofen den Verein Ago e.V. (lateinisch = sich in Bewegung setzen) gegründet. Zweck des Vereins ist die Förderung der Bildung und Erziehung sowie der Jugendhilfe, insbesondere im Bereich Mediennutzung zur Prävention und Behandlung von Medienmissbrauch und Mediensucht bei jungen Menschen.

Der gemeinnützige Verein Ago e.V. bietet ein vielfältiges, naturnahes und erlebnisorientiertes Workshop-Angebot für Kinder und Jugendliche. Alle Workshops, Projekte und Freizeiten werden von pädagogisch geschultem Personal begleitet und im Kreativ-Camp in Hubertshofen angeboten. Raum zum Toben und Spielen ist auf dem 10 Ar großen Areal mit Schrebergarten, Hochsitz, Feuerstätte, Bauwägen, Hütten und einer Jurte vorhanden. Im Jahr 2018 beispielsweise haben über 1.500 Kinder und Jugendliche an den Projektangeboten teilgenommen. Weitere Informationen gibt es unter:
www.verein-ago.de

 


Bei der Apfelernte in Hubertshofen. Das um Hubertshofen herum geerntete Obst wird in der eigenen Mosterei verarbeitet. Das Besondere: Jeder Obstbesitzer erhält nicht „irgendeinen“, sondern seinen eigenen Apfelsaft (unten). Auch wer keine eigenen Streuobstwiesen besitzt, kann in der Mosterei frischen Apfelsaft einkaufen.

 

 

Ein neuer Wanderweg zwischen Gutach und Rhein

Text und Fotos: Thomas Bichler

Der WasserWeltenSteig verläuft als neuer zertifizierter Premiumwanderweg über 109 Kilometer von Triberg im Schwarzwald nach Neuhausen am Rheinfall in der Schweiz und verbindet damit „Deutschlands höchste Wasserfälle“ mit dem größten Wasserfall Europas.

 

 

Im Jahr 2001 kam mit der Eröffnung des Rothaarsteigs im Sauerland und Westerwald, als erstem deutschen Premiumwanderweg, der Stein ins Rollen, der – damals wohl ungeahnt – richtig Fahrt aufgenommen hat und bis heute ungebremst rollt. Zahlreiche neue Wanderwege, ganz nach den Bedürfnissen moderner Wanderer konzipiert, sprießen seitdem aus den Wald- und Wiesenböden der Mittelgebirge zwischen Küste und Alpenrand.

Quasi mit einem Schlag ist das Wandern aus seinem damals reichlich angestaubten Image erwacht und wurde wieder „in“. Naturnahe, gewundene Pfade, erlebnisreiche Wegpunkte, bestenfalls schöne Einkehrmöglichkeiten am Weg, modern gestaltete Rastplätze und ausgesucht schöne Natur kennzeichnen die neuen Wanderwege landauf, landab. Es folgten Wege, die heute längst zu Klassikern geworden sind, der Rheinsteig, der Hochrhöner, der Franken-weg, der Saar-Hunsrück-Steig oder – ganz in der Nähe – die Murgleiter im Nordschwarzwald und die als Qualitätswege Wanderbares Deutschland zertifizierten Fernwege Schluchtensteig und ZweiTälerSteig im Naturpark Südschwarzwald und natürlich der Westweg.

Qualitätsweg oder Premiumwanderweg?

Der Unterschied ist für Uneingeweihte kaum auszumachen. Zertifizierte Wanderwege werden nach komplexen Kriterienkatalogen für das optimale Wandererlebnis konzipiert und eingerichtet. Das Deutsche Wanderinstitut mit Sitz in Marburg hat 34 Kernkriterien für Premiumwanderwege entworfen. Für jeden Wegekilometer werden zudem knapp 200 unterschiedlich gewichtete Merkmale zum Wegeformat und Gehkomfort, zu Landschaft, Kultur und „zivilisatorischen Barrieren“ (Straßen, Ortsdurchquerungen, etc.) oder zur Beschilderung verlangt. Wege können so mit deutschlandweit identischen Kriterien kilometergenau auf Stärken und Schwächen getestet und vom Wanderer miteinander verglichen werden. Das Prädikat „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ wird vom Deutschen Wanderverband in Kassel vergeben und basiert auf 9 Kernkriterien und 23 Wahlkriterien.

Gleich ob Premiumwanderweg oder Qualitätsweg – immer steht das Erlebnis Wandern im Vordergrund. Erdig-grasige Pfade ersetzen Schotter- und Asphalttrassen. Schmale Wege führen durch vielfältige und unberührte Landschaftsformen, statt mit monotoner Flurbereinigung zu langweilen. Stopps in blühenden Waldwiesen, in erfreulich unaufgeräumten

80 geladene Gäste trafen sich im Mai 2019 in Blumberg-Achdorf zur Eröffnung des Premiumwanderweges WasserWeltenSteig. Hier Landrat Sven Hinterseh (3. v. links) im Kreis prominenter Mitwanderer. Im Hintergrund die Schleifenbachwasserfälle.

 

 

Wäldern und in Weinbergen werden so zur meditativen Erfahrung. Öffnende Ausblicke, Naturattraktionen und kulturelle Sehenswürdigkeiten sind ebenso wichtige Bestandteile, wie eine benutzerfreundliche Infrastruktur und attraktive Rastplätze. Wie komponiert stehen komfortable „Waldmöbel“ – Bänke, Holzliegen, Liegeschaukeln, Grillstellen – immer an den genau richtigen Stellen zum Rasten und Schauen. Eine lückenlose und unmissverständliche Markierung sorgt dafür, dass die Wanderung nicht verloren im Wald endet. Die Zertifizierung ist also nicht nur eine Auszeichnung des Wanderweges und seiner Ersteller, sondern auch eine wichtige Entscheidungshilfe für Wanderer.

WanderParadies Schwarzwald und Alb

Das „WanderParadies Schwarzwald und Alb“ der Landkreise Schwarzwald-Baar und Rottweil, das 2014 „an den Start“ ging, bietet zwischenzeitlich 37 Wanderrundtouren zwischen vier und 20 Kilometern Länge, von denen 20 als Qualitäts- oder Premiumwege zertifiziert sind. Auf den Schwarzwaldhöhen und -tälern, im Schluchtensystem der Wutach und Gauchach sowie auf dem Hochplateau der Baar, kurz: im gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis ist Wandern auf zertifizierten Wegen möglich. Was fehlte war ein Fernwanderweg. Der neue Wasser-WeltenSteig schließt nun die Lücke im touristischen Angebot und bildet seit seiner Eröffnung im Mai nun den roten Faden in der Wanderregion zwischen Schwarzwald, Alb und Hochrhein. Auf seinem Weg zwischen den beiden herausragenden Natursehenswürdigkeiten des Triberger Wasserfalls und des Rheinfalls verknüpft er nun viele der zertifizierten Kurzwege und zahlreiche Wanderregionen miteinander.

Von der Idee zum Weg

Einen neuen Wanderweg zu entwickeln ist mehr, als nur ein paar Schilder aufzustellen – viel mehr. Am Anfang stand der Wunsch im Schwarzwald-Baar-Kreis einen konkurrenzfähigen Fernwanderweg zu etablieren, der langfristig im Konzert der großen Wege mitspielen kann. Ein Fernwanderweg von überregionaler Bedeutung erzeugt mediale Aufmerksamkeit, fördert die regionale Wirtschaft und stärkt so insbesondere die lokalen Anbieter aus Gastronomie, Hotellerie und Tourismus. Von einer Erhöhung der Gästezahlen und der Verweildauer können aber auch beispielsweise Lebensmittelgeschäfte und Buchhandlungen profitieren.

Einen neuen Wanderweg zu entwickeln ist mehr, als nur ein paar Schilder aufzustellen – viel mehr.

Neben den wirtschaftlichen Zielen müssen dabei auch die umweltpolitischen Folgen bedacht werden: Wie können natürliche Ressourcen schonend genutzt sowie Flora und Fauna bewahrt werden. Wohin müssen Besucherströme gelenkt werden, um sensible Bereiche zu schonen. Wandern ist dafür die ideale, die Natur schonende Reiseform, um das Umweltbewusstsein altersunabhängig über alle Bevölkerungsschichten zu schärfen. Auch Marken- und Corporate Design sowie ein griffiger Markennamen sind längst fester Bestandteil in der Entwicklung eines Wanderwegs.

Die Arbeit am WasserWeltenSteig begann im September 2016 mit einer Machbarkeitsstudie der Projektpartner Wandern des Deutschen Wanderinstituts, ob der angedachte Wanderweg mit dem damaligen Arbeitstitel „Von Wasserfall zu Wasserfall“ als Premiumwanderweg umsetzbar ist. Nach zustimmendem Nicken

 

 

der Wanderforscher aus Mittelhessen stand die Bürokratie im Vordergrund. Ein Förderantrag beim Naturpark Südschwarzwald wurde gestellt. Erste Entwürfe der Strecke wurden mit der Bitte um Anmerkungen und Vorschläge an alle Anrainerkommunen, an Schaffhauserland Tourismus, die zuständigen Forstbehörden, an Naturschutzverbände und nicht zuletzt den Schwarzwaldverein verschickt.

Rauchende Köpfe waren anschließend ab März 2017 in den Sitzungssälen beim Landratsamt zu sehen: Änderungsvorschläge, Streckenverlegungen, Bedenken und Befürwortungen standen zur Diskussion – stets unter der Frage, ob der Neuentwurf der Wegeführung noch premiumwanderwegfähig ist, ob Naturschutz- und Forstbehörden in den beteiligten Landkreisen und Privateigentümer von Land zustimmen. Jede kleine Wegänderung erforderte eine neue Prüfung durch alle Beteiligten und deren erneute Zustimmung, aber auch die neuerliche Besichtigung vor Ort auf Mach- und Begehbarbarkeit sowie den Erlebnischarakter. Die Zahl der gewanderten Kilometer, vor allem der unermüdlichen Wegetüftlerin Margarete Furtwängler sowie Michael Braun, lässt sich wohl nicht beziffern, bis die Ortsgruppen des Schwarzwaldvereins im September 2018 den Wasser-WeltenSteig endlich beschildern konnten.

Mit der feierlichen Übergabe der Zertifizierung des neuen Premiumwanderwegs im Schwarzwald-Baar-Kreis am 25. Mai 2019 wurden auch die Webseite freigeschaltet und die druckfrische Begleitbroschüre der Öffentlichkeit vorgestellt. Der WasserWeltenSteig hat dabei seinem Namen alle Ehre gemacht. Die Eröffnungswanderung führte von Blumberg-Achdorf an den erfreulich wasserreichen Schleifenbachfällen vorbei bis auf den Buchberg, einen alle Teilnehmer durchnässenden Gewittersturm inklusive, just beim Eintreffen am Gipfel.

Also, gehen wir wandern!

Am Eingang der Triberger Wasserfälle hängt das erste Wegzeichen und begleitet uns bis an den Rheinfall: die für Schwarzwaldwanderwege typische Raute, versehen mit drei geschwungenen Linien. Über Serpentinen und Stufen zieht der Weg entlang der tosend ins Tal stürzenden

 

 

Wasser der Gutach hinauf, macht an Brücken und Aussichtsplattformen halt, gibt den Blick frei auf die sieben Fallstufen der insgesamt 163 Meter hohen Wasserfälle und erreicht schließlich – welch ein Gegensatz – die verwunschenen Moorlandschaften zwischen Schonach und Schönwald.

Hügelige Schwarzwaldlandschaften mit den typischen, urigen Schwarzwaldhöfen rahmen den Weg bis zum Reinertonishof. Anstelle des 2006 abgebrannten fast 400 Jahre alten Heidenhofes, haben die Dufners an alter Stelle ein neues Schmuckstück entstehen lassen. Über das Bauernmuseum, das Vesperhäusle, die Hofbrennerei und den Hofladen werden sich auch zukünftige Wanderer des WasserWeltenSteigs nach dem zurückliegenden Anstieg so freuen wie wir.

Bald nach dem Reinertonishof passieren wir die einstige Hofstelle des Elzhofes und tauchen, beobachtet von übermütig neugierigen Angusrindern, in den dichten Wald um den Blindensee ein. Nach und nach macht Hochwald einem dichtem Spirkenwald Platz. Die Spirke ist eine aufrecht wachsende Form der Berg-

Ein Bohlenpfad führt durch die archaische Landschaft zur Aussichtsplattform am kreisrunden, dunklen Blindensee.

Kiefer und typisch für die Moorlandschaften im Schwarzwald. Ein dichter Teppich aus Rauschbeerensträuchern überzieht den tückisch-sumpfigen Boden rechts und links des hölzerner Bohlenwegs, der uns mitten durch diese archaische Welt bis zur Aussichtsplattform am kreisrunden, dunklen Moorsee führt. Eine Sage erzählt, einst sei hier eine Kuh ertrunken und nach Wochen in der Donau wieder aufgetaucht. Nun ja, wer’s glaubt. Ein paar Neugierige taten es wohl doch und sollen – so wird berichtet – versucht haben mittels Färbung des Seewassers eine Verbindung mit der Donau nachzuweisen. Das war natürlich vergebens. Der mystischen Stimmung der Landschaft tut dies jedoch keinen Abbruch. Geheimnisvoll spiegelt sich der Moorwald im still und schwarzschimmernd ruhenden See.

Noch ein paar Schritte über den Bohlenweg, dann zieht der WasserWeltenSteig erneut

 

 

durch den für den Mittleren Schwarzwald so typischen Landschaftsflickenteppich aus Weiden, Wäldern und Wiesen zur Weißenbacher Höhe. Die jedem Schwarzwaldwanderer vertrauten roten Rauten des Westwegs hängen nun mit an den Wegzeichen. Seit bald 120 Jahren begeistert der seit einigen Jahren ebenfalls zum Qualitätsweg zertifizierte Klassiker seine Wanderer. Jedes Jahr begeben sich unzählige Besucher aus der ganzen Welt auf die 285 Kilometer von Pforzheim, quer durch den Schwarzwald, nach Basel. Vielleicht macht ihm der WasserWelten-Steig dahingehend ja einmal Konkurrenz?

Auf dem Weg zum Tagesziel am breiten Bergrücken zwischen Rohrhardsberg und Brend machen wir erst in Judith und Dieter Dolds Hof-Café „näbbe duss“ im hübschen Farnbachtal halt, dann kurz an der Elzquelle. Die Elz tröpfelt hier nur – ähnlich unserem in der Sonne dahinschmelzenden Bauernhofeis in der Hand, springt aber schon wenige Kilometer weiter talabwärts über die Elzfälle und fließt dann im weiten Bogen dem Rhein zu.

Unser Ziel ist die „Donauquelle“, jenseits der Europäischen Wasserscheide. Genauer gesagt entspringt die Breg, der längere der beiden Quellflüsse der Donau, in einer Senke unterhalb der Martinskapelle. Am benachbarten Kolmenhof bewirten uns Katharina und Christoph Dold mit fangfrischen Forellen und haben auch ein kuschelig weiches Bett für müde Wanderer. Wer noch nicht ganz so müde ist wie wir, wandert noch ein Stück weiter, passiert dabei die haushohen, eigentümlich wild aufeinandergestapelten Granitblöcke der Günterfelsen und übernachtet bei Antonia Hauswald im Berggasthof Brend am mit 1149,3 Metern höchsten Punkt des neuen Premiumwanderwegs.

Vom 1905 durch den Schwarzwaldverein erbauten Aussichtsturm am Gipfelplateau wandert der Blick nach Süden, zum Hochschwarzwald, über den Dunst der Rheinebene zu den Vogesen und an klaren Tagen bis zu den Alpen, vom Säntis bis zu Eiger, Mönch und Jungfrau. Modelleisenbahnern wird der 17 Meter hohe Steinturm bekannt vorkommen. Lange Zeit war er im Miniaturmodel-Portfolio des Spielzeugherstellers Faller in Gütenbach am Fuß des Brend.

Meditative Waldeinsamkeit

An Furtwangen, Gütenbach und Neukirch vorbei steuert der WasserWeltenSteig den dicht bewaldeten Höhenzug zwischen Linachtal und Urachtal an. Vom Brend geht es zur Ladstatt, dann mit einem Schlenker durchs Schochenbachtal zum Raben und weiter durch Wiesen und Weiden, an Waldrändern entlang zur Neueck. Hier ist ein weiterer wichtiger Punkt an der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau – nun zwischen Wilder Gutach und Breg und eine gute Chance für ein zweites Frühstück bei Stefanie Weißer und Theo Rosenberger oder – wie in unserem Fall – einem Stück ihrer legendären Schwarzwälder Kirschtorte. In der Gartenwirtschaft im Schatten der Linden lässt sich herrlich Zeit verbummeln, während Theos cremeweiße Charolais-Rinder auf den umgebenden Wiesen weiden.

Mit vollem Bauch geht es weiter. Gut, dass der Weg nun für lange Zeit auf der Höhe bleibt. Am Hohlen Bildstöckle queren wir die B 500, schicken den Westweg geradeaus weiter und verlassen gefühlt endgültig die Zivilisation. Ein würziger Duft nach Harz und Moos und in den Baumwipfeln rauschender Wind fährt unseren Puls herunter. Stille umgibt den WasserWeltenSteig. Kaum ein Laut dringt bis auf den bewaldeten Höhenzug zwischen Michelshöhe und Adlerhöhe. Erholsames Waldwandern ist angesagt. Zeit für die Kleinigkeiten am Weg: Ein an Tannenzapfen knabberndes Eichhörnchen, Pilze im Unterholz, rotleuchtende Vogelbeeren vor dunkelgrünen Tannen. Fast zu früh bringt uns ein schmaler Pfad ziemlich direkt und steil ins Tal hinab.

Ein paar Schritte entlang der gluckernden Linach und wir stehen an der Linachtalsperre. Auf einem Schmalspurweg wandern wir am Ufer entlang zur Staumauer. Die eigenwillige, 25 Meter hohe und 143 Meter lange, denkmalgeschützte Gewölbereihenstaumauer wurde zwischen 1922 und 1925 zur Stromgewinnung gebaut. Ab 1969 wurde der Kraftwerksbetrieb eingestellt, Wasserkraft galt als nicht mehr zeitgemäß, 1988 das Wasser abgelassen. In den späten 90er-Jahren fand ein Umdenken statt. Das Kraftwerk wurde reaktiviert und nach einer

 

 

Unterwegs auf dem WasserWeltenSteig. Vorbei am Günterfelsen (oben) geht es zum Brend (u. links). Beim „Hirschen“ in Neukirch mundet die Schwarzwälder Kirschtorte – nächste Station ist die Linachtalsperre.

 

 

Sanierung seit 2007 wieder aufgestaut, um wieder Strom zu erzeugen.

Zwei Kilometer weiter talauswärts steht an der Mündung des Linachtals ins Bregtal das in Jugendstil-Bauweise errichtete Kraftwerkshaus mit drei Turbinen. Ein kurzer Zwischensprint rettet uns dort vor einem unerwarteten Gewitterregen. Wasser und WasserWeltenSteig gehört zusammen.

Nach Hammereisenbach wäre es auf dem Rad- und Wanderweg entlang der Breg zwar auch nicht mehr weit gewesen, aber zuvor legt der Premiumwanderweg noch einen Abstecher zur Burgruine Neufürstenberg ein. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Also sitzen wir die Dusche im hübschen überdachten Rastplatz mit Schinken, Wurst und Käse zum heißen Tee aus. Viel ist vom Neufürstenberg, der einstigen Burg der Grafen von Fürstenberg, nicht mehr erhalten. Die Wirren des Bauernkriegs und ein Angriff des “Klettgauer Haufens” im Jahr 1525 haben ihre Spuren hinterlassen. Heute steht nur die noch immer mächtige Schildmauer über den Dächern von Hammereisenbach. Das Dörfchen an der Mündung des Eisenbachs in die Breg hat seinen Namen von den Erzvorkommen und deren Verarbeitung erhalten. Bis ins 16. Jahrhundert wurde hier ein Hammerwerk betrieben, zu dessen Schutz und Kontrolle wohl die Burg diente.

Ein Stück wandern wir noch an der Breg entlang, nutzen dazu den bequemen Rad- und Wanderweg und biegen auf Höhe der Fischer-säge vom breiten, offenen Tal in die enge Waldschlucht des Wilddobels ein. Wieder umgibt uns Wald, der sich erst rund um Mistelbrunn wieder lichtet. Im Ort lohnt ein Stopp in der kleinen St. Markus-Kapelle mit ihren uralten Fresken aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Der Mistelbrunn-Pilgerweg von Hammereisenbach über Bräunlingen nach Hüfingen verläuft bis Mistelbrunn teils parallel zum Wasser-WeltenSteig. Kurz nach dem Dörfchen schluckt uns erneut der Wald, dämpft unsere Schritte und Gespräche und gibt uns erst im locker um die kleine St. Anna-Kapelle verstreuten Erholungsort Unterbränd am Kirnbergsee wieder frei. Für den Sprung ins erfrischende Nass des „wärmsten Badesees im Südschwarzwald“ ist es uns doch zu frisch. Aber die Füße kühlen wir ab.

Rechte Seite: Meditative Waldeinsamkeit umgibt den Wanderer auf dem WasserWeltenSteig immer wieder neu.

Für den Sprung ins erfrischende Nass des „wärmsten Badesees im Südschwarzwald“ ist es uns doch zu frisch. Aber die Füße kühlen wir im Kirnbergsee ab.

 

 

Schluchtenwandern in Richtung Schweiz

Unsere Vorfreude steigt. Heute steht die Gauchachschlucht auf dem Etappenzettel. Die enge und wilde Gauchachschlucht gehört zum Naturschutzgebiet Wutachschlucht, einem der ersten in Baden-Württemberg. 1939 wurde das Schluchtensystem der Wutach und ihrer Nebenflüsse wegen der landschaftsgeschichtlichen und geologischen Besonderheiten, sowie der artenreichen Tier- und Pflanzenwelt unter besonderen Schutz gestellt. So konnte die einzigartige Landschaft als „Naturraum, aber auch als Erholungsgebiet mit hohem Erlebniswert“ erhalten werden.

Vom Campingplatz am nördlichen Seeufer geht es über die Brändbachtalsperre und an der Burgstelle der einstigen Kirnburg an den Oberlauf der Gauchach. Der WasserWeltenSteig hält, was er uns versprochen hat: Von nun an begleiten wir den größten Zulauf der Wutach

In der Gauchachschlucht, die zum Naturschutzgebiet Wutachschlucht gehört.

bis zu dessen Mündung. Abenteuer pur am rauschenden Bach, scheinbar fernab aller Zivilisation. Es wird ein Tag umgeben von der wilden Natur eines gewaltigen Schluchtensystems, wie man es in einem Mittelgebirge kaum erwarten kann. Nur kurz werden Schwarzwaldbahn und die B31 bei Döggingen gequert, dann steigen wir vollends in die Schlucht ein.

Nach der Mündung des Balgenbächle über eine Sinterterrasse in die Gauchach steilen sich die Berghänge mit ihren urwaldartigen Wäldern zunehmend auf und rücken eng aneinander. Immer tiefer frisst sich der Bachlauf in die Muschelkalkhänge, legt Felswände frei, springt über Stromschnellen und kleine Wasserfälle und lässt an einigen Stellen kaum noch Platz für den anregend schmalen Steig. Dank ihrer Unzugänglichkeit ist die Gauchachschlucht weitgehend naturbelassen. Vier Mühlen trieb die Gauchach früher an: Guggen- und Eulenmühle sind in Privatbesitz, von der Lochmühle ist dagegen kaum noch etwas erkennbar. 1664 erbaut, wurde sie nach zwei verheerenden Hochwassern schließlich aufgelassen. Heute zeugen nur noch ein paar moosüberwucherte Grundmauern von der früheren Mühle. Ein Stück abseits

 

 

der Route erinnert die Lochmühlenkapelle mit Votivbildern an die Sturzfluten in den Jahren 1804 und 1895. In der Burgmühle stärken wir uns mit kleinen Snacks und Getränken. Immer wieder quert der Weg – eigentlich ist es nur noch ein Pfad – mittels Brücken und Stegen den rauschenden Bach. Wir schummeln uns mit Hilfe von Metalltritten über Felsabsätze und steigen mit Drahtseilen als Handlauf durch die beeindruckend steilen Flanken über dem Wasser. An manchen Stellen ist der abenteuerliche Weg kaum breit genug, um aneinander vorbei zukommen. Schwindelfreiheit, Trittsicherheit und festes Schuhwerk sind hier kein Fehler. Die pure Natur der Wutachschlucht mit ihren Nebenflüssen darf man nicht unterschätzen.

Ein letzter Kraftakt…

Am Kanadiersteg mündet die Gauchach in die hier offen und freundlich wirkende Wutachschlucht und trifft dabei auch auf den Qualitätswanderweg „Schluchtensteig“. Teils gemeinsam verlaufend, führen beide Wege hinaus zur Wutachmühle, passieren Aselfingen und erreichen Achdorf. Hinauf nach Blumberg

Am Zusammenfluss von Gauchach und Wutach.

Erfrischung in der Gauchachschlucht.

 

 

Über eine acht Meter hohe Leiter geht es auf dem Schluchtensteig direkt nach Blumberg hinauf.

ist noch ein letzter Kraftakt durch die Schleifen

bachklamm angesagt. Die Einkehr in der Scheffellinde kommt uns

da gerade recht. Mit Badischen Spezialitäten im

Bauch kämpfen wir uns anschließend bergauf,

bis ein kurzer Abstecher vom WasserWelten-

Steig zum Holzsteg über den Schleifenbach

abzweigt. Hier bietet sich ein guter Blick auf

die zwei Fallstufen oberhalb der Bachquerung.

Die dritte Fallstufe stürzt talabwärts in die

Tiefe. Über eine kühne, acht Meter hohe Lei

ter und einen Zickzacksteig geht es auf dem

Schluchtensteig direkt nach Blumberg hinauf.

Der WasserWeltenSteig bleibt auf der südlichen

Talseite und zieht über Treppen bis an den Rand

der Stadt in der Blumberger Pforte. Durch den

markanten Taleinschnitt zwischen Eichberg und

Buchberg floss vor ca. 70.000 Jahren die Urdo

nau dem heutigen Wutachtal folgend gerade

aus weiter in das heute viel zu groß erscheinen

de Tal der Aitrach, bis der Flusslauf gegen den

Rhein abgelenkt wurde. Bei der Scheffellinde in Achdorf.

 

 

An der großen Panoramatafel auf dem 876 Meter hohen Buchberg die tolle Aussicht genießen.

An der großen Panoramatafel auf dem 876 Meter hohen Buchberg lässt sich das tektonisch-geologische Verwirrspiel recht gut überblicken. Mit den letzten Schritten öffnet sich an der Buchberghütte ein weiter Blick über das Wutachtal auf den südlichen Schwarzwald, zum Herzogenhorn und zum Feldberg – an klaren Tagen auch zu den Schweizer Alpen und zum Jura. Wir reißen uns vom schönen Panorama los und schlendern zur Ottilienhöhe hinab. An das einstige Kloster erinnert nur noch ein Kreuz. Unten im Tal ist ein Pfeifen zu hören. Der WasserWeltenSteig führt am Waldrand entlang zur „Schinkenstation“ am Buchbergtunnel. Eine Schautafel informiert über den Schwarzwälder Schinken und die eben gehörte Sauschwänzlebahn. Die historische Bahntrasse kreuzen wir auf dem Weiterweg noch mehrfach. Auf der vielfach gewundenen Strecke fahren heute nur noch die Dampf- und Dieselloks der Museumsbahn. Die 25 Kilometer und 231 Höhenmeter zwischen Weizen und Blumberg-Zollhaus werden mittels vier Brücken, sechs Tunnels und mehreren Kehren überwunden. Am Bahnhof Epfenhofen vorbei wandernd halten wir nun auf den Randen zu. Der letzte nennenswerte Anstieg der Fernwanderung. Denn einmal oben, wird es bequemer. Der weitere Weg über den plateauartigen Höhenzug aus Tafeljura weist kaum mehr Höhenunterschiede auf. Wir wandern am höchsten Punkt des Bergzuges, dem Hohen Randen vorbei. Aussicht ist hier keine. Dann passieren wir weniger spektakulär als gedacht die deutsch-schweizer Grenze. Ein Schild und ein alter Schlagbaum – mehr ist nicht zu sehen. Fast hätten wir den Grenzübertritt nicht einmal bemerkt. Vom Hagenturm bietet sich ein umfassender 360°-Rundumblick zum Schwarzwald, zum Bodensee und zu den Alpen, sowie zum Schweizer Jura. Ehrensache, dass wir noch auf den 40 Meter hohen Stahlfachwerkturm auf dem höchsten Punkt im Kanton Schaffhausen klettern. Die Fortsetzung des Weges führt auf einem Teilstück des 2016 eröffneten NaturaTrails Schaffhausen bis zur Wegekreuzung Heidenbaum. Besonders die verschiedenen Arten von Wildorchideen begeistern am Wegrand. Die unbesiedelten, offenen Hochflächen am Ran-den mit ihren artenreichen Magerrasen und den charakteristischen Waldföhrenstreifen – die am Ende des 19. Jahrhunderts auf brachgelegten Äckern anlegt wurden – lassen die Landschaft fast parkähnlich aufgeräumt aussehen. Unser nächstes Ziel ist die Zelgiwiese am Schlossranden. Eingeweihte wissen, dass sich hier ein kurzer Abstecher zum Schleitheimer Randenturm und der an Wochenenden bewirteten Hütte lohnt. Hin und zurück sind es nur knapp zwei Kilometer. Die Bratwurst vom Grill ist jeden Meter davon wert. Über blumenreiche Wiesen und angenehm schattigen Hochwald wandern wir zum Tagesziel Siblinger Randenhaus – der einzigen Chance weit und breit für ein Dach über dem Kopf und ein leckeres Essen auf dem Teller. Das Wild stammt aus den soeben durchwanderten Wäldern, der Bärlauch ebenso.

 

 

Über 137 Treppenstufen geht es zur Aussichtsplattform des Hagenturms hinauf.

Schlussakt mit Finale Furioso

Ganz allmählich senkt sich der Randen zum Rhein hin ab. Der südliche und östliche Teil des Randen-Hochplateaus ist deutlich niedriger. Es sind auch mehr Spaziergänger unterwegs. Die Nähe zu Schaffhausen ist spürbar. Vom flachen Eschheimertal, dem geografischen Mittelpunkt des Kantons Schaffhausens, steigen wir durch das Lerchentöbeli zum Beringer Randenturm. Etwas Wehmut macht sich breit. 137 Treppenstufen bringen uns zur Aussichtsplattform in 26 Metern Höhe, wo uns Panoramatafeln ein letztes Mal die grandiose Rundumschau in alle vier Himmelsrichtungen erläutern. Der Tiefblick auf den sich am Bergfuß ausbreitenden Klettgau mit seinem Mosaik aus Ackerflächen und den Weinbergen des Schaffhauser Blauburgunderlands ist reizend. Es ist aber doch der Blick zum wieder ein paar Kilometer näher gerückten Alpenbogen, der uns am meisten fasziniert.

Der Schlussspurt zum Rheinfall führt uns nah am unscheinbaren Engeweiher vorbei. Der

 

 

Ein Selfie mit Rheinfall – das Ziel des WasserWeltenSteigs ist erreicht.

Abstecher macht nur knappe 200 Meter hin und zurück aus, bringt uns dafür zum ersten Pumpspeicherwerk der Schweiz. Der kleine künstliche See wurde zwischen 1907 und 1909 angelegt. Mit Reststrom wird über eine unterirdische Druckleitung Rheinwasser in das 144 Meter höher gelegene Becken vor uns gepumpt. Bei der Rückführung des Wassers ins Kraftwerk am Rhein wird mittels einer Turbine dann Strom produziert.

Ein leichtes Schaudern überfällt uns am Galgenbuck über Neuhausen. Zwar ist vom einstigen Hinrichtungsinstrument nichts mehr zu sehen, doch wurden hier noch bis zum Februar 1822 Todesurteile vollstreckt. Vom Galgen selbst ist bis auf einen rostigen Eisennagel nichts erhalten geblieben. Zu sehen ist das Artefakt im „Museum zu Allerheiligen“ in der Schaffhauser Altstadt. Auf dem „Armsünderweg“ steigen wir hinab zum Bahnhof Neuhausen-Rheinfall in der Innenstadt von Neuhausen: Wir stehen am offiziellen Ende des Premiumwanderwegs. Aber klar, es zieht uns noch ein Stück weiter durch die Laufengasse zur Aussichtsterrasse am Mühleradhaus, direkt am mächtigen Rheinfall. Auf 150 Metern Breite stürzen zwischen Neuhausen und Schloss Laufen am südlichen Rheinufer bis zu 600.000 Liter Rheinwasser pro Sekunde über eine 23 Meter hohe Felsbarriere.

Vom Schlössli Wörth lässt sich mit Booten der spektakuläre Fahnenfelsen in der Flussmitte erreichen und zur Laufener Seite übersetzen. Wem das zu schauklig ist, der spaziert über die Eisenbahnbrücke zum Schloss Laufen, wo ein gläserner Aufzug oder zahlreiche Treppenstufen zu einer spektakulären Plattform leiten. Rauschendes Wasser zum Auftakt, stille Moorseen, sprudelnde Quellen an der Wasserscheide, munter glucksende Bäche, ein wiederbelebter Stausee, tiefe Tobel und zuletzt die tosende Gischt des Rheinfalls – der neue Premiumwanderweg WasserWeltenSteig hat wahrlich gehalten, was er und seine Wegetüftler uns versprochen haben.

 

 

Tanzschulen Christian Seidel

Im Alter von 15 Jahren entwarf er schon das pink-schwarze Logo für seine zukünftige(n) Tanzschule(n) – ein tanzendes „T“, eingerahmt von seinen Initialen. Heute betreibt Christian Seidel zusammen mit seiner Frau Daniela vier Schulen, in denen Menschen jeden Alters das Tanzen lernen oder es als Hobby betreiben – in Singen, Donaueschingen, VS-Villingen und in seiner Heimatstadt Backnang.

von Birgit Heinig

Der Weg dorthin war alles
Donaueschingen eine andere als leicht. Schon als zweite Tanzschule, 2008

23-Jähriger stand Christian Seidel nach der missglückten Beteiligung an einer Tanzschule nämlich mit hohen Schulden da. Dabei hatte er seine Ausbildung zum Tanzlehrer gerade als Deutschlands Bester abgeschlossen und brannte darauf, seinen Traumberuf „mit Herz und Seele“ auszufüllen. In Rielasingen, an der Schweizer Grenze bekam er eine neue Chance. Innerhalb von drei Jahren verdoppelte er die Umsätze der dortigen Tanzschule. Doch auch hier wurde er menschlich enttäuscht.

Das Privatdarlehen dreier treuer Tanzkreispaare, die an ihn glaubten, ermöglichte ihm 1997 schließlich in Singen den Schritt in die Selbstständigkeit. Und er lernte seine Daniela kennen, eine geborene Skarpil, die 1995 für den bekannten Tanzsportclub (TC) Ludwigsburg zusammen mit Alexander Montanaro Europameisterin im Paartanz geworden war. Ihre Karriere beendete sie 2002, seither ist sie als Wertungsrichterin bei internationalen Tanzturnieren im Einsatz und erledigt für die Tanzschulen ihres Mannes das Kaufmännische und ist auch als Tanzlehrerin tätig.

Christian Seidels erfolgreiche Arbeit trug schnell Früchte. 2004 eröffnete er in

im Villinger Lantwatten die dritte. 2014 wurde es dort zu eng. Im Gewerbegebiet »Vorderer Eckweg« richtete er sich auf großzügigen 6.500 Quadratmetern Grundstück mit Investitionen von drei Millionen Euro neu ein und galt seinerzeit als Deutschlands größte und modernste eigentümergeführte Tanzschule. 2018 erweiterte er an gleicher Stelle für 2,6 Millionen erneut. In Backnang steht die jüngste Seidel-Tanzschule, sie entstand ebenfalls 2014. Das nächste unternehmerische Projekt werde die Modernisierung seiner ersten Schule in Singen sein, die in die Jahre gekommen sei, kündigt Christian Seidel an.

„Tanzen kommt nie aus der Mode“, davon ist der 51-Jährige fast 30 Jahre nach Eröffnung seiner ersten Tanzschule zutiefst überzeugt. Ob Wiener Walzer oder Tango, Jive oder Rumba,

 

 

Mit seinen Tanzschulen auf Erfolgskurs: Christian Seidel (Bild oben). Vor allem auch junge Menschen begeistern sich fürs Tanzen, die in VS-Villingen in einer der größten und angesehendsten Tanzschulen Deutschlands unterrichtet werden.

 

 

Daniela und Christian Seidel. Daniela Seidel wurde 1995 Europameisterin im Paartanz. In der Tanzschule unterrichtet sie und ist ebenso für das Kaufmännische zuständig.

Line-Dance oder Hip Hop – in seinen Schulen finden sich Tanzbegeisterte aller Altersklassen wieder. Mit seinen Tanzkursen für Schüler, die er in Kooperation mit etlichen Schulen anbietet, liegt er goldrichtig – neben Mathematik und Biologie stehen immer häufiger auch die Gesellschaftstänze auf den Stundenplänen vor allem der Ganztagsschulen. Seine Tanzlehrer hat er speziell für die Schülerklientel ausbilden lassen, denn neben Cha-Cha, Foxtrott und Quickstep sollen die Heranwachsenden auch gutes Benehmen lernen. Umgangsformen und Kenntnisse über den jeweils passenden Kleidungsstil findet Christian Seidel nämlich genauso wichtig wie Tischmanieren, Grüßen und Dankesagen. „Wo lernen die Kinder das heute noch?“, fragt er sich zu Recht.

 

 

Tanzlehrer-Ausbildung in Theorie und Praxis

25 Tanzlehrer beschäftigt Christian Seidel in seinen vier Tanzschulen. Der Standort Villingen gilt als offizieller Stützpunkt des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbandes (ADTV) und darf den Berufsnachwuchs in Theorie und Praxis selbst ausbilden. „Bisher haben wir alle auch übernommen“, sagt der Chef. Die Tanzschule Seidel entwickelt sich stetig weiter. Mit Jessica Illing, eine ehemalige Tänzerin der Berliner Staatsoper, bietet man inzwischen Ballettunterricht ab drei Jahren an. Beliebt bei zukünftigen Eheleuten sind die Crash-Kurse in Sachen Hochzeitswalzer. Eingeschlagen »wie eine Bombe« hat das neue Angebot des vom amerikanischen Square-Dance abgeleiteten „Line Dance“. Hier braucht man keinen Tanzpartner, hier tanzen alle neben- und hintereinander die gleichen Schrittfolgen. Zum ersten „Line-Dance-Day“ im Mai kamen mehr als 150 Tänzer aus der gesamten Region nach Villingen. Schon haben sich die „Seidel-Liners“ gebildet, die sich zur Pflege ihres neuen Hobbys regelmäßig bei Seidel treffen. Wie nahe Christian und Daniela Seidel dem tänzerischen Puls der Zeit sind beweisen Handy

In die Seidel-Tanzschulen kommen Woche für Woche rund 5.000 Menschen: Von den „Windelflitzern“ ab zwei Jahren über Schüler (unten rechts), Tanzwillige mit Handicap, Paare und Singles bis hin zu Senioren.

 

 

fotos. Die zeigen das Paar im Sommer 2017 bei der Hochzeit vom RTL-„Let´s dance“-Jurorin Motsi Mabuse auf Mallorca, Seite an Seite mit Joachim Llambi und Jorge Gonzáles.

Für alle Altersklassen

In die Seidel-Tanzschulen kommen von den „Windelflitzern“ ab zwei Jahren bis zum Seniorentanz Jung und Alt, Tanzwillige mit und ohne Handicap, Paare, Singles und Jugendgruppen – jede Woche rund 5.000 Menschen. Viele der Jugendlichen betreiben sogar Leistungssport, gewannen schon Deutsche und Europameisterschaften im Hip Hop. Besonders stolz ist Christian Seidel darauf, dass sich in seinen Tanzschulen mehrmals die Woche mehr Kinder und Teenager aufhalten als in jedem Sport- oder Musikverein. Apropos Verein: auch hier ist der Tanzlehrer offen für Kooperationen. In Villingen bietet er dem Turnverein die stets händeringend gesuchten Räumlichkeiten für dessen

Kurse an. Die für Zumba oder Bauch-Beine-Po optimal eingerichteten und unterschiedlich zu dimensionierenden Räume sind auch für Hochzeiten, Firmenfeierlichkeiten und Abibälle gefragt. „Wir sind jedes Wochenende ausge-bucht“, sagt Daniela Seidel.

 

 

Der Öschberghof

SUPERIOR AM GOLFERHIMMEL

Der Öschberghof bei Donaueschingen mit umfangreichem Golf-, Spa- und Tagungsangebot präsentiert sich nach umfassender dreijähriger Umbauphase in frischem Glanz. Die Vielfältigkeit des 5-Sterne-S Luxusresorts macht es zum perfekten Hideaway für alle, die das Besondere suchen. Gourmets entdecken im neuen ÖSCH NOIR kulinarische Köstlichkeiten, Workaholics entspannen im weitläufigen Spa, Golfbegeisterte spielen auf der neuen 45-Loch-Anlage und Gestresste finden in den gemütlichen Ohrensesseln im „Wohnzimmer“ einen Ort, um abzuschalten. Die großzügigen Räumlichkeiten mit traumhaften Blickachsen bieten die perfekte Location für Hochzeiten und Veranstaltungen in der außergewöhnlichen Atmosphäre des Öschberghofs.

 

 

Ein Wohlfühlresort als Archetypus eines Gehöfts und Teil der Landschaft

Ein besonders wichtiges Element war während der gesamten Konzeption die traumhafte Natur rund um den Öschberghof. Es sollte das Gefühl entstehen, das Hotel sei ein Teil der Landschaft. Daher ist das architektonische Konzept des neuen Öschberghofs an den Archetypus eines Gehöfts aus einzelnen und in Gruppen stehenden Satteldachhäusern angelehnt. Die außen verwendeten, gedeckten natürlichen Farben und Materialien unterstützen diesen Ansatz. Auch die Innenarchitekten von Joi Design legten den Fokus ihres Einrichtungskonzeptes auf die Einbindung der Natur. In Zusammenarbeit mit den Architekten des Münchner Büros Allmann Sattler Wappner und Hoteldirektor Alexander Aisenbrey entwickelten sie einen Platz zum Durchatmen und Entspannen.

„Wir haben uns zunächst einmal mehr als 60 Hotels weltweit angesehen, an manchen Tagen besuchten wir fünf, sechs Häuser. In einigen Hotels haben wir auch übernachtet. Wir haben darauf geachtet, was gut funktioniert, aber auch, was man besser machen kann“, berichtet Aisenbrey. „Was wir ebenfalls mit einbezogen haben, sind die Gastkommentare aus den letzten Jahren. Wir nehmen die Wünsche und Anregungen unserer Gäste sehr ernst und freuen uns, dass wir vieles von dem berücksichtigen konnten.“

126 Zimmer und Suiten in neun Kategorien und harmonisch warmen Farben

Die 126 Zimmer und Suiten in neun Kategorien sind mit einem intelligenten Zimmerkonzept ausgestattet und verfügen über Balkon oder Terrasse. Die Einrichtung in harmonischen warmen Farben mit viel Holz ist hochwertig. Die neun Zimmer der Kategorie Komfort Dependance (32 qm) und sechs Suiten (48 qm) befinden sich im Nebengebäude. Im Hauptgebäude Süd stehen

Oben: Die Empfangshalle des Öschberghofs. Unten: Luxuriöses Entspannen im 5.000 Quadratmeter großen Spa-Bereich, hier der 20 m lange, ganzjährig beheizte Infinity-Außenpool mit 1,5 % Sole.

 

 

Blick in ein Komfort Plus-Zimmer.

24 Deluxe Süd Zimmer (36 qm), weitere sechs Suiten (52 qm) und die große Öschberghof Suite (111 qm) zur Verfügung. Das Haupthaus Nord beheimatet 36 Premium Zimmer (36 qm) und 17 Einzel Premium Zimmer (24 qm), während im Anbau Nord 24 Deluxe Zimmer (36 qm) und drei Junior Suiten (51 qm) zu finden sind. Überall fällt Tageslicht ins Gebäude. Alle Zimmer verfügen über Schiebefenster, die auf die Terrasse oder den Balkon führen und dem Gast die Möglichkeit bieten, die traumhafte Natur ringsum zu genießen.

„Wir haben bei der Planung nichts dem Zufall überlassen. Stichwort Musterzimmer: Es wurde ein Holzkubus gebaut und darin ein Doppelzimmer mit 36 qm originalgetreu eingerichtet – und dreimal umgebaut bis alles so war, wie

Die Öschberghof Suite ist 111 Quadratmeter groß und entspricht damit einer luxuriösen Wohnung mitten im Hotel. Sie verfügt über ein eigenes Besprechungszimmer (unten).

wir es geplant hatten. Da geht es um Details: Wie bewegt sich der Gast? Wie bewegen sich die Mitarbeiter? Kann ich alle Ecken gut sauber halten?“, so Aisenbrey.

Ganz besonders sind auch die inkludierten Leistungen: Willkommensgruß bei Anreise, das individuelle Kissen – und Matratzenmenü und Qualitätsbetten, Soundbox mit Anschlussmöglichkeiten für eigene Endgeräte, umfangreiches TV-Angebot mit Sportsendern sowie schweizerischen und österreichischen Programmen, Minibar, befüllt mit Softdrinks, Wein, Bier und Wasser, Möglichkeit zur Kaffee- und Teezubereitung mit Spezialitäten, Tablet-PC mit über 100 Tageszeitungen und Webradio, eine Badetasche mit gemütlichem Bademantel und Slippern, hochwertige Kosmetik und Schlafduft und nicht zu vergessen, ein hochwertiges Kunstkonzept für eine angenehme Atmosphäre.

Außerdem bietet das Hotel einen resorteigenen Fuhrpark mit den neuesten Fahrzeugen, WiFi im gesamten Resort, Schuhputzservice sowie Tageszeitungen und Magazine.

 

 

Das Wohnzimmer – Ruhepool inmitten der Hotelanlage.

Gehobene Küche und eine Vielzahl an kulinarischen Angeboten

Der Öschberghof bietet in vier Restaurants eine Vielfalt an kulinarischen Angeboten, die jedes für sich durch Authentizität und höchste Qualität die unverwechselbare Handschrift des Luxushotels interpretieren.

Das Esszimmer mit einer Deckenhöhe von rund acht Metern ist komplett verglast und verfügt damit über eine Vielzahl an Fensterplätzen. Bis zu 220 Personen finden Platz, wobei geschickt platzierte Raumteiler für eine gemütliche Atmosphäre sorgen. Hier werden Frühstück, Nachmittagssnack sowie Abendessen für Resortgäste und lokale Besucher serviert. Ein abtrennbarer Clubraum bietet sich außerdem

Linke Seite: Oben: Das komplett verglaste, acht Meter hohe Esszimmer kann bis zu 220 Personen aufnehmen. Unten: Die großzügige Theke der Bar lädt zu gemütlichen Abenden ein.

für private Gesellschaften an. Küchendirektor im Öschberghof ist seit April 2018 Gregor Schuber, dem auch die Führung der Küche im Tagungszentrum inklusive Festsaal obliegt.

Mit modern gestalteten Sitzecken in Erdtönen und royalem Blau und einer großzügigen Theke lädt die Bar zu gemütlichen Abenden ein. Barchef Julian Hischmann hält über 120 Whisky- und mehr als 80 Rumsorten bereit sowie verschiedene hausgemachte Sirupe. In der angrenzenden Smokers Lounge mit Kamin und dem begehbaren Humidor wählen Zigarren-Fans aus über 100 verschiedenen Sorten.

Das Wohnzimmer, in unmittelbarer Nähe zur Hotellobby gelegen, bietet den idealen Rückzugsort für Resortgäste. Die angrenzende Tagesbar verfügt über ein umfangreiches Angebot an heißen und kalten Getränken sowie eine Snackkarte als auch Kuchen und Torten aus der hauseigenen Patisserie, die ganztägig serviert werden.

Ristorante & Pizzeria Hexenweiher serviert gehobene italienische Küche mit regionalen Einflüssen und unter anderem Pizza aus dem

 

 

Im Hexenweiher serviert der Öschberghof gehobene italienische Küche.

Steinofen und Pasta beispielsweise aus dem Parmesanrad. Das im modernen italienischen Stil eingerichtete Restaurant verfügt über mehrere Räume mit insgesamt 140 Sitzplätzen sowie eine große geschützte Terrasse (200 Plätze) mit Blick auf die weitläufige Golfanlage. Das Restaurant liegt gleich neben dem Golfsekretariat und fungiert auch als Clubhaus für Golfer.

Die im alpenländischen rustikalen Stil gehaltene Öventhütte mit Open-Air-Grillstation liegt mitten im Wald, zwischen den Golfplätzen und bietet gehobene gutbürgerlicher Küche ab Mittag mit 100 Sitzplätzen. Ein Natur-Spielplatz direkt neben der Hütte lädt die jungen Gäste zum Toben ein. Dank ihrer ungestörten Lage wird die Öventhütte auch gerne für Hochzeiten

Linke Seite: Die im alpenländischen, rustikalen Stil erbaute Öventhütte mit Open-Air-Grillstation liegt mitten im Wald, was das Feiern bis in den frühen Morgen hinein möglich macht.

und andere große Events gebucht, da hier Feiern bis in die frühen Morgenstunden möglich ist.

Im ÖSCH NOIR erfüllen sich die Sehnsüchte aller Genießer

Das ÖSCH NOIR ist ein Sehnsuchtsort für Genießer. Hier zelebriert Küchenchef Manuel Ulrich moderne französische Küche, aromenstark, leicht und ein bisschen frech, wie der junge Spitzenkoch selber meint. Links die Bar, rechter Hand die Vinothek: Wie um die Vorfreude zu steigern, haben die Architekten das ÖSCH NOIR weit in den Gebäudekomplex hineingesetzt. Beim Eintreten öffnet sich der Raum dem Betrachter; hinter hohen Glasscheiben hantiert das Team von Chef de Cuisine Manuel Ulrich, gegenüber laden legere Hocker und Stehtische zum Aperitif. Die geschälten Stämme junger Bäume fungieren als Stehtische, silberfarbene, von der Decke baumelnde Prismen spiegeln das Licht. Im Restaurant selbst, das bis zu 50 Personen Platz bietet, kokettiert es in allen Facetten.

 

 

Willkommen im ÖSCH NOIR – an dem Ort, wo sich die Wünsche der Genießer erfüllen.

Aufgereihten Tautropfen gleich umschmeicheln gläserne Perlenketten die runden Sitzgruppen in der Mitte des Restaurants, vermitteln Intimität und Großzügigkeit gleichermaßen. Der samtige Teppichboden greift die Farbe der Polster auf und wenige ausgesuchte Accessoires setzen Akzente.

Der Gast kann im ÖSCH NOIR zwischen zwei Menüs wählen, jeweils mit vier bis sieben Gängen oder à la carte: Während für das Menü „NOIR“ auch Fleisch und Fisch verarbeitet werden, bietet „VERT“ ausschließlich vegetarische Köstlichkeiten. Und wer lieber vegan speisen möchte, kann sich ebenfalls freuen. Die Menüs wechseln alle zwei bis drei Monate.

Linke Seite: Im Ösch Noir kocht das Team von Spitzenkoch Manuel Ulrich hinter hohen Glasscheiben. Das Restaurant bietet bis zu 50 Personen Platz, gläserne Perlenketten umschmeicheln die runden Sitzgruppen.

Wein entnehmen, ohne dass Sauerstoff in die Flasche gerät

Wenn der Sommelier des Hauses Michael Häni über seinen persönlichen Weg zum Wein spricht, ist das mehr als spannend. Das Spiel mit dem Unerwarteten weiß er ebenso zu inszenieren wie die große Weinreise zum Menü. Der gebürtige Schweizer ist ein beeindruckend guter Unterhalter. „Selbstverständlich haben wir die großen Namen auf der Karte, sie umfasst mehr als 500 Positionen, aber es ist immer wieder ein super Moment, wenn der Gast meiner Beratung folgt und begeistert ist.“

Michael Häni überrascht die Gäste des Öschberghofs auch mit seiner Einstellung zu „offenen“ Weinen. „Nicht jeder möchte eine Flasche Château Pétrus für mehrere tausend Euro kaufen, ein Glas davon trinken aber sehr wohl. Wir arbeiten hier mit einem Verfahren, mit dem wir den Wein entnehmen können, ohne dass Sauerstoff in die Flasche gerät.“ „Der Gast muss dem Sommelier vertrauen können wie seinem Friseur.“

 

 

Eine Hotelanlage der Superlative im Luftbild – der Öschberghof (vorne) samt der 45-Loch-Golfanlage und den zahlreichen Nebengebäuden. Das bei Donaueschingen liegende Wohlfühlresort will sich als Golf-Aushängeschild von Baden-Württemberg positionieren. Um den sogenannten East Course, die Attraktion des Resorts, zu realisieren, wurden 225.465 Kubikmeter Erde bewegt, über 41.000 Meter an Drainagen und ca. 48.200 laufende Meter Beregnungsleitungen verlegt. Neu gestaltet wurde auch der bereits 1975 eingeweihte Old Course, der längste der insgesamt drei Plätze und der einzige, der über Championship-Tees verfügt.

 

 

HOME OF GOLF

Ein besonderes Highlight ist der erweiterte und redesignte Golfplatz inmitten der wunderschönen Natur des Schwarzwalds. Er liegt unmittelbar neben dem Hotel und macht den Öschberghof zum perfekten Reiseziel für passionierte Golfer. Deren besondere Anforderungen spiegeln sich ebenfalls in der architektonischen Umsetzung wider: Über die Parkgarage gelangen sie, auch bei Regen, gut geschützt ins Hotel. Die Ausrüstung kann komfortabel entladen werden. Der Zugang zum Platz direkt vom Hotel aus hat einen weiteren Vorteil – er erfordert keine weitere Autofahrt. Golfer gelangen problemlos innerhalb weniger Minuten zu Fuß zum Platz, auf die Driving Range oder zur Golf Academy. Diejenigen, die nicht golfen möchten, genießen das Spa, gehen wandern oder machen Ausflüge. Zum Mittagessen trifft man sich auf der Terrasse oder in einem der vier Restaurants des Resorts. Und wer vor dem Abendessen doch noch einmal einen Korb Bälle schlagen will, kann das ohne großen Aufwand machen und danach den Abend im Restaurant verbringen.

Der ursprünglich 1976 fertiggestellte Golfplatz mit 18 Bahnen (1994 erweitert auf 27 Bahnen) wurde grundlegend überarbeitet und ergänzt. Verantwortlich für das Großprojekt war Christoph Städler mit seinem Münstera-

Exzellente Voraussetzungen für Golfer bietet die neue 45-Loch-Anlage des Öschberghofs inklusive der Golf-Akademie (unten). Dort können die Golfer ganzjährig trainieren. Modernste Messtechnik gestattet eine

 

 

exakte Analyse des Abschlages.

ner Büro STÄDLER GOLF COURSES. In weniger als zwei Jahren schufen er und sein Team direkt am Hotel das Home of Golf, bestehend aus 27 neuen und 18 redesignten Bahnen. In der eineinhalb jährigen Planungsphase sah sich der Platzarchitekt mit mehr als nur einer Herausforderung konfrontiert. So stieß man bei den Erdarbeiten unvermutet auf eine sich weitläufig erstreckende Felsschicht und musste die Platztopografie anpassen. Des Weiteren galt es, ein Vogelschutzgebiet gemäß dessen Schutzstatus zu integrieren – und dann waren da noch zwei prähistorische Hügelgräber: Wer heute die Bahn 6 des Academy Course spielt, kann die Zeugnisse der Kulturgeschichte sofort erkennen: Sie liegen mitten im Fairway.

Der East Course, die Attraktion des Resorts, wurde im ersten Abschnitt fertiggestellt und konnte im Mai 2017 eröffnet werden. Genau ein Jahr später war die gesamte Anlage fertig. In Zahlen ausgedrückt: Es wurden 225.465 m3 Erde bewegt, 48.236 laufende Meter Beregnungsleitungen und 41.041 laufende Meter Drainagen verlegt. Und auch das Feintuning verweist auf Superlative: 6.622 kg Rasensamen, 1.468 t Bunkersand und die Installation von 1.489 Regnern waren notwendig um den neuen 45-Loch-Platz zu dem zu machen, was er nun ist – Home of Golf.

 

 

Old Course besticht durch eindrucksvolle Modellierung des Grüns

Wer sich am Öschberghof auf die Runde begeben möchte, hat die Qual der Wahl. Der 1975 eingeweihte Old Course besticht nach seinem Redesign durch eine optisch und sportlich eindrucksvolle Modellierung der Grüns. Dieser anspruchsvolle Platz mit 18 Löchern ist angelehnt an eine klassische Parklandschaft mit vielfältigem Gehölz-bestand. Er umfasst vier Teiche an sechs Bahnen sowie den Pfohrbach, der weitere vier Bahnen durchquert. Mit rund 6.000 m Länge, von den gelben Standard-Tees aus gerechnet, ist der Old Course der längste der drei Plätze und zudem der einzige, der über Championship-Tees verfügt.

Seit Mai 2017 bereichert der East Course das Golfresort um weitere 18 Bahnen. Das offene Gelände ist visuell geprägt von reich strukturierten Hecken, einigen markanten Solitärbäumen und vor allem durch weitläufige Blickbeziehungen. Seine schlüsselförmige Geländetopografie ähnelt in der Charakteristik einem Linkskurs und ist nicht nur aufgrund der intelligenten Spielführung ein Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Atemberaubend: der Ausblick von Abschlag 10, dem höchsten Punkt des Golfgeländes. Hier scheint der Horizont in unendliche Ferne zu rücken. Auf knapp 6.000 m Länge bietet der East Course mit sechs Teichen an acht Spielbahnen eine Vielzahl an Wasserhindernissen. Weiter begleiten oder queren der Pfohrbach und seine renaturierte Auenlandschaft den Platz über fünf Bahnen.

Der markant designte Academy Course schließlich hält fünf Bahnen im offenen Gelände und vier Bahnen im Park des Old Course bereit. Seine knapp 2.500 m Länge empfehlen diesen Platz vor allem für eine schnelle Runde. Dank der abwechslungsreich angelegten Grüns und Umgebungsbereiche ist ein extrem hoher Spaßfaktor garantiert.

 

 

Pflege der Anlage hat höchste Priorität

Die Pflege der Anlage genießt höchste Priorität: Die erfahrenen Greenkeeper und Marshalls des Golf Resorts unter der Leitung von Heiko Hildebrandt, Manager Golf Course, sorgen dafür, dass jeder Golfer optimale Bedingungen vorfindet.

Die Golf Academy vereint die gesamte Golfkompetenz des Öschberghofs unter einem Dach. Das begeistert Anfänger ebenso wie Leistungssportler und Profispieler. Seit 2017 ist der ehemalige Eishockeyprofi und Fully Qualified PGA of Germany Stefan Königer als Head Pro im Öschberghof tätig. Im Mai 2018 bezogen er und sein Team ihren neuen Wirkungsort – den Neubau direkt am Golfplatz. Hier kann nun das ganze Jahr hindurch trainiert werden. Es gibt zwei Abschlagboxen mit modernster Messtechnik. Während der Winterzeit nutzen seine Schüler – Königer trainiert Anfänger ebenso wie Profis – die Indoor-Facilities der Academy um ihr Spiel zu verbessern.

Und wenn trotzdem einmal Outdoor-Training angesagt ist: Die Driving Range der Anlage verfügt über beheizbare Abschlagboxen. Aber nicht nur das Training selbst entscheidet über den Erfolg, auch das Equipment muss optimal auf den Spieler eingestellt sein. Ein Golfer sollte nicht gegen sein Gerät spielen, sondern mit ihm, deshalb werden auch Fittings angeboten.

GESCHICHTE DES ÖSCHBERGHOFES

1974 Grundsteinlegung

1976 Der Land- und Golfclub Öschberghof wurde von Unternehmer Karl Albrecht (Aldi Süd) erbaut und über die Jahre hinweg mit angeschlossenem 4-Sterne-Superior Resort vergrößert.

1984 Eröffnung Restaurant Hexenweiher

1988 Eröffnung Golfplatz mit 18 Bahnen auf 130 ha

1994 Erweiterung des Golfplatzes auf 27 Bahnen

2001 Erste große Softrenovierung. Zu diesem Zeitpunkt verfügt das Hotel über 73 Zimmer, 9 Tagungsräume, 2 Restaurants, eine 27-Loch-Golfanlage und einen großzügigen Spa-Bereich auf 2.500 qm

2015-2018 Die große Erweiterung bringt den Öschberghof auf den heutigen Stand:

 

 

ÖSCH SPA

DER ÖSCH SPA BIETET AUF ÜBER 5.000 QUADRATMETER EINE ÜBERAUS GROSSZÜGIGE ERHOLUNGSOASE FÜR ALLE SINNE. VIER BEREICHE VERSPRECHEN TIEFE ENTSPANNUNG.

 

 

Fernöstlich inspiriert ist das Asia SPA.

Vom Asia SPA zum Lady SPA

Im Öschberghof stehen vier SPA-Bereiche zur Verfügung. Fernöstlich inspiriert ist das Asia SPA. Es entführt mit dunklen Steinen und roten Laternen, goldenen Wänden sowie floralen und Bambus-Akzenten in japanische Badekulturen – mit Kamaburo (Steinbad), Sento (Dampfbad) und dem warmen Onsenbecken, das den typischen heißen Quellen in Japan nachempfunden ist.

Im Harmony SPA stellt eine leuchtend orange Salzsteinwand einen optischen Bezug zur Microsalt-Technologie vom Sauna- und Bäder-Spezialisten Klafs her: Die Gäste atmen ein besonders feines Salzaerosol ein. Dabei verteilen sich die feinen Salzpartikel – anders als bei herkömmlichen Salzanwendungen – über das gesamte Atemwegssystem. Regelmäßige Anwendungen können so zur Säuberung und Revitalisierung der Haut sowie zur Unterstützung des Immunsystems beitragen.

Zum Bereich des Energy SPA gehören die 36 qm große Eventsauna mit Innenhof, eine verglaste Design-Sauna sowie ein Dampfbad und eine Infrarotkabine mit raffinierten Lichteffekten, die Schwitzbaden zum echten Erlebnis machen. Eine innovative Eis-Lounge setzt dazu den dynamischen Kälte-Kontrast.

Im Lady SPA verleihen Sauna- und Dampfbadkabinen in runden, weichen Linien ebenso einen weiblichen Touch wie zarte, beige-türkise Farbschattierungen und duftige Vorhänge, die Ruheinseln von der Kommunikationslounge abtrennen.

Natürlich, ganzheitlich und wirkungsvoll bringt das Team des ÖSCH SPA Körper und Geist auch mit den Anwendungen in Einklang: Im kosmetischen Bereich buchen Gäste zum Beispiel Beautyzeit und die Profis entscheiden zusammen mit dem Gast vor Ort, was für ihn genau das Richtige ist. Das Team behandelt in Zeremonien und Ritualen hauptsächlich mit Naturkosmetik wie dem kostbaren Aloe-Frischpflanzenblatt von Pharmos Natur. Dazu stehen sieben Behandlungslofts sowie ein Raum für Maniküre und Pediküre zur Verfügung. Verschiedene Signature-Treatments wurden eigens für das ÖSCH SPA entwickelt, genauso wie die Zielgruppen-Signatures etwa für Vielfahrer,

 

 

Bürojobber und Golfer. Bei Letzterem wird stilecht und wirkungsvoll sogar mit Golfbällen massiert.

Ebenso unverwechselbar sind die neuen Barbier-Angebote – die perfekte Kombination aus pflegender Rasur und purer (Aloe-) Pflanzenkraft, nach Belieben mit einer NackenOhren-Kopfhautmassage, einer erfrischenden Gesichtsmaske oder einer entspannenden Handpflege zu kombinieren.

Von A wie Aquafitness bis Z wie Zirkeltraining

Wohltuende Erfrischung versprechen der großzügige Innenpool (25 x 12,5 m) und der 20 m lange, ganzjährig beheizte Infinity-Außenpool mit 1,5 % Sole. Für Bewegung sorgt das moderne ÖSCH GYM, ein innovativ konzipierter Aktivitäts-Spielplatz für Erwachsene mit Indoor- und Outdoor-Trainingsflächen auf über 550 qm, ausgestattet mit modernsten Technogym-Geräten. Eine Cube-Wand, eine Outdoor-Kompan-Anlage, aber auch Skillmill-Geräte mit Eigenantrieb und die Kinesis- wie Logical Golf-Wand von Technogym sind top-moderne Highlights, ergänzt durch ein tägliches Kursprogramm.

Von A wie Aquafitness bis Z wie Zirkeltraining – im Öschberghof findet jeder Gast seinen eigenen Weg zu mehr Fitness und Wohlbefinden. Neben den 45 Kursstunden pro Woche unterstützen vor allem erstklassig ausgebildete Personal Trainer dabei, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.

Die Tür zum Kursraum steht einladend offen, vor einer flächendeckenden Spiegelwand macht ein Hotelgast mit der Personal Trainerin ein paar Dehnübungen. Gleich geht es raus zur Nordic-Walking-Runde einmal um den Golfplatz herum, gut fünf Kilometer, genau die richtige Distanz um am Morgen in Schwung zu kommen. Sie kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen, sagt die Personal Trainerin – und keinen schöneren Ort, um zu arbeiten. Davon profitieren die Gäste des ÖSCH GYMs gleich mehrfach, sie besitzt neben der Lizenz zur Personal Trainerin auch die zur Sporttherapeutin und Wellness- und Entspannungstrainerin. Die bodentiefen Fenster wurden zurückgeschoben und geben den Blick auf die Außenanlage frei. Hier trainiert ihr Kollege, lizenzierter Personal Trainer und Fitnesstrainer, gerade mit einer kleinen Gruppe an den Geräten des OutdoorFitness-Parks. Beide wissen zu motivieren, beide stellen sich täglich neu auf die Ziele der Gäste ein. Und die wohnen längst nicht alle im Resort: Viele von ihnen stammen aus der Region und nutzen das GYM als persönlichen Fitnessclub. „Der eine möchte abnehmen, ein anderer nach langer Pause wieder mit Sport anfangen oder treibt bereits intensiv Sport und möchte hier etwas für eine bestimmte Muskelgruppe tun“, beschreibt die Personal Trainerin die verschiedenen Zielgruppen.

Ausführliche Anamnese, individuelle Trainingspläne

Gäste des Resorts, die gezielt an ihrer Fitness arbeiten möchten, können schon vor dem Aufenthalt Kontakt mit den Trainern aufnehmen und über einen individuellen Trainingsplan sprechen. Eine ausführliche Anamnese vor dem ersten Training ersetze das allerdings nicht, betont der Personal Trainer. Die kürzeste Einheit beträgt 25 Minuten, die Power-Pakete enthalten bis zu 20 Einheiten mit einer Laufzeit von bis zu 25 Wochen ab Start. Jeder Gast, der an den Geräten arbeiten möchte, erhält ein Technogym-Armband, das die Trainingsdaten speichert. Er und seine Kollegin sind von den hochmodernen Fitnessgeräten total überzeugt: „Ein wichtiger Aspekt ist die ‚Range of Motion’. Damit können wir den Belastungsgrad einstellen bzw. definieren, bis zu welchem Winkel man Arm oder Bein beugen oder strecken kann“, sagt er. Die Personal Trainerin sieht einen weiteren Mehrwert für die Gäste darin, dass die Trainingsdaten auf jedem Technogym-Gerät abgerufen werden können: „Wenn ein Gast heute hier trainieren möchte und morgen in einem Technogym-Studio in Dubai – kein Problem.“

Um auf die Bedürfnisse Golf spielender Gäste und Mitglieder bestmöglich eingehen zu können, haben beide Trainer ihre Platzreife ge

Das ÖSCH SPA bietet eine überaus vielgestaltige Erholungs- und Fitnessoase. Oben der Fitnessraum mit modernstem Gerätepark. Unten links: Blick ins Ladys SPA und rechts beim Personal Training.

 

 

macht. „Viele Golfer kommen zum Krafttraining zu uns oder zum Stretching“, erzählt der Personal Trainer. Wer dagegen seine Körperhaltung beim Abschlag oder seinen Schwung verbessern möchte, dem empfehlen sie eine Stunde an der Kinesis-Wand in der Golf Academy. „Manchmal schicken wir Gäste auch erst in die Sauna oder zur Massage, wenn beim Training etwas wehtut“, sagt sie, „wir empfehlen uns hier alle abteilungsübergreifend weiter.“ Und damit nicht genug, die beiden haben bereits das nächste Ziel im Blick: Sie möchten die Gäste des Öschberghofs bereits beim Check-in auf die vielen Möglichkeiten in Sachen Sport und Fitness hinweisen und für eine „Schnupperstunde“ begeistern.

 

 

„Die Gastfreundschaft im Öschberghof loben die Gäste am meisten“

IM GESPRÄCH MIT GESCHÄFTSFÜHRER ALEXANDER AISENBREY

ZUR PERSON

Seine Laufbahn begann Alexander Aisenbrey im Hotel Bachmeier am Tegernsee, gefolgt von Positionen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Nach Studium und Abschluss an der Hotelfachschule Heidelberg, der Cornell University Ithaca, New York, und an der ADG Business School Montabaur folgten Positionen als Mitglied der Geschäftsleitung der Traube Tonbach und Direktor des Vila Vita Rosenpark, Marburg. Seit 2003 ist Aisenbrey als Geschäftsführer des Golf-, Wellness- und Tagungsresorts Öschberghof tätig. Auch ist er neben weiteren Ehrenämtern seit Juni 2016 der Vorsitzende des Fair Job Hotels e.V.

Herr Aisenbrey, Sie haben mit der umfassenden Sanierung und Erweiterung letztlich einen neuen Öschberghof geschaffen? Alexander Aisenbrey: Ja, im Grunde haben wir ein neues Resort erschaffen. Zuerst wollten wir eine Wiedereröffnung, aber final ist es in dieser Konstellation eine Neueröffnung. Wir haben uns mit neuer Struktur neu positioniert und werben intensiv um neue Gäste. Zum Glück gibt es viele Stammgäste, die uns treu geblieben sind. Das freut uns ganz besonders!

Auch wenn der Betrieb in einem Hotel nie zur Routine wird, im Alltag sind wir mit Stand Oktober 2019 noch nicht zu 100 Prozent angekommen. Allein die Verdoppelung der Belegschaft auf rund 400 Mitarbeiter machte es erforderlich, die logistischen Abläufe größtenteils neu zu definieren.

Was loben die Gäste am neuen Öschberghof?

Vor allem unsere Mitarbeiter. Sie sind ein Alleinstellungsmerkmal unseres Resorts. Von der Hotelausstattung her gesehen können sie unter dem Einsatz entsprechender Mittel alles schaffen. Sie können nach Dubai, China oder Amerika schauen, da entsteht jetzt gerade ein Haus, das noch spektakulärer, größer und schöner ist. Das wird ständig so sein. Was der Gast aber oft nicht findet, ist eine ehrlich gemeinte Gastfreundschaft. Und das haben wir hier mit unseren Mitarbeitern extrem gut umgesetzt. Auf 90 Prozent der Gästefragebogen – und wir bekommen viele zurück – ist vermerkt: „Wir kommen wieder! Sie haben die besten Mitarbeiter, die wir in den letzten Jahren erlebt haben.“ Unsere Gastfreundschaft loben die Gäste am meisten.

Natürlich wird auch das Design hervorgehoben, ebenso das neue Gourmet-Restaurant, ein Aushängeschild für die gesamte Region. Und selbstverständlich der Spa-Bereich, der riesig ist. Für die Golfplätze gilt, dass es sie in dieser Form in ganz Deutschland kein zweites Mal gibt. Wir haben auch dazu viele positive Rückmeldungen. Und dennoch wollen wir nie perfekt sein,

 

 

denn sonst sind wir keine Menschen mehr. Wir streben zwar 100 Prozent an – doch wenn wir 90 Prozent erreichen, ist es grandios.

Die DEHOGA sagt: Sie sind das beste Haus in Baden-Württemberg. Andere zählen sie sogar in Mitteleuropa zur Spitze. Wie stufen sie sich selbst ein?

Die DEHOGA-Klassifizierung wird an klaren Kriterien festgemacht – und wir haben die höchste Punktzahl in Baden-Württemberg erreicht, sind somit als 5-Sterne Superior klassifiziert. Doch das Hotel steht in Donaueschingen – nicht in Mailand, Sylt oder Kitzbühel. Wir sind mit der Region verbunden und verstehen uns als ein regionales Landhotel mit einem besonderen Flair und einem sehr hohen Dienstleistungsgedanken sowie einer schönen Qualität. Was wir schaffen wollen ist, dass sich der Gast wohlfühlt, gleich, wo er herkommt. Das ist es, was wir versuchen: jeden Gast zu begeistern.

Sie haben das vorhandene architektonische Grundkonzept im Kern beibehalten und weiterentwickelt?

Der Öschberghof ist ein perfekt in die Natur eingebundenes Hofgebäude geblieben, das hat unser Architekturbüro hervorragend umgesetzt. Die Wertschätzung regionaler, traditioneller Architektur sowie der behutsame Umgang mit dem Bestand bildeten die Grundlage für die Erweiterung. Wir haben die Gebäude immer nur in zwei gerade Richtungen gesetzt – es gibt keine Rundungen, keine Schrägen. Es ist in der Tat der Hofgedanke durchgezogen worden – auch mit der Dreistöckigkeit. Auch deswegen glaube ich, dass uns eine einzigartige Symbiose gelungen ist und der Öschberghof als überregionaler Anziehungspunkt gelten kann.

Der Öschberghof ist der größte Arbeitgeber in der Region Schwarzwald-Baar/Heuberg im Bereich Tourismus …

In der Region gehören wir zu den zehn größten Arbeitgebern und im Tourismus-Bereich sind wir führend. Bei uns arbeiten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Region selbst, die natürlich das besondere Flair ins Haus bringen. Und wir bilden aus: Der Öschberghof kann 70 Auszubildende und Studenten vorweisen.

Ist es schwierig, am Standort Donaueschingen für Ihren speziellen Bereich Personal zu finden?

Grundsätzlich ist es generell schwierig, egal in welcher Branche – man hört das ja rauf und runter. Wir machen hier vieles anders und haben derzeit alle Arbeitsstellen und Ausbildungsplätze besetzt. Der Öschberghof hat eine andere Vision der Mitarbeiterführung, die kreativen Freiraum lässt. Wir sehen den Menschen und nicht die Arbeitskraft.

Sie haben die Probezeit abgeschafft?

Ja, das stimmt. Wir führen lieber im Vorfeld ein Gespräch mehr, um sicher zu sein, dass der Mensch zu uns passt. Denn noch entscheidender als die fachliche Qualifikation ist die menschliche Komponente. Probezeit hat arbeitsrechtliche Vorteile, aber mehr nicht.

Bei uns gibt es auch keine befristeten Arbeitsverträge. Wir sind einfach davon überzeugt, dass der, der sich bewusst bei uns bewirbt, sich dazu im Vorfeld entsprechende Gedanken gemacht hat.

Sie haben die Initiative Fair Job Hotels gegründet, das hängt mit dieser Grundhaltung zusammen?

Die Initiative haben wir genau aus diesem Grund gegründet. Schlechte Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung – schlechter Umgang. Der Ruf des Hotel- und Gaststättenwesens ist diesbezüglich negativ belastet. Wir sehen das jedoch völlig anders. Und viele Kollegen sehen das auch so, inzwischen beteiligen sich über 80 Hotels an dieser Initiative. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, gemeinsame und verbindliche Werte und Standards für den Umgang in der Hotelbranche zu schaffen und Jobs zu verbessern. So ein Resort wie der Öschberghof lebt von der Gesamtstimmung und einem guten Mitein

 

 

Das bestehende architektonische Grundkonzept wurde bei der Erweiterung des Öschberghofes beibehalten. Nach wie vor handelt es sich um ein Hofgebäude, wie es für unsere Region typisch ist.

ander. Das gute Miteinander geht von den Mitarbeitern aus und deswegen ist das auch unsere Vision mit den Fair Job Hotels. Wir können die Mitarbeiter begeistern, dass sie gerne zur Arbeit kommen. Das ist doch das Entscheidende.

Und auch das ist für mich Wertschätzung: Wir haben ein eigenes Mitarbeiterrestaurant gebaut und kochen jeden Tag frisch für unsere Mitarbeiter. Und wenn sie bei ihnen sitzen und die Mitarbeiter sagen: „Es schmeckt besser als zu Hause“, dann haben sie ein tolles Alleinstellungsmerkmal geschaffen.

Wir bieten weiter Sportprogramme an und kümmern uns um viele andere Belange. Und was man ebenfalls sehen sollte: Die Belegschaft des Öschberghofs setzt sich aus 42 Nationalitäten zusammen.

Gibt es schon erste Trends zur Entwicklung der Gästezahlen?

Vor dem Umbau waren wir zu 85 Prozent belegt. Diese hohe Auslastung hat dazu geführt, dass wir die Entscheidung getroffen haben, das Resort zu vergrößern. Also muss es das Ziel sein, mindestens wieder auf 80 Prozent zu kommen – bei doppelt so vielen Betten! Vor dem Umbau waren wir relativ klar aufgestellt: 60 bis 70 Prozent der Gäste waren Deutsche, 30 bis 35 Prozent Schweizer und der Rest verteilte sich weltweit. Den Anteil der internationalen Gäste wollen wir jetzt spürbar steigern, in China und Amerika laufen diesbezüglich verstärkt Aktivitäten an. Vor allem die Deutschen und ebenso die Schweizer werden aber auch in Zukunft den Hauptanteil unserer Gäste ausmachen.

Welche Rolle spielt dabei die Golfanlage?

In dem Segment Golf natürlich die Wichtigste. Wir haben drei Schwerpunkte: Von April/Mai bis September/Oktober ist der Golfsport ein absoluter Magnet. Dann haben wir den Meeting- und Tagungsbereich, der vor dem Umbau den größten Anteil an Gästen brachte, nämlich über 40 Prozent. Hinzukommt unser SPA-Bereich, der natürlich jetzt durch die Vergrößerung eine noch wichtigere Rolle spielen wird.

 

 

Der Mix wird sich nicht groß ändern im Vergleich zu vorher: 40 Prozent Business, 30 Prozent Golf, 20 Prozent Spa, und der Rest sind Hochzeiten, Fußball usw. So wird sich final der Markt aufteilen.

Stichwort Fußball: Sind bereits besondere Gäste in Sicht?

Eben war Fortuna Düsseldorf da. Für nächstes Jahr sind wir im Gespräch mit Köln. Wir haben uns jetzt wieder zurückgemeldet. Köln hat uns ja absolute Höchstnoten für das Trainingslager gegeben. Das spricht sich in der Branche herum. Natürlich hört es sich gut an, wenn ein Verein wie der FC Chelsea kommt. Doch diese Spitzenklubs haben eine ganz andere Vision von einem Trainingslager, sie wollen abgeschottet sein. Wir aber möchten „Fußball zum Anfassen“ machen. So wie es mit Köln möglich war. Da standen am Wochenende 400 Leute um den Platz herum und haben auch mal den Ball ins Spielfeld werfen können. Natürlich werden wir nicht absagen, wenn ein international renommierter Spitzenclub kommt, aber grundsätzlich wollen wir uns auf die Bundesliga konzentrieren.

Haben Sie Karl Albrecht noch gekannt? Wie kam er auf die Idee in Donaueschingen ein erstklassiges Hotel zu bauen?

Ja, viele Jahre konnte ich mit ihm zusammenarbeiten. Karl Albrecht war ein begeisterter Golfspieler, und als er dann dieses Grundstück angeboten bekam, griff er zu. Er ist sehr gerne hierher in den Süden gefahren, die Gegend hat ihm gefallen. Aber die Frage ist natürlich vollkommen berechtigt, weshalb stellt man so ein Hotel nach Donaueschingen? Unser Standort ist manchmal schon eine Herausforderung. Das bedeutet, wir müssen unser Marketing anders anlegen, als wenn wir in Kitzbühel wären. Hier können wir uns nur über den Öschberghof und unsere Leistungen verkaufen.

Und wir verkaufen die Region natürlich sehr gerne mit. Wenn wir Reiseveranstaltern wie kürzlich in Stockholm das Hotel präsentieren und aufzeigen, was die Region so bietet, bekommen wir zurückgemeldet: Da ist ja richtig was los in dieser Region.

Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist stolz auf den Öschberghof, das klingt vielfach durch …

Es ist ein Geben und Nehmen. Ein Luxushotel wie unseres hat internationale Ausstrahlung für die Region. Es zieht Menschen an, die sonst nicht hierher kommen würden, wie eine bekannte Fußballmannschaft beispielsweise. Durch diese Kombination gewinnt die Region an Glanz, die uns in vielen Bereichen unkompliziert unterstützt. Unsere Übernachtungsgäste akquirieren wir mit der Leistung des Hauses überwiegend selbst und nutzen die Region, um den Gast final länger hierzubehalten. Die Schweiz und der Bodensee sind nicht weit entfernt. Wir haben hier wunderbare Radwege, das Museum ArtPlus, den Donau-Ursprung oder den Narrenschopf in Bad Dürrheim. Und wenn wir fastnachtsbegeisterte Kölner hier haben, ist das eine richtig tolle Geschichte. Wir verweisen auf Villingen, wo man sich auch historisch umschauen kann. Und wer wanderaffin ist, kommt besonders auf seine Kosten: Der Schwarzwald vor allem begeistert auf vielfache Weise.

Unsere Erfahrung ist: Die Gäste kommen, stellen ihr Auto ab – und nutzen es erst wieder, wenn sie abreisen. Das wollen wir noch ausweiten: Wir haben E-Bikes hier, bieten beispielsweise Brauereikurse an oder Exklusivführungen im Museum ArtPlus. Ziel muss sein, dass man den Gast, der sich bewusst für den Öschberghof entscheidet, auch in die Region bringt. Wir sind optimistisch, dass uns das auch gelingen kann.

Herr Aisenbrey, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Rechte Seite: Moderne Tagungsräume bietet der Öschberghof in verschiedenster Ausstattung und Größe. Unten der Festsaal.

 


Die Scheffellinde in Achdorf

Sie ist ein Kleinod in der gastronomischen Landschaft der gesamten Region, einer der Mittelpunkte des 420-Seelen-Ortes Achdorf und ein Haus mit einem 476-jährigem, geschichtsträchtigen Hintergrund. Die Scheffellinde ist aber vor allem der ganze Stolz der Familie Wiggert, die das Landgasthaus in der 19. Generation führt und ihre ganze Energie in das „Scheffel-Ausruhnest“ am Rande der Wutachschlucht steckt.

von Marc Eich

 

 

Karl Wiggert, seine Schwester Sabine Hille und Cornelia Wiggert führen die Scheffellinde in Achdorf.

Mit Bedacht geht Sabine Hille durch den gemütlichen Gastraum. Jedes Bild, jede Figur und jede Inschrift

ist ein Relikt aus vergangenen

Zeiten und gleichzeitig ein Stück

Geschichte des Hauses. Ein Ge

mälde sticht dabei insbesondere

ins Auge. Es zeigt zwei Männer zu

sammen mit einer Frauenrunde an

einem Wirtstisch. „Das ist Joseph

Victor von Scheffel mit seinem

Freund Richard Stocker“, erzählt

Sabine Hille, die gemeinsam mit

ihrem Bruder Karl Wiggert und

seiner Ehefrau Cornelia das tradi

tionsreiche Landgasthaus führt.

Und damit befindet man sich

schon mitten drin in der bewegten

Geschichte der Scheffellinde –

denn der angesehene Schriftsteller und Dichter

war einer der berühmtesten Gäste des Hauses

und gab diesem nach seinem Tod im Jahr 1886

seinen Namen. Wie kam es dazu? Die Chronik des Gast

hauses berichtet, dass Scheffel zwischen den

Jahren 1857 und 1859 Hofbibliothekar beim Fürsten zu Fürstenberg war und der Dichter zu

dieser Zeit als Stammgast mit seiner Kutsche

oder zu Fuß in die Linde nach Achdorf kam. Als einer der ersten überzeugten Demokraten im badischen Land hat er bei den gleichgesinnten Wirtsleuten hohes Ansehen genossen. Nicht zuletzt sorgte jedoch wohl auch die Liebe zur Wirtstochter Josefine Meister dafür, dass der damals 31-jährige Scheffel die Lokalität regelmäßig aufsuchte. Das schmucke Mädchen hatte es ihm angetan. Er verewigte die Schöne beispielsweise in seiner Erzählung „Juniperus“. Weshalb sich keine tiefere Bindung entwickelte, ist indes nicht bekannt. Mit seiner späteren Frau jedenfalls wurde der

sensible Künstler nicht so recht glücklich, wie

gleichfalls überliefert ist.

Eine 476-jährige Geschichte

Das Anwesen wurde 1543 auf dem Gelände eines herrschaftlichen Meierhofes errichtet

 

 

Das Gasthaus Linde in Achdorf im 19. Jahrhundert. Die Zeichnung zeigt das aus dem Jahr 1543 stammende Gasthaus vor seiner Umbenennung in Scheffellinde im Jahr 1886.

und befindet sich seit dem Bauernaufstand in den Händen der gleichen Familie: Über 19 Generationen hinweg, insgesamt seit 476 Jahren. Interessanterweise geschah die Erbfolge meist über weibliche Nachkommen (siehe dazu auch:
historische-gasthaeuser.de
).

Der frühere Name des Gasthauses ist auf einen Friedensbaum zurückzuführen, ihn pflanzten die Talemer nach dem Dreißigjährigen Krieg. Er spendete den Gästen über Jahrhunderte hinweg Schatten. 1972 allerdings fiel der Baumriese, der zuvor bei Straßenbauarbeiten beschädigt worden war. Die Wirtsleute pflanzten eine neue Linde, 1995 kam eine weitere hinzu.

Um das Jahr 1800 herum wurde zusätzlich eine eigene Brauerei gegründet, die bis 1905 in Betrieb war. Das „Lindenbier“ fand Anklang, es wurde regelmäßig in zwölf Orten verkauft.

Das Gasthaus Linde hat schon immer das Wasserrecht besessen. Mit der Folge, dass sich eine Mühle, ein Sägewerk, eine Holzdrechslerei, eine Schmiede und ein Holzhandel in der Nähe ansiedelten. So lebten immer mehr Menschen im Tal. Wie damals üblich, war das Gasthaus Haltestelle für Postkutschen. Zudem befand sich ab 1904 in der Scheffellinde die Achdorfer Poststelle . Diese Ära endete erst 1994.

Neben dem Namensgeber Victor von Scheffel verkehrten im Gasthaus auch weitere bekannte badische Dichter und Autoren. So der Reiseschriftsteller und Pfarrer Heinrich Hansjakob aus dem Kinzigtal. Ebenso Johann Peter Hebel, der Pionier der alemannischen Mundartliteratur.

Diese Nähe zu liberal gesinnten Denkern Südbadens ließ Gustav Wiggert, Vater von Karl Wiggert und Sabine Hille, wieder aufleben. Er machte die Scheffellinde zum Traditionslokal der Liberalen und etablierte dort den politischen Aschermittwoch der FDP.

 

 

Am 4. Januar 1930 brannte die Scheffellinde bis auf die Grundmauern nieder. Unersetzliche historische Dokumente wie Gästebücher oder Fotos wurden ein Raub der Flammen.

Verheerende Brandkatastrophe

Jedoch blieb die Scheffellinde auch vor einer Katastrophe nicht gefeit: Am 4. Januar 1930 ging das Gebäude in Flammen auf. Der Schaden war verheerend: Die Flammen zerstörten 90 Prozent des Inventars, darunter Jahrhunderte alte Gästebücher. Spuren dieses schrecklichen Ereignisses finden sich selbst im heutigen Gastraum: „Ein Teil der Gemälde konnte restauriert werden, aber man erkennt teils immer noch den Brandschaden“, erklärt Sabine Hille und zeigt auf die angeschmorten Ecken eines Bildes. Der Brand ist gleichzeitig der Beginn der Ära Wiggert, die bis heute Bestand hat.

Der weitere Ausbau der Scheffellinde

Die Urgroßeltern der heutigen Wirtsleute waren Gustav und Sophie Wehinger. Das Ehepaar hatte vier Töchter, die Zweitjüngste (ebenfalls mit Vornamen Sophie) heiratete 1935 Friedrich Wiggert. Das Ehepaar hatte drei Söhne, von denen Gustav (*1936) das Gasthaus zusammen mit Ehefrau Anna übernahm. Sie erweiterten es um einen Gastraum, die Gartenterrasse und den Kinderspielplatz.

Die heutigen Inhaber, Karl Wiggert sowie seine Schwester Sabine Hille und Cornelia Wiggert, übernahmen die Scheffellinde schließlich 1995 von Gustav Wiggert. Sie sorgen bis heute dafür, dass sich eines der ältesten in Stand gehaltenen und betriebenen Gasthäuser in Familienbesitz in Achdorf befindet.

Nach ihrer Ausbildung an der Hotelfachschule in Villingen-Schwenningen stieg Sabine Hille in den Betrieb ein. Ihr Bruder hatte von Anfang an vorgehabt, Koch zu werden. Sein Anspruch: alles selbst machen, um am Ende ein gutes Produkt präsentieren zu können. Sein Metier sind dabei die Hauptspeisen, während ihn seine Frau Cornelia mit den Beilagen unterstützt. Alles selbstgemacht, versteht sich. Die 53-Jährige hat ihre Ausbildung zur Köchin in Hinterzarten absolviert und ist in dem traditionsreichen Gastbetrieb gemeinsam mit ihrem 54-jährigen Mann für die hervorragende, weithin bekannte Küche verantwortlich. „Bei uns lastet die Arbeit zum Glück nicht auf einer Person allein“, unterstreicht Sabine Hille. Nichtsdestotrotz kommen die Gastronomen um 12- bis 14-Stunden-Tage nicht herum. Nur so kann der Anspruch der Familie umgesetzt werden: „Wir

 

 

Historische Ansichtskarten der Scheffel-linde aus den 1920er-Jahren.

wollen, dass das erste Essen so gut ist wie das letzte am Tag.“

Mit insgesamt 18 Mitarbeitern, darunter auch weitere Familienmitglieder, sorgt man bereits seit Jahrzehnten für die gleichbleibende, hohe Qualität bei den gehobenen badischen Gerichten. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass es sich bei der Mehrzahl der Gäste überwiegend um Stammgäste handelt. Die Scheffellinde lockte dabei Menschen weit über die Grenzen der Region hinaus an. Von Tuttlingen, Rottweil oder gar aus Stuttgart reisen Gäste an – auch, um das Wochenende in einem der insgesamt sieben Gästezimmer zu verbringen.

Insbesondere Wanderer, die das Achdorfer Tal oder die nahegelegene Wutachschlucht zum Ausspannen und Erkunden nutzen, finden in der Scheffellinde eine der letzten gastlichen Unterkünfte in der nähe

 

 

ren Umgebung und können sich an dem ausgezeichneten Essen erfreuen. Nicht umsonst kann das Gasthaus das „Schmeck den Süden“-Siegel vorweisen.

Gäste schätzen die Authentizität

Eine Voraussetzung, um zu dieser auserwählten Gastronomenrunde zu gehören, ist dabei die regionale Herkunft und damit auch die Frische der Produkte. Hier präsentiert man sich in Achdorf vorbildlich. Sabine Hille: „90 Prozent unserer Produkte sind von hiesigen Erzeugern.“ Selbst die verwendeten Kräuter werden im eigenen Garten hinter dem Haus angebaut, zudem wird das Brot selber gebacken.

Ein Aushängeschild ist dabei das Wildbret, das ausschließlich aus heimischen Revieren stammt. Als einer der ersten Betriebe im Schwarzwald-Baar-Kreis hat man die Auszeichnung „Wild aus der Region“ erhalten. „Wenn kein Reh geschossen wird, dann gibt es bei uns auch keins“, erklärt die 56-jährige Gastronomin.

Oben: Für die gute Küche sorgt das Ehepaar Cornelia und Karl Wiggert mit seinem Team.

Rechte Seite: Die Gaststube präsentiert sich unverändert im Stil der 1930er-Jahre. An der Wand zeigt ein Gemälde Joseph Victor von Scheffelt mit Freund zusammen mit den Wirtstöchtern. Unten rechts die Gartenterrasse.

Und genau diese Authentizität ist es, welche die Gäste in der Scheffellinde zu schätzen wissen und weswegen die Betreiber auch eine hohe Auslastung vorweisen können. So gehen an manchen Wochenenden im Sommer zwischen 500 und 700 Gerichte über die Theke. „Und die Gäste schätzen es, dass sie uns haben“, freut sich die Inhaberfamilie. Genau diese Wertschätzung gibt der Familie auch die Kraft, das Kleinod mit viel Engagement zu betreiben und dafür zu sorgen, dass Achdorf und die Scheffellinde über den Landkreis hinaus einen Namen haben. Heute – wie auch vor mehr als 475 Jahren.

 

 

Hotel Goldener Rabe

Nur wenige Gasthäuser im Schwarzwald haben sich so originalgetreu den Stil der Erbauungszeit der 1920er-Jahre erhalten wie das Höhenhotel Goldener Rabe in Furtwangen. Markant steht es auf der Sattelhöhe zwischen Rabenwald und dem Schochenbachtal an der Landstraße, die zum Gütenbacher Kilpen und auf den Brend hinauf führt.

von Elke Schön

 

 

Das Höhenhotel Goldener Raben – ein nicht nur bei Wanderern geschätztes Ausflugsziel.

Wo der Wald den Blick freigibt auf eine ebene Lichtung mit einigen Anwesen, erscheint hinter dem Schwer-Hof rechts der Straße das silberfarbene Raben-Dach mit freundlichen weiß gerahmten Fenstern im Gaubenbereich. Das Goldgelb der Holztäfelung am Obergeschoss wird nur noch überstrahlt vom Raben aus Metall, der als Wirtshausschild am Traufende baumelt.

Am Hauseingang führt eine überdachte Treppe zu einem kleinen Vorraum. Von da aus genügt ein Blick in die Gaststube, um zu erkennen, dass man jetzt in die Welt der frühen 1930er-Jahre eintaucht. Das Innere des Hauses hält also, was das Äußere verspricht. Von der breiten Theke mit dem geräumigen Gläserschrank schweift das Auge zum mächtigen grünen Kachelofen, der für die Sitzbank behagliche Wärme ahnen lässt. Das Gestänge darüber, kunstvoll geschmiedet, hat wohl einst zum Trocknen der nassen Winterkleider gedient.

Das Team vom Goldenen Raben in den 1980er-Jahren: Roswitha Ehrath-Kurz mit ihrem Mann Robert Ehrath(rechts) zusammen mit Renate Bronnenkant.

 

 

Heute jedenfalls wärmt sich auf der „Kunscht“ ein ausgestopfter Dachs, den Kopf zur Wand gerichtet, wo etliche Rehkrickele (Rehgeweihe), bogenförmig die Fotografie eines Jägers umrahmen, der eine Reihe von Füchsen zur Strecke gebracht hat.Tiere allenthalben: Über dem runden Stammtischtisch und vor dem Ofen tanzen in einem Lampenschirm aus Span kleine ausgesägte Rehe, Hasen und Wildschweine. Und von gegenüber, an der hohen bogenförmig durchbrochenen Zwischenwand, blickt ein riesiger Karibu-Kopf mit ausladendem Geweih auf das Schwarzwald-Idyll herab.

Heinrich Hansjakob: „Du bist jetzt alt…“

An der Nordwand der Gaststube flankieren zwei Mäusebussarde mit ausgebreiteten Schwingen eine achteckige Wanduhr und darunter bleibt Raum für die zahlreichen Fotografien, Schriftstücke und Annoncen, die viel über die Geschichte dieses Hotels verraten. Eingerahmt ist hier beispielsweise das Gedicht zu lesen, mit dem sich der damals berühmte, aber auch umstrittene „Rebell im Priesterrock“ Heinrich Hansjakob im Jahr 1911 am 3. September im Gästebuch verewigt hat:

Es schreien die Raben er Berg und Tal, Sie schreien im Sturm und im Sonnenstrahl, Sie schreien auf der Haid‘ und im Tannenwald Und unglkkdend ihr Echo schallt.

Beim Goldenen Raben fällt ab alles Weh, Er liegt so still auf fernblickender H‘ Schon glänzt Vollmondszauber und Sommerpracht, der Kurgast freut sich bei Tag und Nacht.

Mich der Raben schon zweimal erfreut An des Jahrhunderts Wende und heut Nun sah ich hier oben zum letzten Mal In Vollmonds Zauber der Sonne Strahl Die Raben krächzen im Tannenwald: „Du bist jetzt alt; sie begraben dich bald“

Wer weiß, ob der kranke Dichter weniger melancholisch gestimmt gewesen wäre, wenn er das Haus 20 Jahre später erlebt hätte, so wie es nach dem Brand 1927 neu errichtet wurde. Der Gastraum mit ausladender Fensterfront nach Südosten ist jetzt lichtdurchflutet.

Der Raben liegt auf fast 1.000 Metern Höhe und ist tiefstes Winterland.

Die Sache mit dem Hirschmendig

Nah der Fensterfront fällt an der Wand ein leuchtend-buntes Bild ins Auge, das in grüner Landschaft mit dem Raben im Hintergrund eine knallfarbig gekleidete Frauengruppe mit exotischen Kopfbedeckung zeigt. Sind es Hirschgeweihe? 2014 gemalt? Einheimische wissen natürlich, dass genau in diesem Gasthaus eine uralte Tradition gepflegt wird und Gäste von auswärts erhalten von der Wirtin oder der umsichtigen Kellnerin bereitwillig Auskunft über Hirschkühe und Oberhirsche und den Hirschmendig: Einen Brauch, der mit der alten Fastnacht zusammenhängt. Im Höhenhotel Zum goldenen Raben wird die alte Fastnacht sprich Burefastnacht noch gefeiert, sitzen die Narren in Frack und Zylinder aus Anlass des Hirschmendigs erneut gemütlich zusammen.

 

 

Wie eine Bronzetafel neben dem Eingang verrät, wird hier der erste Montag nach dem Aschermittwoch bereits seit mindestens 1749 auf besondere Art gefeiert: Die Schönenbacher Chronik besagt z.B., dass seit alter Zeit die Nachbarn von den umliegenden Höfen im Raben zusammenkamen, um die Bauernfasnet zu begehen. Umstritten ist die Herkunft des Namens. Oft wird er mit „Hirsemontag“ erklärt – im Raben allerdings wird an diesem Abend Hirschbraten verzehrt.

Schmausen in der Fastenzeit? Wie die Basler ihren Morgenstraich in die Fastenzeit verschieben, so hat sich wohl die speziell bäuerliche Zeitrechnung bis auf diese Schwarzwaldhöhe zurückgezogen, derzufolge das Gebot des Fastens und der Enthaltsamkeit genau genommen an Sonntagen außer Kraft zu setzen sei. Infolgedessen sei man berechtigt, die fünf Sonntage in der Fastenzeit sozusagen „vorsorglich“ vorher abzufeiern. Bis in unsere Zeit hinein jedenfalls, hat sich dieser Tag im Goldenen Raben zu einem

An der Bauernfastnacht im Raben. Die Hirschmendigs-Aktiengesellschaft mit Roland Wehrle an der Spitze (u. links) ernennt am Hirschmendig stets den Oberhirsch und seine Hirschkuh.

gemütlich-launigen Fastnachtsabend entwickelt. Das Programm gestaltet die Hirschmendigs-Aktiengesellschaft. An ihrer Spitze steht kein geringer als Roland Wehrle, Furtwanger Obernarr und zugleich Präsident

der renommierten Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte.

Zum Ritual gehört, dass jedes Jahr eine männliche Person mit möglichst markantem Bart zum Oberhirsch gewählt wird. Ihm wird eine Hirschkuh zur Seite gestellt, die natürlich ein Dirndl trägt und über schauspielerisches Talent und entsprechendes Mundwerk verfügen sollte. Von der mittlerweile ansehnlichen Herde der Hirschkühe werden in Furtwangen bei vielen anderen Fasnetveranstaltungen witzige szenische Beiträge und zündende Reden geliefert.

Aus der Geschichte eines Traditionslokals

Wann der alte Raben als Gaststätte in Betrieb ging, ist in der Furtwanger Chronik überliefert: 1747. Unbekannt ist allerdings das Jahr seiner Erbauung. Der Raben hat seine Entstehung der Kilpensteige zu verdanken, einer uralten, beschwerlichen Passstraße nach Freiburg. Immerhin mussten zwischen dem Simonswälder

 

 

Der alte Raben vor dem Großbrand am 10. November 1927.

„Engel“ bis hinauf zur Alteck sprich Ladstatt 600 Höhenmeter bewältigt werden. Die Kilpenstraße war täglich stark befahren, die nahe Ladstatt und mit ihr der Raben galten als viel genutzte Umspannstation für die Fuhrwerke.

Erst als auflebender Handel und Gewerbe Erleichterung im Verkehr immer dringlicher machten, weil die hohen Transportkosten die Waren verteuerten, begann man mit der Planung für die neue Straße Waldkirch-Furtwangen über die Neueck, die Robert Gerwig plante.

Der Raben genoss als„Realwirtschaft“ immer den Schutz des Bezirksamts Triberg, während man sich von Seiten der Behörden kaum der vielen inoffiziellen „Winkelwirtschaften“ erwehren konnte. Es gab bis ins 19. Jh. deren 50 im Raum Furtwangen, die sich natürlich meist mehr oder weniger legal an der Uhrenpackerei bereicherten.

Den Akten der Gewerbepolizei ist z.B. über den Raben zu entnehmen, dass Carl Oskar Wehrle um 1900 den Goldenen Raben bewirtschaftet, bevor er auf den Brend zieht. Es scheint gelegentlich zu Ordnungswidrigkeiten gekommen zu sein, denn als ein Emil Brodhag, Wirt aus Hattingen bei Stockach, den Raben übernehmen will, wird ihm nur unter der Bedingung stattgegeben, dass regelmäßige Polizeikontrollen erfolgen. Bald überträgt Brodhag die Wirtschaft seinem Sohn Josef, der sich kurz darauf als Koch in Saarbrücken verdingt, während die Tochter Lina Brodhag stellvertretend die Betriebsleitung übernimmt. Mittlerweile scheint der eigentliche Besitzer des Hauses, August Limburger aus Völklingen, in wirtschaftlich schwierige Lage geraten zu sein. Er kann sich nicht entschließen, der Familie Brodhag die Geschäftsführung zu bewilligen, obwohl amtlicherseits keine Beanstandungen zu verzeichnen waren. So muss das Gasthaus im Februar 1924 geschlossen werden.

Zur Erleichterung der Behörden (nunmehr in Donaueschingen) und der Bevölkerung stellt sich bereits im Oktober ein neuer Besitzer ein, der den Raben samt Inventar zum Kaufpreis von

22.000 Mark erwirbt. Schnell wird Wilhelm Herrenleben, Adlerwirt aus Deggingen bei Gailingen/Ostalb, die Wirtschaftserlaubnis erteilt. Der neue Wirt verspricht acht Zimmer mit 12 Betten und vier Zimmer zu zwei Betten und vier Einbettzimmer zur Beherbergung bereitzustellen.

Der Raben wird ein Raub der Flammen

Ein jähes Ende nimmt die Ära Herrenleben, als am 10. November 1927 der Raben niederbrennt. Überhitzung der Kaminanlage nach dem Schlachttag war der Auslöser – niemandem ist eine direkte Schuld zuzuweisen. Die Feuerwehr aus Furtwangen hat bei hohem Schnee keine Chance, rechtzeitig einzugreifen. Die Ruine wird von dem Hotelkaufmann Ernst Kösters aus Berlin gekauft, nachdem Herrenleben zunächst noch eine Notwirtschaft zu betreiben versucht.

 

 

Im Oktober 1928 ist zu erfahren, dass ein Mechanikermeister aus Schonach namens Rudolf Kuner in Pacht am Raben die Genehmigung zu Eröffnung einer Baukantine beantragt, da der Furtwanger Bauunternehmer Fritz Winterhalder schon mit den Arbeiten für einen Neubau begonnen hat. Bereits am 4. Juli 1929 sucht Ernst Kösters um „Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb der Realgastwirtschaft Zum Goldenen Raben als Höhenkurhotel Goldener Rabe nach. Zur Beherbergung stehen 18 Zimmer mit 36 Betten zur Verfügung. Schon bald aber macht auch vor dem Schwarzwälder Fremdenverkehr die Wirtschaftskrise nicht Halt: Der Raben landet als Konkursmasse bei der Sparkasse.

Die Familie Ehrath macht den Raben bekannt

Endlich, im November 1932, scheint nach den vielen Wechseln von Besitzern und Betreibern mit dem Käufer Eugen Ehrath neue Beständigkeit einzukehren. Er ist Markgräfler aus Pfaffenweiler und hat einige Zeit den Brend bewirtschaftet. Freilich erwarten auch ihn und seine Familie in den Kriegs-und Nachkriegszeiten neue Schwierigkeiten: Die Erfüllung der baulichen Auflagen zieht sich hin; als Holz und Kohle knapp werden und die Gäste auch, sieht er sich gezwungen 1941 Betriebsferien einzulegen. Diese müssen aber beantragt werden. Und als ihm die Kartoffeln fehlen und er schließen möchte, muss er sich doch bereit erklären, an Sonntagen zu öffnen. Als Eugen Ehrath 1943 zur Wehrmacht eingezogen wird, kann Elisabeth Ehrath den Betrieb nicht alleine bewältigen, das nehmen die Behörden zur Kenntnis. Zwischen 1947 und 1948 ist das Haus von den französischen Besatzern als Kinderkolonie beschlagnahmt.

Trotz alledem aber entwickelt sich der Hotelbetrieb dann in den 1950er- und 1960er-Jahren rasant aufwärts. Der Raben ist ein beliebtes und gern besuchtes Sport- und Kurhotel. Eugen Ehrath genießt als passionierter Jäger Beziehungen in alle Welt. Auf ihn gehen die vielen ausgestopften Jagdtrophäen in der Gaststube zurück, auch das prägnante Karibu.

Ideales Skigebiet für die Städter

Als ideal erweist sich die unmittelbare Nähe der Skiwerkstatt Wehrle, denn die Hänge rings ums Hotel – damals noch weniger bewaldet – bieten ein ideales Skigebiet für die Städter. Und als der Ski-Club Furtwangen 1959 „Internationale Versehrten Meisterschaften im Lang- und Staffellauf durchführt, rückt das Hotel ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit.

Weiter geht nach Eugen Ehraths Tod 1969 der Erfolgskurs. Auch sein Sohn Robert, geboren 1937, sorgt für die Ausstattung nach zeitgemäßem Standard und ist ebenso in der heimischen Umgebung verankert. Robert Ehrath hat sich nach der Schulausbildung im Internat seine Sporen als Schiffskoch in internationalen Gewässern bei einer Kreuzfahrtgesellschaft verdient. Wohl dank dieser Beziehungen zur

 

 

großen Welt entwickelt er eine intensive Leidenschaft fürs Segeln und für Autos.

Ein Fahrerlager der Formel 3

So geht Manfred Mohr aus Vöhrenbach hier ein und aus, der später international erfolgreiche Formel 3-Rennfahrer. Ihm verpachtet der junge motorsportbegeisterte Wirt die Hotelgaragen zum Unterstellen und Warten der Rennfahrzeuge. Der Goldene Rabe ist jahrelang ein angesagter Treff für Rennfahrer und Autobegeisterte – und auch so manche Testfahrt findet hier oben statt…

Klar, dass die Sportwagenleidenschaft bei der Furtwanger Jugend Bewunderung auslöst. Klar aber auch, dass sein Übermut gelegentlich zu halsbrecherischen Aktionen führt, wie sie aus Anekdoten aus den 1960er-Jahren zu vernehmen sind: vor geladenem Publikum überschlägt sich Robert einmal mit Vater Eugens Opel. Auch einige Bäume im unteren Rabenwald sind ihm zum Opfer gefallen. In späteren Jahren gewinnt

Gemütlich-urige Gästezimmer mit modernen Bädern und ein Frühstücksraum im Charme der 1950er-Jahre zeichnen den Goldenen Raben gleichfalls aus. Und über viele Jahre hinweg die exzellente Küche von Robert Ehrath, der 2011 verstarb.

der Wassersport als Hobby bei ihm die Oberhand; von seinen Tauch-Aben

teuern sind in den Nebenzimmern des Hotels viele Fotos zu bewundern.

Den historischen Charme bewahrt

Trotz alledem reicht Robert Ehraths Ruhm als exzellenter Koch unbestritten über Furtwangen hinaus. Versteht sich, dass seit seiner Ära die Hirschmendig-Feste zu großer Form aufgelaufen sind und, nebenbei bemerkt, waren die Wildgerichte, die nach seiner Rezeptur bereitet wurden, Glanzpunkte der Speisekarte. Als er 2011 einer schweren Krankheit erliegt, ist die Trauer groß, er war weithin bekannt.

Die Rabentradition lebt in Regie der Familie Ehrath weiter. Das Hotel mit seinen urig-gemütlich eingerichteten Zimmern und seiner so außergewöhnlichen Gaststube ist nach wie vor beliebt und gern besucht. Das Hotel Goldener Rabe bietet im Sommer seinen Stammgästen Wanderwege und Entspannung in idyllisch ruhiger Lage und im Winter auf 1.000 Höhenmetern meist schneesichere Loipen aller Schwierigkeitsgrade. Glücklicherweise hat man es verstanden,

den einzigartigen Charme des histo

rischen Hauses zu bewahren.

Die Formel 3 ist zu Gast. Der Vöhrenbacher Rennfahrer Manfred Mohr nutzte den Raben in den 1960er-Jahren in der Zeit zwischen den Rennserien als sein Fahrerlager im Schwarzwald.

 

 

100 Jahre SABA und 50 Jahre MPS – Qualität aus dem Schwarzwald

Blick in das MPS-Studio um das Jahr 2007. Heute wird das legendäre Tonstudio mit Weltruf von einem Förderverein betrieben. Auch Aufnahmen sind wieder möglich.Foto: Lutz Hugel, visual artwork

 

 

von Friedhelm Schulz

Der Schwarzwald steht für geheimnisvolle Mythen, aber ebenso für den sagenumwobenen Tüftlergeist. Wenn der gepaart ist mit der beharrlichen Suche nach Innovationen, kann daraus Industriegeschichte von Weltruf entstehen. Zwei Marken sind bis heute für höchste Qualität aus dem Schwarzwald bekannt: SABA und MPS. Eng verbunden sind sie mit der Triberger Uhrmacherdynastie Schwer. SABA-Gründer Hermann Schwer ging als Rundfunkpionier in die deutsche Technikgeschichte ein, sein Enkel Hans Georg kreierte mit dem Musiklabel MPS einen exzellenten Sound, der bis heute Menschen in aller Welt begeistert.

Alles begann in Triberg. Hier gründete Leonhard Schwer (1770 – 1858) eine Schlosserei, in der auch „Bestandteile für Zeitmesser“, wie es in einer Urkunde steht, hergestellt wurden. Sohn Benedikt (1803–1874) war dann ab 1835 der erste Uhrmachermeister der Familie; er verkaufte seine Produkte bis nach Norddeutschland und Frankreich und war einer der Pioniere der Uhrmacherei im Schwarzwald. 1864 tritt der Sohn des Firmengründers, August Schwer, in die Fabrik ein, die er ab 1865 „Schwarzwälder Apparate-Bau-Anstalt” nennt, woraus später der Name SABA abgeleitet wird.

Sohn August Schwer (1844–1912) weitete die Produktion aus: Jockeles-Uhren, Nachtuhren, Pendulen, aber auch Kaminuhren aus Marmor wurden gefertigt. 1905 übergab er den Betrieb an Sohn Hermann. Dieser baute die Firma zur „Metallwarenfabrik“ um; es wurden nun auch Fahrrad- und Türklingeln produziert. 1910 hatte die kleine Fabrik 27 Beschäftigte. Die „Glocken“ aus Triberg wurden auf zahlreichen Industrieausstellungen in ganz Europa ihrer Qualität wegen ausgezeichnet.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges schrumpfte 1914 die Belegschaft; zudem brannte die Schwer-Fabrik aus. Zu der Zeit reifte in Hermann Schwer der Entschluss, Triberg zu verlassen. 1918 kaufte er die „Waldmühle“ in Villingen als neue Produktionsstätte und bereits Ende 1918 waren dort 78 Personen beschäftigt.

Hermann Schwer, gebürtiger Triberger, gründete vor 100 Jahren die SABA-Werke in Villingen.

Der offizielle Registereintrag beim Gericht in Villingen datiert vom 17. März 1919. Vor nunmehr 100 Jahren wurde das Unternehmen gegründet, das dann als SABA bekannt wurde. Und ein Jahr später wurden hier u.a. Fahrradklingeln für Abnehmer in ganz Europa gebaut. Die ehemalige Waldmühle wird im Volksmund nun „Schellenmühle“ genannt.

1922 kommt eine elektrotechnische Abteilung hinzu: Es werden Klingeltransformatoren produziert. Hermann Schwer hörte zu dieser Zeit fasziniert in einem Rundfunklabor in der Schweiz eine Radioübertragung. Für ihn stand fest: der Rundfunk, der 1923 in Deutschland begann, hat eine große Zukunft. Das war die Technologie, auf die er setzte. Erste Produkte folgen: 1923 werden in Villingen Kopfhörer für Radiogeräte hergestellt, die sich durch präzise Verarbeitung und höchste Empfangsempfindlichkeit auszeichnen. Weitere Teile für Radiogeräte kommen bis 1925 dazu: Heizwiderstände, Spulen, Schalter, Trichterlautsprecher und Drehkondensatoren. Alles in höchster Qualität.

Aus dem langen Namen „Schwarzwälder Apparate-Bau-Anstalt“ wurde jetzt eine kurze

 

 

Marke, die Weltruhm erlan-

aufnahm, wie damals sonst gen sollte: SABA. Seit 1924 niemand auf der Welt. Mit ist der Name in dem runden Marschmusik in der Nazi-Zeit Kreis als Markenzeichen ein-aufgewachsen, hörte er heimgetragen. Bei SABA wurden lich die swingenden Klänge nun Radios gebaut, bis 1931 Glenn Millers – und diese Mubereits 100.000 Stück. Der sik ließ ihn nicht mehr los. Im Rest ist bekannt: Der Villinger Wohnzimmer nahm er in den Familienbetrieb gehörte zu 1950er-Jahren Musiker wie den großen und angesehenen Hans Koller, Horst Jankowski Unternehmen Deutschlands. oder Wolfgang Dauner auf Hermann Schwer, Ehrenbürger und experimentierte mit von Villingen, starb bereits Mikrofonen, um ein für die

1936 – auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Er hinterließ eine Qualitätsmarke von internationalem Ruf, aber auch einen Enkel, dem er seine Tüftler-Gene vermacht haben muss: den 1927 geborenen Hans Georg.

Der Sound aus dem Schwarzwald

Während Hermann Schwer zu den Wegbereitern beim Bau von Radiogeräten zählt, schuf Hans Georg Brunner-Schwer einen musikalischen Sound, der den Schwarzwald weltweit bekannt machte, weil er die Musik so präsent

damalige Zeit ungewöhnliches Klangbild zu erreichen. Hier sah sich der Hörer einer Schallplatte durch die brillante Präsenz der Musik in den Konzertsaal versetzt. Der Sound aus dem Schwarzwald, der Musiker und Musikliebhaber auf der ganzen Welt bis heute begeistert, war geboren.

Zunächst wurden in der Musikabteilung von SABA, für die Hans Georg verantwortlich war, Tonbänder bespielt, für Kunden der SABA-Tonbandgeräte. Schon damals war das Ziel, höchste Klangvollkommenheit zu erreichen. Und dazu brauchte es einen fast schon fanatischen Tüftler

 

 

wie Hans Georg Brunner-Schwer. Neben den Tonbändern veröffentlichte SABA in den frühen 60er-Jahren erste Schallplatten mit Unterhaltungsmusik.

Dann lud Brunner-Schwer 1963 den weltbekannten Jazzpianisten Oscar Peterson zu einem Wohnzimmerkonzert mit einigen Gästen zu sich nach Villingen ein. Während der mit seinem Trio dort beseelt spielte, saß der Klangtüftler im Dachgeschoss am Aufnahmepult und schnitt alles mit. Als er das dann in der Pause dem schwarzen Musiker, der schon viele Tonaufnahmen hinter sich hatte, vorspielte, war dieser sprachlos: Peterson hatte einen solch prägnanten Klang noch nie gehört. Von da an kam er viele Jahre zu Aufnahmen in den Schwarzwald. Es entstand nicht nur eine persönliche Freundschaft zur Familie Brunner-Schwer, der Pianist erzählte auch seinen Kollegen von dem einmaligen Schwarzwaldsound. 1965 kam sogar der große Duke Ellington zu einem Besuch nach Villingen. Ziemlich schnell hatten Qualitäts-Wenn man Musiker heute fragte, wo auf der Welt berühmte Tonstudios stehen, dann kämen als Antworten wahrscheinlich:

aufnahmen, die unter dem Label SABA herausgebracht wurden, bei Musikfreunden einen erstklassigen Ruf.

1968 wurde aus der SABA-Musikabteilung die eigenständige Firma MPS (Musik Produktion Schwarzwald). Da wegen der Einführung des Farbfernsehers bei SABA in neue Bildröhren investiert werden musste und die Familie damit finanziell überfordert war, wurde die Mehrheit an den amerikanischen GTE-Konzern verkauft. Die neuen Besitzer hatten kein Interesse an der Musiksparte, daher gründete Hans Georg Brunner-Schwer, der nie eine Ausbildung zum Tonmeister gemacht hatte, die MPS – das erste deutsche Jazzlabel. Nun endlich konnten auch die schon legendären Hauskonzerte mit Oscar Peterson veröffentlicht werden. Ein grandioser Start für das neue Musiklabel vor ziemlich genau 50 Jahren und fünf Jahrzehnte nach Gründung der SABA in Villingen.

MPS – diese drei Buchstaben haben bis heute bei Musikfreunden einen magischen Klang, natürlich wegen der herausragenden Aufnahmequalität der Jazz- und Klassikproduktionen. Rund 1.000 Aufnahmen sind unter SABA und MPS entstanden: Volksmusik, Unterhaltungs-und Tanzmusik und Klassik, aber im Vordergrund stand stets der Jazz.

Drei Jahre nach der Gründung hatte MPS rund 400 Titel veröffentlicht, darunter die wichtigsten Musiker der europäischen Szene wie Stephane Grappelli, Friedrich Gulda, Rolf und Joachim Kühn, Albert Mangelsdorff, Hans Koller, Wolfgang Dauner, Peter Herbolzheimer und

 

 

Hans Georg Brunner-Schwer mit dem Pianisten Friedrich Gulda bei Aufnahmen im MPS-Studio. In Villingen spielte Gulda u.a. die 24 Préludes von Claude Debussy ein, diese Aufnahme gilt als legendär.

Volker Kriegel wie auch die multinationale Kenny Clarke-Francy Boland Big Band. Bei MPS wurde der Grundstock für viele Jazzkarrieren gelegt.

Schon damals war HGBS, wie der MPS-Eigner in Fachkreisen genannt wurde, anerkannter Experte für Klavier-Aufnahmen. Das war auch der Grund dafür, dass der Klaviervirtuose Friedrich Gulda einige Jahre exklusiv mit dem Villinger Label zusammenarbeitete. Zahlreiche MPS-Schallplatten wurden mit Preisen ausgezeichnet, wie dem „Grand Prix of the Montreux Jazz Festival“, dem französischen „Grand Prix du Disque“ oder dem „Preis der Deutschen Akademie für Schallplatte“.

Die CD führt zum Rückzug von MPS

Hans Georg Brunner-Schwer baute mit MPS eine kleine Musikfirma auf, die zwei Jahrzehnte, bis 1983, für hochwertige Klangqualität stand. Und Namen wie Baden Powell, Monty Alexander, Georg Duke, Lee Konitz oder Martial Solal sind neben Peterson untrennbar mit dem Schwarzwaldsound von MPS verbunden. Zwischen 1965 und 1983 war die Schwarzwaldstadt Villingen ein Ort, in den viele internationale Gäste kamen. Und das Musiklabel MPS genoss vor allem bei Jazzfans auf der ganzen Welt unglaubliche Popularität.

Als in den frühen 1980er-Jahren mit der CD ein neuer Tonträger kam, war das für Hans Georg Brunner-Schwer, der immer auf den analogen Schallplattensound schwörte, Anlass, sich aus der aktiven Produktionstätigkeit zurückzuziehen. Er verkaufte den größten Teil des MPS-Kataloges und widmete sich musikalischen Themen, die ihm persönlich besonders am Herzen lagen: gehobene orchestrale Unterhaltungsmusik und ausgewählte Klassikprodukte wie die Förderung der Birnauer Kantorei. Um das Villinger Tonstudio war es viele Jahre recht still geworden. 2004 starb Hans Georg Brunner-Schwer bei einem Autounfall.

Die Zukunft des MPS-Studios war ungewiss. Natürlich passte es da, dass sich 2009 das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg für das Villinger Tonstudio interessierte – und zum

Foto: Lutz Hugel, visual artwork

 

 

Im MPS-Studio kann eine begrenzte Zahl von Zuhörern direkt im Aufnahmeraum sitzen, um eine Live-Atmosphäre zu erzeugen. So wie bei den Konzerten aus Anlass „50 Jahre MPS“ im Herbst 2018 (unten), hier bei einer Vocal-Jazz-Darbietung. Gerade junge Musiker schwören auf die analoge Aufnahmetechnik des Studios.

 

 

Von Oscar Peterson über Baden Powell bis hin zu Joe Turner: Auswahl von Plattencovern des MPS-Studios in Villingen. Über 500 Produktionen wurden in dem Studio eingespielt.

Kulturdenkmal erklärte. „Die Denkmaleigenschaft des Tonstudios und die Notwendigkeit seiner Erhaltung sind aufgrund seiner Originalität und Integrität, des besonderen Seltenheitswertes einiger Stücke und des generellen dokumentarischen Wertes in das Bewusstsein eines breiten Kreises von Sachverständigen sowie eines Teiles der Bevölkerung eingegangen“, heißt es in der Begründung.

Mit dieser geballten Tradition im Hintergrund werden wieder innovative Konzepte verfolgt. Vor allem für kleinere akustische Formationen bietet das Studio – in dem neben den vielen hochwertigen Mikrofonen ein Bösendorfer Imperial-Flügel verfügbar ist – ideale Möglichkeiten. Aber auch Besuchergruppen steht das MPS-Studio in Villingen offen. Träger des MPS-Studios ist heute ein 2017 gegründeter Förderverein, der sich auch um die Denkmalschutzbestände kümmert. Nicht nur die alte Technik soll funktionsfähig bleiben, auch das umfangreiche Archivmaterial muss gesichtet und für künftig Generationen zugänglich gemacht werden. In dem Förderverein haben sich zahlreiche MPS-Fans aus den Bereichen Technik, Musik, Werbung und Forschung zusammengefunden. Und natürlich werden auch wieder Tonaufnahmen gemacht: mit Bändern und altem Equipment, ganz so wie in den guten alten MPS-Zeiten. (Weitere Informationen: www.mps-villingen.de)

Schwerpunkt der Arbeit des Fördervereins ist: Der einmalige Sound von Hans Georg Brunner-Schwer soll nicht in Vergessenheit geraten. Die Marke SABA indes ist längst vom Markt verschwunden. Geblieben ist der SABA-Schriftzug auf einer der alten Fabrikhallen an der Peterzeller Straße. Bescheidene Reste eines großen Stücks Industrie- und Kulturgeschichte aus dem Schwarzwald.

 

 

Die Pianistin Henriette Gärtner freut sich auf ihre Aufnahmen mit dem Börsendorfer-Flügel, an dem schon Oscar Peterson und Friedrich Gulda spielten. Fotos: Lutz Hugel, visual artwork

 

 

Baaremer Luusbuäbä

Musiker aus Leidenschaft – das sind die „Baaremer Luusbuäbä“. Seit dem Gewinn des SWR4-Blechduells 2016 tragen sie den Titel „mitreißendste Blasmusikband des Landes“. Diesem Prädikat werden die jungen Vollblutmusiker bei jedem ihrer Auftritte auch vollauf gerecht.

von Susanne Kammerer

 

 

Sie stammen aus Gutmadingen, Pfohren, Hüfingen, Behla und weiteren Orten im südlichen Schwarzwald-Baar-Kreis, manche kommen aus dem benachbarten Hegau, einer wohnt an der Schweizer Grenze. Musik vereint, Musik kennt keine Grenzen, Musik ist pure Leidenschaft. Dies verbindet die 14 jungen Männer um Profitrompeter Markus Burger, der die Blasmusikband vor zehn Jahren gründete und auch die musikalische Leitung inne hat. Begonnen hatte alles an Pfingsten 2010, beim Kramer-Fest in Gutmadingen. Markus Burger, damals gerade mal 20 Jahre alt und frischer Musikstudent, hatte eine Blasmusikgruppe aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis zusammengestellt, das Kramer-Fest in seinem Heimatort sollte der erste Auftritt sein. Die Musik der jungen Männer kam sofort bestens beim Publikum an. Dass sie nicht nur leidenschaftliche Musiker sind, sondern auch den Schelm im Nacken tragen, war sofort zu hören und zu

sehen. Der Name „Baaremer Luusbuäbä“ daher eigentlich logisch. „Wir hatten bei unserem ersten Auftritt noch gar keinen Namen und haben einfach im Publikum herumgefragt, wer eine Idee hätte. Ein Festbesucher taufte uns dann so“, beschreibt Patrick Bäurer, Moderator und Sprecher der Band.

Schnell sprach sich das Talent der jungen Blasmusiktruppe herum, die Auftritte im ganzen Schwarzwald-Baar-Kreis häuften sich. Dabei spielen die 14 Männer nicht nur traditionelle, böhmisch-mährische Blasmusik, sondern interpretieren auch deutsche Popklassiker sowie bekannte Lieder aus Rock und Hip-Hop. „Was uns auszeichnet, sind definitiv die modernen Stücke“, sagt Patrick Bäurer. Für manche Zuhörer sei es dennoch manchmal ein Schock, wenn von Ernst Moschs Polkaklängen zu Deutsch-Hip-Hopper Peter Fox gewechselt wird, schmunzelt er. Doch mit ihrem Repertoire werden sie ihrem eigenen, breitgefächerten Musikgeschmack und auch dem ihres Publikums gerecht. „Wir sprechen bei unseren Auftritten alle Altersgruppen an, von 14 bis 80“, weiß der routinierte Musiker.

Ihre Konzerte teilen sie meist in einen traditionellen und in einen modernen Part ein. Jedes Konzert sei dabei anders, mal kommt das eine, dann das andere Genre besser an. „Es ist immer eine Überraschung, worauf das Publikum mehr abfährt“, schildert Patrick Bäurer, der bei den Konzerten nicht nur moderiert, sondern auch Klarinette und Saxophon spielt. Entsprechend passt Dirigent Markus Burger das Programm im Laufe des Abends auch mal an.

Fetzige Blas- und Unterhaltungsmusik – das haben sich die „Baaremer Luusbuäbä“ auf die Fahne geschrieben. Nicht zuletzt durch die modernen Gesangseinlagen und Soli ihres Gitarristen und Sängers Jochen Glunk hebt sich die

Links: Der Gründer der Baaremer Luusbuäba, Trompeter Markus Burger.

Rechte Seite: Leidenschaftliche Musiker sind alle Mitglieder der Kapelle. Oben Robert Hasenfratz an der Tuba, unten links Moderator Patrick Bäurer und

u. re. Gitarrist sowie Sänger Jochen Glunk.

 

 

Die Baaremer Luusbuäbä

Klarinetten

Markus Filipiak (Hüfingen) Patrick Bäurer (Behla)

Trompete/Flelhorn

Markus Burger (Gutmadingen) Simon Mayer (Mühlhausen-Ehingen) Johannes Elsässer (Kirchen-Hausen) Marc Kienle (Deufringen)

Tenorhorn/Bariton

Tobias Schwarz (Büsslingen) Pascal Biehler (Leipferdingen)

Posaune

Benedikt Elsässer (Kirchen-Hausen) Andreas Gut (Fürstenberg)

Tuba

Robert Hasenfratz (Pfohren)

Schlagzeug

Christian Baumann (Donaueschingen)

E-Bass/Posaune

Philipp Limberger (Hüfingen)

Gitarre/Gesang: Jochen Glunk (Gutmadingen)

 

 

„Jung, frech, einfach anders“ – die „Baaremer Luusbuäbä“ siegten mit diesem Rezept auch beim SWR4-Belchduell des Jahres 2016.

Band von anderen Blasmusikkapellen deutlich ab und sorgt mit ihrem Motto „Jung, frech, einfach anders“ stets für Schwung und Stimmung in den Festzelten der Region.

Mit Schwung und Stimmung überzeugten sie auch die Jury beim SWR 4 Blechduell 2016. Wer beim SWR4 Blechduell punkten möchte, muss das Motto des Musikwettbewerbs „Blasmusik mal anders“ so mitreißend wie möglich umsetzen. Die Titel für die Vorentscheide und das Finale sind zwar festgelegt, musikalisch haben die Bands jedoch freie Hand – solange Blechblasinstrumente den Ton angeben.

Mit dem rasanten „Astronautenmarsch“ des böhmischen Komponisten Josef Ullrich punkteten die „Baaremer Luusbuäbä“ auf ganzer Linie und strichen ganz unverhofft den Sieg des regionalen Bandwettbewerbs ein.

Eigentlich hatten sich die Jungs gar nicht für den Wettbewerb beworben. Ein SWR-Tontechniker fragte bei den „Baaremer Luusbuäbä“ an, ob sie nicht einspringen wollten, da noch eine Band fehlte. „Wir hatten nur wenig Vorbereitungszeit und haben uns auch nichts ausgerechnet“, erzählt Patrick Bäurer. Mit der Erwartung auf interessante und lustige Erfahrungen fuhren sie zum Vorentscheid nach Geisingen. „Das Gefühl beim Soundcheck war gut, wir merkten, da könnte was gehen“. Entsprechende positive Rückmeldungen habe es auch vom SWR-Team gegeben.

Auftritte in ganz Baden-Württemberg

Das Finale mit dem fulminanten Sieg folgte direkt am nächsten Tag. Die Belohnung: neun Tage Tournee durch ganz Baden-Württemberg. „Das war eine riesen Erfahrung für uns alle“, schwärmt Patrick Bäurer noch heute. Verschiedene Auftritte, etwa beim „Big Sounds“ Brassfestival in Böblingen sowie Studiokonzerte in den SWR-Studios in Freiburg, Friedrichshafen, Ulm, Heilbronn und Stuttgart standen auf dem Programm. Auch im Fernsehen sind sie gelandet, bei der SWR-Nachmittagssendung „Kaffee oder Tee“. Abschluss der einzigartigen Tournee war ein Konzert in einem Festzelt auf dem Cannstatter Wasen. Der Erfolg beim SWR 4-Blechduell erhöhte auch den Bekanntheits-

 

 

grad der „Baaremer Luusbuäbä“. „Vor dem Wettbewerb waren wir ausschließlich im Schwarzwald-Baar-Kreis unterwegs, jetzt sind wir es kaum noch, sondern in allen Winkeln von Baden-Württemberg“, sagt Patrick Bäurer.

Konzertanfragen bekommen sie viele, doch belassen es die Musiker bei ihren bewährten zehn bis zwölf Auftritten im Jahr. Der Anspruch ist, möglichst oft in Originalbesetzung, das heißt, ohne Aushilfen spielen zu können. „Mehr wäre einfach nicht möglich“, schildert Bäurer. Die Altersspanne der 14 Musiker liegt zwischen 20 und 40. Viele der Bandmitglieder studieren, andere haben Familien und Verpflichtungen in ihren Heimatvereinen. Gezielt gestaltet sich daher auch die Probenarbeit. Einmal im Jahr, meist im Januar, gibt es eine intensive Probenwoche, zu der sich die ganze Mannschaft trifft und das gesamte Jahresprogramm einstudiert. Dann müssen die Stücke einfach sitzen. Vor den jeweiligen Auftritten wird zwar nochmals geprobt und es werden verschiedene Stücke angespielt, Zeit zum Ausfeilen ist dann aber keine mehr.

Obwohl sich die „Baaremer Luusbuäbä“ aus lauter hochkarätigen Musikern zusammensetzen, ist der eigene Anspruch ungebremst.

Konzertanfragen bekommen sie viele, doch belassen es die Musiker bei ihren bewährten zehn bis zwölf Auftritten im Jahr. Sie wollen möglichst oft in Original-Besetzung spielen.

„Unsere CD-Aufnahmen haben uns qualitativ nochmals weitergebracht“, erzählt Patrick Bäurer. Das war in den Jahren 2017 und 2018. In einem Studio zu musizieren, sei mit einem Live-Auftritt nicht zu vergleichen. Dieses haben sie in Gutmadingen eingerichtet, die technische Umsetzung übernahm Blasmusikgröße Matthias Gronert aus Hornberg. Verkauft werden die CDs bei den Auftritten und auf der Website. Der Absatz stimmt. „Unsere Musik wird aber auch oft beim digitalen Musikdienst „Spotify“ gestreamt“, freut sich Patrick Bäurer.

Grund zur Freude gibt es auch im Jahr 2020, dann feiern die „Baaremer Luusbuäbä“ ihr zehnjähriges Bestehen. Fans und Freunde der Blasmusik dürfen sich freuen: denn der Name ist bei dieser Truppe auch weiterhin Programm.

 

 

CHI DONAUESCHINGEN

Ehrenrunde für einen überglücklichen Sieger gerade 22 Jahre alt: Lucas Porter war im Stechen beim Championat in Donaueschingen mit dem zwölfjährigen Schimmel „C Hunter um eine Sekunde schneller als sein älterer Bruder Wilton Porter (25).

 

 

Von großen Sprüngen und bedrohlichen Hindernissen

von Wolfgang Losert

Donaueschingen ist zu immerwährenden Anstrengungen gezwungen, um seinen Rang als Schauplatz eines der bedeutendsten Reitturniere in Europa gegen allerhand Widrigkeiten zu verteidigen. Das Erfolgsjahr 2018, in dem sich das Internationale Fürst Joachim zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier einen Schritt weiter vom „adeligen“ zum „bürgerlichen“ Ereignis wandelte, gibt Zuversicht, dass dieser schwierige Parcours auch künftig zu meistern ist. Auch der Jahrgang 2019 zeigt das: Turnierchef Kaspar Funke konnte mit 47.000 Besuchern eine Rekordzahl vermelden!

 

 

Beim S.D. Fürst Joachim zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier in Donaueschingen geht ebenso die Weltelite im Dressurreiten an den Start, hier die vielfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin Isabell Werth.

Der Blick von Region und Land auf die Stadt Donaueschingen registriert immer wieder diesen signifikanten Charakterzug. Von weit aus der Vergangenheit und bis heute hat er das Selbstbild der Bürgerschaft und Stadtpolitik geprägt: Der Ort am Ursprung der Donau geriert sich gerne als Hochstapler. Und das keineswegs in schlechtem Sinne. Sondern indem die Kleinstadt wirklich Großes schultert. Vorhaben nämlich, die etliche Nummern zu mächtig, zu anspruchsvoll, zu fordernd sind für begrenzte lokale Möglichkeiten.

Auch die Erlebnisse und Erinnerungen der Gegenwarts-Generationen belegen dieses spannungsgeladene Phänomen vielfach. Die hochkarätigste Veranstaltung einer Sport-Disziplin hat Donaueschingen 1991 erlebt, als die Stadt Austragungsort der Weltmeisterschaften im Gewichtheben war.

Dass Donaueschingen Klangwellen rund um den Globus schickt, hat in einem anderen Fall gar buchstäblich musikalische Urheber. 1921 als Kammermusik-Podium gegründet, blühten die „Donaueschinger Musiktage“ mit jeder Auflage jeweils im Oktober zur weltweit bedeutendsten Uraufführungs-Bühne zeitgenössischer Tonkunst auf.

Und während freilich auch die Donauquelle, das Adelshaus Fürstenberg mit Schloss, dessen einstiger Kunstbesitz und traditionsreiche Brauerei Signale nach ganz Europa sendet, ist eine Marke weltweiter Popularität auch das Internationale Reitturnier. Aber wie immer, wenn sich ein David als Goliath gebärden und nachhaltig erfolgreich sein will, gehört die unaufhörliche Anstrengung, das latente Bangen vor dem Status-Schwund und eine fast heroische Energie zum Weitermachen zur Geschichte all dieser Aktions-Historien.

Mit unterschiedlichem Erfolg: Die einst legendäre Kraftsport-Disziplin wurde mangels

Sprung über die Donaueschinger Stadtkirche St. Johann beim Springen um den S. D. Fürst Joachim zu Fürstenberg-Gedächtnispreis.

 

 

Internationales S.D. Fürst Joachim zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier. Der CHI Donaueschingen ist für erstklassigen Sport bekannt. In den Disziplinen Dressur, Springen, Geländereiten und Gespannfahren gehen Spitzensportler aus der ganzen Welt an den Start.

finanzieller Möglichkeiten in die Drittklassigkeit gesiebt. Die Musiktage erleben seit etlichen Jahren nur deshalb eine erfreuliche Hochkonjunktur, weil der SWR und mehrere Stiftungen ein stabiles finanzielles Fundament gemauert haben. Die Residenzstadt-Attribute Schloss, Park und Quelle sorgen zusammen mit der renommierten Galerie der Unternehmer-Familie Biedermann, dem Art.Plus, für bleibende touristische Attraktivität. Für die Zukunft wünscht man sich dabei eine noch stärker als Kooperation legierte Zusammenarbeit zwischen Rathaus und Schloss.

Dieses Miteinander zwischen dem bürgerlichen und fürstlichen Donaueschingen erfuhr in den vergangenen Jahren auch beim Reitturnier eine Veränderung. Augenscheinlich geworden ist diese Mutation beim großen Schlussbild des Pferdesport-Spektakels am 18. August 2019. Zum ersten Mal in der 63-jährigen Geschichte des Turniers, das immerhin den Namen des Gründers, Fürst Joachim zu Fürstenberg, trägt, waren dessen Nachkommen zur Überreichung des Gedächtnispreises an den 22-jährigen Amerikaner Lucas Porter nicht erschienen, hatten das feierliche Zeremoniell an Oberbürgermeister Pauly delegiert. Und damit dokumentiert, dass die Großveranstaltung inzwischen in einvernehmlicher Absicht den Wandel vom „adeligen“ zur „bürgerlichen“ Adresse vollzogen hat. Denn auch die betriebswirtschaftliche Statik ist mittlerweile einem Umbau unterworfen. Musste das Rathaus einst bis zu 360.000 Euro

 

 

„Bürgergeld“ pro Jahr in das Turnier investieren, nachdem sich zuerst der Reitverein Schwenningen und später das Haus Fürstenberg aus dem finanziellen Engagement verabschiedet hatten, so hat inzwischen das Veranstalter-unternehmen Escon der Kommune das pralle Betriebswirtschafts-Risiko abgenommen. So ist es gelungen, mit durchschnittlich pro Jahr weniger als 100.000 Euro investiertem Geld aus der Stadtkasse für das Turnier auszukommen – ein erfreuliches „Opfer“ angesichts des etwa im EM-Jahrgang auf 1,6 Millionen-Euro geschwollenen Jahresbudgets. Escon investierte in die Turnier-Infrastruktur mittlerweile fast 600.000 Euro und trägt nun allein das wirtschaftliche Risiko.

Etliche internationale Championate

Und doch! Gegenwart und wohl auch Zukunft dieser glanzvollen vier Turniertage (jetzt jeweils Mitte August) sind damit keineswegs auf ein bescheideneres Format gestutzt. Der Fahrplan für die kommenden Jahre sieht Stationen internationaler Championate vor, also offizielle und von der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) vergebene Wettbewerbe, bei denen sich die Equipen der europäischen Staaten messen. Solche Marken von Leistung und Popularität braucht es immer wieder einmal in der Turnier-Geschichte, will man gehaltenes Niveau und Potenzial demonstrieren.

Der nächste Gipfel wartet bereits im August 2021. Dann satteln im Schlosspark die Nachwuchs-Dressurreiter der Altersklasse „U 25“ zu den Europameisterschaften. Zwei Jahre später, im Sommer 2023, kurz vor Ablauf des aktuellen Vertrags-Kapitels zwischen Stadt und Escon, sollten eigentlich die Dressurreiter zur EM in den Schlosspark kommen, also die Liga Isabell Werth und ihre Konkurrenz. Doch im Herbst 2019 kam das ernüchternde Aus für die Pläne zur Dressur-EM 2023. Escon-Chef Kaspar Funke schätzte die finanziellen Risiken zuletzt als „untragbar hoch“ ein.

Von der EM bis zum CHIO

Championate von hohem internationalen Rang gehören zur Geschichte des Turniers. 1977 fand im Schlosspark die Europameisterschaft der Viererzug-Gespanne statt. Mehrfach schon sind die europäischen Nachwuchsreiter in der Disziplin Springen an der Donauquelle gestartet. 1986 erlebte Donaueschingen die bisherige Krönung seiner Bemühungen um internationales Niveau, als die traditionellen Ausrichter in Aachen die Weltreiterspiele durchführten und die Baar-Metropole mit dem Offiziellen Internationalen Dressur-, Spring und Fahrturnier (CHIO) das ranghöchste nationale Pferdesport-Ereignis erbte. 1991 wurde in Donaueschingen die Dressur-EM ausgetragen.

Doch diese sportlichen Gipfel liefern nur eine von mehreren Zutaten zur dauerhaft erfolgreichen Turnier-Historie. Eine, die dem Publikum ebenso schmeckt wie den Teilnehmern und dem Veranstalter, den seine betriebswirtschaftliche

 

 

Corsage natürlich einengt. Spätestens seit Ende der 1980er-Jahre nämlich bedarf es des strengen und entschlossenen Hinterfragens, ob die jeweils bestehenden wirtschaftliche Strukturen des Turniers, dessen Konzept, sportpolitisches Ziel und Attraktivität fürs Publikum richtig angelegt sind, um ein sicheres Fortbestehen und Niveau zu gewährleisten.

Hatten von den Anfängen in den 1950er-Jahren der Reit- und Fahrverein Schwenningen das Management und die Turnierleitung dominiert und personell besetzt, endete diese Epoche 1978. Unter dem stadtpolitischen Druck in der Schultes-Ära Bernhard Everkes wurde die damals amtierende Schwenninger Führungsriege von Jürgen Jung, Manfred Link und Helmut

 

 

Riegger abgelöst durch das Stuttgarter Trio Riexinger-Abel-Baur. Beste Verbindungen zu den maßgebenden Verbänden und Nachweise als erfolgreiche Turnier-Macher hatte der Kaufmann Riexinger, der Verbands-Repräsentant Abel und der Marketing-Experte Baur im Gepäck, richteten sie doch auch andere große Turnier wie etwa die German Masters in der

Mt 47.000 Besuchern im Jahr 2019 ist das CHI Donaueschingen das bestbesuchte Sportereignis der Region. Höhepunkte sind die Kutschfahrten am Samstag durch die Brigach und das Springreiten am Sonntag vor dicht gefüllten Tribünenplätzen.

Hanns-Martin-Schleyer-Halle aus. Doch bei ihrem Streben nach Renommee und sportlicher Klasse drohten sie die finanziellen Möglichkeiten und bürgerschaftliche Akzeptanz der Kleinstadt zu überfordern. So wechselte der 2005 amtierende Oberbürgermeister Thorsten Frei mit der Firma Escon-Marketing aus dem oldenburgischen Emstek einen neuen Partner ein, der zur betriebswirtschaftlichen Dressur zügelte nach dem stürmisch-stolzen Parforceritts der Vorgänger.

Seit 2006 liefert das ferne Unternehmen um die Geschäftsführer Kaspar Funke und Niklas Droste jedes Jahr den Beweis, dass die Balance aus sportlichem Niveau, Attraktivität fürs Publikum und betriebswirtschaftlicher Tragfähigkeit funktionieren kann. In seiner aktuellen Verfassung siedelt das Reitturnier also in einer Position, die in mehrfacher Weise ein Kompromiss des Möglichen ist. Nach wie vor ist Donaueschingen die Heimat eines in ganz Europa bekannten Pferdesport-Events, zu dem viele der besten Reiter aus vielen Ländern anreisen. Nach wie vor gelingt die betriebswirtschaftliche Statik, auch wenn sich TV-Medien und Großsponsoren immer mehr anderen Sportarten oder Attraktionen zuwenden. Noch immer pilgern bis zu 47.000 Besucher (2019) herbei, auch wenn es mittlerweile ein ganzes Sortiment regionaler Turniere ringsum gibt und darunter ausgerechnet das örtlich und zeitlich nahegelegene Turnier auf den Immenhöfen beachtliche Karriere gemacht hat. Und schließlich hat bislang das fünftägige Pferdesport-Spektakel im Schlosspark kaum jenen Charme und jene Aura eingebüßt, die ihm einst seine adeligen Gründer und Paten geimpft hatten. Donaueschingens größtes Ereignis im Jahreslauf hat im Kaleidoskop immerwährender Veränderung den aktuellen Zeitgeist-Test bestanden. Wieder einmal.

 

 

Was heute eine prächtige Galavorstellung internationalen Formats ist, hat am Christi-Himmelfahrtstag 1953 ganz unprätentiös und geradezu beiläufig begonnen: Damals hatten sich der 1959 verstorbene Chef der Donaueschinger Adelsfamilie, Prinz Max Egon, zusammen mit Mitgliedern des Schwenninger Reitvereins im Hotel Schützen zum geselligen Abschluss eines Vatertags-Ausritts eingefunden. Im Laufe des Abends kristallisierte die Idee: Man könnte doch ein Reitturnier organisieren. Der Fürst verfüge doch „über das Gelände und das Geld“, so der Gründungs-Impuls.

Gesagt, getan. 1956 fasste man unter der Schirmherrschaft von Joachim Fürst zu Fürstenberg die Pläne in eine formelle Quelle, begründete per Versammlung im Hotel Schützen die Veranstalter-Gemeinschaft. Mit dabei neben dem Fürsten: Schützenwirt Ebeb Buri, Donaueschingens Bürgermeister Robert Schrempp, Landrat Robert

Von verpatzten Sprüngen bleibt auch ein Hugo Simon nicht verschont, der hier 1986 eine Mauer einreißt. Unten: Früher befand sich der Dressurplatz beim Schloss.

Das CHI – Wie alles begann…

Lienhart und eine Reihe Schwenninger Vereinsmitglieder, von denen mit Ottmar Jäckle der letzte noch lebende 2018 starb.

In Regie etlicher aus Schwenningen kommenden Turnierleitern wuchs unter dem Dach des Veranstalter-Trios Verein, Stadt Donaueschingen und Fürstenhaus ein Projekt heran, das sich immer mehr aus dem ehrenamtlichen, ländlichen Rahmen häuten musste, um funktionsfähig zu bleiben. Hatten sich bis in die 1980er-Jahre hinein Vereine etwa an der Gastronomie und anderen geschäftlichen Quellen genährt, so verdrängten sie professionelle Anbieter mehr und mehr.

Die geschäftliche Beziehung und Interaktion zwischen dem Turnier und der städtischen und regionalen Wirtschaft ist dennoch enorm gewachsen. Kaum eine Branche, die heute nicht vom Reitturnier profitiert. Und nichts sonst trägt den Namen der Stadt so ausdrücklich und nachhaltig in die Welt hinaus wie diese Sportveranstaltung.

Prominente Besucher hatte das Donaueschinger Reitturnier schon immer. Das Foto oben zeigt Hans Joachim Fürst zu Fürstenberg mit Gunter Sachs (rechts) und unten mit Prinzessin Anne von England. Rechts Oberbürgermeister Everke.

Rechts: Blick ins Reitstadion der 1970er-Jahre mit der alten Tribüne im Hintergrund.

Links: Beim Jagdspringen mussten die Pferde 1974 auch über einen Leiterwagen springen.

 


Auf einer Skala ist das Internationale Reitturnier von Donaueschingen einzigartig in Deutschland, womöglich gar in ganz Europa oder rund um den Globus: Nirgendwo sonst satteln Pferdesportler in den fünf Disziplinen Springen, Gespannfahren, Dressur, Vielseitigkeit und Polo zu den Prüfungen.

1954 als ländliches Turnier auf den Fürsten-bergischen Viehweiden gegründet und besucht von Teilnehmern aus Baden-Württemberg, der Schweiz und Frankreich, hatte man 1965 den Sprung auf die Bühne der internationalen Turnier geschafft, wurde zum CHI, also zum „Concours Hippique International“. 1976 addierten sich die Gespannfahrer als dritte Sportart zu den Spring- und Dressurreitern. Parade-Disziplin war jedoch das Springen, für die 1979 auf den Parkwiesen eine mächtige Tribüne für 2.400 Zuschauer errichtet wurde.

Liebling vieler Besucher wurde auch das Gespannfahren, bei dessen Geländefahrt am Turniersamstag die Kutschen durch verwirrende Hindernisse häkeln müssen oder die Gespanne spektakulär durch die Brigach waten.

Weniger Dynamik und Rasanz bieten die Dressurreiter, dafür aber sind sie stilistisch eine Augenweide. Hatte das Geviert lange seinen Platz vor dem Schloss und wurde dieses Position zum attraktiven Fotomotiv, so nahm man die Dressur Anfang der 2000er-Jahre aus dem Programm; das „Kosten-Nutzen-Verhältnis“ dieser damals dritten Disziplin erschien den Veranstaltern ungünstig.

Doch nach 2007 dachte der neue Turnierchef Kaspar Funke über ein Comeback der Frackreiter nach, holte sie wieder ins Programm und baute für Isabell Werth & Co. gar am anderen Ufer der Brigach ein eigenes „Stadion“, zu dem jedes Jahr das Technische Hilfswerk eine Holzbrücke schlägt.

2017 kam schließlich die vierte Disziplin hinzu. Wissend um den Reiz der „Vielseitigkeit“, deren Reiter gewissermaßen im „Mehrkampf“ Geländeritte, Dressur und Springen bewältigen müssen, hat Turnierchef Kaspar Funke das Programm um eine solche Prüfung angereichert. Beim Publikum kommen die in den Springparcours gebauten Naturhindernisse ausgespro-

Vor großem Publikum sind in Donaueschingen stets auch die Gespannfahrer unterwegs.

Das CHI-Donaueschingen: Ein Turnier, fünf Disziplinen

chen gut an. Und bescheren dem Turnier mit dem weltbesten Vielseitigkeitsreiter Michael Jung einen aktuellen Star mit Heimatadresse ganz in der Nachbarschaft.

„Die Vielseitigkeit wird auch in Zukunft im Programm bleiben“ kündigt Escon-Geschäftsführer Niklas Droste an. Anders dagegen das Polospiel auf dem allzeit sauber rasierten Spielfeld zwischen dem Reitturnier-Areal und dem Autobahnzubringer. Das Erbprinzenpaar zu Fürstenberg, Christian und Jeannette, haben sich schon vor etlichen Jahren diesem rasanten und in Deutschland seltenen Pferdesport zugewandt und nutzten bis 2017 mehrere Jahre das Internationale Reitturnier als Rahmen für eine Polo-Konkurrenz. Beide Seiten profitierten von der Addition.

Doch seit 2018 reiten die Polo-Spieler während der Turnier-Tage nicht mehr mit. Ob dies nur eine Aus-Zeit ist oder das endgültige Nein zu einer Mitwirkung, darüber gibt es aus dem Adelshaus keine verbindliche Nachricht.

 

 

Almanach-Magazin Notizen aus dem Landkreis

Sensationeller Erfolg:

Dominik Koepfer im Achtelfinale der US-Open

„Das war eine fantastische Erfahrung heute. Ich habe noch nie vor so vielen Leuten gespielt, die meinen Namen gerufen haben“, freute sich Dominik Koepfer aus Furtwangen nach dem Match. Er bezog sich damit auf den bislang größten Erfolg seiner Karriere als Profi-Tennisspieler, den Einzug ins Achtelfinale bei den US-Open in Flushing Meadows in New York, wo er am 2. September 2019 in vier Sätzen erst Daniil Medwedew unterlag, dem fünften der Tennis-Weltrangliste und späteren Finalisten. Dieser zeigte sich von der sensationellen Leistung des 25-jährigen Furtwangers beeindruckt: „Mach nur so weiter, dann wirst du ein unglaublicher Spieler“, sagte ihm Medwedew beim abschließenden Handschlag.

Der Einzug ins Achtelfinale beim vierten Grand-Slam-Turnier im Tennisjahr katapultierte Dominik Koepfer auf den 85. Rang der Weltrangliste. Der Furtwanger hatte im Sommer 2019 schon in Wimbledon auf sich aufmerksam gemacht, wo er als Qualifikant wie bei den US-Open in die Hauptrunde einzog und in der zweiten Runde ausschied. Koepfer hatte eine Wildcard für Wimbledon erhalten, da er im Juni 2019 seinen bisher größten Erfolg feierte: Er konnte das Challenger-Turnier von Ilkley im Finale gegen Dennis Novak in drei Sätzen gewinnen.

Spieler beim TC BW Villingen

Als Kind und Jugendlicher spielte Dominik Koepfer 12 Jahre lang Mannschaftstennis im TC BW Villingen. Nach seinem Abitur im Jahr 2012 am Otto-Hahn-Gymnasium Furtwangen wechselte er an die Tulane University in New Orleans, an der er College-Tennis spielte. Der dortige Coach Mark Booras hatte von einem Freund einen Tipp bekommen, war eigens nach Deutschland geflogen und sofort überzeugt vom Talent des Abiturienten – holte ihn in sein Team. Der echte Fighter verdiente sich alsbald den Spitznamen „Pitbull“, weil er nie aufgibt. Koepfer ist im Tennis das, was man beim Fußball als „Wadenbeißer“ bezeichnet: Ein Spieler, der Druck ausübt und Hartnäckigkeit zeigt. Der Erfolg blieb nicht aus: 2015 wurde Dominik Koepfer im Einzel Hallenmeister bei den US-amerikanischen College-Meisterschaften.

Der großartige Erfolg bei den US-Open veränderte die Tennis-Karriere des Furtwangers schlagartig. Er rückte in den Fokus der Sport-Weltpresse und wurde zudem ins deutsche Davis-Cup-Team berufen. Mit ausschlaggebend für diese Berufung war die Tennislegende Boris Becker. Der Männer-Chef im Deutschen Tennis Bund (DTB) lobte den Furtwanger in den höchsten Tönen.

Dominik Koepfer

Tennis war für Dominik Koepfer lange einfach nur ein Hobby. Das änderte sich erst, als er 2010 wie aus dem Nichts Deutscher U16-Jugend-Vizemeister wurde. Er intensivierte sein Training und bewies auf dem Tennisplatz großartige Qualitäten.

Ein wenig staunend geht er immer noch durch seine neue Tenniswelt: „Es ist nicht normal, dass ich in einer Players Lounge Roger Federer oder Rafael Nadal begegne. Ich habe eine Chance bekommen, oben dabei zu sein, und die will ich auch nutzen.“ Auf die Zukunft darf man gespannt sein – ein Furtwanger im Tennis-Rampenlicht.

 

 

Bürgermeister von Bad Dürrheim:

Jonathan Berggötz siegt im ersten Wahlgang

Der neue Bürgermeister von Bad Dürrheim heißt seit 1. Juli 2019 Jonathan Berggötz, der bereits im ersten Wahlgang 63,73 Prozent der Stimmen erreichte. Damit war der frühere Leiter für Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing, Tourismus und Citymanagement bei der Großen

Bürgermeister von Tuningen:

Ralf Pahlow erhält 91 Prozent der Stimmen

Ralf Pahlow ist seit dem 1. Mai 2019 der neue Bürgermeister von Tuningen. Er tritt damit die Nachfolge von Jürgen Roth an, der im Oktober 2018 zum Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen gewählt worden war.

Bei einer Wahlbeteiligung von 46 Prozent entfielen auf Ralf Pahlow 91 Prozent der Stimmen. Der 50-Jährige ist in Tuningen aufgewachsen und war der einzige Kandidat bei der Kreisstadt Rastatt klarer Wahlsieger. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,92 Prozent. Der 32-jährige Jonathan Berggötz folgt Walter Klumpp nach, der 16 Jahre lang Bürgermeister von Bad Dürrheim war und nicht mehr kandidierte. Berggötz ist in Bad Dürrheim aufgewachsen und fungiert auch als SWR-Rundfunkrat.

Jonathan Berggötz

Ralf Pahlow

Wahl. Der Diplom-Verwaltungswirt wirkte seit 2012 als Leiter des Straßenverkehrsamtes beim Schwarzwald-Baar-Kreis.

Bei Bauarbeiten:

Reste des Klosters St. Georgen entdeckt

Das 1094 gegründete Benediktinerkloster St. Georgen im Schwarzwald gehört zu den bedeutendsten mittelalterlichen Klöstern in Südwestdeutschland. Nach seiner Zerstörung im Jahr 1633 und dem späteren Abbruch der Baureste, ist vom Kloster seit langem nichts mehr sichtbar. Bei den Grabarbeiten um die Robert-Gerwig-Schule wurden nun Reste des ehemaligen Benediktinerklosters St. Georgen entdeckt.

Das Landesdenkmalamt betont in einer Pressemitteilung: „Bereits bei den ersten Bodeneingriffen kam unmittelbar unter der Asphaltdecke des Schulhofes ein gut erhaltenes gotisches Fenstergewände aus dem frühen 16. Jahrhundert und damit dem letzten Nutzungszeitraum als Kloster zutage. Bald folgten auch mächtige Fundament-mauern, die mithilfe digitaler Technik erfasst, und in einen Gesamtplan übertragen wurden. Die Mauerstrukturen fügen sich in den bei der Ausgrabung 1958/59 dokumentierten Baukörper ein. Die Fundamente sind der Südwand der Klosterkirche und dem daran anschließenden Kreuzgang zuzuordnen.“

Die Reste der Baustrukturen waren nur für kurze Zeit sichtbar, da die Gräben wieder verfüllt werden mussten.