Almanach 1991

Almanach 91 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 15. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-K.reis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke sind nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1991 ANUBA-Beschläge X. Heine & Söhne GmbH, Donaueschinger Straße 2-6, Vöhrenbach Auer + Weber, Freie Architekten Dipl.-Ing. BOA, Königsträßle 2, Stuttgart-Degerloch Dr. Hanno Augstein, Donaueschinger Straße 15, Hüfingen Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH+ Co. Heilbrunnen, Bad Dürrheim Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Villingen-Schwenningen Benzing Zeit+ Daten GmbH, Albertistraße 3, Villingen-Schwenningen Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villingen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Espenstraße 3, Blumberg Bezirkssparkasse Donaueschingen Ingenieurbüro Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen-Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach EGT Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH, Schonacher Str. 2, Triberg Claus Eller, Zahnarzt, Neue Heimatstraße 2, Vöhrenbach Helmut W. Falk, Wirtschafts- und Unterneh­ mensberater, Fürstenfeldbruck Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen­ Döggingen Lars Frykmann, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Kolpingstraße 12, Donaueschingen Dr. med. Egon Hochmann, Triberg Hock GmbH, Schönwald-Triberg Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Lauffenrnühle GmbH, Waldshut-Tiengen MAlCO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Steinbeisstraße 20, Villingen-Schwenningen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen-Schwenningen MEKU GmbH, Dauchingen Leopold Messmer, Dipl.-Ing. FH, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen 2 Metallwerke Schwarzwald GmbH, Lantwattenstraße 11, Villingen-Schwenningen Dr. Paul Obergfell, Villingen-Schwenningen Dr. Peter Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim RlCOSTA GmbH & Co. Schuhfabriken, Dürrheimer Straße 43, Donaueschingen Helmut Riegger, Bad Dürrheim Anne Rieple-Offensperger, Friedrichstraße 1, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Karlstraße 63, Donaueschingen Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt. des Städt. Krankenhauses Furtwangen SCHMIDT Feintechnik GmbH, St. Georgen S. Siedle & Söhne Telefon- und Telegrafenwerke Stiftung & Co., Bregstraße 1, Furtwangen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Triberg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und weiteren 41 Geschäftsstellen Spar- und Kreditbank Donaueschingen-Villingen eG Günther Stegmann, Donaueschingen Walter Steinbach GmbH & Co. KG, Werkzeug­ und Apparatebau, Dürrheimer Straße 41, Donaueschingen STRAUB-Verpackungen GmbH, Bräunlingen Tannheimer Säge TRW Thompson GmbH & Co. KG, Präzisions­ ventile für die Motoren- und Automobilindustrie, Werk Blumberg Reinhold Wauer, Uhrarmbandfabrik, Alte Randenschule, Blumberg F. K. Wiebelt GmbH & Co. KG, Büroorganisation, Vockenhauser Straße 9, Villingen-Schwenningen Michael Wiesenbacher, Rechtsanwalt, Gartenstraße 17, Lambrecht Dr. med. Fritz Wilke, Obere Waldstraße 12, Villingen-Schwenningen Udo Zier GmbH, Furtwangen 9 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat und Zuversich Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1991 zum Geleit „Unsere Heimat ist in Gefahr! Wir zerstören zur Erhaltung unseres Wohlstandes lebenswichtige Grundlagen, wie Luft, Boden und Gewässer.“ So oder ähnlich lauten die düsteren Vorhersagen vieler Zeitgenossen, die in Sorge um unsere Zukunft sind. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die Sorgen um unsere Umwelt müsseh ernstgenommen werden! Es bedarf unserer aller Bemühungen, um dieses wertvolle Gut zu retten. Manche unter uns sehen den Kampf um eine gesunde Umwelt mehr oder weniger bereits als verloren an. Besonders jüngere Menschen geben ihrem Pessimismus in Bezug auf unsere künftigen Lebensgrundlagen deutlichen Ausdruck. Ich kann diese Einstellung nicht teilen. Gerade junge Menschen müßten doch im Blick auf unsere Heimat mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Viele beneiden uns um unsere schöne Landschaft. Unsere Städte und Dörfer machen einen gepflegten Eindruck. Den Leuten geht es im großen und ganzen gut. Aus der Liebe zur Heimat müßte doch die Kraft genommen werden, mit Optimismus die Schwierigkeiten, die es in dieser oder jener Hinsicht zu allen Zeiten gegeben hat, anzugehen. Und immer wieder gab es auch Fortschritte. Unserer Jugend möchte ich deshalb zurufen: Laßt Euch die Hoffnung und Zuversicht nicht nehmen! Ich höre die besorgte Frage, woher sollen wir außer der gefühlsmäßigen Bindung an die Heimat die Zuversicht nehmen? Darauf möchte ich antworten, daß es auch bei uns Ansatzpunkte für ein verbessertes Umweltverhalten gibt. Die Bevölkerung ist heute mehr als früher über die Zusammenhänge zwischen unserem Wohlstand und den Gefahren für die Umwelt unterrichtet und auch eher bereit, das eigene Verhalten zu ändern. Ferner vertraue ich auf den Fortschritt von Wissenschaft und Forschung. Ihnen verdanken wir zu einem nicht geringen Teil unsere sogenannte Wohlstands­ gesellschaft und sie finden sicher auch Mittel und Wege, die unbestrittenen vorhan­ denen Gefahren wirksam zu bekämpfen. Der Almanach möchte ein Buch sein, das Zuversicht vermittelt und aufbauend wirkt, indem negative Entwicklungen nicht nur beschrieben, sondern in positiver Grundstimmung verarbeitet werden. Ich danke auch in diesem Jahr allen Freunden und Förderern unseres Heimatjahr­ buches, die mit ihrer finanziellen Unterstützung wiederum die Herausgabe eines preiswerten Bandes ermöglicht haben. Ich wünsche der neuen Ausgabe in nah und fern eine gute Aufnahme. Dr. Rainer Gutknecht Landrat

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1990 Das Berichtsjahr begann mit der Neuwahl des Kreistags am 22. Oktober 1989. Es sind 26 Kreisräte ausgeschieden und 27 neu in den Kreistag gewählt worden. Dies ist im Ver­ gleich zu früheren Wahlen eine große Zahl: knapp die Hälfte der Mitglieder des Kreista­ ges ist neu. Die Verabschiedung der ausge­ schiedenen und Begrüßung der neugewähl­ ten Kreisräte fand in Anwesenheit von Herrn Regierungspräsident Dr. Norbert Nothhel­ fer am 27. November 1989 in der Stadthalle in Hüfingen statt. Der Kreistag hat auch in seiner neuen Zusammensetzung zu einem sachlichen Arbeitsstil gefunden. Investitionen gehen weiter Der Neubau des Landratsamts geht plan­ mäßig weiter. Wir befinden uns sowohl hin­ sichtlich der Kosten (voraussichtlich 46 Mio. DM) als auch der Zeit (Fertigstellung Herbst 1991) im vorgegebenen Rahmen. Die feierli­ che Grundsteinlegung war am 18. Oktober 1989. Der nächste Abschnitt wird mit dem Richtfest beendet sein. Der zusammen mit dem Land Baden­ Württemberg durchzuführende Neubau der Beruflichen Schulen in Furtwangen befindet sich im Berichtsjahr zur Erlangung der Bau­ genehmigung und der Landeszuschüsse in der Vorplanung. Aufgrund des Wettbewerbs ging das Architektenbüro Rutschmann und Partner, Stuttgart, als Sieger hervor. Der geschätzte Baupreis von 20 Mio. DM (Lan- Anmerkung der Redaktion Unser langjähriger Mitarbeiter, Herr Helmut Heinrich, ist aus Altersgründen aus der Redak­ tion ausgeschieden. Auch an dieser Stelle sei ihm für seine Mitarbeit gedankt. 4 desanteil 12 Mio. DM, Kreisanteil 8 Mio. DM) hat sich aufgrund einer ersten konkre­ ten Baukostenberechnung auf 24 Mio. DM erhöht, wobei der Landkreis 9,5 Mio. DM (brutto) aufzubringen hat. Als dritte Investitionsmaßnahme haben die Planungsarbeiten für die Erweiterung der mit dem Landkreis Rottweil betriebenen Schule für Körperbehinderte in Villingen­ Schwenningen begonnen. Die Schule soll um einen Therapiebereich (Turnhalle und Lehrschwimmbecken) sowie einen Mehr­ zweck- und Handarbeitsraum erweitert wer­ den. Die voraussichtlichen Kosten betra­ gen brutto 6,7 Mio. DM, davon Kreis Rott­ weil 2,1 Mio. DM, Schwarzwald-Baar-Kreis 4,6 Mio. DM. Dauerthema Müll Die Zusammenarbeit mit den beiden Nachbarkreisen Rottweil und Tuttlingen in Sachen Müll ist im Berichtsjahr nicht wei­ tergekommen. Bei Redaktionsschluß ist noch unklar, ob der gemeinsame Bau einer thermischen Anlage (Verbrennung oder Ver­ schwelung) zustande kommt. Unabhängig davon unternimmt der Schwarzwald-Baar­ Kreis große Anstrengungen, die Mülldiskus­ sion vor allem unter dem Gesichtspunkt der Abfallwirtschaft voranzubringen, d. h. die Abfälle möglichst zu vermeiden bzw. zu ver­ werten. Ein von der Verwaltung ausgearbei­ tetes Abfallwirtschaftskonzept hat den Diskus­ sionsstand zusammengefaßt und Anstöße für die weitere Entwicklung gegeben. Die Einstellung einer Umweltberaterin und eines Umweltingenieurs, die beide ihre Tätigkeit am 2. Mai 1990 aufgenommen haben, soll unter anderem dazu dienen, die Abfallver­ meidung und -verwertung bei Industrie,

Im.festlichen Rahmen wurden am 27. November 1989 in der Stadthalle in Hüfingen die aus dem Kreis­ tag ausgeschiedenen Kreisräte verabschiedet und die neugewählten Kreisräte begrüßt. Ausgeschiedene Kreisräte (von links nach rechts): stehend: Klaus Panther, Franz Kornhaas, Landrat Dr. Rainer Gutknecht, Bernd Stähle, Hans Betgen, Paul Haaga, Werner Gerber, Karl Wehrle, Arnold Rapp, Hilmar KirchgefSner, Klaus Pfaehler, Dr. Wolfgang Bauhof, Werner Benzing, Karl Schneider, Mamert Habers/roh, Emil Schafbuch, Max Müller sitzend: Eugen Müller, Otto Weissenberger, Adam Berberich, Theo Greine,. 1 Gewerbe und in den privaten Haushaltun­ &�n zu verbessern. Auch durch verstärkte Offentlichkeitsarbeit hoffen wir, auf das Umweltbewußtsein und -verhalten der Bevölkerung Einfluß zu nehmen. In Abstimmung mit den Städten und Gemeinden wurde diesen die verwaltungs­ mäßige und technische Abwicklung der Erdaushubdeponien übertragen; e1ruge wenige sind auch in der Lage, Bauschuttde­ ponien zu unterhalten. Das neue Landesab­ fallgesetz erlaubt nunmehr die volle Übertra­ gung dieser Aufgaben auf die Gemeinden, wovon bei uns Gebrauch gemacht werden soll. Im Laufe dieses Jahres soll auch geklärt werden, ob das Einsammeln und Befördern von Abfällen wie bisher bei den Städten und Gemeinden verbleiben oder ob aus abfall­ wirtschaftlichen Gründen der Landkreis diese Aufgabe erledigen soll. Fortschreibung des Altenplanes, offene Altenhilfe Der Landkreis unterstützt seit Jahren die Unterbringung alter Menschen im Rahmen der stationären Altenhilfe durch die Gewäh­ rung von Baukostenzuschüssen an die Heimträger. Zur Zeit sind im Kreisgebiet 876 Plätze in Altenheimen und 659 Plätze in Altenpflegeheimen vorhanden. Die neue Fortschreibung des Altenplanes hat gezeigt, daß ein deutliches Fehl (1990: 308) bei den ortsnah anzubietenden Pflegeplätzen be-5

Grundsteinlegung Neubau Landratsamt am 18. Oktober 1989 6 Die Kassette wurde vom Bildungs­ zentrum Turmgasse, Villingen­ Schwenningen, angefertigt.

steht. Der Landkreis wird daher seine Unter­ stützung besonders im Pflegeplatzbereich fortsetzen. Einen Nachholbedarf haben wir auch im Bereich der offenen Altenhilfe. Die bereits vorhandenen Angebote wie Altenclubs, Altennachmittage, aber a·uch Sport- und Bil­ dungsangebote, müssen weiter ausgebaut werden. Die ambulanten Dienste der Sozial­ stationen werden künftig an Bedeutung noch zunehmen, vor allem ihre Kompetenz im geriatrischen Bereich muß noch verbes­ sert werden. Es muß ferner unser Bemühen sein, Ein­ richtungen für die außerstationäre Versor­ gung psychisch Kranker und seelisch Behin­ derter anzubieten. Ein Anfang ist mit dem sozialpsychiatrischen Dienst zwar gemacht, weitere Einrichtungen (Wohnheim, Werk­ statt, Tagesstätte) müssen aber noch folgen. Öffentlicher Personennahverkehr Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit bleibt die Verbesserun_g des Öffentlichen Personennahverkehrs (OPNV). Im Angebotsbereich ist eine Neuordnung des sogenannten „Hintervillinger Raumes“ am dringlichsten. Es ist unser Ziel, mit den dort verkehrenden Unternehmern ein ein­ heitliches, bedarfsgerechtes Fahrplankon­ zept zu erstellen, in dem die Verkehre unter­ einander, vor allem aber auf den Stadtver­ kehr Villingen-Schwenningen, optimal abge­ stimmt sind. Wo dies notwendig ist, wird sich der Landkreis sicher bereit erklären, zusätzli­ che Kurse einzurichten und zu finanzieren. Im Tarifbereich hat der Kreistag beschlossen, ein Umwelt-Jahres-Abonnement einzufüh­ ren. Dem Fahrgast wird es ab 1. April 1990 zum Preis von sieben Monatskarten angebo­ ten, wobei der Landkreis drei Monatskarten­ beiträge und der Unternehmer zwei Monats­ kartenbeiträge übernimmt. Der Zuschuß­ bedarf des Landkreises wird auf jährlich 300.000 DM geschätzt. Mit der Einführung des Umwelt-Abos wurde das Ziel verfolgt, die Berufspendler an den ÖPNV zu binden, bzw. für diesen wieder zurückzugewinnen. Eine weitere Verbesserung wird mit Beginn des Schuljahres 1990/1991 bei der Schüler­ beförderung eintreten. Zunächst probeweise auf ein Jahr wurde die Einführung einer „Kurz­ strecken-Karte“ beschlossen. Der monatlich zu zahlende Eigenanteil, der früher für bestimmte Schülergruppen 35,- DM betra­ gen hat, wurde auf25,-DM gesenkt. Die Dis­ kussion über die Mindestentfernung von 3 km zwischen Wohnung und Schule, deren Erreichen erst einen Anspruch auf Kostener­ stattung begründete, ist damit entschärft worden. Voraussetzung ist allerdings, daß die Wohnsitzgemeinden bereit sind, sich an den Subventionskosten zur Hälfte zu beteiligen. Kultur Es war schon immer ein Anliegen des Landkreises, seinen kulturellen Verpflichtun­ gen nachzukommen. Leider war dies in der 7

Vergangenheit aus finanziellen Gründen nicht im wünschenswerten Umfang mög­ lich. Nachdem nunmehr die großen Investi­ tionen abgeschlossen sind, bzw. in absehba­ rer Zeit vor dem Abschluß stehen, kann die Kulturarbeit des Landkreises mehr in den Vordergrund treten. Aufgrund eines von der Verwaltung erstellten Grundsatzpapiers hat der zuständige Ausschuß die Generallinie für die nächsten Jahre abgesteckt. An eige­ nen Einrichtungen soll neben dem weiteren Ausbau der schon bestehenden Kreisergän­ zung bücherei, der Kreisbildstelle mit dem neusten Angebot einer Video-Werkstatt, besonders im Museumsbereich ein neuer kreispolitischer Akzent gesetzt werden. Im Zuge der technischen Fortentwicklung der Arbeitswelt sollte an besonders geeigneten Orten die bisherige Industriegeschichte (Uhren!) dokumentiert und an praktischen Beispielen lebendig gemacht werden. Es wäre 4 vorstellbar, daß der Landkreis bei der Ein- richtung bzw. beim Betrieb herausragender örtlicher technischer Museen finanziell mithilft (möglicherweise als Mitträger) und damit zu erkennen gibt, daß ihm die museale Erhaltung der Arbeitswelt, in der wir leben, ein Anliegen ist. Gedacht ist ferner daran, Kulturtage abzuhalten. Themen aus dem kulturellen Leben des Landkreises, aber auch allgemein interessierende kulturelle Ent­ wicklungen könnten dadurch einem größe­ ren Publikum vermittelt werden. Wie schon bisher wird der Landkreis Zuschußgeber für kulturelle Maßnahmen seiner Städte und Gemeinden sein. Auch hier ist ein stärkerer Mitteleinsatz denkbar, wobei die Höhe für jedes Haushaltsjahr neu festgelegt werden muß. Dr. Rainer Gutknecht Landrat Eine neue Schwerpunktaufgabe: Die Eingliederung der Aus- und Übersiedler im Schwarzwald-Baar-Kreis Während sich die Eingliederung der Aus­ und Übersiedler in den früheren Jahren fast unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzog, ist dieses Thema aufgrund der dramatischen Entwicklung der Zugangszahlen in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses ge­ rückt. Die Rekordzahlen des Jahres 1989 sind vor allem auf die Liberalisierung der Ausreisebe­ stimmungen in Polen sowie der Sowjetunion und die umwälzenden Veränderungen der politischen Verhältnisse in der DDR und den übrigen osteuropäischen Staaten zurückzuführen. Waren es im Jahre 1987 noch 374 Spätaus­ siedler, die den Weg in den Schwarzwald­ Baar-Kreis fanden, stieg ihre Zahl 1989 bereits auf 1063 und 1989 auf 3010. Zusammen mit 1260 Übersiedlern aus der DDR fanden demnach 1989 insgesamt 4270 Menschen im Schwarzwald-Baar-Kreis eine erste Bleibe. Bundesweit wurden in diesem Jahr 720.909 Aus- und Übersiedler aufge­ nommen. In Baden-Württemberg waren es 114.571. Diese Personen müssen vom Land Baden-Württemberg vorläufig, d. h. so lange, bis sie endgültigen Wohnraum gefun­ den haben, untergebracht werden. Aufgrund der großen Schwierigkeiten beim Aufbau von Raumkapazitäten und aus der Erkenntnis heraus, daß die Aufgaben unter Ein atz auch der Verwaltungskraft vor Ort flexibler und wirkungsvoller bewältigt werden können, sah sich der Landesgesetz­ geber veranlaßt, die Zuständigkeit für die Unterbringung sowie die Koordination der verschiedenen Eingliederungsmaßnahmen ab 1990 von den 4 Regierungspräsidien auf 8

Übergangswohnheim in Villingen-Schwenningen: Für viel.e Aus- und Übersiedler erste Station auf dem Weg in ein neues Leben. die 35 Landratsämter und die 9 Stadtkreise als untere staatliche Ebene zu übertragen. Am Ende des Jahres 1989 waren im Land­ kreis insgesamt 2650 Personen vorläufig im Übergangswohnheim, Hotels, Pensionen, Schullandheimen und Notunterkünften untergebracht. Damit lag der Schwarzwald­ Baar-Kreis im Vergleich mit den übrigen Stadt-und Landkreisen in Baden-Württem­ berg an zweiter Stelle. Seit dem 1.1.1990 haben die unteren Ein­ gliederungsbehörden die Aus-und Übersiedler nach einem Schlüssel zu übernehmen, der sich je zur Hälfte aus dem Anteil des Land­ kreises bzw. Stadtkreises an der Fläche und der Bevölkerung des Landes errechnet. Danach muß der Schwarzwald-Baar-Kreis 2,46 0/o der im Land aufzunehmenden Perso­ nen vorläufig unterbringen. Bis Ende April 1990 waren dies zusätzlich zu den bereits auf­ genommenen Personen insgesamt 800 Per­ sonen. Aufgrund der umfangreichen Anmie- tung weiterer Kapazitäten konnten die erfor­ derlichen Plätze jeweils rechtzeitig zur Verfü­ gung gestellt werden, ohne daß es der Ein­ richtung von Notunterkünften bedurfte. Finanzielle Leistungen des Landes, das Träger aller Einrichtungen zur vorläufigen Unterbringung bleibt, sollen den im Zusam­ menhang mit der Erfüllung der neuen Auf­ gaben entstehenden Verwaltungsaufwand ausgleichen. Fast alle Aussiedler, die heute zu uns kom­ men, benötigen Hilfe bei ihren ersten Schrit­ ten in ihrer neuen Umgebung, z.B. beim Ausfüllen der vielen Formulare, bei Behör­ dengängen, bei der Wohnungssuche oder sonstigen Schwierigkeiten, die die Umstel­ lung auf unsere Gesellschafts-und Wirt­ schaftsordnung mit sich bringt. All diese Hilfe kann nicht durch den Staat allein geschehen. Der beim Übergangswohnheim in Villin­ gen-Schwenningen eingerichtete Arbeits-9

kinder vorübergehend eigenen Unterricht erhalten, bis sie am normalen deutschen Schulunterricht teilnehmen können. Insgesamt bestanden im Schwarzwald­ Baar-Kreis Mitte Mai 1990 19 Förderklassen -darunter eine Realschulförderklasse -, die von 450 Aussiedlerkindern besucht wurden. 19 für diesen Zweck eingestellte Lehrer ertei­ len den Unterricht, dem die Kinder in der Regel hochmotiviert folgen. Während die Suche nach einem geeigne­ ten Arbeitsplatz meistens erfolgreich ver­ läuft, zumal der überwiegende Teil der Aus­ und Übersiedler eine Ausbildung im gewerb­ lich-technischen Bereich absolviert hat, stellt die Wohnraumversorgung die Neu­ bürger vor fast unüberwindliche Probleme. Allein im Raum Villingen-Schwenningen gibt es nach ernsthaften Schätzungen ca. 2000 Wohnungssuchende. Bis die nach den umfangreichen Wohnungsbauprogrammen des Bundes und des Landes vorgesehenen zusätzlichen Wohnungen gebaut sind, wird noch einige Zeit vergehen. Bis dahin heißt dies für viele Familien, auf engstem Raum auskommen zu müssen. Oft müssen sich Großfamilien über viele Monate -teilweise schon länger als ein Jahr – mit einem einzi­ gen Raum begnügen. Aufgrund der prekären Wohnraumsitua­ tion hat der Kreistag für 1990 und 1991 Mittel im Umfang von 1.000.000,-DM zur Förde­ rung des Mietwohnungsbaus bereitgestellt. Gefördert wird hiernach der Neubau von Mietwohnungen, die nicht in das Woh­ nungsbauprogramm des Landes aufgenom­ men wurden, in Form eines Zuschusses von 20.000,- DM, wobei jeweils 10.000,- DM vom Landkreis und 10.000,- DM von der Gemeinde bezahlt werden, in der das Vorha­ ben realisiert werden soll. Die Eingliederung der Aus- und Übersied­ ler stellt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit dar. Sie kann nur bestanden wer­ den, wenn neben der Gewährung von mate­ riellen Hilfen durch den Staat die Einheimi­ schen bereit sind, die Neubürger anzuneh­ Walter Berg men. Der Trabi (links) wurde wm Symbol.für die M as­ senjlucht aus der DDR. kreis, dem verschiedene Organisationen angehören, wie Caritasverband, Diakonie, Rotes Kreuz,Jugendgemeinschaftswerk und Bund der Vertriebenen, hat sich die soziale Betreuung und deren Koordination zur Auf­ gabe gemacht. Um die umfangreichen Betreuungsaufgaben erfüllen zu können, ist der Arbeitskreis bemüht, weitere ehrenamtli­ che Kräfte zu gewinnen. Eine unentbehrliche Eingliederungshilfe ist die Sprachförderung. Die Unterdrük­ kung der deutschen Sprache und Kultur in den Ostblockstaaten hat dazu geführt, daß viele Aussiedler heute die deutsche Mutter­ sprache nicht mehr beherrschen. Ihnen allen erschließt erst der Sprachkurs die Möglich­ keit, ihren Wunsch nach einem gleichbe­ rechtigten Leben als „Deutsche unter Deut­ schen“ auch wirklich zu erfüllen. Erst mit ausreichenden Sprachkenntnissen sind berufliche und bei Kindern schulische Ein­ gliederung möglich. Bei erwerbstätigen Personen, Hausfrauen und Rentnern bezahlt das Arbeitsamt die Sprachkurse. Ende April 1990 haben insges­ amt 450 Aussiedler an diesen Sprachkursen teilgenommen. Für schulpflichtige Kinder unterhalten konfessionelle und freie Träger Förderschu­ len. Außerdem haben viele Schulen Förder­ klassen eingerichtet, an denen Aussiedler- 10

Land unter im Schwarzwald-Baar-Kreis Erinnerungen an die Hochwasserkatastrophe am 15. Februar 1990 Den 15. 2. 1990 werden die meisten Bewohner des Schwarzwald-Baar-Kreises nicht so schnell vergessen. Die letzten Vor­ bereitungen für die Fasnet waren gerade in vollem Gange, als sintflutartige Regenfalle und eine plötzlich einsetzende Schnee­ schmelze weite Teile des Kreises in eiskaltem Wasser versinken ließen. Schon am Vortag hatten Niederschläge und Schmelzwasser für einen deutlichen Anstieg von Brigach und Breg sowie zahlrei­ cher Bäche gesorgt. Auch waren bereits ein­ zelne Hochwassermeldungen bei der Feuer­ wehrleitstelle in Villingen eingegangen. Zunächst jedoch hatten die örtlichen Ein­ satzkräfte die Situation noch unter Kon­ trolle. Nichts deutete auf eine Katastrophe größeren Ausmaßes hin. In der folgenden Nacht allerdings spitzten sich die Ereignisse plötzlich dramatisch zu. Während es drau­ ßen in Strömen regnete, gingen in der Feuer­ wehrleitstelle seit Mitternacht pausenlos Hochwassernotrufe ein. Vor allem aus Furt­ wangen und Vöhrenbach wurden binnen kürzester Zeit zahlreiche Überflutungen von Straßen und Gebäuden gemeldet. Die ausge­ rückten Feuerwehren versuchten zwar, mit Pumpen und Sandsäcken der Lage Herr zu werden, doch die Wasserstände von Brigach und Breg stiegen unablässig und erreichten stündlich neue Rekordmarken. Als am frühen Morgen deutlich wurde, daß sich das Hochwasser auf immer größere Teile des Kreisgebietes ausdehnte, richtete der Kreisbrandmeister in Furtwangen eine zentrale Einsatzleitung ein. Die ebenfalls alarmierten Beamten des Landratsamtes bil­ deten in der Außenstelle Donaueschingen einen Katastrophenstab, der fortan alle wich­ tigen Informationen sammelte und den Ein­ satz der Rettungskräfte koordinierte. Um 10.00 Uhr schließlich wurde für den gesam­ ten Schwarzwald-Baar-Kreis Katastrophen­ alarm, 2 1/2 Stunden später Hauptalarm aus- gelöst. Die wenigen Helfer, die bis dahin noch nicht im Einsatz waren, wurden nun mobilisiert. Inzwischen hatte sich die Hochfläche der Baar in eine riesige Seenlandschaft verwan­ delt; aus Brigach und Breg waren reißende Ströme geworden. Die wichtigsten Verkehrs­ verbindungen im Kreisgebiet wurden inner­ halb kurzer Zeit durch Überflutungen und Erdrutsche unterbrochen. Aus nahezu allen Kreisgemeinden kamen nun Hilferufe an den Stab und die Technische Einsatzleitung. Da die vorhandenen Sandsäcke und Pum­ pen schon längst nicht mehr ausreichten, mußten Nachbarkreise und Streitkräfte mit Mannschaften und Gerät zu Hilfe kommen. Besonders schwer waren seit dem späten Vormittag die Kernstädte von Bräunlingen und Hüfingen betroffen. Häuser und Stra­ ßen standen hier bis zu 1,50 m unter Wasser. Viele Menschen waren von den Wassermas­ sen in ihren Häusern eingeschlossen, etliche mußten in die oberen Stockwerke flüchten. Von der besonders gefährdeten Hüfinger „Insel“ wurden gerade die ersten Familien aus ihren Häusern evakuiert, als gegen ca. 13.00 Uhr eine neue Schreckensmeldung eintraf: Bruch des Kirnbergsee-Staudamms bei Unterbränd! Diese Nachricht führte vor allem bei vielen Bräunlingern zu panikarti­ gen Szenen. Die entsetzten Einwohner rech­ neten mit einer gewaltigen Flutwelle, die innerhalb weniger Minuten das Gebiet der Kernstadt erreichen würde. Der ebenfalls informierte Katastrophenstab richtete sich auf eine großangelegte Evakuierungsaktion ein und ließ in fieberhafter Eile Schulen und Mehrzweckhallen als Notunterkünfte für die Bräunlinger Bevölkerung herrichten. Gegen 13.30 Uhr gab es dann jedoch Entwarnung. Der Erkundungsflug eines Bundeswehrhub­ schraubers hatte ergeben, daß die Staumauer zwar überspült wurde, jedoch dem Druck der Wassermassen standhielt. 11

Auch am Nachmittag verging keine Mi­ nute ohne neue Meldungen. Dennoch zeichnete sich langsam eine Wende zum Besseren ab. Die Niederschläge ließen all­ mählich nach und auch die Wasserstände waren erstmals wieder rückläufig. Immer noch aber mußten zahlreiche Bewohner der Innenstädte Hüfingens und Bräunlingens – oft ohne Strom und Heizung-in ihren Häu­ sern ausharren. An sie wurden im Laufe des Abends von den Betreuungskräften des Katastrophenschutzes warme Mahlzeiten und heiße Getränke ausgegeben. Auch Not­ quartiere standen bereit. verstreutes Ladeninventar In der folgenden, vergleichsweise ruhigen Nacht gingen die Wasserstände von Brigach und Breg weiterhin zurück. Eine akute Gefährdung der Bevölkerung bestand nun zwar nicht mehr, doch traten dafür die Fol­ gen des Unwetters immer deutlicher zu Tage. Dort, wo Stunden zuvor noch meterhoch das Wasser gestanden hatte, bot sich nun ein Bild der Verwüstung. Verschüttete und unterspülte Straßen, entwurzelte Bäume, eingestürzte Brücken, weggespülte Uferbe­ festigungen, zerstörte Wohnungseinrichtun­ gen, und schlammbedeckte Gärten und Felder mach­ ten klar, welche gewaltige Arbeit in den fol­ genden Tagen und Wochen noch bevor­ stand. Zunächst galt es jedoch, wichtigere Probleme zu lösen. So standen auch am 16. 2. 1990 noch unzählige Keller unter Was­ ser, das sich häufig mit ausgelaufenem Heiz­ öl vermischt hatte und daher eine erhebliche Gefahr für die Umwelt, insbesondere für das Grundwasser darstellte. Feuerwehren und Privatunternehmen waren den ganzen Tag über damit beschäftigt, diese Öl-Wasser­ Gemische abzupumpen und in großen Fäs­ sern zu entsorgen. Auch die Trinkwasserver­ sorgung im Stadtgebiet von Donaueschin­ gen wurde zu einem akuten Problem. Nach einem Defekt der Pumpen an der Gutter­ quelle floß das Leitungswasser immer spärli­ cher, bis es schließlich ganz versiegte. Mit Tanklöschfahrzeugen und Milchtranspor­ tern mußte Trinkwasser aus Bad Dürrheim, 14 später auch aus Villingen herangeschafft und an zentralen Ausgabestellen an die Bevölke­ rung verteilt werden. Im übrigen aber begann sich das Leben im Schwarzwald-Baar-Kreis allmählich zu nor­ malisieren. Die meisten Straßen und Schie­ nenstrecken waren wieder passierbar. Strom­ versorgung und Telefonverbindungen, die am Vortag zeitweise ausgefallen waren, funk­ tionierten ebenfalls wieder. Nachdem auch die Pegel der Bäche und Flüsse fast Normal­ werte erreicht hatten und ein erneuter Anstieg nicht zu befürchten war, konnte am 16. 2. 1990 gegen 17.00 Uhr der Katastro­ phenalarm aufgehoben werden. In der Folgezeit waren im ganzen Kreisge­ biet Aufräumungs- und Instandsetzungsar­ beiten von ungeheuerem Umfang zu bewäl­ tigen. Da die Schäden im kommunalen wie im privaten Bereich ins Unermeßliche gin­ gen, sollte es noch Monate dauern, bis die letzten Spuren der Naturkatastrophe getilgt waren. Für die Chronisten steht heute fest: das Hochwasser des 15. 2. 1990 war eines der größten 111 der Geschichte unseres Land­ Joachim Pampe) kreises.

N e u b a u L a n d r a t s a m t Letzte Bilder über den Baufortschritt vor Redaktionsschluß 15

Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Peterzell Wohin das Auge schaut, ist Peterzell ein­ gebettet in große Waldflächen, die von sanf­ ten Höhen den etwas tiefer liegenden Ort beschützend umgeben. Zwar wird die Idylle durch die am Ortsrand vorbeiführende B 33 und die Schwarzwaldbahn etwas gestört, andererseits ist die direkte Anbindung an diese beiden wichtigen Verkehrswege mit bedeutenden Vorteilen für den Ort verbun­ den, dessen Bewohner und auch die jährlich zahlreichen Feriengäste. In idealer Weise ergänzen sich in Peterzell Landwirtschaft, Industrie und Fremdenverkehr. Die seit Jahr­ zehnten unverändert anhaltende Bautätig­ keit ist Beweis dafür, daß es sich lohnt, in Peterzell zu leben. Die Bedingungen zur Erreichung der Arbeitsplätze sind hier gera­ dezu ideal. Was den Fremdenverkehr betrifft, ist es nicht nur die immer wieder gelobte Gastlichkeit, sondern auch die unmittelbare Waldnähe und die vielen Wandermöglich­ keiten auf nicht anstrengenden Wegen in allen Richtungen. Ein gepflegtes Ortsbild, das Erholungsgebiet Bärlochtal mit Mini­ golf- und Kinderspielplatz sowie schönen Spazierwegen tragen dazu bei, den Ort für Einheimische und Feriengäste gleicherma­ ßen liebenswert zu machen. Man schrieb das Jahr 1339, als erstmals im Zusammenhang mit einer Schenkung des begüterten VillingersJohans Staehelli an das Kloster St. Georgen der Name „sant Peters celle“ schriftliche Erwähnung fand. Obwohl davon ausgegangen werden kann, daß Peter­ zell schon lange vorher bestanden hat, gibt es hierfür keine urkundlichen Belege. Ge­ schichtliche Aufzeichnungen über das Kloster Reichenau und ein Türstürzfrag­ ment in der Peterzeller Kirche lassen jedoch vermuten, daß Peterzell möglicherweise bereits 1000 Jahre alt sein könnte. Hierzu haben auch die beiden St. Georgener Hei­ matforscher Gramlich und Klepper abwei­ chende Meinungen. Die erste offizielle 16

Urkunde bezieht sich auf den Verkauf Peter­ zells an das Kloster St. Georgen und stammt aus dem Jahre 1369. Es war das Kloster Rei­ chenau, welches diesen Verkauf tätigte. In dieser Urkunde steht unter anderem zu lesen: ,,Unser Wiler dez man nempt sant Peterscelle uff dem Schwarzwald“. ,,Hohenbrunnen“ Nach den Klosterakten von St. Georgen bestand die „Celle des Heiligen St. Peter“ bereits vor dem Bau des Klosters St. Georgen (1084). Namen wie „Mühlibach“ (Mühl­ bach), (Hochbrunn), „Rüpelsberg“ (Ruppertsberg) tauchen bereits in den damaligen Aufzeichnungen auf. Durch den ständigen Wechsel der Herr­ schaftsverhältnisse hatten die Peterzeller viel Unbill zu erdulden. 1381 verkaufte Egenolf von Wartenberg seine Vogtei in Peterzell an Abt Erhard in St. Georgen. 1409 ging die Vogtei zu Peterzell in den Besitz des Klosters St. Georgen über. Der in Peterzell befindli­ che Besitz der Falkensteiner wiederum ging an Württemberg und ab 1445 wurde Peterzell württembergisch verwaltet. Um 1525 plün­ derten VillingerTruppen das Dorf, zündeten es an und auch der Hochbrunn und der Ursprung wurden niedergebrannt. Etwa 100 Jahre später, im 30jährigen Krieg, ließ der Verteidiger und vorderösterreichische Kom­ mandant von Villingen das Dorf erneut plündern und das gleiche mehrmals, wobei auch die Glocke der St. Peterskirche geraubt wurde. Eine weitere schlimme Heimsu­ chung des Dorfes gab es 1799 durch französi­ sche Truppen. Erst durch einen Staatsvertrag im Jahre 1810 fanden die Fehden ein Ende. Peterzell, bisher zu Württemberg gehörend, wurde an Baden abgetreten. Unter Großherzog Karl Friedrich und dessen Nachfolger konnte eine aufbauende Zukunft eingeleitet werden. Die Einführung der badischen Gemeinde­ ordnung im Jahre 1832 ermöglichte mehr Eigenständigkeit. 1840 wurde in Peterzell das erste Schul­ haus, damals noch mit Stallungen und Scheuer, erbaut, denn der Lehrer mußte zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes noch Kirche Peterzell. Zeichnung von Helga Rudo!f Asifäller, Berg-Ettishofen Landwirtschaft betreiben. Neben der Schul­ stube befand sich im Neubau auch das Gemeinderatszimmer und der Ortsarrest. 1888 wurde das Schulhaus und 4 weitere Häuser durch eine Feuersbrunst einge­ äschert, bereits ein Jahr später aber wieder neu gebaut. Die Ausweitung der Industrie im benach­ barten St. Georgen verhalf auch den Peterzel­ lern zu einem besseren Lebensstandard. Es entwickelte sich um das altehrwürdige Kirch­ lein, das man auf ein Alter von ca. 725 Jahre schätzt, eine immer größer werdende Wohn­ siedlung. Bald schon waren es neben den Landwirten auch viele „Fabrikler“, die den Ort anwachsen ließen. Von 573 Einwohnern im Jahre 1890 stieg die Einwohnerzahl in den nächsten 100 Jahren bis heute auf 1500 an. Durch die beiden Weltkriege 1914-1918 und 1939-1945 hatte auch Peterzell viele 17

Aussegnungs-Halle Peterzell Zeichnung von Landrat i. R. Dr. Josef Asifäller Tote und Vermißte zu beklagen. Kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, im Jahre 1945, kam es durch die Besatzungstruppen wieder zu Plünderungen und sonstigen Ausschreitungen. Unter der weitsichtigen und geschickten Amtsführung des damaligen Bürgermeisters und jetzigen Ehrenbürgers Mathias Lauble (1946 -1967) nahm Peterzell, auch begün­ stigt durch die Nähe St. Georgens und Villin­ gens, einen enormen Aufschwung. Die Erschließung von Baugelände, anschließend an den alten Ortskern und im Hagenmoos­ gebiet, führte zum schnellen Anwachsen der Einwohnerzahl. Der Bau eines neuen Schul­ hauses 1964 und eines Feuerwehrgerätehau­ ses 1973 waren die letzten kommunalen Bau­ maßnahmen als eigenständige Gemeinde. Die rasche Entwicklung führte dazu, daß aus dem ursprünglich stark landwirtschaftlich orientierten Ort mehr und mehr eine Wohn­ siedlung für alle Bevölkerungsschichten 18 wurde. Heute gibt es nur noch 7 landwirt­ schaftliche Vollerwerbsbetriebe in Peterzell. Ein für die Einwohnerschaft wenig be­ glückender Akt in der Geschichte Peterzells war die Gemeindereform und die 1974 damit verbundene Eingemeindung nach St. Geor­ gen. Peterzell versuchte alles, um die Selb­ ständigkeit zu behalten, aber alle Bemühun­ gen waren vergebens. Die Vorgehensweise der Reformer wurde als höchst undemokra­ tisch empfunden und die Emotionen schwappten über. Zwischenzeitlich sind die Wunden weitgehend verheilt. Bürgermeister Lauffer hat es mit Klugheit und Verständnis fertig gebracht, die gehegten Befürchtungen zu zerstreuen und den Peterzellern ihr Selbstwertgefühl zu belassen. Eine gewisse Eigenständigkeit und das dörfliche Eigenle­ ben blieben erhalten. Die Bedingungen des Eingemeindungsvertrages wurden von St. Georgen uneingeschränkt erfüllt.

Nach der Eingemeindung wirkte sich die Finanzkraft St. Georgens auch positiv auf die Weiterentwicklung Peterzells aus. Die Erschließung weiterer Baugebiete, der Bau einer Mehrzweckhalle mit einliegendem Kindergarten und die Erbauung einer Aus­ segnungshalle sind wichtige Stationen der jüngsten Geschichte von Peterzell. Die zur Zeit in Durchführung befindliche Ortskern­ sanierung und Begrünung läßt eine weitere Aufwertung, auch für den Fremdenverkehr erwarten. Bei einer Höhenlage von 804 m garantiert Peterzell sehr viel Nebelfreiheit. Die durch den Waldreichtum noch recht gesunde Luft wird besonders von den Ferien­ gästen sehr wohltuend empfunden. Nicht von ungefähr haben sich die Gäste aus den industriellen Ballungsgebieten bei uns den Beinamen »Luftschnapper“ eingehandelt, denn sie kommen tatsächlich gerne hierher, um gesunde Luft zu tanken. Das kirchliche Leben ist in Peterzell sehr ausgeprägt und findet seine Bestätigung in sehr guten Gottesdienstbesuchen und zahl­ reichen anderen Aktivitäten, wobei die Jugendarbeit wohl an erster Stelle steht. Aus der früher fast ausschließlich evangelischen Gemeinde hat sich im Laufe der letzten Jahr­ zehnte durch Zuzug von Neubürgern eine Mischung von ca. 70 % Protestanten und 30 % Katholiken entwickelt. In 6 örtlichen Vereinen sind viele hundert Mitglieder vereinigt. So gibt es seit 1924 den Gesangverein „Liederkranz“. Bis zum Jahre 1975 als reiner Männerchor, seit dort als gemischter Chor, ist er ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Gemeindele­ bens. Gleiches gilt für den 1954 gegründeten Posaunenchor, der sowohl bei kirchlichen als auch weltlichen Anlässen sich musika­ lisch betätigt. Als größter Verein mit über 400 Mitgliedern bereichert der „FC-Vikto­ ria“ das Gemeindeleben durch seine sportli­ chen Betätigungen und seine gezielte Jugendarbeit. Ein hohes Ansehen bei der Einwohnerschaft genießt seit eh und je die 1933 gegründete „Freiwillige Feuerwehr“, die entgegen teils anderer Tendenzen keinerlei Nachwuchssorgen hat. Auch die Aktivitäten der „Närrischen Bürgerwehr“, die es seit 1976 gibt, und des seit 1971 bestehenden „Motor­ sportclubs“ reihen sich positiv in das Ortsge­ schehen ein. Als größter Teilort St. Georgens konnte Peterzell im Sommer 1989 sein 650jähriges Bestehen in besonders beeindruckender Weise feiern. Solange Ortsvorsteher Christian Storz und die Ortschaftsräte sich mit gleichem Bemühen wie bisher für die Peterzeller Belange einsetzen, wird es keine größeren Probleme wegen der verloren gegangenen Selbständigkeit geben. Darauf setzen die Peterzeller künftig ihre Hoffnung und Erwartungen, damit ihnen ihr geliebter Hei­ matort auch in Zukunft Lebensqualität und Geborgenheit vermittelt. Hermann Seifermann Mein Heimatort Von den Höhen grüßen Tannen, von den Tälern sattes Grün, Vöglein singen in den Zweigen, tausend bunte Blumen blüh’n. Rings ist Stille, rings ist Frieden auf der Lichtung äst ein Reh, Bienen sammeln ihren Nektar dort von Löwenzahn und Klee. Drüben ruft vom alten Kirchlein zum Gebet der Glocken Klang, Himmelsbläue, sanfte Lüfte, alles ist wie Festgesang. Heimatort auf Schwarzwald’s Höhen, bist ein wahrer Lebensquell, mög der Herrgott Dich beschirmen Du geliebtes „Peterzell“. Hermann Seifermann 19

führen. Aber erst nach der Jahrhundertmitte erscheint St. Peter im Siegel. Als die badische historische Kommission ab 1895 daranging, allen badischen Gemein­ den, die noch kein Wappen hatten, ein sol­ ches zu verschaffen, wurde vom großherzog­ lich badischen Generallandesarchiv Karls­ ruhe im Juli 1902 vorge chlagen, den heiligen Petrus -aber etwas deutlicher dargestellt -ins Wappen der Gemeinde zu übernehmen. Der Gemeinderat war mit dem vorgelegten Ent­ wurf sofort einverstanden, und seither führte die Gemeinde Peterzell die es Wappen. Mit der Eingemeindung in die Stadt St. Georgen im Schwarzwald zum 1. April 1974 ist das Wappen als amtliches Zeichen er­ loschen. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Villingen. – GLA-Wappenkartez� Schwarzwald-Baar­ Kreis. – GLA-Siegelkartez� Schwarzwald­ Baar-Kreis. – H. G. Zier, Wappenbuch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. bis es die Herren von Sunthausen 1284 käuf­ lich erwarben. In finanzielle Schwierigkeiten geraten, mußten die Herren von Sunthausen den größten Teil an die Fürstenberger verkaufen. Durch die grenznahe Lage zwischen Würt­ temberg und dem Fürstenberg geriet das kleine Dorf als Streitobjekt der Macht­ kämpfe in eine schwierige und von Not gezeichnete Epoche. Besondere Tragik bekamen die Auseinan­ dersetzungen in der Zeit der Reformation. Verbissen kämpften die Württemberger und die Fürstenberger um die Seelen der Biesin­ ger. Die politischen Mächte zwangen seine Untertanen auch den jeweiligen Glauben zu übernehmen. So wurde den Menschen innerhalb von 50 Jahren zugemutet, daß sie 22 Mal die Religion zwischen katholisch und evangelisch wechseln mußten. Im Jahre 1588 Das Wappen von Peterzell Wappen: In Blau der silbemgekleidete,gold-nim­ bierte St. Petrus, in der Rechten einen aufgerichte­ ten goldenen Schlüssel haltend. Der Ort wird 1339 erstmals urkundlich erwähnt als „bi sant Peters celle“. Er kam 1810 von Württemberg an das Großherzogtum Baden von Napoleons Gnaden. Seit dieser Zeit konnte die Gemeinde ein eigenes Siegel Biesingen Biesingen, ein kleiner Ort, gelegen mitten in der sanften Landschaft der Baar. Verkehrsmäßig gut erschlossen an der Kreuzung der beiden Kreisstraßen Donau­ eschingen-T uningen und Bad Dürrheim­ Geisingen. Das wasserreiche und sehr wegsame Köthachtal mag wohl auch der Grund dafür gewesen sein, daß Biesingen schon recht früh besiedelt war, wovon Funde aus der Frühzeit (500 v. Chr.) zeugen. Urkundlich erwähnt wurde Biesingen erstmals in den Protokollen des Klosters St. Gallen im Jahr 759 mit dem Namen Boa­ singheim, welcher sich in der Zeitspanne von 800 Jahren von Busenheim, Biesenheim, Büsingen bis zu der heutigen, gültigen Schreibweise Biesingen geändert hat. Über St. Gallen kam Biesingen in den Besitz des Klosters Buchau, Reichenau und Überlingen, 20

wurde Biesingen dann letztendlich der evan­ gelischen Pfarrei Öfingen zugeordnet. Ihre erste Kirche bauten die Biesinger im Jahr 1618. Erst 23 Jahre später konnte man in Bie­ singen den eigenen Friedhof einweihen. Als schweren Schicksalschlag in der Geschichte Biesingen war der Großbrand im Jahr 1902, dem neben 25 Häusern auch die Kir­ che und die Schule zum Opfer fielen. Was zunächst ein großes Unglück war, stellte sich bald als einmalige Chance für die Entwick­ lung des Ortes heraus. Es wurden durchweg schönere und größere Gebäude erstellt mit einer offenen und für die damalige Zeit groß­ zügige Gestaltung des Ortskerns. Die wirt­ schaftliche und ökonomische Entwicklung ist geprägt von der Lage der Gemarkung Bie­ singen auf einer Meereshöhe von 720 m über dem Meeresspiegel. Biesingen verfügt mit 280 ha über eine relativ kleine Gemarkung. Dem guten und fruchtbaren Boden ist es zu verdanken, daß in Biesingen eine gute Land­ wirtschaft betrieben werden kann. Weil Bie­ singen über keinen Waldbesitz verfügt, galt es über viele Jahrzehnte als arme „G’mond“. Es war deshalb schwer und nur dem unbeug­ samen Willen der Bevölkerung zu verdan­ ken, größere Investitionen zu tätigen. Es ist deshalb erwähnenswert, daß recht früh eine eigene Wasserversorgung, Kindergarten, ein Gemeindehaus für Flüchtlinge und sozial schwache Familien sowie eine Leichenhalle auf dem Friedhof erstellt werden konnte. Viele Einwohner nahmen die Gelegenheit wahr, in der Industrie und im Handwerk ihr Brot und Lebensunterhalt in den umliegen­ den Städten, hauptsächlich in Schwennin­ gen zu verdienen. Aus bescheidenen Anfangen heraus kann heute festgestellt werden, daß Biesingen über Kirche vor dem Brand 21

Industriebetriebes fahrt und die Neugestaltung der angrenzen­ den Straßen und Plätze. Durch die Ansied­ lung eines im neu erschlossenen Gewerbegebiet ging ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. In Biesingen ein Haus zu bauen, war über lange Zeit nur dann möglich, wenn von Haus aus eine Bau­ lücke zur Verfügung stand. Das änderte sich erst, als 1983 ein privater Bauträger das lang ersehnte Baugelände „Hinter den Häusern“ erschloß. Zu einem liebens- und lebenswerten Gemeinwesen mit 420 Einwohnern gehören auch die Vereine und Institutionen. So sind in Biesingen 3 mitgliederstarke Vereine mit gutem Erscheinungsbild vorhanden. Die Landfrauen, der Radfahrer- und der Gesang­ verein wetteifern untereinander. Die Feuer­ wehr mit ihrem Spielmannszug runden das Ganze ab. Wenngleich sich in Biesingen eine Ent­ wicklung vom reinen Bauerndorf zur Wohn­ gemeinde vollzogen hat, so darf noch festge­ stellt werden, daß der gern gewollte bäuerli­ che Charakter erhalten werden konnte, was auch die Bewertungskommission „Unser Dorf soll schöner werden“ lobend herausge­ stellt hat. Willi Schnekenburger En Gschiideli ,,Gerold, giischt du mier e Helgli, wenn ech dier sag jetzet glii, wa doo i mim Hosesäckli, ganz gwiß Gott, word dinne sii?“ ,,Lothar, gell, du duescht nitt schwindle, guckischt zwar ganz bschisse drii. Hai, zoag’s mier, wa d‘ häscht im Säckli, guck, des Helgli ghört no dii!“ ’s nimmt dear Luuser gschnäll ’s nätt Helgli, kehrt no um si Säckli noch. ,,Gigeligägs, do kascht jetz gucke, siehscht, im Sack do ischt … e Loch!“ Gottfried Schafbuch eine gute Struktur als wirtschaftliche Grund­ lage verfügt. Durch die im Jahre 1965 durchgeführte, klassische Flurbereinigung wurde den Land­ wirten durch die Aussiedlung von 3 Anwe­ sen und Zusammenlegung der Flächen gute Voraussetzungen geschaffen. Auch das Hand­ werk und Dienstleistungsbereich erfuhren nach dem Krieg eine enorme Entwicklung. Ein bedeutsamer Schritt in der Geschichte war die im Zuge der Verwaltungsreform voll­ zogene Eingemeindung nach Bad Dürrheim. Bürgermeister Weissenberger hat es durch seine Argumente verstanden, daß im Jahre 1971 über 90 O/o der wahlberechtigten Bürger für die Eingemeindung nach Bad Dürrheim stimmten. Durch großzügige Bereitstellung finan­ zieller Mittel von Seiten Bad Dürrheims ent­ wickelte sich in Biesingen eine gute Infra­ struktur. So war es möglich, den gesamten Ort neu zu kanalisieren. Die verkehrsmäßige Entlastung des Ortes wurde durch den Bau einer Umgehungsstraße gelöst. Das Ortsbild profitierte durch den Ausbau der Ortsdurch- 22

das württembergische Wappen: drei schwarze Hirschstangen in gelbem (golde­ nem) Schild.“ Doch lehnte der Gemeinderat diesen Entwurf ab und wünschte das alte Gemeindesiegel beizubehalten. Und tat­ sächlich wurden die alten Siegel einfach wei­ tergeführt. Erst 1958 riet das Generallandesarchiv der Gemeinde, den Baum doch in einen Wap­ penschild zu setzen. Es folgte einiges Hin und Her; auch wurde nachgefragt, um welche Baumart es sich wohl handle, da das der flächigen Baumkrone nicht anzusehen sei. Die Gemeinde antwortete, ,,daß der Baum in dem Gemeindesiegel eine Linde sein soll.“ Im April 1960 lieferte das GLA einen ansprechenden Entwurf, dem der Gemein­ derat zustimmte. Doch ist das schöne Wap­ pen bereits am 1. September 1971 durch die Eingemeindung nach Bad Dürrheim erlo­ schen. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Donaueschin­ gen. – GLA Wappenkartei, Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei, Schwarz­ wald-Baar-Kreis. – K. Schnibbe, Gemeinde­ wappen im ehern. Landkreis Donaueschingen, in: Schriften des Vereins J Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). Das Wappen von Biesingen Wappen: In Silber eine grün-belaubte, bewurzelte schwarze Linde. Der seit 1444 württembergische Ort kam erst 1810 zum damaligen Großherzogtum Baden. Seither erst durfte Biesingen ein eige­ nes Siegel führen. Etwa um die Mitte des vo­ rigen Jahrhunderts enthielt ein schöngesto­ chenes Siegel mit der Umschrift BÜRGER­ MEISTERAMT: BIESINGEN einen ent­ wurzelten Baum, Palmzweigen umrahmt. Und seither zeigten die Gemein­ desiegel immer einen Baum. von Hieran anknüpfend schlug 1903 das Generallandesarchiv Karlsruhe folgendes Wappen vor: ,,Im weißen (silbernen) Schild ein entwurzelter Baum (bisheriges Siegel­ bild) in natürlicher Farbe, auf dessen Stamm Das erste Dorf an der Donau Pfohren Die Pfohrener sind stolz auf ihr Dorf Dieser Stolz wird auch nicht dadurch be­ einträchtigt, daß Pfohren bei der Gemeinde­ reform 1971 seine Selbständigkeit verloren hat und seither ein Teilort der Stadt Donau­ eschingen ist. Forrun ist der Name, mit dem Pfohren 817 erstmals in Erscheinung getreten ist. Er ist nicht ohne weiteres einzuordnen, wo auf der alemannischen Baar die Ortsnamen übli- cherweise mit -ingen, -heim und -hofen enden. Der Historiker Dr. Volkhard Huth ist der Meinung, daß der Name Pfohren vorale­ mannischen Ursprungs ist und vermutlich auf eine keltische oder römische Ansiedlung zurückgeht. Es gibt auch noch andere Deu­ tungsversuche. So wurde bisher angenom­ men, daß sich der Name von der Föhre ablei­ tet: Pfohren -das Dorf bei den Föhren. Eine andere Auslegung geht in ähnliche Richtung. 23

Hier wird vermutet, daß Pfohren seinen Namen vom Lauch – Porree – erhalten hat. Eine weitere Deutung leitet den Namen aus dem römischen porta ab. Danach wäre Pfoh­ ren, ähnlich wie Pforzheim, als porta silva nigra das Tor zum Schwarzwald gewesen. Aus der Geschichte Über Pfohrens Geschichte ist nicht viel bekannt. Bedeutende Ereignisse sind nicht zu verzeichnen. Da,ß Kaiser Karl III – ge­ nannt der Dicke -hier im Sumpf erstickt sein soll, ist nur eine Sage. Tatsächlich ist dieser Nachfahre Karl des Großen im Nachbarort Neudingen gestorben. Die besonderen Ereignisse in der Pfohre­ ner Geschichte dürften für die Pfohrener nicht von erfreulicher Natur gewesen sein. Erfreuliches dürften die Pfohrener nicht ein­ mal den Besuchen von Kaiser Maximilian I in den Jahren 1507 und 1510 abgewonnen haben. Dieser hatte nachgewiesenermaßen jeweils für einige Tage in der Entenburg logiert. Da er jeweils mit großem Gefolge zu 24 reisen pflegte, war die Verköstigung der Rei­ segesellschaft mit großem Aufwand verbun­ den. Daß man unter diesen Umständen auch in Pfohren die hohen Gäste lieber gehen als kommen sah, ist verständlich. Noch weniger freute man sich über die Gäste, die kriegeri­ sche Auseinandersetzungen mit sich brach­ ten. Diese Fälle hatte es leider auch in Pfoh­ ren oft gegeben. Truppendurchmärsche und Einquartierungen bedeuteten nicht nur Begegnungen mit einem rauhen Soldaten­ volk; oft waren damit Zwangsrequirierungen von Nahrungs- und Erntevorräten, Vieh, Zugtieren sowie Wohn- und Schlafräumen und nicht selten persönliche Dangsale ver­ bunden. Manchmal zündeten durchzie­ hende Truppen auch noch Häuser und Scheunen an. So wurde beispielsweise 1704 von franzözischen Truppen das halbe Dorf in Schutt und Asche gelegt. Auch die Kirche war damals ein Raub der Flammen geworden. Auch im Zusammenhang mit der badi­ schen Revolution von 1848 hatten die Pfoh­ rener Einquartierungen zu ertragen. Preu-

ßische Truppen waren diesmal die ungebete­ nen Gäste. Eingang in die Geschichte hat diese Alltagssituation der damaligen Zeit nur deshalb gefunden, weil der kommanclie­ rende General der preußischen Verbände, Woldemar van Hanneken, in Pfohren einem Herzschlag erlag. Schlechte Erinnerungen haben clie Pfoh­ rener auch an den letzten Krieg. Am 22. Februar 1945 trafen Fliegerbomben das Dorf. Acht Tote – darunter eine sechsköpfige Familie – und zehn total zerstörte Häuser sowie weitere große Gebäudeschäden waren das traurige Ergebnis. Erwerbsleben Bis in dieses Jahrhundert hinein war Pfoh­ ren ausschließlich von der Landwirtschaft geprägt. Es gab zwar einige Handwerker, ansonsten wurde das tägliche Brot und der Unterhalt der Familie durch bäuerliche Arbeit verclient. Kein Wunder also, daß Not­ jahre in der Landwirtschaft die Suche nach Alternativen begünstigte. In den vergange­ nen Jahrhunderten waren es die Auswande­ rer nach Ungarn und Rumänien und danach nach Nordamerika, die aus diesem Grund ihre Heimat verließen. Manch Pfohrener hat dabei sein Glück gefunden; viele gehörten aber auch zu den Glücklosen. Eine Erwerbsmöglichkeit besonderer Art bescherte den Pfohrenern clie Donau. Sie hat im Lauf von Jahrtausenden auf der Pfohrener Gemarkung mächtige Kiesbänke abgelagert. In den Dreißiger Jahren wurde dieser Roh­ stoff aus dem Donaubett ausgebaggert. Die intensivere Ausbeute der Kiesbänke führte weg von der Donau. Der Kiesabbau wurde über der Bahnlinie im freien Feld und unter günstigeren Bedingungen fortgesetzt. Noch viele Jahre werden am Pfohrener Riedsee die Baggerlöffel ins Grundwasser tauchen und den begehrten Baurohstoff zutage fördern. Indirekt hat der Kiesreichtum Pfohrens auch zur Ansiedlung des größten Pfohrener Gewerbebetriebs, der Firma MalJbeton, geführt. Diese hatte sich bei ihrer Standort­ orientierung am Rohstoff Kies ausgerichtet. Heute noch bezieht sie den Grundstoff für die Herstellung von Betonteilen aller Art aus den reichen Lagerstätten vor ihrer Haustüre. Aus kleinen Anfangen heraus hat sich die Firma seit 1952 zu einem führenden mittel­ ständischen Unternehmen der Baubra�che entwickelt. Neben der Herstellung von Stei­ nen und Betonfertigteilen hat die Firma Mailbeton bereits den Schritt in die Zukunft getan. Ihre Spezialität in der Umwelttechnik sind beispielsweise Kleinkläranlagen und Benzinabscheider; beides Einrichtungen zur Abwasserreinigung und für den Gewässer­ schutz. Auch auf den Kiesabbau zurückzuführen ist die Ansiedlung der Bitumenmischanlage der Firma Fischbach, einem weit über Donaueschingen hinaus tätigen Straßenbau­ unternehmen. Nicht der in unmittelbarer Nähe mögliche Kiesabbau war hier standort­ entscheidend, sondern das für diesen Betriebszweig günstige Gelände, das sich durch den Kiesabbau hier ergeben hatte. Einen weiteren interessanten Gewerbebe­ trieb erhielten die Pfohrener mit der Firma Wolfgang Pokorny, einem kunststoffverar­ beitenden Betrieb, der in wenigen Jahren stark expandierte. Viele Jahre war die Uhren­ fabrik Hauser, ein Zweigbetrieb der Firma Hauser Uhren in Weigheim, insbesondere für Frauen eine interessante Arbeitgeberin. Leider haben dieser Firma die rückläufige Konjunktur in der Uhrenindustrie nicht die gewünschte und erwartete positive Zukunfts­ entwicklung gebracht. Weitere Arbeitsplätze garantieren in Pfohren ein Galvanik-Betrieb, eine Firma zur Herstellung und zum Vertrieb von Wasseraufbereitungsanlagen, ein Stahl­ baubetrieb und mehrere Handwerksbe­ triebe. Nach wie vor ist Pfohren noch stark von der Landwirtschaft geprägt. Trotzdem kommt der bäuerlichen Arbeit bei weitem nicht mehr die Bedeutung zu, die sie in den vergangenen Jahrhunderten hatte. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg lebte fast jede Pfoh­ rener Familie von der Landwirtschaft. Nach und nach boten sich andere Erwerbsmög- 25

lichkeiten. Die Landwirtschaft wurde zu­ nächst im Nebenerwerb weiterbetrieben und dann nach und nach ganz aufgegeben. Die­ ser Prozeß dauert noch an. Es ist aber bereits heute abzusehen, daß in nicht allzuferner Zukunft die Landwirtschaft nur noch von einigen wenigen Landwirten im Hauptberuf betrieben wird. Die Grundlagen zur Bewälti­ gung der zukünftigen Arbeit sind auf den verbliebenen Bauernhöfen durch Investitio­ nen in Maschinen und sonstige technische Neuerungen geschaffen. Ebenso durch die Flurbereinigung. Darauf haben die Pfohre­ ner lange gewartet und haben dadurch viele Erschwernisse in der Bewirtschaftung ihrer Felder auf sich genommen. Reges Vereinsleben Als am 31. Dezember1971 die Selbständig­ keit der Gemeinde Pfohren mit der freiwilli­ gen Eingliederung in die Stadt Donau­ eschingen endete, sahen nicht wenige Pfoh­ rener die historisch gewachsene Dorfge­ meinschaft in Gefahr. Heute, rund 20 Jahre danach, ist festzustellen, daß sich diese Befürchtungen nicht bewahrheitet haben. Das dörfliche Zusammenleben ist lebendi­ ger denn je. Der Grund hierfür ist hauptsäch­ lich im Vereinsleben der Dorfgemeinschaft zu suchen. Insgesamt zwölfVereine sind des­ sen Gestalter und für fast alle Interessenbe­ reiche besteht ein Angebot. Hinzu kommen Interessenvereinigungen, wie der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV), die örtliche Berufsorganisation der Land­ wirte, die Raiffeisen-Warengenossenschaft und der Fleischabnahmeverein. Eine bedeu­ tende örtliche Hilfseinrichtung ist der Kran­ kenverein. Er gewährleistet für seine Mitglie­ der im Bedarfsfalle über die Donaueschinger Sozialstation die häusliche Krankenpflege und ist darüber hinaus der Träger des Pfohre­ ner Kindergartens. Dominierend im Pfohrener Vereinsleben sind Sport, Musik und Gesang. Der sport­ liche Bereich wird in Pfohren abgedeckt durch den Fußballverein, den Tennisclub 26 und die Motorsportfreunde. Der traditions­ reichste dieser drei Vereine ist der Fußball­ club. Neben guten sportlichen Erfolgen ste­ hen für eine erfolgreiche Vereinsarbeit der Neubau eines Vereinsheimes, die Sanierung des Rasenplatzes und der Neubau eines Hartplatzes. Letzterer wurde leider beim Hochwasser vom 15. und 16. Februar 1990 fast vollkommen zerstört. Eine große Auf­ gabe hat auch der Tennisclub mit dem Bau einer Tennisanlage und eines Vereinsheimes am Riedsee gemeistert. Im kulturellen Bereich dominieren die Feuerwehrmusikka­ pelle und der Männergesangverein. Die Feu­ erwebrmusikkapelle besteht seit 1867 , der Männergesangverein wurde 1925 gegründet. Beide Vereine sind als Mitgestalter bei Festen und Feiern sowie bei besonderen Anlässen, auch im kirchlichen Bereich, das Jahr über sehr oft mit von der Partie. Besondere kirchli­ che Anlässe werden vom Kirchenchor mitge­ staltet, den es nachweislich schon seit 1865 gibt. Seit 1865 besteht die Pfohrener Feuer­ wehr. Für Notfälle jeglicher Art steht sie immer zur Verfügung. Der Pflege des Fast­ nachtsbrauchtums hat sieb die Schnufer­ zunft verschrieben. Die Symbole der Pfohre­ ner Fastnacht sind Schnufer und Burghexe. Abgerundet wird das Pfobrener Vereinsleben vom Angelsportverein, dem Landfrauenver­ ein, der Landjugend und der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG). Der Storch – auch auf der Baar ein seltener Vogel Der Storch gehört in Pfohren fast genauso zum öffentlichen Leben wie beispielsweise die Musikkapelle und der Fußballclub. Viel­ leicht gilt ibm sogar noch mehr Aufmerk­ samkeit. Der Storch nistet und brütet in Pfohren seit Menschengedenken. In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhun­ derts waren hier zeitweise sogar sieben besetzte Storchennester. Schon seit vielen Jahren ist das Pfohrener Storchen paar auf der ganzen Baar noch das einzige. Um das Wohl­ ergehen des Storches sind die Pfohrener

Die Störche in Pfohren – ihnen gilL vielfache Aufmerksamkeit Die Sonne hi!ft mit – Zum Trocknen aufgereihte To,fitücke im Pfohrener „Boschenstich“ 27

immer sehr bemüht. Dies gilt insbesondere für die Landwirte, denen der Storch beispiels­ weise beim Mähen auf den Wiesen immer gerne Gesellschaft leistet. Er geht dabei in ganz geringem Abstand hinter dem Messer­ balken oder dem Kreiselmäher her, weil sich ihm dabei offensichtlich das beste Nah­ rungsangebot auftut. Die Landwirte selbst sind immer darauf bedacht, daß dem Storch dabei nichts passiert. Vor etwa zehn Jahren erschreckte ein Einzelstorch die Pfohrener damit, daß er im Spätsommer nicht, wie üblich, auf die große Reise ging, sondern in Pfohren blieb. Als der Winter einbrach, war die Besorgnis in Pfohren groß. Man fürchtete um das Leben des Tieres. Es wurde ein Tier­ arzt engagiert, der mit einem Blasrohr und Betäubungsspritze helfen sollte, den Storch einzufangen. Dieser Versuch scheiterte. Der Storch bewies den besorgten Pfohrenern dar­ aufhin, daß er durchaus in der Lage war, den kalten Baaremer Winter zu überstehen. Er suchte sich an kalten Tagen jeweils die wärm­ ste Stelle auf einem Misthaufen. Seine Nah­ rung fand er in der Donau und lehnte es im übrigen nicht ab, noch mit Metzgereiabfäl­ len versorgt zu werden. Auch in den folgen­ den Jahren wiederholte sich dieses Schau­ spiel. Bei diesem Storch handelte es sich offensichtlich um ein Tier, das in einem Gehege aus dem Ei geschlüpft war und sei­ nen Zugtrieb verloren hatte. Zwischenzeit­ lich scheint sich bei Adebars Pfohren als gute Adresse zur Überwinterung herumgespro­ chen zu haben. Gleich mehrere Störche blei­ ben immer wieder den Winter über in dem gastlichen Ort an der jungen Donau. In der Regel kommen die Störche im Frühjahr -etwa Mitte März -nach Pfohren. Meistens kommt das Männchen zwei bis drei Wochen vor dem Weibchen. Die Zwischen­ zeit bis zu ihrer Ankunft nutzt er meistens zur Ausbesserung des Nestes. Der Flug nach Süden im Spätsommer erfolgt in der Regel Mitte August. Die Störche sind somit jeweils etwa fünf Monate in Pfohren zu Gast und während dieser Zeit für Einheimische und Fremde natürlich eine besondere Attraktion 28 und vielfach auch Fotomotiv. Es ist immer wieder ein schöner Anblick, wenn die Stör­ che auf Futtersuche über das Dorf fliegen, ich im Nest aufhalten, oder, wenn die Jung­ störche bereits flügge geworden sind, die ganze Storchenfamilie auf der Feldflur gemeinsam Nahrungssuche betreibt. Torf als Brennmaterial Pfohren hat keinen Waldbesitz. Das ist der Grund, warum die Pfohrener immer wie­ der einmal mit der Frage nach dem „Pfohre­ ner Waldhüter“ gehänselt werden. Der Man­ gel an Brennholz war auch der Grund, warum sich die Pfohrener nach alternativen Energien umsehen mußten. Sie machten sich die auf der Gemarkung gelegenen Hoch­ moore für die Gewinnung von Brenntorf zunutze. Torf wird für diesen Zweck seit Menschengedenken gestochen. Niemand kann aber sagen, wann genau das Torfste­ chen in Pfohren seinen Anfang nahm. Bekannt ist aber, daß um das Jahr 1865 der Torfstich im „Mittelmeß“ angelegt wurde. Vorher beschränkte sich die Torfgewinnung auf das Unter Birkenmoor. In diesem Jahr­ hundert wurde Torf in den Hochmooren ,,Untere Birke“, ,,Obere Birke“, ,,Mittel­ meß“, ,,Röhrling“ und „Hinter dem Berg“ gestochen. Der Torfstich „Hinter dem Berg“ befand sich in privater Hand und wurde nur in kleinerem Umfang genutzt. In den Zwanziger Jahren dieses Jahrhun­ derts gewann man in Pfohren Brenntorf in größerem Umfang. Torf als Hausbrand wurde damals auch nach Villingen und Schwenningen geliefert. Der Einsatz dieser Alternativenenergie war notwendig gewor­ den, als 1923 nach der Besetzung des Ruhr­ gebiets durch die Franzosen für rue Industrie nicht mehr genügend Kohle zur Verfügung stand. Die Pfohrener nutzten in der damali­ gen schweren Zeit die Gelegenheit, ihr karges Einkommen etwas aufzubessern. Für den Transport der Torfstücke zum Trockenplatz war sogar eine Rollbahn eingerichtet worden. Gestochen wurde der Torf in der Regel in

der Zeit vom 15. bis 30. Mai eines jeden Jah­ res. Zu Zeiten der stärksten Nutzung wurden in Pfohren etwa zwei Millionen Stück Torf pro Jahr gestochen. Zur Beheizung des Rat­ hauses, der Schule und der Kirche benötigte die Gemeinde rund 100.000 Stück Torf. Wie in den meisten privaten Haushalten auch, hat hier die ölbetriebene Zentralheizung den Torf als Energieträger längst abgelöst. Heute gehört das „Boschenstechen“ in Pfohren bereits der Vergangenheit an. Ernst Zimmermann Nachdem durch die Rheinbundakte 1806 Fürstenberg an Baden gefallen war, konnten die Gemeinden eigene Siegel führen. Die Pfohrener Siegel zeigten anfangs nur Schrift, später dann landwirtschaftliche Symbole (Garbe, Sense, Dreschflegel). Erst im Februar 1903 schlug das großher­ zoglich badische Generallandesarchiv Karls­ ruhe obiges Wappen vor, das von der Gemeinde angenommen wurde. Es zeigt die Jagdsymbole, umgeben vom Wolkenfeh­ Schildrand in Anlehnung an das fürstenber­ gische Wappen. Da Pfohren am !.Januar 1972 in die Stadt Donaueschingen eingemeindet wurde, ist das Wappen erloschen. Klaus Schnibbe Qyellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Donaueschin­ gen. – G LA-Wappenkartei, Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA-Siegelkartei, Schwarz­ wald-Baar-Kreis. – K. Schnibbe: Gemeinde­ wappen im ehemaligen Landkreis Donau­ eschingen, in: Schriften d. Vereinsf Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). schaft geprägte Dorf war ausschließlich auf dem Wohlstand von Ackerbau und Vieh­ zucht gegründet. Trotz vieler Neuerungen hat Döggingen seinen dörflich-ländlichen Charakter bis heute erhalten können. Die Geschichte des Ortes reicht weit zurück. Zu den Dorfadligen zählten Waldo de Decgingen (1083), S. Otwini de Teggingi 29 Das Wappen von Pfohren Wappen: Von blau-silbernem Wolkenfeh-Schild­ rand umgeben, in Rot zwei schräggekreuzte sil­ berne Jagdspeere, überlegt von einem linksgeltJen­ deten, goldbeschlagenen silbernen Hifthorn an goldener Fessel. Die Jagdsymbole im Wappen beziehen sich auf das unter dem Namen „Entenburg“ bekannte Jagdschloß, das Graf Heinrich von Fürstenberg im Jahre 1471 bei diesem schon früh fürstenbergischen Ort erbauen ließ. Döggingen Auf der Wasserscheide von Rhein und Donau liegt in der Westbaar zwischen 600 bis 800 Meter Höhe Bräunlingens größter Stadtteil Döggingen. Döggingen wird vom angrenzenden Landkreis Freiburg-Hoch­ schwarzwald durch die Gauchach getrennt und ist durch die B 31 in zwei Teile gespalten. Das ehedem vollkommen von der Landwirt-

(1102), Heinrich der Tegginger (1353), Hans Burckhart von Teck.ingen (1484) und Hans Ramhart der elter von Teck.ingen. Auch ein Schloß im nahen „Burgtal“ soll bestanden haben, Urkunden darüber lassen sich jedoch nicht finden. Dennoch waren Überreste davon bis zur Jahrhundertwende vorhan­ den. Das Dorf selbst wird erstmals am 26. November 1123 erwähnt. Der Abt von Rei­ chenau, Oldalrich, und Abt Werinher von St. Georgen tauschten Güter in Döggingen gegen solche in Friedenweiler. Das ehemals dort ansässige Frauenkloster verfügte über einen ansehnlichen Besitz in der Gemeinde. Auch das Kloster St. Blasien hatte gegen Ende des 13.Jh. einige Besitzungen auf der Gemarkung. Die Geschichte Döggingens reicht jedoch weiter zurück; dies beweisen die zahlreichen Keltengräber (Tumuli) um Döggingen und den benachbarten Orten. Im nahegelegenen Deggenreuscher Wald legten die Professoren P. Revellio und G. Rieger eine „villa rustica“, einen römischen Gutshof, frei. An Döggin- 30 gen vorbei führte eine Römerstraße durch das obere Gauchachtal nach Löffingen und weiter bis nach Freiburg. Nicht zu übersehen sind auch die Spuren der Alemannen. Die frühesten Alemannensiedlungen erkennt man an ihren Namen. Vorderhand waren es Perso­ nennamen, die den Ort bezeichneten. Die Nachsilbe ,,-ingen“ drückte ein Zugehörig­ keitsverhältnis aus. Döggingen bedeutet zunächst „bei den Leuten des Tacco“. Zahl­ reiche Funde, bei Ausgrabungen von Rei­ hengräbern freigelegt, lassen auf ein Grün­ dungsdatum im 6. Jahrhundert schließen. Die Schreibweise des Dorfnamens hat sich im Verlaufe der Jahrhunderte mehrmals gewandelt: aus Docgingen (1086) wurde Teg­ gingen (1123), Tegkingen (1431), Deckingen (1529), Thöckhingen (1627) und schließlich Döggingen im Jahre 1792. Der Ort war bis 1806 der Landgrafschaft Baar zugehörig und ging danach in den Besitz des Großherzog­ tums Baden über. Gelegen an einer strate­ gisch wichtigen Straße, die von der Baar über Freiburg nach Frankreich führte, hatte das

Dorf des öfteren unter kriegerischen Ausein­ andersetzungen zu leiden. Durchmarschie­ rende Truppen und Plünderungen während des Bauernkrieges, des Dreißigjährigen Krie­ ges und des Spanischen Erbfolgekrieges wollten kein Ende nehmen. Zweimal wurde Döggingen niedergebrannt. Das erste Mal 1632, zum zweiten Mal 1704. Nach dem Frie­ den zu Utrecht standen in Döggingen noch drei Häuser und der Kirchturm, der Rest des Dorfes war in Schutt und Asche versunken. Ins 13. Jh. geht der Beginn der Pfarrei zurück. Bereits 1275 gab es einen Vizepleba­ nus (Leutepriester). Die erste Kirche wird 1324 erwähnt, 1505 wird die „Mauritiuskir­ che“ erstmals genannt. In den Jahren 1530 bis 1550 waren Pfarrei und Pfarrpfründe einge­ gangen. Die Gemeinde wurde bis 1694 von der Pfarrei Unadingen mitversorgt. Über die engere Heimat hinaus bekannt wurde der einheimische Maler Ignaz Weißer (1809- 1880). Die meisten seiner Portraits befinden sich in Privatbesitz. Er steht in einer Reihe mit den einheimischen Schwarzwaldkünst­ lern. Im Gasthaus „Adler“ wurde in Erinne­ rung an Weißer 1966 die „Ignaz-Weißer­ Stube“ eingerichtet. Dort zieren einige Ori­ ginale von ihm die Wände des schmucken Nebenzimmers. Auch eine Dorfstraße ist nach ihm benannt. Über Jahrhunderte hinweg war Döggin­ gen wie die meisten Orte auf der Baar ein Dorf, das vorwiegend durch die Landwirt­ schaft geprägt war. 1925 zählte man 130 bäu­ erliche Betriebe, bei einer Bevölkerung von 650 Einwohnern. Mit dem Einzug der Tech­ nik in den dreißiger Jahren begann sich das Bild zu wandeln. Traktoren verdrängten die Gespanne und auch in anderen Bereichen wurde die Kraft von Mensch und Tier durch Maschinen ersetzt. Die technische Entwicklung führte im Laufe der Zeit auch zur Gründung von Handwerksbetrieben und Firmen. 1926 nahm die Lackfabrik Frei als Familienunter­ nehmen ihren Anfang und beschäftigt heute 280 Mitarbeiter. Die Firma zählt mittlerweile zu den namhaften Industrieunternehmen Die Maun“tiuskirche, Zeichnung von Franz Wintennantel Hüfingen des Schwarzwald-Baar-Kreises. 1933 begann Wilhelm Stark mit dem Aufbau einer Bau­ stoffhandlung in Döggingen. Nach dem 2. Weltkrieg erweiterte er das Unternehmen und baute 1954 in Villingen eine Niederlas­ sung auf, die ein Jahr später zum Hauptsitz des Unternehmens wurde. Heute zählt das Dorf25 Gewerbebetriebe, in denen auch zahlreiche Pendler aus dem Städtedreieck Arbeit finden. In den sechziger Jahren entstand eine nachhaltige Diskussion um die Gemeindere­ form. Bereits am 10. Oktober 1970 befaßten sich Bürger und Gemeinderäte mit der Frage der Eingliederung. Die Bürgerschaft äußerte den Wunsch, nicht nur mit Hüfingen, -dies entsprach dem Ziel der Reformplaner-son­ dern auch mit Bräunlingen in Verhandlung zu treten. Am 6. Dez.1970 schließlich kam es zur endgültigen Abstimmung: 299 Bürger (82,1 %) stimmten für den Anschluß nach Bräunlingen, 61 Bürger (17 %) dagegen. Der 31

Rathaus von Döggingen Abstimmung gingen lange und zähe Ver­ handlungen voraus. Die beiden Bürgermei­ ster Karl Schneider und Karl Ketterer unter­ schrieben „in gutem Geiste und ohne Vor­ behalte“ die Vereinbarungen des Vertrags­ werkes. Durch die Eingliederung Döggin­ gens war auch die Eigenständigkeit Bräunlin­ gens gesichert. Für Mittelpunktsgemeinden forderten die Reformer eine Mindestzahl von 5000 Einwohnern. Bräunlingen zählte nach der Eingemeindung von Döggingen 4977 Einwohner und hatte damit das Soll erfüllt. Mit dem 1. Januar 1971 wurde Döggingen größter Stadtteil von Bräunlingen unter der Bezeichnung „Stadt Bräunlingen, Stadtteil Döggingen“. In der Ortschaftsverfassung i t dem Stadtteil eine gewisse Selbständigkeit garantiert. So entsendet die Gemeinde z.B. drei Stadträte ins Stadtparlament von Bräun­ lingen, und acht Ortschaftsräte – an der Spitze der Ortsvorsteher-tragen die Belange der Dögginger Bevölkerung vor. Im Rathaus des Ortes verblieb bis heute die örtliche Ver- waltung. In dem geschlossenen Vertrag zwi­ schen Bräunlingen und Döggingen wurde festgelegt, folgende Maßnahmen durchzu­ führen: Erweiterung des Friedhofes und Bau einer Einsegnungshalle, Ausbau der Orts­ straßen und Gehwege, einen Zuschuß für den kirchlichen Kindergartenbau mit Schwesternhaus, Installierung einer Straßen­ beleuchtung und die Erschließung des Bau­ geländes im „Dürben“. Seit dem Wegzug von Pfarrer Franz Duff­ ner (1978) wird die Pfarrei vom Bräunlinger Stadtpfarrer verwaltet. Dankbar und froh sind die Dögginger, daß Pfarrer Engelbert Schneider – vormals Stadtpfarrer in Meers­ burg – seinen Ruhesitz in Döggingen gewählt hat. Trotz der Eingemeindung hat sich Dög­ gingen eine örtliche Eigenständigkeit be­ wahrt. Dafür sorgen schon die Vereine, die allesamt von der Stadt Bräunlingen Unter­ stützung erhalten. Die älteste Vereinigung des Dorfes ist die Feuerwehr, die 1865 gegründet worden ist. 32

Noch im selben Jahr gliederte sich die Feuer­ wehrkapelle an, aus der im Laufe der Zeit der Musikverein Döggingen hervorging. Kir­ chenchor und Gesangverein sind zwei wei­ tere wichtige Kulturträger in der Gemeinde. 1964 schlossen sich die Fußballer in der Sportvereinigung Döggingen zusammen. Eine sehenswerte Sportanlage mit Clubhaus beweist, was Eigenarbeit der Mitglieder mit der Unterstützung der Stadt zu leisten ver­ mag. Die Gründung des DRK Ortsverban­ des wurde beschleunigt durch das furchtbare Omnibusunglück am 6. Februar 1949 beim „Alten Posthaus“. Bei diesem Unfall fanden 22 Menschen den Tod und mehr als 44 Omnibusinsassen trugen z. T. schwere Ver­ letzungen davon. Dem Dögginger Ortsver­ band sind auch noch die Ortsverbände der Hüfinger Stadtteile Hausen vor Wald und Behla angegliedert. Die Frauen schlossen sich 1949 im Landfrauenverein oder in der Katholischen Frauenschaft zusammen. Eine noch junge Vereinigung_ ist der Drachenflie­ ger-Club Döggingen. Uber die närrischen Fastnachtstage regiert die Gauchenzunft – Mitglied der Schwarzwälder Narrenvereini­ gung – und stellt das ganze Dorf auf den Kopf. Der Fremdenverkehrsverein ist das jüngste Mitglied unter den Vereinen Döggin­ gens. 1979 von zwölf Initiatoren ins Leben gerufen, zählt er heute 40 Aktive. Diese sind darauf bedacht, die Gäste zu betreuen und die Wanderwege auszubauen. Erfreulich ist die große Zunahme der Übernachtungen. Wanderer und Wissenschaftler steuern übers Wochenende Döggingen als Naherho­ lungsziel an, bergen doch die wildromanti­ sche Gauchach- und Wutachschlucht in sich eine Fülle erdgeschichtlicher, botanischer und zoologischer Einzigartigkeiten. Der Ort ist die Anfangs- und oft auch Endstation sol­ cher Wanderungen oder wissenschaftlicher Exkursionen. Diese Raumschaft ist unter Fachleuten bekannt als eines der geologisch interessantesten Gebiete Deutschlands über­ haupt. Die Einwohnerschaft des inzwischen fast 1000 Seelen zählenden Dorfes bildet in sich eine Einheit. Alle Bürger äußern seit Jahr­ zehnten den Wunsch, die stark befahrene B 31 umzuleiten. Döggingen wird noch bis heute – Ebnet ausgenommen – als einzige Ortschaft zwischen Donaueschingen und Freiburg durch den zunehmenden Verkehr arg in Mitleidenschaft gezogen. Bund und Land haben Abhilfe fur diesesJahrzehnt ver­ bindlich zugesagt. Eine Untertunnelung soll die lärm- und abgasgeplagten Einwohner erlösen. Damit hofft man, der Gemeinde ein Stück Wohn- und Lebensqualität zurückzu­ geben, die dem Fortbestand und der weite­ ren Entwicklung nur dienlich sein können. Werner Dold ,f ,r Uff Kerbig kumme D‘ Kerbig ischt, laß d‘ Aarbet schtau, kascht mit mier gi danze gau; Walzer, Schottisch, hopsassa. Juhu, d‘ Musik fangt glii aa. Jörgli, mit dier danz ech nitt, mach dier nitt de Guetgnueg hitt; rännscht mier z’ville Scherzli noo. Se-do, nimm des Körbli doo. Guck, ech mag dech selli doch, bischt mii Schätzli aliwiil noch. lber’s Johr, wenn’s du witt haa, schteck ech dier de Ehring aa. Bhaalt dii Ringli, s‘ ischt ko Gold. Du bischt z’ville Meidli hold, schneigischt iberaal jo umme. Mier kascht du uff d’Kerbig kumme. Kätherli, leb wohl, bliib gsund. Fer mech schleet jetz d‘ Abschiidsschtund. Trag min Schmerz i d‘ Fremdi glii, glückli därf ech hie nitt sii. Scherzlijäger, s‘ gschieht dier reacht, häscht a mier jo ghandlet schleacht. Schnier din Binde!, treischt nitt schwär, de ischt we ’s Herz so liicht und leer. Gottfried Schafbuch 33

gen eine der ersten Gemeinden, die an die badische historische Kommission herantrat mit dem Wunsch, ein Wappen „mit ge­ schichtlichen Bezügen“ zu erhalten. Der Vorschlag des großherzoglich badi­ schen Generallandesarchivs Karlsruhe fand sofort Beifall des Gemeinderats, und schon im Spätjahr 1895 prangte das Wappen im neugestochenen Gemeindesiegel. Und so wurde es seither geführt. Am l.Januar1971 verlor Döggingen seine Selbständigkeit durch Eingemeindung in die Stadt Bräunlingen. Das Wappen ist damit für den amtlichen Gebrauch erloschen. Klaus Schnibbe Das Wappen von Döggingen Wappen: Gespalten von Blau und Cold, vom ein linksgewendeter, rotgezungter goldener Löwe, eine rotgestielte silberne Streitaxt in den Pranken hal­ tend, hinten ein blaubewehrter, rotgezungter roter Adler. Wir sehen hier eine Zusammenstellung des Wappens der Herren von Zimmern, die hier Besitz der Grafen von Fürstenberg zu Lehen hatten, mit dem Adler aus dem für­ stenbergischen Wappen. Erst seit der Ort 1806 mit Fürstenberg zu Baden geschlagen wurde, führte die Gemeinde eigene Siegel, die allerdings nur Alte Weide gegenüber der „Fischersäge“ an der ehern. Bregtalbahntrasse 34

Behörden und Organisationen Die Polizei, die Umwelt und der Verbraucherschutz Ein Beitrag über den Wirtschaftskontrolldienst Seit 1957 gibt es in Baden-Württemberg den Wirtschaftskontrolldienst (WKD), den Fachdienst unserer Polizei mit ganz beson­ derem Aufgabengebiet. Zum Wirtschaftskontrolldienst können sich nur ausgebildete Polizeibeamte bewer­ ben, die bestimmte fachliche und persönli­ che Voraussetzungen erfüllen und bereit sind, sich einer zusätzlichen 18monatigen WKD-Ausbildung zu unterziehen. In unserem Bundesland Baden-Württem­ berg haben die WKD-Beamten eine Doppel­ funktion: Sie sind Polizeibeamte mit allen strafpro­ zessualen und polizeirechtlichen Rechten und Pflichten. – Zugleich sind sie Lebensmittelkontrol­ leure, ebenfalls mit allen Rechten und Pflichten, die das bundesdeutsche Lebens­ mittelrecht für Kontrolleure vorsieht. – Diese Kombination von Polizeibeamter und Lebensmittelkontrolleur hat sich sehr gut bewährt. Aufgabengebiete der polizeilichen Wirt­ schaftskontrolldienste: – Da ist zunächst der Umweltschutz zu nennen, von dem ja alle gern und häufig reden. Der Gesetzgeber hat bestimmte umweltgefährdende und umweltschädi­ gende Handlungsweisen mit Strafen oder mit Geldbußen bedroht. Mit Absicht oder auch durch Fahrlässig­ keit werden häufig gefährliche Stoffe in unsere Oberflächengewässer oder in das Grundwasser eingeleitet und deren Beschaf­ fenheit nachteilig verändert. Abfälle werden oft nicht ordnungsgemäß entsorgt, sondern so, daß der Boden, das Wasser oder die Luft nachhaltig verunreinigt wird. Zudem sorgen Altlasten immer wieder, auch im Schwarz­ wald-Baar-Kreis, für neue Schlagzeilen. Die Sünden und die Sorglosigkeiten in den vergangenen Jahren beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, insbesondere im industriellen Bereich, rächen sich jetzt bitter. Natürlich steht bei den Altlasten die oft kaum zu finanzierende Entsorgung im Vordergrund. Aber nicht immer sind die Taten verjährt. Manche Stoffe gelangen erst nach Jahren oder gar nach Jahrzehnten ins Grundwasser (z. B. chlorierte Kohlenwasser­ stoffe). Erst nach Abschluß dieses Vorganges setzt die strafrechtliche Verjährung ein. Die Umweltdelikte von heute sind die Altlasten von Morgen. So versucht der Wirt­ schaftskontrolldienst der Polizeidirektion Villingen-Schwenningen mit Gewässerbege­ hungen mit dem Wasserwirtschaftsamt Rott­ weil -Außenstelle Donaueschingen -, mit Hubschrauberflügen und auf andere Weise umweltrelevante Sachverhalte rechtzeitig zu erkennen und zu verfolgen. Natürlich wird hierbei eng mit dem Amt für Umweltschutz des Landratsamtes Schwarzwald-Baar-Kreis zusammengearbeitet, das zur Beseitigung der umweltwidrigen Zustände entspre­ chende Anordnungen erläßt. – Schwarzarbeiter und ihre Auftraggeber aufzuspüren und ihnen ihr sozialschädi­ gendes Treiben nachzuweisen, ist ein wei­ terer Aufgabenkomplex des Wirtschafts­ kontrolldienstes mit hoher Aktualität in Zeiten mit relativ vielen Arbeitslosen. Dabei geht es nicht nur um den Schutz der legalen Gewerbetreibenden vor den ,,schwarzen Konkurrenten“, die aus ver­ ständlichen Gründen billiger arbeiten und produzieren können, sondern auch um35

—····· 11 – . Altlast bei einer Industrieruine. Landratsamt und WKD bei gemeinsamer Lageerkundung Tatort Umwelt 36

WKD-Beamter und tierärztliche Sachverständige bei gemeinsamer Betriebskontrolle die Schäden in Milliardenhöhe, die den Trägem der Renten- und Krankenversi­ cherung und natürlich dem Finanzamt entstehen. – Wettbewerb ist ein wesentlicher Pfeiler unserer Marktwirtschaft. Er muß jedoch fair sein und sich in dem vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen bewegen. Werbung muß wahr, also „lauter“ sein. Unlauterer Wettbewerb, also „schwindeln“ beim Waren- und Leistungsangebot kann die Polizeibeamten des Wirtschaftskontroll­ dienstes ebenfalls auf den Plan rufen. Der lautere Wettbewerb beginnt natürlich schon mit der korrekten Preisauszeich­ nung. Schließlich muß der Verbraucher wissen, wieviel er zu bezahlen hat. Schon so mancher Gewerbetreibende im Schwarzwald-Baar-Kreis wurde mit einem Bußgeld belegt, weil er die Verbraucher über die Preise seiner angebotenen Waren oder Leistungen im unklaren gelassen hat. – In Gaststätten, Metzgereien, Bäckereien und allen anderen Betrieben vom Herstel- ler bis zum Händler werden unvermutet Betriebskontrollen durchgeführt. Hier wirken auch meistens tierärztliche, gele­ gentlich auch ärztliche und chemische Sachverständige mit. Beanstandungen werden nach ihrer Schwere geahndet: die Möglichkeiten rei­ chen von der freundlichen Ermahnung bis zur Strafanzeige an die Staatsanwalt­ schaft. In gravierenden Fällen kann es auch zur Betriebsschließung durch die zuständige Behörde kommen. Jährlich werden im Schwarzwald-Baar­ Kreis ca. 1300 Proben von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen entnommen. Neben der ordnungsgemäßen Bearbei­ tung der Lebensmittel geht es natürlich auch um den Frischezustand und um die ordnungsgemäße Zusammensetzung. Sind die Grenzwerte für Schwermetalle oder Schädlingsbekämpfungsmittel ein­ gehalten? Ist der Farbstoff eines Spielzeu­ ges harmlos oder läßt sich durch den Spei­ chel der Kleinkinder gar Blei oder andere 37

giftige Stoffe herauslösen? Ist der vor­ geschriebene Fettgehalt eingehalten? Wie sieht es mit Krankheitserregern aus? Ist die Marrnelade gefärbt? Diese und tausend andere Fragen interessieren natürlich den Verbraucher sehr. Der Verbraucher kann sie nicht beantworten. Deshalb werden diese Lebensmittel und Bedarfsgegen­ stände vom Wirtschaftskontrolldienst eben an verschiedene Untersuchungsan­ stalten weitergegeben, damit sie kritisch unter die Lupe genommen werden. Natür­ lich wird dafür gesorgt, daß verdorbene oder sonst nicht verzehrsfähige Waren unverzüglich aus dem Angebot genom­ men werden. Neben teilweise empfindli­ chen Strafen und Geldbußen müssen die ertappten schwarzen Schafe in Einzelfälle auch mal mit der Schließung des Betriebes durch die zuständige Behörde rechnen. Zum Abschluß noch einen Blick hinter die Kulissen: Der polizeiliche Wirtschafts­ kontrolldienst hat seinen Sitz im Gebäude der Polizeidirektion Villingen-Schwennin­ gen, Stadtbezirk Villingen, In den Ziegelwie­ sen 2a. Er ist unter der Telefonnummer 0 77 21/60 11 erreichbar. In Donaueschingen gibt es noch eine Außenstelle und zwar im Gebäude des Poli­ zeireviers, Telefon 07 71/20 11. Derzeit versuchen insgesamt 9 Polizei­ beamte im Wirtschaftskontrolldienst – davon 3 in Donaueschingen – den vorge­ nannten Aufgaben gerecht zu werden. Ihr Motto ist: Den Verbraucher vor Übervortei­ lung und körperlicher Beeinträchtigung zu schützen. Adolf Schweizer Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis: Der „Weiße Ring“ hilft Kriminalitätsopfern Im Schwarzwald-Baar-Kreis besteht schon seit mehreren Jahren eine Außenstelle des “ Weißen Rings“. In einer kleinen Feierstunde am 7. Fe­ bruar 1990 wurde im Matthäus-Hummel-Saal im Stadtbezirk Villingen in Anwesenheit des Regionalvertreters für Baden-Württemberg, Herr Präsident des Landeskriminalamtes i. R. Kuno Bux, die hiesige Außenstelle reaktiviert. Aus die­ sem Anlaß wird der“ Weiße Ring“ im Schwarz­ wald-Baar-Kreis unseren Almanachlesem vorge­ stellt. Derzeit wird die Außenstelle getragen von einem Außenstellenleiter und neun Mitarbeitern. Alle sind ehrenamtlich und in der Freizeit tätig. In der Polizeilichen Kriminalstatistik des Jahres 1988 wurden mehr als 4,3 Millionen Vergehen und Verbrechen (ohne Verkehrs­ straftaten) registriert; die Zahlen für 1989 werden etwa die gleiche Größenordnung haben. Zu fast jeder Straftat gehört auch minde tens ein Opfer. Statistisch gesehen wird damit jährlich fast jeder 14. Bundesbür­ ger durch kriminelles Unrecht getroffen. 38 Etwa 46 0/o aller Straftaten werden geklärt; sie sind ca. 1,3 Millionen Tatverdächtigen zuzuordnen. Häufig stehen diese Beschul­ digten im Mittelpunkt des öffentlichen In­ teresses, man versucht, ihre Beweggründe zur Tat zu verstehen. Über dieses Täterinter­ esse wird nicht selten das Opfer vergessen, ja mit seinem Schicksal alleingelassen. Staatli­ che Hilfen sind keineswegs so ausgestaltet, wie das zu erwarten wäre. Auch das 1976 ver­ abschiedete Opfer-Entschädigungsgesetz (OEG) bietet wenig Linderung, da der tat­ sächliche Umfang der Leistungen bei weitem nicht den Erfordernissen entspricht. Haben sich schon früh in unserem Staat Hilfsorganisationen gebildet, die sich mit der Resozialisierung der Straftäter befaßten (eine Aufgabe, die unbestreitbar ebenfalls notwendig ist), so dauerte es bis 1977, bis ein Verein gegründet wurde, der sich der Opfer­ arbeit widmete: der „Weiße Ring“. Eduard Zimmerrnann, der durch seine XY-Sendung immer wieder auf menschlich großes Leid

aufmerksam wurde, unterstützt durch nam­ hafte Persönlichkeiten aus allen gesellschaft­ lichen Bereichen, war der Initiator. Der „Weiße Ring“ erhielt die Rechtsform eines eigentragenen gemeinnützigen Vereins. Viele Aufgaben, denen sich der „Weiße Ring“ verschrieben hat, sind ihrem Charak­ ter nach eine Art erweiterter Nachbarschafts­ hilfe. Sie können deshalb nur dort erfüllt werden, so sich die Kriminalität abgespielt hat und wo das Opfer betroffen wurde. Daher richtet der „Weiße Ring“ Außenstel­ len ein, welche am Geschehensort die Opfer­ betreuung übernehmen können. In der tägli­ chen Arbeit wird eine enge Kooperation mit allen Behörden und anderen geeigneten Hilfsorganisationen verwirklicht. Bedingt durch den steigenden Bekannt­ heitsgrad des „Weißen Rings“ und seiner ständigen Erreichbarkeit 1, ist Anfang 1990 die Zahl der Hilfeersuchen erheblich gestie­ gen. Allein im ersten Quartal waren es mehr als ein Dutzend. Aus der daraus erwachsenen Betreuungsarbeit stammen die nun aufge­ führten Beispiele2. 1. In der vorweihnachtlichen Zeit hatte eine 39 Jahre alte Frau aus einer Schwarzwald­ gemeinde eine Vergewaltigung über sich ergehen lassen müssen, die tiefe Depres­ sionen und Ängste in ihr hervorriefen. Sie, die auf Grund von Behinderungen nicht voll erwerbsfähig war, mußte zum Schutz ihres Lebens vor der Selbsttötung in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Dort setzte die Betreuungsarbeit des „Weißen Ringes“ ein. Vor allem persönli­ che Begleitung, Beratung zur Beseitigung der psychischen Tatfolgen und die Wie­ dereingliederung ihren üblichen Lebensablauf stand im Vordergrund der Bemühungen. Eng wurde mit den Ärzten im Krankenhaus und den Verantwortli­ chen an ihrer Arbeitsstelle zusammenge­ arbeitet. Ein Rechtsanwalt zur Unterstützung der Opferrechte wurde vermittelt; er wird im Prozeß die juristische Beratung, wir die menschliche Begleitung geben. in 2. Zu Beginn des Jahres kam in einer deut­ schen Großstadt ohne vorausgehenden Grund ein junger Mann durch die Gewalt­ handlungen einer Gruppe von Schlägern ums Leben. Die in unserem Landkreis wohnenden Angehörigen waren neben ihrem Leid jetzt auch einer Reihe von finanziellen Folgerungen ausgesetzt, die sie nicht alleine verkraften konnten. Von den Tätern, die noch auf ihren Prozeß warten, ist derzeit nichts zu holen. Auch hier stand die persönliche Betreu­ ung im Vordergrund, genauso notwendig war die Hilfe eines Anwaltes und die Ent­ lastung von den Kosten. Mit bisher mehr als 6000,-DM konnte hier der „Weiße Ring“ wenigstens die finanziellen Bela­ stungen abfangen; weitere Unterstüt­ zung, z.B. für Erholungsmaßnahmen, sind noch möglich. 3. Aus der Presse wohlbekannt war ein Tötungsdelikt, in dessen Folge nunmehr die hinterbliebenen Kinder die eigentlich Leidtragenden sind. Ihnen die Folgen der Tat zu bewältigen helfen, wird noch viel Betreuungsarbeit und auch einiger mate­ rieller Hilfen bedürfen. 4. Es muß nicht immer Totschlag und Ver­ gewaltigung sein. Auch bei anderen Delikten steht oft eine menschliche Tra­ gödie im Kleinen an. So z.B. ein Handta­ schenraub, bei dem der entstandene Scha­ den zwar materiell nicht sehr hoch war, das Opfer sich danach jedoch nicht mehr alleine auf die Straße wagte, aus Furcht, nochmals überfallen zu werden. Hier half schon alleine die Begleitung bei einigen Besorgungen, der Ausgleich des Raub­ schadens war dabei fast nur noch Zugabe. 5. Manchesmal geschehen auch Dinge, die gar keine Außenwirkung haben und von niemandem bemerkt werden. Dies war auch bei einem Diebstahl der Fall, bei dem der Täter ein jüngerer Familienange­ höriger war. Er stahl der Oma zu Monats- 39

anfang die Rente. Die alte Frau versuchte, den Monat über ohne Geld zu leben. Aus Scham vertraute sie sich niemanden an. Schließlich wußte sie sich keinen Rat mehr-ihr Konto zu überziehen, traute sie sich nicht – und versuchte, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Hier bestand die erste Hilfe des „Weißen Rings“ im Einkauf von Lebensmitteln und der Beratung, wie sie sich vor weiteren Diebstählen schützen kann. Die persönliche Betreuung dauert weiterhin an. Es sind nicht immer große Angelegenhei­ ten, in denen zu helfen ist. Immer jedoch wird die Straftat als bedeutenden Eingriff in das persönliche Leben verstanden; nicht jeder ist in der Lage, dies selbst zu bewältigen. Häufig genügt deshalb der Zu pruch, die Beratung und die Hilfestellung beim Ausful­ len von Formularen. Dabei bewährt es sich, daß die Möglichkeiten der Opferhilfe durch Haus „Im Grund‘: Brigach. Ölbild: Klaus Burk den „Weißen Ring“ so vielfältig sein können, wie dies auch die Kriminalität ist. Es ist immer im Einzelfall festzustellen, was am besten die Tatfolgen mildert. Die Bedingungen, zu denen der „Weiße Ring“ hilft, sind einfach; es muß eine vor­ sätzliche Straftat vorliegen, nach der eine Person hilfebedürftig (im weitesten Sinne) ist. Im Klartext: auch die ideelle Hilfe bei dem, der keiner materiellen Unterstützung bedarf, wird durch den „Weißen Ring“ gerne gegeben! Nicht erforderlich ist eine polizeili­ che Anzeige, wenngleich wir in den meisten Fällen dazu anraten. Vom „Weißen Ring“ bezahlte Hilfen brauchen nicht zurückbezahlt werden; die Mitgliedschaft ist nicht verlangt und ohne Einfluß auf die Unterstützung. Um rasch und unbürokratisch erste Not zu lindern, hat der Leiter der Außenstelle einen ausreichenden finanziellen Spielraum; 40

er kann auf der Stelle einen namhaften Betrag ausbezahlen. Er verfügt auch über Beratungsschecks für die Rechtsberatung bei einem Anwalt eigener Wahl. Im Bereich der Verbrechensvorbeugung unterstützt der „Weiße Ring“ überregional und örtlich die Aufklärungsarbeit der Poli­ zei. Im Schwarzwal -Baar-Kreis ist dazu eine vorbildlich zu nenn(l(lde Zusammenarbeit vorhanden; so ist z.B. dem „Weißen Ring“ gestattet, den polizeilichen Stand auf der in der Region sehr bedeutsamen Südwest­ Messe mitzunutzen. Wie wird der „Weiße Ring“ finanziert? Erste Träger unserer Hilfsarbeit sind selbst­ verständlich die Mitglieder. Ca. 35.000 sind es bundesweit, darunter zahlreiche bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Weiter erhalten wir Spenden sowie Bußgeldzuweisungen durch die Gerichte. Vereinzelt werden wir auch mit Nachlässen bedacht. Nur ein kleiner Anteil der Einnah­ men wird für die Verwaltungsarbeit benötigt; der Löwenanteil kommt der Opferhilfe Das Postamt in Triberg Das Postamt Triberg ist an der Schnitt­ stelle zum Ländlichen Bereich, versorgt es doch mit seinen angegliederten Amtsstellen rund 57.000 Einwohner auf einer Fläche von 460 qkm mit allen postalischen Dienstlei­ stungen. Das Postamt ist seit Mai 1984 in einem neuen, repräsentativen Gebäude in der Triberger Unterstadt untergebracht. Rund 80 Mitarbeiter fanden hier endlich moderne und freundliche Arbeitsplätze vor, nachdem sie ihren Dienst jahrelang in den beengten Räumen des alten Postamtsgebäu­ des in der Hauptstraße verrichten mußten. Der Paketumschlag mußte in dieser Zeit sogar-und dies sommers wie winters -unter &eiern Himmel am Triberger Bahnhof erle­ digt werden. Dem Postamt Triberg sind 24 Postdienst­ stellen unterstellt, und zwar die zugute. Die sparsame Verwendung der Gel­ der wird jährlich von einer unabhängigen Institution überprüft. Wer kann Mitglied werden? Jeder, der bereit ist, die Opfer der in unserer Gesell­ schaft wohl unvermeidlichen Kriminalität zu unterstützen. Der Mindestmonatsbeitrag beträgt 3,- DM (36,- DM/Jahr). Damit helfen Sie, Leid und Not zu lindem, die jeden auch von uns treffen können. Es wäre sehr erfreulich, wenn dieser Artikel dazu bei­ tragen könnte, den „Weißen Ring“ auch im Schwarzwald-Baar-Kreis durch weitere Mit­ glieder zu stärken. Klaus-Jürgen Müller 1 Die Ansprechbarkeit ist gewährleistet über den Verfas­ ser, Klaus-Jürgen Müller, Baarstr. 5, Aixheim, 7209 Aldingen 2, Tel. 0 7424/8103. Hier können auch wei­ tere Informationen über den .Weißen Ring“ erlangt werden. 2 Namen, Orte und Umstände sind aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Opfer teilweise verän­ dert! Postämter Post­ stellen I Furtwangen Gütenbach Hornberg Königsfeld St. Georgen 1 St. Georgen 2 Schönwald Schonach Tennenbronn Vöhrenbach Furtwangen 4 (Neukirch) Furtwangen 5 (Rohrbach) Furtwangen 6 (Schönenbach) Königsfeld 3 (Burgberg) Königsfeld 4 (Erdmannsweiler) Königsfeld 6 (Neuhausen) St. Georgen 4 (Peterzell Triberg 2 (Nußbach) Triberg 3 (Gremmelsbach) 41

Vöhrenbach 2 (Hammereisenbach) Königsfeld 2 (Weiler) Post- stellen II Königsfeld 5 (Buchenberg) St. Georgen 3 (Langenschiltach) Vöhrenbach 3 (Urach) Für diese Postdienststellen nimmt das Postamt Triberg bestimmte Verwaltungs­ und Betriebsaufgaben wahr. Ämtern zusammengefaßt. Unter Verwal­ tungsaufgaben versteht die Post z.B. Perso­ nalangelegenheiten (Mitarbeiter einstellen, aus- und fortbilden, betreuen), Verwaltung der Gebäude und Grundstücke, Kunden­ beratung, interne Buchhaltung, Betriebssi­ cherung, Personal- und Betriebswirtschaft u.ä. mehr. Neben dem Postamt Triberg gibt es im Verwaltungsaufgaben Im bisherigen dreistufigen Verwaltungs­ aufbau der DBP (Zentrale, Mittelbehörden und Ämter) sind Post- und Fernmeldeämter dem Ministerium für das Post- und Fernmel­ dewesen sowie den Oberpostdirektionen unterstellt. Postämter versorgen ihre Kun­ den mit Post- und Postbankdienstleistungen, z.B. Annehmen und Ausliefern von Briefen und Paketen, Ein- und Auszahlungen im Post parkassen- und Postgirodienst. Aus organisatorischen Gründen werden bestimmte Verwaltungsaufgaben bei zentral gelegenen 42 Schwarzwald-Baar-Kreis ein weiteres Post­ amt mit Verwaltungsdienst, nämlich das­ jenige in Villingen-Schwenningen. Betriebsaufgaben Als sogenanntes „Bereichsknotenamt“ ist das Postamt Triberg für die postalische Ver­ und Entsorgung seines Bereichs zuständig. Die Größe de Versorgungsbereichs eines Postamts läßt sich leicht an der Postleitzahl erkennen: So gehören z.B. alle Orte, deren Postleitzahl mit 774 beginnen, zum Bereich

des Postamts 7740 Triberg und werden somit im Postein- und -abgangsdienst von dort betreut. P o s t e i n g a n g . Im Laufe eines Werktags erhält das Postamt Triberg über 11 Verbin­ dungen auf Straße und Schiene Briefe, Pakete und Päckchen für die Empfänger in seinem Amtsbereich. Der Haupteingang liegt dabei frühmorgens, die erste Post erreicht Triberg bereits um 4.45 Uhr. Rund 50.000 Briefe sowie über 2.000 Pakete und Päckchen sind es, die durch massierten Per­ sonaleinsatz hier täglich bis spätestens 7.15 Uhr auf die Zustellorte verteilt werden. Nach einem festgelegten Zeitplan bringen 7 Kraft­ fahrzeuge, sogenannte Landposten, die Briefe und Pakete anschließend zu den Ziel­ orten, z.B. zum Postamt Furtwangen. Dort werden die Sendungen dann in die Postfä­ cher bzw. auf Zustellbezirke verteilt und im Laufe des Vormittags durch Briefträger zu Fuß bzw. motorisierte Paket- und Landzu­ steller ausgeliefert. P o s t a b g a n g . Für das Einliefern der Sendungen stehen den Kunden im Bereich des Postamts Triberg die genannten 24 Post- dienststellen sowie 124 Briefkästen zur Verfü­ gung. Die eingelieferte Post wird von jedem Postamt selbst nach einem festen Zeit- 43

plan eingesammelt, wobei die Briefkästen werktags mindestens einmal, einige sogar mehrmals täglich geleert werden. Bei den Postämtern werden die Sendungen geordnet und gestempelt. Abends werden die versand­ fertigen Sendungen dann auf 5 Rundkursen bzw. Stichfahrten bei den Postämtern und Poststellen im Landbereich abgeholt und zum Postamt Triberg gebracht. Von dort gehen sie – sechsma1 täglich, wobei der Hauptabgang zwischen 18.30 Uhr und 19.00 Uhr liegt-teils mit Kraftfahrzeugen der Post, teils mit der Bahn zum zuständigen Brief­ und Paketumschlag nach Offenburg, wo sie mittels moderner Verteilanlagen auf die Empfangsorte in der gesamten BRD weiter­ verteilt werden. Die Zentralisierung des Postabgangs auf große Brief- und Paketumschläge und der Einsatz modernster Technik ist nötig, um die Sendungen schnell und sicher zu den Emp­ fängern zu befördern. Bei den Beförderungs­ zeiten gibt sich die Post eigene Vorgaben: So sollen die sogenannten vollbezahlten Brief­ sendungen (Briefe, Postkarten, Einschreiben 44 und Wertbriefe) den Empfänger am Tag nach der Einlieferung (E + 1) erreichen; dies ist z. Z. bei ca. 93 0/o der Sendungen der Fall. Pakete bis 300 km Entfernung sollen 2 Tage, über 300 km 3 Tage nach der Einlieferung beim Empfänger sein; diese Zielsetzung wird zu rund 80 0/o erreicht. Für gebührenbegün­ stigte Sendungen (Drucksachen, Massen­ drucksachen) gelten andere Beförderungs­ zeiten. Um die eigenen Vorgaben einzuhal­ ten, bedient sich die Post eines besonderen Beförderungsnetzes: Ein Schnellgüterzug­ netz für Pakete sowie das Intercity-Netz für Briefsendungen und, wo „E + 1″ über Schie­ ne nicht erreichbar ist, das Nachtluftpost­ netz. A n n a h m e d i e n s t . Die Gliederung des Postamtsbereichs Triberg zeigt recht deut­ lich, daß sich die Postbetriebsorganisation eng an die politische Organisation im kom­ munalen Bereich anlehnt. Während in den politisch selbständigen Städten und Gemein­ den Postämter vorhanden sind, die neben Annahmetätigkeiten – wie oben gesehen – auch Aufgaben der Postzustellung und Post-

beförderung übernehmen (Ausnahme: Das Postamt St. Georgen 2 ist ein reines Annah­ mepostamt ohne Zustellaufgaben), gibt es in den meisten „eingemeindeten“ Ortsteilen Poststellen I und II mit reinen Annahme­ funktionen. Für den Postkunden ist diese innere Organisation jedoch ohne große Bedeutung, bieten doch Postämter und Post­ stellen im Annahmedienst grundsätzlich die gleichen Dienstleistungen an. Die Einrichtung von Annahmestellen als Postamt, Poststelle I oder Poststelle II ge­ schieht nicht willkürlich, sondern richtet sich nach dem tatsächlichen Bedarf Denn die Post ist nicht, wie vielfach angenommen, Teil des Bundeshaushaltes und dadurch Empfänger von Zuschüssen; vielmehr führt sie einen eigenen Haushalt, muß daher not­ wendigetweise ihre Ausgaben aus ihren Ein­ nahmen decken und zusätzlich 10 O/o der Ein­ nahmen an den Bundesfinanzminister ab­ führen. So ist die Einrichtung bzw. Erhal­ tung von Annahmepostämtern, Poststellen I und II vordringlich eine Frage der Wirt­ schaftlichkeit. In bedeutenden Orten bzw. Ortsteilen mit starkem Postverkehr nehmen Postämter, die von qualifizierten Fachkräf­ ten geleitet werden, die Annahmetätigkeiten wahr. In Orten mit geringerem Postbetrieb unterhält die Post Poststellen I, wenn zur Bewältigung des Postdienstes mindestens 11 Wochenstunden nötig sind. In noch kleine­ ren Orten werden Poststellen II eingerichtet; Voraussetzung ist jedoch, daß auch hier min­ destens 6 Wochenstunden an postalischen Arbeiten anfallen. Wo kein echter Bedarf für eine Poststelle mehr vorhanden ist, wird die Post auch keine Annahmestelle mehr unter­ halten. Für die Existenz bzw. Größe einer Postanstalt ist also das Verhalten der Post­ kunden, d. h. die Inanspruchnahme der Dienstleistungen der Post vor Ort, von ent­ scheidender Bedeutung. Uwe Schwarzwälder Sunntig De Samschtig dreäset hoametzue, er ischt so müed und will i d’Rueh. Bim Sunntig klopfet er no aa, der schlooft im Schtübli nebetdra. Wie schlooft des Büebli rüeig und guet, will ninnt si Gwisse drucke duet. Hä guck, scho riibt’s sech d‘ Äugli uus, zwoa Stearnli blinzlet heall do druus. Es leit vergniegt ’s blau Schööbli aa, knipft ’s frischgesterkt Krägli, ’s wiiß, no draa und schtriichlet d‘ Löckli ussem Gsecht. Soo Büebli, suuber bischt jetz grecht. Sin Bündel hängt de Sunntig um und nimmt de Wanderstab, de krumm. De Vollmau schtoht scho vorem Huus und treit ’s Laternli no voruus. Berguff goht’s über Schtock und Schtoa; meng Blüemli grüeßt verhofft am Roa. Am Himmel giit’s e goldni Bruck. De Vollmau drillet ’s Dächtli zruck. Es fingerlet dor’s Gwilch en Schii und striichlet ’s Büeblis Bäckli glii. ’s word heall und healler noo und noo. Jetz ischt si Modder, d‘ Sunn, scho doo. E Schmützli kriegt ’s lieb Sunntigkind, goht mit de Sunn talabwärts gschwind, und wo si gond und wo si schtond, si Sege und e Liedli lond. Hai, Mesmer, d’Bättziitglocke liit. – – I d’Boor de Sunntig friindli ziiht. Gottfried Schafbuch dreäset /eil /reit Dächtli Gwilch gond und schtond = gehen und stehen /ond = mühselig gehen = anziehen = trägt = Docht = Wölkchen = lassen 45

Schulen und Bildungseinrichtungen Modemes Schulwerk mit Tradition: Die Zinzendorfschulen in Königsfeld Der nachfolgende Beitrag setzt die Reihe der Abhandlungen über die Zinzendo,fschulen in Königsfeld (Almanach 83, S. 37-39; Almanach 84, S. 33-36)/ort. Ein modernes Schulwerk mit gewachsener Tradition sind die Zinzendorfschulen der Herrnhuter Brüdergemeine in Königsfeld. 1989 begingen sie das) ubiläumsjahr zur Erin­ nerung an ihr 175jähriges Bestehen mit Vor­ trägen, Konzerten im Kirchensaal, einer Aus­ stellung über Geschichte und Gegenwart der Schulen in der Villinger Kreissparkasse, der Teilnahme an der Südwestmesse in Schwen­ ningen, einem Rockkonzert als ,Jubiläums­ bonbon“ für die Schüler sowie einer Vielzahl sportlicher und kultureller Ereignisse. Sehr gut besucht waren die Aufführun­ gen der Schultheater-Arbeitsgemeinschaften, „Momo“ und „Romulus der Große“, sowie eine Kunstausstellung mit Werken ehemali­ ger und tätiger Lehrer und ehemaliger Schü­ ler. Den Höhepunkt des Jubiläumsjahres bil­ dete das große Festwochenende Ende Sep­ tember 1989. Hunderte von Gästen erlebten Fe takt und Festgottesdienst im Kirchensaal sowie das bunte Rahmenprogramm. Als Festredner konnte Professor Dr. Boris Uher (Prag) gewonnen werden. Er stellte ,Johann Arnos Comenius – Pädagoge und Christ“ vor. Die pädagogischen Leitlinien Come­ nius‘, dessen 400. Geburtstag 1992 gefeiert wird, sind heute noch Grundlage der Arbeit an den Zinzendorfschulen. Eine Festschrift gibt Auskunft über die geschichtliche Entwicklung und die aktuel­ len Schwerpunkte der staatlich anerkannten Privatschule. Träger der Zinzendorfschulen ist die Herrnhuter Brüdergemeine, eine Frei­ kirche, die der evangelischen Kirche Deutsch- 46 lands angegliedert ist. Ihr Losungsbuch wird jährlich weltweit in Millionenauflage und 38 Sprachen verbreitet. Der bekannte Bischof der alten Brüder-Unität, Johann Arnos Comenius (1592-1670), gilt als Begründer der modernen Pädagogik. Die Zinzendorf­ schulen fühlen sich als Bewahrer seines Gedankens: ,,Die Schule soll in einer gelö­ sten Unterrichtsatmosphäre zur Entwick­ lung der besten Anlagen führen und eine Werkstätte der Menschlichkeit sein.“ Der Erneuerer der alten Brüder-Unität, Nikolaus Reichsgraf von Zinzendorf (1700- 1760), war ein überzeugter Fürsprecher reli­ giöser Toleranz und engagierter Pädagogik: ,, … man soll die Kinder nicht zu Kopien machen, sondern im Lauf der Natur nachge­ hen und ihn heiligen.“ Die Entwicklung der Zinzendorfschulen und der Gemeinde Königsfeld sind untrenn­ bar miteinander verbunden. Bereits 1801 wünschten württembergische Diaspora­ Mitglieder der Brüder-Unität Ausbildungs­ stätten für Jungen und Mädchen, gleichzei­ tig sollte ein Sammlungsort im Land geschaf­ fen werden. Die Wahl fiel per Losentscheid 1804 auf den Hörnlishof im Schwarzwald. 1807 wurden in den Ortsplänen der neuen Brüdergemeine – noch vor der Geburt des ersten Kindes – Mädchen- und Knabenan­ stalten eingezeichnet. Mit einer kleinen Mädchenanstalt begann das Schulwesen 1809 im gerade eineinhalb Jahre alten Brüdergemeinort, nun Königs­ feld genannt. 1813 folgte die Knabenanstalt. Aus der Mini-Schule mit sechs Mädchen von 1809 ist ein zeitgemäßes Schulzentrum mit rund 670 internen und externen Schü­ lern gewachsen. Inzwischen sind die Zinzen­ dorfschulen nicht nur prägendes Element

Der Königifelder Kirchensaal – eine malerische Kulisse für den Zeichenunterricht an den Zinzen­ dorfschulen Computerunterricht an den Königifelder Zinzen­ dorfschulen (Rechts oben) Naturnaher Unterricht am Biotop der Zinzen­ dorfschulen in Königifeld (Rechts Mitte) Die „bienenßeißige « Schulimkerei der Königifel­ der Zinzendorfschulen (Rechts unten) des Kurortes Königsfeld, sondern auch des­ sen größter Arbeitgeber. In einer Atmosphäre der Toleranz und Weltoffenheit fühlen sich Schülerinnen und Schüler aus mehr als zehn Nationen gebor­ gen. Das Leitbild für ganzheitliche Pädago­ gik und einfühlsame Erziehung ist seit den Anfangsjahren unverändert der Grundsatz verständnisbereiter Nächstenliebe. Die Zin­ zendorfschulen bereiten nicht nur mit einer 47

guten Erziehung und Bildung auf das Beste­ hen in der Welt von heute und morgen vor: Verständnisvolle Zuwendung und respekt­ voller Umgang entwickeln und fördern die Fähigkeit zu Engagement, Verantwortungs­ bewußtsein und Zivilcourage. Traditionell sind in Königsfeld Lehrer und Erzieher für die Schüler „Schwestern“ und „Brüder“. Diese vertrauliche Anrede trägt zu einer engen Verbundenheit bei, die oft ein Leben lang erhalten bleibt. Die hohen Besucher­ zahlen bei den jährlichen Altschülertreffen zeigen dies deutlich. Ein gemeinsames Leh­ rerkollegium unterrichtet in überschaubaren Klassen nach den baden-württembergischen Lehrplänen an allen neun Schulzweigen. Diese enge Kooperation eröffnet eine ungewöhnliche Durchlässigkeit: Kurskor­ rekturen der schulischen Laufbahn sind unproblematisch möglich. Wege und Über­ gänge richten sich ganz nach den persönli­ chen Begabungen und Neigungen der Kin­ der und Jugendlichen. Sämtliche Abschlußprüfungen im eige­ nen Haus sind staatlich anerkannt. Die diffe­ renzierten Möglichkeiten der Ausbildung an den Allgemeinbildenden und an den Beruf­ lichen Zinzendorfschulen reichen von der Fachschul-/Mittleren Reife über die Fachhoch­ schulreife bis zur Allgemeinen Hochschulreife am Zinzendorf-Gymnasium oder an einem der Beruflichen Gymnasien (Wirtschaftswis­ senschaftliches-Gymnasium, Ernährungs­ wissenschaftliches-Gymnasium). Sie werden von praxisnahen Ausbildungen in sozial­ pädagogischen Berufsfeldern abgerundet. Gefragt sind die Absolventen der Fachschule für Sozialpädagogik (Abschluß: staatlich anerkannte Erzieher), der Berufsfachschule für Kinderpflege (Abschluß: staatlich aner­ kannte Kinderpfleger) sowie der zweijäh­ rigen Hauswirtschaftlich-sozialpädagogischen Berufsfachschule. Ein ungewöhnliches Kooperationsmodell eröffnet hochbegabten jungen Musikern eine besondere Chance. Sie können parallel zum Schulbesuch an den Zi.nzendorfschulen eine instrumentale Ausbildung in den Vor- 48 klassen der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen absolvieren und so frühzeitig eine Karriere als Berufsmusiker ansteuern. Oberstudiendirektor i. R. Dr. Hans-Jürgen Kunick Studiendirektor Knut Schröter Rund ein Drittel der 670 Zinzendorfschü­ ler lebt in einem der fünf angegliederten In­ ternate für unterschiedliche Altersstufen. Die Tagesheimschule mit Mittagstisch, Hausauf­ gabenbetreuung und Freizeitgestaltung wird gerne von Schülern aus der Region besucht. Zahlreiche Arbeitsgemeinschaften schaf­ fen eine lebendige Verbindung zwischen Schule, Internaten sowie den externen Schü­ lerinnen und Schülern. Sie tragen dem ganz­ heitlichen pädagogischen Ansatz Rechnung. Kulturelle, musische und sportliche Grup­ l?_en sind begeisternde Anziehungspunkte. über beste Möglichkeiten verfügt die Schuldruckerei, deren Leistung vom baden­ württembergischen Kultusministerium aus­ gezeichnet wurde. Sämtliche Drucksachen der Schule werden mittlerweile von den Jungdruckern hergestellt: die eigene Schul­ zeitung „Schulpost“, der traditionelle Schul­ kalender, Broschüren für Elterntage, Buttons und Aufkleber. Im Jubiläumsjahr 1989 feierte auch die beliebte Schulfeuerwehr ihr lSjähriges Beste­ hen. Die jungen Feuerwehrleute versehen ihren vorbildlichen Dienst am Nächsten mit großem Engagement. Die Träger der Lei­ stungsspange unterstützen die Ortsfeuer­ wehr König feld bei Einsätzen. Theatergrup­ pen, die „schlagkräftige Schach-AG“ und die „bienenfleißige“ Schulimkerei haben einen sehr guten Zulauf. Bei Turnieren und Wett­ bewerben sichern sich die Sportler der Zin­ zendorfschulen regelmäßig vordere Plätze. Für den Schüleraustausch wichtig sind die Verbindungen zu den Partnerschulen. Die Moravian Academy in Bethlehem (USA) und die Fulneck Boys‘ School in West York­ shire (Großbritannien) sind ebenfalls Ein­ richtungen der weltweit wirkenden Herrn­ huter Brüdergemeine.

,,Intellektuelle Pioniere der sonnigen Bergstadt“ – 25 Jahre Abitur in St. Georgen Mit dem 21. September 1903 begann das höhere Schulwesen in St. Georgen: 15 Jun­ gen und acht Mädchen traten in die „Sexta“ der neuen Bürgerschule ein, die am 30. April 1905 in ihr neues Haus (heute die Robert­ Gerwig-Schule) einziehen konnte. Sehr bald nach dem Zweiten Weltkrieg (am 18. 7. 1946) bemühte sich der neue Bür­ germeister Riemensperger um die Wieder­ einrichtung der Sexta und der übrigen Klas­ sen bis Untersekunda (Kl. 5 -10); das Badi­ sche Ministerium des Kultus und Unter­ richts Freiburg – Französische Besatzungs­ zone – genehmigte am 5. September 1946 eine nur 4-klassige Höhere Schule in St. Ge­ orgen, die der Oberrealschule in Villingen unterstellt wurde. Aber Bürgermeister Riemensperger ließ nicht locker: er beantragte am 3. 6. 1946, wenigstens eine Obertertia (Kl. 9) einzurich­ ten. Doch die nächsten Jahre blieb aller Ein­ satz in dieser Hinsicht vergebens. Auch der Villinger Direktor, der lange Zeit die St. Georgener Bemühungen brem­ ste, unterstützte sie schließlich: Dr. Karl Schilling schrieb in seinem „Osterbericht über das Progymnasium St. Georgen“ (21. 3. 1949): ,,St. Georgen hat über 6.200 Einwoh­ ner. Es sind fleißige, aufgeschlossene Men­ schen, die ihren Kindern die bestmögliche Ausbildung geben wollen.“ Wegen „Lehrermangels“ oder „im Hin­ blick auf die allgemeine Finanzlage“ wurden alle Vorstöße, das St. Georgener Progymna­ sium auszubauen, abgelehnt. Ab 1953 zeigen die Akten starke Aktivitä­ ten des Gemeinderates und des Elternbeira­ tes mit seinem Vorsitzenden Straub. Aber auch jetzt blieb das Oberschulamt Freiburg konsequent: ,,im Hinblick auf die Lehrerstel­ lenlage“ wurden die Anträge abgelehnt. Schließlich wollten die Lehrkräfte des Pro­ gymnasiums im Februar 1955 ohne zusätz- liehe Lehrerzuweisung die Aufstockung erzwingen: die Herren Rückemann, Kraus und Hecker sollten 28 Wochenstunden unterrichten. Daraufhin unterstützte das Oberschulamt Freiburg in einem Schreiben vom 1. 3. 1955 an das Kultusministerium in Stuttgart die Erweiterung auf die Klasse Obertertia (Kl. 9), reduzierte aber das Depu­ tat der drei Lehrer auf 26 Stunden. -Man sieht, das Engagement der St. Georgener Lehrkräfte, darunter des späteren Schullei­ ters Horst Hecker, konnte von Freiburg ein­ fach nicht ignoriert werden. Anders dagegen die Stuttgarter! Am 11. 7. 1955 lehnte der damalige Finanzmini­ ster Dr. Frank die Aufstockung ab, da das Vil­ linger Gymnasium ohne Schwierigkeit die Absolventen der Klasse IV (= Kl. 8) des Pro­ gymnasiums St. Georgen aufnehmen könne. Bürgermeister Riemensperger zeigte sich tiefenttäuscht; er schreibt am 17. September 1955 an das Oberschulamt Freiburg: ,,Es ist sehr betrüblich, daß man einer schnell wach­ senden Stadt von heute 8.500 Einwohner mit einer außerordentlich starken Steuer­ kraft eine Kultureinrichtung vorenthalten will, auf die sie seit mehr als 50 Jahren einen Anspruch hat. Das Finanzministerium ist anscheinend nicht darüber im Bilde, was aus der Bevölkerung der Stadt St. Georgen Steu­ ern herausfließen. Wir besitzen hier keiner­ lei staatliche Einrichtungen oder staatliche Behörden. Wir haben deshalb nur das zwei­ felhafte Vergnügen, zuzusehen, wie mit unseren Steuermitteln in anderen Städten kul­ turfördernde Aufgaben unterhalten werden.“ Er spricht mit dem Elternbeirat persön­ lich in Stuttgart vor, die Villinger Direktion unterstützt wiederum die St. Georgener Bemühungen: am 4. 1. 1956 stellt „das Finanzministerium seine Bedenken zurück und erklärt sich mit dem Ausbau des Pro­ gymnasiums St. Georgen zur 6-klassigen Anstalt einverstanden.“ 49

Pausenhalle des Schulzentrums St. Georgen Hartnäckigkeit und gute Argumente brachten also doch den ersehnten Erfolg: St. Geoq?;en hatte ein selbständiges Progym­ nasium, die bisherige Unterstellung unter das Villinger Gymnasium wurde beendet. Mit Studienrat Dr. Walter Müller wurde am 25. 5. 1959 der neue -noch kommissari­ sche – Schulleiter eingeführt. Der vom Gemeinderat 1956 beschlossene Bau eines Progymnasiums und einer neuen Turnhalle konnte am 18. Juli 1959 feierlich eingeweiht werden. Doch der Kampf ging weiter: Bürgermei­ ster Riemensperger und der Gemeinderat beschlossen am 6. 6. 1962, den Ausbau des Progymnasiums zu einer Vollanstalt als ,,dringende Notwendigkeit“ zu beantragen. Immer wieder wollte das Oberschulamt die Aufstockung wegen Lehrermangels hinaus­ schieben. Erst dem Bürgermeister Dr. Dah­ ringer blieb es dann vorbehalten, durch einen neuerlichen Antrag am 24.10.1963 das ersehnte Ziel zu erreichen: das Kultusmini­ sterium schreibt am 19. 12. 1963, es stimme dem Ausbau des Progymnasiums St. Geor­ gen zur Vollanstalt ab Schuljahresbeginn 1964/65 zu. 50 Die ersten Abiturienten St. Georgens konnten am 8. Oktober 1966 -vor 25 Jahren -das Abitur bestehen: ihre Namen sollen in der Schulgeschichte einen besonderen Platz einnehmen: Bösinger, Klaus Bürk, Ilse Eigendorf, Manfred Eisenmann, Erwin Froehlich, Christoph Grunert, Karin Heinzmann, Ursula Jäckle, Alfred Jäckle, Berthold Kühnel, Rainer Müller, Harald Obergfell, Dorothea Obergfell, Waldemar Stäbler, Klaus Wolff, Edith Zuckschwerdt, Karl-Heinz Der Schulleiter Dr. Müller nannte sie: „intellektuelle Pioniere der sonnigen Berg­ stadt, die sechzehn Dreimalgescheiten des Instituts, die auch die Bannmeile vertreten, Sie, Klaus Bösinger aus Peterzell und Alfred Jäckle aus Langenschiltach.“

Die Gesamtschülerzahl stieg in diesen Jahren stark an: von 1962 bis 1967 verdop­ pelte sich ungefähr die Zahl von 218 auf 464. Das Wachstum der Schule beschwor mit der zunächst vorhersehbaren, dann tatsäch­ lichen Raumnot eine kommunalpolitische Problematik herauf, die im Gemeinderat und in der Öffentlichkeit zu jahrelangen Auseinandersetzungen führte. Während vorher die Frage, ob das Progymnasium zur Vollanstalt ausgebaut werden solle oder eine Mittelschule neben dem Progymnasium auf­ zubauen sei, die Gemüter erhitzte, ging es nunmehr um die Frage, wie der Raumbedarf der Vollanstalt gedeckt werden könnte. Der Vorschlag, das Gymnasium in die Robert­ Gerwig-Schule zu nehmen und eine neue Volksschule zu bauen, stieß auf Ablehnung beim Oberschulamt und der Bauabteilung der Oberfmanzdirektion (Behördengespräch am 25. 7. 1966 in St. Georgen); sie vertraten die Ansicht, der Neubau des Gymnasiums müsse Vorrang haben, die zu gründende Realschule und die Hauptschule hätten die Räume des Gymnasiums übernommen. Entgegen diesen Vorstellungen beschloß der Gemeinderat eine neue Volksschule zu bauen, ein Beschluß, der nicht durchgeführt wurde. Eine erneute Beschlußfassung ergab eine Erweiterung der Schule nach Osten, womit Sonderräume für Chemie, Biologie, Musik, eine große Pausenhalle und 4 Klas­ senräume, dazu im Erdgeschoß eine Tiefga­ rage geschaffen würden; die Kosten betrugen sich auf ca. 1 Million Mark. – Die Arbeiten begannen im Spätjahr 1967. Doch der Schulleiter prognostizierte in seinem Bericht an das Oberschulamt, daß der Erweiterungsbau schon bei seiner Ein­ weihung räumlich für die steigenden Schü­ lerzahlen unzureichend sei. Die räumlichen Möglichkeiten an der Schul- und Friedrich­ straße waren schon 1969 ausgereizt, – und das Gymnasium wuchs weiter: 1971 wurden schon 530 Schüler in 20 Klassen unterrich­ tet, und im Jahre 1975 erreichten die Schüler­ zahlen ihren Höhepunkt; 661 Schüler in 24 Klassen bei 35 Kollegen. Der Neubau auf dem Roßberg (zusam­ men mit der Realschule) konnte am 20.12.1975 bezogen werden: der erste Schul­ leiter des selbständigen Progymnasiums und Gymnasiums St. Georgen, Dr. Walter Mül­ ler, war an seinem beruflichen Ziel ange­ langt. Seine verständliche Euphorie zeigte seine Ansprache beim ersten Elternabend: „ Waren wir schon vorher das höchstgelegene staatliche Gymnasium in Deutschland, sind wir nun das allerhöchste mit Gipfelhöhe im 3. Stock von 920 über dem Meeresspiegel. Die Luft wird merklich dünner, was für die leichten Denker beruhigend wirken kann, für die geruhsamen Schwarzwaldphiloso­ phen anregend. Die wundervolle Harmonie zwischen Landschaft-Stadt St. Georgen- auf dem Roßberg, der Gralsburg des Geistes über der Gemeinde und den jüngst eingemeinde­ ten Dörfern ist nach unserem Willen ver­ wirklicht. Die Einpassung des Bauwerks in die Natur, Formgebung und landschaftsge­ bundene Gestaltung ist an diesem Bauwerk das besondere Verdienst des Architekten. Keine schöner gelegene Schule im Lande.“ Die Aufbaujahre fanden ihren Abschluß; der euphorische Rückenwind wich realisti­ schen Windverhältnissen: der „Pillenknick“ ließ auch am Gymnasium St. Georgen die Schülerzahlen wieder zurückgehen: im Schuljahr 1989/90 werden noch 418 Schüle­ rinnen und Schüler in 20 Klassen von 43 Lehrkräften (ohne Studienreferendare) unter­ richtet. Die deutlich verbesserte Lehrer- Schü­ ler-Relation bietet neben dem intensiveren Pflichtunterricht die Möglichkeit zu einem breiten außerunterrichtlichen Angebot: in zahlreichen Arbeitsgemeinschaften können die intellektuellen Fähigkeiten der Schüle­ rinnen und Schüler, aber auch ihre künstleri­ sche Kreativität und ihre manuelle Geschick­ lichkeit individuell gefördert werden. Diese intensiven Bemühungen des Leh­ rerkollegiums führen bei den Abiturnoten zu Ergebnissen, die in der Regel leicht über dem Landesdurchschnitt liegen: 919 Abitu­ rienten konnten sich seit 1966 darüber zu Recht freuen. Reinher Gassert 51

20 Jahre Bildungszentrum Turmgasse in Villingen-Schwenningen (1970-1990) 20 Jahre Bildungszentrum Turmgasse bedeuten ein knappes viertel Jahrhundert berufliche Qualifizierung von mehr als 4.500 Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihre Arbeitsmarktchancen erheblich verbessert haben. Aber auch die Wirtschaft unserer Region war Nutznießer, haben doch die Umschüler den so dringend benötigten Facharbeiterbedarf erheblich verringert. 20 Jahre Turmgasse bieten jedoch auch Anlaß, das oft als selbstverständlich Emp­ fundene nicht zum Selbstzweck werden zu lassen. Versetzt man sich in das Gründungsjahr 1970 zurück, so wurde das Arbeitsförde­ rungsgesetz dahingehend geändert, um vor­ wiegend aus der Landwirtschaft kommende Beschäftigten eine berufliche Neuorientie­ rung zu geben. 52 Das Villinger Arbeitsamt, mit dem dama­ ligen Abteilungsleiter Walter Müller, bat uns, nach längerem Suchen nach einem geeigneten Partner, um ein entsprechendes Konzept. Grundlage war, den „Mechaniker“ in 24 Monaten, entsprechend der Ausbil­ dungs-und Prüfungsordnung der Industrie­ und Handelskammer, auszubilden. Die damaligen Verhältnisse waren insofern gün­ stig, als daß unsere heimische Wirtschaft dringend Facharbeiter suchte, wie zur Zeit auch, und alle benötigten Stellen, von der IHK, mit dem ehemaligen Hauptgeschäfts­ führer Dr. Reinhold Dietl, bis zur Berufs­ schule, unter OStD. a. D. K. H. Klein, eine hohe Bereitschaft zugesagt haben. Trotzdem mußte improvisiert werden, denn eine um 18 Monate verkürzte Ausbildung, mit regulärer Prüfung an der Berufsschule und vor der

IHK, galt es, im Wettbewerb zu den mit 42 Monaten Ausbildungszeit der Lehrlinge gleichwertig zu bestehen. Die Entscheidung des Arbeitsamtes im Jahre 1975, das Berufsfeld Metall durch den Bereich Holz und Zeichnen-Schreiben­ Drucken zu ergänzen, hatte auch eine Ände­ rung der Trägerschaft durch den Schwarz­ wald-Baar-Kreis, vertreten durch Landrat Dr. Rainer Gutknecht, zur Folge. Der Raumbe­ darf mußte von zu Beginn von 23 Umschü­ lern auf heute durchschnittlich 240 Teilneh­ mern angepaßt werden. Ständig zuneh­ mende Ausbildungsinhalte forderten Lösun­ gen und haben dauernde Platz- und Raum­ not zur Folge. Von der finanziellen Seite eines auf dem aktuellen Stand zu haltenden Bildungszen­ trums geht ohne die Unterstützung durch die Geschäftsleitung der Fa. Winller so gut wie nichts. Auch wenn das Landesarbeitsamt bzw. Wirtschaftsministerium von Baden­ Württemberg zu Zuschüssen bereit ist, muß grundsätzlich ein Eigenanteil von bis zu 50 0/o aufgebracht werden. Das weit über die Region hinaus reichende Einzugsgebiet bekräftigt und untermauert die seinerzeit getroffene Entscheidung auch heute noch. Mit dem Einzug der „Neuen Technolo­ gien“ im Jahre 1980 wuchsen auch die Anfor­ derungen an die Berufsausbilder. Eine sich ständig ändernde und weiterentwickelnde „Neue Technologie“ – vor allem die Rech­ nerintengration zur Fabriksteuerung (CIM) – bedeutete zusätzliche neue Aufgaben, die gelöst, koordiniert und umgesetzt werden mußten. Dies zu bewältigen, wurde in der Turmgasse zur Lebensaufgabe gemacht. Seit 20 Jahren haben die Ausbilder der T unngasse mit ihren hervorragenden Leistungen zu dem ausgezeichneten Ruf weit über die Stadt- und Landkreisgrenzen hinaus wesent­ lich beigetragen. Von oben nach unten: Umschulung Metall· In der CAD-Abteilung · In der CNC-Abteilung

Nicht nur 8 Stunden pro Tag bemühen sich 25 Berufsausbilder, den Teilnehmern die beruflichen Inhalte zu vermitteln, auch menschliche Zuwendung und Hilfe für den zukünftigen Arbeitsplatz sind unverzicht­ bare Bestandteile der täglichen Arbeit. Ergänzend leisten die Sozialpädagogen vom Verein für Jugend- und Erwachsenenhilfe eine lebensnahe Hilfe. Durch die Umstrukturierung vom über­ betrieblichen Ausbildungszentrum zum „Bildungszentrum Turmgasse“ war 1988 eine Vereinsgründung auf gemeinnütziger Ebene nötig. Als Vorsitzender fungiert Landrat Dr. Rainer Gutknecht, ihm zur Seite steht ein Beirat mit den Vertretern des Arbeitsamtes, der IHK, der beteiligten Schulen, der Vorsit­ zende des Vereins für Jugend- und Erwachse­ nenhilfe sowie der Geschäftsführer, S. Reith. Alle im Verein Tätigen wirken als ehrenamt­ ljche Helfer mit. Für die Zukunft werden wir den einge­ schlagenen Weg der beruflichen Q!ialifizie­ rung in Verbindung mit den neuesten Tech­ nologien und der Unterstützung des weltbe- kannten Fraunhofer-Instituts, Leitung Prof. Dr. H. Bullinger in Stuttgart, weiter verfol­ gen. Die geforderten „Schlüsselqualifikatio­ nen“, nicht nur in der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe festgeschrieben, zwingen zu fachübergreifendem Denken und Handeln. So werden bei uns CIM-LIVE Semjnare für Betriebe wie Mercedes-Benz AG oder der Eurotecnet durchgeführt. Auch das BIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung, Berlin) wurde auf uns aufmerksam und führt ein Modellprojekt mit 28 Monaten Laufzeit und wissenschaftljcher Begleitung durch das Fraunhofer-Institut mit dem Thema: Rech­ nerintegration in der kaufmännischen Aus­ und Weiterbildung mit uns als Träger durch. Auch wenn diese „Neuen Technologien“ im Hinblick auf die in den nächsten Jahren anstehenden Investitionen njcht unerheb­ lich sein werden, haben wir in der Bundesre­ publik keine Alternative zur beruflichen Weiterbildung der Beschäftigten, um am Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Siegfried Reith Die Waldorfschule bezog ihren zweiten Bauabschnitt Freude und Sorgen einer „Öffentlichen Schule in freier Trägerschaft“ Über den ersten Bauabschnitt der Waldo,fschule wurde im Almanach 87, Seite 30-32, berichtet. Praktische Waldorf-Pädagogik gibt es seit mehr al 70 Jahre; ihre Wiege stand 1919 in der Waldorf-Astoria-Betriebsschule in Stutt­ gart. Seitdem, schmerzhaft unterbrochen durch die Gleichschaltung des „Dritten Rei­ ches“, ist kein Schultyp so gefragt, wie die Waldorfschule. Heute gibt es nicht nur in Deutschland achtzig, sondern weltweit mehr als 200 Waldorf-Schulgemeinden, die nach den men chenkundljchen und pädagogi­ schen Erkenntnissen des Anthroposophen Rudolf Steiner (1861-1925) arbeiten. Anfang der 70er Jahre fand sich auch im Schwarzwald-Baar-Kreis eine kleine Initiativ­ Gemeinschaft von Eltern, die wöchentlich zusammenkamen, mit dem Ziel für ihre Kin­ der eine Waldorf-Schule zu ermöglichen. In unzähligen Sitzungen wurde die Waldorf­ pädagogik erarbeitet, wurden öffentliche Vorträge organisiert und Geldmittel ange­ spart. Die ersten Lehrer und dje Zustim­ mung des Waldorf-Bundes konnten gewon­ nen werden, um 1978 mit drei Klassen (1 bis 3), sieben Lehrern und 77 Kindern den kon­ kreten Schulbetrieb im angemieteten „Haus Schönblick“ im Stadtbezirk Schwennjngen, auf der Frühlingshalde, zu beginnen. Jahr für Jahr hieß es eine neu hinzukommende erste Klasse (mit gut 40 Kindern) in die immer enger werdenden Räumlichkeiten aufzuneh­ men. Das Gebäude, zunächst geplant für lediglich drei Jahre, mußte -viele Wände las- 54

Blick auf das Schulgebäude: Links Gartenhaus mit Schulgarten, in der Mitte Kindergarten mit Spiel­ geräten, rechts Schulgebäude send, um provisorische Räume zu schaffen – doch noch länger als überforderte Bleibe die­ nen. Geeignete Gebäude oder Grundstücke waren beim besten Willen nicht in Sicht. 1983 konnte endlich ein Grundstück der Stadt Villingen-Schwenningen, eine ehema­ lige Lehmgrube und spätere Baumüll-Kippe, im Gewann „Roter Schneider“, Schluchsee­ straße, VS-Schwenningen, gefunden werden. In monatelangen Sitzungen brachten Eltern, Lehrer und Architekten im Baukreis ihre Wünsche und Vorstellungen ein. Sie erarbeiteten die Baupläne, die bald darauf in die Tat umgesetzt wurden. Aus finanzwirtschaftlichen Sachzwän­ gen, das Land bezugschußt lediglich ca. 40 0/o bestimmter Baukosten, konnte das Bauvor­ haben nicht in einem Guß verwirklicht wer­ den. Dafür waren die Zuschüsse des Landes (Stadt und Landkreis enthielten sich gänz­ lich) zu gering und flossen verschleppt über mehrere Jahre. Der Not gehorchend, mußte der Bau in aufwendige Bauschritte geteilt werden. Der erste Bauabschnitt konnte, dank vie­ ler fleißiger Arbeitseinsätze der Eltern, bereits nach den Sommerferien 1985 (mit Beginn des Schuljahres 85/86) bezogen wer­ den. Die Freude darüber war bei der noch jungen Schulgemeinde groß. Bereits ein Jahr später, mit Erreichen des Vollausbaus der Schule (Klasse 1-13, Gesamt­ zahl 450 Schüler) wurde das Fehlen von aus­ reichenden Oberstufenklassen für den natur­ wissenschaftlichen Bereich (Physik, Chemie, Biologie u. a.) schmerzhaft spürbar. Die Not­ wendigkeit und der Mut bereits den nächsten Bauabschnitt anzugehen, waren jedoch stär­ ker als die Enttäuschung über die teilweise noch nicht eingegangenen Landeszuschüsse für den 1. Bauabschnitt. Ohne große Ver­ schnaufpause fand sich wiederum ein Kreis von Menschen, die mit erneuter Willens­ und Schaffenskraft 1987 den zweiten Bauab­ schnitt angingen. Hilfreich war dabei die unkonventionelle Art und Weise der Zusam­ menarbeit zwischen erfahrenen Architekten (selbst Schüler-Väter), dem pädagogisch 55

begeisterten Lehrer-Kollegium und der ein­ satzbereiten Elternschaft. Der sonst übliche Bauherr, die „Bauherrschaft“ verlor seine hierarchische Unnahbarkeit, seine Distanz und Anonymität. An seine Stelle traten Trans­ parenz, Mitgestaltung, Mitarbeit und nicht zuletzt das notwendige „Wir-Gefühl“ einer Schulgemeinde. Das Ergebnis, von Lehrern und Schülern mit Beginn des Schuljahres 89/90 bezogen, kann sich sehen lassen: Dem stehenden Bauabschnitt wurde ein östlicher Flügel (auf dem Foto der linke Teil des Hauptgebäudes) angefügt. Durch die harmonische Anpassung -im äußeren Kleid, wie in räumlicher innerer Gestaltung -ist es ein gelungener ansprechender Wachstums­ schub. So nimmt dieser Flügel, verteilt über Souterrain und drei Geschosse, Fachräume für die naturwissenschaftlichen Fächer, Unterrichtsräume für Spinnen, Weben, Nähen und für Metallverarbeitung, VerwaJ­ tungsräume und im Dachgeschoß einen Musik-und Mehrzweckraum, auf. Mit dem zweiten Bauabschnitt ist es betont gelungen, den Oberstufen-Schülern den pädagogi­ schen Freiraum zur Entfaltung und Entwick­ lung auch architektonisch zu ermöglichen. Die freundlichen und einladend zuge­ schnittenen Flure führen in die nach Schü­ leralter und Raumfunktion unterschiedlich konzipierten Klassenräume. Allen Zimmern ist eigen, daß sie auf rechteckige Winkel ver­ zichten und die Decken mit abfallenden Sei­ ten holzverschalt sind. Dadurch wird eine aufgelockerte, nach oben öffnende Raum­ wirkung erzielt. Die farbliche Ausgestaltung richtet sich nach „menschenkundlichen“ Erkenntnissen der Waldorfpädagogik. So hat jeder Klassenraum einen seiner Altersstufe und dem Seelenleben entsprechenden Farb­ ton, vom zarten Rosa zum starken Blau. Zusammenfassend kann festgestellt wer­ den, daß das Raumprogramm die Waldorf­ pädagogische Forderung nach einem Gleich­ gewicht der Fächer klar widerspiegelt. Im letzten Winterhalbjahr konnten zu­ sätzlich die Außenanlagen begonnen wer­ den: eine leichte Hügelung macht nun das 56 vorher ebene Grundstück interessanter und lieblicher. Heimische Büsche, Sträucher, Pflanzen und Bäume, von Eltern und Schü­ lern liebevoll angepflanzt, bringen farbige Natur auf das Schulgelände. So wie sich das Grundstück heute dem Betrachter und Benutzer anbietet, mag man seine ehemalige Funktion als unansehnliche Abraum-und Müllkippe, nicht mehr für möglich halten. Ein für die Stadt und den Landkreis vorzeigbares Beispiel dafür, wie Privatinitiativen die öffentliche Schul-und Kulturlandschaft bereichern. Letztlich wird das Geschaffene nur allzugerne von den Bür­ gern der Stadt und des Kreises angenommen. Ein Anzeichen dafür sind nicht nur die gut besucht$!n zahlreichen kulturel!�n Angebote (wie Schauspiele, Konzerte, Offentl. Vor­ träge, Bazare), sondern auch die ständig stei­ genden Schüleranmeldungen, die die Auf­ nahmekapazität sprengen. Die Freude der Schulgemeinde über das Geschaffene ist schnell getrübt, wird be­ dacht, daß der Schule bisher noch der zur Waldorfpädagogik notwendige Festsaal (Aula) und die Turnhalle aus finanziellen Gründen vorenthalten blieb. So müssen die Kinder zu den Monatsfeiern, Klassenspie­ len, Orchesterauftritten u.ä. das städt. Beethovenhaus nutzen. Nicht immer ein­ fach für Wunschtermine, Proben, Kulissen­ und Orchestertransport. Ebenso erschwert ist der Sportunterricht, der in fremden Turn­ hallen, fernab der Schule, nur durch eine zeit-und kostenaufwendige Busfahrt, wahr­ genommen werden kann. Bleibt nur zu hoffen, daß die Schwennin­ ger Waldorfschule, eine grundrechtlich ge­ wollte „Öffentliche Schule in freier Träger­ schaft“, nicht nur den Zuspruch und die Mit­ arbeit vieler hundert Elternhäuser findet, sondern auch -so selbstverständlich wie jede andere öffentliche Schule -die lebensnot­ wendige finanzielle Unterstützung durch die Stadt und den Kreis. Wilfried Wegener

In Villingen-Schwenningen Berufskolleg II für Landwirtschaftlich-technische Assistenten Ausbildungsziel: Fachmann im Dienst für eine gesunde Umwelt Spätestens nach Bekanntwerden des gan­ zen Ausmaßes der Umweltschäden hat bei uns eine neue Welle der Sensibilisierung der Bevölkerung für die Notwendigkeit einer sta­ bilen Umwelt zur Schaffung von mehr Lebensqualität eingesetzt. Zugleich haben aber auch diese Entwicklungen deutlich wer­ den lassen, wie wichtig und ausbaubedürftig die Erarbeitung von wissenschaftlich abgesi­ cherten Daten zum Umweltschutz in den Labors der landwirtschaftlichen Untersu­ chungsanstalten und der chemischen Indu­ strie geworden ist. Mit anderen Worten, es werden mehr und mehr Fachleute gebraucht, die sich für diese wichtige Arbeit qualifiziert haben. Neben den ca.19 Ausbildungseinrichtun­ gen der Bundesrepublik für die Ausbildung solcher Fachleute haben sich auch in Baden­ Württemberg 3 Berufskollegs für die Ausbil­ dung von Landwirtschaftlich-technischen Assistenten etabliert. Das jüngste Berufskol­ leg dieser Art wurde mit Beginn des Schul­ jahres 1989/90 in Villingen-Schwenningen in der Trägerschaft des Schwarzwald-Baar­ Kreises an der ALBERT-SCHWEITZER­ SCHULE eingerichtet. In Villingen-Schwenningen liegt der Schwerpunkt der Ausbildung auf dem Ge­ biet der AGRIKULTURCHEMIE und der UMWELT ANALYTIK. Die Ausbildung beträgt 2 Jahre und hat 57

den Charakter einer Berufsausbildung, d. h. die jungen Absolventen des Berufskollegs können eine berufliche Tätigkeit nicht nur auf dem traditionellen Feld der Agrarwirt­ schaft, sondern auch eine solche im Bereich der praktischen Ökologie und Umweltunter­ suchung an staatlichen Stellen oder in privat­ wirtschaftlichen Bereichen aufnehmen. Die­ ser Ausbildungsweg ist also etwas für Jugend­ liche, die gerne in der Praxis tätig sind und kein langes akademisches Studium anstre­ ben. Entsprechend ist als Ausbildungsvor­ aussetzung ein mittlerer Bildungsabschluß erforderlich. Eine vorausgegangene Ausbil­ dung in agrarwirtschaftlichen Berufen (Landwirt, Gärtner, Florist) mit guten Ergeb­ nissen ist wünschenswert. Aber auch Abitu­ rienten ohne Berufsausbildung steht dieser Ausbildungsweg offen. Wichtige Vorausset­ zung ist eine ausreichende Begabung in den naturwissenschaftlichen Fächern, insbeson­ dere in Mathematik, Chemie, Physik und Biologie. Im Schwerpunktbereich AGRIKULTUR­ CHEMIE sind die wichtigsten Lehrfächer: Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Mikrobiologie, Biometrie, Zeichnen, Daten­ verarbeitung, analytische Chemie und Fut­ termittelkunde, ergänzt durch ein chemi­ sches, biologisches und mikrobiologisches Praktikum sowie durch Laboruntersuchun­ gen von Böden, Dünge- und Futtermitteln. Im Schwerpunktbereich UMWELTANA­ LYTIK sind es: Mathematik, Physik, Chemie, Biologie mit Ökologie, Umwelt- und Natur­ schutz, Mikrobiologie, Biometrie, Fotografie und Dokumentation, Datenverarbeitung und Statistik, Analytische Chemie, Grund­ sätze der Agrarproduktion; auch hierzu sind entsprechende Praktika und Labors (Biolo­ gie, Mikrobiologie, Chemie, Untersuchun­ gen von Boden, Klärschlamm, Wasser, Luft, Agrarprodukte und -produktionsmittel) wichtige Bestandteile der Ausbildung. Für den zukünftigen landwirtschaftli­ chen Assistenten -oder Assistentin -gilt es, genau und gewissenhaft und vor allem selb­ ständig insbesondere in Labors und Praktika 58 zu arbeiten. Ganz wichtige Eigenschaften sind neben sehr guter Sachkenntnis und exaktem Arbeiten Geduld, Konzentration und geistige wie praktische Beweglichkeit. Ausbildungsziel der Villinger Schule gerade im Umgang mit naturwissenschaftlichem Gerät und Analysegeräten ist, die praktische Ausbildung möglichst breit anzulegen, um den späteren jungen Absolventen einen möglichst reibungslosen Einstieg in die Arbeitswelt an verschiedenen Instituten der Forschung, Bodenuntersuchungsanstalten oder Forschungsabteilungen der Industrie zu ermöglichen. Es ist zu wünschen, daß dieser noch junge Ausbildungsbereich nicht zuletzt unserer Umwelt zuliebe sich weiterentwickelt und weiterhin im beruflichen Interesse der Jugendlichen bleibt. Bruno Weber Wanderer auf der ehem. Bregtalbahntrasse bei Kil.ometerstein „16′; von Hüfingen aus gerechnet! Helmut Groß

Zwei Schülerinnen vom Schwarzwald-Gymnasium in Triberg gewannen im bundesweiten Wettbewerb Hauptpreise Im bundesweiten Wettbewerb „40 Jahre Bundesrepublik Deutschland“ gewannen im September 1989 zwei Schülerinnen des Schwarzwald-Gymnasiums in Triberg die beiden Hauptpreise. Susanne Kapp aus Schonach gewann mit ihrem „Rosinenbom­ ber“, der an die Berliner Blockade und die Versorgung aus der Luft erinnern soll, einen Geldpreis und eine Flugreise mit der Deut­ schen Lufthansa nach Nordamerika. Der zweite Preis, ein Geldpreis und ein Freiflug innerhalb Europas, ging an Carmen Oppelt aus Triberg, die mit einem Puzzle Positives und Problematisches der vergangenen 40 Jahre bundesdeutscher Geschichte dar­ stellte. Darüber hinaus wurden weitere Geld­ preise an Triberger Schüler vergeben. Der Almanach gratuliert dem Schwarz­ wald-Gymnasium Triberg und besonders den beiden Hauptpreisträgern zu diesem schönen Erfolg. 59

Wirtschaft und Gewerbe Wirtschaftsraum DDR Chancen für unsere heimische Wirtschaft Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß auch noch so verheißungsvolle politische Theorien praktisch nichts taugen, wenn nicht eine erfolgreich arbeitende Wirt­ schaft die tragende Basis abgibt-1989 ist die­ ser Beweis unwiderlegbar erbracht worden: Eine Ideologie, in der DDR als „real existie­ render Sozialismus“ konsequent und rück­ sichtslos praktiziert, und die damit einherge­ hende zentrale Planwirtschaft haben sich vor allem wegen ihrer nicht zu überbietenden wirtschaftlichen Fehlleistungen selbst ad absurdum geführt und so ihr unrühmliches Ende bewirkt. lm gleichen Jahr 1989 hat die wirtschaftli­ che Entwicklung in unserem Land einen neuen Höhepunkt erreicht, hat die Soziale Marktwirtschaft, nunmehr auch im Osten anerkannt und angestrebt, den Wohlstand der Bundesbürger gemehrt. Die Soziale Marktwirtschaft wird auch im anderen Teil Deutschlands dazu führen, daß sich dort nach und nach Wohlstand entwik­ keln kann. Die Deutschen in der DDR-ihr Streben nach mehr Wissen, Können und Leistung vorausgesetzt -werden nach einer Anpassungszeit den Wohlstand haben kön­ nen, der in der Bundesrepublik im Verlaufe von vierzigJahren gewachsen ist. Doch die­ ser Wohlstand ist nicht mit Geld, nicht mit der Lieferung moderner Maschinen und auch nicht mit der Gründung von Gemein­ schaftsunternehmen in den östlichen Raum Deutschlands zu transportieren. Erfolgreich arbeitende Unternehmen -als Quellen des Einkommens vieler Millionen Menschen – bestehen eben nicht nur aus Kapital und Technik; sie bestehen in erster Linie aus tüchtigen Unternehmern und aus tüchtigen Mitarbeitern, die in einem Rechts- 60 staat wirken können, der Privateigentum, Gewerbe-, Berufs- und Vertragsfreiheit sowie einen offenen Markt und freien Handel gewährleistet. Ich zweifle nicht daran, daß die Menschen in der DDR, Deutsche wie wir, willens und fähig sind, sich beruflich zu qualifizieren. Nur wird dies bei den Unternehmern und Managern, die heute über so gut wie keine marktwirtschaftlichen Erfahrungen verfü­ gen, nicht von heute auf morgen möglich sein. Wer wie sie im internationalen Wettbe­ werb unerfahren ist, wer weder weiß, wie man unter diesen Wettbewerbsbedingungen den wirtschaftlichen Erfolg herbeiführen und auch den gelegentlichen Mißerfolg ver­ kraften kann – wer dies alles weder gelernt, noch erlebt hat, der wird erst sein Wissen anreichern und seine Fähigkeiten mit Hilfe von Erfahrungen entwickeln müssen, bevor er sich unter den harten Bedingungen inter­ nationaler Konkurrenz behaupten kann. Und schließlich muß auch selbständiges Denken und Handeln, das in der zurücklie­ genden Zeit alles andere als erwünscht war, erst noch gelernt und geübt werden. Zur Lösung dieses Management-Pro­ blems, das ich für die nahe Zukunft als das größte Problem aller DDR-Wirtschaftspro­ bleme ansehe, können wir zwar Beiträge lei­ sten, z.B. durch Know-how-Transfer, letzt­ lich aber kann meiner Auffassung nach hier nur die Zeit helfen -die Zeit, die jeder Unter­ nehmer und jeder Manager braucht, um ver­ wertbare Erfahrungen zu sammeln. Dessenungeachtet ist der DDR-Wirt­ schaftsraum mit mehr als fünfzehn Millio­ nen Menschen, die unsere Sprache sprechen, schon jetzt ein interessanter Markt. Unsere Landsleute haben wie wir Bedürfnisse, die

.!! !:! :!? .. .. “ -:: ,!! .!: Industrie-Umsatz 1982-1989 im Vergleich 150——— ——– ——– ——– ——– ——–· ——- ——– 135 ——-· ——–· ——- 90 .. 75 -· 60 45 -· 30 15 0 – 1982 1983 1984 1985 J•hr• llllll SBK � BW 1986 1987 1988 1989 lffill BRD nach vierzigJahren unfreiwilliger Abstinenz nun mit Macht nach Befriedigung drängen. Aus diesen Bedürfnissen wird sich mit steigender Kaufkraft eine starke Nachfrage entwickeln, die -natürlich unter den Bedin­ gungen eines offenen Marktes und damit unter den Bedingungen des internationalen Wettbewerbs -gerade von den bundesdeut· sehen Unternehmen auf vielfaltige Art gedeckt werden kann. Ich bin sicher, daß auch die Unternehmen unseres Raumes diese Marktchancen erkannt haben und nut­ zen werden. Die günstigen Perspektiven, die der DDR­ Markt insbesondere mittel- und langfristig eröffnet, dürfen uns jedoch keinesfalls ver­ gessen lassen, daß der kommende europäi­ sche Binnenmarkt neue, höhere Anforde­ rungen an die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft stellen wird. Nur wenn unsere Unternehmen für den dann noch härter wer­ denden Wettbewerb fit sind, werden sie auch ab 1993 ihre Chancen wahrnehmen können. Und diese Sicht bezieht sich nicht nur auf die heutigen europäischen Auslandsmärkte, sondern auch und gerade auf den heutigen Inlandsmarkt. Denn daß sich vor allem auf dem bundesdeutschen Markt der Wettbe­ werb weiter verschärfen wird, liegt auf der Hand: Die Bundesrepublik als EG-Land mit der höchsten Kaufkraft wird für die Unter­ nehmen der anderen EG-Länder die Anzie­ hungskraft eines Magneten haben. Da ist es gut, daß die dynamische Ent­ wicklung der Wirtschaft, insbesondere auch der Industrie, des Schwarzwald-Baar-Kreises sich auch 1989 fortgesetzt hat: In den Betrie­ ben des verarbeitenden Gewerbes mit 20 und mehr Beschäftigten ist der Umsatz im Jahr 1989 gegenüber dem Vorjahr um 53 7 Millio­ nen DM auf 6,2 Milliarden DM gestiegen. Dieses Umsatzvolumen liegt um 10 0/o höher als im Vorjahr 1988 und um 45 0/o höher als im Jahr 1982, das den Tiefpunkt der wirtschaftli­ chen Entwicklung im Kreisgebiet markiert. Als besonders erfreuliche Auswirkung die­ ser positiven Wirtschaftsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis – hat die Anzahl der sozialversicherungs­ pflichtig Beschäftigten, gemessen am 61

Stand Ende 1982, um mehr als 2500 zuge­ nommen und – ist die Arbeitslosenquote von 6,2 0/o = Ende 1982 auf4,9 %=Ende 1989 gefallen. Im laufendenJahr1990 ist eine Quote mit einer 3 vor dem Komma in greifbare Nähe gerückt. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung wird von den Unternehmen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis zuversichtlich eingeschätzt. Alfred Liebetrau IHK-Präsident Moderne Erweiterung und sichere Arbeitsplätze TRW Thompson GmbH in Blumberg stellt täglich 100.000 Ventile her Als die Teveswerke Anfang 1944 aufgrund zunehmender Kriegseinwirkungen aus Berlin­ Wittenau ausgelagert werden mußten, ahnte noch niemand, welch wichtiger wirtschaftlicher Faktor dieses Unternehmen für den südlichsten Teil des Schwarz1oald-Baar-Kreises sein würde. Fiir kurze Zeit war die Ventil-Produktion in Heiters­ heim (Baden) untergebracht, aber auch dort fühlte man sich schon bald nicht mehr sicher. Schon im März 1945 wurden die Maschinen erneut verla­ den. Statt nach Österreich zu gelangen, wo es ebenfalls brenzlig wurde, kamen sie in die leerste­ henden Hallen der Blumberger Doggererz AG und damit war der Grundstein für das heutige Werk der TRW Thompson GmbH gelegt. Kaum in Blumberg sef?haft geworden, setzte Unternehmer Alfred Teves (späterer Ehrenbürger 62 von Blumberg) auf „ Wachstum“ und „Expan­ sion „. Allerdings dürfte auch er damals noch nicht gewußt haben, daß 1990 nahezu 1300 Arbeitnehmer in einem nach modernsten Ge­ sichtspunkten eingerichteten Betrieb Arbeit finden würden. In den 45 Jahren der Niederlassung auf der Baar wurden bisher rund 475 Millionen Ven­ tile hergestellt. Beliefert werden dabei alle führen­ den Motoren- und Automobilhersteller in Europa (Personenwagen-, Lastkraftwagen-, Renn-, Flug­ und Schijfmotoren, wie auch für stationäre Ver­ brennungsmotoren). Der nachfolgende Beitrag ist aus Anlaß der Erweiterung des Betriebsgebäudes entstanden und ergänzt den Bericht im Almanach 82, Seite 63-64.

Begonnen hat alles zu einer Zeit, als Blumberg bezüglich seiner Arbeitsplätze völlig am Boden lag. Die Stadt war während der Nazi-Herrschaft aufgrund der Erzvor­ kommen in den umliegenden Bergen künst­ lich mit Menschen vollgestopft worden. Als die Doggererz AG 1942 ihre Rohstofförde­ rung einstellte, kamen als Ersatz Firmen, die sich mit der Erstellung von Kriegsmaterial befaßten. Daß dies nach dem Zusammen­ bruch zu einer katastrophalen Situation führte, muß nicht sonderlich verdeutlicht werden. Da war Alfred T eves so etwas wie eine rettende Hand, als er mit knapp einhun­ dert Mitarbeitern in einem einzigen Gebäude mit der Ventilproduktion begann. 1950 waren es schon 120 Beschäftigte, die in zwei Produktionshallen etwa 6000 bis 8000 Ventile am Tag herstellten. Einer Hiobsbotschaft ähnlich klang dann 1956 die Ankündigung, daß die Teveswerke aus Blumberg abgezogen werden sollten. Es bedurfte harter Verhandlungen bevor fest­ stand, daß die damals 650 Arbeitsplätze erhalten blieben. 1961 trat der amerikanische TRW-Kon­ zern in die Firma ein, was mit ein Grund für eine erhebliche Erweiterung war. So wurde 1961 und 1962 der erste Teil der großen Halle gebaut und wenig später stieg die Mitarbei­ terzahl auf 800 an, die täglich 38.000 bis 40.000 Ventile herstellten. Gegen Ende der 60er Jahre wurde angebaut und auch die ehe­ maligen Verwaltungsgebäude der Doggererz AG erworben, so daß bereits 900 Mitarbeiter beschäftigt werden konnten und täglich bis zu 60.000 Ventile die Werkstore passierten. In den 70er Jahren wurde Halle 8 und die Chromerei erstellt und 1050 Arbeitnehmer registriert. Heute sind es fast 1300 Beschäf­ tigte, die unter modernsten Gesichtspunkten im Produktionsbereich arbeiten. In den 45 Blumberg Industriegebiet 63

Mit einer Investition von rund 30 Millionen Mark hat die TR W-Konzernleitung nicht nur ihre Chan­ cen auf dem Weltmarkt verbessert. Helle, heftige Arbeitsplätze an modernsten Maschinen waren dabei auch das Resultat für diejenigen, die in der großen Produktionshalle ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Jahren des Betriebs-Bestehens wurden rund 800 Mitarbeiter ausgebildet. Von Anbeginn legten die Verantwortlichen großen Wert darauf, daß der fachlich versierte Nach­ wuchs seine Ausbildung in den „eigenen vier Wänden“ erhielt. So ist es auch zu verstehen, daß die heutige TRW Thompson GmbH über qualifiziertes Fachpersonal verfügt, das aus den bodenständigen Menschen der Baar resultiert und lange Jahre für das Blumberger Werk tätig ist. Allein im Jahr 1989 konnten fast 70 Beschäftigte für jahrzehntelange Dienste ausgezeichnet werden. Die Produk­ tion beläuft sich heute auf rund 100.000 Ven­ tilkegel pro Tag. Eines der wohl wichtigsten Jahre in der Werksgeschichte war 1989, als die Produkti­ onsfläche im Rahmen des sogenannten Masterplanes um knapp 10.000 Quadratme- 64 ter, auf insgesamt 26.800 Quadratmeter, erweitert wurde.1986 hatten die Verantwort­ lichen der TRW-Thomps,on-Gruppe die Ist­ Situation der Ventilfertigung und die Markt­ forderungen analysiert. Dabei wurde deut­ lich, daß die Punkte nicht mehr deckungs­ gleich waren und die Gefahr bestand, daß sie in Zukunft weiter auseinanderdriften wür­ den. Das war die Geburtsstunde des Master­ planes. In dessen Rahmen sollte eine Ferti­ gungsstruktur konzipiert werden, die sowohl den Anforderungen der Kunden, als auch Konkurrenzsitua­ der tion Genüge leisten würde. internationalen Da war zunächst die Frage nach Q!ialität, bezüglich derer das Werk stets einen guten Ruf genoß. Es reichte aber nicht mehr, beste Q!ialität zu liefern. Sichergestellt werden mußte, daß auch beste Q!ialität produziert

wurde. Das heißt, die Ausfallquote mußte so niedrig wie nur möglich angesetzt werden. Jedes Teil war an jeder Operation in der ge­ forderten Toleranz herzustellen. Überprüft wird dies inzwischen mittels automatisierter Kontrollen und statistischer Methoden. Eine andere Untersuchung führte zu dem Ergebnis, daß die Verkettungen in den Bear­ beitungslinien nicht mehr den Anforderun­ gen genügten, da das gegenseitige Berühren der Teile bereits zu Beschädigungen führen konnte. Daraus resultierte die Aufgabenstel­ lung, ein Verkettungssystem zu realisieren, mit dem der beschädigungs&eie Transport der Teile möglich war. Die nächste Aufgabenstellung bestand darin, ein Werks-Layout zu konzipieren, das bei hoher Termintreue noch eine ausrei­ chende Flexibilität der Produktion zuließ. Es war notwendig, die Fertigung so zu struktu­ rieren, daß möglichst kurze Durchlaufzeiten erreicht werden konnten. Voraussetzung dafür war ein optimaler Materialfluß, um eine höhere Transparenz und damit einen vereinfachten Steuerungsablauf der Teile zu erreichen. Gleichzeitig mußte sichergestellt werden, daß das Werk Blumberg auch in Zukunft ca. 1000 unterschiedliche Ventilty­ pen in allen verschiedenen Ausführungen, Werkstoffen und Dimensionen herstellen kann. Das Problem bestand darin, all diese Dinge zu realisieren, ohne daß die vorhan­ dene Produktion beeinflußt wurde. Man Prominenz beim Rundgang durch das Blumberger Werk, anläßlich der Vorstellung des Masterplanes im Jahre 1989 (von links): Werksleiter Dr. Hans-josefEnning, Wahlkreisabgeordneter im Deutschen Bun­ destag, Dr. Hansjörg Häftle, Vizepräsident und Geschäftsführer für den weltweiten Automobilbereich des Konzerns,Jerry K. Myers, Vorstandsvorsitzender der TR W Thompson GmbH, Hanno C. Fiedler, Staatssekretär Dr. Menz, Staatsministerium Stuttgart, Hauptgeschiiftsführer Dr. Kubach, /HK Schwarzwald-Baar-Heuberg. 65

nahm den Neubau einer Werkshalle in Angriff, die eine Investition von 9,5 Millio­ nen Mark verlangte. Maßgabe dafür war die Schaffung heller Arbeitsplätze bei guter Belüftung. Das Ver- und Entsorgungssystem der Maschine mit Öl, Kühl- und Frischwasser wurde so angelegt, daß es die flexible Maschi­ nenaufstellung nicht beeinflußte und Auf­ bereitungen möglich waren. Der erste Spa­ tenstich erfolgte im Mai 1987 und bereits zehn Monate später konnten die ersten Maschinen installiert werden. Beim Ab­ schluß des Masterplanes im Jahr 1990 waren 450 Maschinen um- bzw. neu zusammenge­ stellt mit einer weiteren Investition von 20,5 Millionen Mark. Die rund 30 Millionen Markt umfassende Gesamtmaßnahme ist das größte Einzelprojekt, das die TRW-Thomp­ son-Gruppe jemals in Europa initiiert hat. Mitentscheidend für die Maßnahme war das Vertrauen der Verantwortlichen, die stets auf die hervorragende und qualitativ hoch­ stehende Arbeitsbereitschaft der Baaremer Bevölkerung gesetzt hat und damit immer gut gefahren war. Wie richtig die Maßnahme war, kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, daß inzwischen weitere zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Durch die gute Absatzlage in der Automobilindustrie sah man sich sogar gezwungen, Zusatzschichten zu fahren. Außerdem wurde ein Trainings­ programm entworfen und in die Tat umge­ setzt, damit die Aufgabenstellungen der Zukunft qualitativ gemeistert werden kön­ nen. Im November 1989 begann man mit dem technischen Training der Arbeitneh­ mer, das zweimal wöchentlich stattfindet. Dabei werden Kenntnisse vermittelt, die hin­ sichtlich größerer Flexibilität einen vielfälti­ geren Arbeitseinsatz ermöglichen. Bei nach wie vor guter Auftragslage kann davon ausgegangen werden, daß die vorhan­ denen rund 1300 Arbeitsplätze gesichert sind, was wiederum deutlich macht, wie wichtig dieser Betrieb für die Menschen und für die Wirtschaft im südlichsten Zipfel des Schwarzwald-Baar-Kreises ist. Günter Walcz Benzing Zeit + Daten GmbH, Schwenningen Ein unverwechselbares Erscheinungsbild garantiert Beständigkeit im Wandel Hinter Benzing und Schwenningen liegt eine lange gemeinsame Vergangenheit – symbolisiert doch das mittelständische Unternehmen exemplarisch die Entwick­ lung der Stadt. Bis zu Beginn des 20. Jahr­ hunderts war diese fast ausschließlich von der Uhrenherstellung geprägt. Aus diesem Schlüsselgewerbe entstand allmählich eine vielseitige metallverarbeitende Industrie. Neben der Feinmechanik- und Uhrenbran­ che gehören inzwischen der Maschinenbau, die Elektroindustrie und die Datentechnik zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Stadt. Die Entwicklung von Benzing verlief parallel zu dieser Entwicklung. Nach alten Hauptbüchern kann das Unternehmen zurückverfolgt werden ins Jahr 1863 auf die Uhrmacherwerkstatt Benzing. Aus dieser Werkstatt wurde 1890 mit dem Einzug in die Karlstraße 45 ein Industrieunternehmen, das bald Stempeluhren für die Personalzeiterfas­ sung und ab den zwanziger Jahren Zeitrech­ ner für die Erfassung von Auftragszeiten in der Werkstatt fertigte. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Datenverarbeitungs­ zeitalter. In den folgenden Jahrzehnten änderte sich die zur Auswertung der Daten notwendige Übertragungstechnik grundle­ gend. Den elektro-mechanischen Drehwäh­ lern folgte die Relais-Technik, der Transistor, die integrierte Elektronik und schließlich die Anwendung des Mikroprozessors. Benzing 66

hat alle Stadien mitgemacht und als eines der ganz wenigen mittelständischen Familien­ unternehmen diesen beispiellosen Struktur­ wandel gut überstanden. Mit seinen 320 Mitarbeitern gehört Ben­ zing heute zu den Marktführern auf dem Gebiet der Zeit- und Betriebsdatenerfassung. Die Produktpalette reicht von elektroni­ schen Terminals für die Anwesenheitszeit-, Projektzeit- und Betriebsdatenerfassung, Maschinendatenerfassung und Zugangs­ kontrolle über autonome Zeitrechner mit integrierter Anwendersoftware bis hin zu elektromechanischen Zeiterfassungsgeräten. Die Benzing-Produktion verfügt über moderne Fertigungseinrichtungen für die Metallbearbeitung, den Gehäusebau, die Oberflächentechnik, von der galvanischen Veredelung bis hin zur elektrostatischen Pul­ verbeschichtung. Der technologische Wan­ del hat die Feinwerktechnik zwar auch bei Benzing vielfach durch elektronische Pro­ blemlösungen ersetzt, es blieb aber immer ein wichtiger Anteil Feinmechanik bestehen, der das Design und die Funktionssicherheit der Benzing-Produkte entscheidend mit­ prägt. Um technologisch ganz vorn zu sein, investierte Benzing schon immer überdurch­ schnittlich viel in Forschung und Entwick­ lung. So arbeiten heute im Systemtechnik­ Labor des Unternehmens 23 Entwickler und Konstrukteure daran, innovative Ideen in marktreife Produkte umzusetzen. Zwei wei­ tere Strategien haben zum stetigen Wachs­ tum des Unternehmens, das seit Jahren zwei­ stellige Wachstumsraten verzeichnet, beige­ tragen: Als OEM-Partner fast aller großen Rechnerproduzenten (wie z. B. Siemens, Nix­ dorf, Philips etc.) kann Benzing zu den mei­ sten EDV-Anlagen kompatible Terminals anbieten. Durch Kooperationen mit vielen spezialisierten System- und Softwarehäusern stehen außerdem maßgeschneiderte Kom­ plett-Lösungen zur Verfügung. So wird Soft­ ware für PC’s, UNIX- und große EDV­ Systeme aller führenden Computerhersteller wie BULL, DEC, HP, IBM, ITOS (CTM), Kienzle, Nixdorf, Philips, Siemens, Tandon, UNISYS und Wang angeboten. Die Aktivitäten des Unternehmens kon­ zentrieren sich aber nicht nur auf die Bun­ desrepublik. Internationalität gehört bei Benzing schon lange, nicht erst jetzt im Hin­ blick auf das vereinigte Europa ab 1993, zur Unternehmensstrategie. So ist das mittel­ ständische Unternehmen in Europa durch Vertriebspartner in Belgien, Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Irland, Ita­ lien, Luxemburg, Niederlande, Österreich. Portugal, Spanien, Schweden und Norwegen präsent. Auch in Übersee ist Benzing durch zahlreiche Handelspartner vertreten. In Frankreich und in der Schweiz wird der Markt durch eigene Tochterfirmen betreut. Daß Benzing auch im Ausland ein Begriffist, zeigt der hohe Exportanteil: Über40 Prozent der Produkte gehen in rund 80 Länder der Erde. Mehr als 100.000 Kunden vertrauen auf die Qialität der Benzing-Geräte. Neben innovativen Ideen, der Qialität der Produkte und einer ausgereiften Manage­ ment- und Marketing-Strategie hat aber noch ein anderer Faktor zum Erfolg von Benzing beigetragen: das Erscheinungsbild der Firma. Dem geschäftsführenden Gesell­ schafter Max Ernst Haller wurde schon Anfang der siebziger Jahre – als noch nie­ mand von CI (Corporate Identity) sprach – bewußt: Gerade für ein mittelständisches Unternehmen ist ein klares Design und ein unverwechselbares Firmengesicht genauso wichtig wie die Präsentation neuer Produkte. Nach reiflicher Überlegung verpflichtete er den international bekannten Künstler und Grafikdesigner Prof. Anton Stankowski aus Stuttgart, für Benzing ein visuelles Firmen­ bild zu entwickeln. Dahinter stand der Gedanke, sich durch eigene Identität aus der Anonymität zu lösen und sich dadurch von der Konkurrenz abzuheben. Erstes Ergebnis der gemeinsamen Bemü­ hungen war ein umfangreicher Katalog mit präzisen Vorschriften für jedes visuelle Detail. So wurden Briefbögen, Formulare, Prospekte, Plakate und die Anzeigen in 67

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Links oben: Frontansicht des Benzing-Verwaltungs­ gebäudes mit Biotop im Vordergrund Links unten: In der Klimakammer werden alle Benzing­ Geräte auf Wärme und Kälte getestet Rechts: Verglaster Pausenhof „Ordnen“, Tageszeitungen neu gestaltet. Auch die Mes­ sestände wurden nach den Stankowski-Prin­ z1p1en ,,Vereinfachen“ und „Reduzieren“ neu konzipiert. Als Benzing 1985 ein neues Verwaltungs- und Entwick­ lungsgebäude im Industriegebiet Ost plante, zog man selbstverständlich wieder Designer zu Rate. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und ist nicht mehr mit der Industriearchitek­ tur früherer Jahre zu vergleichen. Die gesamte Anlage ist das Spiegelbild der Cor­ porate Identity von Benzing und versucht, Industrie und Natur, Funktionalität und Ästhetik beispielhaft zu vereinen. Die Gestal­ tung des Gebäudes und die klare architekto­ nische Ausführung, die eine vielseitige Nut­ zung in der Zukunft möglich macht, unterst­ reicht das industrielle Design der Benzing­ Produkte. Im Innern des Gebäudes finden Besucher eine Harmonie von Farben, Ein­ richtung und Dekoration vor, die den Geist der Firma spüren läßt. Stankowskis „Zeit­ bilder“ hängen nicht nur zu Renommier- zwecken an der Wand, sondern gehören zum Haus, prägen die Atmosphäre. Bei Benzing gehört Kunst inzwischen zum integralen Bestandteil der Firmenkultur. So wurde das neue Gebäude 1987 bezeichnender Weise mit einer Kunstausstellung eingeweiht. In der Firmenphilosophie nimmt neben Design und konstruktiver Kunst auch die Natur einen hohen Stellenwert ein. So wurde vor dem Haus ein Biotop mit einem kleinen See angelegt -ein blühendes Stück Natur in einem Industriegebiet! Dort verbringen die Benzing-Mitarbeiter gerne ihre Pausen. Selbst der Parkplatz wurde mit Natursand „ökologisch“ gestaltet. Die Natur wurde auch ein bißchen ins Gebäude geholt: Ein verglaster, lichtdurchfluteter Pausenhof mit riesigen Grünpflanzen verbindet die Verwal­ tung mit den Produktionshallen. Mit all die­ sen Maßnahmen ist man dem Ziel einer Symbiose aus Ökonomie und Ökologie ein Stück weit näher gekommen. Petra Eisenbeis-Trinkle 69

GÜNTERT Präzisionstechnik GmbH & Co. weiht FABRIK 2001 ein nung. Oscar Güntert stammte aus Klengen und machte sich bald einen Namen als soli­ der, zuverlässiger Kaufmann und Handels­ partner. Unterstützt wurde er dabei von sei­ ner Frau Gertrud, die seit 1930 in dem Vertre­ terbüro mitarbeitete. Weltwirtschaftskrise und der Ausbruch des Weltkrieges waren Prüfsteine für das junge Unternehmen. Doch die Firma Güntert überwand diese Hindernisse und kaufte noch im Jahre 1944 die Schrauben- und Mutternfabrik Schöp­ perle in der Bertholdstraße. Im Jahr 1946 wurde die Firma Schwanog (Schwarzwälder Normteile GmbH) gegrün­ det und zugleich der Produktionsbereich aus dem Vertreterbüro ausgegliedert. Not, so sagt man, macht erfinderisch. So fertigte das Unternehmen in der Nachkriegszeit Christ­ baumschmuck aus Tannenzapfen, Strickna­ deln, Haarnadeln und Lockenwickler sowie Feuerzeugteile. Im Jahr 1948, das Wirtschaftsleben be­ gann sich zu normalisieren, kehrte das Unter­ nehmen zum angestammten Produktionsbe­ reich, der Fertigung von DIN-Teilen zurück. Nachdem die eigene Produktion im Jahr 1950 eingestellt worden war und nur noch die Handelsgesellschaft bestand, beginnt mit dem Eintritt von Siegfried Güntert, einem Sohn des Firmenchefs, eine neue Ära. Die Eigenfertigung wird wieder aufge­ nommen und stürmisch vorangetrieben. Waren es 1955 noch zehn Drehautomaten und vier Mitarbeiter, so werden Anfang der sechziger Jahre im Monat bereits mehr als 20 Millionen DIN-Teile gefertigt. Eine solche Entwicklung schlägt sich natürlich nicht nur in Zahlen nieder, son­ dern hat auch ihre räumlichen Konsequen­ zen. So wurde 1960 ein neuer Bau an der Ber­ liner Straße bezogen. Die Produktionspa­ lette hat sich mittlerweile erweitert und umfaßt nun mehrere DIN-Bereiche, wie Muttern, Stifte und Schrauben. Oscar Güntert, 1896 in Klengen geboren, grün­ dete 1946 das Unternehmen, verstorben 1969 Wer durch das Villinger Industriegebiet Vockenhausen fährt, dem wird ein großer graublauer Bau mit ungewöhnlichen dreiek­ kigen Fenstern auffallen. Ein Gebäude, das in seinem Äußeren sich wohltuend abhebt von der Industriearchitektur, deren Ideen sich oft in der Form von Würfeln und �adem mit den dazugehörigen Rechtecken erschöpft. Der Neubau der Firma Güntert Präzisi­ onstechnik GmbH & Co., der im August 1989 abgeschlossen wurde, ist ein weiterer Meilenstein in einer Unternehmensentwick­ lung, die 1926 begann. Damals gründete Oscar Güntert in der Goethestraße in Villin­ gen ein Vertreterbüro und vertrieb daneben Schrauben und Muttern auf eigene Rech- 70

Es begann die Umstellung der Produktion auf Langdrehteile aus verschiedenen Werk­ stoffen. War anfangs noch die Schwarzwäl­ der Uhrenindustrie zusammen mit der Unterhaltungselektronik der Hauptkunde, so wurde Anfang der siebziger Jahre deren Schwierigkeiten erkannt. Zum dritten Mal wurde das Unternehmen GüntertPräzisions­ technik umstrukturiert. Gefertigt wurden nun zunehmend Präzisionsschleifteile. In diesem Bereich erzielt die Firma heute 95 0/o ihres Umsatzes. 71

Doch auch an der Berliner Straße wurde es dem Unternehmen bald zu eng, zumal eine weitere, zukunftsorientierte Umstruktu­ rierung begann. So plante man im Hause Güntert eine Fabrik, die für den Start in das dritte Jahrtausend gerüstet ist. Der Standort wurde an der Max-Planck-Straße im Gewer­ begebiet Vockenhausen gefunden. Einern jungen Architektenehepaar war die Aufgabe übertragen, Räume zu schaffen, die dem Menschen dienen und dabei zugleich tech­ nische Rationalität nach außen und innen zu verwirklichen. Siegfried Güntert dachte in seinem Konzept sowohl an die Umwelt, an da Einsparen von Energie und Wasser, an das Äußere des neuen Hauses und an die Qualität der Arbeitsplätze für die oft langjäh­ rigen Mitarbeiter. Dabei wurde akzeptiert, daß die Schonung der Umwelt und eine ansprechende Architektur mehr Geld kosten würde als eine nüchterner Zweckbau. So ent­ stand eine Reihe von Kriterien, die in dem Neubau realisiert werden sollten. Es galt, schwingungsfreie Böden und Räume mit geringen Temperatur chwan­ kungen zu schaffen. Dies waren die Anforde­ rungen, die die Präzisionsfertigung an das Bauwerk stellt. Für die Mitarbeiter wurde die Luftqualität verbessert, die Lärmbelästigung verringert und soweit wie möglich natür­ liches Tageslicht genutzt. An die Umwelt dachte man, als man forderte, Regenwasser zu nutzen und hochwertige Baustoffe zu ver­ wenden. Aber auch die Wirtschaftlichkeit darf bei einer solchen Planung nicht verges­ sen werden. So sind die Bauten für Fertigung und Verwaltung flexibel gestaltet. Die ver­ schiedenen Fertigungsbereiche, wie Produ­ zieren, Kontrollieren, Präzisieren und Ver­ walten wurden räumlich klar gegliedert. Entstanden ist dabei ein Bau, der aus drei nebeneinanderliegenden eingeschossigen Hallen besteht. Sie sind verknüpft durch zwei darüberliegende Zwischenspangen. Eine dieser Zwischenspangen setzt sich fort in einer Verbindungsbrücke zum Verwal­ tungsbau, der als Kopfbau parallel zur Max­ Planck-Straße angeordnet ist. Der Eingangs­ bereich im Erdgeschoß bietet Platz für ein kleines Firmenmuseum, dessen Aufbau Sieg­ fried Güntert besonders am Herzen liegt. Nicht zu unrecht bezeichnet man im Hause Güntert den neuen Bau als „Fabrik 2001″ und sieht in ihr eine Investition in die Zukunft. Die Entwicklung des Unterneh­ mens zeigt den für diesen Raum typischen Werdegang eines mittelständischen Unter­ nehmens, das aus kleinsten Anfängen her­ auswuchs. Erhalten hat sich über die Jahr­ zehnte hinweg in diesem Haus der offene Geist, der stets bereit war, Neues zu akzeptie­ ren und in Zukunftsvisionen, verbunden mit den entsprechenden Entwicklungen, umzu­ setzen. Dies gilt sowohl für das Gebäude der „Fabrik 2001″ als auch für den Wandel der Aufgaben, die die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter aufgreifen und erfüllen. Klaus Peter Friese Firma Mathias Bäuerle GmbH, St. Georgen Tradition und Geschichte 1988 feierte die Mathias Bäuerle GmbH ihr 12Sjähriges Firmenjubiläum. Das sind 125 Jahre Tradition, Erfahrung, Wissen und Schöpfertum. Es begann – wie so vieles im Schwarzwald – mit dem Uhnnacherhand­ werk. Der gelernte Uhrmacher Mathias Bäuerle machte sich im Jahre 1863 selbstän­ dig. Vertrauend auf sein handwerkliches 72 Geschick und auf seine Zielstrebigkeit baute er eine Uhrenfabrikation auf. Getrieben von seinem Erfindergeist entwickelte er die erste Federzug-Retschenuhr, die sehr schnell Ver­ breitung fand. Aus der kleinen Werkstatt wurde im laufe der Jahre ein weltbekannter Fabrikationsbetrieb der Uhrenbranche. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs. In St. Georgen

entstand eine neue Fabrikanlage, die durch spätere Um- und Ausbauten dem Firmen­ wachstum angepaßt wurde. Um die Jahrhun­ dertwende hatte die Herstellung feinmecha­ nischer Präzisionswerke eine große Bedeu­ tung. Die Normaluhren, die Lauf-, Zähl- und Registrierwerke aus St. Georgen besaßen weltweit einen guten Ruf. Dafür erhielt das Werk auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1890 eine Auszeichnung. Der Weitblick des Firmengründers und der seiner Söhne war für die damalige Zeit beispielhaft. So wurde frühzeitig die zuneh- mende Bedeutung der Rechenmaschine für die weitere Entwicklung in Industrie und Handel erkannt. Aufbauend auf dem hohen Können und der Präzisionsarbeit der Mitar­ beiter ging man daran, neben der Uhrenfa­ brikation nun auch eine Rechenmaschinen­ fertigung einzurichten. Dies sicherte neue Absatzgebiete und erhöhte die Stabilität der Firma. Die Rechenmaschinen Peerless und Badenia – mehrfach auf internationalen Ausstellungen ausgezeichnet – wurden zu einem Symbol für Präzisionsarbeit aus dem Schwarzwald. Sie entwickelten sich zur Hauptproduktion des Werkes. Trotz der schwierigen Jahre des 1. Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise entwickelte sich die Firma weiter. Die ständige Vervollkomm­ nung der Rechenmaschinen sicherte der Firma ihren guten Ruf und den Absatz auf dem Markt. Ein neues Zeitalter bricht an Nach den W irren des 2. Weltkrieges und den schwierigen Nachkriegsjahren vollzog sich auch in der Firma Mathias Bäuerle ein Neuanfang. Obwohl der Absatz der Rechen­ maschinen Anfang der SOer Jahre noch unproblematisch war, erkannte man recht­ zeitig die sich verändernde Marktsituation. Die überall in Industrie und Handel vorherr­ schende Dynamik schuf neue, erweiterte Bedürfnisse und Märkte. Diese Erkenntnis führte zu der Entscheidung, auf dem Gebiet der kleinformatigen Papierverarbeitungsma­ schinen tätig zu werden. 1953 konnten die ersten Falzmaschinen, die jetzt weltweit unter dem Markennamen „multipli“ be­ kannt sind, ausgeliefert werden. Doch bei den Falzmaschinen blieb es nicht – es ka­ men Zusammentrag-, Kuvertiermaschinen und kleinformatige Offsetdruckmaschinen hinzu. Der Schwerpunkt der Entwicklung war immer darauf gerichtet, Maschinen zu ent­ wickeln, die für die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete einsetzbar sind und deren Bedienung einfach und leicht erlern- 73

sten Entwicklung, der multipli 524, Pate. Diese Falzmaschine hat auf der größten Fachausstellung des grafischen Maschinen­ baus, der DRUPA 90, für Aufsehen gesorgt. Ausgestattet mit einer zentralen Mikro­ Computer-Steuerung laufen die Einstellvor­ gänge und die Papierlaufüberwachung be­ ginnend beim Anleger über die Falzwerke bis zur Auslage automatisch ab. Bis 60 Falz­ arbeiten können durch die programmierbare High Speed Automation gespeichert und auf Tastendruck automatisch eingerichtet wer­ den. Der Einsatz von neuester Technik, wie z.B. Lichtwellenleiter, selbstlernende Dop­ pelbogenkontrolle, computerberechnete Falzwalzeneinstellung u. a. machen die mul­ tipli 524 zu einem Falzautomaten der Zukunft. Schallschutz, Bedienpult, Anleger und Auslage entsprechen den neuesten ergo­ nomischen Anforderungen. Die modulare Bauweise der Maschine gestattet eine varia­ ble Kombination von Taschen- und Schwertfalzwerken. Dadurch ist das Zusam­ menstellen einer Falzmaschine nach Maß möglich, d. h. nahezu alle Falzarten sind her­ stellbar. Neben der einfachen Bedienbarkeit ist also die Universalität dieser neuen bar sein muß. Diese Konsequenz führte dazu, daß neben den einfachen, manuell zu handhabenden Maschinen auch vollauto­ matische Modelle angeboten werden kön­ nen. So ist die novapli 342 die erste vollauto­ matische Bürofalzmaschine der Welt. Durch den gezielten Einsatz der Elektronik wird jeg­ liche manuelle Einstellarbeit dem Bediener abgenommen. Er braucht nur noch die gewünschte Falzart zu wählen und schon stellt sich die novapli 342 selbständig ein. Ein Komfort, der bis jetzt einmalig ist. Dieser Gedanke stand auch bei der neue- 74

Maschinengeneration ein weiteres herausra­ gendes Merkmal. Der Falzautomat multipli 524 reiht sich ein in die richtungsweisenden Entwicklungen von Mathias Bäuerle. Seit 1986 hat die Firma Mathias Bäuerle eine Tochtergesellschaft in den USA. Dieser Betrieb -er ist in Chester, Bundesstaat Con­ necticut beheimatet -befaßt sich ebenfalls mit papierverarbeitenden Maschinen. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsingenieuren des Stamm­ hauses und der Tochterfirma entstehen immer wieder neue Impulse, die zu neuen und marktgerechten Entwicklungen führen; so z.B. zu Brieffalzmaschinen, die in einem Arbeitsgang noch zusätzlich Beilagen ein­ stecken können, oder Falz-und Abstapelsy­ steme für Laserdrucker. Dem Neuen aufgeschlossen gegenüber­ stehen ist ein Grundsatz, der zur Firmenphi­ losophie gehört. Die computergestützten Konstruktionsarbeitsplätze erleichtern nicht nur die Tätigkeit der Konstrukteure, sondern sind Voraussetzung für schnelle, marktspezi­ fische, innovative Lösungen. Ebenso ist die gesamte betriebliche Fertigungssteuerung auf einem EDV-System aufgebaut, das einen optimalen Produktionsfluß sichert. Mit Hilfe CNC-gesteuerter Fertigungstechnik wird die für die Falzmaschinen erforderliche hohe Präzision erreicht. Die Ausbildung des Nachwuchses in einem eigenen Bildungs- zentrum ist die Basis zur Sicherung des erfor­ derlichen beruflichen know-how. Damit sind zukunftsorientiert die Voraussetzungen geschaffen, die ein hohes Qualitätsniveau der Erzeugnisse ermöglichen und gleichzei­ tig eine marktorientierte, flexible Produkti­ onssteuerung garantieren. Die Maschinen der Firma Mathias Bäuerle sind auf allen Kontinenten anzutreffen -in Büros, in Buchbindereien und Druckereien -überall dort, wo Papierverarbeitetwird. Ein weltweites Händlernetz übernimmt den Ver­ kauf in mehr als 70 Ländern der Erde. Enger Kundenkontakt ist Voraussetzung für zufrie­ dene Kunden-sei es bei der Abwicklung von Aufträgen, bei der Erarbeitung von speziel­ len Kundenwünschen oder in dem kompl­ exen Bereich des Service. Durch modernste Technik im Bereich der Kommunikation ist ein schnelles Reagieren zu allen Partnern in der Welt gesichert. In einem modernen Vor­ führ- und Schulungszentrum stehen alle Maschinen zur Demonstration bereit. Hier erfolgt unter praxisnahen Bedingungen die Beratung der Kunden. Mit eigenen Materia­ lien können hier alle Interessenten die Maschinen ausgiebig testen. Von erfahrenen Mitarbeitern werden Schulungen durchge­ führt, die auf die speziellen Ausgangsbedin­ gungen des zukünftigen Kundendienstper­ sonals ausgerichtet sind.Hermann Brunnhuber 75

Schwarzwaldfrische aus gesunden Bad Dürrheimer Q!iellen Die Mineralbrunnen GmbH & Co. l;,,11111′!11 ., !In··’·“ Die Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH & Co. hat am 6. Oktober 1989 feierlich ihr 30ahriges Firmenjubiläum begangen und eine neue, hochmoderne Abfüllanlage in Betrieb genommen. Aus diesem Anlaß wird im nachfol­ genden Beitrag über die Fortentwicklung der Firma berichtet. Das 25;ahrige Jubiläum wurde bereits im Almanach 1985 (Seite 74/75) gewür­ digt. 130 Mio. Flaschenabfüllungen, Zuwachs­ raten von ca. 320 0/o und ein Platz unter den ersten 25 deutschen Brunnenbetrieben zei­ gen, daß die Mineralbrunnen GmbH & Co. auf dem richtigen Weg ist. Seit dem 20. Mai 1959 wird in Bad Dürr­ heim das „erfrischende Naß“ abgefüllt. Mit fünf Mitarbeitern fing alles an und jedes Jahr brachte neue Rekordmarken. 1976 liegt die Stundenkapazität bei 22.000 Füllungen. 1980 sind es bereits 40.000. Die Ausweitung der Produktion und des Produktangebotes (das Unternehmen bietet 16 verschiedene alkoholfreie Getränke an) erfordert den Aus­ bau des Personalbestandes: 131 Mitarbeiter feiern gemeinsam das Jubiläum. Bei einem Angebot von 300 deutschen Marken gibt es für die hervorragende Stel­ lung der Mineralbrunnen GmbH & Co. vor allem einen wesentlichen Grund: die Q!iali­ tät. Das Mineralwasser schmeckt nicht nur, es ist auch „gesundheitlich besonders wert­ voll“. Dieses Gütesiegel haben überregionale Q!ialitätstest dem koch salz- und nitratarmen Bad Dürrheimer Wasser zuerkannt. Sogar die Zubereitung von Säuglingsnahrung ist damit empfehlenswert. Bei einem Jahresumsatz 1989 von ca. 50 Mio. DM können die Absatzzahlen noch weiter ansteigen, da der Markt der alkohol­ freien Getränke stark expandiert – und hier ganz besonders der des Mineralwassers. So hat sich der pro-Kopf-Verbrauch von Mine­ ralwasser in der Bundesrepublik von 64,0 l im Jahr 1986 gegenüber 13,111970 fast verfünf­ facht. Zum anderen werden 1993 in einem grenzenlosen Europa neue Märkte erschlos­ sen. So soll z.B. das stille Wasser aus der Bad Dürrheimer Produktpalette auch auf der anderen Seite des Rheins neue Abnehmer/ Genießer finden. Bemerkenswert ist, daß 76

nach Frankreich nicht die dort übliche Ein­ wegware geschickt werden soll, sondern unsere Pfandflaschen mit recyclingfahigem Plastikschraubverschluß. Aus diesem wer­ den Hosenknöpfe gemacht! Die Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH & Co. ist auf die Zukunft und damit auf eine stetige Kapazitätsausweitung vorbe­ reitet. Kernstück ist dabei die neue Abfüllan­ lage, die derzeit modernste und größte der Deutschen Mineralbrunnen, die Ende 1989 in Betrieb genommen wurde. Der Super­ block DELTA des Spezialherstellers Holstein & Kappert faßt drei Funktionsstufen zusam­ men: Inspektion, Füllung und Etikettierung ohne zusätzliche Transportstrecke. Das bedeutet bei gleichbleibendem Energieein­ satz eine deutlich höhere Abfulleistung. Damit wird Umweltschutz nachvollziehbar praktiziert. Zum Glück gibt es genug natürliches, sauberes Wasser in dem Schwarzwaldkurort Bad Dürrheim. Dies wurde durch geolo­ gische Gutachten und Probebohrungen nachgewiesen. Im Jahr 1990 wurde eine wei­ tere neue Quelle erschlossen, die aus 140 m Tiefe Wasser von hervorragender Qualität liefert. Ständige Q!ialitätskontrollen durch staatliche und private Institute bescheinigen allen Bad Dürrheimer Mineralwässern einen mikrobiologisch einwandfreien Zustand. Für die Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH & Co. ist es Grund und Verpflich­ tung, den bisher eingeschlagenen Weg kon­ sequent weiter zu gehen. Klaus Dettling Ein führendes Unternehmen seiner Branche Die Achsenfabrik Ueberle GmbH u. Co. KG in Blumberg-Riedböhringen Es gehörte viel Mut und Selbstvertrauen dazu, wie der jetzt 85jährige Seniorchef, Heinrich Ueberle, im ersten Jahr nach Kriegs­ ende, nämlich 1946, einen Betrieb zu grün­ den. „Heiner“ Ueberle kam noch als Proku­ rist der aus Hamburg nach Blumberg verla­ gerten Firma Kopperschmidt, die Plexi-Ver­ glasungen für Flugzeugkanzeln in den Ferti­ gungshallen des Süd- und Nordwerkes der Doggererz AG sowie später im Eichbergstol­ len rüstungsbedingt produzierte. In der Firma arbeiteten damals 1500 Angestellte und Arbeiter, die gegen Kriesgende nach Tirol ausweichen mußten, bis die damalige französische Besatzungsmacht den Rü­ stungsbetrieb Kopperschrnidt nahezu restlos demontierte. Man muß bis zu dieser Negativbasis zurückblenden, um Heinrich Ueberles wohl angeschlagenen, aber letztlich doch unge­ brochenen Unternehmergeist zu würdigen. Denn den verbliebenen, kleinen Maschinen­ park sowie das restliche Material an Plexiglas und Dural verwertete der durch Not zwangs- läufig erfinderische Ueberle für die Produk­ tion von dringend benötigten Artikeln. Schließlich fehlte es in damaliger Zeit an allem. Kaum jemand erinnert sich heute noch daran, daß dieser „Not“-Betrieb, der 1946 gegründet, am 17. Oktober 1947 ins Handelsregister eingetragen und schon im März 1948 erneut demontiert wurde, in der Aula der Viktor-von-Scheffel-Schule in Blumberg begann. Auch nach diesem weite­ ren Rückschlag gab der in Heidelberg gebo­ rene und aufgewachsene Heinrich Ueberle nicht auf. Verständnis und wesentliche Unterstützung fand er beim damaligen Landrat des Landkreises Donaueschingen, Dr. Robert Lienhart. Die Zeichen der Zeit mit ihrem enormen Nachhol- und Ergän­ zungsbedarf richtig erkennend, hatte Hein­ rich Ueberle zudem das Glück, in dem Ried­ böhringer Adolf Fricker einen gleich ihm zielstrebigen Partner kennenzulernen. Ge­ meinsam begannen sie nun in dessen zur Verfügung gestellten Kellerräumen mit der Fertigung von gefragten Schloßschrauben. 77

CNC-Drehmaschinefür Achskörper-Bearbeitung bis zu Q;mschnitten von 130 mm Vierkantstahl Bei deren Lieferungen sah Ueberle in ländli­ chen Handwerksbetrieben die mühsame Herstellung von Wagenanhängern, wie sie damals ebenfalls dringend gebraucht wur­ den. Den Bedarf richtig einschätzend, stellte er die Produktion auf diese nützlichen Trans­ porter um und fand über deren Achsen zum endgültigen Ziel, nämlich zur künftigen Herstellung von verläßlichen Achsen für alle Bau- und Landmaschinen. Sein Partner Fricker machte sofort mit. Hier hatten sich zwei Unternehmer gefunden, die einander im pla­ nerischen und praktischen Denken ergänz­ ten und mit ihren Mitarbeitern die Erweite­ rung eines Betriebes mit fundierten Zukunfts­ aspekten ins Auge fassen konnten. So entstanden die ersten Fabrikationsge­ bäude in Riedböhringen, nahe der Bundes­ straße 27. Schon 1971 fertigte man im Schnitt täglich 100 Achsen und erreichte einen Jah­ resumsatz von fünf Millionen Mark, wobei der Export in die europäischen Länder sowie ins übrige Ausland eine wichtige Rolle spielte. Der Betrieb wurde inzwischen durch 78 moderne Fertigungs- und Lagerhallen sowie ein entsprechendes Verwaltungsgebäude zweckdienlich erweitert. Zum silbernen Jubi­ läum im Jahr 1971 ehrte Heinrich Ueberle von den rund vierzig Mitarbeitern schon zwei für 25 und zehn Betriebsangehörige für 15 und mehr Jahre unermüdlichen Einsatzes. Daß bei solcher Betriebsverbundenheit schwierige Marktsituationen, wie zum Bei­ spiel im Bereich der landwirtschaftlichen Fahrzeuge, in gemeinsamen Anstrengungen überwunden wurden, zeichnete das beste­ hende Arbeitsklima besonders aus. So ist Obermeister Hermann Keßler, der am 1. April 1948 als Lehrling eintrat, „von der Pike aur‘ dabei und feierte 1988 sein 40jähriges Betriebsjubiläum. Es war das Jahr, in dem sich der Umsatz von typgeprüften Achsen monatlich auf 500.000 bis 600.000 Mark gesteigert hatte. Damit blieb man nicht nur wettbewerbsfähig, sondern sicherte dazu auch die notwendigen und sozial bestens betreuten Arbeitsplätze. Dazu werden Lehr­ linge kontinuierlich zu lndustriemechani-

kern ausgebildet. Ernst Keller, seit 1958 im Betrieb und ab 1982 Junior-Geschäftsführer, ist der vom Seniorchef Heinrich Ueberle berufene neue „Motor“ der Achsenfabrik, die zu einem der führenden Unternehmen dieses speziellen Marktes zählt.1987 wurden 1000 Tonnen Vierkantstahl in einem Durch­ messer von 30 bis 140 Millimeter verarbeitet. Das zwingt zu einem ausreichenden Lager­ bestand. Hergestellt werden Präzisionsach­ sen bis zu einer Spannweite von zweieinhalb Metern, mit einer Tragkraft bis zu 20 Ton­ nen. Der umfassende Katalog nennt: Pendel­ Achsen für Spezialanhänger und Schwerlast­ transporter, bei denen der Radkörper gleich­ zeitig als Nabe und Träger für die Vollgum­ mibereifung dient. Laufachsen für schwere Hafenkräne. Pendel-Bremsachsen mit einer Tragkraft von 15 Tonnen unter Transport­ fahrzeugen für Flüssigmetall in einem chine­ sischen Walzwerk. Lenkachsen für gezogene Spezialfahrzeuge einer Bräunlinger Fabrika­ tion. Pendelnd aufgehängte Lenkachsen für Transportbereite Achsen Ausschnitt aus dem Zwischenlager .far Mittel­ achskörper 79

Tieflader mit hochempfindlichen Meßgerä­ ten. Lenkachsen-Sätze für den Sahara-Was­ sertransport mit einer Faßkapazität von 10.000 Litern. Laufrollen für Transportre­ gale. Hinzu kommen Stahl-Halbachsen für Kutschen und hochbelastbare Wagenach­ sen, wie sie bei Marathon- und Turnierfahr­ ten strapazierende Verwendung finden. Gründer und Seniorchef Heinrich Ueberle betonte im anregenden Gespräch auch das rationelle und kostengünstige Bau­ kastensystem, die oftmals schwierigen Son­ deranfertigungen und die betriebseigene Programmierung der hochwertigen NC­ Maschinen je nach Kundenwünschen. Dem Mittachtziger, der sich in jüngeren Jahren mit dem Hockeysport – hier gehörte er frü­ her auch der Deutschen Nationalmann­ schaft an – und später jahrzehntelang bis zum 78. Lebensjahr(!) mit dem Tennissport vorbildlich fit hielt, war bei der Unterhaltung die Freude über das abgerundete Lebenswerk anzusehen. Dazu weiß er es in guten Hän­ den. Aus bescheidenen Anfängen schuf er, mit glücklicher Hand in der Wahl und Inte­ grierung seiner Mitarbeiter, in Blumberg­ Riedböhringen ein Werk, das weit über die Grenzen des Blumberger Raumes hinaus bis ins Ausland einen ausgezeichneten Ruf Jürgen Henckell genießt. Tannheimer Säge – vom Rundholz zum Dachstuhl Neue Technologien entlasten das Handwerk Der Schwarzwald mit seinen reichen Waldbeständen bietet seit jeher die Grund­ lage für das Holzgewerbe. Auch die Tannhei­ mer Säge, die in Tannheim an der Grenze zwischen Baar und Schwarzwald liegt und in der vierten Generation von Herbert Riegger geführt wird, hat eine alte Firmengeschichte. 1872 übernahm Blasius Riegger eine durch Feuer zerstörte Sägemühle. Sein Sohn Rudolf Riegger, dessen Name der Betrieb heute noch trägt, mußte das Sägewerk zwei­ mal wieder aufbauen, nachdem es 1918 und 1940 in Flammen aufgegangen war. Von 1943 an wurde es von Wilhelm Riegger, dem Vater des jetzigen Besitzers, betrieben, der es 1975 seinem Sohn übertrug. Bis zu diesem Zeit­ punkt gehörte das Gasthaus „Sonne“ in Tannheim zum Sägewerk. 1976 brachte Herbert Riegger das Säge­ werk durch größere Umbauten auf technisch neueren Stand. Durch weitere Mechanisie­ rung wurde 1983 die Leistungsfähigkeit des Sägewerks nochmals erheblich verbessert. 1988 wurde eine neue Halle gebaut und eine computergesteuerte Bauholzabbundanlage installiert. 80 Der Rohstoff Holz wird hauptsächlich aus dem Villinger Stadtwald und von umlie­ genden Gemeinden und Privatwaldbesitzern gekauft. Aus dem Stammholz wird überwie­ gend Bauholz für den Holzbau erzeugt. Aber auch hochwertige Blochware für Schreiner, Treppen- und Fensterbauer sowie Rahmen, Latten und Bretter für Dachdecker und Zim­ merer gehören zur Produktpalette. Sämtli­ che Hölzer können auf Wunsch weiterverar­ beitet, das bedeutet gehobelt, imprägniert und seit neuestem – beim Bauholz – auch abgebunden werden. Abbinden -was ist das? Das Bauholz wird nach Plan und Auftrag des Zimmermanns so zugeschnitten, daß es von ihm auf der Bau­ stelle zum Dachstuhl zusammengebaut wer­ den kann. Die Möglichkeit, daß ein Zimmermann fertig abgebundenes Bauholz von einem Sägewerk beziehen kann, gibt es noch nicht oft. Bei der Installation der Abbundanlage 1988 war die Firma Riegger das erste Säge­ werk in Deutschland, das eine solche Lei­ stung anbot. Inzwischen haben auch andere Betriebe die Zeichen der Zeit erkannt und

Sägewerk und neue Abbundhalle .& ‚Y Die computergesteuerte Abbundanlage 81

dieser gewagte Schritt aus heutiger Sicht rich­ tig war. Die Anlage war von Anfang an ausge­ lastet. Zuerst nahmen hauptsächlich junge Zim­ merer dieses neue Abbundverfahren in An­ spruch. Inzwischen sind auch anfangs skepti­ sche Zimmerleute von den Vorteilen dieser Innovation wie geringere Transportkosten, hohe Maßgenauigkeit, gut kalkulierbare Kosten, Zeit für andere Arbeiten, überzeugt worden. Heute wird fast das ganze auf dem Sägewerk Riegger erzeugte Bauholz abge­ bunden ausgeliefert. Der Kundenkreis, der sich bisher auf die hiesige Region begrenzte, ist wesentlich grö­ ßer geworden. Von der Pfalz über Baden­ Württemberg, die Nordschweiz bis hin ins Tessin stehen Häuser mit einem Dachstuhl, der in der Tannheimer Säge abgebunden wurde. Auch Fertighausfirmen gehören mitt­ lerweile zur Stammkundschaft. Dank der Unterstützung der zehn Mitar­ beiter und der Aufgeschlossenheit des Fir­ menchefs für neue Technologien ist für die Zukunft der Absatz und somit die Ausla­ stung und die Existenz der Firma Rudolf Riegger, Sägewerk, in Tannheim gesichert. Herbert Riegger E friendli Wort … Ich weiß it ob des immer stimmt: „E friendli Wort – des koscht doch nint!“ Bisch grad moal greizt un hesch e Wuat No goaht des sicherlich nit guat. Des koscht ganz schö -dich z’überwinde Wenn mer dich do will friendli finde. Doa tuat -ganz offe kann mer’s sage – Dea geistlich Stand sogar dra nage. Es wär au wirklich zum Erstaune Hätsch täglich du nu guate Laune. Nu -eh‘ mer’s merkt, daß du grad brummsch Guck vorher schnell, daß z’lache kunnsch. Gertrud Mager Zur Auslieferung bereitgestelltes abgebundenes Bauholz nachgezogen. Aber im südbadischen Raum ist dies bis jetzt noch einmalig. Lange suchte der Firmeninhaber nach einem weiteren Standbein für den Betrieb. Andere Verarbeitungen kamen aus verschie­ denen Gründen nicht in Frage. Gute Kon­ takte zum Entwickler dieser neuen Abbund­ maschine brachten den Stein ins Rollen. Genaue Überlegungen waren notwendig, denn man war sich klar darüber, daß mit der Anschaffung dieser Maschine der eigenen Kundschaft einen Teil ihrer Handarbeit abgenommen wurde. Nach Rücksprache mit der Stammkundschaft des Betriebes, die nur mit einer Ausnahme diese neue Technologie begrüßten, stand dem Entschluß, die für den Betrieb große Investition zu tätigen, nichts mehr im Wege. Die Vorteile überwogen – auch für die Zimmerleute. Der Aufschwung am Bau, die Personalknappheit beim Handwerk und die immer kürzeren Lieferzeiten zeigten, daß 82

Wirtschaftsgeschichte Die frühen Jahre der Furtwanger Uhrmacherschule (1850-1857) Um 1840 mehrten sich jedoch die Klagen über die wirtschaftliche Lage des Uhrenge­ werbes, sie wurden verstärkt durch die Aus­ wirkungen der Agrarkrise von 1845/47. Die Betroffenen sahen die Ursache eher vorder­ gründig in Zollerhöhungen und Erschwe­ rungen des ambulanten Handels, in der Machtstellung der Zwischenhändler (,,Pak­ ker“) oder im ungeregelten Zugang zum Uhr­ macherberuf, außenstehende Beobachter blickten tiefer. Als Beispiel sei aus den Gutachten eines Regierungsbeamten von 1843/44 zitiert, wonach die Schwarzwälder Uhrmacher „auf der einmal erreichten Stufe der Kunstfertigkeit stehen geblieben sind“ und „eigensinnig am Althergebrachten festhalten“. Verschiedene Hilfsmaßnahmen wurden diskutiert, doch verwirklicht hat man eine auch heutigen Kriterien entsprechende gewerbliche Berufsfachschule, die ganztägig und freiwillig besucht wurde, kein Schulgeld forderte und aufElementarschulbildung auf­ baute. Werkstattpraxis (in den „Musterwerk­ stätten“) und theoretische Unterweisung (in der „Uhrengewerbeschule“) waren aufeinan­ der bezogen. Wenn auch dieses Konzept nicht in allen Einzelheiten durchgehalten werden konnte, mit dieser didaktischen Struktur in Verbindung mit entsprechender personeller und gerätetechnischer Ausstat­ tung war die Großherzoglich Badische Uhr­ macherschule Furtwangen im Jahre 1850 eine recht seltene, vielleicht gar singuläre Erschei­ nung im deutschen Bildungswesen. Den Historiker überrascht nicht nur die ihrer Zeit weit vorauseilende Form der Aus­ bildung, sondern auch die Schnelligkeit, mit der trotz zweier Revolutionsjahre das Kon- 83 Hauptgebäude der Großherzog/ich Badischen Uhrmacherschule Furtwangen 1850-1863 Wenn in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Deutschland über Gewerbe­ förderung in ländlichen Gebieten sinniert wurde, dann dachten viele Zeitgenossen an den hausgewerblichen Uhrenbau des Schwarzwaldes. Um 1810 waren es 150 000, um 1840 über 550 000 Gewichtsuhren, die alljährlich mit Hilfe der Schwarzwälder Uhrenhändler ihren Weg in Europas Bauern­ und Bürgerstuben fanden. Etwa ein Drittel aller Uhren, die damals in Europa produziert wurden, Taschenuhren eingeschlossen, kamen aus den kleinen Werkstätten des hohen Schwarzwaldes.

zept realisiert wurde. Anfang September 184 7 übergaben vier Vertreter des Schwarzwälder Uhrengewerbsvereins dem Großherzog Leo­ pold ihre Petition, zwei Monate später unter­ stützte eine Kommission des Innenministe­ riums den Vorschlag nach Einrichtung einer Uhrmacherschule. Der Uhrengewerbsverein hatte seine Zielvorstellungen klar herausgear­ beitet: Förderung der Stockuhrenproduk­ tion (federgetriebene Uhren), Einführung des Taschenuhrbaues auf dem Schwarzwald, Steigerung der Arbeitsproduktivität und Entwicklung neuen Uhrendesigns bei den herkömmlichen Wanduhren mit Gewichts­ antrieb. Die im Januar 1848 eingebrachte Regie­ rungsvorlage konnte jedoch wegen der poli­ tischen Ereignisse (Neuwahlen) erst im Herbst parlamentarisch behandelt werden, dabei haben sich beide badische Kammern für eine rasche und großzügige Unterstüt­ zung der Schwarzwälder Uhrmacher aus­ gesprochen. Politisch brisant war die Wahl des Standorts der neuen Institution. Vier Orte hatten ich beworben. Recht modern mutet die Entscheidungsfindung an. Auf einer Mitgliederversammlung des Uhrenge- werbsvereins am 5. Februar 1849 wurde gefragt: „Wieviele Uhrengewerbsleute woh­ nen in jedem der vier Orte und bis auf zwei Wegstunden weit um jeden herum“? Die Auswertung ergab für Vöhrenbach 1199, für Neustadt 1270, für Triberg 1377 und für Furt­ wangen 2018. Damit hatte Furtwangen gewonnen. Eine Expertengruppe besuchte im Frühjahr 1849 die Uhrmachergebiete Frankreichs und der Schweiz, kaufte Maschi­ nen und Musteruhren ein und führte Ver­ handlungen zur Besetzung der Hauptlehrer­ stelle für Taschenuhrmacherei. Als Leiter der Werkstätte für Stockuhrmacher war Mat­ thäus Hipp (1813-1893) vorgesehen, doch unter den Nachwirkungen der badischen Mairevolution von 1849 hatten sich die Vor­ stellungen der Verwaltung geändert. Höchste Fachqualifikation konnte politische Beden­ ken nicht aufwiegen. Damit schied Matthäus Hipp aus, der „demokratischen Grundsätzen ergeben war“ und sich zudem 1848/49 an sei­ nem Wohnort Reutlingen politisch expo­ niert hatte. Lorenz Bob (1805-1878), der ursprünglich lediglich den Bau Schwarzwälder Uhren betreuen sollte, wurde anfangs 1850 damit Werkstatt und Wohnung von Lorenz Bob. Im Vordergrund die „ Unterallmend‘: ältestes Uhrmacher­ viertel Furtwangens. 84

und von 1 bis 6 lh Nachmittags in den Werk­ stätten, an drei Vormittagen haben sie den Gewerbeschul-Unterricht zu besuchen, wel­ cher jedoch im Sommer um 5 Uhr, im Win­ ter um 6 Uhr morgens beginnt und nur durch eine halbe Stunde Zeit zum Frühstück unterbrochen wird … „, das entspricht wöchentlich 46,5 Werkstattstunden gegen­ über 18 Stunden im Sommer, bzw. 15 Stun­ den im Winter theoretische Unterweisung, im Jahresdurchschnitt also 63 Ausbildungs­ stunden je Woche. Auf die Werkstatt entfielen dabei 74 % , auf die Gewerbeschule 26 % der Gesamtzeit. Die Werkstatt für Taschenuhrmacher war 1851/52 mit 18 Schülern voll ausgelastet, die Stockuhrmacherei mit 17 Schülern nahezu. Schulgeld wurde nicht erhoben, maximal 12 Schiller konnten zusätzlich noch Unter­ haltsbeihilfen in Höhe von jährlich 100 fl. (Gulden) erhalten. Im Hauptgebäude der Bahnhäusleuhr mit Federantrieb, kennzeichnend für die Reformen der Uhrmacherschule Lackschilduhr mit 8-Tage-Werk. Furtwangen, um 1850. beauftragt, zusätzlich auch die Leitung der Stockuhrmacherwerkstatt zu übernehmen. Aus sachlichen, aber auch aus politischen Gründen wurde Robert Gerwig (1820-1885) zum Schulleiter berufen, ein damals knapp 30jähriger „Ingenieur mit Staatsdienereigen­ schaft“ der Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaus, der sich bereits bei Sonderauf­ gaben bewährt hatte. Offiziell wurde die Uhrmacherschule am 5. März 1850 eröffnet, als Ministerialrat Dietz, der zuständige Behördenleiter, alle Beteiligten zu einer Arbeitssitzung eingeladen hat. Taschenuhr­ macher Flammger trug seinen Unterrichts­ plan vor, für die Stockuhrmacherei wurden entsprechende Konzepte angekündigt. Den Höhepunkt ihrer Leistungskraft dokumentiert die Großherzoglich Badische Uhrmacherschule Furtwangen im zweiten Jahresbericht von 1851/52. ,,Die Zöglinge (Mindestalter 14 Jahre. Der Verf.) arbeiten an a!Jen Werktagen von 7 bis 11 V2 Vormittags 85

Die Gewerbeschule wurde in angemieteten Räumen in einem Furtwanger Gasthaus untergebracht. Das Personal der Uhrmacherschule um­ faßte z� dieser Zeit insgesamt 12 Personen, den Schulleiter (Gerwig), die drei Lehrer der Gewerbeschule, für Technik (Fräßle), Design (Meyerhuber) und Sprachen/Wirtschafts­ kunde (Lamy), die zwei Hauptlehrer für Taschenuhren (Flammger) und Stockuhren/ Gewichtsuhren (Bob) wurden in den Werk­ stätten noch von zwei Hilfslehrern unter­ stützt. Außerdem zählten drei Arbeiter zum Personal der Schule, ein Uhrmacher, ein Mechaniker und ein Schreiner, hinzu kam der Hausmeister („Diener“). Das ergab, selbst wenn außerschulische Aktivitäten berück­ sichtigt werden – heute würde man dafür Worte wie Technologietransfer oder Wirt­ schaftsförderung wählen – eine recht gün­ stige Lehrer-Schüler-Relation. Die Kosten für Gebäude und Heizung hat die Gemeinde Furtwangen übernommen. Im Jahre 1857 wurde die Uhrmacher­ schule neu organisiert. Robert Gerwig war auf sein wiederholtes Drängen hin vom Amt des Schulleiters entbunden worden, Nach­ folger wurde Gewerbelehrer Fräßle. Als neuer Leiter für den Taschenuhrbau konnte der bekannte Uhrmacher Jess Hans Martens gewonnen werden. Um Platz für die Ausbil­ dung von Taschenuhrmachern und zugleich für die von einer privaten Aktiengesellschaft Bei einem Vergleich der Lehrerbesoldun­ gen fallt auf, daß damals die „Praktiker“ bes­ ser bezahlt wurden als die Vertreter theore­ tischer Fächer. Jahresbezüge 1850 m Gulden (fl.): Hauptlehrer für Taschenuhrmacherei 1400 Hauptlehrer für Stockuhrmacherei 1000 Zeichenlehrer, akad. Bildhauer und Modelleur Gewerbeschullehrer, Kassier und Rechner 600 Der Schulleiter bezog als Assessor (dem heutigen Oberbaurat vergleichbar. Der Verf.) mit Leistungszulage im Jahre 1851 insgesamt 1350 fl. 720 Blechanker mit Gangrad. Musterblätter der Uhr­ macherschule 1852156. Schule befanden sich die zwei Lehrwerkstät­ ten, die Verwaltung und drei Hilfswerkstät­ ten (Schlosserei, Modellieren, Schreinerei), eine an anderer Stelle später etablierte Werk­ statt zum Drehen, Schleifen und Hobeln größerer Stücke konnte Wasserkraft nutzen. Kalenderuhr für französischen Markt. Gefertigt von Lorenz Bob, um 1860. 86

getragene Taschenuhrfertigung zu gewin­ nen, verlegte man die Ausbildung der Stock­ uhrmacher, deren Zahl ohnehin gesunken war, in die Privatwerkstatt von Lorenz Bob. Die Uhrmacherschule konnte jetzt in ihren Jahresberichten argumentieren, daß die Unterweisungszeit von 13 Stunden je Tag sich der in Schwarzwälder „Privatwerkstät­ ten“ üblichen angenähert habe und damit den in früheren Jahren oft erhobenen Vor­ würfen entgegentreten, ihre Zöglinge wür­ den „ verzärtelt“ und nicht an „anhaltendes Arbeiten“ gewöhnt. Doch das ursprüngliche didaktische Kon­ zept der Uhrmacherschule war damit bereits gefahrdet. Die weit verbreitete Auffassung, daß Jugendliche rechtzeitig die Härte des Arbeitslebens spüren müssen und daß theo­ retische Unterweisung eher abträglich sei für die Arbeitsleistung, trug ihren Teil dazu bei, ein technisch fortschrittlicher und trotz strenger Schulzucht dennoch jugendfreund­ liches Ausbildungssystem zu zerstören. Auch die Verquickung von Ausbildung und Produktion, von staatlichen und privatwirt­ schaftlichen Strukturen in der zweiten Ent­ wicklungsphase der Uhrmacherschule nach 1857, entsprach nicht mehr den Intentionen der Anfangsjahre. Das badische Handelsministerium hielt 1862 die Zahl der Ausgebildeten für ausrei­ chend, um die Selbstentfaltungskräfte des Schwarzwälder Uhrengewerbes zu aktivie­ ren. Diese Haltung war verständlich in einem Jahr, das Baden die Gewerbefreiheit brachte und den wirtschaftlichen Liberalismus auf dem Höhepunkt seines politischen Einflus­ ses sah. Am 31.12.1863 schloß die Uhrma- Holzräderwerk, um 1760. Dank Robert Gerwigs Aufruf zum Sammeln alter Uhren Exponat Nr.] des Deutschen Uhrenmuseums Furtwangen. 87

cherschule Furtwangen ihre Pforten, sie war zuletzt noch von 10 Taschenuhrmachern und 11 Stockuhrmachern besucht worden. Erhalten blieb eine Gewerbeschule in örtli­ cher Trägerschaft und für einzelne Lehrlinge die Chance, mit staatlichem Zuschuß bei Lorenz Bob weiterhin den Stockuhrenbau zu lernen. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, die Schwächen, aber auch die vielfältigen positi­ ven Langzeitwirkungen dieser Uhrmacher­ schule darzustellen. Doch ein überzeugen­ der Negativbeweis läßt sich führen. Der badische Staat hatte sich mit großem Auf­ wand an der Wiener Weltausstellung 1873 beteiligt, aber die dort gleichfalls ausgestell­ ten historischen Schwarzwalduhren fanden beim Publikum weitaus mehr Anklang als die laufende Produktion. Deshalb wurde auch 1875 der Berliner Professor Franz Reuleaux um ein Gutachten zum Uhrengewerbe gebe­ ten, das recht drastisch ausfiel. Es hat jedoch wesentlich dazu beigetragen, daß im Jahre 1877 in Furtwangen wieder eine Uhrmacher­ schule und zusätzlich noch eine Schnitzerei­ schule eingerichtet wurden. Daraus entstand ein vielgliedriges berufliches Schulsystem, das heute den Namen „Robert-Gerwig­ Schule“ führt, und eine Fachhochschule mit 1600 Studenten, die in jüngster Zeit in Villin­ gen-Schwenningen eine Außenstelle mit drei (geplanten) Fachbereichen aufbaut. Prof. Dr. Helmut Kahlert Literatur hinw eise: Have r ka mp, Frank: Staatliche Gew erbeför­ derung im Großherzogtum Baden, Freiburg 1979; B e n d e r, G e r d: Die Uhrenmacher des hohen Schwarzwaldes und ihre Werke, 2. Band, Villingen 1978; Ka h l e r t , H e l m u t: 300 Jahre Schwarzwälder Uhrenindustrie, Gernsbach 1986; Müh e , Richar d: RobertGerwig in:Almanach 80, s. 161-166. Im Winkel/Neukirch, Zeichnung von Herrn Helmut Groß, Villingen 88

Katzeliebi Mi Kätzli uff em Feischterbrett liit i de Sunn, zwo Stund, und schächt und schniffiet allewiil, ob nitt e Müsli kunnt. De Rolli us de Nochberschaft, mecht gearn zum Kätzli gau. Er kräßlet iber d’Holzbiig hear und macht miau, miau. Mi Kätzli stellt sin Buckel hoh, ’s will ledig si und frei. De Rolli wär en diire Maa, der frißet jo fer drei. ,,Gell Gretli,“ schnorret er ganz lieb, ,,du bischt doch guet mit mier? Und wenn du mol Frau Rolli hoascht, no doal ech aUs mit dier!“ ,,Oh, Peter, lüg mech doch nitt aa, wenn ech i dier vertrau. De Bruut versprächet d’Rolli alls und gännt no ninnt de Frau!“ ,,Seil worscht a mier verläbe nitt, ech woas au wa sech ghört. Min Vatter, Relling, hätt mier doch vill Bildung allwiil glehrt!“ Will der Mordskaib so selli lügt, schliicht ’s Müsli us sim Bau. De Peter packt’s und frißt’s eloa und’s Gretli schreit m i a u . Gottfried Schafbuch Rolli = Kater, kräßlet = k!ellerl, Relling = alter Kater 89

Archäologie Abriß der Ur- und Frühgeschichte im Schwarzwald­ Baar-Kreis anhand der archäologischen Fundstellen Am 18. 11. 1988 wurde dem Landratsamt die Liste der archäologischen Denkmale (= Fundstellen) des Landkreises übergeben. Diese Liste dient 1. zur Information der Eigentümer von archäologischen Denkmalen, 2. zur Schaffung von Planungsunterlagen jeglicher Art und 3. zur Rationalisierung der Arbeit der Denk­ malschutzbehörden. In dieser Liste sind 226 archäologische Denkmale aufgeführt, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Erst damit ist ein effektiver Denkmalschutz möglich. Ein für die archäologischen Denkmale be­ sonders notwendiger Schutz, da deren Vor­ handensein nur zum geringeren Teil augen­ fällig ist, zum größeren Teil liegen sie im Boden verborgen. Aufgrund dieser Zusammenstellung läßt sich ein Abriß der Ur- und Frühgeschichte im Landkreis skizzieren. Erste Spuren menschlicher Anwesenheit im Kreisgebiet stammen aus der Mittelstein­ zeit (etwa 8000 -6000 v. Chr.). Bei Schwen­ ningen erlegten nomadische Jäger ein Wild­ rind. In Rietheim hinterließen sie die Reste eines Schlagplatzes zur Herstellung von Silexwerkzeugen. Die einzige Höhle im Kreisgebiet, die ihrer Lage nach geeignet ist, den Steinzeitmenschen als Zufluchtsort zu dienen, lieferte bisher keine entsprechenden Funde (Gremmelsbach „Räuberhöhle“). Mit dem Beginn der Jungsteinzeit (etwa 6. – 3. Jahrtausend v. Chr.) änderte sich die Wirtschaftsweise. Ackerbau und Viehzucht wurden eingeführt, feste Siedlungen ange­ legt. Von den 11 bekannten Siedlungen des Kreisgebietes gehören 2 dem älteren, 1 dem mittleren und 1 dem jüngeren Abschnitt der 90 Jungsteinzeit an; d. h. 2 Siedlungen der Bandkeramik (Neudingen und Schwennin­ gen), 1 der Rössener Kultur (Riedböhringen/ Achdorf „Bürglebuck“)-und 1 der Horgener Kultur (Buchenberg). 2 Fundstellen gehören zu Pfahlbausiedlungen (Bad Dürrheim, Pfohren), clie erstmals in der Jungsteinzeit errichtet wurden und auch späteren Epo­ chen als Wohnplätze dienten. Die anderen Siedlungsstellen lassen sich keiner bestimm­ ten jungsteinzeitlichen Kulturgruppe zuwei­ sen. Grabfunde derJungsteinzeit wurden bis­ her im Kreisgebiet nicht beobachtet. Aus der Bronze- und Urnenfelderzeit (etwa 2. Jahrtausend – 9. Jh. v. Chr.) sind 9 Siedlungsplätze und 3 Gräberfelder bekannt. Von den Siedlungen gehören 2 der mittleren, auch Hügelgräberbronzezeit genannten Epoche (Epfenhofen, Neudingen) und 2 der Urnenfelderkultur (Hüfingen, Schwennin­ gen) an. Während in der Bronzezeit die Kör­ perbestattung vorherrscht (Villingen), ist in der Urnenfelderkultur die Brandbestattung üblich (Donaueschingen, Hüfingen). Von den zahlreichen Grabhügeln – bisher sind mehr als 2100 Grabhügel im Kreisgebiet bekannt – dürfte sicher ein Teil in diesen Zeitabschnitt gehören (Abb. 1). Aufschlüsse über Handel und Verarbeitung von Bronze­ geräten geben 2 Bronzedepotfunde (Schwen­ ningen, Villingen). Auf die Urnenfelderzeit folgen Hallstatt­ und Latenezeit (8. Jh. v. Chr. -Chr. Geburt). In dieser Zeit lebten nach Aussage antiker Schriftsteller(u. a. Herodot v. Halikarnassos) im südwestdeutschen Raum die Kelten. Sie bestatteten ihre Toten unter Grabhügeln (Abb. 2) oder in Flachgräbern. Einige Grab­ hügel konnten außerordentliche Größen erreichen (bis zu 100 m im Durchmesser)

Abb. 1 Grüningen, Schwarzwald-Baar-Kreis, ,,Honberg‘: Grabung 1983, Steingrabhügel von Süd (nach Enifemung des Mooses) Abb. 2 Neuhausen, Schwarzwald-Baar-Kreis, ,Judenbühl‘: Grabhügel von Südost 91

Abb. 3 Villingen, Schwarzwald-Baar-Kreis, ,,Magdalenenberg‘: Grabhügel Ltiftbild L 7916/12-1 (freigegeben durch Reg.-Präs. Stuttgart Nr. B 24544-13.6.83) Abb. 4 Munde!fingen, Schwarzwald-Baar-Kreis, ,,Ru.fein‘: Viereckschanze, Luftbild L 8116/62-11 (frr,:f{f‘.f{fben durch Reg.-Präs. Stuttgart Nr. 000/57872/4.6.88) 92

Abb. 5 Hüfingen, Schwarzwald-Baar-Kreis, ,,Galgenäcker’� Römisches Kastell Luftbild L 8116/4-15 (freigegeben durch Reg.-Präs. Stuttgart Nr. 000/65771/6.6.89) und dienten als Familien-oder Sippenbe­ gräbnisse. Ein derartiges Familienbegräbnis war der Magdalenenberg bei Villingen (Abb. 3). Die Siedlungen dieser Zeit-2 gehören in die Hallstattzeit, 7 in die Latenezeit-bestan­ den aus kleineren Gehöften. Es wurden aber auch befestigte Höhensiedlungen angelegt, so z.B. auf dem „Kapf‘ bei Villingen. Wei­ tere, nicht näher datierbare Befestigungsan­ lagen dürften in dieser Zeit errichtet worden sein (z. B. Hammereisenbach „Krumpen­ schloß“, Hochemmingen „Türnleberg“, Unterbaldingen „Blatthalde“). In eine späte Phase der Latenezeit (1. Jh. v. Chr.) gehören die Viereckschanzen (Abb. 4). Es handelt sich um keltische Heiligtümer, die von Wall und Graben umgeben waren. Im Inneren stand vermutlich ein kleiner Tempel. Außer­ dem dürfte ein Brunnen oder Opferschacht zu einem solchen Heiligtum gehört haben. 2 Viereckschanzen sind im Kreisgebiet erhal­ ten (Mundelfingen „Rufeln“ und Tuningen „Schänzlej. Vermutlich sind auch die Funde an den Q;iellen von Breg, Brigach und Nek­ kar als Uberreste von Heiligtümern oder Opferplätzen zu interpretieren. Etwa ab der Mitte des 1. Jh. n. Chr. wurde das Kreisgebiet Teil des römischen Reiches. Zahlreiche Fundstellen geben Zeugnis von der römischen Herrschaft in diesem Raum. In Hüfingen wurde ein militärisches Kastell errichtet (Abb. 5). Hier waren Mannschafts­ baracken für die Truppe, Lagerverwaltung und Vorratsräume untergebracht. Das Kastellbad ist unter einem Schutzbau restau­ riert. Nördlich der Breg schließt sich die Zivilsiedlung, die zu dem Kastell gehört, an. Südlich des Kastells liegt der zugehörige Friedhof, ein Brandgräberfeld. Außer diesem römischen Friedhof ist bisher nur noch ein zweiter von Neudingen im Kreisgebiet über­ liefert. Zahlreiche Gutshöfe (,,villae rusticaej­ insgesamt 12 -und 19 kleinere Siedlungen dienten neben der Truppenversorgung wohl auch der Be&iedung des Gebietes. Verbin­ dungsstraßen führten vom Kastell Hüfingen 93

schließen (Hochemmingen, Kirchdorf/Mar­ bach). Zahlreiche Ortsnamen auf die Endung -ingen (z.B. Döggingen, Hüfingen, Mundelfingen etc.) weisen auf die starke Besiedlung des Kreises in merowingischer Zeit hin. Bisher sind 55 Gräberfelder dieser Zeitstellung entdeckt worden (Abb. 6). Besonders hervorzuheben sind die Gräber­ felder von Hüfingen und Neudingen. Sie sind nicht nur aufgrund ihrer reichen Beiga­ ben bemerkenswert, die Rückschlüsse auf eine gegliederte Gesellschaft erlauben. Durch besondere Bodenverhältnisse, welche eine gute Erhaltung vergänglicher Materia­ lien wie Holz, Leder etc. begünstigen, neh­ men die Neudinger Gräber eine Sonderstel­ lung ein, die weit über den regionalen Raum hinaus reicht. Weniger gut bekannt sind die Siedlungen der Merowingerzeit. Da diese Siedlungen weitgehend unter den heutigen Ortschaften zu suchen sind, ist die Möglich­ keit, ihre Spuren zu finden, außerordentlich begrenzt. In der Merowingerzeit werden zahlreiche (16) Befestigungen neu angelegt, ältere Anlagen werden vermutlich weiter genutzt, z. T. erweitert (Villingen „Kapf“) oder vergrößert. Ein großer Teil dieser Befe­ stigungsanlagen besteht, mehr oder weniger verändert, bis ins Hochmittelalter fort. Dr. Verena Nübling Bildnachweis: Alle Abbildungen LDA Baden­ Württemberg, Archäologische Denkmalpflege, Außenstelle Freiburg Des gits doch it! Sieht mer hit dea junge Lit Meint mer – jo, des gits doch it, Daß dea Jährli so sin g’schprunge, Un m i r nimmi sin die Junge. Manchmal druckt des einem schwer Wenn mer singt: ,,Lang, lang isch’s her!“ Doch, w a solle mir verzage? Wit lang leabe muaßsch des trage! Gertrud Mager Abb. 6 Überauchen, Schwarzwald-Baar-Kreis, „Eggwald‘: merowingerzeitliche Gräber zu denen von Rottweil und Tuttlingen. Diese Straßen sind zum größten Teil in ihrem Verlauf erschlossen und nur selten wirklich nachgewiesen. In neuester Zeit wurde das Stück einer von Ost nach West führenden Römerstraße dicht an der Kreis­ grenze zum Kreis Breisgau-Hochschwarz­ wald auf Gemarkung Waldhausen entdeckt. Als im Jahre 259/260 n. Chr. die Alaman­ nen den obergermanisch-rätischen Limes überrennen, bedeutet dies das Ende der Römerherrschaft in unserem Gebiet. Mit dem Ende des 3. Jh. n. Chr. beginnt die alamannisch-merowingische Zeit (bis zum Ende des 7.Jh. n. Chr.). Aus der Völker­ wanderungszeit sind bisher im Kreisgebiet keine gesicherten Funde überliefert, doch könnten 2 Gräberfelder, die durch Luftauf­ nahmen entdeckt worden sind, diese Lücke 94

Die Badeanlage des römischen Gutshofes von Fischbach knapp 200 Jahre andauernden römischen Der nachfolgende Beitrag setzt die Berichte über die Ausgrabungen in Niedereschach – Fischbach Herrschaft in Südwestdeutschland erhalten hat. Nachdem römische Truppen erstmals im Almanach 87, Seite 105-108, und Almanach um das Jahr 15 v. Chr. den Rhein für eine 89, Seite 111-116,fart. kurze Zeitspanne überschritten hatten, kamen während der Regierungszeit des Kai­ sers Claudius (41-54 n. Chr.) noch vor der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. das Oberrheintal und der Schwarzwald unter die römische Herr­ schaft. Sowohl am Rhein als auch entlang der Donau entstanden zum Schutz des neu­ erworbenen Gebietes zahlreiche Kastelle. Wichtige Straßen durchzogen nun das sog. „Dekumatland“ zwischen Rhein und Limes. Zwei dieser wichtigen Verbindungsachsen – von Vindonissa (Windisch, CH) über Brigo­ banne (Hüfingen) nach Norden in das obere Neckargebiet und von Argentorate (Straß­ burg) durch das Kinzigtal nach Augusta Vin­ delicum (Augsburg) -trafen sich im antiken Rottweil. Zusammen mit den römischen Truppen gelangten, zunächst im Gefolge und zur Versorgung der Truppeneinheiten, auch römische Siedler in das nicht übermä­ ßig dicht besiedelte Gebiet. Doch schon bald gründeten sie im Hinterland zahlreiche Landgüter (,,villa rusticaj sowie dorfähnli­ che und städtische Siedlungen, so daß sie entsprechend zur raschen Romanisierung des sog. ,,Dekumatlandes“ beitrugen. Von nun an gehörten die Provinzen Obergerma­ nien und Raetien zum Imperium Roma­ num, und die einheimischen Bewohner ver­ schmolzen allmählich mit den Siedlern aus den südlichen Reichsteilen zu einer „römi­ schen“ Bevölkerung. Dies hatte den wirt­ schaftlichen und sozialen Aufstieg dieser Region und schließlich auch die Anerken­ nung des vollen römischen Bürgerrechtes zur Folge. Doch schon um 260 n. Chr. stoppte der Alamanneneinfall jene zivilisa­ torische Entwicklung und beendete abrupt in diesen Provinzen die „römische Epoche“. Schon im Jahre 1881 wurden im Gewann „Bubenholz“ von Fischbach, jenem Höhen­ zug, der eindrucksvoll die nähere Umgebung 95 Aber unser Fundort war schon damals mehr als nur ein Beleg für die Annahme, daß wir in der Umgebung des großen Munici­ pium Arae Flaviae, dem antiken Rottweil, vereinzelt ländliche Besiedlungsformen römischen Ursprungs vorfinden, die für die Erschließung und das wirtschaftliche Wachstum der römischen Provinzen von großer Bedeutung waren. Schon durch die z. T. systematischen Grabungen während des 18.Jhs. in Rottweil konnte man sich ein gutes Bild von dem eigentlichen Muncipium und -rückschließend -von seinem Umland machen. Mit den Funden im Gewann „Bubenholz“ konnte für das historische Gesamtbild dieser Region ein wichtiger Grundstein gelegt werden, der innerhalb der provinzial-römischen Erforschung des süd­ westdeutschen Raumes, insbesondere die Landschaft um das Municipium Arae Fla­ viae, von nicht zu unterschätzender Bedeu­ tung ist. Als vor nunmehr 100 Jahren die ersten archäologischen Entdeckungen aus der römischen Epoche im Gewann „Buben­ holz“ von Fischbach gemacht worden waren, konnte man bestenfalls hoffen oder erahnen, anhand der Oberflächenfunde in diesem Areal eine „villa rustica“, einen römi­ schen Gutshof lokalisiert zu haben. Daß aber dies letztlich kein Einzelfund war, bezeugt die stattliche Anzahl weiterer römi­ scher Gutshöfe für diese Region, die in den letzten Jahrzehnten vielfach durch Grabun­ gen als solche identifiziert werden konnten, wie z. B. die römischen Anlagen von Über­ auchen-Brigachtal oder Hüfingen-Deggen­ reuschen, um nur diese zwei Denkmäler aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis zu nennen. Der römische Gutshof von Fischbach ist eines von vielen Zeugnissen, die sich aus der

CD rtr:t i–�© 0.-111 i Abb. 1: Fischbach, Römischer Gutshof im „Bubenholz „. Schematischer Übersichtsplan. 96

,· I ,,.· y‘ ,‘ .� .. :–· ,.: ·1 _,.: Abb. 2: Fischbach, Römischer Gutshof Rekonstruktionsvorschlag des Badegebäudes. bestimmt, Oberflächenfunde entdeckt, die bereits vor dem Beginn systematischer Un­ tersuchungen auf eine römische Siedlung hinwiesen. Durch weitere wichtige Funde im Bereich des heute ergrabenen Areals auf­ merksam geworden, konnte 1897 Oberför­ ster Roth aus Villingen eine mit staatlichen Mitteln finanzierte, erste planmäßige Gra­ bung im „Domänenwald Bubenholz“ durch­ führen (Abb. 1). Dabei legte er zunächst am Hang das Bad (Abb. 1, 5) des römischen Gutshofes frei. Dann setzte er seine Untersu­ chungen auch auf der Anhöhe fort, ohne jedoch zu konkreten Ergebnissen zu kom­ men. Dennoch trug seine Vermutung, hier auf eine römische Siedlung gestoßen zu sein, nicht unwesentlich zu den Grabungen von 1985 und 1988/89 bei, durch die sich schließ­ lich diese Annahme bestätigt hat. Leider wurde aber im Anschluß an die ältere Gra- bung von 1897 versäumt, die für ein Denk­ mal notwendigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen oder gar den gesamten freigelegten Befund durch Wiederzuschüttung zu schüt­ zen. Statt dessen war die bauliche Substanz mit der Zeit unweigerlich dem Verfall durch raschen Baumbewuchs und Witterungsein­ flüsse schutzlos ausgesetzt. Dieser Tatbe­ stand war nun der Ausgangspunkt für die erneute Grabung in den Jahren 1988 und 1989, die das Landesdenkmalamt Baden­ Württemberg, Archäologische Denkmal­ pflege, Außenstelle Freiburg, durchführte, und die durch die Gemeinde Niedereschach­ Fischbach gefördert wurde. Wie das Herrenhaus ist auch das Bad in der Regel ein freistehender Bau (Abb. 2) in unmittelbarer Nähe zu einer gesicherten Wasserzufuhr und mit variierendem Grund­ riß. Die Aufteilung der Räume des Fisch- 97

l Abb. 3: Fischbach, Römischer Gutshof. Übersichtsaufnahme des Badegebäudes (von Norden). Abb. 4: Fischbach, Römischer Gutshof. Badegebäude im restaurierten Zustand mit Schutzdach (Ansicht von Nordosten). 98

bacher Bades entspricht weitgehend den an ein römisches Bad gestellten Anforderungen (Abb. 3). Man betritt im Nordosten das Badehaus, gelangt zunächst in das Kaltbad (frigidarium, F), das hier auch als An- bzw. Auskleideraum gedient hat. Westlich davon folgt das Laubad (tepidarium, 1), bestimmt durch seine zahlreichen, aus Bruchsteinen gemauerten Hypokaustpfeiler und den cha­ rakteristisch in den Raum hineingezogenen Mauerschenkel des Heizkanales sowie in die Wände einschneidenden Vertiefungen für die Hohlziegel (tubuli). Den Hauptraum bil­ det das querrechteckig ausgerichtete Warm­ bad (caldarium, C) mit einer nach Süden vor­ gelagerten Apsis. Nach Osten schließen sich zwei schmälere Räume (K, P) an, von denen der östliche als Kaltwasserbecken (piscina, P), genutzt wurde, was sich aus dem Wasser­ ablauf in der Südwand und dem gut erhalte­ nen Ziegelestrich des ursprünglich mit Plat­ ten ausgelegten Beckenbodens ergibt. Vor der Piscina (P) liegt ein schmaler Korridor (K), von dem aus man zunächst in die Kalt­ wasserwanne (P) steigen konnte, um schließ­ lich nach Beendigung des Badevorganges durch diesen Trakt in den nördlichen Raum (F) zurückzukehren. Beheizt wurden die war­ men Räume (T, C) von den westlich angren­ zenden Heizraum (praefumium, H). Der Nordseite des Bades vorgestellt war ein offe­ ner, pfostengestützter Dachvorbau (Abb. 2). Das Innere des Bades war reich ausgestat­ tet gewesen. Neben geschliffenen Kalkstein­ bodenplatten schmückte die Wände eine dekorative Bemalung. Zahlreiche Fragmente von Wandverputzstücken, über deren ur­ sprünglichen Dekor ein weiterer aufgelegt war, mehrere Schichten von Estrichböden in dem Frigidarium und in der Piscina (Abb. 3, F, P) sowie bauliche Veränderungen inner­ halb des Gebäudes sprechen für verschie­ dene Renovierungsarbeiten. Diesem Bad ging ein Vorgängerbau vor­ aus, der sich in einigen wenigen Fundamen­ ten innerhalb des Bades abzeichnete, soweit Abb. 5: Fischbach, Römischer Gutshof, hypokaustierler Raum der „villa rustica“. 99

sie nicht für das aufgehende Mauerwerk des nachfolgenden Baues genutzt wurden. In einer 3. Bauperiode wurden dem Bad eine offene Terrasse, zwei nach Süden ansetzende Mauerzüge und ein im Südosten liegender Raum (Z), eine Latrine oder Zisterne, ange­ fügt. Eine niedrige Trockenmauer bildete den südlichen Terrassenabschluß (Abb. 2). Unter Berücksichtigung des Fundmateri­ als und insbesondere der verzierten Terra sigillata-Ware, deren Mehrheit um die Wende vom 1. zum 2. Jh. entstanden sein wird, haben wir für die Chronologie der ver­ schiedenen Bauphasen nur unzureichende Anhaltspunkte. So wäre es sicherlich denk­ bar, den Vorgängerbau des Bades noch ins ausgehende 1. Jh. zu datieren, wobei der nachfolgende Kernbau sicherlich im 1. Vier­ tel des 2. Jhs. existiert haben wird. Die schon angesprochenen baulichen Veränderungen sowie die Renovierungsarbeiten werden aller Voraussicht nach überwiegend dem 2. Jh. zuzuschreiben sein. Den jüngsten Bauab­ schnitt könnte man auch noch dem gleichen Jahrhundert zuweisen. Nach dem vorliegen­ den Fundspektrum spricht alles für eine Nut­ zung der Badeanlage bis zur Mitte des 3. Jhs. Im Anschluß an die Grabung konnte nach notwendigen konservatorischen Sicherungs­ arbeiten das Badegebäude mit einem Schutz­ dach durch das Staatliche Hochbauamt, Rottweil, versehen werden (Abb. 4). Unsere Badeanlage von Fischbach bildet einen Teil einer größeren römischen Guts­ hofanlage, von der im Jahre 1985 die zunächst als Hauptgebäude (Abb. 1, 2) be­ zeichnete symmetrisch zueinander angeord­ neten Gebäudekomplexe auf der Anhöhe freigelegt werden konnten (Abb. 1, 1-3). Die exponierte Lage des seit dem letzten Jahr­ hundert schon bekannten Fundplatzes, er­ weckte -wie schon eingangs kurz angespro­ chen – im Vorfeld der systematischen Bege­ hungen und den jüngsten Grabungen den Eindruck, daß es sich hier um die baulichen Reste einer ehemals militärisch genutzten römischen Anlage handeln könnte, ein Ein­ druck, der aufgrund eines dort gefundenen 100 Ziegelstempel der in Vindonissa und in Arae Flaviae stationierten XI. Claudischen Legion (LEG · XI · CPF) verstärkt wurde. Doch die neueren Untersuchungen konnten eine sol­ che Annahme nicht bestätigen, wobei, bezo­ gen auf die älteste Bauphase des mittleren Gebäudes (Abb. 1, 2) eine entsprechende In­ terpretation nicht vollends auszuschließen wäre. Eine genaue Betrachtung der zahlrei­ chen Grabungsfunde ergab vielmehr die Erkenntnis, daß hier ein in seinen Ausma­ ßen nicht unbedeutender römischer Guts­ hof vorliegt. Doch die drei Gebäude (Abb. l, 1-3), deren symmetrische Anordnung schlußendlich noch nicht klar gedeutet ist, werden zu dem Gesamtkomplex gesehen eher als Wirtschaftstrakte einzustufen sein. Die von Oberförster Herr Roth zum Ende des letzten Jahrhunderts durch Beobachtun­ gen gewonnenen Erkenntnisse sowie jüngere Begehungen und geomagnetische Vermes­ sungen in einem 50 bis 80 m tiefer gelegenen kleineren Waldbereich sprechen für ein wei­ teres Gebäude (Abb. 1, 4). Der durch einige Suchschnitte angegrabene Befund gibt berechtigten Anlaß zu der Vermutung, an dieser Stelle die ehemalige Landvilla anzu­ nehmen, die in ihren Ausmaßen vielleicht ein Areal von 60 x 40 m umfaßt. Festgestellt werden konnten zum einen ein kleiner Aus­ schnitt der südlichen Außenfront mit Wand­ vorlagen, dem nach Norden hin sich weitere Raumeinheiten anschlossen. Im nördlichen Abschnitt konnte ferner ein hypokaustierter Raum zur Hälfte freigelegt werden (Abb. 5). Die hierbei geborgenen Kleinfunde wiesen ein Zeitspektrum auf, das von dem des Bades nicht entscheidend abweicht. Anhand der vorgestellten Ergebnisse kön­ nen wir für Fischbach einen größeren Guts­ hof voraussetzen, der in seinen Dimensio­ nen weit über das hinausgeht, was zunächst angenommen wurde. Sicherlich handelte es sich ehemals um eine landwirtschaftliche Domäne, die nur im engeren Umfeld zu Rottweil, dem Municipium Arae Flaviae, gesehen werden kann. Dr. Peter Jakobs

Geschichte, Siedlungsgeschichte Die ,,Alemannen“ Auf der Suche nach Geschichte und Gehalt eines Volksnamens „Große, grobgliederige Menschen mit blauen Augen, krausen roten Haaren“ seien es gewesen, ,,voll Kraft und Mut und Trutz“, aber auch: ,,fröhliche Trinker und Spieler, ohne Kenntnisse“ – so kennzeichnete Johann Peter Hebel 1814 die Alemannen, nämlich seine und seiner Leser „wahre Stammväter und Altvordern“. Und nicht nur angesichts der religiösen und kulturellen Veränderungen, die seit der Spätantike in den Gegenden Alemanniens Platz gegriffen hatten, wollte Hausfreund Hebel in seiner beschaulich-ironischen Erzählung einem allzu engen Schulterschluß mit den aleman­ nischen Ahnen vorbeugen. Denn seinem „geneigten Leser“, so Hebel, ,,müßte es wohl ein wenig bange werden, ob es möglich sei, daß er nach anderthalbtausend Jahren noch von diesem Heldenvolk abstammen und auf die Welt kommen werde, wenn er erfahren sollte, was es von einem Feldzug zum andern für schreckliche Niederlagen gelitten hat“. Freilich, trotz all dieser -von Hebel übri­ gens in bunter Anschaulichkeit vergegenwär­ tigten -Katastrophen wurden die Alemannen vom Dichter doch als eines der einst „mäch­ tigsten Völker in Deutschland“ gerühmt. „Damals konnte ein Alemanne sich etwas einbilden, wenn er sagte: wir“. Bei ernsthaf­ ter Betrachtung, d. h. nach Musterung aller verfügbaren zeitgenössischen Quellenzeug­ nisse und sonstiger Überlieferungen, muß heute indes bezweifelt werden, ob es denn überhaupt jemals ein alemannisches „Wir“­ Gefühl gegeben hat. Für unsere Tage jeden­ falls läßt sich unter den alteingesessenen Bewohnern Baden-Württembergs und des bayerischen Schwabens, des Elsaß‘ und der deutschschweizerischen Gebiete kein natür- lieh gewachsenes „alemannisches Bewußt­ sein“ als einendes Band gemeinsamer Stam­ meszugehörigkeit feststellen. Im Gegenteil: Selbst Badener und Württemberger kultivie­ ren gern ihre Sprach- und Menta!itätsunter­ schiede. Daß man gleichwohl in kleinräumi­ gen Zusammenhängen neuerdings wieder eine „alemannische Identität“ aktivieren möchte, steht auf einem anderen Blatt. Bemüht wird sie zur Zeit gerne in der „regio“ am Oberrhein. Doch auch bei uns im Schwarzwald-Baar-Kreis tauchen zuneh­ mend Ansteckknöpfe und Autoaufkleber auf, die einen ermuntern wollen, doch „ale­ mannisch“ zu „schwätze“. Immerhin hat es in der historischen, phi­ lologischen und volkskundlichen Erfor­ schung des alemannischen Sprachraums nicht an Versuchen gefehlt, gemeinsame Stammesmerkmale für den gesamten ale­ mannischen Raum und damit für ein ,,ursprünglich geschlossenes Alemannen­ tum“ (Friedrich Maurer) zu ermitteln. Diese Ansätze, denen gerade in national-sozialisti­ scher Zeit gesteigerte Aufmerksamkeit zukam, müssen heute als gescheitert gelten. Denn schon im Hinblick auf das Haupt­ merkmal eines Volksstammes, seine Spra­ che, widersprechen wissenschaftliche Erhe­ bungen der Einheitsthese oder schränken sie zumindest erheblich ein. Keineswegs dürfen die heutigen Mundartgrenzen mit der Aus­ dehnung des alemannischen Territoriums (vor oder nach der Wanderschaft) in der Spätantike und im frühen Mittelalter gleich­ gesetzt werden. Die ältesten alemannischen Sprachzeug­ nisse, soweit hier nicht unsere Ortsnamen anzusprechen sind (vgl. hierzu den nachfol- 101

‚ o.. …….. � … _.� …. . -. ………………. �–� DER MEROWINGERZIIT _…….,, . -………… .__• Sl“fVttlt_ …………… . …………. ,…_……. – ……_ .. 0..,,,,-CJ–………….. .__. ……….. …………………….. DIE REIHENGRJlillER ….__,._o…,,..,……,._ ……… 1..00000 .. cit genden Beitrag von Ewald H, ll au 105 ff.), reichen fast nirgendwo über da 8.Jahrhundert zurück: und damit in eine Zeit, die fast schon ein halbes Jahrtausend nach der Periode der ersten alemannischen Landnahme in Südwestdeutschland liegt. Diese Lücke vermögen auch einige wenige Run nin hrift n d 5. bi 7. Jahrhun rt nicht zu hlic en,, ie man sie vereinzelt auf archäologischem Fundgut im üden Baden­ Württembergs und in der Schweiz ausge­ macht hat. Ein letzter aufsehenerregender Fund dieser Art gelang den Archäologen in unserem Kreisgebiet, als sie in einem Gräber- 102

feld von Neudingen (Stadt Donaueschin­ gen) eine hölzerne Webstuhlstrebe mit ein­ geritztem Liebesgruß in einer Runenschrift entdeckten, die zu den ältesten Dokumen­ ten weiblicher Schriftkundigkeit nördlich der Alpen gezählt werden muß (vgl. Alma­ nach 1983, Seite 90-94). Es helfen aber auch die beiden frühen ale­ mannischen Rechtsaufzeichnungen, der „Pactus“ bzw. die „Lex Alamannorum“, nicht viel weiter, da sie nur in geringem Maße ein­ deutig identifizierbares alemannisches Wort­ gut enthalten. Auch spiegeln diese „Stam­ mesrechte“ nach Erkenntnissen der jüngeren rechtshistorischen Forschung durchaus kein landestypisches Recht der Alemannen. Die althochdeutsche Literatur des ale­ mannischen Raumes stammt wie die ur­ kundliche Überlieferung frühestens aus dem 8.Jahrhundert und nur aus wenigen klöster­ lichen Zentren, im wesentlichen aus den Benediktinerkonventen der beiden Boden­ seeklöster Reichenau und St. Gallen bzw. des elsässischen Murbach. Fragt man anhand der erhaltenen frühmittelalterlichen Sprach­ zeugnisse nach einer frühen alemannischen Sprache, so sieht man sich also letzthin immer wieder auf diese „Hauptorte althoch­ deutscher Überlieferung“ (Stefan Sondereg­ ger) verwiesen, und es steht zu vermuten, daß wir dann in diesen Zeugnissen wohl kaum mehr als einen lokalen Sprachgebrauch zu einer bestimmten Zeitstufe fassen. Für den Kernraum des alemannischen Gebietes wie für seine östlichen und nördlichen Zonen fehlen solche Schriftzeugnisse gänzlich. Ver­ suche, die sprachgeographische Eingren­ zung und -vor allem -die Binnengliederung des Alemannischen mit Hilfe der vielen tau­ send Personennamen zu erörtern, wie sie uns hauptsächlich in liturgischen Gedenkbü­ chern des Frühmittelalters erhalten sind, stecken erst noch in einem Anfangsstadium. Als untauglich für eine genaue Fixierung des alemannischen Siedlungsraumes muß­ ten sich auch volkskundliche Anstrengun­ gen herausstellen, die mit der Verbreitung des sogenannten „Einhaustyps“ oberschwä- bischer Prägung oder gar mit heutigen Men­ talitätsstrukturen argumentierten. Die älte­ sten Hausbauformen jener Art bildeten sich erst im hohen Mittelalter heraus. Am aussichtsreichsten für eine metho­ disch gesicherte Annäherung an alemanni­ sche Geschichte und Kultur erscheint – in steter Verbindung mit der Interpretation antiker Schriftquellen, die uns leider zumeist nur beiläufig unterrichten -die Feststellung und Auswertung der materiellen Güter, die uns die Alemannen tatsächlich hinterlassen haben. Bis zum Beginn der siebziger Jahre unseres Jahrhunderts hatten Archäologen beispielsweise allein in Württemberg 800 Gräberfelder ermittelt, im ganzen „Reihen­ gräberkreis“ wurden bis dahin 50.000 Bestat­ tungen untersucht. Jene merowingerzeitli­ chen Reihengräber bieten einen reichen Fundstoff aus der Zeit vom endenden 5. bis zum Anfang des 8.Jahrhunderts, das mit dem allmählich abschließenden Christiani­ sierungsprozeß der Beigabensitte ein Ende setzte -jenem heidnischen Brauch, den Ver­ storbenen ihre Kleidung, Waffen, Schmuck, Speis‘ und Trank, aber auch sonstige Gerät­ schaften und Besitztümer (bei hochgestell­ ten Persönlichkeiten etwa sogar deren Pferd, wie z.B. ein spektakulärer Fund aus Hüfin­ gen zeigt) auf die Reise ins Jenseits mitgaben. Erst dieses üppige Quellenmaterial gewährt nach und nach differenzierte Aufschlüsse über das Siedlungsgebiet, die Lebens- und Wirtschaftsweise, zum Teil auch über die sozialen Schichtungen des Alemannenstam­ mes. Bisher allerdings herrscht noch keine Klarheit über den Ursprung und die Zusam­ mensetzung des Stammes (Großstamm oder sogar „Völkerbund“?), dessen erste schriftli­ che Bezeugung zum Jahre 213 überliefert ist und dessen Name schon nach einer antiken Quelle mit der Bedeutung „zusammenge­ spülte und vermengte Menschen“ belegt war. Die „Allmänner“ -so eben die schlichte Bedeutung des Volksnamens – waren wohl ein in der „2. Hälfte des 2.Jahrhunderts neu­ gebildeter Verband von Heerhaufen vorwie- 103

gend suebischer Herkunft“ (HansJänichen), also eines germanischen Volksstammes, der eigentlich im Elbgebiet beheimatet war. Der „Schwaben“-Name blieb noch bis in die Gegenwart zum alemannischen Raum haften, ja konnte offenbar lange Zeit als gleichbe­ deutend mit ,,Alemannien“ gebraucht werden. Im Zuge ihrer Wanderung waren die ale­ mannischen Heerscharen immer weiter nach Süden vorgedrungen und überrannten schließlich, nach ersten gescheiterten Versu­ chen, 259/60 n. Chr. den römischen Limes in Süddeutschland. Teile von ihnen setzten sich im vermutlich weitgehend unbesiedel­ ten Land zwischen Limes und Rhein fest, im 5. Jahrhundert auch im Elsaß und der Nord­ schweiz sowie ostwärts bis zum Lech. In die­ sem Großraum hat sich in verschiedenen Phasen über Jahrhunderte hinweg die ale­ mannische Siedlungsbildung abgespielt, für deren früheste Zeit, das 3. bis 5.Jahrhundert, leider auch kaum archäologische Funde vor­ liegen. Unklar ist bis heute ebenso die Frage der politischen Durchdringung des aleman­ nischen Raumes im frühen Mittelalter, mit der das Problem der fränkischen Einfluß­ nahme seit dem ausgehenden 5. Jahrhundert untrennbar verknüpft erscheint (496/97 Nie­ derlage eines alemannischen Heeres unter einem unbekannten König gegen die Fran­ ken unterChlodowech). Gerade die frühmit­ telalterlichen Bezirksnamen Innerschwa­ bens, besonders die Namen auf »-haar“ und »-huntari“, sind nach wie vor in ein schwer zu durchdringendes Dunkel gehüllt. Historisch klarere Verhältnisse entstan­ den aus unserer heutigen Sicht erst nach der Niederwerfung eines zähen alemannischen Aufstandes durch den fränkischen Haus­ maier Karl, der im „Blutgericht“ von Cann­ statt 746 führende Angehörige der altale­ mannischen Aristokratie hinrichten ließ. Das jüngere Herzogtum Schwaben markiert bereits eine neue Epoche alemannischer Geschichte. Überblickt man die komplizierte For­ schungslage zur alemannischen Geschichte, so wird die Suche nach den alemannischen 104 „Altvordern“ mithin zu einem Verwirrspiel. Doch zu dieser Erkenntnis war im Grunde auch schon Johann Peter Hebel in seiner ein­ gangs zitierten Betrachtung gelangt: „Eigent­ lich weiß niemand recht zu sagen, wer diese berühmten Alemannen waren, noch wo sie auf einmal hergekommen sind … “ Dr. Volkhard Huth Anm. d. Autors: Die Darstellung folgt ein­ schlägigen Forschungsübersichten, wie sie in jüngster Zeit bes. Dieter Geuenich gegeben hat; vgl. Dens., Zur Landnahme der Alemannen, in: Frühmittelalterliche Studien 16 (1982), S. 25-44, und Dens., Zur Kontinuität und zu den Grenzen des Alemannischen im Frühmittelalter, in: Die historische Landschaft zwischen Lech und Vogesen. Forschungen und Fra­ gen zur gesamtalemannischen Ge­ schichte, hg. v. Pankraz Fried und Wolf­ Dieter Siek (= Veröff. d. Alemann. Insti­ tuts Freiburg i. Br. 59), Augsburg 1988, S. 115-135. Grundlegend: Art. „Alemannen“ (H. Kuhn/H. Jänichen/H. Steuer), in: Reallexikon der Germanischen Alter­ tumskunde. Zweite, neu bearb. u. erw. Aufl., Bd. 1, Berlin/New York 1973, S. 13 7-163; eine ausführliche archäologische Fundstellenübersicht bei Rainer Christ­ lein, Die Alemannen. Archäologie eines lebendigen Volkes, Stuttgart/ Aalen 1978, S. 129ff. Die bedeutendsten alemanni­ schen Grabfunde der jüngsten Zeit im Gebiet des Schwarzwald-Baar-Kreises (namentlich aus Hüfingen, Neudingen und Schwenningen) hat Gerhard Finger­ lin (Landesdenkmalamt Baden-Württem­ berg, Außenstelle Freiburg) den Lesern des Almanachs ab dem Jahrgang 1978 vor­ gestellt und abgebildet. Wichtige neue Informationen gewährt die Arbeit von Susanne Buchta-Hohm, Das alemanni­ sche Gräberfeld „Am Tafelkreuz“ von Donaueschingen und die alemannische Besiedelung der Baar, Diss. phil. Würz­ burg 1989, die von der Verfasserin zur Zeit für den Druck vorbereitet wird.

Altes neu entschlüsselt: Die Siedlungsnamen im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Siedlungsnamen sind, nach den Fluß­ und Bergnamen, die ältesten Zeugen der Sprachgeschichte. Sie reichen in eine Zeit zurück, für die wir Sprachen nur als künstli­ che Konstrukte über Sprachvergleich erschließen können. Die sicherlich älteste Schicht unter den Siedlungsnamen des Kreises stellen die viel­ diskutierten -ingen-Namen dar. Sie reichen nach klassischer Forschermeinung bis in die Zeit der germanischen Landnahme zurück, die 23 3 mit dem Ansturm gegen den oberger­ manisch-rätischen Limes beginnt und mit der Niederlage der Alemannen 496/97 gegen den Frankenkönig Chlodwig bei Tolbiacum (Zülpich) endet. Wie die beigegebene Karte zeigt, liegen die -ingen-Orte ausschließlich auf den fruchtbaren ackerfahigen Muschelkalk- und Juraböden des Altsiedellandes der Baar. Zudem konnten die Archäologen in den meisten Ortschaften alemannische Reihen­ gräber feststellen, was ein wichtiges Indiz für das hohe Alter dieses Namenstypus ist. Viele dieser Orte werden sehr früh in den (meist St. Gallischen) Urkunden erwähnt. Einen möglichen Anhaltspunkt für die Altersbe­ stimmung können auch die Patrozinien geben, so z.B. die Gallus- und zahlreichen Martinskirchen in der Baar. Obwohl die -ingen-Namen oft als typisch alemannische Siedlungsnamen angesehen werden, kom­ men sie in hoher Dichte u. a. auch in Bayern vor, wo die Endung allerdings auf die Form -ing geschrumpft ist, wie z.B. im Namen des bekannten oberbayrischen Wallfahrtsortes Altötting. Aus sprachlicher Sicht setzen sich die -ingen-Namen aus einem Personennamen und der Endung -ingen zusammen, weswe­ gen sie auch Insassennamen genannt werden. Hierbei drückt die Endung -ingen die Zuge­ hörigkeit oder Abhängigkeit von einem Menschen, wahrscheinlich des Sippen- oder Gruppenoberhauptes, aus. So wäre z.B. Donau-esch-ingen als „bei den Leuten des As(i)co“, Schwenningen als „bei den Leuten des Swano“ und Vill-ingen als „bei den Leu­ ten des Filo“ zu übersetzen. Bei der Deutung der Personennamen ist man zunächst auf die ältesten urkundlichen Belege angewiesen. Für unsere Beispiele wären dies: 889 Esginga (mit dem Flußnamen Donau erstmals 1292 als Tuonoueschingen), 817 Swaningas, 817 Filingas. Die beiden heutigen Stadtteile der Kreisstadt werden auch zu diesem frühen Zeitpunkt bereits im selben Königsdiplom erstmals erwähnt. Einen wichtigen Anhalts­ punkt gibt auch die sprachliche Form des Namens, wie sie in der betreffenden Orts­ mundart von den Alteingesessenen ausge­ sprochen wird. So lauten die Namen in den entsprechenden Ortsmundarten in der soge­ nannten literarischen Umschrift: Eschinge, Schwänninge, Villinge, in der streng wissenschaftlichen phonetischen Umschrift: !!.frva, swfnfoa, vjljya. Auf dem Hintergrund der lautlichen Gesetzmäßigkei­ ten der entsprechenden Ortsmundart kann der Sprachhistoriker und Dialektologe mit großer Sicherheit auf die Herkunft des Perso­ nennamens schließen. vereinfachten Hier seien die -ingen-Orte des Kreisgebie­ tes zusammen mit dem Jahr der urkundli­ chen Ersterwähnung, des ersten schriftlich überlieferten Urkundenbelegs und dem ent­ sprechenden Personennamen (= PN) alpha­ betisch aufgeführt: Bräunlingen [ca. 973 Brülingen; PN Brunilo}, Dauchingen [1092 Tuchingen; PN Tuchoj, Dög­ gingen {1086 Waldo de Decgingun; PN Decco, Tacco}, Donaueschingen {889 Esginga; PN Es(i)co, As(i)co}, Grüningen [1109 Bertholdus de Gruoningen; PN Gruono}, Hochemmingen [ca. 1200 Ommingen; PN Ommo, Emmo}, Hondin­ gen {817 Huntingun; PN Hundo}, Hüfingen [1083 Huc de Hiuvinga; PN Huvo}, Klen­ gen [764/5/7/8 Chneinga; PN Chne(bi), 105

Chna(bi)j, Kommingen [zw. 1360-70 Kumin­ gen; PN Kumo}, Munde!fingen [?802 Munol­ vingas; PN Mundo!fl, Neudingen [870 Nidinga; PN Nfdoj, Oberbaldingen {769 Bal­ dinga; PN Baldo}, Öfingen {1102 Diethalmus de Evin; PN Ovo, Evo}, Riedböhringen [1261 Beringen; PN Bero}, Riedöschingen {1100 Eschingen; PN Es(i)co, As(i)co}, Schwenningen [817 Swaningas; PN Swano}, Tuningen {7961 7971799/800 Dainingas; PN Teino }, Unterbal­ dingen {769 Baldinga; PN Baldo}, Villingen [817 Filingas; PN Filo}, Wolterdingen [77112/4/ 5 Wultartingas; PN Wult(h)art} Vergessen scheint in dieser Auflistung Bie­ singen. Erwähnt wird die Siedlung des Buoso (die Mundartform lautet Biasinge bzw. biasjya,) erstmals in einer zwischen 760 und 782 (vielleicht erst nach 770) datierten Urkunde als Boasinheim. Wie die Belegreihe im Topographischen Wörterbuch des Groß­ herzogtums Baden von A. Krieger zeigt, hat sich die -ingen-Schreibung im Namen Bie­ singen erst im Laufe des 15./16. Jahrhunderts durchgesetzt. Die Lage- und Richtungszusätze wie Donau-, Ried- oder Hoch-, Ober-, Unter­ tauchen meist erst in späteren Belegen auf und dienen der genauen Identifikation und sprachlichen Abgrenzung gegenüber gleich­ lautenden Ortsnamen, z.B. Eschingen an der Donau = Donaueschingen gegenüber Eschingen im Ried (an der Aitrach) = Ried­ öschingen. Als zweite wichtige, aber nicht sehr zahl­ reiche, Schicht begegnen die Siedlungs­ namen mit dem Grundwort -heim. Sie wer­ den dem älteren Landesausbau (450-700) zugeordnet und in engem Zusammenhang mit der Ausdehnung des merowingisch-frän­ kischen Herrschaftsbereichs gesehen. Ein wichtiges Indiz für diese Theorie stellen die karolingischen Königsgüter dar, die für die Baar mit auf der Karte verzeichnet sind. Die -heim-Namen zerfallen nach der Art des Bestimmungswortes (= Namensbestandteil, welcher dem Grundwort vorausgeht) in zwei Untergruppen, wobei in der ersten Gruppe das Bestimmungswort ein Personennamen, 106 in der zweiten Gruppe eine Stellenbezeich­ nung ist. Hierbei stellt wiederum der Typus Personenname + heim die ältere Unter­ gruppe dar, die als Übergang vom personen­ bezogenen altalemannischen zum grund­ herrschaftlich fränkischen Prinzip aufgefaßt werden kann. Aasen[? ca. 973 Uosin, ?10.jhrt. Asaheim; PN Aso}, Biesingen [760-782 Boasinheim; PN Buoso}, Weigheim {762/3/5 Wicohaim; PN Wfgoj Anzumerken bliebe, daß für Aasen ein urkundlicher Beleg von 1094 Ascheim, ein weiterer von 1414 Aschan lautet. Wenn nicht ein (sehr wahrscheinlicher) Schreibfehler zugrunde liegt, wäre der Personenname Asco identisch mit dem in Donau- eschingen (s.o.). Das Fürstenbergische Urkundenbuch verzeichnet für das Jahr 1323 die auffällige Schreibung Aschehain, der einzige Hinweis für ein mittelhochdeutsches (= mhd.) (lan­ ges) ä im Ortsnamen Aasen. Im übrigen wird der Name in der Mundart kurz als Ase bzw. asa ausgesprochen. Schwierigkeiten bereitet die Interpretation des Bestimmungswortes im Ortsnamen Dürrheim, der -wie Donau­ eschingen -erstmals 889 als Durroheim in einer St. Galler Urkunde erwähnt wird. In Frage käme die Zurückführung auf althoch­ deutsch (= ahd.) durri „dürr, trocken, wüst“ (wie sie A. Krieger vornimmt), auf einen PN Duro (wie ihn E. Förstemann belegt) oder – etwas gewagter – auf den keltischen Fluß­ namenstamm Dur- (wie ihn A. Holder angibt). Letztere These muß im Zusammen­ hang mit den Flußnamen Brigach, Breg und Donau, aber auch mit der jüngsten Interpre­ tation des Namens Baar als „Qiellen-Land“ diskutiert werden. In die zweite Untergruppe fallen folgende Siedlungsnamen: Auifen [1138 Vjfheim}, Rietheim [1094 Sigiboto de Ritheim}, Tannheim [817 Tanheim} Die Bestimmungswörter sind: ahd. uf (oberdeutsch auch uf) ,,auf“, ahd. (h)riot ,,Schilfrohr, Ried“ und mhd. tan(n) ,,Wald“. Der Name Auffen wird in der Mundart mit langem u als Uufe bzw. üfa gesprochen. Er

LEGENDE ZUR KARTE vorgermanische Namen (?) -ingeo -heim (mit Personennamen) -heim (mit Stellenbezeichnung) • • • � CD e -hausen -hofeo -weiler -berg -burg -dorf Kappel, -kirch, Sanct – , -zell 0 EB @ ® 8 – -ach -=::, -bach � -au CJCJ -brunneo = Furt-, Bruggen ZUSATZSYMBOLE + Runenrund (Neudin1en) FrUhalemanni1che Münzfunde (260-400 n.Chr.) A1emanni1che Reihen1räber (6.-T. Jhrt.) Karolin1i1che1 Königsgut Buntnnd1tein (Schwanwald) Mu,chelkalk (Baar) – Grenze Die Siedlungsnamen im Schwarzwald-Baar-Kreis wäre zu übersetzen als „das oben gelegene Heim“. Rietheim wäre das „Heim im Ried“ (an der Brigach) und Tannheim das „Heim im Wald“ (auf der Buntsandsteinplatte). Während die -heim-Namen, die mit einem Personennamen verbunden sind, im Kernge­ biet der -ingen-Orte liegen, lagern sich die s c h w e i z -heim-Namen mit einer Stellenbezeichnung eher am Rand dieses Kerngebietes an. In das dichte Gebiet der -ingen- und -heim-Namen finden sich jedoch einige Namen eingestreut, die sich einer klaren namenkundlichen deutung entziehen. Hier wäre zunächst der Name Behla anzuführen, 107

aber auch die Namen Fützen und Pfohren werfen ungelöste Fragen auf. Die Probleme, die bei der Etymologisierung (= sprachliche Herkunft) der genannten Namen auftreten, seien hier kurz angedeutet. Der Name Füt­ zen wird erstmals 1083 in einer Urkunde des Klosters St. Georgen im Schwarzwald als Phoezen erwähnt. Um 1099 erscheint er in der Schreibung Vouzin. In der Mundart wird er als Fiaze bzw. vfJtSJ gesprochen. Der für­ stenbergische Archivar Franz Ludwig Bau­ mann (1846-1915) interpretiert ihn erstens als Ort „zu den Füßen“ (des Randengebirges) oder stellt ihn zweitens zu lateinisch (ad) fau­ ces (zu lat. faux), was „Schlund, Höhle, Kluft, Engpaß, Landenge“ bedeutet. Der lateini­ sche Ursprung des Namens wird durch die Lage an der Römerstraße von Iuliomagus (Sehleitheim) nach Brigobanne (Hüfingen) sehr wahrscheinlich gemacht. Der Name Behla [889 Pelaha] wird in der jüngeren Forschung mit dem Bergnamen Belchen im Südschwarzwald in Verbindung gebracht und auf eine keltische Form *Be­ laka, “Belka mit (bisher) nicht geklärter Be­ deutung zurückgeführt. Eine ältere Deutung von F. L. Baumann sieht im ersten urkundli­ chen Beleg eine Zusammensetzung aus dem Baumnamen ahd. belle, beide „Salweide“ und dem Wasserwort ahd. aha „Wasser, Bach“. Bliebe noch der Name Pfohren, der 817 in einer Königsurkunde erstmals als Forrun erscheint. Der Ortsname zeigt viele Schreib­ varianten: 821 Phorra (auch Forrun), 825 For­ rinmarca, 836/42 Forra, 887 Forahero, 1284 Phorren. F. L. Baumann möchte darin die Bedeutung „bei den Föhren“ sehen. Der Ortsname wird in der Mundart jedoch als Efoore bzw. pfi1rJ (mit geschlossenem lan­ gem o) ausgesprochen. Den Baumnamen Föhre spricht der Efooremer als Fore (mit kur­ zem offenen o) bzw., wenn er die Mehrzahl mit Artikel meint, als p’Fore „die Föhren“. Eine jüngere Erklärung von W. Kleiber ver­ mutet hinter dem Siedlungsnamen ein latei­ nisches phorrum „Lauch“. Das südlich gele­ gene Sumpfohren [883 Sundphorran] hat seinen Namen nicht etwa vom Sumpf, son- 108 . dem von Sund-, was „Süden“ bedeutet, wie auch in Sunt-hausen oder im elsässischen Sund-gau. Betrachtet man die genannten drei bzw., mit Dürrheim, vier Orte in ihrer Reihung auf der Karte, so ergibt sich eine klare Verbin­ dung von der nachweislichen Römerstraße bei Fützen, über Behla, Pfohren, Dürrheim zur römischen Neckarroute. Diese Strecke würde das östliche Pendant zur bekannten Trasse zwischen Hüfingen (Brigobanne) und Schwenningen bilden, zudem für Aasen eine römische Villa nachweisbar ist. Mit der dritten Großgruppe von Sied­ lungsnamen, den Namen auf -hausen, -hofen, -weiler und denen auf -berg, -burg, -dorf überschreiten wir auch die Siedlungs- grenze zwischen dem Altsiedelland Baar und dem Neusiedelland Schwarzwald. Das Alter dieser Gruppe wird in die Zeit des jüngeren Landesausbaus (750 -1300) datiert. Hausen vor Wald {890 Husun, 1489 Husen vor dem wald], Mühlhausen [1179 Mulehusen}, Waldhausen [ca. 1150 Walthusan}, Neuhausen [1094 Nuenhusen}, Schabenhausen [1086 ?Udalricus de Husen, 1094 Scheibenbusen, ?PN Scarbo, Scfppo], Sunthausen {895 Sundhusa] Epfenhofen [1145 Epphenhoven, PN Epho], Hei­ denhofen {ca. 760-782 (nach 770) Heidinhova, PN Heido}, Hubertsho.fen {1440 Humbrachtz­ hoven, PN Humbrecht, Huntbrecht} Erdmannsweiler {1094 Ortinswilerf, PN Ortini], Herzogemoeiler [1208 Herzoginwilar, 1721 (Neugrü.ndung)], Mönchweiler {1258 Munechewilar}, Pfa..ffenweiler [ca. 1200 Pha­ phinwiller}, Weiler [vor 1132 Wilare} Blumberg {1260 Blobinberch, 1260 Bluomen­ berg}, Buchenberg {1275 Buochenberg], Burgberg [1245 Hugo de Burcberc}, Fürstenberg [1175 Für­ stenberc}, Rohrhardsberg {1335 Rorhartesberg, PN Rorhart}, Triberg {1296Albertus de Triberg} Stockburg {1086 Stockburg] Achdoif [?775 Ahadoif, 816 Hahadoif}, Kirch­ doif {793 Eiginhova (spätere Name von Kirch­ dorf?), ca. 1200 Chilchtoifl Im Bestimmungswort dieser Namen steckt meistens ein Personenname, z. T. auch eine Lagebezeichnung wie Neu-, Sunt-, die

als Gegensatz zu einer älteren oder nördlich gelegenen Siedlung zu sehen sind. Auch der Fürstenberg hat nichts mit einem Fürsten zu tun, sondern wird als der „vürderste“, d. h. vorderste Berg des Höhenrückens der Länge gedeutet. Ob das Bestimmungswort Blum­ in Blumberg wirklich zum Pflanzennamen Blumen zu stellen ist, muß eher angezweifelt werden. Die alte Mundartform zumindest lautet Blomberg, was auch durch historische Belege gestützt wird. Aufmerksam gemacht sei auch auf die urkundliche Schreibung des Ortsnamens Kirchdorf (mundartlich Kildoaif bzw. khjldqa�f als Chilchdorf, in der die ältere alemannische Form Kilch (im Gegensatz zum jüngeren fränkischen Kirch) noch mit südalemannisch „verschobenem“ Ch-be­ wahrt ist. Dieselbe Spracherscheinung zeigt die urkundliche Schreibung des benachbar­ ten Klengen, das erstmals als Chneinga erwähnt wird. Dies könnte ein Beweis dafür sein, daß die Grenze zum Südalemannischen einst weiter nördlich verlief als dies die heuti­ gen Mundarten im Kreis ausweisen (vgl. Hall, Ewald, Halb Oberrheiner, halb Schwabe, halb Südalemanne, Almanach 1988, S. 203- 207). Die Siedlungsnamen dieser Gruppe kön­ nen sehr alt sein, wie die urkundlichen Erst­ erwähnungen für Hausen vor Wald, Sunt­ hausen, Heidenhofen, Achdorf an der Wutach und Kirchdorf an der Brigach bele­ gen. Die hofen- und weiler-Orte bilden am Schwarzwaldrand eine Übergangszone vom Alt- zum Neusiedelland, wobei sich das Gebiet um das hirsauische Reformkloster St. Georgen [1083 Georgio monasteriolum] deutlich als geschlossener Verband heraus­ hebt. Angefügt seien hier die drei weiteren Ortsnamen mit religiöser Bezugnahme auf eine Kapelle, eine Kirche und eine Einsied­ lerzelle: Kappel [1086 Richart de Capellaj, Neukirch [ca. 1470 Nuewenkilch], Peterzell [1339 bi santPeters celle]. Die vierte Gruppe, die Siedlungsnamen mit einem Gewässernamen auf -ach und -bach, charakterisieren den Mittleren Schwarzwald als eigenen namentypologi­ schen Raum. Sie werden, wie die der dritten Gruppe, dem jüngeren Landesausbaus zuge­ rechnet. Vereinzelt kommen diese Namen jedoch auch im Altsiedelland der Baar vor, wo sie, wie im Falle von Weilersbach, urkundlich sehr früh erwähnt sein können. Für den Schwarzwald erscheinen sie in den Urkunden jedoch nie vor dem Jahre 1000. Brigach [1083 fantes Brichenae, 1337 von Bri­ gen], Langenschiltach {1330 in der Schilta], Linach [1299 Lina], Nieder-, Obereschach [1094 Ascaha, 1260 Obr. Ezza, 1275 Niderascha], Ober-, Unterkirnach [1244 Kurna], Schonach [1275 Schonachj, Überauchen [zw. 1078-1111 Algerus de Ubrach], Urach [1275 Ura] Die ach-Namen können zusammen mit ihren Bestimmungswörtern folgenderma­ ßen übersetzt werden, wobei immer hinzu­ gedacht werden muß „Siedlung an einem, am … „: Bergfluß (s.u.); langer Wasserlauf in einem Tal, das wie ein Schild gerundet ist oder mit geschütztem Flußbett, in Schilt­ wird auch ein nicht geklärter vordeutscher Stamm vermutet; Ahornbach (mhd. Hn (boum) ,,Ahorn“) oder Wasserlauf, an dem Flachs (mhd. !in, „Lein, Flachs“) angebaut wurde; Flußlauf, in dem die Fischart Äsche vorkommt; Mühlbach (mhd. kurn, kürn ,,Mühle, Mühlstein“; schöner, klarer Wasser­ lauf; Flußlauf, an dem Auerochsen (mhd. ur ,,Auerochse“) weideten, oder nach dem Her­ kunftsort der Zähringer, Urach bei Reutlin­ gen, benannt. Fischbach [1094 Alker de Fispach], Gremmels­ bach {1655 Gremmelspach, PN Grimm-], Gütenbach [zw. 1360-70 Wuotenbachj, Ham­ mereisenbach [1523 Ysenbach], Langenbach [1326 Langenbach], Marbach [ca. 1200 Mar­ pach], Nußbach [1284 Johannes von Nuspach], Rohrbach {1316 Rohrbach], Vöhrenbach [1244 Verinbach, Vernbach], Weilersbach [763/41617 Wilarresbach, PN Wilharri] Hinter den bach-Namen stecken folgende Bedeutungen: Bach mit vielen Fischen; Bach, an dem ein Mann namens Gremmel siedelte (vgl. auch den Ortsnamen Grim- 109

melshofen); eisenfarbener Bach mit einem Hammerwerk; langer Bach; Bach an der Grenze (der Klengener Mark) (mhd. mark ,,Grenze, Grenzland“); Bach mit Nußbäu­ men, Bach mit Schilfrohr; Bach, an dem ein Mann namens Faro oder Fero siedelte; Bach, an dem sich ein Mann namens Wilharri nie­ derließ. Das Bestimmungswort Brig- in Brigach ist sprachlich eng verwandt mit dem Namen ihrer Schwester, der Breg. Beide Flußnamen gehen auf eine erschlossene Namensform *Brigana zurück, der wiederum die keltische Grundform “Briga „Berg“ zugrunde liegt, was die römische Schreibung des abgegange­ nen Ortsnamens Brigobanne bei Hüfingen bestätigt. Erwähnenswert ist auch der Namens­ wechsel von Wuotenbach zu Gütenbach. In umgekehrter Reihenfolge vollzieht sich nämlich der Wechsel des Flußnamens Gutach (bei Neustadt) zu Wutach, die bei Bonndorf (Boll, Münsingen, Ewattingen) mundartlich sogar zur Huata „Hutach = behütete Ach“ wird. Im Ortsnamen Überauchen treffen wir auf eine weitere sehr alte Sprachform. Die Zweilautschreibung -auchen für -achen (aus ahd. aha „fließendes Wasser, Wasserlauf, Fluß“) zeugt von der alten mundartlichen Aussprache des Wortes, das einst wie Maunel „Monat“ (mhd. manöt) gesprochen worden sein muß, obwohl die heutige mundartliche Form Iberooche bzw. ib?tif:rJ nur das jüngere (lange offene) o kennt. Zu dieser Siedlungsgruppe seien auch die Namen auf -au, -brunnen, Furt- und Brücke gestellt, die ebenfalls auf Wasser- kommen hinweisen. Schönenbach [1221 Sconowe], Mistelbrunn [1145 Mistelbrunne], Furtwangen {1290 Furt­ wangen], Bruggen [?1281 Brugke, 1358 Brugga] Keiner der oben genannten Gruppen kön­ nen die Schwarzwaldsiedlung Schönwald [1245 Schoenenwalde], der Bräunlinger Rodungs- und Ausbauort Oberbränd [1491 Brend], die späte Herrnhuterkolonie Königsfeld [1808 König Friedrich I. von 110 Württemberg], die aus dem Hurnlishof her­ vorging, und das am Höhenrücken des Ran­ den gelegene Nordhalden [1167 Nordhal­ dun] zugeordnet werden. Neben Oberbränd finden wir lediglich noch im Ortsnamen Stockburg einen Hinweis auf die Rodungs­ zeit, wo der Wald abgebrannt und die Baum­ wurzeln ausgestockt wurden. Erstaunlich ist jedenfalls, daß im Mittleren Schwarzwald (im Gegensatz zum Südschwarzwald) kaum Siedlungsnamen vorhanden sind, die direkt auf die Waldrodung zurückgehen. Zusammenfassend muß gesagt werden, daß trotz über lOOjähriger Beschäftigung mit den Ortsnamen der Baar und des Schwarz- waldes, noch längst nicht alle siedlungsge­ schichtlichen und sprachhistorischen Fra­ gen geklärt sind. Wie lebendig das Bewußt­ sein der Bewohner für ihre Ortsnamen auch in der Gegenwart ist und wie emotional gebunden die Namengebung sein kann, hat die Gemeindereform im Kreis gezeigt, wo z. T. Ortsnamen neu geschaffen werden mußten, wie im Falle der Gesamtgemeinde Brigachtal, oder „gleichberechtigte“ Zusam­ menziehungen gebildet wurden, wie im Falle der Kreisstadt Villingen-Schwenningen. Hier wird deutlich, daß Namen nicht losge­ löst von ihrem Namengeber existieren kön­ nen. Zumindest in dieser Hinsicht kann dem berühmten Faustischen Ausspruch: ,,Name ist Schall und Rauch“ nicht zugestimmt wer­ den. Ewald Hall Li t e r a t u r B a n s e , H. (1984): Die Baar -Eine neue Deutung des Landschaftsnamens. – In: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 35, S. 17-25. B a u m a n n , F. L. (1882): Die Ortsna­ men der badischen Baar und der Herr­ schaft Hewen. – In: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 4, S. 7—69. B r ü st l e , H . (1974): Ortsnamen der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg unter besonderer Berücksichtigung der engeren Baar. – In: Schriften des Vereins für

Geschichte und Naturgeschichte der Baar 30, S. 94-138. F ö r s t e m a n n , E . (1966): Althochdeut­ sches Namenbuch. Erster Band: Perso­ nennamen. Nachdruck der zweiten, völ­ lig umgear- beiteten Auflage [Bonn 1901], München. G l u n k , M. (1988): Grundzüge einer Verwaltungsstruktur auf der Baar im Zeit­ alter der Karolinger(8. und 9.Jahrhundert n. Chr.). -In: Almanach 89. Heimatjahr­ buch Schwarzwald-Baar-Kreis. 13. Folge, S. 128-132. H a l l e , E . (1985): Wassereichtum in Spiegel der Flurnamen der Gemeinden Bonndorf i. Schw. und Wutach. -In: 100 Jahre Schwarzwaldverein Bonndorf. Bei­ träge zur Bonndorfer und Wutacher Hei­ matgeschichte und zur Vereinsge­ schichte. Hgg. Schwarzwaldverein Bonn­ dorf e. V., Bonndorf i. Schw., S. 33-52. H o l d e r , A . (1896 ff.): Alt-celtischer Sprachschatz. Bde. 1-3. K l e i b e r , W. (1979): Vordeutsche, nicht germanische Gewässer- und Siedlungsna­ men. -In: Historischer Atlas von Baden­ Württemberg. Hrsg. v. der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden Württemberg in Verbindung mit . . . , Stuttgart, 1972 ff., hier: Karte X.2 und Kommentarbeilage. K r i e g e r , A . (2.1904/05): Topographi­ sches Wörterbuch des Großherzogtums Baden. Bde. 1-2, Heidelberg. S p i n d l e r , K o n r a d (1977): Vor- und Frühgeschichte. – In: Der Schwarzwald­ Baar-Kreis. Hrsg. von Landrat Dr. Rainer Gutknecht. Stuttgart, S. 79 Abbildung 9. S u b s i d i a S a n g a 11 e n s i a l. Materia­ lien und Untersuchungen zu den Verbrü­ derungsbüchern und zu den ältesten Urkunden des Stiftsarchivs St. Gallen. Hrsg. v. Michael Borgolte, Dieter Geue­ nich und Karl Schmidt. St. Gallen, 1986. Zum Aufenthalt Hermann Dietrichs in der Schwarzwaldgemeinde Gütenbach Die Beliebtheit Gütenbachs als Sommer­ frische datiert in das letzte Drittel des 19.Jahrhunderts, aber erst etwa 1910-1914, und später dann in der Weimarer Republik, war der Schwarzwaldort zu einer weithin bekannten Fremdenverkehrsgemeinde ge­ worden. In dieser Zeit fällt die Ankunft des dama­ ligen Oberbürgermeisters von Konstanz und nationalliberalen Mitglieds der Zweiten Kammer des Badischen Landtages, Her­ mann Dietrich. Der Einzug in das Hofgut Wildgutach am südlichen Gemarkungsrand -heute Ge­ meinde Obersimonswald -war durch fami­ liäre Umstände bedingt. 1912 hatte die in Kehl beheimatete CellulosefabrikLudwig Trick aus wirtschaftlichen Erwägungen von dem Sägewerksbesitzer Joseph Strack aus Obersimonswald ein Hofgut mit einem grö­ ßeren Waldstück erworben. Nach 1919 kam der sogenannte „Bruhansenhof“ in das Eigentum der Tochter des Fabrikanten, Eli­ sabeth Trick, mit der Hermann Dietrich bereits 1916 die Ehe geschlossen hatte. 1921 nach dem Tode seiner Frau wurde er auf dem Erbwege Eigentümer. Die Entscheidung für den Beibehalt des Gutes als Ferienaufenthalt muß dem bereits kurz vor der Übersiedelung nach Berlin Ste­ henden dennoch leicht gefallen sein, hatte er doch seine Jugendjahre unweit von Güten­ bach verbracht. In Oberprechtal war Hermann Dietrich als Sohn eines Pfarrers am 14. 12. 1879 auf die Welt gekommen. In Lörrach war er ins Gym­ nasium gegangen. Außer in Göttingen und Heidelberg hatte er auch in Basel und Straß- 111

Vielleicht war es Martha Fick, die Witwe des Kulturphilosophen Ernst Troeltsch, mit der er sich 1926 wiederverheiratet hatte, die ihm das Gütenbacher Besitztum wieder näherbrachte, nachdem sie den idyllisch gelegenen Hof kennengelernt hatte? Erst nach seiner Ernennung zum Reichsminister 1928 jedoch begann er sich intensiver um Erhaltung und Ausbau des Gutes zu bemü­ hen. 1929 entschloß er sich trotz vorliegen­ der Abrißgenehmigung zum Wiederaufbau des stark baufälligen Bruhansenhofes, errich­ tete auf dem dazugehörenden und Wald­ vogelhof genannten Teil ein neues Bauern­ haus und baute den zum Komplex gehören­ den Hirzbühlhof um. Während er einen Teil der Gebäude verpachtete, behielt er sich einen Hof als Wohnsitz vor. (1) Neben dem Haus in Allensbach am Bodensee, wurde das Hofgut in Wildgutach so nun zu einem seiner bevorzugten Auf­ enthaltsorte, wo er, wann immer es ging, einige Tage verbrachte. Seine tiefe Verbin­ dung mit der badischen Heimat und die Nähe zu seinem Geburtsort zogen ihn immer wieder hierher. ,,Häufig unternahm er die mühsame Reise von Berlin nach … sei­ nem im Schwarzwald gelegenen Pachtgut Wildgutach“ (2), um hier beim Fischen und Wandern neue Widerstandskraft zur Fort­ führung des angefeindeten Ministeramtes in der politisch zerfallenden Weimarer Demo­ kratie zu finden. Gerade in diesen letzten Momenten der Republik und zu Beginn des Dritten Reiches muß Wildgutach ein Zufluchtsort geworden sein, in dem sich von all der politischen Aufregung und dem Lär­ men der nahenden Diktatur Abstand gewin­ nen ließ. Mit dem Sturz des zweiten Kabinetts Brü­ ning am 30. 5. 1932 verlor auch Dietrich sei­ nen Posten als Stellvertreter des Reichskanz­ lers und Reichsfinanzministers. Er blieb jedoch einer der wenigen Abgeordneten der Staatspartei im Parlament nach deren Zerfall in der Krise. Die Überwindung ideologischer Bedenken bei der Listenverbindung mit der SPD verhalfen ihm mit vier anderen Partei- In der Mitte: Hennann Dietrich 1919 burg studiert. Nach einem kurzen Aufent­ halt während seiner Referendarzeit in Engen war er 1905 Stadtrechtsrat in Karlsruhe und 1908 Bürgermeister in Kehl geworden. 1914 übernahm er das Amt des Oberbürgermei­ sters in Konstanz. Erst 1919, als er Mitglied der verfassungsgebenden deutschen Natio­ nalversammlung wurde, begann seine politi­ sche Laufbahn außerhalb Badens: 1920 wurde er Reichstagsabgeordneter der demo­ kratischen, später Staatspartei, 1928 Reichs­ minister für Ernährung und Landwirtschaft, 1930 – 1932 schließlich stellvertretender Reichskanzler in den beiden Kabinetten Brüning in seiner Eigenschaft als Reichswirt­ schaftsminister und Reichsfinanzminister. Der seit 1922 in Berlin Wohnende konnte mit dem verpachteten Hof zunächst recht wenig anfangen. Für die folgenden Jahre kümmerte er sich nur gelegentlich um die Anlage, sei es, daß ihn die Berliner Partei­ und Abgeordnetentätigkeit zu sehr in Anspruch nahm, sei es, daß ihn mit dem Hof zu viele Erinnerungen an seine verstorbene Frau verbanden. 112

Freunden noch einmal am 5. März 1933 zum Einzug in das – letzte – Parlament nach Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Man kann davon ausgehen, daß diese schwere Entscheidung mit in Wildgutach herange­ reift ist, als er während der parlamentari­ schen Sommerpause im August 1932 hier einen Erholungsurlaub verbrachte. (3) Mit seiner trotz „ernster Bedenken“ (4) gegebe­ nen Zustimmung zum Ermächtigungsge­ setz, das gegen fundamentale Prinzipien der Verfassung verstieß, da es der Reichsregie­ rung unbeschränkte Gesetzgebungsgewalt zuerkannte, bereitete er auch sein eigenes politisches Ende. Am 28. Juni 1933 wurde die Deutsche Staatspartei aufgelöst, die Abge­ ordnetenmandate eingezogen. Hermann Dietrich besann sich auf seine Ausbildung als Jurist und eröffnete eine Rechtsanwalts­ praxis in Berlin. Jetzt hatte er auch etwas mehr Zeit für regelmäßige Reisen nach Gütenbach. Voral­ lem beim Angeln fand er Entspannung. Bereits seit 1931 hatte er zusammen mit dem Löwenwirt Karl Friedrich Wangler von W ild­ gutach und dem Sternenwirt und Sägereibe­ sitzer Albert Stratz von Obersimonswald rund 76 Hektar Wasserfläche an Aubach und Wildgutach von der Aubach-Fischereigenos­ senschaft mitgepachtet. Trotz allem Anschein, als habe Dietrich erst 1929, und in noch stärkerem Maße ab 1933, nach Gütenbach und dem Schwarz­ wald zurückgefunden, waren seine Bezie­ hungen hierher in Wahrheit nie unterbro­ chen gewesen. Neben den vielen persönlichen Bezie­ hungen, die er weiterpflog, waren es vor allem seine finanziellen Beteiligungen, die ihn stark an den Schwarzwald banden. Schon seit den frühen zwanziger Jahren hatte er sich in dem Versuch, die bürgerliche südwestdeutsche Presse in die Hand zu bekommen, an einer großen Zahl von badi­ schen Tageszeitungen Beteiligungen erwor­ ben. Aus diesen Teilhaberschaften, unter anderem am Donaueschinger Tageblatt oder der Tri berger Zeitung „Das Echo“ erwuchsen ihm am Ende der Weimarer Republik und in den ersten Jahren des Nationalsozialismus starke Probleme. Die bei der demokratischen Tagespresse durch Abwanderung der Leser zu nationalsozialistischen Tageszeitungen und Auflagenschwund entstehenden Ein­ nahmeverluste schwer. Bereits im Jahre 1932 konnte er den aus par­ teipolitischem Kalkül eingegangenen finan­ ziellen Verpflichtungen als Anteilseigner kaum noch nachkommen. (5) trafen Dietrich Es stellt sich angesichts dieser zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen in den Amtsbezirken Donaueschingen und Triberg die Frage, warum Hermann Dietrich augenscheinlich nichts unternommen hat, um Gütenbach in der ab 1931 eingetretenen dramatischen Finanzlage beizustehen. Bronzebüste (Kopie) H. Dietrichs am Eingang des Waldvogelhofes. Künstler: Bildhauer Fritz Klimsch, Saig. Geschenk der WMF-Geislingen zum 70. Geburtstag Dietrichs 1949. 113

Der Zusammenbruch der Filiale der Badi­ schen Uhrenfabrik AG Furtwangen und die Schließung der Filiale der Jahresuhrenfabrik C.Schatz aus Triberg hatten zu einer sozia­ len Verelendung eines großen Teils der Einwohner geführt. Armenunterstützung konnte von der Gemeinde so gut wie nicht gewährt werden, da die mit der Fabriken­ schließung verbundenen Steuer-und Miet­ ausfälle die Gemeindekasse völlig geleert hatten. Gerade hier hätte er in seiner Stellung als Reichsfinanzminister bis 1932 und Abge­ ordneter bis 1933 erfolgreich Hilfestellung bei der Gewährung von Subventionen und Neuansiedlung von Unternehmen durch Vermittlung der leerstehenden Gebäude und der stillgelegten Maschinen leisten können. Dietrichs scheinbares Stillhalten in der Öffentlichkeit erklärt sich aus seiner beson­ deren politischen Stellung. Als man in Gütenbach das volle Ausmaß der finanziel­ len Bedrohung der Gemeinde ermessen konnte, die in den Jahren 1932/33 zu einer der ärmsten Orte Badens wurde, waren bereits tiefgreifende politische Änderungen eingetreten. Die Nationalsozialisten unter der Füh­ rung ihres Stützpunktleiters Joseph Mun­ ding hatten die Mehrheit im Ort und in der Gemeindevertretung erlangt. Für diese war es undenkbar, sich mit einem der Hauptver­ treter jener Republik in Verbindung zu set­ zen, deren Untergang sie gewünscht und her­ beigeführt hatten. Für sie war es nur natür­ lich, sich an diejenigen badischen Führer in Industrie und Handel zu wenden, welche das Regime tatkräftig unterstützten. Nicht an Hermann Dietrich erging so das dringende Hilfeersuchen, sondern an Männer wie den Wirtschaftsbeirat der badischen Staatsregie­ rung, den Fabrikanten E. Tscheulin aus Emmendingen oder den Präsidenten der badischen Industrie-und Handelskammer Kentrup. Eine Beziehung zu einem Abge­ ordneten einer aufzulösenden Partei wäre ihnen wie Landesverrat erschienen. Dazu hatte sich Dietrich durch seine finanzielle Unterstützung des in die Krise 114 geratenen Donaueschinger Tagblatts, wel­ ches die Meinung der demokratischen Partei vertrat, die offene Feindschaft der NSDAP im Amtsbereich Donaueschingen zugezo­ gen. Die Herausgeber und Redakteure des Parteiorgans „Schwarzwälder Tagblatt“, die sich eine schnelle und Erlangung des Infor­ mationsmonopols im Kreis erhofft hatten, reagierten in der der nationalsozialistischen Presse eigentümlichen Weise der Verächt­ lichmachung. Mit Bekanntwerden seiner Be­ teiligung wurde er angegriffen als ein „alter Feind des Nationalsozialismus, (als) ein Mann, der . . . offenbar in Berlin oder sonstwo den Anschein erwecken (wollte), als ob er sich von den politischen Geschäften zurückgezogen habe.“ (6) Mit beiden Kern­ aussagen, Dietrichs Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und seine weitere poli­ tische Einflußnahme, hatten sie nicht Unrecht. Sein fortdauerndes politisches Wirken scheint mit dem Entzug des Abge­ ordnetenmandates im Sommer 1933 keines­ wegs zu Ende gegangen sein. Vor allem in den Jahren 1936 bis 1938 übernahm er die Beratung und Vertretung jüdischer Geschäftsleute und Auswanderer gegenüber der Regierung. Er verteidigte ihre Interessen bei Transfer des Privat-und Fir­ menvermögens, in Sachen Reichsflucht­ steuer und Sperrmarkkredit. Wenn Dietrich am Ende durch politische Gegnerschaft ein Eintreten für Gütenbach als Kommune unmöglich war, so bedeutete dies keinesfalls, daß er sich nicht mit Güten­ bacher Belangen befaßt hätte. Gerade im Rahmen seiner zuvor skizzierten Anwaltstä­ tigkeit war er mit Wirtschaftsbelangen der Schwarzwaldgemeinde befaßt. Die Triberger Jahresuhrenfabrik Schatz hatte ihre dortige Filiale 1933 stillgelegt und Maschinen und Material nach England aus­ zuführen gesucht, wo die Firma seit 1904 eine Niederlassung hatte. Ursache für die Verle­ gung war der Verlust des traditionellen engli­ schen Absatzgebietes nach der Aufgabe des Goldstandards in England, des darauf erfolg­ ten Pfundsturz und der Erhöhung der Ein-

fuhrzölle (Sept. 1931). Während es beispiels­ weise der Schwenninger Uhrenfabrik Jauch noch rechtzeitig gelang, auf die Insel überzu­ siedeln, geriet der Versuch der Jahresuhren­ fabrik Schatz in Konflikt mit der neuen Wirt­ schaftspolitik und -ideologie des Dritten Rei­ ches, die in Gütenbach besonders schnell und konsequent zur Anwendung kam. Unter Vorgabe der (teilweise berechtigten) Zahlungsaufforderung von Mietrückstän­ den und unter noch nicht geklärten Umstän­ den ließ die Gemeinde 1934 die bereits zur Ausfuhr verpackten Maschinen und Teile bei der Freiburger Zollfahndungsstelle sicherstellen und unter Verschluß nehmen. Wenn Hermann Dietrich unter diesen Vor­ aussetzungen 1935 die Vertretung des Fir­ meninhabers C. Schatz in der Absicht des Erhalts von dessen Sperrmarkkredit über­ nahm, so war dies nicht zuletzt auch ein oppositioneller Akt gegen den NSDAP­ Stützpunkt Gütenbach und damit gegen das NS-Regime überhaupt. In diesem Sinne hat Dietrich durchaus „für“ Gütenbach gewirkt, auch wenn in jenen Jahren der stärksten Nut­ zung seines Feriendomizils eine Hilfestel­ lung für die politische Gemeinde Gütenbach weder möglich noch erwünscht war. Die Jahre nach dem Kriege und der Wie­ dereinstieg in das politische wie vor allem finanzpolitische Leben hielten den inzwi­ schen 65jährigen eher von Gütenbach fern. An seine wirtschafts- und parteipolitische Arbeit vor 1933 anknüpfend, nahm er an der Wirtschaftsverwaltung auf den Gebieten Ernährung und Versorgung aktiv Anteil. Von Februar bis Mai 1946 war er Vorsitzender des Koordinierungsausschusses zum Ausgleich der Erzeugung und der Verbrauchslenkung in der französischen Besatzungszone. Wäh­ rend er hier indirekt noch einmal für Güten­ bach tätig werden konnte, bedeutete seine Ernennung im Mai 1946 zum Sonderbevoll­ mächtigten für Ernährung und Landwirt­ schaft des amerikanischen Besatzungsgebie­ tes in Stuttgart den Abschied vom Schwarz­ wald. 194 7 gab er sein Amt in Wirtschaftsver­ waltung auf, unterstützte aber weiterhin den politischen Wiederaufbau. So nahm er an den Besprechungen des Heidelberger Krei­ ses zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung teil und veröffentlichte zwei Bücher (Auf der Suche nach Deutschland, 1947; Auf dem Wege zum neuen deutschen Staat, 1951). An der Wiedergründung der Partei bzw. der Neugründung der FDP in Baden 1946 hat er sich zunächst nicht beteiligt (7), wohl aber an der später ins Leben gerufenen lokalen Sek­ tion der Partei in Stuttgart. Die Bundesrepu­ blik Deutschland verlieh ihm das Große Bundesverdienstkreuz. Am 6. März 1954 starb er in Stuttgart und wurde inSt. Märgen beigesetzt. Dr.Joachim Sturm Literatur: 1) Leider war über Unterhaltung und Bewirt­ schaftung der Güter nichts mehr zu erfahren, da die dazu gehörenden Rechnungen und Unterlagen 1982 im Nachlaß vom Bundesarchiv als histo­ risch unbedeutsam eingestuft und vernichtet wur­ den: Bundesarchiv Koblenz, Wolfgang Momm­ sen u. Marianne Loenartz, Nachlaß Hermann Dietrich, Bestand NL 4, Koblenz, 1988, S. XI. 2) Saldern, Adelheid von, H. Dietrich, Ein Staatsmann der Weimarer Republik, Boldt, Bop­ pard, 1966, S. 203. 3) Donaueschinger Tagblatt v. 13. 8. 1932. 4) Adelheid v. Saldern, a. a. 0., S. 198. 5) Walchner, Martin. Entwicklung und Struktur der Tagespresse in Südbaden und Südwürttem­ berg Hohenzollern, Thorbecke, Sigmaringen, 1986, S. 51, und Nachlaß Hermann Dietrich, S. 53, 55. 6) Stadtarchiv Donaueschingen, Nr. 103056, und Schwarzwälder Tagblatt v. 24. 9. 1933. 7) Paul Rothmund und Erhard R. Wiehn, Die FDPIDVP in Baden-Württemberg und ihre Ge­ schichte, Kohlhammer, Stuttgart, 1979, S. 182. Des weiteren wurden folgende Akten aus dem Gemeindearchiv Gütenbach benutzt: Gütenbach l, Nr. 103, 724, 842. 115

Das Achdorfer Mühlrad und die Mühle Das Mühlrad von Achdorf, zwischen Haus des Gastes und Scheffellinde gelegen, ist Zeugnis eines Müllerbetriebes vergange­ ner Zeit. In dem Blumberger Stadtteil erin­ nert das Mühlrad heute an ein fast vergesse­ nes Handwerk. Die Mühle in Achdorf ist schon sehr alt. Das Gebäude wurde aller­ dings im Laufe der Zeit mehrfach verändert und erneuert. Der alte, mehrere Jahrhun­ derte zählende Bau wurde im Frühjahr des Jahres 1972 abgerissen, das Mühlrad jedoch wurde stehengelassen. Aufgrund des Alters, und sich somit ergebenden Schäden, wurde das Rad später völlig restauriert und prä en­ tiert sich heute in neuem Gewand dem Betrachter. Wann die Mühle ursprünglich errichtet wurde, ist heute nicht mehr bekannt. Aus einer Urkunde des Jahres 1490 geht aller­ dings hervor, daß aller Wahrscheinlichkeit nach schon viel früher(als das Datum der Ur­ kunde) Lehensträger auf der Mühle waren. Die Mühle war danach ein Teil des herr­ schaftlichen Mayerhofes und gehörte zum Kloster St. Blasien. Die Urkunde besagt wei­ ter, daß der Lehenszins, den der jeweilige Müller zu entrichten hatte, jährlich mit 11 Mutt Kernen (Ablieferungssumme an Frucht) festgelegt worden war. Namentlich wurde der Müller Kienast, sein Vorname ist unbekannt, in einer Urkunde vom 11. Dezember 1511 als Erblehe der Achdorfer Mühle benannt. Unbekannt ist leider auch, wie lange die Familie Kienast die Mühle als Erblehen in Besitz hatte. Des weiteren sind die Vorgänger der Familie heute nicht mehr bekannt. Der Müller Kienast gab am 11. Dezember 1511 eine schriftliche Eingabe an das Kloster St. Blasien, in der er sich über die Höhe des Lehenszinses beschwerte. Der Jahresertrag der Mühle sei nicht so hoch, daß die Ablieferungssumme gerechtfertigt sei. Da er auf seine Eingabe hin keinen positiven Bescheid bekam, wandte er sich anschlie­ ßend an das Landgericht der Baar. Die 116 Rechte in diesem Prozeß verteidigte für den Müller der Obervogt der Grafschaft Fürsten­ berg, Jerg Stauffer von Blossenstaufen. Der „Großkeller Hans Spielmann“ vertrat das Kloster St. Blasien vor Gericht. Der Ausgang des Prozesses ist leider mangels Schrift­ stücken nicht bekannt. Nachfolger der Familie Kienast als Lehensträger ist die Familie Bausch gewesen, jedoch der Zeitpunkt des Wechsels ist unbe­ kannt. Lediglich ein Lehensrevers aus dem Jahre 1601 besagt, daß Andreas Bausch zu Achdorf um diese Zeit Lehensträger war. Im Lehensbrief des Klosters war neben der Beschreibung des Lehens und der Höhe des Zinses auch vermerkt, wie der Zins auszuse­ hen habe. Die Frucht müsse gesäubert sein und, im damaligen Sprachgebrauch üblich, als „Gutes Kaufmannsgut“ bezeichnet wer­ den können. Weiter war im Lehensbrief ver­ merkt, wie der jeweilige Müller mit Gebäude und Maschinen umzugehen hat. Der Brief wurde am 30. Juni 1601 durch den Abt Martin von St. Blasien verfasst. Am 20. April 1636 gelangte die Mühle kurzzeitig in den Besitz Matheis Schalch, ging kurz später aber zurück an die Familie Bausch. Eine Teilung erfuhr die Mühle im Jahre 1697. Oswald Bausch und seine Nachkommen erhielten die eine Hälfte, und Martin Meister samt Nachkommen erhielten die andere Hälfte. Da die Mühle zwei Hofstätten besaß, war dies möglich. Mit Genehmigung des Klosters St. Blasien wurde im Jahre 1700 eine zweite Mühle für die Talorte in Eschach gegründet. Von da an mußten die Eschacher und Opfer­ dinger diese neue Mühle benutzen, die ande­ ren mußten weiterhin nach Achdorf gehen. Der Erbe des Martin Meister, namentlich ebenfalls Martin, starb im März 1790 und hinterließ Frau und fünf Kinder. Antony, sein ältester Sohn, führte die Mühle weiter und versorgte die Familie. Er selber, unver­ heiratet, war bereits Müllermeister und in die Zunft eingetragen. Aus verwandtschaftlichen

Gründen der Eltern konnte er das Lehen nicht als Erbe antreten, sondern nur als Beauftragter der Familie weiterfuhren. Antony Meister wandte sich an den Abt von St. Blasien (9. Dezember 1791) und bat drin­ gend, ihm das väterliche Mühlenlehen zu übertragen. Meister litt zu der Zeit unter der Schuldenlast des Anwesens. Unter der Bedin­ gung, die Schulden rasch abzubauen, bekam Antony Meister das Lehen. Justus Bausch, letzter Eigentümer der Mühle, fiel im Jahre 1943 während des Krie­ ges an der Ostfront. Seine Witwe Antonie Bausch verpachtete die Mühle dann an den Müllermeister Fischer aus Blumberg, der bis Ende der 40iger Jahre die Mühle als Pächter weiterführte. Müllermeister Wiek als Fischers Nachfolger betrieb die Mühle dann weiter bis zu deren Stillegung im Jahre 1953. Jörg Michaelis Que l l e: P a u l W i l l i m s k i, Blumberg­ Achdorf einst und jetzt, Herausgeber Stadt Blumberg 1978. 117

De Berthold De Berthold dert am Niedere Tor, der stellt au hit de Fueß no vor und isch vum Helm bis nah as Schwert de räechte Villinger ebs wert. Ständ er wie frühr uf stolzem Stei nit eso munzig und so klei, säeh er ebs gliich als Städtegründer; e Mahnmal fer Sanierungssünder. Duet znacht um zwölfi er sich recke und schächet räechts und links um d’Ecke, no isch er inre fremde Welt und überall stinkt’s halt noch Geld. Es waast um ihn vill Stahl und Glas; noch siire Moening frogt ko Aas. „Mi Nieder Tor!“ stöhnt er verbisse, ,,worum hät mer Dich niedergrisse? Het mer doch d’Finger vu Der glau, no dät do ebs Historischs stau!“ So manchmol hät de Bart er grauft; het, wenn er kinnt, ’s Krawazi kauft, dezue es Bergli-Mauche Huus; wa machet die denn jetzt do druus? – „Haltet ’s Krawazi mir in Ehre, sunscht moßi mit em Sehei wehre! Lond Mensche huuse ums Gotts Wille, di Junge, Alte; Kinder spille! Stell ich de Fueß sunscht nimmi vor, hond Ihr de Dreck am Niedere Tor!“ Elisabeth Neugart 118

Persönlichkeiten der Heimat Gerd Jauch Ein Villinger durch das Fernsehen bekannt geworden Als Leiter der ZDF-Hauptredaktion Ge­ sellschafts- und Bildungspolitik wurde Gerd Jauch nach Vollendung seines 65. Lebens­ jahres in den Ruhestand versetzt. Er war Lei­ ter eines Ressorts, dessen Aufgaben über die Fragen des Rechts und der Justiz weit hinaus­ reichten – bis hin zu Fragen der Gesund­ heits-, der Sozial- und Bildungspolitik und den Problemen der ausländischen Mitbür­ ger. Wichtige Probleme einfühlsam und kompetent auf dem Bildschirm zu diskutie­ ren und zu kommentieren waren seine Stärke. Er war ein Journalist, dem parteipoli­ tische Einäugigkeit und missionarische Rechthaberei zuwider waren. Unabhängiges Denken kennzeichnete seine Arbeit, Tole­ ranz und Liberalität. Geboren wurde Gerd Jauch am 27. No­ vember 1924 in Villingen in der Schiller­ straße 3. Darauf legt er Wert. Weil er in Vil­ lingen geboren wurde, trug Gerd Jauch nach dem damaligen Staatsangehörigkeitsrecht das Merkmal „badisch“, obwohl beide Elternteile aus dem „württembergischen“ Schwenningen stammten. Sein Vater gehörte zu den „Erdäpfel­ Jauch“ aus dem Mühlweg. Sein Großvater war gelernter Uhrmacher, dessen Gesellen­ stück, eine Pendeluhr, heute im Archiv des Schwenninger Heimatmuseums aufbewahrt wird. Sein Großvater mütterlicherseits, Johan­ nes Müller, war als „Bahnmüller“ der Vorste­ her des ehemals stark frequentierten Güter­ bahnhofs. Seine Kindheit verlief eigentlich schon damals „gesamtstädtisch“, denn einen Teil seiner Schulzeit verbrachte er in Villingen und in Schwenningen, 1932 zog sein Vater mit der Familie wieder nach Schwenningen zurück, um dann 1936 als Werkleiter erneut in Villingen, bei KAISER-Uhren, tätig zu sem. Gerd, das älteste von fünf Kindern, besuchte in Schwenningen zwei Jahre die Oberrealschule und dann in Villingen das Realgymnasium am Romäusring. Er war ein Schüler wie jeder andere auch, fiel kaum negativ auf und war an den allgemeinen Schulstreichen beteiligt wie jeder andere. Deutsch war immer sein Lieblingsfach und seine Aufsätze waren schon damals eine Extraklasse. Zum Kriegsdienst meldete er sich wie alle seine Klassenkameraden freiwil­ lig. Als er sich in Potsdam für die aktive Offi­ zierslaufbahn verpflichtete, wurde er eigent­ lich seinem alten Berufswunsch untreu. Schon seit der Schulzeit wollte er Journalist werden. Nach dem schrecklichen Erlebnis des Krieges an der Ost- und Westfront, zuletzt als 20jähriger Leutnant und Korn- 119

panieführer, und nach achtmonatiger Kriegsgefangenschaft kam Gerd Jauch gleich wieder auf seinen Berufswunsch zurück. Schon als er im Herbst 1946 nach einem Abiturkurs an der Universität Freiburg mit dem Studium begann, fing er bei der Badi­ schen Zeitung als Lokal- und Sportreporter an. Es war Dr. Rupert Gießler, der Chefredak­ teur der Zeitung, der Jauch zumJurastudium riet. ,,Im künftigen neuen Staat wird viel Arbeit auf Sie zukommen“, sagte Gießler vorausschauend, und so war es dann auch. Nach dem Studium in Freiburg und in Köln und dem juristischen Staatsexamen begann Gerd Jauch, der sein Studium durch seine journalistische Arbeit finanziert hatte, als freier Journalist. Er wohnte in Freiburg und arbeitete zeitweilig für zwölfRedaktionen im ganzen Bundesgebiet. 1957 ging er als Redakteur für Landespoli­ tik zur Deutschen Presseagentur (dpa) nach Stuttgart und berichtete von da an im Dunst­ kreis der Ministerpräsidenten Gebhard Mül­ ler und Kurt Georg Kiesinger über politische Vorgänge in Baden-Württemberg. Mit bei­ den so verschiedenen „Landesvätern“ wie auch zuvor schon mit dem badischen Staats­ präsidenten Leo Wohleb hatte Jauch viele persönliche Begegnungen: Mit Wohleb, als er als Sportreferent des ASTA für die Wieder­ eröffnung des Instituts für Leibeserziehung und die Rückgabe des Universitätsstadions durch die Franzosen eintrat. Kiesinger holte er zur Villinger Fasnet, bei der dem Landes­ vater vor allem die freie Rede beim Strählen der Narros gefiel. Am 1. Oktoberl962 wurde Gerd Jauch vom Gründungsintendanten des ZDF, Prof. Dr. Karl Holzamer, zum Leiter der Wort­ nachrichtenredaktion und ein Jahr später der gesamten Nachrichtenredaktion von „heute“ berufen. Jauch war damals einer der ersten 300 Mitarbeiter des neuen Fernsehpro­ gramms. Sein Kollege RudolfRadke schreibt über ihn: ,,In der heute-Redaktion trug G.J. maß­ geblich zum Aufbau und zur �alität einer konkurrenzfähigen Nachrichtenberichter- 120 stattung bei. Schon bald entdeckte er, daß das noch junge Medium Fernsehen zwar über eine Fülle von Ereignissen und Ent­ wicklungen im In- und Ausland berichtete, kaum aber eine Gerichts- und Rechtsbe­ richtserstattung in seinen aktuellen Sendun­ gen kannte. Auf seine Initiative ging die Re­ daktion Recht und Justiz zurück, die 1969 eingerichtet wurde.“ Diese Redaktion leitete Jauch bis 1984. In dieser Zeit wurde er dem Fernsehpublikum in über tausend Sendungen und Sendebei­ trägen als Fernsehjurist bekannt. Alle großen Prozesse kommentierte er vor Ort, vor allem beim Bundesverfassungsge­ richt und beim Bundesgerichtshof in Karls­ ruhe. ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser sagt in seiner Laudatio auf Gerd Jauch: ,,Im Mit­ telpunkt seiner ZDF- Tätigkeit stand zweifel­ los seine Sendereihe „Wie würden Sie ent­ scheiden?“, 88mal hat G.J. seinem Millio­ nenpublikum diese Frage gestellt und den Bürgern Recht transparent und verständlich gemacht. Er hat die sehr komplizierte Mate­ rie in eine allgemein verständliche Sprache übersetzt und das Publikum über Recht und Rechte des Einzelnen informiert. 16 Jahre lang hat er durch die Aktualität seiner Fälle mit seiner didaktischen Vorgabe der Frage­ stellung zur persönlichen Auseinanderset­ zung mit den stets aktuellen Themen ange­ regt und viel Lob geerntet. Es gelang ihm die besten Juristen aus Universitäten, Gerichten und Anwaltskanzleien für seine Sendungen zu gewinnen, nach Karlsruhe hatte er ein ,,rotes Telefon“. Für seine Sendereihe wurde Gerd Jauch 1979 mit dem Adolf-Grimme-Preis, 1982 mit dem Wilhelmine- Lübke-Preis der Stiftung „Deutsche Altershilfe“ und dem „Silbernen Ski der Stiftung Sicherheit im Skisport“ sowie 1987 mit dem Fernsehpreis des Deut­ schen Anwaltvereins ausgezeichnet. Anläß­ lich seines 65. Geburtstages wurde ihm fer­ ner mit der Herausgabe einer juristischen Festschrift eine Ehrung zuteil, wie sie vor ihm noch kein anderer Journalist erfahren hat. Viele namhafte Rechtsprofessoren und

Rechtspolitiker trugen durch Aufsätze in der im G. H. Beck-Verlag erschienenen Fest­ schrift zu dieser Würdigung bei. Wenngleich ihm seine rechtskundige und rechtskundliche Fernseharbeit das Wichtig­ ste war, so hatte und hat Gerd Jauch daneben noch ein Steckenpferd ganz anderer Art: er beschäftigt sich mit Geschichte und Bedeu­ tung der alemannischen Fasnet. Seiner Heimat hat er im ZDF ein Denk­ mal gesetzt mit seiner Dokumentation über die Villinger Fasnet „Narri – Narro“. Da der 90-Minuten-Film im gesamten deutschspra­ chigen Raum ausgestrahlt wurde, wurde die Villinger Fasnet einem Millionenpublikum nahegebracht, wie es eben nur ein Einheimi­ scher fertigbringt, der selber „ins Häs goht“. Auch die Rottweiler Fasnet hat Jauch danach in einem 45-Minuten-Film doku­ mentiert. Für seine gesamte journalistische Arbeit als Fernsehjurist und als Brauchtums­ joumalist wurde ihm das Bundesverdienst­ kreuz verliehen, das ihm am 18. Okto­ ber1985 im Alten Rathaus seiner Heimat­ stadt überreicht wurde. Zuvor hatte er die Bürgermedaille von Villingen-Schwennin­ gen erhalten. Gerd Jauch war 1972 von interessierten politischen Gruppen und Parteien nach Vil­ lingen-Schwenningen gerufen worden, um sich als Oberbürgermeisterkandidat gegen Dr. Gebauer zu stellen. Er hat aber dann doch seine Kandidatur zurückgenommen, weil die 14 Tage, die ihm sein Intendant als Sonderurlaub gewährte, einfach zu kurz waren, um sich der Bevölkerung von Villin- gen und Schwenningen genügend bekannt zu machen. Der Vorsprung von Dr. Gebauer als Schwenninger Oberbürgermeister war zu groß und als Verlierer wollte er schließlich nicht nach Mainz zurückkehren, zumal ihn die Programmzeitschriften ganz schön im Visier hatten. Zu dem anläßlich seines Abschiedes vom aktiven Dienst beim ZDF so hochgeehrten G. J. darf ich noch einmal Klaus Bresser zitie­ ren, der über seinen Kollegen ferner sagte: „Er ist ein Bürger im besten Sinne, dem das Gemeinwesen am Herzen liegt und dem es nicht gleichgültig ist, was aus Gesellschaft, Staat und Demokratie wird. Seine kritischen Darstellungen von juristischen Sachverhal­ ten und Vorgängen waren im besten Sinne Aufklärung. Ohne solche Aufklärung funk­ tioniert ein Gemeinwesen nicht. Demokra­ tie lebt davon, daß möglichst viele Men­ schen Bescheid wissen, Ursachen, Entwick­ lungen, Entscheidungen verstehen und sich gegebenenfalls auch kritisch auseinanderset­ zen. Gerd Jauch ist ein solch kritischer Jour­ nalist und Bürger. Er kennt aber auch neben dem Engagement die andere große Tugend von Demokraten: die Toleranz.“ Im letzten Frühjahr bezog G.J. mitten in der Altstadt von Villingen, mit Blick auf das Münster und das Rathaus eine Art Ferienap­ partement, wohin es ihn von seinem Wohn­ sitz Eberbach/Eltville am Rhein aus immer wieder zieht. Dann arbeitet er an Aufsätzen und Büchern, stöbert in Archiven und ist mit seinen engsten Freunden aus der Schulzeit Arnulf Wunderlich zusammen. Adam Berberich Ein Anwalt der Bürger In Villingen, wo er wohnt, aber auch im übrigen Gebiet des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses, ist Adam Berberich eine bekannte und geachtete Persönlichkeit. Als langjähriger Gewerkschaftsvertreter sowie Landes- und Kommunalpolitiker ist er mit vielen Men- sehen in Verbindung gekommen. Für die Sorgen seiner Mitbürger hatte er immer ein offenes Ohr und trat im politischen Bereich für ihre gesellschaftlichen und sozialen Belange ein. Gelegenheit dazu bot sich ihm bis zum heutigen Tage. 121

Vor dem Krieg arbeitete der am 1. Novem­ ber 1914 in Kottweiler (Rheinland-Pfalz) geborene Adam Berberich als gelernter Bau­ und Kunstschlosser bei den Firmen Fichtel und Sachs in Schweinfurt und der Waffenfa­ brik Mauser in Oberndorf. Während des Krieges wurde er als Waffenmeister in Nor­ wegen eingesetzt. Nach dem Krieg war er in Villingen bei den Firmen Reinhard und Kienzle Apparate beschäftigt. In beiden Betrieben setzte er sich als Mitglied des Betriebsrates für die Belange der Belegschaf­ ten ein, bevor er 1956 zur hauptamtlichen Tätigkeit bei der Gewerkschaft überwech­ selte. Als Nachfolger von Fritz Restle wurde er erster Bevollmächtigter der Industriegewerk­ schaft Metall der Verwaltungsstelle Villingen und 1973 als Nachfolger von Erich Mark­ stahler Kreisgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Parteipolitisch schloß er sich der SPD an, weil er glaubte, dort am besten für seine poli­ tische Überzeugung wirken zu können. Adam Berberich gehörte einige Jahre dem Gemeinderat Villingen und nach dem Zusammenschluß mit Schwenningen dem Gemeinderat Villingen-Schwenningen an. Im Kreistag saß er seit dem Jahre 1962; zunächst im Kreistag des ehemaligen Kreises Villingen und dann im Kreistag von Villin­ gen-Schwenningen und nach der Kreisre­ form im Kreistag des neugeschaffenen Schwarzwald-Baar-Kreises. Im Jahre 1989 scheidete er aus. Von 1972 bis 1980 war er Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg. Dort beschäftigte er sich vorwiegend mit Fragen der Sozialpolitik und Landwirtschaft. Bei einem Mann, der so lange im politi­ schen Leben stand, blieben Ehrungen nicht aus. 1977 wurde ihm das Bundesverdienst­ kreuz am Bande verliehen, 1988 die Ver­ dienstmedaille des Landes Baden Württem­ berg. Die italienische Regierung verlieh ihm die seltene Auszeichnung „Commendatore Stella della Solidarieta ltaliana“. Mitte der 60er Jahre setzte sich Adam Berberich dafür 122 ein, in Villingen ein Kultur-und Beratungs­ zentrum (KBZ) für ausländische Arbeits­ kräfte zu errichten. Adam Berberich hat sich noch nicht ganz aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Heute steht er dem Kreisseniorenrat vor. Er ist überzeugt, daß der Generationenkonflikt zwischen Jungen und Alten noch lange nicht ausgetragen ist und an Schärfe eher noch zunehmen wird. Ein weiteres Thema, das ihn brennend interessiert, ist die Einführung einer Pflegeversicherung, damit alte Men­ schen, wenn sie zum Pflegefall geworden sind, finanziell abgesichert, ohne der Sozial­ hilfe zur Last zu fallen, ihr Leben beschlie­ ßen können. Auch der weitere Ausbau von Altenwohnungen einschließlich von Pflege­ plätzen ist ihm ein wichtiges Anliegen. Diese Aktivitäten offenbaren wie seine ganze poli­ tische Arbeit seine vorbildliche soziale Gesinnung, die darauf ausgerichtet ist, dem anderen zu helfen. Es ist zu wünschen, daß sich Adam Berbe­ rich noch viele Jahre an den Erfolgen seiner politischen Arbeit erfreuen kann. Karl Kratt

Gymnasialprofessor Dr. Alfred Georg Benzing 123 Ein Wissenschaftler und Lehrer aus Leidenschaft Das Gymnasium, wenn es seine Aufgabe in der Gesellschaft recht erfüllen soll, braucht Lehrerpersönlichkeiten, die für ihre Berufs­ tätigkeit in doppelter Weise qualifiziert sein müssen. Von ihnen wird einmal eine solide fachwissenschaftliche Ausbildung an der Universität erwartet, die mit dem 1. Staatsexa­ men nachgewiesen werden muß. Zum anderen müssen sie Pädagogen sein, Erzieher. Für diese Aufgabe werden sie in den Seminaren für Schulpädagogik vorbereitet, und das 2. Staatsexamen ist der Nachweis eines erfolg­ reichen Abschlusses dieser Ausbildung. Als Wissenschaftler Pädagoge zu sein oder Pädagoge mit wissenschaftlicher Kom­ petenz -das ist die hohe Forderung an die Lehrkräfte des Gymnasiums, und diese For­ derung ist nicht leicht zu erfüllen. Heute soll die Rede von einem Lehrer sein, der in besonderem Maße sich beiden Aufgaben verpflichtet wußte und sich ein Berufsleben lang um ihre Erfüllung mühte, von Gymnasialprofessor Dr. Alfred Georg Benzing, der allzufrüh am 7. Juni 1987 ver­ storben ist. Alfred Benzing wurde am 10. Juli 1928 in Schwenningen geboren. Dort durchlief er auch die Schule. Sein Abitur machte er 1946 an der damaligen Oberschule für Jungen, dem heutigen Gymnasium am Deutenberg. Zuvor war die Schullaufbahn unterbrochen gewesen: Alfred Benzing mußte noch 1945 zum Reichsarbeitsdienst und zum Wehrdienst, als Funker bei der Luftnachrichtentruppe, einrücken und geriet auch noch in Kriegsge­ fangenschaft, aus der er im August 1945 wie­ der entlassen wurde. Im Jahr 1946 war es ihm möglich, eine Ausbildung zum Primarsch ullehrer am Kan­ tonalen Lehrerseminar in Basel anzufangen. Von Basel wechselte er an das Pädagogische Institut in Reutlingen, wo er die 1. Dienstprü­ fung für das Lehramt an Volksschulen 1947 bestand. Im Volksschuldienst war er sodann in Lauterbach, Schwenningen, Deißlingen und Schramberg tätig. Aber schon 1950 schied er aus dem Dienst wieder aus und begann das Studium der Fächer Biologie, Chemie und Erdkunde an der Universität Tübingen und zeitweilig auch an der Sor­ bonne in Paris. 1954 bestand er die Wissenschaftliche Dienstprüfung für das Lehramt an Höheren Schulen, 1955 dann, nach der Ausbildung am Tübinger Seminar für Studienreferen­ dare, auch die Pädagogische Dienstprüfung. Im gymnasialen Schuldienst war Alfred Ben­ zing zunächst am damaligen Progymnasium Spaichingen. In dieser Zeit vollendete er auch seine Dissertation zum Thema „Das Vegetationsmuster zwischen Schwarzwald und Oberem Neckar als Indikator der Land­ schaftsökologie und seine Bedeutung für die naturräumliche Gliederung“ und wurde 1957 zum Dr. rer. nat. promoviert. 1961 an das Gymnasium Schwenningen versetzt, tat er an seiner alten Schule Dienst, seit 1971 als Gymnasialprofessor und Fachberater des Oberschulamts Freiburg für das Fach Erdkunde. 1984 mußte er aus Krankheits­ gründen vorzeitig in den Ruhestand treten. Dr. Benzing war ein ganz außergewöhnli­ cher Mann. Wenn man seine Persönlich­ keitsstruktur beschreiben will, so muß man von dem Forscher und Wissenschaftler aus Leidenschaft reden und auch von dem Erzie­ her, dem Lehrer aus Leidenschaft, von einem Menschen, der sich ohne Rücksicht auf sich selbst beiden Bereichen hingebend widmete und sich darin verzehrte. Auch von dem hei­ matverbundenen Bürger und seiner Zuwen­ dung zu den Angelegenheiten der Gesell­ schaft, in der wir leben, muß berichtet wer­ den. Alfred Benzing -ein Mann der Wissen­ schaft. Schon seit früher Jugend fiel seinen Lehrern und seinen Kameraden auf, mit

welch leidenschaftlicher Wißbegier Alfred Benzing auf fast allen Wissensgebieten Kenntnisse an sich zu raffen suchte. Diese Wißbegier galt zunächst den Naturwissen­ schaften, vor allem der Biologie, der Chemie und der Erdkunde – letzteres Fach wurde zunehmend zu einem Schwerpunkt in seiner Forschung und Lehre. Aber auch die Sprachen interessierten ihn brennend: Englisch, Französisch, Latein beherrschte er erstaunlich gut; noch in späte­ ren Jahren lernte er im Selbststudium Rus­ sisch, um russische wissenschaftliche Artikel lesen zu können. Andere Wissensbereiche beobachtete er wenigstens von außen genau und war in ungezählten Fällen in der Lage, seine Kollegen auf Neuentwicklungen in ihren Fächern hinzuweisen. Ein beinah faustisches Verlangen nach Wissen und Erkenntnis trieb ihn vorwärts. Er war ein unermüdlicher Arbeiter und erforschte, ohne sich Ruhepausen zu gön­ nen, Neues in seinen Fächern; es gibt über 50 wissenschaftliche Veröffentlichungen aus seiner Feder. Sie erschienen in Buchform, in wissenschaftlichen Zeitschriften für die Fachwelt, gelegentlich aber auch in der Tagespresse oder im Schwenninger Heimat­ blättle für ein größeres Publikum. Diese Zahl ist erstaunlich groß, wenn man bedenkt, daß die dazu nötige Arbeit neben dem eigentlichen Beruf geleistet werden mußte, wenngleich doch in enger Verbin­ dung damit. Versucht man, sie in zusammen­ gehörige Tätigkeitsbereiche zu ordnen, so ergibt sich, daß sein wissenschaftliches Inter­ esse sowohl im Bereich der Biologie als auch der Geographie immer mehr seiner engeren und weiteren Heimat galt. Untersuchungen von Pflanzenvorkommen im Schwarzwald, auf der Baar, im Hegau und am Bodensee, Verfahren der Kartierung und die zu erken­ nende naturräumliche Gliederung, die damit verbundene Gewässerkunde der Baar und angrenzender Gebiete, immer wieder das Schwenninger Moos in botanischer wie geo­ graphischer Betrachtung, die Aussicht vom Lupfen, vom Fürstenberg, vom Aussichts- 124 punkt Hagen bei Weilersbach, aber auch von der Schrotzburg und vom Schiener Berg-all das waren Themen, denen Alfred Benzing Untersuchungen und Veröffentlichungen widmete. Darüber hinaus wandte er sich aktuellen Fragen der Demographie und Bevölkerungsgeographie zu, der Theorie der Zentralen Orte, der Wirtschafts- und Sozial­ geographie. Besonders bemerkenswert ist seine Mitarbeit an einem grundlegenden großen Werk über Verwaltungsgeographie. Auf welche geographischen Gegebenheiten muß die Verwaltung bei ihren Planungen achten? Ein ungemein wichtiges Sachgebiet, das die Lebensverhältnisse der Bevölkerung unmittelbar betrifft. Auch um die Einbeziehung moderner Hilfsmittel bemühte er sich, besonders des neuen Mediums Computer. Bei der Ausar­ beitung mathematischer Verfahren zur Erstellung von „Gradfeldtabellen, Gradab­ leitungen, Meridian- und Parallelkreisbögen, Krümmung radien aus dem Kleinrechner“ zum Beispiel oder bei der Herausgabe einer Formelsammlung der „Sonnenstände, Tag und Nacht in allen Zonen“, die aus einer

fruchtbaren Zusammenarbeit mit einem ehemaligen Schüler (M. Kimmig) erwachsen war. Und immer wieder beschäftigen sich diese wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch mit der Umsetzung im Unterricht und der Einbeziehung eigener Forschungsleistungen der Schüler. So gab es 1979 eine Arbeit, die in der „Geographischen Rundschau“ abge­ druckt wurde: ,,Ende der Verschwendung? – Schüler berechnen die Reichdauer von Roh­ stoffen.“ Das Thema zeigt, wie schon damals Dr. Benzings Aufmerksamkeit auch unserer Umwelt, der Endlichkeit ihrer Ressourcen und der Sensibilisierung der Schüler für die­ ses Problemfeld galt. Denn abstrakte, reine Wissenschaft hat ihm nie genügt. Ein wissenschaftliches Pro­ blem zu erforschen, um dann für die Lösung vielleicht auch noch Anwendungsmöglich­ keiten zu finden, war seine Sache nicht. Viel eher fand er Probleme im Leben der Gesell­ schaft vor, die es zu analysieren und den Schülern vorzustellen und nahezubringen galt. Ob es um die Ursachen für Über­ schwemmungen im Stadtgebiet bei Gewit­ tern ging oder um die Frage, welche Teile der Schweizer Alpen ein Pa.tient des Schwennin­ ger Krankenhauses vom obersten Stock aus denn sehen könne und warum oder darum, ob das Vorhaben der Gemeinde Unter­ kirnach, ein eigenes Kraftwerk zu errichten, denn möglich, vernünftig und rentabel sei – immer beschäftigte er sich und seine Schüler damit, die Fragestellung zu „studieren“, wie er sagte, verläßliche wissenschaftliche Aus­ gangsdaten zu gewinnen, Methoden der Pro­ blemlösung zu ersinnen und Darstellung und Veröffentlichung zu orgams1eren. Dabei gab es hervorragende Beispiele einer geradezu musterhaften Zusammenarbeit von Schülern und Lehrern, die miteinander an der gemeinsamen Forschungsarbeit lern­ ten. Alfred Benzing hat auf diese Weise vie­ len Schülern wissenschaftliches oder zumin­ dest wissenschaftspropädeutisches Arbeiten ermöglicht. Bei alledem hatte er auch immer die Kol- legen und ihre Arbeit im Auge. Seine beson­ dere Aufmerksamkeit galt der Frage einer möglichen Verwertung seiner Methoden und Ergebnisse im Unterricht. Ungezählt sind seine Unterrichtsentwürfe und Kurzver­ öffentlichungen, die er seinen Kollegen freu­ dig zugänglich machte, um ihnen bei ihrer Arbeit zu helfen. Spontane Hilfsbereitschaft in allen Bereichen war ein Wesenszug, der ihn auszeichnete. Besonders großen Wert legte Alfred Ben­ zing auf die Erziehung der Schüler auf einem Gebiet, das in den Schulen lange Jahre eher vernachlässigt wurde – nicht aber bei ihm: Erziehung zu Pünktlichkeit, Genauigkeit, zu sauberer und geordneter Darstellung, auch zur Höflichkeit und Korrektheit. Zeitweilig wurden ja diese „Sekundärtugenden“ im erziehungswissenschaftlichen wie im politi­ schen Bereich etwas verächtlich gemacht: wie wichtig, geradezu unerläßlich, sind sie aber doch für die Wissenschaft und für das Zusammenleben der Menschen in der Gesellschaft! Wenn da geschlampt wurde, konnte ihn ein heiliger Zorn ergreifen – er hatte durch­ aus ein iraszibles Temperament-, und Kolle­ gen und Schüler gingen ihm dann besser aus dem Weg, wenn das möglich war. Und Zorn ergriff ihn auch immer wieder, wenn er im öffentlichen Leben Schlamperei und Ignoranz zu entdecken vermeinte oder gar, und das war für ihn das Schlimmste: ,,Volksverdummung“! Da konnte er böse werden, heftige Briefe schreiben und sich um der Sache und um des gemeinen Wohls willen leidenschaftlich ein­ setzen. Und mit seinen dezidierten Ansich­ ten hielt er auch vor den Schülern nicht hin­ ter dem Berge – anschauliches Lehrbeispiel eines engagierten Bürgers. Erziehungsarbeit letztlich auch das. Alfred Benzing stammt aus einem Urschwenninger Geschlecht, und er fühlte sicherlich die Verpflichtung, seiner Heimat­ stadt, seiner evangelischen Kirchengemeinde (als langjähriger Kirchengemeinderat) und einer weiteren Öffentlichkeit im Landkreis 125

und der Region mit seinen wissenschaftli­ chen Arbeiten und mit seinem Engagement zu dienen. Daher die vielen Veröffentlichun­ gen, die sich mit Problemen und Gegeben­ heiten unserer Heimat befassen. Er liebte seine Heimat, anders wäre sein Eifer und seine Einsatzbereitschaft nicht zu erklären. Er mußte viel zu früh sterben. Das Gymnasium am Deutenberg, die Stadt Villingen-Schwenningen, der Schwarz­ wald-Baar-Kreis, aber auch die Wissenschaft und vor allem ungezählte ehemalige Schü­ ler, Kollegen und Bürger verdanken ihm viel. Dr. Rolf Mehne P. Edmund Schweizer Um die AOK verdient gemacht Werdegang und Lebensweg von Direktor Edmund Schweizer, Geschäftsführer der AOK für den Schwarzwald-Baar-Kreis, er­ scheinen aus einem Guß. Die Person und die Persönlichkeit des langjährigen Direktors der Allgemeinen Ortskrankenkasse wurzeln glei­ chermaßen in den Eigenschaften, die auch den Menschen Edmund Schweizer, den Ehe­ gatten, Vater und Sportkameraden prägen. Als hervorstechender Charakterzug sind Weitsicht und Geradlinigkeit zu nennen, die den beruflichen Lebensweg und Werdegang in nunmehr fünfzig Jahren bestimmten. Diese bestimmenden Charakterzüge, die vor allem im Umgang von Edmund Schwei­ zer mit Angehörigen, Freunden, Mitbürgern und Mitarbeitern erkennbar wurden, mögen begründet worden sein im Elternhaus, das in Lauda im Tauberkreis stand. In der Eisen­ bahnerfamilie hat der junge Edmund Schweizer wohl die Bedeutung klar vorgege­ bener Linien, die in der Gegenwart beginnen und fernen Zielen am Horizont zustreben, erkannt. Im Rückblick auf sein Leben scheint es fast, als seien diese Erlebnisse der Jugend, die Pünktlichkeit, die zuverlässige Zielstrebigkeit und die Überschaubarkeit der Dinge, zum „Fahrplan“ für Edmund Schwei­ zer geworden, nach dem sein Lebenszug von Station zu Station rollte und dies ohne Umwege und langwieriges Rangieren. Die Allgemeine Ortskrankenkasse war das Feld, auf dem Edmund Schweizer seine Fähigkeiten und Talente entfaltete und auf 126 dem er Linien zeichnete, die richtungswei­ send waren und heute noch als Wegmarkie­ rung im Krankenversicherungswesen gelten. Bereits mit fünfzehn Jahren begann im Jahr 1943 Edmund Schweizer seine Ausbil­ dung bei der AOK, dies in Schramberg. Der Erfolg begleitete ihn von Anfang an als Kon­ sequenz seiner Einsatzbereitschaft, des Flei­ ßes und des wachen Verstandes, mit dem der junge Verwaltungsangestellte sich voll und ganz einsetzte. Schon zwölf Jahre später wählte ihn die Vertreterversammlung zum stellvertretenden Geschäftsführer. Der Wechsel zur größeren Aufgabe bei der AOK Donaueschingen war 1962 für Edmund Schweizer begleitet mit der Ernennung zum Geschäftsführer. Doch damit war für den rührigen Verwaltungsfachmann die Endsta­ tion noch keineswegs erreicht. Er erkannte, daß mit der Gebietsreform auch für die Kran­ kenkassen die Chance gegeben war, zu grö­ ßeren Einheiten zusammenzuwachsen. Seine Bemühungen, die Allgemeinen Ortskran­ kenkassen Villingen, Schwenningen und Donaueschingen zu vereinen, waren erfolg­ reich. Die Weitsicht und Zielstrebigkeit des Geschäftsführers aus Donaueschingen hat­ ten Eindruck gemacht und so wurde Ed­ mund Schweizer zum Geschäftsführer der Allgemeinen Ortskrankenkasse Schwarz­ wald-Baar gewählt. Doch das sind nur die sichtbaren Statio­ nen einer beeindruckenden beruflichen Kar­ riere. Die Verdienste von Direktor Schweizer

der AOK in Donaueschingen, dies in der Zeit, als Edmund Schweizer für dieses Vorha­ ben verantwortlich zeichnete. In Villingen wuchs das neue AOK-Gebäude an der Schel­ mengasse empor, und wieder war es der tüch­ tige Direktor, der die Planung abzeichnete, den Baufortschritt begutachtend begleitete und schließlich als stolzer Hausherr des beeindruckenden Gebäudes zur Einweihung einladen konnte. Mit einer autonomen EDV-Anlage zog der technische Fortschritt auf Initiative von Edmund Schweizer in das neue Haus ein und schon bald zeigte sich, daß die Entschei­ dung, eine elektronische Datenverarbeitung in eigener Regie und unabhängig von einem Rechenzentrum einzusetzen, die rechte Wahl gewesen war. Auch die Einrichtung einer Honorarprüfstelle und die Bildung einer Gemeinschaft der autonom wirkenden Ortskrankenkassen waren Anstöße von Direktor Schweizer, die von Weitblick zeug­ ten und Wegmarken setzten. 127 Direktor Edmund Schweizer fand dar­ über hinaus noch die Kraft und die Zeit, sich als Lehrbeauftragter der Staatlichen Berufs­ akademie zu engagieren. Die übernommene Aufgabe war ein Beitrag zur Ausbildung von Diplom-Sozialpädagogen für den Sozialen Dienst. Edmund Schweizer gehört seit Jah­ ren den Prüfungsausschüssen für Ärzte und Zahnärzte an und hat in diesen Gremien alternierend den Vorsitz inne. Er gilt in Fach­ kreisen als kritischer Denker, der dank fachli­ cher Kompetenz auch unbequeme Wege einschlägt und zu Ende geht. Die Berufung zum Landessozialrichter rundet dieses Enga­ gement ab. Nach einem erfüllten Berufsleben wird Direktor Edmund Schweizer Mitte des Jah­ res 1990 in den Ruhestand gehen. Doch seine Zielsetzungen werden weiterhin als Richt­ linien für die Weiterentwicklung bei der AOK des Schwarzwald-Baar-Kreises gelten und seine Tatkraft bleibt Beispiel und Ver­ pflichtung für seinen Nachfolger und die Mitarbeiter dieser Krankenkasse. Klaus Peter Friese sind so nicht offenkundig, denn sie erwuch­ sen aus der Arbeit des Alltags, aus dem Bewältigen von Aufgaben und der Beharr­ lichkeit im Verfolgen selbstgesteckter Ziele. Zu den Aufgaben, denen sich Edmund Schweizer immer verpflichtet fühlte, gehörte schon in jungen Jahren die Ausbildung und Weiterbildung. Die von ihm verfaßten „Lah­ rer Unterrichtsbriefe“ gehörten jahrelang bundesweit zu den Grundlagen von Schu­ lungskursen und Seminaren der Allgemei­ nen Ortskrankenkassen. Die Erkenntnis, daß Vorbeugen besser ist als Heilen, war für den jungen Geschäftsfüh­ rer schon zu Beginn der sechziger Jahre ein wegweisendes Motto, das er dann auch zum Wohl der Versicherten und der Kranken­ kasse in die Tat umsetzte. Das sogenannte „Hausarztverfahren“, Krankheitsfrüherken­ nung und der Weg in die Öffentlichkeit mit Aufrufen zur Vernunft beim Umgang mit der eigenen Gesundheit waren praktische Umsetzung von Erkenntnissen. Dabei gelang es Direktor Edmund Schweizer stets, seine Mitarbeiter für solche Ideen zu begei­ stern, und sein konsequentes Eintreten für einmal als richtig erkannte Ziele, war beein­ druckend. Als Bauherr hat Edmund Schweizer Blei­ bendes geschaffen. So entstand unter seiner Federführung das neue Verwaltungsgebäude

Ingeburg Weisser Aus einem Stadtkind wurde eine Landfrau Frau Ingeburg Weisser stand in den Jahren 1980 bis 1989 dem Bezirkslandfrauenverein Villingen vor, nachdem sie schon einige Jahre Stellvertreterin gewesen war. Die Tätig­ keit einer Bäuerin wurde ihr nicht in die W iege gelegt. Sie ist ein Großstadtkind aus München. Während des Krieges hielt sich Frau Weisser in Weiler, heute ein Ortsteil von Königsfeld, auf und blieb dort „hängen“. Nach ihrer Heirat mit dem Landwirt Ernst Weisser vomJungbauernhof in Buchenberg­ Martinsweiler – von 1949 bis 1950 besuchte sie die Landwirtschaftsschule -war ihr weite­ rer Lebensweg vorgezeichnet. Sie wurde nicht nur eine tüchtige Bäuerin, dje sich um Familie und Hof kümmerte, sondern sie erkannte auch zusammen mit anderen Land­ frauen die Notwendigkeit eines Zusam­ menschlusses der Frauen auf dem Land. Bevor es zur Gründung eines Landfrauen­ vereins kam, trafen sich interessierte Bäuerin­ nen aufEinladung von Frau Oberregierungs­ und Landwirtschaftsrätin Thora Walter in der ehemaligen Villinger Landwirtschafts­ schule. Es handelte sich dabei nicht um ein „beschauliches Damenkränzchen“, sondern es wurde schon damals gezielt Fortbildung betrieben. Mit guten Kenntnissen ausgestat­ tet ging man zurück in den bäuerlichen Haushalt, um sie dort anzuwenden. Im Laufe der Zeit entstand der Wunsch, aus dem etwas mehr unverbindlichen Arbeitskreis eine feste Institution zu machen, dje auch nach außen hin die Belange der Landfrauen vertritt. Frau Ingeburg Weisser war bei der Gründung des Landfrauenvereins im Jahre 1977 aktiv betei­ ligt, als sich 50 Frauen aus dem ehemaligen Kreis Vifüngen zusammenschlossen. Dieser wurde als Bezirksverein geführt. Zunächst war Frau Margarete Kornhaas aus Marbach erste Vorsitzende, ihr folgte bei der nächsten Wahl im Jahre 1980 Frau Ingeburg Weisser. Während ihrer Zeit als Vorsitzende des Bezirkslandfrauenvereins Villingen hatte 128 Frau Weisser viele Verpflichtungen. Sie trug die Verantwortung für rue Planung und Durchführung des jewciligen W interpro­ gramms. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch, die Interessen der Landfrauen bei den Vor­ standssitzungen der anderen berufsständi­ gen Vereine zu vertreten. Lange Jahre war Frau Weisser bei der Prüfungs-Kommission der Wirtschafterinnen in der Landwirtschafts­ schule Donaueschingen und beim Berufswett­ kampf der Mädchen in der Albert-Schweit­ zer-Schule Villingen tätig. Außerdem war sie Mitglied im Ausschuß der Steuer- und Betriebswirtschaft im BLHV Freiburg. Frau Weisser nahm auch jede Gelegenheit wahr, mit den Politikern ins Gespräch zu kommen, wenn es galt, die Probleme der Bäuerinnen darzulegen. Wenn dje Landjugend jedes Jahr ihr gro­ ßes Kreiserntedankfest durchführte, war Frau Weisser dabei, wenn die prächtigen, kunstvollen Erntewägen zu prämieren waren. Sie meisterte alle diese Aufgaben mit Fleiß und großem Einfühlungsvermögen.

Erwähnenswert ist auch die aktive Beteili­ gung des Bezirkslandfrauenvereins Villingen auf der Südwestmesse. Dies gibt eine gute Gelegenheit, mit der Bevölkerung in Kon­ takt zu kommen und für die Landfrauenar­ beit zu werben. Frau Weisser hat sich immer bereitwillig diesen Veranstaltungen auf der Südwestmesse zur Verfügung gestellt und mit ihrer freundlichen Wesensart viel für das gute Ansehen der Landfrauen in der Bevöl­ kerung beigetragen. Frau Weisser hat noch weitere Bürden auf sich genommen. Sie wirkt bis zum heutigen Tage als Ortschaftsrätin in Buchenberg und in der Vorstandschaft des dortigen Ge­ schichtsvereins mit. Um neben der Arbeit im Betrieb und im Haushalt all diese Aufgaben erfüllen zu können, gehört sehr viel Idealis­ mus und Willenskraft dazu. Frau Weisser ist Bäuerin mit Leib und Seele. Trotz ihres Einsatzes für die Landfrau­ enarbeit vemachläßigte sie ihren eigenen Hof nicht. Die Planung und der Bau eines neuen Hofes hat sie mit ihrem Mann, der lei­ der im Jahre 1985 überraschend verstorben ist, durchgeführt. Heute weiß sie ihn bei ihrem Sohn in guten Händen. Marlies Höft und Maria Aberle Ferdi Haberstroh Der Schwanenwirt von Schonach Welch‘ große Wertschätzung der „Schwa­ nenwirt“ von Schonach, Ferdi Haberstroh, genießt, konnte man an seinem 70. Geburts­ tag im Jahre 1989 ermessen. Kollegen seiner Berufsorganisation, Abordnungen von Ver­ einen sowie Persönlichkeiten des öffentli­ chen Lebens brachten Dank und Glückwün­ sche zum Ausdruck. Sohn Ferdinand war es, der für die Kinder des Jubilars Würdigung und Dank zuteil werden ließ; für den Vater ein besonderes Erlebnis. Ferdi Haberstroh, weitum bekannt und beliebt als „Schwane-Ferdi“, verdient das Prädikat ein „echter Schwarzwälder Wirt“ zu sein. Unermüdlich ist er mit seiner Frau Hil­ degard, Tochter Gaby, Sohn Ferdinand und Schwiegertochter Anna-Maria von früh bis spät um das Wohl der Gäste besorgt. Gerne hält er an der Theke mit seinen Stammgästen ein kleines Schwätzerle. Gastlichkeit ist im Schwanen wie noch für viele andere Gast­ wirtsfarnilien im Schwarzwald oberstes Gebot. In Schonach geboren, besuchte er die Volksschule und machte anschließend bei der Firma Spathelf in Villingen eine kauf­ männische Lehre. Gleichzeitig absolvierte er die Handelsschule in Villingen. 1940 zum Kriegsdienst eingezogen, war er bis Kriegs- ende im Fronteinsatz. Bei der Ardennen­ offensive geriet er in Gefangenschaft, wurde zunächst als vermißt gemeldet. Besonderes Glück hatte er, als er im Juli 1945 zu seiner Mutter und Schwester heimkehren konnte. 1946 war Hochzeit im Schwanen. Seine Frau Hildegard kam ebenfalls aus dem Hotelfach, sie war somit am richtigen Platz. Aus der Ehe 129

gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor. Nunmehr begannen im „Schwanen“ die Jahre des Um- und Ausbaues. In der Berufsorganisation führte Ferdi Haberstroh 30 Jahre lang den Ortsvorsitz. Während dieser Zeit hat er die Interessen sei­ ner Kollegen in deren Sinne wahrgenom­ men. Auch in anderen Vereinen, wo er heute noch außerordentliches Mitglied oder Ehrenmitglied ist, war er ehrenamtlich tätig. Trotz der vielen Arbeit im Betrieb und Ehrenämtern blieb das Familienleben nicht auf der Strecke. Die Kinder wuchsen in einer behüteten Familie auf. Die Liebe der Eltern begleitete sie durch die Kindheit. Der Zusam­ menhalt innerhalb der Familie wird immer noch groß geschrieben. Der jährliche Erho­ lungsurlaub war eine Selbstverständlichkeit. Besondere Urlaubstage verbrachte man mit Kollegen auf einer Kreuzfahrt. Orkanartiger Sturm konnte der Laune keinen Abbruch tun, dennoch war man froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Die Fahrt mit Kapitän Knut Delfs und Zahlmeister Reinhard Spieß auf der „Regina Maris“ bleibt allen unvergessen. Die Kollegialität wurde stets beim Besuch von Verbandstagungen gepflegt, wo man oft in gemütlicher Runde zusammensaß. Die Ausflüge und die jährliche Nikolaus­ fahrt der Kreisstelle bleiben in steter Erinne­ rung. Nach harter Arbeit während der Saison war dies eine kleine Entschädigung. Freude und Fröhlichkeit waren Trumpf. Den Betrieb hat Ferdi Haberstroh vor geraumer Zeit an seinen Sohn Ferdinand und Schwiegertochter Anna-Maria übertra­ gen. Trotzdem ist Ferdi Haberstroh und seine Frau Hildegard wie eh und je zum Wohle der Gäste im Schwanen tätig. Bleibt zu wünschen, daß Ferdi Haber­ stroh noch recht lange mit seiner Familie für den „Schwanen“ und seine Heimatgemeinde Schonach wirken kann. Eduard Nobs Elisabeth Günter Gastwirtin und Leiterin des Seniorenkreises in Gremmelsbach Gremmelsbach ist ein Dorf mit sehr weit verstreut liegenden Bauernhöfen. 600 Seelen zählt der Ort, den man von der Bundesstraße 33 zwischen Triberg und Hornberg erreichen kann. Doch viele Besucher kommen zu Fuß, denn zahlreiche Wanderwege kreuzen das Dorf. Ob man nun zu Fuß oder mit dem Auto -auch ein Bus fährt in das Dorf-nach Gremmelsbach kommt, man sucht die Orts­ mitte.Und es gibt sie: die Kirche, die Schule, den Friedhof, das Rathaus, die Post-und das „Rössle“ liegen in der Dorfinitte. Von hier aus kann der Wanderer oder Besucher, der Feriengast alles finden, was er sucht. Und er findet vor allem Gastfreundschaft im ,,Rössle“, der größten Gastwirtschaft am Ort. Wer dann noch Glück hat, begegnet der Senior-Wirtin. Und wenn diese zarte Frau mit der gepflegten Ausdrucksweise am Tisch 130 sich nach dem Wohin und Woher erkundigt, dann hat man Elisabeth Günter erlebt, die Frau, welche am meisten in Gremmelsbach für die Dorfgemeinschaft wirkt. Nicht nur als Gastwirtin – sie ist viel mehr. Die junge Elisabeth kam 1948 nach ihrem Examen als Krankenschwester nach Grem­ melsbach. Der damalige Bürgermeister Johann Dold hatte eine Gemeindeschwester gesucht. Die junge Frau kam aus dem Har­ mersbachtal, wo sie auf einem Hof aufwuchs. Sie schätzte damals schon die dörfliche Gemeinschaft und setzte ihre Kraft als Kran­ kenschwester dafür ein. Doch bald schon wurde die Schwesternstation in Gremmels­ bach aufgelöst, aber Schwester Elisabeth blieb in Gremmelsbach. Dazu hatte auch die Bekanntschaft mit Franz Günter beigetra­ gen, der aus der Kriegsgefangenschaft heim-

Diese Entwicklung sah Elisabeth Günter lange schon voraus. Und sie sah auch ihr kommendes Alter, die Zeit der Muße auf sich zukommen. Eines Tages würde Sohn Rudolf die Gastwirtschaft, die mit 25 Betten längst schon eine Pension ist, übernehmen. Doch einfach nur auszuruhen von einem arbeits­ reichen Leben -das gefiel ihr nicht. Vor zehn Jahren gründete sie in Gremmelsbach den Seniorenkreis, denn mittlerweile sind über zehn Prozent der Gremmelsbacher Einwoh­ ner über 60 Jahre alt. Sie sollten -ebensowe­ nig wie Elisabeth Günter selbst -nicht ein­ sam und nutzlos ihren Lebensabend verbrin­ gen. Und so organisierte die rührige Gastwir­ tin Ausflüge, Zusammenkünfte, aber auch Weihnachtsfeiern. ,,Ich möchte, daß alte Menschen mehr zusammenkommen, nicht einsam und allein leben“, sieht Elisabeth Günter ihr Engagement, von dem sie kein Aufhebens gemacht haben möchte. Daß sie den guten Kontakt zur Sozialstation pflegt, ist ihr selbstverständlich. Und sie ist ein biß­ chen stolz, daß alle Gebrechlichen zu Ha1:se gepflegt werden: ,,Bei uns ist aus Gremmels­ bach noch niemand ins Altenheim gegan­ gen.“ Für Elisabeth Günter ist die Zeit nun beschaulicher geworden. Sie hat sich aus dem Pensionsbetrieb weitgehend zurückge­ zogen. Der Sohn hat das väterliche Geschäft übernommen. Ihren Mann, Franz Günter, sieht man dagegen noch oft hinter dem Tre­ sen stehen. ,,Mein Mann ist der geborene Gastwirt, von ihm habe ich viel gelernt“, sagt Elisabeth Günter. Und sie zieht Bilanz: ,,Ich habe mit meinem Mann ein erfülltes Leben gehabt. Wir teilen mit der Bevölkerung hier Freud und Leid, wir freuen uns mit den Freu­ digen trauern mit den Trauernden.“ Renate Bökenkamp ,,._ ,, 131 gekehrt war und seine Aufgaben als Gastwirt­ Sohn im „Rössle“ wieder aufnahm. 1949 wurde geheiratet: das ganze Dorf war auf den Beinen, die Musik spielte, die Verwandt­ schaft reiste an -es war ein überwältigendes Fest trotz der schlechten Zeiten damals. Die folgenden Jahre waren für Elisabeth Günter angefüllt mit vielen Aufgaben. Vier Kindern, drei Mädchen und einem Buben, schenkte sie das Leben. Sie wuchs aber auch immer mehr in ihre Rolle als Gastwirtin hin­ ein, übernahm die Küche und blieb doch für die Gremmelsbacher immer auch „Schwe­ ster Elisabeth“. Immer wieder wurde sie um Rat gefragt, half Wunden heilen, hatte Trost für Seelenpein. Heute erinnert sie sich gern der vielen Gespräche auch am Sonntag vor­ mittag, wenn nach dem Kirchgang einge­ kehrt wurde. ,Ja früher,“ so erinnert sich die „Rössle“-Wirtin, ,,da gab es für die Menschen hier noch Treffpunkte, an denen man mit­ einander reden konnte.“ So war man oft gemeinsam von den Höfen kommend zum Kirchgang unterwegs. Man traf sich im Lädle im Ortskern, das aus Rentabilitätsgründen heute geschlossen ist. Bleibt heute nur das Gasthaus, denn das Auto hat auch in Grem­ melsbach einen immer größeren Stellenwert erreicht – und die Dorfgemeinschaft etwas ärmer gemacht.

Lukas Riedlinger Hochgeachtet und beliebt als Zimmermann und Kommunalpolitiker des Badischen Zimmermeisterverbandes und 1974 dessen stellvertretender Vorsitzen­ der. Von 1965 an gehörte er als Vorstandsmit­ glied des Berufsförderungswerkes des südba­ dischen Zimmerhandwerkes an und wurde 1974 dessen stellvertretender Vorsitzender. Schon 1959 wurde er Mitglied der Vollver­ sammlung der Handwerkskammer Kon­ stanz, wurde 1964 deren Vorstandsmitglied und von 1969 an Vizepräsident der Arbeitge­ ber bei der Konstanzer Handwerkskammer. Zahlreichen jungen Leuten hat Riedlinger das Rüstzeug für den Zimmermannsberuf vermittelt. Von 1959 an gehörte Lukas Riedlinger dem Hüfinger Gemeinderat an, ehe er sich 1984 entschloß, nicht mehr zu kandidieren. Während dieser Zeit war er auch stellvertre­ tender Bürgermeister und Fraktionssprecher der CDU im Gemeinderat. Dem Kreistag gehörte Riedlinger von 1965 bis 1984 an, zunächst noch im alten Landkreis Donau­ eschingen und später im Gremium des Schwarzwald-Baar-Kreises. Ab 1971 war er im Kreisrat Mitglied des Finanz- und Verwal­ tungsausschusses und von 1973 an Mitglied des Technischen Ausschusses. Stets eng verbunden war Lukas Riedlinger mit der Freiwilligen Feuerwehr Hüfingen, deren Kommandant er von 1951 bis 1961 war. Anschließend übernahm er das Amt des Kreisbrandmeisters für den ehemaligen Landkreis Donaueschingen. Es ist schlicht­ weg unmöglich, alle Ehrenämter Lukas Ried­ lingers aufzuzählen. Genannt aber sei sein Amt als langjähriger Aufsichtsratsvorsitzen­ der der Volksbank der Baar. Die Ehrungen, die ihm in seiner aktiven Zeit zuteil wurden, sind Legion. Die Hüfinger Vereine erfreuten sich Ried­ lingers Anerkennung und Wertschätzung, betrachtete er sie doch als wichtigen Garant für das harmonische Zusammenleben in der Stadt. In Stadtmusik und Gesangverein „Lie- Im Juli 1989 verlor die Stadt Hüfingen eine ihrer profiliertesten Persönlichkeiten. Lukas Riedlinger, ein Mann, der über Jahr­ zehnte die Geschicke seiner Heimatstadt, die des Landkreises aber auch die seines Berufs­ standes mitbestimmt hatte, erlag im Alter von 69 Jahren einer schweren Krankheit. Als ihm im Januar 1980 Landrat Dr. Rai­ ner Gutknecht das Bundesverdienstkreuz überreichte, bezeichnete er in seiner Lauda­ tio Lukas Riedlinger als einen „Bürger mit hohen Tugenden“. Von Geburt und Her­ kunft Hüfinger, hätte er als selbständiger Zimmermeister sein Leben als ausgefüllt ansehen können, doch das habe ihm nicht genügt. In der Tat, dem dynamischen und vor allem sachkundigen Lukas Riedlinger ge­ nügte nicht die Begrenztheit seines berufli­ chen und privaten Lebenskreises. Nachdem er, 1948 aus der Kriegsgefangenschaft entlas­ sen, in Hüfingen ein Zimmergeschäft gegründet hatte, war er von 1957 bis 1972 Obermeister der Zimmerinnung Donau­ eschingen, wurde 1966 Vorstandsmitglied 132

derkranz“ war er aktiv, und beide Vereine verliehen ihm die Ehrenmitgliedschaft. Aber auch andere genossen seine Unterstützung. Zweifellos ist Hüfingen durch den Tod Lukas Riedlingers ärmer geworden. Seine Persönlichkeit, die auch politisch Anders­ denkenden Respekt abverlangte, hinterließ eine empfindliche Lücke. Sein Wort hatte Gewicht, und seine Weitsicht bestätigte sich in der Regel. Als Schulkamerad und Wegge­ fährte Max Gillys hat er die vergangenen Jahrzehnte Hüfinger Stadtgeschichte mitge­ schrieben. Er war ein ehrlicher Streiter, ein unermüdlicher Mahner, von tiefem Verant­ wortungsgefühl geprägt. Wohl selten hinter­ ließ ein Bürger der Stadt so deutliche Spuren seines Wirkens. Die enorme Lebensleistung Riedlingers wäre aber in diesem Umfang sicher nicht möglich gewesen, hätte nicht seine Familie, und insbesondere seine Frau Gertrud, die zahllosen Ambitionen ihres Mannes mitge­ tragen. Ganz ohne Aufhebens und in der Stille war sie der ruhende Pol in seinem so aktionsreichen Lebens, das randvoll gefüllt war mit nicht immer leichten Aufgaben. Mit Sicherheit hat Lukas Riedlinger all jene Höhen und Tiefen eines Menschen durch­ messen, der in der Öffentlichkeit eine Rolle spielte. Als er zu Grabe getragen wurde, gab ihm eine beeindruckende Trauergemeinde das letzte Geleit. Allen war die tiefe Betroffen­ heit über den Tod eines Mannes anzumer­ ken, der seine Gaben und Talente stets in den Dienst der Allgemeinheit stellte, uneigen­ nützig, geradlinig und unbeirrbar. Bis zuletzt lag ihm das Schicksal seines Betriebes am Herzen, zumal kein männli­ cher Nachkomme ihn hätte übernehmen können. So erleichterte ihm der Entschluß zweier junger Mitarbeiter, das Zimmerge­ schäft Riedlinger zu übernehmen, den Abschied aus dem Leben, den er bewußt und mit der Kraft einer starken Persönlichkeit anzunehmen bereit war. In vielen Teilen der Bevölkerung blieb der Ausspruch, der bei seiner Beisetzung getan wurde, in lebhafter und zustimmender Erin­ nerung: „Lukas Riedlinger hat sich um seine Heimatstadt verdient gemacht“. Käthe Fritschi Max Gilly Ein Vierteljahrhundert Hüfinger Geschichte Von 1963 bis 1989 war Max Gilly Bürger­ meister der Stadt Hüfingen. Seither lebt er im Ruhestand, und am 31. März 1991 kann er seinen 70. Geburtstag feiern. Es ist ruhiger geworden um ihn, den man ohne Übertrei­ bung einen „Vollblutbürgermeister“ nennen konnte. Mehr als ein Vierteljahrhundert hat er die Geschicke seiner Heimatstadt gelenkt, deren Entwicklung ihm neben den Bedürf­ nissen ihrer Bürger ihm stets ein besonderes Anliegen war. Mit einer großen Verabschiedung, die er Anfang März 1989 in der Festhalle mit zahl­ reichen Vertretern des öffentlichen Lebens feierte, schied er aus dem Amt, nicht ohne aber auch von den Bürgern und den Vertre­ tern der Vereine Abschied zu nehmen, die ihn mit Ovationen feierten, wußten sie doch, daß sie ihm vieles zu verdanken hat­ ten. Den Gästen an beiden Abschiedsveran­ staltungen war klar -eine Ära ging zu Ende. Wie kaum einer seiner Vorgänger hatte Max Gilly, der als 42jähriger 1963 bei einer Wahlbeteiligung von 76,5 0/o im ersten Wahl­ gang mit über 74 0/o der gültigen Wählerstim­ men an die Spitze der Hüfinger Verwaltung gewählt worden war, das Gesicht seiner Hei­ matstadt geprägt. Er war stets ein „Bürger­ meister zum Anfassen“, dessen Amtszim­ mertür stets offenstand, mit einem wachen 133

Blick und einem offenen Ohr für die Bedürf­ nisse seiner Bürger. Verhandlungsgeschick, Weitsicht bei schwierigen Entscheidungen und ein ausgeprägtes finanztechnisches Talent zeichneten ihn ebenso aus wie Humor und Liebe zur Geselligkeit. Der Beginn seiner Arbeit als Bürgermei­ ster im Hüfinger Rathaus war nicht leicht, obwohl er als „Insider“ -zuvor hatte er das Amt des Stadtrechners bekleidet -mit den Gegebenheiten und Erfordernissen Hüfin­ gens bestens vertraut war. Heute sieht man als Kernstück seiner Amtszeit wohl zunächst die Altstadtsanierung, die er mit Zielstrebig­ keit betrieb. Doch ehe diese in Angriff genommen werden konnte, gab es noch eine Vielzahl von anderen Aufgaben im Vorfeld. Zunächst galt es, die desolate Wasserver­ sorgung in Angriff zu nehmen, die heute zentral für Hüfingen und seine Stadtteile vorhanden ist. Hüfingen erhielt ein völlig neues Ortsnetz und wird zentral mit den Stadtteilen aus zwei Tiefbrunnen versorgt. Die Anlage gilt inzwischen landesweit als mustergültig. Als Gilly Bürgermeister wurde, gab es in Hüfingen keine asphaltierten Straßen, keine Kanalisation und keine Müllabfuhr. Es muß­ ten also zunächst große Summen unter der Erde investiert werden. 1966 drängte Gilly darauf, daß der Kofenweiher als Hochwas­ serstaubecken ausgebaut wurde. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte die Hochwas­ serkatastrophe vom 15. Februar 1990 sicher ein noch größeres Ausmaß erreicht. Zu die­ ser Zeit wurde auch Hünfingens Wahrzei-· chen, das Stadtbächli, erneuert. Die gesamte Kernstadt wurde kanalisiert und die Altstadt mit Kleinpflaster versehen. Dieses Kleinpfla­ ster, das anderenorts entfernt und vergraben wurde, ließ Gilly aus verschiedenen Städten der Region durch Stadtarbeiter nach Hüfin­ gen holen. Es reichte aus, um die gesamte Altstadt und den Süßen Winkel zu pflastern. Die Aktion, die damals belächelt wurde, erwies sich als sehr erfolgreich. Nach den teuren und zeitaufwendigen Tiefbaumaßnahmen konnte Max Gilly den 134 nächsten Schritt tun und die Altstadtsanie­ rung einleiten. Zu Beginn der siebziger Jahre suchte das Regierungspräsidium Freiburg ein Pilotprojekt für Stadtsanierungen im ländli­ chen Raum. Hier sah Gilly für Hüfingen eine willkommene Gelegenheit, die Stadt aus einem langen Dornröschenschlaf zu wek­ ken. Er entschied sich für das Städtebauför­ derungsgesetz, das allerdings eine Flächensa­ nierung anstrebte. Dies hätte bedeutet, daß vieles abgerissen und völlig neu gestaltet worden wäre. Hierzu gab es eine Vielzahl von Plänen, die allerdings für Hüfingen nicht in Frage kamen, denn man wollte die Sanierung von Einzelobjekten, die später auch zum Tragen kam. Es folgte die förmliche Festlegung für die Hinterstadt, doch die Bevölkerung verhielt sich abwartend und zog zunächst nicht mit. Man war mißtrauisch, was die Stadt da wohl vorhabe. So entschloß sich der Gemeinde­ rat, einen Anreiz zu bieten und erwarb die Häuser an der „Gerbe“ zur Sanierung, fun­ gierte als Bauträger und veräußerte später die Objekte. Von diesem Zeitpunkt an begann die Sanierung auch bei der Bevölkerung interes­ sant zu werden, und heute präsentiert sich die Hinterstadt in neuem Glanz. Sie ist vor-

zeigbar und gilt als Musterbeispiel für Stadt­ sanierungen im ländlichen Raum. Man ent­ deckte die Altstadt wieder als Wohngebiet, erfüllte sie mit neuem Leben, nachdem zuvor viele der bisherigen Eigentümer sich an der Peripherie niedergelassen hatten und so die Altstadt zu veröden begann. Nur noch wenige alte Häuser sind bisher nicht saniert, und im wesentlichen gilt die Sanierung im Q!iartier I als abgeschlossen. Man feierte die­ sen Anlaß 1988 mit dem „Hinterstadtfest“, das zugleich als Richtfest für das neue Rat­ haus galt, in das Max Gilly nicht mehr als Bürgermeister einzog. Das neue Rathaus wird aus einem Sonderprogramm des Städte­ bauförderungsgesetzes finanziert. Hüfingen galt immer als finanzschwache Gemeinde, doch unter Max Gilly zeigte sich ihre finanzielle Situation besser als in man­ chen vergleichbaren Städten. Grundlage für eine solide Finanzpolitik begann für Max Gilly beim Grunderwerb. Schon sehr früh hatte er begonnen, landwirtschaftliche Flä­ chen zu damals marktüblichen Preisen als Bauland zu erwerben. Insgesamt waren es 20 Hektar Grund und Boden, über die eine Viel­ zahl von Verträgen abgeschlossen wurden. Vor einer Situation besonderer Art stand Hüfingen bei der Gemeindereform zu Beginn der siebziger Jahre. Nachdem Gilly Kenntnis von dem geplanten Gesetz erhal­ ten hatte, versuchte er im Januar 1970 im ,,Sternen“ in Behla mit Vertretern der umlie­ genden Gemeinden, die Auswirkungen die­ ses Gesetzes abzuschätzen. ,,Donaueschin­ gen saß uns im Nacken“, erinnerte er sich später, wohin Hüfingen gegebenenfalls hätte eingemeindet werden sollen, und hier sah der Hüfinger „Schultes“ Gefahren für die Selb­ ständigkeit seiner Stadt. Als erste Gemeinde konnte er Sumpfohren für ein Zusammenge­ hen mit Hüfingen bewegen, dem in einigem Abstand die Orte Behla, Hausen vor Wald, Fürstenberg und zuletzt Mundelfingen folg­ ten. So hatte Hüfingen seine Selbständigkeit bewahren können, denn als Donaueschin­ gen hinsichtlich einer Eingemeindung nach Hüfingen aktiv wurde, sei es, wie Gilly sich im nachhinein erinnert, zu spät gewesen. Hüfingen hatte nämlich bereits vier der fünf Gemeinden unter Vertrag, und dies war für den Landtag entscheidend, die durch Gesetz beschlossene Eingemeindung nach Donau­ eschingen nochmals zu ändern, was im gan­ zen Land nur bei drei Gemeinden gelang. Einmal allerdings hatte Gilly selbst mit dem Gedanken gespielt, Hüfingen der Stadt Donaueschingen anzuschließen, um einen starken Donaueschinger Raum als Gegenpol zum Villinger Oberzentrum zu schaffen, sofern auch Bräunlingen diesen Schritt voll­ zöge. Dann allerdings mußte Gilly hinneh­ men, daß der Gemeinderat ihn „zurück­ pfifi“, und es kam zur Neuordnung des gesamten Raumes. Nicht alle Wünsche und Pläne Max Gillys ließen sich realisieren, er hat auch manches Mal zurückstecken müssen. Er wollte bei­ spielsweise zusammen mit Bräunlingen auf der Gemarkungsgrenze ein Sport- und Kul­ turzentrum bauen, mit Hallenbad, Tennis­ plätzen und anderen Einrichtungen, doch Bräunlingen zeigte die kalte Schulter und baute ein eigenes Bad. Ähnliche Überlegun­ gen, zusammen mit Donaueschingen solche Einrichtungen zu schaffen, scheiterten gleichfalls, obwohl bereits konkrete Vorstel­ lungen bestanden, mit denen der damalige Donaueschinger Bürgermeister Schrempp, der ehemalige Landrat Lienhart und Max Gilly beim Regierungspräsidium vorstellig wurden. So entschied sich Hüfingen schließ­ lich für ein eigenes Hallenbad, das zusam­ men mit einer Turnhalle 1972 eingeweiht wurde. Eine zweite, größere Turnhalle folgte wenige Jahre später. Ein weiterer unerfüllt gebliebener Wunsch Max Gillys war ein neues Bürger­ haus, das auf dem Burgplatz hätte entstehen sollen. Der Bau scheiterte schließlich am Veto der Anlieger. Noch heute hält Max Gilly die Tatsache, daß dieses Bürgerhaus, für das konkrete Pläne vorhanden waren, nicht realisiert wurde, für einen eklatanten Fehler. Die Festhalle, die aus der alten entstanden ist, sieht er noch jetzt als ein „Zufallspro- 135

dukt“ an, das das Bürgerhaus auch nicht nur annähernd ersetzen könne. Max Gilly ist ein Kind der Stadt Hüfin­ gen, wo seine Familie seit vier Generationen ansässig ist. Zuvor lebten die Gillys in Hon­ dingen, wohin sie aus Frankreich eingewan­ dert waren und im 17.Jahrhundert von den Fürstenbergern mit der Vogtei Hondingen betraut wurden. Max Gilly ist der älteste Sohn der Eheleute Josef Gilly und erlernte nach seiner Schulzeit zunächst das Schlos­ serhandwerk. Ein Arbeitsunfall mit langwie­ rigem Krankenhausaufenthalt zwang ihn zur beruflichen Neuorientierung. Nach einer kaufmännischen Tätigkeit begann er am 1. August 1939 in Hüfingen eine Verwaltungslehre und stieg über den Zweiten Bildungsweg in den gehobenen Dienst auf, wobei sein besonderes Interesse stets bei den Finanzen lag. Nach dem Zwei­ ten Weltkrieg oblag ihm die Versorgung der Hüfinger Bevölkerung mit Lebensmitteln, und hier nutzte er sein Talent als Manager und Organisator. Oft bewegten sich seine Aktivitäten um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung am Rande der Legalität, doch das schreckte Max Gilly damals nicht. Sein Aufstieg zum Stadtrechner nach dem Ausscheiden von Ferdinand Moog war fast vorprogrammiert. Die Stadt hat von Gillys Fähigkeiten, das Bestmögliche aus vorhan­ denen Mitteln zu machen, stets profitiert. Wie kein zweiter hatte er die Gabe, alle Mög­ lichkeiten, Geld fur die Stadt herauszuholen, auszuschöpfen. Eine solche Aufgabe war für ihn stets eine Herausforderung. Zum zwei­ ten Mal wählten ihn die Hüfinger 1971 bei einer Wahlbeteiligung von 71,3 0/o mit 98,9 0/o aller gültigen Stimmen erneut in sein Amt, um das er sich als einziger Beworben hatte. Seine dritte Amtszeit begann nach einer Wahl, bei der er 92,8 O/o der Stimmen auf sich vereinen konnte, im Januar 1983. Damals meinte er, er halte dieses Ergebnis für beacht­ lich, weil er nach 20 Jahren nichts mehr zu bieten habe als seine Erfahrung und das beginnende Alter. Doch dessen ungeachtet ging er mit Elan wieder an die Arbeit. Auch 136 zwei Operationen ließen ihn nicht das Handtuch werfen, sondern er entschloß sich, so lange im Amt zu bleiben, wie dies vom Gesetz her möglich ist. Stets lag ihm die Förderung der örtlichen Vereine am Herzen, und er unterstützte auch nachhaltig die Vereine in den Stadtteilen, die er als wichtige Träger der örtlichen Gemein­ schaft ansah. Neben vielen Ehrungen, die ihm durch die Vereine zuteil wurden, ernannten ihn sieben Vereine zum Ehren­ mitglied. 1975 erhielt er auf Antrag der Vereinigung Hüfinger Gastarbeiter den „Verdienstorden der Republik Italia“ als höchste Auszeich­ nung, die an Ausländer verliehen wird. Das Bundesverdienstkreuz erhielt er 1984. Max Gilly, der seit 1944 mit seiner aus Düsseldorf stammenden Frau Ruth verheira­ tet und Vater von vier Kindern ist, hat aus sei­ ner einfachen Herkunft nie einen Hehl gemacht, was aber nicht heißt, daß er die Be­ gegnung mit hochgestellten Persönlichkei­ ten aus Politik und Gesellschaft gemieden hätte, im Gegenteil. Doch er ist stets ein Hüfinger geblieben, der ein Herz fur Vereine und Kultur hat. Er selbst bezeichnete sich einmal als eines der „letzten Hüfinger Origi­ nale“. Sicher ist ihm der Abschied aus dem Amt nicht leichtgefallen, zu lange bestimmte die Arbeit als Bürgermeister sein bisheriges Leben. Die Stadt dankte ihm sein Engage­ ment durch die Verleihung der Ehrenbürger­ schaft, die ihm zum Abschied aus dem Amt Käthe Fritschi zuteil wurde. .. , .., Ist das Leben? Dies Nehmen und Geben. Solch Sehnen und Hoffen. Verschlossen und offen sind alle Gedanken. Bei Wachen und Kranken Wunden, die heilen, Schmerzen, die brennen, kurzes Veiweilen, ewiges Sehnen. Margot Opp

Gertrud Robl Ein Leben für Musik und Gesang Man kannte Gertrud Robl bis zum Okto­ ber 1988 nur unter dem Namen Hofstätter. Der neue Name, den sie seit ihrer Verheira­ tung trägt, klingt vielen Hüfingern noch ungewohnt, zumal sie 22 Jahre lang an der Lucian-Reich-Schule als „Fräulein Hofstät­ ter“ unterrichtete und seit 25 Jahren so als Dirigentin des Hüfinger Frauenchores bekannt war. Für ihre 25 jährige Dirigententä­ tigkeit bekam sie beim Neujahrsempfang der Stadt Hüfingen 1988 die Landesverdienst­ medaille. Gertrud Robl wurde als Tochter österrei­ chischer Eltern in Spremberg in der Nieder­ lausitz geboren. Sie wuchs in Basel auf und machte in Lörrach ihr Abitur. Danach folg­ ten Arbeits- und Kriegsdiensteinsatz. Mit dem Ziel, Sprachenlehrerin zu werden, stu­ dierte sie in Straßburg und Freiburg Germa­ nistik, Anglistik und Italienisch. Wirtschaft­ liche Gründe führten bei Kriegsende dann jedoch zur Aufgabe des Studiums. Die Fähigkeit, aus gegebenen Situationen das Beste zu machen, veranlaßte sie, bei den Ursulinen in Freiburg ein Studium als Haus­ wirtschaftslehrerin zu absolvieren, das sie 1950 mit dem Staatsexamen abschloß. Doch wieder schien der alte Jugendtraum, einmal Lehrerin zu werden, sich nicht zu erfüllen. Kurz, nachdem sie in Freiburg ihre erste Stelle angetreten hatte, starb ihre Mutter, und sie mußte den Schuldienst verlassen, um ihre Familie zu versorgen. Nach sieben Jahren, als sie wieder an sich selbst denken durfte und in den Beruf zurückkehren wollte, war der Bedarf an Hauswirtschaftslehrerinnen gedeckt. Kurz entschlossen begann sie eine Umschulung zur Volksschullehrerin, wirkte zunächst in Gütenbach und kam 1960 nach Hüfingen. Hier machte sie auch ihre zweite Dienstprü­ fung. An der Lucian-Reich-Schule unterrich­ tete sie vorwiegend Hauptschulklassen und leitete 13 Jahre lang den Schülerchor, dem 137 zeitweise bis zu 90 begeisterte Kinder ange­ hörten. Als sangesfreudiger Mensch hatte Gertrud Robl schon in ihrer eigenen Schulzeit Kon­ takt zur Chormusik. So war es kein Wunder, daß sie auch in Hüfingen wieder damit zu tun bekam. Beim „Liederkranz“ hatte es einen eigenen Frauenchor bis dato nicht gegeben, jedoch wurden sporadisch, etwa zu den schon legen­ dären Opern- und Operettenaufführungen auch Frauenstimmen gebraucht, die aller­ dings als Chor nach den Aufführungen nicht mehr zusammenblieben. Häufiger Dirigen­ tenwechsel in den fünfziger und sechziger Jahren war auch nicht dazu angetan, liedbe­ geisterte Frauen zusammenzuhalten. Als nun 1962 Gertrud Robl gebeten wurde, sich der verwaisten Sängerinnen anzunehmen, sagte sie zu, und aus den anfänglich 16 Frauen wuchs ein beachtlicher Chor heran, der mit den Jahren ein immer höheres Ansehen genoß. In zahlreichen Auftritten und Kon­ zerten konnten die Sängerinnen beweisen,

was sie unter Gertrud Robls Leitung zu lei­ sten vermochten, und das tun sie auch heute noch. Unvergessen sind auch die früheren Auf­ tritte des Frauenchores beim jährlichen Hüfinger Zunftball, die oft zu den Höhe­ punkten dieser traditionsreichen Veranstal­ tung zählten. Doch nicht nur der Frauenchor wurde von Gertrud Robl dirigiert: Als der Männer­ chor durch die Erkrankung seines Dirigenten verwaiste, sprang Gertrud Robl auch hier in die Bresche. Sieben Jahre lang leitete sie beide Chöre, die auch als gemischter Chor auftra­ ten und gewährleistete so, daß der Männer­ chor bestehen blieb, ehe wieder ein eigener Dirigent gefunden wurde. Sie tat dies nicht nur »mit der linken Hand“, sondern mit dem ihr eigenen totalen Engagement für eine Sache, die ihr ein persönliches Anliegen war. Seit 1982 im Ruhestand, bedeutet dies für Gertrud Robl nicht etwa Passivität. Sie wirkt in der katholischen Pfarrgemeinde St. Verena als Pfarrgemeinderätin, Lektorin und Leite­ rin der Pfarrbücherei. Privat zählen natürlich verschiedene Hob­ bies zu ihrem Leben, so eine umfangreiche Madonnenbildersammlung und eine statt­ liche Chronik aus ihrer Zeit beim »Lieder­ kranz“, mit eigenen Zeichnungen und Fotos illustriert. Blumen liebt sie und natürlich Bücher, was sie wohl veranlaßt hat, 20 Jahre lang die städtische Jugendbücherei zu füh­ ren. In ihrem Heim verraten viele schöne Dinge die kunstverständige Hausherrin. Die Musik ist stets ihr Wegbegleiter gewe­ sen, und sie verstand es immer, auch anderen Freude an Musik und Gesang zu vermitteln. Gertrud Robl ist ein lebensfroher Mensch, der in Hüfingen hohes Ansehen genießt und dessen W irken seinen festen Platz im kultu­ rellen Leben der Stadt besitzt. Käthe Fritschi Vor hundert Jahren geboren Dr. Erwin Sumser, Arzt und Naturschützer Am 8.0ktober 1991 würde Dr. Erwin Sumser 100 Jahre alt. Er starb im Januar 1961 im 69. Lebensjahr, verehrt als Arzt und Naturschützer, dem die heimische Landschaft viel zu danken hat. Ein Monolith, der die stilisierten Blüten eines „Frauenschuhes“ zeigt, wurde zum Gedenken an Erwin Sumser 1962 von der „Arbeitsgemein­ schaft Heimatschutz Südbaden“ am Waldrand in der Nähe des Hiefi.nger Römerbades aufgestellt. Er erinnert an einen Menschen, dessen Lebens­ werk seinen Patienten und der bedrohten Natur galt. Der nachfolgende Beitrag rundet die Persön­ lichkeitsbeschreibung dieses ungewöhnlichen Mannes ab, der bereits im Almanach 81, S. 153- 156, vorgestellt wurde. Dr. Sumser stammte aus Merzhausen bei Freiburg. 40 Jahre lang hat er in Hüfingen praktiziert. Hunderten von neuen Erdenbür­ gern half er ans Licht der Welt, und Ster- bende geleitete er, wenn medizinische Hilfe nicht mehr möglich war, durch menschliche Zuwendung bis an die Schwelle des Todes. Er war Arzt im Hüfinger städtischen Kranken­ haus, wo ihm Schwestern aus dem Orden des heiligen Vinzenz von Paul helfend zur Seite standen. Dr. Sumser litt mit seinen Patienten und teilte nicht selten auch ihre privaten Sor­ gen. Er war Landarzt im positivsten Sinne, dessen großer Patientenkreis sich weit über Hüfingen hinaus erstreckte. Als »Kolonnen­ arzt“ oblag ihm auch die Ausbildung von Helfern für das örtliche Rote Kreuz, dem er jahrzehntelang seinen Dienst widmete. Als die Stadt Hüfingen 1920 die Stelle eines Arztes und Armenarztes ausgeschrie­ ben hatte, bewarb sich Erwin Sumser um den Posten. Es wurde eine Lebensstellung daraus. Der junge Arzt, der sein Staatsexamen mit 138

der Note „sehr gut“ abgeschlossen hatte, machte seine Patientenbesuche anfangs zu Pferde oder mit einer Kutsche, ehe er – im wahrsten Sinne des Wortes – auf ein Auto „umstieg“. Die Art der Baaremer lag ihm, der selbst als einer der „Stillen im Lande“ galt. Insbesondere aber faszinierte ihn die Land­ schaft mit ihrem Reichtum an seltenen Blu­ men und Pflanzen. Er kannte sie alle, die Orchideen, Knabenkräuter und Silberdi­ steln, die Türkenbunde und Küchenschel­ len, er verbrachte jede freie Minute in der Natur und beobachtete argwöhnisch Spa­ ziergänger, die sich an jenen Kostbarkeiten hätten vergreifen können. Erwischte er aber einen „Blumenfrevler“, so traf den Unglück­ lichen des Doktors heiliger Zorn, und wahr­ scheinlich hat jener nie mehr die Hand nach geschützten Pflanzen ausgestreckt. Der sonst so ruhige Mensch wurde zum streitbaren Kämpfer, wenn es um „seine“ Orchideen ging oder wenn Ödflächen, Hecken oder Sträucher vernichtet werden sollten. Dr. Erwin Sumser wohnte, wie schon sein Vorgänger, im Obergeschoß des alten Rat­ hauses, wo sich auch seine Praxis befand. 1928 heiratete er Margarete Petrus aus Düs­ seldorf, die bereits 1935 starb und ihn mit drei kleinen Kindern zurückließ. Seine zwei­ te Frau, die aus Hüfingen stammende Marga­ rete Schropp, nahm sich der Halbwaisen mütterlich an. Sie schenkte weiteren vier Kindern das Leben, und es war oft, wie sich Frau Sumser im nachhinein erinnert, nicht immer leicht, die große Familie durchzu­ bringen. Erwin Sumser hatte kein Verhältnis zu materiellen Gütern. Patienten, denen es finanziell schlecht ging, bekamen von ihm keine Rechnung. Er selbst lebte völlig anspruchslos, wenngleich er ein Faible für Autos entwickelte. Als die Kinder größer wurden, nahm sie der Vater mit auf seine zahlreichen Exkursio­ nen. Der leidenschaftliche Fotograf, in des­ sen Nachlaß sich tausende wertvoller Dias befinden, hieß seine Sprößlinge das Blitzge­ rät halten oder auch schon mal ein Tuch, damit die abgelichtete Pflanze besser zur Gel- tung kam. Dazwischen examinierte er seine Söhne und Töchter über alle möglichen botanischen Fragen, und das wiederum war bei den Sumser-Kindern gar nicht beliebt. Oft versteckten sie sich, wenn sie bemerkten, daß der Vater Vorbereitungen für solche Exkursionen traf. Eva von Lintig, seine in Hüfingen lebende Tochter, erinnert sich, daß während eines heißen Sommers die Kin­ der Dr. Sumsers in den Wald geschickt wur­ den, um mit Wasser aus Kanistern die gefähr­ detsten Orchideen zu gießen. Doch obgleich solche Aufträge nicht allzu gern ausgeführt wurden, Erwin Sumsers Nach­ kommen haben seine Naturliebe ausnahms­ los geerbt, und mit einiger Verbitterung müs­ sen sie heute feststellen, daß viele jener selte­ nen Pflanzen, für deren Überleben sich Erwin Sumser zeitlebens eingesetzt hatte, bereits ausgestorben sind. In einer Zeit, als Naturschutz noch als kau­ zig belächelt wurde, griff Erwin Sumser zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Er erwarb in der Zeit zwischen 1931 und 1957 immer wie­ der Parzellen Ödland, das er teilweise einzäu­ nen ließ, wo vom Aussterben bedrohte Pflan- 139

zen überleben konnten. Ein solches Stück Land -es liegt in Ebringen bei Freiburg-ist heute unter dem Namen „Sumser-Gärtlein“ bekannt und wird von biologisch-botani­ schen Fakultäten aus ganz Deutschland zu Exkursionen aufgesucht. Auch in Döggin­ gen, Hondingen, Bräunlingen und Ried­ öschingen erwarb er solche Parzellen. Stets war Dr. Sumser bemüht, seine Anliegen, den Schutz der Natur, weiterzutragen. Er hielt ungezählte Vorträge in nah und fern, um immer mehr Menschen in diesem Sinne anzuleiten und sie für den Naturschutz zu sensibilisieren. So gesehen war Erwin Sum­ ser seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Mit Vehemenz stellte er sich dem Vorha­ ben des Schluchseewerkes entgegen, welches Wasser aus der Wutach aus Gründen der Stromerzeugung aufstauen wollte, was das Ende für die botanisch so wertvolle Wutach­ schlucht bedeutet hätte. Er und seine Familie sammelten mehr als tausend Unterschriften gegen das Projekt, und zusammen mit pro­ minenten Gleichgesinnten, wie etwa Regie­ rungsoberbaurat Hermann Schurhammer vom Amt für Straßenbau und Landschafts­ schutz in Karlsruhe gelang es schließlich, dieses Vorhaben zu verhindern, obwohl massive wirtschaftliche Interessen dagegenstanden. Dr. Erwin Sumser, der bereits den Ersten Weltkrieg mitgemacht hatte, in dem er ver­ wundet wurde, erhielt gleich zu Kriegsbe­ ginn 1939 seine Einberufung. Nach Statio­ nen in Oberrotweil und später beim Frank­ reichfeldzug, in dem er verwundet wurde, kam er als Oberstabsarzt an das Lazarett in Donaueschingen. Hier gingen seine Bemü­ hungen um verwundete Soldaten oft bis an die Grenzen der Legalität. Nicht wenigen von ihnen trug er auf, sich in Hüfingen bei seiner Frau zu melden, die sie, obwohl selbst nicht auf Rosen gebettet, durchfütterte und aufpäppelte. Erwin Sumser lebte ständig in der Gefahr, denunziert zu werden, und als man ihm schließlich drohte, ihn vor ein Kriegsgericht zu bringen, bewahrte ihn schließlich das Kriegsende davor. Als für das Hüfinger Landesheim zustän- 140 diger Arzt konnte er auch verhindern, daß hier -wie es in jener Zeit an der Tagesord­ nung war – gebrechliche Insassen einfach „abgeholt“ wurden. Viele interessante Menschen, von Dr. Sumser aus dem Lazarett an seine Familie verwiesen, hielten sich zeitweise in seinem Hause auf Den Kindern gefiel dies, und manchmal gab es sogar Hauskonzerte mit Soldaten, die von zu Hause aus den schönen Künsten dienten, ehe sie in die ungeliebte Uniform gezwungen wurden. Freundschaftlich verbunden war Dr. Sumser auch mit den Eltern der Geschwister Scholl, die wegen ihres Widerstandes gegen Hitler hingerichtet worden waren. Er selbst war vom „Stahlhelm“, einer Vereinigung von Offizieren des Ersten Weltkrieges, ohne sein Zutun in die NSDAP übernommen worden, doch ging er entlastet aus dem Entnazifizie­ rungsverfahren hervor, dem er sich unterzie­ hen mußte. Unter denen, die sich für seine Person bei den Behörden der Besatzungs­ macht verwandten, war auch Dr. Rudolf Scholl, ehemals Oberbürgermeister von Ulm und Vater der ermordeten Geschwister Scholl. Sumsers charakterliche Integrität war unbestritten, verdankten doch viele seinem persönlichen Mut und Einsatz ihr Leben in einer dunklen und unheilvollen Zeit. Eine herzliche Freundschaft verband ihn auch mit dem aus Riedböhringen stammen­ den Kurienkardinal Augustin Bea. Die Hüfinger Blumenteppiche zu Fron­ leichnam hat er nach dem Kriege wiederbe­ lebt. Ihm ist es auch zu verdanken, daß immer mehr Anlieger der Hauptstraße dazu übergingen, nach Sumsers Vorbild kunst­ volle Bilder aus Blüten in die Teppiche zu integrieren, und vor seinem Haus konnten die Besucher stets ein besonderes Kunstwerk aus Blüten bewundern. Eine ebenso unersetzliche wie unermüdli­ che Helferin hatte Dr. Sumser in seiner Frau Margarete. Sie war nicht nur Mittelpunkt und ruhender Pol der großen Familie, son­ dern sie half auch in der Praxis und war seine stets verfügbare Sekretärin. Sie führte seine

Josef Dorer umfangreiche Korrespondenz in Sachen Naturschutz und ordnete mit Umsicht seine zahlreichen Dias. Als der Tod seine Hand nach Erwin Sum­ ser ausstreckte, bangten mit seiner Familie zahlreiche Freunde und Patienten um einen gütigen und warmherzigen Menschen, des­ sen enorme Lebensleistung immer dem Leben gegolten hatte. Als er in den frühen Morgenstunden des 22. Januar 1961 seine Augen für immer schloß und der ehemalige Ein Leben im Dienst der Stadt Furtwangen Ein tragischer Unfall bei Waldarbeiten riß am 4. November des Jahres 1989 jäh einen Mann aus dem Leben, den die Einwohner der Stadt Furtwangen als vorbildlichen Men­ schen und Bürger in Erinnerung haben: Erst 57jährig, starb der erste Bürgermeisterstell­ vertreter und CDU-StadtratJosefDorer, des­ sen jahrzehntelanges Wirken zum Wohle Furtwangens unvergessen ist. Aus Dankbar­ keit wird ihm die Stadt im Rahmen einer Gedenkstunde anläßlich der ersten Wieder­ kehr des Todestages postum die Bürgerme­ daille verleihen und eine Gedenktafel wid­ men. Der allseits geschätzte Repräsentant der Stadt Furtwangen hat sein Denken und Han­ deln stets an hohen Idealen ausgerichtet. Durch seine freundliche Art und stetige Hilfsbereitschaft gewann Josef Dorer die Zuneigung und das Vertrauen seiner Mit­ menschen, und seinen unermüdlichen Ein­ satz für die Allgemeinheit dankten ihm die Bürger im Oktober 1989 mit einem großen Vertrauensbeweis, als er bei der Kommunal­ wahl 5300 Stimmen auf sich vereinigen konnte und damit das mit Abstand beste Resultat aller Kandidaten erzielte. Josef Dorer, der seine Schaffenskraft aus einem erfüllten Familienleben und seinem christlichen Glauben schöpfte, wurde am Hüfinger Stadtpfarrer August Vogelbacher Sumsers Tod den Gläubigen in der Früh­ messe kundtat, ging ein Raunen der Betrof­ fenheit durch die Reihen der Gottesdienst­ besucher. Bei seiner Beisetzung konnte der Hüfinger Friedhof die Trauernden kaum fas­ sen, welche gekommen waren, Erwin Sumser die letzte Ehre zu erweisen.Jedem einzelnen war klar, hier wurde ein Mann begraben, des­ sen Wirken auch über das Grab hinaus­ reichte. Käthe Fritschi 24.Dezember 1931 geboren. Die Jugend brachte dem ältesten Sohn des Pfiffhansen­ bauern Engelbert Dorer schwere Jahre. Sie war gezeichnet von den Wirren des Zweiten Weltkrieges, die es auch mit sich brachten, daß Josef Dorer gerade sechseinhalb Jahre eine Schule besuchen konnte. Nach der Kriegszeit folgten dann der Besuch einer Gewerbeschule und eine Metzgerlehre. Im Jahr1967 schließlich, übernahmJosefDorer den väterlichen Hof und wurde Haupt­ erwerbslandwirt, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Der Landwirt umtrieb in den Folgejahren nicht nur seinen Hof, verbunden mit der Bewirtschaftung eigenen Waldes, sondern war auch als Hausmetzger unterwegs, räumte mit seiner Zugmaschine den Winter über im Außenbereich der Stadt den Schnee von den Straßen und fand neben all dem noch die Kraft, sich auf vielfältige Weise dem politi­ schen und kulturellen Leben zu widmen. Von 1955 an spielte er in der Stadtkapelle Tenorhorn, in glänzender Manier im übri­ gen, und übernahm 1961 dann auch den Vor­ sitz des Vereins. Zwölf Jahre lang, bis 1973, übte Dorer dieses Amt aus und arbeitsreicher Höhepunkt seiner ehrenamtlichen Tätigkeit war die Vorbereitung und Durchführung des lOOjährigen Jubiläums. Aber in diese Amts-141

vertretendes Mitglied im Schulbeirat, von 1975 bis 1984 Mitglied im Beirat der Jugend­ musikschule und langjähriges Mitglied im Winterdienstausschuß sowie des Beirates für geheimzuhaltende Angelegenheiten. Doch es wäre eine unvollständige Darstel­ lung des kommunalpolitischen Wirkens des CDU-Politikers, wenn man es bei dieser rei­ nen Auflistung von Tätigkeiten belassen würde. In seiner Position als erster Bürger­ meisterstellvertreter vertrat Josef Dorer den Bürgermeister bei Urlaub und Krankheit und war schon bald gern gesehener Repräsentant der Stadt Furtwangen; sei es bei Arbeitsjubi­ läen, Vereinsveranstaltungen, Firmenein­ weihungen oder bei Besuchen namhafter Politiker. Und ein herzliches Willkommen gab es für JosefDorer auch, wenn er Senioren anläßlich hoher Geburtstage die Glückwün­ sche der Stadt übermittelte. Daß Josef Dorer stets half, wenn er es ver­ mochte, darauf wurde bereits verwiesen. Doch auf welch unauffällige Art und Weise diese Hilfe geleistet wurde, belegt ein Besuch des Bürgermeisterstellvertreters im Alten­ heim St. Cyriak, an den sich Stadtpfarrer JosefBeha erinnert. Der Bürgermeisterstell­ vertreter zeigte sich dort von der Fürsorge, mit der man sich um die Senioren bemüht, derart beeindruckt, daß er spontan auf seine Städtische Vergütung für diesen offiziellen Besuch verzichtete und diese dem Alten­ heim als Spende zukommen ließ. Seine hohe demokratische Gesinnung war ein wesentlicher Pfeiler des kommunal­ politischen Schaffens von Josef Dorer, die Liebe zu seiner Heimatstadt Furtwangen ein anderer. Denn mit Furtwangen und seinen Bürgern fühlte sich der Politiker stets aufs Engste verbunden. So war er im Gemeinde­ rat ein beständiger Fürsprecher der Vereine und setzte sich in gleichem Maß nicht für die Belange der Gesamtstadt, sondern auch für die der Ortsteile ein. Und mit Nachdruck vertrat der Landwirt im Gremium auch die Interessen seines Berufsstandes. Besonders geschätzt war im Gremium das Bemühen Dorers, in schwierigen Situationen über die zeit fallt auch die Gründung der Furtwanger Jugendkapelle. Aufgrund der großen Ver­ dienste um die Blasmusik, wurde eine Viel­ zahl von Ehrungen ausgesprochen. So ist Josef Dorer Ehrenmitglied der Furtwanger Stadtkapelle. Die Liebe zur Blasmusik spiegelten aber nicht nur die Aktivitäten in der Stadtkapelle wieder. Josef Dorer hatte zehn Jahre lang bei den „Brendmusikanten“ musiziert und gehörte danach den bekannten „Bergland­ musikanten“ an. Eng verbunden fühlte sich Dorer zudem mit dem katholischen Kir­ chenchor St. Cyriak, wo er sich auch stets für Auftritte mit Instrumentalbegleitung zur Verfügung stellte. Das vielfältige kommunalpolitische Wir­ ken indes, begann im jahre 1968, als Josef Dorer auf der Liste der CDU in den Gemein­ derat gewählt wurde. Nach 12jähriger Tätig­ keit wurde ihm einstimmig die vertrauens­ volle Stellung des ersten Bürgermeisterstell­ vertreters übertragen. Zugleich war Josef Dorer Mitglied in mehreren gemeinderätli­ chen Ausschüssen: Von 1975 bis 1983 stell- 142

Parteigrenzen hinweg eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die Verdienste Josef Dorers bleiben jedoch nicht auf die bislang umrissenen Tätigkeiten beschränkt. So war er Mitglied in der Holzverwertungsgenossenschaft, ge­ hörte er nahezu 15 Jahre lang dem Aufsichts­ rat der Volksbank Triberg/Furtwangen an und zählte seit 1982 zum Aufsichtsrat des Schwarzwälder Feuerversicherungsvereins, wo er zunächst als stellvertretender Vorsit­ zender und dann auch als Vorsitzender wirkte. Große Verdienste hat sich der Kom­ munalpolitiker zudem um den Fremdenver­ kehrsverein Oberes Bregtal erworben. Er gehörte im Jahr 1970 zu seinen Gründungs­ und von der ersten Stunde an auch zu den Vorstandsmitgliedern. Und die Vielseitigkeit dieses Mannes, der auf dem Höhepunkt sei­ nes Schaffens aus einem erfüllten Leben gerissen wurde, dokumentiert auch seine Tätigkeit in der Laienspielgruppe St. Cyriak. Dort erfreute der „Pfiffhansenbauer“ die Menschen als vielbeklatschter Hauptakteur. Die tiefe Betroffenheit über diesen frühen Tod, die Hochachtung vor einem liebens­ werten Menschen und vorbildlichen Bürger und das Mitgefühl mit der Ehefrau und den fünfKindern, versammelte am 8. November eine große Trauergemeinde auf dem Berg­ friedhof der Stadt, um einem Mann die letzte Ehre zu erweisen, den Bürgermeister Adolf Herb im Namen der Stadt und des Gemeinderates so charakterisierte: ,,Seine Arbeit war gekennzeichnet durch Verant­ wortung gegenüber den Bürgern von Furt­ wangen,verbunden mit zutiefst demokrati­ scher Gesinnung. Seine menschliche Art hat ihm in allen Kreisen der Bürgerschaft und über seine Heimat hinaus Zuneigung und Vertrauen geschaffen. Das vorbildliche Wir­ ken Josef Dorers wird den Bürgern dieser Stadt stets in Erinnerung bleiben.“ Wilfried Dold Karl Ohnmacht Über ein Vierteljahrhundert in der Verantwortung für Pfohren Baaremer Holz – aufrecht und stolz! Diese für den Menschenschlag unserer Landschaft gerne gebrauchte Charakterisie­ rung paßt sehr gut auch zu Karl Ohnmacht. Bürgermeister wird er in Pfohren immer noch genannt. Diese Amtsbezeichnung stimmt natürlich schon lange nicht mehr. Karl Ohnmacht selbst hatte mit seiner Unterschrift unter den Eingliederungsver­ trag dafür gesorgt, daß für ihn mit Wirkung vom 1. Januar 1972 aus dem Amt des Bürger­ meisters das des Ortsvorstehers wurde. Diese Unterschriftsleistung entsprach allerdings dem Willen der Pfohrener, die sich in einer Bürgeranhörung mehrheitlich für die Ein­ gliederung in die Stadt Donaueschingen aus­ gesprochen hatten. Heute ist er nicht einmal mehr Ortsvorsteher. Karl Ohnmacht befin­ det sich nämlich seit dem 1. Januar 1990 im Ruhestand. Trotzdem ist er nach wie vor eine Person des öffentlichen Interesses und – genauso wie in den zurückliegenden 25 Jah­ ren – eine Persönlichkeit von besonderer Ausstrahlungskraft. Recht früh engagierte sich Karl Ohn­ macht in der Kommunalpolitik für seine Heimatgemeinde. Bereits mit 29 Jahren hatte er 1956 für den Pfohrener Gemeinderat kan­ didiert und war auch gewählt worden. Unter den damaligen Verhältnissen war dies durch­ aus keine Selbstverständlichkeit. Politik war seinerseits – im großen und im kleinen – in der Regel eine Domäne der etwas älteren und gesetzteren Herren. Karl Ohnmacht war der jüngste im damaligen Pfohrener Gemeinde­ rat. Trotzdem verschaffte er sich in diesem Gremium sehr schnell Respekt und Ansehen. Als sein Vorgänger im Amt des Bürgermei­ sters, Franz Engesser, im Sommer 1963 über­ raschend verstarb, war es für viele Pfohrener 143

keine besondere Überraschung, daß sehr rasch Karl Ohnmacht als Nachfolger ins Gespräch gebracht wurde. Nach einem durchaus spannenden Wahlkampf hatte Karl Ohnmacht dann auch gegen den von eben­ falls viel Sympathie getragenen Mitbewerber die Nase vom. Leichter war es für ihn bei der Wiederwahl 1971. Die Pfohrener bestätigten ihn dabei mit großer Mehrheit in seinem Amt. Kurz danach kam schon das Ereignis, das einen tiefen Einschnitt in der politischen Karriere Karl Ohnmachts und für die weitere Entwicklung Pfohrens brachte. Die Einglie­ derung der traditionsreichen Gemeinde Pfohren in die Stadt Donaueschingen zum 1. 1. 1972 bedeutete aber nicht, wie teilweise befürchtet, das Ende einer guten Entwick­ lung. Das Gegenteil ist vielmehr eingetreten. Zusammen mit einem starken Partner, der Stadt Donaueschingen, war Pfohren in der Lage, alle notwendigen Einrichtungen der Infrastruktur und damit die Voraussetzun­ gen für eine gute Zukunftsentwicklung zu schaffen. Auch darin ist ein Grund für das ohne Zweifel sehr erfolgreiche Wirken von Karl Ohnmacht zu sehen. Viel von dem, was Pfohren heute ausmacht, hat Karl Ohn­ macht als Bürgermeister und später als Orts­ vorsteher initiiert, mitgetragen und verwal­ tungsmäßig begleitet. Viel entscheidender für seinen großen Erfolg in der Kommunal­ politik waren aber seine große Popularität, sein unermüdliches Eintreten für die örtli­ chen Vereine, seine Beharrlichkeit, sein Durchsetzungsvermögen und nicht zuletzt seine Hilfsbereitschaft, die alle jederzeit gerne in Anspruch nehmen durften. Der Bürgermeister oder Ortsvorsteher war für jeden, der Hilfe und Rat brauchte, der erste und oft der alleinige Ansprechpartner. Das Bild von Karl Ohnmacht ist bei wei­ tem nicht ausschließlich von dem rund 40- jährigen Engagement in der Kommunalpoli­ tik geprägt. Es ist vielschichtiger und facet­ tenreicher. Grundkomponente bei allen »Bildelementen“ ist Hilfsbereitschaft und das Eintreten für andere und die Gemein­ schaft. Da ist zuerst einmal der Rot-Kreuz- 144 Funktionär Karl Ohnmacht, der den Stadt­ verband Donaueschingen seit 1984 als Vor­ sitzender erfolgreich führt und der auch im Kreisverband Donaueschingen – hier als stellvertretender Vorsitzender-seit 15 Jahren Verantwortung trägt. Auch für den „Riesen“ Karl Ohnmacht bedeuten gerade diese Ämter keine leichte Bürde. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte auch der Feuerwehrmann Karl Ohnmacht. Von 1955 -1963 war er Kommandant der Pfohrener Feuerwehr und nach der Einglie­ derung Pfohrens in die Stadt Donaueschin­ gen trug er sogar über 10 Jahre lang als Sach­ bearbeiter für das Feuerwehrwesen und den Katastrophenschutz Verantwortung für die Gesamtfeuerwehr der Stadt Donaueschingen. Vielfach engagiert ist oder war Karl Ohn­ macht im Pfohrener Vereinsleben. Vermut­ lich in den meisten Pfohrener Vereinen ist er persönlich Mitglied und nicht selten gehörte er sogar zu den Vereinsaktiven. Dies gilt bei­ spielsweise für den Fußballverein, für den er kurz nach der Gründung Tore schoß bzw. als „Libero“ Tore verhinderte. Viele Jahre lang war er Sänger im Männergesangverein und danach über zwei Jahrzehnte Vertreter der

passiven Mitglieder in der Vorstandschaft der Pfohrener Sänger. Schon vor der Grün­ dung der Schnuferzunft hielt Karl Ohn­ macht die Pfohrener Fasnachtstradition hoch und amtierte 1961-1963 sogar als Nar­ renvater. Kraft seines Amtes als Bürgermei­ ster und Ortsvorsteher war er 27 Jahre lang Vorsitzender des Fleischabnahmevereins, einer Selbsthilfeorganisation der Pfohrener Landwirte. Daß er auch bei der Durchfüh­ rung der Flurbereinigung sehr aktiv mit­ wirkte, war wohl für die Pfohrener Landwirte und auch für Karl Ohnmacht eine Selbstver­ ständlichkeit. Ähnliches gilt für seine nun schon rund 3 Jahrzehnte währende Tätigkeit als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Raiff­ eisenwarengenossenschaft Pfohren. Den Kontakt mit den örtlichen Vereinen pflegte Karl Ohnmacht intensiv. Es wird wohl kaum eine Jahresversammlung der insgesamt 12 Pfohrener Vereine gegeben haben, die er in seiner 26jährigen Amtszeit nicht besucht hat. Vielfältig war darüber hin­ aus sein Einsatz für die örtlichen Vereine bei Jubiläen, der Durchführung von Bauvorha­ ben und der Bewältigung kleiner und größe­ rer Probleme. Karl Ohnmacht und sein gastfreundliches Haus waren aus den verschiedensten Anläs­ sen immer wieder Mittelpunkt gesellschaftli­ chen Lebens. Charmante Gastgeberin war dabei seine Frau Gemahlin, Paula Ohn­ macht. Mit dem Eintritt in den Ruhestand sind für Karl Ohnmacht nun etwas ruhigere Zei­ ten angebrochen. Karl Ohnmacht wäre aber nicht Karl Ohnmacht, wenn er sich nun aus­ schließlich in den privaten Bereich zurück­ ziehen würde. Er ist in seinen Ehrenämtern weiterhin aktiv und findet sogar noch Zeit für ein neues Hobby: Er ist quasi Verwalter der Entenburg und damit Ansprechpartner in Sachen auserlesene Antiquitäten und stil­ volles Ambiente für Kunst und Kultur. Wei­ terhin wird er sich im Roten Kreuz engagie­ ren und hofft, daß er jetzt endlich öfters sei­ nem zweiten Hobby, dem Angeln, nachge­ hen kann. Ernst Zimmermann Max Herr Der „Uhrmacher der Päpste“ Wenn man sich der Persönlichkeiten der Heimat erinnert, dann sollte ein Mann nicht vergessen werden, der als „Uhrmacher der Päpste“ in die Annalen einging: Max Herr aus Furtwangen, der 83jährig im August 1989 in Rom gestorben ist. In der Ewigen Stadt – und zwar im Apostolischen Palast des Vati­ kan – sorgte er für das „Zeitliche“. Denn ganze 53 Jahre lang, von 1929 bis 1982, begleitete der lebhafte Schwarzwälder aus der „Uhrenstadt“ Furtwangen den Ehrentitel des päpstlichen Uhrmachers. Er diente damit nicht weniger als sechs Oberhirten der römisch-katholischen Kirche von Papst Pius XI. bis Johannes Paul II. In einer neunköpfigen Kinderschar aufge­ wachsen, hatte Max Herr sein Handwerk von in der Furtwanger Uhr- der Pike auf macherschule erlernt und sich weitere prakti­ sche Fertigkeiten in der Uhrenfabrik Lorenz Furtwängler erworben, die es heute längst nicht mehr gibt. Mit 23 Jahren jedoch -man schrieb das Jahr 1929 – zog es den jungen Mann hinaus in die Fremde. Mit diesem Ent­ schluß stand er in der Tradition vieler Uhr­ macher aus dem Schwarzwald, die besonders im vergangenen Jahrhundert zu Hauf nach England, Amerika, in die Türkei oder nach Rußland auswanderten. Max Herr indes machte den Sprung vom rauhen Klima des Hochschwarzwaldes mit seinen kantigen „Wäldern“ in das warme, weltstädtische Klima der italienischen Metropole Rom. Hier fand er über private Kontakte eine Stel­ lung in einem deutsch geführten Uhrenge­ schäft. Und hier wurde ihm die gleicherma- 145

dem Normal-Sterblichen gewöhnlich ver­ schlossen bleiben. Den Kontakt in die Vaterstadt hat der Furtwanger -auch als er längst in Rom seß­ haft geworden war und eine Familie gegrün­ det hatte -bis ins hohe Alter nie abbrechen lassen. Ständig wurde er von bekannten Gesichtern aus der Heimat aufgesucht. Er wiederum verbrachte seinen Urlaub zumeist im Schwarzwald und versäumte auch nicht die Jubiläumstreffen seiner alten Schulkame­ raden. 1982 beendete er die Berufstätigkeit bei seinem Uhrengeschäft und trat in den wohlverdienten Ruhestand. Für seine Tätig­ keit im Dienste der Kirche wurde Max Herr von Papst Johannes Paul II. bei einer Privat­ audienz im Beisein seiner Familie höchstper­ sönlich verabschiedet. Max Herr, der gläubige Christ, der in der Weltstadt Rom Wurzeln geschlagen und dort in Familie und Beruf seine Erfüllung gefunden hatte, war im Grunde seiner Person jedoch immer ein „richtiger Schwarzwälder“ geblieben und auch seinen heimatlichen Dialekt hat er nie „verlernt“. Nach einem 83 Jahre langem erfüllten Dasein war seine ,,Lebensuhr“ im August 1989 abgelaufen. Der „Uhrmacher der Päpste“ fand seine letzte Ruhe auf dem „Campo Santo Teuto­ nico“, dem berühmten, im Mittelalter ange­ legten „Friedhof der Deutschen“ im Vatikan. Eberhard Stadler Elai . . . ,,._ ‚� En Hufe Lit sin uf dea Welt, Trotzdem sin viel elai. Sie fuhle sich uf d’Site gstellt, Als wär scho all’s vorbei. Jo, wenn mer denkt -s’goaht einem au Im Alter moal eso – No wär mer -deft rner vorher gau Do drüber gar no froh. Doch s o w i t daf es kumme it. Denn des wär jo e Schand. Dea Samariter au do git Guats Beispiel uns in d’Hand. Gertrud Mager ßen ehrenvolle wie außergewöhnliche Auf­ gabe zuteil, die zahlreichen Uhren im Vati­ kan zu betreuen. Jeden Mittwoch und Sams­ tag, gelegentlich auch zwischendurch, ging der Furtwanger im Apostolischen Palast sei­ ner Tätigkeit nach. Auch der Sommersitz der Päpste war Max Herr wohlvertraut. Immer eine Woche, bevor sich der jeweilige Papst nach Castel Gandolfo begab, sorgte der Furt­ wanger fur den ordnungsgemäßen und pünktlichen Glockenschlag in den Gemä­ chern der Residenz. Als Max Herr 1975 eine Gruppe von Rom-Wallfahrern aus Furtwan­ gen durch den päpstlichen Sommersitz fuhrte, versetzte sein Erscheinen die Bedienste­ ten daher nicht von Ungefähr in Aufregung. Wenn der Uhrmacher kommt, dann folgt ihm auch der Papst bald auf dem Fuße, ver­ muteten die Italiener sofort. Die Furtwanger schmunzelten, war doch Max Herr in diesem Falle lediglich ihr „Cicerone“ -der private Reiseführer -und vermutlich der beste, der zu haben war. Durch seine Tätigkeit ver­ schaffte sich der Furtwanger viele einge­ hende und persönliche Eindrücke über die Schaltstelle der römisch-katholischen Kirche und ihrer Repräsentanten. Und zahlreiche Furtwanger Besuchergruppen hatten das Glück, mit dem „Uhrmacher der Päpste“ durch Türen des Vatikan vorzudringen, die 146

Kirchen, Mission Die Kirche des Klosters St. Ursula in Villingen ist renoviert Ai,s Anlaß des 200jährigen Bestehens des „Lehrinstituts St. Ursula“ im Jahre 1982 wurde im Almanach 1983, Seite 101-107, die Entwick­ lung des Klosters St. Ursula in Villingen darge­ stellt. Nach der Renovierung der Klosterkirche stellte Herr Dekan Kurt Müller auf Bitten der Redaktion einen weiteren Beitrag zur Verfügung. Von den Blumenrabatten der Ringanla­ gen aus gesehen bildet der barocke Dachrei­ ter der Klosterkirche St. Klara einen maleri­ schen Kontrast zum trutzigen Q!iaderwerk des Bickentores, an das sich das Kirchlein anschmiegt. Seit 1240 weiß man an dieser militärisch stets bedrohten Lage von einer religiösen Gemeinschaft von Frauen. 1389 wird das Gotteshaus am Tor zum erstenmal erwähnt. Zwar kümmerten sich die Franziskaner aus dem Villinger Konvent um die Seelsorge der Frauen im Bickenkloster, aber es bestand keine klare klösterliche Ordnung, es galt keine verbindliche Regel. Durchs Bickentor führte der Weg über die Brigachbrücke zur Altstadtkirche. Am Bickenkloster vorbei wurden die Toten der Stadt den Stationen­ weg hinaus zum Friedhof getragen. Die Bik­ kenkapelle vor dem Tor war eine viel besuchte Andachtsstätte. Daher erklärt sich die Sorge der Franziskaner, daß eine rechte Ordnung und klösterliche Zucht im Bicken­ kloster herrschen sollten. Die schwelende Krise führte zu einem für Kloster und Stadt Segen bringenden Neubeginn. Im April 1480 kam mit sieben Schwestern Ursula Haider von Valduna bei Rankweil in Vorarlberg nach Villingen. Diese Ordensfrau mit großem spirituellen und menschlichen Format war von der „Guten Beth“ von Reute im Geist des Hl. Franziskus erzogen worden. Sie hat mit vielen Schwierigkeiten -sechs der anwesenden sieben Schwestern übernah­ men die neue Regel nicht -das geschlossene Klarissenkloster in Villingen begründet. Die Neugründung gelang. Nach hundert Jahren zählte der Konvent 25 Schwestern. Der Geist der ersten Äbtissin Ursula Haider prägte 300 Jahre lang die Frömmigkeit der Schwestern. Ihre Passionsmystik, die besonders innige Verehrung des Leidens Christi und der Stät- Abb. 1: Frühbarocker Schmerzensmann im Spottmantel 147

Abb. 2 a: Das Grab von Ursula Haitier in der Südwand der Klosterkirche Abb. 2 b: Hölzerner Deckel auf dem Grab von Ursula H aider ten des Lebens Jesu im Hl. Land führte zur Aufstellung der einmaligen im ganzen Kloster verteilten Ablaß tafeln, deren jede an eine bestimmte Stelle im Hl. Land, in Rom oder an eine Station des Leidens Christi erin­ nert. Bis heute bezeugt der eindrucksvolle Schmerzensmann im Spottmantel in einer Nische der Klosterkirche die besondere Ver­ ehrung des Leidens Christi im Bickenkloster (Abb. 1). Ursula Haiders Grab befindet sich im Chorraum der Kirche rechts vom Altar (Abb. 2 a + b). Das Bild, mit dem ihr Grab geschmückt ist, zeigt sie zusammen mit ihren Schwestern, wie sie auf den Knien Fürbitte einlegen für die vom Feind bedrohte Stadt (Abb. 3). Das Bild ist nach der Belagerung von 1704 gemalt, und es belegt, daß man das Schicksal der Stadt auch immer im Zusam-

Abb. 3: Bild über dem Grab von Ursula Haitier. Di.e Klarissen leisten Fürbitte für die belagerte Stadt. Abb. 4: HZ. Antonius von Padua vermutlich aus der Werkstatt von ]os. Anton Hops menhang mit dem Schicksal des Klosters gesehen hat. Das Bickenkloster lag den Vil­ lingern am Herzen, und die Klarissen bete­ ten für die oft gefährdete Stadt. Diese Schicksalgemeinschaft mit der Stadt führte zu einer zweiten großen Krise. Im 30jährigen Krieg wurde bei der erfolglo­ sen Belagerung Villingens 1634 das Kirchlein und das Kloster gänzlich zerstört. Die Klaris­ sen waren ohnehin arme Schwestern, aber nun waren sie buchstäblich an den Bettelstab gekommen. Die Äbtissin mußte ihre Schwe­ stern, damit sie überleben konnten, in aus­ wärtigen Klöstern unterbringen. Die Stadt selber war auch verarmt, und so mußten die Klarissen aufBettelreisen durch die Schweiz und durch Vorarlberg das Geld für den Wie­ deraufbau des Klosters mühsam zusammen-

Abb. 5: Die ehemaligen Altäre der Dominikane­ rinnen in der Klosterkirche St. Ursula Abb. 6: Das Kreuz der Dominikanerinnen 1. Viertel des 14. Jh. tragen. Der Konvent hat sich dabei nicht ver­ laufen, sondern er wurde durch die Prüfun­ gen der schweren Zeit innerlich gefestigt. 1655 war der Neubau des Klosters fertigge­ stellt. Ein weiterer Umbau der Kirche gab ihr 1731 die heutige Gestalt. An diese Zeit der barocken Umgestaltung erinnert vor allem die wertvolle Figur des HI. Antonius aus der Werkstatt von Jos. Anton Hops (Abb. 4). Das Ende der Klarissen, aber nicht das Ende des Bickenklosters brachte der Josefi­ nismus mit der Aufhebung der beschauli­ chen Klöster in den österreichischen Landen 1782. In ultimativer Form wurden die Or­ densfrauen vor die Alternative gestellt, der Auflösung ihres Klosters zuzustimmen, oder mit einer neuen Regel sich in Zukunft um die Erziehung der weiblichen Jugend der Stadt

P. Magnus Volk zu widmen. Dem benachbarten kleinen Konvent der Dominikanerinnen erging es genauso. Die Klarissen und die Dominikane­ rinnen taten sich dann dem staatlichen Druck gehorchend zusammen und nahmen die Regel des Lehrordens der Ursulinen an. Der Zusammenschluß der Dominikanerin­ nen und Klarissen ist heute an der renovier­ ten Kirche besonders deutlich ablesbar. Die Dominikanerinnen brachten aus ihrer Kir­ che den Hauptaltar und zwei Seitenaltäre. Diese Altäre wurden 1909 durch Reliefs der HI. Familie und der Rosenkranzspende an den HI. Dominikas verändert, und sie geben der Kirche die heutige, festlich barocke Atmosphäre (Abb. 5). Ein ganz hervorragen- Ein Gremmelsbacher Missionar in China Wie tief muß ein Mensch von seinem Glauben durchdrungen sein, daß er sich von seiner Familie, seiner Heimat, der europä­ ischen Kultur trennt, um ein Leben lang Menschen bekehren und sie aus ihrer ange­ stammten Religion herauslösen zu wollen, im Bewußtsein, sich selbst, aber auch die für die Kirche Gewonnenen irgendwann einmal -und seien es erst die Nachkommen -der Verfolgung auszusetzen! Eine Entschei­ dung, als Kapuzinermissionar in China zu wirken, hatte den Charakter des Endgülti­ gen, selbst an Urlaub war nicht zu denken. Und wie mußte man mit seiner Aufgabe ver­ bunden gewesen sein, um beim erzwunge­ nen Verlassen des Landes Abschiedsschmerz und danach Sehnsucht nach der „zweiten Heimat“ empfunden zu haben! P.Magnus (Taufname: Karl) Volk wurde am 11. Mai 1903 auf dem Unterrötenbachhof in Gremmelsbach geboren, wo seine Eltern zunächst im hinteren Teil des Hauses wohn­ ten. Der Hof war die Heimat seiner Mutter Mathilde, geb. Fehrenbach. Sein Vater Josef war damals Bahnarbeiter, später Weichen- der Schmuck des Chorraumes stellt das früh­ gotische, aus der ersten Hälfte des 14. Jahr­ hunderts stammende Kreuz der Dominika­ nerinnen dar (Abb. 6). Wie diese kurzen Hinweise erhellen, sind in der renovierten Klosterkirche die wichtig­ sten Epochen des Bickenklosters an Altären und Kunstwerken ablesbar. Es scheint, daß die Zeit der Lehrorden in der kath. Kirche zu Ende geht. Es bleibt zu hoffen, daß auch aus dieser modernen Krise das Bickenkloster als Hort des geistlichen Lebens verändert zwar, aber gestärkt hervorgeht zur Ehre Gottes und zum Wohl der Stadt. Dekan Kurt Müller und Oberweichenwärter. Der Junge hatte keine Erinnerung an Heidelberg, wohin die Eltern nur für kurze Zeit übersiedelten. Von dort kehrten sie zurück, um im tiefsten See­ lenwald Wohnung zu nehmen: im Gaisloch, am oberen Portal des Gremmelsbacher Tun­ nels. Als der Sechsjährige die Schule besu-151

chen mußte, zog die Familie näher zum Dorf in das Haus unter dem 3. Seelenwaldtunnel, danach zur „alten“ und schließlich zur „neuen“ Blockstelle. Aus seiner frühesten Kindheit wußte P. Magnus eine heitere Begebenheit. Um zu verhindern, daß der Kleine in den Wald lief und sich verirrte, erzählte ihm seine Mutter, dort lebten große, für Kinder gefährliche Tiere. Eines Tages wagte er sich doch weg, und o weh! die Mutter hatte nicht übertrie­ ben: ein großes Tier kam auf ihn zu, das am Schwanz einen Baumstamm zog. Der Junge erschrak darüber so, daß er nach Hause rannte, unter den Stuhl kroch, auf dem die Mutter saß, und sich mit beiden Händen an den Stuhlbeinen festhielt, bis sie ihn darun­ ter hervorzog. Sein Lehrer war Schulleiter Ferdinand Hammer. Die energische Arbeitsweise dieses Mannes machte auf den Erstkläßler einen bleibenden Eindruck. Zeitlebens konnte er sich an das erste Lied erinnern: ,,Kommt her, ihr Kreaturen all … „, worunter sich Karl Volk nur wilde Tiere vorstellen konnte. Er war ein begabter, aber stiller Schüler. Einzel­ heiten aus seiner übrigen Schulzeit sind nicht bekannt. Nach Beendigung der Schulpflicht arbei­ tete er im Uhrengeschäft Eble. Danach war er Holzhauer, später arbeitete er in der Säge­ rei Fleig, Schonachbach. An Sonn-und Fei­ ertagen versah er den Mesnerdienst in der Dorfkirche. Der junge Mann besaß viel Humor, und oft ritt ihn der Schalk. Als er eines Tages die Kirchturmuhr aufzuziehen hatte, sah er durch die Schallöcher eine Schulkameradin auf dem Friedhof. Er konnte es nicht lassen, sie zu erschrecken, und rief mit lauter, tiefer Stimme: „Lisbeth, kehr um!“ Das verwirrte Mädchen wußte sich die geisterhafte Stimme nicht zu erklären und floh aus dem plötzlich so unheimlichen Ort. Seine Mutter erzählte später, daß er über die Maßen gern las, vor allem Berichte aus Missionszeitschriften. Irgendwann damals muß der Entschluß in ihm gereift sein, selbst 152 Missionar zu werden. Die Religionsge­ schichte kennt Beispiele genug, wo Men­ schen ein Wort der Bibel so verstanden, als sei es zu ihnen persönlich gesprochen: „Gehet hin in alle Welt … !“ Es mag auch ein­ fach die Überzeugung gewesen sein, den Reichtum der christlichen Botschaft denen verkünden zu müssen, die noch nichts davon wußten, ganz gleich wo. Verbürgt ist der Satz von ihm: „Und wenn ich in China auch nur einen bekehre, so bin ich nicht umsonst dort gewesen.“ Die Gremmelsba­ cher waren überrascht zu hören, „der Volke­ Karl studiert“, was damals nur bedeuten konnte: er nahm Lateinstunden (bei Pfarr­ verweser Alois AdolfBöhler), um Geistlicher zu werden. Sein Wörterheftehen nahm er mit „auf die Säge“ und lernte die lateinischen Vokabeln in den Arbeitspausen. Im Frühjahr 1922 trat er mit einer Gruppe junger Männer aus allen Himmelsrichtun­ gen in die neugegründete Missionsschule der Kapuziner in Zell a. H. ein, zwei Jahre später begann in Krefeld das Noviziat, wieder ein Jahr später das Studium der Philosophie und Theologie an der Ordenshochschule in Münster in Westfalen, wo er im Dom am 10. August 1930 die Priesterweihe empfing. Nach dem 1931 bestandenen Kuraexamen (Abschlußexamen) wurde er nach Zell a. H. versetzt und war in der Wallfahrtsseelsorge und in vielen Pfarreien des Kinzigtales als Aushilfspriester tätig. Am 30. Juli 1933 nahm er Abschied von seiner bisherigen Wirkungsstätte und von der Heimat. In Zell wurde für ihn und P. Gra­ tian Grimm, der mit ihm nach China ging und 1949 Missionsbischof wurde, ein feierli­ cher Abschiedsgottesdienst gehalten. Die Predigt hielt P. Magnus. Es hatten sich dazu so viele Menschen eingefunden, daß die Angehörigen Mühe hatten, die Missionare noch einmal aus der Nähe zu sehen und ihnen die Hand zu drücken. Die Reise führte zuerst durch die Schweiz nach Genua, wo sich ihnen sechs Steyler Mis­ sionsschwestern anschlossen. Das deutsche Schiff „Trave“ fuhr dann durch die Meerenge

Landkarte der Volksrepublik China INDIEN von Messina der Türkei zu. Dort wurden 2000 Ballen Baumwolle geladen, zum ersten­ mal sahen die Missionare Glanz und Elend einer orientalischen Hafenstadt (Mersina), diese Zauberwelt konnten sie auch in Port Said und Colombo bewundern, wie die Majestät des Meeres, Sonnenauf- und unter­ gänge, das Meeresleuchten, auch einen Sturm im Indischen Ozean erlebten sie. Gleich nach Betreten des chinesischen Bodens in Schanghai begegneten sie dem wohl bekanntesten Christen Chinas, dem Großindustriellen Lo Pa Hong, einem der großen Wohltäter seiner Stadt. In seinen Krankenhäusern sahen sie den ganzen Jam­ mer der Stadt: ausgesetzte und von ihm auf­ genommene Kinder, Aussätzige, Geistes­ kranke. PHILIPPINEN Ins Landesinnere brachte sie die Bahn. Kapuzinerbruder Rochus war ihnen aus Kansu, ihrem Ziel, entgegengereist und war nun ihr Begleiter und Dolmetscher. Von Tunkwan ging es mit dem Auto weiter -auf Straßen, die diesen Namen kaum verdienten. In Sianfu hatten sie sich einer Paßkontrolle zu unterziehen. Doch wie in einer Sprache, die viele europäische Laute nicht kennt, den Herkunftsort „Gremmelsbach“ schreiben? Nach langem Hin und Her wurde „Gän-me­ ba“ Immer beschwerlicher wurde die Reise. Ab Fungsin­ gfu mußten Maulesel an die Stelle des Autos treten. Doch in der Sänfte stellte sich wie auf rauher See bald Übelkeit ein. Wenige Kilo­ meter vor dem Ziel verstauchte sich P. Magnus in frischem Schnee und Sumpf den 153 in die Akten eingetragen.

linken Fuß, und unmittelbar vor der Missi­ onsstation wurde er noch vom Esel abge­ worfen, was er beides mit gutem Humor ertrug. Der Empfang des „Pechvogels“ in Tsinchow durch Bischof Salvator Walleser und die Christen dort war von überwältigen­ der Herzlichkeit. Zum Gruß spielte die Musikkapelle des Seminars wohlbekannte deutsche Stücke. Aber was mußte der Missionar schon bei der Einreise in die Provinz Kansu und erst recht danach alles lernen! Er hatte sich in einem Riesenreich mit unvorstellbaren Dimensionen zurechtzufin­ den, in einer Hochkultur, die sehr früh in der Menschheitsgeschichte ihren eigenen Weg gegangen war. Die schwierige chinesische Sprache war erst im Land zu erlernen. Als zweckmäßig erwies sich, Kindern im Alter von etwa vier Jahren zuzuhören, da diese eine besonders deutliche Aussprache haben. Tausende von komplizierten Schriftzeichen mußte er sich aneignen, in China eine Wis­ senschaft, mit der sich gebildete Menschen in endlosen Diskussionen auseinanderset­ zen, an der sie sich berauschen können. Er mußte essen, was landesübliche Kost war, Milch und Milchprodukte gehörten nicht dazu. Gegessen wird in China mit Stäbchen. „Die feinfühligen Chinesen bringen doch Messer und Gabel, diese Mordwerkzeuge, nicht auf den Tisch“, bemerkte P. Magnus zu den chinesischen Tischsitten. Der Koch bereitet die Speisen mundgerecht zu, auch so, daß ihr natürlicher Geschmack erhalten bleibt. Das Universalgetränk ist der Tee. Und dann die chinesischen Umgangsformen! Wer weiß schon, daß man den letzten Gang einer Mahlzeit, das Brötchen, unbe­ rührt lassen muß? Zur rechten Höflichkeit gehört auch das Schmeicheln. Sagten seine ,,andächtigen Zuhörer“: ,,Schenfu (Pater), heute hast du in deiner Predigt sehr gut chi­ nesisch gesprochen,“ so hieß das: Wir haben von alledem nichts verstanden. Ein Chinese, der sein Ende herannahen fühlt, verabschie­ det sich von seinen Freunden, will danach auch nicht mehr besucht werden. 154 Niemals durfte der Fremde sich anmerken lassen, daß er dringend Hilfe brauchte, sonst sah er sich unerhörten Lohnforderungen ausgesetzt. Treue und Zuverlässigkeit gehör­ ten nicht unbedingt zur Mentalität eines jeden Chinesen. Diebe und Räuber gab es in Scharen. Das Verwurzeltsein in ihrer alten Kultur machte es der chinesischen Bevölkerung nicht leicht, zum Christentum überzutreten. Nach etwa einem Jahr Aufenthalts in China schrieb er in die Heimat -ernüchtert, wenn er je Illusionen hatte: ,,Ich habe noch keinen Chinesen bekehrt.“ Um einzelne, meist Familienangehörige von bereits Bekehrten war zu ringen. Der Missionar: ,,Du hast doch noch einen Verwandten im Gebirge, könn­ test du den nicht einmal mitbringen?“ Viele Glaubensgespräche wurden auf dem „Kang“, dem Ofenbett, geführt. Bei seinen Mitbrü­ dern war P. Magnus für seine Ausdauer für diese Art der Unterhaltung bekannt. Es kam auch vor, daß er von einem Einheimischen gefragt wurde: ,,Warum bist du als Europäer bei uns?“ Doch wollte der meist nach den ersten erklärenden Worten schon gar nichts Weiteres mehr hören. Die Praxis lehrte die Missionare Bescheidenheit. Am Ende eines Einführungskurses, zu dem mehrere Kate­ chumenen zusammengefaßt wurden, genügte das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser (mit den notwendigen Erklärun­ gen) für die Aufnahme in die Kirche, die Taufe. Der Gottesdienst in den Dörfern war dann oft von Laien zu halten. Den Missionaren war es gelungen, das Mißtrauen von Bevölkerung und Behörden abzubauen; Aktivitäten der katholischen Mission im Hungerjahr 1929, die Kranken­ pflege der Missionsstat:ionen, ihre Sorge um die Opiumsücht:igen und die weit im Land verstreut wohnenden Christen hatten die Chinesen auf die christliche Kirche aufmerk­ sam werden lassen. (Zugänge 1934: 12; 1925: 3; 1936: 4; 1937: 22). Zwar gehörte die christ­ liche Bevölkerung meist den niederen Schichten an, dem Handwerker- und Bauernstand, die Gebildeten waren noch

E herzlichi Bitt‘ A iisern hochwürdige Herr und Pfarrer! De Schriiber isch kon Kratzfueßscharrer, villmeh e Frau, wo voll Vertraue uf Ihre Hilfe fescht duet baue. Und wenn ich Ihne uugschickt kumm, no nemmet Si mirs nit glii krumm. „Bi Weihrauch wird es oft empfunde, daß er mit vill Geruch verbunde!“ So denkt mit mir manch Maa und Frau, wo i de Friidhofskirch moß stau. Stiiget die Wolke als i d’Höh, denkt jedes: ,,Weniger wär meh!“, De Kirche-Ritus duet mer ehre, doch d’Liit im Kirchli mond sich wehre, daß ihne d’Sinne nit entschwinde und si sich zletscht am Bode finde. Wärs -mit Respekt -nit zum umgau, so großi Schwade fahre z’lau? ‚S wär bei iis schwache arme Sünder fer iisern Korpus oefach gsünder. Herr Pfarrer, gell, Si donds verstau, daß ich des Ihne gschribe hau. Ich mon nit Si elei; -von wege! Au Ihri geistliche Kollege! Dond Si doch bitte fer iis sorge; wenns hit ni isch, no villiicht morge. Fer älli, wo wie ich betroffe, dank ich im vorus, und due hoffe! Elisabeth Neugart 155

nicht zu gewinnen gewesen. Doch sahen die Missionare ihre Bekehrung als die nächste große Aufgabe an, um auch das kulturelle Leben mit christlichem Geist zu durchdrin­ gen. P. Magnus liebte seine gelbhäutigen, schlitzäugigen Schäflein und besuchte sie, auf seinem Maultier oder Pferd durch die weiten Lößgebiete Kansus reitend, in ihren Siedlungen. Er nahm sich ihrer an, soweit es in seinen Möglichkeiten lag, auch ihrer Krankheiten. Seine ganze Zuneigung galt den einfachen Menschen in ihrer bäuerli­ chen Kultur, diesen gutmütigen und hilfsbe­ reiten Menschen. Über sein pastorales Wir­ ken, zu dem auch einmal die Durchführung einer Volksmission nach europäischem Vor­ bild gehörte, schrieb er: ,,Mit primitivsten Mitteln mußte Stimmung gemacht werden. Keine Missionsglocke mahnte, keine Orgel füllte die Kirche mit ernsten Bußtönen, keine Schar von weißgekleideten Kindern umrahmte besondere Feiern. Trotzdem hiel­ ten wir jeden Tag in abendlicher Dunkelheit eine besondere Feier, die den Christen sehr zu Herzen gegangen ist. … “ (Missionszeit­ schrift der Kapuziner 1949). Etwa 1937 erkrankte P. Magnus ernstlich. Die Krankheit kostete ihm auf einem Ohr das Gehör und beinahe das vollständige Augenlicht. Monatelang mußte er sich in einem dunklen Raum aufhalten und durfte sich auf keinen Fall bücken, um das Auslau­ fen der Augen zu verhindern. Die Verhältnisse im Land waren unsicher. Bereits 1936 war Tsinshui, seine Station, vor­ übergehend von Kommunisten besetzt, Mohammedaner raubten 1938 zwei Missi­ onsstationen aus, Räuberbanden, die später zu „Landschutztruppen“ erhoben wurden, verbreiteten Furcht und Schrecken. Bis zum Ausbruch des Krieges zwischen Japan und den USA (7.12.1941) konnten sich die Mis­ sionare voller Freiheit erfreuen. Zwei Tage danach erklärte Tschiangkaischek Deutsch­ land den Krieg, P. Magnus wurde, ohne den Grund dafür zu kennen, eine Nacht lang in ein feuchtes Loch gesperrt, was ihm später im 156 Verhältnis zu den Leiden der Mitbrüder in der Heimat wie ein Scherz vorkam. Unmit­ telbar darauf wurden die Patres in Lanchas, der Provinzhauptstadt, in der Steyler Zentral­ station interniert. Die Gendarmerie beschlag­ nahmte alles Geschriebene von den Predigt­ konzepten bis zu den kleinsten Notizzetteln (die Kaffeemühle von P. Magnus hielten sie für einen Dynamo), mußten es aber auf höhere Weisung den Besitzern wieder aus­ händigen. Im „Internierungslager“ konnten die Patres mit der Zeit das Leben erträglich gestalten, ja „fast die gleiche Hausordnung wie daheim in den Klöstern“ einhalten. Die alleingelassenen Christen hielten in der Zwi­ schenzeit treu am Glauben fest. Auch einen Bischof hatte zu dieser Zeit die Diözese nicht. Zur Heimat war während dieser Zeit jeder Kontakt unterbrochen. „Der Lange Marsch“ der Truppen Mao Tse Tungs erreichte 1949 auch die Provinz Kansu. P. Magnus kehrte gerade zu seiner Missionsstation zurück, als sich eine Abtei­ lung der Roten Garden an einem Hang lagerte, an dem seine Straße vorbeiführte. Ausweichen oder fliehen vor den bis zu den Zähnen bewaffneten Truppen war unmög­ lich, also ritt er an ihnen vorüber, ohne seine Angst zu zeigen, doch es war Todesangst. Im kommunistischen China war Missionsarbeit für kurze Zeit noch erlaubt, die Religionsfrei­ heit sollte gewährleistet werden, doch Ließen die Einschränkungen nicht lange auf sich warten. Der erste Schritt war die Einquartie­ rung einer berittenen Polizeitruppe in die Missionsgebäude, der zweite das Verbot für Missionare, die Kreisgrenze zu verlassen, der dritte das Verbot, sich mehr als zwei Kilome­ ter von der Missionsstation zu entfernen. Vorladungen vor die Behörden folgten, stun­ denlange Verhöre. Aus dieser Zeit ist ein Foto von P. Magnus erhalten, das ein sehr ernstes Gesicht zeigt, aus dem Not und Sorge um die Ungewißheit der Zukunft sprechen, ob sie Gefängnis bringen würde oder gar ein „Volksgericht“, das fast immer mit der Ermordung des ,,Angeklagten“ endete. ,,Gott hat wohl au�h unter uns seine Opfer aus-

erwählt. Möge er uns zur Stunde der Prüfung bereit finden und uns seiner würdig erfin­ den.“ (Brief vom 20. VIII. 1948). Die Mög­ lichkeit, missionarisch zu wirken, und eine zusätzliche materielle Unabhängigkeit ver­ dankte er seinen medizinischen Kenntnis­ sen. Innerhalb eines Jahres konnte er 2300 Behandlungen durchführen. Zu den Vor­ würfen der Kommunisten gehörte, er habe, da er als Rutengänger nach Erdöl(!) gesucht habe, Spionage für die USA getrieben. Wahr ist, daß er in trockenen Gegenden �eilen aufspürte, eine sogar unter der Sitzfläche einer Götzenfigur. 1952 kam die Ausweisung. Der Abschied von seiner Herde fiel ihm schwer. Sein Lebenswerk unvollendet zurücklassen zu müssen und die Gewißheit, nach menschli­ chem Ermessen nie wieder von seinen Getreuen zu hören, war schmerzvoll. Mehr als einmal sagte er: ,,Ich habe nie in meinem Leben Heimweh gehabt, aber nach China habe ich Heimweh.“ In der Heimat war die Geschichte nicht stehengeblieben. Die schrecklichen Kriegs­ jahre waren vorüber, P. Magnus kam in ein neues Land. Wieder hieß es, sich nach 19 Jah­ ren auf neue Verhältnisse einzustellen. Es gelang ihm vortrefflich. Nach einem kurzen Aufenthalt in Zell a. H. wirkte er (u. a. als Guardian) in Stühlingen, Offenburg, Bad Mergentheim, Frankfurt, Waghäusel und wieder in Stühlingen. Immer wieder besuchte er in seinen Ferien die geliebte Heimatgemeinde Gremmels­ bach, wo er auch Gottesdienste hielt. Wäh­ rend seiner Predigten wartete man vergeblich auf extreme theologische Meinungen, seine Worte kamen aus einem tiefen religiösen Erleben, sie waren einfach und jedermann verständlich, ruhig im Vortrag und voll prak­ tischer Ratschläge. Die Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils begrüßte er, dagegen konnte man ihn ungehalten sehen, wenn er die Meinung moderner Theologen hörte, wichtig sei nicht die Bekehrung Angehöriger anderer Religionsgemeinschaften, sondern die Hilfe für sie, bessere Menschen zu wer- den. ,,Wenn wir gehen, gehen wir im Namen Christi.“ Gern besuchte er in Gremmelsbach die älteren Menschen, die oft in Ungeduld auf ihn warteten, um ihn von China erzählen zu hören. Seinen wohlformulierten Schilde­ rungen zuzuhören, für die er den Heimatdia­ lekt benutzte, war für alle Beteiligten ein Genuß. Am Ort seines letzten Wirkens, in Stühlingen, schloß er am 12. Oktober 1977 für immer die Augen. In der Gruft des Kapu­ zinerklosters ist er bestattet. Zu Lebzeiten hat P. Magnus nie mehr das Geringste von „seinen“ Chinesen erfahren. Doch lebt die Kirche trotz jahrelanger athei­ stischer Propaganda und Kulturrevolution im Untergrund weiter, ja selbst neue Mitglie­ Karl Volk der stoßen zu ihr. Qu e 11 e n: Akten des Missionsarchivs der Kapuziner in Münster/W. Für großzü­ gige Unterstützung dankt der Verfasser Herrn Missionsprokurator, Bruder Eph­ rem Rapp. Mein Weg nach China. Reisebericht von P. Magnus Volk, O.M.Cap. -Verfaßt und in Fortsetzungen veröffentlicht von Stefa­ nie Volk (Rohrbach) im „Seraphischen Weltapostolat“ und im „Triberger Bote“. Briefe von P. Magnus Volk Erinnerungen von Familienangehörigen Eigene Erinnerungen des Verfassers Vergänglich Die Tage kommen und vergeh’n, Wird ein Wunder heut‘ gescheh’n, Ich weiß es nicht, so glaube mir, Gott sagt es weder Dir noch mir. Ja, warte nur, Du wirst es seh’n, Kannst Du auch alles nicht versteh’n; Was gestern noch verborgen schien, Wird über Nacht vorüberzieh’n. Johannes Hawner 157

Die Kapelle auf dem Schabe! Wer auf den mehrere Kilometer von Ried­ öschingen gelegenen Schabe! steigt, kann auf dem Hochplateau gleich zweierlei bewun­ dern. Zum einen, wenn das Wetter mitspielt, den Blick über die liebliche Hegaulandschaft bis hin zu den Eisriesen der Alpenkette, die den Horizont begrenzt, und zum anderen die wenig bekannte Schabelkapelle. Bereits 1816 hat sich der erste Landwirt auf dem Hügel angesiedelt und 1842 entstand, bewirtschaftet von Fidel und Theodor Schey, der zweite Hof. Schon in jungen Jahren litt die Frau von Fidel Schey an Beinbeschwer­ den, die ihr den weiten Weg nach Ried­ öschingen zum Gottesdienst unmöglich machten. So begannen Fidel Schey und sein Bruder für die gehbehinderte Frau ein eige­ nes Gotteshaus auf dem Schabe! zu errich­ ten. Um 1870 war der Bau vollendet. Einge­ schmiegt in den Baumbestand eines alten Obstgartens, macht eigentlich auf den ersten Blick nur der Glockenturm darauf au&nerk­ sam, daß das kleine, mit Holzschindeln ver­ schalte Gebäude eine Kapelle ist. Ausgetre­ tene Steinstufen führen zur Tür, deren Sicht­ fenster mit einem Holzschieber versehen ist. Das Innere der Kapelle besticht durch Schlichtheit. Beidseits des Mittelgangs befin­ den sich zwei Reihen spartanischer Holz­ bänke, die Wände sind weiß gekalkt, mitten­ hinein ragt das Glockenseil. In der Apsis, gegenüber der Tür, befindet sich der Altar mit der Figur eines „Heiligen Sebastian“. Die vom Kloster Amtenhausen der Scha­ belkapelle gestiftete Figur stellt den früh­ christlichen Martyrer in eine Hegauland­ schaft, die sich zum See hin öffnet, vergolde­ tes, marmoriertes Holz umrahmt das Altar­ bild. Drei sehr unterschiedliche Madonnen­ darstellungen sind zudem in der Schabel­ kapelle zu finden. Neben der Vollplastik einer „Fatima-Madonna“ befindet sich 158

Altar mit Sebastians-Figur Madonna auf der Mondsichel rechts neben dem Altar ein Tafelbild. Ent­ sprechend alter Tradition und marianischen Litaneientexten ist die in Öl gemalte Marien­ figur mit einem blauen Mantel bekleidet, hält das Zeichen der Jungfräulichkeit, die Lilie, in der Hand und steht über Schlange und Mondsichel. Passend zum Altaraufbau ist die Umrah­ mung dieses Sakralbildes ebenfalls marmo­ riertes Holz. Der oder die Stifter dieser bei­ den Bildwerke sind nicht bekannt, seit Beste­ hen der Kapelle befinden sie sich an ihrem Platz. Viel jüngeren Datums ist die dritte Mariendarstellung. Anläßlich seines Golde­ nen Priesterjubiläums stiftete Pater Bonifaz Efferenn aus Riedöschingen am 15. Septem­ ber 1952 der Kapelle auf dem Schabe! ein im Stil eines Klappaltars in Holz gefaßtes Bild der „Schmerzensmutter von Rovieto“. Eben­ falls auf eine Stiftung von Verwandten der Schabelhof-Bauem geht die kleine, dem Hei­ ligen Antonius geweihte Glocke zurück. Die erste, alte Glocke, seit Bestehen der Kapelle 159

Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1. Frühling im Tal bei Opferdingen (German Hasenfratz, Hüfingen) 2. Im Bregtal (German Hasenfratz, Hüfingen) 3. Stimmung in der Baar bei Pfohren (German Hasenfratz, Hüfingen) 4. Heuernte wie früher auf der Frevelt, Schonach (Erwin Kienzler, Schonach) 5. Blick vom Fürstenberg auf Neudingen und die Baar Görg Michaelis, Blumberg) 6. FriedrichshöheNillingen (German Hasenfratz, Hüfingen) 7. von Schanze Schönwald (Monika Eckerle, Schönwald) 8. Bahn-Perspektive auf die Stadt St. Georgen i. Schw. (Hans Jungnickel, St. Georgen) Schmerzensmutter von Rovieto im Turm, blieb in den Wirren des Zweiten Weltkriegs. Nur noch selten erklingt das Geläut der kleinen Glocke. Traditionsgemäß wird von den Bewohnern der Schabelhöfe im Rosenkranzmonat Oktober einmal wöchentlich der Rosenkranz gebetet und dann ruft die Glocke zum Gebetsbeginn. Fatima-Madonna Christiana Steger 160

Der Landkreis und der Jakobsweg nach Santiago de Compostela Im Schwarzwald-Baar-Kreis befinden sich mehrere Kunstwerke, die den Heiligenjakobus darstellen. Dies deutet daraufhin, daß die vom 9. bis Ende des 17.Jahrhunderts !ebendigejakobuswal!fahrt nach Santiago de Compostela auch im Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises Spuren hinterlassen hat. Sind unsere Vorfahren zusammen mit Pilgern aus dem süddeutschen Raum zum spanischen Heilig­ tum des Apostels jakobus gezogen? Möglich, daß eine Pilgerstraße, auf der man durch die Schweiz und Frankreich nach Spanien zog, auch unser Gebiet berührt hat. Die nachfolgenden Beiträge beschäftigen sich mit der Wal!fahrt zum Heiligen j akobus, wobei der früh­ mittelalterlichen Steinplastik des Apostels Jakobus, die aus der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten St. -Jakobs-Kapelle in Nordstetten stammt und heute das Villinger Münster ziert, eine besondere Bedeu­ tung zukommt. Der Jakobsweg Bedeutung und Ausstrahlung Zu Anfang des 10.Jahrhunderts könnten die Unterschiede zwischen dem Süden und dem Norden Spaniens nicht größer sein. Cordoba war die Hauptstadt eines blühen­ den muslimischen Reiches. Im gesamten Mittelmeerraum – das Mare nostrum der Römer war jahrhundertelang ein christliches Meer gewesen -war nun der Ruhm der spa­ nischen Muselmanen so groß, daß sich unter der christlichen Welt im Norden Europas die Gewißheit verbreitete, im südwestlichen Teil des Mittelmeers habe sich das islamische Reich für immer gefestigt. Im Norden Spa­ niens gab es kleine arme christliche Königrei­ che, die, so lange sie gegen die Araber beste­ hen konnten, ein Bollwerk der Christenheit blieben und das unaufhaltsame Drängen des Islams in christliche Gebiete bremsten. Sie bildeten eine Barriere gegen die Ungläubi­ gen und waren eine sichere Garantie, daß die Länder am nördlichen Mittelmeer christlich bleiben konnten. Aus jenem christlichen Rest im nordwest­ lichen Gipfel der Halbinsel, am sogenannten finis terrae, kam die Nachricht von der Ent­ deckung des Grabes des· Heiligen Apostel Jakobus (spanisch: Santiago). Nachdem zwei Jahrhunderte zuvor das Heilige Land in die Hände der Ungläubigen gefallen war, und die christliche Welt durch die unaufhaltsame Expansion des Islams immer kleiner wurde, hatte die Christenheit keine so erfreuliche Neuigkeit erhalten, rasch verbreitete sie sich, überquerte die Pyrenäen und setzte Massen von Menschen nach dem fernen Galicien in Bewegung. Santiago de Compostela wurde so nicht nur ein hochbedeutender Mittel­ punkt christlicher Kultur, sondern geradezu der Gegenpol zu Cordoba, der alten Resi­ denz der Kalifen. Die Bedeutung der Entdeckung des Jakobgrabes für die mittelalterliche Christen­ heit läßt sich nicht in wenigen Sätzen aus­ drücken. Der tiefe Glaube der Christen an die Allmacht Gottes mußte eine Erklärung finden für die Tatsache, daß so viele Gebiete in der Welt nicht unter der Herrschaft des Kreuzes standen. Nach mittelalterlicher Auf­ fassung war Jerusalem das Zentrum der Welt. Die Stadt Gottes, die als Symbol der von allen Christen angestrebten himmlischen Jerusalem galt, stand unter muslimischer Herrschaft. Dies konnte nur eine Folge der Sünde der Christen sein. Die Christenheit strebte die totale Christianisierung der Welt an. Richtung Osten war dies nicht möglich, 161

Pilgerstraßen nach Santiago de Compostela FRANKREICH Paris /“ Tours 1• Vez ilay …——-• Besancon 1 /• Autun i / ::::::. / /j/ eBordeaux /• Le Puy 1 .�: Conques �——Ar les 5:�;;ulous .,. Leon ._______ � f>�uen.te �+,-.,—r— �*“‚a: la Reina …… -……_� Roncesvalle ‚!JI,,,�._….� ,… � „‚–· ;·· –l …. „:-··…_ � • • �liisied ATLANTIK Santiago de Compostela ·— Bur�os SPANIEN aber in Richtung Westen bis zum äußersten Gipfel desfinis terrae war das Grab des Jako­ bus ein symbolträchtiges Zeichen der Herr­ schaftJesu Christi in der ganzen Welt Außer den Gräbern von Petrus und Paulus war das neuentdeckte Grab die einzige Grabstätte eines Apostels in der Christenheit. In der geschlossenen Welt des Mittelalters konnte man in Richtung Westen nicht weiter gehen. Die Ängste der Bedrohung durch Muslims und Tartaren war dort nicht vorhanden. Es war ein großes Gefühl der Sicherheit, was der Pilger in Santiago erlebte: Man spürte dort die Grenzen der Welt, ihre Endlichkeit in Gottes Hand. Die Wallfahrt nach Santiago de Compo­ stela wurde schon fiühzeitig der nach Jerusa­ lem und Rom gleichgestellt. Diese drei wur­ den als „peregrinationes maiores“ anerkannt und gegenüber der anderen regionalen oder überregionalen Pilgerfahrten abgehoben. Verglichen aber mit der meist von Venedig aus angetretenen Schiffsreise nach Jaffa, das 162 nur zwei oder drei Tagesmärsche von Jerusa­ lem entfernt war, verglichen auch mit der durch relativ dicht besiedeltes und erschlos­ senes Gebiet führenden Romfahrt, war die Pilgerreise nach Santiago über Land im allge­ meinen langwieriger, mühseliger und risiko­ reicher. Die Pilger kamen zu Tausenden. Halb Europa machte sich auf den Weg nach San­ tiago. Die Pilgerfahrt durch ganz Europa nach Westen bedeutete den Beginn einer neuen kulturellen Atmosphäre, die nicht nur für die Festigung der christlichen Reiche Spa­ niens von Bedeutung sein sollte. Die Pilger aus ganz Europa waren Ausdruck der Solida­ rität der ganzen Christenheit mit der an der Grenzen zur muslimischen Welt kämpfen­ den Christen, sie artikulierten aber auch im Begehen des einen und einigenden fernen Zieles die Solidarität unter den vielen Völ­ kern der Christenheit. Kein anderes Heilig­ tum in der ganzen Christenheit hat den Geist und das Denken Europas im Mittelalter so

– � ‚ ‚ � … ,._:.: , � – . . . ,., ‚� . – • L . ‚ nachhaltig beeinflußt wie Santiago de Com­ postela. Der Schrein des Apostels Jakobus war eine einzigartige, alles zusammenschlie­ ßende Kraft, aus der eine Massenbewegung ohnegleichen entstanden ist. Über einige hundert Jahre war Santiago die Q!.ielle euro­ päischer Zivilisation. Die Pilgerfahrt war ohnehin eine Energie, die die Grenzen von Völkern und Nationen sprengte. Wallfahren war eine willkommene Gelegenheit, aus der Enge und monotonen Regelmäßigkeit der rigiden sozialen Struktu­ ren des mittelalterlichen Dorf- oder Stadtle­ bens auszubrechen. Ein altes Pilgerlied spricht ausdrücklich vom Brechen der Mau­ em, die uns umgeben. Die Möglichkeit der Mobilität kam in den Pilgerfahrten deutlich zum Ausdruck. Peregrinatio bot dem einzel­ nen die Möglichkeit, aus der drückenden Abhängigkeit der Grundherrschaft, aus den engen Schranken des Klosters oder selbst den begrenzten Freiheiten der Stadt wenig­ stens für eine gewisse Zeit auszubrechen. Die Pilger standen unter kirchlichem Schutz. Der Peregrinus erfreute sich besonderer Pri­ vilegien. Als Pilger wurde ihm zumindest auf Zeit der Ausbruch aus den Schranken seiner Gesellschaft und seines Standes ermöglicht. Als Pilger konnte er ihm sonst unerreichbar bleibende ferne Länder und fremde Völker Europas zu Gesicht bekommen. Nur Pilger hatten freien Zugang zu fremden Städten und Dörfern, sie waren willkommen. Die Gemeinden, sonst fremdenfeindlich, waren sogar verpflichtet, die Pilger zu empfangen und auf ihrem Weg zu unterstützen. In früheren Zeiten rückte das Wallfahren die christliche Welt zusammen. Das Reisen überhaupt war noch so zeitraubend, müh­ sam und kostspielig, daß jeder es vor sich selbst möglich tief zu begründen, zu recht­ fertigen, fast zu entschuldigen suchte. Die Wallfahrt war jedenfalls ein einigendes Band der christlichen Völkerfamilie über Grenzen hinweg. Die Pilgerfahrt hatte daher große Bedeutung für Kommunikation und Le- 163

Die berühmte Pilgerbriirkr 11on Puente la Rl’i11a 1 fr-1 im bensgefühl vieler Menschen. In der Gesell­ schaft des Mittelalters hatte der Pilger einen Freiraum, der unvergleichlich größer war als die ständische Ordnung es sonst erlaubte. Sie war auch eine Art Ausbruch aus dem grauen und harten Alltag. Eine Pilgerfahrt bedeutete in der Tat für viele Menschen „die konkrete Utopie“. Karl Bosl nennt das Wall­ „Reisesehnsucht fahren religiösen Gewand“. Am Jakobsweg trafen sich jene Menschen mit Unternehmungsgeist und Erneuerungs­ willen, welche dem normalen Leben über­ drüssig waren, und dies zu einer Zeit, als der Aufbruch Europas aus archaischer Ruhe eine weltbestimmende geistige Bewegung signali­ siert. Die Zeit der Romanik gilt als schöpferi­ sches Erwachen und Drang zur Expansion, zu einer Dynamik, die einer Vielfalt neuer individueller und nationaler Kräfte zum Vor dem Ortseingang von Puente la Reina, wo sich die ehemaligen Pilgerwege trafin, steht eine moderne Pilgerkarikatur

Ausdruck verhalf und die gemeinsame Basis einer alles übergreifenden Kultur und Zivili­ sation im Okzident prägte. Damals ist jenes Europa entstanden, das für den Außenste­ henden trotz seiner Vielfalt ein einheitliches Aussehen hat. Die Fernpilgerfahrt nach San­ tiago hatte offensichtlich dem Frömmig­ keitsempfinden und dem Freiheitswillen des Menschen im Hochmittelalter besonders entsprochen. Auf dem Jakobsweg nahmen die romanische Kunst, die provenzalische Lyrik, die Legenden, die die Heldentaten mythischer Krieger zum Inhalt hatten, die Musik und ganz allgemein alle Aspekte, die das Profil des mittelalterlichen Europas ver­ vollständigen, Gestalt an. Mit dem Verfall der mittelalterlichen Kultur hat das Pilgern zwar ein Ende gehabt, die Wirkungen dieser Bewegung blieben. Die Pilgerwege nach Santiago sind die ]akobsschwert an der Haupifassade des Hotels San Marcos Das ehemalige Pilgerhospital in Le6n, heute Hotel 165

Verbreitungslinien dieser einigenden Kraft und dienten zugleich der Eröffnung von Mitteleuropa zum Westen hin und daher auch zur Erschließung des europäischen Westens insgesamt. Entlang alter Römerstra­ ßen und Heerwege förderten sie neue Han­ delsverbindungen und die Durchsetzung von Kunstrichtungen und handwerkliches Können. Es waren die Pilger, die die Künste und Handwerke Europas vereinigten. Die Straßen, die sie entlangzogen, waren die Lebensarterien, in denen Geist und Ideen ungehindert pulsieren konnten. Die Sterne selbst leuchteten den Weg zum Grab des Jakobus – behauptete die Jakobslegende -, die Milchstraße sei das himmlische Zeichen und Abbild des heiligen Weges. Die Städte und Orte, die am Wege lagen, profitierten von dieser regen geistigen Bewegung. Die Jakobspilgerfahrten und ihre weitgedehnten Straßen durch Europa zum Apostelgrab können daher in ihrer Bedeutung für das Ver­ stärken des Gemeinschaftsgefühls der Chri­ stenheit in Europa nicht hoch genug heraus­ gestellt werden. Aber auch für das Aufblühen von Handel und Gewerbe, Kunst und Wis­ senschaft und überhaupt für das Zusammen­ wachsen des Abendlandes haben diese Pil­ gerwege einen wesentlichen Beitrag geliefert. In enger Verbindung und oft in direktem Zusammenhang mit der Santiago-Wallfahrt hatte die Jakobusverehrung seit dem hohen Mittelalter auch in Deutschland weite Ver­ breitung gefunden. Als Schutzpatron der Ritter und mancher Gewerbezweige, darun­ ter gelegentlich die Schiffbauer, als Patron vieler Städte und Kirchen und in wachsen­ dem Maße als Schutzheiliger der Pilger erfreute sich Jakobus der Ältere großer Beliebtheit und Popularität. Die Frage, auf welchen Straßen die Pilger des Abendlandes nach Compostela zogen, ist nicht immer ganz einheitlich zu beant­ worten. Vielfach können wir sie heute noch an ihren in bestimmten Abständen stehen­ den oder schon verschwundenen Jakobskir­ chen und -kapellen, an Pilgerherbergen oder Bruderschaften nachzeichnen. Im allgemei- 166 nen kann man für das Gebiet des alten römisch-deutschen Reiches feststellen, daß es drei verschiedene Sammelpunkte der Pil­ ger nach Compostela gab. Einmal im Nor­ den die großen Hansestädte an den Küsten der Ostsee (wie Lübeck, Stralsund, Danzig bis Riga und Reval), wohin vielfach auch die Pilger aus dem Osten und Skandinavien kamen, und der Nordsee (besonders Ham­ burg und Bremen), von wo die Wallfahrer – meist in größeren Transporten zu Schiff – nach Südfrankreich (z.B. Bordeaux) oder seltener zum galicischen Hafen La Coruna direkt fuhren. Als zweiter Treffpunkt gilt die alte Kaiserstadt Aachen mit ihren zahlrei­ chen Pilgereinrichtungen, von wo es weiter nach Paris ging, wo sich täglich an der Rue St.Jacques Gruppen von Pilgern bildeten. Der dritte große Pilgerweg nahm im Kloster Einsiedeln seinen Ausgangspunkt. Dort wur­ den die Wallfahrer von einer dort mächtigen Jakobsbruderschaft mit Segen und Empfeh­ lungsschreiben für den langen Weg verab­ schiedet. Die Ströme von Pilgern, die über Villingen wanderten, gingen voraussichtlich nach Einsiedeln, sammelten sich aber mei­ stens in Basel. Von dort aus bildeten sie grö­ ßere Gruppen, damit sie über die wenig bevölkerten Landschaften Frankreichs und Spaniens sicherer gehen konnten. Sie wähl­ ten vor allem den südlichen Weg, der über Luzern, Bern und Fribourg – deren Ratspro­ tokolle laufend die an die Jakobspilger gezahlten Unterstützungen erwähnen – nach Lausanne und Genf mit seinem Pilger­ hospiz und der Jakobskapelle am linken Rhoneufer ging. Die Straße führte rhoneab­ wärts bis Nimes und St. Gilles, wo mehrere Pilgerstraßen aus Italien einmündeten. Andere deutsche Pilger gingen nach Vezelay in Burgund, wo sich eine weitere der großen franzözischen Pilgersammelstellen befand. Am stärksten war der Zustrom französi­ scher Pilger gewesen, denen vor allem die Kluniazenser mit ihren zahlreichen Kloster­ herbergen im Süden Frankreichs und im Norden Spaniens den Weg ebneten, und denen später auch die Franziskaner zur Seite

standen. Man spricht mit RechtvomJakobs­ weg als eine „gallicana peregrinatio“. Für die anderen Nationen Europas kann man eben­ falls eindrucksvolle Daten vorlegen. Das deutsche Sprachgebiet übernahm am frühe­ sten und umfangreichsten die Verehrung des heiligen Jakobus. Schon im 9.Jahrhundert lassen sich die ersten Wallfahrten von Bay­ ern nach Santiago belegen. In den nächsten Jahrhunderten treten neben die Fürsten und Bischöfe auch die deutschen Ritter als Kämpfer gegen den Islam. Die zahlreichen gut organisierten, teilweise bis mit zu 70 Wagen ausgestatteten Karawanen deutscher Pilgerzüge erregten die besondere Aufmerk­ samkeit der spanischen Chronisten. Immer mehr begegnen wir dann wohlhabenden Patriziern und Kaufleuten vor allem aus den großen Reichs-und Hansestädten. Von eini­ gen dieser Bürger liegen interessante Reisebe- Aposteljakobus am P6rtico de la Gloria (Kathe­ drale in Santiago de Compostela) Die Kathedrale von Santiago de Compostela 167

verbreitete Belebung der Jakobusverehrung, ergeben ein Bündel von Indizien, deren Aus­ sagewert von der außergewöhnlichen Reso­ nanz und Bedeutung spricht. Die Tatsache, daß Villingen im Netz der europäischen Wege nach Santiago eine wichtige Rolle spielte, ist für die Geschichte dieser Stadt von großer Relevanz. Die Geschichte einer Stadt ist geprägt von den Routen und Wegen, an denen sie stand, denn diese bestimmten, welche Menschen und zu wel­ chen Zwecken an ihr vorüberzogen, sie bestimmten den Rhythmus des Lebens, die Verbindungen, die sie knüpfte, die Bilder und die Räume, in die sie einbezogen war. Fernando Dominguez Am Kap Finisterre {finis terrae) richte vor. In Santiago und auf dem gesam­ ten Jakobsweg gründeten deutsche Hand­ werker, vor allem Gold-und Silberschmiede, eigene Betriebe. · Mehr als acht Jahrhunderte war die Wall­ fahrt nach Compostela zum Grab des Apo­ stels Jakobus ein Unternehmen, das die Menschen immer von neuem faszinierte. Millionen und Abermillionen von Pilgern begaben sich auf eine Wanderschaft, deren verschiedene Routen ebenso mühselig wie gefahrvoll waren. Dort, wo sich die mittelal­ terlichen Pilgerstraßen dem Ziel langsam näherten und sich zu einem dicht mit Her­ bergen und Andachtsstätten besetzten Netz verknüpften -in Aquitanien, Südfrankreich und Nordspanien -, entstand damals eine Kulturlandschaft, die politisch, künstlerisch und religiös tief auf Europa eingewirkt hat. Die Häufigkeit der Wallfahrten nach San­ tiago, die europäische Dimension ihres Ein­ zugsgebietes, die zahlreich überlieferten Rei­ seberichte und Itinerare sowie schließlich die 168

,Jakobus krönt zwei Pilger“ Eine Steinplastik aus der untergegangenen Jakobuskapelle vor Villingen „In einem feinen Wiesenthäle mit gutem durchfließenden Brunnenwasser unter einem Fohrenschächle“ – bei Nordstetten stand eine dem Hl.Jakobus und der HI. Ve­ rena geweihte Kapelle. Urkunden im Villin­ ger Pfründarchiv belegen ihre Existenz und ihren Besitz. Auf der Villinger Pirschge­ richtskarte, die Anton Berin im Jahr 1607 gemalt hat, und die im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck aufbewahrt wird, ist die Lage und das äußere Erscheinungsbild der Kapelle detailgenau dargestellt. Es war ein ansehnliches Kirchlein mit ringförmiger Mauer um den Kirchhof. So ganz unbedeu­ tend kann indes dieses bescheidene Heilig­ tum auf der Baar nicht gewesen sein, denn im Jahr 1342 schickte der Papst aus Avignon – das liegt am Weg nach Santiago de Compo­ stela -einen Ablaßbrief, mit dem die Kapelle besondere Privilegien erhielt, und damit gewann sie für den mittelalterlichen Men­ schen auch an Attraktivität. „1633 hat der Feind sie umschanzet und ihr viel Böses zugefügt.“ Das heißt: Sie liegt seit dem 30jährigen Krieg verwüstet. 1659 beschloß der Rat der Stadt, vom Wiederauf­ bau abzusehen und das Vermögen der Kapelle dem bedürftigen Münsterfond zukommen zu lassen. Damit begann die ,,Peregrinatio“, die Pilgerreise der Sand­ steinplastik, die wohl seit der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts die Hauptfigur auf dem Altar der Kapelle gewesen war. Der Heilige Jakobus und die zwei Pilger, die er krönt, wanderten in das Vorzeichen, die Vorhalle der Altstadtkirche. Dort befand sich auch seit 1493 der große Cruzifixus mit den beiden Schächern, der jetzt im Chor der Franziskanerkirche fd in Kopie am Turm der Friedhofskirche zu sehen ist. 1841 wurde dieses Vorzeichen abgebrochen. Der Chorre­ gent Dürr hat die Figur, die schon in Gefahr war, dem Bauschutt zugezählt zu werden, Kapelle bei Nordstetten. Ausschnitt aus der Villinger Pirschgerichtskarte von Anton Berin, 1607. gerettet. Barnabas Säger hat die Plastik neu gefaßt, und dann zog Jakobus ins Münster ein. Er wurde da zum Säulenheiligen, denn er wurde hinter dem Hauptaltar hoch auf einer Säule aufgestellt. Bis 1905 war er da vom Kirchenschiff aus gut sichtbar, denn der damalige, neugotische Hochaltar war viel kleiner als der heutige. Mit anderen Kunstwerken, z.B. mit der Kanzel zusammen, wurde Jakobus im 2. Weltkrieg in die bombensicher vermauerte Nordturmkapelle, das finstere Chörle, ver­ bracht. Es folgte 1975 die Restaurierung der wertvollen Figur zur Stauferausstellung. Die 169

Farbfassung von Säger wurde wieder abge­ nommen und die Reste der Originalfassung wurden sorgfältig konserviert. Während der Zeit der Münsterrenovation war Jakobus Gast im Museum Altes Rathaus. Seit 1985 wird er wieder im Münster an einem Pfeiler im Mittelschiff bewundert, vielleicht sogar verehrt. Wir wissen nicht, ob und wieviele Villin­ ger nach Santiago de Compostela gezogen sind. Wir wissen nicht, wieviele Pilger auf ihrem weiten Weg auch die Jakobuskapelle vor Villingen besucht haben, bevor sie sich etwa in Einsiedeln zu größeren Gruppen sammelten. Aber es ist gut vorstellbar, ich glaube auch wahrscheinlich, daß manche Villingerin und mancher Villinger -aus dem engen, muffi­ gen, eintönigen Leben innerhalb der Ring­ mauer kommend -bei einem Besuch der Kapelle vor diesem Jakobusbild so etwas wie Sehnsucht oder auch Reise-und Abenteuer­ lust verspürt und davon geträumt hat: Könnte ich doch auch ein Pilger sein, loslas­ sen Alles, Abschied nehmen, aufbrechen, die Weite erleben, das Ziel erkämpfen, die Krone des Lebens erahnen am Grab des HI. Apostels Jakobus. Geistliche Betrachtung vor der Stein­ plastik ,Jakobus krönt zwei Pilger“ Ca. 675 Jahre alt ist das ehrwürdige Bild, von unbekanntem Meister aus Sandstein gehauen und farbig gefaßt. Wie erkennen unschwer zwei Pilger – kenntlich an der Jakobusmuschel auf ihren Taschen, dem Pilgerstab und den großen Kapuzen. Ermattet von dem schier endlosen Weg, aber auch in selig, dankbarer Freude angekommen beim HI. Jakobus im fernen Galizien sinken sie auf die Knie. Sie heben ihre bärtigen Gesichter und ihre gefalteten Hände und warten auf den Segen des Apo­ stels, ihre Krönung. Dem Betrachter muß auffallen: Jakobus senkt nicht freundlich seinen Blick, er wen­ det sich nicht den Pilgern zu, obwohl er die Kronen über sie hält. Sein versonnen strah­ lender Blick geht nach oben in eine noch­ mals unbekannte Weite. Das bedeutet: Am Ziel der Pilgerfahrt kommt erst recht das Ziel schlechthin in den Blick. Der Endpunkt der Pilgerfahrt deutet an, nimmt vorweg das eigentliche Ziel der Lebensreise. Hinter dem hoheitsvoll, im Ver­ hältnis zu den Pilgern übergroß dargestellten Apostel Jakobus scheint auf die „majestas domini“, der Herr selbst, der Weltenherr, der Richter und König der Herrlichkeit. Am Ende der gefahrvollen, mit größtem Einsatz durchstandenen Pilgerfahrt wird der Vers des Apostels Paulus aus dem zweiten Thimotheusbrief 4, 7 für Wallfahrer konkret und aktuell. Mit neuem Verständnis hören die Pilger, was wir alle gern am Ende unseres Lebens berichtigt sagen möchten: ,,Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollen­ det, den Glauben bewahrt, dafür liegt für mich die Krone der Gerechtigkeit bereit, die mir der Herr, der gerechte Richter an jenem Tage übergeben wird; aber nicht bloß mir, sondern allen, die liebend verlangen nach seiner Wiederkunft.“ Das sind geistliche Gedanken, die an die­ sem Bildwerk abgelesen werden können. Das Bild spricht aber auch in unsere politische Wirklichkeit hinein: Zwei Pilger sind durch Europa gezogen. Sie haben die Schönheit, den Reichtum und die bunte Vielfalt dieses Kontinents gesehen. Sie haben reiche menschliche, kulturelle und volkskundliche Erfahrungen gesam­ melt. Mit Recht zählt der HI. Jakobus und seine Wallfahrt zu den Bausteinen der euro­ päischen Identität. Wir haben 1985 für den Nordturm des Villinger Münsters eine neue Jakobusglocke geweiht (vgl. Almanach 87, Seite 144-146). Die Glockenzier ist am hintersten Pfeiler im Münster in einem Nachguß zu betrachten. Die Inschrift der Glocke, die mit jedem Glockenschlag aus der Glockenstube hinaus­ schallen soll, lautet: ,,Heiliger Jakobus, Patron der Pilger und Straßen, führe die Völ­ ker Europas zur Einheit in Freiheit.“ 171

Das Bild sagt: Um rueses Ziel zu erreichen, braucht es die unermüdliche Stetigkeit des Pilgers, der keine Anstrengung scheut. Das zeigen die Pilgerstäbe an mit den abgewetz­ ten Spitzen, das zeigen an die strapazierten, zerschlissenen Pilgermäntel. Neben dem Einsatz und dem Schweiß der Besten und der Vielen braucht es aber auch das Gebet um den Segen des Himmels für das Eini­ gungswerk der Völker Europas. Das bezeu­ gen und dazu laden ein die gefalteten Hände und die gebeugten Knie der beiden Pilger. Dekan Kurt Müller Jakobsverehrung und Jakobswege im Landkreis Die Erwähnung eines Jakobskultes in Oberdeutschland für die Zeit vor 900 durch den St. Galler Mönch Notker Balbulus könnte durchaus auch auf das Gebiet der Baar zutreffen. Erste konkrete Hinweise auf Pilgerreisen nach Santiago de Compostella und die Verehrung Jakobus d. Ä. auf dem Gebiete des heutigen Schwarzwald-Baar­ Kreises datieren jedoch nur aus dem 13.Jahr­ hundert. Um diese Zeit hatte sich der Ruhm der Stätte als gleichrangiger Fernwallfahrts­ ort neben Rom und Jerusalem bereits lange gefestigt. Ob diese recht späten Zeugnisse des Jakobuskultes in unserem Kreis mit der erst im 11.Jahrhundert endgültig erfolgten Besiedlung der Schwarzwaldhöhen durch die Klöster zusammenhängen oder ob andere Gründe hierfür maßgebend sind, muß vorläufig unbestimmt bleiben. In jedem Falle scheint die Verehrung des Heiligen Jakobus und der Weg an sein Grab im 13. und 14.Jahrhundert bereits sehr ver­ breitet gewesen zu sein. Zeugnis hierfür ist die im Untergrund der St.-Marcus-Kapelle in Mistelbrunn gefundene und in das 13.Jahr­ hundert datierte Muschel in gleichem Maße wie die aus den Jahren nach 1260 stammende Skulptur „St. Jakob krönt zwei Pilger“ im Vil­ linger Münster, die einstmals in der nach 1658 abgebrochenen Nordstetter Kapelle stand. In die Reihe dieser frühen Zeugen gehört auch die an der Pfarrkirche in Hüfin­ gen nachgewiesene St.Jakobskaplanei, von der A. Vetter annimmt, sie habe schon im 13. Jahrhundert bestanden. Die am Ende die­ ser Zeitreihe, weil 1388 erstmals erwähnte 172 St.:Jakobus-Kapelle in Klengen weist schließ­ lich auf die Fortdauer der Jakobus-Verehrung während des ganzen Mittelalters und dar­ über hinaus. Als prominentester Pilger mit Bezug zu un­ serem Raum steht in jener Zeit der österreichi­ sche Schatzmeister Jakob Villinger aus Schlett­ stadt, der allein schon an seinem Vornamen sich als ein in der Familientradition stehen­ der Jakobusverehrer zu erkennen gibt. Nach seiner Rückkunft aus Spanien stiftete Villinger in seinem neuen Wohnort Freiburg im dorti­ gen Münster eine Jakobus geweihte Kapelle. Das zugehörige Fenster mit einer Darstel­ lung des heiligen Jakobus, der Jakob Villin­ ger und seine Frau Susanna krönt, ist Sinn­ bild für die Verbreitung der Pilgerfahrt in den vorderösterreichischen Landen, und damit auch in weiten Teilen unseres Kreisgebietes. Der Familienname gar deutet auf eine Her­ kunft aus Villingen, und damit wiederum auf einen jener Hauptorte der Jakobusverehrung im Kreis, an dem der aus dem Kinzigtal kom­ mende Pilgerweg auf den nach Süden in die Schweiz führenden großen Hauptweg stößt. Das Fehlen von Objekten, bildlichen und schriftlichen Zeugnissen des 15. und 16. Jahr­ hunderts zu Jakobus maior aber ist auch in unserem Raum Hinweis auf den Niedergang der Wallfahrt. Die in großem Zuge zwangs­ weise auf den Pilgerweg gesandten Verbre­ cher und die Umwälzungen der Reforma­ tion bewirkten tiefgreifende Veränderungen. Das Ansehen der Wallfahrt nach Santiago de Compostela sank, die Zahl der Pilger ging stetig zurück.

Kirche Marbach, Altar 173

Hüfingen, Jakobsbrunnen Kirche Hiefingen, Seitenaltar fürstenbergischen Sammlungen Der Verehrung des Heiligen selbst tat dies jedoch keinen großen Abbruch. Die heute in den in Donaueschingen ausgestellten Altarbilder und Plastiken aus Kirchen des Bodenseerau­ mes und dem Thurgau, welche Jakobus im Pilgergewand zeigen, besitzen nicht nur künstlerisches Interesse. Sie bezeugen unter anderem eine fortgesetzten Wertschätzung des Heiligen in den fürstenbergischen Lan­ den und damit in gewisser Weise auch in gro­ ßen Teilen des heutigen Schwarzwald-Baar­ Kreises. Die wiederauflebende Wallfahrt im 17.Jahrhundert hat ebenfalls Spuren hinter­ lassen. Zu nennen wäre hier das für 1622 erst­ malig nachgewiesene Flurstück ,Jakobswie­ sen“ aufHüfinger Gemarkung an der Grenze zu Allmendshofen, das im Besitze einer erst namentlich später genannten Jakobusbru­ derschaft gewesen sein muß. 1648 schließlich begegnete Abt Michael Gaisser in dem von Württemberg für wenige Jahre zurückgege- benen Kloster in St. Georgen zwei dort über­ nachtenden Jakobspilgem. Doch trat jetzt unwiderruflich ein Nieder­ gang der Pilgerfahrten nach Spanien ein. Die frommen Wanderer, die sich der Mühe des langen und gefährlichen Weges nach San­ tiago de Compostela unterzogen, ver­ schwanden von den Wegen. Um das Jako­ buspilgerwesen wurde es still. Schuld daran waren weniger die Konkurrenz der einheimi­ schen Wallfahrten (Triberg}, denn die Verän­ derungen der politischen und kirchlichen Gegebenheiten. Erst die Förderung des Heiligenkultes im Zuge der Gegenreformation mit ihrer be­ wußt gepflegten Volksfrömmigkeit gab der Jakobusverehrung im Schwarzwald und auf der Baar neue Impulse. Den frühesten Hin­ weis darauf liefert wiederum die nun als „Zunft und Bruderschaft“ konstituierte Jakobsbruderschaft aus Hüfingen, für die das Jahr 1668 als Gründungsdatum angegeben wird. Sicher sind das Weihedatum der neuen 174

Kirche Allmendshofen, Holzfigur Unterkimacher Kirche St.Jakob (1715) oder die Entstehungsjahre der von Adam und Johann Michael Winterhalder für die Kir­ chen von Donaueschingen (St.Johann) und Vöhrenbach geschaffenen Figuren (1735/40) weitere Daten für die neuerliche Blütezeit der Jakobusverehrung, in der der Heilige den Gläubigen besonders nahe stand. Unver­ kennbar aber ist, daß in dieser Periode tiefer barocker Volksfrömmigkeit der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts der Apostel und Märty­ rer eine neuerliche Popularität erlangt hat, die unter anderem auf der Rückbesinnung auf die mittelalterlichen Wurzeln beruht. Bis heute wird das Andenken an St.Jako­ bus im Kreisgebiet und insbesondere im katholischen Dekanatsbezirk Villingen wachgehalten. Das 1977 von dem Konstan­ zer Künstler Maximilian Bartoß vollendete Chorfenster in der Kirche zu Unterkirnach wie die 1985 erfolgte Weihung einer Jakobus­ glocke im Villinger Münster, die mit einer Kopie der heute ebenfalls dort befindlichen Kirche St.Johann, Donaueschingen Jakobsfigur aus der Nordstetter Kapelle geschmückt ist, zeugen von der Lebendigkeit des Heiligen im Bewußtsein der katholi­ schen Kreisgemeinde in der Gegenwart. Die geographische Verteilung der J akobs-Patrozi­ nien, Statuen, Flurnamen, Pilgerherbergen und anderen an die Jakobuswallfahrt erin­ nernden Zeichen oder Funde aus der Zeit vor 1700 im Kreisgebiet skizziert drei Pilgerwege. Unverkennbar ist ein genau nord-südlich gerichteter Hauptweg, der von der Sinkinger Kapelle -sie weist sich durch Jakobusfigur und ihrer der Madonna aus Einsiedeln nach­ gebildeten Marienfigur als Pilgerhalt aus – über die Allmendshofener Kapelle Oakobs­ Patrozinium) nach Hüfingen und weiter nach Süden(?) führt. Erwähnenswert hierbei ist, daß das ehemalige Hüfinger Flurstück ,Jakobswiesen“ (heute Jakobstraße) von der Jakobusbruderschaft augenscheinlich mit Bedacht gekauft wurde. Hier berührte der von der Allrnendshofener Kirche kom­ mende Pilgerweg erstmals Hüfinger Boden. 175

Kirche Vöhrenbach, zwei Figuren Auf den beschriebenen Nord-Süd-Haupt­ weg trafen in Villingen und Hüfingen zwei den Schwarzwald überquerende Pilgerpfade. Der nördliche, sich vom Kinzigtal über den Brogenpaß heraufziehend, erreichte Villin­ gen wohl über Mönchweiler, Sommertshau­ sen und den im Mittelalter abgegangenen Ort Nordstetten, während der südliche über Mistelbrunn und Bräunlingen nach Hüfin­ gen führte, wo er ebenfalls den Hauptweg traf. Bemerkenswert ist, daß die Wege der Jakobspilger sich zwar an das vorhandene mittelalterliche Fernstraßennetz anlehnten, jedoch nur in Teilbereichen mit diesem iden­ tisch waren. Während so zum Beispiel die hochmittelalterliche Verbindung von Rott­ weil nach der Schweiz auf der alten Römer­ straße Vindonissa (Windisch)-Arae Flaviae (Rottweil) das Villinger Territorium mied, scheinen die Einsiedeln, dem oberdeutschen Sammlungsort für die Jakobuswallfahrt zustrebenden Pilger von Sinkingen über 176 Villingen, Marbach, Allmendshofen und Hüfingen nach Süden gezogen zu sein. Damit wäre die territorialpolitischen Bedin­ gungen unterworfene Straßenführung von den Pilgern nur teilweise angenommen wor­ den. Bestimmend blieben für sie die kirchli­ chen Verhältnisse, d. h. die durch Stätten der Heiligenverehrung (St.-Jakobus-Kapellen), Andacht (,,Stetten bi jacobs cruz“ bei Bräun­ lingen) und klösterlichen Pilgerstationen (St. Georgen) gekennzeichneten Verbin­ dungswege. Von den Pilgern benützte Abkürzungen, die für Pferde und Wagen nicht befahrbar waren, müssen zudem in Betracht gezogen werden. So lehnt sich der südliche Ost-West-Pilgerweg im Schwarz­ wald weder an die nördlich der Breg verlau­ fende „habsburgische“ Villingen – Freibur­ ger Straße über Hammereisenbach, noch an die südliche Route oberhalb Neustadt/ Schw. – Löffingen -Hüfingen an. Vielmehr führt der Pfad im Bräunlinger Gemarkungs­ wald mitten zwischen beiden Straßen über

Kirche Unterkirnach, Barockfigur 177

Kirche Unterkirnach, Prozessionsfahne Kirche Unterkirnach, Figur im Altar Kirche Unterkirnach, Fenster Hubertshofen und Mistelbrunn Richtung Westen. Wo topographische Gegebenheiten es nötig machen, scheinen Pilgerweg und Fern­ straße nicht mehr als parallele Wege zu beste­ hen, sondern ineinander überzugehen. Dies ist augenscheinlich im Abschnitt St. Geor­ gen – Brogenpaß der Fall, dem bis in die Neuzeit hinein gültigen Schwarzwaldüber­ gang ins Kinzigtal als Teilabschnitt der gro­ ßen Fernstraße Schaffhausen – Frankfurt. Der Verlauf einzelner Streckenabschnitte entzieht sich jedoch noch immer genauer Kenntnis. So ist die Trasse des nördlichen �erweges im Bereich von St. Georgen – Mönchweiler – Sommertshausen (südlich Obereschach} bis ins „obere Nordstetten“ – Villingen nur im letzteren Abschnitt stärker gesichert. Die sich wandelnden politischen und kirchlichen Gegebenheiten im Zuge der Reformation haben unzweifelhaft auf den Verlauf der Wege ihre Auswirkungen gehabt. 178

Auffällig bleiben jedoch die auf den Jakobskult und den Jakobsweg fehlenden Hinweise östlich der Achse Fischbach (Sin­ kingen) – Blumberg und südlich der Linie Hüfingen-Unterbränd. Ließe sich die Leere im östlichen Bereich noch mit der Qpellen­ vernichtung durch die Bilderstürmerei der Reformation und der Einführung des Pro­ testantismus erklären, kann dies für den katholisch gebliebenen Südbereich nicht gelten. Vielleicht laden die Artikel des Alma­ nach hier ein, dieser Frage nachzugehen? Dr. Joachim Sturm Münster in Villingen, Figur im Schiff Jakobus-Fenster aus der Villinger Kapelle des Freiburger Münsters

Heiteres aus dem Klosterleben von St. Ursula Sommerliche Dörferrunde der Ursulinen mit ihrem Break (bis etwa 1930) Die nachfolgende Begebenheit trug sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg zu, also in einer Zeit als die Villinger Stadt hinter ihren stattlichen Toren und starken Mauem u. a. auch eine bedeutende Landwirtschaft beher­ bergte. Zeugen von annodazumal sind heute noch auffallende bauliche Merkmale an zahlreichen Häusern, besonders in der Brun­ nen-, Färber- und Gerberstraße sowie in der Riet- und Schlösslegasse, daß sie einmal Bau­ ernhöfe waren. – Manche Kaufhäuser, in denen man Produkte aus Übersee und den einstmaligen Kolonien erstehen konnte, wur­ den „Colonialwarenhandlungen“ genannt. – Auch das Kloster St. Ursula besaß nicht nur außerhalb der Stadt verschiedene land­ wirtschaftliche Anwesen, sondern bis zum Jahre 1932 eine Ökonomie auf dem Kloster­ gelände selber, nämlich dort, wo heute die moderne Turnhalle seines Lehrinstituts steht. Fünfzehn bis zwanzig Stück Großvieh, über ein Dutzend Schweine und – darauf waren die Ursulinen besonders stolz – vier 180 bis sechs behutsam gepflegte, attraktive Pferde waren da untergebracht. Nicht min­ der erfüllte sie Hochgefühl, Besitzer eines stattlichen Pferdefuhrparks zu sein. Dazu gehörten eine leichte Chaise für Eilfahrten, ein echter Landauer und ein besonders ele­ ganter Break, das ist ein offener vierrädriger Wagen mit Längs- und �ersitzen für bis zu zwölf Personen. Für Winterausfahrten stan­ den Personenschlitten zur Verfügung. Aus dieser unmittelbaren Nähe zur Land­ wirtschaft müßte der verehrte Leser nun annehmen, daß die ehrwürdigen Frauen gerade darum auch vertraut waren mit den nützlichen Vierbeinern. Wer dies jetzt glaubt oder meint, dem sei so gewesen, der täuscht sich jedoch gründlich. Mit Ausnahme derje­ nigen Ursulinen, die Bauerntöchter waren, gab es da doch eine nicht geringe Zahl vor­ nehmer, sogenannter „höherer Töchter“, nämlich die Lehrfrauen. Deren Väter waren Professoren, Ärzte, Apotheker, großherzog­ liche und fürstliche Beamten oder in ähn-

liehen Positionen tätig. Sie kamen aus Karls­ ruhe, der einstigen badischen Residenz, aus Heidelberg, Mannheim und Freiburg. Erst später – sonst sollen jene im allgemeinen ja die Schnelleren und ergo auch immer die Ersten sein -rückten auch „Ehrwürdige“ aus dem Schwäbischen an! Der Großteil des Konvents bestand also aus „Stadtkindern“. Sie alle waren einem saf­ tigen Schweinebraten, einer würzigen Brat­ wurst oder einem deftigen Speckvesper zuge­ tan und nicht minder einer sonntäglichen Ausfahrt mit einer der klösterlichen Prunk­ karossen, aber die Klosterstallungen mit dem lieben „Viehzeug“ mieden sie zumeist -aus welchen Gründen auch immer! Nur wenige der feinen Damen trauten oder verirrten sich in die Herberge ihrer tierischen „Kobewoh­ ner“, und so konnte eben dieses geschehen, was in den folgenden Reimen erzählt wird. Mitwirkende dabei sind diesmal die Schwe­ stern Monika und Kunigund‘, ein Kolonial­ warenhändler und zwei Villinger „Stadtkühe“. Helmut Groß Verwechslung Einst, in der guten alten Zeit, schritten fromm einher zu zweit zum Münster schon zu früher Stund‘ Monika und Kunigund‘. Sie kamen aus St. Ursula, Ordensfrauen sind sie da. Die heil’ge Messe war ihr Ziel, dort beten sie sonst lang und viel. – Doch plötzlich machen jäh sie halt, Zwei Kühe stürmen aus dem Oberen Tor den beiden wird es heiß und kalt. Zwei Kühe aus dem „Ob’ren Tor“ stürmen im Galopp hervor, direkt los auf die Klosterfrauen. – Und die – in festem Gottvertrauen – machen kehrt in wilder Flucht, ein Unterschlupf wird flugs gesucht. 181 Zwei K/.osterfrauen auf dem Weg zur Messe

Die Panik, sie ist riesengroß, wohin in höchster Not denn bloß? Hals über Kopf zu diesem Zweck in die Bickenstraß‘ ums Eck! Sie haben dazu allen Grund, – schlägt gar ihre letzte Stund‘? Ein Wettlauf, fürchterlich wie nie, und hinterher das „liebe“ Vieh. Hier geht es ja um Kopf und Kragen; da rettet g’rade noch ein Laden! Hineingeeilt und zu die Tür, endlich sind sie sicher hier! – Mit letzter Kraft keucht Kunigund‘ atemringend aus dem Mund: „Zwei Küeh kumme, habt Erbarmen mit uns Schwestern, mit uns armen!“ – Des Kaufmanns Mul bleibt sperrweit offe, noch nie hät’r solche Küeh a’troffe!! – Helmut Groß Zwei Klosterfrauen (,,Pseudoküeh ‚? stürmen in die Colonialwarenhandlung 182

Das Amtsgericht Villingen im Wandel der Zeit Die Sanierung des Amtsgerichtsgebäudes im Stadtbezirk Villingen war für die Redaktion des Alma­ nach Veranlassung, vom zuständigen Staatlichen Liegenschaftsamt einen Beitrag unter denkmalpjlege­ rischen Gesichtspunkten zu erbitten. Zur Abrundung dieses Kapitels gehört jedoch auch die geschichtli­ che Entstehung und Entwicklung des Amtsgerichtes in Villingen. Diesen Teil hat freundlicherweise der frühere Direktor des Amtsgerichtes, Herr Siegfried Hiesel übernommen. Entstehung und Entwicklung des Amtsgerichtes Villingen Die alte Zähringerstadt hatte jahrhunder­ telang in Vorderösterreich eine besondere und herausragende Stellung inne gehabt. Sie war zwar nicht Freie Reichsstadt, genoß aber eine herausragende Selbständigkeit in Ver­ waltung-und Gerichtswesen. Maßgebend hierfür war unter anderem der sogenannte Blutbann als Ausdruck der Höheren Gerichtsbarkeit. Diese Entwicklung hat ihr Ende mit dem Untergang des alten Reiches gefunden. Im Jahre 1806 war Villingen Bestandteil des Großherzogtums Baden mit der Hauptstadt Karlsruhe geworden. Damit war es plötzlich zu einer unbedeutenden Kleinstadt ohne jede Zentralfunktion her­ abgesunken. Es wurde zwar-wie viele andere Kleinstädte -Sitz eines Bezirksamtes. Dieses, geleitetvom Oberamtmann, verwaltete auch in einer eigenen Abteilung das Niedere Ju­ stizwesen. Eigene Gerichte gab es aber in Vil­ lingen nicht mehr. Nachdem die Turbulen­ zen der napoleonischen Zeit vorüber waren, besann man sich wieder der alten Bedeutung der Stadt und schickte Bittschriften und Abordnungen in Gehrock und Zylinder nach Karlsruhe. Die jahrelangen Bestrebun­ gen waren schließlich von Erfolg gekrönt. Die großherzoglich-badische Regierung hatte sich 1845 endgültig entschlossen, in Villingen ein sogenanntes Bezirksstrafge­ richt mit einem zugeordneten Gefängnis ein­ zurichten. Es kam dann am 15. 12.1846 zum Abschluß eines schriftlichen Vertrages zwi- sehen dem »Hoch preislichen“ Justizministe­ rium und der Stadtgemeinde. Das damalige höchstens ca. 5.000 Einwohner zählende Handwerker- und Bauernstädtchen war nicht in bestem Zustand. Das mittelalterli­ che Stadtbild war wohl noch im großen und ganzen erhalten, aber im Zerfall begriffen. Es fehlte an geeigneten Gebäuden, ein Behelfs­ gefängnis befand sich in der säkularisierten Johanniterkirche. So verpflichtete sich die Stadtgemeinde in dem erwähnten Vertrag zum Verkauf eines Bauplatzes für das geplante Bezirksstrafgericht mit Gefängnis. Das war aber auch gleichzeitig das Ende des vierten Villinger Stadttores, genannt „Niede­ res Tor“. Im Vertrag ist nämlich bestimmt, daß dieses alsbald abzubrechen sei. Interes­ sant ist in diesem Zusammenhang auch, daß im Hof des Gerichtsgebäudes und Gefäng­ nisses laufende Brunnen einzurichten seien. Eine zentrale Wasserversorgung existierte damals noch nicht. Jedenfalls sollte von der Stadt das Gelände hergerichtet, nivelliert und durch die heute noch bestehenden Stra­ ßenzüge arrondiert werden. Damit hatte die Stadt einen großen Erfolg für ihre Aufwer­ tung errungen und die Freude war entspre­ chend groß. Vom Verlust des vierten Stadt­ tors sprach damals offenbar niemand. Schließlich wurde die feierliche Grundstein­ legung auf den 25. Juni 1847 festgesetzt. Das Villinger Wochenblatt berichtete damals u. a. wie folgt: 183

„Böllerschüsse und Tagreveille der Bürgermusik verkündeten in der Frühe den Anbruch dieses Festes. Im Weichbild der Stadt wetteiferten die Bürger auf das eifrigste, die Häuser, Straßen und Brunnen zu verzieren. Die Porträts und Wappen des Großherzoglichen Hauses, sinnreiche /nschrif ten, die Gerechtigkeitspflege lobend und die Fah­ nen an Häusern und Türmen gaben der ganzen Stadt ein festliches Aussehen. Die Bürgermilitär­ corps von Vöhrenbach und Unterkimach waren heranmarschiert und die Offiziere der Bürgermili­ tärcorps von Bräunlingen, Hüfingen und Triberg erhöhten durch ihre Anwesenheit die Feier. Der Festzug, bestehend aus den Militärcorps, der Schuq“ugend, der Lehrerschaft, den festlich geschmückten Jungfrauen, welche die Denkzei­ chen zur Grundsteinlegung trugen, dem Gesang­ verein, den landesherrlichen- und Gemeindebe­ amten, den Zünften bewegte sich vom Amts- haus zum Münster. Nach Abhaltung eines feierli­ chen Gottesdienstes setzte sich der Zug zum Fest­ platz in Bewegung. Unter dem Spiel der Musik wurde hierauf der Grundstein gesetzt. Ein Mit­ tagsmahl aef der ,Sonne-Post‘ schloß sich an . . . “ Daraus ist einmal zu erkennen, mit wel­ cher Begeisterung die Wiederbegründung einer Gerichtsbarkeit aufgenommen worden ist, zum andern ist aber festzustellen, daß zunächst noch von einem Amtsgericht nicht die Rede war. Stattdessen überschatteten aber bald andere Ereignisse die Szene. Die Revolutionsjahre von 1848/49 fuhren vor allem im Großherzogtum Baden zu gewalt­ samen Zuständen und Störungen der öffent­ lichen Ordnung. Auch Villingen – wie das ganze badische Land – war zeitweise von preußischen Truppen besetzt. Es kommt daher wohl nicht von ungefähr, daß nach der 184

Grundsteinlegung über das Schicksal des begonnenen Gebäudes nichts mehr zu hören, bzw. zu lesen ist. Stattdessen geriet das Gerichtswesen in den Sog der Revolu­ tion. Dieses wurde von den Revolutionären als bisherige Domäne des Monarchen aufge­ faßt und dieser das Volksrecht bzw. die Teil­ nahme an der Rechtsprechung entgegenge­ setzt. Schöffen- und Schwurgerichte wurden gefordert, Verhandlungen sollten für alle öffentlich sein, nach französischem Vorbild wurden Staatsanwaltschaften gefordert, die Verteidigung erhielt eine neue Bedeutung, Justitia mit der Waage auf dem Hintergrund des ausgehenden, romantischen Zeitalters war Ausdruck dieser Denkweise. Das Recht war hehren und demokratischen Ursprungs. So fällt auf, daß das eigentliche Gebäude in einem sachlichen Stil errichtet worden ist, während der Sitzungstrakt rein äußerlich abgesetzt und in feierlichem Stil einem Kir­ chenbau und im Innern einem Kirchenstil nicht unähnlich zweistöckig errichtet wor­ den ist. Über den weiteren Fortgang der Arbeiten ist nichts Konkretes bekannt. Es darf jedoch angenommen werden, daß durch die Wirren der Revolutionsjahre erhebliche Verzögerungen eingetreten sind. Insgesamt ist jedoch der Schluß gerechtfertigt, daß das Gerichtsgebäude die Gedanken und Ideen der Revolutionsjahre in Stein umgesetzt hat. Darin liegt wohl die Einmaligkeit dieses Baus und damit auch die Denkrnalswürdigkeit. Auch sonst ist in diesen Jahren im J ustizwe­ sen einiges in Bewegung geraten. Der ursprüngliche Plan der Errichtung eines Bezirksstrafgerichts wurde zwar sang- und klanglos fallengelassen. Statt dessen wurde im Jahr 1857 die Niedere Gerichtsbarkeit bei den Bezirksämtern ausgegliedert und unter der amtlichen Bezeichnung „Amtsgericht“ zusammengefaßt. Dieses Gericht unterer Stufe wurde dann in dem nun wohl fertigge­ stellten Gerichtsgebäude untergebracht. Das war dann die Geburtsstunde des Amtsge­ richts in Villingen. Gleichzeitig war es aber ein wichtiger Zeitpunkt in der Neuordnung des Gerichtswesens. Die Gewaltenteilung und damit die Eigenständigkeit der Gerichte als dritte Gewalt im Staat war nun endgültig nahtlos durchgeführt. Dieses neue Amtsge­ richt muß sich in dem für die damaligen Ver­ hältnisse weitläufig und geräumigen Ge­ bäude ziemlich verloren vorgekommen sein, wenn man die damalige Besetzung mit einem Amtsrichter (heute 11), einem Ge­ richtsschreiber, drei Aktuaren und noch wei­ teren 2 Hilfskräften berücksichtigt. Es muß deshalb vermutet werden, daß damals wie auch später noch Dienstwohnungen unter­ gebracht worden sind. Die justizpolitische Entwicklung war damals in wenigen Jahren in Bewegung geraten. So kam es im Jahre 1864 im Rahmen einer gesetzgeberischen Justizreform zur Gründung von sogenann­ ten Kreisgerichten. Dies war auch in Villin­ gen für die Amtsgerichtsbezirke Villingen, Donaueschingen und Triberg der Fall. Dieses Gericht zog nun zusätzlich in das Amtsge­ richtsgebäude ein. Nun hatte Villingen auch noch ein Rechtsmittelgericht. Auch dies war erneut ein Anlaß zur Genugtuung und Freude für die Stadt. Doch schon nach ein paar Jahren wurden die Kreisgerichte in die­ ser Form wieder aufgehoben und das Kreis­ gericht Villingen wurde als „Landgericht“ nach Konstanz verlegt. Dieser Zustand wurde dann 1877 durch die sogenannten Reichsjustizgesetze endgültig bestätigt. Damit war praktisch der heutige Rechtszu­ stand im Gerichtsaufbau erreicht. Weitere Bemühungen der Stadt Villingen um ein Landgericht unter Hinweis auf die räumliche Entfernung von Konstanz scheiterten nun an dem Umstand, daß die Schwarzwaldbahn Offenburg – Konstanz spätestens seit 1873 durchgehend befahrbar war. Villingen erhielt nun eine andere Zentralfunktion als Eisen­ bahnknotenpunkt bzw. Versorgungsstation. Die moderne Zeit hat damit ihren Einzug gehalten, und diese sollte weitgehend von Handel und Verkehr bestimmt werden. Das alte stabile Amtsgerichtsgebäude dämmerte so über die Jahrhundertwende in eine mehr­ fach sich verändernde Welt hinein. In unseren Tagen schlug dann die Stunde 185

der Wahrheit. In den 70er Jahren erwachten allenthalben Reformbewegungen verbun­ den mit Neugestaltungen. So gingen in Vil­ lingen Bestrebungen dahin, den Komplex am und um das Amtsgericht neu zu gestal­ ten, wobei auch eine Stadthalle eingeplant wurde. Dieser Planung sollte das Amtsgericht weichen und als „alter Kasten“ -wie die Zei­ tung damals schrieb – abgerissen werden. Bald wurden aber hier gegen zunächst leise, dann deutliche Stimmen laut, dieses einst mit Bürgerstolz erstellte Gebäude zu erhal­ ten. In dieser Situation initiierte ein Villinger Rechtsanwalt eine Unterschriftensammlung, die überzeugend für den Erhalt votierte. Ein Besuch interessierter Persönlichkeiten beim Regierungspräsident in Freiburg folgte mit dem Ergebnis, daß nun das Denkmalamt eingeschaltet wurde. Das Gebäude wurde als erhaltungswürdig befunden, und damit war das alte Amtsgericht gerettet. Die nun voll­ endete, totale Renovierung läßt jetzt das damalige repräsentative Gebäude in neuem Glanz erstrahlen. Die geschichtsbewußten Villinger freuen sich darüber. Nur dem damals dafür abgerissenen Niederen Tor trauern sie heute noch nach. Siegfried Hiesel Stimmungsbild von Villingen aus .früheren Tagen 186

Die Restaurierung des Amtsgerichts Villingen Ausgangslage Vor dem Hintergrund der Aufwertung und Neuordnung des südlich vom Kern­ stadtabschluß liegenden Bereiches entstand der von der Großherzoglichen Bezirksbauin­ spektion in Donaueschingen gezeichnete Plan vom 20.Januar1847 für das „Vierte Pro­ ject zu Anlage des Bezirksstrafgerichtes an das Niederthor zu Villingen“. Der Plan dürfte, wie es zahlreiche Details nahelegen, vom damaligen Weinbrenner-Nachfolger in der Karlsruher Baudirektion, Heinrich Hübsch, maßgeblich beeinflußt worden sem. Diesem Projekt fiel das südliche Stadttor mit dem Niederen Torturm zum Opfer; eine weiter auswärts gelegene Brunnenanlage in der Achse der Straße war im Plan als Ersatz für den Abschluß des Stadtraumes geplant, aber wohl nie ausgeführt worden. Als man in den 70er Jahren unseres Jahr­ hunderts erneut Planungen über die städte­ bauliche Weiterentwicklung im Südteil an­ stellte, sollte die seinerzeit als Befreiung empfundene Öffnung der Stadt rückgängig gemacht, der mittelalterliche Abschluß, ein­ schließlich einer T unn-Rekonstruktion etwa am alten Platz, in Verbindung mit Geschäfts-, Büro- und kulturellen Einrich­ tungen neu hergestellt werden. Für das Amtsgericht war ein neuer Platz weiter stadtauswärts vorgesehen, verbunden mit einem großen Behördenzentrum. Im Jahr 1982 wurde das Amtsgericht mit seinen erhaltenen, aber verborgenen Male­ reien, der äußeren einmaligen Gestalt des im historisierenden, an den Kirchenbau ange­ lehnten Stil des Q!lerbaues für das Gericht neu bewertet und in der Folge unter Denk­ malschutz gestellt. Damit war für die Staatliche Hochbauver­ waltung des Landes ab 1984 der Weg frei zu einer grundlegenden Sanierung des wegen der ungeklärten Situation in einen recht desolaten Zustand geratenen Gebäudes. Eingebunden war die Maßnahme in die erneut aufgenommene Sanieru�isplanung um das Niedere Tor, die auch die Uberlegun­ gen zu einer Erweiterung des Amtsgerichtes beinhaltete, da heute im Altbau lediglich die Hälfte des notwendigen Raumprogramms der Justiz unterzubringen ist. Die Untersuchungen zu einem Erweite­ rungsbau zeigten, daß die Herstellung eines mittelalterlich anmutenden Kernstadtab­ schlusses, nunmehr rd. 40 m südlich vom Ursprungsort gelegen, ebenso in Frage gestellt werden mußte, wie die Unterbrin­ gung einer ausschließlich am Raumbedarf orientierten Baumasse zwischen Vollzugsan­ stalt und Amtsgericht. Um den Charakter des Grünzugs an der Stelle der früheren Verteidigungsanlage mit seinen prägenden freistehenden Bauten, hier von der Fidelis-Kirche bis hin zur alten Ton­ halle, erhalten zu können, dürften bauliche Erweiterungen in den Hofbereichen nur von untergeordnetem Gewicht sein. Da die Vollzugsanstalt auf lange Sicht, ohnehin zur Auslagerung aus der Stadt anstand, sollte sie, angekoppelt über einen Verbindungsbau, künftig für das Amtsge­ richt umgebaut werden. Dem kam entgegen, daß sich mittelfristig die Lösung abzeich­ nete, die fehlenden Räume für das Amtsge­ richt in den gegenüberliegenden Gebäuden an der Niederen Straße anzumieten zu kön­ nen. Damit konzentrierte sich die Arbeit ganz auf die Instandsetzung des Altbaues. Das Amtsgericht bezog zum 1. Mai 1986 ein Ausweichquartier und im selben Monat begannen die Bauarbeiten, welche sich zunächst auf das Innere zu beschränken hat­ ten. Sie dauerten bis zum Juni 1989, die Bau­ kosten beliefen sich auf rd. 4 Mio. DM. Außeninstandsetzung Die Aufgaben der Außeninstandsetzung bestand im wesentlichen in der Reparatur bzw. dem Freilegen gesicherter Befunde. 187

Das Dach erhielt eine neue Deckung mit naturroten Biberschwanzziegeln, die ge­ schmiedeten Blitzableiter zeigen ihre neu vergoldeten Spitzen. Die vorhandenen Dachgauben wurden von ihrer Eternitverschindelung befreit und mit gefrästen Karnis- und Stabgesimsen und rauhen Seitenverschalungen aus Holz, grau gestrichen, auf eine dem 19. Jh. entspre­ chende Form zurückführt. Die Giebelspitzen erhielten neu gehauene gotische Kreuzblumen, nachdem ihre Grö- ßenverhältnisse über einfache Pappemo­ delle am Ort ermittelt waren. Die Architekturelemente aus violettem Sandstein wiesen besonders auf der Wetter­ seite erhebliche Schäden auf, korinthisie­ rende Kapitelle, Schaftringe und Basen der Saalfenstersäulen ließen die alte Form nur noch ahnen, die Gesimse hatten zumeist ihre wasserableitende Funktion verloren, Gewändesteine waren bis in die Tiefe zer­ stört. Hier wurde mit Maulbronner Sand­ stein Ersatz geschaffen. 188

Erhebliche Teile der Majolika-Platten des Frieses unter dem Traufgesirns hatten durch Frost ihre Blattornamente eingebüßt, sie wurden in der Staat!. Majolika Karlsruhe neu modelliert und gebrannt. Unter einem groben, waagerecht geriebe­ nen Mörtel kam der ursprüngliche glatte Putz mit terracottafarbener Oberfläche zum Vorschein. Dieses Bild wurde mit handwerk­ lich aufgetragenem und traufelgeglättetem Kalkputz und Kali-Wasserglasfarbe wieder­ hergestellt. Innenansicht der Treppenhalle Die Profilierungen der neuen hellgrau gefaßten Isolierglasfenster konnten anhand verbliebener Halbrundfenster des Saales, näherungsweise rekonstruiert werden, die Sprossenteilung wurde wegen fehlender Unterlagen und stärkeren Holzquerschnit­ ten der Rahmen neu entworfen. Der Haupteingang mit sorgsam aufgear­ beiteter Eichentür, grün-goldenen, teils nachgegossenen Ziergittern, ebenso wie der nachgebaute und neugeöffuete Nebenein­ gang des Treppenhauses, erhielten ihre gerundeten Sandsteintreppen wieder. 189

Innenansicht des Silzungssaales Innenrestaurierung Innen im Gebäude lag – neben den not­ wendigen Sicherheits- und Erschließungs­ einrichtungen – der Schwerpunkt in der Wiederherstellung der alten Struktur anhand der erhaltenen Werkpläne von 1847. Dort, wo einst eine innenliegende quadra­ tische Holztreppe Büroräumen weichen mußte, wurde das neue Treppenhaus instal­ liert, das jetzt alle Ebenen durchgehend erschließt. Ein für Rollstuhlfahrer dimensionierter ölhydraulisch bewegter Aufzug fand seinen Platz im längst verbauten Schacht der Treppe, die von den Gefangenenzellen zum Gerichtssaal hinaufführte. Neben der general­ überholten Heizung, auf Gasbetrieb umge­ baut, erhielt das Haus ein vollständig neues elektrisches Installationsnetz, sowohl für die 190 Starkstromversorgung, ein weitreichendes Brandmeldesystem und die künftige flä­ chendeckende Einrichtung elektronischer Datenverarbeitungsgeräte. In den Büroräumen konnten die Decken, aus Haarkalkmörtel auf Spalierlatten unter Lehm-Strohwickel-Ausfachungen zwischen den Deckenbalken gehalten werden ebenso die reichen Stuckprofile der Randfriese. Wände wurden in Anlehnung an die Ursprungszeit mit Tapete in einem warmen Grauton und feinen altrosafarbenen Punk­ ten tapeziert, alles Holzwerk einheitlich im ganzen Haus in einer Umbra-grau-grünli­ chen Tönung gestrichen, angenähert an die 2. und 3. der insgesamt 8. freigelegten frühe­ ren Farbschichten. Leichte grau-altrosa gestreifte Vorhänge in den Leibungen der Fenster komplettieren das Farbthema. Die

alten Parkettböden konnten zumeist repa­ riert werden. Die Hauptflure, im EG durch hölzerne Q!ierunterzüge und quadratische Kassetten an der Decke gegliedert, einer strengen und symmetrischen Zuordnung von Türöffnun­ gen und den Bögen der Treppenhalle charak­ terisiert, erhielten die tiefliegenden getäfer­ ten Türleibungen zurück, nachdem die jün­ geren glatten Doppeltüren entfernt waren. Die Farbgebung lehnt sich hier an die älte­ ren, häufig übermalten Farbschichten an, die Wände im Ockerton, Randeinfassungen bzw. Profile im sandstein-violetten Farbton. Die Fußböden der Flure waren unter Estrich­ schichten mit Kunststoffplatten aus den frü­ heren 60er Jahren verborgen, massive wund­ gelaufene Sandsteinplatten, fanden ausge­ baut und plangeschliffen in einem neuen Kiesbett wieder ihren alten Platz. Die große Treppenhalle zum Sitzungssaal hinauf hatte man Anfang der 60er Jahre voll- Detailwandma!.erei im Sitzungssaal ständig umgewandelt, Trogwände und Eck­ pfeiler der Brüstungen waren verschwunden, die Decke über dem 1. OG abgebrochen, an ihrer Stelle führte eine weitausladend und freigeführte halbgewendelte Stahltreppe mit flügelartig aufgesattelten Edelholzstufen in das 2. OG hinauf. Hier war die alte Raumpro­ portion durch Rückbau der Decke wieder­ herzustellen, der vermauerte Zugang zum Saal, der einst den Zuhörern diente, zu öff­ nen und die Treppe in steinerner Gestalt neu zu formulieren. Vom alten Geländer fand sich weder ein Foto noch ein Plan, die Rekonstruktion mußte sich auf die Silhouetten der Anschlüsse an den Pfeilern sowie Beschreibungen abstüt­ zen. So gab z.B. die Rückenbreite des Hand­ besens, der beim Fegen seinerzeit exakt in die Öffnungen der Geländer paßte, ein Maß für die Versuchszeichnungen und Holzmodelle in natürlicher Größe, bis von gotisierenden Ansätzen eine vereinfachte und mit der nicht üppigen Formensprache der Natur­ steine im Inneren korrespondierende Fas­ sung gefunden war. Sitzungssaal Mehr noch als bei der Halle des Aufgangs, war beim großen Sitzungssaal für das Auge jede Spur der früheren Fassung getilgt. Bereits um die Jahrhundertwende scheint der 8 m hohe Raum mit einer Zwischen­ decke aus Rahmen und Tuchbespannung in der Höhe der Bogenansätze der Fenster abge­ hängt gewesen zu sein, weil er sich wohl trotz der zwei mächtigen Öfen zwischen den Por­ talen an der Innenwand nicht recht heizen ließ. Ein drei Stufen hohes Podium vor dem Ostfenster mit konkaver Brüstung, welches dem Richter, dem Staatsprocurator und dem Sekretär Platz gab, hatte seine Spur auf dem längsgerichteten breiten und ausgetretenen Riemenboden hinterlassen, ebenso die Podien der Zeugenbank beim Ofen und der Angeklagtenbank beim ersten Fensterpfeiler der Nordwand. Gegenüber dem Gericht, hinter der 191

längsgerichtetem Eicheparkett, das in sei­ nem Randbereich als Aufnahme der Idee der grauen Begleitstreifen der Wand, einen umlaufenden Fries aus Mooreiche zeigt. Nicht nur in akustischer Hinsicht erwies sich der Raum wegen seiner Geometrie als kaum beherrschbar-es wurde eine hochwer­ tige elektroakustische Anlage eingebaut – auch die Beleuchtungstechnik mußte indivi­ duell geplant werden. Die modernen Leuchten waren maßstäb­ lich einzufügen, sollten in der Bedeutung hinter die alte Ausstattung zurücktreten und auch im ausgeschalteten Zustand einen ästhetischen Beitrag leisten; die Aufhängung an der reichgeschmückten Decke war auf nahezu Null zu reduzieren und sollte den­ noch einen formal definierten Ort haben. Schlußbetrachtung Die Arbeit an der Instandsetzung des Amtsgerichts stand in erster Linie unter dem Ziel, alle erhaltene Originalsubstanz als Dokument zu bewahren und für die Zukunft schonend zu pflegen. Das Belassen von Gebrauchs- und Alterungsspuren ging vor optischer Perfektion. An zweiter Stelle rangierte die ergänzende Rekonstruktion oder Nachinterpretation, wenn dies für das Verständnis des Zusam­ menhangs einzelner authentischer Spuren bzw. für ein einheitliches Bild notwendig erschien. Im übrigen wurde mit deutlich erkenn­ baren modernen Mitteln eine harmonische Vervollständigung angestrebt. Zusammen mit dem notwendigen und auf die künftige Entwicklung ausgelegten Einsatz der modernen Haustechnik führte dies zu mehrfach widersprüchlichen Anfor­ derungen, für die ein Kompromiß oft genug erst während der Bauzeit zu finden war. Richard Sah! Schranke, die Advokatenplätze sowie noch weiter zurückliegend Einkerbungen, die eine Abschra nkung zum Publikum in der zweiten Fensterpfeilerachse nahelegen. Lange geplant und vermutlich Ende der 30er Jahre realisiert, kam dann eine abtren­ nende Riegelfachwerkwand in die erwähnte westliche Pfeilerachse. Ende der 50er Jahre wurde dieser Zu­ schnitt verfestigt, der Sitzungssaal erhielt neue türhohe Wandverkleidungen aus glatt furnierten Spanplatten, eine Q!iadratfeld­ decke mit Leuchtstoffröhrenringen. Im abgetrennten kleineren Teil hatte längst der Schornstein der Heizzentrale den Raum durchstoßen, das westliche Bogenfen­ ster der Nordwand war vermauert, die Zwi­ schendecke in eine hochbewehrte Beton­ platte zur Aufnahme einer Kompaktregal­ anlage verwandelt. Erst als der Saal freigelegt war und hinter den Verkleidungen die Maße der alten Täfer am Putzrand sichtbar wurden, ebenso wei­ tere handwerklich hervorragende Orna­ mentmalereien in den Tympanonfeldern der Bögen über den drei alten schmäler gemau­ erten Portalen, leider von Elektroleitungs­ schlitzen durchkreuzt, konnte das Mosaik des Restaurierungskonzeptes vervollständigt werden. Bis auf wenige zerstörte Fenster war die stark plastische Decke mit ihren vier Q!ier­ trägern, deren vergoldete Drechselkappen die Zugankerschrauben des Sprengwerks im Dach verdecken, lediglich zu reinigen. Gleiches galt für die erhaltenen oberen Bogenmalereien auf dem Ockergrund. Feh­ lende Teile wurden mit Papierschablonen übertragen. Für die zweifeldhohe Wandvertäfelung standen zur Rekonstruktion aus nebenlie­ genden Räumen ausreichend abgesicherte Vorlagen zur Verfügung, sie wurde als Rah­ men-Füllungs-Konstruktion mit einer dun­ kle Eiche imitierenden Bierlasur mit Feder­ stahlkämmen maseriert. Der alte Fußboden verblieb geschützt unter einer Aufdoppelung mit gleicherweise 192

Baudenkmäler, Alte Schwarzwaldhöfe Die Renovierung der Entenburg in Pfohren Allen Unkenrufen zum Trotz ist Ende des Jahres 1989 die Renovierung der Entenburg in Pfohren, Augapfel geschichtsbewußter Baaremer, abgeschlossen worden. Das Schloß war zehn Jahre lang vom Hause Für­ stenberg zum Verkauf angeboten worden, aber stets machten ernsthafte Interessenten Rückzieher. Deswegen mangelte es nicht an Skeptikern, als am 4. Februar 1987 der damals 33jährige Bankkaufmann,Jurist und Immo­ bilienhändler Ralf R. Röver aus Nagold für 80 000 Mark den geschichtsträchtigen Bau erstand. Dabei war ihm vom Kauf abgeraten worden: der Bau sei nicht renovierungswür­ dig, die Bausubstanz marode. Er überzeugte sich persönlich und stellte schnell fest, daß höchstens 15 Prozent der Holzbalken ausge­ wechselt werden müßten, das Mauerwerk weitgehend in gutem Zustand sei. Ursprünglich wollte Röver vier Wohnun­ gen innerhalb der teilweise 1,20 Meter star­ ken Außenmauern integrieren. Diese Pläne wurden dann auf zwei Wohnungen geändert und letztendlich zugunsten dem weitge­ hendst ursprünglichen Zustand fallengelas­ sen. Die Entenburg diente nämlich nach ihrer Erbauung 14 71 durch den Fürstenberger Graf Heinrich als Jagdschloß mit einer Wohnung im ersten und einem großen Saal im zweiten 193

Hn!!e Obergerschoß mit Trrppenmifgm18 194 Stock. Er bezeichnete sein Schloß in Pfohren als sein „Hus“. In diesem „Hus“ weilte drei Tage lang vom 25. bis 27. April 1507 kein Geringerer als König Maximilian I. (ab 1508 Kaiser), der seinem Ho&narschall, dem Gra­ fen von Fürstenberg, einen Besuch abstat­ tete. Wahrscheinlich wurde weniger über Regierungsgeschäfte als über Wildpret gere­ det, denn Kaiser Maximilian frönte hier der Entenjagd. Er war es auch, der dem Schloß den Namen Entenburg gab. So berichtet uns Heinrich Hug, der Verfasser der Villinger Stadtchronik. Noch ein zweites Mal, näm­ lich 1510, kam der Kaiser nach Pfohren und urkundete am 23. Oktober ein Schreiben unter der Angabe „en notre Jogis de Ent­ bourch“. Trotz des hochherrschaftlichen Besuches hatte die Entenburg an Attraktivi­ tät eingebüßt. Die Fürstenberger hatten 1488 um 5300 Gulden von der Witwe Barbara von Habsberg Donaueschingen gekauft und be­ vorzugten als Wohnsitz das dortige Schloß. Bereits 1568 wurde die Entenburg zur Zehnt­ scheuer umgebaut und genutzt.

Bei der Renovierung berücksichtigte man die vielhundertjährige Nutzung als Scheuer. Das wiederhergestellte Schloß sollte deswe­ gen nicht „zu geleckt“ aussehen. Man ent­ schloß sich, die im Satteldach integrierten Kegelstümpfe zu belassen, ursprünglich trug es nämlich ein Walmdach mit vier Kegeltür­ men. Ferner verzichtete der Bauherr auf einen Ausbau des Dachgeschosses. Das Dach wurde wieder mit Zedernschindeln gedeckt. Statt gegen das Landesdenkmalamt zu arbeiten, hat sich der neue Schloßbesitzer beraten lassen, schließlich ist die Entenburg schon sein drittes Schloßsanierungsprojekt, und man fand gemeinsam eine Lösung. Des­ wegen wundert es nicht, wenn Röver die Zusammenarbeit mit der Behörde als „sehr, sehr gut“ bezeichnet. Doch zunächst zogen mit den Bauarbei­ tern auch die Archäologen in die Burg und ihr Aushub brachte zu Tage, daß das Gebäude nicht im Wasser, sondern auf einer mehrere Meter breiten Terrasse stand, die mit Katzenkopfpflaster verlegt war. Etliche Qya­ dratrneter des alten Pflasters wurden im ursprünglichen Eingangsbereich, im Osten, wie auch an der Südseite freigelegt. Die gepflasterte Terrasse war von einem Mäuer­ chen eingefriedet, an das sich der etwa zehn Meter breite Wassergraben anschloß. Noch heute ist dieser Graben als Vertiefung in der Wiese zu erkennen. Über der Terrasse befand sich zudem im Eingangsbereich ein riesiges Vordach. Hier wurde die Küche vermutet (nicht bestätigt). Die Beantwortung des Küchenrätsels muß zunächst offenbleiben, wie auch andere Fragen, denen aus Geld­ und Personalmangel derzeit nicht nachge­ gangen werden konnte, weil nur 20 000 Mark für Grabungen zur Verfügung standen. Mit diesen Mitteln legten die Archäologen an der Westseite eine zusammengestürzte Abort­ grube frei. Darüber befand sich, wie auch an der Südseite, ein Toilettenschacht, der bis in den obersten Stock reichte. In der Abfall­ grube fand man reichlich zeitgenössischen Müll. Wahrscheinlich diente sie nach dem großen Kehraus, als die Burg aufgegeben wurde, als Müllkippe. Preziosen waren keine dabei, aber für den Fachmann sind auch Kacheln und Eßgeschirr von großem Wert. Derzeit werden die Funde noch ausgewertet und später gemeinsam mit den Ergebnissen von Bauforschung und Kunstgeschichte in einem eigenen Arbeitsheft publiziert. Heute sind Grube und Kopfsteinpflaster wieder mit Sand und Mutterboden bedeckt, denn die war dem verantwortlichen Archäologen Schmidt-Thome aus Freiburg am liebsten. Mit Kieseln gepflastert war auch die Ein­ gangshalle, die ursprünglich 1,20 Meter tiefer lag, weswegen sich heute die Schießscharten in Fußbodenhöhe befinden. Der vertiefte Fußboden und vorhandene alte Balken­ löcher weisen eindeutig darauf hin, daß das Jagdschloß eine Etage mehr gehabt hat. Im jetzigen Erdgeschoß war ein Zwischenge­ schoß eingezogen gewesen. Bei der Renovie­ rung hielt man sich aber an die spätere Stock­ werksaufteilung. Und gemäß Rövers Devise „So ehrlich wie möglich und so modern wie nötig“ wurde weiterverfahren. Die tragenden Balken konnten nach geringfügigen Ausbes­ serungen weiterverwendet werden, das äußere Mauerwerk mußte lediglich im Westen mit einem stählernen Ringanker gesichert werden. Die ursprüngliche Ein­ gangstüre im Osten wurde ebenso wie die vermauerten Fenster in der alten Größe wie­ der ausgebrochen. Wo keine Fensterwände mehr vorhanden waren, entschied man sich für die moderne Lösung der Stahlzargen. Dadurch konnte der Ausbruch so spärlich wie möglich gehal­ ten werden, ferner trugen sich Fenster und Fassung selbst, das heißt, es war keine zusätz­ liche Statik nötig. Im ersten Stock wurden entsprechend der Wandreste vier Zimmer eingezogen. Man bevorzugte Fußbodenhei­ zung, um die alten Außenmauern nicht durch Heizkörper zu verunstalten. Der Wunsch, die historischen Mauern möglichst unversehrt zu belassen, führte dazu, daß heute die Lichter per Funk bedient werden. Besonders reizvoll sind die vier Turmzim­ mer. Die alten Sitzbänke unterhalb der Fen- 195

ster und die Wandnischen blieben erhalten. Erhalten wurde auch der große Saal im ober­ sten Geschoß mit 200 �adratmetern. Um den ursprünglichen Stil des Hauses nicht zu verfälschen, hat der Bauherr auf ein zweites Treppenhaus verzichtet. Das moderne Stahl­ geländer verbindet gelungen Altes mit Neuem. Etliche Monate suchten Ralf und Anne Röver nach einem Käufer der Burg, aber oft zeigte sich schon in den ersten Minuten, daß die Käuferinteressen mit Rövers Renovie­ rungskonzept nicht konform gingen. Sie störten sich an dem bräunlich-grauen Ver­ putz, der soweit wie möglich noch aus den Zeiten vor der Renovierung stammte. Rövers war während der Bauzeit das Jagdschloß so ans Herz gewachsen, daß sie es nicht von einem Nachbesitzer verhunzen lassen woll­ ten. Deswegen entschieden sie sich zur Eigennutzung. Kunst und Antiquitäten sind nun vornehmlich in der geräumigen Ein­ gangshalle und im großen Saal ausgestellt und zum Verkauf angeboten. In wechseln­ den Ausstellungen werden Maler und Bild­ hauer vorgestellt. Es ist begrüßenswert, daß auf diese Weise weiterhin das Baaremer Kleinod Entenburg, wenn auch für 6 Mark Eintritt, dem Publikum zugänglich gemacht Antonia Reichmann werden kann. Rauchküchen in Schwarzwaldhäusern Wenn die Bäuerin des Schwizergottlieb­ hofs in Brigach eine Reißwelle in den Kachelofen geschoben hat, steigt aus Dach­ luken, Scheunentor und zwischen den Holz­ schindeln Rauch auf Nicht selten schlagen beunruhigte Spaziergänger Alarm, weil sie glauben, das Haus ginge in Flammen auf Der ungewohnte Anblick hängt mit der kaminlosen Feuerung zusammen, mit wel­ cher bis weit in das 18. Jahrhundert hinein alle Bauernhäuser im Schwarzwald ausge­ stattet waren. Heute ist diese Feuerungsart bis auf wenige verbliebene Stücke ver­ schwunden. Diese eindrucksvollen Zeug­ nisse früherer bäuerlicher Haustechnik und Lebenspraxis lehren uns, daß das alte Feue­ rungssystem ein Lebensnerv dieser Häuser war, dessen Beseitigung zumeist bedrohliche Folgen für die Gebäude hatte. Auf den ersten Blick erstaunt, daß es den Erbauern und Bewohnern dieser Bauernhäu­ ser gelungen ist, offenes Feuer so zu bändi­ gen, daß es für die ganz aus Holz errichteten Gebäude keine Gefahr darstellte; denn in der früheren Zeit Jeuerte und kochte man auf offenen Feuerstellen, wie man heute noch unschwer … dem Bau der alten Kochhäfen und den Dreiböcken unter dem Gerümpel 196 unserer ehrwürdigen Bauernhöfe feststellen kann.“ (Schilli, 1938). Der Reinertonishof von 1619 in Schön­ wald besitzt eine solche früher offene Feuer­ stelle noch im Original – der eiserne Herd­ aufsatz kam erst in späterer Zeit hinzu. über­ haupt zeigt dieser Hof die frühere Anord­ nung und Funktion der Rauchküche in der für die Höhenhäuser charakteristischen Bau­ weise: Die Feuerstelle befindet sich in derje­ nigen Ecke der Küche, die der Stube und dem Hausgang zugewandt ist. Die Wandab­ schnitte hinter der Feuerstelle sind im Erdge­ schoß gemauert-einziger massiv ausgeführ­ ter Teil dieser Holzhäuser. Über der Feuer­ stelle ist ein halbtonnenförmiger Rauch-und Funkenfang angeordnet. Dieses einem um­ gestülpten Trog ähnliche „Rauchhurd“, ein­ fach „Hurt“ oder „Gwölm“ genannte Bauteil liegt auf dem massiven Wandstück und auf einem hölzernen Unterzug auf (Abb. 1 und 2). Es besteht aus Flechtwerk unterschied­ licher Ausführung, das mit Lehm ver­ schmiert eine Stärke von etwa Handbreite erhält; in späteren Beispielen findet man auch aus Stein oder Ziegel gemauerte Aus­ führungen. So auch das zweite Gwölm im Reinertonishof, welches zur Feuerung eines

nachträglich eingebauten Leibgedings gehört. Die Küche reicht bei den Höhenhäusern stets über zwei Geschosse (Abb. 3). Das ist schon deshalb nötig, damit das Gwölm aus­ reichend Platz hat, aber auch der Rauch in einen ausreichend hohen Luftraum aufstei­ gen kann, wenn er unter dem Gwölm hervor­ quillt. Dies dürfte übrigens auch der Grund dafür sein, warum die Raumhöhe in den ein­ geschossigen Häusern des Kinzigtäler Berei­ ches so reichlich bemessen ist, daß man die Stuben mit einer abgehängten Decke versah. Zwischen dieser und dem Dachboden ver­ blieb ein allenfalls bekriechbarer, offener Raum, der als „Nußbühne“, ,,Rauchbühne“, ,,Dörre“ usw. bezeichnet wird. Abb. 1: Rauchhurt im Untergrundhof in Güten­ bach. Das mit Geflecht armierte Lehmgewölbe sitzt auf hölzernen Unterzügen. Unter der Decke zum Dachgeschoß sind Fleischvorräte zum Räuchern aufgehängt. Abb. 2: Hurtgewölbe vom Obergeschoß der Küche aus im Fusenhof, Geroldstal. Die Balken, die auch die Rauchfänge tragen, sind hier lose mit Brettern belegt. 197

Abb. 3: Schnitt durch den Wohnteil des 1619 erbauten Reinertonishofes, Schönwald. Deutlich sichtbar die Zweigeschossigkeit der Küche. Das zweite Gewölm rechts wurde im Zuge eines nachträglichen Libding-Einbaus später erstellt und ist massiv ausgeführt. Die Feuerungseinrichtung selbst besteht bei den erhaltenen Beispielen aus dem Herd, der immer in der Raumecke angeordnet ist, und dem Feuerloch für den Kachelofen der Stube, der ausnahmslos von der Küche aus geheizt wird. Der Rauch vom Herd wird zunächst durch das angrenzende Wandstück zur Stube hin geleitet, bevor er unterhalb der Hurt wieder austritt. Auf diese Weise leistet die Abwärme des Kochfeuers einen Teil der Stubenheizung. Das auf der Stubenseite mit Ofenkacheln versehene Wandstück heißt „Kunstwand“. In vielen Häusern des Schwarzwaldes ist dieser Bereich zu bankför­ migen Öfen ausgestaltet, ,,Kuscht“ (Kunst) genannt. Der eigentliche Kachelofen neben dem Herd hat einen ungeteilten Feuerraum und eine große Feuertür, beides nötig für das Heizen mit „Reißwellen“ (Reisigbündeln), deren Verbrennung in kurzer Zeit große Energiemengen freimacht. Der Rauch aus dem Kachelofen tritt gleichfalls unter der Rauchhurt aus, entweder direkt aus dem Feuerungsloch oder einer darüberliegenden Wandöffnung (Abb. 4 und 5). Das Rauchfanggewölbe übernimmt zu­ nächst die Aufgabe, den heißen Rauch abzu­ kühlen und zu verlangsamen und damit das Feuer ungefährlich zu machen. Das System galt unter den Einheimischen als außeror­ dentlich feuersicher, so daß zum Beispiel B. Kossmann (1894) berichtet, wiederholte Erkundigungen, selbst unter den ältesten Leuten hätten keinen einzigen Fall ergeben, 198

so es zu einem Brandfall aufgrund dieser Feuerungsart gekommen wäre. Der auf diese Weise unschädlich ge­ machte Raum tritt nun unter dem Rauch­ fang hervor, verteilt sich im Luftraum der Küche und streicht durch die zum Räuchern aufgehängten Fleischvorräte, bevor er durch ein kamingroßes Loch in der Küchendecke durch einen kurzen, auf dem Dachboden aufsitzenden Holzschacht, der wohl mehr als Brüstung dient, in den Dauchraum ent­ weicht. Bei manchen Haustypen, wie bei den Gutachtäler Häusern, waren im oberen Abschnitt der Küchenaußenwände Schlitze angebracht, durch welche der Rauch zum Teil auch direkt ins Freie gelangen konnte. Abb. 4: Einzelheiten der Feuerstelle im Reinertonishof Die „Rauchbühne“ über den Stuben der Kin­ zigtäler Häuser diente demselben Zweck. Wem die Ehre zuteil wird, in einem der wenigen erhaltenen Rauchküchenhäusern zum Vesper eingeladen zu sein, dem wird der Speck besonders gut schmecken. Der Grund für diese einzigartige Qualität liegt darin, daß der Rauch abgekühlt ist, bevor er seine Kon­ servierungswirkung ausübt, und daß der Speck frei im Luftstrom hängt. In früherer Zeit konnten auch Dielen im Dachboden über der Küche herausgenom­ men werden. Das geschah zu dem Zweck, das zu Garben gebundene Getreide zu trocknen, besonders, wenn es wegen des rauhen Klimas in den Höhengebieten vorzeitig geerntet SCHNITT 8-B HURT SCHNITI A-A HORIZONTALSCHNITT 0 1 J 111111111 I 2 1 3m 1 1 1 rU,: 1 1 �!!l!!!!� …… r====_j i i KLml 1 – – -·-o ! 1 1 11 8 1 1 1 .,. 1 : i 1 1 1 —‚—4- 1 . 1 199

Abb. 5: Feuerstelle im Reinertonishof Schönwald. In der Raumecke unter der Rauchhurt das ursprüng­ lich oifene Herdfeuer mit späterem Herdaufsatz. Dahinter das durch den Rauch beheizte Wandstück. Links neben dem Herd die gerade geöffnete Feuerungstür des Kachelofens der Wohnstube. 200

werden mußte. Damit sind aber die Auf­ gaben, welche das Rauchküchensystem in dem Haus zu erfullen hatte, noch nicht erschöpft. Denn diese Heizungsart hatte eine entscheidende Bedeutung für die Erhaltung des Gebäudes selbst. Auch in umgebauten Häusern zeigt die Schwärzung des Holz­ werks noch an, wie das Gebäude in früherer Zeit durch die Berauchung ständig aufs Neue konserviert wurde. Noch wichtiger aber war der Umstand, daß ein großer Teil der Feue­ rungsabwärme in den Dachraum aufstieg. Die trockene, gewärmte Heizungsabluft ver­ mischte sich dort mit der feuchten, gleich­ falls nach oben entwichenen Luft aus dem Stall. Diese wurde dadurch in gewissem Aus­ maß getrocknet und durch die Dachhaut aus Holzschindeln oder Stroh unschädlich nach außen abgeführt. Infolgedessen konnte nir­ gends das für Holzbauten so schädliche Kondenswasser entstehen (Abb. 6 oben). Die im ganzen Haus verteilte Abwärme erzeugte überdies einen thermischen Auf­ trieb, der die Durchlüftung des Gebäudes nachhaltig unterstützte. Auf diese Weise hatte ein verbranntes Scheit Holz gleichzeitig mehrere Aufgaben erfullt: Kochen, Heizen, Lebensmittel kon­ servieren, Getreide trocknen, Stall lüften, Gebäude konservieren und schließlich als Asche das Feld zu düngen. Welche Energieausnützung! Schon im 18. Jahrhundert begann man im Zuge baupolizeilicher Verordnungen zum Zwecke besseren Brandschutzes den Einbau von Schornsteinen zu verlangen. Bessere Brandsicherheit erreichte man damit aber nicht, im Gegenteil: Rauch und Funken wur­ den im Kaminquerschnitt gebündelt und beschleunigt, herausgeschleuderte Glut­ stückchen konnten die Holzschindel- und Strohdächer in Brand setzen. Zudem vertrug sich die starre Mauerstruktur der Schorn­ steine schlecht mit dem beweglichen Holz­ tragwerk; Druck auf den Schornstein führte so zu Rissen in den Mauerfugen, wodurch besonders bei Rußbränden im Kamin Heu und Stroh im Dachraum Feuer fangen konn- Hell· SCHINDEL· DACH /# u 0000, @‘ f f � 0 (9� u f f # �u-u-u1�.–T““l!11—.–+–‚-­ …:.JuuuL.f._.__+ .. n,1—+—‚ STAU. ………… RAlDi. fEIZUol‘.lSA!llT „‚>,“‚>,“‚>, 00000 KCl’006WASSER ‚WVWN’lf � FarnTE STAlUfl DAWFBREMSENDE DECKE ‚-. ‚-‚-. CACH..Ü’1.N3 • … ! .. :…. � Cl..ROi BAUTELE Abb. 6: Das Heizungs- und Lieftungssystem im Schwarzwälder Höhenhaus. Oben: Beim Rauchküchensystem stellt das Haus eine raumklimatische Einheit dar. Stalldunst wird unschädlich abgeführt. Mitte: Schornsteineinbau ohne zusätzliche Maß­ nahmen gefährdet das Gebäude durch Kondens­ wasserbildung. Unten: Bei der Sanierung gibt es drei getrennte raumklimatische Zonen: Stall, Wohnung, Dach­ raum. Besonders wichtig ist eine eigene Stall-Lüf tung. 201

ten. Ungezählte Schwarzwaldhäuser fielen diesem mißverstandenen „Brandschutz“ zum Opfer. Neben diesen Verlusten durch Brandkata­ strophen, denen man durch Abschaffung der Stroh- und Schindeldächer vorzubeugen versuchte, hatte -und hat-der Einbau von Schornsteinen aber auch schleichende, fol­ genschwere Auswirkungen auf diese Ge­ bäude. Denn mit dem Direktabzug von Rauch und Abwärme entstand eine bauphy­ sikalisch völlig veränderte Situation. Davon abgesehen, daß der konservierende Effekt des Rauches entfiel, entwich der feuchte Stalldunstja nach wie vor in den Dachraum, konnte sich nun aber nicht mehr mit einer Luftvermischen, die aufgrund höherer Tem­ peratur zusätzliche Feuchtigkeit aufzuneh- men vermochte – die Kondensationsgefahr stieg. Verstärkt wurde sie einerseits durch immer dichtere Dachdeckungsmaterialien, statt Stroh oder Holz zunächst Tonzie­ gel, dann Asbestzement („Schablonendek­ kung“), und heute die besonders dichten und für diese Anwendung problematischen Betondachsteine. Die Folge: nasse Stalldek­ ken, Kondensat in den Dachräumen, Verrot­ tungsvorgänge in der Holzkonstruktion. Was Jahrhunderte überdauert hat, ist durch die Beseitigung eines sinnreichen Systems vom Verfall innerhalb von Jahrzehnten bedroht (Abb. 6 Mitte). Die gefährlichen Auswirkungen des Schornsteineinbaus sind aber nicht zwangs­ läufig. Was die Heizungen selbst anbelangt, so hat man gelernt, den Zug der Kamine auch Abb. 7: Schnitt durch ein Kinzigtäler Haus mit Rauchküche und „Nußbühne“. Zeichnung von R. Schilling (1915 ). 1- Herd, 2 – Rauch hurt, 3 – Aschenbehälter, 4 – Kachelofen, 5- zum Außenraum hin offene „Rauch-“ oder „Nußbühne‘: 6 – Einschubdecke der Stube. 202

bei der nach wie vor beliebten Holz- und Reißwellenfeuerung durch die Konstruktion von Kachelöfen, Heizungen und Kaminen so zu begrenzen, daß vom Feuerungsvor­ gang keine Gefahr mehr für das Dach aus­ geht. Holzschindeln sind heute bei Restaura­ tionen wieder eine verbreitete Dachdeckung. Um die bauphysikalischen Abläufe in dem Gebäude nach dem Einbau eines Schornsteines wieder in Ordnung zu brin­ gen, müssen in dem Haus einige Veränderun­ gen vorgenommen werden. Während das alte Schwarzwaldhaus eine raumklimatische Einheit darstellte, sind nun die einzelnen Raumbereiche getrennt zu betrachten. So muß der Stall eigene Lüftungskamine (und entsprechende Zuluftöffuungen) erhalten, die für Durchlüftung im Stall sorgen und den Stalldunst über Dach abführen. Auch der Dachraum muß für sich belüftet werden, und die Wohnung ist ja schon durch den Schornsteineinbau eine eigene „Klimazone“ geworden. Der freie Luftaustausch zwischen den drei Bereichen wird weitgehend unter­ bunden. Die unterschiedlich temperierten Räumlichkeiten erhalten an den Berüh­ rungsflächen eine berechnete Wärmedäm­ mung, um Kondensationen an oder inner­ halb von Bauteilen auszuschließen (Abb. 6 unten). Die meisten Schwarzwaldhäuser warten noch auf diese Maßnahmen, die unverzicht­ bar sind, sollen diese Erbstücke unserer Landschaft für eine weitere lange Lebens­ dauer gerüstet sein. Die wenigen verbliebenen Rauchküchen müssen heute nicht mehr den Vorschriften zum Opfer fallen (Abb. 7). Die Bauordnung sieht ein solches System selbstredend nicht vor, aber die Zusammenarbeit verständnis­ voller Fachleute, ob aus Baubehörden, Gebäudeversicherung, Branddirektion oder Schornsteinfegerhandwerk ermöglicht es, erhaltende Lösungen zu finden. Gleichzeitig befreit der Einbau einer separaten Arbeitskü­ che die Hausarbeit von dem beißenden Rauch. So besteht die Hoffnung, daß im eingangs erwähnten Schwizergottliebhof das Speck­ räuchern auch nach der fälligen Restaurie­ rung so unvergleichlich gelingt wie seit über vier Jahrhunderten. Prof. Dr. Ulrich Schnitzer L i t e r a t u r : E i s e n l o h r , F., Die Holz­ bauten des Schwarzwaldes, Karlsruhe 1853. -K o s s m a n n , B., Die Bauernhäu­ ser im badischen Schwarzwald, Berlin 1894. – S c h i l l i , H., Vom Schlot der Schwarzwaldhäuser, Oberdeutsche Zeit­ schrift für Volkskunde, 12. Jahrgang 1938. – S c h i l l i n g , R., Das alte malerische SchwarzwaldHaus, Freiburg S c h n i t z e r , U., Schwarzwaldhäuser von gestern für die Landwirtschaft von mor­ 1915. gen, Stuttgart 1989.,,._ ,. Fascht verrote oder Isch Karlsruah d‘ Hauptschtadt vom Badische? ,, Wia heißt di Hauptstadt vo dem Land“, Dr Lährer sait, „ihr weres au fange kenne; Mit Stolz tuat es sich ’s Badisch nenne, Die Stadt liegt rechts vom Rheinesstrand.“ ,, Wie dr erseht Teil von dera Stadt, So heiße viele Buebe in eure Klasse; Dr zweite, wenn ich mich drbi recht will [fasse, Dös brucht mer, wenn mer geht in d‘ Kratt“. Zletscht goht ihm doch d‘ Geduld bal us: ,,Di dumme Streich, di seile könnener bhalte, Nu mit dr Weisheit, seit blibts bi eu bim alte.“ Doch keiner rotet Karlsruah rus! Dr Ernst als einziger uffstoht: „Herr Lährer, dia wird wohl Friedrichshafe [heiße – In üsre Klasse tüen viel Friedrich heiße, Un dr Hafe brucht mer, wenn mer ins Bett [goht!“ Bertin Nitz 203

Museen Aus den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen in Donaueschingen Der Falkensteiner Altar des Meisters von Meßkirch – Rechter Standflügel Wer das Glück hat, die Fürstlich Fürsten­ bergischen Sammlungen in Donaueschin­ gen öfters besuchen zu können, der wird bei jedem Besuch der Gemäldesammlung alt­ deutscher Meister von einem Künstler immer mehr gefesselt. Es ist dies der „Meister von Meßkirch“. Noch heute reizt der anonyme Künstler die Kunsthistoriker dazu, Detektiv zu spie­ len und ihn zu identifizieren. Den neuesten Versuch bietet der im Januar 1990 erschie­ nene große Katalog der F. F. Sammlungen. Einer der Mitverfasser, Claus Grimm, hält den Meister von Meßkirch für den Maler ,Josef Maler“ aus Balingen. Neben dem Juwel der Donaueschinger Sammlungen, dem „Wildensteiner Altar“ des Meisters von Meßkirch, wird dessen Pen­ dant der „Falkensteiner Altar“ von der Besu­ chergunst beinahe etwas stiefmütterlich behandelt. Es stimmt, daß sein Mittelbild durch schwere Beschädigungen viel von sei­ ner Wirkung eingebüßt hat, doch der linke Stellflügel ist weltberühmt. Kaum ein Kunst­ kalender kommt ohne den gewaltigen Chri­ stopherus aus mit seinem unvergeßlichen durchbohrenden Blick und den heute noch glühenden Farben. Daneben könnte der etwas dunkel hängende rechte Stellflügel fast übersehen werden. Dabei zählt er sicher zum Kostbarsten und Höchstrangigsten unter den Werken des Meisters von Meßkirch, die in den Sammlungen zu sehen sind. Nur drei Personen bilden den Inhalt die­ ses Altarflügels. Wie ein Kontrapunkt zum Wildensteiner Altar zeigt er eine Reduktion auf das Wesentliche, die dem Inhalt, der Komposition, der Farbgebung und der Aus­ sage eine ganz besondere Kraft verleiht. 204 Schon geographisch bildet der Falkenstei­ ner Altar ein Gegenstück zum Wildensteiner Altar. Er war in der dunklen Burgkapelle im hohen Turm der Burg Falkenstein im Donautal aufgestellt. Falkenstein, das heute zerstört ist, liegt der Burg Wildenstein schräg gegenüber am Nordufer der Donau. Der Herr von Burg Falkenstein hatte sich auf den Seitenflügel seines Annenaltares zwei Heilige malen lassen, die gegen die Pest helfen sollten. Es sind die gleichen Personen wie sie auf dem Wildensteiner Altar ebenfalls vorkommen: der heilige Sebastian und der heilige Rochus. Beide waren damals äußerst populär wegen der allgemeinen Furcht vor der Pest. Sebastian ist heute bekannter als Rochus wegen der besonderen Art seines Martyriums. Er war als religiös abtrünniger kaiserlich römischer Offizier mit Pfeilen standrechtlich erschossen worden, ,,bis daß er stund wie ein Igel“, wie es in seiner Legende heißt. Dieses erschreckende Bild ist in den Sammlungen in vollplastischer Dar­ stellung ebenfalls zu sehen. Sein Martyrium und Schutzpatronat wurde in engen Zusam­ menhang gebracht mit der damaligen Erklä­ rungsart der Entstehung von Pestepidemien. Wie der Pestaltar in der Lorenzkapelle von Rottweil mit aller Deutlichkeit zeigt, glaubte man, daß Gottvater Pestpfeile auf die sün­ dige Menschheit abschieße zur Strafe für die begangenen Sünden. (Übrigens eine theolo­ gische Auffassung, die schon der Antike geläufig war. Sie glaubte, der Gott Apollo schieße Pestpfeile zur Strafe auf die Mensch­ heit ab.) Sebastian war nach damaliger Vorstellung derjenige, der sich schützend vor die Menschheit stellte und mit dem eigenen

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Körper diese Pestpfeile auffing. Sein Kenn­ zeichen in der Heiligendarstellung sind immer die Pfeile. Der zweite Pestheilige auf unserem Bild ist der heilige Rochus, in Italien S. Rocco. Er ist eine sehr legendäre Gestalt, doch seine Legende ist besonders menschlich anrüh­ rend und geradezu tragisch. Auf einer Pilger­ fahrt nach Rom gerät er in Italien in eine Pestepidemie. Ohne Rücksicht auf sich selbst pflegt er die von ihren Mitmenschen verlassenen Kranken und Sterbenden. Er wird selbst pestkrank. Trotz seiner selbstlo­ sen Hilfsdienste wird er aus der Stadt gna­ denlos verjagt. Er wäre rettungslos verloren gewesen, wenn ihm nicht ein Engel zu Hilfe gekommen wäre und ihn gesundgepflegt hätte. Damit hat seine Lebenstragik noch kein Ende, doch dieser Teil seiner Lebensge­ schichte hat mit unserem Bild nichts mehr zu tun. Der helfende Engel kniet am unteren Rand unseres Bildes und verleiht der Kom­ position erst die endgültige Ausgewogen­ heit. Inwiefern? Schon allein die Führung der Konstruktionslinien sorgt dafür, daß die 3 Gestalten nicht einfach additiv zusammen­ gestellt werden, wie auf dem Holzschnitt von Hans Schäufelin (Neuer Katalog S. 78). Konstruktiv und menschlich stehen die drei Figuren in einem engen Zusammenhang. Sebastian schaut auf Rochus. Rochus senkt den Blick zu dem vor ihm knienden Engel und legt seine Hand hilfesuchend und dankbar zugleich auf dessen Schulter. Der Engel aber richtet seinen intensiven, fast magnetisch wirkenden Blick (wie der Chri­ stopherus) auf den Betrachter des Bildes. So wird aus dem Dreiklang ein Vierklang. Doch auch der umgekehrte Weg ist dem Betrachter nahegelegt. Nach dem Kontakt mit dem Engel führt in die Hand zum Haupt des Rochus, von wo der Blick fast automatisch zum Antlitz des Sebastian überspringt und erschreckt an dem furchtbaren Pfeil des Sebastians hängen bleibt. Der gibt ihm wie­ der das Gefühl einer Bedrohung, die von außerhalb des Bildes kommt. Beide Hauptfiguren füllen fast das ganze 206 Hochformat des Bildes. Sie stehen vor einem Goldhintergrund, der von H. Feuerstein•) mit Erstaunen als ungewöhnlich registriert wird, denn der Meister von Meßkirch bewegt sich schon im Bereich des Manierismus, zu dieser Zeit malt man den Himmel durchaus realistisch und kaum mehr als Goldgrund. Aber gerade er ist es, der dem Bild seine Fern­ wirkung verleiht. Doch beide Gestalten ste­ hen vor einer Landschaft, Sebastian vor einer dunkelgrünen Vegetation, Rochus kommt aus einer weitgedehnten Landschaft als Pil­ ger auf uns zu. Sein rechter Fuß will schon den Bildrand auf uns zu überschreiten. Der Betrachter hat so das Gefühl, unmittelbar vor den Figuren zu stehen. Eindrucksvoll ist die Charakterisierung der 3 Figuren. Drei Lebensalter stehen uns gegenüber. Sebastian ist in einem jugendlich fuschen Karnat dargestellt. Ein rosiger J ugendschim­ mer liegt auf seinem Gesicht, das von üppi­ gen blonden Locken eingerahmt ist. Sein im Rot der Märtyrer gemalter Mantel hüllt ihn ein. Die Farbe spielt in der ganz typischen Weise des Meisters von Meßkirch unter der Wirkung des von rechts kommenden Seiten­ lichts vom tiefsten Schwarzrot bis zum hell­ sten Weißrat. Sein Körper ist bei vorgestell­ ten Füßen an seinen Marterbaum fast ruhend angelehnt. Seine gefesselten Arme hängen ganz unverkrampft über einen Ast­ stumpf des Baumes herab. Das Gesicht wen­ det er völlig entspannt und ruhig Rochus zu. Er sieht ihn völlig gesammelt an, und das obwohl ihn ein furchtbarer Pfeilschuß getroffen hat. Sein übergroßer Nimbus und die Nähe des Engels zeigt, daß er dem Irdi­ schen schon ganz entrückt sein darf. Rochus wird als Greis dargestellt mit wet­ tergebräuntem Gesicht, Haarkranz und grauem Vollbart. An seiner Gewandung kön­ nen die vielfältigsten Abschattierungen ins Grau spielender Farbtöne beobachtet wer­ den. Unter einer braungrauen Überjacke trägt er ein blaugraues Gewand, das der Mei­ ster in feinsten Nuancierungen gemalt hat. Es zeigt die vielfältigsten Raffungen und,

dem rechten Bildrand zu, sogar noch typisch gotische Wellen-und Röhrenfalten. Seine stämmigen Beine, in genauester Anatomie, werden frei, denn der Engel muß mit einem medizinischen Gerät die für Rochus typi­ sche Pestbeule an seinem rechten Ober­ schenkel behandeln. Seine kräftigen Waden stecken in eigenartigen Rollstrümpfen ohne Strumpffuß und -sohle. Barfuß muß er wan­ dern. Dabei stützt er sich auf einen manns­ hohen Pilgerstab und hält noch einen riesi­ gen Rosenkranz fest. Liebevoll legt er dem helfenden Engel die Hand auf die Schulter und schaut ruhig auf ihn herab. Der Engel ist als Kind dargestellt. Viel­ leicht weist er schon auf die Auffassungen des kommenden Barockstils hin. Auch er ist in ein Gewand gehüllt, das eine Symphonie von gelbroten Tönen darbietet. Er kniet und schließt so die von den beiden anderen Gestalten kommenden Konstruktionslinien zu einer Einheit zusammen. Von ihm aus strömt noch einmal farbliches Leben in das Bild, und wir können nachempfinden, warum Heinrich Feurstein den Meister von Meßkirch einen Koloristen von Weltgeltung nennt. Martin Hermanns *) Heinrich Feurstein, der einstige Stadtpfar­ rer von St.Johann in Donaueschingen, hat den ersten wissenschaftlich verwendbaren Katalog für die F. F. Sammlungen verfaßt. Literaturhinweis: Dr. Heinrich Feurstein: Die Fürstlich Fürstenbergischen Samm­ lungen zu Donaueschingen, Verzeichnis der Gemälde, Donaueschingen 1934. Claus Grimm und Bernd Konrad: Die Fürstenberg-Sammlungen Donau­ eschingen, Altdeutsche und schweizeri­ sche Malerei des 15. und 16.Jahrhunderts, München 1990. Internationales Luftfahrt-Museum auf dem Schwenninger Flugplatz Auf dem Schwenninger Flugplatz wurde am 28. Mai 1988 ein internationales Luft­ fahrt-Museum eröffnet. Einige zigtausend Besucher konnte das Ehepaar Manfred und Margot Pflumm schon im ersten Jahr des Bestehens ihres Internationalen Luftfahrt­ Museums verbuchen. Der weit über die Lan­ desgrenzen hinaus bekannte Flugzeug­ Restaurator und die versierte Kauffrau betrei­ ben ihr Museum auf rein privater Ebene. Auf dem rund 13000 qm großen Areal, direkt am Schwenninger Flugplatz angren­ zend, ist der „Flugpark“ inzwischen auf 30 Exponate angewachsen. Die wetterfesten Vögel stehen im Freigelände. Hier einige Bei­ spiele: -Die russische ANTONOV II mit 19 m Spannweite und 4 m Höhe, der größte Doppeldecker der Welt, wurde direkt aus Warschau nach Schwenningen eingeflo­ gen. – Aus dem Ostblock stammt auch die MIG 15, ein Düsenjäger aus dem Jahre 1948, den die Pflumms im flugfahigen Zustand gekauft haben und der aufgrund gesetzli­ cher Bestimmungen erst auf dem Muse­ umsgelände fluguntauglich gemacht wurde. -Der berühmte STARFIGHTER F 104 und die legendäre ME 109. Die Runddach-Halle, Stellfläche 500 qm, beherbergt die empfindlichen Maschinen. Auch hiervon einen Auszug: -SIEMENS-SCHUCKERT SSW-D III, Bau­ jahr 1918, übrigens das einzige noch erhal­ tene flugfähige Modell in Deutschland.207

– GRUNAU BABY, Segelflugzeug, Ent­ wicklungsjahr 1931. – Die KLEMM 2, populärstes Flugzeug des Böblingers Hans Klemm (1928). Mit Ernst Udet, dem bekannten Piloten, wurde das Flugzeug sogar zum Star in den Filmen „SOS EISBERG“, ,, WEISSE HÖLLE AM PIZ PALUE“ und „ WUNDER DES FLIE­ GENS“. – Nicht zu vergessen ein ausgezeichneter Nachbau des Dreideckers FOKKER DR-1 von Manfred Pflumm. Dieses Flugzeug 208

war die Lieblingsmaschine des „Roten Barons“ Manfred von Richthofen. – Daneben weitere Oldtimer wie BUEK­ KER JUNGMANN, BUECKER BEST­ MANN, VOLKSPLANE usw. – Außerdem Triebwerke, Motore und was sonst noch zu einem Flugmuseum gehört. Nachdem ich meinen Rundgang beendigt habe, nehme ich auf einer der an den Kieswe­ gen entlang stehenden Ruhebänke Platz. Herr Pflumm und sein Schwiegersohn, R. Steinert, der in die Firma einsteigen soll, gesellen sich zu mir. Wir kommen ins Gespräch. Auf Streifzügen im In- und Ausland, immer in Begleitung seiner Frau, die sein Fai­ ble für das anfangs nur als Hobby betriebene Unterfangen teilt, beschafft er sich seine Raritäten. Und wie er sagt, nicht selten auf recht abenteuerliche Weise. Oft sind es nur Teile einer alten Maschine, die er an Orten „findet“, die weit auseinander liegen. Schon sehr oft hat er dann die Teile nach alten Ori­ ginalplänen, die meist in England aufgespürt wurden, wie ein Puzzlespiel zusammenge­ fügt. Interessenten hatte und hat Herr Pflumm, wie er berichtet, noch heute in den weitge­ streuten Museen in und außer Lande. Aus diesen Verbindungen heraus begann dann der Wunsch zu reifen, selbst ein Flugzeug­ museum zu erstellen. ,,Leicht war es nicht“, meint Herr Pflumm, ,,mein Wunschdenken in die Realität umzusetzen. Aber mit viel Ausdauer haben wir es dann doch geschafft.“ „Aber es gibt noch viel zu tun“, meint er und erklärt mir anhand einer Skizze, wie die ganze Anlage nach Fertigstellung aussehen soll. Apropos Fliegen, ab und an schicken die Pflumms ihre Besucher nach vorhergehen­ der Anmeldung auch in die Luft. Geflogen wird mit einem alten Doppeldecker, Jahr­ gang 1933! Die Exponate werden ständig ergänzt. So wurde eine FIAT G 91 von der Deutschen Luftwaffe erstanden. ,,Obwohl diese Maschi­ ne ausgemustert wurde, mußte ich doch noch ganz tief in die Tasche langen“, berich­ tet Herr Pflurnm. Aber, wie er weiter erzählt, ist er doch sehr erfreut darüber, daß er über­ haupt zum Zuge gekommen ist. Dieses Auf­ klärungsflugzeug war bis Mitte der 60er Jahre als Ausbildungsmaschine der Luftwaffe in Erding eingesetzt. Hier steht sie nun im Freigelände, neben einem Hubschrauber aus dem Jahre 1948 und wartet auf ein neues „Make-up“. Christine Käste! Ländlicher Flugplatz oder Lilienthal im Aitrachtal Auch hier lernen sie fliegen – aber vorher muß die Wiese als Beweggrund für den verlockend neuen Gesichtskreis gemäht werden. Hoch hinaus ist die Devise, höher hinaus als Kirchturmspitze und einengende Berggrenzen – Die Flucht in ikarische Euphorie ist in Frage zu stellen. Wer war Ikarus? Gefiederte Sage – Die Sonne schmilzt weder Metall noch Kunststoff. Im Aufwind klinken sie aus, abgenabelt vom Ackerniveau: Das ganze Land liegt ihnen zu Füßen: Lilliputland. Mit dieser Optik landen sie nachher wieder im Vorher. Jürgen Henckell 209

Vom Lein zum Leinen Gerätesammlung für die verschiedenen Arbeitsschritte im Kelnhof-Museum in Bräunlingen Das KelnhofMuseum der Stadt Bräunlingen wurde im Spätherbst 1988 eröffeet (vgl. Alma­ nach 90, Seite 193-197). Die Mehrzahl der im Kelnhof ausgestellten Objekte stammte aus dem Fundus des Bräunlinger Heimatmuseums, das mit Unterbrechungen von 1923 bis 1971 bestand. In Zusammenarbeit von Stadtvenoaltung und Kulturforderverein wurde der Kelnhof nach einem neuen Konzept eingerichtet und zeigt heute eine bunte Palette interessanter Abteilungen, die den Rahmen des „Heimatmuseums“ sprengen. Ein Raum hat die Gewinnung und Verarbeitung von Flachs zum Thema, über den in dem nach­ folgenden Beitrag berichtet wird. Bis zum „Baumwoll-Boom“ um die Jahr­ hundertwende wurde Flachs auch in unserer Gegend angebaut, wenn auch nicht, wie z.B. in Oberschwaben, im großen Stil als Han­ delsware. In Bräunlingen spielte der Flachs­ anbau jedenfalls eine nicht unbedeutende Rolle. Immerhin gab es eine gemeindeeigene spezielle Darre, eine Dörrgrube, die bereits im Mittelalter und noch in der Neuzeit bestand. Außerdem wurde Flachs immer wieder als Teil des Kleinzehnts erwähnt. Was die Weiterverarbeitung des gesponnenen Flachses betrifft, so waren die Weber eine der einflußreichsten Zünfte der Stadt, denn sie waren gut organisiert und für den Markt in Bräunlingen von existenzieller Bedeutung. Lein (Linum usitatissimum L.) gehört zu den ältesten Kulturpflanzen. Bei archäologi­ schen Grabungen in Syrien ließ sich ange­ bauter Lein aus der Zeit von etwa 7500 bis Mittelpunkt des Raumes ist der große Webstuhl aus dem 19.jahrhundert 210

5500 v. Chr. nachweisen; die ältesten be­ kannten Leinengewebe entstanden in Ägyp­ ten um 3500 bis 3000 v. Chr. Lein hat mehrfache Bedeutung: Aus den Fasern der Pflanze gewinnt man Flachs zur Herstellung von Textilien (Leinen). Die eiweißreichen Leinsamen spielen eine Rolle bei der Ernährung und dienen, nachweislich seit römischer Zeit, zu Heilzwecken. Leinöl enthält eine essentielle Fettsäure, ist daher ein wertvolles Speiseöl, wird aber auch zu technischen Zwecken verwendet (z.B. Fir­ niß, Linoleum). Da sowohl der Anbau von Lein als auch die Aufbereitung der Pflanze zur Gewinnung der Fasern und die Weiterverarbeitung sehr arbeitsintensiv waren, wurde Lein bis vor kurzem in unserer Gegend nirgends mehr angebaut. Seit drei Jahren laufen in Baden­ Württemberg Versuche, den Flachsanbau wieder einzuführen und zu fördern; die Arbeitsgänge von der Aussaat bis zur Ernte sind jetzt voll mechanisiert. Die Aussaat erfolgt in der Regel im April, die Vegetations­ zeit beträgt rund 100 Tage. An Bodenqualität und Klima stellt der Lein zwar keine beson­ deren Ansprüche, doch braucht er zum Zeit­ punkt des Längenwachstums (Mai) ausrei­ chend Niederschläge. Daß der Boden unkrautfrei gehalten werden muß, ist die zweite Bedingung, die der Anbau von Lein stellt. Während es heute genügt, einmal ein Herbizid zu spritzen und bereits ein Anbau­ verfahren ohne die Verwendung von Unkrautvernichtungsmitteln erprobt wird, mußte früher der Flachsgarten bis zu neun­ mal pro Saison gejätet werden -dieses müh­ selige Geschäft war Frauenarbeit. Faserlein wird geerntet, wenn die Stengel sich gelb verfärben und die Stengellänge etwa 75 bis 100 Zentimeter beträgt. Das Aus­ raufen, das früher sorgfältig und von Hand geschehen mußte, wird nun voll maschinell erledigt. Nach dem Ausraufen mußte der Flachs in Bündeln auf dem Feld getrocknet und danach die Samenkapseln von den Sten­ geln getrennt werden, in dem sie büschel­ weise durch eiserne Riffeln wie durch einen Die Fl.achspjlanze mit Blütenstand, Knospen und Samenkapseln in einer Darstellung von 1545 (Holzschnitt von Leonhart Fuchs.) Kamm gezogen und dann mit Dreschflegeln bearbeitet wurden. Die Leinsamen dienten als Saatgut und zur Ölgewinnung und auch die Rückstände Spreu und ausgepreßte Samen wurden als Streumaterial bzw. Futter­ mittel verwendet. Beim modernen Anbau von Faserlein wird den Leinsamen nur wenig Beachtung geschenkt-sie werden durch den speziellen Ollein erzeugt. 211

Auch handwerkliche Präzisionsarbeit mit Liebe zum Detail zeigt sich in den zur Flachsverarbei­ tung notwendigen Geräten Bei der weiteren Verarbeitung des Faser­ leins kommt es darauf an, die Faserbüschel in den Stengeln von den übrigen Pflanzenteilen zu trennen. Die heutigen Bestrebungen, die allerdings noch im Versuchsstadium stecken, laufen darauf hinaus, das komplizierte und arbeitsintensive Trennungsverfahren durch zunehmenden maschinellen Einsatz zu ver­ einfachen. Auch die Kombination von Lei­ nen mit Baumwolle oder Kunstfasern in der modernen Textilindustrie führt zu rationel­ leren Verarbeitungsmethoden. Früher wurde die Trennung durch einen chemischen Pro­ zeß eingeleitet, von dessen Gelingen die Qialität des Flachses stark abhing, und des­ sen Ausführung vor allem ein hohes Maß an Erfahrung erforderte: Durch die Einwirkung von Wasser ließ man die holzigen Stengel­ teile verrotten (Tauröste auf der feuchten 212 Alte Arbeitsgeräte veranschaulichen die Verarbei­ tung des Leins zu Flachs Wiese oder Warmwasserröste in langsam fließendem Gewässer), wobei Wassertempe­ ratur, Klima und Dauer des Prozesses genau überwacht werden mußten. Die Stengel ließ man danach an der Luft trocknen und dörrte sie anschließend. Das nun spröde Material wurde bündel­ weise mit der schweren hölzernen Flachsbre­ che bearbeitet, wodurch der Holzkern in der Mitte der Stengel zerbrach. Durch das Klop­ fen mit dem Schwingholz wurden die gröb­ sten holzigen und spröden Teile entfernt. Büschel für Büschel wurde durch die eiser­ nen Zähne der Grob- und der Feinhechel gezogen wie durch eine Bürste. Nach den ersten Durchgängen beim Hecheln erhielt man das „Werg“ aus den kur­ zen und verworrenen Fasern und verwendete es vor allem zur Herstellung von Sacklein-

wand. Der feine, lange Flachs wurde zu Strängen gewunden und durch Spinnen wei­ terverarbeitet. Durch das Spinnen werden mehrere Fäden zu einem einzigen starken Faden zusammengedreht, und dieser Faden wird gleichzeitig aufgewickelt. Auch dies war überwiegend die Arbeit von Frauen. Ältestes und bis ins späte Mittelalter ver­ wendetes Spinngerät ist die Spindel. Spin­ deln wurden aus Holz hergestellt und besa­ ßen einen Ring aus Ton, Metall, Stein oder Holz, der durch sein Gewicht den Umschwung förderte -den Wirtel. Die Spin­ del wurde durch die rechte Hand der Spinne­ rin ständig in Bewegung gehalten, dadurch bekam der Faden die Drehung und wickelte sich um die Spindel. Gleichzeitig zupfte die Spinnerin mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand den Flachs aus dem Spinn­ rocken. Der Spinnrocken, auch Kunkel genannt, trug das Bündel Flachs und war beim Gehen und Stehen am Gürtel der Spin­ nerin befestigt. Technische Fortschritte brachten das Handspinnrad (14. Jahrhundert) und das Tretspinnrad (16. Jahrhundert). Tretspinnrä­ der wurden bis ins 19. Jahrhundert verwen­ det. Der Spinnrocken wurde auf einem Stän­ der befestigt oder war fest mit dem Spinnrad verbunden. War eine Spindel voll, wurde das Garn auf den Haspel umgespult, wodurch Stränge entstanden. Als Strang wurde der gesponnene Flachs auch gehandelt, bevor er auf dem Webstuhl weiterverarbeitet wurde. Webstühle waren seit um 2000 v. Chr. in Ägypten bekannt. Die ältesten europäischen Webstühle waren senkrechte Geräte. Der „liegende Webstuhl“, wie er im Prinzip heute noch benutzt wird, kam um 1000 v. Chr. auf. Beim Webvorgang werden die Längsfäden (Kette) mit �erfäden (Schuß) verbunden. Dies kann auf drei Arten geschehen, die sich aber variieren lassen: Die Leinwandbindung, die Köperbindung und die Atlasbindung. Der Webvorgang besteht aus vier, sich stets wiederholenden Arbeitsschritten, dem Heben und Senken von Kettfäden, damit das Webefach entsteht; dem Eintragen des Schusses in das Webefach; dem Anschlagen des Schusses mit dem Webeblatt an den letz­ ten Schußfaden im Gewebe und dem Wech­ sel des Webefaches. Die zur Bearbeitung der Flachsfasern und zur Weiterverarbeitung des Flachses notwen­ digen Arbeitsgeräte sind für den heutigen Betrachter interessant, da ihre Funktion und Technik mittlerweile meist gänzlich unbe­ kannt sind. Die Gerätesammlung des Keln­ hof-Museums zeigt die verschiedenen Arbeitsschritte lückenlos, und die Geräte selbst -von der Hechel bis zum Spinnrad und dem Handwebstuhl -zeugen von einem hohen handwerklichen Können ihrer Her­ steller und davon, daß früher selbst einfache, zweckgebundene Arbeitsgeräte mit Liebe zum Detail auch fürs Auge schön gestaltet worden sind. Susanne Huber-Wintermantel, M. A. Mariä Liechtmeß D‘ Liechtrneß duet a d‘ Sunn sech loane. ’s Büebli blooset d‘ Liechtli uus, d‘ Feischterschiibli frindli blinzlet, ghuuchet gfrorni Blüemli druus. ’s knöschblet scho im Garte d‘ Schtuude und de Dag bliibt länger schtau. Ade Kunkle ’s Wearch ischt gspunne, umme ischt -Z: Hogarde gau. ’s Waas ischt gweiiht und liit im Zeänli, Kerze schlank und Schtöckli klei. D‘ Modder duets zmol liebli schtriichle. ’s ischt e Taufkerz‘ schint’s debei. Gottfried Schafbuch 2. Februar 1948 213

Kunst und Künstler Der Baarmaler Hans Schroedter – Illustrationen für Kinder Hans Schroedter, zweifelsohne einer der besten Grafiker seiner Zeit, entstammt einer Künstlerfamilie. 1872 in Karlsruhe geboren, hat er vom Großvater Adolf Schroedter viel künstlerische Begabung geerbt und auf eigene Weise intuitiv umgesetzt. Als seine Familie nach Cannstadt übersiedelte, ver­ blieb der junge Schroedter in Karlsruhe im Hause seiner Großeltern, und die von ihm sehr geliebte Großmutter Alwine Schroed­ ter, eine geschätzte Blumenmalerin, trug das Ihrige zur Förderung des begabten Enkel­ sohnes bei. 1891 begann Schroedter sein Studium an der Karlsruher Kunstakademie und nam­ hafte Künstler der Zeit waren seine Lehrer, wie Ernst Schurth, Professor Poetzelberger, bei dem er die graphische Ausbildung erhielt und Carlos Grethe. Mit Grethe unternahm Schroedter seine erste Studienfahrt an die Nordsee. Zwei Jahre blieb er in einer Künst­ lerkolonie, vergleichbar der von Worpswede, in der Nähe von Cuxhaven. In der Kolonie vertieften sich Sicht und Einstellung gegen­ über der Künstlerlandschaft, Freiluftmalerei wurde betrieben. Studienreisen nach Paris, „Drr wr[ße Hir,1cb“, Ballade von Ubland. 1908 c-J“1.., , 214 ,·

London und Italien folgten, danach ein län­ gerer Aufenthalt in München. Am tiefsten und nachhaltigsten von all den verschiedenen Vorbildern beeindruckte allerdings der Schwarzwaldmaler Hans Thoma den jungen Künstler und 1904 kehrte er nach Karlsruhe zurück und wurde Mei­ sterschüler bei Thoma. Nach der Heirat mit der Sopranistin und Oratoriensängerin Nel­ lie von Födransperg zog es den Maler immer wieder in die herbe Baarlandschaft, die er in vielen Bildern festhielt. Hier fand er letzt­ endlich seine Wahlheimat und baute sich am Rande von Hausen vor Wald ein Haus, in dem er 1957 starb. Der Baarmaler Hans Schroedter bekam für sein umfangreiches Werk 1952 den „Hans-Thoma-Preis“ verliehen. Bilder wie „Blühende Berghalde“, ,,Waldarbeiter auf dem Heimweg“ und „Blick ins Wutachta1″ sind weit bekannt. Zudem schuf Hans Schroedter viele sakrale Bilder, wie die Pas- sion für den Dom in Sankt Blasien 1913, und dazu die Altarbilder „Antonius, Blasius und Josef“. Einern speziellen Teilbereich des rei­ chen Schaffens von Hans Schroedter wid­ mete die Volkshochschule Baar unter dem Titel „ VHS Forum Kunst“ eine Ausstellung. Erstmals in dieser Fülle wurden Illustratio­ nen des Künstlers für Kinder einem interes­ sierten Publikum zugänglich gemacht. Schon in sehr frühen Jahren nahm Hans Schroedter Auftragsarbeiten zur Buchillu­ stration an und setzte sich mit dem geschrie­ benen Wort auseinander. Seine Illustratio­ nen zu einer der ersten Übersetzungen von Mark Twains „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ sowie „Mississippi“ entstammen der Zeit um 1898 und zeigen an Hand der Skiz­ zenbücher, mit wieviel Mühe, aber auch in­ tensivem Einfühlungsvermögen sich der Maler dieser Aufgabe gestellt hat. Köstlich ist das kleine Liebespaar oder der übelgelaunte Tom, der keine Lust hat, den Zaun zu 215

streichen. Gesicht und Gestik der Tante Polly geben ihre Erziehungsmaximen deut­ lich wieder und Bilder vom großen Strom schildern das Leben an dieser Flußlandschaft bis ins Detail. Für die „Deutsche-Dichter­ Gedächtnis-Stiftung“ schuf der Maler in den Jahren danach Bilder zu „Undine“, ,,Kleider machen Leute“, zu „Spiegel das Kätzchen“ und „Die drei Großmächte“ nach Levin Schücking. Zu anderen Sagenstoffen kamen noch Uhlands „Balladen“ dazu, und hier fühlte sich der Maler offensichtlich ganz besonders von der Ballade „Der weiße Hirsch“ angesprochen, immer wieder hat er das Thema auf unterschiedlichste Weise in­ terpretiert. 1907 gestaltete Schroedter das Grimm­ sche Märchen „Hans im Glück“. Die zarten, lavierten Zeichnungen bestechen durch Detailgenauigkeit. 1909 entstand für seine kleine Tochter ein „Leporello“. Das harmo­ nikaähnliche gefaltete Buch gestaltete der Künstler mit einfachsten, großflächigen Bil­ dern nach volkstümlichen Reimen von Adolf Holst. Im renomierten Josef-Scholz­ Verlag in Mainz, einem wesentlichen Verlag für Kinder- und Jugendliteratur, erschien das Buch unter dem Titel „Mein erstes Buch“. Verse von Robert Reinick illustrierte Schroedter mit ganzseitigen Bildern „Wie ist doch die Erde so schön“ und „Lustig wie die Vögelein“. Clara Hepners „Sonnenschein­ chens erste Reise“ erschien ebenfalls 1909. Die zart aquarellierten Bilder umfassen einen ganzen Tagesablauf aus der Sicht eines kleinen Sonnenstrahls. Allegorische Jahres­ zeitdarstellungen sind im „schönsten Weih­ nachtsbuch des Jahres“ (1909) zu finden. Überschäumende Lebenslust strahlt der jugendliche Frühling aus, während „König Winter“, majestätisch in kalten Grün-Blau­ Tönen gemalt, ein wirklich mächtiger, frosti­ ger Eisfürst ist (,,Der Kinder Schlaraffen­ land“ von Otto Ernst). Großartig sind die Schroedter-Illustratio­ nen zu „Gullivers Reisen“ von Swift. In einer Nacherzählung für Kinder von Wilhelm Kotzde, erschien dieser Band 1911 in der 216 Winters Abzug Altes Volkslied von der Baar (gekürzt) s’goht en alte Maa de Berg uf er sieht zwoo Hase an eme Raili grase s’nimmt en wunder über Wunder wie die Hase grase kunnet s’goht en alte Maa de Berg uf er sieht zwoo Fliige in eme Äckerli schniede s’nimmt en wunder über Wunder wie die Fliige schniide kunnet s’goht en alte Maa de Berg uf er sieht zwoo Fresche in eme Schiirli dresche s’nimmt en wunder über Wunder wie die Fresche dresche kunnet s’goht en alte Maa de Berg uf er sieht zwoo Mucke s Brot in Ofe schucke s’nimmt en wunder über Wunder wie die Mucke schucke kunnet s’goht en alte Maa de Berg uf er sieht en Mooler uf eme Täfeli moole s’nimmt en wunder über Wunder wie der Mooler des Wunder moole kunnt Text: Frau Hermine Stolz, geb. Reichmann, Aasen, einige Strophen wurden schon im Jahre 1900 im „Badischen Volksleben von E. H. Meser“ aufgezeichnet. Qielle: Eugen Fehrle „Feste und Volksbräu­ che“ 1955. Die letzte Strophe: Text: Hans Schroedter, Original auf dem Bild von 1946. Qielle: Clara Schroedter.

Gulllver im Lande der Riesen, nach · wijt, 1909 Reihe „Das deutsche Bilderbuch“ wiederum im Scholz-Verlag. Gullivers Erlebnisse im Lande „Lilliput“ sind sorgfältig, bis ins Detail hinein genau dargestellt, in zurückhaltender, zarterTonigkeit. Unendlich viel ist in Gestik und Mimik der kleinen Figurengruppen hin­ eingearbeitet, und es gibt für den Betrachter viel zu sehen. Gegensätzlich, allein schon vom Stil der Zeichnungen her, das zweite Bild. Plakativ und kräftig ausgemalt lachen die grobschlächtigen Riesengestalten den kleinen Gulliver aus, der ihnen seine Reve­ renz erweist. Beide Bilder sind eine zeitlose und pas­ sende Illustration für diesen unumstrittenen Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Neuland im Rahmen der Illustrationen betritt Schroedter mit seinen „Biblischen Geschichten“. Etwa 1912 erschienen, wieder bei Scholz, zwei Bände mit dem Titel „Unser Heiland“. Weit wandte sich Schroedter hier von der Gruppe der „Nazarener“ ab, die bis- lang die Illustrationen von Kinder- und Schulbibeln bestimmten. Schroedter zeigt klar gegliederte Bilder in warmen Farbgebun­ gen und hat das gesamte biblische Gesche­ hen in die ihm vertraute, ländliche Umge­ bung gesetzt. Wunderschön im schlichten Ausdruck ist die Darstellung der „Heiligen Nacht“. Entgegen aller anderen Interpreta­ tionen ruht das Christkind nicht in der Krippe, sondern auf dem Körper seiner Mut­ ter und diese wiederum ist mit Josefs Mantel zugedeckt. Die Zuhörer der Berg- und See­ predigt sind arbeitsgewohnte Bauerngestal­ ten und „Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter“ besticht durch warme, erdfarbene Tongebung. Wie auch bei den Predigtbil­ dern ist die Kleidung der dargestellten Perso­ nen landesüblicher, schlichter Kleidung angepaßt. In der Sammlung der „Scholz-Künstler­ bilderbücher“ steht Hans Schroedter neben Arpad Schmidhammer, Eugen Oßwald, 217

lei lmis vom barmherzigen Samariter‘: 19/� -;;—-‚—-�� —-·—-„“ “ Kiinst{rrbilderbiicber, 1920 218 Richard Scholz, Jüttner und Liebermann, um nur einige zu nennen. Schroedters Bei­ trag „Goldene Ernte – Lieder und Gedichte für Kinder“ erschien 1925. Nun hat Hans Schroedter Märchen- und Sagenmotive nicht ausschließlich für Kinderbücher gestaltet, sondern mit Märchenillustrationen auch die Kindersuite des Dampfers „Hamburg“ der Hapag Lloyd-Linie ausgemalt. ,,Rattenfän­ ger“, ,,Froschkönig“ und ,,Aschenputtel“ waren neben den „Sieben Schwaben“ zu fin­ den, dazu aber auch Arabesken aus fließen­ den Linien und floralen Motiven auf) ugend­ stilart verknüpft und mit Märchenmotiven versehen. Seine Interpretationen der unter­ schiedlichen deutschen und amerikanischen Musik, hier Blasmusik, dort Jazz, war das Anschauen wert. Die Arbeit von 1920, detail­ genaue Darstellung in zarter, zurückhalten­ der Farbgebung, entstand ausschließlich um vorhandene Beleuchtungskörper. Ebenfalls mit Märchenmotiven malte

Hans Schroedter Räume im damaligen Eisenbahner-Kinderheim in Bad Dürrheim aus. Das bemerkenswerteste davon ist seine Interpretation der „Frau Holle“. Er stellt sie nicht als gemütliche, alte Frau dar, nicht weich und lieb, sondern herb und ernsthaft. Diese „Hollin“ bei Schroedter ist Bild der Perchta, Muttergestalt und Wissende, Gebende und Nehmende. Die grau-blauen Töne der Zeichnung legen nicht fest und las­ sen Raum, aber es ist klar, daß keine der geschüttelten Flocken einen willkürlichen Weg nimmt. Die beiden Raben in der Rah­ mengestaltung könnten vielleicht als mytho­ logischer Hinweis gelten, vielleicht sind mit ihnen Allvaters weise Raben Hugin und Munin gemeint … Eine unübliche und inter­ essante Darstellung einer der bekanntesten Märchenpersönlichkeiten. Wiederholt hat Schroedter den „Eulen­ spiegel“ interpretiert. Diese Gestalt aus den „Deutschen Volksbüchern“ erscheint bei ihm als buntgekleideter Narr, aber auch als beobachtender zurückhaltender, alter Mann. Diese undatierte Bleistiftzeichnung zeigt die Fähigkeit Schroedters auf, mit gerin­ gen Mitteln vieles auszudrücken. Ein Bild von Hans Schroedter war in vie­ len Lesebüchern der ersten Nachkriegsjahr­ gänge zu finden, ,,Winters Abzug“. Entstan­ den ist dieses zurückhaltende, farbige Bild in den harten Jahren nach 1945, und Schroed­ ter hat die märchenhaften Tätigkeiten der unterschiedlichen Tiere in eine „Anders­ welt“ an den unteren Bildrand gesetzt. Auf ein altes Volkslied der Baar hat Schroedter bei diesem Bild zurückgegriffen und hier wird besungen, wie Tiere, die mit dem kommenden Frühjahr wieder sichtbar werden, auf mensch­ liche Weise den Acker bestellen und für das lebensnotwendige Brot sorgen. Die dre­ schenden Frösche sind schon im Grimm­ schen Märchen vom „Schlaraffenland“ be­ legt. Über Primeln und blühenden Seidelbast hinweg schreitet der Winter in kältere Regio­ nen, ein alter Mann, begleitet vom Krähen­ flug. An dem äußersten, rechten Bildrand hat der Maler ein Selbstportrait angebracht, dort sitzt er pfeifenrauchend mit einem Schlapp­ hut auf dem Kopf, malt dieses unwirkliche, magische Geschehen und ist trotzdem einge­ bunden in die Kräfte der Natur, die ein Wei­ terleben nach dem Winter ermöglichen. Bücher mit Bildern, auch für Kinder, haben zweifelsohne eine lange Tradition, aber Bilderbücher, so wie wir sie heute ken­ nen, sind nur gute hundert Jahre alt. Lange hat es gedauert, bis sich das Wissen durchge­ setzt hat, daß das Heranwachsen eines Kin­ des ohne Bilder nicht geht und heute sehen Sprach-und Lesebücher für Schulanfänger oftmals wie Bilderbücher aus. Bild der Welt, das ist das Bilderbuch mit seinen Illustrationen auch heute noch dem Kind. Als „Erstliteratur“ kommt ihm größte Bedeutung zu, die in vollem Umfang und 219

sich im ersten Nacherzählen Sprache aus, im Spielen und Malen findet das Kind Möglich­ keiten, innere Probleme &eizulegen und zu lösen. Nicht nur dem kleinen Kind, sondern auch weit bis ins Schulalter hinein erschließt sich dem Kind die Vielfalt von Zusammen­ hängen primär über das Bild, die Illustration. Hier tragen schreibende und malende Künstler eine große Verantwortung, kann doch in hoher �alität nur weitergegeben werden, was der Künstler selbst in sich trägt und was ihn bewegt. Hans Schroedter ist es mit seinen Illustrationen gelungen, in Kom­ position, Linienführung und Farbgebung weitab vom „kindischen“ zu bleiben. Er hat sorgsam qualitativ hochwertige Bilder zu vorgegebenen Texten geschaffen. Schroed­ ter hat Staunen und Freude, Weitsicht aus direkter Ursprünglichkeit, Leiderfahrung und Glück, dazu eine große Liebe zur Natur mit all ihren Möglichkeiten in seine Kinder­ illustrationen eingebracht. Es ist ihm gelun­ gen, mit seinen Bildern neugierig zu machen, Interesse zu wecken – und weil sie nicht festlegen, sondern offen sind, lassen sie den Betrachter erfahren, daß er selber mitten in der Bilderwelt steht, daß er sich verfügbar machen kann und so für seine eigene Phanta­ sie ein Ziel findet. Christiana Steger »Alter Eulenspiegel‘: Bleistiftzeichnung, undatiert ihrer gesamten Wirkungstiefe noch längst nicht vollständig erforscht und erfaßt ist. Illustrationen, wenn sie künstlerisch, also überzeugend gestaltet sind, haben einen nachdrücklichen Einfluß auf die Entwick­ lung und Phantasie des Kindes. Hier bildet Rolf Kammerer (1888-1961) Ein Maler des Hochschwarzwaldes und des Bodensees Im Jahre 1988 wäre der Furtwanger Kunst­ maler Rolf Karnmerer, der den älteren Bür­ gern unserer Stadt noch gut in Erinnerung ist, geworden. Ein willkommener Anlaß, dieses um seine „ Wäl­ derheimat“ verdienten Mannes zu gedenken und sein kostbares Erbe zu würdigen. Jahre 100 alt Der Geschichts- und Heimatverein Furt­ wangen ehrte den Sohn der Stadt mit einer repräsentativen Gedächtnisausstellung, in 220 der das Lebenswerk des Künstlers der Allge­ meinheit vorgestellt wurde. Mit der Heraus­ gabe eines Rolf-Kammerer-Kunstkalenders für das Jahr 1989, mit heute seltenen Motiven aus Furtwangen und seiner näheren Umge­ bung, in hochwertiger Druckqualität, aus dem Hause Druckerei Leitz, Furtwangen, fand das Geburtstagsjubiläum einen rüh­ menden Abschluß. Rolf Kammerer stammt aus einem sehr

alten Schwarzwälder Handwerker- und Bauerngeschlecht, das sich in Schönenbach bis zum Jahre 1611 zurückverfolgen läßt. Sein Vater, Großvater und Urgroßvater waren angesehene Uhrmacher in Furtwan­ gen. In diesem Zusammenhang erwähnens­ wert ist vor allem sein Großvater Samuel Kammerer, genannt s’Maxe Samm, der als geschätzter Bürger und Uhrenfabrikant die wirtschaftliche Entwicklung Furtwangens damals mitgestaltete. Samuel Kammerer wurde durch die Herstellung vorzüglicher Federzuguhren, sogenannter Stockuhren, nach englischer Bauart mit Schnecke und Saite, die auf den damaligen Industrieausstel­ lungen große Beachtung und Anerkennung fanden, auf dem „uhrenmachenden Schwarz­ wald“ besonders bekannt Am 12. April 1888 wurde Rolf Kammerer als zweitältester Sohn des Uhrmachers und Handelsmanns Eduard Kammerer und sei- Abendstimm1111g m, der Neueck (Öl) 221

Kleiner Peldwelher unterhalb der ,,./Nt“Eck“ (Aquarell!) ner 2. Ehefrau Frieda Kuß in Furtwangen geboren. Sein Vater war in erster Ehe mit einer Schwägerin des bekannten Altbürger­ meisters Herth verheiratet. Aus dieser Ehe ging ein Sohn namens Robert hervor, dem Rolf Kammerer seinen Einstieg in das ,,Künstlerleben“ mitverdankte. Seine Wiege stand im alten „Kammerer­ Hus“ an der Großhausgasse, später Eisen­ bahnstraße, das als 2. Schulhaus (1825-1867) von Furtwangen stadtgeschichtliche Bedeu­ tung erlangte und das im April 1978 „warm“ abgerissen wurde. Angesichts seiner ausgeprägten Neigung zum Musischen ermöglichten ihm seine Eltern eine Ausbildung am damaligen Leh­ rerseminar in Meersburg, in der nicht unbe­ gründeten Annahme, der Beruf des Lehrers werde ihm unter den zeitbedingten Verhält­ nissen noch am ehesten als sichere Existenz­ grundlage gerecht. Rolf Kammerer fand jedoch in diesem Beruf nicht die erhoffte Befriedigung und wandte sich, noch vor dessen Ausübung, mit ganzem Herzen seiner geliebten Kunst zu, bemerkenswerterweise zunächst der Musik. Ein mehrjähriges Musikstudium, von 1911 bis 1914, am Stern’schen Konservatorium in Berlin – Violine, Musikwissenschaft, Kunst­ geschichte – führten ihn erfolgreich zum Musiklehrerexamen. Der Erste Weltkrieg 1914-1918 brachte dann Rolf Kammerer als Soldat an die Kriegsschauplätze Frankreich und Rußland. Nach Kriegsende fand Rolf Kammerer zunächst Anstellung als Musiklehrer in Herne und später am Städtischen Konserva­ torium zu Duisburg. Zu dieser Zeit holte er sich aus dem heimatlichen Schwarzwald seine Lebensgefährtin Else Siedle, die eben­ falls aus einer alten Furtwanger Familie stammt. Aus dieser Ehe ging eine Tochter namens Ingrid hervor. Seine Tätigkeit in Duisburg führte zur 222

Begegnung mit zwei namhaften Kunstma­ lern der damaligen Zeit: Richard Falkenberg, Düsseldorf, und Max Schewe, Duisburg, die schicksalhaft den weiteren Lebensweg von Rolf Kammerer veränderte. Seine naturgegebene Veranlagung zum Malen setzte sich durch und es folgte ein dreijähriges Studium in der Meisterklasse Falkenbergs. Später teilte er mit dem Indu­ striemaler Max Schewe das Atelier. Von nun an ging Rolf Kammerer, seiner wahren Berufung folgend, als Maler seinen eigenen Weg. Daß es den „Ur-Schwarzwälder“, nun vor allem als Maler, sehr bald (1925) wieder in seine Heimat zog, ist sehr verständlich, denn hier fand er die stets sich wandelnde Land­ schaft, die seinen Drang nach selbstschöpfe­ rischem Gestalten befriedigen konnte. Rolf Kammerer, zeitlebens dem Impres­ sionismus zugetan, fand aber sehr bald sei­ nen eigenen Stil, nicht beeinflußt von Kunst- 223

richtungen oder gar Publikumsansichten. Der temperamentvolle Künstler, der ein gutes Auge für die Stimmungen des Tages und der Stunde besaß, verstand es, diese kühn und frisch in seinen Bildern festzuhal­ ten. Seine große Fähigkeit des Einfühlens in das Walten der Natur verleiht seinen Arbei­ ten, rhythmisch bewegte Landschaftsbilder, eine eigenartig ergreifende Dynamik von sel­ tenem Reiz. Er traf diese dramatischen Stim­ mungen in der Landschaft des Hochschwarz­ waldes, die Abend- und Morgenstimmungen, Gewitter- und Sturmtage, ziehende Wolken­ fetzen und wehende Nebelschleier mit ver­ blüffender Sicherheit, ohne in eine „Postkar­ tenromantik“ abzugleiten. Aber auch Frie­ den und Sonne über stimmungsvollen Som­ mer- und Winterlandschaften des hohen Schwarzwaldes mit grandiosen Fernblicken zeichnen seine Bilder aus und offenbaren uns die ganze Schönheit und Erhabenheit der Schwarzwaldlandschaft. RolfKammerer, selbst ausübender Musi­ ker, suchte stets das Musikalische der Land­ schaft mit ihren vorübergleitenden Stim­ mungsbildern zu erfassen. Mit meisterlicher Interpretation gelang es ihm, die erhabene Feierlichkeit des scheiden­ den Tages von den Bergeshöhen des Hoch­ schwarzwaldes auf seiner Leinwand festzu­ halten. Die Täler scheinen unter dem Betrachter zu versinken und geben ihm ganz das Gefühl der freien Höhe und Weite. Die Waagrech­ ten, als dominierende Linien in diesen Bil­ dern, beginnen zu schwingen, weiter und 224

Abendstimmung am Feldberg (Öl} weiter, bis zum Verhalten in unendlicher Feme. Diese eigenwillige und typische Darstel­ lungsweise, zu der sich RolfKammerer in der Einsamkeit der Berge hingefunden hat, wird an den beiden wiedergegebenen Bildern „Abendstimmung auf der Neueck“ und „Abendstimmung am Feldberg“ deutlich erkennbar und verleiht ihnen den unver­ wechselbaren Charakter eines „Kammerer“. Seine Kritiker bezeichneten ihn daher oft als „Eigener“ und als eigenwilligen „Roman­ tiker“. Man könnte sagen, Rolf Kammerer war kein Schwarzwaldmaler, sondern ein Maler des Schwarzwaldes und des Bodensees; getreu dem Goethewort: Werde, was du bist! RolfKammerer war ein Meister der Aqua- rell- und Kohletechnik, in der er eigenwillig und sehr ausdrucksstark zu interpretieren verstand. Aber auch seine Landschaften in Ö !, in verhaltenen Farben fein, ja oft filigran­ artig abgestuft und virtuos zu einem harmo­ nischen, warmen Grundton zusammenge­ führt, haben ihren eigenen, unverwechselba­ ren Charakter, der seine Bilder auszeichnet. RolfKammerer war Mitglied in mehreren Kunstvereinen, die nur privilegierten Künst­ lern offenstanden, wie: ,,Südbadische Bil­ dende Künstler“ (Fachverband e. V.) Sitz Freiburg, Kunstverein Freiburg, Freunde der bildenden Kunst in München und „Confe­ deration internationale des associations d‘ artistes“ in Brüssel. Eine besondere Auszeichnung für Rolf Kammerer war es, der Künstlergruppe „Die 225

Das Bregta/ bei Schönenbach (Kohle) Schwarzwälder“ anzugehören, die auch als Ausstellungsgemeinschaft auf bedeutsamen Kunstausstellungen der dreißiger Jahre ver­ treten waren. Um hier nur einige Städte zu nennen und auch die Spannweite aufzuzeigen, in denen ,,Kammerer-Bilder“ zur Ausstellung gelang­ ten, dann waren dies u. a.: Donaueschingen, Freiburg, Baden-Baden, Karlsruhe, Kon­ stanz, Heidelberg, Mannheim, Stuttgart, Frankfurt, Oberursel, München, Berlin, Aachen und Bonn. Auch Ankäufe durch bedeutende Gale­ rien, sowie durch staatliche und private Kunstsammlungen, wie beispielsweise die F. F. Sammlungen in Donaueschingen, sicherten ihm einen Platz unter den aner­ kannten Kunstschaffenden des Landes. Diese Erfolge sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es seiner Familie zeit­ weise finanziell sehr schlecht ging, besonders in der Zeit der allgemeinen Wirtschaftskri­ sen. Rolf Kammerer ließ sich, bestärkt durch seine immer verständnisvolle Lebensgefähr­ tin, in seinem Kunstschaffen mit dem Lebensziel, den „eigenen Stil“ zur erstrebten Reife zu bringen, von keinen Zeitumständen beeinflußen. Er war und blieb ein „Eigener“! Daß die frühe Liebe zur Landschaft des Bodensees eine alte Liebe war und blieb, die nicht rostete, erkennt man daran, daß Rolf Kammerer zusammen mit seiner Familie 1942 dorthin für die folgenden acht Jahre übersiedelte. Die Höri und das Steiner Seetal – Land um den Schiener Berg – ist zur zwei- 226

Gewitterstimmung im Schwarzwald (Kohle) ten Heimat erkoren worden, deren Schön­ heit der Künstler nun wiederum in gleicher Weise wie seinem Schwarzwald diente. Man kann wohl sagen, daß RolfKamme­ rer dieser so ganz anderen Landschaft in ebenso meisterlicher Weise zum Interpreten geworden ist wie derjenigen unseres Schwarzwaldes, und so entstammt auch die­ ser Zeit eine reiche, glückhafte Ernte. Rolf Kammerer, reich ausgestattet mit Herzensgüte, war von überaus wohltuend heiterem Gemüt, ein umfassend gebildeter und vielseitig interessierter Mann. In seinem Herzen nicht nur bildender Künstler und Interpret der edlen Tonkunst, sondern auch Lebensphilosoph. Ein Glück, wenn man zu seinem Freundeskreis zählen durfte! Mitten in seinem rastlosen Schaffen, im 74.Lebensjahr, nahm ihm der Allmächtige Pinsel und Palette aus der Hand und führte ihn, den Maler des Schwarzwaldes und des Bodensees, zum Urquell allen Seins. Seine Persönlichkeit lebt jedoch in der reichen Ernte seines arbeitsreichen Künstlerlebens für uns unvergeßlich weiter. Viele seiner Bilder sind heute in Galeriebe­ sitz und in Privathand über die ganze Welt verstreut. Gerd Bender 227

Vom Hirtenbub zum Trachtenmaler J. B. Tuttine – ein Baaremer, der im Biedermeier Karriere machte „Unsere Volkstrachten – Ein Wort zu ihrer Erhaltung“ ist der Titel einer Schrift, die Heinrich Hansjakob vor nunmehr hundert Jahren veröffentlichte. Wenn heute das Trachtenbrauchtum im Schwarzwald und auf der Baar auch in den anderen deutschen Landschaften Klang und Namen hat, so ist dies wesentlich dem damaligen Appell des Volksschriftstellers aus Haslach im Kinzigtal zu danken. Zwei führende Trachtenmaler sind es, die im 19.Jahrhundert mit und neben Hansjakob um die Aufwertung und Neube­ lebung der in unserer engeren Heimat über­ kommenen Trachten vorab sich verdient gemacht haben. Der eine ist der in Mühlberg 228 an der Elbe geborene Wilhelm Hasemann, der 1880 nach Gutach kam und als „Maler­ professor“ im Schwarzwald heimisch wurde. Ihn, der Hansjakobs Volksbücher illustrierte und dessen Trachtenbilder um die Jahrhun­ dertwende den Weg in ungezählte Bürger­ und Bauernstuben im In- und Ausland fan­ den, hat der „Almanach“ ’85 (Seite 195-197), das Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar­ Kreises, vor Jahren aus Anlaß einer Farbre­ produktion mit dem Titel „Maria in der Tann“ gebührend gewürdigt. Der andere Pionier zur Wiederbelebung der Trachten aus dem badischen Biedermeier ist Johann BaptistTuttine, ein Sohn der Baar,

dessen Todestag 1989 sich zum hundertsten Male jährte und dessen Name in den letzten Jahrzehnten zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Ihm und seinem Lebensweg sol­ len die nachfolgenden Zeilen gelten. In Bräunlingen ist er am 3.Juli 1838 gebo­ ren. Über das Fach des Uhrenschildmalers und Lackierers arbeitete er sich aus ärmlichen Verhältnissen zum freien Maler und vorzüg­ lichen Kenner des Schwarzwaldes und des badischen Trachtenwesens empor. Sein Vater stammte aus dem Hessischen und war als Schustergeselle auf der Walz im ehedem zähringischen Bräunlingen hängen geblie- ]. B. Tuttine: Selbstbildnis des Malers, in Öl auf Leinwand, 1862 (nach einer Kopie von C. Hor­ nung, Bräunlingen). Beide Werke befinden sich im Heimatmuseum der Stadt Bräunlingen. Arbeiten von dem Trachten­ maler Tuttine besitzen in der engeren Heimat vor allem die Gemäldegalerie in Donaueschingen, das Augustinermuseum in Freiburg und die Staatli­ che Kunsthalle in Karlsruhe, ben. Dort hatte er Katharina Lutz, die Toch­ ter eines eingesessenen Bürgers und ehrsa­ men Zunftmeisters, geheiratet. Beide Eltern starben früh und ließen eine unversorgte Kinderschar zurück, als Ältesten den zeich­ nerisch talentierten Johann Baptist. Alljähr­ lich im Frühjahr wurde der Vollwaise von der Stadt an den „Wenigstbietenden versteigert und hütete als barfüssiger Junge dann den Sommer über eine Kuh, ein Kalb und eine Geiß, die ganze Viehhaltung seines ärmli­ c;hen Vetters“. So schildert Hans Rott im Ekkhart-Jahrbuch 1925 höchst anschaulich die Jugend des nachmaligen Künstlers und Trachtenexperten. Schließlich entdeckte ein betuchter Mö­ belfabrikant aus der Landeshauptstadt die ungewöhnliche Begabung und öffnete dem jungen Mann die Wege an die Kunstakade­ mie in Karlsruhe. Dort hatte Tuttine in den aus der Düsseldorfer Schule hervorgegange- j. B. Tuttine: Mädchen mit Rosenkranz, in Öl a_yj L(i.1.1:wm;.d,, W�6. 229

nen Genre- und Historienmalern Karl Hein­ rich Hoff und Ferdinand Keller tüchtige Lehrer. Doch in dem inzwischen 30jährigen Schüler hatten sich die in der Knabenzeit aufgenommenen Eindrücke vom bäuerli­ chen Leben auf dem Schwarzwald so tief und nachhaltig eingeprägt, daß sie Tuttines Trachtenportraits und bäuerlichen Genre­ stücke zeitlebens bestimmten. Wie kein anderer war der BräunlingerTut­ tine somit prädestiniert für jene historischen Festzüge der badischen Landestrachten, die Anfang und Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts anläßlich der Silber­ hochzeit des Großherzogs Friedrich I. sowie aus Anlaß der Vermählungsfeier Friedrichs II. in Karlsruhe entstanden. Als Glanzpunkt der Umzüge hatte Tuttine drei Hochzeits­ züge aus den verschiedenen badischen Trachtenlandschaften zusammengestellt: eine „grüne“, eine „silberne“ und eine „gol­ dene“ Hochzeit. Nachträglich beauftragte der Großherzog den Künstler noch, die drei Gruppen in Ölbildern festzuhalten. Dem Bräunlinger Maler war es – krankheitsbe­ dingt – leider nur noch ve:iönnt, die „gol­ dene“ Hochzeitsgruppe in 01 zu malen. Die Bilder der beiden anderen Gruppen malte der mit Tuttine befreundete Heinrich Issel, ein Hildebrandschüler, nach Tuttines bezie­ hungsweise nach eigenen Entwürfen. Ein volles Arbeitsjahr hat Tuttine allein für Vorstudien und die erforderlichen Wan- derungen auf der Baar, im Markgräflerland, im Prechtal, Kinzigtal, dem Hanauerland und dem Hotzenwald in den frühen achtzi­ ger Jahren geopfert. In dieser Zeit gingen auch zahlreiche Trachten, Kostüme sowie altes bäuerliches Gerät aus den genannten Trachtenlandschaften in den Besitz des Künstlers und Schwarzwaldwanderers über. Zusammen mit den Notizen und den Zeich­ nungen des Malers bildet Tuttines künstleri­ scher und volkskundlicher Nachlaß, den das Landesmuseum in Karlsruhe verwahrt, heute eine unerschöpfliche Fundgrube für Historiker, Volkskünstler und Kunstexper­ ten. Bereits in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat Tuttine der Plan eines Schwarzwälder Trachten- und Kostümmuse­ ums vorgeschwebt, wie es vor wenigen Jah­ ren in Haslach, der Heimat Hansjakobs, in wesentlichen Zügen verwirklicht wurde. Den eingangs dieses Beitrags erwähnten Auf­ ruf des Volksschriftstellers, der 1892 heraus­ kam, hat Tuttine allerdings nicht mehr erlebt. Am 23. August 1889 ist er an den Fol­ gen eines Schlaganfalls gestorben und in Karlsruhe beigesetzt worden – laut den ,,Badischen Biographien“, Band IV. Abwei­ chend von dieser Quelle verzeichnet der Donaueschinger Heinrich Feurstein in sei­ nem Katalog der F. F. Sammlungen den 24. August 1889 als Todestag J. B. Tuttines. Dr. Lorenz Honold Emmerich Esterle Steintechniker, Steinmetz- und Bildhauerrneister Aus dem Land der Magyaren, in das vor über 200 Jahren seine schwäbischen Vor­ fahren umgesiedelt waren, wurde der gebür­ tige Budapester in der Folge der Nachkriegs­ ereignisse mit Eltern und 2 Brüdern aus­ gewiesen. Die Gemeinde Hilsbach bei Sins­ heim bot seiner Familie eine neue Heimat. Sehr rasch entdeckte Esterle dort einen Stein­ bruch. Von den Formen der Steine beein- druckt, fasziniert und ergriffen, gestaltete er schon als Schüler Tröge für Hasen. Und vom Stein kam er nicht mehr los. Konsequent wählte er die für ihn vorgesehene Richtung zum Beruf eines Steinmetz. Nach dreijähri­ ger Lehrzeit ging Esterle als Landessieger aus der Gesellenprüfung in Baden-Württemberg hervor. Ein Baluster aus gelbem Sandstein stellte sein Gesellenstück dar. Der Weg des 230

Breisgau beendete Emmerich Esterle mit der Meisterprüfung in beiden Handwerkszwei­ gen und einer zusätzlichen Prüfung, die ihn berechtigt, auch die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfter Steintechniker“ zu füh­ ren. Dem jungen Handwerksmeister und Künstler öffnete sich ein großes Arbeitsfeld. Esterle schuf eine Reihe von Figuren, so auch ein Relief für die Kirche der Katholi­ schen Pfarrgemeinde in Hilsbach. Er gestal­ tete am Freiburger Münster Figuren aus dem Prophetenzyklus, arbeitete an Fialen und Kreuzblumen. Oft befand sich sein Arbeits­ platz auf dem Gerüst in schwindelnder Höhe am gotischen Münsterturm. Im Jahre 1968 verlegte der Meister seinen Wohnsitz von der Zähringerstadt Freiburg in die Zähringerstadt Villingen. Grabdenkmä­ ler, Kreuze, figürliche Reproduktionen in verschiedenen Stilrichtungen, Arbeiten am Villinger Münster, Kunstwerke mit Moder­ nität geben einen Beweis vom unermüdli­ chen Schaffen des Meisters. Ein besonderes Juwel, ein Exempel bildhauerischer Perfek­ tion, stellt eine Kopie der von Anton Josef Schupp um das Jahr 1728 geschaffenen Skulptur „Madonna mit Kind“ dar. Die Kopie steht auf hohem Sockel des Dachfirstes im Schatten des Turmes der Benediktinerkirche, wo einst der Platz der verwitterten Originalfigur war, die heute noch im Städtischen Museum im Stadtbe­ zirk Villingen zu sehen ist. Dann folgte der Schritt nach Donau­ eschingen, wo Esterle eine Basis für einen selbständigen Betrieb vorfand. Beim Besuch in seiner Werkstatt wird man Zeuge, wie der Meister mit Akribie ans Werk geht und ach­ tend auf die elementaren Grundsätze der Ästhetik Natursteine so formt und gestaltet, daß in die starre Materie Bewegung kommt, daß sich steinige Kälte in bildhafte Wärme verwandelt, daß abstrakte Kunst auch dem Betrachter verständlich bleibt. Er meißelt mit seinen künstlerischen Attributen bildliche Darstellungen in den Stein, in Granit, Gneis, Marmor oder Sandstein. Aus zahlreichen Arbeiten spricht seine Künstlersprache. Als 231 frisch gekürten Gesellen führte zur Münster­ bauhütte in Freiburg im Breisgau. Hier konnte er unter Münsterwerkmeister Josef Jakob das Handwerk eines Steinbildhauers erlernen und die Fähigkeit entwickeln, mit Hammer und Meise! Skulpturen zu schaffen. Unzählige Zeichnungen, Entwürfe, Berichte in gestochener Druckschrift ergänzten die harte, kraftfordernde Arbeit am Stein. Die nächste Stufe erklomm Esterle im Jahre 1958, als er auch bei der Gesellenprü­ fung für Steinbildhauer wieder als Landessie­ ger in Baden-Württemberg gefeiert wurde. Sein Gesellenstück erreichte beim prakti­ schen Leistungswettbewerb der Handwerks­ jugend aus den in der Bundesrepublik 11 lan­ desbesten Kunstwerken die höchste Bewer­ tung, wie die vom damaligen Bundespräsi­ denten und Schirmherrn Theodor Heuss unterzeichnete Ehrenurkunde für den Bun­ dessieger Esterle dokumentiert. Eine Fortbildung in der Meisterschule für Steinmetz und Bildhauer in Freiburg im

Brunnen im Gemeindezentrum Brigachtal Brunnen m d’er 13ezzrltssparltasse Donaueschingen

Beispiele präsentieren sich der Friedhofbrun­ nen in Donaueschingen, die Brunnen in der Bezirkssparkasse Donaueschingen und im Gemeindezentrum von Brigachtal oder auch die in einer Nische hoch über dem Portal der Stadtkirche in Donaueschingen stehende St. Johann-Statue, eine Kopie aus grünem Sand­ stein, die im Jahre 1987 eine aus dem Jahre 17 41 stammende Statue ablöste. Die schöpfe­ rische Arbeit des Künstlers schließt auch das Modellieren für Bronzegüsse mit ein; Bron­ zegüsse wie „Der brennende Dornbusch“ oder ein Leuchter für die Osterkerze in der Pfarrkirche St. Marien in Donaueschingen. Einen großen Teil der Arbeitszeit widmet Esterle der Ausbildung heranwachsender Steinmetze und Bildhauer. In seinen Fuß­ stapfen steht bereits als Geselle Sohn Urban. Schon seit einigen Jahren gehört Esterle der Künstlergilde Donaueschingen an. Er nimmt auch an Ausstellungen teil. Einen kleinen Einbick in die Arbeitswelt eines Steinmetz und Bildhauers bekam man bei der Handwerkerausstellung 1989 in der Donauhalle in Donaueschingen, als Esterle, umgeben von einigen seiner Werke, den Besuchern an einem Block aus Buntsand­ stein handwerkliches Geschick und künstle­ risches Gestalten demonstrierte. Es entstand ein Blumenstrauß, der seit November 1989 an der Karlstraße in Donaueschingen steht; ein Geschenk des Künstlers zum Jubiläum „1100 Jahre Donaueschingen“. Und immer noch fin­ det Esterle Zeit für sein Hobby, die Aquarell­ malerei. Ideen mit Geduld und Ausdauer zu fin­ den und zu entwickeln, sie zu skizzieren, durch sensible Arbeit in Kunst umzusetzen und damit den Menschen eine Freude zu bereiten, mit Überzeugungskraft die Auf­ traggeber zu beraten, sich frei in der Kunst entfalten zu können, ohne zu sehr an vor­ gegebene Normen gebunden zu sein, darin sieht Emmerich Esterle seine Lebensaufgabe und die �elle alles Schönem in seinem Beruf, den er seit 40 Jahren ausübt. Werner Heidinger 233 St.-johann-Statue über dem Portal der Stadt­ kirche in Donaueschingen

Kunst am Bauzaun des Landratsamtsneubaues Gestaltet von der Arbeitsgemeinschaft „Wir malen“ des Gymnasiums am Romäusring im Stadtbezirk Villingen Jeder kennt sie, die langweiligen Bau­ zäune an den Baustellen – dem sollten wir abhelfen! Man trug die Bitte an uns heran, fur bunte, kreative Gestaltung am Bauzaun des Landratsamtsneubaues zu sorgen. Dieser Gedanke fand bei uns begeisterte Aufnahme. Wir sind eine Gruppe von Schülerinnen der Klassen 6 bis 9 am Gymnasium am Romäus­ ring (Britta Jehle, Meltem Kilinc, Yvonne Schaumann, Tanja Schuler, Maren Knoche), die als AG „Wir malen!“ in diesem Schuljahr „Arbeit“ gesucht haben. So war das geeignete Betätigungsfeld am Neubau des Landratsam­ tes gefunden. Nach einigem Hin und Her, welchen Inhalt wir auf den insgesamt 30 qm großen Flächen darstellen wollten, einigten wir uns auf „Zeichen unserer Zeit“, Zeichen – die Wünsche ausdrücken, Zeichen – die jeder­ mann versteht: Ein Portrait, einmal im ungewohnten �erformat dargestellt, mit den Zeichen, den Gedanken unserer Tage: – eine glühende lebensspendende Sonne, – eine Friedenstaube mit dem Zweig im Schnabel, – ganz romantisch: Mond und Sterne, – der Regenbogen als Friedenszeichen mit Gott, – der Neubau des Landratsamtes und natürlich – unser Schulsignet als „Markenzeichen“. Das Portrait entstand als Gemeinschafts- 234

Viel Spaß hatten wir bei der Arbeit mit den großen Farbwalzen und den Riesenpin­ seln! Ob unsere guten Wünsche, unsere Hoff­ nung in Erfüllung gehen? arbeit mit unserer Kunsterzieherin Frau Regina Hiekisch; die Symbole wurden das Werk jedes einzelnen von uns. Als es Ende Oktober 1989 empfindlich kalt wurde, hatten wir noch vor, eine weitere Fläche zu bemalen; wegen der Kälte so schnell und kurz wie möglich. So fanden wir in Kurzzeichen -angeregt von A. R. Penck­ eine dekorative Lösung für immerhin zehn �adratmeter Fläche. Just am 10. November 1989 arbeiteten wir zum letzten Mal. Über Nacht war ein „Kür­ zel“ weltweit bedeutsam geworden: Das Ende der Berliner Mauer! Hochaktuell bau­ ten wir das für Deutschland so wichtige Datum in unsere Arbeit mit ein. Regina Hiekisch 235

Heimat, Brauchtum, Mundart Der Kaib Die Generation unserer Enkel wird sich schwertun, sich der vielen kernigen, spaßi­ gen, auch zweifelhaften Ausdrücke zu erin­ nern, die der Sturm auf die Dialekte in weni­ gen Jahrzehnten hinweggefegt hat. Wenn Julius Langbehn recht hatte, daß das ,,urwüchsige Idiom … bescheidener herzli­ cher lieblicher“ sei (als ein abgegriffenes), und seine Pflege empfahl, wenn Johann Peter Hebel und in seiner Nachfolge viele zeigten, wie das Wiesentäler Alemannisch und die große Zahl von Mundarten Dichtung voll Wahrheit, Gemüthaftigkeit und Musikalität zu tragen vermögen, wenn Albert Schweitzer deutsch und französisch dachte, redete und schrieb, aber auf elsässisch betete und sozu­ sagen seinen Dialekt weihte, so hat der Bewahrer und Freund der Mundarten, der in diesen ein Reservoir für die Hochsprache sieht, ihre Romantik liebt, bisweilen zu ihnen wie in eine heile Welt flieht, ihren Ver­ lust als eine Verarmung bedauert, mächtige Zeugen. Und nicht zufäJlig erfreuen sich Mundartdichter heute einer treuen und ansehnlichen Leserschaft, erkennt man doch in Zeiten des Umbruchs klarer, wenn nicht zum erstenmal, was Vergehendes bedeutete, wie sehr es ein Stück Heimat war. Deshalb soll ein möglicherweise vom Aussterben bedrohtes Wort zu Wort kom­ men, dessen Bedeutungsvielfalt und -weite je nach Zusammenhang und Betonung im Gespräch kaum zu überbieten sein dürfte. Denn es gehört zur Kategorie der Wörter, die man in Büchern und Schriften, auch sehr alten, selten findet. Noch weiß man in der schwäbischen und alemannischen Sprach­ landschaft, und dort besonders in der dörf­ lich-bäuerlich-handwerklichen Welt, wo man konkret und in Bildern denkt und sich unmißverständlich, doch nicht undifferen­ ziert ausdrückt, was ein Kaib (Plural: Kaiwe) 236 ist. (In die Vornehmheit städtischer Sprech­ weise, gar in die Höhe der Wissenschaft vor­ zudringen und sich dort anzusiedeln, ist ihm nie gelungen.) Eine Erörterung darüber erscheint überflüssig. Ein Kaib ist ein Kaib, das ist doch klar, das weiß bei uns doch jedes Kind! Tatsächlich? Dennoch muß die Frage, die in grundsätz­ licher Weise große Philosophen gestellt haben, erlaubt sein: Wissen die Menschen, die dieses Wort gebrauchen, an die es gerich­ tet ist, die es über andere hören, was es in all seinen Nuancen bis in seine Extreme im Positiven wie im Negativen bedeutet? Wer weiß schon, ehe er die Wissenschaft zu Hilfe gerufen hat, in welchem Sinne das Wort in alter Zeit verwendet wurde, daß man im Mit­ telalter „Aas“ -Leichnam und Tierkadaver­ damit meinte, daß es danach gleichsam zum prallen Leben zurückkehrte und nach dieser erstaunlichen Metamorphose die verwegen­ sten Verbindungen zur Q!ialifizierung bzw. Abqualifizierung von Menschen, Tieren, Gegenständen und Verhältnissen einging, die, bedingt durch die Dynamik der Sprache, vollständig aufzuzählen, schwerlich zu schaffen ist? Beklagen mag man, daß es mit mehr uner­ freulichen als erfreulichen Epitheta ver­ knüpft worden ist. Also kann ein Mensch, Mann oder Frau, Kind oder Greis ein alter, blöder, böser, brettschelber (schrulliger, schwer umgänglicher), driwellieriger (ewig drängeln­ der), dummer, eigensinniger, elender (hinterhäl­ tiger),falscher,fauler,.frecher, g’walttätiger, gru­ (schneikiger), kritzgegeder siger, heidlicher (äußerst schwieriger), liederlicher, meisterloser (ungezogener), miserabliger, närrscher (unbe­ herrschter), pläriger (oft heulender), schräger (besserwisserischer), spottiger (spottlustiger), stieriger, tauber, ilberzwerger, u’zogener, ver-

Die Sprache scheut auch -aber das muß unter uns bleiben! -den Bereich des Ordinä­ ren nicht. Es gibt den Saukaib und den ver­ reckten Kaib, zwei derbe Schimpfwörter, die man nicht in den Mund nehmen sollte. Dagegen sind der Malefizkaib und der Lus­ kaib (Lauskaib) harmlos und humorvoll. Wie man sieht, besteht allein im Negati­ ven eine schier endlose Bandbreite von unangenehmen Möglichkeiten. Ein Kaib kann schon ein Kind sein, das seine Eltern und Geschwister tyrannisiert. In Zeiten eines virulenten Nationalismus waren es ganze Völker (Selli Kaiwe!). b’schissener)betrügerischer), verdrießlicher, ver­ druckter (heimtückischer), verfressener (freßlu­ stiger), verruckter (nervöser), verschlafener, ver­ soffener, verstrittener, widerwärtiger, wunderjit­ ziger (neugieriger), wüster, z’leidlebiger Kaib sem. Um nur noch wenige Ausdrücke zu erklä­ ren: Ein böser Kaib ist zum Beispiel eine Frau, die an Mitmenschen keinen guten Faden läßt, ihre guten Absichten ins Gemeine ver­ dreht, was besonders verletzt, böse Gerüchte in die Welt setzt und auch an idealen Verhält­ nissen nur Übles entdecken kann. Einern g’schupften Kaib geht nichts schnell genug, er muß gleichsam immer vor einem heranna­ henden Gewitter sein Heu einfahren, in Dis­ kussionen um Kleinigkeiten engagiert er sich, als ob es um sein Leben gehe. Mit dem Wort Kaib, diesem in vielen Unterhaltungen nahezu unentbehrlichen Begriff, kann jeder Mensch mit einer nieder­ trächtigen Haltung belastet werden. Kaib nimmt dann die Bedeutung von „Strolch“ an. Am schnellsten schafft es einer, ein Kaib zu werden, mit einer frivolen oder sonstwie unziemlichen Bemerkung. Die Reaktion des Angesprochenen: ,,Du Kaib, duf“B1itzt dazu der Schalk aus beider Augen, so ist der Friede wieder hergestellt. Das Wort wird auch zum Spaß mit dem Namen eines anderen verbun­ den: ,,Ist jetzt dem Kaiwe-Karl nichts mehr Gescheiteres eingefallen?“ Doch den Kaib gibt es auch in positiver Ausgabe. Ist ein dummer Kaib ein Mensch, der Zusammenhänge nur mühsam durch­ schaut, so kann er je nach der Aussageabsicht auch jemand sein, der auf sich und seinen Profit zuletzt sieht, immer das Wohl der anderen im Auge hat, sich aus reinem Idealis­ mus einem hohen Ziel verschreibt, auf jeden materiellen Gewinn verzichtet und sich sogar bis zur Selbstaufgabe ausnützen läßt: ein in jeder Hinsicht guter Mensch. Ein gescheiter Kaib ist überhaupt ein Kaib. Er hat schon alles begriffen, bevor man es ihm erklärt, behält alles im Gedächtnis, hat fortlaufend originelle Ideen, gehört immer zu den Besten in der Klasse, im Betrieb und in der Gesellschaft zu den Angesehensten. Ein Kaib in diesem Sinne kann man auch auf einem sehr partiellen Gebiet sein. Mit Bewunderung, wenn nicht mit Neid spricht man von einem Kaib im Schaffen und meint jemanden, dem auch anstrengende Arbeit von der Hand geht, als sei sie ein Spiel, ein Kaib dieser Art ist ein geschickter Mensch, einer mit zwei rechten Händen sozusagen, die Eve im „Zerbrochenen Krug“ von Hein­ rich von Kleist zum Beispiel. Am liebsten erzählt man von jungen Mädchen in einer Familie, die für ihre Geschicklichkeit im Stik­ ken, Häkeln, Beerensammeln … bekannt sind und deren Fähigkeiten man bei ihren Kindern wieder erwartet. Ein solches Kaiwe­ meidli strickt dir einen Pullover in phantasti­ scher Rekordzeit, auf diesem Gebiet ist es ein Mordskaib. Jeder Vater hört nichts lieber, als daß seine Söhne Kaiwebuewe oder Kaiwekerli seien. Weniger gern erfahrt er, seine Kinder seien Kaiwesieche oder ein Kaiwechor. Dage­ gen scheint der Ausdruck Kaiwekoog zwi­ schen tüchtigem und sturem Kerl zu schwan­ ken, und aus dem Zusammenhang muß man erkennen, ob ein Kaiwewiib eine ungewöhn­ lich tüchtige oder verführerische Frau ist. Durchaus unbeliebt ist überall das Kaiwe­ ziigs, was ein lästiger Hautausschlag wie ein Unkraut im Garten sein kann. Kaiwili ist das (seltene) Kosewort für ein liebes Kind. Auch die außermenschliche Welt bleibt vor dem Kaib nicht verschont: ein störrisches Pferd, eine schwer zu hütende Geiß, ein noch 237

nicht gut erzogener Hund, eine Fliege, alle Tiere, die nicht so tun, wie sie sollen oder Schädlinge sind: Mäuse, Kartoffelkäfer; auch Gegenstände aller Art, wenn sie irgend­ wie hinderlich oder lästig oder schwierig zu handhaben sind, sogar natürliche Gegeben­ heiten: ein Stein, eine steile Wegstrecke, die Kaiwesonn, das Kaiwedonnerwetter, der Kaiwe­ huste. Jetzt muß der Eindruck entstanden sein, die ganze Menschheit, die Tiere und die unbelebte Welt bestünden nur aus Kaiwen. So ist das nun freilich auch wieder nicht. Ausgenommen waren immer die wirklich Großen, die bedeutenden Gestalten der Geschichte und die unangefochtenen Auto­ ritäten der jeweiligen Gegenwart: der Kaiser, der Großherzog, ein Bischof, der Bürgermei­ ster, große Baumeister und Künstler, selbst­ verständlich alle Heiligen, ebenso Men­ schen im engsten Familienkreis, Vater und Mutter, Liebe Geschwister. Kaum mit dem Namen Kaib wurde je der große Durch­ schnitt der Menschen bedacht, die ihr Leben in aller Ausgeglichenheit verbrachten und durch nichts Besonderes auffielen. Und noch etwas: Auch das oder den abgrundtief Böse(n) oder das Katastrophale erreicht dieses Wort, selbst in seiner Verstär­ kung Erzkaib nicht mehr. Für einen Mörder, einen Massenmörder gar ist es zu schwach, wird es wohl doch zu oft im Scherz gebraucht, als daß es einen solchen adäquat bezeichnen könnte. Von einem so häufig gebrauchten Wort sind ganz selbstverständlich auch Ableitun­ gen entstanden. Eine Kaiwerei ist ein mühse­ lige, deshalb ungeliebte und meist von wenig sichtbarem Erfolg begleitete Arbeit. Hat einer scho wider ebbis Kaiwigs, so will er einen Spaß machen, der freilich mehr ärgert als erheitert. Ist wider ebbis Kaiwigs, so kann man aus irgendeiner Widrigkeit ein Vorha­ ben nicht ausführen. Kaiwisch nett ist ein Kleid, auch das Muster auf einer Strickweste. Die Verben kaiwe und rumkaiwe umschrei­ irgendwelches übermütiges Getue, ben 238 Tanze un Kaiwe – eine stehende Redewen­ dung -heißt, sich auf der Kilwi oder an der Fastnacht, und nicht nur dort, recht ausge­ lassen aufführen. Ein Tag ist verkaiwet, wenn durch unver­ hofften Besuch ein Vorhaben nicht zur Aus­ führung kommt, eine gute Stimmung in einer Gesellschaft durch eine beleidigende Äußerung verdorben wird. Macht einer dem anderen das Ergebnis seiner Arbeit un­ brauchbar, verkaiwet er es ihm. I han mi verkaiwet sagt einer, der sich erkältet oder den Magen verdorben hat. I bin recht ver­ kaiwet klagt jemand, wenn er eine Grippe ver­ schleppt hat und sich deshalb um seine Gesundheit sorgt. Anzufügen ist noch, daß der Kaib in ver­ schiedenen Landschaften verschieden aus­ gesprochen wird: im Mittleren Schwarz­ wald: Kaib, in den Tälern dem Rhein zu, in der Rheinebene und im Elsaß: Keib, in den Gebieten dem alten Land Württemberg zu: Koab, im Hotzenwald und in der Schweiz: Chaib oder Kchaib. Über Stammes- und Staatsgrenzen setzt sich der Kaib hinweg, er gibt sich zu einem gewissen Grad internatio­ nal. Karl Volk Hinweise: Oskar Fleig, Alemannisches Wörterbuch der Raumschaft Triberg mit Redensarten, Triberg 1980, S. 81 f. Hermann Braunstein, Albert Schweitzer und der elsässische Dialekt-Eine Erinne­ rung in: Die Ortenau 1989, Kehl, S. 506. Badisches Wörterbuch, Lahr, Bd. 3, S. 48 -50. Rembrandt als Erzieher – Von einem Deutschen d. i. J ulius Langbehn 31. Aufl. s. 140. Für freundliche Unterstützung danke ich Herrn Dr. Gerhard W. Baur vom Arbeits­ bereich Badisches Wörterbuch der Uni­ versität Freiburg sehr herzlich.

Der „Frauendreißiger“ Als die Gewürzweiber auf der Baar noch Heilkräuter sammelten Wer -auf der Baar und im Schwarzwald – kennt ihn noch: den „Frauendreißiger“? Er ist nicht Mann und ist nicht Frau. Vielmehr ein volkskundlicher Begriff, die Bezeich­ nung für bäuerliches Brauchtum auf der Höhe des Jahres. Unter dem „Frauendreißi­ ger“ versteht man im katholischen Süden den Zeitabschnitt zwischen dem großen und dem kleinen „Frauentag“. Mithin die Tage zwischen Mariä Himmelfahrt (15. August) und Mariä Geburt am 8. September. Im oberdeutschen Volksbrauch ist der „Dreißiger“ der 30. Tag nach dem Tod eines Angehörigen. Am „Dreißigsten“ wird eine Messe, oft auch ein feierliches Amt, für seine Seelenruhe gelesen. In enger Beziehung zu Die Königskerze, die an Mariä Himmelfahrt (15. August) ihren Ehrenplatz im bäuerlichen Kräuterbusch hat diesem ausgesprochen süddeutschen Toten­ kult steht – laut dem Volkskundler Max Höfl er -Mariä Himmelfahrt. Es ist identisch mit Mariä Heimgang, mit der Entrückung der Mutter des Herrn in den Himmel. In diesem Sinne hat sich auch die christli­ che Kunst des Mittelalters der Himmelfahrt Mariens angenommen. Ein Fresco in Padua, das der Giotto-Schule (um 1350) zugeschrie­ ben wird, zeigt über einem leeren Sarg, den die Apostel umstehen, Maria in voller Gestalt gen Himmel fahren. Das Fest stammt aus dem Orient und kam um 900 über Rom nach Süddeutschland. Neu bei der süddeut­ schen Feier gegenüber dem Orient wie auch Italien ist die Weihe von Blumen, Kräutern, Blättern und Beeren, die ehedem in Körben bei der Prozession mitgetragen wurden. Mit der Zeitperiode des Frauendreißigers beginnt in Süddeutschland die Vorernte. Der Segen, der den Erstlingen der Feld­ früchte und den durch die Klöster importier­ ten Heilkräutern bei der Erntefeier mitgege­ ben wurde, hat nach dem süddeutschen Volksglauben doppelt wirksame Heil- und Zauberkraft. Für den bäuerlichen Menschen verband sich der Glaube an geheimnisvolle Naturkräfte, die den in der freien Natur wachsenden Wildkräutern innewohnen, mit dem Segen der kirchlichen Weihe, welchen Maria an ihrem Himmelfahrtstag vermittelte. Walafried Strabo, der kräuterkundliche Abt auf der Reichenau (um 808 bis 849), preist in seinem Gartenbuch (,,Hortulus“) die natürlichen Heilwirkungen von Fenchel, Salbei und anderen-oft wild wachsenden – Gewürzkräutern, die heute noch den Haupt­ bestandteil des Kräuterbuschs an Mariä Himmelfahrt ausmachen. Kräuter, die bis heute aus der Volksmedizin nicht wegzuden­ ken sind. So galt der Meisterwurz als Heilmittel gegen Seuchen und die Pest. Bei Vergiftun- 239

,,Mariae Himmelfahrt“, Ölmalerei auf Holz (3 8 x 2 9 cm) eines Unbekannten, gegen Ende des 18. Jahr­ hunderts. Aus dem Besitz von Dr. Heinrich Feurstein in Donaueschingen, heute in den F. F. Samm­ lungen. 240

gen und Magenschmerzen halfWermut, der als Essenz für Schnäpse auch heute noch hochgeschätzt ist. Arnikaumschläge linder­ ten den Schmerz bei Prellungen. Die Schaf­ garbe war ein bewährtes Blutreinigungsmit­ tel, und der Wegerich wurde bei Wunden und Fieber aufgelegt. Der Königskerze, auch Frauenkerze genannt, die im Kräuterbusch nicht fehlen durfte, bediente man sich bei Brustleiden, Husten und Heiserkeit (,,Som­ mergrippe“) sowie als Abwehr gegen Blitz und schlimme Wetter. Ein altes Weihegebet der Kirche nennt Gott den „Vater allen Lebens auf der Erde“ und preist ihn als den „Schöpfer von Him­ mel und Erde, Sonne, Mond und Sternen, von allem Himmlischen und Irdischen, als Meeresfürst und· Grundleger der Elemente, der vielerlei Heilkräfte verschiedenartigen Kräutern mitgab zur Heilung der Leiber“. Und die Segensformel fährt f?rt: ,,Wer immer, Mensch oder Tier, vom geweihten Heilkraut genommen, dem möge es helfen, vom Siechtum, rätselhaftem Übel, von der Seuche und vom Weh“. In der Zeit des Frauendreißigers haben die meisten wildwachsenden Pflanzen und Heil­ kräuter ihre Reife und volle Wirkungskraft. Ferner soll man – so der Volksglaube – im Frauendreißiger die Himbeeren, Heidelbee­ ren und Preiselbeeren einbringen. Auch alles, was in den Bauerngärten stark farbig blüht und wohlriechend ist, fällt – nach Auffas­ sung der „Gewürzweiber“ – in die Zeit des Frauendreißigers. Aber nicht nur auf Pflanzen und Beeren erstreckt sich die Segenskraft des Frauendrei­ ßigers. Auch die im Hühnerstall in den Wochen von Mariä Himmelfahrt bis Mariä Geburt gelegten Eier sammelten und hielten die Bäuerinnen zurück. Nach dem Volks­ glauben sollen sie nicht faulen und beson­ ders lange frisch bleiben. In der Suppe haben die „Dreißigsteier“, oft auch „Augusteier“ genannt, eine kräftigere Wirkung als die Hühnereier aus den übrigen elfMonaten des Jahres. Junge Kücken, die im Frauendreißi­ ger schlüpfen, gelten als bevorzugte künftige Legehennen. Auf der Baar und im Schwarzwald erin­ nert man sich der Bötinnen, die um die Jahr­ hundertwende mit bäuerlichen Produkten auf die Wochenmärkte in die nahen Städte kamen. Im Frauendreißiger fehlten die Eier in ihrem Angebot. Galt es doch, die August­ eier in Spreu zu legen und als Wintervorrat für den eigenen Haushalt zusammenzuhal­ ten in einer Zeit, die im Bauernhaus noch keine Kühltruhen und Kühlschränke kannte. Dr. Lorenz Honold Die Tracht in Buchenberg Nur noch bei Festen, Heimat- und Brauchtumsveranstaltungen und vereinzelt beim Gottesdienstbesuch wird die Buchen­ berger Frauentracht getragen. Eine weitere Möglichkeit diese Tracht zu sehen, ist der Gottesdienst „Alten Kirchle“ zu Buchenberg, der einmal im Jahr, meistens Ende August, gehalten wird. Bei diesem Gottesdienst tragen auch jüngere Buchenberger Mädchen und Frauen einer alten Tradition folgend diese schöne Tracht. Eigentlich ist es die sogenannte St. George- ehrwürdigen im ner Tracht, die früher in allen evangelischen Orten der jetzigen Gesamtgemeinde Königs­ feld und vor allem auch im Klosteramtsbe­ zirk von St. Georgen getragen wurde. Wesentliche Verdienste bei der Erhaltung dieser Tracht hat die Trachtenkapelle Buchenberg mit der Stubenmusik und natür­ lich auch der Trachtenverein von St. Geor­ gen, die dieses Brauchtum seit Jahren beson­ ders pflegen. Sowohl die Kirche wie auch der Staat übten in früheren Zeiten einen wesentlichen 241

Buchenberger Trachtenmädchen Einfluß auf die Kleidung ihrer Untergebenen aus. So wurden in den Kleiderordnungen der früheren Jahrhunderte bis im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts für die bäuerliche Klei­ dung die vorherrschenden Farben blau,.�rau, schwarz und etwas weiß zudiktiert und Uber­ tretungen bestraft. Über die noch vorhandenen Trachten und den Zeitpunkt, ab wann diese in unserer Gegend getragen wurden, schreibt Wolfdie­ ter Gramlich im St. Georgener Heimatbuch (1984): „Zu den wenigen sogenannten Trach­ teninseln des Landes, wo noch täglich die angestammte Volkstracht zu sehen ist, gehört St. Georgen im Schwarzwald. Hier, wie auch in den St. Georgener Ortsteilen Brigach, Langenschiltach, Oberkirnach, Peterzell und Stockburg, aber auch in den umliegenden Ortschaften Buchenberg, Burgberg, Erdmannsweiler, Mönchweiler, Schabenhausen, evangelisch Tennenbronn und Weiler wurde 1983 noch von beinahe 242 100 Frauen täglich Tracht getragen. Darüber hinaus gibt es noch etwa 200 Frauen, die beim Kirchgang oder besonderen Anlässen ihre Sonntagstracht anziehen, sonst aber ,,Stadtkleider“ tragen. Von wenigen Ausnah­ men abgesehen, sind diese Tracht tragenden sogenannten „Hippewiiber“ über 70 Jahre alt, so daß deren Anzahl immer kleiner wird. Von welcher Zeit ab die Kleidung der Bevöl­ kerung als Tracht zu bezeichnen ist, kann niemand mit Gewißheit behaupten. Doch dürfte sich ein für die Gegend um St. Geor­ gen charakteristisches Aussehen der Klei­ dung vermutlich um 1500 herausgebildet haben. Von 1850 an bis heute hat sich die Tracht um St. Georgen im Gegensatz zu den Trach­ ten anderer Gegenden kaum verändert. In den 20er Jahren wird die Buchenberger Tracht als nicht aufdringlich mit vielfarbi­ gem Drum und Dran bezeichnet. Entspre­ chend dem unwirtlichen Klima des Schwarz-

Die Trachtenkapell.e Buchenberg waldes, dem in alter Zeit allen lauten Festen abgeneigten Mönchkloster und nicht zuletzt begünstigt durch den etwas ernsten Volks­ charakter des alemannischen Schwarzwäl­ ders, entwickelte sich die Kleidung zu dem etwas düster erscheinenden Bild, wie wir es heute sehen. Dunkel ist die herrschende Farbe. Das Hauptkleidungsstück der Frau ist die sogenannte Hippe. Es ist dies ein schwar­ zer, ärmelloser Miederrock, der entweder aus schwerem Tuch oder aus schwarzgefärbter, selbstgesponnener und gewobener Lein­ wand genäht wird. Das Mieder besteht aus in bestimmter Form und Farbe zusammenge­ setzten Samtstücken, in welche hübsche Blu­ menmuster eingestickt sind. Um den Hals trägt man den Goller, und zwar soll dieser mit den gleichen Glasperlen ausgeputzt sein wie der Brustlatz. Der Rock wird an den Hüf­ ten durch Einnäher und Fadendurchzug gebauscht, so daß diese sehr „betont“ erschei­ nen. Mit gleichem Stoffreichtum bedacht ist der Schurz. Aus dem dunklen, ärmellosen Kleid hervor quellen die bauschigen, blüten­ weißen Hemdärmel aus feinem Leinen. An Regentagen oder zur Winterszeit zieht man über den Oberkörper den Schauben aus ein­ farbiger Seide. Unter dem Saum des bis zu den Knöcheln reichenden Rockes schauten einst am Sonntag die „hasenhärenen weißen Zwickelstrümpfen und schwarzen Halb­ schuhen steckenden Füße hervor. Das junge Mädchen geht gewöhnlich barhaupt. Nur beim Kirchgang oder nach auswärts setzt es, wie auch die verheirateten Frauen noch öfter, die Kappe mit den lang flatternden Seide­ bänder“ auf. Bei Trachtenfesten und zu Repräsentationszwecken kann man die Frauen und Mädchen im Rosenhut sehen. Die Wollrosen bei den Mädchenhüten sind rot, bei denen der Frauen schwarz. Eine Besonderheit der Buchenberger Tracht waren die prunkvollen Schäppel, die bei feierlichen Anlässen getragen werden. Sie 243

sind wahre Schmuckstücke, die noch heute bei Trachten- und Heimatabenden bewun­ dert werden können. Der Schäppel war der unbescholtenen Jungfrau vorbehalten und durfte am Hochzeitstag als Brautkrone zum letzten Mal getragen werden. Es ist ein kro­ nenartiger Kopfschmuck, bunt und glit­ zernd, aufgebaut aus Spiegeln, Glaskügel­ chen und Flittergold. Die evangelische Tracht mit dem großen Schäppel, der sechs bis acht Pfund wiegt, hält sich fast aus­ schließlich an das Einflußgebiet des ehema­ ligen Klosters St. Georgen. Den Hals umschließt eine steifgestärkte, spitzenum­ säumte, weiße Halskrause. Zur Schappel gehört der Schappelgürtel. Bei Trauer- und Abendmahlsfeiern wird ein schwarzseidenes Halstuch um den Hals geschlungen getra­ gen, das den Eindruck einer düsteren und ernsten Farbenstimmung vertieft. Im Schäp­ pelgesetz des Rates der Stadt Ulm vom 23. Juli 1347, das bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts im Schwäbischen und beson­ ders im ehemaligen Oberamt Homberg, beachtet wurde, heißt es unter § 1: ,,Die Frauen sollen keine Schäppel, Schleier und Krausen tragen, auch sollen sie ihre Zöpfe und Haare nicht ,hinten abe‘ hängen lassen oder vomen nachlässig gebundenen Locken machen oder hinten abe eine Haarschnur hängen lassen, damit ein jeder wisse, daß sie ungefährlich ist.“ In der Kleiderordnung, die in zehn Paragraphen zusammengefaßt ist, wird außerdem vermerkt, daß eine Jungfrau, die keinen Mann hat, den Schäppel tragen, die Zöpfe und Haarschnur hängen lassen darf, bis sie verheiratet ist. Johann Haller Der Osterschwamm Ein Beispiel dafür, wie die Liturgie der Kir­ che und die Kultur vorwiegend auf dem Land sich gegenseitig durchdringen und das Brauchtum bereichern können, das mit gro­ ßer Liebe, ja Begeisterung gelebt wurde, bil­ dete in allen Pfarreien der Raumschaft Tri­ berg, vereinzelt auch anderswo, der Brauch mit dem „Osterschwamm“; ein Schmarotzer an kranken Bäumen, ,,Dürrständem“ und Wurzelstöcken gewachsen, ein Pilzgewächs war das, zu nichts nütze, in seinen ausge­ wachsenen Exemplaren die Größe eines klei­ nen Brotlaibs erreichend, auf das die Schul­ jungen im Sommer bei ihren Streifzügen ihr Augenmerk lenkten, es beim Heidelbeersu­ chen etwa auch zufällig fanden, abrissen auf dem Ofen trockneten (klapperdürr und steinhart mußte es sein) und schließlich an einem starken Draht befestigten. Damit kamen sie in der Frühe des Kar­ samstagmorgens zur Weihe des Osterfeuers hinter der Kirche. Pfarrer und Mesner wären bei diesem Teil der Auferstehungsliturgie allein geblieben, hätten es sich die Buben nehmen lassen, als Statisten „mitzuwirken“. Da sie die lateinischen Texte ohnehin nicht verstanden, konnte auch ihre Andacht nicht in der Tiefe angeregt werden, und ihr Inter­ esse bestand allein darin, den Augenblick des „Amen“ nicht zu verpassen. Dies galt als Startzeichen, die mißfarbenen, unansehnli­ chen Gewächse mit einem Schlag auf das geweihte Feuer zu stoßen, daß diesem fast die Luft ausging. Während ein oft nur schwächliches Flämmchen die Schwämme zu berühren versuchte, loderte böser kna­ benhafter Egoismus in deren Besitzern.Jeder wollte voll Neid und Mißgunst zuerst seinen Schwamm zum Rauchen bringen, indes der Priester mit Mesner, Organist und wenigen, meist älteren Getreuen in der Kirche mit herrlichem Oster-Alleluja die heilige Hand­ lung fortsetzte. Draußen gab es bei der Brennbarkeit der Schwämme gewaltige Unterschiede, manche von ihnen, obwohl monatelang getrocknet, ließen sich zum Anbrennen Zeit, andere waren williger. Die Jungen wollten den Prozeß beschleunigen, 244

schwangen wie nicht mehr recht bei Sinnen ihren Schwamm in der Luft, der rauchte ein wenig und erlosch, der wilden Anstrengung zum Trotz. Auf das Feuer mit ihm, wo noch eine freie Stelle war, bis er Glut zeigte, und noch einmal geschwungen! Jetzt vielleicht mit mehr Glück? War sich einer seines Feuers sicher, so rannte er ohne Gruß davon, als gelte es das Leben, um möglichst als erster die Menschen zu erreichen: „Wollt ihr auch ein wenig „Osterrauch“? oder: „Ich komme mit dem Osterfeuer“, und merkwürdig, jeder war in dieser frühen Morgenstunde bei allen will­ kommen. Bis zum Dank für den Besuch mit dem Wohlgeruch ein paar Groschen gefun­ den waren, konnte der Rauch sein Werk tun, Duft nach Waldboden und Pilzen von Flur, Stube und Küche aus in die übrigen Räume bis in Stall und Tenne zu verbreiten. Es kam auch vor, daß das Feuer im Schwamm unter­ wegs auszugehen drohte, umsonst war alles wütende Schwingen und verzweifelte Blasen. 245

Dann bat man im nächsten Haus, den erkal­ tenden Schwamm am Herdfeuer neu ent­ zünden zu dürfen. Und weiter ging es von Familie zu Familie in die entfernter liegen­ den Gewanne, österliche Stimmung weiter­ zugeben, in den hellen Vormittag hinein, solange der Schwamm eines jeden glühen wollte. So fest war der weder besonders fromme noch im geringsten abergläubische Brauch im Bewußtsein verankert, daß nach einem Umzug an einen Ort ohne diesen Brauch manche Menschen den Osterschwamm geradezu schmerzlich vermißten. Man kann heute sogar sagen hören, daß ein Ostern ohne Osterschwamm kein Ostern war. Karl Volk Die Verbreitung dieses Brauches im Schwarzwald weist einige Besonderheiten azif. Daß er im Elztal heimisch gewesen wäre, konnte nicht .festgestellt werden (trotz Elard Hugo Meyer: Badisches Volksleben im neunzehnten }ahrhunderl, Straß­ burg 1900, S. 99, wonach er in Kollnau gepjlegl wurde). Dagegen wurde diese „Form des Oster.feu­ ertragens“ (Alberl Reinhard: Brauch/um im Schwarzwald, Karlsruhe 1971, S. 23).fiir St. Pe­ ter, St. Märgen „und das ganze Dreisamtal“ bestätigl. In den beiden genannten Orten wurde sogar das Her4feuer mil dem Schwamm entzün­ det (Reinhard, ebda). Festgesetzt hatte sich der Brauch ebenfalls in Niederwasser, Gremmels­ bach, Nußbach, Triberg, Schonach und Schön­ wald. Er gelangte dagegen nicht über die Escheck nach Furtwangen, Vöhrenbach und Rohrbach, dafür nach Schönenbach (was geradezu eine Insel­ lage einnimmt), Gütenbach und von da ins Hexenloch. Keine Bleibe konnte er um Villingen und in der Baar finden. Eine Eigentümlichkeit besland in Linach, wo der Schwamm nichl ver­ brannt, sondern – wahrscheinlich nur vereinzell – am Sturz der Haustüre.festgenagelL wurde. Eine weitere Eigentümlichkeit gab es in Schollach. Den Schwamm steckten die Hirtenbuben auf ein Steck­ ehen und zündeten ihn an, so vertrieben sie wie mit einer J:feife die Mücken. Den Schwamm nannten sie „Muggeduwak“. 246 Man träumt Man träumt von besseren Tagen. Man träumt von Sonne und Glück. Man träumt vom unsterblichen Leben, das uns der Schöpfer gibt. Man träumt von einem Wunder, von Wünschen, die sich erfüllen. Man träumt vom Frühling im Winter, im Herbst von Sommerszeit. Man träumt vom Wunder des Lebens. Man träumt von Liebe und Lust. Man träumt vom Leuchten der Sterne, die man vom Himmel holt. Man träumt von großen Reisen in eine ferne, herrliche Welt. Man träumt, daß man dann leise als Engel vom Himmel fallt. Nacht Träumend ziehen die schwarzen Schatten am Fenster vorbei in der Nacht. Der Wind heult über Wald und Matten, kein Stern sein Licht entfacht. Der Mond blickt kalt. Mit fahlem Licht taucht er aus dem Wolkenmeer. Verhüllt dann wieder sein Angesicht, als ob er ein Traumbild wär. So rinnen die Stunden in düstrer Nacht. Still liegt die Welt, alles ruht. Doch eines steht fest, der Morgen erwacht und wenn Gott will – auch du. Margot Opp

Gesundheit, Soziales, Jugendbetreuung Caritasverband für den Schwarzwald-Baar-Kreis Perspektiven für die Arbeit der kommenden Jahre Der Caritasverband für den Schwarzwald­ Baar-Kreis ist wie alle anderen Wohlfahrts­ verbände ständig den Wandlungen unter­ worfen, die von der Gesellschaft ausgehen und die auch an einer Einrichtung der Kirche nicht spurlos vorübergehen. Wie sich die Menschen und die Verhältnisse, in denen sie leben, verändern, so verändern sich auch ihre Nöte, Sorgen und Ängste und so muß sich auch die Hilfe für die Menschen verän­ dern. Schwergewichte verlagern sich also. Aufgaben und Ziele der Caritas waren und sind stets zu hinterfragen und neuen Gege­ benheiten anzupassen. Bis zum Jahre 2000 wird ein leichter Rück­ gang der Wohnbevölkerung insgesamt zu verzeichnen sein, aber es wird 40 0/o weniger Jugendliche geben als im Jahre 1982. Dage­ gen wird die Zahl älterer Menschen erheb­ lich ansteigen. Trotz Arbeitszeitverkürzun­ gen und sonstiger Maßnahmen wird ein hoher Sockel von Arbeitslosigkeit bestehen bleiben. Aus diesen Rahmenbedingungen ergeben sich neue Aufgabenstellungen. Subsidiarität ist ein wichtiges Prinzip in unserer Arbeit. Es wird dem Menschen in sei­ ner Freiheit, Eigenverantwortung und Hilfs­ bedürftigkeit gerecht und entspricht dem organischen Aufbau der menschlichen Gesellschaft. Wir wissen, daß Caritasarbeit nahe beim Menschen getan werden muß, dort wo Nöte unmittelbar gesehen werden und auch direkte Hilfe bereitgestellt werden kann. Das ausgebaute netz der caritativen Dienste kann und darf diesen unmittelbaren Bruderdienst nicht ersetzten; er gehört zur Wesensfunktion einer christlichen Gemein­ de. Arbeit mit Kindern und Jugendlieben Wenn auch die Kinderzahl rückläufig ist, so bleibt doch die Qialität der Kindertages­ stättenarbeit eine dauernde Aufgabe. Die Vermittlung und Durchführung von Kinderkuren sind das älteste Hilfsangebot des Caritasverbandes Donaueschingen. Kin­ derkuren sind heute noch genauso wichtig wie in den Nachkriegsmonaten, nur die Gründe für die Erholungsverschickung haben sich geändert. Damals waren Hunger und Unterernährung die Ursachen der Erho­ lungsverschickung. Heute stehen psychische Faktoren, Überernährung, Allergien, Erkran­ kungen der Atemorgane und Verhaltensauf­ fälligkeiten im Vordergrund. Unser Jahres­ programm für gesundheitlich geschädigte und gefährdete Kinder ist immer auch dar­ aufhin zu überprüfen, ob es sich hinreichend an den Bedürfnissen unserer Kinder orien­ tiert. Auch im Bereich der Jugendhilfe werden in Zukunft große Anstrengungen erforder­ lich sein, um die verschiedenen Gruppen zu erreichen. Die Jugend wendet sich mehr und mehr ab von Angeboten herkömmlicher Art und wendet sich neuen Formen des Engage­ ments zu. Familienhilfe Die Aufgaben der Familienhilfe haben in mehrfacher Hinsicht gesellschaftlich und kirchlich einen hohen Stellenwert. Unsere Hilfsangebote sind darauf gerichtet, die Familie (auch die Teilfamilie) zu stützen, zu stärken und zusammenzuhalten. Das Ange­ bot der Familienpflege ist deshalb ein wichti­ ger Bestandteil unserer Caritasarbeit. Berichte hauptamtlicher Familienpflegerin­ nen zeigen eine Spanne von sehr problemati­ schen Situationen auf. Vielen Familien sieht man die schweren Belastungen von außen nicht an. Wir befinden uns in einem Prozeß 247

der Umorientierung des Familienleitbilds oder des Leitbilds der Rollenverteilung zwi­ schen den Geschlechtern. Aus dem Neben­ einander verschiedener Rollenvorstellungen – oft in einer Person – ergeben sich Kon­ flikte, die wiederum einen Hilfsbedarf kon­ stituieren. Besonders hinzuweisen ist auf die wachsende Zahl der Frauen, die in Folge einer unerwünschten Schwangerschaft in eine Konfliktsituation geraten. Unter ihnen sind junge, unverheiratete, aber auch ältere verheiratete und geschiedene Frauen. Es ist nie ein einziger Faktor, der den Wunsch nach Schwangerschaftsabbruch begründet; es sind viele negative Erfahrun­ gen in der Familie, in der nächsten Umge­ bung, mit Kollegen am Arbeitsplatz und ihren Einstellungen, die sich zu einer Aus­ weglosigkeit verdichten, die offenbar keine Chance mehr für das Kind zulassen, daß es geboren werden kann. einem In weiten Kreisen der Bevölkerung ist die Verfügbarkeit menschlichen Lebens eine Selbstverständlichkeit (daraus erklärt sich auch die Diskussion um eine aktive und pas­ sive Euthanasie). Viele betroffene Frauen sind durch eine solche gesellschaftliche Mei­ nung darin bestärkt, daß der Schwanger­ schaftsabbruch eine durchaus akzeptable Lösungsmöglichkeit für Probleme ist. Das allgemeine Bewußtsein wird dem strafrecht­ lichen Schutz des ungeborenen Lebens nicht mehr gerecht. Die Berater in diesem Aufga­ benbereich nehmen eine äußerst verantwor­ tungsvolle Tätigkeit wahr, wenn sie den Frauen Mut machen und angemessene Hil­ fen anbieten, damit sie – frei von Zwängen der Familie, des Partners und der Gesell­ schaft – zu einer wirklich selbstbestimmen­ den Entscheidung kommen. Die fundamen­ tale naturwissenschaftliche Tatsache, daß der Mensch nicht wird, sondern ist, von Anfang an, in die Köpfe und Herzen unserer Mitbürger zu bringen, ist wohl eine der Auf­ gaben, die wir alle miteinander als Christen in unserer Gesellschaft erfüllen müssen. Von großer Bedeutung für unsere Arbeit wird sicher auch die hohe und immer noch 248 wachsende Zahl der Alleinerziehenden, die in der Regel berufstätig sind. Wir müssen damit rechnen, daß außerfamiliäre Kinder­ betreuungsformen an Bedeutung gewinnen. Viele Geschiedene und Getrenntlebende sind durch die Erschütterung und durch Ent­ täuschungen (Verlust des Partners) auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gestoßen worden. Bei vielen breiten sich Zweifel und Verzweiflung aus. Dazu kommen, besonders bei der alleinerziehenden Frau, noch Pro­ bleme mit der Umwelt und im finanziellen Bereich. Dienste für ältere Menschen Die größte Personengruppe, für die ver­ stärkt Hilfeleistungen gefordert sind, bilden die alten Menschen. Bereits heute schon haben wir es mit einem eklatanten Mißver­ hältnis zwischen Hilfebedarf und Hilfsange­ boten in der Altenhilfe zu tun. Eine niedrige Geburtenrate in den ersten Nachkriegsjah­ ren hat zur Folge, daß einer wachsenden Zahl von gebrechlichen Menschen eine geringere Zahl von Angehörigen im pflegefä­ higen Alter gegenüberstehen. Nicht selten sind pflegende Angehörige selbst schon in einem hohen Alter. Wir erleben sehr oft, daß die 70jährige Tochter ihre 90jährigen oder älteren Eltern versorgt und bei der nicht absehbaren Dauer der Pflege auf das äußerste gefordert ist. Eine Familie, die ältere Men­ schen pflegt, braucht tatkräftige Hilfe. Sie braucht nicht nur eine �alifizierung auf dem Gebiet der Gerontologie, sondern auch unterstützende Maßnahmen in Form von Beratung und zusätzliche Pflege durch die Sozialstation und Nachbarschaft. Die pfle­ gende Restfamilie muß sich gelegentlich zurückziehen können, um nicht selbst zum Pflegefall zu werden. Für eine vorüberge­ hende Unterbringung des Pflegebedürftigen fehlen auch in unserem Kreisgebiet die soge­ nannten Kurzzeitpflegeplätze. Eine Altenhelferin, die im Rahmen eines Feldversuches des Landeswohlfahrtsverban­ des seit Oktober 1985 beim Caritasverband Donaueschingen tätig ist, macht sich dar-

Triberg: Wal!fahrtskirche „Maria in der Tann“. Origi.nal-Radierung 1988 von Müller-Hanssen � 249

über Gedanken, wie diese Entwicklungen aktiv mitgestaltet werden können. Sie fordert ein abgestuftes, durchlässiges Verbundsy­ stem von stationären, teilstationären und ambulanten Hilfen, die sicherstellen, daß den Hilfebedürftigen ein ihrem jeweiligen Bedarf komplementäres Angebot zur Verfügung steht, das weitge­ hend ein selbstbestimmendes Leben im pri­ vaten Lebensraum ermöglicht. angemessenes, Mit dem Mahlzeitendienst – Essen auf Rädern – will der Caritasverband alten und behinderten Menschen die Chance geben, ihre Lebenssituation mit teilweiser Unter­ stützung noch aus eigener Kiaft zu bewälti­ gen. Der Hausnotruf-Dienst ist eines unserer jüngsten Glieder in der Kette ambulanter Hilfen für ältere Menschen. Die Aufgabe im sozialen Netzwerk der Caritas besteht darin, eine Brücke zu bilden, über die allein lebende Menschen, die durch eine persönliche Stö­ rung ihres körperlichen Befindens bedroht werden, und Menschen, die ihnen beistehen möchten, zueinander finden. Voraussetzung dafür, daß dieser notwendige und manchmal lebensrettende Kontakt über Entfernungen von bis zu 70 km zustande kommt, sind die technischen Kommunikationsmittel: Funk, Telefon und die Kontaktperson in der Nach­ barschaft. Ein sehr wichtiges Ziel der Altenerholung ist die Erhaltung und Stabilisierung der Gesundheit für eine selbständige Lebensfüh­ rung. Wir sehen unsere Aufgabe aber auch darin, Hilfen anzubieten zu einer altersge­ rechten Aktivität und bemühen uns, geistige Anregung und Kraft mitzugeben für den All­ tag. Auch hierbei stellen wir fest, daß das Durchschnittsalter der Teilnehmer immer höher wird. Die Menschen leben nicht nur länger; sie bleiben -oder fühlen sich -länger jung. Sie sind selbständiger und auch reisege­ wohnter. Zukünftige Altenarbeit verlangt von uns allen Einfallsreichtum und Kreativität. Neue Ideen müssen erprobt werden und das bewährte ergänzen. Im Bereich „Beratung“ und in der Arbeit mit ehrenamtlichen Hel- 250 fergruppen sowie Gesprächskreisen für pfle­ gende Angehörige u.a.m. brauchen wir die Fachkraft, den Einsatz der Altenhelferin, auch nach Ablauf des Feldversuches des Lan­ deswohlfahrtsverbandes. Weitere Aufgabenfelder Mit großer Sorge beobachten wir die stei­ gende Zahl Alleinstehender und Familien, die den Caritasverband wegen zunehmender finanzieller oder materieller Not aufsuchen. Es sind oft Menschen, die wegen Krankheit, Alter oder einer nicht mehr dem heutigen Stand entsprechenden Q!.ialifikationen aus dem Arbeitsprozeß heraus sind. Wenn Fami­ lien von dieser Situation betroffen sind, wirkt sich das besonders schwer aus; die Armut nimmt dann schnell zu. Oftmals wachsen in bedrohender Form Schulden an. Damit beginnt eine Lawine zu rollen. Die A r b e i t s I o s i g k e i t ist in unserem Land schreckliche Realität und niemand hat ein probates Rezept, sie wirksam zu bekämpfen. Mit ihr ist auch eine dauerhafte Bedrohung des sozialen Friedens in unserer Gesellschaft verbunden. Im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit wird das Thema „Neue Armut“ ebenso zu berücksichtigen sein wie die schlimmen Auswirkungen einer langan­ dauemden Arbeitslosigkeit auf die Psyche der Arbeitslosen und auf die gesellschaftli­ che Einschätzung ihrer Familien. Eng verknüpft mit dieser Frage ist die A u s l ä n d e r p r o b l e m a t i k , entstanden aus dem Arbeitsmangel der Sechziger Jahre. Doch wir haben es jetzt mit einer anderen Gruppe zu tun. Die Aufenthaltsdauer liegt heute schon im Schnitt bei über 10 Jahren und viele Ausländerkinder, die hier leben, sind hier geboren und haben auch unser Schulsystem durchlaufen. Künftig wird die zweite und dritte Generation das Bild bestimmen, eine Gruppe, denen die „alte Heimat“ fremd geworden ist – politisch, wirtschaftlich, kulturell und religiös. Bei der F I ü c h t I i n g s a r b e i t handelt es sich um einen Bereich, der von der Ziel­ gruppe her verschiedene christliche Konfes-

sionen, Weltreligionen und Weltanschauun­ gen umfaßt. Dieser verschiedenartige Hin­ tergrund und Status des Flüchtlings erfordert in besonderem Maße einen individuellen Ansatz des Sozialdienstes. Gerade in diesem Aufgabenbereich wird besonders deutlich, daß Caritas sich dort bewähren muß, wo ihr Dienst in der Gesellschaft nicht selbstver­ ständlich ist und auf Widerstände stößt. Es wird eine ständige Aufgabe des Caritasver­ bandes beleiben, für eine Verbesserung der Lebensumstände der Flüchtlinge einzutre­ ten und eine Versachlichung in der Diskus­ sion um das Asyl zu erreichen. Die S i t u a t i o n d e r p s y c h i s c h k r a n ­ k e n M e n s c h e n war bis in unsere Zeit hin­ ein geprägt von großer Hilfslosigkeit, was die medizinisch-therapeutischen Möglichkeiten von Hilfe und Heilung betraf Neue Erkennt­ nisse machen es möglich, die bisherige Isola­ tion vieler Menschen zu durchbrechen. Ein­ richtungen für psychisch Kranke und behin­ derte Menschen außerhalb der stationären Psychiatrie erkennen Staat und öffentliche Hand erst jetzt als notwendig an. Ab 1.1.1988 sind die Voraussetzungen für die Finanzie­ rung dieses Dienstes geschaffen. Der Sozial­ psychiatrische Dienst im Schwarzwald-Baar­ Kreis mit 4 hauptamtlichen Fachkräften hat die Aufgabe, schwer psychisch Kranken und Behinderten durch ein aktiv nachgehendes Angebot an Betreuung, durch Kriseninter­ vention, durch Beratung – auch des sozia­ len Umfeldes – und durch verschiedene Gruppenaktivitäten zu helfen. Ein neues Problem ist in den vergangenen Jahren aufgetaucht, das unsere Gesellschaft stark beunruhigt: AIDS. Seitens des Staates ist eine Aufklärungskampagne angelaufen, die einer weiteren Ausbreitung dieser Krank­ heit entgegenwirken soll. Niemand kennt die Zahl der Infizierten, von denen man nicht weiß, ob und wann die Krankheit bei ihnen offen ausbrechen wird. Auch wenn das Schlimmste nicht eintreffen muß, gilt es doch, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Viele Aufgaben wären ohne Hilfe von Bund, Land, Kommunen und Sozialversi- cherungsträgern nicht zu leisten. Das Zusammenspiel von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege hat sich bewährt. Doch werden die Aufgaben in der Verwaltung des Caritasverbandes umfangreicher. Der Ver­ band hat auf Sparsamkeit zu achten und auf die gewissenhafte Verwendung zweckbe­ stimmter Mittel. Neben der Sorge um die Not der Men­ schen im eigenen Land brauchen wir noch Kraft für die Hilfe im Ausland. Dabei wissen wir, daß eine nur halbherzige Bekämpfung der Not hierzulande die Glaubwürdigkeit des Kampfes gegen die Not in der fremden Welt schwächt. Für uns Caritasmitarbeiter wird es eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft sein, den Blick für das Wesentliche der eigenen Arbeit zu schärfen, damit wir das verwirklichen können, was unsere eigentliche Aufgabe ist: Anwalt der Armen zu sein. Pia Brenner Gutes Herz Vieles tun und auch ertragen Mußt du, gutes, treues Herz, Für den Kreislauf pumpen, schlagen, Für die Freude und den Schmerz. Alles hast du auszuhalten Bis zum letzten Atemzug, Einer läßt dich schalten, walten, Bis es ist, o Herr, genug. Und du findest dann die Ruhe, Die du sicher oft begehrt; Weiß ich jetzt auch, was ich tue, Wenn mein armes Herz sich wehrt. Johannes Hawner 251

Die kreiseigene Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliebe Mit einem Schriftwechsel zwischen dem damaligen Landrat des Kreises Donau­ eschingen, Dr. Robert Lienhart, und dem damaligen Landrat des Kreises Villingen, Dr. Josef Astfaller, begann 1972 die Geschichte der jetzigen kreiseigenen Erziehungsbera­ tungsstelle. Zu diesem Zeitpunkt feierte die Institution Erziehungsberatung in dieser Region bereits ihren 17. Geburtstag. Die Geburtsstätte war das Katholische Gemein­ dehaus in der Villinger Waldstraße 2. Einmal in der Woche wurden durch Mitarbeiter der Freiburger Kinder- und Jugendpsychiatrie Sprechstunden abgehalten. 1967 weist der Jahresbericht der Villinger Beratungsstelle darauf hin, daß monatelange Wartezeiten entstanden sind und die Beratungskapazität dringend vergrößert werden müßte. 1975 beschloß der Kreistag dann die Einrichtung einer eigenen Erziehungsberatungsstelle, die 1976 in Villingen, Herdstraße 7 /1 mit 5 Mit­ arbeitern ihre Arbeit begann. Es folgten in den Jahren 77-79 die Eröffnungen der Außenstellen Furtwangen und Donau­ eschingen sowie der Ausbau der Jugend- und Drogenberatung. Die Erwartungen der Ratsuchenden sind nicht selten geprägt durch die Person, die sie auf die Einrichtung aufmerksam macht, seien es Vermittler wie Lehrer, Ärzte, Kinder­ gärtnerinnen, seien es Bekannte, die bereits Kontakte zur Beratungsstelle hatten. Mit welchen Erwartungen auch immer die Klien­ ten zu uns kommen, eines haben sie immer gemeinsam: Es kostet sie eine große Über­ windung, den Schritt in die Beratungsein­ richtung zu vollziehen. Noch immer ist die Entscheidung begleitet vom Eingeständnis elterlichen oder, – sind es einzelne Personen, vom Eingeständnis persönlichen Unvermö­ gens, einer Niederlage, gepaart mit Schuldge­ fühlen. Diese Empfindungen decken sich mit den oft geäußerten Vorurteilen, daß eine 252 Beratungsstelle nur von solchen Menschen aufgesucht werden, die selbst oder deren Kin­ der nicht „normal“ sind. Es ist vielfach noch immer nicht bekannt, daß es zeitunabhängige und zeitüber­ dauernde Normen für eine Reihe von Ver­ haltensweisen im menschlichen Zusammen­ leben nicht gibt. Die Etikettierungen „normal“ und „unnormal“, ,,störend“, ,,auffällig“ usw. sind oft Ausfluß eines höchst individuellen Regel­ verständnisses. Solche Aussagen sind abhängig von der persönlichen Entwicklung des sie benutzen­ den Individuums und/oder des sozialen Umfeldes, z.B. der Familie. Das heißt: Wert­ systeme einzelner Menschen und auch kom­ plexerer sozialer Gefüge werden von sich in der Zeit wandelnden Faktoren beeinflußt. Wir können daher sagen: die Etikettie­ rung „normal“ und „unnormal“ einer breiten Palette von Verhaltensweisen unterliegt sub­ jektiven und gesellschaftlichen Verände­ rungsprozessen, ist damit von vergänglicher Natur. Bei einer anderen Gruppe von Verhaltens­ auffälligkeiten fällt es schwerer, sich einer Klassifizierung zu entziehen, weil es sich dabei um offensichtliche Abweichungen von scheinbar allgemein gültigen Normen handelt: Es sind dies psychosomatische Erkrankungen, Suchterscheinungen und so­ ziale Auffälligkeiten, wie z.B. das Stehlen. Solche Symptome werden vom Einzel­ nen wie von seiner Umwelt als schmerzhaft und einschränkend erlebt. Es sind ernstzu­ nehmende Signale und Hinweise auf nicht nur das lndividuum, sondern auch sein soziales Umfeld verunsichernde Gescheh­ nisse. An dieser Stelle sei grob ein Modell skiz­ ziert, nach dem viele Mitarbeiter in Bera­ tungsstellen die Entstehung von sogenann-

ten Verhaltensauffälligkeiten erklären: Sie betrachten die Familie als System, d. h. als ein organisiertes Ganzes, das aus interagierenden Teilen besteht. Die Familie selbst ist wieder­ um Teil eines komplexeren sozialen Umfel­ des, das sich seinerseits aus den unterschied­ lichsten Systemen zusammensetzt (andere Familien, Kindergartengruppen, Schulklas­ sen, Fabrik). Die Familie lebt in einer physi­ kalischen Umwelt (in einer speziellen Land­ schaft mit biologischen und klimatischen Eigenarten). Beide Bereiche, der soziale und physikalische wirken auf die Familie ein, sie beeinflussen das Familienleben, ebenso wie jedes einzelne Familienmitglied dies mit sei­ nen Erfahrungen und körperlichen Beschaf­ fenheit tut. Damit die Familie als Organisationsform überlebt, muß sie einerseits in der Lage sein, sich, das Zusammenleben strukturierenden Regeln (als solche könnte man unter Umständen die oben erwähnten Normen bezeichnen) zu geben. Sie muß andererseits auch in der Lage sein, offen zu sein für Ein­ flüsse, die von außen an sie herangetragen werden. D. h. eine Familie muß stark genug sein, sich eine Ordnung zu verleihen, die das Zusammenleben über einen längeren Zeit­ raum hinweg regelt, eine Ordnung, die nicht permanent verändert wird. Sie muß andererseits so flexibel sein, Ein­ wirkungen von außen zu assimilieren, zu ver­ arbeiten, weil sonst Erstarrung die Folge wäre. Eine dauernde Gradwanderung zwi­ schen Wandel und Erhalt. Es gibt Phasen im Leben einer jeden Fami­ lie, die in der Regel höhere Anforderungen an die eben gestellten Eigenschaften stellen. Nehmen wir z.B. den Eintritt eines Kindes in die Pubertät. Die keimende Eigenständigkeit, das kritische Hinterfragen von Sachverhal­ ten, das Infragestellen von Autoritäten, der wachsende Einfluß der Freunde: das alles sind bislang unbekannte Verhaltensweisen eines Familienmitgliedes, die es notwendig machen, daß sich die Familie damit aus­ einandersetzt. In diesen „sensiblen“ Phasen ( dazu gehört z.B. der Schuleintritt, die Geburt eines Geschwisters) ist natürlich die Familie besonders gefährdet. Nicht selten fal­ len familiäre Schwierigkeiten in diese Zeiten. Einige Familien sind in solchen Augenblik­ ken wenig flexibel, halten zu sehr am Bestand des Gewohnten fest. Andere Familien sind in Gefahr auseinanderzubrechen, weil sie ihre bisherige Ordnung aufgeben, ohne sich eine neue zu geben, was notwendig wäre. An diesen Beispielen wird deutlich, wel­ chen Belastungen, Einflüssen jedes Familien­ gefüge ständig ausgesetzt ist. Es sind im Grunde äußerst komplexe Mechanismen, vergleichbar mit empfindsamen Geräten der Regeltechnik, z.B. Thermostaten, die immer wieder dafür zu sorgen haben, daß die Fami­ lie und ihre einzelnen Mitglieder funktionie­ ren. Kleinere Störungen in diesem „Betriebssy­ stem“ gehören daher zum Alltag seines Funktionierens. Es zeugt unseres Erachtens von einem hohen Verantwortungsgefühl, wenn sich Familien in schwierigen Situationen im Bewußtwerden solch eigener vorü herge­ hender Schwächen Hilfe holen bei einer einschlägigen Beratungsstelle. Vorrangige Aufgabe der Beratungsstelle ist es, den Familien wieder den Glauben und ein Gefühl von ihren in der Regel vorhande­ nen Stärken zu vermitteln. Ihre Aufgabe ist es ferner, die Familie zu verselbständigen, sie zu befähigen, ihre Zukunft wieder in eigene Hände zu nehmen. Roland Stieber Aussagen Nichts braucht so viele Worte wie Nichtssagendes, und nichts sagt mehr aus als beredtes Schweigen. Jürgen Henckell 253

In Donaueschingen: MS-Erkrankte suchen Kontakt mit der Bevölkerung Der einstige Gourmet-Treffpunkt, das idyllisch im Schloßpark von Donaueschingen gelegene Für­ stenberg-Parkrestaurant, wurde in Zusammen­ arbeit der AMSEL-Kontaktgruppe Schwarz­ wald-Baar-Kreis und dem Fürstenhaus Donau­ eschingen seit 1. 6.1989 zu einer Begegnungsstätte umgewandelt: es treffen sich dort die an Multiple Sklerose (MS) Erkrankten untereinander, genauso wichtig ist aber auch die Möglichkeit eines Kontaktes mit der Bevölkerung. Initiatorin dieses Projekts ist Erbprinzessin Maximiliane zu Fürstenberg, die sich auch schon vorher für die Belange der an Multiple Sklerose Erkrankten ein­ setzte. Die Begegnungsstätte, die rollstuhlge­ recht ist, enthält ein Tagescafe sowie eine Wohngemeinschaft für MS-Betroffene. Die Befürchtung, daß die Begegnungsstätte von der Bevölkerung nicht angenommen werden würde, hat sich als unbegründet herausge­ stellt. Das Parkcafe wird von vielen Spazier- gängern aus der Umgebung genutzt, die zu Kaffee und Kuchen oder für eine kleine Mahlzeit einkehren. Besonders die Bewoh­ ner des Altenheims St. Michael schätzen die räumliche Nähe des Parkcafes. Auch Nicht­ MS-Betroffene Rollstuhlfahrer kommen öfters auf einen Besuch vorbei, da sie sich im Parkcafe nicht so beobachtet fühlen, wie in einem Cafe der Donaueschinger Innenstadt. Das Parkcafe ist besonders bei schönem Wetter gut besucht. Auf der Terrasse, die ca. 30 Personen Platz bietet, ist es manchmal schwer, einen freien Tisch zu bekommen. Im Parkcafe selbst stehen den Besuchern noch­ mals ca. 40 Plätze zur Verfügung. In den kal­ ten Monaten ist der Besuch von Spaziergän­ gern nicht so rege, das Parkcafe wird dann vermehrt für Geburtstagsfeiern, Jahrgangs­ treffen und Feiern im Familien- und Freun­ deskreis genutzt. Der Winter bedeutet zwar eine „Durst- 254

Den MS-Betroffenen, die in der Wohnge­ meinschaft Donaueschingen leben, stehen ein Schlafraum sowie ein Aufenthaltsraum zur Verfügung. Dadurch, daß die Wohnge­ meinschaft im selben Gebäude wie das Park­ cafe untergebracht ist, kommen die Bewoh­ ner täglich in Kontakt mit anderen MS­ Betroffenen und Gesunden, wodurch eine Isolation vermieden wird. Betrachtet man die Erfahrungen, die in der Begegnungsstätte im ersten Jahr gemacht wurden, zeigt sich, daß sie sich als Integrati­ onsprojekt bewährt hat. Das Aufeinanderzu­ gehen von Behinderten und Nicht-Behin­ derten kann hier ganz zwanglos geschehen. In der gemütlichen Atmosphäre der Begeg­ nungsstätte kommt mancher Gesunde schnell ins Gespräch mit einem Behinderten und stellt fest, daß seine Ängste und Vorur­ teile gegenüber behinderten Menschen unbegründet waren. Auf der anderen Seite erlebt der Behin­ derte diese Begegnung auch als positiv: Das Gefühl, nicht von der Gesellschaft ausge­ schlossen zu sein, ,,noch dazuzugehören“, trägt ein wesentliches dazu bei, mit der Behinderung besser fertig zu werden. Silvia Kern Silvester Man sollte still das Jahr begrüßen und denken an des Lebens Sinn. Es sollte sein ein Überfließen vom Ende in den Neubeginn. Man hat viel Wünsche, ist voll Hoffen, ein neues Jahr, viel hundert Tag. Geburtstagskind -die Tür ist offen, komm nur herein beim Glockenschlag. Was du auch bringst, ich nehm‘ es gerne. Ein Jahr ist kurz, ein Jahr ist lang. Am Himmel leuchten doch dieselben Sterne, dieselbe Sonne strahlt, mir ist nicht bang. Margot Opp 255 strecke“, jedoch kann man sagen: Das Cafe trägt sich selbst. Daß dies möglich ist, liegt auch daran, daß die AMSEL-Kontaktgruppe das Lokal ohne Pacht vom Fürstenhaus zur Verfügung gestellt bekommt. Wichtig hier­ bei ist auch die Unterstützung vieler ehren­ amtlicher Helfer, ohne die ein reibungsloser Ablauf nicht möglich wäre. Sie stehen dem Koch, der festangestellt ist, hilfreich zur Seite und sind für die Bewirtung der Gäste zustän­ dig. In der Begegnungsstätte ist auch eine Wohngemeinschaft für MS-Betroffene untergebracht. In dieser Wohngemeinschaft leben zwei MS-Betroffene ständig. Sie wer­ den rund um die Uhr von Zivildienstleisten­ den versorgt und betreut. Für die medizini­ sche Betreuung steht eine Krankenschwe­ ster, die selbst betroffen ist, zur Verfügung. Bei den MS-Betroffenen, die in der Wohnge­ meinschaft leben, handelt es sich um Perso­ nen die, wenn sie nicht dort eine Bleibe gefunden hätten, in einem Heim hätten untergebracht werden müssen. Die Unter­ bringung in einer Wohngemeinschaft hat sich als eine gute Alternative zu den meist unbefriedigten Heimplätzen erwiesen. In der Wohngemeinschaft in Donau­ eschingen befindet sich zusätzlich noch ein Kurzzeitpflegeplatz. Dieser hat sich bereits bewährt, beispielsweise wenn Familienange­ hörige von MS-Betroffenen erkranken oder in Urlaub fahren.

Verkehrswesen 100 Jahre Strategische Bahnen Unter besonderer Berücksichtigung der Museumsbahn W utachtal Am 20. Mai 1990 jährte sich zum 100. Male die Eröffnung der drei sogenannten ,,Strategischen Umgehungsbahnen“ Weil­ (Leopoldshöhe)-Lörrach; Schopfheim-Säk­ kingen und Weizen-Immendingen im Süden des ehemaligen Großherzogtums Baden. Alle drei Streckenabschnitte wurden zur Umfahrung von Schweizer Staatsgebiet erbaut, um in Krisenzeiten Kriegsmaterial und Truppen ins Oberrheingebiet vorn schwäbisch/bayerischen Hinterland und ohne schweizerische Einsprüche befördern zu können. Die badische Hauptbahn Mann­ heim-Basel-Konstanz verläuft nämlich zwi­ schen Weil am Rhein und Singen fast 40 km lang über das Gebiet der Eidgenossenschaft und folgt dabei ohne großen bautechni­ schen Aufwand dem Rhein im Kanton Basel bzw. dem Rheinurstrorntal im Klettgau (Kanton Schaffhausen). Die strategischen Umgehungsbahnen mußten dagegen in landschaftlich ungleich schwierigerem Gelände angelegt werden. Aufwendige Kunstbauten waren erforder­ lich, so z.B. der 864 m lange Tüllinger Tun­ nel zwischen Weil und Lörrach. (Die parallel hierzu geplante zollfreie Straße ist seit eben­ falls 100 Jahren im Gespräch und noch immer nicht begonnen.) Oder der bis vor wenigen Jahren längste süddeutsche 3169 m lange Haseler Tunnel zwischen Schopfheim und Wehr. Die bedeutendste Anzahl an Kunstbau­ ten liegt jedoch auf dem dritten Abschnitt zwischen Weizen und Zollhaus-Blumberg, auf dem seit 1977 ein von Jahr zu Jahr erfolg­ reicherer Museumsbahnbetrieb die Herzen junger und junggebliebener Eisenbahnfans höher schlagen läßt. 256 Von den zahlreichen Brückenbauten prä­ gen vor allem die vier großen Talbrücken im Weiler über die Wutach, bei Pützen und bei Epfenhofen das Landschaftsbild. Von den 6 Tunnels ist der Kreiskehrtunnel in der Stock­ halde wohl der bekannteste, weil es der ein­ zige seiner Art in Deutschland und im Mit­ telgebirge ist. Als die 1957 aus technischen Gründen – vor allem wegen des bedenklichen Zustandes des Kehrtunnels im Weiler und des unmittel­ bar ausschließenden Wutachviadukts -still­ gelegte Strecke zwischen den Bahnhöfen Lausheirn-Blumegg und Zollhaus-Blumberg abermals aus militärischem Interesse 1965 wieder „auf Vordermann“ gebracht werden mußte, waren für die meisten Kunstbauten erhebliche Mittel aufzubringen. Insgesamt wurden im Jahre 1967 rund 5,5 Mio. DM abgerechnet, wobei jedoch auf Signalanlagen, Gleisbau, Bahnkörper und Bahnübergänge rund die Hälfte davon ent­ fielen. Trotzdem wurde inkonsequenter­ weise damals versäumt, die größtenteils aus sog. ,,Schweißeisen“ (im Jahre 1887 war „Stahl“ in heute üblicher Güte technisch noch nicht herstellbar) bestehenden Brük­ ken mit neuem Anstrich zu versehen und damit den Korrosionsschutz für einen länge­ ren Zeitraum zu gewährleisten. Nach Eröffnung des Museumsbahnbe­ triebes im Jahre 1977 wurde daher auch bei den damals und dann im 6jährigen Turnus durchgeführten Brückenprüfungen gefor­ dert, den Zustand der Brücken und deren Belastungsgrenzen von einem anerkannten Institut prüfen zu lassen. Für eine ähnliche Untersuchung an der ältesten Rheinbrücke im Netz der Deutschen Bundesbahn zwi­ schen Waldshut und Koblenz hatte sich der

Riesenbach-Viadukt mit Korrosionsschutz, 26. 5. 90 Biesenbach-Viadukt, 18. 4. 87 Lehrstuhl und die Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine an der technischen Univer- Wutach-Viadukt saniert, 26. 5. 90 sität Karlsruhe bereits einen Namen gemacht. Galt es doch aus dem vorgefunde­ nen schweißeisemen Material und aus den früheren Zugzahlen die künftige Zahl der „Lastwechsel“ abzuschätzen, die das Brückenbauwerk ohne Schaden übersteht. Hierzu mußte eine kleine Eisenbahn­ brücke über einen Feldweg bei Fützen ausge­ baut und in die obengenannte Versuchsan­ stalt nach Karlsruhe transportiert werden. Das Schweißeisen dieser kleinen Brücke stammte aus dem gleichen Herstellungsjahr und dem gleichen Herstellungswerk wie das aller anderen Bauwerke. Genaugenommen handelt es sich bei diesem Material um „Pud­ delstahl“. Bis zu ihrer Zerstörung brachten es ihre Längsträger auf über 10 Millionen Last­ wechsel. Die Versuchsanstalt prognost1z1erte daraufhin unter Berücksichtigung einer relativ hohen Sicherhßitsspanne für alle schweißeisemen Brückenbauwerke eine 257

„Mindest-Restnutzungszeit“ von mehr als 20 Jahren mit der Option auf eine wesentli­ che Verlängerung des „Verfalldatums“ unter der Voraussetzung: – metallisch blanke Reinigung aller eiser­ nen Bauteile, – Untersuchung auf Risse bzw. Anrisse (z.B. an Nietlöchern), – Korrosionsschutz aller vorher gereinig­ ten Bauteile, – jährliche Überprüfung aller tragenden Bauelemente. Unter tatkräftiger Mithilfe eines Brücken­ fachmannes der Deutschen Bundesbahn ließ der damalige Bürgermeister Werner Ger­ ber die Kosten hierfür ermitteln. Es kamen ca. 4,5 Mio. DM heraus. Glücklicherweise wurde der ganze Strek­ kenabschnitt von Weizen bis Blumberg auf­ grund seiner einmaligen Linienführung in Verbindung mit den weithin sichtbaren Kunstbauten als Denkmal von besonderer kultureller nationaler Bedeutung anerkannt und eingestuft (bad. württ. Denkmalschutz­ gesetz § 12). Dies ermöglichte es Altbürgermeister Werner Gerber nach vielen intensiven Gesprächen, Finanzierungszusagen vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, von anderen interessierten Stellen des Lan­ des und nicht zuletzt vom Schwarzwald­ Baar-Kreis zu erhalten. Nun konnte das Sanierungsvorhaben beginnen. Als erstes Brückenbauwerk kam der252 m lange 7feldrige Biesenbachviadukt oberhalb von Epfenhofen an die Reihe. Zusätzlich zum Korrosionsschutz an den Überbauten und Stützen wurden alle Brückenschwellen, Gleise und hölzerne Randwege erneuert. Die Sanierung konnte im Frühjahr 1989 abge­ schlossen werden. Anschließend wurden die Arbeiten am Wutach-Viadukt weitergeführt. Bei Redakti­ onsschluß im Mai 199 0 waren die Korrosi­ onsschutzarbeiten an den schweißeisernen Überbauten beendet. übergang an die Reihe. Als nächstes kommt der Fützener Tal­ Durch inzwischen in Kraft getretene wesentlich verschärfte Umweltschutzbe­ stimmungen (,,Ergänzende Richtlinien für umweltgerechten Korrosionsschutzj konnte der Kostenvoranschlag am Wutachviadukt im Gegensatz zum Biesenbachviadukt, wo aber ebenfalls schon umweltfreundlich gear­ beitet wurde, nicht ganz eingehalten werden. Diese neuen Bestimmungen und der Wunsch, außer dem reinen Korrosions­ schutz auch eine ursprünglich nicht vorgese­ hene Sanierung an den vielen mit Naturstein verkleideten Brückenwiderlagern und -stüt­ zen, an Tunnelportalen und an den Tunneln selbst, sowie an den Gleisen vorzunehmen, führen zu einem wesentlich höheren Gesamtkosten-Voranschlag (ca. 12 -13 Mio. DM). Die Stadt Blumberg ist zuversichtlich, daß die hierfür erforderlichen Geldmittel auch in den folgenden Jahren zur Verfügung gestellt werden können. Karl-Hans Zimmermann Bahnverbindung Schwenningen -Tuttlingen Erinnerungen an eine nicht gebaute Bahnlinie Mit banger Sorge um die künftige Ent­ wicklung ihres Dorfes blickten die Einwoh­ ner Tuningens am Anfang dieses Jahrhun­ derts auf das benachbarte Schwenningen, wohin immer mehr Arbeiter ihren Wohnsitz verlegten, um die mühsamen täglichen Fuß- 258 wege zu ihren dortigen Arbeitsplätzen zu sparen. Die Einwohnerzahl Schwenningens wuchs ständig und die Tuningens und ande­ rer Baardörfer stagnierte oder ging sogar zurück. Während die Trossinger Firmen durch Filialen Arbeitsplätze in die Dörfer

Schwenningen – Tuttlingen. brachten, dachten die Schwenninger Fabri­ kanten nicht daran, dasselbe zu tun. Hier Abhilfe zu schaffen, war das Gebot der damaligen Zeit. Das konnte nur bewerkstel­ ligt werden durch den sofortigen Bau der schon längere Zeit diskutierten Bahnlinie In einer Bürgerversammlung wurde im Februar 1908 entgegen dem anfänglichen Wiederstand einiger Landwirte schließlich doch einstimmig beschlossen, dieses Projekt in Angriff zu nehmen. Federführend waren damals Schultheiß Glökler und sein Gemeindepfleger Schlenker, die handschrift­ lich alle „Bürgerlichen Kollegien“ der Städte Schwenningen und Tuttlingen sowie der an der vorgesehenen Strecke liegenden Ge­ meinden Mühlhausen, Tatheim, Durchhau­ sen, Oberflacht, Seitingen und Wurmlingen zum Mitmachen aufforderten. Die Antwort aller Beteiligten erfolgte umgehend, und mit Eifer ging man sofort an die Arbeit und dankte der Gemeinde Tuningen, daß sie als größte der anliegenden Baardörfer die Sache in die Wege leitete. Schon im Sommer desselben Jahres 1908 erfolgte die Gründung eines „Comitees zum Bau einer normalspurigen Nebenbahn Schwenningen -Tuttlingen“. Vorsitzender wurde der Trikotwarenfabrikant Wilhelm Sax, Tuttlingen, und mit der Planung der Streckenführung wurde Stadtgeometer Richard Bürk, Schwenningen, beauftragt. „Das Comitee, bestehend aus Vertretern sämtlicher Gemeinden, hat sich die Aufgabe gestellt, den alten Wunsch, die Versorgung der Baar mit einer Bahnlinie, in die Tat umzusetzen“. So stand es geschrieben in einer 1909 herausgegebenen gedruckten Denkschrift, gerichtet an die Hohe Stände­ versammlung in Stuttgart. In dieser Denkschrift wurde die Notwen­ digkeit dieser Bahnlinie für sehr dringend gehalten, um die Abwanderung eines „ wert­ vollen Teils der Bürgerschaft der früher blü­ henden Gemeinden, besonders Tuningens, entgegenzuwirken“. Die Opferwilligkeit Tuningens wurde gebührend hervorgeho- ben, denn Tuningen war mit Abstand dieje­ nige Gemeinde, die den mit 240 000 Gold­ mark höchsten Zuschuß für den Bahnbau bereitzustellen beabsichtigte (Tuttlingen und Schwenningen je 100 000 Mark, Talheim 150 000 Mark usw.). Die Denkschrift enthielt auch die genaue Berechnung der landschaft­ lichen und geologischen Verhältnisse des Streckenverlaufs, den Standort der Bahn­ höfe und Haltestellen sowie Kosten-und Rentabilitätsberechnungen. Danach waren für die Gesamtstrecke von 26 Kilometer 3 100 000 Mark Kosten veranschlagt, wovon nach Abzug der freiwilligen Beiträge der Gemeinden von 864 000 Mark für die Kapi­ talanlage des Staates noch 2 236 000 Mark in Frage kämen. Als jährlicher Überschuß wur­ den 51000 Mark berechnet. Nach dem Strek­ kenplan wäre der Tuninger Bahnhof „im Wiesengrund zwischen der Straße nach Schura und der Straße nach Talheim“ zu lie­ gen gekommen, und zwar erreichbar durch Treppen von beiden Straßen her und durch eine neue Straße vorn Ort her, da eine Auf­ füllung von bis zu zehn Metern notwendig war. Am Schluß der Denkschrift stand dann geschrieben: ,,Zwei Voraussetzungen für den Bau einer Bahnlinie sind erfüllt: die prak­ tische Durchführbarkeit des Projektes ist erwiesen und die Opferwilligkeit der Gemeinden aufs höchste gestiegen, möge auch die Regierung in der Lage sein, die Hoff­ nungen der Baargemeinden zu erfüllen durch den Bau der normalspurigen Neben­ bahn Schwenningen -Tuttlingen!“ ,,Ehrer­ bietigst!“ (Es folgten die Unterschriften aller Schultheissen der Anliegergemeinden.) Die zweite Kammer der württembergi­ schen Landstände befaßte sich bald darauf mit diesem Antrag, worauf der einheimische Abgeordnete Storz in einem Brief an Schult­ heiß Glökler hinwies und bemerkte: ,,Der Volkswirtschaftliche Ausschuß hat einstim­ mig ,Erwägung‘ beschlossen, trotz der üblen Finanzlage. Entscheidend sei die ungemeine Opferwilligkeit der Interessenten, besonders aber Tuningens gewesen.“ Er wies aber gleichzeitig daraufhin, daß die erste Kammer 259

das Projekt voraussichtlich weniger günstig beurteilen werde. In Tuningen gab es inzwischen eine Ver­ änderung, da Schultheiß Glökler plötzlich verstarb. Doch sein Nachfolger, der erste im Verwaltungsfach ausgebildete Schultheiß Tuningens, Adolf Haugstetter (ab 1910), machte sich ebenso eifrig an die Sache Eisen­ bahn. Aus unerfindlichen Gründen wurde dann vom Ministerium der eingereichte Entwurf der Bahnstrecke abgelehnt, obwohl er bis ins Kleinste von Stadtgeometer Bürk ausgear­ beitet war. Die Generaldirektion der Eisen­ bahn wurde beauftragt, ein neues Projekt anzufertigen. Das örtliche Comitee war hier­ über gar nicht glücklich, gab es doch eine unerwünschte Verzögerung, man mußte es aber hinnehmen. Die Ausfertigung dieses neuen Projektes kostete zusätzlich S 000 Mark und wurde dem Comitee erst nach zwei Jahren, im Oktober 1912, zugesandt. In einer Vollversammlung, die Mitte November 1912 im Hotel Rössle in Schwen­ ningen stattfand, nahm man zur neuen Sach­ lage Stellung. Die Wünsche der Gemeinden zu diesem neuen Projekt wurden rasch behandelt und schriftlich festgehalten. Da diese aber keine wesentlichen Veränderun­ gen im neuen Streckenplan erbrachten, wollte man die neue Eingabe ans Ministe­ rium schon im Dezember abschicken, um keine Zeit zu verlieren. Doch das Projekt ent­ hielt, ohne die Gemeinden zu berühren, eine Veränderung, die dem Comitee zu schaffen machte: ,,Eine eingehende Aussprache ver­ anlaßte noch die Anwesenheit der Vertreter der Gemeinde Hochemmingen, die am Schluß der eigentlichen Versammlung zuge­ lassen wurden.“ (So schrieb die „Neckar­ quelle“ am 20. November 1912.) Sie waren deshalb anwesend, weil zwei Varianten des Projektes der Generaldirektion über Hoch­ emmingen führten, um dem schwierigen Gelände im Rutschgebiet des Knollenmergel bei Mühlhausen auszuweichen. Tuningen war einverstanden, daß sein Bahnhof hierbei im Süden des Dorfes, Sunthausen zu, ange- 262 legt werden sollte. Da diese beiden Varianten durch badisches Gebiet führten, vermutete das Comitee längere Verhandlungen, wes­ halb man an der alten Strecke über Mühlhau­ sen festhalten wollte, um weitere Verzöge­ rungen zu vermeiden. Doch es kam anders: Dem Comitee schienen die zusätzlichen Kosten von 300 000 Mark für die Befesti­ gung des Knollenmergelgeländes zu hoch, weshalb sie den namhaften Professor Braas von der Stuttgarter Naturaliensammlung baten, ein Gutachten zu erstellen. Sehr ausführlich und sachkundig be­ schrieb dieser dann die Gegend an der „ win­ terlichen Talseite des Mühlhauser Baches mit locker gelagertem Untergrund, der stets große Neigung zum Abgleiten auf dem schlüpfrigen Knollenmergel habe“. ,,Er müsse leider abraten, die 2,2 Kilometer lange Bahnlinie durch dieses Gebiet zu führen. Die eingeplanten Mehrkosten könnten sich sogar noch steigern.“ usw. Die Bahnstrecke über Mühlhausen war damit endgültig gestorben. Sehr eifrig ging man nun daran, ein über Hochemmingen führendes Projekt, mit Haltestelle dort, auszuarbeiten und rasch einzureichen, um nochmalige Verzögerun­ gen zu vermeiden. Doch den Stuttgarter Behörden eilte es nicht so sehr, denn sie hat­ ten gleichzeitig andere Bahnprojekte aus die­ ser Gegend auf dem Tisch: Schwenningen wollte Arbeitskräfte heranführen durch Bau einer Bahn von Dunningen durch die Dörfer des Schwarzwaldvorlandes nach Schwennin­ gen; desgleichen Trossingen durch Verlänge­ rung seiner elektrischen Bahn über Schura nach Durchhausen (mit Anschluß an die ein­ geplante Strecke). Das führte zu Zersplitte­ rungen und Verzögerungen. Unter Berück­ sichtigung aller Veränderungen wurde dann Anfang 1914 ein baureifer Plan in Stuttgart eingereicht. Eine Audienz bei Ministerpräsi­ dent v. Weizsäcker (Großvater des heutigen Bundespräsidenten) fand deswegen am 20. März 1914 statt, an der auch Tuninger Bürger teilnahmen. Doch der Krieg verhinderte den Baubeginn. Schon im Herbst 1918 wurde gemeinsam

mit Trossingen, das sich inzwischen dem Comitee der Baargemeinden angeschlossen hatte, eine Eingabe nach Stuttgart gemacht, den Bau der beiden Bahnlinien in Not­ standsarbeiten durchführen zu lassen, da durch die Kriegsfolgen viele Arbeitslose in der Baar zu erwarten seien. Dem wurde nicht entsprochen. Man drängte trotzdem weiter­ hin durch lebhaften Schriftwechsel, um dann auch die Reichsbahn für das Projekt zu gewinnen. Tuningen wurde auch umworben, Interesse zu bekunden an der geplanten Bibertalbahn“ (Tengen – Bibertal – Geisin­ ien -Ostbaar-Tuningen-Tross_ingen). Alle Eisenbahnpläne zerrannen aber m der Infla­ tion. Schon 1920 wurden die Kosten für die Linien Schwenningen – Tuttlingen und Trossingen – Durchhausen auf25 Millionen geschätzt, die Projek�e a�er tro_tzdem zum 1. April 1920 dem Reich e!ngere1cht. . Der nimmermüde Vorsttzende des immer noch bestehenden Comitees, Wilhelm Sax, schrieb resignierend an Schultheiß H�ug�tet­ ter zwei Jahre später: ,,Wenn auch mit emer Ausführung der beiden Bahnen in abse?ba­ rer Zeit nicht gerechnet werden kann, so ist es doch notwendig, dafür Sorge zu tragen, daß das für den Bahnbau erforderliche Gelände nicht überbaut wird“. (9. Juni 1922). Der Nachfolger Haugstetters, Schultheiß Bräu­ ning (ab 1924), griff das Projekt nach der Inflation erneut wieder auf, suchte Kontakt mit den seitherigen Partnern und schmiedete Pläne. Das allgemeine Interesse erlosch jedoch langsam, insbesondere auch deshalb, weil damals schon (1927) die Verlegung des Verkehrs von der Schiene zur Straße eingelei­ tet wurde, indem die neu in Ersch�inung getretenen Omnibusse gute Ortsverbmdun­ gen herstellten. Ein . einst vi_el�epriesenes J�hrhundertw�rk: ,,p1e Bah‘:1iuie Sch“‚.�n­ nmgen- Tuttlingen ,dasTunmgen,dem ost­ lichen „Mittelpunkt der Baar“, einen neu�n Aufschwung bringen sollte, wurde still­ schweigend zu Grabe getragen. Ernst Braunschweiger En Trom1 Wia ich doch hit trurig bin, I thät am Liabschte schreie.2 Es isch mer z’Muet als kint ich mich, Mi Lebtag nimmi freue. Es isch uf eme Maimärkt g’si, – So het es mer z’Nacht tromet – E goldi Herzli han i‘ kauft, Un han ’s em Vefili kromet.3 Het sich do ’s Vefili aber g’freut! Uf eimol het ’s mi b’schauet Wia wenn ’s mer ebbis sage wett4 Un sich nit so recht trauet. Doch ich han ’s g’merkt: Gern het es mi! Mich, mich man ’s Vefili lide! . Drum han i flur au zuen em gse1t: Wia wär’s, wär’sch mit mer z’friede? Druf fällt mer ’s Vefili um de Hals: Jo frili thuesch mer g’falle! Ich han Di jo so liab, so gern, Am liabste jo von Alle! … Bin ich doch do so glückli gsi, – Hätt nu der Trom au g’halte. Doch wia i druf verwachet bi ! Isch alles no bim alte! Denn ’s Vefili han i zwar gar gern, Verschwieg i’s, i thät lüege, Doch ’s Vefili liabt en andere, Un ich wir’s schwerli kriage. Drum bin i au so trurig hit, Am liabste thät i schreie. Es isch mer z’Muet, als kint ich mich, Mi Lebtag nimmi freue. ‚Traum 2 weinen 3 geschenkt • wollte, möchte Arthur Duffner 263

Landschaft, Naturdenkmäler, Umweltschutz Emil Kurz Leiter des Staatlichen Forstamts Villingen von 1933 bis 1952 Emil Kurz (1890-1963), dessen 100. Geburtstages im Jahr 1990 zu gedenken ist, hat als Sohn eines badischen Eisenbahn­ beamten an seinem Geburtsort Karlsruhe das Realgymnasium besucht und von 1908-1913 an der Technischen Hochschule daselbst Forstwissenschaft studiert.1913 trat er in den Dienst der Badischen Staatsforstverwaltung ein und durchlief, unterbrochen durch Wehr- und Kriegsdienst, die für den höheren Staatsforstdienst vorgeschriebene Ausbil­ dung. 1920 legte er die Forstliche Staatsprü­ fung ab. Sein Berufsweg wurde entscheidend bestimmt durch die Begegnung mit Karl Phi­ lipp, der seit 1921 Oberforstrat und Mitglied der Forstabteilung des Karlsruher Finanz­ ministeriums und seit 1924 als Landesforst­ meister ihr Leiter war. Philipp war ein Feuer­ kopf mit sehr modernen, seiner Zeit oft weit vorauseilenden, zum Teil aber auch radikalen und sehr einseitigen Ansichten. Er war ein führender Vertreter der sog. jungen badi­ schen forstlichen Schule. Er hatte bereits als Forstamtsleiter in Sulzburg, Bretten und Huchenfeld (in Pforzheim) scharfe Kritik an den wirtschaftlichen Zielsetzungen und waldbaulichen Verfahrensweisen der Forst­ verwaltung geübt und war insbesondere durch seine Forderung nach erhöhten Nut­ zungen in Staats- und Gemeindewaldungen in der Öffentlichkeit und im Landtag bekannt geworden. Als Leiter des Forstamts Huchenfeld in Pforzheim übernahm er von Dr. Eberhard im benachbaren württembergi­ schen Langenbrand das Verjüngungsverfah­ ren des Keilschirmschlags. Auf Grund der politischen Verhältnisse der Nachkriegszeit und der politischen Beziehungen seiner Frau zur Zentrumspartei 1924 zum Landesforst­ meister ernannt, machte er es sich zur Auf- 264 Nach einem Porträt von Waltraud Olojf gabe, die nach seiner Auffassung verknö­ cherte Forstverwaltung betriebstechnisch und betriebswirtschaftlich völlig umzuge­ stalten. Durch Herabsetzung der Umtriebs­ zeiten und erhöhte Nutzungen in Staats­ und Gemeindewaldungen gewann er die Zustimmung des Finanzministers und der meisten Gemeinden. Der Keilschirmschlag wurde zum Betriebssystem entwickelt und allein zugelassenes Verjüngungsverfahren in Staats- und Gemeindewaldungen, unabhän­ gig von Standort und Baumarten. Philipp fand in dem jungen Emil Kurz, der bald zum Leiter der Forsteinrichtung (der mittelfristi­ gen Betriebsplanung) aufstieg, einen begei­ sterten, energischen, unermüdlichen Mit-

streiter gegen zahlreiche Widerstände inner­ halb der Beamtenschaft. Rasch wurde er der engste Mitarbeiter Philipps, die Beziehung Meister-Jünger verkörpernd, ihm auch menschlich nahestehend. Er hat sich sein Gedankengut wie kein anderer zu eigen gemacht und es in der Arbeit im Walde kom­ promißlos durchgesetzt. Als Philipp im Jahr 1930 zur Ruhe gesetzt wurde, waren in einer gewaltigen Kraftanstrengung für alle Staats­ und Gemeindewaldungen des Landes neue Betriebsplanungen für einen zehnjährigen Zeitraum erstellt Das Schwergewicht dieser gewaltigen Arbeit lag bei Kurz. Er leitete die Außenarbeiten der zahlreichen Taxatoren und führte die Verhandlungen mit den Gemeinden. Die amtlichen Veröffentlichun­ gen der Karlsruher Forstabteilung der 20er Jahre sind entscheidend durch Kurz mit­ geprägt; zwei Schriften sind ausdrücklich als gemeinsame Arbeit beider Männer ver­ öffentlicht. Wer die Zusammenhänge kennt, weiß, daß die oft umwälzenden Gedanken, seit langem in ihm angelegt, von Philipp kamen; Kurz hat es unternommen, sie mit ungewöhnlicher Tatkraft in die Wirklichkeit des Waldes umzusetzen. Beide haben sich in idealer Weise ergänzt. Philipp hatte wegen seiner schroffen und oft einseitigen Kritik in der mittelalten und älteren Generation badi­ scher Forstleute kaum Anhänger. Daher war es fast zwingend, daß Kurz nach der Zurruhe­ setzung Philipps im Jahr 1930 dessen Nach­ folger als Landesforstmeister wurde. Zuvor hatte Finanzminister Joseph Schmitt bei dem Wolfacher Oberforstrat Franz Burger, der konservativen Richtung der Forstleute angehörend, einem Bruder des W eihbi­ schofs, angefragt, ob er bereit sei, die Leitung der Forstverwaltung zu übernehmen. Da er aber die Ernennung davon abhängig machte, der künftige Landesforstmeister dürfe an dem „System Philipp“ keine Änderung vor­ nehmen, lehnte jener ab. Damit war der Weg frei für den erst 41jährigen Emil Kurz. Seine Ernennung führte im Landtag zu heftigen Auseinandersetzungen; diese konnten aber an der Entscheidung der Regierung nichts mehr ändern. Damit schien der Weg der Forstverwaltung für die nächsten 20 Jahre vorgezeichnet. Indessen verlief alles ganz anders. Zunächst brachte die Weltwirt­ schaftskrise jener Jahre die Forstwirtschaft in eine bis dahin nicht erlebte Krise. Große Mengen Nutzholz waren nicht verkäuflich, die Nutzungen mußten eingeschränkt wer­ den, die Forstbetriebe von Staat und Gemeinden gerieten hoffnungslos in die roten Zahlen und belasteten die ohnehin kaum auszugleichenden Haushalte in bisher ungekannter Weise. In dieser Lage verlor der Streit um das „System Philipp“ völlig seine Bedeutung; ganz andere Probleme waren jetzt zu bewältigen. Emil Kurz hat die Forst­ verwaltung in den schwierigen Jahren 1931- 1933 hervorragend geführt und konsequent das Prinzip Wirtschaftlichkeit an die oberste Stelle gesetzt. Seine Fähigkeit zu energi­ schem, zupackendem Verhalten und seine Durchsetzungsfähigkeit kamen ihm dabei zugute. Aber das blieb Episode. Da Kurz der Zentrumspartei zugerechnet wurde, hat ihn die nationalsozialistische Regierung im Jahr 1933 abgesetzt und ihn schließlich gegen alles Recht zum Oberforstrat zurückgestuft. Dieser Schlag hat den pflichtbewußten und tadelfreien Beamten schwer getroffen. Er hat in dieser Zeit manche Enttäuschung und Erniedrigung hinnehmen müssen. Einige sei­ ner bisherigen engen Mitstreiter entpuppten sich als „Parteigenossen“ des Jahres 1932 und damit als politische Gegner. Erst im Jahr 1950 hat Kurz nach Einsetzung der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit seine Rehabilitierung er­ reicht. Kurz wurde aber nicht wie andere leitende Beamte im Jahr 1933 entlassen oder vorzeitig zur Ruhe gesetzt; dieses Schicksal blieb ihm erspart. Noch im Sommer 1933 wurde ihm die Leitung des sehr angesehenen und arbeitsreichen Staatlichen Forstamts Villin­ gen übertragen. Mit ungebrochener Tatkraft ging er an die Arbeit und entwickelte seinen Forstbezirk in fast 20jähriger intensiver Tätigkeit zu einem modernen Forstbetrieb. Die hier geübte natürliche Verjüngung der 265

Fichte-Tanne-Kiefern-Mischbestände und forschrittliche Durchforstungmethoden fanden weithin Anerkennung und machten Villingen zu einem vielbesuchten Exkur­ sionsziel in der Nachkriegszeit. Nicht alles, war er sich vorgenommen hatte, konnte gelingen. Die Finanzierungshiebe für den Ankauf der Fürstlich Fürstenbergischen Wal­ dungen bei Rippoldsau in den 30er Jahren und die Zwangshiebe der Kriegs- und Nach­ kriegszeit forderten manchen Kompromiß. Inzwischen hat sich vieles geändert, grund­ sätzliche Fragen der Waldwirtschaft werden heute gerade auf Grund der Erfahrungen in Kriegs- und Nachkriegszeit anders gesehen. In einer Welt, deren Grundbedingungen sich ständig ändern und weiterentwickeln, kön­ nen auch die Ziele und Methoden der Forst­ wirtschaft nicht die gleichen bleiben. Die von Philipp und Kurz einst gerügten „großen Übervorräte“ in den Waldungen, von unse­ ren Vorfahren als Zukunftsvorsorge bewußt angelegt, haben sich, soweit sie nicht rechne­ risch manipuliert waren, als willkommene, ja höchst notwendige Vorratsreserven erwie­ sen, mit deren Hilfe allein die Waldungen den großen Anforderungen nach Rohholz­ lieferung insbesondere der Nachkriegszeit ohne großen Schaden nachkommen konn­ ten. Neue Ziele und Erfahrungen haben dem alten Streit um Bodenreinertrag und Betriebssysteme, auch um den Keilschirm­ schlag, den Boden entzogen. Aber auch vie­ les von dem, was Philipp und Kurz gewollt haben, ist wesentlicher Bestandteil moder­ nen Forstwirtschaftens geblieben. Erhalten geblieben ist aus dem Villinger Erbe von Emil Kurz das Streben nach standortgemä­ ßen Mischbeständen und ihrer frühen und systematischen Pflege, nach räumlicher Ord­ nung, die in der stets sturmgefährdeten Baar besonders wichtig ist und nach wirtschaftli­ cher Gestaltung der Forstbetriebe. Die von Philipp und Kurz eingeführte Methode mit­ telfristiger Betriebsplanung hat sich als trag­ fähig erwiesen und wurde zeitgemäß weiter entwickelt. Man mag sich wundern, daß Emil Kurz, 266 der Verfolgte des Naziregimes, nicht sofort nach 1945 in den Wiederaufbau der Forstver­ waltung einbezogen wurde. Dem stand wohl seine enge Bindung an bestimmte einseitige Philippsche Doktrinen im Weg, die inzwi­ schen aufgegeben waren; auch persönliche Interessen und das lange sich hinziehende Rehabilitationsverfahren haben sich aus­ gewirkt. Erst als im Jahr 1952 nach Schaffung des Landes Baden-Württemberg eine ein­ heitliche Forstverwaltung für das neue Land aufzubauen war, schlug seine Stunde. Er wurde der erste Landesforstpräsident. Als politisch Verfolgter, als Persönlichkeit von großer Erfahrung und Autorität war er so gut wie unangreifbar und damit der richtige Mann, der Forstverwaltung des neuen Lan­ des im Widerstreit der Interessen und ange­ sichts unterschiedlicher Strukturen in der Forstwirtschaft der bisherigen Länder eine angemessene Stellung zu verschaffen. Der Neuaufbau der Forstverwaltung ist ihm im Verein mit Otto Wulz, Hubert Rupf und zahlreichen willigen Kräften gut gelungen. In der Zeit bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahr 1956 sind unter seiner Verantwortung zahl­ reiche grundlegende, in die Zukunft wei­ sende Regelungen ergangen. Er ist 1963 an seinem Altersruhesitz in Baden-Baden gestorben. In der Erinnerung der Zeitgenos­ sen lebt er fort als kraftvolle, willensstarke, fortschrittliche und wohlwollende Persön­ lichkeit. Prof. Dr. Karl Hasel Vision Grün Träume besserer Zeiten sind Fluchtpunkt angesiedelt in Postkartenidyllen zum Regenbogen geschickt Wirklichkeit der Apfelbaum gepflanzt um aus Kernen neue Apfelbäume wachsen zu lassen Christiana Steger

Unterhölzer Ein weitläufiger Forst beim Wartenberg Unterhölzer ist der Name für ein Revier oder ein Waldgebiet, der darauf schließen läßt, daß es im Gegensatz dazu auch „Ober­ hölzer“ oder einen ähnlichen Begriff geben muß oder gab. Tatsächlich gibt es heute noch westlich von Hubertshofen und Mistel­ brunn bis hin zu den Abhängen in das Breg­ tal das sogenannte „Oberholz“, auch ein sehr großes Waldgebiet, das gemeint sein könnte. In diesem „Oberholz“ haben die Gemein­ den Bräunlingen, Donaueschingen, Hüfin­ gen und die bis 1934 selbständige Gemeinde Allmendshofen etwa je ein Viertel Anteil. Dieser gemeinsame Besitz geht beinahe bis in die Zeit um die Jahrhundertwende zurück, als diese vier Orte zu einer großen gemeinsa­ men Mark gehörten und von dort mangels anderweitiger und näherer Waldbestände ihr Holz holten und dorthin ihr Vieh zu der frü­ her allgemein üblichen und auch sehr wich­ tigen Waldweide führten. Die genannten vier Orte, die zu einem gemeinsamen Kirchsprengel gehörten, der schon im 13.Jahrhundert wieder aufgelöst wurde, hatten aber hier im Gebiet rund um den Wartenberg keinen Besitz, so daß das genannte „Oberholz“ als Gegensatz zu dem „Unterholz“ oder „Unterhölzer“ eigentlich nicht in Frage kommen kann. Gemeint sein können demnach nur die Hölzer oder Wal­ dungen, wie man heute sagt, die hier ganz in der Nähe höher oder oberhalb des U nterhöl­ zer lagen. Somit können wahrscheinlich nur diejenigen gemeint sein, die sich zum nahen Wartenberg hin oder am Fuße desselben befanden. Waren es gar Wälder wie zum Bei­ spiel auf dem Geisinger Berg oder auf der Länge? Da man weiß, daß das gesamte Gebiet nördlich der Donau früher den Herren von Wartenberg gehörte, liegt es nahe, daß die Begriffe „Unterhölzer“ und „Oberhölzer“ etc. schon von damals stammen könnten. Nachweisbar aber ist dies nicht. Die Herrschaft Wartenberg, also der gleichnamige Berg, die zur Herrschaft gehö­ rige Stadt Geisingen und noch weiterer Grundbesitz in der Umgebung kamen durch Heirat des Grafen Heinrich II. von Fürsten­ berg mit Verena, der Erbtochter des letzten Wartenbergers, schon vor dem Jahre 1307 an das Haus Fürstenberg und war eine bedeu­ tende Vermehrung des Besitzes in der Baar. Das Haus Fürstenberg, damals waren es noch die Grafen von Fürstenberg, war seit der Mitte des 13.Jahrhunderts in der Baar ansäs­ sig, Graf Heinrich 1. besaß seit 1250 den nahen Fürstenberg, südlich der Donau gele­ gen. Das Geschlecht hatte bekanntlich sei­ nen Namen von seinem ersten Wohnsitz in der Baar, dem Fürstenberg, angenommen. Donaueschingen war zu diesem Zeit­ punkt noch lange nicht fürstenbergisch, erst Ende des 15. Jahrhunderts, genauer gesagt im Jahre 1488, kamen Burg und Dorf Donau­ eschingen, die Dörfer Ober-und Unteraufen und Kirchdorf durch Kauf an die Grafen Wolfgang und Heinrich VII. von Fürsten­ berg. Soweit ein kleiner Exkurs, der des allge­ meinen Verständnisses wegen gemacht wer­ den mußte. Nun aber wieder zurück zum „Unterhölzer“. Versucht man in dem sehr reichhaltigen Urkundenbestand des Fürstenbergischen Archives die erste urkundliche Erwähnung des Begriffes „Unterhölzer“ zu finden, so stößt man auf eine Urkunde vom 21. April 1317. Durch diese Urkunde -das nur neben­ bei -wird bezeugt, daß ein Bräunlinger Bür­ ger namens Run all sein Gut zu Nidingen (heute Neudingen), das ein Berthold Wellen­ berg baut, also bebaut, für lediges Eigen der Priorin und dem Konvent des Klosters zu Nidingen verkauft, ohne die „Under Hölt­ zem“ gelegenen Wiesen, um 18 Mark Silber, Friburger Gewäges. ,,Under Höltzem“ wird darin getrennt geschrieben und beide Wörter groß. Soll das heißen: … ohne die Wiese, die 267

1 1 Das Fürstlich Fürstenbergische Jagdschloß Unterhölzer nach einer Fotografie aus der Zeit um 1910. längst ist das Wild nicht mehr so zutraulich als zu der Zeit, da der Unterhölzer noch ein eingegatterter Tierpark war. Die Fassade der Vorderfront zeigt typische Baumerkmale, wie sie der fürstenbergische Baumeister Franz Joseph Salzmann immer wieder an den von ihm geplanten Ba11ten venoendet hat. unter (also unterhalb) den Hölzern gelegen ist? Gab es das Wort oder den Begriff ,,Unterhölzer“, wie wir ihn heute kennen, damals gar nicht? Die nächste urkundliche Erwähnung stammt vom 31.Juli 1576, es handelt sich um einen Vertrag zwischen Heinrich VIII. Graf von Fürstenberg und einem Jakob Scholl aus Hochemmingen, den der Graf als Meier, sprich Verwalter, auf seinen Meierhof War­ tenberg genommen hat. In diesem Vertrag wird neben vielen anderen Bedingungen,, … der Weiher hinter Unterhölzer“ genannt. „Unterhölzer“ nun zusammengeschrieben in einem Wort! Der Begriff „Unterhölzer“ dürfte sich demnach zwischen 1317 und 1576 geformt haben, wann genau, das wissen wir nicht, oder sagen wir besser, noch nicht. Inter- 268 essant ist natürlich auch in diesem Vertrag die Erwähnung, daß es 1576 schon den „Unterhölzer Weiher“ gab, den großen mit einem künstlichen Damm angelegten Fisch­ weiher an der heutigen Bundesstraße Pfoh­ ren-Geisingen. Soweit nun zum Begriff „Unterhölzer“ als Name für einen großen Walddistrikt. Was ist nun das besondere an diesem Walddistrikt und dem ihm nach Westen vor­ gelagerten und doch dazugehörigen Birken­ ried und dem Unterhölzer Weiher, daß die­ ses gesamte Gebiet im Einvernehmen mit dem Hause Fürstenberg bereits im Jahre 1939 unter Naturschutz gestellt wurde, ein Gebiet von annähernd 600 ha. Das nicht alltägliche Waldbild mit den verschiedensten Holzarten, mit dem aufge-

lockerten Baumbestand, mit den zahlrei­ chen eingestreuten größeren und kleineren freien Flächen, den Waldwiesen, mit den jahrhundertealten Baumriesen, das ist es, was den Unterhölzerwald von anderen Wäl­ dern abhebt. Hier gibt es noch ein Waldbild, wie man es sich auch andernorts vorstellen muß, ehe die planmäßige Waldwirtschaft begonnen hat. Diese Bestände vermitteln uns heute noch ein Bild, wie die Wälder unserer enge­ ren Heimat, in der Baar und auf dem Ost­ schwarzwald zur Bronzezeit, also etwa um 1000 v. Chr., ausgesehen haben mögen. Es ist ein „Urwaldbild“ mit uralten knorrigen Eichen und Buchen. Diese beiden Arten bestimmten das Bild noch vorwiegend um 1800. Die Eiche kam damals allein mit rund 75 0/o vor. 600jährige Eichen und 250jährige Buchen sind hier keine Seltenheit. Man kann sich gut vorstellen, daß die frü­ her übliche Waldweide zu einer Zeit große Bedeutung hatte, als sich die sogenannte Stallfütterung lediglich auf die schlimmsten Wintermonate beschränken mußte, denn die freien Felder und Wiesen außerhalb der Wälder benötigte man dringend zur Gewin­ nung von Heu, Öhmd und Frucht. Nicht nur das Vieh trieb man in die Wälder, auch die Hausschweine waren auf die „Früchte“ des Waldes angewiesen. Diese Waldweide war für die Bauern eine so wichtige Lebens­ notwendigkeit, daß sie fast in allen früheren Urkunden, wenn es sich um Käufe, Verkäufe oder Tausch handelte, vorkommt; denn immer ist darin die Rede von „Wunn und Weid, Trieb und Tratt“. Unter Letzterem ver­ steht man die sogenannte „Eichel- und Buchenmast“. Besonders die Schweine wa­ ren es, die mit Vorliebe die reifen abgefalle­ nen Eicheln und Bucheckern als wohl­ schmeckende und natürlich nahrreiche Leckerbissen aufnahmen. Daß sich das Großvieh nicht immer nur mit dem teilweise trockenen, spärlichen Waldgras begnügte, sondern bevorzugt und natürlich zum Leidwesen der Forstleute die jungen Triebe und Blätter von den Laubbäu- men herunterfraß, läßt sich denken. Dies führte teilweise zu so starkem Verbiß, daß gerade junge Laubbäume verkrüppelten oder erst gar nicht aufkommen konnten. Nach der Einführung der planmäßigen Forstwirt­ schaft und dem somit gezielten Waldbau gab es dadurch verständlicherweise immer wie­ der Querelen zwischen den Forstleuten und den Bauern. Wir wissen, daß die Bauern der umliegen­ den Orte Geisingen, Ober- und Unterbal­ dingen, Gutrnadingen, Neudingen und Pfohren seit Jahrhunderten das Recht hat­ ten, ihr Vieh zur Waldweide in den „Unter­ hölzer“ zu fuhren. Besonders in Kriegszeiten wurde der gesamte Viehbestand manchmal über eine längere Zeit in den Unterhölzer­ Wald geflüchtet, es sollen zeitweise bis zu 6000 Stück Vieh gewesen sein. Das änderte sich gegen Ende des 18.Jahr­ hunderts, denn der um die Hebung der Land- und Forstwirtschaft sehr bemühte Fürst Joseph Wenzel zu Fürstenberg (1728- 1783) ließ im Jahre 1781 im nahen Bachzim­ merer und lppinger Forst ein Tiergehege von rund 2000 ha Größe einrichten, das ein Wildre­ servat bilden und zugleich die Bauern vor starken Wildschäden verschonen sollte. Der Fürst verzichtete gleichzeitig auf die Haltung von Rotwild in freier Wildbahn. Das Rot­ wild richtete die schlimmsten Schäden an. Fast um die gleiche Zeit ließ der Fürst im Unterhölzer-Wald einen „Kleinen Tiergar­ ten“ anlegen, der im Jahre 1787 etwa 2080 Jauchert, also rund 750 ha, umfaßte. Hier sollte im Gegensatz zum Bachzimmerer Tiergarten, in dem anfangs ausschließlich Rotwild gehalten wurde, ein Gehege für Damwild geschaffen werden. Innerhalb des­ selben errichtete man außerdem einen ,,Schweinegarten“, für Wildschweine natür­ lich, in der Größe von etwa 50 ha. Im Jahre 1782 wurden in diesen „Wild­ schweinunterschlupf“ 40 Sauen eingesetzt, die man im Gebiet zwischen Hattingen und Möhringen eingefangen hatte. Die Wildbe­ stände dieses „Kleinen Tiergartens“ wurden zwar im Laufe der Zeit, hauptsächlich von 269

durchziehenden Truppen während der Napoleonischen Kriege, immer wieder stark dezimiert, sie erfuhren aber eine beträchtli­ che Auffüllung, als man sich schon im Jahre 1810 entschloß, den „Großen Tiergarten“ bei Bachzimmern wieder aufzugeben. Darin waren zuletzt 211 Stück Rotwild, von denen 100 Stück in den Unterhölzer-Tierpark gebracht wurden, ein Teil wurde geschossen und der Rest war bereits durch den beschä­ digten Bretterzaun in die freie Wildbahn gelangt. Die Reparatur, d. h. die Erneuerung des kilometerlangen Bretterzaunes in Bach­ zimmern wäre zu teuer gekommen, so daß dieser große Tiergarten ganz aufgelassen wurde. Der Tiergarten im Unterhölzer wurde nun erweitert und das gesamte Gebiet des Unterhölzer-Waldes eingegattert. Nicht nur wegen der starken Bestände an Rotwild, Damwild und Schwarzwild war der Unterhölzer bekannt, Rehwild, Niederwild und Federwild waren hier selbstverständlich ebenso gut vertreten. Der Fuchs kam teil­ weise (durch kleine Tricks!) so zahlreich vor, daß die auf ihn angesetzten Hofjagden in Jägerkreisen besonders geschätzt waren. Eine Sonderstellung nahmen zwischen der Jahr­ hundertwende und dem Ersten Weltkrieg die sogenannten „Kaiserjagden“ ein. Der deutsche Kaiser Wilhelm II., den sehr enge freundschaftliche Beziehungen mit dem damaligen Fürsten Max Egon II. (1863 – 1941), dem Großvater des heutigen Fürsten, verbanden, weilte insgesamt 14 Mal in Donaueschingen. Teils waren große Fami­ lienfeste Anlaß zu den Besuchen, meist waren es aber die Auerhahnbalz im nahen Schwarzwald Geweils Ende April/ Anfang Mai) und die ihm zu Ehren veranstalteten großen „Kaiserjagden“ auf den Fuchs im November. Es gab damals Tagesstrecken von 40 Füchsen und mehr. Einen schmerzhaften Einschnitt gab es für den Tiergarten Unterhölzer im Jahre 1918, der auch sein Ende bedeuten ollte. Durchziehende meuternde württembergi­ sche Truppen ver orgten sich zu ausgiebig mit Wildbret, denn sie schossen den Hirsch- 270 bestand bis auf ganz wenige Stücke ab. Der beschädigte Zaun wurde daraufhin auf Anordnung des Fürsten Max Egon II. voll­ ends abgebrochen und somit auch dieser Tiergarten aufgegeben. Dies war im Jahre 1918. Letzte Zeugen davon sind die beiden noch existierenden sogenannten „Torhäu­ ser“, die eigens an den Eingängen zum Tier­ garten gebaut wurden. Die Häuser von Dreilerchen an der ehe­ maligen Bundesstraße im Bereich zwischen Unterhölzer und Wartenberg gelegen, haben mit dem Tiergarten nichts zu tun. Sie sind als Folge einer Ansiedlung von Kolonisten durch den Fürsten Joseph Maria Benedikt (1758 -1796), der das Gelände den Bauern zur Verfügung gestellt hat, erst nach 1784 ent­ standen. Es sei, weil wir gerade noch bei der Jagd sind, darauf hingewiesen, daß es natürlich früher in unserer Gegend auch noch andere Wildarten gab, so den Bären, den Wolf und den Luchs. Nun wollen wir aber die Jagd abblasen, es soll hier auch über ein besonderes Gebäude im Unterhölzerwald berichtet werden, das 1976 200 Jahre alt war. Es handelt sich um das ehemalige fürstenbergische Jagdschloß im Unterhölzer, das heute von einem Forst­ mann, dem Revier-Beamten und seiner Familie bewohnt wird. Es liegt im Schnitt­ punkt dreier Alleen und Waldwege. Hier sind die Nachrichten leider sehr spär­ lich, denn es existieren von diesem Gebäude aus der Zeit der Erbauung weder Bauakten noch Baupläne. Dies ist um so verwunderli­ cher, da wir sonst durch ausführliche Unter­ lagen aus dem Fürstlich Fürstenbergischen Archiv über fast alle vom Hause Fürstenberg errichteten Gebäude bestens informiert sind. Man weiß mit Bestimmtheit, daß der für­ stenbergische Baumeister Franz Joseph Salz­ mann, der in Donaueschingen den heute noch als „Neubau“ bezeichneten großen Verwaltungsbau der Fürstenberg-Brauerei gebaut hatte (vgl. Almanach 89, Seite 122 – 128), das Archiv und weitere markante Gebäude im früheren Fürstentum Fürsten-

Anläßlich einer sogenannten Kaiserjagd, die zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg im Gebiet des Unterhölzer sehr oft stattfanden, stellte sich die Jagdgesellschaft dem Fotografen vor dem Unterhölzer Jagdschloß. V r. n. l. Max Egon II. Fürst zu Fürstenberg, Kaiser Wilhelm II., Irma Fürstin zu Fürstenberg, weitere Jagdgäste mit Damen, links fürstenbergische Forstleute, sitzend davor Kinder des Fürstenpaares. berg errichtete, auch den Plan für dieses Jagd­ schloß entworfen hat. Der Zweck des Jagdschlosses war vom da­ maligen Fürsten Joseph Wenzel ganz klar um­ rissen, man wollte auch auf der Jagd -und die wurde beim Hause Fürstenberg stets groß ge­ schrieben -nicht auf Annehmlichkeiten ver­ zichten müssen. Man muß sich vergegenwärti­ gen, daß man damals nur mit Kutschen fuhr oder geritten ist. Wollte man sich schon zei­ tig in der Frühe auf die Jagd begeben, so wollte man eben auch ganz in der Nähe wohnen. Es wurde schon beim Bau des kleinen Jagd­ schlosses ein Nebengebäude errichtet, in dem genügend Stallungen für die Pferde und Remisen für die Kutschen vorhanden waren. Ein ähnliches, allerdings etwas größeres Jagdschloß, wurde zur gleichen Zeit, d. h. schon im Jahre 1776 auch beim großen Tier­ garten im Bachzimmerer Tal gebaut und ein ebensolches, auch von Franz Joseph Salz­ mann, bereits 1767 mitten im großen Wald­ und Jagdgebiet auf der Länge. (Das früheste Jagdschloß, das vom Haus Fürstenberg gebaut wurde, ist die Entenburg bei Pfohren. Ihr Baubeginn geht allerdings auf das Jahr 1471 zurück. Auch dieses Jagdschloß sah schon unter seinem Erbauer, dem Grafen Wolfgang von Fürstenberg (1465 – 1509] hohe und höchste Jagdgäste, denn in ihm 271

weilte um 1500 mehrfach der deutsche Kaiser Maximilian I., um auf die Entenjagd zu gehen. Er war es auch, der dem als Wasser­ schloß gebauten Jagdhaus den Namen „Entaburch“ gegeben hat.) Ehe ich nun zum Schluß meines Rück­ blicks komme, soll auch noch kurz über ein anderes Schloß, ganz in der Nähe vom Unterhölzer gelegen, informiert werden. Es ist das Schloß auf dem nur wenige Kilometer entfernten Wartenberg. Am Westabhang des ursprünglichen Vulkanberges existierte seit dem 11. Jahrhundert eine aus schwarzen Basaltquadern errichtete Burg. Erbauer waren die bereits oben erwähnten Herren von Geisingen, die im 11.Jahrhundert ihren Wohnsitz von Geisingen auf den Warten­ berg verlegten und sich seither Freiherrn von Wartenberg nannten. Wie alle Burgen im weiten Umkreis, so wurde auch diese Burg im Jahre 1525 wäh­ rend des Bauernkrieges zerstört. Da der War­ tenberg inzwischen dem Haus Fürstenberg gehörte und als Wohnsitz von keinem Mit­ glied der Familie gebraucht wurde, wurde die Burg nicht mehr aufgebaut. Erst in der Spätzeit des Barock, besser gesagt des baufreudigen Barock, nämlich im Jahre 1780, als auch im Unterhölzer mit dem Bau begonnen wurde, kam wieder Leben auf den Wartenberg. Der damalige Fürst Joseph Wenzel zu Fürstenberg(1728-1783) übergab den gesamten Berg samt dem dazugehörigen Meierhof seinem Geheimen Hofrat und Kammerpräsidenten Leopold von Lassolaye als Mannlehen für sich und seine männliche Deszendenz. Lassolaye ließ auf dem ober­ sten aber sehr kleinen Plateau die Reste einer weiteren alten Burg völlig abtragen und erbaute sich ein sogenanntes Lustschloß. Es ist das Schloß, das heute noch steht und weit­ hin sichtbar ist. Es war nicht als Jagdschloß gedacht, sondern diente dem Herrn von Las­ solaye lediglich für seine Aufenthalte wäh­ rend der Sommerszeit. Selbst für einen höheren fürstenbergi­ schen Beamten war das damals eine kostspie­ lige Angelegenheit und so kam es auch, daß 272 Leopold von Lassolaye sein Schloß nicht halten konnte, bzw. sich schon gleich beim Bau übernommen hatte.1783, im ersten Jahr seiner Regierung, kaufte Fürst Joseph Maria Benedikt (17 58 -1796), der Sohn und Nach­ folger des Fürsten Joseph Wenzel, den Berg und das Lustschloß wieder zurück. Er ließ dann am östlichen Abhang des Wartenber­ ges einen prächtigen „Englischen Garten“ anlegen. Die ältere Generation erinnert sich noch an die früher sehr gepflegten Wege, an die Denkmäler und natürlich an die Eremi­ tage mit dem Kapuziner, die heute noch zu sehen sind. Zur gleichen Zeit wurde damit begonnen, in Donaueschingen den heutigen weitläufigen Schloßpark dem zuvor sumpfi­ gen Gelände abzugewinnen. Über alle anderen Jagdschlösser des Hau­ ses Fürstenberg gäbe es mehr zu berichten als über das Jagdschloß im Unterhölzer-Wald, leider, aber dies läßt sich mangels archivali­ scher Quellen nicht ändern. Hoffen und wünschen wir, daß dieses Jagdschloß und das gesamte Naturschutzge­ biet des Unterhölzer-Waldes in dieser Form erhalten bleiben können, um all denen, die noch ein Auge und Herz für die Schönheit und Größe beinahe unberührter Natur haben, zur Freude und Erholung zu dienen. Georg Goerlipp Benützte Literatur 1. Stephani, Kurt: Geschichte der Jagd in den schwäbischen Gebieten der fürstenbergischen Standesherrschaft. Donaueschingen 1938. 2. Kwasnitschka, Karl: Das Naturschutzgebiet ,, Unterhölzerwald“. In: Mitteilungen des Badi­ schen Landesvereines für Naturkunde und Naturschutz e. V Freiburg. N. F. Bd. 8. 1961- 64, S. 725-729. 3. Wacker, Karl: Naturschutzgebiet „ Unterhölzer Wald“ auf der Baar. In: Badische Heimat.Jg. 31. 1951, S. 1-9. 4. Wacker, Karl: Der Landkreis Donaueschin­ gen. Konstanz 1966. 5. jäck, Karl: Dreilerchen, eine fürstenbergische Kol.onistensiedlung aus dem Ende des 18.Jahr­ hunderts. In: Schriften des Vereins für Geschichte

und Naturgeschichte der Baar. H. 22. 1950, S. 96-128. 6. Wohleb, Josef L.: Das Fürstenbergi.sche Jagd­ schloß auf der „Länge“. Sonderdr. aus: Studien zur Kunst des Oberrheins. Freiburg 1959, S.153- 157. 7. Huber, Erna u. Goerlipp, Georg: Die Enten­ burg zu Pfahren. In: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar. H. 28. 1970, S. 18-33. 8. Tumbült, Georg: Das Fürstentum Fürstenberg von seinen Anfängen bis zur Mediatisierung im Jahre 1806. Freiburg 1908. 9. Goerlipp, Georg: Der Kapuziner im Engli­ schen Garten. In: Fürstenberger Waldbote.Jg. 11. 1965, S. 38-40. 10. Bader, Karl Siegfried: Zur älteren Geschichte des Unterhölzer Waldes. In: Fürstenberger Wald­ bote. Jg. 12. 1966, S. 3-6. 11. Suchant, Heinrich: Vom Damwild im Unterhölzer Wald. In: Fürstenberger Waldbote. Jg. 22. 1976, S. 23-25. 12. Fürstenbergi.sches Urkundenbuch. Bd. 5. 1885, Nr. 360, und Bd. 2. 1877, Nr. 46. 13. Mitteilungen aus dem Fürstlich Fürstenbergi.­ schen Archiv. Bd. 1. 1894, Nr. 403. Die Herkulesstaude im Schwarzwald-Baar-Kreis Seit Mitte der siebziger Jahre wird die aus dem Kaukasusgebiet (Abachasien) stam­ mende Herkulesstaude oder Riesenbären­ klau (Heracleum mantegazzianum) in Mit­ teleuropa im Schwarzwald-Baar-Kreis breitet sich der Neubürger mehr und mehr aus. immer häufiger. Auch Die stattliche Pflanze ist unverkennbar. Der bis 4,3 m hohe (nach Exemplaren bei Langenenslingen, Kreis Biberach, Mittei­ lung von Herrn Schlesinger), am Grunde bis 15 cm starke und oft rotgefleckte Stengel, trägt im Sommer große weiße Dolden; der schirmartige Blütenstand hat gelegentlich 50 cm Durchmesser. Die untersten der gefieder­ ten Blätter werden mit Stil bis zu 3 m lang und beim Austreiben manchmal als Rhabar­ berblätter angesprochen. Die Staude ist sehr giftig. Stengel und Blätter enthalten das als krebserregend gel­ tende Furocumarin. Der Saft verursacht Glieder- und Atemlähmung. Beim Berüh­ ren, vor allem an sonnigen Tagen, gibt es gefährliche Hautverätzungen. Es wird auch von schmerzhaften, sehr schwer heilenden Wunden berichtet. Trotz des eindeutigen Steckbriefs – das Gewächs kann mit keiner einheimischen Pflanze verwechselt werden -ist ihre syste­ matische Stellung innerhalb der Gattung Bärenklau (Heracleum) und damit ihr wis­ senschaftlicher Name nicht ganz klar. Im Kaukasusgebiet und im anschließenden Nordwestiran gibt es nämlich eine Anzahl nahverwandter Arten, die im vorigen Jahr­ hundert entdeckt und nicht immer eindeutig wissenschaftlich beschrieben, unter ver­ schiedenen Namen in europäische Gärtne­ reien und von da in Gärten und Parks kamen. So hört man für die Riesenbärenklau gele­ gentlich auch den Namen Heracleum gigan­ teum. Doch wie dem auch sei, in neueren Bestimmungsbüchern – in älteren fehlt sie oder wird nur als Zierpflanze erwähnt -und in vielen Arbeiten zur Pflanzenwelt Mittel­ europas wird der Fremdling derzeit als Heracleum mantegazzianum SOMMIER et LEVIER bezeichnet. Sie wurde von den beiden wissenschaftli­ chen Bearbeitern um 1890 in die Schweiz gebracht, wo sie über große Gärtnereien in den Handel kam. Schon aus den zwanziger Jahren gibt es zahlreiche Meldungen über die Verwilderung der Staude in der Schweiz, wo sie inzwischen an vielen Stellen eingebürgert ist. Im Schwarzwald-Baar-Kreis kenne ich Standorte in Bad Dürrheim, Donaueschin­ gen, Aufen, Wolterdingen, V illingen (Zoll­ haus), Schwenningen, Gremmelsbach, Tu­ ningen und Pfohren. 273

Kurorts kann man schon bei der Fahrt auf der B 27 bis gegen Donaueschingen immer wieder einzelne Trupps in näherem oder wei­ terem Abstand von der Stillen Muse! beob­ achten, die südlichsten an ihrer Mündung. Von da wurde vielleicht die Stelle westlich von Pfohren (Ödland) besiedelt. Auch auf dem Lärmschutzwall von Bad Dürrheim haben einige Pflanzen Platz gefunden. Bad Dürrheim ist offenbar ein örtliches Ausbreitungszentrum. Aus den Kuranlagen und wahrscheinlich auch aus Privatgärten dringt die Kaukasierin entlang von Straßen und Bächen ins Umland vor. Um Zollhaus ist ebenfalls gut zu sehen, wie sie sich von Gärten aus an Straßen und am Bahndamm entlang ausbreitet. Deponie-Wuchsorte gibt es in Schwen­ ningen (Altdeponie Bärental), Tuningen und Wolterdingen (Erdablagerplatz im Stein­ bruch an der Straße nach Vöhrenbach). Bei Aufen wächst sie an einem orchideenreichen naturnahen Waldhang, doch deuten Brenn­ nesselbestände auf menschlichen Einfluß. In Gremmelsbach sah ich bei der Suche nach Qiellen ein prächtiges Stück an einem Waldweg. Seine wahrscheinliche Herkunft aus einem Garten zeigte sich, als in der Nähe ein Bauernhaus mit blühenden Pflanzen auf­ tauchte. In vegetationskundlicher Beziehung wur­ de die Herkulesstaude ein Bestandteil der stickstoffliebenden Staudenvegetation, die u. a. in Flußauen, an Gebü eh- und Waldrän­ dern und an stark vom Menschen geprägten Standorten (z.B. Deponien, Straßenränder) siedelt. Neben der unbeabsichtigten Verwil­ derung aus Gärten und der Verschleppung mit Gartenabfällen oder Hausmüll (Reste von Trockensträußen) gibt es ein bewußtes Ansiedeln durch Anpflanzen oder Aus­ streuen von Samen. Es bleibt abzuwarten, welche ökologischen Auswirkungen das Auf­ treten dieser anspruchslosen, aggressiven und schönen Pflanze hat. Dr. Klaus Münzing Herkulesstaude im Kurpark Bad Dürrheim Modellhaft kann man die Ausbreitung in Bad Dürrheim verfolgen. Um 1980 wurde das erste Exemplar von Herrn Gärtnermei­ ster Reiff in den Kuranlagen gepflanzt (Mit­ teilung der Kurverwaltung); 1989 war z.B. eine stattliche Gruppe an der Nordseite des Kurhauses zu sehen. Alle anderen Vorkom­ men zeigten deutlich den Sekundärcharak­ ter, d. h. sie sind entweder angeflogen, d. h. aus Gärten ausgebrochen, oder die bewußt angepflanzten Stauden zeigen deutliche Ausbreitungstendenzen. So wächst die Her­ kulesstaude im Kurpark II an der Kapfstraße (in der Höhe von Haus Baden, deutljche Ausbreitung), westlich des Bildungszen­ trums an der Stillen Muse! und von da in das Gebüsch am oberen Salinensee eindringend und am Ostrand der Straße »Im Wiesen­ grund“. Unterhalb der Kurgärtnerei ist das Ufer der Stillen Muse! dicht bewachsen, und beim nahegelegenen Grundstück Luschin dringt sie in offenes Gelände vor. Südlich des 274

Der „Buchene Stumpen“ Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 275

Der „Buchene Stumpen“ Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. Der Weißstorch Nur noch in Pfohren heimisch Im Schwarzwald-Baar-Kreis nisten Stör­ che noch in Pfohren (vgl. Almanach 1991, Seite 26-28). Früher, bis zum Jahre 1963, brü­teten die Störche auch in Bad Dürrheim. Seit dieser Zeit ist die am höchsten Storchenniststätte gelegene Europas verwaist. Der Hauptgrund liegt wahrscheinlich mit in dem Einbau einer Ölfeuerungsanlage. Die Störche reagierten auf die Abgase der Olfeuerung mit der Aufgabe des Horstes. Sie landeten im Jahre 1964 zwar wieder auf ihrem alten Nist­platz, dem Dach des Pfarrhauses, zur Brut kam es jedoch nicht mehr. Früher kamen die Störche in größerer Zahl im Frühjahr in ihre Brutheimat zurück. Nach einer Doppelstrecke von ca. 20.000 sie fanden km dem Ausgangspunkt genau zu zurück, den sie im August oder September zur Reise in ihre Winterheimat verlassen hatten. Es sind in der Regel die Männchen, die zuerst eintreffen und den Horstbereich besetzen. Die nächsten Tage verläßt der Vogel nur selten den Reisigbau. Dieses „Wache halten“ wird erst durch die Ankunft des Weibchens gemildert, welches im Durchschnitt sechs bis sieben Tage später am Nest landet. Es wird von dem Partner mit langanhaltenden Schnabelgeklapper (Klap­ perstorch) begrüßt. Neben dem Klappern, daß bei jeder Erre­ gung zu hören ist, zählt zu dem Vokular des Storches noch ein Zischen, welches oft das Klappern einleitet. 276

Der Horstbereich wird jetzt gegen jeden Störenfried gemeinsam verteidigt. Dabei kann es zu tödlichen Auseinandersetzungen mit anderen Artgenossen kommen. Der Standplatz des Horstes ist in Mittel­ europa überwiegend das Dach eines Gebäu­ des. Nach Osten zu werden Baumnester häu­ figer. Dort kann die Niststätte auch schon einmal auf einem Strommast angelegt wer­ den. Der Neubau eines Horstes dauert ca. 8 Tage. In den gewaltigen Reisigbau finden sich bald Untermieter ein. Das sind Feldsperlinge, Bachstelzen und Stare. Sogar Turmfalken wurden hier brütend angetroffen. Die zwei bis vier Eier werden von beiden Störchen erbrütet. Die Brutzeit beträgt 33 Tage. Die Aufzucht der Jungen dauert 8 bis 9 Wochen. Schon die Nestlinge versuchen sich mit dem Schnabelklappern. In den ersten drei Wochen nach dem Schlüpfen der Jungen bleibt ein Altvogel ständig am Horst. Die Bewachung ist während dieser Zeit so ausgeprägt, daß bei dem Verlust eines Eltern­ teiles die Nestlinge verhungern. Der übrig gebliebene Partner ist so auf seine Aufpasser- rolle fixiert, daß er die Nahrungsbeschaffung für seinen Nachwuchs vollkommen igno- riert. Bei starker Sonneneinstrahlung schützt ein Altvogel die Jungen mit ausgebreiteten Flügeln vor der extremen Hitze. Ist die Wit­ terung anhaltend trocken, dient der Schlund der Eltern auch einmal als Wassertransport­ behälter. Schon einige Zeit vor dem Ausfliegen üben die Jungstörche fleißig. Sie schlagen mit den Flügeln und gewinnen dabei direkt über der Niststätte schon einige Höhe. Die Altvögel schleppen die Nahrung im Kropf heran. Am Horst angekommen, wür­ gen sie den Inhalt des Schlundes in die Horstmitte. Wenn die jungen Störche klein sind, wird ihnen die ausgespiene Nahrung in kleinen Happen gereicht. Später können sie diese selbst aufnehmen. Beim Schmeißen (Koten) heben die Störche ihren Bürzel über den Horstrand und im Störche nisten auch auf Bäumen … … und ,II({ Strommasten 277

Altstorch bessert Horst aus hohen Bogen spritzt die weiße Brühe von der Niststätte weg. Nach dem Ausfliegen werden die Jung­ störche noch 2 bis 3 Wochen von ihren Eltern gefüttert. Die Beute besteht aus Frö­ schen, Schlangen, Eidechsen, Mäusen, Wür­ mern, Jungvögeln, Eiern und Insekten. Der Lebensraum der Störche ist offenes Gelände mit Einzelbäumen, sind Feuchtge­ biete, Wiesen-, Teich-und Flußlandschaften. Höher liegende Gebiete suchen sie nur auf, wenn sie Feuchtwiesen oder kalkreiche Nie­ dermoore aufweisen. Hochmoore mit ihren sauren Bodenstrukturen werden gemieden. In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden bei uns viele Feuchtgebiete trocken­ gelegt, Fluß-und Bachläufe reguliert und kanalisiert. Flüsse verkamen zu Abwasser­ kloaken. Pestizide fanden immer mehr Ver­ wendung. Das führte zu einem katastropha- 278 Das Tagespensum an Gefiederpjlege muß e,füllt werden len Rückgang des Storchenbestandes. Durch die Verdrahtung der Landschaft kam es zu weiteren Verlusten. Rund ein Drittel der Aus­ fallquote kam bisher auf das Konto von Hochspannungsleitungen. Wie weit die Storchenpopulation im Rück­ gang begriffen ist, belegen folgende Zahlen: An besetzten Horsten gab es in den Nie­ derlanden 1950 = 85 1963 = 33. Von 1934 bis 1958 halbierte sich der Stor­ chen bestand westlich der Oder/Neiße. Er ging von 9035 auf 4567 Paare zurück. Der mitteleuropäische Lebensraum des Weißstorches erstreckt sich über die nord­ deutsche Tiefebene. Er zieht sich entlang der Flußtäler, soweit hier die ausgedehnten Wie­ sen flächen nicht verschwunden sind, bis in das Bergland.

Bereits im Spätsommer treten die Störche ihre Reise in die Winterheimat an. Aus aero­ dynamischen Gründen wird eine Überque­ rung des Mittelmeeres vermieden. Einer Überquerung der Alpen gehen die Störche ebenfalls weitgehend aus dem Weg, obwohl Beobachtungen vorliegen, daß diese bei gün­ stiger Witterung für sie kein Hindernis dar­ stellen. Die Störche benutzen zwei verschiedene Routen. Die Ost- und die Westroute. Die Zuggrenze verläuft entlang der oberen Donau, dem Main und der Weser. Die Störche, die östlich der Linie wohnen, ihre Zahl übertrifft die der sogenannten Weststörche um das 40- bis 60fache, ziehen über den Bosporus. Hier führt der Vogelzug zu einer gewaltigen Verdichtung. In einer Schmalfront verlassen die Störche unseren Kontinent und ziehen über Kleinasien, Syrien, Palästina, die Sinai Halbinsel und den Golf von Suez. Von hier geht der Zug, sich fächerförmig ausbreitend, den Nil aufwärts über die ostafrikanischen Seen, teilweise bis in das Kapland. Die Westroute verläuft über Frankreich, Spanien, Gibraltar, Westmarokko, über die Ausläufer der Sahara nach dem oberen Sene­ gal und den oberen Niger. Ein kleiner Teil der Störche, die die Westroute entlang zie­ hen, zweigen über Afrika nach Osten ab und münden in den Vogelzug der Ostroute. Die Störche die bis Südafrika ziehen, er­ reichen ihre Winterheimat im November/ Dezember. Ihre Rückreise treten sie im Februar an. Störche sind ausgesprochene Zugvögel. Doch Beobachtungen bezeugen, daß ein­ zelne Exemplare selbst in Ostpreußen den Winter über im Brutgebiet geblieben sind. Die angestiegenen Zahlen von Überwinte­ rungsstörchen in Mitteleuropa lassen sich durch ein gestörtes Zugverhalten erklären. Da es sich hier überwiegend um von Men­ schen aufgezogene Vögel handelt, ist der Zugtrieb wahrscheinlich während der Be­ treuungszeit verloren gegangen. Bei in Frei­ heit aufgezogenen Jungstörchen solcher Elternteile, tritt dieser Störungseffekt in der Regel nicht mehr auf Diese haben wieder ein normales Zugverhalten. Im Bereich der Baarhochmulde in der Nähe Donaueschin­ gens überwinterten 1988/89 7 Störche und 1989/90 4 Störche. Ihnen wurde in dieser nahrungsarmen Zeit von den Dorfbewoh­ nern durch das Auslegen von Futter über die Runden geholfen. Die jungen Störche werden erst mit 3-4 Jahren geschlechtsreif. Während dieser Zeit bleiben viele von ihnen in Afrika. Die Bindung zu dem Horst ist bei beiden Partnern stark ausgeprägt, so daß es aus die­ sem Grund durch das Einfinden am gleichen Flugübungen Storch auf Nahrungssuche 279

Brutplatz oft zu einem dauereheähnlichen Zustand kommt. Der älteste bisher gefun­ dene beringte Storch war 17 Jahre alt. Die geringste Lebenserwartung haben die unerfahrenen Jungstörche. Die Verluste der im ersten Lebensjahr stehenden Vögel errei­ chen teilweise die 75 0/o Marke. Störche sind sehr ortstreu. Eine Zählung in Norddeutschland erbrachte folgende Zah­ len: 8 0/o der Störche lassen sich wieder in ihrem Heimatort nieder, 410/o in einem Umkreis von 10 km und 21 0/o in einer Entfernung zwischen 10 und 25 km. Mit der Zerstörung ihres Lebensraumes haben wir die meisten unserer Störche ver­ trieben. Wollen wir die letzten der Großvö­ gel behalten, bedeutet das in erster Linie Bio­ topsicherung- und Erweiterung. Roland Kalb Trinkwasser – eine wichtige Lebensgrundlage Die Wasserversorgung St. Georgens aus historischer Sicht Nicht nur für Fische und Frösche oder sonstige umweltbedrohte, artdezimierte Amphibien, für die man heute als letzte Reservate Biotope anlegt, ist Wasser d a s Lebenselement, sondern auch für die Men­ schen ist das kostbare Naß unbedingt not­ wendige Lebensgrundlage. Das führten uns besonders deutlich die vom Fernsehen vor wenigen Jahren immer wieder gezeigten Bil­ der der schlimmen Dürre in der afrikani­ schen Sahel-Zone vor Augen. Aber auch aus dem Altertum kennen wir ein Beispiel ekla­ tanten Wassermangels: Im ersten Buch der Könige erzählt uns die Bibel, daß es im neun­ ten Jahrhundert vor Christus in Israel einmal drei Jahre lang nicht regnete. Das hatte natür­ lich gravierende Folgen. Bei alldem nimmt es einen nicht wunder, daß die Menschen sich schon recht früh bemühten, Wasser zu speichern, um es stän­ dig zur Verfügung zu haben. So legten, wie wissenschaftliche Ausgrabungen bestätigten, Das »Brigach-Reliif‘ – auf dem Foto erkennbar: Hirsch, Hase und Vogel – dürfte wohl das wertvollste heimatkundliche Stück sein, das die Stadt St. Georgen besitzt 280

Krone 63 � Wos�er ver tor�un3 in St. Geor�en !/ 835 1 iw -� 11 ‚ J w- Brunnenstube � Brunnen ,., ��:Brunnen, 4- -rchri9 „‚ � 1-v’e tte (ßrondwe!her) Skizze nach dem Plan der Wasserversorgung St. Georgens von 1835 (Original: Badisches Generallan­ desarchiv Karlsruhe – Signatur GI!, St. G. Nr.]); sie zeigt vor allem den Verlauf der seinerzeitigen örtli­ chen Wasserleitungen und den Standort der öffentlichen Brunnen bereits die Bandkeramiker als die ersten Ackerbauern im südwestdeutschen Raum in der Jungsteinzeit, also vor rund 6000 bis 7000 Jahren, künstliche Teiche als Wasser­ speicher an. Die Aquaedukte und komforta­ blen Bäder des ehemaligen römischen Welt­ reiches versetzen uns noch heute in Staunen; ebenso, daß die Römer bereits vor 2000 Jahren verschiedene bewährte Methoden der Brunnen-Wasseruntersuchung kannten! Ein keltisch-römisches Zeugnis heid­ nischen Quellenkults besitzt die Stadt St. Georgen im Schwarzwald in dem in Fach­ kreisen berühmten steinernen „Brigach­ Relief“, 1898 im Rauchkammergewölbe des an der dortigen Brigachquelle gelegenen Hirzbauernhofes entdeckt. Es zeigt damalige Götter mit den ihnen zugeordneten Tieren (Hirsch, Hase, Vogel) und soll nach der einen bekannten Deutung einem Heiligtum der Diana Abnoba, der Göttin des Schwarzwal- des, entstammen und somit römischen Ursprungs sein; nach der anderen handelt es sich um einen Votivstein der �ellgöttin Bri­ gia und damit um das Relikt eines keltischen �ellheiligtums. Die Brigachquelle be­ schreibt Friedrich Wilhelm Breuninger in sei­ nem 1719 erschienenen Buch „Die Ur-Quelle Des Welt-berühmten Donau-Stroms“ als „schöne und klare Quelle, welche ein frisches und gesundes Wasser ohnabläßig quillet“. Wie sah es aber im Kernbereich St. Geor­ gens früher mit der Wasserversorgung aus? Hierüber schrieb Pfarrer Johann Georg Wüst in seiner 1755 zusammengestellten „Samm­ lung gegründeter Nachrichten von dem Hochfürstlich-Württembergischen Closter St. Georgen auf dem Schwartzwald“: ,,Uiber­ dieß hat der Flecken eine vortreffliche und starcke Bronnenquelle; sie entspringt hinten auf der sogenannten Sandreutin (der heuti­ gen ,Türkei‘) am Fuße des Roßbergs. Das 281

sei. Und so konnte die Wasserversorgung lange Jahrzehnte unverändert bleiben, wie der abgebildete Plan aus dem Jahr 1835 zeigt. Als dann die Gemeinde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen beachtli­ chen Aufschwung nahm – 1850 zählte man 1335 Einwohner, während es 1900 schon 3520 waren -, mußte die Versorgung mit dem kostbaren Naß, um den Bedarf für die Bürgerschaft und die sich gut entwickelnde Industrie zu decken, auf eine völlig neue Basis gestellt werden. Dies tat die Stadt mit mit dem Bau eines Wasserleitungsnetzes, an das in den Jahren von 1891 bis 1894 alle Häu­ ser angeschlossen wurden. Damals faßte man im gemeindeeigenen Röhlinwald und im Mühledobel vier starke Q!iellen und leitete deren Wasser durch den Weiberdamm auf den Roßberg in ein Reservoir zur Einspei­ sung ins genannte Netz. Die Kosten für die Gesamtmaßnahme beliefen sich auf rund 110.000 Goldmark; eine für die damalige Zeit und die Wirtschaftskraft der Gemeinde schöne Stange Geld, die man in fünfzig Jah­ ren abbezahlt haben wollte. Aber man konnte nun immerhin über eine Wasser­ menge von durchschnittlich fünf Liter pro Sekunde verfügen. An die ursprüngliche Versorgungsart mit öffentlichen Brunnen erinnert übrigens bis auf den heutigen Tag noch der abgebildete „Bären-Brunnen“, der seinen Namen vom dortigen traditions­ reichen, ehemaligen Gasthaus Bären hat. 1959: Bodensee-Trinkwasser verhinderte Katastrophe Im 20. Jahrhundert wuchsen nicht nur Stadt und Bevölkerungszahl enorm (1910: 4582 Bewohner, 1989: 14180 Bürger), son­ dern stieg auch der Wasserverbrauch pro Kopf beträchtlich. Demzufolge sah sich die Stadt, um die Versorgung mit dem lebens­ notwendigen Naß zu sichern, vor die Auf­ gabe gestellt, laufend recht kostenträchtige Investitionen vorzunehmen. So baute sie unter anderem in den zwanziger Jahren das Pumpwerk an der Bundesstraße, im Lauf der Jahrzehnte etliche Wasserhochbehälter und Der „Bären-Brunnen „ist schon a1if dem Wasser­ versorgungsplan von 1835 ausgewiesen; aller­ dings sind Trog und Stock inzwischen erneuert worden Wasser ist krystall rein und klar, immerdar frisch und quillt aus einem weißen Sand­ boden hervor; seine mineralische Eigen­ schaft ist Kupfer … “ Jene Quelle speiste nicht nur neun Rohr­ brunnen, welche ihren Standort überwie­ gend innerhalb des heutigen Stadtzentrums hatten, sondern von ihr führte eine steinerne Dole bis zu den Kloster-Vorhofmauern, um die Klosterfelder bewässern zu können. Im übrigen ist vom seinerzeitigen vierrohrigen Klosterbrunnen, der 1750 aus Sandstein her­ gestellt wurde, noch die hübsche St.-Georgs­ Figur erhalten geblieben. Im neuen Rathaus hat sie einen schönen Platz. Pfarrer Wüst, der noch vier weitere St. Georgener Brunnen mit eigenen Quellen erwähnte, vertrat die Ansicht, daß die Gegend im ganzen genom­ men mit vielem frischem Wasser versehen 282

vergrößerte das Rohrnetz entsprechend den Erfordernissen. Zwischen 1905 und 1956 erschloß man weitere sieben Quellen und hatte somit insgesamt etwa 24 Liter Wasser pro Sekunde zur Verfügung. Das reichte aber nicht aus, belief sich doch der Wasser-Tages­ bedarf in der Bergstadt zu jener Zeit schon auf2200 Kubikmeter! Deshalb beschloß der Gemeinderat 1956 den Anschluß St. Geor­ gens an die Bodensee-Fernwasserversorgung. Mit zwanzig Sekundenlitern war man vor­ erst dabei. Bis jenes kostbare Naß allerdings aus dem heimischen Hahn fließen konnte, hatte die Bergstadt eine prekäre Situation durchzustehen. Aus Bürgermeister i. R. Emil Riemenspergers 1972 verfaßten Aufzeich­ nungen sei wörtlich zitiert: „Die Anschluß­ leitung nach Villingen (das ebenfalls Boden­ seewasser bezieht) wurde im Oktober 1956 begonnen und diejenige nach St. Georgen im September 1958. Anfang des Jahres 1960 sollte sie in Betrieb genommen werden. Aber schon vorher geriet St. Georgen in einen unerwarteten Wassernotstand, der nur durch das Bodenseewasser behoben werden konnte. Im beginnenden Winter (1959) waren durch die geringen Niederschlagsmen­ gen die �ellschüttungen rapid zurückge­ gangen, und eine Woche vor Weihnachten schien. eine Katastrophe unvermeidlich. Ein Notruf der Stadt verhalf ihr aber noch recht­ zeitig zum rettenden Wasser. Die Leitungen waren verlegt, aber die Pumpen noch nicht eingebaut und angeschlossen, die Leitungen noch nicht überprüft und durchgespült. Das geschah nun mit Tag- und Nachtarbeit der beteiligten Firmen, und bis zum Heiligen Abend 1959 gelang es, die Leitung in Betrieb zu nehmen.“ Nun war die Lage gerettet, und die Berg- Der Marmor-Schafenbrunnen von 1971, konzipiert von Willi Dorn und gestaltet durch Rudo!fTress, gibt dem St. Georgener Rathausplatz sein besonderes Gepräge 283

stadt konnte, als 1964 ein Umgemarkungs­ vertrag mit der damals noch selbständigen Gemeinde Peterzell abgeschlossen wurde, den Nachbarn sogar mit zwei Sekunden­ litern Wasser aushelfen.1971 erwarb dann die Stadt die Bezugsanwartschaft für weitere 15 Sekundenliter Bodensee-Trinkwasser. Übri­ gens beliefert der Zweckverband Bodensee­ Wasserversorgung 165 Mitgliedsgemeinden und -verbände in Baden-Württemberg im Jahr durchschnittlich mit 125 bis 130 Millio­ nen Kubikmeter Trinkwasser bester Quali­ tät, und St. Georgen hätte Ende des Jahres 1989 schon sein 30jähriges „Bodensee-Trink­ wasser-Bezugs-Jubiläum“ begehen können. Wie sieht nun heute die Situation auf dem Wasser-Sektor in der Bergstadt aus? Die Gesamtstadt verfügt derzeit über neun Was­ serreservoire mit einem Gesamtfassungsver­ mögen von 3250 Kubikmeter und alle son­ stigen auf diesem Gebiet erforderlichen Anlagen, so daß zur Zeit in erster Linie Inve­ stitionen für deren Unterhaltung und die Erneuerung verschiedener Aggregat- und Rohrnetzteile nötig sind. Darüber hinaus erweiterte die Stadt nun ihr an der Bundes­ straße 33 gelegenes Wasserwerk. Der jähr­ liche Wasserverbrauch schwankte im abge­ laufenen Jahrzehnt zwischen rund 700 000 und 750 000 Kubikmeter. Gegenwärtig ste­ hen der Stadt durchschnittlich insgesamt 55 Sekundenliter an lebensnotwendigem Naß zur Verfügung. Durch die beim vorgenannten Zweckver­ band angemeldete Bezugsmenge, die im Bedarfsfall kurzfristig erhöht werden kann, habe, so versicherte Bürgermeister Günter Lauffer, die Stadt St. Georgen zur Zeit und für die Zukunft, selbst bei steigendem Ver­ brauch, keinerlei Trinkwassersorgen. Dies zu wissen, ist für die Bürgerschaft erfreulich und beruhigend zugleich. Gleichwohl wird sie deshalb mit dem kostbaren Gut nicht ver­ schwenderisch umgehen. Die Wasserqualität ist übrigens einwand­ frei. Wie der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwerke hervorhebt, darf das Trinkwasser für sich in Anspruch nehmen, 284 das bestkontrollierte Lebensmittel in der Bundesrepublik zu sein. Dafür sorgen unter anderem die einschlägigen rechtlichen Be­ stimmungen und strengen Verordnungen. Im Zeichen des heute so vielzitierten Um­ weltschutzes stellt sich allerdings die wich­ tige Daueraufgabe, auch weiterhin alles Erforderliche für den Schutz des Wassers schon in den Q!ielleinzugs- und sonstigen Gewinnungsgebieten zu tun, damit uns das Trinkwasser als eine gesunde Lebensgrund­ lage erhalten bleibt! Hans-Martin Müller Meersburger Notturno Irgendwann zwischen den Zeiten ging das Lied von der Stille verloren – Nur des Nachts, wenn die Treppen und Gassen die lärmende Neugier vergessen – hören die offenen Tore den See mit den Rebhängen zweistimmig singen – Vom Mühlrad im Schatten der Meersburg tropft es wie Wein aus schon lange gekelterten Sagen – Erst am Morgen der landenden Schiffe verfälschen die Echos das Ende vom Lied. Jürgen Henckell

Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Der Schwarzwaldgasthof „Schwanen“ in Schonach Der „Schwanen“ ist nachgewiesenerma­ ßen der älteste Gasthof in Schonach. Bald wird er zweihundertfünfzigJahre alt sein. Bis zum Jubiläumsjahr 2002 fehlen nur noch wenige Jahre. Die heutige Wirtsfamilie Ha­ berstroh jun., das sind Ferdinand-Rudolf, seine Gattin Anna Maria D’Onorio und die Kinder Ferdinand-Alessandro und Alessan­ dra-Monika, ist stolz darauf, daß die „Schwa­ nenwirtschaft“ noch die Originalwirtschaft aus dem Jahre 1752 ist. Der erste Schwanenwirt: Michael Duffner Der erste Namensträger der Sippe Haber­ stroh auf dem „Schwanen“ war Johann Georg, der 1729 in Schonach geboren wurde und 1779 in Triberg verstorben ist. Der erste „Schwanenwirt“ hieß Michael Duffner, ein Schneider und Krämer. Er war, nach alten Aufzeichnungen, ein unternehmungslusti­ ger und pfiffiger Mann. Dieser Michael Duffner entschloß sich im Jahre 1752 – Schonach gehörte damals noch zur vorder­ österreichischen Herrschaft -am Kirchberg, gegenüber der St. Urbans-Pfarrkirche, ein Haus zu bauen. Der damalige Ortsgeistliche war sehr gegen diesen Hausbau und er erhob lauten Protest. Der Grund war einleuchtend: Der Kirchhof, der damals die Kirche umschloß, barg in Richtung zum alten und heutigen Gasthof sterbliche Überreste alter Schonacher Geschlechter. Der Unternehmenslust dieses „Krämer­ michels“, wie man Michael Duffner nannte, konnte aber auch der Ortsgeistliche keinen Einhalt gebieten. Mehr noch: Michael Duff­ ner verwendete bei seinem Hausbau für die Kellerräume und das Erdgeschoß schwere Granitfindlinge. Er war vorausschauend und klug; in den Kellern wollte er mehr als nur seinen eigenen Bedarf lagern. Da im Gegen- satz zu den anderen Häusern in der Mitte des Dorfes dieses ein steinernes Haus war-ältere Schonacher Bürger erinnern sich noch gut an die mächtige granitene Mauer, die an der, der Straße zugekehrten, Hauswand neben den Stallungen zu sehen war – nannte der Besitzer, dem man später das Schankrecht einräumte, diese Dorfschänke „Steinbach­ wirtshaus“. Die Haberstroh-Generation auf dem „Schwanen“ Auf Johann Georg Haberstroh folgte der um 1769 geborene Franz Josef Haberstroh, der auch Ochsenwirt in Triberg war. Ferdi­ nand Haberstroh, geboren um 1808, war der dritte Schwanenwirt. Sein Nachfolger, Ferdi­ nand Haberstroh, geboren um 1847, wurde der vierte Wirt auf dem „Schwanen“. Ihm folgte Emil Haberstroh, geboren um 1882. Dieser sehr beliebte „Schwanen-Emil“ heira­ tete Frieda Kunder, die -später-von Freun­ den und Gästen liebevoll „Altschwanenwir­ tin“ genannt wurde. Sie war sehr rüstig, leut­ selig und beliebt und sie hatte nach dem frü­ hen Tod ihres Gatten keinen leichten Stand. Umsichtig und mit viel Verantwortungsbe­ wußtsein führte sie viele Jahre den „Schwa­ nen“, hat ihn erhalten, hat seinen Ruf treu­ lich bewahrt und sie hat den „Schwanen“ – der alten Art getreu, ohne den Gasthof zu verstädtern -dem immer mehr einsetzenden Fremdenverkehr zugeführt. Frieda und Emil Haberstroh bauten 1926 den einstigen großen „Schwanensaal“, aus dem später die „Schwanen-Lichtspiele“ wur­ den. Die letzte Vorstellung in ihnen fand im September 1973 statt. 1919 wurde der Sohn der Eheleute Emil und Frieda Haberstroh in Schonach gebo­ ren, Ferdinand, weitum bekannt und überaus 285

‚ ,, ·, „Schwanen“ vom Kurpark aus gesehen A ‚f‘ Rückfiont, Gästezimmer, ladengeschoß 286

beliebt als „Schwane-Ferdi“. Er übernahm den „Schwanen“ in der sechsten Haberstroh­ Generation. Seit dem 1. Januar 1982 leitet Ferdinand­ Rudolf, geboren 1950, den „Schwanen“. Mit berechtigtem Stolz kann er darauf verweisen, daß er die nunmehr siebte „Haberstroh­ Generation“ auf dem „Schwanen“ ist. Die achte Haberstroh-Generation – Ferdinand­ Alessandro – erblickte 1979 das Licht der Welt. Vom „Steinbachwirtshaus“ zum „Schwanen“ .. Zur früheren Gebäudesubstanz am vorde­ ren Hausende gehörte bis zum Jahre 1914 eine Brauerei, in welcher das „Schwanen­ bräu“ gebraut wurde. Dies führte auch zur Änderung des bis damals geläufigen Wirts- hausnamens in ,,Schwanen“. „Steinbachwirtshaus“ Vom Augenblick der Ubemahme des Hauses (1962) mußten Ferdinand und Hilde­ gard Haberstroh mit der Zeit gehen. Im Jahre 1964 gab es im „Schwanen“ eine bedeutsame bauliche Veränderung. Nachdem in jenem Oktober die alten Stallungen abgetragen worden waren, auch die granitenen Haus­ wände verwirklichte Ferdinand Haberstroh einen �ufwendigen Neubau zur Straßenseite hin. Nach einer Bauzeit von einem halben Jahr konnte der „Schwanen“ im Juni 1965 wiedereröffnet werden. Er war jetzt zu einem repräsentativen Gebäude in der Ortsmitte emporgewachsen. Modeme, mit einem angenehm-gediegenen Komfort ausgestat­ tete Fremdenzimmer mit Balkons waren ent­ standen. Bei insgesamt vier Einzelzimmern und sechzehn Doppelzimmern, alle mit Dusche, WC, Telefon und Safe, kann heute der Gast zwischen drei Zimmerkategorien wählen, von der oben gezeichneten Ausstat­ tung bis zur Komfortklasse. Drei moderne Wohnungen wurden ebenfalls in den Neu­ bau einbezogen und im Erdgeschoß sind, zur Straßenseite hin, moderne Ladenge­ schäfte entstanden, eine „Blumenecke“ und ein Bekleidungsgeschäft. Von den „Schwanen-Lichtspielen“ zu den „Schwanenstuben“ Im September 1973 baute Ferdinand Haberstroh die Küche zu einer modernen Großanlage um; sie war Ende 1973 vollen­ det. Danach nahm der Neubau der „Scbwa­ nenstuben“ – das war der Baubestand des ehemaligen „Schwanensaales“ und der nach­ maligen „Schwanen-Lichtspiele“ – seinen Anfang. Die „Schwanenstuben“ konnten am 12.Juli 1974 eröffnet werden. Die Umbauten waren dank hervorragender Handwerkerlei­ stungen vollendet gelungen. Die verwendeten Baumaterialien sind überwiegend Holz; Ausstattung und Stil ent­ sprechen der Zeit um 1850. Die „Schwanen­ stuben“ bilden eine harmonische Einheit mit der alten „Schwanenwirtschaft“ im alten Teil des Gebäudes aus dem Jahre 1752. Die Holzwände in den „Schwanenstuben“ zie­ ren herrliche Bauernmalereien mit wech­ selnden Motiven. Kein Medaillon in den vielen Füllungen gleicht dem andern. Die Tische und die Bestuhlung entsprechen der schwarzwälderischen, ländlich-bäuerlichen Art. Die Balkendecke und die Beleuchtung, beides dezent wie in einem Weidengeflecht­ in Strohmatten verkleidet, machen die ,,Schwanenstuben“ ausgesprochen heimelig. Man genießt von den Fensterfronten einen wundervollen Panoramablick auf den zu Füßen des „Schwanen“ sich ausbreitenden Kurgarten mit seinem „Schwanenweiher“ und den Wasserspielen. Eine Terrasse, die bis zu fünfzig Gästen Platz bietet, ist im Zuge des Neubaues entstanden und rundet den einla­ denden Gesamteindruck harmonisch ab. Ein Blick in die alte „Schwanenwirtschaft“ Im Jahre 1977 renovierte Ferdinand Haberstroh und Sohn Ferdinand jun. mit aller Behutsamkeit die alte „Schwanenwirt­ schaft“ aus dem Jahre 1752. Bei der Wieder­ herstellung ursprünglicher Zustände halfen dabei oft alte Bilder der Wirtsstube. Prunk­ stück darin ist der riesige, urgemütliche Kachelofen mit gebrannten Rundkacheln, 287

ein Ofen, ,,den es heute in dieser Form nicht mehr gibt“. Er muß um 1870 herum gesetzt worden sein, wie uns Ferdinand jun. erzählt. Wird er heute noch befeuert? Nein, das sei untersagt, der Ofen weise kleine Risse auf. Vater Ferdinand und Sohn Ferdinand jun. haben ihn jedoch mit Sand ausgelegt und Heizschlangen installiert. ,,Warm gibt er“, lächelt Ferdinand jun. Alles in dieser „Schwanenwirtschaft“, sie kann fünfundfünzig Gästen Platz bieten, ist original. Decken, Wände, Einrichtungen, Schmuck, Fensterbänke, das Uhreneckle, der romantische, blumengeschmückte Herr­ gottswinkel – Zeichen des Geistes, der im Hause weht-Gebälk sind zweihundert Jahre alt. Die Ahnen sind in der Wirtschaft in zum Teil aufwendigen Bildern und frühen Foto­ graphien gegenwärtig. Sie zeigen gleichzeitig Aufnahmen der ältesten Schonacher Trach­ ten. Besonders auffallend ist die niedrige Holzdecke mit einem sinnigen Spruch auf einem tragenden Balken: ,,Hier wurde gelo­ gen, bis die Balken sich bogen“. Auf der holzverkleideten, schön bemalten Originaltheke steht die Jahreszahl 1752 und auf dem über der Theke laufenden Tragebal­ ken die Worte: ,,Schon im Steinbachwirts­ haus zapften hier die Haberstrohs das erste Bier“. Daneben prangt das gewichtige Fami­ lienwappen der Haberstrohs mit den Insi­ gnien: ,,Anno 1752 zum Schwanen zu Schon­ ach“. Es ist eine nachgemachte Ausführung, das Original ist nicht mehr aufzufinden. Ferdinand jun. – Meister seines Faches Der heutige Schwanenwirt, Ferdinand Haberstroh jun., hat einen erfolgreichen Berufsweg hinter sich. Nach seiner Ausbil­ dung zum Hotelkaufmann im Hotel „Kette­ rer“ in Villingen fuhr Ferdinand jun. auf der Lübeck-Linie auf der „Stella Regina“ als zweiter Salonsteward (Gran Canaria, Madeira, Elfenbeinküste). In Frankfurt hat er später seine Prüfung als Küchenmeister und Serviermeister bestanden. 1973 übertrug Ferdinand Haberstroh sen. seinem Sohn Ferdinand-Rudolf die verschie- 288

Die Wirtsfamilie Haberstroh denen Umbauphasen des „Schwanen“. Daher konnte Ferdinand jun. weitgehend seine Vorstellungen hinsichtlich Baustil, Ausstattung, Farbgebung, Variationsmög­ lichkeiten in der Raumverteilung verwirkli­ chen. Anläßlich der Eröffnung der „Schwa­ nenstuben“ im Juli 1974 wählte Ferdinand jun. auch den neuen Namen „Schwarzwald­ gasthof Schwanen“, sichtbare Reverenz vor dem Leitgedanken: ,,Wir sind hier im Schwarzwald“. Ferdinand Haberstroh jun. hat ein siche­ res Gespür; er kennt die Wünsche seiner Gäste von heute. Daher ist, bei aller sorgfälti­ gen Bewahrung des bäuerlich-ländlichen, alten Schwanenwirtshauses (Stammhaus), in den umgestalteten Gebäudeteilen durchaus neuzeitlicher Komfort bei ihm die Maxime. „Der Gast wünscht sich in der Gaststube das ,Alte‘, dabei möchte er aber auf Komfort in seinem Wohnbereich nicht verzichten“. Der „Schwarzwaldgasthof Schwanen“ ist in seinem Bekanntheitsgrad und in seiner Beliebtheit nicht auf Schonach beschränkt. Der Ruf dieser traditionsreichen Gaststätte in Schonach geht weit ins Land hinaus. Der „Schwanen“ ist eine Gaststätte mit Herz und Niveau und mit einer einladenden, unver­ wechselbaren Atmosphäre. Alexander Jäckle 250 Jahre Höhengasthaus „Kreuz“ Furtwangen – Escheck Von der Uhrenstadt Furtwangen aus, zu deren Kommune das Höhengasthaus „Kreuz“ gehört, führen die Bundesstraße 500 und viele Wanderwege die Touristen zu den unterschiedlichsten Zielen. Beliebt sind dabei vor allem der heilklima­ tische Kurort Schönwald, die Triberger Was­ serfälle oder eines der idyllischen Orte rund um den Titisee. Nach dem Schönwalder Heimatbuch ging alljährlich in alter Zeit die Eschprozes- sion von Schönwald bis zur Gemarkungs­ grenze an der Furtwanger Eck. So bekam die­ ses Eck den Namen Escheck. Im Jahre 1732 hatte Franz Martin seinem Bruder Johannes eine zum Rombenhof gehörende Hofstatt auf der Es check verkauft und bereits im Jahre 1739 baute er auf der vorderen Escheck das Wirtshaus. Im Kaufbrief von 1732 hatte sich Johan­ nes Martin folgendes ausbedungen: ,,Wenn er einen Ehrlichen Dantz halten thette, so! 289

Baur vor dem Haus an der Strass tantzen las­ sen. Vor oder ob dem Haus (hat er) statt und blatz zue Roß und Wagen, wann der Kaiffer mit einem Wagen Wein oder was anderes hol­ len, wenn frembte Fuehr Leuth mit Frucht, Wein oder was anderes fahren thetten“. Johannes Martin starb 1743, und sein Sohn Wilhelm (geb. 1725) übernahm die Gastwirtschaft bis zu seinem Tode 1790. Wil­ helm Martin hatte 10 Kinder. Er übergab im Jahre 1790 den Besitz seinem 1766 geborenen Sohn Johannes. Dieser bewirtschaftete die Gaststätte Kreuz bis 1805. Im gleichen Jahr verkaufte er das Wirtshaus auf der Escheck seinem Vetter Nikolaus Martin, der 1762 als Sohn des Bauern Blasius Martin auf dem Rombenhof geboren war und 1821 starb. Sein Sohn Dominik, geb. 1803, führte die Gaststätte Kreuz bis zu seinem Tode 1858. In der Folgezeit wechselte das Wirtshaus mehr­ fach seinen Besitzer aus der Linie Martin, bis 1875 Engelbert Stratz, gebürtig vom Non­ nenbachhof in Obersimonswald, folgte. 290 Im Jahre 1902 übernahm dessen Sohn Friedrich Stratz die Gastwirtschaft. Bereits 1905 folgt wieder ein Glied aus der Familie Martin auf das Kreuz. Elisabeth Martin, „Ochsenliesele“ genannt, 1884 im Gasthaus Ochsen in Schönwald geboren, wurde die Ehefrau des jungen Escheckwirtes Friedrich Stratz. Doch die junge Wirtin verstarb bereits 1933 allzufrüh und ließ den Gatten mit der kleinen Tochter Elisabeth zurück. Am 8. 6. 1948 verheiratete sich Elisabeth Stratz mit Wilhelm Scherzinger aus Urach. Aus dieser Ehe gingen 4 Kinder hervor. Einen geeigneten Nachfolger stellte das Ehe­ paar Scherzinger mit ihrem 1949 geborenen Sohn Fritz. Die Übergabe erfolgte im Jahre 1980. Fritz Scherzinger ehelichte 1973. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Bereits im Jahre 1956 erkannte Wilhelm Scherzinger, aufgrund des zunehmenden Fremdenverkehrs und Tourismus, die Not­ wendigkeit einer Erweiterung der Gasträume und Bettenkapazität.

Man stand vor einer schweren Entschei­ dung. Zu wenig warf die Landwirtschaft ab. Sie wurde nach und nach aufgegeben. Die Grundstücke wurden an die benachbarten Landwirte verpachtet. Gastronomisch kaufmännisches Denken und Handeln bestimmten fortan den Arbeits­ alltag von Fritz Scherzinger. Seine junge Frau Margarete, geb. Schuler, war ihm in allen Belangen eine hilfreiche und ebenbürtige Partnerin. Im Jahre 1956 wurde ein Saal mit 60 Sitz­ plätzen angebaut. Die Küche wurde großzü­ gig erweitert und vom Betriebsablauf auf den modernsten Stand gebracht. Die Toiletten wurden ausgebaut, alle Gästezimmer moder­ nisiert und mit Duschen und WC ausgestat­ tet. Im Haupthaus stehen 14 Doppel- und 6 Einzelzimmer den Gästen zur Verfügung. Im Jahre 1989 wurde an das bestehende Haupthaus ein Gästehaus mit 3 Ferienwoh­ nungen und 6 Appartements angebaut. Alle Ferienwohnungen und Appartements sind Fritz Scherzinger und seine Mitarbeiter mit Telefon und Fernsehgeräten ausgestat­ tet. Die stilvolle Raumausstattung, wie die einzelnen Sitzgruppen in den Zimmern und Etagen, vervollkommnen die wohnliche Atmosphäre. Den Gästen steht in der Freizeit eine hauseigene Tennisanlage wie ein Fitness­ raum zur Verfügung. Wer nicht in die Feme schweifen möchte, der findet auf der großen Liegewiese direkt hinter dem Haus Ruhe und Entspannung. In der untersten Ebene des Gästehauses wurde eine großzügige Saunaanlage mit Ruheraum eingerichtet, so daß man auch von hier Austrittsmöglichkeiten auf die Ter­ rasse hat. Ein Skiwachsraum rundet die Frei­ zeitanlage ab. Wer sich vor dem Schlafen­ gehen noch etwas amüsieren möchte, kann dies an der Minibar tun. Fritz und Margarete Scherzinger verfügen über ein eingespieltes Team. Kollegialität wird großgeschrieben. Fritz Scherzinger meint, wir arbeiten gut zusammen und er freut sich über das gute Betriebsklima inner­ halb des Teams. Die Sorge um die Gäste liegt in den Hän­ den der immer gut aufgelegten und freundli­ chen Wirtin Margarete und des Besitzers Chefkoch Fritz Scherzinger. Weiter sind 10 Beschäftigte um das Wohl der Gäste bemüht. Aus dem Gemeinschaftsgeist her­ aus ist es auch kein Problem, besonderen Ansprüchen und Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Geist bewährt sich immer wieder in Stoßzeiten des Betriebes, insbeson­ ders im Winter bei den anstürmenden Mas­ sen von Skilangläufer und Skiwanderer. Daß das Gasthaus Kreuz eine hervorra­ gende Küche hat, ist weit über Schönwald und Furtwangen hinaus bekannt. Zu beson­ deren Leckerbissen des Hauses gehören Wildspezialitäten und Gerichte aus der eige­ nen Schlachtung. Fritz Scherzinger und seine Mitarbeiter gehen auch auf die Sonderwünsche der Gäste, wie z.B. Schonkost oder Diät, ein. Die Skilangläufer und Skiwanderer schätzen besonders nach anstrengender Tour die def­ tigen Vesper sowie die Suppen- und Eintopf­ gerichte. Nicht außer acht gelassen werden dürfen die hervorragenden Kuchen und Gebäcke aus der eigenen Konditorei. Die Kurgäste, wie die vielen Reisegesell­ schaften, die im Gasthaus Kreuz aufgenom­ men und beherbergt werden, sind vollen Lobes über die Gastfreundschaft und des 291

Angebotes. Der beste Beweis hierfür ist, daß über Jahrzehnte hinweg langjährige Gäste und Reisegesellschaften dem Gasthaus Kreuz die Treue halten. Die Krönung der jahrelangen Aufbauar­ beit ist sicher die Fertigstellung des Gästehau­ ses. Dieses entspricht den Wünschen, die heute an einen gutgeführten Beherbergungs- und Gaststättenbetrieb gestellt werden. Er fügt sich auch architektonisch in die bauli­ che Umgebung und in die Landschaft ein. Der heilklimatische Kurort Schönwald ist durch den gelungenen Erweiterungsbau um einen Anziehungspunkt reicher geworden. Emil Rimmele Die „Krone“ in Peterzell Erinnerungen an ein gastronomisches Kleinod Nachdem die alte Poststraße über Horn­ berg, Reichenbachtal, Benzebene, Langen­ schiltach, Peterzell im Jahre 1837 durch die Eröffnung der neuerbauten Straße Horn­ berg, Triberg, St. Georgen, Peterzell an Bedeutung verlor, hatte auch das Gasthaus „Krone“ in der Dorfmitte -heute Anwesen Weisser (Wangergottlieb) -kaum noch eine Existenzmöglichkeit. Ein Karl Moser aus Gutach nutzte die Gunst der Stunde und erbaute 1839 ein Gasthaus „Krone“ an der 292 neuangelegten Straße die unmittelbar am Dorf vorbeiführte. 1870 wurde die „Krone“ von Karl Friedrich Steidinger erworben und blieb im Familienbesitz bis 1983. Während dieser 113 Jahre hat sich das Gasthaus konti­ nuierlich aufwärts entwickelt und war bis zum Ende der Ära Steidinger zu einem gast­ ronomischen Betrieb allererster Klasse ange­ wachsen. Über viele Jahrzehnte, von 1870 – 1964, war die „Krone“ ein typisches Land­ gasthaus, das den Zeitläufen Rechnung

tragend sich mehr und mehr modernisierte, dabei aber stets den ländlich rustikalen und gemütlichen Charakter beibehielt. 1914 übernahm Mathias Steidinger die Wirtschaft von seinem Vater. Bereits 1929 verstarb er im Alter von nur 42 Jahren. Danach hat seine Ehefrau Christine geb. Storz den Betrieb mit viel Energie und Tatkraft fortgeführt. Ihr zur Seite standen die Söhne Karl und Wilhelm und die Tochter Anna. Nicht zuletzt war es eine Schwester der Kronenwirtin, die sich als wertvolle Hilfe einreihte. Um 1880 bis zum Ende des Zweiten Welt­ krieges wurde durch die Fürstliche Auer­ hahnjagd für die „Krone“ ein ganz besonde­ rer geschichtlicher Akzent gesetzt. Die ,,Krone“ war das auserwählte Gasthaus, in dem der Fürst zu Fürstenberg mit seiner Jagdgesellschaft jährlich und mehr als 50 Jahre Quartier bezog. Oft war es ein Aufent­ halt von 2-3 Wochen. In den Anfangsjahren mußte vor dem Eintreffen der erlauchten Jagdgesellschaft das gesamte Gesinde der „Krone“, sogar die eigenen Kinder, das Haus verlassen und nur die Wirtsleute selbst durf­ ten in der Wirtschaft bleiben. Dies galt für die ganze Zeit der Anwesenheit der Jagdge­ sellschaft. Erschien dann der Fürst zu Für­ stenberg mit seinen Jagdgästen, es waren fast ausschließlich Leute des Hochadels, wurde ein Teppich ausgelegt, der von der Kutsche bis zum Lokaleingang reichte. Eigene Köche, eigenes Dienstpersonal, alle bezogen sie Quartier in der „Krone“. Diese Jagden fan­ den immer im Frühjahr statt. Ihnen voraus ging das sogenannte „Verhören“ der Auer­ hähne, das von Peterzeller Bürgern durchge­ führt wurde. Wochenlang wurden in aller Frühe die Balzplätze der Auerhähne ausfin­ dig gemacht, damit der erlauchten Jagdge­ sellschaft dann auch das Jagdglück sicher war. Nicht selten wurden in den 2-3 Wochen Aufenthalt 10 bis 20 Auerhähne geschossen. Sichtbar wurden sie dann an den Kutschen befestigt, wenn nach Jagdende die Heimfahrt angetreten wurde. Nach dem 1. Weltkrieg änderte sich die Fürstliche Auerhahnjagd dahingehend, daß die Jagdgesellschaft nicht Nach der Auerhahnjagd stellten sich die farst­ lichenjägervor der „Krone„ mit einer Jagdstrecke zu einem Erinnerungs.foto (1884) mehr per Kutsche, sondern per Auto nach Peterzell kam. Auch wurde kein Personal mehr mitgebracht, sondern die Bewirtung erfolgte über die „Krone“ direkt. Da während und nach dem 2. Weltkrieg das Auerwild bei­ nahe ausgestorben war, kam die Jagd zum Erliegen. Viele interessante Erinnerungen an die Fürstliche Auerhahnjagd in Peterzell sind auch heute noch oft Gesprächstoff bei der älteren Generation. Der 1924 gegründete „Liederkranz Peter­ zell“ führte in den Anfangsjahren seine Theaterstücke in der „Krone“ auf, wobei der Zugang zu einer etwas improvisierten Bühne für die Akteure durch ein Fenster von außen erfolgen mußte. Als beide Söhne der Witwe Steidinger in den 2. Weltkrieg ziehen mußten und die Tochter sich 1936 verheiratete, hing die ganze Last des Betriebes an Frau Steidinger und ihrer Schwester Karoline. Glücklicher- 293

Am 5. 2. 1989 brannte die „Krone‘ in Peterzell vollständig ab weise gab es zur damaligen Zeit noch genü­ gend Leute, die bereit waren mitzuhelfen, sei es als festes Personal oder als gelegentliche Aushilfen. So konnte die Wirtschaft trotz aller Schwierigkeiten in bewährter Weise fortgeführt werden. Auch die dazugehörige Landwirtschaft blieb voll erhalten. Bei einem durchschnittlichen Bestand von 20 Stück Vieh, 2-3 Pferden, sowie einer Anzahl Schweinen und Hühnern hatte für die Kronenwirtin und ihr Personal der Tag oft mehr als 15 Arbeitsstunden. Ihre Art mit den Gästen umzugehen, war beispielgebend und übertrug sich auch auf den Sohn Wilhelm, der den Betrieb 1949 übernahm. Ursprünglich sollte der ältere Sohn Karl einmal Kronenwirt werden, aber der Krieg kam dazwischen, er wurde 1944 als verschollen gemeldet. So mußte also der jün­ gere Sohn Wilhelm mit seiner Ehefrau Else, geb. Müller, die aus Osterode im Harz stammte, in die Gastronomie einsteigen. Eigentlich war Wilhelm Steidinger gelernter 294 Maschinenschlosser, aber er entwickelte sich sehr schnell zu einer erstklassigen Gastwirt­ Persönlichkeit. Der „Krone“ gab das neue Impulse, denn die beiden führten das Lokal exzellent und im Sinne der Vorfahren weiter. Allmählich wurde die Arbeit zu umfangreich und es fehlte auch an Personal im landwirt­ schaftlichen Teil des Betriebes. Der daraus resultierende Beschluß, die Landwirtschaft aufzugeben, hat sich für die Zukunft als völ­ lig richtig erwiesen. Die Stallungen wurden 1964 zu einem großen Saal mit 140 Sitzplät­ zen, einer Bar und einem geräumigen Emp­ fang umgebaut. Schnell wurde diese neue ,,Krone“ von den Gästen angenommen. Industrie, Vereine und Verbände fühlten sich in dem baulich bestens geglückten Saal sehr wohl. Tagungen, Versammlungen, Seminare und nicht zuletzt der jährliche Wirteball als besonderes Ereignis, waren in der „Krone“ zuhause. Da der Saal völlig getrennt von den übrigen Wirtschaftsräumen war, bot er beste Voraussetzungen auch für große Familien-

feiern. Hochzeitsgesellschaften am laufen­ den Band, oft jede Woche, waren an der Tagesordnung. Eine überragende Küche und bester Service führten zu hohem Ansehen der „Krone“ weit über die Kreisgrenzen hin­ aus. Mit Erschütterung vernahm 1974 die ein­ heimische Bevölkerung und die vielen aus­ wärtigen „Krone“-Gäste die Nachricht, daß die Kronenwirtin Else Steidinger tödlich ver­ unglückt war. Während ihrer 30jährigen Tätigkeit gab sie mit ihrem ausgeprägt fröhli­ chen Lachen und ihrem angenehmen Umgang mit den Gästen dem Lokal eine besonders positive persönliche Note. 1975 verheiratete sich Wilhelm Steidinger wieder. In Waltraud geb. Deschenhalm hatte er eine Frau gefunden, die für den Rest der Jahre, bis zum Verkauf der „Krone“ im Jahre 1983, sich als neue Wirtin schnell mit der Gastronomie zurechtfand und sich auch sehr stark engagierte. Die Kinderlosigkeit und auch das fortgeschrittene Alter von Wil­ helm Steidinger waren der Grund für den Verkauf der nicht nur von den Peterzellern, sondern auch von allen langjährigen „Krone“-Gästen sehr bedauert, aber auch verstanden wurde. Wie es dann ab 1983 mit der „Krone“ wei­ terging, möchte man am liebsten aus diesem geschichtlichen Bericht ausklammern. Vom neuen Eigentümer wurde das einst so renom­ mierte Gasthaus mehrmals an neue Pächter verpachtet. Leider blieb die Anknüpfung an vergangene Glanzzeiten aus. Als schlimmes Ende wurde die „Krone“ dann am 5. Februar 1989 durch einen Brand total vernichtet. Bleiben den Peterzellern und allen Freun­ den der ehemaligen „Krone“ nur noch die schönen Erinnerungen an Zeiten, als die „Krone“ noch Inbegriff bester Gastlichkeit und Gemütlichkeit war. Dr verheit Mage Ei jegerli doch au, i kans fascht nit sage, Wia em pfindli isch doch au mi steialte Mage. Biar kan i trinke, so viel i will, Zwanzg Schoppe sin weg sellem nit z‘ viel, Pack i dno fünf Schöppli Wi no drzua, Dno isch us mit dr Ruah. Un trink i no zwei Viartili Schnaps obedruff, Dno hört aber d‘ Gmiatlichkeit uff, – Do reißts mi um, Dia Gschicht isch emol dumm! Bertin Nitz Lindebluescht De Lindebomm am Gartehaag duet ’s Hoozigdischli decke En Huufe Gschierrli treit ear uff; ’s ischt gnueg, me bruucht ninnt schtrecke. E volli Bluescht clont trage d‘ Äscht und gschtuehlet ischt fer alli Gäscht. Wenn d‘ Sunn uffschtoht, goht ’s Fäschtli aa, ’s word uffgmacht ’s Biinehiisli. Baar Pinke singet d‘ Hoozigmeß und d‘ Immli oarglet liisli. E Umm’le schtriicht de Kontrabaß und fromm schweiit ’s Lüftli ’s Weihrauch­ [faß. Als Kanzle hanget khäb am Bomm e ganz morsch Schtoorehiisli. En aalte Schtoor loot d‘ Predig loos, als Mesmer rännt e Ziisli. Rotschwänzli sind d’Minschtrante hitt, e Meisli schwänzlet au no mit. En Muckeschwaarm fliigt aa zum Danz. Flötischte sind no kumme. ’s wordt g’fäschtet bis d’Sunn untrigoht, noo ischt hitt ’s Hoozig umme. ’s hond alli Immli Rüschli g’haa und honiggeäli Hösli aa. Gottfried Schafbuch 295 Hermann Seifermann

Sport Fünf erfolgreiche Ski-Internatsjahre im Rückblick Die Furtwanger Einrichtung im Aufwärtstrend Das 1984 eingerichtete Ski-Internat Furtwan­ gen (SKIF) wurde im Almanach 86, S. 248- 250, zum ersten Mal vorgestellt. Der nachfol­ gende Beitrag berichtet über die weitere Entwick­ lung. 1984 war die Geburtsstunde des Ski-Inter­ nats Furtwangen. 4 Sportler begannen eine vierjährige Ausbildung zum Kommunika­ tionselektroniker an der Robert-Gerwig­ Schule. Ihr zuhause war ab jetzt das Don­ Bosco-Heim, welches von Salesianern vor­ bildlich geführt und geleitet wird. Die jungen Sportler erfahren hier eine persönliche Betreuung, um sie auch erzieherisch und seelsorgerisch auf das spätere Leben vonube­ reiten. Natürlich waren in dieser Zeit viele Hürden zu überwinden und Probleme zu lösen, doch im Laufe der Jahre wurden viele Anstrengungen und Bemühungen unter­ nommen, um das Ski-Internat in eine gelun­ gene Institution zu verwandeln. In den näch­ sten Jahren stieg die Zahl der Neuaufnahmen bis auf18 junge Sportler an, die jetzt auch teil- 296 weise aus anderen Bundesländern stammen. Schwerpunkt ist nach wie vor die Berufsaus­ bildung an der Robert-Gerwig-Schule, ferner öffneten sich die Türen des Otto-Hahn­ Gymnasiums, wo das Abitur oder die Mitt­ lere Reife angeboten werden. Außerdem stehen uns seit geraumer Zeit Ausbildungs­ plätze ortsansässiger Firmen nach vorheriger Absprache zur Verfügung. Eng anliegend an die unterschiedlichen Ausbildungen wird ein tägliches Training von den Trainern Klaus Faißt und Martin Scharte! durchge­ führt. Das Angebot ergeht an junge Sportler in den Disziplinen des Nordischen Ski­ sports, also Langlauf, Skispringen und Nor­ dische Kombination. Erfolge blieben in die­ ser Zeit natürlich nicht aus. Bereits in der Saison 1984/85 wurde Fried­ rich Braun Deutscher Jugendmeister in der Nord. Kombination. Bei internationalen Einsätzen im Alpencup wurden 3mal Plazie­ rungen unter den ersten 8 erreicht. Im Schuljahr 1985/86 hatte man 6 Neu-

aufnahmen zu verzeichnen, wobei 2 eine Berufsausbildung zum Kommunikationsele­ ktroniker durchführten, ferner 2 das Abitur am Otto-Hahn-Gymnasium anstrebten und weitere 2 eine Zimmermannslehre bzw. eine Verwaltungsfachangestelltenlehre absolvier­ ten. In dieser Saison wurde Friedrich Braun Juniorenweltmeister in der Spezialspringer­ Mannschaft. Der Langläufer Martinus Rich­ ter wurde sogar 2facher Deutscher Jugend­ meister und war erfolgreichster Teilnehmer dieser Titelkämpfe. Ferner wurde bei Alpen­ cups Smal Platz 1-8 erreicht. Im Schuljahr 1986/87 wurden 3 Sportler aufgenommen, die alle den Beruf des Kom­ munikationselektronikers anstrebten. In die­ sem Jahr übernahm Oberstudiendirektor Panther das Amt seines Vorgängers Oberstu­ diendirektor Jehle. In der Berufsausbildung wurde durch einen eigenen Werkstattraum und einen eigenen Lehrer eine große Erleich­ terung geschaffen. Sportlich ging es wieder­ um aufwärts. Friedrich Braun wurde Deut­ scher Jugendmeister in der Nordischen Kombination und Martinus Richter Deut­ scher Juniorenmeister im Speziallanglauf Ferner gewann Martinus Richter den inter­ national besetzten Cup Curicalla. Insgesamt wurden bei Alpencups 12mal Platz 1-8 erreicht. Im Schuljahr 1987/88 waren die meisten Neuzugänge zu verzeichnen, und zwar insgesamt 10. Sechs begannen eine Ausbil­ dung zum Kommunikationselektroniker an der Robert-Gerwig-Schule, 3 wurden am Otto-Hahn-Gymnasium aufgenommen und einer absolvierte die Wirtschaftsschule. Im Juni 1988 schlossen die ersten 4 Sportler ihre Lehre zum Kommunikationselektroniker erfolgreich ab. Frank Schneider erzielte im Fach Meß-und Schaltübungen die beste Note und erhielt dafür einen Preis. Auch in diesem Winter kletterte man die Stufen des Erfolges weiter nach oben. Überragender Athlet war Frank Höfle mit 2 Goldmedaillen bei der Paraolympias der Behinderten in See­ feld. Friedrich Braun wurde in der Nordi­ schen Kombination Deutscher Meister. Die jungen Sportler belegten 8mal Platz 1-3 bei den Bundesskispielen und 8mal wurde Platz 1-8 bei Alpencups erreicht. Im Schuljahr 1988/89 wurden 4 junge Sportler aufgenommen. Zwei begannen die 4jährige Ausbildung zum Kommunikations­ elektroniker und 1 besuchte die Wirtschafts­ schule sowie einer das Otto-Hahn-Gymna­ sium. Auch in dieser Saison erreichte Frank Höfle als 3facher Europameister wiederum hervorragende Leistungen. 9mal wurde Platz 1-8 bei Alpencups, 8mal Platz 1-2 bei Bun­ desskispielen und 2 Deutsche Vizemeister­ schaften erkämpft. Im Schuljahr 1989/90 konnten 2 Neuauf­ nahmen verzeichnet werden. Einer besucht das Otto-Hahn-Gymnasium und einer die Wirtschaftsschule. In dieser Saison wurden 6 Nordisch Kombinierte in die Nachwuchsna­ tionalmannschaft aufgenommen und somit stellt das SKIF derzeit 60 0/o des C-Kaders. Roland Braun, Timo Drehs, Birger Thiel und Steffen Kuder haben sich 1990 für die Junio­ renweltmeisterschaften in Frankreich quali­ fiziert. Vor kurzem gelang wiederum Frank Höfle mit 3 Goldmedaillen bei den Behin­ derten-Weltmeisterschaften in J ackson/U SA ein grandioser Erfolg, denn er war damit erfolgreichster Teilnehmer dieser Wett­ kämpfe. Bei Alpencups konnten bisher mehrfach Plätze zwischen 1 und 8 erreicht werden. Diese Erfolge haben wir natürlich auch der Unterstützung zahlreicher Institu­ tionen und Firmen zu verdanken. Das SKIF hat sich im Laufe der Jahre immer besser bewährt und stellt derzeit eine feste Einrichtung dar. Dadurch haben sich zwangsläufig immer größere Erfolge einge­ stellt. Die Kombination Beruf-bzw. Schul­ ausbildung und Leistungssport können sehr wohl nebeneinander erfolgreich betrieben werden. Von den jungen Sportlern verlangt es einen hohen Einsatz und Leistungswillen, um in beiden Bereichen bestehen zu können. Unser Ziel ist eine solide Berufs-bzw. Schul­ ausbildung, da nur wenige Athleten den A­ Kader erreichen und somit höchste sport­ liche Lorbeeren ernten können. Aus sport-297

!jeher Sicht ist es ein langsames Hinführen zum Hochleistungstraining. Die außersport­ liche und somit erzieherische Betreuung ist dabei ein entscheidender Meilenstein hin zum Erwachsenwerden. Da in den vergange- nen 3 Jahren die Winter immer schlechter mit Schnee bestellt sind, werden wir bemüht sein, in den Sommermonaten attraktive Wettbewerbe abzubieten. Klaus Faißt Segelflugzeug auf den Namen „Schwarzwald-Baar-Kreis“ getauft Auf den Namen „Schwarzwald-Baar-Kreis“ wurde am 23. Juni 1990 auf dem Flugplatz Donau­ eschingen ein neues, modernes doppelsitziges Sege!flugzeugfür den Schul- und Leistungiflug getauft, das der Luftsportvereinigung Schwarzwald-Baar c. V gehört. Landrat Dr. Rainer Gutknecht (rechts im Bild) nahm die Taufe vor und wurde anschließend vom Ausbildungsleiter, Karlheinz Klein (links), sicher über den Schwarzwald-Baar-Kreis gesegelt. 298

Prosa und Lyrik aus der Heimat Alemannische Sagen und Schwänke Dem Erzähler Max Rieple zur Erinnerung an seinen zehnten Todestag Max Rieple, der vor zehn fahren, am 16.Januar 1981, in seiner Heimatstadt Donatteschingen gestorben ist, war in seiner schriftstellerischen Tätigkeit unter den vielfältigen Aufgaben, die er angenommen und sich selbst gestellt hat, auch ein Meister-Erzähler alemannischer Sagen aus Baden und Württemberg. Wir erinnern uns aus diesem Anlaß seiner Sagen-Bücher, die er aus der Fülle seiner Eifahrungen, Sammlungen und For­ schungen geschrieben und veröffentlicht hat. Es ist keine Anmaßung von uns, wenn wir den Raum zwischen Vogesen und Lech, zwi­ schen Albtrauf und Bodensee als die aleman­ nische Heimat Max Rieples, bezeichnen, aus der der Donaueschinger Erzähler die Fülle seines Stoffes für die verschiedenen Bücher zum Thema Sagen und Schwänke geschöpft hatte, schon lange ehe er sie publizierte. Wir müssen auch gleich richtigstellen, daß der Erzählraum nicht auf dieses Feld allein beschränkt gewesen sei. Er hat als Red­ ner in vielen deutschen Städten mit Hunder­ ten von Vorträgen in lebhafter, faszinieren­ der Darstellung vor allem über seine Heimat, aber auch über die Landschaften, in die er oft und oft gereist ist, seinen begeisterten Zuhö­ rern erzählt und seine Erzählungen mit Farb­ dias bebildert. Die Sagen und Schwänke hatten schon den kleinen Knaben gefesselt. In seinen ersten biographischen Geschichten, die er in seinem Buch „Damals, als Kind“ 1955 veröf­ fentlicht hat, können wir von der frühen Begegnung mit den alten Sagen lesen, die in vielen Generationen über Jahrhunderte hin­ weg überliefert worden sind. Der alte Mink, ein Waldhüter, der nicht nur über Pflanzen und Tiere aufs lebhafteste Bescheid wußte, sondern auch von alten Mären berichtete, wurde zu einem Freund des kleinen Schülers, der ihn in seiner Wald­ hütte mit seinem Wissen von Tieren, Pflan­ zen und Geschichten vertraut machte. Dar­ über erzählt Rieple: in der „Geschichte des alten Waldhüters“: Erst war mir ein wenig unbehaglich zumute, als ich in der niedern Stube stand. Mein Erstaunen über die Kostbarkeiten schien dem alten Mink zu gefallen. Denn als ich endlich verlegen stammelte, daß ich gehen müsse, bevor es draußen ganz dunkel würde, sagte er zu mir: „Du darfst ruhig wiederkommen, wenn du willst.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Am nächsten Tage schon stand ich klopfenden Herzens nach der Schule wieder vor dem Waldhüterhäuschen, in dem es immer neue Schätze zu entdecken gab. Einmal waren es seltsame Wurzeln wie verwachsene Mensch­ lein und wie Schlangen geformt. „Allraunen sind’s“, flüsterte der Bärtige geheimnisvoll, ,,man findet sie um Mitter­ nacht unter dem Galgen.“ Ja, gab’s denn hier auch einen Galgen?“ fragte ich voll geheimen Grauens. ,Ja, bei Hüfingen, wo oft noch des Nachts Irrlichter durchs Gebüsch huschen.“ Kein Wunder, daß ich plötzlich aufschrie und auf und davon wollte, als in diesem Augenblick etwas Samtweiches lautlos meine nackten Knabenbeine streifte. Aber der gute Mink lachte nur: „Vor meiner Katze brauchst du keine Angst zu haben; es ist keine von der Sorte, wie sie einmal um Mitternacht bei der Schä­ cherkapelle dem Forstadjunkten ins Genick sprang, so daß er zu Boden stürzte. Das soll nach der Sage der Teufel selber gewesen sein.“ Ich war gleich wieder beruhigt. ,,Oh, wis- 299

en Sie noch mehr solcher Geschichten?“ fragte ich neugierig. ,Ja, eine ganze Menge. Und ich versprech‘ dir, jedesmal, wenn du mich besuchst, erzäh­ le ich dir eine neue.“ Einmal wollte ich wi sen, warum an der Kapelle im nahen Hüfingen eine mit Hufei­ sen behangene Kette gespannt sei. Und als­ bald erzählte er mir, daß dort ein t ein Bauer mitsamt seinem Fuhrwerk in die reißende Breg geraten sei und als Dank für seine wun­ derbare Rettung die Kette gestiftet habe. Bei der Sage von der Geisinger Kreuz­ kapelle schilderte der alte Mink besonders anschaulich, wie dort einst ein schwedischer Soldat den Gekreuzigten am Wegrand mit seiner Pistole in die Stirne schoß und er dann auf dem Weiterritt zur Strafe elendiglich im Sumpfe umkam. Wenn mein väterlicher Freund besonders gut gelaunt war, bat ich ihn, mir die Sage von der „Entenburg“ bei Pfohren zu erzählen. Zwar kannte ich sie bereits Wort für Wort und wußte jede Redepause, die die Span­ nung erhöhen sollte. Da war es schon lustiger, zu erfahren, wie der Bruggener Haldengei t einmal einen gei­ zigen Bauern im Walde einen ganzen Hau­ fen schweres Gold finden und heimschlep­ pen ließ, das sich, bei Licht besehen, dann als morsches Holz erwies. Auch von dem „Totengäßle“, das gleich hinter Donaueschingen durch Ährenfelder zu einem längst verschollenen Friedhof geführt haben soll, wußte der alte Mink zu erzählen. ,,Und“, so fügte er bedeutungsvoll hinzu, ,,ich hab‘ selber dort ein wenig nach­ geforscht und dabei ein paar Grabhügel ent­ deckt.“ Als mein väterlicher Freund schließlich keine Sagen mehr wußte, erzählte er vom Schwedenkrieg und von der Sebastians­ Kapelle, die auf ein Gelübde aus den Pestjah­ ren zurückgeht. Auch von der unglücklichen Kaisertoch­ ter Maria Antoinette sprach er, die auf ihrer Reise durch die Baar gekommen war, und für die man eigens die schnurgerade, von Pap- 300 peln umsäumte Straße nach Donaueschin­ gen angelegt hatte. Am meisten freute mich aber jene aus guter alter Zeit stammende Geschichte, die hier stehen soll, so wie ich sie gehört hatte: Als Anno 48 die Badener revolutioniert hatten, zogen ihnen die Preußen entgegen und kamen so auch in die Baar. Mutig wollte sich das Häufchen der Aufständischen, das in unserer Stadt lag, zum Kampfe stellen. Eine einzige Kanone führten die Wackeren auf ihrem Marsche mit sich. Als sie beim näch­ sten Dorf Stellung bezogen und ihr Kom­ mandant zuerst einen feindlichen Vortrupp, dann aber eine Kompagnie und schließlich ein ganzes Bataillon aus der Feme kommen sah, tat er das einzig Vernünftige, was ein menschenfreundlicher Stratege in dieser Lage tun konnte: Er richtete an seine Leute folgende kurze Ansprache: ,,Manne, gond hom, s’het kon Wert, ’s sind z’viel!“ – Nach Rieples späteren Erinnerungen folgte diesen Erlebnissen, daß er auch in der Schule von den vielen Sagen aus der engeren Heimat berichtete und die Mitschüler von ihrem Lehrer noch mehr hören wollten. Und der Lehrer selbst wurde von den Erzählun­ gen angeregt. Er hat seine Schüler aufgefor­ dert, bei Vater und Mutter, den Großeltern und Onkeln nach noch anderen Sagen zu fragen und sie aufzuschreiben. Und da wieder scheint den Vater Rieple, des en Familie aus dem benachbarten Gei­ singen stammte, gereizt zu haben, selbs.t altes Erzählgut zu sammeln. Jedenfalls sind die Aufzeichnungen dieser alten Erzählungen aus der Schulzeit Max Rieples noch überlie­ fert. Als Max Rieple in seinen Jugenderinne­ rungen die Geschichte des alten Mink erzählte, kamen ihm diese Stoffe wieder in die Hände, und er machte sich auf, sie zu ord­ nen, zu erweitern, wenn er in den Städten auf der Baar und im Schwarzwald auf Vortrags­ reisen war, wenn er die Älteren im Lande danach fragte und alte Sagenbücher stu­ dierte. Dabei fiel ihm zweierlei auf. Zum einen

empfand er die überlieferte Erzählform untauglich für die Jugend des zwanzigsten Jahrhunderts. Zum anderen schienen ihm die Stoffe, die von den Generationen fast unverändert weitererzählt worden sind, sowohl zur Begleitung der Orts- und Landes­ geschichte wie für die Literaturgeschichte interessant und unbedingt erhaltenswürdig. Deshalb machte sich Rieple daran, sie in eine zeitgemäße und jugendgemäße Form zu übertragen, ohne sie im Inhalt zu verändern. Als er seine Manuskripte den Freunden – und einigen Verlegern -zeigte, erntete er vor allem von den Schriftsteller-Kollegen und von der Lehrerschaft viel Beifall. Man for­ derte ihn auf, die Texte zu veröffentlichen. Aber die Verleger, denen die Texte auch sehr gut gefielen, schien es ein geschäftliches Wagnis, das mit Gewinn nicht zu rechnen hätte, eher mit herben Verlusten. Die Stuttgarter Schulpolitiker, insbeson­ dere die Vertreter der Grund- und Haupt­ schulen, setzten sich aber dafür ein, daß die Sagen als Unterrichts-Lesebuch sehr wohl geeignet seien und vom Land das Buch gefördert werden solle. Als der erste Band, ,,Die vergessene Rose. Die schönsten Sagen aus Baden und Würt­ temberg“ 1957 zum erstenmal in der Neufas­ sung erschien, fand er soviel Beifall im gan­ zen Land, daß schon kurze Zeit später ein Neudruck, und 1961 eine völlig neue Bearbei­ tung erscheinen mußten. Vier Jahre später folgten neue „Sagen und Schwänke aus dem Schwarzwald“, wieder fünf Jahre danach „Sagen und Schwänke vom Oberrhein.“ Und alle diese Bücher erlebten in kurzen Folgen neue Auflagen. Die Erzählweise Rieples war so spannend und dabei so sorgfältig in der Sprache gestal­ tet, daß nicht nur die Jugend eine Freude daran hatte. Max Rieple war eben ein Meister, ja, ein Künstler des Erzählens, ein Lyriker weit über dem, was die Vielfalt der Modeme umfaßt. Er war einer der bedeutendsten Übersetzer französischer Lyrik und ein Ken­ ner der Landschaften von der Bretagne bis nach Kärnten, dem sowohl ein breites Wis- sen wie eine kaum zu übertreffende Beob­ achtungsgabe eigen waren. Sich daran neben seinen anderen Verdiensten zu erinnern, in ist diesem Jahre m seiner alemannischen Heimat geboten. Werner P. Heyd Kinderangst Auf einmal bin ich aufgewacht: Die Stubendiele hat leis gekracht. Und da steht ein fremdes Gesicht vor mir dicht. Nur sich nicht rühren! Die Wanduhr tickt wie mein Herz so geschwind, der alte Baum am Fenster nickt dunkel im Wind. Stumm aber blickt das Gesicht zu mir her. Mein Kopf ist leer und weiß kein Gebet. Ach, viel zu spät ist es zu schrei’n. Nichts wird mich befrei’n! Mein Atem geht angstvoll und schwer. Und immerfort tickt die Uhr durch den Raum, und draußen nickt der schwarze Baum und schreckt wie Gespenster . .. Endlich steht der Morgen im Fenster. Max Rieple (Aus: Damals als Kind) 301

Besuch bei Paganini Der nach.folgende Beitrag ist ein gekürztes Origi­ nal aus dem Buch von Max Rieple „Der Tag war viel zu kurz“ und wurde der Redaktion dankens­ werterweise von Frau Anne Rieple-0.ffensperger zur Verfügung gestellt. Ein Buch war es, ein phantastischer Roman, dem ich ein seltsames Erlebnis ver­ danke. Bücher haben, wie ein lateinisches Sprichwort sagt, nicht nur ihre Geschichte, manchmal entwachsen ihnen auch Ge­ schichten, in denen Dichtung und Wahrheit so verschmelzen, daß die Grenzen zwischen beiden nicht mehr erkennbar sind. Ich hielt das Buch auf meinen Knien, als der Zug in Prag einfuhr, und wie einen Schlüssel zu Unbekanntem trug ich es bei mir, während ich auf Wohnungssuche ging. Ich hoffte dabei im stillen, auf die Behausung des Dichters zu stoßen. Ich dachte an Spitz­ wegromantik, sah ein Haus vor mir in einer verwunschenen Gasse, darin eine Stube mit brodelnden Retorten zwischen alten Folian­ ten, hörte den silbernen Schlag einer Bieder­ meierpendüle und sah zwischen verstreuten Notenblättern und vollgekritzelten Manu­ skripten eine Geige auf dem Tisch liegen: das Milieu des „armen Poeten“. Zu dieser Vor­ stellung paßte auch meine bescheidene Bude, die ich schließlich drunten an der Moldau fand. Stellte ich mich auf einen Stuhl, sah ich durch eine Fensterluke den Strom träge vor­ beiziehen, ja, ich erblickte sogar überverwin­ kelten Dächern die königliche Burg, den Hradschin und das steinerne Spitzenwerk des Veitsdomes. Allabendlich erlebte ich es, wie die Moldau erst noch das Gold des Him­ mels spiegelte und ich dann in geschmolze­ nes Blei verwandelte. Lange lag noch das Licht des Abends auf dem mächtigen Pulver­ turm und auf den Kuppeln der Kirchen und vergoldete die Turmspitzen der Teinkirche. Das war also Prag, das „Goldene Prag“, von dem ich in echter Entdeckerfreude mir täglich ein neues Stück eroberte. Beschwingt schritt ich über die schön­ geschwungenen Steinbogen der Karlsbrücke, 302 vorbei an den vielen Standbildern von Heili­ gen, die mit innigen Gebärden von der Brü­ stung niedergrüßten. Näher und näher kam ich dem doppel­ türmigen Brückentor, hinter dem die grün­ patinierte Kuppel der St. Niklaskirche empor wuchs. Bald stand ich zwischen malerischen Häusern in einer engen Gasse. Sie trug den Namen, den ich, um ihn mir einzuprägen, seit Tagen vor mich hingesagt hatte. An einem Haus, wo in barocker Nische Nepo­ muk stand, fand ich auch die gesuchte Haus­ nummer. Kühle und Modergeruch schlugen mir entgegen, als ich das schwere Tor öffnete. Meine von Tageslicht geblendeten Augen mußten sich zuerst an das Dunkel im Haus­ flur gewöhnen. Ich tastete mich eine knar­ rende Treppe hinauf, fand im Dämmer einen altmodischen Klingelzug und läutete. Ein Glockenton, fremd und seltsam, erwachte. Im Türspalt erschien das verrunzelte Gesicht einer weißhaarigen Alten. Mit brüchiger Fistelstimme verwies sie mich weiter hinauf bis unters Dach. Wieder stand ich vor einer Tür. Mein Herz schlug so stark, daß ich es in den Schlä­ fen pochen hörte. Kam es vom Treppenstei­ gen oder war es Angst vor dem Unbekann­ ten? Durfte ich denn einfach einen Fremden unangemeldet überfallen, dazu einen so angesehenen Schriftsteller, wie es der Verfas­ ser des Paganini-Romans sein mußte? Warum hatte mein Freund so geheimnisvoll getan, als er mir empfahl, den Autor aufzusu­ chen? Ich fand nicht den Mut, anzuklopfen. Schon wollte ich umkehren, da fiel das Buch zu Boden, das ich gewissermaßen als Legiti­ mation mitgenommen hatte. Erschrocken bückte ich mich, hob das Buch auf und stand, als ich mich wieder aufrichtete, einem abschreckend häßlichen Menschen gegen­ über, der lautlos aus der Tür getreten war. War das der Gesuchte? Obwohl es bereits zwei Uhr mittags war, trug mein Gegenüber einen zerschlissenen Schlafrock, und seine

Haare standen zu Berg, als sei er soeben noch im Bett gelegen. Auf dem sehnigen Hals saß ein vogelähnlicher Kopf, aus dem die Hakennase wie ein scharfer Schnabel hervor­ sprang. Ein seltsames Feuer glühte in den Raubvogelaugen, und eine krächzende Stimme schnarrte: ,,Wohin will er?“ Ich fühlte, wie mir das Blut zu Kopf schoß. Die wohl präparierte Rede war plötzlich zu einem unentwirrbaren Wortknäuel gewor­ den, an dem ich herumwürgte, ohne einen Ton herauszubringen. Eine knochige Hand schob mich in einen Raum, in dem ein unbe­ schreibliches Durcheinander herrschte. Zer­ wühlt stand das Bett inmitten des Zimmers. Es war übersät von beschriebenen Blättern, die links und rechts herabgeglitten waren, wie das Herbstlaub von Bäumen. Endlich stammelte ich etwas von dem Buch, das ich wie einen Talisman meinem seltsamen Gegenüber entgegenstreckte. Da glitt es wie in Lächeln über die schmalen Lip­ pen des Dichters. „Mein Buch! Kennen Sie mein Buch? Es ist mein Lebenswerk, mein Vermächtnis! Paganini, ja, das bin ich selber!“ So, als habe der Sprecher mein Erstaunen bemerkt, fuhr er erklärend fort: ,,Paganini ist nicht tot, in mir lebt er fort. Er selber war nur die Inkarnation des Luzifer, jenes Dämons, der immer wieder in einer neuen Generation Gestalt annehmen muß. In Giuseppe Tartini war er zuvor gefahren und sang ihm die ,Teufelstrillersonate‘ vor. Hector Berlioz trug ihn in sich, ebenso Franz Liszt, und auch E. T. A. Hoffmann. Schauen Sie sich nur die einander verwandten Gesich­ ter an. Die stechenden Augen, die lodernden Haare und die Hakennase! Paganini -von ihm ist der Geist auf mich übersprungen. Jetzt wohnt er in mir und zwingt mich zu spielen, ja, zu spielen, so wie er es befiehlt. Habe ich nicht dieselben Spinnenfinger, die­ selbe Nase wie der Meister? Sie sind das Zei­ chen, -das Zeichen!“ – Ich wußte nicht, was ich auf diese verwir­ renden Worte antworten sollte. ,,Die Geige ist das Dämonische. Sie ist Fleisch und Blut! Wie eine Geliebte legt sie sich einem in den Arm. Sie läßt sich streicheln, sie weint und lacht, schluchzt, grollt und betört das Herz wie eine Frauenstimme. Haben Sie schon einmal eine Geige gehört? -Nicht so wie Sie meinen, nein, so wie ich sie spiele! -Haben Sie schon einmal eine Geige gefühlt, wie sie sich in die Hand schmiegt, glatt, geschmei­ dig, voll pulsenden Lebens? Sprechen Sie das Holz an, so antwortet es mit leichtem Vibrie­ ren. Diese edlen Linien sind kein totes Ding, sie sind formgewordener Klang!“ Während er diese Sätze hervorsprudelte, bückte er sich, zerrte unter dem Bett einen zerschrammten Geigenkasten hervor und holte mit bebenden Händen das Instrument heraus. „Doch was rede ich viel? Glüht nicht ein Funke höllischen Feuers im rötlichen Lack der Geigen und sind ihre lippenzarten F­ Löcher, der Schwung ihrer Zargen und gar die feingeschnitzte Arabeske der Schnecke nicht Musik in höchster Vollendung? Setzen Sie sich hier auf den Stuhl! Ich muß die Vorhänge zuziehcn. Erst dann sol­ len Sie meine Geige hören. Denn nur im Dunkel kommt die �üGnüulige Schlange Luzifers.“ Nervös hantierte der Besessene an den Vorhängen. Inzwischen überlegte ich mir, wie ich diesem unheimlichen Menschen ent­ rinnen könnte. Aber er stand genau zwi­ schen meinem Sitz und der rettenden Tür. So war es trotz der Dunkelheit unmöglich, unbemerkt an ihm vorbeizukommen. Ich hörte, wie „Paganini redivivus“ den Violin­ bogen aus dem Kasten nahm. Ein flüchtiges Stimmen des Instrumentes, und schon klet­ terte ein Lauf empor bis hinauf in die höch­ sten Lagen. Doppelgriffpassagen schrillten auf. Mit dem Bruchstück einer Kantilene marterte der Geiger die G-Saite. Flageoletts verhauchten, Arpeggien flogen wie ein Spuk über das Griffbrett. „Hören Sie die Geige?“ fragte mich die krächzende Stimme. ,,Auf den Ton muß man achten, nur auf den Ton! Man muß ihn füh­ len, rund wie eine Kugel muß er sich in die 303

Hand legen, sehen Sie so“, -und er drückte seine knochige Faust in meine geöffnete Hand. ,,Begreifen Sie nun den Ton? Man muß ihn in der Hand und im Herzen spüren. Das ist das Geheimnis Paganinis. Die Saiten müs­ sen schwingen. Man darf sie nicht mit dem Bogen abwürgen. Der Ton soll fliegen, schweben!“ Und wieder klang es auf, ein seltsames Gemisch von geigerischem Können und Taschen pielerkunststücken. Obwohl ich mir dessen deutlich bewußt wurde, konnte ich mich der Magie dieser Stunde nicht ent­ ziehen. Die Gestalt, deren Umrisse ich im Raum nur undeutlich erkannte -sollte in ihr wirklich ein Stück des großen Paganini fort­ leben? Gab es eine Art Seelenwanderung, oder hätte hier die Besessenheit von einer Idee einen Körper so umzubilden vermocht, daß er in seiner äußeren Erscheinung dem Wunschbild glich? Ich erinnerte mich, wie ich selbst manchmal beim Üben die Haltung eines bekannten Virtuosen einnahm, den ich in einem Konzert gehört hatte. Ganz von sel­ ber bekam mein Spiel plötzlich eine andere Strahlkraft. Sollte hier etwas Ähnliches ein­ getreten sein? Hatte der Dichter in seinem Buch nicht eine erstaunliche Einfühlungs­ gabe in die Person Paganinis bewiesen? Hatte er sich so lange in die Persönlichkeit ver enkt, bis sie mit ihm eins wurde? War er selber mit dem Inhalt seines Buches verschmolzen? Träume in einem Kreuzgang So, wie jetzt die Gestalt dort im Dunkel, hatte sicherlich auch Paganini den Bogen hochgeworfen, mit dem er seine Hörer wie Marionetten in seinen Bann zog. Nicht nur auf seinem Instrument, sondern auch auf den Herzen Ungezählter hatte er einst gespielt. Wie eine meisterliche Illustration zu dem Paganini-Buch erschien mir die Szene, die sich soeben vor meinen Augen abspielte. Stand dort wirklich Paganini? Jäh bricht sein Spiel ab. Doch ich bin wie gelähmt und kann mich nicht von meinem Sitz erheben. Eine Hand schiebt die Vor­ hänge zurück. Erst das hereinblendende Licht vertreibt endlich den Spuk. „Geb er mir das Buch“, herrscht mich die krächzende Stimme an. Kratzend huscht eine Feder über das Vor­ satzblatt: „Zur Erinnerung an den Besuch bei N i c o l o P a g a n i n i “ , lese ich und traue meinen Augen nicht. Das ist doch der cha­ rakteristische Namenszug des großen Vir­ tuosen! Völlig verwirrt danke ich, drücke mich an dem zerwühlten Bett vorbei zur Tür. Dann stehe ich erleichtert draußen im dunklen Flur. Doch immer noch höre ich Dezimen­ passagen, Triller, Flageoletts und Pizzicati hinter mir herjagen! War es Kunst oder Blendwerk? Max Rieple Ich liebe den Zauber des Kreuzgangs und meine, was damit der mittelalterlichen Bau­ kunst gelungen ist, gehöre zum Schönsten auf der Welt. Ich liebe das offene und doch geschlossene Geviert, welches atmosphä­ rische Einwirkungen dämpft, das grelle Son­ nenlicht mildert und den Stürmen wehrt. Ich fühle mich wohl in der Ruhe dieses Raumes zwischen der Kirche, dem Ort der totalen tille oder des gemeinsamen Gebets und Gesangs, jedenfalls der ungestörten Hinwen- dung zu Gott, und dem Kloster mit seinen Zellen und dem Refektorium, der Stätte phy­ sischer Rekreation und der Ökonomie. Was den frommen Griechen der heilige Bezirk, den Philosophen die Säulenhalle und der Markt bedeutet (Was muß das für ein Markt gewesen sein!), war den Mönchen und auch den Domherren der Kreuzgang. So wesentlich war er ihnen, daß selbst kleine und arme Klöster nicht darauf verzichten wollten und auch erheblichen Aufwand für 304

Rippengewölbe und Maßwerkfenster nicht scheuten. Und reichten dazu die Mittel nicht, so mußten schlichte Balken die Säulen ersetzen. Gewiß hat er in ihrem vom Kir­ chenjahr und der täglichen Liturgie geform­ ten Leben eine wichtige Funktion ausgeübt. Doch dies ist eine Frage an die Wissenschaft. Ich bin in den Kreuzgang gekommen, um eigenen Gedanken nachzuhängen. Nicht lange bin ich allein. Da schreiten sie mit mir, hinfällige Mönche, stämmige Dompröpste, gemessenen Schrittes, gesammelt, in ihre Betrachtungen versunken, verloren, schwei­ gend manche, manche gelöst mit Mitbrü­ dern sich unterhaltend. Da singt einer einem andern sein eben komponiertes Kyrie im gre­ gorianischen Choral vor, und dieser beschreibt jenem das Bildmotiv, mit dem er die nächste Initiale in einem Gebetbuch schmücken will. (Ein König in edler Haltung wird es sein.) Fälsche ich jetzt die Geschichte? Sei’s drum! Ich forsche jetzt nicht, ich träume und nehme mir die Zeit dazu. Eile kannte man im Kreuzgang nie, kennt sie auch heute noch nicht, er schenkt Men­ schen Zeit, selbst solchen, die meinen, sie sei Geld. Nie habe ich Leute durch einen Kreuz­ gang hasten sehen. Auf denselben Steinplat­ ten wandelten Mystiker und Scholastiker, Beweger und Träger der europäischen Gei­ stesgeschichte, Diener und Könige zugleich; alle überragend: Thomas von Aquin. Natürlich kenne ich nicht alle seine Werke, keine Rede davon, ich verstehe auch nicht alles, was ich von ihm gelesen habe, bei weitem nicht. Aber was ich verstehe, ist so überwältigend, daß man sich ein Leben lang darauf verlassen, seine Lebensführung danach ausrichten kann. Es ist so sicher und so fest wie Urgestein. Seine Sätze tragen wie eine Brücke, beschützen wie ein Wall und sind von unausschöpfbarer Tiefe wie das Meer, dabei von einer Schlichtheit, daß man meinen konnte, sie seien kunstlos, entbehr­ ten dichterischer Schönheit. Man kann etwas durch die Brille Schopenhauers, Nietzsches, Marxens sehen, nicht aber durch die des Thomas, denn „jedes Ding ist wahr“, hat also seine Wahrheit unabhängig vom Willen des Betrachters. In beinahe die gleichen Worte hat Anselm von Canterbury diese Erkennt­ nis gegossen: „Die Wahrheit liegt in den Din­ gen“. Beide Sätze, schwer verständlich in ihrer Kürze, schwer erträglich in ihrer Härte, gefährlich für alle Tyrannen, deshalb beglük­ kend in ihrem Inhalt gerade für die Schwa­ chen und von klassischer Schönheit, enthal­ ten eine fundamentale philosophische Aus­ sage. Warum einigt man sich nicht vor jeder Diskussion auf die Anerkennung dieser Wahrheit? Man müßte sie zu Sprichwörtern erheben. Jede Ideologie wäre so aus dem Felde zu schlagen. Karl Volk 305

Schwarzwälder Leben Gedichte in Schwarzwälder Mundart von Arthur Duffner Neujohr Scho wieder isch e Jährli z’End, Un über Freud un Leid, über Kummer un Sorge, Schüttled mer enand am Neujohrsmorge d’Händ. S’gang z’huslig fascht, ’s gang wia der Wind Vo eim Johr uf’s ander, grad wia vo hit uf morge, Seit mer, ’s ganz wirkli, wirlli z’g’schwind. Mer mein, es sei erseht gestert g’si, Wo mer als Kind no uf der Schuelbank g’sesse. Un jetz, jetz gang es scho in’s Alter ni. Du steinis Herz! Dia Freude, wo mer früehr als am neue Johr empfunde, Un dia am Santis Klaus,2 un d’Fasnet3 nit z’vergesse, Un dia am Hergetstag,4 un tags vorher wo mer als Kränz het g’wunde. Un wenn am Ostertag, mit heiter frohem Blick, M’r g’suecht het, wa der Osterhaas eim Schöns verehrt, Des seie Stunde g’si vo u’getrüebtem Glück. Wa häb‘ en Johrmärkt eim nit nu für Freude g’macht Un wenn an Pfingste ’s Gottli eim en schöne Wecke b’schert, No häb‘ eim ’s Herz vor itel Freud im Lib drin g’lacht. Un der wiß Sunntig gar, wia sei mer do so artli grüehrt! Des sei der Tag g’si, wo mer fascht zuem erschte Mol Vom Ernst im Lebe so en Ahnung g’spürt. G’wiß bring jo manchem au sie später Lebe Viel schöni Stunde, doch ’s bring Kummer au un Sorge wohl, Un so e Glück, wia in der Jugend, thüe ’s halt nia meh‘ gebe. Kurzum, heißt’s no, mer sterbig z’früeh, mer hörig z’bald ’s letzt Stündli schla‘, kum kin mer ’s recht begriefe, Wia koschber6 d’Jugend sei, sei mer scho alt. Wa nütze do die schönste Plän un Muet un Kraft, Kum häb‘ mer e paar Jährli g’hörig g’schafft. No leg si scho uf’s Hoor der Rife.6 306 I rasch 2 Skt. Nikolaus 3 Fastnacht • Fronleichnamsfest 5 kostbar 6 Reif

Erinnerung Du, Wib, wenn ebbis sehe witt, Dert hinte siehsch es schwerli, Do kurnm do her an Fenschtertritt, Es kunt e Hostigpärli. 1 I weiß, mer sehe’s Beidi gern, Sin’s doch die schönste Stunde Un dia mer do so g’mahnet wird, Wo mer sich zemma g’funde. Ich mein, es sei erseht geschtert g’si, Sit daß I mit Dir g’walzet Am Hostig, un vor heller Freud Fescht mit der Zunge g’schnalzet. Es is jetz frili siterher Manch Jährli scho vergange. Un zue der goldene wird es is, Wohl schwerli welle lange. Waisch, wie es z’erschte g’harzet2 het, Bis Du mi Frauli wore? Vor luter Hoffe Du un Angst, Din heitere Sinn verlore? D’rum mueß is h�lt d’Vergangeheit En Trost für Zuekunft bliebe. Wa mir an Liabi früehr g’säet, Im Alter Blüethe triebe. Es soll is jedes Hostigpaar Ufrichtig, herzli freue, Un is vom eigene Ehretag ’s vergange. Glück erneue! ‚ Hochzeitspärchen 2 tchwer gehalten s den • Brautjungfern s Brautführer s geklopft 1 dicht No, schliaßli het’s es anneweg, Zorn Beschte mit is g’wendet, Un wia i herzhaft g’hoffet han, Het’s mit em Hostig g’endet. Für alli Zitte sin m’r jetz, Binand un g’höre zemme! Guck, wenn us is nint wore wär, I thät mi hit no gräme. Wie stolz sin mer dert zwei un zwei Dur’s Städtli ’nab g’maschieret! So stolz als hätt bis uf dei3 Tag, Kei‘ Mensch no Hostig g’firet! Du mit de Schwestere4 bisch vorus, Ganz vorne d’Musikante, Der Ehreg’seJls, der Vatter, ich Un hinte sunsch Verwandte. Un wia mer no’her in der Kirch Beid »io“ hen solle sage! Waisch no, wia’s Herz is bopperet6 het, Daß mer’s lut g’hört het schlage? Un waisch, wia mer bim Hostigschmus Käb7 nebenander g’sesse, Us purer Liab un luter Glück, Au net en Bisse g’esse? 307

Christiana Steger Jahreszeiten unter der Hecke ducken sich die ersten Veilchen vor frostigen Windstößen, über grauem Wald liegt eine Ahnung von Grün, Meisen suchen ihre Gefährten und über wassergefüllte Senken gleitet der Schatten des Milan – er ist wieder gekommen – Frühling auf der Baar. hoher Sommer macht träge und sanft – über nackte Haut steigt Wärme bis ins Haar – komm Farn schattet neugierige Sonnenstrahlen ab und vielleicht sind deine Hände kühl Rascheln von trockenem Laub ist wie Geflüster aus vergangenen Tagen Nebelgestalten winken – jäher Windstoß treibt sie zu atemlosen Tanz und mit taumelnden bunten Blättern wehen Träume dahin früher Schnee goldgefärbt von herabgefallenem Birkenlaub – Rauhreif adelt das geringste Geäst und macht es zum Szepter über die Winterwelt 308 Ziel Umweltkatastrophe Ablagerung von Kleinlebewesen wird über Jahrmillionen hinweg zu Schwarzem Gold – förderwürdig -geldbringend – über Tausende von Kilometern schlängelt sich die Pipeline durch vorher unberührte Landschaft – Supertanker tragen Tonnen des begehrten Stoffes über die Meere hin – bei einer Havarie werden die Massen ins Wasser gespuckt – um Fortschritt und Technik Genüge zu tun wird die Erde rückhaltlos ausgebeutet und zerstört – verendende Wasservögel an teerigen [Stränden, Fische, treibend mit erstarrten Flossen, Meeressäuger ohne Nahrung sie alle klagen an – wir aber leben, als wäre die Zerstörung unser gutes Recht und dabei können wir keinen Grashalm neu erschaffen zarteste Rottöne Rauchfarbe ein Stück Azur filigrane Bäume bewegte Vogelwolke Abendhimmel im Oktober du suchst einen Hafen weißt du wo die Wolkenschiffe anlegen? am Regenbogen – Vögel sind Lotsen dort wo sich Himmel und Erde berühren Früher Abend

Jürgen Henckell Bodensee Winter Gezweig vergittert die klirrende Feme, zwischen den Ufern des währenden Schlafes gefrierender Atem – Der See schnürt den Eisgürtel enger und ungepflückt bleiben die Eisblumen grafisch gefächert im splitternden Angelusläuten. Über den Rücken der Fische beraten die Belchen vergebliches Tauchen und kümmern sich nicht um das festgefrorene Wahlplakatlächeln, das am Versprechen des Krokus zweifeln läßt. Des Gnadensees alte Legende von Sündern und Lossprechung während der Überfahrt ist schon zu rührenden Sandsteingebärden erstarrt. 2 Die einsame Schneespur dem Dunklen entgegen besiegelt: Einer ist hier auf dem Wasser gegangen – Versuch oder Versuchung bis an die Grenze der Tragfähigkeit, wo Wellengekräusel das Zerrspiegelbild löscht – Berstendes Schweigen gebar einen Föhn. Nächtlicher Hang Bald Gelöschtes – Die Lampen am Hang blinzeln sich Novellen über Schrittgeräusche zu – In ihren Lichthöfen sucht die flatterhafte FalterN eugier keinen Ausweg. Stufenweise bieten Treppen ihre Schatten für die Fortsetzung von Nachtgeschichten an – Das Weinen eines Kindes gilt dem Schweigen seiner Mutter und versengten Falterflügeln. Im Grenzwald verborgen die kaum noch erkennbare Spur eines Meißels im Fels: Des Gekreuzigten Abbild und wie an das eiserne Kreuz der verlorenen Kriege geschlagen – Kein Datum verrät, wer die uralte Hoffnung Verlassener auf die Erlösung im steinernen Buch hinterließ. Die Waldbäume blättern Verschwiegenheit über die Aufträge Petri, und unduldsam sendet die Zeit ihre Steinmetzen, um diese Antwort auf lästige Fragen zu tilgen. Die Nutzer der Zeit vertrauen den glatteren Medien. 309

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Bernhard Everke wurde am 3. 9.1989 mit 96,42 0/o der abgegebenen Stimmen zum Bürgermeister der Stadt Donaueschingen wiedergewählt. Der bisherige Amtsinhaber war Alleinkandidat. Die Wahlbeteiligung betrug 35,37 0/o. Die 3. Amtsperiode hat am 19. 11. 1989 begonnen. Karl-Heinz Schneider ist am 10. 9. 1989 als Bürgermeister von Vöhrenbach wiederge­ wählt worden. Unterzwei Konkurrenten um das Amt setzte sich der bisherige Stelleninha­ ber bei einer Wahlbeteiligung von 73,98 0/o mit 60,68 0/o der abgegebenen gültigen Stim­ men durch. Für Bürgermeister Schneider ist es die dritte Wahlperiode, die am 10. 12.1989 begonnen hat. Clemens Stahl ist am 15. 10. 1989 zum Bürgermeister der Stadt Blumberg gewählt worden. Er setzte sich im zweiten Wahlgang unter acht Bewerbern um die freigewordene Stelle durch und erreichte bei einer Wahlbe­ teiligung von 73,69 0/o 55,84 0/o der gültigen Stimmen. Der neue Bürgermeister hat sein Amt am 2. 1. 1990 angetreten. Der bisherige Bürgermeister, Werner Gerber, ist aus Gesundheitsgründen mit Ablauf des 31. 12. 1989 in den Ruhestand getreten. Elmar Österreicher, Bürgermeister in Dauchingen, konnte am 1. 1. 1990 auf seine 25jährige Amtszeit in Dauchingen zurück­ blicken. In einer kleinen Feierstunde wurde dieses seltenen Ereignisses gedacht. Die Glückwünsche des Landkreises überbrachte Landrat Dr. Gutknecht. 310 Werner Gumbert, Leiter des Staatlichen Vermessungsamtes Villingen-Schwennin­ gen vom 1. 9. 1987 bis 30. 4. 1989 ist die Lei­ tung des Staatlichen Vermessungsamtes Waldshut-Tiengen übertragen worden. Nachfolger im Staatlichen Vermessungs­ amt Villingen-Schwenningen wurde mit Wirkung vom 1. 8. 1989 Dr. Lothar Loh­ miller. Dr. Hans Buri ist als Leiter des Staatli­ chen Veterinäramtes Rottweil, das auch für den Schwarzwald-Baar-Kreis zuständig ist, in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger ist ab 1. 2. 1990 Dr. Ulrich Hennerich. P.Edmund Schweizer, Geschäftsführer der AOK für den Schwarzwald-Baar-Kreis, ist am 30. 6.1990 in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger ist Gerhard Mäder, der mit Wirkung vom 1. 7.1990 die Geschäftsfüh­ rung übernommen hat. Dr. Hans:Jürgen Kunick, seit 1967 Leiter der Allgemeinbildenden Zinzendorfschulen der Herrnhuter Brüdergemeine in Königs­ feld, ist am 17. 7. 1990 in den Ruhestand ge­ treten. Neuer Schulleiter wurde Dr. Peter Vollprecht. Bruno Weber, seit dem Jahre 1969 Leiter der Albert-Schweitzer-Schule (hauswirt­ schaftliche, landwirtschaftliche und sozial­ pädagogische Schulen) im Stadtbezirk Vil­ lingen ist mit Ablauf vom 31. 7. 1990 in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger, Wer­ ner Huger, der 19 Jahre lang das Berufsschul­ zentrum in Stockach geleitet hat, hat die Schule mit Beginn des Schuljahres 1990/91 übernommen.

Orden, Medaillen Bevölkerungsentwicklung Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit April 1989 ausgezeichnet: a) mit dem Verdienstorden (Abkürz.: BVK 1. Kl. = Bundesverdienstkreuz 1. Klasse BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande) der Bundesrepublik Deutschland: 12. 05.1989 Villingen-Schwenningen BVKa.B Rösch, Hugo Villingen-Schwenningen BVKa.B 30. 06.1989 Huonker, Christian Villingen-Schwenningen BVKa.B. Pfeiffer, Heinz 18. 08.1989 VilJingen-Schwenningen BVKa.B. 04. 09.1989 Bächle, Rosa Bad Dürrheim BVKI.Kl. 29. 09.1989 Prof. Dr. med. Mallach, Hans-Joachim Villingen-Schwenningen BVKI.Kl. 14. 10.1989 Merkle, Ewald BVKa.B. Donaueschingen 16. 10.1989 lmo, Anna Maria BVKa.B. Villingen-Schwenningen 17.11.1989 Götz, Richard BVKa.B. Blumberg 29. 01.1990 Warncke, Liselotte St. Georgen-Brigach BVKa.B. 29. 01.1990 Wentz, Martin 01. 02.1990 BVKa.B. Bräunlingen Schneider, Karl b) Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg: Donaueschingen 05. 05.1990 Herrmann, Herta Villingen-Schwenningen 05. 05.1990 Schleicher, Hans c) Zelter-Plakette: Furtwangen 03. 06.1990 Cäcilienverein/Kirchenchor St. Cyriak e) Lebensrettungsmedaille: d) Wirtschaftsmedaille: St. Georgen 18. 08.1989 Lehmann, Martin Eheleute Gutmann, St. Georgen Masny, Bernhard 18. 08.1989 Helga und Karl 06. 04.1990 Unterkirnach St. Georgen TerzilJi, Martina 18. 08.1989 Dipl. rer. pol. St. Georgen 18. 08.1989 Schonach Wasmuth, Robert 06. 04.1990 Leier, Klaus Wössner, Fritz St. Georgen 18. 08.1989 Veränderungen Stand Wohnbevölkerung in 0/o in Zahlen 1.1.1990 1.1.1989 + 5,09 + 532 10.978 10.446 + 148 + 1,49 10.092 9.944 + 2,20 + 119 5.525 5.406 + + 0,72 35 4.877 4.842 + 1,68 + 49 2.913 2.962 + 569 + 3,11 18.865 18.296 + 157 + 1,60 9.951 9.794 + 3,66 54 1.529 + 1.475 + 1,08 + 70 6.553 6.483 + 352 + 6,36 5.539 5.891 0,37 2.983 11 2.972 + + 1,75 4.776 82 4.694 + + 0,42 13.971 14.030 59 +18,49 + 413 2.647 2.234 + 103 + 2,30 4.589 4.486 + 340 + 5,97 5.697 6.037 + + 3,84 87 2.264 2.351 + 401 +19,43 2.465 2.064 + 1,20 + 916 77.174 76.258 + 1,21 4.036 4.085 + 49 +4.524 + 2,33311 193.825 198.349 7737 Bad Dürrheim, Stadt 7712 Blumberg, Stadt 7715 Bräunlingen, Stadt 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen, Stadt 7743 Furtwangen, Stadt 7741 Gütenbach 7713 Hüfingen, Stadt 7744 Königsfeld 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen, Stadt 7741 Schönwald 7745 Schonach 7740 Triberg, Stadt 7201 Tuningen 7731 Unterkirnach 7730 Villingen-Schwenningen, Stadt 7741 Vöhrenbach, Stadt Kreisbevölkerung insgesamt

Ausländer in Zahlen Gemeinde Ausländer davon insgesamt Türken Jugo- slawen Italiener Sonstige Jahr: 1990 Ausländer- anteil in 0/o 545 Bad Dürrheim 1.156 Blumberg 552 Bräunlingen Brigachtal 224 85 Dauchingen Donaueschingen 1.615 940 Furtwangen 44 Gütenbach 607 Hüfingen 260 Königsfeld 242 Mönchweiler 198 Niedereschach 1.709 St. Georgen 51 Schönwald 322 Schonach 566 Triberg 223 Tuningen 175 Unterkimach Villingen- Schwenningen 10.476 536 Vöhrenbach Gesamt 20.526 23 652 381 50 11 318 217 2 287 21 25 58 246 14 47 180 43 58 165 320 19 36 19 317 299 1 74 68 113 46 507 18 122 115 11 9 107 28 30 40 15 379 234 34 154 15 48 16 596 7 88 92 131 41 250 156 122 98 40 601 190 7 92 156 56 78 360 12 65 179 38 67 2.077 209 4.919 3.581 155 5.995 2.053 139 4.247 2.765 33 5.365 Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land 5,40/o 4,60/o 3,70/o 4,9 0/o 4,20/o 3,9 0/o 30. 6.1988 30. 6.1989 30. 6. 1990 312 5,0 11,5 10,0 4,6 2,9 8,7 9,4 2,9 9,3 4,5 8,1 4,1 12,2 2,0 7,0 9,4 9,5 7,3 13,6 13,2 10,4 Bund 8,40/o 7,40/o 6,90/o

Ergebnis der Kreistagswahl vom 22.10.1989 Zahl der zu wählenden Kreisräte: (Ausgleichssitze 6) Wahlberechtigte im Landkreis Wähler Wahlbeteiligung ungültige Stimmzettel gültige Stimmzettel abgegebene gültige Stimmen Stimmen insgesamt für: 54 60 CDU 302.897 (35,99 %) 25 Sitze (-2) 141.971 SPD 204.445 (24,29 %) 14 Sitze (+ 1) 83.517 FWV 123.333 (14,65 %) 8 Sitze (+ 2) 58,820/o GRÜNE 76.505 ( 9,09 %} 5 Sitze (-l} 3.442 F.D.P. 72.875 ( 8,66 %) 7 Sitze (+ l} 80.075 NPD (± 0) 32.826 ( 3,90 %} 1 Sitz 841.686 REP 23.089 ( 2,74 %} – MBu. ÖDP 5.716 ( 0,68 %) – Kreiswettbewerb 1990 „Unser Dorf soll schöner werden“ Bewertungsergebnisse Mit ,.Auszeichnung“ für den Kreissieger Nußbach Mit „Auszeichnung“ für den 2. Platz Tuningen Außerdem mit ,.Auszeichnung“ (alphabetische Reihenfolge) Gremmelsbach Niedereschach Obereschach Außerdem mit „sehr gut“ (alphabetische Reihenfolge) Fischbach Hondingen Kappel Oberbaldingen Schabenhausen Unterbaldingen Geldpreis DM 1.000,- 900,- 800,-800,- 800,- 700,- 700,- 700,- 700,- 700,- 700,- 8.500,- 313

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahme auf der Titelseite stammt von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv: Blick vom Kesselberg zwischen Ober­ kirnach und Schönwald zur Schwäbischen Alb. Zum Farbbild auf der Rückseite: Schrank, zweitü­ rig, Tuningen, datiert 1838, geschweiftes Gesims mit geschweifter Decke; breite Türen; abgerun­ dete Ecken in Pilasterform mit vergoldeten Volu­ tenkapitellen; blauer Grundton mit roten und grünen Profilen; Füllungen blaugrundig; an den Türen oben aufgesetzte, ölvergoldete Schnitze­ reien, dazu Medaillons mit Besitzermonogramm: Ur(sula) M(aurer); Nadelholz; Maße: H 209 cm, B 173 cm, T 69 cm. Das Bild wurde der Redaktion freundlicherweise vom Heimatmuseum Schwenningen zur Verfü­ gung gestellt. Q!iellenangabe zur Zeichnung Seite 102: Histori­ scher Atlas von Baden-Württemberg, Ausschnitt aus der Karte III,7, herausgegeben von der Kom­ mission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Lan­ desvermessungsamt Baden-Württemberg, Büch­ senstraße 54, 7000 Stuttgart !. Vervielfältigung genehmigt unter Az.: 5.11/638. Die Zeichnung auf Seite 162 wurde von Herrn Wienhart Prigge, Villingen-Schwenningen, ange­ fertigt. Der Beitrag von Max Rieple „Besuch bei Paga­ nini“ auf Seite 302 ist auf Anregung von Frau Anne Rieple-Offensperger und mit freundlicher Genehmigung des Stieglitz-Verlages dem bei ihm erschienenen Buch „Der Tag war viel zu kurz“ ent­ nommen. Seit dem Almanach 90 werden Gedichte des bekannten Heimatdichters Gottfried Schafbuch aus Hüfingen in unserem Heimatjahrbuch abge­ druckt. An dieser Stelle sei der Tochter, Frau Ros­ witha Schafbuch, für die Abdruckgenehmigung herzlich gedankt. 314 Fotonachweis: Soweit bei den einzelnen Beiträ­ gen die Bildautoren nicht namentlich hier ange­ führt werden, stammen die Fotos jeweils vom Ver­ fasser des betreffenden Beitrags. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Elisapeth H. Winkelmann-Klingspom 5;Jochen Hahne, Susanne Hornberger, Friedrich Spittler 6, 7; Otto Kritzer 9; Markus Seidel 12 (oben u. unten), 13 (unten); Wolfgang Fürderer 12 (Mitte); Archiv Südwestpresse 13 (oben); Georg Stefan Kaletta 13 (Mitte); Dietrich Creutzburg 14; Ger­ hardJanke 15; Willi Seifermann 16; Dieter Ehnes 22; Ortsverwaltung Döggingen (Aufn. freigege­ ben Luftamt Hamburg, Reg.-Nr. 1696/85) 30; Foto Fischer 32, 233; Archiv Wirtschaftskontroll­ dienst 36, 37; Archiv Zinzendorfschulen 47; Dr. Hartmut Brenner 50; German Hasenfratz 52, 53, 139, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179 (oben); Jack Mathey 57; Rosemarie v. Strombeck (Aufn. freige­ geben Reg.-Präsidium Freiburg Nr. 303/860- 16.10.1989) 63; Archiv Fa. Benzing Zeit+ Daten GmbH 68, 69; Archiv Fa. GÜNTERT Präzisions­ technik GmbH & Co. 70, 71; Archiv Fa. Mathias Bäuerle GmbH 72, 73, 74, 75 (Aufn. freigegeben Reg.-Präsidium Münster, Nr. 5074/88); Archiv Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH + Co. Heilbrunnen 76; Archiv Deutsches Uhrenmu­ seum 83, 84, 85, 86, 87; Helmut Groß 89, 118, 155, 180, 181, 182; Archiv LDA Baden-Württemberg 96, 97, 98, 99; Stadtarchiv Konstanz Signatur A 515/13 b 112; Foto Maier 142; Felix Starosa 153; Landrat Dr. Rainer Gutknecht 163, 164, 165, 167 (oben); Gerhard Mayer 167 (unten), 168; Friedrich Mück 170; Domkapitular i. R. Prälat Dr. Willi Vomstein 179 (unten); Hans Kaltenbach 186; Fritz Rapp 188, 189, 190, 191; Horst Kurschat 193, 194; Iris Geiger 200; Rolf Schyle 208; Rut Steger 214, 215, 217, 218, 219, 220; Heinrich Haas 234, 235 (oben); Manfred Hiekisch 235 (unten); Georg Goerlipp 240, 268, 271; Archiv AMSEL-Kontakt­ gruppe Schwarzwald-Baar-Kreis 254, 255; Dr. jur. Hans E. W. Kurz 264; Archiv Kurverwaltung Bad Dürrheim 274; Hubert Hilbert 275; Foto-Carle 290, 291; Anna Bäsch 292; Wilhelm Steidinger 293; Günter Vollmer 298. Reproservice Rolf Kötz, VS-Schwenningen

Die Autoren unserer Beiträge Aberle, Maria, Sommerau, 7742 St. Georgen i. Schw. Bender, Gerd, Sommerbergstraße 21, 7743 Furtwangen i. Schw. Berg, Walter, Feldbergstraße 24, 7742 St. Georgen i. Schw. Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 7742 St. Georgen i. Schw. Braunschweiger, Ernst, Wohnpark Kreuz 1, 7737 Bad Dürrheim Brenner, Pia, Käferstraße 43, 7710 Donaueschingen Brunnhuber, Hermann, General-Horn-Straße 5, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Dettling, Klaus, Von-Althaus-Weg 9, 7737 Bad Dürrheim Dold, Werner, Schützenstraße 6, 7715 Bräunlingen Dold, Wilfried, Redakteur, Waldstraße 13, 7743 Furtwangen i. Schw. Dominguez, Fernando, Beethovenstraße 15, 7800 Freiburg i. Br. Duffner, Arthur, Furtwangen i. Schw. (verst.) Eisenbeis-Trinkle, Petra, Torfstraße 1, 7250 Leonberg Faißt, Klaus, Kandelblick 1, 7743 Furtwangen-Neukirch Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Gassert, Reinher, Oberstudiendirektor, Schubertweg 2, 7742 St. Georgen i. Schw. Goerlipp, Georg, Archivar, Hindenburgring 10, 7710 Donaueschingen Groß, Helmut, Am Schwalbenhaag 1, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Hall, Ewald, Sundgauallee 26, 7800 Freiburg i. Br. Haller, Johann, Buchenberger Straße 30, 7744 Königsfeld Hasel, Dr. Karl, Professor, Schlüsselstraße 3, 7800 Freiburg i. Br. Hawner,Johannes, Heimatdichter, Bad Dürrheim (verst.) Heidinger, Werner, Regierungsrat, Geschwister-Scholl-Straße 22 a, 7710 Donaueschingen Henckell, Jürgen, Schriftsteller und Grafiker, Buchbergstraße 3, 7m Blumberg Hermanns, Martin, Oberer Sonnenbühl 23, 7730 VS-Pfaffenweiler Heyd, Dr. phil. Werner P., Rosäckerstraße 36, 7238 Oberndorf a. N. Hiekisch, Regina, Studienrätin, Alpenblick 15, 7731 Unterkirnach Hiesel, Siegfried, Amtsgerichtsdirektor a. D., Vom-Stein-Straße 65, 7730 V i II i n g e n -Schwenningen Höft, Marlies, Nordstetten 16, 7730 Vil l i n g e n – Schwenningen Honold, Dr. Lorenz, Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber-Wintermantel, Susanne, M. A., Bräunlinger Straße 6, 7713 Hüfingen Huth, Dr. Volkhard, Oberscheibenrain 8, 7710 Donaueschingen-Aasen Jäckle, Alexander, Bergstraße 10, 7740 Triberg Jakobs, Dr. Peter, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Archäologische Denkmalpflege, Außenstelle Freiburg, Marienstraße 10 a, 7800 Freiburg i. Br. Kästel, Christine, Heumadener Straße 169, 7000 Stuttgart 75 Kahlert, Dr. Helmut, Professor, Am Bodenwald 4, 7743 Furtwangen i. Schw. Kalb, Roland, Albstraße 7, 7735 Dauchingen Kern, Silvia, Dießenhofstraße 9, 7715 Bräunlingen Kratt, Karl, Zinsergasse 14, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Kunick, Dr. Hans-Jürgen, Oberstudiendirektor, Wöschhalde 111, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Letule, Hans, Rathausstraße 14, 7734 Brigachtal-Überauchen Liebetrau, Alfred, Präsident der Industrie-und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg, Romäusring 4, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Mager, Gertrud, Auf dem Bühl 20, 7743 Furtwangen i. Schw. Mehne, Dr. Rolf, Frühlingshalde 6, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Michaelis, Jörg, Achdorfer Straße 14, 7712 Blumberg 315

Müller, Hans-Martin, Herm.-Köhl-Weg 2, 7560 Gaggenau Müller, Klaus-Jürgen, Baarstraße 5, 7209 Aldingen 2 Müller, Kurt, Dekan, Münsterpfarramt, Kanzleigasse 10, 7730 V i 11 i n g e n -Schwenningen Münzing, Dr. Klaus, Albertstraße 5, 7800 Freiburg i. Br. Neugart, Elisabeth, Langstraße 4, 7730 Vi 11 i n g e n -Schwenningen Nitz, Bertin, Gütenbach (verst.) Nobs, Eduard, Hotelier, Am Salinensee 1, 7737 Bad Dürrheim Nübling, Dr. Verena, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Archäologische Denkmalpflege, Marienstraße 10 a, 7800 Freiburg i. Br. Opp, Margot, Weiherweg 10, 7800 Freiburg i. Br. Pampel,Joachim, Färberstraße 49, 7730 V i l l i n g e n-Schwenningen Reichmann, Antonia, Donaustraße 16, 7710 Donaueschingen-Pfohren Reith, Siegfried, Neissestraße 3, 7730 V i l l i n g e n -Schwenningen Riegger, Herbert, Überaucher Straße 1, 7730 VS-Tannheim Rieple, Max, Donaueschingen (verst.) Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Ludwig-Uhland-Straße 8, 7741 Schönwald Sah!, Richard, Goethestraße 12, 7210 Rottweil Schafbuch, Gottfried, Hüfingen (verst.) Schnekenburger, Willi, Hinter den Häusern 6, 7737 Bad Dürrheim Schnibbe, Klaus, Professor, Ilbenstraße 50, 7743 Furtwangen i. Schw. Schnitzer, Dr. Ulrich, Professor, Schöllbronner Straße 10, 7500 Karlsruhe 51 Schröter, Knut, Studiendirektor, Winterbergweg 12, 7744 Königsfeld-Burgberg Schwarzwälder, Uwe, Roßbergstraße 28, 7742 St. Georgen i. Schw. Schweizer, Adolf, Polizeihauptkommissar, Hafnerstraße 29, 7730 Villingen-S eh w e n n i n g e n Seifermann, Hermann, Sommerbergstraße 15, 7742 St. Georgen-Peterzell Stadler, Eberhard, Josef-Zähringer-Straße 43, 7743 Furtwangen-Schönenbach Steger, Christiana, Birkenweg 8, 7712 Blumberg Stieber, Roland, Am Sachsenwäldle 39, 7730 V i l l i n g e n-Schwenningen Sturm, Dr. Joachim, Baarstraße 12, 7710 Donaueschingen-Pfohren Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Walcz, Günter, Redakteur, Schwimmbadstraße 31, 7712 Blumberg Weber, Bruno, Oberstudiendirektor, Billinger Straße 2, 7732 Niedereschach-Schabenhausen Wegener, Wilfried, Eichendorffstraße 3, 7734 Brigachtal Wunderlich, Amulf, Vom-Stein-Straße 57, 7730 V i l l i n g e n-Schwenningen Zimmermann, Ernst, Wiesenstraße 27, 7710 Donaueschingen-Pfohren Zimmermann, Karlhans, Insterburgerstraße 15 a, 7500 Karlsruhe 1 316

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Zuversicht/Zum Geleit -von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1990/Landrat Dr. Rainer Gutknecht Grundsteinlegung Neubau Landratsamt 18.10. 89 Eine neue Schwerpunktaufgabe: Die Eingliederung der Aus- und Übersiedler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Walter Berg Land unter im Schwarzwald-Baar-Kreis -Erinnerungen an die Hochwasserkatastrophe am 15. Februar 1990/Joachim Pampe! Neubau Landratsamt -letzte Bilder über den Baufortschritt vor Redaktionsschluß Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Peterzell/Hermann Seifermann Mein Heimatort/Gedicht von Hermann Seifermann Das Wappen von Peterzell/K.laus Schnibbe Biesingen/Willi Schnekenburger En Gschiideli/Gedicht von Gottfried Schafbuch Das Wappen von Biesingen/K.laus Schrubbe Das erste Dorf an der Donau -Pfohren/Ernst Zimmermann Das Wappen von Pfohren/Klaus Schnibbe Döggingen/Werner Dold Uff Kerbig kumme/Gedicht von Gottfried Schafbuch Das Wappen von Döggingen/Klaus Schnibbe Behörden und Organisationen Die Polizei, die Umwelt und der Verbraucherschutz – ein Beitrag über den Wirtschaftskontrolldienst/ Adolf Schweizer Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis: Der“ Weiße Ring“ hilft Kriminalitätsopfern/Klaus-Jürgen Müller Das Postamt in Triberg/Uwe Schwarzwälder Sunntig/Gedicht von Gottfried Schafbuch 1 2 3 4 6 8 11 15 16 19 20 20 22 23 23 29 29 33 34 35 38 41 45 Schulen und Bildungseinrichtungen Modemes Schulwerk mit Tradition: Die Zinzendorfschulen in Königsfeld/Oberstudiendirektor Dr. Hans-Jürgen Kunick und Studiendirektor Knut Schröter 46 „Intellektuelle Pioniere der sonnigen Bergstadt“ -25 Jahre Abitur in St. Georgen/Reinher Gassert 49 52 20 Jahre Bildungszentrum Turmgasse in Villingen-Schwenningen/Siegfried Reith Die Waldorfschule bezog ihren zweiten Bauabschnitt – Freude und Sorgen einer „Öffentlichen Schule in freier Trägerschaft“/Wilfried Wegener In Villingen-Schwenningen – Berufskolleg II für Landwirtschaftlich-technische Assistenten – Ausbildungsziel: Fachmann im Dienst für eine gesunde Umwelt/Bruno Weber Zwei Schülerinnen vom Schwarzwald-Gymnasium in Triberg gewannen im bundesweiten Wettbewerb Hauptpreise 54 57 59 Wirtschaft und Gewerbe Wirtschaftsraum DDR-Chancen für unsere heimische Wirtschaft/ Alfred Liebetrau, IHK-Präsident 60 Modeme Erweiterung und sichere Arbeitsplätze -TRW Thompson GmbH in Blumberg stellt täglich 100.000 Ventile her/Günter Walcz 62 317

Benzing Zeit+ Daten GmbH, Schwenningen -ein unverwechselbares Erscheinungsbild garantiert Beständigkeit im Wandel/Petra Eisenbeis-Trinkle 66 GÜNTERT Präzisionstechnik GmbH & Co. weiht FABRIK 2001 ein/Klaus Peter Friese 70 Firma Mathias Bäuerle GmbH, St. Georgen -Tradition und Geschichte/Hermann Brunnhuber 72 Schwarzwaldfrische aus gesunden Bad Dürrheimer Quellen – die Mineralbrunnen GmbH & Co./Klaus Dettling 76 Ein führendes Unternehmen seiner Branche – 77 die Achsenfabrik Ueberle GmbH u. Co. KG in Blumberg-Riedböhringen/Jürgen Henckell Tannheimer Säge -vom Rundholz zum Dachstuhl -neue Technologien entlasten das Handwerk/ 80 Herbert Riegger 82 E friendli Wort .. ./Gedicht von Gertrud Mager Wirtschaftsgeschichte Die frühen Jahre der Furtwanger Uhrmacherschule (1850-1857)/Prof. Dr. Helmut Kahlert 83 Katzeliebi/Gedicht von Gottfried Schafbuch 89 Archäologie Abriß der Ur-und Frühgeschichte im Schwarzwald-Baar-Kreis anhand der archäologischen Fundstellen/Dr. Verena Nübling 90 Des gits doch it/Gedicht von Gertrud Mager 94 Die Badeanlage des römischen Gutshofes von Fischbach/Dr. Peter Jakobs 95 Geschichte, Siedlungsgeschichte Die „Alemannen“ -auf der Suche nach Geschichte und Gehalt eines Volksnamens/ Dr. Volkhard Huth 101 Altes neu entschlüsselt: Die Siedlungsnamen im Schwarzwald-Baar-Kreis/Ewald Hall 105 Zum Aufenthalt Hermann Dietrichs in der Schwarzwaldgemeinde Gütenbach/ Dr.Joachim Sturm 111 Das Achdorfer Mühlrad und die Mühle/Jörg Michaelis 116 De Berthold/Gedicht von Elisabeth Neugart 118 Persönlichkeiten der Heimat Gerd Jauch -ein Villinger durch das Fernsehen bekannt geworden/ArnulfWunderlich 119 Adam Berberich -ein Anwalt der Bürger/Karl Kratt 121 Gymnasialprofessor Dr. Alfred Georg Benzing – ein Wissenschaftler und Lehrer aus Leidenschaft/Dr. RolfMehne 123 P. Edmund Schweizer -um die AOK verdient gemacht/Klaus-Peter Friese 126 Ingeburg Weisser -aus einem Stadtkind wurde eine Landfrau/Marlie Höft und Maria Aberle 128 Ferdi Haberstroh -der Schwanenwirt von Schonach/Eduard Nobs 129 Elisabeth Günter -Gastwirtin und Leiterin des Seniorenkreises in Gremmelsbach/ Renate Bökenkamp 130 Lukas Riedlinger -hochgeachtet und beliebt als Zimmermann und Kommunalpolitiker/ Käthe Fritschi 132 Max Gilly -ein Vierteljahrhundert Hüfinger Geschichte/Kätl1e Fritschi 133 1 Gedicht von Margot Opp 136 Gertrud Robl -ein Leben für Musik und Gesang/Käthe Fritschi 137 Vor hundert Jahren geboren -Dr. Erwin Sumser, Arzt und Naturschützer/Käthe Fritschi 138 Josef Dorer -ein Leben im Dienst der Stadt Furtwangen/Wilfried Dold 141 Karl Ohnmacht -über ein Vierteljahrhundert in der Verantwortung für Pfohren/ 143 Ernst Zimmermann Max Herr -der „Uhrmacher der Päpste“ /Eberhard Stadler 145 Elai .. ./Gedicht von Gertrud Mager 146 Kirchen, Mission Die Kirche des Klosters St. Ur ula in Villingen ist renoviert/Dekan Kurt Müller 147 P. Magnus Volk-ein Gremmelsbacher Missionar in China/Karl Volk 151 318

E herzlichi Bitt’/Gedicht von Elisabeth Neugart Vergänglich/Gedicht von Johannes Hawner Die Kapelle auf dem Schabel/Christiana Steger Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) Der Landkreis und der Jakobsweg nach Santiago de Compostela Der Jakobsweg -Bedeutung und Ausstrahlung/Fernando Dominguez Jakobus krönt zwei Pilger“/Dekan Kurt Müller Jakobsverehrung und Jakobswege im Landkreis/Dr.Joachim Sturm Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula Sommerliche Dörferrunde der Ursulinen mit ihrem Break (bis etwa 1930)/Helmut Groß Verwechslung/Gedicht von Helmut Groß Das Amtsgericht Villingen im Wandel der Zeit Entstehung und Entwicklung des Amtsgerichts Villingen/Siegfried Hiesel Die Restaurierung des Amtsgerichts Villingen/Richard Sah! Baudenkmäler, Alte Schwarzwaldhöfe Die Renovierung der Entenburg in Pfohren/Antonia Reichmann Rauchküchen in Schwarzwaldhäusern/Ulrich Schnitzer Fascht verrote/Gedicht von Bertin Nitz Museen Aus den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen ·in Donaueschingen -der Falkensteiner Altar des Meisters von Meßkirch -rechter Standflügel/Martin Hermanns Internationales Luftfahrt-Museum auf dem Schwenninger Flugplatz/Christine Käste! Ländlicher Flugplatz oder Lilienthal im Aitrachtal/Gedicht von Jürgen Henckell Vom Lein zum Leinen -Gerätesammlung für die verschiedenen Arbeitsschritte im Kelnhof-Museum in Bräunlingen/Susanne Huber-Wintermantel, M. A. Mariä Liechtrneß/Gedicht von Gottfried Schafbuch Kunst und Künstler Der Baarmaler Hans Schroedter -Illustrationen für Kinder/Christiana Steger Rolf Kammerer (1888-1961) -ein Ma.ler des Hochschwarzwaldes und des Bodensees/ Gerd Bender Vom Hirtenbub zum Trachtenmaler -J. B. Tuttine – ein Baaremer, der im Biedermeier Karriere machte/Dr. Lorenz Honold Emmerich Esterle – Steintechniker, Steinmetz- und Bildhauermeister/Wemer Heidinger Kunst am Bauzaun des Landratsamtes -gestaltet von der Arbeitsgemeinschaft „Wir malen“ des Gymnasiums am Romäusring im Stadtbezirk Villingen/Regina Hiekisch Heimat, Brauchtum, Mundart Der Kaib/Karl Volk Der »Frauendreißiger“ -als die Gewürzweiber auf der Baar noch Heilkräuter sammelten/ Lorenz Honold Die Tracht in Buchenberg/Johann Haller Der Osterschwamm/Karl Volk 2 Gedichte von Margot Opp Gesundheit, Soziales, Jugendbetreuung Caritasverband für den Schwarzwald-Baar-Kreis – Perspektiven für die Arbeit der kommenden Jahre/Pia Brenner Gutes Herz/Gedicht von Johannes Hawner Die kreiseigene Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche/Roland Stieber 155 157 158 160 161 16 9 172 180 181 183 187 193 196 203 204 207 209 210 213 2 14 220 228 230 234 236 239 241 244 246 247 251 252 319

Aussagen/Gedicht von Jürgen Henckell In Donaueschingen: MS-Erkrankte suchen Kontakt mit der Bevölkerung/Silvia Kern Silvester/Gedicht von Margot Opp 253 254 255 Verkehrswesen 100 Jahre Strategische Bahnen – unter besonderer Berücksichtigung der Museumsbahn Wutachtall Karl-Hans Zimmermann Bahnverbindung Schwenningen – Tuttlingen – Erinnerungen an eine nicht gebaute Bahnlinie/ Ernst Braunschweiger En Trom/Gedicht von Arthur Duffner 256 258 263 Landschaft, Naturdenkmäler, Umweltschutz Emil Kurz – Leiter des Staatlichen For tarnt Villingen von 1933 bis 1952/Prof. Dr. Karl Hasel Vision Grün/Gedicht von Christiana Steger Unterhölzer – ein weitläufiger Forst beim Wartenberg/Georg Goerlipp Die Herkulesstaude im Schwarzwald-Baar-Kreis/Dr. Klaus Münzing Der „Buchene tumpen“/Hans Letule Der Weißstorch – nur noch in Pfohren heimisch/Roland Kalb Trinkwasser – eine wichtige Lebensgrundlage – die Wasserversorgung St. Georgens aus historischer Sicht/Hans-Martin Müller Meersburger Notturno/Gedicht von Jürgen Henckell Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Der Schwarzwaldgasthof „Schwanen“ in Schonach/ Alexander Jäckle 250 Jahre Höhengasthaus „Kreuz“ Furtwangen-Escheck/Emil Rimmele Die „Krone“ in Peterzell – Erinnerungen an ein gastronomisches Kleinod/ Hermann Seifermann Dr verheit Mage/Gedicht von Bertin Nitz Lindebluescht/Gedicht von Gottfried Schafbuch Sport Fünf erfolgreiche Ski-Internatsjahre im Rückblick – die Furtwanger Einrichtung im Aufwärtstrend/Klaus Faißt Segelflugzeug auf den Namen „Schwarzwald-Baar-Kreis“ getauft Prosa und Lyrik aus der Heimat Alemannische Sagen und Schwänke – dem Erzähler Max Rieple zur Erinnerung an seinen zehnten Todestag/Werner P. Heyd I(jnderangst/Gedicht von Max Rieple Besuch bei Paganini/Max Rieple Träume in einem Kreuzgang/Karl Volk Schwarzwälder Leben – Gedichte in Schwarzwälder Mundart von Arthur Duffner 4 Gedichte von Christiana Steger 3 Gedichte von Jürgen Henckell Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Bevölkerungsentwicklung Ausländer in Zahlen Ergebnis der Kreistagswahl vom 22.10.1989 Kreiswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 320 264 266 267 273 275 276 280 284 285 289 292 295 295 296 298 299 301 302 304 306 308 309 310 311 311 312 313 313 314 315 317