Almanach 2001

Almanach 2001 H e i m a t j a h r b u c h d e s S c h w a r z w a l d – B a a r – K r e i s e s 2 5 . F o l g e

Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis internet:www.schwarzwald-baar-kreis.de e-mail:landratsamt@schwarzwald-baar-kreis.de Redaktion: Karl Heim, Landrat Dr. Joad1im Sturm, Kreisard1ivar Wilfried Dold, Redakteur Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlid1. Nachdrucke und Verviel­ fältigungen jeder Art werden nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag, Gestaltung, Satz und Lithografie: DoldVerlag, Vöhrenbach (www.DoldVerlag.de) Vertrieb und Druck: Todt-Druck GmbH, Villingen­ Schwenningen ISBN: 3-927677-30-2

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 2001 aker + haas, internat. Spedition GmbH, Nußbacher Str. 50, Triberg Graf-Syteco, Dipl.-Ing. Martin Graf, Kaiserstr. 18, Tuningen ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Vöhrenbach Dipl.-Ing. M. Greiner VB!, A.-Kolping-Str. 12, Donaueschingen Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH + Co., Heilbrunnen, Bad Dürrheim HAKOS Präzisionswerkzeuge GmbH, Reutestr. 129, Villingen-Schwenningen Helmut Hechinger GmbH & Co. KG, Villingen-Schwenningen Baden-Württembergische Bank AG, Donaueschingen Orthopädie Technik Biedermann GmbH, VS-Schwenningen Bode+ Christ Gebäudetechnik, VS-Villingen BURG ER Industriewerk GmbH & Co. KG, Präzisionstechnik, Hermann-Burger-Str. 29, Schonach Coats GmbH, Hüfinger Str. 28, Bräunlingen EGT Gebäude- u. Informationstechnik GmbH, Triberg EGT Energie GmbH, Triberg Elvedi GmbH, Lagertechnik, Blumberg EnergieDienst GmbH Ein Dienstleistungsunternehmen von KWL und KWR Rheinfelden Energieversorgung Südhaar GmbH, Leo-Wohleb-Str. 3, Blumberg Fischer Entsorgungs GmbH, Villingen-Schwenningen Emil Frei GmbH & Co. Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Cornel Furtwängler, Triberg Siegfried Heim GmbH, Kroneck-Werkstätten, Schonacher Str. 20, Triberg Heine – Metalldach – Metallwand, Sanitäre Technik, Blechnerei, Ing.-Büro, Robert-Bosch-Str. 1, Villingen-Schwenningen Bauunternehmung Hermann GmbH, Auf dem Moos 4, Furtwangen Hess Form + Licht GmbH, Villingen-Schwenningen HEZEL GmbH, Container-Rohstoffe, Mönchweiler Hinzsch Schaumstofftechnik GmbH & Co. KG, Buchenweg 4, Mönchweiler !MS Morat Söhne GmbH, Donaueschil!gen Heinz u. Gerhard Jordan OHG, VS-Villingen KIFFE Engineering GmbH, Am Krebsgraben 18, VS-Villingen Liapor GmbH & Co. KG, Werk, Tuningen living systems AG, Humboldtstr. 11, Donaueschingen, www.living-systems.de MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Steinbeisstr. 20, Villingen-Schwenningen, Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen-Schwenningen 3

Spedition Julius Mayer, Bräunlingen MBK GmbH Sicherheitsdienst-Elektronik, Hohenstr. 29, Hüfingen, Poldi & Leopold Messmer, freie Architekten, Furtwangen MODUS Gesellschaft für berufliche Bildung, Vöhrenbach Mohr+ Friedrich GmbH, Mutternfabrik, Langenbad,er Str. 18, Vöhrenbach Sparkasse Donaueschingen Sparkasse Villingen-Schweningen mit 47 Geschäftsstellen Steeltec Praezisa GmbH, Gewerbestr. 1, Niedereschach Günther Stegmann, Donaueschingen STEIN Automation GmbH, Villingen-Schwenningen Dr. med. P. Obergfell, Villingen-Schwenningen STRAUB-VERPACKUNGEN GmbH, Bräunlingen Ingenieurbüro für Haustechnik Reiner Oberle, Ostbahnhofstr. 19, Villingen-Schwenningen SWEG-Südwestdeutsche Verkehrs-AG, Lahr, Verkehrsbetrieb Furtwangen Günter H. Papst, Mozartstr. 10, St. Georgen PAPST-MOTOREN GmbH & Co. KG, St. Georgen Reiner Präzision GmbH, Drehteile und Baugruppen, Tannheimer Str. 13, Donaueschingen ERNST REINER GmbH & Co. KG, Furtwangen Ernst Reinhardt GmbH, VS-Villingen Ltd. RD Rainer Trippe!, Gutenbergstr. 15, Karlsbad TRW Deutschland GmbH, Werk Blumberg Volksbank eG, Triberg Volksbank eG, Villingen F.K. Wiebelt GmbH & Co. KG, Villingen-Schwenningen RJCOSTA Schuhfabriken GmbH, Donaueschingen WJG Industrieinstandhaltung GmbH, Rudolf-Diesel-Str. 7a, Villingen-Schwenningen Karl Riegger GmbH & Co. KG, Bad Dürrheim Anne Rieple-Offensperger, Friedrichstr. 1, Bad Dürrheim SCHMIDT Feintechnik GmbH, St. Georgen Anton Schneider Söhne GmbH + Co., Schonach S. Siedle & Söhne, Telefon-und Telegrafenwerke Stiftung & Co., Bregstr. 1, Furtwangen Elementbau Spadinger GmbH, Bräunlingen 4 Wiha Werkzeuge GmbH, Schon ach Johann Wintermantel Verwaltungs-GmbH & Co. KG Kies- u. Transportbetonwerke, Donaueschingen Ursula Wollersen-Fleig, Triberg Udo Zier GmbH, Furtwangen 5 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen namentlich nicht genannt zu werden.

Blick auf Hausen vor Wald 5

Heimat und Almanach Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 2001 zum Geleit Der Almanach kann ein kleines Jubiläum feiern. Zum 25. Mal erscheint er nun schon als jährlid1er Begleiter durch das Kreisge­ schehen. Im Vorwort der ersten Ausgabe im Jahr 1977 schreibt mein Vorgänger, Landrat i. R. Dr. Rainer Gutknecht: „Er möchte die rei­ che geschichtliche Vergangenheit unseres heimisd1en Lebensraumes wachhalten und eine Brücke zur Gegenwart schlagen …. Wenn die Hoffnungen in Erfüllung gehen, könnte der Almanach der jährliche Begleiter durch Geschichte und Kultur, Wirtschaft, Gewerbe und Industrie sowie die Gegenwartsproble­ me unseres Landkreises, seiner Städte und Gemeinden werden.“ 64 Seiten umfaßte die erste Ausgabe. Heute, 25 Jahre später können wir feststel­ len, daß sich diese Hoffnungen mehr als er­ füllt haben. Auf rund 350 Seiten findet der Leser Wissenswertes zu fast allen Lebensbe­ reichen. Der Kreisalmanach hat heute eine große, treue Leserschar, die mit Ungeduld jede neue Ausgabe erwartet. Bemerkenswert ist auch die große Bereitschaft vieler Auto­ ren für den Almanach zu schreiben. Dies zeigt, daß bei allen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verände­ rungen in den letzten 25 Jahren und trotz Globalisierung und world-wide-web das In­ teresse der Menschen an dem was in ihrem näheren Umfeld geschieht ungebrochen ist. Dieses nähere Umfeld, der engere Lebens­ raum, ist das, was man gemeinhin als seine Heimat empfindet. Mit dem Begriff Heimat verbindet man zu recht traditionelle Ge­ meinsamkeiten, wie eine gemeinsame Spra­ che (Dialekt), Brauchtum, kulturelle und ge­ schichtliche Identität. Dies allein wäre aber ein zu enger Begriff von Heimat, der unse­ rer offenen, mobilen Gesellschaft nicht ge- 6 recht würde. Heimat ist dort, wo man sich zu Hause und aufgenommen fühlt. So ist unser Sd1warzwald-Baar-Kreis auch vielen deutschen und ausländischen Mit­ bürgerinnen und Mitbürgern, die hierher gezogen sind, Heimat geworden. Von einer einheitlichen Tradition zu sprechen wäre für unseren mit 28 Jahren noch recht jungen Schwarzwald-Baar-Kreis ohnehin verfrüht. Es ist gerade die Vielfalt, die den besonde­ ren Reiz unseres Schwarzwald-Baar-Kreises, unsere engere Heimat ausmacht. Wie wir unsere Heimat erleben, hängt wesentlich auch von wirtschaftlichen Entwicklungen, (kreis-) politischen Entscheidungen, dem kulturellen und sportlid1en Angebot sowie dem sozialen Klima ab. Nur das gemeinsam Gelebte und Erlebte und das Verständnis füreinander schaffen auf Dauer ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und damit Hei­ matbewußtsein. Der Almanach darf für sich in Anspruch nehmen, nunmehr seit 25 Jahren Heimat­ bewußtsein in dem oben aufgezeigten um­ fassenden Sinne zu vermitteln und zu för­ dern. Er ist bislang die einzige Publikation, die regelmäßig über das vielfältige Gesche­ hen im ganzen Kreisgebiet informiert und damit ein unverzichtbarer Beitrag zur Stär­ kung des Kreisbewußtseins. Dabei ist nichts so gut, daß es nicht noch besser werden könnte. So hat sich auch der Almanach der Zeit angepaßt, ist bunter geworden und wird heute mit dem PC erstellt. Wir werden auch kritisch prüfen müssen, ob die Gewichtung der einzelnen Kapitel noch richtig ist und weitere Themen aufgenommen werden soll­ ten. Das Grundkonzept hat sich aber be­ stens bewährt, und so wünsche ich mir, daß der Almanach auch in den nächsten 25 Jah­ ren dazu beiträgt, den Menschen in unse-

Vorwort rem schönen Schwarzwald-Baar-Kreis ihre engere Heimat näher zu bringen. Ich bedanke mich bei den Autoren, Förde­ rern und Freunden, die die Herausgabe des Almanach in den letzten 25 Jahren begleitet und unterstützt haben und dies heute noch tun. Nur durch ihre Mithilfe war und ist es möglich, jährlich nicht nur ein sehr anspre­ chendes und informatives, sondern auch preiswertes Heimatjahrbuch herauszugeben. Ich hoffe, daß die Jubiläumsausgabe eine positive Resonanz findet und wünsche allen Leserinnen und Lesern viel Freude beim „Schmökern“. Es lohnt sich in diesem Jahr besonders den Almanach aufmerksam zu le­ sen. Aus Anlaß des 25jährigen Jubiläums wurden die Preise für das Preisrätsel verdop­ pelt. Also mitmachen! Karl Heim, Landrat 7

1. Kapitel/Almanach 2001 Aus dem Kreisgeschehen Regionale Wirtschaftsforderung initiiert Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat endlich wieder finanziellen Spielraum für Investitionen Die Kreispolitik war auch im Milleniums- jahr 2000 eingebunden in die gesamtwirt­ schaftliche und gesamtgesellschaftliche Ent­ wicklung. Erfreulicherweise hat sich die po­ sitive wirtschaftliche Entwicklung des Vor­ jahres im Jahr 2000 noch verstärkt. Die Ar­ beitslosenquote im Schwarzwald-Baar-Kreis ging zurück au f 4,6 % im Juli 2000. Sie liegt dam it deutlich unter dem Landesdurch­ schnitt von 5 %. Galt unsere Sorge noch vor wenigen Jahren der großen Schar von Ar­ beitslosen, so haben wir nun in vielen Be­ reichen einen gravierenden Facharbeiter­ mangel zu beklagen, der zunehm end zum Standortproblem wird. Die von der Landkreisverwaltung 1995 vorgelegte Stärken-Schwächen-Analyse ist in vielen Bereichen überholt un d wurde aktualisiert. Ebenso das Leitbild für den Schwarzwald-Baar-Kreis und die Handlungs­ schwerpunkte zur Stärkung der Wirtschaft. Ein Schwerpunkt ist dabei die G ründung einer regionalen W irtschaftsfördergesell­ schaft, um die Kräfte in der Region zu b ü n ­ deln u nd die Wirtschaftsregion Schwarz- wald-Baar-Heuberg nach innen und außen besser zu vermarkten. D er Kreistag hat be­ reits einen entsprechenden G rundsatzbe­ schluß gefaßt. Gesellschafter der neuen „Wirtschaftsförder G m b H “ sollen die drei Landkreise der Region, die Industrie- und H andelskam m er, die Handwerkskammer, der Regionalverband sowie die Städte und Gemeinden der Region sein. Die gute wirtschaftliche Entwicklung wirk­ te sich auch positiv au f die Kreisfinanzen aus. H öhere Steuereinnahmen und abneh­ m ende Sozialhilfeausgaben ermöglichten im H aushalt 2000 endlich wieder finanziel­ le Spielräume für Investitionen. Schwer­ punkte waren der Kreisstraßenausbau, drin­ gend notwendige U nterhaltungsm aßnah­ m en an den kreiseigenen Schulgebäuden so­ wie unabweisbare aufwendige Brandschutz­ m aßnahm en im Kreiskrankenhaus. Grundlage für die weiteren Straßenbau­ m aßnahm en wird das im Jahr 2000 fortge­ schriebene mittelfristige Kreisstraßenaus­ bauprogramm sein, das jährliche Investiti­ onen von 6,5 Mio. D M vorsieht. Neuer Schulkindergarten in Aufen Im April konnte nach nur einem Jahr Bau­ zeit der neue Schulkindergarten für geistig Behinderte in Donaueschingen-Aufen sei­ ner Bestimmung übergeben werden. Nach­ dem dieser Neubau aus finanziellen G rün­ den im m er wieder verschoben werden m u ß ­ te, können sich die Kinder und Eltern nun über ein sehr ansprechendes und zweck­ mäßiges Gebäude in schöner Lage freuen. Die gesamten Kosten einschl. Grunderwerb beliefen sich au f rund 2,6 Mio. D M . M it dem 3. Bauabschnitt an der Körperbehin­ dertenschule in Villingen und dem Neubau des Sonderschulkindergartens in DS-Aufen ist n un ein Abschluß der in der Trägerschaft des Landkreises stehenden Sonderschulen und Sonderschulkindergärten erreicht. 25 Millionen fiir Landesberufsschule Die größte Investitionsm aßnahm e des Landkreises in den nächsten Jahren wird mit einem Investitionsvolumen von rd. 25 Mio. D M die Sanierung u nd Erweiterung des In­ ternats der Latndesberufsschule für das H o ­

tel- und Gaststättengewerbe sein. Vorgese­ hen ist ein Umbau in zeitgemäße Ein- und Zweibettzimmer mit Naßzelle und ein Er­ weiterungsbau mit Tiefgarage. Um die best­ mögliche Lösung auf dem engen Areal zu er­ mitteln, wurde im Frühjahr ein Architek­ tenwettbewerb ausgeschrieben, an dem sich 66 Architekten beteiligt haben. Den 1. Preis gewann das Architekturbüro Melder und Binkert aus Freiburg. Der zuständige Kreis­ tagsausschuß hat dem Kreistag bereits emp­ fohlen, diese Lösung zu realisieren, so daß im Jahr 2001 mit der Planung begonnen werden kann. Zum 1. Januar 1999 wurde das Kreiskran­ kenhaus Donaueschingen von einem Regie­ betrieb des Landkreises in eine GmbH um­ gewandelt. Bereits im Jahr 2000 ergab sich erneut eine wesentliche Strukturreform. Das städtische Krankenhaus Furtwangen wurde in die Kreiskrankenhaus GmbH aufgenom­ men. Am 17. Juli 2000 ist diese wesentliche Veränderung in der Struktur der stationären Krankenversorgung zum Wohl der Patien­ ten erfolgt. Weitere Schwerpunkte der Kreispolitik wa­ ren auch in diesem Berichtszeitraum der öf- Kreispolitik 2000 fentliche Personennahverkehr, der soziale Bereich und die Abfallwirtschaft. Die Kontakte haben sich gefestigt Gut entwickelt hat sich im Berichtszeit­ raum die Partnerschaft mit unserem ungari­ schen Partnerschafts-Komitat Bacs-Kiskun. Die Kontakte haben sich so gefestigt, daß es zu einer Vielzahl von Begegnungen auf verschiedenen Ebenen kam, ohne daß dies besonders in Erscheinung tritt. Der im November des Jahres 1999 gegrün­ dete deutsch-ungarische Freundeskreis ist sehr rührig und hat bereits viele Verbindun­ gen ins Komitat Bacs-Kiskun geknüpft. Nach einer „Erkundungsfahrt“ des Vorstan­ des fand im September 2000 eine Informa­ tionsfahrt der Mitglieder in unser Partner­ schaftskomitat statt (siehe auch Seite 37), was maßgeblich zur Vertiefung der Bezie­ hungen beigetragen hat. Besonders erfreulich ist, daß die Stadt Blumberg eine offizielle Partnerschaft mit der Stadt Kunszentmiklos im Komitat Bacs­ Kiskun anstrebt. Es gibt bereits einige Ge­ meinden im Schwarzwald-Baar-Kreis, die Den Architektenwettbewerb des Landkreises zur Sanierung und Erweiterung der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe hat das Architekturbüro Melder und Binkert aus Freiburg mit dem hier ab­ gebildeten Entwurf gewonnen. 9

Aus dem Kreisgescbehen Der 2, 6 Millionen Mark teure Neubau des Schul­ kindergartens für geistig Behinderte in Donau­ eschingen-Aufen konnte innerhalb nur eines Jah­ res fertiggestellt und im April 2000 eingeweiht werden. Rechts: Die Leiterin der Einrichtung, Cornelia Greif, bei der Schlüsselübergabe durch Landrat Karl Heim mit Architekt Hans-Günther Baisch. lnAufen wurden 480m2 Nutzfläche ge­ schaffen. Partnerschaften mit ungarischen Gemein­ den haben, Blumberg ist damit aber die er­ ste Gemeinde, die eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in unserem Partnerschafts­ komitat eingeht. Ein „Highlight“ war der Auftritt der unga­ rischen Trachtengruppe „Kurazsi Tancmu­ hely“ aus der Komitatshauptstadt Kecs­ kemet beim Schonacher Gau-Trachtentref­ fen. Über 1 000 Menschen waren vom tän­ zerischen Können und dem Temperament der 23 Tänzerinnen und Tänzer begeistert. Ein bemerkenswertes Zeichen der Solida­ rität mit unseren ungarischen Freunden setzte der Kreistag mit seinem Beschluß, der Bevölkerung in den Überschwemmungsge­ bieten der Theis zu helfen. Die Theis ist die östliche Grenze des Komitats Bacs-Kiskun. In diesem Gebiet kam es Anfang des Jahres 2000 mehrfach zu Hochwasser-Katastro­ phen. Auf ein Hilfeersuchen des Präsiden­ ten des Komitats Bacs-Kiskun beschloß der Kreistag für 100 000 DM Bauholz in die Überschwemmungsgebiete zu liefern. Diese Hilfe wurde von den Ungarn mit großer Dankbarkeit angenommen. Nicht nur zum Komitat Bacs-Kiskun pflegt der Schwarzwald-Baar-Kreis grenz­ überschreitende Beziehungen, sondern auch zum Kanton Schaffhausen. Neben guten persönlichen Kontakten gibt es auch ganz konkrete Formen grenzüberschreitender Zu­ sammenarbeit. Nach der Einführung des Randenbusses, einer direkten Busverbin­ dung zwischen Gemeinden im Schwarz­ wald-Baar-Kreis und Schaffhausen konnte 10

im Juli 2000 der grenzüberschreitende In­ dustrie-Kultur-Pfad, kurz GRIP, seiner Be­ stimmung übergeben werden. Fluglärm bewegt die Gemüter Ein grenzüberschreitendes Thema ganz anderer Art ist der Fluglärm, der die Gemü­ ter im Schwarzwald-Baar-Kreis seit dem 18. Mai 2000 ganz erheblich bewegt. Was ist geschehen? Der Züricher Flughafen hat sein Betriebs­ reglement so gestaltet, daß 90 0/o aller An­ flüge über süddeutsches Gebiet erfolgen. Die Gemeinden am Hochrhein, die davon in besonderer Weise betroffen sind, beklagen sich schon seit Jahren darüber. Aufgrund dieser Proteste hat die Bundesregierung Ende Mai 2000 den Staatsvertrag mit der Schweiz über die Mitbenutzung des deut­ schen Luftraums gekündigt mit dem Ziel, die Flugbewegungen vom und zum Flugha- Kreispolitik 2000 fen Zürich auf deutschem Gebiet zu be­ grenzen. Der Schwarzwald-Baar-Kreis war bis Mitte Mai von dieser Situation nur am Rande be­ troffen. Am 18. Mai 2000 ist aber eine Neu­ ordnung des deutschen Flugverkehrs in Kraft getreten. Danach ist über dem Schwarzwald­ Baar-Kreis eine Anflugroute für den Flugha­ fen Zürich eingerichtet worden, mit einem Koordinationspunkt (RILAX) und einem Warteraum über Donaueschingen. Seitdem reißen die Beschwerden vieler Bürger über Belästigungen durch Fluglärm nicht ab. Ins­ besondere wird der Warteraum, in dem sich die Flugzeuge aufhalten, bis sie für Zürich Landeerlaubnis erhalten, intensiv genutzt. Die Kreisverwaltung nimmt die Beschwerden sehr ernst und bemüht sich auf allen politi­ schen Ebenen eine Verbesserung zu errei­ chen. Karl Heim Der Fluglärm erregt die Gemüter. Die Bild-Collage zeigt eine Passagiermaschine im „Tiefflug“ über dem Donaueschinger Rathaus und stammt von Fotografin Hanne Gössl. 11

Aus dem Kreisgeschehen Der Müll ist ein heiß begehrtes Wirtschaftsgut Im Konsens mit dem Gewerbe soll die Deponie Hüfingen verfüllt werden Ab Juni 2005 wird der Restmüll des Land- kreises im Müllheiz­ kraftwerk Göppingen verbrannt. Dennoch gibt es in der Abfall- wirtschaft weiterhin viel zu tun. Läßt man die kreispolitischen Themen der letzten Jahrzehnte Revue passieren, stand unbestritten die Abfallwirtschaft stets als ei­ ner der zentralen Punkte im Blickfeld der Öffentlichkeit. Hat doch nahezu jeder Bür­ ger neben der Kraftfahrzeugzulassung, dem Führerscheinwesen und dem Baurecht über die Entsorgung seines Abfalls den unmittel­ baren „Kontakt“ zum Landrats- amt. Während in den zuerst genannten Bereichen die Ent­ scheidungen allerdings staatli­ cherseits von Bund und Land vorgegeben sind, besitzt der Landkreis in der Organisation der Abfallentsorgung doch ein gehöriges Maß an Entschei­ dungsfreiheit: Wie sollen die Abfälle eingesammelt werden, für welche gilt das „Hol- oder Bringsystem“ (die Müllabfuhr, Wertstoffsammelstellen, De­ potcontainer), wo werden die Abfälle mit welchen Kosten verwertet oder beseitigt, welche Techniken werden dabei eingesetzt, welche Gebühren werden dem Bürger in Rechnung gestellt? Alles Fragen, die die von den Kreisbürgern gewählten Kreisräte zu entscheiden haben und die – das haben die vergangenen Jahre gezeigt- doch einiges an lokaler Brisanz beinhalten. Im Juli vergangenen Jahres wurde dazu mit der Entscheidung des Kreistages zur Rest­ müllverbrennung ab dem l. Juni 2005 im Müllheizkraftwerk Göppingen die letzte große Weichenstellung in der Abfallwirt­ schaft des Landkreises vorgenommen. Viele – auch Kreisräte – folgerten hieraus, daß es nunmehr kreispolitisch in der Ab­ fallwirtschafi: ,,nicht mehr viel zu tun“ gäbe. Ein Trugschluß, wie zeigt hat: In der Fortschreibung des Abfall­ wirtschaftskonzepts sowie einer Strategie­ studie für die kommenden Jahre hat die Ver­ waltung dem zuständigen Ausschuß und dem Kreistag aufgezeigt, wo die Schwer­ punkte unseres abfallwirtschafi:lichen Han­ delns liegen sollten und welche offenen Fra­ gen in den nächsten Jahren beantwortet wer- den müssen. Dabei müssen zwei zeitliche Szenarien unter­ schieden werden: Was soll bis zum Jahre 2005 geschehen und wie sieht die Abfallwirtschaft nach Beginn der thermischen Behandlung des Restmülls im Jahre 2005 aus? Bis zum Jahre 2005 besteht das Problem, daß auf der Basis der abschätzbaren Müllmengen die Deponie in Hüfingen mit ihrem derzeitig erschlossenen Bauabschnitt nicht verfüllt (ge­ füllt und geschlossen) sein wird. Zirka 60 000 m3 werden trotz einer jährlichen Ver­ füllung mit rund 20 000 m3 noch offen sein. Mit Beginn der thermischen Behandlung aber werden im Kreis voraussichtlich nur 5 000 t mineralische Abfälle zu deponieren sein, die aus wirtschaftlichen Gründen ein Offenhalten der Deponie nicht mehr recht­ fertigen. Eine Überlegung geht nun dahin, dieses offene Volumen bis zum Jahre 2005 durch Mehranlieferungen aus dem gewerb­ lichen Bereich zu verfüllen und so die jähr­ lichen Betriebskosten der Deponie von rund DM 4 Millionen im Interesse der Gebüh­ renstabilität auf mehr Schultern zu vertei­ len. Tatsache ist nämlich, daß auch im Schwarzwald-Baar-Kreis seit einigen Jahren das abgelaufene Berichtsjahr ge- l�l die Müllanlieferungen aus dem gewerblichen Bereich deutlich zurückgegangen sind und zwar 12 WENIGER MÜLL SCHWARZWALD·BAAR·KREIS

Kreispolitik 2000 von 60 000 t im Jahre 1990 auf nunmehr 16 000 t im Jahre 1999. Die Ursachen hier­ für sind vielfältig: Während sicherlich viele Betriebe im Laufe dieser zehn Jahre echte Müllvermeidung und Müllverwertung be­ trieben haben, gibt es doch eine Vielzahl von Gewerbebetrieben, die sich mit den neuen rechtlichen Möglichkeiten des Wirt­ schaftskreislauf- und Abfallgesetzes für ihre Abfälle billigere Wege als den auf die Kreis­ mülldeponie suchen und über „clevere“ Müllmakler auch finden – zum Schaden der privaten Gebührenzahler, die die Fixkosten abfallwirtschaftlicher Einrichtungen – dies sind rund 80 0/o der Kosten – nunmehr weit­ gehend alleine zu bezahlen haben. Eine Entwicklung, die in anderen Landkreisen – vor allem solchen mit weitaus höheren De­ poniegebühren als im Schwarzwald-Baar­ Kreis – noch drastischer auftritt. Ausfluß dieser Tatsache sind die jüngst landauf und landab geführten Diskussionen um die Ein­ führung einer Gewerbemüllgrundgebühr (fixe Müllgebühren für Gewerbe unabhän­ gig von der Inanspruchnahme abfallwirt­ schaftlicher Einrichtungen). Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis will hier einen anderen Weg gehen. Im Konsens mit dem Gewerbe – statt mit weitgehend fruchtlosen ordnungsbe­ hördlichen Maßnahmen – soll die Verfül­ lung der Deponie Hüfingen erreicht wer­ den. Für die wenigen nach dem Jahr 2005 noch anfallenden mineralischen Abfälle steht dann in der Region noch genügend Deponievolumen bereit. Im Notfall kann aber auch die Deponie Hüfingen mit gerin­ gen Aufwendungen für diese Art von Abfäl­ len problemlos erweitert werden. Mülbnengen gehen drastisch zurück Aus dieser derzeitigen Diskussion ist er­ sichtlich, daß in den letzten vier bis fünfJah­ ren ein Paradigmen-Wechsel in der Abfall­ wirtschaft stattgefunden hat: Waren zu Be­ ginn der 90er Jahre noch Horrorszenarien Die Abfallwirtschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis bleibt weiterhin ein großes Aufgabengebiet. Zu sehen ist die Holzverwertung in VS-Schwenningen. 13

Aus dem Kreisgeschehen über drohenden Müllnotstand (wegen feh­ lender Entsorgungskapazitäten) an der Ta­ gesordnung, wird jetzt wegen der drastisch zurückgehenden Müllmengen und im In­ teresse stabiler Gebühren sozusagen jedes Kilogramm Müll von den Landkreisen ge­ sucht und eingesammelt. Der Müll ist mitt­ lerweile zu einem heiß begehrten Wirt­ schaftsgut geworden! Ein weiteres Anliegen des Kreises bis zum Jahre 2005 ist die wirtschaftliche Überprü­ fung der Abfallverwertungsmaßnahmen. Diese betragen mit rund 10 Mio. immerhin 40 0/o der gesamten Kosten der Abfallwirt­ schaft im Landkreis. Ein Kostenvergleich mit den 10 Kreisen im Regierungsbezirk Freiburg hat ergeben, daß der Schwarzwald­ Baar-Kreis mit DM 126/EW zwar an der Spitze der Kostengünstigsten steht, jedoch im Teilbereich der Verwertung mit DM 51/EW den Durchschnitt von DM 42/EW deutlich übersteigt. Dies liegt zum einen an der getrennten Biomüllerfassung, der relativ teuren Grüngutentsorgung, der ungünstigen Papierverwertung, zum andern aber auch an dem komfortablen – aber teuren – Netz von 23 Wertstoffsammelstellen im Landkreis. Soweit rechtlich und nach der Vertragslage möglich, müssen hier Einsparpotentiale er­ schlossen werden, ohne allerdings ökologi­ sche- und Bürgerinteressen unvertretbar ein­ zuschränken. Ab dem Jahr 2005 beginnt für die Abfall­ wirtschaft generell eine neue Zeitrechnung. Das über Jahrzehnte hinweg bekannte Bild aktiver Mülldeponien gehört dann der Ver­ gangenheit an. Der Restmüll wird thermisch behandelt (verbrannt), die Schlacke wird in Form von Untertageversatz im Bergbau oder als Material im Straßenbau verwertet. Allerdings wird dies nur zu höheren Besei­ tigungskosten (ca. DM 280/t) als früher auf der Deponie (ca. DM 200/t) zu realisieren sein. Unsere Überlegungen gehen nun da­ hin, die thermisch zu behandelnde Rest­ müllmenge deutlich zu reduzieren, um so Kosten zu sparen. Möglichkeiten dazu bie­ tet eine Vorbehandlungsanlage. Die näch- Im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es ein Netz von 23 Wertstojfsammelstellen,für den Biirger ist das kom­ fortabel, der Betrieb aber ist teuer. Unser Bild entstand in der Wertstqffsammelstelle in Donaueschingen. 14

Kreispolitik 2000 sten Jahre und die im Interesse eines regio­ nalen Abfall- und Deponiekonzepts gebote­ nen Gespräche mit den Nach­ barlandkreisen werden zeigen, ob hier wirtschaftliche Lösun­ gen gefunden werden können. Oberster Grundsatz muß dabei neben einer ökologisch orien­ tierten Abfallwirtschaft sein, die Müllgebühren für die Kreisbür­ ger so nieder wie nur möglich zu halten. All dies sind Überlegungen, die zeigen, daß nach wie vor in der Abfallwirtschaft ein großer kreispolitischer Handlungsbedarf besteht. Die Abfallwirtschaft ist deshalb mit Sicher­ heit kein „Auslaufmodell“ in der Kreispoli­ tik. In der Abfallwirtschaft besteht nach wie vor ein großer kreispoliti­ scher Handlungsbe­ darf – die Abfallwirt- schaft ist deshalb si- eher auch in Zukunft kein Auslaufmodell. von uns mit der Entsorgung beauftragte Fir­ ma mit ihrem ökologisch und ökonomisch überzeugenden Konzept der Vergärung im Rechtsstreit ge­ gen die Gemeinde Deißlingen in erster Instanz obsiegt hatte, ist das Verfahren nun mehr beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim anhängig. Die­ ser wird hoffentlich noch in diesem Jahr abschließend ent­ scheiden. Bis dahin und bis zu einem eventuellen Bau der Anlage wird der Biomüll in ei- ner Vergärungsanlage in Frei­ burg und Anlagen in Thüringen zu Kompost verarbeitet. Erfreulich lief Ende des vergangenen Jah­ res und zu Beginn des neuen Jahres die Ein­ führung der Papiertonne in verschiedenen Gemeinden des Landkreises ab. Ohne grö­ ßere Reibungsverluste wurden Donau­ eschingen im November 1999, Hüfingen im Dezember und die Gemeinden Villingen­ Schwenningen, Bad Dürrheim, Königsfeld und Furtwangen im Frühjahr diesen Jahres mit den Papiertonnen ausgestattet. Zusatz­ kosten fielen für die Bürger nicht an. Auf­ grund der hohen Akzeptanz, die durch flan­ kierende Maßnahmen des Landratsamtes begleitet wurde, lehnten nur 10 0/o der Bür­ ger die gesonderte Tonne ab. Ein positiver und mit der Einführung beabsichtigter Ef­ fekt trat bereits nach wenigen Wochen ein: Der wilde Müll rund um die Container ging drastisch zurück! So ist die Einführung der Papiertonne auch ein abfallwirtschaftlicher Beitrag zur Sauberkeit unserer Städte und Gemeinden. Probleme mit Biomüllverwertung Weniger erfreulich verlief die beinahe schon unendliche Geschichte um die regionale Ver­ wertung unseres Biomülls. Nachdem die Sorgen bereitete uns auch die mittlerweile stillgelegte Deponie Tuningen, fiel hier doch exorbitant mehr Sickerwasser (ca. 93 000 m3) an, als die neue Reinigungsanlage verarbeiten kann (rund 68 000 m3). Mit einem Kosten­ aufwand von über DM 700 000 wird mittels einer verbesserten Ableitung des Ober­ flächenwassers hier nunmehr Abhilfe ge­ schaffen. Erste Erfolge sind bereits sichtbar. Naturschutz gewinnt an Bedeutung Das Thema Naturschutz, es wurde lange Jahre von der die Kreispolitik beherrschen­ den Abfallwirtschaft etwas in den Hinter­ grund gedrängt, gewinnt augenfällig immer mehr an politischer Bedeutung. Verantwort­ lich dafür waren im abgelaufenen Berichts­ jahr vor allem zwei Projekte: Zum einen die Weiterentwicklung des Naturparks Süd­ schwarzwald und zum anderen das in allen Kreisgemeinden heftig diskutierte EU­ Schutzprogramm „Natura 2000″, bestehend aus der europarechtlichen Flora-Fauna-Ha­ bitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtli- 01e. Nach der Gründung des Trägervereins zum 1. Februar 1999 existiert nunmehr mit Erlaß der dafür notwendigen Rechtsverord­ nung des Regierungspräsidiums Freiburg 15

A u s d e m K r e is g e s c h e h e n vom 8. März 2000 der N aturpark auch offi­ ziell. Entgegen den ersten Planungen wurde die Gebietskulisse im Schwarzwald-Baar- JCreis deutlich nach D sten ausgeweitet. Das Naturparkgebiet umfaßt jetzt 15 der 20 Kreis­ gemeinden ganz oder teilweise. Mit rund 655 km2 liegen fast zwei Drittel der gesamten „Kreisfläche im Naturpark und mehr als die Hälfte der Kreisbevölkerung lebt seit März ■diesen Jahres im Naturpark Südschwarzwald eine Tatsache, die vielen noch gar nicht be­ kannt ist. Damit stellt der Schwarzwald-Baar- Kreis am gesamten Naturpark, der sich von _ßad Säckingen im Süden bis nach Elzach und Freiamt im Norden sowie von Kandern und Freiburg im Westen bis nach Villingen und Hüfingen im Dsten erstreckt, einen Flächen- „anteil von rund 20 % und einen Bevölke­ rungsanteil von m ehr als einem Drittel. ^ N eben der Realisierung der bereits 1999 beschlossenen Förderm aßnahm en im Kreis­ gebiet war das abgelaufene Berichtsjahr ge­ prägt von einer erstaunlichen Dynamik der Jpei der Erstellung der N aturparkkonzeption unm ittelbar beteiligten Bürgerschaft. An so­ genannten „Runden Tischen“, einem „Dffe­ nem Forum “ und themenspezifischen Ar­ beitsgruppen, beteiligten sich über 400 Per­ sonen aus verschiedensten Lebensbereichen wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gastro­ nomie, Sport, Tourismus, Naturschutz, Hand- ^werk, Einzelhandel, Architektur, Kunst, Bil­ dung und Verkehr an der Erarbeitung von Leitbildern und Leitthemen zu den Berei­ chen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, N atur­ s c h u tz , Tourismus un d Siedlungsentwick­ lung. Ziel war dabei stets, das Naturparkge­ biet au f der Basis der in ihm vorhandenen Potentiale zu einer „vorbildlichen Erho­ lungslandschaft“ weiterzuentwickeln. Weit über 100 Projektvorschläge wurden in den Arbeitsgruppen zur Erreichung dieses Ziels erarbeitet. Eine Entwicklung, die den bundesweit einmaligen Ansatz einer Natur- „“parkkonzeption nach dem M otto des „but- tom u p “ (i. e. „von unten nach oben“) do­ kumentiert. Es gilt jetzt, diesen Elan der re­ 16 gionalen Akteure zu bewahren. Das Enga­ gem ent dieser Bürgerinnen und Bürger darf nach Beendigung der konzeptionellen Ar­ beiten der Gutachter im Juli 2000 nicht „in ein Loch fallen“. M it dem Ausschluß von Projekten zur Direkt- und Regionalvermark­ tung landwirtschaftlicher Produkte im Rah­ men der Naturparkförderung und dem H in ­ weis auf eine dafür bereits existierende (al­ lerdings niedrigere) Fachförderung wurde im Frühjahr diesenjahres bereits viel Porzel­ lan bei den regionalen Akteuren zerschla­ gen. Dieses gilt es jetzt durch entsprechende Signale des Naturparks wieder zu kitten. Je­ denfalls bedarf das noch „zarte Pflänzchen“ Naturpark Südschwarzwald der dauernden Hege und Pflege aller. Einen Naturpark, der sich auf die Geldverteilung für die M öblie­ rung der Landschaft und au f ordnungspoli­ tischen Eingriffsnaturschutz beschränkt, wollen wir nicht! Es geht um die Weiterent­ wicklung des Südschwarzwaldes zu einer „vorbildlichen Erholungslandschaft“ nach dem M otto: Schutz durch Nutzung. Diskussionen über den Naturpark Dies leitet über zu einigen Anmerkungen meinerseits zu den durchaus kritischen U n ­ tertönen des Beitrags von W olf Hockenjos zum Naturparkprojekt an anderer Stelle die­ ses Almanach (s. Seite 261): Herr Hockenjos ist zugegeben, daß die Rechtsverordnung das Ergebnis einer langen und schwierigen Diskussion mit allen Beteiligten war: M it dem Naturschutz, der Landwirtschaft, den K om m unen und den Naturschutzver­ bänden. Am Ende stand ein K ompromiß, der – so meine ich – aber zu Recht den klas­ sischen N aturschutz im Sinne einer ord­ nungsbehördlichen Reglementierung in den Hintergrund stellt. Zum einen ist dies eben nicht die primäre Aufgabe eines Naturparks, zum anderen hätte au f jener Schiene mit den K om m unen un d der Landwirtschaft kein Konsens erzielt werden können. Die Alternative wäre ein Scheitern des gesamten

Kreispolitik 2000 Mitten im Naturpark Südschwarzwald – das Gewann Martinskapelle in Furtwangen. Projekts gewesen. Vielleicht hätten damit ei­ nige Naturschützer, die jetzt die „Samtpföt­ chen“ und das „allen Wohl und keinem Weh“ beklagen, noch leben können. Eine Entwicklungschance vor allem für unsere Schwarzwaldbauern, die letztlich für das na­ turschützerische und touristische Kapital – nämlich unsere traditionelle Kulturland­ schaft im Schwarzwald – Verantwortung tra­ ger., wäre damit aber vertan gewesen. Ord­ nungsrechtliche Reglementierungen gewähr­ leisten nunmal auf Dauer keine Offenhal­ tung unserer Landschaft. Wer sollte dies tun – wenn nicht lebensfähige landwirtschaftli­ che Betriebe? Diesen müssen wir über Di­ rekt- und Regionalvermarktung sowie über Einkommensquellen aus dem Tourismus Perspektiven geben. Dazu kann uns der Na­ turpark verhelfen. Und die „Narrenfreiheit“ für Ortsbaumeister (Zitat Hockenjos) hat es auch vor der Existenz der Naturparkverord­ nung noch nie gegeben. Bei aller zum Teil auch durchaus berechtig­ ten Kritik am Naturpark – ich selbst sehe vieles sehr kritisch, was Organisation und Förderpolitik anbelangt – der Naturpark ist eine Chance, die wir gemeinsam wahrneh­ men und nicht kaputt reden sollten! ,,Natura 2000″ erregt die Gemüter Für allerdings weniger positive Schlagzei­ len als der Naturpark sorgte im Frühjahr die­ sen Jahres das T hema „Natura 2000″: In ei­ nem Hau-Ruck-Verfahren von nur zwei Mo­ naten sollten die Gemeinden zu der vom Land vorgeschlagenen Schutzgebietskulisse Stellung nehmen. Vier Aspekte waren dabei besonders ärgerlich: Zum einen der Zeit­ druck. Aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben sollten Gebiete, die unter die FFH-Richtli­ nie fallen, bereits 1995 nach Brüssel gemel­ det sein. Da der Bund diese Richtlinien al­ lerdings erst 1998 in nationales Recht um­ setzte, begannen die Arbeiten erst ab diesem Zeitpunkt. Hinzu kommt eine mittlerweile gegen Deutschland anhängige Klage der EU-Kommission wegen „Nichterfüllung“ 17

Aus dem Kreisgeschehen dieser Pflichten – ein Bußgeld von DM 1,5 Millionen pro Tag und die Sperrung von weiteren EU-Geldern droht. Deshalb dieser Zeitdruck. Zweites Ärgernis war, daß die vom Land er­ arbeitete Gebietskulisse weder inhaltlich noch kartographisch, das heißt, parzellen­ scharf, abgegrenzt war. ,,Kreise in der Land­ schaft“ halfen bei der Frage der Betroffenen, liegt mein Grundstück im Schutzgebiet oder nicht, nicht weiter. Unklar war und ist im­ mer noch, wo innerhalb des vorgeschla­ genen Gebietes, welcher Lebensraum und welche Tier- und Pflanzenart vorkommt. Drittes Ärgernis war, daß keine klare Rege­ lung darüber existiert, welche konkrete Be­ schränkungen der jeweilige Grundstücksei­ gentümer zu erwarten hat. Solche wichtigen Fragen mußten auf das erst später erfolgen­ de Verfahren der Unterschutzstellung – ins­ besondere des Vertragsnaturschutzes mit den Land- und Forstwirten – verwiesen wer­ den – ein wenif$ vertrauenerweckendes Vor­ gehen! Viertes Argernis: Nach den Vorgaben des Landes und der EU waren die Gemein- den bei ihren Stellungnahmen beschränkt auf kartographische Unrichtigkeiten, beste­ hende Bebauungspläne in den vorgeschla­ genen Gebieten oder naturschutzfragliche Einwendungen. Eine politische Abwägung, etwa im Hinblick auf die gemeindliche Ent­ wicklung, mußte als „nicht plausibel“ einge­ stuft werden – ein Vorgehen, daß manchem Bürgermeister und Gemeinderat zu Recht die Zornesröte ins Gesicht trieb. Letztlich aber, so ein vorläufiges Fazit, dürfte der Schwarzwald-Baar-Kreis mit einem blauen Auge davon gekommen sein: Viele der vor­ gesehenen Flächen sind bereits als Natur­ oder Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen bzw. stehen schon unter Vertragsnatur­ schutz. Für die verbleibenden Flächen steht die Politik im Wort, Beschränkungen nur gegen einen finanziellen Ausgleich aufzuer­ legen. Eng mit dem Naturschutz zusammen hängt die im letztjährigen Almanach ange­ sprochene Problematik der W indkraftanla­ gen. Mit dem Bundesgesetz zur Förderung regenerativer Energien ist dieses heiß um- Der Naturpark schützt die traditionelle Kulturlandschaji des Schwarzwaldes. Hier ein Blick vom Kessel­ berg bei Oberkimach aus. 18

Immer mehr Anträge für den Bau von Windkraftanlagen werden gestellt – die Anlagen sollen eine Höhe von bis zu 130 Metern besitzen. strittene T hema brisanter denn je. Immer mehr Anträge auf bau- und naturschutz­ rechtliche Genehmigung von Windkraftan­ lagen, die bis zu 130 m hoch sein sollen, werden gestellt. Mittlerweile existieren m der Rechtsprechung des Ver­ waltungsgerichtshofs Mann­ heim zwei divergierende Mei­ nungen: Nachdem der Fünfte Senat in den Fällen der Ge­ meinde Gütenbach den Wind­ kraftbetreibern Recht gegeben hatte, entschied der Achte Se­ nat zu einem Fall auf der Schwäbischen Alb, daß die Zu­ lassung von Windkraftanlagen in einer „landschaftlich beson- ders reizvollen Lage“ durchaus abgelehnt werden könne. Mit dieser neuen Entschei­ dung werden die jetzt bei uns anhängigen landschaftlich „kritischen“ Verfahren ver­ mutlich in eine neue Runde der gerichtli­ chen Auseinandersetzung gehen. Orkantief ,,Lothar“ und seine Folgen Am 26. Dezember 1999 hinterließ der Or­ kan „Lothar“ seine verheerenden Spuren auch im Schwarzwald-Baar-Kreis: Fast 700 000 Festmeter Sturmholz fegte der Orkan mit ei­ ner Windgeschwindigkeit von über 200 km/h im Landkreis um. Am stärksten be­ troffen waren – abgesehen davon, daß der Schwarzwald-Baar-Kreis etwa im Vergleich mit dem Ortenaukreis noch „glimpflich“ da­ von kam – die Forstamtsbereiche Donau­ eschingen, Villingen-Schwenningen und Furtwangen. Bis zu zehn reguläre Jahreshie­ be wurden durch „Lothar“ auf einen Schlag gefällt. Der Schaden für die Waldbesitzer im Schwarzwald-Baar-Kreis dürfte nach vorläu­ figen Schätzungen in zweistelliger Millio­ nenhöhe liegen. In geradezu bewundernswerter Weise gin­ gen die Waldbesitzer unmittelbar im Januar an die Aufarbeitung des Sturmholzes. Eile tat Not, da ohne sachgerechte Aufarbeitung Kreispolitik 2000 im Frühjahr und Sommer weiteres Unge­ mach in Gestalt des Borkenkäferbefalls drohte. Ein schon bei den Stürmen „Wieb­ ke“ und „Vivian“ 1990 erprobtes Gegenmit­ tel war die sogenannte Naßkonservierung, das heißt die Beregnung der gelagerten Stämme mit Bach­ wasser. In hervorragender Zu­ sammenarbeit zwischen allen Beteiligten gelang es dem Landratsamt innerhalb weni­ ger Wochen, 27 Naßlagerplät­ ze mit einer Kapazität von ca. 220 000 Festmeter Holz zu ge­ nehmigen. Dadurch ist es vor allem im Hinblick auf den Holzmarktpreis möglich, das Sturmholz bis zu fünfJahre ohne �alitäts­ einbußen durch Insekten oder Pilzbefall zu lagern. Chemische Behandlungsmethoden können so vermieden werden. Trotzdem – der Orkan „Lothar“ wird noch über viele Jahre und Jahrzehnte in unseren Wäldern und den Bilanzen unserer Waldbesitzer sichtbar sein. Die finanziellen Hilfen des Staates können dabei nur den geringsten Teil der Schäden kompensieren. Ökologisch gesehen bietet sich jetzt allerdings bei der Wiederaufforstung die einmalige Chance zur Realisierung standortgerechter und ro­ buster Mischwälder. Hochwasserschutz dringend erforderlich Aber nicht nur durch den Orkan am 2. Weihnachtsfeiertag 1999 haben wir die Auswirkungen von Naturgewalten wieder einmal erfahren. Latent und sich immer wie­ der gefährlich zuspitzend sind die Hoch­ wassergefahren, vor allem im westlichen und südlichen Kreisgebiet. Seit dem verhee­ renden Hochwasser im Februar 1990, das Millionen an Sachschäden allein im Schwarz­ wald-Baar-Kreis verursachte, ist die Not­ wendigkeit eines Hochwasserrückhalte­ raums vor allem im Bregtal unbestritten. Im Rahmen des vom Land 1992 beschlossenen 19

Aus dem Kreisgeschehen Umweltkatastrophen wie der Orkan „Lothar“ oder immer verheerendere Hochwasser beschdji.igen auch die Kreispolitik nachhaltig. Oben ein kahlgefegter Hang bei Hammereisenbach, unten ein Blick in den „Stau­ raum „des künfligen Hochwasserrückhaltebeckens bei Wolterdingen. 20

Kreispolitik 2000 integrierten Donauprogramms sind eine V ielzahl hochwasserschützender und öko­ logisch sinnvoller Maßnahmen (deshalb „integriertes“ Programm) vorgesehen und zum Teil schon realisiert worden. Ein zen­ traler Punkt ist jedoch noch of- fen: der Bau eines Hochwas­ serrückhaltebeckens bei Do­ naueschingen-Wolterdingen. Hier ist in der Nähe des Sport­ platzes die Errichtung eines über 400 m langen und 15 m hohen Dammes vorgesehen. Im Hochwasserfall könnten so bei einer Einstaufläche, die bis zur Ruine Zindelstein reicht und rund 66 ha aufweist, rund 3,4 Millionen m3 Hochwasser zurückgehalten werden – eine Entlastung der Donau, die sich bis nach Riedlingen spürbar auswirkt. Ein Hochwasserrück- haltebecken bei Wo!- terdingen würde sich als Entlastung der Do- nau bis Riedlingen spürbar auswirken, es könnte rund 3,4 Mil- lionen Kubikmeter Wasser aufnehmen. Die Kosten für dieses Großprojekt sind mit rund DM 30 Millionen veranschlagt. Da damit auch zwangsläufig erhebliche Ein­ griffe in Natur und Landschaft verbunden sind, bedurfte es einer umfassenden raum­ ordnerischen Beurteilung des Vorhabens. Diese konnte nach mehrjährigen vorberei­ tenden Untersuchungen im November 1999 seitens des Regierungspräsidiums Freiburg positiv abgeschlossen werden. Derzeit wird parallel zu den Gesprächen über eine ge­ rechte Verteilung der Kosten zwischen dem Land, das 70 0/o übernimmt, und den Anlie­ gergemeinden der Donau, denen dieser Schutz zugute kommt, die weitere Geneh­ migungsplanung und Umweltverträglich­ keitsprüfung vorangetrieben. Bei einer zügi­ gen Durchführung des Verfahrens, der sich alle Beteiligten verpflichtet fühlen, kann im Jahre 2004 mit dem Bau des Beckens be­ gonnen werden. Bilanz des Gesundheitsschutzes die begonnene Gesundheitsberichterstat­ tung durch das Gesundheitsamt – seit 199 5 in das Landratsamt eingegliedert – fortge­ setzt. Neben der Dokumentation der Viel­ zahl gesundheitsfördernder Maßnahmen durch das Gesundheitsamt er­ folgte auch eine Bilanz des Ge­ sundheitsschutzes im Land­ kreis. Hier fiel insbesondere die deutliche Zunahme von Tuberkulose-Neuerkrankungen auf – bereits ein Trend vergan­ gener Jahre, in dem sich die Mobilität unserer Bevölkerung in alle Länder der Welt, aber auch der Zuzug gefährdeter Personen aus problematischen Herkunftsregionen hierher wi- derspiegelt. Schwerpunkt der Berichterstattung war eine im Gesundheitsamt durchgeführte Untersu­ chung nach den Ursachen der Frühpensio­ nierung von Lehrern aus dem Kreisgebiet: Danach resultiert in über der Hälfte der Fäl­ le die Dienstunfähigkeit der Lehrer auf psy­ chischen Problemen, verursacht durch den Alltagsstreß an den Schulen. Diese Ursache liegt um den Faktor 2,4 höher als etwa bei der Frühberentung von Angestellten. Als Hauptursache dieser schulischen Belastungs­ faktoren kristallisierte sich in 44 0/o aller Fäl­ le „Probleme mit Schülern“ heraus. Mit deutlichem Abstand folgen „Arbeitsüberla­ stung“ sowie Probleme mit dem Schulleiter und Kollegen – ein Phänomen, das die uns allen bekannte gesellschaftliche Realität und den belastenden Alltag an unseren Schulen widerspiegelt. Neue pädagogische Konzepte und Schulsozialarbeit sind da dringend notwendiger denn je. Die Vielzahl der in diesem Beitrag nur an­ geschnittenen umweltpolitischen Fragestel­ lungen im Landkreis belegt: Umweltschutz ist auch im neuen Jahrtausend eine Dauer­ aufgabe mit höchstem Stellenwert! Neben diesen kreispolitischen Umweltthe- men wurde im Jahre 1999 auch konsequent Joachim Gwinner 21

Aus dem Kreisgeschehen Hilfe zur Selbsthilfe wesentlicher Grundsatz Die Sozialpolitik wendet sich zunehmend der gestaltenden Arbeit zu Der Schwarzwald-Baar-Kreis wendet sich in seiner Sozialpolitik zunehmend der agie­ renden und gestaltenden Arbeit zu. Der Landkreis trägt dafür Sorge, daß Planungs­ prozesse im sozialen Bereich in Gang kom­ men und diese seinen sozialpolitisd1en Ziel­ vorstellungen entsprechen. Im Rahmen der Sozialplanung des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses werden unterschiedliche soziale Lebens­ bereiche untersucht, Konzepte überprüft oder entwickelt. Einer der Schwerpunkte unserer Arbeit ist es, für ein umfassendes, gleichmäßiges und flächendeckendes Leistungsangebot an so­ zialen und erzieherischen Hilfen zu sorgen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis bestehen zahl­ reiche Institutionen und Dienste, die Hilfen auf den Gebieten der Jugend- und Famili­ enhilfe, der Sozialhilfe und des Gesund­ heitswesens anbieten. Um bei der Ausge­ staltung der Hilfen im Landkreis auch lang­ fristige Zielvorstellungen verwirklichen und entwickeln zu können, wurden nun Leitli­ nien zur Konzeption und Förderung sozia­ ler Dienste formuliert. Mit den Leitlinien werden künftig Bedarfsdefinitionen und Be­ darfsfeststellung konzeptionell und inhalt­ lich erfolgen. Dabei wurde berücksichtigt, daß die Menschen in einer Kommune nid1t Kunden oder Adressaten, sondern Akteure, also aktive Gestalter ihres Alltags und ihrer sozialen Räume sind und sein sollen. Hätte jede erkennbare Notlage unmittel­ bar einen Rechtsanspruch zur Folge, bräch­ te dies eine Überforderung des Gemeinwe­ sens und eine totale Abhängigkeit des Men­ schen von öffentlicher Hilfe mit sich. In­ itiativen und Selbsthilfen würden verküm­ mern. Wesentlicher Grundsatz der Leitsätze ist deshalb zunächst die Hilfe zur Selbsthil­ fe. Die Jugend- und Sozialarbeit wird um so 22 reicher sein, je mehr es gelingt, menschlich ausgeglichene, ideenreiche ehrenamtliche Kräfte zu gewinnen. Dabei ist aber stets zu bead1ten, daß ehrenamtlid1e die professio­ nelle Hilfe nicht ersetzen, aber ergänzen kann. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Fortschrei­ bung des 1991 beschlossenen Konzeptes zur außerklinischen Versorgung psychisch Er­ krankter und seelisch Behinderter. Der Landkreis hat das Konzept aktualisiert und den neuen Bestand und Bedarf an Angebo­ ten in der Teilplanung Psychiatrie detailliert beschrieben. Es ist erfreulich, daß die sozialpsychiatri­ sche Versorgung im Landkreis weitestge­ hend bedarfsgerecht ist. Insbesondere mit der Eröffnung des St.-Jakobus-Hauses, ei­ nem Wohnheim für psychisch Erkrankte in der Trägerschaft des Caritas-Verbandes Schwarzwald-Baar-Kreis, ist das Angebot an ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen abgerundet. In einem zwei­ ten Teil wird sich der Landkreis in seiner Psychiatrieplanung mit den spezifischen Le­ benslagen und Bedürfnissen besonderer Zielgruppen, vor allem der psychisch er­ krankter Kinder, Jugendlicher, Migranten und alter Menschen auseinandersetzen. Kreispflegeplanung wird fortgeschrieben Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Sozialplanung ist die Kreispflegeplanung. Nachdem das Land die neuen Bedarfseck­ werte aufgrund der Bevölkerungsentwick­ lung vorgelegt hat, wird der Landkreis im Laufe des Jahres 2000 die Kreispflegepla­ nung im stationären Bereich fortschreiben. Die im Kreispflegeplan berücksichtigten sta­ tionären Pflegeplätze sind als bedarfsgerecht

anerkannt und können demzufolge Investi­ tionskostenzuschüsse vom Land Baden-Würt­ temberg sowie vom Landkreis erhalten. Dar­ auf aufbauend soll die Kreispflegeplanung für den teilstationären und den ambulanten Teil erstellt werden. Neue Wege in der Verwaltung Nicht nur im Bereich der Sozialplanung, sondern auch im Bereich der Verwaltung werden neue Wege eingeschlagen. Der 1998 gegründete Arbeitskreis „Hilfe zur Arbeit“ wurde aktiviert und um den Aspekt der Ausbildung er­ gänzt. Gemeinsam mit Vertre­ tern von Institutionen, Behör­ den und Sozialpartnern wer­ den die Problembereiche der Sozial- und Jugendhilfe über­ greifend beraten und möglichst einer Lösung zugetragen. Be­ sondere Beachtung wird in nächster Zukunft benachteilig­ ten Jugendlichen zukommen, deren Berufschancen aufgrund der Entwicklung des Arbeits- marktes, der vorrangig einen Bedarf an Fach­ arbeitern hat, abnehmen. Im Bereich der Hilfen kommen Berufsorientierungsprojek­ te, Qialifizierungsmaßnahmen und sozial­ pädagogische Begleitung in Betracht. Damit im Landkreis neue Projekte und Möglichkeiten erprobt werden können, hat der Arbeitskreis „Hilfe zur Arbeit und Aus­ bildung“ beschlossen, daß zur finanziellen Unterstützung Mittel aus dem Europäi­ schen Sozialfonds beantragt werden sollen. Der Europäische Sozialfonds unterstützt ar­ beitsmarkt- und beschäftigungsrelevante Projekte. Benachteiligten jugendlichen wird in nächster Zukunft be- sondere Beachtung ge­ schenkt – ihre Chan- cen auf dem Arbeits- markt werden im Zuge der Q!ialifizierung ständig geringer. Kreispolitik 2000 samtpaket ist für Projekte geöffnet, die in­ haltlich und strukturell zu den von der Ar­ beitsgruppe für eine Förderung empfohle­ nen Projekten passen. Eine der Maßnah­ men, die der Landkreis selbst verwirklichen will, ist die Einstellung eines Jugendberufs­ helfers. Der Jugendberufshelfer wird benachteilig­ te Jugendliebe im Übergang Schule und Ausbildung unterstützen, Kontakte zu Be­ trieben herstellen und über eine Koordina­ tion geeignete Hilfe vermitteln. Einzigartig im Land Baden-Württemberg ist, daß der Jugendberufshelfer nicht an das Jugendamt, sondern an das Sozialamt angebunden wird. Durch die dort vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen im Sachgebiet „Hilfe zur Arbeit“ und die bestehenden Kontakte zu Unternehmen ist eine effi­ ziente Arbeitsweise und damit der Erfolg vorprogrammiert. Damit wird verwaltungsintern die Vernetzung zwischen Ju­ gendamt und Sozialamt vor- angetrieben, um möglichst frühzeitig ämterübergreifend auf Problemsi­ tuationen zu reagieren. Die Kenntnisse und Erfahrungen des Sachgebietes „Hilfe zur Ar­ beit“ sollen auch für diejenigen Jugendli­ chen genützt werden, die nicht in der So­ zialhilfe erfaßt sind, um eine spätere Ab­ hängigkeit von der Sozialhilfe möglichst zu verhindern. Die Verbindung mit den erfolg­ reichen Angeboten der Jugendselbsthilfeak­ tion der Sozialen Betreuungsstelle und der Schulsozialarbeit im Berufsvorbereitungs­ jahr verspricht eine umfassende und zielge­ richtete Hilfe bei unterschiedlichen Pro­ blembereichen. Der Arbeitskreis „Hilfe zur Arbeit“ und Ausbildung hat sich für ein Gesamtpaket ausgesprochen, das die Belange benachtei­ ligter Jugendlicher, die Wiedereingliederung von Frauen in den Beruf und Maßnahmen für Langzeitarbeitslose beinhaltet. Das Ge- Ziel des Sachgebietes „Hilfe zur Arbeit“ ist es, für den gesamten Schwarzwald-Baar­ Kreis ein ausreichendes, umfassendes und einheitliches Hilfeangebot für alle Sozial­ hilfeempfänger vorzuhalten, um sie im Rah­ men der Selbsthilfe zu unterstützen, ihre 23

Aus dem Kreisgeschehen Arbeitskraft einzusetzen. In den vergange­ nen Jahren ist es gelungen, weitestgehend al­ le Sozialhilfeempfänger, die keine oder leich­ te Einschränkungen aufweisen, zu vermitteln. Obwohl deshalb immer größere Anstren­ gungen unternommen werden müssen, bis Hilfeempfänger auf den ersten Arbeitsmarkt verwiesen werden können, wird der Erfolg im Jahre 2000 nicht unter den Erfolgen der Vorjahre liegen. Dies hat unter anderem sei­ nen Grund darin, daß inzwischen eine ziel­ gerichtete Hilfeplanung eingeführt wurde. In einem Beratungsgespräch wird gemein­ sam festgestellt, welche Gründe dazu füh­ ren, daß der Antragsteller keine Arbeit fin­ det oder aufnehmen kann und welche Hil­ feangebote erforderlich und geeignet sind. Über Motivationsgespräche und die Ver­ mittlung in �alifizierungsmaßnahmen werden große Erfolge erreicht. Besonders er­ freulich ist auch, daß Arbeitsabbrüche stark zurückgegangen sind. Es ist unter anderem ein Ausfluß des Erfolges der im Sachgebiet „Hilfe zur Arbeit“ geleisteten erfolgreichen Tätigkeit, daß die Sozialausgaben deutlich gesunken sind. Aber auch die Tätigkeit des Außendienst­ mitarbeiters hat zu einer Senkung der Sozi­ alhilfekosten beigetragen. Im Schwarzwald­ Baar-Kreis ist die Mißbrauchsquote gering, sie liegt unter 2 %. Dennoch führte die Tätigkeit des Außendienstmitarbeiters, der bei Verdachtsmomenten auf Mißbrauch vor Ort den tatsächlichen Bedarf abklärt, für den Zeitraum eines Jahres zu einer Gesamt­ einsparung von rund 275 000 DM. Dies ist um so bemerkenswerter, wenn beachtet wird, daß das Stadtgebiet Villingen-Schwen­ ningen nicht zum Einsatzgebiet gehört. Die Sozialkostenentwicklung des Jahres 1999 stellt sich erfreulich dar. Gegenüber den im Haushaltsplan veranschlagten 23,2 Millionen DM für die Hilfe zum Lebens­ unterhalt betrugen die Ausgaben tatsächlich 20,5 Millionen DM. Dies ist ein Rückgang von rund 90/o. Zu diesem deutlichen Rück- Das soziale Netz im Schwarzwald-Baar-Kreis bietet vielfache Hilfe. Wohl umsorgt ist man im Alter, so im Altenheim St. Michael in Donaueschingen. 24

gang in der klassischen Sozialhilfe führten die bessere Arbeitsmarktlage und die Ver­ mittlung durch das Sachgebiet „Hilfe zur Arbeit“ auf den ersten Arbeitsmarkt. Die po­ sitive Entwicklung in der Sozialhilfekosten­ entwicklung veranlaßte den Landkreis, die vor zwei Jahren beschlossene Kürzung um 20% bei den sogenannten Freiwilligkeitslei­ stungen für das Jahr 2000 weitestgehend rückgängig zu machen. Aufgrund der ange­ spannten Haushaltslage mußten damals die Leistungen für soziale Maßnahmen wie z.B. Zuschüsse für Beratungsstellen gekürzt wer­ den. Finanzielle Auswirkungen haben auch ver­ schiedene Zuständigkeitsregelungen, die zum 1. Januar 2000 in Kraft getreten sind. Die örtlichen Sozialhilfeträger sind nun sachlich zuständig für die stationäre und die teilsta­ tionäre Hilfe zur Pflege für Personen über 65 Jahre. Damit soll die bis dahin geltende ge­ spaltene Kostenträgerschaft zwischen sta­ tionären und ambulanten Hilfen zusam­ mengefaßt und ein wirtschaftlicherer Mittel­ einsatz erreicht werden. Für das Haushalts­ jahr 2000 wurden hierfür 8,2 Millionen DM zusätzlich veranschlagt. Gleichzeitig wurde der Satz für die Umlage an den Landes­ wohlfahrtsverband Baden gesenkt. Die Ein­ gliederungshilfe für Behinderte, ambulante Betreuungsformen für Behinderte und die Hilfe in Tagesstätten für psychisch Kranke und Behinderte sind weitestgehend auf die Landeswohlfahrtsverbände als überörtliche Träger übertragen worden. In der Jugendhilfe gestaltet sich die finan­ zielle Entwicklung nicht ganz so erfreulich. Nachdem der intensive Aufbau der präven­ tiven Maßnahmen in den Jahren 1994 bis 1996 zu erheblichen Kostenminderungen führte und 1997 der Aufwand stagnierte, ist seit dem Jahr 1998 wieder ein Anstieg der Aufwendungen zu verzeichnen. Für das Haushaltsjahr 1999 waren 14,9 Millionen DM veranschlagt. Der Nettoaufwand lag bei exakt 15,7 Millionen Mark, also um rund 800 000 DM höher als prognostiziert. Diese Kreispolitik 2000 Steigerungstendenz hat ihre Ursache in stei­ genden Fallzahlen sowohl in der Heimun­ terbringung als auch im notwendigen Aus­ bau ambulanter Hilfen wie der sozialen Gruppenarbeit und den Tagesgruppenplät­ zen. Ein vergleichbarer Anstieg der Fallzah­ len wird landesweit beobachtet. Auch wenn die Steigerung weitgehend damit erklärt werden kann, daß der Bevölkerungsanteil der Gruppe der Jugendlichen im Alter von 11 bis 16 Jahren um insgesamt 6% angestie­ gen ist, wird der Landkreis in den folgenden Jahren seine Anstrengungen im präventiven Bereich verstärken. Auch im Bereich der Jugendhilfe wird die Planung weitergeführt. Die Jugendhilfe­ planung wird jeweils für Teilräume des Schwarzwald-Baar-Kreises erstellt. Auch in der Jugendhilfeplanung werden über eine Bestands- und Bedarfsanalyse Problemlagen erkannt und in interaktiven Prozessen mit Schulen, Behörden, Institutionen und Ju­ gendlichen Lösungswege gesucht und Ent­ wicklungen in Gang gesetzt. Diese haben häufig positive Auswirkungen auf das gesamte Gemeindeleben und führen oft zu Initiativen zur aktiven Gestaltung der Gemeinschaft. Derzeit wird die Jugendhilfeplanung für den Teilraum Blumberg erarbeitet. In Blum­ berg wurde z.B. von den hauptamtlichen so­ zialpädagogischen Mitarbeitern der Bera­ tungs- und Hilfsdienste für Kinder, Jugend­ liche und Familien eine Zusammenstellung der Beratungsangebote erstellt und veröf­ fentlicht. Auch wurde der Bedarf einer städ­ tischen Jugendpflege untersucht und eine mögliche Konzeption zur Jugendarbeit er­ arbeitet, auf die nun der neu angestellte städtische Jugendreferent aufbauen kann. Neben der bereits erwähnten Rücknahme der Kürzung bei den Freiwilligkeitsleistun­ gen hat der Landkreis auch 13 000 DM zur Unterstützung von Vereinen bei der Inte­ gration von Jugendlichen veranschlagt. Die Jugendarbeit der Vereine im Schwarzwald­ Baar-Kreis ist sehr vielfältig und eine große 25

Aus dem Kreisgeschehen Anzahl Jugendlicher wird durch sie erreicht. Manchem Jugendlichen ist der Zugang zu Vereinen durch unterschiedliche kulturelle und familiäre Hintergründe, sprachliche Probleme oder gegebene Unsicherheiten aber erschwert. Durch Seminare für die Ju­ gendleiter von Vereinen und für interessier­ te Jugendliche sollen die Vereine darin un­ terstützt werden,Jugendliche zu integrieren, die selbst nur schwer Zugang zu einem Ver­ ein finden. Mit diesem Angebot will der Landkreis die ehrenamtlich geleistete Ju­ gendarbeit der Vereine gezielt unterstützen. Für Jugendliche wurden auch durch den Jugendfonds erfolgreich Projekte realisiert, über den geplante Projekte und Spender zu­ sammengebracht werden. Mit Unterstüt­ zung des Jugendfonds und der Sparkasse V illingen-Schwenningen wurde bei der Evangelischen Jugend ein mobiles Internet­ Cafe eingerichtet, das z.B. von Jugendtreffs und Jugendgruppen im Landkreis für Pro­ jekte ausgeliehen werden kann. Eine weite­ re PC-Werkstatt ist in den Räumen der Evangelischen Jugend mit Unterstützung des Jugendfonds eingerichtet worden. In dieser können vor allem Jugendliebe, die wenig Zugang zu modernen Kommunikati­ onsmedien haben, erste Schritte in der Ar­ beit mit dem PC erlernen oder die Werkstatt und die Betreuung für die Erstellung z.B. von Bewerbungsunterlagen nützen. Nachhilfe bei der Berufsvorbereitung Auch im Michaelsheim – der Schule für junge Aussiedler in Schwenningen – ist mit Unterstützung des Jugendfonds und der Volksbank Schwenningen ein PC-Raum mit fünf Arbeitsplätzen eingerichtet worden, um den jungen Aussiedler/innen die Mög­ lichkeit der Arbeit mit diesem Medium zu eröffnen. Wieder angeboten wurde die schon im letzten Jahr erfolgreiche Nachhilfe im Be­ rufsvorbereitungsjahr. Mit Hilfe der Spar­ kasse Villingen-Schwenningen konnten Schü­ ler/innen in vier Kleingruppen in V illingen- Von Kultur über Sport bis Internet, von der Unterstützungjimger Aussiedler bis zur sozialpädagogischen Hilfe, das Angebot für jugendliche im Landkreis wächst ständig. 26

Schwenningen und mit finanzieller Hilfe der Firma Meier Entsorgungs-GmbH in ebenfalls vier Kleingruppen in Donauesch­ ingen Rat und Hilfe bei der Vorbereitung auf Klassenarbeiten und auf die Haupt­ schulprüfung erhalten. Eine ebenfalls schon ins zweite Jahr gehende Partnerschaft unter­ hält auf Vermittlung des Jugendfonds die Firma Schrägle GmbH mit dem Freizeittreff für junge Menschen mit Behinderung in Vil­ lingen. Durch die finanzielle Unterstützung der Firma Schrägle werden z.B. Ausflüge, Freizeitaktionen und Spielabende möglich. Ausbau der ambulanten Hilfen Auch im Bereich des Jugendamtes gibt es konzeptionelle Änderungen. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis ist seit Jahren bestrebt, im Bereich der Hilfen zur Erziehung die ambu­ lanten Hilfen auszubauen und qualitativ weiterzuentwickeln. Aus diesem Grund wur­ den die Sozialpädagogische Familienhilfe und die Einsätze von Erziehungsbeiständen und Betreuungshelfern ausgeweitet. Diese Einsätze wurden bislang von Honorarkräf­ ten mit unterschiedlichen Zeitkontingenten im Auftrag des Jugendamtes ausgeführt. Ins­ gesamt standen ca. 60 Familien- und Be­ treuungshelferinnen in unterschiedlichen Gemeinden und mit unterschiedlicher Aus­ bildung für diese Aufgabe zur Verfügung. Infolge der gesetzlichen Veränderungen zur Scheinselbständigkeit ist die Wahrnehmung dieser Aufgabe über Honorarverträge nicht mehr möglich. Auch vor dem Hintergrund, daß freien Trägern in der Ausführung von Leistungen der Jugendhilfe der Vorrang ge­ währt werden soll, wurde entschieden, daß die Sozialpädagogische Familienhilfe an freie Träger der Jugendhilfe im Landkreis de­ legiert wird, die ein entsprechendes Know­ how und eine Anbindung an andere Ju­ gendhilfeangebote bieten. Dennoch bleibt der Allgemeine Soziale Dienst des Kreisju­ gendamtes für den Einzelfall entsprechend der Hilfeplanung federführend zuständig Kreispolitik 2000 und verantwortlich. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe werden die inhaltliche Wei­ terentwicklung, die Q9alitätssicherung und grundlegende fachliche Standards festgelegt. Das internationale Freiwilligenjahr 2001 Im Rahmen seiner Sozialpolitik unter­ stützt der Landkreis die Entwicklung des Eh­ renamts und des bürgerschaftlichen Enga­ gements aus Überzeugung. Ehrenamt und Freiwilligenarbeit setzen eine soziale Infra­ struktur voraus, um die sich der Staat auch in Zukunft kümmern muß. Bürgerschaftli­ ches Engagement und Eigenverantwortlich­ keit zu fördern und zu unterstützen stellt sich vor allem vor dem Hintergrund der ge­ sellschaftlichen und wirtschaftlichen Verän­ derungen als wesentliche Aufgabe in De­ mokratie und Sozialstaat dar. Die öffentli­ che Hand soll sich nicht in Dinge einmi­ schen, die Bürger in eigener Regie und aus eigener Verantwortung erledigen können. Bürgern ist die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Angelegenheiten zu bestimmen. Unser Staat lebt nur, wenn sich Menschen für ihn engagieren. Die Gemeinde ist nur dann unsere Heimat, wenn wir uns selbst für sie einsetzen. Damit kein Mißverständnis entsteht: Die soziale Grundförderung ist und bleibt natürlich weiterhin Aufgabe der Kommu­ nen. Wobei auch hier die Bürger in Eigen­ regie selbst viele Leistungen erbringen und gestalten können. Aber insgesamt ist der Weg zu einem neuen Miteinander aufge­ zeigt. Aus diesem Grund hat es sich der Landkreis zur Aufgabe gemacht, traditio­ nelle Formen des Ehrenamts zu stärken und neue Formen bürgerschaftlichen Engage­ ments zu unterstützen. Der Landkreis war deshalb sehr interessiert an der Einrichtung der zentralen Anlauf­ stelle für Bürgerschaftliches Engagement, die am 1. Juli 1997 unter der Trägerschaft der DRK-Kreisverbände Donaueschingen und Villingen-Schwenningen eingerichtet wur-27

Aus dem Kreisgeschehen de. Zielsetzung der Anlaufstelle war es, in einzelnen Projekten vor Ort das Gemein­ wohl zu stärken, Bürger/innen in Aufgaben des Gemeinwesens mit einzubeziehen, ge­ sellschaftliche Mitbestimmung zu ermögli­ chen und Menschen in den Gemeinden für die unterschiedlichen Aufgaben im Ehren­ amt zu gewinnen. Die Anlaufstelle bot vor allem Begleitung und Beratung im Aufbau von Projekten, Unterstützung bei der in­ haltlichen Gestaltung sowie der Schaffung von strukturellen Rahmenbedingungen. Die Finanzierung der Anlaufstelle erfolgte gemeinsam über das Sozialministerium Ba­ den-Württemberg, dem Landesverband Ba­ disches Rotes Kreuz und den Kreisverbän­ den des Deutschen Roten Kreuzes und war bis 21. Dezember 1999 ausgerichtet. Eine fi­ nanzielle Beteiligung des Landkreises an den Kosten der Anlaufstelle konnte im zu­ ständigen Gremium nicht durchgesetzt wer­ den. Dennoch bemüht sich der Landkreis intensiv um Möglichkeiten für eine Fort­ führung der Stelle. Obwohl es bisher nicht gelungen ist, die Anlauf- und Koordinierungsstelle nachzu­ besetzen, konnte in konstruktiver Zusam­ menarbeit mit den Projekten „Arche“ in Do­ naueschingen, ,,Bürgertreff“ in Villingen­ Schwenningen und „WIRkstatt“ in St. Ge­ orgen am 30. Juni 2000 ein „Bürgergipfel“ für engagierte Bürgerinnen und Bürger durchgeführt werden. Bei diesem Tag der Begegnung und des Austausches hatten alle Interessierten im Schwarzwald-Baar-Kreis die Möglichkeit, sich über die verschiedenen Projekte und Initiativen zu informieren und Kontakte herzustellen. In Ergänzung zu der Informationsveranstaltung im Jahr 1999 zum Thema „Gemeinsam mehr bewegen“ wurden im Jahr 2000 auch die Selbsthilfe­ gruppen eingeladen, die das Angebot sehr interessiert wahrnahmen. Auf einem „Markt der Begegnungen“ konnten sich die Initiati­ ven des Bürgerschaftlichen Engagements darstellen und kennenlernen. Der Landkreis beabsichtigt damit, bürgerschaftliches Enga- 28 gement und Ehrenamt für die Bürgerinnen und Bürger in allen Aufgabenfeldern attrak­ tiv zu machen und voranzubringen. Die vielfältigen Facetten des Engagements konn­ ten aufgezeigt, Erfahrungen und Hilfestel­ lungen konnten weitergegeben werden. Im Rahmen der Veranstaltung wurde erneut be­ wußt, wie essentiell eine Beratung und Be­ gleitung der ehrenamtlich Tätigen für deren Arbeit ist. Der Landkreis wird deshalb nach­ haltig die ehrenamtliche Tätigkeit weiter un­ terstützen und ihr besonders im internatio­ nalen Jahr des Ehrenamtes ein Forum ge­ ben. Mit diesem Bericht wird deutlich, daß sich der Landkreis den Herausforderungen stellt, die sich aus technischen Entwicklungen, Strukturwandel, hoher Informationsdichte, neuen Steuerungsmodellen und verändern­ den Arbeitsweisen ergeben. Die Verände­ rungen in der Arbeits- und Lebenswelt ma­ chen auch vor der Verwaltung nicht Halt und werden immer wieder Anlaß sein, un­ sere Arbeitsweise zu überdenken und zu än­ dern. Gabriele Seefried Adam 2000 es gab eine Zeit da war es männermöglich Lächeln zu lesen Ungesagtes zu deuten und leisem Schritt zu folgen jetzt steht Sehnsucht verlassen im Raum Verlangen bleibt einsam und Worte unverständlich o Mann – – – Christiana Steger

Tarifsystem bringt einheitliche Fahrpreise Weichenstellende Entscheidungen im öffentlichen Personennahverkehr Kreispolitik 2000 In dem stetigen Bemühen um eine Ver­ besserung des öffentlichen Personennahver­ kehrs (ÖPNV) im Kreisgebiet hat der Kreis­ tag des Schwarzwald-Baar-Kreises im Herbst 1999 und im Jahr 2000 bedeutsame und weichenstellende Entscheidungen für die Nahverkehrspolitik des Landkreises getrof­ fen. So hat der Kreistag nach jahrelangen Pla­ nungen mit seinem Beschluß vom Oktober 1999 grünes Licht für die Einführung des Ringzugsystems, das als Nahverkehrsprojekt mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 80 Mio. DM eine wesentliche Struk­ turverbesserung für unsere Raumschaft be­ deuten wird, gegeben. Ein Großteil der In­ vestitionen, wie beispielsweise die gesamten Kosten für die Fahrweginfrastruktur (z.B. Gleisbaumaßnahmen, Weichen, Signale etc.) können über Fördermittel des Bundes bzw. Landes vollständig abgedeckt werden. Da­ gegen sind die Investivkosten für Haltestel­ len sowie die Betriebskosten zuzüglich der Trassen- und Stationsgebühren von den Landkreisen unter Beteiligung des Landes zu tragen. Das Ringzugsystem, das zunächst aus der Idee einer Stadtbahn für den Schwarzwald­ Baar-Kreis heraus geboren wurde, stellt sich als integriertes Bus/Schiene-Konzept dar, das mit einem Streckennetz von 150 km und einer Verkehrsleistung von 1,26 Mio. Zugkilometern jährlich die Landkreise Rott­ weil, Schwarzwald-Baar-Kreis und Tuttlin­ gen erschließt. Zur Verwirklichung des Ring­ zugsystems sollen 40 neue Haltepunkte in der Region entstehen bzw. frühere Halte­ punkte reaktiviert werden. Während der langjährigen Planungsphase hat sich das Ringzugsystem konzeptionell kontinuierlich weiterentwickelt. Eine wesent- liehe Änderung ergab sich durch die Inte­ gration der bereits heute bestehenden Re­ gionalbahnlinie Donaueschingen – Rottweil in das Ringzugsystem. Da diese Regional­ bahn der DB bereits heute täglich verkeh­ rende Zugleistungen aufweist, wurde damit das Ringzugsystem um Wochenendverkeh­ re und damit eine höhere Kilometerleistung erweitert. Auf der Grundlage dieser modifizierten Konzeption wurde von Seiten des Landes als Aufgabenträger im Schienenpersonen­ nahverkehr im Frühjahr 1999 eine Preisan­ frage unter möglichen Betreibern durchge­ führt, um die projektierten Kosten zu erhär­ ten und den günstigsten Anbieter zu ermit­ teln. Entsprechend den kommunalen Vor­ stellungen wurde die Verkehrsleistung lediglich aufKostenbasis ausgeschrieben, da die Landkreise die Einnahmeverantwortung selbst übernehmen werden. Die Preisanfrage ergab, daß die Hohenzol­ lerische Landesbahn (HzL) mit 18,5 Mio. DM jährlichen Betriebskosten (inkl. Tras­ sen- und Stationsgebühren) das günstigste Angebot abgegeben hat und als künftiger Betreiber ausgewählt wurde. 7,2 Millionen Mark Defizit jährlich Abzüglich der kalkulierten Fahrgeldein­ nahmen, der gesetzlichen Ausgleichszah­ lungen im Schülerverkehr sowie der Aus­ gleichszahlungen des Landes für die inte­ grierten Zugleistungen der bisherigen Re­ gionalbahn ergab sich ein Restdefizit in Höhe von rund 7,2 Mio. DM jährlich. Das Land hat sich bereit erklärt, die bisherige Zusage, das entstehende Defizit zu 500/o bis zu einem Gesamtbetrag von 5 Mio. DM zu tragen, auf den sich ergebenden Gesamtbe- 29

Aus dem Kreisgeschehen Die Einführung des Tarifverbundes zum 1. September 2000 er- möglicht es, zu günsti- gen Preisen mit dem gleichen Fahrschein alle öffentlichen Ver- kehrsmittel im Land- kreis zu benutzen. ses mit dem Beschluß zur Einführung eines Tarifverbundes zum 1. September 2000. Im Vorfeld des Beschlusses zur Einführung des Tarifverbundes waren detaillierte und sorg­ fältig abgestimmte Planungen erforderlich, und in intensiven Verhandlungen waren zahlreiche Einzelfragen über die Ausgestaltung des Koope­ rationsvertrags der Verkehrs­ unternehmen mit dem Land­ kreis über den Ausgleich ver­ bundbedingter Belastungen zu erörtern und zu klären. Nach einer Vielzahl von Ver­ handlungsrunden ist es gelun­ gen, eine sinnvolle Zonenein­ teilung und Tarifstruktur zu er­ arbeiten und sid1 mit den be­ teiligten Verkehrsunterneh- men auf einen ausgewogenen Kooperationsvertrag zu einigen. Sd1ließlich ist es auch gelungen, mit der DB Reise & Touristik für den Schwarzwald­ Baar-Kreis eine von der bundesweiten Re­ gelung abweichende Sondervereinbarung zu erreid1en, die eine Benutzung aller In­ terRegio-Züge mit Verbundfahrscheinen ohne Zahlung eines Zuschlags ermöglicht. Der öffentliche Personennahverkehr wird im Bereich des Schwarzwald-Baar-Kreises derzeit von 16 verschiedenen Verkehrsun­ ternehmen betrieben. Bedingt durch diese überdurchschnittliche hohe Zahl an Ver­ kehrsträgern bestanden für die unterschied­ lichen Fahrstrecken stark differierende „Haus­ tarife“ der Unternehmen. Mit der Einführung des Tarifverbundes wird ein einheitliches und transparentes Zonentarifsystem begründet, das für alle Verkehrsunternehmen im Kreis Gültigkeit besitzt. Darüber hinaus wird die Möglichkeit geschaffen, mit einem einzigen Fahrschein sämtliche Verkehrsmittel im Kreisgebiet nutzen zu können. Dazu wurde das Kreisgebiet des Schwarz­ wald-Baar-Kreises in zehn räumliche Tarif­ zonen aufgeteilt. Die Festlegung der einzel­ nen Tarifzonen orientierte sich an den poli- trag von 7,2 Mio. DM anzuheben. Der kommunale Anteil in Höhe von 3,6 Mio. DM jährlich wurde auf die einzelnen Bau­ steine des Ringzugsystems aufgeschlüsselt und auf die Landkreise Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis verteilt. Da­ nad1 ergibt sich eine jährliche Belastung des Schwarzwald­ Baar-Kreises in Höhe von rund 870 000 DM. Wie der Schwarzwald-Baar­ Kreis faßte auch der Landkreis Tuttlingen ebenfalls im Herbst 1999 den Beschluß zur Ein­ führung des Ringzugsystems. Da die sich im Landkreis Rott­ weil ergebende Kostensituati­ on von Seiten des Kreistages des Landkreises Rottweil nicht akzeptiert wurde, mußten im Winter 1999/2000 Streichungen im Fahr­ tenangebot mit dem Ziel der Kostenredu­ zierung vorgenommen werden. So wurde in der Planung darauf verzichtet, die in Rott­ weil eintreffenden Ringzüge bis zum neu geplanten Haltepunkt Rottweil-Stadtmitte verkehren zu lassen. Darüber hinaus wurden Streichungen im Fahrplan zwischen Tros­ singen und Rottweil in Tagesrandlagen vor­ genommen. Nachdem durch eine modifi­ zierte Kostenverteilung zwischen den Land­ kreisen und einer um 50 000 DM erhöhten Zuschußleistung des Landes an den Land­ kreis Rottweil eine finanzielle Entlastung des Landkreises Rottweil erreicht werden konnte, stimmte sd1ließlich auch der Kreis­ tag des Landkreises Rottweil am 26. Juni 2000 der Einführung des Ringzuges zu. Die Umsetzung des Ringzugsystems steht jedoch unter dem Vorbehalt, daß sich die projektierten Trassen und Stationspreise in entsprechenden Vereinbarungen des Landes mit der Deutschen Bahn AG realisieren las­ sen. Eine weitere weichenstellende Entschei­ dung im öffentlichen Personennahverkehr traf der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Krei- 30

Kreispolitik 2000 Der neue Tarifverbund bedeutet überall im Schwarzwald-Baar-Kreis fahren mit dem gleichen Fahrschein. tischen Gemeindegrenzen, den bisherigen Verkehrsrelationen und der Größenord­ nung der bisherigen Streckentarife. Der Zo­ nenaufteilung wurde ein Tarifsystem zu­ grunde gelegt, das zunächst das Basistarif­ sortiment wie Einzelfahrscheine und Zeit­ karten beinhaltet und zu einem späteren Zeitpunkt um weitere Angebote aufgestockt werden soll (z.B. Tageskarten, Familien­ oder Seniorenkarten). Günstige Angebote für Dauerkunden Das Tarifsystem sieht insbesondere im Be­ reich der Zeitkarten (Dauerkunden) gegen­ über den bisher geltenden Fahrpreisen außerordentlich günstige Angebote vor. So sind im Bereich der Zeitkarten für Erwach­ sene durchschnittlich 180/o günstigere Tarife zu erwarten. Am meisten werden jedoch die Schüler von der Einführung des Tarifver­ bundes profitieren: Die Verbundschülermo­ natskarten sind im Durchschnitt ca. 27 0/o günstiger als bisher! Für die den Fahrgästen angebotenen Vergünstigungen verpflichtet sich der Landkreis, den Verkehrsunterneh­ men den Differenzbetrag zu ihrem bisheri­ gen Haustarif auszugleichen. Durch die flächenhafte Gültigkeit der Fahrscheine und die gegenseitige Anerkennung der Fahr­ scheine wird die absolute Zahl der verkauf­ ten Fahrscheine mit der Einführung des Ver­ bundtarifs zurückgehen. Die dadurch ent­ stehenden Verluste bei den Verkehrsunter­ nehmen sind ebenfalls durch den Landkreis auszugleichen. Neben den Kosten für eine einzurichtende Verbundgeschäftsstelle so­ wie für Werbung entstehen damit jährliche Kosten für den Tarifverbund in Höhe von rund 3,3 Mio. DM, an denen sich das Land Baden-Württemberg mit einem jährlichen Zuschuß in Höhe von 500/o finanziell betei­ ligt. Im Zuge der Einführung des Tarifverbun­ des hat auch die Satzung über die Erstattung der notwendigen Schülerbeförderungsko­ sten eine Anpassung erfahren. Als wesentli­ che Änderung in der Schülerbeförderung 31

Aus dem Kreisgeschehen stellt sich die Absenkung der bislang gelten­ den Eigenanteile der Schüler bzw. Eltern an den Schülermonatskarten dar. Der für Haupt- und Sonderschüler bislang geltende Eigenanteil von 20 DM wurde auf 15 DM pro Monat abgesenkt, für Schüler weiter­ führender Schulen wurde der geltende Eigenanteil von 55 DM entsprechend dem geplanten Verbundtarif auf 45 DM pro Mo­ nat reduziert. Da für Schüler weiterführen­ der Schulen die Höhe des Eigenanteils künf­ tig dem Verbundtarif für Schülermonatskar­ ten für bis zu zwei Zonen entspricht, wird der Erwerb einer Schülermonatskarte in Zu­ kunft ohne großen Abrechungsaufwand mit Berechtigungsabschnitten möglich sein. Da­ mit gelangen Schüler ab dem Schuljahr 2000/2001 in den doppelten Genuß: Zum einen sind Schülermonatskarten wesentlich günstiger zu erhalten, zum anderen sind mit der Zonenmonatskarte wesentlich mehr Nutzungsmöglichkeiten als mit der bisheri­ gen Streckenfahrkarte verbunden. Denn aufgrund der flächenhaften Gültigkeit kann die Schülermonatskarte künftig auch für ei­ nen Großteil der Freizeitfahrten verwendet werden. Mit den erhöhten Nutzungsmög­ lichkeiten der Zonenmonatskarte zu we­ sentlich günstigeren Preisen als bisher hat der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises im vergangenen Jahr daher wesentliche Ver­ besserungen des Schülerverkehrs und enor­ me Entlastungen für die betroffenen Fami­ lien gewährt. Ein weiteres Angebot, das der Schwarz­ wald-Baar-Kreis im vergangenen Jahr einge­ führt hat und in den folgenden Jahren auf­ rechterhalten möchte, ist die kostenlose Mitnahme von Fahrrädern in den Nahver­ kehrszügen. Das Angebot war Mitte 1999 eingeführt worden und wird in der Touris­ musregion des Schwarzwald-Baar-Kreises gerne in Anspruch genommen. Aus diesem Grund hat sich der Schwarzwald-Baar-Kreis entschlossen, dieses Angebot auch künftig zu finanzieren. Für den Radfahrer stellt sich besonders vorteilhaft dar, daß auch der 32 Nachbarlandkreis Rottweil dieses Angebot zwischenzeitlich realisiert hat. So können die Einwohner der beiden Landkreise mitt­ lerweile mit Unterstützung des Zuges schö­ ne Fahrradtouren in der gesamten Raum­ schaft in Richtung Triberg, Donaueschingen oder bis nach Oberndorf bzw. Sulz unter­ nehmen. Studie zur Schwarzwaldbahn Zur Stärkung der Schwarzwaldbahn legte die 1998 gegründete Interessengemeinschaft Schwarzwaldbahn im vergangenen Jahr eine Studie vor, die Maßnahmen zur Stärkung der Schwarzwaldbahn und zur Steigerung deren Wirtschaftlichkeit vorsieht. Zur Ver­ besserung der Wirtschaftlichkeit sieht die Studie vor, die Trennung zwischen Produk­ ten des Fernverkehrs (InterRegio) und des Nahverkehrs (Regiona!Express) aufzuheben und sie zu einem neuen Produkt zu ver­ schmelzen, dem sog. ,,InterRegioExpress“. Durch die Ausnutzung von Synergieeffek­ ten soll das Gemeinschaftsprodukt lnterRe­ gioExpress (IRE) eine Kostensenkung im Fernverkehr bei gleichzeitiger �alitätsauf­ wertung im Nahverkehr erreichen. Die Umsetzung der Ringzugsystems und die Entwicklungen auf der Schwarzwald­ bahn werden den öffentlichen Personen­ nahverkehr im Kreisgebiet auch in Zukunft maßgeblich beeinflussen. Doch auch abge­ sehen von den „großen“ Projekten sieht sich der Landkreis in der Pflicht, entsprechend den selbst gesetzten Maßstäben des Nah­ verkehrsplans das ÖPNV-Angebot kontinu­ ierlich zu verbessern und weiterzuentwik­ keln. Der Nahverkehrspolitik wird damit auch in Zukunft in der Kommunalpolitik des Landkreises eine besondere Bedeutung zukommen. Elvira Schönbucher

Kreispolitik 2000 Zusammenarbeit sichert den Erhalt Krankenhaus Furtwangen in die Kreiskrankenhaus GmbH eingegliedert Am 17. Juli 2000 ist eine wesentliche Ver­ änderung in der Struktur der stationären Krankenversorgung im Landkreis offiziell besiegelt worden. Landrat Karl Heim und Bürgermeister Richard Krieg unterzeichne­ ten vor dem Notar den Vertrag über die Ein­ gliederung des Städtischen Krankenhauses Furtwangen in die Kreiskrankenhaus GmbH des Schwarzwald-Baar-Kreises. Die Stadt Furtwangen hatte ihr 1971 er­ bautes Krankenhaus mit 65 Betten bisher in Eigenregie geführt. Sehr knapp bemessene Budgets in der stationären Krankenhausver­ sorgung bei gleichzeitig relativ hohen Fix­ kosten machen es jedoch gerade den kleinen Krankenhäusern sehr schwer, sich als eigen­ ständige Einrichtungen am Markt zu be­ haupten. Furtwangen hat dieses Problem rechtzeitig erkannt und seit Mitte des ver­ gangenenJahres einen geeigneten Koopera­ tionspartner gesucht. Nach Verhandlungen mit mehreren anderen Kliniken hat sich die Stadt in einem umfangreichen Abstim­ mungsprozeß schließlich für eine Zusam­ menarbeit mit dem Landkreis entschieden. Die neue Gesellschaft wird unter dem Namen „Kreisklinikum Schwarzwald-Baar GmbH“ in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter sind der Schwarzwald-Baar­ Kreis mit 75 0/o des Stammkapitals und die Stadt Furtwangen mit einer Beteiligungs­ quote von 25 0/o. Der Aufsichtsrat besteht neben den schon bisher gewählten acht Kreisräten aus dem Bürgermeister der Stadt Furtwangen sowie zwei weiteren Mitglie­ dern, die vom Furtwanger Gemeinderat ent- Das 1971 erbaute Furtwanger Krankenhaus ist nun in die Kreiskrankenhaus GmbH eingegliedert. 33

Aus dem Kreisgeschehen sandt werden. Den Vorsitz im Aufsid1tsrat führt Landrat Karl Heim. Gesd1äftsführer ist Marcus Bollmann von der Sana-Kliniken GmbH, die im Rahmen eines Management­ vertrages für die Betriebsführung in den bei­ den Krankenhäusern verantwortlich ist. Die medizinisd1e Konzeption in Furtwan­ gen sieht das gesamte Leistungsspektrum der Grundversorgung für das Obere Bregtal vor. Für die dortigen Fachabteilungen der Inneren Medizin und der Chirurgie konn­ ten mit Dr. Schlayer und Dr. Schlegel bereits zwei erfahrene neue Oberärzte eingestellt werden. Die Donaueschinger Chefarzte der Inneren Medizin und der Chirurgie, Prof. Dr. Walter und Privatdozent Dr. Keller, sind auch für die ärztliche Leitung in Furtwangen verantwortlich und regelmäßig in der Breg­ stadt präsent. Mit den am Donaueschinger Krankenhaus etablierten weiteren Fachbe­ reichen der Radiologie, der Anästhesie, der Intensivmedizin sowie der Gynäkologie und Geburtshilfe wird eine enge Zusammenar­ beit bestehen. Die betriebswirtschaftliche Konzeption der klinisd1en Zusammenarbeit sieht vor, die in vielen Bereichen -wie beispielsweise Verwaltung, Küche, Labor -bisher doppelt vorgehaltenen Strukturen zu verschlanken und zu konzentrieren sowie alle denkbaren Synergieeffekte optimal zu nutzen. Die neue Kreisklinikum Schwarzwald-Baar 34 Furtwangens Bürgermeister Richard Krieg, Notar Win­ terhalter, Landrat Karl Heim und Krankenhausgeschäfis­ führer Marcus Bollmann bei der Vertragsunterzeichnung in Furtwangen am 17. Juli 2000. GmbH hat sich als Ziel gesetzt, in Donau­ eschingen wie in Furtwangen die klinischen Leistungen auch in Zukunft auf möglichst hohem Niveau zu erbringen bei gleichzeitig möglichst günstigen Kostenstrukturen. An erster Stelle steht jedoch eindeutig das Wohl der Patienten. Rolf Schmid das weilchen hier fest steht die stunde des abrufs hier mir gehören weder gasse noch gestirn noch atmet mich die pause vor dem dort Kar/heinz Barte[

Aus dem Kreisgeschehen Ausbau der Freundschaft und Solidarität Die Partnerschaft des Kreises mit dem ungarischen Komitat Bacs-Kiskun Regelmäßig berichtet der Almanach über die seit 1996 bestehendePartnerschaft des Landkreises mit dem ungarischen Komitat Bdcs-Kiskun. Auch in den letz­ ten beiden Jahren konnten die Kontakte weiter ausgebaut und vertiefi, werden. Im Zeichen praktischer Solidarität stand eine Spende des Landkreises für die von mehreren Hochwasserkatastrophen betroffene Bevölkerung im Gebiet der Theiß. Die Erkenntnis, daß Temperament, Le­ bensfreude und künstlerische Höchstlei­ stungen in der ungarischen Tiefebene be­ stens gedeihen, ist eines der positiven Ergeb­ nisse der Partnerschaft. Einen neuerlichen Beweis hierfür lieferte die Trachtengruppe „Kurazsi Tancmuhely“ bei ihrem umjubel­ ten Auftritt auf dem Schonacher Gau-Trach­ ten treffen im Juli 1999. Es gelang den 23 Künstlerinnen und Künstlern aus Kecs­ kemet, den deutschen Gästen durch ihre mitreißenden Tänze etwas vom Lebensge­ fühl der Völker des Karpatenbeckens zu ver­ mitteln. Die Gruppe ist in Ungarn nicht un­ bekannt, vor einigen Jahren gewann sie eine hohe Auszeichnung beim Volkstanzfestival in Szekszard und sie trat auch schon beim Landesvolkstanztreffen in Budapest auf. Die Einladung zum Schonacher Gau-Trachten­ treffen war ein weiterer Höhepunkt im Ver­ einsleben der Tanzgruppe. Im September 1999 hatte der Landkreis Besuch vom Regionalfernsehen aus Bacs­ Kiskun, das die schönsten Sehenswürdigkei­ ten des Schwarzwald-Saar-Kreises filmte. Die Aufnahmen sind Teil eines Filmes über alle Partnerkreise der ungarischen Region, der im Oktober 1999 im dortigen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Ausbildungs-und Erziehungsfragen stan­ den im Mittelpunkt des Besuchs von Mit­ gliedern des Komitatsauschusses für Bil­ dung, Schule und Kultur sowie des Aus­ schusses für Kinder-und Jugendschutz und Sport im Oktober 1999. Die Delegations­ mitglieder informierten sich über die Aus­ und Fortbildung der Schüler an der Albert­ Schweitzer-Schule in Villingen und über die Heimunterbringung und -erziehung im Landkreis am Beispiel des Heilpädagogi­ schen Erziehungsheimes Mariahof in Hü­ fingen und des Kinderheimes St. Franziskus in Schwenningen. Ebenfalls im Oktober weilte eine Delegation der Gaspar-Andras­ Gewerbeschule aus Kecskemet zu Besuch. Mit einer kleinen Feier wurde die Übergabe eines Motors mit Getriebe an die Schule be­ gangen. Der Motor wurde vom Porschezen­ trum in Villingen-Schwenningen gespendet und von Geschäftsführer Möller und Land­ rat Heim überreicht. Im Juli 2000 konnten 43 Schülerinnen und Schüler der Klassen 6a und 6c der Real­ schule Blumberg die Kreisstadt Kecskemet besuchen, wo sie den Landkreis bei einem internationalen Jugendfestival vertraten. Untergebracht waren sie bei Gastfamilien, deren Herzlichkeit Gedanken an Heimweh erst gar nicht aufkommen ließ. Bei über 1000 Festival-Teilnehmern und bestem Wet­ ter war natürlich immer etwas los und das umfangreiche Programm mit Besichtigun­ gen, Tanzgruppen und Laser-Show begei­ sterte die Schüler. Einen offiziellen Auftritt hatten die jungen Blumberger in ihrer zu­ künftigen Partnerstadt Kunszentmiklos. Zur guten Tradition geworden ist der jähr­ lich stattfindende internationale künstleri-35

Partnerschaft mit Ungarn Beim alg’ährlichen Sommeifest in Kecskemit beteiligten sich auch Klassen der Realschule Blumberg. Die Klasse 6a zeigte das Theaterspiel „Kleine Hexe“. sehe Workshop auf der ansonsten unbe­ wohnten Donauinsel Veranka. Das Komitat lädt hierzu jeweils einen Künstler aus dem Landkreis ein. Diesmal war die Malerin und Dichterin Regina Hiekisch aus Unterkirnach dabei und genoß das kreative ungezwunge­ ne Zusammensein mit Künstlerkollegen aus zehn Nationen. Praktische Solidarität mit den ungarischen Freunden zeigten Kreisverwaltung und Kreis­ tag, als sie im Mai 2000 eine außerplan­ mäßige Ausgabe in Höhe von 100 000 DM verwendeten, um den notleidenden Hoch­ wasseropfern im Gebiet der Theiß schnelle Hilfe zukommen zu lassen. Die Theiß durch­ fließt das Komitat auf einer Länge von 28 km; dort sind im Verlauf der letzten Jahre durch mehrere außergewöhnlid1 starke Hoch­ wasser enorme Schäden entstanden. Nach dem schweren Bergwerksunglück am 30. Ja­ nuar 2000 in Rumänien flossen große Men­ gen von zyanidhaltigem Schmutzwasser in 36 die Theiß und vernichteten den gesamten Fischbestand im Komitat. Kurz darauf ge­ rieten durch ein weiteres Unglück in Rumä­ nien 20 000 Tonnen schwermetallhaltiger Schmutzwasserschlamm in den Fluß. Eine weitere Hochwasserkatastrophe hat viele öf­ fentliche und private Gebäude völlig zer­ stört. Mit großer Freude wurde deshalb in Ungarn der Vorschlag der Kreisverwaltung aufgenommen, Bauholz zu liefern, das als Folge der Orkanschäden in unserem Land­ kreis in großen Mengen vorhanden ist. In zehn Eisenbahnwaggons wurde das Holz nad1 Ungarn gebracht, wo der Wiederauf­ bau in vollem Gange ist. Über den Erfolg der Hilfeleistung und über den weiteren Ver­ lauf der Partnerschaft wird der Almanach in seiner nächsten Ausgabe wieder berichten. Helmut Rothermel

Wichtige Erweiterung der Freundschaft Im November 1999 wurde der „Freundeskreis Schwarzwald-Baar – Bacs-Kiskun“ gegründet Aus dem Kreisgeschehen Sehr lebendig und erfolgreich gestaltet sich die seit 1996 bestehende deutsch-ungarische Partnerschaft zwischen dem Landkreis und dem Komitat Bacs-Kiskun. Allerdings wur­ den die gegenseitigen Kontakte bis vor kurz­ em hauptsächlich durch die Vermittlung von Verwaltung, Schulen und kulturellen Organisationen hergestellt. Mit der Grün­ dung des „Freundeskreises Schwarzwald­ Baar – Bacs-Kiskun“ Ende 1999 hat die Ver­ bindung jetzt eine breitere Basis erhalten. Auflnitiative der Kreisverwaltung wurde der neue Verein ins Leben gerufen, der seine wichtigste Aufgabe in der Herstellung und Pflege von direkten Kontakten zwischen Bürgern und Vereinen der befreundeten Part­ ner sieht. Ein erster Besuch in Ungarn im September 2000 legte den Grundstein für den Aufbau von Kontakten. Vorbereitet wurde die Vereinsgründung vom Schulverwaltungsamt des Landkreises, das 1300 Briefe an Einzelpersonen und Ver­ eine verschickte. Eine freudige Überraschung war der unerwartet große Andrang bei der Gründungsversammlung am 16. November 1999 in VS-Marbach, von den über 100 Teil­ nehmern trugen sich gleich 54 in die Mit­ gliederliste ein. Nachdem Landrat Karl Heim als Versammlungsleiter einen Überblick über die bisher außerordentlich positiv verlaufe­ ne Partnerschaft gegeben hatte, wurde eine Satzung verabschiedet und ein Vorstand ge­ wählt. In der Satzung sind als vorrangige Ziele der Vereinsaktivitäten festgelegt: die Vermittlung und Pflege freundschaftlicher und partnerschaftlicher Beziehungen zwi­ schen Organisationen, Familien und Ein­ zelpersonen beider Kreise, die Vermittlung eines realistischen Bildes von der Gegenwart und Vergangenheit Ungarns, die Leistung eines Beitrags zur Völkerverständigung und zur Verwirklichung des gesamteuropäischen Gedankens. Weitere Ziele sind die Organi­ sation von gegenseitigen Besuchsreisen, die Förderung des ungarischen und deutschen Sprachunterrichts und der Präsentation der Partnerregionen. Zum ersten Vorsitzenden des Vereins wurde Wolfgang Lämmle ge­ wählt; er ist Lehrer an der Hotelfachschule in Villingen-Schwenningen, die eine Vorrei­ terrolle bei Zustandekommen und Ausbau der Partnerschaft spielte. Seine Stellvertre­ terin ist die Kreisrätin Doris Feld aus Villin­ gen-Schwenningen, Kassierer ist August Daiber vom Landwirtschaftsamt in Donau- Einen herzlichen Empfang gab es in Ungarn für den neu gegründeten Freundeskreis, ein Besuch im Rei­ tergut Pongrac Mdjor in der Nähe von Kecskemit vermittelte ein Gefühl für das Leben in der Puszta. 37

Partnerschaft mit Ungarn eschingen und das Amt der Schriftführerin hat Petra Zabka aus V illingen-Schwennin­ gen inne. Beisitzerinnen sind die Ungarisch­ Dolmetscherinnen Elisabeth Kirchwehm und Lilian Falvay sowie Rainer Oberle und Brigitte Rech. Die Kassenprüfer sind Jacques Barthillat aus Furtwangen und Brigitte Frank aus Niedereschach. Inzwischen sind eine ganze Reihe von Ak­ tivitäten in Angriff genommen worden. Gleich nach der Gründung des Freundes­ kreises nahm der Vorstand mit dem ungari­ schen Komitat Kontakt auf und informierte dessen Präsidenten Sandor Endre schriftlich über Gründung und Ziele des Vereins. In seinem Antwortschreiben begrüßte er die Gründung und wünschte viel Erfolg. Bei ei­ nem privaten Besuch in der Komitatshaupt­ stadt Kecskemet konnte Werner Lämmle mit dem Präsidenten und den fur die Part­ nerschaft Verantwortlichen der dortigen Ver­ waltung sprechen, die über Planungen zur Gründung eines ähnlichen Vereins in Un­ garn berichteten. Ferner wurde ein Informa­ tionsblatt über den Freundeskreis erstellt. Die erste größere Veranstaltung des Vereins gab es im März 2000: etwa 110 Mitglieder und Gäste kamen zum „Ungarischen Abend“ in die Hotelfachschule. Unter Anleitung des Kochs Tomas Jakob bereiteten Schüler der Wer den Freundeskreis und seine Mit­ glieder in ungezwungener Atmosphäre näher kennenlernen möchte, kann den Stammtisch besuchen, der sich regel­ mäßig am letzten Dienstag jeden Mo­ nats um 20 Uhr im Ratskeller in Villin­ gen trifft. Neue Mitglieder sind im Ver­ ein herzlich willkommen, der Jahres­ beitrag beträgt für Einzelpersonen oder Familien 25 DM, für Vereine, Firmen und sonstige Organisationen 50 DM. Kontakt kann über e-mail (freundes­ kreis.sbk-bk@gmx.de) oder über Wolf­ gang Lämmle, Weiherstr. 39 in 78050 VS aufgenommen werden. 38 Einrichtung eine Vielzahl ungarischer Spe­ zialitäten zu und natürlich durfte hervorra­ gender ungarischer Wein nicht fehlen. Be­ sonders das original zubereitete Gulasch und die Fischsuppe „Halaszle“, eine Spezia­ lität der Partnerregion, fanden begeisterte Abnehmer. Die Musiker Istvan Zisga und Ernö Farkas, die sonst die Gäste des Pon­ gracz-Maierhofes in Kunpuszta unterhalten, boten an Zimbel und V ioline eine Auswahl melancholischer und feuriger Zigeunermu­ sik. Ferenc K6sz6 von der Hotel- und Tou­ rismusfachschule in Kecskemet informierte die Gäste mit einem Film- und Diavortrag über seine Heimat. Als Willkommensgruß und Dank überreichte Landrat Heim Gast­ geschenke. Präsenz im Internet Der „Freundeskreis Schwarzwald-Baar – Bacs-Kiskun“ ist seit April 2000 auch im In­ ternet unter der Adresse www.freundeskreis­ sbbk.de präsent. Der Online-Auftritt wurde von sechzehn Schülern einer Fachklasse der Kaufmännischen Schulen in Donaueschin­ gen realisiert. In 120 Arbeitsstunden ent­ wickelten die angehenden Fachinformatiker mit ihrem Lehrer Martin Zwosta die profes­ sionell gestaltete Homepage. Auf der Start­ seite sind das Logo des Vereins und die Wap­ pen von Landkreis und Komitat zu sehen, die sehr übersichtlich gestaltete Navigation fuhrt zu Informationen über Entstehungs­ geschichte und Satzung des Vereins, zu ei­ nem Veranstaltungskalender und Kontakt­ adressen, ferner werden Komitat und Land­ kreis vorgestellt, die interessanten Touris­ musinformationen enthalten auch Hinwei­ se auf Hotels und Pensionen. Schließlich stellte sich der Verein im Juni 2000 am Stand des Komitats Bacs-Kiskun auf der Südwest-Messe einer breiten Öf­ fentlichkeit vor. Helmut Rothermel

Kreatives Arbeiten auf unbewohnter Insel Die Schöpferwerkstatt für bildende Künstler auf der Donauinsel Veranka Aus dem Kreisgeschehen Mit Künstlerinnen und Künstlern aus zehn Nationen eine Zeitlang arbeiten zu können, ein verlockendes Angebot! Vom befreundeten Komitat Bacs-Kiskun in Un­ garn erreicht den Schwarzwald-Baar-Kreis seit vier Jahren diese Einladung zur Teil­ nahme an der „Schöpferwerkstatt für Bil­ dende Künstler“. Auf einer unbewohnten Insel in der Donau, aufVeranka, ist man zu Gast, liebevoll versorgt und dieses Jahr durch Istvan Dam6, einen Künstler aus Kecskemet, betreut. In dieser ganz eigenen Umgebung – die breit dahinfließende Do­ nau vor Augen, die reizvolle Uferzone bei wechselnden Lichtverhältnissen bis in die Abendstunden hinein – arbeitete man kon­ zentriert, ganz nach Belieben draußen auf der Terrasse oder im Hause, tauschte sich über den Arbeitsstil aus und lernte sich so von Tag zu Tag besser verstehen: Wenn Alexander von der Krim schließlich meinte, der liebe Gott sage ihm, wann er wieder ar­ beiten muß … und dabei genüßlich den An­ blick der Auenlandschaft in sich aufnahm; oder wenn Thierry aus Frankreich ganz spie­ lerisch eine Banane als Geweih, dann als Handy (mit Tastatur eingeritzt) und dann noch als Krawatte mutieren ließ … war der spielerischen Kreativität keine Grenzen mehr gesetzt. Homo ludens – wir entdeckten, daß das spielerische Umgehen mit Abfall, das Sin­ gen und Lachen zu einer Brücke wurde von der Krim bis nach Lissabon, von V iborg/Dä­ nemark bis Modena/Italien. Jeder reagierte auf seine Art, war liebenswert und fand Ach­ tung vor dem anderen. Schließlich wurde in Englisch bei ungarischem Wein soviel dis­ kutiert, an guten Gedanken ausgetauscht, daß die zehn Tage wie im Fluge vergingen. Regina Hiekisch Zehn Tage arbeiteten Künstler auf der unbewohn­ ten Donauinsel Veranka. Die beiden Bilder stam­ men von Regina Hiekisch, links „Farbenfreude Ge­ meinsam !“ und rechts „Lebensfreude“ (Tempera aefKarton). 39

Spiegelbild einer lebendigen Einheit Aus dem Kreisgeschehen 25 Jahre Almanach -Heimatjahrbuch Schwarzwald-Baar-Kreis Der „Almanach“ ist ein Beispiel dafür, wie sich ansehnliche Werke aus kleinen Anfan­ gen entwickeln können. Am Anfang stand eine Frage, aus der eine Idee geboren wurde. Die beiden Landkreise Villingen und Donau­ eschingen waren zum Schwarzwald-Baar­ Kreis vereinigt worden, und dem neuen Landrat Dr. Rainer Gutknecht war es ein Anliegen, dass die Menschen in den beiden ehemaligen Kreisen ein einheitliches „Kreis­ bewusstsein“ verbinde, ein politischer und tief menschlid1er Gedanke und eine schöne Aufgabe dazu. Gelegenheit, die Anregung dafür zu geben, bot sich in einem illustren Kreis, bei einem „Literarischen Abend“, am Dreikönigsfest im Jahr 1975 in Donauesch­ ingen. Kein Geringerer als der Did1ter und Reiseschriftsteller Max Rieple sollte das An­ gebot übernehmen, dod1 seine geschwächte Gesundheit ließ dies nicht mehr zu. Er sah den Umfang der Themen vom Handwerk bis zur Geologie und schlug den Lokalre­ dakteur der Badischen Zeitung in Donau­ eschingen, Dr. Lorenz Honold, vor. Ein gut­ er Vorschlag. Denn dieser umfassend gebil­ dete Mann, seriöser und dennoch beschei­ dener Journalist mit seinen „Spezialgebie­ ten“ Kunst und Kultur, der in jungen Jahren für mehrere Zeitungen im Norden Deutsch­ lands tätig und lange Jahre Lokalredakteur war, sah in einem Kreis-Almanach seine Aufgabe für den bevorstehenden Ruhestand und erklärte sich dazu nach kurzer Bedenk­ zeit bereit. Er betrachtete es als einen Glücksfall und Landrat Dr. Gutknecht erst recht. Auch das Wort „Almanach“ fiel zum erstenmal in diesem Kreis im heutigen „Max-Rieple-Haus“, es wurde angenommen und beibehalten. In den ersten Jahren nach Erscheinen des Jahrbuchs wurde dem Verfasser wiederholt die Frage gestellt (die in der Ausgabe des Jah- Dr. Rainer Gutknecht, Landrat i. R. (rechts) ist der Begründer des Almanach. Die Fotografie zeigt ihn in den Tagen der Amtsübergabe im Mai 1996 vor dem Landratsamt mit Nachfolger Karl Heim, der die Almanach-Tradition weiteiführt. res 1980 beantwortet ist): ,,Was heißt eigent­ lich „Almanach“? Inzwischen hat „der „Al­ manach“ einen eigenen Bekanntheitsgrad erreicht. Ebenfalls ein Mann der ersten Stunde war Helmut Heinrich, der hervorragende Kunst­ kenner, der als Mitglied des Kreistages den Überblick über Entwicklungen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis hatte und dem als Schul­ amtsdirektor und als Vorstand des Volksbil­ dungswerks Villingen ein Jahrbuch dieser Art besonders am Herzen liegen musste. 40

So sah 1977 der erste Almanach aus, bei den Almanach-Freunden im Landkreis, die ihre Jahrbuch-Sen·e komplett haben wol­ len, ist er eine begehrte Rarität. 1977 erschien die erste Ausgabe, eine schmale Broschüre, gerade mal 64 Seiten stark, außer dem Einband alle Abbildun­ gen in Schwarz-Weiß, dennoch mit einem bun­ ten Reigen von Einzel­ themen, wenn auch noch keine Kapiteleinteilung. Aber schon in der Ausga­ be des nächsten Jahres war die Konzeption er­ kennbar, wie sie in allen Jahresbänden seither bei­ behalten wurde. Kapitel bezeichnen das Thema, das in Beiträgen ausge­ füllt wird. Dabei blieb der Almanach immer of­ fen für besondere, ja ein­ malige Themen wie ,,Stadtsanierung – Mo­ demes Wohnen (1983) oder Bibliothekswesen (1987).“ 1979 erhielt das Buch, auf 152 Seiten angewachsen, ei­ nen festen Einband, 1980 wurde der Titel er­ weitert „Heimatjahrbuch Schwarzwald­ Baar-Kreis“ und zum erstenmal als Farb­ block die Serie „Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben“ aufgenommen. ,,Bunter“ wurde er erst 1983. Den größten Umfang er­ reichte der Jahresband 1996 mit 384 Seiten, die größte Auflagenzahl war 8 000 Exempla­ re (Gegenwärtig 6000 Exemplare). Dieses erste Redaktionsteam konnte bald eine überraschende und beglückende Fest­ stellung treffen. Es stand am Anfang durch­ aus nicht fest, wie viele Autoren sich finden würden, welche die ganze Vielfalt der The­ men in Vergangenheit und Gegenwart im Schwarzwald-Baar-Kreis bearbeiten und in ansprechender Weise darstellen könnten. Ei­ ne vergebliche Sorge! Keine zehn Jahre nach dem Erscheinen des ersten Jahresbandes wa­ ren so viele Beiträge eingegangen, dass so mancher Verfasser auf die nächste Ausgabe 25 Jahre Almanach entdeckten vertröstet werden musste. Damit ist der geistigen Le­ bendigkeit des Kreises ein gutes Zeugnis ausgestellt, viele ihre Fähigkeit zu schreiben und sie fanden Freude daran. Nicht weniger groß war das Interesse auf Sei­ ten der Leser, das die Auf­ lage in erfreuliche Höhen steigen ließ. Als die Amtszeit von Landrat Dr. Gutknecht kurz vor ihrem Ende stand, hörte der Verfasser wiederholt die (durchaus besorgte) Frage, ob denn wohl sein Nachfolger das Werk weiterführen wür­ de. Nach dem Amts­ wechsel spielte diese Fra­ ge überhaupt keine Rolle. Das Werk wurde von Landrat Karl Heim ohne das geringste Zö­ gern im gleichen Geiste fortgesetzt. Geleitwort gebührt dem Herausgeber Das erste Wort, das Geleit zu jedem Alma­ nach, gebührt in jedem Band dem Initiator und Herausgeber. Dies gehört zu den Kon­ stanten des Werks. Dr. Rainer Gutknecht be­ zeichnete 1977 die Richtung: ,,die reiche ge­ schichtliche Vergangenheit unseres heimi­ schen Lebensraumes wachhalten und eine Brücke zur Gegenwart schaffen. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis, aus zwei gegensätzlichen Landschaften zusammengesetzt, soll da­ durch seinen Einwohnern, aber auch seinen Freunden und Besuchern als lebendige kommunalpolitische Einheit nahegebracht werden.“ Er wünschte dem Almanach eine Zukunft als dem „jährliche(n) Begleiter durch Geschichte und Kultur, Wirtschaft, Gewerbe und Industrie sowie die Gegen­ wartsprobleme unseres Landkreises, seiner 41

Aus dem Kreisgeschehen Städte und Gemeinden“. Erfreut stellte er im folgenden Jahr den guten Anklang bei der Leserschaft fest, besonders bei denen, die jetzt fern vom Landkreis leben, an der Heimat aber interessiert bleiben, für sie wer­ de er zur Brücke. Heimat wurde für alle Geleitworte im Al­ manach das Hauptwort, ab 1982 auch in je­ dem Titel. ,,Heimat und Jugend“ (82), ,,Hei­ mat und Ordnung“ (83), ,,Heimat im ver­ einten Deutschland“ (92) ,,Heimat und Eu­ ropa“ (94); diese Tradition wurde von Land­ rat Karl Heim weitergeführt: ,,Heimat und Landkreis (97), die Themen weiteten sich in einer rasant sich verändernden, globalisier­ ten Welt: ,,Heimat und die weite Welt“ (90), „Heimat und Ausländer“ (95), ,,Heimat in einer vernetzten Welt“ (99), ,,Heimat im 3. Jahrtausend“ (2000). Die Herausgabe eines solchen Buches zei­ tigt Folgen, die man in der ersten Begeiste­ rung nicht überblickt. Zunächst einmal viel mehr und neue ungewohnte Arbeit. Von Dr. Gutknecht wurde von jetzt an jeder Zei­ tungsbericht aus dem Kreisgeschehen auch unter dem Gesichtspunkt auf seine Ver­ wendbarkeit für den Almanach gelesen. Keine Veranstaltung, auf der er nicht auch an den Almanach dachte. Sehr schnell ent­ wickelte sich eine umfangreiche Korrespon­ denz mit Personen, die er sonst nie kennen­ gelernt hätte, woraus sich dann ein gutes Verhältnis entwickelte – eine menschliche Bereicherung, wie er heute im Ruhestand glücklich feststellt. Dr. Gutknecht legte ei­ nen Zettelkasten an „wie für eine Doktorar­ beit“ mit Themen und Autoren, kein Tag, ohne dass er nicht wenigstens für kurze Zeit daran arbeitete, aber dies war eher Erholung von der anstrengenden Verwaltungstätig­ keit, und jetzt gingen zu seiner Freude auch die Beiträge ein, die gelesen und in die Ka­ pitel eingeteilt werden mussten. Im Vorder­ grund stand für ihn die Frage des Ausgleichs zwischen den beiden Altkreisen, weshalb er für Darstellungen der Gemeinden sorgte (wobei absolute Parität beider ehemaligen 42 Kreise nicht erreichbar war), und dabei dach­ te er immer an die ferne Zukunft. In einer Zeit unerhört raschen Wandels war es für ihn wichtig an spätere Generationen zu den­ ken, die im Almanach nachlesen können sollten, wie ihr Heimatdorf Ende des 20. Jahrhunderts beschaffen war. Als Vermächt­ nis und als Appell an die Jugend ist beson­ ders das letzte Wort zum Geleit von Dr. Rai­ ner Gutknecht (1996) zu verstehen, bei aller heutigen Mobilität den Wert der Heimat, des Brachtums, des Dialekts, der Heimatge­ schichte, das verpflichtende Erbe, uns zu treuen Händen gegeben, nicht zu vernach­ lässigen, sondern es den Nachkommen zu erhalten. Hierin sieht er auch eine Möglich­ keit der Heimatpflege, ,,einen Beitrag zur in­ neren Erneuerung der Gesellschaft (zu) lei­ sten“. Ein Buchumbruch von Hand Das Redaktionsteam, die „Almanachma­ cher“, konnten die Veränderungen in der technischen Entwicklung im eigentlichen Wortsinne recht hautnah miterleben. Der Umbruch, heute mit dem Computer gefer­ tigt, – jahrelang noch Papierumbruch – ver­ lief bis vor wenigen Jahren in herkömmli­ cher Weise. Auf einem langen Tisch im Haus der Druckerei Todt oder in einem Ver­ sammlungsraum im Landratsamt lagen die Mappen mit den Beiträgen für die einzelnen Kapitel. Ein Stapel leerer Blätter vom For­ mat des Almanachs, die nur paginiert waren, waren nun mit den auf der Rückseite ge­ wachsten Spalten und den Bildern zu be­ kleben. Für diesen letzten Schliff hielt sich immer Landrat Dr. Gutknecht persönlich bereit, vom frühen Morgen bis in die Nacht, und wenn es sein musste, auch am folgen­ den Vormittag. Seite für Seite wurde so um­ brechen, Stunde für Stunde stand das Re­ daktionsteam um den Tisch. Schwierigkei­ ten machten oft Beiträge mit vielen Bildern und wenig Text, auch der Abschluss eines Kapitels mit der entsprechenden Seitenzahl.

Drohte ein Kapitel überdimensional breit zu werden, so entschied Landrat Dr. Gut­ knecht selbst, welcher Beitrag „geschoben“ werden sollte. Für die technisch einwand­ freie Arbeit garantierte ein Meister seines Fachs, Werner Hirt, später gemeinsam mit Helmut Bublies. Einmal kam das Team für einen Augenblick in Verlegenheit, als es bei einem abstrakten Gemälde nicht auf Anhieb erkennen konnte, was oben, was unten ist. Gelegentlich wollte auch einmal ein Autor selbst den Umbruch seines Beitrags persön­ lich miterleben. Um 10 Uhr am Vormittag erschien regelmäßig Willy Todt mit einer Tüte frischer Butterbrezeln für eine kurze Pause. Zum Mittagessen lud der Landrat sei­ ne Mitarbeiter ins China-Restaurant ein. Dann ging die Arbeit mit einer Stärkung am Abend bis in die tiefe Dunkelheit weiter, bis man sich erschöpft mit schmerzenden Beinen in den Sessel fallen ließ und für eine Weile keiner mehr ein Wort sprach. Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an, seit der Dold-Verlag in Vöhrenbach die Redakti­ on übernahm, der Druck blieb bei der Todt­ Druck GmbH, Villingen-Schwenningen. Die Arbeit war auf mehrere Schultern ver- 25 Jahre Almanach teilt, das manuelle Abschreiben erübrigte sich in den meisten Fällen, die Druckplatte wird direkt belichtet und die modernste Elektronik kann eine optimale Druckqua­ lität und Bildwiedergabe gewährleisten. Veränderungen traten auch im Redaktions­ team selbst ein. Aus Altersgründen schieden Dr. Lorenz Honold (1987) und Helmut Heinrich (1990) aus. Neu in das Team wur­ de 1988 Karl Volk, Gremmelsbach, berufen, 1990 wurde kraft Amtes Kreisarchivar Dr. Joachim Sturm Mitglied und 1996 Wilfried Dold, Vöhrenbach. NB: Von manchen Jahrgängen sind noch Exemplare erhältlich, für Freunde des Alma­ nach, die Wert aufVollständigkeit der Reihe legen, gibt es noch Chancen. Karl Volk Bunte Vielfalt: Die Wappenscheiben im Treppen­ haus des Landratsamtes symbolisieren die Vie!falt im Schwarzwald-Baar-Kreis, deren Spiegelbild seit nunmehr 25 Jahren auch der Almanach, das Jahr­ buch des Landkreises ist. 43

2. Kapitel I Almanach 2001 Schwarzwald und Baar – Portrait eines Landkreises (4) Reiche Geschichte – fast unberührte Natur Die Raumschaft Blumberg hat ihren Besuchern faszinierende Vielfalt zu bieten Wer von Donaueschingen aus in Richtung Schweiz unterwegs ist, ge­ langt fast nahtlos nach Hüfingen. Die Stadt an der Breg besticht durch eine gelungene, homoge­ ne Altstadtsanierung und steht in vielerlei Hinsicht in Bezie­ hung zu Blumberg, was dem eilig in Richtung Schweizer Grenze oder Blumberg vorbeifahrenden Reisen- Blumberger den wohl eher selten bewußt ist: Bobnerz Denn Blumberg war Stammsitz der reichbegüterten Familie von Blumberg, die Hüfingen zu ihrem Mittelpunkt erkoren hatte und ihm zum Stadtrecht verhalf. Als Hüfingen dieser Familie im 14. Jh. verlorenging, baute sie Blumberg um 1390 zur befe­ stigten Stadt aus. In der für- stenbergischen Zeit wurde Blum­ berg dann Sitz eines Amtes, muß- te dieses aber nach der Mediatisie­ rung 1806 an Hüfingen abtreten. Zentralort wurde Blumberg am 1. Ja­ nuar 1975. Vorausgegangen war die Eingemeindung der ehemals selbstän­ digen Gemeinden Epfenhofen, Kommingen und Nordhalden, Achdorf, sowie Hon- Die Baar bei Hüfingen, einst der Mittelpunkt des Herrschaftsgebietes der Herren von Blumberg. 44

dingen, Riedböhringen, Riedöschingen und Fützen zwischen 1971 und 1975. Dank der Hilfe der badischen Regie­ rung in den 19 50er Jahren ließen sich größere Betrieb in Blumberg nieder. ‚ 1 ·� Dies war der Beginn eines wirtschaftli­ chen Aufschwungs vor Ort. Zuvor war es vor allem der Erzabbau, der den Blumbergern Arbeit gab: Mitte des 16. Jahrhunderts war das Bohnerzvorkommen entdeckt wor­ den, jedoch erst ab 1663 hatte man ein Hüttenwerk, Schmelze und Schmiede errichtet. Der Erzabbau kam schon Anfang des 18. Jahrhunderts wieder zum Erliegen, wurde jedoch im Dritten Reich mit großindustriel­ len Abbauanlagen vorübergehend neu aufgenommen. Doch sei all das nur vorausge­ schickt, unsere Erkundung des Großraums Blumberg wollen wir im Gebiet Ad1dorf beginnen: Wer zu Fuß in Richtung Achdorfer Tal wandert, kommt durch fast unbe­ rührte Natur, denn dort, wo in frühe­ rer Zeit die Jungviehweide war, endet der Fahrweg an einem alten Gehöft. Jungvieh steht hier schon lange nicht mehr auf den Weiden, die vom Wald eingesäumt sind. Im frühen Jahr blüht hier der Seidelbast und auf den Wiesen die Himmelschlüssel. Hin und wieder weidet eine Schafherde das abgelegene Terrain ab und in den Wäldern kommen Beeren- und Pilzsucher auf ihre Kosten. Auf einem Hügel, der aufragt wie die Vulkankegel im Hegau, steht ein einsa­ mes „kleines Haus.“ Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht, Rehwild und geflü­ gelte Nachtjäger ge­ ben sich ein Stell- Sommerlicher Garten mit Spielplatz bei der Kirche in Aselfingen 542 Meter über dem Meer gelegen. Achdorf/ Aselfingen dich ein. Hinunter geht es über Asel­ fingen, das auf eine überaus reiche, 1200jährige Geschichte zurückblicken kann, und dann an der Wutach entlang. Ein Ausflug in die Wutachflühe, dieses einmalige Naturreservat, in dem sich mittlerweile viele selten geworde- Herbstzeit – Erntezeit: im September 2000 konnte eine Rekordernte an Apjeln eingeholt werden, so wie auf dieser Streuobstwiese bei Achdorf ne Vögel, Insekten, Spinnen und Schmet­ terlinge tummeln, die sonst kaum noch Le­ bensraum finden, ist sicherlich lohnend. Hier in diesem geschützten Ge­ biet kann sich Natur noch ein­ mal in aller Viel­ faltigkei t unge­ stört entfalten. Wer nun nicht 1m Tal unten 45

Portrait eines Landkreises Achdoif- ein malerischer Ort mit der Kirche St. Nikolaus als Wahrzeichen. dem eifrigen Flußlauf folgen will, der kann die Brücke nach Überachen queren, die erst vor einigen Jahren neu gebaut wurde, nach­ dem das Jahrhundertwasser die Wutach so wild gemacht hatte, daß die alte Brücke ein Opfer der Fluten wurde. Nur wenige Häuser hat Überachen, ein Ort dörflicher Prägung und bäuerlicher Arbeit. Vorbei an Streu­ obstwiesen, die im Frühling umsummt von Bienen weißschaumig in Blüte stehen, geht es dann in Richtung Biesenberg. Auf dem gesamten Weg sind immer wieder alte Obst­ gehölze zu finden, die im Herbst reiche Frucht an Äpfeln und Birnen bringen. Hier ist auch der Blumberger Langstiel zu finden, eine Apfelsorte, die bestens mit dem Klima der Region zurecht kommt und die Haus­ zwetschge mit der Bezeichnung „Achdorf „. Auf den Wiesen am Biesenberg zeigen sich selten gewordene Ord1ideen wie das Kna­ benkraut oder auch die Händelwurz, dazu Skabiosen, Storchschnabel, Glockenblumen, Margariten, Blähkraut, Bachnelkenwurz und Wiesensalbei. In den Wäldern blühen Fuchskraut und Weidenröschen und bei kla­ rer Sicht kann man von hier das schweizeri­ sche Alpenpanorama sehen. Im „Ausruhnest“ von Viktor von Scheffel Durch Auwälder fuhrt der Weg dann nach Achdorf hinunter und hier sind am Weg der Gelbstern, diese grazile Frühlingsnarzisse, ebenso zu finden wie weißblühender, in­ tensiv riechender Bärlauch. Viel Mühe ge­ ben sich die Achdorfer Bürger jährlich mit dem Blumensdrnrnck an den Häusern und in den Gärten. Bemerkenswert ist das Altar­ bild in der kleinen idyllischen Kirche St. Ni­ kolaus und wer es weniger religiös, aber nicht minder kulturträchtig haben möchte, der kann im altgediegenen Traditionsgast­ haus „Scheffellinde“ einkehren. Viktor von Scheffel, einstmals in Diensten der Fürsten von Fürstenberg, kam oft zu Fuß in sein „Ausruhnest“, wie er den alten Gasthof im Achdorfer Tal nannte. Hier fand er sicher­ lich die Intension zu einigen seiner Werke 46

und sein Ruf „Maria Gutta, reich mir den Krug“ ist verbürgt. So eine alte Geschichte kann das „Haus des Gastes“ nicht vorweisen, wurde dieser Bau doch erst 1982 fertiggestellt. Dafür gibt es hier aber eine Spielecke für Kinder und ei­ nen kinderfreundlichen Bach, der zum Plan­ schen einlädt und wo auch Vierbeiner sich erfrischen können, während die menschli­ che Begleitung es auf ihre Art und Weise tut. Wer nun von Achdorf aus nicht den direk­ ten Weg über den Campen hinauf nach Blumberg wählt, kann im Ortsteil Ried­ böhringen noch einmal Station einlegen, und hier verbindet die Städte Blumberg und Hüfingen ein Name: Kardinal Augustin Bea. Doch zuvor noch ein kleiner Abstecher Richtung Norden nach Behla. Der in den letzten Apriltagen 1945 nahezu völlig zer­ störte Ort, in dem nur das Gemeindearchiv dem Feuer widerstand, hat sich in den ver­ gangenen Jahren angenehm herausgeputzt. Die diesen heutigen Ortsteil von Hüfingen durchschneidende, vielbefahrene Straße in die nahe Schweiz bietet selbst dem eiligen Reisenden ein kontrastreiches Landschafts- und Ortsbild. Von Hüfingen kommend, zieht rechts eines der größten, durch postmoderne Architek­ tur bestechendes Software­ Unternehmen des Landkrei­ ses am Auge vorbei, gefolgt vom alten Ortskern, wo der Gasthof Sternen von Traditi­ on, die gegenüberliegende, von südländischen Lastwa­ genfahrern vielbesuchte bun­ te Pizzeria hingegen von Ver­ änderung kündet. Am ande­ ren Ortsende, die letzte steile Anhöhe vor Blumberg ist be­ reits in Sicht, versucht der große, gepflegte Landgasthof Kranz mit viel Erfolg den Rei­ senden doch noch zur Rast in Behla zu bewegen. BehJa/Fürstenberg/Riedböhringen Zurück auf der Straße nach Blumberg grüßt links der Fürstenberg mit dem an sei­ nem Fuße liegenden gleichnamigen Ort. Riedböhringen – Heimat von Kurien­ kardinal Augustin Bea Dort auf dem abgeflachten Berg, der mit der einstigen Burg dem noch immer weit­ bekannten Fürstengeschlecht den Namen gab, befindet sich eine kleine Gedenkkapel­ le und jeder, der von oben den Drachen­ und Gleitschirmfliegern zusehen will, die von hier aus starten, kommt an der kleinen Kapelle vorbei, die dem Kurienkardinal ge­ widmet ist. Vom abgebrannten Dorf Für­ stenberg, das hier oben stand und an einem Feiertag abbrannte, ist so gut wie nichts mehr zu sehen, nur große, mittlerweile längst verwilderte Fliederbüsche erinnern noch an alte, bäuerliche Gärten, Kellerein­ tiefungen an die Hausplätze. Heimisch war der Kardinal im Blumberger Ortsteil Ried­ böhringen. Hier stand sein Elternhaus, ein Bauernhaus, wie es zu seiner Zeit unzählige auf der Baar gab. Am fünf­ undzwanzigsten Todestag des großen Kirchenmannes 1993, der seine letzte Ruhestätte im Heimatort fand, wurde in sei­ nem Elternhaus ein Museum eröffnet, das seinen Namen trägt und nicht nur Aufschluß über die Karriere des immer bescheiden gebliebenen Prie­ sters gibt, sondern auch Relik­ te des schlichten, bäuerlichen Umfelds semer Herkunft ebenso beinhaltet wie viele persönliche Dinge aus seiner langen Amtszeit im Vatikan. Hier fühlt sich der Besucher angerührt, nicht nur von all dem, was Kardinal Bea in sei­ nem Leben bewirkt hat, son­ dern auch von der aufrechten, überzeugt christlichen Persön- 47

Portrait eines Laodkreises lichkeit dieses großen Sohnes der Gemein­ de Riedböhringen. Mit einem machtvollen, romanischen Turm überragt die Pfarrkirche St. Dionysius den Ort und in der Gruft im Turm liegt Augustin Bea begraben. Schießschartenähnliche Fensteröffnungen deuten daraufhin, daß Kirche und Turm in früheren Zeiten als Fluchtburg galten und ähnlich erzählt eine alte Sage: Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges ge­ lang es dem Küster oder auch Totengräber nicht mehr, vor der anrückenden Soldates­ ka zu fliehen und so verbarg er sich in der Kirche. Erbittert versuchten die Soldaten die Kirchentüre zu öffnen, um zu plündern. Als es ihnen nicht gelang, zogen sie endlich ab. Angstschlotternd hatte der versteckte arme Wicht all diese Gewaltaktionen mitbekom­ men. Die Soldaten hatten versucht die Kir- chentüre nach innen zu öffnen – dabei geht es nur nach außen. Hondinger Kirche im Jahr 1353 erbaut Von Riedböhrigen ist es ein Kleines nach Hondingen zu kommen und auch hier gibt es ein bemerkenswertes Gotteshaus. Erbaut vor 1353 ist diese Kirche eine derjenigen, die von der Außenansicht her sich spröde und trotzig zeigt. Geweiht dem Heiligen Martin von Tours findet sich in der Kirche ein Ma­ rienbild, das die Jungfrau in der strengen und zurückhaltenden Darstellung des 14. Jahr­ hunderts zeigt. Ebenerdig und ohne Probleme für Rad­ wanderer geht es nun Richtung Blumberg und am Flugplatz vorbei wird Zollhaus er­ reicht. Hier ist die Museumsbahn zu Hause, 48

die, liebevoll „Sauschwänzlebahn“ genannt, über Viadukte, Kehr­ tunnel und durch schönste Landschaft während der Sai­ son, gezogen von großen Dampflokomotiven, noch einmal alte Eisenbahnro­ mantik Wirklichkeit wer­ den läßt. Imposant ist er schon, dieser „Feurige Elias“, wenn er schnauft und keucht und sich lang­ sam in Bewegung setzt. So wird Zollhaus mittlerweile zu ei- nem Dorado für Eisenbahnfreaks allen Al­ ters, gibt es zudem doch im Eisenbahnmu­ seum genau neben dem Bahnhof nicht nur vieles zu erfahren über die Streckenführung der Bahnlinie, die einmal als strategische Bahn geplant war, sondern auch Fotomate­ rial aus Bauzeiten, Uniformen, Fahrpläne und Fahrkarten und dazu noch auf­ schlußreiche Literatur. Viele Besucher neh­ men die Möglichkeit einer nostalgischen Dampfeisenbahnfahrt wahr, und schon manches Hochzeitspaar hat den Salonwagen für alle Gäste gleich ganz gebucht. Dorado für Naturinteressierte Vielfach ruhiger geht es im Naturschutz­ gebiet Zollhausried zu. Zwischen Museums­ bahn und dem Gelände des Flugvereines Blumberg gelegen, hat sich in diesem Moor­ gebiet trotz Torfabbau und üblem Umgang nach den Kriegswirren ein Biotop erhalten, das ein Dorado für Naturinteressierte ist. Seit 12 Jahren ist der Angelsportverein Blumberg mit der He­ ge und Betreuung die­ ses Gebietes betraut und hat die Paten­ schaft übernommen. In einer gemeinsam mit der Stadt durchge­ führten Säuberungs- Blumberg Macrocephalus, Tumidus Rotundus, aus dem Braun Jura, Fundort Blumberg. Die Stadt am Eichberg ist reich an Funds teilen für Ver­ steinerungen. aktion wurde das Gebiet von Dreck und Unrat befreit und nun finden sich sel­ tene Pflanzen und Tiere hier ungestört wieder ein. So haben hier neben Stockente, Haubentau­ cher und Bläßhuhn auch Brutpaare vom seltenen Graureiher ihr Re­ vier, dazu kommt der Wiedehopf, und als Gast von den Wutachflühen herauf läßt sich auch der Eisvogel blicken. In Merkel- und Raffweiher finden sich mittlerweile wieder Teichmuscheln und auch die Krebse, nach denen ein benachbarter Bach benannt ist, sind wieder da. Flankiert von einer Allee noch sehr junger Bäume geht es dann nach Blumberg hinein. Auf die Tradition des Bergbaues weist der ,,Schwarze Mann“ hin, die Figur eines arbei­ tenden Bergmanns, die da aufgestellt ist, wo die Häuser der alten Bergmannssiedlung be­ ginnen und am Sparkassenneubau in der Ortsmitte gibt es die Bronze des in Blum­ berg gebürtigen Künstlers Hans-) ürgen Mül­ ler, der auch den Stadtbrunnen mit seiner Figurengruppe geschaffen hat. Seit 1989 gibt es in Blumberg in eigenen Räumen die Stadtbibliothek, die für Veranstaltungen zur Verfügung steht und zudem kontinuierlich ein festes Angebot für Kinder bietet. Kultu­ reller Höhepunkt im Angebot der Stadt Blumberg sind zwei­ felsohne die Blum- Schrebergartensiedlung in Blumberg. 49

Portrait eines Landkreises Eine Stadt mit außergewöhnlicher Geschichte ist Blumberg, an der Grenze zur Schweiz gelegen. Das Stadt­ bild befindet sich im Wandel: moderne Architektur vereint sich heute mit gewachsenen Strukturen. Hoch ist der Freizeitwert der Stadt am Eichberg, die auch ein modernes Freibad zu bieten hat. 50

berger Kunstausstellungen, die in diesem Jahr zum 19. Mal stattfinden und den be­ sten Ruf einer breitangelegten Dokumentation zeitgenössi­ schen Kunstschaffens weit über den Kreis hinaus haben. Immer wieder gelingt es dem rührigen Ausstell ungsini tia­ tor Jürgen Henkell, Künstler unterschiedlichster Auffassun­ gen für diese hochkarätige Kunstschau zu gewinnen. Auch hier gibt es das Angebot der Kinderführungen, in der Kinder im Vorschulalter in ge­ meinsamer Betrachtung erste Kunsterfahrung sammeln und das Gesehene dann am Mai­ tisch kreativ umsetzen können. Noch attraktiver wird die Ausstellung durch die Auto­ renlesung, die regelmäßig fest während des Ausstellungszeit­ raumes integriert ist. So kamen hier neben der Eichendorff­ Preisträgerin Monika Taubitz auch Bruno Epple vom Bo­ densee und der Schweizer Kulturpreisträger Dino Larese zu Wort. Über die Ottilienhöhe, wo vor vielen Jahren eine Kapelle gleichen Na­ mens stand, die vielfach zur Wallfahrt be­ sucht wurde, geht es nun hinunter zu den Talgemeinden Fützen und Epfenhofen. Auch in Fützen ragt ein trutziges Gottes­ haus über die Häuser der Ortschaft, das auf einem Seitenaltar ein bemerkenswertes Gemälde des heiligen Blasius zeigt, war Püt­ zen doch &über dem Kloster St. Blasien zu­ gehörig und bekam den Ortsgeistlichen auch von dort gestellt. Überspannt vom Viadukt der strategischen Bahn zeigt sich Epfenhofen. In diesem Jahr feierte der Ort mit großem Gepränge seine 850-Jahr-Feier, und im Archiv der Stadt Blumberg Schaffhausen findet sich die Urkunde, in der Epfenhofen erstmals geschichtlich beleg­ bar genannt ist. Viel Mühe hat sich die Dorfgemein­ schaft gemacht, die Feierzeit adäquat zu gestalten und gab es nicht nur Tänze in Kostü­ men aus der Zeit, als Casano­ va die Damen charmant und intrigant nicht nur zum Tanz führte, sondern in der Privat­ galerie Rösch auch eine breit angelegte Kunstschau. Aufwärts geht es dann zum Ortsteil Randen. Durchschnit­ ten von der vielbefahrenen B 314, die via Schweiz führt, ist hier der Verkehr einschließ­ lich des Schwerlastverkehrs fast nicht mehr erträglich und die Anwohner wehren sich nicht nur per Transparent. Hart vor der Zollstation Neu­ haus-Bargen schwingt eine Straße nach Nordhalden. Auch diese Dorfgemeinschaft gehört zur Gemeinde Blum­ berg und hat sich eine unab­ hängige, sehr lebendige Dorf­ struktur erhalten. So haben die Dorffeste einen guten Na­ men nicht nur in der Kernstadt. Viele Wirt­ schaftswege führen oberhalb des Ortes berg­ auf und wer ihnen folgt, kommt zum Ge­ wann „Toter Mann“. Eine Aufwölbung könnte vielleicht eine Bestattung der Alt­ vorderen sein, und von hier oben hat man einen herrlichen Blick ins nahe Schweizer Grenzgebiet und zu den Vulkankegeln des Hegau. Windzerzaust rauschen mächtige Kiefern und verändern den Sonneneinfall in geringster Zeit. Es sind Schattenspiele vom Schönsten. Schmal ist die Straße, die von Nordhalden nach Kommingen führt und in der Dämmerung kann es schon passieren, daß ein Fuchs den Weg kreuzt oder sich sei- 51

Portrait eines Landkreises Blick auf Riedöschingen. Ein Kleinod in der Abgeschiedenheit ist die Schabelkapelle bei den Schabelhefen. 52

ne Welpen im Straßengraben balgen. Zwei Kirchen gibt es in diesem kleinen Ort, die katholische und die altkatholische, und da­ zu dann noch die Dependance, ein altes Haus in Friedhofsnähe, das während der Bau­ zeit der katholischen Kirche einmal Ersatz­ kirche war. Wieder über enge, baumbestandene Straßen oder Feldwege, die zum ungestörten Radfah­ ren einladen, geht es weiter nach Riedöschin­ gen. Auch hier findet sich wieder eine der vie­ len bemerkenswerten Kirchen der Regi­ on. Wunderschön in einer Nische in Altarnähe eme Martinsgruppe, die in enger Ver­ bindung zum Kirchenpatron steht. Die uralten Bäume vor den Kirchentoren mußten vor kurz­ em durch neue er- setzt werden, so wird in ei- nigen Jahren der Eingangsbereich der Kirche wieder mit Blättergrün beflankt sein. Von Riedöschingen zweigt die Straße ab hinauf zu den Schabelhöfen. Diese, auf einem Hochplateau gelegenen Gehöfte, gehören zur Gemarkung und hier, abgeschieden und umgeben von tiefen W äldern, fühlt man sich fast in einer anderen Welt. Blühende W iesen und wogende Getreidefelder wech­ seln sich ab und darüber gleitet der Schatten des Milan, während ein kleiner Stößer sich auf einem Zaunpfahl ausruht. Innerhalb der wenigen Gehöfte laufen Hühner gemäch­ lich über die Straße und dazwischen räkelt sich immer wieder einmal eine Katze gemächlich in der Sonne, ohne sid1 um das Pickgeschwader zu kümmern. Ein Kleinod in dieser Abgeschiedenheit ist die Schabelkapelle, die von den Brüdern Fi­ del und Theodor Schey gebaut wurde, weil die Ehefrau von Fidel Schey gehbehindert war Riedöschingen und den weiten Weg zur Pfarrkirche St. Mar­ tin in Riedöschingen nicht bewältigen konn­ te. Um 1870 war der Bau vollendet. Das Kloster Amtenhausen stiftete der Kapelle das Altarbild des Heiligen Sebastian, der in die sich zum Bodensee hin öffnende Hegauland­ schaft gestellt ist. Zwei unterschiedliche Ma­ donnendarstellungen finden sich, deren Stif­ ter nicht mehr bekannt sind, und zum Anlaß seines Goldenen Priesterjubiläums stiftete Pa­ ter Bonifaz Efferenn aus Riedöschingen der kleinen Kapelle ein Bild der Schmer­ zensmutter von Rovieto. Mehr als zwei Jahre nahm sich die Familien­ gemeinschaft auf dem Schabe! Zeit, um die Privatka­ pelle vollständig zu sanieren. 1996 wurde der Ab­ schluß der Reno­ vierungsarbeiten mit einem Gottesdienst und einem Fest auf dem Schabe! groß gefei­ ert. Äußerlich saniert und im Innenbereich mit neuer Bestuhlung ausgestattet ist dieses kleine Gotteshaus, eingebettet in einen Obstgarten, eine Oase der Kühle in heißer Sommerzeit, aber auch ein Ort der Besin­ nung und der Ruhe in Streß und Hektik heutiger Zeit. Durch dichte Wälder, vorbei an bemoosten Baumstümpfen längst gefal­ lener Baumriesen, an Lichtungen voll von rotblühenden Weidenröschen und Holun­ derbüschen, geht es dann hinunter ins Tal, wo die Aitrach fließt und auf halbem Wege zwischen Riedöschingen und Leipferdingen die Kreisgebiete Schwarzwald-Saar und Tuttlingen aneinander grenzen. Christiana Steger 53

Städte und Gemeinden St. Georgen auf dem Weg in die Zukunft Oder: Wie man im Internet Einwohner versammelt 3. Kapitel/ Almanach 2001 r-� —— …….-……·­-… …… f …. lSpafl –: —— — —- –·—- — –…….—-:–_ — -·- &– ==—-===- —–..c••· .. �-=-:=-·.=.. … _, __ _ Moz.•–·—-­ ���– -coscrs Man nehme den Com­ puter, stelle eine Ver­ bindung mit dem Inter­ net her und schreibe „www.st-georgen.de“ und sogleich „ist man drin“. Was sich dem virtuellen Besucher dieser Stadt im Schwarzwald-Baar-Kreis dann auftut, hat mit In­ formation zu tun, aber auch mit Bürgerengage­ ment. Denn die Website der Stadt ist nicht vom Rathaus initiiert wor­ den. Dafür hat die Ge- Die Startseite von „St. Georgen online“. sellschaft für Technolo­ gietransfer (GFI) gesorgt. Und die sitzt im Technologiezentrum. Ihr Geschäftsführer Ulrich Dietz gehört zu denjenigen, die dort im ehemaligen Dual-Gebäude die Chance nutzten, relativ unbelastet eine Firma grün­ den und ausbauen zu können. Seit 1997 en­ gagiert er sich beim Bürgerprojekt „St. Ge­ orgen 2000″ in der Arbeitsgruppe „Wirt­ schaftsförderung“. Und da die Software nun einmal sein Metier ist und das seiner Firma, war auch flugs die Idee „St. Georgen online“ geboren. Damit war der Grundstein zur „vir­ tuellen Stadt“ gelegt. Bürgermeister Wolfgang Scherge! begrüß­ te diese Initiative sofort: ,,Wir erbringen auf diesem Gebiet jetzt eine Pionierleistung. Wenn die neuen Technologien Standard werden, haben wir schon erste Erfahrungen gesammelt.“ Im Januar 1998 wurden die er­ sten Informationsseiten ins Internet gestellt. St. Georgener Bürger, aber auch viele Inter­ essierte aus aller Welt, die „Einwohner der virtuellen Stadt“ sein wollten, meldeten sich im Rathaus. 90 Einwoh­ ner zählte zunächst die virtuelle Stadt. Die GFT betreut die Seiten ko­ stenlos. ,,Eine unschätz­ bare Chance für die Be­ völkerung“, lobt der Bür­ germeister. Was wollten die Me­ dienmacher nun den vir­ tuellen Besuchern und Einwohnern bieten? Zum Beispiel Shoppen bei den St. Georgener Einzelhändlern, An­ schriften und Informa- tionen über St. George­ ner Verbände, Vereine, Geschäfte und städti­ sche Einrichtungen. Mit der Internetadresse „www.st-georgen.de“ erfuhren damals schon alle, die sich einwählten, allerlei Wissens­ wertes. Wer allerdings im Forum mit disku­ tieren wollte, mußte und muß noch heute virtueller Einwohner sein mit eigenem Paßwort. Dann wurde der „Online-Treff“ in der In­ nenstadt eingerichtet, wo sich die künftigen virtuellen Einwohner, aber vor allem die St. Georgener Bürgerinnen und Bürger in­ formieren und den Umgang mit dem neu­ en Medium lernen konnten. Im „Online­ Treff“ in der Sommerauer Straße ging es oft heiß her, denn das Leben im Internet muß­ te ja erst geübt werden. Wolfgang Haas rich­ tete sich dort ein und beriet die Interessier­ ten. Im November 1998 wurde den St. Ge- orgener Geschäftsleuten Mut zum Internet gemacht. Doch der virtuelle Marktplatz hat­ te nicht die Resonanz, die sich GFT – Chef Dietz und seine Software-Spezialisten er- 55

St. Georgen online Das Team von ,,St.Georgen online“ mit der Mini­ sterin für den Ländlichen Raum Gerdi Staiblin. hofft hatten. Zu neu war diese Einkaufs­ möglichkeit in der Schwarzwaldstadt und zu ungewohnt. St. Georgen im Internet wuchs: Im Mai 1999 begrüßte Bürgermeister Wolfgang Scherge! den 500. virtuellen Bewohner, ei­ nen 20jährigen Informatikstudenten. Auch er bekommt seitdem aJle vierzehn Tage E-mails aus dem Rathaus. Und weil St. Georgen bald monatlich 9000 bis 11 000 Zugriffe regi­ strierte, kam auch bald ein Computerspezia­ list ins Rathaus. Günther Unrath wacht dar­ über, daß sich kein Spaßvogel anmeldet, um in der virtuellen Stadt sein Unwesen zu trei­ ben und sich dann ebenso unerkannt wieder aus dem Staub zu machen. ,,Günther Un­ rath pflegt St. Georgen online“, umreißt der Bürgermeister dessen Funktion. Flugs wurde im Rathaus noch ein Telearbeitsplatz einge­ richtet. Martina Kaiser arbeitet dort am Pro­ gramm weiter. Gegenwärtig hat die virtuelle Stadt St. Ge­ orgen, für die das Bürgerprojekt „St. Geor­ gen 2000″ nicht nur Lob und Anerkennung, sondern auch Preise einheimste, über 750 Einwohner mit steigender Tendenz. Die Je- 56 ben in der ganzen Welt: Amerika, Australi­ en, Finnland. Auf rund 250 Seiten erfahren auch diese viel über die Bergstadt, ihre Ver­ eine, Einrichtungen wie Volkshochschule und Stadtbibliothek, über die Bürger, das Rathaus und den Tourismus. Bei letzterem klemmt es noch ein wenig. Kaum eines der St. Georgener Hotels hat Internetzugang. So wird der Bereich Tourismus über die Tourist­ Information bearbeitet. Im Rathaus bereitet man sich darauf vor, den Bürgerser­ vice auszubauen. ,,Wenn die digitale Signa­ tur kommt, können via Internet bei uns Päs­ se und Personalausweise beantragt werden“, freut sich Scherge!. Gern abgerufen werden die Speisekarten, die Kleinanzeigen sowie Stellenangebote, aber auch die neuesten Fotos von Festen und Ereignissen in St. Georgen. Beim Fo­ rum steht der Bürgermeister zu aktuellen Fragen gern online zur Verfügung. Scherge! wünscht sich dabei noch mehr Kommuni­ kation. Er bietet Termine zum virtuellen „Gespräch“ an. ,,Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieses Medium von den Bürgern endgültig angenommen ist.“ Zwischenzeitlich mußte der „Online-Treff“ aber einem Bauvorhaben weichen. Wolf­ gang Haas ist jetzt im Rathaus im dritten Stockwerk zu finden. Dort erteilt er immer noch Rat und Auskunft allen, die das Medi­ um Internet nutzen wollen und sid1 somit auch einen Zukunftsvorsprung verschaffen. ,,Unser Rathaus ist doch mehr ein Bürger­ haus“, es sei nicht nur für die Verwaltung da, versichert Scherge!, der dort sd1on manche Ausstellung eröffnet hat. Auch kulturelle Veranstaltungen finden immer wieder im Rathaus statt. Somit hätte auch der „Online­ Treff“ im Rathaus seine Daseinsberechti­ gung. Trotzdem wäre ein Internet- Cafe in St. Georgen wünschenswert, wo alle, die den Internet-Anschluß nod1 nicht haben, bei ei­ ner Tasse Kaffee gegen eine Gebühr in be­ reitgestellten Computern im Internet surfen können. ,,Das müßte dann aber wieder auf Privatinitiative hin entstehen“, kann sich

Scherge! vorstellen. Für die Schüler dagegen wird im Schulzentrum auf dem Roßberg ein Internet-Cafe eingerichtet. Dort können sie ihre E-mails verschicken und empfangen und nach Informationen suchen, die sie auch im Unterricht verwenden können. Bürgermeister Wolfgang Scherge! ist da­ von überzeugt, daß die Bedeutung des In­ ternets immer mehr zunehmen wird: ,,Es kommt sowieso, ob wir es wollen oder nicht.“ Darum müsse man sich rechtzeitig mit den neuen Technologien arrangieren. Die Ent­ wicklung sei deutlich spürbar. Auch in St. Georgen. Es ziehen sich zum Beispiel im­ mer mehr Einzelhändler aus der Innenstadt zurück, Großanbieter am Stadtrand bestim­ men immer mehr das Bild der Städte. Wer lange Anfahrtswege scheut, nutzt den PC. Städte und Gemeinden „Wer dann im Internet einkaufen will, muß Bescheid wissen“, sagt Scherge!. Auch wer früher die Textverarbeitung auf der Schreib­ maschine bewältigte, schreibt jetzt auf ei­ nem PC. ,,Und ich kann mir über das Inter­ net Wissen aneignen und Wissen holen.“ Nachdem eine Umfrage der Stadt ergab, daß ,,St. Georgen online“ den Durchbruch ge­ schafft hat, wünscht sich der Bürgermeister viele, viele virtuelle Einwohner und daß in jedem Haus ein internetfähiger PC stehen möge. Eine Stadt auf dem Wege in die Zu­ kunft. Renate Bökenkamp …….. -‚“““ -·­…………… F“�&Sport —�-:�= Impressionen aus St.Georgen -.. – www .st-georgen.de onlinetreff@st-georgen.de St •• ,r.,__ Ö ffnw1gs zeiten D�undMlawa!I S.OObb 12.0018113.00bb 16.00 -… I.OOb11 ll.OOuod l).OObl1 ll.OO MCD113 wxl Pl“etu& Dd VtrdnblWms •Beratung· lnfonnati.on · lnfoveran&taltungcn •Hilfe bei der Homcpagecntcllung • VodUhrung von SL Georgen Online • Kennwortanmeldung und -vergabe Der Onlinetreff dient als virtueller Marktplatz, auf dem man St. Georgener und andere „Suifer“ treffen kann. 57

Städte und Gemeinden Eingebettet in die Baarlandschaft Unterbaldingen wurde bereits 1302 urkundlich als einzelnes Dorf erwähnt Wer von Donaueschingen, von Westen her, nach Unterbaldingen kommt, sieht hinter der Ortschaft eine imposante Erhebung, die Blatthalde, auch „Unterbaldinger Berg“ ge­ nannt, die bis auf915 m. ü.M. ansteigt. Auf der Kuppe findet der Wanderer eine Schutz­ hütte mit Grillplatz. Von hier kann man ei­ nen herrlichen Ausblick auf Ober- und Un­ terbaldingen, über die Baar, in den Schwarz­ wald und ins Schwabenland hinein genies­ sen. Auf der Höhe wurden „Heidengräber“ gefunden, in welchen Kelten und Aleman­ nen ihre letzte Ruhestätte in herrlicher Land­ schaft fanden. Der Berg mit seinen langgezogenen Aus­ läufern erhebt sich wie ein W ächter über die Landschaft der Ostbaar. Sein Westhang zieht sich nach Süden dem Tal der Köthach ent- lang Richtung Geisingen. Er schützt die Flu­ ren vor kalten Ostwinden und ermöglicht so den heimischen Obstanbau. Nach Westen hin wird das Köthachtal vom Naturschutz­ gebiet Unterhölzer begrenzt. In diese Idylle ist lautstark und hektisch der Fortschritt in Gestalt der Autobahn Stuttgart-Westlicher Bodensee eingebrochen, die entlang des Ta­ les verläuft. Nahe dem Osthang der Blatt­ halde fließt der Talbach. Richtung Immen­ dingen liegt das Amtenhausener Tal, wo einst ein bekanntes Kloster stand. Der Ort „Baldingen“ wurde erstmals ge­ schichtlich faßbar in einer Urkunde des Klosters Sankt Gallen aus dem Jahr 769. Eine Urkunde von 1302 erwähnt dann bereits ein „oberes und unteres“ Baldingen. Von jetzt an gehen die beiden Hälften des Bauern- Der Ort „Ba/dingen „wurde erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 7 6 9 schrifilich erwähnt. 58

Unterbai dingen Die 915 Meter hohe Blatthalde, oder „ Unterbaldinger Berg‘: erhebt sich wie ein Wächter über die Region. dorfes getrennte Wege (zur Geschichte Ober­ baldingens siehe Almanach 98 ). 1321 kommt der nunmehr selbständige Ort Unterbaldin­ gen an die Herren Fürstenberg, nachdem er zuvor der Herrschaft Wartenberg unter­ stand. Im Zuge der Mediatisierung wurde die Ortschaft im Jahr 1806 Teil des Großher­ zogtums Baden. Auch Oberbaldingen kam 1810 von Württemberg an Baden. Seit 1939 gehörten beide Gemeinden dem Landkreis Donaueschingen an, seit der Gemeindere­ form von 1972 haben sie unter dem Dach von Bad Dürrheim als dessen Stadtteile wie­ der einen gemeinsamen Bürgermeister. Die Gemarkung Unterbaldingen umfaßt 1100 ha, davon sind 200 ha Gemeindewald. Kirchlicherseits gehörten beide Teile Bal­ din&ens bis 1562 zur katholischen Gemein­ de Ofingen. Dann wurde das damals würt­ tembergische Oberbaldingen protestantisch, während Unterbaldingen bis 1671 vom ka­ tholischen Pfarrer in Sunthausen seelsorge­ risch betreut wurde. Am 14. März 1671 wur­ de aufBeschluß des Konstanzer Bischofs die Pfarrei Unterbaldingen geschaffen. Der Bi­ schof gewährte der Gemeinde das Recht, ei­ nen Pfarrer zu benennen, während die Für­ stenberger Herrschaft den vorgeschlagenen Geistlichen zu „präsentieren“ hatte. Trotz Glaubenstrennung wurden die Toten von Unter-und Oberbaldingen nach wie vor auf einem gemeinsamen Friedhof in Öfingen bestattet. 1732 erfolgte aber der Bau der katholischen Pfarrkirche Sankt Gallus in Unterbaldingen, einer schlichten baaremer Dorfkirche mit kräftigem, seitlich zwischen Schiff und Chor angebautem Turm mit Sat­ teldach. Der Turm stammt wahrscheinlich von einem romanischen Vorgängerbau. Ne­ ben schönen Seitenaltären und qualitäts­ vollen Schnitzfiguren, die St. Gallus und Jo­ hannes d.T. darstellen, sind in dem Gottes­ haus ein eleganter Hochaltar aus der Werk­ statt des fürstenbergischen Hofschreiners Matthias Bäusch aus dem 18. Jahrhundert und ein Altarblatt mit der Kreuzigung Chri­ sti von Melchior Paul Deschwanden aus dem 19.Jahrhundert zu sehen. Unmittelbar 59

Städte und Gemeinden Die 1732 erbaute katholische Pfarrkirche St. Gal­ lus. Im Inneren der Kirche sind zahlreiche Kunst­ werke zu sehen. neben dem Kirchengebäude wurde ein eige­ ner Friedhof angelegt, der 1837 an den Orts­ rand verlegt wurde. Die dort im Jahr 1846 er­ baute kleine Kapelle ist 1970 abgebrochen worden. 1971 wurde dann die neue Fried­ hofskapelle mit Leichenhalle eingeweiht. Bis 1959 war die Pfarrei Unterbaldingen mit einem eigenen Pfarrer besetzt, 1959 bis 1963 wurde sie von Geisingen aus betreut und seither von Sunthausen. ,,Baldinger Tiger“ Wirtschaftlich gesehen war Unterbaldin­ gen bis in die Nachkriegszeit hinein ein rei­ nes Bauerndorf mit den dazu gehörenden Handwerksbetrieben. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Schweine­ zucht in beiden Baldingen stark ausgebaut. Legendären Ruf hatten die „Baldinger Ti­ ger“, schwarz-weiß gescheckte, genügsame und sehr vermehrungsfreudige Schweine, die aber seit den dreißiger Jahren von dem veredelten Landschwein verdrängt wurden. Unterbaldingen verlegte sich stärker auf die Schweinemast sowie die Milcherzeugung. Seit 1934 gab es eine genossenschaftliche Rahmstation zur Entrahmung von Milch. Aber in den letzten Jahrzehnten hat der Strukturwandel in der Landwirtschaft seinen Tribut eingefordert. In den sechziger Jahren entstanden vier Aussiedlerhöfe in der Nähe des Unterhölzer Waldes, die leider nicht al­ le einen Nachfolger haben. Zusammen mit diesen Höfen bewirtschaften noch einige Nebenerwerbslandwirte diese Gemarkung. Wie andernorts auch wurden gemeinschaft­ liche Einrichtungen für die Landwirtschaft, wie Viehversicherung, Ein- und Verkaufsge­ nossenschaft sowie öffentliche Vatertierhal­ tung stillgelegt. Zum hohen Freizeitwert der Ortschaft trägt der Unterhölzer Wald bei, der zum Teil auf der Gemarkung U nterbaldingen liegt. 1781 errichtete der Fürst zu Fürstenberg hier ein Gehege für Damwild sowie einen Schwei­ negarten. Dieser „Fürstlich Fürstenbergische 60

Tiergarten“ umfaßte ein Gebiet von 500 Hektar, und sogar Kaiser Wilhelm II ging hier um die vorletzte Jahrhundertwende auf die Pirsch. Das heutige Naturschutzgebiet mit seinen wunderbaren alten Beständen an Buchen, Fichten und Eichen dient neben der Erholung des Menschen als Reservat für artgerechten Wildbestand. Neben dem Un­ terhölzer Wald verläuft eine Allee bis nach Pfohren. Bei der Köthachbrücke ist eine Ab­ zweigung, die zu einer ehemaligen Ziegelei führt. Reste des Wohnhauses sowie Erdauf­ wallungen erinnern an die frühere Nutzung. Langgezogene Ackerflächen und Wiesen er­ strecken sich bis zur Gemarkung Pfohren. Anmooriges Gelände führt zu einem sump­ figen Biotop, in dem früher Torfboschen zu Heizzwecken gestochen wurden und wo heute in schilfüberwachsenem Gelände sel­ tene Vogelarten brüten. Reges kulturelles Leben Äußerst rege ist das kulturelle Leben in der Gemeinde. Der 1906 von Lehrer Löhle ge­ gründete Männergesangverein ist der älteste aktive Verein. 1914 wurde er in einen Kir­ chenchor umgewandelt, seit 1920 wieder als Männerchor geführt. Seit 1939 wird wieder im gemischten Chor (Kirchenchor) gesun­ gen. Nicht vergessen sind der von 1909 bis 1939 bestehende Schützenverein und der Radfahrverein, der 1910 gegründet und 1934 aufgelöst wurde. Mitgliedsstärkster und zu­ gleich aktivster Verein ist die Feuerwehrka­ pelle, die 1935 gegründet und nach Krieg und Zusammenbruch 1952 als Musikkapel­ le wiedergegründet wurde. Ihr hohes musi­ kalisches Niveau ist über die Gemeinde­ grenzen hinaus anerkannt, 1997 belegte sie beim Wertungsspiel in Geisingen den ersten Rang mit Auszeichnung in der Oberstufe. Seit 1832 ist das Feuerlöschwesen nachweis­ bar, die erste Feuerlöschspritze wurde 1842 angeschafft. 1923 folgte dann die Vereins­ gründung der Freiwilligen Feuerwehr, die 1998 ihr 75jähriges Bestehen feierte. Mit Unterbaldingen Seit jeher ist Unterbaldingen von der Landwirt­ schaft geprägt, was sich auch im Ortsbild wider­ spiegelt. 61

Städte und Gemeinden dem zum Gerätehaus umgebauten ehemali­ gen Farrenstall und modernem Löschfahr­ zeug ist sie für ihre Aufgaben bestens gerü­ stet. Unverzichtbarer Bestandteil des Dorfle­ bens ist der Landfrauenverein mit seinen 70 Mitgliedern, der sich seit der Gründung im Jahr 1971 besonders dem Wohl der älteren Mitbürger annimmt und zahlreiche Veran­ staltungen und Vorträge organisiert. Vereine wichtiger Bestandteil Eine lange Tradition hat das fastnachtliche Brauchtum, wie eine Narrenfahne von 1902 beweist. Im Mittelpunkt der fünften Jahres­ zeit stehen die Straßenfastnacht mit Umzug, Narrenblatt, Narrenbaumsetzen und Mas­ kenprämierung. 1993 wurde die Narrenzunft gegründet, die 1999 ihre Narrenfigur, das ,,Baldinger Tigersd1wein“, vorstellte. Ruhi­ ger verlaufen die Aktivitäten des Angelsport­ vereins, der sich neben dem Fischen in der Köiliach auch der Pflege und Sauberhaltung der öffentlichen Gewässer widmet. Mittelpunkt des kulturellen Lebens und Bühne für Vereinsveranstaltungen ist die Ostbaar-Halle, am Ortsausgang Richtung Geisingen gelegen. Während der Hitlerdik­ tatur wurden am Westhang des Unterbal­ dinger Berges Segelflieger ausgebildet und die Halle diente der Unterstellung von Flug­ zeugen. Nach dem Krieg zunächst als Dresch­ schuppen genutzt, konnte sie mit geringen finanziellen Mitteln später umgebaut werden. Auch die Vereine aus Oberbaldingen nutzen die Halle heute sehr gern. Aus Unterbaldingen sind eine Reihe be­ kannter und verdienter Persönlichkeiten her­ vorgegangen, unter anderen Matiliias Scha­ cherer, Großherzoglicher Kämmerer in Karls­ ruhe (gest. 1887), Franz Josef Götz (1878- 1929), Priester und Verfasser des Heimatge­ dichtes „Mi Dörfli“, sowie der Kunstmaler Karl Merz (1890-1970). Herwig Mefsner Die Vereine finden eine Heimstatt im ehe­ maligen Schulhaus, das 1828 erbaut wurde und seit der Schulreform Anfang der siebzi­ ger Jahre leer stand. Heute ist es mit seinen Vereins- und Jugendräumen ein Treffpunkt von jung und alt. Kinder eifreuen sich an den zahlreichen Brunnen in Unterbaldingen. 62

Unterbai dingen Das Wappen von Unterbaldingen Von blauem Wolkensaum umrandet, in Gold ein oberhalber roter Löwe Der Wolkensaum ist eine Erin­ nerung an die einstige Herrschaft der Fürstenberger und deren Wol­ kenfeh im Wappen. Der oberhal­ be Löwe wurde dem Wappen der Herren von Baldingen, nach K v. Knobloch auch von Balgingen, entlehnt. Fälschlicherweise ist oft­ mals von einem „Löwenrumpf“ zu le- sen, doch müßte ein solcher ohne Vorder­ pranken dargestellt sein. Zunächst fand sich diese Figur jedoch nicht im Gemeindeem­ blem. Der Huldigungsliste von 1811 (heu­ te GLA Karlsruhe 236/1682) war noch ein kleines, ovales Lacksiegel aufgedrückt mit der Umschrift W VLECKEN SIGIL IN V: BALDINGEN, welches den fürstenbergi­ schen Adler von einem Wolkensaum um­ geben widergab. Zu dieser Zeit gehörte Un­ terbaldingen nämlich zum standesherrli­ chen fürstlich-fürstenbergischen Bezirks- amt Hüfingen. Nach dessen Auf­ lösung 1849 und Verschmelzung mit dem badischen Bezirksamt Donaueschingen kam das me­ daillonartig verwandte badische Wappen im Gemeindesiegel in Gebrauch, schließlich ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts nur noch ein Schriftstempel ohne Bild. Der farbliche Entwurf des eingangs be­ schriebenen Wappens wurde 1898 vom Ge­ nerallandesarchiv der Gemeinde vorgelegt und von dieser angenommen. Auch die 1899 gelieferten Siegel und Farbdruck­ stempel nehmen noch einmal die zentrale Wappenfigur des oberhalben Löwen auf. Mit der Eingemeindung Unterbaldingens nach Bad Dürrheim ist das Wappen zum 1. April 1972 erloschen. Joachim Sturm Blatthalde Was unsere Heimat ziert und krönt, das ist ein Berg der sie verschönt. Ein gewaltig-wuchtiges Massiv wie eine Kanzel rund und tief, ehrfurchtsvoll wie ein Altar thront dieser überm Land der Baar. Mit Fichten, Buchen ist geschmückt der ganze Berg an einem Stück. Das Kreuz erhebt sich im Walde, das ist das Kleinod der Blatthalde. Ein Blick hinunter in das Tal, wo Felder blühn im Sonnenstrahl und reifen so durch Tau und Regen zur Ernte reich mit Gottes Segen. Denn alle Menschen nal1 und fern die beten zum allmächtigen Herrn und bitten um das täglich Brot, für Frieden der uns sei gelobt so auch vor Frevel und Verderb, Gott schütze den Unterbaldinger Berg. Herwig Mtjfner 63

Städte und Gemeinden Behla – eine alemannische Gründung Die „Bäurer AG“ hat den Namen des Ortes in aller Welt bekannt gemacht Die Ortschaft Behla, seit der Gemeindere­ form Stadtteil von Hüfingen, kann auf eine lange und interessante Geschichte zurück­ blicken. Einst streifte die alte Römerstraße vom Schweizer Mittelland nach Rottweil die heutige Gemarkung, archäologische Funde lassen vermuten, daß hier eine Station für den Pferdewechsel gestanden haben könnte. Der Ort Behla selbst ist eine alemannische Gründung, eventuell eine Tochtergründung von Hüfingen oder Riedböhringen. Darauf weist der ungewöhnliche Name hin. Denn die umgebenden, auf „ingen“ endenden Ortschaften sind alemannische Ursiedlun­ gen, benannt nach der Gründungssippe bzw. nach dem Sippenältesten. Die Tochter­ siedlungen dagegen bekamen ihren Namen oft von nahe gelegenen Wasserläufen. Die älteste überlieferte Namensform von Behla aus dem Jahr 890 ist „Pelaha“, was als „Wei­ denbach“ gedeutet wird. Im hohen Mittelalter gehörten Hüfingen wie auch wahrscheinlich Behla zum Besitz der Herren von Blumberg, bis die beiden Or­ te (Behla spätestens 1411) durch Heirat an die Herren von Sehellenberg kamen. Inzwi­ schen hatten sich die rechtlich-sozialen Ver­ hältnisse aus der Zeit alemannischer An­ siedlung grundlegend gewandelt. Die freien Dorfgenossen mit ursprünglich annähernd gleichem Landbesitz waren fast verschwun­ den, es dominierte die Grundherrschaft, die ihre Hörigen mit zahlreicher Abgabenlast, persönlicher Abhängigkeit und Frondien­ sten beschwerte. Zu den großen Grundher­ ren gehörten auch die Kirchen und Klöster. In Behla hatte die Konstanzer Domkirche spätestens seit 1155 Besitz, weiter die Klö­ ster Maria Hof zu Neudingen, Sankt Geor­ gen und Kreuzlingen. Die Verschlechterung der bäuerlichen Lebensverhältnisse im Ver­ bund mit der geistigen Krise der Reformati­ on und dem Vorbild des Schweizer Frei­ heitskampfes mündete schließlich in den Blick aufßehla, das bereits im Jahr 890 als „Pelaha“ (Weidenbach) erwähnt ist. 64

Behla Das Rathaus, eine ehemalige Zehntscheuer ist Schmuckstück des Ortes. Großen Bauernkrieg von 1524/25, der bald die Baar erfaßte. Auch die Fürstenberger und Schellenberger Bauern formulierten ih­ re durchaus moderaten Forderungen im April 1525 in mehreren Artikeln, aber schon im September war der Aufstand niederge­ schlagen und die Schellenberger nahmen die Unterwerfung ihrer Untertanen in Hü­ fingen entgegen. In Behla spielte damals die heute nicht mehr vertretene Bauernfamilie Glunk eine führende Rolle. Seit 1448 geriet sie mehrmals mit der Herrschaft in Konflikt, 1525 verklagte Burkhard von Sehellenberg die Bauern von Hausen und Peter Glunk von Behla auf Schadenersatz für seine Auf­ wendungen zur Niederschlagung des Bau­ ernaufstandes. Im Jahr 1616 mußten die an chronischem Geldmangel leidenden Schel­ lenberger Behla an die Fürstenberger für ei­ nen Preis von 18 500 fl. verkaufen. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahr­ hunderts verbesserte sich die Lage des Bau­ ernstandes. Ein Urbar gibt Auskunft über die Verschiebung der Vermögensverhältnis­ se in Behla zugunsten der kleinen Bauern und Tagelöhner. Bei rund zweihundert Ein­ wohnern zählte man 1745 sieben bettelnde Ortsarme, und während um die Mitte des Jahrhunderts die Mehrzahl der Bürger Ta­ gelöhner waren, stieg die Anzahl ganzer Bauernstellen bis 1795 deutlich an. Von 35 Gemeindebürgern waren nur noch 14 Ta­ gelöhner, darunter der Lehrer und Mesner Hans Michael Scherer. Franz. Revolution und napoleonische Zeit Als Europa von der Französischen Revo­ lution erschüttert wurde, hielt der neue Geist auch in Behla Einzug. So weigerte sich die Gemeinde erfolgreich, besagtes Urbar zu unterzeichnen, wenn der Begriff der „Leib­ eigenschaft“ nicht daraus getilgt würde. Die nun folgenden Revolutionskriege und die napoleonische Zeit brachten für Behla Lasten durch Einquartierungen, militärische Hilfsleistungen und Lebensmittellieferun­ gen. Insgesamt mußten 5 600 fl. auf die Ge­ meindebürger umgelegt werden, die letzten Schulden waren erst 1845 getilgt. Wider­ stand regte sich, als nach dem Bündnis zwi­ schen dem Großherzogtum Baden und Frankreich Aushebungen auf der Baar vor­ genommen wurden; am 26. Oktober 1806 drang ein Haufen von bewaffneten Bauern aus Mundelfingen, Hausen, Riedböhringen 65

Behla im Großherzogtum Baden Städte und Gemeinden und Behla in das Hüfinger Schloß ein, spä­ ter wurden die Aufrührer verhaftet und teil­ weise zum Militärdienst eingezogen. Tiefgreifende innere Veränderungen und Reformen brachte die Zugehörigkeit zum 1806 gegründeten Großherzogtum Baden. Während bisher ein von der Herrschaft ein­ gesetzter Vogt in den Gemeinden bestimm­ te, wurde seit dem Inkrafttreten einer neuen Gemeindeordnung von der Gemeindever­ sammlung ein Bürgermeister gewählt; dieses Amt übte in Behla seit 1835 der ehemalige VogtJoseph Hall aus. Auch die Gemeinde­ fronen wurden bis auf einen geringen Rest aufgehoben. Im Jahr 1810 wurde eine groß­ herzogliche Verordnung zur Aufteilung der Allmende zu gleichen Teilen aufBauern und Tagelöhner erlassen. Dies ging zu Lasten der Bauern, die bisher Weiderechte für ihr Vieh auf der Allmende hatten. In Behla wandte Brunnen im Weidenbachweg. 66 Unterstützung der Revolution sich eine Gruppe von elf Bürgern unter Führung des Gemeinderechners Martin ge­ gen die Reform, unterstützt wurde sie von Vogt Hall, Lehrer Scherer und Johann Roth im Namen von 27 Gemeindebürgern. End­ gültig wurden die Weiderechte 1848 aufge­ hoben und die Masttierhalter entschädigt. Auch die Neuregelung der Abgabe von Bür­ gerholz brachte eine gerechtere Behandlung der Tagelöhner gegenüber den Bauern. Bis 1832 hatten letztere zwei Klafter bezogen, erstere nur einen. Schließlich schloß die Ge­ meinde am 22. Mai 1837 mit der fürstlichen Standesherrschaft einen Ablösungsvertrag über 26 087 fl. für die Zehnten aufland-und forstwirtschaftliche Erzeugnisse. Doch die Reformen gingen nicht weit ge­ nug. Die Liberalisierung der Gesellschaft war ins Stocken geraten und Mißernten 1846/47 hatten eine große Teuerung zur Folge. In Behla wurde von Februar bis Juni 1847 eine öffentliche Suppenspeisung ein­ geführt, von der 25 Personen Gebrauch machten. Schließlich wurde Hafermehl an die Bedürftigen ausgegeben. Im März 1848 ging wiederum von Frank­ reich ein Revolution aus, die Europa er­ schütterte. Als sie von Frankreich nach Ba­ den übergriff, beteiligte sich auch die Ge­ meinde Behla mit Bürgermeister Hirt und Lehrer Dietrich an der Spitze. Der Gemein­ derat beschloß die Bürgerbewaffnung auf Gemeindekosten, die einberufenen Rekru­ ten für das großherzogliche Heer wurden im Ort zurückgehalten. Durchmarschieren­ de württembergische Truppen wurden belä­ stigt, einmal gar beschossen. Bürgermeister Johann Hirt wurde Wahlmann zur Wahl der Deutschen Nationalversammlung. Als sich die Lage 1849 radikalisierte, wurde auch in Behla eine revolutionäre Volkswehr aufge­ stellt, ihr Hauptmann war Joseph Hall, Un­ teroffizier ein Danacher. Nach der Nieder­ schlagung der Revolution wurden Bürger-

Das Wappen von Behla Oben in Gold ein wachsender roter Adler, unten wiedergeteilt von Schwarz und Gold. Behla Behla kam im Jahre 1620 mit———, meinde angenommen wurde. Seit 1898 waren ein Siegel und Farbdruckstempel mit diesem Wappen in Gebrauch. Die Gemeinde kam 1806 mit der fürstenbergischen Landgrafschaft Baar an Baden, fürstlich fürsten­ bergisches Bezirksamt Hüfingen (Amtssitz 1844 nach Donaueschin­ gen verlegt), ab 1939 Landkreis Donau­ eschingen. Am l.Januar 1972 wurde Behla in die Stadt Hüfingen eingemeindet. Das Wappen ist damit erloschen. der Herrschaft Hüfingen von den Schellenbergern an Fürstenberg. Das Wappen gibt daher die obe­ re Hälfte des fürstenbergischen Adlers zusammengesetzt mit der unteren Hälfte des Wappens der Herren von Sehellenberg wieder. Der Huldigungsliste von 1811 ist ein schönes Rundsiegel aufgedrückt, das, von zwei Roggenhalmen umgeben, im Siegelfeld ein Kirchlein zeigt; Umschrift: SIGIL DER EHRSAMEN GEMEIND BEHLA. Später werden jedoch nur noch reine Schriftstempel verwendet. Nur der runde Farbdruckstempel von etwa 1880 mit der Umschrift STANDESBEAM- TUNG BEHLA zeigt in einem bekrönten Schild den Buchstaben B (siehe auch Gut­ madingen). Im Jahre 1897 schlug das Ge­ nerallandesarchiv Karlsruhe das eingangs beschriebene Wappen vor, das von der Ge- Klaus Schnibbe Quellen: GLA. – FUB 6, 7 (v. Sehellenberg). -ZWR (v. Sehellenberg). – F. F. Hofbibl. Donaueschingen, Donauesehinger Wappenbueh von 1433 (v. Sehel­ lenberg). -Rieter: (v. Sehellenberg). Entnommen aus: Schriften der Baar (SVG) 33.1980. meister Hirt und Hauptlehrer Dietrich ab­ gesetzt bzw. suspendiert. Bis 1851 wurden Untersuchungen gegen Teilnehmer an revo­ lutionären Umtrieben durchgeführt und die Gemeinde mußte 1 700 fl. Einquartierungs­ kosten für fremde Truppen aufbringen. Aber bereits 1861 wurde Hirt wieder zum Bürgermeister gewählt, mit Unterbrechun­ gen amtierte er bis 1885. Ein großer Fortschritt war die Inbetrieb­ nahme einer eigenen Wasserleitung im Jahr 1896. Für das Projekt hatte die Gemeinde 22 000 Mark aufgenommen. 1913 wurde die Wasserversorgung gemeinsam mit der Ge­ meinde Fürstenberg erweitert. Wie wichtig die Wasserleitung war, zeigt ein Blick in die Brandversicherungsakten, die für das 19. Jahrhundert sieben größere Brände doku­ mentieren. Viel Leid brachte der Erste Weltkrieg. Von 55 eingezogenen Bürgern kehrten neun nicht zurück, aber von Kriegszerstörungen blieb der Ort verschont. Seit 1915 kamen Kriegsgefangene, vor allem Franzosen und Russen, als Arbeitskräfte nach Behla. Als wieder Frieden herrschte, konnte 1921 end­ lich die schon lange geplante Elektrizitäts­ versorgung eingerichtet werden. Das Jahr 1923 brachte eine schwere Brandkatastro­ phe, die sieben Häuser vernichtete. Das Ende der kurzen Friedenszeit war be­ siegelt, als 1933 die nationalsozialistische Diktatur errichtet wurde. Zunächst wurde Hitlers Herrschaft auch in Behla von vielen 67

Städte und Gemeinden begrüßt, erhoffte sich der hoch verschulde­ te Bauernstand doch Besserung von dem neuen Regime. Aber der Krieg zerstörte die Illusionen, etwa 65 Männer und Jugendliche mußten Militärdienst leisten. Schon 1939 kamen etwa 15 polnische Kriegsgefangene ins Dorf, drei von ihnen wanderten 1947 nach Australien aus. Auch „Ostarbeiter“ aus Weißrußland und der Ukraine wurden in der Landwirtsd,aft eingesetzt. Seit Sommer 1940 kamen Evakuierte in den Ort, zunächst aus Freiburg und vom Kaiserstuhl, dann aus Westfalen und Mannheim, schließlich aus Hüfingen und Donaueschingen. Seit 1943 konnte man die alliierten Bombergeschwa­ der am Himmel sehen. Kriegsschauplatz wurde Behla noch im April 1945, als sich deutsd1e Soldaten und Marokkaner der fran­ zösischen Armee heftige Kämpfe im Ort lie­ ferten. Tote, Verletzte, Brandschäden und acht Obdachlose Familien waren zu bella­ gen. Nach Kriegsende normalisierte sich das Le­ ben langsam. Glücklich war man über die gute Ernte von 1945, für die Volksküchen in Freiburg konnten Kartoffeln gesammelt werden. Ab 1948 begann dann die Zuwei- sung von Flüchtlingen aus der überfüllten amerikanischen Zone. In den folgenden Jahren wird die Infra­ struktur ausgebaut. 1957 schließt sich Behla mit Hondingen, Riedböhringen und Ried­ öschingen zum Wasserversorgungsverband Aitrach zusammen. 19 Jahre gehört die Ge­ meinde dem Verband an, bis nach der Ein­ gemeindung die Stadt Hüfingen die Was­ serversorgung übernimmt. 1960 wird ein Schlachtl,aus gebaut. Das örtliche Strom­ netz wird verstärkt und 1980 an das Kraft­ werk Laufenburg verkauft. Eine Verbesse­ rung der landwirtschaftlichen Struktur bringt die 1958 beschlossene Flurbereinigung. Den­ noch ist der im allgemeinen Trend liegende Übergang von Vollerwerbslandwirtschaft zur Nebenerwerbswirtschaft nicht aufzuhal­ ten. Anschluß an Hüfingen Als die Landesregierung 1968 eine Verwal­ tungsreform in Angriff nimmt, steht man in Behla dem geplanten Anschluß an Hüfin­ gen zunächst ablehnend gegenüber, aber nachdem die Einrichtung der Ortschaftsver- Prächtige Blumengärten finden sich in Behla vielerorts. 68

Behla Die weltweit agi.erende Bäurer AG hat ihren Sitz in Behla. waltung gesichert ist, ändert sich die Stim­ mung. Bei der Bürgeranhörung 1971 findet die Eingemeindung mit 71 0/o breite Zustim­ mung und seit dem 1. Januar 1972 ist Behla ein Ortsteil von Hüfingen. Ein Schmückstück im Ort ist das Rathaus, eine ehemalige Zehntscheuer. Nach Aufga­ be der Farrenha!tung im Jahr 1979 wurde der ehemalige Ökonomieteil frei, und aus dem Heustall ist ein schöner Festsaal geworden. Weitere Umbaumaßnahmen und Renovie­ rungen folgten. So wurde das Dach mit den für die Baar typischen Zinngiebeln instand­ gesetzt. Behla war nie eigene Pfarrei, es gehört seit alters her zum 1275 erstmals erwähnten Seel­ sorgebezirk Hausen vor Wald. Schon 1155 aber besaß es eine eigene Kapelle, deren Pa­ tron Sankt Georg ist. Der heutige, an glei­ cher Stelle auf einem Hügel stehende Kir­ chenbau wurde 1770 geweiht, wiederholt re­ noviert und 1906/07 durch den Anbau des Chores erweitert. Die heutige Grundschule hat ihren Ur­ sprung in der Pfarrschule, an welcher der Mesner die Schüler unterrichtete. Noch 1785 gab es kein eigenes Unterrichtszimmer, die Familie des Schulmeisters wohnte in der Schulstube. Schließlich wurde ein Raum in einem Gasthaus bereitgestellt. Aus dem Jahr 1787 wird berichtet, daß die Mädchen auf Anweisung der Eltern nicht schrieben. Man fürchtete, daß sie erlernte Schreibkenntnis­ se mißbrauchen würden, ,,um amor zu hul­ digen“. Berühmtester Bürger des Ortes ist Aloys Ludwig Hirt (1759-1837), ein Gelehrter und Schriftsteller, der viele Jahre lang in Italien Kunstdenkmäler studierte und als Reisefüh­ rer arbeitete. Dort lernte er Goethe kennen, der ihn sehr schätzte und ihm verbunden blieb. Schließlich wurde er Professor der Ar­ chäologie in Berlin und Mitglied der Aka­ demie der schönen Künste. Größter örtlicher Arbeitgeber ist die 1979 gegründete Firma Heinz Bäurer für Softwa­ reanwendungen und Unternehmungsbera­ tung, die weltlweit agiert und inzwischen auch an der Börse vertreten ist. Helmut Rothermel Quelle: .Behla, Stadtteil von Hüfingen, Geschichte eines Baardorfes im Rahmen der Landschaft“ von Dr. Alfred Hall, Egon Bäurer, Friedolin Kaiser, o.J. 69

4. Kapitel /Almanach 2001 Behörden und Institutionen Bürger sind mit der Polizei zufrieden Das Forum Kriminalprävention tagte mit Innenminister Dr. Schäuble Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist ein „Vor­ zeige-Kreis“, wenn es um kommunale Kri­ minalprävention geht. Das Konzept lebt vom Engagement der Institutionen vor Ort und kann nur gelingen mit einem engen Schulterschluß mit der Polizei“, so Landrat Karl Heim in seiner Begrüßung. Zu dieser Tagung am 8. Oktober 1999 hatten Landrat Karl Heim, Oberbürgermeister Prof Dr. Manfred Matusza und auch Polizeidirektor Robert Wölker anläßlich der Feiern „1000 Jahre Markt-, Münz,- und Zollrecht Villin­ gen“ eingeladen. Neben dem Innenminister des Landes Dr. Thomas Schäuble waren Vertreter aus den unterschiedlichsten Bereichen wie Jugend-, Sozial-, Ordnungs- u. Ausländerämtern, aus den Schulen, der Justiz, der Kommunen, der Polizei und nicht zuletzt der Medien in das Landratsamt gekommen, um in einer Be­ standsaufnahme alle Aktivitäten im Bereich der Kommunalen Kriminalprävention im Schwarzwald-Baar-Kreis zu würdigen und zu diskutieren. Was verbirgt sich hinter dem relativ ab­ strakten und für die Allgemeinheit nicht leicht zu ergründenden Begriff Kommunale Kriminalprävention? Frühe Vorbeugung wichtig Ziel der Kommunalen Kriminalprävention ist es, Straftaten erst gar nicht entstehen zu lassen. Mit einem lokal orientierten Vor­ beugungsansatz, bei dem alle gesellschaftli­ chen Kräfte vernetzt sind und die Repräsen­ tanten der Kommunen einschließlich der Polizeiführung eine Bündelungs- und Inte- Kommunale Krimina lräventi«J Die Mitglieder des Forums Kommunale Kriminalprävention. 70

Laut Bürgerbefragung fühlen sich im Land- kreis 84 Prozent aller Befragten sicher bis sehr sicher, auch die Arbeit der Polizei wur- de von den Befragten als gut bewertet. grationsfunktion ausüben, sollen Gewalt-, Straßen- sowie Massenkriminalität redu­ ziert, kriminalitätsfördemde Strukturen ab­ gebaut und das Sicherheitsgefühl der Bevöl­ kerung gestärkt werden. Das Konzept geht dabei von dem Grundgedanken aus, daß durch reine Strafverfolgung nur die Symp­ tome gesellschaftlicher Defizite angegangen werden, nicht aber deren Ursachen. Zu dieser Thematik unterstrich Prof. Dr. Matusza, Oberbürger­ meister von Villingen-Schwen­ ningen, zugleich Vorsitzender des Forums Kommunale Krimi­ nalprävention in der Doppel­ stadt, daß Polizei und Justiz nicht allein für die Sicherheit der Bürger sorgen könnten. Vor­ beugung müsse viel früher ein- setzen, schon bevor Polizei und Justiz tätig werden könnten. Sie müsse vor allem dort ansetzen, wo Delinquenz, insbesondere Ge­ walt entstehen kann, so z. B. in den Famili­ en, in den Schulen und im Freizeitbereich. Neben den Kommunen komme daher den Vereinen eine wichtige Rolle zu. Er verwies auf den in der Doppelstadt vorangetriebe­ nen Ausbau des „Streetworking“ und auf den Arbeitskreis mobile Jugendarbeit, der eine Reihe von Erfolgen verbuchen konnte. Niedrige Kriminalitätsbelastung Der Leiter der Polizeidirektion Villingen­ Schwenningen wies u.a. auf weitere Aktivitä­ ten auf dem Gebiet der Kommunalen Kri­ minalprävention hin, deren Wirkungen sich insbesondere in den Städten Donaueschin­ gen, Hüfingen, Blumberg und St. Georgen entfalten. Die Kriminalitätsbelastung im Schwarzwald-Baar-Kreis ist zwar um das 4,5fache niedriger als beispielsweise in Frankfurt a.M. Dennoch verzeichnet die Po­ lizeidirektion in Villingen-Schwenningen ei­ ne Reihe von präventablen Delikten, die ge­ eignet sind, die Bevölkerung zu beunruhi- Forum Kriminalprävention gen. Durch ein vernetztes Zusammenwirken aller versammelten Institutionen kann vor allem die Jugendkriminalität reduziert wer­ den. Aufgrund einer Expertenbefragung, die vom Landratsamt Villingen-Schwenningen in Auf-trag gegeben und vom Ersten Lan­ desbeamten Joachim Gwinner in ihren Grundzügen vorgestellt wur­ de, fühlen sich im Landkreis 84 Prozent aller Befragten im Kreis sicher bis sehr sicher. Auch die Arbeit der Polizei wurde nahezu von allen Be­ fragten als gut bewertet. Der Landes-Innenminister Dr. Thomas Schäuble nahm die Beiträge zustimmend zur Kenntnis und bezeichnete die kommunale Kriminalpräven- tion als „einen der erfolgver­ sprechendsten Wege in den letzten Jahren beim Thema Innere Sicherheit“. Nur auf kommunaler Ebene könne man treffsicher analysieren, welche Maßnahmen zur Vor­ beugung von Gewalt geeignet seien. Nicht alles könne von der Polizei, die da und dort an die Grenzen ihrer Kapazität stoße, auf­ gefangen werden. Intensive und vernetzte Zusammenarbeit von Polizei, Jugend-, Ord­ nungs-, Sozial- und Ausländeramt seien ebenso notwendig wie das Einbeziehen von Schulen und Vereinen, so Innenminister Schäuble. Die anschließende intensive Diskussion über konkrete Konzepte zeigte: Man ist auf dem richtigen Weg! Robert Wölker 71

Behörden und Institutionen Bürger im Landkreis fühlen sich sicher Ergebnisse einer Bürgerbe&agung in fünf Städten des Landkreises „Wie sicher fühlen sich die Bürger im Landkreis? Was sind für sie die wichtigsten Problemfelder in puncto Sicherheit in ihrer Stadt?“ – Fragestellungen, deren Beantwor­ tung sich eine Arbeitsgruppe unter der Fe­ derführung des Landkreises im ersten Halb­ jahr 2000 zur Aufgabe gesetzt hat. Im Januar 2000 wurden in einer bundes­ weit einmaligen Befragungsaktion zeitgleich 30 000 Bürgerinnen und Bürger in fünf Städten des Schwarzwald-Baar- Kreises (Villingen-Schwennin­ gen, St. Georgen, Bad Dürr­ heim, Blumberg und Furtwan­ gen) mittels eines umfangrei­ chen Fragebogens nach ihrem persönlichen Sicherheitsemp­ finden und ihrer Sicht der ört­ lichen Problemlagen befragt. Einmalig war dabei auch der kooperative Ansatz dieses Pro­ jektes: Städte, Landkreis, Poli­ zei und W issenschaft fanden sich zusammen, um Grundla- gen für örtliche Präventionsstrategien in den Gemeinden des Landkreises zu schaffen. Ausgangspunkt für dieses im Umfang und vom Inhalt her ehrgeizige Projekt war die Feststellung im bereits seit mehreren Jahren bestehenden „Arbeitskreis Kommunale Kriminalprävention“ der Stadt Villingen­ Schwenningen, daß es für eine erfolgreiche lokale Strategie zur Kriminalitätsbekämp­ fung unerläßlich ist, die Bürgerinnen und Bürger selbst zu befragen, wo sie in Sachen Kriminalität in ihrem Wohnumfeld, in ihrer Stadt „der Schuh drückt“. Nur wenn die Pro­ blemsicht der Bürger bekannt ist, kann durch entsprechend initiierte Gegenmaß­ nahmen ein Mehr an Sicherheit vermittelt werden. Um erste Ergebnisse zu dieser Problem- 72 In der bundesweit ein· maligen Bürgerbefra· gung wurden 30 000 Bürgerinnen und Bür­ ger sowie 120 Exper· ten nach ihrem per· sönlichen Sicherheits· befinden befragt. stellung zu erzielen, wurde zuvor bereits im Sommer 1999 in den fünf genannten Städ­ ten eine sogenannte Expertenbefragung durchgeführt. In jeder Gemeinde wurden je­ weils rund 20 Repräsentanten des gesell­ schaftlichen Lebens in Interviews nach ihrer Einschätzung der Sicherheitslage in ihrer Gemeinde sowie nach der Zufriedenheit mit der Arbeit der Polizei befragt. Diese Befra­ gung brachte seinerzeit erfreuliche Ergeb- nisse: 840/o der insgesamt 120 befragten Experten fühlten sich in ihrer Gemeinde sicher, ge­ rade 40/o fühlten sich unsicher. 12 0/o gaben „teils/teils“ an. Auf einer Skala zum Sicher­ heitsgefühl von 1 (sehr nied­ rig) bis 15 (sehr hoch) lagen die Experten insgesamt für die fünf Gemeinden bei knapp 11 Punkten – ein beachtliches Niveau positiven Sicherheits­ empfindens. Erstaunlich ist auch, daß für diese Experten das Thema Kriminalität in ihrer Gemeinde kaum eine Rolle spielte: Nur 100/o der Be­ fragten nannten Kriminalität als wichtigstes Problem in ihrer Gemeinde. Viel öfters wur­ den bereits bei diesen Interviews jedoch die Probleme ,Jugendliche, Ausländer und Aus­ siedler“ sowie der Autoverkehr, dunkle Stras­ sen und Örtlichkeiten und Müll genannt. Mit der Arbeit der Polizei waren 700/o der Experten zufrieden – ein ermutigendes Er­ gebnis für unsere Polizei. Allerdings zeich­ neten sich bei dieser Expertenbefragung be­ reits deutliche Unterschiede im Vergleich der einzelnen fünf Städte ab: Im Sicherheits­ empfinden der Experten lag die Stadt Blum­ berg sowie der Stadtteil Schwenningen deut­ lich unter dem Durchschnitt der übrigen Gemeinden. Auch in der Zufriedenheit mit

der Polizei schnitt die Stadt Blumberg we­ niger gut als die anderen Städte ab. Die Ergebnisse dieser Expertenbefragung wurden dem Innenminister des Landes, Herrn Dr. Schäuble, anläßlich des „Forums Kriminalprävention“ am 8. Oktober 1999 vorgestellt. Schon damals war klar, daß die­ se Befragung nicht repräsentativ sein konn­ te, sondern allenfalls „Trends“ für eine nach­ geschaltete, umfangreiche Bürgerbefragung aufzeigte. Im Januar 2000 startete dann die eigentli­ che Bürgerbefragung: Jeweils 5 000 Einwoh­ ner im Alter ab 14 Jahren, in Villingen­ Schwenningen 10 000 Einwohner, wurden über die Einwohnermelderegister der fünf Städte nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Ihnen wurde ein achtseitiger Fragebogen mit rund 6 0 detaillierten Fragen zur „Vikti­ misierung“ (in den letzten 12 Monaten Op­ fer einer Straftat geworden), zur subjektiven Verbrechensfurcht (Sicherheitsempfinden), zu ihren Polizeikontakten und zur Bedeu­ tung einzelner Problemfelder in ihrer Ge­ meinde zugestellt. Zusätzlich konnten die Bürgerinnen und Bürger neben diesen „ge­ schlossenen“ Fragestellungen (nur bestimmte Antworten konnten angekreuzt werden) aud1 mit eigenen Worten wiedergeben, wo ihre Befürchtungen, Probleme und Ängste lie­ gen (,,offene Fragen“). Mit Rücklaufquoten der Fragebögen von 16% (Furtwangen) bis 27,5 % ( Villingen-Schwenningen), die trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit leider etwas unter dem Durchschnitt vergleichbarer Stu­ dien lagen, war gleichwohl Ende Januar ein Bürgerbefragung einigermaßen repräsentatives Ergebnis gesi­ chert. Die Eingabe der über 7 000 Fragebö­ gen mit über 400 000 Einzeldaten in ein spe­ zielles Statistikprogramm erfolgte durch Mitarbeiterinnen der beteiligten Städte. Die Auswertung der Fragebögen oblag einer ei­ gens zu diesem Zweck beim Landkreis be­ schäftigten ABM-Kraft und erfolgte unter wissenschaftlicher Anleitung von Herrn Prof. Feltes, Leiter der Hochschule der Poli­ zei in Villingen-Schwenningen. Herr Prof. Feltes, der bereits eine Vielzahl identischer oder ähnlicher Befragungen im Bundesge­ biet durchgeführt hat, hatte sich zuvor spon­ tan bereit erklärt, diese einmalige und um­ fassende Aktion im Schwarzwald-Baar-Kreis wissenschaftlich zu begleiten und seine Er­ fahrungen einzubringen – ein Glücksfall und Erfolgsgarant für unser Vorhaben. An1 30. Juni 2000 erfolgte die öffentliche Vor­ stellung der Ergebnisse in der Hochschule der Polizei. Die wichtigsten Ergebnisse im einzelnen Bei der Frage, ob man in den letzten 12 Monaten Opfer einer Straftat geworden ist, kamen recht erstaunliche Ergebnisse zutage (Schaubild 1): Während in Villingen-Schwen­ ningen nur 22,5 % der Befragten dies positiv beantworteten, waren es in Blumberg 32,7% und damit fast ein Drittel der antwortenden Bürger. Die Ergebnisse lagen im Vergleich mit anderen Befragungen – abgesehen von Villingen-Schwenningen und Blumberg – im Durchschnitt. Die erfreulich geringe „Vik- 35%�-2_9_,0_% ________ 2_�_8·_�— – ——� 30%>—— 25% 20% 150/o Schaubild 1 zeigt den Anteil lOO/o der Befragten, die in den 5% letzten 12 Monaten Opfer O% einer Straftat wurden. Bad Dürrheim Blumberg Furtwangen St. Georgen vs 73

Behörden und Institutionen 60% �——�——�——�——�, 50% t———-1- 40% t———-1- .10% t—–==—+ 20% 10% 0% eher sicher eher unsicher sehr unsicher 53,7% 46,1% 49,2% 54.4% 46,0% 23,7% 30,8% 20,0% 19,2% 32,1% 3,1% 7,10/o 2,8% 3,5% 7,0% Schaubild 2 zeigt das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger in ihrer Wohngegend. sehr sicher • Bad Dürrheim • Blumber • Furtwan cn 19,6% 16,0% 28,0% 22,9% 14,9% [] St. Geor en • vs timisierungsquote“ für Villingen-Schwen­ ningen, jedoch die vergleichsweise hohe �ote in Blumberg widersprechen etwas dem sonst üblichen Trend bei Opferstudien, daß die „Opferwerdung“ mit zunehmender Größe einer Gemeinde steigt. Hier spielen regionale Besonderheiten doch eine wichti­ ge Rolle. Jedenfalls ist der Schwarzwald­ Baar-Kreis bei der Kriminalität keine „Insel der Glückseligen“. Diese Aussagen der Be­ fragten zeigen auch deutliche Diskrepanzen zur objektiven Sicherheitslage, wie sie von der Polizei in ihrer Kriminalstatistik doku­ mentiert ist. So registrierte die Polizei 1999 für die fünf befragten Städte insgesamt rund 6 400 Straftaten. Dem gegenüber gaben von den rund 7 000 Befragten, die ihren Frage­ bogen zurücksandten, im Durchschnitt ca. 28 0/o an, im letzten Jahr Opfer einer Straftat geworden zu sein; Dies heißt, auf die 7 000 Befragten wären knapp 2 000 Straftaten ent­ fallen. Hochgerechnet auf die Gesamtbe­ völkerung in diesen fünf Städten müßte sich danach das sechsfache der tatsächlich poli­ zeilich erfaßten Straftaten ergeben -ein Phänomen, das sich bisher bei allen anderen Studien ebenfalls gezeigt hat, wenn auch dort nur von einer etwa dreifachen „Dun­ kelziffer“ der nicht registrierten Straftaten ausgegangen wurde. Dabei gilt -so Prof. Feltes: ,,Je leichter die Straftat, das Delikt, um so größer ist die Dunkelziffer.“ Jeden­ falls belegt diese Diskrepanz, daß es nach 74 Einschätzung der Bürger deutlich mehr Straftaten gibt, als von der Polizei registriert werden. Ein Umstand, den die Polizei in ihrem Bemühen um Bürgernähe und Straf­ verfolgung zu berücksichtigen haben wird. Was die signifikante Abweichung in Blum­ berg „nach oben“ betrifft, dürfte dies mit den Angaben zu „erfahrener Gewalt/tätlichen An­ griffen“ zusammenhängen: Hier gaben im Vergleich mit den anderen Gemeinden dop­ pelt so viel Blumberger an, Opfer derartiger Straftaten geworden zu sein. Die polizeili­ che Statistik weißt 1999 jedoch für Blum­ berg nur 12 Fälle von Gewaltkriminalität aus! Wichtige Ergebnisse zum subjektiven Si­ cherheitsempfinden der Bürger liefert die Frage nach dem Sicherheitsgefühl beim nächtlichen Unterwegssein in der jeweiligen Wohngegend (Schaubild 2). Immerhin fühlen sich im Durchschnitt der fünf Städte über 700/o der Befragten „sehr oder eher si­ cher“. Nur knapp 300/o gaben ein eher unsi­ cheres oder sehr unsicheres Gefühl an. Am sichersten fühlen sich offensichtlich die Bür­ ger in St. Georgen, Furtwangen und Bad Dürrheim; mit deutlichem Abstand folgen Villingen-Schwenningen und Blumberg. Die stark vergröbernden Aussagen müssen jedoch mittels des vorhandenen Datenma- Subjektives Sicherheitsempfinden

Bürgerbefragung terials noch innerhalb der jeweiligen Ge­ meinde nach ihrer Wohngegend weiter dif­ ferenziert werden. So zeigt sich etwa, daß sich innerhalb von Villingen-Schwenningen die Bürger in bestimmten Stadtteilen sehr viel sicherer fühlen (zum Beispiel Pfaffen­ weiler, Hammerhalde) als in anderen Wohn­ gegenden (zum Beispiel Innenstadt Villin­ gen und Schwenningen, Saurer Wasen/ Dickenhardt). Auch wenn die Ergebnisse hier im Vergleich mit Studien in anderen Städten in etwa gleich liegen, fallt doch die relativ hohe Furcht in Villingen-Schwenningen und Blumberg auf. Erstaunlich ist auch, daß die Auswertungen der Fragebögen gezeigt haben, daß die Ängste sich – mehr als bislang allgemein angenommen- auf die jüngeren Personengruppen von 14 bis 24 Jahren beziehen. Diese Personengruppe weist ein deut­ lich höheres Maß an Furcht auf, als Personen mittleren oder höheren Alters. Nur in Bad Dürrheim steigen die Angstge­ fühle mit dem Alter der Befragten an. takt zur Polizei – telefonisch oder durch di­ rekte Ansprache – gesucht. Die wenigsten Kontakte ergaben sich allerdings für Villin­ gen-Schwenningen (30,60/o) und Blumberg (33,2 0/o). Auf die Frage, wann man zuletzt eine Polizeistreife in der eigenen Wohnge­ gend gesehen habe, erklärten deutlich mehr als ein Drittel der Befragten, daß dies im letzten Monat der Fall gewesen sei. Ledig­ lich ein Viertel der Befragten sagte, daß sie noch nie eine Streife in ihrer Wohngegend zu Gesicht bekommen hät­ ten. Vergleicht man diese Er­ gebnisse mit einer bundes­ weiten Befragung aus den Jahren 1995, bei der knapp 35 0/o angaben, noch nie eine Streife in ihrer Wohngegend gesehen zu haben, bedeutet dies jedenfalls für die Ge­ meinden St. Georgen und Furtwangen sowie für Villin- gen-Schwenningen eine deut­ lich höhere subjektiv wahrgenommene Poli­ zeipräsenz als im Bundesdurchschnitt. Die Polizeipräsenz wird für die Gemein· den St. Georgen, Furt- wangen und Villingen- Schwenningen höher eingeschätzt als im Bundesdurchschnitt. Mit dieser Fragestellung korrespondierte die weitere Frage danach, ob aufgrund die­ ser Angst Freizeitaktivitäten, die besonders das positive Lebensgefühl der Menschen prägen, eingeschränkt wurden. Hier gaben im Durchschnitt 15 0/o der Befragten an, aus Angst vor Straftaten Einschränkungen vor­ genommen zu haben (zum Beispiel nicht mehr allein ausgegangen zu sein). Auch da­ bei stechen wieder Blumberg und Villingen­ Schwenningen hervor: Hier schränkte sich jeder Fünfte aus Angst vor Straftaten in sei­ nen Freizeitaktivitäten ein. Einschätzung der Polizeipräsenz Bei der Frage nach der Einschätzung der Polizeipräsenz kam ein insgesamt gesehen erfreuliches Ergebnis zum Vorschein: Im Durchschnitt der fünf Städte haben rund 43 0/o der Befragten im letzten Jahr den Kon- Verkehr größtes Problem Die Frage nach den drängendsten Proble­ men in den Gemeinden brachte folgendes Ergebnis: Als dominierendes Problem sehen dabei die Bürger der fünf befragten Städte das Problem des Verkehrs (Autofahrer, par­ kende Autos) an: Rund 500/o aller Befragten sehen Autofahrer als „ziemliches oder gros­ ses Problem“ an, für 300/o sind parkende Au­ tos ein belastender Faktor. Diese Problem­ sicht gilt in nahezu allen Gemeinden gleich. An zweiter Stelle folgt das Müllproblem: 38 0/o der Befragten sehen die Sauberkeit ih­ rer Stadt als gefährdet an, wobei sich hier al­ lerdings doch Unterschiede im Vergleich der Gemeinden ergeben. Am stärksten „drückt“ dieser Bereich der öffentlichen Ordnung of­ fensichtlich in Blumberg (46,2 %) und Vil­ lingen-Schwenningen (44,5 0/o). Von jedem Dritten der Befragten werden „Jugendliche“ 75

Behörden und Institutionen als Ursache von Problemen gesehen. Auch hier scheinen in Blumberg mit einer Nen­ nung von 440/o und Villingen-Schwennin­ gen mit 38 0/o besondere Problemlagen gege­ ben zu sein. Gut jeder fünfte Befragte sieht im Bereich von „Ausländern/Asylbewerbern“ ein Problem, wobei aber auch hier wieder­ um die Stadt Blumberg mit 47% deutlich hervortritt. ,,Fremdes macht unsicher“ Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Autos (fahrend oder parkend) das die Bürger am meisten belastende Problem dar­ stellen. Es folgt das Müllproblem. Jugendli­ che werden vor allem in Blumberg und Vil­ lingen-Schwenningen als Problem betrach­ tet. Ausländer und Asylbewerber werden überdurchschnittlich häufig in Blumberg als Problemfaktor benannt. Auch fallt auf, daß die Bürger in Blumberg und in Villingen­ Schwenningen deutlich mehr vorgegebene Probleme nennen als in den übrigen drei Städten. Für Villingen-Schwenningen mag dies mit den Problemlagen einer größeren Stadt, eines Oberzentrums, zusammenhän­ gen, für Blumberg gilt es, hier nach den Ur­ sachen zu forschen. Sicherlich spielt daher die Historie der Stadt (Zuzugsprobleme in früheren Jahrzehnten), ihre Grenznähe (,,Fremde oder Fremdes macht unsicher und fuhrt zu Angstgefühlen“), der zusammen 40% 1—- —+ mit Villingen-Schwenningen höchste Aus­ länderanteil aller Gemeinden im Schwarz­ wald-Baar-Kreis sowie der Standort eines Übergangswohnheims für Spätaussiedler ei­ ne Rolle. Für das negative Befragungsergeb­ nis kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß dies auf den Auswirkungen eines im Zeitpunkt der Bürgerbefragung in der Öf­ fentlichkeit stark diskutierten Gewaltvorfalls im Dezember 1999 beruht, in den ein orts­ ansässiger Jugendlicher und jugendliche Spätaussiedler verwickelt waren. Bei den sogenannten offenen Fragen kri­ stallisierte sich heraus, daß sich die Bürger vor allem an Orten fürchten, die dunkel (zum Beispiel Unterführungen und unbe­ leuchtete Straßenabschnitte) oder unüber­ sichtlich (zum Beispiel Bahnhöfe) sind. Ein Ergebnis, das sich schon bei der Experten­ befragung abzeichnete. Auch zieht sich – abgesehen von der Autofahrerproblematik – wie ein roter Faden das Thema „Fremde“ und „Jugendliche“ durch die allgemeinen Problemnennungen. Fremde sind Ortsfrem­ de und Kulturfremde. Jugendliche werden besonders dann als Problem betrachtet, wenn sie keine „Einheimischen“ sind. Ent­ sprechend ist meistens dort, wo viele „Frem­ de“ sind, das persönliche Sicherheitsemp­ finden am niedrigsten. Dort, ,,wo jeder je­ den kennt“, fühlt man sich besonders sicher. Was die Bürger ebenfalls beunruhigt, ist die Tendenz (fremder) Jugendlicher und junger 20% 10% O% • u endliche • Gcbiiude • FI. Händler O zcm. Telefonzellen • Dro enabhän i e • Betrunkene Bad Dürrheim Blumberg Furtwangen St. Georgen 23,6 % I0,80/o 19,20/o 21,10/o 14,7% 14,2% 44,0% 13,30/o 25,30/o 28,20/o 25,80/o 28,20/o 28,50/o 11,60/o 20,0% 19,5% 15,8% 15,7% 23,30/o 16,50/o 18,00/o 22,6% 15,5% 15,6% VS 38,20/o 12,40/o 17,0% 21,40/o 20,6% 25,4% Benennung von Problemen (,,ziemliches oder großes Problem“) in den Gemeinden (Teil 1). 76

60% �����������������������������! 50% t–�….–���t———I·l-��-+-�����+-����—1������1 40% 30% 20% 10% 0% Bad Dürrheim Furtwangen • • • lil • • • Hauswände Müll Autofahrer Ausl./As lb. Ausl.fei.ndlichkeit Au1owracks ark. Autos 19,2% 31,0% 48,9% 16,0% 13,3% 10,2% 36,CJOA, 16,3% 46,2% 54,4% 47,0% 23,5% 7,40/o 29,20/o 15,80/o 33,80/o 49,4% 22,2% 14,40/o 10,30/o 35,90/o 18,2% 34,5% 48,2% 20,7% 12,1% 7,60/o 19,2% Bürgerbefragung vs 20,80/o 14,5% 48,3% 28,8% 18,4% 10,2% 31,0% Benennung von Problemen (,,ziemliches oder großes Problem“) in den Gemeinden (Teil 2). Erwachsener, Gruppen zu bilden. Das Un­ sicherheitsgefühl wird dadurch verstärkt, daß die Befragten diesen Gruppen meist al­ leine begegnen und man sich so schon zah­ lenmäßig „unterlegen“ und damit unsicher fühlt. Die Ergebnisse der vorausgegangenen Ex­ pertenbefragung und der nachgeschalteten differenzierten Bürgerbefragung auf einen Nenner gebracht: Die Menschen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis fühlen sich dort unwohl, wo es dunkel oder dreckig ist und wo „Frem­ de“ sind! Mit dieser in der Öffentlichkeit stark be­ achteten Umfrage, die die Trends der Ex­ pertenbefragung im wesentlichen klar wi­ derspiegelt, ist jetzt der Anfang gemacht für eine problemorientierte und konsequente kommunale Kriminalprävention: Die poli­ tisch Verantwortlichen, aber auch die Ge­ samtheit aller Bürger einer Stadt wissen nun, wo und durch was das Sicherheitsempfin­ den ihrer Bevölkerung gestört ist. Gegen­ strategien können nun auf einer fundierten Datenbasis eingeleitet oder fortgesetzt wer­ den. Dies können zum einen relativ einfa­ che Maßnahmen, wie etwa eine bessere Be­ leuchtung von Straßen, Plätzen und Unter­ führungen sein. Planerische Maßnahmen et­ wa im Bereich der Bauleitplanung (zum Bei­ spiel Vermeidung sozialer Brennpunkte) müssen sich anschließen. Dies können aber auch komplexe und alle gesellschaftlichen Gruppen erfassende Projekte wie die Inte­ gration „Fremder“ (damit sie keine Fremden mehr sind!), eine weitere Stärkung der kom­ munalen und verbandlichen Jugendarbeit oder aber gemeinsame Maßnahmen zur Sauberhaltung der Städte sein. Auch die Polizei ist aufgerufen, noch mehr zu einer Verbesserung des subjektiven Si­ cherheitsempfinden der Bürger im Schwarz­ wald-Baar-Kreis zu tun: Gerade an den „Brennpunkten“ sowie in den Abend- und Nachtstunden wünschen sich die Bürger mehr polizeiliche Präsenz. Die Ergebnisse der Bürgerbefragung sowie die nachfolgenden Detailuntersuchungen für die jeweilige Gemeinde und das jeweili­ ge Wohngebiet sollen im Herbst den Ge­ meinderäten der fünf Städte vorgestellt wer­ den. Man darf gespannt sein, wie diese mit den Ängsten und Problemen ihrer Bürger umgehen und welche weiteren Konsequen­ zen sie neben den bereits vielfach schon be­ gonnenen Maßnahmen für ihre Gemeinde aus dieser Befragung ziehen. Joachim Gwinner 77

5. Kapitel/ Almanach 200 l Bildungseinrichtungen Verehnhgung von Theorie und Praxhs Die Berufsakademie Villingen-Schwenningen feierte ihr 25jähriges Bestehen Eine verbreitete Ansicht unter Studenten beschreibt das Spannungsverhältnis zwi­ schen Theorie und Praxis mit folgenden Wor­ ten: ,,Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts funktioniert. Praxis ist, wenn alles funktioniert und keiner weiß warum.“ Muß das so sein, daß Theorie und Praxis sich da­ durch vereinen, um dieses Wortspiel weiter zu denken, daß: ,,Nichts funktioniert und keiner weiß warum?“ Die acht Berufsakademien in Baden-Würt­ temberg belegen seit vielen Jahren das Ge­ genteil. Dort wird überzeugend nachgewie­ sen, daß Theorie und Praxis nicht nur mit­ einander kooperieren, sondern ein fruchtba­ res, gegenseitiges Lernverhältnis eingehen können. Die Berufsakademie Villingen­ Schwenningen bietet Studiengänge in den Ausbildungsbereid1en Wirtsd1aft, Sozialwirt­ schaft und Sozialwesen, unterteilt in zehn Fachrichtungen. Im Jahr 2000 feierte die Be­ rufsakademie Villingen-Schwenningen ihr 25jähriges Jubiläum. Angefangen mit 14 Studierenden, zählt sie heute nahezu 1500 Studierende und arbeitet partnerschaftlich und kooperativ mit mehr als 600 Ausbil­ dungsunternehmen und -einrichtungen zu­ sammen. Charakteristisch für das Studium an einer Berufsakademie ist das duale Ausbildungs­ system. Die Studenten lernen, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Die drei­ monatigen Theoriephasen an der Staatli­ chen Studienakademie wechseln sich ab mit den dreimonatigen Praxisphasen im Unter­ nehmen. Am Ende des drei Jahre dauernden Studiums verfassen die Studierenden eine Diplomarbeit. Jedes Jahr wird die jeweils beste Diplomar­ beit eines Studentenjahrgangs der Berufs- 78 akademie Villingen-Schwenningen durch ein Expertenkomitee prämiert, das aus Ver­ tretern des wissenschaftlichen Lehrkörpers und herausragenden Persönlichkeiten der regionalen Praxis besteht. Gestiftet wird der Preis vom Partnerverein der Berufsakademie Villingen-Schwenningen. Kriterien für eine prämierungswürdige Arbeit sind Aktualität und Relevanz des Themas, Wissenschaft­ lichkeit der Bearbeitung, und die Verknüp­ fung der gewonnenen theoretischen Erkennt­ nisse mit den praktischen Gegebenheiten. Im Jahr 1999 wurde diese Auszeichnung Winfried Fritz aus dem Fachbereich Sozial­ wesen zugesprochen, der mit seiner Arbeit das Studium zum Diplom-Sozialpädagogen erfolgreich beendete. Seine Diplomarbeit trägt den Titel: ,,Krisenintervention im All­ gemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes – Bedingungen, Möglichkeiten und Gren­ zen.“ Die Arbeit ist nicht nur in jeglicher Hinsicht überdurchschnittlich, sondern auch ein gutes Beispiel, wie Theorie und Praxis in einem wechselseitigen Verhältnis voneinan­ der profitieren können und sie ist damit ein weiteres Erfolgssiegel für das Ausbildungs­ konzept der Berufsakademien. Im folgen­ den seien daher einige Inhalte dieser Arbeit anhand der Prämierungskriterien wiederge­ geben. Aktualität und Relevanz des Themas Wer ist noch nicht in eine Situation hin­ eingeraten, in der er weder vor noch zurück wußte, und sich nichts dringender wünsch­ te, als eine schnelle, unkomplizierte und ef­ fektive Hilfe? Ganz bestimmt hat die Mehr­ heit von uns solche gravierenden Ereignisse, die das weitere Leben entscheidend verän-

Die Berufsakademie in Villingen-Schwen- ningen, eine von acht Berufsakademien in Baden-Württemberg, feierte im Jahr 2000 ihr 25jähriges Bestehen. dem, schon erlebt. Krisen gehören unwei­ gerlich zu unserem Alltag, wenn wir nicht selbst betroffen sind, so hören oder lesen wir doch darüber. Man denke etwa an Kinder, deren Eltern bei einem Verkehrsunfall um­ kommen, an Suizidale, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen oder auch an andere Gewalterfahrungen unterschiedlichster Art. Und die Erinnerungen an diese kritischen Ereignisse zeugen davon, daß sie sehr viel schmerzlicher er- lebt werden, vielleicht Jahre danach noch Auslöser für psy­ chische oder somatische Lei­ den sind, als die vielen klei­ nen alltäglichen Streßerfah­ rungen, denen wir uns mit der im Titel dieses Beitrags salopp formulierten Ausdrucksformel Luft machen. Vielleicht kön­ nen wir rückblickend aber auch etwas Gutes an diesen Ereig- nissen sehen, vielleicht haben sie zu einer neuen Perspektive unseres Lebens verhol­ fen. In jedem Falle erhoffen wir dann, wenn uns ein solches Ereignis begegnet und die ei­ genen Bewältigungsmöglichkeiten überfor­ dert, Unterstützung durch Experten. Professionelle Helfer bedienen sich in Kri­ sensituationen der Methode der Krisenin­ tervention, um ihren Klienten die bestmög­ liche Hilfe zukommen zu lassen und damit einer Chronifizierung der Problematik vor­ zubeugen. Es handelt sich dabei um ein Vor­ gehen, innerhalb dessen in abgegrenzter Zeit und unter Zuhilfenahme spezieller Ge­ sprächs- und Unterstützungstechniken die akuten Schwierigkeiten reduziert werden. Diese Methode findet seit einigen Jahren in den unterschiedlichsten Bereichen der psy­ chosozialen Versorgung breite Anerkennung, Beispiele hierfür sind das Arbeitsfeld der Psychiatrie oder das Rettungswesen. Auch in den verschiedenen Bereichen der Sozialen Arbeit erfordern viele Fallkonstel­ lationen ein krisenorientiertes Vorgehen, z.B. im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) Berufsakademie der kommunalen Jugendämter, dem sich Herr Fritz in seiner Diplomarbeit besonders zuwendet. Die dort tätigen Sozialarbei­ terinnen sind in einem Aufgabenfeld mit großer Bandbreite eingebunden. Ein Schwer­ punkt ihrer Tätigkeit ist die Familien-, Kin­ der- und Jugendhilfe, also die Unterstüt­ zung und Beratung in praktisch allen Fragen des Kindeswohls. Zweifellos ist dieser Auf- trag mit hoher Verantwortung verbunden und erfordert ne­ ben der Kenntnis rechtlicher Bestimmungen vor allem me­ thodische Kompetenzen. Dabei ist für jeden von uns nachvollziehbar, daß das Vor­ gehen bei Problemen mit Kri­ sencharakter sich von dem in nichtkrisenhaften Situationen unterscheiden muß: Eltern, die wegen einer akuten tiefgehen­ den seelischen Beeinträchtigung ihre Erziehungsverantwortung nicht mehr übernehmen können, erwarten ein anderes Unterstützungsangebot als Sorgeberechtig­ te, die nach einvernehmlicher Trennung sich über die zukünftige Umgangsregelung bera­ ten lassen. Und Kinder, die eine sexuelle Mißhandlung erleben mußten, benötigen eine schnelle, nach spezifischen Kriterien sich ausrichtende, krisenorientierte Hilfe, um dieses Trauma zu verarbeiten. Um so bedenklicher stimmt die Tatsache, daß die Methode der Krisenintervention bisher in die Tätigkeit des ASD noch keinen Eingang gefunden hat. Sie ist in Deutsch­ land bis dato weder als theoretischer Ansatz für dieses Handlungsfeld diskutiert, noch in der Praxis als Handlungsweise mit festgeleg­ ten Inhalten und Strukturen angewandt worden; und das bei einer nachweislich an­ steigenden Anzahl von Hilfegesuchen mit Krisencharakter. Die Arbeit von Winfried Fritz setzt genau an dieser Mangelsituation an. Er stellt die fachfremden Erfahrungen mit Kriseninter­ vention systematisch dar, arbeitet diese sach- 79

Berufsakademie gerecht auf und überprüft, welche Voraus­ setzungen im Falle einer Übertragung dieser Methode auf das Arbeitsfeld des ASD gege­ ben sein müssen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Wissenschaftlichkeit der Bearbeitung Wissenschaftliches Arbeiten ist dadurch gekennzeichnet, daß einerseits Kenntnis er­ weitert wird, andererseits aber zugleich auch die Bedingungen der Erkenntnisgewinnung hinterfragt werden. Das Neue an der Arbeit von Herrn Fritz ist der gelungene Versuch, die fachfremden Auseinandersetzungen mit Krisenintervention auf die Arbeit des ASO zu beziehen, da weder einschlägige Publika­ tionen noch praktische Erfahrungen in die­ sem Handlungsfeld verfügbar sind. Indes kann es nicht mit einer einfachen Übertra­ gung der schon vorhandenen methodischen Vorgehensweisen mit Krisen getan sein, da­ für sind die Rahmenbedingungen schon im Grundsatz zu unterschiedlich. Die Ansätze aus den anderen Wissenschaftsgebieten müs­ sen vielmehr hinterfragt und im Hinblick auf ihre Relevanz für die Soziale Arbeit kri­ tisch bewertet werden. Diese Aufgabe hat Herr Fritz in seiner Diplomarbeit mit großer Kompetenz gelöst. Im Ergebnis entwickelt er Aspekte einer integrierten Methode der Kriseninterventi­ on für den ASD, beschreibt die positiven Konsequenzen, die eine Einbindung dieser Handlungsform in dieses Tätigkeitsfeld mit sich bringen würden, aber auch die organi­ satorischen und personellen Barrieren, die noch zu überwinden sind. Seine Analysen sind dabei durchgehend logisch aufgebaut und die verwendeten Qpellen seiner Er­ kenntnisse für den Leser transparent. Am Rande sei bemerkt, daß der Autor mit seiner Arbeit so überzeugend auch auf die bisher vorhandene Lücke in der Methoden­ ausbildung des Studiums der Sozialen Ar­ beit hingewiesen hat, daß eine entsprechen­ de Lehrveranstaltung in das Curriculum der 80 Berufsakademie Villingen-Schwenningen aufgenommen wurde. Der Leser mag dies als weiteres Indiz für die flexible, an den Erfor­ dernissen der Praxis orientierte Ausbildung der Berufsakademien werten. Wie kann nun dem von vorneherein gege­ benen Spannungsverhältnis zwischen Theo­ rie und Praxis so begegnet werden, daß bei­ de Bereiche eine gleichberechtigte Einheit darstellen? Diese Frage ist wahrscheinlich am überzeugendsten zu beantworten, in­ dem wir betrachten, wie Herr Fritz zu der von ihm selbst gewählten Themenstellung kam und inwieweit er die Erkenntnisse sei­ ner Diplomarbeit in seine jetzige Berufspraxis einfließen läßt. Verknüpfung von Theorie und Praxis Im Hinblick auf die Themenstellung ist es sicherlich kein Zufall, daß der Autor vor sei­ nem Studium an der Berufsakademie eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolvier­ te und anschließend mehrere Jahre in der Notaufnahme eines Kreiskrankenhauses tätig war. Die dort gewonnenen Erfahrungen und die Auseinandersetzung mit den existentiel­ len Nöten der Patienten und deren Ange­ hörigen haben sicherlich sein Interesse an krisenbezogenen Fragestellungen vorgeprägt. Zu diesem Zeitpunkt ist bei ihm auch erst­ malig der Wunsch nach einer ganzheitlichen Hilfe entstanden, in der die verschiedenen Fachwissenschaften miteinander kooperie­ ren und die Unterstützung der Notleiden­ den über den zeitlich begrenzten Kranken­ hausaufenthalt und die rein organische Be­ treuung hinausgeht. Das Studium der Sozi­ alpädagogik eröffnete ihm die Möglichkeit, diese Gedanken theoretisch zu vertiefen. An der Berufsakademie hat er die Fachrich­ tung „Soziale Arbeit in der Verwaltung“ gewählt und war während seiner Praxispha­ sen im ASO eines Kreisjugendamtes ange­ stellt. Nach seiner erfolgreichen Diplomie­ rung zum Sozialpädagogen wurde Winfried Fritz von diesem Jugendamt übernommen

Bildungseinrichtungen Der hier nur kurz skizzierte berufliche Werdegang von Winfried Fritz offenbart die gegenseitige Verschränkungsmöglichkeit von theoretischer Ausbildung und praktischer Tätigkeit in vielfältiger Weise und er gibt auch einen dezidierten Einblick in die Idee des dualen Studienkonzepts der Berufsaka­ demien. Sicherlich gelingt das Ziel einer Theorie-Praxis-Verknüpfung nicht immer so geradlinig und konfliktfrei wie hier darge­ stellt. Dennoch kann mit Fug und Recht be­ hauptet werden, daß das hier angeführte Beispiel für eines von vielen steht. Prof Dr. Matthias Brungs und arbeitet dort derzeit in einem festen Anstellungsverhältnis als Bezirkssozialar­ beiter. Sein Aufgabengebiet umfaßt die so­ zialpädagogische Hilfe in Erziehungs-, Be­ ziehungs- und Familienproblemen, Maß­ nahmen im Sinne der Krisenintervention gehören zu seinem beruflichen Alltag. Er ist außerdem am Aufbau einer integrierten re­ gionalen Notfallseelsorge maßgeblich betei­ ligt. Es handelt sich dabei um eine Initiative der großen Kirchen, der Polizei und des Landkreises, die zum Ziel hat, Angehörige, unverletzte Beteiligte und psychosoziale Helfer in Notfällen krisenorientiert zu be­ gleiten und zu unterstützen. In diesem Kon­ text zeichnet sich Herr Fritz vor allem für fachliche und methodische Fragen verant­ wortlich. Geschichte der Kreisreform erforscht Ein Workshop fördert das „Kreis bewußtsein“ der jungen Generation Im Jahr 1999 konnte die Bundesrepublik Deutschland ihr 50jähriges Bestehen feiern, ein Jahr zuvor war der Schwarzwald-Baar­ Kreis 25 Jahre alt geworden – zwei Jubiläen, die Anlaß für zahlreiche Rückblicke, Wür­ digungen und kritische Anmerkungen wa­ ren. Erfreulicherweise blieb die Diskussion über Geschichte und Entwicklung des de­ mokratischen Gemeinwesens nicht nur Po­ litprofis und professionellen Meinungsbild­ nern vorbehalten. Wie Jugendliche mit großem Interesse und auf hohem inhaltli­ chen Niveau sich der Thematik stellten zei­ gen die Ergebnisse eines Workshops zur Kreisreform von 1973, die vom Leistungs­ kurs Gemeinschaftskunde des Abiturjahr­ gangs 2000 am Fürstenberg-Gymnasium Donaueschingen erarbeitet wurden. Im Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte in Stuttgart, dem Staatlichen Schulamt Villingen-Schwenningen und dem Geschichts- und Heimatverein Villingen fanden im Rahmen der „Jugendinitiative Schwarzwald-Baar“ am 7. Dezember 1999 mehrere Workshops zum Themenkomplex „50 Jahre Bundesrepublik . Die Entwicklung in der Region“ statt. Zur Bearbeitung des Themas „Die Kreisreform von 1973 im Schwarzwald-Baar-Kreis“ bildete sich eine Gruppe von Donaueschinger Schülern, die von Studiendirektor Rüdiger Schell betreut wurde. Der Gemeinschaftskundelehrer war für sein Tutorenamt bestens geeignet, ist er doch seit fast dreißigJahren engagierter Kreis­ rat und somit mit der Entstehungsgeschich­ te und Entwicklung des Landkreises ver­ traut. Zwölf Schülerinnen und Schüler er­ klärten sich trotz Abiturvorbereitung und einem vermeintlich „staubtrockenen“ The­ ma bereit, sich intensiv mit komplizierten Statistiken, Denkmodellen, Verwaltungs­ strukturen und Verwaltungsfunktionen aus­ einanderzusetzen. Für alle war dies zunächst Neuland, nehmen die Landkreise und die 81

Workshop Kreispolitik im Lehr­ plan doch eine unter­ geordnete Rolle ein. Um so beeindrucken­ der, wie zielgerichtet und an wissenschaftli­ cher Arbeitsweise ori­ entiert die Schüler an ihre Aufgabe heran­ gingen. Hilfreich war dabei die Lektüre der im Almanach erschie­ nenen Artikel über die Kreisreform. Zweiter Schritt war Studium und Auswertung zahl­ reicher Qiellen aus dem Kreisarchiv. Die Die Teilnehmer am Workshop „Kreisreform „mit Kreisrat Rüdiger Schell. Kreisverwaltung stell- te der Arbeitsgruppe hierfür einen Sitzungs­ saal im Landratsamt zur Verfügung. Am Morgen des Workshop-Tages im Dezember teilte sich das Team dann in drei Unter­ gruppen, die jeweils einen Aspekt des The­ mas vertiefend untersuchten. Die erste Gruppe befaßte sich mit dem historischen Hintergrund der Kreisreform und der Situa­ tion vor 1973, wobei Archivmaterialien und eine über 800 Seiten starke Dokumentation des Staatsministeriums als Arbeitsgrundlage dienten. Die zweite Gruppe beschäftigte sich mit den Erwartungen und Zielen der Kreisreform. Sie konzentrierte sich auf die Auswertung von Sitzungsprotokollen des Landtags sowie Zeitungsartikel und Inter­ views aus den Jahren 1969 bis 1972. Die drit­ te Gruppe untersuchte die Bewertung der Reform aus heutiger Sicht. Dazu interview­ te sie damalige Akteure wie den Altlandrat Dr. Rainer Gutknecht, den ehemaligen Ober­ bürgermeister von Villingen-Schwenningen Dr. Gerhard Gebauer, Oberbürgermeister Dr. Bernhard Everke aus Donaueschingen und den langjährigen Kreisrat Harald Mat- tegit. Auch heutige Entscheidungsträger Helmut Rothermel wie Landrat Karl Heim, sein Stellvertreter Joachim Gwinner und der Finanzdezer- nent des Landkreises Rolf Schmid wurden befragt. Nachmittags wurden die Ergebnis­ se dann auf dem Gesamt-Workshop „50 Jah­ re Bundesrepublik“ im Münsterzentrum in V illingen präsentiert. In einem sehr infor­ mativen Arbeitsbericht ziehen die zwölf Schülerinnen und Schüler Fabian Feichtin- ger, Benjamin Hirsch, Christian Hauger, To­ bias Kowatsch, Florian Kramer, Annemarie Lenze, Christina Losert, Christian Schlegel, Constantin Schütz, Stefan Spahmann, Da­ nika Trautmann und Christian Tscholl eine rundum positive Bilanz ihrer Nachfor­ schungen: ,,Wir hatten letztlich Freude an der Sache, unsere Resultate können sich, wie wir meinen, sehen lassen und der Work­ shop, die ganz andere Unterrichtsart, war in­ teressant und dem Zusammenhalt des Kur­ ses äußerst förderlich.“ Der Workshop zeig­ te, wie auf lebendige Art „Kreisbewußtsein“ entstehen und die junge Generation an ihre zukünftige politische Verantwortung heran­ geführt werden kann. Ähnliche Aktionen sind zur Nachahmung empfohlen. 82

Industrie, Handwerk und Gewerbe Expansion auf der Überholspur 6. Kapitel I Almanach 2001 Das Donaueschinger Softwarehaus „living systems“ auf dem Weg zur Weltspitze „The Sky ist the limit.“ Diesen Satz sagt Kurt Kammerer stets dann, wenn er auf die Ziele von „living systems“ angesprochen wird. Der Satz hat gleich mehrfach etwas symbolhaftes: Von Himmelsstürmern zu re­ den, ist bei der rasanten Entwicklung des Do­ naueschinger Softwarehauses wahrlich nicht falsch. Dennoch kalkulieren die beiden Fir­ menchefs Christian Dannegger und Kurt Kammerer Chancen und Risiko sehr genau, so daß die Erwartungen nicht ziellos in den Himmel wachsen. Die „living systems AG“, Donaueschin­ gen, ist seit ihrer Gründung im Jahr 1996 auf In ternet-Trading-Plattformen spezialisiert. Im Consumer-Bereich ist www.ebay.de die bekannteste Referenz. Der Anwendungsfo­ kus liegt zunehmend auf vertikalen und horizontalen EZB-Marktplätzen, auf denen Preise dynamisch verhandelt werden. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von über 100 Prozent zählt die „living systems AG“ zu den am stärksten wachsenden Internet­ Technologie-U n ternehmen. „living systems“, dahinter verbirgt sich nicht nur die Erfolgsgeschichte zweier jun­ ger Unternehmer. Der Name steht auch für eine moderne Unternehmensphilosophie, die sich vom klassischen Unternehmertum doch erheblich unterscheidet. Wer das Un­ ternehmen im Donaueschinger Ditec-Ge­ bäude besucht, dem stellt sich schon einmal Die Mitarbeiter des So.fiwarehauses jiving systems“ vor dem Firmengebäude. 83

Industrie, Handwerk und Gewerbe hält das Unternehmen zusätzliche Dynamik. „living systems“ ist eine Aktiengesellschaft, de­ ren Papiere zwar (noch) nicht am Markt gehan­ delt werden, aufgrund des rasanten Wachstums aber stetig an Wert zu­ nehmen. Wer bei „li­ ving systems“ einsteigt, kann nach einigen Mo­ naten Aktien des Un­ ternehmens erwerben und erhält die gleiche Anzahl als Dreingabe. „Wer gute Leute halten Teamwork steht bei „living systems“ hoch im Kurs, die Umgangssprache in will, der muß etwas an­ dern internationalen ausgerichteten Unternehmen ist Englisch. bieten“, meint Christi- an Dannegger und Kurt Kammerer ergänzt, daß somit natürlich auch jeder Mitarbeiter mit dem Bewußtsein arbeitet, daß der Erfolg des Unternehmens auch jedem Einzelnen nutzt. ,,Wer nur ein Gehalt bekommt, dem fehlt der unterneh­ merische Antrieb.“ die Frage: ,,Wer ist hier der Chef und wer der Lehrling?“ Außerdem sind gute Englisch­ kenntnisse kein Fehler, denn der Mitarbei­ terstamm ist multikulturell und die Um­ gangssprache eben Englisch. Die Firma versteht sich als Team, das in Workshops gemeinsam Ideen entwickelt, aber auch untereinander kritikfähig ist. Die Richtung des Hauses bestimmen alle mit­ einander. ,,Wenn in unserem Unternehmen ein Betriebsrat gefordert wird, müssen mein Partner und ich uns überlegen, was wir falsch gemacht haben“, umreißt Kurt Kammerer die Grundlage, die so manchem alten Ge­ werkschafter die Ohren klingeln läßt. Ein in­ ternationales Team von Fachleuten aus den verschiedensten Branchen, um bei allen An­ forderungen kompetent zu sein. Arbeitszeit nach Bedarf – und wenn’s die Filialen in Übersee verlangen, auch nachts. Dem ge­ genüber stehen bedarfsgerechte Freizeiten und leistungsbezogene Gehälter und ein Be­ teiligungssystem der Mitarbeiter. Die living systems AG verfolgt ein Mitarbeiterbeteili­ gungsprogramm, das alle Mitarbeiter zu Mitunternehmern macht. Alle Aktien be­ finden sich in Mitarbeiterhand. Dadurch er- 84 Weltweite Expansion Das System praktizieren beide Firmengrün­ der vom ersten Tag an und das mit durch­ schlagendem Erfolg. lOOprozentige Steige­ rungsraten pro Jahr, beim Umsatz ebenso wie beim Personal, sind wahrlich ausreichende Referenzen, um dem Unternehmen gute Zu­ kunftschancen zu prognostizieren. Karnme­ rers Ausspruch, die Firma strebe Platz eins am Weltmarkt im Software-Marktsegment In­ ternethandelsplattformen an, erscheint an­ gesichts des Tempos, daß „living systems“ bei Problemlösungen ebenso an den Tag legt wie bei der Expansion, durchaus glaub­ würdig. Vorgestern Villingen, gestern Asien, heute Südamerika und nun auch noch die USA – Entwicklung auf der Überholspur. Die seit Sommer 1999 in kurzen Abständen gegründeten Tochterunternehmen „living

systems UK Ltd., London“, ,, living systems Asia Pte. Ltd., Singapur“, ,,living systems Americas Ltda., Sao Paulo“, und „living sy­ stems, inc., Boston“, beschleunigen den Ausbau der Marktposition von „living sy­ stems“ zum weltweit führenden Anbieter von Internet Trading Technologien. Zu den Kunden der „living systems AG“ zählen Unternehmen wie BMW, SAirGroup, Atraxis oder Wrigley sowie Internet Start-ups wie „www.ebay.de“, ,,www.dooyoo.de“ oder „www.Yoo-lia.com“, der Handelsplatz für Frachtkapazitäten „www.tradenetone.com“ oder die „NetBid Industrie Auktionen AG“ mit „www.netbid.de“. • w .. , .. -. ….. • ………… …,….w.,.,, ……. –… -. … , :i.::..“‚:.=:.=. =;�E:��=-. … ,.,. • …,,00 .. .-,10,,,,,., _ .. . �….. – . . . ,l)t ….. ……,,,0.-…-. …. ,ld>li•• „“‚ ,……,ld,n,bodo,…,nff…,,� lhtl•n-Jo•�•1’•ob..,.,,,, ClleUln :::=.��‘:‘.:: …. _ Fahrzo,uge 00,,, t … �,,.., Finanz11n …. ,,..,v.,.,,hnhn,H.,,nplM;zo „living systemsu ……………. ._ ……………….. Ce�undhelt Hnu�•cot1en ••“‚••uv•,,.,.,,h,1t.•- lnlflmfll -�-·“· …….. -…. ai,_, Klnd!lrfomllle ‚1,M …. ,., …… t.lool, .. b ….. t•enO �!!.v�,…,,,.,.,_ :’=.,�.!:!�u�’·““‚“‚“ Reben 11: ………. � ……. -.. �!�:.,.hl>l>PO’l.�Mto ….. -…… – ._ ………… . Trenc:11 ft_T._…,..toM ,,_…..,…. _ ====-:-1:“ -………………………… -.. .. .._. _____ _ �“!’7.::::.:.::.:·.:::. „.:� .. J:.::“..‘.““’11.,·c..-J-�•9’• ‚ —�- –.. -…… -… ………. _ …… o …….. – t-s.l>o, …. _ 1,…tnot·_,Y..,_,,.,,;.,. LIIAh.,,..,,.,,.,..-… �o- -t•l-•urL,…lOOO lflH…,.,, … -.ft … lfl ……. -s ……………. .. ·-·“‚d••““‚°‘ Die Nummer eins zählt, die Nummer zwei kann auch noch ordentlich leben, aber auf die Nummer drei schaut schon niemand mehr, verdeutlichen die Firmengründer die Situation am weltweit geradezu explodie­ renden Internet-Markt. Auf dem hat sich das Unternehmen mit seinen Lösungen für Handelsplattformen eine starke Position ge­ schaffen, die sich auch auszahlt. 1998 belief sich der Umsatz auf drei Millionen Mark, 1999 bereits auf sechs und für 2000 sind zwölf Millionen Mark anvisiert, mit einer beachtlichen Umsatzrendite von zehn Pro- Das Finnenlogo von „living systems“ ist unter anderem zent. auf den Internetseiten von ebay und dooyoo zu finden. f�- sevenval V Dabei bleibt der Sitz des Unternehmens nach dem Willen des Gründer-Duos Kam- merer/Dannegger unverrückbar in Donau­ eschingen, wo die Firma nach ihrem Umzug aus Villingen seit 1999 im Ditec-Gebäude residiert. Bei den vorliegenden Wachstums­ prognosen wird das Gros der mittlerweile 200 Mitarbeiter, bis Jahresende sollen noch einmal 100 Software-Ingenieure hinzukom­ men, auf der Baar tätig sein. 1996 hatte das Unternehmen mit 13 Leuten angefangen. Die nächste Tranche, so die beiden Firmen­ chefs, liege dann logischerweise bei 500 bis 700 Leuten innerhalb der kommenden zwei Jahre. Dann allerdings werden auch die jet­ zigen 3000 Qtladratmeter Fläche im Ditec­ Gebäude nicht mehr ausreichen. Doch auch dafür ist bereits Sorge getragen. Das Ge- …_ — ,.,._ … _ 1·�·�·�··=:=.-:;..·_-·–·,r–� !��- ___ , ____ ——:-=.:�r�r:J.�:– ……. . ____ .. er-.z:?..:._ eb „“‚ -‚–‚..-„– 1�.� I S ION 85

.living systems“ bäude wurde gekauft, einschließlich der rund 10 000 Qyadratmeter Gelände und darauf, so Christian Dannegger, läßt sich schon was bewegen. Gute Aussichten für Donaueschingen, wenn ein solch innovatives Unternehmen ein so klares Standortbekenntnis ablegt. Gute Aus­ sichten aber auch für all jene, die am Unter­ nehmenserfolg teilhaben wollen. Innerhalb dieses Jahres noch wird die Aktiengesell­ schaft an die Börse gehen. ,,Wenn man in ei­ nem Marktsegment die Nummer eins sein will, dann ist das ein notwendiger Schritt“ erklärt Kurt Kammerer, der aber auch be­ tont, daß das Unternehmen den daraus re­ sultierenden Geldfluß bislang nicht benö­ tigt hat. Auch bei allen bisherigen Firmen­ gründungen mit Geschäftspartnern bedurf­ te es nicht der Unterstützung von Banken. „Wir sind eine Mischung aus Softwarehaus und Investmentbank“ verdeutlicht Kamme­ rer das bisherige System. Seine Dienste läßt sich das Unternehmen nämlich meist nid1t in barer Münze, sondern in Firmenbeteili­ gungen honorieren. Auf dieser finanziellen Freiheit und einem gehörigen Arbeitstempo basiert der Erfolg, bei dem die Konkurrenz gehörig ins Schwitzen kommt. Wenn in Hüfingen über Christian Danneg­ ger gesprochen wird, dann ist das Thema meist nicht „living systems“, sondern viel­ mehr Tischtennis. Ebenso verhält es sich im Ortsteil Behla mit Kurt Kammerer, nur, daß bei ihm dann die Dorf-Comedy „Am Vieh Theater“ im Vordergrund steht. Kammerer und Dannegger, die Gründer der Donau­ eschinger Softwareschmiede „living sy­ stems“, sind zwar beruflich durchaus als Global-Players zu bezeichnen, privat aber ausgesprochen bodenständig. Kurt Kamme­ rer ist der Mann im Unternehmen, der die Produkte des Hauses weltweit an den Mann bringt. Der heute 38 jährige ist ein gebürti­ ger Behlaer, besuchte dort die Grundschule, später das Fürstenberggymnasium und stu­ dierte in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwe- r“‚—-./ living systems® markets Firmengründer Kurt Kammerer (links) und Christian Dannegger (rechts). 86

sen. 1985 begann er als einer der ersten Mit­ arbeiter im heimischen Softwarehaus Bäu­ rer, wo er sich für den Bereich Software­ Consulting verantwortlich zeichnete. Nur vier Jahre später wagte er den Schritt in die Selbständigkeit und war danach zwei Jahre lang in Brüssel, Berlin und Frankfurt unter­ wegs. In seinem letzten Jahr bei Bäurer lern­ te er Christian Dannegger kennen, der 1988 bei dem Behlaer Unternehmen angefangen hatte. In Markdorf geboren, kam der heute 37 jährige mit seinen Eltern 1971 zunächst nach Blumberg und 1976 nach Hüfingen. Hauptschule, Realschule und dann das Für­ stenberggymnasium gingen dem Studium der Allgemeinen Informatik in Furtwangen voraus. Von 1988 an blieb Dannegger sechs­ einhalb Jahre bei Bäurer, wo er Basissysteme und Softwarewerkzeuge entwickelte. Erste Kontaktaufuahme Als Ende 1994 sein Sohn auf die Welt kam, vollzog Christian Dannegger eine tiefe Zä­ sur, gab seinen sicheren Job in Behla auf und machte sich selbstständig. Kurt Kammerer, zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Jahre eige­ ner Chef, und Dannegger nahmen 1995 erstmals nach ihrer Bäurerzeit telefonisch miteinander Kontakt auf, wie beide erzäh­ len. Schnell fanden sie heraus, daß sie ähn­ liche Ziele verfolgten, nämlich sich Zeit und Geld zu nehmen, um sich um neue Trends kümmern zu können. Am Geld mangelte es beiden nicht und in zahlreichen Gesprächen bildete sich die Idee von der gemeinsamen Firma heraus, in der nichts vorhanden sein sollte, was das Wachstum stört. Ein erster Schritt dahin war die Gründung des Unter­ nehmens sogleich als Aktiengesellschaft, denn beiden Jungunternehmern war klar, daß eine Firma nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle Mitarbeiter motiviert und erfolgsorientiert sind. Daraus entwickelte sich schließlich das Beteiligungsmodell, nach dem jeder „living systems“-Mitarbeiter Ak­ tienanteile erhält. Dies, so Kammerer und Industrie, Handwerk und Gewerbe Dannegger unisono, fördert auch die Firmen­ kultur des gegenseitigen Respekts. Während Kurt Kammerer seine Erfahrun­ gen im Consultingbereich einbrachte, hatte Christian Dannegger gute Ideen bei den Ba­ sissystemen, und beide verbindet auch heu­ te noch ein gutes Stück Selbstvertrauen. Im Juli 1996 stand das Unternehmen und ein Jahr später wurde die Idee der Internet­ Agenten geboren, zu jener Software, die die Grundlage für den Handel im Netz bildet. Daß dem „world-wide-web“ die Zukunft ge­ hört, war den Firmengründern längst klar und heute behaupten sie mit Recht und auch ein wenig Stolz, daß sie den soge­ nannten e-commerce ein gutes Stück weit mit entwickelt haben. Das Privatleben kann bei einer solchen Entwicklung schon mal auf der Strecke blei­ ben. Kurt Kammerer mußte dies erleben, weshalb er nunmehr wieder „ledig“ in die Personalformulare schreibt. Christian Dan­ negger lernte seine Frau, die im übrigen bei Hewlett Packard in Böblingen als Informa­ tikerin arbeitet, beim gemeinsamen Studi­ um in Furtwangen kennen. Zum Sohn kam zwischenzeitlich eine Tochter und als Kom­ promiß zu den räumlich so unterschiedli­ chen Arbeitsstätten der Ehepartner wurde vor neun Jahren Rottweil als Wohnort aus­ erkoren. Tischtennis ist nach wie vor seine große Leidenschaft. Etliche Jahre war er Lei­ ter der Tischtennisabteilung des TUS Hüfin­ gen und betreut heute noch die Jugend. Kurt Kammerer hat seinen hiesigen Wohnsitz nicht verlegt, wenngleich er beruflich be­ dingt bestenfalls zwei Tage die Woche da­ heim ist. Die wenige Freizeit investiert er voll und ganz ins Mundelfinger „Am Vieh-Thea­ ter“. Achim Stiller 87

Industrie, Handwerk und Gewerbe Hochpräzise Technik aus dem Schwarzwald IMS Morat Söhne setzt mit neuem Technik-Zentrum in Donaueschingen auf die Zukunft „Höchste Kompetenz in der Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Antrieben erwarten unsere Kunden von uns.“ Die „IMS Morat Söhne-GmbH“ hat sich in ihrer 138jährigen Geschichte schon immer hohe Ziele gesteckt, um kundenori­ entiert und erfolgreich zu arbeiten. Die Er­ füllung dieses Zieles faßt das Unternehmen täglich aufs neue ins Auge, eine Null-Fehler­ Rate der Produkte unter wirtschaftlichen Be­ dingungen wird angestrebt. Mit dem Bau des Technik -Zentrums in Donaueschingen befindet sich das Unternehmen auf dem Sprung ins nächste Jahrtausend. Dem Planungsstart für das Technik-Zen­ trum 1997 folgte das Richtfest zwei Jahre später. Der Bau wurde Ende 2000 schließ­ lich fertiggestellt. Mit dem Neubau des Technikzentrums verstärkt die „IMS Morat Söhne-GmbH“ ihre Präsenz in der Donau­ stadt. Prozesse und Produktionswerkzeuge sollten dort als Kernkompetenz im eigenen Haus gehalten und weiterentwickelt werden. 5 862 �adratmeter überbaute Grundfläche einschließlich des Logistikbereichs und eine Gesamtnutzfläche von 12 734 �adratme­ ter beherbergen die Funktionsbereiche „Ent­ wicklung und Innovation“, ,,Labor und Ver­ such“, Rohstofflager, Vertrieb, ,,Formen und Betriebsmittelkonstruktion“, ,,Formen und Werkzeugbau sowie Betriebsmittelbau“, ei­ ne Musterspritzerei sowie die Technikräu­ me. 20 Millionen Mark Baukosten inve­ stierte die „IMS Morat Söhne-GmbH“ hier­ für. Neben den Standorten Eisenbach und Donaueschingen produziert das Unterneh­ men auch in Gainesville (USA) und Lachen (Schweiz). In V irginia Beach (USA; südlich Mit einem weiteren Neubau verstärkte die Firma ihre Präsenz in Donaueschingen. 88

IMS Morat Söhne Bei,,/ MS Morat Söhne“ werden hauptsächlich Pro­ dukte für die Automobilindustrie produziert. Links ein Tempomal und automatischer Geschwindigkeits­ begrenzer in einem, oben ein Fensterhebegetriebe. von Washington) wurde im vergangenen Jahr ein neuer Produktionsstandort für Sitz­ verstellgetriebe aufgebaut, um das wachsen­ de Produktionsvolumen für Teile der Au­ toindustrie bewältigen zu können. Ein Blick in die Unternehmensgeschichte ist auch ein Blick in die Heimatgeschichte des Hochschwarzwaldes und der Baar. Dort wo in früheren Zeiten die Uhrenträger aus­ zogen, um Schwarzwälder Feinmechanik­ präzision in die Welt zu verkaufen, liegt der Ursprung der „IMS Morat Söhne-GmbH“. Johann Morat gründete 1863 in Eisenbach im Hochschwarzwald eine mechanische Werk­ stätte. Die Handwerksarbeit bei der Herstel­ lung von Zahnrädern und Uhrenbestandtei­ len sollte produktiver gestaltet werden. Da­ bei wurden von dem Unternehmer sogar ei­ gens Maschinen erdacht und gefertigt, um seine Idee in die Tat umzusetzen. In Eisen­ bach fand er die idealen Voraussetzungen hierfür, sind und waren die dortigen Bewoh­ ner und deren Vorfahren doch seit vielen Jahrhunderten bis zurück ins Mittelalter mit dem Eisenerzumgang vertraut. Mo rat arbei­ tete in der Jugend im väterlichen Betrieb, der Spindelbohrer herstellte, machte sich schließlich mit 25 Jahren selbständig. Kun- den waren die Uhrmacher der Umgebung, erste Mitarbeiter in seinem Unternehmen seine eigenen Söhne. In den 1890er Jahren erwarb Johann Morat die „Untere Mühle“ in Eisenbach, baute diese zu einer Fabrik um und nutzte die Wasserkraft als Energiequel­ le für die Produktion. 1899 schließlich wur­ den die Söhne Josef, Hermann, Alois und Franz an der Firma beteiligt und der Name in ,Johann Morat & Söhne“ umgewandelt. Ende des 19.Jahrhunderts nahm die soge­ nannte Bestandteilefertigung einen immer größeren Anteil ein an der Produktpalette des Unternehmens, deren Ausbau sich wie ein roter Faden bis ins heutige Produktpro­ gramm zieht. Neben Stichelfräsern wurden Arrondierfräser, Rändler, Nieträdchen und Spindelbohrer gefertigt. Das umfassende Werkzeugmaschinenprogramm ermöglichte die Steigerung der eigenen Zahnradferti­ gung. 1911 wurde ein dreistöckiger Neubau erstellt und die Produktionsräume wesent­ lich erweitert. Im Ersten Weltkrieg wurde die Produktion umgestellt auf kriegsnot­ wendiges Material. 1916 erwarben Josef und Hermann Morat schließlich die Geschäfts­ anteile der Brüder Alois und Franz. Trotz der Weltwirtschaftskrise gelang es den Un- 89

Industrie, Handwerk und Gewerbe ternehmern in den Jahren nach 1930 die Fertigungskapa­ zität wieder zu er­ weitern. Die Zeit des Zweiten Weltkrieges brachte nicht allein durch die erneute Umstellung der Pro­ duktion einschnei­ dende Veränderun­ Der Firmengründer Jo- gen mit sich. Als Jo­ sef Morat 1942 im hann Morat. Alter von 74 Jahren starb, wurde nur ein Jahr später in der Ge­ sellschaftsversammlung einstimmig beschlos­ sen, einen Verwaltungsrat aus maßgebenden Geschäftsleuten der heimischen Wirtschaft ins Leben zu rufen, der die grundlegende Ge­ schäftspolitik koordinieren sollte. Erster Vor­ sitzender wurde Wilhelm Müller, General­ bevollmächtigter der Mehrheit der Gesell­ schafter. Hermann Morat starb 1956. Neuanfang nach dem Krieg Die Zeit nach dem Krieg brachte zeitweilig einen Produktionsstillstand, da 85 Prozent der Maschinen demontiert worden waren. Das Unternehmen stand vor einem Neuan­ fang. Alte Maschinen wurden überholt, neue teilweise selbst hergestellt. 1969 übernahm der Urenkel Johann Morats, Rudolf Zim­ ber -Morat, die Führung des Unternehmens. Unter Zimber-Morat wurden bis in dessen Todesjahr 1994 entscheidende Weichen für die !MS-Zukunft gestellt. Erweitert wurde die Produktionsfläche 1970 um rund 2 000 �adratmeter, der eigene Maschinenbau aufgegeben, die Produktion der Zahnräder und Verzahnungswerkzeuge sowie die Ge­ triebefertigung aufgenommen. Jahre später wird in die Kunststoffverarbeitung inve­ stiert, 1983 schließlich eine Donaueschinger Fabrikanlage mit einer Produktionsfläche von 1500 �adratmetern erworben. Mit modernen Anlagen und selbst gefertigten 90 Spritzgießformen werden hochpräzise Kunst­ stoffzahnräder und -teile hergestellt. Seit 1972 gehört auch die Fertigung von Hochfrequenz-Koaxsteckverbindungen ins Programm. Diese Aktivitat wurde 1990 in die selbständige Firma „IMS Connector Sy­ stems GmbH“ ausgegliedert. Ab 1980 wur­ de die Eisenbacher Anlage in drei Bauab­ schnitten um 8 000 �adratmeter auf rund 13 000 �adratmeter erweitert. Im Herbst 1993 übernahmen Clemens Rosenstiel und Norbert Willmann die Geschäftsführung der „IMS Morat Söhne-GmbH“. Die Geschäftsbereiche „Automotive“ (Kfz­ Zulieferindustrie) und „Technomotive“ (Ma­ schinenbau, Elektrogeräteindustrie, Gebäu­ detechnik) bieten komplexe Systeme und Lösungen aus Metall und Kunststoff und ope­ rieren ausgesprochen erfolgreich am Markt. Auch der Werkzeugbereich entwickelte sich in den vergangenen Jahren mit seinen neu­ en Produktlinien überaus erfreulich für die „IMS Morat Söhne-GmbH“. Das rasante Wachstum des Unternehmens führte 1999 zu Gesamtinvestitionen in Höhe von 35 Millionen Mark, wobei 33 Millionen Mark allein in Deutschland investiert wurden. Im vergangenen Jahr lagen die Investitionen bei 38 Millionen Mark, wobei 13 Millionen Mark in die USA flossen. 2001 und 2002 Seit 1993 sind Clemens Rosenstiel und Norbert Willmann Geschäftsführer von !MS Moral.

IMS Moral Söhne Das Stammwerk von /MS Moral Söhne liegt in Eisenba.ch, 25 km von Donaueschingen enifernt. sollen weitere Investitionen in Höhe von je­ weils 20 Millionen Mark folgen. Die Mitarbeiter- und Geschäftsentwick­ lung der „IMS Morat Söhne-GmbH“ ist be­ eindruckend. Als der Firmengründer Johann Morat am 3. Januar 1904 starb, beschäftigte die gut gehende „Fabrik für Zahnradfräsma­ schinen, Fräser und Bestandteile“ in Eisen­ bach 50 Mitarbeiter. Nach 1930 waren es über 100 Beschäftigte. Das Wirtschaftswun­ der in den l 950er Jahren brachte einen ra­ santen Aufschwung, der Übergang zum mit­ telständischen Industrieunternehmen gelang. 1962 wurde mit 200 Mitarbeitern ein Jahres­ umsatz von 3,7 Millionen Mark erzielt. 1987 wurden bereits 400 Personen beschäf­ tigt, die einen Gesamtumsatz von beinahe 60 Millionen Mark erzielen. In den l 990er Jahren ging es mit der Umsatzentwicklung weiter bergauf 1996 waren es 119 ,3 Millio­ nen Mark, 1997 insgesamt 131,5 Millionen Mark, 1998 schließlich 158,3 Millionen Mark. 1999 lag der Umsatz bei 184,6 Mil­ lionen Mark, in den folgenden Jahren wur­ den angestrebt 201,6 Millionen Mark (2000), 252,5 Millionen Mark (2001) und 292,6 Millionen Mark (2002). In Deutsch­ land, der Schweiz und den Vereinigten Staa- ten beschäftigt „IMS Morat Söhne-GmbH“ 1999 durchschnittlich 740 Mitarbeiter (da­ von zirka 680 Mitarbeiter in Eisenbach und Donaueschingen). Bemerkenswert ist die wachsende Bedeutung des US-amerkani­ schen Marktes für das baden-württembergi­ sche Unternehmen. Der Umsatzanteil, der in den USA erzielt wurde, steigerte sich ge­ messen am Gesamtumsatz innerhalb weni­ ger Jahre von 2,4 Prozent (1996: 2,9 Millio­ nen Mark) auf 10 Prozent (1999: 16,9 Mil­ lionen Mark). 2002 ist im Umsatzplan gar ein Anteil am Gesamtumsatz in Höhe von 15,4 Prozent (45,1 Millionen Mark) vorge­ sehen. Das Wachstum im neuen Jahrtausend soll durch Neuprojekte der „IMS Morat Söh­ ne-GmbH“-Gruppe erreicht werden. Durch die getätigten und geplanten Investitionen von rund 105 Millionen Mark seit 1999 bis 2002 schafft die „IMS Morat Söhne-GmbH“ voraussichtlich rund 150 zusätzliche Ar­ beitsplätze in der Unternehmensgruppe. Stefan Limberger-Andris 91

Industrie, Handwerk und Gewerbe Anerkanntes Geldinstitut der Region Die Volksbank Triberg feiert ihr 75jähriges Bestehen Am 25. April 2001 feiert die Volksbank Tri­ berg eG ihren 75. Geburtstag. Wie es zur Gründung dieser relativ jungen Genossen­ schaftsbank kam sowie deren recht erfolgrei­ che Entwicklung zeigt die nachfolgende Chronik. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Lage im deutschen Bankwesen durch eine beson­ dere Krisenanfalligkeit gekennzeichnet. Ne­ ben einer ständig drohenden Illiquität auf­ grund hoher Kapitalnachfrage war auch die starke Konzentration im Bankwesen ein Kri­ senfaktor. Die aus dem Ausland einkommen­ den Gelder wurden oftmals von der öffent­ lichen Hand, darunter vielen Gemeinden, in Anspruch genommen. Aber auch große und als solvent geltende Betriebe konnten gegen hohe Zinsen Geld aufuehmen. Dies wurde zu einer Rationalisierung der Arbeitsprozesse und der eingesetzten Technik genutzt, was sich aber auf den Arbeitsmarkt ungünstig aus­ wirkte. Bis 1926/27 hatte die Zahl der Hand­ werksbetriebe den Vorkriegsstand wieder er­ reicht, doch zeichnete sich bereits ein Wan­ del ab, der durch den technischen Fort­ schritt und seine industrielle Verwertung an­ geschoben wurde. Rund 30 neue Handwerks­ berufe entstanden. Vorhandene Zweige muß­ ten sich modernisieren. Aufgrund der unsi­ cheren Lage erhielten letztere jedoch kaum Kredit vom traditionellen Bankgewerbe. So hielten sie nach Selbsthilfe Ausschau. Dies war die geldwirtschaftliche Situation in Deutschland, als auf Initiative des Ge- Vom Gründungsjahr 1926 bis 1937 war die Gewerbebank im Gästezimmer Nr. 11 des Hotels Kimmich untergebracht. 92

Volksbank Triberg holungsphase schlug sich per Ende 1938 mit einem Gesamtumsatz von 84 Millionen Reichsmark (RM), einer Bilanzsumme von 1,8 Millionen RM, einem Eigenkapital von 272 000 RM und 295 Mitgliedern nieder. Im gleichen Jahr bezog das Institut das erwor­ bene ehemalige Hotel Engel am Marktplatz, das kurz zuvor einem Brand zum Opfer ge­ fallen und dann als Bankgebäude wieder auf­ gebaut wurde. Trotz der kriegsbedingten Personalengpäs­ se konnte der Bankbetrieb während der Kriegsjahre notdürftig aufrechterhalten wer­ den. Durch die einheitliche Ausrichtung al­ ler Kreditgenossenschaften kam es 1943 ei­ ner Namensänderung in Volksbank Triberg GmbH. Die W ährungsreform mit der Einführung der Deutschen Mark (DM) 1948 bedeutete für die Bank praktisch einen Neuanfang; werbevereins Triberg am 25. April 1926 die Gewerbebank Triberg e. GmbH auf genossen­ schaftlicher Basis gegründet wurde. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats wurde der Direktor der Spedition Seegmüller, Josef Hirt, aus Triberg gewählt. Der erste Vorstand setzte sich aus den Herren Ignaz Schöller, Malermeister und Vorsitzender des Gewer­ bevereins sowie den Bankkaufleuten Rich­ ard Henninger und Friedrich Bühler zu­ sammen. Am Gründungstag trugen sich 81 Genossen in die Mitgliederliste ein. Die Entstehung des Genossenschaftsge­ dankens im Raum Triberg Das Jahr 1862 hatte die Gewerbefreiheit und die Auflösung der Zünfte gebracht. Nicht selten diente das oft beträchtliche Vermögen der aufgelösten Zünfte als Grün­ dungskapital sogenannter Vorschuß- und Arbeiterkreditkassen; so auch in Triberg. Mit aktiver Unterstützung des Gewerbevereins Triberg wurde am 1. April 1864 eine Arbei­ tercreditkasse gegründet. Aus diesem Insti­ tut entstand schließlich der Vorschußverein, die erste Genossenschaftsbank im Bezirk Triberg, aus der 1889 eine Aktiengesellschaft unter dem Namen Schwarzwälder Bankver­ ein, Vorläufer der späteren Deutschen Bank Triberg, wurde. Damit war in der Raum­ schaft der Genossenschaftsgedanke vorerst tot. Erst 35 Jahre später gelang es die Ge­ nossenschaftsidee wieder zu beleben. Das erste Geschäftslokal der Gewerbebank Triberg e.GmbH. wurde in den Räumen der Brauerei Dold (heute: Hotel Bären) einge­ richtet. Im Gästezimmer 11 „haben wir mit einem Bleistift und dem Kassabuch ange­ fangen … “ wie die beiden Vorstandsmitglie­ der Friedrich Bühler und Richard Henninger berichteten. Noch 1926 konnte die Zweig­ stelle Furtwangen in der Gaststätte Sonnen­ untergang unter Leitung von JosefHerth er­ öffnet werden. Unterbrochen durch die Welt­ wirtschaftskrise 1930 entwickelte sich die Gewerbebank stetig. Die wirtschaftliche Er- Nach dem Brand des Hotel „Engel“ im Jahr 1937 erwarb die Gewerbebank das Gebäude. 93

Industrie, Handwerk und Gewerbe Das Bankgebäude 1974 mit dem an Stelle des abgerissenen Hinterhauses errichteten größeren Anbaus. durch die Abwertung waren Bilanzvolumen und Eigenkapital auf minimale Beträge ge­ schrumpft, und der Mitgliederstand war mit 247 niedriger als 1938. Bis zum 30jährigen Bestehen 1956 war die Mitgliederzahl auf 385, die Bilanzsumme auf 2,9 Millionen DM, der Jahresumsatz auf 72 Millionen DM, das Eigenkapital auf 285 000 DM und die Mitarbeiterzahl auf sechs gestiegen. Im gleichen Jahr konnten Zweigstellen in Schon­ ach und Schönwald eröffnet werden. Die Gründung der Hornberger Filiale 1961 be­ schloß die eingeleitete Entwicklung „hin zum Kunden“. In der Zeitspanne bis 1975 er­ lebte die Bank einen rasanten Aufschwung, der sich in folgenden Zahlen dokumentier­ te: Die Mitgliederzahl war auf 5 130 gestie­ gen, daraus resultierte ein Anstieg des Eigen­ kapitals auf 4,2 Millionen DM. Die Bilanz­ summe betrug zu diesem Zeitpunkt 111,2 Millionen DM, und der Jahresumsatz hatte 1,6 Milliarden DM erreicht. Innerhalb von knapp 20 Jahren hatte sich die Volksbank Triberg zu einer Universalbank entwickelt. Rasanter Aufstieg Trotz verschiedener Erweiterungen genüg­ ten die Geschäftsräume der Triberger Zen­ trale schließlich dem stark gewachsenen Ge­ schäftsverkehr nicht mehr, und ein Neubau wurde unerläßlich. In drei Bauabschnitten zwischen 1970 und 1974 konnte das neue Bankgebäude errichtet werden. Zum 50jäh­ rigen Geschäftsjubiläum 1976 präsentierte sich die Bank als gesundes und anerkanntes Geld- und Kreditinstitut mit Niederlassun­ gen in der Raumschaft Triberg, in Hornberg und Furtwangen. Und diese gute Entwick­ lung hielt an. So konnte der Jahresumsatz auf über 4 Milliarden DM in 1986 bis auf knapp 8 Milliarden DM im Jahr 1993 gesteigert wer­ den. Die genossenschaftliche Idee als Fun­ dament der Bank wurde nun von mehr als 12 000 Mitgliedern unterstützt; die Zahl der Kundenkonten erhöhte sich auf annähernd 94

60 000. Dieses Wachstum erforderte mehr Platz, so daß die Raumverhältnisse nicht nur in der Hauptstelle Triberg, sondern auch bei allen Zweigstellen verbessert und dem wach­ senden Geschäftsumfang angepaßt werden mußten. Die Schonacher Filiale, 1977 auf das Doppelte vergrößert, reichte bald jedoch wiederum nicht mehr aus, so daß die Bank 1993/94 einen Neubau errichtete. In den Jahren 1980 und 1991 konnte die Zweig­ stelle Schönwald wesentlich erweitert wer­ den. 1982 wurde das alte Bankgebäude in Furtwangen abgerissen, um einem neuen, repräsentativen Bau, der 1983 fertiggestellt wurde, Platz zu machen. Umbau der Hauptstelle Eine räumliche Erweiterung und Moder­ nisierung erfuhr 1988 die Niederlassung Hornberg. Ein Höhepunkt der Bau- und Modernisierungsmaßnahmen der letzten 15 Jahre waren zweifellos der gut gelungene Umbau und die Generalsanierung der Haupt­ stelle in Triberg in den Jahren 1990 und 1991. Die langjährige Tätigkeit Georg Arm­ brusters wurde im Jahresbericht 1992 wie folgt gewürdigt: ,,nach 38 Jahren sehr erfolg­ reicher und verantwortungsvoller Tätigkeit schied unser Vorstandsvorsitzender, Herr Georg Armbruster, zum 30. Juni 1992 aus seinem aktiven Dienst bei unserer Volks­ bank aus. Annähernd zwei Drittel der Bank­ geschichte wurden von seiner Handschrift geprägt. In der sehr verdienstvollen Ära des Herrn Armbruster erhöhte sich die Zahl un­ serer Mitglieder von damals ca. 250 auf über 12 000. Bei Dienstantritt am 1. Juli 1954 be­ lief sich die Bilanzsumme auf ca. DM 1,6 Mio., der Jahresumsatz auf ca. DM 44 Mio., welcher mit vier Beschäftigten abgewickelt wurde. Das berufliche Lebenswerk von Herrn Armbruster wird deutlich und sicht­ bar, wenn man sich die Zahlen zum Zeit­ punkt seines Ausscheidens betrachtet. Die Bilanzsumme erhöhte sich auf über DM 450 Mio., mit 114 Beschäftigten werden Volksbank Triberg über 62 000 Kundenkonten geführt und ein Jahresumsatz von annähernd DM 8 Mrd. verarbeitet.“ Dieser Erfolgsgeschichte, die Georg Armbruster gemeinsam mit seinem langjährigen Vorstandskollegen Otto Kühn schrieb, ist nichts hinzuzufügen. Für den neuen Vorstandsvorsitzenden, Manfred Ku­ ner, und seinen Kollegen, Gerhard Lauer, war das Lebenswerk Georg Armbrusters ei­ ne gute Basis, auf der erfolgreich weitergear­ beitet werden konnte. Und der Aufstieg ging weiter. Im Umfeld der eigentlichen Bankgeschäf­ te haben sich im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Betätigungsfeldern eröffnet, auf denen die Bank zusätzlich ihre Dienstlei­ stungen anbietet. Dazu gehören Handwer­ kerausstellungen, die Präsentationen einhei­ mischer Einzelhändler, die Veranstaltung von Vorträgen über allgemein interessierende Wirtschafts- und Konjunkturthemen, die Ver­ mittlung von Immobilien, Versicherungslei­ stungen, Wertpapierfonds sowie die Unter­ stützung von örtlichen Handwerks- und Han­ delsmessen, bei deren Begründung und Wie­ derholung die Volksbank Triberg seit 1988 federführend war. Dritte Vorstandsposition Die ständig steigenden Anforderungen an das Mitarbeiterteam erforderten eine quali­ fizierte Weiterbildung, um sachkundige, pro­ blemorientierte Kundenberatung auf allen Betätigungsfeldern zu gewährleisten. Aus diesem Grund finden laufend die verschie­ densten in- und externen Schulungen und Seminare für die Mitarbeiter statt. Mit Wir­ kung ab 1. April 1996 wurde eine dritte Vor­ standsposition geschaffen und Herrn Rai­ ner Engel übertragen. Damit wurde der per­ manent notwendigen Verbesserung primär im Marktfolgebereich organisatorisch Rech­ nung getragen, um bankintern eine noch er­ folgreichere Arbeit leisten zu können. Am Ende des Geschäftsjahres 1999 war die Bi­ lanzsumme auf DM 609 Mio. und die Kun- 95

Volksbank Triberg So priisentiert sich die 1990 und 19 91 völlig umgestaltete Volksbank Triberg eG im jubiliiumsjahr 2001. denkredite auf DM 448 Mio. gestiegen. Mit 724 Neubeitritten erzielte die Bank den stärk­ sten jährlichen Mitgliederzugang seit ihrem Bestehen. Der Mitgliederstand betrug am Jah­ resende 14 513 mit gezeichneten Geschäfts­ guthaben von ca. DM 15,4 Mio. Das ge­ samte Eigenkapital der Bank erhöhte sich auf ca. DM 27,4 Mio. Anläßlich ihres Ju­ biläums und angesichts der erarbeiteten Er­ folge wird sich die Volksbank Triberg eG ganz sicher nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Der Vorstand um Manfred Kuner und das sehr engagierte Mitarbeiterteam wissen sehr genau, daß auch in der Zukunft gute Ergeb­ nisse trotz aller unverzichtbarer elektroni­ scher Hilfsmittel ohne Kundennähe, ohne ein partnerschaftliches Miteinander nicht zu erzielen sind. Wolfgang Müller Qiellen, Literatur: Bertelsmann Lexikon-Institut. Das Neue Taschenle­ xikon, 17. Band, Gütersloh 1992, Stichwort: Volks­ banken und Raiffeisenbanken. F.A. Brockhaus. Der Große Brockhaus, 16. Auflage, 12. Band, Wiesbaden 1957, Stichwort: Volksbank. Müller, Wolfgang. Triberg, Porträt einer Stadt, VS­ Villingen 1995. Volksbank Triberg. 50 Jahre Volksbank Triberg 1926- 1976, Triberg 1976. Volksbank Triberg Geschäftsberichte bzw. Jahresbe­ richte 1977-1999. Berichte in verschiedenen Jahrgängen nachfolgender Zeitungen: Ed10 vom Wald, Triberg; Schwarzwälder Bote, Oberndorf; Südkurier, Konstanz; Triberger Bo­ te, Triberg. 96

Tradition und Innovation Auszeichnungen für Ketterer Maschinenbau in Bad Dürrheim Industrie Handwerk und Gewerbe Gleich zwei Preise für ihr innovatives Pro­ dukt konnte die traditionsreiche Ketterer Maschinenbau GmbH mit Sitz in Bad Dürr­ heim einheimsen: Das modular aufgebaute CNC-Bearbeitungszentrum „Flex-Center“ wurde Ende 1998 mit dem renommierten Rudolf Eberle Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg sowie dem Bundespreis für innovative Technik für das Handwerk 1999 ausgezeichnet. Das neue Produkt ist so erfolgreich, daß vergangenes Jahr ein 1500 Qyadratmeter großer Erweiterungsbau in Bad Dürrheim erstellt wurde, der zum Jahreswech­ sel 1999/2000 bezugsfertig war. Die neue Halle erlaubt die parallele Fertigung von sechs Flex-Center zusätzlich; bisher konnten nur drei in beengten Verhältnissen produziert werden. Fünfzehn der riesigen, hellgrauen Maschinen verließen bislang die Hallen in Bad Dürrheim. Nach dreijähriger Entwicklungszeit ent­ stand das bis zu drei Millionen Mark teure „Flex Center“, welches die bis zu zehnfach schnellere Bearbeitung eines Werkstücks als mit herkömmlichen Maschinen bisher mög­ lich war erlaubt. ,,Das sind Dimensionen“, so Ingenieur Dr. Gunter Ketterer. Die mo­ dulare Bauweise – auch die über Glasfaser­ kabel mit Daten versorgte Steuerungselek­ tronik ist ebenfalls modular aufgebaut – er­ laubt hohe Flexibilität. Werkstücke können mit diesem CNC-Bearbeitungszentrum oh­ ne zeitaufwendige Zwischenschritte an allen sechs Flächen rundum bearbeitet werden. Das erste Dutzend Maschinen mit bis zu sie­ ben mehrspindligen Revolverköpfen wurde fast ausschließlich in die USA exportiert, doch im Sommer letzten Jahres entstanden die ersten „Flex-Center“ für den deutschen Markt. ,,In Amerika sind die Kunden ent­ schlußfreudiger“ gesteht Dr. Gunter Kette­ rer, der zusammen mit seinem Cousin Hans­ Peter Ketterer 1993 in den Familienbetrieb einstieg. W ährend ein amerikanischer Kun­ de nach Einsicht in die Kon­ struktionszeichnungen das er­ ste „Flex-Center“ spontan auf dem Flughafen Stuttgart per Handschlag orderte, dauert es bei deutschen Kunden von den ersten Vorgesprächen bis zum endgültigen Kaufentschluß bis zu einem Jahr. Die Auftrags­ bücher sind bei Ketterer den­ noch dick gefüllt. Seit fünfJah­ ren steigt der Exportanteil über­ proportional auf heute 70 Pro­ zent. Beschäftigte Ketterer vor fünf Jahren 20 Fachkräfte we­ niger, zählt heute die Mann­ schaft über 70 Mitarbeiter. Die Ansprüche an neue Mitarbei­ ter sind hoch: ,,Wir brauchen 97 Mit Dr. Gunter Ketterer (links) und seinem Cousin Hans-Peter Ket­ terer führt bei Ketterer Maschinenbau GmbH in Bad Dürrheim nun schon die dritte Generation die Geschäfte.

Ketterer Maschinenbau Herzstück des mit zwei Preisen ausgezeichneten CNC-Bearbei­ tungszentrums bilden die mehr­ spindligen Revol­ verköpfe. die Besten“ bringt es Dr. Gunter Ketterer auf den Punkt. Geeignete Bewerber zu finden ist aber bei niedrigen Absolventenzahlen im In­ genieurwesen ein schwieriges Unterfangen. Das Bad Dürrheimer Unternehmen kann heute auf eine über 70jährige Firmentraditi­ on zurückblicken, wobei die Wurzeln des Betriebes 1923 in Villingen im kleinen In­ genieursbüro Eugen Seibold Werkzeugma­ schinen liegen. Während sich die 1956 ge­ gründete Ketterer Maschinenbau GmbH der Entwicklung und der Herstellung der Ma- schinen widmet, ist die 1948 als Komman­ ditgesellschaft gegründete und heutige Sei­ bold & Ketterer GmbH ein Handelshaus für spanabhebende Werkzeug- und Sonderma­ schinen. Seit 1997 führt nun mit Gunter und Hans-Peter Ketterer die dritte und jüng­ ste Generation die Geschäfte zusammen mit Seniorchef Karl Ketterer, der für die kauf­ männischen Belange des Unternehmens zu­ ständig ist. Obwohl Gunter Ketterer zukünf­ tig in Teilbereichen eine Zusammenarbeit mit anderen Firmen nicht ausschließen will, soll die Firma aber weiterhin als Familien­ betrieb geführt werden. Ketterer zählt hier­ bei auf seine schlagkräftige Mannschaft und auf neue innovative Produkte, um dem wach­ senden Konkurrenzdruck Paroli bieten zu können. Sabine Krümmer Seit Sommer letzten Jahres entstehen bei Ketterer die ersten „Flex-Center“für den deutschen Markl. 98

,�etterstudio Süd“ in Öfingen eröffnet Jörg Kachelmann setzt vor allem auf regionale Daten zur Wetterentwicklung Industrie, Handwerk und Gewerbe Der bekannteste Wetterfrosch im deutsch­ sprachigen Raum ist Jörg Kachelmann. Der Schweizer Wetterexperte ist seit März 1999 auch in der hiesigen Region tätig, in Bad Dürrheims sonnigem Ortsteil Öfingen hat er sein „Wetterstudio Süd“ eröffnet. In Ka­ chelmanns „ARD-Wettershow“, die mon­ tags bis freitags um 19.52 Uhr (,,acht vor acht“) zu sehen ist, erfahren rund fünf Mil­ lionen Zuschauer regelmäßig Neuigkeiten über das Wetter in der Baar. Ergänzt werden diese Informationen durch Nachrichten aus dem „Wetterstudio Nord“ aufHiddensee an der Ostsee und dem „Wetterstudio West“ in Bochum, denn, so Meteorologe Kachel­ mann: ,,Wetter ist am besten regional erfaß­ bar.“ Ferienhaus als Wetterstudio Die Öfinger Wetterstation mit Fernsehstu­ dio befindet sich auf knapp 900 Metern Höhe am Fuß des Himmelbergs. Im Haus Nummer 22 des dort idyllisch gelegenen Fe­ riendorfes sind Wettermeßgeräte für Wind, Sonne, Luftfeuchtigkeit, ein Regenmesser, mehrere Thermometer und eine Satelliten­ schüssel im Garten zu sehen. Hier ist der Ar­ beitsplatz des Meteorologen Roland Hum­ mel und der Moderatorin Petra Thonemann. Im Wetterstudio werden Daten aus ganz Eu­ ropa und der Region aufbereitet. Per Com­ puter werden regelmäßig die Radar-Wetter­ bilder abgefragt, zweimal täglich treffen per Fax Modellrechnungen über die Wetterent­ wicklung ein. Abrufbar sind 13 000 interna­ tionale Daten. Die in Öfingen kontinuier­ lich erfaßten Wetterdaten werden über ISDN­ Leitung und Internet weitergegeben. Dabei arbeitet das Team mit der Firma Huger elec­ tronics in V illingen zusammen, einem Spe­ zialisten für den Vertrieb von LCD-Geräten. Die Fernsehübertragung funktioniert über eine Interconnet Leitung zu einem Satelli­ ten und von dort in Kachelmanns Studio in der Schweiz. Moderatorin Petra Thonemann ist auch mit der Kamera unterwegs und be­ arbeitet selbst die Beiträge für die Wetter­ show, die von der Meteomedia AG mit Sitz in Gais bei St. Gallen produziert wird. Das Appenzeller Unternehmen beschäftigt 35 Mitarbeiter und betreibt über 140 automa­ tische Meßstationen, davon 100 in der Bun- Im Ferienhaus Nr. 22 in Öfingen befindet sich Jörg Kachelmanns bekanntes „Wetterstudio Süd“. 99

.Wetterstudio Süd“ Das Kad,elmann-Team bei der Analyse der Wetterdaten (links Jörg Kachelmann). desrepublik. Meteomedia in der Schweiz und Meteofax in Deutschland – beides Fir­ men von Jörg Kachelmann – sind größter privater Anbieter von Wetternachrichten und haben das international größte Netz an Wet­ terstationen. Der witzige, pfiffige Service für Fernsehen, Radio und Presse ist im Internet unter www.meteomedia.ch und www.meteo­ fax.de abrufbar. Alle ein bis zwei Minuten wird dort ein aktuelles Bild von der Öfinger Panorama-Kamera mit Blick auf Baar und Schwarzwald eingespeist. Der in Lörrad1 geborene und in Schaff­ hausen aufgewachsene Kachelmann ist vom Standort Öfingen begeistert: ,,Der Ort liegt über der Nebelzone an einem Südwesthang, befindet sich ideal zwischen Bodensee, Schwä­ bischer Alb und Schwarzwald und weist so auf engstem Raum ein sehr unterschiedli­ ches Wetter auf. Und nod1 dazu ist Öfingen mit jährlich 1800 Sonnenstunden eine der Sonnenstuben Deutschlands.“ Auch fallt mit 750 Litern pro Qiadratmeter nur die Hälfte des durchschnittlichen jährlichen Nieder­ schlags, der ansonsten im Schwarzwald nie­ derprasselt. Aus dem Bad Dürrheimer Orts­ teil werden pro Monat rund zehn Übertra­ gungen in der ARD-Wettershow ausgestrahlt. Die Panorama-Kamera, eine Web-Cam, be­ findet sich auf dem Dach des Studio-Hau­ ses. Nonstop fangt sie Bilder rund um das Feriendorf und aus der Weite der Baar ein. Sogar Detail-Motive lassen sich heranzoo­ men. Ehe man sich versieht, kann man so bei einem Spaziergang „erwischt“ werden und im Fernsehen zu sehen sein. Mit einer Mobilkamera werden darüber hinaus aktu­ elle Wetterimpressionen und Szenen in Bad Dürrheim aufgenommen und kommentiert. Für einen 30 Sekunden dauernden Beitrag ist das Team oft stundenlang aktiv. Jörg Ka­ chelmann macht auch den Wetterbericht für das ARD-Frühstücksfernsehen, wo immer mal wieder Bilder aus der Baar zu sehen 100

sind. Die Nacht-Tiefsttemperatur und die Tagestemperatur in Bad Dürrheim sind auch im ARD-Videotext, Seite 309, abrufbar. Die Idee kam bei der Morgengymnastik Der Anstoß zur Einrichtung des Wetter­ studios stammt vom Bad Dürrheimer Kur­ direktor Michael Steinbach. Bei der Mor­ gengymnastik vor dem Fernsehgerät kam ihm die Idee zur Kooperation mit Jörg Ka­ chelmann. Eingeweiht wurde das Studio in Anwesenheit des baden-württembergischen Wirtschaftsministers und Tourismuspräsi­ denten Dr. Walter Döring sowie von Land­ rat Karl Heim. Der frühere Turnweltmeister Eberhard Gienger flog den Hausschlüssel per Fallschirm ein. Bei seiner zielgenauen Landung auf dem Dach gingen zwei Ziegel kaputt, was Jörg Kachelmann aber nicht die Laune verdarb: ,,Hauptsache, Ebse‘ Ginger ist noch ganz.“ Der Bekanntheitsgrad von Bad Dürrheim ist seither stark angestiegen, immer wieder fragen Gäste: ,,Wie wird ei­ gentlich das Wetter bei Kachelmann ge­ macht?“ Regelmässige Führungen, im Som­ mer wöchentlich, sonst alle 14 Tage, geben hier Auskunft. ,,Der Mensch lebt von und mit den Elementen. Sonne, Erde, Wasser und Luft bestimmen unser Leben. Darum ist das Wetter so wichtig“, betont das Ka­ chelmann-Team und schult die Teilnehmer der Führung in Wolkenbeobachtung, erklärt die Anzeichen für eine Wetterfront, ein dro­ hendes Gewitter oder ein Hoch. ,,Zum Wet­ ter aus dem Computer brauchen wir auch weiterhin einen geschulten Blick für die Na­ tur und ihre Phänomene, ein Wissen um örtliche Gegebenheiten und Erfahrung – nur so gibt es gute Wetterprognosen.“ Zu­ sätzlich erfahren die Gäste auf einer Schau­ tafel am Eingang zum Feriendorf Öfingen das wichtigste aus dreißig Jahren Klimaauf­ zeichnung in Bad Dürrheim. Man lernt bei­ spielsweise, daß der Juni der regenreichste Monat und die Baar relativ niederschlags­ arm ist, ein Klein-Kontinentalklima mit war- Industrie, Handwerk und Gewerbe Landrat Karl Heim (von rechts), Baden-Württem­ bergs Wirtschajisminister Dr. Walter Döring und Bad Dürrheims Bürgermeister Gerhard Hagmann bei der Eröffnung des Wetterstudios. men Tagen und kühlen Nächten herrscht und die Sonne im Durchschnitt öfter als in Meran oder gar Mailand scheint. Dagmar Schneider-Damm 101

Industrie, Handwerk und Gewerbe Erfolg durch konsequente Spezialisierung Die Frima GRAF-SYTECO fertigt elektronische Bedien- und Steuerteile für die ganze Welt Modeme Industriemaschinen verfügen über äußerst komplexe Strukturen, Bedienung, Steuerung, rasche Fehleranalyse und – be­ hebung sind nur noch mittels elektronischer Bedien· und Steuergeräte möglich. Entwick­ lung, Herstellung, Prüfung und Vertrieb sol­ cher Geräte ist das Arbeitsfeld der Firma GRAF-SYTECO in Tuningen. Der Zusatz SYTECO hinter dem Namen des Firmen­ gründers steht für „Systeme technischer Com­ munication“. Sprung in die Selbständigkeit. Zusammen mit dem Fertigungsmeister Klaus Sauer, mit dem er bereits bei der Firma Kübler zusam­ mengearbeitet hatte und der heute noch sei­ ne „rechte Hand“ in der Firma ist, begann Martin Graf im eigenen Haus im Bad Dürr­ heimer Ortsteil Oberbaldingen mit der Pro­ duktion von Steuerzählern. Bereits 1983 stellte das junge Unternehmen, das damals „Graf-Zählelektronik“ hieß, seine Produkte auf der Hannover-Messe vor. Im Jahr 1985 war die Belegschaft von ursprünglich zwei auf neun Mitarbeiter angewachsenen, zu In­ genieur und Meister waren ein Techniker und sechs Hilfskräfte hinzugekommen. Durch das Wachstum der Firma waren die Kapa­ zitäten in den Räumlichkeiten des eigenen Hauses überlastet und nachdem Planungen für einen Neubau in Oberbaldingen ge­ scheitert waren, fand Graf bei der Standort­ suche Unterstützung und rasche unbüro- Das seit 1982 bestehende Unternehmen hat eine beeindruckende Erfolgsgeschichte aufzuweisen. Gegründet und auch heute noch geleitet wird die Technologieschmiede von Martin Graf Der 57jährige dreifache Familienvater wurde in Lahr geboren und wuchs als Pfarrerssohn in St. Georgen auf. Nach dem Schulabschluß absolvierte er zu­ nächst eine Lehre als Radio- und Fernseh­ mechaniker. Es folgte eine Ausbildung an der Technikerfachschule in Karlsruhe und mit 26 Jah­ ren entsd1loß sich Graf, In­ genieur zu werden. Sein Stu­ dium in der Fachrichtung Nachrid1tentedmik in Karls­ ruhe und Kaiserslautern, das er durch begleitendes Arbeiten im erlernten Be­ ruf finanzierte, beendete er erfolgreich als Dipl.Ing. (FH). Erste Berufsstation des jungen Ingenieurs war die Fabrik für Sondermaschi­ nen Held in Schura, es folg­ te eine Anstellung bei der Zählerfabrik Kübler in Schwenningen. 1982 wagte Martin Graf trotz ungün­ stiger gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen den Seit 1982, dem Grii11du11gsjahr, /eitel Martin Graf das Unternehmen. 102

kratische Hilfe durch die Gemeinde Tunin­ gen und ihren Bürgermeister Walter Klumpp. Im Januar 1987 zog die Firma in ihr neues Domizil in der Kaiserstraße 18 in Tuningen ein. Das vierstöckige Gebäude mit seinen hellen Räumen wurde 1924 als Industrie­ bau zur Mundharmonikafertigung errichtet, während des Krieges wurden dort Zünder zusammengebaut, später Uhrenteile gefer­ tigt und schließlich beherbergte es eine Au­ tomatendreherei. Umzug nach Tuningen Nach dem Einzug konnte die Firma Graf erneut ein rapides Wachstum erreichen, von 1987 bis 1992 stieg die Zahl der Mitarbeiter von neun auf 22 an, drei Ingenieure, drei Techniker und 16 weibliche Mitarbeiterin­ nen in der Produktion. Die �alifizierung der Arbeiterinnen, die alle seit 1990 in der Firma sind, ist sehr lernintensiv, die Einar­ beitungsphase dauert ein halbes Jahr. Heute beschäftigt die Firma 28 Leute, davon sieben Techniker und Ingenieure. Der Mittelbe­ trieb verfugt über eine vollständige großbe- GRAF-SYTECO GRAF-SYTECO bietet Geräte an, die Steuerung und Display vereinen. triebliche Struktur: Unter einem Dach sind Entwicklungsabteilung, Fertigung, Montage, Prüfraum, Versand und Verwaltung verei­ nigt. Während die Firma früher fast aus­ schließlich mit Vertriebspartnern arbeitete, wurde Anfang der neunziger Jahre ein eige­ nes Vertriebsnetz mit Marketing aufgebaut. Die einzelnen Abteilungen sind vernetzt, so können beispielsweise die Ergebnisse der Entwicklungsabteilung ohne Zeit- und Kom­ munikationsverluste unmittelbar in der Pro­ duktion umgesetzt werden. Überwiegend werden die Bedien- und Steuergeräte der Firma in fahrbaren lndu- links ein Blick in die Produktion, rechts der Finnensitz. 103

Industrie, Handwerk und Ge�erbe striemaschinen eingesetzt. T ypische Einsatz­ bereiche sind Schlepper, Krane, Erntema­ schinen, Lagerführungsmaschinen, Flaschen­ abfüllan lagen und Steinschretteranlagen. Das Produktionsprogramm umfaßt digitale Ein- und Ausgangsmodule zur freien An­ wendung, Zähler, Achsensteuerung, Tacho­ meter, Zeitrelais und Drehgeber. Die Textan­ zeige „TextografTG 4000″ ist in der Lage mit wenig Aufwand hohe Transparenz in Ma­ schinen und Anlagen herzustellen. Auf dem Display können Meldungen aus 10 m Ent­ fernung erkannt und Maschinendaten in 24 Sprachen angezeigt werden. Das erfolgreiche Wachstum der Firma in ei­ nem Markt mit international starker Konkur­ renz ist die Folge konsequenter Spezialisie­ rung. Zunäd1st ist hier die Spezialisierung auf integrierte Zwei-Komponenten-Anlagen zu nennen. Im Unterschied zu mand1en Firmen der Konkurrenz bietet GRAF-SYTECO Pro­ dukte an, die Steuerung und Display in ei­ nem Gerät vereinen. Schwerpunktmäßig kon­ zentriert man sich auf die Entwicklung von Geräten, die in hohen Temperaturbereichen von -40°C bis +80°C funktionsfähig sind. Angst vor der Globalisierung und vertraut auf die eigene Kreativität und Flexibilität. 65 0/o der Produktion gehen in den Export, agiert wird weltweit. Ein weiterer Ausbau der Firma ist in Angriff genommen und das Gebäudevolumen wird von 500 m3 aufl200 m3 vergrößert. Geplant ist die Einstellung eines weiteren Ingenieurs. Die Herstellung der Produkte ist sehr entwicklungsintensiv, 85 0/o des Aufwandes entfallen auf die Soft­ wareentwicklung. Die bei Graf beschäftigten Ingenieure und Techniker hatten alle schon während ihres Studiums Kontakt mit der Firma, bei der sie dann eine berufliche Hei­ mat fanden. Heute aber, so Firmenchef Graf, sei es sehr schwer, qualifizierte Mitar­ beiter zu finden. Zur Sicherung des Wirt­ schaftsstandorts Deutschland, so sein Plä­ doyer, muß die Gesellschaft in Schule und Studium tedmisches Interesse und Wissen sowie Ausbildungsmöglichkeiten verstärkt fördern. Helmut Rothermel Die Steuerungsgeräte der Firma Graf arbeiten beispielsweise in Bau­ masd1inen, die im sibi­ rischen Winter einge­ setzt werden und in Fal1r­ zeugen mit geschlosse­ ner Kabine, in denen bereits in unseren Brei­ tengraden extreme Tem­ peraturen entstehen. Ein großer Vorteil ist die universelle Einsetzbar­ keit der Geräte, was die Firma unabhängig von Konjunkturschwankun­ gen in einzelnen Bran­ chen und Regionen Die Mitarbeiterzahl ist über die Jahre auf28 angewachsen. Unter einem Dad1 macht. So hat man in vereinigt sind die Entwicklungsabteilung, Fertigung, Montage, Verwaltung der Firma auch keine und Versand. 104

Persönlichkeiten Den Landkreis tief geprägt Zum Tod von Dr. Robert Lienhart, Alt-Landrat des Landkreises Donaueschingen 7. Kapitel/ Almanach 2001 Zu den Persönlichkeiten, die durch Initia­ tive und Tatkraft die heutige Gestalt unseres Landkreises ganz entscheidend mitgeprägt haben, gehört Dr. Robert Lienhart, Landrat des ehemaligen Kreises Donaueschingen. Geboren wurde er 1908 in Straßburg, das damals zum Deutschen Reich gehörte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Familie aus dem Elsaß ausgewiesen und ließ sich im na­ hen Freiburg nieder. Hier besuchte Robert Lienhart das Gymnasium und begann sein Studium der Rechtswissenschaften. Bereits damals zeigte sich einer seiner typischen Charakterzüge: stets wollte er über den ei­ genen Kirchturm hinausblicken, war neu­ gierig und offen für Fremdes und Unbe­ kanntes. So folgten Studienaufenthalte in Heidelberg und Bologna. Das Widerstreben gegen räumliche und geistige Enge führte ihn in die Jugendbewegung, mit dem Fahrrad un­ ternahm er ausgedehnte Reisen nach Italien und Frankreich, wo er sich hervorragende Sprachkenntnisse aneignete. 1937 schloß Ro­ bert Lienhart in Freiburg sein Studium mit Promotion ab, in den dunklen Jahren der nationalsozialistischen Diktatur arbeitete er zunächst als Leiter der Rechtsabteilung bei zwei Firmen der Privatwirtschaft. Anfang 1944 wurde er zum Wehrdienst einberufen und als Dolmetscher in Italien eingesetzt. Seine erste berufliche Station nach dem Krieg führte ihn zum Landeskommissariat Konstanz. Doch schon am 21. September 1945 wurde er zum Donaueschinger Land­ rat ernannt. Als erster mit französischer Zu­ stimmung von deutscher Seite eingesetzter Landrat in Südbaden löste er seinen Amts­ vorgänger Prinz Max von Fürstenberg ab, der krankheitshalber nach nur wenigen Wo­ chen hatte zurücktreten müssen. Dr. Robert Lienhart Der junge Leiter der Kreisverwaltung mach­ te sich energisch und unbürokratisch an sei­ ne schwere Aufgabe. Nach dem Zusammen­ bruch und bei den besonders in Donau­ eschingen gravierenden Kriegsschäden galt es im Einvernehmen mit der Besatzungsmacht eine demokratische Verwaltung neu aufzu­ bauen und im Chaos der unmittelbaren Nachkriegszeit für die Beschaffung des Le­ bensnotwendigen zu sorgen. Bei der Mei­ sterung dieser enormen Anforderungen kam Dr. Lienhart eine weitere Charaktereigen­ schaft zugute, die der ehemalige Kreisrat Otto Weissenberger einmal als „liebens­ würdige Noblesse“ bezeichnet hatte. Es war die Fähigkeit, überzeugend, dabei stets glei­ chermaßen freundlich und zuvorkommend auf Mitarbeiter, Bürgermeister und einfache Leute zuzugehen. In einem an Bevölkerung 105

Dr. Robert Lienhart und Besatzungsmacht gerichteten Appell vom November 1946 kommt seine optimi­ stische, auch in schwierigster Situation immer das Positive hervorhebende Grundhaltung zum Ausdruck: ,,Geblieben ist uns das Leben, der Wechsel der Jahreszeiten, die Fruchtbar­ keit der Felder, unsere Arbeitskraft und der Lebenswille.“ Ausgerüstet mit diesem Kapi­ tal ist es dem Landkreis dann auch gelungen, wieder ein blühendes Gemeinwesen zu wer­ den. Neben den beschriebenen Eigenschaften kamen Dr. Lienhart nun seine guten Sprach­ kenntnisse im Umgang mit der Besatzungs­ macht zugute. Auch traf er in Gouverneur Andre Noel auf einen gleichgesinnten, über­ zeugten Europäer, der zutiefst von der Not­ wendigkeit der Aussöhnung zwischen den ehemals verfeindeten deutschen und fran­ zösischen Völkern überzeugt war. Gewür­ digt wurde der große Erfolg dieser Zusam­ menarbeit, als Andre Noel auf Antrag von Landrat Lienhart im Jahr 1969 das Bundes­ verdienstkreuz im Donaueschinger Schloß überreicht wurde. ,,Neue Heimat“ gegründet Eine der größten Herausforderungen nach dem Krieg war die Eingliederung der vielen Flüchtlinge und Vertriebenen. Dr. Lienhart, der nach dem Ersten Weltkrieg selbst die Heimat hatte verlassen müssen, engagierte sich hier in ganz außerordentlicher Weise. Seiner persönlichen Initiative war die Grün­ dung der gemeinnützigen Siedlungsgesell­ schaft „Neue Heimat“ zu danken, der er 25 Jahre lang als Aufsichtsratsvorsitzender diente. Bis zum Anfang der siebziger Jahre wurden rund 1800 Wohnungen für die ehe­ mals Entwurzelten geschaffen. Eine neue Heimat bekam auch die Kreis­ verwaltung. Der Neubau des Landratsamtes in der Donaueschinger Käferstraße bot Er­ satz für das bei einem Fliegerangriff zerstör­ te alte Amtsgebäude und ermöglichte eine effektive Bewältigung der anstehenden Auf­ gaben. Zu diesen gehörte die Erhaltung und 106 Schaffung von Arbeitsplätzen für die Kreis­ bevölkerung. Aktiv engagierte sich die Kreis­ verwaltung unter Leitung von Dr. Lienhart in der Wirtschaftsförderung; es konnte die Ansiedlung bedeutender Firmen erreicht werden, ebenso wurde das Straßennetz ver­ bessert und ausgebaut. In dem stark ländlich geprägten Kreis war die Förderung der Land­ wirtsd1aft ein elementarer Auftrag. Beson­ ders das Projekt des Neubaus der Landwirt­ sd1aftsschule mit Internat fand die Unter­ stützung des Landrats. Neu- und Ausbau wei­ terer Berufsschulen in Donaueschingen und Furtwangen fallen in seine Amtszeit. Im Be­ reich des Gesundheits- und Sozialwesens sind der Ausbau des Kreispflegeheims in Geisingen und die Planung des Neubaus des Kreiskrankenhauses in Donaueschingen Mei­ lensteine, an deren Verwirklichung Dr. Lien­ hart großen Anteil hat. Ein offenes Ohr hat­ te er für kulturelle Aufgaben, sei es der Aus­ bau der Kreisergänzungsbücherei, die Für­ sprache für die Donaueschinger Musiktage oder die entschiedene Förderung von Bil­ dungsfahrten des Kreisjugendrings. Zu ei­ nem unvergeßlichen Erlebnis für die Bür­ germeister des Kreises wurden die immer ausgezeichnet vorbereiteten und durchge­ führten legendären Bürgermeisterlehrfahrten. Als großes Verdienst des Landrats ist sd1ließ­ lich sein Engagement für das Deutsche Ro­ te Kreuz zu nennen. 25 Jahre war er Kreis­ vorsitzender, ihm ist der Bau des Rotkreuz­ heimes in Donaueschingen zu verdanken. Nach 27 Jahren endete die Amtszeit von Dr. Lienhart mit Inkrafttreten der Kreisre­ form am 1. Januar 1973, als der größte Teil „seines“ bisherigen Landkreises im neuen Schwarzwald-Baar-Kreis aufging. Im Sep­ tember 1973 wurde er als dienstältester Land­ rat im Regierungsbezirk Südbaden in den Ruhestand verabschiedet und für seine außerordentlichen Verdienste im Oktober 1973 mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse geehrt. Nun konnte er sich ganz sei­ ner Camping-Leidenschaft hingeben, zu­ sammen mit seiner Frau Marianne erkunde-

Dr. Robert Lienhan/Rebecca Weisser Beigesetzt wurde er im engsten Familien­ kreis auf dem Friedhof in Bräunlingen. Helmut Rothermel te er auf ausgedehnten Reisen Südeuropa. Zwischen den Reisen blieb genügend Zeit zur herzlichen Pflege der Kontakte mit ehe­ maligen Bürgermeistern, Kreisräten, Mitar­ beitern und Freunden. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Dr. Lienhart mit seiner Frau im Donau­ eschinger Altenheim Sankt Michael. Er verstarb am 13. Mai 2000 im 92. Lebensjahr. Von Kansas City nach Gremmelsbach Rebecca Weisser fand im Schwarzwald schnell eine neue Heimat Nahezu im arithmetischen Mittelpunkt der USA war Rebecca Weisser zu Hause, in Kansas City im Staate Missouri, einer Me­ tropole mit zwei Millionen Einwohnern, an der Trennungslinie zwischen dem zivilisier­ ten Osten und dem „Wilden Westen“ Ame­ rikas, aber auch an der Grenze zwischen den Nord- und den Südstaaten, zwischen denen im 19. Jahrhundert ein erbitterter Krieg (1861-65) wegen der Sklaverei tobte, die Stadt Kansas City war eine Station der Ein­ wanderer, die den Weg nach dem Westen, nach Kalifornien suchten. Wenn es irgend­ wo eine „multikulturelle“ Gesellschaft gibt, dann dort. Die Stadt ist durchaus ein kultu­ relles Zentrum mit Museen für Bildende Kunst und Malerei, das Philharmonie Or­ chestra spielt auf großen Tourneen, die In­ dustrie hat sich auf Autos, Luft- und Raum­ fahrt spezialisiert, das Umland ist eine der Kornkammern der USA, von Süden kamen die Rinder auf den Markt, auf dem es zuging wie bei der Börse. Die Bevölkerung ist zwi­ schen Weißen und Farbigen gemischt. Die Weite des Landes hat auch einen Einfluß auf die Menschen, die Freiheit und das persön­ liche Recht des einzelnen hat einen weit größeren Stellenwert als in Deutschland, die Menschen sind optimistischer, wissen sich öfter selbst zu helfen, sie haben keine Schwierigkeiten aufeinander zuzugehen, die Mobilität ist größer als in Europa, von Kan­ sas City fahren Menschen für zwei Tage mit dem Bus 12 Stunden zum Skilaufen in die Rebecca Weisser 107

Rebecca Weisser Rocky Mountains, um am nächsten Tag gleich wieder zu arbeiten, die Heimatver­ bundenheit ist geringer ausgeprägt, man zieht leichter von einem Ort zum anderen, zum Essen geht man häufig aus, schon zum Frühstück, um sich Arbeit zu sparen, die Be­ völkerung ist auch in weiten Teilen zu einer Entertainmentgesellschaft geworden, Ame­ rika ist eben das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Bauen ist viel weniger engen Vorschriften unterworfen, der Füh­ rerschein ist weit leichter zu erreichen, sd1on mit 16 Jahren, dafür werden Geschwindig­ keitsüberschreitungen hart geahndet. Die Vorfahren Rebeccas waren Belgier, Iren und Deutsche. Aufgewachsen ist sie mit neun Geschwistern und in ihrer ersten Sdrn­ le, einer öffentlichen Schule, war sie in ihrer Klasse eine von wenigen Weißen unter lau­ ter Farbigen. In einer Stadt im Schnittpunkt so verschiedener Kulturen gelegen spielte auch die Musik eine besondere Rolle. Die Musik der Siedler aus dem 17. Jahrhundert traf auf die der früheren Negersklaven und vermischte sich mit ihr. Jazz und Blues, Spi­ rituals und Gospels hatten dort ihre Heimat. Der besseren Disziplin und der höheren �alität wegen besuchte sie von der 8. bis zur 12. Klasse eine private christliche Schu­ le. Der Abschluß berechtigt zum Besuch der Universität oder des Colleges. Rebecca fand eine Arbeitsstelle als Sekretärin in einer Zu­ lieferfirma mit 8 000 Angestellten für Luft­ und Raumfahrt. Sie arbeitete sich zur Com­ puterlehrerin hoch, wirkte mit Ingenieuren und Werkzeugmachern zusammen und or­ ganisierte die Weiterbildung für den CAD­ Bereich (Computer Automatie Design). Sie war verantwortlich für die Computer Hotli­ ne. Am Abend besuchte sie die Schule für Weiterbildung und fand noch Zeit für Bi­ belkurse. Thomas Weisser, der sich zur Wei­ terbildung und zum Kennenlernen der Men­ talität der Menschen dort aufhielt, lernte sie auf einer seiner Wochenendreisen kennen. Und sie kam mit ihm nach Gremmelsbach. Im Juni 1988. Ohne jede Kenntnis der deut- 108 sehen Sprache. Bei Rektor Werner Hamm machte sie einen Intensivkurs in Deutsch, war Angestellte ihres Mannes im Andenken­ und Uhrengeschäft, wo sie die Beherrschung ihrer Muttersprache für das internationale Publikum gut gebrauchen konnte. Thomas und Rebecca heirateten 1990. Vom Zentrum einer Metropole in ein Haus im Obertal in Gremmelsbad1! Wie konnte der Übergang gelingen? Es war nicht immer ganz leid1t, sagt sie. Aber mit ihrer unkom­ plizierten, freundlichen Art und der Fähig­ keit auf andere Menschen zuzugehen fand sie gleich Kontakt und die Sympathie ihrer Umgebung. Musik als große Hilfe Eine große Hilfe war die Musik. In jungen Jahren spielte sie in ihrer Heimat, zusam­ men mit Gitarristen und Schlagzeugern, Kla­ vier und Keybord. Sie konnte bei kirchli­ chen und profanen Anlässen auftreten, ihre Auftritte wurden im lokalen Fernsehen über­ tragen: die besten Voraussetzungen in der gleichen Weise in der neuen Heimat weiter­ zumachen, also nicht nur auf Festen und Feiern, auf Hochzeiten und Konfirmati­ onen, sondern auch einmal auf einem Jah­ reskonzert der Musik- und Trachtenkapelle Gremmelsbach und anderswo, zum Beispiel in der eigenen Dorfkirche mit Kindern. Ein­ mal bekannt geworden, kamen Anfragen für weitere Auftritte von Wuppertal bis Bad Rippoldsau. Sie tritt auch auf öffentlichen Plätzen auf. Klangfarbe, Lautsprechertech­ nik und was sonst noch dazu gehört, besorgt der Ehemann. Sie nimmt sich der Frage an, wie d1ristlid1er Glaube auf zeitgemäße Wei­ se in Musik umgesetzt werden kann und auf die Menschen zurückwirkt. Ihre Antwort: die Dankbarkeit in Wort und Melodie klei­ den (Praise and Worship). Bei ihrem Ehe­ mann Thomas findet sie die ideale Ergän­ zung, er hat in seinem eigenen Haus ein Tonstudio, in dem er ihre selbstgeschriebe­ nen und komponierten Lieder aufnehmen

kann. Bis zur fertigen CD kann er an seinem Schaltpult alles machen. In einer ersten Pro­ duktion sollen demnächst 500 bis 1000 CDs auf den Markt kommen. Doch dies ist nicht alles. Sie war vier Jahre lang Mitglied im Frauenturnverein, sie – selbst Mutter von zwei Kindern – organisiert in einem Mutter­ Kind-Kreis mit anderen jungen Gremmels­ bacher Frauen ein Programm für Kinder bis zu drei Jahren, um diese etwas von Gott er­ fahren zu lassen, für die älteren Kinder gibt es monatlich einen „Kidstreff“, zu dem bis zu 30 Kinder freiwillig erscheinen. Da wird gesungen, gebastelt, Geschichten aus der Bi­ bel werden erzählt und Rollenspiele durch­ geführt. Die Veranstaltungen sind überkon­ fessionell. Sie selbst gehört der Freien Evan­ gelischen Gemeinde an. Überhaupt ist die Geselligkeit ihr Wesen. Ihre Fähigkeiten bringt sie in lockerer Form bei Gottesdien­ sten – regelmäßig in St. Georgen – bei Straßenfesten in Fußgängerzonen oder Dar­ bietungen in Freizeitparks und seit einiger Zeit auch bei einem Frauenfrühstück ein, an dem bis zu 100 Frauen teilnehmen. Da kommen in Nachbargemeinden Frauen zu­ sammen, hören sich Referate über die ver­ schiedensten Themen an, besprechen ihre Probleme und fuhren auch Sketche auf. Ob sie auch Pläne für die Zukunft habe? Sie will weiterhin im Geschäft ihres Eheman­ nes tätig bleiben. Mit den Kindern, die zwei­ sprachig aufwachsen und die doppelte Staats­ angehörigkeit besitzen, und mit Ehemann Thomas will sie in regelmäßigen Abständen in ihre Heimat fliegen und die Verbindung zu ihrer Familie pflegen. Die religiösen Groß­ veranstaltungen sollen fortgeführt werden, wobei Thomas diese mit seiner Technik in idealer Weise begleitet. Für ihr Hauptanliegen, den Lobpreis Gottes, hat die Zukunft in Gremmelsbach schon begonnen. Junge Kirchenchormitglie­ der hat sie seit einiger Zeit für die moderne Art zu singen begeistert, und beim Ernte­ dankfest 1999 gaben sie eine Probe davon. Wie es sie in den Nachbarorten St. Georgen, Persönlichkeiten Furtwangen und Schönwald und über den ganzen Schwarzwald-Baar-Kreis hin ver­ streut schon gibt, will sie auch in Grem­ melsbach als Teil des Mutter-Kind-Kreises für Frauengruppen ein vormittägiges Früh­ stück anbieten mit gemeinsamem Gesang, Tischkärtchen mit Bibelsprüchen, Referaten mit religiösen Themen und aufbauenden Ge­ sprächen. Und wo sie als Sängerin bei Jazz­ und Bluesveranstaltungen gebraucht wird, will sie gern mittun. Karl Volk Vermißt Ich sehe ein Kornfeld im Winde sich wiegen Halme vereinzelt darnieder schon liegen. Ein roter Punkt ist darunter, Er stimmt mich heiter und munter. Er – erinnert an Dich. Ich sehe die Halme in seltsamem Reigen Vor dem roten Mohne sich neigen, Der erhobenen Hauptes entgegensteht Dem Sturm, der ihn mit Zerren umweht. Vor Dir – verneige ich mich. Ich sehe ein Kornfeld, verwundet, zerstoben Der Blüte Blätter, ich lenke nach oben Den Blick von der Blume, die mir nun fern: Am Himmel steht nachts neuglänzend ein Stern. In ihm – vermisse ich Dich. Michael}. H. Zimmermann 109

Persönlichkeiten Der Heimatstadt verpflichtet Arnold Maier – Unternehmer, Musikliebhaber und verdienter Bürger Wer vermutete hinter einem Mann, der die Musik liebt, sie selbst als Chorsänger pflegt, der sich für die bildende Kunst interessiert und selbst malt, einen mit nüd1ternem tech­ nischen und betriebswirtschaftlichen Ver­ stand begabten Unternehmer? Es war dies Ar­ nold Maier, der langjährige und sehr erfolg­ reiche Geschäftsführer der A. Maier Präzision GmbH in St. Georgen. Seine vielseitigen außerberuflichen Neigungen konnte er lei­ der nach seiner Zurruhesetzung zum 31. De­ zember 1996 nur noch kurze Zeit pflegen. Er starb viel zu früh am 29. Januar 1999 nach schwerer Krankheit im Alter von nur 67 Jahren. Das Lebenswerk Arnold Maiers manife­ stiert sich natürlich vorrangig in seinem be­ ruflichen Wirken für den nun bald lSOjähri­ gen Familienbetrieb, für das er insgesamt 32 Jahre leitend tätig war. Nachdem er bereits zehn Jahre zuvor in den elterlichen Betrieb eingetreten war und nach dem Ingenieur­ studium einige Jahre bei Siemens prakti­ zierte, übernahm er, zunächst mit seinem Bruder Artur, 1963 und ab 1984 allein die Geschäftsführung der Firma. Der Erfolg sei­ ner Arbeit läßt sich an den folgenden nüch­ ternen Zahlen ablesen: Im Jahre 1963 betrug der Umsatz der Firma mit etwa 100 Be­ schäftigten DM 1,2 Mio. 1996, dem letzten Geschäftsjahr vor seiner Zurruhesetzung, be­ lief sich der Umsatz auf 30 Mio. mit ca. 270 Beschäftigten. In derselben Zeit wurde die Produktionsfläche von ursprünglich 1200 qm auf 7 900 qm erweitert. War die Firma lange Zeit auf die Herstel­ lung von Zeigern für die Uhren- und Fahr­ zeugindustrie fixiert, so wurde unter der Führung von Arnold Maier in verstärktem Umfang der Bereich hochpräziser Kunst­ stoff-Metall-Kombination ausgebaut. So ist diese Sparte heute, neben den modernen 110 Arnold Maier Lichtführungszeigern für die Fahrzeugindu­ strie die erfolgreiche Kernproduktion. Der­ zeit werden diese Komponenten in unter­ schiedlichen Technologiebereichen renom­ miertester Unternehmen weltweit eingesetzt. Diese Erfolge waren nicht allein auf das Kön­ nen und die Weitsid1t Arnold Maiers zurück­ zuführen, sondern zu einem großen Teil auch auf seine in seinem Wesen liegende Betriebs­ führung. Er war ein Chef in bester schwarz­ wälder Tradition. Die Beschäftigten aller Be­ reiche waren ihm Mitarbeiter im besten Sin­ ne des Wortes. Leistung verlangte er von ih­ nen nicht mehr als von sich selbst. Persönli­ che Besd,eidenheit hat er selbst vorgelebt. Er hat immer seine Meinung, aud1 Kritik, klar und deutlich, aber nicht verletzend geäußert. Man wußte, wie man mit ihm

dran war. So war seine Verabschiedung in den Ruhestand eine Demonstration des Dankes, gerade auch der Belegschaft. Genau­ so hielt er es mit den vielen Geschäftspartnern im In- und Ausland. Arnold Maier wußte, daß Vertrauen und damit langwährende Zu­ sammenarbeit nur mit Solidität, Offenheit und Ehrlichkeit zu erhalten ist. Arnold Maier hat sich nie auf seine berufliche Arbeit be­ schränkt und sich im übrigen auf seine Fa­ milie mit fünf Kindern zurückgezogen. Er wußte sich stets seiner Heimatstadt, seinem St. Georgen, verpflichtet. Es war deshalb für ihn selbstverständlich, ehrenamtlich für die Allgemeinheit zu wirken. Vierzehn Jahre saß er für die Freie Wählervereinigung im Gemeinderat St. Georgen, fünf Jahre im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises. Ge­ rade in dieser Zeit waren insbesondere in St. Georgen entscheidende Weichen für die Stadt- Arnold Maier/Dieter Eberhard Maier entwicklung zu stellen. Seine ausschließlich sachorientierte Meinung hatte großes Ge­ wicht. Dies gilt auch für sein Wirken in der evangelischen Kirchengemeinde St. Geor­ gen. Ihr diente er gar 25 Jahre im Kirchen­ gemeinderat. Kehren wir zurück zu den musischen Nei­ gungen Arnold Maiers. Über 50 Jahre sang er im Chor der Kantorei Lorenzkirche in St. Georgen. VierzigJahre lang war er über­ mann dieses renommierten Chores. Wie in seinem Leben so führte er auch hier seine Stimme kräftig, klar, sicher und mit Herz. Arnold Maier war ein Mann, dem sein Be­ trieb und die Öffentlichkeit viel zu danken haben. Günter Laujfer Über 40 Jahre im Schuldienst Dieter Eberhard Maier war einer der jüngsten Rektoren in Baden-Württemberg Dieter Eberhard Maier wurde nach 41 Dienst­ jahren – 31 Jahre davon als Rektor der Grund­ und Hauptschule Mönchweiler verabschie­ det. Als ältester Sohn des Augenoptikermeisters Wilhelm Maier und dessen Frau Käte er­ blickte er am 22. Januar 1936 in Villingen das Licht der Welt. Das Augenoptikerge­ schäft der Familie in der Niederen Straße, damals bekannt als „Brillen-Maier“, war das einzige dieser Art neben Optiker-Singer. Heute findet man in dem Haus das Cafe Rösch. Nach dem Besuch der Pestalozzischule, ei­ ner reinen Knabenschule (heute Karl-Brachat­ Realschule), ging es in die Oberrealschule (heute Romäusring-Gymnasium). Dort ge- schab dann im Frühjahr 1953 Einmaliges mit dem jungen Burschen: Sein damaliger Englischlehrer Otto Menton ermunterte den 17jährigen, sich um einen Austauschplatz für ein Jahr an einer High School in den USA zu bewerben, da er die Voraussetzun­ gen hierfür doch besonders mitbringe: Er besaß nicht nur gute Englischkenntnisse, sondern war auch ein guter Sportler und zeigte ein besonderes Engagement in der evangelischen Jugendarbeit der Johanneskir­ che. Das Unglaubliche wurde Wirklichkeit: aus 18 000 deutschen Schülern gehörte er zu den 180 ausgewählten Austauschschülern. Es war das erste Austauschjahr zwischen Deutsch­ land und den USA und Dieter war der erste Villinger, dem bis heute viele andere folgten. 111

Dieter Eberhard Maier Im Juni 1953 begann die große Reisemitei­ ner Bahnfahrt nach Frankfurt, zum Sam­ melpunkt aller deutschen Schüler und wei­ ter nach Genua, dem Einschiffungshafen auf die „Andrea Doria“, die zehn Jahre spä­ ter nach einem Zusammenstoß auf offener See untergehen würde. Der Aufenthalt in den USA stellte ein ein­ schneidendes Erlebnis für Maier dar. Nach dem verlorenen Weltkrieg, in welchem er seinen Vater im fernen Rußland verlor, lern­ te er ein unzerstörtes Land kennen und wohn­ te in Wayland, Michigan bei Pflegeeltern mit dem Namen Steeby, die ihn sofort mit Lie­ be aufnahmen. Sein amerikanischer Vater war Direktor der Gesamtschule, die Mutter Lehrerin, ohne Kinder. Aber auch für die Fa­ milie Steeby war es ein neues Lebensgefühl als Eltern eines 17jährigen Deutschen, der bis zum Tod von Maude und Rudy Steeby im Alter von weit über 90 Jahren als „our son“ bezeichnet wurde. Für Dieter Eberhard Maier war sein ameri­ kanischer Dad Rudy immer Vorbild geblie­ ben, denn dieser war streng, aber immer ge­ recht, sehr gläubig und liebenswürdig zu je­ dermann. Die High School machte von An­ fang an Spaß und seine Leichtathletikqua­ litäten blieben nicht lange unentdeckt, so daß er das Schulteam in Sprint, Sprung und Staffel verstärkte. Selten sah er die Spikes seiner Gegner von hinten, denn er liefre­ gelmäßig die 100 yards unter 11 Sekunden und im Weitsprung hatte sein Schulrekord von 22 foot, 2 inches (etwa 6,65 m) bis zum Jahre 1988 Bestand. Im Juli 1954, im Gepäck das amerikanische Collegiate High School Diploma, mußte er vorerst Abschied neh­ men -nach nur einem Jahr, das das Leben des heutigen Pensionärs allerdings maßgeb­ lich beeinflussen sollte. Begeisterter Sportler Aber zunächst ging es für zwei Jahre zu­ rück an das Romäusring-Gymnasium, um das Abitur abzulegen, danach zum Studium 112 Dieter Eberhard Maier an die Pädagogische Hochschule nach Frei­ burg: Maier wollte Lehrer werden mit den Schwerpunkten Englisch und Sport. Auch dort fielen seine Sprintqualitäten auf, die er an den Wochenenden auch seinem Heimat­ verein Turnverein Villingen zur Verfügung stellte, dem er seit 1948 angehört. Sportli­ cher Höhepunkt war für Maier der Start bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften 1956 Berlin über 100 m und in der Staffel. Neben der sportlichen Leidenschaft wollte sogar einer von Maiers Professoren den jun­ gen Pädagogikstudent davon überzeugen, Psychologie zu studieren und nicht gleich in den Schuldienst zu wechseln. Doch hierzu reichte die finanzielle Unterstützung durch die Mutter nicht aus, denn außerdem gab es da noch zwei Geschwister. Seine erste Stelle als Lehrer trat Maier als 22jähriger 1958 an der Volksschule in Vöh­ renbach an. Es dauerte nicht lange, bis der temperamentvolle Lehrer an seiner neuen Wirkungsstätte eine Leichtathletikabteilung aufbaute. Daneben betreute er das Amt des

Gaujugendwartes im Schwarzwaldturngau und führte mit den besten Jugendturnern, zu denen z.B. auch Hartmut Riehle aus Vil­ lingen gehörte, dem späteren Weltmeister im Trampolinturnen, Vergleichskämpfe mit anderen Turngauen durch. In den folgenden Jahren wurde Maier auch stellvertretender Gauvorsitzender. Er war maßgeblich daran beteiligt, daß sich die immer größer und ak­ tiver werdende Turnabteilung von der „Mut­ ter Sportvereinigung“ abspaltete und ein selbständiger Verein wurde, mit Dieter Eber­ hard Maier als Vereinsvorsitzendem. In diese Vöhrenbacher Zeit fällt auch die Heirat mit Ursel, geborene Mick aus Villin­ gen, im Jahre 1960, die bis zum heutigen Ta­ ge an seiner Seite zu finden ist und mit wel­ cher er in den folgenden Jahren drei Kinder haben durfte: Dirk, Wenke und Lars. Fachberater für Englisch und Sport 1962 folgte das zweite Staatsexamen, wel­ ches Maier „mit Auszeichnung bestanden“ hatte, und 1964 wurde er zum Oberlehrer ernannt, nachdem er zuvor bereits Fachbe­ rater für Englisch und Sport beim Staatli­ chen Schulamt Villingen wurde. Jahrelang war Maier für die Lehrerfortbildung in die­ sen Fächern mitverantwortlich. Darüber hinaus wurde ihm auch das Amt des Kreis­ beauftragten der Schulsportinitiative „Ju­ gend trainiert für Olympia“ übertragen, spä­ ter wurde er Regionalbeauftragter für die Kooperation Schulen-Sportvereine. 1966 gründete Maier mit zehn älteren Sport­ interessenten die „Vöhrenbacher Ranzenrie­ ge“, die auch Jahre nach deren Gründung ei­ nen großen Zulauf erfährt und einen be­ achtenswerten Stellenwert in der Vereins­ hierarchie Vöhrenbachs besitzt. Unter Maiers Nachfolger Willi Kleiser erfüllt die Ranzen­ riege auch humanitäre Aufgaben, so bei­ spielsweise wenn es um Anschaffungen und Bau von Kinderspielgeräten geht. Heute umfaßt die Gruppe über 50 gestandene Män­ ner, die nicht nur gemeinsam Sport treiben, Persönlichkeiten sondern auch außersportliche Freizeitakti­ vitäten unternehmen. Zehn Jahre nach seinem Dienstantritt im geliebten Vöhrenbach mußte Maier gehen: Mit erst 32 Jahren wurde Maier einer der jüng­ sten Rektoren in Baden-Württemberg. Er ging an die Grund- und Hauptschule nach Mönch­ weiler, einer Schule mit 440 Schülerinnen und Schülern. Mönchweiler war seine zwei­ te und gleichzeitig auch letzte Stelle, nicht zuletzt deshalb, weil die Kinder von Dieter Eberhard Maier einem Ruf als Schulrat an den Bodensee nicht zugestimmt hatten. Sie wollten unbedingt im 1971 erbauten Haus bleiben und so stellte der unermüdliche Ar­ beiter Maier seine ganze Schaffenskraft sei­ ner neuen Heimat zur Verfügung. Für die Schule holte er mit der damaligen 9. Klasse einen Hauptpreis der Bundesregierung in Höhe von 10 000 DM nach Mönchweiler mit dem bundesweit ausgeschriebenen The­ ma „Wie bereite ich einen Auslandsaufent­ halt mit Schülern vor“. Hier kannte sich Maier bestens aus, da er bereits viele Male ei­ nen Schüleraustausch mit einer Schule in Rushden, England, durchgeführt hatte. Die dabei gewonnenen Erfahrungen konnte er in das Projekt einbringen und die Freude über diesen Preis war natürlich bei Schülern, Eltern, Lehrern und Rektor Maier selbst groß, da man eine große Zahl von Gymna­ sien aus ganz Deutschland hinter sich gelas­ sen hatte. Eine weiteres wichtiges Schulpro­ jekt stellte das Klimaschutz-Projekt dar, wel­ ches zusammen mit zehn anderen Schulen in Baden-Württemberg durchgeführt wurde. Das Schuljahr 1996/1997 stand dabei unter dem Motto „Schüler, Lehrer, Eltern und die Bevölkerung zum Thema Klimaschutz und Energieverbrauch zu sensibilisieren“. Diese und viele weitere Schulprojekte führte Rek­ tor Maier immer in enger Zusammenarbeit mit seinem Lehrerkollegium durch. Auch das Staatliche Schulamt und der Vor­ stand der Sparkasse Villingen-Schwennin­ gen wurden auf den Pädagogen aufmerksam und beriefen ihn 1988 in den Pädagogischen 113

Persönlichkeiten Beirat der Sparkasse. Diese verantwortungs­ volle Funktion übte er mit großer Freude und Engagement bis zu seiner Pensionie­ rung aus. Mit Bedauern wurde damals sein Ausscheiden zur Kenntnis genommen. Großes Engagement in Vereinen Neben dem schulischen Engagement mit­ begründete Maier 1970 den Kreisjugend­ sportring Villingen. Einige Jahre war er als Oberturnwart des TV Mönchweiler tätig und hatte im Jahre 1975 zusammen mit anderen Mönchweiler Bürgern die Idee zur Grün­ dung eines Tennisclubs, den er als Vorsit­ zender bis 1980 führte. In dieser Zeit wur­ den zwei Tennisplätze und das Clubhaus ge­ baut. Außerdem rief er im Jahre 1976 die Mönchweiler Vereine zum Bau eines Trimm­ pfades im Steinwald oberhalb der Sportan­ lage auf. Heute ist dieser renoviert und er­ freut sich weiterhin großer Beliebtheit. Da­ neben war es seit langem sein Wunsch, für den Schulsport eine Sportanlage unmittel­ bar in der Nähe der Schule zu schaffen. Da der Gemeinderat zunächst nicht besonders begeistert war und auf den alten Sportplatz einen Kilometer von der Schule entfernt verwies, konnte die Idee für ein Kunststoff­ Kleinspielfeld nur über einen Förderverein verwirklicht werden, der 1989, wieder ein­ mal durch die Initiative von Dieter Eber­ hard Maier, ins Leben gerufen wurde und dessen Vorstandsduft ausschließlich aus El­ tern der Schule bestand. Innerhalb von sie­ ben Jahren hatte man die erforderliche Sum­ me von 80 000 DM für den Bau der Sport­ anlage zusammen, der Rest von 60 000 DM kam über Toto-Lotto-Mittel herein, so daß das Spielfeld gebaut und beim Schulfest im Juli 1997 zur Freude aller Schüler, Eltern und Lehrer feierlich unter reger Anteilnah­ me der Bevölkerung eingeweiht werden konnte. Für Maier war damit auch ein jahr­ zehntelanger Wunsch in Erfüllung gegan­ gen. Nun fehlte eigentlich nur nod1 eine neue Schule, die ebenfalls seit Jahren schon 114 anstand und deren Pläne vom Regierungs­ präsidium längst genehmigt waren. Leider wurde dieser Neubau bis zum heutigen Ta­ ge zugunsten anderer Projekte immer wieder verschoben. Neben dem schulisch und sportlich enga­ gierten Maier gab es allerdings auch den politisch interessierten Maier. Da Rektor Maier schon früh erkannt hatte, daß man bestimmte Dinge in einem Gemeinwesen nur dann beeinflussen konnte, wenn man im Gemeinderat saß, entschloß er sich be­ reits kurz nad1 Antritt seines Rektorpostens im Jahre 1969 mit einigen anderen Bürgern den CDU-Ortsverein Mönchweiler zu gründen. Viele Jahre hatte er den Posten ei­ nes Schriftführers und Pressewartes inne und gehörte von 1975 bis 1980 dem Ge­ meinderat und von 1973 bis 1979 dem Kreistag an. Von 1980 bis 1986 war er Mit­ glied im Jugendwohlfahrtsausschuß des Kreistages und von 1989 bis 1992 Schöffe beim Landgericht Konstanz. Während sei­ ner Jahre im Kreistag wurden wichtige Ent­ scheidungen im Berufs- und Sonderschul­ wesen des Landkreises getroffen, an denen er aktiv mitgewirkt hatte. Aktiv in der Kirchengemeinde 1983 wandte sich Maier schließlich erneut einem anderen Arbeitsgebiet zu. Er wurde gebeten für den evangelischen Kirchenge­ meinderat in Mönchweiler zu kandidieren. Er tat dies insbesondere, um die Jugendar­ beit zu aktivieren und vor allem den Bau ei­ nes Gemeindehauses auf den Weg zu brin­ gen. Auf Anhieb wurde er 1983 mit großer Mehrheit gewählt, ebenso in die Bezirkssy­ node. Aufgrund der bewegten Zeiten in der Kirchengemeinde mit häufigen Wechsel der Pfarrer wurden es schließlich zwölf Jahre Kirchengemeinderat. Als Vorsitzender muß­ te er mehrmals monatelang große Verant­ wortung während der Vakanzzeiten auf sich nehmen. Mit großem Elan ging er an die Aufgabe der Planung zum Bau eines Ge-

meindehauses heran, der nicht ohne Schwie­ rigkeiten erfolgreich durchgeführt wurde und am 27. August 1994 als Gemeindehaus ,,Ar­ che“ von LandesbischofDr. Klaus Engelhardt eingeweiht wurde. Als Vater von drei mittlerweile erwachse­ nen Kindern recherchierte er „so ganz ne­ benbei“ in den Landesarchiven über die Ge­ schid1te von Mönchweiler und schrieb die­ se auch nieder. 1977 kam die erste Ortschro­ nik mit dem Titel „Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Mönchweiler“ heraus, das zweite Buch erschien 1994 mit dem Titel „Mönchweiler – Spuren der Vergangenheit und Gegenwart“ und das dritte und letzte 1999 mit dem Titel „Ein kirchengeschichtli­ ches Lesebuch über Mönchweiler – Von den Ursprüngen des christlichen Glaubens und Wirkens bis zur Gegenwart“, ein umfassen­ des Werk über die Anfänge der Mönchwei­ ler Kird1engeschichte bis zum heutigen Ta­ ge. Drei Bücher veröffentlicht Aufmerksam geworden auf diese umfas­ sende kirchengeschichtliche Recherche schrieb ein Tübinger Doktorand in1Juni 2000: ,,Als Historiker und Volkskundler habe ich mich im Rahmen einer Magisterarbeit mit dem Thema ‚Kloster, Pfarrer und Gläubige in Krieg und Krise – Das Amt Hornberg und das Klosteramt St. Georgen des Herzogtums Württemberg im Dreißigjährigen Krieg und nach dem Westfälischen Frieden‘ beschäftigt und baue nun dieses Thema im Sonderfor­ schungsbereich ‚Kriegserfahrungen – Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit‘ an der Uni­ versität Tübingen zu einer Dissertation aus. Bei meinen Literaturrecherchen – ich inter­ essiere mich bei meinem Forschungsprojekt natürlich auch für Mönchweiler – bin ich nun vor kurzem auch auf Ihre Veröffentli­ chung aufmerksam geworden. Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen und möchte Sie dazu beglückwünschen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn auch über andere Dieter Eberhard Maier Kirchengemeinden vergleichbare Veröffent­ lichungen vorliegen würden.“ Am 29. Januar 1999 ging dann die Ära Maier als Schulrektor zu Ende – nach über 30 Jahren an der Grund- und Hauptschule Mönchweiler. Die ganze Gemeinde, Schüler Lehrer, Eltern, an der Spitze Bürgermeister Gerhard Dietz und der Leitende Schulamts­ direktor Auberle verabsd1iedeten den agilen Schulleiter mit allen Ehren. Von der Gemein­ de erhielt er mit der Gemeindemedaille die höchste Auszeichnung und vom Land Ba­ den-Württemberg die Landes-Ehrennadel. Heute, fast zwei Jahre nach dem Eintritt in den Ruhestand, beschäftigt sich der Pen­ sionär weiterhin mit Geschichtlichem. So hat er in seiner zweiten Heimat, den USA, wo die Familie des ältesten Sohnes Dr. Dirk Maier lebt, über ein ehemaliges deutsches Kriegsgefangenenlager in Florida red1erchiert und veröffentlicht. Er sorgt mit jährlichen Diavorträgen im evangelischen Gemeinde­ haus „Arche“ für Geldeinnahmen, um jahr­ hundertealte Kirchenbücher vom Restaura­ tor für die nachfolgenden Generationen wieder herrichten zu lassen. Weiterhin hilft er Tochter Wenke Maier-Hütt! als Leichtaili­ letiktrainer beim Turnverein Villingen im Schülerinnenbereich und hat in der Vergan­ genheit schon einige Talente zu Meistereh­ ren gebracht. Die Stadt Villingen-Schwen­ ningen ehrte ihn 1998 mit dem Sportehren­ brief für sein vielfältiges Engagement auf sportlichem Gebiet für Stadt und Kreis. Mehr als dies bisher möglich war unternimmt er zusammen mit Ehefrau Ursel, der er alle hier aufgeführten Tätigkeiten mit verdankt, Reisen in alle Welt. Sein und der Wunsch seiner Frau Ursel ist natürlich, wie bei allen Menschen, lange gesund zu bleiben und den Ruhestand unbeschwert genießen zu können. Hierzu wünschen wir ihm von Herzen al­ les Gute und Gottes Segen. Dr. med. Lars S. Maier 115

Persönlichkeiten Zum Tode von Gerald „Gerry“ Kümer Begeisterter Förderer der regionalen Musik-und Kulturszene Durch seine gesellige Art und Kontakt­ freudigkeit als Wirt wie als engagierter Or­ ganisator von Musik-und Kleinkunstveran­ staltungen im urigen Szenentreff „Bregtäler“ in Bräunlingen, machte sich Gerald Kürner über die Grenzen des Städtedreiecks hinaus einen Namen. Aber auch sein Wirken im Bräunlinger Vereinsleben wird unvergessen bleiben. Er mußte trotz einer dem schwan­ kenden Zeitgeist unterworfenen Klein­ kunstszene, harter Konkurrenz und sinken­ den Besucherzahlen über die Runden kom­ men. Er verlor nie den Glauben an den rich­ tigen Weg, blieb immer Optimist und hielt an seinem Konzept und seinen Ideen fest. Plötzlich und völlig unerwartet starb am 20.November 1999, 44jährig, Bregtälerwirt Gerald (Gerry) Kürner während eines Tisch­ tennisturniers in Blumberg an Herzversa­ gen. Der gebürtige Karlsruher hatte in sei­ nem jungen Leben noch einiges vor und das Winterprogramm für seine Kneipe war schon organisiert. Bereits als jugendlicher hatte Gerald Kürner in Kneipen gearbeitet. Er studierte Politik und Geschichte in Frei­ burg und brachte aus dieser Zeit gute Bezie­ hungen in die dortige Musikszene mit. Zu­ nächst war er nur Gast, dann stieg Kürner 1994 als Unterpächter bei Wolfgang Retz­ bach im Bregtäler mit ein, bis er am l. März 1996 in Eigenregie als Hauptpächter die ehe­ malige Brauereigaststätte der Grafenbrauerei und Grafensaal mit Bühne übernahm. Seit 1988 betrieb er auch den Kiosk und das Ca­ fe des Friedenweiler Schwimmbades. Als Wirt mit Leib und Seele und geselliger, beliebter Mitmensch verstand er es, den Kon­ takt zu den Leuten zu suchen. Die ungezwun­ gene Atmosphäre, wo jung und alt, Leute mit Krawatte und im „Blauen Anton“ zu­ sammentrafen, das war „Gerrys“ Metier. Mit 116 Gerald „ Gerry „Kürner viel Idealismus und Hingabe organisierte er ein anspruchsvolles Programm, das mit Mu­ sik, Kabarett und Theater für jeden etwas zu bieten hatte. Es war nicht immer leicht für Kürner. Die große sportliche Leidenschaft Kürners gehörte dem Tischtennisspiel, hier fand er seinen Ausgleid1. Er war aktives Mitglied der ersten Herrenmannschaft des TTC Bräun­ lingen. In der Nachwuchsarbeit tätig, trainier­ te er die Jugendmannschaft als Jugendtrai­ ner. Bei der Trauerfeier auf dem Friedhof in Bräunlingen hatten sich Hunderte von Trau­ ergästen eingefunden, darunter auch zahl­ reiche Musiker aus den verschiedensten Mu­ sikgruppen. Gute Freunde Kümers hatten die Gestaltung der Trauerfeier übernommen und charakterisierten sein Leben und Wesen

so: ,,Sein Streben und Wirken sei stets nach vorne gerichtet gewesen und sah nie einen Blick in den Rückspiegel vor. Immer mit Volldampf voraus und dabei nie den Blick für seine Mitmenschen verloren.“ Mit We­ sternhagens gemeinsam gesungenem Lied ,,Freiheit“ endete die Trauerfeier. Eine Kulturinitiative um den Bräunlinger „Bregtäler“ hat sich formiert und will den Gerald Kürner/Persönlichkeiten Musik- und Szenentreff mit Kleinkunstbüh­ ne auch nach Gerald Kürners Tod nicht ster­ ben lassen. Er soll auch künftig mit abwechs­ lungsreichem Programm in der urigen und gemütlichen Atmosphäre weiterbestehen. Woljgang Kropfreiter Zur Erinnerung an Dr. Karin Scheuble-Ruopp Vielfach gesellschaftspolitisch und sozial engagiert Ein intensives gesellschaftspolitisches En­ gagement, eine beeindruckende Fähigkeit zur Mitmenschlichkeit, eine stete Offenheit und Neugierde gegenüber geistigen Ent­ wicklungen und wissenschaftlichem Fort­ schritt: Dies sind die Wesensmerkmale der am 24. März im Alter von nur 55 Jahren nach schwerer Krankheit verstorbenen In­ ternistin und Kommunalpoltikerin Dr. Ka­ rin Scheuble-Ruopp. Geboren wurde sie 1944 in Schwenningen. Den Vater lernte sie nie kennen; er war im Krieg gefallen. Ihre Mutter führte ein Reise­ büro, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Dadurch erhielt Tochter Karin früh­ zeitig die Möglichkeit zu reisen. Der dama­ ligen Zeit gemäß vor allem im Bus fuhr die selbständige 13jährige, ihre Mutter in der Reiseleitung unterstützend, nach Italien. Rei­ sen zu planen, sie zu organisieren und frem­ de Welten zu erfahren, blieb eines ihrer Stek­ kenpferde. Von ihren Großeltern, besonders von ih­ rem Großvater, einem aktiven Sozialdemo­ kraten, wurde sie früh geprägt. Von ihm er­ warb sie den Anspruch eines gesellschafts­ politischen und sozialen Engagements, das sich auf Verantwortung und Sachkenntnis gründet. Ihre Studienzeit in Freiburg fiel in den Umbruch der 1960er Jahre. Die Studenten­ revolte von 1968, der Kalte Krieg und die in heftigen Auseinandersetzungen münden­ den widerstreitenden gesellschaftlichen In­ teressen sensibilisierten sie und weckten ihr Interesse für Politik. 1973 beendete sie ihr Medizinstudium und wurde Wissenschaftli­ che Assistentin an der Universitätsklinik Freiburg. 1975 wechselte sie an das Klini- Dr. Karin Scheuble-Ruopp 117

Dr. Karin Scheuble-Ruopp kum Schwenningen und beendete 1978 ih­ re Facharztausbildung. Ihre drei Töchter ka­ men 1977, 1979 und 1080 zur Welt. 1981 nahm sie ihre Tätigkeit in der gemeinsam mit ihrem Mann gegründeten Gemein­ schaftspraxis in Villingen wieder auf. Doppelbelastung als Mutter und Ärztin Trotz ihrer Doppelbelastung als Ärztin und Mutter nahm ihr politisches Engagement ste­ tig zu. In der Tradition der Familie beschritt sie konsequent den Weg in die sozialdemo­ kratische Partei. Einen kleinen Anstoß mag dabei auch Erhard Eppler, langjähriger Vor­ sitzender der SPD Baden-Württembergs und Bundesminister für wirtschaftliche Zusam­ menarbeit (1968-1974) gegeben haben, der ihr Lehrer an der Oberschule in der Friedrich­ Ebert-Straße gewesen war. Die ersten politischen Jahre wirkte sie vor allem im Arbeitskreis sozialdemokratischer Frauen, begleitet von einer beratenden Tätig­ keit in Pro Familia und der Teilnahme an der Diskussion um den § 218 StGB (Schwan­ gerschaftsabbruch). 1980, sie war zum dritten Male schwanger, übernahm sie mutig und mit vielen Verbes­ serungsgedanken ihr Mandat als Gemein­ derätin der Doppelstadt. Sie gehörte diesem bis 1989 an. Zu ihren Zielen gehörten ver­ längerte Vormittagsgruppen in den Kinder­ gärten und die Planung neuer Kindergärten in der Gesamtstadt. Dank ihrer kräftigen Mitinitiative wurden nicht nur Regelkinder­ gärten, sondern auch vermehrt Kindertages­ stätten eingerichtet. Überhaupt war es ihr ein wichtiges Anliegen, eine Lobby für Frau­ en zu schaffen und in ruhiger und kompe­ tenter Weise soziale Belange zu vertreten. 1989 wurde Dr. Karin Scheuble-Ruopp dann in den Kreistag gewählt. Als Mitglied des Ausschusses für Abfall und Umwelt (5. Wahlperiode) wandte sie sich nun den Grundsatzfragen der Abfallwirtschaftspoli­ tik zu. Sie stritt um Für und W ider bei un­ terschiedlichen Abfallbeseitigungsverfah- 118 ren (Verbrennung oder Kalte Verfahren). Die Auswirkungen der früheren Abfallbeseiti­ gung und deren Beherrschung sowohl bei der Technik als auch bei den derzeitigen Ge­ bühren beschäftigten sie stark. Die Grund­ satzdiskussionen des Kreistages profitierten von ihren Beiträgen, da sie durch ihren me­ dizinischen Sachverstand die gesundheitli­ chen Auswirkungen der verschiedenen Ver­ brennungsverfahren und der Biomüllsamm­ lung und -vergärung zu verdeutlichen ver­ stand. ,,Gesunder Menschenverstand“ Dabei gewann sie noch einmal an politi­ schem Profil. Weit entfernt von populistischen Thesen strahlten ihre Beiträge sachliche, be­ stimmte und überzeugende Argumentation gepaart mit „gesundem Menschenverstand“ und Einfühlungsvermögen aus. Bei all diesem Einsatz verlor sie nicht das allgemeinpolitische Interesse und Engage­ ment. Unvermindert setzte sie ihre berufli­ chen Aktivitäten fort, war auch ab 1996 Vor­ standsmitglied der südbadischen kassenärzt­ lichen Vereinigung, kümmerte sid1 weiterhin um schulisd1e, kulturelle und kommunale Be­ lange. Nie erlahmte auch ihre Begeisterung für fremde Länder und Welten. So bleibt das Bild einer Frau, die als Ehefrau, dreifache Mutter und Ärztin im hippokratischen Gei­ ste nie müde wurde, ihren weiten humani­ stischen, sozialen und medizinischen Hori­ zont, ihre Kenntnis und Erfahrung stets kompetent in Diskussion und öffentliches Leben einzubringen. Joachim Sturm u. a.

Ein Lehen ,,f ernah“ der modernen Zeit Zum Tod von Maria Hoch – Das „Hoch Mariele“ ein weithin bekanntes Original Persönlichkeiten Das „Lukasenhäusle“, die nahe Martins­ kapelle, der mit Liebe gepflegte bäuerliche Garten, die wenigen Ziegen, die „Donau­ quelle“ unten im Talgrund – das waren ih­ re Lebensinhalte. In rund 1000 Metern Höhe lebte Maria Hoch ,,fernab“ der An­ nehmlichkeiten unserer modernen Zeit im 1715 erbauten „Lukasenhäusle“ und galt als Schwarzwälder Original, war weit über den Raum Furtwangen hinaus als „Hoch Mariele“ bekannt. Am 21. Januar des Jah­ res 2000 ist Maria Hoch im 78. Lebensjahr verstorben. Daß da eine Frau im Furtwanger „Win­ terland“ unmittelbar bei der europäischen Wasserscheide in einem Haus ohne Heiz­ möglichkeiten lebte, nötigte vielen Re­ spekt ab. Maria Hoch besaß nur eine Feu­ erstelle und die befand sich in der Küche, dort stand ein gemauerter Herd ohne Ka­ min. War die Feuerstelle in Betrieb, zog der Rauch durch das gesamte Haus ab. Diese Küche aus dem 18. Jahrhundert ha­ ben in den vergangenen Jahrzehnten zig­ tausende von Touristen aus aller Welt be­ sichtigt. Dazu gab es die Erklärungen einer wie im „Schwarzwald von Anno dazumal“ gekleideten Frau, einer originellen Er­ scheinung. Wie so viele Schwarzwälder Originale war auch Maria Hoch geschäftstüchtig: Ih­ re Erläuterungen zeichnete sie auf eine Tonbandkassette auf und ließ dann Ver­ sionen in 16 verschiedenen Sprachen fer­ tigen. Je nach Nationalität der Besucher legte sie das entsprechende Band in ihren Kassettenrekorder ein und deutete dann bei der Küchenbesichtigung auf die ver­ schiedenen Gegenstände. Im Anschluß veräußerte Maria Hoch Bratwürste und Ansichtskarten an die Touristen. Doch bei allem Geschäftssinn, schließ- Maria Hoch, bekannt als „Hoch Mariele“. lieh benötigte sie die Einnahmen für ihren Lebensunterhalt, behielt Maria Hoch stets die erforderliche Distanz: Denn wenn es etwas im Garten zu tun gab, oder wenn es ihr halt nicht paßte, dann war die Küchen­ besichtigung geschlossen. Oder ein Papp­ schild informierte: ,,Heute Küchenschau – 17-18 Uhr geöffnet“. Wie es dazu kam, daß Maria Hoch auf ei­ nem der höchsten Punkte des Schwarz­ wald-Baar-Kreises ein so spartanisches Le­ ben führte? Nun, im „Lukasenhäusle“ war sie geboren worden, die Bindung zur Hei­ mat somit äußerst eng. Sie war später in verschiedenen Haushaltungen tätig, doch als am Ende der 1960er Jahre ihre Mutter schwer erkrankt, kehrt sie nach Hause zurück. Die Mutter Engeline stirbt 1969, der Vater, Straßenwart Albert Hoch, 1980. Allein im „Lukasenhäusle“ lebend, gab Maria Hoch die schon zuvor oft bestaun­ te Küche schließlich gegen ein geringes Entgelt zur Besichtigung frei. Doch nicht nur die Erscheinung von Ma­ ria Hoch und ihre Küche ließen sie in der Folge zu einem weithin bekannten Origi- 119

Maria Hoch nal werden: Sie war zudem eine eifrige Streiterin für die Furtwanger Donauquel­ le, auch wenn sie sich ansonsten für loka­ le Angelegenheiten eher weniger interes­ sierte, sondern vielmehr für das, was in der Welt draußen, vor allem in Europa, so vor­ ging. Dafür allerdings stand ihr lediglich ein Radiogerät zur Verfügung, denn sie be­ saß keinen Fernseher. Die Tageszeitung in­ des konnte sie sich bei Nachbar Franz Dold ausleihen, dem Kolmenhof-Wirt, wo es auch des öfteren eine warme Gratis­ Mahlzeit gab. Maria Hoch hatte in ihrem alten Schwarz­ waldhaus mit spartanischer Einrichtung ei­ ne Vielzahl prominenter Persönlichkeiten und Filmteams aus aller Welt zu Gast. Im­ mer wieder reisten die Medien an, um dem Publikum am Beispiel des „Hoch Ma­ rieles“ und ihres „Lukasenhäusles“ den ur­ tümlichen Schwarzwald zu zeigen. Als be­ sondere Ehre empfand Maria Hoch den Besuch des weltberühmten Meeresfor­ schers Jacques-Yves Cousteau, der in Deutschland unter anderem durch seine Fernsehserie „Geheimnisse des Meeres“ bekannt wurde. Im Januar 1991 drehte das Team von Cousteau einen Film über die Donau und so besuchte der damals 81jäh- rige Maria Hoch im „Lukasenhäusle“. Spä­ ter empfing sie der berühmteste Franzose der Welt im gegenüberliegenden „Kol­ menhof“, um sich mit dem „Hoch Marie­ le“ über ihr Leben zu unterhalten. Ja, Ma­ ria Hoch hätte sogar die Gelegenheit ge­ habt, sich ihre „kleine Welt“ einmal von oben zu besehen. Doch einen Rundflug mit dem Helikopter namens „Felix“, den lehnte sie rundweg ab. Man erzählt sich in Furtwangen die Geschichte, daß sie auch stets aus einem Auto ausstieg, wenn der Fahrer den Rückwärtsgang einlegen muß­ te. Denn rückwärts zu fahren, das war nach ihrem Verständnis wider die menschliche Natur. Menschen wie Maria Hoch, die Einfach­ heit ihres Lebens, prägten unsere Land­ schaft früher vielerorts. In unser heutigen modernen Gesellschaft ist für sie aber kein Platz mehr vorgesehen – das „Hoch Marie­ le“ war eine Ausnahme. Maria Hoch wird deshalb auch künftig in Schwarzwald­ Bildbänden und anderen Publikationen als eines der letzten Schwarzwälder Origi­ nale unserer Zeit zu finden sein. Wf!fried Dold Das „Lukasenhäusle“ von Maria Hoch. 120

8. Kapitel/Almanach 2001 Archäologie Alamannisches Gräberfeld entdeckt Bräunlinger Funde aus Merowingerzeit geben der Wissenschaft neue Einblicke Die Aufregung im Frühjahr 1996 war groß, nicht nur unter der Bräunlinger Bevölkerung. Fachleute des Landesdenkmalamts Freiburg hatten im Gewerbegebiet „In Niederwiesen“ historische Gräber freigelegt, die, wie sich kurze Zeit später herausstellen sollte, von hi­ storischer Bedeutung bislang nicht geahnten Ausmaßes waren. In mühevoller, monate­ langer Arbeit kristallisierte sich der Fundort als Bestattungsfeld heraus, das in seiner über l 500jährigen Geschichte einen Einblick in die Bestattungsgebräuche verschiedener Kul­ turen erlaubte. Im Gebiet des Gräberfeldes mußte eine bedeutende merowingische Sied­ lung bestanden haben, was sich aus den Grab­ beigaben ableiten läßt. Bereits 1976 war auf einem Luftbild eine halb kreisförmige Struktur entdeckt worden, die noch einmal im Zuge zweier weiterer Befliegungen in den Jahren 1989 und 1990 bestätigt wurden. Fachleute interpretierten die Struktur als Kreisgraben, also als Reste eines Grabhügels, der einen Durchmesser von 28 Meter hatte und vermutlich zu Zei­ ten seines Bestehens etwa 3,5 Meter hoch gewesen sein mag. Bei den Grabungen kam später zudem ein wesentlich kleinerer Kreis­ graben zum Vorschein, 10,5 Meter im Durch­ messer, der vom größeren in seinem westli­ chen Bereich geschnitten wurde und zeitlich wesentlich früher angelegt worden war. Streift man einige Jahrzehnte in die Geschichte un­ seres Jahrhunderts zurück, so ist aus dem Gewann „Niederwiesen“ bereits 1904 der Fund eines nicht näher definierten Tonge­ fäßes bekannt, dessen Fundstelle jedoch nicht genau lokalisiert werden konnte. Das Bestattungsfeld sollte nach seiner Entdek­ kung im Luftbild noch einige Jahre unange­ tastet unter der Erde schlummern, bis zu je- nem Tag, an dem ein Baggerfahrer bei seiner Arbeit im August 1995 ein Steinkistengrab anriß. Das Landesdenkmalamt reagierte so­ fort und begann im folgenden Frühjahr mit der wissenschaftlichen Grabung. Der Kreisgraben gab Zug um Zug sein Ge­ heimnis preis, Gräber aus verschiedenen ar­ chäologischen Kulturen kamen zum Vor­ schein. Entdeckt wurden im kleinen Kreis­ graben Gräber aus der Umenfelderzeit (zir- Diese rund 32 Z‘,entimeter hohe Glaiflasche stammt vermutlich aus Oberitalien (Venetien) oda dem öst­ lichen Mittelmeerraum. Auch sie ist ein Beweis dafür, daß die Nekropole auf heutiger Bräunlinger Gemarkung in Beziehung zu weit enifemten Ge­ bieten stand. 121

Alamannisches Gräberfeld ka 1000 v. Chr.), im größeren aus der späten Hallstattzeit (6. Jahrhundert v. Chr.) und aus der Merowingerzeit (zirka 500 n. Chr.). Auch außerhalb der beiden ehemaligen Hü­ gel zeichnete sich eine weitere merowingi­ sche Gräbergruppe ab. Das spätbronzezeit­ liche Steinkistengrab in einer Entfernung von rund 250 Metern nordöstlich des großen Kreisgrabens stammt aus dem 12. Jahrhun­ dert v. Chr. Die Funde in den merowingi­ schen Gräbern sollten später die Fachleute in Staunen versetzen. Herausragend ist eine aus dem Mittelmeerraum stammende Gold­ griffspatha (zweisdmeidiges Schwert), die dem wohl führenden Mann der Nekropole auf der heutigen Gemarkung Bräunlingen gehört haben muß. Eine silberne Gürtel­ schnalle, die in dem Grab des Mannes ge­ funden worden war, läßt die Fachleute den Fund in die Zeit um 500 n. Chr. datieren. Mit einem derartig bedeutenden Waffenfund aus einer frühmerowingischen Zeit hatte das Landesdenkmalamt nicht gerechnet. Solche Waffen waren in jenen Zeiten wegen ihrer reichen Dekoration und der �alität der Schmiedearbeit hoch geschätzt, sie wurden von merowingischen Königen und adeligen Gefolgschaftskriegern getragen. War die Goldgriffspatha bereits zu Lebzeiten des Mannes beschädigt, der Knauf und die für den Schwerttyp kennzeichnende Goldblech­ verkleidung des Griffes fehlten, mindert dies die Bedeutung des Eigentümers nicht, son­ dern weist ihn als in einer herausragenden Position stehend aus. Neben diesem Fund bargen die Fachleute eine Vielzahl von zerdrückten Keramikgefäßen sowie von Sd1muckstücken, zum Beispiel goldene Bü­ gelfiebeln, einen massiven Silberarmreif und Glasgefäße, darunter auch eine ungewöhn­ lich große Glasflasche mit langem Hals, ver­ mutlich aus Oberitalien (Venetien) oder dem östlichen Mittelmeerraum. Eine der Bü­ gelfiebeln stammte aus einem eng begrenzten Gebiet zwischen Weser und Elbmündung, gehörte wahrscheinlich einer von dort auf die Baar eingeheirateten Frau. Aus den späthall­ zeiclichen Gräbern kam bronzener Schmuck (Ohrringe, Haarnadeln, Armringe, ein unver­ ziertes Gürtelblech) ans Tageslid1t. Eines wird durch diese außergewöhnlichen Funde auf Bräunlinger Gemarkung neben Bei einem Schmiedenachmittag wurde die Produktion aller Waffen und Werkzeuge demonstriert. Für dünne Gegenstände wie Klingen wurden die Eigenschajien von Eisen und Stahl kombiniert. 122

dem kulturhistorischen Wert auf jeden Fall dokumentiert: Beziehungen zu anderen, entfernt gelegenen Gebieten waren vorhan­ den. Das Landesdenkmalamt geht davon aus, daß sich der Adelshof vermutlich um 536 n. Chr. auflöste, in der Zeit, in der die Franken das bis dahin noch freie südlichste Alamannien besetzten. Wohin die ehemali­ gen Bewohner gingen, ist ungewiß, viel­ leicht in das benachbarte Hüfingen, das zu der Zeit bereits eine bedeutende Siedlung gewesen sein könnte. Über l 000 Besucher Eine vom Landesdenkmalamt Freiburg und der Stadtverwaltung Bräunlingen organi­ sierte Ausstellung der bedeutendsten Fund­ stücke aus den Gräbern fand großen Zu­ spruch. Mehr als 1000 Besucher zog es in das Kelnhof-Museum, bevor die Funde am 8. November 1999 wieder den Weg in Rich­ tung Freiburg nahmen. Im Zuge der Ausstellung wurde auch ein Schmiedenachmittag in den Räumen einer Bräunlinger Firma organisiert, in denen über 50 Besucher nachempfinden durften, wie ehemals Klingen geschmiedet wurden. Mat­ thias Reinauer, Freiburger Student der Ur­ und Frühgeschichte, sowie Achim Weih­ rauch, der in Basel im Museum der Kulturen tätig ist und eine Doktorarbeit über Schmie­ dekunst in Indonesien und Bali schreibt, führten die Besucher in die hohe Schule der Damastschmieden ein. Die Ursprünge die­ ser Technik stammen aus Damaskus. Die beiden Akteure demonstrierten in beein- Die Goldgriffspat/Ja (Mitte) und andere Ausstel­ lungsstücke waren im Bräunlinger Kelnhof Muse­ um für einige Wochen einer der Anziehungspunkte. Mehr als 1 000 Besucher fanden innerhalb weniger Wochen den Wtg in die Ausstellung, die vom Lan­ desdenkmalamt Freiburg und der Stadtverwaltung organisiert worden war und am 7. November 19 9 9 endete. Archäologie 123

Alarnannisches Gräberfeld Anhand einer Gürte/schnal­ le konnten die Fachleute eines der Gräber aef die Zeit um 500 n. Chr. datieren. druckender Weise die Kunst der „Damaszie­ rung“. Grundsätzlid1 werden zwei Damast­ Aiten unterschieden, der Schweißdamast (Srnweißverbundstahl) und der Wootz-Stahl (Tiegelschmelzdamast). In Europa war die Herstellung des Wootz unbekannt. Bei dieser Damast-Ait werden kleine Eisenstückd1en zu­ sammen mit Holzkohle in einem geschlos­ senen Tiegel einige Stunden lang auf hoher Temperatur erhitzt. Das Eisen nimmt dabei Kohlenstoff auf. Aus dem Rohmaterial wur­ den dann Klingen geschmiedet. Die mit Kohlenstoffanreirnerungen versehenen Stel­ len werden bei der Ätzung der fertigen Klin­ gen dunkel gefärbt und verursachen ein wäßriges Aussehen. Der Ursprung der Da­ maszierung liegt in den Eigenschaften des Ei­ sens und des Stahls begründet. Eisen enthält keine die Härte erhöhenden Legierungsele­ mente und ist deshalb weirn und biegsam. Stahl ist mit Kohlen- stoff oder Phosphor legiert, was die Härte, auch die Sprö­ digkeit und damit auch die Brud,ge­ fahr erhöht. einem Bei Kohlenstoffge­ halt von 0,5 bis 1,3 Prozent kann durch Erhitzen und jedoch 124 Abschrecken in Wasser oder Öl die Härte um ein Vielfaches gesteigert werden. Für Schneidwerkzeuge und lange dünne Gegen­ stände, etwa Schwertklingen, waren beide Sorten nicht sehr geeignet, die Schmiede versuchten die Eigenschaften zu kombinie­ ren. Über das Schweißen von Eisen Dem ur- und frühgeschichtlichen Renn­ feuerverfahren zur Eisenerzeugung folgte das „Gärben“, bei dem aus der erschmolze­ nen Eisenluppe durch wiederholtes in die Länge Schmieden, Übereinanderfalten und Verschweißen ein immer reineres, schlacke­ freieres Schmiedeeisen entstand. Bei der Aufbereitung von Stahl wurde ähnlich vor­ gegangen. Die Schweißtemperatur liegt je nach Kohlenstoffgehalt zwischen 1050 und 1250 ° Celsius. Schweißmittel wie Borax und Q!iarzsand schmelzen bei Temperatu­ ren unterhalb der Schweißtemperatur und verhindern eine Zunderbildung auf der schweißenden Oberfläche beziehungsweise lassen den bereits entstandenen Zunder unter den Hammerschlägen abfließen. Eine solche gelungene Schweißnaht ist dauerhaft und hoch belastbar. Das Zusammenschweißen von Eisen-, beziehungsweise Stahlsorten geht bis in die frühe Eisenzeit zurück. Mu­ stergesteuerte damaszierte Klingen sind in der Latene- und Römerzeit noch in der Minderheit. Der mu­ stergesteuerte klas­ sische Damast wird erst seit Anfang des Die zerdrück­ ten Keramikge- fliße wurden von Fachkräften wieder zusammenge-

Archäologie An der Art und künstlerischen Ausstattung der Büge!fiebeln können Fachleute erkennen, welche Stellung deren frühere Trägerin in der Gesellschaft gehabt hatte. Die Fiebel oben links gehörte einer in die Nekropole eingeheirateten Frau aus dem Gebiet zwischen Weser und Elbmündung. Die Bilder oben rechts zeigen einen Armreif und eine Fiebel. Unten sieht man die Goldgrijfspatha in ihrer gesamten Erscheinung. 125

Alamanniscbes Gräberfeld Einige Gefäße aus den Gralfunden im Gewann „Niederwiesen“ überstanden die Jahrhunderte fast unbe­ schadet. Andere wurden von Spezialisten des Landesdenkmalamtes Freiburg wieder zusammengefügt, sofern genügend Bruchs! ücke vorhanden waren. eisernen Zwischensd1icht. Die Schwertspitze wird vorgeformt, ebenso der Stahl für die Schneiden und an den Damastkern ange­ schweißt. Ansd1ließend wird die Klinge in die gewünsd1te Form geschmiedet, geschlif­ fen und poliert. Je nachdem wieviel von ei­ nem tordierten Stab heruntergeschliffen wird, variiert das Muster stark. Nach der Ät­ zung erscheint dann das Muster. Stefan Limberger-Andris dritten Jahrhunderts nach Christus festge­ stellt. Meist wurden Stäbe mit vier Schichten und drei Schichten Stahl zusammenge­ schweißt. Derartige Klingen sind in Skandi­ navien bis ins 11. Jahrhundert n. Chr. belegt. Verschiedene Schmiedetechniken Seit dem dritten Jahrhundert finden sich gleichzeitig tordierte und gerade siebenlagi­ ge Stäbe, die verschiedentlid1 in Klingen ein­ gesetzt wurden. Die häufigste Mustersteue­ rung ist die Torsion. Hierbei wird ein mehr­ lagiger Damaststab Abschnitt für Abschnitt erhitzt, dann verdreht und erhält dadurch ein schraubenförmiges Aussehen. Für einen aus drei Damastbahnen zusammengesetzten Klingenkern werden zum Beispiel zwei Stä­ be in der einen und einer in der anderen Richtung tordiert. Die Stäbe werden an­ schließend zusammengeschweißt. Diese Kombination kann dann mit Stahlschnei­ den versehen werden. Solche Kombinati­ onen können jedoch auch zusammenge­ schweißt werden, unter Umständen mit einer 126

Geschichte Musikwerkebau in London und Vöhrenbach Der Name Daniel lmhof ging ab Mitte des 19. Jahrhunderts um die Welt 9. Kapitel/Almanach 2001 seinem Fache als auch im allgemeinen in der Schwarzwälder Industrie. Er rüstet seine Werk­ stätten mit vorzüglichen Hilfsmaschinen aus, bleibt aber dennoch bei dem kleinen, das mo­ derne Fabrikwesen ausschließenden Betrie­ be, welcher soviel wie immer möglich die Heimarbeit verwertet“. Daniel war kein Vöhrenbacher Bürgersohn, wie vielfach berichtet wird, sondern wurde am 25. März 1825 in Unterspitzenbach (damals Amt Waldkirch) als Sohn des Landolin Im­ hof geboren, der Bauer, Tuchhändler und Bür­ germeister war; seine MutterJohanna stamm­ te vom Rohrhardsberg (Schonach). Er wuchs mit seinen drei Geschwistern im elterlichen Im März 1900 verstarb in Croydon (Eng­ land) Daniel Imhof, wo er auch seine letzte Ruhestätte fand. Imhof machte Vöhrenbach durch seine Musikwerke, die in die ganze Welt gingen, bekannt. Leider sollte diesem Mann kein langer und ruhiger Lebensabend be­ schieden sein, nachdem er sich 1898 aus der aktiven Mitarbeit in seiner Firma zurückge­ zogen hatte, er starb bereits 1900. Daniel Imhof ging 1899 mit seiner Ehefrau zurück nach England und ließ sich in Croy­ don, einem Stadtteil im Süden Londons, nie­ der. In einem Schreiben an seinen Sohn Al­ bert in Vöhrenbach berichtet er, wie schön dort die Landschaft ist, in der man vom Lon­ doner Nebel verschont bleibt und daß ein Traum seiner Frau in Erfüllung gegangen sei. ,,25 Jahre habe sie in Vöhrenbach (1874- 1899) von einem kleinen Landhäuschen mit einem schönen Gärtchen geträumt“; jetzt sei ihr Wunsch Wirklichkeit geworden. Doch steht auch zu lesen, daß er mit seinem Ge­ sundheitszustand nicht ganz zufrieden sei. Schon früh als Talent geschätzt Im Generallandesarchiv in Karlsruhe gibt es einen Bericht über den Anfang seines Mu­ sikwerkebaus in Vöhrenbach, der uns die Wertschätzung zeigt, die man schon damals diesem jungen Mann entgegenbrachte: ,,Man möchte bei diesem beweglichen, von Interes­ se für jedes Schräubchen seiner Musikwerke erfüllten, leidenschaftlich seiner Arbeit ob­ liegendem Mann verweilen, um seine Pläne reifen, seine Werkstätten sich füllen, seinen Geschäftsbereich mit der Schnelligkeit sich ausdehnen zu sehen, die sein rastloses Wir­ ken sicher zur Folge haben wird. Imhof ist ein ganz hervorragendes Talent, sowohl in Daniellmhef(J825-J900). 127

Geschichte (Beiden) r/, /1 Briefkopf der Orchestrion-Fabrik jmhef und Mukle ‚: die 1874 von Daniel lmhof gegründet wurde. Bauernhof auf dem Katzenmos au( Nach dem Besuch der Hirtenschule ging er in die Lehre zu dem bekannten Musikwerkebauer Anton Siedle in Neukirch (Furtwangen). In den Jahren 1845/46 schloß er erfolgreich die Gesellenprüfung ab und blieb bei seinem Lehrmeister. Flucht nach London Doch es nahten die für das Land Baden verhängnisvollen Jahre 1848/49. Große Tei­ le des Volkes forderten ein demokratisches und geeintes Deutschland, notfalls auch durch eine Revolution wie in Frankreich. Der jun­ ge Daniel eiwärmte sich mit „Haut und Haaren“, wie es in einem Bericht heißt, für diese Idee. Wir fmden ihn schon am 12. Sep­ tember 1847 bei einer Kundgebung in Of­ fenburg, dann am 1. März 1848 in Karlsru­ he, wo im Landtag über eine Eingabe Fried­ rich Heckers (Vorkämpfer für eine Republik) debattiert wurde, welche die Forderungen des badischen Volkes in zwölf Punkten ent­ hielt. Gemeinsam mit „Heckers Freischärlern“ zog Daniel im April 1849 von Donau­ eschingen nach Freiburg, das sich ebenfalls er­ hoben hatte. Im Mai 1849 kam es in Kan­ dern zu einem letzten Gefecht, in dem die Freischärler von den preußischen Truppen geschlagen wurden. Überall im Land hingen Fahndungslisten aus, in denen nach Auf­ ständigen gesucht wurde; auch der „Hecker­ mann“ Daniel Imhof war zur Fahndung aus­ geschrieben. Bei Nacht und Nebel verließ er die Heimat; seine gelungene Flucht führte ihn nach London. Zu dieser Zeit befanden sich viele Schwarz­ wälder, auch Vöhrenbacher, in London als Uhrenhändler sowie zur Betreuung von Spieluhren, Musikwerken und Uhren. Älte­ ren Vöhrenbachern dürfte noch der Name „Gold-Risle“ ein Begriff sein, der in London einen Uhrenhandel betrieb und ein Juwe­ liergeschäft besaß und Vöhrenbach nie ver­ gaß. Daniel fand schnell Anschluß in der 128

Weltstadt; dank seiner vortrefflichen Kennt­ nisse im Musikwerkebau führte er jede Re­ paratur an Musikwerken und Orgeln aus und gründete bald eine eigene Werkstätte, in der er Musikwerke baute und auf den Markt brach­ te. Schon 1850 gibt es die Firma lmhof & Co. in der Bedford Street 9; in dieser Zeit erwarb Daniel auch die englische Staatsbürger­ schaft. Am 3. Februar 1851 heiratete Daniel Imhof in London die aus Amsterdam stammende Anna Fackler; aus dieser Ehe gingen zehn Kin­ der hervor: sieben Mädchen und die drei Söh­ ne Alfred, Karl (Charles) und Albert. Anna Fackler starb am 12. Oktober 1908 in Croy­ don und wurde im Grabe ihres Mannes bei­ gesetzt. Es ging mit der Firma stetig aufwärts; man fertigte schon große Orchestrien, als Daniel Imhof sich mit dem aus Furtwangen stam- Musikwerkebau lmhof menden Musikwerkebauer Leopold Mukle zusammenschloß; die Firma hieß nun Mu­ sikwerkebau Imhof & Mulde, die ihren Sitz nun in der New Oxford Street 110 hatte. Schon von Anfang an hielt Daniel Imhof Kontakt mit den Schwarzwäldern und be­ zog von ihnen Spieluhren und Musikwerke; ein Hauptlieferant war der Vöhrenbacher „Spieluhren- Heine“ Oosef), ein Bruder des Xaver Heine, der im Jahre 1852 in Vöhren­ bach die Firma X. Heine & Sohn gründete, ein Pionier der Industriegründung im Breg­ tal. Die Werkstätte des Josef Heine war in der heutigen Mühlengasse (ehern. Wohnhaus Wiedemann, zuletzt Schreibwarengeschäft Bruckhoff). Durch seine Verbindung mit der Heimat dürfte Daniel Imhof erfahren haben, daß die größte Vöhrenbacher Musikwerkefabrik Michael Weite wegen der besseren Verkehrs­ lage die Produktion im Jahre 1872/73 nach Freiburg verlagert hatte und deren Werk­ stätten nun leerstanden. In der Zwischenzeit hatte die Großherzogliche Regierung den Freischärlern von 1848/49 Straffreiheit bei der Rückkehr zuge­ sichert, so daß Daniel die Rückkehr in den Schwarzwald plante. Durch das Entgegenkommen von Frau Lilo Heynen-lmhof in Zürich (eine Ur­ enkelin des Daniel Imhof) konnte der „Arbeitskreis Stadtgeschichte“ in Vöhrenbach in die noch vorhan­ denen Unterlagen der Familie lm­ hof und der Firma Imhof & Mulde Einsicht nehmen; in ihnen befin­ det sich auch der Kaufvertrag der Werksanlagen der Firma Michael Weite an Daniel Imhof. Das Orchestrion „Tell“ im }ugendstil­ gehäuse entstand um 1900. 129

Ge chichte Am 30. Juni 1874 wurde in das Grundbuch jedoch nicht Daniel Imhof als Besitzer ein­ getragen, sondern ein Vöhren­ bacher Schreinermeister fun­ gierte als „Strohmann“, denn als Konkurrent Weites hätte er die Gebäude – wenn überhaupt – wohl nicht für 6 000 Gulden erwerben können. Daniel lm­ hof zog 1874 mit seiner Fami­ lie nach Vöhrenbach, wo er bis 1899 blieb. Sein Geschäftspart­ ner Mukle blieb in London und führte die dortige Firma weiter, was sich sehr vorteilhaft auf den Verkauf auswirken soll­ te. Schon im Jahre 1875 verließ ein Riesen-Orchestrion für den Sultan in Konstantinopel das Vöhrenbad,er Werk. Köstlich, was der Vöhrenbad,er Chro­ nist Fr. J. Furtwängler in seinem ,,Vöhrenbach-Buch“ damals dar­ über schrieb: ,,Es war ein ge­ waltiger Musikkasten von bizar­ rem Aussehen – obenauf als Ornament eine Minarettspitze mit Halb­ mond, die Front des Gehäuses von zwei tür­ kischen Trompeterbläsern flankiert. Die di­ rigierende (bewegliche) Mittelfigur, abend­ ländisch befrackt und im Zylinder, stellte den Daniel lmhof selber dar, ein ungemein neckisd,er Scherz, der oberbadische Frei­ schärler, mittlerweile als mechanisierter Ka­ pellmeister des Türkensul- tans!“ Leider ist es an die­ ser Stelle nicht möglid,, über die vielen Orche- strien, Das „Blattsystem“ ließ Daniel lmhef 1895 pa­ tentieren. die Vöhrenbach in alle Welt verließen, zu be­ richten, sowie über die vielen Auszeichnungen von den Ausstellungen in der ganzen Welt und über die Besucher der Werksanlagen in Vöh­ renbach wie die Groß­ herzogliche Familie, den Volksschriftsteller Hein­ rich Hansjakob und vie­ le weitere bekannte Per­ sönlichkeiten. In den 1880er Jahren kehrten die Söhne Alfred und Charles nach Lon­ don zurück und führten die Niederlassung, die es nod, in den 1970er Jah­ ren gab, allerdings nach dem Ersten Weltkrieg als selbständige Firma der Alfred lmhof Ltd., auf die hier nicht näher ein­ gegangen werden kann. Sohn Albert blieb in Vöh­ renbach; sein Vetter Joseflmhof aus Unter­ glottertal (Sohn eines Bruders von Daniel Imhof) trat in die Firma als Teilhaber ein. Veröffentlichungen, daß sie schon ab 1881 die Firma führten, sind nicht realistisch (Al­ bert war erst 18 Jahre alt), doch ein Eintrag im Handelsregister beim Amtsgericht Vil­ lingen weist aus, daß im Januar 1889 eine offene Handelsgesellschaft gegründet wur­ de und beide als Eigentümer eingetragen sind. Albert Imhof, geboren am 24. August 1863 in London, blieb in Vöhrenbach und heira­ tete am 8. Juni 1892 Wilhelmine Kromer, genannt „Mimi“, eine Tochter des Säge­ werksbesitzers Fritz Kromer in Hammerei­ senbach. Aus dieser Ehe stammen der Sohn Albert Karl Imhof und eine Tochter Alice, die im blühenden Alter verstarb. Albert lm­ hof sen. starb am 5. Juni 1942 in Donau- Ein hölzerner Dirigent, der im Takt der M11Sik seine Arme bewegte, schmückte zahlreiche lmhof Ord1estrien.

eschingen, seine Ehefrau Mimi am 12. Sep­ tember 1939 in Furtwangen. Sohn Albert Karl wurde am 17. September 1895 in Vöhrenbach geboren. Im Jahre 1917 findet man im Handelsregister Kaufmann Albert Karl lmhof als persönlich haftenden Gesellschafter, der das Geschäft bis 1930 führte, als man dann unter dem Siegeszug des Grammophons und des Radios die To­ re schließen mußte. Albert Karl ging 1930 nach Straßburg und trat in das große Eisen­ und Metallwarengeschäft des Carl Weiser ein, dessen Tochter er im Jahre 1934 heira­ tete. Ihre Tochter ist Frau Liselotte (genannt Lilo) Heynen-lmhof, die heute mit einem Sohn und zwei Töchtern in Zürich lebt. Albert Karl lmhof starb im Jahre 1977 in Neustadt und ist im Familiengrab der Fami­ lie Weiser in Kappel bei Neustadt beigesetzt. Es war bis zu seinem Tode Kursekretär in Kappel; auch als Heimatforscher war er be­ kannt. Kommen wir noch einmal auf den Stammvater Daniel lmhof zurück, um ihn auch als genialen Erfin- der zu zeigen; er besaß mehrere eingetragene Pa­ tente. Er ließ z.B. 1895 in London ein „Blattsystem“ patentieren, bei dem anstel­ le der Notenbücher (Bün­ del), bei denen die Lochkar­ ten in Zick-Zack-Lagen an­ einander gefügt waren, ein dünner Karton verwendet wurde, so daß dieser um eine Holzrolle gewickelt werden konnte. Was wäre ein Orchestrion ohne die dazu gehörigen Noten? Das Stechen und Zeichnen der Noten ist eine Kunst, die Daniel lmhof ebenfalls be­ herrschte. Auch im Kompo­ nieren vieler Melodien war er ein großer Meister, ja, er hät- Musikwerkebau lmhof te auch den Weg eines Komponisten ein­ schlagen können. Diese Gabe vererbte sich auf seine Söhne und Enkel. In Vöhrenbach war Albert Imhof sen. noch im Alter von 70 Jahren, von 1931 bis 1936, Dirigent der Vöhrenbacher Stadtkapelle. Sein Sohn Al­ bert war ein Genie auf der Geige, spielte im Imhofschen Streichorchester in Vöhren­ bach. Frau Heynen-Imhof besitzt ein Tonband, das um 1970 entstand; auf ihm bringt ihr Va­ ter auf dem Klavier Werke von Daniel Im­ hof, Sohn Albert und von ihm selbst zu Gehör – ein Hochgenuß für jeden Musik­ freund. Im Jahre 1998 konnte der „Arbeitskreis Stadtgeschichte“ der Heimatgilde Vöhren­ bach dank der Spendenfreudigkeit der Be­ völkerung ein Orchestrion von Imhof & Mukle erwerben. Damit kehrte seit Jahr­ zehnten das erste Orchestrion nach Vöh­ renbach zurück – dorthin, wo sich einst der Mittelpunkt des Schwarzwälder Musikwerke­ baues befun­ den hatte. Aus Anlaß des 100. Todestages von Daniel Im­ hof eine schöne Würdigung sei­ ner Leistungen. Dieses Orchestri- on steht im Ein­ gangsbereich des Rathauses. Erich Willmann Orchestn“on Mo­ dell „Herold“. Es befindet sich im Be­ sitz des „Arbeits­ kreises Stadtge­ schichte“ Vöh­ renbach. 131

Geschich1e Die Brändbachtalsperre in Bräunlingen Vor 80 Jahren wagte die Stadt den Schritt in eine „neue Zeit“ Die Grundsteinlegung der Brändbachtal­ sperre am Unterbränder Kirnbergsee reicht in die 20erJahre zurück. Am 4. Dezember 1921 fuhren zwischen 13 und 14 Uhr die Bräun­ linger Räte sowie Bürgermeister Martin Mül­ ler und Stadtpfarrer Julius Meister auf mit Tannenreisig geschmückten Wagen los, um den Grundstein für das gut eine Wegstunde entfernte Bauwerk bei Unterbränd zu legen. Die Anlage ollte die erste Talsperre ihrer Art in Süddeutschland werden. Die sechs Millionen Mark Baukosten wurden von der waldreichen Gemeinde in bar hingeblättert. Der Grundstein wurde in halber Höhe des Bauwerks eingelassen, viele Schaulustige be­ gleiteten den Akt. Die Stadtkapelle spielte das „Benedictus“ von Haydn, der Bräunlin- ger „Liederkranz“ sang „Das ist der Tag des Herrn“. Bürgermeister Müller betonte in sei­ ner Festrede, man wolle die neue Kraftquel­ le für elektrische Energie erschließen. Der Planer und Oberbauleiter der Brändbachtal­ sperre, Diplomingenieur Karl Flügel aus Karlsruhe, setzte mit seiner vaterländischen Ansprache noch eines drauf: ,,Nachdem man uns einen großen Teil der schwarzen Kohle genommen, gilt es die weiße Kohle, die elektrische Kraft, auszunutzen.“ Der ört­ liche Bauleiter Ingenieur Friedrich Hofheinz verlas im Anschluß die für den Grundstein bestimmte Urkunde. Die Brändbachtalsperre bei Unterbränd ist eine sogenannte Schwergewichtsmauer. Die Staumauer hat eine Höhe von 16,35 Metern Der Kirnbergsee entstand vor 80 Jahren, um die Stadt Bräunlingen mit elektrischer Energie zu versorgen. 134

und eine Kronenlänge von 130 Metern. Be­ achtlich ist die Stärke des Bauwerks. An der Sohle mißt es zwölfMeter, an der Krone 2,45 Meter. Verbaut wurden 12 000 Kubikmeter Be­ ton. Der Stauinhalt des Kirnbergsees, der durch die Brändbachtalsperre aufgestaut wird, beträgt 1,7 Millionen Kubikmeter Wasser. Der Normalstau des Sees beträgt 459 000 Kubik­ meter, der Hochwasserstau 750 000 Kubik­ meter. Bei Hochwasser kann der Kirnberg­ see mit 30 Kubikmetern je Sekunde entlastet werden. Der See am Ostrand des Südschwarz­ waldes breitet sich auf einer Fläche von 34 Hektar aus und ist bis zu 13 Metern tief. Der Brändbach, der den Kirnbergsee mit seinem Wasser speist, hat ein 14,63 Q!.iadratkilome­ ter großes Einzugsgebiet im Schwarzwald. Am Fuß der Mauer bilden die beiden Schie­ ber- und Leerlaufstationen die Schnittstelle zwischen dem See und den Druckrohren. In der einen, im Mauermittelbereich erbauten Station sind ein Hauptschieber und ein Leer­ laufschieber zur Steuerung des Wasserdurch­ lasses installiert. Der Leerlaufschieber und das nur wenige Meter neben der Schieber­ station erbaute Leerlaufhäuschen mit einem weiteren Leerlaufschieber ermöglichen die zügige Regulierung des Wasserstandes im Kirnbergsee. Die Druckrohre mit einem mitt­ leren Q!.ierschnitt von 700 Millimetern sind auf einer Gesamtlänge von 2 865 Metern verlegt und münden im Elektrizitätswerk am Ortsausgang von Waldhausen. Beachtlich ist die Arbeit der dortigen Anlage. Der Durch­ schnittswert der Jahresarbeit betrug für den Zeitraum 1949/92 zirka 675 000 Kilowatt­ stunden, wobei in Spitzenjahren auch 1,1 Millionen Kilowattstunden, in weniger guten Jahren 400 000 Kilowattstunden erzeugt wurden. Der Strom im Turbinenhaus in Waldhausen, das in den l 920er Jahren vom Baugeschäft Josef Strobel errichtet wurde, wird über zwei Francis-Spiralturbinen der Firma Voith aus Heidenheim erzeugt. Eine weitere Turbine wird derzeit nicht genutzt. Die Leistung der seit 1922 in Betrieb be­ findlichen Turbinen beträgt 150 bezie- Brändbachtalsperre hungsweise 120 Kilowatt, die dritte Turbine erreicht 30 Kilowatt. Die Generatoren stammen von der Berli­ ner Aktiengesellschaft „Bergmann-Elektri­ citäts-Werke“. Das Schluckvolumen der gro­ ßen Turbine beträgt 350 Liter je Sekunde, das der kleineren 250 Liter je Sekunde. Die Rohrleitungsverluste der beiden großen Tur­ binen sind im Parallelbetrieb wegen der lan­ gen Leitungen beträchtlich. So werden in der Summe nur 180 Kilowatt erreicht. Der für die Stromerzeugung notwendige Turbinen­ typ hängt von der Nettofallhöhe des Was­ sers und der Beschickung ab. Die Brutto­ fallhöhe beträgt zwischen Auslauf an der Staumauer und dem Turbinenhaus in Wald­ hausen 66,66 Meter. Im Keller des altehrwür­ digen Gebäudes in Waldhausen steht ein Dieselmotor der Aktiengesellschaft „Moto­ renwerke Mannheim“, der einen weiteren Generator der Firma Esslinger betreibt. Die­ ser wird meist in der Zeit von Dezember bis Über den Hauptschieber wird der Wasserstand des Kirnbergsees reguliert. 135

Geschichte Am 4. Dezember 1921 wurde der Grundstein für den sechs Millionen Mark /euren Bau der Brändbach­ talsperre gelegt. Im Stadtarchiv Bräunlingen befindet sich eine umfangreiche Bilddokumenlalion zum Bau der sogenannten Schwergewichtsmauer, die eine Kronenlänge von 130 Meiern besitz/. Die Aufnahmen zei­ gen die Stationen des Baus. 136

Um die wasserrecht- liehe Genehmigung zu erhalten, muß die Talsperre in mehreren Phasen renoviert werden. Brändbachtalsperre paßt. In dieser modernen Anlage finden sich drei Abgänge zum Hölzlehof, nach Unter­ bränd und nach Waldhausen. Unterbränd er­ hielt erst 1996 eine Ringleitung. Die Bräunlinger Stadtwerke liefern zirka neun Prozent des in der gesamten Zährin­ gerstadt benötigten Stroms. Sechs Prozent werden über Wasserkraft und drei Prozent über das Blockheizkraftwerk im städtischen Hallenbad erzeugt. Weitere drei Prozent werden durch ein weiteres Blockheiz­ werk im „Wohnpark Fortuna“ ins Netz eingespeist. Der Rest des Stroms wird beim Kraftwerk Laufenburg eingekauft. Interes­ sant sind auch Initiativen von Privatperso­ nen, die ökologisch verträglich Energie er­ zeugen. Helmut Friedrich aus dem Stadtteil Bruggen erzeugt über eine Biogasanlage ebenfalls Strom, der ins Netz abgegeben wird. Die Größenordnung liegt bei etwa einem Pro­ zent des Gesamtbedarfs der Stadt. Ohne den Stadtteil Döggingen werden durch die Stadt­ werke und das Kraftwerk Laufenburg insge­ samt 5 000 Einwohner mit Strom versorgt. Umfangreiche Sanierung Februar zugeschaltet, um den Strombedarf der Stadt zu decken. Der Dieselmotor wur­ de nach 32jährigem Stillstand erst wieder am 5. Januar 1991 reaktiviert. Gestartet wird das Vehikel noch mittels Zündhütchen und ei­ ner 30-bar-Luftflasche, die allerdings nur noch über einen modernen Kompressor befüllt werden kann. Die Generatorleistung ist eigentlich aufllO bis 120 Kilo­ watt ausgelegt, die Anlage lei­ stet jedoch nur noch einen Spitzenwert von 90 Kilowatt. Das Wasser aus der Drucklei­ tung schießt in die Turbinen ein. Zwei Fliehkraft- Hydrau­ likregler steuern den Wasser- eintritt, damit die Drehzahl der Turbinen konstant bleibt. Die Fliehkraftanlagen regeln die 16 Leitschaufeln je Turbinenrad. Die Me­ tallkeile leiten überschüssiges Wasser über die Turbinen hinweg. Die Arbeit wird schließ­ lich von den Turbinen auf die jeweiligen Schwungräder übertragen. Diese gleichen die Stromschwankungen aus, die sich durch den leicht unterschiedlichen Wassereintritt in die Turbinen ergeben. Die mechanische Ar­ beit wird auf die Generatoren übertragen und in Strom umgewandelt. Die Maschinen im Elektrizitätswerk werden in der Regel in Eigenregie gewartet und re­ pariert. Gewisse Probleme bereitet hierbei das Alter der Anlage, weil Ersatzteile nicht mehr ohne weiteres verfügbar und Schrauben so­ wie Muttern in Zollstärke gearbeitet sind. Da heißt es dann Eigenanfertigungen an der Drehbank herzustellen oder Spezialfirmen mit der Fertigung von Ersatzteilen zu beauf­ tragen. Trotz dieses Mankos gab es in der Ver­ gangenheit kaum längere Ausfallzeiten der Anlage. Ab 11. März 1987 war das Werk al­ lerdings wegen einer nötigen Generalüber­ holung der Maschinen für einige Monate außer Betrieb. Die Schaltanlage des Elektri­ zitätswerks mit 380 Volt Mittelspannung wurde 1984 im Zuge der Erneuerung durch eine Hochspannungsanlage der Zeit ange- Die Brändbachtalsperre wurde bereits in den 50er Jahren saniert. Am 1. Mai 1955 wurde damit begonnen, den Kirnbergsee abzustau­ en. In den Folgemonaten wurden Beton- und Schalungsarbeiten geleistet, seeseitig eine Be­ tonschürze vorgehängt. Die Mauerkrone wur­ de um drei Meter erhöht und das Bauwerk selbst mit Beton verpreßt. Am 29. Septem­ ber 1955 war die Sanierung beendet, der See wurde wieder aufgestaut. Die Frage der was­ serrechtlichen Genehmigung, die 1982 aus­ lief und für die Folgejahre vorläufig erteilt wurde, erhitzte in den 90er Jahren die Ge­ müter. Vom Institut für Massiv- und Bau­ stofftechnologie in Karlsruhe wurde ein Gut­ achten zum baulichen Zustand der Bränd­ bachtalsperre erstellt, nachdem Zweifel an 137

Geschichte der Standfestigkeit der Mauer aufgekommen waren. 1994 waren 48 Proben aus der Mauer entnommen worden, um einen ersten Über­ blick über die Bausubstanz zu erhalten. Die Fachleute bestätigten damals dem Bauwerk eine miserable Festigkeit, besonders im Be­ reich der unteren vier Meter. Um die bereits abgelaufene wasserrechtliche Genehmigung zum Betrieb der Brändbachtalsperre wieder­ zuerlangen, muß die Stadtverwaltung Bräun­ lingen einige Belege erbringen. Von der Was­ serdirektion Rottweil wurden 1997 zwei wei­ tere Gutachten zur statischen Sicherheit und Geologie eingefordert. Damit sollte unter an­ derem neben der Mauersid1erheit auch die Gefährdung der Hangschulterbereiche bei Hochwasser abgeklärt werden. Ein Stuttgar­ ter Ingenieurbüro untersuchte die Talsperre im Jahr 1997 nod, einmal eingehend. Probe­ bohrungen folgten, um die Beeinflussung der Mauer durch eindringendes Wasser genauer zu untersuchen. Es stellte sid, heraus, daß der Rohrleitungsbereich an der Mauersohle durch Korrosion in den vergangenen Jahr­ zehnten stark in Mitleidenschaft gezogen wor­ den war. Dies ist verständlich, liegt der Was­ sereinzugsbereid1 des Brändbachs doch an der durch saure Gneise und Buntsandstein ge­ prägten Ostabdachung des südlichen Schwarz­ waldes. Das Ingenieurbüro aus der Landeshaupt­ stadt erarbeitete 1997 ein mehrstufiges Kon­ zept für die Talsperre. In einer ersten Pro­ jektphase wurde eine Bestandsaufnahme des Mauerzustands sowie Standsicherheitsbe­ rechnungen getätigt. Die zweite Phase, die Sanierung, wurde in zwei Stufen aufgeteilt, die Sanierungsplanung und Erstellung des Wasserrechtsantrags sowie die Umsetzung des Sanierungsplans. In das Verfahren ein­ gebunden ist auch die Überprüfung der Ma­ schineneinrichtung im Kraftwerk. Die Drai­ nage der Mauer wurde mittels Videotechnik untersucht. Rohre und Schieber fanden sich in einem desolaten Zustand. Vorgeschlagen wird von dem Ingenieurbüro, seeseitig eine Der Dieselmotor wurde nach 23 Jahren Stillstand 1991 wieder aktiviert und unterstützt die Wasserkrafl­ anlage im W inter, um den StrombedmfWaldhausens zu decken. 138

Brändbachtalsperre Zu Spitzenzeiten produzierten die Gene­ ratoren bis zu 1, 1 Millionen Kilowatt­ stunden. Elektriker betreut die technische Ein­ richtung und sorgt für den reibungs­ losen Lauf der Anlage. Willi Brugger ist mittlerweile der dritte seines Na­ mens in der Reihe der Maschinen­ wärter, die nach Inbetriebnahme der Anlage in Waldhausen tätig waren. Als erster Maschinenwärter wurde Adolf Brugger mit einem Schreiben vom 30. März 1923 eingestellt. Ru­ dolf Brugger übernahm am 1. Au­ gust 1948 nach der Pensionierung seines Va­ ters den Posten und betreute die Anlage bis 1975. Nachfolger W illi Brugger ist mit den beiden Vorgängern allerdings nicht ver­ wandt. Der Elektriker verzeichnet noch heu­ te akribisch genau alle wichtigen Vorgänge des Elektrizitätswerks in einem kleinen schwarzen Taschenbüchlein, in das bereits seine Vorgän­ ger seit 1922 ihre Notizen schrieben. Stefan Limberger-Andris 139 Geomembran aus Polyethylen vorzuhängen, um die Mauer abzudichten. Diese Membran hat nach Aussage der Fachleute eine Halt­ barkeitsdauer zwischen 20 und 30 Jahren. Im Herbst 1999 wurde der Kimbergsee schließlich abgestaut, mit der Mauersanierung im Früh­ jahr 2000 begonnen. Der Leiter der Stadtwerke, Alfred Glatz, ar­ beitet bereits seit zehn Jahren in Bräunlin­ gen. Bis 1979 leitete Kurt Siebold die Stadt­ werke. Der Bräunlinger kam durch einen tra­ gischen Stromunfall ums Leben. Sein Nach­ folger war Berthold Zandona. Glatz war vor seiner Anstellung in Bräunlin­ gen 15 Jahre Werkleiter in der Schwarzwaldgemeinde Unter­ kirnach und stand dort dem Amt für Ver- und Entsorgung vor. Im Kraftwerksgebäude in Waldhausen ist W illi Brugger seit dem 8. März 1976 der Maschinenwärter. Der gelernte Im Herbst 1999 wurde der Kirn­ bergsee abgestaut, um die Stau­ mauer des Kraftwerkes sanieren zu können.

Geschichte Wie das Eis gewonnen wurde Die Bräunlinger Eisgalgen erinnern an die Tradition der Brauereien vor Ort In Bräunlingen gab es seit dem späten Mit­ telalter immer schon drei Brauereien, die über tiefe, dick ausgemauerte Keller zur Lagerung der Biere sowie auch des Eises verfügten. te, besonders an kalten Winternächten oder auch tagsüber, wurde Wasser aufgesprüht, das sich über die Rundholzlager ergoß und je nach Kältegrad sofort gefror. Der richtige Zeitpunkt für diese Einschalt­ maßnahme erforderte viel Fingerspitzenge­ fühl, denn wenn der Frost nicht wie erwartet einsetzte, lief das Sprühwasser durch das Ge­ stänge und gefror dann später auf dem Bo­ den zu einem dicken Eispanzer, der dann für die Entnahme des abgesd1lagenen Eises wie- Bis zum Jahre 1894, also dem Bau der städ­ tischen Wasserleitung mit dem Hochbehäl­ ter (Reservoir) am Li.itzelberg (heute Ottili­ enberg) wurde das Eis auf der Breg oder in Eisweihern gewonnen, ähnlich wie im Alma­ nach 98 (S. lSSff.) für Triberg bereits be­ schrieben. Als nach der Fertigstellung des Leitungsnetzes Druckwasser aus der Wasserleitung verfügbar war, wurden bei jeder der drei Braue­ reien Eisgerüste, sogenannte Eis­ galgen errichtet, d.h. aus starken Balken wurden zimmermanns­ mäßig Gerüste gebaut, etwa 4 bis 5 m im �adrat und einer Höhe von 5 bis 6 m. An jeder Seite die­ ses Gerüstes verliefen waagered,te Balken. Auf diesen Rahmen wur­ den Rundhölzer von 10 bis 15 cm lose verlegt. Im Abstand von etwa 1 m wurde darüber das näd1ste „Stockwerk“ ebenso errichtet. Die vielen langen Rundhölzer boten viel Hängefläche für die Eiszap­ fen, die dann bis zum nächsten Stockwerk herunterhingen. Der unterste Boden bestand aus starken Bohlen mit seitlichen Auf­ kantungen, hatte ein Gefalle und eine Trichterform zur Entnahme­ stelle hin. Zur Sid1erung der Ar­ beiter hatte der Galgen umlaufen­ de Sdmtzgeländer ebenfalls aus Rundstangen, sogenannte Brust­ wehren. In der Mitte des Eisgal­ gens war ein senkrechtes Wasser­ rohr mit einem Sprühkopf hoch­ geführt. Wenn man Frost erwarte- Der Bräunlinger Eisgalgen. 140

der entfernt werden mußte. Oder aber die Kälte kam schneller als erwartet, dann muß­ te die Wasserleitung einschließlich des Sprühkopfes in mühseliger Arbeit wieder aufgetaut werden, was oft Stunden in An­ spruch nahm. Mit der Axt zur Eisernte Durch das ständige Besprühen mit Wasser war nach einiger Zeit dieser Eisgalgen mit sei­ nen immer dicker werdenden Eiszapfen voll von blankem Eis, ein richtiger wunderbarer Eispalast. Zauberhaft und verlockend für Kin­ der brachen sich die Sonnenstrahlen an den glitzernden Eiszapfen, die viel reiner als Fluß­ eis waren, weil sie keine Einschlüsse hatten. Aus sicherer Entfernung konnte man beo­ bachten, wie die Männer mit der „Eisernte“ begannen. Bauhandwerker wie Maurer, Zimmerer, Helfer, die um diese Zeit meist ar­ beitslos waren, aber auch die Bierbrauer, schlugen das Eis mit Äxten und geeigneten Geräten in schwerer und nicht ungefahrli­ cher Handarbeit ab. Für diese Leute bedeu­ teten diese Arbeiten in der harten Winter­ zeit einen kleinen Nebenverdienst. Bei der Löwenbrauerei, aber wahrscheinlich auch bei den zwei anderen konnten einige der „Eisarbeiter“ ihre mit Laufe des Sommers angelaufenen Bierschulden etwas verringern. Dazu setzten sie sich rittlings auf die Rund­ hölzer und befreiten diese lagenweise von oben nach unten vom Eis. Zwar hatten sie anfangs noch einen Jutesack oder Ähnliches als Sitzkissen, was aber nur für kurze Zeit dienlich war, weil durch die Körperwärme das Eis schmolz und das Kissen naß und somit wirkungslos wurde. Bei der Fortunabrauerei sowie auch bei der Löwenbrauerei wurde das zum Teil zerkleinerte Eis in Kipploren auf Feldbahngleisen vom Trichter bis zur oberen Eiskelleröffnung geschoben und dort abge­ kippt. Bei der Brauerei Graf stand der Gal­ gen genau über dem Eiskeller und somit ent­ fiel hier der Transport. Der Eiskeller hatte auf dem Boden auch eine Rundholzablage, um Bräunlinger Eisgalgen das evtl. anfallende Tauwasser ableiten zu können. Im Keller selbst waren zwei Arbeiter damit beschäftigt, die noch zu großen Eis­ klumpen gewissenhaft zu zerschlagen, damit ja keine Hohlräume entstehen konnten, was der Einlagerung sehr hinderlich gewesen wä­ re. Dieses zerkleinerte Eis wurde in dem Kel­ ler zu einem einzigen zusammengefrorenen riesigen Eisklumpen. Die ehemalige Fortuna­ brauerei wurde in der Bevölkerung kurz „Kear“ (Keller) genannt. In den letzten Kriegsmonaten des Zweiten Weltkrieges wur­ den diese umfangreichen Kelleranlagen auch als Schutz gegen die feindlichen Jagdbomber, „Jabos“, genutzt. Die Familie Graf-Sayer (Grafenbrauerei) hatte viele Jahre ein präch­ tiges Pfauenpaar. Der Hahn schlug damals zur großen Freude der vielen Radwanderer zum und vom Kimbergsee vor der Grafen­ brauerei-Gaststätte sein wunderschönes Rad. Diese Pfauen hatten im Sommer ihren Schlafplatz auf dem obersten Geländer des Eisgalgens und ließen immer vom Frühling bis zum Herbst abends ihr Miau erschallen. Im Zuge der Weiterentwicklung der Eisma­ schinen wurde diese beschwerliche und auch lohnaufwendige Eisgewinnung Anfang der 1960er Jahre eingestellt, die Eisgerüste abge­ brochen. Von da an wurde nur noch mit Kunsteis und Kühlgeräten gearbeitet. Die Stadt Bräunlingen errichtete vor eini­ gen Jahren im ehemaligen Grafengarten auf dem Ottilienberg eine Brunnenanlage mit einem dem Eisgalgen nachempfundenen Ge­ rüst in stilisierter Form, das an die große Tra­ dition der Bräunlinger Brauereien erinnert. Manfred Brugger 141

Geschichte Unterkimacher Pionier des Fremdenverkehrs Alexander Beha beherbergte in seinem „Hotel du Parc“ in Lugano Prominenz aus ganz Europa Mit seinem 1729 erschienenen, 4 000 Ver­ sen umfassenden Gedicht „Die Alpen“ weckte der Schweizer Mediziner, Botaniker und Dichter Albrecht von Haller (1708- 1777) das Interesse an den Besonderheiten und Sd1önheiten der Alpen und damit auch seiner Heimat, der Schweiz. Waren die Al­ penländer bisher für Reisende in erster Linie Durchgangsländer gewesen, entwickelten sie sid1 seit dieser Zeit, wenn anfänglich auch nur langsam, auch zu Gastländern. Der Fremdenverkehr begann Bedeutung zu er­ langen und stieg zu einem immer wichti­ geren Faktor in der Volkswirtschaft dieser Länder auf Von ausschlaggebender Bedeu­ tung wurde dabei der Ausbau der Ver­ kehrswege, des Straßen-und des Eisen­ bahnnetzes. In der Schweiz stieg die Gotthardroute un­ aufhaltsam zur bedeutendsten Nord-Süd-Ver­ bindung auf Sie war zwar sd1on seit dem Bau der „stiebenden Brücke“ über die Göllenen­ schlucht im 12. Jahrhundert für Menschen und Maultiere begehbar, aber die erste be­ fahrbare Straße über den Gotthardpaß ent­ stand erst während der Jahre 1818-1826. Nach zehnjähriger Bauzeit wurde unter maß­ geblicher Beteiligung des Erbauers der Schwarzwaldbahn, des badisd1en Ingenieurs Robert Gerwig (1820-1885), schließlid1 die Gotthardbahn fertiggestellt und 1882 in Be­ trieb genommen. Weitsichtige Fad1leute erkannten die Be­ deutung, die dem Fremdenverkehr in Zu­ kunft besonders in den Alpenländern zukom­ men werde und ergriffen die Initiative, um Ansicht des Hotel du Parc aus der „Illustrierten Zeitung“ von 1858. 142

den Reisenden die Besonderheiten und Schön­ heiten der heimischen Landschaften nahe­ zubringen. Das traf beispielhaft auch für den Schweizer Kanton Tessin zu, durch den die Gotthardroute führt. Dort war es der Hotelier Alexander Beha, der an maßgeblicher Stelle zur Entwicklung des Fremdenverkehrs beitrug. Die W iege des Hoteliers stand in Unter­ kirnach. Dort hatte er am 25. Februar 1821 als ältestes von acht Kindern der Eheleute Joseph und Elisabeth Beha geborene Beha das Licht der Welt erblickt. Das auch heute in Unterkirnach noch blühende Geschlecht Beha ist dort seit dem 13. September 1706 nachweisbar. An jenem Tag schlossen in der Unterkirnacher Pfarrkirche der wohl aus Neukirch stammende Thomas Beha und Lucia Fehrenbächin den Bund fürs Leben. Bedeutendes Geschlecht Schon bald zählten die Behas in der Vog­ tei vor den Toren Villingens zu den zahl­ reichsten und bedeutendsten Geschlechtern Unterkirnachs. Sie saßen auf dem Behlis­ und dem Stadthof, auf dem Bartlis-, dem Thomas-, dem Bärlocher- und dem Stor­ zenhof und stellten immer wieder Vögte und Bürgermeister. Da in Unterkirnach wie überall im umliegenden Schwarzwald das Anerbenrecht Geltung hatte, konnten Hof­ güter stets nur ungeteilt weitergegeben wer­ den. Die „nachgeborenen Kinder“ waren deshalb gezwungen, zu versuchen, in ein an­ deres Hofgut einzuheiraten, oder einen an­ deren Broterwerb zu suchen, wenn sie nicht als Dienstboten des Hoferben auf dem el­ terlichen Hof bleiben wollten oder konnten. Auch Joseph Beha war kein Hoferbe, wollte aber sein eigener Herr sein. So wirtete er eini­ ge Zeit im „Löwen“, einer der Unterkimacher W irtschaften. Als sich aber die Gelegenheit zum Erwerb des Gasthauses zum Adler in Riedböhringen ergab, zögerte Joseph Beha nicht lange. Er erwarb das Gasthaus und zog mit seiner Familie 1832 in die Südbaar. Of- Hotel du Parc Das Portrait von Alexander Beha entstand kurz vor seinem Tod 1901. fenbar hatte er zum Erwerb des Gasthauses un­ weit der Fernstraße nach Sd1affhausen einen Großteil der Kaufsumme aufnehmen müssen. Die hohe finanzielle Belastung zwangJoseph Beha 1843, das Gasthaus samt dem dazuge­ hörigen ansehnlichen Grundbesitz versteigern zu lassen. Spätestens damals wird Alexander Beha in die Schweiz gegangen sein, um Brot in der Fremde zu verdienen. Im „Schützen“ in Do­ naueschingen war er bei Hotelier Ganther in die Lehre gegangen. In der Westschweiz lernte er Französisch, in Basel war er 1845 als Kellner tätig, und über Schaffhausen kam er schließlich nach Bern. Dort fand der tüchti­ ge, intelligente und liebenswürdige junge Deutsche im Gasthof„Zum Distelzweig“ oder „Hotel des Gentilhomme“, dem besten Ga­ stronorniebetrieb der Hauptstadt der Schweiz, 143

Geschichte Das Foto zeigt d;e Straßenansfrht des Hotels in den J 920er-Jahren. eine Anstellung. Jede Gelegenheit zur Wei­ terbildung nutzend, lernte er alle Feinheiten seines Berufes kennen und beherrschte drei Sprachen. Inzwischen hatte er Elisabeth Baumann, die Tochter des Hauses, geheira­ tet und führte das Hotel auf eigene Rech­ nung. Zu den Stammgästen Alexander Behas zähl­ te der Tessin er Oberst Luini, der den Gastro­ nomen mit den Brüdern Ciani, Mailänder Pa­ trioten und Philantropen, bekanntmachte. Diese hatten in Lugano, das damals noch ein einfaches Landstädtchen mit 3 000 Einwoh­ nern war, das ehemalige KapuzinerkJoster „degli Angiol“ gekauft und planten, es zu ei­ nem Gasthaus umzugestalten. Durch die sd1wache Gesundheit seiner Frau veranlaßt, nahm Alexander Beha ein Angebot der Brü­ der Ciani an und übersiedelte mit seiner Fa­ milie nach Lugano. Mit Behas fachmänni­ schem Rat bauten die Brüder Ciani das alte Kloster zu einem erstklassigen Hotel um, das Beha umgehend erstand. Weitblickend hatte der Hotelier erkannt, daß Lugano mit seinem milden Klima und seiner vorteilhaf­ ten Lage an der Gotthardstraße ein Fremden­ verkehrszentrum ersten Ranges werden kön­ ne, wenn es gelänge, die Reisenden auf den liebreizenden Ort aufmerksam zu machen. Trotz aller Sd1wierigkeiten, die sich ihm als Fremdling entgegenstellten, machte sich Ale­ xander Beha mit zähem Willen und seltener Ausdauer an die Arbeit. In den verbreitesten Zeitungen der Smweiz und Deutschlands machte der Gastronom 1855 auf sein Haus mit dem Namen „Behas Hotel du Parc“ aufmerksam, und in ganz Eu­ ropa fand seine Beschreibung Luganos und der Umgebung in vielen tausend Exemplaren Verbreitung. Alexander Beha hatte sie mit der Hilfe seines Freundes, des Naturfor­ schers Iwan von Tschudy, in drei Sprachen 144

übersetzt. Schnell wuchs die Zahl der Touri­ sten, die Lugano zu einem ihrer Ziele wähl­ ten. Thomas Cook, der als Begründer der Ge­ sellschaftsreisen gilt, führte seine ersten Rei­ sekarawanen größerer Postwagen von Eng­ land auf das Festland und kehrte auch im Park­ hotel in Lugano ein. Einfache Wanderer und gekrönte Häupter vieler Länder fanden gleich freundliche Aufnahme. Zu den Gästen Behas zählte auch das Fürstenpaar zu Fürstenberg. Die im Hotelpark eingesetzten schwarzen Schwäne stammten aus dem Bestand des Schloßparks zu Donaueschingen. Schwäne aus Donaueschingen Der Großherzog von Baden und seine Ge­ mahlin Luise, eine Schwester des Kaisers Wilhelm I. (1871-1888), lud seinen Lands­ mann (Alexander Beha behielt die deutsche Staatsangehörigkeit bis 1870 bei) zum Be­ such auf die Insel Mainau ein, die dem ho­ hen Paar als Sommeraufenthalt diente. An­ dere Mitglieder hoher Adelshäuser Deutsch­ lands und auch des Kaiserhauses gaben ihr Stelldichein im Parkhotel in Lugano. Eben­ so weilten die Kaiserinnen Elisabeth (Sissi) von Österreich, Eugenie von Frankreich, Prinzessin Viktoria von England, das Her­ zogspaar von Westminster, der König von Portugal, der Fürst von Bulgarien, der Kron­ prinz von Italien und „hundert andere Ge­ burts- und Geistesfürsten“ längere oder kür­ zere Zeit als Gäste bei Alexander Beha in Lu­ gano. Schon wenige Jahre nach der Eröffnung des Parkhotels hatte das Hotel die Gäste nicht mehr aufnehmen können. Darum entstan­ den kurz nacheinander die Dependencen Bel­ vedere, Ceresia und Beausejour. Nach der Eröffnung der Gotthardbahn konnten Be­ has Häuser die Gäste nicht mehr fassen und Privathäuser in der ganzen Stadt beherberg­ ten sogenannte „Parkgäste“. Früh verlor Alexander Beha seine Frau durch den Tod. Im Jahr 1858 schloß er eine zwei­ te Ehe mit Elisa Maria Lang, die aus Harn- Hötd du Parc burg stammte und ihm auch in wirtschaft­ lich schweren Zeiten eine feste Stütze wur­ de. Diese Zeiten hatten ihre Ursachen im Aus­ bruch der Cholera, der Schwarzen Blattern und anderer Epidemien, in Überschwem­ mungen, politischen Wirren und selbst in Kriegen. Während des Deutsch-Französischen Krieges lieferte das Ehepaar Beha Verbands­ material in deutsche Feldlazarette und nahm für ein halbes Jahr acht junge deutsche Of­ fiziere als Ehrengäste auf, daß sie in Lugano ihre Lungenschüsse auskurieren konnten. Alexander Beha starb am 8. März 1901 im Kreis seiner Familie, zu der sechs Kinder zähl­ ten. Mit ihm schied ein Selfmademan im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Leben, der nicht nur Lugano, sondern der gesamten Region zu einem ungeahnten Aufschwung als Fremdenverkehrsgebiet verholfen hatte. Zur Zeit seines Todes zählte man in Lugano schon über 30 Hotels und Pensionen. August Yetter Qiellen: Neue Züricher Zeitung: Aus der Hotelerie Luganos, Ausgabe vom 19. Oktober 1978. Schweizer Hotel-Revue: Ein Veteran der Hotelerie, Ausgabe vom 23. Februar 1901. Emile Beha: Erinnerungen. Die unveröffentlichten Erinnerungen der Tochter des Hoteliers wurden mir mit weiteren Informationen von Frau Flavia Piazza­ Keller, Lugano, einer Urenkelin Alexander Behas, dan­ kenswerterweise zur Verfügung gestellt. Donaueschinger Wochenblatt Nr. 62 vom 5. August 1842. Beilage zum Donaueschinger Wochenblatt Nr. 23 vom 21. März 1843. Gemeindearchiv Riedböhringen: Bücher 3a, Grund­ buch und Akten XI. 2/3. Staatsarchiv Freiburg: Bezirksamt Donaueschingen, Zugang 1903, Faszikel 809. Literatur: Pagine Storiche Luganesi. Pubblicazione per lo stu­ dio delle fonti di storia locale a cura die Antonio Gi­ li. Lugano 1998. 145

Geschichte Leidenschaft und harte Arbeit Gab es ab 1747 Holzflößerei auf dem Triberger Teil der Gutach? Mehr als von einem Hauch einer unterge­ gangenen Traumwelt, von schierer Begeiste­ rung wird der Leser erfasst, greift er wieder einmal zu Heinrid1 Hansjakobs „Waldleu­ ten“ oder Hermann Hesses „Schön ist die Ju­ gend“, und stößt er auf die Stellen über ih­ re Erinnerungen an die ausgestorbene Flößerei, die beide Dichter auf der K.inzig bzw. auf der Nagold nod1 erlebt hatten. Der bekannteste Flößer wurde der „Holländer­ michel“, die Märchengestalt von Wilhelm Hauff, frei von Romantik ist auch das jüngst erschienene Jugendbuch von Werner Höme­ mann „Ein Wald geht auf die Reise – Flori­ ans abenteuerliche Floßfahrt“ nicht, und gab es interessantere Schilderungen als die alter Leute, die als Letzte ihrer Generation in ihrer Kindheit noch ein Stückweit an einer Floßfahrt teilnehmen durften? Noch immer strahlten die Augen des 80jährigen Georg Bohnet in Gremmelsbach, wenn er seine Er- zählungen von sold1en Fahrten auf der Na­ gold mit dem bekräftigenden Ausspruch ab­ schloss: ,,Schön war’s!“ Und in der Tat, es gab eine „Floßleidenschaft“, wie es eine Jagdleidenschaft gibt. Die Folklore nimmt sich heute der Flößerei wieder erfolgreich an, und als Touristenattraktion lebt sie auf der K.inzig wie auf der Isar weiter. Die Mitglie­ der des Flößerstandes genossen hohes An­ sehen, waren sie es doch, die neben Harzern und Köhlern den Waldreichtum ihrer Schwarzwaldheimat in Wohlstand umsetz­ ten. Denn der Holzbedarf war in politisch ruhigen Zeiten, erst recht nach Brandkata­ strophen oder Kriegen, praktisch unbe­ grenzt, bedenkt man, dass allein für ein Gutachtälerhaus ein Waldbestand von der Grösse eines Hektars gebraucht wurde, für ein Handelsschiff der „Vereenigte Neder­ landsche Oost-Indische Compagnie“ be­ nötigte man 1 000 Eid,enstämme, für ein leichtes Floß auf der Kinzig in Schiltach. 146

Kriegsschiff 4 000. Überhaupt war das Holz das Universalmaterial vom Kochlöffel bis zum Weinfass, von der Leiter bis zur Brücke. Andererseits konnte der Holzhandel durch Politik und Kriege empfindliche Einbußen erfahren. Nur genossenschaftlich war ein solches Un­ ternehmen zu bewältigen, dessen Anfange immer noch nicht genau erforscht sind. Und es bildete sich eine Hierarchie bestehend aus Floßherren und Floßknechten mit eigenen Satzungen, sogar eine Flößersprache ent­ wickelte sich: ,,Holländerer“ = Langholz­ fahrer, ,,holländern“= Langholz transportie­ ren, ,,Holländerfuhrwerk“ = Langholzfahr­ zeug, Unterlast= Gewicht des Floßes, Oblast = Gewicht der Fracht (Kobalt,Vieh … ) ,,Schif­ fer“ = Flößer, ,,Anmähring“ = Eisenring zum Festbinden (hol!. anmähren = festbinden), Gestör= 6-20 Stämme von gleicher Länge. Wenig bedacht wird im allgemeinen, dass vor dem Zusammenstellen der Flöße un­ vorstellbar schwere Arbeiten, abenteuerliche und gefährliche Arbeiten, zu verrichten wa­ ren. Gefällte Bäume schwammen noch lan­ ge nicht im Wasser, sie hatten oft einen wei­ ten Weg zum Fluss, man ließ sie auf einer ei­ gens dafür angelegten Bahn oder Rutsche zu Tal schießen oder von Zugtieren zum Holz­ platz schleifen. Außerdem musste das Bach­ bett so präpariert sein, dass die Stämme durch eine Rinne gleiten konnten. Und schließlich waren Vorrichtungen am Ufer anzulegen (,,Wasserstuben“, Floßweiher zum Stauen des Flusses, Wege entlang des Flusses, Lagerplätze), sie waren zu erhalten und nach jedem Hochwasser zu erneuern. Das Floßwesen wurde nach dem 300jähri­ gen R.iediswaldstreit zwischen Triberg und dem Prechtal 1740 von Österreich, Baden­ Durlach und Fürstenberg neu geordnet, und weil die Gegend um die Kinzig abgeholzt war, wurde von den Hornberger und Schiltacher Schiffern und Flößern Johann Ulrich Traut­ wein (Hornberg), Hans Jacob Damer und Abrahamb Trautwein (beide aus Schiltach) versucht, Holz aus Wäldern, die „mit ihren Holzflößerei Haldenen und Wänden an der Württem­ bergischen Gränzen und gegen dem Stätt­ lein Hornberg sehen“ zu kaufen, wobei sie ausdrücklich mit dem „Kolben“, dem „Frombach“ (in Niederwasser) und dem Binseberg (nicht lokalisierbar) auch den ,,Seelewald“ in Gremmelsbach erwähnten. Obervogt Franz Meinrad von Pflummem und die Argumente der Flößer Franz Meinrad von Pflummern, Obervogt in Triberg, sah sich von 1741 bis 1748 mit den Vorstellungen dieser Flößer konfron­ tiert. Weil diese wussten, dass die Kompe­ tenz für die Genehmigung nicht in seiner Hand lag, sprachen sie sogar bereits 1743 persönlich bei der Vorderösterreichischen Regierung und Kammer in Freiburg vor, aus den Wäldern der Triberger Untertanen Holz kaufen und auf der Gutach flößen zu dür­ fen. Dem Gewicht ihrer Argumente ver­ schloss sich Pflummern nicht, machte sie sich im Gegenteil zu eigen, dies umso mehr als sein Zeitalter merkantilistisch geprägt und der Holzverkauf aufKinzig und Rhein ein einträgliches Geschäft war. Sie hatten überdies im Flößergeschäft mit Holland Er­ fahrung. Für das „Cameral Interesse“ war die Anbindung an das europäische Fern­ handelsnetz ein Vorteil, die Gelegenheit war zu nutzen, wenn schon „die Käuffer die kostbahre undt wenigst auf 1000 Gulden sich belauffendte straßen reparation auf ih­ re aigenen Unkösten zue übememmen sich anhaischig“ machten. Eine solche Chance wollte er wahrnehmen, wenn ihn auch Zwei­ fel quälten, ob sich der Ausbau der Straße nach Hornberg für die Flößer rechnen wür­ de. Denn die Kosten dafür konnte außer ih­ nen niemand übernehmen. Eine Belebung der Wirtschaft wenigstens in diesem Teil der Herrschaft Triberg bedeutete es auf jeden Fall. Mit Schultheiß und Jäger machte er so­ gleich eine Besichtigung der in Frage kom­ menden Wälder. Er sah eine Möglichkeit, die von der Regie-147

Geschichte Den ersten rein praktischen Vorteil würden rung angestrebte „Cammeral-Melioration“ zu verwirklichen. In höflicher Diplomaten­ sprache bestand er bei der Regierung auf ei­ ner Entscheidung. Er selber werde von den Flößern gedrängt, es sei „anjezo die beste Zeith vorhanden“ Ouni 1743), das Holz zu schlagen und Straße und Bäche dafür herzurichten. Wohin sonst mit dem Holz an den Hängen der Gutad1 zu in Niederwasser und an den Grenzen zu Hornberg, immerhin einiger tausend Stämme! Es war ja eine Tatsache, dass das Holz nutzlos in den Wäldern stand und verfaulte, in Triberg es keinen Bedarf dafür gab, ein Eisenschmelzwerk wie in Koll­ nau nicht existierte, e sonstwie aud1 nicht ge­ nutzt werden konnte, so dass es „alt und überständig“ wurde. die Waldbesitzer haben, malte Trautwein dem Obervogt gegenüber aus. Ihnen würde alles ,,Abholz“ (Dolden, Äste und beim Beschla­ gen anfallendes Holz) für den „Hausbrauch“ und das Brennholz bleiben, sie könnten al­ so ihre Wälder schonen, außerdem fällten ihnen die Flößer „zum Theil das Holz an solchen Orthen … wo der Bauer sonsten mit seinem Zug die Mühe sich nicht nähme … und wo selbsten öffters bey Mannsgedenk­ hen kein Stamm gefället worden, oder ein solcher Underthan die Tag seines Lebens nur einen Batzen daraus erlößt hätte“. Wie sehr man sich auf die Flößer verlassen kön­ ne, geht aus dem Folgenden hervor: Ob­ wohl sie wegen großer Holzvorräte in Straß­ burg dort auf ihr Geld warteten, hätten sie die Bauern schon vor Fällung des Holzes „be­ zahlen und befriedigen müssen“ (und es offenbar auch können). Es sei ja nicht nur der Profit für die Wald­ besitzer vom Holz als solchem, sie verdienten aud1 nod1 mit „Taglöh­ nen und Fuhrwerckhen“. Wa das bare Geld für alle irgendwie Beteiligten anging, so argumentierte auch Hornbergs Stadt- und Amts­ schreiber Wilhelm Ludwig Zimmet­ hauser, dass durch Holzhauen, Reis­ sen, durch „Wald- und Bachräumen“ usw. ,,manche Gulden“ zu verdienen wären (1741 ). Die Flößer gingen mit ihren Ange­ boten bis an die äußersten Grenzen ihrer Möglichkeiten. Bereitwillig woll­ ten sie die Flößerordnung in Hom­ berg auf das Gebiet der Herrsd1aft Triberg ausgedehnt sehen. Dazu ge­ hörte gewissenhaftes Vermessen und Abzählen der Stämme, Säubern und Räumen des Bad1es, Schäden „in de­ nen zahmen Veldteren“ werden von den „Schiffern“ ersetzt. Da sie Wald und Feld durchqueren mussten, ka­ men sie sogar für den geringsten Scha­ den auf. Sollte darüber Streit entste­ Die Skizze zeigt den �g der Stämme bis hin zum Sägewerk. hen, so fügten sie sich einer neutralen 148

Holzflößerei Bremsteil eines Floßes im Floßhafen in Wolfach. Instanz. Kein Baum würde gefallt, den der ,,Forst- oder Waldknecht“ nicht „angezeich­ net“ hätte, von jedem Kauf würde er unter­ richtet. Für seine Arbeit würde er auch be­ zahlt werden: 30 Kreu-zer für 100 Stämme. Sie waren „im Geringsten nicht gesinnet, de­ ro Gnädigster Herrschaft Ihre Gebühr nicht zu entrichten“. Trautwein bot sogar 3 bis 4 Kreuzer mehr Zoll als seine „Consorten“. Und für Eichen- und Laub-holz zahlten sie ohnehin das Doppelte. Ausschließen wollte er „Kleinholz“, mit dem kein Gewinn zu er­ lösen war. Darunter war ein Stamm von 30 Schuh Länge zu verstehen, den „ein Mann leicht wegtragen“ könnte. Andererseits war ihnen auch nicht zu ver­ argen, dass sie auf der Sicherheit bestehen mussten, ,,die Nöthige Wuhr Nach Ihrer Be­ quemlichkeit Bawen und Einrichten (zu) dörffen.“ Dafür zahlten sie der Herrschaft kei­ ne Steuer. Von Bedeutung war für sie, dass außer ihnen niemand sonst Holz flößen und sie in ihrer Arbeit hindern durfte. Zur Rentabilität gehörte schließlich auch die Dau- er des Vertrages: 1742 bis 1754. Sie sahen be­ reits 1743 die Zeit dahinschwinden. Schwierigkeiten scheinen nur die unter­ schiedlichen Vorstellungen über die Höhe des Zolls bereitet zu haben. Pflummern ver­ handelte mit den Flößern um einen mög­ lichst günstigen Satz. Trotz „äusserister Mühe“ gelang es ihm nicht, eine Steigerung auf fünf Kreuzer pro großen Stamm zu erzielen. Ei­ ne wesentliche Einnahme konnte vom Zoll für Floßholz kaum erwartet werden. Für Holz der „geringeren und gemeinen“ Gattung, von allem das größte Qiantum, sollte für 100 Stämme je nach Größe nur von 10 bis 30 Kreuzern als Zoll geboten werden, ,,ein ba­ gatell“. Die Argumentation der Flößer wirkt überzeugend. Trautwein bat 1743 den Ober­ vogt zu bedenken, ,,dass W ür alles auf un­ sere Kosten erst einrichten, die Wasserstraß mit ohnbeschreiblicher Müeh und Arbeith im Stand auch das Holz von gar abgelege­ nen wüesten Orthen über Klippen und Fel­ sen nicht nur mit überauß grossen Kosten, sondern so gar öffters mit Leib und Lebens 149

Geschichle gefahr Beybringen.“ Bach und Wasserstraße müssten zum Flößen „aptirt und zugerich­ tet“, also eine Wasserrinne und ein parallel verlaufender Weg angelegt werden. Weiß Gott, ein hartes Brot! Doch ein in Triberg wegschwimmender Stamm kam noch lange nicht unbedingt heil in Holland an, was die Vorderösterreichisd1e Kammerschreiberei be­ stätigte. Von den von Obervogt Pflummern vorgesd1 lagenen und später zugestandenen 7 000 Stämmen würden durch das Flößen ei­ nige hundert, wenn nicht gar tausend so be­ sd1ädigt sein, dass sie „niedergesd1lagen“ wer­ den müssen. Den Schaden hatten die Flößer. Leicht zu klären war dagegen die Frage, ob nid,t durch Kahlschläge auch die Jagd leide. Das Gegenteil war zu erwarten. Die Wälder waren „durch feindt, so freundliches Milita­ re ganz ausgejagt und ruiniert“, das „Ge­ wild“ würde sich „aber bey ruhigen Zeiten in einem neuauf-wachsenden hau lieber … ein­ finden.“ Die Erschwerung der Verhandlungen durch die beiden ersten Schlesischen Kriege Damit stellt sich die Frage, warum, wenn das Flößen nur wirtsd1aftlid1e Vorteile brach­ te, die Genehmigung bis 1747 auf sich war­ ten ließ. Die beiden ersten Sd1lesischen Krie­ ge (1740-43 und 1744-45), das Bündnis Preu­ ßens mit Frankreid1 (gesd1lossen am 4. Juni 1741), in der Folge die Besetzung des Breis­ gaus durch die Franzosen ließen den südli­ chen Schwarzwald zu einem Nebenkriegs­ schauplatz werden. Es ist geradezu schwin­ delerregend, welche Abgaben erpresst und welche physischen Leistungen Mensch und Tier zugemutet wurden. Deswegen sollte der Gegner (Straßburg und das untere Elsaß) neben den Kontributionen von 1743 an nicht auch noch aus dem Handel Nutzen ziehen. Innerhalb von sechs Tagen sollten 40 000 Zentner Heu und 5 000 Zentner Mehl zusammengebracht werden, was den Syndicus Camuzi in Verzweiflung brachte: ,,Um Gottes Willen mann thue, waß mög- 150 lid1 … “ (um die Exekution abzuwenden, Plünderung und Brandschatzung einge­ schlossen). ,,La V ille de Tryberg“ hatte 14 000 Rationen „fourage“ (Pferdefutter) zu liefern. Riesige Mengen von Heu, Hafer, Stroh, Bauholz, Pflöcklinge, Dillen und Ker­ zen kamen hinzu. Die Zahl der von Triberg angeforderten Schanzer z. B. für den Straßenbau zwischen St. Georgen (bei Freiburg) und Breisach schwankt zwischen 18 und 180, Triberg hat­ te 30 Holzhacker und vier Maurer abzusen­ den, es hatte 15 Pferde zu stellen mit Futter für ad1t Tage, Ketten, Stricke und Wagen, da­ zu kamen sieben Leiterwagen. Nicht genug mit alledem: General Moreau ordnete an, dass 120 Triberger Bauern in Schallstatt mit Gerät als Pioniere zu dienen hätten, bei Strafe militärischer Exekution. Und schließlich lag ein französisch-lothrin­ gisches Infanterieregiment vom 15. April bis 14. Mai im „Cantonierungsquartier“ in Tri­ berg, das aber „guthe ordre und Manns­ zud1t gehalten.“ Indessen – wenn nur die Franzosen Forde­ rungen zu stellen gehabt hätten! Die junge Kaiserin Maria Theresia, von Friedrid1 d. Gr. aufs höchste bedrängt, musste ihr Heer al­ lein in den österreichisd1en Vorlanden (Breis­ gau, Schwäbisch-Österreich und Vorarlberg) um 1500 Mann komplettieren, Triberg hat­ te 24 Rekruten zu entsenden, 21 kamen aus der Herrschaft Triberg, drei wurden anders­ wo geworben. Und schließlich noch dies: Selbst vor den 5- 6000 in französischen Diensten gestan­ denen und 1748 in die Heimat zurückkeh­ renden „Teutschen Soldaten“ war man nicht sicher und musste „auf guether Hueth ste­ hen“. Unter diesen Bedingungen kein Han­ del mit Frankreich! Ulrich Trautwein konn­ te aufsd1lussreichen, beruhigenden Bericht geben, dass dies nur in geringem Umfang der Fall war. Nicht der 10. oder 20. Teil er­ reicht Straßburg. ,,Die vornehmste Hollän­ der Wahr“ wurde nach Mannheim und wei­ ter nach Holland „verflözt“. Das weniger

Holzflößerei Das Bild veranschaulicht die Sclnoerholzflößere1� wie sie auch auf der Gutach statlgefunden haben könnte. wertvolle Holz wurde schon in Offenburg, Willstätt, Kehl, im Hanauerland und im Breisgau verkauft. Außerdem sei ein großer Holzüberschuss in Straßburg, also kein gut­ er Preis zu machen. Die Einhaltung der Vorschriften und die Überwachung durch die Regierung Ziemlich ungeduldig wandte sich Trautwein, „Landschiffer zuo Homberg“, am 19. Juli 1747 an das Triberger Obervogteiamt, es wä­ re ihm „gar lieb … , wenn die Sach einmal ih­ re völlige Richtigkeit hette, weilen die Bau­ ren mich täglich hierüber anlaufen und be­ treiben, dieses Comercium aber sowohl de­ nen selben, als vornehmlich auch dem Kai­ serlich und Königlichen österreichischen Cameral Interesse auf verschiedene arth und weis Nuzlich und Verträglich ware.“ So ka­ men auch einmal die Waldbesitzer zu Wort, zu deren Sprecher er sich machte. Als endlich nach „hinweg gezogenem Krüegs Disturbio“ und im Jieben Frieden“ die Re­ gierung in Waldshut, wohin sie vor den fran­ zösischen Truppen geflüchtet war, am 25. Ok­ tober 1747 den Obervogt anwies, ,,denen un- terthanen in ihren Gesuch zu willfahren“, und damit Johann Faller in Niederwasser,Ja­ cob Hermann in Schonach und Johann Weinagger in Gremmelsbach die Erlaubnis gab, ,,ihr alt: Erwachsenes undt überstän­ dig(es)“ … Holz an Johann Ulrich Trautwein und „Consorten“ zu verkaufen, waren Ver­ käufer und Flößer strengen Auflagen unter­ worfen. Das Holz durfte nicht „in feindliche lande“ kommen. Wie andernorts waren, jetzt von der Regierung angeordnet, für das Klafter Brennholz (gerechnet wurde ein Baum für ein Klafter) fünf Kreuzer Zoll zu bezahlen. Für Holz der besten Q!ialität soll­ ten dem Verkäufer 30 Kreuzer, der mittleren 15 Kreuzer, der minderen sechs Kreuzer be­ zahlt werden. Auf dem Kahlschlag sollten ei­ nige Samenbäume stehen bleiben, das „Ab­ holz“ musste ordentlich auf die Seite ge­ räumt, es durfte nicht im Wald verbrannt werden, der Platz musste mit einem Hag ver­ sehen sein, aus der freien Fläche durfte kein Ackerfeld, keine Reute und kein „Waydgang“ werden, andernfalls war die „Forstgarb“ zu entrichten, und für einen neuen „Aufwachs“ musste gesorgt werden. Der Forstknecht hat­ te das ganze Geschehen zu überwachen und 151

Verfasser der „Pflummernschen Chronik“, der die Flöße, sollte es sie denn gegeben ha­ ben, noch selbst gesehen haben könnte, schrieb 1789 unmissverständlich: ,,weder schif noch schif- oder floßbahre wasser sindt in dasigem Herrschaftsdistrict Befindlich noch auch hierzu zu applicieren, massen undt obzwar fast durch alle thäler Ein Klein­ geschlängletes Bächlein rinet, so sind solche jedoch zu nichts anderst als zu wässerung der anligenden matten zu applicieren, undt zu anderen unternemungen aber zu Klein auch wegen darin liegendten fehlsen undt schrofen zu rauh.“ 1767 sei die Gutach ,,nicht mehr floßbar“ gewesen. (s. Barth, S. 94, Literaturangabe). Selbst wenn aufgrund der Anträge der Hornberger und Schiltacher Sd1iffer und Flößer für kurze Zeit auf der Gutach Holz geflößt worden sein sollte und die drei genannten Bauern von der Geneh­ migung Gebrauch gemad1t hätten, die Basis war viel zu schmal, eine Tradition konnte sich nicht bilden. Karl Volk Die historischen Abbildungen zu diesem Beitrag stellte freundlicherweise Fritz Baur, Wo!fach, zztr Ve,fügung. Geschichte darüber Buch zu führen, am Ende der „Flöz­ zeit“ – wegen der vermehrten Wasserführung im Winter (!) Mitte November bis Mitte März – eine Abrechnung vorzulegen, nicht darin aufzuführen waren die 26 Stämme, die die Bauern kostenlos für die Herstellung von Wuhren abgaben. Den Flößern wird „Platz oder Liegenstatt“ für das Holz, ein Weg zu Land und die Was­ serstraße gestattet, für Schäden an Matten, Äckern, Feld und Fischwässern oder wo im­ mer kommen sie auf. Die unparteiische Ob­ rigkeit wird den Schaden feststellen. Das auf zwölf Jahre zugestandene Recht auf Ein­ richtung der Land- und Wasserstraße, das Recht für Wuhren und Schwellung und die Pflicht, den Bach bis zum Obergieß zu säu­ bern, berechtigte nur sie allein, Holz zu flößen. Sie dürfen für sich selbst, ihre Ar­ beiter und Taglöhner Wein einlegen, das U mgeld (pro Saum – vier Eimer – einen Gul­ den und 55 Kreuzer) müssen sie bezahlen, verboten ist ihnen aber „bey hocher Straff“, Wein an Unbeteiligte auszuschenken. Die übrigen „victualien“ sollten sie „in hisiger Herrschafft Erkauffen“. Mit weld1em Miss­ trauen die Regierung, die verhindern wollte, ,,wie es auf dem Wald ieziger Zeit gar gemein“, den Wald zu einem „Fruchtackher“ zu ma­ d1en, die Flößerei betrad1tete, geht aus dem Genehmigungsschreiben der „Vorderöster­ reid1isd1en Cammerschreiberey“ hervor, ,,die Sach einer hod1ansehnlichen Landesfürstli­ chen Commission, die man ohnedeme ge­ wärtiget, zu überlassen“. Nach dieser jahrelangen ernsthaften Be­ mühungen um die Flößerei endlid1 die Fra­ ge: Wurde nun auf der Gutach, soweit sie durch das Gebiet der Herrsd1aft Triberg fließt, Holz geflößt oder nicht? Es hilft nichts, die Antwort muss offen bleiben, ist eher nega­ tiv. Zu denken wäre allenfalls an da Triften von schwächerem Holz. Wieder einmal sd1ei­ nen die Natur und die Ersd1werung durd1 die Politik die Oberhand behalten zu haben. Der Sohn des Obervogts Franz Meinrad von Pflummern, sein Adjunkt Franz Joseph, der 152

Literatur und Qyellen: Ekkehard Lieh! und Wolf Dieter Siek, Der Schwarz­ wald, Beiträge zur Landeskunde, Bühl 1980 Kurt Klein, Land um Rhein und Schwarzwald, 2. Auflage Kehl 1978 Ludwig Barth, Geschichte der Flößerei im Flußge­ biet der oberen Kinzig, Karlsruhe 1895 Konrad Kaltenbach: Heimatblätter. Triberg. Burg und Stadt, Herrschaft und Dekanat in Wort und Bild. Beilage zum .Triberger Bote“ 1926-34 Nr. 36, März 1928, S. 144 Beschreibung der Kayserlich-Königlichen Kam­ meral Statt u. Herrschaft TRYBERG auf dem Schwarzwald von Franz Joseph Freiherr von Pflum­ mem 1789 GLA 65/672-673 Heilmut Gnändinger, Zur Geschichte des Klosterwal­ des AJlerheiligen in .Die Ortenau“ 1985, S. 274 ff. Karl Hasel: Aus der Geschichte der ehemaligen Holz­ hauerkolonien Herrenwies und Hundsbach in: .Die Ortenau“ 1986, S. 377 ff. Johannes Werner: Köhler und Flößer. Ein physiogno­ mischer Versuch in: .Die Ortenau“ 1995, S. 344 ff. Hermann Hesse, Schön ist die Jugend, Erzählungen, Holznößerei Frankfurt a. M. 1971 Heinrich Hansjakob, Waldleute, Freiburg 10. Auflage 1968 Werner Hörnemann: Ein Wald geht auf die Reise. Florians abenteuerliche Floßfahrt, Recklinghausen 1994, besprochen von Manfred Jahnke in .Stuttgar­ ter Zeitung“ Nr. 170, 26. Juli 1995, S. 28 Max Scheifele: Die Murgschifferschaft, Geschichte des Floßhandels, des Waldes und der Holzindustrie im Murgtal Casimir Katz Verlag 1988 Ders.: Als die Wälder auf Reisen gingen, Wald­ Holz-Flößerei in der Wirtschaftsgeschichte des Enz­ Nagold-Gebietes, Karlsruhe 1996, besprochen von Ulrich Baron im .Rheinischen Merkur“, Nummer 4, 26. Januar 1996, S. 8 GLA 122/63 GLA 122/234 GLA 122/256 GLA 122/257 GLA 122/259-264 GLA 229/74940 „Marktplatz von Tryberg“ von Johann Baptist Rimprecht (1830), der 1801 in Triberg geboren wurde. 153

Geschich1e Lina Knöpfle und Priska Eckert arbeiten als „Kulturfrauen“ im Wald Ein Stück Frauengeschichte bleibt das Dasein einer „Kulturfrau“ Kno­ chenarbeit. Von Anfang, Mitte April bis teil­ weise in den November hinein sind die bei­ den Frauen aus Mistelbrunn täglich drei bis vier Stunden im Revier Hubertshofen tätig. Einteilen können sie sid, den Arbeitsbeginn selbst, ,,es ist egal, ob wir vormittags oder nachmittags arbeiten“, erzählt Priska Eckert, die seit 21 Jahren im Revier arbeitet und zu­ vor bereits rund zehn Jahre bei der Fürstlich Fürstenbergischen Forstverwaltung in Do­ nauesd1ingen beschäftigt war. Nur eines sei klar, die Arbeit muß erledigt werden. Ruhig und bedächtig geht es in der Baum­ schule am Waldesrand voran. Priska Eckert und Lina Knöpfle haben etliche kleine, rund vierjährige Tannen aus dem Boden gezogen, die Erde, die an den Wurzelballen hing, ab­ geklopft und die Pflanzen in einen Schub­ karren gelegt. Wieviel Bäumchen sie auf die­ se Weise schon verschult hat? Lina Knöpfle zuckt die Schultern, sie weiß es nicht. Eini­ ge zehntausend werden es wohl sein. Was ihr Herz erfreut, sind die Baumbestände, von denen sie sagen kann, daß sie diese vor Jahrzehnten einmal gepflanzt hat. Ja, am Anfang in jungen Jahren, als sie ihrem Ehe­ mann nach Mistelbrunn gefolgt war und die Arbeit im Wald angenommen hatte, da war sie außer in der Baumschule auch draußen beim Pflanzen tätig. Viel mehr habe an Hand­ arbeit verrichtet werden müssen. Bis zu acht „Kulturfrauen“ waren in den besten Zeiten in Hubertshofen beschäftigt, im Laufe der Jahre wurden es weniger. Kolleginnen wan­ derten in die Fabriken ab, die Jüngeren er­ lernten einen Beruf. Wilhelmina Keller, mit der sie noch bis vor zwei Jahren zusammen arbeitete, verrichtete die Waldarbeit noch bis ins Alter von 81 Jahren. Zur Arbeit sei Wilhelmina oft noch mit dem Traktor ge­ fahren, Lina Knöpfle selbst führt ab und an Leise knirschend dringen die beiden Spa­ ten in den Waldboden, vollständig im Gleid,­ klang. Dann noch ein Spatenstid, auf der lin­ ken Seite, dem ein Spatenstich auf der rech­ ten Seite folgt. So geht es Meter um Meter, Pflanzreihe um Pflanzreihe. Lina Knöpfle wischt sid1 mit dem Handrücken die Schweiß­ perlen von der Stirn, hinter ihr und ihrer Ar­ beitskollegin Priska Eckert liegen bereits zwei Stunden Arbeit unter freiem Himmel in pral­ ler Sonne. Nod1 immer drückt die Luft gewit­ tergeladen auf den Waldesrand bei Huberts­ hofen, die Vögel zwitsd,ern in tausend Stim­ men. ,,Der Wald ist wichtig für die Mensd1en und wir sind ein wenig Stolz, unseren Beitrag hierzu zu leisten.“ Bescheiden wendet sid1 die 74jährige „Kulturfrau“ wieder ihrer Arbeit zu, denn sie weiß, daß ihre Arbeit von vielen Mit­ menschen gar nicht wahrgenommen, viel­ leid1t sogar ein wenig gering gesdiätzt wird. Die 55jährige Priska Eckert nimmt die Sache mit Humor, zieht ihren Strohhut nod1 ein we­ nig tiefer ins Gesid1t und lächelt verschmitzt: ,,Wir sind zwar ungelernt, haben keine Berufs­ ausbildung, aber man muß ja schließlich et­ was tun.“ Und Lina Knöpfle fügt hinzu: ,,Wir mad1en unsere Arbeit, solange sie uns ge­ fallt.“ Arbeit aus Liebe zur Natur Nein, sie habe noch nie Lust verspürt, die Waldarbeit an den Nagel zu hängen, trotz ihres hohen Alters. ,,]eh liebe die Natur“, um­ reißt Lina Knöpfle, die aus einer Winzerfa­ milie in Köndringen zwischen Riegel und Emmendingen stammt, in kurzen Worten die Gründe, die sie seit mittlerweile 40 Jah­ ren bewegen, im Donaueschinger Stadtwald als „Kulturfrau“ zu arbeiten. Seit den jungen Mädchenjahren sei sie die Arbeit im Wald und in den Weinbergen gewöhnt, trotzdem 154

noch mit dem Mofa in den Wald. .Kulturfrauen“ Daß die Waldarbeit auch ihre lustigen Sei­ ten hat, davon weiß Lina Knöpfle einiges zu erzählen. Einmal, da sei sie als junge Frau zusammen mit einigen anderen den Wald­ hang hinunter gekugelt, um eine Wette zu gewinnen. Später habe man die gewonnene Flasche Wein gesellig zusammen getrunken. Oder ein andermal, als die Frauen auf die Kilbig hätten verzichten müssen, weil noch Kulturarbeit erledigt werden mußte, da hät­ ten sie sich die Pause im Wald mit einem Pick­ nick, bei dem auch Kuchen gegessen wurde, etwas versüßt. Lina Knöpfle hebt bei diesen Worten den Schubkarren mit der Tannen­ verjüngung an und schiebt ihn auf den Wald­ weg. 30 Meter weiter, unter dem Kronendach des benachbarten Fichtenbestandes, hält sie an einem Holztisch inne. Priska Eckert folgt ihrer Kollegin und beide beginnen, die Tan­ nen in kleine Plastikbehälter zu setzen, die sie mit Humus auffüllen. Ab und an schnei­ det Priska Eckert, die aus einer Waldarbei­ terfamilie stammt (ihr Vater arbeitete 40 Jah­ re lang als Holzfäller und auch ihr Bruder war 25 Jahre lang im gleichen Beruf tätig), die Wurzel eines der Bäumchen zurecht. Die Arbeit geht gut von der Hand. Die SSjähri­ ge packt schließlich eine am Boden liegende Schaufel, um frischen Humus auf den Tisch zu laden. ,,Laß gut sein“, winkt Lina Knöpfle nach einer Weile mit Blick auf den gewittri­ gen Himmel und den noch zu verschulen­ den Pflanzen ab. Die Pflanzenkübel mit den Tannen werden nach und nach auf eine um­ zäunte Fläche gekarrt, wo sie schließlich noch gewässert werden. Eine 200jährige Geschichte Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht die Bedeutung der Frauen für die Waldarbeit der vergangenen 200 Jahre. Die Anfange der re­ gelmäßigen Mitarbeit von Frauen im Wald fällt auf den Beginn der geregelten Forst­ wirtschaft. Die Begründung der Waldbe­ stände durch Saat und Pflanzung führte da- Priska Eckert ist seit 31 Jahren, Lina Knöpfte sogar schon seit über 40 Jahren im Wald tätig. zu, daß Frauen zu Beginn des 19. Jahrhun­ derts schließlich zur Kulturzeit im Frühjahr und Herbst für die Bodenbearbeitung, die Verjüngung des Waldes sowie das Reinigen der Kulturen angeworben wurden. Geschätzt wurde das weibliche Geschlecht wegen sei­ ner sorgfältigen Arbeitsweise und nicht zu­ letzt wegen der geringen Lohnkosten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten weibli­ che Kräfte in Deutschland einen Anteil an der Waldarbeiterschaft, der zwischen 20 und 40 Prozent lag, die Landflucht im Zuge der Industrialisierung hatte im 19. Jahrhundert ihren Beitrag hierzu geleistet. In den beiden Weltkriegen halfen besonders viele Frauen im Wald mit, um die fehlenden Männer zu er­ setzen. Die Wiederaufforstungen nach den sogenannten Reparationshieben in der Folge des Zweiten Weltkrieges wurden in der Hauptsache von Frauen geleistet. Die Rück­ seite der SO-Pfennig-Münze erinnert noch heute an diese Leistung. Anfang der 1950er Jahre waren in der Staatsforstverwaltung Baden-Württemberg noch rund 13 000 Waldarbeiterinnen beschäftigt, Waldarbeiter gab es zirka 14500. Der Abschluß der Wie­ deraufforstungen, die zunehmende Techni­ sierung der Waldarbeit und der stärkere Ein­ satz von Männern ließ den Frauenanteil an der Waldarbeit schließlich stetig sinken. 155

Geschichte 1973 bestand die erste Frau die Prüfung zur Waldfacharbeiterin, das Ende der ungelern­ ten Waldarbeiterin war eingeläutet. Erst Mit­ te der l 980er ließen sich die ersten Frauen im 1974 geschaffenen Berufsbild des Forst­ wirts ausbilden. 1998 lag der Frauenanteil bei den Waldarbeitern in den Staatsforstbe­ trieben bundesweit bei rund acht Prozent. Die beiden „Kulturfrauen“ von Huberts­ hofen haben auch in der heutigen Zeit das ganze Jahr genug zu tun. Sei es, im Frühjahr und Sommer die Baumschule in Schuß zu halten und die Pflanzen für die Kultur vor­ zubereiten, sei es, draußen in der zeitlichen Folge durch Freischneiden auf den vergras­ ten Waldfläd1en Kulturpflege und im Herbst durch Bestreichen der Tannentriebe mit Ver­ bißsd1utzmittel den Waldschutz zu betrei­ ben. Die Jahreszeiten im Wald werden für die beiden Frauen zu einem Spiegel der zu verrichtenden Arbeiten. Letztlich ist die Waldarbeit von Lina Knöpfle und Priska Eckert jedoch auch ein Blick in eine beina­ he schon vergangene Zeit, die sich in Tei­ len noch ins 21. Jahrhundert herüber ge­ rettet hat. Stefan Limberger-Andris • Zum Jahreswechsel Zahlen, Raum und Zeit sind aus der Ewigkeit; gottgläubig sei als Christ bis du im Himmel bist! Zahlen, Zeit und Raum halten did1 im Zaum; nad1 Gottes Schöpfungsplan die Taten ordne an! Zeiten, Raum und Zahl; du hast nur eine Wahl: solang du bist am Leben mußt schaffen du und streben. Räume, Zahl und Zeit; besser geht’s zu zweit. Für ihn: Doch sei dabei so schlau, sud1 dir die richt’ge Frau! 156 Für sie: Drum wähle dir den Mann, der vieles sd1affen kann! Zeiten, Zahl und Raum; steh‘ feste wie ein Baum! Du mußt im Sturm dich biegen, dann wirst du aud1 obsiegen. Räume, Zeit und Zahl; denk an’s Abendmahl! Wenn du gehst zur Beicht, wird das Leben leicht. Das Gute hat Gewicht für dich beim Endgericht. Es steht wie eine Mauer an Anzahl, Größe, Dauer! Bruno Wehinger

10. Kapitel /Almanach 2001 Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis In Deutschland einzigartige Einrichtung Die Sauschwänzlebahn wurde durch einen Eisenbahnlehrpfad erschlossen eingerichtet. Dieser beginnt am Bahnhof Zollhaus-Blumberg und fuhrt bis zum End­ punkt der Museumsstrecke am Bahnhof Weizen. Die Stadt Blumberg sowie die Aktiven der Interessengemeinschaft zur Erhaltung der Museumsbahn Wutachtal (IG WTB e.V.) sind immer wieder bemüht, den Besuch auf der „Sauschwänzlebahn“ attraktiver und in­ formativer zu gestalten. Dabei soll der Besu­ cher Zeit zur Entspannung und Unterhaltung finden, gleichzeitig aber auch Gelegenheit ha­ ben, Interessantes zur Bahn, zur Ei­ senbalmgeschich­ te und zum rei­ chen Erbe der Heimat zu erfah- ren. Da die Wanderstrecke etwa 19 km beträgt, bietet sich mit Pausen zum Rasten, Besichti­ gen und Fotografieren sowie der Rückfahrt mit der Sauschwänzlebahn oder einem SBG­ Bus Weizen­ Blumberg, eine Tagestour an. Dabei sollten die Fahrpläne unbedingt be­ achtet werden, damit eine si­ chere Rückkehr zum Ausgangs­ punkt gewährlei­ stet ist. Es können eben­ so auch Teil­ stücke begangen Der 19 Kilometer lange Lehrpfad ist von Blumberg nach Wei- werden. Hierzu zen durchgehend beschildert. eignen sich als Endpunkte der Wanderung der BahnhofFützen, ca. einein­ halb Stunden, oder der Haltepunkt Laus­ heim-Blumegg, ca. dreieinhalb Stunden, vom Ausgangspunkt entfernt. Für die teil­ weise unbefestigten Wege ist gutes Sd1Uh­ werk unbedingt erforderlich. Die Mitnahme von Kinderwagen, Mountainbikes etc. ist nicht empfehlenswert. Die in den Jah­ ren 1887 bis 1890 unter militärstra­ tegischen Ge­ sichtspunkten er­ baute Bahnstrek­ ke, die nie eine größere Bedeut­ ung erlangte, je­ doch in all den Jahren immer wie- der Unsummen an Unterhaltungskosten ver­ sd1lang, wurde nach der Betriebseinstellung durch die damalige Deutsche Bundesbahn von der Stadt Blumberg übernommen. In Zu­ sammenarbeit mit der EUROVAPOR wurde dann im Jahre 1977 der Museumsbetrieb auf- genommen. Seither ist es nid1t nur ein Erlebnis, die Strecke mit dem Zug zu befahren, sondern es ist auch empfehlenswert, die einmalige Landsd,aft und ihre eisenbahnhistorischen Besonderheiten auf einer Wanderung zu er­ kunden. Dafür wurde nun, bislang einmalig in Deutschland, der „Eisenbahn-Lehrpfad“ Die großen Attraktionen der Bahnstrecke liegen unmittelbar am Weg und werden durch Tafeln, die weitreichende Informati­ onen vermitteln, ergänzt. Nad1 dem „Bahnhof Zollhaus-Blumberg“, der wegen seiner Lage auf einem alten 158

Eisenbahnlehrpfad Vom „ Vier-Bahnen-Blick“ im Kommental bietet sich die beste Aussicht auf die Museumsbahn. Hochmoor auf 224 hölzernen Pfählen, die vier Meter tief in die Erde eingerammt wur­ den, gegründet ist, folgt der „Buchbergtun­ nel“ mit seinem kunstvollen Steinquader­ bau am Nordportal, das vom Wanderweg gut einsehbar ist. Der Vier-Bahnen-Blick Nach Überquerung des Bergrückens wird auf der gegenüberliegenden Seite im Kom­ mental der „Vier-Bahnen-Blick“ erreicht, ei­ ne Aussichtsstelle, die in Deutschland wohl einzigartig ist. In Blickrichtung Süden sieht man von hier aus die Bahntrasse gleich vier­ mal. Hier ist ein idealer Standpunkt für Fo- tografen, direkt oberhalb des „Biesenbach­ viaduktes“ und des „Talüberganges Epfen­ hofen „, der grössten Brücke der Strecke. Weiter fuhrt der Weg nahe an den genann­ ten Brücken und dem kleinen „Bahnhof Epfenhofen“ vorbei und man gelangt zum ,,Bahnbetriebswerk und Bahnhof Fützen“. Hier, etwa in der Mitte der Museumsbahn­ strecke, befindet sich die Leitstelle der Bahn und hier werden auch die Museumsfahrzeu­ ge der Sauschwänzlebahn gepflegt und ge­ wartet. Zwei Lokschuppen ermöglichen ein wetterunabhängiges und ganzjähriges Arbei­ ten an den Fahrzeugen. Weiter unten im Tal folgt nach dem „Talübergang Pützen“ der in „Große Stockhalde-Kreiskehrtunnel“, 159

Eisenbahnlehrpfad dem die Bahnstrecke innerhalb des Berges einen vollständigen Kreis mit 360 Grad be­ schreibt und hierbei 15,5 Meter an Höhe ge­ winnt. Er ist der einzige Kreiskehrtunnel im Verlauf einer Mittelgebirgsbahn weltweit, der einzige Tunnel dieser Bauart in Deutsch­ land und zugleich der zweitgrößte in Euro­ pa. Mit der „Wutachbrücke“ wird der vorde­ re Teil der Wutachschlucht erreicht, dem ein­ zigen unverbauten Flusslauf des Süd­ schwarzwaldes. Der Bau der Brücke bereite­ te den Erbauern aufgrund geologisch bedingter Rutschungen viele Sorgen. Der folgende, unscheinbare „Haltepunkt Laus­ heim-Blumegg“ war einst ein großer Güter­ umschlags- und Holzverladeplatz und stellt einen idealen Ausgangspunkt für Wande­ rungen entlang der Wutach dar. Schließlid, ist am ehemaligen „Bahnhof Weizen“ die Endstation der Tour erreid1t. Absd1ließend sei noch angemerkt, daß die Wanderstrecke durchgehend mit gelben Red1tecksd1ildern, die das Symbol einer ro- ten Brücke tragen, gekennzeichnet ist. Der zu überwindende Höhenunterschied be­ trägt ca. 250 Meter. Sowohl beim Ausgangs­ als auch beim Endpunkt, falls die Strecke in umgekehrter Richtung begangen werden soll, sind ausreichend Parkmöglichkeiten vorhanden. Armin Kienzler Weitere Informationen erteilt die Stadt Blumberg, Sauschwänzlebahn, Hauptstr. 52, 78176 Blumberg, Tel.: 07702/51-200 bzw. Fax: 07702/51- 222 oder über das Internet unter: www.sauschwaenzlebahn.de Der Bahnhof Zollhaus-Blumberg ist Anfangs- und Endpunkt des Eisenbahnlehrpfades. 160

,Yerschwiegener Zeuge“ vieler Ereignisse Kindheitserinnerungen an den Bahnhof Zollhaus-Blumberg Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis Bahnhöfe, gleich welcher Größe, waren schon immer Orte menschlicher Begegnun­ gen und Schicksale und könnten uns, so sie denn reden würden, manche Ereignisse und Begebenheiten erzählen, deren verschwie­ gene Zeugen sie im Laufe von Jahrzehnten wurden. Da stellt auch der kleine, im Jahre 1889 erbaute und bis heute wenig veränder­ te Bahnhof Zollhaus-Blumberg, keine Aus­ nahme dar, abgesehen davon, daß er seit 1977 dem Museumsbahnbetrieb der „Sau­ schwänzlebahn“ dient und das Eisenbahn­ museum beherbergt. Auch die dramatischen Ereignisse in den unseligen Kriegsjahren gingen nicht spurlos an dem sonst eher verträumten kleinen Bahnhof vorbei. Wie damals üblich, wohn­ te der Bahnhofsvorstand mit seiner Familie im selben Gebäude. Von 1937 bis 1954 hieß der Bahnhofsvorsteher Josef Heimann; er residierte in der Wohnung im ersten Stock mit Frau und Kindern. Zeitweilig war er für bis zu 17 Mitarbeitern verantwortlich. Nach über 46 Jahren Abwesenheit besuch­ te im Sommer 1999 seine Tochter Eleonore Qerman-Heimann) wieder den Ort ihrer Kindheit. Manches fand sie unverändert, besonders im Wohnbereich, vor; anderes war verschwunden oder umfunktioniert, wie etwa aus der Güterhalle das Eisenbahnmu­ seum entstanden ist. Spontan erklärte sie sich bereit, aus Sicht ihrer Kindheit ihre Erinnerungen an die Zeit im Bahnhof Zollhaus aufzuschreiben. Die­ se Erinnerungen sind persönliche Erlebnis­ se, Zeugnisse eines nicht nur romantisch Der Bahnhefin Zollhaus-Blumberg,fotografiert im Jahr 1958. 161

Bahnhof Zollhaus·ßlumberg verklärten Berichts über das Bahnhofsvor­ steherlebens auf dem Lande. Aber lassen wir nun Frau Jerman-Heimann selbst zu Wort kommen (wobei die Aufzeichnungen nur geringfügig gekürzt wurden): Viele Züge befuhren diese wichtige Bahn­ linie, nachts vor allem Militär-, Lazarett-, Kriegsmaterial- und Gefangenentransporte. (Da das Kinderzimmer zum Bahnsteig hin lag, haben mein Bruder und ich oft in der Nad,t zum Fenster hinaus gesehen.) Industrie hatte sich in Zollhaus angesie­ delt, u.a. das Erzbergwerk (Doggererz AG). Das Bergwerk war einige Male Angriffsob­ jekt der feindlid,en Flugzeuge. Da es jedoch durch Wälder gut versteckt war, wurde es nid,t getroffen. Bei einem solchen Angriff wurde leider ein vorbeifahrender Personen­ zug besd,ossen. Die traurige Bilanz waren ad,t Tote. Eine der Toten kam von der Be­ erdigung ihres Gatten. Der Zweite Weltkrieg Um den 21. April 1945 war der Einmarsch der Franzosen. Mein Vater hielt bis zur letz­ ten Minute die Stellung im Bahnhof. Er te­ legrafierte an die umliegenden Bahnstatio­ nen, damit keine Züge in die Kampfhand­ lungen gerieten. Im Kugelhagel flüchtete auch er, wie fast alle Einwohner von Zoll­ haus, in den nahen Buchbergtunnel. Einige deutsche Soldaten, welche mit einem fahr­ baren Geschütz in den Tunnel kamen, woll­ ten die Eisenbahnbrücke bei Epfenhofen zerstören. Unter Einsatz seines Lebens hat mein Vater diese unsinnige Idee verhindert. Die Bevölkerung von Zollhaus verbrachte drei Tage im Tunnel. Franz Schmid (Odili­ en-Franz) war der Einzige, der daheim blieb. Er war es aud,, der uns aus dem Tunnel hol­ te. Wie in einer Proze sion kamen wir ins Dorf zurück. Das Kind Inge Sd,mid sd1wenk­ te an einem Spazierstock ein weißes Kopf­ kissen als Zeichen, dass wir in friedlicher Ab­ sicht heimkommen. Am Dorfeingang, auf dem Lindenbühl, wurden wir von französi- 162 sehen Soldaten empfangen. Auf der Strasse bei der Bahnmeisterei standen Panzer. W ir bekamen freies Geleit nach Hause. Entlang der Strasse lagen tote Soldaten. Man sagte uns: ,,Die tun euch nichts mehr!“ Als wir am Bahnhof ankamen, glaubten wir, dass dieser noch unversehrt sei, doch als wir die Haustür öffneten, lagen Schutt und Steine im Gang. Beim Wohn- und Kinder­ zimmer fehlte die Wand. Die Möbel waren zum größten Teil kaputt und lagen auf dem Bahnsteig verstreut. Vis-a-vis vom Bahnhof, in etwa 300 Meter Entfernung, stand im Ried ein großes Geschütz zwischen zwei Tannen. Als die Franzosen aus Richtung Donaueschingen einmarschierten, wurde mit diesem gesd,ossen. Wahrscheinlich wur­ de dabei der Bahnhof getroffen. Der Bahnhof wurde von französischem Militär besetzt. Das Elternschlafzimmer wur­ de von Offizieren benutzt, und wir schliefen in der Küche. Die Besatzer haben sich uns gegenüber äußerst anständig benommen (Einer der Offiziere schenkte meiner Mutter einen großen blauen Schal, damit sie mir ein Kleid nähen konnte). Als die Panzertruppe in Richtung Randen weiterzog, gab es im Wald ein großes Gefecht. ld, erinnere mich, dass Fahrzeugteile und Kleidungsstücke auf den Bäumen hingen. Anschließend wurde der Bahnhof für etwa eine Wod,e von Marokkanern besetzt. Sie kamen zu Fuß mit bepackten Maultieren. Auf dem Holzboden in der Güterhalle (heu­ te Eisenbahnmuseum) haben sie Feuer ge­ macht. Mein Vater hat ihnen dies dann ver­ boten. Was wäre sonst mit dem Bahnhof ge­ schehen? Kaffee für Hamsterer Später, als die Bahnlinie wieder in Betrieb genommen wurde, demontierten die Besat­ zer das Erzbergwerk und die große Förder­ brücke, welche über das Ried führte. Der Abtransport wurde mit Zügen vorgenom­ men.

Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis Besuch von Emil Eisele, Präsident der Bundesbahndirektion Karlsruhe, um 1950. Bahnhofsvorstand Josef Heimann (vierter von rechts) begrüßt die Gäste. 46 Jahre sind vergangen, seitdem ich nicht mehr in diesem Bahnhof lebe. Manches hat sich verändert. Der große Garten ist ver­ schwunden, bei der Güterhalle finden keine Schweinemärkte mehr statt, Zirkusse wer­ den nicht mehr verladen und es werden kei­ ne Milchkannen mehr umgeschlagen, die per Pferdefuhrwerk aus Fürstenberg und Riedböhringen angeliefert wurden. Seine frühere Bedeutung hat er verloren. Mit großer Freude habe ich aber festgestellt, dass man den Bahnhof und die Güterhalle zu neuem Leben erweckt hat. Dietrich Reimer Die Nachkriegszeit, die sogenannte Ham­ sterzeit, verlieh dem Zollhauser Bahnhof ei­ ne besondere Bedeutung. Nicht nur viele Flüchtlinge, sondern eben Hamsterer beleg­ ten das Areal des Bahnhofs. Meine Mutter hat manche Tasse Kaffee an Frierende ver­ teilt. Die Abendzüge waren übervoll besetzt. Reger Tauschhandel wurde mit den Bauern betrieben. Da durch die Besatzung ständig kontrolliert wurde, war dies ein riskantes Unterfangen. Als sich das Leben wieder normalisierte, hat sich in Blumberg die Taschentuchwebe­ rei angesiedelt. Dies belebte den inzwischen ruhiger gewordenen Güterverkehr. Im Verlauf der Jahre, als der Straßentrans­ port zunahm und große Reparaturarbeiten an den Tunnels und der Bahnlinie anfielen, wurde es still um den Zollhauser Bahnhof Mein Vater ließ sich 1954 in die Heimat sei­ ner Gattin, nämlich die Lörracher Gegend versetzen. Nach 42 Dienstjahren trat er dann in den wohlverdienten Ruhestand. 163

Museen im Schwarzwald-Baar-Krei „Jurassic Park“ in Tuningen lnfonnationstafaln weisen Besucher und Besuche­ rinnen a1if die Besonderheiten am Wegesrand hin. großer Teil Mitteleuropas vorn Jurameer be­ deckt und die Gesteine sind das Ergebnis von Ablagerungen an seinem Boden. Heu­ te werden ie in Landwirtschaft, Forstwirt­ schaft und Industrie genutzt. Von Wander­ station sieben blickt man auf das Liapor­ werk, das Tone au dem Lias und Dogger zur Herstellung von Blähtonkugeln nutzt. Sie haben sehr gute Dämmeigenschaften und Zeitreise durch 200 Millionen Jahre In Tuningen kann man auf einem Wanderpfad durch die Geschichte schlendern Am östlichen Rand unseres Landkreises, 746 Meter über dem Meeresspiegel, liegt auf der Hochfläche der Baar die Gemeinde Tu­ ningen. Der Ort mit seinen 2 700 Einwoh­ nern kann auf eine lange und interessante Geschichte zurückblicken. 1997 wurde das l 200jährige Jubiläum gefeiert und damit an die erste schriftliche Erwähnung Tuningens in einer Urkunde des Klosters St. Gallen im Jahr 797 erinnert. Der Ort ist allerdings sehr viel älter, wie einige Funde beweisen. Aufle­ bendige Art vermittelt das örtliche Heimat­ museum dem Be ucher die historische Überlieferung. Darüber hinaus hat die Ge­ meinde etwas ganz Besonderes zu bieten: Geschichte kann hier nämlich erwandert werden. Der auflnitiative von chuldirektor Böhringer eingerichtete „Geschid1tlid1e Wan­ derpfad“ führt von der Bushaltestelle in der Ortsmitte aus zu den über die ganze Ge­ markung verteilten Fundstellen und Denk­ mäler. 13 Information tafeln und zusätzli­ che Modelle, darüber hinaus geologische und waldbauliche Hinweise entführen den Wanderer bzw. Radfahrer in vergangene Zei­ ten. Am weitesten zurück in die Vergangenheit führen die Stationen sieben und elf des Lehrpfades, wo der Wanderer Einblick in die erdgeschichtliche und die biologisd1e Entwicklung erhält. Der Boden, auf dem er hier steht, ist eine Hinterlassenschaft aus dem Zeitalter des Jura, der vor 213 bis 144 Millionen Jahren eine Epoche des Erdmit­ telalters (Mesozoikum) bildete. Der Jura un­ terteilt sich nach Gesteinstypen in Schwarzer Jura (Lias), Brauner Jura (Dogger) und Weißer Jura (Malm). Man befindet sich auf ehema­ ligem Meeresgrund, denn damals war ein 164

Geschichtlicher Wanderpfad Station 8 (Nachbildung eines keltischen Grabhügels) informiert über die Bestallungsrilen der Kellen. werden in der Baustoffindustrie und in der Hydrokultur eingesetzt. Bei Station elf wur­ de ein sehr seltener versteinerter Ammonit mit Namen Eoderoceras bispinigerum ent­ deckt. Dieser Meeresbewohner und Zeitge­ nosse der Saurier ist nach seinem Tod auf den Meeresgrund abgesunken und hat sei­ nen Abdruck auf dem Sedimentboden hin­ terlassen. Steinwerkuuge und Hügelgräber – Die Anfiinge menschlicher Kulturgeschichte Ein gewaltiger zeitlicher Sprung führt uns in die Anfänge menschlicher Kulturge­ schichte. Die Wanderstationen vier und 13 sind Fundstätten von Werkzeugen aus der Jungsteinzeit (20000-4500 v. Chr.). Bei Sta­ tion vier wurde ein Flachbeil mit geschliffe­ ner Klinge gefunden, das entweder als Werk­ zeug oder auch als Waffe benutzt werden konnte. Station 13 ist Fundort eines Kern­ stücks, das die Mitte (den Kern) eines Stei­ nes bildete, an dessen Randbereich mehrere Teile abgeschlagen und zu Werkzeugen ver­ arbeitet wurden. Die Wanderstationen eins, sechs und acht führen bereits in die Eisenzeit, in der das Volk der Kelten das Gebiet bewohnte. Während der frühen Eisenzeit, nach einem oberösterreichischen Fundort auch Hall­ stattzeit (750-450 v. Chr.) genannt, wurden die Toten in Hügelgräbern bestattet. Sehr berühmt ist das Fürstengrab des Villinger Magdalenenbergs, des größten mitteleu­ ropäischen Grabhügels. Station eins unseres Weges ist Kreuzungspunkt zweier alter Straßen, die vermutlich schon von den Kel­ ten genutzt wurden. Im Nahbereich befin­ den sich 30 Grabhügel, von denen elf, süd­ westlich im Gewann „Hinter der Burg“ ge­ legen, mit dem Auge noch gut erkennbar sind. Bei Station acht ist ein Modell zu se­ hen, welches das ursprüngliche Aussehen ei­ nes Keltengrabhügels veranschaulicht. Der Hallstattzeit folgt die Latenekultur (500 v. Chr. bis 75 n. Chr.), die entlang unserer Route ein interessantes Denkmal hinterlas- 165

Geschichtlicher Wanderpfad sen hat. Bei Wanderstation sechs sind die Reste der „Viereckschanze“ zu sehen, eines keltischen Kultbezirks, der auch als Flieh­ burg gedient haben könnte und ins 1. Jahr­ hundert v. Chr. datiert wird. Erkennbar ist ein Wallgeviert von ca. 60 m auf70 m Größe und bis zu 1,20 m Höhe, das von einem breiten Graben umgeben ist und dessen Ecken leicht überhöht sind. Der Durchlaß der ehemaligen Toranlage befindet sich nordöstlid1. Die keltisd1en Schanzen hatten im Inneren ein Tempelgebäude und einen tiefen Opfersd1acht, der für blutige Rituale vorgesehen war. Die Römer auf der Baar Steinbrocken und Kiesel und als Abschluß Steinpflaster. Station drei zeigt die Nad1bil­ dung einer römischen Meile. Alle Straßen waren vermessen und durch Meilensteine markiert, wobei eine römische Meile 1478 Metern entspricht. Bei Station zehn wurden Teile der Grundmauern eines ehemaligen römischen Gutshofes entdeckt. Wir befin­ den uns hier im Gewann „Weil“. Man ver­ mutet, daß der Name von „villa“ herkommt, denn ein römischer Gutshof hieß „villa ru­ stica“. Das blühende römische Leben wurde durch das Eindringen der Alamannen um 233 n. Chr. beeinträchtigt und fand schließ­ lich mit dem Fall des Limes in den Jahren 259/260 und dem folgenden Rückzug der römischen Grenze auf die Rheinlinie ein Ende. Ein Teil der Alamannen, in der Völ­ kerwanderungszeit von den Franken nach Süden verdrängt, ließ sich in der Baar nieder und gründete Dörfer, deren Namen meist auf „ingen“ endeten. Tuningen ist eine ihrer ältesten Gründungen. Ab dem 6 ./7. Jahrhundert wurden die Alamannen dann ins Franken­ reid1 eingegliedert. An diese Zeit erinnern die Wan­ derstationen neun und zwölf. Bei Station zwölf befand sich ein Alamannen-Friedhof. Die Toten wurden, nach Osten blickend, unverbrannt mit­ samt ihrer persönlichen Habe in Reihengräbern bestattet. In den Gräbern wurde eine Spatha (zwei­ schneidiges Langschwert), zwei Saxe (ein­ schneidige Hiebschwert) und ein Bronze­ knopf gefunden. Station neun trägt den T i­ tel „1200 Jahre Tuningen“. Hier wird an den alemannischen Adeligen T hrutbert von Dai­ ningas (Tuningen) erinnert. Dieser hatte im Jahr 797 seine Besitzungen in Weigheim und Trossingen dem Kloster St. Gallen ge­ schenkt. Die Schenkungsurkunde enthält die erste urkundliche Erwähnung Tuningens. Erinnert wird aud1 an die Legende von Stam- Wo Geschichte leben- dig wird: Bei Station zwei des Wanderlehr­ pfades ist die Nachbil- dung einer römischen Straße mit ihrem vierschichtigen Auf- bau zu sehen. Einen tiefen kulturellen Einschnitt bringt das Eindringen der Römer ins heutige Süd­ westdeutschland seit etwa 15 n. Chr. Sie er­ richten als Grenzsicherung eine ganze Kette von Kastellen, die durch Heerstraßen ver­ bunden sind und in deren Nad1barschaft zi­ vile Lagerdörfer entstehen, aus denen sich oftmals Städte bil­ den. Bedeutendste Stadt in un­ serem Raum ist Arae Flaviae, das heutige Rottweil. Das ein­ zige Kastell im heutigen Land­ kreis befand sid1 auf dem Gal­ genberg bei Hüfingen. Von dort ausgehend wurde eine sy­ stematische landwirtschaftlid1e Nutzung des Umlandes einge­ leitet, überwiegend getragen von ausgemusterten Soldaten, die nach 25jähriger Dienstzeit eine Parzelle zugeteilt bekamen. Die Stationen eins, zwei, drei und zehn unseres Wanderpfades erinnern an die­ se Zeit. Die im Zusammenhang mit den Kel­ ten bereits erwähnten zwei alten Straßen bei Station eins wurden auch von den Römern genutzt. Bei Station zwei ist die Nachbil­ dung einer römisd1en Straße mit ihrem vier­ schichtigen Aufbau zu sehen. Die unterste Schicht wurde aus Sand und kleinen K.ie ein gebildet, es folgen Platten und Blöcke, dann 166

M u s e e n im S c h w a rz w a ld -B a a r-K re is Die Römer errichteten a u f der Baar eine Reihe von Kastellen, die durch Heerstraßen verbunden wurden. mesführer Teino, der Tuningen seinen N a­ m en gegeben haben soll. Die W anderstation fü n f m it ihrem Blick auf den Berg H ohenlupfen führt uns ins h o ­ he Mittelalter. Eine Steuerliste aus der zwei­ ten Hälfte des 13. Jahrhunderts dokum en­ tiert die Steuerpflicht von 21 Tuninger Bür­ gern an die Herren von Lupfen. U m das Jahr 1000 stellt dieses Geschlecht Äbte in Einsiedeln u n d Reichenau, Priester und D om herren in Rottweil u n d Straßburg. Das Stammhaus des Geschlechts auf dem H o ­ henlupfen war eine der größten Burgen in W ürttem berg u n d n ah m beinahe den ganzen Rücken des Berges ein. Das im Zuge wirtschaftlicher und sozialer Wandlungen im Spätmittelalter entstehende Raubritterunwe­ sen provozierte den W iderstand der betrof­ fenen Städte. 1377 zerstörte ein Städtebund unter Führung Rottweils die Burg Lupfen, die zwar nochm als aufgebaut wurde, ihre frühere Bedeutung aber nicht m ehr errei­ chen konnte. Noch heute ist die Gliederung der Burg in Gräben und Wälle als Boden­ muster zu erkennen. Der geschichtliche W anderpfad kann auf zwei Strecken begangen werden. Beide sind durch blaue Wegepfeile des Landesdenkmal­ amts gut ausgeschildert. Die Strecke Nr. eins ist sieben Kilometer lang und führt über­ wiegend durch Wald. Die Strecke Nr. zwei ist sechs Kilometer lang und bietet weite Sicht in die Baarlandschaft. Die guten Wege eignen sich für Ausflüge zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Kinderwagen. Eine W ander­ karte ist bei der Gemeindeverwaltung Tu­ ningen kostenlos erhältlich. Helmut Rothermel 167

11. Kapitel/ Almanach 2001 Uhren und Uhrengeschichte 150 Jahre Bahnhäusle-Uhren Ein seltenes Jubiläum für ein Design -Zum Wirken von Friedrich Eisenlohr Als im Notjahr 1847 die Mitglieder des Gewerbsvereins für den uhrenmachenden Schwarzwald in Petitionen eine Uhrenge­ werbsschule samt „Musterwerkstatt“ gefor­ dert haben, wurden sie von allen politisd1en Kräften des Großherzogtums unterstützt. Doch die beiden Revolutionen von 1848 und besonders 1849 haben eine Realisie­ rung verzögert. Den für die Taschenuhren­ macherei verpflichteten Meister zog es wie­ der in die sichere Schweiz zurück, als sich im Sommer 1849 Freischaren dem Ort Furt­ wangen genähert haben. Der für den Bau fe- Professor Friedrich Eisen/ohr (1805-1854). Seine Anregungen ßihrlen zu einem Jahrhundertdesign. Zeichnung von Gar/ Oeslerley 183 7. 168 dergetriebener Uhren (Stockuhren) vorgese­ hene Fachmann, Matthäus Hipp aus Reut­ lingen, der später als Erfinder und Pionier­ unternehmer auf dem Gebiet der elektri­ schen Uhren berühmt werden sollte, mußte aus politischen Gründen ausscheiden, denn er war „demokratischen Grundsätzen“ zu­ geneigt. Doch im März 1850 konnte die Großher­ zoglich Badische Uhrenmachersdrnle zu Furtwangen ihren Lehrbetrieb aufnehmen. Leiter wurde der Wunschkandidat des In­ nenministeriums, der knapp dreißigjährige ,,Ingenieur mit Staatsdienereigensd1aft“ Robert Gerwig (1820- 1885). Er war fachlich hochqualifiziert, hatte sich bereits bei schwie­ rigen Verwaltungsaufgaben bewährt und war als Karlsruher nicht eingebunden in das Gefled1t persönlicher Beziehungen und ört­ licher Rivalitäten. Doch entscheidend kam hinzu, daß an seiner Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus keine Zweifel aufkom­ men konnten. Gerwig war nicht nur Techniker, sondern er hatte auch Gespür für Design- und Marke­ tingfragen. Deshalb rief er im September 1850 die „Vaterländischen Künstler und Kunstfreunde“ auf, die Schwarzwälder Uhr­ macher mit neuen Entwürfen zu unterstüt­ zen. ,,Wird sich die vaterländische Kunst mit Liebe dieser Sache annehmen, so ist auch zu hoffen, daß sich … guter Geschmack ent­ wickelt, und die oft so armselige Nad1ah­ mung fremder Mode mehr und mehr weg­ falle. Jeder kleine Beitrag, jede Skizze … wird dankbar entgegengenommen werden.“ Der Aufruf führte zu Erfolgen. Im Katalog der Bibliothek der Furtwanger Filial-Gewer­ behalle von 1870 wird unter Ziffer elf auf-

150 Jahre Bahnhäusle-Uhren . . . t 1ir Itr itr �L!J1!J Bahnwarthäuser, entwoifen von Friedrich Eisenlahr für die badische Rheintalbahn, um 1845. Diese Ent­ wüife dienten als Grundlage für die Produktion der Bahnwärterhäusleuhren. gelistet: Verschiedene Entwürfe und Skiz­ zen für Uhrgehäuse und Uhrenschilde. Die Aufzählung beginnt mit Friedrich Eisenlohr und endet mit Lucian Reich aus Hüfingen, mit dem die Uhrmacherschule in der fol­ genden Zeit besonders intensiv zusammen­ gearbeitet hat. Doch erwähnt wird auch ein „Frl. Ellenrieder“, wahrscheinlich Maria El­ lenrieder (1791-1863) aus Konstanz, die 1829 badische Hofmalerin geworden war. Manche Experten stellen sie an die Seite von Angelica Kauffmann (1741-1807), eine der bekanntesten deutschen Malerinnen des 18. Jahrhunderts. Leider sind jedoch die er­ wähnten Originale nicht erhalten geblieben. Erst in jüngster Zeit konnte Herbert Jütte­ mann einen Originalentwurf von Eisenlohr in Karlsruhe aufspüren. Dieses hölzerne „Häusle“ hat Reblaubumrandung – und be­ reits das Türchen für den Kuckuck im Gie­ bel eingezeichnet. Robert Gerwig wandelte jedoch den Entwurf ab und setzte auf eine bunt bemalte Blechfront mit Emailziffer­ blatt. Entsprechende Musterzeichnungen stellte die Uhrmacherschule bereit. Die Um- risse konnten direkt auf das Uhrenschild übertragen werden, man mußte also nur noch kolorieren. Friedrich Eisenlohr (1805- 1854) war Pro­ fessor für Architektur am Polytechnikum in Karlsruhe und zugleich Beauftragter für die Hochbauten an der badischen Rheintal-Ei­ senbahn. Er entwarf Bahnhöfe, aber auch Unterkünfte für Bahnwärter, deren Auftrag es war, einen bestimmten Streckenabschnitt zu überwachen und Übergänge zu sichern, wenn ein Zug nahte. Von den Bahnwärter­ häuschen gab es zwischen Mannheim und Basel etwa 250, sie standen jeweils in Sicht­ weite auseinander. Eisenlohr hat diese Ge­ bäude in drei Größen geplant. Typ eins war dafür bestimmt, vor allem Gerätschaften zu lagern und einem Bahnwärter tagsüber Un­ terstand zu gewähren, Typ zwei hatte zusätz­ lich einen Schlafraum und war für Ledige bestimmt, für Bedienstete mit Familie gab es den größeren Typ drei. Vom späteren Bahnhäusle-Kuckuck her gesehen ist die Ähnlichkeit mit Typ eins oder zwei am auf­ fallendsten. 169

Uhren und Uhrengeschichte Balmhiiuslekasten mit durchbrochenen Holz­ ornamenten, um 1855. Bemaltes Blechschild und Emailzi.fferblall. Diese Form favorisierte die Ulmnacherschule (Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen). Es ist immer nod1 offen, wann genau erstmals der Kuckuck in den Giebel ei­ nes dieser „Häusle“ ge­ setzt wurde, und auch, wann die später kla sische Form mit hölzerner Vorder­ seite aufkam, belebt durch weiße Ziffern und Zeiger aus Bein. Erst durch die Kombination der an­ heimelnden Häu le mit dem geheimnisvol­ len Kuckuck im Giebel konnte ein Jahrhun­ dert-Design ent tehen, eben der Bahnhäus­ le-Kuckuck. In der Rückschau überrascht, welch große Bedeutung dem Kuckuck bei­ gemessen wurde, nicht nur in zahlreichen Liedern. Im fün�en Band des Handwörter­ buchs des Deutsd1en Aberglaubens werden dem Kuckuck 1932/33 volle 30 eiten ein­ geräumt, während andere prominente Vögel, etwa Adler oder Storch, mit weniger als zehn auskommen mußten. Der Bahnhäusle­ Kuckuck prägte bestimmte Vorstellungen, die Ausländer von Deutschland haben, und repräsentiert häufig die gesamte Schwarz­ wälder Uhrenproduktion. Auf der Pariser Weltausstellung 1855 war auch die Furtwanger Uhrmacherschule prä­ sent. Im Badischen Centralblatt für Staats­ und Gemeindeinteressen heißt es dazu: „Die beiden Uhren, deren Gehäuse in Form von Schwarzwälder Häu chen geschnitzt sind, gefallen allgemein … “ Es wird also we­ der auf Eisenlohr noch auf das Bahnhäusle Bezug genommen. Doch bereits 1856 liest 17 0 man in Kreuzers Denk­ schrift zur Lage der Schwarzwälder Uhr­ macherei: ,,In neuer Zeit werden auch ziemlich viele Lithogra­ phien ausgemalt und die so­ genannten Bahnhauskasten verwendet.“ Die Gewerbeausstellung in Villingen 1858 bringt dann den Durchbruch. Im Exper­ tenbericht von Dietz u. a. wird Eisenlohr als Anreger für neues Design genannt, und im Katalog der Aus­ stellung tauchen die Worte „Bahnhäuschenkasten“ oder „Bahnwartshaus“ recht häufig auf. Allerdings, nur einmal ausdrücklich in Verbindung mit dem Kuckuck: Joseph Schwer aus Güten­ bach bietet eine Kuckucksuhr im Bahn­ hauskasten für 15 A (Gulden) 48 kr (Kreu­ zer) an. Dem widersprid1t jedoch ein Hin­ weis im Jahresberid1t der Uhrmacherschule 1857/58: ,,Die Kuckucksuhr fand daher, so bald das für sie so sehr geeignete Bahn­ häuschen als Uhrengehäuse verwendet wur­ de, wieder einen ganz besonderen Markt.“ Bahnhäuschenuhren, wobei hier offen blei­ ben muß, ob mit oder ohne Kuckuck, haben auch zwei schwäbische Uhrmacher auf der Rottweiler Gewerbeausstellung von 1861 vorgestellt. Der wohl renommierteste Schwarzwälder Kuckucksuhrenbauer, Johann Baptist Beha aus Eisenbach, war auf der Londoner Weit­ aus tellung 1862 u. a. mit einem „Kuk­ kucksührd1en im Bahnhauskasten mit Ge­ mälde“ vertreten, das 36 A ko tete. Doch im gleichen Jahr produzierte er auch erstmals den Bahnhäusle-Kuckuck mit geschnitzter Vor­ derseite, weißen Ziffern, weißen Zeigern und Tannenzapfengewichten. Wilhelm Schneider, der sich be onders intensiv mit der Kuckucks­ uhr beschäftigt hat, meinte 1987, einiges

,,daß die geschnitzte spricht dafür, Bahnhäusle Kuckucksuhr zuerst m Furtwangen gebaut worden ist.“ Karl Schott, der eine Be­ gleitschrift zur Schwarz­ walduhr für die Wiener Weltausstellung von 1873 geschrieben hat, vermerkt zu unserem Thema: ,,So entwarf Baurat Eisenlohr … einen Uhrkasten, der in sei­ ner äußeren Erscheinung der Architektur eines Bahn­ wartshäuschens nachge­ bildet war. Dieses Muster fand bald allgemein Auf­ nahme und wurde seit­ dem in tausenderlei Varia­ tionen nachgebildet.“ Dies wiederum beklagt Franz Reu- leaux in seinem Gutachten zur Schwarzwälder Uhrmacherei 1875, denn von den von Eisenlohr ge­ zeichneten Bahnhäuslekästen seien nur verstümmelte und verstümperte Nachahmungen am Markt.“ Romu­ lus Kreuzer, Uhrenschildproduzent und Gewerbepolitiker aus Passion, liefert 1880 noch den Hinweis, daß Michael Schumacher, seiner Zeit (von 1852 bis 1856 der Verf.) Musterkasten­ schreiner an der Großherzoglichen Uhrma­ cherschule „der erste war, der standhaft bei der Bahnhäuslekastenproduktion beharrte“. Zwei Grundformen des Bahnhäusle-Kuk­ kucks treten in den folgenden Jahrzehnten deutlich hervor, eine schlichte, nur mit Wein­ laubornamenten, und eine mit Schnitzwerk überladene Variante. Eine dritte Form mit Verzierungen in Laubsägetechnik konnte sich am Markt auf Dauer nicht behaupten. Zahlreiche Versuche, diese Kuckucksuhren abzulösen oder wenigstens zu modifizieren, hatten wenig Erfolg. Die Lehrer der Schnit­ zereischule Furtwangen konnten sich mit ih­ ren Entwürfen ebensowenig durchsetzen wie die Weltfirma Junghans mit einer 150 Jahre Bahnhäusle-Uhren Entwickelte Fonn des Bahnhäusle-Kuckucks. Reblaulmerzierungen. Weiße Ziffern und Zeiger. Geschnitzte Pendellinse. Tan­ nenzap.fengewichte. Nach 18 80 (Privatsammlung). Kuckucksuhr im Jugend­ stil. Das Bahnhäusle blieb resistent gegenüber Neuerungen bis heute, wie ein Besuch in Triberg oder am Titisee beweist. In seinen Reiseerinnerun­ gen schildert Mark Twain seine Begegnung mit Kuckucksuhren 1878 in Luzerner Andenkenläden. Erst zeigte er sich begeistert, dann schwenkte er über ins La­ ger ihrer Verächter. Vielleicht war es eine subtile Form der Vergel- tung, daß er seinen Lesern einredete, die Kuckucksuhr sei ein Schweizer Produkt. Er hatte offenbar Erfolg da­ mit, denn als die hundert Jahre später erfundenen gallischen Helden Asterix und Obelix in die Schweiz kamen, tref- fen sie auf Gastwirte, die Kuckuck ru­ fen und dabei Sanduhren umdrehen. Doch auch diesen vergnüglichen Umgang mit der Historie, schließlich kennt die Antike noch keine Sanduhren und die Schweiz die Kuckucksuhr nur als Importprodukt, wird die Schwarzwalduhr überleben. Helmut Kahler! Anmerkung: Um ein längeres Literaturverzeichnis zu vermeiden, wird auf die chronologisch aufgebaute Bibliographie des Verfassers zur Schwarzwalduhr verwiesen. Band I Furtwangen 1984, Band 2 Furtwangen 1996. Die Hinweise im Text sind so gehalten, daß ein Nach­ schlagen erleichtert wird. 171

Uhren und Uhrengeschichte Entwibfe für Bahnwärterhäu­ ser, Detailzeichnungen und Uhren von Friedrich Eisen­ lohr. Aus: ,,Omamentik in ihrer Anwendung auf ver­ schiedene Gegenstände der Baugewerke“. Ausgeführt oder zur Auiführung enl­ wo,fen von F Eisenlohr und lang, Karls­ ruhe 1849- 1867. Das große Bild zeigt einen Detailentwu,f für einen Haus­ giebel. 172

12. Kapitel/Almanach 2001 Brauchtum Traditionell und heimatverbunden Trachtengau Schwarzwald e. V. besteht seit fast einem halben Jahrhundert- Gautrachtentreffen in Schonach versammelte Tausende von Menschen im Schwarzwalddorf Seit bald einem halben Jahrhundert wid­ met sich der „Trachtengau Schwarzwald“ mit großem Erfolg der Pflege von heimatli­ chem Brauchtum in Gestalt von Volkstracht, Volkstanz, Volkslied und Mundart. Noch wei­ ter in die Vergangenheit zurück reichen die Wurzeln der Idee einer aktiven Bewahrung und Weitergabe von Tradition und Sitten der Vorfahren. Bereits Ende des 19. Jahrhun­ derts setzte sich der Volksschriftsteller Hein­ rich Hansjakob tatkräftig für die Bildung von Trachtenvereinen im Schwarzwald ein. Er orientierte sich dabei an den bereits exi­ stierenden bayerischen Vereinen. Vorbild und ein Vorläufer des „Trachtengaus Schwarzwald“ war der „Süddeutsche Volkstrachtenbund, Be­ zirk Auerbach“, der nach dem Ersten Welt­ krieg von Hermann Kimrnich aus Oberndorf gegründet wurde. Schon bald aber fiel die Ar­ beit des Bundes in einen Dornröschen­ schlaf, als K.immich 1923 nach Amerika aus­ wanderte. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es dann Karl Heim aus Schramberg, mehrere Vereine und Gruppen aus dem Schwarzwald und seinem Umland zusammenzuführen. Diese waren bis dahin entweder gar keinem übergeordneten Verband oder aber dem ,,Südwestdeutschen Gauverband“ ange­ schlossen. Letzterer bestand ausschließlich aus Gebirgstrachtenvereinen und bayeri­ schen Landsmannschaften. Angestrebt wur­ de nun eine Loslösung vom süddeutschen Verband und die Gründung einer eigenen Organisation, die sich auf die Pflege der bo­ denständigen Tracht konzentrieren konnte. Uhrenträger und die Trachtengruppe aus Schönwald beim Festzug in Schonach. 173

lrach1engau Schwarzwald e.V. Nach zweijährigen Vorgesprächen wurde sd1ließlich am 6.Januar 1951 im „Zähringer Hof“ in Schramberg der „Trachtengau Schwarzwald“ ins Leben gerufen. Grün­ dungsmitglieder waren die Vereine aus Loß­ burg, Dornhan, Oberndorf, St. Georgen, Langenschiltach, Schramberg und Schwen­ ningen. In den Vorstand wurden gewählt Karl Heim als erster Vorsitzender, der Lan­ genschiltacher Bürgermeister David Weißer als zweiter Vorsitzender sowie Karl Grüner und Ludwig Bauchhäubl aus Sd1ramberg als Sd1riftführer bzw. Geschäftsführer. Von Jahr zu Jahr gesellten sich neue Grup­ pen hinzu, so daß der Verband heute 52 Mitgliedsvereine zählt. Der Gaubereich er­ streckt sich vom Hegau bis in den nördli­ chen Schwarzwald und vom Tübinger Raum bis zum Hochschwarzwald. Im Jahr 1962 mußte Karl Heim aus gesundheitli­ chen Gründen sein Amt zur Verfügung stel­ len, im November 1975 ist er unter der Be­ teiligung aller Gauvereine zu Grabe getragen worden. Nad1folger Heims als Gauvorsitzen- Schonacherin mit Kind. 174 der wurde Frieder Weber-Benzing aus Schwenningen. Der bekannte Heimatdid1- ter, Chefredakteur und Heimatforscher üb­ te das Amt bis 1988 aus. lm Zentrum seines Wirkens stand zunächst die Ausarbeitung einer Verbandssatzung, dann die sd1riftliche Fixierung der in all den Jahren zuvor gefaßten Beschlüsse, die bis dahin nur als lose Verein­ barungen im Raum gestanden hatten. 1968 wurde Weber-Benzing zum ersten Vorsit­ zenden des „Landesverbandes der Heimat­ und Trad1tenverbände Baden-Württemberg“ gewählt. 1999 verstorben, fand er unter der Anteilnahme zahlreicher Trachten träger und der Würdigung seiner viel faltigen Verdienste auf dem Schwenninger Waldfriedhof seine letzte Ruhestätte (Eine ausführliche Würdi­ gung seiner Persönlid1keit findet sich un Almanad1 2000). Fortbildungen und Lehrgänge Die Einführung von Lehrgängen und Fort­ bildungen für Mitglieder und Leiter förder­ te die Arbeit des Schwarzwälder Gaues un­ gemein. Sichtbar wurde aber auch, wie schwierig es heutzutage ist, den Braud1tums­ gedanken zeitgemäß zu vermitteln. Als die Veranstalter der Heimattage Baden-Würt­ temberg 1985 in Villingen-Sd1wenningen aud1 moderne kulturelle Ausdrucksformen ins Programm aufnahmen, verweigerte der Gauverband Schwarzwald seine Teilnahme. Seit 1988 wird der Verband von Siegfried Ma­ ger aus Zimmern o. R. geführt. Die Lebendigkeit des Verbandslebens de­ monstrierte das Gautrachtentreffen im Juli 1999 in Schonach, das vom „Handhannonika Spielring, Trachtengruppe Schonach“, Grün­ dungsmitglied des „Trachtengaues Schwarz­ wald“, zusammen mit dem örtlichen Mu­ sikverein „Kurkapelle Schonach e. V.“ veran­ staltet wurde. Die Trad1tengruppe feierte ihr 60jähriges, der Musikverein sein 160jähriges Gründungsjubiläum. Böllerschüsse eröffneten den farbenpräd1- tigsten Umzug, den das Ski- und Wander-

dorf Schonach je erlebte. Rote und weiße Luftballons schwebten in den Himmel, der sich bei strahlendem Sonnenschein in schönstem Blau zeigte. Rot und weiß, die Ortsfarben von Schonach, erinnerten an sei­ ne vorderösterreichische Vergangenheit. Drei Bühnen waren im Ortskern aufgebaut worden. Auf der größten Bühne begann am Nachmittag das eigentliche Fest mit Tanz­ vorführungen der Kindertrachtengruppen aus dem Trachtengau Schwarzwald. Daß Tracht und moderne Unterhaltungsmusik durchaus zusammenpassen, zeigte das abend­ liche Dorffest. Auf allen drei Bühnen wur­ den Trachtentänze dargeboten, später wurde zu Schlager, Rock und Pop getanzt. Ohne die Leistungen der anderen Kapellen und Trachtentänzer schmälern zu wollen, muß festgestellt werden, daß die größten Begei­ sterungsstürme durch die Auftritte der un­ garischen Gäste aus Kecskemet entfacht wur­ den. Die aus der Hauptstadt von Bacs-Kis­ kun, dem Partnerkornitat des Schwarzwald­ Baar-Kreises, angereisten Musiker und Tänzer verzückten das Publikum mit ihren feurigen Klängen und bunten Trachten. Für das leib- Brauchtum liehe Wohl sorgten unterdessen mehrere Straußwirtschaften und Stände. Die Besu­ cher drängten sich auf der Festmeile, die Be­ gegnung zwischen Tracht und Modeme wurde ein Fest zum Lachen, Kennenlernen und Fröhlichsein bis tief in die Nacht hin­ ein. Der zweite Festtag wurde mit einem Gottesdienst eröffnet. Die Ehrengäste, darunter Ministerpräsi­ dent Erwin Teufel, wurden von Bürgermei­ ster Jörg Frey empfangen. Der Ministerprä­ sident ließ es sich nicht nehmen, zusammen mit Siegfried Mager, dem Vorsitzenden des ,,Trachtengaues Schwarzwald“, und Bürger­ meister Frey ein Stück im folgenden Umzug mitzumarschieren. Der Zug zeigte die Viel­ falt, Eigenheit und Farbenprächtigkeit der Trachten des badischen und schwäbischen Schwarzwaldes. Über 5 000 interessierte Be­ sucher bewiesen, daß der Gedanke der Tra­ ditionspflege nicht „von gestern“ ist, son­ dern Zukunft hat. Jochen Bender Die Gäste aus Kecskemet, dem Komitat Bdcs-Kiskun, zu dem der Schwarzwald-Baar-Kreis eine Partner­ schaft unterhält, versetzten die zahlreichen Zuschauer mit ihren feurigen Tänzen in Begeisterung. 175

,,Dar Glous rännt!“ Brauchtum Schwenningens Nikoläuse zwischen Kult, Klamauk und Kommerz „Dar Glous rännt!“ Ein Warnruf hallt durch die Straßen und Gassen des alten Markt­ fleckens am Neckarursprung – zu Zeiten, als der „Klaußtag“ noch ein Hochtag für die Burschen ist. Vermummt stürmen sie durch den Ort, spenden seltener Freude, als daß sie Angst und Schrecken verbreiten, die fürch­ terlichen Gesellen – vor anderthalb Jahr­ hunderten. Früher schon. Und später noch. Für das Jahr 1764 vermeldet ein Ratspro­ tokoll in Schwenningen ein Vorkommnis, das ohne Folgen nicht bleiben soll: ,,Actum den 21ten 9bris [= 21. November] 1764. Christian Müller, Fuehrmann, klagend wiider, Melchior Michael Schrencken, Schniiders und Johannes Hans Mayers Zimmermans­ sohn das selbige an Lezthin verwichenem Klaußtag nachts mit Schämmen [= Ge­ sichtsmasken] angethan und seinen Sohn Martin übel trackttiert und geschlagen. – Be­ schaid: da nicht zu erweiisen das Johannes Mayer ledig, und Melchior Schrenck ledig Martin, Christian Müllers sohn bey Verstel­ lung in Klausen Kleider geschlagen. So wer­ den dannoch restrieret [sie!] Mayer, und Schrenck, da solche wiider die Herzog!. Lan­ desorthnung gehandlet, als in verdeckten angesichten vorgestellt. So werden diese In das Zucht Häusle erkannt.“ Daß offene Rechnungen mit der Faust be­ glichen werden, sieht nicht gerne, wer für Ordnung zu sorgen hat- und für Recht. Be­ sonders dann nicht, wenn es unter dem Schutz der Anonymität der Maske geschieht. Und so wird hier – schon aufgrund der Be­ weislage – in erster Linie die „Vermummung“ bestraft, welche bereits das katholische Würt­ temberg- 20 Jahre vor der Einführung der Re­ formation im Jahre 1534 – in der zweiten Lan­ desordnung abgeschafft wissen wollte: Anno 1515 wurde durcl1 obrigkeitliches Gebot 180 festgelegt, es solle fürderhin keiner mehr „inn butzen claidern geen, mit verdecktem angesicht.“ Mochte dies auch auf die Fas(t)nacht gemünzt sein – es galt für den Klausentag nicht minder; und ein Unter­ schied wird aus der Sicht der Regierung auch in unserem Falle wohl zu Recht nicht ge­ macht. Rauh geht es her in selbiger Zeit- und von Auswüchsen und Verrohungen des Fasnets- Ein naher Verwandter des wilden Klaus aus dem alten Schwenningen ist der im Nordschwarzwald auch heute noch anzutreffende Pelzmärte.

Am Vorabend des 6. Dezember zogen die ledigen Burschen mit Peitschenknallen durch den Ort und hatten Gaben dabei. narrens wie des Klausens berichten für das 18. Jahrhundert ja nicht wenige �eilen aus der engeren und weiteren Heimat. Ein Fall wie viele mithin ist des Christian Müllers Klage? Mitnichten. Staunen nämlich macht das Datum: Wenn am 21. November vom „Lezthin verwichenen Klaußtag“ die Rede ist, so kann damit unmöglich der Vorabend des 6. Dezember gemeint sein. W ird eine Verfahrensdauer von gut einer Woche zwischen Anzeige und Urteil durch das örtliche Gericht angenommen, so hat der verhandelte Vorfall vermutlich am Mar- tinstag sich zugetragen: An sei- nem Namenstage ausgerech­ net bezieht Martin Müller Prü­ gel – von „Kläusen“, die sich im Datum wie selbstverständlich irren. An den ehrwürdigen Gottesknecht, der in katholi­ schen Landen die Kinder nach den Grundkenntnissen des Glaubens fragt, sie durch seine Begleiter, Teufelsrotten und En- gelsseharen, nach Verdienst be- lohnen oder bestrafen läßt, erinnert herzlich werug. Das wenigstens verwundert kaum. Denn nicht allzu lange nach der Reformation wird ja evangelischerseits in klarer Absage an den Heiligenkult der Versuch unternommen, St. Nikolaus, den „Gnadenmittler“, durch den Gabenbringer Christus zu ersetzen – und anhin durch das meist von einer jungen Frau dargestellte „Christkind“ die Religi­ onskenntnisse überprüfen zu lassen. Fällt freilich die Figur des heiligen Bischofs, so können als Umgangsgestalten dessen Be­ gleitteufel ihn überdauern, austauschbar nun: in Stroh gewickelt, womöglich strohene Bockshörner am Kopfe tragend und einen langen aus Stroh gewundenen Schwanz hin­ ter sich herziehend, mit Schellen ausgestattet und mit Peitschen. Halb Schreckfigur, halb Gabenbringer, übernehmen sie die Aufgaben von Gut und Böse – und leben als „wilde Kläuse“ lange noch fort. Scbwenninger Nikolausbraucb So zumindest zeigen sie sich noch vor gut einhundert Jahren jedenfalls, allerdings zur rechten Zeit. ,,Am Vorabend des 6. Dezem­ ber gingen die ledigen Burschen ‚glousa‘, machten sich lange Bärte von Kuder, um­ wickelten die Beine mit Stroh, zogen eine Nebelkappe, einen alten Topf oder gar einen Feuerkübel über den Kopf, hüllten sich in einen alten Mantel ein“, der verkehrt – d. h. die Futterseite nach außen gekehrt – ange­ zogen wurde, ,,nahmen einen Sack, gefüllt mit Äpfeln, Birnschnitzen und Nüssen auf den Rücken und eine Rute in die Hand und zogen mit Peitschenknallen durch den Flecken und ließen dazu ihr schauerliches hu, hu, hu! ertönen. Jeder Klaus trug ei­ ne Glocke in der Hand oder ein Sehellengeläute um die Schulter. Es herrschte ein ohrenbetäuben­ der Lärm in den Gassen. ‚Dar Glous rännt!‘ sagte man. Er war von den Kleinen sehr gefürch- tet. Am meisten fürchteten die großen Mädchen den Klaus. Hatte er eines eingefangen, trug er es mit Hil­ fe anderer Kläuse zum Brunnen und pumpte Wasser über das arme Mädchen, bis es pudel­ naß war.“ Das alles scheint verwirrend. Dod1 läßt das Rätsel sich vielleicht bei Betrachtung des politisch-religiösen Hintergrundes klären. Im evangelischen Altwürttemberg, zu dem das inmitten katholischer Territorien gelege­ ne Schwenningen gehört, bilden sich im Brauchtum der Vorweihnachtszeit seit der Re­ formation eigenartige Mischformen aus. Es wird zu einem Übergangsraum zwischen dem katholischen, ehemals vorderösterreichischen Gebiet von der Donau bis zum Bodensee, im Hohenzollerischen, im südlichen sowie mittleren Schwarzwald, wo am 5./6. Dezem­ ber als Brauchgestalt der Nikolaus mit sei­ nen Begleitern auftritt, und Ostschwaben wie den nördlich anschließenden fränki­ schen Regionen, die traditionell St. Martin mit den seinen am 10./11. November um- 181

Brauchtum Kein katholischer Eischef mehr, nur noch ein Weihnachtsmann und Werbeträger der Schwenninger Ge­ schäjiswelt fährt vor dreißig Jahren mit seiner Kutsche als Nikolaus vor dem Rathaus vor. gehen sehen: Terminlich losgelöst von den Festen der Heiligen kann hier ein mand1er heute noch zwischen dem 11. November und Weihnachten einer vermummten Ge­ stalt begegnen, die sich Pelz-, Nuß-, Rollen­ oder Schellenmärte nennt. Was aber den Altwürttembergern allüber­ all der Märte, das ist der „Glous“ den Schwen­ ningem, wie’s scheint. Daß der Name dieser brauchtümlichen Zwittergestalt gemeinhin an Martinus anknüpft, leuchtet ein, zeigen die Protestanten sich doch – im eigenen In­ teresse – duldsamer, wo die bräuchlid1e Be­ gehung seines Festtages zugleich das An­ denken an den Reformator Martin Luther hochhält, dessen Geburtstag auf den 10., dessen Namenstag auf den 11. November fällt. Im Neckarquellort nur, der württem­ bergischen Exklave, ist für einmal alles an­ ders, ist „verkehrte Welt“ lang vor der Zeit: Der katholische Adventsheilige bleibt na­ mengebend, da das im altgläubigen Umland tief verwurzelte Nikolausbrauchtum durch­ aus noch Ausstrahlungskraft besitzt. Die in Scharen und mit Lärmen auftreten­ den Schwenninger Kläuse haben mit dem kleinasiatischen Bischof des 4. Jahrhunderts nun wenig mehr gemein als nur den Na­ men, gleichviel, ob sie am Martins- oder Klausentag ihr Unwesen treiben. Der „Glous“ freilich rennt lange noch – bis hin zum Zweiten Weltkrieg. Doch gerät er zuneh­ mend in Konkurrenz zu Knecht Ruprecht, den der seit 1900 etwa wieder auftauchende Bischof mit Mitra und Krummstab im Ge­ folge hat – und dem die Zukunft gehört. St. Nikolaus hat es vor seiner glanzvollen Wiederkehr allerdings auch im Katholi­ schen bisweilen recht schwer gehabt, sich neben den bösen und wilden Kläusen zu be­ haupten – wohl nicht zuletzt deshalb, weil es den ledigen Burschen als Brauchträgern ungleich mehr Vergnügen bereitete, als klei­ ne Satansbraten allerlei Sd1abernack zu trei­ ben und sich auszuteufeln, denn einen wür­ digen alten Bischof mit weißem Rausche­ bart zu mimen. So hören wir in einem Dekret der „ehe- 182

maligen Fürstembergischen Landgrafschaft Stühlingen, Baar u.s.w.“ aus dem Jahre 1746 die Klage über den „nicht geringen Miß­ brauch“, daß „an dem Vorabend des heili­ gen Nikolaifestes anstatt der alten, zu gutem Zihl und Erbauung deren Kinderen einge­ führten Gewohnheit und wo es sensten in Erinnerung dieses heiligen Bischofen ge­ schehen solte vielmehr junge und ledige Mannspersonen sich auf das häßlichste ver­ mummem, biß in die halbe Nacht auf der Gassen und von einem Hauß in das andere lauffen, zu mahlen nicht nur allein ein gros­ ses Getöß auf denen Straßen, sondern auch mehrfahige Unehrbarkeiten, die Wir da auß­ zudrücken übergehen, hier und dort auszuü­ ben sich nicht scheuen, so solle nicht weni­ ger dieser Unfug und Mißbrauch bei 3 fl. Straff verbotten … “ werden. Dörfliche Sozialkontrolle Zu diesem „Mißbrauch des Nikolausfestes“ mögen, gar nicht unpassend, Rügebräuche gehört haben, wie sie von der Fas(t)nacht, der Katzenmusik, dem Charivari und dem Haberfeldtreiben bekannt sind. Davon wird beispielsweise aus Oxenbrunn berichtet, wo noch im 19.Jahrhundert ein „Klaosenzug“, bestehend aus 15 bis 20 Burschen, vor den Häusern aufmarschierte, ,,wo etwas mora­ lisch Anrüchiges notorisch war und man ‚wie wild ist des! Wenn man Heiretlis thut und nit heiret!‘ schrie“. Solches Treiben als Ausdruck dörflicher Sozialkontrolle hätte man allerdings „aus­ drücken“ mögen, nicht aber „mehrfältige Unehrbarkeiten“, nach denen wohl einst dem Ritter Hanns Jacob Gremlich von Ha­ senweiler der Sinn stand, der die Nikolaus­ predigt seines Pfarrherrn recht eigenwillig deutete. ,,Er hett uf ein zeit seinen pfarrer an s. Niclaus tag hören predigen die legendt desselben hailigen und wie er drei schöner, erwachsnen döchtern erledigt und verhüet, das sie nit zu schanden oder sünden kernen, sonder das sie in ehlichen stat kommen. Scbwenninger Nikolausbraucb Darab hett er auch sollichs wolgefallen, das er sich entliehen entschloß, er wellt auch einmal s. Niclaus sein und in seinem dorf under den pauren döchtern umbher termi­ nirn und sein liberalitett erzaigen.“ Dabei wird der gute Rittersmann mehr an die schö­ nen Bauerntöchter als an den heiligen Bi­ schof gedacht haben. Jedenfalls steht eine solch vornehme Ausdrucksweise zwar dem Grafen von Zimmern in seiner Chronik wohl an; daß es bei dem „Umbher termi­ nirn“ nicht immer so gewählt zugegangen ist, läßt sich allerdings vermuten. Deutlich tritt uns dies bei dem Treiben der Schwenninger Kläuse vor Augen, die aus ih­ rer Neigung für das hübsche Geschlecht kei­ nen Hehl machen. Jeder „Lichtstube“ stat­ ten sie einstens ihren Besuch ab. Will eines der dort bei fröhlichem Spinnen vereinten Mädchen der Aufforderung zu beten nicht nachkommen, da es nachher dafür eh‘ nur ausgelacht wird, packen die Burschen es und tragen es zum Brunnen, um nicht eher von ihrem Opfer abzulassen, als bis kein trocke­ nes Haar mehr an ihm zu finden ist. Auch saust die Rute nicht nur auf Knaben hernie­ der; oftmals sind Mädchen Ziel solcher „umbarrnherzigen Schläge“. Was nur ist aus des Heiligen Abstrafung der im Glauben all­ zu wenig Fleißigen geworden? Nicht mehr als ein derber Annäherungsveruch, unmög­ lich im Alltag unter der strengen Sittenzucht von Kirche und Gemeinde … Die Zeit für den „urtümlich“ wilden Klaus ist in Schwenningen – wie mancherorts – ab­ gelaufen; in einer Zeit zunehmender „Ver­ bürgerlichung“, in der Organisation minde­ stens ebenso wichtig geworden zu sein scheint wie Tradition, ist für Bräuche ohne Reprä­ sentationscharakter, ohne schöne und wür­ dige Formen kaum noch Platz. Will er nicht für alle Zeit verschwinden, muß er sich zurückentwickeln – zum Begleitteufel des Bischofs, Knecht Ruprecht mit Namen: zum strafenden Diener des gütigen Heiligen erneut sich bereitfinden. Dessen Fest ist heutigentags in unserer 183

Brauchtum Stadt wieder eng an die katholische Kirche gebunden – und der (zuweilen evangelisch getaufte) Bischof und sein Begleiter stehen in Diensten der Kolpingsfamilie, die selbst von Protestanten gern mit „di Seile läutern­ den(?) Hausbesuchen“ beauftragt wird. Der Brauch aber ist ästhetisiert und in gesittete Bahnen gelenkt; der Heilige wird zum Ge­ hilfen bürgerlicher Pädagogik; den Kindern wird die Furcht genommen. Neuzeitliche Entwicklungen Gerne erinnert manch „mittelalterlicher“ Neckarquellstädter in den besten Jahren sich des Nikolausrittes in den Sechzigern des Sä­ kulums, das nun zu Ende geht- ein herrliches Pendant zum Martinsritt, gewiß. Nur wird der würdige Herr darauf sehr rasch zum Weih­ nachtsmann, fahrt in der Kutsche vor zuerst, dann im gummibereiften Automobil, kommt, zuletzt, im Hubschrauber geflogen – in Begleitung einer Weihnachtsfrau, die gleid1 ihm vom Himmel kommt. Nicole mag sie heißen und mit ihren Reizen nicht geizen: Ei­ ne braud1tümlid1e Baud1landung ist die Ent­ wicklung gleid1wohl. Der soziale Abstieg des Heiligen nicht zu verkennen. Nun gut; den „wilden Kläusen“, ihren Schlägen und „Wassertaufen“ wird nicht je­ der nachtrauern. Doch mag in manch altge­ wordenem Kinderherzen die Sehnsucht nach einem maßvolleren Bruder derselben wachgeblieben sei, wie er uns in den Erzäh­ lungen der Christine Mehne begegnet – in einer Zeit, in der St. Nikolaus wenn auch kein Heiliger, so doch ein Gabenbringer ist, zu dem man aufschaut; der in der Nachfol­ ge Jesu sein eigener Herr ist – und nicht der bezahlte Knecht eines Großkaufl,auses. Erteilen wir deshalb zum besinnlichen Schlusse dem Groossile das Wort: ,, … Hond dia Gleis braav KI,ii’d aa’troffa, wo räat bät­ tat hond, noo sind Epfl und Nuss uuss am Sack grusalad. Mar hät noo ämmool a Schprichle häargseit: ,Clous, Clous, Buttar­ fidla, lamar ou drei Epfl liga, miar oan, diar 184 Ein Reitersmann fast wie St. Martin: der Heilige Nikolaus hoch zu Roß, der den Kindern Gaben bringt. Nüsse, Mandarinen und Orangen wird er den Kindern zur Freude auswe,:fen. oan, nuu‘ da beesa Buaba khoan‘. Dia KI,i­ i’d abar, wo ni’t hond wele bätta odar wo suss äppis uff am Gwissa ghett hond, däana hät dar Clous d‘ Ruat aa’gmässa und si hond nii’t uuss am Sack iberkhuu‘, eendar hät mar-ne Angscht gmachchat, mar täas in Sack schoppa und mitnäa‘ in Waald. Bi Däana K.l,ii’d, wo khon Clous kJiuu‘ ischt, doo ischt ammool am andara Moarga an Tällar uff am Tisch gschtanda mit Epfl und Nuss, viliicht ou no a Bireläable und oan odar zwai‘ Wekkamanna; dia hät-mar zwischad d‘ Fäa’schtar gschtellt zum da an­ dara KI,ii’d zoaga, dass dar Clous doo au ii’gliet hät.“ A Glai‘ wäng an Schtolz mua mar jo hau‘? St. Nikolaus lehrt sold1en nicht! Michael J. H. Zimmermann

Kirchen, Kapellen und Glocken Die älteste Glocke stammt aus demJahr 1501 Zur Geschichte der Glocken der Schonacher Pfarrkirche St. Urban 13. Kapitel I Almanach 2001 Im Almanach 97 berichtete der Autor über die Kirchenglocken im Landkreis, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der berühmten Werkstatt von W ilhelm Schilling aus Hei­ delberg gegossen wurden. Der folgende Ar­ tikel führt den Leser erneut in die faszinie­ rende Welt des Glockenklangs. Es ist etwas ganz Merkwürdiges um sie: Hoch droben, auf unseren Kirchtürmen, tun sie im Verborgenen ihren Dienst. Wesentlich notwendig sind sie nicht, doch was wären w1- sere Sonn- und Feiertage ohne ihre feierliche Stimme. Die Rede ist von den Glocken. Tatsächlich gibt es wohl keinen anderen Klang, der uns so ins Gemüt dringt. Darum haben die Kirchengemeinden auch über Jahrhunderte hinweg immer wieder Glocken gießen lassen. Wenn die alten Klangkörper Krieg, Zerstörungen und Plün­ derungen anheim gefallen waren, wurden neue angeschafft. Aber auch in Zeiten wirt­ schaftlichen Wohlstandes ließen die Pfarrei­ en ihre Glocken austauschen und oft durch größere, imposanter klingende ersetzen. So ist in den Annalen der meisten Pfarrge­ meinden immer wieder die Rede von den Glocken. Nicht anders in Schonach. Wie ein roter Faden ziehen sich Notizen über Glockengüsse, Glockenweihen sowie Repara­ turen an Glocken, Turm und Glockenstühlen durch die Aufzeichnungen der Pfarrei. In einer alten Aufzeichnung ist der Bestand der Schonacher Pfarrglocken im 19.Jahrhun­ dert festgehalten. An erster Stelle wird dort die einzige Glocke genannt, die bis heute er­ halten geblieben ist. Diese alte Marien­ glocke wurde 1501 gegossen von Meister Jos Ege(r) aus Reutlingen und hat seiilier alle Zeitläufe überstanden. Weiter heißt es: ,,Die zweite Glocke trägt das Bild des hl. Antoni- us E., das Bild des hl. Georg, links darüber G. Sch., rechts Ph. H.“ Unten die Strophe: ,,In Bergen und Thälern mein Tönen er­ schallt, all Gewitter vertreibe, gut Wetter er­ halt. Auch ruoff ich Lebendig und Todten hierher. Und hilffe befedren (?) die göttliche Ehr. Anno 1722 bin ich von Meinrad Grie­ ninger in Villingen gegossen worden.“ Un­ ter einer Rosette steht: ,,J.P.G.“ Oben herum steht: ,,A fulgure grandine et tempestate li- Die Glocken werden am Glockenturm hochgezogen. 185

Schonacher Kirchenglocken bera nos Domine Jesu Christe [Herr Jesus Christus befreie uns von großem Blitz und Unwetter).“ Die dritte Glocke trägt bloß ein Cruzefixbild mit der oben herum ange­ brachten Schrift: ,,Aloisi Dorer von Villingen im Schwarzwald hat mich für die Gemeinte gegossen und durch das Feuer bin ich geflos­ sen 1825.“ Das Gerüstwerk des Glockenstuhls trägt die Inschrift „Anno Domini 1666 hat Ja­ kob Kienzler diesen Glockenstuhl gemacht.“ Am 3. Juni 1883 fasste der Stiftungsrat den Beschluß, neue Glocken anzuschaffen. Schon am 15. Juni wurde beim Bezirksamt Triberg die Genehmigung zur Durchführung einer Haussammlung beantragt, die bereits zwei Ta­ ge später erteilt wurde. Die Firma Grüninger in Vtllingen bekam den Auftrag, zur Mari­ englocke drei neue Glocken hinzuzugießen. Die beiden bisher genutzten kleineren Glocken wurden in Zahlung gegeben, für die neuen Glocken musste die Gemeinde dann noch 3 434,75 Mark aufzahlen. Sie wo­ gen 2 914, 849 und 372 Pfund. Am Palm­ sonntag, den 6. April 1884, vollzog der Orts- pfarrer Wilhelm Baumann die Glockenweihe und bei der Auferstehungsfeier am Karsams­ tag, den 12. April, erklang das neue Geläut erstmals. Glocken als Rohstoff Während des Ersten Weltkriegs mussten die Kirchengemeinden ihre Glocken abliefern, um die Kriegsindustrie mit Rohstoffen zu ver­ sorgen. Glocken zu Kanonen. Im April 1917 erreichte die Anordnung auch das Schonach­ er Pfarramt. Verschont sollte nur die alte Glocke von 1501 werden, aber Pfarrer Wil­ helm Fichter konnte erreichen, dass nur die kleinste Glocke ihren Platz im Turm verlas­ sen musste, die drei größeren blieben der Gemeinde erhalten. Zehn Jahre später, am 7. Januar 1927, wurde unter Pfarrer Karl Franz Wolf eine neue kleine Glocke ange­ schafft. Sie wurde von der Firma Grüninger im Ton c2 gegossen, war 325 Kilogramm schwer und kostete 1445 Mark. Nunmehr besaß Schonach die alte Glocke _ Villingen B.Grüninger Söhne G.m.b.H. 1570 Gegr. Schwarzwald – Glockengießerei Neu-Ulm Do. Die Schonacher Glocken wurden bei der Landwirtschajisausstellung in Freiburg präsentiert. 186

Kirchen, KapeUen und Glocken G/.ockenweihe am ].Ok­ tober 1950 durch Pfarrer Karl Friedrich Hugel­ mann, hier mit der gro­ ßen Christkönigsglocke. Die Gemeinde konn­ te sich nicht lange an dem Geläut erfreu­ en, denn im Zweiten Weltkrieg wiederhol­ te sich die bekannte Die Geschichte: Bronzeglocken mus­ sten für die Rüstungs­ industrie geopfert werden. Diesmal konnte nur die altehrwürdige Marienglocke vor der Beschlagnahme gerettet werden. Bald nach Kriegsende begannen die Vor­ bereitungen zur Wiederbeschaffung eines vollständigen Geläuts. Im Dezember 1949 kamen bei einer ersten Sammlung über 13 000 Mark zusammen, im April 1950 wur­ den nochmals über 10 000 Mark gespendet. Die hohe Summe zeigt, wie wichtig den Schonachem der feierliche Klang war. Als die politische Gemeinde noch 5 000 DM zu­ schoss, war die Finanzierung gesichert und wiederum wurde die Firma Grüninger mit der Anfertigung von fünf neuen Bron­ zeglocken beauftragt. Zuvor war ein positi­ ves Gutachten über die Tragfähigkeit des Turms erstellt worden und am 11. August wurden die neuen Glocken in Straß bei Neu-Ulm gegossen. Dorthin war die traditi­ onsreiche Villinger Firma nach dem Zweiten Weltkrieg umgesiedelt, ehe zu Beginn der 1950er Jahre der wirtschaftliche Zusammen­ bruch des Unternehmens eine 375jährige Glockengießtradition jäh beendete. Vom 15. bis zum 24. September wurden die neuen Glocken auf der Landwirtschaftsaus­ stellung in Freiburg gezeigt und dort vom Freiburger Domkapellmeister Franz Stemmer 187 von 1501 mit 820 kg Gewicht und dem Ton gl , die zwei Glocken von 1884 in den Tönen es l und bl sowie die neue kleine Glocke. Am 3. August 1934 zersprang die große Glocke von 1884 beim Trauergeläut anlässlich des Todes von Reichspräsident Hindenburg. Am Vorabend war bereits ohne Rücksprache mit Pfarrer Hugelmann auf Veranlassung des Bürgermeisters eine volle Stunde geläu­ tet worden. Für den zweiten Abend verlang­ te der ffarrer, vor jedem Schlag der Uhr das Läuten zu unterbrechen, was jedoch nicht getan wurde. Wegen der gesprungenen Glocke entzündete sich nun ein langer Streit. Im Gutachten der Gießerei Grünin­ ger vom 7. September des Jahres heißt es: „Unsachgemäßes Läuten, Übermüdung des Glockenmaterials, plötzliches Aufhören.“ Den Auftrag zum Glockenneuguß bekam erneut die Firma Grüninger. Die Schonacher ließen dabei nicht nur ihre zersprungene Glocke durch eine neue ersetzen, sondern bestellten zur Vergrößerung des Geläuts gleich noch eine fünfte dazu. Dies kostete insgesamt 5 260 Reichsmark, für das Metall der alten Glocke wurden 1400 Reichsmark erstattet, zu zahlen waren 3 860 Reichsmark. Die Neuanschaffungen waren 1400 und 1000 kg schwer, in den Tönen es l und f l gegossen.

Schonacher Kirchenglocken geprüft und für gut befunden. Am 27. Sep­ tember trafen die Glocken in Sd1onach ein, in einem Festzug wurden sie von der Bäcke­ rei Scherer zum Weiheplatz geleitet. Der Chronist vermerkte: ,,Der ganze Ort hatte zu diesem Empfang Festschmuck angelegt. Die Betriebe und Schulen schlossen um 16 Uhr und die Beteiligung der Bevölkerung war so stark wie sonst nur bei hohen kirch­ lichen Festen. Gegen 17 Uhr gruppierte sich ein großer Zug. Die Stiftungsräte, Gemein­ deräte und die beiden oberen Schulklassen nahmen hinter der Kurkapelle Aufstellung. Die Spitze bildete der Radfahrerverein mit einer Anzahl weißgekleideter Mädchen, die Herbstblumen in den Händen trugen. Ih­ nen folgten die Banner der männlichen und weiblichen Pfarrjugend sowie Fahnenabtei­ lungen des Turn-und Gesangvereins. Unter dem Geläute der alten noch auf dem Turm befuidlid1en Glocke und den Klängen der Kurkapelle setzte sid1 der Zug in Bewegung. Die mit Blumen und Fähnchen in den kirch­ lichen Farben weiß-gelb geschmückten neuen Glocken befanden sid1 auf einem schweren Lastkraftwagen, umgeben von Mädchen der Frauenjugend in weißen Kleidern. Hinter ih­ nen schritt die Geistlid1keit einher.“ Weni­ ge Tage später wurden die Glocken unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf den Turm gebracht. Alle sechs heutigen Glocken tragen eine Inschrift. Auf der Christkönigsglocke ist zu lesen: TU NOBIS VICTOR REX MISE­ RERE (Du siegreicher König, erbarme Did1 unser). Auf der St. Urbansglocke: ST URBAN UNSER SCHUTZPATRON BITT FÜR UNS AN GOTTES THRON: Auf der St. Michaelsglocke: SIGNIFER SANCTUS MICHAEL REPRAESENTET EAS IN LU­ CEM SANCTAM-ZUM GEDÄCHTNIS AN DIE GEFALLENEN DER BEIDEN WELTKRIEGE 1914-18 UND 1939-45 STIFTET DIESE GLOCKE DIE POLITI­ SCHE GEMEINDE SCHONACH. (Der Bannerträger, hl. Michael, möge sie geleiten ins heilige Licht). Auf der alten Marienglocke 188 steht: me resonante pia populo memento ma­ ria ano XVC ain iar do gos ios ege (Sooft ich für das Volk fromm ertöne, denk an Ma­ ria„.l SO 1 gegossen von Jos Eger). Die St. Josefsglocke hat die Inschrift: SANKT JOSEF ALLE ZEITEN STEH HILF­ REICH UNS ZUR SEITEN GESTIFTET VON DER FAMILIE AUGUSTIN SCHWERZ. SCHLOSSBERG. Der Text auf der Sdrntzengelglocke lautet: ANGELI TUI SANCTI NOS IN PACE CUSTODIANT (Deine heiligen Engel mögen uns in Frieden behüten). Alle fünf Glocken von 1950 tragen zudem den Namen des Gießers und die Wor­ te „Gegossen im Hl. Jahr 1950″. Die Sd1onacher Glocken stellen das größ­ te Werk der ehemaligen Villinger Gießerei Grüninger im Landkreis dar, in dem anson­ sten nur sehr wenige Glocken dieser berühmten Werkstatt vorhanden sind. Jochen Schultheiß ·- – Engel rosten auf den Schrottplätzen zwischen den Autogöttern der Zeit Teufel hochgejubelt auf den Altären der Wirtschaft und Politik Der Mensch dazwisd1en im Warten auf seinen Tod Bernhard ßrommer – – –• • Blick 2000

Engagierter Kirchenbauer und Helfer Pfarrer Wilhelm Fichter verdankt die Gemeinde Schonach ihre heutige Kirche Kirchen, Kapellen und Glocken Weit zurück reicht die Geschichte der Pfar­ rei Schonach, die um das Jahr 1150 gegrün­ det wurde und somit zu den Urpfarreien der Gegend zählt. Lang ist die Reihe der Seel­ sorger, die in den vergangenen Jahrhunder­ ten die Gemeinde betreuten. Eine herausra­ gende Priestergestalt war Wilhelm Fichter, an dessen unvergessenes Wirken noch heu­ te eine ihm zu Ehren benannte Straße erin­ nert. Seine direkte, pragmatische Art und seine Tatkraft machen ihn zu einem der volkstümlichsten und schaffensreichsten Pfar­ rer in all den Jahrhunderten der Schonacher Kirchengeschichte. Wilhelm Fichter stammte aus Achkarren, einem bekannten Weinort am Kaiserstuhl. Das Licht der Welt erblickte er am 9. Okto­ berl 872. Am 1. Juli 1896 empfing er in St. Pe­ ter die Priesterweihe. Erste berufliche Sta­ tionen waren ab 1897 die V ikarstellen in Herrischried und Görwihl, wo er auch zwei Jahre lang Pfarrverweser war. Am 24. April 1906 kam Wilhelm Fichter als Ffarrer nach Schonach, ein Glücksfall für die Gemeinde, deren Leben er in den fol­ genden 15 Jahren entscheidend prägte und mit unglaublichem persönlichem Einsatz während der schweren Jahre des Ersten Welt­ krieges leitete. Gleich nach seinem Amtsantritt nahm er sich mit Nachdruck und großer Energie ei­ ner wichtigen Aufgabe an: Schon seit Jahren war darüber diskutiert worden, dass die be­ stehende Pfarrkirche den Bedürfnissen der wachsenden Gemeinde nicht mehr gerecht wurde und eine Vergrößerung unabdingbar sei. Pfarrer Fichter war der Ansicht, dass es eine Torheit sei, an der bestehenden Kirche Veränderungen vorzunehmen, vielmehr müs­ se eine neue Kirche gebaut werden. Noch im gleichen Jahr gründete er einen Kirchen­ bauverein, dem die meisten Schonacher Fa- Pfarrer Wilhelm Fichter (1872-1933) milien beitraten. Es begann nun ein langer Papierkrieg um Schenkungen, Darlehen und Spenden. Pfarrer Fichter vermerkte da­ mals in den Akten: ,,Es ist ein sehr mühsa­ mes Sammeln von Pfennigen.“ Erste Entwürfe und Pläne wurden gefertigt, doch entzündeten sich schon bald heftige Streitereien mit dem zuständigen Bauamt in Freiburg über die Größe der neuen Kirche. Dort glaubte man, aus Kostengründen, mit einem kleineren Bau auskommen zu kön­ nen, was den Schonachern, und allen voran Pfarrer Fichter, überhaupt nicht behagte. Unerschrocken nahm Fichter kein Blatt vor den Mund. Harte Konfrontation mit den zuständigen Behörden war die Folge. Als wieder einmal heftig gestritten wurde, dies­ mal ging es um eine finanzielle Unterstüt­ zung zum Kirchenneubau aus dem Religi- 189

Pfarrer Fichter Nach zähem Ringen und vielen Auseinandersetzungen ist es soweit: Am 24. August 1913 wird der Grund­ stein zum Neubau der Schonacher Kirche gelegt. onsfonds, verfaßten die Schonacher einen geharnischten Bericht, gegen dessen Vorlage beim Freiburger Ordinariat der Oberstif­ tungsrat Bedenken vorbrachte, ,,da er seiner Form wegen von wenig günstiger Wirkung sein werde.“ Daraufhin erwiderte Pfarrer Fich­ ter in seiner direkten Art: ,,Wenn wir hier den richtigen offenen Ton anschlagen, halten wir das für ehrlicher, als wenn wir kriechen und schmeicheln, um zum Ziel zu kommen.“ Im Jahre 1912 wurden die Genehmigun­ gen für einen Kirchenneubau erteilt und noch im gleichen Jahr mit den Arbeiten be­ gonnen. Aber immer wieder gab es Schwie­ rigkeiten, da die Gemeinde Schonach Ar­ beiten abweichend von den Plänen und Vor­ gaben ausfuhren ließ, um eine Kirche nach ihren Wünschen zu bekommen. Pfarrer Fichter erklärte gegenüber den Behörden: ,,Wir müssen den ganzen Bau alleine bezah- len, es hilft uns niemand; dann bauen wir aber auch die Kirche so, wie wir sie gebaut haben wollen.“Ein großer Festtag und wich­ tiger Meilenstein des Kirchenbaus war die feierliche Grundsteinlegung am 24. August 1913. Doch schon wenige Tage später wur­ de Pfarrer Fichter ein Disziplinarverfahren angedroht, wenn nod1 einmal Arbeiten oh­ ne Genehmigung ausgeführt würden. Näd1ster Streitpunkt war die Gestaltung des Turmes. Der Pfarrer hätte mit der neuen Kirche am liebsten auch gleich einen neuen Turm bauen lassen. Die Denkmalbehörde bestand jedoch auf der Erhaltung des alten und genehmigte lediglich eine Erhöhung. Fichter protestierte energisch: ,,Allein der Turm, der stehenbleiben mußte, verursach­ te Kosten und Sorgen, die er nicht wert ist. Wenn nur einmal sämtlid1e Bauräte und Konservatoren in die alten verwitterten und 190

zerrissenen Kirchtürme eingemauert werden könnten und darin herumgeistern müssten als Wahrzeichen für alle späteren Zeiten. So muss manch alter Kasten erhalten werden, weil sein Fundament aus Römerzeiten stammt, oder an dem der General Cäsar sei­ ne Tabakspfeife ausgeklopft hat, oder der Turm stammt aus altromanischer Zeit oder es sind Spuren frühgotischer Kunst an ihm hän­ gen geblieben.“ Trotz aller Schwierigkeiten und Reibereien ging der Bau zügig voran. Ein großes, ein Jahrhundertwerk war getan, als die neue Kir­ che zu Beginn des Jahres 1915 fertiggestellt war. Pfarrer Fichter war es gelungen, für sei­ ne Gemeinde ein großes und würdiges Got­ teshaus bauen zu lassen, eine Kirche, die noch heute Stolz und Wahrzeichen von Schonach ist. Schon dies würde Wilhelm Fichter einen ex­ ponierten Platz in der Reihe der Schonacher Pfarrer einnehmen lassen, doch war der Bau Kirchen, KapeUen und Glocken der neuen Kirche nur eines der Betätigungs­ felder des Seelsorgers. Lang ist die Liste sei­ ner Aktivitäten, gerade auch im sozialen Be­ reich. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs war es für Wilhelm Fichter eine Selbstver­ ständlichkeit, die Not unter größtem per­ sönlichem Einsatz lindem zu helfen. Schon am 14. September 1914 teilte er dem Orts­ ausschuss des Roten Kreuzes in Triberg mit, dass fünf erkrankte Soldaten in Schonach Aufnahme und Pflege gefunden hätten. Er bemühte sich um die Aufnahme weiterer er­ krankter Soldaten und schrieb Urlaubsgesu­ che, wenn unvorhergesehene Ereignisse die Anwesenheit von im Krieg stehenden Sol­ daten in der Heimat erforderlich machten. Des Pfarrers Briefe an die Behörden und Dienststellen entbehrten weder Salz noch Pfeffer. Er konnte manches zum Nutzen seiner Pfarrangehörigen bewegen. Bei der Aufstockung des Kirchturms im Zusam­ menhang mit dem Kirchenneubau fehlte Ein gewaltiges Werk, der riesige Dachstuhl der neuen Kirche. 191

Pfarrer Ficbter ihm der Zimmermann Alfred Feiss, der seit Kriegsausbruch als Pionier in den Vogesen Kriegsdienst leistete. Postwendend wurde der Kompaniechef benachrid1tigt, und Feiss bekam einen 14tägigen Heimaturlaub. Engagiert sammelte der Pfarrer auch für die Soldaten an der Front und führte über sein Soldatenhilfswerk genau Buch. Die Ma­ rianisd,e Kongregation brachte noch Ende 1914 61 Paar Socken und 80 Strickwesten zum Versand ins Feld. In den ersten Wochen Die Schonacher Pfarrkirche St. Urban. 192 des Kriegsausbruchs spendeten die Bauern drei Zentner Speck und sonstige geräucher­ te Wurstwaren. Dazu kamen Butter und Ei­ er, die „der Fichter“ an das Triberger Lazarett weiterreichte. Vieles wurde den Soldaten in Paketen an die Front geschickt: Honig, Zucker, Schokolade, Mehl, Branntwein, Zi­ garren, Hemden, Taschentücher, Handtü­ cher, Trikotbinden, Hosenträger, Fußlap­ pen, Briefpapier, Bleistifte und anderes. Der Schonacher Frauenverein kochte Waldhim­ beeren zu Marmelade. Eine Zu­ sammenstellung für die Jahre 1914 bis 1917 ergibt als Sammel­ ergebnis an Bargeld 2 897,75 Mark und an Wertsachen 1387 Mark, eine respektable Leistung. Der Schonacher Pfarrer sam­ melte aber auch für die Kriegs­ gefangenen, für seine Amtsbrü­ der als Feldgeistliche und für die kriegshinterbliebenen Eltern, Witwen und Kinder. Man sah den Pfarrer während des Heuens beim Mähen in der Langmatte, dem Pachtfeld der Kirche an die Kuhhalter, und oft stand er schon in aller Frühe, noch vor dem Gottesdienst, auf dem Feld, um einer Kriegerwitwe oder ei­ ner Familie, deren Ernährer an der Front stand, das Futter für den Tag zu mähen. Der Volks­ mund sagte: ,,Ohne Pfarrer Fich­ ter wäre halb Schonach verhun­ gert.“ Viel zu oft sah man ihn in dieser Zeit die Todesnachricht überbringen. Es war dies immer ein recht bitterer Gang für den Seelsorger. Aber das soziale Emp­ finden und das menschliche Mit­ gefühl, die Pfarrer Fichter eigen waren, milderten ein wenig die Härte des Unglücks. Bei dem unentwegten Engage­ ment des Schonacher Pfarrers blieb neidische Kritik nicht aus.

Kirchen, Kapellen und Glocken Der Kirchenpatron der r:farrkirche Schonach, St. Urban. Das geht aus einer Bemerkung aus dem Jahre 1916 hervor, in der es heißt: ,,Würden die Sammlungen von einer Kommis­ sion respektive von den Vertretern der Gemeinde und dem Pfarrer so­ wie den Vorständen der einzelnen Vereine vereinnahmt und die Pa­ kete von dieser Kommission abge­ sandt, so wäre dies wohl besser. Dies sei kein Misstrauen gegen den Pfarrer, man wollte jedoch nicht mehr länger zuschauen, wie der Ein­ druck entstehe, nur der Schonacher Pfarrer Fichter sorgte allein für die Soldaten.“ Auch in anderen Berei­ chen war Pfarrer Fichters Wirken er­ folgreich. Sogar in der Verwaltung scheint er ein Experte gewesen zu sein. Als im September 1906, al­ so wenige Monate nach Fich­ ters Amtsantritt, die Pfarrei Schonach im Rahmen einer Visitation geprüft wurde, wur­ de im Bescheid des Erzbischöf­ lichen Ordinariates lobend her­ vorgehoben, dass sich der neue Pfarrer in der kurzen Zeit seines Hierseins um die Ord­ nung der Registratur, der schriftlichen An­ gelegenheiten und der Vermögensverwal­ tung sehr verdient gemacht habe. Den kirchlichen Vereinen und Gruppie­ rungen sowie der Jugend galt Fichters be­ sondere Sorge. 1911 ließ er das Jugendheim im „Pfarrwald“ erbauen, mit Räumen für die Jugendlieben und Platz für eine Kinder­ schule. Diese war schon 1892 erstmals ge­ gründet worden und musste um 1904 aus Mangel an geeigneten Räumlichkeiten ihren Betrieb einstellen. Mit der Wiedereröffnung im neuen Jugendheim am 6. Mai 1912 hat­ te Pfarrer Fichter sie zu neuem Leben er­ weckt. Im Jahre 1912 richtete er an den Ge­ meinderat ein Gesuch um Unterstützung der Jugendarbeit. Er unterstrich den Wert der Kinderschule und die Tatsache, dass das Haus in der übrigen Zeit den Jugendlieben offenstehe zu Unterhaltung, Spiel und Weiterbildung. Da der Turnverein Zuschüsse erhalte, wä­ re es nur recht und billig, auch die Jugend zu unterstützen. Ein weiterer Bereich seines so- zialen Wirkens war die eben­ falls 1912 von ihm ins Le­ ben gerufene Jugendspar­ kasse, in der während ihres Bestehens ganz ordentli­ che Summen angespart wurden. Auch die Grün­ dung des Caritasvereins geht auf die Initiative von Pfarrer Fichter zurück. Am 18. August 1918 war die Gründungsversammlung. Doch bereits vor der offiziel­ len Konstituierung ge­ schah vieles im sozialen Bereich, so bezog Pfarrer Fichter bei Kriegsende aus den Lagerbeständen des Heeres in Konstanz Gegenstände wie fertige Betten, Decken, Hemden, Unterhosen, Halstücher, Hosen und anderes, um es an Bedürftige zu vertei­ len. Auch für erwischte Hamsterer setzte er sich ein. Er förderte die Armenunterstüt­ zung, engagierte sich für Zuwendungen an arme Erstkommunikanten und für den Feri­ enaufenthalt von Arbeiterinnen. Schon im Jahr 1907 war unter seiner Mitwirkung der Verein der christlichen Mütter gegründet worden. Nicht unerwähnt bleiben soll das beson­ dere Bemühen Fichters um eine würdige, feierliche und schöne Gestaltung der Got­ tesdienste. Nach 15 Jahren voller Einsatz für seine Ge­ meinde hieß es für Wilhelm Fichter Ab­ schied nehmen von Schonach. Am zweiten Sonntag nach Ostern, dem 10. April 1921, findet sich sein letzter Eintrag im Scho- 193

Pfarrer Fichter nacher Verkündbuch. Er hatte die Pfarrei „St. Al bin“ in der Weinbau­ gemeinde Waldulm im Achertal übertragen bekommen. Sein Amt trat er dort am 14. April 1921 an und setzte an neuer W irkungsstät­ te seine segensreiche Tätigkeit fort. Neben der kirchlichen Seelsorge galt sein Bemühen wiederum besonders den wirtschaftlichen Nöten des Ortes. So hatten in den 20er Jahren die Winzer erhebliche Probleme mit dem Verkauf ihrer Weine. Dies veranlasste Pfarrer Fichter, sich um die Gründung ei­ ner W inzergenossenschaft zu bemühen. Von Jugend an mit dem Weinbau vertraut, sah er darin eine Möglichkeit, die Absatzmenge des Weines zu erhöhen und seine Gü­ te zu steigern. In der Gründungs­ versammlung am 25. November 1928 wurde er zum ersten Vorsit­ zenden der Winzergenossensd1aft gewählt, der damals 46 Rebbauem beitraten. Ein weiteres Anliegen war ihm die Förderung des kultu­ rellen Lebens. So unterstützte er die Neugründung von Musik- und Sportvereinen ebenso wie den Neuaufbau des Kirchenchores im Nach einer umfassenden Innensanierung 1989-1990 zeigt sich Jahr 1922. Außerdem ließ er in die Schonacher Kirche nun in neuem Glanz. der Pfarrscheuer den „Josefsaal“ einrichten. ter zu einer markanten und humorvollen Persönlichkeit, auf die vielfältigste Art such­ te er seinen Pfarrkindern auch in ihren irdi­ schen Berufsaufgaben und Gesd1äften ein tatkräftiger Helfer zu sein, so daß die dank­ bare Gemeinde Schonach nach ihm eine Straße benannte, dort hat er auch eine Kir­ che im Barockstil und ein Jugendheim er­ baut.“ Jochen Schultheiß Nach zwölfjährigem W irken in Waldulm war die Lebensuhr des rastlosen Seelsorgers viel zu früh abgelaufen. Am 10. März 1933 verstarb Wilhelm Fichter mit 60 Jahren im Klinikum in Freiburg. Beerdigt wurde er in Waldulm am 14. März 1933 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Der Geistli­ che Rat Dekan Dr. Huck würdigte seine außergewöhnlichen Verdienste. Im „Necrologium Friburgense“, das regel- mäßig im Freiburger Diözesanarchiv er- scheint, hieß es damals im Nachruf. ,,Eine rauhe Art und ein gutes Herz prägten Fid1- 194

14. Kapitel /Almanach 2001 Ein Denkmal erinnert an den Hofkomponisten Johann Wenzel Kalliwoda Schöpfer der „Fürstenberger Hymne“ den war, ein Denkmal setzen zu lassen. Das Aussehen, die Beschaffenheit und der Stand­ ort des Gedenksteins wurden dabei gleich­ falls vom Fürsten bestimmt. Innerhalb des an Denkmälern und Kleinarchitekturen rei­ chen Schlossparks, dessen damaliges Ausse­ hen das Ergebnis einer in den 1890er Jahren erfolgten Umgestaltung war, wurde nach ei­ niger Überlegung ein südlich der Mühlen­ straße (heute Prinz-Fritzi-Allee), unweit des Bregkanals gelegener Platz in Betracht gezo­ gen. Bei der Einweihung des Denkmals be­ gründete Max Egon II. seine Wahl damit, dass an dieser Stelle „auf das Monument der Berg hemiederschaue, der dem fürstlichen Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brunnen Am 21. Februar 2001 jährt sich der Ge­ burtstag des Komponisten und Fürstlich Für­ stenbergischen Hofkapellmeisters Johann Wenzel Kalliwoda (1801-1866) zum 200. Mal. Werdegang und Wirken des gebürtigen Pra­ gers, der nahezu vier Jahrzehnte lang das Mu­ sikleben am Donaueschinger Hof maßgeb­ lich mitgestalten sollte, wurden bereits in ei­ nem Beitrag von Willi Frank im Almanach 96 vorgestellt. Während Kalliwoda im Urteil nachfolgender Generationen fur die inter­ nationale Musikgeschichte eine vergleichs­ weise untergeordnete Rolle spielte und sei­ ne Werke heute nur noch gelegentlich zur Aufführung gelangen, wurde die Erinnerung an ihn in seiner Wahlheimat Donaueschin­ gen stets aufrechterhalten. Im Jahre 1901 nahm die örtliche Liederta­ fel den 100. Geburtstag des vor allem durch seine Lieder und Chorwerke bekannt ge­ wordenen Tonkünstlers zum Anlass, eine Gedenkfeier im Museumsgebäude abzuhal­ ten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch erst­ mals die Errichtung eines Gedenksteins fur Kalliwoda angeregt, wofür zunächst der Deutsche Sängerbund gewonnen werden sollte. Gleichzeitig fuhlte sich aber auch das Haus Fürstenberg verpflichtet, dem einstigen Hofkapellmeister und Schöpfer der „Fürsten­ berger Hymne“, eine dauerhafte Würdigung zuteil werden zu lassen, zumal dieser u. a. seinerzeit verlockende Angebote aus Prag, Leipzig und Mannheim zugunsten seiner Stellung in Donaueschingen abgelehnt hatte. Noch im selben Jahr fasste Fürst Max Egon II. zu Fürstenberg (1863-1941) den Entschluß, Kalliwoda im Park von Schloss Donaueschingen, in dem schon früher eine Stelle an der Brücke beim sogenannten Fisch­ haus als „Kalliwodasruhe“ bezeichnet wor- Das Kalliwoda-Denkmal nach seiner Einweihung. 195

Kalliwoda-Oenkmal Hause den Namen gegeben: der alte Fürstenberg“. Durch die (inzwischen zugewachsene) Sichtachse sollte also die Beziehung zwischen dem Haus Fürstenberg und seinem einstigen Kapell­ meister gleichsam topo­ graphisch vor Augen geführt werden. Beim Denkmal selbst ent­ schied man sich für den Typus eines sogenann­ ten „Findlingsmonu­ ments“, weshalb zu­ nächst ein entsprechen­ der Stein in der näheren Umgebung gefunden wer­ den mußte. Dieser sollte auf einen aus Naturstein gemauer­ ten Sockel gestellt und mit einem Porträt Kalliwodas sowie einer In­ schrift versehen werden, ,,schlicht und ein­ fach, wie das Leben und Wesen des Meisters gewesen ist“. Derartige Denkmäler fanden in der Zeit um 1900 weiteste Verbreitung und wurden bevorzugt zur Erinnerung an Personen oder Ereignisse mit patriotischem Hintergrund (Bismarck-Gedenkstätten, Kriegerdenkmäler u.ä.) verwendet. Auch im Donaueschinger Park wurde noch Jahrzehn­ te später in der Nähe des Fischhauses ein ähnlich gestaltetes Denkmal für die Gefalle­ nen des Zweiten Weltkrieges errichtet. Der damaligen Vorstellung zufolge entsprachen die in langen Zeiträumen, gewissermaßen von den „Urkräften“ der Natur geformten Steine dem „bodenständigen“ Charakter der durch sie auszudrückenden Inhalte. Ihre roh belassene Form und Oberfläche sowie ihre allmähliche Veränderung durch Spuren der Verwitterung wurden dabei bewußt in Kauf genommen bzw. als zusätzliche ästhetische Qyalität bewertet. Zudem erwiesen sich die Findlinge im Vergleich zu Denkmälern aus Marmor, Sandstein oder anderen Materiali­ en als weitaus kostengünstiger, pflegeleich- 196 Die Detailaufnahme zeigt das Por­ trät desfürstenbergischen Hofka­ pellmeisters, das in das Denk­ mal eingearbeitet ist. ter und dauerhafter, weshalb sie u. a. bis heute häufig als Grab­ steine Verwendung fin­ den. Das Fürstlich Fürsten­ bergische Bauamt unter der Leitung von Baurat Bleyer wurde nach länge­ rer Suche im April 1902 im Kirnachtal bei V illingen fün­ dig. Da der in Betracht gezogene Granitfindling jedoch auf dem Gebiet des Villinger Gemeindewaldes lag, war für dessen Verwendung und Abtransport zu­ nächst die Genehmigung des Gemeinderats erforderlich, die dieser jedoch sofort bereit­ willig erteilte (vom Gut der in den damaligen Presseberichten genannten Frau Dr. Hauger stammten lediglich die restlichen Steine für den Unterbau). Hinsichtlich der Gestaltung des Monuments hatte man sich bereits im Vorjahr an den aus Donaueschingen stam­ menden Direktor der Karlsruher Kunstge­ werbeschule Hermann Götz (1848-1901) ge­ wandt, der für seine Heimatstadt u. a. den Kaiserbrunnen (1893) und ein Kriegerdenk­ mal gegenüber der Stadtkirche (1896) ent­ worfen hatte. Götz verstarb jedoch schon kurz darauf, so daß man durch weitere Emp­ fehlungen auf den gleichfalls an der Kunst­ gewerbeschule lehrenden Bildhauer Otto Feist (1872-1939) aufi-nerksam wurde. Dieser vor allem auf dem Gebiet der Porträtplastik tätige Künstler war ein Schüler Adolf Heers (1849-1898, vgl. Beitrag von Erich W ill­ mann/Bernhard Kleiser im Almanach 98) gewesen, von dem u. a. die 1896 über der

Donauquelle aufgestellte Figurengruppe stammte. Der damals 29jährige Feist erstell­ te zunächst mehrere Skizzen, die nach ihrer Einreichung nochmals aufVeranlassung von Max Egon II. überarbeitet werden mussten, wodurch sich deutlich zeigt, daß der Fürst an Aussehen und Entstehung des Denkmals persönlich Anteil nahm. So ließ er bei­ spielsweise ausdrücklich eine sich dem Na­ turstein anpassende „elliptische“ Form des Kalliwoda-Bildnisses anordnen und die von Feist ursprünglich „secessionistisch“ vorge­ sehene, d. h. im damals modernen Jugend­ stil gehaltene Inschrift durch eine traditio­ nelle Schriftart ersetzen, worin sich zugleich Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brum1en sein ausgeprägt konservatives Kunstver­ ständnis widerspiegelt. Zu den letztlich in der Karlsruher Erz­ gießerei Peters & Beck ausgeführten Bron­ zeteilen gehört ein 39 x 30,5 cm großes, hochovales Porträtmedaillon, das ein Brust­ bild des im Dreiviertelporträt nach rechts ge­ wandten Komponisten wiedergibt. Die von markanten Brauen überwölbten Augen, der mächtige, an seinen Enden nach oben ge­ zogene Schnurrbart und die schmale, gera­ de Nase bestimmen die Physiognomie. Das vorgerückte Alter des Dargestellten wird durch die hohe Stirn und den am Hemd­ kragen aufsitzenden Hals angedeutet. Nach damaligem Urteil war Feist damit ein „vortrefflich mo­ delirtes, frappant ähnliches Reliefbild“ des Tonschöp­ fers gelungen. Da er diesen jedoch nicht mehr persön­ lich gekannt haben konnte, diente ihm eine in den letz­ ten Lebensjahren Kalliwo­ das entstandene Fotografie als Vorlage, von der er sogar Gehrock und Kragenbinde unverändert übernahm. Unter dem Bildnis befindet sich ein stillebenartiges Ar­ rangement verschiedener Objekte, das sich aus einer liegenden, mit Perlbändern verzierten Lyra, einem Takt­ stock und einer Schriftrolle sowie dahinter liegenden Lorbeer- und Palmzweigen zusammensetzt, die durch ein gefälteltes Band locker zusammengehalten werden. Die Bedeutung dieser Gegen­ stände lässt sich unschwer er­ raten; so ist die Lyra als anti­ kisches Symbol der Ton­ kunst und in seiner Funkti­ on als begleitendes Instru­ ment hier besonders des Entwu,fsskizze zum Kalliwoda-Denkmal von Otto Fei sl, 1902. 197

Kalliwoda·Denkmal Johann Wenzel Kalliwodtt (1801-1866), Fotografie um 1860 (links) und das Titelbla!L zur Partitur der ,,Fiirstenberger-Hymne‘: 1892 (rechts). Gesangs zu verstehen, während der Takt­ stock unmittelbar auf Kalliwodas Dirigen­ tentätigkeit anspielt. Auf der sich dahinter durchziehenden Notenrolle ist der Anfang des „Deutschen Liedes“, einem der populär­ sten Werke Kalliwodas, mit Auszügen aus dessen erster Strophe „Wenn sich der Geist auf Andachts-Schwingen zum Himmel hebt, durch Erdennacht zum Licht zu drin­ gen, die Seele strebt…“ zu erkennen. Der un­ ter der Lyra und im Hintergrund links als Zweig erscheinende Lorbeer hat sich seit dem klassischen Altertum als Symbol des Ruhmes tradiert und war ursprünglich Apol­ lo, dem Gott der Künste und der Musen, ge­ weiht. Die immergrüne Pflanze wurde dabei als Zweig oder Kranz bevorzugt Helden, Sie­ gern und Sängern überreicht und dient bis heute als Sinnbild der Auszeichnung und Anerkennung. Ebenso hat die Bedeutung des Palmzweigs, der u. a. bei den olympischen Spielen Grie­ chenlands und den Triumphzügen im alten Rom verwendet wurde, bis in die Gegenwart ihre Gültigkeit bewahrt, wobei ihm als de- koratives Zeichen des Sieges und des Frie­ dens auch im christlichen Kultus, beispiels­ weise bei der Totenehrung und auf Grab­ mälern, ein besonderer Sinngehalt zu­ kommt. Die hier angewandte Symbolik bedient sich also eines traditionellen For­ menrepertoires und bringt die postume Wertschätzung von Kalliwodas musikali­ schem Schaffen auf konventionelle und all­ gemein verständliche Weise zum Ausdruck. Unter dem Emblem befindet sich noch eine querred1teck.ige Inschrifttafel mit den Wor­ ten ,Johann Wenzel Kalliwoda / Fürst!. Für­ stenberg. Kapellmeister / geb. 21. Februar 1801 / gest. 3. Dez. 1866″ sowie eine links unten am Sockelgestein eingelassene Plaket­ te mit dem Namen des Auftraggebers und dem Einweihungsdatum des Denkmals. Letztere wurde 1925 entwendet und darauf­ hin durch eine Tafel identischen Inhalts er­ setzt. Die sorgfältig vorbereitete Einweihung des Gedenksteins am 3. August 1902 war für die kleine Residenzstadt ein gesellschaftliches Er­ eignis, dem neben der fürstlichen Familie 198

auch zahlreiche geladene Gäste beiwohnten. Unter ihnen befanden sich ein Sohn des Komponisten und das einzige damals noch lebende Mitglied der von Kalliwoda geleite­ ten Hofkapelle, ein Posaunist namens Schmid aus Hüfingen. Die von musikalischen Dar­ bietungen des Liederkranzes umrahmte Fest­ rede des Donaueschinger Bürgermeisters Fi­ scher endete mit Hochrufen auf das Haus Für­ stenberg, an die sich die Enthüllung des Denkmals durch Fürst Max Egon II. sowie di­ verse Kranzniederlegungen anschlossen. Auf zeitgenössischen Fotografien, die teilweise als Postkarten in den Handel kamen, ist zu er­ kennen, dass damals auch die Umgebung des Gedenksteins gärtnerisch gestaltet worden war. Erinnerung wachgehalten Fürst Max Egon II. zu Fürstenberg stellte sich mit dem Auftrag zu diesem Denkmal in die lange Reihe seiner Vorgänger, die im Lauf der Jahrhunderte die nähere und wei­ tere Umgebung von Schloß Donaueschin­ gen künstlerisch gestalten ließen. Mit dem Gedenkstein für Johann Wenzel Kalliwoda wurde dadurch nicht nur die Erinnerung an einen von seinen Zeitgenossen hochge­ schätzten Komponisten und rührigen Or­ chesterleiter, sondern auch an die hochste­ hende Musikkultur im Donaueschingen der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts wach ge­ halten, die im Jahre 1921 – freilich unter veränderten Vorzeichen – mit der Begrün­ dung der Donaueschinger Musiktage eine bis in die Gegenwart reichende Fortsetzung erfahren sollte. Ulrich Feldhahn Qiellen: Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen: Hauptkasse/Bausache, Vl w/1; Hofveiwaltung/Festlid1keiten X/1. Donaueschjnger Wochenblatt, 5. August 1902. Wegkreuze, Kleindenkläler und Brunnen Literatur in Auswahl: Baumstark, Brigitte: Die Großherzoglich Badische Kunstge­ werbeschule in Karlsruhe 1878-1920. (Diss.) Karlsruhe 1988. Berndt, Oskar: Die Gartenanlagen zu Donaueschingen, War­ tenberg und Neudingen. Ihre Entstehung und Entwicklung. In: Sduiften der Baar, XII. Heft, Tübingen 1909, S. 1-64. Frank, Willi: Johann Wenzel Kalliwoda. Ein Fürstlich Für­ stenbergischer Hofkapellmeister im 19. Jahrhundert. In: Almanach 96, S. 282-288. Petri, Adolf: Das Kalliwoda-Denkmal in Donaueschingen. In: Der Schwarzwald. Illustrierte Zeitschrift über Land und Leute zur Förderung des Fremdenverkehrs, No. 1, 15. Janu­ ar 1903. Plagemann, Volker/Mittig, Hans-Ernst (Hg.): Denkmäler im 19. Jahrhundert (Studien zur Kunst des 19. JahrhundertS, Bd. 20). München 1972. Raupp, Wilfried: Unvergängliche Spuren. Zum 20. Todestag des Bildhauers Otto Feist. In: Badische Neueste Nachrichten, 7. März 1959. Schmitt, Heinz (Hg.): Denkmäler, Brunnen und Freiplasti­ ken in Karlsruhe 1715-1945 (Veröffentlidrnngen des Karls­ ruher Stadtarchivs Bd. 7). Karlsruhe 1987. Tumbült, Georg: Das Fürstlich Fürstenbergische Hoftheater zu Donaueschingen 1775-1850. Donaueschingen 1914. Willmann, Erich/Kleiser, Bernhard: Adolf Heer, ein fast ver­ gessener Bildhauer. In: Almanach 98, S. 169-172. Leise wogt der weiche warme Wind sichtbar wellend übers Gerstenfeld, das helle. Staunend stehen wir verharrend auf der Stelle, zu betrachten leichtbewegten Erdenfrieden. Gäbe es Hungersnöte nicht zugleich hienieden, jauchzend freuen müßte man sich wie ein Kind, ob der gelben Frucht samt grünem Wald und Matten, gäbe es auf dem Erdenweg nicht solche Schatten. HannaKrepp 199

Musik Tausende besuchten „Relationship“ 15. Kapitel/Almanach 2001 Das Otto-Hahn-Gymnasium Furtwangen begeisterte mit seiner Eigenproduktion kerverbindende Idee einer Weltumseglung ,,Ein Stern ist heut‘ erwacht“ ertönt als Ver­ zum Thema hatten. Schnell stieß er auf Re­ bindungsmusik aus der Telefonanlage der sonanz, und so entspann sich in Zusam­ Stadtverwaltung Furtwangen. Das Musical­ menarbeit mit den Realschulkollegen Doris fieber hat die ganze Stadt gepackt. Hatte vor Hägele, Martin Kentischer und Elke Schön einigen Jahren die Fachhochschule Furtwan­ gen mit dem Trimaran weltweites Aufsehen um achtzehn Kompositionen folgende Ge­ erregt, dem dreirümpfigen Boot, das sich schichte: Tonio, ein junger Informatiker, droht an den selbst steuern kann, so war im Mai 2000 die pausenlos eintreffenden Nachrichten von geplante Weltumseglung auf ganz andere Art Wirklichkeit geworden: Rolf Langen­ Krieg, Verbrechen und Elend in der Welt zu bach, Englisch-und Sportlehrer am OHG, verzweifeln. Er klagt sein Leid seiner Kollegin Sonja. Ihn drängt es, mit den Mitteln der mo­ hatte die zündende Idee, die Segeltour in ei­ dernen Kommunikationstechnik einmal et­ nem Musical als Märchen darzustellen. Angeregt durch die Bauarbeiten am Trima­ was Großes zu schaffen, was die Menschen in aller Welt verbindet. Da gerät er beim Surfen ran, die er als Musiker der Gruppe „Blues­ im Internet in die Welt von Atlantis, wo wah­ quamperfekt“ hautnah miterlebte, hatte er rer Friede und Harmonie unter den Lebewe- bereits einige Songs geschrieben, die die völ- Prefessionell spritzig und temperamentvoll gerieten alle zehn Aufführungen des Musicals „Relationship „.201

Musical .Relationship“ herrschen. sen Dorthin will er jetzt gelangen, zumal er sid, in Elisea, der Tochter des Herr­ schers über diese Trauminsel, verliebt hat. „Atlantis“, also die Welt des Friedens und der Harmonie, überall dort sein kann, wo Men­ schen bereit sind einander zu helfen. Natürlich eröffne­ te eine solche Welt­ reise alle Möglich­ keiten für Musik und Tanz in unter­ schiedlichsten Stil- richtungen. Von Ro!f langenbach (links), Komponist des Musicals, sowie Soul bis Rock’n Martin Kentischer, Arrangeur und Dirigent. Roll, von Hip-Hop bis Samba, von klassischem Ballett bis zu afrikanischem­ Tanz ist in diesem Musical alles geboten. In­ nerhalb zweier Schuljahre entwickelten sich vielfältige Aktivitäten unter etwa 150 Betei­ ligten. Neben Schülern und Lehrern hatten sich auch viele Eltern, ehemalige Schüler und Freunde der Schule für das Relation­ ship-Projekt begeistert und machten mit. Zusammen mit Freunden baut er ein Schiff, das Rela­ tionship, das sich selbst steuert, und schickt es als Bot­ schafter des Frie­ dens über alle Mee- re. Viele Hindernis- se sind zu überwinden, die finstere Mächte in Gestalt eines Mr. Destroy, der Königin der Nacht und ihrer Helfer dem Unternehmen in den Weg stellen: Intrigen, juristische Einwän­ de, Naturkatastrophen. Doch wohlgesonnen ist Tonios Streben von Anfang an der „Mann im Mond“, der immer wieder rettend eingreift und Tonio am Ende zu der Erkenntnis verhilft, dass Und so kam das neue Musicalprojekt mit Die 20köpjige Tanzgruppe präsentierte ein erstaunliches Repertoire, von Samba bis Rock‘ n Roll. 202

seiner Idee ins Rollen: Nachdem das einige Jahre zuvor aufgeführte Musical „Kätz“ ein großer Erfolg war, suchte man am Otto­ Hahn-Gymnasium nach einem geeigneten Stück, um an diesen Erfolg anknüpfen zu können. Als Glücksfall bezeichnete Direktor Manfred Lamp die Tatsache, dass man mit Rolf Langenbach einen eigenen Kompo­ nisten an der Schule habe. Langenbachs Kreativität ist letztendlich die Entstehung dieses Musicals zu verdanken, der von Klaus Rimbrecht, dem Bassisten seiner Band „Blues­ quamperfekt“ angeregt worden war, doch ein Stück über den Trimaran zu schreiben. RolfLangenbach: ,,Dabei bemerkte ich, dass ich einige Stücke in der Schublade habe, die ich mit meiner Band niemals spielen würde, da sie musikalisch einfach nicht passten. Die haben sich dann aber gut zum „Relation­ ship“ zusammenfügen lassen“, erzählt der Musiker. Die außerordentliche Vielfalt der Kompositionen kommt schon in der Ver­ wendung der Instrumente zum Ausdruck. So wird die Tin-whistle, eine Blechflöte aus Irland, ebenso eingesetzt wie kubanische Steel-drums und das Didgeridoo der Urein­ wohner Australiens. Komponist und Arrangeur Martin Kenti­ scher verstand es hier diese Vielfalt zusam­ menzufügen und die komplizierten Rhyth­ men zu verarbeiten. Er leitete Chorproben, studierte in wöchentlichen Sitzungen die Begleitmusik ein, die er für die Schulband, bestehend aus Saxophonen, Klarinetten, Trompeten, Posaunen, Gitarren, Schlagzeug und Keyboard arrangiert hatte. Tanze über zwei Jahre hinweg einstudiert Elke Scharte!, Lehrerin für Sport am OHG, und Sibylle Costa, Lehrerin für Deutsch, Religion und Biologie, entwarfen Choreografien und riefen Arbeitsgemein­ schaften für Tanz ins Leben. Über zwei Jah­ re hinweg opferten 18 Mädchen, zweiJungs und die beiden Lehrerinnen einen Nach­ mittag pro Woche, um die aufwendigen Musik Drei Stunden vor Begi.nn der Vorstellung werden die ersten Darsteller geschminkt. Mit Grundierung und falschen Wimpern benötigen die Hauptdarstel­ ler bis zu einer halben Stunde, um „bühnenreif“ zu sein. Bild unten: In der Maske noch vereint, auf der Bühne „Gegner“: Mr. Destroy (Bernhard Czmiel) und der „Mann im Mond“ (Hans Bausch). Kombinationen zu üben. Diese wurden von den beiden Lehrerinnen zu jedem Stück selbst entworfen, aber auch von den Schülern kamen viele Ideen. Die meisten der Tänze­ rinnen und Tänzer hatten schon vorher durch Ballettunterricht und Jazztanz Erfahrung ge­ sammelt und so konnten Elke Scharte! und Sibylle Costa aus dem Vollen schöpfen. Er­ stere hatte schon beim Musical „Kätz“ mit­ gewirkt und dort Erfahrungen und Ideen ge­ sammelt. Die beiden Lehrerinnen zeigten sich von der Disziplin und dem Engage- 203

Musical .Relationship“ ,,Atalantus“ zeigt Elisea (Almut Stöckl) das Be­ gleitboot für den Trimaran. ment der Teenager begeistert. Alle hatten schnell begriffen, dass die zehn Aufführun­ gen nur durch hartes Training und konse­ quenten Probenbesuch gemeistert werden konnten – und dieser zahlte sich in den Vor­ stellungen auch aus. Für die Kostüme zeichnete sich Realsdrnl­ lehrerin Barbara Steinert verantwortlich, die mehrere Nähgruppen mit Schülerinnen und Eltern leitete. Für die 24 Tänzerinnen zum Beispiel waren vier verschiedene Ausstat­ tungen zu schneidern: Bauarbeiterkleidung, Matrosenanzüge, Rock’n-RoU-Kleidchen und Sambakostüme. Die 20 Bewohner der Traum­ insel Atlantis wiederum waren in blau-grüne Phantasiegewänder zu kleiden. Hier halfen die Akteure selbst mit und schneiderten zum Großteil ihre eigenen Kostüme. Groß war der Aufwand auch, da die Kostüme für die Haupt­ darsteller maßgeschneidert werden mussten, und dies in zweifacher Ausfertigung, denn schließlich waren ja zwei verschiedene Beset­ zungen auf der Bühne. Für Doris Hägele, die sich von Anfang an um die Kostüme und de­ ren Design kümmerte, galt es zunächst etliche Versandhäuser zu kontaktieren, um tonnen­ weise Stoffe anzu- fordern. Ebenfalls enorm wichtig für das Ausse­ hen der Stars war die Arbeit der V isagisten unter der Lei- tung von Gerhard Herth. Nicht nur vor den Vorstellungen, sondern auch während der Show mussten die Schauspieler ständig nach­ gesd1minkt werden, oder gar eine völlig an­ dere Maske aufgetragen bekommen. Die Maske von Mr. Destroy oder der Königin der Nacht nahm allein eine halbe Stunde in Anspruch. Daher begann das Schminken für die acht bis neun Helfer und die Schauspieler auch schon drei Stunden vor Beginn der Vorstellung. Gleid1zeitig mit der Entstehung des Dreh­ buchs entwickelte Kunstlehrer Claus-Volker Müller seine Ideen zum Bühnenbild. Seine AG mit Schülern der Mittelstufe erstellte zunächst Modelle zu allen Szenen des Stücks und fertigte dann die höchst aufwän- Solotänzerin Stefanie Klausmann begeisterte das Publikum als Eiskristall.

digen Kulissen aus Holz und Kunststoffen selbst. Viele Ideen, viele Helfer Von den sechs Buben und dem Mädchen der AG wurden jeweils wenigstens eine ei­ gene Idee mit ins Programm aufgenommen. V iele fantastische Ideen mußten aber auch im Laufe der Arbeiten wieder verworfen werden, entweder, weil sie sich als zu auf­ wändig erwiesen, oder, da sich die Ge­ schichte – zumindest am Anfang – noch ent­ wickelte und Claus-Volker Müller sein Büh­ nenbild der Story anpassen musste. Wo die Ausstattung der Schule nicht reichte, konn­ ten die Jugendlichen auf die Hilfe örtlicher Firmen wie der Schreinerei Schwer oder der Firma Rena setzen. Das Bühnenbild zeichnete sich durch die Balance zwischen Einfachheit und kom­ plexer Technik aus: Das Logo mit dem stili­ sierten Segelschiff zog sich wie ein Leitfaden Musik durch alle Szenen, es markierte Hintergrün­ de und tauchte als Leinwandprojektion auf. Die wenigen baulichen Elemente waren aus­ gefeilt, aber so reduziert, dass sie das turbu­ lente Geschehen ideal einrahmten, selbst aber nie in den Mittelpunkt rückten. Die Farbgebung konzentrierte sich auf weiß und ließ so die raffinierten Lichteffekte voll zur Geltung kommen, die Rainer Huber aus Schonach mit seiner Anlage entworfen hatte. Sobald nach einem offiziellen Casting die Verteilung der Rollen festgelegt war, konn­ ten im Herbst des Jahres 1999 die ersten Szenenproben unter der Regie der beiden Autorinnen Doris Hägele und Elke Schön aufgenommen werden. Von Anfang an probte man mit einer Schüler- und einer Erwachsenenbesetzung. Das große Engagement aller Beteiligten kommt auch in den vielen Aktivitäten zum Ausdruck, die neben dem eigentlichen Mu­ sical stattfanden. So wurde eine CD produ­ ziert, die bei der Stadtverwaltung und im Die Regenwand kam dank ausgeklügelter Technik und genialer Beleuchtung hervorragend zur Geltung. 207

Musical .Relationship“ örtlichen Handel erhältlich ist. Und eine ei­ gens eingerichtete Homepage informierte laufend über den Stand des Projekts. Über 100 000 Mark an Spenden Für die erforderlichen finanziellen Mittel sorgten eine Reihe von Sponsoren aus der Region, die Martin Scharte], Studienrat am OHG, für das große Unternehmen zu ge­ winnen verstand. Er war es auch, der sich ständig um die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung sowie der Fachhochschule kümmerte, denn die Inszenierung sah eine große Bühne sowie Videoeinspielungen auf großflächigem Monitor vor, um das Neben­ einander von Metawelten im Internet und die Bühnenrealität darstellen zu können. Über 100 000 Mark sammelte der uner- müdliche Organisator von verschiedenen Sponsoren ein. Dies gelang nur durch ein von Martin Scharte! selbst entwickeltes Sponsorenkonzept, in dem einzelne Firmen Teile des Musicals finanzierten. Dieses Kon­ zept wurde zunächst als etwas fantastisch angesehen, so Sehartei, war letztendlid1 aber sehr erfolgreich. So übernahm die Firma ,,SSS Siedle“ die Kosten für die Tonanlage, „IEF Werner“ finanzierte die Lichtanlage und die Neustädter Firma „Kadus“ ermög­ lichte die aufwendige Videoproduktion des Stücks. Auch die Zusammenarbeit mit der Fachhochschule, die schließlich das „echte Relationship“ gebaut hat, klappte hervorra­ gend. So wurde das Musical-Team in vielen Bereichen von Studenten unterstützt und wird auch bei der Vorstellung des Trimarans bei der Expo 2000 dabei sein. Wie weitrei- Links: Viele technische Spielereien und Effekte wurden in das Bühnenbild eingearbeitet. Am Computer­ steuerstand vor der Videoleinwand Sonja Spiegelhalter und Martin Dorer als Informatiker. Bild rechts: Der „Mann im Mond“ auf seiner Leuchtkugel. 208

Musical .Rela1ionship“ chend die Begeisterung für ein solches Pro­ jekt sein kann, zeigt sich am Beispiel der Fir­ ma „Beilken“, die nicht nur die Segel am echten Trimaran lieferte, sondern aud1 Ma­ terial für das Bühnenbild zur Verfügung stellte. Die Stadtveiwaltung reservierte die Fest­ halle für vier Wod1en. So konnten die Be­ leuchtungsanlage und eine Erhöhung des Bühnenbodens installiert werden. Dank die­ ser Maßnahme konnte ein Graben angelegt werden, über den ein Wasservorhang in Gang gesetzt wurde, der die mythische Atlantis­ welt gleichsam wie hinter einer Regenwand ersd1einen ließ. Aud1 diese bühnentechni­ sche Raffinesse war Rainer Huber zu ver­ danken. Zehn Aufführungen, die bereits lange vor der Premiere ausverkauft waren, lösten größ­ te Begeisterung in Furtwangen und Umge­ bung aus und der Andrang auf Stehplätze war ungeheuer. Die Presse widmete dem Er­ eignis Sonderseiten, um die Premiere des Mu­ sicals „Relationship“ zu beschreiben, die am Mittwoch in der ausverkauften Festl1alle mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Die Eiwartungen in das gewaltige Projekt des Otto-Hahn-Gymnasiums mit Realschulzug waren hoch – und sie wurden nicht ent­ täuscht. Die lSOköpfige Truppe auf der Büh­ ne präsentierte spritziges, witziges, tempera­ mentvolles, unterhaltsames und doch an­ rührendes Musiktheater, das den Vergleich mit professionellen Produktionen nicht zu scheuen brauchte. Musikalisch, szenisch und tänzerisch waren die Leistungen erst­ klassig. Am 27. Mai war in der Presse zu le­ sen: ,,Ja, sie werden lange in Erinnerung bleiben, diese Tage, als die Furtwanger Fest­ halle nicht in der Friedrichstraße, sondern am Broadway lag.“ Elke Schön 210 Oben: Tonio und Sonja (Martin Hermann und Rebecca Brugger). Unten: Auch für die musikalische Begleitung der Akteure sorgten zumeist Sdn’iler des OHG.

Kunst und Künstler Die Sprache der Farbe Zum 70. Geburtstag des Donaueschinger Malers Emil Kiess 16. Kapitel/Almanach 2001 ,,Mit 47 Jahren kann man nicht neu begin­ nen.“ Es klingt einleuchtend, wenn einer wie Emil Kiess das sagt. Ein großer Maler, der inzwischen in seinem 70. Lebensjahr steht und nach wie vor voller künstlerischer Ideen steckt, darf allemal Bilanz ziehen und über die Stationen seines vielfältigen Schaffens nachdenken. Der schönste Beweis indessen, daß vor gut 20 Jahren bei Emil Kiess doch etwas Neues begann, ist in seinem Atelier auf der Donaueschinger Staig offenkundig. An den Wänden hängen neue Bilder, über­ all stehen neue Werke, farbige Stelen aus Holz und Stein, farbige Objekte und in Farbe schwirrende Leinwände, überall riecht es nach neuer Kunst, nach Neubeginn, nach kraftvol­ ler Malerei, nad1 Experimentierfreude. Emil Kiess hat die Suche nach Neuem noch längst nicht aufgegeben. Seine Malerei bietet viel Raum fur Entdeckungen, fur Wege und Ne­ benwege, die er teilweise bis ans Ende geht, teilweise aber auch frühzeitig abbricht, weil sie ihm nicht attraktiv und „farbig“ genug er­ scheinen. Dies gilt fur einige der blanken Objekte aus Aluminium, mit denen er sich auch einmal beschäftigte. Emil Kiess über- Emil Kiess in seinem Atelier auf der Donaueschinger Staig. 211

Kunst und Künstler malte sie kurzerhand und stellte sie im Kel­ ler seines Ateliers ab: Ein Nebenweg, der ihm nicht sinnvoll erschien. Freilich entschlüpfte der Neubeginn am En­ de der 80er Jahre einer Schale, die zuvor in drei Jahrzehnten künstlerischer Arbeit her­ angewachsen war. Immer neue Schichten waren seit den SOer Jahren hinzu gekommen, Schichten aus Farbe, versteht sich: Emil Kiess ist ein Maler, der tief eintaucht in die Welt der Farbe, der fasziniert ist von den vielfältigen Möglichkeiten, die in ihr stecken. Er liebt die Kraft der Farben, ihre Anord­ nung zu einem Geflecht aus Flecken und Flächen, wenn sie sich zu einer schwung­ vollen Bewegung auf der Leinwand sam­ meln oder diagonal aus der Bildfläche her­ ausstreben. ,,Ausgehend von gegenständli­ chen Arbeiten, habe ich wieder zu einer frei­ en, ungegenständlichen malerischen Gestal­ tung gefunden“, erinnert sich Kiess an jene krisenhaften Jahre: Die immer stärkere Re­ duktion der gestalterischen Mittel hatte am Ende nur nod1 ein weißes Streifenmuster auf den Leinwänden übrig gelassen. Baar-Landschaft als Anregung Der 1930 in Trossingen geborene, in Für­ stenberg und Donaueschingen lebende und arbeitende Künstler besinnt sich auf die Landschaft der Baar. Aber sie dient nun nur nod1 als Andeutung, als Anregung und Aus­ gangspunkt für ein Geflecht aus Farben, das sich immer mehr von der ursprünglichen Landschaft loslöst: Kiess überwindet den Natureindruck, die rein gegenständlichen Bilder verselbständigen sich immer mehr, ,,das Gegenständliche ist nur noch ein for­ males Gerüst und eher hinderlich,“ sagt Emil Kiess, ,,wichtiger wird das Verhältnis der Farben und Flächen zueinander“. Durch die Auseinandersetzung mit der Farbe „kommt man dann folgerichtig an einen Punkt, wo man versucht, die Farbe auch räumlich anzuwenden“, sd1ildert der Maler seine weitere Entwicklung. Die Bilder wer- 212 den ins Räumliche „übersetzt“, sie werden zu Farbobjekten. Neuerdings entstehen bei Emil Kiess Farbbretter, Farbbalken oder Farbkörper in deren Kern Stein, Holz oder Kunststoff stecken. Ein sd1males vertikal an­ geordnetes Brett taucht aus tiefen blauen Farbtönen hinein ins Rot, bricht dann aus­ einander und entwickelt sich vom Grün wie­ der hinein ins tiefe Blau: Der „neue Emil Kiess“ verräumlicht gewissermaßen die Far­ be. Aber selbst wenn er an Objekte oder Skulpturen herangeht, schafft Emil Kiess „Farbmalerei“. Und so gibt es drei Schritte in seinem Schaffen: Auf die zweidimensio­ nale Flädle setzte Emil Kiess in den SOer Jah­ ren seine Farben noch in kräftigen Spach­ telhieben wie ein Relief. Jahre später ent­ standen bemalte, schlanke Holz- oder Stein­ stelen, gewissermaßen ins Räumliche umge­ setzte Bilder. In der dritten Stufe dienen die Stelen nun nur noch dazu, Farben im Raum anzuordnen. ,,Es geht mir nicht um Holz, Stein oder Metall, das Material wird nur be­ nutzt, um Farbe darzustellen, das Material ist nur noch der Farbträger, aber dieser muss plastische Qyalitäten haben“. Mit dem Titel ,,Die Sprache der Farbe“ hat Emil Kiess be­ reits 1996 in einer großen Ausstellung im Städtischen Museum in Engen gezeigt, was er meint. Ein eindrucksvolles sechsteiliges Bild, 7,20 Meter breit und 1,60 Meter hoch, rief einen Emil Kiess in Erinnerung, der mit seiner neuen Kunst die Wurzeln der Ver­ gangenheit nicht verleugnete: Farbklänge und Farbharmonien, wie sie bereits bei den grandiosen Kirchenfenstern in Mannheim und Friedrichshafen ihren Ausdruck gefun­ den hatten. Der Neuanfang schlüpft bei Emil Kiess ganz offensichtlich aus einer äl­ teren Schale hervor. Manfred Beathalter

Kunst und Künstler Industrierelikte neu gedeutet Der Epfenhofener Künstler Josef Rösch arbeitet vor allem mit bäuerlichem Gerät Wer von Blumberg kommend die erpen­ tinen der „Wanne“ Richtung Epfenhofen fährt, dem fällt links im Biesental eine Häu­ sergruppe auf, bei der eines ganz besonders hervorsticht: die private Galerie Rösch. Hier wohnt und arbeitet der Metallplastiker Josef Rösch, der sid1 im Ökonomieteil seines El­ ternhauses eine eigene Galerie „Wohngale­ rie“, wie er es nennt, über mehrere Etagen geschaffen hat und zur 850-Jahrfeier von Epfenhofen das Freigelände in einen Skulp­ turengarten umgestaltete. ,,Ich verwirkliche mir einen alten, ganz per­ sönlichen Traum, indem ich einen Treffpunkt für Freunde und Künstler auch ganz ande­ rer Coleur schaffe und mir selber erhoffe ich anregende Begegnungen“, so JosefRösch bei der ersten Vorstellung seiner charmanten Kombination von Wohnidee und Metall­ kunst, und genau dieses ist dem agilen, na­ turverbundenen Menschen gelungen. Jahrgang 1940, überkam den gelernten Ma­ schinenbauer da Fernweh, er heuerte bei der christlichen Seefahrt an und war an die zwanzig Jahre Wahl-Hamburger. Zurückge­ kehrt in den Süden Deutschlands nahm er sich den Umbau des alten Hauses vor und begann seine kreative, autodidaktische Ge­ staltung mit dem Material, das ihm vertraut ist, mit Metall. Schon fa t ein Kunstwerk zu nennen sind die hohen, gotischen Fenster, die auffällig die Giebel front schmücken und die dahinter liegenden Räume mit Licht durchfluten, harmonisch fügen sie sich in den so vielgestaltigen Baukörper ein. ,,Die landeten bei der Renovierung der Kirche Josef Rösch in seiner „ Wohngalerie“, in der er lebt und gleichzeitig arbeitet. 218

·�· JosefRösch i St. Gallus beim Abbruchma­ terial und so nahm ich sie mit, um sie irgendwann ein­ mal zu verwenden“, mit Er­ folg, wie man sieht. Und seit Jahren sammelt der Künstler eigentlich alles, was seine schöpferische Phantasie und Vorstellungskraft für erhal­ tenswert und verwendbar hält, selbst, wenn er es später in seiner Arbeit ummünzt oder in totaler Verfremdung neu deutet. So sprechen nicht nur die in den Räumen der Galerie untergebrachten eige­ nen Plastiken des Metall­ Bildners eine eigene Sprache voller Phantasie und Engage­ ment, schon an der Grund­ stücksgrenze wird deutlich, dass hier wohl nur jemand le­ ben kann, der von ungebro­ chener, kreativer Lebendig­ keit und Spontanität beseelt ist. In den weißgestrichenen Zaunfeldern sich findet manch unüblicher Gegen- stand integriert, so hängt ne- atelier eingerichtet. ben dem Blumenkübel ein al- ter, ebenfalls weiß lackierter Ackerpflug und stellt gedankliche Verbindungen her. Bäuerliches Gerät ist in vielen der Plastiken des Autodidakten Josef Rösch zu finden, und Ideen und Themen schöpft er nicht nur aus Jetztzeit und Umwelt, sondern auch aus Sagen und Mythen. Zur 10. Blumberger Kunstausstellung, dieser weit über das Kreis­ gebiet hinaus bekannten jährlichen Kunst­ schau in der Eichbergstadt, war Josef Rösch längst Mitglied im Internationalen Boden­ see-Club und der Künstlergilde Donauesch­ ingen, erstmals mit Arbeiten vertreten. Hier überzeugte sein „Vogel Roch“ schon gleich im Außenbereich. Mit ausgebreiteten Schwin­ gen, wieder verwendet Josef Rösch Acker­ pflug und Vorwagen, steht dieses Fabeltier Im Ökonomieteil des Elternhauses hat sich Josef Rösch sein Wohn­ nun auf kiesgefulltem Podest und animiert zu phantasievollen Ausflügen in ferne Ver­ gangenheiten, ebenso wie die „Argonau­ ten“, die kriegsbehelmt die Ruder bewegen zu sagenhaften Gestaden oder ein „Troja­ nisches Pferd“, das kein Versteck für die Ägäischen Krieger im Bauch bereithält. Viel­ fach finden sich in den Arbeiten von Josef Rösch „Wächter“, Figuren aus V2A-Stahl, die hoch und schlank bei Ausstellungen Ein­ gänge flankieren. Maske, Rundschild und Speer könnten im alten Sparta entlehnt sein, und der Wasserhahn, an exponierter Stelle dezent vom Schild verdeckt, ist eine amü­ sante Zugabe, denn Witz und daraus resul­ tierend genüßliches Schmunzeln ist bei Rösch-Arbeiten ganz sicher gewollt. Riesig 219

Kunst und Künstler steht im Hof die Figur „Energie-Hans“ und spielt auf einer „Heizungsharmonika“ si­ cherlich eine legendäre Melodie, vielleicht das Lied der Reeperbahn, das dann hinü­ berklingt zum Schiff, die „Große Freiheit Nr. 7″, die im Eingangsbereich steht und mit geblähten Segeln in die Feme strebt. Ganz andere Töne schlägt der Epfenhofener Metallplastiker in seiner Arbeit „Schach­ spiel“ an. Ein gekrönter König sitzt vor dem Brett und bewegt den König auf dem Spielfeld, vielleicht Spiel mit sich selber und der gegebenen Macht. Beklemmend der zeitgenössi- sche Rattenfänger, der die Kriegs­ melodie interpretiert und gehor­ sam folgt die Kriegsmaschinerie diesem „Flötenspiel“, dargestellt mit sorgfältig aufgereihten Pan­ zern. ,,Machtdenken“ in anderer Version interpretiert der eigenwil­ lige Künstler in einen Frauenkör­ per hinein, der sich aus einem Gußeisenrad schwingt und an­ stelle des Kopfes eine überdi­ mensionale Krone hält. Sicherlich eines der intui­ tivsten, größerformatigen Wer­ ke von Josef Rösch ist seine „Harfe“. Hier interpretiert er mit Stacheldrahtsai­ ten unmißverständ­ lich die Disharmo­ nien der Gewalt, und Gewalt ist aud1 oftmals das Thema semer kleinformatigen Plastiken, die er in einer von ihm kre­ ierten speziellen Bron- Skulptur „Frau“ 220 zetropftechnik ausfuhrt und die mit ihren überlangen Gliedmaßen an Figurinen von Giacometti erinnern. Immer wieder inter­ pretiert er hier das Ausgeliefertsein an Macht und Umwelt, das Gebundensein in Beziehungen, aber auch die Möglichkeit der Loslösung in tänzerischer Bewegung. Diese Kleinplastiken faszinieren mit harmoni­ sd1er Bewegung, die bis zum Geäst eines Baumes geführt werden kann. Die Loslö- sung des schweren Materials in filigrane Beschwingtheit zeigt Josef Rösch in seiner „Blume“, die sensorisch mit leisen Schwingungen auf jeden Vor­ übergehenden reagiert. Im weißgekalkten ehemaligen Schweinestall haben viele Ar­ beiten zu maritimen Themen ihren Platz gefunden und ani­ mieren zu einem gedankli­ chen Ausflug weit über Epfen­ hofen hinaus. Zusammen mit dem Do­ naueschinger Maler Hans Lang stellte Josef Rösch 1992 unter dem Thema „Metall und nackte Körper“ in seiner Pri­ vatgalerie aus. Ein gelungener Konsens zwischen zeitgenössi­ scher Auseinandersetzung und neuer Interpretation mit Fund­ stücken, teilweise vom Schrott­ platz, und der jahrzehntelangen Intension des Malers Hans Lang mit dem Menschen und seinen körperlichen Gegebenheiten. Literatur fand in den heime­ ligen Räumen der Galerie mit einfuhlsamen Märchen aus den Glasbläserzeiten des tiefen Schwarzwaldes, wunder chön interpretiert mit Glasharmonikamusik ebenso ihren Platz wie ein ganz nostalgisches Open -Air- Konzert mit der schon bald legendären Bari­ Combo, die in noch fast authentischer Be-

Josef Rösch viduell umgedeuteten metallenen Industrie­ relikte eine gelungene Verbindung mit dem alten Sakralbau ein und öffneten phantasie­ voll den Blick weit über die Materialschwe­ re hinaus, spontane Gestaltungsäußerun­ gen, die den Betrachter animieren, gedank­ lich neue, unübliche Wege zu gehen, sich zu erinnern und aud1 emotional zu engagieren. Christiana Steger setzung mit uralten, immer noch beliebten Ohrwürmern den Galeriegästen gewaltig einheizte. Immer wieder ist Josef Rösch mit seinen Arbeiten gern gesehener Gast bei unter­ schiedlichsten Ausstellungen. So stellte er zusammen mit Hans Lang im Schloß Frie­ dingen ebenso aus wie in der Rathausgalerie in Hüfingen und in Bad Dürrheim. Immer wieder beteiligt er sich mit seinen Arbeiten bei den Blumberger Kunstausstellungen, Ausstellungen des Internationalen Boden­ see-Clubs und der Künstlergilde Donau­ eschingen, und auf beste Resonanz stieß sei­ ne Einzelausstellung in der alten Kirche in Volkertshausen 1996. Hier gingen die indi- Schachspiel 221

Kunst und Künstler Der Mönch von Mönchweiler Die Bronze-Skulpturen von Martin Kirstein im Erholungsort Mönchweiler Im Ortskern von Mönchweiler steht seit 1999 eine Plastik und ein Springbrunnen. Die Plastik stellt, passender kann es nicht sein, ei­ nen Mönch dar, wie er auch das Gemeinde­ wappen ziert. 1258 wurde der Ort erstmalig urkundlid1 als Weiler der Mönche – vermutlich des Klosters Salem – erwähnt. Danach ist der Ort im Besitz der Villinger Bürger Stähelin. Johann Stähelin verkaufte seinen Anteil Der bronzene Mönch. 224 1339 an das Kloster St. Georgen, das sich im Laufe der Zeit den ganzen Ort als Eigentum sicherte. Im Verlauf der Reformation kam der Ort zu Württemberg, 1810 an Baden. Aber trotz Reformation, der Name blieb geprägt von den Mönchen. Aus diesem Grund schmückt heute auch der Mönch den Orts­ mittelpunkt. Der Mönch ist die letzte von bereits fünf Arbeiten des Bildhauers Martin Kirstein, die sich in Mönchweiler befinden. Alle wurden durch private Spenden finanziert. Für den Mönchsbrunnen kamen 40 600 DM zusam­ men. Mönchweiler verfügt somit über eine Sammlung von Skulpturen, die in der Regi­ on einzigartig ist. Die anderen Figuren heißen: ,,Sprayer“, ,,Nachbarin“, ,,Der Schä­ fer“ und „Mutter mit Kind“. Der bronzene Mönch sitzt an einem „Bach­ lauf“ und badet seine Füße. Er blickt fröh­ lich und interessiert in die Runde. Sein Blick wendet sich von der Kirche ab dem Rat­ hausschild zu. Sein Kopf ist leicht zur Seite geneigt, seine rechte Hand liegt auf seinem Oberschenkel, während er sich mit seiner linken Hand an der Mauer aus Buntsand­ stein aufstützt. Seine Kutte hat er unten um­ geschlagen, damit das Gewand nid1t naß wird. Die Ärmel sind aufgekrempelt und die Kapuze zurückgeschlagen. Schaut man dem Mönch in die Augen, so scheint es dem Be­ trachter, der Mann blicke ihn an. Er ist so gestaltet, wie viele sich Mönche vorstellen, fröhlich und etwas zu dick. Er scheint schon etwas älter zu sein. Unter den Augen haben sich Tränensäckchen gebildet. Seine Nase ist wohlgeformt und seine Lippen sind voll. Dieser Mönch ist nicht einer bestimmten Ordensgemeinschaft zuzuordnen, er trägt eine mit einer Schnur gehaltenen Kutte, die ihn sowohl als Zisterzienser (Kloster Salem) als aud, als Benediktinermönch (St. Georgen)

ausweisen kann. Die Kordel liegt lässig auf dem linken Oberschenkel. Er steht als Sym­ bol für das Mönchtum schlechthin. Mönche sind Weisen der Nachfolge Christi. Die ent­ sprechenden Ordensregeln, die die Rat­ schläge des Evangeliums befolgen, geben dabei den Weg vor. Ein Mönch lebt in Ehe­ losigkeit (Mt 1912), Armut (Lk 6,20) und Gehorsam. Das einfache Gewand ist ein Hinweis darauf, arm zu leben, wie es Chri­ stus verlangte (Mt 10,10). Die Tonsur be­ zeichnet die Aufnahme in den geistlichen Stand. Der Mönch sitzt dort, als wolle er diesen Ort, der ihn so freundlich empfing, nicht wieder verlassen. Die Umgebung ist gut gestaltet, der Bachlauf verschwindet un­ ter einer ovalen Fläche mit verschiedenfar­ bigem Kopfsteinpflaster. Der Springbrun­ nen, seitlich versetzt, ist ebenfalls oval und sehr schlicht gehalten. Oberhalb steht eine halbrunde Steinmauer, die zum Sitzen ein- Mönch von Mönchweiler lädt. Der Bach tritt an der anderen Seite der Fläche wieder an die Oberfläche des leicht ansteigenden Platzes. In der näheren Um­ gebung stehen die Kirche, das Rathaus, die Feuerwehr, das evangelische Gemeindehaus und die öffentliche Bücherei. Der Mönch steht im Zentrum des Ortes, der seinen Na­ men trägt. Der Schöpfer des Brunnens, Martin Kir­ stein, geb. 193 9 in Hamburg, ist im Landkreis kein Unbekannter. Bereits in den 1970er Jah­ ren erarbeitete er als Restaurator an der Be­ nediktinerkirche in Vtllingen Figurenkopien, die heute an Stelle der Originale die Fassa­ de zieren. Er ist gelernter Bildhauer-Model­ leur und Steinbildhauer. Mit seiner Ab­ schlußarbeit wurde er Landessieger. Er stu­ dierte auch Schrift und Schriftgrafik u. a. bei Hans Kühne, einem Schüler Rudolf Kochs der Offenbacher Schule. Er besuchte die Mei­ sterschule für Malerei in Hamburg-Altona Die Figuren „Nachbarin „und „Sprayer“ ergänzen die Kunstwerke im Mönclnoeiler Ortskern. 225

Mönch von Mönchweiler ,,Der Schäfer‘ wurde wie alle anderen Skulpturen auch durch Privatspenden finanziert. und die Fachschule für Steinbildhauerei in Aschaffenburg. 1970 übernahm er die Werk­ statt von Diener mit dem dazugehörigen Steinbruchgelände in W innenden, wo er sich ein neues Atelier baute. Zunächst ar­ beitete er abstrakt, aber zu Beginn der 80er Jahre wandte er sich der figürlichen Plastik zu. ,,Martin Kirsteins Plastiken sind in aller Regel in harmonischen Linien realisiert und von großer Schönheit. Seine Formen haben ihren Ursprung in seiner instinktiven Hal­ tung gegenüber der ihn umgebenden Welt, die der Bildhauer exemplarisch und philo­ sophisch in Modelle menschlicher Komik und Tätigkeit umsetzt. Immer auf der Suche nach der perfekten Form, nach plastischer Dichte und nach wohldurchdachter Ein­ fachheit sd1afft [er] realistische und inhaltlid1 bedeutende Werke.“ (Giuseppe Bertolazzi in einer Vernissage 1985). Weitere Skulpturen und Plastiken stehen in Zell i. W., Bonndorf, Lauterbach, Buchenbach und Breisad1. Im Entstehen ist derzeit eine Skulptur für eine bekannte Freiburger Unternehmensbera­ tung. Selbstverständlidi wurde der Brunnen nicht einfadi aufgestellt, sondern in einem festli­ dien Rahmen auf seinen Platz gesetzt. Der Mönd1 wurde an einem Kran hängend, von vielen Luftballons umgeben, eingeschwebt. Der Bildhauer postierte ihn dann am Wan­ gersbäd1le. Bei schönen Wetter feierten die Mönchweiler und die auswärtigen Gäste nicht nur die Einweihung des Brunnens, sondern zugleich das 120jährige Bestehen des Musikvereins, das 80jährige des Fuß­ ballclubs und die 15jährige Partnerschaft mit Chabeuil, dessen Bürgermeister das ro­ te Band zur historischen Ortsmitte durch­ schneiden und sich als Erster in das neue goldene Bud1 der Gemeinde eintragen durf­ te. Ingeborg Kollmann 226

Das Banale bekommt durch das Schaffen von Norbert Ahrens neuen künstlerischen Wert Kunstwerke aus Schrott Die Beweggründe für die Herstellung von Kunst sind vielfältig. Die Besucher einer Aus­ stellung sehen aber in der Regel nur das Re­ sultat. Der Mensch, der dahinter steckt, sei­ ne Biografie und die damit verbundenen künstlerischen Motivationen bleiben oft im Verborgenen. Besucht man den 1957 in Blumberg geborenen und nun in Bräunlin­ gen-Waldhausen lebenden Künstler Norbert Al1rens in seinem Atelier und der großräu­ migen Galerie, die er in einer ehemaligen Gaststätte eingerichtet hat, wird man schon im Freigelände von den Figu­ rationen aus Metall begrüßt. Perfekt verschweißt geben die metallenen Gesellen die beste V isitenkarte für den Hausherren ab. Die handwerkli­ che Raffinesse erwarb sich Norbert Ahrens schon früh während sei­ ner Ausbildung als Kfz-Mechani­ ker. Alles andere, wie etwa die for­ male Gestaltung oder die Kunst­ theorie, hat er sich in autodidakti­ schen Studien beigebracht. Durch­ aus mit respektablem Erfolg, wie an seinem umfangreichen, vielschichti­ gen Werk, den zahlreichen Ausstel­ lungsbeteiligungen und den Ankäu­ fen zu erkennen ist. Auch als Orga­ nisationstalent im Ausstellungsge­ schäft hat Norbert Ahrens seine Spu­ ren hinterlassen: ab Februar 1994 hatte er fünf Jahre lang den Vorsitz der Donaueschinger Künstlergilde inne. Das war für ihn eine interes­ sante und lehrreiche Beschäftigung. Aber zugleich auch ein zermürben­ des Ehrenamt, da er mit seiner „Ver­ jüngungsstrategie“ und dem zaghaf­ ten Versuch einer Öffnung der Künst­ lervereinigung für Neues nicht ge­ gen das Bollwerk der traditionsbe- Kunst und Künstler hafteten Altherrenriege ankam. Umso bes­ ser, denn so widmet sich der ehemalige Künstlergilde-Vorsitzende nach seiner auf­ schlußreichen Lektion nun wieder intensi­ ver seinem eigenem Kunstschaffen. Norbert Ahrens macht aus Schrott Kunst. Auf der einen Seite sind die gefundenen „Res­ sourcen“ somit Thema seiner gesellschaftli­ chen Auseinandersetzung, auf der anderen Seite wird das Alltägliche und das Banale ei­ nes Schrottstücks zu gestalterischem und künstlerischem Wert erhoben, der eine völlig neue ästhetische Di­ mension bewirkt und persönliche Auseinandersetzung initiiert. In dem kreativen Umfeld der ländli­ chen, idyllischen Abgeschiedenheit produziert Ahrens Objekte, deren Bestandteile vertraut sind. Diese Gegenstände werden jedoch aus ihrem ursprünglichen Kontext losgelöst, neu zusam­ mengesetzt, verschraubt und verschweißt. Befreit von ihrer schnöden Funktionalität bekom­ men sie einen anderen Sinn. Nor­ bert Ahrens betreibt Archäologie. Sein Arbeitsfeld sind die Schrott­ plätze und Sperrmüllhalden unse­ rer modernen Konsumgesellschaft. In seiner Werkstatt betätigt er sich als handwerklich versierter Restaura­ tor und haucht den schon abge­ schriebenen Utensilien neues Leben ein. Die Teile werden zu allererst nach formalen, ästhetischen Aspek­ ten neu arrangiert. Ein inhaltlicher Zugang ergibt sich in der Regel von selbst. Zweifellos, Norbert Ahrens Der „Fuchs“ 227

Norbert Ahreo Norbert Ahrens in seiner Werkstatt, aus Fimdstiicken werden Kunstwerke. kann man als einen Bildhauer im tradi­ tionellen Sinne bezeidrnen. Denn im Un­ terschied zu einer Vielzahl seiner Kollegen, die vorgefundene Gegenstände unverändert als ready-mades zur Kunst deklarieren, wan­ delt er eine Fundstücke ab und erstellt sei­ ne Kunstwerke noch eigenhändig mit einem hohen Grad an Professionalität. Unabhängig von der Menge des verwendeten Materials und der künstlerischen Intention, der Be­ trachter bekommt formvollendete Objekte präsentiert. Wichtiger als die Suche nach ei­ ner eindeutigen Botschaft ist bei Ahrens Kunstschaffen das Erkennen eines spieleri­ schen Umgangs mit einer den normativen Ordnungsrahmen sprengenden Kunst. So fallen im Gesamtwerk des Künstlers beson­ ders die Objekte auf, die der Bildhauer selbst als „Spaßarbeiten“ und als „schnelle Arbei­ ten“ bezeidmet. Schnell ist die Entstehung der Werke in der Tat: Denn schon beim Fundstück, so unscheinbar und unbrauch- bar es auch für die Kunstherstellung für an­ dere erscheinen mag, hat Ahrens das Resul­ tat vor Augen. Spontan und intuitiv Die Metamorphosen vom Gabelschlüssel zum Drachen, von einer Egge und einer Zug­ öse zum Stier, vom Lochblech zur Fliege, von gewöhnlichen Schrauben zu Sdueck­ schrauben oder von einem Stein und einer Beiaazange zu einem urzeitlichen Säbelzahn­ tiger ist weniger ein Problem der techni­ schen Umsetzung. Hier ist vielmehr der ge­ schulte Blick für das Wesentliche und ein spielerischer vom allzu ernsten intellektuel­ len Ballast befreiter Umgang mit Kunst ge­ fragt. Spontan und intuitiv wird so mit ei­ nem Minimum an Material die angestrebte Aussage erreicht, wie beispielsweise bei den drei Harken, die lediglich auf ein Boden­ bled, geschweißt, auf Grund der typischen 228

Norbert Ahrens Haltung zum Nonnen-Trio umfunktioniert werden. Auch wenn die „Spaßarbeiten“ zur Freude des Publikums überwiegen, Norbert Ahrens setzt sich in seinem Kunstsd1affen durchaus mit den Schattenseiten des Lebens auseinander. Vielschichtige, nicht auf einen Blick erfassbare Werke zum Thema Tod und Genversume oder die Umwelt-Verschmut­ zung anprangernde großräumige Installati­ on „Zu spät“ zeugen von einem kritismen Zeitgeist, der bei allem Spaß und Freude an seiner Arbeit die Ernsthaftigkeit seines Tuns nicht vermissen läßt. Stefan Simon 230 Oben: Die Schreckschrauben. Unten links: Zutaten, rechts: drei Nonnen.

17. Kapitel/ Almanach 2001 Gesundheit und Soziales Unterstützung für Ortsvereine Seit 30 Jahren Lebenshilfe Kreisvereinigung Schwarzwald-Baar e. V. Fast überall auf der Welt gibt es Lebenshilfe­ Vereinigungen, die sich für die Interessen und Rechte behinderter Menschen engagie­ ren. In Deutschland wurde die erste Lebens­ hilfe von dem Holländer Tom Mutters ge­ gründet, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Verbindungsoffizier der Vereinten Nationen für die soziale Betreuung geistig behinderter Flüchtlingskinder eingesetzt war. Mutters orientierte sich an den Einrichtungen in Hol­ land, den USA und Großbritannien. Vier­ zehn Gleichgesinnte haben im Jahr 1958 die „Bundesvereinigung der Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind“ ins Leben gerufen, bald folgte die Gründung zahlreicher Orts­ und Kreisvereinigungen. Der gestaffelte Auf­ bau ermöglicht es, dass die örtlichen Verei­ ne und Zusammenschlüsse auf Kenntnisse und Erfahrungen der anderen Gruppen zu­ rückgreifen können und von ihrer Bundes­ und Landesvereinigung fundierte Unterstüt­ zung erhalten. Die Lebenshilfe Kreisvereinigung Schwarz­ tern, Freunde und Angehörigen von geistig Behinderten mit der Aufgabe, alle Maßnah­ men und Einrichtungen zu fördern, die ei­ ne wirksame Hilfe für Behinderte darstellen. Der eingetragene Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Ursprünglich hieß er unter Be­ rücksichtigung seines damaligen Wirkungs­ gebietes „Kreisvereinigung Villingen“. Mit der Kreisreform 1973 vergrößerte sich der Ar­ beitsbereich und man verhandelte mit der Schwenninger Lebenshilfe über eine Fusion, aber leider scheiterten diese Bemühungen. Erfolgreiche Kontakte wurden mit Donau­ eschingen geknüpft, wo ein Wohnheim für schulentlassene behinderte Jugendliche ein­ gerichtet werden konnte und man sich in­ tensiv um die Arbeitsvermittlung für die Be­ wohner kümmert. Im ersten Jahr ihres Bestehens hatte die Le­ benshilfe bereits 161 Mitglieder, im näd1- sten Jahr folgen weitere 81, darunter neun Kreisgemeinden. Schon bald nach der Grün­ dung wurde ein regelmäßiger Beratungs- wald-Baar e.V. wurde im Herbst 1969 auf einer Elternversamm­ lung der Sonderschu­ le für geistig Behin­ derte in Villingen ge­ gründet. U rsprüng­ lich war sie als Eltern­ verein geplant, auf Initiative des damali­ gen Landrats Dr. Jo­ sef Astfäller wurde dem Projekt aber ein größerer Rahmen ge­ geben. So wurde die Lebenshilfe zu einer Vereinigung der EI- Mitglieder beim Weihnachtsverkaef in der lnnemtadt von Villingen 1998. 231

Kreisvereinigung Lebenshilfe dienst mit Fachkräften eingerichtet, die den Angehörigen bei allen ein behindertes Fa­ milienmitglied betreffenden Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wie dringend nö­ tig diese Einrichtung ist, zeigt ihre sehr star­ ke Inanspruchnahme von Anfang an. Akzeptanz und Gleichberechtigung Besonderes Gewicht legt die Kreisvereini­ gung auf die Öffentlichkeitsarbeit, die ge­ sellschaftliche Akzeptanz und Gleichbe­ rechtigung der Behinderten fördern will. Die „gesunden“ Mitmenschen sollen für das unverschuldete Schicksal Behinderter kein Mitleid empfinden, sondern zu Hilfsbereit­ schaft und Mitverantwortung aufgerufen werden. Zugleich sollen gesellschaftliche Vorbehalte einem unbefangenen Umgang miteinander weichen. Ein toller Erfolg war die erste große Öffentlichkeitskampagne, als die Sondersdmle in Villingen wegen Platz­ mangels in die dortige „Junghans-Villa“ um­ ziehen wollte, aber nod1 mehrere andere Be­ werber für dieses Gebäude auftraten. Schließlich wurde der Gemeinderat der Stadt überzeugt und entschied zu Gunsten der Sonderschule. Ein wichtiger Schritt war der Bau des Kinderspielplatzes bei der ,,Junghans-Villa“, der 1974/76 mit Hilfe vie­ ler Vereine erbaut und bis 1988 aufrechter- halten wurde. Der Platz wurde von behin­ derten und nichtbehinderten Kindern ge­ meinsam benutzt und zeigte modellhaft, wie beide Gruppen im Alltag verständnis­ voll zusammen spielen und leben können. Die Lebenshilfe organisiert auch Land­ schulheim-Aufenthalte und Tagesausflüge. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist das Sammeln von Spenden, die Veranstaltung von Sommerfesten und vorweihnachtlichen Verkaufsaktionen. Mit den eingenommenen Mitteln werden beispielsweise die Sonder­ schulen und Behindertenkindergärten im Landkreis unterstützt und die zusätzliche Fachausbildung der Betreuungskräfte geför­ dert. Dabei arbeitet die Vereinigung mit an­ deren karitativen Einrichtungen zusammen. Unterstützung durch die Lebenshilfe erhiel­ ten beispielsweise die Carl-Orff-Schule in Vil­ lingen, die Karl-Wacker-Schule in Donau­ eschingen und die Bregtalschule in Furtwan­ gen. In der Carl-Orff-Schule wurde die Un­ terhaltung der Küche organisiert, ein Spiel­ platz ausgebaut und sed1s Schülern die Rei­ se zu einem internationalen Fußballturnier für Behinderte in Spanien ermöglicht. Die Karl-Wacker-Schule wurde beim Ankauf ei­ nes Pavillons, bei der Durchführung von zwei Segeltörns in Holland und bei der Grün­ dung eines Sdmlreinigungsdienstes unter­ stützt. Eine von der Schule initiierte Wohn- Eine wichlige Aufg{{be der lebemhi!fe ist die Vercms/{{//ungvon Sommer- und Weihnachlifesten. 232

gemeinschaft wurde mit einer größeren Summe bezuschusst. Der Bregtalschule, einer privaten Sonderschule mit Internat, wurde beim Ausbau zweier Spezial-Schulungsräu­ me sowie bei anderen Aktionen unter die Arme gegriffen. Vereine, Bürgergruppen, Parteien, die öf­ fentliche Verwaltung und viele Einzelperso­ nen unterstützen die Arbeit. Eine äußerst sta­ bile und intensive Zusammenarbeit besteht schon seit 1989 mit der Kreisjugendfeuer­ wehr. Der jetzige erste Vorsitzende der Le­ benshilfe Arrnin Borgmann und der fiühere Kreisjugendfeuerwehrwart und heutige Kreisbrandmeister Manfred Bau haben da­ mals den „Behindertentag“ ins Leben geru­ fen. Im ersten Jahr nahmen zirka vierzig Per­ sonen an dieser Veranstaltung zur Integrati­ on der Behinderten teil, heute sind es weit über vierhundert. Am Aktionstag verkaufen Jugendfeuerwehrmänner Adventsartikel, es folgt ein großes gemeinsames Fest mit Un­ terhaltung und Verpflegung. Hier wurde et­ was geschaffen, was in Deutschland wohl einmalig sein dürfte. In der Amtszeit des für Behindertenfragen besonders aufgeschlossenen Landrats Dr. Rai­ ner Gutknecht wurde ein Neubau der Son­ derschule in Villingen erstellt, die seither den Namen „Carl-Orff-Schule“ trägt. Damals er­ warb die Kreisvereinigung einen Kleinbus, der zur Verbindung zwischen den noch jah­ relang weiterbestehenden verstreuten Schul­ teilen eingesetzt wurde und der auch heute noch für Schul- und Vereinszwecke unent­ behrliche Dienste leistet. Der erste Vorsitzende des Vereins war Dr. Axel Borchers. Im Jahr 1992 musste er aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten. Bis 1999 war Adalbert Pfingstler zweiter Vorsit­ zender, sein Tod im Januar 2000 war ein schmerzlicher Verlust. Nur einige Tage spä­ ter verlor die Lebenshilfe auch ihren Ehren­ vorsitzenden Dr. Axel Borchers. Beiden ist die Vereinigung zu großem Dank verpflich­ tet. Besonderer Dank gilt auch Helmut Rei­ chert, der nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Gesundheit und Soziales Der Griindungsvorstand der lebenshi!fe (von links): Dr. Axel Borchers, Adalbert [Jingstler und Armin Borgmann. Schriftführer von seinem Amt zurücktrat. Heute wird die Vereinigung von Armin Borg­ mann als erstem Vorsitzendem geführt, wei­ tere Vorstandsmitglieder sind der zweite Vor­ sitzende Zoran Jessulat, die Schatzmeisterin Gudrun Lüllmann, der Schriftführer Markus Dursch sowie die Beiräte Gerhard Jordan, Irmtraud Stratmann und Gisela Wanzeck. Die Lebenshilfe möchte ihre Beratungs­ und Hilfstätigkeit für geistig behinderte Kin­ der, Jugendliche und Erwachsene sowie de­ ren Angehörige und Betreuer in den kom­ menden Jahren intensivieren. Sie hofft, dass sie auch zukünftig tatkräftige Unterstützung von Behörden, Vereinen, Gewerbebetrieben und anderen Institutionen und natürlich der gesamten Bevölkerung des Schwarzwald­ Baar-Kreises erhält, damit sie sich auch wei­ terhin so erfolgreich für das Wohl der be­ hinderten Mitmenschen einsetzen kann. Armin Borgmann 233

Gesundheit und oziales Im Alter unabhängig aber nicht allein Einweihung des Mathilde-Papst-Hauses in St. Georgen mit Ministerpräsident Teufel Was bringt einen ehemaligen Unterneh­ mer dazu, sich nad1 einem langen Arbeits· leben nicht in den Ruhestand zu begeben, sondern sich einer neuen Herausforderung zu stellen und zwar auf bis dahin gänzlich unbekanntes Terrain? ,,Die Idee, in meiner Heimatstadt ein Projekt für betreutes Alten· wohnen zu realisieren, hat mich schon Jan· ge beschäftigt“, sagt Günter Papst, der seine Arbeitskraft und Kompetenz länger als 40 Jahre, bis 1992, in den Familienbetrieb Papst Motoren eingebracht hatte. Der gleiche un­ ternehmerische Elan war dann beim neuen Projekt von der Idee bis zur Realisierung nötig – schließlid1 hat das betreute Alten· wohnen hier bis heute Modellcharakter. Papst mußte sich unabhängig von langwie­ rigen Grundstücksverhandlungen den Er- fahrungsbackground selbst erarbeiten – doch im Mai 1999 konnte der Bau gestartet wer· den und wurde pünktlich zum Einzugster· min am 1. April 2000 fertiggestellt. Minister· präsident Erwin Teufel hielt die Festrede zur offiziellen Einweihung des ersten Senioren­ wohnhauses mit integrierter Betreuung in St. Georgen, das er mit Landrat Heim, Bür­ germeister Scherge! und zahlreid1en Gästen besichtigte. Das in fröhlich -sanftem Rot gestrid1ene Ge­ bäude mit 15 Wohnungen ist erster Bauab­ schnitt einer Seniorenanlage, in der eine ört­ liche Investorengruppe derzeit weitere 53 Wohnungen errid1tet. Die Lage am Emil-Rie­ mensperger-Weg in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum ist ideal – Einkäufe und Besor­ gungen können zu Fuß erledigt werden. Die Die 15 Wohnungen im Mathilde-Papst-Haus sind erst der Ar!/angeiner Wohnanlage, die später 53 Woh­ nungen umfassen soll. 234

Mathilde-Papst-Haus Bei der Ausstattung der Wohnungen wurde an alle Aspekte des „Alt-werdens“gedacht, so wurde auch eine Wohnung für Rollstuhlfahrer eingerichtet. Aiifserdem ist die Wohnanlage mit ihrer Nähe zum Stadtzentrum ideal, um kleinere Einkätife zu Ftifs zu erledigen. Papst-Wohnungen waren alle bereits vor der Fertigstellung vermietet – Indiz für den großen Bedarf an dieser Wohnform auch in der Bergstadt. Auch im Alter weitgehend selbständig und sinnerfüllt leben zu können und doch nicht allein zu sein, zu wissen, dass im Bedarfs­ und Notfall schnelle und kompetente Hilfe zur Stelle ist: Das ist der Grundgedanke des betreuten Altenwohnens, der Günter Papst fasziniert hat: ,,Ich wollte das Haus so ge­ stalten, dass ich mich selbst darin wohl ge­ fühlt hätte.“ Der dreistöckige Komplex ge­ fallt schon in seiner Architektur mit den großzügigen, freundlichen Glasfassaden, dem ansprechend und gemütlichen Eingangsbe­ reich mit Sitz- und Plauderecke im Freien davor und den Südbalkons mit tiefblauem Sichtschutz, die zu jeder Wohnung gehören. Grundlage für den zweckmäßigen räumli­ chen Zuschnitt der Wohnungen selbst war die Vorschrift des barrierefreien Wohnens. In der sorgfältigen Ausstattung wurde den Bedürfnissen älterer Menschen Rechnung getragen, es gibt auch eine Rollstuhlfahrer­ Wohnung mit Zusatzeinrichtungen in Küche und Sanitärbereich. Sozialer Aspekt besonders wichtig Vor allem aber ist es der soziale Aspekt, der dem Bauherrn besonders am Herzen lag. Landrat Heim erinnerte in seiner Ansprache an die Zielgruppe: weniger gut situierte Se­ nioren, die sich aus eigener Kraft ein adä­ quates Wohnumfeld kaum leisten können und es doch verdient haben. Der Landrat hob denn auch das sichtbare Engagement von Günter Papst hervor und nannte als ein Beispiel die Ausstattung der Rollstuhlwoh­ nung. Als idealer Partner für die Dienstleistungs­ palette im Betreuungsbereich wurde die So­ zialstation St. Georgen gewonnen, die ins­ besondere bei der Notfallversorgung mit dem Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Villingen kooperiert. ,,Die älteren Menschen bleiben in ihrem vertrauten Um­ feld, können am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und Kontakte zu Familie und Freunden erhalten. Das ist gerade im Alter so wichtig,“ sagt Günter Papst. Gerade bei der Organisation dieser sozia­ len Notwendigkeiten war ihm seine Mutter Mathilde (1898 bis 1963), die sich in den Nachkriegsjahren beispielhaft für die Arbei­ terfamilien im Umfeld des Unternehmens engagiert hatte, unvergessenes Vorbild. Solidarität und Solidität, Verläßlichkeit und Vertrauen in menschliches Handeln und Gottes Fügung sind denn auch die Assozia­ tionen, die eine Stahlplastik des Königsfel­ der Künstlers Emil Jo Homolka vermitteln will. Die nach oben geöffnete Hand neben dem Eingang soll den Bewohnern auch 235

Gesundheit und Soziales Der Eingangsbereich des Wohnhauses 1tJird durch eine Skulptur des Künstlers Emil }o Homolka geschmückt. ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz vermitteln – ,,ein schönes Symbol“, wie der Landesvater bei der Besichtigung fand. Zuvor hatte Teufel daran erinnert, dass in zehn Jahren jeder Vierte und in 30 Jahren bereits fast jeder Drit­ te im Land 60 Jahre oder älter sein wird – dies bei gleichzeitig sinken­ den Geburtenzahlen. Darum stehe eine gute Seniorenpolitik stets im Spannungsfeld zwischen humani­ tären Zielen, fachlichen Anforde­ rungen und ökonomischen Zwän­ gen. ,,Das Mathilde-Papst-Haus als Einrichtung des betreuten Woh­ nens ist ein hervorragendes Beispiel für eine gelungene Lösung dieses Günter Papst mit Gauin, Ministerpräsident Teufel, Landrat Zielkonflikts.“ Karl Heim und Bürgermeister Scherge! bei der Einweihung des Mathilde-Papst-Hauses. Christina Nack 236

Umwelt und Natur 18. Kapitel /Almanach 2001 Der Orkan „Lothar“ und die Folgen Am 26. Dezember 1999 ereignete sich im Landkreis die bislang größte Sturm­ katastrophe der jüngeren Zeit Dieser zweite Weihnachtifeiertag wird den Menschen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis noch lange in Erinnerung bleiben: Am 26. Dezember 1999 tobte kurz vor der Mittagszeit „Lothar“ über den Landkreis hinweg. Der Orkan warf landesweit ca. 25 Millionen Festmeter Holz zu Boden, machte Straßen unpassierbar, legte den Schienenverkehr lahm, unterbrach Strom- und Telefonnetze, deckte Dächer ab, versetzte die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Die nachfolgentkn Beiträge geben einen Überblick über die Schäden im Landkreis und mögliche Ursa­ chen für „Lothar“ sowie die Folgen für die besonders stark betroffene Waldwirtschaft. Kurz vor 11 Uhr war die Welt in Baden­ Württemberg an jenem 26. Dezember 1999 noch in Ordnung. Orkantief „Lothar“ kün­ digte sich mit einem kurzen, aber heftigen Regenschauer an, was danach von Westen aus über Baden-Württemberg hinweg zog, läßt sich kaum in Worte fassen. Innerhalb von wenigen Minuten wurden rund 25 Mil­ lionen Festmeter Holz, etwa der zweiein­ halbfache Jahreshiebsatz, in den Wäldern ge­ worfen oder ein- fach abgeknickt, ganze Dächer in Wohnsiedlungen und Industriege­ bieten abgedeckt. Abgeknickte und entwur­ zelte Bäume überall … Die Stromversorgung und der Verkehr bra­ chen in manchen Landesstrichen fur Stun­ den zusammen. Nach statistischen Angaben bewegt sich das Ausmaß der mehr als 150 000 gemelde­ ten Schadensfalle in Baden-Württemberg zwischen 600 und 700 Millionen Mark und wird von Fachleuten der Versicherungsbran­ che als der größte Elementarschaden seit 1960 angesehen. Der Vermögensschaden der Waldbesitzer wurde von der Landesregie­ rung von anfänglichen 250 Millionen Mark auf 1,5 Milliarden Mark und schließlich auf fünf Milliarden nach oben korrigiert. 3 500 Schadensfalle an privaten und öffentlichen Gebäuden sowie Firmengebäuden sind al­ lein im Schwarzwald-Baar-Kreis der Stati­ stik der SV-Versicherung (frühere „Gebäude­ versicherung Baden-Württemberg“; zirka 85 Prozent Versichertenmarktanteil) zu ent­ nehmen. Vorläufige Schätzungen zur Jah- resmitte 2 000 sprachen von einem Ele­ mentarschaden im Landkreis in 237

Orkantief „Lothar“ Der Orkan „Lothar“ legte auch Bahmtrecken im Sdnoarzwald und der angrenzenden Baar lahm. A1if der Höllentalbalmstrecke bei Hausen vor Wald fuhr eine rund 78 Tonnen schwere Lokomotive der „Deutschen Bahn AG“ a1if ßaumstiimme atif, die aiif den Schienen lagen. Höhe von rund elfMillionen Mark, der größ­ te Einzelschaden war ein abgedecktes Dach ei­ nes Wohnhauses in Villingen, bei dem die Schadenshöhe bei rund 250 000 Mark lag. Umstürzende Bäume legten den Schie­ nenverkehr auf der Höllental- bahn- und der Schwarzwald­ bahnstrecke lahm. So saßen 173 Fahrgäste auf der Höllental­ bahnstrecke im Gewann „Wolfs­ bühl“ bei Hüfingen-Hausen vor Wald mehrere Stunden fest, nachdem die Lokomotive ei­ nes lnterRegio-Zuges auf rund 15 Baumstämme aufgefahren war. Einsatzkräfte des „Techni­ schen Hilfswerks“ und ein Pan- zerzug des „ 110. Französischen Infanterie-Regiments“ aus Donaueschingen evakuierten die Fahrgäste. Die rund 78 Ton­ nen schwere Lokomotive wurde nach dem Orkan am Gleisrand abgestellt, verlor dar­ aufhin zunächst unbemerkt rund 800 Liter Kühlflüssigkeit, in der acht Liter Korrosions- Auf der Höllental- bahnstrecke bei Hau- sen vor Wald ist eine rund 78 Tonnen schwere Lokomotive auf 15 umgefallene Bäume aufgefahren. Die Bergung nahm Tage in Anspruch. schutzmittel gelöst waren, und rund 300 Li­ ter Dieselkraftstoff. Der Öl- und Treibstoff­ unfall wurde erst Mitte Januar entdeckt, Fachleute der „Deutschen Bahn AG“ stuften den Vorfall jedod, als nicht dramatisch für Mensch, Flora und Fauna ein, was durch das Gutachten eines Fachinstituts Ende Mai be­ stätigt wurde. Trotzdem wur­ den rund 95 Kubikmeter Wald­ boden abgetragen, da durd, Analysen Treibstoffspuren in den oberen Bodenschichten nachgewiesen worden waren. Ein erster Bergungsversuch der Lok wenige Tage nach dem Un­ fall mißglückte, die Seitenstüt­ zen des Bergungskrans sackten in dem aufgeweichten Waldboden ab. Erst in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar 2 000 gelang die Bergung durd, einen 210 Tonnen schweren Kran, nachdem auf bei­ den Gleisseiten ein Betonfundament gesetzt worden war. 238

Ein Interregio-Zug fuhr bei St. Georgen auf der Schwarzwaldbahnstrecke aus Triberg kommend über einen auf dem Gleis liegen­ den Baum, wenige Meter vor dem Durchlaß am Kohlbühl. Rund 60 Fahrgäste wurden durch Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuer­ wehr geborgen und im DRK-Heim am Spit­ telberg versorgt. Wenige Stunden später konn­ ten sie ihre Fahrt mit einem SBG-Bus fort­ setzen. Der Zugverkehr auf der Strecke war noch einige Tage erschwert. 30 Stunden ohne Strom Besonders schlimm traf es den Blumberger Teilort Riedböhringen, wo der Orkan die Hal­ lenabdeckung eines Reifenhändlerbetriebes aus der Verankerung riß. Umher geschleuder­ te Gebäudeteile schlugen in ein angrenzendes Wohn- und Geschäftsgebäude, ließen Fenster­ scheiben zersplittern. Stahlträger wurden wie Kinderspielzeug verbogen. Der Sachschaden wurde vom Eigentümer auf mindestens 100 000 Mark geschätzt. Eine weitere Industriehal­ le im Ort stürzte in sich zusammen. Den exponiert liegen­ den „Familienpark“ beim Klosterhof zwischen Vil­ lingen und Schwennin­ gen traf es ebenfalls hart. Dort beläuft sich der Sachschaden auf rund 100 000 Mark. Der Holz­ zaun war zerfetzt, Dach­ ziegel von den Dächern gehoben worden. Beson­ ders stark in Mitleiden­ schaft gezogen wurde die Ziegel über Ziegel auf den Straßen am 26. Dezember 1999 in der Villinger In­ nenstadt. Umwelt und Natur Jugendscheune. Der nach dem Orkan ein­ setzende Schneefall verhinderte auch dort Ausbesserungsmaßnahmen, Baumaterialien wurden eingeschneit. Auch frisch eingesetz­ te Fensterscheiben waren im Cafe zertrüm­ mert, der Kinderspielplatz durcheinander gewirbelt worden. Hart traf es schließlich den Niedereschacher Ortsteil Fischbach, wo die Einwohner rund 30 Stunden ohne Strom waren. Menschen froren, weil Hei­ zungen ausgefallen waren, in den landwirt­ schaftlichen Betrieben mußte das Vieh von Hand gemolken werden. Daß dies nicht ganz ungefährlich ist, zeigte ein Zwischen­ fall, bei dem eine Bäuerin durch eine Kuh derart verletzt wurde, daß sie mit dem Not­ arztwagen in ein Krankenhaus transportiert werden mußte. Auch in St. Georgen gab es Schäden. Das Blechdach einer Doppelgarage wurde in einen benachbarten Supermarkt geschleudert, ver­ letzt wurde dabei glücklicherweise niemand. Das Flachdach des St. Georgener PE-Gebäu- 239

Orkantief .Lothar“ Im Dauereinsatz: Die Feuerwehren des Landkreises waren überall die Reifer in der Not. von den Sturmschäden im Wald ab. Es wur­ den keine Elementarschäden von großem Ausmaß registriert. 25 Millionen Festmeter Sturmholz des wurde wie ein Stück Papier zu­ sammengeknüllt, Teile davon durch den Orkan in Rid1- tung Umspann­ werk getragen. Bäume fielen auf ein be­ wohntes Haus am Storzenberg sowie auf ei­ nen noch unbewohnten Neubau am Wald­ parkweg. Der Ortsteil Buchenberg des be­ nachbarten Königsfeld wurde ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. Dort entstand durd1 einen auf eine Länge von 25 Metern abgerutschten Weg zur Kläranlage beim Lin­ denlach Sachschaden in Höhe von rund 100 000 Mark. Strom gab es erst wieder ge­ gen 21 Uhr des zweiten Weihnachtsfeierta­ ges. In Furtwangen und Umgebung blieb es verhältnismäßig ruhig, obgleich umgestürz­ te Bäume vor allem die Zugänge in die Sei­ tentäler des Schwarzwaldes stark behinder­ ten. Die Freiwillige Feuerwehr benötigte deshalb zum Beispiel über die Hinterbreg 25 Minuten, um zu einem Gebäude im Hohtal zu gelangen, in dem ein Kamin­ brand ausgebrochen war. Ein zweites Fahr­ zeug, das über Neukirch anrückte, war schließlich rund eine Stunde unterwegs. Normalerweise dauert die kürzeste Anfahrt fünf Minuten. In Vöhrenbach schließlich mußte die Ortsdurchfahrt bis in den Nach­ mittag hinein gesperrt werden, weil vom Rathaus- und vom Kirchdach herabgestürz­ te Dachziegel erst beiseite gesd1afft werden mußten. Auch Straßenzüge der Kernstadt waren aus demselben Grund gesperrt. Tri­ berg und Umgebung kamen ebenfalls eini­ germaßen ungeschoren davon, sieht man 240 Mit rund 25 Millionen Festmetern gab das Stuttgarter Ministerium für Ernährung, Land­ wirtschaft und Forsten die Sturmholzmenge in Baden-Württemberg auf der Grundlage erster Erhebungen an. Die Forstdirektion Freiburg, in der auch die Waldgebiete des Schwarzwald-Baar-Kreises liegen, rechnete die in ihrem Bereich angefallene Menge mit insgesamt acht Millionen Festmetern auf (6,2 Millionen Festmeter Nadelholz und 1,8 Millionen Festmeter Laubholz). Nach den Waldbesitzarten aufgeteilt wurden auf Di­ rektionsebene von „Loiliar“ im Staatswald 1,7 Millionen, im Körperschaftswald 4,3 Millionen und im Kleinprivatwald zwei Millionen Festmetern auf den Boden gelegt. Die tatsächliche Holzmenge wird jedoch erst nad1 der Aufarbeitung, vermutlich noch in diesem Jahr, bezifferbar sein. Waldbesit­ zer mußten Sturmholzmengen von ein bis zwei, in den Schwerpunktgebieten im Mitt­ leren Schwarzwald sogar von zehn bis 15 Jahreshiebsätzen hinnehmen (in Einzelfal­ len 30 bis 40 Jahreshiebsätze). ,,Loiliar“ riß Schneisen von bis zu 300 Metern Breite und bis zu zehn Kilometern Länge in die Wäl­ der. Es entstanden zusammenhängende Kahlflächen von bis zu 150 Hektar Größe, die Flächenwürfe summieren sich in Baden­ Württemberg auf rund 40 000 Hektar. Der Amtsbezirk Donaueschingen mit am stärksten betroffen Selbst Laubbäume mit einem Durchmesser von mehr als 1,3 Metern wurden in Höhen von ein bis fünf Metern gebrochen. Auch die Waldgebiete des Landkreises beutelte es nach den Schätzungen mit bis zu 900 000 Festmetern schwer: im Forstamtsbezirk Do­ naueschingen, zwischen Oberrhein und Bo-

Umwelt und Natur Oben: Aufräumen hieß es für die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr in den Tagen nach dem Orkan. Un­ ter anderem galt es, Straßen und Hochspannungsleitungen von umgestürzten Bäumen zu befreien. Um­ stürzende Bäume beschädigten auch zahlreiche Kreftfahrzeuge, so am Villinger Bahnhof (unten). 241

Allein die Stadt Bräunlingen beziffert ihren Vermögensscha· den aus dem Orkan „Lothar“ auf rund sechs Millionen Mark, 60 000 Festmeter Holz wurden auf der Ge· markung geworfen. Orkantief .Lothar“ densee, das mit am stärksten betroffene Ge­ biet, wurden geschätzt zwischen 200 000 und 300 000 Festmeter Holz geworfen, in den Forstamtsbezirken Triberg und Furt­ wangen waren es jeweils zwischen 25 000 und 100 000 Festmeter, im Staatswald des Forst­ amtsbezirks Villingen-Schwenningen und im Städtischen Forstamt Villingen­ Schwenningen jeweils zwischen 100 000 und 200 000 Festmeter. Einer der größten Privatwaldbe­ sitzer Baden-Württembergs und des Landkreises, das Donaue­ sd1inger Fürstenhaus Fürsten­ berg, beklagt nach eigenen An­ gaben einen Vermögensverlust in Höhe von 20 Millionen Mark im Wald, zu dem noch Aufforstungskosten von rund 500 Hektar Kahlflächen kom­ men. Rund 400 000 Festmeter wurden in den fürstlichen W äldern geworfen, der drei­ fad1e Jahreshiebsatz. Auch das Städtedreieck Donaueschingen (60 000 Festmeter), Bräun­ lingen (60 000 Festmeter) und Hüfingen (50 000 Festmeter) wurde in seinen Waldge­ bieten stark in Mitleidensd1aft gezogen. Al­ lein die Stadtverwaltung Bräunlingen bezif- ferte den Vermögensschaden auf rund sechs Millionen Mark, ganz zu schweigen von fi­ nanziellen Ausfällen in, laufenden Haushalt. Rund 5 000 Waldarbeiter aus benachbarten Bundesländern sowie Unternehmen aus dem In- und Ausland mit unzähligen Vollern­ termaschinen mit Leistungen von bis zu 150 Erntefestmeter pro Tag waren in den ersten Monaten nach „Lothar“ in den W äldern Baden-Württembergs damit beschäftigt, die gröbsten Ver­ wüstungen zu beseitigen, das Sturmholz aufzuarbeiten und auf Naßlagern zu poldern. Zunächst mußten jedoch rund 40 000 Kilometer Fahrwege in, Wald freigemacht werden, die durch umgestürzte Bäume blockiert waren. Die Baden- Württembergische Landesregierung sicherte den betroffenen Privatwaldbesitzern (Wald­ größe bis 200 Hektar) 100 Millionen Mark als Soforthilfeprogramm zur Schaffung von Lager- und Konservierungsmöglichkeiten in Naßlagem zu, kleinen Sägewerken wurden zinsverbilligte Darlehen angeboten. Der Bun­ desrat schränkte den Holzeinschlag in Baden­ Württemberg auf 60 Prozent und in den anderen Bundes­ ländern per Gesetz auf 75 Prozent des normalen Jahres­ hiebsatzes ein. Damit soll der Holzmarkt entlastet, die Prei­ se einigermaßen stabil gehal­ ten werden. Nichtsdestotrotz fielen bereits im ersten Q!iar­ tal 2000 die Holzpreise man­ d1er Nadelholzarten um 20 bis 30 Prozent. Weitere Fi­ nanzhilfen für sturmgeschä­ digte Privatwaldbesitzer wur­ den vom Bund bereitgestellt. Am Wa/kebuck bei Villi11gen-Schwe1111i11gen. 242 Stefan limberger-Andris

Forstdirektion Freiburg Sturm „Lothar“ 1999 -Werte gerundet (Stand 07. 01. 2000) Privatwald 1750000 250000 2000000 Körperscbaftswald 3150000 1150000 4300000 Sturmholzbilanz Nadelholz gesamt Laubholz gesamt Summe Staatswald 1300000 400000 1700000 (Obige Zahlen beinhalten nicht die Mengen des Großprivatwaldes mit ca. 450000 Fm.) Umwelt und Natur Summe 6200000 1800000 8000000 Legende Die Karte zeigt, welche Gebiete durch den ,,Jahrhundertsturm“ am stärksten betrojfen waren. 243

Umwelt und NatUJ Orkan „Lothar“ schlägt alle Rekorde Millionen-Schäden in den Wäldern des Schwarzwald-Baar-Kreises Ein Zusammenhang mit einer möglichen anthropogenen Klimaänderung kann mit solchen Einzel­ ereignissen derzeit nicht nachgewiesen werden, auch wenn dieses Sturmereignis zu den verschiedent­ lich geäußerten Befürchtungen einer Zunahme von Stürmen aiifgrund eines höheren Energiegehalts der Atmosphäre passen mag. (Beilage zur Wetterkarte des Deutschen Wetterdienstes 912000) Auf den schönen Namen „Lothar“ wird derzeit kaum noch einer getauft. Was nichts, rein gar nichts, damit zu tun hat, daß Deutsch­ lands längstgedienter Fußball-Nationalspie­ ler sich unrühmlich verabschiedet hat. Lo­ thar ist „out“, weil es den Mitarbeitern des Meteorologisd1en Instituts der Freien Uni­ versität Berlin ausgangs des Jahrtausends ge­ fallen hat, ein „eigenständiges atmosphäri­ sches Druckgebilde“ so zu benennen: das Orkantief, das am 26. Dezember 1999 in­ nerhalb von zwei Stunden über uns hin­ weggebraust ist. Von „Lothar“, dem Orkan, haben seither nicht nur Förster und Wald­ bauern die Nase voll. Der Schrecken, den er verbreitet hat, steckt fast allen noch in den Knomen. Die Orkansmäden im Wald, mehr noch die anhaltenden Erörterungen der Orkanursamen, beginnen uns mittlerweile gründlim auf die Nerven zu gehen. Schließlich war uns ja auch zuvor schon al­ lerhand zugemutet worden – spätestens seit ,,Wiebke“, dem vermeintlichen „Jahrhun­ dertorkan“ vom 1. März 1990 (Zyklone wur­ den damals nom durchweg mit Frauenna­ men belegt, während Smönwetter verheißen­ de Hochdruckgebiete für Männernamen re­ serviert blieben). ,,W iebke“ hatte der mittel­ europäischen Forstwirtschaft mit insgesamt 72 Millionen Festmetern Sturmholz (davon 14 Millionen in den W äldern Baden-Würt­ tembergs) bumstäblim den GAU, den „größ­ ten anzunehmenden Unfall“, besmert: einen 244 Holzberg, größer als alle historisch verbürg­ ten Sturmholzmengen zusammengerech­ net! Und schon damals hatten etlid1e Kli­ matologen gewarnt: ,,Vivian“, ,,Wiebke“ & Co. (es waren in jenem schneelosen, über­ durchschnittlich warmen Winter 1990 ins­ gesamt neun Orkane über den Kontinent hinweggerast) seien mit großer Wahrschein­ lichkeit im Zusammenhang zu sehen mit der weltweiten, menschengemachten Klima­ veränderung. Orkane, Vorboten des Treib­ hauseffekts? SUPERGAU „Lothar“ hat bekanntlich al­ les bisher Dagewesene mühelos in den Schatten gestellt. Diesmal wurden allein in Baden-Württemberg 25 Millionen Festme­ ter Holz vom Orkan geworfen und gebro­ men. Umgeblasen und zerfetzt von Böen, die mit bislang unbekannter Geschwindig­ keit und Heftigkeit über das Land hinwegfeg­ ten. Auf dem Feldberg verweigerte das Wind­ meßgerät der Wetterstation bei 213 km/h für zwei Stunden den Dienst (auf dem ober­ bayerischen Wendelstein wurden sogar 259 km/h registriert!) – dergleichen war seit Be­ ginn der Wetteraufzeichnungen nicht ge­ messen worden. Es hätte womöglich noch weit schlimmer kommen können. Denn kaum anderthalb Tage später nahm Orkan „Martin“ Kurs auf Mitteleuropa, um dann freilich ein paar Breitengrade weiter südlich die französi­ schen und Schweizer W älder (dazu das

Orkan .Lothar“ Allein im Schwarzwald wurden von „Lothar“ 25 Millionen Festmeter Holz umgewo,fen. Stromleitungsnetz und vielerlei historisd1e Bausubstanz) zu verwüsten. Beide Orkane zusammen hinterließen insgesamt 170(!) Millionen Festmeter Sturmholz und Sci1ä­ den in Milliardenhöhe. Daß „Lothar“ hier­ zulande nicht nod1 weit mehr als 18 Men­ sci1enleben gekostet hat, ist wohl einzig dem Umstand zu verdanken, daß er uns zur Mit­ tagsessenszeit heimgesuci1t hat und nici1t et­ wa zwei Stunden später. Dann, wenn die Bürger sici1 zuhauf zum verdauungsförder­ lichen Waldspaziergang aufzuraffen pfle­ gen. Weitere 16 Menschen sollten (Stand Ju­ li 2000) bei der Aufarbeitung der Sturmhöl­ zer ums Leben kommen, die Zahl der bei Unfällen Verletzten geht in die Hunderte. „Gefährlici1er als Minensuci1e im Kosovo“, befanden die Medien in ihren Berichten von der Sturmholzfront. Es hätte noch böser enden können … Ob durci1 „Lothar“ oder durch „Martin“ oder gar durd, beide hintereinander: aud1 im Sci1warzwald-Baar-Kreis hätten die Weih- naci1tstage leicht noch böser enden können, so dramatisch sici1 die Lage für Feuerwehr und Hilfsdienste dargestellt hat. Denn die sci1limmsten Schneisen hat der Orkan ein paar Dutzend Kilometer weiter nordwärts in die Wälder gerissen, beginnend in den Strom­ auen der Rheinebene, über die Sd1warzwald­ Vorberge und über den Kamm des Nord­ sci1warzwalds hinweg bis in den Sci1önbuci1 bei Tübingen. Im hiesigen Landkreis erbrach­ ten die Schätzungen der fünf Forstämter (in­ klusive der FF-Forstverwaltung) insgesamt 820 000 Festmeter Sturmholz. Massen, die nördlich der Kinzig schon von einzelnen Forstämtern übertroffen wurden. Ob Buci1en, Eici1en, Fichten oder Tannen, Flaci1- oder Tiefwurzler, ob kurz oder lang, jung oder alt: wo der Orkan auf seiner Zugbahn am bru­ talsten zusci1lug, hielt ihm kein Baum, kein Wald mehr stand. Hier hinterließ er Kahl­ fläci1en von bisher nicht für möglid, gehal­ tenen Ausmaßen, zu erfassen nicht mehr nad, Hektar, sondern nad1 Qyadratkilome­ tern! Fassungslosigkeit und schieres Entset­ zen breitete sid, unter den Einheimisci1en 245

Umwelt und Natur aus. Der alsbald in den Zentren der Orkan­ gewalt einsetzende Katastrophentourismus ist seitdem nur ein schwacher Trost für die vom Fremdenverkehr lebenden Gemeinden und Betriebe. Wessen Wald „Lothar“ voll er­ wischt hat, der steht nun als Waldbauer vor dem Aus. Anders als in der bewegten Topographie des zentralen Schwarzwalds, sind flächige Sturmschäden auf der Baar und im Baar­ Schwarzwald nichts Ungewöhnliches; seit eh und je sind sie die gefürchteten Begleiter der Forstwirtschaft. Die Waldbäume auf den zumeist flachgeneigten und insbesondere nach Starkniederschlägen tiefgründig aufge­ weichten Waldstandorte leisten schon Normalstürmen wenig Widerstand. Zumal die flach­ wurzelnden Fichten sind hier stets in Gefahr, vorzeitig gewor­ fen zu werden. Diesmal freilich traf es vielerorts auch die Tief­ wurzler unter den Bäumen, und das Verteilungsmuster der Schä­ den ersd1eint willkürlid1er denn je. Immerhin läßt sich vermu­ ten, daß der Orkan über der fla­ chen, waldarmen Baar an Geschwindigkeit nochmals zugelegt hat, um dann im Osten, im Bereich der Keuperstufe und des Alb­ rands desto heftiger zuzuschlagen. Schon die Stürme des Jahres 1967, erst recht die Or­ kane „Wiebke“ (1990) und „Lore“ (1994) , hatten hier mit Abstand am schlimmsten gehaust. Wo jene aufgehört hatten, setzte „Lothar“ das Zerstörungswerk fort. Und die durchlöcherten, in Auflösung befindlichen Waldbestände mit ihren offenen Flanken werden zur Beute künftiger Stürme – so si­ cher wie das Amen in der Kirche. Weshalb sich die waldbaulichen Bemühungen schon bisher auf die forstliche „Krisenregion“ öst­ lich von Neckar und Stiller Muse! konzen­ trierten. Wo der Umbau der Fichtenbestän­ de zu elastischeren und stabileren Mischwäl­ dern nicht gelang, hat „Lothar“ jetzt sogar halbwüchsige Fichten-Stangenhölzer platt 246 Anders als in der be- wegten Topographie des zentralen Schwarz- walds, sind nächige Sturmschäden auf der Baar und im Baar- Schwarzwald nichts Ungewöhnliches. gemacht – gerade mal 30 Jahre ist es her, seit man sie auf die damaligen Sturmflächen ge­ pflanzt hatte. Nicht so sehr das Aufräumen der Sturm­ holzverhaue hat sich unterdessen für die Waldwirte auf der Baar wie anderswo zum Kernproblem ausgewachsen. Weil wir uns auch im Wald inzwischen im Zeitalter der Vollmechanisierung befinden, standen schon im Januar die Holzerntemaschinen der Forst­ unternehmer aus aller Herren Länder Schlange. Doch was nützt die leistungs­ fähigste Großmaschine, wenn die Sturm­ holzmengen auf dem Markt nicht mehr ab­ fließen können, wenn es allerorten, auf Schiene und Straße, an Trans­ portkapazität mangelt, wenn die Holzerlöse im Keller sind? Nach dem Willen der Landes­ forstverwaltung war vorweg dem Privatwald zu helfen, dann erst sollte der Gemein­ dewald und zu guter Letzt der Staatswald aufgeräumt wer­ den. So oder so, beim Aus­ maß der Sturmholzlawine muß sich das Bemühen dar- auf konzentrieren, wenigstens das wertvoll­ ste Stammholz zu bergen und, wo es nicht mehr abzusetzen ist, bis auf weiteres zu kon­ servieren. Um Pilz- und Insektenschäden vorzubeugen, hilft kurzfristig zwar die luf­ tigeTrockenlagerung abseits der Wälder in der käferfreien Feldflur. Doch bis der Holz­ markt wieder aufnahmefähig ist, wird es noch Jahre dauern. Mittelfristig (bis vier Jah­ re) helfen daher allenfalls die Beregnungs­ plätze weiter, die von den Forstämtern – zu­ meist unter den Protesten von Anglern und Anliegern – an Bächen und Flüssen einge­ richtet worden sind. Ein nicht eben billiger Spaß, der den Nettoerlös des Holzes noch weiter schmälert. Immerhin ein Beitrag zum Umweltschutz: der Einsatz von Insektiziden wird sich so in Grenzen halten lassen. Die chemische Keule soll dem Wald tunlichst er­ spart bleiben, darüber jedenfalls herrscht Ei-

Orkan .Lothar“ Bis zu 300 Meter breite Schneisen hinterließ der Orkan in den Wäldern der Baar. nigkeit in der öffentlichen Kontroverse, bei Pilzsuchern und Beerensammlern ebenso wie bei den Liebhabern von Rindenmulch für den heimischen Garten. Desto umstrittener ist der dritte Weg: die sog. „Lebendkonservierung“, das Belassen des Sturmholzes im Wald, wo immer die Wurzeln über ausreichend Bodenkontakt verfügen, um den geworfenen Baum noch eine Weile am Leben zu erhalten. Auch diese Methode taugt bestenfalls für einen Som­ mer. Entwickelt sich dieser heiß und schwül, so wird der Verhau unversehens zur Zeit­ bombe. Hier lauert nicht nur die Gefahr zu­ nehmender Entwertung des Holzes durch holzbrütende Insekten. Schlimmer noch, es droht die Massenvermehrung der gefräßi­ gen Borkenkäfer. Deren Population profi­ tiert gegenwärtig noch immer von den Neunzigerstürmen; seitdem ist ihr eiserner Bestand noch immer nicht auf Normalni­ veau abgesunken. Das Übergreifen der Kä­ fer vom liegenden Holz auf die Randbäume der Sturmflächen und weiter auf den ste­ hengebliebenen Wald ist dann nur eine Fra- ge der Zeit – für Förster und Waldbesitzer ein wahres Horrorszenario. Folgt dem Sturmholzüberangebot die Käferholz­ schwemme? Wohin mit dem Käferholz in Zeiten, in denen der Markt noch immer heillos verstopft ist, die Beregnungsplätze randvoll und die Holzpreise im Keller sind? Nichts käme ungelegener als die Invasion der Borkenkäfer, nie war sie wahrscheinli­ cher als nach „Lothar“. Die Natur hilft sich auf ihre Weise An das Wiederaufforsten der Sturmflächen mag unter diesen Vorzeichen noch kaum je­ mand denken, auch wenn das Land Förder­ mittel in Aussicht gestellt hat. Daß bei der Begründung der neuen Waldgeneration die Sturmstabilität in den Mittelpunkt aller Pla­ nungen und Überlegungen gerückt werden muß, ist außer Frage. Im Idealfall kann das Aufforsten gänzlich unterbleiben, denn die Natur behilft sich nach Sturmereignissen auf ihre Weise. Von der Natur zu lernen, sich die natürlichen Wiederbewaldungspro- 247

auch, tröstet uns der Dichter. Und jede Ka­ tastrophe birgt auch neue Chancen in sich. In der Rückschau gilt Forstleuten der Orkan ,,Wiebke“ als die Geburtsstunde des „Kon­ zepts der naturnahen Waldwirtschaft“; mit ihm setzte ein allgemeines Umdenken ein im mitteleuropäischen Wald. Ausgelöst durch die Orkansd1äden, haben 1990 gewiß auch die großen Holzerntemaschinen ihren Sie­ geszug angetreten. Vor allem aber wuchs die Einsicht, daß die Zeiten plantagenartiger Kunstforste mit ihrer einseitigen Dominanz des „Brotbaums“ Fichte abgelaufen sind. Nur mit der Natur, nicht gegen sie, würde man waldbaulid1 all den Unwägbarkeiten einer zunehmend stürmischen und kata­ strophenträchtigen Zukunft begegnen kön­ nen. Sollte die Forstwirtschaft jetzt, weil „Lothar“ manchenorts alles, selbst stabilste Mischwälder, zu Kleinholz gemacht hat, die Flinte ins Korn werfen? Auf der Baar, am „Kältepol“ des Landes, mag bis zum Stephanstag 1999 manch einer Umwelt w1d Natur zesse zunutze zu machen, ist im Spätfrost­ klima der Baar das ökologische, aber auch das ökonomische Gebot der Stunde. Wo Birken, Aspen, Weiden und Kiefern die Sturmflächen erobern, lassen sich auch die frostempfindlichen Weißtannen wieder ein­ bringen. Sofern sie nicht vom Rehwild ge­ fressen werden. Rehe sind – nebst den Säge­ werken – die eigentlichen Gewinner der Par­ tie: die sonnigen Ränder der KahlAächen behagen ihnen ebenso wie der Äsungsreich­ tum der Schlagflora und der Deckungs­ schutz der heranwachsenden Kulturen. Die Rehwild-Bevölkerungsexplosion nach Wald­ katastrophen ist programmiert. Am raschesten und erfolgreichsten gelingt der jungen Waldgeneration das Durchstar­ ten deshalb im Schutz allmählich vermo­ dernder Stammverhaue, in welche das Reh keinen Zugang findet. Das Kleinklima ist hier dem Wachstum der jungen Bäume weit­ aus bekömmlicher als auf der leergeräumten Kah!Aäche, auch Bodenverdichtungen durch Erntemaschinen sind nicht zu beklagen. Im Verhau vermögen sich die artenreichsten Waldgesellschaften von selbst wieder zu eta­ blieren, das beweisen die Sturmwürfe in un­ bewirtschafteten Bannwäldern und Reserva­ ten. Desto heftiger tobt unter Naturschüt­ zern und Ökologen der Glaubensstreit: Auf­ räumen oder Liegenlassen? Die Furcht vor der Borkenkäfer-Massenvermehrung in un­ seren destabilisierten, von der Fichte domi­ nierten W äldern überschattet derzeit alle Denkmodelle. Ungebremster Totalfraß nach Sturmwürfen, ,,live“ mitzuverfolgen im Na­ tionalpark Bayerischer Wald wie in den fich­ tenreichen Bannwäldern Baden-Württem­ bergs, kann fur den Wirtschaftswald nun einmal keine empfehlenswerte Alternative sein. Wo Gefahr ist, wächst das Rettende Um die gewaltigen Holzmengen vor dem Borkenkä­ fer zu schützen, wurden überall im Schwarzwald­ Baar-Kreis Naßholzlage,plätze eingerichtet, so auch im Furtwanger Ortsteil Rohrbach. 248

versucht gewesen sein, der Treibhausproble­ matik gelassen entgegen zu sehen. Die Aus­ sicht auf die Annehmlichkeiten eines mil­ deren Klimas pflegte den Szenarien der Kli­ matologen ihren Schrecken zu nehmen. Seit ,,Lothar“ sollten wir es besser wissen. ,,Ein­ zelereignisse“ des Wettergeschehens mögen zwar, hier ist dem Deutschen Wetterdienst beizupflichten, denkbar ungeeignet sein, den Zusammenhang mit der anthropoge­ nen Klimaänderung zu beweisen. Doch genügt hier nicht Plausibilität an Stelle von Beweisen? Die Zunft der Klimatologen hat in ihrer weit überwiegenden Mehrzahl längst auf die Zusammenhänge hingewiesen: Die Aufheizung der Wetterküche im Atlantik, das Zurückweichen der winterlichen Hoch­ druckgebiete, das Ausbleiben der kontinen­ talen Kaltluft, all diese höchst komplexen Vorgänge haben die Windmaschine in Gang gesetzt. Die läßt aus Winterstürmen Orkane werden, verändert ihre Zugbahnen und schickt sie uns in immer rascherer Folge. Orkan .Lothar“ Und ist die Büchse der Pandora erst einmal geöffnet, lassen sich die Winde, wie wir seit der Antike wissen, nicht mehr zurückholen. ,,Lothar“ stellt uns mit penetranter Uner­ bittlichkeit vor die Frage, ob sich die Gesell­ schaft noch als lernfähig erweisen wird? Wird sie, im Geiste der Umweltkonferenzen von Rio und Kyoto, vielleicht doch noch Ernst machen mit der Reduzierung der Treibhausgase? Werden die Selbstverpflich­ tungen der Industrieländer eingelöst? In der Schwüle dieses Sommers hat es durchaus noch nicht den Anschein danach. COz-Bi­ lanz hin oder her: einstweilen hadern wir lie­ ber über steigende Benzinpreise und ver­ wünschen die Ökosteuer. Wie es aussieht, haben wir „Lothars“ Lektion noch immer nicht ganz begriffen. Wolf Hockenjos 249

Umwelt und Natur Ein „Runder Tisch“ für die Umwelt Die Südbaar-Städte erarbeiten gemeinsam einen umfassenden Umweltplan In einigen Sektoren des Umweltschutzes wurden in den letzten Jahrzehnten beein­ druckende Erfolge erreicht. Dank guter Ab­ wasserreinigung konnte die Wasserqualität der Donau wesentlich verbessert werden, die Schwefeldioxidemissionen wurden auf einen Bruchteil reduziert, und auf die Hüfinger Mülldeponie kommt pro Jahr nur noch die Hälfte der Menge vom Anfang der 1990er Jahre. Dennoch: insgesamt ist der Problem­ druck geblieben, zumal neue Umweltpro­ bleme wie der Klimaschutz in den Vorder­ grund getreten sind. Gerade auf der Baar, die in den letzten Jahren sehr unter meteorolo­ gischen Kapriolen gelitten hat – man denke nur an die Überschwemmungen und den Orkan zu Jahresbeginn – ist ein verstärktes Klimaschutzengagement naheliegend. Tatsächlich spielt Umweltschutz eine große Rolle im Städtedreieck Donaueschingen­ Hüfingen-Bräunlingen. Vor drei Jahren ver­ anstaltete der Gemeindeverwaltungsverband (GV V) Donaueschingen eine Journalisten­ fahrt mit dem Titel „Die Baar – drei Städte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit“. Nachhal­ tige Entwicklung ist inzwischen ein Thema in vielen Kommunen, die sich der „Lokalen Agenda 21″ der Umweltkonferenz in Rio verpflichtet fühlen. Weiter bestehende Um­ weltprobleme bei einem geringer ausgepräg­ ten öffentlichem Interesse erfordern neue Wege. So sucht man verstärkt den Konsens mit verschiedenen Interessensgruppen, um dadurch den Umweltschutz voranzubrin­ gen. Dies erfordert freilich von allen Seiten Kompromisse. Ein schöner Erfolg ist in die­ sem Sinne dem Städtedreieck Donaueschin­ gen-Hüfingen-Bräunlingen gelungen. Dort wurden auflnitiative des Autors gemeinsam kommunale „Umweltqualitätsziele“ mit ei­ nem umfangreichen Maßnal1menprogramm erarbeitet. 252 Umweltqualitätsziele beschreiben den an­ gestrebten Zustand der Umwelt. Sie sind im Idealfall quantitative Zielaussagen über ein­ zelne Schutzgüter wie Boden, Luft, Wasser und Arten. Erst durch Festlegung der Politik werden sie verbindliche Bewertungsmaßstä­ be für die Planung. Und nur wenn sie auf breite Akzeptanz stoßen, bestehen Chan­ cen für die Umsetzung. Umweltqualitätsziele bedürfen zur Kon­ kretisierung oft bestimmter Standards und darüber hinaus Maßnahmen, um sie wirk­ sam werden zu lassen. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen: •Umweltqualitätsziel: Halbierung des •Umweltqualitätsstandard: Niedrig­ •Maßnahmen: Bedingungen für den Bauplatzverkauf, Förderprogramm für die Altbaudämmung, Angebot von Beratungs­ dienstleistungen etc. COz-Ausstoßes durch Hausbrand energiestandard für alle Gebäude Wessen Werthaltungen müssen bei der Formulierung von Umweltqualitätszielen berücksichtigt werden? Im Idealfall sollten neben den einschlägigen Fachbehörden und Fachleuten auch alle gesellschaftlichen Grup­ pen einbezogen werden. Für die Aufgabe der Integration bieten sich diskursive Ver­ fahren an, insbesondere die Vorgehensweise des „Runden Tisches“. Dabei werden durch Einschalten eines neutralen Vermittlers (Mo­ derator, Mediator) die Parteien mit dem Ziel zusammengeführt, Einvernehmlichkeit in der Sache zu erreichen. Voraussetzung für ei­ nen erfolgreichen „Runden Tisch“ ist eine kooperative Grundhaltung und Kompro­ missbereitschaft der Teilnehmer. Dies war bei

Umweltplan Südhaar Am Projekt „Umweltqualitätsziele“ beteiligte Institutionen: • Städte: Donaueschingen, Hüfingen und Bräunlingen (Bauämter, E-Werke) • Landratsamt (Naturschutzbehörde, Wasserbehörde, Gesundheitsamt, Ab­ fallwirtsd1aftsamt, Straßenverkehrsamt) • Landwirtschaftsamt • Forstamt • Regionalverband Schwarzwald-Baar- Heuberg • Industrie- und Handelskammer • Handwerkskammer • Kraftwerk Laufenburg/ Fa. Enersys • Gesellschaft für dezentr. Kraftanlagen • Arbeitskreis Umweltschutz Bräunlingen • Gewerbe- und Kurförderverein Donau- eschingen • Kreisjagdverband • Landesnaturschutzverband • Bund für Umwelt und Naturschutz • Architektenkammer • Badischer landwirtschaftlicher Haupt­ verband • Fürstlich Fürstenbergische Brauerei • Aktionsbündnis „Das bessere Müllkon­ zept“ • Fürstlich Fürstenbergische Forstverwal- tung • Innung der Heizungsbauer • Kreisfischereiverein • Gewerbeaufsichtsamt • Bezirksstelle für Naturschutz • Gewässerdirektion • Straßenbauamt • Zweckverband Gasversorgung • Allgem. dt. Fahrrad-Club • DGB • Verkehrswacht Donaueschingen • Südbadenbus GmbH • Prof. Günther Reichelt (ansässiger Ökologe) Über zwei Jahre hinweg wurde am „Runden Tisch“ des Rathauses Donaueschingen über Umwelt­ qualitiitszie/e diskutiert. 253

Umwelt und Natur den Diskussionen im Gemeindeverwaltungs­ verband Donaueschingen gegeben. Nachdem die Bürgermeister der drei be­ teiligten Städte grünes Licht för das Projekt gegeben hatten, konnte als neutrale Institu­ tion för die Moderation die Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart ge­ wonnen werden. Da es sich um ein in dieser Form bisher einzigartiges Projekt handelte, brachten die Mitarbeiter der Akademie Prof Ortwin Renn, Dipl.-Ing. Rainer Carius, Christian Le6n und Jochen Jaeger – ihre Ar­ beitsleistung von mehreren 1000 Stunden kostenfrei för den GVV ein. Während der Vorbereitungsphase wurde zunäd1st der Kreis der zu beteiligenden Be­ hörden, Interessensvertretungen und Fach­ leute festgelegt. Auf Anfrage sagten alle spon­ tan ihre Mitarbeit zu (siehe Auflistung S. 253). Startschuss für den ,,Runden Tisch“ Am 28. Juni 1996 schließlich fiel der Start­ schuss bei der konstituierenden Sitzung för den „Runden Tisch“. Dabei wurde eine gro­ be Zeitplanung für das Projekt aufgestellt, das innerhalb von zwei Jahren abgeschlos­ sen werden sollte. In den späteren Arbeits­ sitzungen sollte jeweils ein Thema ab­ schließend behandelt werden. Hierzu wurde eine Vorlage erarbeitet, in der zum jeweili­ gen Thema alle verfügbaren Informationen zusammengetragen und Vorschläge für Zie­ le und Maßnahmen gemacht wurden. In den Sitzungen galten die folgenden Spielregeln: • Alle beteiligten Personen haben gleiche Rechte und Pflichten. Kein Teilnehmer kann aufgrund von politischen oder wirtschaftli­ chen Positionen, die er außerhalb des „Run­ den Tisches“ wahrnimmt, Sonderrechte be­ anspruchen. • Alle in die Diskussion eingebrachten Äußerungen müssen begründet werden. Diese Begründungen können gemeinsam 254 diskutiert, bestätigt oder verworfen werden. • Alle Teilnehmer haben das Recht, Vor­ schläge för Ziele und Maßnahmen einzu­ bringen oder zu Vorschlägen anderer Stel­ lung zu nehmen. • Da die Teilnehmer nicht nach repräsenta­ tiven Kriterien zusammengesetzt sind, kann es keine Mehrheitsentscheidungen geben. • Entscheidungen werden entweder im Kon­ sens oder im „tolerierten Konsens“ gefällt, bei dem sich zumindest niemand dagegen ausspricht. • Die Empfehlungen werden an die politi­ schen Entscheidungsträger – also die Ge­ meinderäte – weitergeleitet. Der „Runde Tisd1″ ersetzt nid1t den politischen Entschei­ dungsprozeß selbst. Ebenfalls in der konstituierenden Sitzung wurde ein „Leitbild“ för die Region vorge­ stellt und diskutiert, das den gewünschten Zustand der regionalen Umwelt im Jahr 2010 umsd1reibt und den Rahmen für die einzelnen Ziele liefert. Nach der konsti­ tuierenden Sitzung folgten bilaterale Ge­ spräche zwischen der Akademie für Technik­ folgenabschätzung und den beteiligten In­ stitutionen statt. Im November 1996 fand die erste Arbeits­ sitzung zum Thema „Raumnutzung“ statt. Dann diskutierte man Themen „Wasser“, „Boden“, ,,Luft“, ,,Gesundheit, Wohnen und Arbeiten“, ,,Abfall/Altlasten“, ,,Land- und Forstwirtschaft“, ,,Verkehr und Tourismus“, ,,Energie“ und „Flora, Fauna, Landschaft“. Da es nicht immer gelang, in den halbtägi­ gen Sitzungen das gesamte Pensum abzuar­ beiten, wurden zu den Themen Raumnut­ zung, Wasser, Boden, Verkehr und Land­ wirtschaft jeweils kleinere Arbeitsgruppen gebildet, die sich zusätzlich trafen. Verab­ schiedet wurden deren Ergebnisse jeweils im Plenum.

Umweltplan Südhaar Wo Grünland extensiv genutzt wird, haben auch Störche noch Überlebenschancen. Es war naheliegend, dass es nicht immer gelang, sich im Konsens auf Ziele und Maß­ nahmen zu einigen. Der Versuch, zu geplan­ ten und diskutierten Straßenbaumaßnah­ men jeweils eine abgewogene einvernehmli­ che Beurteilung abzugeben, scheiterte mit einer Ausnahme: der geplante Ausbau der B 31 auf Markung Hüfingen soll maximal dreispurig erfolgen. Besonders schwierig war die Diskussion auch beim Thema Landwirt­ schaft. Bei vielen Fragen standen sich die Meinungen der Landwirtschaft und des Umweltschutzes frontal gegenüber. Da nur solche Ziele und Maßnahmen in die Emp­ fehlungen aufgenommen wurden, gegen die sich niemand aussprach, mussten zunächst viele Vorschläge weggelassen werden. Doch nach mehreren Vorgesprächen im engeren Kreis gelang es dann doch, zum Thema Land­ wirtsd,aft 14 Ziele und 22 Maßnahmen zu verabschieden. Am 30. Juni 1998, also exakt im Zeitplan, fand die Abschlusssitzung statt, auf der die verabschiedeten Maßnahmen mit Prioritä­ ten versehen wurden. Im Herbst 1998 wur- de das in einer rund lOOseitigen Dokumen­ tation zusammengefasste Ergebnis in einer öffentlichen Veranstaltung den drei Gemein­ den übergeben. Es fand überregional Beach­ tung in den Medien. In den Monaten danach hat man die Um­ weltqualitätsziele in den Gemeinderäten der drei Städte diskutiert, in Hüfingen und Bräun­ lingen jeweils in einer ganztätigen Klausur­ sitzung. Die Gemeinderäte nahmen am Ka­ talog der Ziele und Maßnahmen einige klei­ nere Modifikationen vor, insbesondere im Teil „Verkehr“. Das Gesamtpapier wurde dann jeweils einstimmig verabschiedet. Im Folgenden seien beispielhaft einige der Ergebnisse dargestellt: • Für die drei Kernstädte und einige Orts­ teile wurden endgültige Siedlungsränder festgelegt, die auch bei künftigen Flächen­ nutzungsplänen nicht für Bauflächen über­ schritten werden sollen. Der jährliche Land­ schaftsverbrauch soll um mindestens 30 0/o reduziert werden, wobei reduzierte Bauplatz­ grenzen beitragen sollen. Für Bebauungs- 255

Umwelt und Natur pläne und Gewerbeansiedlungen sollen je­ weils Umweltverträglichkeitsprüfungen vor­ gesehen werden. In einigen Gebieten soll in einer Feinabgrenzung geklärt werden, wo weitere Aufforstungen möglich sind und wo sie ausgeschlossen werden sollen. • Der Fremdwasseranteil in der Kläranlage soll auf 200/o reduziert werden, und bis ins Jahr 2005 sollen alle Abwasserkanäle unter­ sucht und saniert sein. Im Lauf der nächsten Jahre sollen gespaltene Abwassergebühren eingeführt werden. • In Donaueschingen plant man einen at­ traktiven Stadtbusverkehr zu starten, die Stadtbahn soll das ÖPNV-Angebot in allen drei Städten verbessern und die Radwege­ verbindungen sollen noch optimiert werden. • Bis ins Jahr 2010 soll der Einsatz fossiler Energieträger um 500/o reduziert werden. Hierzu sollen Windkraft, Wasserkraft, Bio­ masse und Solarenergie wesentlich ausge­ baut werden. Mit Nahwärmenetzen sollen .lüntlrlr .Jni-11/l1·r,11m/ Einweihung des B!ockheizkraflwerks der Brauerei Fürstenberg, das auch ein Nahwärmenetz der Stadt Donaueschingen speist. Gast bei der Einweihung war auch Umweltminister Schaufler (links). 256 die Voraussetzung für energiesparende Heiz­ techniken geschaffen werden. Neben dem Niedrigenergiehausstandard im Neubau soll auch eine möglichst umfassende Energie­ sanierung im Altbau erfolgen. Durch ein modernes Energiemanagement sollen die noch in kommunalen Liegenschaften schlum­ mernden Einsparpotentiale mobilisiert wer­ den. • Der Vertragsnaturschutz mit der Land­ wirtschaft soll noch wesentlich ausgebaut werden. Für mindestens 75 0/o der Gewässer zweiter Ordnung sollen Gewässerentwick­ lungspläne erstellt werden, die bis ins Jahr 2010 zu mindestens 50 0/o umgesetzt sein sollen. Es sollen weitere Schutzgebiete aus­ gewiesen werden, wobei Einschränkungen der bisherigen Nutzung auszugleichen sind. Und schließlich sollen alle pflegebedürftigen Biotope sachgerecht bewirtschaftet werden. Man mag sich die Frage stellen, woher die drei Kommunen das Geld für wesentliche Fortschritte im Umweltschutz nehmen wol­ len. Dabei ist zu beachten, dass es neben Maßnahmen, die Geld kosten, auch solche gibt, mit denen man Geld einspart. Insbe­ sondere beim effizienten Umgang mit En­ ergie und beim sparsamen Umgang mit Bau­ land lässt sich viel einsparen. Nach zugege­ benermaßen sehr groben und unsicheren Kostenschätzungen würde die Umsetzung des Gesamtpaketes jährlich rund 3 Millionen DM netto kosten, von denen rund 1 Milli­ on von den Städten selbst zu tragen wäre. 100 DM pro Bürger und Jahr, von denen rund ein Drittel auf die Kommune selbst entfiele, erscheinen nicht zu viel für die an­ spruchsvollen Ziele, die erreicht werden sol­ len. Dass Maßnahmen des Umweltschutzes volkswirtschaftlich unter dem Strich Kosten einsparen in Form von vermiedenen Ge­ sundheitskosten und Umweltsanierungs­ kosten, ist dabei noch nicht einmal berück­ sichtigt. Nicht alle Kosten treffen die Kommunen

Umwehplan Südhaar Eine Biogasanlage auf dem Bräunlinger Hof Friedrich erzeugt große Mengen Strom und verbessert die .QJ,a­ lität der Gülle (Abbildung oben). Gleich mehrere Umweltqualitätsziele ve,:folgen eine umweltverträgliche, landwirtschaftliche Nutzung ökologisch wertvoller Flächen (unten). 257

Umwelt und Natur selbst. Bei einem Ausbau des Vertragsnatur­ schutzes kommt der Löwenanteil der Gelder vom Land bzw. von der Europäischen Union. Am teuersten sind die Maßnahmen im Ab­ wasserbereich, insbesondere bei der Kanal­ sanierung, und beim Müll. Die werden aber über Gebühren vom Bürger getragen, bela­ sten also den städtischen Haushalt bzw. beim Müll den Kreishaushalt nur als Durch­ laufposten. Rund 100 DM pro Bürger und Jahr fallen für zusätzlid1e Maßnahmen bei der Abwasserbeseitigung an, rund 30 DM bei der Müllentsorgung. Ganz überwiegend handelt es sid1 dabei um Pflichtaufgaben, die aufgrund der Gesetzeslage ohnehin erle­ digt werden müssen. Würde man diese Ko­ sten abziehen, so wären die restlid1en vor­ gesehenen Maßnahmen kostenneutral um­ setzbar oder gar mit Einsparungen verbun­ den. Absd1ließend lässt sid1 sagen, dass sich der erhebliche Aufwand für das Projekt „Um­ weltqualitätsziele Gemeindeverwaltungsver­ band Donaueschingen“ gelohnt hat. Es ist gelungen, einen Zielkatalog und ein Hand­ lungsprogramm zu verabschieden, das in seiner inhaltlichen und politischen �alität über das Übliche weit hinausgeht. Die Chan­ cen stehen also nicht schlecht, dass es tat­ sächlich in den kommenden 10 Jahren ge­ lingt, einen Großteil des Zielkataloges zu er­ füllen. Entgegen dem Trend, Umweltbelan­ ge zunehmend als „Investitionshemmnis“ und ihre behördlichen Sad1walter als „Stören­ friede“ wahrzunehmen, wären dann noch echte substantielle Fortschritte für Umwelt und Lebensqualität erreicht. Damit das Ge­ samtwerk nicht in den Schubladen ver­ schwindet, wurde vorsorglich beschlossen, in den Gemeinderäten in mehrjährigen Ab­ ständen über den Stand der Umsetzung Be­ richt zu erstatten. Eine Dokumentation des Projektablaufs mit einer Liste der am „Runden Tisd1″ ver­ abschiedeten Ziele und Maßnahmen, ihren Prioritäten und einer Kostenschätzung hat die Akademie für Technikfolgenabsd1ätzung 258 herausgegeben. Ein zweiter rund 250 Seiten starker Dokumentationsband, in dem ne­ ben den Maßnahmen auch die Umweltsi­ tuation mit Tabellen und Karten umfassend dargestellt ist, wurde 1999 vom Gemeinde­ verwaltungsverband herausgegeben. Er wur­ de aud1 ins Internet gestellt und ist neben der Druckversion auch auf CD-ROM ver­ fügbar. Damit liegt eine umfassende Dar­ stellung der Umweltsituation und bisher un­ ternommener Schritte vor. Seit zehn Jahren ein Umweltbüro Für alle drei Städte ist die Verabschiedung der Umweltqualitätsziele nicht der Beginn eines verstärkten Umweltengagements. Seit zehn Jahren unterhalten sie auf der Ebene des Gemeindeverwaltungsverbandes ein Um­ weltbüro. Von den umgesetzten umweltbe­ zogenen Projekten sei hier nur beispielhaft eine Auswahl genannt. So wird vom Um­ weltbüro das „Riedbaarprojekt“ betreut. Dort sind rund 200 ha landwirtschaftlicher Fläche unter Vertrag, für deren besonders umweltgerechte Bewirtschaftung die Land­ wirte eine Vergütung erhalten. Im Rahmen von Biotopvernetzungsmaßnahmen wer­ den im Städtedreieck Hecken und Bäume gepflanzt und Kleingewässer angelegt. Auch die ersten Gewässerentwicklungspläne zur naturnahen Umgestaltung von Bächen sind inzwischen fertiggestellt und werden suk­ zessive umgesetzt. Besonders aktiv sind die Städte im Ener­ giesektor: Blockheizkraftwerke und Holz­ Nahwärmeversorgungen werden unterstützt, wobei die Städte teils selbst aktiv werden, teils private Initiativen unterstützen. In Bräunlingen trocknet die „Biowärme Bräun­ lingen GmbH“ Klärsd1lamm aus der ganzen Region mit Restholz als regenerativer Brennstoff. In Donaueschingen ist es gelun­ gen, die Abwärme der Fürstlid1en Brauerei in einem Nahwärmenetz einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. In der Donaue­ schinger Ökosiedlung, dem Hüfinger Pro-

jekt „Dombiosol“ und dem Bräunlinger Fortuna-Gelände wurde beispielhaft ener­ giegerech tes Bauen demonstriert. Und schließlich fordern Donaueschingen und Hüfingen beim Bauplatzverkauf seit langem den Niedrigenergiestandard ein. Diese Aktivitäten werden seit der Verab­ schiedung der Umweltqualitätsziele nahtlos fortgesetzt. In einer Checkliste wurden alle Aspekte der Maßnahmen, die bei der Auf­ stellung von Bebauungsplänen berücksich­ tigt werden müssen, zusammengestellt. Je­ der Planer, der im Auftrag der Städte einen Bebauungsplan entwirft, erhält diese Liste zur Berücksichtigung. In einem Leitfaden für die Hochbauämter wurden für alle Pro­ duktbereiche im Hochbau möglichst zu ver­ meidende Baustoffe und besonders emp­ fohlene Baustoffe zusammengestellt. Er wird nun bei der Vergabe von Bauarbeiten zugrundegelegt. In Donaueschingen und Hü­ fingen ist vorgesehen, durch ein verbessertes Umweltplan Südbaar Energiemanagement bei Beteiligung eines Ingenieurbüros in den kommunalen Ein­ richtungen die Energieeinsparpotentiale aus­ zuschöpfen. Erste Erfolge zeigten sich be­ reits am Donaueschinger Parkschwimmbad: durch einfache Maßnahmen ist es gelungen, die Kosten für Strom, Gas und Wasser na­ hezu zu halbieren. Dr. Gerhard Bronner Kontaktadressen: Akademie für Technikfolgenabschätzung, Rainer Ca­ rius, Industriestraße 5, 70565 Stuttgart, Tel. 0711/9063- 169, Fax 0711/9063-299, e-mail: carius@afta-bw.de Gemeindeverwaltungsverband Donaueschingen, Dr. Gerhard Bronner, Karlstraße 58, 78166 Donau­ eschingen, Tel. 0771/857-295, Fax 0771/857-228 e-mail: stadr@donaueschingen.de Internet: www.donaueschingen.de/gvv Die Erdhügelhäuser in der Donaueschinger Ökosiedlung. Warmwasser wird hier mit Hilfe von Sonnen­ kollektoren erzeugt. 259

Umweltplan Siidbaar Mitarbeiter des Umweltbüros Donaueschingen beim Anlegen einer sogenannten „Benjeshecke“. Sie soll zur Biotopvemetzung beitragen. Unten: Am Stand des Umweltbüros wird auf der Do11aueschi11ger Umwelt­ messe „ Oecon „ein Muskelkrajiwerk präsentiert, (lllj dem die Besucher selbst Strom erzeuge11 können. 260

Umwelt und Natur Naturpark Südschwarzwald Der Naturpark Südschwarzwald ist der größte seiner Art in Deutschland Wem ist der Schwarzwald unbekannt Mit seinen stolzen Tannen? Kein Wanderer kommt in unser Land Und keiner geht von dannen, Der nicht bei seiner hehren Pracht Still steht und grosse Augen macht! Joseph Viktor von Scheffel Zumindest ein Superlativ ist ihm bereits gewiß: Mit seinen rund 315 000 Hektar, ein­ gebracht von 97 Gemeinden, ist der „Na­ turpark Südschwarzwald“ der Größte unter den 85 bestehenden deutschen Naturparks. Daran dürfte sich auch nichts mehr ändern, wenn die Nordschwarzwälder nachgezogen haben werden. Naturparks haben Konjunk­ tur derzeit; spätestens seit abzusehen ist, daß die Bundes-, Landes- und EU-Förder­ mittel künftig spärlicher fließen werden. Am ehesten noch dürfen Regionen sich Hoff­ nung auf Zuwendungen machen, die den Status eines Schutzgebiets vorweisen kön­ nen. Kein Wunder demnach, daß insbeson­ dere Kommunal- und Regionalpolitiker ini­ tiativ geworden sind. Doch trotz des golde­ nen Zügels der Fördermöglichkeiten: die Geburtswehen im Vorfeld der Parkgründung fielen heftiger aus, als mancher es erwartet hatte. Überzeugungsschwerstarbeit mußte geleistet werden. Lang genug hatte man sich im Schwarz­ wald geziert, die bereits in den l 950er Jah­ ren geborene Idee des Hamburger Mäzens Dr. Alfred Töpfer aufzugreifen. Naturpark, das Etikett hatte manchem Bürgermeister allzu sehr nach Käseglocke geklungen, gar nach Nationalpark. Den Natur- und Land­ schaftsschützern wiederum schmeckte der Eine Wa1didylle, wie man sie mit einem Naturpark gewöhnlich in Verbindung bringt, doch die Zielset­ zungen gehen über die Bewahrung von „Schwarz­ waldromantik“ weit hinaus. Begriff allzu penetrant nach „Möblierung“ der Erholungslandschaft, nach touristischer Vermarktung, nach Verrummelung. Ob mit oder ohne Naturpark, so die landläufige, vielleicht ein wenig allzu überhebliche Auf­ fassung, an Zulauf würde es dem Schwarz­ wald ohnehin nicht mangeln, schon seiner unbestreitbaren landschaftlichen Vorzüge 261

Umwelt und Natur wegen. W ie sich heute zeigt, eine reichlich optimistische Einschätzung. Zwar weisen die Fremdenverkehrsstatistiken den Schwarz­ wald mit seinen knapp 18 Millionen Über­ nachtungen und einem touristischen Ge­ samtumsatz von fünf Milliarden Mark nach wie vor als eine der bestbesud1ten Urlaubs­ regionen der Republik aus. Doch die Auf­ enthaltsdauer der Gäste ist zusammenge­ schrumpft. Der Boom der Nachwendezeit, als Thüringer und Sachsen zuhauf im Schwarzwald ihr Fernweh stillten, ist abge­ flaut. Und die meist schneearrnen Winter der vergangenen Jahre trugen auch nicht da­ zu bei, daß sich die Mienen der Zimmer­ vermieter, Gastwirte und Kurdirektoren wie­ der aufueitern wollten. Dabei genießt der Schwarzwald einen für Mittelgebirgslandschaften nachgerade le­ gendären Ruf; sein weltweiter Bekanntheits­ grad ist bares touristisches Kapital. Nicht erst seit den Erfolgen seiner Skispringer gilt: wo immer man sich als Schwarzwälder zu er­ kennen gibt, von Black Forest und Foret Noire haben alle schon einmal gehört. Und fast alle sind schon einmal am Titisee ge­ standen, rätselnd vielleicht, was denn nun eigentlich den besonderen Reiz dieses Ge­ wässers (nebst seiner „Goldküste“) aus­ mad1t. Die Kuckucksuhr, der Bollenhut, die Kirsd1torte, der Speck: all die altbewährten Klischees und Markenzeichen können den „Mythos“ dieses Gebirges allein ja wohl kaum begründet haben. Auch die Fallers und die Brinkmanns nicht. Unstrittig ist, daß das touristische Renom­ mee vielfach noch aus der guten alten Zeit der Somrnerfrisd1ler stammt. Dod1 Schwarz­ waldmädel ist sichtlich in die Jahre gekom­ men, und so ist es nicht verwunderlich, wenn in den Kurverwaltungen allenthalben nach moderneren Konzepten Ausschau ge­ halten wird. Die Spaß-, Freizeit- und Erleb­ nisgesellschaft verlangt nach „Action“, nach „Fun“, nach „Events“, so die Erkenntnis der Werbestrategen. Daß, bei allen Bemühungen um neue – jüngere – Gästesdiid1ten, letztlich 262 noch immer die vergleichsweise unbeschä­ digte, die als ebenso herb wie schön emp­ fundene, unverwechselbare Schwarzwälder Kulturlandschaft Garantin der touristischen Nachfrage ist, wagt dennoch kaum jemand zu bezweifeln. Hier läßt der Gast in der Sprache der Reisejournalisten und Werbe­ texter „die Seele baumeln“, hier zählt die ge­ diegene Gastronomie (mit konkurrenzfähi­ gem Preis-Leistungsverhältnis) noch ebenso­ viel wie die Weltabgeschiedenheit der zu er­ wandernden Walrndachhöfe, das Gebimmel des Weideviehs, der Duft von Bärwurz und Thymian, die blühenden Ginsterhalden, die rauschenden Tannenwälder oder die noch ungestauten Bäd1e und Wildflüsse. Keine Frage: die südschwarzwälder Landschaft lebt nicht zuletzt vom sd1roffen Gegensatz zwi­ schen der gepflegten Feldflur der Höfe und Auszug aus dem Naturschutzgesetz § 23 Naturparke (1) Großräumige Gebiete, die als vor­ bildliche Erholungslandsd1aften zu ent­ wickeln und zu pflegen sind und die 1. überwiegend sich durch Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft auszeichnen, 2. wegen ihrer Naturausstattung sich für die Erholung größerer Bevölkerungsteile besonders eignen und 3. nach den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung und Landesplanung hier­ für bestimmt werden, können durch Rechtsverordnung zu Naturparken erklärt werden. (3) In der Rechtsverordnung sind der Schutzgegenstand, der wesentliche Schutzzweck und die erforderlichen Ver­ bote und Erlaubnisvorbehalte zu besti rn rnen …

Naturpark Südschwarzwald Winterzauber, gewiß: Aber ist die Idylle überhaupt noch so zu haben, wie wir sie in unserem inwendigen Schwarzwaldbild gespeichert haben? Fotografiert beim „Bruderkirchle“ in Vöhrenbach. der „wilden Restnatur“ der bewaldeten, oft felsdurchsetzten Halden. Aber ist die Idylle überhaupt noch so zu haben, wie wir sie in unserem inwendigen Schwarzwaldbild gespeichert haben? Zehrt der Fremdenverkehr womöglich noch von landschaftlichen Qialitäten, die längst der Vergangenheit angehören? Schlägt mittler­ weile nicht auch im Schwarzwald die Hektik der Pendlerströme und des Naherholungs­ verkehrs den Takt? Wie passen die Pulks der Zweiradfahrer ins Bild, die auf ihren röhren­ den Maschinen übers Wochenende von Frankfurt via Schwarzwaldhochstraße zum Simplon oder an die Adria jagen? Oder die Mountainbiker, denen kein Felssteig zu steil und zu schmal ist als schweißtreibender Trainingsparcours? Und regiert zwischen­ zeitlich nicht knallharte Betriebswirtschaft auf den Höfen und im Wald? Ergießt sich nicht auch in die Schwarzwaldtäler (wo einst die Mühlen klapperten) der Brei uniform- ster Gewerbe- und Wohngebiete? Ist die Siedlungsentwicklung nicht vielerorts drauf und dran, das überkommene Dorfbild mit Klosterkirche vollends aus dem Bild zu drängen, auch wenn wir Fotografen uns noch so sehr in der Kunst des Weglassens und Zoomens üben? Und wie halten wir’s mit den Funkmasten und den Windkraftan­ lagen, die allenthalben aus dem Boden schießen und im Begriff sind, die Akzente zu setzen? Erholungslandschaften sind bedroht, sind schutzbedürftig, heute wohl mehr denn je. Und so wurde im Zuge der jüngsten Novel­ lierung des Naturschutzgesetzes von Baden­ W ürttemberg (im Jahr 1995) das Arsenal der Schutzkategorien um den Naturpark erwei­ tert. Was taugt das neue Instrument? Wird es damit künftig besser gelingen, die Balance zu halten zwischen dem Schutz und der Entwicklung der Landschaft, zwischen na- 263

aturpark Südschwarzwald Schwarzwaldbach im Brennersloch bei Neukirch: Was nützte ein Naturpark, wenn es nicht gelänge, den „ Schutzgegenstand“ hinlänglich attraktiv und besuchenswert zu erhalten? turverträglicher touristischer Nutzung und Rummelplatz, zwischen musealer Bewah­ rung und lebensfähigem Wirtschaftsstand­ ort? Denn bei aller Pflege und Entwicklung: Was nützte ein Naturpark, wenn es nicht gelänge, den „Schutzgegenstand“ hinläng­ lich attraktiv und besuchenswert zu erhal­ ten? Die Naturparkziele sind formuliert und in die naturschutzgesetzlich geforderte Rechtsverordnung eingearbeitet worden. Am 1. Februar 1999 ist in Titisee bereits der Trä­ gerverein „Naturpark Südschwarzwald e.V.“ aus der Taufe gehoben worden, formal die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung des Parks. Die Vereinsgründer mußten sich sputen, standen sie doch unter erheblichem Zeit­ und Erfolgsdruck. Bereits am 31. Dezember 1997 war die Förderung des „Modellförder­ gebiets Südschwarzwald“ ausgelaufen, und der Geldhahn, so hatte das Land gedrängt, würde nur dann nicht zugedreht werden, wenn es zur Gründung des Naturparks kommt. Doch trotz des Lockmittels gab es Wider­ stand, nicht zuletzt von seiten der Landwir­ te. Unter dem Damoklesschwert der Agen­ da 2000 stehend, wollte man sich keinesfalls weiteren Naturschutzauflagen beugen. Da­ bei ist im Park doch gerade der bäuerlichen Landwirtschaft die Schlüsselrolle zugedacht. Nur mit ihrer Hilfe kann der fortschreiten­ den Verfichtung und Verfmsterung der Land­ schaft vorgebeugt werden. Und nur über die bäuerliche Landschaftspflege werden sich die öffentlichen Zuwendungen für die Landwirtschaft begründen und gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen lassen. An­ dererseits freilich darf in der Kulturland- 265

Umwelt und Na1ur schaft nicht jegliche Dynamik verhindert werden. Ökologisch fragwürdig wäre die künstliche Offenhaltung der Landschaft ins­ besondere dort, wo sie einherginge mit un­ gebremster Vergrößerung und Intensivie­ rung der landwirtschaftlichen Betriebe – mit allfälliger Überdüngung des Grünlands und der daraus resultierenden floristischen und faunistischen Verarmung. Wo unter der Stickstoffdusche Löwenzahn und Ampfer die Wiesen erobern, ist es mit der Arten­ vielfalt nicht mehr weit her. Das Nachsehen hätte dann nid1t nur die Ökologie, sondern auch der Erlebniswert der Landschaft und damit schließlich der Fremdenverkehr. Daß unter dem Diktat der Betriebswirt­ schaft gegenwärtig auch die traditionelle Schwarzwälder Hauslandschaft einem sich zu ehends beschleunigenden Wandel unter­ worfen ist, kann den Tourismus wahrlich ebenfalls nicht kalt lassen. Das Walmdach­ haus, unverzichtbares Markenzeichen des Südschwarzwalds, droht zum Auslaufmo­ dell zu werden. Derweil setzt sich bei Hof­ erweiterungen immer häufiger der genorm­ te Einheitstyp des Hallenstalls in Flach­ dachbauweise durch. Verliert die Schwarz­ wälder Kulturlandschaft mit dem Verlust an traditioneller Bausubstanz unwiderruflich ihr Gesicht? Berührungsängste gegenüber dem Natur­ schutz gibt es nicht nur unter Landwirten. Auch mancher Gemeinderat mußte erst mühsam davon überzeugt werden, daß der Naturpark, die mit Abstand mildeste Form des Flächenschutzes, nicht immer und über­ all der kommunalen Planungshoheit in die Q!iere gerät. Desto länger gerieten die Wunschlisten, desto ungenierter die Forde­ rungen, die an die Zustimmung zum Ver­ einsbeitritt geknüpft worden sind, vom Golfplatz bis zur „leistungsfähigen West­ Ost-Verbindung“. Welch Gipfel der Ironie, wenn ausgerechnet der Naturpark letztend- Beim Rotenbauemhef in Schönenbach: ,,Daß unter dem Diktat der Betriebswirtschafl, gegenwiirtig a11ch die traditionelle chwarzwii!tler Hauslandschafl einem sich zusehends beschleunigenden Wandel unler­ woifen ist, kann den Tourismus wahrlich nicht kalt lassen. Wie lange gibt es derlei Idyllen noch?“ 266

Naturpark Südschwarzwald lieh der von den Naturschützern so heftig und ausdauernd bekämpften „Schwarzwald­ autobahn“ zum Durchbruch verhelfen soll­ te! Von „intelligenter Selbstbeschränkung“, wie sie Kommunen in einer hochempfindli­ chen Erholungslandschaft wohlanstünde, von rücksichtsvoller Selbstzügelung stand in den Presseberichten über die jeweiligen Kreistags- und Gemeinderatsdebatten zum T hema Naturpark leider wenig zu lesen. Bei soviel Wünschen und Bedenken, bei so wenig Vision nimmt es nicht wunder, daß in der Verordnung der Schutz der Land­ schaft kaum Platz findet. Um die Phalanx der 97 Bürgermeister nicht schon vorweg zu verprellen, wurden im Geltungsbereich von Bebauungsplänen sowie für Flächen, die in den Flächennutzungsplänen für die Bebau­ ung vorgesehen sind, ,,Erschließungszonen“ ausgewiesen; sie sollen einer „geordneten städtebaulichen Entwicklung“ angepaßt werden, weshalb in ihnen auch nicht der Er­ laubnisvorbehalt des § 4 gilt. ,,Narrenfrei­ heit“ für Ortsbaumeister? Nur dort nämlich, im § 4 der Verordnung, ist festgelegt, daß ,,Handlungen, die den Charakter des Na­ turparks verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen können“, der schriftlichen Erlaubnis der jeweils zuständigen unteren Wandergruppe beim Stöcklewaldturm: Der Natur­ park Südschwarzwald versucht, die Belange des Tourismus mit denen der Natur in Einklang zu bringen. Naturschutzbehörde bedürfen. Hierzu frei­ lich bedarf es wohl kaum des Naturparks, denn danach verlangt im Außenbereich be­ reits die bestehende Gesetzeslage. Von Verboten, wie sie – zur Gewährlei­ stung des Schutzzwecks – nad1 dem Willen des Landesnaturschutzgesetzes in die Na­ turparkverordnung aufzunehmen sind, fin­ det sich weit und breit keine Spur; mehr ist von erlaubnisfreien Handlungen (§ 5) und von Befreiungen von den Vorschriften der Verordnung (§ 6) die Rede. Zweck des Na­ turparks (§ 3) ist allemal das Fördern und Entwickeln. Naturschutz hingegen kommt eher versteckt in der Forderung des Absatzes (2) vor: ,,Die Belange des Tourismus, des Naturschutzes, der Land- und Forstwirt­ schaft sowie die Belange der städtebaulichen Entwicklung sind untereinander abzustim­ men.“ Eine Rückenstärkung für die Anlie­ gen des Landschaftsschutzes läßt sich aus dieser Formulierung beim besten Willen nicht herauslesen. 267

Umwelt und Natur Dabei ist Abstimmungsbedarf in sensiblen Kulturlandschaften reichlich gegeben, wie die Erfahrung lehrt; das gilt für Bauleitpla­ nung und Verkehrserschließung ebenso wie etwa für die Erstellung von Windkraftanla­ gen oder die baulid1e Entwicklung in der Landwirtsd1aft. ,,Zweck des Naturparks ist es, dieses Gebiet als vorbildliche Erholungs­ landschaft zu entwickeln, zu pflegen und zu fordern, insbesondere … die bäuerliche Landwirtschaft und die Forstwirtschaft für die Erhaltung der Kultur- und Erholungs­ landschaft im Naturpark zu berücksichtigen und fortzuentwickeln“, so will es die Ziffer fünf im Absatz 1 des Paragraphen 3 der Ver­ ordnung. Was ist eine Verordnung wert, die auf Samt­ pfötchen daherkommt, die erklärtermaßen allen wohl- und keinem wehtun möchte? Lassen sich damit im Naturpark Konflikte, wie sie zwischen Nutzern und Schützern nun einmal an der Tagesordnung sind, ent­ schärfen? Oder bleibt der Park, wonach es gegenwärtig noch den Anschein hat: ein vorwiegend zum Zwecke des Fördermittel- abrufs geschaffenes Verwaltungsinstrument, eine Vermarktungshilfe für regionale Pro­ dukte, vorzugsweise aber ein Marketing­ instrument für das Touristikgesd1äft? Läßt sich das neue Gebilde – auch jenseits der er­ hofften Wohltaten der Förderpolitik – mit Leben erfüllen? Der Naturpark Südschwarzwald wird noch mand1erlei Bewährungsproben zu bestehen haben. Seine kürzlich noch im nachhinein erfolgte Ausweitung längs seiner Ostgrenze weit über den Naturraum Schwarzwald hin­ aus (bis auf den Fürstenberg hinauf!) läßt auf nichts Gutes hoffen. Sollte das Beispiel Schule machen, so werden gewiß noch wei­ tere Gemeinden versud1t sein, sich in den Genuß der wohltätigen Wirkungen der För­ derung zu bringen. Aufblähung und Ver­ wässerung würden zwangsläufig zu Lasten des Naturparks gehen. Am Ende könnte sich das Prädikat „größter Naturpark Deutsch­ lands“ gar als Pferdefuß erweisen, wenn mit der Zahl der Zuwendungsempfanger die Schwerfälligkeit zu- und die Höhe der Ein­ zelzuwendungen abnehmen wird. Bleibt al- Im Linachtal bei Furtwangen. 268

Naturpark Südschwarzwald Intakte Natur- Kinder beim sommerlichen Baden in der Breg,fatografiert in Schönenbach. …._,,.,.._.:,,.““‚· ..;;o.n;..__.-t‘.P;• :i/ � �=�·‘-‚•lliill .. .._ �— so zu hoffen, daß die Verantwortlichen der Versuchung widerstehen werden, die „Ge­ bietskulisse“ weiter hin- und herzuschieben. Am guten Willen, die Chancen des Natur­ parks auf möglichst vielfältige Weise zu nut­ zen, hat es nicht gefehlt, auch wenn im Rin­ gen um die erforderliche Akzeptanz popu­ listische Zungenschläge und wohlfeile Zu­ geständnisse nicht ganz ausbleiben konnten. Das redliche Bemühen um Bürgerbeteili­ gung war unverkennbar, beim „Runden Tisch“ ebenso wie beim „Offenen Forum“, das mit 35 ausgewählten Personen aus dem Naturparkgebiet besetzt war. Und in Ar­ beitsgruppen wurde an der Erstellung von Leitbildern gefeilt. Jedem stand so die Mög­ lichkeit offen, sich mit Ideen einzubringen. Auf diese Weise sollte sichergestellt sein, daß dem Naturpark Südschwarzwald nicht ein­ fach eine Konzeption übergestülpt wird. Was daraus werden soll, muß von der Be­ völkerung miterarbeitet und mitgetragen werden. Soviel läßt sich indessen absehen: Nicht das Marketingkonzept wird letztlich über die Zukunft des neuen Naturparks entschei­ den, sondern der ihm verbliebene Charme und seine unverwechselbare Identität. Die Erholungseignung hängt nun einmal zuvor­ derst davon ab, wie wir mit dem knapper werdenden Gut attraktiver, noch leidlich in­ takter Landschaft umspringen. Die selbstbe­ wußte Präsentation des Schwarzwalds im Konkurrenzkampf europäischer Urlaubsre­ gionen ist die eine Seite; Behutsamkeit und Selbstbeschränkung im Umgang mit der Kulturlandschaft die andere. Wo!fHockenjos (Der Beitrag ist dem Buch „ Waldpassagen“ von Wolf Hockenjos entnommen.) 269

Naturpark Südschwarzwald Natur will bewahrt sein: Wo sich angelegte Radwege befinden, können wertvolle Naturräume nicht be­ schädigt werden. Oben: Auf dem Bregtalwanderweg bei Vöhrenbach-Hammereisenbach. Bild unten: Beim Blindensee in Schönwald. 270

Mächtiger Nußbaum am Quellhang Die Oberen Roßwiesen sollen als Naturdenkmal ausgewiesen werden Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. Umwelt und Natur 271

Die Oberen Roßwiesen sollen als Naturdenkmal ausgewiesen werden Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 272

Der Schwarzwald- Baar- Kreis im Farbbild fotografiert von Wilfried Mayer, Villingen-Schwenningen fotografiert von Wilfried Mayer, Villingen-Schwenningen fotografiert von Gerhard Krieger, Villingen-Schwenningen Abendstimmung bei Oberkirnach Hammerhalde in VS -Villingen Sonnenuntergang bei Hochemmingen Märzenbecher bei Oberbaldingen Sommertag in Hubertshofen Hüfingen, bei der katholischen Kirche Abend in VS -Vtllingen Am Romäus-Gymnasium in VS -Villingen fotografiert von Gerhard Krieger, Villingen-Schwenningen fotografiert von Nikolaus Reder, Niedereschach fotografiert von Wilfried Dold, Vöhrenbach fotografiert von Hanne Gössl, Donaueschingen fotografiert von Wilfried Mayer, Villingen-Schwenningen fotografiert von Nikolaus Reder, Niedereschach fotografiert von Gerhard Krieger, Villingen-Schwenningen fotografiert von Gerhard Krieger, Villingen-Schwenningen Wegkreuz bei Obereschach Herbst am Magdalenenberg, VS-Villingen Beim Franziskaner in VS-Villingen Winterabend in Schabenhausen Beim Farnberg, Schönwald Winterlicher Ausritt bei Nordstetten Weihnachten in Unterkirnach fotografiert von Gerhard Krieger, Villingen-Schwenningen fotografiert von Nikolaus Reder, Niedereschach fotografiert von Nikolaus Reder, Niedereschach fotografiert von Wilfried Mayer, Villingen-Schwenningen

Architektur, Bauen und Wohnen 19. Kapitel/Almanach 2001 Zur jüngeren Baugeschichte im Landkreis Kreisbaumeister GerhardJanke blickt zurück Zwei Seelen wohnten in meiner Brust, als mich die Almanach-Redaktion ermunterte, doch die bauliche Entwicklung der ländli­ chen Gemeinden im Kreis aus meiner Sicht als Kreisbaumeister zu skizzieren. Soll ich nun diese, größtenteils sehr trockene, mit Statistik angereicherte Behördenmaterie nie­ derschreiben oder darf diese auch kritisch betrachtet werden? Ich habe mich für letzte­ re Möglichkeit entschieden. Ansonsten möge der geneigte Leser seine eigenen Schlüsse ziehen oder auch mal schmunzeln! Landkreis Villingen, Juli 1962:Jung, dyna­ misch und preußisch erzogen trete ich nach zweijähriger Tätigkeit beim Bauordnungsamt der Stadt Mühlheim/Ruhr meinen Dienst als Bezirksbaumeister bei der staatlichen Verwaltung in Villingen an. Mein Arbeits­ platz ist am Eichenschreibtisch, vorher beim Herrn Landrat Dr. Astfäller in Benutzung, in der Ecke eines erdgeschossigen Raums im Sandsteinbau Kaiserring 2. Ich sitze Rücken an Rücken mit meinem Kollegen W illi Schwender, der mich in die Geheimnisse des badischen Baurechts und der badischen Le­ bensart einführt. Er hilft mir auch, die Ge­ meinden des Landkreises kennenzulernen, die er bis jetzt alleine beackern mußte. In der gegenüberliegenden Ecke des hohen Raums sitzt eine Schreibkraft und versucht mit „Nadel und Bindfaden“ Pläne und Schriftstücke zu einer Akte zusammenzu­ binden. Auch ich lerne schnell den fachge­ rechten Knoten der badischen Heftung und die Fummelei mit den versteiften Bind­ fadenenden, wenn es gilt, aus z.B. 50 Blät­ tern der Akte den gültigen Bauplan an der Baustelle zu entnehmen und wieder einzu­ heften, denn Ordnung muß sein! Mein unmittelbarer Chef ist Jurist (der Bau- direktor sitzt im Regierungspräsidium Frei­ burg!) mit dem Titel eines Oberregierungs­ rats, eine einfache deutsche Wortschöpfung, die mir die Frage aufdrängt: ,,Gibts eigent­ lich eine Oberregierung?“ Ich gebe mich mit dem Gedanken zufrieden, dass es ja auch ei­ nen Oberbürgermeister gibt. Richtlinien, Verordnungen und Gesetze Etwas irritiert bin ich, als ich die geltende Ba­ dische Landesbauordnung (LBO) von 1907 in der Fassung von 1935 zur Hand nehme. 175 Paragraphen und 43 zu beachtende Richt­ linien, Verordnungen und Gesetze, über­ wiegend aus der Vorkriegszeit, erlassen auf­ grund des Polizei- und Reichsstrafgesetz­ buchs, sind nicht gerade bescheiden. Mer­ ken Sie was? Deswegen der obrigkeitsstaatli­ che Ausdruck Baupolizei! In § 25 oder 33 dieser LBO steht z.B. äußerst Sinnvolles zu lesen: „Jeder unüberbaut bleibende Raum eines Baugrundstückes muß zum Zweck seiner Reinigung zugänglich sein.“ Oder: ,,Die nach öffentlichen Verkehrsflächen gerichte­ ten oder von dort sichtbaren Gebäudeteile müssen ein gefälliges Äußeres haben.“ Die „Verordnung über Baugestaltung“ von 1936 in§ 1 zum gleichen Thema: „Bauliche Anlagen und Änderungen sind so auszuführen, dass sie Ausdruck anständi­ ger Baugesinnung und werkgerechter Durch­ bildung sind und sich der Umgebung ein­ wandfrei einfügen.“ Aha, denke ich, ist ja alles für Gestaltungs­ fragen klar und großzügig gere_!$elt! Aber wer sagt mir, was ein „gefälliges Außeres“ und was „Ausdruck anständiger Baugesinnung“ ist? Gefallt das, was mir gefällt auch meinen 273

Architektur, Bauen und Wobnen Zeitgenossen? Wie urteilen eines Tages die Nachfahren z.B. über die Welle der Flach­ dachbauten im Wohnungsbau, der flachge­ neigten Dächer ohne Überstände, aber mit gequältem Dachausbau, der anthrazitfarbe­ nen, sargdeckelartigen Dacheindeckungen und die spätere Kehrtwendung zum hellro­ ten Dach, oder der Hochhausbauten in Land­ gemeinden zur schnelleren Erhöhung der Einwohnerzahlen ? Die Reihe von „Bau­ schönheiten“ ließe sich noch seitenweise fortsetzen! Tröstlich zu wissen, dass die „Ver­ ordnung zum Vollzug der Reichsverord­ nung über Baugestaltung“ von 1937 in Ab­ satz 12 mir „Greenhorn“ erklärt: ,, … dass für diese große Verantwortung vor allem künstlerische Begabung, städtebauli­ che, baugeschichtliche und bautechnische Kenntnisse, sowie reiche Erfahrungen erfor­ derlich sind!“ Im ersten halben Jahr lehne ich mich noch an meinen Kollegen an, aber ab Anfang 1963 wird es ernst und ich muß selber schwimmen. Der „Bezirk zwei“ mit 23 selb­ ständigen Gemeinden von Bad Dürrheim bis Oberkirnach und von Weiler bis Klen­ gen wird gebildet und mir zur Betreuung übertragen. Der „Städtebau“ in den Gemeinden, bes­ ser gesagt die Ortsplanung, liegt noch zum größten Teil im Dornröschenschlaf, auch wenn vereinzelte Straßen- und Baufluch­ tenpläne aus den Zeiten des Badischen Orts­ straßengesetzes von 1868, Ausgabe 1936, und einfache Bebauungspläne mit Polizei­ verordnungen nach dem Badischen Auf­ baugesetz von 1949 vorhanden sind. Nur ei­ ne dieser Gemeinden verfugt schon über ei­ nen Flächennutzungsplan, der, wie später auch bei anderen Gemeinden, durch die ra­ sante bauliche Entwicklung dauernd über­ holt ist und „fortgeschrieben“ werden muß. Immerhin existiert seit 1961 das neue Bun­ desbaugesetz, das die alten z. T. sich über­ schneidenden badischen Planungsinstru­ mente ersetzt. Insoweit steht nun schon ein­ mal ein bundeseinheitliches Planungsrecht zur Verfügung. Auf verstärkten Druck des Regierungsprä­ sidiums und des Landratsamts beschleuni­ gen die Gemeinden jetzt die Aufstellung von Bebauungsplänen und die ersten Un­ tersuchungen für Flächennutzungspläne. Durch den vermehrten Zuzug von Ar­ beitskräften für die im Aufschwung befind­ liche Uhren- und Unterhaltungsindustrie, entsteht ein erheblicher Siedlungsdruck auf die stadtnahen Umlandgemeinden, dem nur durch die Bereitstellung von Baugebie­ ten Rechnung getragen werden kann. Auf­ grund der Hektik und der fehlenden Flächen­ n u tzu ngsplanu ng bleiben Fehlplanungen Die Wohntüone bei Marbach. 274

nid1t aus. Es werden z.B. Wohngebiete aus­ gewiesen, die später von Gewerbegebieten tangiert werden. Auch das Fehlen von Ge­ samtkanalisationsplänen mit Zentralkläran­ lage führt zu nicht ausreichend dimensio­ nierten oder in falscher Höhe liegenden Kanälen, die später mit nochmaligem fi­ nanziellen Aufwand ausgewechselt werden müssen. In dieser Situation versucht die Wasserwirtschaft der erhöhten Gewässerver­ schmutzung durch die Forderung nach Ein­ bau von Kleinkläranlagen für jedes schmutz­ wasserträchtige Gebäude entgegenzuwirken, obwohl insgesamt gesehen die Reinigungs­ leistung dieser Anlagen nur einen Bruchteil des Reinigungsgrads einer mechanisch-bio­ logischen Sammelkläranlage erreicht. Problematische Flächenplanung Eine Gemeinde, die schon eine einfache Zentralkläranlage besitzt, bekommt aber Anfang der 70er Jahre erhebliche Probleme durch die übliche Zuführung von zuviel Oberflächenwasser (Regenwasser), was zu ei­ ner Reduzierung der Reinigungsleistung ge­ gen Null führt. Ein fast zweijähriger Baustop für Wohnhäuser ist die Folge! Mit ausgewiesenen Wohn- und Gewerbe­ gebieten allein ist aber eine Gemeinde noch lange nicht lebensfähig. Zur Entwicklung der Infrastruktur wird deshalb zuallererst der Grundschulbau in Angriff genommen. Mo­ tor ist hier der unermüdliche Landtagsabge­ ordnete und Oberschulrat Karl Brachat, der für jede Gemeinde eine Grundschule für nötig hält. Aus heutiger Sicht eine richtige Entscheidung, auch wenn nach der Gemein­ dereform eine vorübergehende Zentrali­ sierungseuphorie ausbrach und die ABC­ Sd1ützen anstatt ihrer Beine den Bus be­ nutzen mußten. Für all diese vielfältigen technisch-gestal­ terischen Planungsaufgaben sind die Ge­ meindeverwaltungen im Vorfeld überwie­ gend schlecht gerüstet und haben einen ho­ hen Beratungs- und Unterstützungsbedarf Zur Baugeschicbte im Landkreis durch Regierungspräsidium, Landratsamt und die Fachbehörden für Straßenbau, Was­ serwirtsd1aft, Landwirtschaft, Gewerbeaufsicht, Forst, Naturschutz usw. Die Bürgermeister der kleinen Gemein­ den, meist gestandene Landwirte oder Hand­ werksmeister, werden zwar von ihren Rat­ schreibern und Gemeindedienern unter­ stützt, können aber die einsetzende Papier­ flut nicht bewältigen. So muß auch der Bezirksbaumeister auf seinem Fachgebiet helfen, die Planungen vorzubereiten und viel Zeit für Beratungen vor Ort und für Ge­ meinderatssitzungen investieren. Allerdings keine verlorene Zeit, sondern eine hervorra­ gende Möglichkeit, das jeweilige Gemein­ degebiet und seine Einwohner kennen und verstehen zu lernen, sowie die anfänglichen ,,sprachlichen Verständigungsschwierigkei­ ten“ abzubauen. Befreiend wirkt der Ersatz des bisher zer­ splitterten Baurechts durch die neue Lan­ desbauordnung Baden-Württemberg vom l. Januar 1965 mit nunmehr 117 Paragra­ phen. Bis zum heutigen Stand der LBO mit „nur noch“ 79 Paragraphen muß diese aber Novellierungen in den Jahren 1972, 1980 und 1995 durchlaufen und niemand sollte glauben, dass das Bauordnungsrecht da­ durch einfad1er oder weniger umfangsreich wurde. Allein die dabei zu beachtende Rechts­ sprechung füllt mehrere dicke Loseblattord­ ner, die dauernd ergänzt bzw. ausgetauscht werden. Aber Gott sei Dank stehen von Anfang an Juristen als Vorgesetzte an meiner Seite, im Laufe der Zeit 20 an der Zahl. Selbst diese Herren haben öfter Probleme festzustellen, was nun gerade in einer Sache Recht ist, da die Verwaltungsgerichte und Oberverwal­ tungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe oder gar das Bundesverwaltungsgericht unter­ schiedliche Auffassungen zu ein und dem­ selben Problem haben. Dies gilt genauso für das Planungsrecht, wie etwa der oft geänder­ ten Baunutzungsverordnung und dem Bun­ desbaugesetz, das seit 1987 Baugesetzbuch 275

Architektur, Bauen und Wohnen heißt. Neben der Vereinheitlichung des Bau­ rechts bringt die neue LBO den Gemeinden auch Entlastung, müssen doch jetzt die Bür­ germeister und Mitarbeiter als Ortspolizeibe­ hörde nicht mehr die von der Bauabteilung bei den Abnahmen gemachten Bauauflagen kontrollieren und Vollzug melden. Dies übernimmt jetzt der neu bei der Bau­ rechtsabteilung des Landratsamts eingestell­ te Baukontrolleur, während der ebenfalls neu eingesetzte Prüfstatiker den Bauherrn in dringenden Fällen bei der vorgeschriebenen Prüfung der Baustatik einen Zeitgewinn ver­ schafft. 1967 werden die bisher staatlichen Bezirksbaumeister kommunalisiert und zu Kreisbaumeistern umbenannt. Angesichts der „drohenden“ Gemeindere­ form sind mittlerweile die Gemeinden mit Hochdruck dabei, ihre bauliche Entwick­ lung in allen Bereichen voranzutreiben. Für den derzeitigen Bedarf sind außer Wohnge­ bieten auch Misch- und Gewerbegebiete entstanden, die Wasserversorgung (09ellen­ ersd1ließung, Hochbehälter- und Rohrnetz­ bau), die Abwasserbeseitigung (Kanalnetz­ sanierung und -neubau) und die Stromver- sorgung größtenteils sichergestellt. Der Schul­ und Kindergartenbau ist weitgehend abge­ sd1lossen, Rathäuser saniert, umgesiedelt oder gar neu gebaut und in einigen Ge­ meinden sind neue Kirchen errichtet. Auch die landwirtschaftlichen Betriebe mit ihren Dunglegen verschwinden allmählich aus den Ortsbildern und Aussiedlerhöfe sind oder werden gebaut. Die Gemeinde- und Kreisreform bringt dem „Baurechtsbezirk zwei“ die meisten Umwälzungen. Er verliert 1972 als erste Ge­ meinde Obereschach, 1973 die Gemeinden Marbach, Rietheim, Pfaffenweiler, Herzo­ genweiler, Oberkirnach (zur Stadt St. Geor­ gen) und 1975 Weilersbach als letzte Ge­ meinde. Dafür kommen aber schon im Herbst 1971, dank den Eingemeindungs­ bemühungen des ehemaligen Bürgermei­ sters Otto Weissenberger, Bad Dürrheim, sämtliche sechs Ostbaargemeinden hinzu und vom Kreis Tuttlingen 1972 die Gemein­ de Tuningen. 1973 darf ich jeweils ein Jahr lang vom Kreis Rottweil die Gemeinde Deißlingen und 1974 die Gemeinde Weig­ heim betreuen. Hier setzten die Reformer 7ypisch für die Bauweise ihrer Zeit sind die Gebäude der Carl-Diem-Slraße in Furtwangen. 276

wohl daneben und so kehrt Deißlingen wie­ der in den Kreis Rottweil heim und Weig­ heim kommt in den Schoß der neu geschaf­ fenen Doppelstadt V illingen-Schwennin­ gen. Der westliche „Bezirk eins“ meines Kol­ legen Schwender hingegen muß nur Ten­ nenbronn an den Kreis Rottweil abgeben und Oberkirnach übernehmen. Der Kreis Donaueschingen gibt sämtliche östlich der Linie Unterbaldingen/Hondingen gelege­ nen Gemeinden an den Kreis Tuttlingen ab. Aus dem Landkreis Villingen und Donau­ eschingen entsteht 1973 der neue Schwarz­ wald-Baar-Kreis mit Landrat Dr. Gutknecht an der Spitze. Bezirk zwei umfaßt 23 Gemeinden Die geschilderte Umwälzung des „Bezirks zwei“ mit immer noch 23 Gemeinden bzw. Ortsteilen bringt auch einen Anstieg der Baugesuchszahlen von bisher im Jahres­ durchschnitt 700 auf 857 im Jahr 1972, der höchsten Zahl im Bezirk überhaupt. In diese Zeit fällt, dank der Gaststättenverordnung von 1971, auch die für die Betreiber manch­ mal finanziell schmerzhafte „Durchfor­ stung“ des Fremdenbeherbergungs- und Gaststättengewerbes. Schließlich sind z.B. hölzerne Pißrinnen mit Dachpappe ausge­ kleidet (es gab sie wirklich noch!) nicht mehr Stand der Technik und Hygiene. Auch Umweltschutz beginnt nun zögerlich Ein­ gang in die Bauwelt und die Gesetzgebung zu finden. Bereits 1972 wird, nicht zuletzt aus Umweltschutzgründen, in der novellier­ ten LBO eine Genehmigungspflicht für Ab­ stellplätze von Kraftfahrzeugen und von Autowracks eingeführt. Gerade die Stell­ plätze für Kraftfahrzeuge und die Zufahrten zu Garagen, werfen jetzt ein dubioses Pro­ blem auf. Sind diese Flächen doch so herzu­ stellen, dass mit dem Regenwasser ab­ fließende Kraft- und Schmierstoffe für das Grundwasser „unschädlich abzuführen“ sind. Gängige Praxis aufgrund dieser und kom­ munaler Vorschriften ist also die wasserdich- Zur Baugeschichte im Landkreis te Herstellung der Flächen und die Ablei­ tung des Oberflächenwassers in den Ortska­ nal. Soweit die Situation in den 1970er Jah­ ren. Auf Druck der Umweltschützer besin­ nen sich die Wasserwirtschaft und die Ge­ meinden im Laufe der Jahre aber und schrei­ ben vor, dass nunmehr genau umgekehrt diese Flächen nicht mehr „versiegelt“, d. h. wasserdicht hergestellt werden dürfen. Viel­ mehr sind jetzt diese Flächen wasserun­ durchlässig vorzusehen, damit das Ober­ flächenwasser ungehindert in den Unter­ grund und damit ins Grundwasser versickern kann! Laufen jetzt also keine Kraft- und Schmierstoffe mehr mit dem Regen ab? In die Bebauungspläne werden intelligente Vor­ schriften aufgenommen, die außer dem Ver­ siegelungsverbot auch bestimmen, wie die Beläge dieser Flächen auszuführen sind. So sind z.B. teure Pflastersteine mit breiten Fu­ gen oder Grasbetonsteine zu verwenden, die einem gründlich das Schneeschieben ver­ miesen. Schließlich sind auch die Betonver­ bundsteine (Hundeknochen) unbrauchbar, da sie sich in kurzer Zeit durch die natürli­ che Verschmutzung zusetzen und dann was­ serdicht sind. Dass es technisch viel ein­ facher geht, wird einfach ignoriert! Werden die Flächen, egal mit welchem Material be­ legt, wie früher mit Gefälle versehen und das Regenwasser zur Versickerung ins Gelände geleitet, ist der Zulauf ins Grundwasser auch gesichert! Rezession des Baugeschehens Trotz einer Rezession des Baugeschehens Mitte der 1970er und in der ersten Hälfte der 1980er Jahre geht die bauliche Entwick­ lung der Gemeinden manchmal nicht un­ bedingt bedarfsmäßig weiter. Außer der Er­ schließung weiterer Wohn- und Gewerbege­ biete, werden öffentliche Bauten wie Tum­ und Mehrzweckhallen, Kirchen und Aus­ segnungshallen, Feuerwehrgerätehäuser, Frei­ und Hallenbäder, Tennis-, Golf- und Spiel­ plätze errichtet. 277

Architektur, Bauen und Wohnen Mein Rückblick wäre unvollständig, wür­ den nicht die in der Öffentlichkeit immer wieder auftauchenden Besd1werden über schleppende und investitionshemmende Bau­ genehmigungszeiten angesprochen. Es wür­ den den Rahmen dieses Artikels allerdings sprengen, die vielschichtigen Gründe hier­ für darzulegen. Der Gesetzgeber erkennt diesen z. T. im Land zutreffenden Mißstand und hilft 1990 teilweise durch den Erlaß der ,,Baufreistellungsverordnung“ ab. Danach entfallen künftig für Wohngebäu­ de im Bereich von Bebauungsplänen die Bau­ genehmigung, die Prüfpflid1t für die Bau­ statik, aber auch die Bauabnahmen! Der Baurechtsbehörde ist ein entsprechendes Bauvorhaben nur nod1 mit einer Ausferti­ gung der bisherigen Unterlagen zur Kennt­ nis zu bringen (Kenntnisgabeverfahren). Diese Vorgaben entlasten die Behörden von der Arbeit, verursachen aber auf der an­ deren Seite auch einen „gewünschten“ Stel­ lenabbau. So wird dann tatsächlich bei mei­ nem Eintritt in den Ruhestand 1996 der Ar­ beitsplatz nicht wieder besetzt und der „Be­ zirk zwei“ aufgeteilt. Im Anfang nutzen sehr wenig Ard1itekten und Bauherren diese Chance, innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisgabe mit dem Bau beginnen zu können und auch noch Baugenehmigungs­ gebühren zu sparen. Der Hauptgrund liegt wohl bei den Architekten und Planverfas­ sern, die jetzt nicht mehr die Zeit wie früher haben, um zwischen Einreichung des Bau­ gesuchs und Erteilung der Baugenehmigung die Ausführungspläne/Statik und die Aus­ sd1reibungen für die Handwerker anzufer­ tigen. Es kommt auch noch eine gewisse „Angst“ hinzu, die , nach unten verlagerte Verantwortung“ übrigens auch auf die Bau­ herren, für die Einhaltung aller öffentlich­ rechtlichen Vorschriften alleine tragen zu müssen. Diese überließen sie vorher z. T. ge­ trost der Baurechtsbehörde nach dem Mot­ to: ,,Die werden mir schon sagen, wo etwas faul ist“! Ist ja nur natürlid1, denn welcher Architekt als „Anwalt“ des Bauherrn hat das Geld, die Zeit und die Lust, sich schrank­ weise Gesetzbücher anzuschaffen, zu lesen, zu verstehen und umzusetzen? Dem Ver­ nehmen nach soll es mittleiweile aber mit dem Kenntnisgabeverfahren „bergauf“ ge­ hen. Auch wenn die bauliche Entwicklung der Gemeinden, zumindest im öffentlichen Be­ reich, abgeschlossen erscheint, werden sie Die Luftaufnahmen zeigen die Entwicklung Dauchingens zwischen 1962 und 1996 (rechte Seite). 278

sich weiterentwickeln, denn der Wunsch der Bürger nach den eigenen vier Wänden, egal in welcher Form, besteht nach wie vor. So­ weit überhaupt vorhersehbar wird dies aber deutlich langsamer und angemessener vor sich gehen müssen. Eine flächenmäßige bau­ liche Entwicklung mit erheblichem Land­ verbrauch wie in 34 Jahren meiner „Amts­ zeit“, anschaulich und beispielhaft mit den beiden vergleichenden Luftbildern der Ge­ meinde Dauchingen dargestellt (siehe Abbil­ dungen auf diesen Seiten) dargestellt, wird es kaum mehr geben können. Ein solcher Landverbrauch im gleichen Zeitraum wäre sicherlich für Natur und Umwelt nicht mehr tragbar. Landesweit werden derzeit täglich elf ha oder 22 Fußballfelder überbaut. Würden wir weiterhin so mit unserer Umwelt und unseren Ressourcen umgehen, hätte sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche bis zum En­ de des Jahrhunderts verdoppelt. Ein V iertel der gesamten Fläche unseres Bundeslandes wäre dann überbaut. Soweit darf es nicht kommen! Allerdings ist kaum anzunehmen, dass sich die Einwohnerzahlen einzelner Gemeinden nochmals so rasant erhöhen wie in den vergangenen vier Jahrzehnten. So ist allein die Beispielsgemeinde Dauchingen Zur Bauge chich,e im Landkreis in knapp 40 Jahren um das Zweieinhalbfa­ che an Einwohnern gewachsen. Es bleibt mir zu hoffen, dass der kurze Ab­ riß des gewählten Themas dazu beiträgt, Erinnerungen oder, wenn auch vielleicht verspätet, Verständnis für die baured1tliche und ökologische Seite des Grundbedürfnis­ ses „Bauen“ zu wecken, zumal jetzt schon, von mir aus gesehen, die dritte Generation das Baugeschehen zu bestimmen beginnt. Nachhaltiges und verantwortungsbewußtes Wirtschaften mit unserem – nicht vermehr­ baren – Grund und Boden muß das Gebot der Zukunft sein! Zum Schluß gestatten Sie mir bitte, allen, die mir auf diesem Weg begegnet sind, zu danken. Dieser Dank gilt meinen Vorgesetz­ ten, Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitar­ beitern der Verwaltung, wie auch den Be­ diensteten sämtlicher Fach- und Sonder­ behörden, den Bürgermeistern und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Bauherrinnen und Bauherrn, den Architek­ ten und Planverfassern, den Statikern, den Vermessungsingenieuren und den Rechts­ anwälten. Gerhardjanke Die Gemeinde wuchs in den letzten 40 Jahren um das Zweieinhalbfache an Einwohnern an. 279

Architektur, Bauen und Wohnen Malerische Häuser im Ortskern Handwerker und Händler siedelten im nahen Umkreis der Schönwälder Kirche Ursprünglid1 bestand die Gemeinde Schön­ wald – ein Hochtal, etwa 1 000 m über dem Meer – aus mehr oder weniger weit vonein­ ander entfernten, überwiegend recht stattli­ chen Hofgütern. Es hatte sich eine soge­ nannte Streusiedlung gebildet. Später for­ mierte sich zunächst auf dem Pfarrwidum (geweihtes oder gewidmetes Land) in Nähe der katholischen Kirche nach und nach ein innerer Dorfkern. Das Baujahr der alten kleinen Kirche, – die 1862 abgebrochen wurde, um Platz für eine neue zu schaffen, – ist nicht mehr exakt nachzuweisen. Ob die ältesten Teile dieser Kirche tatsächlich – wie einer im Karlsruher Generallandesarchiv aufbewahrten Zeich· nung zu entnehmen ist – auf das Jahr 1220 280 zurückzuführen sind, ist wi senschaftlich nicht belegt. Pfarrer Kupferer berichtete 1824, daß der alte, massive viereckige Kirch­ turm die Jahreszahl 1556 trage, der Tauf­ stein die Jahreszahl 1624, die „Pfarreingangs­ tür“ die Jahreszahl 1691 und die Buchstaben H. L. Pf. Pf. (Herr Laurentius Pfaff, Pfarrer). Andere Qiellen berichteten von durchzie­ henden aufständisd1en Bauern aus Stüh­ lingen, die schon 1524 eine Kirchenglocke entführt haben sollen. Wann auch immer der Grundstein zu dem alten Kird1lein gelegt worden ist, nach Re­ cherd1en des Schönwalder Ortschronisten Richard Dorer entstand schon kurz nach 1500 nahe bei der Kirche auf der Allmend (Allgemeingut) das sogenannte „Innere Wirts­ haus“, der spätere älte­ ste „Adler“. Neben der Kirche und dem Pfarr­ hof war dieses Wirts­ haus wohl das erste Haus in Schönwalds Ortskern. Aus der Tat­ sache, daß für das Jahr 1564 auch ein „Äuße­ res Wirtshaus“ – der Dorfhof und spätere Bild 1: Das 11ad1 einigen verändernden Umbau­ maßnahmen 1997 abge­ brochene 1111d durch einen – Neubau (Bild 3) ersetzte historische Haus im Bachwinkel (heute Alte Escheckstraße 3) mit Brunnenhäuschen und großem Kruzifix an der Vorderfront, wie es um 1900 aussah- es trug die Jahreszahl 1719.

,,Gasthof zum Hirsch“ – belegt ist, schließt Dorer, daß es zwischen „Innerem Wirtshaus“, Pfarrhof und Kirche und dem „Äußeren Wirtshaus“ etwas gegeben haben muß, nämlich die ersten Bewohner des Dorfkerns, die hier ihre Häuser bauten. Diese mutmaßli­ chen Häuser des 16. Jahrhunderts in Schönwalds innerem Ortskern lassen sich durch Dokumente allerdings nicht nachweisen. Hinzu kommt, daß bei dem großen Dorfbrand in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1890 sie­ ben der ältesten Häuser in Schönwalds Ortskern, darunter drei große Doppel­ häuser, den Flammen zum Opfer fielen. Dieser Brand löschte sehr wesentliche Teile des alten Schönwalder Dorfkerns fur immer aus. Damit waren z.B. auch dendrologische Untersuchungen an den Holzhäusern selbst nicht mehr möglich. Vor dem Hintergrund dieser histo­ rischen Entwicklung sind zwei inzwi­ schen zu Antiquitäten herangereifte Ansichtskarten aus der Zeit um 1900 von besonderem Interesse. Sie zeigen zwei alte Häuser aus Schönwalds Ortskern. Inzwischen wurden aber auch sie abgebrochen und durch Neubauten ersetzt. Das auf Bild 1 zu sehende maleri­ sche historische Holzhaus mit großem Kruzifix an der Giebelseite zwischen den Gewächsblättern stand bis 1997 – baulich um diese Zeit zwar schon wesentlich verändert – im Bachwinkel (heute Alte Escheck­ straße 3). In einem Balken, den der letzte Besitzer des Hauses, Werner Dilger, sorgfältig aufbewahrt, ist die Jahreszahl 1719 eingeschnitten. Mit Bild 3: Das nach Abbruch des historischen Hauses (Bild 1) von der Familie Dilger 1997/98 neu errichtete Wohnhaus, Alte Escheckstraße 3. Ortskern Schönwald Bild 2: Das Kruzifix des histo­ rischen Hauses (Bild 1: an der Hausfron/ zwischen den Ge- wächsblällern) erhielt einen neuen Platz oberhalb des Hauseingangs an der linken Seite des Neubaus. einem Höchstmaß an Wahrscheinlich­ keit verrät diese Jahreszahl das Baujahr des Hauses. Augenscheinlich hatten wenigstens vier Familien ihre Wasser- rechte an dem Brunnenhäuschen vor dem Haus. Die Besitzverhältnisse sind lückenhaft bekannt. Im Jahre 1782 bewohnte der Glasträger Mathias Schandelmeier das Haus, von 1805 bis 1846 sein Sohn Daniel, ebenfalls Glasträger. Offenbar aus dieser Zeit stammte der Ofenstein, dem die Zei­ chen DS 1815 LH (Daniel Schandelmeier und Ehefrau (E-)Leonora Haas) eingeschla­ gen wurden. Anschließend übernahm der 281

Architektur, Bauen und Wohnen Schwiegersohn Uhrmacher Joseph R.iegger aus Tannheim das Haus für nahezu 30 Jah­ re. Rieggers Nachfolger verkauften Uhren in England und Frankreich. Über Gregor Hummel und Emil Kaiser – auch sie waren Uhrmacher – ging das Haus 1936 in den Besitz von Joseph Fehrenbach vom Mühle­ berg über. Bis 1987 war Sophie Fehrenbach Eigentümerin. Im gleichen Jahr ging sie ins Altersheim und verkaufte das Haus an Wer­ ner Dilger, der im Nachbarhaus ein Obst-, Gemüse- und Blumengeschäft betreibt. Abbruch und Neubau Nach Verhandlungen mit den regionalen Behörden, u. a. des Denkmalschutzes, fiel die Entsd1eidung zum Abbruch des Hauses im Jahre 1997. Ein sehr wesentlicher Grund hierfür war die insgesamt marode Bausub­ stanz, obwohl das Gebäude mehrfach repa­ riert und modernisiert worden war – im we­ sentlichen aber wohl mehr die Außenhaut. Hinzu kam, daß die Räume kaum höher als 1,70 m wa­ ren, zeitgemäße sanitäre Einrichtungen fehlten und es in dem nicht unterkellerten Haus kein zentrales Heizsy­ stem gab. Gleich nach dem Abbruch des alten Hau­ ses errichtete die Familie Dilger 1997/98 ein neues Wohnhaus am gleichen Ort (Bild 3). Das alte Kruzifix (Bild 2) fand einen neuen Platz oberhalb des Hauseingangs an der lin­ ken Seite des Neubaus und auch der Brun­ nen vor dem Haus sprudelt munter weiter und erinnert an vergangene Zeiten. Das Bild vier zeigt einen markanten Aus­ schnitt aus Schönwalds ehemaligem Orts­ kern mit u. a. einem weiteren historischen Haus, ebenfalls auf einer Ansichtskarte aus der Zeit um 1900. Auch dieses hölzerne Dop­ pelhaus im Vordergrund, das als einziges an der alten Landstraße (heute Hauptstraße 13) den Dorfbrand im Jahre 1890 überdauerte, trägt etwa in der Mitte zur Straßenseite ein großes Kruzifix. Nad1 einer Jahreszahl sucht man an diesem Haus, das sd1on 1978/79 na- Bild 4: Ein markanter Aus­ schnill aus Schönwalds Orts­ kern um 1900. Im Vorder­ grund links das vom Do,f brand im Jahre 1890 ver­ schonte, 1978/79 abgebroche ­ ne und durch einen Neubau (Bild 5) ersetzte historische Holzhaus an der Landstraße (heute Hauptstraße 13). Das Baujahr des Hauses ist nicht bekannt; es ist aber ab 1740 nachgewiesen. Auch dieses Haus trug ein großes Kruzifix an der Vordeifront. Im Bild rechts ist das 1896/97 errich­ tete Kurhaus Viktoria zu se­ lten. 282

Ortskern Schönwald Bild 5: Etwa der gleiche Ausschnitt aus Schön­ walds Ortskern, wie er im Bild 4 zu sehen ist, aller­ dings rund 100 Jahre später: Das 1978/79 abge­ brochene historische Holzhaus (Bild 4) wurde von der Familie Hettich durch ein Wohnhaus mit inte­ griertem Schuhgeschäft ersetzt. Das alte Kruzifix er­ hielt einen neuen Platz an dem kleinen noch erhal­ tenen Teil des alten Hauses – im Bild nicht sichtbar. de Wagner und Krämer Severin Dold diese Haushälfte; er ist Stammvater des späteren Schönwalder Fabrikanten Dold. Vom Sohn des Christian Dold bzw. seiner Witwe Eu­ phorosine, geborene Hoch, ging auch diese Haushälfte in den Besitz des Korne! Hettich über. Ältere Schönwalder sprechen heute noch im Zusammenhang mit diesem male­ rischen Haus vom „s’Kornelis“ – abgeleitet vom Eigentümer Korne! Hettich. Nach den schon erwähnten und mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmten um­ fangreichen Um- und Neubaumaßnahmen in den Jahren 1978/79, bei denen nahezu das gesamte historische Doppelhaus abge­ brochen und durch einen Neubau ersetzt wurde, betreiben die Nachfahren des Korne! Hettich heute hier ein Schuhgeschäft. Nur ein sehr kleiner Teil des alten Hauses – rechts vom Neubau – blieb erhalten; hier fand das alte Kruzifix einen neuen Platz. Den im we­ sentlichen durch den Neubau „Hettich“ ver­ änderten Ausschnitt aus dem alten Dorfkern zeigt das Bild 5. Die ersten malerischen Holzhäuser der Handwerker und Händler in Schönwalds Ortskern unterschieden sich bezüglich der Bauweise und der Baumaterialien nur un­ wesentlich von den klassischen Schwarzwäl­ der Bauernhäusern dieser Region (siehe Bil­ der 1 und 4). Zumindest bis etwa 1850 wa­ ren alle Häuser im Dorf Wohnhäuser mit Stallung und Scheuer unter einem Dach – man war nahezu „Selbstversorger“. Das Milchhaus, den überdachten Brunnen, die Back- und Waschküche teilte man sich mit vier bis sieben Nachbarn. Selbst in der In- 283 hezu vollständig abgebrochen und ebenfalls durch einen Neubau ersetzt wurde, verge­ bens. Im Jahre 1740 besaß der Spengler Christi­ an Neininger die linke Haushälfte. Obwohl sich die unmittelbar nachfolgenden Besitzer namentlich nicht nachweisen lassen, ist überliefert, daß diese Haushälfte in der Fol­ gezeit von verschiedenen Handwerkern be­ wohnt wurde, u. a. wirkten hier Schuster, Spengler, Löffelschmiede, Zeugschmiede und Uhrenschlüsselmacher. 1876 war der Schuster Richard Neininger Eigentümer der linken Haushälfte. Nach seinem Tod heira­ tete seine Witwe den Schuhmacher Kornel Hettich aus Schonach, der 1891 die rechte Haushälfte dazukaufte, so daß der Sohn Schuhmachermeister August Hettich das ganze Haus besaß. Wann die rechte Hälfte des Hauses errichtet wurde und wer dort vor 1812 wohnte, ist nicht überliefert. Von 1812 bis 1847 besaß der aus Nußbach stammen-

Ortskern Schönwald neneinrichtung der Holzhäuser glichen die Dorfhäuser weitgehend den Bauernhäusern. Naturgemäß hatte hier der Wohn- und Werkraum eine größere Bedeutung als der landwirtschaftliche Teil des Hauses. Wohn­ ten beispielsweise Uhrmacher oder andere Handwerker im Haus, stand unter der Fen­ sterbank die Werkbank; Händler brauchten ausreichend Platz für ihre Handelsware. Schon seit langem gibt es das idyllische „Dörflein“ Schönwald nicht mehr. Es hat dem rasant wachsenden Kurort weichen müssen, wie eben auch mand1es andere lieb­ gewordene Alte. Auch die beiden hier vor­ gestellten, historischen Holzhäuser (Bilder 1 und 4) waren – wie die alten Schwarzwälder Bauernhäuser – Kulturdenkmäler. Und ge­ nau deshalb wird es mancher heimatver­ bundene oder regionalgeschid1tlich Interes­ sierte bedauern, daß nun auch diese letzten Zeugnisse alter Schwarzwälder Bautradition unwiederbringlich aus dem Schönwalder Ortsbild gelöscht sind. So sehr das nad1zu­ vollziehen ist, sei in diesem Zusammenhang empfohlen, auch einmal intensiv darüber nachzudenken, welchen Aufwand es bedurft hätte, diese Häuser – denkmalverträglich – so zu sanieren, daß sie den heute üblid1en Wohnansprüchen genügt hätten. Allein nostalgische Schwärmerei ist hier wenig hilf­ reich. Ganz sicher ist es für bautechnische Laien oftmals ein sehr schwieriges Unter­ fangen, in die historische Bausubstanz durch Modernisierungsmaßnahmen so ein­ zugreifen, daß einerseits ein zeitgemäßer Wohnkomfort sichergestellt wird und ande­ rerseits der Eingriff denkmalpflegerische Ge­ sichtspunkte angemessen berücksichtigt. Beispiele für mißglückte Umbaulösungen, d. h. schlechte Kompromisse zwischen Tra­ dition und Fortschritt, gibt es zur Genüge. Deshalb ersd1eint es sehr wichtig, schon in erste Sanierungsüberlegungen zu noch erhal­ tenswerten landschaftstypischen, histori­ schen Häusern kompetente Fachleute ein­ zubeziehen. Prof. Dr. Ulrich Schnitzer von der Technischen Universität Karlsruhe hat 284 an Beispielen aus der Praxis – speziell an al­ ten, noch erhaltenswerten Schwarzwälder Bauernhöfen – bewiesen, daß es technisch zeitgemäße und zugleich denkmalverträgli­ che Lösungen bei der Sanierung alter Schwarzwälder Häuser gibt – auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte. Heinz Nienhaus Literatur: Dorer, Richard und Opp, Karl, Schönwald in Ver­ gangenheit und Gegenwart, Horb a. N., 1. Auflage 1986, ISBN 3-89264-049-1 Hug, Ernst, Vom Schwarzwaldhaus, Selbstverlag, St. Märgen, 1997 Schnitzer, Ulrich, Schwarzwaldhäuser von gestern für die Landwirtschaft von morgen, Landesdenkmal­ arm Baden-Württemberg, Arbeitsheft 2 (Forschungs­ arbeit am Institut für Orts-, Regional- und Landes­ planung der Universität Karlsruhe, Lehr- und For­ schungsgebiet Planen und Bauen im ländlichen Raum, Prof. Dr.-lng. Ulrich Schnitzer), Stuttgart 1989, ISBN 3-8062-0567-l Zeitzeichen II Antennenwald auf Dächern ist Vergangenheit unsichtbar verkabelt kommt die Welt per Satellit frei Haus gemeinsame Einsamkeit vor Flimmerbildern Schweigen Christiana Steger

20. Kapitel/ Almanach 2001 Stätten der Gastlichkeit Über 111 Jahre im Familienbesitz Das Gasthaus „Alte Geutsche“, wo sich auch Scheffel wie zu Hause fühlte Bereits mehr als 230 Jahre gibt es das Gast­ haus „Alte Geutsche“ auf der Gemarkung der ehemals selbständigen Gemeinde Nuß­ bach, die allerdings seit 1973 aufgrund der baden-württembergischen Verwaltungsre­ form nur noch ein Ortsteil von Triberg ist. Es liegt auf über 900 Metern über dem Meer direkt an der Verbindungs- und alten Post­ straße von Triberg nach Rohrbach und gleich­ falls an der Nahtstelle mehrerer Gemeinden, denn auch die Grenzen Schönwalds und Schonachs, hier durch die Enklave Blasen­ bauer, kommen dicht heran. Immer wieder taucht vor allem bei Kur­ gästen die Frage auf, worauf der Name „Geutsche“ zurückzuführen sei. Er läßt sich wohl auf„Geitsch“, ,,Gitsch“ oder „Gütsch“, den häufig in der deutschsprachigen Schweiz verwendeten Begriff für einen aussichtsrei­ chen Bergrücken zurück.führen, der in einen steil abfallenden Abhang übergeht. Wer die topographische Lage der Geutsche kennt, wird dieser Vermutung wohl zustimmen. Hierzulande hat man diesen Ursprung aber bald nicht mehr erkannt und man brachte den alten Flurnamen eher mit „Gautsche“ oder „Gäutsche“, dem alemannischen Begriff für eine Schaukel oder Wippe, in Verbindung. Das Gründungsdatum des Gasthauses kann relativ genau präzisiert werden, da erstmals im Jahre 1765 in den Nußbacher Pfarrakten von einem „Geutschewirt“ berichtet wird, Das Gasthaus „Alle Geutsche“gibt es seit über 230 Jahren. 285

,Alte Geutsche“ bei dem Fremde und Einheimische etwas zu Essen und zu Trinken bekommen und man auch eine Übernachtungsmöglichkeit fin­ den kann. Im Laufe der vielen Jahre machten hiervon dann auch einige mehr oder minder be­ kannte Persönlichkeiten Gebrauch. Der Ly­ riker und Schriftsteller Viktor von Scheffel (1826-1886) weilte wiederholt auf einer sei­ ner ausgedehnten Wanderungen -die er von Donaueschingen aus unternahm, wo er von Dezember 1857 bis August 1859 als Hofbibliothekar bei Fürst Karl Egon III. an­ gestellt war -im Gastraum, und manches Gedicht und manch literarische Abhand­ lung des bekanntesten badischen Dichters entstand auf der „Geutsche“, denn es war bekannt, daß ihm vor allem das „Viertele“ gut mundete. Bereits in den Jahren 1803, 1804 und 1805 war auch der Geistliche und später heilig ge­ sprochene Clemens Maria Hofbauer (1751- 1820), der zu dieser Zeit in der Wallfahrts­ kirche „Maria in der Tanne“ in Triberg ge­ wirkt hatte, zu Gast. Die Chronik berichtet aus dem Jahr 1805, daß er zusammen mit anderen Patres am letzten Tag einer langen Wanderung von Jestetten bei Schaffhausen nach Triberg von einem schweren Unwetter 286 Wirtin Annegret Glauß mit Tochter. überrascht wurde, und in der „Alten Geutsche“ Einkehr hielt und für eine Nacht Qiartier be­ zog. Die Rechnun­ gen Hofbauers für Verzehr und Über­ nachtung sind im Original heute noch erhalten und werden im Schwarzwaldmuse­ um in Triberg aufbewahrt. Eher den Einhei­ mischen ein Begriff ist Pfarrer Adolf Hiß (1875-1944), dessen Originalität sprich­ wörtlich war und von dem die Älteren noch viele Anekdoten zu erzählen wissen. In der heutigen Form geht das Gasthaus auf das Jahr 1858 zurück und auch der eine oder andere Schicksalsschlag war zu ver­ zeidmen. So brannte bei einem Winterge­ witter im Jahre 1856 das Gebäude bis auf die Grundmauern nieder und wurde im Jahr darauf wieder neu aufgebaut, als im Herbst 1857 ein Sturm das Dach des gerade fertig­ gestellten Rohbaus völlig zerstörte. Seit Bestehen des Gasthauses hat man sich immer auch um die Durchreisenden geküm­ mert. Auf den früher doch recht beschwerli­ chen Reisen über die Schwarzwaldhöhen hatten die Fuhrleute auf der „Alten Geut­ sche“ die Möglichkeit, im hauseigenen Pfer­ destall ihre Zugtiere auszuwechseln und bis zur Rückkehr unterzustellen. Als dann zu Beginn des vorigen Jahrhun­ derts der Fremdenverkehr in und um Tri­ berg herum sich zu entwickeln begann, hat Früh die Chancen des Tourismus erkannt

Stätten der Gastlichkeit Die „Alte Geutsche“ in den 1950er Jahren und unten ein Blick in die Gaststube um 1930. 287

.Alte Geutsd,e“ man schnell die Vorteile dieser neuen Bran­ che erkannt und richtungsweisende Schritte unternommen. Man warb frühzeitig mit ei­ nem eigenen Hausprospekt, in dem neben der Lage des Hauses auch die landwirt­ schaftlichen Schönheiten der nächsten Um­ gebung hervorgehoben wurden. Der Beher­ bergungsbetrieb wurde jedoch Ende der 1950er Jahre im Zuge einer größeren Um­ baumaßnahme aufgegeben. Neuerungen im Fremdenverkehr gegen­ über zeigte man sich aber weiterhin aufge­ schlossen. Als im Jahre 1967 in unmittelba­ rer Nähe für die Wintersportler ein Skilift in Betrieb genommen wurde, hat man das Ge­ lände für den notwendigen Parkplatz zur Verfügung gestellt. Aus den vorhandenen Unterlagen können die bisherigen Wirte bzw. Eigentümer fast lückenlos bis ins Jahr 1765 nachvollzogen werden, eine stolze Wirtshaustradition also, die man auf der „Geutsche“ vorweisen kann: 1765 Johann Michael Dorer (auch im Fe­ bruar jenes Jahres gestorben) danach mehr­ fach wechselnd Cölestin Fehrenbach 1858 Michael Hummel 1859 Cölestin Fehrenbach (Rückübernahme nach dem finanziellen Ende von Michael Hummel aufgrund der Schadensfalle, s. S. 286) 1873 Erwerb von Johann Baptist Haberstroh (Großvater mütterlicherseits von Jakob Aber­ le) aus Versteigerung und anfängliche Ver­ pachtung. 1880 Johann Baptist Haberstroh betreibt die Geutsche selbst, nachdem er den Müh­ lenbetrieb in Triberg an seinen Sohn abge­ geben hatte 1888 Verkauf an Jakob Aberle 1920 Paula Kern (Tochter von Jakob Aberle) 1962 Lore Kern (Tochter von Paula Kern) 1990 Annegret Glauß (Tochter von Lore Kern) reren Vorbesitzern nun seit 1888, und somit seit mehr als 111 Jahren, zwischenzeitlich in der vierten Generation im Familienbesitz und stellt seit altersher ein beliebtes Wan­ der- und Ausflugsziel auch im Winter dar, denn der Ausgangspunkt der Langlaufloipe befindet sich ebenfalls nur etwa 100 Meter von der Gaststätte entfernt, und die Mög­ lid1keit, eine willkommene Stärkung zu sich zu nehmen, wird von vielen Skiwanderern gerne angenommen. Nicht nur mit dem Auto, sondern auch auf zahlreichen gut markierten Wanderwegen ist die traditionsreiche Gaststätte aus den verschiedensten Rid1tungen erreichbar. Und daß die Gäste immer gerne auf die „Alte Geutsche“ kamen, ist in vielen Erzählungen belegt, in denen die schönen Stunden ge­ lobt werden, die in diesem Gasthaus ver­ bracht wurden. ,,Wer will Wunder Gottes seh’n, der muß auf die „Geutsche“ geh’n! Wer will gute Luft genießen, den darf der Weg zur „Geutsche“ nicht verdrießen. Und wer Lust und Freude hat am Leben, der muß nach dem Schwarzwald streben! Ein langes Leben wird dem gespendet, der seine Kur auf der „Geutsche“ voll­ endet. Drum lieber Gast probier‘ es ganz und gar, ob unser Wort eine Fabel war. In unserem Haus ist jeder Gast will­ kommen, der sich entschließt zu uns zu kommen.“ Wie aus dieser Auflistung ersichtlich ist, befindet sich die „Alte Geutsche“ nach meh- Dem Inhalt des letzten Satzes des Gedichts fühlt man sich heute noch genau so ver- 288

bunden wie zur Entstehungszeit des Ge­ dichtes, und der Gast, egal ob groß oder klein, denn auch Kinder sind immer herz­ lich willkommen, wird hier mit der sprich­ wörtlichen „Schwarzwälder Gastfreund­ schaft“ empfangen. Obwohl die Gast- und Nebenräume in den letzten Jahren mehrfach einer Renovation und Modernisierung unterzogen wurden, haben sie nichts von ihrer Ursprünglichkeit verloren. In der gemütlichen, rustikal-schwarz­ wälder Atmosphäre, z.B. am Kachelofen, munden die zahlreich angebotenen Geträn­ ke, die teilweise in einem Gewölbekeller ge­ lagert werden, ebenso wie ein deftiges Ves­ per. Die Speise- und Getränkekarte enthält übrigens neben der Version in hochdeut- Stätten der Gastlichkeit scher Sprache eine „alemannische“ bzw. Dia­ lektübersetzung, mit der man auf die Hei­ matverbundenheit und die lange Tradition des Gasthauses hinweisen möchte. An schönen Tagen lädt eine Terrasse zum Verweilen ein. Einen besonderen Anzie­ hungspunkt stellen mittlerweile das „Baye­ rische Brotzeitfest“ im Sommer und das „Oktoberfest“ im Herbst dar. Bei zünftiger Blasmusik der „Villinger Sackkapelle“ wer­ den die Gäste neben dem normalen Ge­ tränke- und Speisenangebot mit vielen bayerischen „Schmankerln“ und manch an­ derer Attraktion überrascht, die bislang in der Region einmalig war. Armin Kienzler Ein Landgasthof mit Tradition Das Gasthaus „Zum Engel“ in Neuhausen ist Dreh- und Angelpunkt des Dorflebens Schon über 200 Jahre, nachweislich seit Ende des 18. Jahrhunderts, ist das Gasthaus ,,Zum Engel“ im Königsfelder Ortsteil Neu­ hausen ein markanter Dreh- und Angel­ punkt des geselligen Dorflebens. Nicht nur Bier und Wein, auch so manch Selbstge­ brannter wurde hier von wechselnden Wirtsleuten im Laufe der Zeit über die The­ ke gereicht. Tragischer Höhepunkt in der Geschichte des Wirtshauses war der 10. Mai 1895: Während sich an diesem verhängnisvollen Tag die meisten Dorfbewohner auf einem Fest im Nachbarort vergnügten, saß – so ist in der Chronik des damaligen Pfarrers zu le­ sen – der sechsjährige Adalbert im Schopf des Gasthauses „Zum Engel“ und rauchte Zigarren. Bald brannte das ganze Anwesen lichterloh, und begünstigt durch einen star­ ken Ostwind zerstörte das Feuer 16 Gebäu­ de des westlichen Dorfes. Das war fürwahr bitterer Tabak für die Neuhauser Bürger, Die Wirtsleute Rut und Karl Hummel. 289

Gasthaus .Zum Engel“ und es erforderte alle Kräfte der gesamten Einwohnerschaft, um den Ort wieder auf­ zubauen. Das heutige Gasthaus „Zum Engel“ ist al­ so gewissermaßen auferstanden aus Ruinen. Während des Wiederaufbaus verlegte der gebeutelte Wirt namens Franz Xaver Storz seinen kompletten Gastbetrieb kurzerhand in das Nachbarhaus des Landwirts und Ge­ meinderechners Josef Kaiser. Die feierliche Wiedereröffnung des Wirtshauses fand schon am 31. Oktober 1886 statt. Neben der Gaststätte waren in dem stattlichen Gebäu­ de nun auch ein Wohn- und Ökonomieteil sowie eine Kolonialwarenhandlung unter­ gebracht. Im Jahr 1934 war ein Wirtswechsel zu ver­ zeichnen. Karl Hummel, der Vater des gleich­ namigen heutigen Wirts, manövrierte den Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Wilhel­ mine durch schwierige Kriegsjahre, erwei­ terte dann in den Jahren 1952 bis 1954 die Wirtschaftsfläche, baute die Gaststube um und einen Saal an. Als er schon früh mit 63 Jahren starb, wurde der Wirtschaftsbetrieb von Wilhelmine Hummel und ihren vier Kindern mit vereinten Kräften aufrecht er­ halten. Es galt die Zeit zu überbrücken, bis der Sohn Karl seine Metzgerlehre abge­ schlossen, das Praktikum in der Küche eines Villinger Betriebes beendet und vor allen Dingen die Volljährigkeit erreicht hatte. Das war 1970 der Fall und seither gedeiht der ,,Engel“ unter der Führung des allseits be­ kannten „Karle“. Der war von Anfang an mit Energie und Tatkraft bei der Sache. Zuallererst nahm er den Bau einer Kegelbahn in Angriff, denn dieser Volkssport war gerade „in“. 1974 ließ er den Saal auf nicht weniger als 300 Sitz­ plätze erweitern sowie eine Bar einbauen. Nur zwei Jahre später wurde die Küche ver­ größert und die Toilettenanlage ausgebaut. Im Haupthaus wurden anfangs der 1980er Jahre die bisherigen Fremdenzimmer zu­ gunsten neuer Wohnungen aufgegeben. Auch fand der Engelwirt in Rut Leuchten­ macher zu dieser Zeit seinen Engel furs pri­ vate Glück. Ein „Dorfplatz“ als großer Saal Die gelernte Restaurantfachfrau ist seither die gute Fee in allen Wirtschaftsangelegen­ heiten. So ist die Anfang der 90er Jahre erfolgte originelle künstlerische U mgestal- Der große Saal wurde Anfang der 1990er Jahre zu einem „Do,fplatz“ umgestaltet. 290

tung des großen Saales vor allem ihren Ideen zu verdanken: Aus dem Raum wurde ein urgemütlicher »Dorfplatz“ mit stilisier­ ten Häuserfassaden und -dächern, mit ei­ nem Bienenstock und einer Futterkrippe, mit Tauben, Hühnern und jeder Menge großer Pflanzen, ein markantes Plätzchen mit Straßenlaternen und Lattenzäunen, darüber ein Sternenhimmel, aus dunkelblauem Tüll und unzähligen kleinen Lichtern. Ein sol­ ches Szenario wird man wohl in keinem an­ deren Wirtssaal finden. Und so ist es kein Wunder, dass der überdachte „Dorfplatz“ recht stark frequentiert wird, zumal er auch gleich die nicht vorhandene Festhalle im Ort ersetzt. Diese »Erlebnisgastronomie“ der besonde­ ren Art kann man mieten, man kann sich aber auch bei vielen Vereinsfesten, wie etwa dem traditionellen Adventswunschkonzert des Musik- und Trachtenvereins oder den zahlreichen Sonderveranstaltungen des Hau­ ses, vom besonderen Charme der Wirtschaft überzeugen. Vom Tanz in den Mai bis zum Oktoberfest reicht der kalendarische Reigen, dazu kommen die beliebten Discoveran­ staltungen der Abiturjahrgänge der Zinzen­ dorfschule, die im „Engel“ Exklusivrechte genießen. Für die Wirtsleute besteht gar kein Zweifel: der Festsaal ist die große Attraktion ihres Gasthauses. Doch auch im angrenzenden Biergarten ist es an lauen Tagen überaus gemütlich, zumal der Gerstensaft direkt aus dem Fass fließt. Serviert wird er freilich auch in der Gaststube, die ebenfalls ein unver­ wechselbares Ambiente bietet und dem Na­ men der Wirtschaft zur Ehre gereicht: Ge­ flügelte Himmelswesen tummeln sich an al­ len Ecken und Enden in allen Formen und Geschmacksrichtungen, ob als alte Gipsfigur eines Schutzengels in einer lauschigen Sitz­ ecke, als Decken- und Wandbehang im kitschigen Heiligenbild oder als beleuchtba­ re, originelle Zweigdekoration. Das Warten auf das Essen wird da be­ stimmt nicht langweilig und nach solch an- Stätten der Gasilichkeit Detailansicht des „Doifplatzes „im großen Saal. regendem Augenschmaus wird man auch den kulinarischen Genüssen entspannt be­ gegnen. Der Wirt legt Wert auf eine saisonal ausgerichtete ländliche Küche mit frischen Gerichten und verweist auf Anfrage nach Spezialitäten des Hauses auch gerne auf sei­ nen Schaschlikspieß mit Zigeunersoße und Curryreis sowie das große Salatbuffet am Wochenende. Der wahre Kenner lässt sich die allseits bekannten herbstlichen Schlacht­ platten nicht entgehen. Die „Bauernwirtschaft mit Saal“, die Karl Hummel vor über 30 Jahren von seinem Va­ ter übernahm, hat sich im Laufe der Zeit zu einem Landgasthaus auf hohem Niveau ge­ mausert. Dem Engel-Wirt ist es gelungen, al­ te Traditionen zu wahren und dennoch den Zeitgeist einzufangen und neue Akzente zu setzen. Ob in nicht allzu ferner Zukunft auch die beiden Söhne Philipp und Felix an dieser Familiengeschichte weiterschreiben wollen, steht freilich noch in den Sternen des häuslichen Tüllhimmels. Brigitte Schmalenberg 291

Stänen der Gastlichkeit Traditionelle Gastlichkeit auf der „Länge“ Der Gasthof „Längehaus“ ist seit jeher eine beliebte Anlaufstätte für Reisende und Einheimische Mit zu den ganz alten gastlichen Häusern aufBlumberger Gemarkung gehört der Gast­ hof „Längehaus“ an der Landesstrasse 185 (L 185), die von Blumberg aus Riedöschin­ gen und weiter über die Kreisgrenze Leipfer­ dingen, Aulfingen und Kird1en-Hausen ver­ bindet. Seit mittlerweile hundert Jahren ist er in Familienbesitz, aber die Geschichte des gastlichen Hauses an der Strasse geht noch viel weiter zurück. 1844 begann Martin Fuhrer an der schon sehr lange existierenden Verbindungsstrasse ein Haus zu bauen, an der „Länge“, die sich wirklich in die Länge zieht, was heutige Rad­ fahrer leicht bestätigen können. Er hoffte auf„Wirtschaftsgerechtigkeit“ und erhielt sie dann wirklich im Frühjahr 1845. Der Ge­ meinderat war ihm gut gesonnen und be­ hilflich und so durfte von da an gewirtet werden. Sein Nachfolger war ein Mann na- mens Hienerwadel, ein Name, den man heu­ te noch in lmmendingen findet. Etwa in den Jahren 1875/76 übernimmt dann Cosmas Storz das Gasthaus zusammen mit seiner äußerst resoluten und couragierten Frau An­ tonie Rutschmann. Von ihr wird erzählt, dass sie beim Zahltag der Holzmacher im oberen Stockwerk Geld wechseln wollte und dabei einen Eindringling entdeckte, der sich an der Kasse zu schaffen machte. Kurzer­ hand packte sie den diebischen Langfinger und warf ihn aus dem Fenster hinaus auf den Misthaufen. Also ein „Riedöschinger Fen­ stersturz“ und die stinkende, aber weiche Landung haben sicherlich manche Zeitge­ nossen dem verhinderten Dieb von Herzen gegönnt. Im Jahr 1900 heiratete die Wirtstochter Frieda Storz August Frank und übernahm mit ihm die Wirtschaft. Nach dem frühen Ausgebaut und mit viel Wiesen- und Waldfläche umgeben präsentiert sich der Gasthof„Längehaus“. 292

Anita und Fritz Straub bewirtschqf ten heute das „Längehaus“ und wer­ den von Altwirtin Gertrud Straub und Sohn Christian tatkräftig unter­ stützt. Tod der Ehefrau heiratete der Witwer Annemarie Binninger und trieb dann mit ihr gemein­ sam den Gasthof um, wie es in alten Urkunden heißt. ,,Das sind die Urgroßeltern und ihre Fotos hängen heute noch in der Gaststube,“ so Fritz Straub, der heutige Be­ sitzer des Gasthauses. 1949 ging das „Län­ gehaus“ an die Tochter Gertrud Straub über, die es lange Zeit zusammen mit ihrem Mann Emil Straub führte und vor einigen Jahren an den Sohn Fritz Straub übergab, der das Haus nun mit Frau Anita und der Mithilfe von Sohn Christian und Tocher Sonja bewirtschaftet. ,,Drei Generationen sind eng mit der Ge­ schichte des Hauses verbunden und die vier­ te wächst nun heran,“ so Altwirtin Gertrud Straub nachdenklich „und leicht war es be­ stimmt nicht immer.“ Wie viele alte Gast­ häuser brannte auch das „Längehaus“ ab und wurde 1908 wieder aufgebaut. ,,Daran kann ich mich nicht mehr erinnern, aber an die Holzfuhrleute, die mit ihren Gespannen auf dem Weg nach Donaueschingen regel­ mäßig zum Vesper kamen und hier auch die Pferde tränkten und fütterten. Ein altes, ver­ gilbtes Foto von 1924 aus dem Familienal­ bum zeigt das wieder aufgebaute Haus mit meinen Eltern und meinem Bruder, Gästen, die per Fahrrad gekommen sind, Kühen und natürlich dem Hofhund. Da ist schon der Schriftzug „Gasthof Längehaus“ zu sehen. Üblich in den Jahren vor und auch noch nach dem Krieg war es, von Riedöschingen zu Fuß ins „Längehaus“ zu gehen und dort zu rasten. Die Bauern nutzten den Weg, um nach der Frucht zu schauen und dann mit der Familie ein wenig Freizeit zu genießen. Gasthof .Längehaus“ 1957 sah es dann ganz anders aus: ,,Wir wa­ ren mit die ersten, die eine Musikbox hat­ ten, damals das Neueste vom Neuen, und die jungen Leute kamen, um Musik zu hören und zu tanzen.“ Gertrud Straub spricht dann von der Einfachheit des Ange­ botes, waren Wurstsalat und heiße Würst­ chen doch die Renner der damaligen Spei­ sekarte und später kamen noch gegrillte Hähnchen dazu. Heute sieht nicht nur die Speisekarte, son­ dern auch das Haus anders aus. 1994 gab die Familie Straub die Viehhaltung auf und 1995 erfolgte der An- und Umbau, der sich gut mit der alten, vorgegebenen Bausub­ stanz verband und das schöne, alte Haus be­ kam sein heutiges Aussehen. Behäbig und einladend Behäbig, gastlich einladend präsentiert sich das geschichtsträchtige Haus nun und bietet mit einer ausgesuchten Speisekarte eigent­ lid, alles, was der Gast sich wünscht. ,,Wir sind auf private Gesellschaften und Famili­ enfeiern ebenso eingerichtet wie auf eine Reisegesellschaft per Bus, die hier Rast macht,“ so Gastwirt Fritz Straub und dann weiß er auch gleich, was eigentlich am be­ gehrtesten auf seiner Speisekarte ist: ,,Wir bieten Wildgerichte jeder Art und das Wild ist aus heimischer Jagd, dazu die ‚Schweine­ lendchen Art des Hauses‘. Und dann gibt es 293

Stätten der Gastlichkeit Platz auch fiir große Gesellschafte11 bietet das gemütliche Nebenzimmer. Im hell und freundlich eingerichteten Ne­ benzimmer kann ganz ungestört im fami­ liären Kreis gefeiert werden, zumal das „Län­ gehaus“ eine große Auswahl an Menüvor­ schlägen für jede Gelegenheit bietet, gleich ob kalt oder warm, die auch noch individu­ ell verändert werden können. „Bei uns soll sich der Besucher wohl fühlen und Gastlichkeit und umgebende Land­ schaft genießen,“ so der Tenor der Wirtsleu­ te Straub vom „Gasthaus Längehaus,“ das seit mehr als 100 Jahren an der Landstrasse 185 liegt. Christiana Sieger den Schwarzwälder Schinkenspeck und den Hausmacher Vesperteller mit Bratwurst, Blut- und Leberwurst, so richtig kräftig und deftig und dazu gehört natürlich selbstge­ backenes, frisches Bauernbrot.“ Dieser Ge­ nuß ist etwas, was in Wandererkreisen als Geheimtip gehandelt wird, denn viele, die die Baar zu Fuß erkunden, machen im „Län­ gehaus“ Rast und nicht nur in der heimeli­ gen Gaststube, sondern auch unter Sonnen­ schirmen im Freien, wenn es das Wetter zuläßt. Dazu kommt ein sonntäglich wech­ selndes Angebot an hausgemachten Kuchen und eine Eiskarte, die ein Dorado für Schleckermäuler ist. Familienfreundlid1 und entsprechend be­ liebt ist das „Längehaus“, bietet sich die Wiese hinter dem Haus und auch die Wald­ nähe doch ideal für Kinder zum ungestörten Spielen an, zumal über Wirtschaftswege er­ reichbar, die Fahrradfahrt zum problemlo­ sen Vergnügen auch für Familien mit klei­ nen Kindern wird. 294

Freizeit und Erholung Der Bräunlinger Straßenmusiksonntag Ein im gesamten Landkreis bekanntes Festival der Kleinkunst 21. Kapitel /Almanach 2001 Es gibt wohl im gesamten süddeutschen Raum und darüber hinaus im Bereich Elsaß, Nordschweiz und Vorarlberg kein Festival wie den Bräunlinger Straßenmusiksonntag, der sich zu einem „High-Light“ unter den Kultur-Events in der gesamten Region ge­ mausert hat. Was vor zwölf Jahren mit einer eintägigen Veranstaltung begann, entwickel­ te sich in weiteren sechs Folgeauflagen zum ,,Mega-Festival“ der besonderen Art. 1988 hoben in bislang beispielloser Ko­ operation die Stadt Bräunlingen mit Bür­ germeister Jürgen Guse an der Spitze und die Donaueschinger Lokalredaktion des Südkurier um ihren Redaktionschef Wolf­ gang Losert und dem für Bräunlingen ver­ antwortlichen Redakteur Klaus Dangel den „Bräunlinger Straßenmusiksonntag“ aus der Taufe. Nachdem der Südkurier bereits in Donaueschingen eine Vielzahl von Aktio- nen und Veranstaltungen medial begleitete und unterstützte, wollte man diese Aktivi­ täten auch auf die benachbarten Städte und Gemeinden ausdehnen. Es sollte aber etwas besonderes werden, et­ was was sich vom üblichen Rahmen der Baa­ remer Festszene abhob. Es wurde gemein­ sam die Idee entwickelt, ein Fest mit Stra­ ßenmusikern zu kreieren. Straßenmusiker, Gaukler, Straßentheater, Pantomimen wie man sie aus den Fußgängerzonen der gro­ ßen Städte kennt. Und dies alles konzen­ triert in der historischen Altstadt des Zäh­ ringerstädtchens Bräunlingen. Doch wie kam man an die ganzen Gruppen? Es gibt da in der Bundesrepublik nämlich eine Art Organisation, in der viele Straßen­ künstler zusammengeschlossen sind, näm­ lich der „RAK“ (Rotzfreche Asphaltkultur). Die Gruppen wurden verpflichtet und der Musik für jeden Geschmack, die „Bregi.-Hausband“ beim Straßenmusiksonntag des Jahres 2000. 295

Freizeit und Erholung Der „Mann am Klavier“ Bernhard Blenkle, unten eine pantomimische Vorstellung von Jochen Götz. 296 erste Straßenmusiksonntag war geboren und wurde einfach „weil er eben anders war als andere Feste“ zu einem Riesenerfolg. Gleich mehrere Tausend Besucher waren gekom­ men und zeigten sich begeistert von der At­ mosphäre und dem Konzept des Festes. An verschiedenen Plätzen der Innenstadt war­ teten die Bräunlinger Vereine mit Bewir­ tungsständen und Lauben auf, während die Programmregie von Stadt und Südkurier die Gruppen und Künstler an verschiedene Ak­ tionsplätze aufteilte. In den Folgejahren (der Straßenmusik­ sonntag findet immer alle zwei Jahre am letzten Augustwochenende statt) wurde die Konzeption immer mehr optimiert und er­ gänzt, so daß mittlerweile der Bräunlinger Straßenmusiksonntag mit vorgeschaltetem „Vorfest“ der Vereine am Samstagabend zum Publikumsmagnet von bis zu 30 000 Besu­ chern geworden ist. So auch wieder im Jahr 2000, als rund 25 000 Besucher trotz etwas widriger Wetterverhältnisse das Zähringer­ städtchen besuchten. Das Straßenmusiksonntag-Vorfest 2000: Ein Auftakt nach Maß Eine Superstimmung und ein vieltausend­ köpfiges Publikum bescherten dem Bräun­ linger Straßenmusiksonntag bereits am Samstagabend beim Vorfest der Vereine ei­ nen tollen Start. Zahlreiche Live-Bands und DJ‘ s sorgten auf diversen Bühnen für musi­ kalische Vielfalt und die Bewirtungsplätze der elf Vereine waren dicht umlagert. Herrschten vor zwei Jahren beim Straßen­ musik-Vorfest nahezu kalte und unwirtliche Temperaturen, so zog die Auftaktveranstal­ tung am Samstagabend bei lauen Graden et­ liche tausend Festbesucher in die Bräunlin­ ger Innenstadt. Und das Publikum kam voll auf seine Kosten, denn die Vereine hatten sich eine ganze Menge einfallen lassen. Ei­ nen echten musikalischen Überraschungs­ Coup landete die neugegründete „Kultur­ initiative Bregtäler“, die auf der großen Büh-

Bräunlinger Straßenmusiksonntag Der ,,größte Akteur“ beim Bräunlinger Kleinkunst-Festival 1998 war „Payazzo „. 297

Freizeit und Erholung Ein Mille/punkt bei der Bräunlinger Veramtaltung ist die Bühne beim Rathaus. ne in der Zwingelgasse Live-Musik vom Feinsten präsentierte. Im Mittelpunkt des Programms stand wohl die Freiburger Afro­ Reggae „Dread Fusion“, doch echte Begei- terungs türme erntete zweifelsohne die ,,Bregi-Hausband“ und die „Bregi-Brass­ Horns“ samt fünfköpfiger, weiblicher Ge­ sangstruppe. Insgesamt 17 Musiker aus Bräunlingen und Umgebung hatte Kultur­ initiativ-Chef und Bräunlingens Stadtbau­ meister Hilmar Lutz um sich geschart und in nur sechs Proben (drei in kompletter Beset­ zung) ein tolles Musikprogramm zusam­ mengestellt. Für den Gesang sorgten bei­ spielsweise „Jeggie“ Bernd Schaupp und Dieter Schnitzer, am Schlagzeug saß Straub­ Geschäftsführer Dr. Steffen Würth, Hilmar Lutz bediente die Tasten und sein Bauamts­ kollege Harald Seidler die Percussion. In der Musikgruppe, wie auch bei den Sängerin­ nen, war Kindergartenleiterin Irene Neinin­ ger mit dabei. Der „Bregtal-Express“ sorgte auf der Kreuzung Zähringer-/Bruggener­ straße für tolle „Open-Air“-Atmosphäre und auch bei den etlichen Discos und Ver­ einslauben herrschte ausgezeidrnete Stim­ mung bis in den Morgen. Die Vereine und 298 Clubs offerierten dabei eine breite Palette an Speisen und Getränken, die sich vom Übli­ chen deutlich abhob und vom Baaremer Publikum gut frequentiert wurde. Ein Su­ per-Auftakt für den siebten Straßenmu­ siksonntag. 25 000 beim Straßenmusiksonntag 2000 Nach dem Motto „bei schönem Wetter kann jeder ein Fest machen, aber bei Re­ gen …. “ bewiesen die Bräunlinger beim Baar­ emer Mega-Event des Jahres, dem Straßen­ musiksonntag, weld1e Anziehungskraft die­ se Veranstaltung besitzt. Das Wetter ist bei Freiluftveranstaltungen stet ein ganz be­ sonderer Risikofaktor und das zeigte sich auch im Jahr 2000. Denn sorgenvolle Mie­ nen gab es am Sonntagvormittag bei den Verantwortlichen, starke Regengüsse den ganzen Vormittag über drohten das seit Mo­ naten vorbereitete, einzigartige Freiluft­ spektakel buchstäblich ins Wasser fallen zu lassen. ,,Improvisation ist alles“, sagten sich die Organisatoren um Bernhard Hauser von der Stadtverwaltung. Etliche Pavillons wur­ den über die zahlreichen Auftrittspodien ge-

Bräunlinger Straßenmusiksonntag Auch moderne Kunst (Herbert Rieger, Bräunlingen) wird beim Straßenmusiksonntag ausgestellt. 299

Mi11elalterliche Musik auf historischen Instrumenten spielte beim Straßenmusiksonntag des Jahres 2000 „Datdüll“. Freizeit und Erholung stülpt oder die Auftrittsorte in die Vereinslauben verlegt. Das Rahmenprogramm wurde etwas reduziert. Das Publikumsinter­ esse blieb zunächst wegen des Regens zurückhaltend, aber dann endlich, kurz nach dem Mittag, hellte sich der Himmel auf und das Publikum war da und erreichte bis in die späten Nachmittagsstunden die Aus­ maße der vorangegangenen Stra­ ßenmusiksonntage. Weit über 25 000 Besucher wa­ ren bei der nunmehr siebten Auflage des Straßenmusiksonn­ tags in die Zähringerstadt ge­ kommen und ließen sich von über 60 Musik-, Gaukler-und Spaßgruppen mit über 250 Ak­ teuren in ihren Bann ziehen und begeistern. ,,Die Stimmung unter den Ak­ teuren ist bestens, alle sind gut drauf“, so ur­ teilte Bernhard Hauser. Und diese gute Stimmung kam auch bestens rüber, denn das Publikum hatte sich in riesigen Men­ schentrauben um die diversen Aktions-und Auftrittsplätze geschart. Gerade im Bereich der Zähringerstraße, Sommergasse, Blau­ meerstraße ist zeitweise kein Durchkommen mehr, wenn die Bräunlinger zu ihrer Veran­ staltung einladen. Zur Beliebtheit des Ereignisses trägt zu­ dem bei, daß sämtliche musikalisd1e Rich­ tungen vertreten sind, man sich um Vielfalt bemüht: fred1-frivole Lieder in Mundart, Blues, Rock, bis hin zu argentinischem Tango und zünftiger Blechmusik sowie Sambarhythmen erklingen. Feuerschlucker, Jongleure, Pantomimen, Straßentheater und vieles mehr zieht das Publikum in den Bann, läßt es begeistert mitklatsd1en oder herzhaft lachen, einfach Spaß haben. ,,Die Atmosphäre in Bräunlingen ist halt super“, so urteilen viele Festbesucher von Auswärt . Dicht umlagert ist natürlich stets die Süd- 302 kurier-Aktionsbühne vor dem Rathaus, auf der beim Straßenmusiksonntag 2000 die Schweizer Akrobatiktruppe „Herianos“ atemberaubende Comedy-Akrobatik zeigte. Beschaulich-prächtig als ed1ter Blickfang da­ neben die Ritterzelte und die Ritterspiele, die an das Leben im Mittelalter erinnerten. Stark frequentiert ist zudem die „Kinder­ abteilung“ des Straßenmusiksonntages, die der Familienpark Villingen-Schwenningen und das SÜDKURIER-Spielmobil zu quir­ ligem Leben verhilft. Als hervorragende Gastgeber zeigen sich die Vereine und Ga­ stronomie mit dem umfangreichen kulina­ rischen Angebot, das zur Abrundung des Straßenmusiksonntags beiträgt und gleich­ falls für zufriedene Gesichter sorgt. Jürgen Bertsche

Das .Ackerlocb“ Das ,,Ackerloch“ – gemütlich grillen Im Feriendorf Unterkirnach hat sich ein beliebter Freizeit-Treff etabliert Wo nichts außer den Menschen im Wald die Ruhe stört, wo das Auge nichts erblickt als eine schöne Schwarzwaldlandschaft, dort findet man das »Ackerloch“ auf der Anhöhe im Luftkurort und FeriendorfUnterkirnach. Hier betreiben Werner und Lioba Weisser zusammen mit ihrem Sohn Marc ihre Metz­ gerei mit Grillschopf Nachdem der land­ wirtschaftliche Betrieb aufgegeben worden war, hat Metzgermeister Werner Weisser vor 17 Jahren seine eigene Metzgerei gegründet. „Zuerst war ich in einer Großschlächterei tätig, das war aber nicht mein Ding“, gesteht Werner Weisser. Angefangen hat das ganze mit einem „Feierabendgeschäft“: Hausma­ cher, Schwarzwälder Schinken nach alther­ kömmlicher Weise wie früher vom Haus­ metzger fanden immer mehr Anklang. Die Wurstwaren wurden ausgefahren, aber dann kamen die Leute ins Wohnhaus. Aufgrund der großen Nachfrage und behördlichen Auflagen musste nun zur Metzgerei und Verkaufsstelle ausgebaut werden. Grillen mit Freunden macht schon der Ge­ ruch des großen Holzofengrills so richtig Appetit. Man kann die delikate Vielfalt vom Rost richtig geniessen. Zum Selbergrillen stehen gewürzte Steaks vom Schwein, Rind, Pute oder Lamm, Schaschlik und Würste an der Theke bereit. Es gibt eine Gruppenspei­ sekarte wie zum Beispiel „Spanferkel“. Da­ zu stehen mindestens zehn Sorten frische Salate zur Auswahl. Mit Leib und Seele be­ treibt Lioba Weisser den „Grillschopf“ um. Neben den beliebten Haxenabenden oder Grillspezialitäten gibt es auch deftige Vesper und warme Hausmannskost. Es sind meist einfache, aber dafür einwandfrei zubereite­ te Gerichte auf dem Tisd1 zu finden. Kein Wunder, denn die Küche ist das Refugium der „Grillschopfwirtin“ Lioba Weisser und so werden die leckeren Gerichte nach bester Schwarzwälder Hausfrauenart gebrutzelt und gekocht. Für modischen Schnick­ schnack oder Fast Food ist im „Ackerloch“ kein Platz. Auf den Tisch kommt, was die Im Jahre 1989 kam der „Grillschopf“ da­ zu. War es anfangs nur eine notdürftige Bretterbude und nach drei Seiten offen, so bietet jetzt der rusti­ kale Schopf Platz für 120 Personen und man kann auch grillen, wenn die Sonne ein­ mal nicht lacht. Wer­ den die Tage kälter, bietet ein Kachelofen wohlige W ärme. Der Grillschopf ist ganz­ jährig geöffnet. Bei einem zünftigen Werner Weisser bei der Arbeit im „ Grillschopf‘. 303

Freizeit und Erholung Wo es sich gemütlich sitzen und genießen laßt: Der Grillschopf„Ackerloch“ in Unterkirnach. heimische Produktion hergibt. Auf Wunsch gibt es noch hausgebrannten Schnaps und vom Wirt den passenden Spruch dazu: ,,Schwarzwaldteufel hokus pokus eins, zwei, drei, Grillschopftauber komm herbei� füll mit Geist und rechtem Maß, den Gast und auch das Glas. Hokus pokusfidipus bring uns Freud und kein Verdruß. Auf diesen Zaubertrank einen Toast, Prost!“ Seit der Metzgermeister mit seiner Familie den Schopf umtreibt, hat er in all den Jah­ ren schon oft erlebt wie Gäste, die sich über­ haupt nicht kannten, den Schopf als gute Bekannte verliessen und das kommt nicht von ungefähr, denn hier geht es unkompli­ ziert zu. Jeder sitzt zu Jedem an den T isch, Alt neben Jung, Feriengäste zu Einheimi­ schen. Reicht der Platz nicht aus, dann wird eben zusammengerückt bis alle sitzen. Ge­ mütlich ist es im rustikalen Schopf. Wände und Decken zieren einige Raritäten. Stroh- schneider, Dreschflegel, Holzpflug, eine al­ te Sehrotmaschine bis hin zu einer Putz­ mühle, womit früher die Spreu vom Korn getrennt wurde. Der Stammtisch wurde von einem ehema­ ligen Holzmacher gefertigt, darüber hängt eine urige Wurzellampe. Der ganze Schopf ist aus Rundholz, es gibt keinen einzigen ge­ frästen Balken, verrät Werner Weisser. Der Boden ist wie ein „Schierboden“ gemacht mit Brettern und die Uhr ein zwölfspeichi­ ges Wagenrad mit geschmiedeten Zahlen. W illkommen sind Wanderer und Bi.ker, Familien mit Kindern, Feriengäste, die Gästeschar ist bunt zusammengewürfelt, schwarzwälderisch mischt sich unter hoch­ deutsch, mitunter auch einmal mit Fremd­ sprachen durchdrängt. Am 1. Mai hat das Maibaumaufstellen schon Tradition und am Vatertag gibt’s ei­ nen „Hock“ mit Musik. Für die kleinen Gä­ ste ist ebenfalls gesorgt, ein großer Spiel­ platz ist zum Toben da. Renate Puchinger 304

Sport 22. Kapitel I Almanach 2001 Erfolgreiche Jugendarbeit zahlt sich aus Kristin Dorn ist Baden-Württembergische Schülermeisterin im Riesenslalom Kristin Dorn wird Baden-Württembergi­ sche Schülermeisterin im Riesenslalom. Ein tolles Geschenk an ihren Verein SC 1900 Donaueschingen zum lOOjährigen Jubi­ läum. Die Skispringer Martin Schmitt, Christof Duffner und Kollegen sind heute bekannt und beliebt wie Popstars und zeigen, dass die Skisportler in unserem Landkreis zu Weltklasseleistungen fähig sind. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, richten die Verei­ ne ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Förderung von Talenten. Ein großer Erfolg der Jugendarbeit des SC 1900 Donaueschingen und des Schwarzwäl­ der Skiverbands ist der Werdegang der 1985 geborenen Kristin Dorn, die sich dem alpi­ nen Rennsport verschrieben hat. Bereits als Dreijährige ist sie sicher auf Skiern gestan­ den und bei Vereinsmeisterschaften mitge­ fahren. In Donaueschingen verwunderte dies niemand, da sie aus einer skibegeisterten Fa­ milie kommt: Auch die älteren Brüder Tor­ ben und Sven sind aktive Rennfahrer. Schon früh erkannte Vereinstrainer Hansi Ewald die außerordentlichen Fähigkeiten der klei­ ne Kristin und nahm sie unter seine Fittiche. Als Sechsjährige war sie bei Wettkämpfen auf Bezirksebene am Start, und auch den Verantwortlichen des Skiverbands Schwarz­ wald blieb ihr Talent nicht verborgen. Sie er­ hielt zusätzliches Training unter Anleitung von Bezirkstrainer Axel Dorer aus Furtwan­ gen. Ein neuer Lebensabschnitt als Leistungs­ sportlerin begann, als die Elfjährige in den Förderkader des Schwarzwälder Skiverbands aufgenommen wurde. Für Kristin und auch für ihre Eltern hatte dieser Schritt gewaltige Konsequenzen, da die Leistungsanforde­ rungen enorm sind. Zwischen 24 und 30 Kristin Dorn kann auf eine erfolgreiche Saison zurückhlicken. Kinder, die von Sportwart Gerhard Beck und den Trainern Ralf und Peter Armbruster sowie Oliver Schmid nach strengen Kriteri­ en ausgewählt wurden, bilden den Kader. Aufgenommen werden Kinder und Jugend­ liche zwischen 10 und 15 Jahren. Es gibt zwei Altersklassen, in der Klasse „S 12″ sind die Zehn- bis Zwölfjährigen, in der Klasse „S 14″ die Älteren. Jedes Jahr werden im Sommer über 30 Lehrgänge abgehalten, 40 Tage wird im Schnee bzw. auf Gletschern 305

Kristin Dorn tram1ert. Dazwischen gibt es Konditions­ lehrgänge mit Laufen und Radfahren sowie Mattensd1anzenspringen in Schönwald und Neustadt. Darüber hinaus müssen die jun­ gen Sportler dreimal wöchentlich ein eige­ nes Konditionstraining nach einem indivi­ duell abgestimmten Trainingsplan absolvie­ ren. Ab Mai beginnt die Saison und die Wo­ chenenden gehören ganz dem Skisport. Zur Betreuung der Talente hat der Skiver­ band einen hauptamtlid1en Trainer mit einer A-Trainerlizenz eingestellt. Oliver „Beefy“ Schmid kümmert sich um die sportliche und organisatorische Betreuung und gibt mit viel Einfühlungsvermögen mand1 päda­ gogisd1e Hilfestellung in schwierigen Situa­ tionen. Dass der Verband mit der Einrich­ tung des Förderkaders auf einem guten Weg ist und sein Ziel – die Heranführung der Teilnehmer an die nationale und internati­ onale Spitze – erreicht, beweisen die Erfol­ ge von Kristin Dorn. Mit 12 Jahren wurde sie Bezirksmeisterin 1996/97 im Bezirk Mittelschwarzwald. Als einzige Teilnehmerin konnte sie sich in zwei Disziplinen durchsetzen und siegte im Sla­ lom und im Riesenslalom. Auch 1998 setz­ te sie ihren Erfolg fort: Im Februar wurde die alpine Stadtmeisterschaft: am Sägehoflift: in Urad1 ausgetragen und in separater Wertung auch die jeweiligen Vereinsmeister ermittelt. In der Klasse „S 12″ war Kristin Dorn erfolg­ reichste Sportlerin, zugleich lief sie die beste Zeit aller weiblichen Teilnehmerinnen und wurde so mit 13 Jahren Stadt- und Vereins­ meisterin. Beim „Scott-Cup“, einem wichti- Ski-Club 1 Stetten a.k.M. Der grtjßte Erfolg ihrer bisherigen Karriere feierte Kristin Dorn in Schetteregg, wo sie Landes-Schülermei­ sterin im Riesenslalom wurde. 306

gen baden-württembergischen Schülerren­ nen, das in Adelboden in der Schweiz durchgeführt wurde, stand sie dreimal auf dem Siegertreppchen. Mit fast einer Sekun­ de Vorsprung gewann sie in ihrer Lieblings­ disziplin „Super G“, im Slalom belegte sie Platz drei und im Riesenslalom Platz zwei. Vordere Plätze folgten bei den baden-würt­ tembergischen Meisterschaften, dem Leki­ Pokal in Mellau, und dem „Scott-Cup“ des Schwarzwälder Skiverbands. Erneut wurde Kristin Bezirksmeisterin im Slalom und Rie­ senslalom. Riesenslalom als beste Disziplin Die Rennsaison 1999 begann mit einem Schock und der Erkenntnis, dass zu einer erfolgreichen Karriere die Überwindung von Verletzungspech und Rückschlägen gehört. Einen Tag vor dem ersten Rennen brach Kristin den Daumen und musste bei weite­ ren Wettkämpfen mit einer Gipsbandage an den Start gehen. Beste Platzierung in diesem Jahr war der dritte Rang im Riesenslalom bei den Schwarzwaldmeisterschaften. Ein guter Erfolg war ihre Teilnahme am Deutschen­ Schüler-Cup in Ofterschwang, der auf der Welt-Cup-Kandahar-Strecke ausgetragen wurde. Mit dem vierten Platz in ihrer Al­ tersgruppe im Riesenslalom war sie beste Schwarzwälderin. Fulminant dann der Start in das Jahr 2000. Anfang Januar erreid1te Kristin Dorn beim Eröffnungsrennen des Skiverbands Schwarz­ wald am Mehliskopf den dritten Platz im Slalom. Beim gemeinsamen Eröffnungsren­ nen vom Skiverband Schwarzwald und vom Schwäbischen Skiverband eine Woche spä­ ter in Mellau konnte sie sich über zwei drit­ te Plätze im „Super G“ und Riesenslalom so­ wie über einen vierten Platz im Slalom freu­ en. Ende Januar, bei den Schwarzwald­ Schülermeisterschaften in Urach konnte witterungsbedingt nur der Riesenslalom aus­ getragen werden, den Kristin als Zweitplat­ zierte abschloß. Beim deutschen Schüler- Sport Cup in Mellau wurde sie 11. im Riesensla­ lom und 14. im Slalom. Beim Finale des deutschen Schüler-Cups in Oberstdorf (17.-19. März) stand sie jeweils zweimal mit dem sechsten Pokalplatz im Riesenslalom auf dem Siegerpodest. Vorläufiger Höhepunkt ihrer Erfolge aber war der Sieg im Riesenslalom bei den alpi­ nen Landes-Schülermeisterschaften im Feb­ ruar in Schetteregg im Bregenzerwald. Hier belegte sie auch den zweiten Platz im Sla­ lom. Mit ihrem Sieg ist sie das erste Vereins­ mitglied des SC 1900, das eine baden-würt­ tembergische Meisterschaft gewinnen konn­ te. Besonders freut man sich in Donau­ eschingen, dass Kristin dem Verein dieses Geschenk im 100. Jahr seines Bestehens mad1te. Dies wurde dann auch bei einem kurzfristig anberaumten Empfang gebüh­ rend gefeiert, wobei Trainer Hansi Ewald und Vereinsvorsitzender Rainer Weishaar die Siegerin würdigten. Kristin Dorn steht erst am Anfang ihrer Karriere. In der DSV-Rangliste des Jahr­ gangs 1985 hat sie Platz zwei in Baden­ Württemberg und Platz neun in Deutsch­ land inne. Aufgrund dieser Erfolge wurde die 15jähri­ ge zu den Aktiven in den D-Kader des Deut­ schen Ski-Verbandes berufen. Wenn die Realschülerin weiterhin den schwierigen Ba­ lanceakt zwischen Schule und den Anforde­ rungen des Leistungssports meistert und von schweren Verletzungen verschont bleibt, kann sie den Weg an die Spitze schaffen. Helmut Rothermel 307

Sport Europameisterschaft im Distanzreiten Teilnehmer aus 15 Nationen absolvierten in Donaueschingen einen 120 Kilometer langen Ritt Dämmerung liegt noch über dem fürstli­ chen Park in Donaueschingen. Gegen sechs Uhr auf dem Weg in Richtung Startfeld hin­ ter dem Springplatz reiten bereits kleine Gruppen ihre Pferde warm. Kamerateams sind auf den Beinen, suchen den besten Auf­ nahmeplatz für den Start. Durch den Laut­ sprecher der Springplatzanlage ertönen die Zeitansagen, nur nod1 drei Minuten zum Start. Die 81 Teilnehmer aus 15 Nationen der „Europameisterschaft der Distanzreiter für Junge Reiter und Junioren“ haben sich derweil auf dem Startfeld zum Massenstart zusammengefunden. Die Pferde sind nervös, und dann gibt Juliette Mallison, die Präsi­ dentin des „Vereins Deutscher Distanzreiter und -fahrer“, mit der Fahne das Startzei­ chen. Ein dumpfes Geräusch hunderter Hufe erfüllt die Luft, der Boden vibriert. Wenige Augenblicke später sind die Pferde samt Reiter versd1wunden im Morgengrau­ en, unterwegs auf ihrem 120 Kilometer lan­ gen Ritt durch den fürstlichen Park und das Ried in Richtung Hüfingen und Bräunlin­ gen. Nur wenige Zuschauer, einige Landwirte und Pferdenarren, säumen zu dieser frühen Morgenstunde an der Eisenbrücke in All­ mendshofen den Weg. Unterhalb der Kirche St. Remigius, an der Hof­ einfahrt zur Löwenbrauerei, warten dann zum ersten Mal die Begleit­ mannschaften, mit ihren Autos dem Feld immer etwas voraus, auf die Reiter. Mit Jubel wird die erste Gruppe empfangen, unter ihnen auch die drei Söhne des Scheichs der Vereinigten Arabischen Emira­ te, Rashid, Hamdan und Maktoum Bin Mahd. Al Maktoum. Im Trab geht es um den Löwen­ kreisel, Plastikflaschen mit Wasser werden den Reitern gereicht, die den Inhalt über Kruppe und Hals ihrer Pferde schütten, ohne auch nur einen Moment lang zu verwei­ len. Dieses Bild der im Trab voran­ kommenden Gruppen wird sich in den kommenden Stunden kaum ändern, wenn es über Dittishausen und Friedenweiler nad1 Kleineisen­ bach durch den Schwarzwald wie­ der in Richtung Baar geht. Das an­ fanglich so dicht beieinander lie­ gende Starterfeld zieht sich jedoch allmählich auseinander. Nur noch wenige Minuten entfernt ist die führende Reitergruppe vom Reitsportzentrum Tanneneck bei Dillishausen. Dort war­ te/ der erste Veterinärcheck auf die Pferde. 308

Distanzreiten Die Mitglieder des Begleitteams untersuchen das führende Pferd. ,, Grünes licht‘: ob Reiter und Pferd auch weiterhin im Rennen bleiben, gibt jedoch der Tierarzt. Unten: Am Abend vor dem Ereignis, Mitglieder des deutschen Teams gönnen sich mit ihren Pferden noch einige ruhige Minuten. 309

Sport Auch das Donaueschinger Fürstenhaus pflegt die Araberzucht. Die Tiere wurden beim Rahmenprogramm zur Europameisterscha.fi dem Publikum vorgestellt. 1 .!,/ Distanzreiten hat seinen Ursprung beim Militär, fand von dort den Sprung in den Sport und wurde einige Zeit relativ unkon­ trolliert betrieben. Als bei einer Veranstal­ tung in Frankreich in den l 970er Jahren vier Pferde vor Erschöpfung starben, zogen die Franzosen die Notbremse, unterwarfen die­ se Reitsportdisziplin einem strengen Regle­ ment. Bereits im Vorfeld zu einer Veranstal­ tung wie der Europameisterschaft in Do­ nauesd1ingen werden Reiter und Pferd über einen langen Zeitraum bis wenige Stunden vor dem Ritt von einem Veterinär einge­ hend beobachtet: die Gänge der Tiere dür­ fen nicht lahm sein, der Kreislauf muss sta­ bil und der Puls ruhig sowie der Rücken oh­ ne Satteldruck sein. Diese Kontrollen ziehen sich in vier Veterinärchecks verteilt auf der Strecke durch die Veranstaltung. Sobald ein Pferd schwäd1elt und die vorgegebene Norm nicht erfüllt, wird es aus der Konkurrenz ge­ nommen. So mancher Reiter verstand auch während der Donaueschinger Veranstaltung die Welt nicht mehr, als für ihn und sein Pferd kurzfristig das Aus kam. Die Kontrol­ len dienen jedoch der Sicherheit und dem Wohl der Teilnehmer und letztlich auch dem Ansehen dieser Sportart. Eine starke europäische Mannschaft, die auf diesen Grundsteinen bereits seit Jahr­ zehnten aufbaut, ist die französische. In Frankreich gibt es seit langem auch eine Pferdezucht, die sich dem Distanzritt ver­ sd1rieben hat. Für den Distanzritt eignen sich besonders die relativ kleinen Pferderas­ sen, die kompakt und drahtig sein und ihren Rhythmus im Tempo über lange Strecken beibehalten sollten. Die Franzosen setzen besonders auf die Pferderasse der Araber. Auch in Deutschland findet diese Form des Pferdesport immer mehr Freunde, beson­ ders bei der Jugend. Allerdings ist hier das Pferdepotential noch nicht so homogen wie in Frankreid1. Im gestreckten Galopp geht es nach 120 Kilometern durchs Ziel im fürstlichen Park. Lag zu diesem Zeitpunkt der Spanier Miguel Casas noch vor seiner Landsmännin Merce 310

Oms Molist, änderte sich das Bild nach dem letzten Veterinärcheck zu Gunsten Molists. Casas Pferd lahmte und wurde samt Reiter disqualifiziert. Merce Oms Molist wird mit einer Endzeit von 6,39 Stunden Europa­ meisterin der Distanzreiter. Als Gastgeber­ land hatte Deutschland zwölf Reiter an den Start geschickt, die in der Einzel-, aber auch in der Mannschaftswertung unterwegs wa­ ren. Rebecca Arnold wurde als beste Deut­ sche zwölfte, die deutsche Mannschaft wur­ de fünfte, hinter den Vereinigten Arabischen Emiraten, Frankreich, Belgien und Schwe­ den. Da die Vereinigten Arabischen Emirate außer Konkurrenz ritten, belegte Deutsd1- land letztlich den vierten Rang. Stefan Limberger-Andris Rechts: Die Spanierin Merce Oms Molist bewältig­ te den 120 Kilometer langen Ritt in 6,39 Stunden. Julielle Mallison, Präsidentin des „ Vereins Deut­ scher Distanzreiter und fahrer‘: war stolz auf die Leistung der Teilnehmer. Unten: Dasftanzösische Team holte sich den ersten Platz bei der Distanzreiter-EM. Distanzreiten 311

Lyrik der Heimat Lyrik der Heimat Zum Forellenfischen nach Triberg Wie Ernest Hemingway Triberg besuchte 23. Kapitel/ Almanach 2001 ,,Nad1 dem Krieg pamteten wir einen Fo­ rellenbach im Smwarzwald, und es gab zwei Wege, die dorthin führten. Einer ging durm das Triberger Tal hinab und schlängelte sim an der Talstraße entlang im Schatten der Bäume, die die weiße Straße einsäumten, und dann eine Seitenstraße hinan, die durch die Hügel hinauf­ führte, an einer Menge kleiner Anwesen mit großen Sd1warz­ waldhäusern vorbei, bis jene Straße den Bach überquerte. Hier begann unser Fischwasser.“ Man smrieb das Jahr 1922, als ein junger Mann namens Ernest Hemingway, aus Paris kom­ mend, in Triberg Station mach­ te. Er hatte bereits in der Um- gebung von Chicago, seiner Ernest Hemingway Heimat, und in der Sd1weiz Fo­ rellenbäche ,,leergefischt“. Nun war er nach Deutschland gekommen, in den Sd1warz­ wald. Nach Triberg, wo er hoffte, seiner An­ gelleidensmaft nachgehen zu können. Doch das war zu dieser Zeit nicht so einfad1. 1922 erreichte auch in Triberg die Inflati­ on ihren Höchststand. Für einen Dollar konnte der Amerikaner Ernest Hemingway, der mit seiner ersten Frau Hadley und zwei Freunden nam Triberg kam, 1000 Papiermark erhalten. Für einen Angelplatz in Tribergs Bächen verlangte der Besitzer von ihm zwei Dollar. Das mochte der 23jährige Heming­ way nun gar nimt und blieb zugeknöpft. Ei­ nerseits wollten die Triberger die währungs­ beständigen Dollars, andererseits wollte sich Hemingway nicht ausnehmen lassen. ,,Wir wurden unnachgiebig, beharrlim und schweigsam . … Schließlich einigten wir uns auf einen Kompromiß und zahlten 1200 Mark für einen Angelplatz, ohne ihn gese­ hen zu haben“, konnten später die Leser des ,,Toronto Daily Star“ lesen. Aber sie erfuh­ ren auch, dass ihr Kor­ respondent aum Schwie­ rigkeiten hatte, die ent­ sprechende Angelerlaub­ nis zu bekommen. Er fischte deshalb „schwarz“, bekam ein schlemtes Ge­ wissen und erhielt dann vom Nußbacher Bürger­ meister die mündliche Er­ laubnis, dort im Nußbad1 Forellen angeln zu dür­ fen. Jedenfalls verstand er ihn dahingehend. Die Eindrücke, die He­ mingway in den ersten Jahren seiner zunächst journalistischen, später schriftstellerischen Laufbahn sammelte, sind heute namzule­ sen. Im „Schnee von Kilimandsd1aro“ (1949 in deutscher Übersetzung bei Rowohlt er­ schienen) läßt er seinen sterbenden Prota­ gonisten in Afrika sich an Deutschland er­ innern – ,,Nam dem Krieg pachteten wir ei­ nen Forellenbach … „. Damit hat er der Schwarzwaldstadt, die vor dem Ersten Welt­ krieg ein bedeutender Kurort war, ein inter­ nationales, literarisches Denkmal gesetzt. Das freut die Triberger. Und längst hätten sie es ihm durch Gedenktage und derglei­ men gedankt, wenn er nicht – ja, wenn er nicht auch weniger schmeichelhafte Dar­ stellungen des Schwarzwaldes und seiner Bewohner verbreitet hätte. Nachzulesen in den „Reportagen 1920-1924″ und den „49 Depeschen“. Da ist von „kamelgesichtigen“ 312

Ernest Hemingway ger Mann, großer Liebhaber zahlreicher Frauen, Genußmensch, der auch exzessiv aß und trank, gesehen werden. Aber die mei­ sten Heldentaten erlebte er nur auf dem Pa­ pier. Und auch das liest sich gut. In Triberg sollen nun jeweils im Juli „He­ mingway-Days“ an den Schriftsteller und seine Werke erinnern. Das tun die Amerika­ ner in Key West, dem ehemaligen Wohnort Hemingways, schon lange und sie freuen sich über die Triberger Initiative. Renate Bökenkamp Qyellen: Ernest Hemingway, ,,Schnee auf dem Kili­ mandscharo“, rororo 1994, Seite 97; ,,Angelparadies Baden“, Tue Toronto Daily Star, 2. September 1922, aus .Reportagen 1920-1924″, rororo 1990, Seiten 182-187. Bauersfrauen die Rede, von schmutzigen Gasthöfen, von unfreundlichen Wirten. Kein Wunder, sagen die Hemingway-Ken­ ner, im Schwarzwald mochte zur problema­ tischen Zeit der Inflation jeder Fremde, ob nun Ausländer oder nicht, ein Dorn im Au­ ge derjenigen gewesen sein, die Not litten und sich nichts leisten konnten. Hemingway in Triberg, das ist Geschichte – Triberg in der Weltliteratur, das ist eine Tatsache. Beides bewog 1999 eine Handvoll Frauen und Männer, zum 100. Geburtstag des amerikanischen Schriftstellers, der mit ,,Fiesta“ und „Der alte Mann und das Meer“ Weltruhm erlangte und der den Literatur­ Nobelpreis erhielt, eine Festwoche zu ver­ anstalten. Damit stand die Schwarzwald­ stadt einzig in Deutschland da. Lediglich Bars oder Hotels, die Hemingways Namen tragen, luden zu „Events“. Ganz unproble­ matisch – also typisch Hemingway – ging diese Festwoche aber auch nicht ab. Denn den Schriftsteller, der sich 1961 das Leben nahm, holen noch nach seinem Tod die Le­ genden ein, die er selbst wob: Er wollte als Kämpfer, Großwildjäger, Angler, als kerni- Die Gedenktafel des „Lions Club Triberg“ erinnert schon seit langem an den Besuch des berühmten Schrift­ stellers. Nun gibt es in Triberg, wie auch in der ameri­ kanischen Heimat Hemingways, Key West, jeweils im Juli ein Festival zu seinen Ehren. 313

Lyrik der Heimat Schwarz – weiß – grau Oder: Die Wahrheit ist immer eine andere Als Bettina das erste Mal zu einer Beerdi­ gung ging, war sie zwölfJahre alt. Der Nach­ bar war gestorben, ein entsetzlid1 muffliger, Kinder hassender Mann, der ein Bein nach­ ziehend nie die Chance hatte, einen dieser Lausebengel oder dummen Puten zu erwi­ schen. Was hatten sie ihn gefoppt, und nun war er tot. Die Erwachsenen machten daraus ein tagesfüllendes Thema, auf dem Hof, am Müllkasten, im Keller oder wo immer sie sich trafen. Der gar nicht beliebte Mann hin­ terließ eine verhärmte Frau, die wohl im Umgang mit ihrem Mann sprachlos gewor­ den war. Jedenfalls sagten das die Erwachse­ nen. Und dass diese Beerdigung wohl eine ganz Besondere werden müsse bei so viel Un­ frieden, den er gesät hatte. Also ging Bettina hin mit ihrer besten Freundin, die zwei Jah­ re älter war und schon Beerdigungs-Erfah­ rung hatte: ,,Komm‘ mal mit“, hatte die ge­ sagt, ,,dann ]ernste, wie det jeht. Et wird je­ heult und jelogen, dass sich die Balken bie­ gen.“ In Berlin pflegte man sich so auszudrücken. ,,Und im übrigen ist det wie ne Impfung. Haste eene Beerdjung hinter dir, kannste alle anderen ooch durchste­ hen.“ Das war ein überzeugendes Argu­ ment. Der Weg zum Friedhof war mit Erwartun­ gen bestückt. Werden wohl viele kommen, womöglich die ganze Hausgemeinschaft oder gar der ganze Häuserblock? Was wird der Pfarrer sagen bei dem Muffelkopp, der da verblichen ist. Wird es viele Kränze ge­ ben? – Es gab viele Kränze und es kamen Leute, die keiner kannte. Und die Hausge­ meinschaft war fast vollzählig vertreten, nur Bettinas Mutter nicht, die musste arbeiten. Und das war Bettinas Glück, denn die Mut­ ter hätte ihr verboten, auf die Beerdigung zu gehen, wo doch das Töchterchen gar so gar­ stig zu dem Verstorbenen gewesen war. 314 Die Backsteinkapelle auf dem Friedhof war voller Menschen. Am Harmonium sass ein pickliger junger Mann, der dem Anlass gemäß bedächtig spielte. Die Trauergemein­ de sang entsprechend lustlos. Und dann sprach der Pfarrer von einem Mann, dessen Ableben ein großer Verlust sei, der in sei­ nem Leben viel erlitten und erlebt habe, der die Jahre nach dem Krieg mit Schmerzen le­ ben musste und trotzdem Gutes tat. Bettina, die schon immer gern zuhörte, wenn ande­ re Interessantes erzählten, traute ihren Oh­ ren nicht. Sie stieß ihre Freundin an, die flü­ sterte ihr zu: ,,Wat hab ick dir jesacht: Iss al­ les jelogen.“ Bettina war entsetzt. Später am Grab sprach einer von den „Kriegskamera­ den“, die Wohnungsverwaltung hatte einen Redner geschickt, alle warfen Blumen oder Erde ins Grab. Die Witwe weinte, einige schluchzten. Bettina und ihre Freundin ver­ folgten das Ganze aus sid1erer Entfernung, von einem Strauch verdeckt. Später hörte Bettina von den Erwachse­ nen, dass es doch eine schöne Leiche gewe­ sen sei. Die Witwe hatte noch zum Kaffee in die Friedhofs nahe Kneipe eingeladen und sie war ganz und gar nicht sprachlos. Er sei ja im Grunde ein passabler Kerl gewesen, immer noch fesch, wenn da nicht das steife Bein und die Sd1merzen gewesen wären.Ja, wenn man das gewußt hätte, die Frau sagte ja nichts, vielleid1t hätte man da zu Lebzei­ ten dem Mann etwas mehr vertrauen sollen. Aber so mit Kindern konnte er ja gar nicht. Ja, wenn man die Wahrheit gewusst hätte … Die Wahrheit – Bettina schluckte, was war die Wahrheit? Die Genossin nebenan schin1pf­ te gegen den „Aggressor“ und las Westzei­ tungen, das halbe Berlin sollte die Haupt­ stadt der DDR sein, aber wie kann eine Hälfte etwas sein, was nur als Ganzes etwas ist, die Lehrer warnten vor imperialistischem

Schwarz·weiß·grau I Schah von Persien Wahrheit ein schwierig Ding ist. Wahrheit kann wehtun, aber auch vor Verirrungen schützen, Wahrheit wird in diplomatisch verschlungene Worte verpackt oder als Ra­ chefeldzug genutzt, oftmals wird die Wahr­ heit auch nicht geglaubt, dann gibt es noch Deine Wahrheit, meine Wahrheit … und sie verloren sich in Schilderungen ihrer Erleb­ nisse im Umgang mit der Wahrheit. ,,Weeste wat“, sagte ihre Freundin, die in die Jahre ge­ kommen ihren Berliner Dialekt einfach nicht ablegte, ,,am besten iss, man kiekt je­ den Morjen in den Spiegel. Und wenn ick mir ehrlich in’t Jesicht kieken kann, dann is­ ses jut.. Und wenn ick ehrlich bin zu mir selbst, dann solln mir doch die andern mit ihrem verlognen Jequatsche jestohlen blei­ ben.“ ,,Und irgendwie finden sich die Ehrli­ chen ooch“, schloss sie ihren Kommentar. Darauf bestellten die Freundinnen einen Sauern mit Persico und erinnerten sich fröh­ lich kichernd an Bettinas erste miterlebte Beerdigung. Renate Bökenkamp Gedankengut, gingen aber nachmittags in Westberlin einkaufen. Vor dem Mauerbau. Danach war die streitsüchtige, ungeliebte Tante in Westberlin eine plötzlich gern ge­ sehene Frau, wenn sie Kaffee und Nivea mit­ brachte. Und wenn die Hausmeisterin die Anwesenheit ihres Mannes leugnete, lag der garantiert stockbesoffen in ihrem Wohn­ zimmer. Dass der Sozialismus eines Tages siegen sollte, glaubte angesichts der Lebens­ mittelknappheit ohnehin kaum einer. Nichts wie Lüge, stellte sie fest, holte ihre Freundin ab, sie sparten sich die 20 Pfenni­ ge Fahrgeld für die Straßenbahn und liefen die drei Stationen bis zum Licht- und Luft­ bad in der Wuhlheide. Dort holten sie sich für die gesparten Groschen ein Eis, lagen in der heißen Sonne und beschlossen, den Er­ wachsenen den Kampf gegen die Lüge an­ zusagen. ,,Aber wir sind immer ehrlich, ja?“, fragte Bettinas Freundin. ,Ja, das wollen wir sein“, versprachen sie sich mit dem Erfolg, dass ihre jeweile Note in Betragen in den Keller rutschte. Als sie sich viele Jahre später wieder trafen, stellten sie fest, dass der Umgang mit der Der Schah von Persien Eine Schneidergeschichte aus Mönchweiler Vor dem Jahr 1900 war das Schneider- und Schuhmacherhandwerk neben der Land­ wirtschaft die einzige Möglichkeit für die Mönchweiler Menschen, ihr täglich Brot zu verdienen. So war dies auch mit dem Schnei­ dermärte und seiner Frau Marie. Trotzdem hob sich letzterer aus der Mehrheit der Mönchweiler Schneider insofern hervor, als er in städtischer Kleidung herumlief, die zeigte, daß er nicht hier geboren war und wenn man ihn sprechen hörte, so fand man dies bestätigt, denn der Märte sprach hoch­ deutsch. So bissig auch die Bemerkungen der Leute waren, sein Hochdeutsch gab er nicht auf. Märtes Wiege stand im Unterland, in Durlach, am Fuß des alten Markgrafen­ schlosses. Dort wurde er in die Geheimnisse der Schneiderkunst eingeweiht und zwar mit solchem Erfolg, daß er in Karlsruhe, wo er als Gesell ein Jahr lang gearbeitet hatte, von seinem Meister die Anfertigung eines Fracks für einen wirklichen Baron anvertraut be­ kam. Danach hat er sich auf die Wander­ schaft begeben, ist rheinaufwärts bis Basel und Schaffhausen gekommen, in die Schweiz und wollte dann eigentlich um den Schwarzwald herum nach Durlach zurück­ kehren. 315

Lyrik der Heimat Er hat seine Heimat jedoch nie wieder ge­ sehen, denn als er eines schönen Tages in Mönchweiler einmaschierte, das Bündel auf dem Rücken, ein Lied auf den Lippen, da trug man gerade den Schneider Christian zu Grabe und der Hirschwirt, bei dem der Mär­ te einkehrte, meinte, er solle doch mal bei der Marie anfragen, ob sie ihn nicht als Ge­ sellen einstellen wolle. Das tat er dann auch und wurde von der Marie um so lieber an­ genommen, als ihr Seliger so plötzlich von hinnen geschieden war und verschiedene Aufträge noch unerledigt waren. Der Märte war ein fleißiger Schneiderge­ selle und hatte angenehme Manieren, was der Marie sehr gefiel, obwohl er gut einen Kopf kleiner war als sie. Eines Tages fragte sie ihn kurz und bündig, was er von einer Ehe mit ihr halte. Der Märte war zwar ver­ blüfft:, überlegte sich die Sache jedoch nicht sehr lange, sondern willigte ein, hatte sie doch ein Haus, ein Stück Feld dazu, eine Kuh im Stall und die Schneiderei trug auch genügend bei. Und schließlich war die W it­ we ein ansehnliches Frauenzimmer und es hatte ihm bisher red1t gut bei ihr gefallen. Wenn er erst Herr im Hause war, würde es noch besser werden. So schlug er kräftig in ihre Hand ein, stellte sich auf die Zehen­ spitzen und empfing zum Zeichen, daß er in alle Rechte des seligen Christians eintrete, von ihr den ersten Kuß. Ein paar Wod1en später waren sie Mann und Frau. Marie wollte aber wie bisher aud1, die Zügel wei­ terhin fest in der Hand behalten. Zuerst mißfiel dem Märte dies und er wollte seinen eigenen Kopf durchsetzen. Aber die Versu­ che, die er machte, schlugen alle fehl. Als er zum erstenmal an einem Montag blau machte und im Hirschen beim Schoppen saß und von seinen Erlebnissen von der Wanderschaft erzählte, ging plötzlich die Tür auf und Marie trat mit blitzenden Au­ gen ein. Märte wurde es zwar eigentümlich Aau im Magen, trotzdem fasste er sich und rief ihr mit erzwungenem Lächeln zu: ,,Ei, das ist hübsch, mein Weibchen, daß du aud1 316 kommst. W illst du mithalten?“ Dabei streckte er ihr sein volles Glas hin. Grollend meinte sie jedoch „Weisch nit, daß deheim gnueg zu schaffe isch? Los, komm heim!“ Sofort machte er sich auf den Weg und füg­ te sich seither wohl oder übel in das Un­ abänderliche, und wenn er sich auch manch­ mal im W irtshaus, wo sie ihm sonntags gnä­ dig sein Schöpplein gestattete, dadurch räch­ te, daß er von seinem Hauskreuz oder gar von seinem Hausdrachen redete, war er da­ heim dann wieder der fügsamste Ehegatte, den Gottes Sonne je beschienen hatte. Eines Morgens, nachdem er sich nach der Mor­ gentoilette angekleidet hatte, lächelte er Ma­ rie an, nachdem diese ihm wieder einmal wie so oft schon vorgeworfen hatte, daß er ein fauler Kerl geworden sei, und meinte, daß er in der Nacht einen Traum gehabt ha­ be, der etwas ganz besonderes für ihn be­ deute. ,,Was hesch?“, fragte Marie, die steif und fest auf Träume schwörte, hat sie doch als Mädd1en geträumt, sie werde drei Män­ ner bekommen. Den zweiten hatte sie schon, also ist ihr Traum auf dem besten Weg in Er­ füllung zu gehen. ,,En Traun hesd1 ket? Ver­ zell, Märte!“ Und dabei rückt sie das Kaffeegeschirr auf den Tisch zurecht und gießt die dampfende braune Brühe in die Tassen. Märte nimmt bedächtig Platz am Tisd1, greift nach seiner Kaffeesd1ale mit der Aufschrift „Dem Haus­ herren“, bläst ein paar Mal drüber hin, stemmt die Ellenbogen auf und hebt die Schale mit beiden Händen zum Munde, um sich mit langsamen Schlürfen den Chicoree­ absud zu Gemüte zu führen. Marie sitzt ihm erwartungsvoll gegenüber, ungeduldig mit den Fingern der Rechten auf der Tischplatte trommelnd. isch mit dem Traum?“, fragte sie nochmals gespannt. ,,Al­ so, höre“, meinte der Märte. ,,Mir träumte, ich wäre in einem großen Saal. Der war fast so groß wie die ganze Residenz in Karlsruhe. Die Wände waren aus Gold und Alabaster. An der Wand aber stand ein großer Thron aus lauter Diamanten und Edelsteinen und ,,Also was

schon holte die Ergrimmte zum zweiten Mal aus. ,,Dir will ich din Schah ustriebe, du bisch d’längste Zit Sd1ah von Persien gsi!“ – Dabei langte sie nach dem Besen, der in der Ecke stand und stürzte damit auf den ent­ setzten Märte los. „Marie, um Himmels willen, sei doch so gut. Stell doch den Besen weg! Ich versprech dir’s ja, bei allem, was mir hoch und heilig ist, ich will nie wieder Schah von Persien werden, nie wieder!“ -Es bedurfte aber lan­ gen Bittens und Flehens, bis der Schneider sein erzürntes Weib besänftigt hatte. Ganz ohne Strafe aber kam er nicht weg: Der sonntägliche Wirtshausbesuch wurde ihm bis auf weiteres verboten. Das war aber noch nicht das Schlimmste, was ihn traf. Das Unglück hatte es gewollt, daß der Metzger Johann von der Straße aus den ehelichen Disput, den Märtes schöner Traum hervorrief, mit angehört hatte. Es war ihm natürlich eine Gaudi sondergleichen, die Geschichte im Ort herumzutragen. Und so kam es, daß der Märte ab sofort bei groß und klein nicht anders hieß als „der Schah von Persien“. Dieter Eberhard Maier Lyrik der Heimat eine Treppe aus Gold führte hinauf.“ -,,Und du bisch au in sällem Saal gsi, Märte?“ -,,Frei­ lich war ich drin. Ich war ja die Hauptper­ son. Id1 saß auf dem Thron und hatte einen roten Frack an mit goldenen Knöpfen und seidene Hosen dazu und hohe Stiefel von Glanzlack. Auf dem Kopf hatte ich einen Turban und um den Hals an einem roten Bande einen großen Stern von Diamanten und ein Schwert in der Hand mit lauter Kar­ funkeln besetzt. Plötzlich rief eine Stimme ,,Es lebe Seine allergnädigste Majestät Mar­ tin, der Sd1ah von Persien!“ -,,Was für e Schaf?“ fragte Marie und sah ihren Mann wie versteinert an. -,,Da stand ich auf und sofort war alles still. Und ich sagte huldvoll und freundlich: Ich danke euch, meine lie­ ben persischen Untertanen, und nun lade ich euch alle zum Festessen ein.“ -Marie lief das Wasser im Munde zusammen, denn sie war durchaus nicht unempfänglich für gute und reichliche Kost. Auf ihre Frage, wo sie selbst denn bei diesem Festessen gesessen habe, meinte der Märte: ,,Du warst nicht da­ bei, denn du warst gar nicht meine Frau!“ – ,,He, was seisch? Ich sei nit die Weib gsi?“ und in ihren Augen blitzte es unheilver­ kündend auf. Er merkte es jedoch nicht, da er viel zu sehr mit seinem Traum beschäftigt war und eifrig fährt er fort: ,,Als das Fest­ mahl zu Ende war, sagte der Minister zu mir ,,Majestät, wollen Sie jetzt nicht in ihren Ha­ rem gehen?“ -,,Freilich“, sagte ich, ,,das hätt ich fast vergessen, und steh auf und gehe in einen dritten Saal. Als ich da hineinkomme, sprangen mir meine Frauen entgegen“ – „Wer isch dir entgege gschprunge?“ fragte Marie, indes das Blut ihr ins Gesicht stieg, und steht langsam vom Stuhl auf. ,,Meine Frauen“, erzählte er harmlos weiter. ,,Denn als Schah von Persien hatte ich tausend Frauen, eine jünger und schöner als die an­ dere. Die herzten und küßten mich so innig -Au!“Er griff nach seiner Backe, auf der sich die Finger von Maries rechter Hand in dunklem Rot abzeichneten und duckte sich, denn 318

Graf ‚On Baldingen Der letzte Graf von Baldingen Der Name „Baar“, so stehts zu lesen war einst ein strenger Grafenhort. Zuletzt in „Baldingen“ war gewesen ein Graf mit Namen Herr von Orth. Des strengen Grafen sterbes Hülle ein Windstoß diese jä entriss, ein Aufschrei stört die Todesstille entsetzlich Grauen um sich griff Zur Burg Baldinga die da stand am Bahngraben auf der Höh, war alle Macht in seiner Hand, der Untertanen Kreuz und Weh. Der Leichenzug hat sich versprengt aus Furcht in alle Winde. Der Sarg ist nun im Schnee versenkt, blieb liegen im Gefilde. Dieser war ein Leuteschinder der mit Salz den Wucher trieb. Geiz – und Habgier waren schlimmer als so mancher Streich – und Hieb. Als des Frühlings laue Milde Eis – und Schnee ließ brechen, denkt mit Entsetzen das Gesinde an vergangene Todesschrecken. Jener Herr und Graf von Orth alsdann kam in die Jahre, wo Gebrechlichkeit und Not ihn streckten auf die Bahre. Voller Graus – und Unbehagen Tritt man hin zur Stelle, wo Mannesfurcht und all Versagen durchquerten diese Todesschwelle. Sein Wehgeschrei, sein Fluchen, Klagen durchdrangen weithin Mark – und Bein. Zur Hölle soll er endlich fahren schwört ihm des Volkes Schar anheim. Mit Zittern und Entsetzen wurde man gewahr, daß der tote Graf der Letzte nicht mehr in dem Sarge war. Seit der Zeit, so spricht die Sage trieb es ihn als Geist umher, vielen Menschen noch zur Plage. Die Ruhe fand er nimmer mehr. Herwig Meßner So kam der Tag da auch verstummt das Stöhnen des Tyrannen. In eine Lade eingemummt trug man ihn auch von dannen. Ins Nachbardorf, wie es der Brauch den Totenweg entlang, zum Öfinger Kirchhof steil hinauf, das war sein letzter Gang. Doch plötzlich hub ein Brausen an, ein Sturm vom Himmelberg, den Leichenträgern wurd es bang, sie fürd1ten den Verderb. 319

Lyrik der Heimat Kein falscher Glanz Von dem Irrtum, nur bei Tage lohne sich der Anblick der Welt Nicht daß ich das Licht des Tages scheute, aber ich fühle mich frei von dem Irrtum, nur bei Tag lohne sich der Anblick der Welt. Auch die Nacht ist ein Teil „vom goldnen Überfluß der Welt“, und falschen Glanz kennt sie nicht. Die anregende Abendkühle und die voll­ kommene Stille lassen jetzt das Gehen ge­ nießen. Man hört den Bach nicht mehr, die eigenen Schritte nicht, schon gar nicht im Neuschnee, höchstens das Herz und den Atem, nichts ist, was den Blick und die Ge­ danken stören könnte. Die gleichen Sterne faszinierten die Stern­ deuter Mesopotamiens, ein Stern führte die Weisen aus dem Morgenland nach Bethle­ hem, welcher -es ist nicht einmal gesagt, daß es ein besonders leuchtender war, und auch von einem Schweif weiß Matthäus nichts -ist mit letzter Sicherheit auch heu­ te noch nicht zu sagen. Die Sterne zogen ih­ re Bahnen, als Platon und Aristoteles, Au­ gustinus und TI1omas ihre Bücher sd1rieben -Werke von unauslotbaren Dimensionen wie nur noch das Weltall -als Alexander durch Asien, Hannibal über die Alpen zog und Dschingis Chan den Westen erobern wollte, während der wenigen Kriege, die wir in Erinnerung haben und der vielen, von de­ nen die Weltgeschichte weiß. Man braucht nicht viele Sternbilder zu kennen, im Grunde gar keine, und kann die Sterne dennoch lieben, einfach so, wie man Mozarts „Kleine Nachtmusik“ lieben kann, ohne sich mit der Sonatenform oder der Harmonielehre beschäftigt zu haben ,,Der Freund aller Nachtwachenden, Ein­ samen“, in den südlichen Sprachen weibli­ chen Geschlechts -nicht zufällig-zuweilen 320 Und der Mond! Lebte eigentlich ein Dichter, der nicht von Sternen schrieb? übermäßig groß und voll und nah und rot, den nächtlichen Himmel und die nächtliche Erde beherrschend, zuweilen von Wolken bedeckt, zart, zerbrechlid1, von ihnen ge­ jagt, sie nur mühsam durd1dringend und wieder scheinbar für immer verborgen, seit einiger Zeit von Menschen betreten: ein großer Schritt für alle, die ihn wagen, es prü­ fe sich jeder selbst. Nur: Das Naturschau­ spiel eines Mondregenbogens kenne ich nur aus der Literatur und der Kunst. Doch damit bin ich nid1t allein. Goethe hat seiner Sehnsucht nach den Sternen in der „Heil’gen Nacht“ Ausdruck gegeben. Man hört das Gedicht in Beetlio­ vens Vertonung zur Weihnachtszeit, obwohl es kein Weihnachtslied ist. Schillers „Ode an die Freude“ enthält den unvergleichlich schönen Vers: ,,Brüder, überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen.“ Faust fordert vom Himmel die schönsten Sterne, Wallen­ stein glaubte sein Sd1icksal aus den Sternen ablesbar, und im „Tell“ greift der Gedrückte „Hinauf getrosten Mutes in den Himmel Und holt herunter seine ew’gen Rechte Die droben hangen unveräußerlich Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst.“ Kann man dramatischer von den Sternen sprechen? Einer konnte es. Unvergeßlich, erschütternd, beängstigend sein Wort: ,,Die Sterne werden vom Himmel fallen … “ Doch wollte man alle Zitate der Literatur bis zur Modeme, in der die Sterne zu Kaldaunen (Eingeweiden) pervertiert wur­ den, sammeln: wo fände man ein Ende? Indessen: Nicht immer öffnet sich dem

Spaziergänger die Nacht mit ihrer Herrlich­ keit und nicht immer beim ersten Schritt. Oft geht er in die Dunkelheit hinein, die um diese Stunde sonst so scharfe Silhouette der Berge ist unkenntlich geworden, es ist wie in vielen Nächten, kalt oder feucht oder un­ durchdringlich-finster, so daß er es sich überlegt umzukehren, seine Gefühle blei­ ben unerweckt. Aber er geht weiter. Fragen verfolgen ihn zunächst. ,,Warum ging mir die Arbeit nicht von der Hand? Wie war die Bemerkung des Kollegen heute vormittag zu verstehen?“ Alltagskram. Doch plötzlich findet ein Problem unerwartet im entspann­ ten Gehen seine Lösung, eine Sorge ist man los. Erleichterung kehrt ein. Eine neue Idee drängt zur Verwirklichung. Dem Menschen, der auf diese Weise die Ruhe, die Stille, das Schweigen sucht, ist oft nicht bewußt, daß er in einer jahrtausen­ delangen Tradition steht. Es sind Themen, Kein falscher Glanz I Wollbach-Rolli deren sich die Philosophie und die Theolo­ gie angenommen haben, also müssen es die großen Fragen der Menschheit sein. Und welch schöne Worte sind schon dafür ge­ funden worden! Welche Bilder! Welche Ver­ gleiche! Im Alten Testament zeigte sid1 Gott im Schweigen, um die Götter Griechenlands war Stille, die Mystik des Mittelalters konn­ te sich nur in der Stille entfalten. Gewiß ermöglicht dem Menschen die irenische Stimmung das „Erkenne did1 selbst!“, wenigstens einen Teil, einen we­ sentlichen, vielleicht sein Ideal, und es ist Balsam für seine Seele; in andere Tiefen sei­ nes Wesens sieht er in Situationen der Ver­ zweiflung, der Schuld, der Angst oder des stürmischen Vorwärtsdrängens. Das eine wie das andere gehört zum Menschen und zu seiner Geschichte. Karl Volk Der Wolfbach – Rolli Im Waldgebiet zwischen Unterkirnach und Herzogenweiler treibt sich ein Untier umher Oberhalb von Pfaffenweiler beginnt ein großes Waldgebiet, das sich zwischen Her­ zogenweiler und Unterkimach bis nach Vöh­ renbach erstreckt. Inmitten dieser Waldun­ gen entspringt der Wolfbach. Er grub sich in Jahrtausenden eine Senke, die an Pfaffen­ weiler und Rietheim vorbei bis in das Bri­ gachtal führt. An den Rändern dieser Senke mag es vor Urzeiten gar schauerlich geklungen haben, als noch Rudel von Wölfen in ihrer Gebor­ genheit Schutz suchten vor den eisigen Win­ terstürmen, die über die Baar fegten. Lange Zeit später, als kein Wolf mehr die Gegend verunsicherte und sein vielstimmi­ ges Geheul nur noch in den Phantasien de­ rer lebten, die in weiser Voraussicht die Er­ fahrungen ihrer Almen an die Jungen wei- tergaben, kam zu einer späten Abendstunde ein Ochsenfuhrwerk gemächlich den Wolf­ bachweg in Richtung Pfaffenweiler hinun­ tergefahren. Auf dem Bock saß ein Holz­ knecht, der den ganzen lieben langen Tag nichts anderes tat, als sich im Schweiße sei­ nes Angesichtes seine Brötchen zu verdie­ nen, die ihm die Bäuerin auch hoffentlich hingerichtet hatte, nicht zu vergessen auch den würzigen Wälderspeck und den Krug voll Most, nach dem ihm besonders gelü­ stete. Es war ungewöhnlich spät geworden, weil er, der Taglöhner, unbedingt noch den Stangenschlag heraus haben wollte, damit er anderntags ins Großholz fahren konnte, wo das tägliche Brot viel leichter zu verdienen war. Obwohl der Mond schon am Himmel stand und das Betzeitläuten im Dorf unten 321

schon längst verklungen war, trieb er die Ochsen, bis der letzte Stammen am Weg­ rand lag. Was kümmerte ihn das Geschwätz der Alten und das Gemurmel der Betschwe­ stern, die da meinen, es bringe Unglück, wenn der Segen des Herrn nicht mehr auf dem Tagwerk ruht, nur weil man seine ge­ setzte Zeit etwas überschritten hat und das Angelusgebet auf den nächsten Tag ver­ schiebt. Zum Teufel mit den alten Weibern und ihrem Geschwätz. Kaum hatte der Knecht diesen Gedanken zu Ende gedacht, als er von einem durchdringenden Geheul aufgeschreckt wurde, das einen Wimpem­ schlag lang die Stille der Nacht zerriss. Wie angewurzelt blieben die Zugtiere stehen und auch der Mann auf seinem Bock wurde steif und machte keinen Mucks mehr. Er horch­ te in das Dunkel eines Dickichts hinein, aus dem er den Schrei zu hören glaubte. So sehr er sich aber mühte, außer dem Glucksen und Plätschern des Wolfbaches drang nichts an sein Ohr. Gerade wollte der Knecht den Ochsen eins überpfitzen, um ihnen zu ver­ stehen zu geben, daß es jetzt doch besser wä­ re, sich schleunigst aus dem Staub zu ma­ chen, da erstarrte er mitten in der Bewe­ gung. Keinen Steinwurf weit entfernt löste sich eine menschenähnliche Gestalt aus dem Schatten eines riesigen Baumes, der in der Lichtung stand, die vom vollen Schein des Mondes erreicht wurde. Schon wollte der al­ te Haudegen zaghaft hinübergrüßen, als ihm der vermeintliche Fremdling langsam seine Vorderseite zuwandte. Was nun der Mann zu sehen bekam, das hätte ausge­ reicht, um auch dem verwegensten Fuhrge­ sellen ein Stoßgebet zu entlocken. Rot­ glühende Augen in einer katzenhaften Frat­ ze schleuderten wahre Blitze und hinter den hochgezogenen Lefzen bleckten dolchartige Zähne und ein drohendes Fauchen verkün­ dete Unheil. Gebannt und wie gelähmt starrten Mensch und Tier auf das Ungeheu­ er und erwarteten ihr letztes Stündlein. Doch da wandte sich das Untier langsam ab und strebte einem Dickicht zu. Jetzt erst Der Wollbach-Rolli wurde der Knecht gewahr, daß die Gestalt von einem dichten Pelz umgeben war, in dem sich allerlei Unrat sammelte und in den an manchen Stellen geheimnisvolle Zeichen eingebrannt waren. Erst nach einer gerau­ men Zeit wagte der Fuhrmann sich mit sei­ nem Gespann von der Stelle. Doch nun, wie der Bann gebrochen war, liefen die Ochsen um ihr Leben. Wie von Furien gehetzt, ris­ sen sie das Fuhrwerk mit sich fort und waren nicht eher zu bändigen, als bis sie ihre nach Luft ringenden Mäuler durch die Türe in den heimatlichen Stall stecken konnten. Doch kaum standen sie auf ihrem gewohn­ ten Platz, da fielen sie tot um. Damit nicht genug: Als nämlich am anderen Morgen der Knecht wie stets die Kühe und die Ziegen melken wollte, bekam er keinen Tropfen Milch aus den prallgefüllten Eutern. Der Zauber löste sich erst nach einigen Tagen, als der Arme gezwungenermaßen den Hof ver­ lassen mußte. Und da er auch anderswo in der näheren Umgebung keinen Lohn fand, zog er ruhelos in die Welt und wart seither nie mehr gesehen. Auch später soll es Men­ schen gegeben haben, die den ,,Wolfbach­ Rolli“, wie bald darauf der Volksmund das Untier nannte, gesehen haben wollen und immer sei auch das Unheil auf den Fuß ge­ folgt. So hätten Kühe und Ziegen keine Milch gegeben und die Muttertiere hätten tote Junge zur Welt gebracht. Und bis in die heutigen Tage haben Mütter ihren unartigen Sprößlingen mit dem „Wolfbach-Rolli“ ge­ droht, wenn gutgemeinter Tadel sich als fruchtlos erwies. Nach G. Blessing 323

Lyrik der Heimat Drum und Dran vom Auerhahn Eine lyrische Abhandlung zur Auerhahnjagd im Schwarzwald am Beispiel Vöhrenbach Lyrisch verpackt und teils in „schwarzwälde­ risch“ angereichert, hat der gebürtige Langenba­ cher Fritz R1if im Jahr 1936 in der Zeitschrift „Mein Heimatland“ die Auerhahnjagd im Schwarzwald beschrieben. Fritz Rtif (/ 902 – 1992)war ein SohnvonJosefRiif(J 873-1955), Inhaber des Gasthauses „Friedrichshöhe“ in Lan­ genbach, heute Vöhrenbach. Die Schilderungen beinhalten sowohl die Jagd selbst als auch zahl­ reiche Anekdoten, die sich im Zusammenhang mit der A uerhahnjagd ereignet haben. Es handelt sich dabei auch um Kindheitserlebnisse aus der Zeit nach 1900. Der Beitrag ist nachstehend im Original wiedergegeben und um Zwischenüber­ schriften ergänzt. Droben auf dem Schwarzwald, nah der Wasserscheide des Rheins und der Donau, wo im alten römischen Reich deutscher Na­ tion die Herrschaftsgebiete dreier Fürsten­ häuser, die Landgrafschaft Baar, das Herzog­ tum Württemberg und das Haus Österreich aufeinanderstießen, ist seit grauester Vorzeit ein Vogel heimisch, der in deutschen Lan­ den nicht oft mehr anzutreffen ist, der Au­ erhahn. In den weitläuftigen Wäldern der Marken Bubenbach, Fahlenbach, Schollach, Urach, Linach, Langenbach, Rohrbach, Kirn­ ach, die noch ein artiges Stück-Rfflle-und Ur­ tümlichkeit aus alter Zeit gerettet haben, ist uns auch dieses Edelwild erhalten geblie­ ben. Die Beschaffenheit des Waldes, die Eigen­ heit des Bodens und der Pflanzen waren der Erhaltung günstig. Moor und Ried, dessen das Auerwild bedarf, finden sich hier unver­ fälscht und darin der schlangenarmige Bär- 324 lapp, der fleischgelüstige Sonnentau, Hei­ dekraut, Binsen, Wollgras, Seggen und das alles farbenfroh belebt von Steinbeeren, Schnoz- und Heidelbeeren, der unentbehr­ lichen Nahrung des Auerhahns. Erdenfern, voll großartigen Einsamseins sind diese Hochmoore und leisten damit dem ausge­ prägten Hang des Hahnenwilds zur Einsie­ delei den besten Vorschub. Wer lauschen kann inmitten dieser verträumten Wald­ moore, wer sd1auen gelernt hat mit wachen Augen, der wird die Wunder Gottes inne, und die Wahrheit geht ihm auf jener Er­ kenntnis eines deutschen Weisen, daß all unsere Übel nur daher rühren, weil wir nicht allein sein können. Aber nicht allein die günstigen Naturbe­ dingungen sind die Ursache der Erhaltung unseres Auerhahns in der Bergwildnis des Schwarzwaldes. Es gereicht dem Fürsten ber­ gischen Hause in Donaueschingen zum Ver­ dienst, sid1 je bemüht zu haben, die Auer­ hahnjagd der Höfe und Gemeinden an den oberen Flußläufen der Breg und Brig nicht sowohl pachtweise an sich zu bringen, als insbesondere durch eine waidmännische Pflege und Hege für das Fortbestehen dieser prachtvollen Wildhühner gesorgt zu haben. In Verbindung damit werden, so hoffen wir, auch die von jedem wahren Wildfreund warm begrüßten gesetzlichen Maßnahmen des Reichsjägermeisters zum Schutz der Waldtiere ein übriges tun, den Auerhahn in unseren heimatlichen Wäldern, wo nicht in seinem Bestand kraftvoll zu vermehren, so doch wenigstens vor dem traurigen Los der Ausrottung zu bewahren. Auerhahn, das Wort ist ein gar vertrauter naturkundlicher Begriff des Wälders um die Qiellgebiete des Bachschwesternpaares

Breg und Brig. Nicht, als käme dieser Urvo­ gel dutzendweise, wie die Finken auf allen Bäumen vor, nein, verglichen mit andern Vogelarten ist er, zahlenmäßig gesehen, ein recht armseliger Vertreter in der Vogelwelt. Dazu ist er ein Fürchtebutz und Einspänner und läßt sich gerne in die Noten sehen. Es muß also ein nicht berufsmäßiger Waldgän­ ger schon von Glück sagen, wenn es ihm ge­ lingt, das Tier nicht bloß in den Wälder­ wirtschaften vom Kürschner aufgetakelt, sondern mit Leib und Leben bei seinen Ge­ wohnheiten im heimlichen Waldgrund zu bewundern. Nichtsdestoweniger ist der Auerhahn dem Wälder ans Herz gewachsen, er liebt ihn als ein wesenhaftes Stück der Heimat. Jawohl, so ist es, kaum etwas Eigeneres, Wahrzei­ chenhafteres aus dem Tierparadies jener Waldberge kann ich mir denken als den Au­ erhahn. Dem Wort haftet, besonders in der mundartlichen Aussprache, das Merkmal des Uralten, Urwaldhaften, Urwüchsigen, Ursprünglichen an. ,,Urhahn“ sagt der Wäl­ der und bezeichnet damit das schon seit Ur­ väterzeiten und noch länger Dagewesene, das Steinalte, das Erd- und Naturhafte des Vogels vortrefflich. Wie jung ist der Mensch im Vergleich zu dem ungezählte Jahrhun­ derte vor ihm in den weltvergessenen Tälern und Höhen des Schwarzwaldes angesiedel­ ten Urhahn! Nur noch ein Wort dieser herr­ lichen Art weist unsere Sprache auf im Be­ reich der Tiernamen, den urchigen Auer­ ochs, auch kurz und kernig Ur genannt, der ehestens den Schwarzwald ebenfalls bevöl­ kerte, davon die Ortsnamen Urach (bei Neustadt und bei Lenzkirch) Zeugnis able­ gen. Wem fielen nicht bei dem Gedanken an dieses mächtige, prächtige Tier die kühnen Jagdfahrten unserer Altväter in den Urwäl­ dern Germaniens ein! Kein Zufall, dieser auffallende Gleichlaut von Ur, Urhahn, Ur­ wald. Selbst die Gelehrten haben für den Urhahn ausnahmsweise einmal einen blut­ und glutvollen Namen erfunden, urogallus heißen sie ihn in der fachwissenschaftlichen Vom Auerhahn Der Auerhahn nach einer Darstellung auf einer historischen Ansichtskarte. Sprache, wobei ihnen freilich das liebe La­ tein mit dem Wort urus = Ur zu diesem Glücksfall gütig verholfen hat. Aber der gelehrte Namen kümmert den Urhahn so wenig wie den Wälderbauern, mit dem er Sommerfreund und Winterleid der Berge nachbarlich teilt. Sobald die lan­ gen Winternächte überstanden und die Bergföhren den letzten, lumpigen Schnee aus den Wipfeln schütteln, wenn die Birken ins Laub schießen und die Goldblüten der Besenpfriemen an allen Berghalden leuch­ ten, dann feiert auch der Urhahn frohe Ur­ ständ. Die Hennen liegen ihm im Blut, und er beginnt zu balzen. Die Balz des Auer­ hahns ist ein seltsames Lautgemisch, eine Kapriole von Triller, Schlag und Schleife, 325

Lyrik der Heimat das Ganze verhalten und eindringlich zu­ gleich, weich und herb in einem, wie das Lie­ beswerben des Wälderburschen um seine Herzgeliebte. Dazu wirft der schwarze Frei­ er sich ordentlich in die Brust, schlägt mit dem Stoß ein prachtvolles Rad, plustert sich und läßt die Flügel lampen. Über den Schlä­ fen aber brennen ihm die Rosen dunkelrot wie Feuermäler. Alle Reize, die ihm die Na­ tur verliehen, läßt der Adonis spielen. Indes, vor lauter Aufgeblasenheit verliert er die Vernunft. Sehen und Hören vergehen ihm, und wenn die Richtigkeit des verwa­ schenen Spruchs von der blind und taub machenden Liebe nid1t längst bewiesen wä­ re, der balzende Auerhahn lieferte den schla­ genden Beleg dafür. Den Nutzen zieht der Jäger draus. Im Augenblick des Schleifens springt er den Hahn an, aber rackstrack muß er auch schon wieder stehen, atemlos, re­ gungslos, als wäre er, Rioben gleich, zu Stein und Bein verwandelt; denn sobald der Hahn mit Schleifen einhält, besitzt er Aug und Ohr in alter Schärfe wieder. Ein kna­ render Ast, ein unvorsichtiges Räuspern ver­ gelstern ihn und – weg ist er, abgesprungen mit rauschendem Flügelschlag.Ja eine Hah­ nenjagd ist kein Spauz. Der Auerhahn ist ein Sidian und hat schon manchen Waidmann vermaledeit genasführt. Ein gefiederter Waldgeist ist er, ein Vogelrübezahl, ein donnerschlächtiger Willstdumich – so – Kannstdumich. Wer ihn also überlisten will, muß seine fünf Sinne beieinander haben, hören muß er können wie ein Luchs, sehen wie ein Sperber, vorwärts muß er sich tasten wie die Katze nach der Maus, und oben­ drein darf er eines satten Maßes Geduld und der Selbstbeherrschung nicht ermangeln. Aber ganz an Entgegenkommen läßt es auch der Auerhahn nicht fehlen. Merkwür­ digerweise offenbart er seine Liebesbeteue­ rungen während der ganzen Balzzeit an ein und demselben Platz, auf demselben Baum, ja auf demselben Ast. Damit schafft er selbst ganz ungeahnt die erste Voraussetzung für seinen Tod, tragischerweise inmitten der un- 326 bändigsten Sehnsucht nach dem Leben. Denn nur vermöge dieser unwandelbaren Gewohnheit wird der Waidmann und der Verhörer, dessen zu gedenken wir sogleich Gelegenheit haben werden, in die Lage ver­ setzt, den Standort des liebestollen Tieres genauestens auszuforsd1en, um ihm dann im gegebenen Augenblick auf den Balg zu brennen. Bei guter Laune balzt der Hahn wohl auch einmal auf freiem Ackerfelde. Unvergeßlich ist mir das außergewöhnliche Schauspiel meiner Jugendzeit, da ein Hahn fast alljähr­ lich, wenn der erste weiche Westwind von der Hagrütte und dem Hirschbühl (in Lan­ genbach gelegen, Anm. d. Red.) herüber­ strich, mit seiner Hennenschar auf den frischgezackerten Ackerzelgen des väterli­ chen Hofes umeinandstolzierte und herz­ haft balzend seinem liebenden Herzen Luft machte. Wundersam war es, das Bild des balzenden Hahnes auf fröhlicher Freite, um­ flutet vom goldenen Abendschein, umwit­ tert vom schweren Erdruch der frischgebro­ chenen Scholle, umzittert von Liebesnot und Liebestod. Ja, wie nahe lagen sie bei­ sammen, dieser Trieb des Lebens und dieses Los des Sterbens. Der Gegensatz wirkte, wie nid1t selten in der Natur, geradezu unheim­ lich. Die Zeit der ,Yerhörer“ beginnt Wenn nach der Schneeschmelze die Balz beginnt, werden die Hähne verhört. Der Hahnenverhörer hat Balzort und Balzzeit in den der Jagd vorangehenden sechs Wochen auf das Zuverlässigste festzustellen und so den Boden für das Jagdglück seines fürstli­ chen Herrn auf jede erdenkliche Art zu eb­ nen. Heutigen Tags obliegen die fürstlichen Jagdaufseher und Waldhüter diesem seltsa­ men Geschäft. In meiner Jugendzeit aber spürte der Haibühlsepple die Balzhähne auf, und er tat dies mit unangefochtenem Geschick, hellhörig und schlitzöhrig genug, hinter alle Freierssd1liche der verliebten Vö-

Vom Auerhahn gel zu kommen. Der Haibühl liegt an einem lauschigen Waldhang unweit des Balzgebie­ tes, weshalb sein Bewohner für das Hah­ nenverhören insonderheit berufen war. Zu­ dem balzt der Hahn nur in der ersten Mor­ genfrühe und abends, wenn die Fledermäu­ se flattern, und mehr als einen Gang hat der Verhörer seinetwegen dranzuwenden. Wenn dann der Sepple seine abendliche Hahnenrunde mit Schoppen und Schnaps in der Gastwirtschaft meines Vaters be­ schloß (die „Friedrichshöhe“, Anm. d. Red.), dann wußten wir Buben genau, daß die Ta­ ge des fürstlichen Jagdbesuches nicht mehr fern lagen. Ja, das waren einprägsame Tage im Jahrverlauf unseres Lausbubendaseins, wenn der Fürst kam auf die Auerhahnenjagd entweder selbst oder an seiner Stelle ein fürstlicher Prinz oder Gast. Auch die fürstli­ chen Frauen frönten der königlichen Lei­ denschaft und und glichen dabei nicht übel der Jagdgöttin Diana, wie sie das fürstliche Haus in so anmutiger Gestalt auf einem Brunnen der Baarresidenz hat vorstellen las­ sen. Eine ernstliche Gefahr für das Leben der Urhähne sollen die Pfeile der fürstlichen Dianen aber nicht bedeutet haben, was be­ sonders vom Verhörer bedauert wurde, da ihm jeder Hahn ein Goldstück eintrug, aber eben nur, sofern das Tier zur Strecke kam, Der Auerhahn bei der Bodenbalz im Föhrenhochwald. 327

Lyrik der Heimat Die Familie Ruf vor dem Gasthaus „Friedrichshöhe“ in Vöhrenbach, wo einst hohe Jagdgäste zur Auer­ hahnjagd abstiegen. nicht auch, wenn das Pulver fruchtlos ver­ schwendet worden war, wessen sich eben benannte Schützinnen nicht selten schuldig machten. Es wäre aber ein lezer Schluß, dar­ aus abzunehmen, sie hätten Korn und Kim­ me schlechthin nicht gehörig aufeinander abzustimmen verstanden. Oft genug war so eine Hahnenjagd auch für ihre zielsicheren Gatten kein Fischzug Petri, indem auch sie das Blei gar manches Mal ins Morgen- und Abendrot verschossen, statt dem Hahn un­ ter die Federn. ,,Dr Fürscht kan amend komme…“ Stand so ein klarer Maientag über dem Stöcklewald und der Rappeneck, so konnte der Vater sagen: ,,Dr Fürscht kan amend kumme der übe, machen i chi e weng ba­ rat“. Und weil er eine lange Erfahrung hatte in diesen Dingen, traf seine Voraussage ge­ wöhnlich ein. Auf einmal stand halt der Haibühlsepple in der Stube und meldete: ,,s‘ Bett für dr Fürscht und dr Jägermeisch­ ter un ebbis z‘ Nacht esse solle mer richte, un dr Vater soll bis um nini mit em Fuhr­ werk in dr Schutzhitte hinte si, um die Her­ re heim z’kutschiere.“ Als später der Kraft­ wagen aufkam und die Jagdfahrten mit ihm unternommen wurden, kündigte der Kraft­ wagenführer meist den hohen Jagdgast an. Er fuhr ihn bis zur Schutzhütte, von wo je­ ner das Hahnenrevier zu Fuß aufsuchte, während der Wagenführer in der nahgelege­ nen väterlichen Wirtschaft umgehend Im­ biß und Bett bestellte. 328

Die Mahlzeit für den fürstlichen Jagdherrn mußte einfach sein. Abwechselnd wurden vorzugsweise die hausgemachten Erzeugnis­ se der Bauernküche gewünscht: Eier in man­ nigfachen Abwandlungen, Speck, Schinken, Roggenbrot. Hatte aber der „Herold“ keinen besonderen Auftrag für die Bestellung des Abendbrots, so stand die Wahl beim Wirt. In diesem Fall konnte es natürlich nur ein zünftiger Braten sein, denn, so meinte die Mutter, derart gewöhnliche Dinge wie Schinken und geräucherten Speck könne man doch den Fürstlichen nicht hinstellen. Auch wir Buben teilten diesen Standpunkt, weil uns dabei eine ganz besondere Freude winkte: Da nämlich der ins Auge gefaßte Braten natürlich nicht zur Hand, der näch­ ste Metzger dreiviertelstund entfernt und die Zeit überdies knapp war, holte der fürst­ liche Wagenlenker unbedenklich seinen leuchtendroten Kraftwagen wieder aus dem Holzschopf, der behelfsweise als Boxe dien­ te, und fuhr uns in die Stadt zum Fleisch­ kaufen. Das war ein Heidenspaß, schon das Autofahren an sich, das damals noch recht selten war, dazu im fürstlichen Wagen mit dem sorgsam eingemalten fürstlichen Haus­ wappen am Schlag. Zwar war unser Ausse­ hen keineswegs fürstlich, da man uns, der Eile halber, barfuß, unbemützt und scho­ penlos, so wie wir waren, in das Auto steck­ te. Aber wir trugen reiche Gesichter zur Schau, und am liebsten wären wir ans Ende der Welt gefahren. Einkaufen für den Fürst Beim „Bläsipaul“ in der Metzg (Metzgerei in Vöhrenbach, Anm. d. Red.) ward rasch der Lummelbraten oder sonst ein rares Stück und beim Kreuzjörg gegenüber zwei Stöcklein Salat erstanden und nach dem Auftrag der Mutter nachdrücklich bemerkt, daß es für den Fürst sei, für den Verkäufer Sporns genug, nur vom besten zu geben, was sein Laden vermochte. Indessen säumte man zu Hause nicht, aJ- Vom Auerhahn !es zum Empfang des hohen Gastes würdig vorzubereiten. Der Vater setzte die Erdöl­ lampen in einen möglichst eindrucksvollen Zustand, Fideli, der Knecht, mühte sich um das Pferdegeschirr und die Schese, mit der die Jagdgäste in den Wald gebracht werden sollten, die Magd fummelte im Hausern und hatte insbesondere darauf acht, den schneeweißen Sand darin auszustreuen, der Hirtenbub wischte die Hofstatt blank. Die Mutter aber wendete fürs erste ihre ganze Sorgfalt an das Schlafgemach Seiner Durch­ laucht, das früher einmal eigens für fürstli­ che Zwecke mit einer fürnehmen Bettstatt aus Felsenkarlis mechanischer Schreinerei ausgestattet worden war. Natürlich konnte nur das beste Zimmer, das uns verderberi­ schen Buben für gewöhnlich nicht zugäng­ lich war, als fürstliche Schlafstätte dienen. Es stand darin Mutters Glaskasten mit aller­ hand Tischgerät von ihrer Hochzeit her, auch einigen bresthaften Sackuhren, die der Großvater in den 1850er Jahren als Uhrma­ cher aus London mitgebracht, daneben das rotplüschene Kanapee aus der mütterlichen Aussteuer. In der Ecke träumte ein altväteri­ scher Bücherschrank mit niegelesenen Büchern aus der Studienzeit des verstorbe­ nen Onkel Paul, ihm gegenüber führte die Kommode mit den Familienschriften ein beschauliches Leben, darauf der fromme Sinn der Mutter einen kleinen Hausaltar aufgebaut hatte mit zwei Allerweltsfiguren des hl. Josef und des hl. Antonius nebst ei­ nem goldbronzierten, zylinderglasüber­ wölbten Kreuz in der Mitte, um dessen Fuß Mutters Brautkranz liebevoll gewunden war. Auf dem Tisch lagen selbstgefällig zwei AJ­ bümchen der Mutter aus ihrer Mädchen­ zeit, geschmückt mit salbungsvollen oder boshaften Versehen und knallig gemalten Rosen, Veilchen und Vergißmeinnichten, während von der Wand zwei Hochzeitspaa­ re mit ewig gleicher feierlicher Miene auf dieses Stilleben herniedersahen. Über allem aber schwebte hoheitsvoll an der Bühne die Heiliggeisttaube aus Binsenmark mit kunst- 329

Lyrik der Heimar voll gefalteten Flügeln aus Papier, wie sie heute noch in den Bauernstuben des Schwarzwaldes nicht selten anzutreffen ist. Mitten in diese Herrlichkeit hinein ward der Fürst zur nachtschlafenden Zeit gelegt. Aber auch der Oberjäger und der Verhörer, die unzertrennlichen Trabanten des Jäger­ planeten, mußten gehörig einquartiert wer­ den. Weil jener gewöhnlich seinen Jagd­ herrn in aller Herrgottsfrühe zu wecken hat­ te, fand man es vorteilhaft, ihn unmittelbar neben das Fürstenzimmer einzumieten. Doch das tat nicht lange gut. Eines Morgens beschwerte sich Durchlaucht, daß der Sd1lafnachbar nad1Jägerart gottserbärmlich gesdmarcht habe. Von Stund an wurde für einen geziemenden Abstand gesorgt, und der Oberjäger konnte seine Gastrolle als Obersäger ungehindert spielen. Ohne gro­ ßes Wesen nächtigte der Verhörer. Er nahm die blanke Ofenbank unters Ohr und zähl­ te sich den Stand der Hähne für den kom­ menden Morgen noch einmal her, wenn der 330 Schlaf gar spärlich war, weil ihm die harte Lagerstatt die Hüftknochen zu sehr mal­ trätierte. Ausnahmsweise blieb der fürstliche Jagd­ gast nicht über Nacht, sondern fuhr vor Ta­ gesanbruch von der Residenz aus unmittel­ bar ins Revier. Dennoch hatte auch in die­ sem Fall das väterliche Fuhrwerk die Jagdgä­ ste in der Sdrntzhütte aufzunehmen und sie von da aus in den Wald zu bringen. Der Jägermeister war jeweils beauftragt, red1tzei­ tig, spätestens am Abend vorher, das Fuhr­ werk zu bestellen, um einen reibungslosen Ablauf der Dinge zu gewährleisten. Da lei­ stete sich der Jägermeister eines Tages den Luxus, einen solchen Auftrag zu vergessen. Als nun die Jagdgäste an der Schutzhütte eintrafen, war naturgemäß weitum kein Sd1eslein und kein Kutscher zu sehen. Erst jetzt fiel dem Jägermeister der versäumte Auftrag ein. Wir wollen es zur Schonung des biederen Oberjägers höflicherweise nicht anmerken, was ihm Geeignetes zur Stärkung des Gedächtnisses beigebracht wur­ de. Wir verraten bloß, daß es für je­ nen Morgen aus war mit der deut­ schen Gemütlichkeit, was bald auch meinem Vater zum Bewußt­ sein kam, als der fürstliche Jäger, wie Zieten aus dem Busch, plötz­ lich vor dem Hause stand und das vermaledeite Jagdfuhrwerk begehr­ te. In wenigen Augenblicken hörte man den Vater mit dem Knecht all­ bereits die hölzernen Treppen hin­ auf, hinunter poltern, um das Fahr­ zeug flott zu machen. Bald schwang er sich auch schon auf den Kutscherbock, die Geißel klepfte, die Micke wurde aufgedreht, die Galt es fü.r die Wirtsleute der „Fried­ richshöhe „für hohe Jagdgäste in Vöhren­ bach Besorg1mgen zu machen, wurden dorl die Pferde an der Tränke bei der Kirche festgemacht.

Pferde griffen aus und mit „Hussa-Horrido“ gings hinein in den taufrischen Morgen, der Schutzhütte entgegen. Als aber die Kutsche auf einem schlechten Waldweg stark ge­ schüttelt wurde, neigte sich unerwartete der Bock nach der Seite, sackte ab und hätte im Helfdirgott den Kutscher unter den Wagen geschlenkert, wenn nicht der Laternenhalter, den der bestürzte Pferdelenker im letzten Augenblick behend ergriff, Halt und Hilfe gegen die drohende Gleitpartie geboten hät­ te. Die Untersuchung ergab alsbald, daß der Knecht Fideli nur eine Stütze des Kutscher­ sitzes in der Öse befestigt hatte, während die andere in der Luft schwebte, ohne daß ihm indeß bei der überstürzten Vorbereitung ei­ ne Schuld beizumessen gewesen wäre. Denn in der Aufregung und Dunkelheit gesche­ hen ja öfters Dinge, denen wir Nachsicht und Milde gerne angedeihen lassen. Auch der Kaiser kam zur Auerhahn-Jagd Auch der Kaiser kam als Gast des fürst­ lichen Hauses zur Auerhahnjagd in den Schwarzwald. Zum Glück war es sellmal nicht seine Majestät, der sich jenem prest­ haften Fuhrwerk anvertraut hatte, er hätte sonst keinen guten Eindruck von der sonst so bewährten Schwarzwälder Fuhrmanns­ tüchtigkeit mit nach Berlin genommen. Q!iartier zu nehmen in den Schwarzwälder Gastwirtschaften konnte er sich allerdings meines Wissens nie entschließen. Dafür war er eben der Kaiser, und man nahm ihm das nicht weiter krumm. Aber dafür war immer ein starkes Aufgebot Gendarmen zu seiner persönlichen Sicherheit im Vaterhaus ver­ sammelt, wenn er sich im nahen Schlegel­ wald zum fröhlichen Jagen aufhielt. Bisweilen reichten dann die Betten nicht aus für die grimme Leibwache, weshalb sich der eine oder andere der Grüngardisten aus Furcht vor der Ofenbank Unterschlupf ver­ schaffte, wo immer er ihn fand. Alsdann kam es vor, daß Knecht-oder Mägdebett von einem „nestschmarotzenden Kuckuck“ Vom Auerhahn Der Knecht Fidel Jäger, genannt „Fideli‘: mühte sich stets um das Pferdegeschirr und den �gen oder die Kutsche, mit dem die Jagdgäste von der „Fried­ richshöhe „aus zur Jagd in den nahen �ld gebracht wurden. bereits gefüllt war, wenn es sein ange­ stammter Besitzer beziehen wollte. Die Gendarmen hatten aber auch Weisung, jede Störung der Jagd fernzuhalten. Als solche konnte, besonders in der Abendstille oder in der lautlosen Morgenfrühe, zu welchen Zei­ ten der Auerhahn allein sich jagen läßt, schon das Gerassel eines Fuhrwerks oder das Geißelklopfen eines Fuhrmanns auf der un­ weit des Jagdbezirks vorbeiführenden Straße gelten. Da fuhren nun in früheren Zeiten schwere Zwei-und Vierspänner aus Schwen­ ningen und Villingen, beladen mit Frachten aller Art, auf den Wald. Eine große Zahl von ihnen waren Krautfuhrwerke, die von den Übervorräten des Schwenninger Kraut­ markts alljährlich gewaltige Mengen Kraut­ köpfe in die gemüsearmen Wäldergemein­ den brachten. Der ,,Kaiser von Schwenningen“ Einer der bekanntesten Krau tbelieferer war der Johann Kaiser von Schwenningen, ein 331

te man in der Küche die Kaffeemühle rät­ schen, drei Finger voll Zichorie ward dem strudelnden Wasser beigemengt und das Tränklein in der saubersten Art von der Welt, dem hohen Gaste vorgesetzt. Doch kaum hatte er davon gekostet, schob er es entsetzt beiseite und verhehlte nicht, kaum etwas Schlechteres je genossen zu haben als dieses Gebräu. Nun findet man bei vorneh­ men Damen eine etwas schneilcige Art wohl ganz in Ordnung. Nichtsdestoweniger fehl­ te es diesmal wirklich am Kaffee. Als man nämlich nach der Abreise der Gäste Teller und Tassen und auch die Kaffeerätsche wie­ der in die Arche einräumte, bemerkte man darin noch unberührt – den gemahlenen Kaffee. Die Köchin hatte sich also unter­ standen, einen Kaffee ohne Kaffee (die Sachsen nennen es Bliemchengaffee) zu ko­ chen, gewissermaßen ein Versuch mit un­ tauglichem Mittel, strafrechtlich gespro­ chen. Zur Ehrenrettung meiner Mutter aber sei bemerkt, daß das Vorkommnis nicht mit ih­ rer Person in Beziehung gebracht werden darf. Es hatte sid1 abgespielt, ehe bevor sie als treuwaltende Wirtin ins Vaterhaus ein­ zog. So war es daheim einst, wenn der Fürst kam im schönen Maien zur Auerhahnen­ jagd. Fritz Ruf (Ergänzt um eine Einleitung, Bebilderung und Zwischenüberschriften durch Wi!fried Dold) Lyrik der Heimat Fuhrmann der alten schwäbischen Schule im blauen Fuhrmannshemd, mit der roten Stickerei als einer Art Achselstücke auf der Schulter, dem breitrandigen, schwarzen Kremphut auf dem Kopf, Langschästern an den Beinen und mit der kupferdrahtum­ wickelten, silberbeschlagenen Peitsche in der Hand. Dazu besaß er den schlagfertigen schwäbischen Witz und brachte damit man­ chen klein, der glaubte, ihn in den Sack stecken zu können. Es traf sich, daß der Krautkaiser an einem Morgen mit einer La­ dung Kabis auf den Wald fuhr, als der deut­ sche Kaiser eben zur Hahnenjagd im Schle­ gelwald weilte. Von weitem schon hörten ihn die Gendarmen die Straße heraufllop­ fen und geboten, als er die Paßhöhe erreicht hatte, an die unmittelbar das Balzrevier sich anschloß, Halt mit der Begründung, S. M. der Kaiser aus Berlin sei heute morgen im benachbarten Wald auf der Auerhahnen­ jagd, er (der Krautkaiser) könne des leidigen Lärms halber, den sein Fuhrwerk verursa­ che, nicht weiterfahren, bis die Jagd zu En­ de sei. Das verdroß den wackeren Fuhr­ mann, er besann sich ein Weilchen, trat dann auf die Gendarmen zu und meinte: „On i bin dr Kaiser aus Schwenninge on mueß die Krautköpf meim Namesvetter gi Berlin bringe. Morge früe ottet se dert sei, hot dr Hofkoch gschriebe, drom stande e mer et in de Weg on lont mi weiter, ihr Her­ re.“ Die Grünen verstanden Spaß und ließen den Hoflieferanten ziehen, obschon mit der Auflage, mit dem Klopfen innezu­ halten, bis die brenzlige Strecke passiert sei. Und nun als Abschluß noch eine kleine Kaffeegeschichte: Fürst und Fürstin waren eines Tages gemeinsam zur Jagd gekommen. Zur Wiederherstellung der mitgenomme­ nen Körperkräfte wünschte sich die fürstli­ che Jägerin einen Kaffee, heiß wie die Höl­ le, schwarz wie der Teufel, rein wie ein En­ gel und süß wie die Liebe, wie ein witziger Genießer die Beschaffenheit eines guten Kaffees trefflich geschildert hat. Schon hör- 332

Verschiedenes Personen und Fakten Auch 2000 führte die freundschaftliche Verbindung zum schweizerischen Nachbar­ kanton Schaflhausen zu einem Treffen. Landrat Heim begleitete am 21. Juni die Schweizer Delegation unter Führung von Regierungsrat Dr. Lehnherr in Donauesch­ ingen. Der Besichtigung der fürstlich-für­ stenbergischen Brauerei und der Sammlun­ gen schloß sich ein Empfang im Schloß an. Am 27 Juli 2000 wurde am Bahnhof Zoll­ haus in Blumberg der grenzüberschreiten­ de Industrie-Kulturpfad GRIP vorgestellt. Das D-CH Kooperationsprojekt im Rah­ men der EU-Gemeinschaftsinitiative INTE­ REG II wurde unter der Mitträgerschaft und Federführung des Landkreises mit weiteren Partnern erarbeitet. Karl Volk (63), Realschuloberlehrer an der Realschule St. Georgen und Redaktionsmit­ glied des Kreisjahrbuches Almanach seit 1987, wurde am 28. Januar 2000 offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Adam Göbel (91), Stadtrat in St. Georgen (1950-1971) und Kreisrat (SPD) des ehema­ ligen Landkreises V illingen, starb am 26. Februar 2000 in St. Georgen. Friedrich Scheerer (42), Furtwangen, Sach­ gebietsleiter in der Stadtverwaltung Bad Dürrheim, wurde am 16. April 2000 gegen einen Mitbewerber bei einer Wahlbeteili­ gung von 74,740/o und mit 52,230/o der Stim­ men neuer Bürgermeister von Mönchweiler. Wolfgang Scbergel (57), Bürgermeister in St. Georgen, wurde am 14. Mai mit 91,70/o der abgegebenen Stimmen bei einer Wahl­ beteiligung von 37,70/o gegen einen Heraus­ forderer in die 2. Amtsperiode gewählt. ningen, wurde am 21. Mai 2000 mit 95,70/o der abgegebenen Stimmen bei einer Wahl­ beteiligung von 57,2 0/o gegen einen Heraus­ forderer in die 3. Amtsperiode gewählt. Walter Klumpp (42), Bürgermeister in Tu­ Dr. Lars S. Maier (28), gebürtiger Villinger, Kardiologe und Angiologe an der Georg­ August-U niversität Göttingen, erhielt am 7. Juli 2000 den mit 20 000 DM dotierten Walter-Clawiter-Preis der Clawiter-Stiftung, Düsseldorf, für Forschungen zum Bluthoch­ druck unter dem Thema „Subzellulare Ver­ änderungen bei kardialer Hyperthropie, be­ dingt durch arterielle Hypertonie“. für Körperbehinderte in Villingen, wed1sel­ te am 19. Juli 2000 in den Ruhestand. Künstler in Blumberg sowie langjähriger Au­ tor im Kreisjahrbuch Almanach, feierte am 2. August 2000 seinen 85. Geburtstag. Robert Faller, Direktor der Sonderschule Jürgen Henckell, Maler, Schriftsteller und Franz-JosefKornbaas (76), Marbach, Land­ Otto Weissenberger (88), Ehrenbürger, Dr. med. Wyldbore Helmut Heisler (91), wirtschaftsmeister, Gemeinde- und Ort­ schaftsrat, Kreisrat (CDU) von 1972 bis 1989, starb am 17. 9. 2000 an den Folgen ei­ nes Verkehrsunfalles. Senator h. c., starb am 28. November 1999 in Bad Dürrheim, wo er von 19 54 bis 1979 Bürgermeister und Kurdirektor war. Organisator seit 1942 der „Geistigen Not­ hilfe“ Königsfeld und Vereinsvorsitzender (1976- 1986), starb am 30. November 1999 in Königsfeld. 333

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden im Zeitraum vom 1.8.1999 bis 31.7.2000 öffentlich ausgezeichnet: Mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (Abkürz.: BVK I. Kl. = Bun­ desverdienstkreuz I. Klasse, BVK a.B. = Bundesverdienstkreuz am Bande, BVM = Bun­ desverdienstmedaille): Fleig, Hubert Kühn, Theo Scherer, Stefan Gnisci, Giuseppe Kronschnabl, Elisabeth Münzer, Hubert Ziegler, Horst Vogelbacher, Walter 28.08.1999 BVM 13.09.1999 BVK a.B. 06.10.1999 BVK a.B. 02.12.1999 BVK a.B. 29.01.2000 BVK a.B. 20.06.2000 BVK a.B 23.06.2000 BVK a.B. 30.06.2000 BVK a.B. Triberg Villingen- Schwenningen Blumberg Villingen-Schwenningen Donaueschingen Blumberg-Hondingen Königsfeld Hüfingen Mit der Landesehrennadel des Landes Baden-Württemberg Faller, Hans 09.12.1999 Villingen-Schwenningen Mit der Ehrennadel in Silber des Gemeindetages Gutmann, Karl 18.01.2000 U nterkirnach Mit der Palestrina-Medaille: Katholischer Kirchenchor Niedereschach 24.10.1999 Wahlergebnisse der Kreistagswahl vom 24.10.1999 Zahl der zu wählenden Kreistagsmitglieder Ausgleichssitze Mitglieder des Kreistags insgesamt Wahlbered1tigte im Landkreis Wähler Wahlbeteiligung Ungültige Stimmzettel Gültige Stimmzettel Abgegebene gültige Stimmen 54 CDU 10 SPD 64 FWV 151962 F.D.P. 7 8819 GRÜNE 51,87 0/o GUB 2499 DLVH 76320 IGBU 768530 PBC Stimmen insgesamt für 323219 185212 121503 62279 50618 3346 21507 426 420 42,060/o 29 Sitze (+3) 24,100/o 15 Sitze (-2) 15,810/o 9 Sitze (-1) 6 Sitze 8,100/o 6,590/o 4 Sitze (-2) 0,440/o O Sitze 2,800/o 1 Sitz 0,060/o O Sitze 0,050/o O Sitze Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land Bundesgebiet West Bundesgebiet Ost 30.6.1998 30.6.1999 30.6.2000 7,00/o 5,60/o 4,50/o 7,50/o 6,20/o 5,00/o 8,90/o 8,40/o 7,40/o 17,20/o 16,80/o 16,50/o Arbeitslosigkeit im gesamten Bundesgebiet zum 30. 6. 2000: 9,10/o 334

Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Stand der Wohnbevölkerung 31.12.1999 31.12.1998 12.080 10.734 6.115 5.296 3.528 21.160 9.865 1.423 7.666 5.855 3.205 5.769 13.970 2.532 4.284 5.546 2.724 2.864 80.891 4.098 11.994 10.770 5.978 5.338 3.487 20.930 9.918 1.425 7.576 5.917 3.249 5.643 14.041 2.569 4.284 5.579 2.707 2.821 80.840 4.105 / L 1 in % 86 0,72% -36 -0,33% 137 2,29% -42 -0,79% 41 1,18% 1,10% 230 -53 L. -0,53% ^ – 0 , 1 4 % -2 1,19% 90 -1,05% -62 -1,35% -44 126 2,23% -0,51% -71 -l,44o/o -37 0,00% 0 -0,59% -33 0,63% 17 1,52% 43 0,06% 51 -0,17o/o -7 434 0 ,21 % Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Gemeinde Veränderungen in Zahlen K reisbevölkeru n g in sg esa m t 209.171 209.605 Ausländische Mitbürger in Zahlen G e m e i n d e A u s l ä n d e r i n s g e s . S t i c h t a g 31.12.1999 d a v o n T ü r k e n e h e m a l i g e s I t a l i e n e r S o n s t i g e A u s l ä n d e r a n t e i l J u g o s l a w i e n i n P r o z e n t Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Gesamt 6 6 2 1 4 1 0 6 2 3 2 3 0 1 5 8 2 0 8 9 1 1 8 0 6 0 8 0 7 2 9 6 2 1 7 2 6 5 1 7 0 9 66 3 1 7 5 3 2 2 3 6 211 1 1 5 7 2 6 1 5 5 6 7 4 2 3 8 1 6 7 1 5 5 5 0 2 4 2 0 3 3 6 2 7 10 4 4 2 6 7 0 3 2 202 5 3 5 2 2 2 4 2 2 3 2 2 3 3 4 0 1 7 0 2 7 4 5 4 3 5 2 8 4 8 1 2 3 6 5 1 0 4 9 3 5 4 4 1 7 1 5 4 1 4 0 22 20 3 9 0 1 1 7 3 1 1 8 22 2 6 3 4 4 4 3 5 6 3 5 4 3 9 1 4 7 21 3 5 3 0 6 1 3 1 6 8 4 1 0 5 111 3 2 2 5 5 2 4 5 1 4 6 102 5 4 7 4 8 3 0 0 1 3 201 1 8 3 68 9 8 2 8 5 3 3 4 7 8 5 5 0 1 0 7 2 1 7 6 3 2 5 3 1 4 7 6 3 2 3 2 5 5 5 5 5 0 6 8 5 9 4 5 1 0 6 3 3 6 5 , 4 1 3 , 2 1 0 , 3 4 , 4 4 , 5 9 , 9 12,0 4 , 2 10,6 5 , 1 6,8 4 , 7 12,2 2 , 7 7 , 4 9 , 5 8 , 7 7 , 4 1 4 , 3 1 4 , 7 1 0 , 1

Donaueschingen: 195, 197/198 – Ulrich Feld­ bahn, Stuttgart: 196 -Dieter Reinhardt, VS-Vil­ lingen: 201, 202 o.li. und o.r., 204-206, 208 u.r., 209/210, 239-242 – Bernhard Czmiel/Martin Scharte!, Furtwangen (OHG): 202 u., 203, 207, 208 u.li. -1l1omas Hog, VS-Villingen: 231, 232 u.r. -ZoranJessulat, Donaueschingen: 232 u.li. – Hans Georg Reinsch, VS-Villingen: 233 – Wil­ helm Hug, St. Georgen: 234 -Günter H. Papst, St. Georgen: 235/236 -WolfHockenjos, VS-Vil­ lingen: 237, 245, 247, 250/251 – Forstdirektion Freiburg: 243 – Carius, Stuttgart: 253 – Wil­ fried Mayer, VS-Villingen: 270 -Armin Kienzler, Triberg: 285-287 -Rupert Dorn, Donauesd1in­ gen: 305/306. Errata Almanach 2000 S. 11 Anstatt Ulm muß es „Göppingen“ heißen. S. 33 Der Name des Werbeleiters der Sparkasse lautet richtig: Hruby. S. 71, 77 Die Fotos wurden irrtümlich German Hasenfratz zugeordnet. Sie stammen jedoch von Erwin Kienzler, Schonach. S.284 ff. In dem Beitrag „Red1erchen zu einem alten Bauernhaus“ haben sich Fehler eingeschli­ chen. Richtig ist: Die „Adelheid“ ist ein geografi­ sches Gebiet in Triberg; es grenzt an Schönwald. Das historische Bauernhaus auf diesem Terrain, die sogenannte „Untere Adelheid“ (Abb. 1), wur­ de im Jahre 1915 durch Brand vernichtet und noch im selben Jahr durch einen Neubauamsel­ ben Ort (Abb. 2, heute Adelheid 4, Foto 1998) er­ setzt. Die Aufnahmen auf der Titelseite stammen von Wilfried Dold, Vöhrenbach und Wilfried Mayer, VS-Villingen (kleines Bild). Motiv Titelseite: Der Kosbachhof in Vöhren­ bach. Kleines Bild: Der Brend in Furtwangen. Die Fotografie auf der Rückseite stammt von Ni­ kolaus Reder, Niedereschach. Motiv Rückseite: Johanneskirche in VS-Villin­ gen. Bildnachweis: Soweit die Bildautoren hier nicht namentlich angeführt werden, stammen die Fo­ tos jeweils vom Verfasser des betreffenden Bei­ trages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Wilfried Dold, Vöhrenbaq1: 5, 33, 43, 44 u., 46, 48, 49 u., 50 o., 57/58, 60 u., 62 u.li., 119/l20, 134, 160, 192-194, 200, 225 u.r., 226, 249, 259, 261, 263/264, 266, 268-270 – DoldVerlag (Ar­ chiv), Vöhrenbach: 7, 47, 51, 128, 130, 132/133, 139, 157, 168/169, 172, 267, 274, 276, 325, 328, 330/331 – Dr. Joachim Sturm, Niedereschach: 9, 60, 164/165, 167, 271/272 -Julia Weiss, Un­ terbaldingen: 10 -Hanne Gössl, Donaueschin­ gen: 11, 13/14, 24, 26, 31, 45, 52-54, 69 -Diet­ rich Krieger, Villingen-Schwenningen: 17 – Ni­ kolaus Reder, Niedereschach: 18, 40 – Katrin Dold, Vöhrenbach: 20, 50 u., 59, 60 o., 61, 62 u.r., 64/65, 68, 224, 225 u.li. – Veronika Gerber (Re­ alschule Blumberg): 36 -Wolfgang Lämmle, VS­ Villingen: 37 – Rolf Bonnert, Hüfingen: 44 o., 49 o. – Roland Sigwart Hüfingen: 83/84, 86 – Foto-Carle, Triberg: 92, 96, 313 – Foto Günter, Triberg: 93/94 -Kreisarchiv SBK: 105 -Stadt­ archiv Bräunlingen: 136 -Citta Di Lugano-Ar­ chivio Storico: 142-144 -Blumberg Sauschwänz­ lebahn: 158/159 -Eisenbahnmuseum Zollhaus­ Blumberg: 161, 163 -Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen: 170/171 – Oskar Schuler, Scho­ nach: 173-177 -Manfred Moosmann, Tennen­ bronn: 178/179 – Pfarrarchiv, Schonach: 185- 187, 189-l91 -Fürstlid1 Fürstenbergisches Archiv 336

Die Autoren unserer Beiträge Barte!, Dr. Karlheinz, Pfr., Hallstraße 20, 70376 Stuttgart Beathalter, Manfred, Wiesenstraße 29, 78166 Donaueschingen-Pfohren Bender,Jochen, Friedenstraße 18, 78136 Schonach Bertsche,Jürgen, Ebermannstraße 20, 78199 Bräunlingen Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 78112 St. Georgen Borgmann, Armin, Breslauer Straße 38, 78050 Villingen-Schwenningen Brommer, Bernhard, Volkartstraße 31, 80634 München Bronner, Dr. Gerhard, Karlstraße 58, 78166 Donaueschingen Brugger, Manfred, Karl-Hall-Straße 29, 78187 Geisingen Brungs, Prof. Dr. Matthias, Erzbergerstraße 17, 78054 Villingen-Schwenningen Dold, W ilfried, Unteranger 3, 78147 Vöhrenbach Feldhahn, Ulrich, Am Neckartor 18, 70190 Stuttgart Gwinner, Joachim, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Heim, Karl, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Hiekisch, Regina, Alpenblick 15, 78089 Unterkirnach Hockenjos, Wolf, Kalkofenstraße 11, 78050 Villingen-Schwenningen Janke, Gerhard, Am Sunthauser Weg 5, 78073 Bad Dürrheim Kahlert, Prof. Dr. Helmut, Am Bodenwald 4, 78120 Furtwangen Kienzler, Armin, Mozartstraße 17, 78098 Triberg Kottrnann, Ingeborg, Bruggerstraße 96, 78628 Rottweil Krepp, Hanna, Reutestraße 34, 78054 Villingen-Schwenningen Kropfreiter, Wolfgang, Scheffelstraße 10, 78199 Bräunlingen Krümmer, Sabine, Friedrichstraße 21, 78050 Villingen-Schwenningen Lauffer, Günter, Sommerauer-Straße 52, 78122 St. Georgen Letule, Hans, Rathausstraße 14, 78086 Brigachtal Limberger-Andris, Stefan, Mühlenstraße 7, 7987 7 Friedenweiler-Röthenbach Maier, Dieter-Eberhard, Schillerstraße 3, 78087 Mönchweiler Maier, Dr. med. Lars S., Hermann-Rein-Straße 4, 37075 Göttingen Meßner, Herwig, Kirchstraße 6, 78073 Bad Dürrheim-Unterbaldingen Müller, Wolfgang, Ringmauerweg 15, 78098 Triberg Nack, Christina, Obereschacher-Straße 7, 78126 Königsfeld Nienhaus, Heinz, Ledderkesweg 4, 46242 Bottrop Puchinger, Renate, Felsentalstraße Sa, 78147 Vöhrenbach Reimer, Dietrich, Kiefernweg 34, 78176 Blumberg Rothermel, Dr. Helmut, Weidenmattenweg 2, 79312 Emmendingen Schmalenberg, Brigitte, Auf der Zinnet 9, 78126 Königsfeld Schmid, Rolf, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Schneider-Damm, Dagmar, Luisenstraße 4, 78073 Bad Dürrheim Schnibbe, Prof. Klaus, Ilbenstraße 50, 78120 Furtwangen Schön, Elke, Am Hofrain 6, 78120 Furtwangen Schönbucher, Elvira, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Schultheiß,Jochen, Blauenweg 25, 78112 St. Georgen Seefried, Gabriele, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Simon, Stefan, Haselweg 17, 78052 Marbach Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg 337

Stiller, Achim, Kellen 4, 78176 Blumberg Sturm, Dr. Joachim, Steigstraße 32, 78078 Niedereschach Vetter, August, Am Ebertle 6, 79183 Waldkirch Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Wehinger, Bruno, Galgenbergstraße 8, 78199 Bräunlingen Willmann, Erich, Hagenreuthestraße 47, 78147 Vöhrenbach Wölker, Robert, Polizeidirektion, Villingen-Schwenningen Zimmermann, Michael, Karlstraße 119, 78054 Villingen-Schwenningen 338

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Almanach / Vorwort von Landrat Karl Heim 1. Kapitel / Aus dem Kreisgeschehen 2 3 6 8 12 Regionale Wirtschaftsförderung initiiert – Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat endlich wieder finanziellen Spielraum für Investitionen / Karl Heim, Landrat Der Müll ist ein heiß begehrtes Wirtschaftsgut – Im Konsens mit dem Gewerbe soll die Deponie Hüfingen verfüllt werden / Joachim Gwinner Hilfe zur Selbsthilfe wesentlicher Grundsatz – Die Sozialpolitik wendet sich zunehmend der gestaltenden Arbeit zu / Gabriele Seefried Tarifsystem bringt einheitliche Fahrpreise – Weichenstellende Entscheidungen im öffentlichen Personennahverkehr/ Elvira Schönbucher Zusammenarbeit sichert den Erhalt – Krankenhaus Furtwangen in die Kreiskrankenhaus GmbH eingegliedert/ Rolf Schmid Ausbau der Freundschaft und Solidarität – Die Partnerschaft des Kreises mit dem ungarischen Komitat Bacs-Kiskun /Dr.Helmut Rothermel Wichtige Erweiterung der Freundschaft – Im November 1999 wurde der „Freundeskreis Schwarzwald-Baar – Bacs-Kiskun gegründet“/ Dr. Helmut Rothermel 37 Kreatives Arbeiten auf unbewohnter Insel – Die Schöpferwerkstatt für bildende Künstler auf der Donauinsel Veranka / Regina Hiekisch Spiegelbild einer lebendigen Einheit – 25 Jahre Almanach – Heimatjahrbuch Schwarzwald-Baar-Kreis / Karl Volk 33 22 39 40 29 35 2. Kapitel/ Schwarzwald und Baar – Portrait eines Landkreises (4) Reiche Geschichte – fast unberührte Natur – Die Raumschaft Blumberg hat ihren Besuchern eine faszinierende Vielfalt zu bieten/ Christiana Steger 3. Kapitel / Städte und Gemeinden St. Georgen auf dem Weg in die Zukunft – Oder: Wie man im Internet Einwohner versammelt / Renate Bökenkamp Eingebettet in die Baarlandschaft – Unterbaldingen wurde bereits 1302 urkundlich als einzelnes Dorf erwähnt/ Herwig Meßner Das Wappen von Unterbaldingen /Dr.Joachim Sturm Behla – eine alemannische Gründung – Die „Bäurer AG“ hat den Namen des Ortes in aller Welt bekannt gemacht/ Dr. Helmut Rothermel Das Wappen von Behla / Klaus Schnibbe 44 55 58 63 64 67 339

4.Kapitel / Behörden und Institutionen Bürger sind mit der Polizei zufrieden – Das Forum Kriminalprävention tagte mit Innenminister Dr. Schäuble / Robert Wölker Bürger im Landkreis fühlen sich sicher -Ergebnisse einer Bürgerbefragung in fünf Städten des Landkreises/ Joachim Gwinner 5.Kapitel / Bildungseinrichtungen Vereinigung von Theorie und Praxis – Die Berufsakademie Villingen-Schwenningen feierte ihr 25jähriges Bestehen / Prof. Dr. Matthias Brungs Geschichte der Kreisreform erforscht -Ein Workshop fördert das „Kreisbewußtsein“ der jungen Generation/ Dr. Helmut Rothermel 6.Kapitel / Industrie, Handwerk und Gewerbe Expansion auf der Überholspur – Das Donaueschinger Softwarehaus „living systems“ auf dem Weg zur Weltspitze/ Achim Stiller Hochpräzise Technik aus dem Sd1warzwald – IMS Morat Söhne setzt mit neuem Technik-Zentrum in Donaueschingen auf die Zukunft/ Stefan Limberger-Andris Anerkanntes Geldinstitut der Region – Die Volksbank Triberg feiert ihr 75jähriges Bestehen / Wolfgang Müller Tradition und Innovation – Auszeichnungen für Ketterer Maschinenbau in Bad Dürrheim / Sabine Krümmer „Wetterstudio Süd“ in Öfingen eröffnet -Jörg Kachelmann setzt vor allem auf regionale Daten zur Wetterentwicklung/ Dagmar Schneider-Damm Erfolg durch konsequente Spezialisierung – Die Firma GRAF-SYTECO fertigt elektronische Bedien- und Steuerteile für die ganze Welt/ Dr. Helmut Rothermel 7.Kapitel / Persönlichkeiten Den Landkreis tief geprägt – Zum Tod von Dr. Robert Lienhart, Alt-Landrat des Landkreises Donaueschingen/ Dr. Helmut Rothermel Von Kansas City nach Gremmelsbach – Rebecca Weisser fand im Schwarzwald schnell eine neue Heimat/ Karl Volk Der Heimatstadt verpflichtet – Arnold Maier – Unternehmer, Musikliebhaber und verdienter Bürger/ Günter Lauffer Über 40 Jahre im Sd1Uldienst – Dieter Eberhard Maier war einer der jüngsten Rektoren in Baden-Württemberg/ Dr. med. Lars S. Maier Zum Tode von Gerald „Gerry“ Kürner – Begeisterter Förderer der regionalen Musik- und Kulturszene/ Wolfgang Kropfreiter Zur Erinnerung an Dr. Karin Scheuble-Ruopp – Vielfach gesellschaftspolitisch und sozial engagiert/ Dr. Joachim Sturm u. a. Ein Leben „fernab“ der modernen Zeit – Zum Tod von Maria Hoch – Das „Hoch Mariele“ ein weithin bekanntes Original/ Wilfried Dold 70 72 78 81 83 88 92 97 99 102 105 107 110 111 116 117 119 340

8.Kapitel / Archäologie Alamannisches Gräberfeld entdeckt -Bräunlinger Funde aus Merowingerzeit geben der Wissenschaft neue Einblicke/ Stefan Limberger-Andris 9.Kapitel/ Geschichte Musikwerkebau in London und Vöhrenbach -Der Name Daniel lmhof ging ab Mitte des 19. Jahrhunderts um die Welt/ Erich Willmann Die Brändbachtalsperre in Bräunlingen -Vor 80 Jahren wagte die Stadt den Schritt in eine „neue Zeit“/ Stefan Limberger-Andris Wie das Eis gewonnen wurde -Die Bräunlinger Eisgalgen erinnern an die Tradition der Brauereien vor Ort/ Manfred Brugger Unterkirnacher Pionier des Fremdenverkehrs -Alexander Beha beherbergte in seinem „Hotel du Parc“ in Lugano Prominenz aus ganz Europa/ August Vetter Leidenschaft und harte Arbeit -Gab es 1747 Holzflößerei auf dem Triberger Teil der Gutach? / Karl Volk Ein Stück Frauengeschichte -Lina Knöpfle und Priska Eckert arbeiten als „Kulturfrauen“ im Wald/ Stefan Limberger-Andris 10.Kapitel/ Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis In Deutschland einzigartige Einrichtung -Die Sauschwänzlebahn wurde durch einen Eisenbahnlehrpfad erschlossen/ Armin K.ienzler „Verschwiegener Zeuge“ vieler Ereignisse -Kindheitserinnerungen an den Bahnhof Zollhaus-Blumberg/ Dietrich Reimer Zeitreise durch 200 Millionen Jahre -In Tuningen kann man auf einem Wanderpfad durch die Geschichte schlendern/ Dr. Helmut Rothermel 11.Kapitel / Uhren und Uhrengeschichte 150 Jahre Bahnhäusle-Uhren -Ein seltenes Jubiläum für ein Design -Zum Wirken von Friedrich Eisenlohr / Prof. Dr. Helmut Kahlert 12.Kapitel / Brauchtum Traditionell und heimatverbunden -Trachtengau Schwarzwald e. V. besteht seit fast einem halben Jahrhundert -Gautrachtentreffen in Schonach versammelte Tausende von Menschen im Schwarzwalddorf/ Jochen Bender ,,Dar Glous rännt!“ -Schwenningens Nikoläuse zwischen Kult, Klamauk und Kommerz/ Michael). H. Zimmermann 13.Kapitel / Kirchen und Kapellen und Glocken Die älteste Glocke stammt aus dem Jahr 1501 -Zur Geschichte der Glocken 121 127 134 140 142 146 154 158 161 164 168 173 180 341

der Schonacher Pfarrkirche St. Urban/ Jochen Schultheiß Engagierter Kirchenbauer und Helfer -Pfarrer W ilhelm Fichter verdankt die Gemeinde Schonach ihre heutige Kirche / Jochen Schultheiß 14. Kapitel / Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brunnen Schöpfer der „Fürstenberger Hymne“ – Ein Denkmal erinnert an den Hofkomponisten Johann Wenzel Kalliwoda / Ulrich Feldhahn 15. Kapitel / Musik Tausende besuchten das „Relationship“ – Das Otto-Hahn-Gymnasium Furtwangen begeisterte mit seiner Eigenproduktion/ Elke Schön 16. Kapitel / Kunst und Künstler Die Sprache der Farbe – Zum 70. Geburtstag des Donaueschinger Malers Emil Kiess / Manfred Beathalter Industrierelikte neu gedeutet – Der Epfenhofener Künstler JosefRösch arbeitet vor allem mit bäuerlichem Gerät/ Christiana Steger Der Mönch von Mönchweiler – Die Bronze-Skulpturen von Martin Kirstein im Erholungsort Mönchweiler / Ingeborg Kottmann Kunstwerke aus Schrott – Das Banale bekommt durch das Schaffen von Norbert Ahrens neuen künstlerischen Wert / Stefan Simon 17. Kapitel / Gesundheit und Soziales Unterstützung für Ortsvereine – Die Kreisvereinigung der Lebenshilfe für geistig Behinderte gibt es seit 30 Jahren / Armin Borgmann Im Alter unabhängig aber nicht allein – Einweihung des Mathilde-Papst-Hauses in St. Georgen mit Ministerpräsident Teufel / Christina Nack 18. Kapitel/ Umwelt und Natur Der Orkan „Lothar“ und die Folgen -Am 26. Dezember 1999 ereignete sich im Landkreis die bislang größte Sturmkatastrophe der jüngeren Zeit/ Stefan Limberger-Andris Orkan „Lothar“ schlägt alle Rekorde – Millionen-Schäden in den Wäldern des Schwarzwald-Baar-Kreises / WolfHockenjos Ein „Runder Tisch“ für die Umwelt – Die Südbaar-Städte erarbeiten gemeinsam einen umfassenden Umweltplan/ Dr. Gerhard Bronner Naturpark Südschwarzwald – Der Naturpark Südschwarzwald ist der Größte seiner Art in Deutschland / WolfHockenjos Mächtiger Nußbaum am Q!iellhang – Die Oberen Roßwiesen sollen als Naturdenkmal ausgewiesen werden / Hans Letule 185 189 195 201 211 218 224 227 231 234 237 244 252 261 271 342

Der Schwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild 19. Kapitel/ Architektur, Bauen und Wohnen Zur jüngeren Baugeschichte im Landkreis – Kreisbaumeister Gerhard Janke blickt zurück/ Gerhard Janke Malerische Häuser im Ortskern – Handwerker und Händler siedelten im nahen Umkreis der Schönwälder Kirche/ Heinz Nienhaus 20. Kapitel / Stätten der Gastlichkeit Über 111 Jahre im Familienbesitz – Das Gasthaus „Alte Geutsche“, wo sich auch Scheffel wie zu Hause fühlte / Armin Kienzler Ein Landgasthof mit Tradition – Das Gasthaus „Zum Engel“ in Neuhausen ist Dreh- und Angelpunkt des Dorflebens/ Brigitte Schmalenberg Traditionelle Gastlichkeit auf der „Länge“ – Der Gasthof „Längehaus“ ist seit jeher eine beliebte Anlaufstätte für Reisende und Einheimische/ Christiana Steger 21. Kapitel/ Freizeit und Erholung Der Bräunlinger Straßenmusiksonntag – Ein im gesamten Landkreis bekanntes Festival der Kleinkunst/ Jürgen Bertsche Das „Ackerloch“ – gemütlich grillen – Im FeriendorfUnterkirnach hat sich ein beliebter Freizeit-Treff etabliert / Renate Puchinger 273 280 285 289 292 295 303 22. Kapitel / Sport Erfolgreiche Jugendarbeit zahlt sich aus – Kristin Dom ist Baden-Württembergische Schülermeisterin im Riesenslalom/ Dr. Helmut Rothermel Europameisterschaft im Distanzreiten – Teilnehmer aus 15 Nationen absolvierten in Donaueschingen einen 120 Kilometer langen Ritt / Stefan Limberger-Andris 305 308 23. Kapitel / Lyrik der Heimat Zum Forellenfischen nach Triberg – Wie Emest Hemingway Triberg besuchte / Renate Bökenkamp Schwarz-weiß-grau – Oder: Die Wahrheit ist immer eine andere/ Renate Bökenkamp Der Schah von Persien – Eine Schneidergeschichte aus Mönchweiler / Dieter Eberhard Maier Der letzte Graf von Baldingen / Herwig Meßner Kein falscher Glanz – Von dem Irrtum, nur bei Tage lohne sich der Anblick der Welt/ Karl Volk Der Wolfbach-Rolli – Im Waldgebiet zwischen Unterkimach und Herzogen- weiler treibt sich ein Untier umher/ Nach G. Blessing 312 314 315 319 320 321 343

Drum und Dran vom Auerhahn – Eine lyrische Abhandlung zur Auerhahnjagd im Schwarzwald am Beispiel Vöhrenbach I Fritz Ruf (verfasst 1936) Gedichte Adam 2000 I Christiana Steger das weilchen hier I Karlheinz Barte! Blatthalde I Herwig Meßner Vermißt I Michael). H. Zimmermann Zum Jahreswechsel I Bruno Wehinger Blick 2000 I Bernhard Brommer Ohne Titel I Hanna Krepp Zeitzeichen II I Christiana Steger Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Wahlergebnisse der Kreistagswahl vom 24.10.1999 Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Ausländische Mitbürger in Zahlen Bildnachweis Errata Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 324 28 34 63 109 156 188 199 284 333 334 334 334 335 335 336 336 337 339 344