Almanach 2000

Almanach 2000 HEIMATJAHRBUCH DES S CHWARZWALD-ßAAR-KREIS ES 24. FOLGE

Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis intemet:www.schwarzwald-baar-kreis.de e-mail:landratsamt@sd1warzwald-baar-kreis.de Redaktion: Karl Heim, Landrat Dr. Joachim Sturm, Krei armivar Wilfried Dold, Redakteur Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlid1. Nachdru ke und Verviel­ fültigungen jeder Art werden nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag, Gestaltung, Satz und Lithografie: DoldVerlag, Vöhrenbach (www.DoldVerlag.de) Vertrieb und Druck: Todt-Druck GmbH, Villingen­ Sd1wenningen ISBN: 3-927677-24-8

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 2000 Willi Acker Transport GmbH & Co. KG, Wiesenstr. 14, Schonach AZ Armaturen GmbH & Co. KG, Waldstr. 7, Mönchweiler ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Vöhrenbach HESS FORM + LICHT, Schlachthausstr. 19-19/3, Villingen-Schwenningen Martin Jauch GmbH, Jakob-Kienzle-Str. 11, Villingen-Schwenningen Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH + Co. Heilbrunnen, Bad Dürrheim Fa. Heinz Jordan, Schreinerei, Oberer Dammweg 4, VS-Villingen Kienzler Holzwaren GmbH, Schonach Energiedienst GmbH Laufenburg, (Kraftwerk Laufenburg), Laufenburg Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach Kundo System-Technik GmbH, St. Georgen EGT Elektronik GmbH, Schonacher Str. 2, Triberg EGT Gebäudemanagement GmbH, Schonacher Str. 2, Triberg ELVEDI GmbH, Lagertechnik, Blumberg Energieversorgung Südbaar, Leo-Wohleb-Str. 3, Blumberg Emil Frei GmbH & Co. Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Ann-Christine Frykman, Blumberg Liapor-Werk, Tuningen Lutz Fleischwaren AG, Blumberg Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, VS-Villingen Spedition Julius Mayer, Bräunlingen MBK Sicherheitsdienst-Elektronik GmbH, Hüfingen Leopold Messmer, Freier Architekt, Furtwangen GFT Technologies AG, St. Georgen MODUS Gesellschaft f. berufliche Bildung GmbH & Co. KG, Vöhrenbach M. Greiner VBI Dipl. Ing., A.-Kolping- Str. 12, Donaueschingen Mohr + Friedrich GmbH, Mutternfabrik, Vöhrenbach Siegfried Heim GmbH, Schonacher Str. 20, Triberg Ingenieurbüro für Haustechnik Reiner Oberle, Ostbahnhofstr. 19, Villingen-Schwenningen 3

Reiner Präzision GmbH, Donaueschingen-Wolterdingen T RW Deutschland GmbH, Werk Blumberg Ernst Reiner GmbH & Co. KG, Furtwangen RICOSTA Schuhfabriken GmbH, Donaueschingen Volksbank eG, Triberg Volksbank eG, Villingen Anne Rieple-Offensperger, Bad Dürrheim Alfons Schlenker Schotterwerk GmbH+ Co. KG, Villinger Str. 21, Dauchingen Weißer+ Grießhaber GmbH, Waldstr. 11, Mönchweiler F. K. Wiebelt GmbH & Co. KG, Villingen-Schwenningen Matthias Sd1lenker, Brennstoffe + Spedition, Villingen-Schwenningen Dr. Fritz Wilke Johann Wintermantel Verwaltungs-GmbH & Co. KG, Kies- u. Betonwerke, Pfohrener Str. 52, Donaueschingen Ursula Wollersen-Fleig, Triberg Maico Elektroapparate-Fabrik GmbH, Steinbeisstr. 20, Vil]ingen-Sd1wenningen Rudolf Geier GdbR, Bräunlingen L. Biedermann Orthopädie-Technik, Bertha -von -Suttner-Str. 23, Villingen-Schwenningen Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Donaueschingen Rainer Trippe!, Karlsbad 8 weitere Freunde und Förderer des Almanachs wünschen nicht namentlich genannt zu werden. Schmidt Feintechnik GmbH, St. Georgen Anton Schneider Söhne GmbH+ Co., Schonach S. Siedle & Söhne, Telefon- und Telegrafenwerke Stiftung & Co., Bregstr. 1, Furtwangen Elementbau Spadinger GmbH, Bräunlingen Sparkasse Donaueschingen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit SO Geschäftsstellen Günther Stegmann, Donaueschingen STEIN Automation GmbH, VS-Schwenningen STRAUB-VERPACKUNGEN GmbH, Bräunlingen SWEG-Südwestdeutsche Verkehrs AG, Lahr, Verkehrsbetrieb Furtwangen 4

Heimat im 3.Jahrtausend Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Saar-Kreises 2000 zum Geleit Mit Ablauf des Jahres 1999 wird die Tür zum 3. Jahrtausend aufgestoßen. Wenn wir das Ende des 20. Jahrhunderts Revue pas­ sieren lassen, müssen wir mit Schrecken fest­ stellen, dass der Krieg als Mittel der Politik nach Europa zurückgekehrt ist. Vor der Jahr­ tausendwende haben die westlichen Demo­ kratien aber auch bewiesen, dass sie willens und in der Lage sind, Freiheit und Men­ schenwürde gegen diktatorische Machtan­ sprüche zu verteidigen. Das gibt Hoffnung auf ein friedliches und freiheitliches Europa auch im neuen Jahrtausend. In wirtschaftlicher Hinsicht hatte der Schwarzwald-Baar-Kreis mit dem Nieder­ gang großer traditionsreicher Firmen der Uhrenindustrie und der Unterhaltungselek­ tronik in den letzten Jahrzehnten schwere Zeiten mit hohen Arbeitslosenzahlen zu verkraften. Heute an der Schwelle zum 3. Jahrtausend können wir mit Genugtuung feststellen, dass der Strukturwandel gelun­ gen ist. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat ei­ ne gut ausgebildete mittelständische Struk­ tur mit vielen sehr innovativen Unterneh­ men und unterdurchschnittlichen Arbeits­ losenzahlen. Bei dieser Ausgangslage dürfen wir hoffen, dass sich die positive wirtschaft­ liche Entwicklung auch in den nächsten Jah­ ren fortsetzt. Die O!,ialität einer Gesellschaft misst sich aber nicht in erster Linie an der wirtschaftli­ chen Situation, sondern daran, wie die Men­ schen miteinander umgehen, wie das sozia­ le Klima ist. Der seit längerem feststellbare gesellschaftliche Wertewandel mit einer star­ ken Zunahme des Individualismus und ei­ ner in weiten Bereichen festzustellenden Entsolidarisierung der Gesellschaft macht natürlich auch vor dem Schwarzwald-Baar­ Kreis nicht halt. Die auseinanderstrebenden Kräfte, der Verlust an Gemeinsinn und die sozialen Pro­ bleme sind in unserem überwiegend länd­ lich strukturierten Kreis mit überschauba­ ren Einheiten aber bei weitem nicht so stark wie z.B. in den Verdichtungsbereichen. In unzähligen Vereinen und Organisationen engagieren sich ehrenamtlich viele tausend Menschen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Das Zusammengehö­ rigkeits- und Gemeinschaftsgefühl ist in un­ seren Dörfern und Städten stark ausgeprägt. Darüber hinaus entwickeln sich neue For­ men des bürgerschaftlichen Engagements. Diese in vielen Bereichen gelebte Solidarität wird auch im neuen Jahrtausend das soziale Klima im Kreis positiv mitprägen. Ich bin überzeugt, dass wir bei dem großen Poten­ tial zwischenmenschlicher Beziehungen und bürgerschaftlichem Engagement, der Bodenständigkeit und Heimatverbunden­ heit unserer Bevölkerung auch im nächsten Jahrtausend unseren Schwarzwald-Baar­ Kreis in einem guten sozialen Klima weiter entwickeln werden. Die Menschen im Schwarzwald-Baar-Kreis können also mit großer Zuversicht die Schwelle zum dritten Jahrtausend über­ schreiten. Herzlichen Dank sage ich auch in diesem Jahr den treuen Freunden und Förderern des Almanachs sowie allen Autoren, die wie­ derum dazu beigetragen haben, dass ein an­ sprechendes, informatives und zudem preis­ wertes Heimatjahrbuch entstehen konnte. Karl Heim Landrat 5

1. Kapitel/ Almanach 2000 Aus dem Kreisgeschehen Erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung Schwarzwald-Baar-Kreis kann auf erweiterten finanziellen Handlungsspielraum hoffen Die Kreispolitik war auch 1999 eingebun­ den in die gesamtgesellschaftliche und ge­ samtwirtschaftliche Entwicklung. Die Wirt­ schaft hat sich 1999 erfreulich positiv ent­ wickelt. Die guten Auftragsbestände führten zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote im Schwarzwald-Baar-Kreis von 6,3 % im Juli 1998 aufS,6 % imJuli 1999. Nachdem die Arbeitslosenquote viele Jahre immer über dem Landesdurchschnitt lag, liegt sie nun unter dem Landesdurchschnitt. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat landesweit den stärksten Rückgang der Arbeitslosenquote in den letzten beiden Jahren. Die gute wirtschaftliche Entwicklung mit der Folge höherer Steuereinnahmen wirkte sich auch positiv auf die Entwicklung der Kreisfinanzen aus. War die Haushaltplanberatung 1999 noch geprägt von der Sorge über steigende Aus­ gaben vor allem im sozialen Bereich bei nur mäßig steigenden Einnahmen, zeigt die tatsächliche Entwicklung eine erstaunliche Steigerung der Grunderwerbssteuer und der Schlüsselzuweisungen bei in der Summe im Wesentlichen gleichbleibenden Ausgaben. Dies macht es möglich, die eingeplanten Schuldenaufnahmen zu reduzieren und so den finanziellen Handlungsspielraum für die kommenden Jahre zu erweitern. Dies ist auch dringend nötig, um den durch die Fi­ nanznot der vergangenen Jahre entstande­ nen Nachholbedarf z.B. bei der Schulge­ bäudeunterhaltung und im Kreisstraßenbau zu befriedigen. Darüber hinaus stehen wich­ tige Infrastrukturmaßnahmen, wie z.B. die Einführung des Ringzuges mit entsprechen­ den Anforderungen an den Kreishaushalt an. Allerdings zeichnen sich bereits dunkle Wolken ab, die den Silberstreif am Finanz­ horizont wieder verdunkeln. Die Bundesre­ gierung hat ein „Sparprogramm“ vorgelegt, das in weiten Bereichen schlicht eine La­ stenverschiebung vom Bund auf die Kom­ munen vorsieht. W ürde dieses Programm so umgesetzt, hätte dies für den Schwarz­ wald-Baar-Kreis Mehrbelastungen in der Größenordnung von S bis 6 Mio. DM pro Jahr zur Folge. Die Konsequenz wäre, dass die Finanznot des Kreises sich in den kom­ menden Jahren fortsetzen würde. Zwei wesentliche Strukturreformen Kreispolitisch war das Jahr 1999 u. a. ge­ prägt von zwei wesentlichen Strukturrefor­ men. Die vom Schwarzwald-Baar-Kreis, dem Ortenaukreis und dem Kreis Rottweil ge­ meinsam getragene Zentrale Zimmerver­ mittlungsstelle mit Tourismusinfo für die Gebietsgemeinschaft „Mittlerer Schwarz­ wald“ wurde zum l. Januar 1999 in die Schwarzwald-Tourismus-GmbH umgewan­ delt. Hauptgesellschafter sind die Landkrei­ se Schwarzwald-Baar-Kreis, Ortenaukreis und Rottweil und acht weitere private Ge­ sellschafter. Diese acht privaten Gesellschaf­ ter sind die Bad Dürrheimer Mineralbrun­ nen GmbH, der Dehoga Kreisverband Or­ tenau, der Europapark Rust, die Fürstlich Fürstenbergische Brauerei in Donauesch­ ingen, die Museumsbahn Wutachbahn, die Peterstaler Mineralquellen GmbH sowie die Sparkasse Villingen-Schwenningen und die Volksbank Villingen-Schwenningen. Mit der Gründung der GmbH passte die Ge- 6

Au d m Krei geschehen Der Tourismus ist ein gewichtiger Wirt­ schaftsfaktor im Landkreis, allein die Triberger Wasserfälle werden Jahr far Jahr von über 300 000 Touristen aus aller Welt besucht. bietsgemeinschaft „Mittlerer Schwarzwald“ ihre Struktur der neuen Tourismusstruktur auf Landesebene an. Die Schwarzwald-Tourismus-GmbH wird auch Gesellschafterin der Landes -Touris­ mus -Marketing- GmbH werden und so die Interessen des Mittleren Schwarzwaldes in die Tourismuspolitik auf Landesebene ein­ bringen. Vor allem ermöglicht die neue Rechtsform aber ein flexibleres Reagieren auf den Tourismusmarkt, mit der Möglich­ keit, auch eigene „Produkte“ anzubieten. Schließlich zeigt sich bereits jetzt, dass die Aufnahme privater Gesellschafter eine ech­ te Bereicherung darstellt. Nicht nur weil sich diese finanziell beteiligen, sondern weil da­ mit die Erfahrungen dieser Partner und pri­ vatwirtschaftliches Denken in die Arbeit der Schwarzwald-Tourismus-GmbH einfließen. Der Tourismus ist nach wie vor ein ge­ wichtiger Wirtschaftsfaktor im Schwarz­ wald-Baar-Kreis, der in seiner Bedeutung häufig unterschätzt wird. Er wird in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt der Kreispolitik sein. Eine Arbeitsgemeinschaft aus Mitgliedern des Kreistages, Vertretern der Gemeinden, der IHK und des Hotel- und Gaststättengewerbes erarbeiten zur Zeit Vorschläge, wie der Tourismus im Schwarz­ wald-Baar-Kreis weiter entwickelt werden kann. Als erster Schritt ist noch 1999 die Herausgabe einer Freizeitkarte mit den tou­ ristischen Highlights im Schwarzwald-Baar­ Kreis vorgesehen. Kreiskrankenhaus ist nun eine GmbH Die zweite einschneidende Strukturreform war die Umwandlung des bisher als Regie be­ trieb geführten Kreiskrankenhauses Donau­ eschingen in eine GmbH. Der Landkreis ist alleiniger Gesellschafter und damit weiter­ hin Träger des Krankenhauses. Die Betriebs­ trägerschaft wurde jedoch einer privaten Krankenhaus-Managementfirma, der Sana­ Kliniken-GmbH, übertragen. Der Geschäfts­ führer wurde von der Sana im Einverneh­ men mit dem Aufsichtsrat des Kreiskran­ kenhauses bestellt. Mehrere Gründe waren für diesen Schritt maßgebend: Krankenhäuser sind Wirtschaftsunterneh­ men, in denen vor Ort schnell und eigen­ verantwortlich gehandelt werden muss. Dies 7

Aus dem Kreisgeschehen Das Kreiskrankenhaus Donaueschingen: Zwar bleibt der Landkreis alleiniger Träger, doch 1ourde die Be­ triebsträgerschaft einer privaten Krankenhaus-Mana­ gemenifi.nna übertragen. Rechts: Blick in die Bäderabteilung aus Anlaß des ,,Tages der qffinen Tür“ im Juni 1999. Beim „Tag der qffinen Tür“ im Kreiskrankenhaus Donaueschingen aus Anlaß des 25jährigen Bestehens im Juni 199 9 demonstrierten Notärzte und Rettungssanitäter wie wichtig eine effiziente Soforthilfe ist. 8

ist in der Rechtsform des Regiebetriebes nur bedingt möglich. Die umfassende Zustän­ digkeit des Geschäftsführers ermöglicht auch klare Führungsstrukturen innerhalb des Krankenhauses. Darüber hinaus waren aber vor allem die wirtschaftliche Situation des Krankenhauses und die sich abzeich­ nende allgemeine Entwicklung im Kranken­ hausbereich ursächlich für die Änderung. Bedingt durch die Deckelung des Budgets bei gleichzeitig steigenden Ausgaben war das Krankenhaus in eine finanziell schwieri­ ge Lage gekommen. Durch die Einbindung des Krankenhauses Donaueschingen in ei­ nen größeren Krankenhausverbund können Rationalisierungspotentiale genutzt werden, die ein einzelnes kleineres Haus nicht hat, wie z.B. gemeinsamer Einkauf, Vorhalten von Spezialistenwissen usw .. Darüber hin­ aus können die Erfahrungen, die in einem solchen Verbund bei der wirtschaftlichen Sa­ nierung verschiedener Häuser gemacht wur­ den, für das Kreiskrankenhaus Donauesch­ ingen nutzbar gemacht werden. Schließlich verändert sich aber auch die Krankenhauslandschaft. Der Trend zur Spe­ zialisierung scheint unaufhaltsam und wird von den Patienten durch ihr Verhalten, möglichst immer gleich einen Spezialisten aufzusuchen, gefördert. Dies verlangt eine mittel- bis langfristige strategische Orientie­ rung eines Krankenhauses in seinem Um­ feld. Auch für diesen Prozess können die Er­ fahrungen der Sana als Krankenhausmana­ gementfirma mit vielen Krankenhäusern und Kenntnis der Entwicklungen im Kran­ kenhausbereich genutzt werden. 1999 konnte das Kreiskrankenhaus Do­ naueschingen auch sein 25jähriges Bestehen feiern. Dieses Jubiläum wurde in einem Fest­ akt im Krankenhaus am 11. Juni 1999 mit Sozialminister Repnik als Festredner gewür­ digt. Am 20. Juni 1999 stellte das Kreiskran­ kenhaus Donaueschingen seine Leistungs­ fähigkeit und sein vielfältiges Leistungsan­ gebot beim „Tag der offenen Tür“ eindrucks­ voll unter Beweis. Krei_spolitik 1999 Die bedeutendsten Investitionsvorhaben im Jahr 1999 wurden im Schulbereich be­ gonnen bzw. beschlossen. Mit einem Jahr Verzögerung konnte 1999 endlich mit dem Neubau des Schulkinder­ gartens für geistig Behinderte in Donau­ eschingen-Aufen begonnen werden. Nach dem Abbruch des alten Gebäudes fand am 20.April 1999 an gleicher Stelle der Spaten­ stich statt. Der Schulkindergarten ist auf drei Gruppen ausgerichtet und soll im April 2000 bezugsfertig sein. Das Internat der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe bedarf dringend einer Sanierung. Die Internats­ zimmer sind zum Teil noch mit bis zu 6 Schülern belegt. Vorgesehen ist ein Umbau in zeitgemäße Ein- und Zweibettzimmer mit Nasszelle. Um das Bettenangebot zu halten ist es erforderlich, einen Ergänzungs­ bau zu erstellen. Darüber hinaus wird ange­ strebt, durch den Bau von Tiefgaragen auf dem Internats- und Schulgelände die ekla­ tanten Parkplatzprobleme entscheidend zu verbessern. Die gesamten Maßnahmen wer­ den nach derzeitiger Schätzung Kosten von rd. 25 Mio. DM verursachen. Nach intensiven Diskussionen beschlos­ sen die Kreisgremien, den Ergänzungsbau und die Tiefgarage auf dem bestehenden Gelände zu realisieren. Hierfür wird ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, um die bestmögliche Lösung auf dem engen Areal zu ermitteln. Die Baumaßnahmen sol­ len in Abschnitten durchgeführt werden und einen Zeitraum von 8 bis 10 Jahren um­ fassen. Weitere Schwerpunkte der Kreispolitik wa­ ren auch im Berichtszeitraum, wie schon in den vergangenen Jahren, die Abfallwirt­ schaft, der soziale Bereich sowie der öffent­ liche Personennahverkehr. Kar/Heim, Landrat 9

Au dem Krei geschehen Restmüllbehandlung ist geregelt Kreistag fällt mit einem Volumen von 200 Millionen Mark größte Entscheidung seiner Geschichte Das abgelaufene Berichtsjahr fäUt heuer mit dem Auslaufen der 5. Wahlperiode des zuletzt im Juni 1994 gewählten Kreistages zusammen. Wie in den Vorjahren stand ne­ ben den kreispolitisch bedeutsamen The­ men des ÖPNV sowie dem Berufs-und Sonderschulwesen auch die Abfallpolitik wieder einmal im Zentrum wichtiger Ent­ scheidungen: Gilt es doch, die Abfallwirt­ schaft für das Jahr 2000 und die Zeit danach ,,fit“ zu machen. Die sicherlich bedeutendste Entscheidung für die Abfallwirtschaft der nächsten Jahr­ zehnte und vom Auftragsvolumen über an­ nähernd 200 Mio. DM die größte in seiner Geschichte fällte der Kreistag am 26. Juli 1999: Die Vergabe der Restmüllbehandlung ab dem 1. Juni 2005. Bekanntlich dürfen nach diesem Zeitpunkt die Restabfälle – Biomüll wird ja seit 1998 bereits getrennt ge­ sammelt und verwertet -nicht mehr wie bis­ her unbehandelt auf den Deponien der Landkreise abgelagert werden. Sie müssen vielmehr mittels geeigneter Verfahren soweit vorbehandelt werden, dass die darin enthal­ tenen Stoffe nicht mehr „reagieren“, d. h. kein Gas mehr bilden und keine Schadstof­ fe mehr in das Sickerwasser abgeben. Im Rahmen einer 1998 zusammen mit dem Landkreis Tuttlingen durchgeführten euro­ paweiten Ausschreibung für diese Dienstlei­ stung der Restmüllbehandlung haben für den Schwarzwald-Baar-Kreis neun Bieter, al­ lesamt bundesweit renommierte Firmen der Abfallwirtschaft, Angebote eingereicht. Die­ se reichten von der klassischen Müllver­ brennung bis zu neuartigen Verfaluen der biologisch-mechanischen Behandlung des Restmülls. Die geforderten Preise für Be­ handlung und Transport der Abfälle reich­ ten von DM 104/t für ein Verfahren, das je­ doch nicht die gesetzlichen Vorgaben ein- 10 hält, bis zu DM 350/t. Da die Ausschrei­ bung keine bestimmte Behandlungstechnik, sondern „nur“ eine gesetzeskonforme Ab­ fallbeseitigung verlangte, oder einen be­ stimmten Standort für die Anlage vorgab, war letztlich -wie bei allen Vergaben -das für den Landkreis und damit für den Ge­ bührenzahler „wirtschaftlichste“ Angebot entscheidend. Mit zu berücksichtigen war dabei allerdings, dass der Landesgesetzgeber 1999 aus guten Gründen vorgeschrieben hat, dass die Abfallbeseitigung baden-würt­ tembergischer Landkreise grundsätzlich im Land zu erfolgen hat. ,,Müllexporte“ in an­ dere Bundesländer oder gar ins Ausland sind danach, von für den Schwarzwald-Baar­ K.reis nicht zutreffenden Ausnahmen abge­ sehen, nicht (mehr) zulässig. Letzte große abfallwirtschaftliche Weichenstellung vorgenommen Vor diesem Hintergrund und nach einer nahezu 10 Jahre dauernden intensiven Dis­ kussion über Verfahren, Standorte und Ko­ sten traf der Kreistag am 26. Juli 1999 die Entscheidung, den Restmüll des Landkreises ab Juni 2005 über die Firma Fischer Entsor­ gung, Villingen-Schwenningen, in der Müll­ verbrennungsanlage in Göppingen zum Be­ handlungspreis von DM 238,67/t entsorgen zu lassen. Der Vertrag sieht eine Laufzeit von 15 Jahren und eine Verlängerungsopti­ on zugunsten des Landkreises von weiteren fünfJahren vor und besitzt so bei einem für das Jahr 2005 prognostizierten Müllauf­ kommen von ca. 38.000 Jahrestonnen ein Volumen von rund DM 180 Millionen. Zu diesen Kosten hinzu kommt die allerdings erst in späteren Jahren noch zu vergebende Transportleistung von nochmals rund DM 20 Millionen. Der Landkreis Tuttlingen da-

gegen wird seinen Restmüll ab dem Jahr 2005 in der Müllverbrennungsanlage in Ulm entsorgen. Mit dieser Entscheidung hat der Kreistag die letzte große abfallwirtschaftliche Wei­ chenstellung für die nächsten Jahrzehnte vorgenommen. Auch wenn das ursprünglich gemeinsam geplante Projektei­ ner Müllverbrennungsanlage für die drei Landkreise der Re­ gion im Jahre 1996 gescheitert ist, kann letztlich aus heutiger Sicht gesagt werden, dass sich das Zuwarten des Landkreises in diesem Bereich gelohnt hat: Waren vor drei und vier Jahren noch Behandlungspreise von bis zu DM 600/t üblich, ist jetzt das Marktniveau gerade auch aufgrund zurückgehender Müllmengen und damit unausgelasteter Anlagen für die Landkreise Kreis.Politik 1999 sehr günstig geworden. Die Marktpreise lie­ gen, wie unsere Ausschreibung gezeigt hat, bei DM 200 -DM 250/t. Setzt man diese Preise in Relation zu einer Deponierung des Mülls, die derzeit rund DM 200/t kostet, so sieht man, dass mittlerweile die thermische Müllbehand­ lung nur noch geringfügig teu­ rer als die herkömmliche Müll­ beseitigung auf der Deponie ist. Eine von der Verwaltung durchgeführte Gebührenpro­ gnose für das Jahr 2006 (erstes Jahr der Müllverbrennung) geht dabei von einem Ge­ bührenanstieg von etwa 10 % aus. Zusammen mit der Biomüllentsorgung ist bei ei- nem Vier-Personen-Haushalt im Jahre 2006 mit einer Jahresmüllgebühr von rund DM 347 zu rechnen. Derzeit liegt sie bei rund DM 300. Sie wird damit immer Auf der Deponie Hüfingen konnte eine Entgasungsanlage in Betrieb genommen werden. Das Gas wird über einen speziellen Motor im Blockkraft- heizwerk .verstromt“. Das Ende der Mülldeponien herkömmlicher Art, wie jener in Hiifingen, ist gekommen, der Schwarzwald­ Baar-Kreis entsorgt seinen Restmüll ab dem Jahr 2005 in der Müllverbrennungsanlage Ulm. 11

Aiu dem Kr isge h hen anderen zugelassenen Anla­ gen in Baden-Württemberg – zu entsorgen. Im Berichtsjahr wurden vom zuständigen Ausschuss wei­ tere zukunftsweisende Ent­ scheidungen in der Abfallpo­ litik getroffen: Die Entsor­ gung des Grünguts im Land­ kreis erfolgt künftig durch die Bietergemeinschaft der Firma Heinemann und des Landmaschinenrings: Während die Firma Heine- Seil 18. Juni 1999 wird in Hiifingen das aus der Deponie ausströ- mann weiter die Kompostan­ Jage in V S-Villingen – aller- mende Gas in einem Blockkrafiheizwerk„verstromt“. dings mit einem deutlich reduzierten Durchsatz von rund 6 500 Jahrestonnen – betreibt, ist der Landmaschi­ nenring verpflichtet, einen Grüngutannah­ meplatz auf der Deponie Hüfingen zu be­ treiben und die über die Kapazität der Korn­ postanlage hinaus gehenden Grüngutmen­ gen selbst in der Landwirtschaft zu verwer­ ten. Unter den gegebenen Voraussetzungen stellt dies ein kostengünstiges und die be­ kannte Emissionsproblematik der Korn­ postanlage in Villingen deutlich minimie­ rendes Verfahren dar. noch unter dem vom früheren Umweltmi­ nister des Landes geforderten Preis für die tägliche Restmüllentsorgung liegen: Dieser dürfe auch in der Zukunft nicht mehr als ei­ ne Laugenbrezel am Tag kosten! Nicht so erfolgreich lief es im abgelaufe­ nen Berichtsjahr im Bereich der geplanten Biomüllverwertung: Die für den vorgesehe­ nen Standort bei der Kläranlage des Abwas­ serzweckverbandes „Oberer Neckar“ zu­ ständige Gemeinde Deißlingen versagte im Herbst 1998 aus bauplanungsrechtlichen Gründen ihr notwendiges Einvernehmen zum Bau der Vergärungsanlage. Dies, ob­ wohl die technischen Voraussetzungen der geplanten Anlage mit den Anforderungen des Immissionsschutzes in Einklang stehen. Nach erfolglosen Widerspruchsverfahren ist jetzt die Klage der von den beiden Land­ kreisen Schwarzwald-Baar-Kreis und Tutt­ lingen beauftragten Firma BRS-Bauschutt­ recycling Schwarzwald-Baar GmbH, V illin­ gen-Schwenningen, beim Verwaltungsge­ richt in Freiburg anhängig. Ab dem 1. Januar 2000 bis zu einer Entscheidung des Gerichts ist die Firma BRS gleichwohl verpflichtet, den Biomüll beider Landkreise zu den Vertragskonditionen der vorgesehenen Vergärungsanlage Auch wurde 1999 die verfüllte Kreismüll­ deponie Tuningen endgültig in die Nach­ sorge entlassen. Der Ausschuss beschloss nach langen und intensiven Diskussionen die Aufbringung einer Oberflächenab­ deckung mit voraussichtlichen Kosten über DM 1,9 Millionen. Diese nach neuesten Erkenntnissen aufgebaute Abdeckung ent­ spricht zwar nicht dem „TASi-Standard“ mit Kosten in nahezu doppelter Höhe. Der Landkreis hat jedoch die begründete Hoff­ nung, dass damit auch in künftigen Jahren „das letzte Wort gesprochen ist“. Zur Vermeidung des anfallenden Sickerwassers ordnungsgemäß – wenn auch in l ?G,-f und der dadurch bedingten ho­ hen Reinigungskosten war diese Maßnahme jetzt dringend erfor­ derlich. Die noch „aktive“ De- 12 WENIGER MÜLL SCHWARZWALD·IIAAR-KREIS

ponie Hüfingen erfuhr 1999 ebenfalls eine deutliche ökologische und ökonomische Aufwertung: Nach Abschluss umfangreicher Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen mit Kosten in Höhe von rund DM 2,9 Millio­ nen konnte am 18. Juni 1999 offiziell die neue Entgasungsanlage auf der Deponie in Betrieb genommen werden. Während bis­ lang das aus der Deponie strömende Gas (ca. 55 0/o Methan und ca. 40 0/o Kohlendio­ xid) über die Gasfackel verbrannt wurde, wird es jetzt über einen speziellen Gasmotor in einem Blockheizkraftwerk „verstromt“ und in das öffentliche Stromnetz der Stadt Hüfingen eingespeist. Die Investitionen für die Verstromung wurden von einer privaten Firma übernommen. Dem Gebührenhaus­ halt des Landkreises kommen so jetzt jähr­ lich DM 50.000 aus Stromeinnahmen zu­ gute. Ein weiterer positiver Effekt: Über den Energieträger „Deponiegas“ werden jährlich über 300 Haushalte mit Strom versorgt und die Geruchsproblematik der Deponie wird durch dieses moderne Entgasungssystem deutlich reduziert. Insgesamt eine ökolo­ gische Investition, die in der Zukunft ihre Früchte tragen wird. Die Papiermonotonne kommt Eine für die Kreiseinwohner unmittelbar bedeutsame Entscheidung hat der Aus­ schuss im Hinblick auf die künftige Papier­ entsorgung der Haushalte im Kreis gefällt: Während bislang schon 10 Kreisgemeinden über Papiermonotonnen in den Haushalten entsorgt wurden, erfolgte in den restlichen 10 Gemeinden, darunter das Oberzentrum Villingen-Schwenningen und die Große Kreisstadt Donaueschingen, die Entsorgung über das Depot-Container-System mit der leider nur allzu bekannten Verschmut­ zungsproblematik an den Standplätzen. Zu­ sammen mit den Entsorgungsunternehmen hat der Landkreis ein Konzept ausgearbeitet, das nicht nur eine deutliche Reduzierung der Altpapierverwertungskosten um rund Krei poütik 1999 DM 500 000/Jahr zur Folge hat, sondern auch diesen Gemeinden anbietet, ohne zu­ sätzliche Kosten vom Containersystem auf die Papiermonotonne „umzusteigen“. Bis auf die Gemeinden Triberg, Schonach, Schönwald und Gütenbach wurde dieses Angebot angenommen. In Blumberg steht die Entscheidung des Gemeinderats dazu noch aus. In der ersten Jahreshälfte 2000 erhalten dann alle Haushalte im Landkreis – bis auf diejenigen in den genannten Ge­ meinden – ,,ihre“ Papiermonotonne, die dann im vierwöchentlichen Abfuhrrhyth­ mus entleert wird. Zusätzliche Kosten fallen für die Haushalte dadurch nicht an. Eine ,,Befreiung“ von der Papiertonne ist mög­ lich, das Papier muss dann allerdings bei den Recycling-Zentren/Wertstoffhöfen ent­ sorgt werden. Mit der Einführung der Mo­ notonne werden die öffentlich zugängli­ chen Container abgezogen. Auch intern hat sich das Abfallwirt­ schaftsamt des Landkreises auf künftige Aufgaben eingestellt: Eine in den Jahren 1998/1999 von einer renommierten Unter­ nehmensberatung durchgeführte Organisa­ tionsuntersuchung erbrachte klare Verbesse­ rungsmöglichkeiten. Neben amtsinternen Aufgabenveränderungen wird künftig der gesamte Bürgerkontakt in Sachen Abfall und Abfallgebühren zentral im Abfallwirt­ schaftsamt abgewickelt werden. Durch Zu­ sammenfassung von Personal wird künftig die telefonische Erreichbarkeit spürbar ver­ bessert und dem Bürger eine Beratung in al­ len abfallwirtschaftlichen Fragen einschließ­ lich der Gebühren aus einer Hand gewähr­ leistet werden. Kienzle-Areal wird saniert und verwertet Die im letztjährigen Almanach angespro­ chene und in diesem Jahrbuch an anderer Stelle vertiefte Altlastenproblematik hat in einem Fall nach lOjähriger Verfahrensdauer eine positive Wendung genommen: Das ehemalige Areal der Kienzle Uhrenfa- 13

Naturpark entscheidend vorangekommen Au dem Krci geschehen brik/Werk II in der Au-/Spittelstraße in VS­ Schwenningen konnte einer Sanierung und Verwertung zugeführt werden. Nach einer Vielzahl von Gerichtsverfahren um die Sa­ nierungspflicht für dieses Gelände gelang es im Frühjahr 1999 unter Vermittlung des Landratsamtes und in einer gemeinsamen Aktion mit der Stadt Villingen-Schwennin­ gen, das Areal an ein privates Sanierungs­ unternehmen zu übertragen, das gleichzei­ tig Bauträger für eine innenstadtverträgliche Nutzung des Geländes ist. Nach einer er­ folgreichen Sanierung sollen hier von der Firma Dr. Eisele, Rottenburg, Wohnungen, Stadthäuser und ein Lebensmittelmarkt ge­ baut werden. Die letzte und einer der größ­ ten Industriebrachen in Schwenningen wird damit wieder einer sinnvollen Nutzung zu­ geführt -ein ökologischer und städtebauli­ cher Glücksfall für die Stadt Villingen­ Schwenningen. Im Bereich des Naturschutzes ist das im letzten Almanach geschilderte Großprojekt „Naturpark Südschwarzwald“ in weiteren entscheidenden Schritten vorangekommen. Unter großer Beteiligung von Landkreisen, Gemeinden, Verbänden und Institutionen wurde am 1. Februar 1999 der Trägerverein für den Naturpark in Titisee-Neustadt ge­ gründet. Ihm gehören mittlerweile weit über 100 Mitglieder, darunter die fünf Landkreise Waldshut, Lörrach, Breisgau-Hochschwarz­ wald, Emmendingen und Schwarzwald­ Baar-Kreis sowie die Stadt Freiburg und na­ hezu alle Gemeinden des Naturparkgebiets an. Der Naturpark Südschwarzwald ist der größte der 85 Naturparks in Deutschland und umfaßt eine Fläche von rund 3 200 km2. In ihm leben rund 270 000 Menschen. Der Schwarzwald-Baar-Kreis liegt mit sei­ nem westlichen Teil und über der Hälfte des Kreisgebietes im Naturpark. Die Chancen, mit diesem Naturpark den Südschwarzwald zu einer „vorbildlichen Erholungsland- 14 schaft“ zu entwickeln, mit seinen Maßnah­ men zum Erhalt der Kulturlandschaft, der sie prägenden Landwirtschaft und zu einer Imagesteigerung im Tourismus beizutragen, sind groß. Demgegenüber sind die vielfach befürchteten Restriktionen, insbesondere für die Landwirtschaft, nicht durchschla­ gend: Der Naturpark ist kein „Naturschutz­ gebiet“ sondern ein „Entwicklungsgebiet“, in dem der Grundsatz gilt: Schutz durch na­ turverträgliche Nutzung. Die Naturparkkonzeption wird derzeit er­ arbeitet. In einem bislang in Deutschland einmaligen Verfahren erfolgt dies zusam­ men mit den Einwohnern im Naturpark. Mit ihnen werden Leitbilder zu den Berei­ chen Natur und Landschaft, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus und Siedlungs­ entwicklung erarbeitet. Daraus werden dann auf der Basis einer Stärken-/Schwächenana­ lyse konkrete Maßnahmen für die Zukunft entwickelt. Aufgrund dieses umfassenden, völlig neuen und modellhaften Ansatzes in der Konzeption eines Naturparks stehen die Chancen nicht schlecht, in den nächsten Jahren auch Mittel der EU in diesem Raum und damit auch in den Schwarzwald-Baar­ Kreis zu holen. Das Thema Natur-und Landschaftsschutz hat im abgelaufenen Jalu über die Diskussi­ on um den Naturpark hinaus ein weiteres, Aufsehen erregendes Konfliktfeld gebracht: die Zulassung von Windkraftanlagen in den Hochlagen des Schwarzwaldes. Konkret ging es um jeweils drei, bis zu 100 m hohe Windkraftanlagen an den Standorten „Kai­ serebene“ und „Leimgrube“ auf der Ge­ meinde Gütenbach, letzterer in Nähe des „Brend“ bei Furtwangen. Nach zunächst aus Gründen des Landschaftsschutzes ableh­ nenden Entscheidungen des Landratsamtes und des Regierungspräsidiums entschied der Verwaltungsgerichtshof im Mai 1999, dass trotz des massiven Eingriffs in die Land- Kontroverse Debatte über Windkraft

Krei politik 1999 Eine geplante Windkraftanlage auf der Oberleimgrube an der Gemarkungsgrenze Furtwangen/Gütenbach (unser Bild) hat im Oberen Bregtal eine Kontroverse darüber entfacht, ob die umwelifreundliche Stromer­ zeugung oder das Bild der Landschaft im Großraum Brend/Alteck/Raben vorrang hat. schaft aufgrund der »Privilegierung“ von Windkraftanlagen durch den Bundesgesetz­ geber im Baugesetzbuch letztlich diesen An­ lagen der Vorrang vor dem Schutz einer »ty­ pischen“, nur gering durch bauliche Anla­ gen vorbelasteten Schwarzwaldlandschaft einzuräumen ist. Massive Proteste aus der Bevölkerung Furtwangens waren die Folge: es könne nicht hingenommen werden, dass landschaftlich so wertvolle Bereiche wie die Gegend um den »Brend“ durch Windkraft­ anlagen so und auf Dauer entwertet werden. Hier tut sich ein neuer Konflikt auf: Während es gemeinhin im Umweltschutz um den – vielfach nur vermeintlichen – Ge­ gensatz von Ökologie und Ökonomie geht, streiten hier zwei ökologische Ziele mitein­ ander: der Einsatz regenerativer Energien und der Erhalt des Landschaftsbildes. Einen ähnlichen Konflikt kennen wir auch aus der Zulassung von Wasserkraftanlagen. Wäh- rend dort allerdings der Streit meist nicht vor den Augen der Öffentlichkeit ausgetra­ gen wird, ist im Falle der Windkraft die Be­ troffenheit aller viel handgreiflicher. Jeder sieht die Anlagen auch noch aus großer Ent­ fernung. Sie werden – je nach subjektiver Einstellung – entweder sehr nachdrücklich befürwortet oder als Landschaftsverschan­ delung kategorisch abgelehnt. Vielfach ein „Glaubenskrieg“ zweier Lager, bei dem die Verwaltung – wie so oft – mittendrin steht und sich entscheiden muss – nicht politisch, sondern nach Gesetz und Recht. Erfreulich hingegen war zum Thema des Einsatz regenerativer Energien im Schwarz­ wald-Baar-Kreis die teilweise Reaktivierung des Wasserkraftwerks »Linach“. Genau nach 75 Jahren der ersten Stromerzeugung aus der Linachtalsperre konnte am 16.12.1998 im Rahmen des »2· Lichtfestes“ die Wieder­ inbetriebnahme des Laufwasserkraftwerks 15

fur den Umweltschutz an der Schwelle zu ei­ nem neuen Millennium: Die Umwelt ha­ ben wir von unseren Vorfahren nur geliehen bekommen. An unsere Nachfahren müssen wir sie so übergeben, dass es sich auch fur künftige Generationen lohnt, darin zu le­ ben. Wir haben nur diese eine Umwelt. Ein „nachhaltiges“ Wirtschaften, eine Schonung unserer natürlichen Ressourcen und die Be­ wahrung der uns anvertrauten Umwelt wird die zentrale Aufgabe des Umweltschutzes im nächsten Jahrtausend sein. Joachim Gwinner 72 Buslinien und über 1100 Haltestellen Au dem Kr i g chehen feierlich im denkmalgeschützten Turbinen­ haus an der Breg erfolgen. 800 000 kW sau­ berer Strom decken den Strombedarf von jährlich 250 Haushalten und vermeiden et­ wa 500 t Kohlendioxidausstoss. Damit wur­ de der erste Schritt zur Wiederbelebung der Linachtalsperre, dieses national einmaligen Kulturdenkmals, getan. Der zweite und un­ gleich schwerere steht noch bevor: rund vier Millionen DM werden für die Sanierung der Staumauer gebraucht. Mit Unterstützung ei­ nes eigens gegründeten Fördervereins soll dieses große Ziel nunmehr angesteuert wer­ den -eine Aufgabe für das neue Jahrtau­ send. Diese Aufgabe steht insgesamt symbolisch Der neue Nahverkehrsplan konkretisiert die „öffentlichen Verkehrsinteressen“ Im vergangenen Jahr wurde das bereits im Jahr 1998 begonnene Verfahren zur Aufstel­ lung des Nahverkehrsplanes durch einstim­ migen Beschluß des Kreistages abgeschlos­ sen. Mit diesem neuen Planungsinstrumen­ tarium Nahverkehrsplan kann der Aufga­ benträger das „öffentliche Verkehrsinteres­ se“ konkretisieren und damit werden die planerischen Befugnisse der Aufgabenträger gestärkt. Der Nahverkehrsplan wurde unter Beteiligung der Gemeinden, dem Träger der Regionalplanung und der vorhandenen Ver­ kehrsunternehmen erstellt. In der Bestands­ aufnahme wurde festgehalten, daß die der­ zeit bestehenden Hauptverkehrs-und Schie­ nenwege den ausgewiesenen Entwicklungs­ achsen des Landesentwicklungsplanes ent­ sprechen. Mit insgesamt 72 Buslinien und über 1100 Haltestellen weist der Schwarz­ wald-Baar-Kreis ein sehr dichtes Liniennetz auf, welches alle Gemeinden verkehrsmäßig erschließt. Die räumliche Erschließung kann deshalb als zufriedenstellend bewertet 16 werden. Allerdings wurde bei der Verkehrs­ analyse festgestellt, daß im Bedienungsan­ gebot einzelner Linien noch weiterer Hand­ lungsbedarf besteht. Die Hauptverkehrs­ achsen verfugen mindestens über stündliche Angebote, eine durchgängige Vertaktung und ein Ausbau des Angebots in schwachen Verkehrszeiten am Abend und an den Wo­ chenenden wäre aber wünschenswert. Da das Kreisgebiet in räumlicher Hinsicht als gut erschlossen angesehen werden kann, sieht der Nahverkehrsplan keinen Bedarf für zusätzliche Linienfuhrungen vor. Hinsicht­ lich des bestehenden Verkehrsangebotes ist es jedoch Ziel, auf gewissen Hauptachsen die Bedienungshäufigkeit zu steigern und das Verkehrsangebot nach Möglichkeit zu vertakten. Durch eine günstige Fahrplange­ staltung und die Verknüpfung der Buslinien untereinander und mit dem Schienennetz wird auf eine Verkürzung der Reisezeiten hingewirkt werden. Da ein großer Anteil des Verkehrsvolumens dem Freizeitverkehr zu-

Kreispolitik 1999 Mit insgesamt 72 Buslinien und 1100 Haltestellen (auf unserem Bild der umgestaltete Bahnhof in VS-Vil­ lingen) kann der Schwarzwald-Baar-Kreis ein sehr dichtes Liniennetz vorweisen, dennoch besteht bei ein­ zelnen Verbindungen weiter Handlungsbedaif. Der Nahverkehrsplan enthält deshalb ein ausgewogenes Pro­ gramm für die kommenden fünf Jahre. zurechnen ist, nennt der Nahverkehrsplan das Ziel, den ÖPNV in seiner Tourismus­ funktion zu stärken und flexible Angebots­ formen für die Abendstunden und das Wochenende einzuführen. Als wesentliche Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität des ÖPNV ist der angestrebte Tarifbund für alle öffentlichen Verkehrsmittel im Kreis­ gebiet und die Verwirklichung des Ringzug­ konzeptes aufgeführt. Ein weiteres Ziel ist die bessere Ausrichtung des Busverkehres auf die Bahnhöfe und die Einrichtung von flexiblen Angebotsformen wie z.B. durch Anrufsammelbusse. Durch einheitliche Fahr­ gastinformationen und entsprechende Mar­ ketingkonzepte soll die Vermarktung des ÖPNV-Leistungsangebotes gefördert wer­ den. Im Nahverkehrsplan für den Schwarz­ wald-Baar-Kreis wird eine Weiterentwick- lung des ÖPNV mit Augenmaß durch Ver­ wirklichung der Projekte Ringzug und Tarif­ verbund sowie eine angemessene Stärkung des Verkehrsangebotes in einzelnen Berei­ chen festgeschrieben. Der Nahverkehrsplan enthält daher ein ausgewogenes Programm und durchdachte Rahmenvorgaben für die kommenden fünf Jahre. Ringzug wird ergänzt Auch das Ringzugsystem wurde entschei­ dend weiterentwickelt und an geänderte Rahmenbedingungen angepaßt. Inzwischen ist geplant, den Baustein G, der bislang von Bräunlingen nach Trossingen-Stadtbahnhof reichte, grundsätzlich um die Strecke Tros­ singen -Rottweil zu ergänzen. Die Bedie­ nung von Trossingen wird weiterhin gewähr-17

Aus dem Kr i g chehcn Die Fahrplankürzungen zum Stillstand zu bringen, hat sich die 1998 in St. Georgen gegründete Interes­ sengemeinschaft Schwarzwaldbahn zum Ziel gesetzt. Unser Bild zeigt den sogenannten „ Gläsernen Zug“ bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Triberg, der bis vor wenigen Jahren zu Sonderfahrten für Touristen ein­ gesetzt wurde. Attraktionen wie diese wiinscht man sich auch fiir die Zukunft. leistet, indem ab Villingen zwei Triebwagen bis Trossingen DB-Bahnhof zusammenge­ koppelt verkehren und dort getrennt wer­ den. Das vordere Fahrzeug fährt nach Rott­ weil weiter, das hintere Fahrzeug fährt zum StadtbahnhofTrossingen. Die zweite Ände­ rung am Streckennetz betrifft den Abschnitt Immendingen – Geisingen, der auflmmen­ dingen – Blumberg geändert wurde. Vorge­ sehen ist, den Abschnitt von Tuttlingen nach Leipferdingen unter der Woche tünd­ lich zu bedienen, wobei drei Fahrtenpaare bis Blumberg gefahren werden. Die Stadt Blumberg erhält damit auf der Schiene Ver­ bindungen von und nach Stuttgart mit ein­ maligem Umstieg in Tuttlingen. Konzeptio­ nell ermöglicht diese Änderung die Integra­ tion des bestehenden Tourismuszuges Na- turpark-Expreß Sigmaringen – Beuron – Tuttlingen -lmmendingen in das Ringzug­ system. Über die Sauschwänzlebahn der Stadt Blumberg könnte eine touristische Verbindung zwischen Sigmaringen und Stühlingen-Weizen aufgebaut werden. Eine Preisanfrage wurde durchgeführt und der Schwarzwald-Baar-Kreis hofft, daß noch im Jahr 1999 in den Landkreisen Rottweil, Tutt­ lingen und Schwarzwald-Baar-Kreis die Ein­ führung beschlossen wird und der zukünfti­ ge Betreiber ausgewählt werden kann. Initiativen für die Schwarzwaldbahn Initiativen wurden auch entwickelt, um die Fahrplankürzungen auf der Schwarzwald­ bahn zum Stillstand zu bringen. Im Juli 18

Kreispolitik 1999 Kreis mit dem Fahrrad zu erkunden, deut­ lich verbessert. Es werden Zielfahrten mög­ lich, um anschließend mit dem Zug wieder an den Ausgangspunkt der Fahrt zurückzu­ fahren. Auf Anregung des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses prüft der Nachbarlandkreis Rottweil ebenfalls die Einführung einer kostenlosen Fahrradmitnahme. Falls sich der Landkreis Rottweil anschließt, ist die Fahrradmitnahme auch nach und von Trossingen (DB­ Bahnhof), Rottweil, Obern­ dorf und Sulz kostenlos. Für schöne Fahrradtouren muß dann nur noch die Sonne scheinen. Der Schwarzwald-Baar-Kreis sieht den ÖPNV als gesamtpo­ litische Herausforderung und hält eine weitere Entwicklung des ÖPNV aus verkehrs-, um­ welt- und wirtschaftspolitisch- en Gründen für notwendig. Auch im ländlichen Bereich nehmen die Probleme des Massenverkehrs zu und kön­ nen nur durch eine wesentliche Verbesse­ rung des ÖPNV bewältigt werden. Ohne ein entsprechend leistungsfähiges ÖPNV-An­ gebot wird die Verringerung des Individual­ verkehrs nicht durchsetzbar sein. Auch der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit wird künftig ein anderer Stellenwert zukommen, damit die Einsicht zunehmen kann, daß zwischen Umwelt und Lebensqualität auf hohem Niveau kein unüberbrückbarer Ge­ gensatz steht. Gabriele Seefried Seit Mitte Juni 1999 ist im Schwarzwald- Baar-Kreis die Mit- nahme von Fahr­ rädern in allen Nah- verkehrszügen kosten- los. Finanziert wird diese Aktion vom Landkreis. 1998 wurde in St. Georgen die Interessen­ gemeinschaft Schwarzwaldbahn gegründet, bei der alle anliegenden Kommunen Mit­ glied wurden. Das Ziel der Interessenge­ meinschaft ist es, gemeinsam konstruktive Konzepte zur Erschließung von neuem Fahrgastpotential zu entwickeln. Es wurde deshalb eine Studie in Auftrag gegeben, aus der Maßnahmen zur kurzfristigen Stärkung der Schwarzwaldbahn als Rückgrat eines attraktiven öf­ fentlichen Verkehrssystems her­ vorgehen. Erfolgversprechend ist z.B. der Vorschlag, die Schwarz­ waldbahn durch eine Verbin­ dung nach Straßburg aufzu­ werten und touristische Ange­ bote einzuführen. Bei diesen Überlegungen wird berück­ sichtigt, daß sich in den näch­ sten Jahren im Fernverkehr zahlreiche Veränderungen durch die Inbetriebnahme von Neubaustrecken ergeben werden, so daß die Vorschläge langfristig umgesetzt werden können. Seit Mitte Juni 1999 ist im Kreisgebiet des Schwarzwald-Baar-Kreises in allen Nahver­ kehrszügen die Mitnahme von Fahrrädern kostenlos. Das Landratsamt hat mit der DB­ Region eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen. Finanziert wird die kostenlo­ se Fahrradmitnahme vom Landkreis. Auf dem 65 km langen Schienennetz zwischen den Bahnhöfen Triberg – St. Georgen – Vil­ lingen – Schwenningen – Klengen – Do­ naueschingen – Hüfingen und Döggingen wird für die Fahrradmitnahme kein Beför­ derungsentgelt mehr erhoben. Das Angebot gilt in allen Nahverkehrszü­ gen, nicht jedoch in den InterRegio-Zügen (Fernverkehrszügen) auf der Schwarzwald­ bahn. In diesen gilt wegen der geringen Kapazitäten weiterhin die Reservierungs­ pflicht. Mit diesem neuen Angebot werden die Möglichkeiten, den Schwarzwald-Baar- 19

Raum für drei übersichtliche Speiseausga­ betheken und breite Bewegungsräume, die zu einer ruhigen Atmosphäre beitragen. Durch die große transparente Glasfassa­ de kann die Natur im Innenbereich wie durch ein Schaufenster erlebt werden. Das Dach über dem Speisesaal wurde als ex­ tensive Grünfläche angelegt und mittels Glasoberlichtband von der Fassade des unter Denkmalschutz stehenden früheren Krankenhauses losgelöst. Selbstverständ­ lich wurde in diesem Zusammenhang auch die gesamte Technik auf den neue­ sten Stand gebracht und die Vorausset­ zungen für einen zukunftsorientierten Ge­ meinschaftsverpflegungsbetrieb geschaf­ fen. Josef Vogt Um-und Erweiterungsbau des Speisesaales der Landesberufsschule Zu den zentralen Einrichtungen des Internats der Landesberufsschule für das Hotel-und Gaststättengewerbe in Villin­ gen zählt der große Speisesaal, in dem während der Schultage bis zu 650 Schüler drei Mahlzeiten einnehmen. Da bisher nur eine Speisenausgabestelle und 250 Sitzplätze zur Verfügung standen, waren endlose Schlangen in den relativ knapp bemessenen Essenszeiten die Folge. Ein Ausbau und die Modernisierung des in die Jahre gekommenen Speisesaales wurde eine unausweichliche Notwendigkeit. Die Pläne aus dem Architektenbüro Her­ bert Pleithner, das die schlüssigste Lösung der Integration eines unumgänglichen An­ baues mit einer denkmalgeschützten Bau­ substanz aufzeigte, fand letztlich die all­ gemeine Zustimmung. Mit einem Kosten­ volumen von 3,1 Mio. DM wurden die notwendigen Baumaßnahmen größten­ teils bei laufendem Betrieb in nur 7 Mo­ naten durchgeführt. Neben dem auf 350 eiweitertem Sitzplatzangebot bietet der ta­ geslichtdurchflutete Glasanbau genügend 20

Sozialhilfe die größte Ausgabenposition Soziales im Landkreis – Entwicklungen und Tendenzen Aus dem Kreisgeschehen Nach wie vor sind die Ausgaben für die so­ ziale Sicherung im Schwarzwald-Baar-Kreis der größte Einzelposten im Verwaltungs­ haushalt. Bei einem Haushaltsvolumen von 220 Mio. DM im Jahr 1999 werden allein für die soziale Sicherung 110 Mio. DM aus­ gegeben. Nach Abzug der Einnahmen (z.B. aus Kostenerstattungen von anderen Sozial­ leistungsträgern) beträgt der noch tatsäch­ lich vom Schwarzwald-Baar-Kreis zu tra­ gende Aufwand 96,4 Mio. DM. Diese Net­ tobelastung hat sich in den letzten 10 Jahren von 50,5 Mio. DM (1989) damit nahezu verdoppelt, wobei die Steigerungsraten in den letzten 5 Jahren deutlich geringer aus­ fielen als dies noch Anfang der neunziger Jahre der Fall war. Im Jahr 1999 wurde le­ diglich noch mit einer Steigerung von 0,3 0/o gegenüber dem Vorjahr gerechnet. Die größten Ausgaben im Bereich der So­ zialen Sicherung stellen neben der Jugend­ hilfe (Nettoaufwand knapp 15 Mio. DM) die Ausgaben für die Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) mit 23 Mio. DM dar. Vor­ aussetzung für den Bezug von Sozialhilfe ist, dass die Betroffenen ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausrei­ chend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus ihrem Einkommen und Vermö­ gen, beschaffen können und auch keine Hil­ fen von Dritten, insbesondere von Ange­ hörigen oder anderen Sozialleistungsträgern erhalten. Der Hilfesuchende muss zunächst die eigene Arbeitskraft, vorhandenes Ein­ kommen und Vermögen sowie andere So­ zialleistungen (Kindergeld, Wohngeld, Ren­ te, Arbeitslosengeld etc.) einsetzen, bevor Sozialhilfe gewährt wird. Hilfe zum Lebens­ unterhalt erhalten Anfang 1999 4 300 Per­ sonen im Schwarzwald-Baar-Kreis (2 0/o der Bevölkerung). Zum Vergleich: Die Sozial- leistungsquote beträgt in Baden-Württem­ berg 2,5 0/o und bundesweit 3,6 0/o. In diesen Zahlen sind die Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht ent­ halten. Nach wie vor ist die Lage auf dem Arbeits­ markt eine wesentliche Ursache für die hohe Anzahl von Hilfeempfängern. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis ist deshalb ständig dabei, das seit längerem bestehende Programm ,,Arbeit statt Sozialhilfe“ fortzuentwickeln und entsprechend den konkreten Bedürf­ nissen der Hilfeempfänger neue �alifizie­ rungs- und Fortbildungsmaßnahmen einzu­ richten. Ziel dieses Programms ist es, mög­ lichst viele Sozialhilfeempfänger in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Neben der Vermittlung über einen Lohnkosten­ zuschuss in Höhe von 1 500,- DM je Monat an Arbeitgeber, die sich zu einer einjährigen Beschäftigung eines Sozialhilfeempfängers bereit erklären, werden �alifizierungskur­ se und andere Fortbildungsmaßnahmen (z.B. Bewerbertrainingsseminare) angebo­ ten. Allein über das Lohnkostenzuschuss- 21

Au dem Kreisgeschehen programm konnten seit Mitte 1997 bis An­ fang 1999 40 Personen vermittelt werden. Nach Ablauf des Jahres wurden 65 Personen regulär d. h. ohne weiteren Zuschuss von Seiten des Landratsamtes von den jeweili­ gen Arbeitgebern übernommen. Dass ver­ schiedene Personen, die über dieses Pro­ gramm vermittelt wurden, bereits seit 1995 beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt sind, zeigt, dass hier in vielen Fällen dauerhafte Arbeitsverhältnisse begründet werden. Ne­ ben den Vorteilen für die betroffenen Men­ schen – diese erhalten bereits während der Dauer der Maßnahme keine Einkünfte mehr aus der Sozialhilfe, sondern aus einem regulären Arbeitsverhältnis – zeigt sich, dass viele über diese Maßnahme auch dauerhaft unabhängig von Sozialhilfe gemacht wer­ den. Für den Landkreis als Sozialhilfeträger hat diese Maßnahme zusätzlich den Vorteil, dass selbst bei vorsichtiger Berechnung Sozialhilfeaufwendungen in Höbe von ca. 800 000 DM im Jahr eingespart werden kön­ nen. Neues Sachgebiet eingerichtet Um die verschiedenen Maßnahmen im Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ zu ko­ ordinieren und optimal aufeinander abzu­ stimmen, wurde beim Landratsamt ein ei­ genständiges Sachgebiet „Hilfe zur Arbeit“ eingerichtet. Diesem obliegt die Koordina­ tion und Abwicklung des Gesamtpro­ gramms. Von besonderer Bedeutung ist, dass zum 1. September 1998 bei Neuantrag­ stellern das Beratungsgespräch mit Mitar­ beitern dieses Sachgebiets zur Mitwirkungs­ pflicht erhoben worden ist. Wer an diesem Beratungsgespräch grundlos nicht teil­ nimmt, erhält keine Sozialhilfe. In der Ver­ gangenheit stand bei der Stellung eines So­ zialhilfeantrages zunächst die Absicherung der materiellen Notlage der Betroffenen im Vordergrund mit der Folge, dass unter Um­ ständen mehrere Monate Leistungen ge­ währt wurden, bevor man sich mit den mög- 22 licherweise bestehenden persönlichen Pro­ blemen der Hilfeempfänger auseinander­ setzen konnte. Mit dem unmittelbar kurz­ fristig nach der Antragstellung stattfinden­ den Beratungsgespräch können sofort ein etwa bestehender Hilfebedarf festgestellt und entsprechende Hilfsangebote (O!iali­ fizierungskurs, Bewerbertrainingsseminar, Sprachkurs) geschaffen werden. Damit kann eine frühzeitige und zielgerichtete Hilfe er­ folgen, mit der ein längerfristiger Sozialhil­ febezug vermieden werden soll. Mit der Weiterentwicklung der bestehen­ den Jugendhilfeplanung zu einer umfassen­ den Jugend- und Sozialplanung soll die Ent­ wicklung innovativer und kostenregulieren­ der Konzepte zur Steigerung der Effektivität und der bedarfsgerechten Ausrichtung der Angebote im Bereich der sozialen Sicherung forciert werden. Die hohen Ausgaben in diesem Bereich sowie die Tatsache, dass der Markt im sozialen Bereich vielfach von freien Trägem oder privaten Einrichtungen gesteuert wird, macht eine stärkere Einfluß­ nahme des Landkreises als Träger der Sozial­ und Jugendhilfe erforderlich. Dies soll durch eine O!ialitätssicherung und Bedarfs­ planung erfolgen. Nur so kann der Schwarz­ wald-Baar-Kreis verstärkt eine aktive Rolle in die em sich stark entwickelnden Markt übernehmen. W ie wichtig diese Sozialpla­ nung in der Zukunft sein wird, zeigt sich schon daran, dass das Land zur Entlastung der Landeswohlfahrtsverbände beabsichtigt, die Zuständigkeit für die Hilfe zur Pflege bei über 65jährigen Personen in Einrichtungen auf die örtlichen Sozialhilfeträger zu verla­ gern. Damit werden künftig Landkreise mit einem guten stationären Angebot – wozu auch der Schwarzwald-Baar-Kreis zählt – er­ heblich stärker belastet, da der bisherige überregionale Ausgleich über die LWV-Um­ lage entfällt. Für den Schwarzwald-Baar­ Kreis bedeutet dies Mehrausgaben in einer Größenordnung von 1 Mio. DM. Die Sozi­ alplanung hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu klären, in wieweit durch am-

bulante oder teilstationäre Angebote die Aufnahme in ein Heim vermieden oder zu­ mindest verzögert werden kann, womit – neben der Steigerung der Lebensqualität der Betroffenen – auch Kosteneinsparungen verbunden sind. Schwierige Situation bei Asylbewerbern Weiterhin schwierig gestaltet sich die Si­ tuation bei den Asylbewerbern, Bürger­ kriegsflüchtlingen und ausländerrechtlich Geduldeten. Mit dem Inkrafttreten des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) zum 1.April 1998 ist der Landkreis für die Auf­ nahme der ihm nach der Aufnahmequote (2 O/o des Landeszugangs) zugewiesenen Asylbewerber in Einrichtungen der vorläu­ figen Unterbringung (Gemeinschaftsunter­ künfte) zuständig geworden. Die Gemein­ den sind seit diesem Zeitpunkt nur noch für die Anschlussunterbringung der bleibebe­ rechtigten Personen (Asylberechtigte, Ge­ duldete, Kontingentflüchtlinge) verantwort­ lich. Vom Land Baden-Württemberg wur­ den drei staatliche Gemeinschaftsunter­ künfte mit einer Kapazität von 308 Plätzen übernommen. Leider reichte diese Kapazität entgegen den Berechnungen des Landes nicht aus, so dass bereits im August 1998 ein weiteres Übergangswohnheim mit einer Kapazität von 126 Plätzen, in dem bisher Aussiedler untergebracht waren, eröffnet werden musste. Im Mai 1999 wurde ein weiteres Objekt in Villingen für die Unter­ bringung von Asylbewerbern angemietet. Grund für den zusätzlichen Platzbedarf war in erster Linie, daß die geschätzte Anzahl der Personen, die wieder in ihre Heimat­ länder zurückkehren, erheblich geringer war als vom Land angenommen wurde. Hinzu kommt, daß aufgrund des Krieges im Koso­ vo (Bundesrepublik Jugoslawien) die Bun­ desrepublik Deutschland im März 1999 die Aufnahme von 10 000 und im Mai 1999 von weiteren 10 000 Flüchtlingen beschlos­ sen hat. Entsprechend dem bundesweiten Kr ispolitik 1999 Verteilungsschlüssel erhöhte sich durch die­ se humanitäre Maßnahme insgesamt die Aufnahmeverpflichtung des Schwarzwald­ Baar-Kreises um 50 Personen. Aufgrund der Kriegssituation können auch keine Personen in den Kosovo zurückge­ führt werden. Anders sieht es bei der Rück­ kehr der Flüchtlinge aus der Republik Bos­ nien-Herzegowina aus. Hier haben Bund, Land und auch der Schwarzwald-Baar-Kreis erhebliche Anstrengungen unternommen, um eine freiwillige Rückkehr der Flüchtlin­ ge in ihr Heimatland zu erreichen. Neben Aufbauhilfen in den Heimatländern werden vom Bund z.B. Beförderungskosten (Flug­ zeug, Bahn oder Bus) übernommen und sowohl Einzel- als auch Gruppenreisen organisiert. Weiterhin können Reise-und Fahrtkosten, sowie Überbrückungshilfen gewährt werden. Zusätzlich förderte das Land Baden-Württemberg die freiwillige Rückkehr mit weiteren finanziellen Unter­ stützungen, besonderen Hilfen für Exi­ stenzgründer sowie der Einrichtung einer Transportbörse. Für Sozialhilfeempfänger gewährte der Landkreis eine weitere Unter­ stützung in Höhe von 500 Mark für Ein­ zelpersonen bzw. 1 000 Mark für Familien. Auch wenn die Zahl der noch im Schwarz­ wald-Baar-Kreis wohnhaften Bosnier deut­ lich zurückgegangen ist, wird der Landkreis auch weiterhin alles unternehmen, um die freiwillige Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimatländer zu unterstützen, zumal diese Personen dringend für den dortigen Wieder­ aufbau gebraucht werden. Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz schreibt der Bundesgesetzgeber vor, dass Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge und geduldete Personen, also Personen, die voll­ ziehbar ausreisepflichtig sind, allerdings aus humanitären oder sonstigen Gründen nicht abgeschoben werden können, vorrangig mit Sachleistungen zu versorgen sind. In Voll­ zug dieses Gesetzes hat der Landkreis zum 1.Juli 1998 einheitlich für diese Personen die Versorgung mit Sachleistungen einge-23

Au dem Kreisgeschehen Die Geriatrische Rehaklinik in VS-Villingen hat am 1. September 19 9 8 ihren Betrieb aufgenommen. Der Landkreis unterstützte das Projekt mit einem Zuschuß in Höhe von 1,5 Millionen Mark. führt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden le­ diglich die in den Gemeinschaftsunterkünf­ ten untergebrachten Personen mit Waren­ körben versorgt. Mit der einheitlichen Einführung der Sachleistungsversorgung kam es zu heftigen Protesten von Seiten der Betroffenen und Helferkreisen. Es fanden mehrere Demon­ strationen statt. Der Schwarzwald-Baar­ Kreis nielt dennoch am gesetzlich vorgege­ benen Prinzip der Sachleistungen fest, ver­ suchte jedoch durch Verbesserungen bei den Warenkörben, der Schaffung von verbesser­ ten Tauschmöglichkeiten sowie der Erweite­ rung des Bestellsystems möglichst Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse der zu ver­ sorgenden Personen zu nehmen. Andere Versorgungssysteme wie z.B. das Shop-Sy­ stem, Chipkartensystem oder auch das sog. Kundenkontenblattverfahren wurden auf ihre Umsetzungsmöglichkeit, Praktikabilität und Versorgungssicherheit hin überprüft. Versuchsweise wurde zum 1. Januar 1999 in der Gemeinde Niedereschach das Kun­ denkontenblatt eingeführt. Nachdem eine Ausweitung des Versuchs auf die Gemein­ den Königsfeld und St. Georgen sowie auf weitere Gemeinden des Landkreises keine grundlegenden Probleme mit sich brachten, wurde das Kundenkontenblatt zum l. Mai 1999 im gesamten Landkreis und zum l.Ju­ li 1999 auch in den Gemeinschaftsunter­ künften eingeführt. Bei diesem Versorgungs­ system werden bei einzelnen Lebensmittel­ geschäften für die zu versorgenden Personen sog. Kundenkontenblätter angelegt. Die Per­ sonen haben damit die Möglichkeit, in die­ sen Geschäften entsprechend ihren Bedürf­ nissen Lebensmittel einzukaufen. Mit die­ sem System ist ein Höchstmaß an Individu­ alität gewahrt ohne von der gesetzlichen Vorgabe „Sachleistung“ abzuweid1en. Geriatrische Klinik eröffnet Nach nur einjähriger Bauzeit wurde am 1. September 1998 die Geriatrische Rehaklinik ,,Am Klosterwald“ eröffnet. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis unterstützte dieses Projekt mit einem Zuschuss von 1,5 Mio. DM. Die Gesamtkosten beliefen sich auf über 18 Mio. DM. Mit der Einrichtung von 44 Re­ habilitationsplätzen wird ein wichtiger Bei­ trag zur Versorgung und Behandlung insbe- 24

Fachstelle für Ehrenamtliche sondere von älteren Mitbürgern nach Schlaganfällen oder Knochenbrüchen gelei­ stet. Ziel der geriatrischen Rehabilitation ist es, diesen Menschen bei der Erhaltung oder Wiederherstellung ihrer Selbständigkeit und sozialen Kompetenz die geeignete Behand­ lung, Beratung und Hilfen zukommen zu lassen. Neben der Steigerung der Lebens­ qualität für die Betroffenen können damit auch Aufuahmen ins Pflegeheim vermieden oder zumindest verzögert werden. Ehrenamtliches, freiwilliges und bürger­ schaftliches Engagement findet auch im Schwarzwald-Baar-Kreis in vielen Formen bereits statt. In Vereinen, Kirchen und an­ deren Organisationen sind viele Menschen engagiert. Gleichwohl gibt es auch hier insoweit Veränderungen, als es für Vereine und Organisationen zunehmend schwieri­ ger wird, Ehrenamtliche zu finden, die in festen Strukturen und dauerhaft sich enga­ gieren wollen. Wer schon selbst als Vereins­ mitglied erlebt hat, wie schwierig es ist, einen Vorsitzenden, Kassierer oder Schrift­ führer zu finden, kennt dieses Problem. An­ dererseits wollen Menschen sich engagieren, wenn es sich um konkrete Projekte handelt, die innerhalb eines bestimmten Zeitrah­ mens verwirklicht werden können. Die Art des Projekts hängt oftmals von der konkreten Lebenssituation ab. So sind z.B. junge Eltern durchaus bereit, sich beim Bau eines Kinderspielplatzes einzubringen. Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist im Rahmen des Landesnetzwerks bürgerschaftliches Enga­ gement ein Modellstandort, in dem diese neuere Form des bürgerschaftlichen Enga­ gements gefördert werden soll. Er ist neben dem Sozialministerium und Landkreistag Projektpartner des DRK, der Träger der Fachberatungsstelle ist. Nach Abschluss der entsprechenden Kooperationsvereinbarung hat die Fachstelle ihre Arbeit aufgenommen. Nach anfänglicher Zurückhaltung und Krei politik 1999 Skepsis der bisher ehrenamtlich tätigen Per­ sonen konnten kontinuierliche Kontakte aufgebaut werden. Anfang 1998 wurde eine Freiwilligenbroschüre erstellt, in der die verschiedenen bürgerschaftlich engagierten Personen ihr Engagement {z.B. Lotsen­ dienst im Klinikum Villingen-Schwennin­ gen, KJG-Kinder-und Jugendgruppen lei­ ten, alten Menschen vorlesen oder mit ih­ nen spazieren gehen etc.) darstellen. Die Fachstelle initiierte neue und brachte sich in laufende bürgerschaftliche Prozesse mit ein (z.B. Lernwerkstatt im Stadtteil Schilter­ häusle in Villingen-Schwenningen, Projekt ,,Arche“ in Donaueschingen, Projekt Wirk­ statt in St. Georgen) oder beteiligt sich am Aufbau von sonstigen Bürgerschaftsprojek­ ten (z.B. Bürgertreff in Villingen-Schwen­ ningen). Bei der Weiterentwicklung des bürger­ schaftlichen Engagements müssen auch in Zukunft die ländlichen und verbandsinter­ nen Strukturen im Schwarzwald-Baar-Kreis berücksichtigt und das bestehende ehren­ amtliche Engagement in den Vereinen, Kir­ chen und sonstigen Organisationen einge­ bunden werden. Die seit l. Januar 1999 geltende neue In­ solvenzordnung gibt überschuldeten Bür­ gern die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang. Denn nun haben sie die Mög­ lichkeit, für immer von ihren drückenden fi­ nanziellen Verpflichtungen loszukommen. Das ermöglicht die sogenannte Restschuld­ befreiung, die es bisher beim privaten Kon­ kurs nicht gab. Voraussetzung hierfür ist, daß zunächst in einem außergerichtlichen Verfahren der Schuldner versuchen muß, ei­ ne gütliche Einigung mit den Gläubigern über eine Schuldenbereinigung zu errei­ chen. Diesen Einigungsversuch kann der Schuldner nicht alleine unternehmen. Er muß sich hierfür der Mithilfe einer geeigne­ ten Person (Rechtsanwälte, Steuerberater, 25 Neue Insolvenzordnung

Kr i politik 1999 Notare etc.) oder anderer geeigneter Stelle bedienen, die beim Scheitern des Eini­ gungsversuchs eine entsprechende Beschei­ nigung ausstellt. Nur mit dieser Bescheini­ gung kann das anschließende gerichtliche Verfahren durchgeführt werden. Die Schuld­ nerberatungsstelle des Schwarzwald-Baar­ Kreises kann diese zusätzliche Aufgabe re­ gelmäßig leider nicht übernehmen, da die vom Land hierfür gewährte Kostenerstat­ tung zu gering ist. Die hilfesuchenden Per­ sonen werden deshalb an Rechtsanwälte oder sonstige geeignete Personen weiterver­ mittelt. Weniger Jugendliebe in Heimen In der Jugendhilfe hat der Ausbau der am­ bulanten und teilstationären Hilfsangebote dazu geführt, dass weniger Jugendliche in Heimen untergebracht werden mussten. Die e präventiven Maßnahmen führten in den Jahren 1994 bis 1997 zu deutlichen Kostenreduzierungen. ZwaI stiegen im Jahr 1998 die Jugendhilfeaufwendungen aufl4,1 Mio DM an (1997: 13,6 Mio. DM), blieben damit allerdings immer noch hinter dem tand von 1994 (14,2 Mio. DM) zurück. Auch im Jahr 1999 wurde im Haushaltsplan eine weitere Steigerung auf 14,9 Mio. DM eingeplant. Dass trotz des deutlichen Aus­ baus der ambulanten und vorbeugenden Hilfen hier mit Kostensteigerungen zu rechnen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass der Anteil der Jugendlichen an der Gesamt­ bevölkerung zugenommen hat, so dass auch real mehr Fälle im Rahmen der Jugendhilfe zu betreuen sind. Hinzu kommt, dass mit den ambulanten und teilstationären Ange­ boten in verschiedenen Fällen die Heimun­ terbringung zwar nicht ganz vermieden aber doch verzögert werden konnte. Auch die spätere Heimunterbringung ist für die be­ troffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern im Regelfall die bessere Lösung und verur­ sacht geringere Aufwendungen beim Ju­ gendhilfeträger. Deshalb wird der Landkreis 26 den beschrittenen Weg konsequent weiter­ gehen. Am 1. Juli 1998 trat die Reform des Kind­ schaftsrechts in Kraft, die zum Teil grundle­ gende Änderungen im Bereich der Jugend­ hilfe mit sich brachte. Ziel der Reform waI es die Rechte der Kinder zu verbessern und das Kindeswohl auf bestmögliche Art und Weise zu fördern. Gleichzeitig soll auch die Rechtsposition der Eltern – soweit die mit dem Kindeswohl vereinbar ist – gestärkt und vor unnötigen staatlichen Eingriffen ge­ schützt werden. Darüber hinaus wurden die red1tlichen Unterschiede zwischen ehelich­ en und nichtehelichen Kindern soweit wie möglich abgebaut. So haben jetzt z.B. auch Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind, die Möglichkeit, ein gemein ames Sor­ gerecht zu begründen. Anstelle der bisher vom Jugendamt kraft Gesetzes wahrgenom­ menen An1tspfleg chaft tritt nunmehr eine freiwillige Beistandschaft. Nur wenn der al­ leinsorgeberechtigte Elternteil einen ent­ sprechenden Antrag beim Jugendamt stellt, wird dieses im Rahmen der Beistandschaft tätig, wenn es um die Feststellung der Vater­ schaft bzw. um die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen geht. Nach Abschluss der Jugendhilfeplanung für St. Georgen wird nun eine entsprechen­ de Planung in Blumberg vorgenommen. In dieser Planung wird detailliert der Bestand und Bedarf der Jugendhilfe dargelegt. Maß­ stab für die Bedarfsfeststellung ist auch hier der Ausbau der ambulanten und teilsta­ tionären Angebote mit dem Ziel der Präven­ tion zur Vermeidung intensiverer und ko­ stenträchtiger Hilfen. In diesem Zusammen­ hang kann auch festgestellt werden, dass es zwischenzeitlich in vielen Gemeinden im­ mer mehr Angebote in der offenen Jugend­ arbeit gibt und dass auch eine verstärkte Ein­ bindung und Beteiligung der Jugendlichen über sog. Jugendforen in den Gemeinden fe tgestellt werden kann. Ansgar Fehrenbacher

Altlasten im Scbwarzwald-Baar-Kreis Derzeit sind rund 45 Untergrundverunreinigungen im Landkreis bekannt Aus dem Kreisgeschehen Die Entstehung von Altlasten ist eng mit der Entwicklung der modernen Industrie­ und Konsumgesellschaft verbunden. Erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist in der Öffentlichkeit die Erkenntnis gewachsen, dass Stoffe, die im Haushalt, Gewerbe und Industrie verwendet und weggeworfen wer­ den, für Mensch und Umwelt gefährlich sein können. Dazu beigetragen haben die verschieden­ sten Umweltkatastrophen, aber auch For­ schungsergebnisse von Medizinern, Biolo­ gen und Physikern über die Ursachen vieler Krankheiten und Veränderungen in unserer Umwelt. Dabei wurde durch den enormen Fortschritt der Spurenanalytik nachgewie­ sen, dass in Boden, Luft und Wasser und da­ mit auch in Lebensmitteln aus Pflanzen und Tieren künstliche, nicht in der Natur vor­ kommende Stoffe enthalten sein können. Der lange Zeit bedenkenlose Umgang mit künstlichen Stoffen aller Art hat nicht um­ kehrbare Veränderungen unserer Umwelt bewirkt. Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist geprägt von seiner Industrie in den Bereichen Metallverarbeitung, Feinwerktechnik-Uhren und der Elektrotechnik. Sie verfügt, wie z.B. die Uhrenindustrie, über eine lange Traditi­ on. Standorte der Fabriken waren vor allem die größeren Städte und Gemeinden im Landkreis. In den letzten Jahren sind (in Einzelfällen) durch Veränderungen und Ver­ lagerungen von Betrieben Industriebrachen entstanden, die wegen ihrer städtebaulich günstigen Lage für den Immobilienmarkt sehr interessant sind. Sowohl Dienstlei­ stungs- und Gewerbebetriebe als auch der Wohnungsbau drängen auf diese Bau­ flächen. Beispiel dafür ist im Schwarzwald­ Baar-Kreis u. a. das Grundstück der ehern. Uhrenfabrik Kienzle in VS-Schwenningen (Abbildung 1). Erstmals im Jahr 1983 wurden im Schwarz­ wald-Baar-Kreis leichtflüchtige Chlorkoh­ lenwasserstoffe im Grundwasser festgestellt. Die industrielle Herkunft dieses künstlichen Stoffes war bald erklärbar, da Chlorkohlen­ wasserstoffe vielfach als Entfettungsmittel in der Metallindustrie verwendet wurden. Zwischenzeitlich ist die Zahl der bekannten Wasser- und Bodenverunreinigungen durch LCKW im Schwarzwald-Baar-Kreis auf rd. 34 Fälle angestiegen. Es ist anzunehmen, dass diese Zahl sich künftig noch erhöht. Hinzu kommen Verunreinigungen des Un­ tergrundes durch Kohlenwasserstoffe (Mi­ neralöl), Schwermetalle und andere Schad­ stoffe. Insgesamt sind derzeit rd. 45 Unter­ grundverunreinigungen durch Industrie und Gewerbe im Schwarzwald-Baar-Kreis bekannt. Die Folge war, dass jeweils mit hohem Ko­ stenaufwand Sanierungsmaßnahmen durch­ geführt werden mußten. Wie sind Altlasten entstanden, was sind Altlasten? Nach der gesetzlichen Definition versteht man unter dem Begriff Altlasten Altabla­ gerungen, d. h. alte Deponien bzw. sonstige Ablagerungen oder Altstandorte (ehern. gewerbliche Anlagen), von denen eine Ge­ fahr für die Umwelt ausgeht oder ausgehen kann. Grundwasser- oder Bodenverunreinigun­ gen, die von aktiven Betrieben ausgehen, werden von dieser Definition nicht erfasst. Auch großflächige Verunreinigungen aus landwirtschaftlicher Nutzung oder Emissio­ nen von Straßenrändern fallen nicht unter 27

Au dem Kreisgeschehen Abb. 1: Das Areal der ehemaligen Fimia Kienzle, VS-Schwenningen, nach Abbruch der Gebäude im Jahre 1991. Rechts in der Bildmille ist A bbruchho/.z zu erkennen. Darüber aiefbereiteter Bauschutt. Die dunkle Fläche in der Bildmitte links ist deckungsgleich mit der ehemaligen Betriebsdeponie. diese Definition. In der Öffentlichkeit wird unter einer Altlast meist eine Verunreinigung von Grundwasser und Boden verstanden, die in der Vergangenheit durch mensch­ lichen Einfluss auf Flächen und Standorten entstanden ist. Altlasten können die natürlichen Lebens­ grundlagen und die Gesundheit der Men­ schen gefährden. Allgemein besteht die Auf­ fassung, dass Altlasten Investitionen er­ schweren und Bauvorhaben verteuern oder gar verhindern. Sie sind daher unerfreulich und man versucht, sie vielfach nicht zu Kenntnis zu nehmen. Ursache dafür ist, das Altlasten hinsicht­ lich ihres Gefährdungspotentials entweder über- oder untersd1ätzt werden, da man die­ sem Thema als Betroffener fast immer emo­ tional und oft auch unwissend gegenüber­ tritt. Hilfreich kann hier allein eine fundier­ te, sachliche Inforn1ation sein, deren Ziel es ist, Voraussetzungen für eine vertrauensvol­ le Zusammenarbeit zwischen Grundstücks­ besitzern oder Verursachern und Fachinsti­ tuten/ Fachverwaltung zu schaffen. Wie geht man beute mit Altlasten um? Zweck und Absicht der Altlastenerkun­ dung besteht darin, vorhandene Gefähr­ dungen wirklichkeitsnah zu erfassen und zu bewerten. Dabei sind jeweils die Schutzgü- 28

ter Mensch, Pflanzen, Boden, Gewässer, Luft und Gebäude in die Betrachtung ein­ zubeziehen. Es geht um: • den Austrag der Schadstoffe aus der Alt­ last e den Transport der Schadstoffe über Grundwasser oder Bodenluft zum Schutz­ gut e den direkten Eintrag von Schadstoffen in das Schutzgut e die Verbreitung der Schadstoffe über das Schutzgut e die Wirkung im Schutzgut. Unzureichende Erkundungen führen oft zu übereilten Bewertungen, die unverhält­ nismäßig aufwendige und teure Sanierungs­ maßnahmen nach sich ziehen. Investitio­ nen in überlegte Erkundungsmaßnahmen sind daher in der Regel sinnvoll eingesetzte Mittel. Die Altlastenbearbeitung in Baden-Würt­ temberg erfolgt landeseinheitlich in mehre­ ren Schritten: Historische Erhebung: e Erfassung aller altlastenverdächtigen Flächen Historische Erkundung: e Erfassung von Informationen zum Standort der vermuteten Altlast Orientierende Erkundung: e technische Erkundung und Durch­ führung von Messungen Altlasten im Landkreis Eingehende Erkundung für Sanierungs­ maßnahmen/-Vorplanung: • Ergänzende Messungen und Untersu­ chungen, Festlegung des Sanierungszieles Durchführung der Sanierung Im Jahre 1993 hat das Landratsamt für die Städte und Gemeinden im Landkreis eine flächendeckende historische Erhebung von Altastenverdachtsflächen in Auftrag gege­ ben. Die Mittel dafür in Höhe von rd. 5 Mio. DM wurden aus dem Altlastenfonds des Landes Baden-Württemberg bereitge­ stellt. Ziel dieser Erhebung war: e eine vollständige flächendeckende Er­ fassung aller altlastenverdächtigen Flächen • die vorläufige Beurteilung ihres Gefähr­ dungspotentials e die Ermittlung des konkreten Hand­ lungsbedarfs. Die Ergebnisse der flächendeckenden historischen Erhebung von Altlastenver­ dachtsflächen liegen im Schwarzwald-Baar­ Kreis vor. Sie sind in geographischen Karten und in Erfassungsbögen bzw. Berichten und auf Disketten dokumentiert und in die Alt­ lastendatei des Amtes für Wasser- und Bo­ denschutz übernommen (Einen Überblick gibt Abbildung 2). Insgesamt wurden im Kreisgebiet 6 655 Fälle erhoben; dabei wur­ den nach Überprüfung aller zusammenge­ tragenen Erkenntnisse 3 976 Fälle ausge­ schieden. Die Zahl der wirklich gefahrver­ dächtigen Grundstücke hat sich nach der Erstbewertung der Ergebnisse noch weiter reduziert. Durch die Vorklassifizierung und Bewertung konnten 1171 Flächen aus der weiteren Bearbeitung ausgeschieden wer­ den. Für diese Flächen besteht kein weiterer Handlungsbedarf (A-Fälle). 1 351 Flächen konnten nicht aus dem Altlastenverdacht 29

Au dem Krcisg chehen ‚, Schwarzwald-Saar-Kreis im • AFall B Fall • E Fall � entlassen werden. Sie sind aber als minder gefährlich vorerst nicht weiterzubehandeln. Diese Fälle sind wieder aufzugreifen, bei­ spielsweise wenn gebaut werden soll (B-Fäl­ le). Bei 157 Flächen besteht jedoch zusätzli­ cher Handlungsbedarf. Hier ist nach den vorliegenden Erkenntnissen mit einer Um­ weltgefährdung zu rechnen. Sie sind vorge­ merkt zu einer technischen Erkundung (E­ Fälle). Die Unterlagen sind den Städten und Ge­ meinden übergeben worden. Damit haben diese die Möglichkeit, entsprechend den Vorgaben des Baugesetzbuches im Rahmen von Bauleitplänen und bei Baugenehmi­ gungsverfahren auf die Kontamination von Bauflächen und Gebäuden hinzuweisen und Bürger zu informieren. Die Bewertung von Altlasten ist regel­ mäßig Aufgabe der Wasserbehörden bei den Landratsämtern und Stadtkreisen. 30 Die nebenstehende Karte zeigt altlastenverdächLige Flächen im Schwarzwald-Baar-Kreis. Bei 157 E-Fällen (rote Punkte) ist mit einer Umweltgefährdung zu rechnen. Insgesamt besteht für 1351 Fälle ein Altlastenver­ dacht. Dort bestehen Altlasten­ bewertungskommissionen mit interdisziplinärer fachli­ cher Zusammensetzung. In den Kommissionen sind vertreten: Wasserwirtschaft­ ler, Geologen, Mediziner, Toxikologen, Biologen, Chemiker und Verwaltungs­ fachleute. Dadurch kann der komplexen Altlastenproble­ matik Rechnung getragen werden. Wesentliche Gesichtspunkte der Bewer­ tung sind: • Sicherstellung des Wohls der Allge­ meinheit, d.h. keine Gefährdung der Ge­ sundheit von Menschen und Beeinträchti­ gung ihres Wohlbefindens, keine schädli­ che Beeinflussung von Gewässern, Böden, Nutzpflanzen. •Definition von Sanierungszielen; Ge­ währleistung, das keine schädliche Beein­ flussung von Schutzgütern (Mensch, Pflanze, Luft) zu befürchten ist. •Herstellen gesunder Verhältnisse im Sin­ ne der Städteplanung und des Baurechtes •als Vorsorgemaßnahmen. Voraussetzung für eine Bewertung ist, dass alle zur Bewertung des Gefährdungspoten­ tials erforderlichen Informationen vorlie-

gen. Ist dies der Fall, kann nach einem von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden­ Württemberg ausgearbeiteten Bewertungs­ verfahren eine Risikoabschätzung durchge­ führt werden. Durch die einheitliche Anwendung dieses Bewertungsverfahrens ist es möglich, in Ba­ den-Württemberg landesweit den Gefähr­ dungsgrad von Altlasten vergleichbar zu be­ stimmen. Ziel der schrittweisen Altlastenbearbeitung ist die Gewinnung von Erkenntnissen, in­ wieweit eine Gefährdung für die verschiede­ nen Schutzgüter besteht und ob bzw. in wel­ cher Weise eine Sanierung erforderlich ist. Die Festlegung eines Sanierungsverfahrens ist abhängig von dem Sanierungsziel. Sa­ nierungsziele werden bei der Sanierungs­ vorplanung abhängig von der späteren Nut­ zung und in Abhängigkeit von den techni­ schen Möglichkeiten festgelegt. Zu den ge­ bräuchlichsten Sanierungsmethoden zählen: e Aushub und Entsorgung der Schadstof­ fe = Umlagerung • Bodenluftabsaugung bei leichtflüchti­ gen Schadstoffen und durchlässigen Bo­ denarten (insbesondere LCKW) • Grundwasserentnahme und Filtration mit Aktivkohle (hydraulische Sanierung). Daneben gibt es eine Vielzahl anderer Sa­ nierungsverfahren wie biologische Grund­ wasser- und Bodenreinigung, thermische Bodenreinigung, Bodenwäsche usw. Unter besonderen Umständen ist auch eine Im­ mobilisierung der Schadstoffe durch Siche­ rungsmaßnahmen, z.B. Eingrenzung des Schadensbereiches durch Dichtwände, mög­ lich. In allen Fällen verfolgen die beteiligten Behörden das Ziel, unverhältnismäßige Sa­ nierungsleistungen zu vermeiden und ein­ deutige Planungs- und Bewertungsgrundla­ gen für kontaminierte Grundstücke aufzu­ stellen. Alda ten im Landkrei Als Eigentümer oder Nutzer eines Grund­ stückes mit Altlasten sollte man sich bewusst sein, dass Altlasten Bauvorhaben erheblich verteuern und deren Fertigstellung verzö­ gern können. Um diese Probleme leichter zu lösen, sollten nachfolgende Hinweise be­ achtet werden: Baugrundstücke mit Altla­ stenverdacht sind frühzeitig zu erkunden und zu bewerten. Dadurch ist es möglich, in vielen Fällen ohne Zeitdruck kostengünstige Sanierungsvarianten zu realisieren. Auf der Grundlage der Altlastenerkundung eines Grundstückes durch ein Fachbüro können Entsorgungskosten und Entsorgungswege von verunreinigtem Erdaushub besser kal­ kuliert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Entsorgungspflicht und Entsorgungs­ nachweispflicht beim Grundstücksbesitzer sprich Bauherrn liegt, da es sich in der Regel um besonders überwachungspflichtige Ab­ fälle handelt, die einer behördlichen Über­ wachung unterliegen. Durch ein Fachbüro kann der sachkundi­ ge Nachweis einer Grundstückskontamina­ tion eindeutig erbracht werden. Dies gilt im insbesonderen auch für den Nachweis, dass von einem Grundstück nach Abschluß der Sanierung Schadstoffe nicht mehr abwan­ dern können. Das Amt für Abfallwirtschaft beim Land­ ratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis kann bei der Beseitigung von kontaminiertem Aus­ hubmaterial wertvolle Hinweise geben. Es sollte daher jeweils in die Überlegungen ein­ bezogen werden. Auskünfte über die Gefäludung von Grundstücken durch Altlasten erhalten Grundstückseigentümer jeweils durch die betreffende Stadt/Gemeinde. Nach dem Umweltinformationsgesetz haben Grund­ stückseigentümer – gegen Entgelt – Zugang zu den verfügbaren behördlichen Informa­ tionen. Gegebenenfalls ist für andere Perso­ nen eine Datenweitergabe mit Zustimmung der Betroffenen möglich. Bruno Mößner 31

Aus dem Krcisg cbeben Der Jugendfonds Schwarzwald-Haar Eine Idee macht Karriere – Der Jugend eine Zukunft ermöglichen ,,Die Jugend ist unsere Zu­ kunft“, sagen wir, ,,deshalb er­ möglichen wir unserer Jugend eine Zukunft“, so die Gründer des ersten Jugendfonds in Ba­ den-Württemberg. Junge Men­ schen auf ihrem Weg in Ausbil­ dung und existenzsichernde Ar­ beit intensiv zu unterstützen, haben sich der Schwarzwald­ FONDS S C H W A II Z W A L D – B A A R Baar-Kreis, die Stadt Villingen- Mit eigenem optischen Erscheinungsbild tritt der Jugendfonds des Schwenningen und das Land Schwarzwald-Baar-Kreises an die Öffentlichkeit. Baden-Württemberg in ihr Auf- gabenbuch geschrieben. Ein Mosaikstein dazu wurde mit der Gründung des Jugend­ fonds Schwarzwald-Baar gelegt. gründet. 30 000 Mark Grundkapital brachte jeder Partner ein, beim Landratsamt wurde in der Kreisjugendpflege die Geschäftsstelle angesiedelt, der Jugendfonds begann seine Arbeit. Ein Kuratorium, in dem neben Landrat Karl Heim, Oberbürgermeister Dr. Matusza sowie einem Vertreter des Kultusministeri­ ums auch unterschiedlichste Institutionen aus dem Landkrei z.B. Handwerks- und In­ dustrie- und Handelskammer, Arbeitsamt, Medien, Jugendlid1e aus dem Kreisjugend­ ring und Kreisjugendsportring vertreten sind, entscheidet über alle wid1tigen Ange­ legenheiten des Jugendfonds und macht die­ sen auch bekannt. Inzwischen gehören auch zwei Unternehmensvertreter dem Kuratori­ um an. Sponsoren, die sich am Jugendfonds mit einer Geldspende über Sooo Mark be­ teiligen, werden automatisch Mitglied im Kuratorium. Der Da11k gebührt hier vor al­ lem der Sparkasse Villingen-Sd1wenningen, die sowohl den Jugendfonds direkt und inzwi eben auch ein größeres Projekt de Fonds finanziell aber auch ideell unter- stützt. Nachhilfe, Bewerbungstraining, Sprach­ kurs oder per önliche Hilfen – lediglich Sinnhaftigkeit und Finanzierbarkeit setzen Lange schon waren Kolleg/innen im Land­ ratsamt auf der Suche nach schnellen und möglichst unbürokratischen Hilfen für Ju­ gendlid1e, aber auch nach Projekten, die Jugendlid1e unterstützen. Die Idee einen Fonds zu gründen, der die ermöglid1t, hat­ te sich so nach und nach in den Köpfen fe t­ gesetzt. Dazu wurde Grundkapital benötigt, nur „woh r nehmen, wenn nicht tehlen?“ Sponsoren sollten gewonnen werden, de­ nen über die Zusammenarbeit mit Projekten Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit er­ schlossen werden sollen. Institutionen oder Kommunen sollten zur Mitarbeit und Mit­ finanzierung motiviert werden. Im Frühjahr 1998 war es dann auch soweit; der Idee folg­ te die erste große Tat: Landkreis, Stadt Vil­ lingen-Schwenningen und das Land-Baden­ Württemberg gründeten gemeinsam den Ju­ gendfonds Schwarzwald-Baar. Im Rahmen der 1998 gestarteten Jugend­ initiative des Landes Baden-Württemberg wurde, in Zusammenarbeit des Landkreises mit dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Villingen- chwenningen, am 22. Juni 1998 der Jugendfonds Schwarzwald-Baar ge- 32

Jugendfonds gtegründe der Kreativität Grenzen. Ziel des Jugend­ fonds ist es – zeitlich begrenzt – Projekte zu unterstützen, die Jugendlichen mit beson­ deren Schwierigkeiten den Weg in Ausbil­ dung oder Arbeit ebnen. Dies sind z.B. Sprachkurse für junge Aussiedler/innen oder ausländische Jugendliche, Nachhilfe­ angebote im Berufsvorbereitungsjahr, Be­ werbungstraining oder Gruppenarbeiten zur Förderung von sogenannten Schlüsselquali­ fikationen. Unterstützt werden sollen jedoch auch Ak­ tionen in der Jugendarbeit, die von beson­ derer Bedeutung für die Jugend im Schwarz­ wald-Baar-Kreis sind. Auch Jugendliche selbst können Anträge an den Jugendfonds stellen. Die bisher finanzierten Projekte sind ganz unterschiedlich angelegt, errreichen unter­ schiedliche Gruppen von Jugendlichen, ar­ beiten mal mit Ehrenamtlichen, mal mit Hauptamtlichen und sind auch in Inhalt und Methode sehr verschieden. In einigen der geförderten Projekte lernen junge Aussiedler/innen in kleinen Gruppen Deutsch, beschäftigen sich mit der Frage, welchen Beruf sie ergreifen möchten und bereiten sich auf die Suche nach einer Aus­ bildungsstelle vor. Gemeinsam werden Be­ werbungsunterlagen geschrieben, Vorstel­ lungsgespräche geprobt oder wird im Berufs­ informationszentrum im Arbeitsamt nach geeigneten Berufen gesucht. In anderen Pro­ jekten werden, ganz praxisorientiert z.B. ein Spielplatz angelegt oder Geschenkartikel entworfen und hergestellt. Handwerkliche Fähigkeiten werden entwickelt, schulmüde Jugendliche werden wieder motiviert, sich auf Lernen – diesmal in anderer Form – ein­ zulassen. Und manchmal ist ein Einfüh­ rungskurs in die Materie des Computerzeit­ alters oder der etwas andere Sprachkurs ( in dem man z.B. alles über Autos und Mo­ torräder lernt) gefragt. Alles ist denkbar – fast alles! Die Geschäftsstelle berät Projekte inhalt­ lich, geht jedoch vor allem nach Eingang des Antrags auf die Suche nach alternativen We­ gen der Finanzierung. ,,Geldtöpfe“ des Bun­ des und des Landes werden überprüft und Der Jugendfonds des Landkreises fand wertvolle Unterstützung durch verschiedene Firmen. Unser Bild zeigt Landrat Heim (links) zusammen mit Sparkassendirektor Haubner und Sparkassenwerbeleiter Roby. 33

Aus dem Kreisgeschehen das eine oder andere Mal gelingt es tatsäch­ lich, Projekte ganz oder teilweise darüber zu finanzieren, ohne das Kapital des Jugend­ fonds anzugreifen. Ist dies nicht möglich, entscheidet der geschäftsführende Ausschuß des Jugendfonds über die Vergabe der Mit­ tel. Neben Landrat, dem Oberbürgermeister der Stadt Villingen-Schwenningen und ei­ nem Vertreter des Kultusministeriums sind auch zwei Jugendliche – zwei junge Frauen aus dem Kreisjugendring und Kreisjugend­ sportring- an dieser Entscheidung beteiligt. Ein Stück gelebter Mitbestimmung und Teilnahme von Jugendlieben an Entschei­ dungsprozessen wird damit verwirklicht. Wer sucht, der findet – manches Mal auch Geld: Projekte für fast 40 000 Mark sind inzwischen über andere Zuschußgeber, hauptsächlich das Land Baden-Württem­ berg, fremd finanziert worden. Die Suche nach Möglichkeiten, Projekte zu finanzie­ ren, gleicht manches Mal einer „For­ schungsreise durch den Dschungel Südame­ rikas“: Bund, Land, Landesjugendämter, Forschungsinstitute oder Wohlfahrtsverbän­ de sind in den letzten Jahren alle dazu über­ gegangen, ihre Geldmittel nicht mehr pau­ schal an freie Träger zu verteilen, sondern fi­ nanzieren inhaltlich genau bestimmte Pro­ jekte, machen Vorgaben zur Stellenbeset­ zung oder anderen Rahmenbedingungen und verlangen sehr oft eine zusätzliche an­ dere Finanzierung, um nicht alleiniger Geld­ geber zu sein. Vor allem kleinere Projektträ­ ger oder Vereine, in denen sehr viel organi­ satorische Arbeit im Ehrenamt erledigt wird, sind fast nicht mehr in der Lage, diese diffe­ renzierte Materie zu durchschauen. Die Geschäftsstelle übernimmt für die Pro­ jekte deshalb quasi die Suche nach öffentli­ chen Geldern, die zum Projekt passen, berät über die Förderbedingungen oder stellt auch mal einen Antrag direkt über den Fonds. Andere Projekte sind über Spenden – der Jugendfonds hat inzwischen Geldspenden in Höhe von 32 000 Mark erhalten – er­ möglicht worden. Gespendet wurden außer- 34 dem Fachvorträge, Computer und unter­ schiedliche Kursangebote; auch mit der Ein­ richtung von Praktikastellen für Jugendliche wurde geholfen. Viele Unternehmen helfen gerne – manche tun es über den Jugendfonds Soziale Projekte zu unterstützen ist vielen Unternehmen ein Anliegen. Der Jugend­ fonds bietet dazu unterschiedliche Mög­ lichkeiten. Außer der direkten finanziellen Unterstützung des Fonds vermitteln wir über die Geschäftsstelle aud1 Kontakte zwi­ schen Unternehmen und Projekten und be­ raten bei der Gestaltung der Zusammenar­ beit. Nicht jedes Projekt passt zu jedem Unternehmen. Manche möchten finanziell unterstützen; manche bieten viel lieber Know-how oder Sachspenden. Beteiligte Unternehmen und Projekte beraten wir dann auch bei der dazugehörigen Öffent­ lichkeitsarbeit. Berührungsängste zwischen Sponsoren und Projekten gibt es kaum, dafür jede Men­ ge Freude und auch Spaß im konkreten ge­ meinsamen Arbeiten, z.B. in Schulungen, die von einigen Firmen in ihren Räumen für Jugendliche angeboten werden. Ob nun im Kraftwerk Laufenburg beim Bewerbungs­ training oder in den EDV-Räumen der Für­ stenbergbrauerei; die beteiligten Jugendli- Wer den Jugendfonds des Schwarzwald­ Baar-Kreis unterstützen möchte, kann sich an folgende Adresse wenden: Geschäftsstelle Jugendfonds Schwarzwald-Baar Kreisjugendamt Am Hoptbühl 2 78048 VS-Villingen Tel. 07721/913-124 (Ulrike Gfrörer)

eben bringen Leben in den Betrieb; Unter­ nehmensmitarbeiter genießen die – etwas andere – Arbeit. Gemeinsam Spaß haben auch behinderte und nicht behinderte Jugendliebe in einer Freizeitgruppe, die, dank einer Spende der Firma Schrägle, nun auch zusammen etwas unternehmen können oder .auch mal Geld für Bastelmaterial oder den Spielenachmit­ tag haben. Und vielleicht gibt es demnächst auch mal eine Führung durch den Betrieb oder eine Fahrt mit dem Müllwagen, um zu sehen, wie diese Arbeit tatsächlich aussieht. Wer weiß, was die Zusammenarbeit noch bringt. Eher anstrengend ist es dagegen in der Nachhilfegruppe der Berufsvorbereitungs­ klassen. In kleinen Gruppen wird mit un­ terschiedlichen Lehrkräften gebüffelt. Ziel ist der Hauptschulabschluß, wenn möglich auch noch „besser als bestanden“. Bezahlt werden die Lehrkräfte aus Spendengeldern der Sparkasse Villingen-Schwenningen. Ju­ gendliche darin zu unterstützen, einen Hauptschulabschluß zu machen, ist der er­ ste Schritt, ihnen eine Integration in die Ar­ beitswelt zu ermöglichen. Daß dies so ist, ist auch die Überzeugung des Sponsors und war Motivation genug, das Projekt zu finan­ zieren. Auch in Zukunft wird der Jugendfonds Schwarzwald-Baar versuchen, Kontakte zwi­ schen Unternehmen und Projekten zu knüpfen, oder auch gespendetes Geld in der konkreten Hilfe für Jugendliebe einzuset­ zen. Das Modell ,Jugendfonds Schwarzwald­ Baar“ macht Schule im ganzen Land Etwas stolz sein kann der Landkreis schon auf seinen Jugendfonds – immerhin hat die Idee in diesem Jahr Eingang gefunden in die Handlungsempfehlungen der Jugenden­ quetekommission des Landes Baden-Würt­ temberg. Auch in anderen Landkreisen im Land wird inzwischen die Idee des Jugend- Jugendfonds gegründet fonds diskutiert oder sind Fonds eingerich­ tet worden. Die Jugendstiftung Baden-Würt­ temberg fördert im nächsten Jahr weitere Ju­ gendfonds und wird diese dabei auf „Herz und Nieren“ prüfen, Möglichkeiten und Grenzen erforschen und sie gemeinsam mit den schon bestehenden Fonds weiterent­ wickeln. Spannend auch für den Landkreis, der zwar schon einen Schritt weiter, aber hoffentlich noch nicht am Ende des Ler­ nens und Weiterentwickelns ist. Denn: Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen. (Kurt Marti) Ulrike Gfrörer Unterstützung fand der Jugendfonds seit Gründung im Juni 1998 bei: Gruppe Drei, Villingen-Schwenningen Sparkasse Villingen-Schwenningen Max Schrägle GmbH, Villingen­ Schwenningen Maier Entsorgungs GmbH, Donaueschingen Kaufmännische Krankenkasse, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Rheinfelden Fürstenberg Brauerei, Donaueschingen Grässlin GmbH + Co. KG., St. Georgen Meku Metallverarbeitungs GmbH, Dauchingen, Huger Electronics, Villingen-Schwenningen, Straub Verpackungen GmbH, Bräunlingen Ein weiterer Sponsor, der nicht namentlich genannt werden möchte. 35

Aus dem Krei ge chehen Aus einem Pflänzchen wird ein Baum Partnerschaft mit Bacs-Kiskun weiter ausgebaut – Auch wirtschaftliche Kontakte Seit Mai 1996 besteht die Partner­ schaft zwischen dem Schwarzwald­ Baar-Kreis und dem südungarischen Komitat Bacs-Kiskun. Ihr Ziel ist es, ei­ nen gemeinsamen Beitrag zum Auf­ bau eines einheitlichen, offenen und solidarischen Europas zu leisten. Ein reger kultureller Austausch ist durch den freundschaftlichen Kontakt zwischen Bürgerinnen und Bürgern in Gang gekom­ men, die bisherige Zusammenarbeit auf den Gebieten Bildung und Schule, Jugendaus­ tausch, Wirtschaft, Kunst, und Tourismus läßt hoffen, daß die Partnerschaft schon bald zum „Selbstläufer“ wird. Wie in den vergangenen Jahren berichtet der Almanach auch in dieser Ausgabe über die Weiter­ führung der vielfältigen Kontakte zwischen ungarischer T iefebene, Schwarzwald und Baar. Vom 11. September bis 4. August war in der Rathausgalerie in Hüfingen die Sonder- ausstellung „Internationales Keramik­ studio Kecskemet“ zu sehen. Die vom Schwarzwald-Baar-Kreis und der Stadt Hüfingen organisierte Veranstaltung zeigte eine Auswahl hochkarätiger, zeitgenössischer Keramik aus dem in der Komitatshauptstadt Kecskemet an­ sässigen Studio. Als Stätte künstleri­ scher Begegnung und Bereicherung, gegen­ seitigen Austausches und Voneinander-Ler­ nens wurde das „Internationale Keramikstu­ dio Kecskemet“ Mitte der siebziger Jahre vonJanos Probstner ins Leben gerufen. An die Arbeit der Keramiker wurden und wer­ den höchste Anforderungen gestellt, nur rundum gelungene und perfekte Stücke wer­ den in die Sammlung aufgenommen. Künstler und Künstlerinnen aus 30 Ländern der Erde haben inzwischen in Kecskemet gearbeitet und einen Teil ihrer Arbeiten dort zurückgelassen. Inzwischen sind rund 2500 Einzelstücke in der Sammlung von interna- Schüler der Bickebergschul.e aus VS-Villingen besuchten die Stadt Kecskemet im ungarischen Komitat Bdcs­ Kiskun, zu dem der Landkreis freundsch4i,liche Beziehungen unterhält. 36

tionaler Bedeutung zu bewundern. Die in Hüfingen gezeigten Exponate stammen großenteils von ungarischen Künstlern, aber auch einige Werke von Künstlern anderer europäischer sowie außereuropäischer Staa­ ten waren zu bestaunen. Besonders gut haben sich von Anfang an die schulischen Kontakte der in der Träger­ schaft des Landkreises stehenden Landesbe­ rufsschule für das Hotel- und Gaststättenge­ werbe mit einer entsprechenden Einrich­ tung in Kecskemet entwickelt. Die dortige Schule wird von Agnes Nitschmann geleitet, die sich ganz besonders für die Partnerschaft engagiert. Der gegenseitige Austausch wurde nun fortgeführt, vom 25. bis zum 31. Okto­ ber 1998 besuchten Schiller und Lehrer aus Villingen ihre Schulfreunde in Ungarn. Auf wirtschaftlicher Ebene wurden durch die Vermittlung des Landkreises Kontakte zwischen der IHK in Kecskemet und Villin­ gen-Schwenningen geknüpft. Vom 1. bis zum 29. November 1998 besuchte eine Ver­ treterin der ungarischen Kammer ihre deut­ schen Kollegen, um die hiesigen Ausbil­ dungssysteme kennen zu lernen. Ein Aus­ bau dieser Kontakte ist geplant. In der Zeit vom 22. bis zum 25. April 1999 besuchten Vertreter des Kreistages, der Kreisverwaltung, der Presse und von Radio Neckarburg das Komitat Bacs-Kiskun. Die 36 Teilnehmer wurden herzlich empfangen und über die Besuchstage hinweg sehr gast­ freundlich betreut. Neue Verbindungen konnten vor Ort geknüpft werden, zahlrei­ che Vorschläge und konkrete Vorhaben für die weitere Vertiefung der Partnerschaft wur­ den besprochen. Von der Delegation des Landkreises wurden auch vier ungarische Firmen besichtigt, die Geschäftsbeziehun­ gen zu deutschen Firmen unterhalten. Da­ bei wurde deutlich, daß auf ungarischer Sei­ te ein sehr großes Interesse am Ausbau der gegenseitigen W irtschaftsbeziehungen be­ steht. Das ungarische Partnerkomitat präsentier­ te sich auf der Südwest-Messe 1999 mit ei- Partnerschaft mit Ungarn ner kleinen Delegation, der auch ein Vertre­ ter der IHK Kecskemet angehörte. Am Stand der Schwarzwald-Tourismus GmbH stellte das Komitat Bacs-Kiskun seine touri­ stischen Attraktionen und Möglichkeiten vor. Am gut besuchten Messestand wurde mit Musikdarbietungen, Weinproben und Prospekten für ungarische Lebensart gewor­ ben. Die Veranstalter hoffen, durch ihre Ak­ tivitäten einen Beitrag zum Auf- und Aus­ bau der gegenseitigen touristischen Bezie­ hungen zwischen ungarischer T iefebene und unserem Landkreis geleistet zu haben. Zur Anknüpfung wirtschaftlicher Kontakte war auch das ungarische Außenhandelsbüro München auf dem Messestand vertreten. Vielfältig sind die Planungen für den wei­ teren Ausbau der Partnerschaft. Insbeson­ dere ist hier die Schaffung eines Freundes­ kreises zwischen unserem Landkreis und dem Komitat Bacs-Kiskun zu nennen. Die Vorbereitungen zur Gründung eines Vereins sind bereits in vollem Gange. Helmut Rothermel Neue Freunde finden und gemeinsam Feste feiern der Besuch der Bickebergschüler in Ungarn brachte Spaß und Abwechslung. 37

Aus dem Kreisgeschehen Am „Internationalen Künstlertreffen“ auf der Insel Veranka 1998 im ungarischen Komitat Brics-Kiskun beteiligte sich das Künstlerpaar Erich und Helga Villa aus VS-Villingen. Die Skizzen von Erich Villa zeigen Motive von der Donauinsel Veranka. 38

2. Kapitel/ Almanach 2000 Schwarzwald und Baar – Portrait eines Landkreises (3) Auf der Suche nach dem Zentrum der Baar Geschichtsträchtig: Unterwegs in Neudingen, Hüfingen und Donaueschingen Wer vom Bodensee und dem Hegau _ her nach Freiburg fährt, wird die Au­ tobahn bei Geisingen verlassen und westwärts der Bundesstraße 31 fol­ gen, bis er am sanften Vulkankegel des Wartenbergs in den Landkreis gelangt. Vielleicht schaut er dann über die weiten Wiesen, durch die in großen Schlingen die junge Donau mäandriert: in frühge­ schichtlicher Zeit war hier ein großer flacher See, das Gelände ·· versumpfte und wurde schwer passierbar. Vom einst südli-I chen Rand herüber grüßt eine Gruppe hoher Bäume, zwi-/ sehen ihnen erkennt man bei , � genauem Hinsehen eine / große Kuppel: das Mauso­ leum der Fürsten zu Fürsten­ berg, deren Hausberg dahinter ··; den Blick begrenzt. Wer seiner ·� Neugier folgt und das Dorf Neu- � dingen besucht, kann einiges ent-F:. decken: Am Ortseingang umfaßt eine ‚ weit über mannshohe Mauer einen flachen Hügel, groß wie zwei Fußball­ felder, noch zusätzlich auf allen Seiten ·. durch tiefe Gräben abgesetzt. Neben : dem eisernen Tor ein Pförtchen: ein Park, Rasenflächen mit alten Bäumen, etwas seitlich von der Mitte das Mausole­ um; aus Ziegeln gemauerte Ecken umfassen große verputzte Flächen, gegliedert durch Bögen und runde Fenster, niedrige Giebel­ felder tragen an den Seiten und in der Mit­ te Engelsfiguren, gewaltig die Kuppel mit ih­ rer Laterne -ein Bild, wie aus Italien hierher Mausoleum der Fürsten zu Fürstenberg in Neu­ dingen, gewaltig die Kuppel und die Engelifiguren. 39

Portrait eines Landkreises In .früheren Zeiten noch mehr als heute ist die Baar eine Kornkammer gewesen, um Neudingen herum ist es bis heute so geblieben. verpflanzt. Klassizistisch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Innern an byza­ ntinischem Stil orientierte Ornamente auf schlichten Bogen, Dekorationsmalerei in Schabloniertechnik täuscht grüne Marrnor­ kühle vor. Zwei große marmorne Engel. Wieso dies Mausoleum gerade hier? An der Außenwand eine Grabplatte: die letzte Äbtissin des Frauenklosters Maria Auf Hof verstarb hochbetagt im Jahr 1840. Eini­ ge weitere Grabplatten, teilweise schwer les­ bar. Im Rasen deutet eine Geländekante an, wo früher das Kloster stand. Zu Füßen eines Kruzifixes eine Bronzeplatte: Eingang zur Gruft, wo die Fürsten zu Fürstenberg bis heute ihre Toten bestatten. Wir gehen rund um den weitläufigen Park. An einer Stelle ein Pförtchen, dahinter Dor­ nen und Nesseln den Hang hinab. Nicht weit davon ist die Mauer auf einen knappen Steinwurf weit umgestürzt. Von einem er- 40 höhten Punkt ein Blick zwischen Bäumen durch auf die Donau, die Wiesen, den War­ tenberg, im Hintergrund die Buchenwälder auf den westlichsten Ausläufern der Schwä­ bischen Alb. Die geschichtlichen �eilen berichten: Nach der Unterwerfung der Alemannen durch die Franken wurden die Güter der auf­ ständischen Adligen eingezogen. Im 8. Jh. war die Baar mit ihren fruchtbaren Böden eine Kornkammer, Neudingen war damals ihr Mittelpunkt, der Burghügel Herrschafts­ sitz. Die Karolinger errichteten hier zur Ver­ waltung eine riesige Kaiserpfalz. Der Enkel Karls des Großen, Karl der Dicke, verbrach­ te hier seine letzten Lebensjahre und starb hier, vielleicht auf der Flucht über gefrorene Sümpfe, vielleicht erwürgt von einem Die­ ner. Das Erbe der Zähringer fiel an die Grafen von Urach, die sich hier niederließen und

Portrait in Landkr i An der jungen Donau in Neudingen. sich fortan Fürstenberg nannten, nach dem fürdersten Berg, auf dessen isoliertem Pla­ teau sie eine Burg mit Siedlung errichteten, die wirtschaftlich lange eng mit Neudingen verbunden war. Erst nach einem Großbrand 1840 wurde der heutige Ort Fürstenberg westlich des Berges neu angelegt. Die Grafen stifteten Anfang des 13. Jh. das Kloster, überwiegend für die Töchter des Adels. Zahlreiche Schenkungen und Grundstücks­ käufe machten es zu einem der reichsten weit und breit. Wechselhafte Geschicke im 15. Jh.; der 1509 hier bestattete Graf Wolf- 42 gang von Fürstenberg soll angeblich lange als Geist gesehen worden sein, vielleicht starb er an Gift. Nachdem das Kloster von 1515 bis 1565 verlassen war, fanden Zister­ zienserinnen aus Lauingen hier Zuflucht. Jüngere Klosterfrauen sollen zeitweilig „un­ klösterlichen Bräuchen“ und dem „Götzen­ dienst der Reformation“ gehuldigt haben. Notlagen während des Dreißigjährigen Krie­ ges und des Spanischen Erbfolgekrieges folgte um 1716 der Ausbau von Kloster und Kirche. Bei einem Brand im Jahr 1756 stieg ein al­ tes Ölgemälde in die Luft und wurde unbe­ schädigt ein Stück entfernt wieder aufgefun­ den – ein Wunder? Nach der Säkularisation

Neudingen 1806 fiel das Kloster an Fürstenberg; zeit­ weilig wurde es Spital für gefangene Russen, dann Blindenanstalt, dann wurde darin ein Heim für sittlich verwahrloste Kinder ein­ gerichtet. 1852 brannte es ab, doch konnten die darin befindlichen Sachen gerettet wer­ den. Einige wertvolle geschnitzte alte Figu­ ren gelangten ins Schloß Heiligenberg, eine berühmte Muttergottes in die Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen in Donau­ eschingen. Das Kloster war Arbeitgeber gewesen für viele Handwerker und Tagelöhner; nach der Aufhebung des Klosters und seiner Rechts­ nachfolgerin, der Burgvogtei, versank Neu­ dingen in einen bis heute währenden Dorn- röschenschlaf. Schon im 18. Jh. waren viele Menschen von hier nach Ungarn ausgewan­ dert; in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ver­ anlaßte die Gemeinde viele Arme zur Aus­ wanderung nach Amerika. Der 1776 barockisierten Dorfkirche sieht man ihr Alter kaum an: Untersuchungen des Mauerwerks ergaben, daß sie wohl aus dem 8. Jh. stammt. Über dem Westportal ist ein frühromanisches Rankenornament um das Tympanon erhalten. Der Turm, dessen ursprünglich achtseitige Pyramidenspitze sich noch ahnen läßt, erhielt im 16. Jh. Spitzbogenfenster als Schallöffnungen, im 18. Jh. die elegante Kuppel mit dem Zwie­ beltürmchen. Damals wurden auch die Sei- 43

Portrait-eine Landkrei es tenwände und das Dach angehoben und der Innenraum zur noch heute bestehenden Form umgestaltet. Das Mühlenhaus ist modernisiert, kaum ahnt man seine lange Geschichte. Fast fünf­ hundert Jahre lang belehnte das Kloster da­ mit immer wieder eine Familie. Als der Mül­ ler 1779 einen neuen langen Mühlgraben anlegte, übernahm er sich dabei finanziell, prozessierte, verlor und geriet an den Bet­ telstab. Die Mühle wurde verkauft, später zog ein Müllersohn als Landstreicher bis nach Salzburg und Stettin, die Gemeinde mußte dorthin Pflegekosten erstatten. Bewegend die Geschichte der Maria Rieger aus dem Jahr 1682: in zweiter Ehe war sie in Neudingen verheiratet, doch in dieser Ehe gab es oft Streit. Als sie ein Kind liebkost hatte und das Kind daraufhin krank wurde, klagte ihr Mann sie der Hexerei an. Sie wur­ de nach Hüfingen gebracht; auf der Folter peinlich befragt, gab sie an, mit einem grün gekleideten unbekannten Mann mehrmals Verkehr gehabt zu haben – war es der Teu­ fel? Die Protokolle der peinlichen Befra­ gungen sind vollständig erhalten. Der zwei­ felnde Amtmann holte mehrere Gutachten ein, ihr Mann mußte die Kost während ih­ rer Haft bezahlen, er hätte sie lieber heute als morgen brennen gesehen. Doch da die Universität T übingen sich für die Unschuld der Frau aussprach, ließ man sie frei. Heute sind die meisten Häuser des Ortes modernisiert, doch einigen Höfen sieht man ihr hohes Alter noch an; die Ecken des Gast­ hauses Sonne und die Wand eines anderen Hofes sind durch gewaltige Stützpfeiler ver­ stärkt. Schläfrig dösen die Mithaufen vor den Ställen. Als die Eisenbahn gebaut wur­ de, schuf man auch einen neuen Lauf für die Donau. Wer heute auf dem Radwanderweg von Geisingen nach Donaueschingen die Gegend erkundet, wird jenseits von Fluß und Bahnlinie kaum ahnen, an welch ge­ schichtsträchtigem Ort er vorbeifährt. Versteckter noch als Neudingen liegt im Gnadental am Nordhang der Länge ein 44 Ein mächtiges Bollwerk – die „Sonne“. Manchen Häusern in Neudingen sieht man ihr Alternoch an. Wallfahrtskirchlein. Es geht wohl bis ins 13. Jh. zurück, wenn auch der heutige Bau mit seiner Außenkanzel aus dem Jahr 1619 stammen dürfte. Er soll ein Gnadenbild aus dem 16. Jh. enthalten sowie ein übermaltes und schlecht gefaßtes Bild, das möglicher­ weise noch älter ist. Aus der nahegelegenen starken �eile (war hier vielleicht einmal ein �ellheiligtum?) führten hölzerne Roh­ re, sogenannte Teucheln, das Wasser zur Versorgung des Klosters. Zur Nazizeit plante man, Doggererz aus Blumberg in Neudingen zu verhütten. Man baute einen langen Damm und eine Mon­ tagehalle. Die geplanten Hochöfen blieben dem Ort erspart; die umgebaute Halle dien-

Hüfingtn Stadtmühle, 1523 erstmals erwähnt, 17 50 abgebrannt und wieder aufgebaut, ist heute ein mustergültig saniertes Haus in der Alt­ stadt. Bei ihr zweigte ein Graben ab, der die mittelalterliche Burg von der Vorstadt trenn­ te; nur der Name zeugt noch davon. Die Burg war schon im 18. Jh. Ruine; Teile da­ von wurden damals umgebaut zum Senn­ hof, einem Wirtschaftsgebäude der Fürsten­ berger. Ganz nah steht die aus dem Mit­ telalter stammende Zehntscheuer, die das Wappen des Konstanzer Bischofs trägt. Das Petertörle an der Nordostecke ist nur noch eine Verengung der Straße, bedingt durch Mauerverstärkungen modernisierter alter Häuser. te bis zum Brand 1995 den Badischen Gum­ miwerken zur Produktion. Läßt man Neudingen zurück und fährt nach Sumpfohren, so quert man sanfte Hü­ gel und flache Tälchen, stets mit dem Aus­ blick nach rechts über das weite Donauried, das im Norden von den Keuperhügeln, der Lias-Senke und weiter östlich vom Alban­ stieg begrenzt wird. Fruchtbar ist der Bo­ den, und das Dörfchen Sumpfohren, schon 873 urkundlich erwähnt, lebt noch heute überwiegend von der Landwirtschaft. Das kleine Kirchlein neben dem Treppengiebel ist wohl sehr alt, die Modernisierung aus den 1970er Jahren fügt sich harmonisch ein. Storchennester befinden sich auf einigen Dächern – leider sind sie nicht mehr bewohnt. Hüfingen: Freundlich und modern Hüfingen – ein freundliches Städt­ chen, dem es gelungen ist, ein ge­ schichtsträchtiges Stadtbild behutsam zu modernisieren. Vom südlichen Ufer der Breg aus schaut man auf das Obere Tor mit dem daran an­ schließenden Schloß, das anfangs des 18. Jh. erbaut wurde und heute als Al­ tersheim dient. Nachdem die Fürsten­ berger die Stadt um die Mitte des 17. Jh. erworben hatten, planten sie zeit­ weilig, hier zu residieren – prachtvoll die Stukkatur über dem Treppenhaus. Freilich bewohnten sie das Schloß nicht lange, sie zogen ins benachbarte Donaueschingen. Sehr alt ist der Ort – es gibt keltische und alemannische Funde, zu römi­ scher Zeit stand hier am Knotenpunkt wichtiger Straßen ein Kastell, Reste ei­ ner großen Badanlage sind erhalten. Im Mittelalter bot der Bogen der Breg Schutz gegen Feinde – was damals Stadtmauer war, sind jetzt freundlich Hüfingen, einst ein römisches 7-entrum der Baar, ist ein umgestaltete Häuser, ein früherer freundliches Städtchen, dem die Symbiose zwischen ge­ Wehrturm trägt einen Balkon. Die schichtsträd1tig und modern gelungen ist. 45

Portrait eine Laadkrei es Vorbei am Pfarrhaus und der Kirche, die wohl schon aus der Zeit vor dem 12. Jh. stammt, aber 1811 barockisiert wurde. Um 1100 soll ihr hoher Turm vollendet worden sein – aber da die Stadt im Bauern­ krieg die Aufständischen unterstützt hatte, mußte sie danach zur Strafe den Turmhelm erniedrigen. Ungeheuer breit ist die Haupt­ straße; in der Mitte durchfließt sie ein Bäch­ lein, Anfang, Mitte und Ende werden durch Brunnen markiert. In einem der sie säu- 46 An der Stadtmühle – ein mu­ stergültig saniertes Stück Alt­ Hüfingen. menden Häuser sollen anno 1632 württembergische Sol­ daten 500 Hüfinger Bürger grausam abgeschlachtet ha­ ben. In weitem Umkreis be­ rühmt sind die Blumenteppi­ che aus heimischen Blüten, die am Fronleichnamstag am Rande der Hauptstraße aus­ gelegt werden. Ebenso be­ rühmt ist inzwischen der Töpfermarkt, der alljährlich im Herbst viele Besucher in das Städtchen lockt. Schräg gegenüber vom mo­ dernen Rathaus, das sich har­ monisch in die Häuserzeile einfügt, ein prachtvoll ge­ schmiedetes altes Wirtshaus­ schild: Zum Hirschen. Von der Straße hinter dem Rat­ haus zweigt ein Seitengäss­ lein ab zu einem vollständig erhaltenen Wehrturm – Häu­ ser, Gärten und Blumen gruppieren sich zu einem „Süßen Winkel“. (Zeitweilig diente der Turm freilich als Gefängnis.) Die Gerichtsbar­ keit der Stadt ist noch in Na­ men erkennbar: Köpferplatz, Galgenberg, Hexenberg – eine ganze Reihe von Personen wurden dort verbrannt, u. a. der fürstenbergische Notar T inctorius und seine Frau. Kompliziert die mittelalterliche Geschichte der Stadt: Einflüsse der Herren von Blumberg, von Sehellenberg, des Klo­ sters St. Märgen und der Fürstenberger über­ lagern und durchkreuzen sich, bis schließ­ lich in der Mitte des 17. Jh. die Fürstenber­ ger von den verschuldeten Schellenbergern den Besitz übernehmen. Der letzte Sehei-

lenberger starb 1812 kinderlos und verarmt in dem prächtigen Haus, das früher seiner Familie gehört hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es zur Festhalle umgebaut. Ein anderes spätmittelalterliches Ackerbür­ gerhaus wurde im 18. Jh. fürstliche Amts­ kanzlei. Im 19. Jh. kaufte es die Stadt und richtete darin die „Steuereinnehmerei“ ein. 1992 wurde es umfassend saniert und unter Integration der Bauteile aus den verschiede­ nen Epochen zum städtischen Museum für Kunst und Geschichte. Als im 19. Jh. die Fürstenberger ihre Ver­ waltung nach Donaueschingen verlagerten, sank Hüfingen ab zu einem bescheidenen Landstädtchen, das heute 6 500 Einwohner zählt. Dennoch brachte es eine Reihe von Künstlern und Musikern hervor; der bedeu­ tendste unter ihnen ist der Maler und Schriftsteller Lucian Reich d. H. (1817 – 1900), der als Volksschriftsteller das Leben in seiner Heimatstadt schilderte. Am Ein­ gang zum Friedhof die Leonhards-Kapelle aus dem 16. Jh.; eine Kette mit Hufeisen umspannt sie, sie soll von einem Fuhrmann gestiftet worden sein zum Dank für seine wunderbare Rettung, als die Brücke unter seinem Wagen zusammenbrach. Abseits vor der Stadt eine Loretto-Kapelle, erbaut 1715; hohe Bäume umgeben sie, ei­ ne kleine Einsiedelei gibt dem Ort einen be­ sonderen Reiz. Still ist das Städtchen. Das neuzeitliche Wirtschaftsleben spielt sich außerhalb ab, im modernen Gewerbegebiet an der Straße nach Allmendshofen. In dem Dorf um­ geben einige alte Häuser das kleine Kirch­ lein; dessen modernisierter Raum wird ge­ schmückt von einer hölzernen St.-Jakobs­ Figur – ein Hinweis, daß die Kirche am Pil­ gerweg nach Santiago de Compostela liegt, auch das Muschelzeichen deutet es an. All­ mendshofen wurde 1933 Donaueschingen eingegliedert. In Hüfingen östlich der Breg ein großzügiges modernes Neubauviertel, und noch ein wenig weiter, jenseits der Bun­ desstraße, die Riedseen; ausgehend von Hüfingen Die bischijfliche Zehntscheuer in der Hüfinger Hin­ terstadt trägt ein selten gut erhaltenes Wappen. Unten: Das Paar von Prof Klaus Schultze, im Rah­ men des Projektes „Figuren im Wasser“ entstanden, schmückt die Breg im Gewann „Am Mühlenbach „. ii.� ‚l .. – —- . 47

Portrait eine Landkreise Offenfür neue Kunst: Ausstellung im Stadtmuseum Hiifingen aus Anlaß der Keramiktage. Abbildung un­ ten: Hüfingen nach einem Aquarell von German Hasenfratz. 48

Pfohrener Gemarkung, entstand dort durch Ausbaggern von Kies ein Paradies für Ba­ degäste, Surfer, Angler und Naturfreunde; ein Zeltplatz lädt ein zum Verweilen. Pfohren und die Entenburg Jenseits der Bahnlinie und der Donau am Ortsrand von Pfohren die Entenburg, er­ baut 1471 durch Graf Heinrich von Für­ stenberg als Jagdschloß am Rande des Do­ naurieds. Kein Geringerer als Kaiser Maxi­ milian gab ihr bei einem Besuch im Jahr 1507 ihren Namen. Nur etwa ein halbes Jahrhundert lang diente sie ihrem Zweck, dann wurde sie Zehntscheuer. Die für Schä­ den anfälligen Turmhelme und ein Erker wurden abgetragen. Fenster und Türen zu­ gemauert, der Innenausbau stark verändert, entsprechend der landwirtschaftlichen Nut­ zung als Scheune. Heute ist sie Privatbesitz; 1980 – 85 mit Mitteln des Denkmalschutzes saniert, bietet sie Raum für Kunstausstel­ lungen und Konzerte, ironische Werke des Bildhauers Lenk, der in Konstanz den Au­ tofahrer-Brunnen und die Fortuna Impera­ trix mundi an der Hafeneinfahrt schuf, be­ grüßen den Besucher. Die Sage behauptet, Kari der Dicke, der in Neudingen oder hier im Sumpf erstickte, soll als Gespenst immer noch umgehen. Unzweifelhaft stand in Pfohren in karo­ lingischer Zeit ein Königshof auf dem Burg­ hügel unweit der Kirche, die im Turm und im heutigen Eingangsbereich, dem früheren Chor, deutlich romanische Bauelemente er­ kennen läßt. Sie war einst Urkirche für große Teile der Baar und noch im 13. Jh. Deka­ natssitz. Sehr alt ist das sogenannte Grafen­ haus, das vielleicht aus dem 14.Jh. stammt. Damals hatten die Johanniter in Pfohren erheblichen Grundbesitz. 1704, während des Spanischen Erbfolgekrieges, brannten durchziehende französische Truppen das Dorf weitgehend nieder. Viele wiederaufge­ baute behäbige alte Baaremer Bauernhäuser sind bis heute erhalten. Berühmt ist der Pfohren Kanufahrt auf der Donau in lfohren, im Hinter­ grund die Entenburg. „Gasthof zum Ochsen“: 1848 war der Sohn des W irts, Andreas Willmann, Jurist und nach heutigen Maßstäben „Regierungsprä­ sident“ in Freiburg und Konstanz; er war eng befreundet mit den Revolutionären Hecker, Struve und Fickler und setzte sich tatkräftig ein für die Badische Revolution. Nach deren Niederschlagung starb er später als angesehener Weinhändler in New York. Jahrhundertelang gab es in Pfohren eine Mühle; als sie 1890 abbrannte, war sie frei­ lich schon lange außer Betrieb, aber ihr Wehr staute noch immer das Wasser im Do­ nauried. Um den Ertrag der Wiesen zu ver- 49

Portrait eine Landkrei es Weithin bekannt: die Jfohrener Störche. bessern, entwässerte man sie im 20. Jh.; die ökologischen Schäden wurden später mit Landesmitteln korrigiert. Im Dorf sieht man zwei oder drei Storchennester, doch nur ei­ nes davon ist noch bewohnt. In drei kleine­ ren Hochmooren auf der Gemarkung wur­ de früher Torf abgebaut. Als während des Dritten Reiches in Neu­ dingen die Verhüttung der Blumberger Dog- 50 gererze geplant war, sollte in Pfohren eine Arbeitersiedlung für 3 000 Menschen ent­ stehen. Die Kriegsentwicklung stoppte die Pläne; nach 1945 waren noch Ruinen sicht­ bar, wenige, bereits gebaute Häuser wurden ins Ortsbild integriert. Erfolgreicher verlief im 18. Jh. die Erschließung der fruchtbaren Böden auf dem nördlich an Pfohren ansch­ ließenden Höhenrücken: das Haus Fürsten­ berg legte dort planmäßig die lange Reihe der lmmenhöfe an, die bis heute gedeihen. In Heidenhofen und Aasen Wohl schon aus karolingischer Zeit stam­ men die beiden Dörfer Heidenhofen und Aasen; im Frühmittelalter gehörten sie zur Herrschaft Wartenberg, die erst um 1321 als Erbe an Fürstenberg fiel. Damals gab es in Heidenhofen 8 bis 10 Hofstätten mit etwa 90 bis 100 Einwohnern, meist Leibeigene im Besitz verschiedener Klöster; bei Verheira­ tungen wurden die Menschen getauscht wie Vieh. Die Kirche in Heidenhofen (um 1700 barockisiert) war Muttergemeinde für das größere Aasen und Biesingen. Vor dem 28 m hohen Turm steht eine Linde, die im Jahr 1824 gepflanzt wurde. Vom höchsten Punkt des Wegs nach Aasen genießt man einen weiten Rundblick über das Donauried, die Ostabdachung des Schwarzwalds und den Südwestrand der Schwäbischen Alb, an klaren Tagen sieht man in der Feme die Schweizer Alpen. Am Wegrand das Bettelhansenkreuz: 1632 ohr­ feigten und bespien es schwedische Solda­ ten, bevor sie versuchten, Heidenhofen zu plündern; die Bauern brachten Frauen und Habe auf dem ummauerten Kirchhof in Si­ cherheit, bewaffneten sich und spannten ein starkes Seil über die Straße -dann überfie­ len sie die Schweden und machten fast alle nieder, nur ein einziger entkam. In Aasen fallen einige sehr alte Höfe mit den typischen Baaremer Zinnengiebeln auf; 1996 gab es davon noch zehn, einige weite­ re waren in den Jahrzehnten davor abge-

Hcidenhofcn und Aa en 7ypisch für die Baar,für Gemeinden wie Aufen, Grüningen oder Aasen, sind die alten Zinnengiebel. Die Spuren seiner Jahrhunderte alten Geschichte prägen das Gesicht dieses Hauses in Aasen. 51

Portrait eine Landkrei es Sonnenuntergang in Aasen und Doifhock im Sommer 1999. 52

Heidenhofen und Aasen Stolzer Mittelpunkt der Gemeinde: die Dorfkirche von Heidenhefen war einst auch Muttergemeinde für das größere Aasen und für Biesingen. brannt. Alte Brandspuren deuten darauf hin, daß sie wohl schon vor 1633 erbaut wurden. Am Rundbogenportal eines Hauses findet sich die Jahreszahl 1514, eine zuge­ mauerte romanische Haustüröffnung läßt vermuten, daß das Kellergewölbe aus der Zeit um das Jahr 1000 stammt. Südlich des Rathauses eine alte Zehntscheuer. Der Kir­ chenbau (vielleicht aus dem 11. Jh. ?) wurde 1725 vergrößert; die Seitenaltäre entstanden nach 1681, die Kanzel stammt vom Villin­ ger Meister Anton Schupp, neben dem ba­ rocken Kruzifix die spätgotisch geschnitz­ ten Heiligen Blasius und Antonius. Im April 1945 kam es in und um Aasen zu heftigen Kämpfen: eine deutsche Einheit versuchte, im Dorf verschanzte Marokkaner zu vertreiben, 55 deutsche Soldaten fielen. Sie sind auf dem kleinen Aasener Friedhof bestattet; die moderne Friedhofskapelle stammt aus den 1980er Jahren. 1972 beschloß Aasen, Ortsteil von Donau­ eschingen zu werden. Nordöstlich des alten Ortskerns, wo es vermutlich im Frühmittel­ alter eine Burg gab, entstanden begehrte Neubaugebiete. Die Grundschule blieb dem Ort erhalten. Auf einem schönen Gelände nahe dem südlichen Ortseingang entstand ein weitläufiger Golfplatz mit einem ge­ pflegten Hotel. Donaueschingen 889 als Schenkung erstmals urkundlich erwähnt Das damalige Dorf Donaueschingen wur­ de erstmals 889 als Schenkung an das Kloster Reichenau urkundlich erwähnt. Es bestand eine Vogtei nach dem Kelnhof-Sy­ stem, die aber spätestens im 16. Jh. abging. 53

Portrait ine Landkr is Im Jahr 1488 kauften die Für­ stenberger das Dorf und began­ nen an der Stelle der alten Orts­ burg 1566 mit dem ersten Schloßbau. Kirchliche und kari­ tative Stiftungen erhöhten die Bedeutung; die Pfarrkirche, 1588 durch den Anbau einer Liebfrau­ enkapelle erweitert, wurde im 18. Jh. durch einen Neubau ersetzt; ein Prager Architekt erbaute St. Johann im Stil des böhmi­ schen Barocks. Damals wurde Donaueschingen Hauptort eines reichsfürstlichen Territoriums mit entsprechenden Verwaltungsein­ richtungen; Regierungsgebäude, Archiv und Beamtenwohnungen entstanden. Viele Gebäude in der Nähe des Schlosses lassen noch heute deutlich erkennen, daß sie in der Zeit zwischen 1750 und 1800 erbaut wurden. Das Schloß selbst frei­ lich verdankt seine heutige Gestalt dem Um­ und Ausbau von 1893-96; damals entstand die Kuppel, die Verzierungen der Fassade die Einfahrt mit der Terrasse und die rück- Die Baar Karlheinz Barte/ Wo die Länge sich neigt, um nicht ewig zu sein, aus kargen Ackern aufschrägt ganz allein der Fürstenberg. -Blickfang für jeden, der schaut, bezwingend, orientierend, nicht laut. Als zollte der jungen Donau Respekt er, tritt, kaum sich erhoben, zurück er, wird Rand, gibt Raum der Mulde, die von Nebel gefüllt, setzt zwischen Alb und Schwarzwald die Baar rauh ins Bild. Fürstengruft, erhaben im Ried, den Wartenberg anschlängelnd, Danubius zieht. Unterhölzer Weiher, Weiden, feldkreuzende Wege, entwirft sich heimelig das Gehege. wärtigen Flügel. Kaiser Wilhelm II. weilte oft hier zu Gast und stiftete den Spruch für die Donauquelle. Eine Winterreitschule wurde später zum Hoftheater (1853 brann­ te es ab und wurde nicht wieder aufgebaut), das frühere Museum be­ herbergt heute ein Kino, Brigach und Breg wurden aus hygienischen Gründen begradigt, die Niederung entwässert und die Parkan­ lage geschaffen. Unmittelbar neben der Schützen-Brücke über die Brigach beim Eingang zum Park liegt eine klassizisti­ sche Villa, Säulen mit Lise­ nen gliedern die Fassade mit ihrem etwas wuchtigen Eingang, anheimelnd wirkt das große Walmdach. Der adlige Verwaltungsbeamte v.Hirrlinger ließ die Villa 1785/86 errichten, 1842 kaufte sie das Fürstenhaus, Viel besucht: Die Sammlungen der Fürsten zu Fürstenberg. 54

Donaueschingen Einen mustergültig sanierten Stadtkernbereich kann Donaueschingen vorweisen. Blick in die Karlstraße, Haus „Thedy ‚: geschmückt mit Jugendstil-Erker. 55

Portrait eines Landkreises nach 1880 wohnte darin das Erbprinzen­ paar; nach der Erbprinzessin Dorothea wur­ de das Haus Villa Dolly benannt. Die Spren­ gung der Brücke 1945 beschädigte das Haus. Seit 1951 ist es Wohnsitz von Angehörigen des Fürstenhauses, zeitweise war das Haus Dienstwohnung für fürstliche Beamte. Gerade gegenüber das älteste und vor­ nehmste Gasthaus der Stadt, ,,Zum Schüt­ zen“, ein schön geschmiedetes und vergol­ detes Schild ziert die Fassade, erstmals wur­ de es 1724 erwähnt, beim Hochzeitszug der Marie Antoinette nach Frankreich nächtig­ ten dort viele ihrer Begleiter. Zum 1902 im Jugendstil errichteten Hotel gehörte der Kurpark mit dem Solebad und dem Kur­ haus; einst fanden dort viele Konzerte, Theater und Gesellschaftsbälle statt. Auch in den zwanziger Jahren war es noch stark frequentiert. 1939/40 wurde der Kurgarten verkauft, das Hotel wurde zum heutigen Kreiswehrersatzamt, im Park entstanden die großen Blocks eines Altersheims. Doch idyl­ lisch sind immer noch einige alte Häuser am anderen Ufer der Brigach. Die geschichtliche Entwicklung bedingte, Vim oben: Der Narrenbrunnen, am Donaueschinger Marktbächle und Kinder mit Schneemann. 56

Die katholische Stadtkirche St.Johann im Stil des böhmi­ schen Barocks. daß der Ortscharakter stark durch Veiwaltung und Kul­ tur geprägt wurde, während die hiesige Wirtschaft lange schwach entwickelt war. Die Handwerkszünfte waren herrschaftlich kontrolliert, die einheimischen Gesellen leibeigen, sie gingen nicht auf Wanderschaft und gal­ ten auswärts als „unehr­ lich“. Überschuß an Mei­ stersöhnen war ein gravie­ rendes Problem. Der Han­ del lag in den Händen auswärtiger Hausierer, die Glas und Holz aus dem Schwarzwald in die Stadt brachten. Neben den fürst­ lichen Einrichtungen gab es in Donaueschingen nur die Landwirtschaft. Die wirtschaftlich bedeu­ tende Fürstenberg-Brauerei ist stolz auf eine lange Tra­ dition. Im 1980 errichteten und 1987/88 veränderten Brauerei-Museum zeigt man Entwurfs-Pläne für die 1739 errichtete Brau-Stätte, spezielle Gläser und Ton­ krüge, Holzbottiche, Fässer und Abfüller, eine Küfer­ Werkstatt oder Nachbildun­ gen historischer Ofenplat­ ten und vielerlei Kupfer­ geräte. Traditionsreich sind auch die Donau­ eschinger Reit- und Springturniere, die all­ jährlich im Herbst viele auswärtige Gäste zu Donaue chingen den ausgedehnten Pferdesportanlagen am Rande des Schloßparks locken. Im Jahr 1908 verwüstete ein Großbrand die Stadt. Danach hat man sie im Ge- 57

Portrait eine Landkreise schmack der Zeit wieder aufgebaut – beson­ ders bemerkenswert das Geschäftshaus, in dem der Heimatdichter Max Rieple lebte, an den eine Gedenktafel erinnert; auch viele andere Geschäfts-, Wohn- und Gasthäuser zeigen Merkmale des Jugendstils, ein her­ ausragendes Beispiel bietet das Rathaus. (Vor ihm aus Bronze ein musikalisches �intett – ein Hinweis auf die Tage fur Neue Musik, die anknüpfend an fürstliche Tradition gefördert vom SWR alljährlich in Donaueschingen stattfinden.) Ein schwerer Bombenangriff im Februar 1945 riß erneut schmerzliche Lücken, die durch moderne Betonbauten gefüllt wurden. Seit der Durch­ gangsverkehr auf Umgehungsstraßen verla­ gert wurde, bietet der Stadtkern idyllische Ruhe. Glücklicherweise überstanden die Fürstli­ chen Sammlungen unbeschädigt alle Wirr­ nisse der Zeiten. Seit umfangreichen Reno­ vierungs-Arbeiten 1977-80 präsentieren sie – neben naturhistorischen Objekten – eine Fülle von Gemälden oberdeutscher Spät­ gotik: Hans Holbein d.Ä., Lucas Cranach, Hans v. Kulmbach, der Meister von Meß­ kirch, die Ulmer und Sigmaringer Schule und die Schweizer Bodenseeschule bilden einen Schwerpunkt, einen anderen Schwarz­ wälder Maler des 19. Jh., Manierismus, Ba­ rock- und Goethezeit sowie die volkskund­ liche Abteilung. In der Bibliothek befindet sich (noch) eine der Handschriften (C) des Nibelungen-Liedes. Seit 1913 war Donaueschingen Standort einer Garnison; nahe dem Bahnhof befan­ den sich Versorgungsdepots fur Truppen im ganzen südwestdeutschen Raum. Die mili­ tärischen Einrichtungen wurden nach 1945 von den französischen Besatzungstruppen übernommen, fur die Stadt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Weithin sichtbar das 1937 errichtete Luftwaffenlazarett auf einer An­ höhe nördlich der Stadt mit herrlicher Aus­ sicht – nach dem Krieg Reservelazarett der US Air Force, wird das denkmalgeschützte Gebäude jetzt zu Wohnungen im Park um- 58 funktioniert. Der kleine Flugplatz dient überwiegend den Geschäftsleuten und Sportfliegern der Umgebung. Unterwegs in Aufen und Grüningen Das nahegelegene Dorf Aufen liegt male­ risch an der Brigach, dort, wo das Flüßchen sein Tal eng eingeschnitten hat in die be­ waldeten Muschelkalk-Höhen. Es gehörte im Mittelalter dem Kloster Reichenau, doch hatten auch die Johanniter und die Klöster St. Georgen und Maria Hof dort Grund­ besitz. 1542 kauften die Fürstenberger den Ort. Im 18. Jh. war die gesamte Bevölke­ rung, damals 36 Familien mit 190 Personen, leibeigen. Die Kirche wurde 1754- 56 an Stelle eines älteren Vorgängerbaus errichtet, von dem nur noch der Turm erhalten ist; we­ gen zündelnder Kinder brannten 1886 die Kirche und einige Häuser ab, ähnliches wie­ derholte sich 1939. 1935 schloß sich die Ge­ meinde dem nahen Donaueschingen an; seither wuchs die Bevölkerung auf zur Zeit etwa 600 Personen, die Schönheit der Land­ schaft machte es zu einem beliebten Wohn­ gebiet. Eine Loipe fur den Ski-Langlauf und ein Kneippbad stehen zur Verfügung – seit 1980 nennt Aufen sich Erholungsort. Grüningen, wenige Kilometer weiter nörd­ lich auf dem westlichen Hochufer der Brig­ ach gelegen, ist wohl ebenfalls sehr alt – Dutzende von Grabhügeln stammen aus der Hallstatt- und aus der Merowingerzeit. Einige alte Häuser, z.T. mit schönen hohen Staffelgiebeln, wurden schon im 16. Jh. er­ baut, nach dem Dreißigjährigen Krieg wie­ der hergerichtet und in unserer Zeit reno­ viert. Die Mauritius-Kirche deutet durch ihren Namen an, daß sie aus dem 10. Jh. stammen könnte; gotisch ist der Wehrturm mit seinem Satteldach. Der Bau aus der Zeit um 1300 könnte Teile eines Vorgängerbaus enthalten. Anfang des 14. Jh. ließen die Johanniter, denen das Haus Fürstenberg Grüningen übereignet hatte, die Kirche aus­ malen, alle vier Wände; späteres Einbrechen

Aufen und Grüningen Mauritius-Kirche in Griiningen, ihr Wehrtunn ist gotisch, die Kirche könnte aus dem 10. Jh. stammen. 59

Aufen und Grüningen Der „Sternen“ und die Kirche, Blick in den Ortskern von Aufen. von Fenstern und Übertünchungen beschä­ digten die Fresken erheblich und ließen sie verblassen, doch erkennt man noch an der Nordwand Szenen aus der Schöpfungsge­ schichte und darunter das Verhör der HI. Katharina, an der Südwand die Anbetung der Könige und Christus am Ölberg, an der Ostwand die Reiterschar des Mauritius und den seinen Mantel teilenden St. Martin; ei­ ne Höllendarstellung an der Westwand ist nur noch schwach zu ahnen. Nach dem Stil stehen die Fresken der Bodensee-Malerei vom Anfang des 14. Jh. nahe. Die weltliche Gemeinde Grüningen unter­ stand faktisch bis 1805 dem Villinger Magi­ strat, im 19. Jh. gab es Streit, 1971 schloß Grüningen sich Donaueschingen an. Seit 1978 wurde das Neubaugebiet Rehberg er­ schlossen, wo heute fast so viele Häuser ste­ hen wie im alten Ortskern. 1974 wurde die Brücke über die Brigach erneuert, der Fluß­ lauf 1992 korrigiert. Der letzte Zug hielt 1982 am Bahnhof, seither verkehren Busse nach Donaueschingen und Villingen. Auf der Höhe östlich des Orts eine kleine Kapelle, errichtet im Jahr 1717 zur Erinne­ rung an eine Viehseuche. Von diesem Ka­ pellenberg aus genießt man einen weiten Blick über das Tal der Stillen Musel, die Keu­ per-Höhen über Bad Dürrheim, den West­ rand der Schwäbisch Alb, das Donauried, den Ostrand des Schwarzwalds und, an kla­ ren Tagen, in der Feme die Schweizer Alpen. Nur nach Norden hin ist der Blick versperrt – dort liegt im Bogen der Brigach und nahe der Qielle des Neckars das heutige Zentrum der Baar, die Kreisstadt Villingen-Schwen­ nmgen. Wolfgang Tribukait 60

Städte und Gemeinden 3. Kapitel / Almanach 2000 Langenbach – Von der Landwirtschaft geprägt Mit 270 Einwohnern kleinster Teilort der Stadt Vohrenbach – Schon 1218 eine Glashütte erwähnt Das Dorf Langenbach liegt in einem lin­ ken Seitental der Breg. Drei Täler bilden den Ort: Hinterlangenbach mit den Seitentälern Breg, Kleinklausenhof, Rappeneck und Reh­ dobel, ferner Vorderlangenbach und Glas­ bach. Der Name des Ortsteils Glasbach weist auf die Glasherstellung hin. In einer Abhandlung von Albrecht Schlageter über „Die Glashütten im Markgräflerland und den angrenzenden Gebieten“ (Badische Heimat 2.988) ist in einer Karte „Gesamt­ übersicht der Glashütten im Schwarzwald“ eine Glashütte vor 1400 in Langenbach ein­ getragen. Ebenso wird in einem „Verzeichnis der badischen Glashütten und Hüttenplät­ ze“ eine Glashütte in Langenbach – Zinken Glasbach – im Jahre 1218 und 1326 er­ wähnt. Auch in einer Übersichtskarte in der Glasbläserei „Dorotheenhütte“ in Wolfach wird eine Glashütte 1218 aufgeführt. Umschlossen wird Langenbach von den Höhenzügen Hirschbühl im Süden, Rap­ peneck im Westen, Schlegelberg und Sin­ senbacher Höhe im Norden und Schlegel­ wald im Osten. Jedes Tal wird von einem Bach durchflossen. ,,Bei der Eck“ vereinigen sich die drei Bäche zum Langenbach, der in Vöhrenbach in die Breg mündet. Diese drei Bäche gaben dem Ort den Namen „Langer Bach“. Die höchste Erhebung ist der Hirsch­ bühl mit 1045 m ü. M.; die tiefste Stelle mit 813 m liegt bei der Vereinigung der drei Bäche. Bis zum Jahre 1806, als das Fürstentum Fürstenberg dem Großherzogtum Baden einverleibt wurde, stießen an der nordwest- ,,Bei der Eck‘: ein Gemälde des Vöhrenbacher Kunstmalers Johann Dorer (18 83 -1915). 61

bmgcnbach liehen Gemarkungsgrenze drei Herrschafts­ gebiete zusammen: das fürstenbergische Langenbach, das vorderösterreichische Rohr­ bach, das zur Herrschaft Triberg gehörte, und das württembergische Oberkirnach. Langenbach war wohl ein Ausbauort der 1244 von den Grafen Konrad, Heinrich, Gebhard und Gottfried von Freiburg ge­ gründeten Stadt Vöhrenbach. Urkundlich wird Langenbach 1326 erstmals erwähnt. Am 30. November 1326 verkaufen die Gra­ fen Johann und Götz von Fürstenberg an Herzog Albrecht von Österreich die Stadt Villingen, die Burg Warenberg, die Dörfer Beckhofen, Grüningen und das Brigachtal um 7750 Mark Silber. ,,Doch haben wir uns mit Namen ausgenomen und behept (be­ halten) unverkoufet die hernach geschrie- Madonna in einer Langenbacher Hofka,pell.e, ein Werk des Vöhrenbacher Bildhauers Adam Winter­ halder (1652-1737). 62 ben gueter Herzogenwile daz, Durach daz tal, Waldowe daz dorf, Linach daz ta1, Lan­ genbach daz tal, Glasbach daz tal, Sunchin­ gen daz dorf und schönowe daz tal mit aller zugehörde und rechten alz es unser vorge­ nemter vatter an uns bracht hat.“ In einem Teilungsbrief von 1455 werden in Langen­ bach 18 Herdstatten genannt. ]. B. Kolb beschreibt 1814 im „Historisch­ statistisch-topographischen Lexikon“ Lan­ genbach als „eine Thalgemeinde, aus zer­ streuten Höfen und Taglöhner-Herbergen bestehend, im Bezirks-Amte Neustadt, 4 Stunden nördlich entfernt. Sie zählt 38 Häuser, 39 Familien und 372 Seelen.“ Lan­ genbach gehörte seit seiner Besiedlung bis 1806 zum Herrschaftsbereich der Grafen bzw. Fürsten von Fürstenberg und zwar zur „Herrschaft über Wald“ und danach zum Großherzogtum Baden. Dagegen wechselte die Amtszugehörigkeit häufiger. War es zu­ erst das Oberamt Neustadt, zu dem Lan­ genbach gehörte, so wurde es um 1360 dem neu geschaffenen Amt „Neufürstenberg“ zu­ geteilt, dessen Amtssitz die Burg Neufür­ stenberg war. Nach deren Zerstörung im Bauernkrieg 1525 kam Langenbach zum Amt Vöhren­ bach, bei dem es bis 1806 verblieb. Von 1806 bis 1813 war Neustadt die Amtsstadt, von 1813 -1824 Triberg und danach wieder Neustadt bis 1850. Wegen des weiten Weges nach Neustadt wurde Langenbach dem näher gelegenen Amt Villingen zugeteilt und nach einer Neugliederung der Bezirks­ ämter 1924 dem Bezirksamt Donauesch­ ingen. Seit der letzten Kreisreform, die am 1. Januar 1973 in Kraft trat, gehört Langen­ bach zum Schwarzwald-Baar-Kreis. Seit 1. Dezember 1971 ist Langenbach ein Stadtteil Vöhrenbachs mit derzeit 270 Einwohnern. Die höchste Einwohnerzahl erreichte Lan­ genbach 1838 mit 397 Einwohnern. Langenbach war jahrhundertelang ein rei­ nes Bauerndorf mit ursprünglich 18 Höfen, die schon zur Besiedlungszeit entstanden waren und deren Anzahl bis 1839 gleich

Städte und G m inden Das Wappen von Langenbach In Silber ein blauer Wellenschrägbalken. Das Wappen, das in dieser Form dut­ zendweise vorkommt, soll für den Orts­ namen „redend“ sein. Vorgeschlagen vom Generallandesarchiv im Jahre 1895 und von der Gemeinde ange­ nommen. Die Huldigungsliste von 1819 ist mit einem undeut­ lichen Oblatensiegelabdruck versehen, der offensichtlich das damalige badische Staatswap­ pen zeigt. Ab etwa 1820 wurde ein kleines Rundsiegel geführt, das die Umschrift LANGEN­ BACH und im Siegelfeld eine Schwurhand und gekreuzte Palmzweige aufweist. Die ehemals fürstenbergische Teilge­ meinde Langenbach kam am 1. April 1924 vom Amtsbezirk V illingen zum Amtsbezirk, seit 1939 Landkreis Donau- eschingen. Bei der Einge­ meindung 1971 ist das Wap­ pen erloschen. Entnommen: Gemeindewappen des ehemaligen Landkreises Do­ naueschingen, Klaus Schnibbe, 1980. blieb, als einige Höfe von der Standesherr­ schaft Fürstenberg aufgekauft wurden. Ein Wandel begann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Handwerk und Gewerbe ent­ standen. In Langenbach waren es die Köh­ ler, die Glashändler, die Uhrenmacher und Uhrenhändler, die das Dorfgefüge verän­ derten. Es entstanden in der Nähe der Hof­ gebäude die sogenannten Taglöhnerhäusle; waren es 1714 sieben, so berichtet Vogt Tho­ mas Heitzmann 1848: ,,In der Vogtey Lan­ genbach sind 15 herdstatten, 16 ganze hei­ ser und 15 nebenheisle.“ Die Uhrenmacher {1848: 14) und Uhren­ händler, die ihre Uhren in vielen Ländern Europas und sogar in Amerika verkauften, brachten einen gewissen Wohlstand in das Dorf. Mit der Entstehung der Uhrenfabri­ ken ging die Zahl der Uhrenmacher, die ih­ re Uhren in Heimarbeit fertigten, stetig zu­ rück. Um 1900 gab es in Langenbach noch einen Uhrenmacher. Mit dem Einzug der Technik in die bäuer­ lichen Betriebe nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich ein tiefgreifender Strukturwan­ del. Durch den Einsatz von Maschinen nahm die Zahl der in der Landwirtschaft Be­ schäftigten stetig ab; die frei werdenden Ar­ beitskräfte suchten ihren Lebensunterhalt in den nahe gelegenen Industrieorten Vöhren- Blick auf Vorderlangenbach. 63

Langenbach Hinterlangenbach, Blick zur Rappeneck und zum Buckenbühl. bach, Villingen und Furtwangen. Kleinbe­ triebe gaben auf. Von 1967 bis 1996 hal­ bierte sich die Anzahl der landwirtschaftli­ chen Betriebe von 36 auf 17, davon sind 8 Vollerwerbsbetriebe. Diese gaben den Ackerbau, den Anbau von Getreide und Kartoffeln, auf und beschränkten sich auf die Grünland- d. h. Milchwirtschaft und Viehzucht. 1947 wurden noch 35 Hektar Getreide und Kartoffeln angebaut, 1994 noch 6,5 Hektar. Von den 1099 Hektar Ge­ markungsfläche sind heute 775 Hektar (70,6 %) Wald und 287 Hektar (26 %) land­ wirtschaftliche Nutzfläche (W iesen und Weiden). 1965/1966 baute die Gemeinde Langen­ bach ein neues Schulhaus. Doch nur noch sechs Jahre konnte in diesem Gebäude unterrichtet werden, denn mit Beginn des Schuljahres 1973/74 mußten auch die Grundschüler die Nachbarschaftsschule in Vöhrenbach besuchen wie die Haupt­ schüler, die bereits seit 1966 bzw. 1969 dort unterrichtet wurden. In circa 30 Jahren (1960-1990) wurden mit Hilfe von Zu­ schüssen alle Gemeindestraßen, Wirt­ schaftswege und Hofzufahrten ausgebaut d. h. mit einer Teerdecke versehen und teil­ weise verbreitert. Drei Gewerbebetriebe ha­ ben sich angesiedelt: Die Gesellschaft für Rationalisierung und Rechentechnik mbH (R&R) im ehemaligen Schulhaus, die Firma Beri, die Sport- und Rehabilitationsgeräte entwickelt und vertreibt, und die Mechani­ sche Werkstatt Schwörer. Für das gesellschaftliche Leben in einer Ge­ meinde sind die Vereine von großer Bedeu­ tung. Jahrzehntelang war der 1906 gegrün­ dete Radfahrerverein Langenbach der einzi­ ge Verein, der sich dieser Aufgabe widmete. 1983 hoben Frauen den Landfrauenverein Langenbach aus der Taufe. Er entwickelte sich sehr rasch zu einer aktiven und die Dorfgemeinschaft belebenden und berei­ chernden Einrichtung, in der neben infor­ mativen Veranstaltungen auch gemeinnüt­ zige und soziale Tätigkeiten einen breiten Raum einnehmen. Die Feuerwehr, 1953 ge­ gründet, ist eine Abteilung der Gesamtwehr Vöhrenbach. Durch das Vereinsleben ist nach der Eingemeindung ein Stück Eigen­ ständigkeit erhalten geblieben. Bernhard Kleiser 64

Städte und Gemeinden Eine Pflugschar aus der jüngeren Steinzeit Mühlhausen wurde schon früh besiedelt – Das Bauernmuseum ist weithin bekannt Mühlhausen ist heute ein Stadtteil von Vil­ lingen-Schwenningen, der sich in der Be­ völkerung den Ruf erworben hat, die dörfli­ che Lebenswelt für die Nachwelt zu erhalten und durch verschiedenste Veranstaltungen zu pflegen. Der älteste Fund auf der Gemarkung ist ein Teilstück einer ehemaligen Pflugschar der jüngeren Steinzeit und wurde 1973 ent­ deckt. Die Gründung von Orten mit -hau­ sen wird oftmals ins 7. Jahrhundert n. Chr. datiert. Die Lage ist günstig: guter Boden, reichlich Wasser, geschützte Hanglage. Auf dem Schloßbühl hat es vermutlich eine Burg des Typs Turmburg gegeben. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort in einer Urkunde von Papst Alexander III. vom 26. März 1179, die besagt, daß der Ort und die Kirche dem Benediktinerkloster St. Geor­ gen gehört. Von der erwähnten Kirche gibt es keine Spuren. Die heutige Kirche stammt von 1715, enthält aber einige ältere Ausstat­ tungsstücke, z.B. ein Sakramentshäuschen von um 1500. Mühlhausen erscheint in den folgenden Jahrhunderten öfters in Urkunden anläßlich der Bestätigung von Lehnsgütern. Die Bau­ ern, die ein Lehen bewirtschafteten, mußten Abgaben zahlen, diese wurden bis ins 19. Jahrhundert in Naturalien entrichtet. Es war zunächst der Zehnte (10. Teil seines Ertra­ ges), dann gab es noch verschiedene kleine­ re z.B. Bienen-, Wiesen- oder Obstzehnt. 1329 bekamen allein die Klosterfrauen von Amtenhausen aus dem Ort 1 000 Ztr. Ge­ treide, 32 Hühner, 120 Eier und 6 Pfd. 4 Schilling Geld. Verschiedene Klöster hatten Besitz im Ort, darunter St. Georgen, Amten­ hausen , Reichenau, St. Gallen, Rottenmün­ ster und Salem. Auch die Villinger Johanni- Mühlhausen, Stadtteil von Villingen-Schwenningen, hat sich die dörfliche Lebenswelt bewahrt. 65

Mühlhausen terkommende besaß Lehen in Mühlhausen. Die Rottweiler Heiligkreuz-Bruderschaft er­ warb 1479 die Grundherrschaft in Mühl­ hausen. Die Urkunde vermittelt einen Ein­ blick in die dörflichen Strukturen. Es gab einen Vogt, ein Gericht, einen Meierhof, leibeigene Bauern, Lehnsinhaber und Hin­ tersassen. Mühlhausen gehörte nun bis zur Neuord­ nung unter Napoleon zum Herrschaftsge­ biet der freien Reichsstadt Rottweil, die bis 1698 die Ansiedlung von Handwerkern ver­ bot. Von da an waren ein Schneider, ein Schmied, ein Maurer und ein Zimmermann zugelassen. Der Streit um die Hochgerichts­ barkeit zwischen Rottweil und den Grafen von Fürstenberg dauerte bis ins 18. Jahr­ hundert. Da unbefestigt, hatte die Ortschaft unter den Kriegen des 17. und 18. Jahrhun­ derts schwer zu leiden. Es wird berichtet, daß Pfarrer Raphael Wenz, von 1669 bis Die heutige Kirche stammt aus dem Jahr 1715, ent­ hält aber einige ältere Ausstattungsstücke. 66 1719 in Mühlhausen, die am Aschermitt­ woch noch übliche Fastnacht der Frauen ab­ schaffte. 173 9 gründete sich die Sankt-Anna­ Bruderschaft, deren Ziel es war, einen guten Tod zu erlangen. Durch den Reichdeputationshauptschluß wurde der Ort 1803 württembergisch und gehörte bis 1938 zum Oberamt Tuttlingen, bevor es zu Rottweil kam. Die Bevölke­ rungszahl bis 1900 überschritt nie die 300. Um 1814 zählte der Ort 285 Personen in 30 Wohnhäusern. Die Volkszählung von 1890 ergab eine Einwohnerzahl von 247. Die Be­ völkerung war überwiegend katholisch, 1824 gab es 11 evangelische Einwohner ge­ genüber 209 katholischen. Die politischen Wirren im 19. Jahrhundert und die Hun­ gerkrise 1846/47 trugen dazu bei, daß auch Mühlhausener nach Amerika auswanderten. 1869 wurde die Eisenbahnstrecke Rottweil­ Villingen mit einer Haltestelle „Mühlhau­ sen“ eröffnet. Bis 1978 gab es dort noch das Gasthaus „Zur Haltestelle“. 1914 wurde Mühlhausen an das Elektrizi­ tätsnetz angeschlossen und 1928 die erste Wasserleitung erbaut. Während des Zweiten Weltkrieges mußten 120 Evakuierte aus dem Ruhrgebiet untergebracht werden. 1945 wurden 200 französische Soldaten mit 300 Mauleseln einquartiert. Das Abgabesoll an Lebensmitteln für die Besatzungssoldaten war hoch. Gemeinde erhält ein neues Gesicht Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die Gemeinde ein anderes Gesicht. Das Neu­ baugebiet am Ortsanfang aus Richtung Schwenningen machte den Bau einer neuen Schule nötig, die 1961 eingeweiht wurde. Ei­ ne Schule gab es seit dem 18. Jahrhundert, 1815 wurde das erste Schulhaus (heute Rat­ haus) errichtet. 1968 wird von den Einwoh­ nern ein Spielplatz für den Kindergarten er­ richtet. Das Handwerk wanderte ab, weil es kein Auskommen mehr gab. Der Anteil von evangelischen Einwohnern stieg durch die

Städte und Gemeinden Mit Liebe zum Detail restauriert, das alte Pfarrhaus. Flüchtlinge und die aus Schwenningen Hin­ zugezogenen. Ab 1952 durften sie in der St. -Georgs-Kirche 14tägig ihren Gottes­ dienst halten. Die evangelische Kirchen­ gemeinde Schwenningen ist auch Träger des Kindergartens im Ort, der in der Schule un­ tergebracht ist. Die älteste Hilfsorganisation ist die Feuerwehr, die 1827 erstmals erwähnt wurde und heute eine Löschgruppe der Schwenninger Feuerwehr ist. Bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts prägte die Landwirtschaft den Ort, auch ei­ ne Mühle wurde bis dahin noch betrieben. Die erste Landvermessung fand um 1839 statt. Vor jener Zeit war der Besitzstand in sogenannten „Rodeln“ und „Urbarien“ fest­ gehalten. Diese mußten von Zeit zu Zeit berichtigt werden. Das letzte Urbarium stammt von 1791. Damals besaß die Rott­ weiler Heiligkreuz-Bruderschaft mehr als ein Fünftel (121 ha) der gesamten Gemar­ kungsfläche. ,,Von 28 Lehensbewirtschaftern hatten 1791 neben der Gemeinde (ca. 115 ha), der Pfarrei (ca. 12 ha), 9 Bauern neun oder mehr Hektar. Der größte Bauer, Bene- dikt Mauch, bewirtschaftete sogar 45 ha Land, darunter 7 ha Wald. Siebzehn weitere Bürger bearbeiteten Flächen bis zu drei Hek­ tar.“ Die Dreifelderwirtschaft – Winter­ frucht, Sommerfrucht, Brache -galt noch bis weit ins 19. Jahrhundert. Bis zu dieser Zeit gab es noch die Feldum�änge zur Kon­ trolle und die kirchlichen Oschprozessio­ nen, um den Segen Gottes für die Ernte zu erbitten. Noch um 1920 läuteten beim Ein­ fahren des ersten Getreidewagens die Kir­ chenglocken. Im 19. Jahrhundert legte die Ortskirchenbehörde sogar den Erntebeginn fest. Die Gemeinde errichtete zur Förderung der Landwirtschaft Gemeinschaftseinrich­ tungen: 1950 eine Dreschhalle mit einer Breitdreschmaschine; 1951 Milchsammel­ stelle mit Wasch-und Badeeinrichtung. In­ folge der Umstrukturierung innerhalb der Landwirtschaft sind sie wieder verschwun­ den. Der erste Mähdrescher kommt 1955 in den Ort. Die örtliche Getreidemühle stellte 1972 ihren Betrieb ein. Früher gab es noch eine Gips-und Ölmühle. Diese war seit ih-67

Mühlhausen rer Gründung bis zum Abbruch des Gebäu­ des 1960 im Besitz des Geschlechts Braun. Die Mühle wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet. Es wurden vor allem einheimische Pflanzen verarbeitet: Raps, Mohn, Hanf oder Buch­ eckern. Hanf und Leinöl konnten auch als Salatöl verwendet werden, deshalb stand Öl auch in den Verträgen ums Leibgeding. Mit Rapsöl konnten die Öllampen betrieben werden. Um 1900 wurde der Betrieb durch das billigere eingeführte Petroleum unrenta­ bel, bis ca. 1920 wurde nur noch Gipsmehl hergestellt. In den Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg mußten Mühlhausener nach Rottweil fahren, wenn sie den Raps zu Öl schlagen lassen wollten. Die Wandlung von einer ländlich struktu­ rierten Gemeinde zu einer Wohngemeinde wird auch durch die Auflösung der All­ mendteile (1971), die Aufgabe der Farren­ haltung, die Schließung der Schmiede (1975) und der Aufgabe des örtlichen Schaf­ halters (1976) sichtbar. 1978 wurde die Durchführung einer Flurbereinigung be­ schlossen, die 1998 ihren Abschluß fand. Sie wurde nötig durch den Neubau der B 523. Da ein Verständnis für ökologische Zusammenhänge in der Bevölkerung vor­ handen war – eine Bürgerinitiative verhin­ derte das Fällen von Bäumen für die Kreis­ straße – berücksichtigte man den Land­ schaftsschutz bei der Durchführung der Flurbereinigung (behutsamer Ausbau des Wegenetzes, Pflanzung von Bäumen ent­ lang der Straßen, Anlage von Feldgehölzen und Stillgewässern sowie Herstellung von Erholungseinrichtungen). Die Halde dient heute als Schafweide. Zur Offenhaltung sind allerdings zusätzliche pflegerische Maßnahmen nötig, sie steht unter Natur­ schutz. Am 1. Januar 1970 wurde Mühlhausen ein Stadtteil von Schwenningen und kam so am 1. Januar 1972 zu Villingen-Schwenningen. 72,8 Prozent der Wahlberechtigten hatten für die Eingemeindung votiert. Der Verlust 68 der politischen Selbständigkeit wurde nicht so schwer empfunden, da schon eine Bin­ dung an das größere Schwenningen existier­ te. Nach der Eingemeindung begannen zahlreiche Baumaßnahmen. Der Mühlbach wurde verdolt und die Straßen Richtung Weigheim und Tuningen ausgebaut. Dem Straßenbau sollten zwei alte landwirtschaft­ liche Höfe weichen. Der eine Bauer siedelte seinen Betrieb aus, der andere gab ihn auf Sein Anwesen war der frühere Pfarrhof und seine Scheuer die alte Zehntscheuer. 1683 stand auf dem Türsturz über dem Stallein­ gang. Heute ist dort die Weigheimer Straße. Das Wohnhaus jedoch wurde durch eine Pri­ vatinitiative gerettet und renoviert. Eine dendrochronologische Untersuchung ergab, daß das Gebäude um 1669 erbaut wurde. 1978 bekamen die „Retter“ den Peter-Haag­ Preis des Schwäbischen Heimatbundes für die gelungene Sanierung. Bereits 1971 rich­ teten die Bürger eine Heimatstube ein. Der örtliche Bezirksbeirat, der unter Vorsitz des jeweiligen Oberbürgermeisters tagt, bemüh­ te sich, den dörflichen Charakter des Ortes Im Backhdusle in Mühlhausen wird noch heute Brot gebacken.

tädte und G meinden Die Mühlhausener Mühle, idyllisch gelegen, wird gerne auch von Schulklassen besichtigt. zu erhalten, und er schaffte es sogar ins länd­ liche Programm der Dorfentwicklung aufge­ nommen zu werden. Bauernmuseum öffnete 1975 Die 800-Jahr-Feier 1979 gab Impulse für das Gemeinschaftsgefühl. Der Höhepunkt war ein historischer Festumzug. Aus der seit 1968 bestehenden Bürgerinitiative entstand der „Freundeskreis Mühlhausen“. Er war maßgeblich daran beteiligt, daß die Gebäu­ de im Dorfzentrum errichtet wurden. Be­ sonders der nicht ermüdende Einsatz der Familie Leibold trug dazu bei, daß Mühlhausen heute ein attraktiver Ort ist. Bauernmuseum, Göpel­ haus, Moste, Backhaus, Schmiede Das Wappen von Mühlhausen, bei der Eingemeindung hat es seine Gültigkeit verloren. und Mühle dokumentieren die Geschichte des Ortes und tragen zur Identitätsfindung der Bewohner bei, sie vermitteln Heimat im besten Sinne des Wortes. Die Umgestaltung des Dorfmittelpunktes geschah zwischen 1975 bis 1996. Das Bauernmuseum öffnete 1975 seine Tore und die Mühle mit den Ge­ meinschaftsräumen wurde 1996 seiner Be­ stimmung übergeben. Das Museum ist in ei­ ner ehemaligen Zehntscheuer eingerichtet worden und verdeutlicht die Bedeutung der Landwirtschaft für das Leben der Vorfahren. Das Göpelhaus dient zugleich als Festhalle. Die Mühlhausener Mühle ist jeden Pfingst­ montag in Betrieb und kann besichtigt werden. Schulen wis­ sen das Angebot zu schätzen, vor Ort anhand praktischer Vor­ führungen über die Technik von Öl- und Mahlmühlen informiert zu werden oder den Vorgang des Mostens und Backens sozusagen 69

Mühlhau n (Sportverein, Tennisclub, Albverein, Haldenzunft, Kirchenchor) beraten. Vielfach üben Vereine heute eine Funktion aus, die früher die das Jahr gliedernden Kirchenfeste hatten. Aber einige Bräuche sind noch erhalten ge­ blieben, am Dreikönigs­ tag schreiben die Stern­ singer die Anfangsbuch­ staben der Namen Cas­ par, Melchior und Balthasar oben an die Haustür. Durcl1 die jähr­ lich erneuerte Inschrift sollen Haus und Stall vor Hexen, Teufeln und bö­ sen Gewalten geschützt werden. Erhalten hat sich der Brauch des Funken­ feuers, das im Ort am 1.Fastensonntag abge­ Ein Brunnen mit bäuerlichem Motiv ziert den Weg zum Bauernmuseum. brann t wird. Es soll die Kälte und Dunkelheit handgreiflich erfaluen zu können. vertreiben, es bezweckt, ebenso wie das noch praktizierte Scheibenschlagen, „eine Eine schöne Belohnung für die Bemühun­ Reinigung der Luft“. Unter Wünschen und gen war 1989 die Goldmedaille beim Wett­ Sprüchen werden die feurigen Scheiben ins bewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Allerdings verfügt Mühlhausen über keinen Tal geschlagen. Das Erntedankfest ist noch ein wichtiger Bestandteil im Dorfleben, in Lebensmittelladen und seit 1993 auch über der Kirche wird ein reich geschmückter kein Wirtshaus mehr. Eine neue Attraktion Erntealtar aufgebaut, die Gaben werden ist jedoch der seit 1995 bestehende Bauern­ anschließend ins Franziskusheim nach markt, der von einem Verein getragen wird. Schwenningen gegeben. All diese Erfolge sind auch ein Ausdruck Die Gemarkung umfaßt 475 ha, hat ca. 850 dafür, daß die ehemaligen Eingemeindungs­ gegner nicht resignierten, sondern die wei­ Einwohner und noch zwei landwirtschaftli­ che Betriebe mit zwei Beschäftigten. tere Entwicklung des Stadtbezirks maßgeb­ lich bestimmten. Im Zuge der Verwaltungsreform bekamen die Stadtbezirke ein Budget zugewiesen. Nun hat die Ortsverwaltung wieder größere Entscheidungsbefugnisse über ihre Haus­ haltsmittel. Die Bezirkschaftsräte können u. a. über die Förderung von Vereinen 70 Ingeborg Kollmann

Städt und Gemeinden Auf dem höchsten Punkt des Landkreises Rohrhardsberg erstreckt sich zwischen 600 und 1163 Metern – International erfolgreicher Skiclub Rohrhardsberg, bis zum Jahre 1970 eine ei­ genständige Gemeinde am Westrand des Schwarzwald-Baar-Kreises, heute Ortsteil der Gemeinde Schonach, war – und ist es noch heute – eine kleine Hofgemeinde im oberen Teil der Elz gelegen mit einer Ge­ markungsfläche (vor der Zusammenlegung) von 1165 ha, hiervon 955 ha Wald und nur 9 ha Ackerland und 45 ha Weiden. Der höchste Punkt der Gemeinde liegt am west­ lichen Ende der Gemarkung auf einem nach Westen ansteigenden Höhenrücken mit 1163 m, der tiefste Punkt mit 600 m an der Stelle, wo die Elz die Gemarkung verläßt. Dieser gewaltige Höhenunterschied prägt das Erscheinungsbild Rohrhardsbergs. Die Hofgemeinde des mittleren Schwarz- waldes gehörte nahezu von Anfang an zur Herrschaft Triberg. Während die leicht zu­ gänglichen Schwarzwaldtäler bereits um das Jahr 1000 besiedelt wurden, fiel die Besie­ delung Rohrhardsbergs in das 13. oder in den Beginn des 14.Jhdts. Wohl gehörte der Rohrhardsberger Boden ursprünglich zum Kloster St. Margarethen in Waldkirch, und dies hatte, wie auch die anderen Klöster, großen Einfluß aufErschließung und Besie­ delung auch abseits liegender schwer zu­ gänglicher Täler. Das Gebiet um Rohrhards­ berg war besonders an der Elzschlucht und dem oberen Elztal mit Felssperren und W ildwassern nahezu unzugänglich. Fahr­ oder Verkehrswege bestanden für dieses Ge­ biet nicht. Bis zum Jahre 1789 bestand für Rohrhardsberg ist eine seit jeher ländlich geprägte Gemeinde mit gewaltigen Höhenunterschieden. 71

Rohrbarruberg Das Gasthaus »Zttr Wilhelmshöhe ‚: Fotografie 11m 1900. Rohrhardsberg – außer dem Saumpfad Elzach – Yach – Triberg – keinerlei Weg­ verbindung mit der Außenwelt. Der erste Schluchtweg muß um die Wende des 18. Jhdts. entstanden sein. Erst 1843/45 wurde die Qierverbindung von Rohrhardsberg nach Schonach als Sträßchen ausgebaut. Weitere Ausbauten erfolgten 1906, 1916 und 1940, als aus strategischen Gründen von der Gemeindesäge bis zur Wilhelms­ höhe die gesamte Talstraße auf die Breite ei­ ner Kreisstraße erweitert wurde. Die erste urkundliche Erwähnung fand Rohrhardsberg im Jahre 1335, damals „Rohrartesberg“ geschrieben, auf einer Pfandurkunde des Ulrich von Schwarzen­ berg. Darin beurkundet dieser mit Datum vom 12. März 1335 in Triberg, daß ihm Graf Rudolf von Hohenberg das „ Maigertum zu Schonau“ (Schonach) und das „Maigertum zu der wilden Elz und zu Rohartesberg“ ver­ setzt habe. Die Deutung des Ortsnamens gibt Krieger (Topogr. Wörterbuch des Groß- herzogtums Baden, Sp. 65), der den Namen Rohrhardsberg als „Berg des Rorhart“ be­ zeichnet, ihn also eindeutig auf einen Lan­ deigentümer oder Siedler zurückführt. Er soll nach der Volkserinnerung Köhler gewe­ sen sein. Betrachten wir die Geschichte des Ortes, so ist diese eng mit der der Herrschaft Triberg verbunden, die sich um 1200 als selbständi­ ges Gebiet von der Herrschaft Altharnberg ablöste, und die aus der Stadt Triberg mit den Meiertümern Gremmelsbach, Nieder­ wasser, Nußbach, Schonach und Schönwald bestand. Dazu kamen durch Erwerbung die Schirmvogtei Rohrhardsberg, und jedenfalls zur gleichen Zeit die Schirmvogteigebiete Rohrbach, Furtwangen, Gütenbach und Neukirch, die ehemals den Klöstern St. Ge­ orgen und St. Peter zugehörten. Im Laufe der Zeit erfolgten viele Herrschaftswechsel, unter denen die Bevölkerung sehr zu leiden hatte, bis sich diese 1654 aus der Pfandherr­ schaft loskaufte und sich dem Hause Öster- 72

Städte und Gemeinden Das Wappen von Rohrhardsberg Wappen: In Silber auf grünem Dreiberg zwei grüne Tannen mit schwarzem Stamm. Rohrhardsberg gehörte zur Herrschaft Triberg und kam 1805 an Baden. Das General-Ausschreiben über die Einteilung des Großherzogtums Baden in Bezirke vom 22. Juni 1807 wies die Gemeinde dem Amt Triberg zu. Seit der Aufhebung des Bezirksamts Tri­ berg (1924) zählt Rohrhardsberg zum Amtsbezirk bzw. Landkreis Villingen. Die Huldigungsliste vom 18. August 1811 ist mit dem Siegel der Stadt Triberg und mit dem des Obervogteiamts Triberg versehen. Im 19. Jahrhundert (erstmals nachweisbar 1841, jedoch dem Stil nach sehr viel früher beschafft) benützte die Gemeinde einen Farbstempel, der aufge- türmte Felsbrocken zeigt, die Umschrift lautete VOGTEY ROHRHARTS BERG. Dieser Stempel war noch 1899 in Ge­ brauch. Auf Antrag des Gemeinderats Rohrhardsberg vom 14. August 1898 entwarf das Generallan­ desarchiv ein neues Wappen, das auf die geographischen und landwirtschaftlichen Gegeben- heiten der Gemeinde hinweist: In Silber auf grünem Dreiberg zwei grüne Tannen mit schwarzem Stamm. Der Gemeinde­ rat hat den Vorschlag des Generallandes­ archivs angenommen. Die Dienstsiegel mit dem neuen Wappen wurden im April 1899 geliefert. Entnommen: Gemeindewappen des ehemali­ gen Landkreises Donaueschingen, Klaus Schnibbe, 1980. reich unterstellte. Damit wurde auch Rohr­ hardsberg vorderösterreichisch. 1805 kam Rohrhardsberg, zusammen mit der gesam­ ten Herrschaft Triberg, zu Baden. Die Weltabgeschiedenheit Rohrhardsbergs ließ bis weit in das späte Mittelalter keinen Wellenschlag größeren historischen Gesche­ hens herein. Einzelne Begebenheiten aber sollen Erwähnung finden, so Rohrhardsberg im Pfälzer und im Spanischen Erbfolge­ krieg. Ob und inwieweit Rohrhardsberg in die Geschehnisse des Dreißigjährigen Krie­ ges einbezogen wurde, läßt sich nicht klären, doch weisen auf den Höhen um Rohr­ hardsberg Bezeichnungen wie „Schweden­ schanze“, ,,Schwedenkreuz“ (das aus dem 16. Jhdt stammende Gipfelkreuz wurde 1991 restauriert und beim Schänzlehof wie­ der aufgestellt) und „Kroatenbühl“ darauf hin, daß die Volkserinnerung mit diesen Na- men Tatsachen aufbewahrte, die kaum als Übertragungen aus anderen Gebieten ange­ sprochen werden können. Schanzenbau auf der Paßhöhe Erst mit dem Beginn der Pfälzer Erbfolge­ kriege bekam Rohrhardsberg 1688 die er­ sten Soldaten zu Gesicht, als Frankreich im Verfolgen seiner Erbansprüche auf die Pfalz mit einzelnen Scharen an den Rhein vor­ stieß und sogar über den Schwarzwald hin­ wegzog. Infolge des hierdurch ausgelösten kriegerischen Konfliktes kam österreichi­ sches Militär nach Triberg, um die Paßhö­ hen zu sichern. Teile der Kompanie Nadlia­ ni wurden auf den Rohrhardsberg verlegt, wo sie, zusammen mit aufgebotenen Bauern und Holzfällern, Schanzen und Verhacke zu errichten und zu sichern hatten. 73

Robrbard berg In dem bald darauf ausgebrochenen Spa­ nischen Erbfolgekrieg (1701 -1714) wurde die Paßhöhe auf dem Rohrhardsberg aber­ mals Mittelpunkt erheblicher Verteidigungs­ maßnahmen. Aus der Erwägung heraus, daß diesmal mehr als während des Pfälzer Erb­ folgekrieges ein Angriff von Westen her zu erwarten sei, erfolgte mit Beginn des Krieges ein weitgezogener Linienbau mit stark aus­ gebauten Haupt-und Seitendeckungen von Säckingen über die Höhen des Rohrhards­ berges bis nahe Pforzheim. Die Truppen wurden an taktisch wichtigen Punkten zu­ sammengezogen, die Bewachung der Befe­ stigungen jedoch, die aus Gräben, Schanzen und Redouten bestanden, alle mit Wall und Palisaden versehen und durch festgeramm­ te Bäume gesichert, überließ man dem Landstum, der sich aus allen waffenfähigen Bürgern und Bauern zusammensetzte. Hier­ zu hatte die Gemeinde Rohrhardsberg selbst 9 Mann (nur 6 hatten Feuerwaffen) zu ent­ senden. Als im August 1713 feindliche Trup­ penbewegungen von Waldkirch herauf ge­ meldet wurden, wurde der Landsturm von Rohrhardsberg nach St. Georgen zurückge­ zogen. Nach dem Jahre 1714 verfielen dann diese Befestigungswerke und wurden später eingeebnet, so daß heute nur noch an weni­ gen Stellen der Verlauf der Gräben festzu­ stellen ist. Nur der „Schänzlehof“ und das Gasthaus zur „Schwedenschanze“, beide auf dem Ostabhang des Rohrhardsberges gele­ gen, halten die Erinnerung an sie fest. Hirten, Köhler und Harzer wurden nach und nach seßhaft und besiedelten das Ge­ biet des Rohrhardsberges. Eine Urkunde aus dem Jahre 1525 gibt uns davon Bericht, daß zu dieser Zeit der Ort bereits „vil Huser von Gmeynen lutten“ zählte. Etwas Näheres er­ fahren wir von den aufgezeichneten Lehen­ rechten der Jahre 1564, 1608 und 1655. Dar­ in sind die Namen derjenigen Bewohner enthalten, die jährlich zu Martini den vom Vogt bestimmten Zins (Abgaben) entrich­ ten mußten. Damit ist jedoch weder die vollständige Anzahl der Bewohner angege- 74 ben noch die Anzahl der Häuser. Für 1564 nennt uns die Urkunde 7 Lehennehmer, für 1608 sind es 8 Lehennehmer und weitere 7 Lehennehmer, die dort Güter hatten, unter ihnen auch der Vogt Hans Greisshaber von Schonach, 1655 wiederum 8 Lehennehmer und weitere 7 „aus der Schonach“. Nach einer Kirchenrechnung aus dem Jah­ re 1774 weist Rohrhardsberg 4 eigentliche Lehenhöfe nach, in Schonach waren es zur selben Zeit 9 Lehenhöfe. Vor dem Übergang der Herrschaft Triberg an das Großherzog­ tum Baden wurde von Rohrhardsberg eine neuerliche Zusammenstellung der Lehen, Häuser und Gewerbe mit den zu entrich­ tenden Abgaben erstellt. Daraus ist zu erse­ hen, daß es hier 27 Häuser und Höfe gab, darunter Halbhöfe, Gewerbshöfe und eine Wirtschaft. Von diesen hatten 14 Höfe Vo­ gelgeld, 9 Höfe eine Herrenbutter, 8 Höfe den Fischwasserzins, 3 Höfe den Mühlhof­ sattzins und 7 Höfe ein Lehenrechtgeld an die Herrschaft abzuführen. Aus diesen An­ gaben ergibt sich für Rohrhardsberg die Be­ deutung der Landwirtschaft (Herrenbutter), die durch Viehzucht ausgewiesen ist. Aber auch der hohe Fischwasserzins läßt hier die Fischerei in Erscheinung treten. Das Vogel­ geld dürfte mit der Jagdfron durch die Ein­ wohner zusammenhängen. Im Jahr 1782 gab es 301 Einwohner Im Jahre 1782 zählte der Rohrhardsberg 301 Einwohner, Schonach 765 (!). Die Chro­ nik der Pfarrei Schonach aus dem Jahre 1810, zu der Rohrhardsbergja schon immer gehörte, nennt 32 zerstreut liegende Häuser, 48 Familien und 282 Seelen. Eine Volks­ zählung aus dem Jahre 1848 erbrachte für Rohrhardsberg 312, für Schonach 1752 Ein­ wohner. In den Jahren 1853 und 1860 er­ schienen erstmals in Aufzeichnungen die Namen der Höfe: Am Rothenberg -Dornebel 27 Morgen – Elzbach -Erlenhof -Finstermatten 45 Mor­ gen -Farr(e)nwald 264 Morgen -Gum 1 ha

Städte und Gtmeinden Auf dem höchsten Punkt des Schwarzwald-Baar-Kreises, dem 1163 m hohen Rohrhardsberg. 55 ar – Gummatten 3 ha 59 ar – Hecken – Heckenloch 48 Morgen – Hintere Bärt – Hin­ tere Haid 119 Morgen – Hörmennsberg – Hummelloch – Kappelnhof oder Schänzle – Krautloch – LaufDobel 10 ha 14 ar – Metzig 14 Morgen – Mühlenbühl 14 ha 37 ar – Ram­ sel(n)hof – Unterramsel – Vordere Bärt (heu­ te Wilhelmshöhe) – Vordere Haid 201 Mor­ gen – Wirtshaus am Hermannsberg – Ar­ mannshof 122 Morgen – Obere Bach 22 Morgen – Ochsengut 178 Morgen – Ochsen­ häusle 46 Morgen Schleife 4-5 Morgen – Wälderwirtshaus 9 ha 71 ar – Elzhof79 ha 88 ar – Holzerhäusle 9 ha – Kälber Alois 5 ha 32 ar – Unter Haus 18 ha – Wehrlemathishof32 ha 14 ar. 22 davon wurden in den folgenden Jahr­ zehnten an den Staat verkauft, 9 wurden ab­ gebrochen. Anfänglich war die Landwirtschaft in der Hofgemeinde Rohrhardsberg der alleinige Erwerbszweig. Wie sah es aber diesbezüglich um das Jahr 1840 aus? In Rohrhardsberg lebten 305 Einwohner, davon unter anderen 9 Bauern, 20 Gewerbetreibende und 8 Ta­ gelöhner. In den einzelnen Haushalten leb­ ten 32 Familien mit 102 unmündigen Kin­ dern und 34 vollmündigen. Es gab 8 Knech- 75

Rohrhard berg te, 7 Mägde, 6 Hirtenbuben, 6 Hirten­ mädchen, 5 Leibgedinger, 1 Gusweib und 1 Lehrer. 1947 gehörten zu Rohrhardsberg 28 Hofgüter, aber nur 2, der Schänzle- und der Ramselhof sind reine land- und viehwirt­ schaftliche Betriebe, 8 weitere Eigenhöfe sowie die 18 der Domänenverwaltung ge­ hörenden Höfe verfugen nur über geringe Ackerflächen. Zu dieser Zeit lebten 39 Fami­ lien mit 200 Einwohnern hier. Von den er­ wachsenen und arbeitsfähigen männlichen Personen sind 26 Holzhauer, 2 Steinmetze, 1 Straßenwart, 3 Uhrmacher und 1 Holz­ schnitzer sind Heimarbeiter. Industrielle, ge­ werbliche und kaufmännische Betriebe jeg­ licher Art fehlen, auswärtige Arbeitsmög­ lichkeiten verbieten zu dieser Zeit die weiten Wege. Die Berufswahl des Nachwuchses be­ wegte sich also in sehr engen Grenzen. Und daraus erklärt sich, daß viele Rohrhardsber­ ger im Laufe der Zeit ihre Heimat aufgaben und ab- oder auswanderten. Von den einst vorhandenen gewerblichen Betrieben gin- gen 2 Köhlereien und eine Edelsteinschlei­ ferei (beide in der Elzschlucht) ein. Auf diese Edelsteinschleiferei einzugehen, heißt gleichzeitig mit den Namen „Schliefe“ (Schleife), ,,Venedig“, „Korallenhäusle“ und „Dreherbächle“ ein Stück Rohrhardsberg in nicht alltäglicher Prägung vorzustellen. Von den Steinschleifern des Schwarzwaldes, den Bohrern und Polierem, war einst viel die Rede, nicht nur in den Bergwerksgebieten des Kinzig- und Harmersbachtales, sondern auch von Freiburg und Waldkirch. Und da schnelle Gebirgsbäche ideale Voraussetzun­ gen zum Schleifen boten, wurde auch das Prechtal und der Rohrhardsberg einbezo­ gen. Geschliffen wurden heimatlid1e Steine, Blutsteine aus Hammereisenbach, Minerali­ en aus Todtnau, ,,Granate“ aus dem Kinzig­ tal, Achate vom Hühnersedel und Karneol von vielen Fundplätzen. Neben Halbedel­ steinen wie das piniartige Mineral im Mi­ arolitgranit, das bei der „Schleife“ und dem „Korallenhäusle“ aufgesd1lossen ist, oder f‘ Weithin bekannt: Das unter Denkmalschutz stehende „ Gasthaus Schwedenschanze „. 76

Städte und Gemeinden Der Fremdenverkehr berührte nur die Grenzen des Gebietes, hat also die Rohrhardsberg umschließenden Höhenzüge nicht überschritten. Bemühungen um einen Kirchenbau Mag diese aufgezeigte Ent­ wicklung auch eine mehr oder weniger negative Tendenz aufweisen, diese kleine Hof­ gemeinde blieb bis zum Jahre 1970 eigenständig. Es ist wohl kaum bekannt, daß im 15. Jhdt. Bestrebungen im Gange waren, auf der Gemarkung Rohrhardsberg eine Kirche zu bauen. Wenn es auch nie zu einem Kirchenbau kam, so ist damit doch aufgezeigt, wie stark die Bemühungen waren, die Eigenständigkeit Rohr­ hardsbergs auch kirchlich zu unterstützen. Kirchspielmäßig gehörte Rohrhardsberg ja immer zur Pfarrei Schonach, und diese soll­ te aus ihrem Kirchenbesitz Geräte und Ge­ wänder für diesen geplanten Neubau zur Verfügung stellen. Es kam nie dazu und Rohrhardsberg blieb nach wie vor kirch­ spielmäßig zu Schonach gehörend. Und was die Einwohnerzahl betrifft, so konnte diese Hofgemeinde immer mit einer Einwohnerzahl um 200, manchmal mehr, manchmal weniger bis in die Siebzigerjahre aufwarten. Dafür sorgte auch die Staatliche Domänen-und Forstverwaltung, die ihren Waldarbeiterstamm an günstige Wohnmög­ lichkeiten band. Teilweise kam es sogar zum Bau oder Wiederaufbau landwirtschaftlicher Anwesen. Aber trotz all dieser Bemühungen gelang es nicht zu verhindern, daß immer mehr Einwohner ihre persönliche Selbstän­ digkeit aufgaben und notgedrungen beim Staat als Waldfacharbeiter um Arbeit nach­ suchten. 77 Im Quellgebiet der Elz. das in Drusen (Gesteinshöhlungen) einge­ schlossene Turmalin, das sich im hinteren Elztal an verschiedenen Stellen findet, wur­ den auch Korallenkalke aus Südtirol, Berg­ kristalle aus der Schweiz, Granate aus dem Zillertal und nicht zuletzt viele Steine aus slawischen Bergen, besonders aus Böhmen, verarbeitet. Viele Freiburger Händler waren Abnehmer der Schleifer aus dem oberen Elztal, aber auch Italiener, man nannte sie hier ,,Venedi­ ger“, handelten mit diesen Erzeugnissen. Diese wohnten in einem Hofgut in der un­ teren Elztalschlucht, das von ihnen den Na­ men „Venedig“ führte. Somit standen die drei Hofgüter „Korallenhäusle“, ,,Schleife“ und „Venedig“ in einem engen Zusammen­ hang. Auch ein dritter und einst wesentlicher Er­ werbszweig, der noch im letzten Jahrhun­ dert auf vielen Höfen von Rohrhardsberg betrieben wurde, die Strohflechterei, ging um die Jahrhundertwende fast völlig ein.

Rohrhard berg Die Bestrebungen zur Erhaltung dieser kleinen Hofgemeinde wurden auch dadurch dokumentiert, daß es bereits um 1820 in Rohrhardsberg eine eigene Schule gab, die jahrelang beim Vogt Fehrenbach in einem Mietzimmer untergebracht war, wo auch der Lehrer wohnte. 1839 wurde das erste Schul­ haus gebaut, bereits 1851 wurde es umge­ baut und 1892 zusätzlich das Rathaus mit dem Archiv darin untergebracht. 1960/61 erfolgte eine völlige Erneuerung des Schul­ hauses mit dem Anbau einer Pausenhalle, die auch als Gymnastikraum genutzt werden konnte. Vor und nach den beiden Weltkriegen war die kleine Gemeinde noch in Ordnung und hatte nichts von ihrer jahrhundertealten Ei­ genständigkeit eingebüßt. Die Verwaltungs­ aufgaben, die selbst in einer kleinen Ge­ meinde recht umfangreich waren, teilten sich im wesentlichen der Bürgermeister und der Gemeinderechner. Man hatte einen Ortsdiener und in früheren Jahren sogar ei­ nen Ortspolizisten. Die ehrenamtliche Tä­ tigkeit des Bürgermeisters wurde über 100 Jahre in der Familie Duffuer-Schuler am Ro­ tenberg ausgeübt. Der Bürgermeister war dazu noch Landwirt und Uhrmacher, und er war auch Mitglied im Stiftungsrat der Scho­ nacher Pfarrei. Seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurden von der Gemeinde Rohrhardsberg eine Reihe wichtiger Maßnahmen durchge­ führt. Dazu zählen die Erneuerung der Was­ serversorgung und der Bau eines Reservoirs. 1963 wurde ein großer Teil der Gemeinde­ wege erneuert und mit einer Teerdecke ver­ sehen. 1966 und 1969 wurden die Gemein­ deverbindungsstraßen fertiggestellt. Der Er­ neuerung der Stromversorgung folgte der Bau einer Trafostation. Aber alle diese Be­ strebungen und die vielseitigen Bemühun­ gen nützten auf die Dauer nicht. Die allge­ meine Entwicklung im raumschaftlichen Denken, ob diese gut war oder nicht sei da­ hingestellt, machte auch vor der Gemeinde Rohrhardsberg nicht halt. Und so erfolgte 78 am 31. Dezember 1970 der freiwillige Zu­ sammenschluß von Rohrhardsberg und Schonach. Seit der Zusammenlegung sind keine großen Veränderungen mehr eingetreten, abgesehen vom dringend erforderlich gewe­ senen Ausbau der Verbindungsstraße L 109 Elzach – Rohrhardsberg – Schonach. 1971 wurde der erste Bauabschnitt des Skilifts am Rohrhardsberg fertiggestellt, was für die Ski­ sportler, besonders auch jenen aus dem un­ teren Elztal und sogar Freiburg, ein großes Ereignis war. Geplant war ein zweiter Bau­ abschnitt, so daß eine Gesamtlänge von 1,5 km erreicht werden sollte, aber bis heute fehlte hierzu das Geld. Und zudem geben die immer schneeärmer werdenden Winter zu Bedenken Anlaß. 1973 wurde der von den Aktiven des Ski­ vereins Rohrhardsberg seitdem jährlich stattfindende Volksmarsch „Rund um den Rohrhardsberg“ ins Leben gerufen. Bis zu 3 500 Teilnehmer wurden schon gezählt. Der Skiverein Rohrhardsberg Überhaupt ist der Skiverein Rohrhards­ berg (SVR), der einzige noch existierende Verein der ehemaligen Gemeinde, weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Brei­ tenarbeit war und ist das Ziel dieses Vereins, besonders die Arbeit mit der Jugend. So besitzt der SVR seine eigene Obertal­ Sprungschanze und konnte aus Anlaß des 40jährigen Vereinsjubiläums eine Kinder­ mattenschanze ihrer Bestimmung über­ geben. Wahrlich eine stolze Leistung. Und daß sich die Trainingsarbeit lohnt, beweist eine lange Liste von Meistem im Langlauf, Sprunglauf und nord. Kombination (Ein­ zel- und Mannschaftswertung) der Schüler, Jugend, Junioren und Senioren weiblichen und männlichen Geschlechts: 17 Bezirks­ meister, 21 Schwarzwaldmeister, 10 Bad.­ Württembergische Meister, 17 Deutsche Meister, 7 Deutschlandpokalsieger, 7 Bun-

desskispielsieger, 3 Alpen-Cup-Sieger, 2 Ge­ winner des Cup Berauer, 1 Europa-Cup-Sie­ ger. Und im Skispringen natürlich kann der SVR mit den besten Ergebnissen aufwarten: Alexander Herr wurde 1993 WM-Bronze­ medaillengewinner im Skispringen Einzel und Mannschaft, 1995 Junioren-Weltmei­ ster im Skispringen Mannschaft, 1996 Ju­ nioren-Weltmeister im Skispringen Mann­ schaft. In diesem Zusammenhang soll auch das Gasthaus zur „Schwedenschanze“ Erwäh­ nung finden, von dem schon die Rede war und das zum Glück erhalten werden konn­ te, als dem Gründungsort des Skivereins Rohrhardsberg. In einem Deckenbalken der Inneneinrichtung findet man den Spruch: „In der Schwedenschanze ist’s traulich und nett, rnerkts Euch Ihr Brüder vorn sausen­ den Brett.“ Die sehenswerte handgeschnitz­ te Inneneinrichtung war der Grund dafür, Städt und Gemeinden daß das Gasthaus 1986 zum Kulturdenkmal ernannt wurde. Und heute ist der Rohrhardsberg wieder in aller Munde durch das „Modellprojekt Rohrhardsberg“. Dieses Gebiet – erinnern wir uns doch an die Anfänge dieser Hofge­ meinde – ist seiner gesamten Natur wegen bedeutsam: großflächige naturnahe Wald­ bestände als Lebensraum schützenswerter Tierarten wie Rauhflußhühner, Auerhahn und Haselhuhn, Biotope, Moore etc. Nun steht dieses Gebiet, das „Naturschutzgebiet Rohrhardsberg – Obere Elz“ im Mittelpunkt der Diskussion zwischen Wintersport, Som­ mertourismus und Natur- und Landschafts­ schutz, d. h. einer Anpassung der Freizeit­ und Erholungsnutzung, auch der Landwirt­ schaft, an die Ziele des Naturschutzes. Werner Hamm Der Skiverein Rohrhardsberg verfügt auch über eine Sprungschanze far den Nachwuchs. 79

4. Kapitel/ Almanach 2000 Behörden und Institutionen Neues Gebäude der Landeszentralbank Auf dem VilHnger Hoptbühl ist ein architektonisch gelungenes Bauwerk entstanden Das neue Dienstgebäude der Landeszen­ tralbank in Villingen-Schwenningen wurde 1998 eingeweiht. Auf dem ViJlinger HoptbühJ ist mit dem Neubau der Landeszentralbank zwischen Landratsamt und Gewerbeaufsichtsamt ein weiterer Großbau entstanden, der sich mit seiner modernen Architektur harmonisch einfügt und den Platz nach Süden hin ab­ schließt. Im November 1995 wurde mit dem Bau begonnen und im August 1998 konnte Architekt Günther Hermann aus Stuttgart bzw. Tuttlingen dem Landeszentralbank­ Präsidenten Dr. Guntram Palm den Schlüs­ sel übergeben. Im alten, Ende der 1950er Jahre entstan­ denen Bankgebäude in der Vöhrenbacher Straße, konnten die in ihrem Umfang stark gewachsenen Geschäfte schon längst nicht mehr angemessen verwaltet werden, organi­ satorische und sicherheitstechnische Erfor­ dernisse machten einen Neubau notwendig. Doch blicken wir einmal kurz zurück, um die Bedeutung der heutigen Landeszentral­ bank und deren Nebenstellen zu verstehen. Nach 1945 wurde die das gesamte ehemali­ ge Reichsgebiet erfassende Reichsbankorga­ nisation zerschlagen. Es entstanden im west­ lichen Besatzungsgebiet auf Länderbasis Landeszentralbanken, welche die früheren Funktionen der Reichsbank übernahmen. Für zentrale Aufgaben der Währungs-, Geld­ und Kreditpolitik riefen die Westmächte 1948 die Bank deutscher Länder ins Leben, Modeme Architektur – das neue Dienstgebäude der Landeszentralbank auf dem Villinger Hoptbühl. 80

wobei die Landeszentralbanken ihre Selb­ ständigkeit behielten. Diese ging mit der Er­ richtung der Bundesbank – per Gesetz 1957 – zu Ende. In einem Kompromiß, der fö­ deralen und zentralisitischen Gesichtspunk­ ten Rechnung trug, wurden die wesentlich­ sten Funktionen bei der neuen Bundesbank in Frankfurt zusammengefaßt. Die Landes­ zentralbanken behielten zwar ihren Namen, wurden aber zu Hauptverwaltungen der Bundesbank, in deren Zentralbankrat sie fortan mit ihrem Präsidenten vertreten wa­ ren. Entsprechend vielfältig sind und bleiben wohl auch die Aufgaben des Instituts. Die Landeszentralbank ist der Ort, an dem die geldpolitischen Entscheidungen und Ope­ rationen der Deutschen Bundesbank prak­ tisch umgesetzt werden. Bei der Abwicklung des bankmäßigen Zahlungsverkehrs im In­ land und mit dem Ausland bedient sich die Bundesbank der Haupt- und Zweigstellen der Landeszentralbanken. Beteiligung an der Abwicklung unbarer Zahlungen und die Bargeldversorgung der Kreditinstitute im je­ weiligen Bankbezirk sowie die Mitwirkung bei der Bankenaufsicht sind wichtige Aufga­ ben der Zweiganstalten. Bei diesen unter­ halten auch die Kreditinstitute ihre Min­ destreserven. Erfreulich ist, daß die Kosten des Neubaus mit ca. 36 Millionen DM deutlich unter dem ursprünglichen Kostensatz blieben. Die Landeszentralbank kann ihre qualifi­ zierten Finanzdienstleistungen für die Kre­ ditinstitute und W irtschaftsunternehmen der Region nun in repräsentativem Am­ biente anbieten und den guten Kontakt zu ihnen vertiefen. Auch die Mitarbeiter der am 31. Oktober 1998 geschlossenen Zweig­ stelle Rottweil haben hier ihren Arbeitsplatz gefunden. Ein architektonischer Blickfang ist das zweigeschossige, winkelförmige Gebäude, das sich in seiner Höhe an den umliegenden Bauten orientiert. Das Grundstück ist 6753 m2 groß, die Geschoßfläche 6282 m2 , Landeszentralbank der umbaute Raum 27 512 m3 . Eine umlau­ fende Glasfassade im Erdgeschoß schafft ei­ ne &eundliche Atmosphäre im Dienst- und Publikumsbereich, darüber befindet sich ei­ ne Dachterrasse. Das Erscheinungsbild des Gebäudes wird akzentuiert durch ein aus­ kragendes Flugdach, welches einen starken Rahmen um das Gebäude in die Landschaft hinein bildet. Ein querstehender Längsrie­ gel, der das zweite Geschoß bildet, enthält vier Wohnungen und drei Appartements. Belichtet werden die Wohnungen durch Terrassen, die als markante Einschnitte den Baukörper gliedern. Eine T iefgarage mit 34 Stellplätzen sowie Archiv- und Technikräu­ me finden sich im Untergeschoß. Der Bau hat ein Farbkonzept, das auf die natürlichen materialeigenen Grundfarben setzt. Aluminium, farbemailliertes Glas, Ze­ dernholz, grüner Naturstein, Beton- und Fasterzement ergänzen sich in ihrer Bezie­ hung zueinander. Die konsequente Struktu­ rierung von Material und Glas gibt dem Ge­ bäude seine Transparenz und Leichtigkeit. Dem Architekten Günther Hermann und den ausführenden Firmen ist es gelungen, durch dieses Bauwerk das von historischen Bauten geprägte Villingen mit einem Stück Modeme zu bereichern. Dr. Helmut Rothenne! Verboten wenn ich deine Hände träume nachtschattig sorge ich mich beim Erwachen daß nicht einmal Erinnerung bleibt Christiana Steger 81

Behörden und Institutionen Management-Zentrum in neuen Räumen Handwerkskammer Konstanz bietet umfassendes Seminar- und Studienprogramm Seit knapp 20 Jahren bietet das Manage­ ment-Zentrum in VS-Villingen ein umfas­ sendes Seminar-und Studienprogramm, das bereits Tausende von Fach-und Führungs­ kräfte aus den unterschiedlichsten Berei­ chen der Wirtschaft in Anspruch genom­ men haben. Hervorgegangen aus der Gewerbeförde­ rung des Handwerks Anfang der 1980erJah­ re, entwickelte sich das Management-Zen­ trum der Gewerbe-Akademie sehr schnell zu einer Institution, die sich weit über die Region hinaus einen guten Namen im Be­ reich der beruflichen Bildung für die Ge­ samtwirtschaft gemacht hat. Die Gewerbe-Akademie Villingen- Schwenningen, Management-Zentrum, ein Unternehmen der Handwerkskammer Kon- stanz, bietet kaufmännische Schulungen zur Nachwuchsqualifizierung für gehobene und leitende Mitarbeiter und führt regelmäßig Kurse und Studiengänge in allen Bereichen kaufmännischer Fertigkeiten und betriebs­ wirtschaftlichen Wissens durch. Hier erfah­ ren mittlere und gehobene Führungskräfte in allen Bereichen des modernen Manage­ ments Fortbildung, werden Unternehmer und leitende Führungskräfte in spezifischen Bereichen der Unternehmensführung trai­ niert oder mitarbeitende Angehörige von Unternehmern in allen Bereichen der Be­ triebsführung qualifiziert. Außerdem bietet die Gewerbe-Akademie hochqualifizierte Studiengänge für die Pra­ xis an, wie z.B. der Studiengang zum Be­ triebswirt (GA) oder die Studiengänge zum Das Management-‚Zentrum der Handwerkskammer Konstanz hat an der Brigach neue Räume bezogen. 82

Fachwirt für Büromanagement, für Marke­ ting, für Steuerrecht, für Bilanzierung oder auch zum Außenhandelsmanager. Im Bereich der Existenzgründung werden Informationstage und Existenzgründungs­ kurse veranstaltet sowie für Jungunterneh­ mer Existenzsicherungskurse abgehalten. Die Gewerbe-Akademie analysiert in Zu­ sammenarbeit mit den Betrieben den Fort­ bildungsbedarf der Mitarbeiter und führt dann auf die betrieblichen Bedürfnisse aus­ gerichtete Trainingseinheiten zielorientiert durch. Sie löst außerdem im Rahmen der Entwicklungshilfe komplexe Aufgaben der Berufsbildung und -qualifikation unter län­ derspezifischen Bedingungen. Mit Beginn des Jahres 1999 bezog das Ma­ nagement-Zentrum, das bislang im Haus des Handwerks integriert war, seine neuen Räume an der Brigach. Damit steht für die berufliche Bildung in Villingen-Schwennin­ gen und Umgebung ein Haus zur Verfü­ gung, das sich durch qualifizierte Dozenten mit erstklassigem Know-how sowohl im je- Management-Zentrum weiligen Fachgebiet als auch in der Erwach­ senenpädagogik, sowie durch 140 moderne Bildungs- und 20 EDV-Schulungsplätze auszeichnet. Um die anspruchsvollen Inhal­ te der Erwachsenenbildung mit hoher Kom­ petenz vermitteln zu können, arbeitet das Zentrum mit zahlreichen Institutionen und Fachorganen zusammen und unterhält zu mehr als 400 Fachleuten Kontakte. Unternehmer und Personalchefs schätzen das hohe Niveau des Management-Zen­ trums und wissen, daß Absolventen aus Vil­ lingen bestens qualifiziert und ausgebildet sind. Somit trägt auch das Management­ Zentrum dazu bei, daß der Name der Stadt Villingen-Schwenningen überregional mit �alität und �alifikation verbunden wird. Weitere Informationen sowie das aktuelle Seminarangebot sind erhältlich bei: Gewer­ be-Akademie Villingen-Schwenningen, Ma­ nagement-Zentrum, Sebastian-Kneipp-Str. 60, 78048 VS-Villingen. Michael 0. Winter Auf der Wanderung Ich muß zuweilen in die Wälder gehen und unterm Dom der dunklen Tannen stehen. Wenn dann die Winde in den Zweigen rauschen, darf ich versonnen in mich selber lauschen. Wenn aus dem Moor die Nebelschwaden steigen, wenn sich die späten Sommertage neigen, frag‘ ich, ob alles Wandern wie ein Fliehen, ob es ein Suchen, und im Weiterziehen das Glück des Findens insgeheim verborgen? So, wie auf Nacht und Dunkel neuer Morgen im weiten Lande gnadenvoll erwacht, so wird aus Zweifeln Hoffnung hell entfacht. Helmut Schlenker entnommen aus „Sd1läft ein Lied in allen Din­ gen, Privatdruck, 1995 83

5. Kapitel I Almanach 2000 Bildungseinrichtungen 20 Jahre Senioren-Volkshochschule In Villingen-Schwenningen wird für alte Menschen ein breites Bildungsangebot geboten ,,Einsam ist nur, der nicht, der gelernt hat, alles, was ihm begegnet, mit wachen Augen zu betrachten“, das war im ersten, vor gut 20 Jahren aufgelegten Programm fur die Senio­ ren-Volkshochschule als Aufruf und Mah­ nung an alte Menschen zu lesen. Und es kam an, in einer Weise und mit einem Schwung, der die Initiatoren überraschte. Herbert Holtzhauer, ein Mann, dem Einsatz fur die Allgemeinheit ein Grundanliegen war, hatte dem damaligen Oberbürgermei­ ster von Villingen-Schwenningen, Dr. Ge­ bauer, seine Idee und sein Anliegen vorge­ tragen, stieß sofort auf Verständnis und In­ teresse und konnte, gestützt auf eine Grup­ pe alter Freunde, einen ersten Arbeits- und Entwicklungskreis bilden. Demoskopische Voraussagen über den stetig zunehmenden Anteil alter Menschen an der Bevölkerung gab es schon damals. Wie der einzelne alte Mensch beginnende Altersresignation überwinden, eigene Lei­ stungsstärke erkennen und nutzen lernen könnte, war den damals Betroffenen und ihrem jüngeren Umfeld noch wenig be­ wußt. ,,Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebewohl sagt“ und „Mit den Jah­ ren runzelt die Haut, mit dem Verzicht auf die Begeisterung runzelt die Seele“, sagt Al­ bert Schweitzer unter der Überschrift „Du bist so jung wie deine Zuversicht.“ Das be­ herzigten Herbert Holtzhauer und sein Gründerteam, und sie machten sich mit Schwung an die Arbeit. Tagesfragen ansprechen, Wissen erneuern und erweitern, neue Techniken kennen und anwenden lernen, Gemeinschaft beim Tun erleben, die Welt erfahren – das waren und sind Zielsetzungen von damals, die bis heu­ te trugen, und das Musische kam dabei auch Die Mitarbeiter der Senioren-Volkshochschule Villingen-Schwenningen. 84

nicht zu kurz. Für viele Mitarbeiter in den verschiedensten Verantwortungsbereichen und natürlich für noch mehr „Nutznießer“ des stetig sich ausweitenden Angebotes wurde die Senioren-Volkshochschule zum wichtigen Element ihres Lebens. Für die ei­ nen Aufgabe, für die anderen Gabe, erfüllt sie bis in unsere Tage ihren wahrhaft ge­ meinnützigen Zweck. Einige Mitarbeiter ste­ hen seit mehr als 20 Jahren in der Verant­ wortung dieser „Selbsthilfeeinrichtung“ und denken trotz hohen Alters nicht ans Auf­ hören. Andere „wuchsen nach“, arbeiteten sich ein und wurden Impulsgeber für neue Lern- und Tätigkeitsbereiche. Hatte man sich im Gründungsjahr 1978 sozusagen wie ein „Stoßtrupp“ ins Unbe­ kannte gewagt, so hat sich im Laufe der Zeit ein fester Arbeitskreis etabliert mit erprobter Aufgabenverteilung. Jeden Montag kommt man im Volkshochschulgebäude in der Schwenninger Metzgergasse zusammen und bespricht, was zu tun ist. Auch als Dozenten betätigen sich die Mitglieder dieser Kern­ gruppe, und die Leiterin der Volkshoch­ schule Dr. Christei Pache steht den Senioren seit den Anfängen vor zwei Jahrzehnten im­ mer hilfreich zur Seite: Natürlich ist nicht alles so geblieben, wie es war, und Veränder­ ungen zeichnen sich ab, die auch einige Sor­ gen machen. Zwar hat man schon einen Generations­ wechsel im Gegensatz zu ähnlichen Einrich­ tungen an anderen Orten überstanden. Manche Nachahmer gaben mangels an­ haltender Resonanz ihre Bemühungen auf. Doch inzwischen haben sich die Senioren allgemein ihren Platz im Bewußtsein der Gesellschaft erarbeitet. Viele Vereine bieten Veranstaltungen und Programme für sie an. Reiseunternehmen machen sich von Seni­ oren-Volkshochschulen angefahrene Aus­ flugs- und Urlaubsziele gewerblich zu eigen. Die Senioren-Volkshochschule war sicher maßstabsetzender Impulsgeber, ist aber mit ihrem Angebot zunehmender Konkurrenz ausgesetzt. Senioren·Volkshochschule Das muß zur Kenntnis genommen wer­ den, aber an Einschränkung des Angebotes oder gar an Aufgeben denkt niemand. Rückblickend erkennt der ständige Arbeits­ kreis der Senioren-VHS, daß es immer seine Initiative und das Hervorbringen neuer und attraktiver Ideen waren, mit denen die Ein­ richtung und damit auch das Vermächtnis des inzwischen verstorbenen Initiators Her­ bert Holtzhauer am munteren Leben erhal­ ten wurde. Wichtig ist, so erkennen die Aktiven des Jahres 1998/99, für die ältere Generation neben dem Bildungsangebot das Zusam­ mensein mit anderen in ähnlicher Lebenssi­ tuation, der Austausch des Erfahrens und Erlebens. Der Geist wird dabei ebenso an­ gesprochen wie die Seele. Man hat regel­ mäßig etwas vor, kann seine Weltsicht nach Wunsch erweitern, erwirbt Fertigkeiten, die zu erlernen man versäumte oder keine Ge­ legenheit hatte. Aus gemeinsamem Interes­ se erwachsen Kontakte und Freundschaften. Alles dies, und das muß in der Chronik nicht nur festgehalten, sondern herausgeho­ ben werden, wäre ohne das Grundgerüst der städtischen Volkshochschule und deren zu­ verlässige Unterstützung kaum zustande ge­ kommen und fortzuführen gewesen. Viele alte Menschen in Stadt und Region möch­ ten ihre Senioren-VHS nicht mehr missen. Mancher hat seinen Lebensabend zur Er­ weiterung seines Aktionsradius und seiner Weltsicht nutzen können und darüber hin­ aus Freunde und Bekannte auf das Angebot hingewiesen und zum Mittun animieren können. Dennoch gehen aus den genannten Gründen die Hörerzahlen leicht zurück, obwohl der Anteil der Alten an der Gesamt­ bevölkerung wächst. Wie es weitergeht, das hängt von der Gesamtentwicklung der Ge­ sellschaft ab. Daß es weitergehen soll, daran lassen die Aktiven der Senioren-VHS keinen Zweifel aufkommen. Herbert Gravenstein 85

Bildungseinrichtungen Internationalität in der Praxis Ausländische Professoren und Studenten bereichern Fachbereich Wirtschaft der FH-Furtwangen Über das vergangene Wintersemester 98/99 war Professor Zhongyu Zhu von der Partneruniversität in Suzhou, China, an der Fachhochschule Furtwangen, im Fach­ bereich Wirtschaft zu Gast. Ihm wurde im Rahmen des EU-Förderungsprogrammes „EU-China Higher Education Cooperation Programme“ ein sechsmonatiger For­ schungsaufenthalt bewilligt, und die Fach­ hochschule ist stolz darauf, bislang europa­ weit als einzige Fachhochschule an diesem EU-Förderprogramm beteiligt zu sein. Während seines Aufenthaltes forschte Pro­ fessor Zhu über die Einführung und die da­ mit zusammenhängenden Probleme. Nach seiner Rückkehr nach China berichtete Pro­ fessor Zhu sehr positiv über die freundliche Aufuahme und die offene Atmosphäre im Fachbereich, und setzte sich sehr für die För- Professor Zhongyu Zhu von der Partneruniversität in Suzhou, China, war an der Fachhochschule Furt­ wangen im Rahmen eines von der EU finanzierten sechsmonatigen Forsch1mgsa1efenthaltes zu Gast. 86 derung der Kooperation mit anderen Hoch­ schulen ein. Neuer Modellstudiengang Auch über den Austausch von Studenten und Professoren hinaus engagiert sich die PH-Furtwangen im Hinblick auf die Inter­ nationalisierung ihrer Studienabschlüsse. Am Standort Villingen-Schwenningen der FH Furtwangen gab Wissenschaftsminister Klaus von Trotha den Startschuß für den in­ ternationalen BBA-/MBA-Modellstudien­ gang, International Business Management. Rund 30 Studienanfänger beginnen im Ok­ tober 1999 mit dem BBA-Studium und rund 20 Studierende setzen mit dem MBA­ Aufbaustudium ihre Weiterqualifizierung fort. Der neue Studiengang mit seinen beiden selbständigen Modulen „Bachelor“ und „Master“ ist einzigartig in der Kombination von konsequenter Internationalisierung, unternehmerischer Orientierung am inter­ nationalen Hochschulmarkt und Umset­ zung zentraler Anliegen der aktuellen Bil­ dungsreformdiskussion. In dem straff strukturierten Bachelor-Pro­ gramm werden nach Leistung und Eignung ausgewählte deutsche und ausländische Stu­ denten in drei Jahren zum Abschluß „Ba­ chelor of Business Administration“ geführt. Das Konzept integriert – wie bereits der er­ folgreich laufende deutschsprachige Studi­ engang „Internationale Betriebswirtschaft“­ internationale BWL mit einem zu wählen­ den Länderschwerpunkt (Ostasien bzw. Eu­ ropa) sowie zwei Fremdsprachen. Das neue Programm wird jedoch im Unterschied voll­ ständig in englischer Sprache durchgeführt, zum einen als Einübung in den selbstver­ ständlichen Gebrauch der internationalen

Fachhochschule Furtwangen Am Standort Villingen-Schwenningen der F H Furtwangen gab Wissenschaftsminister Klaus von Trotha den Startschuß für den internationalen BBA-1 MBA-Modellstudiengang. Unser Bild zeigt ihn zusammen mit den Gästen von der Partnerhochschule Suzhov in China. Geschäftssprache Nr. 1, zum anderen zur Beseitigung der „Sprachbarriere Deutsch“ für ausländische Interessenten. Und die Idee scheint einzuschlagen: Deutsche und Stu­ dierende aus West- und Osteuropa, Afrika und Asien bilden nun ein internationales Lern-Team. Der Studiengang ist Teil des bundesweiten Programms „Auslandsorien­ tierte Studiengänge“ und wurde vom Deut­ schen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit dem Gütesiegel ausgezeichnet. Zusätzlich zum BBA-Programm, das die Palette der Erststudiengänge erweitert, run­ det das parallel eingeführte 4-semestrige MBA-Programm, ,,International Business Management“ das Angebot nach oben hin ab. Obwohl die Einstiegsvoraussetzungen recht hoch sind, findet der MBA-Studien­ gang auch auf internationaler Ebene großes Interesse. Dieses anspruchsvolle anwen­ dungsorientierte Aufbaustudium wird als General-Management-Qyalifikation mit Vertiefung in Marketing und Führung für Absolventen technischer und anderer Stu­ diengänge sowie als Vertiefungsstudium für Absolventen betriebswirtschaftlicher Studi­ engänge angeboten. Während viele kleine und mittelständische Unternehmen den neu geschaffenen Studi­ enabschlüssen noch skeptisch gegenüberste­ hen, melden die großen, global agierenden Firmen schon ihr Interesse an den ersten Ba­ chelorabsolventen an (Wirtschaftswoche Nr. 17, 22. 4. 99). Die FH Furtwangen sieht sich daher auf dem richtigen Weg. Daß dies auch außerhalb der Hochschule so gesehen wird, zeigt eine Umfrage des „Spiegels“ (Nr. 15/1999) mit der Frage „Wo würden Sie Ihr Kind studieren lassen?“ in der die PH-Furt­ wangen im Bereich Wutschaft unter die Top Ten der deutschen Fachhochschulen kam. Brigitte Kuhn-Bigge 87

Bildungseinrichtungen 100 Jahre Feintechnikschule Im Dienst der einheimischen Bevölkerung und der einheimischen Wirtschaft Im Jahr 1897 vertrat der Schwenninger Ab­ geordnete und Unternehmer Richard Bürk im Stuttgarter Landtag die Meinung, daß ei­ ne Fachschule für Feinmechanik, Elektro­ technik und Uhrmacherei in Schwenningen notwendig sei, um den Industriestandort Schwenningen zu sichern. Richard Bürk begründete die Errichtung der Fachschule damit, daß die Uhrenindu­ strie sich zwar in Blüte, aber doch in etwas ausgefahrenen Geleisen bewege. Das An­ wachsen der Fabrikbevölkerung mache es notwendig, den „Wirkungskreis der Indu­ strie“ auszudehnen. Dazu biete die Elektro­ technik, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt habe, eine günstige Gelegenheit. Bürk befüchtete, daß diese „neueren Be­ dürfnisse“ nicht durch die SchwarzwaJdin- dustrie gedeckt würden. Die Industrie habe seiner Meinung nach nicht nachgezogen, ,,wegen der raschen Durchsetzung der Elek­ trizität in den letzten Jahren.“ Die alten Hausindustriellen seien heute in der Fabrik und würden keine Lehrlinge mehr ausbil­ den. Überhaupt sei die Heranbildung von Lehrlingen mit dem heutigen Fabrikbetrieb unverträglich. Die wenigen Lehrlinge, die noch in Schwenninger Geschäften ausgebil­ det würden, seien gesucht und würden schnell wegziehen. ,,Man kann also nicht darauf rechnen, daß Leute, die befähigt sind, die elektrotechnischen Bedürfnisse in die Uhrenindustrie einzuführen, in den nächsten Jahren bei uns in genügender An­ zahl zu haben sind.“ Die Schwierigkeiten, die einer Lehrlings- f,.,�s!!)L&IP – S.�w,11 i „…9 •11. 1g,,. Bau der Staatlichen Feintechnikschule im Jahr 18 9 9. 88

Kr!. W Grit, f ac • fur Fe nm1chan k, einsch. l, rma El1ktrom1chan1c. Schwenn1n2en a. N Feintechnikschule chwenningen Die Königlich-Württembergische Fachschule nach ihrer Fertigstellung im Mai 1900. ausbildung in der Schwarzwälder Uhrenin­ dustrie entgegenstanden, schildern die Be­ richte der Handelskammer Rottweil. Die Unternehmer klagten 1: ,,Von einem Lehr­ lingswesen kann man in unseren Betrieben eigentlich nicht mehr reden, da durch die ausgedehnte Maschinen-Arbeit die Handar­ beit allmählich ganz verschwindet. Es gibt keine Lehrlinge mehr, sondern nur noch jugendliche Arbeiter, die möglichst sofort recht viel Geld verdienen wollen, denen aber das Lernen Nebensache ist.“ Die Eltern würden nur darauf sehen, ,,daß gleich vom ersten Tage an recht viel Geld ins Haus komme.“2 Aber auch die Unternehmer wa­ ren oft nicht bereit Lehrlinge auszubilden Junge Leute … welche die werktägliche Fortbildungsschule besuchen, können in meiner Fabrik nicht arbeiten, da es nicht möglich ist, ihretwegen die Maschinen still­ stehen zu lassen.“ 3 Die Ausdehnung der Ge­ werbeschulpflicht wurde von manchen als Auswirkung sozialdemokratischer Agitation und als Schädigung der Industrie gewertet 4. Die Schwenninger Lehrlingsausbildung war zwar nach Ansicht Richard Bürks gut, allerdings erlaube der Fabrikbetrieb die ,,Durchbildung durch alle Zweige der Uhr­ macherei oder der Feinmechanik“ nicht. ,,Nur eine Fachschule könne höheren An­ forderungen genügen.“ Als Selbständige wie als Angestellte sollten die wissenschaftlich ausgebildeten Absolventen der zukünftigen Fachschule nach den Vorstellungen Richard Bürks das Gewerbe fördern, wie dies in der Schweiz, in Sachsen, Schlesien aber auch im benachbarten Baden bereits geschehe. Bürk wünschte die Förderung des arbei­ tenden Volks, in Stuttgart schließlich wür­ den aus solchen Fachschulen doch nur Hochschuleinrichtungen entstehen. Gerade weitab von den Zentren sei ein idealer Standort für eine Fachschule, das habe ihm der Direktor der Uhrmacherschule aus Glas­ hütte versichert, weil nur hier die Ablen­ kung fehle, die die Jugend in der Stadt ha­ be. Für Bürk war der Standort Schwenningen 89

Bildungs inrichtung n ideal, hier gebe es eine vielfaltige Uhrenin­ dustrie, hier würden „alle Artikel der Uh­ renbranche erzeugt, von der Taschenuhr bis zur Turmuhr, und speziell auch für die Elek­ trizität ist schon viel vorgearbeitet“. In der anschließenden Landtagsdebatte wurde immer wieder betont, daß man keine Studenten wolle, sondern Praktiker, die in der Lage waren, ihr theoretisches Wissen un­ mittelbar anzuwenden. Die Schule sollte nach Ansicht des Staatsministers von Pi­ schek keine „Staatsanstalt im engeren Sin­ ne“ werden, sondern durch das Zusammen­ wirken von Staat, Gemeinde und der betei­ ligten Industrie zustandekommen. Eröffnung der Feintechnikschule Am 1. Mai 1900 wurde die Feintechnik­ schule eröffnet. Man begann mit 35 Schülern. Die Lehrkräfte kamen aus dem ge­ samten Reichsgebiet. Zum Leiter wurde Dr. F. Göpel, Mitarbeiter der Physikalisch-tech­ nischen Reichsanstalt in Berlin-Charlotten- burg berufen. 1903 wurde ihm der Titel ei­ nes Professors verliehen. Damals gab es an der Fachschule eine Patentschriftenausleg­ stelle und die Lehrlingsarbeiten wurden in einer Dauerausstellung des Württembergi­ schen Landesgewerbemuseums in Stuttgart gezeigt. Die Fachschule war das Zentrum der technischen Bildung in Schwenningen. Bereits 1904 wurde der Fachschule ein Mei­ sterkurs angegliedert. Die Gemeinde Scbwenningen übernahm 55 000 Mark der Baukosten, die größeren Firmen trugen zusammen 10 000 Mark und die Firma Mauthe allein ebenfalls 10 000 Mark zur Finanzierung bei. Den Rest über­ nahm der Staat. Bei der Eröffnungsfeier am l. Mai 1900 hoffte Kommerzienrat Christi­ an Mauthe, ,,daß das Gebäude der Fach­ schule bald zu klein sein“ werde für die er­ warteten Schüler. Am Festmahl im Saalbau ,,Zum Rößle“ nahmen 235 Personen teil, darunter als Vertreter des Württembergi­ schen Königs der Prinz Weimar, für die württembergische Regierung der Staatsrni- Lehrer und Schüler im Jahr 1902. 90

Ftintechnik chul Schwcnning n Abgangsklasse aus dem 1. Weltkrieg mit der ersten Schülerin, Fräulein Eyermann. nister v. Pischek, für die Zentralstelle für Ge­ werbe und Handel ihr Präsident v. Gaupp und Ministerialrat Mosthaf. Zum Abend- Eine Bürk-Uhr aus Schwenningen schmückt die Feintechnik-Schule noch heute. bankett, ebenfalls im Saalbau, war auch die Bevölkerung zugelassen. Der anwesende Prinz freute sich besonders darüber, daß er in Schwenningen nicht nur mit Fabrikanten sondern auch mit Arbeitern zusammensein könne. Die Oberaufsicht der Fachschule führte die Zentralstelle für Handel und Gewerbe in Stuttgart. Beratende Organe waren die Schulkommission und der Schulrat. In der Kommission saßen die Fachschullehrer, der Schwenninger Schultheiß, Kommerzienrat Mauthe und Fabrikant Richard Bürk. Zum Schulrat gehörten u. a. Dr. v. Gaupp, Präsi­ dent der Zentralstelle für Handel und Ge­ werbe, der Schultheiß Würth, die Schwen­ ninger Unternehmer Christian Mauthe, Richard Bürk, T homas Haller, Christian Braunmüller, der Stuttgarter Uhrmacher Chr. Lauxmann und der Stuttgarter Fabri­ kant L. Tesdorpf. Im Schulrat der Fachschule waren in der Zeit seines Bestehens nahezu alle bedeuten­ den Schwenninger Unternehmer vertreten, 91

Bildung einrichtung o so Dr. Fritz Mauthe von 1909-1919. Helmut Bürk v. 1919-1945, Dr. Herbert Kienzle Vil­ lingen 1919-1945, Direktor W. Haller 1928- 1941, aber auch Vertreter anderer bedeuten­ der Unternehmen wie Dr. Robert Bosch aus Stuttgart v. 1910-1945. Dem letzten Schul­ beirat gehörte u. a. der Fabrikant Bernhard Steine!, ein Vertreter des Wirtschaftsmini­ steriums und der VEFS. Die letzte Sitzung des Gremiums fand am 3Juni 1971 statt. Die Beziehungen Fachschule und Indu­ strie waren eng. Die Industrie brauchte qua­ lifizierte Arbeitskräfte in den durch die fort­ schreitende Arbeitsteilung entstehenden Schlüsselstellungen der Fertigung, der Ar­ beitsplanung, Konstruktion und Betriebs­ leitung. Die Fachschüler waren daher ge­ sucht, durch ihre praktische Ausbildung schnell in der Lage, sich in die Situation der Fabriken einzuarbeiten. Die Dienstleistungen der Fachschule wa­ ren vielfältig, es gab Fortbildungskurse für Berufstätige, aber auch Fachliteratur wurde erstellt. Die Uhrenlehre von Prof. Sander oder die Werke des Fachschullehrers Schleeh über feinmechanische Geräte und feinme­ chanische Bauteile sowie die Arbeiten über Verzahnungen von Prof. Gittinger gingen speziell auf die Informationsbedürfnisse der heimischen Industrie ein. Der erste Meisterkurs aus dem Jahr 1904. 92 Trotz der unsicheren Situation, man den­ ke hier an die Inflation und die in der hei­ mischen Industrie bereits 1924 beginnende, bis 1932 immer stärker zunehmende Ar­ beitslosigkeit, gelang es über persönliche Beziehungen zur Schwenninger Industrie aber auch zu anderen bedeutenden schwä­ bischen Unternehmen mit außerordentli­ chem Geschick, die Werkstätten den Bedürf­ nissen der neuen Technik anzupassen und zu erweitern. Wegen der Einführung der Mittleren Rei­ fe für gute Schüler wurden in diesen Jahren nebenamtlich erstmals Fächer wie Fremd­ sprachen und Geschichte unterrichtet. Bis zum Beginn des 2. Weltkriegs verlief die Ausbildung an der Fachschule relativ un­ gestört. Schließung und Neueröffnung Kriegsauswirkungen, die Einberufungen von Lehrern und Schülern führten im Dezember 1944 zur Schließung der Fein­ technikschule. Nach dem Zusammenbruch schien es unmöglich, daß die Feintechnik­ schule jemals wieder eröffnet werden könn­ te, Ausstattung und Gebäude hatten unter den Kriegs- und Nachkriegsereignissen schwer gelitten. Mit Verfügung vom 30. Ja­ nuar 1946 beschloß die Landesdi­ rektion für Südwürttemberg-Hohen­ zollern in Tübingen die Fachschule in Schwenningen ganz aufzuheben. Das restliche Inventar und die Ab- wicklung der Fachschule sollte an die gewerbliche Berufsschule Schwen­ ningen übergehen. Aber allen Wid­ rigkeiten zum Trotz: Eine kleine Gruppe, Fachschullehrer und Freun­ de der ehemaligen Schule, bemüh­ ten sich in dieser Zeit um die Erhal­ tung der lnventarreste und kämpften für die Wiederaufnahme des Schul­ betriebs, was damals ein eigentlich völlig aussichtsloses Unternehmen war. Bei der Stadt Schwenningen

Feintechnikschule Schwenningen und in der Industrie fanden sie Verbündete. Lehrer und ehemalige Schüler stellten ihre Mitarbeit zur Verfügung. Die südwürttem­ bergische Regierung stimmte am 12. No­ vember 1947 der Wiedereröffnung zu. Die Werkstätten wurden notdürftig her­ gerichtet und am 12. Januar 1948 begann tatsächlich ein erster Grundlehrgang mit 13 Ehemaligen, die im wesentlichen nichts an­ deres taten als die alten Maschinen in Stand zu setzen und neue aufzustellen. 1950 zähl­ te die Fachschule immerhin wieder 100 Schüler. In diesem Jahr gab es vier Theorie­ lehrer und fünf Werkstattlehrer – bei rund 150 Schülern. In den Vorstellungen der einheimischen ländlichen Arbeiter- und Handwerkerbevöl­ kerung war die Bedeutung der Handarbeit wesentlich. Das Verständnis von Selbstän­ digkeit, von sozialer Handlungskompetenz und von Sozialstatus hing wesentlich von manuellen Fähigkeiten ab. Wichtig waren Fähigkeiten zur Arbeitsdisziplin, zur arbeits­ technischen Geschicklichkeit5, Fähigkeiten, die gerade in der Fachschule gefördert wur­ den, was ihr eine besondere Akzeptanz un­ ter den einheimischen Bildungseinrichtun­ gen bis heute sicherte. Soziale Aufstiegsvor­ stellungen der Region orientierten sich an der Facharbeiter- und Technikerqualifikati­ on. Über die Feintechnikschule konnten Abkömmlinge der einheimischen Arbeiter­ und Handwerkerschichten ihre Vorstellun­ gen von sozialem Aufstieg in beeindrucken­ der Weise realisieren. In den ersten 50 Jah­ ren ihres Bestehens kamen rund 56 Prozent der Schüler aus der Volksschule und 44 Pro­ zent aus der höheren Schule. 23 Prozent der Schüler stammten aus der Arbeiterschicht. Insoweit war die Schule eine der wenigen Möglichkeiten der sozialen Integration und des sozialen Aufstiegs für Angehörige der provinziellen Arbeiter- und Handwerker­ schichten. Diese Bedeutung der Fachschüler wurde auch schon früh an den sozialen Karrieren der Absolventen deutlich. Von 100 Ab- 93 Eine japanische Delegation lqßt sich die Uhr des Preisträgers und FTS-Schülers Matthias Fuchs er­ klären. Ein Technikerschüler erläutert in Frankreich eine Entwicklungsarbeit.

Bildungseinrichtungen gängern 1950 entwickelten sich 34 zu Werk­ meistern, Technikern und Ingenieuren der Uhrenindustrie, 30 wurden Fachkräfte in Versuchswerkstätten oder Instituten, 28 machten sich selbständig, vier übernahmen leitende Stellungen in Industrie und Staat, und vier wurden Technische Lehrkräfte. Die Schule sei organischer Bestandteil des­ sen, was auch der Stadt das Gepräge gebe, so meinte Herbert Holtzhauer 1950. ,,Arbeit allein adelt hier den Menschen, für lustiges Studentenleben wäre kaum Verständnis.“ Der junge Mensch würde erfüllt werden ,,vom Ernste und der Verantwortung, (und) von der Würde rastlosen Schaffens… das aber dürfte gerade gegenwärtig günstigste Voraussetzung für die Erziehung jener jun­ ge Menschen sein, die während der kom­ menden Jahrzehnte das Schicksal unseres Volkes beeinflussen werden.“ In den 1950er Jahren waren die Ausbil­ dungsplätze der Schule begehrt. Die Indu­ strie war nicht in der Lage, so viele Lehrstel­ len wie notwendig den geburtenstarken Nachkriegsjahrgängen anzubieten. 1960 be­ gann man mit dem Erweiterungsneubau und der Modernisierung. 1957 wurde die Ausbildung zu Feinwerktechnikern ins Pro­ gramm der FTS aufgenommen. 1967/68 wurde der Fachschule unter Trä­ gerschaft der Stadt Schwenningen ein Tech­ nisches Gymnasium angeschlossen, und 1973 wurde die Technikerschule erweitert mit einer Abteilung für Elektronik. Seit 1973 gehört das Technische Gymnasium in die Trägerschaft des Schwarzwald-Baar-Kreises. Alle unter dem Dach der Feintechnikschule vereinten Schularten profitieren von den modernen Werkstätten und einem vielseiti­ gen Lehrerteam. Die Schülerzahlen haben am Anfang des zweiten Jahrhunderts der Feintechnikschule einen neuen Höchst­ stand erreicht. Rund 450 Schüler werden derzeit von 20 technischen und 34 wissen­ schaftlichen Lehrern unterrichtet. Die Prak­ tiker kommen aus den Berufsfeldern Elek­ trotechnik, Metall-/Feinwerktechnik und Uhrmacherei. 17 Lehrer sind Diplom-Inge­ nieure der Fachrichtungen Elektrotechnik, Maschinenbau und allein sieben der Fach­ richtung Feinwerktechnik. Es unterrichten vier Naturwissenschaftler mit den Fächern Die Feintechnikschule in VS-Schwenningen, die ihr 1 OOjähriges Bestehen feiert. 94

Mathematik, Chemie, Biologie und Physik, neun Sprachlehrer mit der Lehrbefähigung für Englisch, Französisch, Russisch und Deutsch, Spezialisten für Geschichte, Poli­ tik, Betriebswirtschaft, T heologie, Sport und Bildende Kunst. Alle Ingenieure und alle technischen Lehrer haben vor ihrer Lehr­ tätigkeit in einem Betrieb gearbeitet und kennen das Berufsleben draußen aus eigener Erfahrung. Bis heute waren die Bedürfnisse der Wirt­ schaft, wie der Bedarf der einheimischen Be­ völkerung nach einer zukunftsweisenden Ausbildung wesentlich für alle Veränderun­ gen. Am Beginn einer.: neuen Entwicklung Seit 1900 bildet die Feintechnikschule Facharbeiter und Handwerker ohne dualen Partner aus. Seit den zwanziger Jahren bemüht sich die Feintechnikschule um die Allgemeinbildung ihrer Schüler, dies wird heute einmal durch die Zusatzangebote deutlich, die Berufsfachschüler können ne­ ben der Berufsausbildung die Mittlere Reife oder die Fachhochschulreife erwerben, aber auch durch die Verbindung mit dem Techni­ schen Gymnasium. Der Rückgang der Lehrstellen in der hei­ mischen Industrie hinterließ auch Spuren an der Feintechnikschule. Die FTS ist heute der größte Anbieter der Region für die Aus­ bildung von Industrieelektronikern und Industriemechanikern. Die FTS steht heute am Beginn einer neuen Entwicklung und unternimmt große Anstrengungen, ihre Schüler für das Informationszeitalter fit zu machen. Die Feintechnikschule setzt daher verstärkt auf den Einsatz moderner Computertech­ nik in allen Unterrichtsbereichen. Eine Ent­ wicklung, die die Schüler begeistert aufueh­ men. Seit nunmehr 100 Jahren hat die Feintech­ nikschule den Grundauftrag, zeitgemäße Berufsausbildung zu machen. Gerade in ei- Feintechnikscbul Schwenningen Arbeiten aus dem Kunstunterricht des Techn. Gym­ nasiums in der Eingangshalle des Kultusministeri­ ums im Neuen Schloß, Stuttgart. ner Zeit, in der sich draußen vieles ändert, möchte sie mit und für die heimische Indu­ strie und die in ihr arbeitende Bevölkerung mithelfen, notwendige Veränderungen und Modernisierungen zu beeinflussen und vor­ anzubringen, wie sie dies seit ihren Grün­ dungsjahren unternimmt. Dr. Annemarie Conradt-Mach Fußnoten: 1 Bericht der Handelskammer Rottweil 1901 2 a.a.0.1902 3 a.a.0.1907 4 a.a.0.1908 5 Kaschuba, Wolfgang: Volkskultur und Arbeiterkul­ tur als symbolische Ordnungen. S. 201 und 218. 95

Bildung cinrichtung n Neues Steinbeis-Transferzentrum eröffnet Im Mittelpunkt stehen angewandte Wirtschafts- und Sozialforschung An der Berufsakademie wurde im Dezem­ ber 1998 ein „Steinbeis-Transferzentrum für angewandte Wirtschafts- und Sozialfor­ schung“ gegründet. Der Grundgedanke der nach Ferdinand von Steinbeis, einem der wichtigsten Wirtschaftsförderer des vorigen Jahrhunderts in Württemberg, benannten Steinbeis-Stiftung ist es, Wissen aus dem Hochschulbereich in die mittelständische Industrie zu bringen sowie Erkenntnisse aus Theorie und Praxis zusammenzuführen. Während die meisten der 270 Steinbeis­ zentren spezialisiert und stark technisch oder wirtschaftlich ausgerichtet sind, besteht die Philosophie des neuen Zentrums darin, den zahlreichen Firmen und sozialen Ein- richtungen, die sich an der Ausbildung der BA-Studenten beteiligen, sowie weiteren in­ teressierten Unternehmen einen projektori­ entierten Zugang zum Wissen des Professo­ ren- und Dozentenstabes zu vermitteln. Damit handelt es sich um das erste in die­ sem Sinne bereichsübergreifende Steinbeis­ Transferzentrum. Es bietet den Dozenten der Berufsakademie Unterstützung bei der Ausführung wissenschaftlicher Projekte, die zum Teil in Lehrveranstaltungen integriert werden können, und gliedert sich ein in die Reihe von sechs lokalen Zentren sowie zahl­ reicher anderer an Berufsakademien und Fachhochschulen. Die Leitung haben Professor Dr. Walde- STEI BEIS-TR NSFERZE TR M ANGEWANDTE WIRTSCHAFTS- U D SOZIALFORSCHUNG AN DER BER FSAKADEMIE VlLLINGEN-SCIIWEN I GE Pref. Dr. Winfried Sennekamp (links) und Pref. Dr. Waldemar Iförtsch vor dem neuen Steinbeis-Tranifer­ zentrum an der Karlstraße 19 in Schwenningen. 96

t in bei ·Tran ferzentrum Prof Dr. Süleyman Gögercin, Oberbürgermeister Dr. Manfred Matusza sowie die beiden Leiterinnen des Stadtteiltreifs Schilterhäusle, Angelika Lange und lrene Pitkowski, gaben im Dezember 19 9 8 einen Zwi­ schenbericht über das Wohnen im Stadtteil Schilterhäusle. mar Pförtsch, Dozent für Internationales Marketing, und Professor Dr. Winfried Sen­ nekamp, Fachleiter für Arbeit mit psychisch Kranken und Suchtkranken, übernommen. Die ersten Projekte des neuen Steinbeis­ Zentrums leiten zum einen Professor Dr. Süleyman Gögercin und Professor Irmgard Teske, Dozenten für Methoden der Sozial­ arbeit /Sozialarbeitswissenschaften. Es han­ delt sich um eine Bewohnerbefragung zur Wohnsituation im Neubaugebiet Schilter­ häusle in Villingen-Schwenningen. Zum anderen läuft unter der Regie von Professor Dr. Waldemar Pförtsch eine Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung in Berlin. Unter dem Titel »Internationale Qialifizierungen“ beschäf­ tigt sie sich mit Anforderungsprofilen für internationale Ausbildungen in Betrieben. Desweiteren berät Professor Dr. Winfried Sennekamp eine stationäre Jugendhilfe-Ein- richtung innerhalb des Landkreises als Su­ pervisor hinsichtlich der psychologischen Beziehungsgestaltung im Umgang mit Kli­ enten und Mitgliedern des Betreuungs­ teams. Das Steinbeis-Zentrum an der Berufsaka­ demie Villingen-Schwenningen hat sich zum Ziel gesetzt, das in der staatlichen Stu­ dienakademie vorhandene Wissen den In­ stitutionen und Unternehmen in der Regi­ on zur Verfügung zu stellen. Hier soll eine Anlaufstelle für Forschungsaufträge, Gut­ achten und Beratungen geschaffen werden, in der die unterschiedlichsten Analysen vor­ genommen werden können. Sabine Fritz 97

Bildungseinrichtuugen ,�iener Kaffeehaus“ der Landesbemfsschule Die „Euro-Klasse“ dokumentiert im Rahmen eines Projektes ihr hohes Leistungsniveau Mit 2 500 Schülern jährlich ist die Landes­ berufsschule für das Hotel- und Gaststätten­ gewerbe Villingen-Schwenningen die größ­ te Landesberufsschule in Baden-Württem­ berg. In dem im Jahr 1998 eingeführten Bildungsplan für den Ausbildungszweig Hotelfachleute wird der Vermittlung von Fähigkeiten zur Kommunikation und Prä­ sentation eine besondere Bedeutung beige­ messen. Erreicht werden soll dieses Ausbil­ dungsziel u. a. durch je ein Projekt in der ins­ gesamt dreijährigen Ausbildung, die sich über zehn Wochen pro Jahr, verteilt auf drei Blöcke, erstreckt. Seit 1996 läuft in Baden-Württemberg in Schulversuchen an einigen Berufsschulen für das Hotel- und Gaststättengewerbe das Pilotprojekt „Euro-Klasse“. Die Hotelfach­ schüler einer Euro-Klasse sind alle Abituri­ enten und erhalten eine Zusatzausbildung sowohl in drei Fremdsprachen als Pflichtun­ terricht (Englisch, Französisch, Spanisch) als auch in Marketing. Die Berufsbezeichnung nach Abschluß der Ausbildung lautet „Ho­ telfachfrau bzw. Hotelfachmann mit Euro­ paklassifikation“. Die Villinger Schule, wel­ che in die Schulversuchsreihe nicht aufge­ nommen ist, hat seit 1997 in Eigeninitiative eine Euro-Klasse als Versuch eingeführt. In Absprache mit seiner Euro-Klasse 1 (1. Ausbildungsjahr bzw. Grundstufe) ent­ schied sich Herr Lochar, Fachlehrer für Servier- und Getränkekunde, zu Schuljahrs­ beginn 1998 für das Projektthema „Wiener Kaffeehaus“, ein Thema, welches dem ho­ hen Leistungsniveau seiner Klasse ent­ sprach. Die selbstgewählte Aufgabenstel­ lung des Projektes beinhaltete die Vorberei­ tung und eintägige Durchführung einer möglichst originalgetreuen Bewirtung im Stil ,,Wiener Kaffeehaus“ in einem gastro­ nomischen Betrieb in Villingen. Die 22 Schülerinnen bildeten die vier Ar­ beitsgruppen Ablauf, Dekoration, Einkauf, Pressearbeit. Da weder die Lehrer noch die Schüler über spezielle Kenntnisse zum The- eistungsniveau demonstrierte die „Euro-Klasse“ der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststät­ tengewerbe beim Projekt „ Wiener Kaffeehaus“, das bis ins Detail stilecht in Szene gesetzt wurde. Auch ein Einspänner fehlte nicht, der hier beim „Hotel am Franziskaner“ voifährt, dem Veranstaltungsort. ./ 98

Proiekt .Wiener Kaffeehau “ Interessiert veifolgten die Gäste, was die Landesberefsschule bei ihrem „ Wiener Kaffeehaus“ an Spezialitä· ten zuzubereiten wußte. ma verfügten, galt es für eine fachgerechte Durchführung des vielschichtigen Themas zunächst entsprechende Informationen ein­ zuholen. So wurden u. a. zahlreiche Kaffee­ häuser in Wien angeschrieben, um zu erfah­ ren, welche Art von Getränken und Speisen dort angeboten werden, es wurden aber auch Stellen wie das Konsulat der Republik Österreich in Stuttgart um Hilfe gebeten. Aus dem umfangreichen Rücklauf hob sich die über das Projekt sehr begeisterte Antwort von Herrn Heilmann, Direktor des Hotels Sacher in Wien, ab. Ebenso begeistert über das Thema und entsprechend hilfsbereit bei der Durch­ führung war Herr Spreitzer, Wirtschafts­ direktor des Hotels Vier Jahreszeiten in Schluchsee. Während Herr Heilmann im­ mer wieder telefonische Auskünfte gab, auch sehr detaillierte wie bspw. die Zuberei- tungsart eines „Einspänners“, half Herr Spreitzer vor Ort mit, indem er Dekorati­ onsmaterial wie sechs große Spiegel besorg­ te und als Rahmenprogramm die Kochlehr­ linge und den Küchenchef seines Hotels das Apfelstrudelziehen und die Herstellung von Palatschinken demonstrieren ließ. Gleichzeitig mit der Herstellung dieser ,,Außenkontakte“ galt es, die anstehende Ar­ beit innerhalb der Schule zu koordinieren. So hat Herr Beck, Fachlehrer für Küchen­ kunde, mit Unterstützung seiner Kochklas­ se 600 Gebäckstücke gebacken, Herr Trou­ los, akademischer Lehrer, hat mit den Schü­ lern der Gruppe „Dekoration“ die Dekorati­ on, bspw. die Ständer für die Speise- und Getränkekarten hergestellt, während die Speise- und Getränkekarten von Herrn Fei· ertag, akademischer Lehrer für Wirtschafts­ fächer, mit den Schülern der Gruppe „Pres- 99

Bildungseinrichtungen searbeit“ im PC entworfen wurden. Als Sponsor für den Druck der Speise-und Ge­ tränkekarten konnte von den Schülern die Firma Wiebelt/Villingen gewonnen werden, der Kaffee wurde von der Firma Jakobs Kaf­ fee/Bremen gespendet und die Firma Pro­ hoga/ Schwenningen hat die für die Herstel­ lung der Getränkespezialitäten wie Cafe Melange benötigten speziellen Kaffeema­ schinen, die entsprechenden speziellen Trinkgläser, das Geschirr und die Servietten kostenlos geliefert. Als Ort für das „Wiener Kaffeehaus“ stell­ te Herr Scholzgart, Pächter des Hotels am Franziskaner, sein Restaurant zur Verfü­ gung. Kostenlose Kostüme erhielten die Ser­ viererinnen von der Katzenmusik Villingen und vom Amt für Kultur. Und kostenlose musikalische Darbietung erbrachte ein Kol­ lege von Herrn Lochar als Stehgeiger und ei­ ne Schülerin als Pianistin. Am Abend vor der Veranstaltung bot sich, angeregt durch Presseartikel, ein Einwohner Villingens, Herr Majer, ein Wien-und Kaffeehausken­ ner, als sachkundiger Gesprächspartner für die Gäste über das Thema „Wiener Kaf­ feehäuser“ an. Während seiner ganzen Pha­ se wurde das Projekt publizistisch durch die Schüler begleitet, u. a. veröffentlichten sie in einer Tageszeitung ein Telefoninterview mit Herrn Heilmann. Auch die zahlreich verschickten Einladun­ gen, u.a. an Kultusministerin Schavan, an die Mitglieder der Bildungskommission im Kultusministerium Stuttgart, welcher Herr Lochar angehört, und an Landrat Heim, för­ derten den Bekanntheitsgrad des Projekts. Gleichen Zweck verfolgte die Einbringung des finanziellen Erlöses in die Bürgeraktion ,,Rettet den Villinger Aussichtsturm“. Zu­ dem galt das Projekt als Veranstaltungsbei­ trag der LBS Hogavi zur Tausendjahrfeier Villingens. Für die Eröffnung konnten aus Österreich der Direktor der Landesberufs­ schule für das Hotel-und Gaststättengewer­ be LochauNorarlberg und ein Vertreter der Wirtschaftskommission Vorarlberg gewon- 100 Serviert wurde im „ Wiener Kaffeehaus“ in entspre­ chenden Kostümen. nen werden, die mit einer Kutsche zum „Wiener Kaffeehaus“ gefahren wurden. Ein weiteres Beispiel für die publikumswirksame Arbeitsweise der Projektgruppe. Die Bewirtung fand am Mittwoch, den 5. Mai 1999, von 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr statt. In diesem Zeitraum wurden von den 600 bis 800 Gästen Gebäckstücke, zusätzlich Apfelstrudelstücke und Palatschinkenpor­ tionen, 600 Kaffeespezialitäten und 60 Fla­ schen Schlumberger Sekt verzehrt. Als Rein­ erlös und damit als Spende für die Aktion ergaben sich 2 500 DM. Von einer größeren Bedeutung als der finanzielle Ertrag ist je­ doch der große positive Lerneffekt, den die­ ses Projekt bei den Schülern bewirkt hat.

Industrie, Handwerk und Gewerbe 6. Kapitel f Almanach 2000 GFT Technologies AG – der Internetprofi Erstmals ist ein im Schwarzwald-Baar-Kreis beheimatetes Unternehmen an der Börse notiert Yes! IT’s possible! Oder frei übersetzt: Nichts ist unmöglich! Dies ist das Motto der GFr Technologies AG (GFr AG). Das in­ novative IT-Service-und Softwareunterneh­ men mit Hauptsitz in St. Georgen macht weit über die Grenzen des Schwarzwaldes hinaus von sich reden. So wurde die GFr 1998 bereits zum zweiten Mal in Folge als eines der 500 schnellst wachsenden Unter­ nehmen Europas ausgezeichnet. Das Um­ satzwachstum beträgt durchschnittlich 40 Prozent im Jahr, 1998 belief sich der konso­ lidierte Umsatz der GFr-Gruppe auf 39,8 Millionen DM. Während der letzten drei Jahre konnte GFr die Anzahl ihrer Mitar­ beiter mehr als verdoppeln. Etwa 300 hoch­ qualifizierte Mitarbeiter sind heute an elf Standorten beschäftigt: St. Georgen, Berlin, Böblingen, Dortmund, Dublin (Irland), Hamburg, Ilmenau, München, New York (USA), Offenbach und Zürich (Schweiz). Weitere Niederlassungen in Europa sind noch für dieses Jahr geplant. Die GFr setzt auch in Zukunft auf starkes Wachstum. Aus diesem Grund hat sich Unternehmensgrün­ der Ulrich Dietz zum Börsengang ent­ schlossen. Seit 28. Juni 1999 wird die GFr­ Aktie am Neuen Markt der Frankfurter Der G Fr-Vorstand an der Frankfurter Börse. Ulrich Dietz, Dr. Markus Kerber und Dr. Erwin Haller war­ ten gespannt auf den ersten Kurs der G PT-Aktie. Seit dem 28. Juni wird mit großem Erfolg erstmals ein Unternehmen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis am Neuen Markt notiert. 101

GIT-Technologies AG G PT-Gründer Ulrich Dietz kam im Informationstechnologiezentrum der Steinbeis-Stiftung im traditionell stark auf Feinwerktechnik konzentrierten St. Georgen mit langer Uhrentradition mit neuen wegweisenden Kommunikationstechnologien in Berührung und erkannte das gewaltige Marktpotential für anwender­ .freundliche und maßgeschneiderte Softwarelösungen. Wertpapierbörse gehandelt. Die Mitarbeiter sind durch ein attraktives Aktien- und Op­ tionsprogramm am Erfolg der GFf beteiligt. Electronic Commerce: Geschäfte rund um das Internet boomen Globale Netzwerke wie das Internet verän­ dern das wirtschaftliche und soziale Han­ deln stärker und schneller als alle bislang be­ kannten Technologien. Auf Basis weltweit einheitlicher Standards wie dem World Wi­ de Web r:www) werden über Rechner-, Unternehmens- und Landesgrenzen hinweg virtuelle Wertschöpfungsketten etabliert. Electronic Commerce ergänzt und erweitert bestehende, konventionelle Geschäftsprak­ tiken und -beziehungen. Alle Geschäfts­ partner sollen weltweit, zu jedem beliebigen 102 Zeitpunkt, auf einfachste Art und Weise nicht nur Informationen austauschen, son­ dern auch Waren und Dienstleistungen ab­ rufen können. Genau in diesem Umfeld ist GFf aktiv und berät andere Unternehmen, wenn es um neue Geschäftsideen rund um das In­ ternet geht. Doch damit nicht genug. GFf entwickelt und implementiert kundenspezi­ fische Lösungen und kann hier nicht nur auf eine fundierte technologische Basis zurück­ greifen, sondern auch auf Kompetenz im di­ gitalen Design. Gerade die Integration von Technologie und Kreativität ist eine Stärke der Unternehmensgruppe, durch die sie sich vom Wettbewerb unterscheidet. Die Toch­ terunternehmen Pixel Factory aus Offen­ bach und Plumb Design aus New York ge­ stalten die Schnittstelle zwischen Mensch

und Maschine intelligent, intuitiv und er­ gonomisch. Das Konzept geht auf. In den vergangenen Jahren konnte die GFT viele erfolgreiche Projekte für namhafte Kunden realisieren. Dazu zählen unter anderem BMW, Bosch, Telekom, Deutsche Bank, Deutsche Post, Dresdner Bank, Hugo Boss, Lufthansa und Siemens. Einige Unternehmen begleitet die GFT bereits viele Jahre lang über sämtliche Stufen der Technologieevolution: von den Anfängen der objektorientierten Software­ entwicklung bis hin zu modernsten Inter­ netlösungen. Und so fing alles an: ,,Einfache Lösungen für eine anspruchsvolle Welt“ Im Transferzentrum für Informationstech­ nologie der Steinbeis-Stiftung kam Ulrich Dietz 1984 zum ersten Mal mit Ansätzen neuer, wegweisender Kommunikationstech­ nologien in Berührung und erkannte die Chancen und das Marktpotential für an­ wenderfreundliche und maßgeschneiderte Softwarelösungen. 1987 gründete Dietz die GFT und bezog mit zwei Kollegen Räume im ehemaligen DUAL Verwaltungsgebäude, seit 1983 das Technologiezentrum St. Geor­ gen. Ziel war es, kundenspezifische Anwen­ dungen mittels intuitiv bedienbaren Benut­ zeroberflächen, objektorientierten Techno­ logien und Client-/Server-Architekturen auf ein neues Niveau zu heben. Mit diesem An­ satz kam aus heutiger Sicht eine kleine Re­ volution in Gang: herrschte doch bislang bei den Computern noch babylonische Sprachvielfalt und Inkompatibilität. GFT konzentrierte sich, entgegen vieler gutge­ meinter Ratschläge, auf eine völlig neue Softwaretechnologie mit dem Ziel, „einfa­ che Lösungen für eine anspruchsvolle Welt“ zu schaffen. Potentielle Kunden waren schnell überzeugt. So entwickelte GFT be­ reits im ersten Jahr der Firmengeschichte für die Firma Nestler in Lahr ein komplexes CAD-System mit grafischer Benutzer- Industrie, Handw rk und Gewerbe führung – weltweit das erste seiner Art! Da­ mit stand die erste Referenz, mit der es im­ mer einfacher wurde, neue Kunden zu über­ zeugen und zu begeistern. 1990 führte die GFT mit GRIT, einem Werkzeug zur Soft­ wareentwicklung, das erste Produkt im deut­ schen Markt ein. Nur drei Jahre nach seiner Gründung erwirtschaftete das Unterneh­ men einen Umsatz von vier Millionen DM. 1994 erteilte die Deutsche Post der GFT ei­ nen Großauftrag über GRIT sowie die Ent­ wicklung eines Produktions-Planungs-Steu­ erungssystems. Damit war der Durchbruch endgültig geschafft. Bei GFr geht die Post ab Für die Deutsche Post realisierte die GFT bis heute viele Projekte. So verfolgt der große deutsche Logistikdienstleister etwa mit Hilfe von GFT-Software den Weg von Einschreibebriefen, betreibt virtuelle Call Center und plant den Personaleinsatz in den Briefzentren. Im August 1999 beteiligte sich die Deutsche Post sogar mit 15 Prozent an der GFT. Gemeinsam wollen die beiden innovative Projekte in ganz Europa initiie­ ren. Der Vorteil: gemeinsam ist man in der Lage, die gesamte Wertschöpfungskette des Internethandels abzubilden. Online-Shops werden nicht nur konzipiert und technolo­ gisch umgesetzt, sie werden auch in Waren­ wirtschaftssysteme und Lagerhaltung einge­ bunden. Schließlich müssen Waren, die über Internet bestellt werden, auch ausge­ liefert werden. Ein Beispiel für die Koope­ ration während der Weihnachtszeit: Über die Homepage der GFT konnte man ko­ stenlose Grußkarten versenden, die mit der realen Post ausgeliefert wurden, was regen Anklang fand. St. Georgen Online Ein weiteres Beispiel für die Innovations­ freudigkeit der GFT ist am Ortseingang von St. Georgen für alle gut sichtbar: www.st-ge- 103

GFT-Tcchnologic AG –=-1= ‚�- —·s..-=..::.::� ….. ….-.,� —- ==-�:::._ __ ‚“–„“• ‚ o.., ___ ….. _. OtliiilN:-…….-s.. �-……….. ,..r Oben links: St. Georgen Online bietet eine wegwei­ sende virtuelle Erlebniswelt mit Information, Kom­ munikation und elektronischem Handel. Oben rechts: Homepage der G Ff‘-Technologies AG. Abbildung unten: Screenshot zu „Kurts Wtlt „: Tra­ dition und Innovation: Kuckucksuhren aus Schon­ ach im Internet. Unter www.cuckoo-clock.de führt Kuckuck Kurt durch seinen interaktiven Online­ Shop. argen.de. Unter dieser Adresse findet man die Bergstadt im Internet. Dort, wo seit Ge­ nerationen mit Geist, Geschick und Geduld Höchstleistungen auf dem Gebiet der Fein­ werktechnik erbracht werden, hielt mit St. Georgen Online modernste Internet-Tech­ nologie Einzug. Es handelt sich um eine wegweisende Erlebniswelt mit Information, Kommunikation und elektronischem Han­ del. Neben den vielen Besuchern aus aller 104 Welt zählt die virtuelle Kommune mittler­ weile mehr als 500 registrierte Bewohner, die das reichhaltige Angebot nutzen: Infor­ mationen zu Rathausdiensten und sonsti­ gen städtischen Einrichtungen, zu Bildung, Kultur und Schulen sowie Freizeit- und Tou­ ristikangeboten. Gesprächsforen zu beliebi­ gen Themen, Kleinanzeigen, ein Stellen­ markt, eine Mitfahrzentrale und Online­ Shops. In Kürze wird es möglich sein, Behördengänge orts- und zeitungebunden über das Netz zu erledigen. Alle Teilnehmer profitieren davon: Privatpersonen gewinnen interessante Informations- und Kommuni­ kationsmöglichkeiten. Unternehmen erhal­ ten effiziente Möglichkeiten der Angebots­ und Selbstdarstellung. Behörden schaffen bidirektionellen Kontakt zu den Bürgern. St. Georgen Online ist ein innovatives Pro­ jekt, das die GFT mit finanziellen Mitteln und Know-how fördert, um in der Region ein attraktives und modernes Klima zu eta­ blieren, das junge und flexible Menschen anzieht und neue Arbeitsplätze schafft. Gerade das Internet beweist eindrucksvoll, daß nichts so beständig ist wie der Wandel. Die GFT besitzt eine Kernkompetenz, die jedes erfolgreiche Unternehmen dauerhaft braucht: die Fähigkeit zur Innovation. Yes! IT’s possible – Nichts ist unmöglich!

Industrie, Handwerk uud Gewerbe Von Bräunlingen in die ganze Welt Firma „Blitz“ M. Schneider Werkzeug· und Maschinenfabrik GmbH Vor über 125 Jahren begann die Erfolgsgeschichte der „Blitz“ M. Schneider Werk· zeug- und Maschinenfabrik GmbH. Matthias Schneider gründete sie in Schwennin­ gen a. N. als Schlosserei und Maschinenreparaturbetrieb. Geboren war er in Weiler bei Königsfeld, seine Wanderjah­ re führten ihn nach Schwen­ ningen. Dort heiratete er und eröffnete 1872 seinen Betrieb. Matthias Schneider stellte bereits 1874 seine für die Schwenninger Uhrenindu· strie entwickelten Bohrma· Firmengründer Matthias Schnei­ schinen, Pressen und Dreh- der, geboren 1846 in Wtiler. bänke aus. Die Nachfrage war groß, daher zog der Betrieb vom Muslen in die Bärenstraße um. Seine Geschäftsgrund­ sätze, sein Aufgeschlossensein allem Neuen gegenüber und das ständige Bemühen, sei- nen Beitrag zum Fortschritt zu leisten, sind das Erbe, das über Generationen hinweg in der Familie lebendig geblie· ben ist, denn noch heute lei· ten seine Nachkommen das Weltunternehmen. Die Umstellung auf Dampf­ kraft im Jahre 1907 und die damit verbundene Rationali­ sierung ermöglichte die indu­ strielle Fertigung von Bohr­ und Drehbankfutter, die zum Teil schon exportiert wurden. W ährend des Ersten Welt· krieges und der Inflationszeit durchlebte das Unternehmen eine Durststrecke, erst ab 1924 ging es wieder aufwärts. Alfred Schneider entwickelte Wagenheber, elektrische Luftpumpen und Kompressoren, die unter dem noch heute gültigen Marken­ namen „Blitz“ auf den Markt kamen. Diese Die „Blitz „M. Schneider Werkzeug· und Maschinenfabrik GmbH in Bräunlingen. 105

.Blitz“ M. Schneider GmbH Produkte werden noch heute produziert. Matthias Schneider legte Wert auf eine gute Ausbildung, sein berühmtester Lehrling hieß Sachs, der spätere Mitinhaber von Fichte) & Sachs. Auch seinen Sohn Jakob, der später den väterlichen Betrieb über­ nahm, ließ er die Real-und Fortbildungs­ schule besuchen, danach schickte er ihn auf das Technikum in Strelitz. Seine Nachkommen taten es ihm gleich. Jakobs Sohn Alfred erweiterte in den 1920er Jahren sein Wissen in weltbekannten Fir­ men der USA. Sein Bruder Max tat dies auf dem kaufmännischen Gebiet ebenso. Er stieg 1926 in den Betrieb ein. In den 1950er Jahren übernahm die nächste Generation, ebenfalls hervorragend ausgebildet, Gunter und Jürgen Schneider, die Verantwortung. Die Produkte hatten sich gewandelt, die Ver­ triebswege waren kürzer geworden, aber die Verantwortung für die Mitarbeiter blieb. Immer mehr Anwendungsmöglichkeiten für Kompressoren Die Nachfrage war so groß, daß die Fabrik­ gebäude öfters erweitert werden mußten. Den Kontakt mit dem Kunden suchte man, um die Geräte immer auf dem neuesten Stand der Technik und praxisgerecht anbie­ ten zu können. Die Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Druckluft brachte immer mehr Anwen­ dungsbereiche für Kompressoren, so daß dieses Werk aus Raumgründen nach Bräun­ lingen umgesiedelt wurde. Die „Blitz“ Kom­ pressoren werden in verschiedenen Größen und für die vielfältigsten Verwendungs­ zwecke hergestellt. Die ölfreien Kompresso­ ren setzt man z.B. im Bereich der Lebens­ mittelverarbeitung und der Medizin ein. Ei- Früher Blick in die Werkshalle, 1920er Jahre. Die große Nadifrage nach Kompressoren lief? den Geschäfts­ gang bei der »Blitz“ M. Schneider Werkzeug- und Maschinenfabrik GmbH kontinuierlich wachsen. 106

lndu tri,, Handwerk und Gw,rbc sollte, dann gen stehen Tauschheber kostengünstig zur Verfügung. Die Firma verfügt über ein dichtes Kunden­ dienstnetz und einen 24-Stunden-Werkser­ vice, so daß eine Fachberatung im Be­ trieb des jeweiligen Kun­ den auch in Brandenburg ge­ ist. Attraktiv ist währleistet sicher auch die bei einigen Pro­ dukten bis zu 15 Jahren dauernde Er­ satzteilgarantie. Die Firma bietet auch hy­ draulische Werkstattpressen an. Eine Palette mit Werkzeugen für die Autoreparaturwerk­ stätten -Ausbauvorrichtung für Integralträ- »Blitz „-Kompressor aus Bräunlingen. nen großen Anteil haben stationären Anlagen, denn heute gibt es kaum noch eine industrielle Ferti­ gung, die Druckluft nicht zum Heben, Spannen, Pressen usw. benötigt. Aber auch kleinere, trans­ portable Geräte, die man hauptsächlich im handwerklichen Bereich ein­ setzt, werden angeboten. Sie sol­ len, wie ein Handwerksmeister glaubhaft versichert, Jahrzehnte halten. Die heutige Angebotspalette reicht von den Kolben-und Schraubenkompressoren über Druckluftaufbereitung und -werkzeu­ gen, zu Hebegeräten aller Art. Auch an den Tankstellen fin­ det man »Blitz“-Geräte, denn es werden Reifenmontier­ und -füllmesser hergestellt. Beliebt sind die Produkte bei den Werkstätten wegen der ausgereiften Konstrukti­ on, hier macht sich die jahr­ zehntelange Erfahrung be­ merkbar, das patentgeschütz­ te Rostschutzsystem und die Vielzahl der Abstützungsgerä­ te. Auch gibt es im »Blitz“­ Grubenheberprogramm für jeden Bedarf den passenden Heber, serienmäßig werden 100 Hebertypen hergestellt, hinzukommen Sonderanfer­ tigungen. Wenn einer vor Ort einmal den Dienst versa- Die neue Duplex-Serie setzt mit insgesamt drei Patenten neue � ������������ Maßstäbe im Bereich der Lkw­ Stempelhebebühnen. • 1, • �V ……. 107

,Blitz“ M. Schneider GmbH ger, Getriebe bzw. Hinterachse, Abstützsy­ stem für Motor und Teleskopheber – hat die Mercedes Benz-Freigabe für die Mercedes Benz A-Klasse. Die Angebotspalette der Reifenfüllmesser reicht von den kleinen tragbaren Geräten, die jeder von der Tankstelle her kennt, bis hin zu Reifenfüllmessern mit automati­ schem Füll- und Prüfsystem, die an der Säu­ le oder einer Wand montiert werden. Weiter im Angebot sind die hydraulischen Ständerpressen. Ihr Einsatzbereich erstreckt sich auf: Aus- und Einpressen von Kugella­ gern, Lagerbüchsen, Bolzen, Richt- und Bie­ gearbeiten. Seit 65 Jahren werden leistungsstarke und zuverlässige Kompressoren gefertigt. Die Auswahl ist vielfältig und reicht vom Air­ mobil 521/90 – er ist zum universellen Ein­ satz in kleineren Handwerksbetrieben gut geeignet – bis zur kompletten, anschlußfer­ tigen Druckluftstation mit den aufeinander abgestimmten Komponenten: integrierter Kältetrockner, ÖI-Wassertrenner, automati­ scher Kondensatableiter und Kolbenkom­ pressor. Sorgfältige Q!ialitätsprüfung Durch die langjährige Erfahrung mit Kom­ pressoren wurde festgestellt, daß stehende Druckbehälter eine längere Lebensdauer ha­ ben. Ferner werden neben den Industrie­ Kolben-Kompressoren noch Schrauben­ (bis 15 bar), Ölfreie-(bis 15 bar) sowie Nach­ druckkompressoren (bis 60 bar) und Hoch­ druckkompressoren (bis 225 bar) gefertigt. Selbstverständlich trägt man den Wünschen des Kunden nach geringen Wartungs- und Stromkosten sowie hoher Zuverlässigkeit Rechnung. Der Platzbedarf der Anlagen ist in den letzten Jahren bei erhöhter Leistung immer geringer geworden. Wert wird seit über 125 Jahren auf eine sorgfältige Q!iali- Ein Blick in die Endmontage der Schraubenkompressoren. 108

Industrie, Handwerk und Gewerbe Zahlreiche Sonderanfertigungen gibt es im Bereich Grubenheber, serienm4ßig werden 100 Hebertypen hergestellt. 109 Hochmoderne Bearbeitungszentren, meist computergesteuert, ermöglichen bei der „Blitz“ M. Schneider GmbH effiziente Fertigungsabläufe. tätsprüfung gelegt, obwohl sie Geld kostet, sie zahlt sich aber in Kundentreue wieder aus. Um im immer komplizierter und härter werdenden Wettbewerb mithalten zu kön­ nen, hat die Firma „Blitz“ M. Schneider einige Trümpfe aufzuweisen: die langjährige Erfahrung, die kontinuierliche Weiterent­ wicklung der Produkte, dokumentiert durch zahlreiche Patente, einen modernen Ma­ schinenpark, hochqualifiziertes Personal, das zumeist in der firmeneigenen Lehrwerk­ stätte ausgebildet wurde, und eine gleich­ bleibende Qialität (zertifiziert entspre­ chend DIN EN FSO 9001), die durch ratio­ nelle Fertigungsweisen in großen Serien er­ möglicht wird. Ingeborg Kollmann

Industrie, Handwerk und Gewerbe GRUPPE DREI GmbH auf Expansionskurs Werbeagentur hat das ehemalige Schmeckenbecher-Areal in VS-Villingen wiederbelebt Innerhalb von nur sechs Monaten ist in die ehemalige Villinger Uhrenfabrik Schmek­ kenbecher neues Leben eingezogen. Fran­ ziska Doderer, der neuen Eigentümerin, ist es gelungen, das Firmengebäude in dieser kurzen Zeit nicht nur komplett zu renovie­ ren, sondern auch sieben junge, dynamische Unternehmen mit Expansionswillen im Ifängle anzusiedeln. Damit wird das 6 500 qm große Areal in der Robert-Bosch­ Straße 9 wiederbelebt. Die im Juli 1998 begonnenen Renovie­ rungsmaßnahmen umfaßten alle Bauberei­ che. Gesamtinvestitionen von ca. 1,5 Mio. DM waren nötig, um das Gebäude für meh­ rere Nutzer umzustrukturieren, energiespa­ rende Isolierungs- und allgemeine Renovie­ rungsmaßnahmen durchzuführen. Den in­ dividuellen Bedürfnissen der angesiedelten Unternehmen wurde bei den Umbaumaß- nahmen in besonderem Maß Rechnung ge­ tragen. Insgesamt sieben junge, dynamische Unternehmen sind inzwischen in die ehe­ malige Uhrenfabrik eingezogen. Die Wer­ beagentur GRUPPE DREI GmbH belegt dabei mit rund 1000 m2 nicht nur den Löwenanteil der Fläche, sie ist auch sonst die maßgebende Kraft im gesamten Anwesen. So spiegelt sich hier in der Gebäude­ geschichte, was die Wirtschaft der Region insgesamt prägt: die tiefgreifende Struktur­ veränderung von der traditionellen Uhren­ industrie und den ihr verwandten Pro­ duktionsbereichen hin zu modernen Dienstleistungsunternehmen. Für die vor acht Jahren von Alexander Doderer gegründete Werbeagentur selbst setzt sich hier eine interessante Geschichte fort: 1993 zog die damals noch dreiköpfige Gestaltergruppe in das Gründergebäude der Die GRUPPE DREI hat das ehemalige Schmeckenbecher-Areal in VS-Villingen neu belebt. Unter Feder­ führung der Werbeagentur sind dort nun sieben Firmen unter einem Dach zu finden. llO

GRUPPE DREI GmbH Blick in den Bürotrakt der GRUPPE DREI GmbH im ehemaligen Schmeckenbecher-Gebäude. Uhrenfabrik Schmeckenbecher in der Vil­ linger Friedrichstraße ein. Dort breitete sich die Agentur allmählich über zwei Geschos­ se aus und wuchs auch in der Mitarbeiter­ zahl kräftig, bis sie schließlich aus allen Näh­ ten platzte. Auch die Parkplatzsituation wur­ de zu einem ernsten Problem. Zudem kolli­ dierte die besonders hochwertige technische Ausstattung immer stärker mit den veralte­ ten Gegebenheiten des Gebäudes aus der Zeit der Jahrhundertwende. Auf der Suche nach einem geeigneten Firmengebäude stieß man dann auf die neuere Uhrenfabrik Schmeckenbecher im Ifängle. Das kontinuierliche Wachstum der Villin­ ger Werbeagentur GRUPPE DREI GmbH ist nun auch nach außen deutlich sichtbar geworden: Zum Jahresbeginn zog das dy­ namische Unternehmen mit seinen derzeit 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dar­ unter drei Auszubildende, in neue, größere Räume in die Villinger Robert-Bosch­ Straße. Damit konnten auch für die hoch­ wertige technische Ausrüstung in der agen- tureigenen Litho- und Belichtungsabteilung endlich angemessener Platz geschaffen wer­ den. Großzügige Räumlichkeiten, viele Aus­ stellungsstücke und ein modern gestalteter Design-Bereich machen den Agenturbesuch jetzt zu einem Erlebnis. Ein ungewöhnlich umfangreiches Lei­ stungsspektrum, getragen von einer ausneh­ mend großen Fertigungstiefe, gepaart mit Kreativität und guten Ideen haben den be­ achtlichen Erfolg der jungen Agentur be­ gründet. Dieses Grundkapital hat das Un­ ternehmen mit seinem Umzug in die neuen Räume noch einmal ausgebaut. So hat GRUPPE DREI GmbH allen Grund, zu­ versichtlich in die Zukunft zu blicken. Im laufenden Jahr werden Werbe-Etats von rund 25 Mio. DM verwaltet. Geschäftsführer Alexander Doderer: „Wir verstehen unsere Unternehmensstrategie als ein klares Bekenntnis zur Region und zum Mittelstand mit seinen ganz spezifischen Kommunikationsproblemen. Gute Agen­ turarbeit ist auch in der Provinz möglich, 111

GRUPPE DREI GmbH denn Kreativität aus der Pro­ vinz braucht den Vergleich mit den Arbeiten aus Agentu­ ren in großen Industriezen­ tren nicht zu scheuen. Sie hat sogar einen klaren Vorzug auf­ zuweisen: Sie ist am Ende preiswerter.“ Die Referenzliste der dyna­ mischen Agentur zählt wohl bekannte Namen auf: Daim­ ler-Chrysler, Bosch, Moser, Mafell, Huger Electronics und Oregon Scientific, die Stadt Donaueschingen, das Ostsee­ bad Boltenhage, die Ferienre­ gion Kinzigtal oder das Klo­ ster Beuron ließen und lassen bei GRUPPE DREI Konzep­ tionen erstellen und Kampa­ gnen betreuen. Auf rund 1000 qm2 Fläche werden strate­ gische Marketingpläne, Kom­ munikationsstrategien und Werbekampagnen ausgearbei­ tet. GRUPPE DREI geht für ihre Kunden allerdings noch einen Schritt weiter: Im Ge­ gensatz zu anderen Agenturen setzt sie auch sämtliche Kon- zeptionen technisch um, so daß der Kunde wirklich entlastet ist. In der eigenen Litho- und Belichtungsabteilung wird die komplette Druckvorstufe erstellt. Aber, so Doderer weiter, ,,der eigentliche Nerv unserer Arbeit ist und bleibt unsere Kreativität, trotz aller technischer Ausrü­ stung. Deshalb hat sich unser Leistungs­ spektrum auch weit über die regionalen Grenzen hinaus herumgesprochen. Wir ha­ ben nicht etwa Bettelbriefe geschrieben, um an Aufträge von Bosch zu kommen – die ha­ ben bei uns angefragt. Wenn dann zu tollen Ideen noch die nötige Portion Selbstdiszi­ plin und ein gehöriges Maß strategisches Management hinzukommen, sind die Wei­ chen auf Erfolg gestellt.“ 112 Firmengründer Alexander Doderer Geschiiftsfiihrer Hans-Dieter Schwarz Deshalb sind Lieferungen ei­ nes Druckfilmes über Nacht für Geschäftsführer Hans-Die­ ter Schwarz denn auch kein Problem. Ein Netzwerk mit inzwischen über 25 Rechner­ stationen ist dank einem agen­ tureigenen EDV-Spezialisten immer auf dem neuesten Stand. Gleichwohl sind in der schnellebigen Branche lau­ fend neue Investitionen not­ wendig. In den vergangenen Jahren wurde sehr viel in die Ausstattung der Agentur inve­ stiert. Sie ist heute in der Lage, große Datenmengen profes­ sionell zu managen und echte High-end-Qialität zu liefern. Täglich beginnt der Arbeits­ tag in der Agentur um 7.30 Uhr und endet zwischen 19 und 20 Uhr. Das ist für eine Werbeagentur eher unge­ wöhnlich, entspricht aber den Erwartungen der Kunden und die stehen bei GRUPPE DREI im Mittelpunkt. Im ehemaligen Schmecken­ becher-Areal arbeiten dane­ ben sieben junge Firmen aus ganz unterschiedlichen Branchen. Auch sind im Zuge der Neuansiedlung bereits ei­ nige neue Arbeitsplätze entstanden. Büro-, Lager- und Produktionsflächen in der Vil­ linger Robert-Bosch-Straße belegen nun die Firma Langer GmbH, die auf dem Gebiet der Datentechnik tätig ist, Firma Control Systems GmbH & Co KG, die sich mit elek­ tronischen Kartenlesesystemen befaßt, Fir­ ma Rudow & Stadelmann AG, Präzisions­ drehteile, Firma Gass, Spezialist für Vertrieb und Montage von Tankanlagen, das Land­ schaftsbau-Unternehmen Ries sowie die Fir­ ma stephanus druck.

Persönlichkeiten Ein Leben für die Wissenschaft 7. Kapitel/ Almanach 2000 Als fürstlich-fürstenbergischer Archivar die Geschichtsschreibung der Baar geprägt Bereits im Almanach 81 (S. 149f) erschien an­ !iißlich des 75. Geburtstages des heimatverbunde­ nen Gelehrten eine auiführliche Darstellung des beruflichen Werdeganges und Schaffens. Es soll deshalb an dieser Stelle vor allem an diejenigen Aspekte seiner Arbeit erinnert werden, welche die Geschichte der Baar zum Ausgangs- und Anker­ punkt weitergehender und regionaler übergreifen­ der Forschungsergebnisse machten. Aus einer innigen Verbundenheit des am 27.August 1905 in Waldau/Hochschwarz­ wald Geborenen mit dem Dörfchen Gut­ madingen an der jungen Donau, das ab 1907 seine neue Heimat werden sollte, ent­ stand früh eine Neugier zur örtlichen Ver­ gangenheit. Bereits der 17jährige Donaueschinger Gym­ nasiast veröffentlichte im Landboten des Trachtenvereins Baar 1922 eine erste kleine Abhandlung über den fürstlich-fürstenber­ gischen Meierhof des Heimatortes. Kaum dass sich seine heirnat-und regio­ nalgeschichtlichen Interessen deutlicher ab­ zeichneten, verbrachte er viele Mußestun­ den im fürstlich-fürstenbergischen Archiv und der Hofbibliothek, wie er auch rasch Kontakt zu dem in hoher wissenschaftlicher Blüte stehenden Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar gewann. Zwar ent­ schied Bader sich für das Jurastudium, doch führte seine Dissertation (1929) zum mittel­ alterlichen Schiedsverfahren in Schwaben vom 12. bis ausgehenden 16. Jahrhundert Karl Friedrich Bader an seinem Arbeitsplatz im Mai 1998. 113

Karl Friedrich Bader sogleich zur Historie und Landesgeschichte zurück, der er sich nun in glücklicher, be­ fruchtender Verbindung von Rechtsge­ schichte, Geschichtswissenschaft und Lan­ desgeschichte konsequent näherte. Aus der Synthese gehörter Vorlesungen zu Germanistik und Geschichte in Wien und Tübingen mit dem Jurastudium in Heidel­ berg und Freiburg entstand ein geschichts­ wissenschaftlicher Ansatz, dessen syntheti­ sches Vorgehen unter Einbeziehung unter­ schiedlicher geisteswissenschaftlicher Fach­ gebiete – nicht Hilfswissenschaften! – erst seit Beginn der 1950er Jahre und auch nur von einer kleinen Schar Historiker als fruchtbringender Ansatz gefordert wurde. Schon in der Schulzeit drang Bader ziel­ strebig in die noch weitgehend unerklärten wenn nicht unerforschten Grundfesten der heimatlichen Vergangenheit mit ihren Rechtsbezügen. Von Anfang an beschäftigte ihn das bis heute in der Diskussion befind­ liche Problem der alemannischen Baaren und der Baar in ihrer Herausbildung, ihrem Zweck, ihrem Umfang und ihrer Rechtsstel­ lung. Stadtgeschichte, Landesgeschichte Noch vor seiner Ernennung als fürstlich­ fürstenbergischer Archivar betrat er auch zeitlich das Gebiet jenes Geschlechtes, des­ sen Geschichte bis in die heutige Zeit den Landkreis prägt. Das Herrschaftsgebiet der Zähringer, vor allem soweit es den später fürstenbergischen Teil betraf, wurde zum Ausgangspunkt einer Betrachtung, in der Landes- wie Rechtsgeschichte die für sein ganzes Historikerleben so typische Verbin­ dung eingingen. Die ins spätere Erbe der Fürstenberger ge­ langten fortifikatorischen Eckpunkte des Territoriums haben dabei in seinen For­ schungen einen ähnlich großen Platz einge­ nommen wie jene Gemeinwesen, deren Emanzipation den Territorien des Hoch­ mittelalters ebenso handfeste wie gedank- 114 lieh-konzeptionelle Probleme bereiten soll­ ten: die Städte. Von der Kürnburg, Zindel­ stein und Warenburg (1937) bis zu Burg, Dorf, Stadt und Herrschaft Blumberg (1950) oder Vöhrenbach (1965) zieht sich die gera­ de gedankliche Linie einer Geschichts­ schreibung, die Burg und Stadt aus vielfa­ cher Rechtsperspektive beleuchtet. Dabei in­ teressierte ihn von Anbeginn an die zentra­ le Frage der Stadt als ausgeschiedenem Rechtsraum und deren innere und äußere Verhältnisse wie auch die Funktion der Städ­ te bei der Weiterentwicklung territorialherr­ schaftlicher Gegebenheiten. Seine stadtge­ schichtlichen Arbeiten stehen dabei in der Tradition einer Rechtsgeschichte, die Orte aus älteren Gemeindebildungen wie der Markt-, Gerichts-, Wehr- und Verteidigungs­ oder Landgemeinde/Markgenossenschaften herzuleiten sucht. Gleichzeitig entfalten sich Stadtgeschichte und Landesgeschichte bei Bader aus dem Wissen aufklärerischer und liberaler Staats­ philosophen, die in der mittelalterlichen Stadt das Leitbild bürgerlichen Wesens im Verfassungsstaat zu erkennen meinten. Von Voltaire, Grimm und Herder zu Karl Theo­ dor Welcker: Baders Interpretation des Ver­ gangenen schöpft aus dem Vermächtnis die­ ses Traditionsstranges. Seine Sicht auf das alte Stadtrecht als Ko­ difizierung einer Bürgerfreiheit im Span­ nungsfeld zu Stadtherrn oder Territorialher­ ren ist keine wertfreie Studie des W issen­ schaftlers im Elfenbeinturm: Die Arbeiten zu Villingen oder Blumberg 1950/51 sollten nicht zuletzt deshalb gleich kommunalpoli­ tischen Beiträgen zum 1947 verfassungs­ rechtlich verankerten (Süd-) Baden oder der um zwei Jahre jüngeren Bundesrepublik ver­ standen werden. Die Beschreibung des ge­ nossenschaftlichen Elements als Fundament und Garant eines Staatskonglomerates aus ur­ banen Basisdemokratien wirkt aus heutiger Sid1t wie ein Bekenntnis zum Föderalismus. Die erst mit den stadtgeschichtlichen Be­ trachtungen für den uneingeweihten Leser

stärker schattiert hervortretenden politi­ schen Grundüberlegungen und Einschät­ zungen des Gemeindelebens kommen je­ doch nicht unvermittelt. Für die Geschichts­ schreibung der Baar auch in ihrer Stellung zu den Zeitereignissen ist es deshalb als ein Glücksfall zu werten, daß Prinz Max zu Für­ stenberg Karl Siegfried Bader 1936 zum wis­ senschaftlichen Leiter des fürstlich-fürsten­ bergischen Archivs berief. Der gelungene Rückzug vor dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat ins fürstlich-fürstenbergische Archiv war nur vordergründig ein Ausharren im Apolitischen. Die von ihm kaum zwei Jahre nach Aufzug ins Leben gerufene neue Schriftenreihe „Veröffentlichungen aus dem FF-Archiv“ zählte bereits 1942 die Zahl von 10 Monographien, die bisher noch nicht un­ ter dem Aspekt seiner Geschichtsforschung als Stimme zu ihrer Zeit betrachtet worden sind. Es ist jedoch auffallend, daß sich ein Gutteil dieser Schriften dem Verhältnis des fürstenbergischen Fürstentums zur Kirche widmet und somit auch der nicht konflikt­ freien Begegnung von Weltsichten. Die dann 1946 erschienene Schrift „Ursa­ che und Schuld“ kehrt deutlicher in eine Geschichtsschreibung zurück, die Landesge­ schichte auch in ihrer politischen Dimensi­ on zu erkennen gibt. Historische Landschaft scheint hier als ein Resistenzraum gegen­ über dem politisch organisierten Raum und die in der geschichtlichen Landschaft orga­ nisierten historischen Vereine als eine genos­ senschaftliche Organisationsform, die sich erfolgreich der Betreuung durch den Staat widersetzte. Auch diese Arbeit fußt auf der engen Kenntnis der Baar wie des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, der nicht wie andere sich auf Geschichte und Tradition berufende regionale Vereinigun­ gen, welche das Dritte Reich unaufgelöst überdauerten, dies durch allzugroße Nähe oder Kooperation mit den Machthabern tat. Bader bleibt auch hier dem Leser keine Lek­ tion schuldig: Geschichtsforschung-und darstellung ist stets ein politischer Beitrag Per önlichlceiten Geschichte und Biographie zum öffentlichen Leben und zur politischen Bildung im Sinne der Förderung des Plura­ lismus wie des Widerstands gegen Angriffe auf menschliche Grundwerte. Genährt wurde solch Verständnis histori­ scher Forschung aus der eigenen Biographie. Seine erste Ehe mit einer Frau jüdischer Ab­ stammung versperrte ihm den Weg in den Staatsdienst wie sie ihm bei der Bewerbung um die Direktion des Generallandesarchivs Karlsruhe 1938 keine Chance gab. Auch sei­ ne Bemühungen um die Rettung Verfolgter, zusammen mit der späteren Caritas-Refe­ ratsleiterin Gertrud Luckner in seiner Frei­ burger Anwaltskanzlei nach 1933 und die nach 1945 noch lange Jahre vereitelten Ver­ suche, die nationalsozialistischen Täter vor Gericht zu ziehen, hinterliessen ihre Spu­ ren. Wie Hans-Josef Wollasch in dem von Bader mitbegründeten Freiburger Rundbrief -Zeitschrift für christlich-jüdische Begeg­ nung (2.1999) mitteilt, gab Bader 1951 ent­ täuscht seine Stellung als Generalstaatsan­ walt in Freiburg auf, ging an die Universität Mainz und 1953 schließlich an die Univer­ sität Zürich, wo er auch zur Geschichte zu­ rückfand. Bei allem blieb er lange ein „anwendungs­ orientierter“ Historiker. Zu Reflexionen über Methoden der Landesgeschichte und weiterer, ihm am Herzen liegender Bereiche fand er erst spät, ab Mitte der 1950er Jahre. Zu sehen ist dies im Zusammenhang mit der Neuetablierung landesgeschichtlicher Insti­ tute, aber auch mit dem Versuch, aus der Qiintessenz eigener Regionalforschung das Fundament einer respektierten Landes­ geschichtsforschung mitzuzementieren, de­ ren Ertragsreichtum er ja bereits seit langem mit dem Untersuchungsobjekt „historische Landschaft“, und damit auch der Baar, be­ wiesen hatte. Wo Personengeschichte von ihm scheinbar nur am Rande gestreift wird, erkennt man 115

Karl Friedrich Bader schnell, daß er solche im allgemeinen an zwei Dingen festmachte: An deren engem Bezug zu seiner Heimat, der Baar, und de­ ren Beziehung zu Recht oder Rechtsge­ schichte. Die Sprachforschung hat ihn gleichfalls nie verlassen und noch 1996 hat er launigst und mit seinem wenig bekannten Aliasnamen ,,Peter Kasiba“ zum alemannischen „gheie“ seinen Juristenfreund und Nachfolger auf dem Züricher Lehrstuhl Clausdieter Schott erheitert. Wenn auch seine kurze Tätigkeit am Be­ ginn der dreißiger Jahre im badischen Ju­ stizdienst wie auch seine Ernennung durch die französische Militärbehörde zum Ober­ staatsanwalt 1945 und Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Freiburg 1946 enge Berührung zur Rechtspflege der Baar brach­ te, so ist seine rechtsgeschichtliche Forschung in Bezug zur Heimat doch bedeutender. Im Vergleich zu den vorgenannten For­ schungsgebieten ist Baders Beschäftigung mit der Rechts- und insbesondere ländli­ chen Rechtsgeschichte der breiter und tiefer gepflügte Bereich. Seine ab 1957 erschiene­ nen dreibändigen „Studien zur Rechtsge­ schichte des mittelalterlichen Dorfes“ bezie­ hen sich durch die Seiten hindurch auf die Rechtsproblematik des Dorfraumes. Seine Beispiele zu Mark- und Flur, Dorfgemein­ schaft, Dorfraum, Etterfrieden und Eng­ stimmunität, Liegenschaftsnutzung, Grenz­ recht wie zum Verhältnis von Herrschaft und Genossenschaft bezieht er so oft aus der Baar, daß diese heute als eines der rechtshi­ storisch am besten bearbeiteten Gebiete des Südwesten gelten mag. Baders methodisches Vorgehen gründet dabei tief in dem engen Bezug zu seiner Ju­ gendheimat und dem aus den Ard1iven der Baar und den angrenzenden Gebieten ge­ schöpften konkreten Detailwissen. Ausge­ hend von einer in historischen Dokumen­ ten auch der kleinsten Baarorte ausgeworfe­ nen Problematik schritt er immer weiter ausgreifend zu allgemeineren, zusammen- 116 fassenden Erkenntnissen, die man durchaus als Theoretisierung begreifen kann. Durch die so gesd1affene Verbindung zwi­ schen rechtshistorischer Erkenntnis und Kenntnis der regionalen Verhältnisse hat er der Geschichte der Baar einen Acker berei­ tet, auf dem viel zu wenige bis heute mit und nach ihm gesät und geerntet haben. Wer den stets Gastfreundlichen und mit warmer Liebenswürdigkeit Bedachten in den letzten Monaten besuchte, nahm mit Wehmut von ihm Abschied, merkend, daß sich hinter dem geschäftigen Lesen und For­ schen ein Lauschen in dem Wissen verbarg, daß Freund Hein nur sachte an die Tür klop­ fen würde. So geschah es. Am 6. September 1998 entschlief der Hochbetagte, während sich der von seinem Wohnzimmer aus zu überblickende Züricher See herbst-golden färbte. Im Familiengrab auf dem Friedhof in Geisingen wurde Karl Siegfried Bader zur Ruhe gebettet. Joachim Sturm Überlegung -spät wenn Winter schneelos sind, Frühling ausfällt, Sommer Kälte zeigen, Stürme Wälder knicken und Wasserfluten Landstriche veröden, dann fällt uns vielleicht ein, daß die Erde nur Leihgabe ist, anvertraut für nächste Generationen (aus „Zeitzeichen“) Christiana Steger

Der Heimat Schwenningen eng verbunden Die Beschäftigung mit der örtlichen Geschichte war für Herbert Heim eine Lebensaufgabe Persönlichkeiten Geschichte anschaulich zu machen, so daß sie für jedermann verständlich ist, war ein Ziel von Herbert Heim. Im November 1998 ist der Heimatforscher verstorben. stört worden, der es vor dem Krieg als Fuß­ baller des Schwenninger BSV bis in die württembergische Jugendauswahl gebracht hatte. Geboren 1925, gehörte er jener Generati­ on an, die schwer unter dem Nationalsozia­ lismus und seinen Folgen zu leiden hatte. Aufgewachsen ist er im Schwenninger Neckarstadtteil, der damals als „Arme-Leu­ te-Gegend“ galt. Nach einer Elektrikerlehre wurde er zum Arbeitsdienst nach Ungarn eingezogen und meldete sich dort freiwillig zum Kriegsdienst. Die folgenden Jahre an der Ostfront und in russischer Kriegsgefan­ genschaft haben sein Leben geprägt. Erst 1948 kam er aus der Gefangenschaft in sein Elternhaus zurück, das beim Bomben­ angriff vom Februar 194 5 einigen Schaden genommen hatte. Dabei waren zahlreiche Urkunden und Ehrungen des Sportlers zer- Herbert Heim Ein halbes Jahr nach seiner Heimkehr fand er Arbeit bei der Firma Irion und Vosseler. Bis zu seinem 58. Lebensjahr blieb er bei der Firma, mußte dann aber nach mehreren Herzinfarkten in den wohlverdienten Vor­ ruhestand eintreten. 1953 heiratete er seine Frau Marga, aus der Ehe gingen drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, hervor. Im Jahr 1954 legte er in ei­ nem Fernkurs die Elektromeisterprüfung ab. 1959 zog die Familie ins eigene Haus in der Schwenninger Wiesenstraße, wo das Ehe­ paar auch eine eigene kleine Firma betrieb. So blieb Herbert Heim in diesen Jahren nicht viel Freizeit, in der er seinen Hobbys hätte nachgehen können. Unter anderem galt sein Interesse dem Chorgesang. Lange Jahre war er im „MGV Frohsinn“ und bei den „Sorgenbrechern“ aktiv. Noch ein Tag vor seinem plötzlichen Tod nahm er an einem Konzert auf dem Al­ ten Friedhof in Schwenningen teil. Mit Beginn des Rentenstandes konnte sich Herbert Heim ganz auf die Arbeit und den Umgang mit der Geschichte konzentrieren. Eifrig sammelte er Zeitungsartikel und Bild­ material, das er auch zu Kollagen verarbei­ tete, die einen Eindruck davon vermitteln, wie das Dorf Schwenningen zur Römerzeit und im Mittelalter ausgesehen haben mag. Solches und anderes Bildmaterial bereichert die großformatigen voluminösen Alben zur Geschichte, die er teilweise sogar von Hand, in exakter Druckschrift mit Texten versehen hat. Auch stellte er jedem Mitglied der „Sor­ genbrecher“ ein Album zusammen, das die Aktivitäten der Sängergruppe dokumentiert. 117

H rbert Heim I Per önli hk it n Anläßlich der 70er Feier des Jahrgangs 1925 verfaßte er eine Jahrgangsschrift, die den Werdegang seiner ganzen Generation zum Inhalt hat. Wer den Menschen Herbert Heim kannte, weiß wie sehr im daran gele­ gen war, der Kriegsgeneration das gebüh­ rende Gehör zu verschaffen, um zu erin­ nern und zu warnen. Große Geschichte ist bei ihm eingebettet in kleine Histörchen. Ei­ ne Kinoanzeige sagt hier oft ebensoviel aus wie ein Artikel über Mißstände. Fast drei Jahre lang hat Herbert Heim an der Erstellung des Buches „Liebes altes Schwenningen“ mitgearbeitet und wurde dabei zum profunden Kenner der örtlichen Bauten. Es gab kaum jemanden, der ebenso­ gut die alten Häuser zu identifizieren wuß­ te. Erst 1992 wurde er Mitglied im Schwen­ ninger Heimatverein, nutzte die ihm ver­ bliebene Zeit aber zur Überarbeitung des vereinseigenen Bildarchivs und hat dabei Großartiges geleistet. In diesen Jahren hatte er auch schon größe­ re Teile seines schriftlichen Nachlasses in das Vereinsarchiv eingebracht. Diese Unterlagen sind eine wertvolle Qielle für das „Hei­ matblättle“, an dessen Erstellung Herbert Heim in einigen Fällen mitgewirkt hat. Sein Denken in geschichtlichen Kategori­ en ließ Herbert Heim nie vergessen, daß es eigentlich bei allem der Mensch sein soll, der im Mittelpunkt steht. Auch war er sich dessen Endlichkeit bewußt. Dieses Wissen und der starke Rückhalt, den er in seiner Fa­ milie hatte, gaben ihm eine heitere Gelas­ senheit. So heiter konnte man ihn auch in den letzten Stunden vor seinem Tod noch erleben. Voll Tatendrang sprach er über die noch vor ihm liegende Arbeit. Leider wird sie jetzt für immer unvollendet bleiben. Schwenningen hat einen Geschichts- und Heimatkundler verloren, der eine große Lücke hinterläßt. Barbara Mutschler Familientradition wird fortgesetzt Hans-Peter Fesenmeyer ist in der sechsten Generation als Revierleiter tätig Klischees über Förster gibt es einige, ange­ fangen beim vielbesungenen Silberwald, über den waffenbewehrten Jagdgang mit Dackel bis hin zu Sprüchen wie „Am schön­ sten hat’s die Forstpartie, die Bäume wach­ sen ohne sie.“ Viele dieser Vorstellungen entbehren der Nähe zur Realität, eines bleibt jedoch bis auf den heutigen Tag mit Recht unumstößlich: Förster und Wald sind noch immer von einem Hauch der Bestän­ digkeit umweht. Ein beredtes Beispiel dieser forstlichen Beständigkeit ist die Familie Fesenmeyer aus Hubertshofen bei Donau­ eschingen. Seit nunmehr sechs Generatio­ nen stehen männliche Mitglieder der Fami­ lie im Dienste der Stadt Donaueschingen und betreuen einen Teil der Stadtwald- 118 fläche. Jüngstes Glied dieser Tradition ist Hans-Peter Fesenmeyer, der derzeit 1280 Hektar bewirtschaftet. Ein Blick in die Fesenmeyer-Chronik führt den Leser zurück bis ins Jahr 1862. In jenem Jahr bittet Markus Fesenmeyer aus gesund­ heitlichen Gründen um seine Entlassung aus dem Waldhüterdienst und fragt wegen der Übernahme seines Sohnes Leonhard auf die von ihm bisher besetzte Dienststelle nach. Erich Fesenmeyer, der Ur-Ur-Enkel von Markus Fesenmeyer und Vater des heu­ tigen Revierleiters, erzählt: „Markus Fesen­ meyer war damals im Oberholz der Stadt tätig. Dieses Oberholz ist das Waldgebiet, das von unserer Familie seit jeher betreut wird.“ Im Verlauf der Jahrzehnte kam dann

Per önli hkeiten Hans-Peter Fesenmeyer und Witer Erich sind stolz auf die eigene Baumschule. Die Methode zur Anzucht von Tannen wurde von Erich Fesenmeyer entwickelt. immer mehr Fläche hinzu. Er selbst habe, als er 1954 den Dienst antrat, immerhin be­ reits 480 Hektar zu bewirtschaften gehabt. Erich Fesenmeyer war von Kindheit an mit der Forstwirtschaft eng verbunden. Nach seiner Schulentlassung arbeitete er bei sei­ nem Vater im Stadtwald als Holzhauer, half bei Wegebau-und Kulturarbeiten mit. Nach seiner Ausbildung in der baden-württem­ bergischen Waldarbeiterschule Höllhofwur­ de er 19 51 Hilfsforstwart im Oberholz, nach einer weiteren Ausbildung drei Jahre später schließlich Forstwart. Fesenmeyers Augen glänzen, wenn er an die damaligen Jahre zurückdenkt. Die Arbeit war körperlich schwerer, ohne Zweifel, oft genug war er in den Wintermonaten eine ganze Stunde zu Fuß unterwegs, um an seinen Arbeitsort zu gelangen: ,,Die Kameradschaft und Gesel­ ligkeit unter den Forstleuten war jedoch un­ beschreiblich. Heute ist vieles anders.“ Rund 18 Kilometer Waldwege gehen auf das „Baukonto“ von Erich Fesenmeyer. Sein Sohn Hans-Peter ist stolz: ,,Das sind heute noch die besten Wege im ganzen Revier.“ Er weiß wovon er spricht, ist er doch viel mit dem Auto im Wald unterwegs, schätzt den guten baulichen Zustand der Fahrstraße und kennt die Ansprüche, die durch die bis zu 50 Tonnen schweren Langholzlaster an die Fläche gestellt werden. Die Arbeit eines Revierleiters hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten revolu­ tionär verändert, in der eingesetzten Technik ebenso wie in den Wissensanforderungen. Das Fesenmeyer-Revier verlangt dem Forst­ mann sein Bestes ab. 40 Prozent der Wald­ fläche sind schwierige Böden, überwiegend Missestandorte, extrem anfällig für Boden­ verdichtung durch schwere Waldmaschinen wie etwa Vollernter. Dies ist einer der Grün­ de für den im Revier noch vorherrschenden manuellen Holzeinschlag durch Waldarbei­ ter mit Motorsägen. Forstliches Organisati-119

Hans-P ter Fe cmmeyer chronik, dann kann man nachle­ sen, daß Leonhard Fesenmeyer die Stelle als Waldhüter und Jagdauf­ seher 1865 antrat, nachdem er un­ ter insgesamt drei Bewerbern als am geeignetsten ausgesucht wor­ den war. 1908 übernahm schließ­ lich Leonhard Fesenmeyers Sohn Fridolin die Stelle seines Vaters, sechs Jahre zuvor war dieser als Hilfsforstwart eingestellt worden. Interessant ist die Geschichte um die Stelle des Hilfswaldhüters in Hubertshofen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der aus der Familie Fesenmeyer kommen sollte. Weil sich die Kurzsichtigkeit des Soh­ nes Karl in der Freiburger Univer­ sitätsaugenklinik nicht vollständig beheben ließ, wurde dessen Bru­ der Richard für den Posten vorge­ schlagen und 1913 auch verpflich­ tet. Richard Fesenmeyer wurde 14 Jahre später Nachfolger seines Va­ ters Fridolin und betreute fortan 305 Hektar Wald. 1953 ging er in den Ruhestand. Hans-Peter Fesenmeyer stehen noch viele Berufsjahre als Revier­ leiter bevor. Der klassische Forst­ mann, der den Klischees gerecht werden möchte, war er wohl nie Das Oberholz ist ein Teil des Waldes, den seit Mitte des 19.jahr- und wird es wohl auch nie sein. himderts Forstleute aus der Familie Fesenmeyer betreuen. Mit Leib und Seele ist er im Wald tätig: ,,Die Jagd betreibe ich nicht ganz so intensiv.“ Und damit befindet er sich auf der Linie seines Vaters. Ob Enkel Si­ mon irgendwann einmal in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten wird, wer weiß? ,,Das muß er selber entscheiden“, ist sich sein Va­ ter Hans-Peter jetzt schon sicher. onstalent ist dabei gefordert, der Umgang mit den Waldarbeitern ist einer der Arbeits­ schwerpunkte. Eigentlich wollte Hans-Peter Fesenmeyer nicht um alles in der Welt Forstmann wer­ den, obwohl er in der Jugend zwangsläufig mit dem Beruf immer wieder in Berührung kam. 1975 ließ er sich jedoch als Forstwirt ausbilden und löste seinen Vater schließlich Anfang 1985 ab. Der Forstberuf muß also ir­ gendwie im Familienblut liegen. Blättert man noch einmal in der Familien- 120 Stefan Limberger-Andris

Pionierarbeit für den Breitensport geleistet Karl Joggerst kann auf eine erfolgreiche Kunstturnkarriere zurückblicken Persönlichkeiten ,Wer Karle Joggerst nicht kennt, hat die Welt verpennt“ – das meinen jedenfalls die zahlreichen Fans des im Königsfelder Orts­ teil Erdmannsweiler lebenden Sportfreun­ des Karl Joggerst, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feierte. „Fit wie ein Turn­ schuh“ hält der einstige Kunstturner, Trai­ ner, Sportlehrer, Funktionär und Vereins­ förderer auch heute an seinem Credo fest. Mit kerzengerader Haltung, Aufmerksam­ keit fordernder Handbewegung und zacki­ gem Ton formuliert er das so: ,,Auch im Al­ ter nicht in der Ecke sitzen und Däumchen drehen, sondern viel Bewegung an der fri­ schen Luft, dazu geistige Beschäftigung und wenn möglich immer freudige Erinnerun­ gen wachrufen.“ Gewiß hat diese Devise dazu beigetragen, daß das „Schwarzwälder Karl]oggerst Urgestein“ auch nach einer Hüft- und einer Knieoperation keinerlei körperlichen Pro­ bleme, geschweige denn müde Knochen hat. Lebt man nämlich nach dem Motto „dynamisch, gymnastisch, elastisch“, dann kann man – davon ist Joggi“ überzeugt – dem „chronologischen Alter“ mit dem „bio­ logischen Alter“ glattweg ein Schnippchen schlagen – eine Rechnung, nach der Karl Joggerst wohl erst tief im nächsten Jahrtau­ send „75“ wird. Die Lebensbilanz, die er heute schon zie­ hen kann, ist beachtlich und selbstredend dreht sich dabei alles um den Sport. Karl Joggerst ist am 25. Januar 1924 in Todtnau geboren. Die lebensprägende Sportbegeiste­ rung wurde ihm von seinem Vater mit in die Wiege gelegt. Der nahm den Filius mit in den Turnverein und den Skiclub und freute sich, daß der begabte Sohnemann Wett­ kampftitel, Urkunden und Medaillen sam­ melte wie andere Leute Briefmarken. Schon als die Familie 1937 nach Villingen zog, stand für den mittlerweile 13jährigen Karl fest, daß er einmal Sportlehrer werden wolle. Dennoch absolvierte er zunächst eine Leh­ re als Werkzeugmacher bei der Firma Saba, in der er mit kriegsbedingter Unterbrechung bis 1947 Geselle war. Parallel zur Fabrikar­ beit bastelte der junge Mann an seiner sport­ lichen Karriere. Seine großen Vorbilder wa­ ren die Olympiasieger von 1936 im Kunst­ turnen, deren Leistungen er mittels Radio­ Berichten und Wochenschau-Kino verfolg­ te. Später lernte er seine Helden persönlich kennen und noch heute pflegt er ein freund­ schaftliches Verhältnis zu den vier noch le­ benden „Goldjungen“ der Berlinspiele. Ein Glücksfall war es freilich auch, daß Karl Joggerst im Villinger Turnverein just unter die Fittiche des Trainers der Turn­ olympiariege, Eugen Kopp, kam. Die Erfol- 121

KarlJogger I ge blieben nicht lange aus: 1940 Badischer Jugendmeister mit der Mannschaft des 1848 Villingen, 1941 und 1942 Badischer Vize­ jugendmeister im Einzelkampf und oben­ drein, ebenfalls 1942, Fünfzehnter im Mehr­ kampf bei den Deutschen Jugendmeister­ schaften in Stuttgart. Leider unterbrach der Krieg diese vielversprechende Sportlerkar­ riere. 1943 mußte Karl Joggerst sein Tum­ dreß gegen den Soldatenrock eintauschen und später geriet er in Kriegsgefangenschaft. Sein Berufsziel hat er trotz der Aufregun­ gen dieser Jahre nie aus den Augen verloren. Er wollte Sportlehrer werden und nach ei­ nem zweijährigen Studium am Sportwis­ senschaftlichen Institut Marburg (1947 bis 1949) konnte Karl Joggerst endlich seine Le­ bensaufgabe anpacken: Von 1949 bis 1987 unterrichtete er als Sportlehrer am Zinzen­ dorfgymnasium in Königsfeld und von 1965 bis 1981 war er obendrein nebenamt­ licher Turnlehrer am Villinger Gymnasium am Romäusring. Mitglied der Badischen Landesriege Diese „unheimliche Doppelbelastung“ hielt den temperamentvollen und ehrgeizi­ gen Lehrer aber keineswegs davon ab, auch außerhalb seines beruflichen Engagements sportlich aktiv zu sein. Von 1947 bis 1954 war er Mitglied der damals berühmten Vil­ linger Meisterriege sowie der Badischen Lan­ desriege, qualifizierte sich für weitere sechs Deutsche Meisterschaften und wurde im Spitzensport als „Turnlegende“ gefeiert. Da ist es um so erstaunlicher, daß dem Mu1tita1entJoggerst bei aller Liebe zu sport­ lichen Höchstleistungen und allem Respekt für das Perfekte vor allem der Breitensport ans Herz gewachsen ist. Neben der Spitzen­ leistungsförderung sah er es immer als seine Hauptaufgabe an, ,,vor allem bei jungen Menschen Freude am Sport zu wecken mit dem Ziel, eine Möglichkeit für eine lebens­ lange, gesundheitsfördernde sportliche Ak­ tivität zu erreichen.“ 122 In diesem Sinne hat KarlJoggerst in vielen Bereichen Pionierarbeit geleistet. Er war fe­ derführend beim Aufbau des Skilehrerwe­ sens im Badischen Tumerbund und beklei­ dete von 1959 bis 1981 das Amt des Lan­ desskiwartes, er gehörte zur Avantgarde der Trampolintumer, war von 1960 bis 1967 Landesfachwart im Badischen Tumerbund für Trampolintumen, gründete schon 1959 die Trampolinriege in Villingen, die er bis 1970 mit dem krönendem Erfolg leitete, daß aus ihr der Deutsche Meister und Weltmei­ ster Hartmut Riehle hervorging, dessen Trai­ ner und Mentor Karl Joggerst war. So ganz nebenbei war der Sportpionier vierzigJahre lang Oberturnwart im TuS Kö­ nigsfeld, 32Jahre lang Schüler- und Jugend­ turnwart im TuS Villingen und 16 Jahre lang Referent für Skigymnastik im Badischen und Deutschen Turnerbund. Auch in letzt­ genannter Funktion sorgte der unermüdli­ che Tausendsassa für Furore. Seine Schall­ platte für „Modeme Skigymnastik mit Mu­ sik“ fand Anerkennung in höchsten Kreisen und der vielgelobte „Skipapst“ avancierte zum Fernsehstar. „Es ist unglaublich“, staunt Karl Joggerst bei seinem Resümee über sich selbst. ,,Wo­ her habe ich nur all die Kraft und Zeit ge­ nommen?“ Da muß Ehefrau Ingelotte nun doch ein wenig lachen, denn 63 Jahre lang ,,jettete“ ihr Karl als Junggeselle durch’s Le­ ben. Erst die Pensionierung als Sportlehrer brachte 1987 postwendend die Beförderung zum Ehemann mit sich, weshalb neben Wandern, Stickwalking, Rad- und Skifahren, Gymnastik und Gartenarbeit nun auch ab und zu ein paar Stunden Zeit für ein Gläschen Wein zu den Klängen klassischer Musik bleibt. Manchmal schleicht sich in diesen ruhigen Momenten eine Prise Wehmut ein. Ab­ schied aus dem Aktivenleben fällt freilich nie leicht, doch ein wenig mehr Dankbar­ keit, Anerkennung und Herzenswärme, auch ein stärkeres Eingebundensein in ver­ gangene Lebenskreise, hätte sich Karl Jog-

Karlj r 1 / Persönlichkeiten Schüler, die dann und wann ins Haus flat­ tern. Darin kann man schwarz auf weiß le­ sen, daß Karl Joggerst trotz – oder gerade wegen? – seiner geradlinigen Art, seines ge­ strengen Regiments und seines Disziplin fordernden Führungsstils ,, … als Lehrer ge­ schätzt, verehrt und sogar geliebt … “ wurde. Brigitte Schmalenberg gerst schon gewünscht. Da ist es gut, daß sol­ che Gedanken von unzähligen schönen Er­ lebnissen überstrahlt werden. Zu denen gehören nicht nur die lebhafte Erinnerung an den Sportplatz- und Turn­ hallenbau in Königsfeld, die Teilnahme am Deutschen Turnfest in Hamburg als gela­ dener Ehrengast und die hohen Auszeich­ nungen, wie etwa der Ehrenbrief des Deut­ schen Tumerbundes, die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg oder die Arnos Comenius Medaille des Zinzendorfschul­ werkes, sondern auch die Briefe ehemaliger Ein überzeugter und aktiver Villinger Werner Jörres widmete sich vor allem der Fasnet, dem Sport und der Kultur Überraschend starb am 21. August 1998 Werner J örres an Herzversagen – dort, wo er sich oft aufhielt, im Theater am Turm. Rund 400 Trauergäste gaben ihm das letzte Geleit auf dem Villinger Friedhof. Sie erwiesen ei­ nem außergewöhnlichen Menschen die letz- Werner }örres te Ehre, einem Mann, dessen Leben eng mit der Stadt Villingen verknüpft war, der sich durch seine Heimat- und Ortsverbunden­ heit, soziales Engagement, Humor, Lebens­ freude und seiner Leidenschaft für die Fas­ net und das Theater auszeichnete. WernerJörres kam am 19. September 1926 in Villingen zur Welt. Er hatte noch zwei jüngere Schwestern. Ab 1933 besuchte er die Pestalozzischule, damals noch „Bubenschu­ le“ genannt. Seine Eltern waren nicht begü­ tert, und deshalb mußte er während seiner Schulzeit von 1936 bis 1939 nach Buchen­ bach und neben der Schule als Hirtenjunge arbeiten. Nach der Schule begann er 1941 eine Werkzeugmacherlehre bei der Firma Burger. Kurz vor Kriegsende wurde er noch zur Marine eingezogen und verwundet. Nach dem Krieg war er einige Jahre im Alu­ miniumwerk beschäftigt. Das Firmenzei­ chen des Aluminiumwerks hat er zusammen mit seinem Vater entworfen. Nach seiner Meisterprüfung 1953 war er als Meister in der Stanzerei von Saba angestellt. Nach der Verlegung der Stanzerei wurde er Chef des Großlagers im Werk 2. Noch heute erinnern sich Belegschaftsmit­ glieder aber eher an den Schauspieler Wer- 123

Werner Jörre ner Jörres, der besonders Weihnachten für die Kinder Theater spielte. Er sang auch im Saba-Werkschor und bei den „Vier Rudol­ fos“, die der Gitarrist Rudi Streit leitete. Bis zu seinem Tod war er aktives Mitglied im Theater am Turm. Er war nicht nur Schau­ spieler, auch die Innendekoration hat er ge­ fertigt. Seine letzte Rolle war Casanova. Als Charlies Tante und Hauptmann von Köpe­ nick – seine liebsten Rollen – wird er unver­ gessen bleiben. Seine zweite Leidenschaft war der Sport, vor allem Langstreckenlaufen. Er war der geistige Vater von den sogenannten Saba­ Langläufen, die jetzt unter „Thomson-Läu­ fen“ im Frühjahr und Spätherbst im Ger­ manswald fortgeführt werden. WernerJörres hat viele Langstreckenläufe mitgemacht, sein größter war der Fußmarsch von Mün­ chen nach Venedig. Auch als Bergwander­ führer für Gruppen war Werner Jörres tätig. Lange Jahre war er im Vorstand des Tus Königsfeld, dort organisierte er u. a. den Lauftreff und war aktiv in der VG Baar (heu­ te Schwarzwald-Baar-Cup). Fußball und Hockey hat er auch gespielt. Noch im Ren­ tenstand engagierte er sich für den Saba-Be­ triebssport. Seine klare Aussprache und die Liebe zum Sport und zur Fasnet prädestinierten Wer­ ner Jörres zum Sprecher zahlreicher Veran­ staltungen und Umzüge. Bereits Ende der 1960er Jahre bekam er eine Auszeichnung als bester Stadionsprecher der Regionalliga Süd vorn SWF. Er hat den Schwarzwaldma­ rathon angesagt, das Skispringen in Schön­ wald moderiert, zahlreiche regionale und überregionale Sportveranstaltungen wurden auch durch die Ansagen von Werner Jörres zu einem Ereignis. Selbstverständlich war er Stadionsprecher des FC 08 Villingen. Seine dritte Leidenschaft war die Villinger Fasnet. Sein Großvater war einst General­ feldmarschall bei der Katzenmusik, sein Va­ ter über viele Jahre Glonkivater. Werner Jör­ res entschied sich für die Katzenmusik, wo er auch jahrelang- laut Herbert Schroff- im 124 Vorstand saß und viele Katzenmusikbälle gestaltet hat. In der Straßenfastnacht, auch der der Kinder, war Werner Jörres jedesmal dabei. Die Festschrift zum 125jährigen Ju­ biläum wurde ebenfalls von ihm und von Werner Hirt verfaßt. Dies erscheint nur logisch, da das Archiv seiner Obhut unter­ stand. Als Auszeichnung erhielt er deshalb den Narrenbecher. Photographieren war auch ein Hobby, das ihm sicher als freier Mitarbeiter hiesiger Tageszeitungen zugute kam. Viele der Aktivitäten wurden gemeinsam mit seinem Freund Herbert Schroff bewerk­ stelligt, dazu gehören auch zwei Bücher über alte Ansichten aus Villingen, die aus einer Serie des „Südkuriers“ heraus entstanden sind. Herbert Schroff lieferte die Photos, Werner Jörres die Texte zur Stadtgeschichte. Ihre letzten Projekte waren die Restaurie­ rung des Berthold-Denkmals und der Ein­ satz für die Bemalung des Rathauses im Sti­ le der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts. Für die Restaurierung des Denkmals haben sie ca. 45 000 DM gesammelt, ein Teil davon steht noch für die zweijährigen Reinigungs­ arbeiten zur Verfügung. Das ehrenamtliche Engagement für die Belange Villingens lag ihm sehr am Herzen, obwohl die Vorfahren aus dem Rheinland (väterlicherseits) und aus Italien (mütterlicherseits) stammten. Zusammen mit seinem Freund Herbert Schroff hat er sich auch sozial engagiert, zunächst unterstützten sie die „Aktion Sor­ genkind“, später dann regionale Projekte, die nicht so hohe Verwaltungskosten verur­ sachten: die Feldner Mühle und die Amsel­ gruppe. WernerJörres hatte deshalb verfügt, bei seiner Beerdigung auf Blumen zu ver­ zichten und um Geldspenden für diese Ein­ richtungen zu bitten. Im März 1968 heiratete er seine Frau Ka­ rin, gebürtig in Schlesien und in Peine bei Hannover aufgewachsen, die 1952 nach Vil­ lingen kam. Kennengelernt haben sie sich in der Theatergruppe von Saba. Sie haben ei­ nen Sohn, Thorsten, und zwei Enkelkinder.

Mehr als ein Schulmann Klaus Panther baute die Robert-Gerwig-Schule zu einem Schulzentrum aus Die vielen Aktivitäten ihres Mannes hat sie mit Geduld und Humor ertragen, was sich­ erlich nicht immer leicht war. Auch Karin Jörres engagierte sich bei der Katzenmusik, indem sie jahrelang Ballett-Tänze einstu­ dierte, ferner nahm sie an Marathonläufen teil. Werner Jörres wollte sogar einmal für den Posten des Oberbürgermeisters kandidieren, Daß Furtwangen die Stadt seines Lebens­ werkes wurde, hatte für den in Offenburg geborenen Klaus Panther eine Vorgeschich­ te. Schon sein Vater, Vermessungsdirektor und Leiter der Flurbereinigungsbehörde in Offenburg, hat 1912 als Student der Geo­ däsie der Universität Karlsruhe im Oberen Bregtal seine Hauptvermessungsübung ab­ geleistet (ein Praktikum, das bis heute in der Uhrenstadt jährlich durchgeführt wird), je­ doch die höchstgelegene Stadt Badens war vor dem Ersten Weltkrieg eine Tagesreise weit von der Residenzstadt entfernt! Das Leben Klaus Panthers gehörte im Grunde genommen am wenigsten ihm selbst, immer war er für andere da und trug Verantwortung in der Öffentlichkeit. Es be­ gann schon in früher Jugend, als er in Of­ fenburg in der Pfarrei Heilig-Kreuz noch während der Nazizeit mit festem Willen und unter der Gefahr der Benachteiligung (gelinde gesagt) zur kirchlichen Jugendarbeit gelangte und daran festhielt. In der Nach­ kriegszeit setzte sich für ihn diese Tätigkeit als Leiter der Pfarrjugend mit der Organisa­ tion von Ferienlagern und dem Aufbau ei­ nes Singkreises fort. Nach dem Schulbesuch (Abitur 1955) folgte das Studium an der re­ nommierten Hochschule für Sozialwissen­ schaften in Wilhelmshaven (Gründungs­ mitglieder waren keine Geringeren als Theo­ dor Heuß, Ernst Reuter und Karl Arnold). Werner Jörr s I Persönlichkeiten er hat es sich nur zu spät überlegt, denn er war damals schon zu alt (über 65 Jahre) für eine Kandidatur. Mit seinem Tod hat die Stadt Villingen­ Schwenningen einen in vielen Bereichen en­ gagierten Bürger verloren. Ingeborg Kottmann Klaus Panther Nach dem Examen wurde Klaus Panther nach Furtwangen gewiesen an die Kauf­ männische Schule/Handelslehranstalt Furt­ wangen, eine Schule, deren Kollegium kaum kleiner sein konnte: ein Rektor, Ru­ dolf Pinzka, und eine Lehrkraft, eben Klaus Panther, ohne Sekretariat, ohne Fachräume. Das bedeutete hohen persönlichen Einsatz 125

Klaus Panther wie unterrichten aller Fächer in den beiden Klassen, tägliche Hofaufsicht, Wandern, Ausflüge. Er mutete sich ein Übermaß an Arbeit, oft auch Kleinarbeit, zu. Um den Lehrermangel zu überwinden, erteilte er fast jedes Jahr neben seiner Schulleitertätigkeit acht unbezahlte Überstunden pro Woche, und dies auch in seinem letzten Dienstjahr 1998. Die Unterrichtsräume, teilweise noch mit Kachelöfen versehen, waren im Erdgeschoß des Gebäudes in der Baumannstraße 13 untergebracht. Ziel der damaligen Schul­ politik war die Einführung des Fachlehrer­ prinzips und die Auflösung dieser Schule mit dem kleinen Kollegium so bald als mög­ lich. Doch dem standen die Vorstellungen Panthers diametral entgegen. Nicht Auflö­ sung, sondern Aufbau eines Schulzentrums unter Zusammenlegung aller Furtwanger Beruflichen Schulen, die sich zwar in der gleichen Straße befanden, aber völlig unab­ hängig voneinander waren. Für dieses Ziel mußte das Kultusministerium, die beiden anderen Kollegien, aber auch Gemeinderat und Einwohnerschaft gewonnen werden. Allein gegen alle! ,,Knallharte Arbeit“, erin­ nert sich Klaus Panther im Abstand der Zeit. Und dies für Jahre! Die Schwierigkeiten waren enorm, nicht nur, daß, um einen qualifizierten Unterricht zu gewährleisten, Lehrkräfte an die Schule gezogen werden mußten, Klaus Panther gelang es, diese an der ehemaligen Staatlichen Ingenieurschule und am Otto-Hahn-Gymnasium zu finden und für einige Stunden zu verpflichten (die früheren Bestimmungen machten dies möglich). Für diese Leistung erhielt Klaus Panther vom damaligen Präsidenten des Oberschulamtes, Prof Dr. Karl Kindler, ein persönliches Anerkennungsschreiben für sein Engagement „in fast aussichtsloser Si­ tuation“ (15. September 1970). Jetzt war es für Hauptschüler wieder möglich, in Furt­ wangen an der Wirtschaftsschule die Mittle­ re Reife zu erlangen. Eine Realschule gab es noch nicht. Dennoch, die Schwebelage der 126 Situation zeigte sich durch nichts genauer, als daß Panther vier Jahre die Schulleitung kommissarisch zu verwalten hatte. Noch lange waren die Auflösungspläne nicht end­ gültig vom Tisch. Inzwischen platzte das Schulgebäude in der Baumannstraße 13 aus allen Nähten. Der Pavillon wurde 1971 für die naturwissenschaftlichen Fächer errichtet, nicht genug, die Kellerräume mußten um ei­ nen Meter vertieft werden. Das Geld dafür bettelte Panther bei der Industrie und den Unternehmern zusammen, er stellte Spen­ denbescheinigungen aus, die vom Finanz­ amt anerkannt wurden! Dies alles gegen den Willen des Kreistags. 1969, schon bei Übernahme der Schule hatte Panther das Bestreben, das Einzugsge­ biet für Furtwangen zu vergrößern, die Schüler aus Triberg und Schonach hierher zu bringen. Dies gelang und hatte sogar Fol­ gen für den Busverkehr. Über die neue Kreisstraße zwischen Schonach und Schön­ wald (die Initiative von Bürgermeister Al­ bert Haas) fuhr die SBG eine Linie von Tri­ berg über Schonach und Schönwald nach Furtwangen. Umsteigen in Triberg war nicht mehr nötig, was von den Schülern sehr be­ grüßt wurde. Für Furtwangen war es wichtig, Schulein­ richtungen „oberhalb der Mittleren Reife“ zu haben. Der „kommissarische“ (!) Schul­ leiter setzte sich 1971 für die Einrichtung ei­ nes Technischen Gymnasiums ein. Dies er­ forderte den Einsatz Panthers auf der politi­ schen Schiene bis zum Ministerpräsidenten Hans Filbinger. Panther erlebte damals den Wirbel um diese Schule, den sich das Staats­ ministerium in Stuttgart und das Ober­ schulamt in Freiburg, das gegen die Vorstel­ lungen Panthers war, leisteten. Ohne daß es für die Stellung Panthers als Schulleiter ei­ nen Vorteil gebracht hätte, wurde auf seine Initiative hin 1974 das Wirtschaftsgymnasi­ um eingerichtet. 1978 erhielt seine selbstän­ dige Kaufinännische Schule das Berufskolleg I (11. Schuljahr). 17 Jahre mußte er sich um die Errichtung des Berufskollegs II (12.

Schuljahr mit Abschluß Wirtschaftsassistent mit Furtwanger Besonderheit Sportassistent und Fachhochschulreife) bemühen. Auch hier zeigte sich, wie mühsam Bildungspoli­ tik für den ländlichen Raum war. 1986 kamen dann zusätzlich die gewerbli­ chen Schularten unter seine Leitung. So wurden de facto alle beruflichen Schulen nach langem Hin und Her zusammengefaßt und sind einer Auflösung wie in Triberg und St. Georgen entgangen. Von da ab ging es Schlag auf Schlag. Nach­ dem in den 70er Jahren die dreijährige Be­ rufsfachschule mit der Feintechnikerschule in Schwenningen im Landeshaushalt zu­ sammengelegt wurde (sollte dies der Anfang einer Verlegung ins Oberzentrum sein?), er­ hielt die Furtwanger Schule 1987 durch ein eigenes Kapitel ihre finanzielle Unabhän­ gigkeit wieder. 1988 kam die Berufsfach­ schule für Kommunikationselektroniker in der Vollzeitform hinzu. 1990 erhielt die Dreijährige Berufsfachschule für Uhrma­ cher, Feinmechaniker, Kommunikations­ elektroniker und Technische Zeichner das Recht, die Fachhochschulreife zu erteilen. 199 5 das Berufskolleg Technik und Medien, 1997 das Kaufmännische Berufskolleg II, das nach 12 Vollzeitschuljahren direkt zur Fachhochschulreife führt. Neubau unumgänglich Die Schulsituation nahm um 1990 gerade­ zu groteske Züge an. Die Gewerbliche und Kaufinännische Schule waren an vier Stellen über die Stadt verteilt: in einem Fabrikge­ bäude in der Goethestraße, in Kellerräumen der Friedrichschule, im Otto-Hahn-Gymna­ sium, in der alten Hauptschule in Neukirch, und da dort kein Kollege freiwillig unter­ richten wollte, tat es der Direktor selbst. Ein Neubau war unumgänglich. Rück­ wärtsgewandte Kräfte wollten die mühsam gefundene Einheit der beruflichen Schulen verhindern, indem sie eine Kleinstlösung fa­ vorisierten, d. h. Anbau jeweils bei der Bau- Persönlichkeiten mannstraße 13 und 38. Panther strebte die „mittlere Lösung“ an, um aus dieser Lage herauszukommen, das bedeutete, alle be­ nötigten Schulräume in der Baumannstraße 38 anzubauen. Die Vorbereitungen waren schon weit gediehen, das Einverständnis al­ ler zuständigen Stellen war eingeholt bei Landesbehörden, Landrat, Kreistag und Ge­ meinderat. Der Gemeinderat beschloß auf seinen Antrag als Stadtrat den Kauf des Ge­ bäudes Baumannstraße 13. Zahllose Ver­ handlungen waren geführt worden, da trat ein überraschendes Problem auf, das der Entwicklung eine völlig neue Wendung gab. Ein Interessent, die Fachhochschule, war außerhalb der Planung geblieben: wie sollte für beide Institutionen das Parkplatzpro­ blem in der Innenstadt gelöst werden? Eine ausweglose Situation. Was jetzt? Da brachte Klaus Panther den Großhausberg ins Spiel, obwohl er auch das Scheitern des Gesamt­ projektes befürchten mußte. In Furtwangen rieb man sich die Augen. Alle Überlegun­ gen, alle Planungen umsonst? Jetzt bedurfte es erst recht starker Nerven! Für Klaus Panther begann eine neue Phase von Verhandlungen auf allen Ebenen – ,,un­ ermüdlich engagiert und wohl auch listen­ reich.“ (Reimund Rutschmann, freier Archi­ tekt BDA in: Neubau des Berufsschulzen­ trums, 1995, S. 19), und er gesteht es, daß er alle irgendwie an der Entscheidung Beteilig­ ten persönlich ansprach und sie von der op­ timalen Lösung zu überzeugen versuchte. Vom Stadtratskollegen bis zum Minister­ präsidenten Erwin Teufel. Bei allen Mehr­ heitsentscheidungen in der Demokratie, die Überzeugungskraft eines Einzelnen ist un­ entbehrlich – und als einzige wirkungsvoll zugleich. Und es gelang, das Berufsschul­ zentrum der Robert-Gerwig-Schule in seiner heutigen Gestalt zu erstellen. Es sollte Klaus Panthers Lebenswerk werden. Der Plan der ARP-Architektenpartnerschaft Stuttgart wurde von 1992 bis 199 5 in die Wirklichkeit umgesetzt. Träger waren das Land Baden­ Württemberg und der Schwarzwald-Baar- 127

Klau Panther Kreis. Furtwangen wurde eine Schulstadt, die von ihrer Größe her gesehen ihresglei­ chen sucht. Das hochmoderne Gebäude aus Stahl und Glas mit dem Ring des Klassen­ trakts, dem Langbau des Werkstattbereichs, dem Rundbau der Bibliothek und dem Fächer der Eingangshalle, was alles zusam­ men elf Schularten beherbergt, bezeichnet Klaus Panther selbst als „Krone Furtwan­ gens“. Auf dem Weg dahin lagen oft Wider­ spruch und Anerkennung nahe beieinander. Die heutige, alle schulischen Bedürfuisse zu­ friedenstellende Situation Furtwangens hat ihm recht gegeben. Daß das Don-Bosco-Heim die heutige Be­ deutung behalten hat und vielen Studenten die Sorge für Unterkunft und Verköstigung abnimmt, ist ein zusätzliches Verdienst Klaus Panthers. Eine Urkunde und die „Don-Bosco-Erinnerungsmedaille“ erhielt er als sichtbares Zeichen des Dankes vom Salesianerorden. Die Ehrung, die die Bundesrepublik Deutschland verleihen kann, ist das Bun­ desverdienstkreuz am Bande. Klaus Panther erhielt sie 1981 durch Bundespräsident Karl Carstens, ausgehändigt von Ministerpräsi­ dent Lothar Späth. 1974 und 1979 war er Mitglied der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten. Doch daß Furtwangen eine „Schulstadt“ von Rang wurde, war, was den Schulmann Panther angeht, noch lange nicht seine ganze Leistung. Bis in die innerste Führung des Kultusministeriums war sein Rat gefragt. Daß die 10. Hauptschulklasse die Bezeich­ nung „Werkrealschule“ erhielt, ist (wenig be­ kannt) seine Idee gewesen. Die Aktivität Klaus Panthers ging weit über seinen eigenen Bereich hinaus. Noch vor der Vereinigung der beiden deutschen Staa­ ten trat er mit der bekannten Uhrmacher­ schule Glashütte/Sachsen in der ehemali­ gen DDR in Verbindung unter der Regie­ rung Egon Krenz. Verhandlungen führte er sogar mit dem sächsischen Ministerpräsi­ denten Kurt Biedenkopf. Und so konnte dort rechtzeitig nach 1990 eine dreijährige Berufsfachschule für Uhrmacher auch gegen die neue sächsische Ministerialbürokratie durchgesetzt werden. Doch Klaus Panther war nicht nur der Sdrnlorganisator, sondern auch Lehrer, und dies aus Leidenschaft. Sein oberstes päda­ gogisches Prinzip: die Förderung der Schwä­ d1eren, Vermeidung von Demütigungen. Und so erinnert er sich nicht an ernsthafte Schülerprobleme, in 40 Dienstjahren nicht, in Jahren großer gesellschaftlicher Verände­ rungen und stürmischen Wertewandels nicht! Kamen Probleme auf, so redete er mit den Schülern in der Direktion; keine Rügen Der Neubau des Berufsschulzentrums am Großhausberg. 128

vor den Klassenkameraden. Und als Prü­ fungsvorsitzender war er stets auf der Seite der Gefährdeten. Der Kommunalpolitiker Panther war in frühen Jahren Mitglied und Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Donaueschin­ gen. Dadurch zog er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Als Stellvertre­ tender Landesvorsitzender dieser politi­ schen Jugendorganisation führte er regel­ mäßig Grundsatzseminare im Don-Bosco­ Heim Furtwangen und im Studienhaus Wis­ neck bei Freiburg durch. In dieser Tätigkeit engagierte er sich landesweit für die von der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger abgesprochene Wahl­ rechtsänderung (Einführung des Mehrheits­ wahlrechts). Trotz Unterstützung des For­ schungsinstituts für Politische Wissenschaft der Universität Köln unter der Leitung von Professor Dr. Ferdinand A. Hermens, mit dem er in ständiger Korrespondenz stand, erlebte er seine erste große politische Enttäuschung, als diese vereinbarte Reform bei den Auseinandersetzungen zur Wahl des Bundespräsidenten Heinemann (Große Ko­ alition CDU /SPD, gleichzeitig geheime Koalition SPD /FDP) in der Bundesver­ sammlung geopfert wurde. 26 Jahre war er Mitglied des Gemeinderats der Stadt Furtwangen. Er wußte wohl, daß sich zu gewissen Zeiten eine Stadt verschul­ den muß. Dinge, die im Trend liegen, müs­ sen durch höhere Verschuldung finanziert werden. Aber es müssen auch wieder Jahre des Sparens kommen. Bei seinem Ausschei­ den aus dem Gemeinderat hatte die Stadt neun Millionen DM Schulden weniger. Oh­ ne Geldaufnahme wäre die Stadt Furtwan­ gen nicht zu einem neuen Krankenhaus und zwei neuen Gymnasien auf dem Ilben und dem Oberen Bühl, zu den Neubaugebieten, Turnhallen und einem Feuerwehrgerätehaus gekommen. Furtwangen hatte einen Kin­ dergarten, heute sind es in der Gesamtstadt sechs, für Klaus Panther war es ein Haupt­ anliegen. Als CDU-Fraktionsvorsitzender Persönlichkeiten schlug er die Konzeption des Gymnasiums mit einem Realschulzug vor und verhandel­ te darüber mit Ministerialdirektor Piazolo. Von konservativen Bildungspolitikern han­ delte er sich den Vorwurf eines Integrations­ fanatikers ein. Politik mit Augenmaß be­ stimmte auch hier sein Handeln. Nicht weniger ein Anliegen war ihm die würdige Unterbringung älterer Menschen, und er war deshalb Gründungsmitglied des Altenheimvereins Furtwangen und trug be­ sonders die Durststrecke der ersten Jahre mit. Spannend war die Zeit der Eingemein­ dung, durch die die Fläche der Stadt Furt­ wangen verdreifacht wurde. Viel Überzeu­ gungsarbeit war zu leisten, oft in kleinem Kreis, sogar in der eigenen Wohnstube. Mitglied des Kreistags Als Mitglied des Kreistags setzte er sich für die Einrichtung von Sozialstationen ein, wo immer es möglich war. Ein Grundsatz der politischen Arbeit: Zuerst kamen beim Aus­ bau des Schulwesens im Kreis alle anderen Schulen in Betracht. Als eine soziale Großtat aber sieht er bis heute den Bau der Sonderschule für geistig und körperlich be­ hinderte Kinder an, Menschen, die keine Lobby haben. Und es geschah etwas ganz Unerwartetes: Eltern, die bisher ihre Kinder meist zu Hause behielten, schickten sie nun in diese Schule. Sie hat heute die vielfache Schülerzahl. Zuletzt kam seine „eigene“ Schule in Furtwangen, die das Stadtbild ent­ scheidend prägt. Als CDU-Kreisvorsitzender (von 1972 bis 1992) hatte Klaus Panther Wahlkämpfe zu organisieren, für entscheidende Ämter im­ mer die richtigen Kandidatinnen und Kan­ didaten zu suchen, die Kreisgeschäftsstelle von Donaueschingen nach Villingen zu ver­ legen und sie technisch zu modernisieren. Seine Idee war es, nach jeder Wahl alle Par­ teimitglieder zu einer „Wahlparty“ einzula­ den. Sie fand Anklang und ist Tradition 129

Klaus Panther geworden. Die CDU des Altkreises Do­ naueschingen mit der des Altkreises Villin­ gen zu vereinen, konnte nur gelingen durch seine Teilnahme an allen Generalversamm­ lungen, Kandidatenaufstellungen, Wahlver­ anstaltungen, Sehlichtungen von Gruppen­ konflikten auch in den entferntesten Ort­ schaften bis oft spät in die Nacht mit langen Heimfahrten auch bei winterlichen Straßen­ verhältnissen. Die Partei ehrte ihn, indem sie ihn zum Ehrenvorsitzenden ernannte. Schließlich hatte Klaus Panther auch eine Familie. Viel Unterstützung erfuhr er durch seine Frau Elisabeth. Trotz aller Arbeit in der Öffentlichkeit fand er immer auch noch Zeit für seine nächsten Angehörigen, was heute gern seine Tochter und seine drei Söh­ ne bestätigen. Immer war die Offenheit für Gespräche, kontroverse Diskussionen und persönliche Entscheidungen gegeben. Oft genug lieferte die Politik den Stoff für ge­ gensätzlichen Meinungsaustausch. Um für die sechsköpfige Familie genügend Raum zum Leben zu schaffen, baute er 1969 ein Haus, um das die vier Kinder auch noch Platz fanden, Fußball zu spielen und Hütten zu bauen. Im Ruhestand kann Klaus Panther seinen Hobbys nachgehen. Zu diesen gehört das geliebte Wandern im Schwarzwald, im Kai­ serstuhl und in den Vogesen mit Einkehr in einer Ferme-Auberge bei einem guten ale­ mannischen Vesper mit Riesling. 16 Jahre war er Stellvertretender Vorsitzender des Schwarzwaldvereins. Das Lesen mehrerer Tageszeitungen und das Studieren politi­ scher Grundsatzfragen (Friedenspolitik, Konfliktlösungen), die Lektüre geschichtli­ cher und religiöser Literatur gehört ebenso dazu wie das Hören der Musik von Gustav Mahler, Johannes Brahms und Johann Se­ bastian Bach – und wie selbstverständlich ist ihm das Interesse an der Entwicklung des Schulwesens geblieben: für das Grundschul­ Englisch sowie die United World und Inter­ national Baccalaureate Colleges, die mit dem internationalen Abitur abschließen, 130 von denen es inzwischen weltweit 900 gibt, Schulen mit gleichen anerkannten Bil­ dungsinhalten. Drei seiner Kinder haben solche Schulen besucht. Nationale Identität haben, aber sich auch mit Traditionen an­ derer Völker und Religionen mitfühlend und auf intelligente Weise auseinanderset­ zen und die Mitmenschen anderer Kulturen als gleichwertig anerkennen, dem sollte sich die Jugend öffnen. So lebt Klaus Panther zwar im Ruhestand, aber es ist ein Ruhestand, wie er ihn sich wünschte, bei guter Gesundheit und immer noch von Aktivität und Interessen geprägt, offen für alle Probleme der Gegenwart und Zukunft, jederzeit zu einem Gespräch be­ reit. Daß ihm dies alles noch lange vergönnt sei, ist der Wunsch aller, die ihn kennen und schätzen gelernt haben. Kar/Volk Mülldeponien dual mit grünem Punkt versehen Ozon Ölkatastrophen sinkender Tanker Kriege im Smog der Großstädte Trotzdem lieben … Bernhard Brommer

,,Herr, hilf das Rechte zu sagen“ Persönlichkeiten Pfarrer Kurt Rommel über 17 Jahre Chefredakteur der evangelischen Gemeindezeitung „Herr, hilf das Rechte sagen. Hilf uns das Gute wagen. Herr, hilf das Rechte tun.“ Kurt Rommel -Pfarrer, Redakteur -und mehr. „Ich rede, wenn ich schweigen sollte, und wenn ich etwas sagen sollte, dann bin ich plötzlich stumm … “ Manch ein gutes Wort, ein gutes Lied begleitet einen auf des Lebens Weg. Eines von den „Neuen Liedern“ (es hat die Nummer 760), verstanden als ein Ange­ bot für die Gemeinden der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, erlernt am frühen Morgen, in jüngsten Jahren -im Kinderchor der Schwenninger Paulusge­ meinde; gekonnt am Mittag, auf der Höhe der Kraft, die es Krisensituationen zu beste­ hen auch braucht; unvergessen am Nach­ mittag, wenn sie zu schwinden beginnt; am Abend, wenn Dämmer hereinbricht -ein helles Licht. Eine Hoffuung; eine Verpflich­ tung auch: ,,Ich schweige, wenn ich reden sollte, und wenn ich einmal hören sollte, dann kann ich’s plötzlich nicht … “ Es bleibt die Bitte, der immer wiederkehrende Re­ frain: ,,Herr, hilf das Rechte sagen. Hilf uns, das Gute wagen. Herr, hilf das Rechte tun.“ Wer singt, betet doppelt! Der das Lied schrieb, weiß das. Hunderte von Kanons, (Familien-)Gottesdienst-und biblischen Er­ zählliedern flossen aus seiner Feder, auch die Melodien dazu komponierte er oft. Sein Engagement für das „Evangelische Gesang­ buch 2000″, seit 1997 im Gebrauch, zeich­ net ihn aus. Der (nicht mehr ganz tau[f]fri­ sche) Schwenninger Gottesdienstbesucher begegnet darin einem Vertrauten (wieder): Pfarrer Kurt Rommel, 1966-1974 Gemein­ depfarrer an der Pauluskirche der Neckar­ quellstadt, einem Neuerer, Komponisten, Liederdichter, Buchautoren, Redakteur -ei­ nem Mann voller „Talente“, der als Mann Gottes im Dienst der Gemeinde „mit seinen Pfunden wuchert(e)“. Vergessen ist er gewiß nicht; schweigen über ihn, der große Worte dieser Welt in ihrer Vergänglichkeit nicht schätzt, sollte man an der Stätte seines ein­ stigen Wirkens nicht, wenn er sein siebtes Lebensjahrzehnt vollendet. Der am 20. Dezember 1926 in Kirch­ heim/Teck geborene Pfarrer und Redakteur i.R. studierte Evangelische Theologie 1945- 1947 in französischer Kriegsgefangenschaft an der Ecole de Theologie zu Montpellier, 1947-1951 zurück in Deutschland an den Universitäten zu Heidelberg und Tübingen, versah als Vikar in Baiersbronn-Tonbach und Schönaich seinen Dienst, wurde Paro­ chialvikar und Gemeindepfarrer an der Er­ löserkirche in Friedrichshafen, kam -wofür er sich in fünfjähriger nebenamtlicher Tätig­ keit als Bezirksjugendpfarrer im Sprengel131 Pfarrer und Redakteur: Kurt Rommel

Kurt Rommel Ravensburg hinreichend qualifiziert hatte -1960 als Stadtjugendpfarrer nach Bad Cannstatt. Dort gab er, am Puls der Zeit, wertvolle Im­ pulse; dort wurde er bekannt durch seine „Gottesdienste im Filmpalast“ – für die Ju­ gend, ansprechend. Erreichen wollte er auch die der Kirche Fernstehenden. Singet dem Herrn ein neues Lied! Warum nicht mit neu­ en Formen des Gottesdienstes, in dem auch der Jazz seinen Platz hat, Gott loben? Kurt Rommel, der immer die Einheit in der Viel­ falt suchte, auf daß nicht statt frommer Ein­ falt Einfältigkeit im Hause Gottes herrsche, machte sich als „moderner Pfarrer“ einen Namen: als ein den Problemen der Gegen­ wart aufgeschlossener, die stets mit dem christlichen Glauben zu konfrontieren sind. ,,Seine Arbeit, die weit über die Württem­ bergische Landeskirche hinaus gewürdigt wurde, fand unsere volle Bewunderung“, er­ innert sich nach Jahren Kirchenrat Herr­ mann Mittendorf Immerhin war Rommel 1963 bis 1966 auch Vorsitzender der Stadt­ jugendpfarrerkonferenz Deutschlands. Und 1963-1967 Mitglied im Ausschuß für mu­ sisch-kulturelle Bildung in der Evangeli­ schen Jugend Deutschlands, 1967-1969 des­ sen Vorsitzender, zeitweise dessen kommis­ sarischer Referent. ,.Vielfach profiliert“ Doch halt, in diese Jahre fällt bereits die Schwenninger Amtszeit Kurt Rommels, der 1966 als Pfarrer an der Pauluskirche aufzog. Der seiner Gemeinde in der Neckarvorstadt nie ganz gehörte. Zumal er überparochial bzw. im Kirchenbezirk seine Kreise zog: in der Diakonie, in der überregionalen Ehebe­ ratung, in der Erwachsenenbildung, in der Fürsorge für Kindergärten, im Kuratorium „Tagungsstätte Tieringen“. Ein Pfarrer außer Etters, ennet der Mauern der Stadt: ein Bild nur des von Rolf Krülle zu Recht als „viel­ fach profiliert“ Gepriesenen. Daß dieser Pfarrer, der der Zeit sich nicht 132 verschloß, in der Uhrenstadt, die von der Zeit lebt(e), Akzente setzte, Anregungen gab, ,,Anstöße“ auch, kann nicht verwun­ dern. Vorweg als Mann der „Gemeindere­ form(ation)“, will heißen einer neuen Form der Gemeindeleitung mit dem Ziel einer Demokratisierung der Kirche in den ihr als christlicher Gemeinde gesetzten Grenzen, die ja nicht über Gott abzustimmen antre­ ten kann: Gemeindeversammlung und Ge­ meindeausschuß, in dem zu den Haupt­ amtlichen und den gewählten Kirchenge­ meinderäten sich Vertreter aller Gruppen der Gemeinde gesellten, ließen die dienen­ den Kräfte mehr zu Wort kommen, verhal­ fen den Gläubigen zu größerem Gewicht. Der Gruppen aber waren viele – dank des unermüdlichen Einsatzes eines Mannes von außerordentlicher Arbeitskraft, der das Ge­ schick besitzt, tüchtige Mitarbeiter zu ge­ winnen. Die Jugend lag Rommel am Her­ zen: Kindergruppen undJungscharen, sogar ein Kinderchor bereicherten die Gemeinde; für die Konfirmanden entwickelte der Ein­ fallsreiche einen neuen Unterrichtsstil, der dem einzelnen sich einzubringen ermög­ licht; verschiedene ,Jugendclubs“ sollten verhindern, daß nach der Konfirmation die vom CVJM nicht Angezogenen auseinan­ dergehen. Der Familie als religiöser Institu­ tion galt seine liebende Aufmerksamkeit: Die ersten Familientage, Familienausflüge, Familienfreizeiten der Schwenninger Prote­ stanten wurden von der Paulusgemeinde veranstaltet; der erste Familiengottesdienst in der Stadt auf der Baar wurde in der Pau­ luskirche gefeiert, getragen vom Gedanken, die Familie zur „familia dei“ zu führen, zur Gemeinde Gottes – und damit zum Selbst­ verständnis der Familie als „heilige Familie“ (Kurt Rommel). Das Gefühl der Zugehörig­ keit zu einer starken Gemeinschaft gedei­ hen ließ auch das gemeinsame Essen der Gemeinde; die Kommunikation gewährlei­ steten die halbjährlich erscheinenden „Ge­ meindeangebote“, das erste Programm ei­ ner Gemeinde am Neckarursprung. Ange-

bote für alle Altersstufen, die anzusprechen sind: Der Altenclub „als erste Einrichtung dieser Art in Schwenningen … kam ins mo­ natliche Programm“, erinnert sich der ehe­ malige Pauluspfarrer. Ein Wegbereiter. Für vieles über Grenzen hinweg. „Ich möchte gern dort Hände rei­ chen, wo alle tiefe Gräben sehn. Ich möch­ te hinter Zäune schauen und über hohe Mauern gehn.“ Kurt Rommel, der auch die­ ses Lied (Neue Lieder 753: „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“) zu Papier brach­ te, gelang, was Politikern noch schwer genug fällt, Narren der Welt – auch hochhistori­ sche „Faßnachtsnarren“ – ablehnen, dieje­ nigen aber schaffen, die „Narren sind um Christi willen“. Er schlug Brücken zur Bru­ dergemeinde im damals noch selbständigen Villingen/Baden. Der Doppelstadt ein Buch gewidmet Er hinterließ Spuren. In der Paulusge­ meinde. In Schwenningen. In der nun „Sil­ berhochzeit“ feiernden Doppelstadt im Zweistromland von Brigach und Neckar, die zu jung noch für den Altenclub, dem Rom­ mel als Dankesgabe das Buch „Unser Tag und unser Abend. Lieder, Bilder, Texte für ältere Menschen“ (Stuttgart 1975) widmete – und doch schon zu bejahrt für den von ihm einst ins Leben gerufenen „Treffpunkt junger Paare“. Schallplatten gehören dazu, „neue Lieder aus Villingen-Schwenningen“: „Christus ist geboren“ und „Gott liebt die Welt“ (Weihnachtslieder) sowie „Öffnet die Türen“ (zu Advent, Christtag, Epiphanias, Passion, Ostern und Pfingsten); aber auch „Aus der Paulusgemeinde (60 Jahre Paulus­ kirche – 60 Jahre Pauluskirchenchor)“ oder „Schwenninger Kindergartenkinder singen und musizieren Morgen- und Abendlieder“. Nächst dem eine Reihe von am Neckar her­ ausgegebenen Liederbüchern und -heften, wie „( Wir) Kinder singen (neue Lieder)“, ,,10 Gebote für den Kindergottesdienst“, „Got­ tesdienst am ersten Schultag“, ,,Bitte, Sen- Per önlichkeiten dung, Segen“ und „Zum Kirchenjahr“ für Familiengottdienste, „Ehre sei Gott in der Höhe“, »Ehre und Friede“, ,,Lieder vom Frieden“ und „Zur Besinnung“. Zu nennen ist, neben „Wir singen vom Frieden. Lieder für Familiengottesdienst mit Bildern und Texten“ (Lahr 1971), unbedingt die Mitar­ beit an „Schalom – ökumenisches Lieder­ buch. Lieder, Texte, Grafiken“ (Gelnhausen, Berlin 1971), wurde doch die Ökumene praktiziert, in ökumenischen Gottesdien­ sten, im ökumenischen Gesprächskreis, in Mühlhausen vorab. Und nicht zuletzt erwuchsen aus dem Le­ ben, dem Gespräch mit der (lebendigen) Ge­ meinde Bücher: ,,Die Weihnachtszeit im Kindergarten. Vorschläge, Modelle, Texte, Lieder für Erzieher, Pfarrer, Eltern“ (Lahr 1975) zum Beispiel, oder „Kinder- und Fa­ miliengottesdienst. Advent – Weihnachten. Überlegungen zur Verkündigung – Anre­ gungen zur Gestaltung – Modelle – Ele­ mente (Lahr 1972) und „Kinder- und Fami­ liengottesdienst. Passion – Ostern – Pfing­ sten“ (Lahr 1974) zusammen mit Martin Schmeißer, da beide sich von J. Moltrnann angestachelt sahen, der meinte: ,,Man geht heute nicht mehr zur Kirche, weil es einem nützen könnte … man geht zur Kirche, weil es einem Freude macht, wenn der Gottes­ dienst erfreulich ist.“ Dafür wollten sie Sor­ ge tragen. Ferner entstanden Bücher zur Be­ sinnung in besonderer Lage – wie „Die Lie­ be hat viele Gesichter“ (Stuttgart 1971), ,,Freude, die keine Grenzen kennt“ (Stutt­ gart 1972), „Das Alter – hohe Zeit des Le­ bens“ (Stuttgart 1973), ,,Mut zum Trauern“ (Stuttgart 1974): Lebensbegleiter in Leid und Freud. Was Wunder, wenn die Tage des Talents am Neckarquell gezählt waren. 1974 folgte der Sohn eines Buchdruckers, welcher, wie ersichtlich, dem „Druckgewerbe“ nicht ver­ lorengegangen, dem Ruf der Evangelischen Gesellschaft: Kurt Rommel trat in Stuttgart seine Stelle als Theologischer Schriftleiter beim „Evangelischen Gemeindeblatt für 133

Kurt Rommel Württemberg“ an, dessen Chefredakteur er später werden sollte. Er blieb es bis zu seiner Pensionierung 1991. Die Aufgabe war nicht leicht. Zumal zur Zeit seiner Berufung als Journalist die beiden Blätter „Stuttgarter Sonntagsblatt“ und das „Evangelische Ge­ meindeblatt für Württemberg“, die für ver­ schiedene kirchenpolitische Lager standen, vereinigt wurden. Zwischen Scylla und Charybdis zwar nicht, doch zwischen „Links“ und „Rechts“ einen geraden Kurs zu fahren, ohne als Zeitung für alle immer in der Mitte zu liegen, erforderte es alles Ge­ schick des klugen Steuermanns. Heiße Eisen packte er dennoch an. Politische. Denn, so Kurt Rommel (Kürzel: kuro), „viele christli­ che und kirchliche, diakonische und missio­ narische Probleme ergeben sich durch poli­ tische und gesellschaftliche Entscheidungen … Und wir müssen wissen, daß wir als Chri­ sten in dieser Welt leben, in dieser Welt un­ seren Glauben leben. So versuchten wir immer wieder politische (nicht partei-poli­ tische!) Probleme aus christlicher Sicht zu behandeln. Wenn wir uns selber den Mund verbieten und keine politische Äußerung mehr machen, haben wir aufgegeben, ein ernstzunehmendes evangelisches Gemein­ deblatt zu sein.“ Anstoß erregt das bei man­ chem vielleicht. Wichtiger sind die Anre­ gungen, die von dem Manne ausgehen, der -im „Gebet über der Zeitung“, gedruckt 1967 in Stuttgart -die Meinung vertritt: „Aus der Bibel erfahren wir, wie wir beten sollen. Aus der Zeitung, was wir beten sol­ len“.Der Wahrheit verpflichtet Über 17 Jahre war Kurt Rommel als Re­ dakteur vom Pfarrdienst freigestellt. Es wird wohl der richtige Mann an der richtigen Stelle gewesen sein, der die württembergi­ sche Kirchenregionalzeitung immer zum Gemeindeblatt im besten Sinne des Worts gestaltete. Immer (wie in „Die Liebe hat vie­ le Gesichter“) sich dessen bewußt, daß ein 134 Pressemann Macht besitzt: „Meine Artikel werden gelesen. Ich bilde Meinung. Wahr­ heit und Lüge habe ich in der Hand. Ich kann nicht verheimlichen, was ich denke. Ich kann durch Schreiben lügen und durch Weglassen …. Die Liebe (aber) freut sich an der Wahrheit.“ Immer. Dabei den rechten Ton zu treffen, ist ein Könner von seltenen Graden vonnöten. Kurt Rommel ist ein sol­ cher. Er traf ihn -in seinem Gemeindeblatt wie in seiner Kirchenmusik. „Das Lied trägt die Botschaft weiter, die die Liebe Gottes zum Inhalt hat, aber auch den Auftrag, in der Welt verantwortlich zu handeln.“ (Zitat aus: „Die Pauluskirche“. Schwenningen a. N. 1970) -„Gerede und Getue von Ge­ rechtigkeit? Geh, rede von Gerechtigkeit! Geh, tue Gerechtigkeit!“: Gedanken Kurt Rommels im Vorwort zu „Gerecht reden und gerecht handeln. Ein Lese-und Arbeits­ buch für die Gruppenarbeit“ (Wuppertal 1971).Dafür ist kein Weg zu weit. Zu suchen sind stets neue. Kurt Rommel tat und tut es. Als Pfarrer und Buchautor, als Redakteur, Jour­ nalist, Liedtexter, Komponist; als Christ. Auch als Führer bei „Wanderungen in die Kirchengeschichte“, war er doch von 1978 bis 1996 Vorsitzender des Landesarbeits­ kreises für Freizeit und Erholung im Evan­ gelischen Gemeindedienst der Evangeli­ schen Landeskirche in Württemberg; bei Reisen in aller Herren Länder, unter Schutz und Schirm des Einen. Stets unterwegs, ius­ su Domini. „immer etwas Neues -immer originell“; so lautet der Slogan des „immer grün“-Kalenders anno 1975 bereits; 1997 heißt dessen Herausgeber Kurt Rommel. Er könnte als Titel auch über seinem Leben ste­ hen. In dem die Bitte wohl nicht oft verge­ bens getan: „Herr, hilf das Rechte sagen. Hilf uns das Gute wagen …. Herr, hilf das Rechte tun.“ Michael] H Zimmermann

Mitbegründerin der Muettersproch-Gsellschaft Bärbel Brüderle setzt sich engagiert für die Erhaltung des alemannischen Dialekts ein Persönlichkeiten Um wie vieles ärmer wäre die Welt, würde man ihr die Dialekte nehmen! Eine Philo­ sophie, die Bärbel Brüderle aus ganzem Her­ zen bestätigt. Die gebürtige Villingerin schwätzt nicht nur so wie ihr der Schnabel gewachsen ist, sie bringt den Dialekt auch zu Papier. Am liebsten in Form von Leserbrie­ fen, in denen sie, sehr zur Freude und gele­ gentlichem Amusement der Leser, den Fin­ ger punktgenau auf die kleinen und größe­ ren Wunden legt, oder in ihren Texten zur Fasnet, die vornehmlich den Villinger Mün­ sterfrauen gewidmet sind. Das war nicht immer so. Kriegsbedingt in das Villinger Hinterland ausgesiedelt, wurde das junge Mädchen in einer Dorfschule mit dem Dialekt des Ortes konfrontiert und konnte sich nur schwer mit diesem für ihre Bärbel Brüderle Ohren entstellten Schriftdeutsch anfreun­ den. Das Schulkind von damals ist heute Vorsitzende und Mitbegründerin der Regio­ nalgruppe der Muettersproch-Gsellschaft „A Brig un Breg“ und ins Alemannische schwer verliebt. Kultur im allgemeinen und die Geschichte der Zähringerstadt im be­ sonderen liegen ihr am Herzen. Durch län­ gere Aufenthalte außerhalb ihrer Heimat­ stadt, vor allem aber durch Menschen mit anderer Ausdrucksweise, entwickelte sie eine Vorliebe für Dialekte, insbesondere aus dem alemannischen Sprachraum. Nach einer Ge­ denklesung für Hans Hauser ließ sie sich 1994 nicht nur als Mitglied zur „Muetter­ sproch-Gsellschaft“ werben, sondern auch zur Gründung einer regionalen Gruppe mo­ tivieren. In der Gegend, besonders in V il­ lingen, gab es bereits 35 Mitglieder, die sich innerhalb eines halben Jahres mehr als ver­ doppelten, inzwischen ist die Regionalgrup­ pe auf 100 Mitglieder angewachsen. Getreu der geographischen Definition „A Brig un Breg“ kommen sie aus der Doppelstadt, aus Furtwangen, St. Georgen und dem oberen Bregtal um Donaueschingen, Bräunlingen und Hüfingen. Von der Gründung bis heute hat Bärbel Brüderle den Vorsitz der regionalen Muet­ tersproch-Gsellschaft inne und das Vereins­ geschehen mit Leben erfüllt. Mundartle­ sungen mit der am Bodensee lebenden Autorin Rosemarie Banholzer, die die Weih­ nachtsgeschichte ins Alemannische über­ setzte, und einer Reihe weiterer hochka­ rätiger Literaten aus dem süddeutschen Raum, aber auch die alte Tradition des „Z’Liecht gau“ oder ein wissenschaftlicher Abend über das Alemannische im Sprach­ raum um Villingen, Schwenningen und Hü­ fingen, an dem ein Sprachwissenschaftler die feinen Unterschiede innerhalb der drei 135

Bärbd Brüd rle/ Ptr önlichkeit n Städte herausarbeitete, sind Programmange­ bote, die bei den Mitgliedern ein lebhaftes Echo finden. Granteln kann die ansonsten so ausgegli­ chene und fröhliche Frau, wenn sie mit Ang­ lizismen konfrontiert wird. „Fahrradbike“, „just in time“ oder gesungener Unsinn wie ,,’s Leb’n is wied’r down“ würde sie liebend gern aus dem deutschen Sprachgebrauch verbannen – was einem Kampf gegen Wind­ mühlenflügel gleichkäme. „Hanuta im Out­ Door-Pack“, wettert sie, „warum denn nicht gleich im Regenmantel?“ Wenn Bärbel Brüderle sich nicht gerade im alemannischen Sprachgebrauch übt, dann kann es sein, daß man ihr bei einer Stadtführung begegnet oder die ausgebilde­ te OP-Schwester beim Einsatz für die ka­ tholische Sozialstation trifft. Immer aber geht sie mit offenen Augen durch ihre Hei­ matstadt und findet für die Menschen, die ihr begegnen, stets ein freundliches Wort. Anne Bethge Mit der Gesamtstadt eng verbunden Konrad Adenauer weckte Karl Rißlers Interesse an Politik – Lange Ortsvorsteher in Nußbach Für sein Amt als Ortsvorsteher war Karl Rißler mit den notwendigen Fähigkeiten ausgestattet, um seiner Gemeinde Nußbach zu dienen und als Stadtrat an der Führung der Gesamtstadt Triberg erfolgreich mitzu­ wirken. Ihn spornte ein hoher Begriff von Pflichterfüllung an, gepaart mit starkem Wil­ len, etwas als richtig Erkanntes durchzuset­ zen, dazu war ihm ein pragmatischer Sinn für das Notwendige und Mögliche eigen, ei­ ne Begabung, in Verhandlungen seine Ar­ gumente besonnen und deshalb überzeu­ gend einzusetzen, stand ihm zur Verfügung, in Diskussionen im Gemeinderat konnte er wenn nötig sein Temperament zur Geltung bringen, jedoch war der Umgang mit seinen Mitbürgern von Bescheidenheit, Verbind­ lichkeit und Humor gekennzeichnet. In Gremmelsbach geboren, in Nußbach aufgewachsen und in Triberg Stadtrat: Karl Rißler. Enger kann man mit der Gesamt­ stadt nicht verbunden sein. Gewesener Orts­ vorsteher in Nußbach, Ortschaftsrat, Stadt­ rat, Schöffe am Landgericht Konstanz, Post­ beamter, Familienvater, Bergwanderer, die V ielseitigkeit Karl Rißlers kann besser kaum zum Ausdruck kommen. Zur Politik kam er 136 Karl Riß/er schon in den Adenauer-Jahren, ihn faszi­ nierten als jungen Mann der erste Bundes­ kanzler und sein Wirtschaftsminister als Per­ sönlichkeiten, aber auch mit ihrer Politik konnte er sich identifizieren, der Europapo-

litik und der Freien Sozialen Marktwirt­ schaft, die den Wutschaftsaufschwung mög­ lich machte. Doch hatte der noch in der Kriegszeit Geborene nach entbehrungsrei­ cher Jugend zunächst an eine berufliche Laufbahn zu denken, und er fand sie bei der Post. Ganze 13 Jahre jung begann er nach dem Besuch der Volksschule 1955 im einfa­ chen Dienst als Postjungbote, hatte Arbeit im Innendienst, im Verladegeschäft am Bahnhof, war Briefträger, legte 1963 die Prü­ fung für den mittleren Dienst ab. Damit än­ derte sich die Arbeit, er war am Schalter so­ wie im Renten- und Zeitungsdienst tätig. 1970 bis 1972 absolvierte er bei den Post­ ämtern in Singen, Konstanz und Donaue­ schingen den Aufstieg und bei der Postdi­ rektion Stuttgart die Prüfung für den geho­ benen Dienst. Jetzt war er für Stellenlei­ tungsaufgaben befähigt. Wieder in Triberg wurde ihm beim Ver­ waltungspostamt die Grundstücks- und Ge­ bäudeverwaltung übertragen, zehn Jahre war er dann Leiter der Personalstelle, danach drei Jahre Abteilungsleiter und in dieser Funktion auch Vertreter des Amtsleiters, bis das Verwaltungspostamt Triberg Ende 1995 seine Selbständigkeit verlor. Seither ist er bei der Niederlassung Briefpost Villingen­ Schwenningen als Leiter der Abteilung Per­ sonal tätig, wo für 1600 Mitarbeiter die Per­ sonalangelegenheiten bearbeitet werden von der Einstellung über die Entlohnung bis zu ihrer Pensionierung. Geographisch reicht sein Bezirk von Horn­ berg bis Oberndorf, von Rottweil bis Kon­ stanz. Es gibt keine Arbeit bei der Post, die er nicht verrichtet hat, und er hatte immer viel Freude damit, bis zum heutigen Tag. Zehn Jahre war er Schöffe am Landgericht Konstanz, hatte bei Strafprozessen in schwe­ reren Fällen oder Berufungsverfahren mit zu entscheiden, lernte dort auch einmal den Staranwalt Bossi kennen. Einmal währte ein Prozeß vier Wochen lang. Zur Zeit ist er ehrenamtlicher Richter beim Sozialgericht in Reutlingen, wo Fragen über Renten und Karl Rißler Schwerbehindertenangelegenheiten und dergleichen zu entscheiden sind. Die Arbeit in der Öffentlichkeit neben dem Beruf her war ihm von Jugend an auf den Leib geschrieben. Sehr früh trat er der katholischen Jugend bei, wurde bald KJG­ Führer, zwar gehörte die große „Theaterzeit“ unter P. Heribald damals schon der Vergan­ genheit an, er hatte dennoch sehr viel zu organisieren, weltliche wie kirchliche Veran­ staltungen. Er hatte sein Organisationsta­ lent entdeckt. Drei Jahrzehnte Gemeindei>olitik Bald drei Jahrzehnte aber ist Karl Rißler in der Gemeindepolitik tätig. Bereits 1971 wur­ de er das erstemal auf der Liste der CDU in den Gemeinderat gewählt, erlebte 1973 die Eingemeindung mit, war anschließend Ort­ schaftsrat und Stadtrat, ist im ganzen fünf­ mal wiedergewählt worden, war Stellvertre­ ter des Ortsvorstehers, 1977 wurde er zum Ortsvorsteher gewählt und blieb es 20 Jahre lang, bis er auf eigenen Wunsch, d. h. weil es aus beruflichen Gründen nicht mehr anders ging, sein Amt aufgab. Unmöglich, bei so weit entferntem Arbeitsplatz auch noch im Rathaus anwesend zu sein. „Das waren schö­ ne Jahre“, sagt Karl Rißler im Rückblick und zählt auf, was in dieser Zeit an Verbesserun­ gen herbeigeführt worden ist: in Nußbach, aber auch in der Gesamtstadt, was unter seiner Mitverantwortung als Stadtrat ge­ schaffen wurde: die Friedhofsanierung, die Aussegnungshalle, der Wegebau, die Was­ serversorgung, das Baugebiet im Tiefental, die Wasserversorgung für Gremmelsbach über den Kreisbach, die Kanalisation für die Raumschaft, die Veränderung im Schulbe­ reich, das Alten- und Altenpflegeheim in Triberg, die Internatslösung, Anbau an Gymnasium und Realschule, dazu eine un­ übersehbare Menge an Kleinarbeit, an Bear­ beitung von Anträgen, von Bürgerwün­ schen. War an einem Abend einmal an kei­ ner Sitzung teilzunehmen, so stand Verwal- 137

Karl Rißl r tungsarbeit im Rathaus an. Es gab kaum ei­ nen Abend, den er der Familie widmen konnte. Mit besonderer Genugtuung denkt er an die Patenschaft mit dem Bundeswehrbatail­ lon in Immendingen. Es begann zur Amts­ zeit seines Vorgängers Hermann Seeburger, als dieses Bataillon in einem Einsatz den Skihang von Ginster und Heckengestrüpp säubern mußte. Ein Manöverball entschä­ digte für die schwere Arbeit, und so ent­ stand aus der Verbindung mit Nußbacher Vereinen, der Narrenzunft, dem Fußballver­ ein die Patenschaft mit den Immendinger Soldaten. Diese ging bei der Eingemein­ dung auf Triberg über und lebt weiter, wenn auch die Treffen infolge Umstrukturierung bei der Bundeswehr seltener werden muß­ ten. -Dennoch eine schöne Lebenserfah­ rung! In seine Amtszeit fielen auch einige Ju­ biläen. Nußbach selbst feierte 1984 sein 700jähriges Bestehen, die Freiwillige Feuer­ wehr wurde 75 und 90 Jahre alt, der Musik­ verein wurde 100 Jahre alt. Ein Dreifachju­ biläum feierte der Chor als Chorgemein­ schaft, als Kirchenchor und als Gesangver­ em. Offen für die Probleme der Bürger Dabei war es nie schwer, zu Karl Rißler Kontakt zu finden. War er nicht im Rathaus, so konnte er zu Hause angerufen werden, auch bei einem Glas Bier im Gasthaus lassen sich Bürgerprobleme lösen. Eine Selbstver­ ständlichkeit war es für ihn, daß er auch gern auf Vereinsfeste ging. Nie hat er sie als Last empfunden. Das Gemüthafte durfte nie zu kurz kommen. Alles in allem genommen – es waren interessante, glückliche, erfüllte Jahre für ihn. Und wo blieb bei so viel Beschäftigung in der Öffentlichkeit und für die Öffentlichkeit das Privatleben? Ein Glück für Karl Rißler und nicht nur für ihn war, daß seine Frau Ute für die Arbeit ihres Ehemannes Ver- 138 ständnis hatte und diese mittrug. Denn sie hat ihn oft vermissen müssen wie auch die beiden Söhne Tobias und Georg. Ließen aber Beruf und Amtsgeschäfte doch einmal freie Tage zu, so zog es ihn mit seiner Frau in die Berge. Das Bergwandern ist seine Lei­ denschaft, bevorzugte Gebiete sind Vorarl­ berg, Tirol, das Allgäu und die Schweiz. Per­ sönliche Bekanntschaften dort wurden zu Freundschaften. Das Gipfelkreuz, das vor Jahren die NußbacherJugend auf der Saum­ spitze errichtete, hat er etwa 30mal besucht, genau gezählt hat er die Bergbesteigungen nicht. In früheren Jahren spielte er Fußball in der Nußbacher Mannschaft. Heute spielt er in freien Stunden Tischtennis. Nun da er nicht mehr Ortsvorsteher ist, hat er für sein Privatleben etwas mehr Zeit. Das Leben hat sich seither verändert, stellt er fest. Große Pläne für die Zukunft hat er nicht, aber das Interesse an der Kommunal­ politik hat er nicht verloren. Stadtrat möch­ te er gern bleiben. Für seine vielseitigen uneigennützigen Tätigkeiten erhielt Karl Rißler am 25. Sep­ tember 1998 aus Anlaß seines Ausscheidens aus dem Amt des Ortsvorstehers das Bun­ desverdienstkreuz am Bande. Nacht Schlaf und Traum Stille hütet mich gibt Raum für Wege die im Wachen nicht gangbar sind nennt Namen und erinnert Zärtlichkeit Nacht Christiana Steger Karl Volk

Ein Leben für Heimat und Brauchtum Penöolichkeitcn Zum Tode von Gerhard Friedrich Weber·Benzing Der am 13. August 1918 geborene Ger­ hard Friedrich Weber, auch allgemein als „GFW“ bekannt, wuchs in Schwenningen auf. Seinen Begabungen und Neigungen folgend zielten seine Berufspläne zunächst auf die Landwirtschaft. So absolvierte er in den Jahren 1933 bis 1935 eine entsprechen­ de Lehre in Marbach und Schwenningen. Reichsarbeitsdienst und eine dortige Füh­ rerausbildung setzten den Berufsplänen erst einmal ein Ende. Im Zweiten Weltkrieg wur­ de Weber mehrfach verwundet, an eine Be­ schäftigung im bäuerlichen Bereich war nicht mehr zu denken. Daher arbeitete er nach dem Kriegsende zunächst als Fuhr­ mann, dann jedoch als Lagerverwalter der Uhrenfabrik Müller-Schlenker. Im Sommer 19 52 heiratete er Käthe Benzing, die jüngste Tochter des Bauern Ernst Benzing (,,Stech­ ers“). Daher resultiert auch sein Doppelna­ me Weber-Benzing. Da er bereits von Jugend an auch auf mu­ sischem Gebiet Betätigung suchte, verwun­ dert es nicht, daß er diesen Interessen nach 1945 mehr und mehr Aufmerksamkeit wid­ mete. Seine Liebe zur Mundart fand Aus­ druck in Liedern und Gedichten. Im Jahre 1956 erschien sein Buch ,,’s Joor dure“, das 1981 eine Neuauflage erlebte. Für das Schwenninger „Heirnatblättle“ stellte er den „Schwenninger Wortschatz“ zusammen. Im Laufe der Jahre entstanden daneben auch die „Schwenninger Häuserchronik von 1838″ und „40 Jahre in und über Schwen­ ninger Mundart“. Weber war Mitglied in der ,,Muettersprochgesellschaft“ und der „Hein­ rich-Hansjakob-Gesellschaft“. Seine Arbeiten über Schwenningen um­ faßten darüber hinaus die Suche nach Zu­ sammenhängen zwischen Schwenninger Fa­ milien und Geschlechtern, die Erforschung einzelner Häuser, der hiesigen Tracht und Gerhard Friedrich Weber-Benzing des Brauchtums allgemein. Aber auch im Bereich der Trachtenpflege war Gerhard Friedrich Weber-Benzing unermüdlich tätig. Seit dem Jahr 1949 war er Mitglied der Trachtengruppe, die 1952 in „Verein der Baa· remer Tracht“ umbenannt wurde. Weber-Benzing fungierte als Schriftführer und gab ab 1953 das „Monatsblättle“ her­ aus, welches wenig später in „Heimatblättle“ umbenannt wurde. Im Jahr 1962 wurde Weber zum Ersten Vorsitzenden des Trach­ tengaus Schwarzwald gewählt. 1965 initiier­ te er den „Trachtenkamerad“, der als Schu­ lungs-und Mitteilungsblatt vierteljährlich erscheint. 1968 wurde er Erster Vorsitzender 139

Uhrenindustriemuseum bewies er Interesse und Engagement. Weber-Benzing wurden mehrere Auszeich­ nungen zuteil. So wurden ihm 1979 das Verdienstkreuz am Band des Verdienstor­ dens der Bundesrepublik Deutschland, 1983 die Ehrennadel des Landes Baden-Würt­ temberg und 1991 das goldene Gauehren­ zeichen des Trachtengaues Schwarzwald ver­ liehen. Noch am Ende des Jahres 1998 er­ hielt der verdiente Mitbürger aus der Hand von Oberbürgermeister Matusza die sil­ berne Bürgermedaille der Stadt Villingen­ Schwenningen. Er war Ehrenvorsitzender des Trachtengaus Schwarzwald, des Landes­ verbandes der Heimat-und Trachtengaue Baden-Württemberg und nicht zuletzt des Schwenninger Heimatvereins. Der Mensch Gerhard Friedrich Weber­ Benzing war kein angepaßter Ja-Sager. Er äußerte seine Meinung stets offen, auch wenn er damit schon einmal aneckte. Be­ sonders hinsichtlich seiner engen Bindung an den Heimatbegriff sah er sich herber Kri­ tik durch Prof. Bausinger gegenüber. Sein Lebenswerk verdient große Anerkennung, viele seiner Verdienste sind von bleibendem Wert. Am 21. Mai 1999 schloß Gerhard Fried­ rich Weber-Benzing für immer die Augen. Eine große Zahl von Trauergästen, darunter viele Trachten träger aus nah und fern, nahm am 26. Mai von ihm Abschied und beglei­ tete seinen Weg zur letzten Ruhe auf dem Schwenninger Waldfriedhof. Zahlreiche Redner würdigten die vielfältigen Verdienste des Verstorbenen. Ute Schulze Chefredakteur und Heimatforscher Gerhard Friedrich Weber·Benring im Landesverband der Heimat-und Trach­ tengaue Baden-Württemberg. Untrennbar mit dem Namen Weber-Ben­ zing verknüpft bleibt der Schwenninger Heimatverein. Im April 1956 gehörte er zur Gründungsmannschaft des Vereins. Auf dem Papier bestand der „Verein für Heimat­ kunde“ zwar schon seit 1921, er bedurfte je­ doch einer „Wiederbelebung“. ,,GFW“ wur­ de auch Schriftführer des neuen Schwen­ ninger Heimatvereins. Der „Verein der Baa­ remer Tracht“ ging noch 1956 in diesem auf. 1962 wurde Weber-Benzing hauptamtlicher Vereins-Geschäftsführer und Schriftleiter des „Heimatblättles“. Mehr als 30 Jahre lang widmete er sich nun hauptberuflich diesen Tätigkeiten. Mit dem „Heimatblättle“ erreichte Weber­ Benzing nicht nur die Schwenninger vor Ort, sondern auch die in der ganzen Welt verstreuten „Auslands-Schwenninger“ wur­ den treue Leser. Seit 1956 bis zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden 1993 war er nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Chefredakteur und Heimatforscher im Dienste der Monatsschrift, die heute in ei­ ner Auflagenhöhe von ca. 2 300 Exemplaren erscheint. Die von ihm in Angriff genom­ mene Familienkartei ist eine wichtige �ei­ le für die Schwenninger Heimatgeschichte. In die Anfangszeit des neu belebten Schwenninger Heimatvereins fiel der Ein­ satz Weber-Benzings und anderer um den Erhalt des in der Muslen stehenden Vogts­ leiesenhauses. Diese Initiative führte nicht ans angestrebte Ziel. Dagegen waren die Bemühungen um den Alten Friedhof und das Evangelische Pfarrhaus in den frühen 1970er Jahren von Erfolg gekrönt. Auch zum Erhalt des Häuserensembles „Ob dem Brückle“ im Oberdorf trug Weber-Benzing das seine bei. Und ebenso für die Wieder­ anbringung der „Bärenfamilie“ über der Vil­ linger Straße in Schwenningen sowie für das 140

Der Heimatgemeinde verpflichtet Otto Fleig prägte 30 Jahre lang die Kommunalpolitik Langenschiltachs Persönlichkeiten Mit Otto Fleig, er starb am 21. Dezember 1998, verlor Langenschiltach und die weite­ re Umgebung eine allseits beliebte und an­ gesehene Persönlichkeit. Seine Leistungen und sein Engagement bleiben unvergessen. Bereits 1959 wurde Otto Fleig in den Ge­ meinderat der noch selbständigen Gemein­ de Langenschiltach gewählt. Dies war der Beginn einer kommunalpolitischen Tätig­ keit, die über 30 Jahre währen sollte. Bis 1971 blieb der langjährige Vorstand des Trachtenmusikvereins Langenschiltach im Gemeinderat, drei Jahre davon als stellver­ tretender Bürgermeister. 1975 zog er in den Ortschaftsrat ein und bekleidete schließlich von 1980 bis zu seinem Ausscheiden 1994 das Amt des Ortsvorstehers. Schon als Ge- OttoFleig meinderat war Otto Fleig massgeblich an der Entstehung eines Baugebietes, der er­ sten örtlichen Wasserversorgung und Ent­ wässerung sowie der Anlegung des Friedho­ fes beteiligt. Auch beim Bau der evangeli­ schen Kirche konnte man auf sein Wissen und seine Erfahrung vertrauen. Während seiner Gemeinderatstätigkeit wurde das We­ genetz konsequent ausgebaut. Bei den Baulandgesprächen zwischen der Stadt St. Georgen und der Gemeinde Lan­ genschiltach, den Rupertsberg betreffend, war seine Meinung stets gefragt. Durch die­ se langen Vorgespräche kam es dann auch recht schnell zu einer Lösung nach der Ge­ meindereform: Gemarkungsmässig blieb der Rupertsberg bei Langenschiltach, ver­ waltungsmässig wurde er St. Georgen ange­ gliedert. Dies ist auch der Haltung Otto Fleigs der Eingemeindung gegenüber zu ver­ danken, deren klarer Befürworter er war. In seine Tätigkeit als Ortschaftsrat fielen der weitere Ausbau der Wirtschaftswege, die Einrichtung eines Kindergartens, sowie die Herstellung eines Festplatzes. Bis zum 72. Lebensjahr Ortsvorsteher Als Meilensteine in seiner Ortsvorsteher­ zeit sind der Ausbau der Staudenstrasse und der Anschluss an das Tennenbronner Klär­ werk, da die Langenschiltacher Anlage den Anforderungen nicht mehr entsprach, zu se­ hen. Im Alter von 72 Jahren beendete Otto Fleig sein kommunalpolitisches Engage­ ment und lenkte seine Schaffenskraft in an­ dere Bahnen. Als aktives Mitglied des Fördervereins „Schwarzes Tor“ unterstützte er mit seinem Wissen die Renovierung und die Einrich­ tung des Museums. Die Vorstandschaft des Fremdenverkehrsvereins verlor in Otto Fleig 141

Otto FI ig I Pcrsönlichkeilen einen engagierten Mitarbeiter. Sei es bei der Gästebegrüssung der Tourist-Information oder als Reiseführer bei den Tunnelfahrten der Schwarzwaldbahn, stets war er zur Stel­ le, wenn man ihn rief. Ebenso werden den älteren Mitbürgern von Langenschiltach die Seniorenausflüge immer in Erinnerung blei­ ben, die er als ein Kenner der näheren Um­ gebung und zugleich talentierter Organisa­ tor gestaltete. Wilhelm Müller Begleiter der Menschen im Glauben und Leben Die Vöhrenbacher Pfarrgemeinde St. Martin verabschiedete Stadtpfarrer Bernhard Adler Seine Pfarrgemeinde vermißt er, das räumt Bernhard Adler unumwunden ein: weil ei­ ner wie er stets die Gemeinschaft sucht und seinen Beitrag leisten will. Ein Begleiter der Menschen im Glauben und im Leben sein – über die eigene katholische Pfarrgemeinde hinaus Anteil nehmen an dem, was die Ge­ meinde bewegt. Diese Haltung prägte sein 43jähriges Wirken als Seelsorger -darunter zwölfVöhrenbacher Jahre als Pfarrer der ka­ tholischen Kirchengemeinde St. Martin, die ihn im September 1998 feierlich verabschie­ det hat. Im Kloster Hegne am Bodensee fand Bern­ hard Adler als „Klosterpfarrer“ einen freund­ lichen, beseelten Ort für seinen Ruhestand. Und die seelsorgerischen Pflichten im Klo­ ster lassen auch Zeit für andere Dinge: so hat er eben die Arbeit an einer Broschüre zur lOOjährigen Geschichte der Klosterkirche St. Konrad abgeschlossen, pflegt den Kon­ takt zu einer treuen Schar von Freunden und erhält Besuch aus seinen einstigen Pfar­ reien Gottrnadingen und Vöhrenbach, die ihm zur liebgewonnenen Heimat geworden waren. Aufgewachsen im „Schatten des Freiburger Münsters“, in einer alteingessenen Familie, machte Bernhard Adler in seiner Heimat­ stadt das Abitur. Engagiert in der katholi­ schen Jugendarbeit tätig, als 16jähriger war er Gruppenleiter in der Münsterjugend, ver­ spürte er früh die Berufung zum Priesterbe- 142 ruf. Daß eine Gemeinschaft auf einem täti­ gen Miteinander gründen muß, wenn sie sich auch in schlechten Zeiten bewähren soll, erfuhr Bernhard Adler eindrücklich in den Jahren des Zweiten Weltkrieges, beson­ ders in den prägenden Jahren 1944 bis 1947. Unvergessen ist, wie 30 Buben und Mäd­ chen im Alter von 15 Jahren mit Hilfe eini­ ger französischer Kriegsgefangener das durch Bombenangriffe schwer beschädigte Dach des Freiburger Münsters mit tausen­ den von Ziegeln neu eindeckten und damit noch größeren Schaden von dem weltbe­ kannten Kirchenbau abwandten. Unter ih­ nen auch Bernhard Adler. Im Freiburger Münster feierte Bernhard Adler später dann auch seine Primiz: nach dem Studium in Freiburg, einem Studienaufenthalt in Paris und dem Besuch des Priesterseminars St. Pe­ ter, wo er 1955 zum Priester geweiht wurde. Der Aushilfe in verschiedenen Pfarreien folgte eine vierjährige Vikarstätigkeit in der Singener Südstadt, danach war er drei Jahre lang Kaplan und Stadtjugendseelsorger in Mannheim. Die weiteren Stationen seines seelsorgerischen Wirkens sind der Zahl nach rasch umrissen: Gottmadingen und Vöh­ renbach. Bernhard Adler wurde 1962 Gott­ madinger Pfarrer und ist es 24 Jahre lang geblieben. In diese Zeit fallt auch seine neunjährige Tätigkeit als Dekan des Deka­ nates „Westlicher Hegau“. Das Freiwerden der Pfarrstelle Vöhrenbach bewog ihn 1986,

Bernhard Adler Pfarrer Bernhard Adler im Studierzimmer. Der katholische Geistliche wurde nach 12jährigem Wirken in Vöhrenbach im September 19 98 von der Pfarrgemeinde St. Martin in den Ruhestand verabschiedet. einem schon früher verspürten Wunsch zu folgen und in der Stadt im Bregtal seelsor­ gerisch tätig zu werden. Als gebürtiger Freiburger ist Bernhard Ad­ ler mit der Mentalität der Menschen „auf dem Wald“ gut vertraut. Und da einer seiner Leitsätze lautet: ,,Ich kann nur Pfarrer und Seelsorger sein, wenn ich das Leben am Ort einigermaßen kenne“, machte er sich auf, die Vöhrenbacher kennenzulernen: Viele Gespräche, das Bemühen um ein partner­ schaftliches Miteinander, aber auch sein aus­ geprägtes Interesse für Geschichte -das zur Mitarbeit im Arbeitskreis Stadtgeschichte der Heimatgilde „Frohsinn“ führte, dessen Gründungsmitglied Bernhard Adler ist – sind einige der Bausteine für die sich rasch einstellende tiefe Verbundenheit zwischen Pfarrer, Pfarrgemeinde und Stadt. Fünf Jah­ re in der Pfarrei, antwortete Bernhard Adler auf die Frage, was Vöhrenbach denn aus­ zeichne: ,,Mir sinn ebber“. Wie sehr man sich mochte, daß Bernhard Adler über die Konfessionen hinweg der ,,Städtlepfarrer“ war, geht auch aus den Dan­ kesworten bei seiner Verabschiedung am 6. September 1998 hervor. Pfarrgemeinderats­ vorsitzender Eberhard Weißer im Rück­ blick: ,,Jeder von uns hat es zwölf Jahre lang verspürt, daß hier jemand am Werk ist, der mit viel Sachverstand, großem Engagement und festem Glauben auf die Menschen zu geht. Das schafft Vertrauen, das gibt die not­ wendige Sicherheit.“ In seiner Pfarrgemeinde fand Bernhard Adler viele Mitarbeiter. So gelang es ihm, ei­ ne Lücke im sozialen Bereich zu schließen, die mit dem Weggang der Vinzentinerin­ nen, die im Luisenkrankenhaus, im Kinder­ garten und im Bereich der Altenpflege ge­ wirkt hatten, zu schließen: Er initiierte die Katholische Frauengemeinschaft. Zu Pfarr­ gemeinderat, Altenwerk und Bildungswerk gesellten sich Lektoren, die den Pfarrer beim 143

charakterisiert, in dem unter der Überschrift „Adieu, Auf Wiedersehn!“ unter anderem zu lesen stand: ,,Ich darf Sie an einige Sätze erinnern, die ich Ihnen immer wieder vor­ getragen habe: Geglaubt wird nur, was ge­ feiert wird! Das gilt für alle Glaubensfeste, auch für den Sonntag. Der Glaube braucht Hege und Pflege, wenn er nicht verküm­ mern soll. Ein Ja zu Jesus Christus und zur Gemeinschaft der Kirche! Zeit ist immer ei­ ne Frage der Liebe. Es ist so. Für alles uns Wichtige finden und haben wir Zeit. Also denn . … “ Die in den letzten Jahren verstärkt zu be­ obachtende Verweltlichung hat auch in der Kirchengemeinde St. Martin ihre Spuren hinterlassen. Die Zahl der Gottesdienstbe­ sucher ist insgesamt zurückgegangen. Dafür, so hält Bernhard Adler dagegen, wüßten je­ ne, die da seien, warum sie kämen. Ihn freu­ te die steigende Zahl engagierter Mitarbei­ terinnen und Mitarbeiter, er verknüpft da­ mit die Hoffnung, daß hieraus ein neuer Zugang zur Gemeinschaft der Kirche er­ wächst. ,,Man muß immer etwas zurücklassen, wenn man geht“, wird Bernhard Adler bei seiner Verabschiedung in einem Zeitungs­ beitrag zitiert. So mag es die wertvollste Bestätigung sein, daß vielen Vöhrenbachern im „Städtle“ eine wohlvertraute Persönlich­ keit noch heute fehlt. Ein Mensch, der – bemüht ist, sich einzubringen – über die Konfessionen hinweg die zu entdecken, die einen Fürsprecher benötigen. Eine lebendi­ ge Mitte, Begleitung im Lebenskreis. Wi!fried Dold Persönlichkeiten Gottesdienst unterstützten, wie die Kom­ munionhelfer oder Ministranten, zu denen nun auch Mädchen gehörten. Der Chor­ raum der St. Martinskirche wurde umgestal­ tet, das Gemeindehaus saniert und der Kindergarten erweitert sowie umstruktu­ riert. Maßgeblichen Anteil hat Stadtpfarrer Ad­ ler zudem am Zustandekommen zweier Buchprojekte, ein Werk über die Linachtal­ sperre und „Neue Beiträge zur Stadtge­ schichte“, beide herausgegeben vom Ar­ beitskreis Stadtgeschichte. Und auch daß an der Kirche eine Bronzetafel an verdiente Bürger erinnert und in einer kleinen Park­ anlage bei der Kirche eine Bronze-Stele zu finden ist, die das 750jährige Bestehen Vöh­ renbachs zum Thema hat (beides Werke des Bildhauers Wolfgang Kleiser) ist seinem Zu­ tun zu verdanken. Ein besonderes Anliegen war Bernhard Adler die deutsch-französische Freund­ schaft, die in Vöhrenbach seit langem ge­ pflegt wird, es besteht eine Städtepartner­ schaft mit der Juragemeinde Morteau. Eine innige Verbindung hatten die Vöhrenbach er zu am Ort untergebrachten französischen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs, darunter Abbe Ciceron. Der Geistliche gilt auf französischer Seite als einer der Be­ gründer der deutsch-französischen Freund­ schaft und erzählte in Lourdes vor 120 000 Menschen, ehemalige Kriegsgefangene und deren Angehörige, ,,von den guten Leuten aus Vöhrenbach“. 1988 hält er zusammen mit Bernhard Adler im Bruderkirchle einen Gedenkgottesdienst. In dieser Kapelle hatte Ciceron früher für die französischen Kriegs­ gefangenen regelmäßig die Messe gehalten. Eine Freundschaft braucht Hege und Pflege, kommentiert Bernhard Adler sein Interesse an deutsch-französischer Verständigung. Von der sozialen Gesinnung Bernhard Ad­ lers war mehrfach die Rede, die Wurzel von all dem ist in der Botschaft Jesu zu finden, im Glauben. Der Kirchenmann Bernhard Adler hat sich treffend im letzten Pfarrbrief 144

8. Kapitel I Almanach 2000 Archäologie Notbergung in alamannischem Gräberfeld Die Rettungsgrabung des Landesdenkmalamtes „Beim Kalkwerk/Zwischen den Dörfern“ im Brigachtaler Ortsteil Klengen Notbergungen oder Rettungsgrabungen sind die Alltagsrealität der archäologischen Denkmalpflege. Diese Notgrabungen wer­ den dann organisiert und ausgeführt, wenn durch Baumaßnahmen (wie beispielsweise Erschließung von Baugebieten, bei Neu­ bauten und bei Tiefgaragen) archäologische Funde oder Fundstellen von Zerstörung oder Vernichtung bedroht sind. Diese Maßnahmen haben zunächst die Rettung der archäologischen Fund plätze so­ wie die fachgerechte Sicherung und Doku­ mentation der archäologischen Qyellen (Funde und Befunde wie z.B. Gräber oder Mauerreste) zum vorrangigen Ziel. Denn ar­ chäologische Qyellen sind einmalig und nicht reproduzierbar. Bei einer frühzeitigen Beteiligung des Landesdenkmalamtes an Planungsvorhaben wird seitens des Landesdenkmalamtes auf bekannte Kulturdenkmale hingewiesen und es werden entsprechende Auflagen formu­ liert, für die das baden-württembergische Denkmalschutzgesetz die Rechtsgrundlage bildet, so daß die vorgetragenen Bedenken und Anregungen bei den fortlaufenden Planungen berücksichtigt werden können. Durch rechtzeitige Absprachen sind bei der zeitlichen Abwicklung der geplanten Maß­ nahmen überraschende Situationen weitge­ hend zu vermeiden. Leider tritt auch manchmal der Fall ein, daß bei Bauaktivitäten plötzlich archäologi­ sche Funde und Fundstellen entdeckt wer- Abb. 1: Notbergung des alamannischen Gräberfeldes im Brigachtakr Ortsteil Klengen. Baggerarbeiten am Westrand der Baugrube. 145

Archäologie Abb. 2: Unter fachkundiger Aufsicht räumen die Baumaschinen die oberste Schicht der Fundstelle in Klen­ gen .frei� die Umrisse einer Grabgrube zeichnen sich ab. den, von denen das Landesdenkmalamt bis­ her keine Kenntnis hatte. Auch wenn sehr oft in den Medien das T hema Archäologie nach Nostalgie, Aben­ teuerlust, Fernweh und Sensationen klingt, ist der Grabungsalltag der Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes in der Region weniger romantisch. Notbergungen stehen immer unter Termin- und Zeitdruck im Gegensatz zu Plan- oder Forschungsgrabungen, die von Universitäten unter einer gezielten wissen­ schaftlichen Fragestellung geplant und orga­ nisiert werden. Der Planungsspielraum ist bei Notbergun­ gen sehr eng, da die Belange und Interessen von „Verursachern“ (Bauherr bzw. Baufir­ ma) und des Landesdenkmalamtes gleich­ zeitig zu berücksichtigen sind. Deshalb wer­ den sich Notbergungen nur auf baubeglei­ tende Untersuchungen beschränken kön­ nen. Sie müssen in aller Regel nicht nur unter extremem Zeitdruck, sondern auch mit äußerster Konzentration und Anspan­ nung durchgeführt werden und sind oft von einem enormen Baulärm begleitet, denn die Baumaschinen stehen in dieser Zeit nicht still. Eine zügige Bergungsmaßnahme liegt selbstverständlich immer im Interesse der archäologischen Denkmalpflege und letzt­ endlich auch im Interesse des Bauherrn, auch wenn mit Kleingeräten (wie beim Frei­ legen von Gräbern und Bestattungen) gear­ beitet werden muß. ,Jetzt kommen sie noch mit dem Pinselchen“, wo doch ein Bagger mehr Kubikmeter Erde bewältigen kann. In solchen Extremsituationen sind die Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes nicht besonders beliebt, denn die Angst der Bau­ herren oder der Architekten vor Verzöge­ rungen oder sogar vor Baustopp ist weit ver­ breitet und in den wenigsten Fällen berech- 146

tigt. Mitteilungen in den Medien wie „Lan­ desdenkmalamt verhindert oder verzögert Baumaßnahmen“ verfehlen nicht ihre Wir­ kung in der Öffentlichkeit, zumal sie sich besser verkaufen lassen als „historisch wert­ volle Funde auf Gemarkung xy vor Zer­ störung gerettet“. Im persönlichen Gespräch mit den Betrof­ fenen vor Ort entwickeln sich oft Verständ­ nis und Einsicht in die Arbeit der archäolo­ gischen Denkmalpflege und führen in den meisten Fällen zu einer toleranten Zusam­ menarbeit. In einigen Fällen überzeugen noch die geborgenen Funde. In Brigachtal, Ortsteil Klengen konnte dennoch trotz anfänglicher Bedenken und Skepsis eine Notbergung zur Zufriedenheit aller Betroffenen durchgeführt und zu ei­ nem erfolgreichen Abschluß gebracht wer­ den. Bei den Baggerarbeiten für die Erweiterung des Parkplatzes beim Neukauf „Am Kalk­ werk“ oder „Zwischen den Dörfern“ wurden im südlichen Bereich der Baugrube Ende April 1999 Gräber und archäologische Fun­ de angeschnitten. Nachdem Bürgermeister G. Lettner, Ge­ meinde Brigachtal, das Landesdenkmalamt über die ersten Grabfunde informiert hatte, die von R. Kammerer und A. Fanelli von der ,,Gesellschaft für Altertums- und Brauch­ tumspflege, Brigachtal e.V“, geborgen wur­ den, schloß sich seitens des Landesdenkmal­ amtes vom 3. bis zum 18. Mai 1999 eine Untersuchung an, die insgesamt 21 Gräber aus der 2. Hälfte des 6. Jh. n. Chr. erbrach­ te. Für diese Zeit, die sog. Merowingerzeit, beschränkt sich die archäologische Quellen­ lage vorwiegend auf die Grabfunde. Ohne die tatkräftige Unterstützung der freiwilligen Mitarbeiter der „Gesellschaft für Altertums- und Brauchtumspflege, Brigach­ tal e.V“, die in ihrer Freizeit mitgeholfen ha­ ben, hätte diese Arbeit in diesem Zeitraum nicht geleistet werden können, zumal Regen die Untersuchungen zeitweise erschwerte. Ein weiterer Dank gilt auch dem Bauherrn, Alamannisches Gräberfeld Herr Weismann, und der Baufirma Riegger, Brigachtal-Klengen, für ihr Entgegenkom­ men und Verständnis. Es war bereits bekannt, daß im Umfeld dieses Grundstückes seit 1897 bei verschie­ denen Bautätigkeiten immer wieder einzel­ ne Gräber aus der späten Merowingerzeit zum Vorschein gekommen waren, die zu ei­ nem Friedhof gehörten. Aufgrund der von punktuellen Maßnahmen geprägten Fund­ geschichte lagen jedoch keine konkreten Vorstellungen von der flächigen Ausdeh­ nung dieses alamannischen Friedhofes vor. Abb. 3: Merowingerzeitliches Männergrab mit Beigaben wie Langschwert (Spatha) para[lel zur rechten Körperseite und Schildbuckel im Fußbereich. 147

Archäologie Württembergische Denkmal­ schutzgesetz vor. Zu Beginn der archäologischen Untersuchung wurde die Erde maschinell bis auf die recht­ eckigen Grabgruben, die sich als dunkle rechteckige Verfär­ bungen abzeichneten, abgetra­ gen (Abb. 2). Diese Arbeiten wurden von Mitarbeitern des Landesdenkmalamtes, Archäo­ logische Denkmalpflege, beob­ achtet. Die weiteren Arbeiten mit den Kleingeräten erfolgten von Hand. Das Grabungsteam legte in­ nerhalb der unterschiedlich tie­ fen Grabgruben die z. T. sehr gut erhaltenen Skelette frei. Diese lagen weitgehend im ana­ tomischen Verband; die Kno­ chensubstanz hatte sich im Kalkschotter gut erhalten. Sie wurden komplett geborgen und werden im Anschluß an die Notbergung von den An­ thropologen untersucht, die das Geschlecht, das Lebensalter und die Körperhöhe der Be­ statteten bestimmen werden. Weiterführende wissenschaft­ liche Untersuchungen können Hinweise auf Ernährung oder Krankheiten und indirekt auf Arbeits- und Wohnverhältnisse liefern. Somit ergänzen diese Ergebnisse die Auswertung der ar­ chäologischen Funde. Die Skelette wurden in gestreckter Rücken­ lage angetroffen; der Kopf lag im Westen, mit Blick nach Osten; die Arme waren paral­ lel und bei einigen sehr eng am Körper an­ gelegt (Abb. 4), so daß der Eindruck ent­ stand, daß sie in einem Baumsarg beigesetzt waren, auch wenn die Holzspuren fehlten. Es ist auch nicht auszuschließen, daß die To­ ten in Tücher eingewickelt wurden. Den Toten waren qualitätvolle Funde mit Abb. 4: Frauengrab mit Schmuckbeigaben, Skelettbefund. Da die Gräber z. T. im westlichen Bereich der Baugrube und teilweise unterhalb der al­ ten Straßenzufahrt lagen, mußte während der Untersuchung die Zufahrt zur Baugrube über den bestehenden Parkplatz erfolgen, was wegen der Enge für die Baufahrzeuge teilweise schwierig war (Abb. 1). Dank ge­ meinsamer Absprachen konnte so vor Ort eine Lösung gefunden werden, die den ver­ änderten Planungsabläufen gerecht wurde. Die fortlaufenden Bauarbeiten wurden we­ der verhindert, noch verzögert; sie wurden lediglich geringfügig beeinträchtigt. Diese Duldungspflicht sieht auch das Baden- 148

ins Grab gegeben worden, wie es die dama­ lige Bestattungssitte verlangte. Die Frauen erhielten ihre Tracht mit den entsprechen­ den Schmuckgegenständen wie Perlenkette, Gewandbroschen, Knochenkamm sowie Gürtelschließen und -gehänge, an denen Gegenstände wie z.B. Glasperlen oder Amu­ lette befestigt waren. Die Männer wurden mit ihrer vollständi­ gen Waffenausrüstung im Grab beigesetzt. Dazu gehörten das zweischneidige Lang­ schwert (Spatha), das einschneidige Kurz­ schwert (Sax) sowie die Lanzenspitze, der Schildbuckel mit Schildfessel (Griff am höl­ zernen Schild) und die Pfeilspitzen (Abb. 3). Die Waffen waren aus Eisen gefertigt . Jeder Tote war in einem separaten Grab in einem Holzsarg beigesetzt, von dem sich in diesem Boden leider keine Hölzer erhalten hatten; in einzelnen Fällen konnten nur schwache Spuren von Holzverfärbungen be­ obachtet werden. Es gab keine Überschnei­ dungen der West-Ost ausgerichteten Grab­ gruben, die in Reihen dicht nebeneinander angelegt waren. Die Grabgruben sowie die Skelette wur­ den maßstabsgerecht gezeichnet, eingemes­ sen und fotografiert, ebenso die exakte Lage der Beigaben beim Skelett in der Zeichnung festgehalten; denn die Dokumentation aller Beobachtungen während der Ausgrabung sind Voraussetzung für eine wissenschaftli­ che Auswertung, die sich nach der Restau­ rierung an diese Arbeiten anschließt. Nach der fachgerechten Bergung wurden die Fun­ de für den Transport in die Werkstatt des Landesdenkmalamtes in Freiburg verpackt. Bei der Ausgrabung wird jedes einzelne Grab gleichzeitig kontrolliert zerstört. Des­ halb ist es wichtig, alle grabungstechnischen Schritte sowie die Orginalfundlage der Bei­ gaben zu dokumentieren und die Funde nicht aus dem Zusammenhang zu reißen. In diesen Punkten ähnelt die Arbeit der Ar­ chäologen bei der Ausgrabung der des Kri­ minologen. Auch bei dieser Notgrabung konnten we- Alamaoniscbes Gräberfeld der Wetter noch Zeitdruck die Q!ialität der Dokumentation und die Sorgfalt bei der Bergung beeinträchtigen, denn das einge­ spielte Grabungsteam mit maximal fünf Mitarbeitern war motiviert und arbeitete hochkonzentriert. Schließlich geben die archäologischen Funde aus dieser Notbergung wichtige Hin­ weise zur Datierung und darüber hinaus zur Belegung des merowingerzeitlichen Gräber­ feldes „Beim Kalkwerk“ oder „Zwischen den Dörfern“. In dem untersuchten Areal von 220 qm Ausdehnung wurden die Gräber des 6. Jh. n. Chr. und somit das Zentrum des Gräberfeldes erfaßt, wie u. a. die dichte Be­ legung zeigt. Die bisher bekannten Grab­ funde aus dem späten 7. Jh. lagen am Rand der Baugrube. Die Beobachtungen und die neu gewon­ nenen Erkenntnisse zu diesem ausgegrabe­ nen Friedhofsareal sollen jedoch nicht dar­ über hinwegtäuschen, daß wohl in der rest­ lichen Baugrube weitere Gräber unerkannt zerstört wurden. Sicher ist jedenfalls, daß sich die Belegung dieses Bestattungsplatzes nach Süden fortsetzt, was bei künftigen Grundstücksbebauungen zu berücksichti­ gen ist. Dr. Jutta Klug-Treppe Literatur Fundberichte aus Baden-Württemberg 12, 1987, 623- 628 Die Alamannen. Hrsg. vom Archäologischen Lan­ desmuseum Baden-Württemberg. Theiss- Verlag, Stuttgart. Ausstellungskatalog 1997, bes. 475f. Abb. 546 Nr. 1 ]. Wahl, Archäologie und Anthropologie, in: Der Keltenfürst von Hochdorf. Methoden und Ergebnis­ se der Landesarchäologie: Katalog zur Ausstellung, Stuttgart, 1985, 288 ff. 149

9. Kapitel/ Almanach 2000 Geschichte Scheibenriß für Blumberger Gebrüder Weber Ein Beitrag zur Baaremer Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts Die zur Zeit laufende In­ ventarisierung der seit 1828 in der Porträtsammlung der Österreichischen Nationalbi­ bliothek in Wien aufbewahr­ ten Kunstsammlung des Züricher Geistlichen und Ge­ lehrten Johann Caspar Lava­ ter (1741-1801) brachte einen für die Kreisgeschichte rele­ vanten Fund zum Vorschein. Es handelt sich dabei um ei­ nen sog. Scheibenriß, der von den Gebrüdern Weber – beide Müller zu Blumberg – in den späten 50er Jahren des 16. Jahrhunderts in Auftrag gegeben wurde. Er stammt aus der Hand des versierten SchaHhauser Glasmalers Hie­ ronymus Lang des Älteren und ist als Vorlage für eine bunte Kabinettscheibe ange­ fertigt worden. Die abgebildete Federzeich­ nung I präsentiert dem Be­ trachter in vorderster Bild­ ebene zwei modisch geklei­ dete Männer. Der hand­ schriftlichen Aufzeichnung am unteren Blattrand ent­ nehmen wir ihre Namen, ihren Beruf und Herkunfts­ ort: dargestellt sind zur Lin­ ken Hans Weber und zur Rechten Bartholomäus Weber. Ihre Famili­ ennamen und die ähnlichen Gesichtszüge verraten eine enge Verwandtschaft, wobei die auffallende Altersnähe auf zwei Brüder schließen läßt2. 150 Hans und Bartholomäus Wtber, beide Müller zu Blumberg, ließen im 16. Jahrhundert beim Schajfhauser Glasmaler Hieronymus Lang den obigen Scheibenriß anfertigen. Ihre Attribute sind unmißverständlich: Handbüchse und Schwert zu Anderthalb begleiten ihr Erscheinungsbild. Sie tragen gepuffte Hosen und ein geschlitztes Samt­ wams mit weiten Ärmeln. Der linke Mann

trägt ein pelzverbrämtes Barett, der rechte eine einfache Lederkappe. Beide sind durch eine reiche Barttracht charakterisiert. Bei ge­ nauerem Hinsehen erkennt man die Farb­ bezeichnung der Kleider, mit denen sich die Dargestellten vom Zeichner abbilden ließen3. Zwischen ihren Beinen „stehen“ ihre Wap­ pen: jenes des Hans Weber zeigt das von ei­ ner Brezel überhöhte halbe Mühlenrad; das rechte zeigt hingegen einen Abvierer-Win­ kel und darunter ein ganzes Mühlenrad mit schrägen Kippschaufeln. Die heraldischen Farben sind durch kleine Anfangsbuchsta­ ben angegeben4. Die Figuren werden im Hintergrund von einer reich verzierten Architektur umrahmt: Seitliche rückversetzte Säulen mit gebauch­ ten Schäften, Tellerbasen und kompositen Kapitellen sind durch Pflanzenomamentik, Voluten und abstehende Glatzköpfe ge­ schmückt. Darüber liegen zwei in sich ver­ drehte Äste, die gleichzeitig den oberen Bildabschnitt der Darstellung abschließen. Das Gestaltungskriterium der Darstellung entspricht nicht den Erfahrungswerten des traditionellen Bildbegriffs: der Zeichner bemüht sich weder um landschaftliche Ein­ bettung im Sinne einer perspektivisch-raum­ haltigen Tiefenwirkung noch um die Wie­ dergabe einer bestimmten zeitlichen Abfol­ ge. Dieses formale Kriterium (Handlungs­ kontinuität versus Zeitlosigkeit) erhebt die gesamte Darstellung zur Trägerin einer Wil­ lensäußerung: es gilt, die Stellung in der so­ zialen Hierarchie und das daraus folgende Selbstbewußtsein der Abgebildeten zu un­ terstreichen. Plakativ und demonstrativ sind die stolzen Männergestalten mit ihren aus­ sagekräftigen Attributen in den Vorder­ grund geschoben. Zu Recht kann man hier von einem „sprechenden Bild“ sprechen. Die dazu ausgeführte Wappenscheibe, von deren Existenz heute nichts bekannt ist, hät­ te diese deutliche Aussage um einiges ver­ stärken müssen. Sie sollte mit großer Wahr­ scheinlichkeit in das wichtigste Empfangs- Blumberger Scheibenriß zimmer eines privaten Wohnhauses einge­ baut werden: jeder Besucher wäre von den leuchtenden Farben und ihrer Größe (unge­ fähr 30 x 20 cm) beeindruckt gewesen. Die Gebrüder Weber wollten durch den Auftrag zu dieser Wappenscheibe einen Freund oder Verwandten mit ihrem „allegorischen Por­ trät“ beschenken. Zu diesem Vorhaben scheuten sie auch keine Kosten: es wurde ei­ ner der bekanntesten Glasmaler aus dem be­ nachbarten Schaffhausen gerufen und mit der Planung und Anfertigung der Stifter­ scheibe beauftragt. Das den Stiftern vor der Anfertigung in der Werkstatt vorgelegte Mu­ sterblatt war die „Viesierung“ (Scheibenriß), die sich heute in der „Sammlung Lavater“ befindet. Hieronymus Lang – gebürtiger Hüfinger Der Zeichner und Glasmaler hieß Hiero­ nymus Lang der Ältere (um 1520-1582). Er zog vor 1541 aus Hüfingen in der Baar nach Schaffhausen, um hier sein „irdisches“ Da­ sein zu versuchen. Zusammen mit seinem Sohne Daniel (1543-1610) gelang es ihm, einen angesehenen Stand in der hiesigen Künstlerlandschaft zu erlangen. Obwohl sein Ruf nur selten die Grenzen des Schaff­ hauser Einflußgebiets überschritt und sein Schaffen von der heutigen Kunstwissen­ schaft eher dem Bereich des regional beton­ ten Kunsthandwerks zugeordnet wird, setz­ te er sich in den bürgerlichen und bäuerli­ chen Kreisen als gefragter Glasmaler durch5. Sein Stil ist unverkennbar: formale Klarheit, markante Binnenzeichnung und „bürger­ licher Geschmack“ charakterisieren sein Schaffensbild. Der Ursprung der zum Brauch erhobenen Schenkungen liegt in der historischen Son­ derentwicklung, die sich vorwiegend in der Schweiz des frühen 16. Jahrhunderts bis zum späten 17. Jahrhundert vollzieht: in diesem Zeitbogen entwickelte sich unter dem Einfluß zunehmenden Wohlstands al­ ler Gesellschaftsschichten und der gehobe-151

G chichte neren Gewohnheiten im privaten Wohnbe­ reich immer mehr die Sitte der privaten Fen­ ster- und Wappenschenkung. Sie bestand darin, daß man einem Freund, guten Be­ kannten oder Verwandten für sein Haus ein Glasgemälde schenkte; darauf war in den meisten Fällen das Wappen und der Name des Spenders, seine figürliche Darstellung und meist auch die Jahreszahl zu sehen6. Der Beschenkte sollte durch die ständige Präsenz der – verhältnismäßig teuren – Scheibe immer an den großzügigen Spender erinnert werden. Die bunten Glasgemälde ersetzten mit der Zeit die spätmittelalterli­ chen Butzenscheiben. Mit der Ausnahme von Gemeinschafts- oder Standesscheiben, die zur Unterbringung in öffentlichen Ge­ bäuden gedacht waren, dienten Kabinett­ scheiben ausschließlich der Ausschmückung privater Wohnräume. 1529 erhielt Hans Weber die Mühle von Lutz von Landau Der O!iellenstand zur Geschichte der wohlhabenden Müllerfamilie Weber zu Blumberg ist verhältnismäßig gut belegt. 1529 gab Lutz von Landau seine Mühle mit Haus, Hof und allen Lehensrechten an den Blumberger Hans Weber ab 7. Dafür mußte der neue Besitzer einen rechtlich festgeleg­ ten Teil seines Gewinns an den fürstenber­ gischen Grafen Friedrich und an die Stadt­ pfarre abgeben 8. Die Mühle wurde von der Familie Weber an den Beständer Thomas Fricker verpachtet. Aus den Mühlenakten, die sich heute im Fürstlich Fürstenbergi­ schen Archiv in Donaueschingen befinden, ist die Nachricht zu entnehmen, daß die Mühle nach dem Tode des Hans Weber als Erblehen an seine Nachkommen weiterge­ geben wurde. Im Jahre 1587 verstarb aber der Pächter Thomas Fricker. Da der inzwi­ schen regierungsfähig gewordene Graf Alb­ recht das Erblehen nicht mehr erneuerte, ging die Mühle wieder in fürstlichen Eigen- 152 besitz über. Somit erlosch das Erblehen und die Mühle konnte – unter dem fürstlichen Bannrecht – an einen neuen Beständer wei­ tergegeben werden. Die Mühle blieb insgesamt 58 Jahre in den Händen der Müllerfamilie Weber. Unter de­ ren Führung erwirtschaftete die Mühle ver­ hältnismäßig gute Gewinne. Die alltägliche Arbeit wurde vom Beständer vollbracht, während die Besitzer lediglich zum Eintrei­ ben bzw. zum Auszahlen der Abgaben ver­ pflichtet waren. Dies ermöglichte Hans We­ ber, seiner öffentlichen Tätigkeit als Unter­ vogt nachzugehen. Diese O!ialifizierung deutet auf hohes gesellschaftliches Ansehen hin. Die damals übliche Einsetzung eines Dorfvogts als amtliche Bezugsperson zur Durchsetzung der öffentlichen Interessen der Herrschaftsträger war unter den Für­ stenbergischen Grafen eine konsolidierte Tradition. Daß ein Mühlenbesitzer dieses Amt innehaben konnte, braucht heutzutage nicht zu verwundern: die Standhaftigkeit im Geschäftsleben und die dementsprechende soziale Stellung reichten ohnehin als „Be­ glaubigungsakt“ aus. Dementsprechend selbstsicher ließ sich Hans Weber gemeinsam mit seinem Bruder durch eine Wappenscheibe vertreten, die er dann an einen Privatmann zu verschenken gedachte. Daß diese Stiftung nicht für ein An1tsgebäude vorgesehen war, scheint ge­ mäß dem bisher gesagten nicht zu verwun­ dern. Ebensowenig war der Bestimmungsort dieser Glasmalerei das fürstliche Schloß, das 1576 neue Fensterscheiben bekam. Der Vor­ mund des noch regierungsunfähigen Grafen Albrecht, Heinrich und Joachim von Für­ stenberg, ließ im genannten Jahr das Schloß mit neuen Fensterscheiben ausstatten. Ein Glaser bezog das notwendige Glas aus der naheliegenden Brennhütte in Leibertingen. Das zur Rahmung üblicherweise benutzte Blei wurde „der Leichtigkeit halber“ durch Holz ersetzt 9, was aber eine Langlebigkeit der Fenster ausschloß. Gewiß, wir möchten viele andere Dinge

Blumbcrger Scheibenriß über die beiden Scheibenstif­ ter Weber wissen. Aber schon das, was wir mit diesem (be­ scheidenen) Fund einer Vor­ lage zu einer Stifterscheibe wissen, reicht aus, um ein Bruchstück dessen zu rekon­ struieren, was die Kulturan­ thropologen „Kultur der Un­ terschichten“ bzw. ,,Volkskul­ tur“ zu pflegen nennen. Die Erfassung der kollektiven Mentalität (Sitten, Gedan­ ken, Glaubensformen, Hoff­ nungen) der Blumberger Einwohner erreichen und fast immer durch die Filter der (amtlichen) schriftlichen �eilen. Die bildende Kunst vervollständigt das geschicht­ liche Bild und entwirrt um­ somehr die vielfältigen und vielschichtigen Fäden, die ein Individuum an eine hi­ storisch bestimmte Umwelt und Gesellschaft bindet. Nur so wird es möglich sein, die hier erreichten Schlußfolge­ rungen für unser Bild über die Zeit zu verallgemeinern. Der Auftrag zur Stifter­ scheibe der Müllerfamilie Hans Rösch-Taubennest, wohlhabender Bürger von Fürstenberg, liefs Weber bereichert um so sich zusammen mit seiner Frau im Jahr 1558 für eine bunte Wappen­ mehr unser Wissen der bür- scheibe abbilden. gediehen Blumberger Kunst und Kultur im 16. Jahrhundert. Auch Blum­ bergs Obervogt Hans Kemerling stiftete – zusammen mit seiner Frau – einen Schei­ benriß (siehe Abb. Seite 10)10. Diesmal wur­ de er zum Anlaß einer sogenannten Bild­ scheibe gestiftet, die vom Sohne Hiero­ nymus – Daniel Lang- im Jahre 1572 ange­ fertigt wurde. Ein anderer Lang-Scheibenriß in der Sammlung Lavater ist für ein Stifter­ paar im benachbarten Fürstenberg angefer­ tigt worden: Hans Rösch-Taubennest – in der Türkensteuerliste von 1542 als wohlha- bendster Bürger von Fürstenberg eingetra­ gen 11 – ließ sich zusammen mit seiner Frau im Jahre 1558 für eine bunte Wappenschei­ be abbilden. 12 Die vom Renaissance-Humanismus ver­ breitete Neu- bzw. Aufwertung der weltli­ chen Auftraggeberschicht und die damit ver­ bundenen Umwälzungen im Bereich der profanen Wohnkultur fand in den Stifter­ scheiben ihre naturgemäße bildliche Um­ setzung. Der private, ja nahezu häusliche Charakter dieser Glasmalereien bleibt 153

Blumberger Sch ibcnriß trotz aufsteigendem Humanismus – als letz­ tes Vermächtnis der unmittelbaren Vergan­ genheit bestehen. Zu jenem Zeitpunkt, wo die kontemplative Aussage der mittelalterli­ chen Andachtsbilder nicht mehr den zeit­ bedingten Bedürfnissen nach mehr Reprä­ sentativität entsprach, fand nun die Stifter­ scheibe ihren natürlichen Weg in die priva­ ten Gemächer der Bürger und Bauern. Alessandro Canestrini Fußnoten: I lnv.-Nr.: LAV VIIl/65/2256, 317 x 202 mm; Vor­ zeichnung in grauem Stift, darüber Feder in Schwarz; Randlinien in Schwarz; an den Ecken z. T. fleckig; Vertikalknick; auf einem Karton (462 x 315 mm) ka­ schiert. 2 Beschriftet vom Künstler unten: „Hanns Wäber undervogt zu Blumberg und Bartle Wäber Müller zu Blumberg“. 3 Die Ärmel sind rot („rot“), die Hosen gelb (.gl“). 4 Das linke Wappen zeigt auf weißem (nv“) Grund einen gelben („gl“) Brezel, das rechte Wappen ist schwarz (»ß“) grundiert und trägt den weißen (»v“) Winkel. 5 Vgl. dazu Friedrich Thöne: Museum zu Allerheili­ gen Schaffhausen. Die Zeichnungen des 16. und 17. Jahrhunderts (Hsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft), Zürich 1972, S. 167. Für das Wir­ ken der Künstlerfamilie Lang, vgl. – u. a. August Vet­ ter Fürstenberg – Stadtteil von Hüfingen. Die Ge­ schichte der einstigen Bergstadt in der Baar, Hüfin­ gen 1997, S. 116f. 6 Vgl. dazu Hermann Meyer: Die schweizerische Sit­ te der Fenster- und Wappenschenkung vom 15. bis 17. Jahrhundert, nebst Verzeichnis der Zürich er Glas­ maler von 1540 an und Nachweis noch vorhandener derselben, Frauenfeld 1884 7 Vgl. dazu Karl Siegfried Bader: Urkunden und Re­ gesten zur Geschichte von Stadt und Herrschaft Blumberg (Typoskript), Freiburg 1953, S. 19 und FFA (Fürstlich-Fürstenbergisches Archiv), Mühlenakten 8 Vgl. dazu Annelore Walz: Die Wirtschaftsgeschich- 154 te, in: Joachim Sturm (Hsg.) Blumberg – Die Ge­ schichte einer außergewöhnlichen Stadt, DoldVerlag 1995, S. 328-332. 9 Mitteilungen des FFA, II, 456 (26.2.1578). 10 Vgl. dazu Joseph L. Wohleb: Unbekannte Schei­ benrisse der Schaffhauser Glasmalerfamilie Lang, in: »Zeitschrift für Schweizer Archäologie und Kunstge­ schichte“, Bd. 9, Basel 1947, S. 227-224, v.a. S. 231f zu Abb. 6 11 Vgl. dazu August Vetter, a.a.O., S. 116. 12 LAV VIIl/65/2261, Feder in Schwarz; an den Rändern leicht beschnitten; Randlinien; an der rech­ ten unteren und der linken oberen Ecke stark fleckig; Vertikalknick; auf einem Karton (463 x 315) kaschiert. Vom Künstler in der unteren Blatthälfte beschriftet und datiert: „Hanns rösch Dubennest Letzius von Für­ stenberg und/ Anna Egly sin &bliche h11ßfrow 1558.“ Auch Blumbergs Obervogt Hans Kemerlingveran­ lasste-zusammen mit seiner Frau – einen Entwuif fii.r eine Bildscheibe.

Geschichte Die Kaiserbüsten am Donaueschinger Schloß Marc Aurel und Lucius Verus als Sinnbild der Idee des »Imperiums“, des Reichsgedankens Im Lauf der Jahre dürfte sich mancher Be­ sucher des Donaueschinger Schlosses bei der Betrachtung von dessen parkseitiger Südfassade gefragt haben, wen die dort am Mittelbau auf Höhe des zweiten Stockwer­ kes angebrachten männlichen Büsten dar­ stellen und wann bzw. warum sie dort ange­ bracht wurden. Da sich hierzu auch in der – bislang nur wenig umfangreichen – Literatur zum Donaueschinger Schloßbau keine wei­ teren Angaben finden lassen, soll hiermit ein Klärungsversuch unternommen werden, der sich auf im Archiv und der Liegen­ schaftsverwaltung des Hauses Fürstenberg erhaltene Qiellen stützt. Das heutige Aussehen des Schlosses ist das Ergebnis einer in den Jahren 1893/96 er­ folgten Umgestaltung nach Plänen der in Wien ansässigen Architekten Arnand Bau­ que (1851-1903) und Albert Pio (1847-?). Diese waren im Jahr zuvor von Fürst Karl Egon IV. zu Fürstenberg (1852-1896) mit ei­ nem weitreichenden Um- und Ausbau des bis dahin sehr schlichten, äußerlich noch aus dem frühen 18. Jahrhundert stammen­ den Gebäudes beauftragt worden. Dabei erhielt auch die südliche Fassade, welche die eigentliche Hauptansicht des Schlosses bildet, ein repräsentativeres Aus­ sehen, indem sie um einen Mittelrisalit mit vorgelagerter Unterfahrt und bekrönender Viereckkuppel sowie um zwei Seitenrisalite bereichert wurde. Sowohl in der Gesamter­ scheinung, als auch in den Details orientier­ te man sich hierbei vor allem an französi­ schen Schloß- und Palaisbauten im Stil des Regence und Rokoko. Dies erklärt sich zum einen durch die in Paris erfolgte Ausbildung der beiden Architekten, aber auch durch die Herkunft der Gemahlin des Fürsten, Dorn- Abb.]: Die Südfassade des Donaueschinger Schlosses. 155

Ge chicht thee de Talleyrand-Perigord (1862-1948), die auf die Neugestaltung des Schlosses maßgeblichen Einfluß ausübte. Es wäre somit zu erwarten gewesen, daß sich die an der neuen Fassade integrierten Büsten entweder bereits zuvor in fürsten­ bergischem Besitz befunden hatten oder ei­ gens für diesen Zweck angefertigt wurden. In einer mit „Wien, im Oktober 1892″ datier­ ten Entwurfszeichnung Bauques für die Südfront (Abb. 4), die mit dem Aussehen des später ausgeführten Mittelbaus schon weitgehend übereinstimmt, erscheinen auch bereits die beiden hochovalen, profilierten Nischen über den das Mittelportal flankie­ renden Fenstern im l. Stock. Bei genauerer Betrachtung erweisen sich die dort einge­ zeichneten Büsten jedoch als Frauengestal­ ten, von denen die linke aufgrund ihrer flüchtig skizzierten Attribute (angedeutete Mondsichel im Haar, umgehängter Pfeil­ köcher) als Artemis/Diana, die antike Göt­ tin der Jagd, interpretiert werden könnte. Dabei dürfte es sich aber lediglich um einen vage formulierten Dekorationsvorschlag der Architekten gehandelt haben, zumal in den Bauplänen der Folgezeit die Nischen stets leer dargestellt wurden, so daß deren Beset­ zung zunächst wohl noch offen blieb. Tatsächlich wurde das gegenwärtig dort be­ findliche Büsten paar erst drei Jahre später er­ worben, um dann wenige Monate vor Ab­ schluß der Umbauarbeiten zur Aufstellung zu gelangen. Dies geht aus Briefen zwischen dem Fürstenpaar und dem Architekten Bau­ que bzw. dem Bildhauer Joseph von Kopf 1827-1903) hervor, mit dem Fürst Karl Egon IV. eine geradezu freundschaftliche Verbindung unterhielt, nachdem er ihn be­ reits als Erbprinz in Begleitung seines Vaters in seinem Atelier in Rom besucht hatte und von dem sich zahlreiche Skulpturen in sei­ nem Besitz befanden. Kopf, der offenbar im Spätherbst 1895 zu Gast in Donaueschingen gewesen war, schreibt dem Fürsten am 26. Oktober aus Italien: ,,Nach Rom am 22. d. M. zurückge- 156 Abb2. : Kaiser Marc Aurel, Marmorbü,te am Schloß Donatteschingen. kehrt, habe ich sofort die Schritte gethan, um die beiden sehr schönen Büsten für die Nischen des Schlosses für Euer Durchlaucht zu erwerben. Ich habe das Maaß noch ein Mal mit dem der Nischen verglichen, und sind sie wie für diesselben gemacht. Es ist Lucino Leverus und Mark Aurel, zwei Kai­ ser die durch ihren Charakter wie durch ih­ re Erscheinung beliebt sind. Die Köpfe aus dunklem hartem Marmor unpolirt. Die To­ gas aus afrikanischem Marmor. Die Büsten sind vorzüglich ausgeführt, und würden in jedem Salon eine Zierde sein.“ Es handelt sich also um ein aus zweierlei Marmor geschaffenes Büstenpaar, welches die römischen Kaiser Marc Aurel (121-180 n. Chr.) und dessen Stiefbruder und Mitre­ genten Lucius Verus (130-169 n. Chr.) dar­ stellt (Abb. 2, 3). Die im Auftrag des Fürsten von Kopf schließlich am 8. November 1895 bei dem römischen Antiquitätenhändler Domenico Corvisieri zum Preis von 2508 Lire (damals ungefähr 1800 Mark) erstande-

nen Büsten wurden daraufhin verpackt und nach Donaueschingen geschickt, wo für ih­ re endgültige Anbringung zunächst noch die Anfertigung entsprechender Konsolen erforderlich wurde. Im Frühjahr des folgenden Jahres wurden sie dann im Beisein des Architekten Bauque aufgestellt, der in einem Brief an die Fürstin vom 13. März 1896 befriedigt feststellt: „Les bustes antiques sont tres bien dans !es niches -Leur proportion est excellente“. In einem am 28. März an Joseph von Kopfgerichte­ ten Briefkonzept schreibt der in Berlin wei­ lende Fürst Karl Egon N desweiteren: ,,Die beiden Kaiserbüsten sind an der Schloss­ fac;:ade in Donaueschingen angebracht und sollen sich nach übereinstimmendem Ur­ theil aller Betheiligten in jeder Beziehung vorzüglich ausnehmen. Ich hoffe mich bald durch Augenschein davon zu überzeugen, da ich bald auf einige Zeit nach Donau­ eschingen zurückkehre. Ich freue mich schon sehr auf den hierdurch geschaffenen erheb­ lichen Aufputz der Vorderseite des Sehlos- ses. „Die beiden einschließlich ihrer Sockel je­ weils etwa 75 cm hohen Büsten galten also der Aussage Bauques zufolge damals als an­ tike Originale, wenn sich auch hierfür keine weiteren Belege finden lassen. Eine Datie­ rung wird aus heutiger Sicht durch ihre nur schwer erreichbare, festverankerte Plazie­ rung sowie durch die witterungsbedingte Veränderung ihrer Oberflächen erschwert, doch läßt sich nicht ausschließen, daß es sich unter Umständen auch um neuzeitliche Wiederholungen handelt, zumal sich derar­ tige Plastiken seit der Renaissance als Deko­ rationsstücke im Innen- und Außenbau großer Beliebtheit erfreuten. Die beiden Kaiser tragen einer römischen Bildtradition zufolge eine an den Schultern in Fransen auslaufende Tunika, darüber einen dem menschlichen Oberkörper nach­ gebildeten, von Lederriemen gehaltenen Brustpanzer, der an der Büste Marc Aurels mit einer Schuppentextur versehen ist, Donaueschingcr Kaiserbüsten Abb. 3: Kaiser Lucius Verus, Marmorbüste am Schloß Donaueschingen. während der Panzer von Lucius Verus über seiner rechten Brusthälfte eine in Form eines Löwenkopfes gearbeitete Schließe aufweist. Der um die Schultern gelegte Militärmantel, das sogenannte Paludamentum (bei der Bü­ ste des Lucius Verus als Fransenpaludamen­ tum ausgearbeitet), das -innerhalb Roms getragen -als ausschließliches Attribut des Kaisers galt, wird jeweils über der rechten bzw. linken Schulter durch eine runde Ge­ wandspange bzw. Fibel zusammengehalten. Diese könnten ursprünglich vergoldet ge­ wesen sein, worauf eine Bemerkung auf dem erhaltenen Lieferschein des Antiquitäten­ händlers hindeutet. Während das die militärischen Eigen­ schaften der Imperatoren betonende Ge­ wand aus grünlichem, afrikanischem Mar­ mor („africano verde“) besteht, wurden die eigentlichen Porträtköpfe jeweils in einer grau-schwarzbraunen (,,bigis morato“) Mar­ morart gearbeitet. Obwohl die Mehrzahl der heute noch erhaltenen antiken Kaiser- 157

Geschichte Abb. 4: Bauque & Pio, Wien: Entwurf for die Um­ gestaltung der Sü4fassade des Donaueschinger Schlosses, Oktober 1892. büsten aus weißem Marmor besteht, gab es auch seinerzeit schon mehrfarbige Exem­ plare, wie sie dann jedoch vor allem ab dem 15. Jahrhundert in großer Zahl entstanden sind. Die Büsten am Donaueschinger Schloß entsprechen den damals gängigen Bildnis­ typen der beiden Kaiser, wie sie während ih­ rer Regierungszeit weiteste Verbreitung im gesamten römischen Reich fanden. Im Falle Marc Aurels unterscheidet man allgemein vier unterschiedliche Porträttypen, die sein jeweiliges Aussehen in verschiedenen Le­ bensabschnitten wiedergeben. Die Büste in Donaueschingen entspricht weitgehend dem sogenannten 3. Bildnistypus, der ihn unmittelbar nach seinem Regierungsantritt im Jahre 161 n. Chr. zeigt und vor allem durch das wenige Jahre später entstandene Reiterstandbild des Kaisers auf dem römi­ schen Kapitol weltberühmt wurde. Der Kopf ist mit dichten, kurzen Locken be­ deckt, das frontal nach vorn gewandte, schmale, vollbärtige Gesicht zeigt unter auf­ fallend gebogenen Augenbrauen den ihn kennzeichnenden, „nach innen gerichteten“ Blick, durch welchen der introvertierte Cha­ rakter des »Philosophen auf dem Kaiser­ thron“ zum Ausdruck kommt. Als Kontrast hierzu erscheint die kraftvol­ le Physiognomie des von ihm zum Mitre- 158 genten ernannten Stiefbruders Lucius Verus, der in der Donaueschinger Version seinem gleichfalls ab 161 auftretenden Haupttypus entsprechend mit energisch nach rechts ge­ wandtem Blick, üppiger Lockenpracht und im Kinn- und Backenbereich stark, über der Oberlippe jedoch nur schwach ausgepräg­ tem Bartwuchs dargestellt ist. Als charakte­ ristisches Erkennungsmerkmal für ihn kön­ nen desweiteren drei aus der Haarmasse her­ ausragende Locken über der linken Stirn­ hälfte dienen. Derartige Büstenpaare wurden in der An­ tike nicht nur in Tempeln und Palästen, son­ dern auch in Theatern, Thermen und auf öf­ fentlichen Plätzen aufgestellt, um das indi­ viduelle, wenn auch idealisierte Aussehen des jeweiligen Kaisers zu verbreiten und in Erinnerung zu halten. Nun stellt sich die Frage, mit welcher Absicht und in welcher Funktion sie Fürst Karl Egon IV. zu Für­ stenberg über 1700 Jahre später an der Fas­ sade seines Schlosses in Donaueschingen anbringen ließ? Der Vorgang der Erwerbung jener Büsten hat gezeigt, daß dieser Entscheidung wohl keine langwierige Überlegung, sondern viel­ mehr eine glückliche Verkettung von Zufäl­ len zugrunde lag, zumal die Benennung der dargestellten Kaiser und ihre Beschreibung als „durch ihren Charakter wie durch ihre Erscheinung beliebt“ in Kopfs Brief an den Fürsten recht lapidar wirken. Man sollte sich also vor allzu hochfliegenden Interpretati­ onsversuchen hüten, zumal sich die Epoche des Historismus, in welche auch der Umbau von Schloß Donaueschingen fällt, mitunter recht unbefangen vergangener Kunst- und Stilmittel bediente, ohne stets deren Inhal­ te und Zusammenhänge zur Gänze zu über­ nehmen. Tatsächlich scheint es in erster Li­ nie die – unbestreitbar – dekorative Wir­ kung der Büsten gewesen zu sein, die für ih­ re Verwendung sprach. Dennoch wäre es zu oberflächlich zu übersehen, daß das Motiv der auf einer Konsole oder in einer Nische bzw. Öffnung stehenden Kaiserbüste späte-

stens seit dem 16. Jahrhundert in der Außen- und Innenarchitektur weite Verbrei­ tung fand und dabei meist eine konkrete Aussage beinhaltete. Zum einen diente sie der personenbezogenen Verehrung eines je­ weiligen Herrschers, die sich bei Marc Aurel, dem Verfasser der berühmten „Selbstbe­ trachtungen“ und der Verkörperung eines tugendhaften Herrschers, vor allem auf des­ sen besonnenes, zur Selbstreflexion neigen­ des Wesen konzentriert. Dagegen eignet sich die Figur des vergleichsweise unbedeuten­ den, mehr instinktiv handelnden Lucius Verus weniger als Vorbild, sondern eher zur kontrastreichen Gegenüberstellung. Desweiteren wurden derartige Büsten als Sinnbild der Idee des „Imperiums“, des Reichsgedankens, verstanden, der auch noch im späten 19.Jahrhundert- obgleich in gänzlich verändertem Kontext – eine Be­ deutung haben konnte. Somit lassen sich auch fur das im Jahre 1664 in den Reichs­ furstenstand erhobene Geschlecht der Für­ stenberger zahlreiche Sinnbezüge zum Hei­ ligen Römischen Reich Deutscher Nation bzw. dem Deutschen Kaiserreich herstellen, zumal die beiden römischen Kaiser an der Donaueschinger Fassade in ihrer prominen­ ten Position unmittelbar die über dem Mit­ telportal angebrachte Kartusche mit dem Fürstenberg-Wappen und darüber befindli­ chem Fürstenhut flankieren. Daß hier nicht – wie man vielleicht erwar­ ten würde – das Allianzwappen des Auf­ traggeberpaares, sondern ausschließlich das Wappen des Hauses Fürstenberg zur Ver­ wendung kam, verdeutlicht die angestrebte allgemeine Aussage hinsichtlich des Cha­ rakters von Schloß Donaueschingen als der eigentlichen Hauptresidenz des Fürsten­ hauses. Desweiteren ist in den büstenbe­ stückten Nischen auch ein architektonisches W ürdemotiv zu sehen, das die hinsichtlich ihrer Ausmaße imposante, in ihrer Gestal­ tung jedoch zugleich vornehm-zurückhal­ tende Erscheinung des Schlosses wirkungs­ voll unterstreichen und den sich ihm nä- Donaue cbinger Kai erbüsten hernden Besucher auf eine entsprechende Geisteshaltung einstimmen soll. Ulrich Feldbahn Q!iellen: Fürstlich Fürstenbergisches Archiv, Donaueschingen Hofverwaltung/Hofhaushalt, Vol. XXV /Fasz. 2 Hofverwaltung/Kunst u. Wissenschaft, Vol. VITI/Fasz. 1 Hofverwaltung/Bausache, Vol. V /Fasz. 2 Fürstlich Fürstenbergische Liegenschaftsverwaltung, Donaueschingen Plansammlung Literatur in Auswahl: Bergmann, Marianne: Marc Aurel (Liebighaus Mo­ nographie, Bd. 2). Frankfurt/M. 1978. Feldbahn, Ulrich: Wilhelm von Bode und das Haus Fürstenberg. In: Schriften der Baar, 42. Bd. Donau­ eschingen 1999. S. 25-50. Goerlipp, Georg: Die Wappen der Fürstenberger – Heraldik am Beispiel eines alten Adelsgeschlechtes. In: Eltz, Erwein H./Strohmeyer, Arno (Hg.): Die Für­ stenberger. 800 Jahre Herrschaft und Kultur in Mit­ teleuropa (Ausstellungskatalog). Korneuburg 1994. S. 45-64. Hagen, Bernt von: Römische Kaiserbüsten als Deko­ rationsmotiv im 16. Jahrhundert (Diss.) Augsburg 1987. Klein, Richard (Hg.): Marc Aurel. (Wege der For­ schung Bd. 550). Darmstadt 1979. Kopf, Joseph von: Lebenserinnerungen eines Bild­ hauers. Stuttgart/Leipzig 1899. Kratt, Regina: Joseph von Kopf, 1827-1903. Das Werk des Bildhauers mit typologischen Studien zur Büste und Gruppe (Diss. Karlsruhe 1995), Aachen 1998. Lynar, Ernst Wilhelm Graf zu: Schloß Donauesch­ ingen. München/Zürich 1980 (Schnell & Steiner­ Führer Nr. 1217, 2. Aufl. 1993). Rosen, Klaus: Marc Aurel. Reinbek b. Hamburg 1997. Stemmer, Klaus (Hg.): Kaiser Marc Aurel und seine Zeit. Das Römische Reich im Umbruch. Berlin 1988. W1nter, Gundolf: Zwischen Individualität und Idea­ lität. Die Bildnisbüste. Studien zu Thema, Medium, Form und Entwicklungsgeschichte. Stuttgart 1985. 159

Geschichte Zwischen Leid und Lebensfreude Kunstwerke des berühmten Malers Curt Liebich (1868-1937) in Schwenningen und Villingen „Die Schwenninger sind mir nicht fremd … In der Knabenzeit habe ich schon Gelegen­ heit gehabt, die schöne Tracht der Schwen­ ningerinnen mit den roten Strümpfen, dem kurzen Rock und dem kleinen bänder­ geschmückten Käppchen an den Marktta­ gen in Hasle zu bewundern.“ Dem die Hip­ pen so gefielen, ist kein anderer als Heinrich Hansjakob, der für den württembergischen Marktflecken in seinen „Sonnigen Tagen“ nur gute Worte findet. Fremd blieben sie auch einem begabten Künstler nicht, der die Stuttgarter Ausgabe dieses Werkes aus dem Jahre 1906 illustrierte: Professor Curt Lie­ b ich hielt die bewunderte Hippentracht – der Rock war inzwischen länger geworden – im Bilde fest (s. a. Almanach 93), wie auch Schwenningens Stolz und Wahrzeichen, den Hölzlekönig, der majestätisch seine Waldesuntertanen überragte und als des Deutschen Reiches höchste Tanne gaJt. Es sollte nicht bei diesen beiden Bildern bleiben: Manches Kunstwerk in Schwen­ ningen erinnert noch heute an den Schwarz­ waJdmaler, Bildhauer und Werbegraphiker Curt Liebich. Er arbeitete grenzüberschrei­ tend: Auch für Villingen schuf er dies und jenes Kleinkunstwerk. Nicht jede seiner Ar­ beiten ist in der Doppelstadt auch heute noch als Werk dieses Mannes bekannt; Grund genug für eine Spurensicherung vor Ort. Geboren am 17. November 1886 in Wesel, wuchs der damals berühmte Künstler im el­ sässischen Colmar auf, wo er mit Albert Schweitzer die Schulbank drückte. Beide Männer gingen ihren Weg. Beiden wurde er nicht leichtgemacht. So prophezeite der Kunsterzieher dem verkannten Talent: „Lie­ bich, du wirst das Zeichnen nie erlernen“ – und untermauerte seine Überzeugung mit einer Fünf im Zeugnis. 160 Pref. Curt Liebich. Vor allem berühmt ist er für sei­ ne zahlreichen Werbeentwürfe und Ansichtskarten­ serien, die meist die Eigenheiten einer Region zum Inhalt hatten. Die Geschichte ist voll der Irrtümer, die Schulmeister begehen; glücklich zu preisen, wer die Kraft hat, mit Fehlurteilen zu leben -und sich über sie hinwegzusetzen. Liebich hatte sie. Der „schlechte Zeichner“ studierte die Bildenden Künste gründlich in Berlin und Weimar, machte dort von sich reden, kam schließlich -mit einer Empfehlung des Großherzogs von Sachsen-Weimar an den Gutacher Kunstprofessor Wilhelm Hase­ mann – in den Schwarzwald. Gutach sollte ihm zur wahren Heimat werden; wie nur we­ nige hat er das Volksleben seiner und einer

vergehenden Zeit eingefangen und der Nachwelt erhalten: ein Verdienst, das ihn in die Nähe Hansjakobs rückt. Was dieser mit der Feder festhielt, erzählte jener mit Pinsel und Stift: Curt Liebich wurde zu einem der berühmtesten Schwarzwaldmaler, der sich auch als Buchillustrator von Werken Johann Peter Hebels, Victor von Scheffels und Heinrich Hansjakobs einen Namen machte. Mit letzterem verband ihn der gemeinsame Kampf um die Erhaltung der heimischen Trachten. Ölgemälde für den „Bären“ An den alten Trachten hatte auch die zah­ lungskräftige Schwenninger Brauerfamilie Braunmüller ihre Freude. Von der fruchtba­ ren Verbindung, die Kunst und Kapital in­ folge gemeinsamer Vorlieben eingingen, zeugen heute noch die Ölgemälde Curt Liebichs in der schmucken Gaststube des Brauereiausschanks „Zum Bären“: Trachten aus der weiteren Heimat zeigen sie in ihrer Pracht und Herrlichkeit: wenig beachtete Kleinode, Zeugnisse einer vergangenen Zeit, Zeugnisse auch seines Könnens. Trachten­ träger aus Schwenningen, Söhnstetten, Bet­ zingen und aus dem Amte Rottweil, aus Le­ hengericht, Schappach, Gutach und Donau­ eschingen sind zu sehen, Württemberger Curt Li bich Auch die Bärenfamilie der einstigen Schwenninger Brauerei ist von Prof Gurt Liebich geschaffen. Zu sehen ist das Wirtshausschild des Schwenninger Gasthauses „Zum Bären“, in dem sich auch Ori­ ginalgemälde des Künstlers befinden und ein Bier­ deckel der Brauerei. und Badener im Grenzort auf der Baar fried­ lich vereint -im Bilde zumindest. Die acht Gemälde blieben nicht der einzi­ ge größere Auftrag, den Liebich von dem Schwenninger Unternehmer erhielt, mit dem ihn bald eine herzliche Freundschaft verband, die weit über bloße Geschäftsbe­ ziehungen hinausging. Neben vielen Wer­ beartikeln, worunter interessante Postkarten sich finden, schuf der Künstler die Bärenfa­ milie, die -dank des Bürgersinnes vieler Bürger der Stadt am Neckarursprung und 161

.,, ; Ge chicht dank des Engagement des rührigen Schwenninger Hei­ matvereins, der für manche Bürgerinitiative und Bürgerak­ tion gut ist – stolz wie einst die Villinger Straße überquert. Das Bärenschild ist zu einem Schmuckstück der Stadt gera­ ten, das dem Neckarquellort zum Eingang in Walter Leon­ hards Buch „Schöne alte Wirts­ hausschilder“ {München 1977) verholfen hat. Dort wird es als wertvoller Werbeträger, kostba­ res Kleinod und „moderne Ar­ beit“ gewürdigt, wobei der be­ sondere Hinweis der vollplasti­ schen Darstellung des Tieres gilt, das frohgemut Schluck um Schluck des bärenstarken Bie­ res genießt. Auch plastische Arbeiten geschaffen Nicht nur dem Schönen, auch dem Schweren hat der plasti­ sche Künstler sich geweiht. Dem Lichte entgegen schwebt freigeworden die Seele, die, al­ le Erdenschwere, doch auch al­ le Erdenfreuden, hinter sich las­ send, den läuternden Flammen entsteigt. Zu nachdenkendem Betrachten lädt das Bronze­ relief an einem Brunnen des Schwenninger Waldfriedhofes, der sich etwa 50 Schritt unter­ halb des Krematoriums befindet. Gestaltet hat es der Gutacher Professor, der als „Schwarzwaldmaler“ unvergessen ist, sich als Buchillustrator und Werbegraphiker ei­ nen Namen machte, nicht zuletzt aber mit seinen Leid und Trauer ausdrückenden bild­ hauerischen Arbeiten Werke von bleiben­ dem Wert schuf Erinnert sei nur an das Denkmal „Die trauernde Gutacherin“, die 162 „Dem lichte entgegen schwebt.freigeworden die Seele“. Bronzerelief an einem Brunnen des Schwenninger Waldfriedhofi, geschaffen von Curt Liebich. ihrem Schmerz über die im Ersten Weltkrieg sinnlos dahingemetzelten Soldaten freien Lauf läßt. Tod und Trauer statt nationalem Heroismus: Ungewöhnlich und mutig war es seinerzeit, ein solches Mahnmal zu ent­ werfen – entgegen dem Zeitgeist; im Dritten Reich erhielt Liebich als Bildhauer Berufs­ verbot, vorgeblich wegen „beruflicher Un­ fähigkeit“.

Curt Liebich f j :,· … ,�t\J tl)f ; ,.. Vom Können des Künstlers sich selbst zu überzeugen ist je­ dem Schwenninger leicht mög­ lich, der vom Krematorium auf dem Hauptweg wenige Schritte talabwärts schlendert. Ein vergessenes Kleinod war­ tet am Wege, eine der letzten bildhauerischen Arbeiten des Künstlers: Psyche kann der auf­ merksame Spaziergänger be­ trachten, die geflügelte Personi­ fikation der menschlichen See­ le; ein schönes Mädchen, das – wie in der bildenden Kunst der alten Griechen – mit Schmet­ terlingsflügeln in eine bessere Welt entschwebt – gelassener nur als die flatterhaften Som­ mervögel welche die Griechen gleichfalls Psyche nannten. Zwischen Lebensleid und Le­ bensfreude steht das künstleri­ sche Schaffen Liebichs, der dem fröhlichen Treiben des Volkes gerne zuschaute, um es im Bilde festzuhalten. Einige seiner Arbeiten zeigen die Vil­ linger Narros an ihren höchsten Feiertagen, manche zieren An­ sichtskarten: Kleinkunst in Künstlerpostkarten. Wenigen Städten nur war es vorbehalten, daß ganze Serien von Bildern mit reizvollen Motiven in die Welt hinausgehen konnten. Neben Badenweiler, Colmar, Karlsruhe und Freiburg gehört Villingen dazu. Für die alte Zähringerstadt schuf der Schwarzwaldmaler auch Plakate: zur Gewerbeausstellung anno 1907; zur Fremdenverkehrswerbung, in der noch heute eines, das acht Ansichten des Höhenkurortes zeigt, seine Dienste tut – nach bald einhundert Jahren. Studien von Gurt liebich zur Schwenninger Tracht. Überall im land, ob im Elsaß, in Baden oder Württemberg hielt der Gutacher Professor die örtlichen Eigenheiten fest. Werken seiner Kunst und seines Könnens – über sechs Dezennien, nachdem der Tod ihm am 13. Dezember 1937 in seiner Wahl­ heimat Gutach Griffel und Pinsel aus schaf­ fender Hand für immer genommen. So lebt Curt Liebich fort – im Herzen vie­ ler Verehrer; zu Villingen-Schwenningen in Michael Zimmermann 163

Ge chichte Gleich ob die weithin bekannte Schwenninger Tanne, der »Hölzlekönig‘: interessante Gebäude oder das vielfältige Brauchtum: Professor Gurt liebich hat in Villingen und Schwenningen viel­ fache künstlerische Spuren hinterlassen: Auf die­ ser Doppelseite sind neben dem Gedicht auf d�r ge­ genüberliegenden Seite felgende Darstellungen zu sehen, von oben links: Schwenninger „Hölzlekönig“ Villinger Narro Villinger Wuescht Alles Rathaus in Villingen Schwarzwälder Uhrenträger Das Villinger Münster Fast ausnahmslos handelt es sich bei diesen Dar­ stellungen um Ansichtskarten, von denen liebich tausende illustriert hat und die heute begehrte Sammelobjekte darstellen. liebich produzierte hervorragend gedruckte Lithographien, oft im Geist des Jugendstils.

Gurt Li bich Schreiben von Liebich an Gustav Braun­ müller, Brauereibesitzer, Schwenningen: Gutach. Sonntag 1.3.31 Der große Mann in der Bärenhöhle Im Grund jedoch ’ne gute Seele, Sand( uns zum Sonntag Wildschweinsbraten, Der, wie zu denken, gut gebraten. Doch in der Wilderwurst biß man auf Schrot, Ja, der Künstler hat ein hartes Brod. Und noch ein Spender aus Südtirol – Die Watschen drin der Teufel hol‘ – Hatte Girlaner, Terlaner grarlhergesandt Über Lindau in das Badner land. Der würzte das Mahl von Braunbärs Gnaden Samt Rosenkohl u. sonst Zutaten. Dmm gedenken mit Andacht und beim Verdaun Wir dankend Gustav Müllerbraun. Ein Glas Terlaner ihm, dem braunen Bär, Hoch lebe, lebe, lebe er! C. Liebich u. Frau

Geschichte Nur noch ein Straßennamen als Erinnerung Cipri Adolf Bermann -einst ein berühmter Bildhauer, heute fast in Vergessenheit geraten Bis zum Jahre 1997 sollte es dauern, bis man sich ein Bild über Leben und Werk dieses Mannes machen konnte. Durch den Arbeitskreis Stadtgeschich­ te in der Heimatgilde Vöhren­ bach war es sogar möglich, in ei­ ner Ausstellung der Bevölke­ rung C. A. Bermanns Werke zu zeigen. Bermann gehörte zu jener Künstlergeneration, die um die Jahrhundertwende in der Ab­ kehr vom damaligen Schön­ heitsprinzip und in der Hin­ wendung zum Formenideal des klassischen Altertums, den ur- CipriAdo!fBermann, sprünglichen Sinn alles plasti- 1862-194Z sehen Schaffens mit ihren Wer- ken wieder zur Geltung brachte. Im Werk „Deutsche Kunst und Dekoration von 1900“ heißt es, „er darf in der modernen sti­ listischen Bewegung einen Platz in der vor­ dersten Reihe der jungen Bildhauer in Deutschland beanspruchen.“ AdolfBermann wurde am 27. August 1862 als Sohn der Eheleute Ciprian Bermann, Schreinermeister, und seiner Frau Agathe geb. Wehrle in Vöhrenbach im Haus Nr. 3 im Oberanger geboren. Schon früh erkann­ te man sein außergewöhnliches Talent, denn bereits im Alter von 15 Jahren schuf er oh­ ne Mithilfe zwei hervorragende Gipsme­ daillons seiner Eltern. Um ihn zu fördern, ermöglichte ihm die Gemeinde im Jahre 1878 den Besuch der Großherzoglichen Schnitzereischule in Furtwangen, indem sie ihm einen rückzahlbaren Zuschuß von einer Mark pro Tag gewährte, denn seine Eltern konnten das Schulgeld nicht aufbringen. Es folgte nun ein Architekturstudium an 166 der Technischen Hochschule in Zürich unter bedrückend finan­ ziellen Engpässen. Wesentli­ chen Anteil am künstlerischen Erfolg Bermanns hatte sein da­ maliger Seminarlehrer Rethen­ bach aus Küssnacht; dieser schrieb erschütternde Briefe an den Großherzog von Baden und seine Minister, in denen er bat, das Talent des jungen Ber­ mann zu fördern, was dann auch geschah. Durch Rethen­ bach kam in Zürich auch die Be­ kanntschaft mit den Schweizer Dichtern Conrad Ferdinand Meyer und Gottfried Keller zu­ stande, und durch sie erhielt Bermann auch Bildhaueraufträ­ ge aus ihrem Familienkreis. Die Anfertigung von Gipsplastiken mit den Porträts von C. F.Meyer und G. Keller und anderen Gön­ nern verschafften Bermann Einkünfte für den Lebensunterhalt. Auch später half ihm Rethenbach immer wieder. In den Jahren 1882 bis 1884 folgte ein Stu­ dium an der Kunstschule in Karlsruhe unter dem bekannten Bildhauer Prof Hermann Volz. Auch hier findet man ihn in den Archivalien als Stipendiaten (Freischüler) vermerkt. Durch die Unterstützung des Großherzogs von Baden konnte Bermann im Jahre 1885 eine Studienreise nach Italien und im Jahre 1889 nach Paris unternehmen. Seit dem Jahre 1887 wurde München sein ständiger Wohnsitz, wo er auch schon in den Jahren zuvor zeitweise in der Landsber­ ger Straße 48 wohnte. In München leitete Bermann auch eine Bildhauerschule. Schon im Jahre 1888 erscheint der Name Bermann zum ersten Mal im Au stellungskatalog der

Der künstlerische Durchbruch großen III. Internationalen Kunstausstel­ lung in München. Im Jahre 1893/94 erhält Bermann den ersten großen Auftrag: die „Ödipus-Gruppe“, eine Monumentalplastik von drei Figuren zum Preis von 8000 Gold­ mark. Der Ankauf durch die Kunsthalle in Karlsruhe war der Initiative des Großher­ zogs zu verdanken. Kurz vor dem Abtrans­ port nach Karlsruhe besichtigte auch der bayerische Prinzregent dieses Werk. Der Durchbruch als Bildhauer gelang Ber­ mann auf der VII. Internationalen Kunst­ ausstellung 1897 im Münchner Glaspalast, bei der er für die Porträtbüste des berühm­ ten Schriftstellers C. F. Meyer die Goldme­ daille der Stadt München erhielt, die erste internationale Auszeichnung. Eine Kunst­ zeitschrift schrieb: ,,Das Modell seiner Lei­ stungen von solcher Kraft, Einfachheit und persönlicher Auffassung sprechen für sich selbst.“ Bermann hatte das Glück, mit C. F. Meyer (1825-1898) in dessen letzten Le­ bensjahren freundschaftlich zu verkehren, und so konnte er das Werk während eines längeren Aufenthaltes im Meyer’schen Haus zu Kilchberg schaffen. Bei der Kunstausstel­ lung in Karlsruhe im Jahre 1902 zu Ehren des 50jährigen Regierungsjubiläums des Großherzogs war auch Cipri Adolf Ber­ mann erfolgreich vertreten, denn er erhielt eine Auszeichnung, und die Kunsthalle er­ warb eine „Eva-Büste“ aus Marmor, die aber seit dem Krieg verschollen ist wie auch die ,,Ödipus-Gruppe“. Den Namen „Cipri“ leg­ te sich Bermann Mitte 1895 als Künstlerna­ me zu. Der Wunschtraum aller Kunstschaffenden war, ein Werk in der Nationalgalerie Berlin ausstellen zu dürfen. Dieser Wunsch erfüll­ te sich 1904/05, als Bermann eine Lenbach­ Büste in rötlichem Marmor aufstellen durf­ te. Diese Büste ist seit dem Kriege vermißt. Zur Einweihung der neuen Mannheimer Kunsthalle im Jahre 1907 war auch Bermann Cipri Adolf Bermann Büste von Architekt Hermann Billing (rötlicher Marmor), Kunsthalle Mannheim. mit seinen Werken eingeladen; in einem ei­ genen Raum stellte er 16 Werke aus, die sehr großen Anklang fanden. Der Großherzog Friedrich zeichnete ihn mit dem Orden ,,Ritter vom Zähringer-Löwen I. Klasse“ aus; auch hier erwarb die Kunsthalle eine Len­ bach-Büste. Das Jahr 1908 brachte Bermann die Er­ nennung zum Kgl. Bayerischen Professor der bildenden Künste, worauf er bei der Neuwahl des ,:Vereins bildender Künstler 167

G chi htc Sterbende Sphinx, Entwurf einer verschollenen Marmorskulptur. Münchner Sezession“ in die Vorstandschaft gewählt wurde, in der nur Namen berühmter Künstler verzeichnet sind. Auch bei der Weltausstellung in Brüssel 1909/10 findet man wieder den Namen von C. A. Bermann. Der bekannte Karls­ ruher Jugendstil-Architekt Her­ mann Billing bekam den Auf­ trag, den Deutschen Musikraum zu gestal­ ten, in dem Bermann zwei Porträtbüsten zeigte, die mit Preisen ausgezeichnet wur­ den. Die Stadt Kiel baute im Jahre 1911 ein Die Modellbüste des Schweizer Schriftstellers Con­ rad Ferdinand Meyer bedeutete im Jahr 1897 .far Bermann den künstlerischen Durchbruch. 168 neues Rathaus (Architekt H. Billing); Ber­ mann erhielt den Auftrag, am Hauptportal zwei Bronzefiguren „Triton und Nereide“ (griechische Sagengestalten) zu schaffen (im Krieg zerstört). In unserer näheren Heimat findet man Bermann in Freiburg; am Hauptportal der Universität stehen zwei mächtige Bronze-Figuren „Homer und Ari­ stoteles“, die Bermann 1913/14 für 16000 Mark geschaffen hat. Auch hier war wieder der Architekt H. Billing mit dem Bau be­ auftragt, mit dem Bermann befreundet war. In Baden-Baden findet man noch ein Werk von Bermann, das „Einhorn“ im Gönner­ park, benannt nach dem Bürgermeister Gönner (1875-1900), unter dem Baden-Ba­ den einen großen Aufschwung nahm. Wer nach München kommt, sollte das Lenbach-Haus (Städtische Galerie) mit Wer­ ken der Maler-Gruppe „Blaue Reiter“ besu­ chen; dort steht im Eingangsraum die Bron­ ze-Büste des Malerfursten Franz von Len­ bach, signiert: C. A. Bermann. Der Erste Weltkrieg und die Not-und In­ flationszeit ließen ein künstlerisches Schaf­ fen fast nicht mehr zu; auch die Kunstrich­ tung war eine andere geworden. Obwohl bereits 63 Jahre alt, erlebte Bermann noch einmal einen großen Erfolg. Die Stadt Mün­ chen schrieb zur Erinnerung an die 15 000

Cipri Adolf Bermann liegen, die eine sehr gute Resonanz hatte. Im Jahre 1933 wurde ein Wettbewerb für eine Büste Röntgens in die Walhalla ausgeschrie­ ben; auch hier war Bermann beteiligt, doch wurde die Ausführung ohne Nennung von Gründen verschoben. Es ist nicht möglich, alle Werke Bermanns aufzuführen. Er war der Porträtist vieler berühmter Persönlichkeiten in Deutsch­ land; er schuf Büsten der Maler Franz von Lenbach, Fritz von Uhde, Franz von De­ fregger, Albert von Keller und Oberländer, der Musiker Engelbert von Humperdinck und Felix Mottl, der Wissenschaftler C. von Linde und Ernst Häckel, des Baumeisters Emanuel von Seidl, dreier Generationen des Hauses Wittelsbach: Prinzregent Luitpold, König Ludwig II., Kronprinz Rupprecht, des Großherzogs von Baden sowie mehrerer Frauenporträts. Erst zum Jahresende 1997 konnte in Er­ fahrung gebracht werden, weshalb C. A. Bermann noch im hohen Alter nach Lu­ xemburg zog. Bermanns Frau Ida Lewino, genannt Bertha, erging es in dieser Zeit wie Tausenden von Menschen in Deutschland: da sie jüdischer Abstammung war und die deutsche Staatsbürgerschaft verlor, mußte sie ihre Heimat verlassen. Sie meldete sich am 15. August 1935 in München ab und zog nach Eich in Luxemburg, der Heimat ihrer Mutter. Bermann konnte sich nicht so leicht von seinem geliebten München trennen und pendelte jahrelang zwischen Eich und München, bis sein Atelier in der Leopold­ straße in München im Bombenhagel zer­ stört wurde. Mit der polizeilichen Anmel­ dung am 15. Juli 1940 wurde Eich sein letz­ ter Wohnsitz. Zeitzeugen bezeichneten ihn als „Auswanderer“. Auch in Luxemburg ar­ beitete Bermann noch künstlerisch und stellte seine Werke im „salon du cercle arti­ stique“ aus. Unvergessen dürfte er in Lu­ xemburg bleiben durch eine von ihm ge­ schaffene bronzene Porträtbüste der Groß­ herzogin Charlotte von Luxemburg, die sich heute in der Abgeordnetenkammer des Lan- 169 Die Lenbach-Büste (Bronze) steht im Lenbach­ Haus (Städtische Galerie München). gefallenen Söhne eine Gedenkstätte aus. Bei einer Beteiligung von 149 Bewerbern, mei­ stens Architektengruppen, gelang es ihm als Einzelbewerber, einen 2. Platz zu erringen für das Modell „Kampf“ mit einer 12 Meter hohen Pyramide (1923/24). Auch dürfte in den Jahren um 1925 die Gründung seiner Bildhauerschule „für Damen und Herren“

Cipri Adolf Bermann Die wohl bekanntesten Arbeiten von Cipn· Ado!f Bermann sind die beiden Bronze-Figuren von Homer und Aristoteles, die das Hauptportal der Universität Freiburg schmücken. Unten rechts: Einhorn in Stein im Gönnerpark der Stadt Baden-Baden, geschaffen 1909. des befindet. Ein weiteres Werk, der „Zen­ taurius“ (in Bronze), halb Mensch halb Pferd, steht im Kurpark von Mondorf les Bains, Luxemburg. Bermann starb am 24. Mai 1947, seine Frau 1948. Beide waren auf dem Friedhof in Weimers­ kirch(en)/Luxemburg beigesetzt worden. Ein schöner Grabstein schmückte die Ruhe­ stätte; doch 1985 wurde die Grabstätte auf­ gelöst, da niemand mehr die Konzession er­ neuerte. Erich Willmann 170

Arnold Zähringer – Erfinder aus Furtwangen Als Mechaniker der erste Mitarbeiter von Robert Bosch – Miterfinder der Magnetzündung chichte In einem Städtebuch aus den Fünfziger­ jahren findet sich im Furtwanger Beitrag un­ ter Kapitel 6d, Persönlichkeiten der Stadt, folgende Angabe: ,,Arnold Zähringer, * 9. 5. 1869 in Stuttgart, erfand bei Robert Bosch die neue Magnetzündung, dadurch Mitbe­ gründer det Boschwerke … “ Abgesehen davon, daß der Geburtsort nicht stimmt – Arnold Zähringer wurde am angegebenen Datum zwar geboren, aber nicht in Stuttgart, sondern in Furtwangen – forderte die Angabe, daß ein Furtwanger, der in seiner Heimatstadt nahezu in Ver­ gessenheit geraten ist, eine umwälzende, epochemachende Erfindung gemacht ha­ ben soll, weitere Nachforschungen geradezu heraus. Diese ergaben, daß Arnold Zährin­ ger die Magnetzündung zwar nicht erfun­ den hat, aber zusammen mit Gottlob Ho­ nold einen wesentlichen Anteil daran hatte, wie aus Beiträgen, erschienen in der Werks­ zeitschrift der Stuttgarter Weltfirma, ,,Der Bosch-Zünder“, Heft 4 und Heft 10 aus dem Jahre 1919 hervorgeht: Am 15. November 1886 hatte Robert Bosch, 25 Jahre alt, in Stuttgart in einem Hinterhaus in der Rotebühlstraße Nr. 75, in einer Waschküche, nur wenige Minuten von den heutigen Bosch-Werken entfernt, eine mechanische Werkstätte gegründet. ,,Schon hier war es, wo Herr Arnold Zähringer (Da­ zu die Fußnote: Herr Zähringer hatte die Be­ triebsleitung bis 1914 inne; er ist in diesem Jahr krankheitshalber ausgeschieden.), al­ lerdings nur ein halbes Jahr lang, und zwar in der Zeit von November 1888 bis zum Mai 1889, als Mechanikergeselle bei Herrn Bosch arbeitete.“ In dieser Werkstätte wurde Ende 1887 der erste Zündapparat für orts­ feste Gasmaschinen hergestellt. Außerdem hatte man sich in der Herstellung einer Blin- Arnold Zähringer, Ingenieur bei Bosch. Geboren am 9. Mai 1869 in Furtwangen, gestorben 1942 in Stuttgart. den-Schreibmaschine versucht und fabri­ zierte elektrische Türkontakte, Hausklingel­ anlagen und Zigarrenröhrchen mit selbst­ tätiger „Stummelausstoßvorrichtung“. In Frühjahr 1890 wurde diese Werkstätte in ein Hinterhaus der Gutenbergstraße Nr. 9 verlegt. ,,Am 10. August desselben Jahres trat Herr Zähringer von neuem, diesmal für dauernd, bei der Firma ein. (Anmerkung: Arnold Zähringer hatte zwischenzeitlich für einige Monate bei Siemens in Berlin gear­ beitet.) Schon nach eineinhalb Jahren waren auch diese Räume wiederum zu eng gewor­ den, so daß die Werkstätte im Herbst 1891 nach der Rotebühlstraße verlegt werden mußte.“ In den folgenden Jahren expan- 171

Erfinder Arnold Zähringer PtfOTOGa. D&ICX DU lllettSOIUOC:UU .}(t 9 9399. Zeichnung der Patentschrift. dierte die Firma Bosch stark. Im Jahre 1913 beschäftigte sie allein in Stuttgart und Feu­ erbach 4 400 Angestellte und Arbeiter. Da­ zu gab es Vertreter und Verkaufshäuser „in allen Ländern“. Dann aber heißt es im ,,Bosch-Zünder“: „Im Frühjahr des Jahres 1914 erlitten wir einen besonderen Verlust dadurch, daß un­ ser langjähriger, hochverdienter Betriebs­ leiter Herr Arnold Zähringer von seinem Posten krankheitshalber zurücktrat. Herr Zähringer blickte auf eine 24jährige Tätig­ keit in unserm Hause zurück; er war in den ersten Jahren nach der Gründung unserer Firma als Mechaniker der erste Mitarbeiter des Herrn Robert Bosch gewesen. Er hat die ganze Entwicklung unseres Hauses an lei­ tender Stelle miterlebt und gefördert und zu einem ganz wesentlichen Teil zu unserem 172 Aufstieg beigetragen. Solange seine Kraft ausreichte, hat er in rastloser Arbeit und zäher Ausdauer Schritt gehalten, auch wenn die Ereignisse sich manchmal über­ stürzten. Aber schließlich gebot ihm Er­ krankung Einhalt. Er ist am 31. Dezem­ ber 1914 endgültig aus unserer Firma aus­ geschieden.“ Arnold Zähringers tatsächlicher Anteil an der Erfindung der Magnetzündung geht aus folgender Beschreibung in dem Festbeitrag „V ierzig Jahre Bosch-Hoch­ spannungs-Magnetzündung“ hervor: ,,1895 baute Robert Bosch zum ersten­ mal versuchsweise eine Magnetzündung in ein Kraftfahrzeug ein; es war ein Benz­ wagen mit langsamlaufendem Motor, dessen Batteriezündung durch eine Ab­ schnappzündung ersetzt wurde. 1896 wandte sich die Augsburger Firma Rüb und Wegelin, die sich mit dem Bau eines Kraftrades beschäftigte, wegen des Ein­ baus einer elektrischen Zündung an Robert Bosch. Die Abschnappzündung mit dem schweren pendelnden Anker war jedoch wegen der Bauart dieses Mo­ tors nicht geeignet. Da es aber eine bat­ terieunabhängige Zündanlage sein sollte, versuchte man es mit einer Influenzmaschi­ ne. Schließlich wurden, weil auch der Motor noch nicht lebensfähig war, die Versuche eingestellt. In der Folgezeit kam Robert Boschs Meister und späterer Betriebsleiter, Arnold Zähringer, auf den Gedanken, statt des schweren Ankers zur Steuerung des ma­ gnetischen Flusses eine leichte Hülse pen­ deln zu lassen. Ein für die weitere Entwicklung grundle­ gender Schritt war 1897 der Einbau der Ma­ gnetzündung in ein de Dion-Bouton-Drei­ rad, dessen Motor etwa 2 000 U/min mach­ te und mit der in Frankreich weit verbreite­ ten Batteriezündung mit mechanischem Summer ausgerüstet war. Durch Zähringers Einfall, die pendelnde Hülse des Magnet­ zünders zwangsläufig (statt durch die Ab­ schnappanordnung) anzutreiben und das

Geschichte Motorisierte Landpartie 1908. Von links nach rechts: Ernst Ulmer, Gottlob Honold am Steuer, sitzend Hugo Borst und Arnold Zähringer beim Aussteigen. Abreißgestänge von der Steuerwelle aus zu betätigen, gelang es, die Magnetzündung für die damals ungewöhnlich hohe Motordreh­ zahl zu verwenden. Dies ist der Ausgangs­ punkt für die Verwendung der Magnetzün­ dung im Kraftfahrzeug, die bis dahin aus­ schließlich auf den ortsfesten Motor be­ schränkt war.“ An anderer Stelle hatte Robert Bosch sel­ ber einmal berichtet: ,,Die Verwendung pen­ delnder Anker in der Form, wie sie an orts­ festen Maschinen bisher üblich waren, schied von vorneherein aus … Mein damali­ ger Werkführer Zähringer war auf den Ge­ danken gekommen, den schweren Anker des Magnetapparates nicht mehr pendeln zu lassen, sondern an seiner Stelle ein zwi- schengeschaltetes Kraftlinienleitstück.“ Und in einem Aufsatz im „Bosch-Kurier“ vom 15. März 1932 (,,So begann es mit der Bosch-Zündung im Kraftfahrzeug“) ist zu lesen: ,, … Arnold Zähringer, damals Meister und später erster Betriebsleiter, fand eine ausgezeichnete Lösung, wodurch auch die hohen Drehzahlen von 1800 Umläufen in der Minute mit Sicherheit bewältigt werden konnten.“ Auf der „Ersten Internationalen Motorwa­ gen-Ausstellung“ im Jahre 1899 in Berlin wurde die neuartige Abreißzündung von Bosch noch wenig beachtet. ,,Mancher schüttelte sogar den Kopf.“ Die Erfindung wurde mit einer Bronzemedaille ausge­ zeichnet. Ein Jahr später wurde dem Bosch- 173

Erfinder Arnold Zähringcr Feketehegy (ohne Datum) Zündvorrichtung für Gasmaschinen und dergl., welche viele schnell aufeinander­ folgende Funken dadurch erzeugt, dass ein Eisenkörper, welcher im Verhältnis zum Anker geringes Gewicht besitzt, zwi­ schen den Polen eines feststehenden Ma­ gneten und einem mit einfacher Wicke­ lung versehenen, ebenfalls feststehenden Anker eine theilweise Kreisbewegung ab­ wechselnd in dem einen und anderen Sinne ausführt.“ Zwei Briefe aus Ungarn: ,,Seit 8 Tagen gibt Bosch keinen Funken mehr … “ Wie das neue Bosch-Produkt auf den Kunden wirkte, mag aus zwei Briefen aus Ungarn aus dem Jahre 1903 hervorge­ hen. „Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Sie mit meinem Brief belästige. Ich bin der unglücklichste Mensch. Ich habe vor mehr als Jahresfrist in Budapest eine alte 12 pferdige Benzindampfmaschine ge­ Zähringer, Robert Bosch, Gottlob Honold (Firmenfoto). kauft. Die Benzindampfmaschine zieht meine Mühle, wenn der Bach zugefroren Zündapparat auf Automobilausstellungen ist, aber seit einiger Zeit nicht mehr, und an in Nürnberg und Wien jeweils eine goldene dem Unglück ist Bosch schuld, denn seit Medaille zuerkannt. acht Tagen gibt Bosch keine Funken mehr. Auf der linken Seite meiner Benzin­ Im Juni 1897 das Patent für den „Elektri­ dampfmaschine ist ein kleines eisernes schen Funkengeber“ erteilt Tischlein; auf diesem Tischlein sitzt Bosch; er ist ein Stück Eisen und hat eine lange Honolds und Zähringers Erfindung, ein Stange. Wenn man die Stange nach links »Elektrischer Funkengeber zur Zündung des zieht, wirft Bosch einen Funken in den Cy­ Explosionsgemisches in Gasmaschinen u. linder, welcher die Kraft macht, die meine dergl.“, wurde vom Kaiserlichen Patentamt Mühle zieht. Früher hat Bosch Funken ge­ am 11. Juni 1897 in der Klasse 46, „Luft-und worfen, so groß wie eine Linse und jetzt so Gasmaschinen, Feder-und Gewichtstrieb­ klein wie ein Mahnkorn. Was soll ich jetzt werke“, patentiert. Die Patentschrift trägt die anfangen, wo die Winterszeit kommt? Ich Nummer 99399. Inhaber des Patents ist möchte Ihnen meine Benzindarnp&naschi­ „Robert Bosch in Stuttgart“. In der Patent­ ne nach Wien schicken, aber sie müssen mir Ihren Maschinisten hierher schicken, weil schrift heißt es einleitend: „Der Gegenstand ich die Maschine nicht zerlegen kann. der Erfindung besteht in einer elektrischen 174 Ausstellung in Stullgart 1942; Bilder von links: Arnold

Geschichte dung ausgesorgt gehabt hätte, setzt er sich, nunmehr 45 Jahre alt, keineswegs zur Ruhe. Er geht zur Firma „Grossag“ (Gross AG) in Schwäbisch Hall, Hersteller von elektri­ schen Haushaltsgeräten, erwirbt einen Fir­ menanteil von 49 Prozent, bastelt an einer Spülmaschine, erfindet den Bi-Metallstrei­ fen als Temperaturregler und baut sich 1939 eine schöne Villa im Wildermuthweg, in ei­ ner exklusiven Stuttgarter Lage, heute im Besitz von Enkel Peter Zähringer und seiner Familie. Arnold Zähringer selber hatte nie darin gewohnt. Aus einer Werkswohnung zog er in ein eigenes Haus in der Rosen­ bergstraße, wo er auch, an einem Speise­ röhrenkrebs erkrankt, 1942 starb, übrigens im gleichen Jahr wie der acht Jahre ältere Fir­ mengründer Robert Bosch. Er wurde auf dem Stuttgarter Waldfriedhof in dem Fami­ liengrab beigesetzt. Arnold Zähringer wird von seinen Enkeln als sehr strenger Mann geschildert, der die Familie beherrscht habe. Man erinnert sich 175 Die Familie Arnold Zähringer. Schreiben Sie mir gleich, was das alles ko­ stet.“ Pusztajy J anos Feketehegy am 12. XI. 1903 ,,Ich bin der glücklichste Mensch in mei­ ner Gemeinde. Mein Bosch wirft jetzt größere Funken wie früher und zieht meine Mühle so gut, daß ich einmal befürchtet ha­ be, daß meine Mühle und mein Haus zu­ sammen gerissen wird. Aus Dankbarkeit möchte ich Ihnen zu den Weihnachtsfeiertagen zwei Sackerl Mehl schicken, damit Sie sehen, wie schönes Mehl mein Bosch, den Sie mir so schnell geschickt haben, mahlen kann.“ Puszta.fy janos Obwohl Erkrankung als Ursache für das Ausscheiden angegeben wird und Arnold Zähringer aufgrund einer generösen Abfin-

nist hübscher Charakterstücke für die Zither einen regionalen Namen gemacht und die Liebe zu diesem Instrument an seinen Sohn Paul, der sich in der Nachbarschaft des vä­ terlichen Hauses zur Ruhe gesetzt hat, und an Enkel Siegfried Enz weitergegeben. Ed­ wina hatte zeit ihres Lebens als „Wanne-Ed­ wine“ einen erheblichen lokalen Bekannt­ heitsgrad. Der „Wannebürgermeister“ galt als Origi­ nal mit einer heiteren Lebensbetrachtung. Etliche seiner Sprüche sind überliefert wor­ den. So konnte er sogar noch dem Sterben und dem Tod eine heitere Seite abgewinnen. Als der Furtwanger Pfarrer ihn auf dem Ster­ bebett aufsuchte, meinte der „Wannebürger­ meister“: ,,Wenn nu die kaiwe Sterberei rum wär, daß mer widder mache kennt, wa mer wett.“ (Wenn nur das dumme Sterben schon vorbei wäre, damit ich wieder machen kann, was ich will.) Die Zähringer führen ihren Namen auf die Herzöge von Zähringen zurück, die im 11. und 12. Jahrhundert im deutschen Südwe­ sten und bis in die heutige Schweiz hinein ein bedeutendes politisches und kulturelles Zentrum schufen, Burgen bauten, Städte gründeten (Freiburg im Breisgau und Frei­ burg im Üchtland in der Schweiz, Murten, Bern, Villingen), Klöster förderten und sich als Kunstmäzene betätigten. In ständiger Ri­ valität mit den Staufern und Welfen ste­ hend, zerfällt die Dynastie mit Bertold V., der 1218 stirbt. Robert Scherer Erfinder Arnold Zähringer auch noch daran, daß er jeden Tag seinen Stammtisch im „Banzhaf“ in der Bolzstraße aufsuchte. Ein Schönenbacher Geschlecht Arnold Zähringer entstammt einem Schö­ nenbacher Geschlecht. Der Großvater, Karl Zähringer (geb. 18.1.1788, gest. 28.5.1857), Uhrenschildermacher von Beruf, war im „Gründle“ beheimatet. 1820 heiratete er Crescentia Bürkle vom Cyriakenhof und hatte mit ihr zwölf Kinder. 1922 baute Karl Zähringer ein Haus im Dorf, ,,Schildkaries Huus“, heuteJosef-Zähringer-Straße Nr. 34. Das 9. Kind der beiden, Alexander (geb. 7. März 1834, gest. 11. Juni 1916 „an einem Lungenleiden“) zieht nach Furtwangen, in die „Wanne“, ein Seitental der Breg, und be­ zieht eine Doppelhaushälfte. Das Haus steht heute noch. Der „Wanne-Xander“, oder auch „Wannebürgermeister“ genannt, wird der Vater von Arnold Zähringer. Alexander Zähringer, von Beruf Schreiner und Musikuhrenmacher, heiratete in erster Ehe die Furtwangerin Fridolina Kleiser (geb. 16.Juni 1832 ; gest. 1871). Ihre Eltern waren der Sattler Anton Kleiser und Maria Dufuer, ihr Taufpate der berühmte Uhrmacher Lo­ renz Bob. Aus dieser Ehe stammen zwei Kinder, Arnold (geb. 9. Mai 1869 in Furt­ wangen, gest. 1942 in Stuttgart) und Maria Crescentia, geboren 1871. Mutter Fridolina stirbt 1871, wahrscheinlich im Wochenbett, und Alexander Zähringer heiratet im glei­ chen Jahr noch, am 13. Juli 1871, Helena Glatz, die „uneheliche Tochter der Franzis­ ka Glatz von Schönenbach“ (geb. 1838 in Schönenbach; gest. 12. September 1909 in Furtwangen.) Mit ihr hat er nochmals zwei Kinder: Linus (geb. 27. Mai 1874 in Furt­ wangen; gest. 17. Oktober 1960 in Wald­ kirch) und Edwina (geb. 11. Juni 1881 in Furtwangen; gest. 11. März 1963 in Hüfin­ gen im Kreispflegeheim). Linus Zähringer, von Beruf Orgelbauer, hatte sich als Zitherspieler und als Kornpo- 176

Ein europäisches Schicksal im 20. Jahrhundert Zwischen den Welten – Die Lebenserinnerungen von Peter Brezovar Geschichte Wer den Blick auf die Ge­ schichte Europas im letzten Jahrhundert des ausgeklunge­ nen Jahrtausends richtet, ist mit einer Fülle widersprüchli­ cher Erfahrungen und Wahr­ nehmungen konfrontiert. Sei­ ne erste Hälfte war bestimmt durch die beiden Weltkriege, die Bedrohung des Menschli­ chen durch nationalistischen Rausch und durch die tota­ litären Regimes. Die zweite Hälfte des Jahrhunderts be­ gann voll Hoffnung. Nicht Peter Brezovar nur der Kalte Krieg und die atomare Bedrohung, auch Aussöhnung und Überwindung alter Feindschaften zwischen den Völkern prägten die Zeit. Die deutsch­ französische Annäherung etwa machte aus „Erbfeinden“ sich respektierende Nachbarn, oft auch Freunde. In unserem Land konnte sich eine stabile Demokratie bilden, das „Wirtschaftswunder“ brachte materiellen Wohlstand für breite Schichten. Wohin der Weg Europas nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums führt, bleibt of­ fen. Werden Bürgerkriege und eine sich wei­ ter öffuende Schere zwischen Armen und Reichen, oder werden Demokratie, verant­ wortlicher Umgang mit natürlichen Res­ sourcen, Aussöhnung und mehr Gerechtig­ keit die Zukunft prägen? Entwicklungen, welche Geschichtsschrei­ bung objektiv und verallgemeinernd dar­ stellt, werden konkret faßbar und manchmal deutlicher verstehbar in Einzelschicksalen. Auch in unserem Landkreis können der Schwarzwaldbauer, der Flüchtling und Hei­ matvertriebene, der ehemalige Industriear­ beiter, der Arbeitslose, der vom „Gastarbei- ter“ zum Einwanderer gewor­ dene Bürger und viele andere Gruppen von Veränderungen erzählen, die bis in die Funda­ mente ihres Lebens hinein wir­ ken. Seine Lebenserinnerungen, die so widersprüchlich wie das Jahrhundert sind und deren subjektiver Blick zeigt, wie die „großen Ereignisse“ das Leben der Menschen durcheinander­ brachten, bestimmten und formten hat der 1931 geborene Peter Brezovar aufgezeichnet, der in Villingen lebt. Seine Eltern stammten aus dem multikul­ turell geprägten Habsburgerreich. Der Vater war Slowene, die Mutter deutschstämmige Böhmin. Sie lernten sich in Österreich ken­ nen und heirateten dort im Jahr 1913. „Mei­ ne Eltern konnten sich nur mit Mühe und Not in deutscher Sprache verständigen“, be­ richtet Brezovar. Während des Ersten Welt­ krieges diente der Vater in der österreichi­ schen Armee. Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches gründeten sich aus der Erbmasse neue Staaten , darunter Jugo­ slawien. Slowenien wurde ein Teil dieses neuen Königreiches, welches dem Vater die Rückkehr in sein Geburtsland verweigerte. In Österreich unerwünscht, ging das Ehe­ paar schwarz über die Grenze nach Deutsch­ land, wo der Vater, nunmehr „Exil-Jugosla­ we“, im Kohlenbergbau des Ruhrgebietes Arbeit fand. Hier wurden auch Brezovars äl­ tere Geschwister geboren. Doch über der jungen deutschen Demo­ kratie und ihren Menschen schwebte wie ein Damoklesschwert die Massenarbeitslosig­ keit. Auch der Bergarbeiter Brezovar verlor 177

Zwischen den Welten seine Stellung und wiederum mußte die Fa­ milie eine neue Heimat suchen. Im Jahr 1924 wanderte sie in das französische Elsaß aus, wo der Vater als Spinner Arbeit fand. „Das Elsaß war für ihn günstig, da er nicht französisch sprach und dort noch weitge­ hend deutsch gesprochen wurde.“ Die Fa­ milie zog schließlich nach Beifort in der Franche-Comte, wo der Vater Spinnerei­ meister wurde und die Familie neuen Zu­ wachs bekam. Hier wurde auch Peter im Jahr 1931 geboren. ,,Leider haben es meine El­ tern versäumt, die in Beifort geborenen Kin­ der zweisprachig zu erziehen. Die Spracher­ ziehung übernahmen die älteren Geschwi­ ster, die beide Sprachen konnten, denn mein Vater und meine Mutter sprachen sehr wenig französisch.“ Deutsche Herkunft als Problem Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde die „deutsche“ Herkunft der Familie zum Problem. ,,Ich wurde von den Nachbarkin­ dern und Schulfreunden als ’sale boche‘ (dreckiger Deutscher) beschimpft, da meine Eltern deutsch sprachen. Aufgrund früherer Erfahrungen haben sie sich politisch und ethnisch stets neutral verhalten, zumal mein Vater als Meister Leute verschiedenster Na­ tionalitäten (Franzosen, Spanier, Italiener, Armenier usw.) unter sich hatte.“ Als Kind erlebt Brezovar die schlimme Zeit der deutschen Besatzung: ,,Ein Ereignis hat sich mir besonders eingeprägt. Als ich einmal mit meiner Schwester auf den Markt ging, sahen wir ein Mädchen in unserem Al­ ter, das abseits stand und weinte. Meine Schwester fragte, warum es denn weine. Es antwortete, es habe Angst einzukaufen, denn die Männer der französischen Miliz, die von der Besatzungsmacht eingesetzt worden war, achteten darauf, daß Juden und Roma keine Einkäufe tätigten. Erst jetzt be­ merkten wir den gelben Judenstern auf der Pelerine des Mädchens. Die erwachsenen Juden trauten sich nicht in die Öffentlich- 178 Erinnerung an die Doppelmonarchie: Die Mutter als junge Frau um 1910 in Bergreichens/ein (Böh­ men). keit und schickten ihre Kinder zum Einkauf. Kurzerhand nahm nun meine Schwester den Einkaufszettel und das Geld des Mädchens und kaufte an seiner Stelle ein, während ich Schmiere stand. Noch heute se­ he ich die dankbaren und weinenden Augen des Kindes.“ Neben Kollaboration sind auch nationaler Selbstbehauptungswille und Widerstand zu spüren. ,,Einer unserer Lehrer hat vor Be­ ginn des Unterrichts immer die Fenster des Klassenzimmers schließen lassen und mit uns die Marseillaise gesungen. Es war für mich selbstverständlich, mitzusingen. Ich habe dies niemals meinen Eltern gesagt, doch ich glaube sie hätten Verständnis für

Ge chichte wie Gefangene in einem Waldlager unterge­ bracht und jeden Morgen unter Bewachung in die Fabrik gebracht und dort nach der Ar­ beit wieder abgeholt.“ Da die nationalsozia­ listische Propaganda den Anschein der Frei­ willigkeit des Arbeitsdienstes aufrechterhal­ ten will, können beide nach einem Jahr ei­ nen Heimaturlaub antreten. Der jüngere Bruder kehrt nicht nach Deutschland zurück, sondern schließt sich dem französi­ schen Widerstand an. Franz, der ältere, gerät dadurch in große Gefahr, hatte sich aber als Dolmetscher im Lager unentbehrlich ge­ macht. Nach Kriegsende wurde er deshalb von der Präfektur in Beifort beschuldigt, mit den Deutschen zusammengearbeitet zu ha­ ben und erhielt die Aufforderung, Frank­ reich binnen 48 Stunden zu verlassen. ,,Zum Glück bezeugten drei Mitdeportierte, denen er als Dolmetscher aus einer mißlichen La­ ge geholfen hatte, daß die Anschuldigung haltlos war. Um den französischen Zwangs­ arbeitern Halt zu geben, hatte die Christli­ che Arbeiterjugend ‚Jeunesse Ouvriere Cretienne‘ im Lager heimlich religiöse Ver­ anstaltungen organisiert. Dies wurde ent­ deckt, und den ‚Rädelsführern‘ drohte die Einweisung ins Konzentrationslager. In der Gerichtsverhandlung, bei welcher Franz als mich gehabt. Trotz allem Zwiespalt gehört die Liebe auch dem Land, wo man geboren wurde.“ Ein „Heimatschein“ als Schutz Der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich hat Auswirkungen in die Familie hinein, belastet das Verhältnis zwischen Va­ ter und älteren Geschwistern. Auf Veranlas­ sung der deutschen Besatzung muß sich der Vater im Jahr 1943 entscheiden, ob er die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen will; sein Geburtsland Slowenien war nämlich ins Deutsche Reich eingegliedert worden. ,,Es wurde ihm nahegelegt, die Papiere als Reichsdeutscher anzunehmen. Um seine Ruhe zu haben, stimmte er zu.“ Da er öfters von Nachbarn, die nicht genau wußten wo­ her er stammte, als „Serbe“ denunziert wor­ den war, fürchtete er die Verhaftung der Fa­ milie, vor der ein deutscher „Heimatschein“ schützen sollte. Die neue Staatsbürgerschaft hatte nun unerwarteter Weise die Konse­ quenz, daß er seine Meisterstelle aufgeben und sich bei der deutschen Ortskomman­ dantur melden mußte, um „eine Stelle als Bote bei der Unterkunftsverwaltung anzu­ nehmen. Das kam ihm als reine Repressalie vor, da er deutlich gemacht hatte, daß er sich politisch nicht einbinden lassen wol­ le.“ Die Entscheidung des Va­ ter für Deutschland stößt bei Peters beiden älteren Brüdern auf Unverständnis. Sie sind französische Staats­ bürger, der ältere wird zu Kriegsbeginn in die franzö­ sische Armee eingezogen. Bald nach der Besetzung Frankreichs werden beide als Zwangsarbeiter in die deut­ sche Rüstungsindustrie nach Henningsdorf bei Berlin ge- Zeiten des Glücks in Frankreich. Kommunion der Schwester josephine schickt. ,,Sie wurden damals kurz vor Kriegsausbruch 1939. 179

Zwischen den Welten Dolmetscher eingesetzt war, verteidigte er die jungen Leute. Als die Richter darauf be­ harrten, daß die Versammlungen illegal ge­ wesen seien, bot Franz an, die jungen Män­ ner, die zuhause in Frankreich Familien hat­ ten, frei zu lassen und ihn dafür einzusper­ ren. Jetzt bekamen die Richter Skrupel und sprachen die Angeklagten frei.“ Kinderverschickung nach Schönwald Im Jahr 1944 wurde die Industriestadt Bei­ fort mehrmals Opfer amerikanischer Bom­ benangriffe. Deshalb entschlossen sich Bre­ zovars Eltern, ihn und seine Schwester in ein Kinderlandverschickungslager in Schön­ wald im Schwarzwald zu bringen. Dort ka­ men sie im April 1944 an und schnell stell­ te sich heraus, daß es sich um ein Lager der Hitlerjugend handelte. ,,Das hatten unsere Eltern nicht gewußt, sonst hätten sie uns niemals hierher gehen lassen. Im Lager hat­ ten junge Männer zwischen 15 und 18 Jah­ ren die Aufgabe, uns zu guten, dem ‚Führer‘ treu ergebenen Deutschen zu erziehen.“ Dennoch waren sie froh, in relativer Sicher­ heit zu sein. ,,Am 12. Mai wurde Beifort von amerikanischen Bombern heimgesucht. Es gab weit über tausend Tote.“ Im September 1944 mußten alle deut­ schen Zivilpersonen Beifort verlassen. „Mein Vater bat darum, in den Schwarzwald fahren zu dürfen, was den Eltern dann ge­ stattet wurde. Ihr Zug mußte mehrmals we­ gen Tieffiiegerangriffen anhalten, dennoch kamen sie wohlbehalten in Triberg an. Für meine Schwester und mich war es eine große Freude, die Eltern wiederzusehen.“ Je näher nun die französischen Truppen heranrückten, desto mehr löste sich die Ordnung auf. ,,Unsere Jugendführer wur­ den zunehmend unsicher. Die älteren wur­ den zur Wehrmacht eingezogen, und plötz­ lich standen wir allein da. Die jüngeren wa­ ren einfach verschwunden. Gegen Kriegsen­ de hat ein versprengter Haufen deutscher Soldaten bei uns Rast gemacht. Als sie fort 180 Frühes Erinnerungsfoto, einige Jahre nach der An­ kunft im Schwarzwald. Peter Brezovar an den Tri­ berger Wasseifällen. waren, stellten wir fest, daß sie ihre Waffen zurückgelassen hatten. Der Lagerleiter, der als einziger noch geblieben war, ließ sie in ei­ nen Weiher werfen. Alles was darauf hin­ deuten könnte, daß es sich um ein Hitlerju­ gend-Lager handelte, wurde vernichtet, es sollte wie ein normales Kindererholungs­ heim aussehen.“ Nach dem Einmarsch der französischen Armee und der Auflösung des Lagers weiß die Familie zunächst nicht, wo sie unter­ kommen soll. ,,Da meine Eltern und ich we­ nig zu essen hatten, habe ich bei verschie­ denen Bauern das Vieh gehütet. Meine El­ tern fanden in einer Uhrenfabrik am Ort Ar­ beit. Nebenher halfen sie einem Bauern bei den Feldarbeiten. Sie erhielten dafür Le­ bensmittel.“

Als im August 1945 die Schulen wieder geöffnet wurden, wird Peter an einer priva­ ten Realschule in Triberg angemeldet; doch seine ersten Erfahrungen an einer deutschen Schule sind verwirrend. „In Frankreich gab es getrennte Schulen für Jungen und Mädchen. Es war daher für mich sehr unge­ wohnt, zusammen mit Mädchen unterrich­ tet zu werden. Ich habe sehr lange ge­ braucht, mich daran zu gewöhnen.“ Auch der „alte Geist“ ist in der neuen Heimat durchaus noch lebendig. ,,Der Direktor haß­ te die Franzosen und da ich aus Frankreich kam, war ich seiner Willkür ausgesetzt. Ich habe es trotzdem bis zur Mittleren Reife ge­ bracht. Um genug zu essen zu haben, habe ich neben der Schule jeden Tag bis spät am Abend auf einem Bauernhof mitgeholfen.“ Die Wirtschaftswunderzeit Die ersten Nachkriegsjahre sind von Not und Arbeitslosigkeit geprägt. „Nach mei­ nem Schulabschluß bekam ich nirgends ei­ ne entsprechende Lehrstelle. Ich mußte mich mit Hilfsarbeiten, zuerst auf einer Bau­ stelle, dann in einer Uhrenfabrik zufrieden Geschichte geben.“ Im Jahr 1956 heiratet Peter Brezo­ var, Nachwuchs stellt sich ein und das be­ ginnende „Wirtschaftswunder“ bietet auch der jungen Familie eine Zukunft. Von einer beengten Kellerwohnung zieht man in eine Dreizimmerwohnung, vermittelt durch eine Baugenossenschaft. Beruflich kann Brezo­ var aufgrund seiner Sprachkenntnisse zum Exportsachbearbeiter aufsteigen. Die Fami­ lie bleibt nicht von schweren Schicksals­ schlägen verschont, dennoch hat sie im Schwarzwald eine Heimat gefunden. Seine Lebenserinnerungen schließt Brezo­ var mit den Worten: ,,Als Resümee äußere ich den Wunsch, daß solche Zeiten, die nicht nur unsere Familie, sondern auch vie­ le andere erleben mußten, nie mehr kom­ men mögen. Ich bin sehr dankbar, daß trotz aller Widrigkeiten keine Familienangehöri­ gen während des Zweiten Weltkriegs umge­ kommen sind. Der Inhalt meines Berichtes mag verständlich gemacht haben, weshalb ich als Titel ‚Zwischen den Welten“ gewählt habe. Helmut Rotherrnel 181

Ge chichte Volksvertreter oder Parteigremien ? Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes und nur ihrem Gewissen unterworfen Der Veifässer vertrat von 19 65 bis 1990, unmittelbar vom Volk ge­ wählt, den Schwarzwald-Baar-Kreis im Deutschen Bundestag, war bis 19 82 finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Opposition und an­ schli�end bis 1989 Parlamentari­ scher Staatssekretär bei Bundesfi­ nanzminister Dr. Stoltenberg. Albrecht als Kanzlerkandi­ daten antreten zu lassen. Dies war in der gemeinsa­ men Bundestagsfraktion CDU/CSU umstritten, wo­ bei die Trennlinie keines­ wegs nur zwischen CDU und CSU verlief. Die beiden Parteien CDU und CSU entfernten sich in der Frage immer stärker voneinander. Aus der CSU kam der Vorschlag, den bayrischen Ministerpräsi­ Dr. Hansjörg Häftle, Staats- denten Franz-Josef Strauß zum Kanzlerkandidaten zu sekretär a. D. küren. Da die obersten Par­ teigremien von CDU und CSU sich nicht verständigen konnten und in heftige öffent­ liche Auseinandersetzungen gerieten, droh­ te man in eine gefährliche Krise hineinzu­ stolpern. Der CDU-Parteivorstand beharrte indes darauf, für diese Frage seien allein die Parteigremien und nicht die Bundestags­ fraktion zuständi�. Nach meiner Uberzeugung mußte das ungute Spiel beendet werden. Da sich die Parteigremien von CDU und CSU gegen­ seitig blockierten, sollte nach meinem Vor­ schlag die gemeinsame Bundestagsfraktion CDU/CSU den Knoten durchhauen und in geheimer Abstimmung den Kanzlerkandi­ daten wählen. Nicht zur Freude des Fraktionsvorsitzen­ den Helmut Kohl, der zugleich CDU-Par­ teivorsitzender war und es gerne gehabt hät­ te, daß sich der CDU-Teil der Fraktion der Meinung des Parteivorstandes anschließt, führte ich in der Fraktionssitzung vom 12. Juni 1979, in der erregt diskutiert wurde, un­ ter anderem aus (Auszug aus der Tonband- Wenn ich von einer der Bege­ benheiten in meinen 25 Jahren „Bonn“ berichten soll, möchte ich eine herausgreifen, welche beispielhaft für die Verbesserung unserer Demokratie von Bedeu­ tung sein kann. Nach meinem Eindruck ent­ fernt sich nämlich der herkömmliche Par­ teienbetrieb zunehmend vom Volk. Unter Volk verstehe ich dabei nicht so sehr laut­ starke Gruppen als die, häufig schweigende Mehrheit der Bürger, welche nüchtern und gemeinwohlbezogen denkt. Eine Stärkung der Rolle der unmittelbar vom Volk gewähl­ ten Abgeordneten könnte weiterhelfen. Es war 1979. Obwohl Helmut Kohl 1976 für die CDU/CSU ein gutes Wahlergebnis eingefahren hatte und wir wieder die stärk­ ste Bundestagsfraktion geworden waren, konnten wir, die CDU/CSU, die Regierung nicht übernehmen, weil die FDP damals auf die SPD festgelegt war. Bei den Bundestags­ wahlen von 1980 wollten wir es wieder ver­ suchen. Helmut Kohl als Oppositionsführer hatte jedoch von 1976 bis 1979 aus ver­ schiedenen Gründen an Ansehen einge­ büßt. Er spürte dies selber und wollte 1980 nicht mehr Kanzlerkandidat werden. In der CDU/CSU gab es eine Strömung, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. 182

niederschrift der nicht-öffentlichen Frakti­ onssitzung): ,, … Es kann diese Fraktion nicht in die Sommerpause gehen, ohne daß sie das Heft an sich reißt (Beifall). Wir sind die Volks­ vertreter (weiterer Beifall). In England, in dieser gewachsenen parlamentarischen De­ mokratie, wäre es unvorstellbar, daß die Par­ lamentsfraktion so etwas mit sich geschehen läßt… Nicht irgendwelche Äußerungen aus dem Parteilager sind mehr gefragt, sondern wir, die für vier Jahre Gewählten, sind hier ver­ antwortlich … Ein Parlament, ein Abgeord­ neter, der nicht zu seiner Verantwortung steht, ist nichts mehr wert. Am Schluß sind wir bloß noch Angestellte der Partei, und möglichst alle auf der gleichen Linie, und das Ansehen des Parlaments wird noch nied­ riger sein … “ In seiner Erwiderung reagierte Helmut Kohl ziemlich ungehalten. Indes, drei Wo­ chen später, am 2. Juli 1979, war es soweit: Die Bundestagsfraktion, nicht die Parteigre­ mien, bestimmte in geheimer Wahl den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, und zwar Franz Josef Strauß. Es geht nicht um die Frage, wer „zustän­ dig“ ist für die Bestimmung eines Kanzler­ kandidaten. Vielmehr geht es allgemein um die Gewichtung des Verhältnisses zwischen Abgeordneten und Partei. In den letzten Jahrzehnten sind die Parteigremien im Ver­ hältnis zu den gewählten Abgeordneten tonangebender geworden. Dabei entfernen sich die obersten Parteigremien, weniger die Parteigremien vor Ort, auch von ihren Par­ teimitgliedern. Dies halte ich für keine gute Entwicklung. Für die Politik verantwortlich sind letztlich die vom Volk Gewählten. Auf der überschaubaren Gemeindeebene ist dies selbstverständlich, wo Bürgermeister und Gemeinderäte es sich in der Regel verbitten, von Parteigremien „Weisungen“ zu erhalten. Wenn Abgeordnete nur noch „umsetzen“, was Parteigremien beschließen, dann wird die parlamentarische Demokratie an der Ge chichte Wurzel gefährdet. Unabhängige und kraft­ volle Persönlichkeiten suchen dann immer seltener den Weg ins Parlament. Durch eine Verschiebung der Balance müssen wir das ursprüngliche Leitbild unserer Verfassung wieder herstellen: Danach wirken die Par­ teien bei der politischen Willensbildung des Volkes zwar „mit“, die Abgeordneten sind jedoch ,,Vertreter des ganzen Volkes, an Auf­ träge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Zusätz­ lich könnte eine Halbierung der Zahl der Parlamentarier das Gewicht der Abgeordne­ ten erhöhen. Sollte die Stärkung der Volksvertreter nicht gelingen, könnte der Drang unwiderstehlich werden, in Deutschland auf Bundesebene für grundlegende Fragen Volksabstimmun­ gen einzuführen. Solche Fragen wären z. B. die Abschaffung der D-Mark oder die Ein­ führung der automatischen doppelten Staatsangehörigkeit für Ausländer. Hansjörg Hiifele Staatssekretär a. D. Zauber der Nacht Die Bäume werfen schwarze Schatten. Der Sichelmond blickt durch das Laub. Er sucht den Duft im Rosengarten, eh‘ er sich Wolkenburgen baut. Die ersten Sterne zaghaft funkeln. Brillanten gleich ihr Zauber dringt durch diese Nacht, die tief im Dunkeln von tausendfachem Glanze singt. MargotOpp 183

10. Kapitel I Almanach 2000 Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis Antike Kunst in Gips Betritt man den unteren Saal der furstlich­ fürstenbergischen Sammlungen in Donau­ eschingen gelangt man in die Gesteinssamm­ lung. Wie Fremdkörper stehen zwischen Schränken und Regalen griechische und rö­ mische Statuen, Porträtköpfe und hängen Reliefs an den Wänden (Abb. 1). Welche Be­ deutung hatten diese antiken, kreidig­ weißen, in Gips gegossenen Kunstwerke? Diese Gipsabgußsammlung gehört zum ursprünglichen Bestand des Museums. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, war bei der Eröffnung des Museums Mitte des letzten Jahrhunderts dieser Gattung einer der bei- Die Gipsabgüsse der fürstlich-fürstenbergischen Sammlungen in Donaueschingen den Oberlichtsäle, ein weiterer Saal und mehrere Kabinette vorbehalten. Fürst Egon von Fürstenberg hatte die fast ausnahmslos griechischen und römischen Abgüsse wäh­ rend einer Italienreise ausgewählt. Der Be­ stand wurde mit Kopien aus dem Pariser Louvre und anderen Museen ergänzt und abgerundet. Nach ihrem ursprünglichen Aufstellungs­ ort in der Donaueschinger Sammlung hat sie 1870 der Karlsruher Kunsthistoriker Al­ fred Woltrnann in dem Katalog ,,Verzeichnis der Gipsabgüsse“ beschrieben, so daß wir heute noch recht gut unterrichtet sind, wel- Abb. 1: Blick in die fürstlichen Sammlungen Donaueschingen. Erdgeschoßsaal mit Gesteinssammlung und Gipsabgüssen. Rechts im Vordergrund Statue des griechischen Dichters Sophokles (496-406 v. Chr.). Römische Kopie eines griechischen Originals (350 vor Christus). 184

Fürstlich Gipsabguß ammlung Abb. 2: Blick in den Oberlichtsaal der fürstlich-:fürstenbergischen Sammlungen, dort wurde die Gipsabguß­ sammlung ursprünglich präsentiert. ehe Kunstwerke sich wo befanden und wel­ che Verluste im Laufe der Jahrzehnte zu ver­ zeichnen sind. Bei der Neuordnung der Bil­ dergalerie – wohl während der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen – trat Platznot auf und der damals amtierende Fürst ver­ schenkte Teile der Sammlung an das hiesige Gymnasium. Dort waren sie (in der heuti­ gen Gewerbeakademie in der Schulstraße) bis zum Neubau des Gymnasiums 1954 in der Lehenstraße (der heutigen Realschule) diesem Bestand wurden drei Hochreliefs im Treppenhaus (jetzt Realschule) einge­ mauert. Sie sind heute noch zu sehen. Eines davon ist eine Metope vom Parthenon- ausgestellt. Von tempel auf der Akropolis (Kämpfender Ken­ taur). Die verschenkten Statuen, darunter so berühmte wie die Venus von Milo, sind ver­ schollen. Die Auflösung der ursprünglich geschlos­ senen Gipsabgußsammlung ist eng ver- knüpft mit einem Prestigeverlust dieser Gattung. Denn heute er­ freuen sich nur noch Originale der Wertschätzung und Gipsabgüsse finden wenig Anerkennung, dies war jedoch nicht immer so. Im letz­ ten Jahrhundert wurde der Gips­ abguß nicht nur als Mittel der Reproduktion geschätzt, er stand teilweise sogar gleichrangig neben der Abb. 3: Herakles, Raum 24. 185

Fürstliche Gip abguß.sammlung Marmorskulptur. Goethe besaß in seinem Haus am Frauenplan in Weimar eine ausgedehnte Gips­ abgußsammlung, wobei er man­ che Skulptur mit Graphitstaub überziehen ließ, um so den Eindruck von dunklen Bronzen zu erwecken. In der Begeisterung für die Kunst der Griechen und Römer schossen nach 1800 Gipsabgußsammlungen wie Pilze aus dem Boden. Relativ ko­ stengünstig konnten die verehrungs­ würdigen, vorbildlich empfundenen Skulpturen erworben und ausgestellt werden. Stücke, die über ganz Europa ver­ streut waren, konnten in einer Sammlung zusammen präsentiert und zu Lehrzwecken verwendet werden. Aus diesem Grund sind viele Abgußsammlungen in Archäologi­ schen Instituten und Kunstakademien ein­ gerichtet worden. Die Kunst der Griechen galt als vorbildlich und junge Künstler (Künstlerinnen waren damals bei den Akademien noch nicht zu­ gelassen) sollten sich am antiken Formen­ schatz schulen. Als Zehnjähriger geriet der Bildhauer Adolf von Hildebrand in die Ab- Griechische Kunst galt als vorbildlich Abb. 4.: Unbezeichnet, Marmor, Galleria dei Cantelabri, Vatikan, Rom, Raum 24. gußsammlung der Berner Akade­ mie. Er faßte seinen Eindruck fol­ gendermaßen zusammen: „Ich kam zufällig eines Tages durch die Universität und stand vor der Sammlung antiker Statuen. Der Eindruck war ganz überwältigend, ich hat­ te nie geahnt, daß es so etwas gibt. Niemals war von so etwas je gesprochen worden, und ich war wie festgebannt. … Es war für mich ein ganz neues Lebensereignis.“ Aber nicht nur zu Schulungszwecken wur­ den diese Sammlungen angelegt. Sie gefie­ len aus ästhetischen Gründen und meist wa­ ren es die gleichen Skulpturen, die immer wieder gesammelt wurden (vornehmlich aus der klassischen griechischen Epoche). Es war ein Figurenkanon, den man als gebildeter Mensch zu kennen hatte. Über den ästheti­ schen Genuß dieser Werke hinaus versprach man sich auch eine Einwirkung auf das Wesen des Betrachters. Man glaubte, das Be­ trachten würde den Menschen verbessern. So schrieb Friedrich Schiller nach dem Be- Abb. 5: Fries von Phigalia, Marmor, (Britischen Museum, London) Raum 24. 186

such der Mannheimer Abgußsammlung: „Mein ganzes Herz ist davon erweitert. Ich fühle mich edler und besser!“ Auch in Donaueschingen waren neben der „Venus von Milo“, „Der stehende Diskus­ werfer“ und die „Pallas Velletri“ ausgestellt (heute verschollen). Viele Stücke sind verschwunden und zerstört, aber glücklicherwei­ se ist immer noch soviel vorhan­ den, um weitab der großen Mu­ seumsstädte eine Vorstellung von griechischer und römischer Bild­ hauerkunst zu bekommen. So schaut die berühmte Sta­ tue des Kaisers Augustus (Abb. 7) auf den Karlsplatz oder der Schöpfer der Antigone, der Dichter Sophokles, steht ernst und würdig, seine Schriftrollen an der Seite und sieht auf die Museumsbesucher herab. Heute ist die Richtung der Ent­ wicklung wieder für Abgußsarnm­ lungen. Man erkannte, daß die so gepriesene Fotografie, die ab 1900 die Gipse verdrängte, un­ geeignet zur Darstellung plasti­ scher Werke ist. Zudem ver­ schleiert sie die Größenverhält­ nisse und ist subjektiv. Der Vor­ teil des Abgusses ist, daß er dem modernen Menschen die „un­ mittelbare sinnliche Gegenwart der Statuen in ihrem originalen Format und ihrer plastischen Entfaltung im Raum“ vermittelt. Zur Aufwertung des Gipsabgus­ ses trug die moderne Kunst bei. Seit den 20er Jahren beschäftigen sich immer wieder Künstle­ rinnen mit „armen Materiali- Abb. 6: Faun des Praxiteles (Mannorstatue), Raum 24. Mu een im chwarzwald-Baar-Krei en“. Bei Segal, Giacometti, Beuys und Max Ernst tritt der Gips nicht als Hilfsmittel, son­ dern als Werkmaterial auf. Den Abguß der Venus von Milo verwendet der italienische Künstler Michelangelo Pistoletto als zen- traler Bestandteil eines Werkes. Dank der Aufwertung durch die moder­ ne Kunst sind die ästhetischen Vor­ behalte gegen den Gips weitgehend ver­ schwunden. Daraus erklärt sich, daß heute alte Abgußsammlungen wie­ der entstaubt, restauriert, ergänzt – ja sogar neue angelegt -und in neuem Rahmen präsentiert werden, wie jüngst die Gipsabgußsammlung des Lindenau-Muse­ in Altenburg ums (Thüringen). Unter Mit­ hilfe der Universität Erlan­ gen ist sie im Internet als virtu- elles Museum zugänglich. In der ersten Hälfte des letz­ ten Jahrhunderts verstand sich dieses Museum ähn- lich wie die Donaueschin­ ger Sammlung als Institu­ tion, um die Jugend zu f bilden und das Alter zu er­ freuen. Die Abgußsammlun­ gen, die die vielen Jahre der mangelnden Pflege, der Ver­ nachlässigung überlebt haben, sind heute selbst ein Kultur-und Geschichtsdenkmal geworden. „Die zum Teil über 150 Jahre al­ ten Abgüsse sind heute selbst Antiquität.“ Antonia Reichmann Literarturhinweise: Für die Literaturhinweise danke ich Frau Dr. Ruth Lindner von der Universität Wünburg henlich. Das Lindenau Museum ist im In- 187

Fürstlich Gipsabgul!!ammlung Abb. 7: Marmorstatue des Kaisers Augustus, 1863 bei Rom gefunden. Um Christi Geburt. ternet zugänglich unter: http://www.phil.uni-erlan­ gen.de/plaltar/aeriahome.html Literaturnachweis: Alfred Woltmann: Fürstlich Fürstenbergische Samm­ lungen zu Donaueschingen.Verzeichnis der Gypsab­ güsse, Karlsruhel870. Adrian Stähli: Die Berner Abgußsammlung, in: Kunstmuseum Bern und Archäologisches Seminar der Universität Bern, Hefte des Archäologischen Se­ minars der Universität Bern, 1. Beiheft, Bern 1985 Wolfgang Schiering, Horst Meixner, Claudia Braun u.a.: Zum Mannheimer Antikensaal und ein Katalog der Antikensaal-Galerie im Schloß, in: Mannheimer Geschichtsblätter, Mannheim 1995, S. l l 5ff. Abb. 8: Diana von Versailles (Marmorstatue, Louvre, Paris), Raum 24. 188

Technisches Kulturdenkmal erhalten Das Reiterstellwerk beim BahnhofBlumberg-Zollhaus wurde in zweijähriger Arbeit renoviert Museen im Scliwarzwald-Baar-Kreis Technische Bauten sind Schöpfungen ge­ nialer Ingenieure, was aber keine Garantie für stets fehlerfreies Funktionieren bedeutet. Das gilt auch für Betriebsanlagen bei der Ei­ senbahn, die überwacht und gesteuert wer­ den müssen. Als am 15. Juni 1863 die Groß­ herzoglich Badischen Staatseisenbahnen durchgehend als Hauptbahn von Mann­ heim über Basel bis Konstanz fuhren, die Badische Schwarzwaldbahn am 10. Novem­ ber 1875 von Offenburg über Singen und die Schweizerische Bahn am 17. Juli 1875 von Winterthur über Singen ebenfalls Kon­ stanz erreichten, war es mit der beschau­ lichen, heute romantisch anmutenden Be­ dienung der Weichen und Signale von Hand vorbei, sie war für das Bahnpersonal zuviel und unübersichtlich geworden. Zum sicheren Betriebsablauf im großen Bahn­ hofsbereich Konstanz wurde ein für damali­ ge Zeiten richtungweisendes Stellwerk er­ richtet. Um eine möglichst optimale Sicher- heit zu erhalten, wurde das Stellwerk über einem Hauptgleis in Fahrtrichtung aufge­ stellt. Nun konnte der gesamte Betriebsab­ lauf von oben überblickt und alles gesteuert werden. Dieses „Mechanische Stellwerk Typ G“, wegen seiner Bauart über den Gleisen ge­ wissermaßen „auf Stelzen über den Gleisen reitend“, auch Reiterstellwerk genannt, ging am 2. Februar 1886 morgens um 8.15 Uhr ohne Feierlichkeiten in Betrieb, wurde 1968 von der ursprünglichen Gestängebauart aus Sicherheitsgründen auf Drahtzug umgerü­ stet und am 16. Mai 1988 nach über hun­ dertjährigem Dienst stillgelegt. Als Techni­ sches Kulturdenkmal eingestuft und aben­ teuerlich abgebaut, fristete es zunächst in Konstanz einen eher schrottplatzähnlichen Dornröschenschlaf, bis doch noch unerwar­ tet das Landesdenkmalamt als Märchen­ prinz das Unmögliche wahrmachte und das „schlafende Versprechen“ unter Beteiligung Das renovierte Reiterstellwerk kann nun als Teil der Museumsbahn besucht werden. 189

Blwnbergcr Reiterst Uwerk eines Blumberger Förderkreises in zwei­ jähriger Wiederaufbauarbeit fachmännisch zu neuem Leben erweckte. Am 1. Mai 1999 wurde das „neue alte“ Rei­ terstellwerk beim Bahnhof Blumberg-Zoll­ haus feierlich mit einem Bahnhofsfest ein­ geweiht. Als Demonstrationsstellwerk er­ strahlt es nun in seinen ursprünglichen Far­ ben und kann während des Museumsbahn­ betriebs besucht werden, wobei Fans sich auch als Stellwerker betätigen dürfen und am eigenen Leibe erfahren, wie schweißtrei­ bend das Bedienen der vielen blauen Stell­ werkshebel einst war. Das Stellwerk wurde beim Wiederaufbau bewußt als „Technik zum Anfassen“ erstellt, d. h. es lassen sich nicht nur die vielen Hebel mit Kraft um­ stellen, sondern Blockfelder simuliert be­ dienen, und über Seilrollen sichtbar ist jeder Stellvorgang von draußen zu beobachten. Auch von der B 27 aus zeigt sich das Stell- werk als Schmuckstück. Es ist eine Bereiche­ rung für die beliebte „Sauschwänzlebahn“. Vom neu gepflasterten Museumsvorplatz betrachtet, fällt die konsequente Zweifar­ bigkeit auf Das gesamte Eisenwerk erhielt einen wetterfesten eisenbahntypischen Grau­ anstrich. Das wellblechbedachte, holzver­ kleidete Stellwerk im Obergeschoß wurde einheitlich orangefarben nach einem vorge­ fundenen Originalholzteil gestrichen. Eine steile gußeiserne Treppe führt hinauf ins Stellwerk. Die noch erhaltenen kleinteiligen metallgefaßten Fenster geben eine gute Vor­ stellung, wie das Personal hier oben einst einen wettergeschützten Rundumblick auf den ganzen Bahnbetrieb hatte. Heute ist es ein begehrter Fotografenstandort, besonders während der attraktiven Dampfzugfahrten. Dietrich Reimer Das Eisenwerk erhielt einen wetteifesten Grauanstrich. Die beliebte „Sauschwänzlebalm „fährt das Stellwerk an. Mit viel Kraft lassen sich die Hebel des Stellwerks immer noch bedienen. 190

Uhren und Uhrengeschichte Von der Schilderuhr zum Marinechronometer? Über Versuche, den Präzisionsuhrenbau im Schwarzwald zu etablieren 11. Kapitel/ Almanach 2000 In den 1980er Jahren konnte das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen ein Mari­ nechronometer mit folgender Signatur auf dem Zifferblatt erwerben: ,Joseph Kirner, Hampstead, 325/13187″. Die Überraschung war groß: Ein Schwarz­ wälder Name auf einem englischen Ma­ rinechronometer. Sollten die Schwarzwäl­ der etwa doch auch Marinechronometer ge­ baut haben? War ein Schwarzwälder Uhr­ macher nach England ausgewandert, um dort Präzisionsuhren zu bauen? Denn ge­ meinhin geht man davon aus, daß sich im Schwarzwald der Taschen- und Präzisions­ uhrenbau nicht etablieren konnte. Was hat­ te es also mit dem vermeintlichen Schwarz­ wälder Chronometer auf sich? Wer war Jo­ seph Kirner? Wann hat er gelebt? Hat er die­ ses Chronometer selbst gebaut oder hat er es vielleicht nur verkauft? Die Odyssee be­ gann. Joseph Kimer Schnell stellte sich jedoch heraus, daß Jo­ seph Kirner nicht mit dem Furtwanger Uh­ renhändler gleichen Namens verwandt war, der 1785 nach Nordamerika ausgewandert war. Woher er stammte, ob er selbst oder be­ reits seine Vorfahren den Schwarzwald ver­ lassen haben, war nicht herauszufinden. Ein Uhrmacher und Kleinhändler namens Jo­ seph Kirner ist in den London Trade Direc­ tories zwischen 1875 und 1881 verzeichnet. Mehr war über seine Person bisher nicht zu erfahren. In einem zweiten Schritt wurde das Chro­ nometer auseinander genommen, um wei­ tere Informationen über seine Entstehung zu erhalten. Die Signatur des Werkes verriet uns, daß Kirner das Werk nicht selbst ge­ baut, sondern gekauft und mit seinem Na­ men versehen hat. Das Werk wurde von der Firma Litherland, Davies & Co in Liverpool in den 1830er Jahren hergestellt. Joseph Kirner hat also allem Anschein Abb. 1: Marinechronometer von Joseph Kirner, Hampstead. (Deutsches Uhrenmuseum Furtwan­ gen, lnv. Nr. 44-3539) 191

Marin hronometer sehen- und auch Marinechrono­ meter gefertigt haben, war Jess Hans Martens. Martens wurde 1826 im Herzog­ tum Schleswig geboren und ver­ starb 1892 in Höchenschwand, im Hochschwarzwald, wo er sich aus gesundheitlichen Gründen auf­ hielt. Während er an seinem Buch „Beschreibung der Hemmungen der höheren Uhrmacherkunst“ ar­ beitete, wurde er als Lehrer an die Uhrmacherschule in Furtwangen berufen, wo er von 1858 bis 1863 tätig war. Nach Schließung der Uhrmacherschule ließ er sich in Freiburg nieder, eröffnete dort ein Uhrengeschäft und stellte Präzisi­ onstaschenuhren her. Er bildete auch wei­ terhin Lehrlinge zu Uhrmachern aus. 1875 verfaßte Martens ein weiteres Buch mit dem Titel „Beschreibung einer neuen freien Chronometerhemmung mit Ruhezylinder und Schutz gegen unzeitgemässe Auslö­ sung“. Martens erhielt eine Reihe von Aus­ zeichnungen, u. a. bei Ausstellungen in Pa- ris, London und Altona. Er war Mitglied des British Horological Institutes in London und korrespondierendes Mit­ glied der Classe d’Industrie de Ja So­ ciete des Arts de Geneve. Wegen zuneh­ mender Kränklichkeit hat Martens sein Geschäft, wir erfahren leider nicht wann, an Georg Wessel verkauft und betrieb nur noch die Fabrikation fei­ ner Uhrenöle. Mindestens drei Ma­ rinechronometer sol- Abb. 3: Taschenuhr mit Chronometerhemmung von ]ess Hans Martens, um 18 6 0 (Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen, Inv. Nr. 45-3189.) Abb. 2: Blick in das Innere des Marinechronometers von Joseph Kirner, Hampstead. (Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen, lnv. Nr. 44-3539.) Jess Hans Martens nach einen über 40 Jahre alten Chronome­ ter gekauft, vielleicht überholt und mit sei­ nem Namen signiert. Ein Blick auf die Rück­ seite des Zifferblatts bestätigte den Verdacht: Das Zifferblatt zeigt deutliche Spuren eines Eingriffs. Die alte Signatur wurde entfernt und durch eine neue ersetzt. Der Schwarz­ wälder Joseph Kirner hat sich im vorliegenden Fall mehr als Händ­ ler denn als Uhr-oder gar Chro­ nometermacher betätigt. Auch wenn im Schwarzwald Prä­ zisionsuhren nur in geringem Umfa�g gebaut :,vurden, hat� man • , immer wieder ver- sucht, diesen Zweig der Uhrmacherei in der Re­ gion zu etablieren. Die Großherzoglich Badische Uhrmacherschule in Furt­ wangen hat dabei eine wesentliche Rolle gespielt. Einer der wenigen, die im 19. Jahrhundert im Schwarzwald bzw. in Frei­ burg in geringer Zahl Ta- 192

len mit dem Namen Martens signiert sein. Des weiteren hat Martens -bzw. sein Nach­ folger Wessel -1883 sechs Beobachtungs­ uhren zu den Prüfungen in Wilhelmshaven eingereicht. Marinechronometer wurden im Deutschen Kaiserreich von der Deutschen Seewarte in Hamburg, Beobachtungsuhren von dem Kaiserlichen Observatorium in Wilhelmshaven geprüft. Daß Martens die Marinechronometer selbst gebaut hat, ist sehr unwahrscheinlich. Wir wissen, daß er in zwei Fällen Chronometerrohwerke von Vic­ tor Kullberg bezogen hat. Martens hat wie viele Chronometermacher im 19. Jahrhun­ dert seine Werke oder einzelne Teile von großen Chronometerherstellern gekauft und sie mit dem eigenen Namen signiert. Namhafte Chronometerhersteller wie Kull­ berg, Poole,Johanssen, Dent, Frodsham and Mercer waren vor allem in England tätig. Auch wenn Martens die Werke seiner Ma­ rinechronometer nicht selbst gebaut hat, wa­ ren seine Studien über die Konstruktion der Hemmungen für den Bau der Chronometer von internationaler Bedeutung. Beteiligung der Uhrmacherschule Um die Jahrhundertwende gab es Versu­ che, die Großherzoglich Badische Uhrma­ cherschule in Furtwangen auch an der Ma­ rinechronometerproduktion zu beteiligen. Mit der Zunahme des Überseehandels und der imperialistischen Bestrebungen ent­ stand auch im Deutschen Kaiserreich der Wunsch, eine vom Ausland unabhängige Chronometerproduktion zu etablieren. Bei den jährlichen Konkurrenz-Prüfungen der Deutschen Seewarte in Hamburg wurden deshalb immer mehr Zulieferteile aus dem Ausland ausgeschlossen und schließlich nur noch „rein deutsche“ Chronometer prämi­ iert. Wilhelm Julius Foerster, dem Direktor der Berliner Sternwarte, gelang es 1898/99 mit der Unterstützung namhafter Persön­ lichkeiten, u. a. dem Direktor der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte, Ludwig Stras- Uhren und Uhrengeschicht Abb. 4: Taschenuhr mit Chronometerhemmung vonjess Hans Martens, um 1860. (Deutsches Uhrenmuseum Furwangen. Inv. Nr. 45-3189) ser, eine nationale Vereinigung zur Förde­ rung der deutschen Marinechronometer­ produktion ins Leben zu rufen. Heinrich Baumann, der Leiter der Uhrmacherschule in Furtwangen, wurde im Oktober 1899 zur Sitzung der Vereinigung für Chronometrie in Glashütte eingeladen und später auch Mitglied dieses Zusammenschlusses. Die Uhrmacherschulen sollten dabei an den Forschungen und experimentellen Ar­ beiten beteiligt werden. Die Situation im Schwarzwald war jedoch schwierig. Furt­ wangen, die älteste Uhrmacherschule Deutschlands, hatte ihren Ausbildungs­ schwerpunkt um die Jahrhundertwende bei den Großuhren, der Fein-und Elektrotech­ nik. Taschenuhren spielten eine untergeord­ nete Rolle. Baumann schildert in einem 193

Marin chronomet r Uhrmacherschule Furtwangen um 1920. Unterricht im Taschenuhrenbau. Werke mehrere gleichzeitig in AI­ beit nimmt, da von der Seewarte für Chronometer erster Klasse bis zu 1200 Mark Prämien be­ zahlt werden.“ Bau­ mann räumt zwar weiter ein, ,,daß zur Zeit für die deutsche Marine jährlich nur eine kleine Anzahl von Chronometern gebraucht werden.“ Doch es sei leicht möglich, daß sich für gute Uhren das Absatzgebiet erwei­ tern lasse. Schreiben vom 13. September 1899 die Be­ dingungen im Schwarzwald: ,,Daß die Her­ stellung dieser Uhren, die die höchste Kunstfertigkeit verlangen, keinen Fuß auf dem Schwarzwald fassen konnte, lag wohl daran, daß die unerläßlichen Vorbedingun­ gen hierzu fehlten. Die Rohwerke mußten durch einen Zwischenhändler – gewöhnlich in Hamburg – aus England bezogen werden [ … ] und zudem sind die eigentlichen Ab­ satzgebiete, die Hafenstädte, zu weit ent­ fernt, um erfolgreich einzelne Chronometer zu verkaufen.“ Förderung der Hausindustrie möglich Baumann war der Meinung, ,,daß es wohl möglich wäre, auf die Industrie, besonders auf die Hausindustrie, fördernd einzuwir­ ken“, falls es gelingen würde, die Herstel­ lung der Rohwerke nach Furtwangen zu ho­ len. Die Schüler der Uhrmacherschule hät­ ten dann die Möglichkeit, sich in langwieri­ gen und schwierigen Reglagearbeiten zu üben. Vor allem „würde vielleicht für den Vollender der Chronometer ein guter Ge­ winn zu erwarten sein, besonders wenn er Die Uhrmacherschule in Furtwangen kön­ ne jedoch nur mit dieser Aufgabe betraut werden, wenn „der Großherzoglichen Uhr­ macherschule Mittel überwiesen werden, um die maschinelle Einrichtung für diesen Zweck zu vervollkommnen. Für den Anfang wären etwa zwei Triebschneidemaschinen, ein Härteofen, sowie eine Copierfräsma­ schine notwendig und könnte sodann im Laufe der kommenden Jahre die Einrich­ tung ergänzt werden.“ Die Bedeutung der Einrichtung einer Ab­ teilung für Chronometerherstellung für die Uhrmacherschule wird abschließend von Baumann hervorgehoben, große Hoffnun­ gen scheint er jedoch nicht gehabt zu haben: „Für die Schule selbst würde die Errichtung einer solchen Abteilung für Chronometer­ herstellung zur größten Empfehlung sein, die Anstalt würde sich dadurch in natürli­ cher Weise weiter entwickeln und wäre es so­ dann wohl möglich, wieder die Zahl derje­ nigen Schüler, die für Uhrmacherei ausge­ bildet werden, zu heben und dadurch eben­ falls der Industrie zu nützen.“ Auch die Großherzoglich Badische Regie­ rung zeigte sich bereit, die Mitwirkung der 194

Uhrmacherschule ihres Landes an der expe­ rimentellen Förderung der Chronometrie durch die entsprechenden Geldmittel zu un­ terstützen. Nachdem die Verhandlungen der Vereinigung für Chronometrie mit der Fir­ ma Krupp, diese für die Fabrikation und die Entwicklung der Nickel-Stahl-Legierungen zu gewinnen, ergebnislos verlaufen waren, machte man sich an der Uhrmacherschule in Furtwangen Hoffnungen, diesen Part übernehmen zu können. Denn dort waren bereits eingehende Versuche mit der Her­ stellung der Nickel-Stahl-Legierungen und der experimentellen Erforschung ihrer Ei­ genschaften geplant. Eine der nächsten Sit­ zungen der Vereinigung für Chronometrie sollte deshalb in Furtwangen abgehalten werden. Doch aus diesen Plänen wurde nichts. Nachdem die sächsische Regierung bereit war, der Uhrmacherschule in Glas­ hütte die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen und die Uhrenfirma Strasser & Uhr n und Uhreng chicht Rohde für die Chronometerrohwerkpro­ duktion gewonnen werden konnte, hatte die Uhrmacherschule in Furtwangen das Nach­ sehen. Das Ziel, den Präzisionsuhrenbau im Schwarzwald zu etablieren, scheint die Uhr­ macherschule auch weiterhin verfolgt zu ha­ ben, wie einem Schreiben Baumanns an das Großherzogliche Gewerbeamt Karlsruhe vom 19.Juli 1909 zu entnehmen ist: ,,Seit einer Anzahl von Jahren hat die An­ stalt versucht, in planmäßiger Weise die ge­ bräuchlicheren Hemmungen der Präzisi­ onsuhren auf ihre Brauchbarkeit zu unter­ suchen. [ … ] Diese Studien haben nicht nur für die gesamte Uhrmacherei einen Nutzen, sondern es ist auch wahrscheinlich, dass der Einführung der Präzisionsuhrmacherei, die bis jetzt auf dem Schwarzwald noch nicht gepflegt wird, die Wege geebnet werden können. Zur Durchführung dieser Untersuchungen Abb. 5: Marinechronometer der Staatlichen Ulmnacherschule Furtwangen (Robert-Gerwig- chule Furt­ wangen). 195

Marinechronometer ist es unbedingt erforderlich, dass der An­ stalt jederzeit absolut zuverlässige Zeitanga­ ben zur Verfügung stehen. [ …. ] Wir möch­ ten daher hoher Behörde die ergebene Bitte unterbreiten, sich mit den massgeblichen Stellen in Verbindung setzen zu wollen, ob es sich nicht ermöglichen liesse, dass die für den Zeitnachrichtendienst bestimmten Ap­ parate diesseitiger Anstalt überwiesen wer­ den, um hier in dem Hofe des Anstaltsge­ bäudes ihre Aufstellung zu finden, damit uns die Möglichkeit gegeben wäre, die Zeit­ bestimmung jederzeit selbst durchführen zu können.“ Der Vorschlag, der Uhrmacherschule den offiziellen Zeitnachrichtendienst für das Großherzogtum Baden zu übertragen, wur­ de abgelehnt. Allerdings unterstützte man den Vorschlag, daß die Uhrmacherschule in der Lage sein solle, selbst die genaue Zeit­ bestimmung vornehmen zu können. Nach 1911 übernahm Albert Metzger die Ausbildung der Taschenuhrmacher an der Großherzoglich Badischen Uhrmacherschu­ le. Unter Metzger, der u. a. an der Uhrma­ cherschule in Glashütte/Sachen seine Aus­ bildung absolviert hatte, wurde in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ein Marinechro­ nometer -wohl als Gemeinschaftsarbeit – an der Schule hergestellt. Der Präzisionsuh­ renbau konnte sich aber auch nach dem Er­ sten Weltkrieg nicht im Schwarzwald eta­ blieren; lediglich als Demonstrations-oder Lehrobjekte wurden einzelne Chronometer, darunter auch Marinechronometer, gebaut. RitaMüller 196 Ztt Jess Hans Martens vgl. den Nachrttf in der Deutschen Uhrmacher-Zeitung 16 (1892), Nr. 24; Mann, Helmut: Alte Bildungseinrichtungen und ihre Lehrer for das Uhr­ mad1erhandwerk. In: Alte Uhren und moderne Zeitmes­ Literaturnachweis: szmg 9 {1986), Nr. 5, S. 42-50; Kahkrt, Helmut/ Men­ Nr.l , S. 24-32. ke, Richard: Taschenuhren aus dem Schwarzwald und ih­ re Meister (1850-1866). In: Klassik Uhren 21 (1999) Laut Mercer, Tony: Chronometer Makers of the World: with extensive !ist oJ makers and crafismen. Colchester, Es­ sex 1991, S. 199, sollMartens drei Marinechronometer ge­ baut haben. ,gl. den Bericht iiber die Pri!fimg von Beobad1tungsuhren im Winter 1883-84 von dem Kaiserlichen Observatorium zu Wilhelmshaven. In: Annalen der Hydrographie 12 (1884), s. 312-316. Vgl. dm Artikel des Regierungsrats Eugm Gelcich »Die Längenuhren im neimzehnten}ahrhrmdert“. In: Handels­ Zeitungfür die Gesamte Uhren-Industrie 7 (1900), Nr. 3, S.2Z ,gl. zum folgenden: Generallandesarchiv Karlsruhe 237135441 sowie die Mitteilungen des Ausschusses der Vereinigzmgfür Chronometrie in der Handels-Zeitrmgfor die Gesamte Uhren-Industrie. Zur Verei12ig1mgfiir Chronometrie vgl. Tiemann, Klaus­ Harro: Zur Geschichte der Verei12ig1112gfar Chronometrie (1899 bis 1912}. In: Uhren und Schmuck25 (1988}, Nr. 6, S. 184-189; Kummer, Hans-Jochen: LudwigStrasser: Ein Uhrenfachmann aus Glashütte. Präzisionsuhren aus Sachsen. München 1994, S. 56-58. Kummer, Hans-Jochen: Ludwig Strasser: Ein Uhrenfach­ mam1 aus Glashiille. Präzisionsuhren aus Sachsen. Mün­ chen 1994, S. 90 . Deutsches Uhrenmuseum Gerwigstr. 11 78120 Furtwangen Telefon: 07723-920117 Fax: 07723-920120 Öffnungszeiten: April -31. Oktober: tägl. 9.00 -18.00 Uhr 1.November -31. März: tägl. 10.00 -17.00 Uhr, 24. -26. Dezember geschlossen.

12. Kapitel I Almanach 2000 St.-Martins-Kirche über 1200 Jahre alt Kirchen und Kapellen Bereits 748 als Holzkirche bestanden? -Außenrenovation nun abgeschlossen Riedöschingen. Im Jahr 1523 wird deshalb Nach einer Außenrenovierung von Dach ein größerer Kirchenneubau errichtet, wor­ und Langhaus im Jahr 1995 erstrahlt die St.­ auf die entsprechenden Jahreszahlen an der Martins-Kirche in Riedöschingen in neuem Leibung der Sakristeitüre und an der Glanz: Natursteinwände aus Molasse, Kalk­ tuff und Sandstein prägen die neugotische Außentüre des Turms hinweisen. Die neue Kirche, die den gotischen Stil beibehält, Architektur der Kirche. Das Gebäude besitzt einen hohen Turm mit einem Turmhelm, wird nach Norden verlegt, während der Turm seinen alten Standort beibehält. Der der als spitze Nadel ausgebildet ist. Das Kir­ ehemalige Chor unter dem Turm wird als chenschiff wird bestimmt durch ein West­ Sakristei genutzt, der heutige Chorraum werk mit Staffelgiebeln. Wohl über 1200 Jahre reicht die Geschich­ stammt von damals. Der Turm selbst diente in früherer Zeit als Fluchtturm und konnte te der Kirche zurück. Bereits 748 soll sie als Holzkirche bestanden haben. Der Wandel nur von außen durch eine heute noch vor­ handene Öffnung im zweiten Stockwerk der einst nur aus wenigen Gehöften beste­ betreten werden. henden Siedlung Riedöschingen zu einem Als Ferdinand Frobenius Thomsin (1710- großen Dorf führte immer wieder zu Ver­ größerungen der Kirche. Im bekannten 1747) die Pfarrei übernimmt, berichtet er Konstanzer Zehntbuch von 1275 -heute im erzbischöflichen Archiv in Freiburg -wird St. Martin als eine im 11. Jahrhundert er­ baute Steinkirche erwähnt. Von dieser Zeit zeugen heute noch der untere Teil des Turms sowie ein gut erhaltenes Sakramentshäus­ chen. Um 1300 wird die Kirche im gotischen Stil, zum Teil auf den alten Fundamenten, neu und größer errichtet. 1423 erfolgt wie­ derum ein Neubau durch Berthold von Sehellenberg. Interessant sind die Zustän­ digkeiten für die Unterhaltung des Baus. Nach dem Weistum von 1428 ist die Äbtis­ sin von Lindau, zu dessen Stift Ried­ öschingen gehörte, für das Dach des Lang­ hauses zuständig, die Gemeinde aber für das Turmdach. Schon bald ist die Kirche erneut zu klein geworden. Die Siedlung Aitlingen, drei Kilometer von Riedöschingen entfernt, wird 1499 im „Schweizerkrieg“ größtenteils zer­ stört, der Ort nicht wiederaufgebaut und mit der Zeit ziehen die Bewohner nach Die St. -Martins -Kirche in Riedöschingen nach der Außenrenovierung. 197

t-M rtin -Kirche über ihren Zustand: ,,Die Kirche sei sehr schlecht, … nur zwei zinnerne und zwei von Kupfer verguldete ganz abgenutzte nicht mehr brauchbare Kelche, eine von Silber nach alter Art im letzten Krieg entfremdete zwar übel ruiniert und unbrauchbar wieder zur Hand gebrachte Monstranz. Ein einzig ehrlich Meßgewand in Weißzeug, aber zer­ rissen. Beide Seitenaltäre so schlecht als in einer ärmeren Kirche ersehen. An dem Hochaltar alles wurmstichig und zerfallen.“ Ffarrer Thomsin macht sich an die Beseiti­ gung der Mißstände. Er läßt den Chorbo­ gen erhöhen -dabei wird der gotische Bo­ gen durch einen Rundbogen ersetzt -und den Choraltar durch Aufstellen von Heili­ genfiguren, vier Säulen, einem Tabernakel, einer Glorie und einem Brustgatter verschö­ nern. Zwei Beichtstühle werden errichtet, ei­ ne Kanzel eingebaut, neue Bänke aufgestellt und der Boden mit Steinplatten be- legt. Unter dem Chor wird eine Gruft errichtet, in der Pfarrer Thomsin und Pfarrer Lin­ dau beigesetzt sind. Beim Bau der Heizungsanlage im Jahr 1957 wurde diese Gruft entdeckt. Pfarrer Ignatius Lindau ( 1777 -1820) förderte die Verehrung des Heili­ gen Franz Xaver. 1797 198 Die wohl älteste Darstel­ lung der Kirche auf einem Gemälde von Joseph Anton Miffmer, Saulgau, das um 1794 entstand. regte er die Stiftung ei­ nes Votivbildes als Dank für die Umge­ hung des Dorfes von feindlichen Truppen an. J)as von Meßmer aus Saulgau geschaffe­ ne Werk zeigt das Dorf mit der Kirche unter der schützenden Hand des Heiligen sowie die Soldaten. Es ist die äl­ teste Darstellung von Riedöschingen, fast deckungsgleich mit der fürstenbergischen Bannkarte von 1794, und heute nahe dem Eingang zu sehen (siehe auch Almanach 90, S.146).Der Kirchplatz war um diese Zeit zugleich Friedhof Die Bestimmungen über die Kir­ chenunterhaltung nach dem Weistum von 1428 scheinen noch 1781 von der fürsten­ bergischen Regierung festgestellt worden und in Kraft zu sein. Es sollte um den Kirch­ platz zum Schutze des Friedhofs eine Mau­ er errichtet werden. Die Bürger wurden zum Frondienst aufgerufen, wehrten sich aber mit dem Argument, daß die Gemeinde sehr arm se1.Das bisherige Satteldach gefiel den Ried­ öschingern nicht mehr und wurde 1875 durch eine Pyramide ersetzt. Diese ruht auf einem Na­ tursteinmauerwerk aus Muschelkalk und ist mit schwarzem Schiefer aus dem Elsaß gedeckt. 1886 lieferte der Orgel­ bauer Hecht aus Spai- Anbetung der Heiligen Dreikönige

Kirch n und Kapdl n chingen die neue Orgel, um die­ selbe Zeit fertigte der Holzbild­ hauer Eberle eine neue Kanzel. Zu größeren Baumaßnahmen kommt es in den Jahren 1904 bis 1913. Das Langhaus wird um zwei Meter erhöht, erhält einen kreuzförmigen Grundriß und wird verlängert. Die Kirche er­ hält eine Holzdecke mit goti­ schen Profilleisten und Relief­ bildern der Heiligen Konrad und Bernhard sowie Jesus Rex. Diese Maßnahme führt zu einer besonders guten Akustik. Die neuen Fenster erhalten eine go­ tische Rautenverglasung. Mit Sandsteingewänden werden die Eingangstüren neu gestaltet. Das Hauptportal erhält ein Sandsteinreliefbild des Heiligen Martin mit dem Bettler von dem Riedöschinger Steinmetzen Mathias Zeller. Die Restaurati­ on des Innenraumes wird der Werkstätte Metzger aus Überlin­ gen übertragen. Auf den neuen Innenansicht vor (oben) und nach (unten) der Renovierung 1962. 199

t. · Martin · Kirch Flügelaltar kommen bereits vorhandene Fi­ guren aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Das Langhaus und die Decke werden bemalt, der Chorbogen erhält ein Gemälde der heiligen Dreifaltigkeit im Dürer-Stil. Die Fenster im Chorraum werden zum Altar passend über­ arbeitet. Der neue Kreuzweg auf Kupfertafeln stammt von dem Kunstmaler Schultis aus Freiburg. Die Gebrüder Mormon aus Sigma­ ringen fertigen neue Seitenaltäre und über­ arbeiten die Kanzel und die Kommunion­ bank. Östlich des Turmes wird eine Sakristei angebaut, der ehemalige Chor unter dem Turm wird zum Vorraum derselben. Im In­ neren des Vorraums wird ein Aufgang zum Turm geschaffen und dabei leider ein schö­ nes Kreuzgewölbe aus der Zeit des ursprüng­ lichen Baus zerstört. 1962 begann Innenrenovierung Die Innenrenovierung des Jahres 1962 ver­ ändert die Erscheinung der Kirche entschei­ dend. Die starke Ausmalung wird abgewa­ schen und durch die heute sichtbare Bema­ lung ersetzt. Die auf dem Hochaltar stehen­ den Figuren kommen an die Wände der Kirche. Denselben Standort erhalten die beiden wertvollen Skulpturen – eine Pieta aus der ehemaligen Aitlinger Kirche aus dem 15. Jahrhundert und die Anbetung der Heiligen Drei Könige aus dem 16. Jahrhun­ dert. Im Jahr 1988 wird der Turm renoviert, in die frisch vergoldete Kugel kommt eine Kupferhülse mit einer Urkunde über die Re­ novierungsarbeiten, die beteiligten Hand­ werker, die sozialen und politischen Ver­ hältnisse der Zeit, die Kosten sowie Geld­ münzen. Bei diesen Arbeiten werden unter dem Putz Fresken aus dem 15. Jahrhundert entdeckt, welche gereinigt und konserviert werden. Es sind dies Darstellungen der Hei­ ligen Katharina und des Heiligen Martin ne­ ben ornamentalem Beiwerk und einem deutlich erkennbaren Steinmetzzeichen. 200 Fresken aus dieser Zeit befinden sich auch an der Türleibung der Sakristei und an der Sakristeiwand. Die gleichfalls vorgesehene Renovierung des Langhauses und des Daches mußte auf­ grund der finanziellen Gegebenheiten bis 1994 zurückgestellt werden. Heute erstrahlt die Kirche wieder in neuem Glanz. Hermann Barth Bei den Renovierungsarbeiten 1988 wurden unter dem Putz Fresken aus dem 15. Jahrhundert ent­ deckt. Sie zeigen Darstellungen des Heiligen Martin und der Heiligen Katharina (oben).

Hofkapellen im Schwarzwald Das Glöckchen der Wendelinskapelle beim Stockwälderhofläutet den Abend im Bärlochtal ein Kirchen UD a llen Brückenheilige, Wegekreuze, Bildstöcke, Herrgottswinkel, Flur- und Wegekapellen – vielfältig sind die Zeichen der Volksfröm­ migkeit in unserer Heimat. Auch die bäuerlichen Hofkapellen des Schwarzwalds zeugen vom Glauben der Men­ schen. Die ältesten dieser Kapellen stam­ men aus der Zeit des Dreißigjährigen Krie­ ges; die meisten aber wurden in der Barock­ zeit im Zusammenhang mit der gegenrefor­ matorischen Mission der Jesuiten erbaut. So liegen sie denn auch meist in den ehemals vorderösterreichischen Landesteilen, zahl­ reich sind sie im Strahlungsbereich der früheren Jesuitenuniversität Freiburg. Oft fallen jesuitische Embleme wie das Mono­ gramm Jesu sowie Darstellungen und Wid- mungen der heiligen Dreifaltigkeit ins Auge. Im Zuge der Aufklärung, die einen ent­ schiedenen Parteigänger in Kaiser Joseph II. hatte, wurde seit 1783 die Erstellung weite­ rer Hofkapellen erschwert. Die naive Volks­ frömmigkeit sollte durch ein rationales Ver­ hältnis zur Religion ersetzt werden. Doch bis heute sind die Kapellen sehr beliebt, Er­ neuerungen sowie Neubauten sind nicht sel­ ten. Die Hofkapellen sind private Stiftungen von Bauernfamilien. Die älteren findet man als zugehörigen Teil abgelegener Höfe, de­ ren Standort bis in unser Jahrhundert hinein den Kirchgang ins Dorf bei schlechter Wit­ terung erschwerte; die jüngeren verdanken ihre Entstehung meist einem besonderen Die Wendelinskapelle vor und nach der Renovierung, die im Juli 19 93 abgeschlossen wurde. 201

Wendelinskapelle Anlaß, etwa der wundersamen Abwendung eines Unglücks oder der Heilung einer Krank­ heit. Allerdings dienten sie nicht als Neben­ kirchen zur Feier der Meßliturgie, vielmehr waren sie Andachtsräume, in denen sich Bauernfamilie und Gesinde zu gemeinsa­ mem Gebet versammelten. Dem Heiligen Wendelin ist die 1833 er­ richtete Kapelle des Stockwälderhofs im Bär­ lochtal bei Unterkirnach geweiht. Seit eini­ gen Jahren ruft ihr Glöcklein wieder in den Abendhimmel hinein, nachdem die halb­ zerfallene Hofkapelle 1993 von Grund auf renoviert wurde. Ihren Bau verdankt sie einem Gelübde. Auf dem Stockwälderhof war großer Scha­ den durch die Erkrankung des V iehs ent­ standen. Der Hof wird auch „Sumalihof “ genannt, und dies bedeutet „Saumännle“, was auf den Handel der Bauersleute mit Schweinen verweist. Nachdem diese das Ver­ sprechen abgelegt hatten, eine Kapelle zu bauen, besserte sich die Krankheit. 1883 stif­ teten der Hofbesitzer Nikodemus Duffner und seine Ehefrau eine Glocke, die von der Gießerei Benjamin Grüninger und Söhne in V illingen angefertigt wurde und deren tägli­ ches Läuten bis zum Tod von August Duff­ ner im Jahr 1985 die Herzen erfreute. Renovierung beschlossen Das plötzliche Verstummen des geliebten Klanges brachte Manfred Ganter auf die Idee, die alte Kapelle wieder in einen würdi­ gen Zustand zu bringen. Der passionierte Jäger und langjährige Hüttenwirt im Specht­ loch hatte abends oft das Schauspiel des kräuselnden Rauches aus dem Kamin des über 400 Jahre alten Stockwälderhofes und das dazugehörige Bimmeln des Glöckchens genossen. Er überzeugte die Hofbesitzerin Anna König und den Unterkirnacher Bür­ germeister Baumann von seinem Plan. Nachdem das Landesdenkmalamt zustimm­ te und die geschindelte Kapelle als beson­ deres Kulturgut einstufte, ermöglichten 202 Die Glocke wurde von der Gießerei Benjamin Grüninger und Söhne in Villingen gegossen. kommunale und kirchliche Stellen und vor allem viele private Spender eine Renovie­ rung vom Fundament bis zum T ürmchen. Am 18. Juli 1993 konnte das Bauwerk dem Heiligen Wendelin geweiht werden. Heute schmücken volkskünstlerische Skulpturen, ein Arma-Christi-Kreuz und Bilder den Altarbereich. Das Glöckchen wurde wieder montiert und eine elektrische Läutemaschi­ ne sorgt für die pünktliche Lautunterma­ lung stimmungsvoller Abende im schönen Bärlochtal. Als Teil des Hofes haben die Kapellen ein Obergeschoß, das manchmal als Speicher diente, öfters wurden im Keller Mostfässer, Kartoffeln, Obst und Rüben eingelagert. Die Wände sind aus circa 40 cm starkem Feldsteinmauerwerk errichtet und mit Kalk­ mörtel verputzt. Daneben gibt es auch höl­ zerne Kapellen, die mit Schindeln beschla­ gen sind. Der Betraum im Innern hat drei bis vier Kirchenbänke, die acht bis fünfzehn Perso­ nen Platz bieten. In einer halbkreisförmigen oder ein halbes Sechseck bildenden Nische steht der Altar unter einem Bild mit religi­ ösem Motiv. Nach oben wird der Raum von einer fla-

chen Dielendecke unter einem Satteldach abgeschlossen. Das Dach hat meist einen Dachreiter, man findet hier unterschiedli­ che Stile, gotische Spitzen, sechs- bis acht­ eckige schlanke Türmchen und barocke For­ men. Manchmal erinnern zweiarmige Kreu­ ze auf dem Dachreiter an die Beziehung ei­ nes Hofes zu einem klösterlichen Grund­ herrn. Während Flur- und Wegekapellen einfach bis primitiv ausgestattet sind, zeigen die privaten Hofkapellen Werke der Volkskunst, die meist von ortsansässigen Schreinern, Schlossern, Schmieden, Steinmetzen, Ma­ lern und Herrgottsschnitzern angefertigt wurden. Teilweise kommen die Glocken der Schwarzwälder Hofkapellen aus der Gieß­ hütte Bayer und Koch in Freiburg, der Gieß­ hütte Grüninger in Villingen, dem Gießer Kreiz aus Hohle Graben und der Gießhütte Muchenberger in Blasiwald. Weitere Hüt­ ten in Neustadt und Furtwangen entwickel­ ten sich im Zusammenhang mit der Uhr­ macherei. Die Größe der Glocken liegt zwi­ schen 26 und 35 Zentimetern, meist sind sie schmucklos, nur am oberen oder unteren Kiich n und Kapellen Rand tragen sie manchmal den Namen des Stifters, des Gießers, die Jahreszahl ihrer Herstellung oder bringen ein frommes An­ liegen zum Ausdruck. Ein besonders heller und angenehmer Klang ist auf einen hohen Silberanteil zurückzuführen. Die Glocken, von denen viele den beiden Weltkriegen zum Opfer vielen, wurden im Sommer um fünf, elf und zwanzig Uhr, im Winter um sechs, elf und siebzehn Uhr geläutet. Auch gibt es „Gewitterglöckle“, die vor einem auf­ ziehenden Unwetter warnten. Die Vorliebe der jeweiligen Bauersfamilie für besondere Heilige und Schutzpatrone bestimmt die Auswahl der Figuren und Bilder in der Kapelle. Holz- und Gipsskulp­ turen, Malerei an Wänden und auf Holz schmücken den Raum. Meist steht eine Muttergottes in der Mitte des Altarraumes, umgeben von Heiligen, wie Wendelin, dem Beschützer des Viehs und der Viehhalter, Antonius, dem Helfer bei ansteckenden Krankheiten, Sebastian, der die Pest ab­ wehrt, oder der heiligen Barbara, die vor jähem Tod schützt. Helmut Rothenne! Volkskünstkrische Skulpturen, ein Arma- Christi-Kreuz und Bilder zieren den Altarbereich. 203

Kirch n und Kapell n Die Paulus-Kapelle, ein St. Georgmer Kleinod, wurde im Alma­ nach 1999 bereits auiführlich vorgestellt. Leider war der Beitrag mit einer falschen Außenansicht des Kirchteins illustriert, red1ts ist die richtige Paulus-Kapelle zu sehen. Die farbenprächtige Aus­ gestaltung stammt von dem Kiimtler Nevzat Sahin. 204

Sagen der Heimat Der Schäfer und der Teufel 13. Kapitel I Almanach 2000 An jenen Tagen, da die Baaremer Bäuerin­ nen abends beim Kienspan in der Spinn­ stube beisammen saßen und sich noch dann und wann ein Wolf aus den Amtenhauser Wäldern blicken ließ, weideten große Schaf­ herden auf den kargen Berghängen, die sich zwischen Unterbaldingen und Geisingen hinziehen. Zwar breiten dort süß duftende Reckhölderle ihre roten Blumenkissen aus, und Silberdisteln besticken mit ihren Ster­ nen die Matten, sonst aber wächst zwischen den schwarzen Säulen der Wacholderstau­ den nicht viel. Dem Teufel jedoch schien es in dieser Gegend so gut zu gefallen, daß er sich in einer kleinen Hütte hoch über dem Hang häuslich einrichtete. Er hatte aber auch einen herrlichen Ausblick von da oben. Die ganze Baar Ja� wie ein Teppich, aus bunten Flecken der Acker und Wiesen zusammengesetzt, ihm zu Füßen, und grü­ ne Hecken zogen ein verschlungenes Muster über das weite Land. Besonders aber behag­ te es dem Teufel, daß gleich da drüben über dem Unterhölzer Weiher der Wartenberg aufragte, der ja in grauer Vorzeit rauchend und feuerspeiend dem unterirdischen Reich entstiegen war und der so für den Höllen­ fürsten geradezu etwas Anheimelndes hatte. Es störte ihn auch nicht, daß am nahen Do­ nauufer die Gruftkirche der Fürstenberger stand und daß die Wallfahrtskapelle im Gnadental mit ihrem Silberglöckchen gar manchen Pilger zu sich rief. Er lächelte nur höhnisch über all dies, wußte er doch, daß ihm trotzdem immer noch genügend Beute in seinem weiten Jagdrevier blieb. So trieb er da oben im Brachland lange Zeit sein Un­ wesen, und manches Bäuerlein bekreuzigte sich, wenn es des Abends noch durch jenen Wald mußte, vor dem Wacholderbüsche ge- spenstisch wie vermummte Gestalten Wa­ che hielten. Auch die Mägde erzählten sich mit gehei­ mem Grauen von der Hütte am Hörnlekapf und dem, der da drinnen hause. Es war ja so schön, in der Geborgenheit der Stube und gewärmt von der „Kunscht“ von solchen Dingen zu sprechen und dabei das wohlige Gruseln zu verspüren, das einem über den Rücken lief. Ja, man wußte in den Spinn­ stuben auch, daß der Schäfer, der in jener berüchtigten Gegend seine Schafe hütete, mit dem Teufel einen Pakt geschlossen ha­ ben mußte. Woher hätte er denn sonst die Golddukaten haben sollen, die er in der Wirtsstube nur so über den Tisch rollen ließ, als wären es schäbige Heller? Da konnte doch etwas nicht stimmen! So machten sich denn eines Abends ein paar beherzte Bur­ schen auf, um hinter das Geheimnis der Teu­ felshütte zu kommen. Es war eine sturm­ durchbrauste Nacht, in der sie den Berg hin­ aufkeuchten. Das Herz pochte ihnen vor Angst, als sie durch das erleuchtete Hütten­ fenster blickten und drinnen den Schäfer mit dem Teufel verhandeln sahen. Anschei­ nend waren sich die beiden noch nicht recht einig, denn plötzlich drohte der Höllenfürst dem Schäfer und wies auf einen riesigen Mühlstein, der, an einem dünnen Fädchen baumelnd, von der Decke herniederhing. Der Schäfer schien zu verstehen, was der Teufel wollte. Er erhob sich und schlüpfte blitzschnell, während er jede Bewegung des Bösen belauerte, unter dem baumelnden Mühlstein hin und her. Der Teufel aber stand daneben und schwang eine riesige Schere, die er fortwährend auf und zu klapp­ te, als wolle er damit den Faden über dem Mühlstein abschneiden. Nachdem er so sein 205

D r chäfer und d r 1i ufd 206 ‚Zeichnung: Helmut Groß

Opfer lange genug gepeinigt hatte, zählte der Teufel, des grausamen Spieles für heute müde, dem erschöpften und schweißtrie­ fenden Mann den teuer verdienten Lohn auf den Tisch. Das also war die Qielle, aus der des Schä­ fers Reichtum floß. Wenn er jetzt einmal nach Unterbaldingen ins Wirtshaus kam, verstummte das Gespräch der Bauern jäh, und sie rückten am Tisch so eng zusammen, daß für den Schäfer kein Platz mehr blieb. Aber was galt ihm dies schon! Die Bauern sollten grün vor Neid werden, und klingend warf er einen Goldvogel auf die blankge­ scheuerte Tischplatte und verschwand. Den schönsten Hof im Dorf wollte er kaufen und obendrein die ganze Schafherde, die er jetzt nur hüten durfte. Dazu sollte ihm der Teu­ fel verhelfen. Aber immer noch hatte er ihm ja seine Seele nicht verschrieben. Und so­ lange er dies nicht tat, mußte er immer wieder aufs neue dem Bösen seinen Mut beweisen und unter dem schwebenden Mühlstein hindurchspringen, immer gewärtig, daß die Schere einmal zuschnappe und die Last ihn begrabe. Eines Tages aber sahen ein paar Bauern, die im Walde Holz schlugen, die Schafe des Hirten herrenlos über die Höhe schweifen und den struppigen Schäferhund winselnd vor dem Teufelshüttchen kauern. Da es hel­ lichter Tag war, getrauten sie sich, durch das Fenster zu schauen: Da lag der Schäfer, die Augen weit aufgerissen, als sähen sie etwas Entsetzliches, auf den Boden hingestreckt. Er war tot. Die verkrampfte Hand umschloß einen Beutel mit Gold. Das angstverzerrte Gesicht des Mannes aber war kohlschwarz, wie auch der ganze Körper. Er schien vom Feuer versengt wie das Holz, das man aus einem Kohlenmeiler hervorzieht. „Gelobt sei Jesus Christus“, murmelten die Männer und schlugen rasch ein Kreuz, damit der Teufel keine Gewalt über sie habe. Dieser war wohl des Spieles mit dem Schäfer müde geworden. Lange war ja schon dessen Seele mit Gold aufgewogen. So hatte denn der gen der Heimat Höllenfürst, wollte er von dem listenreichen Schäfer nicht zu guter Letzt arm gemacht werden, das grausame Spiel ein für allemal beendet. Die Männer trugen den geschwärzten Leichnam auf einer rasch zusammengezim­ merten Bahre zum Dorf Nun war es ein­ deutig bewiesen, daß der Schäfer mit dem Teufel im Bunde gewesen war. So warf man den Toten kurzerhand auf einen Karren, führte ihn durchs Dorf, und weil er nicht in geweihter Erde liegen durfte, verscharrte man ihn einfach neben der Kirchho&nauer. MaxRieple Herbstbilder Angelaufenes, ungeputztes Silber der ganze Horizont. Unter aschigem Himmel verdämmert der Tag Nur minutenweise reißt der Wolkenfächer auf Nebel flockt: Die nahe Fichte ist schon verschleiert, wie eine orientalische Braut. Der Abend ein Bastard mit geflecktem Licht. Als Salamander schwimmt er in den Himmel gelb und schwarz Herbert Kühn 207

Musik 14. Kapitel I Almanach 2000 „Geistige Nothilfe“ besteht seit 7 5 Jahren Einzigartige Institution zur Förderung von Kunst und Wissenschaft in Königsfeld Die „Geistige Nothilfe“ gehört zu Königs­ feld wie die gute Luft und das gesunde Kli­ ma, das den kleinen Kurort umgibt. Und je­ der Einheimische weiß natürlich, was sich hinter dem etwas eigentümlich anmutenden Namen verbirgt. Kurgäste und Urlauber al­ lerdings können sich oft keinen rechten Reim darauf machen. ,,Geistige Nothilfe Kö­ nigsfeld?“ Ist das eine Art Sozialstation? Ein Behindertenheim? Eine medizinische Insti­ tution zur Heilung geistig und seelisch Er­ krankter? Nun ja, all diese Spekulationen sind zwar nicht richtig, legen aber doch die Wurzeln des etwas antiquierten Begriffes frei, sind Fingerzeig auf seine Entstehung und seine Geschichte. „Geistige Nothilfe Königsfeld“ so nennt sich eine wohl einzigartige Institution „zur »Landarzt“ Dr. August Heister, Gründer der „Geistigen Nothilfe Königifeld“. Förderung von Kunst und Wissenschaft“, die im Jahr 1924 durch eine Initiative des Landarztes Dr. August Heisler ins Leben ge­ rufen wurde. Sie hat durch privates Engage­ ment dreier Generationen auch Wirtschafts­ krise, Krieg und Wiederaufbau überdauert und feiert 1999 ihr 75jähriges Jubiläum. Die „Geistige Nothilfe“ war und ist für den Kurort Königsfeld ein kultureller Schatz, der alte Traditionen wahrt, die Gegenwart be­ reichert und Lichtblicke für die Zukunft schenkt. Bürger und Gäste kommen auf ganz bequeme Art und Weise, direkt vor der eigenen Haustür, in den Genuß von Veran­ staltungen höchsten Niveaus, und es ist ne­ ben dem künstlerischen Wert auch die fast intime Atmosphäre, die den ganz besonde­ ren Reiz der Veranstaltungen ausmacht und jenes unverwechselbare Ambiente schafft, dem auch der exklusivste Konzertsaal der Welt nicht das Wasser reichen kann. Wer einmal ein Samstagskonzert der „Geistigen Nothilfe“ erlebte, wer einmal im hellen, lichtdurchfluteten Kirchensaal der Herrn­ huter Brüdergemeine weilte, um den Piani­ sten Krystian Zimerman und Daniel Adni, dem Klarinettisten Heinz Holliger, dem Flötisten Peter Lukas Graf und den vielen anderen berühmten Solisten oder Kammer­ orchestern lauschte, die hier bereits gastier­ ten, der wird dieses innige Erlebnis gewiß nicht mehr vergessen. Eine Besonderheit ist auch der sogenannte „Nachhock“, der seit jeher im Anschluß an jedes Konzert statt­ findet, um Künstler und Kunstliebhaber miteinander ins Gespräch zu bringen. Daß diese Treffen auch heute noch mög­ lich sind, daß die Interpreten just in Kö­ nigsfeld den allgemeinen Grundsatz „time is money“ zu vergessen scheinen, hängt un- 209

.Geistige Nothilfe“ mittelbar mit der Historie der „Geistigen Nothilfe“ zusammen, in der von Anfang an unzählige freundschaftliche Kontakte, ja so­ gar familiäre Bande geknüpft wurden, die bis heute bestehen. Nach dem Ersten Weltkrieg war der Schwarzwald ein kulturelles Notstandsge­ biet. Das hat der in Königsfeld lebende und praktizierende „Landarzt“ Doktor August Heisler schnell diagnostiziert und deshalb folgenden bahnbrechenden Aufruf verfaßt: ,,Unsere Not ist zwiefacher Art. Wir hun­ gern nach Kunst, die Künstler hungern nach Brot. Darum laßt uns als Parallele zur „Tech­ nischen Nothilfe“ eine „Geistige Nothilfe“ gründen.“ Wohl wissend, daß die positive Auseinandersetzung mit Musik, Kunst und Wissenschaft auch eine heilende Wirkung auf Körper, Geist und Seele entfaltet, sah der vielseitige Doktor die „Geistige Nothilfe“ durchaus auch als wertvolle Stütze seiner medizinischen Arbeit an. Seine Sanatorien „Luisenruhe“ und „Kinderweide“ boten das ideale Forum für den Beginn des mutigen Unternehmens, das übrigens unter dem ,,Der Pavillon am Doktorhause“ war zu den An­ fangszeiten der „Geistigen Nothilfe“, romantische Kulisse für Veranstaltungen unter freiem Himmel. 210 heutigen Gesichtspunkt der „ganzheitlichen Medizin“ an Aktualität nichts eingebüßt hat. Im nachhinein betrachtet bot schon das erste Konzert der „Geistigen Nothilfe“ eine einzigartige Verflechtung familiärer und weltläufiger Aspekte. Denn die Mezzoso­ pranistin Tempe Heisler, die zweite Frau des früh verwitweten Landarztes, wurde zur Pre­ miere aller Premieren auf dem Klavier von keinem Geringeren begleitet als dem dama­ ligen „Neubürger“ Albert Schweitzer. Anfangs waren die Veranstaltungen recht unkonventionell organisiert. Sie fanden ganz sporadisch in verschiedenen Häusern, oft auch unter freiem Himmel statt. Ein schönes Stimmungsbild dieser Pionierjahre zeichnete die baltische Schriftstellerin Mo­ nika Hunnius in ihren Lebenserinnerungen: ,,Schönes Königsfeld, weltfern, abgeschlos­ sen, von keiner Eisenbahn berührt, mit dei­ nen dunklen Wäldern … und dem Pavillon am Doktorhause, wohin die Menschen pil­ gern, um dem Musikabend mit Rezitativen zu lauschen … “ Freilich war das Schwarzwaldwetter früher nicht besser als heute und trotz aller Roman­ tik stimmungsvoller Veranstaltungen unter funkelndem Sternenhimmel war schon Au­ gust Heisler darum bemüht, ein festes Dach über den Köpfen der Kunst- und Kultur­ freunde zu finden. Noch heute existiert sein 1926 verfaßtes Schriftstück, in dem er die Notwendigkeit eines „eigenen Gebäudes, das gleichzeitig den Veranstaltungen und der Unterkunft der eingeladenen Künstler dient“ unterstrich. Dieser Wunsch erfüllte sich zumindest teilweise 1938 durch den Bau der „Königsfelder Festhalle“, die aller­ dings gleichzeitig als Turnhalle herhalten mußte. Später wurde aus dem Holzbau ein ,,Fest- und Lichtspielhaus“ mit angeschräg­ tem Sitzbereich, das 1983 abgetragen wurde, um einem neuen Wohn- und Geschäftshaus Platz zu machen. Seither wird der Herrnhu­ ter Kirchensaal als „Schatzkästlein“ für kon­ zertante Ereignisse genutzt. Dem vereinsei-

genen Steinway-Flügel wird in diesem Got­ teshaus ein Gastrecht gewährt. 52 Jahre lang war die „Geistige Nothilfe“ eine reine Familienangelegenheit. In schwe­ ren Kriegszeiten, 1942, übernahm Dr. Wyld­ bore Heisler das große Werk seines Vaters und führte es mit temperamentvoller Un­ terstützung seiner Frau Feodora und seiner drei Kinder fort. Sprechstundenhilfen, Freun­ de und Bekannte, jung und alt wurden als ehrenamtliche Helfer eingespannt. Und es war selbstverständlich, daß die gastierenden Künstler auch im Doktorhaus übernachte­ ten. Feodora Heisler könnte heute ein Buch mit ihren lebhaften Erinnerungen an inter­ essante Begegnungen und kuriose Episoden füllen. Weltberühmte Gäste Wenn die weltberühmte Pianistin Elly Ney zu Gast war, galt es frisches Farnkraut zu pflücken, die Zweige in eine Windel zu wik­ keln und dem Star wunschgemäß unters Dr. Wyldbore Heister und seine Frau Feodora haben die Geschichte der „Geistigen Nothilfe“ in zahlreichen Gästebüchern ihres Doktorhauses eingefangen. Musik Kopfkissen zu legen. Edwin Fischer verzich­ tete auf seine Gage, nicht aber auf einen exquisiten Konzertflügel, der eigens aus Freiburg nach Königsfeld transportiert wer­ den mußte. Beim Auftritt Narciso Yepes war der Besucherandrang so enorm, daß vor den restlos ausverkauften Sitzplätzen circa 300 Jugendliche auf dem Fußboden lagerten, um sich vom großen Meister der Gitarre be­ zaubern zu lassen. Und Krystian Zimerman, der der „Geistigen Nothilfe“ anläßlich ihres 70jährigen Bestehens ein unvergeßliches Benefiz-Klavier-Rezital schenkte, spielte an diesem Abend tatsächlich ein ganz persön­ liches Ständchen zu Wyldbore Heislers 85. Geburtstag. Früher beschränkten sich die Veranstaltun­ gen der „Geistigen Nothilfe“ keineswegs nur auf die Musik. Auf dem Programm standen auch wissenschaftliche Referate und Dia­ vorträge, Literaturlesungen und Zaubervor­ führungen, Theateraufführungen, Kabarett, ja einmal sogar ein Musical. Die Dichter Ludwig Finck und Max Rieple bescherten Lesungen, Gu­ stav Rudolph Sellner (Deut­ sche Oper Berlin) trug seine Lieblingsgedichte vor, Leni Riefenstahls Kameramann Walter Frentz war mehr­ mals zu Gast, ebenso Elly Beinhorn, eine der ersten Fliegerinnen Deutschlands, der Geograph, Bergsteiger und Tibetkenner Heinrich Harrer, der Weltumsegler Hans von Meiss-Teuffen, Kontiki-Mann Eric Hessel­ berg und Zeppelin-Kapitän Hugo Eckener. Bis zu sech­ zehn Veranstaltungen jähr- lieh bot die „Geistige Not­ hilfe“ in den 1950er und frühen 1960er Jahren und da es damals weder Fern­ seher noch Videorecorder gab, war die Publikumsreso-211 ‚

.Geistige Nothilfe“ nanz stets riesengroß. Die Künstlergagen wurden nicht immer in barer Münze be­ zahlt. Mitunter waren auch Schuhe, Stoffe oder Naturali­ en anderer Art eine willkom­ mene Gegenleistung für Kunst und Kultur. Sogar ein Laib Brot war fur einen Piani­ sten einmal ein wertvolles und unvergeßliches Honorar, was ein entsprechender Dan­ kesgruß in einem der Heisler­ schen Gästebücher offenbart. Uta Homolka 1976 wurde die private In- itiative der „Geistigen Nothilfe“ in einen ge­ meinnützigen Verein umgewandelt, dessen Vorsitz der heutige Ehrenpräsident Wyld­ bore Heisler zehn Jahre später an Uta Ho­ molka abgab. Seine Nachfolgerin weiß den Wert der ,,Geistigen Nothilfe“ für Königsfeld und sei- ne Bürger zu schätzen und es ist ihr ein großes Anliegen, daß die Arbeit ihrer Vorgän­ ger kontinuierlich fortgeführt wird. Mit zeitraubendem En­ gagement und viel Erfolg lenkt sie die Geschicke des et­ wa 100 Mitglieder zählenden Vereines, bestückt die belieb­ te und mittlerweile weit über die Grenzen des Kurortes hinaus bekannte Samstags­ konzertreihe trotz geringer Fi­ nanzkraft jedes Jahr auf‘ s neue mit sechs hochkarätigen Konzerten und hofft inständig, daß auch sie einen Nachfolger finden möge, dem die 75 Jahre alte und dennoch jung gebliebene ,,Geistige Nothilfe Königsfeld“ zur Her­ zensangelegenheit wird. Brigi.tte Schmalenberg Penner unter Brücken in Rohbauten Schuppen verlassenen Plätzen auf und unter Parkbänken ins sich gekehrt Penner auf der Straße an Häuserwänden Säulen Mauern neben und hinter Mülltonnen 212 nicht zu übersehen mit ausgestreckten Händen umgedrehten Hüten Noch lange nicht fertig mit uns mit sich und der Welt und dennoch sie haben nichts zu verlieren als ihr Pennerleben welches niemals weniger wert ist als dein eigenes. Hanna jäckle

Musik Pädagoge, Komponist und Musiker Dietrich Danksin ist in den unterschiedlichsten Bereichen der Musikbranche tätig Dietrich Danksin ist ein Mann von hoher Kompetenz in Sachen Musik, Text und Film. Sein Wissen und seine Kreativität setzt der studierte Pädagoge für Musik und Deutsch in den unterschiedlichsten Berei­ chen ein, immer auf der Suche nach Neuem und bis zur Grenze dessen, was machbar ist. In der Kreisbildstelle im Landratsamt laufen die Fäden zusammen, wo inmitten moder­ ner Medientechnik Projekte für Schulen und künftige Bildungspläne entstehen. Die Videowerkstatt und das neu entstandene Tonstudio sind zu beliebten Produktions­ stätten für Schüler und Lehrer des Kreises geworden. Dietrich Danksin ist musikpädagogischer Berater im Schwarzwald-Baar-Kreis, hatte viele Jahre einen Lehrauftrag für Musik am Seminar in Rottweil, ist als Regionalbetreu­ er für Musik Ansprechpartner für die Ko­ operation zwischen Schulen und Musikver­ em. Neu ist ein Projekt, das die Landesbildstel­ le Karlsruhe dem populären Musikerzieher übertrug. Unter dem Arbeitstitel „Der Com­ puter im Musikunterricht“ soll an verschie­ denen Schulen und Schultypen in Baden­ Württemberg der Einsatz dieses elektroni­ schen Mediums erprobt werden. Dazu hat Dietrich Danksin in regelmäßigen Sitzun­ gen Lehrerteams motiviert, seine Ideen im Unterricht umzusetzen -wobei die Akti­ vitäten der Schüler eine wichtige Rolle spie­ len. Schüler lieben es, eigene Produkte aus dem Schulunterricht mit nach Hause neh­ men zu können, das weiß der erfahrene Pädagoge, ganz gleich ob die aus dem Tech­ nik-, Koch-oder deshalb bei seinem Projekt aufEigenproduktionen der Schüler in Form von Musik-Cassetten oder CDs. Auf dem Bildschirm macht er Töne sichtbar, baut aus Musik, Hörspiele und Filme Dietrich Danksin, kreativ und von hoher Kompe­ tenz in Sachen Musik, Text und Film. Sequenzen oder Teilen von Musikstücken ein musikalisches Puzzle und lockert so die theoretischen Unterrichtsteile auf. Eine Dokumentation, deren Inhalte in künftige Lehrpläne und die Lehrerfortbildung ein­ fließen sollen, steht am Ende des zweijähri­ gen Forschungsprojekts. Seit vielen Jahren leitet Dietrich Danksin Workshops an den Akademien des Landes. Er produziert mit Lehrern und Studenten Musik, Hörspiele und Filme. Aus dieser Ar-213

Di trieb Danksin Dietrich Danksin am Mischpult in seiner Ton- und Videowerk­ statt. Produziert hat Danksin auch bereits Hörspiele mit jugend­ lichen Sprechern und Autoren. beit heraus haben sich zahl­ reiche Verbindungen zu ver­ schiedenen Institutionen er­ geben. Im Auftrag der Lan­ desbildstelle Baden arbeitet er mit dem SWR-Studio in Karlsruhe zusammen. Es entstehen Hörspiele mit jugendlichen Autoren und Sprechern. Musikalische Hommage an die Region Die andere Seite des Dietrich Danksin: Seine Arbeit als Komponist, Texter und Mu­ siker. Exemplarisch hierfür die CD „Wur­ zeln“, die Geschichten von Menschen, Kul­ tur und Landschaften im Schwarzwald-Baar­ Kreis erzählt – eine Hommage an die Regi­ on, in der er lebt. Neben seinem Haupt­ instrument Gitarre hat er sich in den letzten Jahren vor allem der Mundharmonika ver­ schrieben. Im Hohner-Verlag Trossingen veröffentlicht er seine Kompositionen. Folk, Blues und Rock, das ist die musikalische Welt, in der er sich hier bewegt. Mit „West­ wind“ und „On Tour“ hat er bei den Har­ pern viele Freunde gewonnen. Über die musikpädagogische Arbeit mit der Mund­ harmonika hat Dietrich Danksin mit dem Südwestfunk einen Film produziert. Am Hohner-Konservatorium gibt er regelmäßig Workshops. Bei all diesen Aktivitäten unterschiedlich­ ster Art ist die moderne Computertechno­ logie zum festen Wegbegleiter geworden. 214 Und dennoch bleibt sie für Dietrich Dank­ sin lediglich ein Werkzeug. Fast schon phi­ losophisch faßt er zusammen: ,,Wir wollen uns zwar auch im künstlerischen Bereich die Möglichkeiten des Computers zu Diensten machen, aber der Master muß immer der Mensd1 bleiben. Er darf sich nicht der Tech­ nik unterordnen, das ist für alles Schöpferi­ sche wichtig und in besonders hohem Maße für die Musik.“ Anneßethge Erinnerung brauntrocken steht der Wald nächtlicher Frühlingsfrost im welken Laub blühen erste Leberblümchen so blau waren seine Augen damals Christiana Steger

Kunst und Künstler Ralf Ganter- Fotografie als Kunst Der Niedereschacher Top-Fotograf etablierte sich mit ungewöhnlichen Bildkonzepten 15. Kapitel/Almanach 2000 Was ist der Unterschied zwischen der frei­ en künstlerischen Fotografie und der Auf­ tragsfotografie? Einmal handelt der Fotograf vollkommen frei ohne Einflußnahme von außen, das andere Mal macht er dies auf Wunsch eines Auftraggebers. Bei den Er­ zeugnissen des in Niedereschach ansässigen Topfotografen Ralf Ganter ist diese Unter­ scheidung im Hinblick auf die Qialität voll- Ralf Ganter“ on Location „mit seinem Equipment. kommen unrelevant. Denn ob frei oder auf­ tragsgebunden, der Fotograf geht immer mit dem selben hohen künstlerischen Anspruch ans Werk. Ein gelungenes Beispiel für die kreative, in­ novative Vorgehensweise des freien Foto­ grafen Ralf Ganter sind die hier vorgestell­ ten Aktaufnahmen. Diese wurden in einer von Ganter entwickelten Technik, die er selbst „Wischeffekte“ nennt, aufgenommen. Mit einer Kombination aus Dauerlicht, Blitzlicht und Kunstlicht sowie den unter­ schiedlichen Bewegungsmomenten von Modell und Fotograf, einer langen Belich­ tungszeit und einer extrem langen Brenn­ weite wird ein hoher Abstraktionsgrad er­ reicht. Ohne Zweifel handelt es sich bei die­ ser Aktfotografie um Kunst. Aber diese frei­ en Fotografien sind auch immer die besten Visitenkarten für den Werbefotografen Gan­ ter, der seine Kunden mit solchen kreativen Ideen überzeugt. Auf der einen Seite sind es Akte, auf der anderen Seite beliebige Pro­ dukte, die in der von Ganter kreierten Tech­ nik aufgenommen werden. Das Produkt ist austauschbar, der künstlerische Anspruch bleibt erhalten. Seit nun 15 Jahren residiert der Fotograf Ralf Ganter in einer ehemaligen Uhrenfabri­ kationsstätte in der Rottweiler- Straße. Drei verschiedene Fotostudios für Models, für Industrieprodukte und für Tageslichtauf­ nahmen, ein professionelles Fotolabor, ein Requisitenlager, ein Schminkraum, ein um­ fangreiches Equipment und eine Werkstatt für dessen Instandhaltung sind unter ande­ rem in dem weitläufigen Areal unterge­ bracht. Das Fabrikgebäude hat Erlebnischa­ rakter und bietet durch seine Architektur und vielschichtige Bausubstanz Möglichkei- 215

Kun I und Kün der Perfektion und Kreativität zeichnen das Schaffen des Fotografen Ralf Ganter aus. ten für die unterschiedlichsten Aufnahme­ situationen. So ideal die Bedingungen in Niederesch­ ach auch sind, manchmal wird der Arbeits­ platz gewechselt. Für die Aufnahmengröße­ rer, unbeweglicherer Produkte wie beispiels­ weise fest installierter Fertigungsstraßen reist der Fotograf mit kompletter Ausstattung und Team direkt zum Ort des Geschehens. Aber auch für vergleichbare kleine Produk­ te wie das Bett einer Fräsmaschine reicht der Platz in Niedereschach nicht aus, wenn sich die Kreativität Ganters durchsetzt, das Pro­ dukt auf einem Berg von 300 Tonnen Kies aufzunehmen. Diese Fotografien entstan­ den in der Messehaile in Schwenningen (Seite 219). Die perfekte, großzügige Ausstattung, das Know-how und der große technische Sach- 216 verstand erlauben Ralf Ganter ein in der Branche überlebenswichtiges schnelles Han­ deln. Diese Faktoren sind sicherlich ein Grund dafür, daß sich der Fotograf Ralf Ganter in der Region konkurrenzlos be­ haupten kann. Aber auch auf nationaler und internationaler Ebene ist der Name Ganter eine bekannte Größe in der Branche. Um bei den Großen erfolgreich und dauerhaft mitmischen zu können, bedarf es freilich mehr, als nur ein professionelles Studio zu betreiben. Innovative Ideen, Flexibilität, Kreativität und Durchsetzungsvermögen sind dabei unabdingbare Voraussetzungen. Die Werbefotografie ist ein hart umkämpf­ ter Markt, wo man sich nicht auf den einmal erreichten Lorbeeren ausruhen darf. Ralf Ganter hätte dies nach den Aufnahmen für den renommierten Porsche-Kalender (siehe

Ralf Ganter

Kunst und Künstler Akifotogrefie und Produkifotogrefie, im Schaffen von Ra!f Ganter ergänzt sich beides. 218

Seite 217) für das Jahr 1992 wahrscheinlich nötig gehabt. Für die Shootings der Edel­ marke wurden ganz markante Locations in Europa ausgesucht. Die Aufnahmen ent­ standen unter anderem in Stonehenge, vor der Villa Rotonda und im Futuroscope in Poitiers. Das Prestigeprojekt bedeutete zwei Monate Dauerstreß, aber es brachte auch den Durchbruch, der unweigerlich mit neu­ en Aufträgen und Arbeit verbunden war. Arbeit, die dem Niedereschacher Fotogra­ fen sichtlich Spaß macht. Nicht die Ab­ handlung des Kundenwunsches steht dabei im Vordergrund. Der agile Überzeugungstä­ ter besitzt die Fähigkeit, die Kunden, sei es den Versandhausriesen, den Autohersteller oder den mittelständischen Anlagenbauer, mit seinen Bildkonzepten zu begeistern. Er inspiriert und überzeugt den Auftraggeber Ralf Ganter mit neuen Ideen, die über die fotografische Tätigkeit hinausreichen. Die logische Folge­ rung war für den dynamischen Unterneh­ mer die Erweiterung seiner Profession auf den Agenturbereich. Seit Anfang des Jahres 1999 setzt er mit seiner Firma »inspirations“ innovative, provozierende und erfrischende Akzente in der Werbewirtschaft. Er liefert dem Kunden ein durchgängiges, schlüssiges Konzept und versucht ihn mit Esprit und Qlalität zu gewinnen. In der Regel wirkt das ansteckend, auch auf selbst eher konser­ vativ eingestellte, skeptische Auftraggeber, die nach einer erfolgreich verlaufenen Kam­ pagne feststellen, daß gute Werbung doch mehr als reine Produktvermarktung ist. Stefan Simon

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Kun t und Künstler Imaginäre Welten – Visionäre Räume Lore Will: Malerin, Schmuckdesignerin, Druckgraphikerin und Reisende Die Malerin ,,Erkennt, meine Freunde, was Bilder sind: das Auftauchen an einem anderen Ort.“ Die Vorstellung, daß ein Ort, an dem ein Bild auftauchen läßt, ein anderer ist als der, an dem wir uns jeweils aufhalten, mag der Ma­ ler Franz Marc zwar auf die Wirkung, die Kunst auf den Betrachter ausübt, bezogen haben, aber sie läßt sich in selbstreflexiver Weise auch auf die Produzenten von Kunst anwenden. Ein kurzer Exkurs, der hilft die Malerei der Königsfelder Künstlerin Lore Will aus einem anderen Blickwinkel zu se­ hen. Lore Will beschäftigt sich seit nun über zehn Jahren in ihrer Malerei mit dem Phä­ nomen Landschaft. Ein durchgängiges Mo­ tiv sind dabei Horizonte. Die Arbeiten ent­ stehen ausschließlich in dem großen Atelier, das in Lore Wills Haus am idyllischen, ru­ higen Rand des Kurorts untergebracht ist. Die Lage ist unverbaut, die Künstlerin hat direkt aus dem Atelierfenster die Aussicht auf die Weite der Landschaft. Ein extrem lang gezogener Vordergrund wird begrenzt durch das schmale waagrechte Band der Schwäbischen Alb. Darüber erhebt sich der Himmel mit wechselnden Wolkenformatio­ nen. Nichts anderes als dieser Ausblick wird in den Bildern der Künstlerin thematisiert. Perspektive und Ausschnitt sind stets gleich, doch der Anblick ist immer ein anderer. Der Wechsel der Jahreszeiten, die Wetterlage, die Tageszeit und die eigene Befindlichkeit sind Faktoren, die die Landschaft jeweils in ei­ nem anderen Licht erscheinen lassen. Die sichtbare Natur dient der Künstlerin letzt­ endlich nur als Grundlage, um ihre eigenen gestalterischen Vorstellun­ gen zu verwirklichen. Realer Raum wird in den Gemälden nicht mehr greif­ bar, sondern diese schaffen vielmehr selbst einen vorge­ stellten, visionären Raum. Der Bildraum ist insofern ein imaginärer, als die Farb­ räume der Malerei ihre ei­ genen Felder eröffnen, und zwar ab-und jenseits der Auch wenn das Motiv, die Aus­ sicht aus dem A Lelie,fenster, im­ mer dasselbe ist, die Bildgestal­ Lung und die Bildwirkung ist stets eine andere. Drei Beispiele verschiedener »Horizonte“ aus den Jahren 1987, 1996 und 1998 (rechte Seite}. 224

Lore Will 225

Kunst und Kün der Stühle sind auf grund ihrer Struktur ein beliebtes Motiv im druckgraphi­ schen Bereich. 226

Die Druckgraphikerin sichtbaren Natur. Kolorit und Duktus spre­ chen vor allem über das emotiona- le Erleben des Gesehenen. Die rationale Verarbei- tung ergibt sich schon durch die äußere Form der Bildbegrenzung. Aus­ gangspunkt ist das quadrati­ sche Format der Leinwände. Die künstlerische Herausfor­ derung besteht im wesentli­ chen darin, die drei Bildelemen­ te Vordergrund, Horizont und Himmel in dem eigentlich spannungsarmen �adrat durch Farbgebung und Form in ei­ ne spannungsvolle Beziehung zu setzen. Neben der Malerei stellt die Künstlerin Druckgraphik her. Auch in diesem Genre dominieren die Motive aus der unmittelba­ ren Umgebung. Fenster, Stühle, Gartenan­ sichten sind die Grundlage für die Holz­ und Linolschnitte. Analog zu den maleri­ schen Arbeiten steht nicht das wirklichkeits­ getreue Abbild des Gegenstands im Vorder­ grund, die Künstlerin will vielmehr neue Raumgestaltungen und Beziehungsgeflech­ te aufzeigen. Horizontale, vertikale und dia­ gonale Strukturen greifen in den Blättern stark verflochten ineinander über. Diese in­ teressante und Tiefe erzeugende Bildwir­ kung wird durch einen relativ einfachen Kunstgriff erreicht. Durch Übereinander­ drucken einer oder mehrerer Platten, die nach jedem Druckvorgang um 90 Grad gedreht werden und durch die ver­ schiedene Einfärbung der Druck­ platten entstehen immer wieder neue Strukturen, in der die Aus- Auch beim Schmuckdesign gibt es verschiedene Ansätze der Gestaltung; neben jlorakn Schmuckstücken bevorzugt Lore Will Unikate aus klaren For­ men. Das Trägermaterial Silber wurde bei diesen Broschen durch Farbperlen aufgelockert. Lore Will Die Schmuckdesignerin gangsform nicht mehr als solche er­ kennbar ist. Aufgrund der angewand­ ten Technik ist das Bildformat im druckgraphischen Bereich eben­ falls quadratisch oder wegen einer variablen Drehung auch rund. Lore Wills zweites Standbein ist das Schmuckdesign. In ihrem Haus hat sich die gelernte Goldschmiedin eine professionelle Werkstatt eingerichtet. Auch in diesem Bereich der angewandten Kunst geht die Königsfelderin eigene Wege. Auf der Suche nach einer Weiterentwicklung von Schmuck ist sie zu den Ursprüngen des Inspiriert Schmückens zurückgegangen. wurde sie dabei von Blumengirlanden wie sie in der Südsee noch üblich sind. Auch bei den floralen Schmuckstücken greift Lore Will auf die Erscheinungsformen ihrer näch­ sten Umgebung zurück. So entstehen Col­ liers oder Broschen, die Pflanzen aus Haus und Garten, wie Efeu, Clematis, Geranie, Vogelbeere nachbilden. Die Goldschmiedin hebt bei diesen extravaganten Unikaten das Wesentliche der Pflanze in reduzierter Form hervor. Königsfeld hat unbestreitbar seine Reize. Lore Will hat in dem Ort, in dem sie gebo­ ren und aufgewachsen ist, ideale Bedingun­ gen zum Leben und Arbeiten, von de­ nen andere nur träumen können. Ih­ re Weltoffenheit hat sich die Künst­ lerin dennoch bewahrt. Sie hat einige Jahre als Goldschmiedin in Südafrika verbracht, sie ist quer auf eigene Faust durch den schwarzen Erdteil gereist und sie hat ein Faible für den indischen Subkontinent. Nicht ganz so weit ging die Reise vor zwei Jah­ ren. Auf Einladung des ungari-227 Die Reisende

Kun I und Kün der sehen Komitats Bacs-Kiskun, der Partnerre­ gion des Schwarzwald-Baar-Kreises, hat sie als einzige Deutsche an einem internationa­ len Workshop auf der malerisch in der Do­ nau gelegenen Insel Veranka teilgenommen. Mit Linolplatten und Seidenpapier sowie mit Farben und Pinseln eingedeckt wander­ te sie über die Insel auf der Suche nach ei­ nem geeigneten Motiv. Eine Feuerstelle zur Zubereitung von Fisch, von Ruß geschwärz­ te Kupferkessel, Grillgitter und Siebe -die­ ser verwunschene Ort mitten im Wald hat es ihr besonders angetan. Mit der ihr eigenen Art der künstlerischen Umsetzung des Vor­ gefundenen hat Lore Will die Magie des Or­ tes festgehalten, aus der alltäglichen Form hat sie ein Symbol geschaffen. Die Linol­ schnitte zum Thema „Ungarische Töpfe“ befinden sich nun in der Kunstsammlung von Bacs-Kiskun. Stefan Simon Lore Will beim Herstellen von Schmuck. Die Vogelbeeren aus dem eigenen Garten gaben die Inspiration für das extravagante Collier auf dem Bild unten. 228

Lore Will Auf der Suche nach einem geeigneten Motiv stieß Lore Will mitten im Wald auf eine Feuerstelle, an der Fisch zubereitet wurde. Dieser eigentümliche Ort auf der Insel Veran- ka wurde in den dort entstandenen Druckgraphiken „ Ungarische Töpfe“ thematisiert. 22 9

Kun t und Küns�er Mit sinnlichem Pinselstrich Badia Lakaich-Azabo ertastet die ganze Weite menschlicher Leidenschaft Toubab heißen die Menschen, die sie malt. „Toubab“ heißt auf afrikanisch „Weiß“. Für Badia Lakaich-Azabo heißt es vor allem: Mensch. Menschen, wie sie sie empfindet. Gefühle, die sie als Mensch durchlebt. Mit allen Höhen und Tiefen. Und Badia Azabos „Toubabs“ begegnen dem Betrachter ihrer Bilder ebenso unmittelbar wie Badia „didi“ Azabo ihre Gemälde erschafft: leidenschaft­ lich, spritzig und mit einer erlesenen Porti­ on Humor. Um zu verstehen, warum die minimali­ stisch und expressionistisch dargestellten „Toubab“-Menschen von Badia Azabo nicht im mindesten „weiß“ sind -nicht in ihrem farblichen Ausdruck und auch nicht in der Physiognomie der Gesichter -wird eine klei­ ne Reise nötig. Wir verlassen den Schwarz­ wald-Baar-Kreis und Villingen-Schwennin­ gen, um uns nach Süden zu wenden, wo die gebürtige Französin mit marokkanischen Vorfahren in der lichtdurchfluteten Stadt Grenoble aufwuchs. Grenoble liegt an den Hangfüßen mächtiger Randalpenzüge des Vercors und der Pelvoux-Gruppe, besitzt mediterran anmutende Viertel mit maleri­ schen Gärten und edlen Ferienhäuschen der französischen Oberschicht. Für die 26jährige Künstlerin ist der Ge­ danke an die Schulzeit aber nicht nur von positiven Er­ innerungen geprägt. Sie kam vom Land und war einge­ schüchtert von den coolen Stadtcliquen, aber fasziniert von der Physiognomie der farbigen Mitschülerinnen. So fing sie während des Un­ terrichts an, kleine Figuren mit ausladenden Mündern und großen Augen zu krit­ zeln, malte, was ihr in den 230 1 1 • Die humorvollen „Toubab“-Plastiken Badia La­ kaich-Azabos sind Ausdruck ihrer großen räumli­ chen Scha.ffens.freude, die sie auch in der Gestaltung von Gläsern und Möbeln auslebt. Sinn kam und gefiel oder manchmal auch Angst machte. Aus den kleinen Figuren wur­ den immer reichere Zeichnungen; der Farb­ rausch kam erst später in Deutschland mit Macht. Doch zurück zu ihren „Toubabs“: Sie erinnern ein wenig an afrikanische Kunst. Doch für Badia Az­ abo sind solche Kategorien nicht maßgeblich: „Natio­ nalitäten sind mir nicht so wichtig. Ich bin wie ein Chamäleon, ich kann die Harmonie en rouge, Acryl 1999, 120x80cm.

Badia bakaich-Azaho Un reve, Acryl, 19 9 9, 100 x 100 cm. Farbe wechseln.“ Sie überlegt: Yielleicht, weil bei uns zu Hause die Ausländer ein und aus gingen, Italiener, Spanier, Franzosen, Marokkaner … „. Nach Deutschland, genauer nach Königs­ feld, kam Badia Azabo1995, wo sie sich ne­ ben ihrer Malerei mit Werbefotografie und Raumgestaltung auseinandersetzte. Zuvor hatte sie nach dem Abitur in Grenoble noch einige Semester Kunstgeschichte studiert, an der Grenobler Universität Mendes-France. In Deutschland fing sie dann mit neuen Farbtechniken wieder an zu malen und ge­ staltete erste Plastiken. Ihre Bilder (Dispersi­ onsfarbe auf Leinwand) gewannen immer mehr an Kraft, die Farbgebung erinnert heu­ te an Mackes Impressionen seiner Afrikarei­ sen, ist aber von noch größerer Tiefe und Strahlkraft. Durch collageartig aufgetragene Wellpappe wird zum Teil den abstrakten Konturen zusätzliche Fülle und Plastizität verliehen. In Badia Azabos Skulpturen offenbart sich besonders ihre humorvolle Seite. Hier blicken „Toubabs“ aus Draht und Gips mit sehr menschlichen Zügen den Betrachter an, präsentieren sich mit unverhohlener Freude nackt und wirken mit ihren skurrilen Ge­ sichtern wie Gaukler oder freche Hausgei­ ster. Plastiken fertigt die junge Künstlerin 231

Kunst und Kün der Entre nous, Acryl 1999, 120x 80cm. er „außen stark und aggressiv, aber innen weich.“ In ihren neuesten Arbeiten finden sich neben menschli­ chen Körpern auch immer häufiger symbolhafte Elemen­ te. Darunter ist zum Beispiel die Katze – für Azabo nicht häusliches Schmusetier, son­ dern „ein Symbol für die freie Entscheidung, zum Ort der Harmonie zurückzukehren, zu gehen oder zu verweilen.“ Ganz bezaubernd, aber ohne ätherisch zu wirken sind ihre Bilder von Liebenden. Die Fi­ guren scheinen im Akt mitein­ ander zu verschmelzen, sich so wie sich die Farbflächen mit­ einander verzahnen, einander ganz hinzugeben. Und sie strahlen dabei eine Sinnlich­ keit aus, die für deutsche Künstler weniger typisch ist, eher mit der sinnenfrohen Li­ teratur von Mario Vargas Llo­ sa oder Isabel Allende treffend zu beschreiben wäre. Das legt die Frage nach Heimweh nach dem sonnendurchfluteten fran­ zösischen Süden nahe. Aber Azabo erklärt, Heimweh habe sie in ihrer Zeit in Deutschland noch nicht erlebt, denn das Le­ nicht nur aus Gips, sondern auch aus Beton, Styropor oder Wellpappe. Sie arbeitet viel mit Resten und Abfällen: „Das inspiriert mich sehr.“ In Badia Azabos Bildern drückt sich sehr viel Liebe, Leidenschaft, manchmal auch Trauer aus, die sie in ihrem Hauptthema, den menschlichen Beziehungen, behandelt. „Die Frau ist bei mir blau“, erklärt Azabo. „Denn sie trägt die Familie; sie ist es, die auch in schwierigen Situationen Ruhe be­ wahrt.“ Der Mann ist in ihren Bildern im­ mer rot dargestellt, denn für „didi“ Azabo ist ben hier biete ihr viel mehr Freiheit. Neben der Freiheit, bei ihrer Arbeit als Raumgestalterin noch Zeit für die Malerei zu finden, trifft sie hier auch auf wachsendes Interesse für ihre Kunst. Nach Ausstellun­ gen, unter anderem im Institut für Mikro­ und Informationstechnik und dem Galimar Sport- und Gesundheitspark in Villingen­ Schwenningen, werden ihre Arbeiten von September 1999 bis Januar 2000 im Do­ naueschinger Parkrestaurant, im Hotel Bos­ se und im Büro Till in Villingen-Schwen­ ningen sowie in der Werbeagentur und In- 232

Badia Lakaich-Azabo 233 Chat sur fand jaune, Acryl, 19 9 9, 100 x 100 cm. Rechts: Histoire d’amour, Acryl 1999, lOOx 100cm. genieurgesellschaft „Do it“ in Leinfelden bei Stuttgart zu sehen sein. Wenn Sie sich für die Arbeiten von Badia Azabo interessieren, können Sie sich unter folgender Adresse an die Künstlerin wen­ den: Charlottenstraße 6, Beethovenhaus, 78054 Villingen-Schwenningen. Wiebke Dirks

Kun I und Kün tler Em pfindungsstarke Landschaftsmalerei Werkschau in Mundelfingen erinnert an das Schaffen von Rudolf Koppenhöfer (1876 – 1951) Der Landschaftsmaler Rudolf Koppenhö­ fer, am 5. Mai 1876 in Saarbrücken geboren und am 24. Mai 1951 im Hüfinger Ortsteil Mundelfingen verstorben, bevorzugte zum Malen die Stille des Schwarzwaldes. Auch den nahen Bodensee, wo er sich mitunter für Wochen bei einem Fischer einquartierte, um Stimmung und Landschaft bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit einzufangen. Zu besonders lohnenden Motiven in der Umgebung seiner Wahlheimat Mundelfin­ gen war der Naturmaler winters auf Skiern unterwegs, erkundete Hügelgelände, Wald und Täler der Baar mit Kutsche und Pferd ei­ nes befreundeten Mundelfinger Bauern, wenn das Ziel zu einem besonders schönen Aussichtspunkt auf Schusters Rappen zu weit und beschwerlich war. Rudolf Koppenhöfer nach einer Zeichnung von Hans Koppenhöfer, 1948. 234 Die daraus entstandenen Landschaftsge­ mälde sind als Hinterlassenschaft des Ma­ lers, der ab 1920 in menschlicher und künst­ lerischer Zurückgezogenheit in Mundelfin­ gen lebte und Ausstellungen stets mied, jetzt ständig der Öffentlichkeit zugänglich. In ihrem Privathaus mit der Adresse „Auf Brei­ ten“ gewähren die Geschwister Alma und Hans Koppenhöfer in einen mit Sorgfalt ge­ planten und ausgestatteten Galerieraum (geöffnet sonntags, 15 bis 17 Uhr) am Bei­ spiel einer repräsentativen Gemäldeauswahl Einblick in die künstlerische Entwicklung zu einer reifen Schaffensperiode ihres Vaters Rudolf Koppenhöfer, Sohn des anerkann­ ten Porträtmalers Johann-Baptist-JosefKop­ penhöfer. Zwischen 1920 und 1945 entstanden vor­ wiegend Ölgemälde mit Motiven aus der Süd- und Ostbaar. In der unmittelbaren Umgebung seines Mundelfinger Hauses fing Koppenhöfer in Variationen winterli­ che Abendstimmungen, Licht- und Schat­ tenwechsel einer Eichenallee und des nahe gelegenen Waldes ein. Feinsinnig festgehal­ tene Motive lassen für den Betrachter ver­ &�ngene Momente lebendig werden. Der in 01 dargestellte, mit gebeugtem Rücken heimkehrende Bauer, erinnert an das einst mühevoll vollbrachte Tagwerk in einer von Kargheit geprägten Zeit. Dazwischen See­ bilder mit heiter blauem Sommerhimmel, auf einem anderen Gemälde zum dramati­ schen Gewitterwolkengebilde gewandelt. Auch die Wutach im Wechsel der Jahreszei­ ten findet sich als wiederkehrendes Motiv ei­ nes Werkes, in dem sich Achtung, Liebe und Nähe zur Natur offenbaren. Für Rudolf Koppenhöfer, verheiratet mit der aus dem nördlichen Schwarzwald gebür­ tigen Amalie Schwendemann und Vater von vier Kindern – dem in Mundelfingen behei-

Rudolf Koppenhöfer 235 Schnitter im Kornfeld (1905) mateten Maler und Bildhauer Hans Kop­ penhöfer, dem Schriftsteller Günter Kop­ penhöfer, den Töchtern Alma und Leonore – galt es nicht zuletzt, mittels der Land­ schaftsmalerei den Lebensunterhalt der Fa­ milie zu gewährleisten. Die unter Kunst­ freunden geschätzten Arbeiten des in Abge­ schiedenheit fernab der Städte wirkenden Malers kaufte ein Villinger Kunstgewerbe­ händler regelmäßig auf. So fanden Koppen­ höfers Landschaftsbilder insbesondere um die Jahrhundertwende landesweit Abneh­ mer aus Kreisen der gehobenen Bürger­ schicht. Obwohl dem in Straßburg aufgewachse­ nen Rudolf Koppenhöfer keine akademi­ sche Malerausbildung beschieden war, wur­ de seine künstlerische Begabung früh er- Pfingstrosen (1925)

Kunst und Künstler

Rudolf Koppenhöt r 237 kannt und bereits als Schüler eines Straß­ burger Lyzeums gefördert. Während seiner Karlsruher Lebensjahre (1908 bis 1916) pflegte er enge Kontakte zur unmittelbar be­ nachbarten Grötzinger Freilicht-Malerkolo­ nie und zu dem als sozialkritischen Reali­ sten bekannten Maler Georg Scholz. Im Vertrauen auf die eigene Begabung bil­ dete sich Koppenhöfer auf zahlreichen Mai­ fahrten im Selbststudium zum stilistisch eigenständigen Künstler, arbeitete unbeirrt aus eigener Bodenhaft:igkeit heraus und in dichter Werkfolge an einer nuancenreichen Interpretation der Landschaft. In Motivwahl und Bildgestaltung ging es RudolfKoppenhöfer nie um das Erhaschen flüchtiger Augenbeute. Die Botschaft des Menschen und Künstlers gilt der ihn umge­ benden Natur und dem liebenden Umgang des Menschen mit der Muttererde. In die- Linke Seite, oben: Eichenallee im Sommer(l 935), unten: Heimkehrender Bauer (1926). Rechte Seite oben: Munde/fingen im Schnee (1928). sem Sinne gewinnt der Künstler eine Be­ deutung als „Schutzfigur“, die menschliche Werte nicht verschleißt, wie Gotthard Glitsch, Vorsitzender des Kunstvereins Vil­ lingen-Schwenningen, anläßlich der Kop­ penhöfer-Gedenkraumeröffnung im April 1999 treffend hervor hob. Ingrid Rockrohr

16. Kapitel I Almanach 2000 Gesundheit und Soziales Nachsorge für die ganze Familie Die Nachsorgeklinik Katharinenhöhe eröffnet therapeutischen Erweiterungsbau Zwei Jahre nach dem ersten Spatenstich im September 1996 wurde am 24. Juli 1998 der therapeutische Erweiterungsbau der famili­ enorientierten Rehabilitationsklinik „Katha­ rinenhöhe“ eröffnet. AuffunfEtagen mit ei­ ner Gesamtfläche von 1 630 O!iadratmetem entstanden modernste Therapie-, Gruppen­ und Aufenthaltsräume sowie eine große Re­ ha-Sporthalle. Die Nachsorgeklinik auf der Anhöhe zwi­ schen Furtwangen und Schönwald erleich­ tert seit 14 Jahren Familien krebskranker Kinder die Rückkehr zu einem normalen Leben. Denn nicht nur die Kinder selbst lei­ den unter der lebensbedrohlichen Krank­ heit, sondern Eltern und Geschwister sind ebenfalls betroffen. Jährlich erkranken in der gesamten Bun­ desrepublik 1700 Kinder an Krebs. Zwei Drittel aller krebskranken Kinder können heute geheilt werden. Als älteste und traditionsreichste Einrich­ tung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) kann die ,,Katharinenhöhe“ auf eine lange und wech­ selhafte Geschichte zurückblicken. Schon im Jahre 1912 erbaute der Berliner Arzt Der Neubau der Katharinenhöhe fügt sich trotz seiner Größe gut in die Umgebung ein. 238

Klinikleiter Stephan Maier und Ministerpräsident Erwin Teufel (links) zusammen mit Chefarzt Dr. Eberhard Leidig und Carl Herzog von Württemberg (rechts) bei der Einweihung des Erweiterungsbaus. Dr. Dahle das jet­ zige Schwarzwald­ haus, das er als Heim für tuberku­ losekranke Kinder betrieb. Nach den Kriegs­ wirren und den Schwierigkeiten der Nachkriegszeit ist es gelungen, die Einrichtung weiter zu entwickeln und in den fünfziger Jahren einen Um­ bau zu realisieren. 1982 konnte ein weiterer umfassen­ der Neubau, das heute u-förmige Haupthaus, als Fa­ milienerholungs­ zentrum und bald darauf als Mutter-Kind-Kurzentrum einge­ weiht werden. Im Jahre 1985 wurde die familienorien­ tierte Kinderkrebsnachsorge als neues Reha­ bilitationsangebot aufgenommen. 1990 wur­ de das Konzept der Klinik auf herzkranke Kinder und deren Familien ausgeweitet. Die qualitative Weiterentwicklung und Aner­ kennung ist gestiegen und 1993 nahm das „Haus Schönwald“ seinen Betrieb auf. Die ,,Zweigstelle“ wurde speziell für die Betreu­ ungJugendlicher in kleinen Gruppen -und ohne ihre Familien -eingerichtet. Nachdem 1995 durch den Vorstand der AWO Baden eine erneute, bedarfsgerechte, bauliche Erweiterung beschlossen wurde, konnte am 19. September 1997 das Richtfest des neuen medizinisch-psychotherapeuti­ schen Behandlungszentrums gefeiert wer­ den. Die Einweihungsfeier am 24. Juli 1998 fand im Beisein vieler Freunde und promi­ nenter Fürsprecher statt. Zu den Festgästen zählten neben Ministerpräsident Erwin Teu- eh rg klinik Katharincnhöh —­ fel auch der Vorsitzende der Förderkreise krebskranker Kinder, Carl Herzog von Württemberg, sowie die Vizepräsidentin der deutschen Krebshilfe Freifrau von Kleist. Zu den weiteren Gratulanten gehörten Dr. Char­ lotte Niemeyer, Leiterin der Abteilung On­ kologie und Hämatologie der Universitäts­ kinderklinik Freiburg und Prof Dr. Jürgen Aspitz, Direktor der Abteilung Kinderkar­ diologie der Universitätskinderklinik Tü­ bingen. Erwin Teufel sprach in seiner Rede von Hoffnung und Zuversicht in bezug auf die Betreuung kranker Kinder. ,,Hoffnung, weil hier auf der Katharinenhöhe alles in unserer menschlichen Macht stehende getan wird, um den jungen Patienten in medizinischer und psychologischer Hinsicht zu helfen.“ Im Namen des Landes dankte er allen, die sich um das Werk verdient gemacht haben. Die Auftragsvergabe erfolgte ganz bewußt an Firmen aus der Region. Der Bauherr, die Arbeiterwohlfahrt (AWO), Bezirksverband Baden, legte genauso Wert darauf, daß die 239

Nach org klinik Katharinenböh am Bau beschäftigten Arbeiter nach deut­ schen Tarifen bezahlt wurden. Die für die Erweiterung notwendigen In­ vestitionen hatten ein Volumen von 6,1 Millionen Mark. Um diese enormen Mittel aufbringen zu können, war und ist die ge­ meinnützige Einrichtung auf Spenden an­ gewiesen. Die Deutsche Krebshilfe hat das Projekt mit 1 Million Mark unterstützt. Die­ se Summe setzt sich zusammen aus einem Zuschuß von 400 000 Mark und einem Darlehen in Höhe von 600 000 Mark. Finanzielle Hilfe leisteten auch viele Elterninitiativen krebskranker Kinder aus der ganzen Bundesrepublik. Allein durch Weihnachtsaktionen des Süddeutschen Rundfunks, des Südwestfunks und des Sen­ ders 54 kamen 540 000 Mark an Spenden hinzu. Die Grace P. Kelly Vereinigung e. V., von der Schwester der verstorbenen Grü­ nen-Abgeordneten Petra Kelly ins Leben ge­ rufen, hat die Ausgestaltung und Ausstat­ tung des „Kinderplaneten“ übernommen. Die Firma Schneidersöhne aus Karlsruhe, die schon seit langem die Katharinenhöhe sponsort, hat in vorbildlicher Weise die Er­ gotherapie, die Heilpädagogik und den Fit­ neßbereich eingerichtet. Die Deutsche Tele­ kom sponsorte die neue Telefonanlage, die mit einer Babyüberwachung für fast jeden Raum ausgestattet ist. Viele Menschen ha­ ben durch große und kleine Spenden sowie Hilfsdienste die Arbeit auf der Katharinen­ höhe unterstützt. Harmonisch fügt sich der Anbau in die über 1000 Meter hoch gelegene Schwarz­ waldlandschaft ein und paßt sich an die bau­ liche Konzeption der traditionsreichen Ein­ richtung an. Schon im Altbau verwendete Formen und Elemente wurden geschickt mit neuen Akzenten kombiniert. Hierbei ist es dem Architekten Martin Reiber aus Triberg gelungen, einen Baukörper mit 7 000 Kubik­ metern Rauminhalt in der idyllischen Land­ schaft geradezu zu „verstecken“. Besonders am Erweiterungsbau ist, daß man von jedem der fünf Stockwerke eben­ erdig ins Freie kommt. Etwa 1000 Lastwa- Die Sporthalle ist das Herzstück des Neubaus und bietet als Veranstaltungshalle 400 Besuchern Platz. 240

Ge undheit und Soziales Die Kinder .fühlen sich in dem neuen Gruppenraum „Kinderplanet“ unter dem Dach wohl. genladungen Erdreich mußten abtranspor­ tiert werden. Nachdem man feststellte, daß kein fester Untergrund vorhanden war, mußten Betonsäulen in den Boden einge­ arbeitet werden, um Stabilität zu bringen. Die Bau- und Umbauarbeiten haben sich gelohnt, denn der Trakt mit einer Gesamt­ nutzfläche von 1630 Q!iadratrnetem bringt für Patienten und deren Familien sowie für die 108 Mitarbeiter eine enorme qualitative Verbesserung im Rehabilitationsbereich. Das Herzstück ist die große Sporthalle. So muß man nicht mehr wie bisher mit den Kindern in die Schönwälder Sporthalle fah­ ren. Auch als Veranstaltungshalle kann der Raum genutzt werden und faßt bis zu 400 Besucher. Ein weiterer großer Gewinn ist die neue Bäderabteilung mit Räumen für die Kran­ kengymnastik und die Massageabteilung. Wichtig für beide Abteilungen ist der neu eingerichtete Fitneßraum. Auch der direkte Zugang zum Schwimmbad ist eine große Erleichterung. Hell und freundlich sind die Räume für Er- gotherapie, Heilpädagogik, Gruppenthera­ pie. Unter dem Dach befindet sich der Kindergruppenraum. Hier im „Kinderpla­ net“ werden vier Kindergruppen betreut. Alle Räumlichkeiten sind zweckmäßig ein­ gerichtet und strahlen eine harmonische At­ mosphäre aus. Sie sind farblich freundlich gestaltet und durch Fenstervielfalt sehr licht, was besonders im Ruheraum der Eltern (El­ terninsel) auffallt, wo die Erwachsenen sich aufhalten können und gleichzeitig ihre Kin- Der Fitnef5raum wurde neu eingerichtet. 241

Nach orgeklinik Katharincnhöhe der im offenen Spielbereich (Oase} beob­ achten können. Viele Eltern schildern, daß sie ein enormes Bedürfnis haben, ,,endlich einmal durchat­ men zu können“, keine ständige Angst um die l(jnder haben zu müssen und Zeit für sich oder einander zu haben. Oder daß sie nach einer langen Phase des Funktionieren­ müssens in eine Erschöpfungsphase hinein­ geraten sind, in der die eigenen Kräfte auf­ gezehrt scheinen. Sich austauschen und Ängste äußern Im Gruppentherapieraum können Eltern mit Gleich betroffenen ihre Erfahrungen un­ tereinander austauschen und Ängste äu­ ßern. Die Konfrontation mit der lebensbe­ drohlichen Erkrankung und der belasten­ den Therapie wirft viele Fragen für die Be­ troffenen auf Einzel-, Paar- und Familien­ gespräche sind daher unter der Leitung von psychosozialen Mitarbeitern von großer Be­ deutung. Neben den therapeutischen Erweiterun­ gen, war es zudem wichtig, den Hauswirt- schaftsbereich zu vergrößern. Vor allem die Küche war mit der Zeit für die ständig wach­ sende Zahl der Gäste zu klein geworden. Immerhin muß hier täglich für über 130 Per­ sonen gekocht werden. Die zwei Jahre Bauzeit waren für alle Be­ teiligten nicht immer leicht, so Stephan Maier, psychosozialer Leiter und Verwal­ tungsleiter der Einrichtung. Die Bauarbeiten wurden bei ununterbrochenem Betrieb und Belegung ausgeführt. Jedoch hätten auch die Gäste immer Verständnis für die Arbeiten gehabt und diese auch begrüßt. Stephan Maier: ,,Alle Firmen haben sehr gut zusam­ mengearbeitet. Viele Firmen haben mit Rücksicht auf die Patienten unübliche Ar­ beitszeiten in Kauf genommen und nachts oder am Wochenende gearbeitet.“ Die Patienten fühlen sich wohl auf ihrer ,,Katharinenhöhe“: Keiner fühlt sich ausge­ schlossen, durch die Krankheit des l(jndes oder der Geschwister an den Rand gedrängt. Dies ist ein wesentlicher Punkt für die Ge­ nesung. Renate Puchinger Vor allem der neue Fitneß- und Sportbereich bringt viele Vorteile für Mitarbeiter und Patienten. 242

17. Kapitel I Almanach 2000 Umwelt und Natur Eine 2000 Jahre alte Weidelandschaft Das Naturschutzgebiet „Tannhömle“ bei Villingen hat seinen Charakter unverändert beibehalten Ein Landschaftsbild, das über weit mehr als 2000 Jahre seinen Charakter beibehalten hat, ist für Mitteleuropa kaum vorstellbar. Im Südwesten von Villingen gibt es das, al­ lerdings nur noch auf einer sehr kleinen Restfläche. Bei archäologischen Grabungen um 1970 bis 1973 kamen gut erhaltene Pflanzenreste im Keltengrab am Magdale­ nenberg zutage. Sie lassen den Schluß zu, daß die Vegetation zur Zeit der Bestattung des Keltenfürsten um 577 v. Chr. der heuti­ gen Vegetation am Tannhörnle „nicht unähnlich“ war (Fritz, 1978). Dem engagierten Einsatz einiger Natur­ schützer ist es zu verdanken, daß die Anla­ ge eines Golfplatzes hier 1978 verhindert werden konnte. So blieb ein einmaliges kul- turgeschichtliches Denkmal und ein natur­ kundliches Kleinod erhalten. 1982 wurden die wertvollsten Flächen mit 24 ha unter Naturschutz gestellt. Mit der Ausweisung des etwa 500 ha großen Landschaftsschutz­ gebietes „Villingen Süd“ 1991 erhielt die das Naturschutzgebiet umgebende Landschaft ebenfalls einen Schutzstatus, so daß ein sehr geschätztes, abwechslungsreiches und öko­ logisch wertvolles Naherholungsgebiet für die Villinger Bevölkerung wohl für die Zu­ kunft gesichert scheint. Besonderheiten und Bedeutung Der landschaftliche Charakter und die Le­ bensgemeinschaften der Pflanzen und Tiere Im Spätsommer, Schafe als Landschaftspfleger. Das Villinger „Tannhörnle“ hat sich seinen Charakter als Weidelandschaft seit 2000 Jahren unverändert bewahrt. 243

Umweltund Natur Solitäreiche im Sommer und im Winter, im „Tannhörnle“ stehen noch mehrhundertjährige Eichen. 244

des Tannhömles sind aus einer jahrhunder­ telangen extensiven Beweidung hervorge­ gangen. Dem Typ nach handelt es sich hier um eine sogenannte Huteweide, d. h. ein Hirte nutzt nur für einen bestimmten Zeit­ raum die Weideflächen mit seiner Herde und zieht anschließend weiter. So wird eine Überweidung mit schädlichen Auswirkun­ gen auf die Vegetation vermieden. Außer der Beweidung werden die Flächen nicht an­ derweitig genutzt. Das Bild solcher Weidelandschaften ist uns kaum noch vertraut, da es in unserer Zeit Seltenheitswert besitzt. Veränderungen in der Nutzung oder die Aufgabe alter Bewirt­ schaftungsformen führten vielfach zum Ver­ schwinden von Landschaftsformen, die ihre Eigenheit der extensiven Beweidung ver­ dankten. Am Tannhörnle stehen sie noch: mehr­ hundertjährige Eichen, Fichten und Kiefern – in Gruppen oder einzeln. Im Schutze dor­ niger Sträucher widerstanden sie den Mäu­ lern hungriger Weidetiere und konnten so zu ihrer stattlichen Größe heranwachsen. Parkähnlich lockern sie einen Rasen auf, der vielfach als nutzloses Ödland bezeichnet wird. Ähnliche Verhältnisse herrschten hier schon während der keltischen Hallstattzeit, wie die bereits erwähnten subfossilen Pflan­ zenreste im Keltengrab am Magdalenenberg belegen. Betrachtet man dieses „Ödland“ je­ doch genauer, so erkennt man eine unge­ heure Vielfalt an Pflanzen und Tieren, die zum Teil sehr selten und stark gefährdet sind. Über 250 höhere Pflanzenarten kön­ nen gezählt werden. Auf den benachbarten intensiv genutzten Wiesen und Weiden sind es gerade noch 40 bis 50 Arten (Fritz, 1978). Mit ein Grund für diese außerordentliche Fülle ist sicher auch die geologische Eigen­ heit des Gebietes. Mosaikartig wechseln sich hier Unterer und Mittlerer Muschelkalk ab. Durch die unterschiedlichen Bodenverhält­ nisse haben sich zwei leicht zu unterschei­ dende Vegetationsausbildungen entwickelt: der Enzianrasen mit sehr spärlicher Vegeta- Das- .Tannhörnle“ tion über dem Mittleren und der etwas üp­ piger wachsende Rotschwingelrasen, dessen Namen sich von dem hier vorherrschenden Rotschwingei herleitet, über dem Unteren Muschelkalk. Das Naturschutzgebiet Tannhörnle besitzt überwiegend den Charakter eines Halb­ trockenbiotops mit seiner entsprechenden Tier- und Pflanzenwelt. Es soll hier aller­ dings auch auf den nordwestlichen Bereich hingewiesen werden, wo das Gebiet an den Wieselsbach angrenzt. Hier finden sich ein noch natürlicher Bachlauf mit einem be­ gleitenden Gehölzstreifen aus Bruchweide und Schwarzerle, Hochstaudenfluren mit zum Teil mannshohen Stauden des Eisen­ huts und blumenreiche feuchte Talwiesen: ebenfalls hochwertige Landschaftselemente mit seltenen und bedrohten Lebensgemein­ schaften. Zur Pflanzenwelt Nach der Schneeschmelze prägt zunächst die vorjährige Streu mit ihrer fahlgelben Farbe das Bild am Tannhörnle. Vom zeiti­ gen Frühjahr bis zum Herbst wechseln dann die Farben. Weißen Blütenwolken gleich blühen die Sträucher des Schlehdorns be­ reits im April. Blaue und gelbe Farbtupfer setzen die Blüten des Frühlingsenzians und des Rötlichen Fingerkrauts Ende April in die Landschaft. Sie blühen zusammen mit einigen frühblühenden Seggen in den Enzi­ anrasenflächen. Im Laufe des Frühjahrs und des Sommers folgen verschiedene Orchideenarten mit ihren beeindruckenden Formen und Far­ ben. Sie besiedeln in gleicherweise den En­ zian- und den Rotschwingelrasen. Tausende von Blütenständen des Kleinen Knaben­ krauts überziehen zunächst mit ihrer violet­ ten Farbe die Rasenflächen. Sind die Pflan­ zen des Kleinen Knabenkrauts verblüht, fol­ gen mit etwa der gleichen Häufigkeit die rot­ weißen Blüten des Gefleckten Knaben­ krauts. Gleichzeitig mit diesen blühen 245

Umweh und atur Zweiblättrige Waldhyazinthe, Große Hän­ delwurz und Eiförmiges Zweiblatt, so daß im Frühsommer bis zu vier gleichzeitig blühende Orchideenarten angetroffen wer­ den können. Aber nicht nur Orchideen ge­ hören zu den Besonderheiten der Vegetati­ on des Tannhörnles. Im Sommer findet man in der bunten Pflanzenvielfalt auch die sehr selten gewordene Niedrige Schwarz­ wurzel, das winzig kJeine Katzenpfötchen und das als Kostbarkeit anzusehende Spa­ telblättrige Greiskraut. Den Abschluß des Blütenreigens bilden im Spätsommer wie­ der Enziane. In den Enzianrasen blühen dann der Deutsche und der Gefranste Enzi­ an. Aber auch die Silberdistel ist Charakter­ pflanze dieser Jahreszeit. Unzählige Halme der fruchtenden Gräser verleihen im Spät­ herbst der Landschaft eine eindringliche Stimmung, wenn das warme Herbstlicht auf die strohfarbenen Flächen scheint. Jetzt set­ zen die roten Früchte der Heckenrosen und Weißdornsträucher farbige Akzente. Zur Vogelwelt Wie so oft sind die Vögel die am besten un­ tersuchte Tiergruppe eines naturkundlich bedeutenden Gebietes. Dies liegt sicher zum einen an der Attraktivität der Vögel, zum an- Geflecktes Knabenkraut (links) und zweiblättrige Waldhyazinthe. 246 dem aber sind sie auch relativ leicht zu beobachten und anhand ihres Gesangs auch gut zu bestimmen. Erwartungsgemäß ist ein derart vielfältiger und extensiv genutzter Biotop wie das Tann­ hömle besonders reich an Vögeln. 1995 ent­ deckte Felix Zinke annähernd 30 Brutvogel­ arten im Gebiet. Allerdings stellte er auch fest, daß Heidelerche, Raubwürger und Wachtelkönig am Tannhörnle leider nicht mehr heimisch sind, wobei die Gründe nicht ohne weiteres zu erkennen sind, denn größere Veränderungen in den Bruthabita­ ten gibt es nicht. Allerdings hat mit Sicher­ heit die Freizeitnutzung des Gebietes durch die Bevölkerung zugenommen, ebenso die Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung in den Randbereichen. Es muß zudem be­ dacht werden, daß das Gebiet mit nur 24 ha ein recht kleines Naturschutzgebiet ist, in dem sich auch geringe Veränderungen gra­ vierend auswirken können. Aber noch brüten Neuntöter in den Sträu­ chern des Schlehdorns, trägt die Goldam­ mer ihren Gesang von ihrer Sitzwarte vor, singt der Baumpieper im Gleitflug seine Strophen. Der Ruf der Wachtel ist noch zu vernehmen. Gelegentlich taucht ein Wen­ dehals auf und in einer Schwarzerle zim­ mert der Kleinspecht seine Bruthöhle. Sta­ re, Kleiber und Meisen beziehen die Höh­ len, die der Buntspecht in die Stämme der alten Eichen gemeißelt hat. Der Rotmilan kreist hoch am Himmel und sucht nach Nahrung, während die Jungen des Turmfal­ ken von ihren Ansitzwarten nach Beute spähen. Daß das Tannhörnle auch zum Jagdrevier der in der Nachbarschaft brüten­ den Schleiereule gehört, ist anzunehmen. Selbst ein Karmingimpel, der zur Zeit sein Brutareal von Osteuropa nach Westen aus­ dehnt, wurde schon gesichtet. Auch im Winter bietet das Tannhörnle einigen Vogelarten Überlebensmöglichkei­ ten. Die reichlich vorhandenen Samen und Früchte sind u. a. Nahrung für Meisen und Finken, wozu auch die Goldammer gehört.

o … Tannhörnle“ Stare, Meisen und Kleiber (Bild) beziehen die Höhlen, die der Buntspecht in die Stämme der alten Eichen gemeißelt hat. Sogar der sehr seltene Raubwürger hat hier schon wiederholt überwintert. Offensicht­ lich bietet das Naturschutzgebiet „Tann­ hömle“ selbst in dieser Jahreszeit genügend tierische Nahrung in Form von Insekten, Spinnen oder Mäusen für diese „räuberisch“ lebende Vogelart. Ausblick Die Landschaft am Tannhörnle ist das Er­ gebnis einer extensiven landwirtschaftlichen Nutzung, die bereits zur Zeit der Kelten ein­ gesetzt hat. Der ursprünglich vorhandene Wald wurde damals durch teilweise Rodung gelichtet und als Waldweide genutzt. Das heißt, es handelt sich hier um eine Kultur­ landschaft, vielleicht sogar um eine der älte­ sten Kulturlandschaften Mitteleuropas. Ein­ griffe des Menschen in die Natur können al- so durchaus förderlich für die Artenvielfalt sein. Viele Landschaftsbilder und Vegetati­ onstypen sind so überhaupt erst entstanden. Zur Erhaltung des kultur-geschichtlichen und naturkundlichen Werts des Natur­ schutzgebietes Tannhömle ist es also beson­ ders wichtig, weiterhin für die richtige Form der Nutzung und/oder Pflege zu sorgen. Zur Erreichung dieses Ziels arbeiten das Grün­ flächenamt Villingen-Schwenningen und die Bezirksstelle für Naturschutz und Land­ schaftspflege bereits konstruktiv zusammen. Dr. Helmut Gehring Literatur: Fritz, W. (1978): Die Vegetation am Villinger „Tannhörnle“ -ein Modell der hallstattzeitlichen Vegetation am Westrand der Baar; Schriften d. Baar 32 (1978), S. 36-60. 247

Umw h und tur Einblicke ins Familienleben der Buntspechte Aus dem Tagebuch der Beobachtung einer Spechtfamilie Für einen Naturfotografen ist der große Buntspecht ein äußerst attraktives Modell, schon aufgrund seines harmonisch gezeich­ neten Gefieders in den Farben Schwarz, Weiß und Rot. So war es auch für mich ein lang gehegter Wunsch, die Bruthöhle eines Buntspechtes zu entdecken, bei der ein Fo­ tografieren möglich und zu guten Ergebnis­ sen führen würde. Alle Höhlen, die ich im Laufe der Jahre ausfindig machen konnte, lagen weit oben in den Bäumen, so daß Ent­ fernung und Perspektive vernünftige Auf­ nahmen unmöglich machten. Eine An­ sichtskanzel, wie sie Profifotografen und Ka- meraleute für solche Aufnahmen aufzustel­ len pflegen, ist für einen Amateurfotografen kaum zu realisieren. Zwar waren mir im Winter an einem Fut­ terhäuschen schon Aufnahmen von einem Buntspecht gelungen, sie zeigten den Vogel aber in einer eher unnatürlichen Umge­ bung, kurz, ich war von diesen Ergebnissen enttäuscht. Um so größer war meine Freude, als ich Anfang Mai 1998 die Bruthöhle eines Bunt­ spechtpaares entdeckte, bei der die Bedin­ gungen für gute Aufnahmen sehr günstig schienen. Die Höhle war erstens nicht allzu hoch in einem wilden Kirsch­ baum angelegt und zweitens war auf der Seite des Höhlenein­ gangs ein Granitfindling von fast der gleichen Höhe vorhan­ den. Die Entfernung zum Motiv • betrug rund zehn Meter, für ein 600-mm-Objektiv geeignet, um nahezu formatfüllende Aufnah­ men auf einen Kleinbildfilm zu bekommen. So wurde mein Plan bald zur Wirklichkeit, auf die­ sem Felsen ein Tarnzelt aufzu­ stellen, um ohne große Störung die noch brütenden Spechtel­ tern für die nächsten drei bis vier Wochen beobachten und mit Fotos dokumentieren zu kön­ nen.Am Samstag und Sonntag in der letzten Maiwoche war das Wetter schlecht, trotzdem ver­ brachte ich an beiden Tagen je­ weils ca. fünf Stunden in dem Der Spechtvater mit kleinen Insekten und Pflanzenläusen im Schnabel an der Bruthöhle. Die Jungen, die damit gefüttert werden, sind zirka eine Wo­ che alt.

Familienleben-der ßuntsj>Cchte kleinen Tarnzelt. Die Jungen in der Brut­ höhle waren inzwischen geschlüpft, aber wahrscheinlich noch sehr klein, was ich aus der Art der Nahrung, die die Altvögel unermüdlich heranschafften und dem krächzenden Geschnurre, das bei der Füt­ terung aus der Höhle drang, entnehmen konnte. So waren meine ersten Tage des Ansitzes, von der fotografischen Ausbeu­ te her gesehen, nicht sehr erfolgreich. Vor allem die Lichtverhältnisse waren durch das trübe Wetter nicht ideal. Sehr erfreu­ lich war dagegen, daß die Altvögel sich durch mein Tarnzelt nicht gestört fühlten und ihren Elternpflichten fleißig nachka­ men. So packte ich am Sonntagabend meine Ausrüstung zusammen und verließ mein gut getarntes Zelt – welches ich natürlich stehen ließ – mit der Hoffnung auf besseres Wetter zum nächsten Wo­ chenende. Das Spechtmännchen weist am Hinterkopf einen roten Fleck auf Meine Gebete zu Petrus wurden erhört, das Wetter klarte sich auf, das Licht war gut und so saß ich am nächsten Samstag wieder in meinem Versteck. Die Spechtel­ tern fütterten nun in einem zeitlichen Ab­ stand von ca. funfbis zehn Minuten, teils abwechselnd, teils fütterte ein Partner zwei- bis dreimal hintereinander. Die Altvögel sind gut zu unterscheiden, weil das Männchen – bei ansonsten iden­ tischem Gefieder – am Hinterkopf einen roten Fleck aufweist, der bei Weibchen fehlt. Die Nahrung für die Kleinen be­ stand inzwischen aus größeren Insekten und Raupen und ihre Bettellaute waren jetzt besser zu hören als noch vor einer Woche. Zwar schlüpften die Altvögel bei der Fütterung noch immer in die Höhle, doch Die Spechtmutter, deutlich erkennbar am fehlenden ro­ in den Pausen war ab und zu ein vorwit- ten Hinterkopf, mit sichtbar größeren Brocken (Rau­ ziger Schnabel eines Spechtkindes am pen) im Schnabel. Diese Aufnahme entstand eine Wo­ Eingang zu sehen. Die Anzahl der Nest- ehe später. 253

Umwelt und Natur linge konnte ich jedoch noch nicht bestimmen, laut Vogelbüchern können es zwischen vier und acht sein. So verging dieses Wochen­ ende mit neuen Erkennt- • nissen über Buntspechte und einigen guten Aufnah­ men beider Eltern mit ihren vollen Schnäbeln. Beim Ausfliegen der Eltern aus der Höhle wurden bei Be­ darf die Kotballen der Jun­ gen im Schnabel mitge­ nommen und entsorgt. Den Spechtvater konnte ich bei einer Generalreinigung der Kinderstube beobach­ ten, wie er fünfmal in Folge in der Höhle verschwand und jedesmal mit einem Schnabel voller Späne wie­ der ausflog, die wahrschein­ lich durch Kot verunreinigt Li��!!�i· waren. Sauberkeit mußte sein in der Höhle, anson- sten hätten die Spechtkin­ der durch Parasiten Scha­ den nehmen können. In meinen Vogelbüchern las ich, daß die Nestlinge 16 bis 18 Tage nach ihrem Schlüpfen zur Fütterung am Höhleneingang erschei­ nen. Die Altvögel kommen nur noch zum Säubern in die Höhle. Deshalb hoffte ich, daß mir am dritten Wo­ chenende endlich Aufnah­ men gelingen, auf denen sich Jung-und Altspechte zusammen zeigen. Der Samstag kam mit Dau­ erregen, auch der Sonntag war zur Hälfte verregnet. Nachmittags hörte es auf, jedoch von guten Lichtver- i; Kurz nach dieser letzten Fütterung am Höhleneingangflog das Nest­ häkchen aus. 254

Familicnlchn der Bun pechte An diesem Tag war es sehr warm, der Specht „hechelte „. Er kühlt damit durch Verdunstungskälte im Schlund sein Blut, wie im übrigen die meisten Vögel. hältnissen zum Fotografieren konnte keine Rede sein. Dennoch packte ich meine Gerä­ te zusammen und nahm noch zusätzlich ein starkes Blitzgerät mit, denn es war meine letzte Chance vor dem Ausfliegen der Jun­ gen, zu den erhofften Bildern zu gelangen. Kaum hatte ich es mir in meinem Ansitz einigermaßen bequem gemacht, erschien am Höhleneingang der Schnabel und dann die leuchtend rote Kopfplatte eines der Jungspechte. Diese rote Platte tragen im übrigen beide Geschlechter bis zum Ausfär­ ben des Gefieders im Herbst. Der Jung­ specht am Höhleneingang wurde plötzlich aufgeregt und begann mit hellen „Kix-kix“ – Lauten zu rufen. Der Grund seiner Aufre­ gung war seine Mutter, die im Nachbar­ baum gelandet war und dort ein Geschwi- sterchen fütterte, das schon ausgeflogen war. Nach geraumer Zeit entdeckte ich in einem anderen Baum noch ein Spechtkind, das ge­ füttert wurde. Zwei waren demzufolge in­ zwischen schon ausgeflogen, und während ich noch rätselte, wieviele wohl noch in der Höhle sein würden, flog ein Drittes heraus und landete nach einem Flug von ca. 20 Metern in einer Birke. Nur noch der Nesthocker verweigert sich dem ersten Flugversuch Eine Zeitlang war es ruhig in der Höhle, und ich dachte schon, alle seien ausgeflogen. Doch plötzlich ging das Gezeter von neuem los, fast noch heftiger als zuvor, allerdings hörte man jetzt nur noch eine Stimme. Mei-255

Umw lt und Natur Auf diesem Bild sind deutlich der Gebrauch des harifedrigen Stiitz­ sd;wanzes und die „roten Hosen“ des Spechtes zu sehen. ne Vermutung, nur noch der Nesthocker sei in der Höhle, wurde wenig später bestätigt. Auf dem Nachbarbaum lande­ te der Spechtvater mit dem Schnabel voller Nahrung und versuchte den Kleinen zum Ausfliegen zu animieren. Dieser wurde jedoch immer aufgereg­ ter, und seine »Kix-kix“-Laute erklangen eindringlicher. Noch einmal ließ sich Vater Specht er­ weichen und fütterte das Nest­ häkchen. So kam ich in letzter Minute zu Aufnahmen, wie ich sie mir bereits die ganze Zeit über gewünscht hatte. Langsam wurde es Abend, das letzte der vier Jungen saß noch immer in der Bruthöhle; die Mutter war inzwischen mit den drei Geschwistern schon etwas weiter gezogen. Der Vater lock­ te weiterhin mit dem Schnabel voller Insekten und den be­ kannten Rufen, die dem Jung­ vogel zum entscheidenden Wag­ nis des Erstfluges Mut machen sollten. Dieser antwortete dem Altvogel abwechselnd vom Ein­ gang und dem Innern der Höh­ le. Dabei wurde er immer auf­ geregter und hektischer. Doch plötzlich -ich wollte schon meinen Ansitz verlassen und am nächsten Abend noch ein­ mal nachschauen -schwirrte er aus der Höh­ le und landete nach einem unsicheren Flug von wenigen Sekunden Dauer auf dem Bo­ den, wobei er sich bei der Landung noch überschlug. Der Spechtvater, der unweit in einer Fich- 256 te saß, lockte sein Sorgenkind vom Boden zu sich herauf, was dem Kleinen mit Flattern und Hüpfen von Ast zu Ast schließlich auch gelang. In halber Höhe des Baumes wurde er endlich mit einem Schnabel voller Futter für seine Mühen belohnt. Erwin Kienzler

11. 8.1999: Als der Tag (fast) zur Nacht wurde Die Sonnenfinsternis faszinierte im Schwarzwald-Baar-Kreis Tausende von Menschen Umwelt und atur Noch ist die „Sofi“ vier Stunden „ent­ fernt“, aber was in Kürze geschieht, ist ver­ mutlich bereits seit dem 3. Jahrtausend v. Christus bekannt, spätestens jedoch seit der Hochzeit der babylonischen Astronomie: Der sogenannte Saroszyklus Nr. 145 wird einem Teil Süddeutschlands eine totale Son­ nenfinsternis bescheren, die im nahe am Kernschatten gelegenen Schwarzwald-Baar­ Kreis als sogenannte ringförmige Son­ nenfinsternis in Erscheinung tritt. Die Fin­ sternis ist die 21. dieses Zyklusses, der der Erde alle 18 Jahre und 11 Tage an immer ei­ ner anderen Stelle eine totale Sonnenfin­ sternis beschert. Dazu braucht es drei wich­ tige Dinge: Es muß Neumond sein, der Mond muß sich am Himmel in der Nähe eines der Knotenpunkte seiner Bahn mit der Ekliptik befinden (sonst verfehlt sein Schat­ ten die Erdoberfläche) und er muß sich auf seiner elliptischen Bahn um die Erde zu­ mindest relativ in Erdnähe bewegen, weil es sonst „nur“ zu einer ringförmigen Sonnen­ finsternis reicht. Sofi-Tourismus und Brillenjagd Die Autobahnen in Richtung Kernschat­ ten sind an diesem 11. August allesamt über­ füllt. In der Residenz, in Karlsruhe, oder der Landeshauptstadt Stuttgart werden Zehn­ tausende erwartet, denn dort wird sich heu- eNOU’Med e Koblenz Wiesbaden• Mainz• ••onenbad> Frankfurt • Darmstadt • Aschallenbu,g NASARP1398 „Total Solar Ecllpse of 1999 August 11“ F. Espenak & J. Anderson •-. GERMANY •E­ • Wlnlug ……. Nürnberg 0 )50 50 100 Kik>melers 5c,,u> 1 ;2.784.000 ·-CZECH REPUBLIC •Bern AUSTRIA Der Verlauf des Kernschattens iiber Deutschland zur Sonnenfinsternis am 11. August 19 9 9. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis ist als blaue Fliiche dargestellt (ungefähre Lage, nicht maßstabsgerecht!). Er lag knapp außerhalb des Kernschattens. Quelle: Internet-Seite der NA SA. 257

Umwelt und atur Ohne Schutzbrille keine Sonnenfinsternis. Wie wichtig das heiß begehrte und nahezu ausverkaufte Utensil war, zeigte sich beim Ereignis selbst. Die Fotografie entstand in VS-Schwenningen. te kurz nach Mittag der Tag für kurze Zeit tatsächlich völlig zur Nacht verfinstern. Die dem Landkreis verbliebenen Einwohner – sie sind in der Mehrzahl -hören derweil beim Frühstück die Staumeldungen im Ra­ dio und überlegen sich mit einem Blick auf den meist dicht verhangenen Himmel spä­ testens jetzt, wo denn sie die letzte Sonnen­ finsternis dieses Jahrtausends verfolgen wol­ len. Auch wenn man eine Sonnenfinsternis nicht im unmittelbaren Kernschatten erlebt, bleibt sie ein einmaliges Ereignis, schließlich ist die nächste in unseren Breitengraden erst im Jahr 2081 zu sehen. Die zweite große „Sofi“ dieses Jahrhunderts hatte sich im übrigen am 17. April 1912 ereignet, auch sie war in unserem Landkreis „nur“ als ringför­ mige Sonnenfinsternis zu beobachten so wie die des Jahres 1999. Das unerwartet riesige Interesse an der „So­ fi“ verursachte so manchem schon Tage zu­ vor „Streß pur“: Weil zu wenige Schutzbril­ len produziert worden waren und man eben 258 nicht wie die Menschen des Jahres 1912 durch geschwärzte Fensterscheiben zur Son­ ne aufsehen sollte, drohte vielen „Sofi“­ Freunden ein frühzeitiges „Aus“: Nicht eine Schutzbrille war im Landkreis mehr zu be­ kommen. Und als dann ein Brillen-Groß­ händler weit mehr als 1000 der rar geworde­ nen Utensilien im Rahmen einer Werbeak­ tion verschenkte, hatte das eine lange Men­ schenschlange in der Villinger Innenstadt zur Folge. Entlang dieser Menschenschlan­ ge blühte wie in anderen Städten im Land­ kreis der „Schwarzhandel“: an kleinen Tisch­ ehen verkauften fliegende Händler die Schutzbrillen teilweise für gute 20 Mark das Stück … Draußen auf der Baar Die Fahrt zum Fürstenberg ist an1 Tag der Finsternis eine gemütliche: freie Straßen überall, da und dort sind kleine Menschen­ gruppen auf gut gelegenen Aussichtspunk-

Umw,ituod Natur ten zu erkennen: ,,Sonnenfinsternis-Touris­ mus“ ist im Schwarzwald-Baar-Kreis kaum spürbar, dazu liegt er zu sehr am südlichen Rand des Ereignisses, zu weit vom Kern­ schatten entfernt. Einzige Ausnahme scheint der Großraum Blumberg: Entlang der B27 haben „Sofi-Fans“ aus der nahen Schweiz die Parkplätze bevölkert, starren auf den Bänken sitzend mit Schutzbrillen in ei­ nen wolkenverhangenen Himmel, der im­ mer wieder bedrohlich schwarz zuzieht. Daß die „Invasion von Sonnen-Finsternis­ Hungrigen“ ausbleibt, freut aller Wahr­ scheinlichkeit einen Fürstenberger Bauern, der mit dem Traktor immer wieder in Sicht­ weite seiner Felder entlangtuckert – viel­ leicht sogar, weil er fürchtet, die Frucht auf seinem Acker könnte von Sofi-Fans „glatt überrannt“ werden. Ein „Sofi“-Event in Furtwangen Das große Interesse an der Sonnenfinster­ nis dokumentiert auch der Zulauf zum „So­ fi“-Event des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen: Rund 300 Menschen versam­ meln sich auf dem Robert-Gerwig-Platz bei der Fachhochschule. Ein Sonnenteleskop er­ laubt die Beobachtung des Himmelsgestirns und der Sonnenflecken – zumindest in je­ nen Augenblikken, in denen die oft dichte Wolkendecke einen Blick auf die Hauptak­ teure Sonne und Mond zuläßt. Und daß so mancher im stillen doch die eine oder an­ dere „Sofi“-Angst mit sich herumträgt, zei­ gen die Äußerungen, als sich gegen 12.20 Uhr der Mond aufmacht, der Sonne bald endgültig das Licht zu nehmen: Da sorgt sich eine Landwirtin um das Vieh auf ihrer Weide, manch einer beginnt zu frösteln, weil die Temperaturen spürbar zurückgehen. Und schließlich macht eine Warnung vor Taschendieben die Runde, die die Dunkel­ heit und das konzentrierte Schauen auf die Sonne ausnützen könnten … Historische Beobachtungen Eine totale Sonnenfinsternis hat die Men­ schen zu jeder Zeit bewegt. Erste Aufzeich- Rund 300 Menschen versammelten sich auf dem Robert-Gerwig-Platz beim Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen beim einzigen „Sofi-Event“ im Landkreis. 259

Sonnenfmsternis 1999 deren Kernschatten Europa berühr­ te. Der in Villingen herausgegebene ,,Sd1warzwälder“ meldet am 15. Au­ gust 1887: ,,Für den Fall, daß am Ta­ ge der in Aussicht stehenden Son­ nenfinsternis der Himmel günstig sein sollte, bemerken wir, daß fur Villingen, oder vielmehr für die nächstgelegenen Höhepunkte, die Sonne früh 5 Uhr aufgeht, wobei noch etwa 2/3 derselben vom Mon­ de verdeckt ist. Bald nach halbsechs Uhr ist die Finsternis zu Ende. Bei heller Witterung sollen die Beob­ achter mit leicht geschwärztem Fen­ sterglas versehen sein.“ Mehr Informationen und Beschrei­ bungen gibt es zu einer ringförmi­ gen Sonnenfinsternis, die am 17. April 1912 zu beobad1ten ist. Im ,,Sd1warzwälder Boten“ heißt es da­ zu:,, … Die Tageshelle hatte inzwi­ schen merklich abgenommen und schließlich wurde die Verdunkelung der Atmosphäre so stark, daß in vie­ len Lokalen, Cafes, Läden u. dergl. Licht angezündet werden mußte, während auf den Straßen die Häu­ sermauern, Laternenpfahle usw. nur nod1 einen eigentümlichen fahl-gel- ben Schatten warfen. Gleichzeitig konnte auch ein ziemlich bedeutender Tem­ peraturrückgang konstatiert werden.“ ,,Welch frecher Geselle … “ Die „Furtwanger Nachrichten“ liefern eine ausführliche Beschreibung der Sonnenfin­ sternis des Jahres 1912 für das Obere Breg­ tal. Aus Vöhrenbach wird berichtet: ,,Ging man gestern mittag durchs Städtchen, sah man überall Leute, die durch geschwärzte Glasscheiben an den Himmel hinauf guck­ ten. Sie alle wollten sehen, welch frecher Ge­ selle sich eigentlich erlaubte, uns armen Erd­ bewohnern dort oben vor die Sonne zu ste­ hen. Wer es nicht der Mühe wert fand, dies Ein Sonnenteleskop mit speziellem Schutzfilter ermöglichte beim Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen im Detail die Beobachtung der Sonnenfinsternis und der Sonne. nungen einer totalen Sonnenfinsternis stammen aus dem Jahr 2136 v. Chr., die äl­ teste gesicherte Beschreibung eines solchen Naturschauspiels findet sich auf syrischen Tontafeln, die eine „Sofi“ vom 5. März 1223 v. Chr. zum Inhalt haben. Auch für den Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es schriftliche Aufzeichnungen zu einer Sonnenfinsternis aus früherer Zeit, aller­ dings wesentlich jüngere. Eine interessante Qielle sind die lokalen Tageszeitungen. Dort finden sich Berichte über eine teilwei­ se Sonnenfinsternis im Schwarzwald-Baar­ Kreis erstmals für den 3. August des Jahres 1887. An diesem Tag ereignete sich die letz­ te Sonnenfinsternis des 19. Jahrhunderts, 260

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nnenfm terni 1999 Stille Beobachter der Sonnenfinsternis im August 1999 vom Fürstenberg aus. 262 großartige Naturereignis zu beobachten, dem ist nach 87 Jahren hierzu wieder Gele­ genheit geboten, denn nach astronomischer Berechnung findet die gleiche Sonnenfin­ sternis im Jahre 1999 wieder statt; doch wir alle werden dort sicher keine geschwärzten Gläser mehr brauchen -Ein Glück war’s, daß der Himmel gestern nicht bewölkt war, man konnte somit genau beobachten, wie die Sonne immer mehr und mehr überdeckt wurde. Gegen zwei Uhr hatte die Finsternis ihren Höhepunkt erreicht und man sah nur noch einen kleinen Teil der Sonne. Es wäre sehr zu wünschen, wenn uns die Sonnen­ finsternis etwas bessere Witterung hinterlas­ sen hätte … “ Zur Sonnenfinsternis 1912 finden wissen­ schaftliche Aktionen mit Hilfe der Zeppe­ linluftschiffe „Schwaben“ und „Viktoria Lui­ se“ statt, wie das ,,Villinger Volksblatt“ am 15.April berichtet. Zum eigentlichen Ereig­ nis schreibt das „Villinger Volksblatt“: „Die gestrige Sonnenfinsternis verlief so pro­ grammgemäß wie irgend eine Feier. Die Be­ obachtung war diesmal günstiger als bei der letzten Sonnenfinsternis am 30. August 1905, wo das Wetter trübe und regnerisch war.“ In einer zweiten Meldung heißt es aus Villingen: „Und die Sonne verfinsterte sich, nicht durch ein Wunder, wie beim Tod des Heilands, sondern durch die natürliche Stel­ lung des Mondes zwischen Erde und Sonne. Die heutige Sonnenfinsternis war eine ring­ förmige, also ein für Deutschland seltenes Phänomen …. Es war interessant das seltsa­ me Bild am Himmelszelt zu beobachten. Zwischen 12 Uhr und 1 Uhr sah man denn auch hier Groß und Klein allenthalben nach oben schauen. Die Sonne war wie eine Mondsichel zu sehen, rötlich-gelb. Gegen 1 Uhr hatte das Sonnenlicht eine ganz merk­ würdige Dämpfung. Vor einem schweren Gewitter pflegt die Sonne nämlich gerade so zu scheinen.“ Aus Schwenningen meldet die „Neckar­ quelle“: „Die Sonnenfinsternis konnte heute in den Stunden von 11. 50 Uhr bis 2.45 Uhr

Umw lt und atur Erhabene Stille, fahle Dunkelheit gut mit einem geschwärzten Glas beobach­ tet werden. Die Sonnenscheibe war eine zeitlang beinahe vollständig verdeckt und nur noch in Form einer Eichel zu sehen und matt und kraftlos kamen ihre Strahlen zur Erde hernieder.“ Es liegen 87 Jahre zwischen den Ereignis­ sen, zwischen der „Sofi“ von 1912 und der „Sofi“ 1999. Es hat sich ein gewaltiger tech­ nischer Fortschritt eingestellt, es kam zu �antensprüngen in Sachen Wissen und zu einem ebenso ungeheuren gesellschaftli­ chen Wandel, doch eine Sonnenfinsternis hat von ihrer Faszination, ihrer Wirkung auf die Menschen, nichts eingebüßt. Wer sie er­ lebt hat, ist sich einig mit dem Dichter Adal- Wenn das Licht die Landschaft verläßt, Blick auf die Baar von Fürstenberg aus,fotografiert kurz vor dem Höhepunkt der Sonnenfinsternis 1999. bert Stifter, der am 8. Juli 1842 nach einer Sonnenfinsternis in Wien niederschrieb: „Aber da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand und die Erscheinung mit eigenen Au­ gen anblickte, da geschahen freilich ganz an­ dere Dinge, an die ich weder wachend noch träumend gedacht hatte, die keiner denkt, der das Wunder nicht gesehen hat.“ Ähnlich ergeht es einem hier in Fürsten­ berg, mit weitem Blick hinaus in die Baar und zum nahen Schwarzwald hinüber: Das Verschwinden des Lichts ist von erhabener Stille begleitet, es scheint, als wolle niemand dieses Schauspiel stören. Bis vor wenigen Minuten zog weit oben ein Habicht seine Kreise, jetzt sitzt er in gut 400 Metern Ent­ fernung auf einem Baumwipfel, hat einen Schlafplatz aufgesucht. Wind bläst und läßt 263

Sonnenfinsternis 1999 Die Sonne kehrt zurück, der Mond ist bereits deutlich aus der Sonnenmitte herausgetreten (fotografiert über Fürstenberg). einem „frösteln“. Zum Höhepunkt der Fin­ sternis herrscht fahle Dunkelheit, ein far­ benloser, ungewisser Zustand. In der Feme schlängeln sich Lichtkegel durch die Land­ schaft, Autoscheinwerfer auf der Autobahn Stuttgart- Singen, den Schatten des Mondes ausleuchtend. Man muß einfach nach oben sehen, nimmt danach die „Sofi-Brille“ wie­ der ab, verfolgt, wie sich die Landschaft ver­ ändert: Es ist nicht Nacht und nicht Tag, Zwielicht herrscht. Als das Licht zurückfindet, ist das Abklin­ gen der Sonnenfinsternis, das Wachsen des Lichts, fast ohne Belang. Zu tief sitzt in ei­ nem drin, was eben gesehen wurde. Es wird einem bewußt, wie gewaltig das Erleben von Zeitläufen sein kann, wenn man (unwe­ sentlicher) Bestandteil eines solchen ist: Die Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 ist die Nr. 145 im Saroszyklus. Am 4. Januar 1639 ist am Nordpol die erste in diesem Zy­ klus berechnete Sonnenfinsternis aufgetre- 264 ten, am 17. April des Jahres 3003 wird er der Erde die letzte Sonnenfinsternis bescheren. So wie heutzutage fast nichts mehr so ist wie im Januar des Jahres 1639, im späten Mit­ telalter und am Beginn des Zyklusses, wird dann fast nichts mehr so sein wie es im Jahr 1999 war, bei der Finsternis Nr. 145 – denn dieses Ereignis liegt 1004 Jahre vom Jahr 1999 entfernt. Diese „Sofi“ wird über einem Erdteil stattfinden, den wir heute Antarktis nennen. Da kommt einem der Beitrag der „Furt­ wanger Nachrichten“ zur Sonnenfinsternis des Jahres 1912 in den Sinn, in dem auch die „Sofi“ des Jahres 1999 angekündigt wird. Es heißt dazu: ,, … wir alle werden dort sicher keine geschwärzten Gläser mehr brauchen.“ Wi!fried Dold

18. Kapitel I Almanach 2000 Garten- und Landschaftspflege Zum Weinanbau im Schwarzwald-Haar-Kreis Hellmuth Kraus und sein aus der »Amerikanische Hybride Blau“ gewonnener Laubenwein Wenn heute im Schwarzwald-Baar-Kreis Weinanbau kein landwirtschaftlicher Faktor ist, so liegt der Grund nicht in mangelnder Bodenqualität o. ä., sondern darin, daß die durchschnittliche Jahrestemperatur mit 6,7 Grad Celsius (Vtllingen-Schwenningen} zu niedrig für das Ausreifen der Trauben ist, welche dafür eine durchschnittliche Jahres­ temperatur von 10 bis 11,5 Grad Celsius be­ nötigen. So stellen die dreißig Rebstöcke der Sorte „Amerikanische Hybride Blau“, wel­ che Hellmuth Kraus in Dauchingen kulti­ viert, sicherlich eine Besonderheit dar. Die „Amerikanische Hybride Blau“ wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika um die Jahrhundertwende gezüchtet und war in den 1920er/30er Jahren in weinbautreiben­ den Gegenden verbreitet, da sie gegen Reb- Die Rebensorte „Amerikanische Hybride Blau“ge­ deiht auch in Dauchingen. laus- und Pilzbefall resistent ist. Sie ist je­ doch nicht von gleicher Weinqualität wie die einheimischen Rebsorten. Letzteres wie auch die gegen »Fremdländi­ sches“ gerichtete Ideologie des Dritten Rei­ ches führten dazu, daß in Deutschland alle Hybriden beinahe restlos gegen einheimi­ sche Rebsorten ausgetauscht wurden. Da sie wegen ihrer Schädlingsresistenz nicht ge­ spritzt zu werden brauchen, wurden und werden sie jedoch weiterhin zur Belaubung von Gebäuden eingesetzt, wodurch Hell­ muth Kraus auf sie aufmerksam wurde. Seit etwa 1964 macht er Versuche mit dem An­ bau von Rebstöcken in seinem Garten. So brachte er aus Vaduz, wo er seinen Urlaub verbrachte, blaue Reben mit, ebenso ver­ suchte er Ihringer und Müller-Thurgau zu kultivieren, die er in Bruchsal in einer Gärt­ nerei gekauft hat, doch gedeihen diese Reb­ sorten nicht, sie sind erfroren, zudem muß­ ten sie gespritzt werden. Hellmuth Kraus, geboren 1924 in Dauch­ ingen und gelernter Mechaniker, hat schon seit seiner frühen Jugend das Vergären von Obst wie Äpfel und Birnen in größeren Mengen in seinem Dauchinger Elternhaus Schwenninger Straße 18, welches er bis heu­ te bewohnt, gelernt. Bis in die Mitte der SOer Jahre sei auf den Dörfern, so auch in Dauchingen, allgemein viel gemostet wor­ den, weiß er sich zu erinnern, und auch er hat das Obst im Garten seines Hauses z. T. für den Verkauf zu Most verarbeitet. Seit 1972 war er mehrmals in der Nähe von Bruchsal, im jetzigen Bad Schönborn (Min­ golsheim und Langenbrücken} in Kur. In Langenbrücken lernte er die »Amerikani­ sche Hybride Blau“ kennen, die er nun seit 265

_.Am rikani h Hybrid Blau“ selbst hergestellten Presse gepreßt. Der Saft wird in zwei Plastikfässern zu je 15 Litern und 60 Litern abge­ füllt und mit Gärhefe ver­ setzt. Im Januar kommt der Wein von der Hefe, d. h. er wird in ein anderes Faß ab­ gelassen, wird geschwefelt und wiederum in die glei­ chen oder auch andere Fäs­ ser zurückgefüllt. Nach Ostern wird der nun ferti­ ge Wein in Flaschen abge­ füllt. In der Anfangszeit seiner Weinherstellung füllte Hellmuth Kraus die gesamte Weinmenge in Flaschen ab, heute bleibt die größte Menge des Wei­ nes in den beiden Fässern und nur wenige Flaschen werden abgefüllt. Die Flaschen werden mit xerokopierten Etiketten versehen, deren Vorlage seine Tochter entworfen und gezeichnet hat. Auf die Etiketten trägt Hellmuth Kraus den Jahr­ gang und die Promille seines Weines ein. Hellmuths Laubenwein ist von rubinroter Farbe, im Geschmack etwas herb, aber im­ merhin hatte er im Jahr 1998 85 Öchsle mit 110/o Alkohol. Sein selbst hergestellter Wein wird bis auf die wenigen Flaschen zum Ver­ schenken, ausschließlich im Familienkreis zum Vesper oder auch zur Pizza das ganze Jahr über verbraucht; bis er die Fässer im Frühjahr wieder benötigt, sind sie leerge­ trunken. Versuche, seinen Wein ein Jahr zu lagern und auf diese Weise zweijährigen Hellmuths Laubenwein trinken zu können, brachten keine wesentliche Q!ialitätsverbes­ serung und wurden daher nicht fortgesetzt. Raimund Adamczyk In der Laube von Hellmuth Kraus wird aef den neuen „Laubenwein- Jahrgang“ angestoßen. 1978 an seiner Laube und an der ganzen Länge der Südseite seines Hauses, wo ganz­ tags die Sonne scheint, kultiviert, wobei er die Rebstöcke eigenhändig vermehrt durch Einstecken der Ruten in den Boden. Wein­ bauliche Ratschläge holt er sich bei seinen Aufenthalten in der Nähe von Bruchsal und dort kauft er bei der Genossenschaft auch die Geräte, die er nicht selber herstellen kann wie Netze, Öchslewaage und Korken. Die Netze (ca. 15 Stück je 5 x4 m) benötigt Hellmuth Kraus, um im Herbst die Trauben vor Vogelfraß (Amseln, Stare) zu schützen. Nachdem die Trauben Mitte Oktober aus­ gereift sind, werden sie geerntet. Im Schnitt beträgt die Ernte 2,5 bis 3 Zentner. Zunächst hat Hellmuth Kraus die Trauben als Eßtrau­ ben verwendet, seit 1987 /88 verarbeitet er sie zu Wein, nachdem er sich entschlossen hat, statt Äpfel und Birnen etwas Besonde­ res, einen Wein, zu vergären. Nach der Ern­ te werden die Trauben in der Scheune auf ei­ ner von Hellmuth Kraus selbst hergestellten Mühle gemahlen, dann zwei Tage in einem Bottich aufbewahrt, um den roten Farbstoff auszulösen, anschließend auf einer ebenfalls 266

Eine Fuchsiensammlung in Erdmannsweiler Elfriede und Karl Obergfell züchten die Nachtkerzengewächse seit 25 Jahren Garten- und Land chaftspfl Von Fischbach kommend, direkt am Orts­ eingang von Erdmannsweiler, steht rechts das gepflegte kleine ehemalige Bauernhaus der Familie Elfriede und Karl Obergfell. Den Besucher erwartet hier eine außerge­ wöhnliche Sehenswürdigkeit. Schon lange pflegt Elfriede Obergfell ein ganz besonde­ res Hobby, das ihr viel Freude bereitet, an der sie auch ihre Mitbürger teilhaben läßt – die Fuchsie hat es ihr angetan. Als Hobbygärtnerin begann sie vor über 25 Jahren mit der Züchtung und Sammlung dieser nicht gerade unempfindlichen Pflan­ ze, die eigentlich ein Stiefkind unter den Balkonpflanzen ist. Ursprünglich kommt die Pflanze aus Mittelamerika und dem tro­ pischen Südamerika, wo sie als baum- oder strauchartiges Untergehölz der kühlen Berg­ wälder wächst. Sie gehört zur Familie der Nachtkerzengewächse. Man kann die glei­ chen Pflanzen jahrelang halten, braucht aber sehr viel Fingerspitzengefühl und Ge­ duld, um sie jedes Jahr wieder zum Blühen zu bringen. Die oft hängenden Blüten sind rot, rosa, weiß oder vio­ lett, dabei meist mehr­ farbig gefärbt. gust. Inzwischen ist die Sammlung auf 250 bis 300 Stöcke und Bäumchen angewach­ sen, die mehr als 80 verschiedenen Sorten werden täglich mit etwa 200 Liter Regen­ wasser, das in der ehemaligen Jauchegrube gespeichert wird, versorgt. Das älteste Ex­ emplar ist gute 25 Jahre alt. Zum Überwin­ tern kommt ein Teil der Töpfe ab Mitte Ok­ tober in den Keller, die größeren werden im ehemaligen Kuhstall untergebracht. Zuvor werden sie umgetopft, die Wurzeln und zwei Drittel der neu zugewachsenen Triebe zurückgeschnitten sowie der ganze Strauch zum Schutz vor Krankheiten und Ungezie­ fer entlaubt. Elfriede Obergfell wird natürlich bei allen Arbeiten von ihrem Ehemann Karl, der seit einigen Jahren in Rente ist, unterstützt. Er bearbeitet auch den Kompost und sorgt für eine gute Pflanzerde, die im Frühjahr und Herbst zum Umtopfen benötigt wird. Christa Strobel Bei Elfriede Obergfell steht die Fuchsie, ob­ wohl sie eigentlich ei­ nen etwas absonnigen, luftigen Platz bevor­ zugt, den ganzen Som­ mer über in der Sonne, was nur durch viel Liebe und gute Pflege möglich ist. Die Pflan­ zen danken es mit einer ganz besonderen Blü­ tenpracht. Die Haupt­ blütezeit liegt in den Monaten Juni bis Au- Eine Fuchsiensammlung ziert Garten und Haus von E!friede und Karl Obergfell in Erdmannsweikr. 267

Garten- und Land chaftspAege 268

Landwirtschaft und bäuerliches Leben Der örtlichen Gemeinschaft eng verbunden Seit 50 Jahren besteht der Landfrauenbezirksverband Donaueschingen 19. Kapitel/ Almanach 2000 ,,Wenn es die Landfrauen nicht gäbe, dann müßte man sie einfach erfinden“ schreibt Landrat Karl Heim in seinem Grußwort zum SOjährigen Bestehen des Landfrauen­ bezirksverbands Donaueschingen. In der Tat hat sich der Landfrauenverband zur In­ teressensvertretung nicht nur der Bäuerin­ nen, sondern aller Frauen auf dem Lande entwickelt. Seine Vorschläge und Initiativen, die stets von großem Sachverstand zeugen, haben sich auch in den politischen Anliegen der Parteien niedergeschlagen und Berück­ sichtigung gefunden. Geschichtlicher Rückblick Ein Rückblick auf die Geschichte der Land­ frauenbewegung führt ins Jahr 1898, als un­ ter dem Vorsitz der Gutsbesitzerin Elisabeth Boehm in Ostpreußen der erste landwirt­ schaftliche Hausfrauenverein als parteipoli­ tisch unabhängige und überkonfessionelle Organisation gegründet wurde. Sein Ziel war die Schaffung beruflicher, wirtschaftli­ cher und kultureller Entwicklungsmöglich­ keiten für die ländlichen Hausfrauen und von Anfang an setzte er sich für die Aner­ kennung der Hausfrauenarbeit als Berufs­ arbeit ein – eine nach wie vor aktuelle For­ derung. Mit der Zeit entwickelten sich ver­ schiedene Landesverbände, die sich 1916 zum „Reichsverband landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine“ zusammenschlossen. Ein württembergischer Landesverband ent­ stand 1916 und im Jahr 1929 folgte die Gründung in Baden. Aber bereits zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur wurde im Jahr 1933 der Verband aufgelöst bzw. in Die Frauen der ersten Stunde. vorne rechts Elisabeth Oschwald, Gründerin undfn“ihere Kreisvorsitzende. 269

Landfrauen Donaueschingen den Reichsnährstand eingegliedert. Nach Kriegsende begann der Aufbau einer an demokratischen Grundsätzen orientierten Landfrauenarbeit zunächst in der amerika­ nischen Zone. Bereits am 30. April 1947 wurde der Landfrauenverband Württem­ berg-Baden gegründet, 1948 dann der Deut­ sche Landfrauenverband. Am 4. Januar 1949 wurde in Freiburg der südbadische Landfrauenverband gegründet, erste Ge­ schäftsführerin war Brigitta Weisse, die be­ reits den badischen Verband in der Weima­ rer Zeit geleitet hatte. Beim Aufbau der Landfrauenarbeit war eine ihrer ersten An­ laufstellen das Landwirtschaftsamt Donau­ eschingen. Die Geschichte des Bezirksver­ bands Donaueschingen beginnt 1949/50 mit der Gründung der ersten Ortsvereine in Oberbaldingen, Döggingen, Behla und Hei­ denhofen. Heute hat der Verband, dessen Wirkungskreis sich über das Gebiet des ehe­ maligen Landkreises Donaueschingen er­ streckt, 35 Ortsvereine mit fast 2 500 Mit­ gliedern. Während in der Anfangszeit fast nur Bäuerinnen Mitglied waren, stammen die Frauen heute aus allen Bevölkerungs­ schichten. Weiterbildung und soziales Engagement Im Vordergrund der Verbandsarbeit steht die Weiterbildung von Frauen im ländlichen Raum. Die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahre haben sich auch hier in einer Änderung des Ange­ bots niedergeschlagen. Nach Kriegsende mußte zunächst die hungernde Bevölke­ rung versorgt und der schwere Arbeitsalltag der Frauen erleichtert werden. Letzterem Ziel dienten Kurse über Kochen, Backen, Einmachen, Gartenbau und Hühnerhal­ tung, ebenso über Waschen, Bügeln und Nähen mit elektrischen Geräten. Familiäre Fragen, Gesundheitsprobleme und häusli­ che Pflege ergänzten das Angebot. Als die wirtschaftliche Situation sich verbesserte und die Grundbedürfnisse abgedeckt waren, konnte mehr Zeit aufBastel-, Kosmetik- und ,1 In der Nachkriegszeit standen zunächst hauswirtschaftliche Belange im Vordergrund. 270

Landwirt chaft und bäuerliche beben Der schwere Arbeitsalltag wurde den Frauen in den 50er Jahren durch Kurse etwas erleichtert. Modekurse verwendet werden. Ein beson­ ders wichtiger Fortschritt war die Einfüh­ rung von Gymnastikkursen in den 60erJah­ ren, die den hart arbeitenden Frauen einen die Gesundheit fördernden Ausgleich bo­ ten. Als damals das Hallenbad in Bräunlin­ gen eröffnet wurde, waren Schwimmkurse sehr beliebt. Nach und nach kamen neue Schwerpunk­ te hinzu, z.B. Gesellschaftspolitik, Wirt­ schafts-und Agrarpolitik, Rechts-und Sozi­ alfragen, Betriebswirtschaft, Computerkur­ se, Umgang mit Medien, die Drogenpro­ blematik, Rhetorikseminare. Gemeinsame Wanderungen und der jährliche Landfrau­ entag in Bräunlingen stärken das Zusam­ mengehörigkeitsgefühl der Ortsverbände. Ein besonderes Anliegen des Verbands ist die Förderung gesunder Ernährung mit Lebensmitteln aus der heimischen Produk­ tion. Auch die Rückkehr von Frauen ins Be­ rufsleben nach einer „Familienpause“ wird durch qualifizierte Seminare gefördert. Sehr wichtig ist für die Landfrauen das so­ ziale Engagement in ihren Gemeinden, im Stand bei Südwestmesse Land und in der ganzen Welt. Neben vielen anderen Aktivitäten wird der Reingewinn, den der Bezirksverband Donaueschingen an seinem Stand bei der Südwestmesse in Schwenningen erwirtschaftet, an soziale Ein­ richtungen gespendet. Die seit 1984 regelmäßige Präsentation des Verbandes bei dieser Messe ist einer der Höhepunkte des Verbandslebens. Hier kön­ nen die Frauen ihre Positionen und Anlie­ gen offensiv gegenüber Politikern und Bür­ gern vertreten. In Zusammenarbeit mit den Bezirksverbänden Villingen, Tuttlingen und Rottweil werden zu verschiedenen Ernäh­ rungsthemen schmackhafte Gerichte ange­ boten. Ein großer Erfolg war die Teilnahme an der Landesgartenschau 1994 in Bad Dürrheim. Ein typischer Bauerngarten wurde herge­ richtet und ein Verkaufsstand fand regen Anklang. Das für diese Gartenschau erarbei­ tete Kochbuch der Baaremer Landfrauen 271

Landfrauen Donauesching n war ein großer Erfolg, mit dem Gewinn aus dem Verkauf konnten mehrere soziale Ein­ richtungen unterstützt werden. Einen Über­ blick über die weiteren vielfältigen Aktivitä­ ten bietet die jährlich erscheinende Vereins­ zeitung. Mitbegründerinnen des Erfolgs Ein Rückblick auf 50 Jahre Geschichte soll auch eine Würdigung der Frauen enthalten, die durch ihr Engagement und ihre Persön­ lichkeit so viel zum heutigen Erfolg der Landfrauenbewegung beigetragen haben. Zu nennen sind hier zunächst die Frauen ,,der ersten Stunde“. Eine der acht Mitbe­ gründerinnen des badischen Landesverban­ des im Jahr 1949 war Elise Oschwald aus Döggingen. Zusammen mit der Landesvor­ sitzenden Brigitta Weisse, der Donaueschin­ ger Landwirtschaftslehrerin Rose! Katzen­ meier und 12 weiteren Frauen gründete sie 1949 den Ortsverband Döggingen als zwei­ ten Ortsverband des Bezirkes nach Ober- baldingen. Bis 1973 war Elise Oschwald Be­ zirksvorsitzende. Auch als Referentin des Landesverbands tätig, war sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1977 Ehrenvorsitzende des Landfrauenverbands Donaueschingen. In den ersten Jahren arbeitete sie eng mit der Bezirksgeschäftsführerin Rose! Katzenmeier zusammen, deren unermüdlichem Einsatz die Gründung der ersten Ortsvereine zu ver­ danken ist. Auch nach ihrer Abberufung ins Landwirtschaftsministerium nach Freiburg im Jahr 1952 blieb sie den Baaremer Land­ frauen eng verbunden. Im Amt der Ge­ schäftsführerin folgten ihr Frau Liebe und Frau Kollinger. Agathe Windmüller war ei­ ne der Mitbegründerinnen des Ortsvereins Behla, den sie bis 1980 leitete. Bereits im Jahr 1959 setzte sie sich, gegen den Spott der Männer, für die Einführung von Gymna­ stikkursen im Ort ein. Von 1973 bis 1985 war Frau Windmüller stellvertretende Kreis­ vorsitzende. Gründungsmitglied des Orts­ vereins Bräunlingen war Cäcilia Dury, die 1973 als Bezirksvorsitzende gewählt wurde, Die erste Modernisierungsphase brachte Einmachgläser und neue Küchenausstattungen (1960). 272

Landwirtschaft und bäu rlicb Leben Die Vorstandschaft des Bezirks im Jubiläumsjahr: 1. Reihe, zweite von links Cäcilia Dury, Ehrenvorsit­ zende und dritte von links Ingrid Hasenfratz, Bezirksvorsitzende. eine schwere Aufgabe in den Zeiten des Um­ bruchs. Die erreichte Größe des Verbandes, die Kreisreform und der Strukturwandel in der Landwirtschaft waren Herausforderun­ gen, die der Bezirksverband unter der Lei­ tung von Frau Dury zu bestehen hatte. Zur Seite stand ihr als Geschäftsführerin Ger­ trud Lindig, die 1969 als Lehrerin an die Landwirtschaftsschule gekommen war. Durch zahlreiche Vorträge und Seminare sowie die Gründung neuer Ortsgruppen be­ lebte sie die Verbandsarbeit. Obwohl seit 1978 die Landwirtschaftslehrerinnen nicht mehr als Geschäftsführerinnen des Verban­ des tätig sein durften, unterstützte Frau Lin­ dig die Landfrauenarbeit weiterhin. Seit 1988 wird der Verband von Ingrid Hasen­ fratz aus Unterbaldingen erfolgreich ge­ führt. Obwohl die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Schwarzwald-Baar-Kreis seit der Gründung des Bezirksverbandes um 750/o zurückgegangen ist, blicken die Landfrauen zuversichtlich nach vorne. Sie sind zu einer unverzichtbaren Interessensvertretung im ländlichen Raum geworden und, wie Land­ wirtschaftsdirektor Walter Maier in seinem Grußwort betonte, widmen sie sich einer ge­ rade heute besonders wichtigen Aufgabe – ,,Sie schaffen Heimat!“ Helmut Rothenne/ 273

Landwirtschaft und bäuerlich L ben Der Kobisenhof in Oberkimach Eine bauhistorische Betrachtung zum Hauptgebäude und dem Speicher Der Kobisenhof im Oberkirnacher Ge­ wann Hippengehr ist ein für den Mittleren Schwarzwald typisches Hofensemble: Das Haupthaus, regional als „der Hof“ bezeich­ net, liegt umgeben von Speicher, Mahl­ mühle 1, Backhaus und neuzeitlichem Ma­ schinenschuppen inmitten seiner bis zum Verkauf 1998 rund 60 Hektar umfassenden Wirtschaftsfläche. Dieses weitgehend ho­ mogen erscheinende Ensemble hat eine wechselvolle Geschichte erlebt. Die heute vorgefundenen historischen Bauten, alle­ samt interessante Zeugnisse bäuerlichen Bauens, entstammen verschiedenen Zeiten. Bauhistorisch untersucht wurden in den Jahren 1997 und 1998 das eigentliche Hof­ gebäude und der Getreidespeicher. Diese Untersuchung war ein Projekt des Instituts für Baugeschichte an der Universität Karls­ ruhe.2 Anlaß für die Untersuchung des Hauptge­ bäudes war die besondere Situation: Das Haus wurde 18673 nach dem Brand des Vor­ gängerbaus errichtet. Damit handelt es sich um ein noch recht junges Haus. In seiner prinzipiellen Anlage als sogenanntes Gut­ achtäler Haus folgt der Kobisenhof seinen historischen Vorbildern, aber es gibt Neue­ rungen, die im folgenden erläutert werden sollen. Das Gebäude wurde seit seiner Errichtung nur unwesentlich verändert. Hinzu kam ein für die Durchführung der Arbeit glücklicher Umstand: Die Anlage stand nach dem Tod Das Hofgebäude des Kobisenhefes in Oberkirnach wird um 1450 das erste Mal erwähnt. 274

Kobisenhof Oberkimach der letzten Bewohnerin leer, war dadurch und durch die Kooperationsbereitschaft der St. Georgener Stadtverwaltung als Studien­ objekt zugänglich. Die Hofstelle findet laut der Chronik von Oberkirnach um 1450 ihre erste Erwäh­ nung.4 Spuren im Gelände deuten darauf hin, daß das Ensemble nicht immer in der heutigen Form baulich organisiert war. Das eigentliche Hofgebäude hat seinen Standort geändert, möglicherweise wurde auch der Speicher verändert oder versetzt. Ebenso stand die Mühle nicht immer an der heuti­ gen Stelle. Auch muß einmal ein Leibgedinghaus vor­ handen gewesen sein. In den „St. Geörgi­ schen Contract- und Amtsprotokollen“ wird am 2. Mai 1614 der Verkauf eines sol­ chen Hauses beschrieben. 5 Der uns heute etwas unverständlich an­ mutende Hofname entstand wohl erst im letzten Jahrhundert. Der lokalen Überliefe­ rung zufolge handelt es sich dabei um eine umgangssprachliche Abwandlung der Be­ zeichnung „Tobiassenhof“, eines Hofna­ mens also, der auf den Namen des Besitzers zurückging. Der Hof steht mit seiner Firstlinie in Rich- · tung der Fallinie an einem Südwesthang. Es ist ein zweigeschossiger Bau mit massiv um­ faßtem Erdgeschoß und weitgehend hölzer­ nem Obergeschoß. Der talseitige Wohnteil ist unterkellert. Das Dach ist tal- und berg­ seitig je mit einem Zweidrittelwalm verse­ hen. Der Keller, der durch eine Treppe vom Hausgang aus erschlossen wird, besteht aus zwei Räumen, einem größeren zur Ein­ gangsseite hin und einem kleineren im Be­ reich der hinteren Stube. Beide sind ton­ nengewölbt. Der kleinere, hintere Keller, zeigt Hinwei­ se darauf, daß es sich dabei um den wieder­ verwendeten Rest eines einst bestehenden Gebäudes handelt. Möglicherweise haben wir es hier mit dem Sockel des oben er- Längsschnitt durch den Kobisenhof in seiner jetzigen Erscheinung. 275

Kobisenhof Oberkim eh wähnten ehemaligen Leibgedinghauses zu tun. Das Erdgeschoß ist in drei Bereiche geglie­ dert: Zum Tal liegt der dreiraumtiefe Wohn­ teil mit Stube, Küche und hinterer oder Leibgedingstube. Zum Berg hin ist der Stall angeordnet. Der durchbindende Hausgang trennt diese beiden Bereiche. In der Verlän­ gerung des Hausgangs liegen der Abtritt und die Schweineställe. Im Obergeschoß befindet sich über der Stube die Stubenkammer, der Schlafraum der Bauernfamilie, über der Leibgedingstu­ be die Leibgedingkammer, der Schlafraum der Altenteiler. Eine weitere Kammer liegt über einem Teil der Küche. Drei Gesinde­ kammern sind über dem Stall auf der Ein­ gangsseite angeordnet. Zwei dieser Räume waren einst nur von außen, über den „Gang“ zu erreichen. Der Heustock nimmt den verbleibenden Teil des Obergeschosses über dem Stall ein. Der Dachraum, über die Hocheinfahrt er­ schlossen, ist in drei Nutzebenen aufgeteilt. Die beiden oberen Ebenen dienten zum La­ gern vom Stroh, die mittlere auch zum Nachtrocknen von Getreide. Kobisenhof eine Mischkonstruktion Der Kobisenhof ist als Mischkonstruktion errichtet: Die Außenmauern des Erdge­ schosses sind massiv. In seinem Inneren ist die Küche als einziger Raum ebenfalls mas­ siv umfaßt. Desweiteren finden sich neben hölzernen, sogenannten Ständerbohlen­ wänden auch Wände in Fachwerkkonstruk­ tion. Das Obergeschoß ist weitgehend in der tra­ ditionellen Ständerbohlenkonstruktion er­ richtet. Hier sind die Wände um das Rauch­ fanggewölbe, sowie der Außenwandab­ schnitt über der Küche als Fachwerkkon­ struktion ausgebildet. Das Dach besteht aus drei übereinander angeordneten liegenden Stühlen, das heißt, es sind keine senkrecht stehenden, tragen- 276 den Stützen vorhanden. Das Gebäude ist geschoßweise oder, wie der Schwarzwälder sagt, kistenweise abgebunden. Das bedeutet, daß die Geschosse jeweils unabhängig von­ einander gezimmert sind. Sie sind wie ein­ zelne Kisten übereinander „gestapelt“. Die beschriebene Art der Mischkonstruk­ tion mag zuerst verwundern: ist doch der Schwarzwald als ein Gebiet kunstvoll ge­ zimmerter Holzbauten bekannt. Beim ge­ naueren Hinsehen erkennt man jedoch, daß es sich bei dieser Art des Kombinierens ein­ zelner Konstruktionen nicht um einen be­ liebigen Vorgang handelt. Im Erdgeschoß erscheinen die Fachwerk­ wände jeweils als die ergänzende vierte Wand der ansonsten massiv umschlossenen Stube und Leibgedingstube, also der Räume mit den Kachelöfen. Die Fachwerkwände mit ihrer schweren Bruchsteinausfachung zeigen hier ein ähnliches thermisches Ver­ halten wie die Massivwände. Sie ermögli­ chen damit auch auf der vierten Raumseite eine Wärmespeicherung und verzögerte Wiederabgabe beim Erkalten der Öfen. Damit waren die Fachwerkwände an dieser Stelle das gegebene Mittel: Sie bieten die ge­ wünschte Eigenschaft, sind aber einfacher und schneller zu errichten als massive Bruchsteinmauern. Dieser differenzierte Umgang mit ver­ schiedenen baulichen Mitteln war den Schwarzwälder Handwerkern aus der Bau­ tradition vertraut. Auch die so einheitlich wirkenden Holzbauten sind im Detail durchaus vielgestaltig durchgebildet. So kennen zum Beispiel die Ständerbohlen­ wände verschiedene Füllungen. Je nach Zweck und Lage im Haus wurde eine geeig­ nete Konstruktionsart unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gewählt: Im Obergeschoß des Hofs finden sich in der dem Wetter zugewandten Südwestwand stärkere Bohlen als sonst im Haus. Die Boh­ lenfelder der Wände des Heustocks sind der­ gestalt gezimmert, daß sie dem Druck des eingelagerten Heus standhalten können.

Der Wuschaftsteil des Kobisenhofs baut auf einem Grundraster von circa 4 mal 4 Metern auf, ein Maß, das auch heute noch im konventionellen Holzbau als wirtschaft­ lich gilt. Desweiteren folgt das Gebäude den Regeln des konstruktiven Holzschutzes: So vermindert die über dem Hauskörper talsei­ tig auskragende Dachkonstruktion die Be­ witterung der darunter liegenden Haus­ wand. Der zwischen Heustock und anstehendem Berg eingeschobene Reiswellenschopf, ein nach beiden Längsseiten des Hauses hin of­ fener Raum, gewährleistet eine gute Durch­ lüftung und schützt das Holzwerk des Obergeschosses vor der Nässe des Hangs. Lebendige Bautradition In diesem Haus ist die Bautradition durch­ aus lebendig, sie wird aber mit den erweiter­ ten Mitteln des 19. Jahrhunderts umgesetzt. Auch ging die formale Entwicklung der Ar­ chitektur in der Zeit seiner Entstehung am Kobisenhof nicht vorüber. Das Erdgeschoß weist eine lichte Höhe von 2,20 Metern auf Das erscheint uns heute nicht gerade sehr hoch. Bedenkt man aber, daß bei älteren Bauten die Raumhöhe meist nur zwischen circa 1,90 und 2,00 Metern betrug, so mag man die Erdgeschoßhöhe des Kobisenhofs als geradezu stattlich bezeichnen. Eine Erklärung dieser Höhe kann darin lie­ gen, daß der Hof einer der reichsten der Ge­ meinde war. Dieser Reichtum sollte ver­ mutlich mit dem Neubau auch dokumen­ tiert werden. Die Entscheidung für diese große Raum­ höhe des Erdgeschosses und die Ausführung dessen im Mauerwerk, verlangte dann auch die hochrechteckig – stehende Befensterung mit relativ großen Einzelfenstern, ein Mo­ tiv, das uns aus der städtischen Architektur des neunzehnten Jahrhunderts vertraut ist. Die Rauchküche jedoch verläßt die Bau­ tradition. Um die Unterschiede zu erläu­ tern, soll an dieser Stelle die ursprüngliche Landwirtschaft und bäuerliche Lehen Funktion einer schornsteinlosen Küche um­ rissen werden. Meist diente ein aus Weidengeflecht und Lehm gebildetes Rauchgewölbe, das „Gwölm“, wie es im Bereich um St. Georgen heißt, dazu, den Rauch, der aus Herd und Kachelofen tritt und nach oben steigt, ab­ zukühlen und eventuelle Funken unschäd­ lich zu machen. Der Rauch quoll dann wieder unter dem Rauchgewölbe hervor, stieg durch die in der zweigeschossigen Küche aufgehängten Räu­ cherwaren nach oben und entwich durch die Außenwand bzw. durch den Boden des Dachs in den Dachraum und dann durch das Dach nach außen. So konnte das Feuer zum einen keinen Schaden anrichten, zum anderen wurde die Energie optimal ausge­ nutzt. Bei seinem Aufstieg durchs Haus er­ wärmte der Rauch den Dachraum, was die Entstehung eines thermischen Auftriebs zur Folge hatte. Dieser sorgte für die Durchlüf­ tung des Gebäudes. Die feuchte Stalluft vermischte sich mit der erwärmten Luft im Dachraum, damit konnten so gut wie keine Kondensations­ schäden auftreten. Daneben wurde das Ge­ bäude durch den Rauch gegen Schädlings­ befall und leichte Entzündbarkeit impräg­ niert. Mußte im Herbst das Getreide unreif eingebracht werden, gab es die Möglichkeit, einzelne Bretter der Küchendecke zu entfer­ nen und die Garben, also die Getreidebün­ del, oberhalb der Küche zum Trocknen auf­ zustellen. Die Rauchküche des Kobisenhofs bietet diese Möglichkeiten nicht mehr. Zwar ist ein Rauchgewölbe existent, auf diesem sitzt je­ doch ein Schornstein auf, der den Rauch so­ fort ins Freie leitet. Es ist massiv ausgeführt, um die Last des Schornsteins aufuehmen zu können. Für das Gebäude bedeutet ein sol­ cher Schornstein eine wenig Nutzen brin­ gende Einrichtung: Die zuvor genannten Vorteile der schornsteinlosen Feuerung fal­ len weg. Die Konservierung und Austrocknung des 277

Kobiscnhof Oberkimach Gebäudes unterblieb. Schädlinge haben dem Holzwerk dieses Hauses auch tatsäch­ lich schwer zugesetzt. Die Schädigungen durch die Kondensation der feuchtwarmen Stalluft sind sehr groß. Die Lüftung des Stalls versuchte man deshalb mit einem höl­ zernen Abluftkamin zu verbessern, der ebenfalls über Dach geführt wurde. Nicht geklärt werden konnte bisher, ob diese Ein­ richtung von Anfang an vorhanden war. Einen deutlichen Nutzen hat sie jedenfalls nicht gebracht. Der Grundgedanke ist zwar durchaus richtig und fortschrittlich: Der Stall wird separat entlüftet. Bewährt hat sich dieses Abluftkamin hier jedoch nicht. Auf­ grund falsch bemessener Q!ierschnitte zieht das Kamin nicht. Man kann abschließend sagen, daß die Rauchküche des Räucherns wegen noch bei­ behalten wurde, ihre Funktionsweise sich aber schon sehr weit von der ursprünglichen entfernt hatte. Die Vielfalt des Nutzens wur­ de vor allem von behördlicher Seite nicht mehr erkannt. Man hielt diese Art der Feue­ rung sogar für außerordentlich schädlich. Ei­ nerseits wurden für den Menschen gesund­ heitliche Risiken gesehen, und andererseits schätzte man die Brandgefahr, die von der schornsteinlosen Feuerung ausging, falsch ein: Es ist kein Fall überliefert, bei dem die schornsteinlose Feuerung zum Brand ge­ führt hätte. Die Brände häuften sich jedoch nach der Einführung der Schornsteine. Diese Brände konnten verschiedene Ursa­ chen haben: Lange Zeit blieb das Problem des Einfügens eines starren Schornsteins in einen beweglichen Holzbau ungelöst. Schä­ den wie Risse oder gar abgescherte Schorn­ steine waren nicht selten. Aber auch ein falsches Bemessen des Schornsteinquer­ schnitts konnte böse Folgen haben: Bei der Beheizung der Öfen mit Reiswellen werden binnen kurzer Zeit große Rauchgasmengen freigesetzt. Ist der Q!ierschnitt zu klein, kann der Schornstein bersten. Eine weitere Ursache war bisweilen der Ka­ mineffekt. Bei starkem Zug konnten Funken 278 durch den Schornstein nach oben gezogen werden, die dann möglicherweise auf die Dachfläche aus Holz oder Stroh zurückfie­ len. Nach dieser ausschnittsweisen Darstellung der Untersuchungsergebnisse zum Hofge­ bäude soll nun der Speicher, der vermutlich älteste Teil des Ensembles, porträtiert wer­ den. Speicher war wichtigstes Gebäude Der Speicher, der als ehedem wichtigstes Gebäude des Hofs den Kornvorrat zum ei­ nen als Nahrung und zum anderen als Saat­ gut barg, steht in sicherer Entfernung zum Haupthaus, jedoch von diesem aus gut kon­ trollierbar. Durch dieses Abrücken wollte man den Speicher mit seinem Inhalt im Fal­ le eines Brands des Hauptgebäudes schüt­ zen. Neben dem Korn zumeist dreier Ernten wurden auch noch andere Dinge im Spei­ cher aufbewahrt: Nahrungsmittel, aber auch Urkunden, Geld und bisweilen selbst die Sonntagskleidung, die man von dem das Haus durchziehenden Rauch fernhalten wollte.6 Betrachtet man den Speicher des Kobisen­ hofs von außen, so erkennt man einen recht kompakten Bau, der sich aus einem massi­ ven Sockel und einem verschalten Aufbau zusammensetzt. Was in diesem kleinen Ge­ bäude steckt, brachte erst die Bauaufnahme und deren Auswertung ans Licht. Datieren läßt sich der Speicher ohne dendrochrono­ logische u ntersuchung a ahresringdatierung der verbauten Hölzer) nicht. Diese Bauwer­ ke scheinen über eine offensichtlich lange Zeit beinahe unverändert entstanden zu sem. Daß der Kobisenhof schon früher einen Speicher besaß, läßt sich belegen. Ein Do­ kument vom 19. Juni 1654 listet bei den da­ mals durchgeführten Renovierungsarbeiten auch folgenden Posten auf: ,,Im Speicher ( … ) eine neue Schwelle legen. Wozu 5 Falz-

dielen verbraucht worden, … “ 7 Offen bleibt, wie der damalige Speicher ausgesehen ha­ ben mag und ob der Bau in Teilen so weit zurückreicht. Der Unterbau des heutigen Speichers ist massiv ausgeführt. Das Obergeschoß, der ei­ gentliche Fruchtkasten, besteht ausschließ­ lich aus Holz. Es beinhaltet zwei Reihen Komschütten, die links und rechts des mit­ tigen Gangs angeordnet sind, sowie eine da­ zu quergelagerte Schütte an der Rückwand. Dieser Fruchtkasten weist einen fünfecki­ gen Q!lerschnitt auf. Konstruktiv läßt sich dieser Teil des Baus dem Blockbau zuord­ nen, jedoch kommen Blockhölzer im ei­ gentlichen Sinne nicht vor. Vielmehr sind es Bohlen, die in der Art des Blockhaus mit­ einander verzimmert sind. Das Dach, heute mit Ziegeln gedeckt, war ursprünglich mit Schindeln belegt. Bemer­ kenswert beim Dach ist seine konstruktive Durchbildung: Es ist zweischichtig ausge­ bildet, um den Inhalt des Speichers zum Landwirtschaft-und bäuerli h Leben Beispiel vor Flugschnee optimal zu schüt­ zen. So wird der Fruchtkasten zuerst durch ein Unterdach aus Dielen abgeschlossen. Erst darauf folgen die Sparren mit der Dach­ deckung. Doch nicht nur vor den Einflüssen der Witterung galt es die Vorräte zu schützen. Ein weiteres Problem bei der Lagerung von Korn sind Mäuse und andere Nager. So versuchte man, Fugen nach Möglich­ keit zu vermeiden bzw. unvermeidbare Fu­ gen so dicht wie möglich auszubilden. Die Türe des Speichers wurde so gezimmert, daß auch ein Schwinden des Holzes nicht zu of­ fenen Fugen führte.8 Mit den beschriebenen Methoden ist der Inhalt des Speichers nun gegen Wetterein­ flüsse und Tiere geschützt. Jetzt galt es, un­ befugten Zugriff zu verhindern. Dazu dien­ ten im wesentlichen zwei Mittel: Zum einen wurde die Türe des Speichers durch ausge­ klügelte Verschlußmechanismen gesichert, zum anderen schuf man sich eine Art von Das Speichergebäude des Kobisenhofts, rechts ein Querschnitt durch das Gebäude. 279

Kobisenhof Oberkiroach Speicher werden immer seltener Geheimfach, eine sogenannte „Kalt“. Dieses Geheimfach bestand in einer aufgedoppel­ ten Giebelwand. Das heißt, man setzte in rund 50 cm Abstand innen vor die dem Ein­ gang gegenüber gelegene Giebelwand eine zweite Wand. Erschlossen wurde dieses Ge­ laß durch eine drehbare Klappe, die tief in der angrenzenden Komschütte lag und da­ mit durch das eingelagerte Getreide verbor­ gen war. Der Speicher des Kobisenhofs zeigt noch deutlich die Spuren dieser doppelten Wand. Die innere Wand selbst wurde nach ihrem Abbau zur heutigen zweiten, jüngeren Komschüttenreihe verbaut. Eine weitere Erkenntnis der Untersuchung des Speichers war, daß der massive Unter­ bau nicht der ursprüngliche sein kann. Bau­ spuren deuten darauf hin, daß einmal ein ebenfalls hölzerner Unterbau vorhanden war. Denkbar ist an dieser Stelle eine zweite Blockkiste. Es gibt Beispiele, bei denen die­ se ebenfalls Komschütten hatte, aber auch solche, bei denen dieser Raum nicht weiter unterteilt war. Der erhaltene Fruchtkasten des Kobisen­ hofs zeigt eine bemerkenswert qualitätvolle Zimmermannsarbeit. Der gute Erhaltungs­ zustand geht auch auf die dargestellte Opti­ mierung der Wettersicherheit des Gebäudes zurück. Die Speicher stellen eine immer rarer wer­ dende Baugattung im Schwarzwald dar. Das Liegt daran, daß sie oft nicht mehr benötigt werden und eine Umnutzung durch ihre „Spezialisiertheit“ sehr schwierig ist. So kommt der Dokumentation dieser Bauten eine wachsende Bedeutung zu. Der Kobisenhof ist mittlerweile verkauft und wieder bewirtschaftet. Er wird mit ver­ minderter Fläche im Nebenerwerb geführt. Die Besitzer betreiben Muttertierhaltung, züchten also Rinder. Es ist erfreulich, daß der Hof wieder landwirtschaftlich genutzt 280 wird, denn nur durch die Nutzung ist auch der Erhalt wirklich gesichert. Diese Neunutzung stellt selbstverständlich auch neue Anforderungen an die alten Ge­ bäude. Wir Bauhistoriker hoffen, daß wir durch das Aufzeigen baulicher Entwicklun­ gen und Besonderheiten einen Beitrag zu ei­ ner Würdigung und zu einem denkmalver­ träglichen Umgang mit historischen Bau­ formen leisten können. StefanBlum Fußnoten: 1) Siehe Almanach 1998, S. 310-314 2) Das Institut wird von Herrn Dr.-Ing. Wulf Schir­ mer geleitet. Für das Projekt war Stefan Blum ver­ antwortlich. Insgesamt waren 33 Studierende betei­ ligt. Ihnen sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Das Hauptgebäude und der Speicher wurden im Maßstab 1 : 25 verformungsgetreu aufgenommen. 3) Hermann Preiser in: Chronik von Oberkimach, VtlJingen 1987, S. 53. 4) ebenda 5) GLA KA Abt. 229/53259. Herrn Claus Stockbur­ ger, Heiningen, sei an dieser Stelle für die Auswer­ tung der Akten im Generallandesarchiv Karlsruhe gedankt. 6) Siehe Hermann Schilli: Das Schwarzwaldhaus, Stuttgart 1953, S. 217 f. 7) GLA KA Abt. 61/15606 8) Siehe Hermann Schilli: Das Schwarzwaldhaus, Stuttgart 1953, S. 224 ff.

Landwirts haft und bäuerlich Leben Familie Borho produziert und vermarktet auf dem Weißkopfenhof biologische Produkte Käse und Fleisch frisch vom Bauern Christian Borho sitzt mir in der Küche des Weißkopfenhofs bei Hammereisenbach ge­ genüber, am Herd kauern zwei Katzen, der Hofhund streift schnuppernd um den Tisch herum. Mit schwarzem Vollbart und strah­ lenden Augen bietet der Mann für Außen­ stehende einen Anblick, wie er für einen Landwirt, der sich der biologischen Produk­ tion verschrieben hat, passender nicht sein kann. Doch der Schein des allseits zufriede­ nen Öko-Bauern trügt, die Realität sieht oft anders aus. „Meine Frau Helga und ich be­ wirtschaften den Hof bereits seit zwölf Jah­ ren.“ Die Zeit war nicht immer einfach, bes­ ser gesagt, es war nie ein Kinderspiel für die beiden Borhos. Aus Liebe zur Natur und aus Idealismus starteten sie damals aus dem ei­ nigermaßen gesicherten Dasein eines Land- schaftsgartenbetriebs in die ungewisse Zu­ kunft der Landwirtschaft. Von vielen belä­ chelt, setzten sie den Schwerpunkt der Vieh­ haltung schon bald auf Ziegen. ,,Mir ist es egal, wenn man mich den Ziegen-Peter nennt“, zeigt Christian Borho Humor, wenn flapsige Bemerkungen fallen. Die Borhos behielten trotz vieler Unken­ rufe Recht, der Käsetrend geht hin zur Zie­ ge, zumindest unter Feinschmeckern. Der Genuß von Ziegenkäse gilt beinahe als un­ erreicht, „auch wenn wir uns vom Verkauf unserer biologisch erzeugten Ware keine ‚Goldene Nase‘ verdienen können“. Mit dem Leben und Arbeiten auf einem alten Schwarzwaldhof erfüllte sich der Vtllinger vor einem Dutzend Jahre einen lang geheg­ ten Kindheitswunsch. Sein Vater habe eine Der Weißkopfenhof in Hammereisenbach. 281

Weißkopfenhof Hammereisenbach ausgebaute Mühle besessen, in der er in der Jugend so manchen Sommer verbracht ha­ be. Seine Frau Helga stammt von einer klei­ nen Landwirtschaft bei St. Georgen. Aus diesen Wurzeln und auch aus dem Bestre­ ben, aus ihrem Leben etwas anderes zu ma­ chen als viele Zeitgenossen, zieht die Fami­ lie ihre Kraft, das harte landwirtschaftliche Leben auf sich zu nehmen. Rund 70 Ziegen und acht Kühe beherbergt der Weißkopfenhof, der sich an den Fuß der Burgruine an der Abzweigung des Bregtals in Richtung Hammereisenbach schmiegt. Früher hatte die Familie auch noch Schafe, »iedoch ist es besser, sich auf das Wesentli­ che zu konzentrieren“, streift Christian Bor­ ho die Entwicklung. Ein 12 bis 14 Stunden­ Tag ist in der Familie, zu der noch sechs Kin­ der zählen, kein Fremdwort. Da der Hof die Borhos nicht allein ernähren und finanziell absichern kann, gehen die Eltern seit zwei Jahren auch wieder dem Landschaftsgarten­ bau nach. Um sechs Uhr ruft die Arbeit in der Landwirtschaft, um neun Uhr sind die Tiere und die Kinder soweit versorgt, daß sich Christian und Helga Borho an den All­ tag im Gartenbau heranmachen können. Abends ist dann wieder der Hof angesagt. Und wenn es schließlich ans Käsemachen geht, ,,dann kommt es schon mal vor, daß wir erst gegen ein Uhr in der Frühe ins Bett kommen“. Bis zu 20 Sorten haben die Land­ wirte im Programm: Camembert, Frisch­ und Bergkäse, Variationen mit verschiede­ nen Kräutern und Gewürzen. Ihr W issen um die Käserei erweitern die beiden Ideali­ sten auf Lehrgängen des Käsereiverbandes. Christian Borho erzählt, er sei schon im All­ gäu, in Frankreich und der Schweiz, den klassischen Käseproduktionsgebieten, un­ terwegs gewesen, um sich weiterzubilden. Selbst während des einwöchigen Urlaubs, den sie sich ein- oder zweimal im Jahr gön­ nen, weilen sie meist im französischen Nachbarland, ,,wo ich Ziegenkäse en masse esse“, flachst der Landwirt. Bild links: Der Frischkäse wird abgeschöpft. Rechts: Die Produkte des Hofes werden direkt vermarktet. 282

L ndwirtschaft und bäuerlich Leben Eine Familie zwischen hartem Arbeitsalltag und glücklichem Landleben: Christian und Helga Borho mit ihren Kindern. Die Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte des Weißkopfenhofs, außer Käse sind dies auch Wurst und geräucherte Fleischwaren, läuft in der Hauptsache über den Bauernladen, der direkt neben dem Stall eingerichtet wurde. ,,Unsere Kund­ schaft entspricht wohl eher nicht den land­ läufigen Vorstellungen“, erläutert die 35jäh­ rige Helga Borho, die inzwischen die Arbeit ihres Mannes im Stall noch zu Ende ge­ bracht und am Küchentisch Platz genom­ men hat. Es seien eher Touristen und einfa­ che Stammkunden, weniger die Öko-Szene, wie man meinen könnte, die den Weg nach Hammereisenbach finden. Auch die Kund­ schaft aus dem nahegelegenen Ort halte sich eher in Grenzen. Lichtblicke zeigen sich hier in der Warenabnahme durch die Gastwirt­ schaft „Felsen“. Mit benachbarten Edel-Ga­ stronomiebetrieben wie dem Vöhrenbacher „Engel“ oder dem Triberger „Wehrle“ stehe man schon seit einigen Jahren in geschäftli­ chen Beziehungen. Die Produkte „Made in Hammereisenbach“ sind in der Feinschmek­ kerwelt seit langem beliebt. In Gourmet- Zeitschriften, wie etwa „Der Feinschmek­ ker“, findet man den landwirtschaftlichen Hof ebenso vermerkt wie in speziellen Büchern, zum Beispiel in „Die Route der Genüsse. Die besten Tips für Feinschmecker in Deutschland“ von Susanne Hassenkamp. Verdient haben sich die Borhos dies auf je­ den Fall. Die Ansprüche an das Äußere der Ware seien in den vergangenen Jahren ne­ ben der Q!ialität stark gestiegen, diesem Trend sei man gefolgt. Abgesetzt werden könnten nur noch auch optisch einwand­ freie Produkte, erläutert Christian Borho die Entwicklung. Der harte Arbeitsalltag scheint weniger das Problem der Landwirtschaft zu sein. Die Bürokratie fresse ein Viertel der Arbeitszeit, stöhnt der 39jährige zwischen zwei Schluck Kaffee in der Küche des Hofs. Seine Frau Helga bestätigt dies mit einem Kopfnicken. Beinahe jeder Handgriff müsse schriftlich festgehalten und nachvollziehbar sein. Sau­ berkeit beim Käsemachen sei das höchste Gebot, werde durch den Wirtschaftskon­ trolldienst genau überwacht. Zudem plage 283

Landwirtsd1aft und bäuerliches-Leben die allgemeine Entwicklung in der Land­ wirtschaft: der niedrige Milchpreis, die Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen. Rund 15 Hektar Weide- und Grasland ha­ ben die Borhos in der Bewirtschaftung, zum Teil zum Hof gehörend, zum Teil gepachtet. Sie machen es sich selbst nicht gerade ein­ fach, dem Vieh werde kein Kraftfutter zuge­ füttert, ,,das saftige Gras des Schwarzwalds gibt dem Käse das typische Aroma“. Das in seinen ältesten Bereichen mehr als 400 Jahre alte Hofgebäude gehört dem Land Baden-Württemberg. Früher habe es Wald­ arbeiter beherbergt, die nicht allzu viel Grund und Boden zur Bewirtschaftung benötigt hätten, so Borho. Der ehemals zum Hof gehörende Wald sei in der Bewirt­ schaftung durch die Landesforstverwaltung. Die Landesverwaltung habe vor Jahren beim Einzug der Familie in den Stallbereich des Hofes investiert. Im Laufe der Zeit sei die Fa­ milie gewachsen, die Verwaltung habe sich jedoch bei der Modernisierung des Wohn­ teils zurückgehalten, bedauert er. Ohne Ein­ willigung der Verwaltung dürfe man in dem denkmalgeschützten Haus ohnehin nichts machen. Ob sie nach all den schwierigen Jahren auf­ hören wollen? Es folgt kein klares „Nein“, aber auch kein ,Ja“. ,,Wir machen weiter, so­ lange es uns gefällt“, zeigt sich Christian Borho, von Freunden „Krischan“ genannt, trotzdem zielsicher. Der Hof sei ihnen mitt­ lerweile ein Stück Heimat geworden, nicht nur den beiden Erwachsenen. Auch den Kindern wollen sie eine schöne Kindheit schenken. ,,Unsere Große hat erst neulich gemeint, daß es wunderschön gewesen sei, die vergangenen Jahre. Auch wenn sie auf ei­ niges habe verzichten müssen.“ Stefan Limberger-Andris Recherchen zu einem alten Bauernhaus Ein Hof zwischen Triberg und Schönwald soll angeblich 900 Jahre alt sein Es ist sicher etwas Wahres daran, wenn ge­ legentlich behauptet wird, das Schwarzwäl­ der Bauernhaus – ein „Einhaus“, in dem Menschen und Tiere unter einem Dach le­ ben, – sei das bedeutendste Werk der Schwarzwälder Volkskunst. Dennoch sind die behäbigen und so heimelig wirkenden Schwarzwälder Bauernhäuser Zweckbauten. Die Wäldler planten kein Kunstwerk, als sie ihr Haus errichteten, sondern ein wetterfe­ stes Gebäude, in dem sie, ihr Vieh, ihre Vorräte und ihr Werkzeug Unterschlupffan­ den. Die riesigen Walmdächer waren und sind in der Form erforderlich, in der sie über die Geschosse gestülpt sind. Auch die Häu­ ser der ärmsten Bewohner des hohen Schwarzwaldes konnten mit keinem ge­ wöhnlichen Dach über ihrer kleinen Behau- sung auskommen; die Windstöße und der Schnee hätten sie obdachlos gemacht. Das typische Schwarzwaldhaus gibt es je­ doch nicht. Je nach Verbreitungsgebiet spricht man von Gutacher, Kinzigtäler, ver­ einfachten Kinzigtäler Häusern, von Hei­ denhäusern, Schauinslandhäusern, von Zar­ tener Häusern und Hotzenhäusern. Beson­ ders in den Randzonen der Verbreitungsge­ biete dieser Häuser sind sogenannte Misch­ formen zu finden. Viele alte Häuser, sogenannte Gewerbegüter – auch als „Ge­ werb“ bezeichnet- oder auch „Libdinghäu­ ser“, wurden in einer Mischform errichtet. Dies gilt auch für das auf einer Postkarte aus der Zeit um 1900 abgebildete Bauernhaus (Abb.1). Obwohl das so malerische Haus ein beachtliches Alter vermuten läßt, er- 284

scheint die Angabe des Alters mit 900 Jah­ ren doch als sehr überhöht und mehr als fragwürdig. Da die Postkarte aufgrund ihrer postalischen Ausführung der Zeit um 1900 zuzuordnen ist, müßte das Haus -wenn die Altersangabe richtig wäre -um die letzte Jahrtausendwende erbaut worden sein. Das ist schon insofern unglaubwürdig, als die der Konstruktion nach ältesten typischen Schwarzwaldhäuser in der Triberger Umge­ bung Heidenhäuser (Wohnteil zum Berg, Stall zum Tal) sind und die in diesem Bau­ typ heute noch erhaltenen Häuser um 1600 erbaut wurden. Als Beispiel können der ,,Reinertonishof“ in Schönwald von 1619, der „Schwarzbauernhof“ im Katzensteig von 1580, der ebenfalls hier erbaute „Hip­ penseppenhof“ von 1599 (heute Freilicht­ museum „Vogtsbauernhof“ in Gutach) und der „Ober-Gschwendhof“ bei Gütenbach, der erstmalig in einem Protokoll des Ding­ gerichts aus dem Jahre 1504 erwähnt wird, angeführt werden. Triberg. chwarzwälder Bauern hau·, 900 Jahre all. Schwarzwälder Bauernbau Viele Fragen drängen sich auf Auf welcher Gemarkung stand oder steht das Haus? Wie wurde es eventuell zerstört? Läßt sich die Reihe der Besitzer eruieren? War es ein „Lib­ ding“, ein „Gewerb“ oder ein kleines Hof­ gut? Die wichtigste Frage aber: Warum soll gerade dieses Haus, in dessen Umgebung die ältesten Häuser, von 1900 an zurückge­ rechnet, gerade mal 300 Jahre, keinesfalls aber 400 Jahre alt sind, ausgerechnet dreimal älter sein? Da dem Verfasser mehrere Bild­ postkarten vorlagen -jeweils mit demselben Haus und dem Aufdruck „900 Jahre alt“ – ging er davon aus, daß dieses Haus in Tri­ berg bekannt sei, ältere Einwohner der Um­ gebung Tribergs weiterhelfen könnten? Die Recherchen dieser Art können zu reizvollen Abenteuern werden und zu vielen interes­ santen Bekanntschaften führen. Aber zu­ nächst einmal fand sich niemand, der mit dieser Ansichtskarte hätte etwas anfangen können. Der Hinweis eines Triberger Post­ kartensammlers auf die „Obere Adelheid“ Abb. 1: Postkarte aus der Z,eit um 1900 mit einem alten Triberger Bauernhaus. Es wird bezweifelt, daß das abgebildete Haus – wie auf die Karte aufgedruckt- ,,900 Jahre alt“ ist. 285

Landwirt chaft und bäuerlich Leben SCHWfRZWfLDMflJS lJl:>cRM WfSSE“RffLL l:>E’I TRll:>E’RG „D1c:: OBc::Rc:: IIDC::LHC::ID“ Abb. 2: Postkarte aus der :ZCit um 1915 mil einem alten Schwarzwaldhaus in der Nähe des Hauses, das die Abbildung 1 zeigt. Dieses Haus – die sogenannte „Obere Adelheid“ – wurde im fahre 1731 erbaut. (Abb. 2, Foto um 1915) half zunächst nicht weiter. Denn auch dort war dieses abgebil­ dete Haus (Abb.l) nicht bekannt. Doch die Wege der Forschung sind manch­ mal auch Umwege. Auf einer Düsseldorfer Postkartenbörse tauchte eine handkolorier­ te Postkarte aus der Zeit kurz nach 1900 auf mit dem Gasthof „Über’m Wasserfall“ als Mittelpunkt (Abb. 3). Von den beiden im Hintergrund zu sehenden Häusern ließ sich mit Hilfe einer Lupe eines als das auf Ab­ bildung 1 identifizieren. Jetzt schaltete der Verfasser den „Schwarzwälder Boten“ ein, der die Bilder veröffentlichte, um eine Re­ aktion aus der Leserschaft zu erwirken. Eine ältere Triberger Bürgerin, die nach Villin­ gen-Schwenningen übersiedelte, glaubte dieses Haus auf dem Rohrhardsberg lokali­ sieren zu können. Drei Brüder hätten es be­ wohnt, der überlebende Bruder habe es „durch Feuer vernichtet“. Ein Irrweg. Paul Löffler, Adelheid, wußte, daß sein Großva- ter aus dem Prisental in Schönwald das in Frage stehende Haus etwa 1910 gekauft ha­ be. Es sei damals von drei Parteien bewohnt gewesen und im Februar 1915 oder 1916 ab­ gebrannt. Der Großvater, Soldat im Ersten Weltkrieg im Elsaß, erhielt für den Wieder­ aufbau Urlaub. Noch im Sommer des Brandjahres entstand das neue Haus (Abb. 2, Adelheid in Triberg). Dokumente über das Alter des ursprünglichen Hauses haben sich nicht erhalten, irgendwelche Kenntnis­ se über frühere Bewohner auch nicht. Da die „Adelheid“ in unmittelbarer Nähe der Schönwälder Gemarkung liegt, wurde schließlich auch noch das Heimatge­ schichtsbuch von Schönwald herangezogen. Die Erwartungen wurden zumindest teil­ weise erfüllt. Unter der Beschreibung des 13. Hofes im Wittenbach, dem Haldenma­ thisenhof, wird in einem Unterabschnitt ,,Die Häuslein auf dem Hofgut“ ausgeführt: ,,Bereits 1726 verkauft Jacob Kaltenbach, 286

Besitzer V ( des Haldenmathisenhofs, d. Verf.), dem Thomas Kaiser eine Hofstatt, mit Marken und Lochen ordentlich ausge­ zeichnet, für 53 fl. Es ist der „Waldthomas“ auf der Adelheid. 1782 besitzt sein Sohn Anton bereits ein Gewerb mit 12 Juchert, welches sich 1809 Philipp Kaiser und Anton Hör teilen. 1817 und 1825 besitzen Anton Hör und Joseph Kuner dieses Doppelhaus, das nach Triberg zehntpflichtig ist. Ein Teil des Feldes gehört auch zur Gemarkung Tri­ berg. Es dürfte sich um die „Untere Adel­ heid“ handeln, die vor dem Brand auf der Gemarkungsgrenze stand. Dieselbe soll nach mündlicher Angabe „mitten durchs Haus“ verlaufen sein. Das heutige Haus gehört völlig zu Triberg.“ An anderer Stelle dieses heimatgeschicht­ lichen Werkes schreiben die Verfasser: „Nicht mehr nachzuweisen ist das Alter der Schwarzwälder Bauernbau ,,Unteren Adelheid“, die heute zur Gemar­ kung Triberg gehört. Nach mündlicher Aus­ sage soll dieses Haus vor dem Brand (1915) das „älteste Haus“ weit und breit gewesen sein. Allenfalls könnte dieses Anwesen das­ jenige sein, das 1669 in der Ernteschätzung zwischen Bartlisbauer und Haldenmathi­ senhof mit einer Haferernte von 4 Sestern genannt ist. Einstweilen jedoch läßt sich das Haus nicht vor 1726 zurückverfolgen … “ In dem heimatgeschichtlichen Schönwäl­ der Standardwerk ist übrigens auch nachzu­ lesen, daß das mit „Obere Adelheid“ be­ zeichnete Haus (Abb. 2) im Jahre 1731 er­ baut wurde. Die malerische „Untere Adelheid“ (Abb.l) gibt es nicht mehr. Die zentrale Frage nach dem Alter des Hauses muß unbeantwortet bleiben. Das der Postkarte aus der letzten Jahrhundertwende aufgedruckte Alter von Gasthof u. Pension „Ober’m Wasserfall“ 900 f1. LI. f1. Triberg -„! I·!. Dorer .. . – …;*,2 ……. .:….::-=:;;:�:Sli- Abb. 3: Handkolorierte Postkarte aus der 7.eit um 1900. Zwischen dem Gasthef „Über ‚m Wasserfall“ (zwischenzeitlich abgebrochen) und dem Bauernhaus auf der Höhe (rechts im Bild) ist ein weiteres Anwe­ sen zu erkennen. Dieses Haus – etwa in der Mitte des Bildes – ist bei genauerem Betrachten identisch mit dem alten Bauernhaus in der Abbildung 1. Das Bauernhaus auf der Höhe ist das aef der Abbildung 2 zu sehende Haus. 287

Schwarzwälder Bauemhau 900 Jahren für das alte Triberger Schwarz­ waldhaus (Abb.l) könnte das Ergebnis alter mündlicher Überlieferungen sein. Damit ist das alte Triberger Schwarzwaldhaus ein Stück Triberger Heimatgeschichte gewor­ den, dessen Ursprung nicht mehr vollstän­ dig nachzuvollziehen ist. Heute sind es nur noch die alten Postkarten, die an das schon um die letzte Jahrhundertwende vom Zahn der Zeit ein wenig angenagte und gerade deshalb so malerische alte Haus erinnern. Dieses alte Schwarzwaldhaus war nicht nur ein sehr begehrtes Motiv für eine Vielzahl von Fotografen, sondern auch für Maler, die hier ihrer Passion nachgingen. Die Recher­ chen belegen, daß alte Bild-Postkarten oft­ mals die einzigen noch erhaltenen histori­ schen Dokumente für die regionale Ge­ schichtsforschung sind. Das gilt leider auch für die „Untere Adelheid“ -ein sicher sehr geschichtsträchtiges Triberger Schwarzwald­ haus -auch wenn mit „900 Jahren“ die Al­ tersangabe auf der Postkarte weit überzogen ist. Heinz Nienhaus Literatur: Schnitzer, Ulrich, Schwarzwaldhäuser von gestern für die Landwirtschaft von morgen, Landesdenkmal­ amt Baden-Württemberg, Arbeitsheft 2 (Forschungs­ arbeit am Institut für Orts-, Regional- und Landes­ planung der Universität Karlsruhe, Lehr- und For­ schungsgebiet Planen und Bauen im ländlichen Raum, Prof. Dr. Ing. Ulrich Schnitzer) Stuttgart 1989, ISBN 3-8062- 0567-1. Schilli, Hermann, Schwarzwaldhäuser, überarbeitete und erweiterte Auflage, Karlsruhe 1978, ISBN 3- 7617-0137-3. Bauer, Michael, Malerische Schwarzwaldhöfe – Ge­ schichten um alte Bauernhäuser, Konstanz 1996, ISBN 3-7977-0338-4. Kauß, Dieter, Vogtsbauernhof – Farbiger Führer durch das Schwarzwälder Freilichtmuseum „Vogts­ bauernhof“ in Gutach, Heidelberg-Dielheim 1993, 2. Auflage, ISBN 3-921934-43-5. Dorer, Richard, und Opp, Karl, Schönwald in Ver­ gangenheit und Gegenwart, Horb a. N. 1. Auflage 1986, ISBN 3-89264-049-1. Schwarzwaldhaus bei Triberg Abb.4: Das alte Triberger Schwarzwaldhaus war nicht nur bei Fotografen ein beliebtes Motiv. 288

Architektur, Bauen und Wohnen Der Zinzendorfplatz in Königsfeld Ein Denkmal der Gartenkunst im Wandel der Gesellschaft 20. Kapitel I Almanach 2000 Königsfeld im Schwarzwald – Der Ge­ meindeort ist vielen Mitbürgern in der Re­ gion ein Begriff, nicht nur als Luftkurort mit zahlreichen Fachkliniken oder als Standort eines weitgefächerten Ausbildungsangebo­ tes der »Zinzendorf-Schulen“. Auch seine für die Region untypische Entstehungsge­ schichte als „christliche Kolonie der Herrn­ huter Brüderunität“ wurde schon mehrfach in den verschiedensten Publikationen er­ läutert. Doch interessanterweise handelt es sich dabei meist um Darstellungen bzw. Be­ schreibungen des Gesamtortes oder um die geschichtliche Kurzfassung der baulichen Gesamtentwicklung. Der sogenannte „Zinzendorfplatz“ als zen­ trale Grünfläche im Siedlungskern wird da­ gegen bisher meist stiefmütterlich behan­ delt. Eine Aufarbeitung der Geschichte des Platzes jedoch fehlte bisher. Dabei ist gera­ de dieser eines der interessanten Gestal­ tungselemente früherer „Herrnhuter“ Sied- lungsgründungen des 18.Jahrhunderts. Die­ se Lücke versucht nun eine Diplomarbeit am Fachbereich Grünplanung und Garten­ architektur an der Universität Hannover zu schließen. 1 Sie untersucht intensiv die An­ lage von ihrer Entstehung bis zur heutigen Zeit und vergleicht sie mit neun anderen, davor ausgeführten Neugründungen der Brüdergemeine in Mitteleuropa. Die aus dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse sind, auf den bisherigen Forschungsstand bezogen, einmalig und belegen die beson­ dere Bedeutung der Anlage. Es kann nun ei­ ne Einschätzung des Komplexes in die Ge­ schichte der Gartenkunst und des Städte­ baus erfolgen und dessen Bedeutung für un­ sere heutige Zeit hervorheben. Zusätzlich trägt die Arbeit dazu bei, den Platz in seiner Form und Gestaltung auch für den interessierten Laien verständlich zu machen. Ebenso gibt sie wichtige Anhalts­ punkte für anstehende Pflegemaßnahmen. Königifeld um 1814, in der Mitte der Zinzendoifplatz (entnommen aus „Königifeld 1807-1912′?. 289

Zinzendorfj,latz König feld „Anstaltskinder auf dem Zinzendorjplatz, etwa 1820“ (entnommen aus „Königsfeld 1807-1912 ‚;. Die folgenden Abschnitte beziehen sich auf o. g. Arbeit und geben einen Überblick über die wechselvolle Gestaltung des „Zinzen­ dorfplatzes“. Aus dem Vergleich mit anderen, im 18. Jh. entworfenen und gebauten Siedlungsgrün­ dungen der Brüdergemeine bzw. absoluti­ stischer Herrscher zeigt sich deutlich, daß die vorzufindenden Anlagen alle in ihren Ursprüngen als „Architekturplätze“ geplant wurden. Dies ist aus dem im 18. Jh. domi­ nierenden Gestaltungswillen der Baumeister (u.a. Symmetrie, Schönheit und Proportio­ nen werden beachtet) leicht abzuleiten und trifft auch für den Königsfelder Platz zu, ob­ wohl dieser erst 1807, Jahrzehnte nach der barocken Machtrepräsentation des 18. Jh., geplant und gebaut wird. Die damals wirkenden Architekten verbin­ den in ihrer künstlerischen Kreativität die räumlichen Körper (Gebäude) bewußt und mit aller Umsicht mit dem dazugehörigen Außenraum (Garten). Erhaltengebliebene, 290 prachtvolle Schlösser mit angegliederten Gartenanlagen zeugen noch heute von der damals vorherrschenden hohen Garten­ kunst. Königsfeld macht in seiner Gestaltung des Platzes keine Ausnahme in der Reihe von Neuanlagen, basieren dessen Grundlagen doch auf zwei schon bestehenden Siedlun­ gen aus der ersten (1743 Niesky/Lausitz) und zweiten (1767 Gnadau bei Magdeburg) Gründungsphase der „Herrnhuter Coloni- „en. Vorbilder finden sich zu den verwendeten Grundrissen sowohl in der Antike -hier ist das sog. ,,Hippodamische System“ für die Stadt Thuori bei Sybaris/Süditalien (44 v. Chr.) mit seinem orthogonalen Straßensy­ stem zu nennen -als auch im o.g. barocken, absolutistisch geprägten Städtebau (Versail­ les und Freudenstadt), der die Macht und das Eigenverständnis der Mächtigen in der Architektur widerspiegelt. Besondere Be­ deutung wird wie bei allen Freiflächen auf

Stimmigkeit hinsichtlich der Symmetrie, Schönheit, Bequemlichkeit und Axialität gelegt, um nur einige zu nennen. Diese Grundsätze lassen sich für alle untersuchten Plätze der Zeit in den Archivalien wieder­ finden. Sie spiegeln dabei einen Teil der Grundprinzipien für die Anlage von sog. ,,Parterres“ wider, die im Vorfeld von Herr­ schaftshäusern, Schlössern u.ä. angelegt werden, um die Gebäude in ihrem repräsen­ tativen Charakter zu verstärken. Ebenso deutlich wird bei der Analyse der aufgefundenen, historischen Grundrisse nebst dazugehöriger Planbeschreibung, daß die Plätze immer der alltäglichen Versor­ gung der Bevölkerung – also auch als Markt­ platz – gedient haben. Sie waren somit ein Teil des pulsierenden öffentlichen Lebens in den neuen „Colonien“. Zudem lassen sich auch deutliche Nut­ zungsspuren von privater Seite feststellen. Nicht selten sind die Innenfelder an „Ge­ schwister“ zu deren freien Verfügung ver­ mietet oder dienen als Gemüseanbaufläche den am Platz stehenden „Chorhäusern“. Schließlich dient der „freie“ Platz insbe­ sondere als Repräsentationsfläche. Und zwar nicht im dem Sinne einer Idealstadt­ planung mit Grünanlagen als Erholungs­ raum der Bürger, sondern als „Vorfeld“ des Architektur, Bauen und Wohnen in den brüderlichen Neugründungen wohl wichtigsten Gebäudes, des „Gemeinsaales“ (heute meist „Kirchensaal“ genannt}. Diese Versammlungsstätte der gläubigen „Brüder und Schwestern“ ist als Zentrum einer jeden neuen Siedlung anzusehen und hat damit eine besondere Stellung im städtebaulichen Kontext. Die von Marx ausführlich dargelegte Über­ nahme der baulichen Gestaltung schlesi­ scher Herrschaftshäuser des 17. und 18. Jh. (zumeist auch mit kleinem Dachreiter) und die bisher wenig beachtete Beeinflußung des Brüdergemeinlichen Generalbaumeisters von Gersdorf (1702 – 1777 ) durch Planun­ gen zu Schloß Pillnitz/Sachsen belegen eine Adaption gebräuchlicher Gestaltungsmittel zeitgenössischer Gartenkunst. Die Ausmaße des Platzes werden durch die bauliche Größe und Lage des Saales be­ stimmt, die innere Gestaltung der Fläche verstärkt die Gesamtwirkung. ,,So ist auch der Betsaal optisch konzipiert und auf die Gesamtwirkung komponiert. Die bald nach der Bebauung der Betsäle angelegten An­ pflanzungen davor verweisen den Beschau­ er auf landschaftliche Fernsicht. Dem takti­ schen Abtasten aus der Nähe bietet der Außenbau ebensowenig wie das flächenhaf­ te ornamentlose Innere.“ 2 Und Reiter präzisiert bei seiner Untersu­ chung die Hauptfunk­ tionen des Platzes. ,,Er [der Platz] dient als baulich nicht besetzte Fläche dem Er- und . � … Der spätere Missions­ platz als „�sch-, Bleich-, bzw. Trocken­ platz“. Eine der .frühe­ sten fotographischen Azifnahmen des Platzes (um 1870). 291

Zinzendorfplatz König feld Das Zisternenbecken versorgte die Färberei mit Wasser und war zugleich Feuerlöschbecken. Beleben des Gemeinhauses und der gesam­ ten Ortschaft. Die gartenkünstlerische Ge­ staltung der Plätze und das harmonisch zur Gesamtsituation angelegte Wegekreuz un­ terstreichen diese geplante Wirkung. Zu­ gleich können die Anlagen noch anderen Funktionen (Nutzgarten, Zisterne, Baum­ garten, Wäscheplatz etc.) dienen ( … ). Ein „Zupflanzen“ der Fassaden durch hohe und zahlreiche Bäume am Platz scheint daher nicht vorgesehen zu sein.“ 3 Damit sind die Plätze in ihren einst vorge­ sehenen Funktionen beschrieben. In ihrer von Anfang an geplanten Multifunktiona­ lität als Marktplatz, Grünanlage, Privat­ garten und Repräsentationsfläche für eine ,,Christliche Colonie“ sind die Plätze in ih­ rer Art im deutschsprachigen Siedlungsraum einzigartig. Ähnliche Beispiele in der Stadt­ baugeschichte und der Gartenkunst sind dem Autor bisher für die Zeit des 18. Jh. in dieser Form nicht bekannt. Daher muß de­ ren Bedeutung als regionales und nationales 292 Kulturdenkmal nochmals deutlich hervor­ gehoben werden. Doch wie kommt es allerdings nun zu der heute vorzufindenden Gestaltung des „Zin­ zendorfplatzes“? Der Königsfelder Platz entwickelt sich ana­ log zu den übrigen untersuchten Freifläch­ en, dabei ist seine Entwicklung stark geprägt von den zeitgleich stattfindenden gesell­ schaftlichen Umstrukturierungen. Die dar­ aus resultierenden Entwicklungsstufen wer­ den in den folgenden Abschnitten beschrie­ ben. Königsfeld als Schlußpunkt der Neugrün­ dungen seitens der Brüdergemeine entsteht 1807, zumindest existiert aus diesem Jahr ein Idealplan der Anlage. Doch schon &über machen die Beauftragten der Brüdergemei­ ne vor Ort – Bruder Heiser und Nagel – er­ ste Skizzen und Vorentwürfe zur Gestal­ tung. Sie nehmen die gängige und innerhalb der Gemeinschaft erprobte Planstruktur mit einem freien Platz in der Mitte auf. Aller-

dings scheint die Größe dieser Fläche bei­ nahe doppelt so groß zu sein, als sie später ausgeführt wird. In den Q!iellen wird eine Größe von 422 Schuh angegeben.4 Erst der oben erwähnte und von der Uni­ täts-Aeltesten-Conferenz (U.A. C.) appro­ bierte Idealplan setzt eine Seitenlänge von 240 Schuh ebenso wie die Breite der ansch­ ließenden Straßen (52 Schuh) fest. Im zen­ tralen Archiv der Brüdergemeine in Herrn­ hut findet sich dazu eine Skizze mit hand­ schriftlicher Erläuterung von Johann Gott­ fried Schul(t)z (1734-1819).5 Schulz wurde bislang als Verfasser des Pla­ nes angesehen, dieser Umstand kann aber nach Einsicht der ausgewerteten Q!iellen so nicht bestätigt werden. Er scheint vielmehr als Sachverständiger von der U .A. C. zur Stellungnahme herangezogen, denn von ihm selber existieren keine Vorüberlegun­ gen zu dem neuen Ort, geschweige denn Briefwechsel mit der U.A.C. in Herrnhut, die ihn mit solchen Arbeiten beauftragen. Schulz korrigiert daher eher die schon be­ stehenden Pläne und verläßt sich dabei auf seine Erfahrungen und Studien schon exi­ stierender Gemeinen. Dabei nimmt er die Abmessungen des Platzes und der Straßen­ breite von Gnadau auf, von Niesky die Stel­ lung des Gemeinsaales. Die so entstandene Freifläche wird durch Architekrur, Bauen und Wohnen ein in den Mittelachsen verlaufendes Wege­ kreuz (ebenfalls 52 Schuh breit) in vier gleich große Felder -Parterrefeldern ähnlich – aufgeteilt, die jeweils zur Mitte hin eine kreisförmige Einbuchtung aufweisen. Damit ist der Mittelpunkt der Anlage deutlich her­ vorgehoben. Weitere Angaben werden dazu nicht gemacht. Wichtig ist hierbei die deutliche Axialität und Symmetrie zu er­ wähnen, die den o. g. Gestaltungsvorgaben entspricht. Auch die Realität entspricht dem Ideal­ plan. Zwar werden die einzelnen Felder erst 1813 (also nach Bau des Kirchensaales) durch die Anlage des Wegekreuzes als Ein­ zelflächen sichtbar, doch ihre Nutzung als Grabeland für Gemüseanbau ist schon frü­ her nachgewiesen. Begleitend dazu versuchen die „Geschwi­ ster“, die Anbauflächen gegenüber Viehzeug und Wild durch „lebendige Hecken“ zu schützen, die allerdings zuerst nur als höl­ zernes Staket ausgeführt werden. Auf dem nördlichen Viertel, vor dem „Witwenhaus“, belegen die Archivalien einen „Wasch­ Bleich-Platz“ bzw. einen „Trockenplatz“, auf dem westlichen (späteren sog. ,,Bindsched­ ler-Viertel“) existiert eine Wässerungsgrube für die Holzdeicheln der vorhandenen Orts­ wasserleitung. Wasser fließt auch auf dem Platz. Zeit­ gleich mit den Wegen wird eine öffentliche Wasserstelle in der Platzmitte als Über­ laufbrunnen des Lei­ tungsnetzes errichtet, der den Siedlern als Versorgungsstation dient. Die Kaffeeveranda vor dem Gemeinlogis mit Sitzmöglichkeiten auf der Wiesenjläche, 1894. 293

Zinundorfplatz Königsfeld zum Nahrungser­ werb der Geschwi­ ster. Insgesamt weist der Platz in den ersten J ahrzehn­ ten seines Wer­ dens eine eher ge­ ringe Gestaltung auf, die Gehölze sind klein und überschaubar; der Platz wird durch seine Einfachheit und die umliegen­ den Gebäude do­ miniert. Durch die Zunah- Der Bläserpavillon wurde um 1900 mit einem umlaufenden Rundweg und einer me des Kurbe­ triebes Anfang der Bepjlanzung ergänzt. Die Aufnahme entstand 1923. 1870er Jahre und die Fertigstellung der nahegelegenen Schwarz­ waldbahn im Jahr 1873 steigt die Bedeutung des kleinen Ortes immer mehr. Zunehmen­ de Übernachtungszahlen von Besuchern aus nah und fern sowie die gelegentlichen Visitationen der Landesherrschaft zeugen von dem allgemeinen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad der Gemeine. Auch die Anlage eines Zisternenbeckens entscheidet sich zu dieser Zeit. Dieses dient als Wassersammelbecken für die im angren­ zenden Tal errichtete Färberei (ehemals Mädcheninternat, heute Neubau) in der Bergstraße. Zugleich vermindert die zentra­ le Lage als Feuerlöschbecken die bestehende Gefahr von Feuerbrünsten innerhalb der Ansiedlung. Bepflanzung dominierendes Element Ein weiteres raumbildendes, auch heute noch dominierendes Element stellen die verwendeten Gehölze dar. Ausdrücklich wird bei der Anpflanzung von Hecken um die jeweiligen Felder und um die Zisterne auf die Verwendung von Linden als hecken­ begleitende, akzentuierende Pflanzung hin­ gewiesen. Ein Teil dieser Bäume wird aller­ dings 1850 nach einem Sturmschaden er­ setzt. Weiter vorzufindende und den Platz in der Anfangszeit prägende Gehölzgattun­ gen sind Pyramidenpappeln um die Zister­ ne und die zahlreichen Obstgehölze in den Parterrefeldern. Letztere dienen ebenfalls 294 Miteinhergehend verändert sich die zen­ trale Mitte der Siedlung und trägt in ihrer Gestaltung dem Benutzungsdruck Rech­ nung. Ein erster Rundweg mit angrenzenden Blumenbeeten findet sich bereits 1858 auf dem Viertel vor dem „Gemeinlogis“ (heute ,,Herrnhuter Haus“), ebenso um das Zister­ nenbecken. Allerdings existieren die bishe­ rigen Nutzungen daneben weiter. Durch zunehmenden Bürgerwillen kommt es in der Folgezeit zu weiteren sog. ,,Ver­ schönerungsmaßnahmen“, die Ausdruck des erstarkten Bürgertums sind und sich auf Vereinigungen wie des aus dem „Bürgerver­ ein“ hervorgehenden „Verschönerungsver­ ein“ (1886) begründen. Dieser setzt sich vehement für die weitere

Umgestaltung der anderen Platzviertel ein, um weitere Ruhebereiche für seine Mitglie­ der und auswärtige Besucher sowie anspre­ chende Grünanlagen zu erhalten. ,,Auch wurde der Vorschlag gemacht, gebilligt, so­ wohl zur Verschönerung uns. Platzes, als auch einem oftgefühlten Bedürfuis, beson­ ders hier Besuchender, nach einem schatti­ gen Plätzchen in der Nähe abzuhelfen: Man wolle dem Q!iarre vor dem Gemein Logis ei­ ne dem Springbrunnen = Q!iarre entspre­ chende Gestalt geben; in dem man den Bleichplatz in der Mitte verlegen u. ihm die Form und Größe des Bassins geben, wäh­ rend man den übrigen Raum in Anlagen verwandeln u. die Ecken mit Lauben verzie­ ren könne.“ 6 Die „Geschwister“ nehmen bei der Neuge­ staltung schon existierende Gestaltungsele­ mente (Anlage um Zisternenbecken) auf bzw. ergänzen diese durch weitere Zugaben. So entstehen 1866 auf dem südlichen Vier­ tel kleine hölzerne Pavillons, die als Auf­ führungsort für Musikdarbietungen und als Ausschank für den angrenzenden Gasthof Architektur Bauen und Wohnen dienen. Ein extra angestellter „Platzwächter“ sorgt für Ruhe und Ordnung und schützt die Pavillons vor evtl. auftretender Zer­ störung. Die Anlagen dienen in der Folgezeit bei Feierlichkeiten der Gemeine. Nachdem 1870 der gesamte Ort ein neues Wasserleitungsnetz bekommen hat, verliert der zentrale Brunnen auf dem Platz seine Bedeutung und wird durch eine gußeiserne Wetterstation ersetzt. Weitere Veränderungen bahnen sich in der Folgezeit an. Nach 1876 existiert eine läng­ liche Holzveranda anstelle der Pavillons auf dem Viertel vor dem Gemeinlogis, die in den nächsten Jahrzehnten zum Ausschank des „Gemeinlogis“ wie auch zum Verkauf von Obst und Gemüse benutzt wird. Auch das „Bindschedler Viertel“ wird auf Initiative des Verschönerungsvereins umge­ staltet. Durch die Anlage eines Rundweges mit halbkreisförmigen Nischen für Park­ bänke und die Pflanzung von Solitärgehöl­ zen entsteht ein weiteres Teilstück einer kur­ parkähnlichen Grünfläche. Eine .frühe Wetterstation auf dem Zinzendoifplatz, vor 1942. 295

Zinzendorfplatz König i ld Durch die Verwendung einer aus dem Sachsenwald bezogenen Eiche -der sog. „Bismarckeiche“ – einer weiteren Eiche (,,Wilhelmseiche“) und der aus dem Schloß­ park zu Karlsruhe stammenden Tanne (,,Friedrich-Tanne“) erhält dieses Viertel den Beinamen „Lust-bzw. Fürstengarten“. Selbst das bis 1904 als Wäscheplatz ftm­ gierende Viertel vor dem Witwenhaus er­ fahrt eine Umgestaltung unter Aufnahme der schon vorhandenen Strukturen. Der in die Mitte der Fläche gesetzte „Bläserpavil­ lon“ wird durch einen umlaufenden Rund­ weg mit Sitznischen und Bepflanzung er­ gänzt. Diese Fläche heißt künftig „Missi­ onsplatz“, da auf dieser das jährlich stattfin­ dende „Missionsfest“ der Brüdergemeine veranstaltet wird. Wandel zum Kurpark Diese beschriebenen Veränderun­ gen stellen den Höhepunkt der Ver­ änderungen hin zum Bürger-bzw. Kurpark dar und spiegeln eindeutig die gesellschaftlichen und politi­ schen Umwälzungen in der Ge­ sellschaft wie auch in der Politik wider. Denn ab 1902 erfolgt die Übergabe der bis dahin als ,,christliche Colonie“ der Brü­ dergemeine geführte Gemeine in kommunale Verwaltungsho­ heit. Der Einfluß der Brüder­ gemeine beschränkt sich von diesem Zeitpunkt an nur noch auf die inneren, die Glau­ bensgemeinschaft betreffen­ den Angelegenheiten. Die Folgezeit bringt keine wesentlichen Veränderungen für die Fläche mit sich. Es tritt eher eine Vereinfachung der Gestaltung auf, da Pflege­ fachkräfte kaum mehr zu finden sind. Dies mag durch die beiden 296 Weltkriege mit anschließender Rezession bedingt sein, die andere Probleme wichtiger erscheinen läßt. So wird der Platz während dieser Zeit eher erhalten als gepflegt, die Gehölze wachsen aufgrund fehlender Schnittmaßnahmen langsam in die Höhe. Pflegeintensive Ele­ mente wie Holzpavillon oder Blumenbeet haben keine Berechtigung mehr und werden abgetragen. Auch von äußeren Veränderungen bzw. Kriegsschäden bleibt der Platz mit seinen umgebenden Gebäuden unversehrt. Einer bevorstehenden Umbenennung zum „Adolf­ Hitler-Platz“ kommt die Brüdergemeine 1933 mit dem eigenen Vorschlag „Zinzen­ dorfplatz“ zuvor und verwehrt damit eine mögliche ideologische Verbrämung seitens der Nationalsozialisten. Auch in der Nachkriegszeit bleibt die ge­ ringe Nutzungsintensität und Pflege der Grünfläche bestehen. Die politische Ge­ meinde muß den gewaltigen Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen, vor allem aus den aufgegebenen Herrnhuter Siedlungen in Schlesien, bewältigen. Dabei bleibt kaum Zeit, sich mit der Ortsmitte und deren Be­ stand zu beschäftigen. Erst Anfang der 60er Jahre versuchen die politischen Vetreter unter Mit­ hilfe eines Landschaftsarchitekten eine Instandsetzung und Wieder­ herstellung des Platzes. ,,Vordring­ lich scheint die Baumpflege und die Neugestaltung des Teichrandes mit Einzäunung zu sein“.7 In einem Plan ist die Umgestal­ tung/Vereinfachung des Viertels um das Zistemenbecken ersicht- lich, in dem die bestehenden We- Der Gedenkstein erinnert an den Gründer der Brüdergemeine Kö­ nigsfeld, Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf

ge nun aufgehoben werden. Die auf den In­ nenseiten des Platzes existierenden Hecken finden kein Gefallen mehr und sollen gero­ det werden. Dies wird auch in den Folge­ jahren in Angriff genommen, allerdings bleibt es aufgrund des Finanzmangels bei diesen wenigen Umgestaltungen. Ein weiterer Situationsplan aus dem Jahre 1971 zeigt die damalige Situation deutlicher. Auffällig erscheint der im wesentlichen un­ veränderte Bestand der Substrukturen aus der Jahrhundertwende. Selbst die ehemali­ gen Standorte der Pavillons lassen sich im Plan lokalisieren. Das Jahr 1974 beschreibt einen wesentli­ chen Einschnitt in der weiteren Entwicklung des Platzes. Zwei noch vorhandene Neuge­ staltungspläne des Platzes, entworfen von einem von der Gemeinde zu Rate gezoge­ nen Landschaftsarchitekten, zeigen das da­ mals vorherrschende Verständnis im Um­ gang mit Grünflächen im städtebaulichen Kontext.8 Architektur, Bauen und Wohnen Beide Pläne vernachlässigen die histori­ schen Einbindungen und setzen durch eine vorgesehene Wegdiagonale mit angrenzen­ den Hochbeeten und Sitznischen einen bildlichen Abdruck der „modernen“ Funk­ tionalität. Der Platz bleibt Platz, allerdings ohne Einbindung der Gebäude, sondern als Abbild der modernen Gesellschaft. Ebenfalls stehen Überlegungen an, im westlichen Bereich eine Betriebsfläche für den künftigen Omnibusbahnhof mit allen erforderlichen sanitären Folgeeinrichtungen bereitzustellen. Doch zur Verwirklichung dieser „radikalen“ Pläne kommt es nicht, da die Planung dem Empfinden und der Hei­ matgebundenheit der „Geschwister“ dage­ genläuft. Stattdessen folgen weitere Redu­ zierungen der Platzelemente, d. h. die in­ nenliegenden Hecken und noch vorhande­ ne Wegstrukturen werden gerodet bzw. ein­ geebnet. Das bis dahin letzte Exemplar eines Holzpavillons auf dem „Missionsplatz“ fallt den Veränderungen ebenfalls zum Opfer. Der Zinzendoifplatz im Winter 1920. Die Platzanlage steht mittlerweile unter Ensembleschutz. Heute fin­ den sich dort zahlreiche mächtige Bäume. 297

Zinzendorfplatz König feld Durch die teilweise Öffnung der Randbe­ reiche durch neue Wege sowie die Fällung al­ ter Gehölze entstehen vier wiesenartige Teil­ stücke ohne nennenswerte Funktionen. Die letzte zu verzeichnende Umgestaltung ereilt den Platz und seine Umgebung Ende der 80er Jahre, als der Straßenabschnitt vor dem Kirchensaal durch eine Verkleinerung der Wegequerschnitte und Akzentuierung der beiden Freitreppen des Gebäudes durch Granitplatten und kleineren Gehölzen vom Kfz-Verkehr befreit wird. Doch bleibt die Platzfläche an sich weit­ gehend ausgeschlossen von weiteren Maß­ nahmen. Hin und wieder erfolgen Sanie­ rungsschnitte an den in die Höhe geschos­ senen Gehölzen bzw. werden Ersatzpflan­ zungen getätigt. Ergänzend erfolgen Aus­ lichtungen der Hecken oder Ausbesserung der vorhandenen Wege. Verschiedene Nutzungen, wie früher vor­ handen, finden jedoch in der Regel nicht statt. Erst in letzter Zeit erobern sich Schüler der nahegelegenen Schulen langsam und in eigenwilliger Art und Weise die Rasen­ flächen als Erholungsraum zurück. Für Besucher der Anlage ist allerdings die ursprüngliche Gestaltungsabsicht des Plat­ zes vor allem durch die großen Altbäume nicht mehr nachvollziehbar. Technische Einbauten aus anderen Bereichen des öf­ fentlichen Lebens (Verkehr, Telekommuni­ kation u.ä.) drängen zunehmend in die Freifläche und vermindern so ihr Erschei­ nungsbild und ihren Erholungswert. Auch beim Durchfahren/-queren des Or­ tes springt dem Besucher die Anlage kaum mehr in die Augen, da hohe Heckenpartien den Einblick auf die Grünfläche verwehren. Der ehemals so interessante freie Blick auf das wichtigste Gebäude der Siedlung bleibt verwehrt, die Symmetrie mit ihren Propor­ tionen nicht nachvollziehbar. Aber es besteht Hoffnung für die 1979 un­ ter Ensembleschutz gestellte historische Platzanlage. Ihre Bedeutung als regionales und nationales Denkmal der Gartenkunst 298 und des Städtebaus ist durch die o.g. Di­ plomarbeit weitgehend beschrieben. Es be­ steht ein wissenschaftliches, kulturelles und geschichtliches Interesse, die Anlage als eine der wenigen erhalten gebliebenen Zeugnis­ se der Herrnhuter Siedlungsgründungen vor deren Zerstörung zu bewahren und sie wie­ der als repräsentative Ortsmitte erlebbar zu machen. Davon profitiert nicht nur die Anlage selbst, sondern das gesamte Ortsbild. Und es ermöglicht den Einwohnern und Besu­ chern, sich wieder mit der Fläche zu identi­ fizieren. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich das Ortsbild von Königsfeld verän­ dert. Lutz-Wolfram Reiter Fußnoten: 1) Lutz-Wolfram Reiter, Die Siedlungsgründungen der Herrnhuter Brüdergemeine … , Diplomarbeit am Institut für Grünplanung und Gartenarchitektur, Universität Hannover,Juli 1998, unveröffentlicht. 2) Wolf Marx, Die Saalkirchen der deutschen … , Leipzig: Dieterich’sche 1931, S. 48. 3) Vgl. Reiter, a.a.O., S. 47. 4) Bei den Angaben handelt es sich wahrscheinlich um badische Schuh, 1 Schuh entspricht dabei ca. 0,28 cm. 5) Zu Schulz siehe auch: Ines Anders, Johann Gott­ fried Schultz (1734 bis 1819)“, in: Görlitz Magazin, 8. Jahrgang, Görlitz: [o.J], S. 85-106. 6) Vgl. „Protocoll des Aufseher-Kollegiums“, 11. Fe­ bruar 1858, Pfarrarchiv Königsfeld, 1998. 7) Vgl. „Aktenvermerk“, 20.11.1963, Akte Zinzen­ dorfplatz, Brüdergemeine Königsfeld, 1998. 8) Vgl.“ Zinzendorfplatz Königsfeld-Neugestaltung, Plan 1 und 2″, von Gartenarchfrekt Siegmund, Akte Zinzendorfplatz, Brüdergemeine Königsfeld, 1998.

Ein Lehrstück aus dem Industriezeitalter Architektur, Bauen und Wohnen Wiederinbetriebnahme der Linachtalsperre lohnt in vielerlei Hinsicht – Förderverein gegründet Die Linachtalsperre und deren Reaktivie­ rung ist ihm ein besonderes Anliegen. Doch geht es Bürgermeister Robert Strumberger dabei nicht um rechnerische Rentabilität, sondern darum, ein einzigartiges Kultur­ denkmal vor dem weiteren Zerfall zu retten und einen Beitrag zur umweltfreundlichen Energieerzeugung zu leisten. Strumberger, seit anderthalb Jahren Bürgermeister der Stadt Vöhrenbach, gerät „richtig in Fahrt“, wenn er von „seiner“ Linachtalsperre zu er­ zählen beginnt, für die er sich vehement ein­ setzt. Dabei hätten allein schon die Dimensio­ nen des Projektes schrecken müssen, denn es geht darum, nach dem Kraftwerk nun auch die Talsperre wieder in Betrieb zu nehmen. Das alles, obwohl der Elektrizitätsversorger KWL der Stadt Vöhrenbach die Stillegung ihres Wasserkraftwerkes im Jahr 1969 sogar mit der Zahlung von 300 000 Mark versüßt hatte, die für den Abbruch der heute unter Denkmalschutz stehenden Staumauer be­ stimmt waren (siehe auch Almanach 1981). Als das Bauwerk 1923 im Rahmen eines „Lichtfestes“ in Betrieb ging, war das die Krönung erheblicher Anstrengungen, um zu Zeiten, in denen sich die Vorläufer der Weltwirtschaftskrise ankündigten, in Vöhren­ bach auf eine sichere Stromquelle und somit zuverlässig auf Elektrizität bauen zu kön­ nen. Verwirklicht wurden diese Pläne mit dem Bau der ersten „Eisen-Beton-Mauer in aufgelöster Bauweise“. Wer heute trockenen Fußes den von dich­ tem Buschwerk bewachsenen Talboden vor der schwarz-gräulich verwitterten Kulisse des von Menschenhand geschaffenen Mo­ numentalbauwerkes durchschreitet, den überkommt dort, wo einst Forellen nach ih- Charme der Gründerzeit: Das Maschinenhaus der Linachtalsperre. 299

Die Linachtal perre rer Beute schnappten, ein „mulmiges Ge­ fühl“. Hier wurde das Tal in einschneiden­ der Weise verändert, wurden Naturgewalten bezwungen, die uns heute bei plötzlichen Tauperioden im Winter wieder sturzbachar­ tig ereilen. Die 143 Meter breite und 25 Me­ ter hohe Mauer ermöglicht es, jährlich zwölf bis 13 Millionen Kubikmeter Wasser zu stauen – das sind zwölf Milliarden Liter! Im einige Kilometer talabwärts gelegenen Ma­ schinenhaus, kurz vor der Einmündung der Linach in die Breg, bringt es eine „Fallei­ stung“ von 77 Metern auf die Schaufeln der Turbinen. Schon in den 1920er Jahren wur­ den hier zwischen 800 000 und 1,2 Millio­ nen Kilowattstunden Strom im Jahr produ­ ziert. Und bereits in den ersten zwei Mona­ ten seit der erneuten Inbetriebnahme im Jahr 1999 wurden schon wieder 236 000 Ki­ lowattstunden Strom ins Netz eingespeißt. Ermöglicht hat die Reaktivierung der An­ lage die GEDEA – Gesellschaft für dezen­ trale Energieanlagen, die eine ,,Wasserkraft Linach KG“ mit vielen privaten Gesell­ schaftern gründete. Deren Einlagen erlaub- ten die mustergültige Sanierung des Kraft­ werkes und die Wiederaufnahme der Strom­ erzeugung, derzeit allerdings noch ohne die Staukraft der Staumauer. Jetzt vollbringen drei Francis-Spiralturbi­ nen mit einmal 90 und zweimal 175 Kilo­ watt wieder dieselbe Leistung wie ehedem – wovon der Lärm der Aggregate im Maschi­ nenhaus recht deutlich kündet. Das Jugend­ stilgebäude strahlt mit seinen Fensterbögen, gekachelten Böden und Armaturen, wie sie aus Fritz Langs Stummfilm-Epos „Metro­ polis“ oder Charly Chaplins „Modeme Zei­ ten“ stammen könnten, den Charme derJu­ gendstilarchitektur, zugleich einer Technik­ Gründerzeit, aus. Während an den neu in­ stallierten Schaltschränken Digitalanzeigen blinken, starren uns von der gegenüberlie­ genden zehn Meter breiten Wand aus hel­ lem Marmor fußballgroße Ampere-Meter an, warten armdicke Schalter darauf, viel­ leicht doch umgelegt zu werden. Andere Gemeinden wären froh, in Zeiten unsicherer Schneeverhältnisse und zuneh­ mender klimatischer Unwägbarkeiten eine Vöhrenbachs Bürgermeister Robert Strumberger wirft einen Blick auf die Turbinen. 300

Architektur, Bauen und Wohnen ‚ So soll die Linach-Talsperre in einigen Jahren wieder zu erleben sein – vollgestaut nach erfolgreicher Sanierung. Die Fotografie entstand bei einem Hochwasser in den 1980er Jahren. Bleibt das Problem der Staumauer, die immer noch dem Zerfall preis­ gegeben ist. Einern Voll­ stau bis unter die Dammkrone würde sie laut einem Gutachten aus dem Jahr 1990 nicht mehr standhalten. Die völlige Sanierung des Bauwerks wird auf acht bis neun Millionen Mark geschätzt. Da kam der GEDEA die Idee, den Koloß schrittweise wieder in­ standzusetzen. Ein „Teilstau“ mit einer An­ schüttung von Dämmaterial auf den ersten Höhenmetern der Seeseite würde rund vier Millionen Mark kosten. Könnten die Vöhrenbacher auf diesem Weg auch noch „ein paar Mark“ aus dem Hochwasserschutzprogramm erhalten, wür­ de auch dies in greifbare Nähe rücken, und die Staumauer zumindest teilweise wieder einer kontrollierten Nutzung zugeführt. Ein Meilenstein auf diesem Weg soll der Förderverein „Rettet die Linachtalsperre“ werden. Er hat sich die Erhaltung und, so­ weit technisch möglich, die erneute Nut­ zung dieses Kulturdenkmales zur Erzeu­ gung von umweltfreundlicher Energie zum Ziel gesetzt. Vorsitzender des Vereins ist Bür­ germeister Robert Strumberger. Der gemein­ nützige Verein ist für weitere Mitglieder dankbar und nimmt auch Spenden ent­ gegen. Informationen gibt die Geschäfts­ stelle des Fördervereins, Friedrichstr. 8, in 78147 Vöhrenbach (Tel. 07727/501-104). 301 Klaus Koch solche Attraktion für technisch interessierte Sommer-wie Winterurlauber bereithalten zu können, merkt der Bürgermeister an. Was denn für Strumberger auch das Stichwort für zukunftsweisende Perspektiven ist. Denn die Linachtalsperre soll im Rahmen eines von Schaffhausen bis weit in den Schwarz­ wald hineinreichenden „Industrielehrpfa­ des“ und mit Hilfe von „Interreg“-Geldern eines grenzübergreifenden EU-Programmes zu neuen Ehren kommen. Technikbegei­ sterte kommen dann voll auf ihre Kosten und befinden sich gleichzeitig -welch reiz­ voller Kontrast -im „größten Naturpark Deutschlands“, sagt Strumberger. Damit ist freilich nicht alles „eitel Son­ nenschein“. Denn die weiteren Investitio­ nen wollen sorgfältig kalkuliert sein. Laufen die Turbinen weiter wie bisher, könnten sich die Kosten für die bisher getätigten Arbeiten -rund 1,2 Millionen Mark-nach zehn Jah­ ren amortisiert haben. Weil die Elektrizi­ tätsversorger gezwungen sind, den Strom zu angemessenen Preisen weiterzuleiten, be­ finden sich der Pächter, die „Gesellschaft für dezentrale Energieanlagen“ (Gedea) als durchführende und von Idealisten besetzte Firma sowie die Gemeinde Vöhrenbach in halbwegs gesichertem Fahrwasser.

Di Lin chtal p rre Oben: Die Turbinen im Maschinenhaus der Talsperre, das nahtlos in ein Technikmuseum übergeht. Unten.Die Linachtalsperre steht heute zwar unter Denkmalschutz, ist aber vom Zetfall bedroht. 302

Die Johanneskirche in Bad Dürrheim Das Bauwerk von Prof. Horst Linde ist ein herausragendes Kulturdenkmal Arcltitcktur, Bau n und Wohn n Die evangelische Johanneskirche von Horst Linde ist als herausragendes Werk mo­ derner Kirchenbaukunst der späten 50er Jahre ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. Der Entwurf dieser für die Kur­ gemeinde Bad Dürrheim geplanten Kirche war 1956 aus einem öffentlichen Wettbe­ werb hervorgegangen, den der Architekt Professor Horst Linde gewonnen hatte. 1959 wurden die Baupläne fertiggestellt und im darauffolgenden Jahr wurde unter der Leitung von Hans W. Henrich mit dem Bau begonnen. 1961 wur­ de die Kirche einge­ weiht. 1960 erfolgte eine Erweiterung der Kirche durch das ebenfalls zum Kultur­ denkmal gehörende Gemeindezentrum. Dieser Entwurf ent­ stand unter Horst Lin­ de in Zusammenar­ beit mit Herbert Dörr, der Planung und Aus­ führung übernahm. Die Kirche liegt ab­ seits vom Kurbetrieb in reizvoller Land­ schaft am Hang einer ansteigenden Wiese. Erreicht werden kann sie von der Bahnhof­ straße aus über einen kleinen Spazierweg, der durch den Hin- Die johanneskirche in Bad Dürrheim, Ansichtvon Westen. denburgpark führt. Begleitet von einem hoch aufragenden freistehenden Kirchturm, der sich aus mehreren unterschiedlich ho­ hen Stahlbetonscheiben zusammensetzt, wird sie nach allen Seiten sichtbar markiert. Der Besucher wird auf einem seitlichen Weg zur Kirche geleitet. Dieser Weg endet an ei­ ner Treppe, die zu dem breit vorgelagerten Eingangsbereich führt, der sich zwischen Turm und Eingangsseite erstreckt. Diese Ter­ rasse verbindet nicht nur Kirche und Turm, sondern bildet auch die Verbindung zwi- 303

Johann kirch B d Dürrh im sehen Innen-mit Außenbereich. Die Terras­ se ist eine erhöhte nUI an wenigen Punkten gestützte Plattform. Anstelle von einem Geländer wurden Sitzbänke zur Sicherung angebracht. Ein Sechseck als Grundriß Das Kirchengebäude ist ein mit waagerecht verlaufenden Kupferblechbahnen verkleide­ ter Stahlbetonbau, der sich über einem längsgerichteten Grundriß in Form eines unregelmäßigen Sechseckes erhebt. Das Dach ruht nicht auf den Außenwänden, sondern wird durch einen schmalen Glas­ streifen abgesetzt. Die tragende Funktion übernimmt allein die Holzkonstruktion im Innenraum, die aus fünf hintereinander ge­ stellten Holzstützen mit Unterzügen be­ steht. Die beiden Längswände sind leicht abgewinkelt, so daß sich sowohl im Ein­ gangsbereich als auch auf der Chorseite ei­ ne Verengung ergibt. Zwischen den nach vom gezogenen Längswänden, die zusam­ men mit der flachen Decke das Entree bil­ den, betritt der Besucher die Kirche. Diese Eingangszone besteht von außen her be­ trachtet im unteren Bereich aus einer Ver­ glasung, im oberen Bereich aus einem ehe­ mals hellen nun nachgedunkelten Holzele­ ment, das schräg nach vorne geneigt ange­ bracht wurde. Das Holzschild mit einer übergroßen Reliefdarstellung einer Apo­ stelszene schuf der Künstler Hans Mettel. Zwischen diesem Holzelement und den bei­ den Seitenwänden sowie zwischen dem obe­ ren Wandabschluß und der Decke ist ein Glasstreifen eingefügt, der das Ganze ver­ bindet und zusätzlich eine Lichtquelle bie­ tet. Das Licht symbolisiert den Fluß des Le­ bens und bedeutet für den Architekten ein wichtiges Gestaltungselement. Das Kircheninnere präsentiert sich dem Besucher in einer betont klaren Gestaltung und Ausstattung, die den sakralen Raumein­ druck eindrücklich hervorhebt. Die Beton- Das Innere der evangelischen Johanneskirche, Blick zum Chor. 304

haut der Innenwände ist mit Backsteinen verkleidet, um dem Baustoff gestalterisch die Kälte zu nehmen. Strukturiert werden die Wände durch den Wechsel von schma­ len und hohen Steinlagen, durch eingezo­ gene Betonringgurte und einzelne aus der Wandflucht heraustretende Lochziegel. Die leicht abgewinkelten Längswände geben dem Raum Intimität, indem sie den Altar­ bereich besonders betonen. Der Kirchen­ raum erstreckt sich vor dem Besucher durch einen durch zwei Bankblöcke geteilten Mit­ telgang. Der Blick des Besuchers wird so zum Altar geleitet, der durch drei Stufen er­ höht, vor einer vollständig verglasten Wand postiert ist. Verglaste Chorwand Diese verglaste Chorwand ist mit einem in blaugrauen Farben gehaltenen Glasbild des Künstlers Georg Meistermann ausgestaltet. Dargestellt ist eine von rechts oben diagonal nach unten verlaufende Komposition: die weit geöffnete Gottes Hand der Barmher­ zigkeit, das Kreuz und sieben Tropfen als Symbole für die sieben Gaben des Heiligen Geistes. Die Glaswand bildet aber auch eine Verknüpfung zwischen dem Kirchenraum und der umgebenden Natur als Schöpfung Gottes. Die künstlerische Gestaltung be­ deckt zwar mit ihren Bildflächen fast die ge­ samte Chorwand, dennoch gibt sie den Blick frei auf den Wald. Es wird dadurch ein bewußtes Streben nach der Öffnung zur Welt symbolisiert. Bereits mit dem Entwurf für die Ludwigskirche in Freiburg hat Horst Linde das Element der offenen verglasten Chorwand genutzt, wobei es wohl kaum be­ rechtigter und sinnvoller eingesetzt werden kann als am Waldrand eines Kurortes. Die einheitliche Wirkung der Kirche ist da­ durch erreicht worden, daß der Architekt, ausgehend von seinem Grundgedanken, die Kirche als Schutzraum zu sehen, Bau und Ausstattung selbst entworfen und gezeich­ net hat. Seine Grundidee war die Schutz- Archit ktur, Bau n und Wohnen form der wie zum Gebet geschlossenen Hände, die sich in der Konzeption des Grundrisses widerspiegelt. Die Kirche wird verstanden als Weg des Menschen, der durch die hintereinander gereihten Holz­ stützen, Symbole der Lebensstufen, vom ir­ dischen in ein geistiges Leben schreitet. Die Verschmelzung von Irdischem mit Geisti­ gem geschieht durch die komplett ver!1ilaste Chorwand, welche den fließenden Uber­ gang von innen nach außen ermöglicht. Nach der Auffassung von Horst Linde muß die Form bis in das kleinste Detail ausge­ führt werden, damit Architektur nicht nur eine Hülle bleibt, sondern eine Idee an­ schaulich gestaltet. Um diesen Gesamteindruck des Bauwerks zu erreichen wurden alle Baustoffe von Horst Linde mit großer Sorgfalt ausgesucht und fügen sich mit dem Sichtbeton zu einer Einheit zusammen: der Lochstein der Vor­ mauerung, die schön gearbeitete Wendel­ treppe, die zur Empore hinaufführt und das in klaren Formen entworfene feste Gestühl. Der Boden der Kirche ist bis auf den Altar­ bereich vollständig mit Tonfliesen ausgelegt, wodurch ein warmer Eindruck entsteht. Ein Kennzeichen der Bauten Horst Lindes be­ steht in der klaren Trennung der einzelnen Gestaltungselemente. So steht die Treppe fast frei, ist nur an wenigen Eckpunkten mit einer Holzstütze verbunden. So ist die Ab­ grenzung der Wände vom Dach durch Glas­ streifen und das Absetzen der Holztafel im Eingangsbereich von den Seitenwänden ebenfalls durch Glas erreicht. Erneut wird dadurch der Eindruck von Leichtigkeit ver­ mittelt. Die evangelische Johanneskirche ist nicht nur ein herausragendes Werk moderner Kir­ chenbaukunst, sondern auch das Werk eines großen Architekten. Horst Linde, 1912 in Heidelberg geboren, studierte 1931 bis 1936 Architektur an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Nach dem Kriegsdienst wurde er zum Leiter des Wiederaufbaus der Univer­ sität Freiburg berufen. Von 1957 bis 1972 305

Johann kirche Bad Dürrheim hatte er die Position als Leiter der Staatli­ chen Hochbauverwaltung für Baden-Würt­ temberg im Finanzministerium Stuttgart in­ ne. 1961 erhielt er den Ruf als Professor und Direktor des Instituts für Hochschulbau an die Technische Hochschule Stuttgart. Bis zu seiner Pensionierung 1977 setzte Linde Ak­ zente bei den staatlichen Bauten des Landes Baden-Württemberg, so im Bereich der Kli­ niken, der Bäderanlagen unter anderem in Bad Dürrheim, Bibliotheken, Forschungs­ institute, zahlreicher Verwaltungsgebäude sowie beim Wiederaufbau vieler Schlösser. Neben seiner vielfältigen Tätigkeit im pro­ fanen öffentlichen Bereich schuf er innova­ tive Kirchenbauten. Darunter die bereits er­ wähnte Ludwigskirche in Freiburg und die Klinikkirche der Universität Freiburg, beide 1954 erbaut. Im gleichen Jahr leitete er den Wiederaufbau der von Friedrich Weinbren­ ner entworfenen Karlsruher Stadtkirche. 1965/66 gewann Linde erneut einen ersten Preis für den Entwurf der Michaeliskirche in Ebersteinburg. Die Kirche in Marbach bei Villingen wurde im darauffolgenden Jahr ge­ plant. Die Johanneskirche ist ein eindrucksvolles Beispiel moderner Kirchenbaukunst der späten 50er Jahre. In ihr vereinen sich klare Formen und neue Materialien zu einer Ein­ heit. Horst Linde hat mit neuen Gestal­ tungsmitteln – einfacher Grundriß, Redu­ zierung der Baumaterialien, verglaste Wand­ bereiche, entmaterialisierter Turm in Kupfer und Beton – ein Werk geschaffen, das mit den Worten Rolf Gutbrods zutreffend um­ schrieben ist: ,,Ein Wurf, ein Bau unserer Zeit ohne jede Anleihe. Von einem feinsin­ nigen Künstler so gestaltet, daß Frömmig­ keit entsteht. Am Rande des Kurbetriebs, in einer Welt für sich, ein Stück wahrer Bau­ kunst.“ Grit Gra.fe 306 Literaturhinweis: Horst Linde – Architekt und Hochschullehrer, Insti­ tut für Hochschulbau Universität Stuttgart (Hrsg.), Stuttgart 1978. JürgenJoedicke, Die EvangelischeJohanneskirche in Bad Dürrheim von Horst Linde, in: Das Münster 16, 1963, 185-187. 20 Jahre Kirchenbau in der Evangelischen Landes­ kirche in Baden, Karlsruhe 1968, 50-51. Der .freistehende Kirchturm aus Beton und Kupfer.

Architekrur, Bauen und Wohnen Der Tuninger Heustadelkindergarten Ein alter Bauernhof wurde mustergültig zu einem Kindergarten und Vereinszentrum umgebaut Die Sanierung und Neunutzung von Alt­ bauten im Herzen der Städte und Gemein­ den zählt zu den großen Herausforderun­ gen einer modernen Baupolitik, die unter der Wahrung eines historischen Ortsbildes die überkommene Substanz neu zu beleben sucht. Der große Brand vom 23. August 1860 hat­ te das Ansehen der Ortsmitte völlig verän­ dert, da die 120 zerstörten Gebäude zumeist stattlich und im Stile ihrer Zeit wiederauf­ gebaut wurden. Sie bildeten fortan einen markanten Kontrast zu den kleineren, mit Schindeln und freiliegendem Balkenwerk versehenen Häusern im östlichen Dorfbe­ reich. Auch wenn das von der Gemeinde erwor­ bene Anwesen Schulstraße 8 selbst erst 1872 abbrannte, so zählt es doch zu den archi­ tektonischen Beispielen der Epoche des Tu­ ninger Wiederaufbaues und der beginnen­ den Gründerzeit auch des ländlichen Raumes. Schon 1875 veranlaßte Bauer Ni­ kolaus Hauser den nun etwas zurückgesetz­ ten Neubau aus Stein und Riegelfachwerk, gekrönt von einem roten Ziegeldach. Mit dem glücklichen Kauf dieses histori­ schen Wohn-und Ökonomiegebäudes mit­ ten im Altortskern konnte die Gemeinde Tuningen eine Bewahrung des Herkömmli­ chen in Harmonie mit der Ästhetik und den Ansprüchen moderner Architektur verwirk­ lichen. Es bot sich die Chance, den not­ wendig gewordenen kommunalen Kinder­ garten zentral und in heimeligem Gemäuer einzurichten. Der Bauernhef im Z-entrum Tuningens vor seiner Renovierung. 307

Kind rgarten Tuning n Seit 19 97 wird der ehemalige Bauernhof als Kindergarten und Vereinszentrum genutzt. Sehr schnell wurde das Gebäude in einen dreigliedrigen Kindergarten mit zusätzli­ chen Vereinsräumen in den Obergeschossen umgebaut, in dem seit September 1997 über 70 Kinder ihre Tage genießen können. Sechs Tuninger Vereine und die Volkshochschule haben in demselben Gebäude optimale Räumlichkeiten erhalten, in denen sie ihre Vereinsarbeit gestalten und umsetzen kön­ nen. Zudem steht allen Vereinen im Dach­ geschoß ein schöner Raum für größere Ver­ anstaltungen zur Verfügung. So wurde an ei­ nem hervorragenden Standort ein Haus der Begegnungen mit einer ganz besonderen Atmosphäre für kleine und große Bürger(in­ nen) eingerichtet. Viel Platz zur Entfaltung Sie brauchen Erwachsene, die sie verstehen und die um sie besorgt sind. Sie brauchen Kinder, mit denen sie Material und Ideen bewegen können und sie brauchen Platz, 308 sehr viel Platz, die ihre Entfaltung und eine Gestaltung durch sie zuläßt. Die Bedingungen für sich schon garantie­ ren im Zusammenwirken eine Entwicklung der Kinder, die ihr Wohl für ihre Zukunft ge­ währleistet. Der Heustadelkindergarten schenkt den Nutzern, den Kindern und Betreuern durch seine verschiedenen Ebenen eine gemütli­ che, harmonische Atmosphäre. Ein Heusta­ del, der zu einem interessanten Kindergar­ ten „verzaubert“ wurde. Wenn man genau hinschaut, entdeckt man doch überall die Spuren der Vergangenheit. Der Landeswohlfahrtsverband Baden hat deshalb auch bestätigt, daß Tuningen „die Antwort auf die oben gestellte Frage gesucht und … mit der Errichtung und Ausstattung dieses Kindergartens gefunden hat. Sie hat das Wichtigste, was für Kinder getan werden kann, getan.“ Die Umnutzung des Bauernhofs zu einem Kindergarten war nicht nur eine interessan-

te und verantwortungsvolle Aufgabe, son­ dern sie stellte auch eine große Herausfor­ derung an Bauherrn und Architekten Ger­ hard Janasik dar. Einerseits bestanden hinsichtlich der Er­ haltung des Erscheinungsbildes gewisse Zwänge, andererseits war für einen Kinder­ garten ein unverwechselbares Erscheinungs­ bild notwendig. Unter diesen Gesichtspunkten und den Vorgaben der Raumplanung war es in meh­ reren Abwägungen gelungen, das Gebäude in seiner Gesamtheit einer optimalen Nutzung zuzuführen. Die Umbauphase er­ streckte sich dabei von August 1996 bis Au­ gust 1997. Die vorhandene Gliederung des Gebäudes in einen Wohnteil und einen Ökonomieteil ergab die Möglichkeit, den differenzierten Nutzungsanforderungen Rechnung zu tragen. Unterschiedliche Ge­ schoßhöhen, Ebenen, Nischen und Winkel trugen dazu bei, eine kindergerechte Aus­ formung der Spiel-und Gruppenräume zu erreichen. Durch die Verdeutlichung der bestehen­ den und neuen Konstruktions-und Aus­ baudetails wurde die Geschichte des Ge­ bäudes lesbar. Die separate Erschließung des Gebäudes ermöglichte die Unterbringung von Vereinsräumen im Dachgeschoß. Über 70 Kinder genießen die neuen Räume. Architektur, Bau n und Wohnen Drei Ebenen bieten den Kindern ausreichend Platz. Die Nutzungsvielfalt in Verbindung mit der Standortsituation im Dorf gibt dem Ge­ bäude eine eigene Identität und Ausstrah­ lung. Für Gesamtkosten von rund 2,6 Mio. DM mit Außenanlagen und ohne Grunderwerb wurden drei Gruppenräume mit 478 qm Fläche und Vereinsräume mit 247 qm Fläche geschaffen. Die Gesamtnutzfläche beträgt 801 qm bei einem umbauten Raum von 1175 m3. Zwischenzeitlich wird dieses Gebäude schon über zwei Jahre als Kindergarten und Vereinshaus intensiv genutzt. Die Kinder und das Kindergartenpersonal fühlen sich hier überaus wohl. Daß der Kindergarten kein „normaler“ Kindergarten ist, zeigt die Tatsache, daß immer wieder Kommunen und Erzieherinnen anderer Kindergärten diese Einrichtung mit Interesse besichtigen. Auch die Vereine sind stolz darauf, in die­ sem historischen Gebäude eine neue Hei­ mat gefunden zu haben. Die Tuninger wünschen und hoffen, daß von diesem Gebäude noch lange gute Im­ pulse ausgehen, die das Gemeinwesen posi­ tiv prägen. 309 Walter Klumpp

Das Seminarzentrum Johanniterhof Seit zwei Jahren kann man in Obereschach Musik, Poesie und Meditation erleben 21. Kapitel I Almanach 2000 Stätten der Gastlichkeit Nach dem geflügelten Wort „Wie innen so außen“ dürfte nur Schönes den Besucher des Obereschacher Johanniterhofes erwar­ ten. Das alte Fachwerkhaus, malerisch im Ortskern an der Eschach gelegen, wurde mit viel Liebe und Sachverstand renoviert schon bevor das Seminarhaus Johanniterhof dort begründet wurde. Der Hof war einst Teil ei­ nes örtlichen Hofverbundes der Grund-und Dorfherrschaft Johanniterkommende mit Schaffner und Schaffnei in Villingen. Das Ehepaar Ursel und Wolfgang Maiworm ha­ ben die Schönheit des alten Gebälks, der Holzstiegen und des Gartens mit altem Obstbaumbestand noch durch Kunstob­ jekte des ältesten Sohnes Jens ergänzt, eines Bildhauers, Künstlers und Bühnenbildners. Seit 1997 leben die Maiworms dort mit den vier jüngeren Kindern und bieten den Besuchern und Besucherinnen ihrer Semi­ nare eine freundlich-familiäre Atmosphäre. Auch der Kontakt mit den Dorfbewohnern sei harmonisch, freut sich Wolfgang Mai­ worm. Mit den Gasthöfen des Teilortes von Villingen-Schwenningen besteht eine gute Zusammenarbeit, denn die Seminargäste des Johanniterhofes genießen dort nicht nur hervorragende gutbürgerliche Küche, sondern übernachten auch in den ver­ schiedenen Häusern am Ort. Nur die Referenten der Semi­ nare werden im zweistöckigen eigenen Haus untergebracht. Wer heute den freundlichen, herzlichen Maiworms begeg­ net, wundert sich über harmo­ nische, friedliche Lebensum­ stände sicher nicht. Doch für die Bewohner des ehemaligen Schwarzwalddorfes gab es zu­ nächst zumindest Grund für Verwunderung ebenso wie die Herausforderung, Ungewöhn­ liches zu akzeptieren und die Gelegenheit, Ungewohntes zu erfahren. Denn bei der ersten Begegnung mit den Nachbarn, als die Maiworms 1997 in den umliegenden Häusern klingel­ ten, um sich vorzustellen, hat­ te die Familie vor nicht allzu langer Zeit ihre bisherige Hei- Mitten im Ort liegt das Seminarzentrum Johanniterhof 310

Johanniterhof Obereschach Familie Maiworm in der urigen Küche des]ohanniterhofes, von links: Eleonore, Robert, Wolfgang, Mai­ worm (mit Larissa) und Ursel Maiworm mit julika. mat und Wirkungsstätte, ein esoterisches Se­ minarzentrum auf der Insel Lanzarote, ver­ lassen. Wolfgang Maiworm stand mit hüft­ langen blonden Haaren und strahlendem Lächeln vor den Obereschachern und bei manchem keimte der Verdacht auf, daß bei den neu „Reingeschmeckten“ etwas nicht mit rechten Dingen zugehe. Ja sogar von ei­ ner Anhängerschaft der amerikanischen Scientology-Sekte war eine Zeit lang die Re­ de. Dieser Verdacht und auch ein großer Teil des Mißtrauens der etwas ferneren Nach­ barn im Ort hat sich inzwischen zerstreut. Geblieben ist das Wissen, daß Obereschach seit zwei Jahren eine besondere Bildungs­ und Begegnungsstätte in seiner Mitte hat: ein Seminarzentrum, für -wie die Veran­ stalter schreiben -,,jene, die das Außerge­ wöhnliche suchen“. Poesie, Musik und Me­ ditation sind in den Wänden des alten Ho­ fes inzwischen zu erleben. Seminaranbieter der verschiedensten Richtungen in Psycho­ logie, Religion oder Spiritualität finden sich im vierteljährlich erscheinenden Programm- heft „Lebens(t)räume“. Denn eine Maxime der Veranstalter ist das Recht auf freie Reli­ gionsausübung „ohne selbst Anhänger ir­ gendeiner dieser Gemeinschaften zu sein“, wie Maiworm erklärt. Eine andere: Selbst­ bestimmung und Selbstverantwortung zu fördern im wirtschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und religiösen Denken und Handeln. Die rund 100 Veranstaltun­ gen im Jahr 1999 tragen zum Beispiel Titel wie „Das Tor-Management-Symposium“, ,,Die fünf Tibeter“, ,,Stimme und Klang“ und „Villinger Ferien-Wanderwoche“, aber auch ein „Sterbeseminar“ ist dabei. Und im Sommer laden die Maiworms zu einem Märchenfest, einem Musik-Festival und dem alljährlichen Sommerfest für Freunde und Bekannte aus der Umgebung ein. Wie der gelernte Verlagskau&nann Wolf­ gang Maiworm zum Veranstalter für Selbst­ erfahrungsworkshops und -seminare wurde? Seine Ausbildung auf der alltäglichen, „welt­ lichen Ebene“ absolvierte der 54jährige En­ de der 60er Jahre in der Frankfurter So-311

Johanniterhof Obereschach cietäts-Druckerei, um nach zwei Jahren als Zeitsoldat bei der Bundeswehr eines der spä­ ter größten Anzeigenblätter, den „Blitz­ Tip“, zu gründen. Neben dem Blatt mit wöchentlich über einer Million verkauften Exemplaren gründete Maiworm 17 Reise­ büros. Damit nicht genug: Nachdem Wolf­ gang Maiworm seine Anteile am erfolgrei­ chen „Blitz-Tip“ an den Axel-Springer-Ver­ lag und die Druckerei Madsack in Hannover verkauft hatte, gründete er den „Schwaben­ kurier“ für den Raum Augsburg. Dann kam für den erfolgreichen Verleger und zeitweili­ gen Frankfurter Fastnachtsprinzen eine grundsätzliche Neuorientierung, weg von ei­ nem, wie Maiworm es ausdrückt, ,,ganz der Äußerlichkeit gewidmeten Leben“ mit ge­ sellschaftlichen Verpflichtungen, Immobili­ enbesitz, Beteiligungen und einem Jaguar­ Sportcoupe. Sein innerer Neubeginn war ge­ kennzeichnet durch die Konzentration auf innere Entdeckungen und die Erforschung esoterischer Wissens-und Erfahrungsberei­ che, gemeinsam mit seiner damaligen Frau Karin. Maiworm löste sich von allem Besitz. Übrig blieben Bargeld, ein Cocker-Spaniel und die Krankenversicherung. Darauf folg­ ten vier Jahre des Studiums „östlicher Weis­ heiten“, wie Astrologie, Physiognomie, Ta­ rot, Gestaltarbeit und anderes mehr. Sein neuer Weg: Für das neu erfahrene Weltbild einzustehen und die Herausforderung an­ zunehmen, ,,dieses Leben als einzigartig und sinnvoll zu begreifen und bewußt die individuelle, eigene Aufgabe wahrzuneh- „men. Mit neu erworbenem Wissen und Fertig­ keiten, unter anderem in Gestalttherapie und Astrologie, nahm Wolfgang Maiworm 1984 gemeinsam mit Freunden die Grün­ dung eines Esoterischen Zentrums auf Lanzarote in Angriff. Das Zentrum „Etora“ wurde im Oktober 1986 gegründet und bot für den heutigen Johanniterhof-Eigentümer zahlreiche Möglichkeiten zur Selbsterfah­ rung und Begegnung mit anderen. Er beob­ achtete, wie die Besucher mehr oder weniger konsequent und erfolgreich ihren Lebens­ weg verfolgten. Für manche schien Esoterik einfach „in“ zu sein, für andere eine Hilfe jeder Seminarraum ist in einem eigenen unverwechselbaren Stil gestaltet. 312

auf dem Weg zu Selbstfindung und Bestim­ mung der eigenen Aufgabe. Wichtig war Maiworm und ist es noch heute, sich nicht an Dogmen oder Lehrer zu binden. Im Se­ minarzentrum auf Lanzarote durfte zum Beispiel -zum Ärger mancher Besucher – geraucht und getrunken werden, und es wur­ de Fleisch gegessen. Nach zehn Jahren als Lehrer und Veran­ stalter aufLanzarote, wo Maiworm auch sei­ ner heutigen Frau Ursel begegnete, wurde das Zentrum aufgelöst. ,,Ich weiß und kann nichts mehr besser, bin aber auch für keinen Lehrer ein tauglicher Schüler mehr“, zieht Wolfgang Maiworm heute leichten Herzens Bilanz. Und sein angenehm bodenständig tätten der Gastlichkei anmutendes Fazit lautet: ,,In der Exoterik gibt‘ s genau so viel zu lernen und für sich zu begreifen, wie in der Esoterik.“ So arbeitet er heute mit Vergnügen als Seminarveranstal­ ter, aber nicht mehr als Lehrer, kümmert sich lieber um frischen Kaffee für die Gäste oder den Overhead-Projektor für die Refe­ renten. So ganz ablassen vom Verlagswesen kann Wolfgang Maiworm aber wohl doch nicht: Mit der 1995 mit seinem Bruder Man­ fred gegründeten Fachzeitschrift für Ärzte, Zahnärzte und Heilpraktiker „CO’MED“ erhielt er sich ein weiteres kreatives Betäti­ gungsfeld. Wiebke Dirks Gastlichkeit am Querweg Freiburg – Konstanz Seit drei Generationen betreibt die Familie Kastner den „Hegauer Hof“ in Riedöschingen Egal von welcher Seite man in das Dorf Riedöschingen hinein kommt, begrüßt wird man vom schön geschnitzen Ortsschild: ,,Willkommen in Riedöschingen am Kom­ promißbach“ und der Bach fließt durch den kleinen Ort und hat eine geschichtliche Be­ deutung. Immer wieder wechselten im Mittelalter die Herrschaften und um Riedöschingen stritten sich Haus Nellenburg aus der Raum­ schaft Tengen und die Fürstenberger. 1535 wurde dann ein Kompromiß geschlossen. Der kleine Bachlauf wurde Grenze zwischen den beiden Herrschaften und teilte den Ort. Jenseits (südlich) des Baches ging er an das Haus Nellenburg und „diesseits“ wurde er dem Herrschaftsbereich der Fürstenberger zugeschlagen. Nicht ganz so alt wie der Vergleich, aber ge­ schichtlich relevant, ist auch das behäbige Gasthaus mit Bäckerei, das, wenn man von Hegauer Seite kommt, am Ortseingang liegt. Heute wird es in der dritten Generati- on als Familienbetrieb von der Familie Kast­ ner geführt. 1812 hat Anton Kaut Weinschankgerech- Drei Generationen Gastlichkeit: Sohn Martin Kastner, Enkel Philipp und Altwirt Wo!fgang Kastner. 313

.H gauer Hof“ Riedöschingen tigkeit, Haus, Äcker und W iesen an Franz Küderle verhandelt, so die erste Uikundliche Erwähnung des Gasthauses in den Ried­ öschinger Gemeindeunterlagen. Wann der Verkäufer das Schankrecht erhalten hat, bleibt im Dunkeln. Franz Küderle führte den Gasthof und gleichzeitig eine Metzge­ rei. 1911 übernahm Wolfgang Kastner das Gasthaus, das zu dieser Zeit noch „Kreuz“ hieß, machte aus der Metzgerei eine Bäcke­ rei und benannte das alte Haus in „Hegau­ er Hof“ um. Noch heute steht etwas abseits das ehemalige Schlachthaus und wird als Holzschuppen genutzt. ,,Viele Bauern aus Kommingen, Nordhal­ den und Tengen kamen mit ihren Gespan­ nen, oftmals waren das noch Kühe vor dem Wagen, um im weit und breit einzigen La­ gerhaus ihre Frucht abzuliefern und das war am Bahnhof in Riedöschingen“, erinnert sich Wolfgang Kastner, der von seinem gleichnamigen Vater 1958 Bäckerei, Land­ wirtschaft und Gasthaus übernahm. ,,Da wurden dann hier vor dem Haus, der Bach war damals noch offen, die Pferde angebun­ den und die Hegauer besuchten regelmäßig die Gaststube. Da hielten dann Kutscher und Tiere ihre Pause und es wurde viel ge­ redet und auch gelacht“, so eine Kindheits­ erinnerung von Wolfgang Kastner. Nicht viel verändert hat sich in den Jahren die äußere Ansicht des Gasthauses, im In­ nenbereich standen etliche Umbauten an. So wurde der Saal vergrößert, der noch heu­ te gerne wunderschön geschmückt für große Festlichkeiten wie Hochzeiten, Taufen oder Jubiläen genutzt wird, es entstanden freund­ liche Fremdenzimmer und ein gemütliches Ferienappartement, dazu wurden früher landwirtschaftlich genutzte Räume in eine Wohnung umgestaltet, die von Sohn Martin Kastner mit seiner Familie bewohnt wird. Am wenigsten hat sich am Aussehen der gemütlichen Gaststube verändert. ,,Früher befand sich unter der niedrigen Decke ein eingezogener ‚Peiner‘, der mit einem Spruch Der „Hegauer Hof“ in Riedöschingen. 314

tätten der Gastli hkeit versehen war und der war ei­ nem ehemaligen Ortsgeistli­ chen vor vielen Jahren immer ein Dom im Auge. ,,Wein und Weiber sind auf Erden alter Weisen Hochgenuß, denn sie lassen selig werden, ohne daß man sterben muß“, zitiert der Senior lachend. Mittlerweile ist bei notwendigen Deckenar­ beiten nun ein neuer Balken eingezogen worden und der sinnige Spruch ist leider ver­ schwunden. Seit etlichen Jahren führt nun Sohn Martin Kastner, Bäcker­ meister und Koch, den „He- Gemütliche Runde am Kachelofen. gauer Hof“ und ist oftmals zu­ sammen mit seinem Vater in der Backstube anzutreffen. ,,Wir halten uns an die alte Tra­ dition und unsere Backwaren sind aus rei­ nen Naturprodukten“, so Vater und Sohn unisono, und neben verschiedenen Brot­ und Brötchensorten gibt es die unverzicht­ baren Laugenbrezeln und täglich frisch, schönste Torten und Kuchen, auch hier oh­ ne Konservierungsstoffe. Am Sonntagnach­ mittag kann hier im „Hegauer Hof“ für die heimische Kaffeetafel Kuchen in großer Auswahl gekauft werden, ob nun Obst-, Kä­ sekuchen, Schwarzwälder Kirsch- oder Ma­ raschinotorte, ein Angebot, das nicht nur die Riedöschinger zu schätzen wissen. Jah­ reszeitlich bedingt gibt es in der Bäckerei zum Nikolaustag die „Brotmänner“, ,,Weih­ nachtsbrödle“ in verschiedensten Varianten und zu Neujahr noch die gedrehten und verzierten „Neujahrsringe“. ,,Der Brauch hat sich hier noch gehalten, die Paten schenken dieses Gebäck an die Kinder, wenn sie Neu­ jahrwünschen kommen“, erläutert Martin Kastner. Gut bürgerlich und bodenständig ist die Speisekarte mit ständig wechselndem Angebot und eine Spezialität ist die Tages­ suppe, die von der Altwirtin Elisabeth Kast­ ner täglich nach altem Hausrezept frisch zu­ bereitet wird. Christiana Steger ,,Für große Feiern wird mit den Gästen zu­ sammen der Menüplan wie auch, zum Bei­ spiel bei einer Hochzeit, die Dekoration besprochen und die paßt dann, von den Bäumchen vorm Haus bis zum Blumen- schmuck und den Servietten zusammen“, so Martin Kastner, ,,denn das traditionelle Hochzeitsessen wie früher gibt es nicht mehr. Da wurde ein Schwein geschlachtet, Nudelsuppe war unabdingbar und nach Rindfleisch- und Schweinebraten gab es zum Mitternachtskaffee dann die frischen, selbstgemachten Bratwürste. Wir gehen in­ dividuell auf die Wünsche unserer Gäste ein, die ganz persönlich verschieden sind.“ Beliebt, besonders bei Wanderern, ist die Rast in diesem Haus mit der gemütlichen Atmosphäre und die wissen Suppe und ab­ wechslungsreiches Vesper sehr zu schätzen, wenn sie über den Q!ierweg Freiburg – Kon­ stanz in Riedöschingen ankommen, ebenso wie an kalten Tagen die wohlige Wärme des großen Kachelofens in der Gaststube, der noch mit Holz geheizt wird, und am ge­ pflegten Aquarium mitten in der Gaststube, drücken sich die kleinen Gäste die Nasen platt. 315

Stätten d r Ga tlichk it Parkhotel Waldeck Schrenk in Bad Dürrheim Wohlfühlen und genießen in gehobener Atmosphäre Über eine reiche, mehr als 30 Jahre umfas­ sende Tradition in Gastfreundschaft verfügt das Parkhotel Waldeck Schrenk/Waldeck Klinik mit Restaurant und Bistro-Cafe in Bad Dürrheim. Die Wurzeln des Vier-Ster­ ne-Hauses Waldeck reichen zurück bis 1955, das Jahr der Eheschließung von Ingeborg und Manfred Schrenk und dem Bezug des gemeinsamen „Hauses Ingeborg“. Als Ho­ telfachfrau und Tochter einer Bad Dürr­ heimer Hotelierfamilie beginnt Ingeborg Schrenk, die im Sommer 1999 plötzlich und allzu früh verstorben ist, mit der Vermietung von Zimmern. Die Familie wächst durch Tochter Gabriele-Claudia und Sohn Rüdi­ ger, auch die Aufgaben als Gastgeber neh­ men zu. Folge: Der Industrie-Kaufmann und Dipl.-Ingenieur für Feinwerktechnik Manfred Schrenk kauft mit Gattin Ingeborg die benachbarte ehemalige „Pension Wald­ eck“ und eröffnet nach Umbau das 40-Bet- ten-Haus „Kurheim Waldeck“ am 26. Fe­ bruar 1966. Kontinuierliche Um-, Anbauten und Steigerungen in allen Bereichen garan­ tieren seit der Eröffnung ein stets zeitge­ mäßes, komfortables Haus. Heute verfügt das Vier-Sterne-Waldeck über 140 Komfortzimmer, Appartements, einen vorbildlichen Klinikbereich unter ärztlicher Leitung mit Therapieabteilung, Sole-Mineralbewegungsbad, Dampfbad, Sau­ na, Solarien, Fitnessräume, Tiefgarage und Freizeiträume. Im weit über die Region hin­ aus geschätzten Gastronomiebereich wartet das Waldeck mit mehreren stilvollen Re­ stauranträumen, dem gemütlichen Bistro­ Cafe sowie repräsentativen Tagungs-und Banketträumen mit Atmosphäre und geho­ bener Ausstattung auf. An Köstlichkeiten verwöhnt der Küchenchef mit täglich markt­ frischen Gerichten, badischen und interna­ tionalen Speisen, Fisch-und Wildspezialitä- Eine ftine Adresse mit jahrzehntelanger Tradition: das Parkhotel Waldeck Schrenk in Bad Dürrheim. 316

Stätten der Gastlichkeit ten. Dazu kredenzt er edle Tropfen aus Ba­ den-Württemberg und anderen, ausgewähl­ ten Weingebieten sowie frisch gezapfte Bie­ re vom Faß. Als Besonderheit kommt das Haus Wald­ eck mit dem „Rollenden Restaurant“ den Gästen im wahrsten Sinn des Wortes entge­ gen. Bis zu 100 Personen können in dem wind-, wetter- und kältegeschützten Nobel­ Restaurationszelt mit voll ausgestatteter Küche, WC und Heizung an jedem ge­ wünschten Ort feiern und genießen. Vom Betriebsfest über Jubiläen, Vereins- und Fa­ milienfeste, sogar „Hochzeiten im Grünen“ reicht das denkbare Spektrum. Dem Anlaß entsprechend, präsentieren sich auch die ge­ wünschten Speisen und die Dekoration nach Belieben rustikal oder nobel, sportlich oder elegant. Erlebnis-Gastronomie in Mu­ seen wie zum Beispiel dem Narrenschopf Bad Dürrheim sowie Catering (gastronomi­ sche Betreuung) von Veranstaltungen außer Haus bis 650 Personen runden das Waldeck­ Leistungsspektrum ab. In dem Ambiente des Wohlfühlens und der Gastlichkeit des Waldecks engagiert sich die Familie nunmehr in der zweiten Gene- Juniorchef Rüdiger Schrenk und Ehefrau Beate leiten in der zweiten Generation das „ Waldeck“. ration – Sohn Rüdiger und Ehefrau Beate stehen als Junior-Chefs gerne in der Verant­ wortung. Gemeinsam mit in allen Bereichen freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeitern kümmern sie sich um das Wohl ihrer Gäste. Dagmar Schneider-Damm Zwischen Kochkunst und Kultur Josef Vogt ist neben seinem Einsatz in der Gastronomie auch kulturell engagiert Josef Vogt ist ein Mann mit drei Berufen und mindestens ebensoviel außerberufli­ chen Aktivitäten. Als Küchenmeister lehrt er seit 18 Jahren an der Fachschule für das Ho­ tel- und Gaststättengewerbe in Villingen­ Schwenningen und vermittelt dabei nicht nur reines Fachwissen. Im Unterricht und bei zusätzlichen Fachvorträgen spricht er über die Ethik des Essens und Trinkens, die für ihn mehr ist als nur den Magen füllen. Kochen, so der Küchenmeister, der seit mehr als zwei Jahrzehnten auch Prüfer bei der IHK für das Hotel- und Gaststättengewerbe ist, sei nicht nur Arbeit sondern Philosophie. Für ihn gehört zur Ausbildung auch, den jungen Leuten wieder Grundwerte zu ver­ mitteln und ihnen aufzuzeigen, daß der Traum-Job nicht vom Staat beschafft werden kann, sondern von den jungen Menschen selbst erlernt und immer aufs neue erarbei­ tet werden muß. Bei der Südwest-Messe istJosefVogt längst zur Institution geworden. Er war der Mann der ersten Stunde, als 1980 aus einem bis da­ to auf Schautafeln beschränkten Informa­ tionsstand eine Degustations-Schau entstand. 317

Geburtstag des Pfarrgemeinderates stellte er eine umfangreiche Dokumentation zusam­ men mit Berichten über seine Heimatge­ meinde entlang der Brigach. Hinzu kamen Kochbücher zum Thema „Rund um die Kar­ toffel (1987), ,,Leckeres für Kinder“ (1993) oder „Das essen Jäger gern“ (1996). Literari­ sches Neuland betrat der diplomierte Pädagoge 1997 schließlich als Co-Autor mit dem Fachbuch „Berufs- und Arbeitspädago­ gik in der Meister-Ausbildung“. Anne Bethge Jo efVogt In seinem Kochstudio in der Messehalle N erfüllt der gelernte Koch, gelernte Metzger und diplomierte Pädagoge Mittlerfunktion; Kochen allein ist ihm zu wenig, er zeigt den Umgang mit Rohstoffen auf, ihre Lagerung und Zubereitung, ermutigt den Verbraucher aber auch, kritischer nach �alität und Her­ kunft der Produkte zu fragen.A propos Phi­ losophie des Kochens: „Das Gepräch bei Tisch darf sich nicht nur um Kalorien dre­ hen, sondern auch um schonendes Zuberei­ ten der Rohstoffe, vielleicht aber auch ein wenig um Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, daß wir heute nicht mehr überlegen müssen, wie wir eine Steckrübe zum soundsovielten Male anders zubereitet auf den Tisch brin­ gen“, wirbt der Mann mit der Mütze für Re­ spekt vor Lebensmitteln im allgemeinen und den Schätzen der Natur im besonderen. Initiator des „Kulturellen Herbstes“ Allerdings reicht sein Einsatz für Kultur weit über Küche und Tisch hinaus. „Was das Franziskaner für Villingen, das ist die St. Martins-Kirche für das Brigachtal“, gab er bekannt, als nach 13jähriger Renovierung das Gotteshaus 1991 wiedereröffnet wurde. Als Vorsitzender des Brigachtaler Pfarrge­ meinderates machte er sich dabei die Worte des Rottenburger Bischofs Walter Kaspar zu eigen: ,,Was nützt die Renovierung von Stei­ nen, wenn das Leben, das darin war, verlo­ rengeht“ und initiierte 1992 den „Kulturel­ len Herbst“. Von den Bürgern zunächst aus kritischer Distanz beobachtet, entwickelte sich ein Angebot an Konzerten, das den ländlichen Bedürfnissen einerseits und den Möglichkeiten der Gemeinde andererseits Rechnung trägt; in St. Martin gaben Gos­ pelgruppen aus New York, das Warschauer Kammerorchester und Ensembles, in denen Brigachtaler Bürger mitwirkten, ihre künst­ lerische Visitenkarte ab. Daß Vogt endlich auch die Tinte leicht aus der Feder fließt, davon zeugen eine beacht­ liche Zahl an Veröffentlichungen. Zum 25. Josef Vogt 318

Freizeit und Erholung 22. Kapitel/ Almanach 2000 Das Drehorgelspiel als Lebenselixier Peter und Jeannette Biermann spenden ihre Einnahmen für wohltätige Zwecke Zwei Achsen, vier Räder und viel Musik – dige Anschaffungen und Renovierungen. In was ist das? Richtig, eine Drehorgel. Doch Schonach gaben sie zum Beispiel ein Kon­ halt, nicht alles, was sich Drehorgel nennt, zert zu Gunsten der Kirchturmrenovierung. Knapp 300 Zuhörer kamen. Es folgte ein ist eine. Zum Beispiel die Bauchorgel. Sie wird getragen, erzeugt aber ähnlich brau­ Konzert in der Benediktinerkirche in Villin­ sende Töne, wenn ihr Musikant oder ihre gen zu Gunsten der Silbermannorgel, die re­ Musikantin heftig die Kurbel drehen. Und noviert werden sollte. Und immer wieder das schon seit dem vorigen Jahrhundert. Als spielen sie und spenden die Einnahmen der neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Me­ Kinder-Krebsnachsorgeklinik Katharinen­ chanik kreative Menschen zu neuen Schöp­ höhe. Und zwischendurch reisen sie zu fungen anregten, entstanden die Drehor­ Drehorgeltreffen, zum Beispiel nach Cux­ geln. Das sind kleine oder große, reich ver­ haven oder nach Regensburg. Auch in Vil­ zierte, trag-oder fahrbare Orgeln mit Mu­ lingen fand schon ein Drehorgeltreffen statt. sikwalze. Im Norden Deutschlands werden Sie waren beim Sommerfest des Minister­ sie auch „Leierkasten“ genannt. Aus Nord­ präsidenten Erwin Teufel in Stuttgart da­ deutschland kommt Peter Biermann, der bei. Und das summende, sich wiegende Pu­ sich 1958 als Drogist in Mönchweiler selb­ blikum, die Begeisterung der Drehorgel­ ständig machte und jetzt in Schönwald freunde aus aller Welt läßt sie für kurze Zeit wohnt. Dort traf er seine Frau Jeannette, die vergessen, daß das Leben nicht nur zucker­ aus Schonach stammt. Und sie verliebte sich süße Momente hat. Man kennt sich in eines Tages in eine Bauchorgel. Seither sind Drehorgelkreisen: Jeder hat sein Repertoire die „Die Biermänner“ auf Achse. und seine besonders schönen und klangvol­ Was den ehemaligen Geschäftsmann Peter len Instrumente. Biermann und die ehemalige Rathausange­ stellte Jeannette geb. Sembach umtreibt, ist Von der Klassik bis zur Modeme in einem Satz gesagt: sich und anderen Freu­ de machen. Jeannette, die an Fastnacht Das Repertoire der „Biermänner“ reicht schon immer gern als Clown die Leute zum von Paul Lincke über die moderne Unter­ Lachen brachte, schlüpft in farbenfrohe Ko­ haltungsmusik bis hin zur Klassik, Or­ stüme und zeigt sich als Wesen aus anderer gelchorälen und den alten Meistem. Mög­ Zeit. Peter Biermann, der fröhliche Mann lich macht das Spielen auf den Drehorgeln aus dem Norden, den das Asthma in den eine „Notenrolle“, die eingelegt wird. Auf Schwarzwald trieb, gesellt sich im Frack zu dem „Notenband“ sind die entsprechenden ihr. Gemeinsam gehen sie durchs Leben mit Felder ausgestanzt, die beim Drehen des der Musik ihrer Drehorgeln, sorgen für Ent­ Blasebalgs die Töne auslösen sollen. Da gibt spannung und Heiterkeit. es die Pfeifenorgeln, die Walzen-, die Zun­ Und weil der Pensionär und seine Frau genorgeln. Die neueste Entwicklung ist eine nicht des Geldes wegen tingeln, fließt so Chip-Orgel, die elektronisch gesteuert wird. mancher Betrag in die Kassen von sozialen Aber die „Biermänner“ wollen es doch und kulturellen Einrichtungen für notwen- nostalgisch. Ihre „Raffin-Konzertorgel“ wur-319

Dr horgdn ��- r-………. _ f::.:._, 1 de in Überlingen gebaut, wo auch der No­ tenband-Hersteller sitzt. Und dann haben sie noch eine Lirnonair-Orgel mit Delfi:er Muster mit 48 Tonstufen. Die muß per Au­ toanhänger transportiert werden. Und Jean­ nette Biermann trägt dazu eine holländische Tracht. Sich und anderen Freude machen -für die „Biermänner“ ist die Musik, die sie mit ihren Drehorgeln spielen, zum Lebenselixier ge­ worden, an dem sie viele teilnehmen lassen. Wie zum Beispiel am Geburtstag von Jean­ nette Biermann. Da gaben sie mit Drehor­ gelfreunden ein mehrstimmiges Konzert vor 320 }eannette und Peter Biermann aus Schönwald mit ihren zwei kleineren Drehorgeln. »Sich und anderen Freu­ de machen•: lautet ihre Devise. Oji. spenden sie die Einnahmen aus ihren musikalischen Aktivitäten, zahl­ reiche Projekte und Einrichtungen im Landkreis sind die Nutznief?er. dem Cafe Adler in Triberg. Und viele Zuhö­ rer fanden sich ein. Und das paßt auch ge­ nau zum Konzept des Schwarzwaldmu­ seums in Triberg. Dort hat bekanntlich die größte Drehorgelsammlung Europas in ei­ nem neuen Anbau ein Zuhause. Renate Bökenkamp

Martin Schmitt und seine Er­ folge in der Saison 1998/99 Bei einem großartigen Empfang in Hinterzarten wurden am 27. März 1999 die Skispringer aus dem Schwarzwald von Tausenden von Fans gefeiert, einige Fernsehsender waren sogar „live“ dabei. Damit endete der bislang erfolgreichste Winter in der Geschichte des deutschen Skispringens. Maßgeblichen Anteil dar­ an hat Martin Schmitt, hier einige Sta­ tionen: Der Höhepunkt kam am Schluß: Am 21.März fieberten wohl alle Sportbegei­ sterten im Schwarzwald-Baar-Kreis am Fernsehschirm mit, als sich Martin Schmitt im letzten Springen den Ge­ samtsieg im Weltcup sicherte. Und dies, obwohl er sechs Springen des Wettbe­ werbes ausfallen ließ. Bereits am 19. März, am ersten Wett­ kampftag des Skifliegens in Planica (Slo­ wenien), stellte Martin Schmitt mit einer Weite von 219 Metern einen neuen Welt- 328 rekord auf Doch konnte sich der fur den Skiclub Furtwangen startende Sprungstar bei der Landung nicht auf den Beinen halten und stürzte. Im zweiten Lauf dann steht Schmitt eine Weite von 214,5 Me­ tern -auch das ist Weltrekord! Doch die Freude darüber währt nicht lange, kurz darauf springt ein anderer noch weiter. Eine Goldmedaille für die deutsche Mannschaft: Nach einem dramatischen Skisprung-Krimi in Ramsau sicherte sich das DSV-Team den Mannschafts-Welt­ meistertitel. Martin Schmitt, Sven Han­ nawald, Dieter Thoma und Christoph Duffner (Schönwald) gewannen knapp vor Japan. Für Martin Schmitt war das bereits der zweite Weltmeistertitel, denn er schaffte Unglaubliches: Riesiger Jubel machte sich breit, als er am 21. Februar mit Wei­ ten von 126 und 129,5 Metern auf Platz eins im Einzelwettbewerb der Weltmei­ sterschaft sprang. Da Sven Hannawald Zweiter wurde, feierte das DSV-Team ei­ nen Doppelsieg.

Martin Schmitt Das SKIF ist für maximal 25 Nachwuchs­ sportler, die den sportlichen Leistungska­ dern A,B, C oder D/C des nationalen Fach­ verbandes angehören, eingerichtet. Diese finden in der Robert-Gerwig-Schule, dem Furtwanger Berufsschulzentrum, und im Otto-Hahn-Gymnasium die ideale Unter­ stützung bei der Berufs- sprich Schulausbil­ dung. Koordinationslehrer betreuen fern­ unterrichtlich die Sportler bei Lehrgängen und Wettkämpfen. In Furtwangen daheim Daß sich die Sportler in Furtwangen wohl fühlen, das SKIF ein Teil von Furtwangen ist, zeigen die imposanten Feiern anläßlich der Erfolgsserie von Martin Schmitt: Fackel­ umzüge und Empfänge wurden vom heimi­ schen Skiclub und der Stadt organisiert und die Mitschüler sind zu Hunderten dabei (siehe Almanach 1998). Es werden zu derlei Anlässen Transparente hergestellt, und wenn der Klassenkamerad von nebenan, oder im Fall von Martin Schmitt der ehe­ malige Klassenkamerad über die Schanze geht, dann fiebern die OHG-Schüler oder Robert-Gerwig-Schüler mit. Das Modell SKIF ist eine Erfolgsstory ge­ worden und maßgeblich mit dem Standort Furtwangen verknüpft, wo man im Jugend­ wohnheim Don-Bosco der Salesianer opti­ male Unterbringungsmöglichkeiten vorfin­ det. Auch sportlich hat der Standort Furt­ wangen alles zu bieten, was man am SKIF braucht: Der Skiclub Furtwangen unterhält eine beleuchtete Mattenschanze mit Lift, und in schneesicherer Lage in über 1000 Me­ ter Höhe steht das Langlaufzentrum Mar­ tinskapelle zur Verfügung. In der Umge­ bung können zusätzliche Trainingseinrich­ tungen genutzt werden, etwa die Skiroller­ Trainingsstrecke mit Luftgewehrschießstand in Schönwald, die K 90 Mattenschanze in Hinterzarten oder das Bundesleistungszen­ trum Herzogenhorn. / wd Mit dem Lift hinazif zur Schanze, zum nächsten Sprung. Martin Schmitt beim Sommerskispringen 1999 in Hinterzarten. 329

port Brigachtaler Sportschützen sehr erfolgreich Sandra Käfer mit Weltklasseleistungen ein Aushängeschild des Vereins Die im Jahr 1958 wiedergegründete Sport­ schützenvereinigung Brigachtal kann auf viele Jahre erfolgreicher Tätigkeit zurück­ blicken. Mehrmals wurde die vereinseigene Schießanlage umgebaut und erweitert. Die heutige moderne Anlage wurde in der Folge des sportlichen Höhenflugs der Aktiven des Vereins errichtet Viele Spaziergänger kennen das Brigachta­ ler Schützenhaus nur vom Vorbeigehen. Das Schießen führt derzeit noch ein Schat­ tendasein, nur wenige Insider kennen den Sport näher. überrascht und erstaunt sind oftmals die Gäste, die sich ins Vereinsheim wagen: Eine schöne Schützenstube, mit vie­ len Pokalen geschmückt, lädt zum Verweilen ein. Der interessierte Besucher wird von fachkundigen Mitgliedern gerne hinter die Kulissen geführt. Denn die Kleinkaliber- Schießanlage wurde vor einem Jahr völlig umgebaut und auf den neuesten techni­ schen Stand gebracht. Hier befinden sich 16 Monitore, die auf acht Ständen verteilt angeordnet sind. Die 50 Meter lange Schieß­ bahn ist umgeben von Erdwällen und Hochblenden, die hohe Sicherheit gewähr­ leisten. Den Abschluß der Anlage bildet ein Gebäude, in dem die Zieleinrichtungen (Scheibenbilder und Meßköpfe) unterge­ bracht sind. Auf dem Monitor der vollelek­ tronischen Trefferanzeige wird nach Abgabe jeden Schusses der Wert des Treffers und die Trefferlage angezeigt. Durch einen Vorraum gelangt man ins Büro des Vereins, wo sich die technische Schaltzentrale befindet. Da Sicherheit ober­ stes Gebot ist, geht es bei den Sportschützen sehr geordnet zu, alles ist bis ins Detail or- Auf dem neusten Stand befindet sich der Schirßstand der Brigachtaler Sportschützen. 330

Brigachtaler Sport chützen stet, so daß das Schießen auf Papier­ scheiben im Brigachtal der Vergangen­ heit angehört. Die Elektronik regi­ striert jeden Treffer bereits nach der Schußabgabe und auf einem Bild­ schirm ist der Ringwert des Schusses zu erkennen. Die übersichtliche Anzeige ermöglicht auch dem Zuschauer ein ge­ naues Verfolgen des Wettkampfes. Da­ mit ist eine neue Epoche im Sport­ schießen angebrochen. Auch der Süd­ badische Sportschützenverband nutzt die moderne Anlage zur Austragung der Rundenwettkämpfe der Landes­ klasse in den Disziplinen Luftgewehr und Luftpistole. Sportliche Leistungen Schützen aller Altersklassen, von Schülern ab 12 Jahren bis hin zu Seni­ oren, pflegen im Verein ihren Sport. Insbe­ sondere der Jugendarbeit wird ein großer Stellenwert beigemessen. Jährlich errungene Spitzenplätze bei Kreis-, Bezirks-und Lan­ desmeisterschaften sind der Lohn für konti­ nuierliche Anstrengungen. Jahrzehntelang startete die erste Mannschaft in der Landes­ klasse, die bis zur Einführung von Bundes­ und Regionalliga im Jahr 1997 die oberste Spielklasse war. Im Februar 1999 gelang im zweiten Anlauf und mit guten Leistungen der Sprung in die Regionalliga Süd/West. Hier trifft man nun auf kampfstarke Mann­ schaften wie Stuttgart oder Kaiserslautern. Der Einsatz und die zielstrebige Trainings­ arbeit unter der Leitung von Trainer Karl­ Heinz Rothweiler tragen Früchte. Die Spitzenschützin des Vereins Sandra Käfer hat schon öfters mit Weltklasselei­ stungen brilliert. In der letzten Runde er­ rang sie den Einzelsieg. Bei den Bezirksmei­ sterschaften in Tennenbronn im Mai 1999 erzielte sie 395 von 400 möglichen Ringen im Schießen mit dem Luftgewehr. Die der­ zeitige Weltbestleistung liegt bei 399 Rin­ gen. Bei der Landesmeisterschaft in Hüfin-331 Per Computerbild kann der Schütze exakt seine Tref­ fer und Punkte ablesen. Die größte Ehrenscheibe Deutschlands ist im Schießstand des Brigachtaler vereins zu.finden. ganisiert und geregelt. Gewehre und Muni­ tion sind in Tresoren sicher verschlossen, auch Sportkleidung und sonstige Utensilien sind ordentlich verstaut. Stolz des Vereins ist die im Jahr 1984 er­ baute große Luftgewehrhalle. Das Luftge­ wehrschießen ist die am stärksten verbreite­ te Schießart und die moderne Anlage war die erste ihrer Art in der Region. Die beste­ henden 12 Bahnen wurden mit hohem fi­ nanziellem Aufwand elektronisch umgerü-

Brigachtaler Sportschütz n Sandra Kä.fer, hier im Gespräch mit einem Sportkollegen, ist die Spitzenschützin des Brigachtaler �reins. gen konnte sie erneut ihre Spitzenleistungen unter Beweis stellen. Im KK-Standard, dem Kleinkaliberschießen, erreichte sie mit 565 von 600 möglichen Ringen den ersten Platz. Und auch beim Luftgewehrschießen kam sie mit 392 von 400 möglichen Ringen an die Spitze. Zwar landete sie hier „nur“ auf dem zweiten Platz, die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften ist jedoch gesi­ chert. Insgesamt zeugen die Berufungen in die Verbandsauswahl von ihrem hohen Lei­ stungsstand. Sehr erfolgreich sind auch die Landeskader von Baden-Württemberg: Armin Roth­ mund, der den zweiten Platz bei den Run­ denwettkämpfen belegte, und Claus Hilde­ brand. Zusammen mit Christoph Häßler verstärken sie als talentierte Nachwuchs­ schützen die Mannschaft. Andreas Hiersig, Silke Meyer und Daniela Rothweiler ver­ vollständigen das siebenköpfige Team. Kampfgeist und Einsatzfreude, gute Vorbe­ reitung und Trainingsfleiß sind die Grund­ lagen ihres Erfolges. Als ehemals aktiver und auch sehr erfolg­ reicher Sportschütze leitet Max Hirt seit 38 Jahren den Verein. Vieles hat er mit Enga­ gement, Weitblick und Offenheit ange­ stoßen und auch erreicht. Neben dem Sport kommt auch die Traditionspflege nicht zu kurz. Seit 1996 haben die Schützen eine neue Fahne, die neben Wappenbildern kunstvolle Stickereien von markanten Ge­ bäuden in Brigachtal enthält. Der in Gold aufgestickte Wahlspruch lautet: ,,Ein Ziel vor Augen gibt Sinn im Leben“ – ein Mot­ to, das sicher nicht nur für Schützen gilt. Durch ihr Engagement und ihre Erfolge sind die Brigachtaler Sportschützen zu ei­ nem Begriff im Landesverband geworden. Max Hirt 332

Sport Weltklassetennis in VS-Villingen Der TC Blau-Weiß konnte gleich zur Premiere eine erstklassige Besetzung bieten Am Anfang war die Idee. In gewisser Wei­ se vielleicht sogar ein Hirngespinst. ,,Welt­ klassetennis in Villingen“, so die Vision von Markus Dufner und Kai Blandin. Die bei­ den Eigengewächse des TC Blau-Weiß Vil­ lingen, damals gerade mal 27 beziehungs­ weise 28 Jahre alt, hatten sich vorgenom­ men, in der Doppelstadt neben den Schwenninger Wild Wings, dem Eishockey­ Dauerbrenner in der DEL, ein weiteres sportliches Highlight zu etablieren. Wobei: Näher betrachtet, war die Idee gar nicht so abwegig. Zum einen, weil die wun­ derschön gelegene Tennisanlage an der Klo­ sterhalde prädestiniert für eine solche Ver­ anstaltung ist. Mit ihren neun Plätzen ist sie ideal geeignet für eine überregionale Veran- staltung. Zum anderen aber auch, weil die beiden Initiatoren über ihre eigene aktive Karriere hinaus tagein tagaus mit Tennis zu tun haben und deshalb in der Materie be­ stens bewandert sind. Der eine, Markus Duf­ ner, begann seine „Laufbahn“ bei Michael Mronz, zu der Zeit bereits ein erfolgreicher Veranstalter von Tennisturnieren, und ar­ beitet mittlerweile im Turnierbüro der Eu­ rocard Open in Stuttgart, einem der größten Hallen-Events der Welt. Der andere, Kai BI andin, ging nach Sindelfingen, um bei der Deutschen-Tennis-Zeitung zu volontieren und später als Redakteur und Chef vom Dienst zu arbeiten. Warum also nicht diese vielfältigen Kontakte nutzen, um auch in Villingen etwas auf die Beine zu stellen. Weltklassetennis bietet der TC Blau-Weiß in VS-Villingen bei seinem neuen Turnier. 333

W. ltkl tenni in V ·Villingen Der Spanier David Caballero ging als Sieger des ersten Villinger Weltranglistentumiers in die Geschichte des noch jungen Weltklasse-Ereignisses des TC Blau-Weiß ein. Gesagt, getan: Die beiden meldeten beim Deutschen Tennis Bund (DTB) in Hamburg zunächst ein Ranglistenturnier innerhalb der größten nationalen Turnierserie, dem Warsteiner-Grand-Prix, mit einem Preisgeld in Höhe von 10 000 Mark an. ,,Dies war ir­ gendwie schon ein Wagnis. Immerhin hat­ ten wir zu dem Zeitpunkt noch keinen ein­ zigen Sponsor für unser Vorhaben“, erin­ nern sich die beiden. Doch: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und sie haben gewonnen. Auf der ganzen Linie. Schon die erste Auflage des Inter­ nationalen Villinger Pfingst-Tennistumiers wurde zu einem vollen Erfolg. Vielleicht auch deshalb, weil die beiden von Beginn an stets über das Übliche hinaus gingen und auch heute noch gehen. Ein Turnier und da­ mit hochklassigen Sport anzubieten ist eine Sache, auf einem weiteren Blatt steht je­ doch, etwas mehr als andere zu machen und sich deshalb von der breiten Masse abzuhe- ben. ,,Für uns stand von Beginn an neben dem Sport ein angemessenes Rahmenpro­ gramm im Vordergrund“, betonen Dufuer und Blandin. Sowohl für die Spieler als auch für die Zuschauer. ,,Nur wenn sich Akteure und Besucher bei einer solchen Veranstal­ tung wohl fühlen, kommen sie selbst wieder und bringen das nächste Mal vielleicht noch jemanden mit“, so das Motto der beiden Organisatoren. Was haben sie sich nicht alles einfallen las­ sen, um zum einen für Attraktionen zu sor­ gen und um zum anderen die Zuschauer und Spieler zu unterhalten. Eine große Tur­ nier-Party mit Modenschau, Tombola und Tanzvorführungen beispielsweise. Dieser Abend hat in Tenniskreisen weit über die Stadtgrenzen hinaus bereits Kultstatus er­ langt und ist Jahr für Jahr sehr gut besucht. Oder aber Schnupper-Golffür die Spieler in Königsfeld und Donaueschingen sowie ein Jazz-Brunch am Sonntag als Einstimmung 334

S_porl auf die Finalspiele. ,,Bei uns sollen die Be­ sucher Tennis jedoch nicht nur am Spiel­ feldrand von der Tribüne aus genießen, sie sollen selbst aktiv in das Geschehen mit ein­ greifen“, erklären die Veranstalter. Deshalb gehört ein Laienturnier für jedermann eben­ so zu den traditionellen Rahmenveranstal­ tungen. Ein Weltst ar in Villingen Sogar ein echter Weltstar fand dank der beiden schon den Weg nach Villingen. ,,Im zweiten Jahr war es uns gelungen, Pavel Slo­ zil, den früheren Trainer von Steffi Graf und jetzigen Coach von Anna Kournikova, hier­ her zu holen“, erzählen Dufuer und Blan­ din. Der trainierte einen Vormittag lang mit Kindern und Jugendlichen aus der Region, gab ihnen wertvolle T ips für ihr Spiel und stand ihnen Rede und Antwort. „Natürlich hatten wir insofern Glück, daß wir gleich bei der Premiere eine erstklassige Besetzung aufzuweisen hatten“, räumen Dufner und Blandin ein. Und nicht nur dies: Villingen gehörte in seiner Kategorie, also innerhalb aller mit 10 000 Mark dotier­ ten Turniere des Warsteiner Grand Prix, vom Teilnehmerfeld her zu den Top-Fünf. Ein Bilderbuchstart. Damit war der Grundstein gelegt. Den Zuschauern wurde erstklassiges Tennis geboten, die Spieler dienten als Mul­ tiplikatoren. ,,Schon im zweiten Jahr kamen viele weitere Cracks zu uns. Auf die Frage hin, wie sie denn auf unser Turnier auf­ merksam wurden, bekamen wir stets die gleiche Antwort: durch Empfehlungen von anderen Spielern“, berichten die beiden Vil­ linger heute nicht ohne Stolz. Verlockendes Angebot Doch sollte dieser Anfangserfolg den Jung­ Organisatoren keineswegs zu Kopf steigen. Sie verfolgten auch weiterhin ihren einge­ schlagenen Weg, ließen das Turnier langsam Pavel Slozil, Ex-Trainer von Steffi Graf, beim Kindertraining. 335

Wcltld l nni in V -Vtlling n Zahlreiche jugendliche des Vereins fungieren während des Turniers als Ballkinder und Linienrichter. aber stetig wachsen. Jedes Jahr gingen wir einen Schritt weiter, wollten dabei aber nichts überstürzen“, beschreiben sie die da­ malige Situation. Schweren Herzens lehn­ ten sie 1996 dann auch ein erstes Angebot des Deutschen-Tennis-Bundes ab, die Ver­ anstaltung aufzuwerten. ,,Die DTB-Zentrale in Hamburg fragte damals bei uns an, ob wir nicht Interesse hätten, das Masters eines so­ genannten Satellites auszutragen“, erzählen Dufner und Blandin. Satellites waren die kleinste Form von Weltranglisten-Turnieren und bestanden aus drei Events plus einem abschließenden Masters, bei dem dann schlußendlich die Punkte fur die ATP-Rang­ liste verteilt wurden. ,,Auch wenn dieses An­ gebot mehr als verlockend und allein die Anfrage ein enormer Vertrauensbeweis in unsere Arbeit war, so kam es doch fur uns ein wenig zu früh“, stehen sie auch heute noch zu ihrer Entscheidung. Bereits ein Jahr später dann der nächste 336 Anlauf. Wieder kam das Angebot aus Ham­ burg, und wieder mußten Dufner und Blan­ din dem Deutschen-Tennis-Bund eine Ab­ sage erteilen. ,,Abgesehen davon, daß wir erst weiter unsere Erfahrungen auf nationa­ ler Ebene sammeln wollten, kam die Anfra­ ge in beiden Jahren sehr, sehr kurzfristig. Al­ lein aus organisatorischen Gründen hätte es da schon Probleme gegeben“, so die Villin­ ger. Doch im Leben trifft man sich immer zweimal, manchmal sogar dreimal. Im ver­ gangenen Jahr war es, als der Tenniswelt­ verband ITF, unter dessen Regie die Grand Siam Turniere, der Davis Cup und die un­ terste Ebene der Weltranglisten-Turniere ausgerichtet werden, eine Neustrukturie­ rung vornahm. Zu den bereits erwähnten Satellites wurden die sogenannten „ITF-Fu­ tures“ eingeführt. Maßgeblicher Vorteil: Im Gegensatz zu den Satellites müssen hier nicht vier Turniere in Folge gespielt werden,

Ein Traum geht in Erfüllung um an die begehrten ATP-Punkte heranzu­ kommen. Eine feine Sache sowohl für Spie­ ler als auch für Veranstalter. „Früher waren vor allem die Spieler in manchen Situatio­ nen die Gelackmeierten. Zwei Wochen lang spielten sie gut, beim dritten Turnier zogen sie sich eine Verletzung zu und konnten so das Masters nicht spielen. Ergebnis: Null Punkte“, verdeutlichen Dufner und Blan­ din. Bei den ITF-Futures sieht die Sache an­ ders aus. Hier wird jedes Turnier, wie auf der ATP-Tour, einzeln gezählt und gewertet. Für die Veranstalter bringt dies zudem den Vor­ teil mit sich, daß bei jedem Event Punkte verteilt werden. ,,Mit dieser Neu-Einführung sahen wir un­ sere Chance als gekommen, auf diesen Zug wollten wir unbedingt aufspringen“, berich­ ten die beiden. Die Verhandlungen mit dem Deutschen-Tennis-Bund in der ITF waren schnell vorbei, das ganze eigentlich nur eine Formalität. Und da sich auch die Sponsoren von der Idee begeistert zeigten, war es 1998 endlich soweit: In Villingen ging es zum ersten Mal um Weltranglisten-Punkte. Für Dufner und Blandin ging damit ein Traum in Erfüllung, auch wenn dies für sie eine Menge Mehrarbeit bedeutete. Das Resultat entschädigte jedoch für alle Mühen: Eine Woche lang wehte über der wunderschön hergerichteten Anlage des TC Blau-Weiß an der Klosterhalde mit dem großen Zelt als Gastronomiebereich ein Hauch von internationalem Flair. Spieler von überall her gaben sich hier ein Stell­ dichein, boten Tennis der Extraklasse. Und auch so mancher „Star“ ließ sich im Schwarzwald blicken: Yewgeny Kafelnikov zum Beispiel. Zwar kam der amtierende Australian-Open-Sieger nicht, um selbst das Racket zu schwingen. Vielmehr wollte er sich über den Leistungsstand seiner jungen russischen Landsleute informieren. ,,Doch allein seine Anwesenheit bedeutete eine Sport enorme Aufwertung für unser Turnier“, sind sich die Veranstalter sicher. Apropos Sponsoren. Eine Sportveranstal­ tung dieser Größenordnung ist ohne die nötigen Partner nicht durchführbar. Und die stehen allesamt hinter dem Konzept und dem Turnier selbst. Ideen werden gemein­ sam entwickelt und umgesetzt, die Zusam­ menarbeit ist mehr ein Miteinander, ein Ge­ ben und Nehmen. „Allein die Tatsache, daß viele Firmen bereits von Beginn an unsere Partner sind, zeigt die solide Arbeit und die Kontinuität“, betonen Dufuer und Blandin. Ein weiterer Punkt, auf den sie zurecht stolz sein können. „Trotz alledem sind wir in diesen fünfJah­ ren unseren Prinzipien treu geblieben und werden dies auch in Zukunft tun“, versi­ chern die beiden. Will heißen: Neben den Spielern stehen auch weiterhin die Zu­ schauer im Vordergrund, für die lassen sich Dufner und Blandin auch in Zukunft eini­ ges einfallen. Von Jahr zu Jahr mehr, denn Stillstand ist Rückschritt. Bleibt nur abzu­ warten, was ihnen als nächstes einfällt. KaiBlandin 337

24. Kapitel I Almanach 2000 Lyrik der Heimat Hüter heimischer Kultur und Mundart Der St. Georgener Rudolf Wintermantel hinterließ rund 200 Gedichte und 30 Theaterstücke Zu den bedeutenden Persönlichkeiten der St. Georgener Geschichte zählt zweifellos Rudolf Wintermantel, der große Kenner und Hüter einheimischer Kultur und Le­ bensart. Rund 200 Gedichte und 30 Thea­ terstücke hat er der Nachwelt hinterlassen. Sie halten die Erinnerung an den Heimat­ dichter lebendig, der sich einst weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht hatte. Rudolf Wintermantel kam am 31. Mai 1877 in St. Georgen zur Welt. Sein Vater war der damalige Bürgermeister und Posthalter Jakob Wintermantel. Er entstammte einem reichen und angesehenen Geschlecht, das bereits in einer Urkunde aus dem Jahre 1519 als in St. Georgen ansässig erwähnt ist. Der junge Rudolf entwickelte schon früh eine dichterische Ader und betätigte sich als Verfasser von Gedichten. Bereits 1899, im Alter von 22 Jahren, veröffentlichte er sein erstes Gedichtbändchen mit dem Titel „Von des Schwarzwalds Höhen“ in Mundart. Ein besonderes Anliegen war es ihm, die heimische Kultur zu bewahren. So sammel­ te er die alten St. Georgener Volkssprüche und Verse, die 1900 in der Zeitschrift „Hoch­ deutsche Mundarten“ abgedruckt wurden. Zu einem großen Erfolg wurde 1905 sein zweiter Gedichtband in St. Georgener Dia­ lekt. Das Werk „Heimat“ machte ihn als Heimatdichter weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Als in jenen Jahren die zunehmende In­ dustrialisierung das Bauerntum und damit auch zahlreiche alte Bräuche mehr und mehr zurückdrängte, setzte sich Winterman­ tel mit aller Energie für die Erhaltung der Volkskultur ein. Zusammen mit einigen Gleichgesinnten gründete er 1907 den 338 Rudo!f Wintermantel St. Georgener Trachtenverein, dessen Vor­ sitzender er bis kurz vor seinem Tod blieb. Schon bald ging Wintermantel auch daran, Theaterstücke zu verfassen. Dabei verwen­ dete er bewußt alte, häufig schon fast ver­ gessene Redewendungen und Ausdrücke, um diese so der Nachwelt zu überliefern. Nach einigen Sketchen und Einaktern war das Stück „Gewonnenes Spiel“ sein erstes größeres Theaterwerk. 1907 folgte „Vor der Hochzeit“. Jedesmal war der Erfolg so groß, daß sich Wintermantel bald an ein schwieriges The­ ma wagte: Das „Drama vom Galgenbauer“.

Am 8. August 1908 war Uraufführung im „Deutschen Haus“ in St. Georgen. Der Zu­ schauerandrang war so groß, daß das Stück gleich zweimal wiederholt werden mußte. Die Aufführungen seiner Mundartstücke fanden ein so großes Echo, daß Winter­ mantel noch rund 30 weitere Theaterstücke verfaßte, darunter „Der Erbschleicher“ und ,,Der Aufwärtsstreber“. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit dem väterlichen Fuhrunternehmen samt Wein­ handlung, die er zusammen mit seinem Bruder betrieb. Neben seinen schriftstelleri­ schen Aktivitäten war Wintermantel auch sonst vielfältig engagiert. Lange Zeit war er Mitglied des Gemeinderates, viele Jahre Vor­ sitzender des Fremdenverkehrsvereins, er Rudolf Wintermantel war Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuer­ wehr, Vorstandsmitglied des Schwarzwald­ vereins und der Lesegesellschaft sowie Mit­ initiator des Heimatmuseums. Enge Verbindungen pflegte er zu den Pro­ fessoren Hasemann, Liebig und Stengel. Bekannt gemacht haben ihn aber seine aus dem Leben gegriffenen Stücke, seine mit Schalk und Witz gewürzten, treffsicheren Verse. Als Rudolf Wintermantel nach schwe­ rer Krankheit am 18. Juni 1935 im Alter von 58 Jahren verstarb, trauerte die Stadt um ei­ ne verdienstvolle Persönlichkeit. Heute trägt in St. Georgen eine Straße seinen Namen. Jochen Schultheiß Herwscht Im Ährefeld goots luschtig zue, Sällt singt es Meidle mit em Bue: Hans wetz mer d’Sichel, hodrio, Hitt sinn mer luschtig on sinn froh, On Du, Du dersch miin Dänzer sü! Biim Franzesepp, im grüene Kranz, Sällt isch hitt große Ämtedanz, Sällt drait se s’Meidle om dr Bue; Hans wetz, noo genn mer au drzue! Es Korn isch groote on dr Wü Kinnt au net besser worre sü, Dr Buursmaa schwait siin große Huet On lacht ins Fiischtle wohlgemuet. Am Sonndig uß em Derfle klei Hert mer en Klang gar wonderschei, En helle Klang, wo jedermaa Glii packt am rechte Flecke aa. Es Geckle isch on mit siim Klang Verkinnds dr Sonneontergang On mahnet älles broat on witt, Daß’s in dr Welt au Pflichte gitt. On Buur on Biire, Magd on Kind Dr Knecht, dr Frind on au dr Find, Ällzsemme genn ins Kilchle b’hend On bringe so dr Herwscht zom End. 16tel oder 8tel Es Xandererge Jockei Goot in der „Schitze“ nii On bschtellt e Glas voll Bier On au en Brenntewii. ,;t/aa mechtischt fer e Gläsle“ So froget en dr Deis, ,,Sechzehntel oder Achtel, E großes oder e kleis?“ „Sechzehntel, haa“, so monnt er, Dr Jockei, „isch mer z’groß, Ich kinnts au net vertrage, Gang bring e Achtel blos!“ 339

Es Meiles Schatzbrief Lyrik d r H imat ,Jetz dät e do so gern weng schriiwe On s’konnt mer gar ninnt ii“, So seit es Meile hintrem Disch On biißt in d’Fedder nii. An Hanserg sott es Briefle halt, An Schatz in Konstanz gau, Drom sott es au recht gschriiwe sii On bsondre Orning hau. So schriiwt es also: „Grüeß de Gott Miin Hanserg, Du miin Frind! Gäll helsch in Ehre waa dr schriiw; Sonsch woaß e jetz grad ninnt.“ Dr Michel huckt im „Löwe“ drinn On brommlet vor se naa, Uß em Wertshuus „Isch des emol en Dreck von Bier, Doo kriegt mers Buuchweh draa!“ „Hee, Löwert, glauwe ihr, ich suuf Däär Krom doo zsemme nii, Doo müeßt e schau dr Ällerdimmscht Von älle Gschoole sii ! Am Sonndig häsch e Bierle g’het, Hitt sinn es grad acht Dag, Säli isch oas gsii, säll hät mer paßt, Bii Wahret, wenn es sag!“ „Ei Michel“, seit dr Löwert druff, „Häsch, denk e, hitt gern Spaß, Des isch es ällernemmle Bier, Sogar vom gliiche Faß!“ Alle Gedichte stammen aus der Feder von Rudolf Wintermantel, sie sind in der 1905 veröffentlich­ ten Gedichtesammlung „Heimat“ enthalten. Mönchweiler, Aquarell von Ludwig Schapp, 1996. 340

Verschiedenes Personen und Fakten Auch 1998 und 1999 führte die freund­ schaftliche Verbindung zum schweizeri­ schen Nachbarkanton Schaffhausen zu Treffen. Landrat Heim empfing Regierungs­ rat Lehnherr und seine Delegation am 18. September 1998. Im Verlauf der Begegnung wurden das Mikroinstitut in Villingen, das Uhrenindustriemuseum und die Museums­ bahn Wutachtalbahn mit Bahnmuseum in Blumberg-Zollhaus besucht. Der Gegenbe­ such in Schaffhausen mit Landrat Karl Heim fand am 17. Juni 1999 statt. Hubert Mosbacher (46), der bisherige Lei­ ter des Blumberger Forstamtes, übernahm am 1.10. 1998 die Leitung des neu zuge­ schnittenen Forstamtsbezirks Donaueschin­ gen mit 11 000 Hektar Wald. Der Erweiterungsbau der Schule für Kör­ perbehinderte, die sich in der Trägerschaft des Landkreises befindet, wurde am 21. Ok­ tober 1998 feierlich seiner Bestimmung übergeben. Klemens Auberle (57), bisher für die Lehr­ erfortbildung am Oberschulamt Freiburg tätig, erhielt am 19. November 1998 seine Ernennungsurkunde als neuer Leiter des Staatlichen Schulamtes Villingen. Hans-Joachim Stephan (42), zuletzt am Fi­ nanzministerium Baden-Württemberg tätig, wurde am 19. November 1998 in sein neu­ es Amt als Leiter des Finanzamtes Villingen eingeführt. ernannt. Dieser besuchte am 2. Februar 1999 erstmals den Landkreis. Horst Billing (65), Direktor des Arbeitsam­ tes Villingen-Schwenningen, wurde am 24. November 1998 in den Ruhestand verab­ schiedet. Neuer Leiter des Arbeitsamtes wurde der in Villingen geborene Uwe Wils­ ser (57), bisher Leiter der Abteilung Arbeits­ vermittlung und Arbeitsberatung am Arbeitsamt Freiburg. Jänos Bosz6 (75), bekannter ungarischer Landschaftsmaler mit Atelier in Kecskemet im Partnerkomitat Bacs-Kiskun starb am 14.12.1998 in seiner Heimatstadt. Fritz Link (36), wurde am 28.02.1999 mit 54,120/o der abgegebenen Stimmen und ei­ ner Wahlbeteiligung von 71,920/o im ersten Wahlgang zum Bürgermeister von Königs­ feld gewählt. Sein Vorgänger, Bürgermeister Horst Ziegler, wurde nach Erreichen der Pensionsgrenze am 20. Mai 1999 nach 28 Dienstjahren in den Ruhestand verabschie­ det. Theo Kühn (62), Erster Beigeordneter und (Bau)bürgermeister der Stadt Villingen­ Schwenningen, trat mit dem Ende seiner Amtszeit, die im April 1980 mit der Wahl zum Zweiten Beigeordneten begann, in den Ruhestand. Nachfolger wurde RudolfFuß­ höller (41), der nach der Wahl am 31. März 1999 sein Amt als Bürgermeister am 1. Mai antrat. Conrad Schroeder (65), Regierungspräsi­ dent in Freiburg, trat am 30. November in den Ruhestand. Zu seinem Nachfolger wur­ de der Erste Bürgermeister (CDU) der Stadt Freiburg, Sven von Ungern-Sternberg (56), Adolf Huchler, Stukkateurmeister in Do­ naueschingen, wurde am 6. Mai 1999 in Donaueschingen für die Wahlperiode von drei Jahren zum Kreishandwerksmeister ge­ wählt. 341

Orden, Medaillen Endgültige Ergebnisse der Europawahl am 13. Juni 1999 im Schwarzwald-Baar-Kreis Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden im Zeitraum vom 1.8.1998 bis 31. 7.1999 öffentlich ausgezeichnet: Mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (Abkürz.: BVK I. Kl. = Bun­ desverdienstkreuz 1. Klasse, BVK a.B. = Bundesverdienstkreuz am Bande, BVM = Bun­ desverdienstmedaille): Triberg-Nußbach 25.09.1998 BVKa.B. Rißler, Karl Schonach 01.10.1998 BVK.a.B. Kuner, Max Donaueschingen 13.10.1998 BVK.a.B. Wegmann Kurt Villingen-Schwenningen 03.11.1998 BVM Scharbach, Claus Villingen-Schwenningen 29.11.1998 BVK.a.B. Flaadt, Gerhard 15.04.1999 BVK.a.B. Villingen-Schwenningen Mölkner, Friedrich Zahrradnik, Walter 16.04.1999 BVK.a.B. Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Furtwangen 20.04.1999 BVK.a.B. Hajek, Christa 20.04.1999 BVK.a.B. Furtwangen Niesen, Günter Furtwangen 20.04.1999 BVK.a.B. Siedle, Horst VS-Weilersbach 21.05.1999 BVM Fleig, Hubert Villingen-Schwenningen 26.05.1999 BVK.a.B. Billing, Horst Villingen-Schwenningen 10.06.1999 BVK.a.B. Steinkamp, Dietmar Bad Dürrheim 20.07.1999 BVK.a.B. Limberger, Johann Wahlbeteiligung: 38,13 %, Wahlberechtigte: 147.242, darunter mit Wahlschein 7.337 Wähler: 56.150, davon Briefwähler: 6.544 ungültige Stimmen: 507, gültige Stimmen: 55.643 Von den gültigen Stimmen entfielen auf: CDU 55,070/o SPD 24,740/o Grüne 7,790/o REP 2,450/o F.D.P. 4,820/o ödp 0,520/o PBC 1,070/o APD 0,300/o GRAUE 0,360/o PDS 0,830/o NATURGESETZ 0,180/o CM 0,270/o NPD 0,310/o PASS 0,080/o BüSo 0,010/o ASP 0.110/o ZENTRUM 0,020/o DIE FRAUEN 0,360/o HP 0,040/o Tierschutzpartei 0,650/o Bundesgebiet Bundesgebiet Stichtag Ost West 160/o 9,70/o 30.6.1997 18,60/o 10,60/o 30.6.1998 8,40/o 16,80/o 30.6.1999 Arbeitslosigkeit im gesamten Bundesgebiet zum 30. 6. 1999: 10,10/o 342 Schwarzwald-Baar-Kreis Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Land 7,60/o 4,80/o 6,20/o 7,90/o 8,60/o 5,60/o

Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St.Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen U n terkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Stand der Wohnbevölkerung 31.12.1998 31.12.1997 11.994 10.770 5.978 5.338 3.487 20.930 9.918 1.425 7.576 5.917 3.249 5.643 14.041 2.569 4.284 5.579 2.707 2.821 80.840 4.105 11.770 10.773 6.020 5.330 3.445 20.868 9.953 1.439 7.493 5.970 3.268 5.620 14.107 2.612 4.265 5.678 2.720 2.862 80.756 4.157 209.171 in % 1,900/o -0.030/o -0,700/o 0,150/o 1,220/o 0,300/o -0,35% -0,970/o 1,110/o -0,890/o -0,580/o 0,410/o -0,470/o -1,650/o 0,450/o -1,740/o -0,480/o -1,430/o 0,100/o -1,250/o 0,030/o 224 -3 -42 8 42 62 -35 -14 83 -53 -19 23 -66 -43 19 -99 -13 -41 84 -52 65 Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Gemeinde Veränderungen in Zahlen Kreisbevölkerung insgesamt 209.106 Ausländische Mitbürger in Zahlen Gemeinde Ausländer insges. Stichtag 31.12.1998 davon Türken ehemaliges Jugoslawien Italiener Sonstige Ausländeranteil in Prozent Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach 677 1 532 630 253 171 2048 1136 66 811 286 268 298 1 760 89 320 608 237 251 11 670 604 Gesamt K=Kroaten, B=Bosnier, S=Slowenen 23 715 64 802 379 83 14 543 264 2 348 27 25 39 276 7 31 220 56 66 2 358 232 5 836 235 423 64 33(6S) 54(18 K, IOS) 428(174 K,22 B) 299 8(1K, 1S) 138 63 129 71(21K,19B,3S) 571 37 154 149 17 20 3957(1702K, 386 B, 125 S) 183 7 035(1918K, 428B, 144S) 122 24 21 30 43 344 336 42 138 22 38 37 607 13 89 83 112 35 2 192 256 283 166 113 64 723 237 14 187 172 76 151 306 32 46 156 52 130 3163 138 51 4466 6 378 6,0 14,2 10,6 4,8 4,6 9,8 11,5 4,6 10,9 4,8 8,2 5,3 12,5 3,4 7,5 10,7 8,8 8,7 14,4 14,2 11,4

Bildnachweis Die Aufnahmen auf der Titelseite stammen von Wilfiied Dold, Vöhrenbach, und Dieter Rein­ hardt, VS-Villingen (Bildleiste unten). Motiv Titelseite: Riedsee in Hüfingen (großes Bild) und Töpfermarkt in Hüfingen (kleines Bild). Bildleiste unten: Martin Schmitt beim Sommerskispringen in Hinterzarten. Rechts: Bildmontage zur Sonnenfinsternis 1999. Die Fotografie auf der Rückseite stammt von Ger­ man Hasenfratz, Hüfingen. Motiv Rückseite: Blick vom Eichberg Bildnachweis: Soweit die Bildautoren hier nicht namentlich angeführt werden, stammen die Fo­ tos jeweils vom Verfasser des betreffenden Bei­ trages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Wilfiied Dold, Vöhrenbach: 7, 15, 24, 39, 40-41, 42/43, 44-51, 55, 56 ob., 57, 59, 65, 66 -70, 80, 91 u., 94, 143, S. 161 oben, 181, 263, 264, 268, 296, 297 u.r., 301 – Hanne Gössl, Donaueschingen: 8 oben, 54, 56 unten, 261, 262 – Foto-Fischer, Donaueschingen: 8 Mitte und unten, 182 – Diet­ rich Krieger, Villingen-Schwenningen: 11, 12 – Nikolaus Reder, Niedereschach: 17, 52, 60 – Ar­ min Kienzler, Triberg: 18 – Rosemarie v. Strom­ beck, Niedereschach-Fischbach: 28 – Julia Weiss, Unterbaldingen: 33 – Gerhard Kurz, VS-Villin­ gen: 36 und 37 – German Hasenfratz, Hüfingen: 48, 71, 75, 77 – Wolfgang Wagner, VS-Villingen: 53 – Dieter Reinhardt, VS-Villingen: 79, 258, 321-323, 324 u., 325-329 – Marion Stetter: 86, 87 – Jürgen Schlenker, VS-Schwenningen 89 – Uwe Frank, Gruppe Drei GmbH: 110, 111, 112 – Heidi Viredaz-Bader, CH-Epalinges: 113 – Foto Brotz, VS-Schwenningen: 117 – Jochen Hahne, VS-Villingen: 123 – Thomas Herzog­ Singer, VS-Villingen: 135 – Foto-Carle, Triberg: 344 136 – Heimatverein Schwenningen: 139 – Lan­ desdenkmalamt Baden-Württemberg: 145, 146, 147, 148 – Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv, Wien: 150 (LAV Vlll/65/2256), 153 (LAV Vlll/65/2261) – Stadtarchiv VS-Villingen: 165 o. li., 165 u.r. – Robert-Bosch-GmbH, Un­ ternehmensarchiv Stuttgart: 173, 174 – Eberhard Kern, Donaueschingen: 184 – Andreas Wilts, Donaueschingen 185 o. – Dr. Joachim Sturm, Niedereschach 185 u., 186, 187, 188 – Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen: 191, 192, 193, 195 – Archiv Jäger, Furtwangen: 194 – Hans Trip­ pe!, Donaueschingen: 201 – Manfred Ganter, VS-Vtllingen: 202, 203 – Renate Bökenkamp, Triberg: 204, 320 – Gerd Herzogenrath, Furt­ wangen: 259, 260 – Archiv Landfrauen, Donau­ eschingen: 269-273 – Hartmut Ketterer, Ham­ mereisenbach: 281 – DoldVerlag (Archiv), Vöh­ renbach: 289, 290 o. – Pfarrarchiv, Königsfeld: 291-297 (historische Abbildungen) – Wolfgang Kaiser, LOA-Freiburg: 303-306 – Rolf Becker, Schramberg: 308, 309 – CC-Atelier Koslowski, Bad Dürrheim: 316, 317 – Schuster-Wüst: 318 Errata Unter dieser Rubrik finden Almanach-Leser künftig Hinweise auf Fehler, die sich bei der Her­ stellung des Jahrbuches eingeschlichen haben: 1. Der Artikel „Der Kirchturm von Dauchingen“ im Almanach 23, S. 209, wurde irrtümlich Rai­ mund Adamczyk zugeschrieben. Der Autor ist Anton Bruder. 2. Bei der Darstellung des neuen Baugebietes in Dauchingen handelt es sich nicht wie angegeben um das Baugebiet „Auf der Staig“ (dieses liegt in Donaueschingen), sondern um das Baugebiet ,,Nordwest 4″.

Die Autoren unserer Beiträge Adamczyk, Raimund, Erbsenlachen 37, 78050 Villingen-Schwenningen Barte!, Dr. K.arlheinz, Pfr. Hallstraße 20, 70376 Stuttgart Barth, Hermann, Am Hummelberg 16, 78176 Blumberg-Riedöschingen Bethge, Anne, Wöschhalde 72, 78052 Villingen-Schwenningen Blandin, Kai, Boslerstraße 5, 71088 Holzgerlingen Blum, Stefan, Sandbühlstraße 6, 78122 St. Georgen Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 78112 St. Georgen Brommer, Bernhard, Volkartstraße 31, 80634 München Canestrini, Alessandro, Via Agnani 55, int.P/sc. 55, 1-00171 Rom Conradt-Mach, Dr. Annemarie, Friedrichstraße 36, 78073 Bad Dürrheim Dirks, Wiebke, Niedere Straße 72, 78048 Villingen-Schwenningen Dold, Wilfried, Unteranger 3, 78147 Vöhrenbach Fehrenbacher, Ansgar, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Feldhahn, Ulrich, Am Neckartor 18, 70190 Stuttgart Fritz, Sabine, Friedrich-Ebert-Straße 30, 78054 Villingen-Schwenningen Gehring, Dr. Helmut, Königsberger-Straße 30, 78052 Villingen-Schwenningen Gfrörer, Ulrike, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Grafe, Grit, Hauptstraße 17c, 79104 Freiburg Gravenstein, Herbert,Jurastraße 1, 78052 VS-Pfaffenweiler Gwinner, Joachim, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Häfele, Hansjörg, Bauschengasse 17, 78073 Bad Dürrheim Hamm, Werner, Alfred-Dürer-Straße 12, 78136 Schonach Heim, Karl, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Hirt, Max, Arenbergstraße 32, 78086 Brigachtal Kienzler, Erwin, Grubweg 15, 78136 Schonach Kleiser, Bernhard, Am Mättenbühl 6, 78147 Vöhrenbach Klug-Treppe, Dr. Jutta, Marienstraße lOa, 79098 Freiburg Klumpp, Walter, Auf dem Platz 1, 78609 Tuningen Koch, Klaus, Danzinger Straße 12a, 78151 Donaueschingen Kottrnann, Ingeborg, Bruggerstraße 96, 78628 Rottweil Krepp, Hanna, Reutestraße 34, 78054 Villingen-Schwenningen Kühn, Herbert, Peter-Maier Straße 31, 78166 Donaueschingen-Hubertshofen Kuhn-Bigge, Brigitte, Jakob-Kienzle-Straße 17, 78054 Villingen-Schwenningen Limberger-Andris, Stefan, Alte Poststraße 13, 79822 Titisee-Neustadt Mößner, Bruno, lrmastraße 11, 78166 Donaueschingen Müller, Rita, Gerwigstraße 11, 78120 Furtwangen Müller, Wilhelm, Föhrenbächle 21, 78122 St. Georgen-Langenschiltach Mutschler, Barbara, K.arlstraße 76, 78054 Villingen-Schwenningen Nienhaus, Heinz, Ledderkesweg 4, 46242 Bottrop Opp, Margot, Weierweg 10, 79111 Freiburg Preuß, Stefan, Hoher Rain 22, 78052 VS-Weilersbach Puchinger, Renate, Felsentalstraße Sa, 78147 Vöhrenbach Reichmann, Antonia, Auf der Staig 42, 78166 Donaueschingen Reimer, Dietrich, Kiefernweg 34, 78176 Blumberg 345

Reiter, Lutz-Wolfram, Lockwitzer Straße 6, 01219 Dresden Rockrohr, Ingrid, Am Rappenschneller 16, 78183 Hüfingen Rothermel, Dr. Helmut, Weidenmattenstraße 2, 79312 Emmendingen Scherer, Robert, Am Bodenwald 24, 78120 Furtwangen Schlenker, Helmut, Paulinenstraße 27, 78054 Villingen-Schwenningen Schmalenberg, Brigitte, Auf der Zinnet 9, 78126 Königsfeld Schneider-Damm, Dagmar, Luisenstraße 4, 78073 Bad Dürrheim Schultheiß, Jochen, Blauenweg 25, 78112 St. Georgen Schulze, Ute, Herdstraße 9, 78050 Villingen-Schwenningen Seefried, Gabriele, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Simon, Stefan, Haselweg 17, 78052 Marbach Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Strobel, Christa, Ringstraße 9, 78086 Brigachtal Sturm, Dr. Joachim, Steigstraße 32, 78078 Niedereschach Tribukait, Wolfgang, Hochkopfweg 21, 78050 Villingen-Schwenningen Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Willmann, Erich, Hagenreuthestraße 47, 78147 Vöhrenbach Zimmermann, Michael, Karlstraße 119, 78054 Villingen-Schwenningen 346

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat im 3. Jahrtausend/ Vorwort von Landrat Karl Heim 1. Kapitel / Aus dem Kreisgeschehen Erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung – Schwarzwald-Baar-Kreis kann auf erweiterten finanziellen Handlungsspielraum hoffen / Karl Heim, Landrat Restmüllbehandlung ist geregelt – Kreistag fällt mit einem Volumen von 200 Millionen Mark größte Entscheidung seiner Geschichte / Joachim Gwinner 72 Buslinien und über 1100 Haltestellen – Der neue Nahverkehrsplan konkretisiert die „öffentlichen Verkehrsinteressen“/ Gabriele Seefried Um- und Erweiterungsbau des Speisesaales der Landesberufsschule Sozialhilfe die größte Ausgabenposition – Soziales im Landkreis – Entwicklungen und Tendenzen/ Ansgar Fehrenbacher Altlasten im Schwarzwald-Baar-Kreis – Derzeit sind rund 45 Untergrund- verunreinigungen im Landkreis bekannt / Bruno Mößner Der Jugendfonds Schwarzwald-Baar – Eine Idee macht Karriere – Der Jugend eine Zukunft ermöglichen / Ulrike Gfrörer Aus einem Pflänzchen wird ein Baum – Partnerschaft mit Bacs-Kiskun weiter ausgebaut – Auch wirtschaftliche Kontakte / Dr. Helmut Rothermel 2. Kapitel / Schwarzwald und Baar – Portrait eines Landkreises (3) Auf der Suche nach dem Zentrum der Baar – Geschichtsträchtig: Unterwegs in Neudingen, Hüfingen und Donaueschingen/ Wolfgang Tribukait 3. Kapitel / Städte und Gemeinden Langenbach – Von der Landwirtschaft geprägt – Mit 270 Einwohnern kleinster Teilort der Stadt Vöhrenbach – Schon 1218 eine Glashütte erwähnt/ Bernhard Kleiser Eine Pflugschar aus der jüngeren Steinzeit – Mühlhausen wurde schon früh besiedelt – Das Bauernmuseum ist weithin bekannt/ Ingeborg Kottmann Auf dem höchsten Punkt des Landkreises – Rohrhardsberg erstreckt sich zwischen 600 und 1163 Metern – International erfolgreicher Skiclub/ Werner Hamm 4. Kapitel / Behörden und Institutionen Neues Gebäude der Landeszentralbank – Auf dem Villinger Hoptbühl ist ein architektonisch gelungenes Bauwerk entstanden / Dr. Helmut Rothermel Management – Zentrum in neuen Räumen – Handwerkskammer Konstanz bietet umfassendes Seminar- und Studienprogramm 5. Kapitel / Bildungseinrichtungen 20 Jahre Senioren-Volkshochschule – In Villingen-Schwenningen wird für alte Menschen ein breites Bildungsangebot geboten / Herbert Gravenstein Internationalität in der Praxis – Ausländische Professoren und Studenten bereichern Fachbereich W irtschaft der PH-Furtwangen/ Brigitte Kuhn-Bigge 2 3 5 6 10 16 20 21 27 32 36 39 61 65 71 80 82 84 86 347

100 Jahre Feintechnikschule – Im Dienst der einheimischen Bevölkerung und der einheimischen Wirtschaft/ Dr. Annemarie Conradt-Mach Neues Steinbeis-Transferzentrum eröffnet- Im Mittelpunkt stehen angewandte Wirtschafts- und Sozialforschung/ Sabine Fritz ,,Wiener Kaffeehaus“ der Landesberufsschule – Die „Euro-Klasse“ dokumentiert im Rahmen eines Projektes ihr hohes Leistungsniveau 6. Kapitel / Industrie, Handwerk und Gewerbe GFT Technologies AG – der Internetprofi – Erstmals ist ein im Schwarzwald-Baar-Kreis beheimatetes Unternehmen an der Börse notiert Von Bräunlingen in die ganze Welt – Firma „Blitz“ M. Schneider Werkzeug- und Maschinenfabrik GmbH / Ingeborg Kottmann GRUPPE DREI GmbH auf Expansionskurs – Werbeagentur hat das ehemalige Schmeckenbecher-Areal in V S-Villingen wiederbelebt 7. Kapitel / Persönlichkeiten Ein Leben für die Wissenschaft – Als fürstlich-fürstenbergischer Archivar die Geschichtsschreibung der Baar geprägt/ Dr. Joachim Sturm Der Heimat Schwenningen eng verbunden – Die Beschäftigung mit der örtlichen Geschichte war für Herbert Heim eine Lebensaufgabe / Barbara Mutschler Familientradition wird fortgesetzt – Hans-Peter Fesenmeyer ist in der sechsten Generation als Revierleiter tätig/ Stefan Limberger-Andris Pionierarbeit für den Breitensport geleistet – Karl Joggerst kann auf eine erfolgreiche Kunstturnkarriere zurückblicken/ Brigitte Schmalenberg Ein überzeugter und aktiver Villinger – Werner Jörres widmete sich vor allem der Fasnet, dem Sport und der Kultur/ Ingeborg Kottmann Mehr als ein Schulmann – Klaus Panther baute die Robert-Geiwig-Schule zu einemSchulzentrum aus / Karl Volk „Herr, hilf das Rechte zu sagen“ – Pfarrer Kurt Rommel über 17 Jahre Chefredakteur der evangelischen Gemeindezeitung/ Michael Zimmermann Mitbegründerin der Muettersproch- Gsellschaft – Bärbel Brüderle setzt sich engagiert für die Erhaltung des alemannischen Dialekts ein / Anne Bethge Mit der Gesamtstadt eng verbunden – Konrad Adenauer weckte Karl Rißlers Interesse an Politik – Lange Ortsvorsteher in Nußbach / Karl Volk Ein Leben für Heimat und Brauchtum – Zum Tode von Gerhard Friedrich Weber-Benzing / Ute Schulze Der Heimatgemeinde verpflichtet – Otto Fleig prägte 30 Jahre lang die Kommunalpolitik Langenschiltachs / Wilhelm Müller Begleiter der Menschen im Glauben und im Leben – Die Vöhrenbacher Pfarr- gemeinde St. Martin verabschiedete Stadtpfarrer Bernhard Adler/ Wilfried Dold 8. Kapitel / Archäologie Notbergung in alamannischem Gräberfeld – Die Rettungsgrabung des Landesdenkmalamtes „Beim Kalkwerk/Zwischen den Dörfern“ im Brigachtaler Ortsteil Klengen / Dr. Jutta Klug-Treppe 348 88 96 98 101 105 110 113 117 118 121 123 125 131 135 136 139 141 142 145

9. Kapitel/ Geschichte Scheibenriß für Blumberger Gebrüder Weber – Ein Beitrag zur Baaremer Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts/ Alessandro Canestrini Die Kaiserbüsten am Donaueschinger Schloß -Marc Aurel und Lucius Verus als Sinnbild der Idee des „Imperiums“, des Reichsgedankens/ Ulrich Feldhahn Zwischen Leid und Lebensfreude -Kunstwerke des berühmten Malers Curt Liebich (1868-1937) in Schwenningen und Villingen / Michael Zimmermann Nur noch ein Straßennamen als Erinnerung -Cipri AdolfBermann – einst ein berühmter Bildhauer, heute fast in Vergessenheit geraten/ Erich Willmann Arnold Zähringer – Erfinder aus Furtwangen -Als Mechaniker der erste Mitarbeiter von Robert Bosch -Miterfinder der Magnetzündung/ Robert Scherer Ein europäisches Schicksal im 20. Jahrhundert -Zwischen den Welten – Die Lebenserinnerungen von Peter Brezovar / Dr. Helmut Rothermel Volksvertreter oder Parteigremien? – Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes und nur ihrem Gewissen unterworfen/ Hansjörg Häfele 10. Kapitel/ Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis Antike Kunst in Gips -Die Gipsabdrücke der Fürstlichen Sammlungen in Donaueschingen/ Antonia Reichmann Technisches Kulturdenkmal erhalten – Das Reiterstellwerk beim Bahnhof Blumberg-Zollhaus wurde in zweijähriger Arbeit renoviert/ Dietrich Reimer 11. Kapitel / Uhren und Uhrengeschichte Marinechronometer im Schwarzwald -Über Versuche, den Präzisionsuhrenbau im Schwarzwald zu etablieren/ Rita Müller 12. Kapitel / Kirchen und Kapellen St.-Martins-Kirche über 1200 Jahre alt -Bereits 748 als Holzkirche bestanden? -Außenrenovation nun abgeschlossen/ Hermann Barth Hofkapellen im Schwarzwald – Das Glöckchen der Wendelinskapelle beim Stockwälderhof läutet den Abend im Bärlochtal ein/ Dr. Helmut Rothermel 13. Kapitel / Sagen der Heimat Der Schäfer und der Teufel / Max Rieple Der Schwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild 14. Kapitel/ Musik „Geistige Nothilfe“ besteht seit 75 Jahren – Einzigartige Institution zur Förderung von Kunst und Wissenschaft in Königsfeld / Brigitte Schmalenberg Pädagoge, Komponist und Musiker – Dietrich Danksin ist in den unterschiedlichsten Bereichen der Musikbranche tätig/ Anne Bethge 150 155 160 166 171 177 182 184 189 191 197 201 205 208 209 213 349

15. Kapitel / Kunst und Künstler Ralf Ganter -Fotografie als Kunst -Der Niedereschacher Top-Fotograf etablierte sich mit ungewöhnlichen Bildkonzepten/ Stefan Simon Imaginäre Welten -Visionäre Räume -Lore Will: Malerin, Schmuckdesignerin, Druckgraphikerin und Reisende / Stefan Simon Mit sinnlichem Pinselstrich -Badia Lakaich-Azabo ertastet die ganze Weite menschlicher Leidenschaft/ Wiebke Dirks Empfindungsstarke Landschaftsmalerei -Werkschau in Mundelfingen erinnert an das Schaffen von RudolfKoppenhöfer (1876-1951) / Ingrid Rockrohr 16. Kapitel / Gesundheit und Soziales Nachsorge für die ganze Familie -Die Nachsorgeklinik Katharinenhöhe eröffnet therapeutischen Erweiterungsbau / Renate Puchinger 17. Kapitel/ Umwelt und Natur Eine 2000 Jahre alte Weidelandschaft -Das Naturschutzgebiet „Tannhörnle“ bei Villingen hat seinen Charakter unverändert beibehalten / Dr. Helmut Gehring Einblicke ins Familienleben der Buntspechte -Aus dem Tagebuch der Beobachtung einer Spechtfamilie / Erwin Kienzler 11. 8.1999: Als der Tag (fast) zur Nacht wurde -Die Sonnenfinsternis faszinierte im Schwarzwald-Baar-Kreis Tausende von Menschen/ Wilfried Dold 18. Kapitel / Garten-und Landschaftspflege Zum Weinanbau im Schwarzwald-Baar-Kreis -Hellmuth Kraus und sein aus der „Amerikanischen Hybride Blau“ gewonnener Laubenwein / Raimund Adamczyk Eine Fuchsiensammlung in Erdmannsweiler -Elfriede und Karl Obergfell züchten die Nachtkerzengewächse seit 25 Jahren/ Christa Strobel 19. Kapitel/ Landwirtschaft und bäuerliches Leben Der örtlichen Gemeinschaft eng verbunden -Seit 50 Jahren besteht der Landfrauenbezirksverband Donaueschingen/ Dr. Helmut Rothermel Der Kobisenhof in Oberkirnach -Eine bauhistorische Betrachtung zum Hauptgebäude und dem Speicher/ Stefan Blum Käse und Fleisch frisch vom Bauern -Familie Borho produziert und vermarktet auf dem Weißkopfenhofbiologische Produkte/ Stefan Limberger-Andris Recherchen zu einem alten Bauernhaus -Ein Hof zwischen Triberg und Schönwald soll angeblich 900 Jahre alt sein/ Heinz Nienhaus 20. Kapitel / Architektur, Bauen und Wohnen Der Zinzendorfplatz in Königsfeld -Ein Denkmal der Gartenkunst im Wandel der Gesellschaft/ Lutz-Wolfram Reiter Ein Lehrstück aus dem Industriezeitalter -Wiederinbetriebnahme der Linachtalsperre lohnt in vielerlei Hinsicht -Förderverein gegründet/ Klaus Koch 350 215 224 230 234 238 243 252 257 265 267 269 274 281 284 289 299

Die Johanneskirche in Bad Dürrheim – Bauwerk von Prof Horst Linde ein herausragendes Kulturdenkmal / Grit Grafe Der Tuninger Heustadelkindergarten – Ein alter Bauernhof wurde mustergültig zu einem Kindergarten und Vereinszentrum umgebaut/ Walter Klumpp 21. Kapitel / Stätten der Gastlichkeit Das SeminarzentrumJohanniterhof- Seit zwei Jahren kann man in Obereschach Musik, Poesie und Meditation erleben/ Wiebke Dirks Gastlichkeit am Qierweg Freiburg- Konstanz – Seit drei Generationen betreibt die Familie Kastner den „Hegauer Hof“ in Riedöschingen / Christiana Steger Parkhotel Waldeck Schrenk in Bad Dürrheim – Wohlfühlen und genießen in gehobener Atmosphäre/ Dagmar Schneider-Damm Zwischen Kochkunst und Kultur -Josef Vogt ist neben seinem Einsatz in der Gastronomie auch kulturell engagiert/ Anne Bethge 22. Kapitel / Freizeit und Erholung Das Drehorgelspiel als Lebenselixier – Peter und Jeannette Biermann spenden ihre Einnahmen für wohltätige Zwecke / Renate Bökenkamp 23. Kapitel / Sport Martin Schmitt – Weltmeister im Skispringen – Mit einer sensationellen Saison auf einmal der bekannteste Bürger im Schwarzwald-Baar-Kreis / Stefan Preuß Brigachtaler Sportschützen sehr erfolgreich – Sandra Käfer mit Weltklasseleistungen ein Aushängeschild des Vereins / Max Hirt Weltklassetennis in VS-Villingen – Der TC Blau-Weiß konnte gleich zur Premiere eine erstklassige Besetzung bieten / Kai Blandin 24. Kapitel / Lyrik der Heimat Hüter heimischer Kultur und Mundart – Der St. Georgen er Rudolf Wintermantel hinterließ rund 200 Gedichte und 30 T heaterstücke / Jochen Schultheiß Gedichte Die Baar / Karlheinz Barte! Verboten/ Christiana Steger Auf der Wanderung/ Helmut Schlenker Überlegung-spät/ Christiana Steger Trotzdem lieben … / Bernhard Brommer Nacht/ Christiana Steger Es ist der Himmel, … / Hanna Krepp Zauber der Nacht/ Margot Opp Herbstbilder / Herbert Kühn Penner/ Hanna Jäckle Erinnerung/ Christiana Steger Herwscht / Rudolf Wintermantel 303 307 310 313 316 317 319 321 330 333 338 54 81 83 116 130 138 181 183 207 212 214 339 351

16tel oder 8tel / Rudolf Wintermantel Es Meiles Schatzbrief/ Rudolf Wintermantel Uß em Wertshuus / Rudolf Wintermantel Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Ausländische Mitbürger in Zahlen Bildnachweis Errata Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 339 340 340 341 342 342 343 343 344 344 345 347 352