Almanach 2005

Almanach 2005 Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 29. Folge

Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis www.schwarzwald-baar-kreis.de E-Mail: landratsamt@schwarzwald-baar-kreis.de Redaktion: Karl Heim, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Wilfried Dold, Redakteur Karl Volk, Realschuloberlehrer Hans-Werner Fischer, Dipl.-Bibliothekar Willi Todt, Geschäftsführer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke und Vervielfältigungen je­ der Art werden nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag und Gestaltung: doldverlag, Vöhrenbach www.doldverlag.de Druck und Vertrieb: Todt-Druck GmbH Villingen-Schwenningen ISBN: 3-927677-48-5

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 2005 Willi Aker Triberg Emil Frei GmbH & Co. – Lackfabrik Bräunlingen-Döggingen AGVS Alum inium Werke GmbH Villingen Fürstlich Fürstenbergische Brauerei KG Donaueschingen Auer + Weber, Freie Architekten Dipl.-Ing. BDA Stuttgart Dipl.-Ing. Marcus Greiner VBI Donaueschingen Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH & Co. Bad Dürrheim Hess Form + Licht GmbH Villingen-Schwenningen Baden-Württembergische Bank AG Filiale Donaueschingen Hinzsch Schaumstofftechnik GmbH & Co. KG Mönchweiler Bauunternehmung Hermann GmbH Furtwangen Heinz & Gerhard Jordan OHG Villingen-Schwenningen BIW BÜRGER Industriewerk GmbH & Co. KG Präzisionstechnik, Schonach Kämmerer Gewindetechnik GmbH Hornberg-Niederwasser Coats GmbH Bräunlingen KBS-Spritztechnik GmbH Schonach Ewald Eble – Uhrenpark Triberg-Schonachbach Kendrion Binder Magnete GmbH Villingen-Schwenningen EGT Energie GmbH Triberg LÜTZ Fleischwaren AG Blumberg EGT Gebäudetechnik GmbH, Triberg MAICO Elektroapparate-FabrikGmbH Villingen-Schwenningen Edgar und Sibylle Friedrich, Eisenmann Druckguss GmbH, Villingen Vermessungsbüro Mandolla + Gilbert Villingen-Schwenningen EnergieDienst AG Rheinfelden Spedition Julius Mayer Bräunlingen Energieversorgung Südbaar GmbH Blumberg Meier Entsorgung GmbH Bad Krozingen-Biengen 3

Poldi und Leopold Messmer, freie Architekten Furtwangen Sparkasse Donaueschingen MOHR + FRIEDRICH GmbH, Vöhrenbach ebm-papst St. Georgen GmbH & Co. KG St. Georgen Georg Papst, PAPST LICENSING GmbH & Co. KG St. Georgen Günter H. Papst St. Georgen Reiner Präzision GmbH, Drehteile und Baugruppen Donaueschingen-Wolterdingen RICOSTA Schuhfabriken GmbH, Donaueschingen Sparkasse Villingen-Schweningen m it 44 Geschäftsstellen STEIN Automation GmbH Villingen-Schwenningen Sternplastic Hellstern GmbH & Co. KG Villingen-Schwenningen STRAUB-VERPACKUNGEN GmbH Bräunlingen Rainer Trippel Karlsbad TRW Deutschland GmbH Werk Blumberg VolksbankTriberg eG Anne Rieple-Offensperger, Bad Dürrheim Volksbank eG Villingen-Schwenningen Dipl.-Ing. (FH) Veronika Rothweiler, freie Architektin Donaueschingen RWE Umwelt Süd GmbH Villingen-Schwenningen SBS-Feintechnik GmbH & Co. KG Schonach SCHMIDT Technology GmbH St. Georgen Anton Schneider Söhne GmbH + Co. KG Schonach S. Siedle & Söhne, Telefon- und Telegrafenwerke OHG Furtwangen A Weißer + Grießhaber GmbH Mönchweiler F.K. W iebelt GmbH & Co.KG Villingen-Schwenningen WIG Industrieinstandhaltung GmbH Villingen-Schwenningen Johann W intermantel Verwaltungs-GmbH & Co. KG, Kies- Schotter- und Betonwerke Donaueschingen Fünf weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen, namentlich nicht genannt zu werden.

Heimat im Herzen Europas Dem Heim atjahrbuch 2 0 0 5 des S chw arzwald-Baar-Kreises zum G eleit Am 1. Mai 2004 sind zu den 15 Ländern der Eu­ ropäischen Union 10 weitere hinzugekommen. Das vereinte Europa reicht nun von den Azoren bis Estland. Und m ittendrin, im Herzen Europas, liegt der Schwarzwald-Baar-Kreis. Ein Landkreis, der für Europa eine bedeutende Wurzel liefert: die Donau, die hier ihren Ursprung hat, die am Zusammenfluss von Brigach und B regin Donau- eschingen eine 2780 Kilometer lange Reise durch zehn europäische Länder beginnt. Just durch so viele Länder, wie sich Europa vergrößert hat. Und die Donau ist es auch, die Jahr für Jahr Zehntau­ sende von Menschen in unseren Landkreis lockt. Seit nunm ehr 8 Jahren pflegt der Schwarz- wald-Baar-Krels eine intensive Partnerschaft mit dem ungarischen Komitat Bäcs-Kiskun. Ich hat­ te die Gelegenheit, den B eitritt Ungarns in die Europäische Union am 1. Mai 2004 in unserem Partnerschaftskomitat mitzuerleben. Und ich war begeistert, wie die Ungarn den Eintritt in die Eu­ ropäische Union gefeiert haben. An historischer Stätte, dort wo die 7 Stammes­ fürsten der Magyaren sich einst Blutsbrüderschaft geschworen haben sollen, versammelten sich Vertreter aller ungarisch­ en Komitate um gemeinsam mit der Präsidentin des ungari­ schen Parlaments den Beitritt zu würdigen. Man spürte den Stolz der Ungarn auf ihre Geschichte, ih­ re Kultur, ihre Heimat, die sie nun in das vereinte Europa ein- bringen. Am Beginn der Donau, der Zusammenfluss von Brigach und Breg in Donaueschingen. Das alles hat mich sehr beeindruckt, macht es doch deutlich, was Europa ausmacht: Seine Vielfalt. Es ist einiges, was die Menschen in Europa verbindet, nicht nur der gemeinsame Euro und der gemeinsame Markt. Es ist auch die gem ein­ same europäische Geschichte, die christlich- abendländische Kultur, gemeinsame Vorstellun­ gen von Demokratie und Freiheit. Genauso sicher ist aber auch, dass innerhalb der gemeinsamen Klammer die Völker in Europa sehr unterschiedlich sind. Diese U nterschiedlichkeit ist kein Nachteil, sondern der Reichtum Europas; und diesen Reich­ tum sollten w ir erhalten. Vieles ist in unserer globalisierten Welt nur noch in europäischem Rahmen vernünftig regel­ bar, so zum Beispiel die w irtschaftlichen Rah­ m enbedingungen, die Außen- und Sicherheits­ politik. Sehr vieles bedarf aber gerade keiner einheit- 5

Z u m G eleit Die Fahne des Schwarzwald-Baar-Kreises weht nun auch im uartnerschaftskomitat Bäcs-Kiskun. Das Bild zeigt Landrat Karl Heim und seinen Stellvertreter Kurt Höherer (rechts) m it Komitatspräsident Dr. Läszlö Balogh bei der Übergabe in Ungarn. liehen europäischen Regelung. Unser M in iste r­ präsident Erwin Teufel hat dies einm al so ausge­ drückt: „Die Nationalstaaten sind für die großen Aufgaben zu klein, aber Europa ist für die kleinen Aufgaben zu groß.“ Die kleinen Aufgaben sind dabei nicht die m inder wichtigen, sondern die Aufgaben, die oh­ ne Schaden für die große Einheit auf lokaler, re­ gionaler oder nationaler Ebene geregelt werden können und deshalb auch dort geregelt werden sollen. Auch in einem vereinten Europa ist es nicht nur möglich, sondern wünschenswert, lokale und regionale Eigenheiten zu erhalten und zu pflegen. Europäisch zu denken und in der engeren Heimat verwurzelt zu sein ist kein Widerspruch, sondern ergänzt sich. Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist zweifellos ein besonders attraktives Stück Europa. Unverwech­ selbar und eine wertvolle, vertraute Heimat für sei­ ne Menschen. Menschen, die aber über ihren en­ geren Bereich hinausschauen, die gerne Gäste in ihrer schönen Heimat willkommen heißen, aber auch gerne die Kultur, die Menschen und die Landschaft anderer Länder kennen und schätzen lernen, wie w ir das nun schon seit 8 Jahren mit unserem ungarischen Partnerschaftskom itat Bäcs-Kiskun auf vielfältige Weise pflegen. 6 Der Almanach 2005 zeigt einm al mehr auf, wie vielfältig und weltoffen unser Schwarzwald- Baar-Kreis ist. Offen für Veränderungen sind aber auch die „M ach er“ des Almanach. Er präsentiert sich mit dieser Ausgabe in einem etwas anderen, m oder­ neren Outfit. Ich hoffe, dass die Freunde des Al­ manach diese Veränderung positiv aufnehmen und vielleicht noch mehr Leseratten angesproch­ en werden. Wie immer bedanke ich mich sehr herzlich bei allen, die dazu beigetragen haben, dass wieder ein ansprechendes, informatives und gleichwohl preiswertes Heim atjahrbuch entstehen konnte. Dieser Dank gilt insbesondere den treuen Freun­ den und Förderern des Almanach, sowie den Au­ toren, ohne die dieses Buch nicht möglich gewe­ sen wäre. Ihr Karl Heim, Landrat

Wer bewahren will, muss verändern i . Ka p i t e l A l m a n a c h 2 0 0 5 W eitreic h e n d e Reformen a u f der K reisebene – V erw altungsreform und die K ran kenh au s­ strukturen zentrale Themen der Kreispolitik 2 0 0 4 Nicht nur die große Politik, auch die Kreispolitik war im Jahr 2004 geprägt durch weitreichende Strukturreformen. Zwei Themen be­ herrschten die Kreispolitik zentral: Die Verwaltungsreform (s. Be­ richt Seite 12) und die Neuordnung der Krankenhausstrukturen im Schwarzwald-Baar-Kreis (s. Bericht Seite 21). sprechpartner haben und Entscheidungen aus einer Hand bekommen. Für die Verwaltung ist die reibungs­ lose Umsetzung der Reform und die geforderte Kosten­ einsparung von 20% in sie­ ben Jahren eine gewaltige Herausforderung. Die dreijährige intensive kommunalpolitische Diskussion über die Neuordnung der Kranken­ hausstrukturen im Schwarzwald-Baar-Kreis hat im Juli 2004 ihren erfolgreichen Abschluss ge­ funden. Nachdem sowohl der Stadtrat von V illin ­ gen-Schwenningen als auch der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises dem Konzept und den entsprechenden Vertragsentwürfen mit großer M ehrheit zugestim m t haben, wurde die Fusion Am 30. Juni 2004 beschloss der Landtag von Ba­ den-W ürttem berg die größte Veränderung der Verwaltungslandschaft seit der Gebietsreform in den Jahren 1972/73: Das am 1. Januar 2005 w irk ­ sam w erdende Verw altungsstruktur-R eform ge­ setz wird das Gesicht der Landkreisverwaltung nachhaltig verändern. 11 bislang selbstständige, staatliche Behörden werden in das Landratsamt integriert. Die Mitarbeiterzahl des Landratsamtes wächst von rund 600 M itarbeiterinnen und M it­ arbeitern um 350 auf rund 950 Beschäftigte. Die staatlichen Aufgaben, die das Landrats­ am t neben den kreiskom m u­ nalen Aufgaben w ahrnim m t, werden erheblich an Bedeu­ tung gewinnen. Die M ittel, die das Land dem Landkreis für die neuen Aufgaben gewährt, wer­ den in einem Zeitraum von sie­ ben Jahren um 20% gekürzt (sogenannte Effizienzrendite). Diese Kürzung muss der Land­ kreis durch entsprechende Ein­ sparungen „e rw irts c h a fte n “ , wenn er vermeiden will, dass er aus der Kreiskasse für diese staatlichen Aufgaben bezah­ len muss. Für die Menschen und die W irtschaft hat die Reform den Vorteil, dass sie sich kü n ftig nicht mehr mit einer Vielzahl von Behörden auseinan­ dersetzen müssen, sondern nur noch einen An­ Das Landratsamt Schwarzwald-Baar. Die Wappen- scheiben der Gemeinden im Hintergrund symboli­ sieren die kreisweite Bedeutung, die durch die aktu­ elle Verwaltungsstrukturreform weiter gestärkt wird. 7

Aus d e m K reisgeschehen am 14. Juli 2004 notariell besiegelt. Das städti­ sche Klinikum Villingen-Schwenningen und die Kreisklinikum GmbH haben sich rückwirkend zum 1. Januar 2004 zur neuen „Schwarzwald-Baar-Kli- nikum Villingen-Schw enningen GmbH“ zusam­ mengeschlossen. Diese Fusion war sicherlich eine der bedeu­ tendsten kreispolitischen Entscheidungen seit Bestehen des Schwarzwald-Baar-Kreises. Nun kom m t es darauf an, das zukunftsweisende Kon­ zept konsequent umzusetzen. Gravierende Veränderungen im Sozialbereich Im Zuge derVerwaltungsreform werden nicht nur eine Vielzahl staatlicher Behörden in das Land­ ratsamt eingegliedert, sondern auch die Landes­ w ohlfahrtsverbände aufgelöst. Die Landeswohl­ fahrtsverbände nehmen b islangfürdie Stadt- und Landkreise w ichtige Aufgaben im sozialen Be­ reich wahr. Diese Aufgaben gehen nun zu einem großen Teil auf die Stadt- und Landkreise über. Die bedeutendste Aufgabe ist hierbei die Behin­ d e rtenhilfe. K ünftig wird es Aufgabe des Land­ kreises sein, durch ein angemessenes, gut abge­ stim m tes Angebot an am bulanten und stationä­ ren Leistungen die Eingliederung bzw. Versor­ gung unserer behinderten M itbürgerinnen und Mitbürgern sicherzustellen. Eine anspruchsvolle und sehr kostenintensive Aufgabe. In der Land­ kreisverwaltungwurden deshalb bereits konkre­ te Überlegungen für eine B eh indertenplanung angestellt, um im Einzelfall gezielt und angemes­ sen helfen zu können. Hartz IV und die Folgen Von besonderer Brisanz sind die Veränderungen im Bereich der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Sel­ ten hat ein Gesetz die Menschen so aufgebracht wie die Änderung des Sozialgesetzbuches II, bes­ ser bekannt als Hartz IV. Um was geht es? Bislang bekom m t ein Erwerbsfähiger wenn er arb eitslo s w ird, zunächst A rbeitslosengeld, das sich am bisherigen Verdienst orientiert, und nach einer gewissen Zeit A rbe itslosenhilfe, ein 8 Das Landratsamt – Anlaufstelle für immer mehr Behördengänge und damit Bürger. Die Luftaufnah­ me verdeutlicht, dass der Sitz des Kreishauses als Verlängerung zur Villinger Hauptachse konzipiert ist, der Bau den kreuzförmigen Grundriss der Zähringerstadt aufgreift. in der Höhe abgesenktes Arbeitslosengeld. Wenn jem and w eder Anspruch auf Arbeitslosengeld noch auf Arbeitslosenhilfe hat, aber ohne öffent­ liche Unterstützungseinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, bekommt er Sozialhilfe. DieSo- zialhilfe ist die unterste Ebene des sozialen Net­ zes, gewissermaßen ein letztes Auffangnetz. Sie wird nur gewährt, wenn keine anderen Ansprüche greifen und der Bedürftige alle eigenen Möglich­ keiten (z.B. eigenes Einkommen und Vermögen) eingesetzt hat. Sie orientiert sich ausschließlich an der Bedürftigkeit. Durch die Änderung des Sozialgesetzbuches II (Hartz IV-Gesetz) werden die A rbe itslo senh ilfe und Sozialhilfe für alle Erwerbsfähigen zum soge­ nannten Arbeitslosengeld II zusammengefasst. Konkret heißt das: Die Arbeitslosenhilfe entfällt, alle Erwerbsfähigen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, erhalten Sozialhil­ fe auf einem etwas höheren Niveau. Für die bisherigen Bezieher von A rb e its lo ­ senhilfe bedeutet dies eine deutliche Verschlech­ terung, fü rd ie bisherigen Beziehervon Sozialhil­ fe eine Verbesserung. Für beide Personengruppen gilt kün ftig ausschließlich das Prinzip der Bedürf­ tigkeit. Neben den zum Teil gravierenden Ausw irkun­ gen für die betroffenen Menschen hat Hartz IV auch erhebliche Konsequenzen für die Kreisver­ waltung und die Kreispolitik. Bislang ist die Agen­ tur für Arbeit (früher Arbeitsamt) für die Verm itt­ lung der Arbeitslosen sowie die Auszahlung von A rbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zustän­ dig. Das Landratsamt ist zuständig für die Aus­ zahlung der S ozialhilfe und die Betreuung der Sozialhilfeempfänger. In diesem Rahmen hat das Landratsamt das sehr erfolgreiche Programm „A rbe it statt Sozialhilfe“ entwickelt, m it dem vie­ le Sozialhilfeem pfänger in Arbeit verm ittelt w er­ den konnten.

Aus d e m Kreisgeschehen Künftig ist die Agentur für Arbeit für die Ver­ m ittlung und Unterstützung sowohl der bisheri­ gen Arbeitslosenhilfeem pfänger als auch der er­ werbsfähigen S ozialhilfeem pfänger zuständig. Das Landratsamt ist nur noch zuständig für be­ stim m te ergänzende Sozialleistungen, wie das Wohngeld oder die Schuldnerberatung sowie die Sozialhilfe für Nichterwerbsfähige. Alternativ lässt das Gesetz die M öglichkeit zu, dass für einen begrenzten Zeitraum einige weni­ ge Stadt- und Landkreise die gesamte Aufgabe an Stelle der Agentur für Arbeit über­ nehmen. Eine Option, von der der Schwarzwald-Baar- Kreis im H in b licka u f die un­ sichere Finanzierung und viele bislang ungeklärte Fra­ gen keinen Gebrauch macht. Die Umsetzungvon Hartz IV wird, das ist heute schon erkennbar, noch viele Prob­ leme machen und viele Fra­ gen aufwerfen. Für die Land­ kreisverw altung kom m t es nun daraufan, m it der Agen­ tur für Arbeit möglichst prak­ tika b le Formen der Zusam­ m enarbeit zu finden, dam it es wenigstens au f der Ver­ waltungsebene nicht zu zusätzlichen Erschwer­ nissen für die Betroffenen kommt. Kreispolitisch hat die Neuregelung aber zur Folge, dass die So­ zialhilfe als kommunale Aufgabe weitgehend an Bedeutung verliert und unser erfolgreiches Pro­ gramm „A rbe it statt Sozialhilfe“ nicht fortgeführt werden kann. Pflegeplätze für Demenz Für unsere älteren M itbürgerinnen und M itb ü r­ ger konnte die Kreispflegeplanung, w ichtigstes Instrum ent zur W eiterentwicklung der stationä­ ren Altenpflegeangebote, in zwei Raumschaften des Landkreises zum Abschluss gebracht werden. Um die Situation demenzkranker Heimbewohner zu verbessern, wurde bei der Fortschreibung der Kreispflegeplanung im Jahre 2000 festgelegt, ei- 10 ne be stim m te Anzahl von Plätzen dem Schwer­ punktbereich Demenz vorzuhalten. In der Raumschaft Süd (Gemeinden Bad Dürr­ heim, Bräunlingen, Tuningen, Donaueschingen und Hüfingen) wurden das Fürstlich Fürstenber- gische Altenheim in Hüfingen m it 18 Pflegeplät­ zen und sechs Tagespflegeplätzen und das A l­ tenheim St. Michael in Donaueschingen m it 22 Pflegeplätzen in den Bestand des Kreispflege­ verzeichnisses aufgenommen. In der Raumschaft Ein offenes Haus, wo Bürgern m it Fat und Tat geholfen wird. Blick ins Fo­ yer des Landratsamtes au f dem Villinger Hoptbühl. Nord (Gemeinden Furtwangen, Gütenbach, Kö­ nigsfeld, Niedereschach, St. Georgen, Schonach, Schönwald, Triberg, Unterkirnach und Vöhren- bach) konnten das Lorenzhaus in St. Georgen mit 27 Plätzen, das C hristoph-Blum hardt-H aus in Königsfeld m it 10 Pflege- und 15 Tagespflege­ plätzen sowie die noch zu errichtende m o d e ll­ hafte Dem enzklinik m it 30 Pflegebetten im Ge­ bäude des Kranken- hauses Furtwangen in der Kreispflegeplanung berücksichtigt werden. Offen ist noch die Entscheidung für das Oberzentrum Villingen- Schwenningen (Ge­ m einden Brigachtal, Mönchweiler, Dauchin­ gen und Stadt Villingen- hafte D em enzklinik in Furtwangen wurde mit 30 Pflegebetten in das neue Kreis­ pflegeverzeichnis aufgenom m en. Auch die noch zu errichtende m o d ell­

Der erste Spatenstich zum Bau einer zweiteiligen Sporthalle für die Fobert-Gerwig-Schule in Furtwangen. Schwenningen). Nach Vorlage ei­ nes abgestimmten Konzepts wird auch dieser Planungsteil abge­ schlossen werden können. Berufliches Schulwesen Im Schulbereich konnten wieder einige sehr bedeutsame Baumaß­ nahmen vorangebracht werden. Nach längerer Planungs- und Abstimmungsphase konnte im Ju­ li 2004 m it dem Bau der neuen S porthalle und sieben zusätzlicher Räume an der Robert-Ger- wig-Schule in Furtwangen begonnen werden. Auf Wunsch der Stadt Furtwangen w ird anstatt der für den Schulsport erforderlichen 1 1/2-teiligen Halle eine 2-teilige Halle gebaut, die dafür ent­ stehenden M ehrkosten ü b ern im m t die Stadt Furtwangen. Die restlichen Baukosten teilen sich das Land und der Landkreis, die gemeinsam Träger dieser Schule sind. Damit werden neben neuen Schulräumen dringend benötigte S portm öglich­ keiten nicht nur für die Schüler der Robert-Ger­ wig-Schule, sondern auch für das Skiinternat und die Vereine der Stadt Furtwangen geschaffen. Es bleibt zu hoffen, dass die Verhandlungen für den notw endigen Erweiterungsbau an der Feintechnikschule in VS-Schwenningen, die eben­ falls vom Land und dem Kreis gemeinsam getra­ gen wird, mit dem Land bald abgeschlossen w er­ den können und im Almanach bald über den Aus d e m K reisgeschehen Spatenstich an der Feintechnikschule berichtet werden kann. Nach der Einweihung des Internats-Erweite­ rungsbaus für die Hotelfachschule im letzten Jahr wurde unverzüglich die Sanierung der alten Internatsgebäude in Angriff genommen. Anfang 2005 wird die Sanierung des 1. Bauabschnitts mit einem Aufwand von 2,2 Mio. Euro abgeschlossen sein. Dann stehen noch zwei w eitere Bauab­ schnitte mit einem Volumen von rund 6 Mio. Eu­ ro an. Eine w eitere w ichtige Baumaßnahme im Schulbereich, bei der der Landkreis zwar nicht Bauherr ist, die er aber m it einem erheblichen Betrag bezuschusst hat, konnte ebenfalls im Juli 2004 begonnen werden: Der Neubau des Son­ derschulkindergartens für Körperbehinderte der Arbeiterw ohlfahrt in VS-Schwenningen. Weitere Schwerpunkte der K reispo litik im Jahr 2004 waren der Ö ffentliche Personennah­ verkehr (ÖPNV), die Fluglärm belastung durch den Flughafen Zürich sowie die Einweihung des neuen Blum berger Pflegeheimes „H aus Eich- berg“ im März 2004. Darüber w ird an anderer Stelle ausführlich berichtet. Karl Heim, Landrat Für die Feintechnikschule in VS-Schwenningen ist ein Erweiterungsbau geplant. 11

Aus d e m Kreisgeschehen Verwaltungsstrukturreform 2005 Katastrophe oder Katalysator für eine moderne Verwaltung? Von derbreiten Öffentlichkeit nur am Rande wahr­ genommen wurde am 30. )uni 2004 eine neue Ära der Verw altung im Land eingeläutet: Der Landtag verabschiedete m it den Stim m en der CDU/FDP-Koalition das sogenannte Verwaltungs­ struktur-Reformgesetz. M itdem Beschluss zu dem 187 Artikel und 108 Seiten umfassenden Gesetz wurde nach mehr als einem Jahr intensiver und zum Teil kontroverser Diskussionen – auch in­ nerhalb der Koalition – ein Schlusspunkt unter ein Reformvorhaben gesetzt, das m it der Ge­ meinde- und Kreisreform Anfang der 70er Jahre zu den größten in der 52-jährigen Geschichte des Landes Baden-Württemberg zählt. Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis wird sich m it dieser Reform ab dem 1. Januar 2005 das Ge­ sicht der Kreisverwaltung einschneidend verän­ dern. 12 Aufgabenfelderwachsen dem Landrats­ amt neu zu, m ehr als 300 M itarbeiterinnen und M itarbeiter müssen in die Kreisverwaltung in te­ griert werden. So selbstverständlich wie bisher der Führer­ schein oder die B augenehm igung beim Land­ ratsamt beantragt wurde, so selbstverständlich führte den Bürger bislang in Landwirtschaftsan­ gelegenheiten der Weg zum Landwirtschaftsamt, in Forstangelegenheiten zum Forstamt oder in Schulangelegenheiten zum Staatlichen Schulamt. Ging es um die Beantragung eines Schwerbehin­ dertenausweises war das Versorgungsamt in Rott­ weil gefragt, gab es Probleme um Arbeits- oder Im­ missionsschutz war der Sachverstand im Staatli­ chen Gewerbeaufsichtsamt in Villingen-Schwen­ ningen anzutreffen. Die Reihe der Beispiele lie­ ße sich fortsetzen. Fazit für den ratsuchenden Bürger war aber stets, dass sich in allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs eine Viel­ zahl von staatlichen Sonderbehörden vorfindet, die außerhalb der allgemeinen Verwaltung, näm­ lich der Bürgermeisterämter, der Landratsämter oder – auf der höheren Ebene – außerhalb der Regierungspräsidien, agieren. Diese auch historisch gewachsene Tatsache – da sind sich die Verwaltungsfachleute einig – entspricht nicht (mehr) den Anforderungen an ei­ ne moderne, bürgernahe und effizient arbeiten­ de Verwaltung. Doppelvorhaltungen an Perso­ nal-und Sachmitteln, geteilte Verantwortung, hier der Sonderbehördenstrang, da die Verwaltungs­ zuständigkeit der Landratsämter, ließen den Ruf nach der „E inheit der Verwaltung“ auf Kreisebe­ ne in den vergangenen Jahren immer lauter wer­ den. Der erste Schritt dazu wurde 1995 mit der Ein­ gliederung der bis dahin „selbststä nd ige n“ Ge­ sundheit-, Veterinär- und W asserwirtschaftsäm­ ter in die Landratsämter vollzogen. Allerdings ließ der zweite Schritt lange auf sich warten. Erst als zu Beginn des Jahres 2003 beim Land eine sich im m er größer werdende Finanznot im Staats­ haushalt abzeichnete, e rg riff der Ministerpräsi­ dent die Initiative. Im Interesse einer dauerhaften Personalkostenreduzierung konnte nur eine um ­ fassende Verwaltungsstrukturreform weiter hel­ fen: Die Übertragung der Aufgaben von elf staat­ lichen Sonderbehörden in dieV erantw ortungder 35 Landräte und neun O berbürgerm eister der kreisfreien Städte, verbunden mit dem Übergang von rund 12 000 Mitarbeiterinnen und M itarbei­ tern in den Dienst der Stadt- und Landkreise. Kombiniert wird dieser Aufgaben- und Personal­ übergang – und das ist finanzpolitisch das Ent­ scheidende – m it einer Einsparauflage (der so­ genannten Effizienzrendite) bei den Personal- und Sachkosten in Höhe von 20% in sieben Jah­ ren. Oder anders ausgedrückt: In sieben Jahren soll mit dieser Operation der Landeshaushalt um jährlich rund 135 Mio. Euro entlastet werden. Dass von den M inistern, ihren Fachverwal­ tungen und den betroffenen M itarbeite rinn en und Mitarbeitern vor Ort keine Jubelschreie zu er­ warten waren, war klar. Dass sich aber auch bei den Abgeordneten in den Regierungsfraktionen viele äußerst kritische Stimmen fanden, war ge- 12

V erw a ltu n g s stru ktu rre fo rm 2 0 0 5 Mühlrad beim Landratsamt – Symbol für Fortschritt aus der Tradition, für einen kontinuierlichen Wandel im Lauf der Zeit wie ihn auch die Verwaltungsstrukturreform bringt. 13

Aus d e m K reisgeschehen nauso erstaunlich, wie die generalstabsmäßige und im Stillen vorbereitete Aktion des M inister­ präsidenten. Die massivsten Proteste kamen aus den Reihen der Polizei, die ebenfalls in die Kreis­ verw altungen eingegliedert werden sollte, und des Forstes. Dort wurde von einer „Katastrophe“ und einem „tö d lich e n Schlag“ gegen die Forst­ verw altun g gesprochen. Der eine fand Gehör, der andere nicht: Während von der Polizei ledig­ lich die Lebensm ittelüberw achung des Wirt- schaftskontrolldienstes zu den Kreisen kommt, die Polizeidirektionen aber nach wie vor selbst­ ständig bleiben, wird der Forst allen Kassandra­ rufen zum Trotz zum 1. )anuar 2005 in die Land­ ratsämter eingegliedert werden. Wie sieht nun die Reform konkret aus? Im Kern besteht die Verwaltungsstrukturreform aus drei Bereichen: Der Eingliederung nahezu aller unteren und höheren Sonderbehörden (ausgenommen sind die Finanzverwaltung und die Polizei) in die allge­ meinen Verwaltungsbehörden der Landratsäm­ ter, Stadtkreise und Regierungspräsidien (erster Bereich). Der A uflösung der Landesw ohlfahrtsverbän­ de und Aufgabenübertragung soweit möglich an die Stadt- und Landkreise (zweiter Bereich). Dem Finanzausgleich zugunsten der Stadt- und Landkreise (dritter Bereich). Im ersten Bereich, dem Kernstück der Ver­ waltungsreform, werden die Aufgaben folgender elf bislang eigenständiger staatlicher Sonderbe­ hörden auf das Landratsamt übertragen: Der vier staatlichen Forstämter im Kreis (Vil­ lingen-Schwenningen, Donaueschingen, Furt- wangen und Triberg), desS traß enbauam tesin Donaueschingen ein­ schließlich der Straßenm eistereien in Donau­ eschingen, Villingen-Schwenningen und Furtwan- gen insgesamt, sow eit es um Kreisstraßen geht 1 4 sowie hinsichtlich des Betriebs und der Unter­ haltung von Bundes- und Landesstraßen (deren Planung und Bau wird kün ftig vom Regierungs­ präsidium wahrgenommen) des Gewerbeaufsichtsamtes in Villingen- Schwenningen der Gewässerdirektion in Rottweil des Landwirtschaftsamtes in Donaueschingen des Flurbereinigungsamtes in Rottweil des Staatlichen Schulamtes in Villingen- Schwenningen der Schulpsychologischen Beratungsstelle in Villingen-Schwenningen des Staatlichen Vermessungsamtes in V illin ­ gen-Schwenningen des Versorgungsamtes in Rottweil des W irtschaftskontrolldienstes bei der Poli­ zeidirektion in Villingen-Schwenningen (so­ weit es um Lebensmittelüberwachung geht). Besonderer Erwähnung bedarf die Tatsache, dass alle diese Aufgaben staatliche Aufgaben bleiben, d .h . – abgesehen von der M itte la u s ­ stattung – die Aufgabenwahrnehm ung nicht der Kontrolle und dem Einfluss des Kreistages unter­ liegt. Verantwortlich gegenüber dem Land für ei­ ne sachgerechte Aufgabenerfüllung ist insoweit ausschließlich der Landrat als Leiter der allge­ meinen staatlichen unteren Verw altungsbehör­ de „Landratsam t“ . Mitarbeiterzahl steigt um fast 60 Prozent M it den Aufgaben soll getreu dem M otto „da s Personal folgt der Aufgabe“ grundsätzlich auch das Personal vom Staat (Land) zur Kommune (Landkreis) wechseln, w obei die M ita rb e ite rin ­ nen und M itarbeiter des Landes jedoch wählen können, ob sie tatsächlich diesen Wechsel voll-

V erw a ltu n g s stru ktu rre fo rm 2 0 0 5 Die Forstbeamten im Landkreis sind m it Wirkung zum 1. Januar 2005 ins Landratsamt eingegliedert, eben­ so verhält es sich m it dem Straßenbauamt oder dem Staatlichen Vermessungsamt. ziehen wollen; nur der Landkreis ist verpflichtet, die M itarbeiter – statusgleich – zu übernehmen (Prinzip der einseitigen Freiw illigkeit; Besitz­ standswahrung bei den Mitarbeitern). Die personalintensivste Aufgabe wird die der Straßenbauverwaltung mit 21 Stellen in der Ver­ waltung und 86 Stellen im Straßenwärterbereich sein, gefolgt vom Forst m it 42 Stellen in der Ver­ waltung und 27 Stellen im Waldarbeiterbereich. Insgesamt werden rund 320 Planstellen mit rund 350 M itarb eite rrinn en und M itarbeitern zum Landratsamt wechseln, was einem Anstieg der M itarbeiterzahl um fast 60% entspricht. Besondere Probleme bereitet die Aufteilung der M ita rb e ite r bei den Sonderbehörden dort, wo sich deren Zuständigkeit bisher auf mehrere Kreise verteilt: So ist etwa das Gewerbeaufsichts­ amt in Villingen-Schwenningen derzeit zuständig für die Kreise Schwarzwald-Baar, Rottweil, Tuttlin­ gen und Konstanz. Ab dem 1. )anuar 2005 muss das Personal auf diese vier Kreise und das Regie­ rungspräsidium Freiburg (künftig zuständig für besonders umweltrelevante Betriebe) aufgeteilt werden. Noch schw ieriger w ird es beim Versor­ gungsamt in Rottweil, das bisher für sieben Land­ kreise von Reutlingen bis zum Schwarzwald-Baar- 15

Aus d e m K reisgeschehen Kreis und von Tuttlingen bis Freudenstadt zustän­ dig war. Hier gilt es, soziale Härten im Einzelfall zu ver­ meiden und – wie in allen anderen Fällen auch – die M otivation der M itarbeiter genauso intensiv zu betreiben, wie deren raschest mögliche Integra­ tion in die Strukturen des Landratsamtes. Organisatorisch wird im Landratsamt mit der Verwaltungsreform ein zusätzliches Dezernat für die sogenannte Flächenverwaltung eingerichtet. In ihm sollen aufgrund des engen Aufgabenbe­ zugs die Landwirtschafts- und Forstverwaltung so­ wie die Vermessungs- und Flurneuordnungsver­ w altung ge bündelt werden. Alle übrigen Berei­ che werden den vier bestehenden Dezernaten so zugeordnet, dass sich von der Aufgabenstellung herSynergien einstellen können. S o a rb e ite tb e ­ reits bislang die G ewerbeaufsicht und die Ge­ w ässerdirektion sehr eng mit der Umweltverwal­ tung des Landratsamtes, der Wirtschaftskontroll- dienst mit dem Veterinäramt, die Straßenbauver­ w a ltun g m it dem Kreisstraßenwesen und die Schulverwaltung m it der Jugendhilfe des Land­ kreises zusammen. Triberg behält sein Forstamt U ntergebracht werden die neuen Bereiche so­ w e it wie möglich an den bisherigen Standorten der Kreisverwaltung in VS-Viltingen und Donau- eschingen. Neu wird der Standort Triberg sein, an dem sich künftig die Betriebsstelle „Schw arz­ w ald“ des ansonsten in Donaueschingen zusam­ men mit der Betriebsstelle „B aa r“ angesiedelten Kreisforstamtes befindet. Die Forstämter in VS- Villingen und Furtwangen werden dagegen zum l. Januar 2005 wegfallen. Das Schulamt sowie das Versorgungsamt werden in das Kreishaus in te ­ griert. Die technische Verwaltung (einschließlich Baurecht, Umwelt-, Immissions-, Natur-, Gewäs­ ser- und Bodenschutz sowie Gewerbeaufsicht) Versuchsfeld des Landwirtschaftsamtes Donaueschingen zum Getreideanbau bei Bräunlingen-Döggingen. Durch die Verwaltungsstrukturreform ist das Landratsamt nun auch für diesen Aufgabenbereich zuständig. 16

wird im bisherigen Gebäude desStaatlichen Ge­ werbeaufsichtsamtes in unm ittelbarer Nachbar­ schaft zum Kreishaus konzentriert. Die Flurneu­ ordnung wird zusammen mit der Vermessungs­ verw altung in deren bisherigen Gebäude in Villin- gen untergebracht. Das Straßenbauamt verbleibt genauso wie das Landwirtschaftsamt in Donau- eschingen. Ebenso wird dort die Lebensmittel­ überwachung mit dem Veterinäramt zusammen­ geführt. Während alle Sonderbehörden bislang auf 20 S tandorte im Kreis oder der Region verteilt waren, erfolgt mit diesem vom Kreistag gebillig­ ten U nterbringungskonzept nunm ehr eine Kon­ zentration auf zehn Standorte, was eine jährliche Kostenersparnis allein bei der Unterbringung die­ ser Sonderbehörden von rund 200 000 Euro zur Folge hat. Landeswohlfahrtsverbände aufgelöst Für den Landkreis erhebliche finanzielle Ausw ir­ kungen hat der zweite Bereich der Verwaltungs­ reform, nämlich die A uflösung der beiden Lan­ d e sw o hlfah rtsve rbä nde Baden und W ürttem- berg-Hohenzollern. Diese Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts gegründeten „höheren Kommunalverbände“ sind bisher als sogenann­ te überörtliche Träger der Sozial- und Jugendhil­ fe insbesondere für die Behindertenhilfe zustän­ dig. Fallzahlen und Kosten sind in diesem Be­ reich in den vergangenen Jahren explosionsartig gestiegen. M ittle rw e ile verfügen diese beiden Verbände über ein Ausgabevolum en von mehr als 1,1 Mrd. Euro pro Jahr. Sie finanzieren sich insbesondere über die bei den jeweiligen Stadt- und Landkreisen erhobene Umlage. 2004 leis­ tete allein derSchwarzwald-Baar-Kreis eine Um­ lage in Höhe von über 20 Mio. Euro. Nachdem eine Fusion beider Verbände in der Vergangenheit gescheitert war, die Versorgung m it Diensten und Einrichtungen der B ehinder­ te n h ilfe m ittle rw e ile nahezu flächendeckend vorhanden ist und der Grundsatz der orts- und bürgernahen Verwaltung sich – zu Recht – in im ­ mer mehr Bereichen Geltung verschafft, werden diese Verbände m itih re n Sitzen in Karlsruhe und Stuttgart nunmehr aufgelöst und die Aufgaben V erw a ltu n g s stru ktu rre fo rm 2 0 0 5 nach unten, d. h. auf die Stadt- und Landkreise, verlagert. Nur für die zwingend nach Bundes­ recht oder aus Zweckm äßigkeitserwägungen (z.B. Pflegesatzverhandlungen mit den Einrich­ tungen) auf überörtlicher Ebene wahrzunehmen­ den Aufgaben wird ein neuer „schlanke r“ Kom­ munalverband auf Landesebene gegründet. Mit dieser Reform wird es kün ftig so sein, dass alle Aufgaben der Versorgung Behinderter oder pfle­ gebedürftiger Menschen in einer Hand, nämlich der des Landkreises, liegen. Durch eine ortsna­ he Entscheidung, ein konsequentes Fallma­ nagement und die Rea­ lisierung innovativer An­ gebote besteht nun die Möglichkeit – und der fi­ nanzielle Zwang – Kos­ ten teurer stationärer U nterbringung zuguns­ ten fam iliennaher am ­ bulanter oder teilstatio­ närer Angebote einzu­ sparen. Diese Ersparnisse kommen jetzt unmittel­ bar dem Kreishaushalt zugute. gebracht haben, bei ne noch effizientere Entscheidungen aus einer Hand. und bürgernahe Verw altung hervor­ ln sieben Jahren wird die Reform e i­ Bei allen Sparbemühungen ist jedoch eines auch klar: Das Problem der explodierenden Kos­ ten der B ehinderten hilfe kann angesichts lau­ fend steigender Fallzahlen und bundesgesetzge­ berischer Leistungsausweitungen nicht auf Kreis­ ebene gelöst werden. Hier sind Bund und Land gefordert. Die Kreise können mit dieser Regiona­ lisierung der B ehinderten hilfe allenfalls in so­ w eit einen Beitrag leisten, als die Kostenkurve in den kommenden Jahren – hoffentlich – w ieder etwas abgeflacht wird. Und wie wird das nun alles finanziert (dritter Bereich)? K la rw arvon Anfangan – und dies wurde von der Landespolitik immer wieder so betont – dass mit derVerwaltungsreform keine Kostenverlagerung vom Land auf die Kreise stattfinden darf. M it ande­ ren Worten: Die Kreishaushalte können nicht die Reservekasse des Landes für dessen finanzielle Probleme sein. Ein fairer Ausgleich zwischen Land und Kreis verlangt, dass das Land den Kreisen ge­ 17

V erw a ltu n g s stru ktu rre fo rm 2 0 0 5 nau das gibt, was es ohne die Reform für seine Sonderbehörden ausgeben müsste – abzüglich der politisch vereinbarten 20-prozentigen Effizi­ enzrendite. Konkret sieht das Gesetz diesen finanziellen Ausgleich so vor, dass auf der Basis der für das Jahr 2005 hochgerechneten Personal- und Sach­ ausgaben des Landes in Höhe von ca. 333 Mio. Euro den Kreisen für die Aufgabenerfüllung pau­ schal 2% und in den d arauffolgenden sechs Jah­ ren jeweils 3% an den Erstattungen gekürzt w er­ den. Es ist dann Sache der Landkreisverwaltung, wie sie m it den so gekürzten Erstattungen die übertragenen Aufgaben sachgerecht erfüllt. Je­ denfalls – so die Auffassung aller Kreistage und Gemeinderäte im Land – da rf kein kommunales Geld zur Finanzierung der neuen staatlichen Auf­ gaben des Landratsamtes eingesetzt werden. Darauf wird unser Kreistag ein besonderes Auge werfen und hierzu haben w ir d e ta illie rt sow ohl ihm wie auch dem Land Bericht zu erstatten. Ge­ rade aufgrund der Erfahrung m it der Teileinglie­ derung im Jahre 1995 sind wir jedoch zuversicht­ lich, dass uns das genauso wie eine effiziente Aufgabenerfüllung getingen wird. Auf die Veränderungen einlassen A llerdings sind dazu parallel zwei weitere Vor­ aussetzungen notwendig: Wir brauchen dafür engagierte und kostenbe­ w usst denkende M itarbeiterinnen und M itarbei­ ter, die noch mehr als bisher bereit sind, sich auf Veränderungen einzulassen. Und w ir brauchen eine permanente Aufgaben­ k ritik sowie einen radikalen Aufgabenabbau in der Verwaltung. Erste Schritte wurden dazu be­ reits von unserer Landesregierung u n terno m ­ men. Die Masse der überbordenden Bürokratie kom m t jedoch aus Berlin und Brüssel. Hier ist die Politik zum aktiven Handeln – und nicht nur zu Sonntagsreden – aufgefordert. Ohne dra sti­ schen Aufgabenabbau und Eindäm m ungder Re­ gelungsw ut wird Deutschland an der Vorschrif­ tenflut ersticken. Ohne Bürokratieabbau lässt sich der W irtschaftssta nd ort Deutschland nicht si­ 18 chern und ohne Bürokratieabbau wird eine d rin ­ gend notwendige Personalkostenentlastung nicht zu neuen Handlungsfeldern im Staatshaushalt und den Haushalten der Kommunen führen kön­ nen. Obwohl diese Erkenntnisse m ittlerw eile A ll­ gemeingut sein sollten, sprechen die Gesetzes­ und A m tsblätter aus Berlin und Brüssel tag tä g­ lich (leider) eine andere Sprache. Auf diesem Feld gibt es also mindestens noch genauso viel zu tun wie in unserem Landratsamt für die konkrete Umsetzung der Verwaltungsreform zum Januar nächsten Jahres. Dan keiner frühzeitigen Einbeziehung der be­ troffenen Sonderbehördenleiter einschließlich ih­ rer M itarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch der Kreisgremien, sind wir dazu auf einem guten Weg, auch wenn es angesichts der Dimensionen dieser Reform sicher noch den einen oder anderen Stolperstein aus dem Weg zu räumen gilt. Wenn die zwei soeben genannten zusätzlichen Voraus­ setzungen vorliegen, sind w ir jedoch davon über­ zeugt, dass w ir in sieben Jahren do rt stehen w er­ den, wo w ir heute hinwollen: Bei einer effizien­ ten und bürgernahen Verwaltung, bei der der Bürger Beratung, aber auch Entscheidungen, ab­ gestim m t aus einer Hand und schnellstmöglich bekommt. Die V erw altungsstrukturreform des Jahres 2005 ist jede nfalls keine „K a ta stro p h e “ . V ie l­ mehr ist sie ein entscheidender Schritt hin zu ei­ ner modernen und einheitlichen Verwaltung auf Kreisebene. Nicht zuletzt die (finanziellen) He­ rausforderungen unserer Zeit haben diese Ver­ änderung m öglich gemacht. Die Landkreisver­ w a ltu n g w ird m it dieser Reform ihr Gesicht deut­ lich verändern und – allen Unkenrufen vergange­ ner Jahre zum Trotz – deutlich gestärkt aus die­ ser Reform hervorgehen. Tempora mutantur, nos et m utam ur in illis. (Die Zeiten ändern sich, und w ir uns m it ihnen.) Joachim Gwinner

Landrat Karl Heim wiedergewählt Aus d e m Kreisgeschehen G em einsam er Festakt zu rV erpflich tun g von Landrat Karl Heim und der Verabschiedung und Ehrung von Kreisräten Für die neue Dienstzeit von acht Jahren wurde am 19. Juli 2004 Landrat Karl Heim durch Regie­ rungspräsident Sven von Ungern-Sternberg ver­ pflichtet. Der Gast aus Freiburg gab sich im Sitzungs­ saal des Kreishauses äußerst jovial und hob die freundschaftlichen Beziehungen hervor, die ihn m it Landrat Karl Heim verbinden. Das schönste Kom plim ent für den Am tsinhaber sei sicher das hohe W iederwahlergebnis gewesen, so der Re­ gierungspräsident. Heim habe es geschafft, aus einem polarisierenden Gremium ein M ite in a n ­ d e rzu machen. Sven von Ungern-Sternberg ging aber auch auf die aktuelle Tagespolitik und insbesondere au f die finanzielle Situation der Kommunen ein. „W ie kommen w ir durch die zweite Jahreshälf­ te?“ , fragte er in die von zahlreichen Bürgermeis­ tern besetzte Runde. Bei der Problemlösung ver­ sprach er, werde das Regierungspräsidium ein fairer Partner sein, der aber um Einschnitte nicht herum komme. Kurz auf die Verwaltungsreform eingehend, sagte von Ungern-Sternberg, dass damit die The­ men Regionalkreise, Kreis- und Gemeindereform aus der Welt seien. Der stellvertretende Landrat Kurt Haberer hatte zuvor in Anw esenheit von Alt-Landrat Dr. Rainer Gutknecht die Stationen der ersten acht Jahre von Heims erster Amtszeit gestreift. Von sei­ nem Vorgänger habe er ein wohl bestelltes Haus übernommen, sich jedoch nicht darauf ausgeruht, sondern sich mit großem Engagement der Aufga­ ben angenommen. Haberer nannte das Schulwe­ Fegierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg verpflichtete am 19. J uli 2004 Karl Heim für weitere acht Jahre als Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises. 19

Aus d e m K reisgeschehen Verabschiedung und Ehrung verdienter Kreisräte durch Landrat Karl Heim. sen, um das es im Kreis außerordentlich gut be­ stellt sei. Sehr früh habe sich der Landrat des Themas Fluglärm angenommen und beim Groß­ klinikum die Fusion auf den Weg gebracht. „Eine Jahrhundertentscheidung“ nannte Haberer den gemeinsamen Beschluss von Oberzentrum und Landkreis. Landrat Karl Heim gab das Lob an die Kreis­ räte weiter: „Ein Landrat kann nur so viel bewe­ gen, wie es der Kreistag zulässt“ sagte er. Er ha­ be stets gespürt, dass der gemeinsame Wille zu positiven Entscheidungen vorhanden war. Die feierliche Stunde wurdevon Schülern der Jugendmusikschule Villingen-Schwenningen um­ rahmt, bevor es an die Verabschiedung und Eh­ rung von Kreistagsmitgliedern ging. Nach den Kommunalwahlen scheidet m it 28 Kreisräten knapp die Hälfte der bisherigen M it­ g lieder aus dem Kreistag aus. Für ihr Engage­ ment während der letzten W ahlperiode wurden mit einer Dankurkunde ausgezeichnet: Günther Dreher (CDU), Dr. Klaus Peter Hartmann (CDU), Stefan Käfer (CDU), Dr. Manfred Matusza (CDU), Egon Wunderte (FDP), Werner Ettwein (FW), Ger­ hard Janasik (FW), Ingo Österreicher (FW), W al­ ter Rau (Grüne), Linda Arm (SPD), Ilse Heinrich (SPD), Johannes Hummel (SPD), Gerhard Lamers (SPD) und Karl-Heinz Schaaf (SPD). 20 Für zwei Wahlperioden erhielten eine Kreis­ m edaille in Bronze und eine Urkunde Lucia G rießhaber (CDU), Siegfried Seilnacht (Grüne), Dieter Sirringhaus (CDU) und Karl Wiehl (CDU). Für die Zugehörigkeit über drei W ahlperio­ den gab es eine Kreismedaille in Silber und eine Urkunde für Gerhard B allof (CDU), Günter Hug (CDU), Christa Lörcher (SPD), Julius Redling (SPD) und Dr. Hans Schlenker (SPD). Die Bürger­ meister Richard Krieg und Theo Kühn (beide CDU) erhielten für ihre M itarbeit über vier W ahlperio­ den und Jakob Fritschi für fünf Wahlperioden ei­ ne Kreismedaille in Gold und eine Bronzemedail­ le des Landkreistages sowie eine Urkunde. Kurt Haberer und Bürgermeister Otto Sieber haben über sechs W ahlperioden dem Kreistag angehört und wurden dafür mit der Kreismedail­ le in Gold und m it der Silberm edaille des Land­ kreistages plus Urkunde ausgezeichnet. Für m indestens 20 Jahre k o m m u n a lp o liti­ scher M itarbeit ausgezeichnet wurden Ernst Rei­ ser (20 Jahre, FW), Jürgen Schützinger(2o, DLHV), O berbürgerm eister Dr. Bernhard Everke (25, CDU), Stefan Scherer (25, CDU) und Werner Ben- zing(2ö, CDU) erhielten die Verdienstmedaille des Landkreistages in Bronze plus Urkunde. Die Verdienstmedaille des Landkreistages in Silber für m indestens 30-jähnge M ita rb e it er­ hielten Dr. Gerhard Gebauer (31, SPD), Rüdiger Schell (32, SPD), Harald M atteg it (33, FDP) und Lukas Duffner (39, SPD). Angelika Mey

Neuordnung der Krankenhausstruktur Aus de m Kreisgeschehen Die „Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH“ ist gegründet Anfang Juli 20 04 haben der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises und der Gemeinderat der Stadt Villingen-Schwenningen eine umfassende Neuordnung der Krankenhausstrukturen für den Schwarzwald-Baar-Kreis beschlossen. Der Beitrag schildert die Ausgangslage sowie den Handlungsbedarf und fasst die wesentlichen Punkte der Neuordnung zusammen. Die Aus­ gangslage ist im gesamten Bundesland ähnlich, deshalb zunächst ein paar Sätze zur generel­ len Lage der Kliniken. Die Situation der Krankenhäuser in Baden-Würt­ temberg In Baden-W ürttem berg w ird die Krankenhaus­ versorgung aktuell von 279 Kliniken m it insge­ samt rund 64 000 Betten sichergestellt. Das Ge­ sam tbettenangebot verteilt sich zu 72% au f öf­ fentliche, zu 21% auf frei gemeinnützige und zu etwa 7% auf private Krankenhausträger. Nach der gesetzlichen Aufgabenzuordnung ist die leis­ tungsfähige Krankenhausversorgung eine Pflicht­ aufgabe der Stadt- und Landkreise soweit sie nicht durch andere Träger sichergestellt ist. Die Ausgangssituation ist landesweit so, dass die Krankenhäuser nach m ittlerw eile 10-jähriger Kostendeckelung unter einem enormen wirtschaft­ lichen Druck stehen. Die an die Entwicklung der Beitragseinnahmen der Krankenkassen gekop­ pelten Budgets reichen im Regelfall nicht aus, um die Betriebskosten der Kliniken zu decken. Trotz enormer Einsparungsbemühungen sind die Jahresabschlüsse der meisten öffentlich getra­ genen Krankenhäuser defizitär. Der Ausblick in die Zukunft ist von einem wachsenden Anteil der älteren Bevölkerung m it höherer Behandlungs­ b e dürftigkeit geprägt, der andererseits eine ab­ nehmende Zahl von Beitragszahlern gegenüber­ steht. Die Krankenkassenbeiträge können m it Rücksicht auf die Konkurrenzfähigkeit des W irt­ schaftsstandortes nicht erhöht werden. Wir müs­ sen also m it Sicherheit davon ausgehen, dass die für die Krankenhausversorgung zur Verfü­ gung stehenden Finanzm ittel in Zukunft noch knapper werden. Das Umfeld wandelt sich Aber auch außerhalb des w ohl noch zunehmen­ den Kostendrucks ist die stationäre Kranken- hausversorgungeinem ständigen Wandel unter­ worfen, dessen Dynamik sich zunehm end er­ höht. Hier ist zunächst der m edizinisch-techni­ sche Fortschritt m it neuen Diagnose- und Be­ handlungsmethoden zu nennen. Die hieraus mög­ lichen innovativen Leistungen für die Patienten können nicht in jedem kleineren Krankenhaus­ standort vorgehalten werden. Als weiterer w ich­ tiger Punkt des Wandels ist das am bulante Ope­ rieren anzusprechen. Dies fü h rt dazu, dass Ein Teil der statio- nären Operationen . , . wird in den am bu- , , lanten Bereich ver- ein beachtlicherTeilder bisher statio när er- , brachten O perationen ¡n den ambulanten Be­ . . o lagert, die Verw eil- reich verlagert werden. dauer im Kranken- haus wird w eiter zurückgehen. Die Verweildauer der Patienten im Kranken­ haus wird weiterzurück- gehen und nach den 21

Aus d e m K reisgeschehen hausfinanzierung. Das Kranken­ hausbett w ird vom Einnahmefak­ tor nun zum Kostenfaktor. In der ab dem Jahr 2005 begin­ nenden sogenannten Konver­ genzphasewerden die bisherigen festen K linikbudgets an das lan­ deseinhe itlich e DRG-Preisniveau angeglichen. Das Endziel sind Fall- pauschalen, die für alle Kliniken im Land gleich sind. Macht ein Kran­ kenhaus m it den Fallpauschalen Gewinne, so verbleiben diese der Klinik, macht es Verluste, hat es diese Verluste selbst zu tragen. Dabei liegt es in der Natur der Sa­ che, dass sich kein Krankenhaus­ träger au f Dauer Verluste leisten kann. Alle bisher angesprochenen Punkte zeigen einen dringenden Handlungsbedarf. Diesen H andlungsbedarf hat auch die Krankenhausplanung und die Kranken­ hauspolitik in Baden-Württemberg erkannt. Sie fordert die Krankenhausträger auf, ihre S truktu­ ren zu überprüfen und zu verändern, um die von den Bürgern zu Recht erw artete medizinische Versorgungsqualität auch la n g fristig gew ähr­ leisten zu können. Die neuen Leitlinien fordern dazu auf, Doppelvorhaltungen abzubauen, Auf­ gaben zu bündeln, Kompetenzzentren und Versor­ gungsschwerpunkte zu bilden. Die Ansprüche an eine w ohnortnahe Versorgung sollen in der Ab- wägungzu einer qualitativ hochwertigen und w irt­ schaftlich leistungsfähigen Versorgung im Zweifel zurückstehen. Die Ausgangslage im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Diskussion zur Neuordnung der Kranken­ hausstrukturen wurde im Schwarzwald-Baar- Kreis im Jahr 2001 aufgenommen. Dabei war die Einsicht in die Notwendigkeit strukturellerVerän- derungen bei den kommunalpolitisch Verantwort­ lichen weitgehend vorhanden. Über den Weg und die Ziele der Neuordnung gab es jedoch sehr un­ terschiedliche Vorstellungen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Krankenhausversorgung im Schwarz­ Die Klinikehe ist perfekt: Oberbürgermeister Fupert Kubon f ü r die Stadt Villingen-Schwenningen, Landrat Karl Heim für den Schwarz- wald-Baar-Kreis und St. Georgens Bürgermeister Wolfgang Schergel unterschreiben den Vertrag. Hinten v. links: Notariatsdirektor Bud­ deberg und die beiden Geschäftsführer der neuen Krankenhausgesell­ schaft, Horst Schlenker und Folf Sch mid. Prognosen vieler Experten schon in naher Zu­ kunft bei etwa sechsTagen liegen. Dies bedeutet nahezu eine Halbierung der noch vor etwa zehn Jahren üblichen Werte. Für die kleineren K linik­ standorte kom m t als w eiteres G efährdungspo­ tenzial die vom Gesetzgeber gewollte M in dest­ mengenregelung hinzu. Dies wird dazu führen, dass viele bisher nur in geringer Häufigkeit durch­ geführte Operationen zur Steigerung der medizi­ nischen Qualität nur noch in entsprechend spezia­ lisierten Fachabteilungen durchgeführt werden dürfen. Ziel aller seit 1989 beschlossenen Gesund­ heitsreform en war es, die Kosten im Gesund­ heitswesen zu reduzieren. Unter anderem war es seit langem das erklärte Ziel, durch ein veränder­ tes Preissystem keinen Anreiz m ehr für teure Überkapazitäten im Krankenhauszu bieten. Der Bundestag hat im Frühjahr 2002 als wesentliches Element zur Eindäm mung der K ostenentw ick­ lung ein durchgehend pauschalierendes Ent­ geltsystem au f der Basis von Fallpauschalen (DRGs = Diagnosis Related Groups) beschlossen. Damit werden in Zukunft die Betriebskosten der Krankenhäuser nicht mehr über tagesgleiche Pflegesätze sondern durch spezielle diagnose­ orientierte Fallpauschalen finanziert. Dies fü h rt zu einem Paradigmenwechsel in der Kranken­ 22

wald-Baar-Kreis von zwei Klinikgesellschaften m it insgesamt sechs Klinikstandorten sicherge­ stellt. Von den insgesamt vorgehaltenen 1240 Krankenhausbetten entfielen 915 Betten m itvie r Betriebsstätten auf die Klinikum der Stadt V illin ­ gen-Schwenningen GmbH und 325 Betten auf die Kreisklinikum Schwarzwald-BaarGmbH mit zwei Klinikstandorten. Die Klinikgesellschaft der Stadt erfüllt mit ihrem medizinisch stark gegliederten Angebot die Aufgabe der Zentralversorgung. Das Krankenhausangebot des Landkreises ist der Ver­ sorgungsstufe der Grund- und Regelversorgung zugeordnet. A usgangspunkt war zunächst der Streit um das liebe Geld. Beide Klinikgesellschaften waren bis dahin zwar noch in der Lage, ihre Aufgaben ohne Betriebskostenzuschüsse der Träger erfül­ len zu können, der Investitions- und Sanierungs- anstau war jedoch groß. Während beim Landkreis die Bereitschaft, sich finanziell im investiven Be­ reich zu engagieren, gegeben war, hat sich die Stadt Villingen-Schwenningen mit Vehemenz ge­ gen ein finanzielles Engagement des Landkreises in der Kreisklinik ausgesprochen. Sie war im Hin­ blick auf das von ih r selbst getragene Kranken- Auf der Intensivstation im Kreisklinikum Donau- eschingen, jetzt Teil der„Schwarzwald-Baar Klini­ kum Villingen-Schwenningen GmbH“. K ra n ke nh a us stru k tu r Die Ausgangslage zu Beginn der Neu­ ordnungsdiskussi- haus nicht bereit, über den Umweg der Kreis­ umlage das Kranken- haus des Landkreises on im Krankenhaus- m itzufinanzieren. Den wesen des Kreises w ar vielschichtig und komplex. In v e s titio n s rü c k s ta n d im eigenen Klinikbe- trieb konnte und wollte die Stadt nicht schul­ tern und verwies auf den überörtlichen Versorgungsauftrag. Zur Lö­ sung der Probleme schien der Stadt Villingen- Schwenningen derVerkauf ihrer Kliniken an eine große private Klinikkette als ein probates Mittel. Kenner der kommunalpolitischen Szene müssen zugeben, dass die Ausgangstage zu Beginn der Neuordnungsdiskussion im Schwarzwald-Baar- Kreis komplexer und vielschichtiger nicht hätte sein können. Umso erfreulicher ist, dass es bei unterschiedlicher Interessenlage nun doch noch gelungen ist, ein innovativesKonzeptzurNeuord- nung der Krankenhausstrukturen zu verabschie­ den. Es ist nicht Aufgabe dieses Berichtes, den Verlauf der mehr als drei )ahre andauernden, teilweise äußerst problematischen Neuordnungs­ diskussion zu schildern. Wichtiger ist das Ergeb­ nis, das sich wirklich sehen lassen kann und Maß­ stäbe setzt. 23

K ra n ke n h a us struk tur Das neue m edizinische Leistungskonzept Es wird ein neues m edizinisches Leistungskon­ zept angestrebt und umgesetzt, das unter dem Dach einer kreisweit einheitlichen K linikgesell­ schaft die stationäre Leistungserbringung auf zwei Standorte im Landkreis konzentriert. Diese S tandorte sind ein Klinikneubau im Z entralbe­ reich von Villingen-Schwenningen sowie die w e i­ tere Betriebsstätte am Standort in Donaueschin- gen. Beide Standorte sind in die S pezialisie­ rungsstrategie des G esam tklinikum s einbezo­ gen. Teure Doppel-Vorhaltungen werden verm ie­ den, Leistungen ge bü nde lt und medizinische Kompetenzzentren gebildet. Herausragende Änderungen sind dabei die Konzentration des Fachbereiches der Gynäkolo­ gie und der Geburtshilfe auf den Standort V illin­ gen-Schwenningen im Gegenzug mit der Verlage­ rung des Fachbereiches der O rthopädie nach – Donaueschingen. Auch die chirurgische Versor­ gung wird neu gegliedert. Dabei wird die Allge­ mein- und Visceralchirurgie auf den Standort V il­ lingen-Schwenningen konzentriert. Im Gegen­ zug dazu wird die Fachabteilung für Gefäß- und Thoraxchirurgie nach Donaueschingen verlagert. Durch die gleichzeitige Z uordnung des neuen S chw erpunktesd erA n gio log ie w ird am Standort Donaueschingen ein medizinisch sehr leistungs­ fähiges Kompetenzzentrum fürGefäßerkrankun- gen aufgebaut. Die unfallchirurgische Vor-Ort- Versorgung am Standort Donaueschingen wird der dorthin verlagerten Fachabteilung für Ortho­ pädie zugeschlagen. Der Krankenhausstandort Furtwangen wurde bereits zum 1. Januar 2004 aufgegeben. Die Kli­ nikb e trie b sstä tte Golden Bühl im S tadtbezirk Villingen wird zum Jahresbeginn 2005 geschlos­ sen. Die Gesamtzahl der Planbetten im Landkreis wird sich nach der Neukonzeption um 25% ver­ mindern. Dies entspricht der Zielsetzung der Lan­ deskrankenhausplanung. Wir erwarten durch die Umsetzung der ers­ ten Stufe des neuen m edizinischen Leistungs­ konzeptes Synergieeffekte in der G rößenord­ nung von 5 bis 6 Mio. Euro jährlich. Diese enor­ me Einsparung wird durch den Abbau der bishe­ rigen Doppel- und M ehrfachvorhaltungen und durch die Schaffung w irtsch a ftlich e r Betriebs­ 2 4 einheiten rechenbar. M it der Umsetzung der zweiten Stufe, die erst nach dem angesproche­ nen Klinikneubau ab dem Jahr 2010 realisierbar ist, werden weitere Synergieeffekte in der Grö- ß enordnungvon rund 10 Mio. Euro veranschlagt. Die neuen Trägerstrukturen Auch die Trägerstrukturen verändern sich. Im Au­ gust 2004 wird die neue kreiseinheitliche K linik­ gesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Die Gesellschafter dieser neuen K linik GmbH sind die Stadt Villingen-Schwenningen und der Schwarzwald-Baar-Kreis. Trotz der anfänglichen K apitalm ehrheit seitens der Stadt Villingen- Schwenningen (60% Stadt, 40% Landkreis) ist der Aufsichtsrat der neuen Gesellschaft paritä­ tisch besetzt. Die Finanzverantwortung für die neue Gesellschaft liegt ausschließlich beim Landkreis, w obei der G esellschaftsvertrag vor­ sieht, dass alle in Zukunft eventuell n o tw e n d i­ gen Zahlungen des Landkreises seinen Gesell­ schaftsanteil erhöhen. Ziel der Neuordnung der Krankenhausstruktu­ ren ist es, der Bevölkerung des Landkreises auch in Zukunft eine medizinisch hoch leistungsfähige stationäre Versorgung zu w irtsch aftlich m ög­ lichstoptim alen Bedingungen zu bieten. Diesem Ziel sind wir mit dem erfolgreichen Abschluss der Neuordnungsdiskussion nun ein gutes Stück nä­ her gekommen. Es ist im Bericht bereits angeklungen, dass als Nachteil der neuen G esamtkonzeption ein Verlust an w o hnortnaher m edizinischer Versor­ gungsbreite in Kauf genommen werden musste. Dieser Nachteil ist in der heute sehr m ob il ge­ wordenen Gesellschaft zu verkraften. M it einem bloßen Festhalten an den bisher gewohnten Strukturen hätten w ir die V ersorgungsqualität au f Dauer geschwächt und den berechtigten In­ teressen der Einwohner nach einer auch in Zu­ kunft leistungsfähigen Krankenhausversorgung nicht entsprochen. Die große M ehrheit der kom ­ m unalp olitisch Verantwortlichen ist der festen Überzeugung, dass wir den richtigen Weg einge­ schlagen haben. FolfSchm id

Höhen und Tiefen im Nahverkehr Nach Bauverzögerungen bei R ingzughaltepunkten Endausbaustufe beinahe erreicht Aus dem Kreisgeschehen M it dem Start des Ringzuges am 31. August 2003 brach im Schwarzwald-Baar-Kreis sowie in der gesamten Region Schwarzwald-Baar-Heuberg ein neues Zeitalter im Öffentlichen Personennahver­ kehr an: Ein integriertes Zug-Bus-System mit dem Einsatz moderner Regio-Shuttles der Hohenzol- lerischen Landesbahn AG sowie die Einführung der regionalen Tarifkooperation, einer Koopera­ tion der drei Kreisverbünde, ermöglichen kom ­ fortables Reisen mit nur einem Fahrschein in der gesamten Region. Ein ganzheitliches ÖPNV-Sys- tem m it Bahn und Bus war geschaffen. Eine kostenlose Einführungswoche mit annä­ hernd 100 000 Fahrgästen in den Ringzügen über­ stieg alle Erwartungen. Flat es sich doch gezeigt, dass der Ringzug bei der Bevölkerung ein über­ aus großes Interesse weckt. Seither ist eine po­ sitive Entwicklung des Fahrgastpotenzials zu verzeichnen; die Fahrgastzahlen erfüllen die prognostizierten Erwartungen. Leider konnte man die Anfangsphase des Ringzuges nicht als Bilder­ buchstart bezeichnen. Der schleppende Fortschritt beim Bau der neuen Halte­ punkte entwickelte sich zu einem großen Ärgernis für die beteiligten Landkreise. So konnten zum 1. Sep­ tem be r 2003 im Kreis nur sechs von 14 geplanten neuen Haltepunkten – te il­ weise provisorisch – in Be­ trieb genommen werden. Der zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2003 zu­ gesagte Fertigstellungster­ min w eiterer vier Halte- Der neue Fingzughalte­ punkt Donaueschingen- Mitte-Siedlung. Der Verzug beim punkte der ersten Aus- Bau von H altepunk- baustufe musste auf das erste Halbjahr 2004 verschoben werden. In- ten machte beim Ringzug einen kos- sofern war es notwen- tenintensiven di§‘ den bereits zum Start des Ringzuges ein- Schienenersatzver- gerichteten sehr kos. kehr erforderlich. tenintensiven Schienen­ ersatzverkehr, welcher die Anbindung der Gemeinden m it noch fe h le n ­ den Ringzughaltepunkten sicherstellte, bis M it­ te 2004 zu verlängern. Eine Situation die ein po­ sitives Image des Ringzuges als ganzheitliches Bahn-Bus-System zu kippen drohte. Unverständ­ nis und Verärgerung über diese langen baulichen Verzögerungen machte sich in der Bevölkerung breit, zumal das neue und viel gelobte Nahver­ kehrssystem trotz aller Bemühungen seitens des Landkreises durch den notwendigen Schienener­ satzverkehrvorübergehend teils Unannehmlich­ keiten für die Fahrgäste brachte. Das ganzheitli­ 25

Aus d e m Kreisgeschehen che Nahverkehrssystem war noch zu stark mit Lücken behaftet, in der Kette fehlten noch eini­ ge wichtige Glieder. Gleise und Oberbau zu erneuern, zehn Bahnüber­ gänge technisch zu sichern und fü n f neue Halte­ punkte m it P+R- sowie B+R-Anlagen anzulegen. Nachdem auch der W inter für die Verzöge­ rungen noch sein Übriges tat, konnten die vier weiteren Haltepunkte bis M itte Juni in Betrieb ge­ nommen und die erste Ausbaustufe dam it abge­ schlossen werden. M it neun M onaten Verspä­ tung, verursacht durch die langen Bauverzöge­ rungen der DB Station & Service AG, fä h rt der Ringzug seit Juni 2004 fa h rp la nm äß ig m it Halt an allen Haltepunkten der ersten Ausbaustufe und erfreut sich einer immer größer werdenden Beliebtheit in der Bevölkerung. Ein entspannter und reibungsloser Ablauf des Bahnbetriebes auf den Haltepunkten und in den Zügen zeigt, dass der Ringzug von der Bevölkerungzunehmend als innovatives Verkehrsm ittel angenommen wird. Diese Akzeptanz des Ringzuges als Gesamtsys­ tem kann w e iter gesteigert werden, wenn bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2004 die zweite Ausbaustufe m it den vier Haltepunkten Brigachtal-Kirchdorf, Marbach-Ost, VS-Eisstadi- on und VS-Hammerstatt und dam it das gesamte Bahnsystem in seiner Endausbaustufe erreicht wird und noch mehr potenzielle Fahrgäste m it ei­ nem guten stündlichen Fahrtenangebot u n m it­ telbar angesprochen wer­ den können. Auch im Aitrachtal bahn unterwegs, ist bereits begon­ nen worden. ist mit dem Ring­ zug schon bald w ieder eine Eisen­ mit dem Gleisbau Nicht vergessen w er­ den darf der Streckenab­ schnitt im Aitrachtal zw i­ schen Hintschingen und Blumberg, der m it dem Ringzug seine Renais­ sance für den Personen­ nahverkehr erfährt. An­ fang März wurde mit dem Gleisbau am Bahnhof Z ollhaus-Blum berg begonnen. Acht Weichen mussten verlegt werden, um die eisenbahntech­ nisch notwendige Trennung der M useumsbahn­ strecke von der Ringzugstrecke vorzunehm en. Am 31. März 2004 erfolgte der Spatenstich am Bahnhof Zollhaus als o ffizie lle r Baubeginn für die Ringzugverbindung Hintschingen-Zollhaus- Blumberg. Bis zum Fahrplanwechsel am 12. De­ zember 2004 wird die Anbindung Blumbergs fer­ tiggestellt. Galt es doch, auf 16 Kilometer Länge 2 6 Zuschlag für Schwarzwaldbahn erteilt Im Februar 2004 wurde nach einem europawei­ ten Ausschreibungsverfahren für den Schienen­ personennahverkehr auf der Strecke Karlsruhe- Offenburg-Konstanz, derSchwarzwaldbahn, der Zuschlag an die DB Schwarzwaldbahn GmbH, ei­ ne Tochter der Deutschen Bahn AG, erteilt. Ab dem 15. Dezember 2006 soll au f der Schwarz­ w aldbahn kü n ftig von früh morgens bis spät abends m odernster Schienenpersonennahver­ kehr im Stun den ta kt geboten werden. Die DB Schwarzwaldbahn GmbH w ird dafür D oppel­ stockwagen der neuesten Generation aus dem Görlitzer Werk der Firma Bombardier einsetzen. Die Wagen verfügen über Klimaanlage, b e h in ­ dertengerechte Toiletten, Displays für Fahrgast­ inform ationen, Mehrzweckräumen für den Fahr­ radtransport und eine verbesserte Innenausstat­ tung, wobei insbesondere die erhöhte Fenster­ anzahl m it schmaleren Stegen für einen besse­ ren Panoramablick auf die reizvolle Landschaft des Schwarzwaldes hervorgehoben werden muss. Gezogen bzw. geschoben werden die Züge von neuen E-Loks der Baureihe 146, die speziell für Nahverkehrszwecke konstruiert wurden und ho­ he Beschleunigungs- und Brem swerte a u fw e i­ sen, was für die anspruchsvolle Streckenführung der Schwarzwaldbahn sehr zum Vorteil ist. Durch dieses neue Angebot auf der Schwarz­ w aldbahn können den Urlaubsreisenden aus Nord- und Ostdeutschland und aus dem Ruhrge­ biet hervorragende Verbindungen und Anschlüs­ se zum Fernverkehr in unsere touristisch sehr bedeutsame Region angeboten werden. Seitens des Landkreises gilt es nun, diese Chancezu nut­ zen und unsere Urlaubsregion gemeinsam m it der Schwarzwaldbahn zu vermarkten. In diesem Zu­ sammenhang ist der Landkreis gefordert, indem durch ein auf die Schwarzwaldbahn abgestim m ­ tes Marketingkonzept unser reichhaltiges tou ris­ tisches Angebot abseits der Schiene als Marke „Schwarzwald-Baar-Kreis“ verkauft werden muss. Erste Ansätze eines touristischen Buskonzeptes

wie im Raum Triberg/St. Georgen gilt es zu inten­ sivieren und in der Raumschaft auszubauen, um die S chw arzw aldtouristen von der Schiene mit dem ÖPNV bestmöglich in die Fläche zu bringen. Insgesamt kann sich das Ergebnis der Ausschrei­ bung sehen lassen. Abzuwarten bleibt, ob die DB Schwarzwaldbahn GmbH in Zusammenarbeit m it den an der Strecke liegenden Gemeinden und Landkreisen diese Chance nutzt. Es sind al­ le gefordert. Empfindliche Kürzungen in der ÖPNV-Förderung Ungemach kam Anfang 2004 auf den ÖPNV und d a m ita u fd ie Kreisverwaltung und den Verkehrs­ verbund zu. Völlig überraschend haben Bundes­ tag und Bundesrat Ende Dezember 2003 Kürzun­ gen beiden Ausgleichszahlungen für „gem einwirt­ schaftliche Leistungen im Ausbildungsverkehr“ beschlossen. Die Ausgleichszahlungen wurden zum 1. Januar 2004 um 4 Prozent gekürzt. Weite­ re prozentuale Kürzungen folgen zum 1. Januar 2005 um 8 Prozent und ab dem 1. Januar 2006 um jährlich 12 Prozent. Die Verkehrsunternehm en Auf der Schwarzwaldbahn – Beim Dreibahnenblick. im Bereich des Schwarzwald-Baar-Kreises erhal­ ten derzeit Ausgleichszahlungen von etwa 4 Mio. Euro pro Jahr, so dass sich die beschlossenen Kürzungen m it geringeren Einnahmen von ca. 160 000 Euro im Jahr 2004, ca. 320 000 Euro im Jahr 2005 und ca. 480 000 Euro jährlich ab dem Jahr 2006 auswirken werden. Der Verkehrsverbund musste bereits große Einsparungsbemühungen und Anpassungen der Verbundtarife vornehmen. Auf Unternehmersei­ te w urden zur K ostenentlastung Einsparungen vereinbart. Neben einem Leistungsabbau in Zei­ ten schwächerer Verkehrsnachfrage wurde die U m stellung eines Teils der Linienverkehre auf Rufbusverkehre in Betracht gezogen. Trotzdem war zum Ausgleich der Fehlbeträge seitens des VSB zum 1. August 2004 eine Tariferhöhung von durchschnittlich 5,6 Prozent erforderlich. Um trotz der Tariferhöhung die Abw ande­ rungseffekte m öglichst gering zu halten, wurde bei den Monats- und Jahreskarten für Erwachsene am Wochenende eine M itnahm eregelung einge­ führt. Jeder Karteninhaber kann am Wochenen- 27

Ö ffe n tlic h er N a hv erk ehr de und an Feiertagen maxim al eine weitere er­ wachsene Person und vier Kinder oder alle eige­ nen Kinder bis 14 )ahren unentgeltlich innerhalb des Geltungsbereiches der Monats- bzw. Jahres­ karte mitnehmen. Außerdem wird seit dem 1. Au­ gust 2004 innerhalb des VSB das „Baden-Würt- tem berg-Ticket“ anerkannt und verkauft. Das „Baden-W ürttem berg-Ticket“ g ilt bereits in vie­ len Verbünden und in allen Zügen des Nah- und Regionalverkehrs für beliebig viele Fahrten an ei­ nem Tag ohne Kilometerbegrenzung in der 2. Klas­ se. Bis zu fünf Personen oder Eltern bzw. Großel­ tern m it den eigenen Kindern bzw. Enkelkindern können dieses Ticket in ganz Baden-W ürttem ­ berg nutzen. Damit schließt sich mit der Einfüh­ rung des Baden-Württemberg-Tickets im Verkehrs­ verbund Schwarzwald-Baar ein weiterer weißer Fleck in der baden-w ürttem bergischen ÖPNV- Landschaft. Ein ganz besonderes Angebot können Schü­ ler mit einer VSB-Verbundkarte seit August 2004 nutzen. M it einer VSB-Verbundkarte haben die Schüler in ihrer Freizeit täglich nach 14 Uhr, an den Wochenenden und Feiertagen sowie in den Ferien die beinahe „gre nze nlo se“ M öglichkeit, ohne Aufpreis innerhalb aller südbadischen Stadt- und Landkreise, zum Beispiel an den Bodensee, zum Europapark in Rust, zum Stadtbummel nach Freiburg oder andere interessante Ziele, zu fahren. Das Anruf-Sammel-Taxi (AST) im „Hintervillinger Raum“ Aufgrund der Kürzungen der ÖPNV-Fördermittel seitens des Bundes und des Landes war und wird es verm ehrt notwendig werden, auch zu unkon­ ventionellen Beförderungsmöglichkeiten wie zum Beispiel des Anruf-Sammel-Taxis zu greifen. Auf­ schlussreich waren hier die Ergebnisse eines zum Jahr 2003 gestarteten Modellversuches im Bereich des „H intervillinger Raums“ , der durch­ aus positiv und als zukunftsweisend zu bewer­ ten ist. Das Verkehrsangebot im Hintervillinger Raum konnte während der Schwachlastzeiten am späten Abend sowie am Wochenende durch die Einführung eines Anruf-Sammel-Taxis erheblich verbessert werden. Ursprünglich endete das re­ guläre Fahrtenangebot mit Linienbussen an Werk­ 2 8 tagen mit einer letzten Fahrt gegen 18.45 Uhr ab den Bahnhöfen Villingen bzw. Schwenningen. An Samstagen verkehrten nur sehr lückenhaft auf einzelnen Strecken Busse. An Sonn- und Fei­ ertagen war insgesamt nur ein Bus fahrplanmä­ ßig eingesetzt, der unabhängig von der Nachfra­ ge seinen Fahrplan bediente. Das Angebot war sehr dürftig. Heute besteht die M öglichkeit, mit einem Rufbus m it je zwei Spätverbindungen ab Villingen bis 22.47 Uhr und ab Schwenningen bis 22.50 Uhr günstige Fahrtm öglichkeiten in alle Gemeinden und Ortsteile des Hintervillinger Rau­ mes zu erhalten. Am Wochenende wurde das Linienverkehrs­ angebot ab dem späten S am stagnachm ittag kom plett auf Rufbusverkehr umgestellt, so dass man m it jew eils nur einem Fahrzeug aus V illin ­ gen und Schwenningen ein attraktives Verkehrs­ angebot erhalten hat. Das Angebot sie ht am Samstagnachmittag ab ca. 16 Uhr bis ca. 20 Uhr im Zwei-Stunden-Takt drei Fahrtenpaare vor, de­ nen dann noch die zwei Spätverbindungen am Abend folgen. An Sonn- und Feiertagen werden ab ca. 9.15 Uhr bis ca. 20.15 Uhr alle zwei Stunden Fahrtmöglichkeiten angeboten. Nach einer Erhebung der Auslastung im Jahre 2003 wurde das Fahrtenangebot insgesamt sehr gut nachgefragt und es sind nach wie vor Nach­ fragesteigerungen auszumachen. Erfreulich gut war die Inanspruchnahm e des Angebotes an Sonn- und Feiertagen. Die Umstellung auf Anruf- Sammel-Taxi-Verkehre hat am Wochenende zu einer deutlichen Belebung der Verkehrsnachfra­ ge geführt. Aufgrund der positiven Erfahrungen beim AST-Verkehr im „H in te rv illin g e r Raum“ wird – auch im Hinblick auf die im Raum stehenden Kür­ zungen der Ö P N V -F örderm ittel-zukünftig dam it zu rechnen sein, dass die AST-Verkehre in Schwach­ lastzeiten in weitere Gebiete des Landkreises aus­ gedehnt werden und schwach oder nur spora­ disch nachgefragte Linienbusfahrten ersetzt wer­ den können. Der Bürger und Fahrgast kann auf­ grund der besseren Angebotsm öglichkeiten an Fahrlagen nur gewinnen. Mit dem kleinen Unter­ schied, dass der Beförderungswunsch vorab tele­ fonisch angemeldet werden muss. M ichael Bulander

Enttäuscht über Rilax-Verfahren Anflugregelungen zum Flughafen Zürich w eiter verschärft Aus dem Kreisgeschehen Die Entwicklung der Flugverkehrsproblem atik um den Flughafen Zürich-Kloten, zu deren Betrof­ fenen auch der Schwarzwald-Baar-Kreis gehört, war im vergangenen Jahr w ieder in verschiede- nerHinsichtvon einer ungeminderten Dynamikge­ prägt. Im März 2002 hatte der Verwaltungsgerichts­ hof Baden-Württemberg entschieden, dass der seit Mai 2000 über dem Schwarzwald-Baar-Kreis positionierte Luftwarteraum RILAX die Kläger – elf Gemeinden und zwei Privatpersonen aus dem Landkreis – in ihren Rechten verletzt. Hiergegen legte die beklagte Bundesrepublik Revision ein. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat im November 2003 das RILAX-Urteil des Verw al­ tun gsge richtsho fs aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass zum einen der Bund nicht verpflichtet sei, bei der Festlegungvon Flugverfahren die betroffenen Ge­ m einden anzuhören. Zum anderen könne dem Luftfahrtbundesam t keine w illkürliche Missach­ tung der Lärmschutzinteressen der Betroffenen vorgeworfen werden, zum al die M in destw a rte­ höhe im W arteraum RILAX schon während des Verfahrens beim V erw altungsgerichtshof von ursprünglich 7 000 Fuß (2100 m) auf 13 000 Fuß (3 900 m) über Meereshöhe erhöht wurde. Dies sei ersichtlich mit Rücksicht auf die Lärmschutz­ interessen der Betroffenen erfolgt. Der negative Ausgang des RILAX-Verfahrens in Leipzig sorgte bei den Klägern und beim Kreis zwar für Enttäuschung. Gleichwohl w ardas Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keineswegs nur negativ zu bewerten. Zum einen hat das Gericht klargestellt, dass der Bund bei der Festlegung von Flugverfahren die Lärmschutzbelange der betroffenen Bevölkerung zu beachten hat. Zum anderen hat das Verfahren zu einer Sensibilisie­ rung der fachlich und politisch zuständigen Stel­ len geführt. So w urde die Flughöhe im W arte­ raum während des Gerichtsverfahrens deutlich angehoben. Ein weiteres Revisionsverfahren ist beim Bundesverwaltungsgericht derzeit noch anhän­ gig. Die Schweizer Flughafengesellschaft „U ni- que“ sowie die Fluglinie „S w is s “ hatten beim Verw altungsgerichtshof in Mannheim gegen die im August 2002 erlassene Verordnung des Luft­ fahrtbundesam ts geklagt, mit der ein Nachtflug­ verbot über S üddeutschland an Wochenenden zwischen 20 und 9 Uhr unter 10 000 Fuß (30 00 m ü. M.) festgelegt worden war. Das Bundesver­ w altungsgericht hat im Januar 2004 die Revisi­ on gegen die klagabweisenden Urteile des Ver­ waltungsgerichtshofs zugelassen. Rechtsverordnung zur Regelung der Ab- und An­ flüge von und nach Zürich weiter verschärft Ende O ktober 2003 ist eine Verschärfung der Rechtsverordnung des Luftfahrtbundesamts zur Regelung der Ab- und Anflüge von und nach Zü­ rich in Kraft getreten. Hiernach sind während der nächtlichen Sperrzeiten (werktags 21 bis 7 Uhr, wochenends und feiertags 20 bis 9 Uhr) nur noch bestim m te, in der Verordnung genau definierte wetterbedingte Ausnahmen zum A nflug auf die Nordpisten 14/16 zulässig, die sich nach den Pa­ rametern Boden-Sichtweite, Hauptw olkenunter­ grenze und Rückenwindkomponente richten; die­ se müssen zudem von der Deutschen Flugsiche­ rung genehmigt werden. Damit soll verhindert werden, dass die schweizerische Flugsicherung „Skyguide“ , der die Flugverkehrskontrolle in die­ sem Bereich obliegt, zu großzügig Gebrauch von den Ausnahmeregelungen macht. Die Zahl der Anflüge über Süddeutschland un­ ter 12000 Fuß(3 600 m ü.M.) sollte hierdurch m it­ telbar auf 110000 pro Jahr begrenzt werden. Be­ reits seit A pril 2003 muss die Anflughöhe über Süddeutschland zu den Sperrzeiten 12 000 Fuß be­ tragen, die M in destw artehöhe im RILAX wurde nachts von 13000 auf 18 000 Fuß (5400 m ü. M) 2 9

Aus de m Kreisgeschehen angehoben. Als Konsequenz dieser Verschärfun­ gen finden seit Ende O ktober 2003 morgens zwischen 6 und 7 Uhr ca. 15 bis 20 Anflüge von Süden nach Zürich-Kloten statt. Im Zuge der Aus­ stattung der Süd-Piste 34 mit einem Instrumen- tenlandesystem (ILS), die bis zum Oktober 2004 abgeschlossen werden soll, wurde dort im März 2004 ein Landekurssender in Betrieb genommen. Parallel dazu wurden die W e tte rm ind estbe din­ gungen für die Piste 34, unter denen Ausnahmen für Anflüge während der Sperrzeiten zulässig sind, in der Verordnung weiter verschärft. Ausw irkun­ gen der Verschärfung auf die Ausnahmepraxis wa­ ren in der Folgezeit durchaus festzustellen, die Zahl der durchgeführten Ausnahmeflüge ging zu­ rück. Eine weitere Senkung der W etterminima soll mit der ILS-Inbetriebnahme im Oktober 2004 er­ folgen. Hierdurch s olldieA n zahlderA n flüg e über Süddeutschland weiter – auf ca. 80 000 pro jahr – gesenkt werden. Die Inbetriebnahm e Die Anzahl der An- , , . f . flü g e ü b e r S ü d . . deutschland soll eines ILS an der Ost-Piste 28 soll bis Oktober 2005 erfolgen und auch dort weitgehend w itterungs- durch eine w eitere unabhängig Landungen Senkung der Wet- ermöglichen. Auf die Ge- te r m jn jm a a u f ca . suche der Stadt Kloten sowie von Anwohnern hin, 8 0 0 0 0 Pro Ja h r wurde allerdings im Juni g esenkt w erden. 3 0 Die Anflugrouten zum Flug­ hafen Zürich nach einer ures­ semappe des Unternehmens „Skyguide“. 2004 der Bau gestoppt und die aufschiebende W irkung der Einsprüche w ie d e rh e r­ gestellt. Der Schweizer Bundesrat in Bern hatte Anfang Juni 2003 bei der EU-Kommissi- on in Brüssel Beschwerde gegen die Verordnung des Luftfahrtbundesam ts einge­ legt. Nach seiner Ansicht verstoßen die d e u t­ schen Ab- und Anflugbeschränkungen in diskri­ minierender und unverhältnism äßigerweise ge­ gen das seit Juni 2002 gültige bilaterale Abkom ­ men zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr. Nachdem diese Beschwerdevon der EU-Kommission zurückgewiesen worden war, erhob die Schweiz Anfang 2004 Klage beim Euro­ päischen Gerichtshof in Luxemburg. Diese Klage ist derzeit noch anhängig. Mediationsverfahren zum Flughafen Zürich Um eine Lösung der Flughafenproblem atik im Konsens zwischen den Beteiligten zu finden, hat­ ten im Herbst 2003 der Schweizer Verkehrsm i­ nister und Bundesrat Moritz Leuenberger sowie der Kanton und der Flughafen Zürich ein sog. M ediationsverfahren eingeleitet. Hierbei han­ delt es sich um ein außergerichtliches K onflikt­ bearbeitungsverfahren, in dem alle Beteiligten mit Unterstützung eines unparteiischen Dritten (Me­ diators) fre iw illig und eigenverantwortlich eine Konfliktlösung suchen und erarbeiten. An diesem Verfahren sollten die betroffene Bevölkerung bei­ der Länder, die Flughafenvertreter sowie die re­ gionalen Behörden beteiligt werden. Ein unabhän­ giger Vermittler sollte im Rahmen dieses Verfah­ rens bei den Betroffenen um Lösungsm öglich­

keiten werben. Angestrebt wurde insbesondere eine Einigung über das B etriebsreglem ent des Flughafens, die An- und Abflugverfahren sowie die w eitere Entwicklung des Flughafens ein­ schließlich seiner betrieblichen und w irtsch aftli­ chen Kapazitäten. Ein Konsens im Rahmen dieses Verfahrens war in einem Zeitrahmen von zwei bis drei Jahren angedacht. Die Vorbereitung der Mediation erfolgte durch unabhängige Mediationsspezialisten („Process- Providing-Team“ ), die vom Schweizer Bund er­ nannt wurden. Diese führten zunächst Vorge­ spräche m it den m öglichen Teilnehmern eines solchen Verfahrens, so auch m it den Landräten der Landkreise Schwarzwald-Baar-Kreis, Walds­ hut und Konstanz. Der Frage nach einer Teilnahme der drei Landkreise an dem M ediationsverfahren wurde von den drei Landräten zunächst skeptisch be­ gegnet. M it Erlass der deutschen Rechtsverord­ nung zu den Ab- und Anflügen ist die Flughafen- problem atikaus ihrer Sicht in erster Linie eine in­ nerschweizerische Angelegenheit geworden. Of­ fen erkennbar war auch die auf Schweizer Seite hinter dem Verfahren stehende M otivation, die Eröffnung der Süd- und Ostanflüge rückgängig zu machen und die deutschen Regelungen zu lockern. Bei einem gemeinsamen Gespräch der drei Landräte zusammen m it M inisterpräsident Erwin Teufel im Bundesverkehrsministerium am l i . März 2004 wurde von Bundesverkehrsm inis­ ter Dr. Manfred Stolpe eine Teilnahme des Bun­ des am Verfahren ausgeschlossen. Gleiches ge­ schah durch M inisterpräsident Teufel bezüglich des Landes Baden-Württemberg. Am 23. A pril 2004 sagte Bundeskanzler Ger­ hard Schröder jedoch dem Schweizer Bundes­ präsidenten Joseph Deiss eine B eteiligung der deutschen Seite am Verfahren zu. Das Bundes­ verkehrsministerium bat daraufhin die drei Land­ räte um deren Teilnahme an der M ediation. Die Landräte gelangten nach A bw ägung aller Um­ stände zu der Überzeugung, dass die Interessen der betroffenen Bevölkerung am besten gewahrt werden könnten, wenn die Landkreise selbst die deutsche Seite vertreten würden, bevor diese Rolle einem vielm ehr außenpolitisch und d ip lo ­ matisch orientierten M itglied der Deutschen Bot­ schaft oder der Bundesregierungzufallen würde. Zur Voraussetzung Zur Voraussetzung für Fluglärm für eine Beteiligung .. .. am M ediationsver- fahren machten die idre e v t*- B eteiligung am M ediationsverfah- ren machten die Land­ rg(ei ¿355 e |ne solche . . Landräte, dass dies Teilnahme nichtalsA uf- nicht als A ufgabe der vertretenen Po- sitionen verstanden Sade der im Fluglärm­ stre it von uns vertrete- nen Positionen verstan- ¿ g p werc|en unc| es zu „ . . w erde. keiner Revision der in­ soweit getroffenen und angekündigten Regelungen des Bundes kom ­ men dürfe. Eine B indung an das M ediatio nse r­ gebnis wurde ebenso abgelehnt wie die Übernah­ me von Verfahrenskosten. Für die effektive Ein­ bringung der Position der Landkreise wurde au­ ßerdem gefordert, dass deren Vertretung in der zentralen Kerngruppe der Beteiligten erfolgen müsste. Von Seiten des Bundesverkehrsm inis­ ters wurden diese Bedingungen ausdrücklich akzeptiert und die Unterstützung des Bundes zu­ gesagt. Das Mediationsverfahren istallerdingsnoch in der Vorbereitungsphase am 15. Juli 2004 ge­ scheitert, nachdem es den Teilnehmern nicht ge­ lungen war, im Konsens eine Koordinationsgrup­ pe einzuberufen, in der alle Interessengruppen vertreten gewesen und trotzdem noch eine ar­ beitsfähige Größe der Gruppe gewahrt ge blie­ ben wären. Die V ertretung der drei deutschen Landkreise wardabei noch akzeptiert worden. Kei­ ne Einigung gab es aber zwischen den inner­ schweizerischen Gruppierungen. Erwogen wird nun von den Beteiligten ein W iedereinstieg in die Gespräche am sog. Runden Tisch. Hierbei han­ delt es sich um eine im schweizerischen Flugha­ fengesetz vorgesehene konsultative Konferenz unter B eteiligung der betroffenen Kommunen, Vereinigungen und Unternehmen zur Diskussion von Flughafenfragen, die vom Zürcher Regie­ rungsrat geleitet wird. Neues Betriebsreglement Außerdem be find et sich derzeit ein neues vor­ läufiges B etriebsreglem ent zum Flughafen Zü­ rich im Genehmigungsverfahren beim Schweize­ 31

Fluglärm rischen Bundesamt für Z ivilluftfahrt in Bern, wel­ ches Anfang 2005 in Kraft treten soll. Bei dem neu­ en Betriebsreglement geht es in erster Linie um die Umsetzung des bereits vorläufig gültigen Regle­ ments (Eröffnung von Ost- und Südanflügen infol­ ge der deutschen Regelungen), aber auch um die bis Mitte 2005 geplante Verlegung der W arteräu­ me SAFFA (Bodensee) und EKRIT (Hochrhein) in die Schweiz. Die prinzipielle Nordausrichtung des Flughafen betriebs wird beibehalten, wogegen sich die südbadischen Landkreise freilich wehren. Verlängerung der Piste geplant Es muss darauf g e­ nicht an Stelle der verschobenen An­ flugbew egungen achtet w erden, dass Auch wird darau fzu achten sein, dass nicht an­ stelle der in die Schweiz verschobenen Anflugbe­ wegungen neue A bflugrouten über sü d d e u t­ schem Gebiet eingerichtet werden. In diesem Zu­ sam m enhang ist auch W achsam keit geboten hinsichtlich des vom Kanton Zürich in Auftrag gegebenen, im Juli 2004 präsentierten Raument­ w icklungskonzepts für die Flughafenregion und la ng fristige Infrastruk­ turentwicklung des Flug­ hafens (RELIEF), welches kurz- bis m ittelfristig (in fün f bis sieben Jahren) die Verlängerung der Pis­ te 10/28 nach Westen um rund 450 m auf insge­ samt 2 950 m sowie m ittel- bis langfristig (in fünf bis zehn Jahren) eine Verlängerung der V-Piste 14/32 nach Norden um 400 m auf 37 0 0 m vor­ schlägt, um die Verfügbarkeit für Nordstarts schwerer Langstreckenflugzeuge (als Kompen­ sation zu SUdstarts) zu erhöhen. über süddeutschem neue A bflugrouten Gebiet entstehen. Neben dem bisherigen Hauptbetriebskonzept „N ord“ (Landungen von Norden, Starts nach Wes­ ten und Süden) soll verstärkt das Konzept „O st“ (Landungen von Osten, Starts nach Norden) zum Einsatz kommen. Südanflüge sollen so weitge­ hend entbehrlich werden. Langfristig wird garan ein Parallelpistensystem mit Nord-Süd-Ausrich- tung(Sackbahnhofsprinzip) gedacht. Im Rahmen des Raumordnungsverfahrens zur Infrastruktur Luftfahrt, das die Schweizer Seite nun fortführen 32 möchte, wird von uns gegen solche Planungen, die zu weiteren Belastungen für den Norden füh­ ren würden, vorzugehen sein. Ausblick Die dargelegten Entwicklungen, insbesondere die Verschärfungen der Rechtsverordnung zu den Anflügen nach Zürich, zeigen, dass die ge­ meinsamen Anstrengungen des Schwarzwald- Baar-Kreises, der Gemeinden sowie der Bürger­ initiative gegen Züricher Flugverkehrsbelastung in A bstim m ung m it den Nachbarlandkreisen Kon­ stanz und W aldshut sowie m itU n te rstü tzung de r Landesregierung und der Abgeordneten durch­ aus zu spürbaren Erfolgen geführt haben. Diese gilt es zu sichern und weiter auszubauen. So for­ dert der Schwarzwald-Baar-Kreis w eiterhin die Auflösung beziehungsweise Verlegung des War­ teraums RILAX in die Schweiz. Der Kreis und die betroffenen Gemeinden haben im Jahr 2003 ein bei RAND Europe in Auftrag gegebenes Gutach­ ten vorgelegt und dam it den Nachweis erbracht, dass eine solche Verlegung bzw. A uflösung im Rahmen eines Gesamtkonzepts möglich ist. Die bisher beschlossenen Schritte (Eröffnung von Südanflügen, Südverschiebung der Warteräu­ me SAFFA und EKRIT) gehen durchaus in die rich­ tige Richtung, müssen aber konsequent w eiter­ verfolgt werden. Gefordert wird w eiterhin auch eine effektive Beteiligung der Deutschen Flugsicherung an der Flugverkehrskontrolle über SUddeutschland. Nur so kann der zu beobachtenden Tendenz entgegen­ gewirkt werden, dass die Flugbewegungen zu ­ nehmend Uber ganz Südbaden als einem „Groß­ warteraum“ aufgefächert werden. Diederzeitvom Bund praktizierte Übertragung der Flugsicherung auf die schweizerische „S kygu id e“ entbehrt un­ seres Erachtens verfassungsrechtlich der Zuläs­ sigkeit. Außerdem fordern wir weiterhin die Begren­ zung der Zahl der Anflüge über Süddeutschland au f insgesam t m axim al 6 0 0 0 0 pro Jahr sowie auf höchstens ein Drittel aller Anflüge nach Zü­ rich. Dr. Christoph Alber

Kulturpreis Schwarzwald-Baar 2003 Aus dem Kreisgeschehen Lena Schwarz und M artin Lamprecht die Preisträger Der K ulturpreis des Schwarz- wald-Baar-Kreises wurde im Jahr 2003 nun schon zum vierten Mal vergeben. Im Jahr 2000 hieß die Auszeichnung noch „Kulturpreis Theater am Turm“ , denn sie w u r­ de von Eberhard Zim m erm ann, dem ehemaligen Leiter des Theaters am Turm in itiie rt. Die großzügigen M itsponsoren, die das Preisgeld von 15000 DM, heute 7 500 Euro, ermöglichten, waren damals schon die Spar­ kasse Villingen-Schw enningen und die Firma Hess Form und Licht aus Villingen-Schwennin­ gen. Es sollte ein Kulturpreis wer­ den, der gleich mehrere Sparten abdeckt und die Nachwuchskünstler des Kreises fördert. So wird jährlich zwischen Musik, Schauspiel/Kleinkunst, Bildender Kunst und Erzählender Literatur/Drama abgewechselt. 2002 musste sich das Theater am Turm je ­ doch aus finanziellen Gründen zurückziehen und dam it wurde ein neuer Sponsor gesucht. Gerne übernahm der Landkreis diese Aufgabe, denn es ist dem Schwarzwald-Baar-Kreis ein großes An­ liegen, seine Nachwuchstalente zu fördern. Unter 142 Einsendungen für den Kulturpreis Schwarzwald-Baar 2003, der in diesem Jahr in der Kategorie Erzählende Literatur/Drama verge­ ben wurde, einen oder mehrere Gewinner zu er­ m itteln, gestaltete sich schwer. Zu diesem Ergebnis kam auch Schriftsteller und Lite raturkritike r Dr. Armin Ayren, M itglied der dreiköpfigen Jury. Er, Wolfgang Duffner, der selbst schon Hörspiele, Theaterstücke, Erzäh­ lungen und Romane veröffentlicht hat, und Wal­ le Sayer, der m it seinen literarischen Fähigkeiten schon einige Preise erhielt und selbst Literatur­ kritiker ist, mussten die bis zu 15 Seiten langen Werke prüfen. Schon nach dem ersten Durchlesen Lena Schwarz aus VS-Villingen und Martin Lamprecht aus Dauchin­ gen sind die ureisträger 2003 des Kulturpreises Schwarzwald-Baar. war klar, dass 12 davon „in die engere Auswahl kamen“ . Die Jury hat aus vier verbleibenden Texten ei­ nen Beitrag he rausgefiltert, der von „g ro ß e r Sprachkunst, m it einer gar nicht genug zu rüh­ menden stilistischen S icherheit“ zeugt und mit den Worten „D ie Weise des Regens im W inter 1838“ betitelt ist. Es ist eine fiktive Episode aus dem Leben des polnischen Komponisten Frédé­ ric Chopin, der mit seiner Geliebten Aurora und deren beiden Kindern den Winter 1838 in M allor­ ca verbringt, um sein Lungenleiden auszukurie­ ren. Das Herausragende an dem Text ist jedoch, „dass im Grunde nichts geschieht“ . Keine über­ triebene Action, kein Wort ist zuviel gesagt und das, was gesagt wird, fesselt den Leser so sehr, dass er gar nicht mehr von dem Geschriebenen lassen will. „Alles geschieht gewissermaßen zwi­ schen den Zeilen.“ Der A utor dieses Textes ist ein vielverspre­ chendes, 27-jähriges Talent und heißt M artin Lamprecht. Er ist gebürtiger Dauchingerund stu­ diert derzeit in Berlin. Seine Studien in Ethnolo­ gie, Neuerer deutschen Literatur und Philosophie bieten ihm ein gutes Fundament fürseine derzei­ 33

K u ltu rp re is/U n g arn Partnerschaft tigen literarischen Tätigkeiten. Dennoch möchte Lamprecht in Hinsicht auf seine berufliche Karri­ ere nicht nur auf die Literatur bauen. Gerne wür­ de er „fü r eine Organisation wie Ärzte ohne Gren­ zen arbeiten“ , was ihn aber nicht vom Schreiben abhalten wird. Zweite wurde die 15-jährige Schülerin Lena Schwarz aus Villingen. Sie erhielt, nachdem 6 000 Euro M artin Lamprecht zugesprochen worden waren, die noch verbleibenden 1500 Euro. Ihre gefühlvolle Kurzgeschichte „Eiskristalle“ handelt von einer alten Dame, die in der Weihnachtsnacht ihrem Leben im Schnee ein Ende bereitet. Bei ei­ ner so ergreifenden Geschichte liege die Gefahr, ins Sentimentale oder gar ins Kitschige abzutrif­ ten, nahe. Jedoch sei Lena Schwarz dieser Gefahr auf bemerkenswerte Weise entgangen, so die Jury. Dr. Ayren meinte, es sei außergewöhnlich, im Al­ ter von fünfzehn Jahren bereits solche Texte schrei­ ben zu können. Die Preisverleihung fand am 7. November 2003 im großen Sitzungssaal des Landratsamtes statt, was dem Anlass mit über 80 geladenen Gäs­ ten einen würdigen Rahmen gab. Daniela Heim Ganz im Zeichen Europas Die Partnerschaft des Landkreises m it Bäcs Kiskun in Ungarn w urde w eiter intensiviert Am 1. Mai 2004 wurde das „Europa der 15“ schlagartig zum „Europa der 25“ . Neben neun weiteren neuen EU-Mit- gliedern wurde auch Ungarn Teil des Europäischen Verban­ des. Dies w a rm it ein Anlass für den Schwarzwald-Baar-Kreis, das ungarische Partnerkomitat Bäcs-Kiskun und die dazugehörigen Freundeskreise au f beiden Seiten, im Jahr 2004 besonders viele Begeg­ nungen auf deutschem und auf ungarischem Bo­ den zu organisieren. Der Schwarzwald-Baar-Kreis pfle gt seine Partnerschaft zu Bäcs-Kiskun ja bereits seit 1996, während der „Freundeskreis Schwarzwald-Baar/Bäcs-Kiskun e.V.“ seit 1999 und der neu eingerichtete ungarische Freundes­ kreis seit Anfang des Jahres besteht. Bereits im April reiste Landrat Karl Heim zu­ sammen mit Vertretern der Fachhochschule Furt- wangen, der Berufsakademie Villingen-Schwen­ ningen und der Lehrerakademie Donaueschin- gen nach Kecskemet, um die bisher noch recht fi­ ligranen Kontakte zwischen den Hochschulland- schaften beider Partner zu verstärken. Während die beiden Landkreis- und Komitatschefs in te n­ sive wirtschaftspolitische Gespräche führten, be­ suchten die deutschen Professoren die Relctoren an den Hochschulen in Kecskemet und Baja. Es bleibt abzuwarten, ob sich aus diesem ersten of­ fiziellen Kontakt weitere Verbindungen zwischen den Hochschulen auf beiden Seiten oder in fer­ nerer Zukunft gar gemeinsame wissenschaftliche Projekte ergeben werden. Flagge des Landkreises überreicht Über den 1. Mai 2004 hinweg hielt sich Landrat Heim in Ungarn auf, diesmal als Leiter einer kle i­ nen Delegation auf Einladung des Komitatsprä- sidenten Dr. Läszlö Balogh anlässlich größerer Fei­ erlichkeiten zum EU-Beitritt Ungarns. Außer dem umfangreichen Festprogramm, daserzusammen mit seiner Ehefrau und seinem Kreistagsstellver­ treter Kurt Haberer absolvierte, referierte Landrat Karl Heim auf Wunsch des Komitats bereits auf ei­ nem Kongress am 29. April vor den Bürgerm eis­ tern Bäcs-Kiskuns über die Aufgaben deutscher Landkreise im Hinblick auf die EU und auch die „B rü sse le r B üro kratie“ . Ein kleiner Höhepunkt dieses Besuches als Ausdruck der engen Ver­ bundenheit beider Partner stellte die Übergabe des Gastgeschenkes an den Komitatspräsidenten 3 4

Balogh dar: eine große Flagge des Schwarzwald- Baar-Kreises mit Kreiswappen, die jetzt vor dem Kom itatsgebäude neben der EU-Flagge wehen darf. Am 8. Mai 2004 veranstalteten die Stadt Vil­ lingen-Schwenningen und ihre Partnerschafts­ vereine sowie der Schwarzwald-Baar-Kreis mit seinem Freundeskreis für Bäcs-Kiskun gemeinsam einen Aktionstag, um für die verschiedenen eu­ ropäischen und innerdeutschen Partnerschaften zu werben. Der von O berbürgerm eister Rupert Kubon und Landrat Karl Heim gemeinsam eröff- nete „Tag der Partnerschaften“ fand 2004 erst­ malig unter Beteiligung des Landkreises statt. Aus dem Kom itat war extra ein W ohn m ob il g e füllt m it ungarischem Wein, Palinka, Paprika, Gänse­ schmalz u.a.m. angereist. Für entsprechende Puszta-Stimmung sorgten echte ungarische Zi­ geunermusikanten. Mitte Mai reisten die Dezernenten und Amts­ leiter des Kreishauses in ihrer Freizeit und auf ei­ gene Kosten nach Kecskemet, um sich mit ihren Komitatskollegen über ihre teilweise doch recht unterschiedlichen Arbeitsgebiete auszutausch­ en. Selbstverständlich sorgten die Ungarn, die schnell zu Freunden wurden, auch dafür, dass die Gäste aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis die landschaftlichen und städtebaulichen Schönhei­ ten Bäcs-Kiskuns zu sehen bekamen. Seit 1991 veranstaltet das Komitat Bäcs-Kis- kun au f der Donauinsel Veranka jährlich einen zehntägigen Künstlerw orkshop, bei dem etwa ein Dutzend Künstler aus ebensovielen europä­ ischen Ländern m iteinander leben und arbeiten, um am Ende ihres Aufenthaltes eines ihrer Werke als Gegenleistung für die erwiesene Gastfreund­ schaft dem Komitat zu überlassen. Seit 1998 sen­ det auch der Schwarzwald-Baar-Kreis regelmäßig eine(n) Künstler(in) nach Veranka. Im Mai 2004 konnte Rupert Schumacher (siehe auch Alma- nach 1998) aus Obereschach – der vor allem durch seine raumgreifenden Installationen aus Kunststoff bekannt ist – den Schwarzwald-Baar- Kreis vertreten. Seit 1999 schickt das Kom itat Bäcs-Kiskun regelm äßig eine Delegation für mehrere Tage nach Villingen-Schwenningen zur Südwestmesse. Diese w irbt gemeinsam mit Einrichtungen des Landkreises und dem Freundeskreis au f dem Aus d e m Kreisgeschehen Stand des Schwarzwald-Baar-Kreises auf der SUdwestmesse für die deutsch-ungarische Part­ nerschaft und für Bäcs-Kiskun alsTourismusziel. Bäcs-Kiskun ste llt sich hier aber auch als auf- blüh enderW irtschaftsstandortvor. Im Juni 2004 fanden anlässlich der Südwestmesse hochkarä­ tige Gespräche zwischen Industrie- und Handels­ kammervertretern beider Partnerregionen statt. Es wurde u.a. vereinbart, Praktikanten innerhalb der Kammern auszutauschen und Möglichkeiten für gemeinsame europäische Projekte zu sondie­ ren. Parallel dazu fanden ergiebige Besprechun­ gen m it dem M ik ro in s titu t und dem Steinbeis- Transferzentrum aus Villingen-Schw enningen statt, die ebenfalls bald nachhaltige W irkung entfalten sollen. Wie in den Jahren zuvor stellte Bäcs-Kiskun seine landestypischen Produkte aus, umrahmt von folkloristischen Darbietungen. Ebenfalls im Juni 2004 besuchte das Jugend­ harm onikaorchester aus dem ehemals donau­ schwäbischen Städtchen Madaras, das ganz im Süden des Komitats liegt, den Schwarzwald- Baar-Kreis, um in mehreren sozialen Einrichtun­ gen aufzutreten. Daneben gab es zwei ö ffe n tli­ che Konzerte im Fam ilienpark in V illingen und au f der Naturbühne bei den Triberger Wasserfäl­ len. Ungarische Bürgermeisterzu Gast Eine zw anzigköpfige Delegation von Komitats- bürgermeistern setzte das ungarische Besuchs­ programm Ende Juni/Anfang Juli 2004 fort. Sie inform ierten sich au f einer unter Leitung von Landratsstellvertreter Joachim Gwinner bei einer Rundreise durch den Landkreis über Themen wie Wasser, Abwasser und Müll. Endpunkt der Infor­ mationstourwaren die Staumauer und das Kraft­ werk der Linachtalsperre in Vöhrenbach mit an­ schließendem gemütlichen Ausklang im Reinerto- nishof in Schönwald. Am 3. Juli 2004 veranstaltete das Christoph- Blumhardt-Haus, Alten- und Pflegeheim der Brü­ dergemeine in Königsfeld, ein Sommerfest anläss­ lich des EU-Beitritts Ungarns. Landrat Karl Heim ließ es sich auf dieser Veranstaltung m it mehre­ ren hundert Besuchern nicht nehmen, die Partner­ schaft m it Bäcs-Kiskun vorzustellen und an Bür- 35

U n g a rn p a rtne rsc haft Vom 15. bis 18. Juni waren das 31-köpfige /ugendharmonikaorchester des ungarischen Städtchens Madaras au f Einladung des Schwarzwald-Baar- Kreises unterwegs auf Konzertreise durch den Landkreis. Schüler aus den vierten bis siebten Klassen der Grund- und Hauptschule Brigachtal an diesem Kin­ derfestival teil, das in sei­ nem achtjährigen Bestehen rund 50 000 Kinderauscir- ca 30 europäischen Län­ dern zusammengeführt hat. Stellvertretend für w e i­ tere organisierte Kinder­ austauschprogram m e im Jahr 2004 sei noch die Ak­ tion des „Freundeskreises Schw arzwald-Baar/Bäcs- Kiskun“ genannt, der eben­ falls im Juli, für z w ö lf Wai­ senkinder aus einem Kin­ derheim in Kecskemet den ersten Auslandsaufenthalt in ihrem jungen Leben or­ germeister Fritz Linkden Wunsch weiterzuleiten, dass die Gemeinde Königsfeld den Gedanken ei­ ner Partnerschaft m it einer Gemeinde im Komitat Bäcs-Kiskun wohlw ollend prüfen möge. Königs­ feld wäre damit die zweite Gemeinde im Schwarz- wald-Baar-Kreis m it einer Partnerschaft zu einer Gemeinde im Komitat Bäcs-Kiskun. Die erste Städ­ tepartnerschaft dieser Art wurde au f Anregung des Landkreises im Jahr 2000 zwischen Blumberg und der Stadt Kunszentmiklos geschlossen. Intensive Kontakte der Schulen Die längste Tradition innerhalb der deutsch-un­ garischen Partnerschaft zwischen Schwarzwald- Baar-Kreis und Bäcs-Kiskun haben schulische Kontakte, angefangen vom „in itia lz ü n d e n d e n “ Kontakt zwischen der V illin g e r Landesberufs­ schule für das Hotel- und Gaststättenwesen und ihrem Pendant in Kecskemet, weiter über Schüler­ austausche und gegenseitige Klassenbesuche unterschiedlichster Schularten, Geschenke von Maschinen, Unterrichtsgeräten sowie Schulmo- biliar an die ungarischen Partnerschulen bis zur jä hrlichen Teilnahme einer Schule aus dem Schwarzwald-Baar-Kreisam Internationalen Kin­ derfest in Kecskemet. Im ju li 2004 nahmen 21 ganisierte und auch betreute. Die zwölf- bis zwanzigjährigen Kinder und Ju­ gendlichen erlebten eine Woche lang Schwarz­ waldurlaub, wozu auch ein Besuch auf dem 400 Jahre alten Reinertonishof in Schönwald gehör­ te, wo der Gruppe ein zünftiges ungarisches Gu­ lasch auf offenem Feuer im Freien zubereitet w ur­ de. Nicht unerw ähnt bleiben soll auch ein Be­ such von zwanzig ungarischen Deutschlehrern, davon zehn aus Bäcs-Kiskun, im Landratsamt am 30. Juni 2004, die durch Vermittlung des Schwarz- wald-Baar-Kreises an einem F ortbildungspro­ gramm vom 27. Juni bis 8. Juli 2004 der Landes­ akademie für Fortbildung und Personalwesen in Calw teilnehm en konnten. Wie vie lfältig sich die Beziehungen entwick­ eln können, zeigt beispielhaft die Pflegebetten­ spende des Zweckverbandes Pflegeheim Geis­ lingen zugunsten des A lternheim es in Kecske­ met und die angestrebte Partnerschaft zwischen dem C hristoph-Blum hardt-H aus in Königsfeld und dem Altenheim werk in Bäcs-Kiskun. Im Jahre 2006 kann das zehnjährige Beste­ hen der Partnerschaft zwischen dem Schwarz- wald-Baar-Kreis und dem Komitat Bäcs-Kiskun gefeiert werden. Hans- Werner Fischer / Walter Dold 3 6

Schwarzwaldromantikl jahrhundertealte gleich zu welcher Jahreszeit, die junge Brigach, die sich vom Hirzbauernhof aus (Bilder) auf eine :Bstrernhöfe, eingebettet in eine idyllische Land- 42 Kilometer lange Reise begibt, an deren Ende sie schaft, das ist Brigach bei St. Georgen. Hier ist sich in Donaueschingen m itd e rB re g z u m z w e it- d W w in te re in W in te ru n d im S o m m e rg ib te s s a f- tiggrüne Wiesen mit grasenden Kuhherden zu be- längsten Fluss Europas vereint, zur Donau. Eines ’stgunen. M itten durch die Szenerie plätschert, macht die Brigach w e ltw eit zu einer Besonder-

S tä d te und G em e in d e n Das Wappen der Gemeinde Brigach einem Über blauen S childfuß m it silbernen Wellenbalken in g e spa l­ tenem S child vorne in Gold eine g rü n e Tanne m it schwarzem Stamm, hinten in rot ein silbernes Hufeisen m it nach unten g e ­ kehrten Stollen. Durch den Staatsvertrag vom 2. Oktober 1810 kam die bis dahin w ürttem bergische Gemein­ de an das Großherzogtum Baden. Brigach war dem Bezirksamt Hornberg bis zu dessen Auf­ hebung (1857) unterstellt, seit 1857 gehörte die Gemeinde zum Bezirksamt Triberg. Durch die Verordnung über die neue Organisation der inneren Verwaltung vom 12. Juli 1864 wurde Brigach dem Bezirksamt Villingen zugewiesen. Seither zählt die Gemeinde Brigach zum Am ts­ bezirk bzw. Landkreis Villingen. Das Huldigungs­ pro to koll vom 18. August 1811 ist m it einem ovalen Prägesiegel versehen. Es zeigt in gekrön­ tem Schild das damals geltende badische Staats­ wappen: In schräglinks geteiltem Feld oben ein Schrägbalken, unten ein Löwe. Die Umschrift lautet VOGTEI BRIGACH. Seit der M itte des 19. Jahrhunderts besaß die Ge­ meinde einen runden Farbstempel, der von einem Lorbeerkranz umge­ ben, den Buchstaben „ B “ zeigt. Die Umschrift lautet GEMEIN­ DE BRIGACH (siehe Abbildung links). Aus: Landkreis Villingen (Hrsg.): „Wappenbuch des Landkreises Villingen“ heit: Sie ist der wohl einzigste Fluss, der im Keller eines Bauernhauses entspringt: im 450 Jahre al­ ten Hirzbauernhof. Dort fand sich im Übrigen auch der sogenannte Dreigötterstein (siehe Ab­ bildung unten), der mit der Brigachquelte in Ver­ bindung gebracht und heute im Heimatmuseum St. Georgen aufbewahrt wird. Es handelt sich da­ bei um ein kelto-römisches Relief. In der Tat verkörpert das kleine Örtchen Bri­ gach das, was man gemeinhin m it dem Begriff Schwarzwald verbindet – auch was die Berge an­ belangt: Von der höchsten Stelle mit 1010 Meter im Hirzwald fällt die Gemarkung auf 830 Meter ab. Es gibt in dem südlichsten der fünf Ortsteile von St. Georgen eine verhältnism äßig große Anzahl von landwirtschaftlichen Betrieben, die sich ihren ursprünglichen Charakter bewahrt haben. Aller­ dings: Auch in Brigach wird die Landwirtschaft nur noch zu einem verschwindend geringen Teil im Haupterwerb betrieben. Doch Brigach hat weit mehr zu bieten als gute Luft und eine gepflegte Landschaft. Brigach ist ein moderner Ort, der sich in den vergangenen zehn Jahren durch die Erschließungzweier Neubauge­ biete kontinuierlich weiter entwickelt hat, sich da­ mit die Voraussetzungen für einen Kindergarten und eine Grundschule sicherte. Die Entstehungsgeschichte Brigachs ist eng m it der Geschichte des Klosters St. Georgen ver­ bunden, das den Ort begründet hat. Die erste Er­ wähnung des Wortes „B rig ena“ erfolgte bereits 1084, von Brigach als Gemeinde ist erstmals um 1337 die Rede. Die Klostermönche sorgen dafür, dass sich Siedler aus dem Bodenseegebiet hier sesshaft machten. In späteren Jahrhunderten stößt Der Dreigötterstein, der sich einst bei der Brigach- quelle befand. Heute kann die rätselhafte Darstel­ lung im Heimatmuseum St. Georgen besichtigt wer­ den. 3 8

Brigach L u f t k u r o r h N S o m m e ra ue rH o fX ßfS.ferd.Hodapp. SommerauerTunnel 1700 M e lang B A D – S C H W – §¿>ffochsfer Punkt der Sch w arzw a ldb ah n. rttr.ö.d. Meere. ho f der Schw arzwaldbahn. Der Sommerauer Bahnhof, 832 Meter hoch gelegen, war m it Was­ serversorgung für die schweren Dampfloks aus­ gestattet, die nach ihrem beschwerlichen Anstieg von Hausach durch die 3 6 Tunnels mit Frischwas­ ser für ihre W eiterfahrt nach Villingen versorgt werden mussten. Auch eine Drehscheibe und später ein Überholgleis und ein mechanisches Stellwerk wurden gebaut. Heute kann das Flair der damaligen Zeit jedes Jahr im Sommer m it Fahrten auf Sonderzügen mit echten Dampflokomotiven auf der Schwarz- watdbahnstrecke nacherlebt werden. Der Som­ merauer Bahnhof ist allerdings nicht mehr in Be­ trieb, er dient als Clubhaus eines Motorradclubs. Der Ortskern lie g t am Südhang Der eigentliche Ortskern erhebt sich an einem Südhang. Charakteristisch sind die Terrassen­ häuser, die in den 1970er Jahren entstanden sind. Darüber erstreckt sich das Neubaugebiet „Nest“ . In der Talsenke steht das 1836 erbaute Schul- haus, in dem damals auch die Gemeindeverwal­ tung untergebracht wurde. Noch heute befinden sich Ortsverwaltung und Schule unter einem Dach. Seit der Schulreform in den 1970er Jahren gibt es allerdings nur noch zwei Grundschulklassen. Gegenüber der Schule befindet sich der Kin­ dergarten. Er wurde 1977 als eine der Maßnah­ men aus dem Eingemeindungsvertrag von 1972 gebaut. Diese beiden Einrichtungen, Kindergar­ ten und Grundschule, sind für junge Eltern o ft­ mals das Zünglein an der Waage, wenn es darum 39 •J’pP Lohnende ¿Ausflüge in nächsterjiabe! St. Georgen ‚Gewierljeäiisjtellting WasserfälleTriberg usßich#jthurm ^tocklewaldkopf“ Schönwald ! B erneckrhjl §cbm ivhm ¡1 Lithographierte Ansichtskarte vor 1900, sie zeigt den Bahnhof Sommerau und den Sommerauer­ Tunnel, den m it 1700 Metern längsten Tunnel der Schwarzwaldbahn. Sommerau war ein Ortsteil der einst selbständigen Gemeinde Brigach. man auf den Namen Andreas Müller. 1648 im Ge­ wann „Nest“ geboren, gilt er als der erste Uhrma­ cher in der Region. Später wurde das Uhrmacher­ handwerk neben der Landwirtschaft zur w ichtigs­ ten Einnahmequelle für die Bauern. In den Winter­ monaten beschäftigten sie sich dam it, die ty p i­ schen Schwarzwälder Schilderuhren zu fertigen. Nach einer Aufstellung des damaligen Bürger­ meisters Obergfell wurden 1843 in Brigach 17 Uhr­ macher, ein Gestellmacher und ein Spediteur ge­ zählt. Bis heute existieren in St. Georgen Firmen, die als kleine Uhrmacherwerkstatt in den Stuben der umliegenden Höfe, eben auch in Brigach, ge­ gründet wurden. Sozusagen auf der Rückseite von Brigach liegt der O rtsteil Sommerau. Hier ragt nicht nur der SommerauerTunnel, der ab 1867 in Teilabschnit­ ten in Betrieb genommenen Schwarzwaldbahn, wie ein w e it geöffneter Schlund aus dem Berg, hier steht auch der einst höchst gelegene Bahn­

S tä d te und G em e in d e n geht, sich bei de rW ohnortw ahl ei­ nen der St. GeorgenerTeilorte aus­ zusuchen. Immerhin ist Brigach neben Peterzell der einzige der fü n f St. Georgener Stadtteile, die dies anbieten können. W enn­ gleich es in Brigach nicht einmal einen Einkaufsladen gibt. Dafür befinden sich auf Brigacher Ge­ markung gleich fünf Gasthäuser, von denen allerdings nur eines, das Gasthaus „Engel“ , in u n m it­ telbarer Nähe zum Ortskern ange­ siedelt ist. Die anderen liegen ver­ streut auf der Sternen höhe („M ö s ­ leschmiede“ ), am Storzenberg in St. Georgen („Som m erauer Hof“ ), auf der Sommerau („S ch ü tze n “ ) und im Brigacher Stockwald („Groß-Bauer Linde“ ). Neubaugebiete steigern Einwohnerzahlen Anfangs der 1990er Jahre wurde der Bebauungs­ plan für das Gebiet „Im Kloster“ geändert. Seit­ her haben sich viele neue Familien in dem Neu­ baugebiet angesiedelt. Ende der 1990er Jahre wurde als weiterer Bauabschnitt „K lo ste r II“ er­ schlossen. Die Einwohnerzahl kletterte so von 830 auf aktuell fast 1000. Somit ist Brigach nicht Ein kunstvolles Wirtshaus­ schild hat der Gasthof „En­ ge l“ vorzuweisen. nur der zweitgrößte Stadtteil der Bergstadt St. Georgen, sondern nim m t man die ständig steigende Zahl neuer Einwohner als M aß­ stab, ist Brigach der beliebteste O rtsteil – bei steigenderTendenz. Diese Entwicklung freut auch Orts­ vorsteher Helmut Haas, der die Ge­ schicke des Ortsteils seit 1989 lei­ tet. Aber nicht nur für Einheimische ist Brigach eine kleine Insel der Er­ holung. Auch Feriengäste schätzen die dörfliche Idylle. Etliche land­ wirtschaftliche Betriebe bieten Fe­ rien auf dem Bauernhof an. Und bei einem ausgedehnten Spazier­ gang über die „Lange Gasse“ ober­ halb des Dorfes liegt einem der sympathische Ortsteil mit seinen steilen Hängen und saftigen Wiesen bei einem grandiosen Aus­ blickzu Füßen. Und selbstverständlich füh rt der Wegauch zur Brigachquelle beim Hirzbauernhof im Obertal. Schließlich muss man einmal im Le­ ben gesehen haben, wo einer der beiden Flüsse Der eigentliche Ortskern von Brigach liegt am Süd­ hang, der Ort profitierte in den vergangenen Jahren bei der Einwohnerentwicklung stark von seiner Nähe zu St. Georgen.

Brigach Schwarzwaldidylle: Blick ins Obertal. entspringt, die zusammen die Donau zustande bringen. Wie heißt es doch: „Brigach und Breg, bringen die Donau z’weg.“ Zwischen dem kom binierten Schul-Rathaus und dem Kindergarten steht das Brigachhaus. 1985 erbaut, ist es die zentrale Plattform für ein lebendiges Dorfleben. Gleich zwei Vereine sorgen dafür, dass in Bri­ gach mehrmals im Jahr etwas ge­ boten ist. Der Radfahrverein Ober- kirnach-Brigach begeistert zum Jahresanfang m it mehreren Thea­ teraufführungen. Für die jungen Brigacher Einwohner gehört es zum guten Ton, Mitglied in der 1985 ge­ gründeten Landjugend zu sein, die den Namen Brigach bei verschie­ denen Veranstaltungen, unter an­ derem beim alljährlichen Kreisern­ tedankfest, in der weiteren Umge­ bungrepräsentiert. Beim Dorfhock der Landjugend ist jedes Mal das ganze Dorf auf den Beinen. Außerdem kann Brigach eine eigene Feuerwehrabteilung vorweisen. Die „Nesthexe‘ Vom alten W eiblein im Gewann „N e s t“ Brigach besitzt auch mehrere Sagen. So erzählt man sich, dass im Gewann „N e st“ einst ein altes Weiblein wohnte, das im siebten Buch Moses las. Weil sie den Inhalt nicht recht verstand, ge­ schahen unheimliche Dinge in ihrem Haus. Bratpfannen und Ziegelsteine flogen wie von G eisterhand bewegt umher. Erst ais das Weiblein dazu aufgefordert wurde, das Buch unter einem Grenz­ stein zu vergraben, kehrte wieder Ruhe ein. In Vergessenheit geriet die Geschichte jedoch nicht, denn dieser Sage nahm sich vor m ittlerweile zwölf Jahren eine Gruppe junger Männer und Frauen an und kreierte eine neue Fastnachtsfigur: Seither bereichert die „Nesthexe“ in ihrem schwarz-lila Häs die St. Ge­ Foland Sprich orgener Fastnacht. 41

Die St. Mauritiuskirche in Fischbach, die bereits 12/5 erwähnt ist. Fischbach und Sinkingen Die früheren Bauern- und Handw erkerdörfer sind seit 1810 zu einer G em einde vereint Blick au f Fischbach, das heute gut 1 000 Einwohner zählt.

Von Christina Nack Fischbach: Beim Gedanken an den gut 1200 Einwohner zählenden Orts- teilvon Niedereschach kom m t den ei­ nen als erstes der Sinkinger Tauben­ markt in den Sinn, anderen der ro- mantischeTeufensee und die von dort nicht w e it entfernte Römervilla m it über­ dachtem Bad. Kommunalpolitisch Interessierte wissen zudem, dass Fischbach (wie ganz Nieder­ eschach) eine traditionelle CDU-Hoch bürg ist, in der sich Landesvater und W ahlkreisabgeordne­ ter Erwin Teufel besonders wohl fü h lt und hier gern seine Wahlsiege feiert – die Bodenacker­ halle ist für solcherlei Zwecke ideal geeignet. In einem Porträt über Fischbach müsste kor­ rekterweise ständig von Fischbach-Sinkingen die Rede sein, denn die beiden einst getrenn­ ten Dörfer bilden seit 1810 eine gemeinsame Landgemeinde an der Gren­ ze zu Württemberg. Doch während die beiden Dörfer in ihrer langen, spannen­ den Vergangenheit oft m it­ einander konkurrierten, verschmolzen sie in jü n ­ gerer Zeit zu einer Einheit – äußerlich durch Wohn­ bebauung zusammengewachsen, innerlich durch S tä d te und G em e in d e n Offenheit, Neugier und Toleranz der hier lebenden Menschen. Seit 1974 ge­ hört Fischbach-Sinkingen in Zusam­ m enhang m it der G ebietsreform zu Niedereschach und seither wurde die Dorfgemeinschaft noch enger als da­ vor. Früher war Fischbach-Sinkingen ein reines Bauern-und Handwerkerdorf, das sich in jüngerer Zeit mehr zum attraktiven W ohn­ ort mit guter Infrastruktur entwickelte (eigene Grundschule, zentral gelegener Kindergarten, die schon erw ähnte m u ltifu n ktio n a le Boden­ ackerhalle) – ein Strukturwandel, wie er überall vollzogen wurde und manchmal auch auf Kosten der dörflichen Identität. Nicht so in Fischbach- Sinkingen, das sich durch die unkomplizierte, selbstverständliche Verbindung von Tradition . und Innovation nachgerade / auszeichnet. I n k t Eine wirkliche Grenze zwi­ schen Fischbach und Sinkingen gibt es in den seit 1810 vereinten Dörfern schon lan­ ge nicht mehr, auch wenn dieses hu­ morvolle Schild an einem Haus dies suggeriert. A uf dem Sinkinger Taubenmarkt.

S tä d te und G e m e in d e n Die Dörfer Fischbach und Sinkin- gen, Ausschnitt aus der Fottweiler uürschgerichtskarte von 1564. Bis heute g ib t es L a nd w irt­ schaft mitten im Dorf, in Fischbach regt sich niemand über M isthau­ fen an der Straße und laut krä­ hende Gockel am Morgen auf, im Gegenteil: Der Sinkinger Tauben­ markt wird jeden Sonntag zum piepsenden und gackernden Mek­ ka für Kleintierhalter aus der nä­ heren Umgebung, die Gefieder aller Art kaufen und verkaufen, aber auch Hasen und anderes Kleingetier. Des­ halb gibt es immer wieder auch Einwände von Tier­ schützern, die sich Sorgen wegen möglicher lan- gerTransportwege und unsachgerechterTierhal- tung machen. In der Regel jedoch stammt das lie­ be Vieh aus dem nahen Umland und verb ring tim unbequemen Käfig nur wenige Stunden. Der Taubenmarkt jedenfalls hat seine feste Fangemeinde und istau s Fischbach nichtwegzu- denken. Er findet seit über 100 )ahren statt und diente ursprünglich dem Handel von Brief-, Schau- und Feldtauben. Frühergab es ihn in derZeitvom 1. Adventssonntag bis zum Ostermontagnach- Fischbach aus der Luft, 1930erfahre. Fechts unten das Gasthaus „M ohren“. mittag an jedem Sonntag. Die alljährliche Schluss­ feier im „Kreuz“ war stets ausverkauft, denn es beteiligten sich einst alle Sinkinger Einwohner an dem Markt. Wer sich im Internet umschauen w ill, bevor er einen Ausflug nach Fischbach unternim mt, wird über die Fülle und Vielfalt der Einträge staunen. In Fischbach gibt es hochmoderne Betriebe für So­ larstrom-Anlagen und Photovoltaik-Planung, ei­ ne Firma fertigt Präzisionsteile, eine andere hat sich auf Laserbeschriftungen spezialisiert, eine auf D ienstleistungen wie M ediacoaching und EDV-Schulungen. In Fischbach kann man vie lfäl­ tige Therapieformen (Reiki, Bachblüten, Atem ­ therapie) kennenlernen und m it einem hier an­ gesiedelten Busunternehmen sein Fernweh s til­ len, es gibt viele handwerkliche Betriebe und f’ÄUi,v’vv

Fischbach und Sinkingen Das Wappen der Gemeinde Fischbach In Gold ein blauer Wellenbalken, ln diesem ein silb e rn e r Fisch. Fischbach (m it Sinkingen) gehörte zum Gebiet der Reichsstadt Rottweil und kam durch den Reichsdeputati­ onshauptschluß von 1803 an W ürt­ tem berg, das die Gemeinde in dem Staatsvertrag vom 2. Oktober 1810 an das Großherzogtum Baden abtrat. Die Verordnung vom 15. November 1810 über die Bezirkseinteilung wies Fischbach dem A m tV illing en zu. Das Huldigungsprotokoll vom 15. August 1811 ist mit einem ovalen Prä­ gesiegel beglaubigt. Es zeigt im ge­ krönten W appenschild das damals geltende badische Staatswappen: In schräglinks geteiltem Feld oben ein Schrägbalken, unten ein Löwe. Die Umschrift lautet VOGTEI FISCH BACH. SINKINGEN. Der von der Gemeinde um 1840 gebrauchte Farbstempel zeigt in ei­ nem von Rankenwerk umgebenen ovalen, durch W ellenschnitt geteil­ ten Wappenschild oben die Buchsta­ ben F u S (= Fischbach und Sinkingen), un­ ten schwimmen zwei Fische (siehe Abbildung unten). In einem nach der Jahrhundertmitte gesto­ chenen Siegel erscheinen nur die Buch­ staben F u S in dem von Ranken umge­ benen Schild, die Umschrift lautet GE­ MEINDE FISCHBACH U. SINK. Aus: Landkreis Villingen (Hrsg.) : , Wap- penbuch des Landkreises Villingen“ Gastronomie mit bodenständig-heimischer Kü­ che. Neubürger erhalten hier am Stammtisch schnell Kontakt zu den Alteingesessenen, noch intensiver freilich in einem der auffällig vielen und rührigen Vereine – wie erw ähnt, das Ge­ meinschaftsgefühl ist in Fischbach besonders ausgeprägt. Der älteste Verein ist der Kirchenchor, der größte hinsichtlich seiner M itgliederzahl ist der Fußballclub, die Frauengemeinschaft ist aus dem Vereinsleben ebenso w enig wegzudenken wie Freiwillige Feuerwehr, Musikverein und Narren­ zunft. Ungewöhnlich ist der eigene DRK-Ortsver- ein Fischbach, der sehr aktiv ist und im Krisenfall einen Verpflegungszugfür den Schwarzwald-Baar- Kreis stellen muss, was denn auch regelmäßig train iert wird. Seit bereits 30 Jahren gibt es einen Jugendclub in Fischbach, der in seiner Anfangs­ zeit Pionierarbeit leistete und bis heute ebenso le­ bendig ist wie der Seniorentreff. Alle Vereine sind ausgesprochen rührig und verantwortungsbewusst. Die M itglieder des An­ gelvereins am Teufensee etwa kümmern sich auch um dessen Pflege. Der unter Schutz ste­ hende Teufensee ist ein Kleinod der Natur, id yl­ lisch gelegen ist er ein Paradies auch für seltene Pflanzen und Tiere und ein beliebtes Ausflugsziel nicht nur für Fischbacher. Wissen und Engage­ ment der Mitglieder des Geschichts- und Heimat­ vereins sind immer w ieder gefragt, vor allem bei besonderen Gelegenheiten wie dem 900. Ge­ burtstag, der 1994 in Fischbach-Sinkingen gefeiert wurde. Im Jahr 1094 gegründet 1094 g ilt als offizie lle s G ründungsjahr Fisch­ bachs, da ein „Freier“ namens Alker von Fisch­ bach sein kleines Landgut dem Kloster St. Geor­ gen überschrieb. M it Alkers Herkunftsbezeich­ nung „de Fispach“ wird die Existenz Fischbachs erstmals urkundlich erw ähnt, w enig Auskunft gibt sie allerdings über damaliges Aussehen und Größe der Ansiedlung. Die Schenkung fiel in die Blütezeit des Klos­ ters St. Georgen, das die Besiedlung der zu ihm gehörenden Gemeinden vorantrieb. Spätestens m it Beginn des 14. Jahrhunderts hatten die Her- 45

S tä d te und G em e in d e n AREAS Fischbach ist seit eh und je land­ wirtschaftlich geprägt. Das Bild zeigt die alte Säge und Mühle von Josef Foth, vor 1927. Fechts: Kostbarsind die leider nur noch unvollständig erhaltenen Fresken in der St. Mauritiuskirche. Hier der heilige Andreas. ren von Sinkingen das Sagen in beiden Orten. Im 15. Jahrhun­ dert machte die Reichsstadt Rottweil Gebietsansprüche gel­ tend, es folgte ein langjähriger Rechtsstreit, der mit der Zuord­ nung Fischbachs und Sinkin- gens als „Pürschdörfer“ endet. Im Laufe der folgenden Jahrhun- derte ändern sich die Besitzver­ hältnisse der beiden Nachbar­ dörfer immer wieder, begünstigt auch durch ihre geographische 4 6 Lage au f halber Strecke zwischen der m ittela lterliche n Reichsstadt Rottweil und der Zähringerstadt Vil- lingen als mehr geistlich-religiösem Zentrum der Umgebung. Kostbar sind die Reste von roma­ nischen Fresken, die sich in der M auritiuskirche finden und auf das 14./15. Jahrhundert datiert werden. In drei Bildfriesen zeigen sie Szenen aus dem Leben Jesu. Bemerkens­ wert ist weiter das Karolingerkreuz über dem Südeingang der Kirche. Fiermann Lauer m erkt in seiner Kir­ chengeschichte der Baar dazu an: „Fischbach hat in den vorderen zwei Dritteln des Langhauses wohl noch die Mauern des romanischen Bau­ es, die sogar noch unter der Tünche Wandgemälde tragen.“ W ahrschein­ lich 1745 sind diese Wandgemälde übertüncht worden, denn aus diesem Jahr ist ein Umbau überliefert.

Die Sinkinger Kirche sprich Kapelle indes, ist eine Filialkirche von Fischbach und g e h ta u f das Jahr 1308 zurück. Drei Barockaltäre bestimmen den sakralen Innenraum. Bekannt ist die Kirche vor allem wegen der Muttergotteswallfahrt, in ihr befindet sich eine Nachbildung des Einsiedler- M uttergottesbildes. Sie ist ein Muss für eine Er­ kundungstour rund um Fischbach und bis in un­ sere Zeit eine lokal bedeutende W allfahrtsstätte geblieben. Römischer Gutshof und Badeanlage M it Rottweil war Fischbach schon in römischer Zeit verhandelt, das ist aber nicht schriftlich, nur archäologisch dokumentiert. Im Gewann Buben- Fischbach und Sinkingen Erfreuliches. Die Anlage blieb 90 Jahre fast unge­ schützt im Wald liegen und wurde von Hobbyar- chäologen und Schatzsuchern heim gesucht, auch die Natur forderte Ihren Tribut. Erst 1985 entschloss sich die Freiburger Außenstelle des Landesdenkm alam ts, den Komplex in Zusam­ menarbeit m it dem Arbeitsam t und der Gemein­ de Niedereschach system atisch frei zu legen. Trotz des teilweise sehr kritischen Erhaltungszu­ stands konnte die Ausstattung durch A rchitek­ turfragmente teilweise rekonstruiert werden. Das Römerbad liegt strategisch gut geschützt an einem Berghang und ist heute von Wald um­ geben. Es ist ein schönes Fleckchen Natur, das einen Ausflug lohnt. Auch Autofahrer müssen ein paar Schritte gehen, w eil sich der Parkplatz w e­ nige hunderte Meter von der Anlage e n tfe rn tvo r holz w urden Ende des 19. Jahr­ hunderts Reste eines römischen Gutshofs und einer römischen Ba­ deanlage ausgegraben. Die ent­ scheidenden Funde machte Ober­ förster Roth aus V illingen anno 1897. Anschließend aber passierte nichts, beziehungsweise nichts Die römische Badeanlage in Fisch­ bach blieb lange Zeit unbeachtet im Wald liegen, sie war ein Ziel von Schatzsuchern und Hobby­ archäologen.

Der Narrenbrunnen, geschmückt vom Schlapphut- Täler, die Infotafel in der Ortsmitte mit Krieger­ denkmal und Maibaum. Fechte Seite: Herbstidylle „nah bei Sinkingen“, Blick au f den Teufensee, barfuß unterwegs im Eschbach und das ehemalige Schulhaus. Heute befinden sich hier das Heimatmuseum und der Kindergarten. dem Wald befindet. Die Badeanlage wurde nach der Restaurierung vom Landesdenkmalamt mit einer gewaltigen Dachkonstruktion überspannt, so dass der Zahn der Zeit dem historischen Ge­ mäuer nicht mehr allzuviel anhaben kann. Es gehört schon ein w enig Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie die Römer vor rund 2 000 Jahren hier Badewonnen genossen haben, doch es gelingt recht gut dank der Erläuterungen auf einerW andtafel. Das Bad diente damals weniger der Reinigung als vielm ehr der luxuriösen Ent- spannungund derallgem einen Gesundheitsstär­ kung. Dies durch den bis heute bewährten Wech­ sel von Schwitzen und Abkühlung, weshalb die antiken Römerbäder ohne weiteres m it modernen W ellness- und Saunalandschaften verglichen werden können. Der Verbrauch an Brennm ateri­ al war damals enorm, ganze Gegenden ließen die römischen Legionäre abholzen, um nicht auf die vertraute Badekultur verzichten zu müssen. Die Eindrücke vor Ort können Geschichtsin­ teressierte im Fischbacher Heimatmuseum ver­ tiefen, das im ehemaligen Schul- und Rathaus untergebracht ist. In der römischen Abteilung werden nebst eigenen auch „frem de“ Fundstücke ausgestellt, M odelle römischer Bauten regen die Vorstellungskraft der Besucher zusätzlich an. Ein Streifzug durch die 1986 gegründete „H e im at­ stube“ , so heißt das Dorfmuseum, vermittelt zu­ dem sehr anschaulich, wie es früher einm al war. In den verschiedenen „Lebensräum en“ können sich Besucher in alte Zeiten versetzen, deren Ent­ wicklung in ihrem funktionellen Zusammenhang dokum entiert wird. So gibt es etwa ein Klassen­ zimmer und funktionierende W erkstätten, in de­ nen alte Handwerkstechniken lebendig gehal­ ten werden.

S tä d te und G em e in d e n Nordhalden – Dorfidylle an der Grenze Die rund 2 0 0 Einwohner können sich über ein intaktes G em einw esen freuen Ganz im Süden des Schwarzwald-Baar-Kreises liegt ein Dorf, das schon durch seinen Namen auf­ fällt: Nordhalden. Rund zehn Autom inuten von Blum berg oder Tengen öffnet sich unm ittelbar an der Schweizer Grenze eine ganz eigene Idyl­ le, deren hohen Freizeit- und Erholungswert im ­ mer m ehr Menschen schätzen. Kleine Häuser sind in eine Hügellandschaft eingebettet, an den Hängen grasen Kühe und Pferde: Ein intaktes Dorf, das den Gast atmen lässt. Im Mai ist Nordhalden besonders schön. Die weißen Zwetschgen- und Kirschblüten harm o­ Nordhalden, Stadtteil von Blumberg und Heimat von rund 200 Einwohnern. nieren m it dem satten Grün an den Hängen. Na­ tur pur, Motive für das Bilderbuch. Und am Hori­ zont thront malerisch der Hohenstoffeln, ein ehe- maligerVulkan, dessen markanter Doppelgipfel in der Abendsonne leuchtet. Nordhalden ist einer von acht Blumberger Stadtteilen. Die Zahl der rund 200 Einwohner hat sich in den letzten 100 Jahren nicht wesentlich verändert. Trotzdem ist dieses Dorf „ein kleines bisschen anders“ , schildert Ortsvorsteher Gerhard Fischer stolz. „Über allem steht der Gemeinschafts­ sinn“ , Verräter. Die Dorfgemeinschaft funktioniert so gut, dass sie auch auf Menschen in den Nach­ barorten einladend wirkt. So hat der Ort einen Ski- Club, der weitaus mehr M itglied er (325) zählt als das Dorf Einwohner hat (198). Nicht ohne Grund

N ord ha ld e n Das Wappen der Gemeinde Nordhalden In Silber ein schwarzes Tatzen kreuz, im Obereck ein achtstrahliger schwarzer Stern. Das Kreuz weist auf die Deutschor­ denskom m ende Mainau hin, zu deren Herrschaft Blum enfeld die Gemeinde gehörte; derStern muß w ohl als M ariensym bol (Stella Ma­ ris) aufgefaßt werden. Nordhalden füh rte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Siegel das badische Wap­ pen (in Gold ein roter Schrägbalken) und eine M ad on nen figu r aus dem oberen Schildrand wachsend, dieselbe Darstellung steht auch in einem Zweikreis-Farbstempel aus dieser Zeit m it der Umschrift GEMEINDE NORDHALDEN. Da die Regierung des Seekreises die Füh­ rung des badischen Wappens in Gemeindesie­ geln beanstandete, wählte der Gemeinderat im Jahre 1844 einen Stern „zum Wappen“ . Das da­ mals gestochene hochovale Siegel zeigte von Zweigen umgeben einen achtstrahligen Stern frei im Siegelfeld – Als im Jahre 1900 die Gemeinde ein Wappen wünsch­ te, machte der Zeichner des Generallan­ desarchivs, Fritz Held, drei Entwürfe, wo­ von der Entwurf mit dem Ordenskreuz angenommen wurde. Nordhalden kam bei Auflösung des Be­ zirksamts Engen am 1. Oktober 1936 zum Am ts­ bezirk, ab 1939 Landkreis Konstanz. Erst durch die Eingemeindung in die Stadt Blumberg kam Nordhalden am 1. Ja n u a ri9 7 ia n den Landkreis Donaueschingen. Das Wappen ist m it der Ein­ gemeindung erloschen. Aus: Klaus Schnibbe: Gemeindewappen des ehe­ maligen Landkreises Donaueschingen wurde Nordhalden voriges Jahr bei Radio 7 auch „O rtschaft der Woche“ . Dank der Dorfgemeinschaft hat Nordhalden im m er wieder aus eigener Kraft Perspektiven für die Zukunft entwickelt. Um das Jahr 1900 grün­ deten die Landwirte dort eine Genossenschaft. Nordhalden war einer der ersten Orte auf dem Randen, die elektrischen Strom erhielten, schil­ dert der Ortsvorsteher. Nach dem Zweiten Welt­ krieg hatte Nordhalden schon in den 1950er Jah­ ren eine gemeinsame Wäscherei und Büglerei, eine G em einschaftsgefrieranlage und ein Ge­ meinschaftsbad. „Da kamen die Menschen aus den umliegenden Orten wie Wiechs, Uttenhofen und Kommingen nach Nordhalden.“ Auch die Flurbe­ reinigung hatte Nordhalden dank seiner Einig­ keit schon recht früh. Seit 1971 ein Ortsteil von Blumberg Und bei der baden-württembergischen Gemein­ dereform zählte Nordhalden neben Kommingen und Epfenhofen zu den ersten Orten, die sich 1971 nach Blumberg eingemeinden ließen. Für Nord­ halden bedeutete dies eine Um orientierung: Jahrzehntelang gehörte der Ort zum Landkreis Konstanz, w orauf heute noch die Tengener Tele­ fon-Vorwahl hinweist. Dass die Nordhaldenersich trotzdem für Blumberg und nicht fürTengen ent­ schieden, h ing vo ra lle m m itde n Schulen zusam­ men. Blum berg hatte neben der Grund- und Hauptschule auch noch eine Realschule. Und die Stadt Blumberg bot eine regelmäßige Busverbin­ dung für die Schüler an. Nordhalden ist m it der O rien tieru ng nach Blumberg gut gefahren, wovon nicht nur Ortsvor­ steher Gerhard Fischer überzeugt ist. Zu den Mei­ lensteinen in der Dorfentwicklung gehört der Bau des Gemeinschaftshauses und die neugestalte­ te Ortsdurchfahrt. Bemerkenswert ist, dass die Ver- sorgungdes Ortes über die heutigen Kreisgrenzen hinweg erfolgt. Sein Trinkwasser bezieht Nordhal­ den wie Kommingen über den Wasserzweckver­ band Hoher Randen, in dem unter anderem die N achbarstadt Tengen eine maßgebliche Rolle spielt. Und das Abwasser fließt seit 1975 sin ni­ gerweise hegauabwärts in die Kläranlage Oberes 51

S tä d te und G e m e inde n Bibertal, die Tengen und der Schweizer Abwas­ serverband „U nterer Reiat“ gemeinsam betrei­ ben. Dadurch wurde das Neubaugebiet „Kirchen­ äcker“ ermöglicht. Bereits 1137 als „Northaldun“ erwähnt Auch der Ortsnamen rührt w ohl ein paar Kilome­ ter südlich aus der Schweiz her. Im Jahr 1137 wird erstmals der Name „N o rth a ld u n “ in einer Urkun­ de erwähnt. Im Habsburgischen Urbarbuch steht um 1306 „Northalden“ . 1563 taucht die Namens­ form „O rth a ld e n “ auf, die sich in der Mundart des Dorfes und der Umgebung bis heute hält. Der Name leitet sich von seiner Lage ab, heißt es in der Ortschronik. Die Silbe „N o rd “ bedeutet die Himmelsrichtung, „H aldun“ bedeutet Halde oder Abhang. Da sich das Dorf in einem „streng von Westen nach Osten verlaufenden Tal“ befin­ det, schließt Chronist Gottfried Sauter darauf, da ssderO rtseinen Namen nichtvon den Dorfbe­ wohnern selbst, sondern von den Nachbarn er­ hielt. Südlich von Nordhalden liegt aber nur ein Dorf: das heute schweizerische Bargen, das als „Paragen“ 884 erstmals erwähnt wird. Da es Bar­ gen stets an gutem Acker- und Weideland man­ gelte, scheint es Chronist Gottfried Sauter natür­ lich, dass Bargen bei seinen Rodungen für neue Felder nach Norden ausgriff. Erste menschliche Spuren datieren aber viel früher. Um i9 6 0 w u r­ den am Rand der Gemarkung N ordhalden im Oberbargener „W otel“ jungsteinzeitliche Sied­ lungsreste angeschnitten. Zu Nordhalden gehört auch der Ortsteil Neu­ haus m it 66 Seelen. 1791 baute Josef Sutter aus Nordhalden an der Landstraße nach Schaffhau­ sen ein Wirtshaus, das „Neue Haus“ (die heuti­ ge Krone?). Nach dem 1835 erfolgten Anschluss des Großherzogtums Baden an den Deutschen Zollverein wurden dort 1835/36 sechs Zöllner­ w ohnungen und ein mächtiger Lagerschopf für die G üterabfertigung samt Zollamt erstellt. Das Zollamt gibt es heute noch, die sechs Wohnungen ließ die Bundesvermögensverwaltung 1972 in Feu­ er aufgehen. Im M ittela lter war Nordhalden ein w ohlh a­ bender Ort. „Dessen Ackerbau brachte so hohe

Erträge, dass es jedem Bauern möglich gewesen wäre, seinen Pflug m it einem silbernen Wegei­ sen auszustatten“ , heißt es in der Chronik. Die­ ser Wohlstand habe so lange gedauert, bis ein ungeheurer Wolkenbruch die Flur verw üstet ha­ be. Zwischen den Jahren 1500 und 1800 wurde die Fruchtbarkeit durch Naturkatastrophen be­ trächtlich verm indert. Hagel und Missernten machten die Bauern zu Schuldnern. Im Jahr 1792 hatte Nordhalden 113 Einwohner, doch die Ern­ ten genügten nicht einmal, diese wenigen Men­ schen zu ernähren. Ab 1750 wanderten Nordhaider Männer und Frauen nach Ungarn aus, insgesam t waren es w ohl 15 Personen. Aus den Elendsjahren 1816/17 stammen die ersten Hinweise auf Auswanderer nach Nordamerika. Bis 1961 wanderten 62 Bür­ ger dorthin aus. Die wirtschaftliche Situation im 19. Jahrhundert verschlechterte sich so drastisch, dass Pfarrer W ursthorn 1852 e rn sth aft daran zweifelte, ob sich der Ort jem als erholen würde. Die Gemeinde hatte inzwischen mehr Schulden als Vermögen. Deshalb wurde 1854 beschlos­ sen, den Gemeindewald zu verkaufen. Die Bürger Nord ha lde n Es wurde der Ge­ m eindew ald ver­ kauft und die Bür­ an, um die w irt­ verbessern. on n ach h altigzu schaftliche S ituati­ ger säten alle Äcker packten gemeinsam an. Bereits ein Jahr später waren alle Äcker ange­ sät, was seitzehn Jahren nicht m ehr passierte. Langsam besserte sich die Lage. 1893 stellte das Bezirksam t fest, dass die Einwohner „a u ­ ßerordentlich fest zu­ sammen gehalten und dadurch den w irtschaftlichen Zusammenbruch einzelner Existenzen verhindert“ hätten. 1904 ist zu lesen: „W ie kaum eine andere Gemeinde hat Nordhalden durch eine rationelle und intensive W irtschaft die Erträgnisse gesteigert.“ In w eni­ gen Jahren steigerten die Bürger den Viehbe­ stand von 110 auf 175 Stück und erzielten trotzdem noch eine Überproduktion an Futter. Vereine – das Herz der Gemeinde „Ein Schlüssel für die Entwicklung Nordhaidens waren im m er Aktivitäten im Vereinsleben“ , er­ läutert Ortsvorsteher Gerhard Fischer. Es begann schon in derzweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Als es w irtschaftlich wieder bergauf ging, wurde 1863 ein „Lese- und Gesangverein“ gegründet. Lehrer Egle unterrichtete die jungen Leute in Ge­ sang, der von jeher in der Gemeinde gepflegt wurde, und hielt dadurch „vom W irtshaussitzen und sonstigen Ausschreitungen“ ab. Heute zählt der Gesangverein „Eintracht“ Nordhalden e.V. 34 Sängerinnen und Sänger. Das A ltersspektrum reicht von 14 bis 77 Jahren. Als aus dem einstigen Männerchor 1978 ein gem ischter Chor wurde, kam unter anderem Linda Fleischer dazu. 18 Jah­ re war sie Kassiererin, seit sieben Jahren ist sie Vorsitzende. Ihr Vater Herbert Fluk (77) singt seit mehr als 50 Jahren im Chor mit, er ist der Senior. Von ihm hat auch die Tochter die Freude am Ge­ sang. Die Vereine in Nordhalden bemühen sich Seit ¡eher spielt die Landwirtschaft in Nordhalden eine besondere Folle. Die Getreidefelder geben dem Dorf ein unverwechselbares Gepräge, im Hin­ tergrund der Hohenstoffel. 53

S tä d te und G e m e in d e n aktiv um Nachwuchs. So unterhält der Gesang­ verein einen Kinderchor für Fünf- bis Neunjähri­ ge m it derzeit 32 Kehlen. Danach können die Kin­ der zu den „R andenkids“ . Die Idee dazu kam von Dirigentin Sonja Messmer, die seit 16 Jahren den Taktstock schwingt. Die beiden Chöre singen so gut, dass sie im Januar 2004 gemeinsam im Eu­ ropapark Rust auftraten. Manchmal form iert sich aus den Reihen des Vereins auch ein kleiner Pro­ jektchor, der überwiegend englische Titel singt. Vor sechs Jahren entstand aus dem Gesangver­ ein zudem die A Capella Gruppe „Taktlos“ . Nordhalden w irkt attraktiv. Die O rtsdurch­ fahrt schmücken schöne Blumenarrangements, die eine heimelige Atmosphäre verm itteln. Da­ rum kümmern sich die Landfrauen. Ehrenamtlich, versteht sich. Neben einer breitgefächerten Wei­ terbildu ng und Sport bieten die Landfrauen auch ein Kinderprogramm mit Kochkursen, Basteln oder Schminken an. Darauf ist die Vorsitzende Hei- drun Suchalla besonders stolz. 42 Frauen im Al­ ter von 25 bis 75 zeugen von Harmonie. Auch an den Festen leisten sie ihren Beitrag, sie sind ein prägender Faktor für die Dorfgemeinschaft. Im W inter bietet Nordhalden einen besonde­ ren Reiz. 691 Meter über dem Meer glitzern die Schneekristalle in der Sonne, der Ort hat einen eigenen S kilift und eine eigene Pistenraupe. Ei­ ne Clique von Skifreunden gründete 1982 den Ski-Club. Ziel war schon damals, vor allem auch Familien erschwingliche Ausfahrten anzubieten, berichtet der Vorsitzende Herbert Schleicher. 1984 wurde eine eigene Skischule gegründet, ers­ ter ausgebildeter Ü bungsleiter war Karl-Heinz Schautzgy. Heute verfügt Schautzgy über eine Truppe von 18 Übungsleitern und noch einm also viele Helfer. Später kamen weitere Sportarten wie Snow Board hinzu. Die Begeisterung und die Ein­ satzbereitschaft sind groß. Maßgebend war hier Ortsvorsteher Gerhard Fischer, einer der Grün­ derund langjähriger Vorsitzender. Der Ski-Club ist ein Aushängeschild. Sein Skistadl beim Blumber­ ger Straßenfest ist schon legendär. Die Zusammenarbeit über die Kreisgrenzen hinweg pflegt auch die Nordhaider Feuerwehr. „Aufgrund unserer Lage müssen w ir nach allen Seiten offen sein“ , erklärt Abteilungskom m an­ dant V iktor Müller. Wenn zum Beispiel ein Lehr­ gang in Tengen stattfindet, „schicken w ir unsere Leute d o rth in “ . Seit 1996 g ibt es eine gemeinsa­ me Jugendwehr mit Kommingen. Die Feuerwehr S B Impressionen aus Nordhalden, einer kleinen Land­ gemeinde m it einer lebendigen Dorfgemeinschaft.

Markant, aber ungenutzt steht die Kapelle am Ein­ gang von Nordhalden. nim m t ebenfalls noch andere Aufgaben für die D orfgem elnschaft w ahr und o rg an isie rt jedes Jahr eine „D orfputzede“ . Beliebt ist das „S piel ohne Grenzen“ , das Nordhalden mit den beiden Nachbarwehren aus Kommingen und Uttenho- fen im Wechsel ausrichtet. Grenzenlose Begeisterung herrscht auch an Fastnacht beim Program m abend der Randen­ wölfe. Die Bühne im Gemeinschaftshaus verm it­ telt einen eigenen Charme, die Pointen und Pos­ sen zünden so, dass das Programm zweimal auf­ geführt w ird. Zunftm eister Roland Frieß ist seit zehn Jahren im Amt und wie die meisten M itglied in mehreren Vereinen. In der Narrenzunft wollen sie die Kameradschaft pflegen und speziell auch Kindern und Jugendlichen die M öglichkeit ge­ ben, sich zu verwirklichen und aufzutreten, er­ läutert Frieß. Der Zusammenhalt der 150 M itg lie ­ der ist so gut, dass aus den Randenwölfen eine Theatergruppe entstand, die unter dem Namen D’Widergente seit 2001 werbend auf sich und Nordhalden aufmerksam macht. Aus diesen Aktivitäten heraus stam m t auch das jüngste „K in d“ , der Dorftourismus. Seit Som­ mer 2003 bietet eine Gruppe aus dem Dorf ein besonderes Frühstück an. Bei diesem „Z’M orge- Seminar“ , wie es heißt, verm itteln die Einheimi­ schen den Gästen in Mundart, wie das Dorfleben früher war. Dreh- und Angelpunkt der Inszenie­ rung ist die eigens geschaffene Kultfigur „K u n i­ gu nde“ , die Roland Frieß tre fflich verkörpert. Launig und schlagfertig sorgt diese „K unigunde“ für Stimmung. „Es beginnt m it dem Brotaufschneiden von Fland“ , schildert Frieß den Seminarablauf. Das Brot kom m t frisch aus dem Flolzofen, wie früher. Dazu werden hausgemachte Marmelade, Brat­ kartoffeln, Rühreier m it Speck und Getreide-Kaf­ fee serviert. Produkte aus der Region. Das M und­ art-Frühstück kommt an. Baden-Württembergs frü­ herer W irtschaftsm inister W alter Döring erlebte es als einer der ersten und schwärmte begeistert. Der Landtagsabgeordnete Franz Schuhmacher kam gleich m itde m ganzen SpaichingerGemein- N ord ha lde n derat zu Kunigunde. Erneut beste Resonanz. Das besondere Angebot hat sich herumgesprochen. Für das Jahr 2005 gibt es schon viele Anfragen. Ortsvorsteher Gerhard Fischer glaubt, dass der Dorftourismus dem Ort durchaus eine Zukunft ge­ ben könnte. „Es geht darum, jungen Leuten hier eine Perspektive zu bieten und sie zu veranlas­ sen, im Dorf zu bleiben.“ Der Ortsvorsteher blickt über die Grenzen h i­ naus. Im Jahr 2003 haben sich Nordhalden mit Fützen und den Schweizer Nachbargemeinden Bar­ gen und Merishausen zu einer Ferienregion „K lei­ ner Randen“ zusammengeschlossen. N ordhal­ den könnte so erneutzu einem Beispiel werden, das anderen kleinen Gemeinden M ut macht. Bernhard Lutz Weitere Informationen unter: www.nordhalden.de 55

3. K a p i t e l ■ B i l d u n g s e i n r i c h t u n g e n Nicht gerade hä ufig fin d e t man im ländlichen Bereich ein Gymnasium, das auf eine so lange, ununterbro­ chene Tradition zurückblicken kann wie das Fürstenberg-Gymnasium in Donaueschingen. Es konnte im November 2003 sein 225jähri- ges Bestehen feiern. Ein zweites Jubiläum wurde ebenfalls nicht vergessen: Vor hundert Jahren hat man die Klassen acht und neun eingeführt: aus dem Progymnasium wurde ein „ganzes“ Gymnasium mit Abitur. Damals be­ suchte übrigens noch kein Mädchen diese Schule. Das erste trat 1904 ein – 126 Jahre nach der Schulgründung. Und erst 1918 w u r­ den die beiden ersten Abiturientinnen gefei­ ert. Fleute sind 53 Prozent der ca. 1100 Schüler weiblich.

Bild u n g seinrichtungen Zwar hatte der Schulorden der Piari- sten bereits seit 1755 in Donauesch- ingen wohl mehr schlecht als recht ei­ ne Lateinschule betrieben, diese je ­ doch 1778 aufgegeben. Mehrere Grün­ de hatten den Orden bewogen, sich aus dem Donaueschinger B ildun gs­ wesen zurückzuziehen. Erstens hatte die fürstenbergische Landesherr­ schaft keine der vertraglich vere in­ barten Verpflichtungen e rfüllt wie Er­ richtung eines Klosters, einer Schule und einer Kirche sowie Anlage aus­ reichender Kapitalien zur Finanzie­ rung von Schule und Kloster, zweitens strebte sie offen sichtlich einen stärkeren staatlichen Einfluß auf das Schulwesen an; die Piaristen-Pa- tres indes lehnten es ab, sich einer „Regiminal- Schulendirektion“ zu unterstellen. Für Joseph Wenzel, einen typischen Vertreter des aufgeklärten Absolutism us, scheint gerade die M öglichkeit der direkten Einflußnahme auf das Schulwesen und der strikten Kontrolle dar­ überein entscheidendes M otiv gewesen zu sein, anstelle einer dürftigen Lateinschule in Ordens­ regie 1778 eine von der Regierung des Fürsten­ tums errichtete, also „staatliche“ Schule zu grün­ den. Damit waren sow ohl die Lehrpläne wie die A nste llu ngd er Lehrkräfte und Überprüfung ihrer Q ualifikationen und Leistungen und auch Zulas­ sung und Ausschluß sowie Examinierung der 5 8 Fürst Joseph Wenzel zu Fürstenberg, Gründer des Gymnasiums. Schüler den Spielregeln des Landes­ herrn unterw orfen. Das paßte zu­ gleich gut in den Rahmen der zuneh­ menden Zurückdrängung des Ein­ flusses der Kirche und speziell der Klöster, die im Zeichen der Aufklärung begann und dann in Säkularisierung und M ediatisierung 1803 /0 6 einen Höhepunkt erreichte. Dennoch war man auch im Fürsten­ tum Fürsten berg auf die Geistlichkeit als Lehrpersonal angewiesen; sie bot dam als im allgem einen die besten Voraussetzungen für einen erfolgre i­ chen Gymnasialbetrieb. Aus verschiedenen Gründen konzentrierte sich der Landesherr hierbei auf „junge, annoch unversorgte W eltpriester unserer Beamten- und Untertans-Söhne“ , und versprach, diese, „wenn sie sich exemplarisch aufführen und den gehöri­ gen Fleiß bei ihrem Lehramt anwenden werden, vorzüglich m it Erteilung g e istlich er Benefizien und Pfründen zu belohnen und zu versorgen“ . Konkret bedeutete dies, daß ein geistlicher Lehrer bei Bewährung später auf eine der besser do tierten Pfarrstellen im Fürstentum Aussicht hatte. Insofern war – durchaus im Sinne von Fürst und Verwaltung – inhaltlich eine kirchen­ nahe Erziehung garantiert, die personelle Aus­ wahl der Lehrer aber und die Auswahl der „S tu ­ denten“ beim Fürsten und seinen Exekutivorga­ nen angesiedelt. Schule und S chulleiter w urden am kurzen Zügel geführt. So hatte b e i­ spielsweise der Direktor, selbst nachdem das Donaueschinger Gymnasium im Rahmen der Me­ diatisierung 1807 „Großherzog­ liches G ym nasium “ geworden war, noch b is z u r Aufhebung der letzten lehensherrlichen Rechte 1848 einen hohen fürstenbergi- schen Beamten als „E p h o ru s“ Donaueschingen zum Ende des 18. Jahrhunderts. Das Gymnasium befand sich im Treppengiebelhaus in der Bildmitte links.

F ü rstenb erg-G ym nasium andererseits beugte man dam it bewußt der Ent­ stehung eines akadem ischen Proletariats vor. Als Folge dieser Politik blieb die Schülerzahl noch b is w e itin s i9 -J a h rh u n d e rth in e in bei u n te rio o . Dagegen spielte die w irtschaftliche Lage der El­ tern – zumindest in der Zeit der uneingeschränk­ ten fürstenbergischen S chu lh errscha ft- eine ge­ ringere Rolle als man vielleicht vermuten würde. Die Pflicht zur S chulgeldzahlung richtete sich nach den Vermögensverhältnissen der Familie; ärmeren Schülern erließ man das Schulgeld ganz oder teilweise. Größere Probleme ergaben sich jedoch bei auswärtigen Schülern, die oft von weit entfernten Teilen des Fürstentums kamen und not­ gedrungen auf Kost und Logis in Donaueschingen angewiesen waren. Hier zeigte sich nun die fü r­ sorgliche Seite des aufgeklärt-absolutistischen Fürsten. Sonntags wurden die Auswärtigen von der Hofküche verpflegt, für die Wochentage be­ sorgte der Fürst freie M ittagstische bei w ohlh a­ benden Bürgern und bei fürstlich en Beamten. Auf ähnliche Weise wurde die Frage der Unter­ kunft gelöst. Im Hinblick auf die Q ualität des Unterrichts­ angebots war die Errichtung des „Gymnasium Jo­ (Schulvorstand) über sich; der gesamte Schrift­ verke hr zwischen Direktion und „G roßherzogli­ chem Oberstudienrat“ (heute Kultusministerium) lief grundsätzlich über das Ephorat, und auch bei Lehrerkonferenzen und Schülerprüfungen hatte der Ephorus jederzeit ein Präsenzrecht. Zahl der Schüler war begrenzt War das Schulwesen im Fürstenbergischen seit der „Verordnung über die Stadt- und Landschu­ len“ (1790) generell schon sehr stark reglemen­ tie rt, so kam für das Gymnasium als einzige höhere Schule des fürstenbergischen Staatswe­ sens noch das Element der quantitativen Begren­ zung der Schülerzahl hinzu. Dies hing m it der speziellen B estim m ung dieser Schule zusam ­ men, die dazu gedacht war, den Nachwuchs für die kün ftige fürstenbergische Beamtenschaft und Geistlichkeit heranzubilden. Da die Zahl der Stellen begrenzt war, mußte auch die Zahl der Schüler in engen Grenzen gehalten werden. Wo Begabung, Fleiß und Lernwilligkeit nicht den Er­ wartungen entsprachen und vielleicht auch noch die „S itte n n o te “ zu wünschen übrig ließ, verfügte die fürstlich e Landesregierung daher kurzer­ hand den Ausschluß des Schülers; bei den Lehrern verm utete man zu viel Nachsicht und beschränkte ih ­ re Kompetenz daher auf Empfeh­ lungen. Die umfangreichen A kten­ bestände – für die ersten Jahr­ zehnte im FF Archiv – enthalten je ­ doch auch zahlreiche Belege für ei­ ne flexible und humane Praxis; be­ gründete Einsprüche von Eltern hatten in vielen Fällen Erfolg. Den­ noch wurde nach heutigen M aß­ stäben durch die rigide Zugangs­ beschränkung so manchem jungen Mann sowie den Mädchen insge­ samt eine höhere Bildung vorent­ halten oder doch stark erschwert; ggr ■ t o I N M E D I A G R A M M A T I C A . Kreuzer Jofephus , W o lf a c e n fis , Fürftenbergenfis. — I ^ » U nold N e p o m u c e n u s , D anubioefchinganus, Fürftenbergenfis. i Pramium I. Pramium / / . Ciaflis 1. ) , c / . ^ t r , / ^ W e z e l J o a n n e s , H ü fin g an u s, Fürftenbergenfis, Z e p f Jofephus A n to n iu s, Danubioefchinganus , Fürftenbergenfis. ……. … -… I N I N F I M A G R A M M A T I C A . c . Pramium 7* _ M artin C a r o l u s D a n u b i o e f c h i n g a n u s , Fürftenbergenfis. J / M orath C le m e n s, W elled in g an u s , St. Blafianus. Pramium II. Ciaflis I. Seyfried F ranz. P a u lu s , Pforenfis , Fürftenbergenfis. I Af, t-’ j Staedrie M artinas f Hüfinganus , Fürftenbergenfis. ~ ( J Ciaflis II. — H irt L au ren tiu s, D anubioefchinganus, Fürftenbergenfis. Fifcher N epom ucenus , D anubioefchinganus, Fürftenbergenfis/ L J j ^ ^ ^ — – 1 IN; PR INCIPIIS. . P r a m i u m . E ndres „N epom ucenus, D anubioefchinganus, Fürftenfrergenfia, . Ciaflis I. / Gedrucktes ureisträgerverzeichnis aus dem Jahr 1802. Zw erger J o a n n e s , Danubioefchinganus Fürftenbergenfis. W ü r t h C a ro lu s, D an ubioefchinganus, F ü rfte n b e rg e n fis.’i TCefer M ic h a e l, Ahnendshofenfis , ~Fßrfti:nbergenfrsT’~ J ^ -> Ciaflis II. W e i t e Jofephus , U nadinganns , Fürftenbergenfis. j U nold j o f e p h u s , D anubioefchinganus, Fürftenbergenfis. Meggle Fidelis , Moehringanus , Fürftenbergenfis. ‚ ^ ,S c h if e r B aptifta, Trochtelfinganus , Fürftenbergenfis. ‚ * „ _

Bildun g seinrichtungen sephinum “ ein entschiedener Gewinn. In der La­ teinschule der Piaristen wurden neben den grund­ legenden Fächern nur die A nfangsgründe des Lateinischen gelehrt (die entsprechenden Klas­ senstufen hießen „P rin cipia“ , „R udim enta“ und „G ra m m a tik “ ), im sechsklassigen Gymnasium kamen nun noch die Stufen „Syntax“ , „R h etorik“ und „Poesie“ hinzu, d.h. das Anspruchsniveau stieg deutlich an; w ichtige Schriften aus der klassischen römischen Antike wurden im Unter­ richt behandelt. Die lateinische Sprache nahm damals in der Schule auch über das eigentliche U nterrichts­ fach hinaus eine dom inierende Stellung ein. So sind etwa die Lehrerbeurteilungen wie auch die Schülerzeugnisse in den frühen Jahren noch la­ teinisch abgefaßt, z.B. das Zeugnis für den ju n ­ gen Laßberg aus dem Jahre 1784. Wie solide die im Donaueschinger Gymnasium vermittelten Sprachkenntnisse waren, belegt ein erhalten ge­ bliebener, in elegantem Latein verfaßter Brief von Freiherr von Laßberg aus dem Jahre 1845 an sei­ nen Schulfreund, den Einsiedler Benediktinerpa­ ter Adelrich (Joseph) Rothweiler. Freiherr von Laßberg, in Donauesch- ingen am 10. A pril 1770 geboren, g ilt als einer der bekanntesten Schüler des Gymnasiums. Der be­ rühm te G ermanist war Spezialist für m ittela lter­ liche deutsche Literatur. 1815 hat er aus M itteln der Fürstin Elise zu Für­ stenberg die „Handschrift C“ des Nibelungenliedes erworben. Freiherr Joseph von Laßberg, berühmter Germanist und Hand­ schriftensammler (Ni­ belungenlied), war ei ner der ersten Schü­ ler des Fürstenberg- Gymnasiums. Neben Latein, ohne das im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhun­ d e rt ein späteres S tud i­ um – g le ich g ü ltig w e l­ cher F achrichtun g- nicht denkbar war, wurden im Donaueschinger Gym­ nasium von Anfang an die Fächer Religion, Deutsch, Rechnen, Geschichte und Geographie unterrichtet. 1807, nach dem Übergang an Baden, gesellten sich Französisch, Griechisch und Alge­ bra dazu, 1809 Geometrie und Naturlehre, ab 6 0 1813 Naturgeschichte; ein Jahr später wurde Ge­ sang regelm äßiges Unterrichtsfach, 1832 He­ bräisch. 1836 fü h rte der sehr rührige Direktor Carl Alois Fickler den regelmäßigen Turnunter­ richt ein, und in den 1840er Jahren erfuhren die Naturwissenschaften durch Physik und M inera­ logie eine deutliche Akzentuierung. Der Weg zum Voll-Gymnasium Nach langer Vorarbeit traten 1837 die neuen ba­ dischen Lehrpläne für Höhere Schulen in Kraft. Gleichzeitig erfolgte eine organisatorische Neu­ ordnung, die auch für Donaueschingen Geltung hatte: die „G ym nasien“ w urden von sechs auf sieben Klassenstufen erw eitert, die „Lyceen“ , die bislang acht Jahrgangsstufen umfaßt hatten und deren erfolgreicher Besuch Voraussetzung für ein U niversitätsstudium war, wurden neun- klassig. Ein Absolvent des Donaueschinger Gym­ nasiums konnte also damals noch nicht direkt zur U niversität gehen, sondern war ge nötigt, nach der Gymnasialzeit noch zwei Jahre lang ein Lyce- um zu besuchen. Hierfür boten sich in erster Li­ nie Konstanz und Freiburg an. Das benachbarte und m it altem Stadtrecht versehene V illingen hingegen hatte weder das eine noch das andere, denn das einst renom m ierte Benediktiner-Gym­ nasium war im Gefolge der Säkularisierung auf­ gehoben worden. Bei einer erneuten Schulreform 1872 ver­ schwand die Bezeichnung „Lyceum“ , die Vollan­ stalten hießen von je tzt an „G ym nasien“ ; die kleineren Brüder, die bisherigen Gymnasien, er­ hielten nun die Bezeichnung „Progym nasium “ . Diese Herabstufung mag der Grund dafür gewe­ sen sein, daß Stadt und Schule nun alles unter­ nahmen, um in das schulische Spitzenfeld auf­ zurücken. Ein erster S chritt hierzu war die Er­ richtung eines repräsentativen G ym nasium s­ neubaues. Das alte Gebäude, die heutige Ju­ gendmusikschule, galt schon seit der Schulgrün- dung 1778 als reparaturanfällige Notlösung; dicke A ktenbündel im Schularchiv geben ein beredtes Zeugnis von 100 Jahren Klage über den schlech­ ten baulichen Zustand und die räumliche Enge. Kurz nach der Jahrhundertwende kam dann nach intensiver V erhandlungstätigkeit eine Einigung

Lithographie des 1882 eingeweihten zweiten Gymnasiumsgebäudes. zwischen Stadt und Schulbehörden zustande, die grünes Licht für den Aus­ bau zur Vollanstalt gab. M it der Ein­ richtung einer „O berprim a“ (die heuti­ ge Klasse 13) im Jahre 1903 durfte sich das bisherige Progym nasium nun „G ym nasium “ nennen. 1904 wurden die ersten Reifeprüfungen in Donau- eschingen abgelegt. Und im gleichen Jahr ist auch das erste Mädchen ins Donauesch- inger Gymnasium aufgenommen worden, damals noch ein singuläres Ereignis, heute pure Selbst­ verständlichkeit. W esentliche Veränderungen erfuhr das Für­ stenberg-Gymnasium dann im 20. Jahrhundert. An erster Stelle sind hier die Jahre von 1933 bis 1945 zu nennen, in denen auf allen Ebenen und mit allen M itteln versucht wurde, die Schule im Sinne des Nationalsozialismus um zufunktionie­ ren. Aus keinem Zeitraum der 225jährigen Schul- geschichte sind die Aktenbündel so umfangreich wie gerade aus dieser Zeit. Ideologisierte Lehr­ Fürsten berg -G ym nasium pläne, „g e rein ig te“ Bibliotheksbestände, Kräu­ ter-, Tee- und M aterialsammlungen aller Art, Pa­ raden, Appelle, Flaggenehrungen, Luftschutz­ übungen, HJ-Übungen und po litisch e B eu rtei­ lungen von Schülern prägten den Schulalltag. Die Degradierung und Zwangsversetzungzweier S chulleiter des Donaueschinger Gymnasiums (Dr. J. Schlageter und H. Scharnke) zeigt, unter welch intensivem Druck die Schule in dieser Zeit stand, aber ebenso, daß eine stramme ideologi- Schulklasse um 1900. 61

Bildun g seinrichtungen deten und Gefangenen, unterSchülern und unter Lehrern. In den letzten Kriegsmonaten müssen chaotische Verhältnisse geherrscht haben: jeder verfügbare Schüler eingezo­ gen, alle Schüler und Schülerinnen, auch die jüngsten, „im Kriegseinsatz“ , ständiger Lehrerwechsel, ein wahrer Strom von Schü­ lern aus bombengefährdeten Großstädten, Bombenalarme, Ausquartierungen, Flieger­ angriffe … Unter der französischen Besetzung er­ lebte das Fürstenberg-Gymnasium einen erneuten grundlegenden W andel seines Profils: Französisch wurde nun für alle Schüler verbindlich als erste Fremdsprache eingeführt. Den jahrelangen beharrlichen Bemühungen von Dr. W illiard war es zu ver­ danken, daß M itte der 50er Jahre wieder an die frühere altsprachliche Tradition ange­ knüpft werden konnte. Aber bereits in den späten 60er Jahren zeichneten sich neue, einschneidende S trukturen ab. Die Schüler-Basis verb rei­ terte sich rasant, als Picht’s Schlagwort von der drohenden deutschen „B ild u n g s k a ta ­ strophe“ aufgegriffen wurde und plötzlich überall „B ildun gsre serven“ entdeckt w u r­ den. In Donaueschingen sah man sich alsbald ge­ zwungen, aufgrund der starken Nachfrage auch das Angebotzu erweitern. Bald konnte zwischen drei Eingangs-Fremdsprachen gewählt werden. Später wurden weitere Neuakzentuierungen vor­ genommen, zum altsprachlichen und neusprach­ lichen Typ kam die m athem atisch-naturw issen­ schaftliche Richtung hinzu, andererseits geriet das zwei Jahrhunderte hindurch gepflegte Grie­ chisch mehr und mehr ins Hintertreffen. In den 70er Jahren gesellte sich die Oberstufenreform hinzu, die zunächst für viel Verunsicherung sorg­ te, aber durch die Möglichkeit zur Schwerpunkt­ bildung neue Möglichkeiten eröffnete und daher überwiegend auf Zustim m ung stieß. Schülerberg und Schulreformen Vor allem aber wuchs die Zahl der Schüler in atemberaubendem Tempo, so daß auch das in den 50er Jahren in der Lehenstraße errichtete dritte uostkartenansicht des alten Gymnasiums gegenüber der Stadtkirche St. Johann um 1900. sehe Ausrichtung im Sinne des N ationalsozialis­ mus an dieser Schule nicht ohne w eiteres zu schaffen war. Zwar hatte das Fürstenberg-Gymnasium keinerlei M öglichkeit, der Abstufung vom „G ym ­ nasium“ zur „Oberschule für Jungen“ (in der a l­ lerdings Mädchen geduldet wurden) und derVer- kürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jah­ re zu entgehen (beides 1937); aber es gelang ei­ ner engagierten Gruppe von Lehrern und Eltern, die im gleichen Jahr verordnete Streichung des grundständigen Lateins m itten im Krieg rück­ gängig zu machen (1941). Hierbei soll nicht unerwähnt bleiben, daß für den damaligen Schulleiter, W. Etzel, trotz Partei­ m itgliedschaft das Wohl der Schule über allem stand. Sowohl aus den reichen Archivbeständen wie aus den Aussagen und Aufzeichnungen von Zeitzeugen e rg ibt sich das Bild eines integren und fairen Mannes. Der Krieg forderte wie überall so auch an die­ ser Schule seinen Tribut an Gefallenen, Verwun­ 62

Fürsten berg -G ym nasium Impressionen aus dem Alltag am Fürstenberg- Gymnasium in den frühen 1940er Jahren. Schulgebäude zu klein wurde. 1970 konnten die ersten Räume des heutigen G ym nasium skom ­ plexes in der Humboldtstraße bezogen werden, wo die Erweiterungs- und Ausbauarbeiten kurz nach der Jahrtausendwende einen (vorläufigen) Abschluß gefunden haben, nachdem sich die Schülerzahl inzwischen bei etwa 1100 Schülern eingependelt hat. Ist in baulicher Hinsicht nun fürs erste Ruhe eingekehrt, so ist die innere Schulstruktur dafür in ständiger Bewegung; beschauliche Ruhe wäre für eine Institution, die von quirligen und w ißbe­ gierigen jungen Menschen geprägt ist, auch gar nicht angemessen. Zum einen g ibt es Verände­ rungen, die alle Gymnasien betreffen, so die NGO, die neue gymnasiale Oberstufe, in der die Grund- und Leistungskurse durch ein System von Kern-, Profil- und Neigungsfächern ersetzt werden, eben­ so die deutlich gesteigerten Abituranforderun­ gen. Zu den allgem eingültigen Veränderungen zählt auch die Verkürzung der gymnasialen Aus­ bildung auf acht Jahre. Auf der ändern Seite sind jedoch auch schul- spezifische Änderungen zu verzeichnen. So w ur­ de auf Anregung von OStD Strasser die Einführung der verkürzten Gymnasialzeit um ein Jahr vorge­ zogen, um den für das Jahr 2013 zu erwartenden Doppelansturm von Abiturienten auf die Hoch­ schulen und Ausbildungsstätten etwas zu entzer­ ren. Eine erfreuliche Zwischenbilanz kann für die alten Sprachen gezogen werden: Entgegen allen Befürchtungen hat sich wieder eine genügende Anzahl von Schülern für Alt-Griechisch zusam­ mengefunden. Besonders positiv aber ist, daß La­ tein wieder stärker im Kommen ist. Das sog. Bi- beracher Modell – gleichzeitiger Beginn von La­ tein und Englisch in Klasse 5 – hat erstaunlich großen An klang gefunden. Im vergangenen November hat das Fürsten- berg-Gymnasium während der Jubiläum sfestta­ ge gezeigt, was es in seiner langen Geschichte geleistet hat und was es in der Gegenwart auf die Beine zu stellen vermag. Es war kein schlechtes Omen für die Zukunft. W olfgang Hilpert 6 3

Die Kendrion Binder Magnete GmbH Als Teil der U nternehm ensgruppe Kendrion Electromagnetic Components fertig t man hoch­ m oderne Komponenten für die Fahrzeugtechnik Aus d e m W irts c hafts le be n Binder ist auch Zulieferer der Automobilindustrie, in den Kom­ ponenten kommen unteranderem Schaltmagnete zum Einsatz. M ärkte des Maschinenbaus geprägt, bilden heute vier Geschäftsfelder die Grundlage der KEC-Gruppe: Die Antriebs-, Mag­ net- und Fahrzeugtechnik sowie Elektronische Systeme. Drei von diesen vier Standbeinen sind in Villingen angesiedelt, außer der M agnettech­ nik. 1997 erwarb Kendrion m it den Firmen Hahn- Magnete in Engelswies auf der Schwäbischen Alb und im Jahr 2000 mit derThoma Magnet KG in Do- naueschingen zwei weitere Spezialisten der Mag- Über Jahrzehnte gewachsen: Die Kendrion Binder Magnete GmbH in Villingen. Von außen ist der tiefgreifende Wandel nicht auf den ersten Blick auszumachen: Der historisch ge­ wachsene Standort der Kendrion Binder M agne­ te GmbH atm et immer noch den Charme eines über Jahrzehnte gewachsenen F am ilienbetrie­ bes aus den i9 6 o e rn oder i97oern. Doch dieser erste Eindruck täuscht gewaltig. Seit Anfang der 1990er Jahre nämlich wandelte sich das Unter­ nehmen von einem klassischen Familienbetrieb in ein international tätiges und schlagkräftiges Unternehmen. Heinz Freitag, Geschäftsführer von Kendrion Electromagnetic Components (KEC), zu der auch der V illinger Betrieb gehört, startete vor dreizehn Jahren als Geschäftsführer und gestalte­ te den Umbruch gemeinsam mit Frau Dr. Gudrun Becker-Binder maßgeblich mit. „Das Unterneh­ men machte seit damals einen gigantischen Wan- del m it“ , umschreibt der Binder-Chef die Verände­ rungen hinter den traditionsreichen Fassaden. Vom bodenständigen Familienunternehmen, das m it einer sehr hohen Fertigungs­ tiefe fast alles selbst fertigte – die großen Fertigungshallen waren geprägtvon unzähligen mechani­ schen Bearbeitungsmaschinen – bis hin zum heutigen Unterneh­ men, in dem hochm echanisiert und automatisch produziert wird, verging nicht einm al ein Dutzend Jahre. Früher sehr stark durch die 73

Aus d e m W irts c hafts le be n nettechnik. Kendrion führte 2001 die Kräfte in diesem Bereich in Donaueschingen zusammen, wobei rund 80 Binder-M itarbeiter in die Donau- Stadt zogen. Heute beschäftigt die KEC-Gruppe rund 900 M itarbeiter in acht europäischen Län­ dern und ist dam it international ausgerichtet. Der österreichische S tandort in Eibiswald be­ stand indes schon zu Zeiten, als Dr. W ilhelm Bin­ der noch die Fäden in der Hand hielt und wurde w eiterhin stark ausgebaut, ebenso wie die A kti­ vitäten in Tschechien und Spanien. Heute bilden etwa 300 M itarbeiter die Beleg­ schaft von Kendrion Binder in Villingen, wobei rund die Hälfte in Entwicklung, Vertrieb, Quali­ tätssicherung und sonstige Verwaltung tätig ist und die andere Hälfte in der automatisierten Pro­ duktion. Hergestellt werden für die Antriebstech­ nik elektrom agnetische Kupplungen und Brem­ sen, wie sie beispielsw eise auch in Aufzügen Verwendung finden sowie Komponenten für die Autom obilindustrie. Dort seien die Qualitätsan­ forderungen sehr hoch, wie Heinz Freitag betont. Vor drei Jahren wurde deshalb bei Kendrion Bin­ der das w e ltw eit anspruchsvollste Q ualitätsm a­ nagement System DIN ISO/TS 16949 eingeführt – nach eigenen Angaben als einer der ersten Au­ tom obilzulieferer. Als Binder und Moog gegründet Wilhelm Binder Senior gründete zusammen mit seinem Freund Rudolf M oog 1911 als 25-jähriger Mechanikerm eister die Firma Binder und Moog, Werkzeuge und Maschinen, in Villingen. Zuerst fertigte das junge Unternehmen Vorrichtungen, Werkzeuge und Präzisionsdrehbänkefürdie hei­ mische Uhrenindustrie. Schon 1920 begann Bin­ der mit der Produktion von Geräten, die den M ag­ netismus als treibende Kraft beinhalteten. Der Sohn des Firm engrün­ ders, Dr. W ilhelm Bin­ der, übernahm das Werk 1953 und baute es in drei Jahrzehnten aus. Ab 1972 firm ie rte das V illin ger Unternehmen als Binder Magnete GmbH. In der Hochzeit des Familienbetriebes – 1980 wurde Tochter Dr. Gudrun Becker-Binder in die Geschäftsführung berufen – beschäftigte es Ende derSoer Jahre bis zu 1200 Mitarbeiter. Frau Dr. Becker-Binder war es auch, die Ende der 80er Jahre die Veränderungen und den Fortbestand des Unternehmens in die Wege leitete. Jeder Q uadratm eter des h is to ri­ schen Standortes in de rS tadtm itte Villingens d i­ rekt vor dem Oberen Tor, wo früher der Stadtgar­ ten blühte, wurde genutzt. 30 000 Quadrat­ meter Fertigungsfläche standen zur Ver- „Z – fügung, die Fertigungstiefe war riesig, und m ehrals 3 000 verschiedene Ge­ räte umfasste das ständig wachsen­ de Produktprogramm. Ein großer Einschnitt in die Firmengeschichte bedeutete die Übernahme der Bin­ der Magnete GmbH durch Kendrion Holding N. V. im Jahr 1997. Seither Wilhelm Binder jh t.‘ / Das Gesamtareal der Binder-Magnete hat sich entlang des Villinger Stadtgartens entwickelt.

wandelte sich der Familienbetrieb in ein moder­ nes Unternehmen m it heute rund 300 hochqua­ lifizierten Fachkräften. Ein Standort mit Zukunft „Ich gehe davon aus, dass dieser S tan dort w e iter Be­ stand haben w ird “ , un ter­ streicht der Geschäftsführer selbstbewusst auf die Frage, nach der Zukunft des Unter­ nehmens als großer regiona­ ler Arbeitgeber. Damit einher müsste aber das ständige Rin­ gen um ein Erhöhen der Inno­ va tio n sfä h ig ke it gehen und die wachsende Bereitschaft zur Flochleistung. Zu dieser Philosophie gehört auch die W eiterqualifikation beziehungsweise d ie A u s b ild u n g d e rM ita rb e ite r. Kendrion Binder bildet derzeit 16 Auszubildende als Industriem e­ chaniker und Inform ationselektronikeraus. „Der strategische Wandel wurde auch in der Ausbildung vollzogen“ , erklärt hierzu der KEC-Geschäftsführer Heinz Freitag. BA-Studenten werden ebenso be tre ut wie D iplomarbeiten im Hause an- geboten – m it Erfolg: Viele Entwicklungs- und P rod ukti­ onsingenieure, die heute bei Kendrion Binder arbeiten, sei­ en ehemalige Diplomanden. Bei den Produkten geht der Trend zu im m er kleineren und hochleistungsfähigen Kom­ ponenten. Die Produkte aus Villingen für die Fahrzeugtech­ nikfind en in den Bereichen Si­ cherheit, Umwelt und Komfort ihren Einsatz. Entwickelt wird beispielsw eise ein e le k tro ­ magnetisches Ventil für aktive Fahrwerke in Autos, die sich vollautomatisch auf die Stra­ ßenverhältnisse und die Fahr­ weise des Lenkers einstellen. Bis in zwei Jahren soll die Fahr­ Kendrion B ind er M a g n e te G m bH zeugsparte die Hälfte des Umsatzes ausmachen. Dieser Bereich wachse zweistellig und hier wird auch kräftig investiert: Ein hochaktuelles Projekt ist der Aufbau einer Produktion unter Reinraum- bedingungen auf knapp 400 Quadratmetern. In der hochreinen Atmosphäre sollen Ventile für die Dieseltechnologie, die m it 1 4 00 bar Druck arbei­ ten, hergestellt werden. „Bei diesen Drücken haut es die Moleküle aus der Oberfläche“ , versucht Freitag umgangs­ sprachlich die fast unglaubli­ che Zahl von 14 0 0 bar zu be­ schreiben. Zum Vergleich: Ein Autoreifen läuft m it rund zwei bar oder ein schmaler Reifen eines Rennrades mit acht. Während des Umbaues des Standortes in Villingen lernte Heinz Freitagauch die N otwendigkeit, den Wandel im m er früher zu erkennen. Als „zw eite große Sicherheitsschiene“ bezeichnet Freitag den Umstand, dass das Unternehmen „n u r mit den Besten“ zusammenarbeitet. Zu den ersten Adressen in derdeutschen Industrie, die Kendri­ on Binder beliefert, gehören beispielsweise DaimlerChrysler und Siemens. 20 bis 25 Prozent der Produk­ te gehen d irekt in den w e lt­ weiten Export, neben ganz Eu­ ropa auch nach Südafrika oder Australien. Über DaimlerChrys­ ler gelangen auch viele Pro­ dukte aus Villingen in die USA. Dort soll innerhalb der nächs­ ten zwei Jahre ein weiterer Produktionsstandort aufge­ baut werden, ebenso in China. Trotz der internationalen A kti­ vitäten wird am hiesigen Stand­ ort weiterhin überproportional investiert. Etwa 10 Prozent des Umsatzes von 40 M illionen Euro gibt Kendrion Binder für Investitionen aus, also vier bis fü n f M illio nen Euro pro Jahr. Sabine Krüm m er 75 Geschäftsführer Heinz Freitag „Made by Binder“ : Eine Federdruck- Einlamellenbremse und eine Elektro- magnet-Einflächenkupplung.

Aus d e m W irts c hafts le be n Waldmann Lichttechnik Die Herbert W aldm ann GmbH & Co. KG produziert am Standort Schwenningen preisgekrönte Lichtlösungen für vielfältig e Einsatzm öglichkeiten Schon beim Betreten des Verwaltungsbaus von Waldmann Lichttechnik in der Peter-Hen- lein-Straße 5 wird deutlich, womit sich das weltweit tätige Schwenninger Unter­ nehmen beschäftigt: Mit Licht. So w irft im Eingang im Besucherbereich indi­ rektes Licht interessante Schatten an die Wand, und eine nacheinander in al­ len Farben hell erstrahlende und stabförmige LED-Leuchte zieht magisch alle Blicke auf sich. M it diesem „H ingucker“ zeigt Wald­ mann Lichttechnik, was derzeit m it den Leuchtdioden, kurz LEDs genannt, technisch möglich ist. Heute werden diese zwar hauptsächlich noch in signal­ artigen Gebieten eingesetzt, der Trend geht aber eindeutig dahin, dass die sehr langlebigen und energiesparenden Licht­ quellen auch in A rb e itsp la tz­ leuchten eingesetzt werden. LED-Leuchten sind eine erfolgreiche Neu­ entwicklung bei Waldmann. Oben der Kopf einer Leseleuch­ te, unten: Variationen von LED-Schutzrohr- leuchten. Während der Fachmesse „L ig h t & B uilding“ in Frankfurt, die 1 2 6 0 0 0 Besucher anzog und auch für das Schwenninger Unternehmen zum vollen Erfolg wurde, zeigte W aldmann Licht­ technik deshalb im April 2004 7 6 erstmals LED-Leuchten, die am Arbeitsplatz ein­ gesetzt werden können. „W ir führen die LED- Leuchte für den Maschinen-Bereich ein, ein ziem­ lich kompaktes M o d u l“ , wie Jörg Körper, Leiter M a rk e tin g -K o m ­ m un ikatio n, be- , u T T “ . … .J W a ld m a n n Lichttechnik to n t- Erste Klein- Serien der Rohr­ leuchten, in denen viel Know-How steckt, wurden bereits hergestellt. „ , Dass Waldmann die neuen LED-Leuchtmittel zuerst in Leuchten für Maschinen e infüh rt, er­ scheint logisch, ist doch diese Sparte traditionell ein gewichtiges Standbein bei Waldmann, das viel Erfahrung erfordert: Die Leuchten im M aschinen­ bereich müssen absolut dicht sein, da in den Ma­ schinen flüssige Schmierstoffe zur Anwendung kommen. Dringt Flüssigkeit in die Leuchte ein, w ird sie zerstört. Wenn auch während der letz­ ten „L ig h t & B uilding“ in Frankfurt die oben erwähnte LED-Beleuch- tung durchgängig als neuer Trend ausgemacht wurde, ist die Licht­ technik insgesamt ein viel weiteres Feld, das von W aldmann in aller Breite und Tiefe bearbeitet wird. Neben den Leuchten für M aschi­ nen sind Leuchten für A rbe itsplät­ ze allgemein eine weitere Domäne von Waldmann Lichttechnik. Früher war der Bereich A rb e itsp la tzb e ­ leuchtung kein Thema, als noch

£ Moderne Arbeitsplatz­ leuchten von Waldmann – hervorragende Licht­ technik, die mehrfach mit Designpreisen ausge­ zeichnet wurde. Hier das Modell „d iv a “.

Aus d e m W irts c hafts le be n schlichte Leuchtstoffröhrenreihen viele Arbeits­ plätze dom inierten. M itde m Einzugvon Personal Computern an fast jedem Arbeitsplatz aber w u r­ den schlagartig höhere Anforderungen an die Beleuchtunggestellt. Gutes Licht am Arbeitsplatz muss blendfrei und großflächig auf die Arbeits­ fläche fallen, dam it Schlagschatten oder Reflek- tionen vermieden werden. Hier setzte Waldmann Lichttechnik m it seinen leicht verstellbaren Ge­ stängearbeitsplatzleuchten neue Maßstäbe. Die SchwenningerSpezialisten gingen das Problem­ feld „L ic h t“ zudem ganzheitlich an. Heraus kam dasW a ld m a nn -„2K ® “ -Lichtsystem, das in dire k­ te Raumbeleuchtung und direktes Arbeitsplatz­ lichtzu komplexen Beleuchtungssystemen zusam­ menfasst. Für deren zwei Komponenten steht das „2 K “ . Wie w ichtig wohltuendes und ergonomisch individuell angepasstes Licht ist, wurde in den 90er Jahren deutlich, als zahlreiche Call-Center mit vie­ len PC-Arbeitsplätzen eingerichtet wurden. Diese Telefonarbeitsplätze in Großraumbüros – die ein­ zelnen Arbeitsplätze sind meist nur durch Stell­ wände getrennt – schufen hohe Belastungen für die Mitarbeiter. Ausgeklügelte Beleuchtung konn­ te hier ein besseres Arbeitsplatzklim a schaffen und das Problem der hohen Fluktuation optim al lösen. Ideenreich und unermüdlich Die Wurzeln von Waldmann Lichttechnik in Schwen­ ningen gehen bis ins Jahr 1928 zurück. DerGroß- vater der heutigen Besitzer und Geschäftsführer, Emil Waldmann, hat sich nach seiner M eister­ prüfung als Elektromechaniker Ende 1928 selb­ stän dig gemacht und die Firma Elektro-Wald- mann gegründet. Ein damals mutiges Unterfan­ gen. Gegenstand des kleinen Unternehmens war die Ausführung von Elektro-Installationen und die Instandhaltung elektrischer Geräte und M o­ toren. M it Fleiß, Ausdauer, neuen Ideen und sei­ nem ausgeprägten, typisch schwäbischen Tüftel­ talent hat er den Betrieb durch die schwierigen Zeiten bis nach dem Krieg gebracht. Nach dem Zweiten W eltkrieg übernahm 1945 der Sohn des Firmengründers, Herbert W aldmann, den Neu­ aufbau. Der eigentliche Grundstein fürWaldmann Licht­ technik wurde 1958 gelegt, als mit der Fertigung von Mehrzweckleuchten und Spezial-Arbeitsplatz-

leuchten begonnen wurde. Aus klei­ nen Anfängen heraus entstand schon in kurzer Zeit eine beachtliche Reihe an Spezialleuchten, die in bis dahin unbekannter Weise die Lichtanforde­ rungen moderner Industriebetriebe lösen konnten. Es war dem Ideen­ reichtum, dem unermüdlichen Er­ folgsstreben und dem beispielhaf­ ten Elan Herbert Waldmanns zu ver­ danken, dass es nicht bei diesen An­ fangserfolgen blieb. Herbert Waldmann legte 1958 den Grundstein für Waldmann Lichttechnik. Weitere wichtige Meilensteine hatte das Schwenninger Unterneh­ men Anfang der 70er Jahre zu ver­ zeichnen: 1971 erfolgte die Grün­ dung derTochtergesellschaften in Frankreich und in der Schweiz. Nur zwei Jahre später nahm das Schwenninger Unternehmen mit der Errichtung des heutigen Firmengebäudes im Industriege­ biet Ost ein weiteres großes Vorhaben in Angriff. Wiederum nur zwei Jahre später wurde das Pro­ duktangebot auf m edizinische Bestrahlungsge­ räte erweitert. Waldmann Lichttechnik wuchs in der Folgezeit weiter. Die Gründung weitererToch- tergesellschaften in den USA, Italien und Öster­ W a ld m a n n Lichttechnik reich auf der einen Seite und die Er­ w eiterung des Verwaltungsgebäu­ des und ein Hallenneubau für die Fabrikationserw eiterung im Jahre 1986 andererseits unterm auern dies. Die 90er Jahre waren vor allem durch die Übernahme des Unter­ nehmens durch die Söhne Gerhard und Rainer W aldmann nach dem Tod von Herbert Waldmann 1995 ge­ kennzeichnet. O bw ohlvordreizehn Jahren ein w eiterer Hallenneubau ve rw irklich t wurde, richtete sich W aldmann Lichttechnik in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr international aus. In Singapur wurde 1995 eine Vertriebs-Tochtergesellschaft ins Leben gerufen; zwei Jahre später wurde dort auch produziert. 1998 gründete Waldmann Lichttechnik mit dem Lighting Innovations Center (LIC) in Schaff­ hausen ein Zentrum für lichttechnische Grundla­ genforschung. Dies blieb nicht die einzige A kti­ v ität in der Schweiz: 1999 übernahm Waldmann die Derungs Licht AG in Gossau, die Medizinleuch­ ten herstellt. Seit vier Jahren istda sS chw enn in- ger Unternehmen auch in den Niederlanden mit einer eigenen Niederlassung vertreten. Nach wie vor laufen aber in Schwen­ ningen die Fäden zusammen. Von hier aus wird der w e ltw ei­ te Vertrieb von Leuchten und medizinischen Bestrahlungsge­ räten gesteuert. Auch der Löwen­ anteil an Büro-, Arbeitsplatz, Maschinen- und A rch ite ktu r­ leuchten wird im Industriegebiet Ost der Neckarstadt gefertigt. Im Jahr 2003 feierte das Un­ ternehmen sein 75-jähriges Be­ stehen. W eltw eit beschäftigt W aldmann Lichttechnik heute rund 700 M itarbeiter, wovon et­ Ein Schwenninger Traditionsun­ ternehmen: die Herbert Wald­ mann GmbH & Co. KG. 79

wa 500 in Schwenningen tätig sind. Im vergange­ nen Jahr erw irtschaftete W aldmann Lichttechnik rund 80 M illionen Euro Umsatz, wobei der Export etwa die Hälfte der Geschäfte ausmacht. „Pulse“ – Intelligentes Lichtmanagement Die Lichtspezialisten ruhten sich aber nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern führten die Entwick­ lung von Arbeitsplatzleuchten w eiterhin konse­ quent fort: So ist das Lichtmanagement mit dem Namen „PULSE“ ein weiteres wichtiges Thema. Leuchten dieses Systems werden mit Sensoren bestückt. So erkennt die „intelligente“ Leuchte, wenn sich niemand mehr im Raum aufhält und Gerhard und Fainer Wald­ mann am Messestand des Unternehmens au f der Fachmesse „Light & Buil­ ding“ in Frankfurt. schaltet sich dann selbst­ ständig aus. Die „PULSE“ – Raumbeleuchtung sorgt auch dafür, dass jederzeit ein gleichm äßiges, ange­ nehmes Lichtklim a erhal­ ten bleibt, egal ob die Son­ ne scheint oder nicht. In mo­ dernen Gebäuden wird heute die Haustechnik, wie Heizung und Beleuchtung oder Belüftung oft mit Bus-Systemen gesteuert. Mit der Entwicklung des Pulse EIB Moduls gelang es Waldmann, ein w elt­ weit einzigartiges, weil leuchtenintegriertes Licht­ management zu schaffen. Die mit diesem Modul ausgestatteten Stehleuchten müssen einfach nur an den Bus angeschlossen werden und sind dann in das Gebäudemanagement integrierbar. Dass die Beleuchtung nicht nur technisch ausgeklügelt, son­ dern auch formschön sein kann, bewies Waldmann wieder in der jüngsten Zeit: Die Neuentwicklun­ gen von Waldmann Lichttechnik für das Büro, wie die Designleuchte „diva“ oder das Indirektleuch­ tenprogramm „eos“ , wurden mit dem „reddot de- sign aw ard“ ausgezeichnet. W aldmann Lichttech­ nik befasst sich aber nicht nur m it sichtbarem Licht, denn seit 1975 umfasst das Angebotsspektrum von Waldmann auch medizini­ sche Bestrahlungsgeräte. Mit den Geräten, die im UV- Lichtbereich arbeiten, kön­ nen Krankheiten wie Neu­ roderm itis oder Schuppen­ flechte behandelt werden. Natürlich arbeitet Wald- Blick in die uroduktion

W a ld m a n n Lichttech nik Das Design der Waldmann-Leuchten ist mehrfach preisgekrönt, unter anderem m it dem „reddot design award“. Hier die Mo- delle „diva “ und „ eos “ denen auch Regenwasser nichts an­ haben kann, da sie spritzw asserge­ schützt sind, in verschiedenen Farben an. So sind sie in Rot, Gelb, Grün, Blau und Weiß erhältlich. M it diesen attrak­ tiven Lichtfarben wird eine hohe Auf­ merksam keit erreicht. Farbige Licht­ akzente erweitern zudem die gestalte­ rischen Möglichkeiten. Bestückt sind die Leuchten mit 64 LEDs, entweder in Reihe oder m it zwei mal 32 Stück. Die 600 oder 1050 Millimeter langen Leuch­ ten benötigen lediglich 10 Watt, also wesentlich weniger als eine klassische Glühbirne, wie sie im Haushalt einge­ setzt wird. Die Forschung und Entwicklung bei den Leuchtdioden als Leuchtmittel ma­ chen so gute Fortschritte, dass Wald­ mann die wartungsarmen Sparmeister auch in Arbeitsplatzleuchten vermehrt einsetzt. Wenn gleichm äßig flächiges Licht und kleine Abmessungen gefor­ dertsind, ist die Waldmann LED-Lese- leuchte eine innovative Lösung. M it ihren 49 weißen Leucht­ dioden bringt sie hohe Beleuchtungsstärke, genau ge­ sagt 400 Lux, auf die Arbeitsfläche. Dazu lässt sich der Leuchtenkopf spielend leicht positionie­ Sabine Krüm m er ren. 8 1 mann hier eng m it Fachleuten aus der Medizin zu­ sammen. Ein weiteres Betätigungsfeld der Wald­ mann Lichttechnik schließlich sind Lichtideen für die Architektur. Diese Leuchten fügen sich har­ monisch in Gebäudefassaden ein, egal ob es sich hierbei um m od ern eA rchite ktu rha nde lt oderum historische Fassaden bis hin zu Brücken. Waldmann setzt auf Leuchtdioden Leuchtdioden kennt jeder: Wurden sie frühervor- rangigin elektronischen Geräten eingesetzt, sind sie heute in Fahrradleuchten ebenso zu finden wie in den Rücklichtern von Pkws. W aldmann geht nun einen Schritt weiter, da die kompakten Leuchtdioden, kurzauch LEDs genannt, viele Vor­ teile bieten: Die LEDs verbrauchen wesentlich we­ niger Strom und zeichnen sich durch eine hohe Wartungsfreiheit aus. Dies macht sie für Fassa­ denbeleuchtungen interessant, die schwer zu­ gänglich und dam it nur mit hohem Aufwand zu warten sind. Neben der kleinen Bauform, der ext­ rem langen Lebensdauer und sparsamem Be­ trieb zeichnen sich die modernen LED-Leucht- m ittel durch UV-freies Licht aus. Um Architektur ins rechte Lichtzu setzen, bie­ ten sich die neuen LED-Leuchten von Watdmann an. Der Schwenninger Hersteller bietet die Leuchten,

Aus de m W irts c hafts le be n Denkmalpflege und moderne Bau-Technologie Die G rem m elsbacher Bruno Kaiser GmbH bietet als Gipser- und Stuckateurunternehm en eine breite P alette an Dienstleistungen Was unternehm erischer Wagemut ist, kann man von Bruno Kaiser, dem Se­ niorchef des Gipser- und Stuckateur­ geschäfts in Gremmelsbach, erfahren. Bruno Kaiser, dessen Elternhaus in Nie­ derwasser steht, lernte, bevor er Gip­ ser und Stuckateur wurde, das Maurer­ handwerk, bis er sich darüber klar wur­ de, wo Neigung, Begabung und Berufs­ ziel lagen: 1965 und 1966 besuchte er die Ferdinand von Steinbeis-Schule in Reutlingen und legte dort die Meister­ prü fu ng im Stuckateurhandwerk im März 1966 mit Erfolg ab. Am 1. April 1966 wurde der Gipser- und Stucka­ teur-Betrieb gegründet, und es ging m it kleinen Schritten aufwärts: aus allen Stürmen, die auch ihm nicht erspart blieben, ging er immer gestärkt hervor. Zunächst galt Bruno Kaiser in der Raumschaft als Fremder, von außerhalb der Kreisgrenze He­ reingekommener, dann hatte er sich gegen die mächtige Konkurrenz von sechs Unternehmen zu behaupten, dazu waren auch Investitionen für Gerüste und moderne Maschinen erforderlich, um von Anfangan auf dem neuesten technischen Stand arbeiten zu können. In allen Jahren war Ehefrau Margarete die wert­ vollste und treueste Helferin der Firma, sie besorg­ te vom ersten Tag an bis zur Geschäftsübergabe an die beiden Söhne den größten Teil der Büroarbei­ ten, sie erinnert sich auch noch sehr gut an die Zeit von 1966 bis etwa 1975, wie sie jeden Freitag, wie es dam als üblich war, den A rbeitslohn in der Lohntüte auf die Baustellen brachte und jedem Mitarbeiter persönlich in die Hand gab. Zu diesen Beschäftigten zählten auch Gastarbeiter aus Ita­ lien und Spanien, und sie waren die allertreuesten; sie blieben, als andere meinten, bei anderen Fir­ men durch Akkordarbeiten mehr Geld verdienen zu können. 8 2 Firmengründer Bruno Kaiser m it seinen Söhnen Günter und Werner Kaiser, die heute die Geschäfte führen. Es waren auch Rezessionen durchzustehen, und es gab zu jener Zeit harte und lange Winter, welche die Baustellen für Wochen lahm legten. Der erste Großauftrag war der Umbau des ehe­ maligen Schulhauseszum Rathaus in Gremmels­ bach (1966), der Auftrag für den Außenputz der hiesigen Kirche wurde im folgenden Jahr erledigt. Im Laufe der nächsten Jahre waren die größe­ ren Baustellen die Kronenbrauerei in Homberg, ein Wohnkomplex in der Oberstadt in Triberg, der Volksbankumbau und der Sparkassenneubau. Das Geheimnis des Erfolgs des Firmenchefs liegt in der Menschenführung. Er übertrug seinen Mitarbeitern Verantwortung, schenkte ihnen sein Vertrauen, ordnete nicht „von oben“ an, sondern machte Verbesserungsvorschläge. Das motiviert. Damit hat er, wenn nicht in jedem Fall, so doch im Allgemeinen die besten Erfahrungen gemacht. Das Vertrauen des Chefs w ollte so schnell keiner enttäuschen. Diesen Stil haben die Söhne über­ nommen. Der Ausbildungsstand der M itarbeiter befin­ det sich auf hohem, ja höchstem Niveau. Es w ur­ den in der Zeit von 1966 bis 2003 Uber 30 Lehr­ linge ausgebildet, darunter auch Florian Gießler,

der Vizeweltm eister im Stuckateurhandwerk (s. Almanach 2002, S. 128 -130), Günter Kaiser w u r­ de Bundessieger (1980), des Weiteren gab es un­ ter ihnen noch mehrere Landes-, Kammer- und In­ nungssieger bei den Berufswettbewerben. Die Firma hat 30 M itarbeiter angestellt, zwei Baulei­ ter, im Büro zwei Angestellte. Für die Weiterbil­ dung werden hohe Investitionen getätigt, doch zahlten sich diese in w irtschaftlich schwierigen Zeiten aus. Selbst in Rezessionsphasen expan­ diert der Betrieb. Lösungen im Team erarbeiten Für Fachkräfte stehen alle Möglichkeiten offen. Ei­ ne große Rolle spielt der Teamgeist. Gemeinsam wird die Planung durchgeführt, es wird beraten, wie Fehler verm eidbar sind, kamen sie aber vor, wird die Frage erörtert, wie man mit ihnen umgeht, wie man sie in Zukunft vermeidet. Wie kann die Arbeit zugunsten des Kunden optim iert werden? Um auf Veränderungen im Bauwesen angemes­ sen, rechtzeitig und fachgerecht reagieren zu können, belegte man „Nischen“ w iedie Denkmal­ pflege oder bereitete sich auf Baukonzepte vor. Das Oktaederhaus von Kaiser, hier in Mönchweiler, deckt seinen Energiebedarf allein m it Sonnenkraft. Bruno Kaiser G m bH Solche Investitionen zahlen sich langfristig aus. Die Führung des Betriebs legte im m er Wert da­ rauf, so krisenunabhängig wie möglich zu sein. So baute man das Unternehmen auf drei Säulen auf: Die Kaiser GmbH führt alle klassischen Ver­ putz- und Renovierungsarbeiten durch und stellt ihre Gerüste Bauherren und Handwerkern zur Verfügung. In ersterL in ieb ein ha ltetdie serZ w eig Energiesparmaßnahmen durch Wärmedämmung. Die Firma führt den Titel „Geprüfter Gebäude-Ener­ gieberater“ . Beim Innenausbau liegt der Schwer­ punkt bei Glanzputzen, mediterranen Putzen und Farben. Seit 1998 hat die Firma Kaiser den Bereich „Bauconcept-Haus“ angeschlossen, der schlüssel­ fertige Häuser h e rs te llt-z u einem Festpreis und mit garantiertem Fertigstellungstermin. Reine Bau­ zeit: 12 Wochen. Modernste Systeme, m oderns­ te Bautechnik werden eingesetzt, eine spezielle Ständerkonstruktion und massive Bauteile. Das Neueste ist ein Oktaederhaus, das seinen Ener­ giebedarf allein von der Sonne deckt, ohne Öl und Gas auskom m t und so w e it als möglich die Regenwassernutzung w ahrnim m t. Dieser Bau­ bereich hat große Zuwächse und expandiertauch bei sonst schwacher Konjunktur. Die Firma hat Aufträge von Offen burg bis Donaueschingen und Rottweil. In Kooperation mit anderen Firmen baut sie ganze Wohnhäuser und Betriebsgebäude. Ge­ genwärtiges Beispiel: das G roßprojekt Service- 8 3

Aus d e m W irts c hafts le be n Center, Mönchweiler (ein Lebensmittelmarkt, zehn Ladengeschäfte und 24 betreute Seniorenwoh­ nungen). eine 8,5 m hohe WC-Skulptur der Firma Duravit in Hornberg nach dem Entwurf des Pariser Desig­ ners Philippe Starck. Die dritte Säule ist die Denkmalpflege, ein na­ hezu endloses Gebiet. Keine einzige Kirche steht in der näheren Umgebung, die nicht von der Fir­ ma Kaiser restauriert worden wäre. Selbstverständ­ lich gehören auch Kapellen dazu: die Laubwald­ kapelle in Schonach oder die Nußhurtkapelle in Nußbach. Einer großen Zahlvon historischen Bau­ ernhöfen gaben M ita rb e ite r der Firma Kaiser gleichfalls ein neues Aussehen und erhielten ih ­ ren Baubestand. Aufträge hierfür kommen aus ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus. Auf der Referenzliste steht w eiter die Stadthalle im Jugendstil von Landau / Pfalz, an der die Firma m it zehn Fachleuten eineinhalb Jahre lang gear­ beitethat, die Innenrenovation der Kirche in Grem- melsbach, die Putzsanierung am Kirchturm der W allfahrtskirche und die Stuck- und Farbfassung am Rathaus in Triberg. Zur Zeit baut Kaiser die ita­ lienischen Fassaden im Europa-Park Rust sowie Stuck: eine alte, faszinierende Technik Man sagt nichts Neues, wenn man behauptet, die Arbeit m it Stuck steht der Kunst nahe oder sie ist selbst Kunst. Die bisherigen Ausführungen von Günter Kaiser könnten auch die jedes erfolgrei­ chen Bauunternehmens sein. Seine Darlegungen zum Stuck dagegen sind außergewöhnlich und faszinierend. Man weiß natürlich in Fachkreisen, dass Stuck ein uraltes Material in der Hand des Künstlers ist, Griechen und Römer kannten ihn, verkleideten mit Gips Innenräume und Säulen. In den Zeiten nach ihnen wurden Tausende von Re­ zepten entwickelt, um den Stuck haltbar zu ma­ chen, seine Verfestigung zu verzögern und ihm einen bestim m ten Farbton zu geben – von Rot­ wein und Schiefer bis zu Kälberhaaren. Der Laie denkt dabei sofort an „Geheim­ rezepte“ , „B etriebsgeheim nis­ se“ , im negativen Sinne an Werkspionage. Nichts von al­ ledem w eiß man im Bereich der S tuckherstellung, im Ge­ genteil, man legt Wert darauf, dass nachfolgende Generatio­ nen die Bestandteile erkennen können, um zu wissen, wie sie Ausbesserungen durchführen müssen und dabei keine Un­ terschiede im Farbton auftre- ten. Erst recht faszinierend wird es für den Stuckateur, wenn er feststellen kann, welche Tech­ nik in welcher Zeit der Kunstge­ schichte und in w elcher Ge­ gend für diesen Dekorations­ s til angewendet wurde. Wohnhaus in Triberg m it kunst­ voller Stuckfassade.

Man versteh t Günter Kaiser, wenn er äußert, dass er nur mit großer innerer Spannung eine Ba­ rockkirche betreten kann. Keine Kunstepoche hat wie der Barock in solch überwältigendem Ausmaß und solcher Meisterschaft von den Gestaltungsmöglichkeiten (auch von seinenTäuschungsmöglichkei- ten) Gebrauch gemacht. Stuck ist seine Leidenschaft, auch die Decke des Büros ist aufs kunstvollste da­ m it ausgestattet. Günter Kaiser ist auch öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Stuckateurhandwerk. Als solcher hat er Gerichts­ gutachten (aber auch Privatgutachten) zu erstellen. Vom Glück begünstigt w ardie Familie dadurch, dass beide Söhne ins Geschäft eingestiegen sind, beide m it der Meisterprüfung. Sie konnten in das vier Jahre zuvor erworbene Betriebsgebäude (Un­ tertal 4) einziehen. Von Kindesbeinen an waren sie mit dem Bau verbunden, Günter machte im el­ terlichen Betrieb seine Lehre, war bei Wettbewer­ Bruno Kaiser G m bH Das Wappen der Gemeinde Grem- melsbach in Stuck, geschaffen von der einheimischen Kaiser GmbH. ben Innungssieger, Kammersieger, Landessieger und Zweiter Bundes­ sieger, er arbeitete in Ludwigsburg, München und Riad, (Saudi-Ara­ bien), wo er unter anderm den Pa­ last eines Scheichs mit Stuck aus­ kleidete. Sein Bruder Werner Kaiser machte nach dem Wirtschaftsabitur eine Stuckateurlehre in Freiburg und trat ebenfalls in den elterlichen Betrieb ein. Schon ist es keine Überraschungmehrzu erfahren, dass er Erster Landesvorsitzender des Stucka­ teurverbandes für Ausbau und Fassade in Ba­ den-W ürttem berg und im Schwarzwald-Baar- Kreis Obermeister der Stuckateurinnung ist. Der Vater übertrug beiden Söhnen 1987 das Geschäft. Die Firma Kaiser ist heute im ganzen deutschen Südwesten bekannt. Karl Volk Eine Stuckdecke im Jugendstil schmückt die Festhalle in Landau, saniert wurde sie von der Firma Bruno Kaiser GmbH, die sich auch au f Denkmalpflege spezialisiert hat. 8 5

Aus d e m W irts c hafts le b e n Beispielhafte städtebauliche Akzente Sparkasse Donaueschingen verbindet Jugendstil mit m oderner Architektur Einfachheit, Klarheit und Offenheit dominieren das Unternehmen, dessen Wurzeln im 19. Jahr­ hundert liegen. Die Sparkasse Donaueschingen hat seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert eine bewegte Geschichte. Durch die Neugestaltungder Zentrale in den Jahren 2000 bis 2003 erfährt das Gebäude optisch und baulich eine Neuorientie­ rung, die den Jugendstilbau mit der Moderne per­ fekt verbindet. Die Ausgestaltung der Kunden- und Arbeitsbe­ reiche find et in der U nternehm ensphilosophie ihre Fortsetzung. Das Finanzinstitut mit Wurzeln im 19. Jahrhundert schafft dadurch den erfolgrei­ chen Sprung ins 21. Jahrhundert. In der ersten Badischen Sparkassenstatistik findet sich die „Sparkasse für das Fürstenthum Fürstenberg“ vermerkt, dieVorgängerin der heu­ tigen Sparkasse Donaueschingen. Diese Bezeich­ nung hatte die Sparkasse bis zur Änderung der Gewährträgerschaft am 1. Januar 1858. Im Rech­ nungsjahr 1842 wurden in den fürstenbergischen Der Sparkassenneubau: Donaueschinger Jugend­ stil in Kombination m it der Moderne.

Landen „U ntereinnehm ereien“ (Zweigstellen) er­ richtet, in denen zumeist örtliche fürstliche Be­ amte beauftragt waren, im Namen der Donauesch- inger Sparkasse Geld anzunehmen und hierfür einen Interimsschein auszustellen. Dies erm ög­ lichte selbst Personen aus Haslach im Kinzigtal, Wolfach, Löffingen, Im mendingen, Engen oder Meßkirch Einlagen zu tätigen, ohne den beschwer­ lichen Weg in die standesherrschaftliche Residenz zu machen. Ab 1843 mit geregelter Geschäftszeit Im Haus der Handelsleute Maggi und Grasselli, im damaligen Haus Häfner, konnte Geld eingelegt werden. Ab 3. Januar 1843 galt für Einheimische eine geregelte Geschäftszeit. Sonntags von 10 bis 12 Uhr waren im Rathaus im Büro des Bürger­ meisters Spareinlagen möglich. Ende 1843 hat­ te der Reservefonds endlich die in den Statuten vorgesehenen 1 0 00 Florin (fl) erreicht, nachdem „…s ic h die Anstalt bis jetzt immer noch nicht aus ihren Kinderschuhen zu befreien v e rm o ch te …“ , wie in einem Vortrag des Ausschußvorsitzenden vordem landwirtschaftlichen Verein des Amtsbe­ zirks Hüfingen zu lesen ist. Der Einlagenbestand nahm bis 1847 auf 52 788 Florin 40 Kreuzerzu, ob­ wohl in jenen Jahren eine sich zuspitzende Agrar­ krise eine Auswanderungswelle auch auf der Baar nach sich zog. Das Revolutions­ jahr 1848 überstand die„Spar-Kassa-An- stalt“ recht unbeschadet. Nachdem derVerwaltungsvorsitzen- de und Bürgermeister Raus aus p o liti­ schen Gründen in die Schweiz flüchten mußte, kam Hofapotheker Ludwig Kirs- ner an die Spitze des Verwaltungsra­ tes. Das Gros der Kundschaft hatte wei­ ter Vertrauen, was den Geschäftsver­ lauf positiv beeinflußte: 1850 konnte die Sparkasse erstmals Staatsanlei­ hen kaufen. Der Badischen Eisen- bahnbaukasse wurden 6 000 fl, ver­ zinsbar zu 5 Prozent, zur Verfügung gestellt. Berühmtester Kunde war der fürstenbergische Hofkapell­ meister Johann Wenzel Kalliwoda. Durch den Verlust eines hoch belie- Sparbüchse der Bezirkssparkasse Do­ naueschingen, Ende der 1920er Jahre. S p ark a ss e Donauesch ing en Einer der berühmtesten Kunden der Sparkasse Donaueschingen war der Komponist Johann Wen­ zel Kalliwoda. henen Bauernhofs an der Schwarzhalden beim Schluchsee w urde be­ schlossen, alle Guthaben, die mehr als 300 fl aus­ machten, m it W irkung vom 20. Mai 1855 zu kün­ digen. Zudem sollte der W irkungsbereich der Sparkasse eingeschränkt werden. Nach dem To­ de Karl-Egon II. Fürst zu Fürstenberg stellte sich die Frage nach der G ew ährträgerschaft. Dem Großherzoglich Badischen Bezirksamt fiel es nun zu, die Sparkasse von der fürstlichen in eine kom­ munale Garantiegemeinschaft überzuleiten. Eisenbahn begünstigt Entwicklung Einem Aufrufvom 28. März 1857 des Bezirksamts Donaueschingen an die Kommunen, der Einrich­ tung einer Waisen- und Sparkasse beizutreten, stim m ten sofort 23 der 39 Gemeinden zu. In den folgenden Jahren wuchs die Zahl an. Einen ent­ scheidenden Schub erhielt die Wai­ sen- und Sparkasse Do­ naueschingen durch die Eröffnung der Ei­ senbahnverbindungen Donaueschingen-Engen und w e iter ins Schwei­ zerische Schaffhausen (1868) sowie Donau- esch in gen -V illing en -O f- fenburg (1869/73): Die Spareinlagen wuchsen an, w e il der Handel m it land- und fo rstw irtscha ftliche n Produkten anstieg. Vom Stadtbrand am 5. August 1908 war auch die Sparkasse Donaueschingen betroffen. Das Verwal­ tungsgebäude sam t Ein­ richtung wurde ein Raub 8 7

der Flammen. Die gesamten Geschäftsbücher und Akten konnten jedoch gerettet werden. Be­ reitsein ja hr später wurde auf der Grund läge von Plänen des Verbandsausschusses (7. Juni 1909) am 28. Juni 1909 m it dem Bau eines neuen Spar­ kassengebäudes begonnen. Bereits am 27. Okto­ ber 1910 wurde der Geschäftsbetrieb im neuen Gebäude aufgenommen. Als Notunterkunft hatte das damalige katholische Vereinshaus gedient. In den 1930er Jahren machte die Gleichschal­ tung A dolf Hitlers im Dritten Reich auch vor der Sparkasse nicht halt. NS-Kreisleiter und Donau- eschingens Bürgermeister Sedelmeyer erreichte auf der Grundlage des Reichsbeamtengesetzes zum 1. Mai 1937, daß alle Angestellten und Beam­ ten der Bezirkssparkasse Donaueschingen in die Sparkassenimpressionen: Oben links das am Vorabend des Ersten Weltkrieges er­ richtete Gebäude, unten links die Sparkasse von 1955 und rechts die Sparkasse 2004, die architektonisch ein Brückenschlag zwischen Geschichte und Moderne darstellt. NSDAPeintreten mußten. Of­ fenkundig wurde das Ende des Zweiten W eltkriegs durch die Plünderung der Schließfächer der Kreisspar­ kasse durch die eingerückten französischen Truppen, die ungefähr 5 4 0 0 0 Reichsmark und Gold entwendeten. Am 20. Juni 1948 wurde über die Bezirkssparkasse die Kopfquote der Bundesre­ publik Deutschland ausbezahlt: 40 Deutsche Mark für jeden. Hilfe beim Aufbau einer neuen Heimat Von Anfang an bem ühte sich die Bezirkssparkas­ se, den Kriegsvertriebenen beim Aufbau einer neu­ en Heimat auf der Baarzu helfen. Sie verteilte von 1948 bis 1952 die finanziellen ERP-Mittel an den Vorläufer der Baugenossenschaft „Familienheim Schwarzwald-Baar“ ,gewährtezinsgünstige Darle­ hen. Seit 1953 wuchsen die Spareinlagen stark an, die maschinelle Kontenbearbei­ tu n g w u rd e eingeführt. 1955 folgte der Umbau der Haupt­ stelle der Bezirkssparkasse m it Erweiterung des Kun­ denbereichs. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre kam es zur Erweiterung des Zweig­ ste llen betrie bs. 1967 be­ schloß der Verw altungsrat einen Erweiterungsbau an die Hauptstelle, der zwischen 1968 bis 1970 realisiert w ur­ de.

S p ark a ss e Donaueschin g en Die neue Sparkassenzentrale Eine neue Ära brach für die Sparkasse Donauesch­ ingen m it der Neugestaltung der Zentrale an. An­ stoß hierfür gab ein Architektenw ettbew erb im April 2000. Bereits zwölf Monate später, im Mai 2001, wurde mit dem Umbau und der Erweiterung des Jugendstilgebäudes aus dem Jahr 1910 be­ gonnen. Im Juni 2003 war es soweit: Die Synthese des historischen Gebäudes und moderner Archi­ tektur war geglückt. Die Hauptnutzfläche beläuft sich nach Bauen­ de auf 4 714 Quadratmeter, die Bruttogeschoßflä­ che auf 10582 Quadratmeter, der Bruttoraumin- h a lt 4 i 7 i4 Kubikmeter. Etwa 170 M ita rb e ite rfin ­ den in dem Gebäude Arbeit. Die Sparkassenzentrale besticht neben der die M ühlen- und Käferstraße dom inierenden, je ­ doch nicht aufdrängenden Architektur durch öko­ logische Aspekte: Die Flachdächer sind begrünt, 9 0 Blick in die Schalterhalle und auf die trans­ parente, einfache und klare Fassade. eingebaut ist eine Tageslichtlenkung mit sensorgesteuerter Verschattung, Nachtaus­ kühlung über Fassadenelemente sowie Kühl­ decken. Durch den Einsatz von Erdsonden­ te ch n ikw ird das Innenklima des Gebäudes bei geringen Betriebskosten gesteuert. Das Konzept der neugestalteten Zentra­ le ist simpel: Einfachheit, Klarheit und Of­ fenheit, der bauliche Kontrast zwischen Alt und Neu sowie dem Erweiterungsbau bie­ ten Transparenz und Geschlossenheit. Die­ se Forderungen in städtebaulich schw ieri­ ger und beengter Lage war nicht einfach. Über die vollständig verglaste Kundenhal­ le wird der weitgehend freigestellte und re­ novierte Altbau verbunden. Das Gesamten­ semble wird durch den Jugendstilbau er­ gänzt. Die Einzelhäuser nehmen die Höhen­ staffelung und die Proportionen der umge­ benden Bebauung auf. Zwischen den Bau­ körpern entstehen Grünräume, die sich im Norden m it dem Garten beim Am tsgericht verbinden. Die dreigeschossige Kundenhal­ le bildet den zentralen Ort der Hauptstelle. Dort werden die Außenfassaden nach Innen ge­ führt. Nach oben löst sich die Kundenhalle über die rahmenlose Ganzglasdecke auf: der Himmel wird so sichtbar. Das wechselnde Tageslicht soll zum Wohlbefinden der M itarbeiter und Kunden beitra­ gen. Das durchgehende Farbkonzept bildet den Rahmen für die Sonderbereiche der Zentrale. Kombibüros finden sich nicht nur in den internen Bereichen sondern auch in den Kundenabteilun­ gen. In sich geschlossene Abteilungen der Kombi­ büroeinheiten fördern das Zusam m engehörig­ keitsgefühl. Das Casino der Sparkasse liegt ebenerdig zum Park der Grünfläche des Amtsgerichts. Dort wird die Philosophie der Gestaltung der Zentra­ le fortgesetzt: großzügige Raumwirkung, in der sich die Menschen w ohl fühlen. Pause und Kom­ m unikation fördern das Engagement und die Zu­ friedenheit der M itarbeiter zum Wohle der Kun­ Stefan Limberger-Andris den.

5. Ka p i t e l P e r s ö n l i c h k e i t e n Klaus Haubner Banker m it Leib und Seele, Banker mit Herz Vom Lehrling in die Chefetage der Sparkasse Villingen-Schwenningen Er ist Banker mit Leib und Seele, und – fast möch­ te man sagen: dennoch – ein Banker mit Herz. Seit mehr als 50 jahren arbeitet Klaus Haubner bei der Sparkasse Villingen-Schwenn ingen, seit fast 30 fahren als V orsta ndsvo rsitzend er- eine Lauf­ bahn, an der die lange Dauer nicht das einzig Un­ gewöhnliche ist. Vom Lehrling hat es Haubner in die Chefetage geschafft, vom Volksschüler zur Hochschulabsolvent, und doch waren Ehrgeiz und Karrierebewusstsein nie seine maßgeblichen An­ triebsfedern. Haubner wird in einem Radius weit über V illingen-Schw enningen hinaus vor allem wegen seiner menschlichen und fachlichen Qua­ litäten geschätzt und wegen seines Engagements auch auf fachfremden Gebieten. 2004 ist das Jahr des Abschieds: Klaus Haubner geht in den Ruhe­ stand. Gerade mal 13 Jahre alt war er, als er vor dem Abschluss der Volksschule und vor der Berufs­ wahl stand. Eine Berufsberatung gab es damals noch nicht. Eigene Vorstellungen hatte Klaus Haubner nicht, von seiner M utter – der Vater war bereits 1941 in Russland gefallen – kam die Idee einerW erkzeugmacherlehre. Den Ausschlag gab dann der Rat seiner Lehrerin Paula Straub, die bereits damals „S tra u la “ genannt wurde und ei­ ne weithin bekannte und geschätzte Persönlich­ keit der Stadt ist. Sie hatte gehört, dass die Städ­ tische Sparkasse Villingen (je tzt Sparkasse V il­ lingen-Schwenningen) einen Lehrling suchte – so war es dann auch. „Etwas anderes hätte genauso rich tig sein können,“ sagt Haubner rückblickend. „M an kann aus jedem Beruf etwas machen und Kreativität entwickeln.“ Er ist jemand, der sich Aufgaben stellt, 9 2 Klaus Haubner die aktuell da sind, statt von fernen Sternen zu träumen und über verpasste Chancen zu trauern. Darum fällt ihm das Reflektieren über sein beruf­ liches Leben auch nicht leicht, er steckt bis zu­ letzt mitten drin im Geschehen, in der Gegenwart, und da ist allerhand los. 2004 feiert die Sparkas­ se VS ihr iso -jäh rige s Bestehen, zugleich wurde die Fusion mit Donaueschingen in itiie rt und da­ mit eine grundlegende interne Neustrukturierung. Doch anders als bei den Großbanken ist die nicht autom atisch m it Entlassungen in großem Stil verbunden, notwendiger Personalabbau wird mit Augenmaß und behutsam vollzogen, über na­ türliche Fluktuation also. Zum Zeitpunkt von Haub- ners Ausscheiden standen bei der d o p p elstäd ti­ schen Bank mehr als 600 Menschen in Lohn und Brot, rund 40 waren es in seinem ersten Lehrjahr anno 1953. Damals betrug die Bilanzsumme 17 M illionen DM, 2004 waren es 2,3 M illiarden Eu-

ro. Allein die wenigen Zahlen deuten eine rasan­ te Entwicklung an, die m arkiert war von Innova­ tionszyklen und immer neuen Aufgaben. „Darum wurde es mir nie langweilig,“ erklärt Haubner sei­ ne aus heutiger Sicht kaum noch nachahmbare Treue zum lokalen Kreditinstitut. Er hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt, „se h r gu t“ , stand unter seinem Zeugnis nach der Ausbildungals Bankkaufmann, „d a hat man mich re g is trie rt“ . 1966 wurde er als S tipe nd iat des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zum „European Language and Educational Centre“ nach London geschickt, bestand ein Jahr später das sogenannte Begabtenabitur als Prüfung für dieZulassungzum Hochschulstudium – als einer von nur sieben Absolventen des Jahres 1967 in Baden-Württemberg. Früh wurde Haubnermit selb­ ständigen Tätigkeiten betraut, lernte als „S p rin ­ ger“ ziemlich alle Abteilungen kennen, bewähr­ te sich beim Aufbau einer Kreditüberwachungs­ stelle, wurde 1966 Direktionsassistent, 1968 stell­ vertretendes und zwei Jahre später ordentliches Vorstandsm itglied, 1975 Vorstandsvorsitzender. MitVilHngen fest verwurzelt Als Vorbereitung auf die leitenden Funktionen kümmerte sich Haubner intensiv um seine beruf­ liche W eiterbildung, war etwa Lehrgangsbester an der Sparkassenakademie in Bonn, ist dreifach qualifizierter Betriebswirt. Dabei war er auch in jungen Jahren alles andere als ein Streber. Er sei mehr neugierig als fleißig, beschreibt er sich – was unter Umständen auf dasselbe hinauslaufen kann. Neugier prägt auch sein Engagement auf anderen Ebenen, Klaus Haubner ist gebürtiger Villinger, eng mit der Heimatstadt verwurzelt, die er seit der Fusion m it der schwäbischen Schwes­ ter „au s Überzeugung“ Villingen-Schwenningen nennt, so wie er Deutscher ist und Europäer, Erden­ bürger letzten Endes. Beim Durchlaufen derdiversen hausinternen Stationen von der Kasse bis zur Chefetage hat Haubner früh ein Gespür dafür bekommen, was unwichtig ist und was w ichtig. Vielleicht deshalb auch wurden in seiner Regie die s tru k tu rp o liti­ schen Herausforderungen ebenso souverän be­ w ä ltig t wie der interne Innovationsdruck. Nach Klaus H a u b n e r Z w a r m ü s s e n S p a r- kassen Wirtschaft- lieh arbeiten, doch ist nicht der Kurs- außen ist die Entwick- lung der Sparkasse von konsequentem Wachs­ tum geprägt. 1972, im ja h r der großen Verwal- w ert allein das M a ß tungsreform in Baden­ aller Dinge – darin Württemberg, fusionier- te sie m it der Triberger _ Sparkasse, ein Jahr spa­ ter arn ¿35 schwennin- sich von den Groß- unterscheidet man . , , . . , , . banken. ger Haus dazu, das bis dahin zu Rottweil gehört hatte. 1991 folgte St. Georgen, im Jahr 2003 Furt- wangen und 2005 Donaueschingen, w o m it das „Im perium “ der zukünftigen Sparkasse Schwarz- wald-Baar in etwa identisch m it dem Schwarz- wald-Baar-Kreis ist, in dem flächendeckend 56 Fi­ lialen unterhalten werden. Die interne Entwicklung der Sparkasse ist ein Spiegel des technologischen Fortschritts und der sich ständig verändernden Rahmenbedingungen im Bankgeschäft. Die Einführung neuer Daten­ vera rbeitungssystem e prägten die 60er Jahre, 1967 wurde ein eigenes Rechenzentrum einge­ richtet, Anfang der 70er Jahre stellten die Firmen auf bargeldlose Lohnauszahlung um. Bis dahin hatten die Unternehmen Bargeld abgehoben und in den guten, alten Lohntüten an ihre Beschäftig­ ten verteilt. Ein weiterer Meilenstein war die Ein­ führung des präm ienbegünstigten Sparens ver­ mögenswirksamer Leistungen unter Einbeziehung der Arbeitgeber, der Service für die Sparkassen­ kunden wurde m it den neuen Kartensystemen und der M öglichkeit zeitunabhängiger Selbstbe­ dienungen den Automaten entscheidend verbes­ sert. Natürlich ist auch die Sparkasse eine Bank, ein Unternehm en, das w irtsch a ftlich arbeiten muss. Anders aber als bei den Großbanken ist nicht der Shareholder Value, also der Kurswert, das Maß aller Dinge. Im Vordergrund steht laut Klaus Haubner nicht die Gewinn-, sondern die Auf­ gabenorientierung. Sparkassen sind bekanntlich öffentlich-rechtlich organisiert, Gewährsträger sind die Städte und Gemeinden im Geschäftsbe­ zirk, die auch die Zusammensetzung des Verwal­ tungsrats bestimmen. Sparkassen müssen für flächendeckende Fi­ nanzdienstleistungen sorgen und nicht nur Bal­ 93

Persönlichkeiten lungsräume bedienen, das ist die Aufgabenstel­ lung im Kern. Darum ist die Kooperation mit Ver­ bundpartnern so w ichtig, um die Kunden ganz­ heitlich bedienen zu können. Verbundpartner sind die Landesbausparkasse, die Landesbank Ba­ den-W ürttem berg, die SV-Versicherungen und andere. Lang ist auch die Liste der Gremien in ­ nerhalb derSparkassenFinanzgruppe, bei denen Haubner M itglied ist. „N u rdurch überörtliche Tä­ tigkeiten und die Offenheit für Impulse von au­ ßen kann B etriebsblindheit vermieden w erden“ , sagt er. „Sparkasse fun ktio n ie rt nur als Gesamt­ system, in der Gruppe.“ Außerdem seien ohne system atische und b e da rfso rien tierte Vernet­ zung attraktive U niversalangebote nicht d e nk­ bar. Und anders als die Großbanken, die im Wett­ lauf um schnelle Geschäfte ständig ihre Strate­ gie wechseln, seien beim Sparkassenverbund Kon­ tin u itä t und V erlässlichkeit angesagt. „B ei uns ist Vertrauen die Basis für Geschäfte.“ In den 1980er Jahren: Rettung für Firmen, wie sie heute kaum noch denkbar wäre Gleichwohl räumt Haubner ein, dass die Rahmen­ bedingungen zunehmend schwerer werden. Un­ ter den vielfältigen Reglementierungen leidet auch die Sparkasse, vor allem unter der zunehmenden Bürokratie. Dass insbesondere beim tendenziell kapitalschwachen Mittelstand das Rating-System mit den strengen Kreditvorgaberichtlinien nicht au f den ersten Blick b e lie bt ist, kann Haubner verstehen, auch für die Banker sei der Zwang zur Objektivierung sämtlicher Abläufe nicht leicht. Früher sei es leichter gewesen, im Vertrauen auf eine U nternehm erpersönlichkeit Kredite zu gewähren und so unter Umständen einen elemen­ taren Beitrag zur Existenzsicherung einer Firma zu leisten – Haubner erinnert sich an die schwie­ rigen 8oerJahre m itde n Strukturkrisen in Uhren­ industrie und Unterhaltungselektronik. Im Pool mit anderen Banken hatte die Sparkasse bei Sa­ nierungsversuchen w eniger die großen Unter­ nehmen im Visier, als die kleinen und m ittleren Zulieferbetriebe, die manchmal in gewagten Grat­ wanderungen gerettet werden konnten, wie sie heute kaum noch denkbar wären. Allerdings sieht Haubner im Rating auch eine Chance für die Be­ 94 triebe – die Transparenz sei besser, im Idealfall auch die Kom m unikation: „R a ting muss richtig praktiziert w erden.“ Die persönliche Verbundenheit Haubners mit dem eigenen Haus ist ausgeprägt, darum hatte er nie Am bitionen, seine Karriere anderswo fo rt­ zusetzen. Es habe „ehrenvolle Anfragen“ gege­ ben, aber er wäre sich vor allem in schwierigen Jahren „regelrecht fahnenflüchtig“ vorgekommen, das Institut zu verlassen. Ausgeprägt ist auch Haubners Verbundenheit mit dem Standort, mit der eigenen Stadt, mit Land­ kreis und Region. Den Charakter klassischer W irt­ schaftsförderung hatte das Initiieren der Spar­ kassenstiftung „In n o va tio n sfö rd e ru n g “ , Haub­ ner war maßgeblich bei der Gründung der W irt­ schaftsförderungsgesellschaft VS, des Technolo­ gieparks und weiterer, längst etablierter Institu­ tionen mit von der Partie. Kultur-, Sozial- und Sportsponsoring war für ihn immer ein wichtiges Thema, der Bundeswett­ bewerb 2004 von „Jugend musiziert“ in Villingen- Schwenningen g e h ta u fs e in e persönliche Initia­ tive zurück, ebenso die Konzerte des SWR-Rund- funkorchesters im Villinger Franziskaner und das Innenhof-Festival, bei dem über viele Jahre die Kulturschaffenden der Stadt ein Forum im Spar- kassen-lnnenhof hatten. Inzwischen ist das Festival in den Hof des Kul­ turzentrums „Scheuer“ umgezogen, als finanzi­ eller Partner im Hintergrund mischt die Sparkas­ se nach wie vor mit. Überhaupt war es dem schei­ denden Vorstandsvorsitzenden stets ein großes Anliegen, das kreative Potenzial vor der eigenen Haustür zu fördern. Dies durch Ausstellungen und Bilderankäufe, durch die M itfin a n zie ru n g von Publikationen (etwa die Franziskaner-Broschüre oder „Lieder und Sprü- Es w ar stets ein gro- che zur V illin ger Fas- ßes Anliegen, das . , kreative Potenzial p, ^ v o rd e re ig e n e n ne t“ )- Hintergrund Ist nicht nur die Stärkung unseres W irtschafts­ Standortes durch die Haustüre zu fördern, sogenannten weichen Bildankäufe, Aus- Standortfaktoren, son- dem auch die enge Ver­ wurzelung des Kreditin- stituts mit Land und , stellungen und Publikationen zu . . . , , … unterstützen. Leuten – und die ist

durchaus in Klaus Haubner personifizierbar und w ird schon durch seine vielen Mitgliedschaften in Vereinen und Gremien wie IHK-Vollversamm- lung, Senat der Berufsakademie VS, Theaterbei­ rat und viele weitere dokum entiert. Über den Radius unm ittelbarer Sparkassen­ interessen hinaus hat er sein Know-how und sei­ nen Erfahrungshorizont bei einer Fülle von Pro­ jekten eingebracht, es g ibt kaum ein bedeutsa­ mes, bei dem die Sparkasse VS nicht geholfen hätte – ob Silberm annorgel oder iooo-Jahr-Fei- er von Villingen. Haubner hat auch die Städtepartnerschaften Villingen-Schwenningens m it Savona, Zittau und Tula aktiv begleitet. Das Engagement für die rus­ sische Partnerkommune mündete in einer Part­ nerschaft m it der Sberbank in Tula und zwischen­ zeitlich m it der Zentralrussischen Sberbank in M oskau. Andere Förderschwerpunkte sind das S kiintern at in Furtwangen, wie Haubner über- Klaus H a u b n e r h a u p td ie Jugend m it B lic k a u fd ie gesellschaftli­ che Zukunft sehr am Herzen liegt. Er hat die Spar­ kassenstiftung „Nachwuchs- und Jugendförde­ rung“ in itiie rt und die Zusammenarbeit der Spar­ kassen m it den Schulen im Kreis bei Fragen der W irtschaftserzie hu ng in Form eines Pädagogi­ schen Beirats institutionalisiert. Kurzum: Hinter Klaus Haubner liegt ein prall gefülltes Berufsleben, in dem er viel gestaltet und viel bew egt hat. Dennoch hat er keine Angst, nach dem Abschied in das berühm te schwarze Loch zu fallen. A m bition en, sich im Ruhestand auf einen Ausbau der umfangreichen ehrenam t­ lichen Tätigkeiten zu kaprizieren oder gar kom ­ m unalpolitisch aktiv zu werden, hat er nicht. Er freut sich „v o lle r Neugier“ auf einen neuen Le­ bensabschnitt, den er m it seiner Ehefrau M arian­ ne ausgiebig zu genießen gedenkt. Christina Nack Villingen im Abend licht – Blick au f Altstadt m it Johanniterkirche, Münster und Benediktinerkirche. mtm

Persönlichkeiten Werner „Tschäbet“ Hirt Nachruf au f einen S p ittelsän g er und Fastnachter Im S ep tem ber 2 0 0 3 hat Villingen mit W erner Hirt einen geachteten, beliebten Bürger verloren Im September 2003 verstarb Werner „Tschäbet“ Hirt. Erverlorden Kampfgegen den Krebs, und vie­ le Freunde verloren ihn, den beliebten, gefeierten und geachteten Villinger Zeitgenossen. W erner Hirt galt zw eifellos als ein Bürger, dem man auch das Prädikat eines „V illin g e r Ori­ ginals“ attestierte. Die Bühnen der Fasnet, der Jahr­ gangsfeiern und vieler anderer Feste während des Jahreslaufs waren für den „M ann mit dem Herz auf dem richtigen Fleck“ ein Ort der Sympathie, des Gesangs und der Lebensfreude. Ob beim Fußball, beim Volkslied, ob beim Sin­ gen dervielen lokalen Fasnet-Schlager, ob als Fast­ nachter, Stam m tischbruder oder Caravaner und Camper auf der Höri am Untersee – stets war er guter Freund und aufmerksames Gegenüber im angeregten Gespräch. Von den vielen seiner Ka­ meraden, Kollegen, Freunden und Fastnachtskol­ legen waren sich w ohl die meisten über seinen Vornamen „Werner“ klar, doch sein Rufname klang gänzlich anders: „Tschäbet“ . Diesen Spitznamen sollten ihm längst schon die „Schulerbuebe“ sei­ nes Jahrgangs angehängt haben, als sie den Fa­ miliennam en Hirt mit „S h e p h a rd “ übersetzten, und das k lin g t schließlich im alem annischen Sprachraum ganz klar wie „Tschäbet“ . So sollte es m indestens 60 Jahre bleiben. Im September 2003 jedoch trauerten Freun­ de und Bekannte um einen Nachbarn, Vereins­ bruder und Sangesfreund, um den überzeugten Fastnachter, dessen Humor bisweilen herb und deftig war, der aber auch grad heraus kom m en­ tierte, was manchem nicht immer nur erfrischend ironisch vorkam. Werner Hirt wurde 1931 in der Waldstraße ge­ boren, wo er aufwuchs und er in direkter Nach- 9 6 Werner Hirt barschaft zur Druckerei Todt auch vom Lehrling zum Buchdruckermeister wurde. Auf einen „K a t­ zensprung“ ins Nachbargebäude war er schnel­ ler daheim bei Ehefrau Christa im elterlichen Haus als andere aus der Firma bei ihrem Fahrzeug. Nicht nur wegen dieser Nähe zum Betrieb avan­ cierte Hirt bei den Todt’ s an deren erstem Firmen­ sitz nahe dem Eisweiher schließlich auch zum ja h­ relangen Betriebsleiter. Nicht nur m it kräftiger Stimme wusste er be­ ruflich zu überzeugen und sich zu behaupten, weshalb ihn allerdings einst in den 1960er Jah­ ren auch jene Oberschüler ein wenig fürchteten, die bei ihm im Ferienjob erstmals M agnetstrei­ fen auf bedruckte Kontierungskarten aufbrach­ ten. Das war noch zu jenen Zeiten, als seine tie ­ fe Stimme noch w enig von der sängerischen Be­ gabung o ffen bart hatte und seine große Liebe noch dem Fußball galt. Schon als Neunjähriger

kickte er bereits im FC 08-Nachwuchs. Werner Hirt war 1953 M itbe grü nde r der Deutschen Jugend- kraft, der DJK Villingen; 1965 gründete er deren Altherren-Mannschaft, für die er 1930 Jahre den Vorsitz führte. Klar, dass Hirt bis zum M illenium auch Vorsitzender im DJK-Förderverein war. Als Bassist bei „Nachtfalter“ und „Mecki“ Wie man die Stim m ritzen dann aber doch noch gesanglich einsetzt, lernte Werner Hirt ab 1962 bei Rudi Streit, einem V illin ger Sangeskünstler und Sanges-Original, der die legendäre Singgrup­ pe „Die Nachtfalter“ aus der Taufe hob, wo Tschä- bet als Bassist „grum m elte“ . Es folgten Formatio­ nen, die als die „Sechs Sterne“ , die „D rei Eishei­ lige“ , als „D ie M eckis“ und als „VS-Trottel“ un­ terw egs waren. Nach dem Tod von „S cha nko“ Um m enhofer lockte man ihn als dritten Mann zu den Spittelsängern. Aus geselliger Sicht längst zwingend, denn die Spittelsänger Hans Messmer und Bene Sauter waren doch schon jahrelang sei­ ne engen Freunde. Eine Beziehung, die 16 Jahre auch als Sangesgemeinschaft halten sollte. A uf­ tritte und Galas, Kleinkunst, Studioarbeit für die CD und Außenaufnahm en für ein Musik-Video waren bis in Hirts letzte Lebensmonate stets hei­ tere, unterhaltsam e und beliebte Sternstunden der singenden und spielenden Akteure „on to u r“ und ihrer Zuhörer. Als erfolgreiches Trio wurden Werner, Hans und Bene 2001 mit der Bürgerme­ daille der Stadt ausgezeichnet. Ehrende Anerken­ nung dafür, dass die Spittelsänger den Charme ihrer geschichtsträchtigen H eim atstadt und ih- W e rn e r Hirt rer Menschen musikalisch in besondererW eise verehrten und besangen. M it Spittelsänger Hans Messmer war Werner Hirt 49 Jahre zusammen; 1954 lernte man sich kennen, seit 1956 war man m usikalisch beisamm en, und das eben in den Tonlagen und Harmonien wie sie stets auch der Fasnet zum Programm gereichten. So wollten die beiden 2004 ihr 50-jähriges feiern, doch „tem pi passati“ – nicht nur Hans Messmer musste sich m it derTrauer anfreunden. Blieb die Frage: Was wird mit den Spittelsängern? Die A ntw ort bleibt auch vorerst aus, denn w er den besten Freund verliert, dem hilft so schnell keiner von Moll auf Dur. Für 45 Jahre lang war Werner Hirt auch M it­ glied der Narrozunft, aktiv aber war er eher be­ stän dig bei der V illin ger Katzenm usik „M ia u “ . Beim fast ganzjährigen Umtrieb m it dem „Katze- Rolli“ fü h lte er sich ab 1962 w o hl, und er kam 1973 in den Vorstand. Ratsmitglied bei den Nar­ ren der Katzenmusik wurde Hirt 1974, er verw al­ tete später das Vereinsarchiv, wurde Ehrenrat und dann auch Ehrenm itglied bei der DJK und beim Sängerkreis. Die Kenntnis um die „schwarze Kunst des Buchdrucks“ setzte „Tschäbet“ um, als er 1973 auch die närrische Katzenmusikzeitung erstmals mitgestaltete. Gemeinsam mit Rudi Streit, Sigi M üller und Victor Paz erhielt Hirt 1982 den Schunk’schen Narrenbecher, eine der ganz ho­ hen Auszeichnungen in der Villinger Fasnet. Vielen unvergessen sind die legendären Auf­ tritte von Werner Hirt bei den Katzenmusikbällen, in den 1960er Jahren m it Joseph Riehle, Artur Munz, Rolf W indm üller und Waldi Ketterer. Und bei manchem noch recht frisch mögen auch die Erinnerungen sein an die späteren A u ftritte im urkomischen Duo „vum Karle un em Luisle“ mit Werner Jörres (t). Auch am Bodensee wurde um Tschäbet Hirt getrauert. Auf der Höri verbrachte Werner Hirt mit Frau Christa und seinen besten Freunden viele Jahre die Sommerferien und viele Wochenenden. Die letzten Jahre seines Lebens kämpfte Wer­ ner Hirt m it einer heimtückischen Krankheit, die ihn nicht mehr losließ. Trotz körperlicher und see­ lischer Not über eine lange Zeit blieben Werner Hirts Lebensmut und seine Lebensfreude erhal­ ten. Die „Spittelsänger“ m it Werner Hirt. Wolfgang Bräun 97

Persönlichkeiten Meinrad Belle Zw ö lf Jahre lang Abgeordneter des Bundestages Die politische Karriere begann 1975 mit der W ahl zum Bürgermeister der Gem einde Brigachtal Meinrad Belle genießt es heute, m it seiner Frau Evelyn das F rühstückauf eine Stunde auszudeh­ nen, dieZ eitu nga usfüh rlich zu studieren und für die alltäglichen Dinge die Zeit zu haben, die in den 43 Berufsjahren des heute 62-jährigen Ru­ heständlers oftm als knapp bemessen war. Obwohl für ihn im Oktober 2002 der Schritt in den Ruhestand die Abkehr von V erpflichtun­ gen und den endgültigen Rückzug aus dem Be­ rufsleben bedeutete, kann man dem ehemaligen CDU Bundestagsabgeordneten für den Schwarz- wald-Baar-Kreis getrost glauben, dass ihm seit­ her die Decke noch nie auf den Kopf gefallen ist. Das Familienleben im Hause Belle wurde wieder intensiviert, was natürlich seine Gemahlin und die beiden Söhne Christian und Clemens beson­ ders freut, denn vorüber sind die Zeiten, als das Familienoberhauptzu den Wochenendbesuchern zählte. Natürlich verfolgt er heute genauso wie frü­ her d ie bundespolitischen Ereignisse in den Me­ dien, doch dazu hat er nur noch eine private M ei­ nung. Für ihn war eine parlam entarische Tätig­ keit im m er eine Aufgabe auf Zeit, und nicht auf Lebenszeit. Darauf beruhte auch sein Entschluss, nicht mehr für die Bundestagswahl im Jahr 2002 zu kandidieren. Beeinflusst hat ihn dabei unter anderem die Neugestaltung des B undestags­ w ahlkreises m it der Erweiterung um die Städte und Gemeinden im Kinzigtal. Ein Bundestagsab­ geordneter zu sein betrachtet er im Nachhinein gesehen alseinen schönen, aberauch kräftezeh­ renden Beruf, was er insbesondere nach seinem Schlaganfall Ende November 1995 leidlich erfah­ ren musste. Es war damals seine Willensstärke, 9 8 Meinrad Belle die er dem Schicksalsschlag gegenüber setzte. Er w ollte nicht akzeptieren, dass m it der Erkran­ kung das Ende der beruflichen Laufbahn verbun­ den sein soll. „Ich überstehe das,“ hat Meinrad Belle zu sich gesagt und im weitesten Sinne auch dam it Recht behalten. Waren zu Anfang von dem Schlaganfall auch die S tim m bä nd er betroffen, machte er doch unter Einsatz spezifizierter The­ rapien sehr schnell Fortschritte, sodass die Sprach- behinderung verschwand. M it weiteren gesund­ heitlichen Einschränkungen im Zusammenhang m it der Krankheit übte er noch w eitere sieben Jahre sein Bundestagsm andat aus. Was die Er­ krankung anbelangt, so erw artet er keine p o siti­ ven Fortschritte mehr. Belle hat sich dam it abge­ funden, regelm äßigzurKrankengym nastikzu ge­ hen, dam it es zu keiner weiteren Einschränkung des Bewegungsapparates kommt.

Von 1990 ab war Meinrad Belle drei Legisla­ turpe rio den lang je w eils m it überzeugender M ehrheit und über ein Direktm andat gewählter CDU-Vertreter des Schwarzwald-Baar-Kreises, M itglied des Deutschen Bundestags. Wie er von sich sagt, hatte er das große Glück, in einer span­ nenden und interessanten Phase der deutschen Geschichte Politik mitgestalten zu können, w o ­ bei er die W iedervereinigung herausstellt. Neben der parlamentarischen Tätigkeit in Bonn und Ber­ lin, die er stets faszinierend empfand, stellte für ihn die unm ittelbare Arbeit im W ahlkreis und für dessen Bürger eine große Herausforderung dar. Der Schwerpunkt seiner parlamentarischen Arbeit in beiden Regierungshauptstädten lag ln der In­ nenpolitik, wo er Berichterstatter der CDU/CSU- Fraktion für das Staatsangehörigkeitsrecht und Sprecher im Bundestagsinnenausschuss für die große Dienst- und Versorgungsrechtsreform des Beamtenrechts sowie seit 2000 Obmann der Frak­ tion im Innenausschuss des Bundestages war. Von großem Nutzen war ihm bei seinem Aufga­ benbereich das Engagement im Präsidium des deutschen Städte- und Gemeindebundes, das er durch entstandene Kontakte verstärkt für die Be­ lange der Kommunen über den Wahlkreis hinaus einsetzen konnte. Darüber hinaus bekleidete Belle im Verlauf seiner politischen Karriere weitere Ä m terw ie Bei­ rat der Arbeitsgem einschaft W asserkraftwerke Baden-Württemberg, M itglied im Kuratorium der Bundesakademie für m usikalischejugendbildung Trossingen, wissenschaftlicher Beirat des Deut­ schen Beamtenbundes und seitS eptem ber2000 Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemein­ debundes. Im Juni 2002 wurde er m itd e r neuge­ schaffenen Ehrenmedaille in Gold des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ausgezeichnet. Ei­ nen M onat später wurde ihm das Bundesver­ dienstkreuz für nahezu 35 Jahre langes über­ du rchsch nittlich es bürgerschaftliches Engage­ ment im kirchlich-sozialen, gesellschaftlichen und kommunalen Bereich vom Bundestagspräsiden­ ten W olfgang Thierse in dessen Am tssitz in Ber­ lin verliehen. Vielen Persönlichkeiten ist M einrad Belle im Verlaufvon zw ölf Jahren als Bundestagsabgeord­ neter begegnet, wobei er die Audienz bei Papst Johannes Paul in Rom als das faszinierendste Er­ M e in ra d Belle ln vielen Äm tern tä ­ tig und hohe Aus­ zeichnungen erhal­ Kohl. an die Gespräche sich M einrad Belle ten. Gerne erinnert eignis ansieht. Gerne erinne rt er sich an die Gespräche m it dem heutigen Alt-B undes­ kanzler Helm ut Kohl und dem ehem aligen Bundespräsidenten Ro­ man Herzog. Eine be­ sondere W ertschät­ zun ggenießt bei M ein­ rad Belle Ministerpräsi­ dent Erwin Teufel, mit dem ihn eine über d re iß ig Jahre andauernde Freundschaft verbindet. mit A lt-Bundes­ kanzler Helm ut Meinrad Belle wurde 1943 in Phillipsburg im Landkreis Karlsruhe geboren. Seine berufliche Laufbahn führte ihn u.a. nach Villingen, wo er in den Jahren von i9 6 0 bis 1974 im gehobenen Jus­ tizdienst, zuletzt als Geschäftsstellenleiter des Amtsgerichts und der Vollzugsanstalt tä tig war. Schon in diesem Zeitraum engagierte er sich als M itverantw ortlicher für die offene Jugendarbeit in der Pfarrgemeinde St. Konrad, wo erzudem im Pfarrgemeinde- und Stiftungsrat saß. In der Pfle­ ge des Chorgesangs sah er damals eine Art von Ent- spannungstherapie m it geselligem Hintergrund nach harten Arbeitstagen. Von 1974 bis 1990 war er Dirigent des Männergesangvereins Tannheim. Ohne Wasseruhr und mit „fünf Schulen“ Gerne denkt er an seine Zeit als Bürgerm eister der Gemeinde Brigachtal von 1975 bis 1990 zu­ rück, obwohl er sich den Start in das Amt ganz an­ ders vorstellte, als es die Rahmenbedingungen hergaben. Von deranfänglichen finanziellen Not­ lage der jungen Gemeinde und derTatsache, dass außer drei Ratsschreibern keine Fachbeamten vorhanden waren, ließ er sich nicht entmutigen. Kurioses erlebte er in den ersten Jahren zuhauf. In Überauchen hatte kein Haushalt eine Wasser­ uhr, denn es wurde pauschal abgerechnet. Kirch­ d o rfw ar an die Marbacher Wasserversorgung an­ geschlossen. Nur Klengen hatte eigenes Wasser. Ein kom m unalpolitisch schwieriges Thema war es, die W asserversorgung unter einen Hutzu be­ kommen. DieSchülerwaren au ffünfG ebäude im Ort verteilt, was man sich heute gar nicht mehr 99

Persönlichkeiten vorstellen kann. „Es gab In der Gemeinde kein Problem, das es nicht g ib t“ , blickt Belle zurück. Er möchte die Zelt als Bürgerm eister nicht m is­ sen, In der m it dem Gemelnderat w ichtige Pro­ jekte zum Ausbau der Infrastruktur, wie etwa der Bau des Behördenzentrum s, Feuerwehrgeräte­ haus, Werk- und Vereinshaus sowie andere der Dorfgemeinschaft nützlichen Einrichtungen durch­ gesprochen und In die Tat um gesetzt w urden. Überhaupt sieht er heute noch das Amt eines Bür­ germeisters in Baden-W ürttemberg als eine der schönsten beruflichen Tätigkeiten an. Seit er sich von der politischen Bühne verab­ schiedet hat, Ist es um Ihn ruhig geworden, was er nicht als nachteilig ansieht, sondern vielm ehr von Ihm so gewollt ist. Der Privatmann Meinrad Belle verm isst die Politik nicht. Er liest gerne und viel, vorzugsweise politisch historische Bücher, politische Biograph len, verschmäht aber auch ei­ nen Kriminalroman nicht. Viele Stunden verbringt er am Klavier, um Chöre elnzuüben, die er mit dem von Ihm geleiteten Gesangverein Harmonie Bri­ gachtal einstudleren möchte. So hat er sich mit dem Gesang wieder einem seiner liebsten Hob­ bys zugewandt, das Ihn au sfü llt und zufrieden macht. Georg Stefan Kaletta Kurt Haberer Ein Kreisrat der ersten Stunde m it vielen Verdiensten um den Landkreis Der Rechtsanwalt w irkte 32 jah re lang im Kreisrat und galt als M ann des Ausgleichs „Wenn fremde Leute zu Besuch in den Schwarz- wald-Baar-Kreis kämen, würde Ich ihnen zuerst eine Stadtführung In Villlngen gönnen und m it­ gehen.“ Das sagt ein Mann, der sich auch Im Alter von 64 Jahren klar zu seiner Heimatstadt Schwen­ ningen bekennt. Die erste Hälfte seines bishe ri­ gen Lebens w ohnte er in dem nach W ürttem berg orientierten Landkreis Rottweil. Die andere Hälf­ te hat er m itgew irkt, dass sich der neugeschaf­ fene Schwarzwald-Baar-Kreis gut entwickeln konnte. Nach der Volksabstim mung zur Doppelstadt Villingen-Schw enningen war der überregional bekannte Rechtsanwalt Kurt Haberer nach der Ge­ meindereform 32 Jahre lang Kreisrat im Schwarz­ wald-Baar-Kreis. Bei der letzten Wahl im Juni 2004 hat es dem CDU-Mann nichtm eh rzum Einzugge­ reicht. Landrat Karl Heim verabschiedete ihn mit 10 0 Kurt Haberer

anderen Kreisräten und Kolleginnen offiziell aus dem Gremium und würdigte sein Engagement ais Kreisrat von der ersten Stunde an. Kurt Haberer, das ist ein Stück gelebte und m itgestaltete Geschichte. Geschichte des Land­ kreises, Geschichte der CDU in Baden-Württem­ berg und natürlich Geschichte der Rechtsanwäl­ te, in deren Freiburger Kammer er sich weiterhin im Vorstand engagiert. Ein echter Schwenninger Haberer g ilt als Mann des Ausgleichs, einer, der stets auch die Interessen der anderen sieht und berücksichtigt, um tragfähige Lösungen zu erar­ beiten. Im Beruf wie in der Politik. Geboren wurde er am 24. Januar 1940 in Schwenningen. Er sei ein typischer „W asserm ann“ , m eint Haberer zu sei­ nem Sternzeichen und charakterisiert sich selbst so: relativ eigenwillig, aber viel Humor. DerVater war im Krieg, der einzige Sohn wuchs vor allem bei den Eltern der Mutter auf. Die Großmutter war katholisch, Großvater Martin M üller evangelisch. Haberer bezeichnet sich selbst als gläubig, aber nicht streng religiös. Der Großvater arbeitete in der W ürttem bergischen U hrenindustrie B ü rkin Schwenningen. Der Enkel war fleißig und streb­ sam. Während er in Schwenningen die damalige Oberrealschule für Jungen besuchte, heute das Deutenberg-Gymnasium, arbeitete er nebenher bei der Firma Stegmann in der Fabrik. Diese Arbeit w ur­ de am besten bezahlt, sagt er. Prägend für Haberers beruflichen Werdegang war ein Besuch m it der Schulklasse im Landge­ richt Rottweil. Den Verteidiger, einen etwas klei­ neren Mann m it weißem Haar und der schwarzen Robe sieht Haberer heute noch vor sich. Er habe ei­ nen fernsehreifen Auftritt hingelegt. „Er stieg von seinem Platz herunter und lie f unten hin und her“ . In Deutschland sei dies absolut unüblich, das kenne man vor allem aus den USA. Doch dem aufmerksamen Schüler imponierte dieser Auftritt. Dass er Rechtsanwalt werden konnte, ver­ dankte Kurt Haberer vor allem seiner M utter und einigen Verwandten, die ihn als Student unter­ stützten. Im Jahr 1958, er stand kurz vor dem Abi­ tur, starb urplötzlich der Vater. Sein Studium an der U niversität Tübingen fina nzierte sich der Sein Studium finan- Sohn unter anderem Kurt H a b e re r zierte sich Haberer , . . , durch Arbeit in der Fabrik selbst m it, auch durch viel Fabrikar- beit selbst mit. In TUbin- gen tra t Haberer in die katholische Studenten- . u , . . . . an der Uni entstan- Verbindung AVGuestfa- den Freundschaften mit später w ichti- ‚¡a ein, eine farbentra- gende aber nichtschla- gende Verbindung. Da­ gen Leuten. rüber w urde er auch M itglied im Asta, der Studentenvertretung. Den Eintritt in die Verbin­ dung hatte ihm der damalige Schwenninger Stadt­ pfarrer Fischer ermöglicht, der selbst Mitglied war. Dort tra f er auch w ichtige Leute. Verbindungs- Vorstand w ar zur dam aligen Zeit Klaus Kinkel, Deutschlands späterer Außenminister. Mit Dietmar Schlee, Baden-Württembergs späterem Innenmi­ nister, lernte er gemeinsam auf das erste Staats­ examen, das er 1965 in Tübingen ablegte. Am Am tsgericht Spaichingen begann er 1965 seinen Referendardienst, esw arde rgleich eT ag, als sein Parteifreund Erwin Teufel d o rt sein Amt als Bürgermeister antrat. M it 25 Jahren warTeu- fel damals der jüngste Schuttes in ganz Baden- W ürttem berg. Nach der zweiten S taatsprüfung 1968 arbeitete Haberer zunächst als Rechtsan­ walt in Donaueschingen, bevor er am 1. Septem ­ ber 1969 nach Schwenningen ging, um sich dort m it dem Rechtsanwalt Dr. Haller zur Sozietät „H aller & Haberer“ zusammenzuschliessen. 1990 folgte die Gründung derSozietät„Fuchs-Haberer“ , im Jahr 2000 dann derZusammenschluss zur Part­ nerschaftsgesellschaft „Limberger, Fuchs, Koch & Partner“ , einer Gemeinschaftspraxis von Anwäl­ ten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Nach vorne schauen, etwas bewirken Kurt Haberer ist ein Mensch, der nach vorne schaut und etwas bewirken möchte. M it Kollegen zusam­ men gründete er den Anwaltsverein im Schwarz- wald-Baar-Kreis und war m ehrere Jahre Vorsit­ zender und Stellvertreter. Seit 1991 ist er Mitglied des Vorstands der Rechtsanwaltskam m er Frei­ burg und in dieser Eigenschaft unter anderem als Ausbildungsbeauftragter bei derStudenten- und Referendarausbildung tätig, außerdem ist er Pro- 101

Persönlichkeiten zessbevollmächtigter bei allen berufsrechtlichen R echtsstreitigkeiten der Kammer vor dem A n­ w a ltsg e rich tsh o f Baden-W ürttem berg und vor dem Bundesgerichtshof. Seine Berufserfahrung ist groß. Gibt es für ihn eine wesentliche Erkennt­ nis? Haberer muss nicht überlegen, seine A nt­ w o rtb e sa g tvie l: „Bei G erich te rha ltenS iee in Ur­ teil. Aber ob das auch gleichzeitig Recht ist, da­ rüber gehen die M einungen oft auseinander.“ Deshalb mahnt Haberer auch Mandaten, denen es weniger ums Geld als ums Recht bekommen geht, zurVorsicht. Prägend für ihn war auch sein politisches En­ gagement. Es begann eigentlich schon am Gym­ nasium in Schwenningen. Von 1956 bis zum A bi­ tur 1959 war er Schulsprecher. Er war M itbegrün­ der der S chülerm itverw altung und der Schüler­ zeitschrift „Der Gefährte“ . In dieser Zeit gründe­ te er m it Freunden und Bekannten auch die .Jun­ ge Union“ in Schwenningen und wurde V orsit­ zender. Nach Beginn des Studium s trat er in die CDU ein und war M itglied im Orts- und Kreisvor­ stand. Er zählte zu den G ründungsm itgliedern des FachausschussesderCDU-Juristen in Baden- W ürttem berg, der ersten Arbeitsgem einschaft der CDU im „M uste rlä n d le “ . Haberer, der über sich selbst nie vielAufhebens macht, zählte in der Partei zu den anerkannten Persönlichkeiten. Sein Rat und seine umsichtige Art waren gefragt. So wurde er 1990/91 Vorsitzen­ der des Landesparteigerichts Baden-Württem­ berg. In dieser Funktion hatte er über eine Viel­ zahl von Parteistreitigkeiten zu entscheiden. Als Kurt Haberer 1972 in den Kreistag des neu gebildeten Schwarzwald-Baar-Kreises gewählt wurde, erlebte er zunächst Dr. Josef Astfäller, bis dahin Landrat des ehemaligen Kreises Villingen. Als dessen Nachfolger wurde Dr. Rainer Gutknecht als erster Landrat für den Schwarzwald-Baar- Kreis gew ählt. Im Kreistag selbst mussten sich die Schwenninger (bis dahin Württemberger) und die Badener erst einmal beschnuppern. Doch un­ ter CDU-Fraktionschef Otto W eissenberger en t­ w ickelte sich schnell eine gemeinsame, über­ fraktionelle Arbeit. Haberer nennt als Beispiele die SPD-Bürgermeister Werner Gerber aus Blumberg und Hans Frank in Furtwangen: „Sie waren stets offen für die vernünftige statt der parteipolitischen Lösung.“ 102 Zu Haberers Schwerpunkten als Kreisrat zähl­ ten die vielen Baumaßnahmen. Besonders be­ deutsam war für ihn der Bau der Behinderten- Schulen in Villingen und Donaueschingen. Als die Schulen eingew eiht w urden, habe er so richtig gemerkt, dass die Kinder sich w ohl fühlten. „Das hat mich richtig be frie d ig t“ . Dann folgte der Bau der Robert-Gerwigk-Berufsschule in Furtwangen und später der Neubau des Landratsamtes. Schwerpunkte, die „h e iß diskutiert,, wurden. Auf die Schulen könne der Kreis richtig stolz sein. Bei den Schulen, einschließlich der Gewerblichen Be­ rufsschulen, so Haberer, „sind wir unschlagbar“ . Für ein Großklinikum votiert Als Kreisrat war Kurt Haberer auch M itglied im Aufsichtsrat des K reisklinikum s. Er votie rte für ein Großklinikum in Villingen-Schwenningen un­ ter kommunaler Trägerschaft mit Beteiligung des Landkreises. Dass das Krankenhaus Donauesch­ ingen die O rthopädie und die A usdehnung der Gefäßchirurgie erhält, und dass dafür die Gynä­ kologie nach VS verlegt wird, nennt Haberer sinn­ voll. Gerne wäre Haberer auch noch beim Bau des Großklinikum s dabei gewesen. Deshalb habe er noch einmal für den Kreistag kandidiert. Eine „ganz unglückliche Geschichte“ sei dage­ gen die Entwicklung beim Krankenhaus Furtwan­ gen. Zuerst habe man gemeint, man könne das H ausm itdem Kreisklinikum Donaueschingen un­ ter einer gemeinsamen GmbH zusammenschlie­ ßen. Nach kurze Zeit, als sich das Gesundheits­ wesen rapide veränderte, hätten sie festgestellt, dass durch die Furtwanger Klinik zuviel Verluste entstanden wären. Die ganzen erhofften Syner­ gie-Effekte seien nur zum Teil eingetreten. Die Schuld dafür w ill Haberer niemand zuweisen. Er betont aber: „Für uns war diese negative Ent­ w icklun g nicht absehbar.“ Dann kam Stück für Stück das Schließen von Abteilungen. Eine p o li­ tische Entscheidung des Kreistags, „d ie war sehr schw ierig“ . Mehr als 30 Jahre im Kreistag: Was hat sich ihm in dieser Zeit besonders eingeprägt? Über­ raschend kam für ihn der Zusam m enbruch der Uhren- und Elektronik-Industrie in S chw ennin­ gen und St. Georgen. Der Kreis wiederum habe

Kurt H a b e re r m it Hilfe das Landes den Bau von Hochschulen forciert und dabei vor allem in Schwenningen die alten Industriebrachen sinnvoll genützt. Haberer steht auch dafür, dass der Kreis sich für den Tourismus einsetzt und m it Erfolg die Südwestm esse protegiert. Doch sein Blick g ilt nicht nur dem südlichsten Landkreis der Bun­ desrepublik, sein Herz schlägt für Europa. Er ge­ hörte zu den maßgeblichen Förderern der Freund­ schaft m it Ungarn, die in eine Gebiets-Partner­ schaft zwischen dem Schwarzwald-Baar-Kreis und dem Kom itat Bäcs-Kiskun m ündete. Diese Partnerschaft sei to ll angelaufen. Das liege auch an Landrat Heim. Er sei offen, und versuche, mit den Fraktionen gemeinsam zu agieren. „W ir haben w irklich w enig ideologischen Ärger“ , betont er. In seiner letzten Am tsperiode war Haberer auch erster Stellvertreter des Landrats. Er nahm Landrat Karl Heim nach dessen W iederw ahl im Sommer 2004 den erneuten Amtseid ab. Von 57 Kreisräten stim m ten 5o fü rH e im . H abererwertet dieses Ergebnis als deutliches Zeichen für die gute parteiübergreifende Zusammenarbeit. Den Menschen in der Region bleibt Haberer auf jeden Fall erhalten. Zum Beruf und zur Poli­ tik kommt sein gesellschaftliches Engagement in Vereinen. Im Tennisclub Schwenningen, im För­ derverein für das Deutenberg-Gymnasium und als V orstandsm itglied des Fördervereins Fach­ hochschule Polizei in Villingen-Schw enningen und im Vorstand der Kreisverkehrswacht V illin ­ gen-Schwenningen e.V. je tzt hat er auch etwas mehr Zeit für die Familie. Der 1969 geschlosse­ nen Ehe m it Inge Haberer entstammen zwei Töch­ ter und m ittlerw eile zwei Enkelkinder. Einmal im Jahr geht er eine Woche lang nach Südtirol auf die Seiser Alm. Er genießt das Berg­ panorama der Dolomiten mit Blicken auf den Ro­ sengarten und den Langkofel. Das passt zu e i­ nem Menschen, der neben dem Kirchturm im Ort stets auch den Horizont ins Auge fasst. Bernhard Lutz Aus der Serie Landschaft grün, Schwarzwald III, Acryl / uapier, 3 0 x 4 0 cm, 1997 Julia Elsässer-Eckert 103

Persönlichkeiten Christa Lörcher Im Dienst am M enschen: hilfsbereit, en g ag iert und w eltoffen Ihr „N e in “ zum Afghanistan-Krieg im Bundestag machte die SPD-Abgeordnete schlagartig im ganzen Land bekannt Preisfrage: Welcher Politiker oder welche Politi­ kerin hat die meisten Kilom eter durch unseren Landkreis m it dem Fahrrad zurückgelegt? Rich­ tig! Christa Lörcher natürlich, die Radeln und Zug­ fahren nicht nur politisch, sondern auch persön­ lich zum Programm gemacht hat – und die den Bürgerinnen und Bürgern dadurch ein Beispiel für ökologisch orientierte Fortbewegung gibt. Neun Jahre lang war sie „unsere“ Frau in Bonn, später in Berlin, Soziales war stets ihr Schwer­ punkt. Um alte Menschen und um junge hat sie sich besonders geküm m ert, auch um Migranten und besonders um Flüchtlinge, generell um die, die es schwerer haben im Leben als die meisten von uns. Richtig bekannt auch in üb erregiona­ len Medien wurde Christa Lörcher im November 2 o o id u rc h ih rko n se q u e n te s„N e in “ zum Einsatz von Bundeswehrsoldaten beim amerikanischen Feldzug gegen Afghanistan. Die W ahlperiode im Bundestag beendete sie als fraktionslose Abge­ ordnete und kandidierte anschließend nicht mehr. Nach 15 Jahren (im Sommer 2004) scheidet sie auch aus dem Kreistag aus, meldet sich h in­ gegen im „n o rm ale n Leben“ umso engagierter zurück. Als M athe m atiklehre rin an der Albert- Schweitzer-Schule, privat im Ehrenamt, zum Bei­ spiel und vor allem als Vorsitzende der Ortsgrup­ pe Villingen-Schw enningen im Deutschen Kin­ derschutzbund. Beim Radeln, sagt sie, kriegt sie den Kopf frei, tut etwas für sich und tankt neue Kraft, also stram­ pelt sie bei jeder möglichen Gelegenheit, am liebs­ ten mit Ehemann Gustav und mit Freunden. Einmal – 1995 – stürzt sie heftig, wird schwer verletzt, 1 0 4 Christa Lörcher muss mehrfach operiert werden. Dieser Sturz kann ein Symbol sein für die Lebenshaltung der m itt­ lerweile 63-jährigen. Sie ist in ihrem Leben im ­ mer wieder auf die Nase gefallen, aber sie ist im ­ mer wieder aufgestanden. Sie strampelt gegen An­ feindungen von außen und gegen Nackenschlä­ ge des Schicksals, von denen der Verlust der bei­ den Kinder fraglos die heftigsten waren. Sie w ur­ den zwei und neun Jahre alt, starben an einer un­ heilbaren Krankheit, Christa Lörcher spricht nicht gern darüber. Und doch ist nichtzu leugnen, dass es auch diese persönliche Tragödie war, durch die sie sich be reitw illig in politische Verantwor­ tung nehmen ließ. Sie musste etwas für andere tun, sich engagieren, besonders für Kinder und alte M enschen, um nicht an ihrem Schmerz zu zerbrechen. Sie hat M athem atik studiert, istvon Hausaus Lehrerin, hat mit ihrem Ehemann Gustav Adolf, den

sie liebevoll „G ust“ nennt, an einem M athem a­ tikw e rk für Realschulen gearbeitet. Sie ist eine Praktikerin, kann m it Zahlen und Daten um ge­ hen: diese Kenntnisse waren ihr bei der Leitung der Arbeitsgruppe „M ig ration /In te gratio n“ inner­ halb der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ von großem Nutzen. Und sie liebt Statis­ tiken, auch in eigener Sache. Seit ihrer W iederwahl 1994 in den Deutschen Bundestag hat sie im Zusam m enhang m it der Diskussion um Diäten und Kostenpauschalen Jahr für Jahr ihre Einnahmen und Ausgaben auf­ gelistet und offengelegt, was ihr in den Medien den Beinamen „gläserne Abgeordnete“ einträgt. Die Diätenerhöhung 1995 lehnt sie ab und spen­ det siefortan dem Kinderschutzbund, wie sie und ihr Mann auch anderen sozialen und kulturellen Einrichtungen gegenüber sehr großzügig sind. Im Zweitberuf ist sie Altenpflegerin Alten pflegerin ist Christa Lörchers zweiter Beruf. Auch darin hat sie lange Jahre Erfahrungen ge­ s a m m e lt- eine gute Grundlage für ihre politische A rbeit im Ausschuss fü r Bildung und W issen­ schaft, in dem sie sich vor allem um berufliche Bildung, und hier besonders die Pflegeberufe, küm m ert. Die M itgliedschaft im Ausschuss „Fa­ m ilie, Senioren, Frauen und Jugend“ m it dem Thema „A lten pfle gea usb ild ung“ wird für die A b­ geordnete während der Jahre in Bonn und Berlin eine „D auerbaustelle“ . Seit 1999 gehört Christa Lörcher zudem zur deutschen Delegation im Europarat und ist M it­ glied im Ausschuss für W anderungsbew egun­ gen, Flüchtlinge und Demographie. Immer w ie­ der gelingt Christa Lörcher eine direkte Verbin­ dung zwischen den großen politischen Bühnen und dem W ahlkreis daheim. Als Leiterin der Ar­ be itsgruppe „M ig ra tio n /In te g ra tio n “ h o lt sie 1995 die Ausstellung der Kunsthochschule Mann­ heim „Ä lter werden zwischen den Kulturen“ nach Villingen-Schwenningen. 1999 organisiert sie mit dem Schulamt eine Kinderbildausstellung aus Ar­ menien, die m it großer Resonanz beim Europa­ rat in Straßburg und dann in Villingen-Schwen­ ningen gezeigt wird. Zusammen m it Landrat Karl Heim und Oberbürgerm eister Manfred Matusza Christa Lörcher Im I n n e n h o f des holt Christa Lörcher Er- Reichstages blühen Blumen zwischen de vom Geschwister- Scholl-Platz in V illin – gen-Schwenningen und „L“ und „K“ au f S chw arzw älder Erde. den Buchstaben bringt sie (natürlich im Zug…) nach Berlin. „Der Bevölkerung“ heißt das Kunstprojekt zur Jahr­ tausendw ende, das Hans Haacke in einem der Innenhöfe des Reichstaggebäudes m it Erde aus allen Teilen Deutschlands gestaltet hat. Die Blumen zwischen den Buchstaben „L “ und „ K “ wachsen seith er auf Schw arzwälder Erde, für Christa Lörcher „e in schönes Gefühl, dass w ir dort vertreten sin d“ . Weniger spektakulär, aber umso nachhalti­ ger sind die direkten Aktivitäten im W ahlkreis. Hier sind die Themen noch vielfältiger, die Chris­ ta Lörcher bei ihren ständigen Kontakten mit den Menschen begegnen. Beim „Radeln m it Christa Lörcher“ erkundet sie 1998 den Schwarzwald- Baar-Kreis, legt in Begleitung von rund 60 Radle- rinnen und Radlern an 16 Tagen rund 900 Kilo­ meter zurück, besucht Museen, Kirchen, Betrie­ be und soziale Einrichtungen, spricht mit den Men­ schen Uber die jeweiligen Probleme. 2001 wird in ähnlicher Mission über die Kreisgrenzen h in­ weg in alle Nachbarlandkreise geradelt. Der Kontakt zur Basis ist Christa Lörcher stets w ichtig, sie w ill Bodenhaftung behalten, deren Verlust Politikern sonst so gern vorgeworfen wird. Eine Woche ihrerSom m erferien arbeitetsie in einer sozialen Einrichtung des W ahlkreises, die letzten Jahre im Heim Fischerhof bei Hammer­ eisenbach, wo Menschen m it geistiger und see­ lischer Behinderung betreut werden. Auch in anderer Hinsicht ist Christa Lörcher keine „typ isch e “ Politikerin. Sie ist kein M acht­ mensch, kein Ellbogentyp, hängt nicht am Geld und zahlt sogar „g e rn “ Steuern: „U nser Staat kann sie gut gebrauchen.“ Dennoch wird Christa Lörcher m it O pportuni­ tät und doppelbödiger Moral auch im eigenen po­ litischen Lager konfrontiert, spürbar vor allem bei Wahlkämpfen und beim Gerangel um die Listen­ plätze. Um den Druck zu ertragen, brauche sie Rückhalt bei Freunden und in der Familie, die Ge­ spräche m it ihrem Mann vor allem. Der und an­ 1 0 5

Christa Lörcher Ihr Alleingang ge­ gen den Bundes­ w ehreinsatz in Af­ ghanistan w a r f o l­ genschwer, sie ver- lasst am Tag vor der , dere Vertraute hätten ih r auch geholfen, auf dem Boden zu bleiben, kritisch und selb stkri­ tisch zu reflektieren, Au- the ntizität und Glaub- Würdigkeit zu leben, A bstim m ung die SPD-Fraktion. Darum ging es auch bei Christa Lörchers fol- genschwerstem A lle in ­ gang, als sie sich nicht dem faktischen Fraktionszwang beugte und ihr Veto gegen den Einsatz von Bundeswehrsolda­ ten im Afghanistan-Krieg einlegte. Bundeskanz­ ler Gerhard Schröder koppelt diese Entscheidung im November 2001 an die Vertrauensfrage, was nicht nur Christa Lörcher w enig fair findet; aber sie ist die einzige in der SPD-Fraktion, die den M ut hat, zu ihrer M einung zu stehen. Die Landes­ SPD w ill sie dafür aus der Partei hinaus kom pli­ mentieren, was Ortsverbände aus dem Schwarz- wald-Baar-Kreis zu verhindern wissen – einmal mehr bewährt sich Christa Lörchers enge Verbun­ denheit m it der Basis. Sie verabschiedet sich am Tag vor der Afgha­ nistan-Entscheidung aus der SPD-Fraktion und beendet die Legislaturperiode als fraktionslose Abgeordnete auf einem Platz „am Rand derSPD- Fraktion“ . Ihre Haltung damals im poniert vielen, beson­ ders jungen Menschen. Im Juni 2002 erhält sie die Clara-Immerwahr Auszeichnung der IPPNW (Ärzte gegen den Atomkrieg), die für Zivilcoura­ ge unter Hinnahme eigener Nachteile verliehen w ird. Sie ist ganz erschrocken über das Echo bei überregionalen Medien, der Bekanntheitsgrad wächst. Der „S te rn “ interessiert sich für die W i­ derspenstige aus dem Schwarzwald, das SWR- Fernsehen befragt sie als „Frau der Woche“ . Fünf Studentinnen der Fachhochschule Furtwangen rekapitulieren „D ie Geschichte eines Neins“ in einem berührenden Video-Porträt; „A rte “ dreht eine Dokumentation über „Frauen und Krieg“ , in de rdie Gewaltbereitschaft von Frauen untersucht wird. Wäre die Welt friedlicher, wenn sie von Frau­ en regiert würde? „W ir haben es nie au spro­ b iert“ ; ist das Resümee des Arte-Films. Für Christa Lörcher steht fest, „dass Frauen in der Politik besser repräsentiert sein müssen“ . 10 6 Von daher tu t es ihr Leid, dass sie nach 15 Jahren aus dem Kreistag ausscheidet, denn dort sei der Frauen-Anteil besonders niedrig. Sie ap pelliert an die Bürgerschaft, Frauen gute Chancen zu ge­ ben, sie selbst w ill sich zurückziehen aus allen politischen Gremien. Die Langsamkeit politischer Entscheidungen sei manchmal schwer zu ertragen gewesen, ist eine Feststellung aus der Distanz von heute. Zum Beispiel die bundeseinheitliche Reform des Al­ tenpflegegesetzes, für das sie sich unermüdlich eingesetzt hatte und das stets am Einspruch Bay­ erns scheiterte, neun Jahre lang. Eine Woche nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag wurde der Einspruch Bayerns vom Bundesverfas­ sungsgericht zurückgewiesen – ein später, aber schöner Erfolg. Besonders bereichernd seien die vier Jahre im Europarat gewesen, die den Blick gew eitet und so manches Problem im Wahlkreis relativiert haben. Christa Lörcher arbeitete vor allem in den Ländern Armenien, Aserbaidschan und Georgi­ en – Länder, die so arm sind, dass es dort vor al­ lem um elementare, existenzielle Fragen geht. Im Kaukasus hat sie auch die Erfahrung gemacht, dass Friedensaktivitäten m it Soldaten, aber oh­ ne Waffen möglich sind. M it ihrem Verzicht auf alle politischen M an­ date ist Christa Lörcher selbst wieder Teil der Ba­ sis geworden, mischt sich „von unten“ ein, w ill mit Menschen etwas für Menschen bewegen, will praktisch und nicht nur theoretisch verändern. Das tut sie als Vorsitzende des Kinderschutzbun­ des ebenso wie als Lehrerin an der Albert- Schweitzer-Schule, wo sie auch mit den großen Integrationsproblem en Russlanddeutscher kon­ frontie rt wird. So hat Christa Lörcher den Förderverein der Freunde der Albert-Schweitzer-Schule m it ge­ gründet und leitet ihn auch. Konkretes Projekt ist die Neugestaltung der Cafétéria als kom m unika­ tiver Treffpunkt für Lernende und Lehrende. Ein komisches Gefühl sei es gewesen, dafür Sponso­ ren zu werben, wo sie früher selbst diejenige war, die gefragt wurde und die gab. So herum gefällt ih r das Geben und Nehmen aber auch: „Es ist schön, andere für eine gute Sache zu begeistern.“ Christina Nack

German Hasenfratz Fasziniert von der M ag ie der Bilder Der Hüfinger Fotograf hat über viele Jahre hinw eg das Bild des Landkreises im „Alm anach“ geprägt Die Bilder haben ihn im m er fasziniert. Anfangs schoss er sie m it einer Rolleicord, einer Kamera im M ittelform a t sechs mal sechs Zentimeter, die kurz nach dem Zweiten W eltkrieg zu den o p ti­ schen Spitzenprodukten gehörte. Das ist im m er­ hin schon bald 60 Jahre her. Später malte er seine Bilder in Aquarell- und Ölfarben auf Leinwände oder w ertvolles Bütten­ papier. Oder er nutzte die Absprengtechnik, die er im Laufe von inzwischen auch schon gut drei Jahrzehnten im m er w e iter verfeinerte und per­ fektio nie rte : German Hasenfratz, Schriftsetzer, Buchdrucker, Fotograf und Maler aus Hüfingen. Die Stadt Hüfingen w ürdigte den 80-jährigen Künstler und sein vielfältiges Werk m it einer gro­ ßen Retrospektive im Stadtmuseum. German Ha­ senfratz feierte am 29. Mai 2004 bereits seinen 81. Geburtstag: Ein regional bekannter Künstler, einer, der die Landschaft der Baar in allen Facet­ ten kennt,ein liebenswerterMensch, blickt zurück auf ein erfülltes, wenn auch nicht immer leichtes Leben. Die Fotografie hat er inzwischen aufgege­ ben. Aber die Malerei ist bis heute die große Lei­ denschaft von German Hasenfratz geblieben. Blick für das Wesentliche Er hat den Blick für gute Fotorafien, für gute Schwarzweiß-Fotografie allemal. Sein Archiv ist mit den Jahren zu einem gewaltigen Umfang an­ gewachsen. Hasenfratz hat den Blick für das We­ sentliche, der Bildaufbau nach den Regeln des „Goldenen Schnitts“ , das Gespür für die schöne P ersönlichkeiten German Hasenfratz Grafik einer Landschaft oder die bildwirksamen Abstufungen von Schwarz, Grau oder Weiß. Licht und Schatten auf den Gesichtern seinerJazz-Mu- siker, genau hinschauen und den richtigen M o­ ment erwischen, das richtige Licht, das die M o­ tive plastisch hervorhebt, das hat German Hasen­ fratz im m er gekonnt. Aus seinen Fotos spricht eine große M eister­ schaft, die heute selten geworden ist in einer viel­ fach nichtssagenden B ilderflut. Im Laufe von ein paar Jahrzehnten ist eine viele tausend Negative umfassende Sammlungvon starken Fotoszusam- mengekommen, ein wunderbaresZeitzeugnis: Die Baar, ihre landschaftlichen und kulturellen Rei­ ze, ihre Menschen und Ereignisse. Jahr für Jahr setzte German Hasenfratz die Hüfinger Blum en­ teppiche bei den Fronleichnams-Prozessionen ins Bild, durch seine Fotoreportagen in den gro­ ßen Zeitschriften wurden sie in ganz Deutschland 1 0 7

P ersönlichkeiten bekannt. Motor und starker Antrieb im Hinter­ grund warseine Frau Zita, die den Kontakt zu den Redaktionen hielt und darauf achtete, dass die Fotos nicht nur auf dem Schreibtisch landeten, sondern auch abgedruckt wurden. Viele seiner Bilder wurden über )ahre hinweg auch im Alma- nach des Schwarzwald-Baar-Kreises veröffent­ licht. Es waren Bilder vom Alltag auf der Baar, ih­ ren Menschen, ihre Würze und Wurzeln, ihre Natur, ihre Geschichte, ihre Geschicke. Das alles wird wohl erst mit der Zeit ins Bewusstsein rücken. Am 29. Mai 1923 erblickte German Hasenfratz das Licht der Welt. Seine Wiege stand im elterli­ chen Bauernhof in Unadingen, wo er als neun­ tes Kind der Familie aufwuchs. Schon in jungen fahren musste er auf dem Hof mitarbeiten. Aber zum Ärger der Geschwister interessierte sich „der Jüngste“ schon damals mehrfür den Zeichenstift und das Malen, als für die Kühe. „Kein Blatt Pa­ pier war vor mir sicher“ , erinnert er sich an die frü­ hen Jahre und an seine ersten Versuche, mit dem Stift aufs Blatt zu bannen, was er in der Umge­ bung von Unadingen entdeckte: Pferde, Kühe, Hunde, Köpfe, Beobachtungen rund um den Bau­ ernhof. Ein Glücksfall für den jungen German war der Pfarrer Karl Behringer. Er stammte aus Bernau und war Pfarrer in Unadingen. Der geistliche Herr war mit dem berühmten Schwarzwaldmaler Hans Tho- ma befreundet, dessen Bilder er sammelte und ausstellte. Die Bilder faszinierten nicht nur den Pfarrer, auch der junge German Hasenfratz „fing Feuer“ . Pfarrer Behringer bestärkte ihn, mit dem Malen doch weiter zu machen. Doch dazu kam es zunächst nicht. 1938 be­ gann für Hasenfratz „der Ernst des Lebens“ , er ging beim Hüfinger Drucker Revellio in die Leh­ re. Die kleine Druckerei fertigte allerlei Broschü­ ren, Drucksachen und Formulare für die Gemein­ den an. German Hasenfratz wurde Schriftsetzer und Buchdrucker, Setzkasten, Buchdrucktiegel und Schnellpresse waren sein Handwerkszeug, ein erster Einstieg ins grafische Gewerbe war gelun­ gen. Den Beruf freilich konnte der begabte junge Mann nicht allzu lange ausüben: Kaum war die dreijährige Lehre abgeschlossen, musste er die Mi­ litäruniform anziehen, es herrschte Krieg. 1941 wurde Hasenfratz eingezogen. Der junge Mann aus 108 dem Schwarzwald kam ausgerechnet zur Mari­ ne. Er wurde Funkfernschreiber, geriet 1945 in englische Kriegsgefangenschaft auf der Insel Fehmarn und kam nach 1945 wieder nach Hause zurück. 1946/47 hatte er dann also die erste Rollei- cord 6×6 in der Hand und begeisterte sich an die­ ser neuen Technik. Die großen Negative entwickel­ te und vergrößerte Hasenfratz in der eigenen Dun­ kelkammer schon damals selbst. Er begann ernst­ haft mit dem Fotografieren, nützte jede Gelegen­ heit und beteiligte sich an den großen Wettbe­ werben, die „Photo Porst“ damals ausschrieb. „Es waren jedes Jahr 100000 Einsendungen aus 24 Nationen, ich war immer unter den ersten Zehn mit meinen Bildern“ , bekennt Hasenfratz nicht oh- neStolz, „das hat sich herumgesprochen, die Bil­ der wurden in Kalendern und Illustrierten veröf­ fentlicht“ . Werksfotograf bei Saba Von 1964 an arbeitete German Hasenfratz bei der Villinger Firma Saba, ein bis heute klangvoller Name in der Unterhaltungselektronik. Bei einem schweren Betriebsunfall hatte er „Glück im Un­ glück“ . Vor allem aber lernte er Dr. Dr. Ulitsch ken­ nen, den damaligen Chefarzt des Schwenninger Krankenhauses. Dieser schickte ihn nach Ham­ burg auf die Fotoschule. Hasenfratz machte sei­ ne Foto-Ausbildung im Schnellgang: Statt der vorgesehenen vier Semester blieb er nur drei Mo­ nate in Hamburg und machte dann die Prüfung als Fotograf. Er kam zurück nach Villingen, wurde bei der Saba Werksfotograf und fand bald sein bevorzug­ tes Arbeitsgebiet im hochentwickelten Tonstudio des Unternehmens: Hierher kamen regelmäßig bekannte Musiker und Jazzgrößen aus aller Welt, um Plattenaufnahmen zu machen. Unter der Re­ gie von Hans-Georg Brunner-Schwer wurde die „Schwarzwälder Musikproduktion“ zu einem Markenzeichen. Hier stand eine ausgefeilte Tech­ nik zur Verfügung, die hervorragende Tonquali­ tät sprach sich unter Jazzgrößen herum. So sah man also ab und an den berühmten Pianisten Os­ car Peterson im Villinger Studio, der überdrehte österreichische Jazzpianist und Komponist Fried-

rieh Gulda machte Aufnahmen im Schwarzwald, der brasilianische Gitarrist Baden Powell, der far­ bige und genauso exzentrische Freejazz-Trompe- ter Don Cherry, der Posaunist Albert Mangels- dorff, der Bassist Eberhard Weber (siehe auch Ka­ pitel „M usik“ ). Der Fotograf German Hasenfratz war bei den Aufnahmen mit von der Partie, fotografierte die Stars während sie Platten einspielten: Die Plat­ tenhüllen der Langspielplatten boten viel Platz für gute Fotos. German Hasenfratz machte sie mit Begeisterung und lieferte damit auch den Grund­ stock für großformatige Jazzplakate mit Musiker­ porträts. Zur gleichen Zeit begann der Fotograf auch zu malen. Denn bei der Saba gab es eine Malgrup­ pe, die sich regelmäßig traf und unter Anleitung eines Kunstlehrers Zeichnen und Malen lernte: So kam Hasenfratz seinem Jugendziel näher. Er lernte, wie man mit Aquarellfarben arbeitete, be­ schäftigte sich mit Ölmalerei und Absprengtech­ nik, erste Ausstellungen wurden organisiert. Bei der Absprengtechnik, so erläutert der Hü- finger Künstler, wird das Bild zunächst mit Aqua­ rellfarben gemalt. Stellen, die nachher die Farbe G erm a n H a se nfra tz behalten sollen, werden mit Gummiarabicum ab­ gedeckt, eine Art flüssiger Film, der über das Bild gezogen wird. Nach dem Trocknen werden die nicht abgedeckten Konturen des Motivs mit Schwarz übermalt und danach wird das Bild mit Wasser abgespült: Dieses Verfahren gibt dem Bild die typische Tiefe, die viele an seinen Male­ reien schätzen. German Hasenfratz verfeinerte diese Technik mit der Zeit immer mehr und ließ so viele verträumte Winkel, alte Architektur und einsame Gehöfte entstehen. Seit 1975 beschäftigt sich German Hasenfratz verstärkt mit der Malerei, das Fotografieren ist in den Hintergrund getreten: „Beim Fotografieren muss man dauernd unterwegs sein, um die Licht­ verhältnisse auszunutzen“ , begründet der Künst­ ler, „beim Malen kann man beschaulicher arbei­ ten“ . Er macht sich Skizzen in der Natur und ar­ beitet sie später zu seinen schönen Baaremer Landschaften aus. Während in den Fotos ver­ stärkt die Menschen im Mittelpunkt stehen, gilt seine Liebe beim Malen der Natur, den Blumen, den Baaremer Landschaften eben, wie er sie zwi­ schen Löffingen und Villingen findet und in Ma­ lerei umsetzt. M a n fre d B e a th a lte r An der ¡ungen Donau, A quarell von German Hasenfratz. 109

6 . K a p i t e l A r c h ä o l o g i e Vom Himmelberg zum Krumpenschloss Vor- und frühgeschichtliche W allanlagen im Schw arzwald-Baar-Kreis Befestigte Siedlung, Fliehburg oder anderes? Die Geschichte der Menschheit ist – sicher seit Anbeginn – mitgeprägt von Missgunst und ge­ waltsamen Auseinandersetzungen. Eine perspek­ tivisch verkürzte Lesart der Geschichtsbücher er­ laubt durchaus den Schluss, die große Geschich­ te sei letztlich gezeichnet durch die Abfolge von Was hat das nun mit dem Schwarzwald-Baar- Kreis zu tun? Der folgende Beitrag soll einen ers­ ten Überblick über die im Kreisgebiet noch sicht­ baren, vormittelalterlichen Wehranlagen geben. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob die­ se ausschließlich zu Schutzzwecken errichtet wurden, somit also die scheinbar zu allen Zeiten latent vorhandene Gewaltbereitschaft und Ge­ fahrwiderspiegeln, oderob für ihr Vorhandensein auch andere Gründe eine Rolle spielen. Die archäologi­ sche Forschung hat zwischen­ zeitlich fest­ gestellt, dass Kriegen – allein in den letzten Jahrhunderten etwa die Bauernkriege, der 30-jährige Krieg, die napoleonischen Kriegs­ züge und die zwei Weltkriege des 20. Jahr hunderts. Lage der besprochenen Fundorte im Schwarzwald- Baar-Kreis: 1 = Kapf, 2 = Türnleberg, 3 = Krumpenschloss, 4 = Laubenhau­ sen, 5 = Blatthalde, 6 = Him melberg, 7 = Dauchingen, 8 = Aasen, 9 = Neudingen, 10 = Sissiberg, 11 = Bürgte buck, 12 = Fürstenberg, 13 = Schellenberg, 14 = Warenburg 110

Höhenlinie-ulan der Wälle und Gräbern a u f dem K apffnach Je- nisch, Villingen). spätestens seit der Jungstein- zeit (Mitte 6. Jahrtausend v. Chr.) bis weit ins Mittelalter hi­ nein immer wieder Höfe, Sied­ lungen und andere Plätze mit Palisaden, Gräben und Wällen oder auch Mauern gesichert und umfriedet worden sind. Die meisten dieser jungsteinzeitli­ chen Erdwerke, der eisenzeitli­ chen Hofantagen, der kleinen Niederungsburgen des Adels wie auch der Ettergräben mittelalterlicher Dörfer sind inzwischen allerdings längst verschwunden. Inmitten des immerwiedergenutzten Siedlungs­ gebietes gelegen sind sie in nachfolgenden Jahr­ hunderten verfallen, wurden gezielt verebnet, überpflügt oder neu überbaut. Im folgenden Beitrag werden ausschließlich die noch sichtbaren Reste solcher Wehranlagen vorgestellt, sind sie doch als Elemente der Land­ schaft noch unmittelbar wahrnehmbare und zum Nachdenken anregende Zeugen einer längst ver­ gangenen Zeit. Zeitliches Limit soll dabei die Er­ richtung der klassischen Adelsburgen sein, die man gemeinhin in den Beginn des 11. Jahrhun­ derts setzt. Vorgestellt werden somit ausschließ­ lich Anlagen, bei denen der begründete Verdacht besteht, sie seien vor- und frühgeschichtlich, zu­ mindest aber vor etwa loo o n. Chr. errichtet wor­ den. Der Kapf bei Villingen Von Nord nach Süd soll die kurze Reise zu den Wallanlagen des Kreisgebiets führen. So steht am Beginn des Überblicks der Kapf, der sich west­ lich Villingens im Zwickel zwischen Brigach- und Kirnbachtal erhebt. Eine äußere Abschnittsbefes­ tigung zieht hier in weitem Bogen über den fel­ sigen Bergrücken und schützt eine Flächevon et­ W a llan la gen wa 2 ha Größe. Zu erkennen ist im Gelände je­ doch ein nur wenig eindrucksvoller Erdwall mit davor liegendem, seichten, bis zu 8 m breiten Sohlgraben; der nördliche Bereich scheint zer­ stört zu sein. Eine Lücke im Wall ist wohl als alte Toranlage zu verstehen. Frühkeltische, also hall­ stattzeitliche Funde deuten auf eine Besiedlung im späten 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. hin, etwa zeitgleich mit den zahlreichen Bestattungen im nahen Magdalenenbergle, einem der größten kel­ tischen Grabhügel Mitteleuropas. Möglicherwei­ se lag hier das bei Gefahr aufgesuchte Refugium, während offene, weilerartige Ansiedlungen (Ge­ höfte) in dieser Zeit auf den Höhen um Villingen lagen. Eine zweite, innere Abschnittsbefestigung si­ chert gegen die Bergspitze hin ein etwa 0,5 ha großes Areal. Durch Ausgrabungen konnte hier eine zweischalige, etwa 2 m breite Mauer nach­ gewiesen werden, davor ein etwa 5 m breiter Spitz­ graben. Vieles lässt vermuten, dass diese Anla­ ge erst um 1500 Jahre später als die äußere Linie, also im frühen oder hohen Mittelalter erbaut wor­ den ist. Auch sie könnte als Fliehburg für die Be­ wohner Waldhausens gedient haben, einem zwi­ schen 769 und 1542 immer wieder genannten, später abgegangenen Weiler unmittelbar unter­ halb des Kapfes im Brigachtal. Am Südhang des Kapfes steigt auch der sogenannte Römerweg hi­ nauf, eine verhältnismäßig gut ausgebaute, ge­ rn

Arch äo log ie Das Krumpenschloss bei Hammereisenbach. Steht es im Zusam m enhang m it einer einstigen keltisch­ en Siedlung „Laubenhausen“ ? Noch heute finden sich im Wald Feste des Krumpenschlosses, so Steinhaufen, Gräben und Finnen. pflasterte Straße, die – einst viel befahren – von Villingen auf die Schwarzwald-Höhen nach St.Ge- orgen führte. Diente der Kapfvielleicht auch zur Si­ cherung und Überwachung dieses Weges? Der Türnleberg nahe Schwenningen Nächste Station ist derTürnleberg, der sich west­ lich Schwenningens auf einem Vorsprung der Keuperbergstufe knapp 100 m über die Baar-Mul- de um den Neckarursprung erhebt. Die mehrtei­ lige Befestigungsanlage ist im Gelände nicht leicht auszumachen: zwei schwache Vorwälle und ein 1 1 2 Graben im Hangsind die letzten Zeugen derehe- maligen Wehranlage. Zudem ist das Gelände durchzogen von Steingruben und -brüchen, Grä­ ben, Rinnen und einigen Steinhaufen, so dass es schwer fällt, Strukturen klar auszumachen. Zwei Grabhügelam südlichen, eherflachen Oberhang, liegen nur etwa 30 Meter unterhalb der Burgan­ lage, weitere folgen talwärts. Sie wurden schon einer mehr angenommenen als nachgewiesenen hallstattzeitlichen (frühkeltischen) befestigten Siedlung auf dem Türnleberg zugewiesen. Die wenigen angeführten Funde vom Türnleberg sel­ ber – Keramikscherben wohl der Hallstattzeit (8. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) – sind aber weitgehend verloren gegangen; über das Alter der Grabhügel gibt es bislang ebenfalls keine verwertbaren Nachrichten. Hier kann nur eine schon in Angriff genommene detaillierte Vermessung und Bear­ beitungvielleichtweitere Erkenntnisse bringen, auch unterEinbeziehungeineram Nordhanglie­ genden kleinen Wall-Graben-An läge, die alsTurm- hügelburg angesprochen wird. Kelten im Schwarzwald? Krumpenschloss und Laubenhausen im Bregtal Ein Abstecher ins tief in den Schwarzwald einge­ schnittene Tal der Breg bringt uns hinüber zum sogenannten Krumpenschloss, auch Alt-Fürsten­ berg genannt. Die mächtige Anlage ist gut be­ wehrt und eindrucksvoll Im Gelände erhalten. Bis zu 2,5 m hohe Steinwälle sind wohl die Reste ver- stürzterTrockenmauern, errichtet aus dem in gro­ ben Blöcken anstehenden Buntsandstein. Ver­ schiedenste Spekulationen ranken um diese Stätte, die zuletzt auch in Zusammenhang mit ei- nerausgedehnten keltischen Siedlung„Lauben- hausen“ auf dem benachbarten Bergrücken in Verbindung gebracht worden ist. Dort liegen un­ ter Wald zahllose Steinriegel, Rinnen und Grä­ ben, Steinhügel und -häufen wie auch Trassen al­ ter Wege, die ohne eine detaillierte Aufnahme aber derzeit noch nicht weiter beurteilt werden können. Erfahrungen andernorts haben gezeigt, dass gerade in mittelalterlicher Zeit auch auf scheinbar abgelegenen Bergrücken in Folge von längst wieder aufgegebener Wald- und Landwirt­ schaft so nicht für möglich gehaltene Gelände-

W a llan la g en spuren hinterblieben. Eine frühkeltische Besied­ lung ist aber nicht auszuschließen, kam doch in dieser Zeit das Eisen erstmals in Gebrauch, wo­ durch die Erzvorkommen des Schwarzwaldes wirtschaftlich interessant geworden sein könn­ ten. Wenn auch die Gestalt des Krumpenschlos- ses eher eine früh- bis hochmittelalterliche Er­ bauung nahe legt, wäre eine noch ausstehende wissenschaftliche Bearbeitung desselben für die archäologische wie auch landesgeschichtliche Forschung allemal von allergrößtem Interesse. Nahe dem Krumpenschloss, etwas talabwärts auf der anderen Seite der Breg, wurde jüngst ei­ ne weitere Wehranlage gemeldet, die bislang je­ doch noch nicht überprüft werden konnte. Be­ steht hier vielleicht ein Zusammenhang mit der beabsichtigten Sicherung des Bregtals als Ver­ kehrsachse und Zugang zum Schwarzwald? Blatthalde und Himmelberg bei Bad Dürrheim Im Nordosten des Kreisgebietes liegen bei Bad Dürrheim zwei weitere Wallanlagen aufden hoch aufragenden Randhöhen der Baar-Alb. Südlich Unterbaldingens ist es ein Wallgraben auf der Luftaufnahme von Öfingen m it Him melberg, in dessen Um gebung – beim Zundelberg – sich nach neuesten Forschungen gleichfalls eine Wallanlage befunden haben könnte. Genaue Nachprüfungen stehen aber noch aus. Blatthalde, der nördlichen Spitze des Höhenrü­ ckens der Geisinger Berge. Die exponierte Lage mit weiter Aussicht lässt an eine das umliegen­ de Land beherrschende Wehranlage denken, doch wirken Wall und Graben wenigauf die Funk­ tion abgestimmt, weisen zahlreiche schmale Un­ terbrechungen auf und lassen am östlichen Hang eine breite Lücke frei. Die Anlage gehört zu ins­ gesamt vier Wall-Graben-An lagen, die aufden Gei­ singer Bergen in landesweit einzigartiger Dichte beieinander liegen (die drei weiteren liegen im Landkreis Tuttlingen). Insbesondere die Anlage auf dem Hörnekapf gibt ebensoviel Rätsel auf, weist sie doch gleichfalls große Lücken auf und ist scheinbar nicht als reine Befestigung errichtet worden. Ehrenburg und Schänzle hingegen wir­ ken wehrhaft und geschlossen, dürften also tat­ sächlich Befestigungsanlagen gewesen sein. Östlich Öfingens ragt der Himmelberg bis auf 113

Arch äo lo g ie Bei Riedböhringen soll sich nach Paul gungsanlage befun­ eine Höhe 941 m ü. NN hinauf. Der schmale Vorsprung an der Spitze des Zundelberges, der ebenfalls zur Baar-Alb gehört, ist bis auf einen schmalen Gratvom Berg­ zug abgetrennt. Hier soll nach jüngsten Beob­ achtungen an schmäls­ ter Stelle ein kurzer Wall- graben den Bergrücken queren und den Zugang sichern. Es steht freilich noch die detaillierte Überprüfung im Gelände aus, die Lage wäre jedoch für eine solche Befes­ tigung geradezu ideal. den haben. Bei Gra­ bungen fand man 1924 einen Ring­ Revellio eine sp ät­ keltische Befesti­ w all. Weitere fragliche Anlagen An mehreren Orten gibt es Hinweise auf weitere Befestigungsanlagen. Sie können hier jedoch nicht näher vorgestellt werden, steht eine zeitaufwen­ dige Geländeaufnahme, die endgültige Klarheit in mancher Frage bringen könnte, noch großenteils aus. Ganz im Norden bei Dauchingen liegen am Neckartal mit Schlössle, Schlosshalde und Sile- tal/Ketlwal drei kleine Befestigungen mit Ab­ schnitts-Wallgräben. Hier wurde schon eine rö­ merzeitlicheoderfrühmittelalterliche Errichtung vermutet. Allem Anschein nach sind es jedoch kleine hoch- oder spätmittelalterliche Burgstäl­ le, die in der schriftlichen Überlieferung offenbar kei­ nen Niederschlag gefunden haben. weise auf den Rest eines in der Hallstattzeit an­ gelegten Befestigungs-Graben. Im Gelände ist hiervon freilich nichts mehr zu erkennen. Nordöstlich von Blumberg-Hondmgen ragt der Sissiberg markant aus der Länge hervor. Mehrere Geländestufen auf dem Bergsporn, bis­ weilen als Reste einer Abschnittsbefestigung an­ gesehen, scheinen natürlichen Ursprungs zu sein. Auch beim Bürglebuck bei Blumberg-Ried- böhringen steht eine Klärung letztlich noch aus: Das ovale Plateau (ca. 27×12 m) eines um 20 m hohen Erdhügels soll unterhalb der Hangkante einen Ringwall tragen. Nach Untersuchungser­ gebnissen von Paul Revellio (Grabung 1924) ver­ birgt sich darin eine etwa 1,5 m starke Trocken­ mauer mit Holzbalken. Die Befestigung wird auf­ grund entsprechender Funde vorläufig der spät­ keltischen Epoche, der sogenannten Latenezeit (5. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) zugerechnet wäh­ rend zahlreiche mittelneolithische (2. Hälfte 5. Jahrtausend v. Chr.) eine Höhensiedlung dieser Zeit belegen. Der näheren Untersuchung bedürfen auch noch die westlich von Donaueschingen, zwischen Aufen und Wolterdingen, auf dem Schellen berg, gemeldeten zahlreichen Steinhügel „Steinwälle und Gräben“ . Hinweise auf bronzezeitliche Be­ stattungen gibt es jedenfalls, Befestigungsreste sind bislang aber noch nicht nachgewiesen. Sicher ausschließlich mittelalterlich ist der Hangwall auf dem Fürstenberg bei Hüfingen- Fürstenberg. Das eingeebnete Plateau des frei­ stehenden Bergkegels weist bauliche Reste des Auch ob im Buchwald bei Donaueschingen-Aasen -w ie eherzu erwarten – nur Stein- und Erdgruben, oder vielleicht doch die Reste ei­ ner Befestigung in aussichts­ reicher Lage vorhanden sind, muss noch vor Ort geklärt werden. Im Bereich der Pfalz bei Neudingen gab es im Zuge einer archäologischen Untersuchung 1979 zwar Hin­ 114 Sicher ausschließlich m ittelalterlich is t der Hang w all a u f dem Fürsten- berg. Es handelt sich um bauliche Feste d er 1248 d o rt gegrün deten Stadt, die 1841 vollständig niederbrannte und am Fuß des Berges neu entstand.

W a llanla gen 1248 gegründeten und 1841 abge- brannten Städtchens Fürstenberg auf, wozu die Befestigung gehört haben wird. Die Warenburg bei Villingen soll vor allem nach namenkundli- chen Überlegungen schon im frü­ hen Mittelalter erbaut worden sein. Die Baureste, die bislang ge­ borgenen Keramikscherben wie auch die historische Überliefe­ rung sprechen für eine hochmit­ telalterliche Adelsburg, errichtet wohl im späten 11. oder frühen 12. Jahrhundert. Der Befund im Gelän­ de muss jedoch darauf hin noch­ mals überprüft werden. Schluss die Westbaar.Veröff. Alemann. Inst. Freiburg32 (Bühl 1972) Seit vielen Jahrtausenden schon beeinflusst der Mensch Land­ schaft und Umwelt, hat Spuren Wallanlage über der Breg bei Hammereisenbach, undatiert. hinterlassen, Kulturlandschaften geschaffen. Spätestens seit der Jungsteinzeit (um 5500 v. Chr.) veränderten Ro­ dungen, Viehweide, Waldnutzung, Abbau von Rohstoffen und insbesondere die Landwirtschaft den Lebensraum auch in der Baar nachhaltig. Die Zeichen seines Wirkens als im Gelände sichtba­ re Denkmäler könne heutzutage noch unmittel­ bar von Geschichte erzählen. Mehr als ein erster Versuch, die erhaltenen Befestigungsanlagen im Schwarzwald-Baar-Kreis zusammenfassend vor­ zustellen, kann und willdieser Beitragallerdings nicht sein. Eine nähere Beschäftigung mit den zahlreichen und eindrucksvollen Geländedenk­ mälern im Schwarzwald-Baar-Kreis wäre jedoch eine fruchtbare und Gewinn bringende Sache. 42 – 55- B. Jenisch, Die Entstehung der Stadt Villingen: Archäologi­ sche Zeugnisse und Quellenüberlieferung. Forsch, u. Ber. Arch. Mittelalter Bad.-Württ. 22 (Stuttgart 1999) (zu Kapf und Warenburg). D. Knaupp, Die Reste keltischer Anlagen aufdemTürnleberg. Sehr. Ver. Gesch. u. Naturgesch. Baar 36,1986,110 -119. K. Kwasnitschka, Laubenhausen – eine befestigte keltische Siedlung. Sehr. Ver. Gesch. Baar 37,1991, 46 – 76. T. Maya/B. Volzer, Das Krumpenschloß. Sehr. Ver. Gesch. Baar 37,1991, 32 – 45. ). Merz, Steingrabhügel zwischen Grüningen und Donau- eschingen. Sehr. Ver. Gesch. Baar 46, 2003,154 -162. C. Morrissey/D. Müller, Die Wallanlagen auf den Geisinger Bergen bei Geisingen (Landkreis Tuttlingen) und Bad Dür- rheim-Unterbaldingen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Atlas arch. Geländedenkmäler Baden-Württemberg 2: Vor- und früh- gesch. Befestigungen 7 (Stuttgart 1999). P. Revellio,AusderUr-und Frühgeschichte der Baar (Schwen­ C h ristop h M o rris s e y Literatur: 0 . Benzlng, Schwenningen am Neckar: Geschichte eines Grenzdorfes auf der Baar: 30 000 v. Chr. bis 1907 n. Chr. (Vil­ lingen-Schwenningen a. N. 1985). W. Hübener, Beiträge der frühgeschichtlichen Archäologie zur Geschichte der Baar. In: W. Müller (Hrsg.), Villingen und ningen 1932). B. Schmid, Die urgeschichtlichen Funde und Fundstellen der Baar. Altertumswiss. 11/12 (Rheinfelden/Berlin 1991 – 92). K. Spindler, Vorgeschichtliche Besiedlung. In: Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis. Hrsg.v. R. Gutknecht (Stuttgart/Aalen 1977) 3 7 – 55- 115

7. Ka p i t e l G e s c h i c h t e Bräunlingen Vor 700 Jahren Ai. J ‚iiiC ’*’ J>6ritI’- ‚- m b m ^ tc ‘R ß p r i a v M Ctnep än /Sb*> G octß ¿Set- Jv) rci!*~ ( ßAni^tt .1 j Wenn Bräunlingen im Jahre 2005 sein 700-jähriges Stadtjubiläum begeht, so stellt sich der alte Baar-Ort auf eine si­ chere Seite. Am 1. Februar 1305 näm­ lich, als Heinrich von Emingen sich mit Abt Berthold von St. Blasien vor Vogt, Rat und Gemeinde zu Bräunlingen ver­ glich, wurde unter das Pergament ein bekräftigendes Siegel gehängt, das bis heute als ältester Beweis für den erlangten Status als Voltstadt mit ver- fasster Bürgerschaft und ausgebilde­ ten städtischen Organen gilt. Liest man doch in der Umschrift um den (he­ raldisch) nach rechts steigenden Lö­ wen die stolzen Worte von der „Civi- tas“ Bräunlingen. Nur die wenigsten Städte des Mit­ telalters und der Neuzeit entstehen nach kurzen Vorplanungen und in ra­ scher Bauzeit. Der überwiegende Teil, und dies gilt auch für den Großteil der Städte der Baar, sind von Stadtkernen ausgehende, jahrzehntelange Ent­ wicklungen, an deren Ende eine Stadt mit Stadtrecht steht. Um einen Kris­ tallisationspunkt zumeist herrschaft­ licher Natur, ergänzt um kirchliche oder wirtschaftliche zentralörtliche Funktionen, bildet sich nach und nach ein urbanes Ensemble, das schließlich im Innern bürgerschaftlich verfasst und nach au­ ßen und im Bezug auf einen Stadt- bzw. Territo­ rialherren mit Freiheiten oder Privilegien begabt ist. Es ist daher sicher, dass Bräunlingen nicht erst mit dem 1. Februar 1305 schlagartig zur Stadt geworden ist, wie die Urkunde mit dem ersten be­ kannten anhängenden Stadtsiegel zu suggerie­ ren scheint. Zu suchen wäre daher nach einem 116 io n r pn tm t- rou rn’in&j ßpntisnn t ¿ T itv ‚1 , Ä* ^ grdatru «-in tn dtiSi» fö o g e r) p-.Snirf’C v n |m ~ l Ct-uSü^sr. 1 g> .v tn n l’i m u p oc*> -im., nutnnn f,Tt,j •Sktp ¿ ß ta x v -in ’So, ‚S ! vö.’ ip s fiv ; / -Sh 4 « , V im ti-p r / t “ ? ”**** WH S t5 CS. ( « « Ö S n S u B U M S • S i f l > – n ä c i ) i w if i f c m i n « M * 2* kfrw jc – afc* Sb, f^aScn (4 ^ «. …S l.. ■ T L &X „A i, j worC3- c i l «* P -r (4 «9t- ™ nWiuu- vw-Oi [ — l*«j) I – . ‘S’unmant .-du^fn-tCcn ¿ü. ^ , ^ , 4 Scp ßnufkgt» pnSTtcfi Pnt |m& |t^*y -»*!> r f i (>» cn-TWj n1″‚ T* 7 P « 5 | A , fm& ßl4«S£ fßrni& > ßy- «jßäins; «»9 ~n ”*7 *“c * iVHfVt- wgr~tHfy ‚JjT |v*i »jVr Cut^ei’“ -axmt- fn, m ’s » (*ß k> , P „e ä ^ , r ^ p aßnpßpnoi -Jofanfc * , « «B» (»« – f ^ 94- fi^li.W .’Sfci, «n|4P«|S -iT Sann an « ln , (JmS ‚H H tr m in & p n»»v m t t u » öt**tivH£^cp / iw*«£ä**tr- ^ ^ “ iey! ‚ ^ » J ie.JjF^6§– Cf ft- ifp b – „Sla- ß e .^ & r r ‘ ? h ft-SSla- Sä «on^jn-ß0’ M*“‚ ntit Sa ‚V0i-c^«A^tß«W ¡yic– grtflßcf 4CP03, *0 ^ p> ^cuE‘ (o i ‚ Sim ‘T»v- ^nn-jtxnß^-C „Sei Sfa Urkunde von 1305, m it dem ersten anhängenden Stadtsiegel. A u f dem Sie­ g e l rechts fin d e t sich erstmals die Um­ schrift „C ivitas Bräun­ lin g e n “, Stadt Bräun­ lingen, a u f die die yoo- Jahr-Feier gründet. ■

an ; ^ 4 . y ? % ^p ^ W — „W cC •*rSa^r*r ^C fc» * – ^ ^ T J * T «. ^ ^ ^ T T ’ 7 ? T ’T f ‚ T ? 7 «gtv m £*«Sk^a ,***, W > ^ rsr «£a«» « ä ja .-^ p^B, Ji^Sa-s/’Stir 5«- E .-it.^,, lint- po * ‚ T % «n£«w> re„ , ^ ; ^ _ f ^ V p «’“ S n E U * 4 , {^ X , ,(K « * ? « * – ä / a i ^ 2 J L i Z ? U-ulif^O) ßUßw (-5T’S» (« ^ p r& a än(l4, W v- £TT ■¿Hf’Vi’tn-«!‘) ^«*>ptW£r ^ a»5ö^ Sks, a – ‚- m – ^ « ■ * , « ^ 7 „ j • * 7 -C , p ,^– S f l v r :j> t- b c n u c ^ ? c o m.’ £*■?,& *? if t > lr t jj/ “ J o f» ®a Mit,*- ßjlßcp a « fTtpei imjtep/ p> pn oxw-, rij ■vitfin: «ye^,, .54 iHÄp -mita-jäK*- „musv~ £tc5U» ‚Sil- H if^w ftS n ¿>«£(¡£7 K-W, ¿t?(y n f£ i •p SHpr nncj’ ^*t >t*m* t^-uSl V-T ^MtfroeSra^ SU: c fSU- Moi-, jiictf $ $ n r – f r>ii— VöSt-. V*T « & P J im aiGi»»j ^St»9 f x ^ tc ü»t f o r t i » r , -sVi u V ^ » ~ p o /C*h c v Sa^ Sa- -tfo;^£Vini}‘:iSt‘ ^wjjir pnt SLt~ &4w^- £»h p- trv,. a^y? ‚p’/aM pK a^ p „ lä’^c ß.-.i^Y‘ p’i^v^cß fine DtnSii* -otS? ßätr-^träti, 4«|o- ß crre S5” ßuc-gTe , -£ afia- Sa? Si/Ja»,u*- alp oß po Sa fc£üjv- Sfa- p -S ly S Ä “ S lC ^ tt^ /S U y c«n ßE2m*.X7 SZp W ) Cf-i’ml.ti^« . •» » •»” », ‚¡ip> CM? cvJLgcp. tfrS-n-äc^ ‘’wp r T ^ s – ij£i^ iwnßc- Sic (Selen £ w »(V ä^c ^ a -S ./w o .r- fv M-Stßai^ ßinjy- ¿Un ^ – /¿ t* £ ß k r ß ß a & i£ p*i- w^/-«wT-i»W fc«Saww fi*> f U% cU BnfWpei ccTgj^c atScp) ^(tcnsJn-i.jJc: p’TWnßtl-^- feot-^«. cp-f 7 ^ &•%- 7 ^ ^ CVÖV> ^ e & ß ^ % a>^> u ^ . j e , , afe « Ä r H » / 4 – Sä A».-#«f£X» pae-, -wS ^ ßiptäcf ihr (mündliche oder schriftliche) Ver­ einbarungen getroffen haben könnte. Als Ausgangspunkt bietet sich hier gleich anderen zur Stadt gewordenen Orten der Region eine häufig von zäh- ringischen Ministerialen erbaute Burg, deren wirtschaftliche oder herrschaft­ liche Funktion in vielen Fällen mit För­ derung der Zähringer eine Stadtwer- dung initiiert. Für Bräunlingen wäre dies eine Anlage des von 1108/1122 bis in das ausgehende 13. Jahrhundert nach­ gewiesenen zähringischen Ministeria­ lengeschlechts der Flerren von Briulin- gen. Die kleine (Burg-)stadt erstmals als „Clvitas“ erwähnt nQr^tß/’Ofn |Un ic£> iSWlue ^ßdtMv-tcG p Hm? p*»*, Äin j^aik. m^i)*vn t t x u t C f ßi-äSfcrcr. rt»w tm r dtiXmtr- ^£«8»» « Sto-^t-a-t- ^cr i& rutiypy; 0, fl än üwaj ‘~ y^cpgcl1 Ä? „i««3 noct^ jäLi o»*i 7«*5 T c t ‚Jäl* Cbn ‚S’nv- nArf) zeitlichen Schwellenpunkt, an dem eine sozial und beruflich bereits ausdifferenziertere Wohnbevölkerung das Zusammenleben nach ei­ genen Regeln gestaltet und mit dem Ortsher­ ren darüber wie über dessen Verhältnis zu Wohl zeitgleich mit der Errichtung des Wehrbaues könnte auch die zunächst einfach befestigte, dann ummauerte klei­ ne (Burg-)stadt daran angeschlossen wor­ den sein. Obdabei dievom sankt-blasia- nischen Pater F. X. Kreutter nach seinem Bekunden vor 1790 noch vorhandene Jah­ reszahl 1203 am letzten der vier Tore, dem Nieder- oder Mühltor, den Abschluss der Stadtbefestigung angab, soll dahin gestellt bleiben. Allem Anschein nach handelt es sich um eine von den Zähringern ge­ plante und angefangene Stadtanlage, die wohl erst nach dem Tode des letzten männlichen Zäh­ ringers 1218 infolge erheirateter Erbschaft durch die Grafen von Urach-Fürsten berg vollendet wor­ den ist. Die noch von Berthold V. im Zuge derTer- ritorialbildung, man spricht von „Territorialisie­ rung“ , weitgehend fertig gestellte Stadtanlage1 hätte so den Fürstenbergern als Grundlage für deren Landesausbau gedient. ■

G eschichte ln solchen für die Region und die Zeit des 13. Jahrhunderts durchaus nicht unüblichen Burg­ städten siedelten sich in herrschaftlicher Abhän­ gigkeit Personen an, deren gewerbliche oder handwerkliche Tätigkeit ein höheres Können, ei­ nen größeren Spezialisierungsgrad und stärke­ res finanzielles Vermögen (Wertschöpfung) ge­ genüber der ländlichen Umgebung aufwies. Zu ihnen gesellten sich Kulturträger im weiteren Sin­ ne: Schreib- und Lesekundige aus Verwaltung und Kirche, literarisch oder religiös Gebildete. Aus einer wohnräumlichen Dichte von Wissen, Können und Finanzkraft entstand so die Basis für eine politische und rechtliche Emanzipation, die in der Herausbildung eines Stadtrechtes sichtbar wird. Zieht man Parallelen zu den zähringischen 118 Bräunlingen nach einem Ölgemälde aus dem Jahr 1591, nach dem Gemarkungs­ p lan von Stadtschreiber Johannes M oser und nach der Hienerwadel-Karte aus dem Jahr 1781 und das Bräunlingen der Gegenwart als Luftbild (rechte Seite). Stadtgründungen und nimmt die fürs- tenbergischen bzw. in deren Auftrag und mit deren Billigung getätigten städtischen Aus- und Neubauten als gedankliche Fortschreibungen, so müssten die ersten gewährten städti­ schen Privilegien, die„Libertates“ wie eine (rudimentäre) bürgerschaftliche Regierungsstruktur in Form eines Rates bereits vor 1250 vorhanden gewesen sein.2 Entweder frei nach anderen städti­ schen Vorbildern angenommen und dann privilegiert oder wie im Falle Bräunlingens spätestens 1313 durch ei­ nen Stadtherren als Privileg (neu?) ver­ liehen, ist die bürgerschaftliche inner­ städtische Autonomie nicht zuletzt Lohn für den Beitrag der Einwohner zur Stadtbefestigung. Die Entwicklungsspanne einerStadt Bräunlingen zwischen den Jahren der Burgstadtanlage um 1200 bis zum Zeit­ punkt der ersten nachweisbaren Nen­ nung der Bürgerschaft („civitas“ ) 1305 passt auch insofern ins Bild der Region, als die Stadtwer- dung im Gleichklang mit der Stadtbildung oder dem Stadtrechtserhalt von Nachbarstädten wie Löffingen (um 1250), Hüfingen (vor 1263?), Fürs­ tenberg (1278) oder Geisingen (vor 1303) steht. Erst 1278, d.h. über ein halbes Jahrhundert nach der vermuteten Stadtanlage, verbirgt sich im Text einer Urkunde ein indirekter Hinweis auf Bräunlingen als einer (befestigten) Stadt mit wohl einem das Zusammenleben gestaltenden Regelwerk. In der Graf Heinrich von Fürstenberg urkund­ lich von König Rudolfvon Habsburgzuerkannten vollen Gerichtsbarkeit über seine explizit er­ wähnten Städte Villingen, Fürstenberg, Dornstet-

Bräun lin gen – 7 0 0 Jahre S tad t derts auch stadtrechtlich gesehen eine weit ent­ wickelte Stadt gewesen sein muss. in Bräunlingen ein Im Jahr 1283 gab es So deutet das wohl als fürstenbergische Stif­ tung für 1283 spätestens nachgewiesene Spital3 auf ein ausgebildetes Armenwesen. Spitäler sind typische, vielfach von Adeligen gestiftete In­ stitutionen einer (hoch- bis spätm ittelalterli­ chen) Stadt, die die Funktionen der Armen­ fürsorge aus den Hän­ den klösterlicher Ge­ meinschaften übernom­ men hat. sen. Das ist ein Hin­ bereits gut ausge­ bildetes A rm enw e­ w eis au f eine en t­ w ickelte S tadt des H o ch -o d e r S p ätm it­ telalters. Der Unterhalt der Spi­ täler war mit einem ad- 119 ten und Haslach findet sich nämlich der Zusatz „et alia sua oppida..“ , d. h. „und seine anderen Städte“ . Eine von diesen ungenannten kleinen Burgstädten muss Bräunlingen gewesen sein. Solche Städte besaßen im Allgemeinen bereits ein Gericht, dessen Vorsitz der Fürstenberger in- ne hatte oder dessen Berufungsinstanz er war. Ein solch städtischer Rechtsbereich jedoch, in dem nach heutigem Verständnis Bereiche des Handels-, Zivil- und Strafrechtes abgehandelt wurden, setzt eine schon weit ausgebildete und in Struktur und Ordnung differenzierte Stadt vo­ raus. Doch auch über die Hinweise zu einem mög­ licherweise bereits bestehenden Stadtrecht hi­ naus gibt es konkrete Anzeichen dafür, dass Bräunlingen im letzten Drittel des 13. Jahrhun­

Geschichte ministrativen und personellen Aufwand verbun­ den, der die Leistungskraft und die personelle Kapazität wie Einsatzbereitschaft eines Dorfes überstieg. Nimmt man mangels bisheriger Unter­ suchungen zu Bräunlingen zeitnahe Spitäler wie dasjenige Offenburgs (um 1300)4, Rottweils (vor 1275) oder Villingens (1284-1286?) als Bezug, dann setzen solche Institutionen ein städtisches Umfeld voraus, aus dem finanzielle Zuwendun­ gen kommen und mit dem das Spital anderer­ seits in wirtschaftlicher Verflechtung steht. Die Rechte des ursprünglich klösterlich verfassten Spitals werden von Vögten oder Pflegern wahr­ genommen, die sich aus den vornehmen Famili­ en rekrutieren. Das Pflegamt gilt zudem als eines der höchsten Ämter der Stadt. Spitäler setzen da­ her, sobald sie nicht mehr wie in der Frühzeit von klösterlichen Gemeinschaften betrieben werden, ein bereits geordnetes, sozial differenziertes und daher wohl auch stadtrechtlich verfasstes und selbständig regierendes Gemeinwesen für ihre Existenz und ihr Funktionieren voraus5. Bedeutenderes Wirtschaftsgeschehen 1293 schließlich ist in einer Schenkung des Gra­ fen Friedrich von Fürstenberg an das Armenspi­ tal in Villingen von einem Bräunlinger (Getrei- de)maß die Rede6 Neben dem Münz- oder Zoll­ recht, das Bräunlingen nie erlangen konnte, ist das Recht zur Festlegung von Maßen ein vom Stadtherrn zugestandenes, jedoch dem städti­ schen Rechtswesen zuzuordnendes Privileg, das auf ein zentralörtlich bedeutenderes Wirtschafts­ geschehen hinweist. Obwohl ein Marktprivileg erstsehrvielspäterausgestelltwurde, kann man davon ausgehen, dass hier seit geraumer Zeit be­ reits ein auf die nähere Umgebung ausgerichte­ ter, vielleicht gewohnheitsrechtlicher Wochen­ markt, ein sogenannter „Prim itivm arkt“ , etab­ liert war. Ergibt doch ein eigenes Maß nur Sinn, wenn es zur Regulierung eines Güteraustausches von größerem Volumen eingesetzt wird und zu­ gleich als Referenz in einem auf die Stadt ausge­ richteten Nahwirtschaftsraum dienen kann. Von anderen Städten ist bekannt, dass eine durch ein Schöffengericht ausgeübte Marktpolizei die Nor­ men für Zahlungsmittel und Maßeinheiten fest- 120 Von anderen Städ- ten ist bekannt, dass eine durch ein legte und kontrollierte, die dann unterderSam- melbezeichnung„Maß“ Gültigkeit beanspruch- te. So deutet umgekehrt allein die Begriffsver- ausgeübte M arkt- polizei die Normen wendung „Bräunlinger Maß“ auf die Existenz ei- nessolchen Marktregu. für Z ahlungsm ittel Schöffengericht festlegte. und M aß ein h e ite n lierungsgremiums und eine vorhandene Markt­ ordnung, die ihrerseits durchaus Teil eines wie auch immer ausgestal­ teten Stadtrechtes gewesen sein könnte. Ist es Zufall, dass im Jahr nach dieser ersten bekannt gewordenen Erwähnung eines Bräunlin­ ger Maßes auch letztmals für Bräunlingen der Be­ griff „villa “ , also „D orf“ in einer Urkunde ver­ wandtwird? Die frühe Stadtgeschichtsforschung hat zu­ weilen versucht, aus einer den Pergamenten ent­ nommenen zeitlichen Abfolge der Begriffe „v il­ la“ (=Dorf), „oppidum “ (=(Burg-)Stadt) und „ci- vitas“ (Vollstadt) eine zeitliche Entwicklung der Stadt abzuleiten. Doch gleich anderen Städten der Region gibt die festzustellende gleichzeitige oder sich zeit­ liche überschneidende Verwendung von „villa“ auf der einen und „oppidum /civitas“ auf der an­ deren Seite für Bräunlingen keinen eindeutig ver­ wertbaren Hinweis, ob und wann spätestens ei­ ne mit Stadtrecht begabte Vollstadt angenom­ men werden kann. Die letztmalige Nennung 1294 einer „villa “ Bräunlingen, eines Dorfes Bräunlingen also, be­ sagt keineswegs, dass Bräunlingen bis zu die­ sem Jahr nur die Qualität eines Dorfes besessen hätte. Die Nennung des Dorfes Bräunlingen ist lediglich wie auch in den Nachbarstädten Hüfin- gen und Löffingen ein Zeichen dafür, dass sich neben dem ursprünglichen Dorfe mit seinem Et­ ter der eigenständige Rechtsraum der Stadt ent­ wickelt hat. Während wir Urkunden kennen, die fürVillingen oder Hüfingen zur umfassenden Be­ zeichnung der beiden nebeneinander bestehen­ den Rechtsräume die Begriffe „Stadt und Dorf“ verwenden, hat sich für Bräunlingen keine solche Zweifachnennung überliefert. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Dorf als Rechtsraum wenige

Bräun lin gen – 7 0 0 Jahre S tad t Zeitspäter, etwa um dieWendezum 14.Jahrhun­ dert in die Stadt inkorporiert wurde. So sah der Zeichner Lucian Feich die noch m ittelal­ terlich anm utende S ta d t Ehemaliges Kirchtor, 1842 abgerissen. Frühe Bräunlinger Stadtverfassung 1303 endlich erscheint in Bezug auf Bräunlingen erstmals der Begriff des Bürgers. Die Selbstver­ ständlichkeitallerdings, m itderin einervon Graf Egen von Fürsten berg für die Stadt Villingen aus­ gestellten Urkunde von der möglichen Verurtei­ lung Bräunlinger Bürger mit Wohnsitz in Villingen die Rede ist, lässt darauf schließen, dass es schon längere Zeit eine Bräunlinger Bürgerschaft gegeben haben muss. Doch wie könnte deren Regelwerk, die Stadt­ verfassung, ausgesehen haben? Es vergeht oft längere Zeit, bevor aus einzel­ nen, mündlich überlieferten Grundsätzen des Gemeinlebens eine als Stadtrecht bezeichnete Schriftform entsteht, welche die aus einer Refe­ renz- oder Mutterstadt entnommenen Grundsät­ ze zu einem eigenständigen Text zusammenfasst. Dieser wird dann in einem feierlichen Akt der Stadt durch den Stadtherren verliehen. Das 1313 nach Dießenhofener Vorbild verlie­ hene Stadtrecht, das nur in einer Abschrift vom 20. Dezember 1369 überkommen ist, macht Bräun­ lingen rechtlich gesehen zu einer Tochterstadt Dießenhofens. Tochterstädte sind Gemeinwe­ sen, welche mit dem Recht einer bereits beste­ henden Stadt bewidmet werden. Die Gründe hier­ für sind vielfältig, im Falle Bräunlingens scheint vordergründig der Wunsch des Territorialherren und die Zugehörigkeit beider Städte zum Flause Flabsburg eine Rolle gespielt zu haben. Allerdings wäre eine solche Bewidmung kaum möglich gewesen, wären die Bestimmungen dem vorhergehenden Satzungskomplex gegenüber gänzlich unvereinbar gewesen. Dass dann das neue, 1313 erstmals schriftlich fixierte Stadtrecht, eine Weiterentwicklung oder gar bedeutendere Änderung gegenüber dem vor­ hergehenden Recht darstellte, wäre nicht über­ raschend. Die Stadtgeschichte kennt zahlreiche Beispiele von Weiterentwicklungen auf der Basis des Mutterrechts, Umwandlungen, teilweise Über­ nahmen, Mischungen verschiedener Mutterrech­ te und weitgehende Neuredaktionen, in denen Mutterrecht nur noch als Inspiration wirkt. Da­ raus ergibt sich jedoch auch eine Fortdauer von 121

B rä u n lin gen – 7 0 0 Jahre S ta d t Elementen des ersten Stadtrechtes bei darauffol­ genden Stadtrechtserneuerungen oder -verga­ ben. Die Dießenhofener Handfeste nun von 1260 ist eine Zusammenfassung von vier unterschiedli­ chen Dokumenten, deren Gründerrechte, auf Zähringer Rechtsgehalt basierend, spätestens 1257 fixiert wurden. Aus der Annahme einer ge­ wissen Vereinbarkeit des Bräunlinger Stadtrechts von 1313 mit den vorhergehenden Bestimmun­ gen wie der Bewidmung mit dem auf Freiburger bzw. Zähringer Recht fußenden Dießenhofener Recht kann man demnach schließen, dass das ur­ sprüngliche Bräunlinger Recht wohl zur verzweig­ ten Freiburger Stadtrechtsfamilie gehört hat. Und auch der in Artikel sechs der für Bräun­ lingen gültigen Satzung vermerkte Zug an das Freiburger Gericht ist ein Hinweis darauf, dass das vor 1313 und zum Zeitpunkt der ersten Nen­ nung als Civitas bestehende Stadtrecht in der Freiburger Stadtrechtsfamilie beheimatet war oder sogar Freiburg als Mutterstadt gelten muss.7 Auch von der Seite des Stadtrechts her also erschließt sich, dass Bräunlingen bereits vor 1305 eine Stadt im Sinne einer Civitas war. Die­ se Stadtwerdung könnte sich nach 1278, der letztmaligen Nennung des „oppidums“ Bräunlin­ gen beschleunigt haben und bis 1305 vollendet worden sein. Mit dem in jenem jahr erreichten Stand als Stadt ist Bräunlingen dann bis in die Neuzeit gekommen. Jedoch ist die bisher bekannte Quellenbasis zu schmal, um den Zeitraum genauer eingrenzen zu können, wenngleich es scheint, dass der Rah­ men durch die Nennung des Spitals (1283) bis hin zur Erwähnung des Maßes (1293) oder der letzt­ maligen Erwähnung des Dorfes (1294) näher ab­ gesteckt werden könnte. Das Siegel an der Urkunde von 1305, in dem sich die selbstverfasste Bürgerschaft stolz selbst benennt, markiert am Ende nurden spätesten Zeit­ punkt, zu dem Bräunlingen eine in rechtlicher und baulicher Hinsicht ausgebildete Vollstadt war. Doch mit diesem Siegel von 1305, aus dessen Rund das Wort „Civitas“ hervorleuchtet, ist uns auch ein Geheimnis überkommen. Der als Siegel­ bild gewählte, nach rechts gewandte aufsteigen­ de Löwe ist bis heute nicht mit einem Stadtherrn in Verbindungzu bringen. Erst zwei Monate näm­ 122 lich nach der Anbringung des Siegels kam Bräun­ lingen in die Hände Habsburgs, das einen Löwen im Wappen führt. Das Wappentier der Fürsten­ berger, noch Stadtherren zum Zeitpunkt der An­ bringung des Siegels, ist hingegen der Adler. Die Lösung dieser Frage verspricht neue Erkenntnis­ se für Bräunlingens Stadtgeschichte, die mit dem Festjahr 2005 als rundem Jubiläum einmal mehr ins Bewusstsein gerückt wird. Joachim S tu rm Fußnoten: 1 Mathias Kätble: Villingen, die Zährlnger und die Zähringer­ städte. Zu den herrschaftsgeschichtlichen Rahmenbedin­ gungen der Stadtentstehung im 12. Jahrhundert, in: Hein­ rich Maulhardt und Thomas Zotz (Hg.), Villingen 999 -1218, Waldkirch, 2003, S. 143 -166 (zugl. Veröffentlichungen des alemannischen Instituts Freiburg, Nr. 70) 2 dazu die Überlegungen von Mathias Kälble, a. a. 0 ., S. 163 -166 3 FUß I, Nr. 588 betr. einen Auszug aus den Annales Sindel- fingensis zwischen dem 24.12.1283 und dem 6.1.1284 4 Wolfgang M. Gail, Offenburgund dieSt.-Andreas-Stiftung, in: Badische Heimat 2. 2004, S. 209 – 222 5 dazu Ulrich Knefelkamp: Stadt und Spital im späten Mit­ telalter. Ein struktureller Überblick zu Bürgerspitälern süd­ deutscher Städte, in: Städtisches Gesundheits- und Fürsor­ gewesen, Köln; Weimar; Wien, 2000, S. 19 – 40 6 FUB I, Nr. 629. Urkunde vom 12. Oktober 1293 7 Grundsätzliches zum Rechtszug bei Hans Jänichen: Der Rechtszug am oberen Neckar und im pfalzgräflich-tübingi- schen Bereich, in: Zeitschriftfürwürttembergische Landes­ geschichte, XV. 1956, S. 214 – 241 Der historische Stadtkern m it der in den 1880er Jahren erbauten Kirche. Der Blick reicht weit, im Hintergrund s in d W olterdingen und Tannheim zu erkennen. Unten: Blick a u f den „B u c k “ m it Nikolausbrunnen. Hier befand sich einst die zu r Burg gehörige Niko­ lauskapelle.

G eschichte Brand der „Rosse“ Das Schicksal der S chw enninger Kolonistenfam ilie Benz in Brasilien Schon Ende des 17. Jahrhunderts begann die deutsche Auswanderung nach Amerika. Zuerst waren es hessische und elsässische Protestan­ ten, Quäker, Mennoniten und andere Glaubens­ flüchtlinge, denen schon bald Verarmte und Ver­ elendete, meist aus der Pfalz, aus Baden und Württemberg folgten, die ihr Glück in der neuen Welt suchten. Einen Schub erhielt die Auswande­ rung seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jh., als die in einigen Ländern, darunter Preußen, beste­ henden Auswanderungsverbote aufgehoben wur­ den und Missernten, Wirtschaftskrisen, Revolu­ tionen und Kriege einen Neuanfang in Amerika vielen als erstrebenswerte Alternative zu den un­ befriedigenden Lebensbedingungen in der Hei­ mat erschien. Während bis etwa 1820 fast aus­ schließlich die Vereinigten Staaten von Nordame­ rika den Einwandererstrom aufgenommen hatten, wurden nun auch Mittel- und Südamerika zum Ziel der Hoffenden. In Brasilien entstanden zwi­ schen 1818 und 1824 die ersten deutschen Sied­ lungen. Von 1820 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wanderten ca. 20 Mio. Menschen aus Europa in die Neue Welt aus, jeder vierte von ihnen, unge­ fähr 5 Mio., kam aus Deutschland. In der Folge von Kriegsniederlage und Arbeitslosigkeit erreichte die Auswanderung zwar nicht die befürchtete zweistellige Millionenhöhe, doch verließen von 1918 bis 1925 ca. 350 000 Personen Deutschland. Allein 50000 gingen nach Brasilien, wo es seit derAbschaffungderSklaverei im Jahri888einen großen Bedarf an landwirtschaftlichen Arbeits­ kräften gab. Die drei südlichen Bundesstaaten Parana, St. Cc.tharina und Rio Grande do Sul mit ihrem gemäßigten subtropischen Klima waren die bevorzugten Gebiete der deutschen Koloni­ sation, hier siedelten um 1925 ungefähr 400 000 bis 450 000 Deutsche. Allerdings endete für vie­ le der Neueinwanderer nach dem Kriege das Aben­ teuer Südamerika mit einer herben Enttäusch­ ung: Mit den wider Erwarten schwierigen Lebens­ 124 verhältnissen in der Fremde nicht zurecht kom­ mend, trieben sich Scharen brotloser Deutscher in den Hafenstädten herum, ein unablässiger Strom von „Handwerksburschen“ zog durch die deutschen Siedlungen, sehr groß war die Zahl der Rückwanderer. Seriösen Schätzungen zufolge gin­ gen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg 5% der frisch nach Südamerika eingewanderten Deut­ schen ganz zugrunde, 50% bis 90% der Men­ schen, die sich im brasilianischen Urwald nieder­ gelassen hatten, kehrten in ihre alte Heimat zu­ rück. Die Erinnerungen von Ernst Benz Auch einige Schwennin­ ger suchten nach 1918 ihr Glück in Brasilien: Es wa­ ren dies die Familien Ro­ bert Benz, Johannes Jauch (Rasiererhännes), Karl Schlenker (Karrenbecken), Hirt, Stegmann, Isenmann und beinahe auch die Fa­ milie des langjährigen, in- zwischen verstorbenen Schriftleiters Weber-Ben- zing vom „Heimatblättle“ . „Beinahe“ deshalb, weil die letztgenannte Familie einem Betrüger aufge­ sessen war. Man hatte zwar Fahrkarten, aber sie waren ungültig, nachdem die Agentur Pleite ge­ macht hatte. ErnstBenz Einen lebendigen EindruckderdamaligenVer­ hältnisse geben uns die Erinnerungen von Ernst Benz, der als Kind nach Parana kam. Auf Anraten eines Arbeitskollegen seines Vaters, dessen Bru­ der bereits in Brasilien war und der das dortige Leben in den schönsten Farben schilderte, fass­ te die Familie Benz den Entschluss zur Auswande­ rung. In derfranzösischen Kriegsgefangenschaft 1945 bis 1948 hat Ernst Benz den folgenden, hier

Kolonis te n fa m ilie Benz Sam m elstelle vor dem Aufbruch m ehrerer Siedler: Dieses Foto und die folgenden A b b ildungen stam m en wahrscheinlich aus dem Jahre 1925. „V illa Benz“ im brasilianischen Urwald. 125

G eschichte in Ausschnitten wiedergegebenen Bericht über seine Zeit in Südamerika verfasst: „Es war an einem Septembertag des Jahres 1924 … Klarblau wölbt sich derHim melüberden unendlichen Urwäldern Brasiliens. Wirsind in Pa­ rana. Noch istdieTemperaturerträglich, denn es ist Frühling auf dieser südlichen Erdhälfte. Papa­ geien lärmen in den Bäumen, bunte Kolibris flat­ tern im Gehölz. Hoch oben in den Lüften kreisen Geier und beäugen die zwei Wanderer, die sich fern der Heimat am Neckarursprung auf einer‘Urwald­ straße’ ihrer Wohnstatt nähern. Wir, mein Vater und ich, befinden uns in einer Flußschleife des Rio Baileam Rande des Waldgebietes von Mato Gros­ so. Schon bei Anbruch des Tages sind wir aufge­ brochen, um Lebensmittelzu besorgen…. Schwei­ gend und in Gedanken versunken geht mein Va­ ter dahin. Er fühlt sich nicht glücklich in diesem riesigen Land. Nahezu zwei Jahre schon haben wir in diesem weltabgeschiedenen Urwald zuge­ bracht. Vaters Hoffnungen auf wirtschaftliches Emporkommen haben sich alsTrugbild erwiesen. … Das Heimweh nach ihrersüddeutschen Heimat quält die Herzen meiner Eltern. Über einen uralten Indiopfad erreichen wir nun das Land unseres Nachbarn Alberto. Der Ur­ wald weichtzurückund gibtden Blick frei auf die sogenannte ‘Rosse’, ein gerodetes Stück Wildnis. Seit zwei Jahren müht man sich dort mit dem Maisanbau ab; fast vergeblich, denn inzwischen ist die ‘Capere’, ein niedriger, dschungelartiger Buschwald, nachgewachsen. Für Großtiere oder auch Menschen gibt es in dieser Verflechtung von Pflanzen und niedrigen Gehölzen kaum ein Durch­ kommen, und nur Kriechgetier wie Echsen und Schlangen leben hier paradiesisch. Dort, wo einst gerodetes Land unbewirtschaftet bleibt, wuchert die Capere mit Urgewalt. Bereits mit dem ersten Anbau von Mais zwängt sie sich wieder zwischen die Nutzpflanzen und muß deshalb jährlich ge­ schlagen und verbrannt werden. Jenseits des Flüsschens Pinero Secco dehnt sich eine weitere Rosse zu einer unerwarteten Waldlichtung aus: Unsere Rosse und die einer zweiten Nachbarsfa­ milie namens Rüttel. Eine primitive Hütte wird die neue Heimat Nur noch wenige Augenblicke und wir haben un­ sere Behausung jenseits des Baches erreicht. Ei­ ne primitive Hütte aus gerissenen Brettern mit ei­ nem Schuppen für den Maisvorrat, einem Hüh­ nerstall und einem Backofen, das Ganze umge- lm Urwald: ganz rechts Ernst Benz neben den Eltern und der Schwester. 126

ben von Maulbeersträuchern: dies ist das Domi­ zil einer Handvoll Schwenninger mitten im bra­ silianischen Urwald. Dazu gehören noch ein paar Schweine, die in einer an den Bach angrenzen­ den Einzäunung nach Herzens Lust suhlen kön­ nen. Wir nennen den Flecken ‘Schweineschikäre’ (Schweinepferch). Hungrig treten nun mein Vater und ich ins Haus und sind froh, dieses schützen­ de, mit groben Schindeln gedeckte Dach wieder über dem Kopf zu haben. Meine Mutter lädt zu ei­ nem einfachen Mittagsmahl ein, das aus Schwei­ nefleisch, schwarzen Bohnen und heißem Schmalz besteht. Bohnen, Bohnen und nochmals Bohnen! Sie gehören zur täglichen Ernährung. Nach dem Mahl legen wir uns müde von unserem langen Fußmarsch jeder auf sein Lager. Es tut gut auszu­ ruhen und sich in Gedanken zu verlieren; Gedan­ ken, die sich auf den Weg machen zur eigentli­ chen Heimat nach Schwenningen…. Plötzlich fängt unser Hund heftig zu bellen an. Da hält es mich nicht länger auf meinem La­ ger. Während ich aus derTürtrete, sehe ich schon, wie die Söhne unseres Nachbarn Rüttel mit lo­ dernden Fackeln Feuer an ihre Rosse legen. Für einen Buben meines Alters verspricht dies eine höchst abwechslungsreiche und interessante Sache zu werden. Der Wind treibt den Rauch von Kolo nis te nfa m ilie Benz Nachbar Rüttels Rosse zu Alberto hinüber. Al­ berto, von seiner kurzen Mittagsruhe aufge­ schreckt, steht heftig gestikulierend auf sei­ nem Hof. „M it einem leisen Flackern frißt sich das Feuer in die Ca- pere hinein – da läßt ein Windstoß die Flammen wie von Geisterhand auflo­ re explo dieren . . . . “ dern, die Daquaroh- Mein Vater und mei­ ne Schwester Ilse sind nun ebenfalls aus der Behausung getreten. Mit Spannung schauen wir dem Feuer zu. Mit einem leisen Flackern frißt es sich in dieCapere hinein. Fast enttäuscht war­ te ich darauf, daß die Flammen wieder ausgehen. ‘Schade, daß es schon vorüber ist’, sage ich zu meiner Schwester. Da faßt ein mächtiger Wind­ stoß die spärlichen Flammen und läßt sie wievon Geisterhand auflodern. Daquarohre, ein bambus­ artiges Gewächs, explodieren mit gewehrschuß­ ähnlichem Knall. Innerhalb weniger Sekunden pfeift, brodelt und heult es durch den Urwald als wäre eine Schlacht im Gange. Blitzschnell haben sich die einzelnen Brandherde vereinigt. Auf brei­ ter Front dringt nun das Feuer in gewaltiger Form in die Rosse vor. Für einen kurzen Augenblick erkenne ich zwi- Fodung: ganz hinten links die Kinder Em st und Ilse Benz. 127

Kolo n is te nfa m ilie Benz sehen vorüberziehenden Rauchschwaden Nach­ bar Alberto. Seine Frau und er versuchen in wil­ der Verzweiflung mitÄxten einen Graben zu schla­ gen. … Ein ungleicher Kampf zwischen Mensch und Naturgewalten ist voll im Gange. Wenn hier kein Wunder geschieht, wird auch unsere Farm ein Opfer der Flammen werden. Unbarmherzig rücken sie gegen die Schweineschikäre vor. … Über unserer Wahlheimat liegt trotz glühender Hitze der kalte Atem des Todes. Es brennen die Augen und versagen den klaren Blick. Nur das Prasseln der Flammen verrät den Vormarsch des Feuers…. „Wohin nur, um atmen zu können?“ Meine Mutter trägt mein kleines Brüderchen Han­ no auf dem Arm. Es beginnt angstvoll zu weinen, als würde es den Ernst der Lage spüren. Jetzt dreht sich der Wind und verhüllt unseren Hoferst recht mit dichtem Rauch. Beißender Qualm setzt sich in meine Brust. Fort, fort! Wohin nur, um at­ men zu können? Da eilt meine Mutter mit meinem Brüderchen ins Haus zurück, in der Hoffnung, es vor niederfallenden Funken schützen zu können. Die Rauchschwaden dringen jedoch unerbittlich durch jede Ritze, und Ritzen gibt es in diesem so­ genannten ‘ Haus’ zur Genüge. Mutter begreift plötzlich, daß ihr kleiner Sohn zu ersticken droht. Aus der zum Schrank umgebauten Reisekiste reißt sie ein Tuch heraus. In der Absicht, es dem röcheln­ den Kind an sein Gesicht zu legen, taucht sie es in den Wassereimer. Welch ein Unglück! Das Was­ ser ist bis zum letzten Tropfen in der Hitze ver­ dunstet. Sie rennt vor die Tür und schreit nach Wasser. Mein Vater hört ihren Notschrei, ergreift einen Eimer und stürzt sich in den Rauch hinein in Richtung des Baches…. Mit einem halbvollen Eimer Wasser in der Hand taumelt er nahezu besinnungslos ins Haus. Hustend sinkt er nieder. Mutter näßt sofort jedem ein Tuch, das wir vor Mund und Nase pressen. So können wir einigermaßen atmen. Vor die Tür zu tre­ ten, trauen wir uns nicht, denn dichter Funkenre­ gen fällt hernieder. Aber unsere nassen Tücher sind fast schon trocken, und im Eimer ist kein Was­ ser mehr. ter dem Funkenregen davon. Jeder irgendwohin. Mit jedem Blick, den wir zurückwerfen, warten wir förmlich darauf, unser geringes und doch für uns so wertvolles Hab und Gut in Flammen aufgehen zu sehen. Schmerzlicher denn je zuvor erkennt mein Vater die große Tragik unserer Auswanderung aus der Heimat. Wenn dieses unter größten Ent­ sagungen erschaffene Zuhause in Schutt und Asche fällt, dann gibt es kein Zurück mehr in die Heimat! Wovon soll er jemals die Schiffspassage zurück nach Deutschland bezahlen, wenn ihm nichts mehrzum Weiterverkäufen übrigbleibt, als nur noch verbranntes Land? Plötzlich kann ich freier atmen! In der höchsten Not hat der Himmel Erbarmen mit uns. Der Wind, der uns in dieses Un­ glück gestürzt hat, wird nun zum Retter. Er hat sich abermals gedreht, die Flammen schlagen nun in die entgegengesetzte Richtung, wo sie kei­ ne wesentliche Nahrung mehr finden. Allmählich läßt die Wut der Elemente nach. Die Feuer verglimmen. Entsetzen und Anspan­ nungfallen von uns ab. Unsere strapazierten Lun­ gen dürfen wieder atmen. Rasch bricht die tropi­ sche Nacht herein. Erschöpft kehren wir in unse­ re Bleibe zurück, dankbar, daß wir einander er­ halten geblieben sind. Ich verspreche Wache zu halten, damit meine Eltern und Geschwister für ein paar Stunden die Härte der Wirklichkeit im Schlaf vergessen können. Draußen vor der Hüt­ te bietet sich mir ein schaurig schönes Bild: wie brennende Kerzen erhellen verglühende Baum­ stämme den Nachthimmel über dem Urwald.“ Robert Ernst Benz ist es tatsächlich gelungen, sein Urwaldland zu verkaufen. Der Erlös deckte für die inzwischen auffünf Köpfe angewachsene Familie gerade einmal die Schiffspassage nach Rotterdam und die Zugfahrt zurück nach Schwen­ ningen. Bei der Ankunft der ‘gestrandeten’ Fami­ lie, die als ‘Habenichts’ auf dem Schwenninger Bahnhof stand, hieß es dann im Ort: „Jetzt khunnt’s Brasilianer-Chor wied’r!” (M it‘Chor’ ist hier kein Gesangverein gemeint, sondern ‘Lum­ penpack’ oderaufschwenningerisch ‘Burscht’). Ein böses Nachspiel des Aufenthalts im Urwald war die Malariaerkrankung von Robert Benz. Er verstarb 1925 im Alter von 31 Jahren. Verzweifelt rennen wir aus dem Haus und un­ D oris S chreger-B enz 1 2 8

Mutterhaus Maria-Tann Zur Geschichte der Schulbrüder in Deutschland G eschichte W ir h a b en sch o n ein- o d e rz w e im a l sch le ch te Zeiten erlebt. Wenn w ir aussterb e n , z e ig t sich, dass d ie A u fg a b e , d ie G ott uns g e g e b e n hat, b e e n d e t ist. E i n e O b e r i n d e r a n g l i k a n i s c h e n „ S a c r e d Pa s s i o n S i s t e r s “ Mancher mag sich über die sechs Männer gewun­ dert haben, die am 15. September 1919 in Unter- kirnach bei Villingen erschienen; denn es waren Männer im geistlichen Gewand, wie man sie hier nicht kannte. Es waren die sogenannten Schul­ brüder, die das bisherige Burghotel erworben hatten und aus ihm nun eines ihrer Häuser, nein: ihr neues deutsches Mutterhaus machen w oll­ ten.1 Vorgeschichte Die „Brüder der christlichen Schulen“ waren im Jahre 1680 in Reims gegründet worden; ihr Grün­ der, der Priester Jean Baptiste de la Salle (1651 – 1719), wollte durch sie dafür sorgen, dass auch die Kinderder ärmeren Schichten eine angemes- seneAusbildungerhielten.„Sein reiches Wissen, seine tiefe Lebenserfahrung und sein ungewöhn­ lich durchdringendes Verständnis für die Mängel und Lücken der damaligen Volksschulbildung vermittelten ihm Einsichten, die seinem Zeitalter als Wagnisse erschienen und doch selbst unsern Tagen noch vielfach richtungsgebend sind. So forderte er von seinen Alumnen grundsätzlich höchste sittliche Eigenschaften und sichere Be­ herrschung des Fachwissens, das er von totem V ? c f Maria-Tann bei Unterkirnach, 1960er Jahre. 129

G eschichte Ballast befreite und in Religionskunde wie in Re­ alfächern nach dem Lebensziel seiner Schüler be- maß. (…) Nicht weniger fortschrittlich sind die methodischen Verbesserungen allgemeinerer Art, die de la Salle im Schulbetrieb selbst einführ­ te: so z.B. die Beschränkung der Schülerzahl in den einzelnen Klassen, deren Einteilung nach Können und Leistung, die Beseitigung des gleich­ zeitigen Unterrichtens mehrerer Lehrer in dem­ selben Schulraum; das strikte Verbot, im Zorn oder in Erregung Strafen zu verhängen, die Vor­ schrift, körperliche Züchtigung nur in äußersten Fällen vorzunehmen.“ 2 Als de la Salle starb, gab es schon 274 Brüder, die an 27 Orten in Frank­ reich und in Rom unterrichteten, und unaufhalt­ sam kamen neue hinzu; als er im fahre 1900 hei­ liggesprochen wurde, gab es über 15 000 Brüder und 2 000 Niederlassungen in aller Welt.3 Anfang und Entfaltung Da hatten die „Fratres Scholarum Christianarum“ (FSC) auch in Deutschland festen Fuß gefasst.4 Von der Mitte des 19. jahrhunderts an übernah­ men sie viele Schulen, Schülerheime, Waisen­ häuser – die meisten freilich, infolge des Kultur­ kampfs, am Außenrand der deutschen Grenzen in Belgien, Luxemburg und Lothringen. Aber mit dem Ende des Ersten Weltkriegs war auch das En­ de dieser Epoche gekommen. Die aus dem Krieg heimkehrenden und die aus dem Ausland ausge­ wiesenen Brüder sammelten sich erst in Wal­ dernbach im Westerwald und zogen dann weiter in den Schwarzwald, nach Unterkirnach in ihr neues Mutterhaus. Sie nannten es „Maria-Tann“ . Das bisherige Burghotel bot ihnen Raum ge­ nug. Es umfasste ein zweistöckiges Hauptgebäu- de mit etwa 40 Fremdenzimmern; ein Saalgebäu­ de; eine Doppelvilla mit etwa 20 Zimmern; das sogenannte „Schuhmacherhäusle“ ; ein Block­ haus, „Waldschänke“ genannt, mit Kegelbahn; einige Wirtschaftsgebäude und Scheunen. Ein Hühner- und ein Entenhaus, auch ein Backhaus kamen noch hinzu. Eine eigene Quelle lieferte schmackhaftes, eisenhaltiges Tafelwasser, und die vorbeifließende Kirnach den gesamten Strom. Da war also, wie gesagt, Raum genug für die Lei­ tung der neuen deutschen Provinz, für Juvenat, 130 lm Dritten Reich Noviziat, Scholastikat musste M aria-Tann schließen. Die Brü- und Brüdergemeinde. Im juvenat bereiteten sich junge Männer, die der w urden zum Ar- nicht mehr schulpflich- tig waren, auf die Auf­ beits- oder W ehr- , . . das M u tterh au s dienst einberufen, w urde beschlag- nahm t. nahme in ein Lehrerse­ minar, meist in Frei- , bürg, vor; doch schon ^ 2 4 wurde in Maria­ Tann selber ein solches Seminar eingerichtet und 1926 in ein Realgymnasium umgewandelt. Im Noviziat (das 1928 nach Bad Honnef verlegt wurde) bereiteten sich andere auf einen Eintritt in den Orden vor, und im Scholastikat die jungen Brüder auf ihren Beruf. Die Gemeinde vereinte diejenigen, die, ob leitend, lehrend oder dienend, im Hause tätig waren. Zu ihnen gehörte auch der Br. Provinzial mit seinen Mitarbeitern, der von hier aus die ganze, allmählich wieder wachsen­ de deutsche Provinz regierte; sie umfasste 1935 rund 300 Brüder in zehn Häusern. Von Anfang an gehörte der „Verlag der Schul- brüder“ dazu, der 1924 in den deutschen Verlags­ und Sortimentsbuchhandelaufgenommen wurde und etliche Bücher unter die Leute brachte.5 Von 1924 an fand in Maria-Tann alljährlich eine päda­ gogische Tagung statt, und von 1932 an wurden, in einer eigenen Abteilung, junge Brüder für die Mission im Fernen Osten ausgebildet. Im Jahre 1933 lebten in Maria-Tann fast 150 Juvenisten, 25 Scholastiker und 40 Brüder, also 215 Menschen – so viele wie noch nie zuvor, und wie auch nach­ her niemals mehr. Aber das Mutterhaus der Schulbrüder war nicht nur für sie und für sich selber da. Es stand auch anderen offen; so vor allem die Kapelle, in der, nach französischer, hierzulande unbekann­ ter Sitte, am Weihnachtsfest 1919 die erste Mit­ ternachtsmesse gefeiert wurde. (Für diese Christ­ mette mussten in den folgenden Jahren sogar Platzkarten ausgegeben werden, die im Nu ver­ griffen waren; ein Unternehmen in Villingen rich­ tete dazu eine eigene Busverbindung ein.) Über­ haupt wurden die Gottesdienste, auch in musi­ kalischer Hinsicht, mit besonderer Sorgfalt ge­ staltet. Einige Brüder taten sich als Organisten oder Dirigenten hervor; es gab einen gemischten

Chor aus Knaben- und Männerstimmen und ein großes Orchester, das sich auch an Haydn, Mo­ zart und Beethoven wagen konnte. An Weihnach­ ten wurden Krippen gebaut, an Fronleichnam die eigenen Altäre geschmückt. Theater wurde ge­ spielt, auch Sport getrieben. Brüder und ältere Schüler erwarben sogar das „Reichssportabzei­ chen“ und schreckten vor keiner Disziplin zurück, nicht einmal vor dem 300-Meter-Schwimmen in der kalten Kirnach. Wende und Ende Nach 1933 war es damit bald vorbei. Die Schule, die den neuen Herren naturgemäß mißfiel, muss­ te 1939 geschlossen werden, nachdem die Zahl derjuvenisten auf neun zurückgegangen war; die Scholastiker und die anderen Brüder wurden zum Arbeits- oder Wehrdienst einberufen; das Mutterhaus wurde beschlagnahmt und erst mit 260 Volksdeutschen aus Siebenbürgen, dann mit 260 Slowenen, dann mit fast doppelt so vielen belegt. Als das Dritte Reich zu Ende war, musste neu und nahezu bei Null begonnen werden. M u tte rh a u s M aria-Tann Doch die Lücken waren zu groß geworden, als dass sie sich wieder hätten schließen lassen. Von den Brüdern aus Maria-Tann waren 20 im Krieg gefallen; andere nach Chile ausgewandert; wei­ tere, und nicht wenige, aus dem Orden ausgetre­ ten. Nachwuchs war per Gesetz verhindert wor­ den und blieb auch nach dem Krieg allmählich aus. (Dieses – im gesellschaftlichen Wandel be­ gründete – Schicksal teilte der Orden mit den meisten seiner Art.6) Das 1946 neu eröffnete No­ viziat wurde 1966 nach Scheidegg in Österreich verlegt, das 1950 eröffnete Juvenat schon 1962 nach lllertissen in Bayern. Im selben Jahr wie das Juvenat war eine Aufbauschule gegründet wor­ den, die an die Stelle des 1946 eröffneten, 1953 geschlossenen Lehrerseminars trat. Diese Schu­ le entwickelte sich zunächst so gut, dass man neue Investitionen wagte, ja 1963 sogar eine gro­ ße Sport- und Mehrzweckhalle baute; aber der Nachwuchsmangel erzwang 1967 auch hier die Schließung. Die letzten Brüder zogen 1969 ins Seniorat nach lllertissen und ließen, unter an­ derem, die Mitbrüder zurück, die auf dem Fried­ hof von Maria-Tann begraben sind.7 Sie liegen, 31 an der Zahl, in einem von einem geschmiede­ M ittlere Feife 1956; in der ersten Feihe (von links) Bruder Leander Gruber, Bruder In g be rt van A ppeldorn und Bruder Stanislaus Kunz. 131

M u tte rh a u s Maria-Tann ten Gitter umgrenzten Geviert; neben ihnen rauschtdie Kirnach, und überihnen rauschen die Wipfel derTannen, die Maria-Tann den Namen ga­ ben – welch ein stiller, schöner Ort! In ihrer Mit­ te liegt Br. Philippus Niederee, der die kleine Gründergruppe am 15. September 1919 hierher führte; seither war ein halbes Jahrhundert ver­ gangen, ganz genau.8 Was bleibt Bleiben nur Gräber, sonst nichts? Keineswegs; die „Brüder der christlichen Schulen“ haben in diesem halben Jahrhundert hier, im entlegenen ländlichen Raum, Begabungen gesucht, gefunden und gefördert, die sonst untergegangen, ja gar nicht aufgegangen wären; und sie haben Hunder­ te von ihnen in ihrer Art geformt und geprägt.9 „Schule halten ist wie vieles, was wir für Gott tun, eine Arbeit, die einem Eisberg gleicht. Sehr wenig erscheint, vielleicht, an der Oberfläche, abertiefdrunten, unter der Oberfläche, geschieht etwas, was im Leben eines Jungen sehr, sehr wichtig ist. Schon der bloße Kontakt mit Män­ nern, die, wie jeder weiß und sieht, Gott ver­ pflichtet sind, ist von größerem Wert als alles, was wir sagen oder tun.“ 10 (So schrieb der Be­ nediktiner Basil Hume, der, bevor er Erzbischof von Westminsterund Kardinal wurde, Lehrerund Präfekt In Ampleforth, dann auch Abt dieses Klos­ ters war.) Die Brüder von Maria-Tann wollten Lehrer sein, und sie wollten auch durch ihr Leben leh­ ren. In ihren Schülern, und in den Schülern Ihrer Schüler… leben sie weiter, auch wenn sie schon gestorben sind; und auch wenn ihr Orden ster­ ben sollte.11 Dr. Johannes W erner Fußnoten: 1 Das Burghotel war wiederum 1903 aus einer ehemaligen, 1852 erbauten Spinnerei und Weberei – der Firma Dold und Schmidt, später Gebrüder Dold – hervorgegangen. (Vgl. Ludwig Kühn, Ma­ ria Tann. Ort und Entwicklung. In: Almanach [Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises] 10 [1986], S. 125 -130; ein Aufsatz, der sich mit dem hier vorliegenden in manchem überschneidet, aber eher von der architektonischen als der institutionellen Ent­ wicklung des Mutterhauses handelt.) 2 H. C. Wendlandt, Die klösterlichen Kongregationen der katho­ 132 lischen Kirche. In: Karl Heinrich Schäfer (Hrsg.), Christi Reich auf Erden. Ein Gang durch die katholische Kirche der Gegenwart. Zürich 1933/34, S. 219 – 267; hier S. 231. 3 Vgl. u. a. Max Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche. Bd. 3. 2. Aufl. 1908, S. 298 – 309; Konradin Zähringer, Die Schulbrüder des heiligen Johannes Baptist de la Salle (=Orden der Kirche Bd. 6). Freiburg i. d. Schweiz 1962. Die­ se Schulbrüder sind nicht mit den erst 1845 ‚m Elsaß gegründe­ ten, Brüdern der christlichen Lehre’ zu verwechseln, deren deut­ sches Mutterhaus sich in Ettenheimmünster befand; überhaupt gab und gibt es noch viele andere Orden ähnlicher Art. 4 Vgl. Ansgar Sinnigen (Hrsg.), Katholische Männerorden Deutschlands (außerhalb der Superioren-Vereinigung). 2. Aufl. Düsseldorf 0. J., S. 154 -157; P. J. Hasenberg/Adam Wienand, Das Wirken der Orden und Klöster in Deutschland. Bd. 1, Köln 1957, S. 400 – 401; Konradin Zähringer, Chronik der deutschen Ordens­ provinz der Schulbrüder. Illertissen 1981. 5 In diesem Verlag, dessen Programm und Produktion sich wohl nicht mehr rekonstruieren lassen, erschienen: Robert Rath, Aus dem Leben eines Auswanderers. Übers Weltmeer zum Altar (1922); Karl Ernst, Aus dem Leben eines Handwerksburschen (1922); Therese von Lisieux, Geschichte einer Seele. Von ihr selbst geschrieben (1922); Friedrich Brug, Starke Liebe! Bruder Euche­ rius aus der Kongregation der christlichen Schulbrüder. Ein Le­ bensbild (1923); ders., Die Brüder der christlichen Schulen in den fünf Erdteilen. Gelegentlich der Zwei-Jahrhundert-Feier (1925); Georges Grente, Die Heilige Maria Magdalena Postei 1756 -1846 (1926); Theodulf Rave (Hrsg.), Bausteine zur Christusschule. Aus­ führlicher Bericht der 1. pädagogischen Tagung der deutschen Provinz der, Brüder der christlichen Schulen’ (1926; Bd. 2:1927); Betrachtungen des hl. Johannes von La Salle für die Brüder der Christlichen Schulen. Deutsche Ausgabe (zugl. Wien 1931); Schul­ brüder der deutschen Ordensprovinz (1932); Theodulf Rave, Se­ liger Benild. Ein Held des geheiligten Alltags. Lebensbild eines Schulbruders (1949); ders., So möchte auch ich werden. Le­ bensbild eines Schulbruders (1958). Zu dem überaus interes­ santen Buch von Joseph Rath, der in Wirklichkeit ganz anders hieß, vgl. Johannes Werner, Ein Schwarzwälder wird Pfarrer in Amerika oder: Umwege führen auch zum Ziel. In: Die Ortenau 81 (2001), S. 359 – 370. 6 Vgl. Johannes Werner, Wenn ein Orden stirbt. Sozialgeschichtli­ che Anmerkungen. In: Erbe und Auftrag 5/1991, S. 352 – 357. – Die neueste Statistik (2002) weist weltweit noch 6352 Brüder aus, al­ lerdings bei einem Altersdurchschnitt von über 63 Jahren. 7 Neben den Brüdern wurden noch ein Jesuit, der ihnen jahrelang als Hausgeistlicher gedient hatte, und ein früh verstorbener Ju- venist bestattet. 8 In die Gebäude zog 1969 ein privates Progymnasium mit Inter­ nat ein, 1979 eine Fachschule bzw. Fachhochschule der Polizei, dann eine private Akademie; danach wurden sie in eine Vielzahl von Einzimmerwohnungen aufgeteilt und mit über 600 Aussied­ lern belegt, wonach sie immer mehr herunterkamen und noch herunterkommen (vgl. Elfriede Dufner, Über- und Aussiedler in Maria Tann – eine Herausforderung für die Gemeinde Unterkir- nach. In: Almanach [Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses] 16 [1992], S. 280 – 284); so sind die farbigen Fenster des ehe­ maligen Refektoriums größtenteils zerstört und mit Brettern ver­ nagelt worden. 9 Zwar lautet das Zeugnis, das die Literatur den Klosterschulen ausstellt, nicht eben günstig (vgl. Johannes Werner, Die Kloster­ schule. Ein Literaturbericht. In: Internationale katholische Zeit­ schrift 4/1994, S. 372 – 379); aber dasselbe trifft auf die meisten Schulen zu. 10 (Cardinal) G. B. Hume, Searching for God. London/Sydney/ Auckland/Toronto 1979, S. 91 (Übers, v. Verf.). 11 Der Verf. dankt den Schulbrüdern in Illertissen, die ihm viele Bil- derzur Verfügung stellten. Das Motto verdankt er: Marcelle Bern­ stein, Nuns. London 1967, S. 309 (Übers, v. Verf.).

Die Ferien idylle des Dr. Renz Im „R enzeckob Rohrbach“ w ar vom Zweiten W eltkrie g kaum etw as zu spüren G eschichte Erkundigt man sich in Rohrbach (Furtwangen) nach dem „Renzeck“ , löst man bei den Befragten in aller Regel Verunsicherung, ja Ratlosigkeit aus. Nur sehr wenige, meist ältere Einwohner, erin­ nern sich schwach: „ja, da gab es nach dem 2. Weltkrieg wohl mal einen Dr. Renz, der den ‘Schlempen’ zu einem Friedensdorf – was auch immerdarunterzu verstehen sein m ag-ausbau- en w ollte.“ Genaueres dazu ist nicht bekannt. Sinngemäß ist es so auch in der Rohrbacher Orts­ chronik1 nachzulesen. Was steckt nun wirklich hinter dem „Renzeck ob Rohrbach“ ? Ein wenig Licht in das Dunkel um diese Fragestellung bringt eine am 15. Juli 1940 in St. Georgen von Dr. Renz aufgegebene An­ sichtskarte an Fräulein Dr. Margarete Merg, Düs­ seldorf, Humboldstr. 1 (Bild 1). Die Bildseite die­ ser Karte zeigt eine Federzeichnung des be­ kannten Schwenninger Kunstmalers Paul Goetze aus dem Jahre 1938, die mit „Renzeck (1000 m ü. d. M.) ob Rohrbach im Schwarzwald, Post Schö­ nenbach“ unterschrieben ist. Dargestellt sind ein Terrain mit einem relativ großen Haus, das ein für den Schwarzwald typisches Walmdach trägt, und drei weitere, eher unscheinbare, wesentlich klei­ nere Häuser. Im Zusammenhang mit Paul Goet­ ze sei angemerkt, daß dieser Kunstmaler u. a. ei­ ner der Lehrer des bekannten, inzwischen ver­ storbenen Malers, Zeichners und Grafikers Hans Georg Müller-Hansen war2, dessen Wirken schon einige Male im Almanach (1984,1994 und 1999) gewürdigt wurde. Bild 1: Ansichtskarte m it einer Federzeichnung des Schwenninger Kunstmalers uaul Goetze vom „Fenzeck“ aus dem Jahr 1938. Oben is t das „S chlem penhaus“ abgebildet, unten rechts das Wohnhaus von Dr. Fenz, das„K raihehus“ . Dem kleinen, von Birken umgebenen Haus – links im B ild – g a b Dr. Fenz den Namen „ Birken- h ü sle “ und dem ebenfalls kleinen Haus rechts – oberhalb seines Wohnhauses – den Namen „M a le rh ü s le “ . i? A U U C 133

G eschichte B ild 2: Das „ Schlempenhaus Offenbar ließ Dr. Renz diese Ansichtskarte um 1938 anfertigen; der Rückseite ist folgender Text eingedruckt: „Renzeck, mit den Häusern Bir- kenhüsle, Schlempen, Malerhüsle u. Kraihehus liegt 1000 m hoch in günstigem Ski- und Wan­ dergebiet zwischen den Höhenkurorten und Win­ tersportplätzen Triberg, Schönwald, St. Georgen und Furtwangen, unmittelbar am Waldrand mit weitem Fernblick bis zur schwäbischen Alb und zum Feldberg. Nahe Badegelegenheit ist vorhan­ den. Die Häuschen und Wohnungen in Renzeck werden eingerichtet zum Ferienaufenthalt für Wochen oder Monate vermietet. Anfragen (mit Rückporto)an: Dr. Renz, Renzeck ob Rohrbach im Schwarzwald, Post Schönenbach.“ Unter dieser eingedruckten Passage ist in ro­ ter Schreibmaschinenschrift angefügt; „Wir be­ kommen in unserer Abgeschiedenheit vom Krieg kaum etwas zu spüren. In unseren Renzeck-Häus- chen nehmen wir nach wie vor Ferienmieter, die Ruhe und Kräftigung suchen, auf.“ Erst im Anschluß daran schreibt Dr. Renz handschriftlich und persönlich an die Adressatin Fräulein Dr. Margarete Merg gerichtet: „M it herz­ lichen Grüßen und der Bitte, eventuell passen­ de Leute Ihrer Bekanntschaft auf obige Möglich­ keit hinzuweisen. Am meisten würden meine Frau und ich uns freuen, wenn Sie selbst einmal den Weg hierher fänden! In alter Wanderkamerad­ schaft Ihr M. Renz“ Nach dem Schreibmaschinentext zu urteilen – er scheint ein Standardtext auf allen „Renz’sch- 134 en Werbekarten“ zu sein – nahm Dr. Renz auch schon vor 1940, das heißt zumindest zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, Feriengäste in seinem „Renzeck“ auf. Vermutlich hat er mit der sehr in­ dividuellen Ansichtskarte insbesondere um Feri­ engäste aus den großen deutschen Industrie­ städten geworben. Bekanntlich hatten gerade die Menschen in diesen Ballungsräumen unter den ständigen Luftangriffen der Alliierten sehrzu leiden. Durch die inzwischen mehr als 60 fahre alte Ansichtskarte neugierig geworden, zog es den Verfasser dieses Beitrags zum „Renzeck“ , um zu sehen, was aus dereinstigen Renz’schen Ferien­ idylle geworden ist. Die Überraschung war groß: am „Schlempen“ , nordöstlich vom Rohrbacher Ortskern, nahe der Grenze zu Oberkirnach, war prinzipiell alles so, wie es Goetze gezeichnet hat­ te. Alle Häuser sind – geringfügig verändert – nach wie vor vorhanden. Die ehemals freien Flächen zwischen den Häusern sind allerdings zwischenzeitlich von großen Bäumen bewach­ sen, so daß eine zeichnerische Gesamtdarstel­ lung der Häuser so wie um 1938 heute nicht mehr möglich wäre. Heute Ferien- und Jugendheim „Schlempen“ Vor Ort stellte sich heraus, daß der gesamte ehe­ malige Besitz des Dr. Renz im Jahre 1956 an den Caritasverband Mannheim übergegangen ist. Dieser Verband erweiterte das Objekt um ein ehemaliges „Leibgeding“ – dem Stil nach ein Gutachtäler H aus-sowie um ein ehemaliges Ta­ gelöhnerhaus und betreibtseitvielen Jahren dort das Ferien- und Jugendheim „Schlempen“ . Der Verwalter des Caritasheims für die Jahre 1963 bis 1998 – Josef Bohnert, den Einheimischen als „Schlempensepp“ bekannt – erinnert sich3: Der aus Freiburg stammende promovierte Jurist Renz hat 1933 den „Schlempen“ (das große Haus oben in der Ansichtskarte, heutiger Zustand: Bild 2) er­ worben und das untere Haus rechts in derZeich- nung („Kraihehus“ ) als Wohnhaus für sich und seine Frau errichtet. Das kleine Haus am linken Bildrand – von Birken umgeben – nannte Renz „Birkenhüsle“ und das kleine Haus rechts davon auf gleicher Höhe – oberhalb des Renz’schen

Wohnhauses – „M alerhüsle“ . In den Anfangs­ jahren soll Frau Renz im „Schlempen“ ein priva­ tes Kinderheim betrieben haben, während ihr Mann in den beiden kleinen Häusern (Birken- hüsle und Malerhüsle) Schäferhunde für die sich im Aufbau befindende deutsche Wehrmacht züchtete. Offenbar funktionierte das aber nur über ei­ nen kurzen Zeitraum; danach entstand dann wohl die Idee, die vom Bombenkrieg terrorisier­ ten Großstadtbewohner in diese Idylle zu holen. Im „Renzeck“ war man nicht nur vor Bomben si­ cher; in der friedlichen Natur ringsum konnte man dieGrauen des Krieges völligvergessen. Of­ fenbar lebte und wirkte auch Dr. Renz wesentlich lieber in seinem landschaftlich äußerst reizvol­ len „Renzeck“ , als beispielsweise in Freiburg sei­ nem Juristenberuf nachzugehen. Er besaß wohl weder einen Führerschein noch verfügte er Uber ein Auto. Heute würde man ihn wahrscheinlich als „Aussteiger“ bezeichnen. Einst ein Zoll- und Gasthaus Nach der Chronik des Klosters und der Stadt St. Georgen4 war der „Schlempen“ unweit des Kesselbergs in früheren Jahren – weit vor der Renz’schen Zeit – ein vorderösterreichisches Zoll- und Gasthaus, an dem vier dörfliche Bezirke en­ deten. Zwei Gemeinden, nämlich Nußbach und Rohrbach, gehörten zu Vorderösterreich, die beiden anderen, Brigach und Oberkirnach, zu St. Georgen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ka­ men alle den Schlempen umgebenden Gebiete an Baden, wom it die Funktion als Zollhaus en­ dete. Zu dieser Zeit war Jakob Eschle Besitzerder R e n z e c k o b Rohrbach „Herberge“ .5 Er verkaufte 1818 den Besitz an sei­ nen Sohn Oswald, der schon bald darauf den „Schlempen“ an den Rohrbacher Rotlöwenwirt Daniel Hilser veräußerte; er betrieb die Gastwirt­ schaft im „Schlempen“ weiter. Anschließend wechselten die Besitzer in ra­ scher Folge (Felix Ketterer, Berthold Ketterer), bis schließlich Tobias Dilger den Besitz kaufte. Erwar der Wirt, der um die vorletzte Jahrhundertwende und noch einige Jahrzehnte danach die im ge­ samten Schwarzwald bekannte Gastwirtschaft „Zur Fuchsfalle“ (Bild 3) ganz in der Nähe des „Schlempen“ umtrieb. Wegen derabseitigen, für eine Gastwirtschaft sehr ungünstigen Lage des „Schlempen“ – dazu noch ohne Hausquelle – verkaufte der Fuchsfallenwirt das Schlempen­ haus an Dr. Renz; er behielt jedoch den Hauptteil der Felder und den Wald. Damit schließt sich der Kreis der Recherchen um die historischen Hintergründe am Schlem­ penhaus bzw. zum „Renzeck ob Rohrbach“ . Mit Hilfe der alten Ansichtskarte (Bild 1) ließen sich einige regionalgeschichtlich interessante Fakten eindeutig belegen. H einz N ie n h a us Anmerkungen: 1 Klmmlg, Manfred: Die Chronik von Rohrbach im Schwarz­ wald, Furtwangen/Schwarzwald, 2. Auflage, 1991 2 Ziegler, Hans-Günther; Schäfer, Karl Rudolf: Hans Georg Müller-Hansen – Ein Maler des Vertrauten, Hermann Kuhn Verlag, Villingen-Schwenningen, 1990 3 Mein Dank gilt dem langjährigen Verwalter des Ferien- und Jugendheims Herrn Josef Bohnert für Auskünfte zur Ge­ schichte des „Schlempen“ bzw. des „Renzeck“ . 4 Stockburger, Erich; Bearbeiter Fuchs, Dr. Josef: St. Geor­ gen – Chronik des Klosters und der Stadt, St. Georgen, 1972 5 Klmmig, Manfred: a. a. 0 . Bild 3: Die „Fuchsfalle“ um 1920, deren Wirt Tobias D ilger gehörte zu dieser Zeit auch der „Schlem pen“. 135

G eschichte Warenzeichen gegen Parteisymbol Des M au th e-A d lers Kam pf um Lufthoheit in deutschen Diktaturen Weit über einhundert Leitzordner hat Werner Pfänder an Archivmaterial zur Geschichte der „Firma mit Weltruf“ , der Friedrich Mauthe GmbH, zusammengetragen und geordnet. Darunter fin­ det sich so mancher, der Wissenswertes aus der Zeit des Dritten Reiches enthält: Von den Schwie­ rigkeiten des aufrechten Demokraten Dr. Fritz Mauthe mit dem nationalsozialistischen Regime wie von anpassungsfähigeren Männern der Fir­ ma. Und auch über die Geschichte des Warenzei­ chens der Firma: Den König der Lüfte in kühnem (Auf-) Schwung. Der Mauthe-Adler war seit 1902, in Zeiten des stürmischen Aufschwungs der Firma, geschütz­ tes Warenzeichen. 1925 breitet der stilisierte Aar schützend seine Flügel über das Unternehmen Mauthe, in seinen Fängen die Initialen „F.M.S.“ – „Friedrich Mauthe Schwenningen“ . Mit der Machtübertragung an Adolf Hitler begann ein er­ bitterter „Kampf der Adler“ , zunächst mit polizei­ lichen Nachforschungen. Der nach links schauen­ de Aar der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei mochte den seinen Blick in die­ selbe Richtung wendenden Artgenossen nicht lange neben sich dulden. Er nahm die un­ eingeschränkte Lufthoheit für sich allein in Anspruch – zum „Schutz der nationalen Symbole“ . Gleichgültig, dass Sachver­ ständige die Meinung vertraten, der Mau­ the-Adler verletze weder „das Empfinden von der Würde des Adlers als Symbol des deutschen Staates“ noch missbrauche er „das Hoheitszeichen der NSDAP“ . „Was uns auffiel…“ Der „Parteiadler“ war ein weit gefährli­ cherer Gegner als der nach rechts blicken­ de „Reichsadler“ des nationalsozialisti­ schen Deutschlands. Bald stößt der ag­ gressive Angreifer zu. Mit einer gegen die Schwenninger Uhrenfabrikgerichteten Le­ serbriefkampagne unter der Rubrik „Was uns auffiel“ in der Chemnitzer Tageszei­ tung vom 21./22. Dezember 1935 beginnt die heiße Phase der Auseinandersetzung. Als „geschmacklos“ wird der Mauthe-Ad­ ler angeblich in national gesinnten Kreisen empfunden, da er, in Wirklichkeit doch der weit ältere, „dem Hoheitszeichen der Par­ tei täuschend nachgebildet“ sei. NSDAP- Dienststellen schalten die Reichsleitung Das Hoheitszeichen der NSDAu (links unten) ha tm itM a u th e s Markenzeichen – h ie rin der Form von 192s, die den Anstoß der NSDAu-uarteigewaltigen erregte (links oben) – das e ine gem einsam : Der A ar b lickt nach links, anders als 1935 das Wappen des eingeführte Feichsadler, wie er auch im klei nen Dienstsiegel erscheint (rechts oben u nd unten). In d er M itte der M authe-Adler anno 1911. 136

der Partei ein. Sie befindet, dass nicht der Ein­ druck entstehen dürfe, „dass durch die Ähnlich­ keit des Firmenzeichens mit dem Hoheitszeichen der NSDAP besondere geschäftliche Vorteile er­ zielt werden sollen.“ Die Luft wird dünn. Dafür sorgt der Werberat der deutschen Wirtschaft, dessen Präsident 1937 mehrfach versucht, die Adlervielfalt zu verarmen. Der Kampf zieht weite Kreise – bis in die höchs­ ten Ebenen. Für den Schwenninger Firmen-Aar wird er zuerst in Deutschland verloren: Mauthes Markenzeichen verschwindet von der Bildfläche. 1941 werden ihm die Flügel auch im Auslands­ geschäft gestutzt, ist doch Europa weitgehend unter das Joch der deutschen Besatzer gebeugt. 1942 soll er nach dem Willen der Machthaber auch im Bereich des Überseehandels abstürzen. Selbst auf Briefköpfen muss der Adler überstempelt werden. Der Luftkampf ist entschieden. „Verunglimpfung der Partei“ Bemerkung am Rande: Es war nicht der letzte Kampf, den Schwenningens schönster Adler ver­ lor. Sah die braune Diktatur in Verwendung des stilisierten Mauthe-Adlers eine „Verunglimpfung Der M a u th e -A d le r Nach dem Krieg mut- der Partei“ , so mut­ maßte die sowjeti- sche Besatzungs- macht eine „Verherr- maßte die rote EinPar‘ teien herrschaftim sow- jetisch kontrollierten Tej[ Deutschlands eine lichung faschisti­ erregte weiter „Anstoß“ . der Mauthe-Adler scher Abzeichen“ , undemokratische „Ver­ herrlichung faschisti­ scher Abzeichen“ . Am 30. Dezember 1955 gab die Warenzeichenab­ teilung des Amtes für Erfindung und Patent­ wesen der DDR folgenden Bescheid: „Das Wa­ renzeichen zeigt eine Darstellung, die im Ge­ samteindruck mit dem Hoheitszeichen des fa­ schistischen Regimes übereinstim m t… Die Be­ nutzung von faschistischen Emblemen und Ho­ heitszeichen als Werbemittel verstößt gegen die demokratische Grundordnung und ist geeignet, bei der friedliebenden Bevölkerung der Deut­ schen Demokratischen RepublikÄrgernis und An­ stoß zu erregen.“ Der Mauthe-Adler war in seinem Flug einge­ schränkt, auch nach dem Ende Hitler-Deutsch­ lands – ohne jede eigene Schuld. M ic h a e l J. H. Z im m e rm a n n F R I E D R I C H PIAUIHE FAB RICA DE R E L O J E S F a c t . N o . F o l. F A C T U R A Toteáramos : Mautne Schw«nnmo«nn9Ciar A BC. Code 3tn yOtn Ed. Cp’ Letter Code) Bentley a Code. Rudo:* Mneae Codo Morooni Internationa‘. Co S C H W E N N IN G E N A. N. Wurtembero Selva Necra Briefköpfe der Firma M authe vor und nach 1942. Die Beispiele stammen von der Filiale in Mexiko. Auch in diesem Land m uss­ te das Warenzei­ chen überdeckt werden. 1 3 7

8 . Ka p i t e l U h r e n u n d U h r e n g e s c h i c h t e Wie die Schwarzwälder Trompeteruhr entstanden ist Es waren einm al drei F u rtw a n g er… Die Vorgeschichte dieser Innovation beginnt mit Robert Gerwig. Er wohn­ te gern in Karlsruhe und plante Straßen im Land, doch seine besondere Lie­ be galt der Eisenbahn. Aber Politik und Staats­ räson fragten nicht nach diesen Wünschen. So wur­ de denn der „Ingenieur mit Staatsdienereigen­ schaft“ im Jahre 1850 ab­ geordnet, die Leitung der wenig später gegründe­ ten Großherzoglich Badi­ schen Uhrmacherschule zu Furtwangen zu über­ nehmen. Die Schule soll­ te dem wirtschaftlich in Bedrängnis geratenen Uhrengewerbe Anregun­ gen und Hilfe geben. Gerwig war von 1850 bis 1857 Direktor der Uhrmacherschule, wurde rasch befördert und durfte schließlich doch noch Ei­ senbahnen bauen, so die berühmte Schwarz­ waldbahn, aber das ist eine andere Gechichte. Rasch hatte Gerwig erkannt, eine Schwach­ Fobert Gerwig g ilt als einer von drei Vätern der Schwarzwälder Trompeteruhr. sattgesehen an dem seit Jahrzehnten unverändert gebliebenen Äußeren. Sie forderten „moderne Uhren, die auch zu ihren Möbeln gepasst haben. Gerwig wandte sich deshalb im Herbst 1850 mit einem Aufruf an die vaterländischen Künstler, dem Uhrengewerbe mit neuen Entwürfen zu helfen. Angesprochen fühlte sich auch der aus Lörrach stammende Friedrich Eisen­ lohr, Professor und Leiter der Bauabtei­ lung am Karlsruher Polytechnikum, das später zur Technischen Hochschule wer­ den sollte. Er steuerte einen Entwurf bei, den sog. Bahnhäusle-Kasten, der rasch Anklang gefunden hat. Der Bahnhäusle- Kuckuck konnte bald andere Schwarz­ wälder Figurenuhren vom Markt ver­ drängen. Daher lag es nahe, auch die ge­ rade aufkommenden Trompeteruhren mit diesem Erfolgsdesign auszustatten. Von 14 Gehäusevarianten, die im Jahre 1881 eine be­ kannte Werkstatt fürTrompeteruhren seinen Kun­ den angeboten hat, gehörten zehn zum Typ Bahn- häusle, teils mit einfacher Reblaubverzierung, oft aberauch überladen mit naturalistischem Schnitz­ werk, Fauna und Flora stellten die Motive. stelle der Schwarzwälder Uhren lag bei ihrem Aussehen. So be­ liebt heute die Hölzernen Lack­ schilder mit bunten Blumen bei Sammlern und Heimatfreunden sind, die damaligen Kunden, be­ sonders aus der Stadt, hatten sich Der Trompeter der Scheffeluhr, ent­ worfen von Bichweiler, g e fertig t von Emilian Wehrte. 138 Nun kommt der dritte Badener insSpiel, der damals weit entfernt von Technik und Uhrengewerbe in Italien einen Studi­ enaufenthalt verlebt hat. Es war Victor Scheffel, der später im ausgehenden 19. Jahrhundert zu Deutschlands berühm­ testen Dichtern zählen sollte. Auf der Insel Capri entstand sein Versband „Der Trompeter von Säckingen. Ein Sang vom Hochrhein.“ Die erste Auf­ lage erschien 1854, viele, viele andere folgten. Der Band entsprach offenbar

lange Jahrzehnte hindurch den Gefühlen und historischen An­ sprüchen breiter Leserschichten. Trompeter-Romantik fand in der Öffentlichkeit Anklang, das hat auch der ebenso wie Scheffel zeitweise in München lebende badische Hofmaler Johann Bap­ tist Kirner erfahren. Scheffel und Kirner waren befreundet. Der Dich­ ter berichtet 1861 seiner Mutter von einer Fußreise in den Schwarzwald und nach Furtwan- gen: „Hier gibt es lauter gute, stil­ le Gebirgsorte, wo keine Unifor­ men glänzen, kein Hochmut blickt und keine Esel sich für Schwanen halten.“ Johann B aptist Kirner: der g ro ß ­ herzoglich badische Hofmaler so ll den Anstoß zum Bau der Trompeteruhren gegeben haben. S c h w a rz w ä ld e r T ro m p e te ru h r denzahl durch Trompeterstöße anzeigen sollte.“ Dem Jahresbe­ richt der Uhrmacherschule über das Schuljahr 1857/58 lässt sich folgende Passage entnehmen: „Seit unserem letzten Bericht ist eine Uhr mit Trompeter in Auf­ nahme gekommen und erfreut sich ebenfalls großen Beifalls.“ Es war der Furtwanger Jacob Bäuerle, der die erste funktionie­ rende Trompeteruhr auf der Vil- linger Gewerbeausstellung 1858 der breiten Öffentlichkeit vorge­ stellt hat. Vorher hatte er Schot­ tenwerke, also mittelgroße Wand­ uhren mit Gewichtsantrieb, her­ gestellt. Im Ausstellungskatalog heißt es: „Trompeteruhr zu 44 fl (Gulden, später umgerechnet et­ wa 75 Mark. Der Verf.). Ein Bahn­ wart tritt jede Stunde aus einer am Uhrkasten an­ gebrachten Tür heraus, wobei die Stundenzahl durch gelungene Nachahmung von Trompeter­ stößen angezeigt wird.“ Für Bäuerles Leistung gab es eine „schriftliche Belobigung“ . Noch nicht eindeutig geklärt werden konnte, wie diese erste Trompeteruhr geklungen hat. War es nur ein Ton, vergleichbar dem Tuten des Sig­ nalhorns eines Bahnwärters, der vor dem na­ henden Zug warnt, oder wurden zwei Töne ge­ blasen, ein solches Modell lag nahe wegen der Kuckucksuhr. Kistner meint, für mehrtönige Sig­ nale habe sich der Bahnwärter nicht geeignet, Kreuzer hingegen behauptet, dass Bäuer­ le „zwei Zungentöne angebracht hat“ . Unbestritten ist, Fanfaren- oder Schalmeienklänge konnten in der Pionierphase noch nicht realisiert wer­ den. Nach 1870 unterschied man den „Stundenbläser“ , bei dem statt des Stundenschlags das ein bis zu drei Tö­ ne umfassende Signal geblasen wird, und die eigentlichen Trompeten- Schal­ meien- oder Flötenbläser, bei denen Trompeteruhr aus dem Catalog des Furtwan­ g e r Uhrenhändlers Schmid, um 1895. Es war der Altmeister der Schwarzwälder Uhrenforschung, Adolf Kistner, der erstmals auf die Verbindung zwischen Scheffel und Kirner hinge­ wiesen hat. Auch wenn ein strenger Urkunden­ beweis (noch) nicht geführt werden kann, es liegt nahe, dass Kirner ebenso wie andere seinen Bei­ trag zur Förderung des heimischen Gewerbes leis­ ten wollte. Wenn Trompetenklänge beim Publi­ kum ankamen, warum konnten sie dann nicht aus Schwarzwälder Uhren ertönen? Keinen Zweifel dürfte Kirner gehabt haben, dass seine findigen Landsleute die Idee auch technisch realisieren konnten. Schließlich gab es seit langem die Kuck­ ucksuhr, bei der gleichfalls bewegliche Figur und Klangfolge miteinander verknüpft waren. „Die erste Anregung gab Kunst­ maler Kirner“ Ein Zeitgenosse, Romulus Kreuzer, Uhrenschildmaler und Gewerbepo­ litiker aus Passion, vermerkt in sei­ ner 1880 erschienenen Furtwanger Chronik Uber die Entstehung der Trompeteruhr: „Die erste Anregung zu derselben gab der in Furtwangen geborene HofmalerJ. B. Kirner… Er ent­ warf eine Zeichnung, nach welcher durch ei­ ne Tür ein Mann hervortrat und die Stun-

Uhren und U hrengeschich te beim Stundenschlag „ein ganzes Stücklein ertönt, einstimmig – oder bei zwei Figuren – auch zwei­ stimmig“ (Schott 1873). Jacob Bäuerle (gestorben 1865) und bald auch sein Sohn Carl haben diesen Uhrentyp ste­ tig verbessert. Die Modelle wur­ den wahlweise mit Gewichts­ oder Federantrieb geliefert, im ersten Fall kosteten sie etwa 65 Mark, mit Federantrieb fast dop­ pelt so viel, jeweils ohne Gehäu­ se gerechnet. Die Firma Bäuerle Sohn bot nach 1880 außerdem an: „Federkraft und Gewicht Trompeten und Flötenmusikuh- Emilian Wehrte ren mit und ohne Uhr 6 – 8 Stücke spielend“ für 500 bis 2000 Mark. Doch damit wurde der Entwicklung vorgegriffen. „Sehr schön gearbeitete Uhren“ Bereits auf der Karlsruher Ausstellung von 1861 erhielt Bäuerle Konkurrenz durch Emilian Wehrle (1832-1896), ebenfalls aus Furtwangen, derzwei Kuckucksuhren und vier Trompeteruhren vorge­ stellt hat. „Wehrle ist offenbar der glücklichste Nachahmer des Trompetentones und seine zwei Dragoner fanden mit ihren Reiterstückchen beim Publikum ungeteilten Beifall.“ Ein Jahr später heißt es im Katalog der Londoner Weltausstellung von 1862: „Wehrle, E., zwei Trompeteruhren, auch die Kästen derselben waren sehr schön gearbei­ tet.“ Diesen Vorsprung konnte Wehrle halten, zu­ mal er sich 1866 mit seinem Namensvetter, . DO« fijgUS). /■'“fiaimka ticm i$Pi T » m p c í e r ¿ g j l ó t c n – t i n > ‘ntechan.S>incn)Oieluhren|> jS ^ Nachbarn und Schwiegervater Franz Xaver Wehrle (1819 -1885) assoziiert hat. Franz Xaver war einstmals Schüler des berühm­ ten Musikwerkbauers Martin Blessing und brachte deshalb viel Fachwissen und Fach können in die gemeinsame Firma ein. Im Jahre 1873 wird von der Wie­ ner Weltausstellung berichtet: „Zu einer hohen Stufe der Voll­ kommenheit haben es in dieser Branche (Trompeteruhren, der Verf.) Wehrle & Comp, gebracht. Die Musikstückchen ihrer Uhren sind nicht nur nach den Regeln der Tonkunst gesetzt, sondern auch das Geräusch der Tasten und das Unsichere des Taktes ist fast vollständig beseitigt.“ Bäuerle gibt für 1871 eine Jahrespro­ duktion von 70 Stück im Wert von 4 200 fl an, was einem Durchschnittspreis von 60 fl (100 Mark) ent­ spricht. Wehrle nennt 300 Stück zum Gesamt­ preis von 38 000 fl, was auf einen Stückpreis von 126f l (215 Mark) hinausläuft. Großbritannien und die USA werden als Hauptabsatzgebiete genannt (Schott). Ein in Furtwangen produzierter Uhrentyp Bis nach 1880 war die Trompeteruhr ein wahr­ scheinlich nur in Furtwangen produzierter Uh­ rentyp. Marktführer blieb Wehrle, gefolgt von Bäu­ erle. Später trat auch die Firma Gordian Hettich Sohn stärker in Erscheinung, wobei hier offen­ bleiben muss, ob Hettich eine eigene Produkti­ on unterhielt, eine Montagewerk­ statt, oder ob er nur mit diesem Uhrentyp Handel trieb. Um 1900 hatten auch Schreijäg (Vöhren- bach) oder Herr (Triberg) Trompe­ teruhren im Programm, aber eben­ so große württembergische Uh­ renfabriken, etwa Jaughans-Haller ^ u r t i v a i u ^ c n ^ bab.SfhioarjR’ali. Etikett der Firma Emilian Wehrle, stets angebracht im Innern der Uhr.

in Schwenningen. In deren Katalog von 1903 boten sie vier verschiedene Gehäuse an, als Wanduhren wahlweise mit Gewichts- oder Fe­ derantrieb ausgestattet. Ein Spätling wird noch 1926 vom Versandhaus Stukenbrok propagiert: Trompeteruhr für 26 RM. „Die Uhr ist sehr originell und beson­ ders für Gastwirte geeignet.“ In den i89oer)ahren botdie Fir­ ma Wehrle & Cie unter Ziffer 33 des Katalogs eine Spezialität an: die Scheffeluhr. Trompeter von Säckin- gen. Dies kann als Hommage an Scheffel angesehen werden, aber auch als Belegfürdietechnische Leis­ tungsfähigkeit dieses Hauses. Wirt­ schaftlich war es wahrscheinlich kein Erfolg, dafür lag der Preis zu hoch, denn mit 1200 Mark war die Uhr ausgeschrieben. Im Vergleich dazu: in der Furtwanger Uhrenin­ dustrie verdiente 1898 bei Akkord­ arbeitein Uhrmacherzwischen 2 unc 4 Mark, Fabrikarbeiterinnen erhiel ten zwischen 0,80 und 1,70 Mark, jeweils pro Arbeitstag. Ein Pracht­ stück dieser Art – gut zwei Meter hoch – kann im Deutschen Uhren­ museum Furtwangen bewun dert werden, eines ist in den USA nachgewiesen, ein ähnliches wurde kürzlich aus Fürstenbesitz versteigert. Nur in kleinen Serien gefertigt Die Scheffeluhr dürfte die aufwendigste in kleinen Serien gefertigte Trompeteruhr gewesen sein. Eingebaut ist ein massives 8 Tage-Uhrwerk mit Federantrieb. Dem Stunden­ schlag auf Tonfeder folgt stets das gleiche Trom­ petenstück, dafür stehen 9 Metallpfeifen zurVer- fügung. Doch die Uhr spielt außerdem, selb­ ständig abwechselnd, eine von 6 Melodien, ge­ steuert von einer Messingwalze mit 52 Stahlzun­ gen für 26 Töne. Die Musik lässt sich auch durch Schnurzug auslösen. Das prunkvolle Nussbaum­ gehäuse wurde von Robert Bichweiler (geb. 1849 S ch w a rz w ä ld e r T ro m p e te ru h r Trompeteruhr (Scheffeluhr), g e fe rtig t von Emilian Wehrle & Comp., 1890. 8-Tage-Fe- derzugwerk, 9 Trompeten, weiteres Spiel- werk fü r sechs M elodien. in Villingen) entworfen und von Schrei­ nermeister A. Tritschler ausgeführt. Bichweiler hatte keine formale Aus­ bildung zum Architekten durchlau­ fen, konnte sich abertrotzdem in Hamburg beruflich durchsetzen. Seit 1875 arbeitete er selbständig im Bereich von Architektur und Kunst­ gewerbe. Im Jahre 1882 wurde erzürn Vorstand des Hamburger Kunstgewer­ bevereins gewählt. Doch bald darauf (1883) entschied sich Bichweilerzum Eintritt in den badischen Staats­ dienst als Leiter der (einzigen) Filia­ le der Karlsruher Landesgewerbehal­ le in Furtwangen. Sein eher diffuser Auftrag bestand darin, Gewerbe und Handel im Schwarzwald zu fördern. Dies schloss auch die Betreuung der inzwischen seit Gerwigs Aufruf von 1852 angewachsenen Sammlung historischer Uhren an. Bei der hiervorgestellten Schef- feluhristdasGehäuse klarge­ gliedert. Oben in einem offe­ nen Fenster steht der Trompeter in der Tracht des 17. Jahrhunderts, sorgfältig geschnitzt und bunt be­ malt. „S ’bläst sich gut in reiner Höh’“ schrieb Scheffel mit Blick auf das Trompeterstübchen im Turm. Das ge­ ätzte, mehrfarbige Zifferblatt und die durchbrochenen Stahlzeigertreten erkenn­ bar zurück gegenüber dem Ölbild im unteren Feld, dessen Wirkung ein Säulenportal noch verstärkt. Scheffels Liebesgeschichte in Versform han­ delt von Werner Kirchhofer, einem bürgerlichen Musiker und Trompeter, und von Margareta von Schönau, derTochter seines adelsstolzen Dienst­ herrn. Auf der Uhr ist eine entscheidende Szene wiedergegeben, die damals vom kundigen Pub­ likum sofort erkannt worden wäre. „In der grü­ nen Geisblattlaube“ wurde aus Zuneigung Liebe. 141

S c h w a rz w ä ld e r T rom pe te ruh r Blick ins Innere der Scheffeluhr. Oben der Blase­ balg, darunter die Wind lade. Seitlich g M etallpfei­ fen fü r den Trompeter. Die Steuerwalze fü r die ü b ri­ gen M elodien ist in Draufsicht (schwarzer Kreis) er­ kennbar. Innen aufgeklebt: Verzeichnis d er sechs Musikstücke, darunter der Hinweis a u f den Herstel­ ler. (siehe Abb. Seite 140) Doch auch heutige Museumsbesucher tun sich nicht schwer, die Botschaft zu erahnen. Trompeteruhr blieb ein seltenes Stück Bewegliche Figuren, dieTrompetenmelodien spie­ len, sind keine Erfindung des Schwarzwaldes. Ei­ nen besonders eindrucksvollen Automaten, der nach dem Zeugnis von Carl Maria von Weber so­ gar Doppeltöne in gleicher Reinheit und Stärke blasen konnte, hat Friedrich Kaufmann aus Dres­ den 1810/12 konstruiert. Doch es war das Ver­ dienst der Schwarzwälder, ein Konzept aufzu­ greifen und in Serienfertigung umzusetzen. Zu einem Massenartikel wie die Kuckucksuhr konn­ ten weder Stundenbläser noch musikalisch an­ spruchsvollere Modelle werden, das hat schon der relativ hohe Preis verhindert. Für 1871 sei ei­ ne Schätzung gewagt: unter 4 000 Schwarzwäl­ der Uhren dürfte damals nur eine Trompeteruhr gewesen sein. Furtwangen war im 19. Jahrhundert das Zen­ trum der Produktion von Schwarzwälder 8-Tage- Uhren, die in Frankreich und Spanien mit den so­ liden Comtoiser Uhren konkurrieren mussten und wegen des weitaus niedrigeren Preises auch konkurrieren konnten. Im Umfeld dieses Gewer­ bezentrums entstand auch dieTrompteruhr. Drei Furtwanger, ein Kunstmaler (Kirner) und zwei Uh­ renmacher (Bäuerle und Wehrle), haben diesen Uhrentypen angeregt, verwirklicht und stetig ver­ bessert. Doch bei genauem Flmsehen waren an dieser Neuerung auch noch beteiligt ein Ingeni­ eur (Gerwig), ein Architekt (Eisenlohr) und ein Poet (Scheffel). H e lm u t K a h le rt 142 dui.-s £ Hinweis: Ein Teil der Abbildungen ist mit Genehmigung des Deutschen Uhrenmuseums und der Stadt Furtwangen der Chronik von Furtwangen entnommen. Literaturhinweis (alphabetisch) Bender, Gerd – Die Uhrenmacher des Hohen Schwarzwaldes und ihre Werke, Band.i, 4. Aufl., Villingen 1998, S. 277 ff Kahlert, H elm ut- Bibliographie derSchwarzwalduhr, 2 Bän­ de, Furtwangen 1984/1996. Nicht im Buchhandel (Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen). Darin sind die Ausstellungs­ berichte nachgewiesen. Kahlert, Helmut – Die Schwarzwälder Trompeteruhr. Auf­ kommen und Verbreitung, In: Das mechanische Musikin­ strument, 27. Jg., Nr 81, 2001, S. 21 – 25 Kistner, Adolf – Die Schwarzwälder Uhr, Karlsruhe 1927 Kreuzer, Romulus-Zeitgeschichte von Furtwangen und Um­ gebung, Villingen (Nachdruck Furtwangen 1972) Ortenburger, Rick – Black Forest Clocks, Westchester/Penn. 1991 Scheffel, Victor von – Der Trompeter von Säckingen. Neue Ausgabe. 8. Aufl., Bad Säckingen 1980 Schott, Karl – Die Schwarzwälder Uhrmacherei. Weltaus­ stellung Wien 1873, 0. 0 . (Furtwangen) 0.). (1873)

Vom Pendel zur Funkuhr Ein Rückblick in die Uhrengeschichte – Der Kam pf um die genaue Zeit Uhren und U hrengeschichte Schon seit frühester Zeit hat sich der Mensch um die Messung der Zeit bemüht. Die Beobachtung des Laufes von Sonne, Mond und Gestirnen bil­ dete den Anfang. Doch mit zunehmender Aus­ formung kultureller Lebensformen wurde diese Art der Zeitermittlung als ungenügend empfun­ den. Zwar konnte man die aktuelle Zeit mit Hilfe des Sonnenstandes recht genau bestimmen, aber die Sonne schien ja nicht immer, und wie sollte beispielsweise mit Hilfe dieser Methode ein ge­ wissenhafter Mönch in seinem Kloster die Stun­ de des vor Sonnenaufgang zu absolvierenden ersten Gebets ermessen? So wurden fließendes Wasser, rieselnder Sand, flüssiges Wachs oder Öl, kurz gesagt: Alles, was sich einigermaßen gleichmäßig bewegt, zur Messung derZeit heran­ gezogen. Seit dem 14. Jahrhundert wurden me­ chanische Hemmsysteme entwickelt und verwen­ det, um einen konstanten Zeitablauf zu erreichen. Zunächst waren es Windflügel und Waagbalken, ab dem 17. Jahrhundert wurde das Pendel als „Zeitnormal” zu einem bedeutenden Standard. Mit Beginn der Industrialisierung wurde die genaue Uhrzeit immer wichtiger. Eine ständige Forderung in den überall entstehenden Fabriken war der pünktliche Beginn zur Arbeitszeit. Als Fol­ ge stieg der Bedarf besonders von Weckern an. Nach und nach ersetzte der sogenannte „Ameri­ kanerwecker“ mit Unruh und Federwerk die bis dahin verwendeten Pendeluhren mit Wecker­ funktion. Die „Unruh“ war aus Waagbalken und Spindelhemmung entstanden und ermöglichte den Bau auch kleinerer und somit tragbarer Uh­ ren. Zwar haben sich Pendel und Unruh bis heu­ te gehalten, aber neue Techniken mit besserer Zeitgenauigkeit haben diese Elemente fast voll­ ständig verdrängt. Auch für die Seefahrt war die Entwicklung sehr ganggenauer Uhren erforderlich, nur mit diesen ist die zuverlässige Bestimmungdes Längengra­ des und damit der Schiffsposition möglich. Die Einführung von temperaturkompensierter Unruh, Steinlager, Federaufzug mit Kette und Schnecke für konstante Antriebskraft und Chronometer­ hemmungbrachte weitere Verbesserungen. Dies alles war aber nur Stückwerk, eine prinzipielle Verbesserung der Zeitgenauigkeit war ohne eine grundlegend neue Technologie nicht zu errei­ chen. Mechanischer und elektrischer Antrieb Neben dem zeitbestimmenden Element spielte und spielt der Antrieb in Uhren eine wichtige Rol­ le. Zunächst arbeitete man mit mechanischen An­ triebstechniken. Eine im wahrsten Sinne des Wor­ tes gewichtige Lösung waren Gewichte aus Stein oder Metall, welche über Seile oder Ketten die benötigte Antriebsenergie aufbrachten. Ganz sel­ ten kamen Wasser oder Wind zum Einsatz. Ab dem 16. Jahrhundert wurden Stahlfedern als An­ triebsmittel eingesetzt, besonders in Hausuhren. Seit dem 20. Jahrhundert verbreitete sich die Elektrizität als Antriebsenergie. Verstärkt fanden sich die immer kleiner werdenden Elektromoto­ ren in Uhrenantrieben. Einen großen Entwicklungs­ schub brachte aber erst der Einsatz von kom pak- ten und wartungsfreien elektrischen Batterien. Erst diese ermöglichten die Entwicklung kon­ stanter Antriebssysteme, die gleichzeitig das häufige Aufziehen überflüssig machten. Dies war eine gewünschte Entwicklung in Richtung Zeit­ genauigkeit und Komfort, eine wichtige Voraus­ setzung zur wirtschaftlichen Großserienfertigung von Hausuhren (Wanduhren und Wecker). Der Einsatz von kompakten elektrischen Bat­ terien und die Verfügbarkeitvon Transistoren als neuartige elektronische Schalter ermöglichte in den i9öoerJahren eine Revolution in der Technik der Zeitmessung: Den direkten Antrieb des Un­ ruhschwingers, was deutliche Verbesserungen 143

Uhren und Uhrengeschichte Von oben links: Batterie- Uhrwerk der ip 6 o e r /i9 /o e r Jahre m it transistorgesteuer­ ter Unruh, exotisches JECO Stim m gabel-Batterieuhrw erk (Japan), STAiGEF Batterie-Uhr­ werk m it Unruhschwinger „CHFOMETFON“ von 1967, Batterie-Uhrwerk m it Klapp­ anker und Unruh. in der Ganggenauigkeit mit sich brachte. Eine unglaub­ liche Vielzahl solcher Batte­ rieuhrwerke entstand und wurde in verschiedenen Ver­ sionen als Tisch-, Wand- und Weckeruhrverkauft. Entwick­ lung und Produktion konzen­ trierten sich in der Uhrenre­ gion Württemberg und Ba­ den, also in den typischen Uhrenproduktionsstädten wie etwa Schramberg, Schwenningen, Furtwangen und Vlllingen, maß­ geblich auch in St. Georgen. Aus dem Blickwinkel der Industrielabors und Entwicklungsabteilungen kann man diese Phase der Uhrentechnik als die Zeit des Kampfes um die Sekunden-Genauigkeit bezeichnen. Überall in der Region, und auch außerhalb, wurde geforscht, getestet, konstruiert, fabriziert, auch verworfen und es ist kaum vorstellbar, welche Vielzahl von Kombinationen aus den einzelnen Elementen Spiralfeder, Unruh, Magnet, Spule und Transistor kreiert wurden. Da gab es nichts, was nicht aus­ probiert wurde: flache, zylindrische, oder koni­ sche Spiralen, Unruhschwinger und Spulen In den abenteuerlichsten Formen. Jeder versuchte sein Modell und seine Technik als etwas besser und zeitgenauer wie die seines Wettbewerbers darzustellen. Eine unglaubliche Anzahl verschie­ denster Patente und Gebrauchsmuster spiegelt diese Epoche in der Gebrauchsuhr-Entwicklung wieder. Aber trotz aller Anstrengungen: Die Ge­ nauigkeiten der Uhren konnte nur geringfügig verbessert werden, insgesamt eine wenig befrie­ digende Situation. 144 Mancher mag sich fragen, wa­ rum die Sekunde denn so genau gemessen werden muss. Hierzu ein Beispiel: Misst man einen Meter auf ein Zehntausendstel genau, Ist dies ohne weiteres möglich und In den meisten Fällen absolut ausreichend. Misst man eine Stun­ de auf ein Zehntausendstel genau, ist das mit Batterieuhren mit mechanischem Schwinger schon gar nicht mehr so einfach. Weil sich aber dieser Zeitfehler ständig addiert, hat man schon nach einem Monat eine Uhrzeltanzeige, welche um 4,3 Minuten von der tatsächlichen Zeit abweicht. Die Quarzuhr, ein Technologiesprung Anfang der siebziger Jahre ging eine Meldung wie ein Lauffeuer durch die Region: Eine neue Techno­ logie sei serienreif, eine Batterie-Quarzuhr für den Flausgebrauch. Was steckte dahinter? Der Firma Staiger in St. Georgen war es gelun­ gen, mit einer Kombination von bereits vorhan­ denen mechanischen Antriebssystemen, neuer Mikroelektronik und einem Quarz die erste kom­ pakte, preiswerte, batteriebetriebene Gebrauchs- QuarzuhrderWelt herzustellen. Dieses Uhrwerk wurde zum Vorreiter aller gebräuchlichen Quarz­ uhrwerke. Zwar wurden Quarzkristalle in Mess­ geräten und in derHochfrequenztechnikdamals

bereits seit einiger Zeit als Fre­ quenz-Normale eingesetzt, doch waren solche Systeme aufgrund ih­ rer Empfindlichkeit und ihrer Größe für den Einsatz in Gebrauchsuhren nicht geeignet. Andere, speziell für den industriellen Einsatz gebaute Quarzuhren waren weder schön noch preiswert. Faszinierend am Quarzschwin­ ger war die Tatsache, dass es mög­ lich wurde, die Zeitgenauigkeit von Gebrauchsuhren um den Faktorioo zu verbessern. Solche Ergebnisse waren mit herkömmlichen, mecha­ nischen Gebrauchsuhren nicht an­ nähernd erreichbar. Die konsequen­ te Weiterentwicklung der Quarze kombiniert mit der fortschreitenden Entwicklung der Mikroelektronik und der Einführung von Miniatur-Schritt-Motoren ermöglichten es, kompaktere und auch preis­ wertere Uhrwerke und Wecker zu produzieren. In den siebziger Jahren entwickelte sich St. Georgen zum Oberzentrum der Quarzuhren-Pro- duktion und die Folgejahre bescherten den St. Ge­ orgener Uhrenfabriken gute Geschäfte, bis schließ­ lich Ende der achtziger Jahre durch Marktsätti­ gungs-Erscheinungen und ruinösen Preisverfall die Fernostproduktion das Zepter in die Hand nahm. Die Funkuhr, das Nonplusultra der Zeitgenauigkeit Mit der perfektionierten Quarzuhr waren in den achtzigerjahren die Möglichkeiten einer genauen Zeitmessung bei tragbaren Preisen zunächst aus­ gereizt. Nur sogenannte Atomuhren waren noch genauer. Einen neuen Entwicklungsschritt brach­ te die Funktechnologie. Da es in verschiedenen Ländern Funksender gibt, die über die robusten Langwellensignale absolut genaue Uhrzeit- und Datumsinformationen aussenden, entstand der Gedanke, solche Signale auch in Gebrauchsuhren zu nutzen. Die äußerst präzisen Miniatur-Schrittmoto­ ren und die immer leistungsfähigere Mikroelektro- Vom P end el zur Funkuhr STAIGEF Batterie-Quarz- Uhrwerk CQ 2000,1971 und Batterie-Uhrwerk m it Motoraufzug (Conrad Bihl), frühe 1960er Jahre. nik machten es möglich, entsprechend sensible Antennensysteme zu ent­ wickeln. Auch die er­ forderlichen, komplexen E m pfangsschaltungen wurden immer kompak­ ter und somit auch preis­ werter. So konnte die Funktechnik, diezunächst nur für wissenschaftliche Anwendungen und für geographische Positions­ bestimmungen gedacht war zunächst in Funk- Wanduhren und Funkweckern, später auch in Funkarmbanduhren angewandt werden. Die Funkuhrtechnik bildet heute den vorläu­ figen Abschluss im seit Jahrhunderten andau­ ernden Kampf um die genaue Zeit. Trotz Funk- und Quarztechnik, Mikroelektro­ nik und Batterieantrieb bestehen mechanische Uhr- und Laufwerke weiter. Fürviele Liebhaberin der ganzen Welt hat das mechanische Uhr- und Schlagwerk noch immer einen hohen Stellen­ wert. Hier wird Fein- und Feinstmechanik sichtbar, wenn sich hochpräzise gefertigte Zahnrädchen bewegen, die Unruh gleichmäßig schwingt und die Uhr läuft, auch wenn das „Tick-Tack“ in den modernen Uhrwerken kaum mehr zu hören ist. Aber auch in derTechnikistdie mechanische Uhr nie ganz weg rationalisiert worden. Ihr ein­ facher Aufbau, ihre Robustheit, Zweckmäßigkeit und Zuverlässigkeit sind allseits geschätzte Vor­ teile. In vielen Anwendungsbereichen, wo es bei­ spielsweise auf Unabhängigkeit vom elektrisch­ en Stromnetz, Unempfindlichkeit gegen elektro­ magnetische Störungen und elektrische Einflüs­ se und hohe Schaltleistungen ankommt, werden nach wie vor mechanische Uhrwerke eingesetzt. S ie g b e rt H ils 1 4 5

9 . Ka p i t e l M u s e e n Das Bräunlinger Kelnhof-Museum Engagierte Bürger w ollten bereits im 19. Jahrhundert ihre Stadtgeschichte präsentieren Für ihr Geschichts- und Traditions­ bewußtsein sind die Bräunlinger bekannt. Diese Verbundenheit mit ihren Wurzeln war der Grund, wes­ halb sich die Gemeinde bereits im späten 19. Jahrhundert mit dem Ge­ danken an ein Museum zu beschäfti gen begann. Vor allem der damalige Bür­ germeister Joseph Bertsche und der Maler Carl Flornung setzten sich dafür ein. 1912 wurde ein neues, großes Schulgebäude errichtet, in des­ sen Dachgeschoß ein Raum zur Präsentation ei­ ner heimatgeschichtlichen Sammlung von An­ fang an eingeplant war. Die auf Bräunlinger Ge­ markung gefundenen archäologischen Stücke sollten hier zusammen mit Einrichtungsobjekten, die Carl Flornung in Bräunlingen und Umgebung sammelte, präsentiert werden, doch zunächst ver­ hinderte der Erste Weltkrieg die Verwirklichung aller Pläne. Erst zu Pfingsten 1923 wurde dann das erste Bräunlinger Museum im Schulhaus eröff­ net. Bis 1945 blieb es da, doch kam es in den Wir­ ren der Nachkriegszeit auch hier zu einigen Zwi­ schenfällen. EineZäsur bedeutete der Brand im Dachstuhl des Schulhauses im Februar 1971, durch den 146 litt. Flitze, Ruß und Wasser zogen vor allem die Gemälde in Mitleiden­ schaft, so daß sie restauriert wer­ den mußten. In der Folge wurden alle Objekte ausgelagert und ver­ brachten viele Jahre in einem „Dorn­ röschenschlaf“ . In der Zwischenzeit wurde der Wunsch lauter, die gesammel­ ten und über so viele Krisen geretteten Objekte wieder zugänglich zu machen. Als sich die Gele­ genheit bot, kaufte die Stadt Bräunlingen eines der bedeutendsten historischen Gebäude: den ehemaligen Reichenauer Kelnhof, das spätere Gasthaus „Zum Rössle“ . Der Kulturförderverein wird aktiv Als Glücksfalls erwies sich das Engagement eini­ ger Bräunlinger Bürger, die sich zum „Kulturför­ derverein“ zusammenschlossen und am Umbau und der Renovierung sowie der Einrichtung des zukünftigen Museums im Kelnhof wesentlich mit­ arbeiteten. Mit der inzwischen beträchtlich an­ gewachsenen Sammlung war es möglich, 1988 im Kelnhof ein Museum zu installieren, das mit der Qualität und Quantität seiner Objekte über­ rascht. Unter Verwendung der alten Bestände und mit zahlreichen neuen Objekten entstand ein Einrichtungskon­ zept, bei dem der Schwer­ punkt auf das Thema Der B räunlinger Lanzenreiter aus der Alam annenzeit (oben) is t eines der kost­ barsten Ausstellungsstücke des Kelnhof- Museums. Das M otiv diente auch als A n ­ regung bei der Gestaltung des schm ie­ deeisernen M useumsschildes.

Grabungsfunde wie Schmuckstücke zeugen von der alamannischen Besiedlung. Johannes und Maria, spätgotische Figuren aus dem 13. Jahrhundert. Blick in die Ausstellungsräum e. „Stadtgeschichte“ gelegt wurde. Sie bezieht sich auf den ganzen Lebensbe­ reich der Menschen: auf die Arbeit in der Landwirtschaft und auf die Hand­ werke, die den Lebensunterhalt darstell­ ten; auf die Wohnung in dem typischen Baaremer Bauernhaus mit Vorratskel­ ler, Küche, Schlafkammer und Stube. Aber auch auf vielfältige Zeugnisse der Volksfrömmigkeit, auf Kunstgegenstän­ de, Kleidung und Trachten. Die dargestellte Geschichte beginnt mit den spektakulärsten Zeugnissen der Besiedelung in der frühen Alaman­ nenzeit, und setzt sich mit dem Mittelal­ ter, dem 17., 18. und 19. Jahrhundert bis zum frühen 20. Jahrhundert fort: zu se­ hen sind u.a. die kostbare Goldgriffspa- tha eines alamannischen Adeligen, der Gold- und Silberschmuckalamannisch- er Damen oder der „Bräunlinger Lanzen­ reiter“ , eine bronzene Zierscheibe eben­ falls aus alamannischer Zeit. Die 500jährige Enklavensituation der Stadt Bräunlingen und ihrer ausge­ dehnten Gemarkung inmitten der für- stenbergischen Landgrafschaft Baar macht die Besonderheit der Bräunlin­ ger Geschichte aus. Wie die Stadt um 1840 aussah, verdeutlicht ein eindrucks­ volles Stadtmodell; den Bräunlinger „Zwing und Bann“ stellt detailgetreu der große Gemarkungsplan von 1591 dar. Mit weitreichenden Rechten und Freiheiten ausgezeichnet wurde die Stadt seit 1313 von ihrer habsburgisch- österreichischen Herrschaft. Symbol für eines der wichtigsten Rechte, für die Hohe Gerichtsbarkeit, ist das Richt­ schwert, das hier ausgestellt ist. Auch über die Bedeutung der Schultheißen­ familie Gumpp, die in Bräunlingen eine markante Rolle spielte, ist Interessan­ tes zu erfahren. Verschiedene Objekte lassen den Besucher einen Eindruck von der kost­ baren Innenausstattung der ehemaligen barocken Stadtkirche gewinnen. Eine Vielfalt von Kensterchen (Hausaltär-

Bräu n lin g er K e lnhof-M u s eu m chen), Hinterglasmalereien, Andachtsbildchen, Kruzifixen und Reliquienbehälter ist Ausdruck farbenfroher katholischer Volksfrömmigkeit. Bedeutende Kunstabteilung Einen wichtigen Stellenwert im Kelnhof-Museum besitzt die Kunstabteilung. Aus dem frühen 13. Jahrhundert stammen die beiden Lindenholz­ skulpturen „Maria und Johannes“ , die zu den äl­ testen und durch ihren innigen Ausdruck berüh- rendsten Kunstwerken der Region zählen. Sie ste­ hen außerdem in Zusammenhang mit einer der uralten Mutterkirchen der Baar, der Bräunlinger St. Remigiuskirche, wo sie ursprünglich zusam­ men mit einem (nicht mehr vorhandenen) Kruzi­ fix im Chorbogen angebracht waren. Im Schrein des Flügelaltares dieser Kirche standen die fünf spätgotischen Heiligenfiguren, die vor einigen Jahren aus Gründen der Sicherheit ins Museum gebracht worden sind. Eine Filiale der Remigiuspfarrei war die Mar­ kuskapelle in Mistelbrunn. Von dort stammen die Holzskulpturen eines heiligen Bischofs und ei­ ner heiligen Katharina, beide aus dem 14. Jahr­ hundert, sowie einer geschnitzten Darstellung des Evangelisten Markus, ursprünglich ein Kopf- reliquiar, später als Opferstock benützt. Beach­ tung verdient auch ein spätgotischer reliefartig geschnitzter heiliger Sebastian, der der ülmer Schule zugeschrieben werden kann, dessen Her­ kunft jedoch unbekannt ist. Auch eine bedeutende Gemäldesammlung wird im Museum präsentiert. An dieser Stelle er­ wähntwerden sollen eine auf Eichenholz gemal­ te Marienkrönung aus dem 16. Jahrhundert, die großformatige Darstellung einer Anbetung der „Heiligen Drei Könige“ aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts, ein monumentales Portrait eines Freiherrn von Schellenberg, ein Altarblatt des Barockmalers Johann Georg Glyckher sowie wei­ tere Werke barocker Meister. Für die Zeit des 19. Jahrhunderts sind vor al­ lem die aus Bräunlingen stammenden Maler Jo­ hann Baptist Tuttiné, Joseph Fuchs und Conrad Neukom mit wechselnd ausgestellten Werken ver­ treten, daneben aber auch weitere Künstler der Region. In einem besonderen Raum finden mehrmals jährlich wechselnde Ausstellungen statt: hier zei­ gen Kunstschaffende aus Bräunlingen und der näheren Umgebungihre Werke; hierfinden aber auch Konzerte und Vorträge statt und nicht zu­ letzt Sonderausstellungen ausden Beständen des Kelnhof-Museums selbst. Ehrenamtliche Mitarbeiter aus den Reihen des Bräunlinger Kulturfördervereins betreuen das Museum während der Öffnungszeiten an jedem ersten Sonntag im Monat, hier gibt es dann oft auch kurze, themenbezogene Führungen. Dane­ ben können Gruppen ab zehn Personen mit dem Verkehrsamt besondere Termine zur Besichti­ gungverabreden. S u sa n n e H u b e r-W in te rm a n te l M.A. Das Kelnhof-M u­ seum in B räunlin­ gen ist in einem geschichtsreichen Gebäude unterge­ bracht.

Gemälde, volkstümliches Schnitzwerk, Heiligenfiguren, historische Fahrzeuge, eine alte Küche oder Einblicke in tra d itio ­ nelles Handwerk: Das Kelnhof-Museum m achtseine Besucher a u f vielfache Weise m it dem Leben in Alt-Bräunlingen vertraut.

M u s e en Schiefertafel, Griffel, Federkasten Ü ber die Schulsam m lungen von W ilfried S tein hart in Villingen Wilfried Steinhart, der leidenschaftliche und ge­ schichtsbewusste Sammler, hat eine Sammlung zusammengetragen, die ihresgleichen sucht: Ein Stück große Firmen- und Familiengeschichte er­ halten und ein Stück Kulturgeschichte bewah­ ren, darum geht es. Er sammelt die Erzeugnisse der Firma Gebrüder Steinhart in Dettingen bei Horb am Neckar – vor allem alles um die Schiefer­ tafel – und hat eine bedeutende Schulsammlung aufgebaut. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Schie­ fertafeln und -griffel zur Grundausrüstung der Schulgänger gehörten. Als Material eignet sich Schiefer besonders gut, da es sich bei ihm um ein unempfindliches und dabei in dünne Platten spalt­ bares Gestein handelt. Seine Bestandteile sind u.a. Ton, Quarz, Kalk und Mergel. Seit dem 15. Jahrhundert ist die Verwendung von Schieferta­ feln bekannt. Einen ersten Boom verzeichnete die Herstellung infolge der steigenden Nachfrage durch die Neugründung von Schulen während der bildungshungrigen Reformationszeit. Der Rohstoff wurde hierzulande vor allem im Frankenwald und im Thüringer Schiefergebirge gewonnen. Die so genannten „Tafelmacher“ be­ trieben ihr Handwerk im 17. und 18. Jahrhundert meist als Hausgewerbe. Es war eine typische Ar­ beit der armen Leute, die durch die Mitarbeit der ganzen Familie ihre dürftigen Lebensverhältnis­ se etwas verbessern konnten. Der Beruf des Ta­ felmachers war niemals als Handwerk anerkannt worden, war vielmehr eine Tätigkeit von Außen­ seitern. Bis 1933 war es jedem erlaubt, Schiefer im Bruch abzubauen. Als im 19. Jahrhundert der Tafelbedarf durch die Ausweitung des Schulwesens rapide an- stieg, wurde mit der industriellen Fertigung be­ gonnen. Die erste Tafelfabrik wurde 1861 im thü­ ringischen Geroldsgrün gegründet, 1883 entstand die erste Griffelfabrik in Steinach, das ebenfalls in Thüringen liegt. Ihre Blüte­ zeit erlebte die Produktion zwischen 1890 und 1914. Franken wurde – weltweit praktisch ohne Konkurrenz – das Zentrum der Schieferta­ felherstellung, dort wurden ca. 12 Millionen Stück jähr­ lich gefertigt. In Deutschland konnte der stetig steigende Bedarf schon bald nicht mehr durch einheimisches Material gestillt werden und man war auf Rohstoffimpor­ te, hauptsächlich aus der Schweiz angewiesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sank die Nachfrage beständig. Nachdem bereits 1968 die Griffelproduktion in Steinach eingestellt worden war, wur- W ilfried Stein ha rt m it einem Schmuckstück seiner Schulsam mlung. 150

Fitter-Schiefertafeln, Griffet, Griffelkasten und Schwammdose aus der Sam mlung W ilfried Steinhart. de 1989 die letzte deut­ sche Schiefertafelfabrik in Ludwigsstadt (Bay­ ern) geschlossen. Im heutigen Schwarz- wald-Baar-Kreis wurden die meisten Fachgeschäf­ te von der Firma Gebrü­ der Steinhart in Dettin­ gen bei Horb am Neckar mit Tafeln versorgt. Dort betrieb Kaufmann Otto Steinhart in den siebziger Jahren des 19. Jh. ne­ ben einem Detailgeschäft eine Großhandlung für Schiefertafeln, Griffel und Märbetn = Murmeln (Kinderspielzeug). Er bezog die fertigen Schie­ fertafeln zunächst aus Thüringen. Die Schulbehör­ den stellten immer höhere Qualitätsansprüche, insbesondere bezüglich Format und Lineatur der Tafeln. Die Thüringer Lieferanten konnten diese Forderungen nicht erfüllen, da dort der Artikel fast nur in der Hausindustrie hergestellt wurde. Otto Steinhart beschloss daher mit seinem Bru­ der, selbst eine Schiefertafelfabrik zu bauen. Zu Hilfe kam ihm, dass er die Herstellungsme­ thoden durch eigene Anschauung an den thürin­ gischen Produktionsstätten kannte. Auch hatte er bereits einen günstigen Ort für eine eigene Fab­ rikation ausgesucht: Das Bergamt Bonn hatte nämlich 1855 durch die Saline Stetten bei Hai- gerloch am Ausgang des Diessentales Bohrver- suche nach Steinkohle vornehmen lassen. Hier­ zu nutzte man die Wasserkraft des Diessenba- ches mit 12 m Nutzgefälle und ca. 250 Sekunden­ litern Wassermenge. 1856 wurden die Bohrver- suche eingestellt, da man dort statt Kohle nur ro­ ten Sandstein fand und außerdem der Bohrer ab­ gebrochen war. Die Wasserkraft lag nun 25 Jahre brach, bis sie von Otto Steinhart zusammen mit dem dazu­ gehörigen Gelände durch Kaufvertrag vom 16. Mai 1881 erworben wurde. Zusammen mit seinem S chie fe rta fel, Griffel, Federkasten jüngeren Bruder Hermann gründete Steinhart dann eine offene Handelsgesellschaft. Die Firma Gebrüder Steinhart war die einzige Schiefertafel­ fabrik im heutigen Baden-Württemberg und die einzige in Deutschland, die nicht in einem Schie­ ferabbaugebiet produzierte. Nach Überwindung der ersten Anlaufschwierigkeiten wurden bald 1000 Tafeln täglich von ca. 30 Arbeitern herge- stellt. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg und in der dem Krieg folgenden Inflationszeit konnte die Jahresproduktion auf ca. eine Million gestei­ gert werden. Von den 60 Arbeitern während der Vorkriegsjahre waren 50 in der Tafelfabrikation beschäftigt, zehn arbeiteten in dem Sägewerk, das der Fabrik angegliedert wurde. Die ehemals „Hoch- fürstlich-Hohenz. Säg- und Reibmühle“ war 1812 an einige Dettinger Bürger übergegangen und wurde 1882 von den Brüdern Steinhart erworben. Das Sägewerk diente zunächst hauptsächlich als Hilfs-und Nebenbetrieb der Tafelfabrik, wurde An­ fang der 1890er Jahre aber zu einem Handelssä­ gewerk ausgebaut, dadurch konnte auch der Holzhandel mit Schnittwaren betrieben werden. An erster Stelle stand der Export nach Indien In ihrer besten Zeit hatte die Firma bis zu hundert Mitarbeiter und exportierte weltweit. An erster Stelle stand die Ausfuhr nach Indien. Von dort 151

M u s e en fldler- Sdiiefertafeln Anzeige der Firma Gebr. Steinhart, um 1905, a u f der noch das Firm enlogo zu sehen ist, d e r preußische Adler. in Hart- und Weichholzrahmen roh, lackiert, poliert Klapptafeln m it und ohne Calico Kgl. Pr. Staatam ed. S c h u l w a n d t a f e l n aus n atu rach w arscm Felscnschieier W irtschafts- u. Reklametafeln in je d er Grösse. den Firmenchefs, in einem Radio-In­ terview die Hoffnung geäußert, dass erfürdieTafel-Griffel-Anwendungnoch eine Zukunft sehe. Sein einleuchtendes Argument: Man könne auf der Tafel – wie auf dem PC – das Geschriebene ungeschrieben machen. belieferten einheimische Händler auch Persien und Innerasien mit den Tafeln aus Süddeutsch­ land. Weitere wichtige Exportmärkte waren der Balkan, Südamerika, Ägypten und die früheren deutschen Kolonien in Afrika. Nach dem Ende der Inflation ging es mit dem Export rapide bergab und der Absatz beschränkte sich unter dem Druck der übermächtigen nordamerikanischen Konkur­ renz fast ganz auf Süddeutschland. Über einhundert Arbeitsschritte für eine Tafel Neben Tafeln produzierte die Firma Steinhart Griffelkästen, auch Rechenmaschinen mit Holz­ perlen, Holzspielzeug, Materlineale, Staffeleien, Keilrahmen, Kartei- und Ablagekästen sowie Par­ kettfußböden. Die Schiefertafel blieb der Haupt­ artikel bis in die fünfziger )ahre. 1939 wurde die Adler-Schiefertafel abgelöst durch die Ritter-Ta­ fel. Über hundert Arbeitsschritte waren für die Herstellung einerTafel nötig. Den Schiefer bezog man ausschließlich aus dem Ausland, da der deutsche Schiefer in den Abbaugebieten in Thürin­ gen und Franken verarbeitet wurde. Auch eignet sich derdeutsche Dachschiefer in Farbe und Här­ te nur bedingt zu Schreibzwecken. Beliefert wurde die Firma Steinhart zunächst mit Schiefer aus der Schweiz, später aus Italien, den man dann so präparierte, dasserdem dunk­ leren und teureren schweizer Gestein gleichsah. Die Schiefertafel war das Kernstück der Produk­ tion, bis ihr der Siegeszug des Papiers den Gar­ aus machte, i960, noch fünf Jahre vor dem Ende der Firma hatte Anton Steinhart, einer der bei­ 152 Dass der Name Steinhart nicht ganz in Vergessenheit gerät und die Erinnerung an ei­ ne vergangene Schulzeit bleibt, dafür sorgt seit über vierzig Jahren ein Urenkel des Firmengrün­ ders: Wilfried Steinhart, Werkzeugmachermeis­ ter und Villinger. Er hatte noch in der elterlichen Fabrik gearbeitet. Als die Firma nicht mehr be­ stand, sammelte er in seiner Freizeit fast alles, was an Restbeständen geblieben war. Er begann in den darauffolgenden Jahren, diese mit viel Sachverstand zu ordnen, zu dokumentieren und zu ergänzen. Zur Sammlung gehören Arbeitsgeräte und Maschinen wie zum Beispiel eine Stempelma­ schine, welche das Firmenlogo, Type und ABC auf den Rahmen prägte. Diese Maschine funktio­ niert immer noch und wird bei Ausstellungen vorgeführt. Des Weiteren finden sich Schieferta­ feln und andere Schulutensilien, Geschäftsbü­ cher, Preislisten, Kataloge, schriftlicher Geschäfts­ verkehr. Außerdem Dokumente wie das „Statut der Krankenkasse“ von 1892 und die „Arbeits­ ordnung“ der Firma von 1904, die viel über die Arbeitsbedingungen jenerZeitverrät. Besonders hervorzuheben sind die §§ 3 und 5. § 3: „Junge Leute, die gegen den Willen ih­ rer Eltern außer dem elterlichen Hause wohnen, erhalten Kündigung.“ § 5: „Die weiblichen Arbeiter sollen, soweit tunlich, von den Arbeitern männlichen Geschlechts getrennt sein und ist denselben während der freien Zeit jeder gegenseitige Verkehr untersagt. Zuwiderhandlungen ziehen Geldstrafen von 25 Pf., Verwarnungen und falls diese fruchtlos, Kün­ digung nach sich. Wer die ihm angewiesene Ar­ beitsstelle ohne Grund verlässt, sich mit ande-

ren unterhält, wird mit 10 Pf., im Wiederholungs­ fälle am gleichen Tage mit 20 Pf. bestraft. Wer Unfug treibt, andere in der Arbeit stört, wird mit 20 Pf. bestraft. Tabakrauchen wird mit Geldstra­ fen im Betrage eines halben Taglohnes bestraft und gilt dies nicht nur für Fabrikräume, sondern auch für die Sägmühle und Höfe.“ Viele Kunden im Schwarzwald-Baar-Kreis Wie die Rechnungsbücher zeigen, gehörten zu den Kunden fast alle wichtigen Schreibwaren­ handlungen im heutigen Schwarzwald-Baar-Kreis, so in Blumberg, Bonndorf, Donaueschingen, Furt- wangen, Hüfingen, St. Georgen, Triberg,Tuningen, Vöhrenbach, Schwenningen, eine der ersten Lie­ ferungen ging 1881 zu Ferdinand Weißhaar nach Villingen. Von den Schreibwarenhandlungen, die nach 1930 beliefert wurden, existieren heute im­ merhin noch einige, wiezum Beispieldie Firmen Wiebelt, Fackler oder Weißer in Villingen. Zu den Geschäftspartnern zählte auch die Uhrenindust­ rie. Zu nennen sind etwa die Württembergische Uhrenfabrik und die Firma Mauthe in Schwennin­ gen, die Firma Kienzle in VS-Villingen sowie das Sägewerk Vöhrenbach und Holzhandlung Fritz Schiele in Wolterdingen. Jetzt als Rentner hat er mehr Zeit, sich dieser Beschäftigung zu widmen. „Es w ird“ , so Wilfried Stein hart, „meine Aufgabe als Rentner sein, dies alles weiter zu ordnen und zu sortieren. Denn: „Nichts wird weggeschmis­ sen“ , und manches interes­ sante Schriftstück liegt mit Sicherheit noch in den vor der Vernichtung bewahrten Unterlagen verborgen und wartet auf seine Wiederer­ weckung. „Es macht mir gro­ ße Freude, meine Sammlung auch anderen zugänglich zu machen, betont Wilfried Steinhart.“ Sowird seit eini­ gen Jahren der Öffentlich­ ere Firma Gebr. Steinhart nach einer Ansicht um 1910. S ch ie fe rta fel, G riffel, Federkasten keit in einer Reihe von Ausstellungen ein Groß­ teil der Sammlung gezeigt, wie etwa bei einer ge­ meinsamen Hobbysammler-Ausstellung im The­ ater am Ring zur 1000-Jahr-Feier der Stadt Villin­ gen oder in der überaus gelungenen Ausstellung in Überauchen-Brigachtal 2001, die vom Alter­ tums- und Brauchtumsverein Brigachtal veran­ staltet wurde. Es folgte 2002 eine Ausstellung im Heimatmuseum Niedereschach-Fischbach. Im Jahr 2004 fand im Heimatmuseum Holz­ gerlingen, zusammen mit Dr. Jochen Vogel aus Steinach/Thür, (er ist Experte in Sachen Schiefer­ griffel, die Großväter Steinhart und Vogel hatten schon Geschäftsbeziehungen miteinander) eine über sechs Monate dauernde Ausstellung unter dem Titel „Ranzen-Griffel-Schiefertafel“ statt. Einige Gegenstände aus der Schiefertafelfa­ brik, darunter eine komplette Liniermaschine, befinden sich im sehenswerten Schulmuseum in Friedrichshafen. Falls es tatsächlich zu einem grö­ ßeren, öffentlichen Schulmuseum kommen soll­ te, dessen Ausstattung die umfangreiche Samm­ lung des Grundschulrektors Axel Strecker aus Neuhausen bilden wird, würde Wilfried Steinhart (der selbst nicht die allerbesten Erinnerungen an die Schulzeit hat) auch diesem Schulmuseum ei­ nen Teil seiner Sammlungen zur Verfügung stel­ len: Für Nostalgiker und Zeitreisende und alle, die bestätigt finden wollen, was sie schon immer wussten: dass nichts bleibt, wie es ist. W olfg a n g D u ffn er 153

i o . Ka p i t e l B r a u c h t u m Die Fastnachtsnarren der Baar haben ih­ re eigenen Ursprungsmythen. Eine der faszinierendsten bietet die Bräunlinger Narrenzunft „Eintracht“l die ihrer Histo­ rie ein Denkmal aus Bronze setzte: ein am Zunfthaus gestrandetes Narrenschiff. Die Geschichte ist so spannend wie das täg­ liche Leben: Die Narren der Zähringerstadt trei­ ben in ihrem selbst gebauten Schiff auf dem Meer chen der Jagd nach Glück und dem Getrieben­ sein durch die Zeit. In der närrischen Hast kommt es, wie es kom­ men muß: Ein starkerOstwind treibt das Gefährt an Hüfingen vorbei, den Brändbach entlang der Buchhalde. Schließlich werden die Gefährten in die Mündung des Blaumeers gedrückt. Das Schiff, besetzt mit Stadthansel, Alemannischem Trumm- ler, Soldaten der Stadtwehr und Musikern der Stadtmusik, derUrhexe, Hemdglonker und einem Mitglied des Narrenrats, strandet an einer Klip- Bräunlinger Narrenschiff Ein Werk von Bernhard Wintermantel pe, hinter der das Zunfthaus liegt. Ein notdürftig gezimmerter Anker wird geworfen. Hoch stellt sich der Bug, an dessen Spitze der Kopf des Stadt­ bocks prangt, an der Klip- des Seins. Doch keine Planken und kein hölzer­ ner Rumpf bilden den Schiffskörper, Gegenstän­ de des täglichen Lebens sind dünne Trennungs­ linie zwischen Menschen und Wasser. Steuerru­ der, Mast und Anker fehlen – die zum Überleben auf dem Meer entscheidenden Uten­ silien. Antriebselement des Schiffs sind fünf Räder, zwei backbord und drei steuerbord, gezimmert aus Stiefeln und Vogelflügeln auf der einen, Hän den, einem auf Gabeln ge­ spießtem Wurstkranz und einem Lenkrad mit Fahrradsätteln auf der anderen Seite: Zei

Brauchtum ren fallen auf die Planken und in den Schiffsbauch, gezimmert aus Kleiderbügeln, Pfennig-, D-Mark, Euro- und Cent-Münzen, Werkzeugen und Schrau­ ben des Handwerks sowie PC-Tastaturen. Alles scheint verloren. Im letzten Augenblick retten sich die Gefährten jedoch auf sicheren Boden, entfliehen in das Zunfthaus. Zurück im Schiffsrumpfverbleiben die närrischen Utensili­ en: Maske, Schwert und Korb (Stadthansel), He- lebarde, Schild und Kanonenrohr (Stadtwehr), Instrument (Stadtmusik), Maske, Besen und He­ xenschuhe (Urhexe), Trommel, Schläger und Helm (AlemannischerTrummler), Lampion, Blechdeckel und Zipfelkappe (Hemdglonker), Kopf, Maske und Geisel (Stadtbock) sowie Hut und Stock (Nar­ renrat). Doch die Narrenwelt steht Kopf: Das Was­ ser läuft aus dem Schiffsrumpf hinaus und speist ein Bächlein in der Blaumeerstraße. Dieses Bäch­ lein ist in seinem Verlauf der Blaumeerstraße nachempfunden. Entlang des Wasserlaufs finden sich die Häuser der Straße wieder, eingelassen als Sandsteinplatten und als Blöcke. Etwa Zunft­ haus, ehemaliger Farrenstall, ehemaliges Schel- lenberg’sches Schloß sowie das alte Volksschul­ gebäude. Mittelgasse, Dekan-Metz-Straße, das Mistegäßle oder Kirchstraße finden sich ebenso wieder, wie die Gäßchen zum Grabenring. Die Anlage besticht durch die Vielfalt der verwende­ ten Materialien und der verschiedenen Verlege­ techniken. Bernhard Wintermantel, Künstler und Erschaf­ fer des Bräunlinger Narrenschiffs, überträgt den Narrenschiffgedanken des oberrheinischen Hu­ manisten, Juristen, Stadtschreibers und Satirikers Sebastian Brant aus dem Jahre 1494 auf die Zäh­ ringerstadt. Er entwickelt ihn schließlich weiter, Details eines Brunnen- sprich „S chiffbaues“ : Künstler Bernhard W interm antel m it dem M odel einer B räunlinger Hansele-Maske. Unten links B räunlinger Marotte. A u f dem Bild in der M itte sin d zahlreiche A ttribute schwäbisch-alem annischer Fasnet zu erkennen: M usikinstrum ent, Gschell und natürlich die Maske, aber auch der Korb. Fechte Seite: Gesteuert w ird das N arrenschiff m it Fahrradsätteln und Händen, Büroutensilien wie Stifte oder Stem pel und ein Faß Bier s in d g le ic h ­ falls „a n B ord“ . Am Kiel p ra n g t der Stadtbock.

bis zum bitteren Ende des Schiffs und deren In­ sassen, die am Zunfthaus stranden. Doch in al­ lem Unglück erhalten sich die Narren schließlich selbst am Leben, indem sie das Schiff, gleichzei­ tig Fahrzeug und Tier, verlassen. Die Schiffsge­ stalt fragt letztlich nach dem Wesen des Narren an sich. Deutlich gemacht wird die Rolle der Schau­ spiel- und Straßenfasnet in Bräunlingen. Intensive Arbeit – tausend kleine Schritte Für die Umsetzung der Narretei in tausend klei­ nen Schritten benötigte Wintermantel mehr als zwei Jahre, die ihn unermeßlich viel körperlichen und geistigen Einsatz kostete. Viele technische Probleme waren zu lösen, um die Verwirklichung des Projekts voranzutreiben. Die Idee mit Tief­ B rä u n lin g er N a rrenbrun n en gangwurde von Wintermantel skizziert: Ein gro­ bes Wachsmodel im Maßstab 1:50 entstand, dann feiner ausgearbeitet eines im Maßstab 1:20, das planerische Sicherheit schuf. Die Umsetzung der Brunnenidee brachte immer wieder überraschen­ de Wendungen für Bernhard Wintermantel. Der Hüfinger fertigte seine Arbeit als Wachs-Positiv an. Aus mehreren Styroporblöcken wurde das Negativ des Schiffsrumpfes herausgeschnitten, anschließend mitWachsplatten aus Paraffin aus­ gelegt. Jede Platte wurde mit Symbolen des täg­ lichen Lebens, beispielsweise Kleiderbügeln und Geldstücken, ausgestattet – die Platten schließ­ lich miteinander „verschweißt“ und der entste­ hende Korpus später für den Transport in die Gie­ ßerei in Segmente zerteilt. Die Gußtechnik ist simpel: In der Gießerei Strassacker werden die Segmente zusammenge-

Der Stadtbock un d Brunnen-Details wie Kanonen­ rohr, Bierkrug, Maske, Narrenschwert oder Hut. tur soweit abgesunken, daß die Bronze zu zäh­ flüssig für den Gießvorgang wird. Nachdem die Positive in den Blöcken mehrere Stunden abge­ kühlt sind, wird der Gips-Schamott zerschlagen, die Bronzeteile werden mit Wasser bei einem Druck von 600 bar gereinigt. Mittlerweile arbeiten die Ziseliere an den be­ reits gefertigten Stücken des Narrenschiffs, ent­ fernen Schmelzgrate, setzen Teile des Schiffs­ rumpfs zusammen. Dieser hängt an einem Ende an einem starken Kranhaken, das andere Ende liegt auf dem Boden. Mit Zwingen werden die Tei­ le zusammengehalten, drei Mann sind dabei, die Bronzenaht zu schweißen. „Wenn die Patina auf­ gebracht ist, wird man die Naht nicht mehr er­ kennen“ , erläutert Wolfgang Funk. Doch noch ist der Gang durch die Ziselierab­ teilung nicht abgeschlossen. Auf einem der Ti­ sche finden sich weitere närrische Utensilien aus der Zähringerstadt: Hanselschwert, der Kopf des Stadtbocks, zwei Bügelflaschen aus der Löwen­ brauerei – natürlich alles aus Bronze – die nach und nach bearbeitet und verfeinert werden. Wenn die 104 Einzelteile des Schiffs einmal vollständig zusammengesetzt sind, „dann erhalten sie die Patina“ , so Funk. Mit fünfprozentiger Schwefel­ säure und Schwefelleber, die mit dem Kupfer re­ agieren, wird es übergossen – an einigen Stellen wird durch kurzzeitiges Erhitzen auf mehrere Hundert Grad mit Spezialflüssigkeiten eine spe­ zielle Patina hervorgerufen. „Das ist eine Strass­ acker-Spezialität“ , erläutert Funk. Der Mythos Narrenschiff wurde bei der Ein­ weihung am 26. Juni 2004 für die Bräunlinger .x Wirklichkeit. Stefan L im b e rg e r-A n d ris B rä u n lin ger N a rrenbru n nen setzt, der Meister bringt die Zuflußkanäle aus Wachs an. Schließlich wird das wächserne Schiff in eine mit Gips gefüllte Kiste gestellt. Dieser umhüllt das Wachsschiff vollständig. Beim Trock­ nen in einem Ofen schmilzt das Wachs und zu­ rück bleibt ein Hohlraum, in den beim Gießvor- gangdie Bronze fließt. Weil das Wachsmodel un­ wiederbringlich verloren geht, nennt man diese Methode auch „Verlorene Form“ . Der Guß des Narrenbrunnens Rückblende: Glühend rote Bronze fließt in den Gips-Schamottblock, den Arbeitern steht dabei der Schweiß auf der Stirn. Zug um Zug geht es der Vollendung des Bräunlinger Narrenschiffs in der Kunstgießerei Ernst Strassacker in Süßen ent­ gegen. Bernhard Wintermantel steht gebannt in der Gießereihalle und beobachtet das Gesche­ hen: In wenigen Wochen wird das Narrenschiff der Bräunlinger „Eintracht“ fertig gestellt sein. Vor einer der vielen Hallen liegen in Bronze gegossene närrische Attribute der Alemanni­ schen Trummler, ein Kanonenrohr der Stadtwehr, Laterne, Hexenschuhe und -besen sowie ein Bier­ faß. In einer Abteilung des Gießereigebäudes, sind die Wachs-Positive, die Bernhard Wintermantel in langen Stunden anfertigte, in Gips-Schamott­ blöcke gepackt und wurden sechs Tage bei 600 Grad getrocknet. „Das Wachs ist mittlerweile aus den Blöcken verschwunden“ , erläutern Wolfgang Funk und Ralph Kobza, Verkaufsleiter des Unter­ nehmens Strassacker. Die Blöcke, die in dicken Metallummantelungen und einer Schicht Form­ sand eingebettet sind, bilden die Negativformen, in die die Bronze gegossen wird. Am frühen Nachmittag ist es schließ- 4 lieh soweit – die 1200 bis 1250 Grad hei­ ße Bronze wird in großen Tiegeln in die Halle gebracht. Die Hitze treibt nicht nur den Arbeitern den Schweiß auf die Haut. Die Schlacke wird von der Oberfläche genommen, ein prüfender, erfahrener Blick auf die flüssige Bronzemasse bestimmt den Zeitpunkt, zu dem das Metallgemisch aus 90 Prozent Kupfer und zehn Prozent Zinn in den Eingußkanal des Gips- Schamottblocks fließt. Fünf bis sieben Minuten Zeit bleibt den Arbeitern, dann ist die Tempera- 158

l i . Ka p i t e l K i r c h e n g e s c h i c h t e Irdische Güter für himmlischen Lohn Die Pfohrener Vergabungen an das Kloster St. Gallen in fränkischer Zeit Das H im m e lre ic h is t g le ic h einem K aufm ann, d e r sc h ö n e uerlen suchte. A ls e r a b e r eine ko stb are uerle fa n d, g in g er h in , verkaufte alles, was e r besaß, u n d kaufte sie. M a tth ä u s XIII, 45 – 4 6 Seine erste schriftliche Erwähnung findet der Ort Pfohren in einer Urkunde Kaiser Ludwigs des From­ men vom 4. Juni 817. Mit diesem Diplom übertrug der Kaiser die Einkünfte von 47 in verschiedenen Orten gelegenen Mansen (von lat. mansus Hufe, Bauerngut) an das Kloster St. Gallen, darunter auch die der Hufe von Pruning und Waning in Pfohren. Die Stiftung an die Gallusabtei tätigte der Herrscher aus Sorge um sein Seelenheil und in der Erwartung, sich durch die Vergabung irdi­ scher Güter himmlischen Lohn zu erwerben. Schenkungen an kirchliche Institutionen, bei denen als Gegenleistung von den Begabten das Gebet für das Seelenheil des Schenkgebers er­ wartet wurde, sogenannte Seelgerätstiftungen, stellen eine im Mittelalter und hier gerade auf seiten der Adligen häufig anzutreffende Hand­ lungsweise dar. Die Seelgerätstiftung Kaiser Lud­ wigs des Frommen von 817 fällt aber aus zwei Gründen aus dem üblichen Rahmen. Zum einen aufgrund ihrer Größe: der Herrscher ver­ gab an das Galluskloster die Fruchtzinsen von 47 Bauerngütern, die in 26 unterschiedlichen Ort­ schaften auf der Baar, in Oberschwaben und der Nordostschweiz gelegen waren. En passant sei hier angemerkt, daß diese Schenkungsurkunde neben der Ersterwähnung Pfohrens für unsere Region auch noch die erste schriftliche Nennung für Villingen und Tannheim bedeutet. Und zum anderen handelte es sich bei den nach St. Gallen übertragenen Zinsen nicht um Abgaben, die zu­ vor an Ludwig direkt geflossen waren, sondern um Einnahmen, die bisher von sieben verschie­ denen, in der Urkunde namentlich genannten Gra­ fen eingezogen worden waren. Nur knapp dem Tode entgangen Angesichts der Größe der Vergabung des Kaisers und des mit ihr verbundenen Eingriffes in die fis­ kalischen Verhältnisse des betroffenen Raumes stellt sich die Frage, ob es für Ludwig den From­ men einen konkreten Anlaß zu dieser Stiftung gab. Ausgestellt wurde die Schenkungsurkunde am 4. Juni 817 in der kaiserlichen Pfalz zu Aach­

en. Nur wenige Wochen vorder Urkundenausfer- tigungam 9.April, dem Gründonnerstag, war der Kaiser an eben diesem Orte nur knapp dem To­ de entgangen, als nach dem Kirchgang mor­ sches Gebälk über ihm und seinen Begleitern einstürzte. Zwanzig Personen wurden dabei zum Teil schwerverletzt; der Monarch selbst zog sich lediglich einige Quetschungen und Schürfwun­ den zu. Vergegenwärtigt man sich die im Mittelalter allgemein verbreitete Furcht, welche die Men­ schen vor den Qualen ihrer Seelen im Fegefeuer hatten, so wird auch die das übliche Maß über­ steigende Seelgerätstiftung Ludwigs des From­ men an den Galluskonvent verständlich. Der Kai­ ser, dem durch das Gründonnerstagsunglückdie eigene Sterblichkeit auf so drastische Art und Weise vor Augen geführt worden war, wollte sich durch seine Schenkung noch als Lebender des Gebetes der St. Galler Mönche für sein Seelen­ heilversichern. Daß der Herrscher, veranlaßt durch den Unglücksfall, sich tatsächlich mit den Kon­ sequenzen seines Todes beschäftigte, findet auch in der auf einer Reichsversammlung zu Aachen im Juli desselben Jahres verkündeten Thronfol­ geordnung seine Bestätigung. Lebenslange Nutzung wird gewährt Bereits vier Jahre später, am 24. April 821, wird das Dorf Pfohren zum zweiten Mal in einer Ur­ kunde erwähnt. Nachdem Hamming und sein Sohn Puto ihre Besitzungen zu Pfohren dem P foh ren er V erg a bu nge n Kloster St. Gallen als Seelgerät übergeben hat­ ten, gewährte ihnen sowie Putos rechtmäßig ge­ zeugtem Erben gegen einen jährlichen Zins über 12 Scheffel Korn Abt Cozbert die lebenslange NutzungdieserGüter. Des weiteren räumte er ih­ nen ein jederzeitiges Rückkaufrecht zum Preis von zehn Schilling ein. Spätestens nach dem Tode von Putos Erben sollten die Güter endgültig an das Galluskloster fallen. Sie sollten von diesem an niemanden als Lehen ausgegeben werden, sondern ihr Ertrag sollte ausschließlich für das Seelenheilder beiden Stifter Verwendung finden. Ein Geschenk an das Kloster St. Gallen Abermals vier Jahre darauf wird Pfohren erneut urkundlich genannt. Am 23. Oktober 825 über­ trug Wicram der Gallusabtei alle seine Besitzti­ tel auf der Gemarkung Pfohren zur Erlösung sei­ ner Seele und in der Hoffnung auf himmlischen Lohn. Gegen eine jährlicheZinszahlungvon sechs Pfennig behielt er sich und seiner Frau Ospirin die Nutznießung der Güter auf Lebenszeit vor. Am 4. Juni 842 schenkte dann Wolfger „aus Liebe zum ewigen Leben“ und für sein und sei­ nes Vaters Seelenheil seinen gesamten Besitz auf der Gemarkung Pfohren an das Kloster St. Gal­ len. Die lebenslängliche Nutzung der Besitztü­ mer behielt er sich gegen die Zahlung eines Zin­ ses über zwei Pfennig oder ein Malter Getreide vor, ebenso ein Rückkaufrecht zum Preis von ei­ nem Schilling. Auch sorgte er dafür, daß nach seinem Tode seiner Frau Wolfburuc der Ertrag

K irchengeschichte der Güter zustand, allerdings gegen den dop­ pelten Zins von vier Pfennig oder zwei Malter Ge­ treide. Den Preis für den Rückkauf durch seine Gattin setze er auf fünf Schilling herauf. Der Stiftungsbrief Wolfgers ist die erste Ur­ kunde, die in Pfohren selbst ausgestellt wurde. Als ihr Schreiber fungierte der Priester Otulf. Bei ihm handelte es sich aber nicht, wie man vermu­ ten könnte, um einen St. Galler Mönch, sondern um einen adligen Priester, der selbst über Grund­ besitz in Pfohren verfügte. Am 1. Juli 854 über­ trug er seine Pfohrener Güter ebenfalls als Seel­ gerät an das Galluskloster. Auch er behielt sich und seinem gleichnamigen Neffen die lebens­ lange Nutznießung des Schenkgutes vor. Als Zinsleistung hierfür verpflichtete er sich, jedes Jahran einem Tag den St. Galler Mönchen selbst mit Bier und Brot aufzuwarten. Für diesen Dienst erwartete er aber zugleich, daß jedes Mal, wenn er den Konvent betreten wollte, ihm dort ein ge- Ein S tiftungsbrief bührender Platz zuge- wiesen werde. von W olfger aus , … dem Jahr 8 4 2 gilt , . o Auf die Bitte Otulfs … „ ……………… hin uberließ König Lud- als die erste Urkun- wig der Deutsche ihm de, die in Pfohren am 16. Juni 856 den … n • » verfügte am Ort über G rundbesitz. ausgestellt w urde. r. Der adlige Priester dritten Teil des königli- eben Flofes zu Pfohren im Tausch gegen fünf ebenfalls zu Pfohren ge- legene Juchart, nach­ dem Otulf zuvor bereits von den königlichen Hofverwaltern Gundwin und Liudo die zwei anderen Drittel des Hofes durch Kauf und Tausch erworben hatte. Daß Otulf in der Lage war, vom König einen für ihn günstigen Gü­ tertausch samt Urkundenausstellung darüber zu erbitten, zeigt, daß er nicht nur ein einfacher Land­ geistlicher gewesen sein kann, sondern in der Gunst des Königs gestanden haben muß. Mögli- ufohren m it der Kirche aus d er Zeit nach 1704, in diesem Jahr war die Kirche vollständig abgebrannt. 162

cherweise sind er oder sein gleichnamiger Neffe mit dem später in Diensten Kaiser Karls III. und König Arnulfs tätigen Hofkaplan Otulf identisch. Siegel König Ludwigs des Deutschen wie an der ufohrener Urkunde von 856. A u f die Bitte Otulfs hin überließ König Ludwig der Deutsche ihm am 16. Juni 856 den dritten Teil des k ö n ig ­ lichen Hofes zu ufohren. P fohren er V erga bu nge n Im Jahr 856 ist erstmals die Kirche erwähnt ’■t Die Urkunde über den GUter- tausch von 856 ist für die Pfoh- rener Geschichte aber noch aus einem anderen Grunde bedeutend: über die Lage des von Otulf ertauschten königlichen Hofes wird nämlich explizit angege­ ben, daß er neben der im Dorf errichteten Kirche gelegen war. Somit liegt für das Jahr 856 die er­ ste schriftliche Erwähnung eines Gotteshauses für Pfohren vor. Der Priester Otulf selbst ist auch der erste uns namentlich bekannte Pfarrer zu Pfohren. Dies wird schon durch seine Bemühun­ gen belegt, den königlichen Hof zu Pfohren zu er­ werben, der ja neben der Kirche lag. Und zum an­ deren wurde der Geistliche Otulf, zur damaligen Zeit wohl die einzige schreibkundige Person in Pfohren, und nicht etwa ein St. Galler Mönch, mit der Verfassung von Wolfgers Seelgerätstiftung Pfohrener Güter an die Bodenseeabtei betraut. Den Komplex der Pfohrener Güterübertra­ gungen an das Kloster des hl. Gallus in fränkisch­ er Zeit beschloß Ratsind mit der Vergabung ihres Erbes am 8. April 887. Ratsinds Übergabe ihres Besitzes auf der Gemarkung Pfohren an den Gal­ luskonvent war aber anders motiviert als die vor­ herigen. Es handelte sich nicht um eine Seelge­ rätstiftung, sondern um den Freikauf aus dem Unfreienstatus. Den zur Zeit der Übertragung noch unmündigen Kindern Ratsinds wurde die lebens­ lange Nutzung der Güterzugesichert, nach deren Tod aber sollten sie in den alleinigen Besitz der Abtei übergehen. Sobald eines der Kinder ein Handwerkerlernt habe, sollte es als Zins zwei Ge­ fäße für das Kloster anfertigen. Falls keines der Kinder ein Handwerk beherrsche, so sollten sie an den klösterlichen Fronhofzu Pfohren vier Mal­ ter Hafer und ein Malter Spelz für die Nutznießung der Schenkgüter zahlen. Sollte aber von Seiten des Klosters versucht werden, aufgrund dieser Zinszahlungen die Kinder Ratsinds wieder in den Status von Unfreien herabzu­ ziehen, so sollte deren nächster Blutsverwandter dem Konvent die Güter entziehen und selbst in Besitz nehmen. Auch wenn Ratsind ihr gesamtes Erbe dem Bodenseekloster zur Gewin­ nung der Freiheit schenkte, so blieben ihre Kinder im neu gewonnenen Status nicht mittellos; denn es wurde ihnen in der Urkunde ausdrücklich der Besitz überlassen, derAdalgiso von seinen Vor­ fahren zugestanden worden war. Auch diese Urkunde enthält eine über den in ihr mitgeteilten Rechtsakt hinausgehende wich­ tige historische Information: die Ersterwähnung eines klösterlichen Fronhofes im Dorf Pfohren. Ob die Schenkgeber sich mit der Übertra­ gung ihrer Pfohrener Güter an das Kloster St. Gal­ len nun persönliche Freiheit wie Ratsind oder himmlischen Lohn wie die anderen erhofften, zumindest der Dank der heutigen Historiker ist ihnen gewiß. Denn ohne die Ausstellung der Urkunden über ihre Vergabungen an St. Gallen und deren sorgfältige Aufbewahrung im dorti­ gen Stiftsarchiv würden wir heute überhaupt kei­ ne Angaben zu den Verhältnissen im Dorf Pfoh­ ren in fränkischer Zeit besitzen. Thom as H. T. W ieners Anmerkung: Zu Quellenangaben und Literaturhinweisen sei verwiesen auf: Wieners, Thomas H. T.: Grenzüberbrückende Gemein­ schaft aus Sorge um das Seelenheil. Die Pfohrener Bruder­ schaft der Elenden-armen-Seelen-Jahrzeit, in: Ernst Zim­ mermann (Hrsg.): Pfohren – Das erste Dorf an der jungen Donau. Aus der Geschichte einer Baargemeinde, Donau- eschingen 2001, S. 268 – 290. 163

K irchengeschichte Schmuckes Kirchlein bargeinst „Gözenwerkh“ Lange Geschichte des Peterzeller Gotteshauses – Das Kirchenschiff 1904 neu gebaut Tausende von Autofahrern sausen täglich am Pe­ terzeller Kirchlein vorbei. Nur einen Katzensprung von der vielbefahrenen Bundesstraße 33 von St. Georgen in RichtungVillingen entfernt, grüßt es mit seiner charakteristischen Silhouette von einer leichten Anhöhe herab. Deutlich er­ kennbar heben sich die drei Bauteile von­ einander ab, die sich zu einem harmoni­ schen Ganzen verbinden: Derim Kern ro­ manische Satteldachturm, das neugoti­ sche Kirchenschiff von 1904 und derzier- liche Chorraum mit einem schönen Rip- i pengewölbe aus der gotischen Stilepoche. Die Ursprünge der Kirche liegen im Dunkel der Geschichte. Wann an dieser Stelle erstmals ein Gotteshaus errichtet wurde, ist nicht mehr mit Bestimmtheit festzustellen. Manche Heimat­ forschervertreten die Auffassung, daß hier be­ reits vor der Gründung des Klosters St. Georgen 1084 eine Kapelle stand. Andererseits ist Peter­ zell im Zehntregister des Bistums Konstanz von 1275 nicht erwähnt, was wiederum für eine späte­ re Gründung sprechen würde. Allerdings wird das Alter des Türsturzfrag­ ments über dem Eingang zur Sakristei von Fach­ leuten in die Zeit vor 1084 datiert. Ob der Tür-

stürz jedoch für die Peterzeller Kirche geschaffen wurde oder von einem anderen Heiligtum erst später hierher gebracht wurde, ist nicht gesichert nachzuweisen. Sicher ist hingegen, daß das Gebiet des heu­ tigen Peterzell ursprünglich zum Kloster Reiche­ nau gehörte, vermutlich seit der Zeit um 970/980. Damit war Peterzell der nördlichste Sprengel des Bodenseeklosters. Neben dem Kloster Reichen­ au waren auch die Falkensteiner hier begütert, deren Besitz zunächst an die Herrschaft Horn­ berg und 1445 an Württemberg fiel. Der Reiche- nauische Anteil wurde 1369 an das Kloster St. Ge­ orgen verkauft. Somit hatte Peterzell zwei Herren (das Kloster St. Georgen und Württemberg), bis Württemberg mit der Übernahme des Klosters St. Georgen 1534 in den ganzen Besitz Peterzells kam. Erst 1810 kam Peterzell an Baden. Die er­ P eterzeller Kirche ste urkundliche Erwähnung von „sant Peters cei- te“ stammt aus dem Jahre 1339. Ältester Bauteil ist der Kirchturm In den folgenden Jahrhunderten ist das Kirch­ lein, in welchem nach mündlicher Überlieferung einmal Melanchthon gepredigt haben soll, mehr­ fach umgebaut und renoviert worden. Vom Ur­ sprungsbau, der hier gestanden hat, ist nichts mehr erhalten. Ältester Bauteil ist heute der im Kern romanische Turm mit Satteldach und dem darauf aufsitzenden Dachreiter. Der spätgotische Chorraum mit Rippengewölbe, Sakramentsnische und drei schönen Maßwerkfenstern wurde ver­ mutlich 1507 fertiggestellt. Darauf weist eine i960 aufgedeckte Jahreszahl hin. Das Kirchenschiff, wie es sich uns heute zeigt, ist 1904 gebaut worden. Das damals abgebrochene alte Kirchenschiff war in seinem Kern wohl noch romanischen Ursprungs gewesen. Seit dem 16. Jahrhundert, im Zuge der Refor­ mation, ist das Kirchlein evangelisch. Bei einer im Jahre 1569 durchgeführten Inventarisierung wur­ de bezüglich der Peterzeller Kirche n o tie rt:….. sechs gute und böse Messalben, fünf allte Tuchin Messgewandt, ein Rott attlesin Messgewandt mitainem Crucifix, ein pergamentin Gsangbuch, ain klains pergamentin Gsangbuch, zwei Wan­ delstangen, ein Latternen, zwei Engel-Kerzen an ainereysin stang, drei hulzin althar Leuchter, ain klain Rauchfaß, ein klain Meßglöcklin, ein kup­ ferin Weihkessel, Etlich alte Tafeln und Gözen- werkh, Allthar bedeckht, Taufstain und Canzel, nit bedeckht.“ Mit dem zitierten „Gözenwerkh“ waren wertvolle Wandgemälde gemeint, von denen später noch die Rede sein wird. Im Jahre 1813 verfaßte Dekan Philipp Ludwig aus Hornberg einen Bericht über die damaligen kirchlichen und schulischen Verhältnisse in St. Ge­ orgen und Umgebung. Betreffend Peterzell ver­ merkte er darin: „Peterzell liegt östlich von Set Ge- 1904 wurde in ueterzell das In seinem Kern wohl noch rom anische Kirchenschiff m it seinen Fresken ­ m alereien abgebrochen. 165

Kirchengeschichte orgen an der Landstraße nach Villingen und ent­ hält 15 Höfe mit 205 Seelen in verschiedenen Thälern. Es ist ein eigener Stab mit einer eigenen Schule. Hier ist auch eine kleine Kirche aus den ältesten Zeiten, die dem heiligen Petrus gewid­ met ist und vermutlich einst eine Wallfahrt war. Die Kirche wird aber nur dazu gebraucht, um da­ rinnen die Leichenpredigten für die Peterzeller abzuhalten. Sie ist altgothisch, mit einem Thurm und einer Glocke, auch mit einer nicht mehr ge­ henden Uhr versehen.“ In seinem Buch „Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden – Der Kreis Villingen“ nahm Franz Xaver Kraus die Peterzeller Kirche 1890 aus der Sicht des Kunsthistorikers in Au­ genschein: Unter anderem schrieb er: „Die Kir­ che ist ein einfacher, kleiner Bau, bestehend aus viereckigem Turm, einschiffigem, durch Empo­ ren verbautem Langhaus, polygonem Chor mit kleiner niedriger S akristei…. Das Schiff ist mit einer geraden Holzdecke abgedeckt und wird durch moderne rechteckige Fenster erhellt. … Dervier Meter weite, im halben Rechteck ausge­ baute Chor ist mit einem spätgotischen Netzge­ wölbe überspannt…. An der Evangelienseite ei­ ne kleine gotische Nische, das ehemalige Sakra­ mentshaus.“ Kraus erwähnt auch noch den schwerfälligen romanischen Triumphbogen, der beim Neubau des Chores 1507 erhalten geblie­ ben war und erst 1904 verschwand, denn schon einige Jahre nach dieser Aufnahme im Kunst­ denkmälerbuch veränderte das Kirchlein sein Aussehen grundlegend. Nachdem es zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr in bestem Zustand war, wurde eine gründliche Erneuerung beschlossen. Turm und Chor blieben erhalten, das alte, nur etwa 48 Quadratmeter große Kir­ chenschiffwurde jedoch abgebrochen und durch ein neues ersetzt. Im April 1904 wurde mit den Arbeiten begonnen. Die Kosten beliefen sich auf rund 17000 Mark, von denen 6000 Markdurch den Heiligen- und Almo­ 16 6 senfonds aufgebracht wurden, 6 000 Mark wur­ den über Darlehen finanziert, der Rest kam durch Spenden zusammen. Wertvolle, bereits 1603 übermalte Fresken Beim Abbruch des Kirchenschiffs 1904 traten wertvolle Fresken zu Tage, die im genannten In­ ventar von 1569 als „Gözenwerkh“ verschmäht worden waren. Bei einer Renovierung, vermut­ lich im Jahre 1603, waren sie übermalt worden. Im Laufe der Zeit waren die Wandgemälde dann hinter einer dicken Farbschicht in Vergessenheit geraten. Nach Freilegung wurde zunächst eine Durch­ zeichnung auf Transparentpapier angefertigt. Das Kirchenschiff war zu diesem Zeitpunkt be­ reits bis auf die Nordwand mit den Fresken ab­ gerissen. So konnte eine fotografische Befund­ aufnahme angefertigt werden, die einzige übri­ gens, welche die Malereien in ihrer ursprüngli­ chen Anordnung an Ort und Stelle zeigt. Danach wurden die Fresken in vier Tafeln vom Mauerwerkabgelöst und durch Eisenrahmen ge­ sichert. Die wertvollen hochgotischen Wandma­ lereien kamen in die „Altertümersammlung“ der Stadt Villingen und wurden so vor ihrer Zerstö­ rung bewahrt. Später strengten die Peterzeller eine Klage beim Ministerium an, um die Rückga­ be der Stücke zu erwirken. Daraufhin kam ein Ver­ trag zustande, nach dem die Villinger die Bilder zunächst weitere fünf Jahre behalten durften mit dem Vermerk „Eigentum von Peterzell“ . Nach Ab­ lauf dieser Frist hatten die Peterzeller dann das Recht, ihre Fresken zu­ rückzuverlangen. Soweit kam es allerdings nicht: Im Verlauf der 1920er Jahre wurden die Bilder aus Geldmangel für 10000 Reichsmark end- Der Chor der Kirche is t m it einem spätgotischen Netzgewölbe überspannt.

P eterze lle r Kirche Die hochgotischen Malereien, die bis 1904 in der ueterzeller Kirche h inter weißer Farbe verborgen waren: Von oben links: Anbetung des Jesuskindes durch die Weisen aus dem M orgenland, Detail der ehemals raum hohen Darstellung des Christophorus, Teile eines Kreuzes, Vor­ h ö lle n b ild m it Drachen und Christus als Erlöser. Heute im Franziskanermuseum in Villingen. gültig nach Villingen verkauft. Die Fresken stam­ men wohl aus dem 14. Jahrhundert. Von der Dar­ stellung auf der ehemaligen östlichen Nordwand sind nur Teile eines Kreuzes erhalten geblieben. Von der westlichen Nordwand stammt das rela­ tiv gut erhaltene Anbetungsbild. Es zeigt die An­ betung des Jesuskindes durch die Weisen aus dem Morgenland. Ebenfalls aus diesem Bereich der Kirche stammt das Vorhöllenbild mit dem zäh­ nefletschenden Höllendrachen und Christus als Erlöser mit Kreuzesstab und Siegesfahne. Nicht vollständig erhalten hat sich die ehemals raum­ hohe Darstellung des heiligen Christophorus. Zur Betonung der übermenschlichen Größe hat der Maler die Ausführung der Figur direkt in Höhe des Kirchenbodens begonnen und sie sogar die Holz­ decke im Kirchenraum berühren lassen. In den 1980er Jahren wurden die Fragmente der Fresken fachmännisch restauriert und wer­ den heute im weiten, hellen Foyer des Villinger Franziskanermuseums präsentiert. Sie gehören nach dem Urteil der Fachleute zu den bedeutend­ sten Zeugnissen des Hochmittelalters in unserer Gegend. 167

P eterze lle r Kirche Mit dem Neubau des Kirchenschiffs 1904 im neugotischen Stil hatte das Kirchlein seine Ge­ stalt bekommen, die im wesentlichen bis heute unverändert geblieben ist. 1920 brannte in dem Gotteshaus erstmals elektrisches Licht. 1929 wurde der Innenraum frisch ausgemalt. Mitte der 1950er Jahre wurde eine neue Heizung instal­ liert, nachdem bis dahin ein Kanonenöfelchen mit dröhnendem Holzfeuer und meterlangem Ofenrohr das Kirchlein mehr schlecht als recht geheizt hatte. 1955 wurde der Kirchturm neu ver­ putzt. Zwei Jahre später wurde das Dach umge­ deckt. Ende Oktober 1959 begann eine umfassende Innenrenovierung, bei welcher der Charakter des Kircheninneren stark verändert wurde. Die nach innen offene, hohe Dachkonstruktion wurde durch das Einziehen einer Flachdecke verschlossen. Das bisherige RundfensteraufderSüdseite wur­ de durch ein großes, dreiteiliges Fenster mit Be­ tonverglasung ersetzt. Die Orgel wurde umgebaut und versetzt. 1700 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet Runde 40 Jahre später machten zahlreiche Schä­ den eine erneute Innenrenovierung erforderlich. Im Herbst 1998 begannen die Arbeiten, bei de­ nen auch zahlreiche Maßnahmen der vorange­ gangenen Erneuerung wieder rückgängig gemacht wurden. Am augenfälligsten ist die Tatsache, daß die 1959 eingezogene Zwischendecke wieder entfernt wurde und der Blick nun wieder frei ist auf die alte Balkenkonstruktion aus der Bauzeit des Kirchenschiffs. Der Raum hat dadurch viel an Atmosphäre und Leichtigkeit gewonnen. Der gesamte Innenraum bekam einen fri­ schen Anstrich. Der Fußboden wurde neu verlegt und gleichzeitig eine Fußbodenheizung einge­ baut. Überholt wurden die Ausstattungsstücke wie Altar, Kanzel,Taufstein und Kirchenbänke. Völ­ lig erneuert wurden auch die elektrischen Instal­ lationen und die gesamte Beleuchtung. Mit viel Engagement und Initiative packten die Peterzel­ ler mit an und leisteten rund 1700 Stunden ehren­ amtlicher Eigenarbeit. Gute 400 000 Mark kostete das Vorhaben. Am Ostersonntag, den 4. April 1999, zog die Gemeinde wieder in ihr frisch reno­ 16 8 viertes Gotteshaus ein, doch war damit die In­ nenrenovierung noch nicht vollständig abge­ schlossen. Im Rahmen der Arbeiten mußte auch die Orgel ausgebaut werden. Da sich das Instru­ ment in einem so desolaten Zustand befand, daß die Kosten für Wiederaufstellen und General­ überholung unverhältnismäßig hoch ausgefal­ len wären, fieldie Entscheidungzum Neubau ei­ ner Orgel. Der Auftrag wurde im Sommer 1999 an die Werkstätte von Georges Heintz in Schiltach vergeben. Anfang Januar 2001 war das Werk dann soweit fertiggestellt, daß die Orgelbauer mit dem Aufbau des Instruments in der Kirche be­ ginnen konnten. Das massive Holzgehäuse und die glänzen­ de Pfeifenfront sind seither Schmuckstück und Bereicherung für das Gotteshaus. Hinter der Schauseite verbirgt sich dieTechnik. 585 Pfeifen, die sich auf zwölf Register verteilen, sorgen für den rechten Klang. Die Orgel ist eine Synthese aus Alt und Neu, wurden doch fünf Register der alten Voit-Orgel von 1904 in den Neubau einbe­ zogen. So gelang es, den Klangcharakter der al­ ten Orgel und somit ein typisches Beispiel für ei­ ne Schwarzwälder Dorfkirchenorgel aus der Zeit um 1900 zu erhalten. Im alten Satteldachturm schwingen vier Glok- ken. Die älteste von ihnen ist gleichzeitig die äl­ teste Glocke im gesamten heutigen St. George­ ner Stadtgebiet. Sie hat den Ton „es2“ , wurde 1796 vom Peterzeller Vogt gestiftet und von Jo­ hannes Wirt gegossen. Die größte Glocke mit dem Ton „ b i “ wurde 1958 gegossen, ebenso wie die kleine Tauf- und Kinderglocke, die den Ton „f2 “ angibt. Die zweitgrößte Glocke mit dem Schlagton „des2“ wurde 1965 angeschafft. Die drei moder­ nen Glocken wurden in der Glockengießerei A. Bachert in Karlsruhe gegossen. So alt die Geschichte des Kirchleins auch ist, so jung ist die Pfarrei. Peterzell, seit der Refor­ mation evangelisch, war über Jahrhunderte Teil der evangelischen Kirchengemeinde St. Georgen. In Peterzell selbst fanden nur unregelmäßig Got­ tesdienste statt. Erst 1956 wurde die Petruspfar­ rei eingerichtet, zu der die evangelischen Christen von Peterzell und Langenschiltach gehören. Jochen S ch u lth e iß

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1 2 . Ka p i t e l M u s i k Jazz „ m a d e Ein Tonstudio von Weltrang, dessen einzigartiger Musikkatalog gegenwärtig von Musikfans neu entdeckt wird, findet sich in Villingen. Geschaffen hat es Hans Ge­ org Brunner-Schwer, kurz HGBS. Weltrang haben auch die Künstler, die hier Aufnahmen produzierten. Jazz-Megastars wie Oscar Peterson waren darunter, aber auch so bekannte Namen wie Wolfgang Dauneroder klassische Interpreten wie Friedrich Gulda. Platten produziert hat man mit Monty Alexander, Erroll Garner, Duke Ellington, Count Basie, Baden Powell, Peter Herbolz- heimer, „The Singers Unlimited“ oder Ella Fitzgerald. Die 1968 gegründeten MPS-Records (Mu- v o n B e r n d S t e p h a n m i t F o t o g r a f i e n v o n G e r m a n H a s e n f r a t z Es b e gan n mit e in em Konzert d e s sc hon in den 1950er Jahren bekan nten Jazz-Cracks Oscar Petersonl der i 9 6 0 im Kongresshaus Zürich spiel­ te. Der Industriellensohnl spätere tech nische Ge­ schäftsführer und Mitinhaber der SABA-Werke in Villingenl Hans Georg Brunner-Schwerl kurz „HGBS“ genanntl se lb st Musiker – erklärter Jazz- und in sb e s o n d e r e Peterson-Fan – kam erstmals direkt mit se i n e m Idol in Kontakt. Zwar war e s sc h on se it dem 11. Februar 1958 in der h eim i­ sc h e n Villa immer w ie d e r zu M usikaufnah men mit bekan nten d e u ts ch en Künstlern wie dem Po­ sa u n iste n Albert Mangelsdorffl Wolfgang Dau- nerl Hans Koller und anderen ge k om m e n l doch die sp on tan ge faßte Ideel den Abend im Rahmen e in e s Hauskonzertes im Villinger Privatstudio zu beendenl sollte damals noch un­ g e a h n te Folgen haben. zerhand per Auto nach Villingen verfrachtetl wo e s im Haus von Brunner- Schw er zu einer h e u te le­ gendär en Aufnahmesess i­ on kam. „HGBS“: „Ich dachte ein Bär ste ig t da a u s “. Im Buch über MPS („JAZZIN‘ THE BLACK FOREST“)l erin­ nert sich Hans Georg Brun- Hans Georg Brunner- ner-Schwer ausführlich: Sihwer, kurz„HGBS“ „Das war d am als für mich genannt. e in e a u fr e g en d e B e g e g ­ nungl weil ich nicht wußtel wie Peterson auf den Klang reagieren würde. Da­ zu kam der Umstandl d aß er nur bereit warl in­ nerhalb von Hauskonzerten aufzutretenl also mit Publikuml dazu noch ein e ganz bestimmte Vorstel­ lung hattel wie die Rhythmusgruppe plaziert wird. Oscar Petersonl Pianol mu­ sikalisch wie hinsichtlich der Körperfülle ein Schwergewichtl 1925 in M ontreal/Kan ada g e ­ boren und sein Begleittriol in dem sich der be rühm te B a s­ sist Ray Brown befandl wur­ den d a m a ls sp ä tn a c h ts kur­ Das vom Sihweizer Grafiker Donald Brun entworfene Markenzeiihen der SABA (die „Tönende Tanne“) wurde von MPS als Sihallplattenlogo über­ nommen und findet siih in Variationen auih auf Sihallplat­ tenhüllen wieder.

Jazz „made in VS“ n V S “ sik-Produktion-Schwarzwald) stehen für Einspielungen höchster Güte. Was den Jazz anbelangt, sind sie auf 600 Schallplatten veröffentlicht – die heute begehrte Sammlerstücke sind, auch Dank der kunstvollen Cover. MPS soll nach dem Urteil von Kennern „eine der schönsten Musikspiel­ wiesen“ gewesen sein. Das Fundament von MPS jedenfalls bildete der Piano-Jazz, hauptsächlich der von Oscar Peterson. Dem Repertoire von HGBS, vor allem Piano-jazz und Swing, stellte Joachim Ernst Berendt als Produzent den Modern Jazz und die Avantgarde ge­ genüber. Bereits 1969 verkauft MPS über 100 000 Schallplatten. Fotografik: Friedriih Gulda am Flügel.

Musik Zu seiner linken Seite der Bassist und zu seiner rechten Seite der Schlagzeugerl und zwar beide Musiker so nah wie möglich bei ihm. Mein Mischpult stand im 3. Stock m e in e s Hausesl und ich hatte auch keine Fernsehkame­ ral mit der ich hätte s e h e n könnenl w a s sich im damaligen „Wohnzimmer“ a b s p ie l t e . … Peterson war erstauntl wie niedrig die Mikrofone a n g e ­ bracht warenl und ich hatte persönlich den Ein­ druckl da ß er von dieser Geschichte nicht allzu­ viel hieltl na chdem er ja sehr viele Aufnahmen in Amerika und s o n s tw o gemach t hatte und an­ dere Mikrofonaufstellungen g e w o h n t war. Die drei Interpreten spielten ihren ersten Set und ka­ men dann zu mir in den 3. Stock unter’s Dach m e in es Hausesl um sich dort anzuhörenl w a s ich aufgenom m en hatte. Als ich d a s Band abfuhrl stutzte Oscar Peter­ son und hörte sich die Aufnahme sehr konzen- triertanl drehte sich zu mir um und s a g t e z u mir: „So habe ich d a s Klavier noch nie gehörtl und ich hab e wirklich viele Records hinter mir! jetzt klingt d a s Instrument s ol wie ich e s immer am Klavier hörel wenn ich s p ie l e . “ Und die Drei spielten fast drei Stunden lang. Immerwiederabhör endl kopf­ schüttelnd und zum Schluß erfolgte eine Umar­ mung von Peterson und er meintel so w ü n sc h e er sich immerl s e i n e Klavieraufnahmen zu machen. Und ich s a g te ihml vielleicht könne er im n ä c h s ­ ten jahr wiederkommenl woraufer sofort reagier­ te und sagte : „Jal ich k om m e w ie d e r.“ Und er mein tel ich so lle die Au fnahmen gut hütenl e s se ien ein ige Interpretationsaussagen daraufl die er s o nicht mehr wiederh olen könnel und d aß er sich sehr durch den Sound inspiriert fühlte. Wo­ bei er die Nummer „Easy Walker“ als die b e ste empfandl und er sa g te zu mir: „Hans Georgl wir fliegen morgen nach Japanl gib also b e so n d e r s auf die se n Titel achtl damit ich ihnl wenn ich das nä chste Mal wiederkom m el erneut hören kann.“ Damals ahnte ich noch nichtl daß d ie se Nacht die Entscheidung brachtel im Jahre 1968 die MPS Records zu gründen. Wir be id e w u ßten d am als nichtl da ß d ie s e Aufnahmen e in e s Tages auf Ton­ träger veröffentlicht werden würdenl denn zum dam aligen Zeitpunkt war Peterson bei s e in e m Impresario Norman Granz unter Vertrag. Daß Pe­ terson d am als überhauptzu mir kaml lag in dem Umstand begründetl daß die Beatles und die Rol­ ling S to n e s ihren S i e g e s z u g auf den großen Büh­ nen begann en und der Jazz abgedrängt wu rd e.“ Die amerikanischen Jazz-Profis werden auf „HGBS“ aufmerksam So e ntstand in der Folgezeit e in e über Landes­ und Sprachgrenzen hinweg bis heute b e s t e h e n ­ de musik alisch e und persö nlich e Freundschaft zwischen Hans Georg Brunner-Schwer und Oscar Peterson. Leider ist Oscar Peterson heute g e su n d ­ heitlich stark g e hand icap tl s o d aß der Kontakt nicht mehr mit der Intensität vergangener Jahre gepflegt werden kann. Nach P ete rs o n s Rückkehr in s e i n e Heimat verbreitete e s sich unter den Profis der Jazzsze­ ne in den Staaten recht baldl da ß hier im fernen Schwarzwald ein b e s t e n s a u s g e s ta tte te s Studio mit ein em Toningenieur von b e s o n d e r s feinem Gehör und auß ergew öhn lichem Talent für neuel Hans-Georg Brunner-Schwer Cicero Gunter Hampel ladet Sie zu einem Jazz-Hauskonzert ein has pleasure in inviting you to a Jazz home concert am —at the h 2 0 . 3 0 So n n t a g , 12. N o v e m b e r 1967 Our guest is: T H E O S C A R P E T E R S O N – T R I O 773 Villingen, Hermann-Schwer-Str

Jazz „made in VS“ Hauskonzert mit Osiar Peterson – daheim bei Hans Georg Brunne r-Sihwer. 1968 veröffentliiht als „Exilusively for my Friends“. Beim ersten Konzert im Jahr i960 ist es niiht geblieben : die Einladungskarte links stammt von 1967. Osiar Peterson gab von 1961 an regelmäßig Konzerte bei Haus partys von Brunner-Sihwerin Villingen. 173

Musik spezielleA ufn ah metech niken existierte. DieSte- reofonie und die Multimikrofonie – also der g e ­ zielte Einsatz mehrerer Mikrofone bei Musikauf­ nah m en zur Erzielung räumlicher Klangeffekte od er der Hervor hebung e in zelner Instrumente und Stimmen – steckte d am als noch in den Kin­ de r sc h u h en . Hier z e ig te e s sichl daß Hans Ge­ org Brunner-Schwer bereits früh ein ganz b e s o n ­ d eres Händchen für d i e s e Idangtüftlerischen Auf­ g a b e n entwickelt hatte. Fast „ s e l b s tv e r s tä n d ­ lich“: Als die ersten in Amerika entwickelten 24- Kanal-Tonbandmaschinen zur parallelen Auf­ z eic h n u n g der g leic he n Anzahl von Tonquellen auf den Markt kamenl stand kurz darauf ein der­ artiges Gerät auch im Villinger Studio zur Verfü­ gung. In den Anfangsjahren bis 1962 e n tsta n d e n z unächst in loser Folge e in zelne M usikeinspie­ lungen mit relativ kleinen Auflagenl beispiels w ei­ s e fürTest- und Vorführplatten zu den in jener Zeit weit über Europa hinaus als hoc hw er tiges S ta ­ tussymbol beliebten klangvollen SABA-Musiktru- hen. SABA – die „Schwarzwälder Apparate Bau Anstalt“ – hatte nach den Zerstörungen und De­ m onta gen d e s Zweiten Weltkrieges in den s p ä ­ ten 1950er Jahren wieder internationale Geltung im Bereich der Unterhaltungselektronik durch qualitativ hochwertige Produkte im Audiobereich erreicht. SABA zählte zu Beginn der 1960er Jah­ re zu den europäischen Pionierfirmen der neuen HiFi-Technik. D ie se s Programm sollte nun durch Das SABAMOBIL – Industriedesign der 1960er Jahre vom BMW-Designer Prof Atbreiht Graf Goertz. 174 einen e ig e n e n Musikvertrieb ergänzt und kom ­ plettiert werden. Ab dem Jahre 1963 be gann s o ­ mit e in e e i g e n s t ä n d ig e l kommerzielle Musikpro­ duktionl vertrieben unter dem Namen „SABA Schallplatte“. Die stilisierte Tanne mit der Note in der Wur­ zel – seit dem 125jährigen Betriebsjubitäum i 9 6 0 da s Markenzeichen der SABA-Gerätefertigung – wurde als S c h allplatten logo üb er nom m e n und st eht noch heute als Symbol für hochwertige Mu­ sikproduktionen von absoluter Weltklasse. Ge­ schaffen wurde d i e s e s Firmenzeichen von einem der besten freien Grafikdesigner seiner Zeitl dem Schweizer Donald Brun. In den folgenden Jahren entstan den für SABA und MPS unter dem D esig­ ner Hans Pfitzer künstlerisch hervorragend g e ­ staltete Plattenhüllen. Das Plattencover etablier­ te sich zu einer neuen und viel beachtetenl e ig e n ­ stä ndigen Kunstforml der sog e n a n n te n „Cover- Art“. Das SABAMOBIL entsteht Als parallel hierzu im Laufe d e s Jahres 1964 das SABAMOBIL – weltweit das erste erschütterungs­ fe ste Abspielgerät für b e s p ie l te Tonbänder mit ein geb aute m Mittelwellenrundfunkteil zum m o ­ bilen Betrieb im Auto und zu Hause – technisch Serienreife erlangtel stand man plötzlich vordem Probleml auch den p a s s e n d e n Tonträger hierzu liefern zu m ü s se n . Im Vorfeld war e s ab 1962 den SABA-Ingenieuren Franz D ob es ch und Wilhelm Thanheiser nach einer Grundidee von Hans Ge­ org Brunner-Schwer gelu ngenl d i e s e s Gerät auf der Basis von normalen-Viertel-Zoll-Reel – also herkömmlichen Spulentonbändern – zu entwik- keln. DerTonträger wurde bedienungsfreundlich in eine e ig e n s von Ing. Ritschel konstruierte S p e ­ zia lk a s se tte e in g eb a u t. Dies g e s c h a h b e m e r ­ ke nswerterw eise noch vor der Einführung der bis heute verbreiteten Compact-Cassette durch den Philips-Konzern in den Niederlanden. Die darauf a n g e s p r o c h e n e n Schallplatten­ konzerne wie die EMI-Ariola stan den dem Vorha­ benl besp ie lte Musikbänder herauszugeben und vor allem auch zu produzierenl sehr zurückhal­ tend g e g en ü b e r und wollten sich jeweils nur für kurze Zeit vertraglich zur Verfügung stellen. Was

Jazz „made in VS“ Hans Georg Brunner-Sihwer mit dem Cellisten Professor Ludwig Hoelsiher am Misihpult. Zum Programm von MPS-Reiords gehören auih Klassik-Aufnahmen. lag d e m nac h näherl als zur Selbsthilfe zu grei­ fenl die bereits aufge baute e ig e n e Musikproduk­ tion zu forcieren und für den neu ge sc h affen en Tonträger einzu setzen? Rasch wurden zusätzlich die dafür b e n ö tig ­ ten Duplizieranlagen auf der Basis der SABA-Spit- zen to n b a n d m a sc h in e „TG 6 0 0 “ entwickelt: Die Produktion be sp ie lter Tonbänder zur Verwen­ du ng in den SABAMOBIL-Cassetten und für die seinerzeit weitverbreiteten und beliebten Heim- Sp ulentonb andge räte begann. Eine Marktlücke war gefu nden und der ge w ü n sc h te Erfolg ließ er­ w ar tu n gsge m äß nicht lange auf sich warten. Das Repertoire von SABA wurde neben den Jazzaufnahmen auf Klassikproduktionen und g e ­ hob en e Unterhaltungsmusikausgedehnt. So kam z. B. der Cellist Prof. Ludwig Hoelscher häufig zu Schallplatten aufn ahm en in den Schwarzwald. Der ursprünglich ebenfalls aus dem klassischen Genre ge k o m m e n e l multitalentierte österreichi­ sc h e Komponistl Pianist und Sä nger Prof. Fried­ rich Gulda wurde unter Exklusivvertrag g e n o m ­ men. Bei der ersten B e g eg n u n g zwischen HGBS und Friedrich Gulda kam e s zu ein er B e g e b e n ­ heitl die heute noch schmunzeln läßt. Der extro- vertierte Gulda ging während d e s Sound ch ecks im Studio ständig auf und abl strich s e in e langen Haare nach hinten und gab in seiner ihm eig enen Mundart Kommentare ab: „Sie s a n s w oh l an Der aus der Klassik kom m ende, m ulti- . 1 talen tierte Kompo­ x „ Bass-Fetischistl Herrln- schenöör?“ – d a b e i z og er Hans Georg Brunner­ Schw er am Ohr. Der an- w e s e n d e Joachim Ernst Berendt erschrak und w i e s Friedrich Gulda , darauf hinl da ß er in der Person von HGBS den nist, Pianist und Sänger Professor Friedrich Gulda -1 u • i i n r w urde bei MPS un- ter Exklusivvertrag genom m en. Studiobesitzer vor sich 175

Musik Nach der Übernahme von SABA durch den amerikanischen GTE-Konzern im Jahre 1968 ver­ kaufte Hans Georg Brunner-Schwer s e in e Antei­ le und schied aus dem Unternehmen aus. Er grün­ dete die „MPS“ (Musik-Produktion-Schwarzwald)l holte sich die Produktions- und Vertriebsrechte der früher unter dem Namen SABA vertriebenen Tonträger zurück und sc hu f somit das erste s p e ­ zielle de u ts ch e Jazzlabel von internationaler Be­ de utung überhaupt. Familiäre, ruhig-kreative Atmosphäre Die familiäre und betont ruhig-kreative Atmo­ sphäre bei SABA und später MPS begeis terte die Jazzmusiker. Die A u f n a h m e s e s s io n s fanden in der Regel in den Nachtstunden stattl zu jenen Zei­ ten alsol in denen die Musiker – ge w oh n t durch ihre Live-Auftritte – über ihre b e s t e Inspiration verfügten. Neben europäischen Größen wie den Bandleadern Horst Jankowski (bekannt durch „Ei­ ne Schw arzwaldfahrt“)l Peter Herbolzheimerl Dieter Reith und Friedei Berlipp alias Barry Lip- manl ga ben sich auch weltbekannte Jazz-Legen­ den wie Duke Ellingtonl Count Basiel Ella Fitzge­ raldl George Sh earingl Monty Alexanderl Bill Evansl Archie S h ep p und Baden Powell – um nur die wichtigsten zu nennen – neben vielen a n d e ­ ren internationalen Stars im Villinger Studio re­ ge lm ä ß ig ein Stelldichein. Ebenso w eilt e der Sc hw eiz er S c h la g z eu g er Charly Antolini (b e ­ kanntgeworden auch durch die bei HiFi-Liebha- bern berühmt-berüchtigte LP „Knock Out“ – dem „Boxenkiller“ schlechthin) gerne in den Schwarz­ wälder Studios. Mit Gene Puerlingund den „Sin­ gers Unlimited“ entstanden Vocal-Aufnahmen im Multi-Playback-Verfah- ren in höchster Präzisi­ on mit maximaler Musik­ a u s s a g e . Ellington, Count Ba­ W eltstars w ie Duke sie, Bill Evans oder Ella Fitzgerald ge­ ben sich bei MPS ein Stelldichein. Villingen wird zu ei­ nem „ M e k k a “ der Jazz-Musik. Derart viele B e g e g ­ nungen mit Musikern haben zu einer Vielzahl von Anekdoten und His­ törchen geführt: In ih­ ren Frühzeiten waren später so erfolgreiche Größen wie Horst Jan- Jazz-Pianist Monty Alexander bei Aufnahmen im Stu­ dio von MPS-Reiords: entdeikt von Frank Sinatra und von Osiar Peterson an MPS vermittelt. hatte. Darauf Gulda lakonisch: „Woasl der Chef und der Inschenöörl d e s wird guat!“ Der da rauffolgenden erfolgreichen Zusam- menarbeitvon Gulda und M P S tatd iesjed och kei­ nen Abbruch. Im weiteren wurden Kontakte zu Hubert Deu- ringervom Südwestfunk aktiviert. HGBS gründe­ te zusam m en mit Willi Stech ein großes Unterhal­ tungsorchester. Zusammen mit den berühmten Komponisten Franz Grothe und Georg Haentz- schel wurde daraufhin Film- und anspruchsvolle U-Musik produziert. Dies erfolgte parallel zu Pro­ duktionen m itde m Großen Orchester Erwin Lehn in Stuttgart. Willi Fruthl Akkordeonl der 1951 ein e i g e n e s Quartett gegründet hatte und ebenfalls für den Südw estfunk arbeitetel wurde als m usi­ kalischer Aufnahmeleiter und für die Führung der Abteilung Musikproduktion g e w o n n en und fest eingestellt. Hierdurch entstan den ne u e Kontak­ te zu weiteren Musikernl s o z. B. zu dem da mals w eitbesten Jazz-Akkordeonisten Art van Damme. 176

jazz „made in VS“ ■=■ a CHARLY ANTOUNI dram beat MUSICON MYMIND Kunst für die Kunst: „Cover-Art“ wurde bei MPS-Reiords g roßgesihrieben. Mit den Aufträgen wurden nam­ hafte Designer betraut, die Plattenhüllen sind typisi he Kunstwerke ihrer Zeit. kowski und Friedei Berlipp derart chronisch knapp bei Kassel daß FIGBS öfters als Zahlmei­ ster in der Not einspringen mußte. Und in einem an deren Falll a ls nach einer A u fn a h m e s e s s io n die Situation eskaliertel zwei schw arze Musiker in Streit gerieten und gar mit M essern aufeinan­ der lo sg e h e n wolltenl sp ielte Joachim Ernst Be- rendt schnell die vorher ein gespielte Top-Aufnah­ me ab. Die beiden Streithähne fielen sich buch­ stäblich weinend in die Arme. che Rolle MPS-Records beim Bekanntwerden amerikanischer Musiker spieltel wie folgt g e a n t­ wortet: „Auch hier hatten wir Glück. Ich reiste ja j e d e s j a h r z w e i – l dreimal in die USA und spitzte die Ohrenl wo immer ich war. Selbst wenn ich Mu­ siker produziertel die auf der US -Szen e noch kei­ nen oder nur geringen Erfolg hattenl waren sie in Deutsch la nd sc hn ell ‘d u r c h g e se tz t’. Vielleicht war e s so l da ß unsere Produktionen ein e g e w is ­ s e ‘Autorität’ b e s a ß e n – wie heute ECM. Überhaupt Professor Joachim Ernst Berendt -P rod uzen t bei MPS. In einem Interview (veröffent­ licht im Buch über MPS) hat er auf die Fragel w e l ­ Ich kenne Nathan Davisl der heute Professor an der Pittsburgh University istl oder den schw ie­ rigen Ftannibatl von dem mir Gil Evans in höch- 177

Musik sten Tönen erzählt hattel oder den Trompeter Car­ mell Jones. Ihn hatte Ich als Schaffner im Schlaf­ w age n von Kansas City nach Chicago k e n n e n g e ­ lernt. Ich hatte gerade in K. C. Adi Parkerl Birds Mutterl interviewt. Es war ein tränenreiches Inter­ viewl sie weinte die ga nze Zeitl schließlich fing auch ich an mitzuweinen. Als ich hinterher in den Zug stiegl war ich immer noch so bewegtl da ß ich dem schwarzen Mannl der mir in m ein em Zug- Abteil d a s Bett richtetel sp ontan davon erzähl­ te. Sofort merkte ichl ich w a r ‘auf ein e Goldmine g e s t o ß e n ’. Ein paar Monate sp äter war Carmell Trompeterin der SFB BigB an d in Berlinl und un­ se r e erste MPS-Platte e n tstan d . Mit all d ie se n Musikern hatten wir Erfolgel die mir m ein e a m e ­ rikanischen Kollegenl Bob Thiele von Impulse oder Alfred Lion von Blue Note oder Lester Koenig von Contemporaryl kaum glauben m oc hte n.“ In Spitzenzeiten 60 Mitarbeiter In den Spitzenzeiten der sp äten 1960er und der 1970er Jahre beschäftigte MPS in Produktion und Eigenvertrieb über 6 0 Mitarbeiter. Ab ca. 1970 er­ folgte der Vertrieb dann a u s Rationalisierungs­ gründen in Kooperation mit der BASF. Rolf Don- nerkam alsToningenieurvom Südw estfunk nach Villingen. Verstärkt durch die a u s g e z e i c h n e t e Tontechnikerin Christa Gugelerl die heute beim ZDF beschäftigt istl sow ie Rolf Rapp als weiterem Tontechnikerl war ein leistu n gsfäh iges Aufnah­ meteam ersten Ranges e ntstanden. Zuvor schon war mit Joachim Ernst Berendt – s e i n e s Zeichens SWF-Moderator und wie Hans Georg Brunner- Schw er ebenfalls Jazz-Mäzen – ein weiterer a u ­ to n o m e r Produzent als freier Mitarbeiter zu SABA/MPS gekom men. Aus dieser Zusammenar­ beit entstanden 4 9 6 e ig enstä ndig finanziert Jazz- Produktionen in der Zeit bis zur Einstellung der MPS-Aufnahmen im Jahre 1983. Mehr als 6 0 Pro­ zent hiervon wurden in den h a u se ig e n e n Studi­ o s e in gespieltl zu de n e n zwisc henzeitlich auch ein in ein em Kleinbus e in g er ich tete sl m obiles Studio für Live-Aufnahmen zählte. Aus der Zusam m en- o n “ und „Top Five“ ins arbeit mit Berendt . entstanden 4 9 6 ei- Leben gerufen. Auf dem Center-Label erschie- . , , nen beisp ie ls w e is e Auf­ nah m en der Sängerin g enständig finan- „ , . . . zierte Jazz-Produk- Joy Fleming. Diese neu- tionen, 6 0 Prozent . davon w urde im ei- . l genen Studio ein- en Labels und das akti- ve Sponsoring von Hans Georg Brunner-Schwer uncj Ernst Be- gespielt. rendt ermöglichten s e i ­ nerzeit auch Talenten den Durchbruch im S h ow ge sc h äft. Der e ur opä­ ische Jazz hatte sich damit Mitte der se chzig er Jahre allmählich vom bislang allzu dominanten am erikanischen Einfluß getrennt und gewann endlich s e i n e ihm künstlerisch z u s te h e n d e l a u ­ to n o m e Stellung in der M usikszene. Über m e h ­ rere Jahre hinweg erschienen sämtliche deutsch e Neuveröffentlichungen im Bereich d e s Jazz z u ­ nächst ausschließlich auf dem MPS-Label. MPS wurde bis heute zum Akronym für „Most Perfect S o u n d “. Jazzmusik wird zum Nischenprodukt In den frühen 80er Jahren vollzog sich gleichzeitig mit der Einführung d e s neuen Mediums CD auch ein z u n e h m e n d e r Wandel in der Musikszene: Jazzmusik wurde immer stärkerzum Nischenpro­ dukt. Hans Georg Brunner-Schwer entschloß sich vor diese m Hintergrund dazul die MPS-Musikpro- duktion in der bisherigen Form einzu stellenl da s Label an die Londoner PolyGram zu verkaufen und bis heute in reduzierter Form unter neuem Namen weiter Musik zu produzierenl er gründet die: „HGBS Studio + Musikproduktion GmbH“. MPS-Records hat bis heute ein e große Fan­ g e m ein d el auch w a s das Sam m eln der Produk­ tionen angeht: Gut e rhaltene Analogs challplat­ ten von SABA/MPS und andere Original-Tonträ­ ger wie Sp ulentonbänder oder SABAMOBIL-Cas- Während die Namen SABA und MPS für die musikalisch und kommerziell ers tklassigen Pro­ duktionen stan denl wurden im gleichen Zuge als Niedrigpreisserien die Labels „Center“l „Se ssi- Bild oben: Lee Konitz, Albert Mangelsdorff und Hans Georg Brunner-Sihwer im Studio. Bild unten: Produ­ zent loaihim Ernst Berendt mit Volker Kriegei und Wolfgang Dauner. 178

Musik se tten a u s der lege ndären Villinger Produktion entwickelten sich zu begehrten und teils schwer zu findenden Raritäten. MPS-Produktionen werden neu aufgelegt In den 199 0er Jahren b e sa n n e n sich Discjockeys und Jazzclubs wieder auf ein e neue Kultur der Re­ trospektive. Damit erwachte erneut d a s Interes­ s e an den einzigartigen MPS-Produktionen. So ist e s erfreulichl da ß in den letzten Jahren wieder laufend Neuveröffentlichungen alter Originalauf­ nahmen auf CD erscheinenl vertrieben durch Uni­ versall Berlin. Sie erm öglichen e s dem Musik­ freundl den einmaligenl kristallklaren SABA/MPS- Klang wieder w e itgeh en d unverfälschtzu g e n ie ­ ßen. 18 0 „Cover Art“, Arihie Shepp live in Donauesihingen und „The Oskar Peterson Trio“. Die A ufnahmestudios von HGBS sind im üb­ rigen nach wie vor betriebsfähigl wie gewohnt auf dem tech nisch n e u e ste n Stand und werden g e ­ legentlich für s p e z ie lle Produktionen genutzt. Ebenso steht man gerne beratend bei der Verfas­ su ng von Fachliteratur zu den Themen SABA/MPS und Jazz zur Verfügung. Die Musikproduktionen in den Villinger Stu­ dios lieferten auch die Initialzündung und solide Basis für zwei musikkulturelle Höhepunkte der Region: das seit 1977 stattfindende Jazz-Festival „VS sw in gt“ hat se in e Existenz den MPS-Records zu verdankenl und für die D onauesc hinger Mu­ siktage war MPS lan ge Zeit von Bedeutun gl sprich wurden dort auch Konzerte für Schallplat­ tenproduktionen mitgeschnittenl w as b e d e u te n ­ de Künstler anlockte. B e s o n d e r s d a s Festival „VS s w in g t “erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Bei dieser Veranstaltungl bei der früher auch Oscar Peter- son sp ieltel sind nach wie vor Musiker von Welt­ rang zu Gast: aktuell in d ie s e m Jahr waren e s Dave Brubeck und Axel Zwingenberger. Und der Jazzclub in der W e bergasse in Villin- gen ist in d ie se m Zusam m en han g gleichfalls zu nennen: Er wurde vom G esch eh en bei MPS lan­ g e Zeit beflügeltl ist bei den Musikfans ein e al­ lererste A d re sse und gehört zu den ältesten in Deutschland. Auch hier wirkte Hans Georg Brun­ ner-Schwer vor mehr als 4 0 Jahren bei der Grün­ dung als einer der Initiatoren. Villingen ist also ein „ de utsch es Mekka d e s Jazz“ gebliebenl Hans Georg Brunner Schw er hat w e se n tlich en Anteil daran. Literaturhinweis: JAZZIN‘ THE BLACK FOREST von Prof. Dr. Klaus-Gotthard Fischer, 324 Selten, erschienen 1999 Im Ver- lagCrlppIed Library,TltelnummerCDHW-B-oo2, ISBN 3-980 5820-1-9 (Texte, Interviews und zahlreiche Fotografien; mit vollständiger Diskografie).

Z u r P e r s o n Hans Georg Brunner-Schwer Ha n s Georg Brunner-Schwer (HGBS) wird 1927 als Sohn von Margarete Schwer und Musikdirektor Fritz Brunner geboren l der für kau fmännische Aufgaben im Haus SABA zu­ s tä n d i g war. Johanna Schw erl S c h w e s te r von Margarete Schw er und s e lb s t kinderlos g e b lie ­ benl se tzt in ihrem Testament die Enkel Hans Ge­ org und Hermann als Universalerben ein. Nach Kriegse nde macht HGBS se in Abiturl studiert an derTechnischen Hochschule in Stutt­ gart und der Universität München Betriebswirt­ schaftslehre. Fürdie „Internationale Film Union“ synchronisiert HGBS se it 1 9 4 8 Filme. Der Ton wird damals nicht mitTonbändern aufgezeichnetl so n dern mit so g e n a n n te n Lichttonkameras s e ­ parat a u fg e n o m m e n . Später w e c h s e lt HGBS zu „Klangfilm“l einer Tochterfirma von Sie m en sl die Lichttonkameras und Lautsprechersysteme e nt­ wickelt. Zur Musik kommt HGBS sehr frühl er hat die m usik alis ch e B e g a b u n g d e s Vaters geerbt. Er lernt Klavierl Orgel und Akkordeon zu spielenl be­ sitzt das „absolute Gehör“. Wie erzürn Jazz kommtl schildert HGBS im Buch über MPSl d as d i e s e n Zeilen zugrundeliegt: „Während d e s Krieges mac hte ich auf e tw as ungew öhnliche Weise die Be kanntschaft mit Glenn Miller und anderen B a n d s . … Ich war 1944 in unserer Firma d ie n st­ verpflichtet wordenl weil Villingen in der Einflug­ schneise der Flugzeuge lagl die über München Luft­ angriffe flogen. Mit ein em pfeifenden Tonsignal wurden die amerikanischen Piloten anfan gs zu ihren Zielen geleitet. Und d ie s e stän dige Pfeife­ rei machte sie bald s o wah nsinnigl da ß man d a ­ zu übergingl statt d e s Pfeiftons Aufnahmen von Jazzorchestern zu se nd en . So hat dann Glenn Mil­ ler während e i n e s Anfluges live in London g e ­ spielt. Da ich zum nächtlichen Warndienst einge- teitt war und die Sicherheit der Mitarbeiter zu ver­ antworten hattel peilte ich mit den in unseren La­ borsvorhandenen tech nischen Geräten die Funk­ frequenz derAmerikaneran und hörte Glenn Mil­ lers ‘In the M ood’. Ich war natürlich restlos b e ­ geistert.“ Hans Georg Brunner-Sihwer am Misihpult. Rundfunk und Fernsehen setzen in den 1950er und 196 0er Jahren in Deutschland ein en g e w a l­ tigen S i e g e s z u g an. Es beginnen die großen Jah­ re von SABAl wo HGBS z u s a m m e n mit s e in e m Bruder Hermann am Ende der 1960er Jahre die Geschäftsführung übernimmt. Das t e c h n i s c h e In teressel die Erfahrungen mit elektroakustischen Anlagen und auch der Be ­ kanntenkreis in ein schlägig en Firmenl lassen im Privathaus von HGBS e in e s der fortschrittlichsten Aufnahmestudios der Welt e n tste h e n . Als Beginn für die Jazzaufnahmen im Haus Schwer nennt Joa­ chim Ernst Berendt in seiner „Kleinen Gesch ich­ te d e s Nachkriegsjazz (1945 – 1 9 6 0 ) “ den 11. Feb­ ruar 1958. An d ie se m Tag spielt ein e kleine Grup­ pe von Jazz-Musikern in Villingen für d a s ameri­ kanisch e Label „World Pacific“ e in ig e Titel einl von denen die Aufnahme „ S ab a“ im Radio vorge­ stellt wird. 1962 tauchen die ersten SABA-Schallplatten auf dem Markt aufl im Januar 1962 schließlich er­ scheint: „JAZZ-STUDIO H.G.B.S. NUMBER ONE“. Es kommt zu 6 8 SABA-Plattenproduktionenl bis zum Übergang an MPS hat HGBS bereits 20 Jazz­ platten produziert. HGBS produziert in der Folge w a s ih m se lbst gefälltl trifft viele Entscheidungen „ aus dem Bauch“. Und er such t im Gegensatz zum do minieren­ den amerikanischen Markt Nischenl fördert ganz gezielt Talente. Und w a s bei HGBS und MPS nicht v e r g e s s e n werden darfl ist die Liebe zur klassi­ schen Musikl immerhin hat man über 3 0 0 klas­ sisc h e Platten produziert. 181

Dr. Quincy & His Lemonshakers Seit 18 Jahren eine Rock‘ n‘ Roll-Band – Aus Spaß an der Freud‘ zur bekanntesten Musikgruppe des Schwarzwald-Baar-Kreises aufgestiegen D r . Q u in c y / Achim Rist (Leadvocal + Bass) W a m p o / Peter Schnur (Leadguitar + Vocal) G o n z o / Gilbert Kunkel (drums + vocal) M a e s t r o / Volker Kuchelmeister (saxophon + vocal) Capitano / Bene Schreiber (piano + vocal) Auch all denen Musikfans in der Region, die sich nicht so hundertprozentig dem Rock‘ n‘ Roll verschrieben haben, wird dieser Band-Name ein Begriff sein: „Dr. Quincy & His Lemonshakers“. Im Mai 2004 konnten sie bereits ihren 18. Geburtstag feiern. Und seit ihres Bestehens ist die Gruppe konstant nicht nur im Schwarzwald-Baar-Kreis, sondern auch über dessen Grenzen hinaus präsent. Trotzdem, eines hatten sich die Bandmitglieder von Anfang an ge­ schworen: Es sollte eine „Spaßkapelle“ werden, ohne den Druck und Stress einer üblichen Band mit kommerziellen Ambitionen. Den hatten sie nämlich in ihren früheren Formationenl obw ohl sie dort auch nicht hauptberuflich agierten. Der Villinger Achim Rist und sein „Doppelstadt-Pendant“ Peter Schnur (Schw enningen) spielten jahrelang bereits z usam m en in v e rsch ie denen Tanz- und Coverbandsl zuletzt bei „Jessica“l um sich dann dazu zu entsc h ließ en l künftig nur noch im versteckten Kämmerlein a u s „S p a ß an der Freud’“ zu musizieren. Ähnlich erging e s auch dem Schwenninger Gilbert Kunkell der ebenfalls schon eine regionale Größe war und zuletzt die Trommelstöcke bei „Mammut“ rührte. Die Drei taten sich also mit einem weiteren „ge str essten “ Band- Kollegen zusammen und man fand „Asyl“ im Keller einer Schw enninger Kneipe. Anfangs wurde recht 182

Musik 18 4 Dr. Quiniy alias Aihim Rist, Maest­ ro alias Volker Kuihelmeister, Capi- tano alias Bene Sihreiber, Wampo alias Peter Sihnur, Gonzo alias Gil­ bert Kunkel. locker he rum gejamm tl bis sich dann doch e in e klare Linie e n t ­ puppte. Alle vier fühlten sich am w o h ls ten l wenn sie die alten Rock‘ n‘ Roll Hits der Fünfziger he­ runterhämmern konnten. Jeder brachte zu den Sessio n -A bend en immer w ieder n e u e Texte und Platten der H eroe s v e rgan gen er Tage mit und im Laufe der Zeit hat­ ten die „Spaß-Musiker“ ein statt­ lic hes Repertoire e in stiger Hits von Elvis Presleyl Fats Dominol Little Richard und vielen mehr bei­ sa m m e n . Auch freuten sie sich bei jeder Probe auf d as a n s c h li e ß e n d e Bierl d a s dann ein en Stock höher in der Kneipe e in g en o m m en wur­ de. Deren Wirtin erfreute sich nicht nur über die reg elmäßigen B esucher ihres Lokalsl son dern auch über deren Musikl deren Klänge durchaus auch bis zum Zapfhahn drangen. Und s o w a r e s für die Rock‘ n‘ Roll-Liebhaberin nur ein e Selbstverständlichkeitl „ihre Jungs“ zu fragenl ob da nicht einmal ein Auftritt in der Kneipe möglich wäre. Zuerst war da doch e tw a s Ratlosigkeit bei den Keller­ jammern a n g e s a g tl denn e ig e n t­ lich wollte man nie w ieder live auftretenl a n d er e rs eits wollte man den Wunsch der „Keller-Wir­ tin“ aber auch nicht abschla gen. „Klar m ü s s e n wir da auftrete n“l war dann die ein hellige Meinung. Sol aber jetzt m u s s t e halt doch ein Bandname her. Über den gab

e s dann doch lange Diskussionen. Einzelne Spitz­ namen hatten sich die „Rock‘ n‘ Roller“ schon in ihrer Tanzkapellenzeit g e g e b e n l alles italienisch ange hau ch t. So wurde Peter „Schnur“l der d a ­ mals sc hon e in e leichtes „ B iergeschw ü ls t“ mit sich trugl der Name „Wampo“ verp asst und Gil­ bert Kunkell dem ein e Ähnlichkeit mit einer Figur aus der „M uppets-S how“ zugeschrie ben wurdel erhielt den Beinamen „Gonzo“. Nur Achim Ristl hatte bislan g noch keinen „Nick-Name“l das sollte sich bald ändern. Immer wieder erzählte der a n g e h e n d e Arzt von seinem Praktikum in der Pathologie und den anderen ka­ men die Geschichten te ilw eise doch e tw as über­ trieben vor. „Menschl du bist ja noch schlimmer als der Dr. Quincy aus dem Fernsehen“l platzte e s da in die Runde. Ah jal d i e s e Bemerkung wurde sp ontan au fg e n o m m e n und auf Rist projeziert. Er war jetzt Dr. Quincy. Geburt der „Zitronenschüttler“ Die anderen Spitznamen sollten jetzt nicht e in ­ fach hintereinander gereiht werdenl sondern ein „Sammelbegriff“ ge funden werden. Die auf „o“ ende n d en Spitznamen ließen einen italienischen Touch erkennen und daraus ergab sich der Name „Zitronenschüttler“l „den wir aber liebevoll mei­ n e n “l betonen die Bandmitglieder heute noch. „Dr. Quincy & His Lem onsh akers“ waren g e b o ­ ren und man betrat im Mai 1 986 d a s P odest der Sc hw en ninge r Kneipe. Rappelvoll war e s . Kein Wunderl war die Band se lb st unbekanntl kannte man eb e n deren Mitglieder sehr wohl. Und die gaben dann auch „voll Gas“ und mischten unter ihre wilden Rock‘ n‘ Roll-Nummern auch einige Schnulzen a u s jener Zeit. Sie kamen s o gut anl d a s s gleich noch am s e lb e n Abend jede Menge Anfragen für weitere Konzerte auf sie hereinreg­ neten. jetzt h ieß e s vorsichtig se in l d a s s e s doch nichtwiederzum Stress wird. Man entschied sich für maximal h ö c h s te n s zwei Auftritte im Monat. Und d ie s e Durchschnittszahl wird bis heute bei­ be h alte n . Das „rar m a c h e n “ ist vielleicht auch das Erfolgsrezept der Bandl die gar keine Erfolgs­ band se in willl sondern nach wie vor den Spaß am Spielen in den Vordergrund stellt. Seit Mitte Dr. Quincy & His Lemonshakers Das „ ra r m a c h e n “ der Neunziger präsentie- . . . . . ist – neben den mu- ….. sikalischen Q ualita- ren s’c^ ^’e »Lemonsha- kers“ in d e r se lb en Be- Setzung. Zu Achim „Dr. ten – ein Erfolgsre- Quincy“ Rist (Leadge- zept der Band, die s a n g und Bass)l Peter . . . , nach w ie vor den .. S paß am Spielen in .. „ . . l den Vordergrund „W ampo“ Schnur (Ge- s a n g und Gitarre)l Gil- bert „Gonzo Kunkel (Schlagzeu g) ge se llte n ;’ „ ‚ stellt. sich im Lauf d e r ze it Be­ ne „Capitano“ Schrei­ ber (Gesangl Gitarrel Piano und Management) und Volker „Maestro“ Kuchelmeister (Gesang und Sa­ xophon) hinzu. Mit dem se lb st g e g e b e n e n Höchstkontingent an Auftritten mit Spaßanspruch wird nun erfolg­ reich „ g e tin g elt“. Dabei ist e s der Band völlig „wurst“l ob e s sich um einen „gr oßen“ Auftritt im Festzeltl ein er Stadthalle oder Freilichtbühne handeltl oder in einer Kneipel Hauptsachel die für sie wichtigen Faktoren sind enthalten. Aller­ din gs kann nicht „auf lau“ g e sp ie lt werden. Es wird höchsten Wert auf die Soundqualität g e le gt und die kostet Geldl für die Roadiesl Tontechni­ ker und Mietkosten. Ebenso verhält e s sich mit der Optik. Wer „Dr. Quincy & Lemonshakers“ schon ein- oder mehrmals live erlebt hatl weißl we lch e tolle S h ow da ge ze igt wird. Und für die schlüpfen die Fünf in v e r s c h ie d e n e Glitzeranzügel um in witzig ange legte r Choreographie unter ausgefeil­ tem Lichtdesign den Rock‘ n Roll ins Publikum zu schmettern. Und d a s b e ste h t größtenteils aus Fansl die dann mit „ihren Quincys“ eine tolle Par­ ty feiern. „Dr. Quincy & His L e m onsh ake rs“ sind ein P hänom en. Was ursprünglich überhaupt nicht mehr stattfinden solltel hat sich zu einer derl w enn nicht der einzigenl konstanten Erfolgsband in der Region gem ausert. Und wenn die Fünf ih­ rem Motto treu bleiben und ihnen nach wie vor der Sp aß erhalten bleibtl könnte man schon mal de z en t auf die nächs ten 18 Jahre a nstoße n. Rüdiger Klotz Weitere Informationen unter: www.dr-quincy.de 185

Musik Nachwuchs für die Blasmusik V erbandsjugendblasorchester (VJBO) mit über 70 M itglied ern Eine musikalische Herausforderung für talen tierte M usiker in den Reihen des Blasm usikverbandes Schw arzwald-Baar Wer d a s V e r band sjuge nd blasor ch ester (VJBO) Schwarzwald-Baar einmal im Konzert gehört hatl vielleicht 2 0 0 3 bei derfu lm inanten Co-Produkti- on mit v e rsch ie denen Chören für Carl Orffs„Car- mina Burana“ in Donaueschingen o d e r 2 0 o 4 in der VillingerTonhalle mit dem Jugendsinfonieorches­ ter St. Georgen/Furtwangenl der weiß e s bereits: Das VJBO ist etw as B e so n d er e s im Kreis. W iedas kommt? Erklärtes Ziel d e s 1996 als Auswahlorchester d e s Blasmusikverbands Schwarzwald-Baar g e ­ gründeten VJBO war von Anfang anl mit talentier­ ten und motivierten jugendlichen Musikern d e s Verbands dem Publikum sinfonische Schmankerl zu präsentieren und sich an ein e Literatur heran zu w age nl die vom Schwierigkeitsgrad her echte Herausforderungen bietet. Eben mit einem s p e ­ ziellen Orchester alle Möglichkeiten der Blasmu­ sik aus zuloten. Über 70 jugendliche Musikerzwischen 14 und 27 Jahren a u s den unterschiedlichen Musikver­ einen und Stadtkapellen d e s Blasmusikverban­ d e s Schw arzwald-Baar haben sich im VJBO z u ­ sa m m e n g e fu n d e n l um Blasmusik auch mal von ihrer unbekannten Seite zu sp ie len und zu prä­ sentieren. „Es sind alle sa m t motivierte Musikerl die Talent und Routine mitbringen“l s a g t Wolf­ ga n g Läufer stolzl der se it Beginn 2 0 0 3 die mu­ sik alisc h e Leitung d e s V e r band sjuge nd blasor ­ chesters übernommen hat. Da spielen zahlreiche Träger der bege hrten Jugendleistungsa bzeich en Silber und Gold mitl auch sind Teilnehmer von Landes- und Bun desw ettb ew erb „Jugend m usi­ ziert“ mit von der Partiel wie b e is p ie ls w e is e ak­ tuell die S c hlagzeu ger Benedikt Kurzl Matthias Bücher und Fabienne Stebinger so w ie der Klari­ 1 8 6 Geprobt wird kreiszentral in den Proberäumen des Musikvereins Brigaihtal. nettist Benjamin Hummel. Doch neben der Leis­ tung ist auch Zuverlässigkeit wichtigl weiß Läu­ fer a u s Erfahrung. Bevor Wolfgang Läufer zum VJBO w e c h se lte l war er von 1987 bis 198 9 als Dirigent beim Musik­ verein M önchw eiler und von 1993 bis 1999 bei der Stadtm usik Löffingen tä­ tig. Der 1958 g e b o r en e Di­ rigent startete s e in e mus i­ kalische Laufbahn als Po­ sau n ist beim Musikverein Weilersbachl anschließend sp ie lte er bei der Stadtm u­ sik Schw en n in ge n . Er ließ sich an der Bundesakade- Dirigent Wolfgang Läufer arbeitet mit 70 Musikern.

Verbandsjugendblasorchester Erstes Konzert des Verbandsjugendblasorihesters Sih warzwald-Baar im Jahre 2003 in Tennenbronn. mieTrossingen zum Blasmusikdirigenten ausbil­ denl absolvierte mehrere Dirigentenlehrgänge im In- und Ausland und bildet sich fortlaufend bei v e r s c h ie d e n e n Dozenten fort. Er sp ielt in ver­ sc h ie d e n e n E nsem b le s so w ie beim Sinfon ieor ­ chester VS als Posaunist und Schlagzeuger mitl e b e n s o in einer Big-Band für Jazz und Latin. S e in e V o r g ä n g e rs in d Paul Heizmann und In­ grid Fromml die bis Ende 2 0 0 2 d a s VJBO als Or­ ganisator bzw. Dirigentin führten. D i e s e s Team nahm 1 996 organisatorisch die Gründung d e s Verban dsjugendblasorch esters in die Hand. Als der Aufruf zur Gründung d e s VJBO an die Mit­ gliedskapellen de s Blasmusikverbands Schwarz­ wald-Baar ergingl war der Andrang bereits groß. Das VJBO unterstand dabei s e i t s e i n e n Anfängen der Bläserjugend. Das erste Konzert am 25. Ok­ tober 1997 im Franziskaner-Konzerthaus in Villin- gen fand gr oßen Zuspruchl auch die weiteren Konzerte ließen nicht lange auf sich warten. Ge­ probt wird nach wie vor kreiszentral in den Pro­ beräumen d e s Musikvereins und der Feuerwehr Brigachtal. Jährlich zwei bis drei Projekte Zwei bis drei musikalische Projekte nimmt sich d a s VJBO pro Jahr vorl da bei immer ein Jahres­ und ein Doppelkonzertl weiterhin Wertungsspie­ le und Konzertreisen. Die Konzertreisen wurden bislang immer mit der Teilnahme an Orchester­ w e ttb e w e rb en ve rb und en l wie 1997 im h e s s i ­ s chen Alsfeldl wo die jungen Musiker in einem für Auswahlorchester ausgesch riebenen Wettbe­ werb in der Kategorie A den zweiten Platz b e l e g ­ ten. Diese Leistung spornte zu neuen Leistungen an. 1999l im Jahr d e s 50-jährigen Be stehens des Blasmusikverbands Schwarzwald-Baarl das natür­ lich mit ein em großen Konzert gefeiert wurdel gi ng d a s VJBO im August auf Konzertreise mit in­ ternationalem Wettbewerb nach Ungarnl bei dem e s den dritten Platz b elegte. 2 001 starteten die jungen Musiker zu den „Weltm usikwettspielen“ in die niederländische Blasmusikhochburg Ker- kradel laut Wolfgang Läufers Einschätzung ha n­ delt e s sich dabei um die „Blasmusik-Olympiade“l wo sich das VJBO auf den zweiten Platz spielte. 187

Verbandsjugendblasorchester Konzert des VJBO in der neuen Tonhalle in Villingen, März 2004, zusammen mit dem ¡ugendsinfonieor- ihester St. Georgen. Mit Martina Mayer aus dem Vorstand der Blä­ serjugend und Jugendleiterin Alexandra Götz s o ­ wie Wolfgang Läufer ist d a s Organisationsteam d e s VJBO Schwarzwald-Baar komplett. Zu tun ist für das Jugendorchester immer viell zumal wenn die Proben für das Jahreskonzertl auf dem Programm ste he n. Das Repertoire d e s VJBO Schwarzwald-Baar ist breit gefächertl reicht von Werken von Komponisten d e s vergangenen Jahr­ hunderts bis hin zur modernen und z e i t g e n ö s s i­ sc he n Literatur. Am liebsten aber werden Kom­ ponisten ge spieltl die ihre Stücke original auch für ein Blasorchester ge sc h r ie b e n haben. Film­ musik und Musicals sind e b e n s o Teil d e s Reper­ toires d e s VJBOl schlugen sie doch beim Konzert in der Villinger Tonhalle zu sam m e n mit dem Ju­ gendsin fonieorchester St. Georgen/Furtwangen den musik alis ch en Boge n von G iu se p p e Verdi über Suiten a u s Leonard Bern stein s Musical „ W e stside Story“ und Andrew Lloyd Webbers „Phantom of the opera“ über den nor wegischen „Valdres Marsch“l die „Ouvertüre 2 0 0 0 “ von Henk van Ljinschootenl d a s A ltsaxophon-S olo „Concertante“ von Claire Grundmann bis hin zu einer Suite a u s dem ersten Musical für Blasm u­ sikorchester n am e ns „Whitch Hunt“ (zu deutsch: Hexenjagd) d e s Kom ponisten Bert Appermon t und „Xanadu“ d e s Engländers Martin Ellerby. Für 2 0 0 5 ist die n äc h s te Konzert- und Wett­ be w e r b sr eis e geplantl wahrscheinlich g e h t e s Mitte Juli ein paar Tage zum Internationalen Ju­ ge ndorcheste rwettbewerb „Mid-Europe“ ins ö s ­ terreichische Schlad min g in der Steiermarkl ver­ riet Wolfgang Läufer. Sinfonische B la sm usiksoll weiterhin z u sa m m e n mit der musikalischen Ju­ ge nd gefördert werdenl dieser rote Faden zieht sich bis heute durch d a s Programm d e s Ver- bandsju gendbla sorchesters. Erklärtes Zukunfts­ ziel d e s e n gagierte n Dirigenten für die Zukunft d e s VJBOs istl „das ganz e Spektrum der sinfoni­ schen Blasmusik a uszu sc höp fe n und einer brei­ teren Öffentlichkeit zu präsentierenl dieZuhörer neugierig mac hen und fordern“ und auch einmal „konstruktiv zu provoz ieren“l erklärt Wolfgang Stefanie Saur Läufer. Kontakt: www.blasmusikverband.de unter dem Link „Ver­ bandsjugendblasorchester“ . 1 8 8

Bernhard Reiske – Leben für Musik Dirigent des M usikvereins Riedöschingen, Bezirksdirigent und Bandleader Musik Bernhard „Bari“ Reiske ist untrennbar mit der m usik alis ch en Entwicklung in der Raumschaft und speziell mit dem Blumberger Ortsteil Ried­ ö schingen verb undenl hat er doch als langjähri­ ger Leiter d e s Riedöschinger Musikvereins und Bezirksdirigent d e s G esamtjugendorchesters im Blasmusikverband Randen-Hegau maßge blich e Musikakzente gese tzt. 1 928 im D om sch atte n von Mainz ge b or en l kam er sc hon früh mit Sakralm usik in Kontakt. „Ich war als M essdiener bei allen großen M esse n zu den kirchlichen Hochfesten und auch Kirchen­ konzerten im Dom mit dabei. Nach der Evakuie­ rung der Familie nach Vöhrenbachl in die Heimat­ g emeinde der Mutterl wurde ich in der Schule als Neuer vorgestelltl natürlich mit Namenl und da r ie fein Mädchen dazw ischenl Bernhard Reiske sei kein p a s s e n d e r Name für mich und nannte mich ‘Bari’l dab ei ist e s dann geblie ben und den Namen bin ich bis heute nicht mehr los g e w or ­ d e n l “ erinnert er sich. Durch Zufall zur Musik gekommen Ein prägendes Erlebnis warfür ihn die Durchfahrt einer Kolonne amerikanisch er S old ate n nach Kriegsendel die ganz cool rauchend auf ihren Jeeps sa ß e n und aus der Musikanlage Glenn Mil­ ler dröhnen ließen. Einer ganzen Reihe glückli­ cher Umstä nde ist e s schlussendlich aber zu ver­ dankenl d a s s Bernhard Reiske aktiv zur Musik k a m . S o w a r e in ig e J a h r e n a c h d e m Kriegim Ried­ ö sc h in g e r G asthau s „Adler“ bei einer kleinen Tanzkapelle der S c h lagz eu ger a usgefallen und da hat Ernst Bäurerl der Leiter dieser Gruppel im­ mer wieder ab w ec h s eln d einen anderen Tänzer kurzerhand am S c h l a g z e u g m itspiele n la sse n l bis schließlich auch „Bari“ an der Reihe war und von da an kam er vom Musizieren nicht mehr los. Bäurer war e sl der Reiskes mus ik alis ch es Talent entdeckte und dafür sorgtel da s s er 1950l obwohl Bernhard Reiske mit seinem Lieblingsinstrument, der Trompete. kein Werksangehörigerl in die ATE-Werkskapel- le als Schlagzeu ger aufgenom m en wurdel oh n e jede musik alische Ausbildung. Doch Bernhard Reiske nahm Unterrichtl ließ sich zusätzlich zum S c h l a g z e u g noch an der Trompete und dem Akkordeon au s b ild e n l und Ernst Bäurerl auch Dirigent d e s Riedöschinger Musikvereinsl holte ihn als Schlagzeuger ins En­ sem ble. Unter der Leitung von Ernst Keller sp ie lte er in der Tanzkapelle „Bolero“ mitl eine wichtige Pha­ sel die er nicht missen möchtel und 1955 gründe­ te er s e i n e e ig e n e Tanzkapellel die „Bari-Com­ 18 9

Bernhard Reiske bo“l die er sehr erfolgreich über achtzehn Jahre lang leitete. Zudem war er s e c h s Jahre lang als Trompeter in der Blumberger Stadtkapelle e n g a ­ giert und dem dam aligen Leiter Paul Merz ver­ dankt er sehr viele m usik alis ch e Anregungen. Eher aushilfsw eise we c hse lte er 1972 wieder zum Musikverein R ie dösc hinge nl s t ie g in die Zög­ lingsausbildungein und blieb der Kapelle bis heu­ te treu. Und wieder kamen beson dere Umstände zum Tragen: In Riedöschingen war die Dirigentenstel­ le neu zu b e s e tz e n und in Trossingen war ganz neu die B u n d e sak ad e m ie eingerichtet worden. H ierschriebsich Bernhard Reiskeein und erhielt ein e a u s g ez e ic h n ete l um fasse nd fundierte Aus­ bildung bei Professor Dr. Hans Walter Bergl die er berufsb eg leitend über zweieinhalb Jahre hin absolvierte und mit be ste m Erfolg 1978 als »Diri­ gent und Ausbilder für Blasorchester« abs ch los s. Neben se i n e m Beruf als Betriebskalkulator fuhr Bernhard Reiske s e i n e musikalischen Ambi­ tionen nie eingleisig. Ihm ist mit zu verdankenl d a s s sich die M od ern isierung der regionalen Blasmusik durchgesetzt hat. Eines seiner musi­ kalischen Ziele war e sl den „Big-Band-Sound“ für herkömmliche Blasensem ble möglich zu machen und d a s ist ihm in hervorragenderW eise gelu n­ g e n l so ist z e i t g e n ö s s i s c h e Musikl da bei auch Rock-und Popklängel z u sa m m e n mit blasmusi- kalischerTraditionsmusikund konzertanten Wer­ ken im Repertoire der Musikvereine in der Regi­ on fest verankertl belebt die Konzertprogramme und spricht mit dem umfassenden musikalischen Spektrum ein breites Publikum an. Seit 28 Jahren Ausbilder von Jugendlichen Ein b e so n d e r s wichtiger Aspekt fürden Musikpä­ da g o g e n Reiske ist die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen. Seit 2 8 Jahren unterrichtet er Schlagzeugund sämtliche Percussions-Instrumen­ te im Musikkolleg Bezirk Randen. In Lehrgängen von 9 0 Doppelstunden lernen die jungen Musi­ kerden U m gan gm it d en Rhythmusinstrumenten. Zudem bereitet er Jungmusiker auch a u fd ie Prü­ fungen für die jeweiligen Leistungsabzeichen vor. Dazu kom men die reg elmäßigen Proben im Mu­ sikvereinl Registerprobenl die Proben und Auftrit­ 190 te mit dem 90-köp figen J u g e n d en se m b lel die schon nach Freiburgl Karlsruhel Stuttgartl Bonn und Berlin führtenl die Konzerte d e s Musikver­ e in s in Riedöschingen und auch anderweitig bei vielen Einladungen und Arbeit am Schreibtisch und am Klavierl um Musikstücke für B l a s e n s e m ­ bles einzurichten. Da bleibt trotz Ruhestand we- nigZeitfür Haus und Garten und Ehefrau Helene hat seit mehr als 50 Ehejahren immer noch Ver­ ständnis. Immer wieder wird „Bari“ Reiske auch noch einmal zum Bandleader. 1998 brillierte die „Ba­ ri-Revival Combo“l zu der noch alte Mitglieder a u s früheren Zeiten zählen l in der A u sstellu ng „Bari-Combo m e e t s Josef Rösch“ beim Metall­ plastiker in Epfenhofen und ihr Programm „Ol­ dies bu tG old ie s“ riss die vielen Gäste zu Beifalls­ stürmen hin und ließ so m anche Erinnerung an Tanzabende mit sc h w in gen d e n und w ippenden Petticoats aufkommen. Eine ganz gelungene Sym­ biose zwischen Kunst und Musik und ein e Berei­ cherung im Kulturangebot der Eichbergstadt in dem Jahr. Gern g e se h e n e r regelmäßiger Gast seit vielen Jahren mit seiner Band ist Bernhard Reis­ ke auch bei den Vernissagen der hochkarätigen Blumberger Kunstausstellungen. Bernhard Reiske ist ein Vollblutmusiker wie man ihn sich b e ss er nicht vorstellen kann und da­ mit ein Glücksfall für die Musik in der Region. Nicht f e s t g e l e g t auf e in e Musikrichtungl setzt sich Reiske immer wieder neu auseinan der und arrangiert selbst. „Ich liebe einfach jede Art von guter Musik“ ist s e in e schlichte Maxime. Aber ei­ nen Lieblingskomponisten hat er doch. Bei den Donaueschinger Musiktagen lernte er Eddy Sau- terl den a u s Kommingen st a m m e n d e n l jetzt in Amerika leb en de n Komponisten kennen. „ D e s ­ se n Werk ‘Tropik of Kommingen’ hab e ich in der Uraufführung gehört und d a s würde ich gerne in großer Big-Band- Bese tzung auch einmal hiervor Ort aufführen. Es wäre machbarl be d e u te t aber im m e n s e Probenarbeitl“ s o sein musikalischer Wunsch. 1996 wurde Bernhard Reiske im Rahmen d e s Bezirksm usikfestes für s e i n e langjährige m usi­ kalische Arbeit und s e in e Verdienste in der Aus­ bildung von Jungmusikern mit der B u n d e sve r ­ dienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland Christiana Steger au s gez e ic h n et.

Der Schwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild Abendstimmung in Donaueschingen, im Hintergrund die Alpen fotografiert von Wolf Hoikenjos, Donauesihingen Neudingen und die Baar – Blick vom Fürstenberg fotografiert von Gerhard Krieger, VS-Pfaffenweiler In der Gauchachschlucht bei Hüfingen fotografiert von Roland Sigwart, Hüfmgen Palmsonntag in Hüfingen – Gottesdienst in der Stadtkirche St. Verena und Gallus fotografiert von Roland Sigwart, Hüfingen Früh am Morgen im Urachtal fotografiert von Gerhard Krieger, VS-Pfaffenweiler Beim „Balzer Herrgott“ in Gütenbach fotograpert von Wilfried Dold, Vöhrenbaih Wintertag in Villingen – Am Riettor fotograpert von Gerhard Krieger, VS-Pfaffenweiler Der Stern der Herrnhuter leuchtet – Auf dem Weihnachtsmarkt in Königsfeld fotograpert von Wilfried Dold, Vöhrenbaih Herbstmorgen – Bliik vom Brendturm naih Gütenbaih, f otograpert von Erwin Kienzier, Sihonaih.

13- K a p i t e l K u n s t u n d K ü n s t l e r Andreas Wiertz Farben und Formen als psychisches Kraftfeld – Der M a le r lebt und arbeitet in Königsfeld Faszin iert von d e r B rilla n z tro c k e n e r F a rb p ig m e n te h a t A n d rea s W ie rtz ein k ü n s tle ri­ sches V erfah re n e n tw ic k e lt, bei d em d eren n a tü rlic h e L eu ch tkraft e rh a lte n b le ib t. In e i­ nem a u fw e n d ig e n Prozess e n tfa lte t sich e in e v ie ls c h ic h tig e m a le risc h e S tru ktu r. Kon­ t ra s te w e rd e n durch z u sätzlich en Einsatz von v e rs c h ie d e n a rtig e m S an d o d e ra u c h durch den A u ftra g von Ö lfa rb e in d ie P ig ­ m e n ts c h ic h t e rz ie lt. Es e n ts te h t ein e s c h w e b e n d e , nicht m e h r fixiert a u f e i­ n er Fläche lie g e n d e F arb räum lichkeit, ein irisieren des S ch w eb en von g ro ß e r m a le ris c h e r In te n s itä t. So b esc h reib t d e r K önigsfelder Künstler sein a u ß e r­ g ew ö h n lic h e s S ch affen m it e ig e n e n W o rte n . Andreas Wiertz (1954 in Bonn ge boren) hat e s in den Schwarzwald verschla­ gen. 1983 kam er nach einem neunmonatigen Studienaufenthalt im S e n e g a l nach Königsfeldl wo er ein e Stelle als Kunsterzieher an nahm. Doch schon nach vier Jah­ ren kündigte erl da er sich nicht zum Lehrer berufen fühlte. Er ents chied sich für ein Leben al s freier Künstlerl z o g nach Konstanzl suchte sich ein Atelier und b e ­ gann intensiv zu malen. Begonnen hat die künstlerische Berufung jedoch schon als Schülerl als Wiertz im Alter von vierzehn Jahren von se ine n Eltern die Anregung bekaml Holzschnitte zu machen. Da er in der Schule kaum gefördert wurdel su ch te er sich in Büchern über die Expressionisten und HAP Grieshaber Hilfe und Inspiration. Mit 16 Jahrenl als an­ dere sich ihr ers tes Moped kauftenl erwarb er s e i n e erste Druckpresse mit dem Geldl d a s die frühen Drucke einbrachten. Als Andreas Wiertz dann von 1972 bis 1977 auf der Kunstakademie in Düsseldor f warl se tz te er die Arbeit an den Holz­ schnitten fortl erhielt aber nach se ine n Au ssagen „keine w e sentlich en neuen Im­ p ulse mehr“. Von der künstlerischen Ausbildung an der Akademie zeigt er sich eher enttäuscht. Andreas Wiertz in seinem Atelier in Königsfeld. Reihte Seite: Ohne Titel, Pigment, Öl 2003 2 0 0

Kunst und Künstler Holzsihnitt, Collage 55 x 85 im 1997 Neue Entwicklungen Mit s e in e m Leben als freier Künstler begann Wiertz nach io-jähriger Pause sich wieder mit dem Holzschnitt zu befassen. Nach einer starken Krisel „Nichts ging mehr wie vorher!“l begann er im Holzschnitt ein für ihn völlig n e u es Verfahren zu entwi­ ckeln. Ohne vorherigen Entwurfl spontan und unmittelbar wird die Holzplatte bear­ beitet. Der Zugriff auf die Holzplatte ereignet sich als heftige Attackel wob ei mit der Kettensägel dem Stechbeitel oder der Flex die Holzstruktur durchstoßen wird und die sp rö de Materialität d e s Holzes sichtbar gemacht wird. Das ans ch lie ß e n d e Drucken ist für Wiertz kein mechanischer Vorgangl vielmehr ein e ig ener kreativer Prozess mit versch ie denen Gestaltungsmöglichkeiten. Nicht nur mit derWalze wird die Farbe auf den Druckstock aufge tragenl auch mit dem Pinsell der malerische Duktus wird als kraftvolle Geste im Druck erkennbar. Zuweilen werden Teilelemen­ te ve rsch ie de ne r Holzplatten collage nartig übereinander gedruckt. Ein weiterer Schritt in Richtung Malerei ist die partielle Übermalungl die den Abzügen einen Unikatcharakterverleiht. Und tatsächlich kann man in den Druckgrafiken g e le g e n t­ lich auch ge gen ständ lic h zu Be ­ s c h r e ib e n d e s entd eckenl wenn etwa als Druckträger gebrauchte Röntgenbilder zum Einsatz kom­ men. Die Leuchtkraft der Pigmentbilder A uslöser für s e i n e Beschäftigung mit trockenen Farbpigmenten war die Anfrage e in e s älteren Maler­ m eiste rsl der s e in e P igm e n tb e ­ stä n de verschenken wollte. Faszi- Collage auf Röntgenbild 3 5 x 3 5 c m 2000 2 0 2

Andreas Wiertz 203 Holzsihnitt, Collage 55 x 85 im 2002

Kunst und Künstler niert von der Leuchtkraft dieser Pig- m ente begann Wiertzzu experimen- tieren und entwickelte ein Verfah- renl bei dem die natürliche Brillanz der Pig mente erhalten bleibtl und d a s er im Wesentlichen seit 1987 praktiziert. Auch den Pigmentbildern geht wie bei den Holzschnitten kein Entwurf voraus. Auf ein e mit Leinöl gesättigte Leinwand bringt Wiertz mittels e in e s S i e b e s reine Farbpig­ mente aufl manchmal nur leicht g e ­ pudertl manchmal eim erw eise. Kein f e s t s t e h e n d e s Gerüstl keine Halte­ griffe ge b e n hier letzte Sicherheit. Ein sc hon für geglückt gehalten er Bildzustand kann sich durch die starke Saugwirkung d e s Leinöls rasch wieder ändernl n e u e s Pigment m u s s z u g e g e b e n werden. Der Künstler m uss in äußerster Konzentration arbeitenl das Verhältnis von Farbpigment und Leinöl­ grund g e n a u e s t e n s beachten. Das Bild entsteht also in ein em st eten ab w ä g e n d e n Dialog zwischen Künstler und Werk beim Malenl in ein em P ro zess fortlaufender Überarbeitungenl Korrektu­ ren und Richtungswechsell ein geb un den in ein em Sp ann ungsfeld zwischen kon­ templativer Verdichtung und zurückhaltender Farbbewegung. Schicht für Schicht wird eine kom plexe malerische Struktur geschaffen l deren haptischer Reiz und re­ liefhafte Oberfläche durch die Grundierung mit Bitumen und der Einarbeitung von Sand oder Steinmehl zusätzlich hervorgehoben wird. Doch zuweilen greift der Ma­ ler ganz traditionell zu Pinsel und Ölfarbel schafft damit gestisch-w u ls tig e Gebil­ del um sie schließlich wieder mit dem Sp achtel zu glätten. Alles ist im Flussl alles ist auf B e w e g u n g ange legt. So steht der Künstler in ein em permanenten Dialog mit dem Werk. Die B ild gen ese kann sich in d ie se m kommunikativen Vorgang teils über Jahre hin w egzieh en bis der Künstler mit dem Geschaffenen zufrieden ist. Pigment, Sand 130×120 im 1994 Im Atelier, beim Aufbrin- gen von Pig- menten. Ländliche Abgeschiedenheit und weltweite Ausstellungstätigkeit Seit 1991 lebt und arbeitet Andreas Wiertz nun wieder in Königsfeld. In dem Gewann N ä g e l e s e e l d a s an der Grenze d e s Landkreises kurz vor Hardt liegtl baute er sich auf dem schw iegerelterlichen Hof ein e Wohnung a u s und lebt dort mit Frau und drei Kindern. Se in e Ar­ beitenl de nen kein Naturvorbild zugrunde liegtl e n t s t e ­ hen hier in ländlicher Idylle. Trotz der a b g e le g e n e n Wohn- und Arbeitssituation gelingt e s Wiertz auf dem Kunstmarkt auch überregional erfolgreich Fuß zu fa s­ se n und Sam mler auf sich aufmerksam zu machen. So besitzt etwa die Firma Ratiopharm 25 Arbeiten (Pig- 2 0 4

Andreas Wiertz Pigment, Sand 6 0 x 6 0 im 2004 2 0 5

Kunst und Künstler mentbitder und Holzschnitte) von ihm und hat den dritten Stock ihres Hauptgebäu­ d e s in Neu-Ulm dem Künstler für ein e permanente Präsentation zur Verfügung g e ­ stellt. Inzwischen hatte Andreas Wiertzl der zu dem Kreis der wenigen Künstler g e ­ hörtl die aussc hließlich von ihrer Kunst leb en könnenl auch Ausste llu ngen und A usstellu ngsbete iligungen in Frankreichl Hollandl der Schweizl Kroatienl Brasili­ enl Israel und Japan. Die Wirkung der Farben und Formen Die Farbel völlig befreit vom g e gen ständ li c he n Bezugl entwickelt in den Arbeiten ein sinnliches und stofflich es Eigenleben. „Farben und Formen meinen nichts als sich s e lb st und schaffen ein e Art psych is ch es Kraftfeldl dem sich der Betrachter au s se tz e n kann“l schreibt S u sa n ­ ne Friedmann in ihrem Katalogbei­ trag und merkt dazu an: „sofern er offen ist“. Offenheitl sich Einlas­ se n auf n e u e Sichtweisenl sind die G ru nd vorau ssetzu ngen für die A u sein and ersetzu ng mit jeglicher Kunst. Bei der kraftvollen und zu­ gleich sehr harmonischen Malerei von Andreas Wiertz ist alles auf Of­ fenheit an gelegt. Der Künstler e nt­ wickelt ganz aus dem Moment h e ­ raus innerbildliche Wirklichkeitenl die keinem konkret vorgefertigten Konzept folgen. Sie entsp ringen einer inneren B e w e gung. Die Bil­ der e n tste h e n sp on tan und scheinbar o h n e Kalküll allein durch Agieren und Rea­ gieren. Zum einen folgt der Künstler dem Bildl „wird“ mit dem Bildl spürt hinein und schaut dannl wo d a s Bild hin will. Zum anderen aber folgt er nur bis zu einem ganz bestimmten Punkt: an die se m greift er einl lenktl korrigiertl harmonisiert oder drängt d as B ild gesch eh en in die von ihm imaginierte Richtung. Aus d ie se m dia­ loghaften W ech sels piel von aktiven und pas siven Komponenten e ntste he n die Bil­ derl reift und wandelt sich der Künstler mit jeder se iner Sc höpfungen. Trotz oder gerad e w e g e n aller Offenheit: die Bilder bewah ren sich immer ein e Art R e stge ­ heimnisl d a s e s zu erforschen gilt. So wie sich der Künstler mit se ine n Mitteln oh n e Seil und doppelten Boden auf e in e terra incognita begibt und sich treiben lässtl so kann sich der Betrachter Bild für Bild in e in e fremdel u nbekannte und faszinierende Bildwelt vortasten um letzt­ lichl ob e s dem Künstler gefällt oder nichtl e tw as Bekanntes darin zu suchen. Der Betrachter kann durchaus in den Arbeiten e tw as erkennen und e s für sich se lbst zu ein em Bild mit hohem A ssozia tionsgeh alt z u s a m m e n s e tz e n . Denn ein Bildl so ab sic h tslos und ungeg enstä ndlich e s auch e n tste h e n magl w e ist im Ergebnis im­ mer sichtbare Elemente aufl die der Rezipient in ihm bekannte Erfahrungsmuster stecken will. S p ann en d wird die Geschichtel und d a s ist die überragende Leistung d e s Künstlers Andreas Wiertzl wenn der Betrachterauf Formenl Farben und Struk­ Stefan Simon turen stößtl die ihm ne u e Welten eröffnen. 2 0 6 Pigment, Öl, Steinmehl 90 x1 00 im 2002

Andreas Wiertz Pigment, Öl lio x io o im 1999 2 0 7

Kunst und Künstler Pigment, Öl 155 x 130 im 2003 2 0 8

Andreas Wiertz Pigment, Öl, Leimfarbe 125 x 170 im 2003 209

Schockbilder: „Der; erste tijjidruck bei der Begeg­ nung mit den Bildern von ^ a i H e i l ist sicherlich der Schock“ , konstatierte der Kunstkritiker Uwe Conradt anlässlich einer Ausstellung im jahr 1990 Die damals ausgestellten Arbeiten waren ganz offensichtlich auf Schockwirkung ausgelegt.

Kunst und Künstler Die gemarterten Körper in den Kreuzigungsbildernl die g e sc h u n d e n e Natur in den Stillleben: die Botschaft d e s Künstlers erreicht den Be ­ trachterl ob er will oder nicht. Tief ins Unterbewusste ver­ drängtel ureigene Ängste werden aktiviert. Auch die a b­ gebrühtesten Gemüter wer­ den berührt beim Anblick der gefolterten Kreaturen in den kreuzförmigen Rohrgestellenl die formal den Tierversuchs­ laboratorien entlehnt sindl oder der ins Bild applizierten realen Fischhaut und der Ge­ genüberstellu ng von Fisch­ skelett und Baumgerip pe in den düsteren Natura Morte- Szenarien. Un behagen hat Heil auch sc hon mit se ine n frühen Arbeitenl die er als Schüler und als Stu dent ge schaffen hatl a u s g e lö st. Ab 1971 e nt­ stand zum Beispiel eine Serie über Roboter ähnliche We­ sen: Die mit Brillenl Helmenl Rüstungen bewehrten Indivi­ duen führen auf eindringliche Feueraktion beim Franziskaner­ museum in Villingen, 2000. 211

Kunst und Künstler Axel Heil be­ suihte die Staatliihe Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und studierte wei­ ter Kunstge­ sihiihte. Der Kunsterzieher lebt und arbei­ tet in Dauihin­ gen. Weise die Ambivalenz der Schutzfunktion d e s zivilisierten M enschen vor Augen. Einerseits dient die herm etische Abriegelung zur Verstär­ kung s e in e s Trägersl an­ dererseits bedeutet die­ s e vermeintliche Sicher­ heitshülle die Trennung von der Welt. Die Kom­ munikation mit der Au­ ßen w elt ge sc h ieh t fern­ gesteuert mittels Roh­ renl Schläuchen und Ka­ beln. Derfortschrittlichel perfekte Mensch wird als Abhängigerder e ig e ­ nen Technologie da rge­ stellt. Axel Heill der seiner Mitwelt mit den narrati­ ven Bildern radikal den Sp iegel vorhältl aber damit auch immer s e in e e ig e ne n Be­ findlichkeiten und Ängste als funktionierendes Mitglied der Gesellschaft th e m a ­ tisiertl kann auch anders. Ab 1990 e n tste h e n „Blaue Bilder“l ab 1993 „Rote Bil­ der“ und ab 1997 beschäftigt sich der „Serientäter“ mit „Gelben Bildern“. Ist der kritische Geist nun versöhnlicher gew orden? Mitnichtenl die Schockauslöser er­ scheinen nur in einem anderen Gewandl formal und farblich hoch ästhetisch ver­ packt. Drowning Mit der Farbe Blau wird das Wasser als le b e n s n o tw e n d i g e s Element thematisiert. In g e w o h n ter W eise ersch einen die Bilder als a n z ieh en d e r Ausdruck von h an d­ werklicher Perfektion und harmonischer Komposition. Der Schock sitzt u m so tieferl erkennt der Betrachter die Umrisse m e nsc hli­ cher Körper in dem blau­ en Farbenmeer. „Drow- ning“: der Titel verweist zwar auf den Vorgang d e s Ertrinkensl aber die W asserleichen ge be n auch Raum zur S p e k u ­ lation. In der S chw eb el nicht mehr ob e n l aber auch nicht unten glei­ ten die Gestalten in dem Drowning, „Blaue Bilder“ Bild 35 1990

Axel Heil „Drowning“ Bild 15 Farbstift auf Papier 150×120 im, 1990 213

Kunst und Künstler Arbeit an einem Brandbild. Durchgan gsm edium . Der le b e n s s p e n d e n d e n Funktion d e s Wassers wird hier die bedrohliche Seite gegen übergestellt. Brandbilder Von einer e le m en ta ren Bedrohungl aber auch von der für Heils Sujets s o kenn­ z eichnend en Ambivalenzl berichten die Brandbilder. Feuer ste h t für Wärme und Energiel gleichzeitig für Zerstörung. Zwei Seiten einer einzigen Medaillel die Le­ ben heißt. Ob nun Leben fördernd oder Existenz vernichtendl ein e ästh etisc h e Wir­ kungl einen visuellen Reiz hat das Element Feuer auf alle Fälle. Genau an die se m Punkt se tz t Axel Heil an. Er benutzt d a s Medium Feuer als w e s e n tl i c h e s Gestal- tungs- und Ausdrucksmittel. Dass die th e m a tisc h e U m setzun g d e s heißen Ele­ m ents s e in e motivische Entsprechung findetl kann durchaus vermutet werdenl ist aber für die Bild en tstehung vorerst nicht relevant. Das Spiel mit dem Feuer ist für Axel Heil zuallererst ein ge re g elte s Spiel mit v e rsch ie de nsten gestalterisch en A s­ pektenl die er als Bildner d e s Ausgleichs in den Griff bekommt. Ein unerbitterlich- er Subjektivismusl wie er sich in ein em heftigen M algestus oder in einer unkon­ trollierten Brandorgie äußern würdel ist s e i n e Sac h e e b e n s o w e n ig wie eine küh­ lel gänzlich mathematisch bestim m te Bildkonstruktion. Auch im Bereich der formalen Bildgestaltung ist die Kraft zum Ausgleich ste ts immanent. Dem Gesetzmäßigenl Konstruktivenl tritt die Sichtbarmachung de s schöp­ ferischen P r o z e s se s hinzu. Holzschablonenl Stanzteile und anderer Metallschrott bilden die Formenl mit denen die Grundkomposition fe stgele gt wird. Mit einer Gas­ lötpistole wird das charakteristische Brandkolorit erzeugtl mit wasserlöslich en Ac­ ryl-Farben gibt Axel Heil den Arbeiten ein e Grundtönung. Die Teilflächen werden an sch ließend mit Farbstiften sorgfältigzeichnerisch interpretiert. Der Brandeffekt birgt im Sinne e in e s kalkulierten Zufalls die ein zige Überraschung für den Künst­ lerl a n s o n s te n ist je d e s Bilddetail gewollt. Alles hat bei Axel Heil s e i n e Bedeutung. Etwal d a s s seine Bilder immer hinter Glas sind. Der Betrachter soll sich in der Schei­ be sp ie geln . Es findet ein e Verflechtung von Bildebene und Betrachterebene statt. So ist der Betrachter ge zw u n g e n l den e ig e n e n Standpunktl auch im ganz wörtli- Reihte Seite: „Sihwarz Wald Brand“ Bild/Objekt- Kombination, 1997 Airyl, Gou­ aihe, Bleistift, Farbstift, Braunkohle, Holzasihe, Weiß leim, Brandspuren Feuerlösiher angebranntes Wurzelfrag­ ment, Glas mit Resten einer Feuerstelle. 214

chen Sinnel zu ändern. Der aufw ändige Entstehungsprozess l die bis auf den letz­ ten Quadratzentimeter a u s g elo te te Bildflächel die komplexe Beziehungsstruktur g e n ü g e n sich nicht nur selbst: die durchdachte Akribie ist auf Wirkung ausgerich­ tet. Die Denk- und Erfahrungshorizonte können unterschiedlich seinl das weiß Axel Heil vor allem a u s seiner Tätigkeit als Kunsterzieher. Deshalb ist e s ihm überaus wichtigl d a s s sich der Betrachter d as Bild se lb st erschließt und dabei erfährtl w as in ihm stattfindet. Denn letztlich solle sich der Betrachter auch immer in den Bild­ welten wiederfindenl wünscht sich der Theoretiker Heil. Gelbe Bilder An den Serien der blauen und roten Bilder arbeitet Heil noch immerl 1997 kam als vorläufig letzte Farbe die Primärfarbe Gelb ins Spiel. Anders als bei den anderen beiden Primärfarben wird in dieser Reihe schon durch die Verwendung d e s har­ tenl grellen Gelbs ein e u n an g e n e h m e Grundstimmung erreicht. Die Symbolfarbe für radioaktive Strahlenquellen s teht auch ganz allgemein für Strahlung und Lichtl das als Grundnotwendigkeit d e s fotografischen Bildes dient. So hat sich der Künst­ ler bei den Themen zu der „Caput-Serie“ aus dem großen Bereich der Fotografie inklusive der Röntgenaufnahmen und der Rasterelektronenmikroskopie inspirie­ ren lassen. Ob die Bildvorlagen a u s der Wissenschaftsfotografie um 1850 s ta m ­ men oder ob die Quelle ein Dokument zur rassenkundlichen Typisierungsaktion istl die ano nymen Portraitierten erscheinen in der gelb en Fassung e b e n so verfrem­ det wie die mehr oder weniger prominenten Z eit genossenl die Heil medial konfek­ tioniert pseu do-w issen schaftlic h erfasst hat. Alle Köpfe werden als Negativ dar­ gestellt. Der Vertrautheit d e s B i ld g eg e n s ta n d s wird mit ein fachen Mitteln d a s Element der Fremdheit gegenübergestellt und somit Irritation beim Betrachter au s gelöst. Mittelteil des Triptyihons „uomo molto perfetto“ Mittelteil: „sihöne Hand – böser Arm“, 40×180 im Bleistift, Airyl auf Papier, 2002/03 Reihte Seite: „BB groß 18“, Brandspuren, Misihteihnik auf Papier, 63 X44 im, 3999 Ab 2 0 0 2 widmet sich Axel Heil h a u p ts ä c h ­ lich im Rahmen der ge lb en Bilder den Ar­ beiten „Friendly Fire“. Bekannte Gebäude wie das Brandenburger Torl d a s Pentagonl Reichs­ tag oder der Kölner Dom ersch einen in den Bil­ dern a u s der Sicht ei­ ne s Flugzeugs. Die Zie- „Friendly Fire“, Reiihstag, 2002 216

Axel Heil le werden im Fadenkreuz moderner Zielerfassung ins Visier genom m en. Auch bei den Werken zu der Reihe „Friendly Fire“l d a s in der Militärsprache „ e ig e n e Truppen b e sc h ie ß e n “ b e ­ deutetl gibt e s wie s o oft im Kunstschaffen von Axel Heil einen realen Auslöser. Der inhaltliche B ezu g ist die Situation im Kalten Kriegl bei der die BRD als Schauplatz der kriegeri­ schen Auseinandersetzung zwischen dem Ost- und Westblock hätte herhalten müssen. Bei den Themen schöpft Heil aus dem m e ­ dialen Über-Angebotl das ihm d a s Internet bietet. Bei der Umsetzung der Bild­ vorlagen k o m m td a s hand­ werkliche Geschick zum Tragen: Alle Bilder sind wie bei Caput-Bildern als Negativ w i e d e rg e g eb en . Untermalt sind die S z e n e n l die man auch in Video-Spielen finden könntel mit flüssiger Acryl-Farbe in der Farbtonrichtung „Nachtsichtgrün“. Die g e ­ zeichneten Linien erscheinen gekippt und gebroch en und erzielen einen Moment der Unsicherheit. Die Offerte unterschiedlicher Wirklichkeits- und Erinnerungsbe­ züge bietet auch hier ein e Plattforml in der mehr möglich werden kannl als ange- boten wird. Dies ist ein künstlerischer Prozessl d e s s e n Rezeption aus der Sicht de s Betrachters wenige r auf einer spontan billigenden als vielmehr auf einer reflek­ tiert optionalen S ichtw eise fußt. Begegnung mit einer „nicht gesicherten Situation“ In Heils Bildern b e g e g n e t der Betrachter einer nicht gesich erten Situation. Dieser Zustand präsentiert keine ein deutige Erscheinungsforml sondern be d e u te t eine ä sth etisc h e Kategoriel deren Auftreten unter Verwendung von festen Wertmaßstä­ benl die uns die Medienl von denen sich der Künstler inspirieren lässtl vorgaukelnl ein e bedrohlichel weil nicht ein schätzbare Atmos phäre schafft. Der Standpunkt für die jeweiligen Beurteilungskriterien wandelt sich st än dig und entwickelt kei­ ne ein deutigen Zuordnungsm öglichkeiten. Dass der Künstler figurativ-akkurate Zeichnung und ungegenständliche Bildelemente kombiniertl macht die Sache nicht einfacher. Zumindest vorerst. Denn Heil ist ein akribischer Strategel der in seinen Bildern zwar nichts dem Zufall überlässtl aber dafür den Betrachter umso mehr in der Ungewissheit seiner Intentionen lässt. Stefan Simon 21 8 Serie „Caput“ Bild 17, „statue of ill liberty“, 5 0 x 5 0 im, Bleistift, Airyl auf Papier, 2002 Reihte Seite: Der, Die, Das Villinger Sihrein, Medien­ installation, versihiedene Materialien, 1999 Der Horopter, Farbstift und Bleistift, 65 x 85 im, 1979 -1981

14. K a p i t e l G e s e l l s c h a f t u n d S o z i a l e s Wertvolle Hilfe für Straffällige Der Bezirksverein für soziale Rechtspflege in V illingen-Schw enningen hat ein breites Auf­ gabenfeld zu bew ältigen für Der „Bezirksverein s o z ia le R echtspflege “ kümmert sich vor al­ lem um die Eingliederung Straffäl­ liger in die Gesellschaft. S a tz u n g s­ g e m ä ß betreut er Strafge fangenel hilft Entlassenen und unterstützt deren Angehörige . Er unterhält e i ­ ne Anlaufstelle so w ie ein e W ohnge ­ mein schaft und ein Ü b er g a n g s­ w oh nh eim für Straffällige in der Friedrichstr. 8 im StadtbezirkVillin- genl fördert aber auch Sozialarbeit der Gerichts- und Bewährungshilfel der Vollzugs­ und der Führungsaufsicht. Bezirksvereine gibt e s in Baden in allen Städ­ tenl in denen sich Vollzugsanstalten befinden und in den jeweiligen Amtsgerichtsbezirken. In den )ahren 1831 bis 1835 wurden im Großherzog­ tum Baden 23 Lokal- und Bezirksvereine zur B e s ­ serung der Strafg efangen en und für V e r b e sse ­ rung d e s Schicksa ls e n tla sse n e r Sträflinge g e ­ gründet. Den e n ts c h e id e n d e n Anstoß zur Grün­ d u n g g a b der Heidelberger Rechtsp rofessor Carl Josef Mittermaier (1787 -1867). Bereits 1830 legte er der bad isch en Regie­ rungeine Denkschrift über die Bildung e in e s Ver­ ein s d e s G e fä n g n i s w e s e n s im Großherzogtum Baden vor. Hierbei baute er auf Grundlagen aufl die er rechtsvergleichend in anderen deuts ch en Staatenl in Europa und Übersee erarbeitet hatte. Die Besonderheit der von ihm vorgelegten 44 Pa­ ragraphen um fasse n d e n Statuten war e s l die Si­ tuation der Sträflinge zu verb essern und die Kin­ der von Verbrechern während der Strafzeit in Ob- hutzu nehm en so w ie für d a s Schicksal der Fami­ lien der Straffälligen Uberhauptzu sorgen. In s e i ­ ner Satzung heißt es: § 1 Für d a s Großherzogtum Baden bildet sich ein Vereinl d e s s e n Aufgabe darin besteht: 1. die Be hördenl de n e n die Verwaltung der Strafanstalten anvertraut istl in ihrer Wirksam­ 2 2 0 Prof. Carl Josef Mittermaier keit für die Besserstellung der Sträf­ linge zu unterstützen; 2. unmittelbar für die bürgerli­ che und sittliche B e sse r u n g der Sträflinge tätig zu sein; 3. die Kinder von Verbrechern während der Strafzeit der letzteren in Obhut zu neh m e n und für das Schicksal der Familien der Sträflin­ ge überhaupt zu sorgen; 4. sich um die a u s der Strafhaft Entlassenen a n z un eh m en l zu einer geregelten L e b e n sw eise sie zu g e w ö h n e n und redlichen Erwerb ihnen zu verschaffen. Die Gründung der Vereine zur B e sse r ung der Strafgefangen en und für die V erbesseru ng d e s Schicksa ls e n tla sse n e r Sträflinge fand im No­ vem ber 1832 in Karlsruhe statt. Direktionsmit­ glieder be su chte n Gefan genel Fam ilienange hö­ rige erhielten finanzielle Unterstützungl Kinder wurden untergebracht; man finanzierte Lehrer zur Erteilung von Unterrichtl kaufte Bücher und Kleidung für Entlassene und stellte dem zu Ent­ l a sse n d e n Reisegeld zur Verfügung. Aufsichts­ pfleger b egleiteten Entlassene mit Rat und Tat auf ihrer Rückkehr ins bürgerliche Leben und ver­ mittelten ihnen Arbeit. Trotz einer groß zügigen S p e n d e d e s Protektors d e s Vereinsl Fürst von Fürstenbergl in Höhe von 1 0 0 0 ft reichten schon 1834 die Mittel nicht mehr aus. Ein Teil der Schutzve reine löste sich in der Folge w e g e n geringer Inanspruchnahme aufl so d a s s e s 1 8 6 8 nur noch 16 Schutzve reinel näm ­ lich in den Amtsgerichtsbezirken Achernl Box­ bergl Bühll D o n aueschingenl Eberbachl Eppin- genl Karlsruhel aber auch in Lahrl Meersburgl Mosbachl Neckargmündl St. Blasienl Sin sh eim l Villingenl Waldkirch und Walldürn gab. Im Jahre 1885 erfuhr der Landesverband gro­ ß e Anerkennung durch die Übernahme d e s Pro­ tektorats durch Großherzog Friedrich I. im Jahr

1885 und durch die Verleihungvon Körperschafts­ rechten am 4. Mai 1887. Dem Landesverband und seinen Mitgliedsvereinen war damit eine heraus­ g e h o b e n e Rechtsposition verliehen: „S e in e Königliche Hoheit der Großherzog haben mit Allerhöchster Staatsministerial-Ent- s c h l ie ß u n g a u f den unterthänigsten Vortrag d e s Ministeriums der justizl d e s Kultus und Unter­ richts vom 30. April 1 887 No. 6 8 0 1 gn äd igst g e ­ ruhtl dem Landesverband der badischen Schutz­ vereine für e n tl a s s e n e G efangen e auf Grund der vorgelegte n Statuten Körperschaftsrecht zu ver­ leihen.“ Eine Starthilfe für „Ankenbuck“ In dieser Zeit trat der Landesverband aus der Ein­ zelhilfe herausl indem er zum Beispiel der s e l b ­ stän digen bad isch en Arbeiterkolonie „Anken­ buck“ bei Bad Dürrheim 1 883 als Starthilfe ein unverzinsliches und unkündbares Darlehen in Höhe von 1 0 0 0 0 RM gew ährte (vgl. Almanach 1983l „Arbeiterkolonie Ankenbuck“). Quellen über die Tätigkeit der Bezirksvereine zu den Jahren 1933 -1 9 4 5 sind dürftig und do ku­ mentieren eher die n ac h la ss e n d e n Aktivitäten während d e s NS-Regimes. Die Auflösung der Ver­ ein e wurde schließlich 1944 verfügt. Am 6. November 1951 wurde der heutige „Be­ zirksverein für soziale Rechtspflege “ in Villingen auf Anregung d e s Konstanzer Bezirksvereins neu gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehör­ ten damals Landrat Dr. Astfäller und der Oberbür­ germeister der Stadt Villingenl Severin Kern. Inden Jahren 1956 bis i 9 6 0 betreute der Bezirksverein vornehmlich Strafgefangene und deren Familien­ Hilfe für Straffällige angehörige. Für das Gefängnis in Villingen wurde eine Rundfunkanlage und ein e Küchenmaschine erworben. Der Finan zausschuss der Stadt entschied in derSitzungvom 27. Novemberi975l d a s s d ie Stadt Villingen-Schwenningen ein Viertel d e s Aufwands für ein en Sozialarbeiter übernehmen wollel s o ­ fern sich der Landkreis daran beteilige. Der Kultur- und Soz ialau ss ch u ss d e s Landkreises b e s c h l o s s se in e rs eits am 2. Februar 1976l d a s s der Land­ kreis ein Drittel der Personalkosten trage. Auf Betreiben d e s damaligen ge sc h ä ftsfü h ­ renden Bewährungsh elfers Dziobek konnte 1977 über den bad isch en Landesverband d a s Haus Friedrichstr. 8 erworben werden. Nach Umbau­ maßnahmen wurde Anfang 1978 ein Sozialarbei­ ter eingestellt und das Üb ergangswohn heim am 15. S e ptem ber 1978 eröffnet. Die Nachfrage nach Wohnheimplätzen im Ü b ergangswohn heim und die Fallzahlen im am bulanten Bereich nahmen deutlich zul so d a s s bereits im April 1980 ein wei­ terer Sozialarbeiter ein gestellt wurde. Auch Jugendliche werden betreut Bis zu d ie se m Zeitpunkt hat sich der Verein nur der Betreuung von e rw ach sen en Straffälligen zu­ gewandt. Um künftigden biszu diesem Zeitpunkt überwiegen d verhängten Jugendarrest zu ver­ meid en l wurde den z ustän digen Jugendstraf­ richtern und Juge ndstaatsanwälten der A m ts ge ­ richtsbezirke Villingen und Donauesc hingen ein Konzept über s o z ia le s Training für jugendliche und he r anw ac hsen de Straftäter vorgelegt. Wäh­ rend in den ersten Jahren etwa jeweils zwei Kur­ s e mit 8 – 1 0 Teilnehmern abgehalten wurdenl sind e s derzeit s e c h s Kurse im Jahr mit 1 0 – 1 2 Teilnehmern. Ein sozialer Trainingskurs um fasstvier A b en de und ein ganzes Wochenendel an d e ­ nen mit den Straffälligen Verkehrserziehungskurs mit Fahrlehrer Benedikt Bernau- erund Diplom-Sozialarbeiter Christian Muthmann. 221

Gesellschaft und Soziales Das Übergangswohnheim in Villingen bietet eine Starthilfe für das Leben naih der Entlassung aus dem Gefängnis. über die Gründe der Straftat gesprochen wird und KonzeptezurVermeidungweite- rer Straftaten g e m e in s a m erarbeitet werden. Vom ersten Kurs an wirken ein ehemaliger Jugendrichterl ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe und ein Mitar­ beiter der Kriminalpolizei mit. Immer öfter wurde auch Verkehrs­ straftätern die Teilnahme am soziale n Trainingskurs auferlegt; d e s w e g e n wurde 1991 ein spezieller Kurs für Verkehrsstraftäterl der Ver­ kehrserzieh ungskursl konzipiert. Das Grund­ konzept d e s Kurses beruht daraufl den Jugendli­ chen und Heranwachsenden zu z eigenl wie wich­ tig der Besitz einer Fahrerlaubnis im Berufsleben ist und w elch e Kosten auf jemanden zukom men könnenl wenn der Versicherungsschutz bei Fah­ ren mit Alkoholl Fahren oh n e Fahrerlaubnisl un­ z ulässigen tech nischen Veränderungen am Fahr­ z e u g usw. erlischt. An drei Aben den haben die Teilnehmer Gelegenheitl sich mit ihrem Verhal­ ten im Straßenverkehrl i n s b e s o n d e r e auch mit den Auswirkungen von Sucht­ mitteln auf d as Fahrverhalten auseinan­ derzusetzen. Ein Fahrlehrer s te h t für Fragen zum Fahrzeug und Führerschein zur Verfügung und ein Rechtsanwalt in­ formiert über zivil- und ve rsic heru ngs­ rechtliche Folgen von Verkehrsstrafta­ ten. Viel Zeit wird auch auf d a s Einge­ hen auf Fragen der Teilnehmer v erw en­ det. che und Folgen einer Straftat so w eit als möglich zwischen den Konfliktparteien unter Hinzuzie­ hung e in e s Vermittlers abgeklärt werden. Die z unäc hst auf den Jugendbereich b e ­ schränkte M aßnah m e wurde mit Anerkennung al s Modellprojekt durch d a s Justizministerium Baden-Württemberg 1991 auch auf Täter-Opfer- Ausg leiche nach dem allg em ein en Strafrecht ausgeweitet. Das in Villingen praktizierte Modell­ projekt wurde s e it e n s d e s Justizministeriums zwei Jahre lang mit jeweils 2 5 0 0 0 DM b e z u ­ schusst. Zwischenzeitlich wurde diese Art der Ver- Bereits se it 198 9 werden in Villin­ ge n als S p ezialg ebiet Täter-Opfer-Aus- g leic he durchgeführt. DerTäter-Opfer- Au sgleich als am bu la n te Diversions­ m a ß n a h m e stellt ein e Möglichkeit der außergerichtlichen Konflikt- und S c h a ­ d ensregulierun g dar. Einbezogen wer­ den hier s o w o h l der materielle S c h a ­ densausgleich durch den Täterl als auch die immaterielle Wiedergutmachung (Bearbeitung psychischerTatfolgenl per­ sö n liche Genugtuung etc.)l da die Ursa­ 2 2 2 Die Mitarbeiter des Bezirksvereins für soziale Reihtspflege, v on links naih reihts, hinten naih vorne: Thomas Müller (Beir at), Thomas Fisiher (Kassenführer), Christian Lewedei (Gesi häfts­ führer) Hartung Sihreiber (2. Vorsitzender), Sigmund Vögtle (Sihriftführer), Horst Beiz (Diplom-Sozialarbeiter FH), Rain er Horn (1. Vorsitzender), Henrike Fisiher (Beirätin), Christian Muthmann (Diplom-Sozialarbeiter FH).

fahrenserledigung so w o h l im Allgemeinen Straf- recht als auch im Jugendstrafrecht verankert. Im Rahmen der kommunalen Kriminalprä­ vention werden seit 1981 an verschiedenen Schu­ len Unterrichtseinheiten und Projekttage zum Thema „Jugendkriminalität“ unter Hinzuziehung von Fachleuten der Gerichtel Staatsanwaltschaftl Polizei und Gerichtshilfe durchgeführt. Hier ge ht e s in sb e s o n d e r e daruml g e m ein s a m mit den Be­ teiligten zu erarbeitenl welche Ursachen und Aus­ wirkungen straffälliges Verhalten hat. Des Weite­ ren sollen Vorurteile so w o h l g e g en ü b e r straffäl­ lig ge w or d e n e n M ensc hen als auch ge g e n ü b e r den beteiligten Institutionen ab ge b au t werden. Hilfen bei „häuslicher Gewalt“ In Zusammenarbeit mit der Polizeil der Ehe- und Familienberatungsstelle so w ie der Einrichtung „Frauen helfen Frauen“ kümmern sich die Mitar­ beiter der Anlaufstelle im Zuge d e s Projektes „Häusliche Gewalt“ um die Ehemänner. Ziel ist esl nach Erteilung d e s 14-tägigen Pla tzverweises durch die Polizeil mit dem gewalttätig g e w o r d e ­ nen Ehemann über d as Thema Gewalt zu sp r e ­ chenl so d a s s er bei künftigen Konfliktsituationen lerntl die Konflikte verbal zu löse n. Leider wird d i e s e s Angeb ot von den Betroffenen se lten an­ g e n o m m e n l weil die Gewaltausbrüche bagatelli­ siert und entschuldigt werden („Ich warjanurbe- trunken“ – „Sie hat mich provoziert“ usw.). Mehrere Projekte scheiterten aufgrund g e ­ ringer Nachfrage. So wurden Mitte der 1980er Jah­ re in Zusammenarbeit mit der Arbeiterwohlfahrt auf der Katharinenhöhe Mutter-Kind-Kuren für An gehörige von Inhaftierten durchgeführt. Auch der Versuchl sp ezielle Kurse für Ladendiebe an­ zubietenl scheiterte bereits nach einem Jahr w e ­ gen mange lnder Nachfrage. Erfolgreicher waren kleinere Projekte wie die Rekultivierung der Wach­ hold erheid e in Fischbach-Sinkingenl oder das Schlage n von S c hn eisen für d a s Auerwild bei Kö­ nigsfeldl d as mit Personen durchgeführt wurdel die g e m ein n ü tz ig e Arbeit ableis ten m ü s s e n . In Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendamt ist für d a s Jahr 2 0 0 4 geplantl mit d i e s e m P er so n e n ­ kreis bei der Instandsetzung der Linachtalsperre mitzuwirken. Hier m u s s der über Jahrzehnte zu- Hilfe für Straffällige Statistische Zahlen aus dem ja h r 2 003: ■ Betreute Personen: 363 ■ Übergangswohnheim : 21 Wohnheim ­ bew oh ner (Verweildauer: durchschnitt­ lich 85 Tage) ■ Wohngemeinschaft: 5 Bewohner ■ 9 Verkehrserziehungskurse mit 124 Teilnehmern ■ 6 Soziale Trainingskurse mit 6 4 Teilnehmern ■ 85 Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren (75 erfolgreich a b g e sc h lo ss e n ) ■ 12 Fälle „rote Karte“ bei Gewalt im häuslich en Nahbereich ■ 24 Unterrichtseinheiten an Schulen im Schwarzwald-Baar-Kreis zum Thema „Gründe und Folgen der Jugend­ kriminalität“ g e w a c h s e n e S t a u s e e vollkom men au s g e r o d e t werden. Über viele Jahre h in w eg hat sich der Bezirks­ verein üb erwiegen d durch G eldbußen und Per­ so n alk ostenzusch üsse von Stadt und Kreis finan­ zieren können. Nicht nur der Au sstieg d e s Land­ kreises mit der B e z u s c h u s s u n g d e s Vereins im Rahmen der sogenannten Freiwilligkeitsleistungl sondern auch der deutliche Rückgang an Geld­ bußenl bringen den Verein zwischenzeitlich in enorm e finanzielle Schwierigkeiten. Durch die Verankerung der Diversionsm aßnahm en als Auf­ gaben der Jugendämter im Kinder- und Jugend­ hilfegesetz und Jugendgerichtsgesetz können die­ s e M aßnahm en zwar n euerdings über Fallpau­ schalen mitdiesen abgerechnet werdenl dennoch ist auf lange Sicht keine finanzielle Absicherung zu erkennen. Christian Muthmann Quellenangaben: Dr. Karl-Michael Walz: „Soziale Strafrechtspflege In Ba­ den“ ; Kriminologische Forschungsberichte aus dem Max- Planck-Institut für ausländisches und internationales Straf- recht, Band 79 Dr. Reiner Haehlingvon Lanzenauer: „150 Jahre Badischer Landesverband für soziale Rechtspflege“ , Karlsruhe 1982 223

Gesellschaft und Soziales Ein halbes Jahrhundert Suchtberatung Die „Psychosoziale Beratungs- und B ehandlungsstelle für Alkohol- und M ed ikam en ten p ro – blem e“ b ietet individuelle Hilfestellungen Über ein halb es Jahrhun- dert schon kümmert sich die „S u ch tberatu ngsstel­ le“ im Schwarzwald-Baar- Kreis um suchterkrankte M enschen und ihre Ange­ hörigen. Aus der e h e m a ­ ligen „ B e zir k ste lle für Suchtkrankenfürsorge“ im G es u n d h e itsa m t ist die h e u te in Villingen – mit A u ß e n ste lle n in Donau- e sc h in g e n und S c h w e n ­ ningen – a n s ä s s i g e „Psy­ chosoziale Beratungs- und Behand lungsstelle für Al­ kohol- und Medikamen- tenprobleme“ entstanden. Ein interdisziplinäres Team von Sozialarbeiternl Psy­ chologen und ein em Arzt bietet Hilfe und längerfristige Begleitungl aber auch ge zie lt e Therapie zum A u sstie g au s der Sucht. Träger der nun zu einem großen Anteil vom Schwarzwald-Baar-Kreis finanzierten Beratungs­ stelle ist der Badisch e Landesverband für Prä­ vention und Rehabilitation e.V. mit Sitz in Ren- chenl der als Fachverband auch in vielen anderen ba dischen Landkreisen Such tbera tungss tellen l aber auch Einrichtungen zur Suchttherapie un­ terhält. Vor allem die Methodik der Beratungs- und Therapiea ngeb ote hat sich in den 50 Jahren seit b e s te h e n der „Suchthilfe“ völlig verändert. Im Mittelpunkt moderner Su chthilfe angebote steht immer der Menschl der aktuell Information und Hilfe suchtl se ine Lebensgeschichtel seine Sucht­ ge sc hich te und der jeweils individuelle Hilfebe­ darf. G emeinsam entwickeln Berater/innen und Betroffene machbare Wege aus der Sucht. Neben der Einzel-l Paar- und Familienberatung b e g le i­ 2 2 4 Ein interdisziplinäres Team wirkt an der „Psyihosoz ialen Beratungs- und Behand­ lungsstelle für Alkohol- und Medikamentenprobleme“, hinten v. links: DJooß, R. Kurz, Dr. R. Zitzmann, J. Reimann, Th. Sihwarz. V ordere Reihe v. links: C. Siheinost, Karl-J. Huber, Chr. Reimann, A. Zepf, S. Sihmidtke und Chr. Heße. tet die P syc hosoz iale Beratungss telle in Villin­ gen und in ihrer Außenstelle in Donauesc hingen zudem unterschiedliche Therapiegruppen und Selbsthilfegruppen. Suchtspezifische Beratungs­ und Therapieformen entwickeln sich durch w ach­ s e n d e fachliche Erkenntnisse und Erfahrungen ständig weiter. Die früheren „Suchtfürsorgestel­ len“ sind im vergangenen halben Jahrhundert zu hoch kompetenten Fachberatungsstellen g e w or ­ den und verfügen für die Beratung und Behand­ lung von Abhängigen über speziell a u s g e b il d e ­ te Mitarbeiter. Präve ntionsangebote der Beratungsstelle an Schulen l in Firmenl mit Senioren oder Jugendli­ chen bspw. bieten zusätzlich die Möglichkeitl sich in Seminar en und Wor kshops über Gefährdun­ gen zum Thema Sucht zu informieren und e ig e n e G efährdungs pote nziale zu erkennen. „Ein Glas od e r au c h zwei zum Absp an nen am Abendl ein e Zigarette um die Nerven zu beruhi­

ge nl zum Trost der Griff in die Kek sdose – arbei­ ten um nicht über die Eheprobleme nac hz ud en­ ken od er die rege lm äß ige Tablettel um endlich wieder einmal durchzuschlafen“ – sind uns allen in der ein en oder anderen Weise bekannte Ver­ h alte n sw eise n . Obl wann und warum a u s so lc h ­ en Verhaltensweisen ein e beh an dlungsbedürfti­ ge Suchterkrankung e ntstehtl wird in der Fach­ welt sehr unterschiedlich beantwortet. Doch egal waruml s p ä t e s t e n s dannl wenn e s nicht mehr „ o h n e “ gehtl vielleicht auch sc hon körperliche Sym p tom e oder psych is ch e und s o ­ ziale Folgeprobleme auftretenl suchen immer mehr Betroffene und Angehörige Beratung und Hilfe bei der „Suchtberatung“. Oder Angehörige su ch en Unterstützungdarinl den Mannl die Ehe­ frau oder auch Kinder oder Elternteile dazu zu motivierenl sich – mit Hilfe der Fachkräfte der Bera tungss telle – s e l b s t zu helfenl die Verant­ wortung und Regie für sein e i g e n e s Leben dem Suchtmittel quasi wieder „abzujagen“. Häufig ist dazu erst einmal die Behandlung der körperlichen Abhängigkeit in einer Fachkli­ nik von Nötenl bevor Betroffene ü b er e in e stati o­ näre oder auch am bu la n te Therapie zu ein em emotional stabilen und suchtmittelfreien Leben zurückfinden können. Kein einfacher und ohne Be­ gleitung und Unterstützung häufig nicht zu b e ­ wältigenderl ab e r d u r c h a u s se h r lohnenderWeg. Nicht nur für den Einzelnen und s e in e Familiel sondern auch für die Gesellschaft. Sucht ist ein gesamtgesellschaftliches Thema Gerade M en schen mit Suchterkrankungen tra­ gen ein hoh es Risiko ins soziale Abseits zu gera­ tenl körperlich und g e is tig chronisch krank zu werden oder sich selbst und ihre Kinder nicht mehr versorgen zu können. Auch die große Anzahl von Unfällen im Verkehrl Betrieben und Haushalten so w ie Straftaten unter dem Einfluss von Sucht­ mittelnl macht immer wieder deutlichl wie wich­ tig die Hilfe für suchtkranke M ensc hen in der heutigen Zeit istl vielleicht sogar mehr noch als in früheren Zeiten. So ist e s als gu te s Zeichen zu wertenl d a s s in den letzten 50 Jahren stetig mehr Betroffene von sich a us Beratung und Hilfe in der Beratungsstelle ge suc ht haben und suchen. Suchtberatung Zahlen: In 2 0 0 3 wurden 775 R atsuchende aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis beraten und b e ­ treut. Dazu waren 2 9 1 4 Einzel-l Familien- und Paarkontakte notwendig. Unter den Ratsuchenden waren 77% Männer und 23% Frauen. Fast 93% der Ratsuchenden kamen w e g e n Alkoholproblemen in die Beratungsstelle. 4 0 – 50-jährige stellen die größte Altersteil­ gruppe dar. Im Bereich Prävention wurden zu fast 50% Projekte an den Schulen unterstütztl 26% der Maßnahmen richteten sich an Betriebe zum Thema „Sucht am Arbeitsplatz“. Falls Sie Fragen haben oder Rat und Hilfe suchen, hier finden Sie Unterstützung: ■ P sy choso ziale Beratungs- und Behand­ lungsstelle für Alkohol- und Medikamen- tenprob leme Schlachthausstr. 9 7 8 0 5 0 Villingen-Schwenningen Tel. 0 7 7 2 1 /9 0 33 70 ■ Außenstelle Donaueschingen Schulstr. 13 7 8166 Donaueschingen Tel. 0 7 7 1 / 4 8 56 ■ Außenstelle Schw en ningen VillingerStr. 35 7 8 0 5 0 VS-Schwenningen Tel. 0 7 7 2 0 / 3 8 94 alternativ: ■ Jugend-und Drogenberatungsstelle Großherzog-Karl-Str. 6 7 8 0 5 0 Villingen-Schwenningen Tel: 0 7 7 2 1 / 9 0 32 72 Fragen zur Prävention: ■ Agentur für Prävention beim BLVl e b e n ­ falls in der Großherzog-Karl-Str. 6 in VS-Villingen Tel: 0 7 7 2 1 / 9 0 32 72 2 2 5

Suchtberatung/Das „Haus Eichberg“ Vor allem se it der An erkennung von Sucht­ stör ungen als Krankheit im Jahre 1 9 6 8 ist der Gang zur Beratungsstelle für Betroffene und An­ gehörige nach und nach leichter gewordenl das Tabu Sucht hat „Risse bekom men“. Dass Suchtl ir­ gendwann in der nahen Zukunftl zu einem öffent­ lichen Thema je n se its von Scham und Schuld wirdl auch daran arbeitet die Beratungsstelle. Finanzierung wird immer schwieriger Auch in den nächste n 50 Jahren gibt e s für die Suchtberatung vielzu tunl werden n e u e Entwick­ lungen die alltägliche Arbeit immer wieder aufs Ne ue verändern. Neben der inhaltlichen Arbeit mit Hilfesuchenden m u s s auch die Finanzierung der Bera tungss telle und der unterschiedlichen Angeb ote immer neu gesich ert werden. In Zeiten „leerer öffentlicher Kassen“ ein nicht ein fach es Unterfangen. Wie viele andere Hilfsangebote im sozialen Bereichl ist auch die P sy choso ziale Be- ratungs- und Behandlungsstelle für Alkohol- und M ed ik am en ten probiem e auch z u n e h m e n d auf zusätzlic he Finanzierungsquellen und S p o n s o ­ ren angewiese n um auch im nächsten halben Jahr­ hundert zum Wohl der M en schen im Landkreis ihre Hilfe anzubieten. Denn sicherlich wird auch in Zukunft Sucht­ beratung und Behandlung für Betroffene und An­ gehörigel aber auch das Engagement zur Aufklä­ rung und im Bereich der Prävention weiter b e n ö ­ tigt werden und wichtiger Bestandteil der so z ia ­ len Hilfen im Landkreis sein. Ulrike Gfrörer Das „Haus Eichberg“ eröffnet 50 neue P flegebetten für die Raumschaft Blumberg enl Sonnenschir m en. Wer im oberen Stockwerk d e s „Hauses Eichberg“ wohntl hat einen schönen Blick auf die Um gebungl auf be nachbarte Häu­ serl auf Bäume und viel Grün. Auf der Terrasse sitzt ein e gut gelaunte Grup­ pe alter M ensc hen. Sie unterhalten sichl lachen und erzählen oder trainieren ihr Gedächtnis mit Wortspielen. Fachkundige Anregungen dazu gibt Das „Haus Eichberg“ ist hell und freundlich. Das n e u e Blumberger P flegeheim liegt inmitten ei­ n e s W oh n geb iets und gleichzeitig im Grünen. Dennoch erreicht man in wenigen Minuten die In­ nenstadtl das Rathaus oder die Geschäfte. „Haus Eichberg“l Ob der Kehr 3: So lautet se it der Ein­ weihung im März 2 0 0 4 die neue Adresse für zahl­ reiche alte M enschen aus dem Raum Blumberg. Der südlich e Zipfel d e s Schwarzwald- Baar-Kreises hat ein n eues Pflegeheim bekom m en. Bauherr und Träger ist der „Zweckverband Pflegeheim Haus War­ tenberg G eisingen“. Viel Glasl Metall und h e lle s Holzl Blumenrabatte und Rasenflächen prä­ ge n die Architektur d e s neuen Pflege­ heimsl Balkone an den Außenfassadenl ein e große Terrasse mit Bänkenl Tisch- Hilfe für pflegebedürftige Senioren bietet das „Haus Eiihberg“. 2 2 6

Gesellschaft und Soziales Wo siih Senioren wohlfühlen: Auf der Terrasse kann man im Fr eien sitzen und plaudern. Tanja Speiserl au sgeb ildete Ergotherapeutinl die im Haus Eichberg ihre Arbeit aufgenom m en hat. Manchmal wird in dieser Runde auch g esun gen : Viele der Heimbewohnerl die hier lebenl sind noch fit und munterl andere haben körperliche oder psych is ch e Gebrechenl sind auf den Rollstuhl a n g e w i e s e n l oder brauchen Hilfe beim täglichen Leben. Man sieht d ie se n M enschen anl d a s s sie im Leben viele Erfahrungen g e s a m m e lt habenl gute und weniger gute. Aber die Gruppe scheint in sg e sa m t zufrieden zu sein. Vom rüstigen Rentner bis hin zum Menschenl der auf intensive Pflege angewiesen ist: Das „Haus Eichberg“ ist s o ausgestattetl d a s s e s M enschen in allen „Pflegestufen“l wie von der Pflegeversich­ erung vor gesehenl aufnehmen kann. Ausgebilde­ te s Pflegepersonal steht zur Verfügungl um den M enschen a n g e m e s s e n e Hilfe zu bieten. „Für den Raum Blumberg fehlte bisher ein e Pflegeeinrichtungl e s war schon seit längerer Zeit zusätzlicher Bedarf g e g e b e n “l erläutert Bernd Häßlerl Heimleiterim Geisinger Pflegeheim „Haus Wartenberg“. Das traditionsreiche Geisinger Pfle­ g e h e im im benachbarten Kreis Tuttlingen und der Zweckverband „Haus Wartenberg“ sind Trä­ ger d e s neuen Pflegeheimsl d a s in Blumberg s e i ­ ne Pforten geöffn et hat. Hinter dem Zweckverband ste h e n die Land­ kreise Schwarzwatd-Baar und Tuttlingen sow ie die Städte Villingen-Schwenningenl Donaueschin- ge n und Geisingen. Sie teilen sich die Verantwor­ tung für das Geisinger Pflegeheim zu dem nun auch noch d as neue Haus in Blumberg hin zu ge­ kommen ist. „Wir wollen hier M en schen a u s der Region be tr eu en“l beschreib t Häßler d a s Ziell „Bürger aus Blumberg sollen b e s o n d e r s berücksichtigt werden“: Ganz sol wie e s der Kreispflegeplan des Schwarzwald-Baar-Kreises ermittelt hat. „Die Pflegekonzeption und d a s Leitbild ent­ sp rechen der Konzeption d e s H au se s Warten­ berg in Geisingen“l erklärt Häßler. Demnach soll e s auch in Blumberg für die noch „fitten“ B e w oh ­ ner „tagesstrukturierende M aßnah m en“ ge b e n wie B e w e gu n gs – und Beschäftigungsth erap ie l Senioren-Gymnastik oder Sing- und S p ielnach­ mittagel Gedächtnistrainingl Ausflügel Basteln: Tanja Speiser hat ein e M en ge Arbeit und die S e ­ nioren sind mit Begeisterung bei der Sachel wenn die Therapeutin zur Aktivierungsrunde aufruft und die bunten Bälle au s dem Schrank holt. Eine Einrichtung mit 30 Beschäftigten Mit ein em Person alstamm von 3 0 Beschäftigten will d a s Haus Eichberg s e i n e Au fgabe erfüllenl erklärt Bernd Häßler. In Blumberg z ustän dige Stationsleiterin vor Ort ist Gisela Waldvogel. Sie ist der Pflegedienstleitung in Geisingen unter­ stellt. Auch für die gute Küchel für Verwaltungl EDV und Buchhaltungl für die Leitung d e s Hau- 227

Das „Haus Eichberg“ s e s insgesam tl ist Geisingen zuständig. Ob Früh­ stückl Mittag- oder Abendessenl Diät-l Schonkostl oder v e g e ta r is c h e s Essen: Die Geisinger Heim- küche liefert dreimal am Tagl was die Bewohner für ihr leibliches Wohlergehen benötigen. Rund 5l5 Millionen Euro wurden in den Bau und in die Einrichtung in Blumberg investiert. Die „förderungsfähigen Baukosten“ wurden vom Land Baden-Württemberg b e z u s c h u s s t. Der Höchstsatz für die öffentliche Förderung pro Pflegeplatz ist auf 9 2 0 0 0 Euro fe stg e le g t. 6 0 Prozent der Kosten teilen sich das Land Baden- Württemberg und der Schwarzwald-Baar-Kreisl 4 0 Prozent der Kosten m u s s der Zweckverband aus Eigenmitteln aufbringen. Nach längerer P la n u n g sp h a se dauerten die eigentlichen Bauarbeiten fürdas neue Pflegeheim ge ra de mal eineinhalb Jahre. Der erste S p a te n ­ stich war am 3. Juli 2 0 0 2 l Baubeginn war w e n ig späterl im August 2 0 0 2 . Danach gi ng e s g e w i s ­ sermaßen „Schlag auf Schlag“. Am 22. Januar 2003 wurde bereits Richtfest gefeiertl im Dezem­ ber 2 0 0 3 waren die Bauarbeiten a b g e s c h l o s s e n l am 19. März 2 0 0 4 wurde die Einweihung g e fe i­ ertl bereits zwei Wochen späterl zum 1. April 2004l zogen die ersten Bewohner in das neue Heim ein. Inzwischen haben rund 50 Senioren ihre Zimmer be leg t. Bewohnerl deren An gehörige und B e su ­ cher sam t P fle geperson al erfüllen seith er das Haus mit Leben. Die Planung lag in der Hand d e s Büros „Huller Architekten Freiburg“l die Bauleitung hatte das Hüfinger Architekturbüro Gut. Das Blumberger Ingenieurbüro „eco-Plan GmbH“ kümmerte sich zusammen mit der Schwenninger Firma „PIC“ um die Technik d e s H ausesl für die Statik war d a s Blumberger Büro Schweizer zuständig. Auf zwei Stockwerken sind im Haus Eichberg in zwei Wohnbereichen in sg e sa m t 50 Betten un­ tergebracht. Auf jeder Etage s te h e n 20 Einbett­ zimmer und zwei Doppelzimmer für die vollsta­ tionäre Pflege zur Verfügung. Hinzu kommen noch vier Plätze für die Tag espflege und zwei Plätze für die Kurzzeitpflege. Im Erdgeschoss sind n e ­ ben Büros fürdieVerw altungauch ein Andachts­ raum und ein Raum für die Bewegungstherapie entstanden. Ein Kiosk ist eingerichtet. Jedes Einzelzimmer ist 16 Quadratmeter groß und hat ein e e ig e n e N assz elle mit Toilette und behindertengerechter Dusche. Die Doppelz im­ mer sind jeweils 22 Quadratmeter großl alle Zim­ mer sind mit Telefon- und Fernsehanschlus s a u s ­ gestattetl in einem Sideboard ist ein Kühlschrank untergebracht. Auf Wunsch dürfen die Hausbe­ wohner auch e ig e n e Möbell Gardinen oder Bilder mitbringenl um ihreZimmerje nach Geschmackin ein „ e ig e n e s Reich“ zu verwandeln. „Seniorenl gleich welcher Konfession sie an­ gehören l sollen sich als Gäste bei uns wohl füh­ len“l sa g t Bernd Häßlerl „wir richten uns so gut e s ge h t nach den Wünschen und Bedürfnissen unserer Hausbewohner“. Manfred Beathalter Bei der Ergotherapie: Ziel ist es, fit zu bleiben und mögliihst lange geistig rege zu sein. 2 2 8

Wo Kühe das Treppensteigen lernen Auf dem G lashof in St. Georgen-Brigach: Erster d oppelstöckiger S tall europaw eit – Das In­ 15. K a p i t e l L a n d w i r t s c h a f t teresse der M edien ist riesig Äußerlich und auf den ersten Blick unterscheidet sich dieser Bauernhof nicht von anderen landwirtschaftli­ chen Anw esen im Schwarzwald oder and er sw o. Ein Familienbetrieb mit einer stattlichen Zahl von Kühen unter dem ausladenden Dach e i n e s alten Schwarzwaldhofesl ringsum das typi­ sche Ambiente samt Hundl Katze und Hühnerscharl und über der Haustüre prangt der Schriftzug „Glashof“. A n w esens im Gewann Sommerau im Stadtteil St. Georgen-Brigachl nimmt die Popularität gelassen: „Solange uns niemand das Gegenteil beweistl nehm en wir d a s gerne für uns in An­ spruch.“ Wirl d a s sind die Landleute Wilfried und Angelika Müller und ih­ re vier Kinder zwisc hen zwölf und neunzehn Jahren. Der Glashof ist Mit­ glied im Bioland-Verband. Um d ie se s Prädikat zu bekom m enl mußten n e ­ ben anderen Vorgaben der bisherige Anbindestall in einen Laufstall um ­ ge w idm e t und e in gestre ute Liegeflächen nach­ g e w ie s e n werden. Die zudem erforderliche Runderneuerung im Stallbereich war für Wilfried Müller die Chancel einen langge he gten Plan Realität werden zu las- Wllfried Müller vom Glashof Was den seit genau 25 0 Jahren im Familienbesitz befindlichen Glas­ hof so einmalig machtl ist der Stall. Dernämlichl s o jedenfalls bescheinigte n e s zwischenzeitlich die Printmedienl Hörfunkund Fernsehen unisonol sei einmalig – europaweitl wohlgemerkt! Land­ wirtschaftsmeister Wilfried Müllerl Hausherr d e s Auf der Gemarkung Sommerau steht seit 1754 derGlashof. Im Ökonomieteil haben Wilfried und Angelika Müller ihrem Viehbestand einen doppelstöikigen Stall einge riihtet. Das Steigen über die 2,80 Meter brei­ te Treppe haben die Tiere erstaunliih sihnell begri ffen. 229

L andw irtschaft sen: Ein Stall über zwei Etagenl separiert in Freßl Melk- und Schlafbereich für gut zwei Dutzend Milchkühe und die mehr als 3 0 Nachzuchttiere. So kam e sl daß nicht nur ein moderner Melkstand den Müllers die tägliche Arbeit erleichtertl s o n ­ dern die Kühe auch d a s Treppensteigen lernten. Für den Umbau d e s Stallbereiches und die Mög­ lichkeit von Etagenhaltung wurde ein Berater hin zu gez og en : Wilfried Müller informierte sich bei seinen Schweizer Berufskollegen und w o g ab zwischen Rampe oderTreppe. Maximal drei Stu­ fen hatte er in den e id g e n ö s s i s c h e n Ställen vor­ gefunden. „Wenn die Tiere drei Stufen überwin­ denl dann können meine auch ein paar mehr schaffenl“ fiel die Entscheidung. Was wohl auch ein w e nig eine Frage der Rasse ist. Die Vorderwäl­ der Rinderl wie sie auch im Gtashof z u h au se sindl bringen eine a u s g e z e ic h n e te A n p ass u n gsfäh ig­ keit an die im Schwarzwald g e g e b e n e n Umwelt­ faktoren wie Urgesteinsverwitterungsbödenl kur­ ze Vegetationsdauerl rauhes Klimal vor allem aber an steile Hanglagen mit. Und da die 4 0 Hektar Grün- und Ackerlandl die den Tieren au s Müllers Stall auch nicht nur a n g e n e h m e be n sindl ver­ traute der Hausherr auf die Steig- und Lernfähig­ keit seiner Vorderwälder. Zu Rechtl denn „es dau­ erte gerade mal eine Wochel bis auch die letzte Kuh kapiert hattel wo e s lang g e h t“l kommentiert Wilfried Müller d a s Experiment. Zehn Stufenl je- Unten wird gefressen und gemolken, im oberen Stoik ruhen in 34 eingestreuten Boxen die Vorder­ wälder. Die anpassungsfähige Rasse hat keine Probleme mit den zehn Stufen, die tagtägliih auf dem Weg zur Weide zu bewältigen sind.

de exakt 22 Zentimeter hoch und b e q u e m e 70 Zentimeter tiefl mißt der morgendliche und ab end­ liche Parcoursl der damit 2 l 2 0 Meter Höhenu n­ ters chied überwindet. Auf halbem Wege bietet ein P od e st von ein ein hal b Metern Tiefel – „da p a s s t be q u em eine ganz e Kuh drauf“l – G ele­ g e nhe it für einen Zwischenstop. Die Kühe sind zu „Langschläfern geworden“ Be hutsam hat der Landwirtschaftsmeister die Tiere an den Aufgang zu den 34 Liegeplätzen g e ­ w öh nt und sie vorsorglich über zwei Wochen a n ­ g e b u n d e n l denn hier im O b e rg e sc h o ß werden lediglich Wasser zum Trinken und Mineral-Leck- steine gereicht; untenl am gewohnten Platzl wird gefressen und gemolken. Den Kühen scheint die­ s e räumliche Aufteilung zu b e h a g e n l denn zwi­ schenze itlich haben sich e inige zu a u s g e s p r o ­ c he ne n Langschläfern entwickelt und m ü s se n m or gen s regelrecht au s ihren Boxen getrieben werden. Des e b e n so anspruchsvollen wie kostenträch­ tigen Umbaus w e g e n hat Wilfried Mülleraufauf- w e n d ig e Technik im Stallbereich verzichtet. „Es gibt M elkständel die sind t e ch n isc h e Wunder­ werkel und auch Computerfütterung ist w a s Be­ qu em e slab e r deshalb würde ich keinen Cent mehr für die Milch b e k o m m e n l “ rechnet der Glashof- Bauer vor. Die 1 5 0 0 0 0 Euro Investition müssten ohnehin erst einmal erwirtschaftet werden. Auch die Frage der Sauberkeit und Hygiene konnte mit d em Umbau auf zwei Etagen vorbildlich gelöst werden: Der Mist aus dem tierischen Schlafbereich wird über ein e Türe nach draußen befördert und über eine Leitung in die Grube entsorgt. Neugier ist verständlich und Kiebitzen hier ausdrücklich erlaubt. „Zuerst kamen all jenel die man s o n s t hier auf dem Hof nie s i e h tl“ s c h m u n ­ zelt der Schwarzwald-Bauerl d e s s e n Stall in­ zwisc hen e in e be m e rk en sw e rte Popularität er­ langt hat. Zuerst griffen die örtlichen und regio­ nalen Zeitungen das Thema aufl die Leute vom Hör­ funk streckten der Familie Müller ihre Mikrofone hinl und längst haben gum m ist iefel -ausger üste ­ te Fernsehteams die Kühe vom Glashof auf ihrem Weg zum Schlaftrakt vor die Kameras geholt. Daß d i e s e z w e i g e s c h o s s i g e Unterbringung der Kühe al les andere ist als ein architektoni­ W enn Kühe Treppen ste igen scher Gag e in e s schlitzohrigen Schwarzwäldersl hat Wilfried Müller mit Brief und Sie ge l. In der Stuttgarter Villa Berg erhielt er für sein Engage­ ment ein e ehrenvolle Auszeichnung. Bei der Ver­ g a b e d e s „Landwirtschaftspreises für unterneh­ merische Innovation“ (LUI) stand er auf Platz drei der Geehrten und fuhr mit der finanziellen Zuwen­ dung ein Hundertstel seiner Investitionskosten wieder ein. Ministerialdirektor Rainer Arnold vom MinisteriumfürErnährungund Ländlichen Raum würdigte die Aufbruchstimmung der Preisträgerl ihr unternehmerisches Denken und Handeln. Landwirte seien heute Mittelständler und müssten ihre Produktpalette kon se q u en t auf die Märkte ausrichtenl s o der Redner. Vorderwälder – die „goldene Mitte“ Was wie ein am Schreibtisch au sged ach ter Wer­ be sl ogan klingtl ist für die Rinderunion Baden- Württemberg e. V. mit Sitz der Regionalstelle in Don auesc hingen tägliche Realität. Hier schätzt man die Vorderwälder al s milchbetonte Rasse für schwierige Umweltverhältnisse. Trotz Höhe n­ lage und Weidewirtschaft an Sc hw arz wal dh än ­ gen lag beispiels weise die im Jahr 200 3 erbrachte Milchleistung von 4 914 geprüften Vorderwätder- kühen in Herdbuchbetrieben bei stolzen 5 4 8 6 Kilogramm. Von i n sge sam t 5 1 0 0 0 in derBund es – republik ge halten en Vorder- und Hinterwäldern beträgt der Anteil von Kühen 17 5 0 0 Tierel wobei in den tieferen Lagen d e s Schwarzwalds die Vor­ derwälder und in den höheren Lagen die Hinter­ wälder b ehe im at et sind. Diese w i de r sta nd sfähige Art tut sich nicht nur in der Milch- und Fleischleistung positiv her­ vor. Dr. Franz Mausl der ab s o lu te Fachmann in Sachen Rinderhaltungl lobtauch deren Nutzungs­ dauer: Während im Durchschnitt aller Rassen nur 11l8 Prozent der Kühe über acht Jahre alt werdenl sind die s bei den Vorderwäldern mit 2 0 l 0 Pro­ zent deutlich mehr. Gute Aussichten al so für Wil­ fried und Angelika Müllerl die Tiere vom Glashof lange in ihrer Obhut zu habenl ob beim Füttern und Melken zu e bener Erde oder im Ruhebereich d e s oberen G e s c h o s s e s . Anne Bethge 23 1

i 6 . K a p i t e l ■ U m w e l t u n d N a t u r Ein Lebensraum aus j a h r z e h n t e l a n g e r K i e s a b b a u h a t d a s R i e d s e e a r e a l Von Helmut Gehring A uf Gemarkung Pfohren wurde der Kiesabbau im Herbst 2003 eingestellt, die Abbau­ anlagen (siehe Bild) gehören dam it an diesem Ort der Vergangenheit an. Auf Hü- finger Gemarkung indes wurde im Jahr 2002 für weitere 10 Jahre die Fortsetzung des Kiesabbaues genehmigt. Das wird eine beträchtliche Vergrößerung des Riedseeareals

zur Folge haben m it positiven Folgen für die Natur, wie der Jahrzehnte andauernde Ab­ bau der mächtigen Kieslager im Donauried belegt: Am Pfohrener Baggersee entstan­ den und entstehen „Lebensräume aus zweiter Hand“ . Diese Lebensräume sind zur Hei­ mat von bedrohten Tier- und Pflanzenarten geworden, auch der seltene Flussregenpfei­ fer findet sich hier. ¡K8S Der Pfohrener Baggersee – der Riedsee zwisihen Hü fingen und Pfohren – is t eine a rtenreiihe Lebenswelt. Hier finden siih Gelbbauihunke, Vierfleiklibelle oder der Kiebitzregenpfeifer.

U m w e lt und Natur Steinbrüchel Kiesabbau gebiete oderTongru- ben werden gerne als Wunden in der Landschaft bezeichnet. In derTat verändert eine Landschaft ihr Bild se h r dramatischl wenn Bagger nach unterirdischen „ B o d e n s ch ä tze n “ schürfen. Kein Wunder a l so l d a s s Natur- und Umweltschützer solche n Abbauvorhaben zunächst sehr kritisch ge g e n ü b e r ste h e n . Es hat sich aber auch geze ig tl d a s s bei e nt­ spre che nder Planung und Gestaltung A b bau ge ­ biete zu einer öko logischen Bereicherung beitra­ gen können. Kiesgruben sind b e d e u te n d e Rück­ z u g s g e b i e te für ein e ga nz e Reihe von bedrohten Tier- und Pflanzenarten gewor de nl die s o n s t bei uns keinen Lebensraum mehr finden würden. Kiesgruben als Ersatzlebensraum Tief- und F la chwasser bereichel Kiesinseln und San d b ä n k e oder senk re cht a b s tü r z e n d e Ufer sind typische L and sc ha ftse lement e natürlicher F lusslandscha ften. Dochl wo in unserer Land­ schaft darf ein Fluss noch se in e natürliche Dyna­ mik zeig enl die Vor aus setzung für s e i n e natürli­ che Eigenheit ist? Um sich vor H och w ass er zu schü tzenl oder um n e u e s Wirtschafts- und S i e d ­ lun gsland zu g e w in n e n l hat der Men sch die m e is ten unserer Flüsse be gradigt und e i n g e ­ dämmt. Viele Tier- und Pflanzenarten haben d a ­ durch ihren Lebensraum verloren. In einer Kies­ oder Tongrube ind esl entde c ke n wir viele Ele­ m ente natürlicher Flusslandschaften: Vom Mut­ terb od en fr eigele gte Kiesflächenl senk re chte Abba uka ntenl Fla chw ass ertümpe l und kleine Se e n gehören dazu. Eine Reihe von Tier- und Pflanzenarten hat die s „erkannt“ und nutzen d i e s e vom Mensche n gesc ha ffen en Lebensräume als Ersatzlebensräu­ me für ihre verloren g e g a n g e n e ursprüngliche Heimat. Flussregenpfeifer und Co. Der Flussregenpfeifer war vor der Verbauung der großen Flüsse in Mitteleuropa eine hier weit ver­ breitete Vogelart. Er b e si e d e lte die v e g e ta ti o n s ­ freien Kies- und S a n d b ä n k e in den natürlichen 234 Flusstälern. S e in e gut getarnten Eier legte er o h ­ ne aufw ändigen Nestbau einfach auf den Boden einer vegetationsfreien Kiesflächel die d as letz­ te Hochwasser aufgeschichtet hatte. Die heran- w a c h s en d e n Jungen fanden reichlich Nahrung in den sich schnell erw är menden Fla chw asse rbe ­ reichen am Flussufer und waren hervorragend g e g en ü b e r Fressfeinden getarnt. Gut ang e p a s stl nutzte er die extremen Be dingungen s e i n e s Le­ bens raums. Bereits um 1930 war der Flussregenpfeifer in Baden-Württemberg als Brutvogel verschwunden. Als nach dem Zweiten Weltkrieg infolge der stark zune hm end en Bautätigkeit landesweit viele neue Kies-l Sand- und Tongruben entstan denl tauchte er wieder auf. Er b e si e d e lte sehr erfolgreich die

K ie sa b ba u a u f d e r Baar neu en tsta n d e n e n Lebensräume a u s M en sc h e n ­ hand. Auf der Baar ge la n g im Bereich d e s Hüfin- ger R i e d s e e s ers tm als 1981 ein Brutnachweis. Seitd em brütet der Flussregenpfeifer r eg e lm ä ­ ßig in den K ie sa b bau geb ie ten zwischen Hüfin- gen und Pfohren. 1993 wählte der Naturschutzbund Deut sch­ land den Flussregenpfeifer zum Vogel d e s Jah­ res. Er wurde zum Sym bolvog el für die ökolo gi ­ sc he n Chancenl die sich Tieren und Pflanzen in Kiesgruben bieten. Ähnlich wie dem Flussregenpfeifer erging e s der Uferschwalbe. Für die Anlage ihrer Brutröh­ re benö tigt si e senkrecht abfallende Uferwände an Flüssen oder Se e n . Diese findet sie he ute nur noch in Ab ba ugeb ieten von Kiesl Sand und Ton. Bliik auf ein Sihlammabsetzbeiken beim Pfohrener Riedsee. Die Folge istl d a s s die w e n i g e n Kolonien der Uferschwalbe in Baden-Württemberg sich alle in Abbaugeb ieten befinden. Ende der 1970er Jahre siede lte sich auch am Hüfinger Riedsee eine klei­ ne Kolonie der Uferschwalbe mit fünf Brutpaaren an. Leid er gingdie Brutwand und dam itau ch die Der seltene Flussregenpfeifer, er war Vogel des Jahres 1993, brütet seit ia. 1981 im Bereiih des Riedsees. Be ­ reits um 1930 galt er in Baden-Württemberg als ver­ sihwunden.

U m w e lt und N a tur Brutkolonie durch den fortschreitenden Kiesab­ bau inzwischen verloren. Neben den Brutvögeln nutzen auch Zugvögel au s dem h o h en Norden B a g g e r s e e n gern e als Rastplätze auf ihrem Zug in ihre Überw inte­ rungsgeb ie te im Sü de n und auf dem Weg zurück in die Brutheimat. Die Liste der b e o b a c h te te n Zugvögel im Riedseebere ich ist lang: Sterntau­ cherl Prachttaucherl Mittelsägerl S i n gsc h w an l Rau bs eesc hw albe und viele mehr st ehe n auf die ­ ser Liste. Se lbst sehr s e l te n e Gäste in Mitteleu­ ropa wie der Küstenstrandläufer oder der Kie­ bitzregenpfeifer aus der sibirischen Tundra konn­ ten sc ho n be obachtet werden. Auch bedrohte Amphibienarten finden neuen Lebensraum in den Kiesgruben. Es sind vor al­ lem Artenl die unbe scha ttetel sich schnell erwär­ m e n d e Flachw ass ertümpe lfür die Fortpflanzung benö tigenl wie Kreuzkröte und Gelbbauchunke. 2 3 6 Kiesgruben verändern siih, in den 1930er Jahren wurde hier noih Kies abgebaut. Reihte Seite: Die Beutelmeise findet in dem siih entwiikelnden Uferwald eine neue Heimat. Kiesgruben verändern sich Die erwähnten Arten sind s o g e n a n n te Pionierar­ ten (Erstbesiedler)l si e b e s i e d e lt e n früher die nach einem Hochwasser neu en ts tan denen Kies­ bänkel Flac hw asserbuchten und Abbruchufer. Durch Erosion und durch d a s natürliche Pflan­ z en w ac h stu m g e h e n d i e s e Lebensräume aller­ din gs relativ sc hn ell wie de r verloren. Sie w ach­ sen zu. Aber da s nächste Hoch wass er schafft n e u e Heimat für die Pionierarten. In der Kiesgrube fehlt d i e s e Dynamik. Die „Pionie re“ verlieren nach ein igen Jahren ihren „Lebensraum a u s zweiter Hand“ wieder. Wie e s für unseren Klimabereich typisch istl stellt sich auf Grund der natürlichen Vege tatio n sen twick­ lung letztlich Wald ein. In einigen Uferabschnit­ ten kann sich auch Röhricht aus Schilf entwickeln. Im hera nw ac hs en de n Uferwald au s Weidenl Erlen und Birken siedeln sich vor allem S in gvö­ gel an. Überlässt man die Waldentwicklung der Naturl s o kann sich auch hier ein artenreicherl ök ologisc h wertvoller Lebensraum entwickeln. Die An sied lu ng der B e u te lm e i s e am Pfohrener Riedsee in den letzten Jahren beleg t dies. In der sich entwickelnden Ufervegetation finden Was­ se rvöge l g e e i g n e t e Brutplätzel s o z.B. der Hau­ bentauch erl der sc hon mit e in igen Paaren auf den Riedseen brütet. Da auch der Mensch sich vom Wasser a n g e ­ zogen fühltl sind Baggerseen wie bei Hüfingen und Pfohren sehr beliebte Na her ho lungs räum e. An­ gelnl Badenl Surfen oder Segeln sind Freizeitak­ tivitäten unserer Zeit mit ste i g e n d e r Tendenz. Konflikte mit dem Schutz der sich neu entwickeln­ den Natur sind vorprogrammiert. Es m ü s se n also für die B a g g e r s e e n N u tzu n g sk o n z ep te entwi­ ckelt werdenl die sowohl die Ansprüche der Men­ schenl als auch da s öko logisc he Potenzial dieser „Lebensräume aus zweiter Hand“ berücksichti­ gen.

Ufersihwalbe In Brutröhre (Hüfinger Riedsee). Am Hüfinger Riedsee, die Natur erobert siih die Kiesg rube als Lebensraum zurüik.

Kie sa b ba u a u f d e r Baar Erdkröte Haubentauiher Sihwalbensihwanz Küstenstrandläufer, arktisiher Brut vogel 239

eiten im Regenwald W eltw e it berichtete die re- nom m ierte G eographiezeit- schrift „GEO Saison“ im O kto- ‚ 1 ber 2 0 0 3 über die Aasenerin ^ Barbara H artung und ihren Ein- ^ 0 1 M Ü satz für einen um w eltschonen- J n L » den Tourism us in Costa Rica. Barbara Hartung zog das Interesse der internationalen Fachpresse auf sich. S eit neun Jahren leb t und arb e ite t die Diplom – Biologin im Regenwald au f der karibischen Seite von Costa Rica. Ein Leben im Paradies? Vor allem ein W e ttla u f m it der Zeit: Die Zivilisation und Zer­ störung natürlicher Lebensgrundlagen m acht auch v o rd e m tropischen NaturschutzgebietTortuguero und dem gleichnam igen Dorf in d er Provinz Limön nicht halt. ■

U m w e lt und Natur Es ist stockdunkell d a s Zirpenl Brüllenl Gril­ len und Gurren von Mantelbrüllaffenl Fröschen und P apage ie nl i n s b e s o n d e r e Rotstirnam azo­ nenl zersc hn eidet die Luftl bildet eine beeindru­ ckende Lautkulissel dazu da s Plätschern dicker Regentropfen: Es ist kurz nach vier Uhr morgensl die Aasenerin Barbara Hartung brüht sich einen Kaffeel liest ne be nh er ein Buch – Zeitungen gibt e s in Tortuguero nicht: Das Dorfl in dem Barbara Hartung heute lebtl liegt am Rande d e s gleichna­ migen Naturschutzgebiets Tortuguero in der Pro­ vinz Limönl etwa 4 0 Kilometer von der nicara- gua n isch en Küste entfernt und ist nur per Boot oder per Flugzeug zu erreichen. Mit dem Einbaum durch das Flussbett Noch e in e hal b e Stund el dann begi nn t ihr Ar­ beitstag. Die Touristen warten schon mit Regen­ cape l In se ktens chu tzmitte l und S o n n e n c r e m e am Uferl bevor die ersten So nnenstrahle n über d a s Dickicht einbrechen. Mit dem traditionellen Einbaum paddeln sie durch das Flussbettl s o lei­ s e l d a s s die Tiere nicht erschreckenl die B e s u ­ cher ganz nah e an sie herankommen. Nach vier Stu nden geht e s zurück ins Dorfl die Paddel wer­ den verstautl nach einem schn ellen Imbiss un­ ternimmt die Truppe ein e kleine Wanderung im Regenwaldl wo Barbara Hartung die ö k o l o g i ­ sc h e n Z u s a m m e n h ä n g e erklärt. Dann wird e s wieder Zeit fürden nächsten Kaffeel noch schnell organisatorische Dinge erledigen und schon holt die Diplom-Biologin ne u e Gäste abl zeigt ihnen Tortuguerodorf und lenkt ihre Aufmerksamkeit M/’f dem Kanu durih Kanäle und Lagunen in den Re­ genwald von Costa Riia. Ein Leben zwischen Ursprünglichkeit l . . … und Zerstörung, zwischen Paradies, Prim itivität und mangelndem ökolo- . . . gischen Bewusst- „ sein der Bewohner Costa Ricas. auf die kleinen Dinge anderer Kulturen – auch wie sich d a s Le- ben durch z u n e h m e n – ¿gp Tourismus verän- dert. S p ä ta b e n d s kehrt s ‚e ’n ‚^re b e s c h e i d e n e Holzhütte in dem 700- _ 1 Seelen-Dorfzuruck. Ein Leben z w isc he n Ur- r> * sprünglichkeit und Zer­ störun gl z w isc h e n Pa­ radiesl Primitivität und m a n g e ln d e m ö k o l o g i ­ sche n Bewusst se in der Bewohner: Barbara Har­ tung lebt d i e s e s Leben seit neun Jahren. Lange Zeit o h n e W asc h m as ch in el Telefon oder gar Computer am anderen Ende der Welt. Dabei ist sie so ein richtiges „Baaremer G e w ä c h s “l b e ­ su ch te d as Fürstenberg-Gymnasium in Donau- esc hinge nl absolvierte ansch li e ße nd ein s o z i a ­ les Jahr in Villingen bei der AWO. Trotz aller Hei­ matverb und en heit – d a s Fernweh war größer: Während ihres Stu dium s der Biologie in Tübin­ gen entw ickelte s i e s c h o n e in e Faszination für den tropischen Regenwald. 1 9 8 8 nahm die h e u te Vierzigjährige an e i ­ nem stu dentischen Projekt in Ecuador im Ama­ z o n a s teil – ein Schrittl der ihre Zukunft e rh eb­ lich b e sti m m e n soll te. Ein Jahr sp äte r gi ng sie mit einem Au slandsstipendium erneut nach S ü d­ amerika an die Universität von Sao Paulo in Bra­ silien. Nach dem Studium gab e s schließlich kein Halten m e h r fü r d ie Naturliebhaberin und e s ver­ sc hlug sie nach Panama und Costa Rical wo sie als Volontärin in v e r s c h ie d e n e n Nationalparks arbeitete. In Tortuguero auf Costa Rica wurde ihr schließlich von einem touristischen Unternehmen ein e Arbeit als Biologin ange bote n. Inzwischen

arbeitet si e se l b s tä n d i g l um e in e Alternative zum M a sse n to u r i sm u s an z u b iete n . Mit ihrem so g e n a n n t e n „san ften Tourismus“ hat s i e sich als unabh ängiger Guide einen Namen in der Re­ gion gemachtl begleitet Besucher a u s aller Welt auf zweitä gig en Führungen durch 19 0 0 0 Hektar Tiefland regenwaldl Kanäle und Lagunen. Der gr öß te Anteil ihrer Touristen kommt aus Deutschlandl der Schw eiz und Österreich. Auch viele Spanierl Franzosen und Holländer ne hm en an den Touren teil. Amerikaner stellen den Groß­ teil der Touristenl sind aber selten ihre Gäste. „Sanfter Tourismus als Lebensgrundlage“ Die Qualitätl Einzigartigkeit und Ursprünglich­ keit ihrer Tourenl ihr Fachwissen in Zoologie und Entomologie (Insektenkunde) und ihre langjäh­ rige Erfahrung haben sich über die Landesgren­ zen hinaus herumgesproche n. Seit zwei Jahren kann si e s ogar von dem sa nften Tourismus le­ benl öfter ein en kleinen Betrag au f die Seit e bringen. Reise büros auf der ganz en Welt e m p ­ fehlen die Tourenl v erweisen auf die Aasenerinl wenn e s um Costa Rica geht. So auch Wolf Dieter Pfistner vom „traveldesign M ü n c h e n “ l der auf Anfrage der Zeitschrift GEO den Kontakt zwi­ sc h e n dem international be ka nnt en Blatt und der sym p athisc he n Biologin herstellte. Im Okto­ ber 2 0 0 3 zierte sie die Seiten von GEO Saiso n für da s Titelthema „Costa Rica“. An allen Kioskstän­ den auf dem Globus war die Aasenerin mit ihren Touren in Tortuguero vertreten. Eine Tatsachel die ihren Bekanntheitsgrad erheblich erweiter­ tel ein Umstandl den sie gerne unter den Tisch fallen lä sst. Viel wichtiger ist ihr die Stärkung d e s ökologischen Be wu sstseinsl Alternativtouren anzubietenl die den Wald nicht zerstören. Vor al­ len Dingen die Artenvielfaltl die Interaktionen zwisc hen Pflanzen und Tieren und der medizini­ s c h e und allgemeine Nutzen der Urwaldgewäch­ s e liegt ihr am Herzen. Doch die Zivilisation schreitet voran und ihr Engagem ent ist bei den Einheimischen nicht im­ mer gern e g e s e h e n l d a s ö k o l o g i s c h e Drängen der Deutschen ist ihnen oft ein Dorn im Auge. Der Tourismus soll ihrer Ansicht nach forciert we r ­ denl Geld an die Küste sp ülen . „Man kann keine Von d e r Baar nach Costa Rica „Sanfter Tourismus“ bedeutet, Alternativtouren durih den Regenwald anzubieten, die den Wald niiht sihädigen. ge m e i n s a m e n Aktionen durchführenl prinzipiell sind die Leute nur schw er für irgend etwas zu e n ­ gagieren. Die Umstellung von 2-Takt auf 4-Takt- B ootsm otor en haben mir e in ig e übel g e n o m ­ menl weil die 4-Takter schw er er zu reparieren sind und die Männer ihren Job gefährdet sahen. Dabei wurde die Umstellung vom Nationalpark vera nlasstl w e n n e s nach mir g e g a n g e n wärel gä b e e s überhaupt nur Kanus und Elektromoto­ ren“l beschreibt Barbara Hartung den täglichen Kampf. Ohnehin ist der Alltag nicht immer leicht zu bewältigen: „Wäsche w asch en ist der reinste Horrorl nach einem Regentag trocknen die Kla- 2 4 3

Der Treffpunkt für alle, vier- bis fünfmal am Tag, ist der Dorfladen. Bei der hohen Luftfeuihtigkeit ver­ derben Vorräte sihnell, müssen Lebensmittel rasih verzehrt sein. Unten: Bliik auf Tortuguero, „den Ort, an den die Sihildkröten kommen“. motten tage la n g nichtl Stromausfälle ste h e n an der Tage sordnungl wenn Druckerpatronen leer sindl dauert e s Wochen bis Nachschub da ist und die Vorräte verderben auch sc hn ell bei der h o ­ hen Luftfeuchtigkeit“l berichtet S u s a n n e Har­ tun g nach einem Aufenthalt bei ihrer Schwester. Da wu nd er t sich nieman dl w e n n man fünf mal am Tag im Dorfladen stehtl denn da s Essen m uss sofort verzehrt werden. Barbara Hartung hat sich mit den G eg e b e n h e i te n arrangiertl inzwischen ist so g a r d a s W äs che w a s c h e n nicht mehr so müh sa ml sie hat den Dreh rausl stimmt da s Wet­ terl hängt alles an der Leine. Ihre Bekanntheit verdankt die Region aber nicht nur dem Regenwaldl sonde rn auch se inen Bewohn ernl denn der Name Tortuguero kommt vom sp a n i s c h e n „tortuga“ und b e d e u t e t „Der Ortl an den die Schildkröten k o m m e n “. Der Strand dort ist der wichtigste Brutplatz der Su p ­ penschildkröte oder grünen Meeresschildkröte (Chelonia Midas) der g e s a m te n w est lich en He­ misp häre. Mehrere ta u s e n d Su p p en sc h ild k r ö­

tenl die zwei Meter großen Lederschildkröten und die echten und unechten Karettschildkröten kommen nach Tortuguero zur Eiablage. Die Pan­ zerriesen sind e s letztlich auchl die dem kleinen Ort zu so viel Berühmtheit verholten hab en l denn von i n s g e s a m t weltweit s ie b e n Arten von Meeresschildkröten kommen fünf nach Costa Ri­ cal vier davon direkt in d a s Natursch utzgeb iet Tortuguero. Zu den Highlights der Touren von Barbara Hartung gehört d e sh a lb auch die Schildkröten­ führung bei Nachtl wenn die Riesen an Land g e ­ hen. Mit einer Rotlampe tast et si e sich m anc h­ mal pats ch nass vom tropischen Regen durch das Treibholzl um den Touristen bis Mitternacht die Eiablage der Meere ss ch ild kr öten zu z eige n . In der Sc hildk rö te nsaison von Juli bis Oktober kommt si e d e s h a lb nur w e n i g e Stu nd en zum Schlafen. Es gibt kein W oche ne ndel man hat in dem Turnus freil wie die Reservierungen fallen. Stehe n keine Touren anl m u s s die oft a u fg e s c h o ­ b e n e Büroarbeit und Haushaltskram erledigt werden. Das Bild der in der Hängematte ba umelnden Biologin im Urwald existiert nur in G edanken. Die Realität ist müh sa ml ihre Arbeit für die Erhal­ tung d e s R e genw aldes vielfältig und umfassend. Der Regenwald Tortugueros ist ein immer feuc h­ terl tropischer Tieflandregenwaldl der ein st die g a n z e Karibik be d e c k te . Tieflandregenwälder sind die artenreichsten: so gibt e s in Tortuguero Jaguarel Pumasl Ozelotsl Tapirel Ameise nbärenl Gürteltierel Tukane und zahlreiche Papa geien- und Affenarten. Durch den z u n e h m e n d en Touris­ mus siede ln sich immer mehr M enschen in den Regionen um den Nationalpark anl eine Zersie- d e l u n g v o n Pufferzonenl b io lo gisch en Korrido­ renl ist die Folge. Die Populationen werden i s o ­ liertl die g e n e t i s c h e Vielfalt vermindert sich. Durch die Zersiedtung sind die Parks auch leich­ ter zugänglich und damit nur schw er zu kontrol­ lierenl Wilderer treiben ihr U n w e se n l illegale Holzfäller wittern d a s gr oße Geschäft. Barbara Hartung will mit ihrer Arbeit aufrüttelnl verant­ wortungsvo lle s Reisen und den Um gang mit der Natur fördernl die globale Verantwortung vermit­ teln. Derzeit wird eine Be lastungsst u die durch­ geführtl inwieweit der Tourismus die Fauna und Flora beeinflusstl eine Studiel die sie ebenfalls Von d e r B a ar nach Costa Rica aktiv unterstützt. Die MUllwirtschaft bereitet ihr m om e ntan richtig Kopfzerbrechenl der Abfall wird regelrecht vergraben und verbrannt. Für sie b e d e u te t d as Veränderung im Alleingangl dau­ ern Bewusst se insv eränderungen doch viele Jah- „Emanzipation ist im Regenwald kein Thema“ „Als Frau und Ausländerin tut man sich in frem­ den Ländern immer schw erl vor allen Dingen dannl wenn man sein Leben s e l b s t in die Hand nimmt“l erklärt die Aasenerin. Emanzipation ist im Regenwald kein Themal Frauen sind immer noch M enschen zweiter Klassel d a s darwinsche G esetz vom Stärkeren gilt durchweg. Gerade mit den we iblic he n Einwohnern v ers te h t si e sich aber sehr gutl auch mit den älteren Bewohnernl die als einfache Campinos a ufge w ac hsen sind – si e ha ben Respek t vor der hart arbeitenden D eutsch en . Außerdem ist si e nicht die einzige Ausländerin: Eine Amerikanerinl eine Italienerin und ein Kanadier leben ebenfalls in Tortuguero. Die Dorfpolitik dort gleic ht öfters einem Spieß rutenl aufl je d e Information m u s s a u f g e ­ spürt werde n. Denn auch hierl wo vermeintlich die Welt noch in Ordnung istl wird „Vetterleswirt- schaft“ betrieben. Es stört siel d a s s die B e w o h ­ ner nicht vo r au sd en k e n l nicht beg reifen l d a s s die Zukunft ihrer U m ge bu ngl ihrer Natur auch gleichz eitig ihre Zukunft b e d e u te t und sichert. Auch die groß en touristisc hen Un ternehmen sind nur daran interessiertl mehr und mehr Gäste mit Motorbooten durch den Parkzu schleusenl an­ statt mitzuhelfenl den Park zu schützen. Alle le­ ben vom Nationalpark und Tourismusl doch wer­ den nicht einmal ver- Alle leben vom Na- nünftige Konzepte zur tionalpark und Tou- Müllentsorgung entwi- ekelt. Von Programmen zur V er b e sse ru n g der nünftige Konzepte Dorfstruktur wollen die zur Müllentsorgung R e g e n w a l d b e w o h n e r oder gar für die nichts w iss en l auch das N ati o n a lp a r k m a n a g e- „ Dorfentwicklung ment lasst zu wünschen übrig. Frustrierend für rismus, doch ver- x „ , l l l l gibt es in Tortu- guero nicht. die Diplombiologin zu 245

U m w e lt und Natur Einfaihes Leben, aber auih eine Idylle? Oben: War­ ten auf Einlass beim Arzt und Sihulbeginn. Unten: Spielende Kinder, ein Leben an der Armutsgrenze. se h e n l wie ein e Weiterentwicklung d e s M a s s e n ­ tourismus eine e h e m a ls idyllische Welt zerstört. Darüber hinaus sind e s ganz praktische Dingel die e s im Alltag für Barbara Hartung zu bewälti­ gen gilt: Durch die Lage ab s eits sind lange Fahrt­ w e g e mit Übernachtungen ve rb und en l wenn man Materialien benötigtl zum Arzt m u s s oder Termine bei der Stadtverwaltung hat. Ein Besuch beim Rathausl der bei uns in zehn Minuten erle­ digt istl dauert zwei Tagel eine Überfahrt in die Stadt kostet 10 Dollarl die Üb ernachtungskosten fallen ebe nfal ls an. Umso mehr wü nsc ht sie sich für Tortuguero ein en perm anenten Arzt oder Krankenpfleger mit Nothelferausbildungl da der 2 4 6 Transport bis zum nä chsten Krankenhaus sehr umständlich ist. Der Arzt kommt nur einmal die Woche. Zur Ultraschalluntersuchungl zum Rönt­ ge n oder zum Zahnarzt m u s s man s t e t s in die Stadt und dort eine Bleibe für die Nacht suchen. Was ihr an sich s e lb st auffälltl ist ihr verändertes Kaufverhalten: Shorts legt sie sich nur dann zul wenn e s a bs olu t nö tig istl denn sc hön ist da sl w as man im Dorf erhältl o hnehin nicht. Fährt sie tatsächlich in die Stadtl beschränkt sie sich auf das Allernötigstel denn im Bus kann man nur b e ­ grenzt Gepäck mitführen. Eine lange Liste mit Wünschen Auf ihrer Wunsch liste st eht ebenfalls ein funktio­ n iere nd es Recyclingzentruml d a s s ander e A us­ bildungen wie Lehrerl Krankenpflegerl Sozialar­ beiter oder ä hn liches für die M enschen dort at­ traktiv werdenl d a s s Englischunterricht und Na­ turschutzkunde auf dem Stundenplan der Sc hü­ ler ste h e n l d a s s e s keine Charterflüge mehr über dem Nationalpark gibtl d a s s die natürliche Ruhe wie de r einkehrtl denn auf den G ew äss e r n um Tortuguero z ie he n knatternde Motorboote ihre Benzinspuren. Barbara Hartungs Liste ließe sich noch un­ endlich fortsetzenl nur mit Engagement und un­ ermüdlicher Tatkraft kann si e so man cher Ent­ wicklung entgegenwirken. Die Ökologin geht d a ­ bei auch mit klarenl str ate gisch en Zielen und Konzepten vor: So würde sie gerne eine Kurtaxe einführenl damit da s Dorf einen e igene n Geld­ fo n d s für s e i n e öffentlichen Institutionen hat. Derzeit ve rsucht si e auchl ein Sp en denp ro jekt für die Krankenstation zu gründen – doch bis da­ hin ist e s noch ein langer Wegl der Erfolg liegt in den kleinen Schritten. Je mehr der Fortschritt kommtl um s o ähnli­ cher wird der Alltag zu De utsch landl doch auf Telefon und Laptop möchte sie dann doch nicht verzichten. Die nicht vo r h a n d en e Zeitung fehlt nicht mehrl denn durch da s Internet sind viele In­ formationen zugänglichl die Welt ist wieder ein Stück kleiner ge worden. Hatte sie doch ihre Kon­ takte früher über ein en „Biper“ ge h a lten l der Sign ale der Anrufer s e n d e t e l wo ra uf si e st u n ­ denlan g Sc hlange vor ein em der we nige n örtli-

chen Telefone ste he n m usst el um zurückrufen zu können. Trotz der vielen Unannehmlichkeiten: zurück nach Deutschland auf die Baar will Barbara Har- t u n g n o c h nicht. Doch j e d e s ja h r i m Mai kehrtsie für ein paar Wochen in ihre alte Heimat nach Aa­ se n zurückl kauft PC-Artikel und Bücherl die sie be son d e rs vermisstl besu ch t Freunde in Tübin­ genl Münchenl Freiburgl Hamburg oder Berlinl denn nach wie vor hat si e ein en groß en Freun­ desk re is. Ihre Elternl Gertrud und Herbert Har­ tungl sind schließlich auch verantwortlich für die Reiselust und d a s Fernweh ihrer Tochterl haben sie in zahlreichen Reisen mit Auto und Zelt durch S c h w e d e n l Sp anienl England und Italien ihren Kindern kulturelle Weitsicht vermittelt. „Ihnen hab e ich s o ziemlich alles zu ve rd ank en“l w eiß Barbara Hartung. Neben ihrer Familiel be su ch t si e dann auch so manche n Regenwaldtouristenl mit dem sich eine Freundschaft entwickelt hatl die ebe nfal ls gepflegt werden will – die Kontakte werden trotz dertei lwei sen Isolierung auf Costa Rica nichtwe- nigerl sondern mehr. „Familiel Freundel der Früh­ ling und die ein oder ander e kulinarische Lecke­ rei fehlen mir aber schon se h r “l g e s te h t sie sich Von d e r Baar nach Costa Rica ein. Üb ereineZukunftin Deutschland m achtsich Barbara H artu ng wenige rG eda nk en l h a t s i e sich doch in Tortuguero e ine Existenz aufgebaut. Doch irgendwannl wenn die Arbeit nicht mehr s o sehr im Mittelpunkt stehtl wird vielleicht da s kulturelle Leben w ieder wichtiger und damit auch ihre große Leidenschaft – da s Malen. Meh­ rere Ausstellungen hatte si e bereits in Deutsch­ landl doch im Regenwald ist dafür einfach keine Zeit und kein Platz. Die Kunst ist ein Teil ihres Lebensl den ihr d a s Naturparadies nicht bieten kannl doch würde sie ihre Fertigkeiten gerne wie­ der aktivieren. Vorerst ge n ieß t si e aber d a s Le­ ben in derfreien Naturzwischen Riesenlegu anen und Schildkrötenl hat jeden Tag erneut S p aß an ihrer Arbeitl denn si e ist Teil ihres Lebens. Eine Trennung von Arbeit und Privatleben gibt e s dort für sie nicht. Das fortwährend warme Klima schätzt sie b eso n ders l auch wenn fast täglich Regengüs­ s e nie derprasseln. Zum Frühstück kann sie zwi­ sche n Mangol Melonen und Ananas wählenl mit­ t a g s Pa pa ya s n as ch en und a b e n d s frisch g e ­ pflückte Bananen vers ch lin ge n und dem Chor der Regenwaldtiere lauschen. Dorothea Sihwarz Eine grüne Meeressihildkröte mit Satellitensender auf dem Pa nzer. So gewinnen die Forsiher weitere Er­ kenntnisse über die seltenen Tiere. 247

U m w e lt und Natur Beobachtungen in „Sachen Fuchs“ Das Fuchsbachtal in Schönwald hat seinen Namen zurecht Das Gesicht mit den großen Stehoh ren l die spit­ ze Sc hn auz e und die w a c h s a m e n Augen verlei­ hen dem Fuchs einen aufge weckten – ja intelli­ genten – aber sicherlich keinen vers ch lagene n ode r gar he im tückischen Ausdruck. Dennoch hängt ihm ein schlechter Ruf anl ist er vor allem als Hühnerdieb „verschrien“. Heute wird die Rolle d e s Fuchses in der Natur differenzierter g e s e h e n l man räumt ihm s e i n e Ex iste nz be re ch tigun g ein. Den m e is ten ist b e ­ kanntl daß er in Feld und Wald als „G esun dheits­ polizist“ auftrittl indem er krankes und ve re nd etes Wild aufspürt und verzehrt. Im übrigen gehören Mäuse zu se ine n bevorzugten Opfernl deren Re­ duzierung ihm positiv anger echnet wird. Füchse erb eu ten natürlich auch Jungha senl Rehkitze oder freilaufendes Federvieh. Derartige Übergrif­ fe halten sich jedoch in Grenzen. Meister Reineke läßt keine G el e gen he it zur Na h ru ngsb esch affun g a u s und b e su ch t nachts auch S i e dlun gen und St äd tel um Mülltonnen und ähnliches nach Fressbarem zu durchsuchen. Seit Jahren bereits zählen Füchse zu den festen Bewohnern von Städten. Sie ziehen dort in ver­ la s s e n e n G eb äud en l Ruinen ode r Parks ihren Nachw uchs groß und ernähren sich üb er wie ­ g e n d von den Abfällen der W o h l s t a n d s g e s e l l ­ schaft. Aufgrund der hoh en B e sta n d sd ic h te – b e ­ dingt durch da s Fehlen von natürlichen Feinden und dem erfolgreichen Bekämpfen der Tollwut – ist e s notw endigl daß die Jäger regulierend ein- greifenl um Über populationen zu verhindern. Dies gilt auch für die Reviere im Schwarzwald- Baar-Kreisl ob w oh l hier die Fuchsdichte etw as geringer ist als in tiefer liegenden Regionen. Meine Beobac htun ge n in d ie se m Bericht b e ­ ziehe n sich auf zwei Fuchsbauten im Fuchsbach­ tal bei Schönwaldl und hier im b e so n de re n über die Aufzucht der Fuchswelpen. Der Name Fuchs­ bachtal hat sicher von alters her e tw a s mit dem verstärkten Vorkommen von Füchsen in d ie se m 2 4 8 Bereich zu tun. In der Tat ist der Wald in d iese m Tal durchsetzt mit kleineren und größeren Fels­ gruppenl ideal für Fuchsbauten und damit auch zum Herrichten ihrer Kinderstuben. Den ersten Fuchsbau in d i e s e m Gebiet e nt­ deckte ich im April 1975l der b e se tz t war mit ei­ ner Fuchsmutter und vier Jungen. Ihre graue Fell­ farbe und die runden Gesichter deuteten darauf hinl daß sie erst ca. vier Wochen alt waren. Am frühen Morgen war e s mir möglichl bei mäßigen Lichtverhältnissen Aufnahmen von dieser Idylle zu sc h ie ß e n . Vor allem die Beobachtungen Uber d a s S ä u ­ gen der Jungfüchse vor dem Baul die fürsorgli­ che Pflege und Liebe der Fuchsmutter für ihren Nachwuchsl weckten meine Be geisteru ng für d i e ­ s e Tierart und z o g e n mich von nun an in ihren Bann. Das braune Huhn Den Vater der Jungen – e tw as größer und stärker als die Mutter – b e o b a c h te te ich e in e s Ab ends dabeil wie er ein grö ßeres Beutestück in der Nä­ he d e s B aues ab legte. Durchs Fernglas erkannte ichl daß e s ein braunes Huhn war. Am darauffol­ g e n d e n Tagl bei e in em ern eu ten Ansitzl zerrte die Fuchsmutter d a s b e s a g t e Huhn a u s einem Se iten eingan g d e s Baues hervor und begann mit dem Verzehr der Beute. Die vier Jungfüchse schiene n an die se r Kost noch nicht sehr interes­ siert zu seinl f ü r s i e w a r d i e Muttermilch noch die wichtigste Nahrung. Die se B e g e b e n h e it b e w e i stl d aß sich der Fuchsvater durchaus an der Versorgung seiner Familie beteiligtl obwoh l die s nicht der Regelfall sein wird. Das Huhn hatte er aller Wahrschei n­ lichkeit nach im W i t t e n b a c h t a l – e i n e m Nebental d e s F uc h sb a ch ta ls – bei einem Bauernhof e rb eu­ tet. Kurz darauf be stätigte mir der Besitzer d e s Hofes m ein e Vermutungl er berichtetel daß ihm

Jung fuihs, rund zweieinhalb Monate alt.

Beo b a ch tu nge n in „S ac he n Fuchs“ der Fuchs von seinen freilaufenden Hühnern neu­ lich e in e s g e stoh le n hätte. sung l ich richtete mich in meinem Versteck ein und brachte die Kamera in Position. Acht Fuchskinder und zwei Mütter Anfang Mai 2 0 0 0 s a ß ich wie s c h o n so oft um d i e s e Jahreszeit auf Ansitz im Fuchsbachtall am b e sagte n Baul vor dem vier Jungfüchse spielten. Einer der vier entfernte sich plötzlich von seinen Geschwistern und lief rund 100 m zu einem b e ­ nachbarten Fuchsbaul den ich schon länger kann­ tel an dem ich bis dato jedoch noch nie Füchse g e s e h e n hatte. Durchs Fernglas beobac htete ichl daß der Neuankömmling von weiteren vier Jung­ füchs en e mpf ang en und in ihr Spiel miteinbezo- gen wurde. Ich war erstaunt: In den zwei Fuchs­ bauten im Fuchsbachtal ha usten de mna ch min­ d e s t e n s acht Welpen. Wenige Tage später gelan g mir tatsächlich ei­ ne Au fnahm e d e s e rs tgen an n te n F uchsb aues mit acht Fuchskindern. Zwei Fuchsmütter haben hier ihre Jungen miteinander g r o ß g e z o g e n und der Nachw uchs hat sich vor den B e h a u s u n g en ge g e n s e iti g z u m Spielen und Raufen besucht. Jä­ ger vor Ort bestä tig te n m e in e B e obac htun gen und Angabenl wonach Fuchsmütter ihre Jungen g e m ein s a m betreuenl im Einzelfall auch ernäh­ renl sofern d i e s e in einem großenl oder wie im geschi lderten Falll in zwei nahe beieinander g e ­ le ge ne n Bauten geboren werden. Auf einem Auge blind Ein w eit er es Erlebnis hatte ich im Mai 2 0 0 3 l am oben beschrieb enen Fuchsbaul derin jenem Jahr von fünf Jungfüchsen b e w o h n t war. Eines mor­ g e n s l bevor ich mein Versteck erreichen konntel erschien plötzlich die Mutter der Fuchskinder auf der Bildfläche. An einen Baum gelehntl verharr­ te ich r eg u n g slo sl w ä h r e n d d e s s e n die Füchsin keine zeh n Schritte entfernt an mir vorbei gingl o hn e mich zu beachten. Schließlich verschwand s i e im Bau. Der Wind sta nd für mich gün st ig l w e sh a lb sie wahrscheinlich keine Witterung von mir aufnahm. Warum ich jedoch nicht von ihr g e ­ s e h e n wurdel gab mir zu d i e s e m Zeitpunkt ein Rätsel auf. Die Füchse verharrten in ihrer B e hau­ 2 5 0 Nach ca. einer Stunde Wartezeit erschien die Mutter mit ihren fünf Jungen vor dem Bau und e s g e la n g e n mir ein paar gute Fotos. Beim Blick durch die Telelinse wurde mir klarl w e sh a lb die Fuchsmutter mich zuvor nicht g e s e h e n hatte: Ihr rechtes Augel da s sie mir beim Vorbeigehen zu­ gewand t hattel war blind. Entweder hatte sie e s bei Revierkämpfen mit Artgen oss en oder durch den Sc hr otsc hu ss e in e s Jägers e in ge büß t. Trotz die se r Sehb eh in d e r u n g wurden die fünf Jungen mit g e n u g Beute versorgtl denn sie entwickelten sich zu prächtigen Jungfüchsen. Einen Fuchsvaterl der sich an der Nahrungsbeschaffung beteiligtel konnte ich nie beobachten. Zwei Wochen später wurde ich Zeugel wie die Füchsin ihren inzwischen zu Halbstarken heran­ g e w a c h s e n e n Jungen einen toten Iltis vorlegtel den sie b e sc hn up pert en und berochenl jedoch schnell ihr Interesse daran verloren und die Beu­ te einfach ve rschmähten . Iltisse können als Ab­ wehrwaffe g e g e n Freßfeinde ein b e s o n d e r s übel r ie c h e n d e s Sekret au s ihren Afterdrüsen aus- s c h e i d e n l w a s ihnen den Be inamen „Stänker“ eingebracht hat. Den Angriff der Fuchsmutter und damit sein Ende konnte die se r Iltis damit nicht a b w e n d e n l doch se in Sekret hatte er kurz vor se in e m Tod noch a u s g e s c h ie d e n . Desh alb roch er s o penetrantl daß ihn die Jungfüchse nichtan- rührten. Über s e in e n Tod hinau s rächte er sich s om it an der Fuchsfamiliel indem er ihnen die Mahlzeit gründlich verdarb. Eindrucksvoll sind s te ts die A u se in and er se t­ zu ngen um Beute und Rangordnung unter den Jungen. Solche spielerischen Streitereien dienen ihnen als Training für ihr sp ä ter e s Lebenl wenn über Revieransprüche und in Sachen Paarung wirkliche Kämpfe aus getrag en werden. Text und Fotografie: Erwin Kienzier „Kampfspiele“ (oben) und aiht Fuihskinder von zwei Müttern, die gemeinsam großgezogen wur­ den.

– —– Das meiste Wasser im Landkreis fließt in die Donau Die Europäische ‘l&tfVo. • • #

D ie Europäisihe Wassersiheide ist besonders eindruiksvoll auf der Mar­ tinskapelle bei Furtwangen gegenwärtig. Sie zieht siih nah der Bregquelle bei der Martinskapelle entlang (Bildmitte links). Der sihmale Weg, der am Bildrand links verläuft, steht in etwa für die Wassersihei­ de: Reihts davon fließt alles Wasser in die Donau, links des Weges in den Rhein. Das Martinskapellengebiet ist ein „Quellenland“: Hier entspringt mit der Breg niiht nur der längste Quellfluß der Donau, sondern in etwa dort, wo in der Übersihrift das Wort „Landkreis“ ge­ sihriebensteht, auih die Elz, deren Was­ ser in den Rhein fließt.

U m w e lt und N a tur Der amtliche Stadtplan der Stadt Villingen- S c h w e n n i n g e n enthält auß er den Straßen und Wegen auch e in e blaue ge st ric helte Liniel die sich durch die ga n z e Karte zieht und mit dem Hinweis „Europäische W as ser sc he ide Nor ds ee – Schwarzes Meer“ erklärt ist. Womit g em ei nt ist: Nach Westen fließt d as Was ser in die Donaul nach Osten in den Rhein. Wer über d i e s e Him­ melsrichtungen beim Lesen schon stolpert (Fließt die Donau nicht nach Osten?!)l wird darauf auf­ merksaml wie krumm sich d i e s e Linie durch den Landkreis zieht: Wie eine gr oß e Schleife durch­ quert die W ass er sc he ide den ga nzen Kreisl und im Vergleich mit and er en Landkreisen ist der Schwarzwald-Baar-Kreis unter d i e s e m As pekt einzigartig. Kein anderer Landkreis mit ähnlich­ er Fläche hat einen so großen Anteil an der Euro­ päische n W ass er sc he ide wie der Schwarzwald- Baar-Kreisl in dem die Donau entsp rin gt. Und nur hier kommen sich die beiden europäischen Ströme Donau und Rhein s o nahe: zwisc hen den Quellen der Donau im Schw arzwald und dem Oberrheinl zwische n der jungen Donau und dem Hochrhein. Einen ersten Überblick gibt der A u s s i c h ts ­ turm am ös tlich en Stadtrand von Villingen. Er ste ht zwar ein paar hundert Meter westlich der W as ser sc heidel bietet aber einen Rundblick aus einer Höhe von über 8 0 0 Metern – wenn man zu 2 54 Der Anstriih des Casbehälters an der B33 in Villingen symboli­ siertauih die Wassersiheide. den 776 Metern über dem Meer die Höhe (30 m) de sT urm es d a ­ zuzählt! Der Blick schweift über den flachen Höhenzugl der sich zwisc hen Villin­ gen und S c h w e n n i n g e n hinzieht und auch die Wasser sc heidetl über d as Stad tgeb iet und d a ­ rüber hinaus „über den ga nzen Landkreis“. Di­ rekt südlichl etwa einen Kilometer entferntl fällt die Kugel d e s G asbehälters an der B33 aufl ihre einfache künstlerische Gestaltung – eine Hälfte dunkelrotl die ander e dunkelblau – soll auch die W ass er sc heide symbolisieren. In der Ferne sind Berge zu s e h e n l die den Schwarzwald-Baar- Kreis an drei Seiten be grenzen und über deren Höhenrücken sich die W a s s e r s c h e i d e e n t l a n g ­ zieht. Im Osten liegt die Alb mit de m Himmel­ bergl im Sü de n der Randen und im Westen der Schwarzwald. Im Stad tgebiet von Villingen-Schwenningen verläuft die W a s s e r s c h e i d e z w isc he n Villingen und Schwenningen weitgehend in Nord-Süd-Rich- tung. Von der Bahnlinie beim e h e m a li g e n Zoll­ haus (früher Grenze zwisc hen Baden und Würt­ temberg) geht sie nach Ostenl von Weilersbach aus nach Westen. Außer dem Aussichtsturm ver­ bindet sie weitere Aussichtspunkte wie den Gug- genbühl (770 m) nördlich von Villingenl der s e i ­ nen Namen e be n davon hatl d a s s man von die ­ s e m Hügel weit in die Landschaft sc hau en kannl und denTürnleberg(793 m) südöstlich von Schwen­ ningen. Letzterer ist der höc hste Punkt der Was­ s e r sc h e id e in Villingen-Schwenningenl der tief­ ste ist d a s Schw enninger Moos (705 m)l wo auch die Quelle de s Neckars ist. Die Schw el le zwi­ sche n Rhein und Donau ist hier Alter Grenzstein auf der Wasser­ siheide östliih des Guggenbühls bei Villingen.

S chiltach Sommerau; Martinskapelle j .Utile f {ANDEN IIIIKNBAUI Brigach W ild e G utach IB1U& N e ck a r Wendelinskapelle W u ta c h D onau Europäische W a s serscheid e Den Verlauf der Europä­ isihen Wassersiheide im Landkreis verdeutliiht die Karte links. Zwei Drittel des Wassers fließt in die Donau, ein Drittel in den Rhein. Die Europäische Was­ se r sc h e id e teilt die Dop­ p elst adt – zusätzlich zu manch anderen noch b e ­ s te h e n d e n Trennungen – auch unter w a s s e r – g e o ­ gr ap hisc he n G e s ic h ts ­ punkten. Während a n d e ­ re Trennungslinien mit derZeit überwunden wur­ den und werdenl wird das mit dem Wasser s o blei­ benl denn Flüsse ändern ihren Lauf nur sehr lang­ sam. Die Wasserscheide Kreisgebiet im W asserscheide Rhein/D onau Kreisgrenze Schw arzw ald-Baar-Kreis W i“ so niedrigl d a s s man die Brigach bei Marbach nur um 15 Meter aufstauen m ü s s t e l damit d a s Wass er über die W a ss er sc h e id e hin w eg in den Neckar fließen würde. Der ö st lich st e Punkt der W ass er sc he ide auf d e m S tad tgeb ie t ist bei der W en delin sk apell e (772 m) in dem großen Bogen der Autobahn Stutt- gart-Singenl an der Abzweigung der Straße nach Schura. Von der Kapelle a u s hat man allerdings nur im Winterl wenn die Bäume keine Blätter tra­ ge nl eine freie Sicht über die Baar (Donau) und da s Hügelland um Rottweil (Neckar). Die b e s t e Aussicht über d a s Land auf beide n Seiten der Li­ nie hatten wohl die Männerl die vor einigen Jah­ ren die Mobilfunkantennen auf dem Wasserturm der BWV ( Bodensee-Wass erversorgung) g e g e n ­ über der Kapelle montiert haben. Wie die Karte zeigtl ver­ läuft die W a ss e r sc h e i d e in einer groß enl nach Osten offenen Schleife durch den ganzen Landkreis und teilt ihn in ein größe re s Einzugs gebiet der Donau (ca. 2 / 3 der Kreisfläche) und ein kle ineres d e s Rheins (ca. 1/3). Aus d i e s e m Verlauf der Linie ergibt sichl d a s s d as größere Gebiet der Donau in einen ei n­ zigen Fluss e n tw ä s s e r t wirdl d a s kleinere d e s Rheins da g e g e n au s mehreren durchaus b e d e u ­ tenden Flusssystemen besteht: die Wutach fließt in den Hochrheinl die Wilde Gutachl die Elzl die Gutach und die Schiltach in den Oberrheinl der Fischbach mit dem Eschbach in den Neckarl der se lb st mitten im Kreisgebiet entspringt. Auch die Städte und G emeinden liegen (rein zahlen mäßig) üb erw iegen d auf der Donau-Seite der Wassersche ide: Zum Rhein hin sind (ge gen den Uhrzeigersinn) Dauchingenl Niedereschachl 255

Königsfeldl Tribergl Sc ho nach und Schö nwaldl Giitenbach und Blumberg orientiert. Zur Donau: St. Georgenl Mönchweilerl Unterkirnachl Brigach­ tall Furtwangenl Vöhrenbachl Bräunlingenl Hüf- ingenl Donaueschingenl Bad Dürrheim und Tunin- gen. Und die Stadt Villingen-Schwenningen liegt als „Kreis-Hauptstadt“ auf beiden Seiten: Die Stadtbezirke sind auf „links und r ec hts“ der W assersche ide fast gleich verteilt. Im Westen Vil- lingen und die fünf Stadtbezirke Herzogenwei- lerl Marbachl Pfaffenweilerl Rietheim und Tann­ heiml von de nen d a s Wasser in die Donau fließtl und im Osten und Norden Sc hw enningen und die vier Stadtbezirke M ühlh ause nl O bere sc ha chl Weigheiml Weilersbachl au s denen e s in den Ne­ ckar und mit d ie se m in den Rhein fließt. Einzel­ ne Orte liegen so ga rziemlic h genau auf der Was­ s e r sc h e id e – und sind b e s o n d e r s g e eign e tl um die Wasserscheide zu erleben: Döggingen (Bräun­ lingen) und von Blumberg die Stadtteile Zollhausl Randen und Kommingen. Zur Verkehrsgeographie Die Baar ist ein altes Durchgangsgebietl in dem sich sc ho n die Straßen der Römer gekreuzt ha­ benl der Schwarzwald w a r d a g e g e n schon immer 2 5 6 Die Europäisihe Wassersiheide zieht siih auih mitten durihs Sihwenninger Moos. ein Verkehrshindernis und d e sh a lb eine Heraus­ forderung für die Straßenp laner und die Eisen­ bahn-Ingenieure. Aberauch derRanden bei Blum­ berg stellt sich ihnen in den Weg. Bei St. G eorgenl D ögginge n und Blumberg führen jeweils Bahn und Straße fast an der glei­ chen Stelle über die W a ss e r sc h e i d e . Aber weil die Bahntrassen nicht nur w eniger Steigungen vertragenl sondern auch viel größere Kurven ma­ chen m ü s s e n l wird der h ö c h s t e Teil unter der W as ser sc he ide oft mitTunnels unterquertl damit keine „verlorenen S te i g u n g e n “ auftreten – wie etwa bei St. Georgen und Döggingen. Bei der nied­ rigen W a s s e r s c h e i d e z w isc he n Villingen und S c hw en ning en konnte die Straße mit Kurven und Steigungen direkt über den „Buckel“ geführt wer­ denl während die Bahn einen Bogen nach Süden machen m ussl um den niedrigsten Punkt zu fin­ den. Aus den Zeitenl als e s für Mensch und Tier noch mit größeren Anstrengungen verbunden warl Gebirgezu überquerenl ste he n an vielen Stellenl wo die Straßen den höchsten Punkt und damit die Wass ersche ide erreichenl G as thäu se r und Her­ bergen. Diese Häuserl da s heißt konkret ihre Wir­ te und Sta mmgäs tel können auch hier oft lange

G esch ichten erzählen über die B e d e u tu n g der Orte auf der W ass er sc heide in früheren Zeiten. Die Wasserscheide erleben Bei dem Thema „Europäische W a s s e r s c h e i d e “ g i ltd a s bekannte Reiseführer-Prinzip „man sieht nurl w a s man w e i ß “ ganz b e s o n d e r s . Die auf dem Stadtplan und den Gewässerkarten klar er­ kennbare Linie ist in der Natur selten s o deutlichl nur bei den höhere n G ebirgskämmen. Und nur an we nige n Stellen werden von den Straß enb au ­ ämtern braune Schilder aufgestetltl die auf sie hin weise n. Aber wer ebe n w eißl wo sie verläuftl trifft im Schwarzwald-Baar-Kreis an ganz unter­ schiedlichen Plätzen a u f d i e W a s s e r s c h e i d e – s o ve rs ch iedenl wie die Geographie d e s Landkrei­ s e s e be n ist. Lokaltermine von Brogen bis Zollhaus: Nur vier Häuser und e in e alte Linde s t e h e n an der Kreuzung zweier Kreisstraßen auf einer Anhöhe nördlich von St. Georgenl nicht einmal ein Gast­ hausl nur Straßenschilderl die in vier ve rsch ie ­ d e n e Richtungen w e i se n – Brogen ist kein Ortl der in e in em Reiseführer erwähn t wird: Aber wenn man von St. Georgen kommend die auf den Schildern a n g e g e b e n e n Orte auf der Karte sucht und liestl an welch en Bächen und Flüssen sie lie­ ge nl zeigt sich die b e s o n d e r e Lage d i e s e s Wei­ lers: links ge ht e s nach Langenschiltach/Tennen- bronn (hin zur Schiltach)l rechts nach B uc he n­ berg/Königsfeld (Eschach) – und zurück nach St. Georgen (Brigach). Bei Brogen fließt d a s Wasser al s o nach Osten über den Glasbach und die Eschach in den Neckarl nach Norden und Westen überSchiltach und Gutach in den Rhein und nach E uropäische W a s serscheid e Süden mit der Brigach in die Donau. Hier treffen sich also die W a ss e r sc h e i d e n z w isc he n Rheinl Donau und Neckar. Und weil der Neckar der größ­ te Nebenflus s d e s Rheins südlich d e s Mains istl befindet sich hier an d i e s e m Ort der wichtigste Punkt der Wasserge og ra phie d e s Schwarzwald- Baar-Kreises. nordwestlich von Der dadurch doch b e d e u t s a m e Ort Brogenl wo gerade die 900-Meter-Linie erreicht wirdl ist kein guter A ussichtsp un kt. Dennoch an die se r Stelle zuers t ein kurzer Blick zurück: Zwischen dem Villinger G ugge nb üh l und dem Brogen ist die Landschaft zuerst noch zu flachl um die Wasser scheide klar her­ vortreten la sse n . Erst im Tannwald nord­ west lich von M ön ch­ weiler verläuft si e de ut­ licher auf einem Höhen­ rückenl der von ein em Forstweg lä ng s über­ quert wird. rücken, jetzt wird es scheide deutlich auf einem Höhen­ spannend, ih rz u Erst im Tannwald M önchw eiler ver­ läuft die W asser­ zu folgen. Hier beginn t da s Ge­ bietl wo e s sp a n n e n d wirdl der W ass er sc he ide zu folgen. Wer d a s mit dem Fahrrad machtl hält sich noch auf der Ne­ ckar-Seite aufl im Bereich der Gem einde Königs­ feldl die als „S olar k om m u n e “ von sich reden macht. Aber auch d a s Wasser ist hier ein Thema: Die w estlich sten Quellbäche d e s Neckars (über den Glasbach) treiben Mühlen anl die durch ei­ nen „Höfe- und Mühlen-Wanderweg“ e r s c h lo s­ sen sind. Auf d eranderen Seitel südwestlich von Brogenl nach der Querung der Landstraße Ten- nenbronn-St. Georgenl wird da s Gelände dann zum ersten Mal sol d a s s die W ass er sc he ide auch o h n e Karte zu erk ennen ist: Nach Norden fällt e s e b e n s o steil ab wie nach S ü d e n l und d az w isc he n verläuft ein seit Jahrhun- Die Landstraße bei Brogen ist der wasser-geogra­ phisih bedeutendste Punktim Kreis. Reihts der Straße verläuft die Wasser­ siheide Donau-Neikar. 25 7

U m w e lt und Natur derten be g a n g e n e r Wegl immer auf der h ö c h s ten Linie. Die Stadt St. Georgen ist au s der S i e d l u n g um d a s Kloster e n tsta n d e n l d a s im Auftrag d e s Abts von Hirsau ausdrücklich auf dem „S cheitel Ale- m a n n i e n s “ ge grü nde t wurdel östlich der Stellel die sc h on d a m a l s als P ass beka n nt war. Die- s e n Ort So m m erau (875 m) erlebtl wer auf der B33 von Offenburg her über Hausach und Triberg nach Villingen fährtl tatsächlich als Pass. Wer aber mit dem Zug fährtl sie ht davon nichtsl denn die Bahn unterfährt ihn in ein em Tunnel und erreicht beim früheren Bahn hof Somme rau ihre größte Höhe (8 40 m). I H H Der Bau der Schwarzwald bahn ist nur desh alb e in e so l c h e in genieu rt echnisc he Glanzleistung ge w o r d e n l weil si e nicht (auf einer leichteren Trasse) über w ü rtte m b e r g i sc h e s Gebiet führen sollte – s on st wäre heute nicht St. Georgenl s o n ­ dern Schramberg ein IC-Bahnhof. Der Ortsname Sommerau wird gelegentlich abfälligerklärt mit: „Da isch’s im Winter kaltl im Som m e r au.“ Das ist ety m o lo g isc h (1282 als „ s u m b e o w e “) wie auch m e teo r o lo g isc h falschl denn im Som m e r kann e s hier ziemlich warm werde n. Was S o m ­ mer und Winter aber hier wie auch im ganzen Ge­ biet um St. Georgen und Schönwald g e m ein s am habenl ist die h oh e Nie d e rs ch la gs m en ge (über 1 2 0 0 mm im Jahrl st e l le n w e i se so gar 1 5 0 0 mm)l die auch dazu führtl d a s s hier mehrere Flüsse ih­ re Quelle hab en (si e he Quellenwanderweg). Von der Sommerau nach Westen bis zur Kreis­ grenze (westlich von Schönwald) ist die Wass er­ sc h e id e nicht nur offensichtlichl sondern auch gut befahrbar – ein Paradies für Radfahrerl die kilo­ meterweit auf H öh enw egen fahren können. Aber auch die Wanderer können immer wieder rechts und linksl nach Nord und Süd in die Landschaft sc hau en und sich ab w ec h s eln d sagen: Hier da s Rhein-Land – da d a s Donau-Land. Hin weissihild zur Europäi­ sihen Wassersiheide auf der Sommerauer Höhe. sü dw estlich der Kapellel ist der we st lich st e Punkt der ga nzen W ass er sc hei­ de z w isc h e n Rhein und Donaul und au f dem Brend (1149 m) befind et sich der h ö c h s t e Punkt der W a s s e r s c h e i d e im Landkreis – und a u ß e r ­ halb der Alpen. Vom Aussichtsturm lässt sich das ganz e Gebiet überblickenl in dem sich die Flüs­ s e Rhein und Donau am nächsten kommen: im Westen die Ebene d e s Oberrheins mit den Vo ge ­ se n dahinterl im Süden die Ausläufer d e s Juras je n s e i t s d e s Hochrheins (und dahinter die Al­ pen)l im Osten die Sc hw äbisc he Alb mit dem Do­ nau-Durchbruch. Das Gasthaus Kolmenhof bei der Martinska­ pelle (1078 m) liegt zudem an ein em der w ic h ­ tigsten Punkte der Donaul denn hier entspringt mit der Breg ihr lä ng ster Quellfluss. Die Breg- quellel die 2 8 8 8 Kilometer weit von der Mün­ dung ins Schwarze Meer entfernt istl ist desh alb hier und auf vielen Karten als „Donau-Ursprung“ au s g e w ie se n l während die historische „Donau­ quelle“ bekanntlich im Schlosspark von Donau- e sc hinge n liegt. Auf den Höhen um Furtwangen Auf den Höhen d e s Schwarzwaldsl von der Mar­ tinskapelle bis zu der Stellel wo die Wasser sche i­ de einen Ausflug in den Landkreis Breisgau-Hoch­ schwarzwald machtl ist si e von der Landschaft her weiterhin gut erkennbarl vor allem für die Langläuferl für die sie hier am b e st e n erfahrbar ist. Hier hat man zudem auch d a s Gefühll d a s s die g e ograp hisc he Welt wieder„in Ordnung“ ist: Der Rhein fließt im Westenl die Donau nach O s­ ten. Der Bereich Martinskapelle-Brend ist buch­ stäblich der Höhepunkt jeder Exkursion auf der W ass er sc h e id e : Bei der Martinskapetlel e tw a s Ab der Neueckl z w isc he n Furtwangen und GUtenbach g e le g e n l ist die Europäische Wasser­ sc h e id e für w e n ig e Kilometer auch ganz be qu em 2 5 8

Europäische W a s serscheid e Auf der Kalten Herberge bei Uraih. Links vom Daih der Gaststätte fließt das Wasser in die Donau, reihts in den Rhein. Der Briglirain im Furtwängle bei Furt- wangen mit Bliik ins Weißenbaih tal bei Sihönwald. Die Bliikriihtung ver­ läuft von der Donau- (vorne im Bild) zur Rheinseite. nicht Verbindung („Vitlinger Landstra­ ß e “) zwischen den alten Zähringer- Stä dten Villingen und Freiburgl sp äter ein Treffpunkt der Uhren­ händler. Heute macht man eher auf Nord-Süd-Verbindungen hier Stati­ onl sei e s auf der Bundesstraße zwi­ sche n Hinterzarten und Tribergl sei e s auf den Fernwanderwegen West­ w e g und Mittelwegl die hier auf ei­ nigen Kilometern auf der s e lb e n Trasse verlaufen. Und e s ist ein Ziel vieler Skifahrer und Langläuferl die sich hier stärken und aufwärmen. Letzteres war einst dem armen Hand werksburschen ver­ gönntl der in einem strengen Winter auf der Ofenbankerfroren sein soll. Se itde m trägt d a s G ast hau s „Zur Krone“l wie e s eigentlich auch h e u ­ te noch offiziell heißtl den Namen „Kalte Herberge“ aber die Heizung entspricht heute moderne n Bedürf­ niss en . Was sich se it Jahrhunderten nicht ge ä n d e r t hatl ist d a s durch den Dachfirst ge teilte Wasser. Das Haus liegt so ge nau auf dem Berg­ rückenl d a s s man oh n e weitere Er­ klärungen siehtl wie d a s Regenwas- s e r v o n se in e m langen Dach in unterschiedliche Täler abfließt: von der ö stlichen Seitel zur Stra­ ß e hin in d a s flache Tal der Urach und mit der Bregin die Donau. Von der westlich en Seite hin­ ter dem Haus in da s tiefe Tal der Wilden Gutach und damit in den Rhein. Eine so lc h e Lage wie bei der Kalten Herberge ist bei Pass-Gasthäusern in 25 9 mit dem Auto befahrbarl denn hier verläuft die B 5 0 0 (Triberg – Hinterzarten) auf dem Scheitel d e s Schwarzwalds. Das G ast hau s Kalte Herberge an der B 5 0 0 b e ste h t seit dem 15. Jahrhundertl seit 148 0 hat e s d a s Wirtsrecht: In früheren Jahrhunderten war e s e in e wic htig e Raststation auf der Ost-West-

U m w e lt und Natur den Bergen nicht ungewöhnlichl aber hier ist e s be s o n d e r s offensichtlich. Wenige hundert Meter südw est lich der Kal­ ten Herberge trifft die W a s s e r s c h e i d e auf die Kreisgrenzel auf die Widiwander Höhe (1128 m)l einen auf der Kreiskarte nicht bezeichneten Bu­ ckell der aber für die W asser geogr aphie wieder bed e u te n d istl denn hier teilt sich da s Wasser in die Gebiete von Hochrhein (Wutach)l Oberrhein (Elz) und Donau (Breg). Wasserscheide wieder „autofrei“ Die auf den Wanderkarten eingez e ic hn ete „Alte Straße“ westlich von Bräunlingen war früher die Verbindung d e s Zähringer-Städtchens nach Frei­ burg. Oberhalb d e s Kirnbergsees verläuft si e g e ­ nau auf der W as ser sc he ide und folgt dieser dann außerhalb d e s Kreisgebietes weiter al s „Lange Allee“l nach einer Kurve etwa fünf Kilometer lang schnurgerade durch den Wald. Diese historische Straße ist wie auch der Alte P ost w e g östlich von Blumberg und der bekannte Rennsteig in Thürin­ gen ein s c h ö n e s Beispiel dafürl d a s s in früheren Jahrhunderten wichtige Straßen nicht in den oft sc hw er z u gän glich en und oft gefährlichen Tä­ lernl sonde rn e be n auf den Höhen a nge legt wur­ den. Auch die heutig en Verkehrsverbin dungen zwisc hen der Baar und Freiburg m ü s se n irgend­ wo die W ass er sc he ide überwindenl und für Bahn und Straße wurde beim Bau mit dem Dorf Dög- gingen der gleic he Punkt gewählt. Auch hier un- terquert die Bahn den höchsten Punkt zwischen Wutach-Tal und Baar in einem Tunnel – und seit Juli 2 0 0 2 auch die Bunde ss traße 31. Bis zum Bau d e s Tunnels war der Sche itelpunkt der B31 von Freiburg her deutlich zu erkennenl aber die Stra- In D ö g g in g e n kön- ße teilte den Ort in zwei nen die Kinder d a n k d e rO rts u m – gehung nun fast schon w ie d e r auf der S traße, sprich der Europäischen W asserscheide spielen. Hälften- Durch den Bau der lange geplantenl se h r a u fw e n d ig e n Um­ g e h u n g mit Tunnel und Brücke ist der Verkehr tatsächlich um über 9 0 Prozent z ur üc kge gan­ ge n . Jetzt können die Kinder in D ög gin ge n auf der W a ss e r sc h e i d e fast wieder auf der Stra­ ß e sp ielenl und für den Tourismus können sich neue Möglichkeiten ergebe nl z.B. für d a s Gast­ haus „Adler“l d a s ebenfalls g enau auf der Was­ se r sc h e id e steht. Der Ort auf der luftigen Höhe der W ass er sc heide könnte jetzt auch zum „Luft­ kurort“ werden. Zwischen Schwarzwald und Randenl am s ü d ­ westlichen Rand der Baarl ist die Landschaft w ie ­ der so flach-hügeligl d a s s man schon sehr genau auf die Karte schauen mus sl um die Wasserschei­ de zu erkennen: Sie umgeht d a s Tal d e s Krotten­ ba chs und biegt bei der Behlaer Höhe westlich der B27 nach Sü de n ab. Das Gebiet um Blumberg ist in Mitteleuropa e i n e s der b e k a n n te ste n Beis piele dafürl d a s s sich die Lage von Wasser sc he iden doch ändertl in d ie se m Fall sogar in dem erdgeschichtlich re­ lativ geringen Zeitraum von einigen „Jahrzehn­ t a u s e n d e n “: Die Wutach floss bis zur letzten Eis­ zeit noch durch d a s Tal der Aitrach in die Donaul bis der Rhein ihr Tal von Sü de n her anzapftel so d a s s die W a ss se rs ch eid e in d i e s e m Bereich e i ­ nen ganz anderen Verlauf nahm. Seitdem hat Mitten auf der Hauptstraße und durih den „Adler“ verläuft in Döggingen die Wassersiheide.

Europäische W a s serscheid e Links fließt das Wasser in den Rhein, reihts in die Donau: beim Bahnhof Blumberg-Zollhaus bleibt die Wassersiheide eher unbemerkt. steht an der höchs ten Stelle der Bahnliniel ebe n dal wo sie die W ass er sc he ide überquert. Der letzte Ort im Kreisgebiet auf der Wasser ­ sc h e id e ist schließlich der Blumberger Stadtteil Kommingen (756 m)l der am niedrigsten Über­ g a n g über den Randen in den Hegau liegt. Bei dem Hügel Worberg (801 m)l mit sc hön er Sicht auf Hegau und B od e n s e e l trifft die W a ss er sc hei­ de wie de r auf die Kreisgrenze und ve rlässt bei der Kreuzung mit der B314 d a s Kreisgebiet. Auf dem „Alten P o stw e g “ kann man ihr schön weiter folgenl auf ein em der s c h ö n s t e n W an d er wege der Regionl von dem man auf mehreren Kilome­ ternl bis zum Stettener Schlösschenl zu ihren bei­ den Seiten in die Weite der Landschaft sch au en kann: links zur Donau und rechts zum Rhein. Wasserscheide in Deutschland und Europa Der Schwarzwald-Baar-Kreis umfasst wie fast je­ der Landkreis kein geo grap hisch definiertes Ge­ bietl sonde rn ist „nur“ ein e politische Einheitl und so ist e s leicht an den Grenzen d e s Kreises darüber hinaus zu sc h a u e n – a n der W a ss er ­ s c h e i d e entlang in die beiden Richtungen: Mit w elchen Landschaften verbindet si e den Land­ kreis? In beide Richtungen zunä chst einmal mit der S c hw äb ische n Albl denn der Randen ist ein Teil von ihrl und die Donau durchbricht si e b e ­ kanntlich in dem s o reizvollen Tal zwisc hen Tutt­ lingen und Sigmaringen. Nach Nordos ten folgt auf die S c h w ä b i sc h e Alb der Fränkische Jura und schließlich d as Fich­ telgebirgel wo die direkte Trennungslinie zwi­ sche n Rhein und Donau endetl denn im weiteren Verlauf der Europäischen W ass er sc heide grenzt si e die Donau vom Einzugs ge b ie t der Elbe abl später von der O s ts e e und endet schließlich am fernen Ural. Nach S ü d o s t e n verläuft die Europäische W ass er sc heide auf dem Randenl dann nördlich um den B o d e n s e e herum (nördlichster Punkt bei d e r Sc husse nq ue ll e )l von den Allgäuer Alpen aus sich die Wutach immer tiefer e inge sch nitten l so d a s s sie heute über 170 Meter tiefer fließt. Das Trogtal östlich von Blum berg ist da ge ge n s o flachl d a s s sich ein g r o ß e s Feuchtgebiet g e ­ bildet hat (das Naturschutzgebiet beim Flugplatz Blumberg) und man kaum erkenntl wo d a s Was­ ser nach Osten oder Westen fließt. Diese t o p o ­ graphischen Bedingu ngen wurden schon im 17. Jahrhundert genutztl um den von Riedböhringen herunterkommenden Mühlegraben nach Westen um zuleitenl um west lich von Blumberg für die Erzverhüttung Wasserräder anzutreiben. Damit wurde die Wassersche ide noch um ein paar Kilo­ meter nach Osten versch ob en. Auch hier erklärt der Verlauf der Bahnlinie wieder die geog ra p hisc hen Verhältnisse: Für die s o g e n a n n t e „ S a u s c h w ä n z l e b a h n “ zwischen Waldshut und Immendingen wurde die Stelle g e ­ suchtl an der der Ü ber ga ng vom Tal d e s Hoch­ rheins zum Donautal am leichtesten zu schaffen istl und d e r B a hnh ofB lum be r g-Z oll hau s(702 m)

und St. Georgenl die sich touristisch als „d as Fe­ rienland“ vermarktenl entspringen auf w enigen Quadratkilometern Brigach und Bregl die zwei Quellflüsse der Donaul und mit Elz und Gutach (zur Kinzig) zwei wichtige Zu flüss e d e s Ober­ rheins. D ie se b e s o n d e r e w a s s e r g e o g r a p h i s c h e Si­ tuation auf der W ass er sc heide hat den Schona- cher Wolfgang Schyle in den letzten jahren auf die Idee gebrachtl ein en W an d er weg zu entwi­ ckelnl der d i e s e Quellen ve rbindet und beim Wandern auch viel Landschafts- und Kulturge­ schichtevermittelt. Im Herbst 2 0 0 2 wurde dieser a u s zwei Touren b e s t e h e n d e „Q uell enwan der­ w e g “ mit einer Wanderung offiziell eingeweiht. Die Kombination der beiden Touren ermöglicht e s l auf einer Länge von 17 Kilometern der Euro­ päischen W ass er sc heide von der Brigachquelle beim Hirzbauernhof bis zum Brend zu folgen. Auf die se n Quellenwanderu ngen kann manl von der Escheck an der B 500 a u s g e h e n d l mit je­ der Tour je e in e Quelle von be id e n F lu s s s y s te ­ men besuchen: Tour 1 führt nach Westen zu den Quellen von Elz und Bregl Tour 2 nach Osten zu den Quellen von Brigach und Gutach. Am Verlauf der beiden let ztg en ann ten Flüsse l äss t sich deutlich erkennenl wie unterschiedlich d a s Ge­ fälle der Zuflüsse von Rhein und Donau ist. Die Gutach hat nach etwa 10 Kilometer Luftlinie (un­ terhalb von Triberg) sc hon ein en H öh enu nter ­ schie d von 4 0 0 Metern hinter sichl wovon allein 162 Meter auf die sie be n Stufen der Wasserfälle (die wohl höc hs ten Deutschlands) entfallenl die Brigach erreicht die gleiche Höhe erst mit der Do­ nau kurz vor Sigmaringen. Bei beide n Touren kann man jeweils von ei­ nem Aussichtsturm weit über da s Land und tief in die Täler der Flüsse sch au en: bei Tour 1 vom Turm auf dem Brend (1149 m)l bei Tour 2 vom Stöcklewaldturm (1067 m). Die H ö h e n a n g a b e zeigtl d a s s die Tour 1 höher hinaufführtl w ä h ­ rend die Tour 2 länger ist und die Wanderer un­ ter dem Motto „auf den Spuren der Kelten“ ti e­ fer in die Ges chichte zurückführt. In die se r Ge­ gend wurden schon einige Kelten-Steine ge fun­ denl die im Volksmund „H ei denstei ne“ g enannt wurden. Der be kan nte st e von die se n ist der kel­ tisch-römische „Dreigötterstein“l der bei Grab­ arbeiten an der Brigachquelle im Hirzbauernhof Die Gutaih am Fuß der Triberger Wasserfälle, eben hat das Wasser auf seinem Weg zum Rhein 162 Höhenmeter überwunden. südlich über Arlberg und Flüela-Passl dann über die beiden ins Oberengadin führenden P ä s s e Al- bula und Julier bis fast zum historischen Septi- mer-Pass. Etwas oberhalb von d i e se m l nördlich von Malojal ist an dem kleinen Lunghin-Pass in 2 6 4 5 Meter Höhe ein Schild zu s e h e n l d a s auf den Schnittpunkt der wichtigsten W ass er sc hei­ den Europas hinweist. Hier fließt d a s Wass er nach Norden in die Nor dsee (Rhein)l nach Osten in da s Schwarze Meer (Inn/Donau) und nach S ü ­ den ins Mittelmeer (Po). An d ie se m w a s s e r g e o ­ gr ap hisc he n Mittelpunkt Europas ist d e sh a lb d as ander e Ende der Linie zwische n Rhein und Donaul die im Schwarzwald-Baar-Kreis beginnt. Der Quellenwanderweg In dem sehr wasserr eichen Gebiet der Gemein­ den Schönwaldl Sc honachl Tribergl Furtwangen 2 6 2

entdeckt worden ist. Vielleicht hängt sein Name auch damit z u sa m m e n l d a s s sich ganz in der Nä­ hel beim Naturfreundehaus Hirzwaldl die Gebie­ te der Flüsse Brigachl Breg und Gutach treffen. An ähnlichen Stellen in den Alpenl wenn sie auch politische Grenzpunkte sindl findet man g e l e ­ gentlich Berge wie die Dreiherrenspitze. Ober­ halb d e s Stilfser Jochs heißt ein so lcher Grenz- und W a ss e r sc h e id e p u n k t so g a r Dreisprachen­ spitze (Deutschl Italienischl Rätoromanisch). Auch hier im h e u te einträchtigen „Ferien­ land“ verliefen in derfrühen N euz eitdie Grenzen von drei politischen Territorien: Triberg g ehörte zu (Vorder-)Österreichl Vöhrenbach zu Fürsten­ berg und St. Georgen zu Württemberg. Eine s t e i ­ nerne Erinnerung an d i e s e Grenzlage ist der h e u ­ te noch auf der W ass er sc heide zwischen Stöck- lewald und Fuchsfalle st e h e n d e e h e m ali ge Gal­ gen a u s dem 18. Jahrhundert. Von den Tribergern wurden hier an der Grenze zu den beide n a n d e ­ ren Territorien absch re cke nde Todesurteile voll­ streckt. Die Wa nd er he im e und Naturfreundehäuser auf der W a s s e r s c h e i d e (und and er sw o) v e r s te ­ hen sich als Stätten der B e gegn ung und Verstän­ digung. Für die Quellenwanderu ng gibt e s auch d a s P a u sc h a la n g eb o t „Zurück zum Ursprung“ mit zwei Übernachtungen und ein em badischen Fis ch-Gourmetmenü s o w ie alleml w a s man für ein e kleine Expedition zu den Quellen brauchtl von der Wanderkarte bis zum „Donauquellwäs- se rle“. Touristische Hinweise Mit der Landkreiskarte „Radwandern im Mittle­ ren Schwarzwald“ (1:50 0 0 0 ) d e s Landesverm es­ s u n g s a m ts la ssen sich alle be sc hr ieben en Punk­ te der W as ser sc he ide leicht finden. Von den Rad­ touren in der Broschüre verläuft die S11 etwa 18 km auf ihr (F uchsf alle- G ast hau s Raben)l an­ schließend kann man auf dem „Schwarzwald-Rad- w e g “ nahe der W ass er sc heide bis auf die Höhe von Kleineisenbach fahren. Der S c h w ä b i s c h e Albverein S c h w en n in g e n bietet regelm äß ig geführte Wanderungen im Ge­ biet der W ass er sc h e id e anl z.B. die Tour „Quer durch Europa“ vom Bahnhof durch d a s Schwen- Spaziergang auf der Europäisihen Wassersiheide, an der einstigen Grenze von Baden und Württem­ berg: Abendstimmung am Sihwenninger Moos. ninger Moosl am Wildge heg e und dem Hof Hölz- lekönig vorbei zum Aussichtsturm. Im Schwarzwald kann man die W ass er sc hei­ de teils auf Wanderwegenl teils mit dem Fahrrad erlebenl am längsten aber auf der Langlaufloipel dem „F ern sk iwan derw eg S c h o n a c h -B e l c h e n “l denn die se r führt z wische n der Martinskapelle und dem Hochberg immer dicht an ihr entlang. Der Fernwanderweg „W est weg“ verläuft von der Martinskapelle bis zur Kalten Herberge auf der Wasserscheidel der „Mittelweg“ südlich von Furt- wan gen bis zur Kalten Herberge. Auf der S c hw äbisc he n Alb kann man gleich 18 Tage l a n g z u Fuß auf der W ass er sc heide w a n ­ dern: am ersten Tag von der Neckarquelle bis Trossingen und dann 3 2 0 Kilometer über die g e ­ s am te Länge der Alb (Broschüre vom Tourismus­ verband Schwäbische Alb). Patriik Brauns 2 6 3

17- K a p i t e l S t ä t t e n d e r G a s t l i c h k e i t Regional geprägte Küche Der M u nd eifing er Landgasthof „Hirschen“ hat sich einen hervorragenden Ruf erworben Mitten in Mundeifingen st e h t ein mehr a ls 100 fahre altesl ortsprägendes Gebäudel an dem ein kunstvollesl sc h m ie d e e ise r n e s Wirtshausschild prangt. Es handelt sich um den Landgasthof „Hir­ s c h e n “l der weit über den HUfinger Stadtteil hin­ aus bekannt ist. Das liegt vor altem an der jetzi­ gen Pächterin und Küchenchefin Verena Martin- Hofmaier. Vor s i e b e n Jahren p ac hte te si e den Gasthof von ihrem Vater Otto Martinl der das Haus vor 3 0 Jahren erworben hatte. Mit viel En gag e­ ment und viel Kreativität pflegt si e e in e Küchel für die sie im Jahr 2001 einen Bibvon Michelin er­ hielt. D ie se A u sz eic h n u n g s te h t für e in e regio ­ nale Küche mit frischen Produktenl die professio­ nell und kreativ verarbeitet werden. Und der Bib Verena Martin-Hofmaier 2 6 4 s te h t auß er de m für ein g u t e s Preis-Leistungs- verhältnis. Eigentlich wollte Verena Martin-Hofmaier ja Medizin studierenl doch die Eltern Otto und Chris­ tel Martin waren davon nicht begeistert. In Vöh- renbach und danach in D on au esc hing enl wo die jüngste Tochter Verena mit zwei Schwestern auf- wuchsl betrieben sie eine Metzgerei. Und sie setz ­ ten auch beruflich auf den eig e ne n Nachwuchs. Zumal ihnen sc hon d a m a ls der Lan dga sth of „Hirschen“ in Mundeifingen gehör te. So wird die Metzgerei in D o n a u e sc h in g e n h e u te von der mittleren Tochter Christel Schulz geführt. Die jüngste TochterVerena begann nach dem Realschulabschluss in Don au esc hing en im Gast­ haus „O ch se n“ eine Ausbildung zur Köchin. Als s i e mit der Lehre anfingl dac hte si el w e n n ihr die se r Beruf gefallel sei e s gut. Und w enn nichtl könne si e danach ja immer noch Medizin st u d ie ­ ren. Prägend für die junge Köchin war die Groß­ mutter Maria Morlock in Bräunlingen. Bei ihr lern­ te die Enkelin se lb stg e m ac h te Nudelnl Zöpfe und Kilbig-Küchle kennen. Auch zu Hause „wurde im­ mer gekocht“l zumal au s der e ig e n e n Metzgerei s te ts das Lebensmittel Fleisch kam. Die Lehre im „O ch se n“ war für ihren weiteren Weg entsc heidend: „Adolf Kuttruff war ein ganz toller Lehrchefl der einem auch e tw as beibringen w ollte “l sch wär mt si e vom „ O c h s e n “-Chef. Sie hätten heute noch ein g u te s Verhältnis. Nach der Abschlussprüfung auf der Hotelfachschule in Vil- lingen arbeitete und lernte sie ein Jahr als Com­ mis Garde Cuisine und Demi-Chef entre Métier in der renommierten „Traube“ in Tonbachl die für ihre a uß er gewöh n li che Küche bekannt ist. Die jetzige Köchin von Mundeifingen war und ist ehrgeizig. Es folgten weitere Gesellenjahre in Sterne-Häusern: in der„Ente vom Lehel“ in Wies­ bad en l ein eig e n s tä n d ig e s Restaurant im N as­ sauer Hof; bei Patrik Kimpel im „Kron eschlössle “ in Hattenheim bei W iesbad en; bei Heinz Wink­ ler in der „R e si d e n z “ im ba yerisch en Aschau;

Der Landgasthof „Hirsihen“ in Mundeifingen. weiter im Münchener Restau­ rant „G locke nb ach“ und in der „Burg S taufen ec k“ in Sa- lach bei Göppingen als Chef de Rang. Von dort a u s w e c h ­ se lte sie auf die Heidelberger Hotelfachschule zum Meister­ kurs. Im Juli 1996 legte Verena Martin-Hofmaier die Meister­ prüfung a ls Küchenmeisterin ab. DieTheorie umfasste Volks­ wirtschaftl Buchführungl ko s­ tenorien tiertes Handeln und d a s Gestalten von Sp eisekarten. Im praktischen Teil m u s ste sie ein Menü mit s e c h s Gängen kreieren. Nach der Meisterprüfung arbeitete sie noch­ mals ein h alb es Jahr bei Patrik Kimpel im „Krone- s c h l ö s s l e “ in den Bereichen Rezeption und Ban­ kett-Absprachen. Mit 26 Jahren den „Hirschen“ gepachtet Verena Martin-Hofmaier hatte viel g e s e h e n und viel gelernt. Nun wollte sie endlich se lbsts tändig werden. Im Alter von 26 Jahren pachtete sie am 3. Mai 1997 den Landgasthof „Hirschen“ in Mun- delfingen. Das Geb äud e verkörpert ein wichtiges Stück Mundeifinger Dorfgeschichte. Es wurde vor gut 110 Jahren erbautl früher gehörte ein e Land­ wirtschaft dazu. Jahrz ehntelang war dort auch die örtliche Poststelle untergebracht. Als in den 1920er Jahren Bruno Strohmeier a u s Mundelfin- gen da s Gebäude erwarbl begann ein neuer Ab­ schnitt in der Dorfentwicklung. „Der neue Besitzer richtete erstmal s ein e G aststätte an der Durch­ gangsstraße einl die 1870 erbaut wurde“l schildert der langjährige Altortsvorsteher Adolf Baumann. Die heutigen Besitzerl die Familie Martinl er­ warben die Gaststätte von Strohmeiers Witwe. In den 1950er Jahren übernahm mit Benedikt Mo­ ser a u s Achdorf ein Pächter au s einem Nachbar­ ort d a s Lokal. Damals wurde dort auch ein e Metzgerei eingerichtet. Am 30. Dezem be r 1967 L a n d g a sth o f „ H irs ch e n “ ü b er nah m en die a u s Rielas ingen k om m e nd en Ewald und M arliesjergd en Betrieb. Sie richteten dort ein e Landgaststätte mit Metzgerei einl die sie bis Se pte m ber 1994 erfolgreich betrieben. Im Mai 1997 folgte die jetzige Pächterin. Großen Wert legt die Chefin auf Frische Die n e u e Chefin hatte ihre e ig e n e n Vorstellun­ gen. Sie wollte eine regional geprägte Küche. Die ers ten zwei bis drei Jahre waren schw ierigl bis sich der n e u e Stil h e r um ge sp r oc he n hatte. Da­ nach ging e s stetig bergauf. „Inzwischen sind wir mit der Reson anz sehr zufrieden“l schildert die Köchin. Sie hat einen großen Kreis von S tam m ­ gä st e n. Das Einzugsgebiet reicht über ihren Hei­ matort D onau esc hing enl Bad Dürrheim und Vil­ lingen-Schwenninge n bis Stuttgart und im W e s­ ten bis Freiburg. Men sc he nl die ihr Ferienhäus­ chen am Sc hlu ch se e habenl kehren auf dem Hin­ oder Rückweg in Mundeifingen ein. Das Team im „Hirschen“ bereitet alles frisch zu. Großen Wert legt die Küchenchefin dabei auf die Gewürze. „Allesl w a s in der Sai so n frisch aus dem Kräutergarten kommt.“ Im Frühjahr Bär­ lauchl Thymianl Rosmarinl Salb eil im Som m e r Brunnenkressel Rucola oder Basilikum. Die Kräu­ ter zieht sie in Kästenl für den ge sa m ten Bedarf reicht dies aber nicht. Den Rest bezieht sie von der Insel Reichenau. Das KUchenteam im Landgasthof „Hirschen“ 2 6 5

L a n d g a sth o f „H irs che n“ bietet ein breites Spektrum. Esreichtvon Fleisch über Fisch und vielen Salaten bis hin zu fleischlo­ se n Menüs. Das Wild b e k o m m t s ie meistvo n hei­ mischen Jägernl Fleisch und Wurstwaren stammen aus der eigenen Schlachtungl das Brot a u s der ei­ gene n Bäckerei Flofmaierin Hüfingen. Auch bei ihren Küchenkreationen orientiert sich die Chefin an der Jahreszeit. Im Frühjahr bie­ tet sie unter anderem Fleisch vom Zickleinl Lamm und Kalb anl aber auch viel Spargel und Zwiebel. Im Som m er l ässt sie sich vom mediterranen Ein­ fluss inspirieren. Meeresfisch so w ie Krätzerl Fel- chen und ab und zu auch mal ein Hecht aus dem Bodenseel den ihrzwei dortige Fischer liefern. Da­ zu pa ssen Gemüsel Artischockenl frische Olivenl Tomaten vom Strauch und natürlich alle Sorten von Beeren. Die „Hirschen“-Wirtin kocht se lb st Marmela­ d e ein und setz t Rumtöpfe anl die s o n n e n g e re if­ ten Kirschen dafür bezie ht si e von Verwandten am B o d e n s e e . Im Herbst kommen zu den Ge­ richten im „H irschen“ Äpfell Quittenl Z w e tsc h­ ge n und Pflaumen auf den Tischl im Winter Zi­ trusfrüchte und natürlich Kohl: Grünkohll Weiß­ kohll Wirsingl Weißkrautl Rotkraut oder R osen­ kohl. Die Speisekarte variiert Verena Martin-Hof­ maier immer wieder. Die Gäste erwarten Gau­ 2 6 6 Regionale Küihe bis hin zur selbstgemaihten Marmela­ de bietet der Landgasthof „Hirsihen“ in seiner gemüt­ liihen Gaststube. menfreuden wie „Gefüllte Spanferk elbrust mit Dun­ kelbiersaucel Ra hmrosen ­ kohl und a b g e sc h m ä l z te n Berzelknödeln“l aber auch „Ges chmorte Kaninchen­ keule mit Thymiansaucel P aprik agem ü se und Par­ m e s a n g n o c c h i “ ode r ein „Gefülltes Bl ätterteigpas- tetle mit frischen Pilzen in Rahm und hau sg em ac h ten Nudeln“. Die regionale Fär­ bung kommt auch im Hauptgang d e s Winterme- nüszurGeltung: „Scheiben vom Wildschweinrück­ en mit Holund er sößlel S c h w a rz w u rz elg e m ü se und h au sg em ach ten Sch upfnud eln“. Wer keinen ganz so großen Hunger hatl kann a us einer reich­ haltigen Vesperkarte wählen. Darauf finden sich zum Be ispiel auch au s g e fa l l e n e r e Vesper wie „Saure Kutteln mit e ig e n e m M os t“. Behutsam baut Verena Martin-Hofmaier den Familienbetrieb mit vier festen Kräften aus. Un­ terstützt wird si e von ihren Mannl dem Bäcker­ meister Hubertus Hofmaierl der in Hüfingen eine Bäckerei und da s S c h loss cafe betreibtl und von ihren Eltern Christel und Otto Martin. S a i s o n b e ­ dingt bietet sie weitere Arbeitsplätze an. Während die heimische Gastronomie im länd­ lichen Raum vielfach rückläufig istl weil in den Familienbetrieben die Jungen oft nicht mehr w e i ­ termachen wollenl zeigt siel dass e s doch möglich ist. Voriges Jahr wurde e in e n e u e Küche e i n g e ­ bautl da s Restaurant wird vergrößert und neu g e ­ staltet und sie hat noch weitere konkrete Pläne. Eines st e h t für sie fest: Das Flair d e s Landgast­ h o f e s m öchte si e b e ib e h alte n . „Der Wandererl der a u s der Wutachschlucht kommtl soll sich hier auch wohlfü hlen“l lautet ihr Wunsch. Bernhard Lutz

Ein Gasthaus „mit Weitblick“ Im Hochem m inger „W aldcafe“ ist d er W irt g leich zeitig auch noch ein Landwirt Stä tte n d e r Gastlichkeit Jüngst nahm ein G a s t a u s Würzburgin der Wirts­ stube de s „Waldcafes“ Platz und bekannte g e g e n ­ über der Bedienungl d a s s er w e g e n d e s S p ez ia­ litätentellers wieder nach Bad Dürrheim g e k o m ­ men sei. Seit seinem ersten Besuch in dem Hoch­ e m m in g er G ast hau s hatte der B e su cher je n e s Gerichtl d a s au s einem Zwiebelrostbratenl h a u s­ ge m ach ten Spätzle und Krautschupfnudeln b e ­ stehtl nicht mehr aus der Erinnerung verloren und eine Fahrt in die Um gebu ng zu ein em Abstecher in das Ausflugslokal genutzt. Am Waldrand gele genl umgeben von Wiesenl auf denen friedlich Kühe w e id e n l ist d a s „Wald­ cafe“ ein weit bekan nte s Ausflugsziell d a s nicht zuletzt auf die Kurgäste Bad Dürrheims a n z i e ­ hend wirkt. Verbinden sie doch das A n gen eh m el nämlich Kaffee und Kuchen o d e r e i n kräftigen­ d e s Schwarzwälder Vesperl mit dem Nützlichenl e in em Sp a zie rg a n g vom Ort a uf d as 80 1 Meter hoch g e l e g e n e Fleckchen „gastronomisc her S e ­ ligkeit“. „Vor dem Holz 1“ lautet die Postanschrift d e s Waldcafesl doch kein S tr a ß e n n a m e w e ist darauf hin. Das tut dem Be ka nn theitsgr ad d e s H auses keinen Abbruch. Ob in Don au eschinge n oder Sc hw en ningenl da s „Waldcafe“ ist einfach ein Begriff: Wandererl Fahrradfahrer – si e alle finden den Wegl der auch be q u em mit dem Auto über Hochemmingen führt. Für s e i n e gu te Küchel Juniorchef Hubert Fi­ scher nennt sie „feinbürgerlich“ in Abwandlung der gutbürgerlichen Kochkunstl ist da s Gasthaus bekannt. Und dafürl d a s s hie rauch Dinge auf der S p eise k ar te st e h e n l die man nicht überall b e ­ kommtl wie etwa die Sauermilch mit H ei delbee­ ren. Der Familienbetrieb fühlt sich dem Gast ver­ pflichtet. Inhaber Hubert Fischerl 36 Jahre altl ist Küchenmeister und erhielt s e in e Ausbildung im Bad Dürrheimer „Kurheim und Sanatorium“l s p ä ­ terar beitete er im Fünf-Sterne-HotelKulm in Aro- sa (Schweiz) und holte auch scho n mal bei einer internationalen Junior-Kochmeisterschaft die Goldmedaille. Die Be so nd er he it am „Waldcafe“ Das „Waldiafe“ in Hoihemmingen bietet eine weithin bekannte, traditionelle Küihe. 2 6 7

S tä tte n d e r G astlichkeit istl d a s s die Wirtsleute auch gleichzeitig Land­ wirte sind. Das war beim Vater s o und gi ng auch auf den So hn überl der 199 8 den Betrieb über­ nahm. Gerne v e rw en d e t er in der Küche regionale Produkte. Die e igene n Schw ei ne werden in Sunt­ hausenl Rinder in Villingen geschlachtet und in der Küche verarbeitet. Inder eigenen Wurstküche ent­ stehe n dann Hausmacher Spezialitäten und so mancher Gast nimmt beim Abschied ein e Dos e Schwarz-l Leber- oder Bratwurst mit. Zum Mit­ n e h m e n gi bt’s auch den Honig der Bienenl die unweit d e s Wirtsh auses am Waldrand ihr Domi­ zil haben. Das Brot wird s e l b s t g ebackenl auch die Kuchen und Torten stellt man s e lb st her. Und d a s s auch die Spätzle s e l b s t gem ach t sindl ver­ ste h t sich von se lbst . Überhaupt kocht Junior Fi­ sc h e r mit Vorliebe s a i s o n a l e Gerichtel a l s o im Frühjahr Spargell zu dem b e i s p i e ls w e is e „Krat- z e t e “ serviert wirdl oder sp äter im Jahr Pfiffer­ linge. Als ganzjähriger Renner hat sich Tafelspitz mit Meerrettichsauce und Rote Beete h e r a u sg e ­ stellt. Die Lieferanten sind teils Jahrzehnte mit dem Waldcafe in Verbindung. Die Weine werden schon seit Jahrzehnten von den gleic hen Winzernl alles Familienbetriebel bezogen . Die Forellen schw im ­ men bis zum Fang in einem Teich im Hintervillin- ger Raum. „Die Leute kommen we gen de s breitge­ fächerten A n geb ot es . Wichtig istl d a s s da sl was auf dem Teller istl gut aussiehtl schmeckt und dass die Qualität stimmt“l umreißt Hubert Fischer jun. sein Konzept. Viele Wege führen zum „Waldcafe“ Das Wirtshaus ist eineinhalb Kilometer vom Orts­ zentrum Hochemmingens entferntl ge nauso weit ist die Bad Dürrheimer Innenstadt entfernt. Je nachdeml welchen Weg man auf die Anhöhe wähltl ist man von Bad Dürrheim a u s e in e halb e bis dreiviertel Stu nd e un ter w e gs. Immerhin w e i st fast jeder W eg weiser im Kapfwald oberhalb der Kurstadt auf d a s Waldcafe hin. Zwanzig Minuten sind e s zum Alten- und Pfle­ geheim Hirschhaldel auf halber Strecke kommt der Wanderer an der neuen Soleförderstelle vorbeil für die die Bad Dürrheimer keinen Bohrturm mehr 2 6 8 Ein Haus mitFamilientrailition: Hubert Fisihersen., seine Frau Maria, Sohn Hubert mit Töihterlein Anna und Frau Christina, die Inhaber des „ Waid­ iafes“. benötigen wie früher. Für Bohrloch XI ge nügt ei­ ne Fertiggaragel die ne b e n dem neuen s tä d ti­ s c h e n Tr inkw as serhochbehä lter in freier Land­ schaft steht. Aus Schwenningen schaffen e s Wan­ derer in eineinviertel Stunden zum „Waldcafe“. Und im Winter kümmert sich der „Waldcafe“-Wirt nicht nur um d a s leibliche Wohl se ine r Gästel sondern auch noch um deren Gesundheit. Sobald eine ausreichend hoh e S c h n ee d e c k e vorhanden istl sc hw in gt er sich au f den Traktor und hängt d a s Loipenspurgerät hinten dran. 25 Zentimeter S c h n ee m ü s se n e s m i n d e ste n s seinl bei Pulver­ sc h n ee sollten schon 30 liegen. Dann zieht er se i­ ne Skilanglauf-Rundloipe in Richtung Hirschhaldel Su nt hau se n und w ie de rz um „Waldcafe“ zurück. Geographisch ist d a s „Waldcafe“ ein „Grenz­ fall“. Das Gebäud e st eht auf der Gemarkung de s größten Bad Dürrheimer Ortsteils H och em min­ g e n l doch gleich hinter dem Haus hört die Ge­ markungsgrenze aufl der Wald zählt schon zum Kernort Bad Dürrheim. Der ursprüngliche Bau stam m t a u s der Zeit der Jahrhundertwende. Erstmals erwähnt wurde da s „Waldcafe“ im Jahr 190 6 in den Grundsteuer­ akten de r G e m ein de . Errichtet wurde e s von dem da mal ig en DUrrheimer Hotelier Müllerl der da s Parkhotel Kreuz betrieb und dann s e i n e Kuchen nachmittags im „Waldcafe“ verkaufte. Schon da­ mals war ein b e s c h e i d e n e r Stall an g e b a u t. Bis zum Jahr 1928 hatte das Gasthaus se c h s verschie-

d e n e Eigentümer. Dann erwarben die Eltern d e s heutigen Seniorsl Anton und Amalie Fischerl das Ga sth au s und den Hof. Anton Fischer war ein g e ­ lernter Wagnerl er erweiterte den landwirtschaft­ lichen Teil. 196 4 übernahm dann der h e u te 74- jährige Hubert Fischer Senior z u sam m e n mit s e i ­ ner Frau Maria das „Waldcafe“l das damals schon 170 Sitzplätze hattel und den Hof. 1 9 7 5 / 7 6 er­ we it er te er d a s G ast hau s auf 2 0 0 Plätze (ein­ schließlich der beiden Nebenzimmer). An m an­ chen Son ntage n und Festtagen ist das Gasthaus bis auf den letzten Platz belegt. 1998 übernahm Hubert Fischer jun.l der von seiner Frau Christi- na unterstützt wirdl die Leitung. Mit den Kindern Luisal Jonathan und Anna wächst schon die nächs­ te Generation heran. Den meisten Gästen im „Waldcafe“ bleibt das ph antastische Panorama in Erinnerungl da s man von den m e is ten Tischen a u s in die Um gebu ng hat. Klippeneckl Dreifaltigkeitsbergl Hohenkarp- fen und Lupfen sind zu s e h e n l sogar einige Häu­ ser von Gosheim und Hausen ob Verena. Vom Feld­ kreuz in der Nähe d e s Waldcafes au s sind bei gu­ ter Sicht die Alpen auszumach en. Von der über­ dachten Terrasse (70 Sitzplätze) a u s Ist der Blick so gar ungetrübt. H o c h e m m in g e r „ W a ld c a fé “ Neben Gästen au s Bad DUrrheim und Hoch­ e m mingen g e n ieß en Besucher au s der sc h w äb i­ sche n Albl aber auch bis in den Bo densee rau m oder S ta m m g ä s te au s Tübingen den Aufenthalt in diesem beliebten Ausflugsziel. Ruhetag ist mon­ tags (bei Feiertag die nstags). Manchmall w enn Hubert Fischer jun. Feldar­ beit verrichtet und von der Ferne auf da s „Wald­ cafe“ blicktl kommt ihm ein Gedicht von Carl Zuck­ mayer in den Sinn. Und er denktl d a s s sich wohl Spaziergängerl die a u s dem Wald auf die Höhe tretenl s o fühlen werdenl wie e s Zuckmayer b e ­ schreibt: „An den Waldrändernl Ins freie Weideland ein geschnittenl die kleinen länglichen Vierecke der Äckerleinl getreidebraun und krautig grün. Wir konnten noch lange nicht sprechenl nur tief atmen. Die Luft war von Heu durchsüßt und von einer prickelndenl e is g eb o re n e n Reinheit. „Hier“l sa g te einer von uns – wenn man hier bleiben könnte.“ Hans-Jürgen Eisenmann Die Gaststube des „ Wald iafés 2 6 9

Der Geographische Lehrpfad am Fürstenberg Eine Zeitreise durch 345 M illion en Jahre Geschichte Freizeit und Erholung So prickelnd kann Heimatkundeunterricht sein: Wer sich auf den Weg zum h ö c h s t g e l e g e n e n Stadtteil Hüfingens begibtl nach Fürstenbergl der wird nicht nur mit einem Rundblick über die Baar bis hin zum Schwarzwald belohntl sondern kann auch e ntla ng e i n e s Lehrpfades wandernl der auf Initiative der Landfrauen ein e Zeitreise durch 345 Millionen Jahre Geschichte ermöglicht. Hierobenl a u f 918 Metern M ee re sh öh e l darf man von der eigentlich en Wiege d e s H ause s Für­ stenberg redenl denn als Graf Heinrich von Urach im Jahre 1245 se inen Wohnsitz auf die im 11. Jahr­ hundert errichtete Burg verlegtel urkundete er nur fünf Jahre später als Graf Heinrich zu Fürsten­ berg. Immerhin war der Ortl der nach und nach um die Burg entstand und sich selbstbewußt Stadt Fürstenberg nanntel über 30 0 Jahre Residenz der jeweiligen Landesherren. Die Zeit ist h i n w e g g e ­ gangen üb er dieA nsie dlu ngaufd em Fürstenberg. Die Burg wurde im Dreißigjährigen Krieg zer­ störtl die Stadtmauern um 1792 au fg e g e b e n l und die 45 Häuser Fürstenbergs schließlich fie­ len a u s n a h m s l o s einem Großbrand im Sommer 1841 zum Opfer. Geblieben als Erinnerung an die stolze S i e d ­ lung sind Erdvertiefungenl von der Natur längst zurückerobertl die z e i ­ genl wo sich die Keller der 45 Häuser befanden. Der neue Ort Fürstenberg – in seiner heutigen Form und an der jetzigen Stelle – entst an d schließlich am W e st han g d e s Ber­ g e s l von w o aus die Men- Bliik auf Fürstenberg und die Baar. Der Ort ist Aus­ gangspunkt des geogra­ phisihen Lehrpfades der Landfrauen, einer faszi­ nierenden Zeitreise. sehen den Blick haben auf die Ursprünge ihrer engeren Heimatl auf Baar und Schwarzwald. Buntsandstein, M uschelkalks Co. De rFü rs te nb er gh ataller din gsn och mehrzu bie­ ten als Rund- und Weitblick. Hier findet sich zu­ dem der „Geographische Lehrpfad“ ein Stück au­ ßerordentlich lebendige Heimatkundel Geschich­ te zum Anfassen sozusa gen. Sieben Schautafelnl inhaltlich und graphisch lehrreich gesta ltet und mit sc hö nen l dem jeweiligen Thema gewidme ten Fotos abgerundetl führen von der Steinkohlezeit vor gut 345 Millionen Jahren schrittweise bis in die Neuzeitl und sie erzählen von der Entstehung und Veränderung der Gesteinel vom Klimawandel und natürlich den unterschiedlichen Böden die­ ser Baar-Landschaft und derer landwirtschaftlich­ en Nutzung. Und wer magl der kann hier an gro­ ßenl den Informationstafeln zugeor dne ten Stei­ nen die un terschiedlichen Gesteinsarten bu ch­ stäblich begreifen. Die wertvollen Tafeln finden Schutz unter Holzdächernl deren kleine hölzerne Staffelgiebel den typischen Staffelgiebeln der Baaremer Bauernhäuser nache mpfund en sind. 275

Jubiläumsgabe mit Langzeitwirkung Es war Mitte der 1990er Jahrel als die Landfrauen d e s Bezirks Donaueschingen sich auf die Fünfzig­ jahrfeier ihrer Institution ein stimmten. Ein w enig mehr als ein F es tw o ch en en d e sollte e s schon se inl so der Tenor; e tw as Blei bend es vielleichtl an dem auch die Mensc hen der näheren und w e i­ teren U m ge b u n gte il h ab en könnten. Stefan Leh­ mannl Revierförster im Unterbaldinger Forstl rannte bei den Landfrauen offene Türen einl als er die Einrichtung e in e s ge o g ra p h isc h e n Lehr­ pfads vorschlug. Diese geschichtsträchtige und lie be nsw e rt e Landschaftl so die Intention d e s Forstmannesl sei doch ge rad ezu prädestiniert für d i e s e Art der Heimatkunde. Wie man s o etwas auf den Weg zu bringen habel darüber wurde al­ lerdings erst einmal lange und heftig gegrübelt. „Es war ein e b e glüc ke nd e Kooperation“l denkt Ingrid Hasenfratz a us Unterbaidingen noch h e u ­ te zurück an die Zeit d e s Grübelnsl der ersten Entwürfe und schließlich d e s Gestaltens. Die Be­ zirksvorsitzende d e s Landfrauenbezirks Donau­ e sc h i n g e n muß te nicht lange um die Mitarbeit kompetenter Menschen werben. Ideengeber Ste­ fan Lehmannl sein Bruderl der Graphiker Rupert Lehmannl der au s Fürstenberg s ta m m e n d e Wis­ sensch aftler Professor Dr. Alexander Siegm und und schließlich der Hüfinger Fotograf German Ha­ Einen informativen und spannenden Lehrpfad ha­ ben die Landfrauen am Fürstenberg mögliih ge­ maiht. senfratz waren ein absolut h o m o g e n e s Team. Was si e auf dem Weg vom O rtsau sgan g Fürsten bergs an den Wegrand gebracht haben l erfreut nicht nur Wanderer und Spaziergänger: auch Schu l­ klassen finden hier ihr „grünes Klassenzimmer“. Sieben Informationstafeln realisiert Man sollte sich viel Zeit n ehm en für den Sp azier­ g a n g e ntla ng der sie be n von Rupert Lehmann professionell gestalteten Informationstafelnl die gespic kt sind mit Wisse ns wertem a u s Geologiel Klimakundel Geographie und immer wieder Hei­ matkundel alles präsentiert in gut verständlicher Form. Nicht weit hinter dem Ortsschild am „Sträß- le“ Richtung Gewann „Schächer“ erzählt die er­ s te Tafel von den Z us a m m en h ä n g en zwische n G eologi e und Bodenb ildung und der daraus re­ su ltiere nd en land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Der Wanderer erfährt von den Grenzli­ nienl die sich auf Flora und Faunal die Landnut­ z ung und d a s Landschaftsbild prägend auswir­ ken. In Blickweite die nä c h s te Tafell die dem Schwarzwald ge w id m e t ist. Vom Urgestein au s 2 7 6

der Steinkohlezeit vor 345 bis 2 6 5 Millionen Jah­ ren wird dort berichtetl von den rötlich gefärbten Bu n tsa n dst einsc hichtenl und s o mancher wird sich erinnern an den Spruch der Schulzeit „Feld­ spatl Quarz und Glimmerl die drei vergeß ich nim­ mer“. Genau die sind e s l a u s de n e n die Flöhen d e s Schwarzwaldes be ste h e n . FHier liegen Blöcke au s Granitl Gneis und Buntsandstein neben der Tafell zum Betrachten und Begreifen. Wie w u nd er sc hö nl „die S e e le str eiche lnde “ Landschaftsaufnahmen mit Satellitenaufnahmen harmonierenl b e w e i st Tafel Nummer drei. FHier geht e s um den Muschelkalkl der bei Aufen durch die Brigach förmlich durchschnitten wird. Ein ent­ sprechendes Foto beherrschtdiese Tafel. In Falsch­ farbendarstellu ng hin gege n ist die Sate llite n­ aufnahm e der Baarl auf der die w a l d b e w a c h s e ­ nen Hänge der Schichtstufen e b e n s o erkennbar sind wie die großen Waldge biete im Westen d e s Schwarzwaldes und im Osten der Baar-Alb. Kaum w ah rge nom m e nl hat der Besucher an Höhenmetern gewonnenl die geteerte Straße ver­ la ss en und befindet sich am Waldtrauf. Hier wie auf der g e s a m te n W eglän ge fasziniert der Blick über die Weite der Baar. Der Wartenberg mit dem Unterhölzer Weiher grüßt herüber zum Fürsten­ bergl während weiter unten die junge Donau mit ihren land sch aftsp rä gend en Ufergehölzen vor­ bei an Neud ingen in Richtung Geisingen fließt. Wir lesenl daß der Wartenberg zusammen mit zwei kleineren Vulkanschloten bei Randen da s w e s t ­ liche Vorkommen der Hegau-Vulkane bildet. Die auf Tafel fünf beschr ieb ene Zeitl vor 195 bis 145 Millionen Jahrenl erscheint vertraut: die Dinosau­ rier kamen ins Sp iel -all e rd in gs nicht auf dem Für­ st e n b e r g und der Baar. Beschr ieben wird viel­ mehr die Zeit d e s Weißenl Schwarzen und Brau­ nen Jurasl d e s s e n Schichtstufen ein b e s o n d e r e s Kennzeichen der Baar-Alb darstellen. Mit Text und Bild hin gew ie se n wird auf den früheren Torf­ abbaul der zwischen den Immenhöfen und dem Unterhölzer Weiher heute als eine abflußträgel anm oorige S enk e erkennbar ist. Dem Klima der Baar ist Tafel s e c h s gewidmet. Der Klimaforscher Professor Dr. Alexander S i e g ­ mund beleg t in Graphiken dieTemperaturzeitrei- Insgesamt sieben Lehrtafeln sind am Fürstenberg zu sehen. G eo g rap h is ch e r Lehrpfad he und die Niederschlagszeitreihel Aufzeichnun­ gen der Klimastation D on au esc hing en von 1881 bis 1990. Wir erfahrenl daß in den Niederungen der Baar-Hochmuldemitdurchschnittlich 120 bis 140 Tagen pro Jahr die meisten Frosttage verzeich­ net werdenl oderl daß sich durch eine Zunahme der Nie d e rs ch la gs m en gen die H o ch w a ss er g e ­ fahr an Brigachl Breg und Donau verstärkt hat. Am Schlußpunkt unserer g e ograp hisc he n Wanderung durch die Jahrtausende erfahren wir Interessantes über die Wutach und Gauchach und über die W a ss er sc h e id e zwische n Donau und Rhein. Wer die Zeitreise von vor 1 0 0 0 0 Jahren bis heute na c hge lesen hatl der wird bei seine r näch­ sten Wanderung die rauhen Schluchten mit an­ deren Augen se h e n . Der hier oben zeitweise rauhe Wind hat in den ve rg an gen en fünf Jahren den Tafeln z uge se tz tl die S on n e hat die Farben aus ge bleichtl und eini­ ge Besc häd igu ngen trugen die Handschrift von g e dank en lose n Vandalen. Die Spuren wurden im Rahmen einer Generalsanie rung be seitigtl und Landfrauen-Bezirksvorsitzende Ingrid Hasenfratz ist den Berufskolleginnen au s Fürstenberg von Herzen dankbar dafürl daß d i e s e ein w a c h s a m e s Auge auf den Lehrpfad direkt vor ihrer Haustür Anne Bethge haben. 277

Freizeit und Erholung Ein Festmahl wie im Mittelalter Die Z äh rin g ertafe l im V illin g e r „Torstüble“ v e rm itte lt m it viel Gaudi die Esskultur und G e­ schichte der Zeit um 1500 zu befördern. Da ein hölzerner Rührlöffel nun mal nicht über scharfe Kanten verfügtl empfiehlt e s sich also d a s mächtige Fladenbrot mit den Fin­ gern aufzureißenl e h e man den Aufstrich mit der kleinen Kelle möglichs t glei chm äß ig darauf ver­ streicht. Zugegebe nl für die heutige Zeit mag das ziemlich unfein wirken. Als Gast der Zähringer­ tafel sollte man sich d e sh a lb immer wieder die „Zeitleiste“ vor da s innere Auge führen; da befin­ den wir uns nun mal nicht im Jahr 2 0 0 4 l sondern etwa um 1500. Eben in jener Zeitl als Kaiser Maximilian auf seine r Durchreise nach Freiburg in Villingen Hof ge halten hatte. Die Breisgau-Metropole war d a­ mals gewissermaßen der Verwaltungssitz de s vor­ derösterreichischen Gebietes und der Ortl an dem d a s Oberhaupt s e i n e Erbhuldigung en tg e g en nahm. Diese war d e sh a lb von s o großer B e d e u ­ tungl weil sich der Kaiser durch den Treueschwur von Landesfürsten und Lehensempfängern s e i ­ ner Macht sicher sein konnte. Das Gedenken an die ehrwürdige Visite im Jahre 1499 nimmt im Handlungsrahmen derZähringertafel einen z e n ­ tralen Platz ein. So wird e be n d i e s e s Ereignis im­ mer wieder nachgespieltl wa s sich ganz erheblich auf die Rechte und Pflichten der Gäste d e s Rit- Eine meter lange Tafel inmitten der historischen GemäuerdesVillingerTorstübles. Schmucke Holz­ stühlel Speisebretterl Kochlöffell in der Mitte der riesigen Tischplatte mehrere wagenradgroße Fla­ denbrotel d a n e b e n Tongefäße mit leicht salz ig duften de m Griebenschmalz. Die Stim mun g ist g e lö s t und doch sc hau en die 8 0 Besucher der 100. Zähringertafel an d ie se m 27. März g e span nt in die Mengel un wissen dl w a s sie erwartet. Dabei hat sich d a s kulinarische Eventl d a s 1 99 8 zum ersten Mal stattfandl mittlerweile ei­ nen Namen weit über die Grenzen der Stadt g e ­ macht. Das Festbankett lädt ein auf eine Zeitrei­ s e in d a s frühe Mittelalterl um über die Gesch ich­ te derZähr inge rsta dtwieder in dasVillingen d e s 21. Jahrhunderts zurückzukehren. Inszeniert und moderiert wird d a s Spektakel von Kumedie-Chef Thomas Moser und se ine m Team. Was e s b e d e u ­ tetl s o e b e n einmal 5 0 0 Jahre Entwicklungsge­ schic hte hinter sich zu las se nl können die B e su ­ cher d e s b e son d e re n Rittermahls jedenfalls auf eine eindrucksvolle Art und Weise erleben. Die erste Überraschung lässt nicht lange auf sich warten. Ein g e w ö h n li c h e s Gedeck mitTellerl Beste ck und W asserglas sucht man bei der Zäh­ ringertafel nämlich v e rg e b e n s . All jenel die e s mit den Verhaltensregeln d e s Freiherrn von Knigge allzu gena u n e hm e nl sind gut beratenl d i e s e vo rne hm en Sitten zum in­ d e s t einen Abend lang ins U n terbewu sst­ sein zu verbannen. Wenngleich die Ge­ tränke in han delsü b li chen Behäl tnissen gereicht werdenl zeigt sich schon bei der Zubereitung d e s G ri ebe nschmalzbrotesl wer d e s Öfteren den Kochlöffel schwingt. Der ist nämlich d a s einzige z u g e l a s s e n e „Werkzeug“l um d a s reichhaltige „Mixed Grill-Menü“ sicher vom Teller in den Mund Gespannte Erwartung: Im Villinger „ Torstüble“ beginnt die Zähringertafel. 2 7 8

Die Z ä h rin g ertafe l Das Rittermahl beginnt, Besteik gibt es dazu aber keines, am Tisih herrsihen mittelalterliihe Sitten. termah ls auswirkt. Mit der S e l b s t ­ b estim m u n g im „Torstüble“ ist e s jedenfalls schnell vorbei. Keine Spur von der Emanzipation und dem freien Lebensstil d e s 21. Jahr­ hund erts. Frei nach dem Motto „was dam als gut warl kann heute nicht schlech t s e i n “ – in ve rgan ge ­ nen Zeiten regierte nun mal der Kaiser. Das Brot dürfen die Be su che r gera de noch brüderlich teilen – g e w i s s e r m a ß e n als kleinel freimütige Hen kersmahlzeit – dann erklingen auch schon die Fanfaren. Die Minuten der Freiheit sind gezählt; gerade so langel bisT ho mas Moser s e i n e Eröffnungsworte ge sp rochen hat. Dies tut er ke inesw egs mit der Stimme e ines besten Kum­ pels. Freundlich zwarl aber de nn och bestimmt; laut und durchdringendl vermutlich s o l wie e s um 1500 nach Christi üblich war. Der Sekunden­ zeiger der Wanduhr im Turmgewölbe tickt unauf­ haltsam vor sich hin und die Berufung d e s Kai­ sers rückt immer näher. Keiner weißl w e r d a s neue Oberhaupt über die 79 Untertanen an der meter­ langen Rittertafel sein wird. Einzig d a s s er a u s ih­ rer Mitte a u s g e s u c h t und zu höheren Ämtern er­ hoben werden solll ist bekannt. Noch einl vielleicht zwei Zeigerumdrehungenl dann macht der Kumedie-Chef von se in e m Vor­ schlagsr ech t Gebrauch: Er zeigt auf e inen mit­ telg roße nl schlanken Mann mit kurzen Haaren und nichtzu übersehendem Bartwuchs. Erl der aus der Besucherrunde stammtl soll der neue Herr­ scher werden. Die Frage nach der Legitimation stellt Moser freilich nur pro forma. Einmal kurz hinter die Bühne und schon i s t a u s d e m Herrn im Holzfällerhemd ein Adliger ge wordenl d e s s e n herrschaftliches Gewand natürlich keinen Zwei­ fel an der kaiserlichen Herkunft lässt. Die Tafel­ runde im Villinger „Torstüble“ nimmt die Rolle der Untergebenen tapfer an. Schließlich waren sie ja g e k om m e n l um dem Oberhaupt zu huldigen. Außerdem soll sich heraussteilenl d a s s weniger der frischgebackene Kaiser se lbst l als vielmehr d e s s e n Regisseur Thomas Moser s o allerlei sc hw er es Los für die Gäste d e s Festbanketts b e ­ reit halten würde. Zu entscheiden haben die Frauen So kommt e s auchl d a s s plötzlich nicht mehr die Herren der Schö pfung die Hosen an h abenl s o n ­ dern – in e in em u n g eh eu re n Fortschreiten d e s Emanzipationsprozesses – plötzlich nur noch die Frauen d a s Recht habenl über die G e s ch eh n isse am Esstischzu bestim men. Dies ge ht gar so weitl dass e s dem männlichen Geschlecht nicht einmal mehr erlaubt istl se l b s t s t ä n d i g zu trinken. Mit fast scho n fleh en de m Ton m ü s s e n si e ihre hol­ den Begleiterinnen darum bittenl ihnen das Trinkgefäß zu reichen. Doch da s ist längst noch nicht alles. Um die Herrschaftsverhältnisse noch deutlicher herauszustellenl werden den völlig ent­ mündigten Herren zudem noch historische Hand­ sc he lle n ang elegt: Zwei dicke Holzbalken mit sc hm ale n Ausker bungen um sch li e ße n die Handgelenke – ein Entkommen ist unmöglich. In dieser Zwangslage kann man s o m anchem Fami- lienoberhauptden Wunsch nach der Emanzipation d e s Herrn förmlich von den Augen ab le se n . Doch die vermeintlichen Opfer der kaiserlichen Hie­ rarchie schlagen sich tapfer. Ohne zu murren ne h­ men sie ihr schw eres Los anl lassen sich sogar ein 27 9

Freizeit und E rholung Das Team des Rittermahls um Regisseur und Kumedie-Chef Thomas Moser. ums ander e Mal ein Lächeln entlocken und sind vor allem u n geh eu er dankbar für jeden Schluck Gerstensaftl den sie von ihren großzügigen Frau­ en gereicht bekom m en. Soviel Gehorsam hinter­ lässt beim adligen Oberhaupt natürlich einen gu­ ten Eindruckl der gütig wie der Kaiser nun mal istl belohnt werden m uss. „Die Herrschaft der Frau­ en ist a u fg e h o b e n “l tönt Thomas Moser als herr­ schaftliches Sprachrohr. „Stattdessen haben nun wieder die Männer da s S a g e n . “ Kaum sind die Handgelenke wieder b e w e g ­ lichl greifen die Erretteten zu ihren Tongefäßenl um sich mit einem kräftigen Schluck Altbierbow­ le zu stärken. Die ist Bestandteil je de s Menüs der Zähringertafel und wird traditionell in kunstvoll bemal ten Tonkrügen gereicht. Dazu servieren die Gastgebe r grundsätzlich frische Fladenbrote und Griebenschmalzl nebst einer Bergkäse-Aus­ wahl. Das Rittermahl beginnt Doch e b e n s o unterschiedlich wie die Ab ende se lbst l sie ht auch die Speisekar te für da s Ritter­ mahl aus. Mal gibt e s „Spareribs“ vom Grilll mal Hechtfiletl mal Rotbarsch. Doch immer gilt eine golde ne Regel: Die S p eise n sind an den heutigen Gesch mack angeglich en. Wäre da s nicht der Falll so könnte man die Lebensmittel vermutlich über­ haupt nicht e s s e n oder zu m indest nicht lange im Magen behalten. Ein Grund dafür seil d a s s man in früheren Jahrhunderten sehr scharf g e g e s s e n habel erklären die Veranstalter. Dies schon d e s ­ halbl weil die Haltbarkeit der Waren in histori­ 2 8 0 sc he n Zeiten deutlich geringer war als heute. Um den verdorbenen Geschmack zu überdecken wur­ d e a lso einfach zur G ew ürzdose gegriffen. Davon spüren die Gäste der 100. Zähringer­ tafel freilich nichts mehr. Die Lachstranchel die ihnen als näc h s tes gereicht wird ist gerade frisch zubereitet und mit G emüsestreifen garniert. Das einzigel w a s jetzt noch an die Situation grauer Vorzeiten erinnertl ist der hölzerne Kochlöffell der als „ Schn ei d eg erä t“ und „Esswerk ze ug “ zu­ gleich dient und d a s Gen ieße n für s o manchen zu einer „anspruchsvollen Aufgabe“ macht. Das spielt beim Ritterbankett jedoch nicht die g e ­ ringste Rolle. Unterhalten von s o mancher lusti­ gen Redel vielen Anekdoten a u s der Villinger Stad tges ch icht e und der aktiven Teilnahme der g e sa m te n Tafelrunde las se n den Abend zum Er­ lebnis werde n. Eben d a s En ga ge ment der Teil­ nehm er ist e sl d a s den Erfolg der Zähringertafel ausmacht. „Wir g e b e n nur den Rahmen vorl die g est alter is ch e Aufgabe soll ganz erheblich von den Gästen s e lb st a u s g e h e n “l sa g t Mitorganisa- Wenn die Frauen das Sagen haben, werden die Män­ nerin mittelalterliihe „ Handsihellen “ gelegt.

tor Volker Bachert. Auf d i e s e Weise sei die Indi­ vidualität der Veranstaltung gewährleistet; man erlebe keinen einzigen Abend als exakte Wieder­ holung ein z w e it e s Mal. In b est er Laune und unter Beachtung aller guten Sitten kosten die Gäste im Torstüble einen Gang nach dem an derenl filtern Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur so nst gewohnten Haus­ mann sk ost heraus. So mancher Genießer hat e s da nicht g anz leicht. Vom Kaiser zum Opfer b e ­ stimmtl m u s s er die Grünkernsuppe vor vers am ­ melter Mannschaft mit g e f e s s e l t e m Kopf und fe st geh alten en Armen verzehren. Da da s Ganze offensichtlich unmöglich istl wird vom Oberhaupt s ogle ic h noch ein Untertan bestimmtl der dem G efa ngenen d as Mahl mit der Holzkelle in den Dinieren wie im Mittelalter – die Speisekarte der Zähringertafel Aperitif: Altbierbowle mit Früchtenl Vorspeise: Fladenbrot und Griebenschmalz. Nach dem Hauptgang: Ausgesuchte Bergkäse-Auswahl Menü l: „Mixed Grill“ Lachstranche mit Gemüse und Kräutersauce Grünkernsuppe Mixed Grill mit frischem Marktgemüsel Spätzle und Serviettenknödel Gefüllter Bratapfel mit Vanillesauce Menü 2: „Die Hochrippe“ Rindfleischsuppe mit Pfannkuchenstreifen und Kräutern Hechtfilet „Alemannische Art“ an Rieslingsauce und Speckkraut Gebratene Hochrippe mit Meerrettichl Wurzel­ ge müse und Rahmkartoffeln Rote Früchte mit Vanille-Eis Menü 3: „Die Lammkeule“ Gebrannte Grießsuppe mit Eierstich Rotbarsch an Safransauce und Setleriemousse Lammkeulenbraten in Kräuter-Senfkrustel Thymiankartoffeln und Schmorgemüse Gewürz-Gugelhupf mit Pflaumenragout Besondere Empfehlung: Ab 40 Personen – ein ganzes Spanferkel oder Lamm gefüllt mit Reis Die Z ä h rin g ertafe l Mund löffelt. Wohl w i ss e n d l d a s s jeder Protest zwecklos ist und jede Gegenwehr die Leiden noch verlängern würdel gibt sich d e s Kaisers Sträfling tapferl auf da s er baldmöglich st wieder auf s e i ­ nem Stuhl Platz n ehm en kann. Und s i e h e dal der Weg de s geringsten Widerstandes führt zum Ziel. Wenige Minuten nachd em die Grünkernsuppe g e g e s s e n istl kommt der junge Mann in Freiheit. Um die verlorenen Kräfte wieder aufzutankenl gibt e s nun erst einmal ein e Platte voller Fleischl Spätzle und Serv ietten kn ödel. Ein Gerichtl da s e s so um 1500 nach Christi sicher selten g ege ben hat. Fleisch war in diesen historischen Zeiten ent­ g e g e n häufiger Vermutungen nämlich M ang el­ ware. Das spielt für die Botschaft der Zähringer­ tafel jedoc h ohn eh in keine Rolle. Historische Korrektheitl so betonen die Veranstalterl sei nämlich gar nicht d as Ziel. Vielmehr woll e man eine Atmosphäre schaffenl in der zwar Informa­ tionen und geschichtliche Daten vermittelt wer­ denl die auch als so lche nachprüfbar sindl die je­ doch vor allem den Rahmen für ein en sc h ön en Abend und ge m ütl iches Be is am m en se in schafft. Für stim mun gsvol le Unterhaltung außerhalb d e s geschichtsträ chtig en B e s u c h e s von Kaiser Maximilian sorgen die Besucher der Jubiläums­ tafel se lbst . Angeleitet von Thomas Moser und s einem Team entfalten sie eine ungeheure Krea­ tivität und B ewegungsfre ud el die von Sketchen über Tanzeinlagen bis hin zur Modenschau reicht. Bei der Sympathiebewertun g galt schon vor hun- derten von Jahrenl w a s heute gilt: Wer den lau­ te st en Applaus bekommtl hat die Nase vorn. Und s e l b s t w enn e s nicht zum S ie g gereicht hat: Im Zweifelsfall zählt d as olym pisc he Motto „dabei sein ist a l le s“. S p ä t e s t e n s drei Stu nd en nach dem Beginn derZeitreisel die im frühen Mittelalter begon n en und im Informationszeitalter 2 0 0 4 g e e n d e t hatl sind si e wie de r alle gleich. Der Kaiser legt sein Herrschaftsgewand ab und kehrt in die Mitte d e s Volkes zurück. Ganz gleichl wer da s Tanzbein am b e st e n ge sc h w u n g e n hattel wer sich bei der Mo­ de n s ch a u am vorteilhaftesten präsentiertel am Ende hatten sie alle gewon n en : Die Gäste einen wunder schönen Abend und die Amselgruppe Do- n au es ch in gen ein e S p e n d e in Höhe von 2 2 2 2 Euro als Unterstützung für hilfsbedürftige Men­ Philipp Jauih sc he n . 281

S port Ein großartiger Sportler und Sympathieträger Der Schönw älder Skispringer Christof Duffner beendete seine erfolgreiche Karriere – Als ers­ ter Skispringer die 2 0 0 -M e te r-M a rk e übersprungen Olympiasieger war erl Weltmeisterl Weltcupsie­ ger und natürlich mehrfacher deutscher Meister: Die Erfolgsliste von Skispringer Christof Duffner ist lang. Doch im März 2 0 0 4 gab „Duffi“ bekanntl dass er se ine Sprunglatten nun in die Ecke stellen wird. Im Alter von 32 Jahren ist d a s für einen „Schwarzwald-Adler“ nichts Ungew öhnlich es. Sehr ungewöhnlich ist allerdings s e i n e Kar­ riere: Über 12 0 0 0 0 Mal ging der Schönwälder von den Sp ru ngschanzen in der ganzen Welt. Mit elf Jahren machte „Duffi“ hinter dem Bauernhof bei seinen beiden Onkeln Sepp und Rudi Huber in Bad Griesbach s e i n e ersten Versuche als Weitenjä­ ger. Dabei hatte er allerdings so einige Probleme: „Sepp und Rudi sagten immerl ich soll die Skier einfach nicht richtig.“ Damalsl Anfang der 1 9 80e r Jahrel war dem kleinen Christof noch nicht be w u sstl d a s s er als einer der ersten Skispringer der Welt im V-Stil durch die Luft flog. Eine Stilartl die etwa zehn Jah­ re später d a s Skispringen revolutionier­ te. Mit se in e m für d i e s e Zeit ungew öh nlic he n Sprungstil sp rang „Duffi“ Ende der 19 80er Jahre zur de u ts ch en Jugendmeisterschaft und starte­ te in der Liga der best en Weitenjägerl dem Welt­ cup. Im Jahre 1991 nahm er im Südtiroler Fleimstal (Val di Fiemme) erstmals an einer nordischen Ski-Weltmeisterschaft teil. Vier weitere WM-Starts sollten noch folgen – 1993 in Falun (Schweden)l 1997 in Trondheim (Norwegen)l 1999 in Ramsau (Österreich) und 2 0 0 3 wiederu m im Fleimstal. 1992 war der Schönwälder im französischen Al­ bertville ers tmals bei Olympischen Sp ielen d a ­ bei. Und auch 199 4 in Lillehammer (Norwegen) und 2 0 0 2 in Salt Lake City gehörte der Schön wäl ­ der zum deutschen Olympia-Team. So oft wie kein anderer Sportler au s dem Schwarzwald-Baar- Kreis. Außerdem war Duffner noch s e c h s Mal auf den größten Schanzen der Welt bei Skiflug-Welt­ meisterschaften am Start. Seinen einzigen Welt­ cup-Sieg feierte er im Dezem ber 1992 zum Auftakt der Vierschanzentournee in Oberst­ dorf. Drei Mal kehrte „Duffi“ mit einer Mann­ schafts-Medaille von e inem G ro ßer eigniszu­ rück: 1994 mit Olympia-Goldl 1999 mit WM- Gold und 1997 mit der Bronzemedaillel jeweils mit der Mannschaft. Eine Einzelmedaille blieb ihm verwehrt. 1994 schramm te er bei den Ski­ flug-Weltmeisterschaften mit Platz vier nur knapp am Podest vorbei. Auf die Frage nach s e i ­ nem sc hön ste n Erfolg in den 15 Jahren Sp itz en­ sport antwortet der 32-Jährige sofort: „Das Olym­ piagold 199 4.“ Der Sie g der de u ts ch en Mann­ schaft mit Jens Weißflogl DieterThomal Hansjörg Jäkle und Christof Duffner war eine Se nsatio n . „Außerdem war e s ein w u nd er sc höner Tag in Lillehammer und mein b est er Freundl der Christof Duffner i ô ü A

Chris tof Duffner nimmtl aber nicht verb isse n ist und jemandl der immer für einen S p aß zu haben war. Auch s e in e Sprüchel wie etwa „Do muasch cool bliebe“l sind in guter Erinnerung. Bis zum Ende d e s Jahres 2 0 0 5 ist der Haupt­ feldwebel noch bei der Bundeswehrl die auch den Großteil seine r Karriere über sein „Arbeitgeber“ warl meist bei der Sportfördergruppe in Todtnau- Fahl am Feldberg. B e id e r B u n d e sw e h r w ille r n u n den A bschlus s zum Diplom-Sportlehrer machen ‘Jackson’l war mit mir in die sem Team“l erzählt er. Sein Schonacher Kumpel Hansjörg „Jackson“ Jäkle war jahrelang sein Zimmerkollege und bei­ de sind auch heute noch dicke Freunde. Abseits der Sc han ze vergnüg en sich die zwei hin und wie der beim Motocross. „Duffi“ ist sogar Vereins­ mitglied beim Motor-Sport-Club Hornberg. Christof Duffner / – ■» ‚ * war nie ein Mann der großen Wortel aber dafür einer für die weiten Sprü ng e und Flü­ ge . Bei 219l5 Me­ tern liegt s e i n e Best- marke. Außerdem war er der erste Skispringer überhauptl der die 200-Me- ter-Marke überspringen konnte. Sympathischer Werbeträger für Schönwald Doch „Duffi“ ha tn ichtnur sp or tlich beeindruckt. Trotz seiner großen Erfolge blieb er besc heiden und kehrte i m m er wied er gerne zu seinerMutter Lucia nach Hause zurück. Er war und bleibt ein Sympathieträger und für s e i n e Heimatgemeind e Schönwald auch über Jahre hinweg ein toller Wer­ beträger. Im Rummell der die vergangenen Jahre um d a s Skispringen ge mach t wurdel behielt der 32-jährige immer die Bodenhaftung und kritisier­ tel d a s s der eigentliche Sport heutzutage in den Hintergrund rückt: „Früher war e s schöner und ka­ meradschaftlicher.“ Der heutige Skisprung-Zirkus ähnelt für ihn eher einer F ern sehshow wie etwa „Deuts chland sucht den Superstar“ als einer Sportveranstaltung. Zusammen mit seinem österreichischen „Sp e­ zi“ Andreas Goldberger durfte Christof Duffner alsers ter S k is p r in ger au fe in e n e igene n Fan-Club stolz sein. Der „Duffi“-Fandub begleit ete ihn in s einer langen Karrierel war bei s e in e n größten Erfolgen mit dabei und feierte si e z u sam m e n mit „Duffi“. Und auch bei Misserfolgen sta nde n s e i ­ ne Fans immer hinter ihm. Sie haben ihn einfach gernl weil er über die g e sa m te n Jahre hinweg im­ mer der „Duffi“ ge blie be n warl den si e von An­ fang an kannten: Einerl der s e in e n Sport ernst im und sp äter einmal Nachwuchsbereich als Trai­ ner tätig sein. Außerdem kann Christof Duffnerl der am 16. Dezem be r 1971 z u ­ sa m m e n mit seiner Zwil­ lin g ss ch w es ter Martina in Triberg auf die Welt kaml noch eine a b g e s c h l o s s e n e Lehre als Werkzeug­ macher vorweisen. „Zieh, Duffi, zieh“! Damit ist es nun vorbei, „Duffi“ hat seine Karriere beendet. Skispringen o h n e „Duffi“ ist eigentlich kaum vorstellbar. Immerhin hat der Kult-Springer noch etwa 20 Paar Sprungski im Keller ste he n („Die werde ich wohl verschenken“). Doch ab dem kom­ menden Winter wird der Sc hö nwä lder die Wett­ be werbe nur noch als Zuschauer verfolgen. Mit Freundin Manuela wird er nach vielen Jahrenl in denen er von einem Ski-Ort zum nächsten reistel nun in s e in e m Heimatort häuslich und will „viel­ leicht bald eine Familie g ründen“. Wer weißl vielleicht geht ja in einigen Jahren bald ein neuerl kleiner „Duffi“ über Schwarzwäl­ Christof Kaltenbaih der Schan zen? 2 8 9

Sport Hans-Jörg Reuter schreibt Geschichte Erstmals wird ein Schw arzw älder Juniorenw eltm eister in einer Einzeldisziplin Hans-Jörg Reuter etabliert sich im­ mer mehr in der internationalen Spit­ ze: Zum wiederh olten Male gelang ihm mit der Mannschaft bei den Juni­ orenweltmeisterschaften der Sprung auf den o berst en Stockerl-Platz. Im Jahr 2 0 0 2 hatte e s das erste Mal g e ­ klappt. Er holte bei den Juniorenwelt­ meistersc ha ften in Ridnaun/Italien Gold mit der Mannschaft. Dieses Jahr gelangihm der gleiche Erfolg. Im 1700 Meter hoh en französischen Haute Maurienne gewann er mit der Mann­ schaft Gold. Und er setzte noch einen drauf: Auch in der Einzeldisziplin auf 15 Kilometer holte sich der Schönwälder Biathlet die Goldmedaille. Ein Erfolgfürden ge samten Ski­ verband Schwarzwaldl der lange auf sich warten ließ. Mit d ie se n Erfolgen b e w e ist Hans-Jörg Reu­ terl d a s s er für s e i n e weitere sportliche Karriere g e w a p p n e t ist. De r W egz um Erfolg ist allerdings alles andere als e b e n und gerade. Bis e s erst ein ­ mal so w ei t warl m u s ste derSc hö nw älder rackern was d a s Zeug hergab und auch viel Freizeit inve s­ tierenl die so manch anderer junger Mensch viel lieber mit Freunden zubringt. Doch ihn zieht e s sc hon seit jeher mit den Brettern auf die Piste. Seit nunmehr elf Jahren ste h t der 20-Jährige auf den Skiernl in den ersten Jahren jedoch zunächst als Langläufer: Eine Zeitl die sich sicherlich po­ sitiv auf s e i n e jetzigen Erfolge auswirktel lernte er doch so zunächst einmal die richtige Lauftech­ nik und konnte sich bei se in e m Um stieg mehr auf die Schießdisziplin konzentrieren. Nachdem nämlich sein bisherigerTrainerGün- ter Faller den Biathlonsport entdeckt und auch beim Sc hönw älder Skiclub üb ernommen hattel wollte Hans-Jörg d i e s e Variante s e l b s t einmal ausprobieren. Kurz daraufw ard ie Entscheidung getroffen: der Biathlon sollte die sportliche Lauf­ 2 9 0 Hans-Jörg Reuter: Der Sihönwälder Biathlet hat bei der Juniorenweltmeistersihaft eine Silber- und eine Goldmedaille gewonnen. bahn de s jungen Schönwälders in Zukunft prägen. Und wie man heute siehtl hat sich die se Entschei­ dung geloh nt. Bereits vor knapp fünf Jahren fand man den Namen Hans-Jörg Reuter in den Sie ger ­ listen der d e u ts c h e n Meisterschaften und der Deutschlandpokale s te ts ziemlich weit vorne. In sb eso n de re durch s e i n e hervorragenden Ergebnisse im S c hie ße n brachte er die Konkur­ renz schier zurWeißglut. Dazu kam noch seine be­ achtliche Konditionl und schon ließ er die Konkur­ renz hinter sich. Die Ausdauer holte sich Hans- Jörg Reuter durch Lauf- und Konditionstrainingl d a s noch zu Schulzeiten s e c h s bis si e be n Mal die Woche an stan d. Hier be gann sc hon einmal der steinige Weg. Hinzu kam das Schießtrainingl da s neben der schu li sch en Laufbahn den T ag esa b­ laufvoll ausfüllte. In einem Interview im Jahre 2 0 0 0 z ei gte der damal s 16-jährige Hans-Jörg aufl w as Leistungs­ sport einem jungen Menschen ab ve rlangt-zuer st kommt nämlich der Sport und dann lange gar nichts: „Freizeit – d a s gibt e s bei mir den S o m ­

Hans-Jörg Reute r behielt die Nerven und holte sich schließlich die Goldmedaille im Einzel. Bei den folgenden Sprint- und Verfolgungs­ wettkäm pfen lief es für Hans-Jörg nicht optimal, obwohl er trotzdem jeweils unter den besten zehn der Welt landete. Im Sprint schlug ihm die Höhe voll ins Gesicht, weshalb er läuferisch nicht das Maximum aus sich herausholen konnte, und in der Verfolgung machte er schließlich noch zwei Plätze gut und landete auf Rang 8. Bei der Staffel ging er als Startläufer auf die Strecke, schoss anfangs schlecht und hatte nach dem letzten Schießen rund 20 Sekunden Rück­ stand auf den Erstplatzierten. „Ich hatte richtig Wut im Bauch und lief, was das Zeug hergab“ , so Hans-Jörg im Interview m it dem Skiclubvo rsit­ zenden Hans-Georg Schmidt. Die Wut reichte aus, und so übergab er einen Vorsprung von drei Se­ kunden an seinen Teamkollegen. Damit war der Grundstein für die zweite Goldmedaille gelegt. Hans-Jörg Reuter konnte damit bei seiner letz­ ten Teilnahme an den Juniorenweltmeisterschaf­ ten sein Ziel mehr als eindrucksvoll erreichen. Nun wird er bei den „Erwachsenen“ zeigen müs­ sen, was er kann. Doch die Trainer sind sich sicher, dass Hans-Jörg auch do rt seinen Mann stehen wird. In der kommenden Saison wird er im B-Ka- der des Deutschen Skiverbandes starten. Viel­ leicht werden w ir ihn bald auch bei Weltcups und W eltmeisterschaften im Fernsehen verfolgen dürfen. Das Potenzial hat der Schönwälder auf Wolf-Wilhelm Adam alle Fälle. mer über nur an wenigen Wochenenden und im Winter eigentlich überhaupt nicht!“ Eine Aussa­ ge, die sicherlich viele von einer solchen s p o rtli­ chen Karriere zurückschrecken lässt. Hans-Jörg hingegen ließ sich davon nicht abschrecken. Und es zahlte sich für ihn aus. Jahrelanges, hartes Training Zum ersten Mal in der Geschichte des Skisportes wurde ein Schwarzwälder Juniorenweltmeister in einer Einzeldisziplin. Dass dieser Erfolg mit dem Namen Hans-Jörg Reuter verbunden ist, ist sicher nicht zuletzt auf das unablässige Training und das Durchhaltevermögen zurückzuführen, das der Schönwälder zur Genüge sein eigen nen­ nen kann. Und dass dieser Weltmeister aus Schön­ wald kom m t, ist auch der Erfolg des gesamten Umfeldes und der Trainer, die wohl zu den bes­ ten auf der Welt gehören, wie der Ehrenpräsident des Skiverbandes Schwarzwald, Fredy Stober, anerkennt. Beim Empfang der Gemeinde Schön­ wald im Februar 2004 erzählte der 20-Jährige, wie es wirklich war – im französischen Haute Mauri- enne. „Es war absolut genial!“ , so die knappe Zusammenfassungvon vier W ettkämpfen, an de­ nen Hans-Jörg Reuter teilnahm . Das erste Rennen war der Einzelw ettkam pf auf 15 Kilometern. Hans-Jörg füh lte sich schon vor dem Start ziemlich gut, weshalb ervorsichtig an einen M edaillenrang dachte. M it der S tart­ num m er 34 ging er ins Rennen und konnte die ersten drei Schießen mit null Fehlschüssen beenden. „N ach­ dem ich das dritte Mal m it null Fehl­ schüssen rauskam, musste ich schon an den möglichen Sieg denken. Doch ich wusste, dass ein winziger Fehler alles zunichte machen könnte, also verdrängte ich diesen Gedanken, bis ich auf der Zielgeraden war“ , so Hans- Jörg Reuter. Beim letzten Stehendan­ schlagschoss er zwar zweimal dane­ ben, wodurch die Konkurrenz noch ein wenig aufholen konnte, doch er Auf dem Weg zu großen Erfolgen, Biathlet Hans-Jörg Feuter.

S p o rt Bronzemedaille bei Weltmeisterschaft M arion Ruf aus Langenbach steht au f Langlaufskiern solange sie w eiß nische Gymnasium der Robert-Gerwig-Schule, was ihr die Förderung durch das Skiinternat er­ möglichte. Vater Helmut ist selbst begeisterter Langläu­ fer. Als erster Vorsitzender leitete er 12 Jahre lang die Geschicke des heimischen Skiclubs; er nahm Marion, wie ihre Schwestern, schon in frühester Jugend zu Wettkämpfen mit. Dort zeigte sich ihr außergewöhnliches Talent, stand sie doch bei fast allen Läufen als Siegerin auf dem Treppchen. Die Erfolge führen in die Nationalmannschaft Dies setzte sich fort auf Verbands- und Landes­ ebene, wo sie sich ihre ersten Titel als Schwarz­ wald- sowie Baden-Württembergische Meisterin holte. Dem Aufstieg vom SSV-Verbandskader zum Landeskader ARGE-Baden-Württemberg folgte die Berufung in den DC-Kader des Deutschen Ski­ verbandes. Hervorragende Leistungen bei natio­ nalen W ettkämpfen wie Deutschlandpokal sowie Deutsche Meisterschaften brachten ihr die ersten internationalen Einsätze beim Alpencup. Durch ihr erfolgreiches Abschnei­ den gelang ihr der Sprung in den DSV-C-Kader, den Nachwuchskader des Deut­ schen Skiverbandes. [MO.MiL Dass gerade im kleinsten Ortsteil von Vöhrenbach eine zweifache Bronzemedaillengewinnerin der Juniorenweltmeisterschaft im Skilanglaufzu Hau­ se ist, darauf sind die Langenbacher besonders stolz: schließlich begann die Karriere der gegen­ wärtig bekanntesten Einwohnerin des 300 köp- figen Dorfes auf der Langlaufloipe Friedrichshöhe, die fast am eigenen Haus vorbeiführt. Die Rede ist von Marion Ruf, der 19-jährigen Abiturientin des Technischen Gymnasiums in Furt- wangen und sportlichem Aushängeschild des Ski­ clubs Vöhrenbach. Nie zuvor in der inzwischen über neunzigjährigen Vereinsgeschichte, konnte ein S portlerdes Vereins solch herausragende Er­ folge erzielen. Und dies sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Die Langlaufskier wurden ihr fast schon in die Wiege gelegt, im schönen Glasbachtal, abseits der Verbindungsstraße zwischen Vöhrenbach und Un- terkirnach, liegt idyllisch gelegen der große Tudi- senhof, das Elternhaus von Marion. Geboren wurde Marion am 5. Januar 1985, als Jüngste der vier Mädchen von Ursula und Helmut Ruf. Zu­ sammen mit ihren Schwestern An­ drea, Bettina und Cornelia wuchs Marion auf dem e l- K . terlichen Bauernhof, e i – . nem typischen Milchvieh-*1 betrieb auf. Arbeit gab 1 stets genug, so dass wecfl selnder Statldienst und M ith ilfe im Haushalt füiv sie und ihre Geschwister selbstverständlich wa­ ren. Nach der Grund schule in Vöhrenbach wechselte Marion zi Realschule in Furtwä‘ gen, später auf das t Marion Fuf aus Vöhren- bach-Langenbach beim Wettkampf. 292 Dadurch wurde sie regel­ mäßig zu Trainingslehrgän­ gen des DSV eingeladen, im Herbst 2003 erfolgte dann die offizielle Ein­ kleidung m it der Natio­ nalmannschaft. Ein w ich­ tig e r Aspekt, denn nun wurde die kom plette Aus­ rüstung vom Verband bzw. von Sponsoren ge­ stellt. Dies ist auch in fi­ nanzieller Hinsicht von

Bedeutung, wenn man bedenkt, dass bei W ett­ kämpfen zwischen acht und zehn Paar Skier m it­ geführt werden müssen. Das Jahr 2004 brachte dann den endgültigen Durchbruch. Schon bei den Deutschen Sprintmeis­ terschaften in Rottach-Egern zeigte sich Marion in Bestform und wurde Vizemeisterin auf der Sprintstrecke. Bei den darauffolgenden Deutschen M eisterschaften in O berwiesental gewann sie gleich zwei Titel in der Juniorenklasse. Bereits zum A uftakt gewann sie außerdem im Einzelrennen über fü n f Kilometer die Bronze-Medaille. Den größten Erfolg verbuchte die 19-jährige bei der Juniorenweltmeisterschaft 2004 im nor­ wegischen Stryn. Ohne große Erwartungen reiste Marion nach Norwegen. Schon beim ersten Wett­ bewerb, dem Massenstartrennen über 15 Kilo­ m eter klassisch, stürm te die Ausnahme-Lang- läuferin sensationell auf den dritten Platz. Bei ihrem zweiten Einsatz über fü n f Kilometer Ska­ ting belegte sie im Feld der 75 Teilnehmerinnen aus 30 Nationen einen ausgezeichneten 15. Platz. Im 4 x 5 Kilometer S taffellauf setzte sie als Schlussläuferin nochmals ihre ganze Energie ein und brachte die Mannschaft dadurch auf den drit­ ten Platz. Für die hoffnungsvolle Schwarzwälderin war dies nach ihrer sensationellen Einzelmedail­ le bereits das zweite Edelmetall. „Wir alle sind stolz auf dich!“ Ein , j Trainings­ plan von Landestrai­ ner Frank Grüber sorgt dafür, dass das Leistungsni­ veau nicht ab# sinkt. Tägliches Joggen oder Ski- rollern auf d q j , W eißenbacher’& l J Skirollerstrecke- im Sommer und im W inter auf den Skiern er­ möglichtes, d Jahressoll 5300 K ilom e^ tern zu erfüllen. ‚ Hinzukommen ausgewogenes Kraft­ training, Lehrgänge im Leistungszentrum Herzo- genhorn au f dem Feld­ berg sind obligatorisch. Marion Fuf m it ihren vielen uokalen. Auch die ausgewoge- ne, gesunde Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs. Auch M ut­ ter Ursula kocht entsprechend, wenn Marion ge­ rade zu Hause weilt, was nicht mehr allzu oft der Fall ist, denn die W ettkämpfe beginnen im De­ zember und dauern bis März, von Mai bis Dezem­ ber ist Training m it Lehrgängen angesagt. Ein berauschender Empfang bereiteten ihr viele Fans, als sie in ihrer Heim atgemeinde Vöhren- bach eintraf. Bürgermeister Robert Strumberger begrüßte Marion m it den Worten: „M a rio n , du hast die Sensation geschafft. Wir alle sind stolz auf dich.“ Solch einen herzlichen Empfang hatte die sympathische Sportlerin nicht erwartet und bereitw illig ließ sie sich feiern. Ein Jahr zuvor sicherte sich Marion bei der europäischen Jugendolympiade in Slowenien auf der fü n f Kilometer-Strecke im klassischen Einzel von 80 Teilnehmern den achten Platz, und mit der deutschen Staffel rückte sie von 32 M ann­ schaften auf Platz vier. Neben dem angeborenen Talent benötigt ei­ ne Sportlerin der Weltelite wie Marion auch eine gehörige Portion Selbstdisziplin und Ehrgeiz. Auch als Bronzemedaillengewinnerin betei­ lig t sich Marion auch heute noch an den sp o rtli­ chen Höhepunkten des Skiclubs Vöhrenbach. Ob­ wohl die W ettkämpfe sicher nicht ihren Anforde­ rungen entsprechen, sieht es Marion als Ehre an, daran teilzunehmen. Was deutlich macht: Trotz ih­ rer Erfolge blieb Marion stets auf dem Boden der Tatsachen, ihre natürliche Ausstrahlung, ihr sym­ pathisches Wesen sind m indestensgenausoviel wert wie jeder sportliche Erfolg. Nach bestandenem A bitu r im Jahr 2004 ge­ hört Marion Ruf nun der Sportfördergruppe der Bundeswehr an und bereitet sich gegenwärtig auf die Weltmeisterschaften 2005 in Finnland vor. Dort w ill sie sich durch entsprechende Leistun­ gen für den Damen-B-Kader der N ationalm ann­ uraxedis Dorer schaft qualifizieren. 293

2 0 . Ka p i t e l Th e a t e r Christoph Sieberein Comedy-Star Der gebürtige Niedereschacher gib t pro Jahr bundesw eit bis zu 2 0 0 Vorstellungen – Ein Ab­ solvent der Essener Folkwangschule Dass der Schwarzwald-Baar-Kreis offensichtlich eine gesunde Brutstätte für Kreatives sein muss, zeigten bereitszahlreicheKünstlerportraitsinden vergangenen Ausgaben des „Almanachs“ . Im Be­ reich Kabarett und Comedy steht da seit einigen Jahren ein Künstler aus hiesigen Gefilden stam­ mend an der Spitze derer, die bundesweit erfolg­ reich agieren: Christoph Sieber. Geboren ist die­ ser allerdings noch im „A u sla n d “ , in Balingen. Dort erblickte er 1970 das Licht der Welt. Doch bereits als er ein Jahr alt war wechselte die Fami­ lie nach Niedereschach: Papa Sieber wurde dort zum Bürgermeister gewählt und hat dieses Amt noch heute inne. schlagen, entsprach da eher seinen Vorstellun­ gen. Doch zuerst musste ja eh de rZ ivild ie n sta b – geleistet werden, und so verschlug es ihn zum Verein „A m sel“ , der sich um die Bedürfnisse von an M ultiple Sklerose erkrankten Menschen küm ­ mert. „Da hat es m ir so gut gefallen, dass ich mir zu der Zeit durchaus auch vorstellen konnte, ei­ nen sozialen Beruf zu ergreifen“ , kom m entiert Sieber. Doch dann wurde der Wunsch, Leute un­ terhalten zu wollen, doch im m er stärker. Aus­ schlaggebend hierfür war ein Artikel in der „IWZ“ über das „Massentheater Habbe & M eik“ , das aus Absolventen der Folkwangschule Essen be­ stand. Sieber bewarb sich an der renommierten Dass Klein-Christoph einmal mit m o­ derner Clownerie sein Geld verdienen wird, stand in dessen Kindertagen keineswegs fest. Obwohl er sicher auch gern in den Zir­ kus ging, lag ein derartiger Berufswunsch fern. Sieber hatte eigentlich während sei­ ner Kinder- und Jugendzeit keine konkreten Vorstellungen über einen zukünftigen be­ ruflichen Werdegang. Nach dem Besuch der Niedereschacher Grundschule ging es an das Gymnasium Am Hoptbühl in VS-Vil- lingen. Besonders gern erinnert sich Sieber an die ABI-Fete 1989: „Unser Jahrgang war der erste, der aus einer ABI-Feier eine re­ gelrechte Fete mit Bands und viel B rim bori­ um machte.“ Obwohl er schon damals gern den Klassen-Clown spielte und bei verschie­ denen Anlässen hum oristische Einlagen brachte, dachte er auch damals noch nicht konkret daran, daraus einen Beruf zu ma­ chen. Sich als Fotograf durch das Leben zu Christoph Sieber aus Niedereschach hat sich in der bundesweiten Kabarett-Szene fest eta­ bliert. Seine Ausbildung hat er an der Esse­ ner Folkwangschule erhalten. 294

Folkwangschule. „H ätte ich dort die Aufnahm e­ prüfung nicht bestanden, hätte ich mein Anlie­ gen an den Nagel gehängt“ , so Sieber. Er bestand, und zwar m it Bravour und konnte im Jahre 1991 das erste Semester, von insgesamt acht in der Sparte „Pantom im e/C low nerie“ antreten. Schon während seiner Studienzeit machte sich Sieber einen Namen vornehm lich im süddeutschen Bereich. Aus Auftritten im Freundeskreis wurden professionelle Gastspiele, auch außerhalb der Schwarzwaldgrenzen. „Das hatte so eine Art Schneeballwirkung, meist nur durch Mundpro- paganda ausgelöst“ , kom m entiert Sieber. „Test-Student“ an der „Comedy-Schule Köln“ In Essen sah man solche Aktivitäten allerdings nicht so gern, waren die dortigen Professoren doch der Meinung, dass ihre „Schützlinge“ doch zuerstdieTh eoriegrü nd lich erlernen sollten, be­ vor sie dann als ausgebildeter Folkwangschüler auf die Ö ffentlichkeit losgelassen wurden. Clow­ nerie mit Körpersprache und Pantomime im Rah­ men eines regelrechten Studium s zu erlernen, war zur damaligen Zeit noch recht neu und die Folkwangschule zählte zu den ersten deutschen Einrichtungen, die diesen Studiengang anbot. Mitte der Neunziger wurde in Köln eine Co­ medy-Schule eröffnet und Sieber gebeten, sich doch als „Test-Student“ zur Verfügung zu stellen. Es hatte sich in der Szene inzwischen herumge­ sprochen, dass in Essen einige begabte Jung-Ko- mödianten erfolgreiche Abschlüsse erzielt haben. Sieber arbeitete am Konzept der Kölner fleißig m it und kam zu dem Entschluss, dass eine Eta­ blierung dieser Schule w ohl sehr schwer sein würde. Inzwischen hat sich die „Comedy-Schule Köln“ wieder aufgelöst. Doch Sieber war w eiterhin auf Erfolgskurs. Durch kontinuierliches Arbeiten am persönlich­ en Stil und anstrengende Selbstverm ittlung und Tingeln, gelang es ihm, sich bundesweit einen fes­ ten Stamm an Veranstaltern und begeistertem Publikum zu sichern. Kein Wunder, seine Program­ me widerspiegeln allesamt seine Vielfalt künst­ lerischen Könnens. Neben den Varianten des „Kör­ pertheaters“ bietet Sieber auch artistische Ein­ lagen auf dem Hochrad und durch einfallsreiches Christoph S ie b e r Jonglieren. Dazu kom m t ein kräftiger Schuss Ka­ barett, für den Sieber, teils hoch aktuell, alle Tex­ te selbst schreibt. Die Frage, ob nur die studierten Comedians kün ftig eine Chance hätten, verneint Sieber: „Es kom m t stets auf den guten Witz an, und da ist es egal, ob der von einem talentierten A uto did ak­ ten oder eben einem Absolventen einer Comedy- Schule kom m t.“ Bei Sieber jedenfalls „k o m m t“ der gute Witz, denn wie sonst ließe sich seine Voll­ beschäftigung von 150 bis 200 Auftritten jährlich erklären. Obwohl er seit seinem Studium in Essen lebte und vor kurzem nach Wiesbaden umgezo­ gen ist, hat Sieber den Kontakt zur Heimat nicht verloren. Neben regelmäßigen Besuchen bei den Eltern, lässt er sich nach wie vor gerne zu Veran­ staltungen der heimischen Region einladen. Ob in VS-Villingen beim „S p o rtle rb a ll“ , „Innenhof- Festival“ und „M eiste rfe ier“ der IHK oder bei vie­ len weiteren Veranstaltungen: Sieber ist stets ein gern gesehener Gast, der auch als Prophet im ei­ genen Lande etwas gilt. Einen „Schub nach vorn“ in Siebers Karriere gab es noch, als er im Jahre 1998 seinen heutigen Manager kennenlernte, der einen neuen Exklu- siv-KUnstler suchte. „Das war ein Glücksfall für mich, Jörg Schmidt verfügt über all die Kontakte, die ich noch nicht hatte.“ Dabei geht es Schmidt nicht darum, Sieber unter allen Umständen ver­ markten zu wollen. Der künstlerische Anspruch steht auch bei ihm im Vordergrund. Aber der lässt sich ja auch auf den zahlreichen Galas, bei de­ nen Sieber inzwischen zu Gast ist, verwirklichen. Es stellt sich durchaus die Frage, warum man denn Sieber so selten im Fernsehen sieht, und bekom m t die Antwort, dass man eben auch da im Zeitalter der „kom ödia ntisch en Tiefflieger“ nicht jedes Angebot annimm t. Ja, und die guten Angebote, in einer anspruchsvolleren Unterhal­ tungssendung aufzutreten, sind nun mal dünn ge­ sät. Macht nichts, Sieber hat es auch so geschafft, in der bundesweiten Comedy-Welt Fuß zu fassen. Füdiger Klotz Aktuelle Programm-Fotos gibt es unter: w w w .c h r is t o p h -s ie b e r .d e 295

2 i . Ka p i t e l Ly r i k d e r H e i m a t Die Baar als literarischer Schauplatz Joseph Victor von Scheffel in Donaueschingen das System unserer Bibliothek zu Donaueschingen einer Revision zu unterwerfen, die Ordnung der­ selben herzustellen, wo sie fehlt, die Katalogisierung fortzusetzen und zu begutachten, wie die Laß- bergsche B ibliothek eingereiht werden kann“ : So lautete der Ar­ beitsauftrag, den Fürst Karl Egon III. im Oktober 1857 seinem neuen Bibliothekar, dem Karlsruher Dichter Joseph Vic­ tor von Scheffel (1826 -18 86 ) erteilte. In der Ab­ sicht, den kommenden W inter am Neckar zu ver­ bringen, hatte sich Scheffel eben erst in Heidel­ berg eingemietet, als er erfuhr, dass für die Fürst­ lich Fürstenbergische Hofbibliothek ein neuer Ver­ walter gesucht wurde. Da man in Donaueschin­ gen wusste, dass Scheffel zwar an einer geregel­ ten Tätigkeit interessiert war, zugleich aber fes­ te und längere Bindungen scheute, entw arf Karl Egons Dom änendirektor Johann Nepomuk Pres- tinari eine Vertragsklausel, die Scheffel entgegen­ kam: Nach A blaufeines Jahres sollten beide Sei­ ten entscheiden können, ob aus der pro visori­ schen Anstellung eine definitive werden sollte. Scheffels U m zugauf die Baar, fü rd e n 15. No­ vem ber vorgesehen, verzögerte sich allerdings um zwei Wochen, denn kurz vor seiner Abreise er­ reichte ihn eine Einladung auf die Wartburg, die ihn in einen „w ahren Konflikt von Neigung und Pflicht“ stürzte. Einerseits wollte er möglichst bald sein Amt am Donaueschinger Hof antreten, ande­ rerseits mochte er seinen Gönner, Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach, nicht enttäuschen. So bat er denn Prestinari um Aufschub seines Dienstbeginns und reiste zu­ nächst nach Thüringen. Der Besuch auf der Wartburg blieb allerdings nicht ohne Folgen: Angeregt durch das riesige Sängerkriegsfresko Moritz von Schwinds im Saal der W artburg en tw arf Scheffel in Gedanken ei- 296 loseph Victor von Scheffel, Scheffel- ulakette der Firma Mayer & Wil­ helm, Stuttgart, erstes Viertel des 20. Jahrhunderts. nen Roman, der im H ochm ittelal­ ter, zurZeit der Kreuzzüge, spielen sollte und in dem er das ganze Panorama höfischer Kultur auszu­ breiten gedachte. M it dem Ver­ sprechen, ein solches Epos zu schaffen, verab­ schiedete sich Scheffel vom Weimarer Großher­ zog. Der Gedanke an die W artburg und die Idee des neuen Romans ließen Scheffel fortan nicht mehr los. Die berechtigte Erwartung, in der Fürst­ lich Fürstenbergischen B ibliothek auf das Quel­ lenschrifttum für die im Roman zu schildernde Epoche m ittela lterliche r Geschichte zu stoßen, nahm dem Konflikt zwischen der Donaueschinger und der Weimarer Verpflichtung zunächst e in i­ ges von seiner Schärfe. Das Engagement in Do­ naueschingen stand dam itallerd ing svon Anfang an unter keinem günstigen Stern. Am 1. Dezember 1857 tra f Scheffel in Donau­ eschingen ein, „ad fontes Danubii“ , wie er in An­ spielung auf die Donauquelle den Ort kün ftig zu bezeichnen pflegte. Voller Tatendrang, „sich wie ein Hamster in die Folianten und Handschriften einzuw ühlen“ und überzeugt davon, „d a ß was Ordentliches für ihn dabei herauskomme“ , stürz­ te er sich in die Arbeit. Dabei verfolgte er im mer zwei Ziele zugleich: Einerseits hatte er p ra kti­ sche bibliothekarische Handgriffe auszuüben, an­ dererseits dachte er an den geplanten W artburg­ roman. Seinem Weimarer Mäzen schrieb er: „Wie manches mal, bei deraugenanstrengenden aber reizvollen Musterung der mir anvertrauten Hand­ schriften, schwenken meine Gedanken und flie ­ gen zum Saale des Sängerstreites…“ . Er bat den Großherzog, ihn nicht jetzt schon aus seinem

„Bücherfrieden“ abzurufen, dam it er den Aufent­ halt in Donaueschingen in Ruhe für sein Litera­ turpro je kt nutzen konnte: „Ich habe zur Zelt den aufrichtigen Wunsch, wie eine Biene um meine hiesigen Handschriften schwärmen und ihren Ho­ nig saugen zu dü rfen.“ Die erwähnten Handschriften waren erst w e­ nige Jahre zuvor nach Donaueschingen gelangt. Das Haus Fürstenberg hatte sie 1853 zusammen m it rund 1 0 00 Urkunden, 11000 Büchern und ei­ ner nicht näher bezifferten Zahl von Gemälden Alter Meister dem alternden Joseph Freiherr von Laßbergfür 27 000 Gulden abgekauft. Nach Laß­ bergs Tod 1855 wurde die wertvolle Privatbiblio­ th e k vom Alten Schloss in M eersburg nach Do­ naueschingen überführt, konnte dort aber aus Platzgründen zunächst nicht aufgestellt werden. Erst nach dem Umzug der Bibliothek in die frei­ gewordene Domänenkanzlei im Jahre 1861 ließen sich die 68 Bücherkisten auspacken. Die Hand­ schriften hingegen wurden von Scheffel umge­ hend gesichtet, in speziell angefertigten Glas­ schränken aufgestellt und schließlich Stück für Stück katalogisiert. Im Juni 1858, als sich schließlich das Ende der mehrere Monate beanspruchenden Hand­ schriftenbeschreibung abzeichnete, erhielt Schef­ fel von Fürst Karl Egon die großzügige Erlaubnis, sich ab sofort auf die Erledigung der laufenden Bibliotheksgeschäfte zu beschränken und die Vor­ m ittagsstunden für eigene literarische Arbeiten verwenden zu dürfen. In den reichen Donauesch- inger Bibliotheksbeständen, besonders aber im Nachlass Laßbergs, fand er genügend Material für eine Stoffsam m lung. Dem freundschaftlich zu­ geneigten Kommandanten der W artburg, Bern­ hard von Arnswald, ließ er m itteilen, dass e r„im Stillen und ganz leise, a b e rtä g lich “ an dem neu­ en Werk arbeite und allmählich ein anschauliches Bild vom 13. Jahrhundert gewinne, aus dem einmal „eine schöne W artburggeschichte vom Sänger­ krieg“ werden könnte. Scheffel auf Wanderschaft Anregungen fürseinen Roman bezog Scheffel je­ doch keineswegs allein aus schriftlichen Quel­ len. Bereits seit dem Frühjahr nutzte er vielm ehr S cheffel in Don au eschin g en je d e fre ie Z e itzu ausgedehnten Wanderungen im nahen und weiteren Umkreis der Residenz. Im­ mer w ieder trieb ihn das Verlangen, „jezuweilen die Bücherei abzuschließen und die W anderta­ sche des Fahrenden um zuhängen“ , wie er sagte. Freunden und Verwandten berichtete er von seinen Wanderungen und Erlebnissen. Die Land­ schaften des Schwarzwalds, der Baar und des Hegaus boten fast unerschöpfliche Gelegenhei­ ten, der großen W anderlust nachzugeben, die Scheffel Zeit seines Lebens verspürte. Beson­ ders gerne folgte er dem Lauf von Wutach und Gauchach. M it Vorliebe hielt er Rast im Achdor- fer Gasthaus „L in d e “ , dem er ein poetisches Denkmal setzte und welches sich nach Scheffels Tod durch die Umbenennung in „S cheffellinde“ erkenntlich zeigte. Im früheren Eingangsbereich des Gasthauses hängt jenes bekannte Gemälde, das Scheffel im Beisein eines Kollegen und der W irtsleute zeigt. Weitere Bildnisse des Dichters schmücken die W irtsstube. Die unterwegs aufgesuchten Orte, die Natur- und Kulturdenkm äler, die Sehenswürdigkeiten der Gegenwart und die steinernen Zeugen der Ver­ gangenheit inspirierten Scheffels dichterische Phantasie. Sie finden sich nicht selten als Schau­ plätze literarischer Handlungen in seinen Gedich­ ten und Erzählungen wieder. Ein Beispiel dafür ist die Novelle „Juniperus. Geschichte eines Kreuz­ fahrers“ , die bei einer ausgedehnten Wanderung Gestalt annahm. Sie spielt auf der Baar, in der W utachschlucht und am Rheinfall. Dorthin fü h r­ te sein Weg im m er dann, wenn er für seinen Dienstherrn in dem au f einer Halbinsel unweit von Schaffhausen gelegenen Kloster Rheinau Ur­ kunden abzuschreiben hatte. Seinen Held Gott­ fried, genannt Juniperus, ließ Scheffel auf der Burg „Neuenhewen“ zu Hause sein, einer im fürsten- bergischen Besitz befindlichen Ruine im Hegau, die schon zu Scheffels Zeit das „Stettener Schlöß- lein“ genannt wurde und Sitz der Herren von He- wen gewesen war. Die Stammburg von Gottfrieds Freund und Ri­ valen Diethelm von Blumenegg verortete er ober­ halb derW utach, wo heute noch die Ruine Blum ­ egg zu finden ist. Und als Heimat Rothrauts von Alm ishofen w ählte er Allmendshofen, Sitz der Herren von Almshofen, die ein hochm ittelalterli­ ches, auf der Baar begütertes M inisterialenge­ 29 7

Scheffel in Donaueschlngen schlecht gewesen waren. Den ungewöhnlichen Vornamen entnahm er der Sage „Ruchtraut von Allmendshofen und die Kirche von M istelbrunn“ . Dass Scheffels J u n ip e ru s “ anfangs nur als eine Episode des großen W artburgromans ge­ dachtwar, lässt die Rahmenhandlung erkennen. Der Dichter w ählte hierfür das Heilige Land zur Zeit des dritten Kreuzzugs: Als Reaktion auf die Eroberung Jerusalems durch Sultan Saladin bre­ chen die abendländischen Ritter m it großer Be­ geisterung zum Kampf um die Pilgerstätten auf und belagern im Jahre 1190 Akkon. Die beim An­ g riff auf die Stadt verletzten Ritter erholen sich im Kloster Berg Karmel. Um die Langeweile w äh­ rend des Lazarettaufenthaltes zu vertreiben, er­ zählen sie einander ihre Geschichte. Was hatte den Hegauer Ritter Juniperus dazu gebracht, „das Kreuz zu nehmen“ ? Hintergrund ist der Wettstreit um ein Mädchen. Gottfried von Neuenhewen und sein Jugendfreund Diethelm von Blumenegg haben beide ein Auge auf Rothraud, Tochter des Markwart von Almisho- fen, geworfen. Bei einer Fastnachtsveranstaltung versuchen beide Ritter die Aufm erksam keit des Mädchens zu gewinnen. Das zunächst lustige Trei­ ben m it ausgelassenem Tanz und traditionellem Sprung in den A lm ishofener Q ue lltopf endet in heftigem Streit zwischen Juniperus und Mark- warts Vetter, dem Ritter Bikkvon Almishofen, der seinen Sitz au f der Neuenburg oberhalb der Gauchach hat. Im Verlauf der Fehde töten Junipe­ rus und seine Männer den Burgm üller bei dem Versuch, Bikks Mühle an der Gauchach anzuzün­ den. Wenig später geht auf Neuenhewen ein Vor­ ratshaus in Flammen auf. Zwischen Juniperus und Diethelm kom m t es oberhalb von Schaffhausen zu einem Zweikampf, doch statt den besiegten 298 Diethelm zu töten, schlägt Juniperus seinem Geg- nervor, den Rhein zum Schiedsrichter werden zu lassen: Wer die lebensgefährliche Kahnfahrt den Rheinfall hinunter überstehe, möge Rothraud be­ kommen. Diethelm ertrinkt, Juniperus überlebt. Als Strafe für den Frevel, ein Gottesurteil gesucht zu haben, verbannt der Abt des Klosters Rheinau Juniperus solange aus der Kirche, bis er an der Be­ freiung des Heiligen Grabes teilgenommen hat. Verbindung zwischen Region und Dichtung „Juniperus“ zeigt be ispielhaft die enge Verbin­ dung zwischen Region und Dichtung: die Novel­ le spiegelt dam it am deutlichsten Scheffels Do- naueschinger Zeit wider. Im Unterschied zu be­ kannten Schriftstellern, die reihenweise Romane schreiben konnten, ohne die darin vorkom m en­ den Schauplätze jemals persönlich kennen gelernt zu haben, brauchte Scheffel stets die u n m itte l­ bare Anschauung, suchte den genius loci. Zudem vertiefte er sich in die Fachliteratur, um Land und Leute besser kennen zu lernen. Die Früchte seiner Studien fügte er den Er­ zählungen als seitenlange gelehrte A nm erkun­ gen bei. Auf diese Weise inform ierte Scheffel sei­ ne Leser beispielsweise ü b e rd ie Geschichte der Herren von Hewen, über die Herrschaft Blumen­ egg, über das Kloster Rheinau oder über „d ie Sit­ te, den Ursprung eines Stromes, dessen Wasser als besonders heilig und heilsam galt, durch Hi­ neinspringen und Untertauchen zu verehren“ . Ilm sog. „Donauprotokoll“ , einem mit Goldschnitt verzierten Folianten der Fürstlich Fürstenbergi- schen Hofbibliothek, fand Scheffel diesen alten Brauch für Donaueschingen do kum entiert. Er übertrug ihn auf Allm endshofen. Die dortige Karstquelle, die heute den Namen „Juniperusquelle“ trägt, be- zeichnete er als gleichwertigen „Do- nauquellprätendenten“ . Scheffel und der Hegau-Sänger Fi­ chard Stöcker bei einer Einkehr im Gasthaus zur Linde in Achdorf, Gemäl­ de in der Scheffellinde, Achdorf.

Im Dezember 1858 legte Scheffel Fürst Karl Egon den in 50 Exemplaren gedruckten Katalog de r„H andschriften altdeutscher Dichtungen der Fürstlich FUrstenbergischen Hofbibliothekzu Do- naueschingen“ vor. M it der Vollendung dieses Nachschlagewerkes sah Scheffel den w e se n tli­ chen Teil seines Donaueschinger Auftrages als erfüllt an. Auch wenn ersieh nur schwer zu einer Kündigung bzw. der Nichtverlängerung seines Vertrages entschließen konnte, stand für ihn doch die Absicht fest, das Amt des H ofbibliothe­ kars aufzugeben, um sich ganz dem begonne­ nen Roman widmen zu können. Am 16. April 1859 schloss Scheffel die B ibliothek hinter sich zu. Im Lyrik d e r He im at Juni brach er zu einer längeren Reise auf, um auf den Spuren m ittela lterliche r Dichter in Bayern, Österreich undThüringen persönliche Eindrücke für den Wartburgroman zu sammeln. Immer stär­ ker lastete in den folgenden Jahren der Erfolgs­ druck auf ihm. Doch erst nachdem er die Hoff­ nung endgültig aufgegeben hatte, den verspro­ chenen großen Geschichtsroman jemals zu voll­ enden, holte er das M anuskript der Donau­ eschinger Novelle wieder hervor und ließ es 1867 m it Illustrationen Anton von Werners als eigen­ ständiges Werk erscheinen. LudgerSyre Von Napoleon in „Tanna“… W ie die Glaser von H erzo genw eilervo m G eisterglauben kuriert wurden Im Jahre 1721 schlossen sechs Glasmacher aus der Glashütte am Drehkopf einen „Contract“ mit dem Fürsten Josef Wilhelm Ernst zu Fürstenberg über den Aufbau einer neuen Glashütte im Wald bei Herzogenweiler. Der im Dreißigjährigen Kriege verödete und nun m it neuem Leben erfüllte Ort liegt auf der Ostabdachung des Schwarzwaldes zwischen Bri- gach und Breg, wo der Buntsandstein des Urge- birges in den Muschelkalk der Baar übergeht. Die Dorfbewohner werden daher von Alters her so­ w ohl wegen der geologischen Grenzlage des Or­ tes als auch wegen des eigentümlichen Dialekt­ gemisches von „e ch te n “ Wäldlern „D achtrauf- schwobe“ genannt. Die Glasmacher, die sich selbst „Glaser“ nann­ ten, gelangten bald nach ihrer A nsiedlungzu ho­ hem Ansehen und einigem Reichtum, zumal sie ihre Waren bis in die Schweiz und in das Eisass hinein verkauften. Und wenn sie von den um lie­ genden Märkten kamen, dann klim perten die „Goldfüchslein“ nur so in ihren Taschen. So nahm es nicht Wunder, wenn der Volksmund sagte: „ D ’Glaser messet s’Geld m it em Seschter“ , also m it einem Getreidemaß. Doch nicht nur wegen des Geldes waren die Glaser beliebte Gäste in den umliegenden W irts­ häusern. Nein, sie wußten auch viele Neuigkei­ ten aus der „W e lt“ zu berichten und waren auch sonst fröhliche Gesellen, m it denen man gerne einm al einen über den Durst trank, zumal sie schon von Berufs wegen stän dig eine trockene Kehle hatten. Und wenn dann der Ruferscholl: „M achet Platz, d ’Glaser kum m etl“ , dann rückten die Bauern be reitw illig zusammen und ein man­ cher von ihnen hat dann sein Versprechen schnell vergessen, das er seiner „A lte n “ gegeben hatte, noch vor dem Betzeitläuten daheim zu sein. So soll es auch einmal gewesen sein, als ei­ ne Gruppe Glaser vom Eschinger M arkt herkom ­ mend in der „Restauration Volk“ , dem heutigen „Adler“ in Tannheim einkehrten, um sich noch das eine oder andere „G laserbesteck“ (ein Bier und Schnaps) zu gönnen. Kaum, daß die Fuhrwerke versorgt waren und der letzte Glaser seinen Stuhl zurechtgerückt hatte, da w urden die Neuan- 299

Lyrik d e r H e im at fniêpr der G lasm aiher m 300 Illustration Helmut Groß

köm m linge auch schon von den Einheimischen bestürm t, die letzten Neuigkeiten vom fürsten- bergischen Hof zu berichten. Die Zeiten waren unsicher und der Franzos’ m it dem stolzen Bona­ part’ stand im Land. Gab es wieder Krieg? Und ist schon m it einer Einquartierung zu rechnen? Als alle Fragen einigermaßen zufrieden stellend be­ antw ortet waren, setzte der allew eil zu Späßen aufgelegte „Hölzle-Müller“ eins drauf und schwor Stein und Bein, der Bonaparte sei selber bei den Napoleonischen gewesen, die kürzlich durch „Tan­ na“ in Richtung Freiburg marschiert seien und der Kaiser selber habe ihn nach dem kürzesten Weg gefragt. Um diesen „Bären“ zu verdauen, benötigten die Glaser allerdings noch ein Besteck. Und da sich die Parteien noch im m e rn ich t einig wurden, war auch noch ein drittes notwendig, ehe einer der „reingeschm eckten“ Gäste dann doch zum Auf­ bruch drängte. Doch da kam er an die „lätzen“ (ver­ kehrten). Der junge Flori meinte, er könne unmög­ lich auf drei Beinen nach Hause gehen und da dieses Argum ent allen einleuchtete, beschloss man kurzerhand, sich noch ein „B esteck“ einzu­ verleiben. Ein Leiterwagen voller Hexen So schlug es von derTurmuhr des Klosters bereits elf und der alte Nachtwächter betrat die Gaststu­ be. Respektvoll öffneten die späten Zecher ihren Kreis und ließen den etwas finster dreinschauen­ den Eigenbrötler auf seinen gewohnten Platz im Ofenwinkel, wohin der flackernde Schein des Kienspans nur noch lange Schatten warf. Augen­ blicklich w urden die Stimmen gedäm pfter und bald steckten alle die Köpfe zusammen, um dem Raunen des alten Mannes zu tauschen, dessen beschwörende Gesten keinen Zweifel aufkom- men ließen. Er berichtete von furchtbaren Vor­ kommnissen in den Räumen des Rathauses und von dem Geist eines Verfluchten, der im Sigmun- degässle sein Unwesen treiben soll. Auch be­ richtete er von Hexen, von denen es in „Tannen“ , nach dem eigenen Bekunden des allen bekann­ ten Hexenbanners Göri von Löffingen, einen gan­ zen Leiterwagen voll geben soll. Da wurde es dann doch selbst den Glasern G las er von H e rz o g e n w e ile r und nicht nur wegen der bereits genossenen Be­ stecke ganz m ulm ig zu Mute, zumal sie noch ei­ nen längeren Heimweg durch den Wald vor sich hatten. Einer, den es jetzt b e son derse iligan den heimischen Kamin zog, wollte noch schnell nach den Ochsenfuhrwerken draußen im Hofsehen. Er verließ die Stube auf etwas wackeligen Bei­ nen, kam aber schon nach kurzerZeit wieder zur Türe hereingestürzt. „Do usse schtot en Geischt aber er sait kei W ort“ , kam es tonlos von seinen Lippen. Für einen langen Augenblick verschlug es jetzt auch den Mutigsten die Sprache und es dauerte doch eine gewisse Zeit, bis sich die Gla­ ser vereint aufmachten, um nun ihrerseits dem vermeintlichen Geist „M o re s“ zu lehren. Auf leisen Sohlen, immer einer den anderen vorschiebend, zwängten sie sich zum Ausgang und gewahrten in der Tat im Mondenschein ein riesiges schwarzes Ungetüm, das vom anderen Ende des Hofes unbewegtzu ihnen herüberstarr­ te. „Do sehnet ihr, ich ha Recht ka un er sait au gar n in t“ , flüsterte der zuvor Genannte im tie f­ sten Brustton der Überzeugung. Darauf meinte der Flori keck: „Glaser, ihr mien en halt emol hei­ ße (beim Namen nennen)!“ Da begann der Ange­ sprochene alte Namen des Vermaledeiten mit belegter stim m e in die Nachtzu rufen, ohne Nut­ zen und Erfolg. Da fiel dem armen Glaser nichts mehr anderes ein, als der Name seines Leitstie­ res: „Valentin!“ Da, wie’s derTeufel will, er hob den mächtigen Schädel, so daß zwei lange Hörner sichtbar wurden und brüllte ein lautes „M u u u h “ zur Antwort. jetzt ging auch dem letzten Geisterseher ein Licht auf. Voll Vergnügen schlugen sich die Ge­ foppten auf die Schenkel und jeder schalt den anderen einen Ochsen. Lauthals lachend bestie­ gen die Glaser ihre Fuhrwerke, denn zumindest für diese Nacht waren sie vom Geisterglauben kuriert. nach Xaver Fiesle 301

Almanach-Magazin ■ Notize n aus dem Landkreis Ministerpräsident Teufel nimmt die Glückwünsche von Landrat Karl Heim zum 65. Geburtstag entgegen. M inisterp räsident Erwin Teufel feiert 65 . G eburtstag Auch eine Abordnung aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis hat die Einladungvon Ministerpräsident Erwin Teufelzu einem Bürgeremp­ fang im Hof des Neuen Schlosses in Stuttgart wahrgenommen, wo er am 4. September 2004 seinen 65. Geburtstag feiern konnte. Der dienstälteste Ministerpräsident in Deutschland ist zugleich CDU- Landtagsabgeordneter für den Schwarzwald-Baar-Kreis. 1972 wurdeerzum ersten Malvon den Bürgerinnen und Bürgern des Wahlkreises Villingen-Schwen­ ningen direkt in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt, und inzwischen bei sieben weiteren Landtagswahlen wiedergewählt. Bei der letzten Landtagswahl am 25. März 2001 erreichte Erwin Teufel einen Stimmenanteil von 54,7%, dies ist ein Zugewinn von 3,8 % gegenüber 1996. Angeführt wurde die Delegati­ on des Schwarzwald-Baar-Krei- ses von Landrat Karl Heim, der Erwin Teufel verbunden mit den besten Wünschen ein Präsent überreichte. Fusion der Sparkassen zum 1. Januar 20 0 5 Die beiden großen Sparkassen im Landkreis, die Sparkasse Vil­ lingen-Schwenningen und Do­ naueschingen, haben sich mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zur Sparkasse Schwarzwald-Baarzu- sammengeschlossen. Die Spar­ kassenzentrale wird sich in Vil­ lingen-Schwenningen befinden, ein weiterer Hauptsitz in Donau- eschingen, wo die Sparkasse mit einem modernen Neubau städ­ tebauliche Akzente setzte und damit die Bedeutung des Stand­ ortes Donaueschingen heraus­ stellte (siehe auch S. 86). Bronze bei den Paralympics für Hans-Peter Beier Einen großen Traum hat sich der Schwenninger Hans-Peter Beier bei den Paralympics in Athen er­ füllen können. Beim Finale des 3000-Meter-Rennens im Bahn­ radfahren erreichte der 40-jähri- ge den dritten Platz und damit ei­ ne olympische Bronzemedaille. Der Radfahrer aus Schwennin­ gen leidet an einer Dysmelie-Be- hinderung und übt seine Sport­ art ohne Unterarme und mit ei­ ner Beinprothese aus. Groß war die Freude über den dritten Platz bei den Paralympics natürlich auch in Schwenningen bei der Familie und den Freunden. Beim Zweitliga-Spiel des SERC wurde der Medaillengewinn zweimal „live“ durchgegeben und die Fa­ milie feierte ein großes Fest. In einem Gespräch mit der Presse meinte Hans-Peter Beier auf die Frage, wie er sich denn fühle: „Wie würd’ meeraufschwä- bisch sage? Eifach nur häppy.“ Als einmalig bezeichnete er die er­ lebte olympische Atmosphäre. Eigentlich hatte er 2002 seine Karriere beenden wollen, nun ist Hans-ueter Beier aus Schwennin­ gen, Bronze-Medaillengewinner bei den uaralympics in Athen.

sie mit einer olympischen Me­ daille gekrönt. Ein Schutzgebiet für das bedrohte Auerwild Der Bestand an Auerwild ist in den Wäldern des Schwarzwald- Baar-Kreises seit langem dras­ tisch zurückgegangen. Als Ursa­ chen sind unter anderem die Zu­ nahme der Walddichte und der natürlichen Feinde wie Fuchs, Ha­ bicht und Schwarzwild zu sehen. Um neuen Lebensraum für Auer­ wild zu schaffen, wurden im Rah­ men des Inkrafttretens von so­ genannten Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebieten nun bei der Lan- genbacher Höhe im Villinger Stadtwald knapp 1500 Hektar als Auerwildschutzgebiet ausge­ wiesen. Bianca Knöpfle siegt bei der W eltm eisterschaft Seit dem 7. Oktober 2003 ist die gebürtige Villingerin und heute im Donaueschinger Ortsteil Hu- Weltmeisterin im Zeitfahren der Juniorinnen ist Bianca Knöpfle. M a g a z in bertshofen lebende Radsportle­ rin Bianca Knöpfle Weltmeisterin der Juniorinnen. Bei derStraßen- Weltmeisterschaft in Hamilton (Kanada) gewann Bianca Knöpfle, die für die R.I.G Freiburg e.V. star­ tet, den Titel im Zeitfahren der Ju­ niorinnen über 15,4km. Die sym­ pathische Sportlerin aus Donau- eschingen wurde bereits im Al- manach 2003 im Portrait vorge­ stellt. Das Jahr 2003 war für Bianca Knöpfle auch in anderer Hinsicht erfolgreich: sie wurde Deutsche Meisterin der Juniorinnen im Ein­ zelzeitfahren „Rund um den Hen- ningerTurm“ . Skijöring-Weltm eisterin Kris­ tin Jauch aus Unterkirnach Im Skijöring sicherte sich Kristin Jauch aus Unterkirnach den Welt­ meistertitel. Bei der Sprint-Weltmeisterschaft der Schlittenhunde in Cortina d’Ampezzo (Italien) Ende Febru­ ar 2004 siegte Kristin Jauch mit ihrem Hund „Amaruk“ in zwei Rennläufen und sicherte sich da­ mit in der Disziplin „Skijöring“ den Weltmeistertitel. Wenige Wo­ chen zuvor wurde sie Deutsche Meisterin ebenfalls mit zwei Rennläufen über 12 Kilometer bei einem Wettkampf in Wallgau. Dort setzte sie sich souverän ge­ gen die Konkurrenz durch und war damit für die Weltmeister­ schaft qualifiziert. Herzlich und groß angelegt war der Empfang, den die Ge­ meinde Unterkirnach ihrer pro­ minenten Mitbürgerin bereitete. Inmitten ihrer sechs quirligen Si- birian Huskies strahlte die frisch gebackene Weltmeisterin im Ski­ jöring. Bürgermeister Gerold Löff­ ler gratulierte mit einem Strauß Blumen und hatte eine Wurst für den vierbeinigen Weltmeister „Amaruk“ mitgebracht. Zw eitgrößte Industriedichte in Baden-W ürttem berg Der Wirtschaftsraum Schwarz- wald-Baar-Heuberg zählt zu den industriedichtesten Räumen in Baden-Württemberg, so eine Un­ tersuchung der Industrie- und Handelskammer. Setzt man die ca. 90 000 sozialversicherungs­ pflichtig Beschäftigten im verar­ beitenden Gewerbe ins Verhältnis zur Einwohnerzahl, zeigt sich, dass die Region im Land nach dem Ballungsraum Stuttgart die zweitgrößte Industriedichte auf­ weist: So sind im Wirtschafts­ raum ca. 149 Personen pro 1000 Einwohner in der Industrie tätig, im gesamten Land sind es indes rund 119. 303

A n h a n g Ausländische Mitbürger in Zahlen Gemeinde S e rb e n /M o n ­ Türken Ausländer insges. Stand 31.12.2003* Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach VS Vöhrenbach Gesamt 770 1181 529 240 170 2130 1132 39 783 306 261 201 1911 74 325 645 220 210 14086 547 25760 Kroaten Bosnier tenegriner 113 326 46 20 28 147 223 4 126 47 45 21 167 20 133 124 8 20 1413 165 44 581 297 62 15 525 234 3 306 18 8 25 212 2 22 185 45 46 1929 200 4759 3196 75 0 0 8 15 158 0 2 0 13 30 15 242 0 0 0 0 0 1604 0 2162 22 0 0 9 1 24 0 0 0 1 2 3 59 0 0 0 0 0 348 0 469 Italiener Griechen Spanier Sonstige Anteil In Prozent 128 22 35 34 35 343 361 22 129 20 47 42 588 13 64 119 103 25 2102 133 16 6 0 1 3 16 2 0 15 0 1 3 9 0 1 2 1 5 801 4 6 74 7 8 1 19 20 0 7 4 4 20 70 1 3 42 0 11 179 1 366 172 144 98 72 898 292 8 200 203 124 72 564 38 102 173 63 103 5710 44 4365 886 477 94 46 6,09 11,14 8,57 4,45 4,68 9,91 11,63 2,90 10,11 5,00 8,26 3,36 13,89 2,92 7,52 11,96 7,73 7,15 17,22 13,11 12,16 *FUr d ie S tä d te S c h ö n w a ld , Triberg, Unterkirn ach und V ö hren bac h ist d e r S ta nd vom 3 0 .6 .2 0 0 3 . Wahlergebnisse der Kreistagswahlen vom 13. Juni 2004 Landkreis insgesamt Gültige Stimmen insgesamt davon CDU SPD FW GRÜNE FDP DLVH PBC absolut 743 898 287149 165 050 130 242 64047 69 062 25 591 2757 in % 100 % 38,60 % 22,19 % 17,51 % 8,61 % 9,28 % 3,4 4 % 0,37 % Sitze 54 26 10 9 2 6 1 0 zuzüglich Ausgleichssitze 7 0 3 0 3 1 0 0 Sitze Gesamt 61 26 13 9 5 7 1 0 Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land Bundesgebiet West Bundesgebiet Ost 30.6.2002 30.6.2003 30.6.2004 Arbeitslosigkeit im gesamten Bundesgebiet zum 30.6.2004: 10,2 % 5,1 % 6,5 % 6,3 % 5,1% 5,9 % 5,9 % 7,6 % 8,1 % 8,1% 17,8 % 18,3 % 18,1% 304

Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Gemeinde Stand der Wohnbevölkerung 31.12.2002 31.12.2003 Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschlngen Furtwangen Gütenbach Hüflngen Königsfeld Mönchweller Nledereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach 12 479 10 697 6 212 5 313 3 601 21408 9 808 1369 7 742 6 017 3149 5 959 13 888 2 516 4 383 5 518 2 822 2 985 81880 4176 12 653 10 597 6176 5 395 3 633 21 503 9 730 1345 7744 6114 3161 5 981 13 760 2 532 4 320 5 394 2 846 2 939 81 813 4171 Kreisbevölkerung insgesamt 211922 211807 Veränderungen in Z a h l e n in P ro z e n t 174 -100 -36 82 32 95 -78 -24 2 97 12 22 -128 16 -63 -124 24 -46 -67 -5 -115 1,4 -0,9 -0,6 1,5 0,9 0,4 -0,8 -1,8 0,0 1,6 0,4 0,4 -0,9 0,6 -1,4 -2,2 0,9 -1,5 -0,1 -0,1 -0,1 ereschach 5 981 A n h a n g 305

Im Blickpunkt ■ Namen und Nach­ richten O berbürgerm eister Dr. Bern­ hard Everke (64) feierte am 19. November 2003 sein 30 -jähri­ ges Dienstjubiläum als Verwal­ tungschef in der Großen Kreis­ stadt Donaueschingen. Im März 2004 gab er überraschend sei­ nen Rücktritt zum 31. Oktober 2004 bekannt. Landrat Karl Heim (53) wurde am 29. März 2004 mit großer M eh rhe it durch den Kreistag als Landrat des Schwarzwald- Baar-Kreises w iedergew ählt (siehe auch Seite 19). Gerhard Sturm, geschäftsfüh­ render Gesellschafter von ebm- Papst St. Georgen hat am 8. Mai 2004 für „seinen unternehm e­ rischen W eitblick“ zusammen m it 32 weiteren herausragen­ den Persönlichkeiten die Ver­ dienstm edaille des Landes Ba- den-W ürttembergverliehen be­ kommen. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Rudolf Kubach (65) ist nach 36- jähriger Kammertätigkeit Ende Mai 2004 in den Ruhestand ge­ treten. Seine Nachfolge hat am i.)u n i 2 0 0 4 Thomas Albiez (37) angetreten. Vorstandsvorsitzender Siegfried Wolber (64) wurde nach 40- jähriger Tätigkeit für die Villin- gerVolksbankam 18. juni 2004 in den Ruhestand verabschie­ det. loachim Straub und Ralf Schmitt übernahmen zum 1. Juli 2004 die Vorstandsaufgaben. Dr. Andreas Schwab (31), ge­ bürtig in Rottweil m it Wohnsitz in Villingen-Schwenningen, wur­ de bei der Europawahl im Juni 2004 erstmals als Abgeordne­ ter für Südbaden in das Euro­ paparlament gewählt. Thorsten Frei (31) wurde am 26. Septem ber 2004 im ersten W ahlgang m it 6 8 ,7 3 % Stim ­ menanteil zum neuen Oberbür­ germ eister Donaueschingens gewählt. Er tritt sein Amt im No­ vember 2004 an. Orden und Ehrenzeichen M it der Landesehrennadel des Landes Baden-Württemberg wurden 2003 ausgezeichnet: Reiner Schütz, Niedereschach, Erwin W ilhelm, Donaueschingen, Jürgen Schneider, Donaueschingen, Rolf Görsch, Triberg M it der Landesehrennadel des Landes Baden-Württemberg wurden 2004 ausgezeichnet: Friedei Kindig, Brigachtal, Christa Hauger, Brigachtal, Klaus Seng, Brigachtal, Verena Duschek, Blum­ berg, Edwin Kunz, Unterkirnach, Werner Holfeld, Unterkirnach, Jürgen Wangler, Villingen-Schwen­ ningen, Hartmut Kopp, Königsfeld, Helmut Glaedke, Donaueschingen, Edgar Dold, Schönwald Das Bundesverdienstkreuz haben 2003 erhalten: Markus Seidel, Donaueschingen, Georg Huber, Bad Dürrheim, Günter Besenfelder, Furtwangen Das Bundesverdienstkreuz haben 2004 erhalten: Dr. Josef Wenning, Villingen-Schwenningen, Dr. Rudolf Kubach, Villingen-Schwenningen, Hermann Barth, Blumberg Die Staufermedaille erhielt 2003: Siegfried Leingruber, Blumberg Errata Im Almanach 2004 hieß es: Landesehrennadel 2003: Gerhard Werner, HUfingen, richtig ist: Gerhard Honegger, Hüfingen 306

Bildnachweis Almanach 2005 A n h a n g Motiv Titelseite: Die Aufnahme auf der Titelseite stam m t von W il­ fried Dold, Vöhrenbach; beim BräunlingerStadt- tor, am Straßenm usiksonntag 2004. Motiv Rückseite: Die Fotografie auf der Rückseite stammt von Ger­ hard Krieger, Pfaffen weiler; sie zeigt einen Herbst­ tag bei Villingen. Bildnachweis für den Inhalt: Soweit die Fotogra­ fen nicht namentlich angeführt werden, stammen dieAufnahm en jeweils vom Verfasser des betref­ fenden Beitrages. M it Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Namensnennung beziehen sich auf die jeweilige Textseite): W ilfried Dold, Vöhrenbach: 5, 7, 9 ,1 3 ,1 6 , 27, 37, 40 ob., 4 2 /4 3 , 46 u „ 48 u., 49 ob., 49 u.l., 49 u.r., 50, 52/53, 55, 6 4 /6 5 großes Bild Hinter­ grund, 95, 113, 119, 123, 154/155, 156 u.l., 156 u.r., 157-159,160/161,166,169 ob., 169 m.l., 169 u.l., 232 großes Bild, 252/253, 256, 259, 261- 263, 270/271, 275, 282 u., 283, 286 – Kreisar­ chiv SBK, VS-Villingen: 6, 25, 129, 131 – Katrin Dold, Bamberg: 10 – Klaus Ender, Furtwangen: 11 ob. – Feintechnikschule, VS-Schwenningen: 11 u. – Reinhold Mayer, Tennenbronn: 15 ob. – Straßenmeisterei Furtwangen: 15 u.l. – Staatli­ ches Vermessungsamt, VS-Villlngen: 15 u.r. – Michael Kienzier, Trlberg: 19,/2 0 , 36 – jochen Hahne, VS-Villingen: 22, 92, 97, 170 ob., 181 – Klinikum, Donaueschingen: 23 – Stefanie Saur, Donaueschingen: 33 – doidverlag (Archiv), Vöh­ renbach: 38 u., 39,110 ,1 14 ,1 38 ob., 139 – Hei­ m atm useum , Schw enningen: 44 ob. – Ge- schichts- und Heimatverein, Niedereschach: 44 u., 46 ob. – Gemeinde, Fischbach: 4 7 ,48 ob., 49 m. – Roland Sigwart, Hüflngen: 56/57, 264-266, 282 ob., 284 u., 285 – Archiv Fürstenberg Gym­ nasium, Donaueschingen: 58-63 – EGT, Triberg: 64-68, 70, 71 ob., 72 – Wolfgang Häcker, Dun- ningen: 69, 71 u. – Kendrion Binder Magnete GmbH, VS-Villingen: 73-75 – Waldmann Licht­ technik, VS-Schwenningen: 76-81 – Bruno Kaiser GmbH, Gremmelsbach: 82-85 – Sparkasse Do­ naueschingen: 86-91 – Familie Hirt, VS-Villin- gen: 96 – Familie Belle, Brigachtal: 98 – Familie Lörcher, Villingen: 104 – Dr. Joachim Sturm, Nie­ dereschach: 115, 167 – GLA Karlsruhe 9 /8 2 : 116/117 – Stadtarchiv Bräunlingen: 118,121,146- 149 – Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen: 138 u., 140-142 – W ilfried Steinhart, VS-Villin­ gen: 150-153 – Dr. Quincy & His Lemonshakers, VS-Villingen: 182/183, i8 4 alle 3 m. und 1 u. – Pat­ rick Seeger, Studio7 Report, VS-Schwenningen: 184 ob. – Reinhilde Limberger, DS-Grünlngen: 186-188 – Stefan Simon, VS-Marbach: 200, 204 u. – Reproduktionen Gemälde Andreas Wiertz, Jörg Potschaske, Königsfeld: 201-203, 204 ob., 2 0 5 -2 0 9 -A rc h iv Axel Heil, Dauchingen: 210-219 – Psychosoziale Beratungs- und Behandlungs­ stelle, VS-Villingen: 224 – Familie Müller, St. Ge- orgen-Brigach: 229/23 0 – Dr. Helmut Gehring, VS-Villingen: 233 u.l., u.m., u.r., 234-239 – Su­ sanne und Barbara Hartung, Donaueschin- gen/Tortuguero: 2 4 0 -2 4 7 – Familie Fischer, Hoch­ emmingen: 267 – MBV-Vöhrenbach: 272 – Ar­ chiv Florian Fuchs-Steigerwald, VS-Schwennin­ gen: 274 -SERC Schwenningen: 284 ob. – Direvi Fotopress, VS- V illingen: 287-289, 291/292 – Null Problemo, events, production & Consulting, Stein-Bockenheim: 294 – Badische Landesbib­ lio th e k Karlsruhe: 296 – Klaus Plaueln, Nie­ dereschach: 302 ob. – Bundesbildstelle Berlin, Bernd Kühler: 302 u. – Goldrausch Verlag, Karl- Heinz Raubuch, K le inb littersd orf: 303 ob. – drwa.net, Freiburg: 303 u. 307

A n h a n g Die Autoren unserer Beiträge Adam, Wolf-Wilhelm, Tribergerstraße 12, 78141 Schönwald Alber, Dr. Christoph, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Beathalter, Manfred, Wiesenstraße 29, 78166 Donaueschingen-Pfohren Bethge, Anne, Wöschhalde 72,78052 Villingen-Schwenningen Bräun, Wolfgang, Philipp-Rauch-Straße 2 ,7 8 0 5 0 Villingen-Schwenningen Brauns, Dr. Patrick, Klingenbergerstraße 6, 78467 Konstanz Bulander, Michael, Am Hoptbühl 2 ,7 8 0 4 8 Villingen-Schwenningen Dold, Walter, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Dorer, Praxedis, Pulvermatte 7,78147 Hammereisenbach Duffner, Wolfgang, Am Bildstöckle 6, 78086 Brigachtal Eisenmann, Hans-Jürgen, Ursula-Haider-Straße 31, 78052 Villingen-Schwenningen Fischer, Hans-Werner, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Gehring, Dr. Helmut, Königsberger-Straße 30, 78052 Villingen-Schwenningen Gfrörer, Ulrike, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Gwinner, Joachim, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Heim, Daniela, W idumweg 17, 78052 VS-Obereschach Heim, Karl, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Hilpert, Wolfgang, Klenkenreute 29, 78166 Donaueschingen Hils, Siegbert, Urbanweg 65,78112 St. Georgen Huber-Wintermantel M.A., Susanne, Bräunlingerstraße 4,78183 Hüfingen Jauch, Philipp, Stuttgarter Straße 83, 78054 Villingen-Schwenningen Kahlert, Dr. oec. Prof. Helmut, Am Bodenwald 4, 78120 Furtwangen Kaletta, Georg Stefan, Rutentalstraße 12,78052 Villingen-Schwenningen Kaltenbach, Christof, Hans-Thoma-Straße 7,78136 Schonach Kienzier, Erwin, Grubweg 15,78136 Schonach Klotz, Rüdiger, Am Schwaibenhaag 2, 78048 Villingen-Schwenningen Krümmer, Sabine, Friedrichstraße 21, 78050 Villingen-Schwenningen Limberger-Andris, Stefan, Mühlenstraße 7, 79877 Friedenweiler-Röthenbach Lutz, Bernhard, Seemühle 14c, 78183 Hüfingen Mey, Angelika, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Morrissey, Dr. Christoph, Correnstraße 9,72076 Tübingen M uthm ann, Christian, Im Belli 44, 78086 Brigachtal Nack, Christina, Obereschacher-Straße 7, 78126 Königsfeld Nienhaus, Heinz, Ledderkesweg 4, 46242 Bottrop Preuß, Stefan, Hoher Rain 22, 78052 Villingen-Schwenningen Saur, Stefanie, Fürstenbergstraße 13b, 78166 Donaueschingen Schmid, Rolf, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Schreger-Benz, Doris, Föhrenweg 7, 78078 Niedereschach Schultheiß, Jochen, Blauenweg 25,78112 St. Georgen Schwarz, Dorothea, Hohenstraße 32, 78166 Donaueschingen Simon, Stefan, Haselweg 17,78052 VS-Marbach Sprich, Roland, Bühlstraße 57,78112 St. Georgen Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Stephan, Bernd, W ilstorfstraße 2 2 ,7 8 0 5 0 Villingen-Schwenningen Sturm, Dr. Joachim, Steigstraße 32, 78078 Niedereschach Syre, Ludger, Siemenstraße 9,76327 Pfinztal Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Werner, Dr. Johannes, Steinstraße 21, 76477 Elchesheim Wieners, Thomas H. T., Merzhauser Straße 147 A, 79100 Freiburg Zim mermann, Michael J. H., Karlstraße 119,78054 Villingen-Schwenningen 308

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat im Herzen Europas / Vorwort von Landrat Karl Heim 1. Kapitel / Aus dem Kreisgeschehen Wer bewahren will, muss verändern – Weitreichende Reformen auf der Kreisebene – Verwaltungsreform und die Krankenhausstrukturen zentrale Themen der Kreispolitik 2004 / Karl Heim Verwaltungsstrukturreform 2005 – Katastrophe oder Katalysator für eine moderne Verwaltung? / Joachim Gwinner Landrat Karl Heim wiedergewählt – Gemeinsamer Festakt zur Verpflichtung von Landrat Karl Heim und der Verabschiedung und Ehrung von Kreisräten / Angelika Mey Neuordnung der Krankenhausstruktur – Die „Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH“ ist gegründet / Rolf Schmid Höhen und Tiefen im Nahverkehr – Nach Bauverzögerungen bei Ringzughaltepunkten Endausbaustufe beinahe erreicht / Michael Bulander Enttäuscht über Rilax-Verfahren – Anflugregelungen zum Flughafen Zürich weiter verschärft / Dr. Christoph Alber Kulturpreis Schwarzwald-Baar 2003 – Lena Schwarz und Martin Lamprecht die Preisträger / Daniela Heim Ganz im Zeichen Europas – Die Partnerschaft des Landkreises mit Bäcs Kiskun in Ungarn wurde weiter intensiviert / Hans-Werner Fischer / Walter Dold 2. Kapitel / Städte und Gemeinden Brigach – wo ein Donauquellfluss entspringt / Roland Sprich Fischbach und Sinkingen – Die früheren Bauern- und Handwerkerdörfer sind seit 1810 zu einer Gemeinde vereint / Christina Nack Nordhalden – Dorfidylle an der Grenze – Die rund 200 Einwohner können sich über ein intaktes Gemeinwesen freuen / Bernhard Lutz 3. Kapitel / Bildungseinrichtungen 225 Jahre Fürstenberg-Gymnasium Donaueschingen / Wolfgang Hilpert 4. Kapitel / Aus dem Wirtschaftsleben EGT Holding AG: Zukunft benötigt Herkunft / Stefan Preuß Die Kendrion Binder Magnete GmbH – Als Teil der Unternehmensgruppe Kendrion Electromagnetic Components fe rtig t man hochmoderne Komponenten für die Fahrzeugtechnik / Sabine Krümmer Waldmann L ic h tte c h n ik – Die Herbert Waldmann GmbH & Co. KG produziert am Standort Schwenningen preisgekrönte Lichtlösungen für vielfältige Einsatzmöglichkeiten / Sabine Krümmer Denkmalpflege und moderne Bau-Technologie – Die Gremmelsbacher Bruno Kaiser GmbH bietet als Gipser- und Stuckateurunternehmen eine breite Palette an Dienstleistungen/ Karl Volk A n h a n g 2 3 5 7 12 19 21 25 29 33 34 37 42 50 56 64 73 76 82 309

Inh altsverzeich nis Beispielhafte städtebauliche Akzente – Sparkasse Donaueschingen verbindet Jugendstil m it moderner Architektur / Stefan Limberger-Andris 5. Kapitel / Persönlichkeiten Klaus Haubner – Banker m it Leib und Seele, Banker m it Herz / Christina Nack Werner „Tschäbet“ H i r t – Nachruf auf einen Spittelsänger und Fastnachter / Wolfgang Bräun Meinrad Belle – Zwölf Jahre lang Abgeordneter des Bundestages / Georg Stefan Kaletta Kurt Haberer – Ein Kreisrat der ersten Stunde mit vielen Verdiensten um den Landkreis / Bernhard Lutz Christa Lörcher – Im Dienst am Menschen: hilfsbereit, engagiert und weltoffen / Christina Nack German Hasenfratz – Fasziniert von der Magie der Bilder / Manfred Beathalter 6. Kapitel / Archäologie Vom Himmelberg zum Krumpenschloss – Vor- und frühgeschichtliche Wallanlagen im Schwarzwald-Baar-Kreis / Dr. Christoph Morrissey 7. Kapitel / Geschichte Bräunlingen – Vor 700 Jahren erstmals als „C ivitas“ erw ähnt / Dr. Joachim Sturm Brand der „Rosse“ – Das Schicksal der Schwenninger Kolonistenfamitie Benz in Brasilien / Doris Schreger-Benz M utterhaus Maria-Tann – Zur Geschichte der Schulbrüder in Deutschland / Dr. Johannes Werner Die Ferienidylle des Dr. Renz – Im „Renzeck ob Rohrbach“ war vom Zweiten W eltkrieg kaum etwas zu spüren / Heinz Nienhaus Warenzeichen gegen Parteisymbol – Des Mauthe-Adlers Kampf um Lufthoheit in deutschen Diktaturen / Michael J. H. Zimmermann 8. Kapitel / Uhren und Uhrengeschichte Wie die Schwarzwälder Trompeteruhr entstanden ist – Es waren einmal drei F urtw anger… / Dr. oec Prof. Helmut Kahlert Vom Pendel zur Funkuhr – Ein Rückblick in die Uhrengeschichte – Der Kampf um die genaue Zeit / Siegbert Hils 9. Kapitel / Museen Jahrhundert ihre Stadtgeschichte präsentieren / Susanne Huber-Wintermantel M.A. Das Bräunlinger Kelnhof-Museum – Engagierte Bürger wollten bereits im 19. Schiefertafel, Griffel, Federkasten – Über die Schulsammlungen von Wilfried Steinhart in Villingen / W olfgang Duffner 10. Kapitel / Brauchtum Bräunlinger Narrenschiff – Ein Werk von Bernhard W intermantel / Stefan Limberger-Andris 310 8 6 92 96 98 100 104 107 110 116 124 129 133 136 138 143 146 150 154

In h altsverzeich n is 11. Kapitel / Kirchengeschichte Irdische Güter für himmlischen Lohn – Die Pfohrener Vergabungen an das Kloster St. Gallen in fränkischer Zeit / Thomas H. T. Wieners Schmuckes Kirchlein barg einst „Gözenwerkh“ – Lange Geschichte des Peterzeller Gotteshauses – Das Kirchenschiff 1904 neu gebaut / Jochen Schultheiß 12. Kapitel / Musik Jazz „m ade in VS“ – / Bernd Stephan Dr. Quincy & His Lemonshakers / Seit 18 Jahren eine Rock‘ n ‚ Roll-Band – Aus Spaß an der Freud‘ zur bekanntesten M usikgruppe des Schwarzwald-Baar-Kreises aufgestiegen / Rüdiger Klotz Nachwuchs für die Blasmusik – Verbandsjugendblasorchester (VJBO) mit über 70 M itgliedern / Stefanie Saur Bernhard Reiske – Leben für M usik – Dirigent des Musikvereins Riedöschingen, Bezirksdirigent und B a n d le a d e r/ Christiana Steger DerSchwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild 13. Kapitel / Kunst und Künstler Andreas Wiertz – Farben und Formen als psychisches Kraftfeld – Der Maler lebt und arbeitet in Königsfeld / Stefan Simon Axel Heil – Schockbilder / Stefan Simon 14. Kapitel / Gesellschaft und Soziales Wertvolle Hilfe für Straffällige – Der Bezirksverein für soziale Rechtspflege in Villingen- Schwenningen hat ein breites Aufgabenfeld zu bewältigen / Christian Muthmann Ein halbes Jahrhundert Suchtberatung – Die „Psychosoziale Beratungs­ und Behandlungsstelle für Alkohol- und M edikam entenproblem e“ bietet individuelle Hilfestellungen / Ulrike Gfrörer Das „Haus Eichberg“ eröffnet – 50 neue Pflegebetten für die Raumschaft Blumberg / Manfred Beathalter 15. Kapitel / Landwirtschaft Wo die Kühe das Treppensteigen lernen – Auf dem Glashof in St. Georgen-Brigach: Erster doppelstöckiger Stall europaweit / Anne Bethge 16. Umwelt und Natur Ein Lebensraum aus „zw e iter Hand“ – Jahrzehntelanger Kiesabbau hat das Riedseeareal bei Pfohren und Hüfingen entstehen lassen / Dr. Helmut Gehring Barbara Hartung: Von der Baar nach Costa Rica – W ettlauf m it der Zeit: Leben und Arbeiten im Regenwald / Dorothea Schwarz Beobachtungen in „Sachen Fuchs“ – Das Fuchsbachtal in Schönwald hat seinen Namen zurecht / Erwin Kienzier Die Europäische Wasserscheide – Das meiste Wasser im Landkreis fließt in die Donau / Dr. Patrick Brauns 160 164 170 182 186 189 191 200 210 220 224 226 229 232 240 248 252 311

haltsverzeichnis 17. el / Stätten der Gastlichkeit Regional geprägte Küche – Der M undeifinger Landgasthof „H irschen“ hat sich einen hervorragenden Ruf erworben / Bernhard Lutz Ein Gasthaus „ m it W eitblick“ – Im Hochemminger „W aldcafe“ ist der Wirt gleichzeitig auch noch ein Landwirt / Hans-Jürgen Eisenmann 18. Kapitel / Freizeit und Erholung M odellfliegen – faszinierendes Hobby – Die erste M odellfluggruppe wurde wohl 1932 in Schonach gegründet – Helikopterfliegen ist eine der schwierigsten Disziplinen / Stefan Preuß Der Geographische Lehrpfad am Fürstenberg – Eine Zeitreise durch 345 M illionen Jahre Geschichte / Anne Bethge Ein Festmahl wie im M ittela lter – Die Zähringertafel im Villinger „Torstüble“ verm ittelt m it viel Gaudi die Esskultur und Geschichte der Zeit um 1500 / Philipp Jauch 19. Kapitel / Sport Nicht nur bei den Wild Wings gilt: „Heiß auf Eis“ – Eishockey, Eiskunstlauf, Curling und Eisstockschießen: Im Landkreis gibt es immmer mehr Eissportmöglichkeiten / Stefan Preuß Ein großartiger Sportler und Sympathieträger – Der Schönwälder Skispringer Christof Duffner beendete seine erfolgreiche Karriere – Als erster Skispringer die 200-Meter-Marke übersprungen / Christof Kaltenbach Hans-Jörg Reuter schreibt Geschichte – Erstmals wird ein Schwarzwälder Juniorenweltmeister in einer Einzeldisziplin / Wolf-Wilhelm Adam Bronzemedaille bei Weltmeisterschaft – Marion Ruf aus Langenbach steht auf Langlaufskiern solange sie w eiß / Praxedis Dorer 20. Kapitel / Theater Christoph Sieber ein Comedy-Star – Der gebürtige Niedereschacher gibt pro Jahr bundesweit bis zu 200 Vorstellungen – Ein Absolvent der Essener Folkwangschule/ Rüdiger Klotz 21. Kapitel / Lyrik der Heimat Die Baar als literarischer Schauplatz – Joseph Victor von Scheffel in Donaueschingen / Ludger Syre Von Napoleon in „Tanna“ … – Wie die Glaser von Herzogenweiler vom Geisterglauben kuriert wurden / nach Xaver Riesle 264 267 270 275 278 282 288 290 292 294 296 299 Anhang Almanach-Magazin 302 Ausländische M itbürger in Zahlen 304 Wahlergebnisse der Kreistags­ wahlen 2004 304 Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen 304 Bevölkerungsentwicklung im Schwarz- wald-Baar-Kreis 305 Namen und Nachrichten 306 Orden und Ehrenzeichen 306 Bildnachweis 307 Die Autoren unserer Beiträge 308 Inhaltsverzeichnis 309 312