Almanach 2004

Almanach 2004 H e i m a t j a h r b u c h d e s S c h w a r z w a l d – B a a r – K r e i s e s 2 8 . F o l g e

Herausgeber: Landratsam t Schwarzwald-Baar-Kreis www. schwarzwald-baar-kreis. de E-Mail: landratsamt@schwarzwald-baar-kreis.de Redaktion: Karl Heim , Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Wilfried Dold, Redakteur Karl Volk, Realschuloberlehrer Hans-W erner Fischer, Dipl.-Bibliothekar Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen A utoren verantwortlich. Nachdrucke und Vervielfäl­ tigungen jeder A rt werden n u r m it Einwilligung der Redaktion u n d unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag u n d Gestaltung: doldverlag, Vöhrenbach www.doldverlag.de Druck u n d Vertrieb: Todt-Druck G m bH Villingen-Schwenningen ISBN: 3-927677-42-6

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 2004 Willi Aker Transport G m b H & C o. KG, Schonach Fürstlich Fürstenbergische Brauerei KG Donaueschingen Dr. H an n o Augstein, H üfingen Dipl.-Ing. Marcus Greiner VBI, Donaueschingen Bad D ürrheim er M ineralbrunnen G m b H & Co., Bad D ürrheim Dipl.-Ing. Karl u n d M onika Heine, Villingen-Schwenningen Baden-W ürttembergische Bank AG, Filiale Donaueschingen Hess Form + Licht G m bH , Villingen-Schwenningen B IE D E R M A N N Orth.-Technik G m bH , Villingen-Schwenningen IM S Gear G m bH , D onaueschingen BIW BU RG ER Industriewerk G m bH & Co. KG, Präzisionstechnik, Schonach Kendrion Binder M agnete G m bH , Villingen-Schwenningen Ewald Eble – U hrenpark Triberg-Schonachbach LUTZ Fleischwaren AG, Blumberg EG T Energie G m bH , Triberg Vermessungsbüro M andolla + Gilbert Villingen-Schwenningen E G T G ebäudetechnik G m bH , Triberg Spedition Julius Mayer, Bräunlingen Eisenm ann Druckguss G m bH , Edgar u n d Sibylle Friedrich, Villingen-Schwenningen Energieversorgung Südbaar G m bH , Blumberg EnergieDienst G m b H Rheinfelden M A IC O Elektroapparate-Fabrik G m bH , Villingen-Schwenningen M O H R + F R IE D R IC H G m bH , Vöhrenbach Ingenieurbüro für Haustechnik, Reiner Oberle, Villingen-Schwenningen Emil Frei G m b H & Co. – Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen G ünter H. Papst, St. Georgen 3

PAPST L IC EN SIN G G m bH & Co. KG, St. Georgen STRAUB-VERPACKUNGEN G m bH , Bräunlingen PAPST-M OTOREN G m bH & Co. KG, St. Georgen Rainer Trippel, Karlsbad TRW D eutschland G m bH , Werk Blumberg Volksbank Triberg eG Volksbank eG, Villingen-Schwenningen Weißer -I- G rießhaber G m bH Mönchweiler F.K. W iebelt G m bH & Co.KG, Villingen-Schwenningen W IG Industrieinstandhaltung G m bH , Villingen-Schwenningen Johann W interm antel Verwaltungs-GmbH & Co. KG, Kies- u. Transportbetonwerke, Donaueschingen Sieben weitere Freunde und Förderer des Almanach w ünschen, nam entlich nicht genannt zu werden. Reiner Präzision G m bH , Drehteile und Baugruppen D onaueschingen-W olterdingen RICO STA Schuhfabriken G m bH , Donaueschingen A nne Rieple-Offensperger, Bad D ürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, D onaueschingen RWE Um welt Baden-W ürttemberg G m bH , Villingen-Schwenningen S C H M ID T Feintechnik G m bH , St. Georgen A nton Schneider Söhne G m b H + Co. KG, Schonach S. Siedle & Söhne Stiftung & Co., Furtwangen Sparkasse D onaueschingen Sparkasse Villingen-Schweningen m it 45 Geschäftsstellen STEIN A utom ation G m bH , Villingen-Schwenningen Sternplastic Hellstern G m bH & Co. KG, Villingen-Schwenningen 4

Heimat für Alt und Jung D em Heim atEahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 2004 zum G eleit „Ich halte nichts davon, wenn 85-jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.“ So die pro­ vokante Äußerung eines prominenten Jung­ politikers im Sommerloch 2003. Er machte damit auf drastische Weise auf ein Thema aufmerksam, das unsere Gesell­ schaft in den nächsten Jahrzehnten intensiv beschäftigen wird. Welche Generation soll jetzt und künftig welche Lasten tragen? Die Deutschen werden immer älter und der Anteil alter Menschen an der Gesamtbe­ völkerung wird immer größer. Dies belastet notwendigerweise die Sozial­ systeme, die auf dem sogenannten Genera­ tionenvertrag aufbauen. Eine immer kleine­ re Zahl aktiver Berufstätiger muss eine im­ mer größere Zahl von nicht mehr Berufstä­ tigen mittragen. Heute finanzieren 100 Jun­ ge etwa 44 Alte, im Jahr 2050 werden es aber 78 sein. Dazu kommt, dass der Staat schon lange über seine Verhältnisse lebt. Die nachfolgen­ den Generationen werden einmal das zurück­ zahlen müssen, was wir uns heute auf Pump leisten. Dagegen beginnen die Jungen nun aufzubegehren. Wird der Solidarvertrag auf­ gekündigt? Stehen wir vor einem „Genera­ tionenkrieg?“ Im Schwarzwald-Baar-Kreis berührt uns dieses Thema in besonderer Weise. Der An­ teil älterer Menschen ist bei uns überdurch­ schnittlich hoch. Im Jahr 2000 lag der Anteil der über 65-jährigen bei 17,5%, im Jahr 2010 werden es 20,5% sein. Das sind jeweils rund 1 % mehr als der Landesdurchschnitt. Dies liegt mit daran, dass der Schwarzwald-Baar- Kreis mit seiner schönen Landschaft, der noch weitgehend intakten Natur und der guten Luft von älteren Menschen als Alterswohn­ sitz besonders geschätzt wird. Dazu kommt, dass wir im Schwarzwald-Baar-Kreis gerade für ältere Menschen in vielfacher Weise eine gute Infrastruktur haben. Erinnert sei nur an Kurorte wie Königsfeld oder Bad Dürrheim, die für viele ältere Menschen besonders at­ traktiv sind. Aber wir haben auch darüber hinaus eine gute Ausstattung mit altengerechten Ein­ richtungen. So sieht der Landespflegeplan für das Jahr 2010 einen Bedarf von 1430 Pflege­ betten im Schwarzwald-Baar-Kreis vor. Be­ reits heute haben wir aber im Landkreis 1933 Pflegeplätze. Wir können im Schwarzwald-Baar-Kreis natürlich nicht das generelle Problem der gerechten Lastenverteilung zwischen den Generationen lösen. Aber wir können unse­ ren Teil dazu beitragen, dass wir nicht nur für die ältere Generation, sondern auch für junge Menschen attraktive Lebensbedin­ gungen und zukunftsorientierte Einrichtun­ gen schaffen. Der hohe Freizeit- und Erholungswert in unserem Schwarzwald-Baar-Kreis kommt al­ len Generationen zugute. Hier ist auch auf die vielfältigen Sportmöglichkeiten für alle Altersgruppen hinzuweisen. Die Erhaltung einer intakten Umwelt ist gerade für die kom­ menden Generationen eine wichtige Dauer­ aufgabe. Entscheidend dafür, dass junge Menschen in einer Raumschaft ihre Zukunft sehen, sind gute Aus- und Weiterbildungmöglich- keiten sowie attraktive Arbeitsplätze. Das vielfältige Schulwesen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis lässt praktisch keine W ün­ sche offen. Dies gilt insbesondere auch für das Angebot an den beruflichen Schulen, für die der Landkreis Schulträger ist. Hier ist es unsere Aufgabe, das Bildungsangebot stän­ dig an die sich wandelnden Anforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft anzupassen und immer wieder zukunfsorientierte neue 5

Der Schwarzwald-Baar-Kreis, Heimat fü r A lt undJung – Impression aus der Villinger Fußgängerzone. 6

Ausbildungsgänge einzurichten. Mit der Fachhochschule Furtwangen (mit Außen­ stelle VS-Schwenningen), die im internatio­ nalen Vergleich ein hervorragendes Ranking hat, der Fachhochschule der Polizei in Vil­ lingen-Schwenningen und der Berufsakade­ mie in VS-Schwenningen sowie dem Studi­ enzentrum der FernUniversität Hagen in VS-Schwenningen haben wir im tertiären Bildungsbereich für die jungen Menschen in unserem Landkreis ein Angebot, wie es sich wohl selten irgendwo sonst im ländlichen Bereich findet. Obwohl der Schwarzwald-Baar-Kreis dem ländlichen Bereich zugeordnet wird, haben wir gleichwohl mit die höchste Industrie­ dichte im High-Tech-Land Baden-Württem­ berg. Darüber hinaus haben wir mit dem Tou­ rismus ein weiteres wirtschaftliches Stand­ bein, d.h. wir können jungen Menschen eine Vielzahl interessanter Arbeitsplätze bieten. So haben wir in der jetzigen wirtschaftlich schwierigen Zeit auch geringere Probleme, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten, wie in vielen anderen Gegen­ den Deutschlands. Eine wichtige Aufgabe wird es aber sein, neben dem produzierenden Bereich zusätzli­ che Arbeitsplätze vor allem auch im Dienst­ leistungsbereich anzustreben. Junge Menschen, die eine Familie gründen wollen, brauchen aber auch bezahlbaren Wohnraum und sollten die Möglichkeit ha­ ben sich Wohneigentum zu schaffen. Auch dies ist bei den Bauland- und Mietpreisen im Schwarzwald-Baar-Kreis leichter möglich wie z.B. in den Ballungsräumen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Schwarzwald-Baar-Kreis sowohl für alte als auch junge Menschen ein sehr attrak­ tives Lebensumfeld bietet. Entscheidend für die Diskussion der „ge­ rechten“ Lastenverteilung zwischen den Ge­ nerationen sind aber nicht nur die äußeren Lebensumstände. Soll der „Generationen­ krieg“ vermieden werden, kommt es darauf an, die Probleme im Dialog und nicht im Konflikt zu lösen. Voraussetzung dafür ist, dass man Verständnis für die Situation des jeweils anderen hat und das Bewusstsein vorhanden ist, dass man gemeinsam in ei­ nem Boot sitzt. Dies ist nur möglich, wenn Jung und Alt sich begegnen und austauschen. Auch dies könnte bei uns leichter gelingen wie in manchen anderen Teilen unseres Landes. In unserer überwiegend ländlich gepräg­ ten Struktur sind die sozialen Einheiten noch überschaubar. Junge und Alte engagie­ ren sich gemeinsam in den vielen Vereinen. Unsere Städte und Gemeinden sind keine anonymen großen Gebilde, sondern leben­ dige Gemeinwesen, die von den Bürgerin­ nen und Bürgern, ob Jung oder Alt, mit ge­ staltet werden. Auch die Familienstrukturen sind häufig noch so, dass mehrere Genera­ tionen unter einem Dach oder im gleichen Dorf leben. Das Bewusstsein, eine Familie zu sein, in der man selbstverständlich füreinan­ der einsteht, ist groß. Es ist die Aufgabe der Politik, aber auch je­ des einzelnen von uns, dazu beizutragen, dieses generationenübergreifende Gemein­ schaftsgefühl zu erhalten und zu fördern. Einen kleinen Beitrag dazu kann auch der Almanach leisten. Es ist sein Anliegen, mit seinen Beiträgen aus den verschiedensten Le­ bensbereichen alle Bürgerinnen und Bürger anzusprechen und so das Bewusstsein zu ver­ mitteln, dass unser Schwarzwald-Baar-Kreis Heimat für Alt und Jung ist. Auch in diesem Jahr bedanke ich mich sehr herzlich bei den treuen Freunden und För­ derern des Almanach sowie den Autoren da­ für, dass durch ihre Hilfe wieder ein anspruchs­ volles, informatives und preiswertes Heimat­ jahrbuch entstehen konnte. Ihr Karl Heim, Landrat 7

1. Kapitel /A lm anach 2004 Aus dem Kreisgeschehen Wirtschaftliche Entwicklung Kreispolitik 2003 spielte sich in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen U m feld ab Der erhoffte Aufschwung fand nicht statt, im Gegenteil. Im Juli 2001 betrug die Ar­ beitslosigkeit im Schwarzwald-Baar-Kreis 4,1% und lag damit deutlich unter dem Lan­ desdurchschnitt. Im Juli 2002 waren es 5,4%, dies entsprach dem Landesdurchschnitt. Im Juli 2003 waren es 6,7%. Dies sind 0,5% mehr als der Landesdurchschnitt, d.h. der kon­ junkturelle Abschwung wirkte sich im Schwarzwald-Baar-Kreis mit seiner stark pro­ duktionsgeprägten Wirtschaftsstruktur über­ durchschnittlich negativ aus. Diese Entwick­ lung wurde begleitet durch eine Vielzahl von Insolvenzen, insbesondere im Baugewerbe. Die wirtschaftliche Entwicklung führte zu einem dramatischen Einbruch der Steuer­ einnahmen beim Bund, beim Land und vor allem auch bei den Gemeinden. Der Land­ kreis hat zwar – mit Ausnahme der Grunderwerbsteuer – keine nennens­ werten eigenen Steuereinnahmen, aber über den Finanzausgleich und die Kreisumlage, die von den Gemein- den nach ihrer Steu­ erkraft erhoben wird, sind auch seine Ein­ nahmen stark von der Entwicklung der Steuereinnahmen ab­ hängig. Gleichzeitig hatte die schlechte Si­ tuation auf dem Ar­ beitsmarkt ein An­ steigen der Sozialkos­ ten zur Folge. Diese Entwicklung, steigen­ de Sozialkosten bei gleichzeitig zurückgehenden Einnahmen, gestaltete die Flaushaltsplanberatungen au­ ßerordentlich schwierig. Auf Grund der schwierigen Haushaltssi­ tuation der Gemeinden mochte der 8

W irtschaftliche Entwicklung Kreistag der von der Verwaltung für erfor­ derlich gehaltenen Erhöhung der Kreisum­ lage mehrheitlich nicht zustimmen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Schwarz- wald-Baar-Kreises wurde vom Kreistag ein Haushalt beschlossen, der von der Rechtsauf­ sichtsbehörde nicht genehmigt wurde. Erst nach einer weiteren maßvollen Erhöhung der Kreisumlage und weiteren schmerzhaf­ ten Kürzungen stimmte das Regierungspräsi­ dium schließlich dem Haushalt 2004 zu. Um für die künftigen Jahre alle Einspar- möglichkeiten auszuloten, setzte der Kreis­ tag eine Haushaltsstrukturkommission ein, die bei den freiwilligen Leistungen, aber auch bei den sächlichen und den Personalkos­ ten, weitere Einsparungen vorschlug. Darü­ ber muss nun der Kreistag im Rahmen der Beratungen über den Haushalt 2004 ent­ scheiden. Weitreichende Verwaltungsreform den neuen Anforderungen anzupassen. Im Almanach 2003 wurde über die „innere Ver­ waltungsreform“ in der Kreisverwaltung be­ richtet. Im Frühjahr 2003 hat nun Minister­ präsident Erwin Teufel überraschend eine sehr weitreichende „äußere Verwaltungsre­ form“ angekündigt. Nach dem Grundsatz der „Einheit der Verwaltung“ sollen – mit Ausnahme des Polizeivollzugsdienstes – al­ le „Unteren Sonderbehörden“ in die Land­ ratsämter und alle „Höheren Sonderbehör­ den“ in die Regierungspräsidien eingeglie­ dert werden. Die Gewerbeaufsichtsämter, die Straßenbauämter, die Landwirtschafts­ ämter, die Forstämter, die Flurbereinigungs­ ämter, die Vermessungsämter, die Versor­ gungsämter, die staatlichen Schulämter und die Gewässerdirektionen würden damit zu den Landratsämtern kommen. Die Regierungsfraktionen haben dem Kon­ zept bereits zugestimmt. Im Herbst beginnt das Gesetzgebungsverfahren. Zum 1. Januar Die sich rasch verändernde Welt zwingt Das Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises auch die Verwaltung ihre Strukturen ständig auf dem Hoptbühl in VS-Villingen.

W irtschaftliche Entwicklung 2005 soll die Reform in Kraft treten. Wenn das Konzept so umgesetzt wird, würde dies für das Landratsamt des Schwarzwald-Baar- Kreises einen Personalzuwachs von 300 bis 350 Personen be­ deuten. Damit stellt sich auch die Frage, wie dann die innere Organisation des Landratsam­ tes angepasst wird. Das Aufgabenspektrum des Landratsamtes wird sich er­ heblich erweitern. Viele Ent­ scheidungen können unter ei­ nem Dach koordiniert, viele Aufgabenbereiche besser aufei­ nander abgestimmt und sogenannte Syner- gieeffekte genutzt werden. Bis zur Umsetzung müssen aber noch viele Detailprobleme ge­ löst werden. Im Almanach 2005 wird darü­ ber zu berichten sein. Berufliches Schulwesen Strukturveränderungen gab es auch im be­ ruflichen Schulwesen des Schwarzwald- Baar-Kreises. Das Ausscheiden der Schullei­ ter an den beruflichen Schulen in Schwen­ ningen, der Feintechnikschule, der David- Würth-Schule (kaufmännischen Schule) und der Richard-Bürk-Schule (gewerblichen Schule), war Anlass, über eine Neuordnung der beruflichen Schulen in Schwenningen nachzudenken. Zunächst wurde ein Zusammenschluss al­ ler beruflichen Schulen in Schwenningen und dann der Zusammenschluss der kauf­ männischen Schule mit der gewerblichen Schule in Erwägung gezogen. Schließlich entschied sich der Kreistag aber, die Richard- Bürk-Schule und die Hans-Kraut-Gewerbe- schule in Villingen zur gewerblichen Schule Villingen-Schwenningen zusammenzuschlie­ ßen. Damit schaffte der Landkreis die erste gesamtstädtische Schule. Vor allem gelang es aber, neue zukunfts­ trächtige Schularten an unseren Kreisschu­ len einzurichten: An der Albert-Schweizer- 10 Das Aufgabenspektrum des Landratsamtes wird sich er­ heblich erweitern. Viele Ent­ scheidungen können Dank der Verwaltungsreform unter ei­ nem Dach koordiniert, viele Aufgabenbereiche besser auf­ einander abgestimmt und so­ genannte Synergieeffekte genutzt werden. Schule in Villingen wurde zum Beginn des Schuljahres 2003/2004 ein dreijähriges Bio­ technologisches Gymnasium und an der ge­ werblichen Schule in Donaue- schingen bereits zum Schuljah­ resbeginn 2002/2003 das Be­ rufskolleg II, Technische Kommunikation“ eingerichtet. An der kaufmännischen Schu­ le in VS-Villingen konnte die kaufmännische Berufsschule um die gemeinsame Grund­ stufe für verschiedene Dienst­ leistungsberufe (Gesundheits- kaufmann/-frau, Sport- und Fitnesskaufmann/-frau, Veranstaltungskauf- mann/-frau) erweitert werden. Der Höhepunkt in diesem Aufgabenbereich war jedoch zweifellos die Einweihung des Internats-Erweiterungsbaues für die Landes­ berufsschule für das Hotel- und Gaststätten­ gewerbe (s. Seite 32). Eine nicht ganz so spektakuläre, aber sehr gut gelungene Baumaßnahme, die zum Schul­ jahresbeginn 2002/2003 abgeschlossen wer­ den konnte, war der Umbau der ehemaligen Turnhalle an der Kaufmännischen und Haus­ wirtschaftlichen Schule in Donaueschingen. Es wurden zwei neue Räume für die Außen­ stelle des Kreismedienzentrums und zwei neue Klassenräume geschaffen. Der Neubau der Turnhalle an der Robert- Gerwig-Schule in Furtwangen und der Er­ weiterungsbau an der Feintechnikschule in Schwenningen sind bislang noch nicht über das Planungs- bzw. Verhandlungsstadium hi­ naus gediehen. Weitere Schwerpunkte der Kreispolitik im Jahr 2003 waren der öffentliche Personen­ nahverkehr, die soziale Sicherung, die Flug­ lärmbelastung durch den Flughafen Zürich sowie das geplante radioaktive Endlager in Benken im Züricher Weinland. Darüber wird an anderer Stelle ausführlich berichtet (sie­ he die nachfolgenden Kapitel in diesem Alma- nach). Karl Heim

Neuordnung der Krankenhausstrukturen Schwerpunkt in der Politik des Schwarzwald-Baar-Kreises im Jahr 2003 A us dem Kreisgeschehen Bereits im Almanach 2003 wurde darauf hingewiesen, dass die ungewöhnlichen Trä­ gerstrukturen im Landkreis nicht geeignet sind, das Krankenhauswesen zukunftsorien­ tiert zu entwickeln. Zur Zeit wird die statio­ näre Krankenversorgung im Schwarzwald- Baar-Kreis mit 1240 Betten an sechs Stand­ orten sichergestellt. Angestrebt wird eine ge­ meinsame Krankenhaus GmbH auf Kreis­ ebene um eine Konzentration im Endziel auf zwei Standorte zu erreichen. Zwischenzeitlich konnte ein gutes Stück des schwierigen Weges zu diesem Ziel zu­ rückgelegt werden. Nach intensiven Beratun- gen beschlossen der Kreistag und der Stadt­ rat der Stadt Villingen-Schwenningen im November 2002 ein abgestimmtes medizi­ nisches Leistungskonzept für die gemeinsa­ me Krankenhaus GmbH. Dieses medizini­ sche Leistungskonzept sieht im wesentlichen folgendes vor: Die Abteilung Gynäkologie/Geburtshilfe in Donaueschingen wird an die Kinderkli­ nik in VS-Villingen verlegt. Die Klinik für Orthopädie wird vom Stand­ ort VS-Goldenbühl nach Donaueschingen verlagert. lm Wandel befindet sich das Krankenhauswesen im Landkreis. Das Kreisklinikum Donaueschingen (Bild) und die gemeinsame Krankenhaus GmbH spielen dabei die zentrale Rolle. Die Fachabteilung Innere Medizin Donau­ eschingen wird im Rahmen des Gesamtver­ bundes als eine von vier Abteilungen für Innere Medizin weitergeführt. Sie erhält zu­ 11

Aus dem K reisgeschehen sätzlich einen Schwerpunkt im Fachgebiet Endokrinologie. Mittelfristig soll es im Schwarzwald-Baar- Kreis nur noch zwei Krankenhausstandorte – eine neue Zentralklinik in Villingen-Schwen­ ningen und das Krankenhaus Donaueschin- gen geben, das neben bestimmten Zentral­ funktionen die Regelversorgung für das süd­ liche Kreisgebiet übernimmt. Damit konnte ein wichtiger Meilenstein für die gemeinsame Krankenhaus GmbH gesetzt werden. Offen blieb noch die Frage der Trägerschaft. Der Landkreis präferierte klar eine öffent­ lich-rechtliche Trägerschaft mit der Stadt Vil­ lingen-Schwenningen und dem Landkreis als Träger, um die wichtige öffentliche Auf­ gabe der stationären Krankenversorgung nicht aus der Hand zu geben. Er lehnte eine private Lösung aber auch nicht generell ab. Bei der Stadt Villingen-Schwenningen gab es aus wirtschaftlichen Gründen starke Ten­ denzen für eine private Lösung, aber noch kein abgeschlossenes Meinungsbild. Standorte Furtwangen und St. Georgen Das medizinische Leistungskonzept sah für Furtwangen und später auch für St. Ge­ orgen vor, diese Krankenhäuser als Akut­ krankenhäuser für die vollstätionäre Versor­ gung aufzugeben. Dafür soll an diesen Stand­ orten eine qualifizierte Notfall- und Notarzt­ versorgung verbunden mit einer Praxisklinik mit einem kleinen Bettenkontingent unter Beteiligung der niedergelassenen Ärzte vor­ gehalten werden. Gegen die Aufgabe „ihres“ Krankenhauses als Akutkrankenhaus wehrte sich insbeson­ dere die Bevölkerung in Furtwangen vehe­ ment. Gegen Ende des Jahres 2002 spitzte sich die Situation am Krankenhaus Furtwangen zu. Mit bedingt durch die Diskussion über die Zukunft des Hauses gab es beim ärztli­ chen Personal eine starke Fluktuation. Ende 12 November zeichnete sich ab: Anfang Janu­ ar 2003 gibt es im Krankenhaus Furtwangen nicht mehr ausreichend Ärzte um die ärztli­ che Versorgung sicherzustellen. In dieser Situation kam die Geschäftsfüh­ rung des Kreisklinikums zusammen mit den verantwortlichen Ärzten zur Auffassung, im Interesse einer geordneten Patientenversor­ gung sei es nicht mehr möglich, den Kran­ kenhausbetrieb in der bisherigen Form zu gewährleisten. Der Geschäftsführer sah des­ halb bis zur endgültigen Entscheidung über die Zukunft des Krankenhauses Furtwangen eine entsprechende Betriebseinschränkung und die Umsetzung eines Großteils des Per­ sonals nach Donaueschingen vor. Die Stadt monierte, diese Betriebseinschrän­ kung sei nur durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss möglich und erwirk­ te eine einstweilige Anordnung, dass der Be­ trieb sowohl der chirurgischen als auch der inneren Abteilung aufrecht erhalten werden muss, bis die Stadt als Gesellschafterin einer Änderung zugestimmt hat. So kam es, dass im Januar 2003 zwar der Gesamtbetrieb aufrecht erhalten werden musste, Patienten in der inneren Abteilung mangels ausreichender ärztlicher Versorgung aber nicht mehr behandelt werden konnten. Im Durchschnitt wurden etwa zehn Patienten von 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versorgt. Ein unhaltbarer Zustand. Im Februar 2003 beschloss deshalb der Kreistag als Mehrheitsgesellschafter der Kreis­ klinikum GmbH, dass die Abteilung der In­ neren Medizin am Krankenhaus Furtwan­ gen sofort geschlossen und die Abteilung für allgemeine Chirurgie vorübergehend in eine Abteilung für elektive Chirurgie umgewan­ delt wird. Bis spätestens Ende 2003 soll das Kankenhaus Furtwangen für die stationäre Versorgung geschlossen werden. Zur Notfallversorgung ist ein permanent be­ setzter Notarztdienst zu gewährleisten. Au­ ßerdem soll im Krankenhausgebäude in Zu­ sammenarbeit mit niedergelassenen Medizi­ nern eine Praxisklinik mit ca. zehn Betten eingerichtet werden.

Diese vom Kreistag beschlossenen sehr weit­ reichenden Änderungen bedurften nach dem Gesellschaftervertrag der Zustimmung der Stadt Furtwangen als Mitgesellschafte­ rin. Bei Nichtzustimmung hätte die Stadt al­ lerdings die wirtschaftlichen Folgen zu tra­ gen. Dazu sah sich die Stadt Furtwangen nicht in der Lage und stimmte deshalb den vom Kreistag beschlossenen Änderungen im wesentlichen zu. Zwischenzeitlich wurden zahlreiche Ge­ spräche und Verhandlungen mit interessier­ ten Chirurgen, den niedergelassenen Ärz­ ten, den Kassen und auch dem Sozialminis­ terium geführt. Es besteht konkretes Interesse eines Chi­ rurgen im Krankenhaus Furtwangen eine chirurgische Praxis einzurichten. Die hierzu erforderliche Genehmigung wurde in Aus­ sicht gestellt. Mit den Kassen könnte ein Budget für die Praxisklinik vereinbart wer­ den. Es hat sich aber herausgestellt, dass der Be­ darf an Praxisklinikbetten für die niederge­ lassenen Ärzte geringer ist als angenommen. Vermutlich würden durchschnittlich nur zwei bis drei Betten belegt. Deshalb tun sich die niedergelassenen Ärzte in Furtwangen schwer, in das Krankenhausgebäude umzuziehen; sie möchten unter diesen Bedingungen lie­ ber ihre Praxen in der Innenstadt beibehal­ ten und nur die Infrastruktur der Praxiskli­ nik nutzen. Dies ist nachvollziehbar. Damit lässt sich aber ein wichtiger Baustein des Pra- xisklinikkonzepts nicht realisieren. Nun stellt sich für die Stadt Furtwangen als Gebäude­ eigentümerin die Frage, ob sie auch für die­ se modifizierte Nutzung die notwendigen hohen Investitionen in das Gebäude tätigen will und kann. Gemeinsame „Krankenhaus GmbH“ Parallel zu der schwierigen Situation in Furt­ wangen verdichtete sich die Entscheidungs­ findung über die Trägerschaft der gemeinsa­ men Krankenhaus GmbH auf Kreisebene. Es zeigte sich, dass die Angebote der priva­ K rankenhausstrukturen ten Anbieter bei sorgfältiger Prüfung die in sie gesetzten Erwartungen in vielen Berei­ chen nicht erfüllen konnten. Vor allem wa­ ren die privaten Anbieter nicht bereit, wie zunächst in Aussicht gestellt, für die Be­ schäftigten der Krankenhäuser auch künftig eine Einstufung nach BAT zu gewährleisten. So kam es, dass sich die Stadt Villingen- Schwenningen und der Landkreis Mitte des Jahres 2003 darauf verständigten, eine ge­ m einsam e Krankenhaus G m bH au f der Grundlage des bereits beschlossenen medi­ zinischen Konzepts in öffentlicher Träger­ schaff mit der Stadt Villingen-Schwennin­ gen und dem Landkreis zu gründen. Ein weiterer wichtiger Meilenstein wurde damit gesetzt. Die Eckpunkte für die Neu­ ordnung der Krankenhausstrukturen im Kreis stehen damit fest. Aber wie so häufig steckt auch hier noch der Teufel im Detail, z.B. bringt die Stadt mit ihren Kliniken den größeren Anteil in die gemeinsame GmbH ein und möchte des­ halb Mehrheitsgesellschafter werden. Der Kreis soll künftig die alleinige Finanzverant­ wortung bei eventuellen Defiziten und die Kreditbürgschaft für die sehr hohen künfti­ gen Investitionen übernehmen. Deshalb hält der Kreis einen mindestens 50%igen Anteil für unabdingbar. Bis zum Abschluss eines Ge­ sellschaftervertrages wird es deshalb noch schwierige Verhandlungen geben. Aber die Weichen sind gestellt. Es müsste möglich sein, die noch offenen Fragen ein- vernehmlich zu klären. Bereits kurzfristig könnten dann in einer gemeinsamen Kran­ kenhaus GmbH erhebliche Einsparungen realisiert werden. Mittelfristig hätten wir mit dem neuen Zentralklinikum und dem sa­ nierten Krankenhaus Donaueschingen im Verbund eine sehr wirtschaftliche und medi­ zinisch hervorragende Krankenhausstruktur im Schwarzwald-Baar-Kreis. Hoffen wir, dass uns der große Wurf gelingt. Karl Heim 13

Ringzu fährt! A uf einer nahezu kreisförmigen, rund 19Ö Kilometer langen Schienen­ strecke verbindet er seit dem 1. Sep­ tember 200 3 drei Landkreise: Mit einem Festakt in der Ringzug-Be- triebswerkstätte Immendingen wur­ de das gem einsam e Nahverkehrssys­ tem am 30. August 200 3 durch Lan- desverkehrsminister Ulrich Müller in Betrieb genom men. Bis 2 0 0 4 wird es rund 40 Haltestellen für den Ringzug geben, die die Hohenzolleri- sche Landesbahn werktags Ep it 20 neuen Triebwagen im Stundenfftkt anfahrt. Der Ringzug kostete rund 100 M illionen Euro, 45 neue Ar­ beitsplätze sind entstanden. Mit dem „3er“ beginnt im Landkreis ein neues Nahverkehrszeitalter.

A us dem Kreisgeschehen Nun endlich ist es soweit: Der Ringzug fährt, und das Interesse der Bevölkerung an diesem Nahverkehrsmittel ist riesengroß, so zumindest der Eindruck aus der einwöchi­ gen Startphase, die es jedem erlaubte, kosten­ los den Ringzug zu testen (siehe auch Bei­ trag auf der rechten Seite). Nach jahrelangen Vorarbeiten konnte das sogenannte Ring­ zugsystem, das ambitionierte kreisübergrei- fende Nahverkehrsprojekt der drei Landkrei­ se Rottweil, Tuttlingen und des Schwarz- wald-Baar-Kreises in der Region Schwarz- wald-Baar-Heuberg, zum 1. September 2003 in einer ersten Vorlaufstufe umgesetzt wer­ den. Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2003 wird dann die erste Ausbaustufe des Ringzuges komplett in Betrieb genommen werden können und 21 moderne Dieseltrieb­ wagen der Hohenzollerischen Landesbahn AG (HzL) werden eine neue Qualität des Nahverkehrs in die Region bringen. 36 neue, §prich reaktivierte Haltepunkte 36 neue, sprich reaktivierte Haltepunkte und zudem zwei Wiederinbetriebnahmen von Schienenstrecken im Städteviereck zwi­ schen Bräunlingen, Villingen, Rottweil und Tuttlingen (mit der Weiterführung einerseits nach Fridingen und andererseits nach Im­ mendingen bzw. ab Dezember 2004 nach Blumberg) werden im Regelfall stündlich von den komfortablen und sehr spurtstar­ ken Dieselleichttriebwagen bedient. In sei­ ner kompletten Endausbaustufe, die ab De­ zember 2004 erreicht werden soll, hat das Das Band ist durchschnitten, die reaktivierte Bahnstrecke Hüfingen-Bräunlingen ist frei. Das Bild entstand am Haltepunkt Htifingen und zeigt von links: Bernd Strobel, Vorstand der Hohenzollerischen Landesbahn (HzL), Landrat Karl Heim, Verkehrsminister Ulrich Müller, Hüfingens Bürgermeister Anton Knapp, Landtagsabgeordneter Franz Schumacher, Bräunlingens BürgermeisterJürgen Guse und HzL-ChefHans- Joachim Disch. 16

Kostenlos unterwegs – Ringzug-Impressionen D er Ringzug Ein ganz klein wenig ist es so, als würde im Schwarzwald-Baar-Kreis das Eisenbahnzeitalter ein zweites Mal beginnen: Kostenloses Probefahren mit dem Ringzug – die Bürgerinnen und Bürger genießen dieses Angebot eine ganze Woche lang sichtlich. Die Fahr­ gäste kommen in Scharen, die Regio- Shuttles sind „mega-in“. Als der Ringzug am Sonntag, 31. Au­ gust 2003, kurz vor der Mittagszeit am Haltepunkt Bräunlingen wieder Fahrt aufnimmt, sind die neuen Wagen der Hohenzollerischen Landesbahn bis auf den letzten Platz besetzt: Das Römer­ fest in Hüfmgen, Bummel in Donau- eschingen, der mittelalterliche Markt in VS-Villingen, ein Ringzug-Fest in VS- Zollhaus oder das Uhrenindustriemu­ seum in VS-Schwenningen – alles Zie­ le von Ringzug-Testern. Nicht wenige haben sich sogar vorge­ nommen, heute die gesamten 190 Schie­ nenkilometer abzufahren. Jedenfalls: An diesem Sonntag sind mit dem Ring­ zug allein im Schwarzwald-Baar-Kreis Tausende unterwegs. Die neue Eisen­ bahn scheint die Menschen geradezu magisch anzuziehen. ■ Komfortabel und schnell Der Ringzug ist komfortabel und er ist schnell, darin herrscht Einigkeit: In rund 30 Minuten kann man an diesem Testsonntag beispielsweise vom Ring­ zugendpunkt Bräunlingen aus zum Bahnhof in VS-Villingen gelangen. Von dort aus sind es dann gerade mal drei Minuten Fußweg in die Innenstadt. Am heutigen Sonntag allerdings lo­ cken andere Ziele: etwa der neue Do­ naupark derTuttlinger „Trilogie“. Wenn der Zug gleich drei Landkreise verbin­ det, dann will man das so auch einmal erlebt, sprich diese mit dem Ringzug durchfahren haben. ■ Der Berufsverkehr beginnt Eignet sich der Ringzug für Berufstä­ tige? Viele Bürger wollen versuchen, ih­ ren Arbeitsplatz künftig mit der Bahn zu erreichen. Die Hohenzollerische Lan­ desbahn setzt am Montag, den 1. Sep­ tember 2003, alle Triebwagen ein, die sie fahren lassen kann. Das hat seinen Gmnd: bereits kurz nach fünf Uhr mor­ gens nutzen 140 Immendinger Berufs­ pendler den Ringzug für ihren Weg nach Tuttlingen. Eine Fahrgastzahl, die zu dieser Tageszeit auch den Straßen­ bahnen der Großstädte alle Ehre ma­ chen würde. Der Andrang der Berufs­ tätigen hält die gesamte kostenlose Test­ woche über an. In den ersten Ringzugtagen hat man den Eindruck, dass diesem Nahver­ kehrssystem eine goldene Zukunft be­ vorstehen könnte. wd 1 7

Aus dem Kreisgeschehen Im Ringzug-Fiibrerstand. Die sprintstarken Lokomotiven fah­ ren bis zu 120 Stundenkilome­ ter schnell. Ringzugstreckennetz dann eine Gesamtlänge von knapp 200 km. Es umfasst die der Deutschen Bahn AG (DB) gehörenden Bahnlinien: (Sigmaringen -) Fridingen – Tuttlingen, Tuttlingen – Immendingen (-Donaueschingen), Tuttlingen – Rottweil, Rottweil – Villingen und Villingen – Donaueschingen – Hüfmgen (- Neustadt), sowie als nichtbundeseigene Eisenbahnen die der Stadt Blumberg gehörende Strecke Elintschingen – Blumberg, die der HzL gehörende Strecke Hüfmgen – Bräunlingen und die der Trossinger Eisenbahn gehörende Strecke Trossingen DB- Bahnhof- Trossingen Stadtbahnhof. 18 Die Bahnstrecke der HzL (Hüfmgen- Bräunlingen) war seit Jahrzehnten für den Personenverkehr stillgelegt und musste in einem extra dafür eingeleiteten Planfeststel­ lungsverfahren beim Regierungspräsidium Freiburg für den Personenverkehr freigegeben werden. Nachdem im Sommer 2003 umfang­ reiche Arbeiten durch die HzL an der ca. 2,5 km langen Strecke durchgeführt wurden, konnte schließlich pünktlich zum 1. Septem­ ber 2003 der Ringzug auf dieser Strecke star­ ten. Die Bräunlinger haben somit wieder die Möglichkeit, direkt per Bahn über die Schwarzwaldbahn in Offenburg oder über die Gäubahn in Stuttgart Zugang in das Fernverkehrsnetz der DB zu erlangen. Die knapp 16 km lange Bahnstrecke der Stadt Blumberg (Hintschingen-Blumberg) war ebenso seit Jahrzehnten für den Personen­ verkehr stillgelegt und wird im Laufe des Jahres 2004 umgebaut, sodass der Ringzug im Dezember 2004 von und nach Blumberg fahren kann. Insbesondere vor dem Hinter­ grund einer Bahnanreise der „Sauschwänz-

Harthausen terrenzim m l lingen Lackendoi ilnausen S tetten X — Zim m ern o. R. Flözlinge’n H ausen :nbacn Bünlingen Lauffen N ieder- escnacn V S H ä m m e r s t nach Elzach nach Homberg / Offenburg S ulzbacn nach Hornberg . n^terbach T e rjj^ n b ro n n V V cnram- berg Heiligen­ bronn ibronn Scnonacn Ronrnards berg Tribe Weißenbach G rem m els- bacn îacnbacn N u ß – Som m e bacn Fucnsfalle Stc Georgen K ö n ig s fe ld – Stpckburg Ne‘u-s nausen OberesoWacn Katzen Scnönw ald G r o p p e r t a l ^ ö l c h w e i X t nach re i bürg irbacn heck Oberkirnacn V ö n re n b a c n iütenbacn Neukircn Furtwangen Scnönen * bacn Unterkirnacn Linacn Pfaffenw eiler Marbac H erzogenw eilei‘ Kalte H erberge Uracn H am m er- îisenbacn Zindelstein W olterdingen Hubertsnofen ‚ Mistelbrunn Unterbränd ’ W aldnausen . Bräunlingen Bf. nach Freiburg Döggingen H ausen v. iviunaeiTingen A s el­ fingen Escnacn I B lu m b e rg nach W u tacnm ünle A cndorf Bonndorf Z o lln a u s Randen Epfen- nofen Fützen Am 1. September 2003 ging der 3er Ringzug in Betrieb. Neben den bestehenden Haltepunkten und Bahnhöfen wurden insgesamt 40 neue Haltepunkte geschaffen. Der nebenstehende Ausschnitt aus dem Ringzug-Fahrplan zeigt das Z u­ sammenspiel von Eisenbahn und Busverkehr im Landkreis auf. Die Bürgerinnen und Bürger kön­ nen nun mit einem Tarif alle Nah­ verkehrsmittel benützen und das werktags im Stundentakt. Kom m ingen îalden 19

Aus dem K reisgeschehen lebahn“-Touristen stellt der Anschluss an den Ringzug eine nicht zu unterschätzende Infrastrukturverbesserung für die Raum­ schaft Blumberg dar. So ist etwa geplant, den am Wochenende sehr erfolgreich im Landkreis Tuttlingen verkehrenden Donau­ talexpress nach Blumberg zu verlängern. Im Schwarzwald-Baar-Kreis können mit den Haltepunkten Villingen Bahnhof, Schwen­ ningen Bahnhof und Donaueschingen Bahnhof lediglich drei Haltepunkte ohne Umbauarbeiten genutzt werden. Die bisher bestehenden zwei Haltepunkte Hüfingen Bahnhof (künftig Hüfmgen-Mitte) und Klengen (künftig Brigachtal-Klengen) müs­ sen geringfügig verlegt und durch Neubauten ersetzt werden. Sieben Haltepunkte werden durch Neubauten reaktiviert: Bräunlingen Bahnhof, Donaueschingen-Aufen, Donau- eschingen-Grüningen, Marbach-West, VS- Zollhaus, Blumberg-Riedöschingen und Blumberg-Zollhaus. Zu diesen bestehenden bzw. reaktivierten Haltepunkten kommen sieben neue Haltepunkte hinzu: Bräunlin- gen-Industriegebiet, Donaueschingen-All- mendshofen, Donaueschingen-Mitte/Sied­ lung, Brigachtal-Kirchdorf, Marbach-Ost, VS-Eisstadion, VS-Hammerstatt. Insgesamt liegen somit 19 Haltepunkte des Ringzug­ systems im Schwarzwald-Baar-Kreis. Jährlich 1,258 M illionen Zugkilometer In seiner kompletten Ausbaustufe umfasst das Ringzugsystem jährlich etwa 1,258 Mio. Zugkilometer. Wochentags sieht der Fahr­ plan im Regelfall stündliche und am Wo­ chenende zweistündliche Verbindungen vor. Durch Zu- und Abbringer-Busse an vie­ len Knotenbahnhöfen ist gewährleistet, dass auch die Bürgerinnen und Bürger, die nicht im unmittelbaren Umfeld eines Ringzug­ haltepunktes wohnen, optimale Nahver­ kehrsstrukturen vorfinden und somit eben­ so von diesem neuen Nahverkehrssystem profitieren werden. Die von der HzL zum Einsatz kommen­ den 21 Dieselleichttriebwagen des Typs „Re­ 2 0 gio-Shuttle (RS1)“ wurden im Frühjahr 2003 in Berlin-Pankow von der Fa. Stadler für den Ringzugeinsatz montiert und wer­ den zwischen den Einsätzen von der HzL in ihrem neu errichteten Betriebswerk in Im­ mendingen gewartet. Die Zeiten, in denen die Bahnfahrer über das schlechte Wagen­ material der Züge in der Region geklagt ha­ ben, soll nun endlich der Vergangenheit an­ gehören. Dass der Ringzug in der Region auch ein nicht vernachlässigbarer Wirtschafts­ faktor ist, sieht man neben dem Neubau des Betriebswerks in Immendingen auch daran, dass die HzL insgesamt ca. 40 neue Arbeits­ plätze geschaffen hat bzw. noch schaffen wird. Des Weiteren ist daran zu erinnern, dass der Bau der Haltepunkte auch vielen Firmen in der Region Aufträge gebracht hat. Sehr augenscheinlich wird dies bei der Be­ leuchtung der neuen Haltepunkte, diese stammt von einem renommierten Hersteller aus Villingen-Schwenningen. Um das neue Nahverkehrssystem in der Region richtig nutzen zu können, war eine regionale Tarifkooperation unabdingbare Voraussetzung. Nachdem der Landkreis Rott­ weil zum 1. August 2003 und der Landkreis Tuttlingen zum 1. September 2003 jeweils einen Kreisverbund geschaffen haben, konn­ ten diese zusammen mit dem bereits seit dem 1. September 2000 bestehenden Ver­ kehrsverbund Schwarzwald-Baar (VSB) eine enge Tarifkooperation eingehen. Die Ko­ operation der drei Kreisverbünde stellt sicher, dass von jeder Haltestelle zu jeder anderen Haltestelle in der Region Schwarzwald-Baar- Heuberg alle öffentlichen Verkehrsmittel (Zug und Bus) mit nur einer Fahrkarte be­ nutzt werden können. Von Sulz nach Blum­ berg und von Triberg nach Fridingen kann man somit seit dem 1. September 2003 mit nur einer Fahrkarte alle verkehrenden Züge und Busse des Nahverkehrs nutzen. Die re­ gionale Tarifkooperation rundet das Ring­ zugsystem mit Bahn und Bus zu einem ganzheitlichen OPNV-System ab. Sven Hinterseh

D er Ringzug 21

D er Ringzug Hochbetrieb herrschte am Ringzugeröffnungstag am Haltepunkt Bräunlingen. Nach 30 Jah­ renfuhr in Bräunlingen erstmals wieder eine Eisenbahn ein, Anlassfür ein „Bahnhofsfest“. m Landrat Heim: „Bräunlingen ist am Zug“ Der 30. August 2003 war für die Stadt Bräunlingen ein historischer Tag: Nach­ dem man drei Jahrzehnte lang keinen Eisenbahnanschluss mehr hatte, reakti­ vierte der Ringzug die Personenbeför­ derung auf der Strecke Bräunlingen- Hüfingen. Für Bräunlingen bedeutet das, an eines der größten Nahverkehrs­ projekte in Baden-Württemberg ange­ schlossen zu sein. Damit hat die Stadt zugleich ihre Infrastruktur entscheidend verbessern können. Die Ankunft des ersten Ringzuges wur­ de von hunderten von Bürgern verfolgt. Landrat Heim kommentierte den für Bräunlingen historischen Anlass tref­ fend: „Bräunlingen ist am Zug“, for­ mulierte er unter dem Beifall der Bräun- linger im Namen des Schwarzwald-Baar- Kreises. Bürgermeister Jürgen Guse er­ innerte an den 1. August 1893, als mit der Bregtalbahn erstmals eine Eisen­ bahn in die Zähringerstadt eingefahren war. Doch die Bregtalbahn hat vor über 30 Jahren ihre Personenbeförderung eingestellt. Und Guse betonte deshalb weiter: „Ab heute ist Bräunlingen wie­ der direkter Teil der Eisenbahnwelt. „Als ein Baustein im Gesamtprojekt“ wertete Verkehrsminister Müller die Reaktivierung dieser Bahnstrecke. Dass zwischen Bräunlingen und Hüfmgen wieder eine Eisenbahn verkehrt, erfor­ derte Investitionen von 3,4 Millionen Euro, das Land gab einen Zuschuss von 1,5 Millionen Euro. Die Arbeiten wur­ den in der Rekordzeit von sechs Wo­ chen absolviert. wd 2 2

Anflüge zum Flughafen Zürich D eutschland erlässt nach Scheitern des Staatsvertrags neue Rechtsverordnung Aus dem Kreisgeschehen Im Rahmen der mit dem Flug­ hafen Zürich-Kloten verbunde­ nen Fluglärmproblematik, von der auch der Schwarzwald-Baar- Kreis betroffen ist, haben sich in jüngerer Zeit neue Entwick­ lungen ereignet. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat­ te im März 2002 entschieden, dass die Rechtsverordnung des Bundes, mit der der Luftwarte­ raum RILAX über Donaueschin- gen festgesetzt worden war, die Kläger – elf Städte und Gemein­ den sowie zwei Privatpersonen aus dem Schwarzwald-Baar- Kreis – in ihren Rechten verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat gegen dieses Urteil die Revision zuge­ lassen. Mit einer Entscheidung im Revisionsverfahren ist vo­ raussichtlich im Laufe des Jahres 2004 zu rechnen. Verbesserungen für W ochenenden Im August 2002 erließ das Luftfahrtbun­ desamt (LBA) eine Rechtsverordnung, mit der ein Teil des zwischen der BRD und der Schweiz im Oktober 2001 Unterzeichneten Staatsvertrags zum Flughafen Zürich vorläu­ fig umgesetzt wurde. Hiernach durften seit 27. Oktober 2002 an Wochenenden und ba­ den-württembergischen Feiertagen vor 9 U hr und nach 20 U hr keine Anflüge mehr unter einer Flughöhe von 10 000 Fuß (ca. 3 050 Meter über Meereshöhe, also etwa 2200 Meter über dem Schwarzwald-Baar- Kreis) über deutsches Gebiet geführt wer­ den. Gegen diese Verordnung hatten die bereits eine Geschichte: M it einem Flugverbotsschild auf der Stirn protestierte auch die 12-jährige Esther im Novem­ ber 2000 bei einer Kundge­ bung in Donaueschingen ge­ gen den Fluglärm. Fluggesellschaft „Swiss“ und die Betreiberin des Flughafens Zürich („Unique“) Klage vor dem VGH Baden-Württem­ berg erhoben sowie einen Eil- antrag gestellt, um das Inkraft­ treten der Verordnung zu ver­ hindern. Der VGH hat sowohl die An­ träge auf vorläufigen Rechts­ schutz als auch die Klagen ab­ gewiesen. Das Rechtsmittel der Revision gegen diese Ur­ teile wurde vom VGH nicht zugelassen. Die Klägerinnen haben daraufhin beim BVerwG Beschwerde gegen die Nicht­ zulassung der Revision erho­ ben. Uber diese wurde bisher noch nicht entschieden. Nachdem der Staatsvertrag bereits im Juni 2002 vom schweizerischen Nationalrat sowie im Juli 2002 vom Deutschen Bundes­ rat abgelehnt worden war, bedeutete die Ab­ lehnung auch durch den schweizerischen Ständerat am 18. März 2003 sein endgülti­ ges Scheitern. Daraufhin hat das LBA im April 2003 eine neue Verordnung zur Rege­ lung der An- und Abflüge zum und vom Flughafen Zürich in Kraft gesetzt. Darin wur­ de geregelt, dass im Luftwarteraum RILAX die Mindestwartehöhe werktags von 21 bis 7 Uhr bei 18 000 Fuß (ca. 5 400 Meter Ü.M.) liegen muss. An Wochenenden und Feierta­ gen gilt dies zwischen 20 und 9 Uhr. Die Mindestwartehöhe betrug dort bisher 13 000 Fuß (rd. 3 900 m. ü. M.) und wurde somit durch die Neuregelung zur Nachtzeit um ca. 1500 Meter erhöht. Außerdem dürfen über deutschem H o­ heitsgebiet unterhalb von 12 000 Fuß (statt 2 3

Aus dem Kreisgeschehen bisher 10 000 Fuß) werktags zwischen 21 und 7 Uhr (bisher 22 – 6 Uhr) keine Lande­ anflüge mehr stattfinden. A uf den Lande­ bahnen 14 und 16 (Nord-Süd- Richtung) sind zu diesen Zei­ ten überhaupt keine Anflüge mehr zulässig. Die Mindest­ flughöhe wurde nachts somit um rund 600 Meter erhöht, das Nachtflugverbot wurde in den Abend- und Morgenstun­ den verlängert. Diese Regelung soll ab April 2004 weiter verschärft werden und das Nachtflugverbot von 20 bis 8 Uhr verlängern. An Wochenenden und Feiertagen gilt weiterhin das verlängerte Nachtflugverbot von 20 bis 9 Uhr. Durch diese Beschränkungen soll mittelbar erreicht werden, dass die Zahl der Anflüge über Süddeutschland unter 12 000 Fuß zunächst auf 110 000 und ab April 2004 auf 80 000 begrenzt wird. Genau definierte Ausnahmen Das Inkrafttreten einer weiteren, in dieser Verordnung geregelten Verschärfung wurde auf den 30. Oktober 2003 festgelegt. Hier­ nach werden nur noch bestimmte, in der Ver­ ordnung genau definierte wetterbedingte Ausnahmen von den oben genannten Be­ schränkungen zugelassen. Diese orientieren sich am Maßstab der Boden-Sichtweite, der Hauptwolkenuntergrenze sowie der Rücken­ windstärke. Die Ausnahmen müssen zudem von der Deutschen Flugsicherung (DFS) ge­ nehmigt werden. Damit soll verhindert wer­ den, dass die schweizerische Flugsicherung „Skyguide“, der die Flugverkehrskontrolle in diesem Bereich obliegt, zu großzügig Gebrauch von den Ausnahmeregelungen macht, was ihr von betroffener Seite aus vor­ geworfen wurde. Diese verschärfte Ausnahmeregelung soll­ te zunächst bereits zum 10. Juli 2003 in Kraft treten. Der Schweizer Bundesrat in Bern legte Anfang Juni 2003 bei der EU- 24 Die über Südbaden gelegenen Luftwarteräume SAFFA (Waldshut) und EKRIT (Bo­ densee) sollen bis spätestens 2005 in die Schweiz verlegt werden. Dass der vom VGH als rechtswidrig erkannte War­ teraum RIALX nicht Gegen­ stand dieser Vereinbarung war, sorgte im Landkreis für große Verärgerung und Proteste. Kommission in Brüssel Beschwerde gegen die Verordnung ein. Nach seiner Ansicht verletzen die deutschen Flugbeschränkungen das seit Juni 2002 gültige bila­ terale Abkommen zwischen der Europäischen Gemein­ schaft und der Schweizeri­ schen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr. Die Be­ schwerde zielte darauf ab, dass die in der Verordnung festgelegten Beschränkungen annulliert und insbesondere die Verschärfungen hinsicht­ lich der Ausnahmeregelungen aufgeschoben werden sollten, bis die EU-Kommission inhaltlich über die Beschwerde entschieden hat. Zum gleichen Zeitpunkt stellten „Unique“ und „Swiss“ beim VGH in Mannheim An­ trag auf Erlass einstweiliger Anordnungen gegen diese Verordnung. Der VGH lehnte diese Anträge im Juli 2003 ab. Am 26. Juni 2003 vereinbarten Bundesver­ kehrsminister Dr. Manfred Stolpe und sein schweizerischer Amtskollege Moritz Leuen- berger den Aufschub der Verschärfung bis zum 30. Oktober 2003. Im Gegenzug sagte die Schweiz zu, dass ab diesem Zeitpunkt in Zürich Landeanflüge von Süden auf der Pis­ te 34 möglich sein würden. „SAFFA“ wird bis 200 5 verlegt Vereinbart wurde außerdem, dass die über Südbaden gelegenen Luftwarteräume SAFFA (Waldshut) und EKRIT (Bodensee) bis spä­ testens 2005 in die Schweiz verlegt werden sollen. Dass der – vom VGH als rechtswid­ rig erkannte – Warteraum RILAX nicht Ge­ genstand dieser Vereinbarung war, sorgte im Schwarzwald-Baar-Kreis für große Verärge­ rung. Landrat Karl Heim sowie die „Bürger­ initiative gegen Züricher Flugverkehrsbelas­ tung Schwarzwald-Baar-Kreis“ setzten sich ge­ gen diese Ungleichbehandlung sogleich mit Protesten gegenüber Bundesverkehrsminis­ ter Stolpe zur Wehr und baten Ministerprä-

p u r g e r d n – Region iv v e firi euch 3 V „ d f e M’mAroqoK} i t r k e h r Fluglärm ¡müssen w«i | FlujifsUi: ‚‘««M Geschlossener Protest: Im November 2000 demonstrierten Menschen aus allen Teilen des Kreisgebietes in Donaueschingen gegen den Fluglärm. Auch diese Kundgebung dokumentierte, dass der Schweizer Fluglärm fü r die Bevölkerung des Schwarzwald-Baar-Kreises eine große Belastung darstellt. sident Teufel um weitere Unterstützung. Ein weiteres Ergebnis der Verhandlung zwischen den beiden Verkehrsministern war, dass die BRD und die Schweiz ein abgestimmtes Konzept für die Organisation der Flugsiche­ rung im Grenzbereich mit den erforderlichen rechtlichen Grundlagen entwickeln und um- setzen werden, das die Sicherheit im Flug­ verkehr garantiert, einen technisch einwand­ freien Verkehrsfluss ermöglicht und die eu­ ropäischen Entwicklungen einbezieht. Unabhängig davon soll eine Beteiligung der Bundesrepublik bei Entscheidungs- und Verfahrensabläufen sichergestellt werden. Neue Verordnungen Während der verlängerten Sperrzeiten wur­ de der Flugverkehr zunächst über die Piste 28 von Osten her abgewickelt. Dieses Anflug­ regime von Osten galt bereits für die seit Ok­ tober 2002 bestehenden Sperrzeiten an den Wochenenden. Im Mai 2003 erteilte der Zü­ richer Regierungsrat außerdem seine Einwil­ ligung zu den vom Flughafen beim schwei­ zerischen Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) beantragten Südanflügen, um den Flugbetrieb weiterhin sicherzustellen. Das BAZL genehmigte diese im Juni 2003. Mit Wirkung ab Oktober 2003 wurde zunächst das sogenannte partielle Sichtanflugverfah­ ren (VOR/DME) auf die Südpiste (34) frei gegeben. Unter gewissen Wetterbedingungen sind demnach in Zürich-Kloten Südanflüge möglich. Für dieses Verfahren ist allerdings ei­ ne minimale Sichtweite von 4700 Metern erforderlich. Da nach der seit 30. Oktober 2003 gültigen Verschärfung der deutschen 2 5

Fluglärm Ausnahmeregelung Nordanflüge nur noch bei Sichtweiten unter 1 800 Metern zulässig sind, sind bei Sichtweiten zwischen 1800 und 4700 Metern weder Nord- noch Südan­ flüge zulässig bzw. möglich. Die Maschinen müssen dann während der Sperrzeiten wie bisher von Osten anfliegen oder – wenn die Piste 28 bei bestimmten Witterungsbedingungen zu kurz ist – auf andere Flughä­ fen (z.B. Basel) umgeleitet werden. Erfahrungen aus dem Land­ kreis Ab Herbst 2004 soll schließ­ lich das vom BAZL im Juni 2003 genehmig­ te Instrumentenlandesystem (ILS) für An­ flüge von Osten und von Süden voll funk­ tionsfähig sein. Die bisherigen Erfahrungen mit der neuen Verordnung fallen im Schwarzwald-Baar- Kreis unterschiedlich aus. Während teilwei­ se erhebliche Verbesserungen hinsichtlich der Lärmbelastungen festgestellt werden, wur­ den andererseits Beschwerden über zu exzes­ siven Gebrauch von den Ausnahmeregelun­ gen laut. Da ab 30. Oktober 2003 aber die Ausnahmen von der DFS bewilligt werden müssen, ist dadurch mit verbesserten Kon- trollmöglichkeiten hinsichtlich der Ausnah­ mepraxis zu rechnen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Warteraum RI LAX zwar die Mindestwartehöhe zur Nachtzeit angeho­ ben wurde. Die Uberflüge, bei denen kein Warteverfahren stattfindet, sowie die Ausfä­ delungen aus der Warteschleife finden aber nach wie vor in einer Höhe von lediglich 7000 Fuß statt. Der Schwarzwald-Baar-Kreis tritt daher weiterhin für seine Forderung ein, dass der Warteraum RILAX in die Schweiz verlegt wer­ den muss. Der Landkreis hatte in Abstim­ mung mit den betroffenen Gemeinden im Jahr 2002 hierzu ein Gutachten in Auftrag 2 6 Das Landratsamt sowie die Bürgerinitiative Schwarzwald- Baar-Kreis stehen in Kontakt mit der Landesregierung und erfahren hierbei auch tatkräfti­ ge Unterstützung. Die bisheri­ gen Anstrengungen mit dem Ziel einer Eindämmung und gerechten Verteilung der Flug­ lärmbelastung haben zu Erfol­ gen geführt. gegeben. Dieses wurde im Juli 2003 fertig ge­ stellt und bestätigte, dass eine Aufhebung oder Verlegung von RILAX in die Schweiz technisch grundsätzlich möglich ist. Hierzu kann die beschlossene Verlegung der Hol­ dings SAFFA und EKRIT sowie die Eröffnung der Süd­ anflüge nur ein erster Schritt im Rahmen eines Gesamtkon­ zepts sein, auf den die Verle­ gung von RILAX folgen muss. Zur Verhinderung missbräuch­ licher Ausnahmeregelungen so­ wie neuer Belastungen durch Lärmexporte in der Ost-West- Flugbewegung im Grenzgebiet besteht der Schwarzwald-Baar- Kreis außerdem weiterhin darauf, dass die Flugverkehrskontrolle von der „Skyguide“ auf die DFS oder auf eine gemeinsame zwi­ schenstaatliche Einrichtung übertragen wird. Schließlich wird eine stärkere Begrenzung der Zahl der Anflüge über Süddeutschland auf insgesamt höchstens 60 000 pro Jahr so­ wie auf maximal ein Drittel aller Anflüge nach Zürich-Kloten gefordert. Hinsichtlich dieser Forderungen stehen das Landratsamt sowie die Bürgerinitiative Schwarzwald-Baar-Kreis in Kontakt mit der Landesregierung und erfahren hierbei auch tatkräftige Unterstützung. Auch die regionale Begleitkommission un­ ter Federführung des Regierungspräsiden­ ten, in der die südbadischen Landkreise ver­ treten sind, bringt die Interessen der Raum­ schaft regelmäßig gegenüber der Landesre­ gierung zum Ausdruck. Die bisherigen Anstrengungen mit dem Ziel einer Eindämmung und gerechteren Verteilung der Fluglärmbelastung haben al­ so zu durchaus beachtlichen Erfolgen ge­ führt. Durch ein fortgesetztes gemeinschaft­ liches Engagement der Betroffenen gilt es nun, diese Fortschritte zu sichern und wei­ tere Verbesserungen zu erreichen. Christoph Alber

Neues Konfliktpotential mit der Schweiz Pläne zu einem Endlager für radioaktive Abfalle in G renznahe zu D eutschland A us dem Kreisgeschehen nach schweizer Angaben erst bis in ca. 40 Jah­ ren aufgenommen werden soll – bis dahin sol­ len die Abfälle zum Zweck des Abkühlens wie in Deutschland zwischengelagert werden – werden die Weichen doch bereits jetzt gestellt. Wenn wir uns vor Augen halten, dass die dann abgelagerten hochradioaktiven Abfälle noch über Tausende von Jahren (so hat etwa das hochgiffige Plutonium eine Halbwertszeit von 24 000 Jahren, d.h. nach 24 000 Jahren ist die Radioaktivität nur um die Hälfte ver­ ringert) ein immenses Gefahrenpotential für Mensch und Umwelt darstellen und die Ex­ pertenwelt bei der Anlage solcher Einrich­ tungen eine Sicherheitsprognose von 1 Mio. Seit mehr als drei Jahren wird im Schwarz- wald-Baar-Kreis, in den Landkreisen Walds­ hut und Konstanz heftig um die durch die Einrichtung des Warteraums RILAX ausge­ löste Fluglärmproblematik gestritten (Siehe Beitrag Seite 23). Öffentliche Proteste, Bürger­ initiativen, Gerichtsverfahren, Gutachten und Rechtsverordnungen des Bundes tun das ih­ rige, dass dieses Thema nicht aus den Schlag­ zeilen herauskommt – eine befriedigende Lösung für den Schwarzwald-Baar-Kreis ist aber trotz allem Engagements noch nicht in Sicht. Ein anderes Thema mit mindestens ge­ nau so viel Zündstoff, jedoch mit noch weit gravierenderen Auswirkungen für Generatio­ nen unserer Nachkommen findet jedenfalls derzeit noch eher weniger öffentli­ che Beachtung: Allem An­ schein nach beabsichtigt die Schweiz in unmittelbarer Grenznähe ein Endlager für radioaktive Abfälle einzu­ richten. Da die Schweiz – wie auch Deutschland – den radioak­ tiven Müll im eigenen Land entsorgen will, soll nun im sogenannten Zürcher Wein­ land in der Nähe des kleinen Orts Benken gleich hinter Schaffhausen hochradioak­ tiver Abfall – abgebrannte Brennelemente der fünf schweizer Kernkraftwerke und verglaste Abfälle – für viele Hunderttausende von Jahren „endgelagert“ wer­ den. Das „Gorleben“ der Schweiz soll wenige Kilome­ ter vor unserer Haustüre Realität werden. Auch wenn der Betrieb dieses Lagers Für die untertägige Anlage eines Tiefenlagers potentiell geeignetes Gebiet. 2 7

Aus dem K reisgeschehen Jahren (!) für erforderlich hält, wird schnell klar, vor welch schwierigen fachli­ chen, aber auch ethischen Fragen unsere heutige Ge­ neration – und das nicht nur in der Schweiz – steht: Mit welchem Recht nutzen zwei Generatio­ nen im Interesse einer si­ cheren Energieversor­ gung die Atomkraft und produzieren dabei Abfäl­ le, die noch zahllose Ge­ nerationen unserer Nach­ fahren belasten? Bei einem solchen End­ lager geht es nicht um ir­ gendeine Mülldeponie, von der nach 50 oder lOOJahren keine Gefah­ ren mehr ausgehen, sondern um ein Jahrtau­ sendprojekt, von dem wir nicht wissen, wel­ chen Einflüssen – geologisch oder von Men­ schenhand – es in 100, 200 oder gar 10 000 Jahren ausgesetzt sein wird. Sicherlich ist das kein Problem, dass allein die Schweiz betrifft. Alle mit Atomkraft ar­ beitenden Staaten dieser Welt stehen vor derselben Frage. Und erstaunlicherweise – oder vielleicht auch gerade wegen der Schwie­ rigkeit dieser Fragestellungen – hat bislang noch kein Staat dieser Erde hier eine Lösung gefunden und realisiert. Bis heute verfügen nicht einmal die USA über ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aus der zivilen Stromproduktion – die kleine Schweiz ist das erste Land, das diese heikle Frage jetzt ei­ ner Lösung zuführen will – und das 20 km von unserer Kreisgrenze entfernt. W ie kam es dazu? Wie andernorts auch wurden in der Schweiz in den 1960er Jahren die ersten Kernkraft­ werke in Betrieb genommen. Neben Bez- nau I und II kam 1972 das Kraftwerk in Mühleberg, 1979 das in Gößgen und zuletzt 1984 das in Leibstadt – gegenüber von Walds­ 2 8 Schematische Gesamtdarstellung des Tiefenlagers für abgebrannte B rennele- mente, verglaste hochaktive Abfälle sowie langlebige mittelaktive Abfälle im Opalinuston des Zürcher Weinlandes. hut-Tiengen – hinzu: alle in unmittelbarer oder großer Nähe zur deutschen Grenze. Mit ihnen deckt die Schweiz 40% ihres Strombedarfs, der Rest wird aus Wasserkraft gewonnen. Nach Schweizer Recht hatten die Betreiberder Atomkraftwerke die Pflicht, spä­ testens bis zum Jahre 1985 den Nachweis – die „Gewähr“ – dafür zu erbringen, dass eine Über jahrtausende währende Endlagerung der Abfälle unter Tage in bestimmten geologi­ schen Formationen der Schweiz sicher mög­ lich ist (Sicherheitsnachweis), diese Lagerung bautechnisch machbar ist (bautechnischer Nachweis) und dafür ein oder mehrere denk­ bare (Modell-) Standorte in der Schweiz vor­ handen sind (Standortnachweis). Um diese drei Nachweise zu erbringen, die zusam­ mengefasst den „Entsorgungsnachweis“ bil­ den, wurde 1972 von den dazu verpflichteten Kemkraftwerksbetreibern die „Nationale Ge­ nossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle“ – kurz NAGRA genannt – gegrün­ det. Mit großem – auch finanziellem – Aufwand untersuchte die NAGRA in den 80er Jahren die kristallinen Wirtsgesteine Gneis und Granit in der Nordschweiz an der Grenze zu Deutschland, da hier im Vergleich zur übri­ gen Schweiz die größte tektonische Stabili­

tät bestünde. Auch glaubte man, aufgrund einschlägiger Erfahrungen aus Schweden re­ lativ schnell und auch kostengünstig in diesen Gesteinsformationen „fündig“ zu werden. Im Zuge umfangreicher Bohrungen der NAGRA kam es zu massiven Prostesten der Bevölkerung auch im Schwarzwald-Baar- Kreis, als 1988 in Siblingen im Kanton Schaffhausen eine Bohrung niedergebracht wurde. Als letztlich jedoch trotz allen Auf­ wandes der NAGRA für das Kristallin kein „Standortnachweis“ erbracht werden konn­ te – die untersuchten Formationen erwiesen sich als zu klüftig und damit zu wasserdurch­ lässig – vollzog die NAGRA auf Weisung der Schweizer Regierung Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre eine Wende: Das aufwendig untersuchte Kristallin sollte nur noch als „Reserveoption“ gelten, der Fokus der Unter­ suchungen sollte jetzt auf die sogenannten Sedimentgesteine gerichtet werden. Mehr oder weniger im Stillen entwickelte die NAGRA dann in den 90er Jahren ein Aus­ wahl- und Untersuchungsprogramm für die verschiedenen Sedimentgesteine und engte ihren Blick immer mehr auf die Gesteinsar­ ten „Opalinuston“ und „Untere Süßwasser­ molasse“ in acht Gebieten der Nord- und Mittelschweiz ein. Während zuletzt auch noch die „Untere Süßwassermolasse“ als Re­ serveoption zurückgestellt wurde, ist seit 1998 ein 50 km2 großes Gebiet des Opalinustons, der als besonders wasserundurchlässig gilt, in der Nähe des kleinen Orts Benken das Zent­ rum aller Bemühungen: Hier wurden mit großem Aufwand seismische Messungen durchgeführt und eine rund 1000 m tiefe Bohrung niedergebracht. Die Ergebnisse wa­ ren laut NAGRA „ermutigend“, ein rund 8 km2 großes Lagergebiet habe dabei „erste Priorität“. Auf der Basis dieser Untersuchun­ gen beantragte die NAGRA im Dezember 2002 bei den Schweizer Atomaufsichtsbe­ hörden die Genehmigung des, nach ihrer Ansicht jetzt als erbracht angesehenen, Ent­ sorgungsnachweises sowie die Konzentrati­ on weiterer nachfolgender Untersuchungen auf den Opalinuston im Zürcher Weinland. A tom endlager Benken/Schw eiz Nach technischer Prüfung der eingereich­ ten Unterlagen wird der Schweizer Bundes­ rat, die Schweizer Regierung, voraussicht­ lich in der ersten Jahreshälfte 2006 eine Ent­ scheidung zu diesem „Entsorgungsnach­ weis“ treffen. Sollte diese positiv ausfallen – wovon nach derzeitigem Diskussionsstand wohl ausgegangen werden muss – und ande­ re, auch internationale – Entsorgungsalter­ nativen nicht realisierbar sind, sollen weite­ re Untersuchungen folgen und etwa im Jah­ re 2020 eine „Rahmenbewilligung“ für Bau und Betrieb eines atomaren Endlagers erteilt werden. Betriebsbereit soll das Endlager bis Mitte dieses Jahrhunderts sein. W ie steht der Schwarzwald-Baar-Kreis zu diesem ProEekt? Bereits nach Bekanntwerden der „ermuti­ genden Ergebnisse“ der Sondierungsboh­ rung Benken im Jahre 2000 erhob sich ins­ besondere im südlichen Kreisgebiet Protest in der Bevölkerung. Zusammen mit dem Landkreis Konstanz und dem ebenfalls mas­ siv betroffenen Landkreis Waldshut – die Trinkwasserversorgung der Gemeinde Jestet­ ten befindet sich nur wenige Kilometer vom Endlagergebiet entfernt – ist es gelungen, zunächst in einem Arbeitskreis etwas Licht ins Dunkel des schweizerischen Vorgehens zu bringen. Uber die bereits 1982 völker­ rechtlich vereinbarte „Deutsch-Schweizeri­ sche Kommission für die Sicherheit kern­ technischer Einrichtungen“ (DSK) wurde der für die Endlagersuche in Deutschland eingerichtete „Arbeitskreis Auswahlverfah­ ren Endlagerstandorte“ (AkEnd), ein unab­ hängiges Gremium von Wissenschaftlern der verschiedensten Disziplinen beauftragt, seinerseits das schweizerische Auswahlvor­ gehen zu beurteilen. Der im April 2002 vor­ gelegte Bericht dieses Arbeitskreises kam zu einem aus unserer Sicht wenig erfreulichen Ergebnis. Hier heißt es nämlich: „Insgesamt gesehen erfüllt das Schweizer Auswahlverfahren die Anforderungen, die international an ein solches Verfahren gestellt 2 9

Aus dem K reisgeschehen werden. Die unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit getroffene Auswahl des Zürcher Weinlandes als bevorzugte Option für ein (…) Tiefenlager in der Schweiz ist als ge­ rechtfertigt anzusehen. Der Vorwurf, die Grenznähe des Zürcher Weinlandes wäre Antrieb für diese Auswahl gewesen, ist zu­ rückzuweisen.“ Dieses Ergebnis ist umso erstaunlicher, als das Vorgehen der Schweiz den vom Arbeits­ kreis selbst gesetzten und international üb­ lichen Maßstäben der Verfahrenstranspa­ renz nicht entspricht: Weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden rich­ tungsweisende Entscheidungen zur Stand­ ortauswahl getroffen und sich anbietende Alternativen wurden nicht mit der gleichen Sorgfalt und Tiefe wie der Opalinuston ge­ prüft. Besonders ärgerlich ist auch das be­ griffliche Verwirrspiel der Schweizer Stellen um den „Entsorgungsnachweis“: Während offiziell immer noch die Rede davon ist, dass mit der Genehmigung des Entsor­ gungsnachweises für den Opalinuston im Zürcher Weinland beileibe noch keine Standortentscheidung gefallen sei, operiert die NAGRA bereits öffentlich mit dem Zür­ cher Weinland als „mögliches Standortge­ biet“. So wird Sand in die Augen der Betrof­ fenen gestreut. Der Bevölkerung des eigenen Landes sowie des Nachbarlandes in diesem Stadium bereits vorgezeichnete Entschei­ dungen zur Standortregion zu präsentieren, widerspricht eindeutig allgemein üblichen internationalen Standards zum Auswahlver­ fahren: Der Bedeutung eines solchen Jahr­ tausendprojektes ist es vielmehr angemes­ sen, dass der betroffenen Bevölkerung von Anfang an das Verfahren klar strukturiert präsentiert und sie in die jeweiligen Verfah­ rensschritte umfassend einbezogen wird. Diese objektiven Verfahrensmängel des bisherigen schweizerischen Vorgehens und die unzureichende Untersuchung alternati­ ver Gesteinsformationen veranlassten sogar das Bundesumweltministerium, öffentlich eine abweichende Haltung zu der des AkEnd einzunehmen. 3 0 Bedenken auf deutscher Seite Hinzu kommen gravierende Bedenken auch deutscher Sicherheitsexperten im H in­ blick auf die seismischen Aktivitäten im Zür­ cher Weinland und Zweifel an der ausrei­ chenden Mächtigkeit und Dichtigkeit des hier Vorgefundenen Opalinustons. Vor dem Hintergrund dieser Situation und in Anbetracht der weitreichenden Folgen ei­ nes Endlagers in Grenznähe – bei aller Si­ cherheitstechnik können doch Störfälle oder Transportunfälle nie gänzlich ausgeschlos­ sen werden – hat der Kreistag des Schwarz- wald-Baar-Kreises am 5. Mai 2003 einstimmig eine Resolution an die Adresse aller verant­ wortlichen Stellen in der Schweiz, aber auch die des Bundes und des Landes gefasst. Eingefordert werden hier in aller Deutlich­ keit folgende Punkte: Durchführung eines internationalen Stan­ dards genügenden Standortauswahlverfah­ rens mit zuvor – auch der deutschen Öffent­ lichkeit gegenüber – klar definierten und un­ ter Sicherheitsaspekten erarbeiteten Auswahl­ kriterien und Sicherstellung eines transpa­ renten Verfahrens. Detaillierte Prüfung aller sicherheitstech­ nisch gleichwertigen Gesteinsformationen in der Schweiz, d. h. keine Zurückstellung be­ stimmter geeigneter Gebiete nur deshalb, weil sie mit höherem Aufwand in derselben tech­ nischen Gründlichkeit erkundet und unter­ sucht werden müssen wie der Opalinuston. Eindeutige Ausräumung der geäußerten Sicherheitsbedenken zum Opalinuston im Zürcher Weinland. Bis zum Abschluss eines erneuten Aus­ wahlverfahrens darf keine Vorfestlegung auf das Zürcher Weinland als Standortgebiet er­ folgen. Suche nach dem „sichersten“ Endlager­ standort überhaupt, d.h. nicht nur dem si­

chersten in der Schweiz. Dies bedeutet, dass gegebenenfalls auch internationale Lösungen mit in die Überlegungen einbezogen werden müssen. Beteiligung der deutschen Seite in jedem Schritt des Verfahrens und damit verbunden auch die Einschaltung deutscher Sicherheits­ experten. Beteiligung an Verfahren zugesagt Auf diese Resolution hin hat die Schweizer Seite zwar die weitere Beteiligung, auch des Schwarzwald-Baar-Kreises, im Verfahren zu­ gesagt, gleichzeitig aber betont, dass es aus­ schließlich Sache der Schweizer Regierung sei, im Rahmen der Prüfung des von der NAGRA vorgelegten Entsorgungsnachwei­ ses zu beurteilen, ob ein neues Auswahlver­ fahren durchgeführt werden soll. Den geäu­ ßerten Sicherheitsbedenken werde, auch unter Einschaltung internationalen Sachver- standes, im weiteren Verfahren nachgegan­ gen. Im Übrigen hätten die deutsche Bevöl­ kerung und die deutschen Kommunen die­ selben Verfahrensrechte wie die Schweizer Bürger und Kommunen. So schön sich ge­ rade die letzt genannte „Zusage“ anhört, so A tom endlager B enken/Schw eiz wenig ist sie von praktischem Nutzen: Die von der Schweizer Bundesregierung zu tref­ fende Entscheidung zum vorgelegtem Ent­ sorgungsnachweis wie auch die spätere „Rah­ menbewilligung“ für das Endlager, welche zusätzlich noch der Zustimmung des Schwei­ zer Parlaments bedarf, sind vor den Gerich­ ten der Schweiz nicht anfechtbar. Nach Schweizer Rechtslage ist die Entscheidung zum Entsorgungsnachweis überhaupt nicht und die etwa im Jahre 2020 zu erwartende Rahmenbewilligung allenfalls durch ein Re­ ferendum des Schweizer Volkes überprüfbar. Abgesehen von einem Anhörungsrecht der Deutschen Seite ist damit ein Rechtsschutz, wie er nach unserem Recht selbstverständlich ist, nicht gewährleistet. Ob hier über den Bund völkerrechtlich Abhilfe geschaffen werden kann, ist derzeit noch offen. Aber Skepsis ist angezeigt. Bis zum Jahre 2006, in dem der Schweizer Bundesrat eine richtungsweisende und aus unserer Sicht als Vorentscheidung bezüglich des Standortgebietes Zürcher Weinland zu wertende Aussage zum Entsorgungsnachweis zu treffen hat, ist also noch einiges an Über­ zeugungsarbeit und Protest zu leisten. Un­ sere Bevölkerung im Landkreis wie auch die in den angrenzenden Kreisen ist jedenfalls sensibilisiert und ver­ folgt die Diskussion sehr kritisch. Glückli­ cherweise ziehen wir hier – jedenfalls derzeit noch – mit dem Bund an einem Strang. Ge­ meinsam können wir hier vielleicht etwas erreichen, wenn uns auch die Erfahrungen, die wir in Sachen Flug­ lärm mit der Schweiz gemacht haben, nicht unbedingt zuversicht­ lich stimmen können. Modellhafie Ansicht der Außenanlagen im Portalbereich des Tiefenlagers. Joachim Gwinner 31

Aus dem K reisgeschehen Intematsneubau der Landesberufsschule Erster Bauabschnitt im Mai 2003 fertiggestellt Im Almanach 2002 wurde über den ersten Spatenstich im Juli 2001 zur Erweiterung und Sanierung des Internats der Landesbe­ rufsschule für das Hotel- und Gaststättenge­ werbe in Villingen berichtet. Nach fast zwei­ jähriger Bauzeit konnte nun im Mai 2003 die Fertigstellung des ersten von zwei ge­ planten Bauabschnitten gefeiert werden. Mit einem Kostenaufwand von 6,4 Millio­ nen Euro wurden ein dreigeschossiger Wohn- trakt mit Tiefgarage sowie ein zusätzliches Parkdeck erstellt. Die noch folgenden Phasen sollen in den kommenden Jahren verwirklicht werden. Sie beinhalten den Umbau und die Sanierung der bereits vorhandenen drei Wohngebäu­ de, dessen ältestes, das in den 1960erjahren erworbene alte Villinger Friedrichskranken­ haus, bereits 1909 erbaut wurde. Die Baumaßnahmen waren erforderlich geworden, um zum Einen einen zeitgemäßen Wohnraumstandard zu schaffen. Statt Drei- bis Sechsbettzimmern mit Etagenduschen sollen nach Abschluß des letzten Bauab­ schnittes für 500 Schüler zumeist Zweibett­ zimmer mit eigener Naßzelle zur Verfügung Offizielle Schlüsselübergabe an Landrat Karl Heim (rechts) durch den Architekten Thomas Melder. stehen. Andererseits sollte die seit Jahren be­ stehende Parkplatznot rund um die Schule we­ sentlich entschärft werden. Nachdem am Ende der 1990erjahre unter­ schiedliche Konzepte für die Zukunft von Schule und Internat geprüft und intensiv dis- Neubau eines dreigeschossigen Wohntraktes fü r die Landesberufsschule. 32

Internatsneubau d er Landesberufsschule kutiert worden waren, kam es im Herbst 2000 zur endgültigen Entscheidung des Kreistages, auf dem bestehenden Areal zu bleiben und dort sowohl neu zu bauen, als auch die be­ reits bestehenden Internatsgebäude zu mo­ dernisieren. Das Freiburger Architekturbüro Melder und Binkert war als Sieger aus einem begrenzt of­ fenen Realisierungswettbewerb hervorge­ gangen und anschließend mit der Planung und Umsetzung des ersten Bauabschnittes beauftragt worden. Diese Aufgabe wurde vorbildlich gelöst. Die Neubauten fugen sich sehr harmonisch in die vorhandene Bau­ struktur ein. Schule und Internat bilden nun ein geschlossenes Viereck mit einem neu ge­ stalteten Innenhof. Der „Haus 4“ genannte neue Wohntrakt verfugt über 48 modern und funktionell aus­ gestattete Zimmer, die während der noch folgenden Sanierungsarbeiten in den älteren drei Internatsgebäuden, mit vier Schülern belegt werden sollen. Mehrere großzügig an­ gelegte Gemeinschaftsräume werden den In­ ternatsschülern den Aufenthalt noch ange­ nehmer gestalten. Zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Bildungswesen wohnten am 22. Mai 2003 der offizielle Schlüsselübergabe an Landrat Karl Heim durch den Architekten Thomas Melder bei. Der darauf folgende „Tag der offenen Tür“ am 25. Mai 2003 ermöglichte es einer brei­ ten Öffentlichkeit, die neuen Räumlichkei­ ten zu besichtigen. Ein attraktives Rahmen­ programm mit Musik, Tanzvorfuhmngen, Ar­ tistik u.a. sowie kulinarische Spezialtitäten der Internats- und auch einer Schulküche sorgten für beste Stimmung. Hans-Werner Fischer B ilder rechts: Das Gebäude verfügt über 4 8 modern und funktionell ausgestattete Zimmer sowie groß­ zügig angelegte Gemeinschaftsräume. Unten der Speisesaal, 2. Bild von oben: Blick ins Foyer.

Aus dem Kreisgeschehen Hilfe bei Demenz ihrer demenzkranken M u tte r sehr viel vorgenom men – das zumindest hörte sie von ihren Freunden, ihren Nachbarn und auch von ihrer Fami­ lie. Erst wenige Wochen waren vergangen, seit der Facharzt ihrer M u t­ ter e rö ffn e t hatte, dass sie sehr wahrscheinlich an Altersdemenz leide. Diese Krankheit sei nicht zu heilen, höchstens aufzuhalten – sie müsse sich m it der allmählichen Verschlechterung ihres Zurechtkommens im Alltag abfinden und sich darauf einstellen. Angehörige erhalten Unterstützung N a c h d e m e r s t e n E n t s e t z e n , d e r e r s ­ t e n g r o s s e n A n g s t u n d T r a u e r , h a t t e s i c h d i e Fa m i l i e m i t d e r M u t t e r z u s a m ­ m e n g e s e t z t u n d s i c h b e r a t e n . In Gesprä­ chen mit den Ärzten und der Beraterin des kirchlichen Sozialdienstes hatte Frau Müller gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Ge­ schwistern, ihrem Ehemann und den Kin­ dern einen, zuerst einmal vorläufigen, Plan entworfen. Sie wollte versuchen, die Betreu­ ung und Pflege ihrer Mutter mit den Aufga­ ben in ihrer Familie und ihrer eigenen Lebens­ planung in Einklang zu bringen. Frau Müller wusste, leicht würde es nicht wer­ den, sie fühlte sich ihrer Mutter jedoch sehr nahe und auch verantwortlich, zudem der Aufgabe gewachsen: Solange es irgendwie ging, sollte die Mutter in ihrer eigenen Woh­ nung bleiben können. Inzwischen hatte sie sich auch informiert, wie zuallererst einmal Herd und Wasser zu sichern sind. Und sie hat­ te mit den Nachbarn geredet, damit diese ein Auge darauf haben, ob ihre Mutter spazie­ ren geht und evtl. nicht mehr nach Hause findet. Noch war dies kein Problem. Aber man musste es für die Zukunft bedenken. Der erste Schrecken der Diagnose war be­ wältigt, inzwischen sahen alle wieder etwas positiver in die Zukunft. Auf dem Nacht­ 3 4 tisch von Frau Müller, und wie sie wusste auch von ihren Geschwistern, lagen Broschü­ ren und Bücher über die Krankheit Demenz. Der Informationsbedarf war groß. Beteiligung an Verfahren zugesagt Der Hausarzt hatte sich Zeit genommen und ihnen die Krankheit und ihre Folgen er­ klärt: mit Demenz wird eine Hirnleistungs­ störung beschrieben, die ganz unterschiedli­ che Ursachen haben kann, und sich ganz un­ terschiedlich äußert. Sie würden damit rech­ nen müssen, dass ihre Mutter immer mehr ver­ gaß, irgendwann ihre Umgebung und auch ihre Angehörigen nicht mehr erkennen wür­ de. Auch mussten sie damit rechnen, dass sich Temperament und Verhalten ihrer Mutter ändern können und sie der gesamten Umge­ bung oft unerklärlich und seltsam erscheinen würde. Sie wussten auch, dass demenzkranke Men­ schen nicht einfach zu betreuen waren, da sie in einer ganz anderen Welt lebten und sich – zumindest mit Fortschreiten der Krank­ heit – kaum noch verständigen konnten. Frau Müller war jedoch auch froh, dass sie und ihre Familie sich darin einig waren, sich auf diese Reise in das Unbekannte, in die

Der Arbeitskreis Demenz Der Arbeitskreis gründete sich 1997 nach einer sehr erfolgreich verlaufenen Infor­ mationsveranstaltung zum Thema Demenz. Gemeinsam wurde damals mit der Alzheimergesellschaft Baden-Württemberg eine Informationsveranstaltung im Kreishaus abgehalten. Dies war für die Initiatoren Grund genug, sich auch im Schwarzwald-Baar-Kreis zum Thema Demenz, den Folgen der Erkrankung für Pa­ tienten, betreuende Angehörige und Gesellschaft zu engagieren. Ziele: Der Arbeitskreis Demenz besteht heute aus Angehörigen, Ehrenamtlichen und professionell Pflegenden, die sich fol­ gende Ziele gesetzt haben: ■ Hilfen für betreuende Angehörige und damit auch für betroffene Patienten bereitzustellen, ■ die Öffentlichkeit zu informieren und ■ einen Beitrag zur Fortbildung von betreuenden Angehörigen und ehren­ amtlichen Helfern zu leisten. Gesprächsgruppen für Angehörige: Um betreuende Angehörige zusammenzu­ bringen, wurden bislang drei Gesprächs­ gruppen, je eine in Donaueschingen, Vil- lingen und Schwenningen eingerichtet. Eine weitere Gmppe in Bad Dürrheim ist geplant. Die Gruppen treffen sich ein­ mal monatlich, sie bieten die Möglich­ keit zum Austausch, zur Information oder zur speziellen Beratung einzelner Prob­ leme. Das Verständnis der Gruppe soll über manche schwierigen Zeiten hinweg helfen, vor allem dann, wenn man sich überfordert fühlt oder glaubt, es nicht rich­ tig oder nicht gut genug zu machen. Die Mitglieder des Arbeitskreises wissen, meist aus eigener Erfahrung: jeder, der einen Angehörigen pflegt kennt solche Zeiten. Dem enz ist im m er noch ein Tabu: Der Arbeitskreis Demenz weiß auch darum, dass Demenz noch häufig mit einem star­ ken Tabu behaftet ist. Erkrankte verhal­ ten sich – für uns „Normale“, d.h. nicht erkrankte Menschen – oft seltsam, irri­ tierend, gefühlsbetont – manchmal auch störend oder mitunter frustriert und auf­ gebracht. Sie zeigen uns, welches Schick­ sal vielleicht auch uns erwartet. Viele An­ gehörige schirmen ihren „Demenzkran­ ken“ aus Scham vor der Umwelt ab. Nach­ barn kommen immer weniger, weil sie weder mit dem Demenzkranken reden können, noch verstehen, warum dieser Dinge tut oder nicht tut. So gerät die Fa­ milie allmählich in eine immer stärker werdende Isolation. Dieser Entwicklung möchte der Arbeitskreis Demenz mit seiner Öffentlichkeitsarbeit entgegen­ wirken. Lernen den Kranken zu verstehen: Das Verstehen der Erkrankung, der Verhaltens­ veränderung, ist die Grundlage des ge­ lingenden Umganges mit dem Erkrank­ ten. Der Arbeitskreis Demenz hat in die­ sem Zusammenhang schon Fortbildungs­ programme mit Einzelvorträgen zusam­ mengestellt. Dieses Programm soll nun durch Basisschulungen erweitert werden. An drei Abenden werden medizinische und rechtliche Fragen geklärt, sowie die Situation der betreuenden Angehörigen und der Umgang mit den Patienten an­ gesprochen. 3 5

Aus dem K reisgeschehen Welt, in der ihre Mutter leben würde, einzu­ lassen und die Mutter, so gut es eben ging, zu begleiten. Auch ihrer Mutter, das konnte sie spüren, half diese Sicherheit in der schwieri­ gen Zeit nach der Diagnose sehr. Die Mitarbeiterin der Beratungsstelle hat­ te ihnen sehr deudich gemacht, dass Frau Mül­ ler, die hauptsächlich die Betreuung überneh­ men würde, Unterstützung brauchen wird. Freie Tage, freie Wochenenden und auch un­ ter der Woche einige Stunden für sich müsse, und vor allem dürfe sie sich nehmen. Ihre Ge­ schwister oder Pflegedienste oder die Helfe­ rinnen einer ehrenamtlichen Besuchsgruppe könnten dies ermöglichen. Und sie hatte sich auch fest vorgenommen, dass sie, wenn sie sich überfordert fühlt, die Hilfe von Pflege­ diensten, Tagespflege und stationärer Einrich­ tung tatsächlich auch in Anspruch nehmen würde. Und wenn ihre Mutter vielleicht dann doch ins Pflegeheim gehen müsste, wäre dies nicht das Ende der Welt. Das Pflegeheim war nicht weit, die Pflegekräfte gut mit der Krank­ heit und den Bedürfnissen ihrer Bewohner vertraut, und vermutlich wäre so mancher Altersgenosse ihrer Mutter in unmittelbarer Zimmernähe. So – oder so ähnlich – könnte der Anfang einer Familiengeschichte lauten, in der ein Angehöriger an Demenz erkrankt. Natür­ lich ist sie idealtypisch erzählt und nicht jeder Angehörige kann auf eine Familie zurückgrei­ fen, die ihn unterstützt. Damit trotzdem auch im Schwarzwald-Baar-Kreis Angehörige und Betroffene auf die richtige und ausreichen­ de Hilfe zurückgreifen können, müssen die schon bestehenden Hilfsangebote für an Demenz erkrankte Menschen in den nächs­ ten Jahren noch erweitert werden. D ie Situation an Dem enz Erkrankter Um zu analysieren, welche Hilfen im Schwarzwald-Baar-Kreis für Betroffene und Angehörige schon bestehen und welche noch aufgebaut werden müssen, wurden vom Land­ ratsamt Daten und Fakten gesammelt, Inter­ views mit Betroffenen, Angehörigen und Pfle­ 3 6 gediensten geführt. Gemeinsam mit dem Ar­ beitskreis-Demenz wurde ein Bericht über die Situation demenzkranker Menschen und ih­ rer Angehörigen im Schwarzwald-Baar-Kreis erstellt, der auch Vorschläge enthält, wie An­ gehörige und Betroffene mehr als bisher un­ terstützt werden können. Bericht und Maß­ nahmenvorschläge wurden im Mai 2003 auch im Kreistag diskutiert und verabschie­ det. Die Hilfe für Demenzkranke und ihre An­ gehörige ist – dies wurde in allen Gesprä­ chen ganz deutlich – nicht nur den Betroffe­ nen selbst, sondern auch Pflegediensten, Ein­ richtungen der Altenhilfe, Beratungsstellen, den verantwortlichen Mitarbeitern im Land­ ratsamt und den Mitgliedern des Kreistages ein sehr wichtiges Anliegen. Mehr Hilfe fiir Angehörige Vor allem die Hilfe für Angehörige, die sich der Betreuung und Pflege Demenzkran­ ker annehmen, soll verbessert werden. Eh­ renamtliche sollen gewonnen werden, die stundenweise pflegende und betreuende Angehörige entlasten, so dass diese ihrer Be­ rufstätigkeit oder auch Freizeitaktivitäten nachgehen können. Inzwischen gibt es auch vielerorts Möglichkeiten der Tagespflege (der Demenzkranke wird tagsüber in einer Tagesgruppe betreut), so dass die Betreuung teilweise auf abends, nachts und das Wo­ chenende begrenzt werden kann. Pflege- dienste, Angehörige und Professionelle bil­ den sich weiter, um die Betreuung von de­ menzkranken Menschen so gut wie möglich zu gestalten, so dass diese sich wohlfühlen und Angehörige beruhigt sein können. Schon allein die Tatsache, dass prognos­ tisch ca. 12% aller über 65-jährigen an De­ menz erkranken, zumeist im Alter über 75 Jahren, zeigt, dass Demenz und die Betreu­ ung Angehöriger kein seltenes, privates Problem ist. Immer mehr wird darauf zu achten sein, dass die Betreuung und Pflege demenzkranker Angehöriger nicht, wie es sich zur Zeit darstellt, zu 82% auf den Schul-

tern der Töchter, Schwiegertöchter und Ehe­ partner lastet. Die Frauen der nächsten Ge­ nerationen werden eine hohe Berufsorien­ tierung und eine Lebensplanung haben, mit der sich Pflege und Betreuung Angehöriger nicht so einfach verbinden lässt. Dass Söh­ ne und Ehemänner die dadurch entstehen­ de Lücke schließen werden, ist zur Zeit nicht zu erkennen. Pflege und Betreuung von An­ gehörigen muss sich deshalb, darin sind sich Fachleute einig, im Einzelfall jeweils auf ei­ ne Gruppe verwandter, ehrenamtlicher und professioneller Helfer verteilen, die sich ab­ stimmen und ergänzen. Der Fachjargon nennt dies „Pflegemix“. Mehrzahl wird zu Hause gepflegt 70% der zu pflegenden Menschen werden in Baden-Württemberg durchschnittlich zu Hause gepflegt. Zur Unterstützung der häus­ lichen Pflege im Schwarzwald-Baar-Kreis sol­ len Hilfen – auch auf ehrenamtlicher Basis – aus- und aufgebaut werden, die pflegende Angehörige unterstützen. Der Caritasver­ band im Schwarzwald-Baar-Kreis hat dazu inzwischen eine Fachstelle für Demenz ein­ gerichtet, die dabei unterstützen soll, dass sich Helferinnenkreise und Betreuungsgrup­ pen gründen. Der Arbeitskreis Demenz hat sich vorge­ nommen, gemeinsam mit dem Gesundheits­ amt die Öffentlichkeit gezielt über das The­ ma Demenz zu informieren. Die ersten Vor­ tragsreihen und Veröffentlichungen sind schon erfolgreich gestartet worden. Zudem hat sich der Arbeitskreis die Aus- und Fortbildung von Ehrenamtlichen und Angehörigen in der Betreuung von demenz­ kranken Menschen zum Ziel gesetzt. Pflege und Betreuung von Angehörigen, nicht nur demenzkranker Angehöriger, auch bspw. schwerkranker Angehöriger, erfordert Zeit und Kraft, wird jedoch auch, wenn ge­ nügend Entlastungsmöglichkeiten vorhan­ den sind, als eine sinngebende und manch­ mal sogar schöne Aufgabe betrachtet. Um sich die schönen Momente, die Zuwendung, H ilfe bei D em enz die Dankbarkeit und Freude, die entstehen kann, zu erhalten, sollten sich Angehörige nicht scheuen, Information und Rat bei den kirchlichen sozialen Diensten oder anderen Beratungsstellen einzuholen. Sie sollten sich auch nicht scheuen, ambulante Pflegediens­ te, Kurzzeit- und Tagespflege und andere, z.B. ehrenamtliche Hilfsangebote, in An­ spruch zu nehmen, um sich immer wieder Zeit für sich und die Familie und Erholung zu gönnen. Ulrike Gfrörer, Werner Leuthner Suchen Sie Rat und. Hilfe? Oder möchten Sie helfen? Sie können sich an folgende Stellen wenden: ■ Caritas für den Schwarzwald-Baar- Kreis, Kanzleigasse 30, VS-Villingen Telefon: 07721/8407-17 E-Mail: wurges@caritas-sbk.de ■ Diakonisches Werk im Schwarzwald- Baar-Kreis, Mönchweilerstr. 4, VS-Villingen Telefon: 07721/845150 E-Mail: beratungsstelle@diakonie- villingen.de ■ Arbeitskreis D em enz Regina Büntjen beim Gesundheitsamt/Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, VS-Villingen Telefon: 07721/913-193 E-Mail: R.Buentjen@lrasbk.de ■ Bericht zur Situation an D em enz erkrankter M enschen und ihrer Angehörigen im Schwarzwald- Baar-Kreis unter: www.schwarzwald-baar-kreis.de/ landratsamt/planungsbericht_zu_ demenz.pdf 3 7

Aus dem Kreisgeschehen Berufstätigkeit und Kindererziehung „Taps“: Tagesm ütter/Tagesväter-Pflegekinder-Service ins Leben gerufen Berufstätigkeit und Kinder­ erziehung zu vereinbaren ist | zwar gesellschaftlicher An­ spruch, für junge Familien und vor allem für Alleinerziehende jedoch nicht immer einfach. Deshalb wurde über das Kreisjugendamt Schwarzwald-Baar- Kreis in Zusammenarbeit mit einer Frauen­ initiative im Landkreis der „TaPS“ – Tages- mütter/Tagesväter-Pflegekinder-Service bei der PRO-JOB gGmbH ins Leben gerufen. Noch als Modellprojekt konzipiert und aus Mitteln des europäischen Sozialfonds und des Landkreises bezahlt, bereitet „TaPS“ Ta­ gesmütter und Tagesväter auf die Betreuung von Tagespflegekindern vor und vermittelt Tagespflegestellen an Eltern, die eine regel­ mäßige stundenweise Betreuung ihrer Kin­ der benötigen. Im Flächenlandkreis Schwarzwald-Baar- Kreis mit städtischer, kleinstädtischer und dörflicher Struktur variieren Kinderbetreu­ ungsangebote für Kinder unter drei Jahren oder im Grundschulalter zusätzlich zum Kindergarten je nach Gemeinde. In der Re­ gel muß sich in der Familie ein Eltemteil die­ ser Aufgabe vollständig widmen, wenn nicht Großeltern oder andere Verwandte am Ort wohnen, die bereit sind, diese Aufgabe re­ gelmäßig und verläßlich zu übernehmen. Eine steigende Anzahl alleinerziehender Elternteile, und „Familienfrauen“, die ihrer Berufstätigkeit außerhalb der Familie nach­ gehen möchten, benötigen auch in unserem Der Tagesmütter/Tagesväter-Pflegekinder-Service vermittelt Tagespflegestellen an berufstätige Eltern fü r eine regelmäßige Betreuung ihrer Kinder. 3 8

Gemeinsam spielen: Oftmals haben die Tagesmütter eigene Kinder, das Pflegekind wird dann in einem familiären Umfeld betreut. Landkreis flexible Kinderbetreuungsangebo­ te. Immer mehr M ütter – und zunehm end auch Väter – müssen oft wahre Kraftakte vollbringen, um ihrem Beruf und der Kinder­ betreuung gerecht zu werden. Zudem ist der Schwarzwald-Baar-Kreis ein Landkreis, in dem viele Dienstleistungsbe­ triebe wie Krankenhäuser, Altenheime, Kur­ kliniken oder der Einzelhandel, auf Frauen als verläßliche Arbeitskräfte zu Zeiten, in de­ nen Kindergärten und Horte nicht mehr of­ fen sind, nicht verzichten können. Arbeiten Mütter in Schichtarbeit oder in den verlän­ gerten Ladenschlußzeiten, benötigen sie zur Betreuung ihrer Kinder off zusätzlich zum Kindergarten für einige Stunden eine Tages­ mutter oder -vater. Ziel des Projektes ist es deshalb, ebenso Arbeitgebern auf Dauer diese Arbeitskräfte zu sichern und ihren An­ gestellten auch die Arbeit zu Zeiten zu er­ möglichen, die Horte und Kindergärten nicht abdecken können. Beratung zur Tagesbetreuung von Kindern Die PRO-JOB gGmbH, ein anerkannter freier Träger der Jugendhilfe mit Sitz in Vil­ lingen-Schwenningen, berät seit März 2002 bis zum Ende der Modellphase im Februar 2004 Mütter und Väter, die eine Tagesbetreu­ ung oder auch Betreuung zur Nachtschicht­ zeit suchen und vermittelt eine Tagespflege­ stelle. Die Tagesmütter, inzwischen sind auch zwei Tagesväter dabei, werden zuvor in einem Kurs über vier Abende hinweg auf diese Auf­ gabe vorbereitet. Auch wenn sich sehr oft er­ fahrene Mütter oder auch Erzieherinnen für diese Aufgabe interessieren, ist es doch wich­ tig, im Vorbereitungskurs die Situation der Tagespflegekinder, die ja zum Teil in zwei Fa­ milien aufwachsen, genauer zu betrachten. Schon im Vorfeld können eventuell entste­ hende Konflikte besprochen werden, so daß ein Abbruch der Tagespflege und damit ein Tagesm ütter / Tagesväter-Service Wechsel der Bezugsperson für das Kind mög­ lichst vermieden wird. Im Kurs gibt es wei­ tere Informationen zu rechtlichen und sozi­ alrechtlichen Fragen, bspw. zur Alterssiche­ rung der Tagesmütter oder zu Haftungsfra- gen, aber auch Erziehungstips und allgemei­ ne Informationen zur Erziehung und Förderung von Kindern. Als Tagespflegestellen werden nur Tages­ m ütter/ -väter vermittelt, die auch einen Ba­ siskurs absolviert haben. Zusätzlich machen die Mitarbeiterinnen zur Überprüfung einen Hausbesuch in der Familie, so daß Eltern, die ihr Kind in eine Tagespflegebetreuung geben, sicher sein können, daß es dort auch von An­ fang an gut aufgehoben ist. Eltern und Tages­ müttervereinbaren, bei Bedarf auch mit Un­ terstützung durch die Mitarbeiterinnen von TaPS, jeweils individuell die wichtigen Punk­ te der Zusammenarbeit – Betreuungszeiten und Erziehungsgrundsätze werden aufeinan­ der abgestimmt, die Bezahlung wird verein­ bart, es wird geklärt, wer mit dem Kind zum Arzt geht, wenn es krank ist und vieles mehr. Treten nach Beginn der Tagespflege Fragen oder Probleme auf, beraten die Mitarbeite­ rinnen des Projektes ebenfalls. Im ersten Jahr des Projektes wurden über 60 Tagesmütter und zwei Tagesväter qualifiziert, Kurse fanden nicht nur in Villingen-Schwen­ ningen, sondern auch in St. Georgen und Do- naueschingen statt. Einmal monatlich trifft sich in Villingen inzwischen ein „runder 3 9

sichere finanzielle Beine zu stellen, vor al­ lem dann, wenn die Mittel der EU nicht mehr zur Verfügung stehen. Cornelia Graf, Ulrike Gfrörer Tagesm ütter/Tagesväter-Service Tisch“ der Tagesmütter und -väter. Interes­ sierte Tagesmütter oder -väter, die sich vor­ stellen können, auch ein Kind zu betreuen, das besonders gefördert werden muß oder die einfach größeres Interesse an Erziehungs­ themen haben, können sich dann in freiwil­ ligen Zusatzkursen weiter kundig machen. Insgesamt 65 Kinder sind nach dem ersten Jahr in einer Tagespflegestelle untergebracht, 60°/o davon sind Kinder unter sechs Jahren, 40% Schulkinder. 71% der vermittelten Kin­ derwachsen bei einem alleinerziehenden El­ ternteil – meistens bei der Mutter – auf. Die typische Tagesmutter – auch der Tagesvater – hat eigene Kinder und hat entweder noch Elternzeit oder ist Familienfrau/-mann. Ziel des Modellprojektes ist es auch, neben dem Aufbau der Vermittlungs- und Qualifi­ zierungsstelle für Tagesmütter einen Tages­ mütterverein aufzubauen, der dann auf Dau­ er Träger des Tagesmütter/Tagesväter-Pflege- kinder-Services sein kann. Dazu wurden schon von Anfang an aktive Frauen in die Ar­ beit mit einbezogen, die den Aufbau des Projektes unterstützt haben. Wichtiges Ziel in Zukunft wird sein, diese auch für regionale Arbeitgeber interessante Dienstleistung auf Mutter und Tagesmutter im Gespräch. Suchen Sie eine Tagespflegestelle im Landkreis oder möchten einfach mehr zum ProEekt wissen? Sie können uns gerne anrufen oder senden Sie uns eine E-Mail: ■ Kreisjugendamt Schwarzwald-Baar-Kreis Telefon: 07721 / 913128 E-Mail: M.Nietsch@lrasbk.de www.schwarzwald-baar-kreis.de . PRO-JOB gGmbH Telefon: 07721 / 8447-26 E-Mail: c.graf@pro-job.com, a.hilgert@pro-job.com www.pro-job.com 4 0

Landkreis-Partnerschaft mit Ungarn D er Freundeskreis Schwarzwald-Baar/Bacs-Kiskun besteht seit 1999 A us dem Kreisgeschehen Es muss wohl im Jahr 1994 gewesen sein, als der damalige Landrat Dr. Rai- I m ner Gutknecht auf einer internationalen Tagung mit der Dolmetscherin der un- V | garischen Delegation ins Gespräch kam. ^ Die Dolmetscherin, Agnes Nitschmann, ist die Direktorin einer Fachschule für Hotelle­ rie, Gastronomie und Tourismus in Kecske- met, der Hauptstadt des größten ungarischen Komitats (vergleichbar mit einem Landkreis). Ihr Interesse an einem Austausch mit der Landesberufsschule für das Hotel- und Gast­ stättengewerbe in Villingen-Schwenningen führte über einen Besuch im Schwarzwald- Baar-Kreis und den Gegenbesuch der Schul­ leitung in Kecskemet zu einem Schüleraus­ tausch zwischen den beiden Berufsschulen, der bis heute erfolgreich durchgeführt wird. Die Herzlichkeit und die sprichwörtliche überwältigende Gastfreundschaft, mit 17 der sowohl die Villinger Schülerinnen V 1 und Schüler als auch die Betreuer beim [ V ersten und allen weiteren Besuchen in ^ Ungarn aufgenommen wurden, war und ist bis heute für alle Beteiligten die eigentli­ che Motivation, an der Weiterentwicklung dieser Partnerschaft mitzuwirken. 1996 Partnerschaftsvertrag geschlossen Bei einem folgenden Zusammentreffen des damaligen Komitatspräsidenten Dr. Läszlö Balogh mit Landrat Dr. Gutknecht in Villin­ gen-Schwenningen wurde die Idee einer of­ fiziellen Partnerschaft zwischen den beiden Regionen geboren und 1996 nach der breiten Zustimmung der Komitatsversammlung und des Kreistags durch die Unterzeichnung ei­ Am Beginn einer Partnerschaft: Eine Kreistagsdelegation mit dem damaligen Landrat Dr. Gutknecht an der Spitze (zweiter v. rechts), besucht 1996 Ungarn. 41

Aus dem Kreisgeschehen M it viel Beifall aufgenommen wurde die Konzertreise des Jugendsinfonieorchesters St. Georgen im Juni 2001 nach Ungarn, die der Schwarzwald-Baar-Kreis maßgeblich unterstützt hat. nes Partnerschaftsvertrages verwirklicht, zeit­ gleich mit der Übergabe der Amtsgeschäfte des scheidenden Landrats an seinen Amts­ nachfolger Karl Heim. In der Folgezeit haben sich die partnerschaftlichen Beziehungen zwi­ schen den beiden Gebietskörperschaffen gut entwickelt und ihren Niederschlag in vielfäl­ tigen Kontakten auf wirtschaftlicher, gesell­ schaftlicher und kultureller Ebene gefunden. Freundeskreis gründet sich Auf Initiative von Landrat Karl Heim und der Kreisverwaltung wurde am 16. Novem­ ber 1999 der „Freundeskreis Schwarzwald- Baar/Bäcs-Kiskun“ gegründet. Über 70 an der Partnerschaft interessierte Bürgerinnen und Bürger aus dem ganzen Kreisgebiet fanden sich zur Gründungsversammlung ein und beschlossen den inzwischen als gemeinnüt­ zig anerkannten Verein ins Leben zu rufen. Als Vorsitzende, inzwischen in der zweiten Amtsperiode, amtieren seit der Gründung Wolfgang Lämmle, stellvertretender Schul­ leiter an der Landesberufsschule für das Ho­ tel- und Gaststättengewerbe Villingen-Schwen­ ningen, und als stellvertretende Vorsitzende, Doris Feld, Abgeordnete im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises. Laut Satzung besteht die Hauptaufgabe des Vereins darin, neben der Unterstützung der offiziellen Beziehungen auf politischer Ebe­ ne vor allem die zwischenmenschlichen Kon­ takte der Bürgerinnen und Bürger der bei­ den Regionen auszubauen. In der Vereins­ satzung ist das breit gefächerte Aufgabenfeld folgendermaßen Umrissen: „Der Freundes­ kreis Schwarzwald-Baar/Bäcs-Kiskun be­ grüßt die zwischen den beiden Landkreisen geschlossene Partnerschaft. Der Freundes­ kreis wurde zur Unterstützung des Landkrei­ ses bei der Ausgestaltung und Vertiefung der Partnerschaft gebildet. Mit dem Ziel, die Be­ ziehungen zwischen der Bevölkerung des Ko- mitats Bäcs-Kiskun und des Schwarzwald- Baar-Kreises weiter auszubauen, wird der Satzungszweck insbesondere verwirklicht durch: 1. Vermittlung und Pflege freundschaftli­ cher und partnerschaftlicher Beziehungen 4 2

Landkreis-Partnerschaft m it U ngarn takte, Vermittlung von Auslandspraktika für Schüler und Studenten oder Betreuung von Besuchern aus dem Komitat. Beratung bei der Anbahnung neuer Kon­ takte und Unterstützung bei der Planung von Besuchen oder Reisen. So konnten vor allem bei den beiden Ver­ einsreisen in die ungarische Partnerregion neue Kontakte geknüpft werden und für mitreisende „Ungarn-Neulinge“ wurde der Zugang zu Land und Leuten, zur ungari­ schen Landschaft, Kultur und Geschichte er­ möglicht. Aber auch die Schwierigkeiten bei der Ver­ wirklichung der Vereinsziele sind offensicht­ lich geworden. So konnte man feststellen, dass es in Ungarn schwer vermittelbar ist, welche wichtige Rolle Vereine im gesell­ schaftlichen Leben in Deutschland spielen und welch vielfältige gesellschaftliche, sozia­ le und kulturelle Aufgaben die Vereine in Deutschland übernehmen. In Ungarn gibt es keine vergleichbare Vereinskultur, dage­ gen oft eine aus der Tradition begründete re­ servierte Haltung zu einer Mitgliedschaft in zwischen den Bürgerinnen und Bürgern bei­ der Kreise zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses im Sinne eines eigenen Bei­ trags zur Völkerverständigung und zur Ver­ wirklichung des gesamteuropäischen Gedan­ kens. 2. Vermittlung, Förderung und Pflege re­ gelmäßiger Kontakte und dauerhafter Part­ nerschaften zwischen Vereinen, Jugendgrup­ pen, Schulen, Organisationen, Familien und Einzelpersonen aus den beiden Kreisen. 3. Austausch und Publikation von Infor­ mationen über die Partnerkreise, insbeson­ dere in Bezug auf Geschichte und Gegen­ wart, Wirtschaft und Gesellschaft. 4. Planung, Koordinierung und Durchfüh­ rung von Aktionen und Veranstaltungen, die geeignet sind, die Ziele des Vereins in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und de­ ren Verwirklichung zu fördern, sowie Prä­ sentation der Partnerregionen in der jeweils anderen Partnerregion im Rahmen von ge­ eigneten Veranstaltungen. 5. Betreuung von Besuchern aus dem Ko- mitat Bäcs-Kiskun im Schwarzwald-Baar- Kreis. Über 100 aktive Mitglieder Diese Ziele zu verwirklichen versuchen in­ zwischen, Familienangehörige miteingeschlos­ sen, weit über 100 aktive Mitglieder. Zum Aufgabenfeld gehören: Ungarischer Abend mit typisch ungari­ schen Spezialitäten, ungarischem Wein und Zigeunermusik mit Gästen aus Ungarn, Dia- vortrag zur Vorstellung der Partnerregion, aber auch Präsentation zusammen mit Ver­ tretern der Partnerregion auf der Südwest- Messe. Initiierung und Betreuung von Schüler- und Jugendaustausch, Pressearbeit, ein re­ gelmäßiger Stammtisch. Durchführung von zwei Vereinsreisen ins Partnerkomitat zur Anbahnung neuer Kon­ Ungarische Reiterspiele, aufgeführt fü r die Gäste aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. 4 3

Landkreis-Partnerschaft m it U ngarn zu versorgen. Die Unterstüt­ zung durch den Landrat, die Kreisverwaltung und den Kreistag ist hier bislang bei­ spielhaft. Bei der Anerken­ nung durch die Komitatsver- waltung ist man auf einem gu­ tem Weg, wenngleich auch der politische Wechsel zum Ende des letztenjahres in Un­ garn zusätzliche Anstrengun­ gen abverlangt. Trotz tiefgrei­ fender personeller Verände­ rungen in der Komitatsver- waltung zeigt sich hier die Bedeutung persönlicher Kon­ takte und Freundschaften. Diese überdauern solche Ver­ änderungen und bilden nach wie vor die stabile Basis der Partnerschaft, auf der ein Netz weiterer Beziehungen aufgebaut werden kann. Weil ein Verein mit einem breiten Spektrum von Mitgliedern nicht solchen po­ litischen Abhängigkeiten unterworfen ist, liegt hier seine Stärke. Die bisherigen Erfolge der Vereinsarbeit, die vielen schönen Erlebnisse, die Freund­ schaften, die innerhalb des Vereins und mit den ungarischen Partnern entstanden sind, motivieren immer wieder neu für die Ziele der Partnerschaft aktiv zu sein. Ein herzli­ ches Dankeschön an alle, die bisher durch ihre Mitgliedschaft oder anderweitige Un­ terstützung zum Erfolg der Arbeit beigetra­ gen haben. Wolfgang Lämmle Kontaktadresse des Vereins: Freundeskreis Schwarzwald-Baar/ Bacs-Kiskun Weiherstr. 39 78050 Villingen-Schwenningen Telefon: 07721/21653 E-Mail: freundeskreis.sbbk@gmx.de Weinernte in Bdcs-Kiskun. Dank der Arbeit des Freundeskreises hat die hiesige Bevölkerung die Möglichkeit, Kontakte zu den überaus herz­ lichen und gastfreundlichen Ungarn aufzubauen. einem Verein. So fehlt auch bisher immer noch ein ungarisches Pendant zum hiesigen Verein, was eine große Erleichterung für die gemeinsame Arbeit und ein Meilenstein in der Weiterentwicklung der Partnerschaft wäre. Als weitere Schwierigkeit zeigt sich auch die Größe des durch den Verein zu repräsen­ tierenden Gebietes. Sowohl im Schwarzwald- Baar-Kreis, als auch in der ungarischen Part­ nerregion, zerfällt das kulturelle und gesell­ schaftliche Leben doch weitgehend auf vie­ le selbstständige Städte und Gemeinden. Diese Vielfältigkeit, ohne einheitliche und ver­ bindende Strukturen, macht die Aufgabe des Vereines ungleich schwieriger als zum Bei­ spiel in einer Städtepartnerschaft. Beispielhafte Unterstützung Um diese Schwierigkeit zu überbrücken, ist man sehr auf die Unterstützung des Landkrei­ ses und der ungarischen Komitatsverwal- tung angewiesen, deren Aufgabe darin besteht, den Verein als wichtiges Organ der Partner­ schaft mit einzubeziehen, in den Gemein­ den und Städten bekannt zu machen und den Verein mit den nötigen Informationen 4 4

2. Kapitel /A lm anach 2004 Städte und Gemeinden Unterbränd am Kimbergsee A usgangspunkt für touristische Erkundungen und natursportliche Aktivitäten Im südwestlichsten Zipfel der Baar, am Rande des Südschwarzwaldes, „versteckt“ sich auf einer sonnigen Hochterrasse das 300 Seelendorf Unterbränd. Natur pur, Ru­ he und ein freundlicher Menschenschlag verschmelzen dort zu einer in unserer schnell­ lebigen Zeit seltenen Symbiose, hier fühlt man sich wohl! Umgeben von Wiesen und Feldern bis zum Waldrand bildet das „Bränd“, wie die Einheimischen ihr Dörfchen liebevoll nen­ nen, in einer Höhenlage von 906 m (Hei­ denloch) und 1033 m (Höchst), den Aus­ gangspunkt für vielerlei touristische oder hobbybiologische Erkundungen und natur­ sportliche Aktivitäten. Das landwirtschaftlich geprägte Ortsbild vermittelt dem Betrachter einen wohltuend verträumten Eindmck. Die aufgelockerte Be­ bauung der Ortsmitte wird durchbrochen von Wiesen, auf denen zeitweilig bis hin zum Straßenrand die Kühe weiden. Mitun­ ter begegnet man einem stolzen Hahn, der sein Hühnervolk, unter Missachtung aller Straßenverkehrsregeln ausführt. Dieses außer­ gewöhnliche Flair findet seine beschauliche Abrundung mit einer kleinen Kapelle und dem ihr angeschlossenem Friedhof im Orts­ kern. Folgt man dem Verlauf des Brändbachs, der die Ortschaft im Süden, direkt am Waldrand begrenzt, trifft man nach wenigen hundert Metern auf die eigentliche Attraktion von Unterbränd, den Kirnbergsee. Idyllisch ein­ gebettet in die typische Schwarzwaldland­ schaft, bietet der Stausee mit einem etwa 30 Hektar großen Wasserspiegel ein Wechselspiel zwischen idealen Wassersport- und Angel­ möglichkeiten, Ruhezonen und einem Rund­ weg, entlang an natürlichen Schutzzonen, die Blick auf Unterbränd. 45

Städte und G em einden Unterbränd G asthaus z. „ S t e r n “ Bes. Leop. Nobs Kü rn b e rg e r See, B o o ^ V e rm le tu n g Leop. Nobs. Unterbränd nach einer Ansichtskarte aus den 1920er Jahren. Unten links ist das „ Gasthaus zum Stern “ zu sehen, dessen Inhaber Leopold Nobs am „Kürnberger See“ auch eine Bootsvermietung betrieb. im Uferbereich in teils urwüchsiger Belas- senheit vielfältigen Lebensraum für Vögel und Amphibien bieten. Angesichts dieser Bilderbuchromantik, die sich im Wechsel der Jahreszeiten auch mit winterlichen Reizen präsentiert, scheint es nicht verwunderlich, dass sich das kleine Un­ terbränd mit seinem Kirnbergsee im Lauf der Jahre zu einem populären Naherholungsziel der Region und darüber hinaus zu einem be­ liebten Ferienziel für Gäste aus ganz Europa entwickelt hat. 1491 erstmals urkundlich erwähnt Was sich heute als D orf präsentiert, war ur­ sprünglich eine durch Feuer gerodete Wald­ stelle, die man „Bränd“ nannte. Für das Ge­ biet am Brändbach, auf der Höhe zwischen Heidenlochweg und dem Höchst, erscheint dieser Namensteil von Unterbränd erstmals 1491 als Flurname. Im Jahre 1565 siedelten sich mutige Bräunlinger Bürger dort an und errichteten eine Köhler- und Brandrodungs­ siedlung, was ihnen die Bezeichnung „Brand­ siedler“ eintrug. Dieser neue Ort gehörte zur Zähringerstadt Bräunlingen und teilte deren Geschicke. Karger Verdienst stand auf der Tagesordnung der Siedler und das Schicksal wurde erschwert durch die Fehde zwischen den Fürstenbergern und Bräunlingern, die um den rechtmäßigen Waldbesitz stritten. Erst durch einen Schiedsspruch des Kaiser­ hofes zu Wien ist der Stadt Bräunlingen und damit auch den Brandsiedlern Recht wieder­ fahren. Schon fünf Jahre später, im Jahre 1690, mussten die Siedler Haus und H of verlassen, um vor plünderndem Kriegsvolk innerhalb der Bräunlinger Stadtmauern Schutz zu suchen. Später kehrten die Brän­ der zurück und machten aus dem brandge­ rodeten Boden Acker- und Weideland. Da die Landwirtschaft nicht genug Lebensun­ terhalt einbrachte, verdingten sich die Män­ ner und Frauen als Tagelöhner in der Forst­ wirtschaft. Joh. Baptist Dietrich, Eremit an der Loret- tokapelle in Hüfingen und Vikar zu Bräun­ lingen, errichtete im Jahr 1770 zu Ehren der heiligen Mutter Anna eine Kapelle und stif- 4 6

U nterbränd am Kirnbergsee tete sie den Brändern. Damit hatte der aus losen Einzelhäusern gruppierte Ort erstmals einen Mittelpunkt. Vom Verfall bedroht wur­ de die kleine St. Anna-Wallfahrtskapelle 1905 abgebrochen und noch im gleichen Jahr im neuromanischen Stil wieder aufgebaut. 1846 schied Unterbränd aus der Gemein­ schaft Bräunlingen aus und errichtete nahe der Kapelle ein Rathaus, in dem später auch die Schule ihren Platz fand. Mit einem Grund­ stücksverkauf (1920) an die Stadt Bräunlin­ gen, zum Zwecke eines Staumauerbaus zur Stromerzeugung, schlugen die Bränder zwei Fliegen mit einer Klappe: Unterbränd be­ kam nicht nur Strom, sondern auch einen Stausee, den Kirnbergsee. Bis auf dreißig Gefallene, die zu beklagen waren, blieb der Ort von den beiden großen Kriegen des letztenjahrhunderts unberührt. Noch bis weit in die 1960erjahre boten Land­ wirtschaft und Forst die Haupteinnahme­ quelle, wobei der Forst als zweites Standbein verstanden wurde. Vorwiegend im fürsten- bergischen, aber auch im Gemeindewald fanden die Männer ihren Nebenerwerb als Holzhauer, die Frauen verdienten sich ein Zubrot mit der Anpflanzung von Tannen­ schösslingen. E lf Vereine sind sehr aktiv Am 1. April 1972 wurde Unterbränd nach entsprechender Bürgerabstimmung erneut in den Stadtverband Bräunlingen eingegliedert. Ob man nun Unterbränder war oder, wie jetzt, als Bräunlinger „auf dem Bränd wohnt“, Das Wappen der Gemeinde Unterbränd Gespalten, vorn in Rot ein silberner Balken, hinten in Gold ein roter Löwe. Dieses Wappen ist zusammen­ gesetzt aus dem sog. „österrei­ chischen Bindenschild“ mit dem Wappen der Stadt Bräun­ lingen, die bis 1803 zu Vorder­ österreich gehörte. Unterbränd entstand als Ausbau­ ort im großen Bräunlinger Waldgebiet zu Ende des Mittelalters (1555 erstmals ge­ nannt als „Bränd“). Erst mit dem Gesetz vom 21. September 1846 wurde der Ort aus der Bräunlinger Ge­ markung gelöst und zur selb­ ständigen Gemeinde erhoben. (…) Im Jahre 1903 schlug das Ge­ nerallandesarchiv nebenstehen­ des Wappen vor: Von silber-blauem Wolkenfeh-Schildrand umgeben, Gold ein roter Löwe. Dies ist eine Kom­ bination des Bräunlinger Wappens mit dem fürstenbergischen Fehrand. – Die Gemein­ in de nahm dieses Wappen zunächst an und erhielt 1904 auch einen entspre­ chenden Farbdruckstempel ange­ fertigt. Doch regten sich bald Be­ denken gegen das Fürstenberger „Kürsch“, da Unterbränd ja nicht zur fürstenbergischen Landgraf­ schaft Baar sondern mit Bräun­ lingen zum vorderösterreichischen Breisgau gehört hatte. Das GLA schlug darauf das eingangs be­ schriebene Wappen vor, das durch Ermäch­ tigung des Großherzoglichen Ministeriums des Innern vom 15. Februar 1907 genehmigt wurde. Die neugeschaffene Gemeinde kam 1847 zum Amtsbezirk (seit 1939 Landkreis) Donaueschingen. Am 1. April 1972 wurde sie im Zu­ ge der Gemeindereform wieder in die Stadt Bräunlingen eingemein- det. Das Wappen ist damit erloschen. Aus: Klaus Schnibbe: „Gemeindewappen des ehemaligen Landkreises Donaueschingen “ 4 7

Städte und G em einden Von oben links: Freundlicher Empfang im Erholungsort Unter- bränd, die Narrengestalt des Köhlers und die katholische Kirche St. Anna, die 1905 im neuromanischen Stil errichtet wurde. war nie entscheidend, wenn es um das Mit­ einander der Dorfgemeinschaft ging. Einen hohen Stellenwert haben nach wie vor das Vereinsengagement und die Brauchtums­ pflege. Elf Vereine, mit teils jahrzehntelan­ ger Tradition zeugen von einer eingeschwo­ renen Dorfgemeinschaft, die nicht nur mit­ einander feiert, sondern auch neue Perspekti­ ven entwickelt. So soll bald, um mehr Platz für die vielfäl­ tigen Aktivitäten zu schaffen, mit Hilfe von Zuschüssen aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) das Gemeinschafts­ haus umgebaut werden und gegenüber der Kapelle, ein Dorfmittelpunkt mit einer klei­ nen Parkanlage entstehen. Beliebtes Feriendorf Das zunehmende Industrieaufkommen in den Nachbarstädten brachte schließlich auch für die Bränder interessante Arbeitsplätze in die Region, was letztendlich zur Umstellung der landwirtschaftlichen Betriebe in den Ne­ benerwerb führte. Zuvor, noch Anfang der 1950er Jahre, kamen mit dem Fremdenver­ kehr neue Verdienstchancen. Damals machte sich ein rühriger Bürger auf den Weg ins 4 8

U nterbränd am Kirnbergsee Rheinland, um für sein D orf zu werben und brachte erste Rei­ segesellschaften mit. Damit war der Grund­ stein für einen blü­ henden Tourismus ge­ legt, in dessen Folge Unterkünfte, Gaststät­ ten und ein Camping­ platz am See entstan­ den. Manche Ferien­ gäste fühlten sich der­ art wohl in Unter­ bränd, dass sie sich später ein Ferienhäus­ chen am Hang bauten. Versehen mit dem Prädikat „staatlich an­ erkannter Erholungsort“ mauserte sich Un­ terbränd inzwischen fast unbemerkt zu ei­ nem Feriendorf der besonderen Art. In einer Bravourleistung schafften die Bräunlinger, den Kirnbergsee ökologisch ausgeglichen in die urwüchsige, nur mäßig urbanisierte Land­ schaft einzufügen und ganz nebenbei, für den Betrachter unmerklich, regenerativen Strom zu erzeugen. Die Unterbränder indes taten das ihre da­ zu: Sie verzichteten auf die Errichtung übli­ cher touristischer Attribute und setzten auf Ruhe, Beschaulichkeit und Natur. Und die Rechnung scheint aufgegangen. Wenn man den Statistiken glauben darf, liegt die durch­ schnittliche Verweildauer der Schwarzwald­ urlauber bei 2,2 Tagen. In Unterbränd ver­ bringen die Feriengäste derweil im Schnitt 6,7 Tage, was sicher nicht zuletzt auf das breitgefächerte Bettenangebot zurückzufüh­ ren ist. Neben 3-Sterne-Ferienwohnungen und -häusem, laden ein Hotel mit Hallenbad und Kegelbahn, eine kleine Ferienanlage hin­ ter dem See, eine familiär geführte Pension und ein sonniger Campingplatz direkt am Seeufer zum Verweilen ein. Und sogar Ferien auf dem Bauernhof in fa­ miliärer Atmosphäre können erlebt werden, bei warmer Kuhmilch und hausgemachter Die Brändbachtalsperre bei der Einweihung im Jahr 1922. Butter. Apropos hausgemacht: Wer Kuchen liebt, wird bei einem Besuch in den beiden ge­ mütlichen Cafe-Restaurants und dem Aus­ flugslokal am See mit einer großen Auswahl an Selbstgebackenem geradezu verwöhnt. Der Kirnbergsee und seine Entstehung An ein touristisches Highlight oder ein un­ ter Naturschutz stehendes Erholungsgebiet dachten die Bräunlinger Stadtväter wohl eher nicht, als sie am 4. Dezember 1921 den Grundstein für die Brändbachtalsperre leg­ ten: „Der Talsperrenbau will das Wasser des Brändbaches genau dort, wo der vorsprin­ gende Kirnberg das Brändbachtal verengt, stauen und es als Quelle für elektrische Kraft nützen“, berichtete die Volkszeitung anläss­ lich der damaligen Grundsteinlegung. Um die Talsperre zu ermöglichen, verkaufte die zu dieser Zeit eigenständige Gemeinde Unterbränd Gelände an die Stadt Bräunlin­ gen. In der Folge wurde Unterbränd nach In­ betriebnahme des Kraftwerkes in Waldhau­ sen im Jahre 1922 erstmals mit Elektrizität versorgt. Schon wenige Jahre später entdeck­ te man auch den Freizeitwert des neuen Schwarzwaldsees: Zeitzeugen berichten, dass man schon lange bevor die Staumauer im 4 9

Städte und G em einden Der Bräunlinger Teilort Unterbränd mit Kirnbergsee. Jahr 1955 erhöht und mit einer Betonvor­ satzschale verfestigt wurde, eine Badeanstalt errichtete. Ende der 1990er Jahre wurde die Staumau­ ersanierung erneut dringlich. Die Stadt Bräunlingen beantragte die Verlängerung der wasserrechtlichen Nutzung des Kimberg­ sees und sah sich einer immensen Kostenla­ wine gegenüber. Da die öffentlichen Förder­ töpfe zunächst verschlossen schienen, muss­ te kurzzeitig um den Weiterbetrieb der rege­ nerativen Energieerzeugung aus Wasserkraft gebangt werden. Schließlich konnte der fi­ nanzielle Kraftaufwand von 4,1 Millionen 5 0 Mark Gesamtinvestition um mehr als eine halbe Million Mark Fördergelder gemildert werden. Am 4. Mai 2001 war es dann endlich soweit: Mit ei­ nem Festakt wurde die Stau­ mauer und der, zwischenzeit­ lich als „grünes Meer von Un­ terbränd“ belächelte Kirn­ bergsee wieder dem eigentli­ chen Zweck übergeben. Der See wird abgelassen Der Feier vorausgegangen wa­ ren bittere Monate, in denen Unterbränd auf den touristi­ schen Anziehungspunkt Kim­ bergsee verzichten und nicht unwesentliche Einbußen im Fremdenverkehr verzeichnen musste. Vor dem Start der Sa­ nierungsmaßnahme, im Jahr 1999, ließ man den See voll­ ständig ab. Gut 3,7 Tonnen Fisch wurden mit dem Ein­ satz von Reusen und Schlepp­ netzen gefangen. Die Ab- fischaktion war ein zeitrau­ bendes Unternehmen, bei dem der als Pächter des Fi­ schereirechtes für die M aß­ nahme verantwortliche An­ gelsportverein von Berufsfi­ schern kompetente Unterstützung erhielt. Ein Teil des Fangs setzte man in benachbar­ ten Gewässern ein, die Speisefische wurden fangfrisch verkauft. Nach Abschluss der Sanierungsmaßnah­ me, mit der die Grandlage für weitere sech­ zig Jahre Ökostromerzeugung geschaffen wurde, staute man den See wieder auf. Schon Ende des gleichen Jahres wurde mit einer ersten Fischbesatzung begonnen. Aufgrund der Erkenntnisse der Abfischaktion und nach Beratung durch einen sachverständigen Fi­ schereibiologen, verzichteten die Angelsport­ ler beim neuen Fischbesatz auf das Einset-

zen von Raubfischen. Heute haben vorwie­ gend Hechte, Karpfen, Zander, Schleien und Rotaugen ihren Lebensraum im Kimberg­ see. Und ab Mitte Mai 2004 darf endlich wieder nach Herzenslust geangelt werden. Beim erfolgreichen Ringen um die Förder­ mittel, die infolge der Staumauersanierung aus den Töpfen des Hochwasserschutzes und des Tourismus zur Entlastung des Stadt­ säckels nach Bräunlingen fließen sollten, wä­ re letztendlich die Bräunlinger Zähigkeit, das Engagement der Wahlkreisabgeordne­ ten und vor allem der außerordentliche Ein­ satz des Regierungspräsidenten, Dr. Sven von Ungern-Sternberg entscheidend gewesen. So das Resümee des Bräunlinger Schuhes, Jürgen Guse, bei der Feier des vollendeten Werks. Großflächige Ufergestaltung Nach all den erforderlichen Widrigkeiten erfreut der als „Perle von Bräunlingen“ be­ kannte Kirnbergsee den Besucher heute mit einem etwas veränderten Outfit. Der „neue Kimbergsee“ präsentiert sich mit einem ab­ gesenkten Wasserspiegel, was einerseits dem Hochwasserschutz dient, andererseits dem Badegast ein neues Strandgefühl durch eine großflächigere Ufergestaltung vermittelt. Auf dem knapp drei Kilometer langen romanti­ U nterbränd am K irnbergsee schen Weg, der den, wegen seiner Höhenla­ ge von 785 Metern wärmsten Schwarzwald­ see umrundet, gibt es für den aufmerksamen Spaziergänger viel zu entdecken. Hat man die alten Pappeln passiert, die am nördli­ chen Steilufer weit in den See hineinragen, trifft man auf den Ausläufer des kleinen Wasserfalls, der gemeinsam mit dem Bränd- bach und dem Bruderbächle den See speist. Uber eine Abzweigung, kurz vor der Stau­ mauer gelangt man unmittelbar zu dem, in etlichen Etagen aus 25 Metern Höhe in den See stürzenden Wasserfall. Die Überreste der Kürnburg, einem ehemaligen Stütz­ punkt der Zähringer, die zwischen 1411 und 1425 während der Fürstenbergisch-Lupfi- schen Fehde zerstört wurde, breite, bis ins Wasser ragende Schilfgürtel, eine Vogelinsel und das 130 Meter lange und 16 Meter ho­ he Staumauerbollwerk bezeugen ein gelun­ genes Zusammenspiel von Natur, moderner Technik und Altertum. Angler, Schwimmer, Ruderkapitäne und Surfer teilen sich im Sommer mit einer Viel­ zahl von Wasservögeln die sonnendurchflu­ tete Wasserfläche. Darüber hinaus besticht der Kirnbergsee mit einer reizvollen Atmosphäre bei kultu­ rellen und sportlichen Anlässen. So führt der neue Streckenverlauf des internationa­ len Schwarzwaldmarathon die Teilnehmer Frühjahrstag am Kirnbergsee. 5 1

U nterbränd am Kirnbergsee Surfen, Boot fahren oder Schwimmen – der Kirnbergsee bietet viele Wassersportmöglichkeiten. durch Unterbränd und am See vorbei. Nicht mehr missen möchte man auch die jährlich Anfang August stattfmdende Kurgaudi mit Musik, Tanz und Feuerwerk. Natur und Umwelt Es ist durchaus nachzuvollziehen, dass die­ ser natürlich belassene Landstrich rund um Unterbränd und den Kirnbergsee schon im November 1960 zum Landschaftsschutzge­ biet erklärt wurde und im Jahr 1999 Aufnah­ me in den Naturpark Südschwarzwald fand. Nach den Richtlinien für Fauna, Flora und Habitat (FFH) wird der Kirnbergsee mit sei­ nem Randgebiet im Rahmen des EU-Projek- tes Natura 2000 in der Liste der „Gewässer mit europaweiter Bedeutung“ geführt. Ne­ ben einiger geologischer Besonderheiten (der Steinklopfplatz hinter dem Wasserfall ist in den landesgeologischen Karten ausge­ wiesen) findet man hochrangige Biotope, in denen unter anderem seltene Seggengräser wachsen. Im Gehölzgürtel, an der südwest­ lichen Seeseite gedeiht die besonders selte­ ne Lilienart Iris-Sibirica, die durch ihre in­ tensive blaue Farbe dem Betrachter ins Auge fällt. Das typische Mädesüß, das den Feucht­ standort in den Verlandungszonen liebt, er­ kennt man an weißen Federbüschen. Weiter wird mit sieben Naturdenkmälern aufgewartet: Es handelt sich dabei vorwiegend um großwüchsige Kiefern im Wald, eine Kiefer, die seltenen Käuzen Lebensraum bietet und die beiden alten Eschen am Orts­ ausgang Richtung Weiler. Auch als Vogel- durchzugsgebiet hat der Kimbergsee wesent­ lich an Bedeutung gewonnen. Auf dem Weg zum Mittelmeer rasten im Herbst zuneh­ mend Wattvögel, denen die Schlickflächen ei­ ne hervorragende Nahrungsquelle bieten. Auch Graureiher und Milan lieben den See. Naturbelassene Dorfschönheiten sind sel­ ten geworden in diesen Tagen. Man entdeckt sie eher zufällig. So verhält es sich auch mit Unterbränd am Kirnbergsee. An diesem Na­ turjuwel fuhrt keine Bundesstraße einfach vorbei oder womöglich mitten hindurch. Wer die würzige, heilklimatische Bränder Luft schnuppern möchte, findet das einla­ dende Schwarzwalddorf auf dem Weg zwi­ schen Bräunlingen und Löffingen. Brigitte Knetsch 5 2

Burgberg bei Königsfeld Alte M ü hlen u n d B auernhöfe prägen das O rtsbild Städte und G em einden Es sieht so verschlafen und gemütlich aus, das kleine Dörfchen zwischen dem Kernort Königsfeld und den beiden Ortsteilen Erd­ mannsweiler und Weiler, doch Burgberg hat weit mehr zu bieten als Ruhe und schöne Aussichten. Im mit rund 600 Einwohnern kleinsten Ortsteil von Königsfeld findet der Mensch so ziemlich alles, was er zum Leben braucht: Einkaufsladen, Schule, gleich zwei Gaststätten und manchmal tobt hier auch richtig der Bär. In Burgberg beginnt für ganz Königsfeld die Zeit der Sommerfeste, denn nirgendwo sonst wird der sogenannte „Vatertag“ an Christi Himmelfahrt ausgiebiger und ausge­ lassener gefeiert als am Feuerwehrgeräte­ haus, das die Bürger weitgehend in Eigen­ leistung gebaut haben. Handwerklicher Fleiß und verantwortlicher Bürgersinn ha­ ben in Burgberg Tradition, das in seiner gut 900-jährigen Geschichte schon viele Stürme und von Menschen gemachte Katastrophen erlebt hat und sich in jüngerer Zeit zum schmucken Dörfchen mit einer lebendigen Vereinslandschaft entwickelt hat. Entstehungsgeschichte steckt im Namen In Burgberg ist es hügelig, schmale Sträß­ chen und Wege schlängeln sich den Hutzel­ berg hinauf, der nicht etwa so heißt, weil er hutzelig ist, sondern weil hier einst viele Obstbäume wuchsen, Birnbäume vor allem, deren getrocknete Früchte „Hutzel“ genannt wurden. Von den 346 Hektar Gemarkungs­ fläche sind 197 Hektar Wald, 160 Hektar Burgberg mit den Resten der einstigen Wasserburg. 5 3

Städte und G em einden Impressionen aus Burgberg: Glockenturm a uf dem Grundbuchamt in Burgberg, der Neuhausbauernhof und die Nonnenmühle (siehe auch Seite 149). Wiesen und Äcker, durch die romantischen Täler schlängeln sich unbegradigte Bäche, deren Wasser so klar ist, dass sich auch Bach­ forellen wohl fühlen. Oben auf dem Hutzel­ berg bietet sich ein traumhafter Blick hinü­ ber zur Schwäbischen Alb; die abwechs­ lungsreiche Gegend ist gut mit Wanderwe­ gen erschlossen, die Burgberg mit den Nach­ barkommunen verbinden. Am Fuß des Hutzelbergs ließen sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Herren von Burgberg nieder, und in deren Gefolge ka­ men Mühlenbauern und Taglöhner, allmäh­ lich entstand eine kleine Siedlung um die beiden Burgen herum. Von der Wasserburg im Tal aus sandsteinernen Buckelquadern ist nur noch der Rest des viereckigen Turms üb­ rig, der früher von einem breiten Wassergra­ ben umgeben war, gebaut als ausbruchsiche­ res Gefängnis. Noch weniger ist von Burgbergs zweiter Burg zu sehen, die die adligen Herren auf der Bergnase zwischen Hörnlebach und Glas­ bachtal errichten ließen. „Weiberzahn“ heißt die Ruine, Wahrzeichen Burgbergs, das aller­ dings – eingezäunt und von Privatgelände 5 4

Burgberg umgeben – nicht besichtigt und kaum ge­ sichtet werden kann, weil von der Talseite Bäume und Büsche den Blick versperren. Ein „Guckloch“ von oben ergibt sich nur von einem Privatgarten aus. Ob das Ruinchen nun tatsächlich wie ein Weiberzahn aussieht, mag dahin gestellt blei­ ben, der Sage nach verhält es sich jedenfalls so: Hans von Burgberg, einer der mittelalter­ lichen Burgherren, dem Geschlecht der Zäh­ ringer entstammend, war bei seinen Unter­ tanen nicht sehr beliebt, geizig und harther­ zig soll er gewesen sein. Eines Nachts brach ein Unwetter über Burgberg herein und ei­ ne alte Frau, die von Regen und Gewitter überrascht worden war, klopfte an die Pfor­ te und erbat Einlass und Unterkunft für die Nacht. Doch der hartherzige Hans wies sie ab und verhöhnte sie obendrein wegen des einzigen, weit hervorstehenden Zahns. Da stand die arme alte Frau allein vor der Burg im Unwetter und stieß wütend eine Verwün­ schung aus: „Verflucht sollt Ihr und Euer ganzes Geschlecht sein! Eure Burg soll zer­ fallen bis auf ein kleines Gemäuer, das so aussehen soll wie mein einziger Zahn, um dessentwillen Ihr mich verspottet habt!“ Tja, so geschah es auch. Es war um das Jahr 1630, als Villinger Raub­ ritter über Burgberg und das benachbarte Weiler herfielen und beide Dörfer dem Erd­ boden gleich machten. Sie töteten die Be­ wohner, plünderten deren Häuser und brannten sie anschließend nieder – das Ge­ schlecht derer von Burgberg war ausgestor­ ben. Bis auf ein Tagelöhnerhäuschen, ein Landhaus und die Reste der Burgen war Burgberg gleichsam verschwunden. Das Wappen der Gemeinde Burgberg In Gold a u f grünem Berg eine zweitürmige rote Burg. Burgberg, mit Erdmannsweiler und Wei­ ler zu einem Gemeindeverband zusam­ mengefaßt, gehörte zum würt- tembergischen Amt Hornberg. Mit diesem kamen die drei Or­ te durch den Vertrag vom 2. Oktober 1810 an Baden; sie unterstanden zuerst dem badi­ schen Amt Hornberg und wur­ den sodann dem Amt Villingen zugewiesen. Der Gemeindever­ band Weiler wurde aufgehoben durch das Gesetz vom 2. Dezember 1850, dessen einziger Artikel lautet: Der aus den Ortsgemeinden Weiler, Erdmannsweiler und Burgberg bestehende Gemeindeverband „Wei­ ler“ wird aufgelöst und jeder dieser Orte zu ei­ ner selbständigen Gemeinde erhoben. Die Huldigungsliste von 1818 ist unbesie- gelt. Nach der Erhebung zur selbständigen Gemeinde beschaffte die Gemeinde einen ovalen Farbstempel mit der Umschrift GE­ MEINDE BURGBERG und dem Bild ei­ ner Burgmine. Das zur gleichen Zeit be­ schaffte Prägesiegel zeigt nur die Inschrift GEMEINDE BURGBERG. Bei der Überprüfung der Ge­ meindesiegel sprach der Ge­ meinderat im Januar 1901 den Wunsch aus, daß das jetzige Siegel mit der Ruine beibeb alten bleibe. Das Generallandesarchiv schlug vor, die Burg deutlicher darzu­ stellen und ließ einen entspre­ chenden Entwurf ausarbeiten. Die vom Generallandesarchiv empfohle­ nen und vom Gemeinderat angenomme­ nen Wappenfarben sind frei gewählt. Das Wappen der Herren v. Burgberg zeigte ei­ nen von Silber und Rot gevierten Schild, im 1. Feld eine goldene Burg auf grünem Berg. Aus: Landkreis Villingen (Hrsg.): „Wappen­ buch des Landkreises Villingen “ 5 5

Städte und G em einden Das D orf der Müller und Bauern 1804 zählte Burgberg wieder 27 Häuser, kleine Höfe und Mühlen, zu denen die Bau­ ern Dinkel und anderes Getreide in Pferde­ fuhrwerken brachten, außerdem waren in Burgberg etliche Tagelöhner ansässig, die sich und ihre Familien mit Saisonarbeitern bei den Müllern und Bauern ernährten. In Burgberg klapperten die Mühlen an den Ufern von Hörnle- und Nonnenbach, und wo es Mühlen gibt, muss es auch Mühlener­ bauer geben – etliche Handwerksbetriebe in Burgberg waren früher auf den Bau von Mühlen spezialisiert. Der Mühlenwanderweg, den die Gemein­ de mit tatkräftiger Hilfe des Schwarzwald­ vereins angelegt hat, hält mit seiner informa­ tiven Beschilderung Historie und Histör­ chen auf anschauliche Weise lebendig. Die meisten Mühlen sind stillgelegt, in Betrieb ist heute nur noch die Getreidemühle Götz, wo sich nicht nur die Burgberger Hausfrauen mit Mehl und anderen Getreideprodukten eindecken, sondern auch die Bauern der Um­ gebung Futter für das Federvieh und anderen landwirtschaftlichen Bedarf kaufen. Direktvermarktung ist überhaupt ein wich­ tiges Thema in dem nach wie vor bäuerlich geprägten Dorf. „Kartoffeln und Eier zu ver­ kaufen“, derlei Schilder finden sich an man­ chem der Höfe, die sich locker um den Orts­ rand herum gruppieren. Im Neuhausbau­ ernhof wird zudem die alte Kunst des Brot­ backens im mit Holz befeuerten Backofen gepflegt, während im Gasthaus Kranz nach alter Väter Sitte flüssige Geister aus all dem gebrannt werden, was die Ernte auf Äckern und in Gärten so hergibt. Das Gasthaus ge­ hört zu den ältesten Gebäuden im Dorf, ei­ nes der wenigen, das die Villinger Raubritter nicht gänzlich verwüsteten. Im Jahr 1468 wurde es er­ baut, als Raststätte und Halt für die Pferdefuhr­ werke, die vor ihrer müh­ seligen Fahrt über die Ber­ ge noch einmal ausspan- nen wollten. Die hausei­ gene Bierbrauerei wurde 1906 geschlossen, bis heu­ te aber betreibt die Fa­ milie Schittenhelm die Schnapsbrennerei hinter dem Haus. Landwirtschaftliche Pro­ dukte und Spirituosen können die Burgberger also direkt beim Erzeu­ ger einkaufen und was sonst noch in einem Haushalt benötigt wird, hält der Tante-Emma-La- den schräg gegenüber vom ehemaligen Rathaus bereit, in dem jetzt das Grundbuchamt der Ge- Sägmiihle in Burgberg, in der Getreidemühle Götz kann man sich mit Mehl und anderen Getreideprodukten eindecken. 5 6

Burgberg Der „Vatertag“ wird in Burgberg ausgiebig am Feuerwehrgerätehaus gefeiert. meinde untergebracht ist. Ab sieben Uhr mor­ gens gibt es hier frische Brötchen und die Ta­ geszeitung, und auch sonst lässt das Lädel- chen, das Hildegard Storz seit nunmehr 42 Jahren betreibt, kaum Wünsche offen. Von Backpulver, Obst und sonstigen Lebensmit­ teln findet sich fast alles hier, auch Strümp­ fe, Wolle und Saatgut für den Hausgarten gehören zum kunterbunten Sortiment. Wie Weiler und Erdmannsweiler wurde Burgberg 1850 selbständig, 1896 wurde das erste Schulhaus gebaut, 1901 die Freiwillige Feuerwehr gegründet, Anlass war eine Feu­ erwehrspritze, die Privatleute spendierten. 1914 begannen die Bauarbeiten für das ers­ te Stromnetz, mussten aber unterbrochen und verschoben werden, weil 17 Männer im Ersten Weltkrieg fielen. 1920 war es dann so­ weit: Burgberg stand unter Strom. 1935 wur­ de die lang ersehnte Wasserleitung gebaut und das Leben damit leichter. Auch im Zweiten Weltkrieg fielen 17 Burg­ berger; 1946 zählte das Dörfchen 380 Ein­ wohner. 1956 war eine entscheidende Zäsur für die Entwicklung Burgbergs, denn da wurde auf dem Hutzelberg ein großes, at­ traktives Baugebiet ausgewiesen, das sich schnell mit schmucken Häusern füllte und Burgberg zur attraktiven Wohngemeinde werden ließ. 1956 entstand das neue Schul­ haus an der Talaue, in dem nach wie vor die Grundschulkinder unterrichtet werden; die Kindergartenkinder werden mit dem Schul­ bus nach Erdmannsweiler und Weiler gefah­ ren. In Burgberg haben sich etliche moder­ ne Handwerksbetriebe niedergelassen, die meisten Erwerbstätigen arbeiten freilich aus­ wärts. Auf dem „Winterberg“, Burgbergs jüngstem Baugebiet, leben viele Familien auch aus Umlandgemeinden und dem Kem- ort Königsfeld, zu dem Burgberg seit 1974 gehört und zwar freiwillig. Lebendiges Dorfleben Neue Bewohner finden schnell Anschluss, wenn sie einem der rührigen Vereine beitre­ ten. Seit 1971 ist der Spielmannszug der Frei­ willigen Feuerwehr aktiv, rund 25 Frauen sind die Stammbesetzung im Frauenchor „Ein­ tracht Burgberg“ und auch der 1994 gegrün­ dete Fastnachtsverein „Bettelwieber“ – die Fi­ gur ist jenem Weiblein nachempfunden, das dem Wahrzeichen Weiberzahn seinen Na­ men gegeben hat – hat sich schnell unent­ behrlich im dörflichen Leben gemacht. Wichtige Treffpunkte für Einheimische wie Fremde sind natürlich die beiden nebenein­ ander liegenden Gasthäuser an der Talstraße. Der „Kranz“ mit Gästezimmern und gutbür­ gerlicher Küche, und die Musikkneipe „Zur Linde“, in der sich die – inzwischen auch in 5 7

Burgberg die Jahre gekommene – Dorfjugend trifft und die als Forum für Musikbands aus der Umgebung immer wieder für kulturelle Ak­ zente sorgt. U nd wenn sich Männer und Frauen auf hochdeutsch oder in anderswo beheimate­ ten Dialekten nach einem der beiden Gast­ häuser erkundigen, hegen die Einheimi­ schen mit ihrer Vermutung fast immer rich­ tig, dass es sich um Schülerinnen und Schü­ ler der weithin bekannten Lehrstätte von Hanne Marquardt handelt, die die Fußre­ flexzonenmassage als unverzichtbaren Be­ standteil alternativer Heilmethoden weiter­ entwickelt und in der Fachwelt etabliert hat. Ihre Lehrstätte hat Hanne Marquardt übri­ gens am Professor-Domagk-Weg, der nach einem berühmten (in Polen geborenen) Burgberger genannt wurde. Gerhard Do- magk (1895 bis 1964) war ein eifrig forschen­ der Pathologe und Bakteriologe, der 1939 den Nobelpreis für Medizin erhielt, für die „Entdeckung der antibakteriellen Wirkung des Prontosil“. U nd noch ein prominenter Bürger hat den Namen des idyllischen Schwarzwald-Dorfes immer wieder in die weite Welt getragen. Hermann Schlenker heißt der gebürtige Schwenninger, der in Burgberg Mitte der 60erjahre eine Filmproduktionsfirma grün­ dete, mit der er im Auftrag des ZDF und an­ derer Fernsehstationen Dokumentarfilme über Naturvölker und Tiere drehte. Doch egal oder berühmt oder nicht be­ rühmt, wer in Burgberg lebt, lebt gern hier, denn die Infrastruktur ist gut, die Natur weit­ gehend intakt, die Menschen sind freundlich und gesellig – die Lebensqualität ist hoch hier, Burgberg ist ein Dorf zum Wohlfühlen. Das hat auch Landschaftsmaler Ernst Noack so empfunden, dem zu einem Gemälde über Burgberg diese Verse eingefallen sind: „Mein Burgberg, o Heimat, wie bist du so reich, nichts kommt auf Erden an Schönheit dir gleich. Vom Bergwald umschlossen, die dunkelen Höhn, von Bächlein umschlos­ sen, das Tal wunderschön.“ Christina Nack (Zum Thema Burgberg, Höfe- und Mühlenwan­ derweg, finden sie auch einen Beitrag a u f S. 145.) Ländliche Idylle, der H of der Hutzelmühle. 58

Bildungseinrichtungen Geistiges Zentrum mit Ausstrahlungskraft Staatliche A kadem ie für Lehrerfortbildung D onau eschingen besteht seit 25 Jahren 3. K a p it e l / A l m a n a c h 2 0 0 4 Beeindruckende Worte fand der spätere Bundespräsident Roman Herzog im Oktober 1978 bei seiner Festrede zur offiziellen Ein­ weihung der Staatlichen Akademie für Leh­ rerfortbildung in Donaueschingen: „Dieses Haus wirkt nicht als Schulungsstätte her­ kömmlicher Art, sondern als geistiges Zen­ trum, das weithin ausstrahlen soll und mit­ helfen wird, das Gesicht unserer bildungs­ politischen Landschaft mit zu prägen.“ Herzog, damals baden-württembergischer Kultusminister, hatte die Situation im Bil­ dungswesen im Lande und die gegebenen Möglichkeiten für die neue Einrichtung klar erkannt. Seine Voraussicht über die Entwick­ lung der Akademie war keine Festtags-Lob- hudelei. Das bestätigt die Bilanz, die der amtierende Akademieleiter Günter Rath im Jahr des 25-jährigen Bestehens vorlegen kann: Mit jährlich mehr als 7000 Teilnehmern an Tagungen und Kursen bestätigt die Donau- eschinger Einrichtung ihre führende Rolle als zentrale Fortbildungsstätte für Lehrerin­ nen und Lehrer aller allgemein bildenden Schularten Baden-Württembergs wie auch als bewährter Partner bei europäischen Se­ minaren. Das Haus bietet 100 Interessenten Platz, die in der Regel an vier parallel ver­ laufenden Fortbildungsveranstaltungen im gesamten geistes- und naturwissenschaftli­ chen Bereich teilnehmen. An rund 40 Wo­ chen im Jahr ist die Akademie voll belegt. Etwa 350 Seminare, Fachtagungen, Fortbil­ dungskurse und Studienaufenthalte werden auch 2003 wieder besucht. Zusätzlich hat die Akademie an den Wo­ chenenden und in lehrgangsfreien Zeiten u. a. Musikern, ausländischen Gruppen, und dem Arbeitskreis Schülerzeitungen ihre Räumlichkeiten und ihr Dienstleistungsan­ gebot zur Verfügung gestellt. Auch die Schülermitverantwortung (SMV) hat in der Akademie eine zentrale Heimat gefunden. Hier werden im Dialog zwischen Lehrenden Staatliche Akademie fü r Lehrerfortbildung in Donaueschingen. 5 9

B ildungseinrichtungen und Lernenden viele wertvolle Impulse ge­ setzt. Mit dem „Arbeitskreis Schülermitver­ antwortung-Schülerzeitung“ gibt es an der Akademie ein Gremium, das mit neuen Kon­ zepten und Inhalten die Herausforderungen, die heute verstärkt an die Schülermitverant­ wortung gestellt werden, aufgreift. Besonderes Gewicht haben die als Wunsch­ kurse von den verschiedensten Schulen durchgeführten Seminare an den Wochen­ enden. Gruppen aus Schulkollegien bzw. ganze Schulkollegien nützen verstärkt die fortbildungsdidaktische Infrastruktur und die fortbildnerischen Kompetenzen der Aka­ demie auch für die Durchführung pädago­ gischer Tage. Damit werden Schulen bei der Weiterentwicklung von Schule und Unter­ richt unterstützt. „Neben dieser Transmissi­ onsfunktion“, so Günter Rath, „werden sich die Akademien in Donaueschingen, auf der Comburg bei Schwäbisch Hall und in Calw immer mehr auch zum Fortbildungsdienst­ leister für die Schulen und Schulämter vor O rt entwickeln.“ Weiterhin kommt auf die Akademien zunehmend auch die Aufgabe einer beratenden und vermittelnden Fort­ bildungsagentur zu. Akademie erfüllt ihren Auftrag Insbesondere in der Festansprache von Kulturstaatssekretär Helmut Rau kam beim Festakt zum Jubiläum am 27. Juni 2003 zum Ausdruck, dass die Akademie ihren Auftrag erfüllt hat und auch weiterhin gut gerüstet ist für die sich ständig verändernden Aufga­ ben, die ihr vom Land auf dem Gebiet der Fortbildung für Lehrkräfte insbesondere der allgemein bildenden Schulen vorgegeben werden. Die Weichen, das zeigt sich heute deutlich, sind damals in Donaueschingen richtig gestellt worden. Zum einen galt es die Fortbildungsmöglichkeiten für die Lehrkräf­ te im Lande auf eine breite Basis zu stellen, zum anderen, für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude des ehemaligen Max- Egon-Krankenhauses eine sinnvolle N ut­ zung zu finden. 6 0 Internationales Flair beim 99. Europaseminar an der Staatlichen Akademie für Lehreifortbildung in Donaueschingen. Vor allem durch die aktive Beteiligung der sechs Akademiereferentinnen und -referen- ten an Planung und Durchfühmng der Fort­ bildungsseminare konnte sich die Akademie weiter profilieren. Schon bald hat sich an der Akademie ein Kompetenzzentrum für den fremdsprachlichen Unterricht entwickelt. Das war Anlass für das Kultusministerium, der Akademie mit der zentralen Vorbereitung der regionalen Multiplikatoren und Multi- plikatorinnen für die Fortbildungsmaßnah­ me „Fremdsprachen lernen in der Grund­ schule“ eines der wichtigsten und umfäng­ lichsten Fortbildungsprojekte der letzten Jahre anzuvertrauen. Von Beginn an wurde auch eine europa­ politische Ausrichtung im Angebot konse­ quent verfolgt: Dass die Akademie so tat­ sächlich zu einer Nahtstelle europäischen Wirkens wurde – wie der Generalsekretär des Europarats Kahn-Ackermann einmal sagte und wie im Almanach 1980 nachzulesen ist, das unterstrich die Ministerin für Kultus, Ju­ gend und Sport des Landes Baden-Württem­ berg, Dr. Annette Schavan, noch einmal in ihrem Grußwort zum Jubiläum der Akade­ mie. Seit 1996 ist die Akademie Donaueschingen mit der Durchführung des landesweiten

Fremdsprachenwettbewerbs wie auch der Koordinierung und organisatorischen Be­ treuung der Fremdsprachen-Austauschpro- gramme beauftragt. „Der Multimediaeinsatz im Unterricht wird von hier sachkundig unterstützt“, lobt die Kultusministerin das Angebot der Aka­ demie. Neben den Fortbildungen für Mul­ tiplikatoren zum Einsatz der neuen Medien in den Fächern finden auch Fortbildungen für die schulischen Netzwerk-Beraterinnen und -Berater statt. Innovatives Angebot für Pädagogen Gemeinsam mit den Akademien in Schwä­ bisch Hall und Calw stellt die Akademie in Donaueschingen ein hoch innovatives An­ gebot für pädagogisches Leitungspersonal, für Multiplikatoren in der Lehreraus- und – fortbildung bereit, das durch vielfältige Ko­ operationen mit Hochschulen, der Wirt­ schaft und allgemeinen Fort- und Weiterbil­ dungseinrichtungen bereichert wird. Zu den Kernaufgaben gehört auch die zen­ trale Planung für den Bereich der Realschu­ le, wobei die Organisation der Realschulfo­ ren einen besonderen Schwerpunkt bilden. Im Bereich der Sonderpädagogik befasst sich die Akademie schwerpunktmäßig mit der Frühförderung und der Kooperation zwischen den allgemeinen Schulen und den Sonderschulen in ganz Baden-Württemberg. S taatl. A kadem ie für Lehrerfortbildung Sie bietet auch sonderpädagogische Kurse für den Europarat an und leistet damit einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen inter­ nationalen Verständigung. Die im Rahmen der Donaueschinger Mu­ siktage stattfindenden Seminare werden seit 1980 durch eine sich alljährlich wiederho­ lende Tagung für Musiklehrkräfte begleitet. „Damit realisierte sich eine Kontaktaufnah­ me schulischer Institutionen mit einem Brennpunkt aktueller Innovationsförde­ rung“, erklärt Studienrat François Förstel in einem Beitrag zum Akademiejubiläum. Es wurde so ein Netzwerk geschaffen, das leh­ rende, komponierende und interpretierende Menschen aus ganz Deutschland zusam­ menbringt, die an der Vermittlung Neuer Musik in den verschiedenen Schularten in­ teressiert sind. Bereits unter dem ersten Akademiedirek­ tor Prof. Lothar Mattheiß wurde die Idee ge­ boren, wechselnde Arbeiten aus dem Kunst­ unterricht der Schulen der Region jährlich neu auszustellen. Diese Anregung hat sich bewährt und die Ausstellungen im Haus sind zu einer festen Einrichtung geworden. Die Akademie ist neben der Vermittlung eines vielseitigen Bildungsangebotes aber auch ein Betrieb zur Organisation und U n­ terbringung von Seminargästen. Die Mitar­ beiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung, Hauswirtschaft und Küche leisten einen ent­ scheidenden Beitrag zum Wohlbefinden der Gäste und damit zum Gelingen der Kurse. Mit Beschluss der Landesregierung vom Juli 2002 sollen die vier Akademien in Calw, Esslingen, Donaueschingen und Schwäbisch Hall zu einer Landesakademie für Lehrkräfte- fortbildung zusammengeführt werden, die als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ausgestaltet wird. Mit der dadurch eröffne- ten größeren Eigenständigkeit und Pla­ nungsflexibilität sollen die Akademien als weiterhin eigenständige Standorte ihre Dienstleistungsfunktion weiter ausbauen können. Kunstausstellungen mit Schülerarbeiten haben seit 25 Jahren ihren festen Platz in der Akademie. Hermann Colli 61

Aus dem Wirtschaftsleben Designorientierte und innovative Leuchten Hess Form + Licht G m bH gilt als Trendsetter bei der Beleuchtung öffentlicher Räume „Einen Spannungsbogen vom abhängigen Zulieferer bis hin zum Weltmarktführer in designorientierten und innovativen Leuch­ ten“, so umschreibt Geschäftsführer Jürgen G. Hess die Geschichte des Villinger Vorzei- geunternehmens. 1947 vom Vater Willi Hess als Aluminiumgießerei gegründet, gehört die Hess Form + Licht GmbH heute zu den Trendsettern in Sachen Beleuchtung öffent­ licher Räume. Wer heute den aufgeräumten Stammsitz in­ klusive einer großzügigen Ausstellung von Leuchten auf dem Außengelände in Villin- gens Süden betrachtet, glaubt kaum, dass die Wurzeln des international erfolgreichen Un­ ternehmens in einer kleinen Gießerei liegen. 1947, zwei Jahre nach dem Kriege, waren des­ sen Folgen noch überall zu spüren, trotzdem gelang es Willi Hess, damals eine eigene Fir­ ma aufzubauen. Das erste Produkt waren Waffeleisen, die an Privathaushalte verkauft wurden – oder auch für die damalige Zeit notwendigen Tauschzwecke geeignet waren. Nach diesen ersten Anfängen entwickelte sich ‚* ~ W * Hess zu einem klassi- sehen Zulieferer für Graugussteile für Ma- schinenfabriken und die Elektroindustrie in Villingen und Umge- bung. Der Backmaschi- nenhersteller ■V J B Jürgen Hess w a , b e i s p i e l s w e i s e der Kunden. 30 Mitar- beiter arbeiteten in den 1950er Jahren in der Gießerei. Ein Unfall Willi Hess’ und Über­ kapazitäten durch vollautomatische Gieße­ reien führten zu Rückschlägen. Als Jürgen Hess schließlich 1968 den väter­ lichen Betrieb übernahm, arbeiteten dort nur noch zwölf Mitarbeiter in einem veralteten Gebäude und Maschinenpark. Dem rührigen und jungen Unternehmer war bald bewusst, dass Hess als klassischer Zulieferbetrieb mit seinen austauschbaren Produkten auf Dau­ er nicht überlebensfähig war und suchte nach Möglichkeiten, eigene Produkte zu ver­ markten. Diese Anfänge waren aus heutiger Sicht sehr bescheiden: Klassi­ sche Wappenteller aus Guss, die Stadtverwaltun­ gen als Präsente über­ reichten oder zu Ehrun­ gen nutzten, waren die ersten eigenständigen Pro­ dukte der Gießerei seit knapp 30 Jahren. Der ers­ te Gussteller in St. Georgen seinen Ab­ nehmer. Doch Jürgen Hess wollte mehr. Er erin­ nert sich schmunzelnd an die Zeiten Anfang der 1970er Jahre, als er „quasi fand Die Hess Form + Licht GmbH präsentiert am Firmensitz Villingen eine ansprechend gestaltete Ausstellung der Produkte. 7 2

Hess Form + Licht GmbH M it dem Licht modern gestalteter Hess-Leuchten erstrahlen im Schwarzwald-Baar-Kreis viele öffentliche Räume, so die Fußgängerzone in der Villinger Innenstadt (Model „Faro “) oder der Busbahnhof in Furt- wangen (Mastauslegerleuchte „Novara M L“ und Mastauslegerleuchte Calida 1). 7 3

Aus dem Wirtschaftsleben von H and“ Material vorbereitete das an 200 Städte bundesweit verschickt wurde. Inhalt des Päckchens war das Angebot für einen Gussteller. Der Rück­ lauf war mehr als ermutigend; von 200 angeschriebenen Stadt­ verwaltungen bestellten mehr als 80 die Hess’schen Gussteller. Erste Kontakte zu zahlreichen Städ­ ten waren also geknüpft, als Jürgen G. Hess 1975 das Villinger Unternehmen endgültig zu dem machte, was es heute darstellt – zu einem führenden Leuchtenhersteller. Hess stellt 1978 die erste eigene Leuchte vor Schon 1978 stellte Hess mit dem Modell „Villingen“ die erste eigene Leuchte vor. Es handelte sich um eine klassische historische Leuchte, deren Herstellung sich in der Gie­ ßerei anbot. Hess setzte damit auf das rich­ tige Pferd, denn damals herrschte die Zeit 7 4 Der Gussteller der Firma Hess entwickelte sich zum Renner, der erste Abnehmer war die Stadt St. Georgen. der Altstadtsanierungen, in deren Rahmen nicht selten erste Fuß­ gängerzonen eingerichtet wurden. Ende der 70er Jahre entwickelte der Betrieb Straßenleuchten mit neuer, mo­ derner und bereits eigenständiger Form. Pas­ send zu diesen Leuchten, die Städtenamen wie Tailfingen oder Wolfegg tragen, wurden Poller, Baumscheiben und Stadtmobiliar ins Programm aufgenommen. Dass gutes Design der qualitativ hochwertigen Leuchten – die Hess-Produkte sind für eine Lebensdauer von 40 Jahren konzipiert – allein nicht aus­ reicht, um erfolgreich am Markt tätig zu sein, sondern der Vermarktung eine sehr große Rolle beizumessen ist, war für Hess Grund genug, schon bald nach Einführung der ersten eigenen Produkte eine Vertriebs­ organisation aufzubauen. So wurde in den 1980er Jahren, insbesondere mit Eintritt des Geschäftsführers Udo Schlude, vor allem der deutsche Markt aufgebaut. In Frankreich wurde 1993 mit „Hess Forme et Lumière“ ei­ ne erste Auslandsniederlassung gegründet. Ein Meilenstein in der Firmengeschichte dürfte ein Jahr später wohl der Start der Se­ rie „Avangardo“ sein, der ersten Designer- Kollektion aus dem Hause Hess, die in Zusammenarbeit mit dem Architekten Klaus Begasse entstand. Die „Avangardo“-Leuchte mit ihren klaren und zugleich futuristischen Formen verbreitet indirektes Licht und öff­ nete dem deutschen Leuchtenhersteller die Türen zu international anerkannten Archi­ tekten und Lichtplanern. Die nächste Kol­ lektion entstand nur zwei Jahre später in Zu­ sammenarbeit mit Jean-Michel Wilmotte. Karsten Winkels entwarf 1997 die gleichna­ mige Serie und die weitere Produktlinie Das Modell,yillingen“, die erste eigene Hess-Leuch­ te, entstand im klassisch-historischen Stil.

Hess Form + Licht GmbH Blick in die Produktion bei Hess-Leuchten: Bild links zeigt das Galvanisieren, Bild Mitte oben das Aus­ packen der Gusskörper; Bild Mitte unten die Montage des Leuchtenmodells „ Corona “ und Bild rechts ei­ nen Schleifvorgang. „Meridian“ entstand wiederum nur ein Jahr später in Kooperation mit dem französi­ schen Designer Marc Schneider und dem weltweit tätigen Lichtplaner Roland Jeol. Mitarbeiterzahl wächst rasant Der Erfolg der formschönen und zugleich funktionellen Leuchten hatte natürlich auch Auswirkungen auf den Standort in Villin- gen. Obwohl erst 1986 die letzten „Hinter- hof-Hinterlassenschaften“ auf dem Betriebs­ gelände verschwanden, war längst ein in den 80er und 90er Jahren repräsentativer Fir­ mensitz entstanden, was nicht verwundert, denn Hess avancierte in den 90er Jahren zu einem der führenden Herstellern von deko­ rativen Außenleuchten. Die Mitarbeiterzahl wuchs entsprechend rasant. Be­ schäftigte Hess vor zehn Jahren noch 59 Mitarbei­ ter, verdoppelte sich diese Zahl innerhalb von nicht einmal fünf Jahren. 1997 gründete das stark expandierende Unternehmen eine Nieder­ lassung in den USA: Hess America in Shel­ by. Im Juni 2000 startete Hess mit einem zweiten Produktionsstandort im Osten von Deutschland. Im sächsischen Löbau begann Hess zunächst mit 15 Mitarbeitern. Chris­ toph Hess, der Sohn von Jürgen Hess, leitet die dortige Produktionsstätte. Mit dem 1999 erfolgten Eintritt von Christoph Hess in das Unternehmen, der in Villingen die Prokura inne hat, ist die Kontinuität in der Firmen­ führung gewährleistet. Vor vier Jahren wurde indes nicht nur in den neuen Produktionsstandort investiert, sondern auch in Villingen, wo die Haupt­ verwaltung ausgebaut wur­ de. Im Jahr 2000 beschäf- Auch mit Stadtmobiliar hat das Unternehmen Hess großen Erfolg, hier die Sitzbank „Santari“. 75

tigte die Hess Form + Licht GmbH bereits 189 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 35,3 Millionen Euro. Zwei jahre später lesen sich die Eckdaten so: 39 Millionen Eu­ ro Umsatz, wobei auf das Auslandsgeschäft 14,6 Millionen Euro entfallen, 220 Mitar­ beiter und insgesamt 55061 hergestellte Leuchten. Früher als geplant, erweiterte Hess imjahre 2001 das Werk in Löbau. Die Nutz­ fläche wurde von 2600 auf 4200 Quadrat­ meter vergrößert. Trotz des stetigen Wachstums ruhten sich die Leuchtenhersteller nicht auf ihren Lorbee­ ren aus, sondern glänzten mit weiteren Inno­ vationen. Die Leuchtenserie „Faro“ verfugt – rein technisch betrachtet – über Sekundärre­ flektortechnologie mit Lichtpunktzerlegung und wurde in Zusammenarbeit mit dem Bartenbach Lichtlabor entwickelt. Ein mit speziellen Spiegelfacetten versehenes Qua­ drat verbreitet indirektes und blendfreies Licht. Erste Systemleuchten dieser Serie wur­ den beispielsweise in Konstanz am Weg zum Sea-Life Center installiert. In Villingen mussten im Zuge der Sanierung der Innen­ stadt teilweise die nostalgische „Villingen“ ebenfalls der schlichten und modernen „Fa­ ro“ weichen. 2002 stellte Hess den Schein­ werfer „Farino“ vor. Neueste Produkte sind die erste Straßenleuchte mit LED Technolo­ gie (Millennio) sowie Lichtfliesen und Licht­ linien auf Basis der LED-Technik. Vier bis fiinf Designpreise pro Jahr Jedes Jahr wird nicht nur die Liste der Pro- duktinnovationen länger, sondern auch die der Designpreise. Durchschnittlich vier bis fünf Preise pro Jahr heimsten die der inno­ vativen Villinger Leuchtenhersteller wäh­ rend der vergangenen fünf Jahre ein. Allein im Jahr 2002 standen der „red dot für hohe Designqualität“ des Design Zentmms Nord­ rhein-Westfalen für Baumscheibe und Ab- Neu bei Hess: „Ledia-Lichtfliesen “ auf Basis der LED-Technik, auchfür Unterwasser geeignet. I I I B

^ sperrpoller „Serpo“ sowie für die System­ leuchte „Faro“ und der „iF Design Plus“ des International Forum Design Flannover ebenfalls für „Faro“ an. Dabei folgt das De­ sign einer Hess-Leuchte der Funktion. So legt Hess besonde- ren Wert auf die Wartungsfreund­ lichkeit und Lang­ lebigkeit seiner Produkte. Eigene Labors, wo die Leuch­ ten auf Herz und Nieren ge­ prüft und getestet werden, sind bei Hess ebenso selbst­ verständlich wie eine sehr hohe Produktionstiefe. Im Gegensatz zu anderen Leuchtenherstellern produ­ ziert Hess mit Ausnahme der Glas- und Kunststoffteile al­ les selbst oder lässt Teile durch Partnerunternehmen herstellen. Hinter dieser Fir­ menphilosophie steckt ein Grundsatz: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Auch Sponsoring im Kultur­ wesen ist für das Villinger Unternehmen eine Selbst­ verständlichkeit. Wie sehr der kulturelle Bereich Hess Form + Licht GmbH am Herzen liegt, zeigt allein die Tatsa­ che, dass Christoph Hess den Vorsitz des Symphonieorches­ ters Villingen-Schwenningen inne hat. Trotz der Finanznot der deutschen Städte ist Jürgen Hess um die Zukunft seiner Firma nicht bang. Gute Qua- Leuchte aus der Serie „Faro“. Auch in der Villinger Innenstadt kam die „Faro “ teilweise zum Ein­ satz. Hess Form + Licht GmbH „Ledia-Lichtlinie“, modernste LED-Technik. lität und gutes Design behielten auch in schlechten wirtschaftlichen Zeiten ihren Markt. Rund 45 Prozent des Umsatzes erwirt­ schaftet Hess Form + Licht GmbH bereits im Ausland, da in den vergangenen Jahren die Internationalisierung voran getrieben wur­ de. In mehr als 50 Ländern weltweit werden heute die Leuchten von Hess verkauft. Von Australien über Indonesien bis hin zu den Vereinigten Arabischen Emiraten reicht das Verbreitungsgebiet der Villinger Pro­ dukte. China ist für Hess ebenfalls ein wich­ tiger Auslandsmarkt. Trotz der Krise durch die Lungenkrankheit SARS ließ es sich Jür­ gen Hess nämlich nicht nehmen, im Früh­ jahr 2003 ins Land der aufgehenden Sonne zu reisen. Sabine Krümmer 7 7

Aus dem Wirtschaftsleben Neue Tonhalle in VS-Villingen, Bodenstrahler „Pescara“. Altenheim Lioha in VS-Villingen, Mastleuchte „Amalfi“. 78

Geriatrische Klinik in Villingen-Schwenningen, Modell Säulenleuchte Migo Mastauslegerleuchte „ Corona“ vor der Berufsakademie in VS-Schwenningen. Hess Form + Licht GmbH 79

Aus dem Wirtschaftsleben „Feines vom Lande – Feines vom Lutz“ Lutz Fleischwaren AG ist wichtiger A rbeitgeber in Blum berg „Feines vom Lande – Feines vom Lutz“ dieser Werbeslogan umfasst das gesamte Fleisch- und Wurstwarenangebot des Blumberger Unterneh­ mens und im ganz besonde­ ren natürlich den Schwarz­ wälder Schinken und den Blumberger Garschinken, Spe­ zialitäten, die für den Gourmet nicht nur in der näheren Umgebung ein Muss sind. Basierend auf einem alteingesessenen Metzgereibetrieb in Günzburg an der Donau entstand im Laufe von Jahrzehnten das Un­ ternehmen in seiner jetzigen Form und Grö­ ße. 1891 übernahm Metzgermeister Wilhelm Lutz, Senior, die Metzgerei in Günzburg und 1922 erfolgte der Eintrag ins Handels­ register als Fleischwarenfabrik W. Lutz und 1928 belieferte die Firma Wilhelm Lutz, Fleisch- und Wurstwarenfabrik die Bordkü­ che des Luftschiffes „Graf Zeppelin“. 1954 wurde die Firma eine Kommanditgesellschaft und 1965 erwarb die Südfleisch München die W. Lutz KG Günzburg und auch in diesem Jahr gründete die Südfleischgruppe dann in den Räumen der ehemaligen Metzgerei Faller in der Blum­ berger Tevesstraße ihre Zweig­ niederlassung. 1970 erfolgte der Um­ zug auf das neue Firmengelände in Blum­ berg-Zollhaus in die Waldshuter-Straße 37, und hier, in den zeitgemäß modernen Ar- beits- und Produktionsräumen, bietet die Lutz Fleischwaren AG sichere Arbeitsplätze für viele Blumberger Mitbürger. Am 1. Janu­ ar 1971 übernahm Karl-Heinz Blum die Ge­ schäftsleitung des Blumberger Werkes. Schwarzwälder Schinken sehr beliebt Gut steht das Blumberger Werk, eines von sechs deutschlandweit vertretenen Firmen- Seit 1970produziert die Firma Lutz-Fleiscbwaren A G an der Waldshuter-Straße in Blumberg-Zollhaus. 80

Die Spezialität der Lutz Fleischwaren A G ist der Schwarzwälder Schinken. Standorten im Geschäftsjahr 2002 da. Wurden doch 138,7 Mio. Euro Umsatz er­ wirtschaftet, rund 50 Prozent des Gesamt­ umsatzes und das von 1233 Mitarbeitern, die sich auf den Betrieb, die Filialen und das Lager verteilen. Der Schwarzwälder Schin­ ken erfreut sich einer besonderen Beliebt­ heit und leicht steigender Nachfrage. So werden pro Tag in der Schwarzwälder Schin­ kenproduktion 2000 Stück (brutto 14,4t) hergestellt. „Unverwechselbar würzig und garantiert echt ist unser Schinken und so nennen darf sich das Produkt nur, wenn es auch wirklich im Schwarzwald hergestellt worden ist“, darauf legt Karl-Heinz Blum, Vorstandsmitglied der Lutz Fleischwaren AG und zugleich Vorsitzender des Schutz­ verbandes Schwarzwälder Schinken aller­ größten Wert. Auszeichnungen für Spitzenleistungen So ist es nicht verwunderlich, dass die Fir­ ma Lutz für ihre Spitzenleistungen bei den Produkten, zu denen ja nun nicht nur der Schinken gehört, vielfach ausgezeichnet wur­ de. So gab es für die Spezialitäten wie Land­ jäger, Bauernbratwürste, Badische Rollschin­ ken, Badische Schäufele, Schwarzwälder Schmalseite sowie ein breites Würstl-Pro- gramm und ein Frischwurstaufschnitt-Sorti- ment, das kaum Wünsche of­ fen lässt, wiederholt Auszeich­ nungen aus der DLG (Deut­ sche Landwirtschafts Gesell­ schaft) und aus dem CMA (Centrale Marketing-Gesell­ schaft der deutschen Agrar­ wirtschaft mbH) Prämierungs­ bereich. Wie auch den Preis der Besten in Gold von der CMA überreicht für über 15 mal D LG- Qualitätsprämierung. Lutz Fleischwaren AG Mit der silbernen Preismünze des Landes Baden-Württemberg wurde die Firma Lutz Fleischwaren AG für hervorragende Leistun­ gen im Gebiet Absatz, Wirtschaft, Vieh und Fleisch ausgezeichnet. Viele unterschiedliche Arbeitsgänge sind notwendig, bis aus dem frischen Schinken ein Original Schwarzwälder Schinken wird. Schon bei der Aufzucht der Schweine be­ ginnt es, die aus ausgewählten Mastbetrie­ ben kommen und hier ist gleich bleibende Fleischqualität ausschlaggebend. Strenge be­ triebliche Eigenkontrollen durch die Quali­ tätssicherungsabteilung nach dem hauseige­ nen HACCP-Konzept. (Hazard Analysis Critical Control Point) stellen die strengen Hygienevorschriften sicher, zudem der Be­ trieb nach D IN 9001 zertifiziert ist und den überbetrieblichen Qualitätskontrollen der zentralen Lutz-Abteilung un­ tersteht. Unter strengsten Hygienevor- schriften werden die frischen Schinken von Fachkräften ent- beint, zurecht geschnitten und Geschäftsführer Karl-Heinz Blum mit Schinken von Lutz, der wür­ zig und garantiert echt ist. 81

Lutz Fleischwaren AG Schinken- und Aufschnittplatten vom Feinsten re­ gen das Kaufinteresse an. Hier ist beste Beratung und eine gute Ausbildung gefragt, wie sie die Aus­ zubildenden der Firma Lutz erhalten. zum Einsalzen vorbereitet. Hierfür werden nach eigener Rezeptur verschiedene Naturge­ würze von Hand eingebracht und auf den Schinken eingerieben. Danach folgt der Tro­ ckenprozess, bei dem das aufgenommene Salz bis in den Fleischkern eindringt und die Feuchtigkeit abgibt. Danach erfolgt das Räu­ chern über glimmendem Tannenreisig, Tan­ nenholz und Tannensägemehl, auch hier wer­ den noch natürliche Beeren zugegeben. Nach ungefähr zwei Wochen im Rauch ist der Schwarzwälder Schinken fertig geräu­ chert und wird dann in speziellen klimati­ sierten Räumen zum nachreifen für einige Wochen eingebracht, bevor er als Stück oder fein aufgeschnitten verpackt wird und in den 8 2 Handel kommt. Beide Varianten sind bei den Kunden sehr beliebt. Auch Verkäuferinnen werden ausgebildet Hier ist dann oftmals beste Beratung der Kunden gefragt und so bildet die Firma Lutz Fleischwaren AG nicht nur Fachleute, also Metzger für die Fleisch- und Wurstwaren­ herstellung aus, sondern auch Fleischfach­ verkäuferinnen und in einem eigenen Schu­ lungszentrum in der Blumberger Innenstadt werden zur Ausbildung in den einzelnen La­ dengeschäften und Verkaufsfilialen noch zu­ sätzliche Kurse angeboten. „Das Auge kauft mit ein und isst auch mit“, merkt Ausbil­ dungsleiter Herbert Eichkorn an und so ler­ nen die jungen Leute dekorative Aufschnitt- und Schinkenplatten zu legen und so dem Angebot den notwendigen Pfiff und den Kunden Kaufmotivation zu geben. In vielseitigen Varianten ist der Schwarz­ wälder Schinken aus heimischen Küchen und natürlich auch in der Gastronomie nicht wegzudenken. Hervorragend passt er zum Spargel und lässt sich auch mit gekühl­ ter Melone als kleine, leichte Speise bei gro­ ßer Hitze bestens kombinieren und was wä­ re ein herzhaftes Vesper ohne Schwarzwäl­ der Schinken und deftigem, frisch gebacke­ nen Brot? Dazu passt hervorragend ein hei­ mischer Wein oder auch ein kühles Bier und für den, der es zu schätzen weiß, noch ein Obstler dazu. „Wir stellen einen guten Schinken her, da­ zu stehen wir“, so Karl-Heinz Blum und dann verrät er, wie er den Schwarzwälder Schin­ ken am liebsten selber genießt: „Schinken ist sehr variabel. Ich verzehre ihn am liebs­ ten in feine Scheiben geschnitten auf einem dunklen Brötchen oder mit Bauernbrot, so­ wie als feine Vorspeise als „Schinken-Car­ paccio“. Sehr gut passt Schinken auch fein geschnitten zu Omelette oder auch zum Rührei und ideal sind feine Schinkenstreifen zum Raclette.“ Christiana Steger

Spezialist für Zahnräder und Getriebe D ie IM S Gear G m bH besteht seit über 140 Jahren Aus dem Wirtschaftsleben Wer als Außenstehen­ der heute am Ortsein­ gang von Donaueschin- gen den modernen und repräsentativen Gebäu­ dekomplex der IMS Gear GmbH sieht, wird kaum ahnen, dass dieses Unternehmen seine Wur­ zeln im tiefsten Schwarz- Johann Morat wald hat, und, wie könn­ te es mit diesem Hintergrund anders sein, in der Uhrenindustrie begründet ist. Im Jahr 2003 feierte der mittelständische Betrieb nämlich sein 140-jähriges Bestehen. Johann Morat gründete 1863 in Eisenbach eine mechanische Werkstätte; nur zwei Jah­ re später wurden im Schwarzwald die erste serienmäßige Verzahnungsmaschine herge­ stellt. Das Kürzel IMS geht darauf zurück, dass das aufstrebende Unternehmen ab 1905 in Johann Morat & Söhne umbenannt wur­ de. Vor gut 30 Jahren tritt Rudolf Zimber- Morat in die Geschäftsführung ein, die Spar­ te Maschinenbau wird eingestellt und es wird mit der Entwicklung der ersten Getrie­ beserie und Hochfrequenzstecker begonnen. Diese Bauteile für die Elektronik werden 18 Jahre später in eine eigene Firma, die IMS Connector Systems GmbH, in Löffmgen ausgegliedert. Der Spezialist für Zahnräder und Getriebe, der erst seit zwei Jahren den Namen IMS Gear führt, zog 1983 mit der neu entstehen­ den Kunststoffsparte in ein schon bestehen­ des Fabrikgebäude nach Donaueschingen. Werk in Donaueschingen entsteht „Die positive Entwicklung dieses Standor­ tes aus kleinen Anfängen war das Werk von Norbert Willmann“ erklärt Mitgeschäftsfüh- rer Clemens Rosenstiel dazu. Am Standort im verkehrstechnisch wesent­ lich günstiger gelegenen Donaueschingen entsteht 1992 ein erstes neues Werk für die Kunststoffproduktion, weitere Anbauten folgen. Mit Clemens Rosenstiel und Nor­ bert Willmann übernahmen 1993 zwei Mit­ arbeiter die Geschäftsführung, die dem Un- Das Technikzentrum der IM S Gear GmbH in Donaueschingen. 8 3

Aus dem Wirtschaftsleben temehmen schon mehr als 20 Jahre angehör­ ten. Nur zwei Jahre später wurde mit der Gründung des Standortes Gainesville/USA Aktivitäten in Ubersee gestartet. Das Jahr 2001 ist in der IMS Gear-Geschichte ge­ kennzeichnet durch mehrere markante Er­ eignisse: die Inbetriebnahme des Technik­ zentrums in Donaueschingen; die Grün­ dung des US-Standortes in Virginia und die Zerstörung des neuen Montagewerkes in Donaueschingen durch einen Großbrand. Nur weil es das Donaueschinger Unterneh­ men fertigbrachte, die Produktion innerhalb weniger Tage vollkommen auf manuelle Fer­ tigung umzustellen, konnte verhindert wer­ den, dass bei den Automobilproduzenten die Bänder Stillständen – IMS Gear ist nämlich sogenannter Single-Source-Lieferant für Komfortteile im Auto u. a. Sitzverstellungen oder Schließsystemen. IMS Gear liefert da­ bei nicht direkt an die Automobilhersteller wie DaimlerChrysler oder VW sondern sei vornehmlich ein Zulieferer der „zweiten Reihe“. Das habe mit der Unternehmens­ kultur zu tun, so Rosenstiel, der ein partner­ schaftliches Verhältnis zu den Kunden als Basis für den gemeinsamen Erfolg betrachtet. In der Automobilzuliefersparte gäbe es welt­ weit 20 bis 30 IMS-Kunden, Hersteller „in der ersten Reihe“ von kompletten Systemen. Die Untemehmenskulturen in den großen und den mittelständischen Unternehmen unter­ scheiden sich deutlich, deshalb drängt es IMS Gear nicht danach, in die erste Zulieferebene aufzusteigen. Zulieferer der Automobilindustrie 80 Prozent der Produkte gehen in die Automobilbranche, Tendenz steigend. In diesem Sektor sei Null-Fehler-Denken notwendig. Und dies bei Millionen gefer­ tigter Teile jährlich, die bei IMS Gear pro­ duziert werden, meist in Serien ab 500000 Stück. Ein Automobilzulieferer müsse des­ halb nicht nur die Kompetenz besitzen, neue und innovative Produkte zu entwi­ ckeln, sondern auch die Prozesse in der 84 Ein Sitzverstellgetriebe fü r Kraftfahrzeuge. Fertigung sicher zu beherrschen. Während der Fertigung werden die produzierten Teile per Videokamera überwacht und die „schlechten“ Teile sofort vollautomatisch aus­ sortiert. Je höher der Automatisierungsgrad steigt, desto weniger fallt der Lohnkostenan­ teil ins Gewicht. Für das Donaueschinger Vorzeigeunternehmen stelle sich bei der Entscheidung neuer Standorte vielmehr die Frage: Wo sind die Kunden? Da viele Kun­ den in den USA sitzen, war die Gründung der Produktionsstätten in den USA 1995 und 2001 nur ein logischer Schritt. Ein Produkti­ onsstandort in Osteuropa „könne in naher Zukunft ein Thema werden“, da dort mittler­ weile ebenfalls viele Kunden produzieren. Während die US-Standorte sofort unter IMS Gear firmierten, bekamen die deutschen Firmen in Eisenbach und in Donaueschingen erst vor zwei Jahren diesen Namen. Diese Maßnahme habe nichts mit den Aktivitäten in Ubersee zu tun, denn schon in den 70em habe die damali­ ge Firma IMS Morat & Söhne den Namen IMS Gear schützen lassen. Schon ! im Firmennamen ist jetzt er­ sichtlich, wo die Kemkompe- , tenz des Schwarzwälder, bzw. Komponenten fü r Lenksäulenver­ stellung wie sie die Automobilindustrie benötigt.

Baaremer Unternehmens liegt: Im Bau von Getrieben und Komponenten. Neben der Au­ tomobilindustrie sind Druckmaschinenher­ steller wie die Heidelberger Druckmaschinen AG ebenfalls Kunden von IMS Gear. Produk­ te aus Donaueschingen finden aber auch in der Gebäudetechnik wie in Jalousie-Antrie­ ben Verwendung. Die dort eingesetzten Pla­ netengetriebe gibt es auch als „Standardgetrie­ bebaukasten“ mit vielen Variationsmöglich­ keiten. Der Schwerpunkt allerdings liege in Getrie­ ben und Komponenten für die Kfz-Industrie, hier wiederum im Bereich Komfort. Zentral­ verriegelungen, Sitzverstellungen, Lenksäu­ lenverstellungen oder Lenkhilfen wären heute ohne Teile von IMS Gear kaum vor­ stellbar. Dabei gehe der Trend zu „Drive by Wire“ was soviel heißt wie „Fahren durch Drähte“. Das klassische Lenkrad mit hydrau­ lisch betriebener Servolenkung werde z. B. er­ setzt durch eine energiesparende elektrome­ chanische Lenkhilfe. Schon vor zwanzig Jah­ ren begannen hierzu die ersten Entwicklun­ gen. Bewusst werden deshalb heute schon neue Felder gesucht, welche langfristig die weite­ re positive Entwicklung des Unternehmens sichern sollen. „Das kann nicht jeder“ unter­ streicht Rosenstiel, wenn er daraufhinweist, dass IMS Gear Kunststoffprodukte und sol­ che aus Metall gleichermaßen herstelle, und eben auch Verbundteile aus beiden Werk­ stoffen. Am aufstrebenden Standort Donaueschin­ gen mit rund 430 Mitarbeitern (Stand: März 2003) entwickelt und fertigt das Unterneh­ men Zahnräder, Getriebe und Komponenten Planetenge­ triebe werden auch zum Antrieb von Jalousien verwendet. IMS Gear GmbH Bei IM S Gear erfolgt die Qualitätskontrolle vollau­ tomatisch über Videokameras. überwiegend für die Automobilindustrie vor­ nehmlich aus Kunststoff. Nach dem Brand im Jahr 2001 investierte IMS Gear 8,8 Mil­ lionen Euro in eine neue Produktionshalle, dem Werk 5 direkt an der Bundesstraße 27, in welchem heute rund 140 Mitarbeiter tä­ tig sind. Am Gründungsstandort in Eisen­ bach ist weiterhin der Bereich „Metall“ an­ gesiedelt sowie das Tochterunternehmen Cut­ ting Tools, welches Verzahnungswerkzeuge herstellt. Obwohl Donaueschingen am stärksten wächst, sind in Eisenbach mit 460 Men­ schen immer noch die meisten IMS Gear Mitarbeiter beschäftigt, in den USA sind es derer 80. IMS Gear ist an beiden Standorten der größte Ausbildungsbetrieb – insgesamt rund 60 Lehrlinge lernen bei IMS Gear ei­ nen Beruf. Im Jahr 2002 erwirtschaftete die IMS Gear Gruppe 132 Millionen Euro. Für das laufende Jahr ist konsolidiert ein leich­ tes Wachstum geplant. Der hohe Eurokurs im Vergleich zum Dollar belaste den konso­ lidierten US-Umsatz im Jahr 2003, rechnet Rosenstiel vor. Ohne die Kursschwankun­ gen wäre der Umsatz rund 10 Mio. Euro hö­ her. Sabine Krümmer 8 5

Aus dem Wirtschaftsleben Hermann Papst – Erfinder und Unternehmer M onographie zu Leben und Werk des genialen Ingenieurs Anläßlich des 100. Geburtstages von Her­ mann Papst (1902-1981) erschien eine wis­ senschaftliche Monographie zu Leben und Werk des wohl bedeutendsten Erfinders der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Autor des beim Stadler-Verlag in Konstanz erschie­ nenen Buches, das 260 Seiten mit zahlrei­ chen Abbildungen umfaßt, ist der Augsbur­ ger Universitätsprofessor Dr. phil. Friede­ mann Maurer, der den Lesern des Alma- nachs durch mehrere Beiträge bekannt ist. Maurer, 1940 in Hausen ob Verena im Land­ kreis Tuttlingen geboren, ist einer der be­ kannten deutschen Geisteswissenschaftler, dessen Arbeitsgebiete die Anthropologie des menschlichen Lernens, Biographie-For­ schung, Fragen der ästhetischen Bildung so­ wie des sozialen und pädagogischen Wan­ dels bilden. Friedemann Maurer wurde 1979 auf ein Ordinariat für Pädagogik an der Technischen Universität Braunschweig ge­ rufen, lehrte anschließend in Tübingen, war Gastprofessor an der Freien Universität Ber­ lin sowie an der University o f Pittsburgh. Seit 1987 ist er Lehrstuhlinhaber für Pädago­ gik an der Universität Augsburg. Der folgende Text ist eine Zusammenfas­ sung des Werkes von Friedemann Maurer aus der Feder des Historikers Dr. Helmut Rothermel, die dieser im Auftrag der Redak­ tion verfaßt hat. Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf wört­ liche Zitate und ausdrückliche Quellenver­ weise verzichtet. Für die interessierten Leser wird darauf verwiesen, daß dieses für ein breites Publikum geschriebene Buch auch eine Dokumentation der Erfindungen und Arbeitsthemen von Hermann Papst enthält, die dessen Söhne Hans Dieter Papst und Georg F. Papst zusammengestellt haben. Ab­ gerundet wird es durch eine kommentierte Zeittafel zu Leben und Werk des St. George- 8 6 Hermann Papst (1902-1981) ner Erfinders, die aus der Feder von Günter H. Papst und Georg F. Papst stammen. Großer deutscher Erfinder Unter den großen deutschen Erfmderper- sönlichkeiten des letzten Jahrhunderts ist ohne Zweifel Hermann Papst zu nennen. Rund eintausend innovative technische Konzepte gehen auf ihn zurück, über 200 deutsche und um die 400 ausländische Pa­ tente lauten auf seinen Namen. Weltbekannt wurde er durch die Erfin­ dung von speziellen Elektromotoren. Ohne den „Papst-Motor“ und ohne die „Papst- Lüfter“ sind viele Fortschritte der letzten Jahrzehnte auf diesen Gebieten gar nicht denkbar. Sein ungeheuer vielseitiges und krea­

tives Denken war verbunden mit der glück­ lichen Gabe, aus der Idee ein nutzbares und vom Markt nachgefragtes Produkt zu for­ men. So ist Hermann Papst einer der bedeu­ tenden Gestalter unserer heutigen, mehr und mehr von der Technik geprägten Le­ benswelt. Jugend und Ausbildung Geboren wird er am 13. August 1902 im nordböhmischen, zur Doppelmonarchie ge­ hörenden Aussig an der Elbe als ältester Sohn von Hugo Papst und seiner Ehefrau Else, geb. Fischer. Der Vater arbeitet als Buchhalter und Prokurist in einer mechani­ schen Weberei, bis die Familie 1910 aus be­ ruflichen Gründen nach Wien übersiedelt. Die europäische Kunstmetropole und Kai­ serresidenz hatte im Zuge der Industrialisie­ rung ihre Einwohnerzahl innerhalb von 50 Jahren auf über zwei Millionen verdreifacht und übte als dynamisch wachsende Wirt­ schaftsregion einen regelrechten Sog auf in­ novatorische Branchen aus. In Wien und den anderen europäischen Industriemetro­ polen sprießen damals neue Gründerunter­ nehmen im Bereich der Maschinen- und Hermann Papst Elektroindustrie wie Pilze aus dem Boden. Gleichzeitig steigt der Bedarf an qualifizier­ ten Konstrukteuren und Ingenieuren rasant an, der Anteil von Forschung und Entwick­ lung nimmt in den Großbetrieben im Ver­ hältnis zur Produktion stetig zu. Um den ge­ wandelten Anforderungen in der Ausbil­ dung gerecht zu werden, werden in Öster­ reich um die Jahrhundertwende „Staatliche Gewerbeschulen“ eingerichtet. Vorbildcha­ rakter hat dabei das „Wiener Technologische Gewerbemuseum“ (TGM), das 1879 auf Ini- titative des mehrmaligen Rektors der Hoch­ schule für Bodenkultur, Politikers und füh­ renden Kopfes der österreichischen Gewer­ beförderung, Wilhelm Franz Exner gegrün­ det wird. Die Lehranstalt hat mit ihrem reformpädagogischen Ansatz bahnbrechen­ den Charakter. Nach strenger Auslese ler­ nen, forschen und entwickeln die Schüler auf hohem theoretischen Niveau, dabei stets an­ wendungsbezogen und auf die Erfordernisse des Marktes hin orientiert. Die pragmatische Konzeption versteht sich als produktiver Ge­ gensatz zur einsetzenden praxisfernen Akade- misierung der Technischen Hochschulen. Nach Abschluß der Realschule tritt Her­ mann Papst 1916 in die höhere Abteilung Verwaltung und Werk 1 der Papst-Motoren KG in St. Georgen in den 60er Jahren. 8 7

Aus dem Wirtschaftsleben für Elektrotechnik des TGM ein, wo er hervorragende Bedin­ gungen zur Weiterentwicklung seiner Interessen und Neigun­ gen vorfindet. Schon seit jun­ gen Jahren gilt seine Leiden­ schaft Naturwissenschaft und Technik. Als Fünfjähriger, so be­ richtet er später, kauft er von seinem Taschengeld einen Mag­ neten und findet heraus, daß es magnetische und unmagneti­ sche Metalle gibt. Die gründliche Schulbildung und Berufsvorbereitung am TGM bildet das Fundament für Hermann Papsts späteren Er­ folg als Ingenieur und Erfinder. Später schwärmt er immer wie­ der von diesen Jahren und wür­ digt die wichtigen Impulse, die er von seinen Lehrern erhält. Damals ent­ steht die Breite seiner technischen Interes­ sen, aber auch Offenheit für volkswirtschaft­ liche, philosophische und humanitäre Fra­ gen wird geweckt. Neben dem Unterricht betreibt er zusätz­ liche private Studien und Experimente mit großer Ausdauer und Leidenschaft. 1921 en­ det seine Schulzeit mit Ablegung der Matu­ ra. Sein Abgangszeugnis ist insgesamt gut, die selten vergebene Note „vorzüglich“ erhält er in den Fächern Hochfrequenztechnik, Maschinenkunde und Fachzeichnen. Erste BerufsEahre in Wien und Berlin Nun steht der junge Techniker vor der Ent­ scheidung zur Aufnahme eines Universitäts­ studiums oder dem Eintritt ins Berufsleben. Selbstbewußt und schon mit mehreren eige­ nen Patenten in der Tasche fühlt er sich der beruflichen Herausforderung durchaus ge­ wachsen, glaubt durch eigene kreative Ar­ beit den Lebensunterhalt sichern zu kön­ nen. Sein Lehrer Prof. Wotruba empfiehlt ihn für eine dann doch nicht angetretene In­ genieursstelle: „Herr Hermann Papst ist ein Konstruktionszeichnung von Antrieb und Chassis eines Automo- bilentwuifs von 1923fü r die Wiener Firma Rumpler & Ringer. guter, vielfach selbständiger Konstrukteur und guter Rechner, klarer Denker“. Neben Luftfahrt und Rundfunk ist besonders die aufstrebende Automobilentwicklung dasje­ nige technische Gebiet, das Hermann Papst am meisten fasziniert. Da trifft es sich besonders gut, daß er auf Vermittlung eines Schulfreundes seine erste Stelle bei der Autoentwicklungs- und Han­ delsfirma Rumpler & Ringer antreten kann, wo er an der Entwicklung eines Kleinwagens für breite Käuferschichten mitarbeitet. Schon nach kurzer Zeit leitet er die Kon­ struktion und entwickelt ein Modell mit Zweizylinder-Viertaktmotor und Wälzfede­ rung. Aber das Auto wird nie gebaut, da die Firma in den Wirren der heraufziehenden Inflationszeit zugrunde geht. Was bleibt, ist ein lebenslanges Forscherinteresse Papsts für den Automobilbau und besonders für des­ sen Antriebstechnik. Im Bemühen um einen neuen Broterwerb kommt es für den jungen Ingenieur zu einer schicksalhaften Begegnung. Während der In­ flationszeit haben allerlei Glücksritter Kon­ junktur und auch Hermann Papst gerät in Wien an einen Hochstapler aus Hollän­

disch-Indien, der sich für die kommerzielle Ausbeutung technischer Innovationen inte­ ressiert und fälschlicherweise als reicher Wirt­ schaftsmagnat auffritt. Dennoch erweist sich die Begegnung als segensreich für den weite­ ren Lebensweg des Erfinders, denn durch die Geschäftsverbindung mit der zwielichtigen Gestalt kommt Hermann Papst um 1925 nach Berlin, wo er sich niederläßt. Die deutsche Hauptstadt ist in den Zwanziger Jahren eine Metropole von Weltrang, nicht nur Mittel­ punkt avantgardistischer Entwicklungen in der Kunstszene, sondern auch europäisches Zentrum für moderne, angewandte Indust­ rieforschung und Sitz großer elektrotechni­ scher Unternehmungen. Nachdem Hein­ rich Hertz (1857-1894) mit seiner bahnbre­ chenden Entdeckung der Fernwirkung elekt­ romagnetischer Schwingungen die Grundla­ ge zur drahtlosen Radiotechnik gelegt hat, wird Berlin zum Mekka der neuen Kommu­ nikationstechnologie, die insbesondere mit den Firmennamen Siemens & Halske, AEG und Loewe verbunden ist. Bald arbeitet Hermann Papst für den deutsch-stämmigen amerikanischen Ge­ schäftsmann Dr. Edward Feldman, der von Berlin aus mit Patentrechten im elektro- und nachrichtentechnischen Bereich handelt. Neben einer Gewinnbeteiligung für erfolg­ reich vermarktete Erfindungen erhält er 250 Mark Festgehalt, was ihm eine einigermaßen sorgenfreie und bescheidene Existenz als „möblierter Herr“ ermöglicht. Für Feldman entwickelt er unter anderem eine Sprechma­ schine und ein lautsprechendes Telefon. Er beschäftigt sich mit der Konzipierung neuer Lautsprechermodelle und schafft Hermann Papst sich so ein zukunfsträchtiges Arbeitsfeld in der rasant wachsenden Unterhaltungselekt­ ronik, erwirbt wertvolle technische Kompe­ tenz und gewinnt vielfältige Einblicke in das internationale Marktgeschehen. Die erfolg­ reiche Geschäftsverbindung mit Feldman dauert bis Mitte 1930 an. Grammophonantrieb für Dual Doch schon zwei Jahre zuvor kommt es im Leben von Hermann Papst erneut zu einer entscheidenden Wendung: Feldman hat sich die Idee des französischen Erfinders Achille Boitel zunutze gemacht, ein Grammophon mit einem Elektromotor und zugleich einem Federwerkmotor auszustatten. Im Rückgriff auf diese Idee konstruiert Hermann Papst ein funktionstüchtiges Elektrofederwerk, das un­ ter dem Namen Dual weltbekannt wird. Feld­ man läßt den Elektromotor für dieses neuar­ tige Grammophon bei den Gebrüdern Stei- dinger in St. Georgen im Schwarzwald herstel- len und schickt seinen Chefkonstrukteur Papst dorthin, um die Idee von Boitel am Du­ al-Grammophon zu verwirklichen. Aus der Metropole Berlin kommt Hermann Papst 1928 in das Schwarzwaldstädtchen mit seinen 5 000 Einwohnern. Was zunächst wie ein steiler Abstieg aussieht, entpuppt sich aber als außerordentlicher Glücksfall. Hier lernt der Großstädter seine Frau Mathilde kennen und gründet seine Familie mit fünf Kindern. Hier trifft er auch auf eine seltene Gunst der Konstellationen und Faktoren für seine Arbeit als Ingenieur und Erfinder. St. Georgen, wo alles vom Uhrenhandwerk ausgeht und sich um Uhren dreht, hat eine außerordentliche Industriedichte. Aus den Familienbetrieben entstehen bis zur Jahrhundertwende elf größere Unter­ nehmen mit über 580 Arbeitern. Aus der Uhrenindustrie entwickeln sich Das breit angewandte Elektrofederwerk der Firma Dual in St. Georgen. 8 9

Aus dem Wirtschaftsleben Werkzeug- und Maschinenfabriken, Zeiger­ hersteller, Emaillier-, Stanz- und Gießwerke, die weitere Zulieferer nach sich ziehen. Nach dem Ende der Geschäftsbeziehung zu Feldman arbeitet Hermann Papst als frei­ beruflicher Mitarbeiter, dann als Angestellter für die Brüder Steidinger, deren Betrieb seit 1935 den Namen Dual führt. Bald zahlt es sich aus, daß die Firma sich auf die Produk­ tion von Plattenspielerlaufwerken konzent­ riert. Die von Papst entwickelten Motoren werden seit 1927 hergestellt, seit 1931 werden die Dual-Grammophone auch als Kofferap­ parate gefertigt. Das Angebot eines stromun­ abhängigen, portablen Geräts, das Musikge­ nuß auch in der freien Natur ermöglicht, wird zum wahren „Verkaufsrenner“. Die be­ rühmte Gesangsgruppe „Comedian Harmo- nists“ faßt damals den natur- und picknickse­ ligen Zeitgeist in ihrem noch heute belieb­ ten Schlager in die Worte: „Wochenend und Sonnenschein, und dann mit dir im Wald al­ lein, weiter brauch ich nichts zum glücklich sein.“ Dual erfreut sich im folgenden einer stetigen Expansion und zählt 1938 über 250 Beschäftigte. Gründung des Unternehmens Doch trotz des großen geschäftlichen Er­ folges empfindet Hermann Papst das Ange­ stelltenverhältnis als Einschränkung seiner Kreativität. Meist zeichnet und konstruiert er bis in die späte Nacht, sein von unstillba­ rem Forscherdrang geleiteter Arbeitsrhyth­ mus kollidiert mit dem reglementierten Be­ triebsablauf. 1937 scheidet er bei Dual aus und gründet sein eigenes Ingenieurbüro für die Entwicklung von Neukonstruktionen. Alles führt er selbst aus, von der geistigen Idee bis zu deren materieller Umsetzung an der Drehbank reicht sein Arbeitsspektrum, unterstützt wird er zunächst nur von einer Sekretärin, später von gelegentlichen Hel­ fern und von seinen Söhnen, die er von früh auf in seine Ideenwelt und praktische Arbeit einbindet. In den ersten Jahren der Selb­ ständigkeit mit einem breiten Arbeitsfeld 9 0 beschäftigt, wird bald die Tätigkeit für die Rundfunkindustrie zur wirtschaftlichen Ba­ sis des Unternehmens. Lautsprecher für den Volksempfänger Der Rundfunk ist eines der zentralen Fas- zinosa der Zwanziger Jahre, vergleichbar dem heutigen Internet. Das Radio wird zu­ nehmend zum beherrschenden Begleitme­ dium, das mit seinem tagesfüllenden Ange­ bot die sozialen Gewohnheiten und die All­ tagsstruktur nachhaltig formt. Es bildet sich ein immer dichteres Netz von Sendestatio­ nen, die Sendegesellschaften erhalten durch die Einführung der Gebührenpflicht eine solide wirtschaftliche Grundlage, kurz; ein riesiger Wachstumsmarkt für neue Industri- Hermann Papst ist nicht nur Theoretiker und Kon­ strukteur, sondern weiß seine Ideen auch in der Werkstatt umzusetzen. Diese Aufnahme zeigt ihn an der Drehbank um 1940.

Außenläufermotor mit rotierendem Käfig. Diese Erfindung macht Hermann Papst zum Pionier der modernen Antriebstechnik. en entsteht. Die flächendecken­ de Ausbreitung der Radionut­ zung bringt das Dritte Reich, indem die totalitären Machtha­ ber das Medium der ständigen ideologi­ schen Beeinflussung der „Volksgenossen“ nutzbar machen. Unter der Parole „Rund­ funk in jedes deutsche Haus“ setzt die Mas­ senproduktion eines preiswerten Kleinradi­ os, des „Volksempfängers“ ein, von dem al­ lein 1934 ca. 840000 Stück hergestellt wer­ den. In der erfinderischen Arbeit von Hermann Papst spielt die Lautsprecherkonstruktion seit den Berliner Jahren eine zentrale Rolle, von 1925 bis 1937 meldet er auf diesem Ge­ biet 17 Patente an. 1933 entwickelt er einen obertonarmen Lautsprecher mit Namen „Milder Klang“, der in den Volksempfänger eingebaut wird und eine wesentliche Klang­ verbesserung bewirkt. Die Lizenzeinnah­ men aus der Produktion des Kleinradios, die sich insgesamt auf über 10 Mio. Apparate beläuft, sichern den Lebensunterhalt der Fa­ milie Papst bis zum Zusammenbruch der Hitlerdiktatur. Es folgen die Jahre des Hungers und des Schwarzmarktes. Mit viel Improvisations­ kunst wird hergestellt, was sich bei den Bau­ ern der Umgebung gegen Eßbares eintau- schen läßt: Aus den Kartuschen russischer Feldhaubitzen werden elektrische Kochplat­ ten, man fertigt scherenartig zusammenfalt­ bare Topfuntersetzer aus Holz, elektrische Tauchsieder und Angelgeräte. Der Außenläufermotor Schon bald führen Marshallplan und Währungsreform zum Wiederaufblühen des Landes. Der westliche Teil Deutschlands tritt in die legendäre Wirtschaftswunderzeit Hermann Papst ein, in deren Folge Hermann Papst zum C hef eines weltweit operierenden mittel­ ständischen Unternehmens wird, das kurz vor seinem Tod 1981 über 1300 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 100 Mio. DM zählt. Zum Verständnis dieser außergewöhnlichen Entwicklung muß man einen Blick zurück in das Jahr 1942 werfen. Damals läßt Papst sein Ingenieurbüro als „Gewerbebetrieb zur Herstellung von Außenläufermotoren“ ein­ tragen. Bei dieser als „Papst-Motor“ bekann­ ten epochemachenden Erfindung handelt es sich um einen kleinen elektrischen Dreh­ feldmotor mit Außenkäfig, der sich wegen seines sehr guten Gleichlaufs, des geringen Streufeldes und der hohen Laufruhe beson­ ders eignet für den Antrieb von Tonband- und Diktiergeräten, elektrischen Schreibma­ schinen sowie von verschiedenen Lüfter- Baureihen für die später aufkommende Elektronik-Kühlung. Die starke Ausweitung des Unternehmens von 1950 bis 1960 ist eng mit der Firma Grundig verbunden, die den Papst-Motor in ihren Großserien ein­ setzt. Weitere Großabnehmer aus der Unter­ haltungstechnik sind Philips, Telefunken, Revox, Braun und Nordmende. Für die le­ gendäre „Kugelkopfschreibmaschine von IBM wird ein Kondensator-Innenläufermo- tor mit kleinem Trägheitsmoment entwi­ ckelt, für den Schreibmaschinenhersteller Olympia konstruiert Hermann Papst einen 91

Aus dem Wirtschaftsleben unter dem Tastenfeld liegenden Walzenmo­ tor. Axialgebläse von Papst finden u.a. An­ wendung in Com putern von IBM, HP, NCR, Nixdorf und Siemens. Ungarn als Produktionsstätte professioneller Tonband­ geräte für alle COM ECON-Länder kauft jahrelang den Papst-Motor; 1979/80 kommt es dort zu einer Auftragsproduktion von Motorkomponenten, später zu kompletten Produkten. Die bis gegen Ende der Achtziger Jahre an­ dauernde stetige wirtschaftliche Expansion des seit 1952 als Papst-Motoren KG firmie­ renden Unternehmens ist begleitet von bau­ lichen Erweiterungen und Neubauten in St. Georgen, der Eröffnung von Zweigwer­ ken in Herbolzheim und Spaichingen, der Gründung der Tochterfirma Papst-Mecha- tronic Corporation in Newport, Rhode Is­ land, USA, Papst Mechatronic Ltd. sowie der Eröffnung zahlreicher Auslandsvertre­ tungen in Europa, Asien und den USA. Nach den kräftezehrenden Jahren des Auf­ baus und der Führung des Unternehmens wendet sich Hermann Papst ab 1970 weitge­ hend seiner konstruktiv-schöpferischen Ar­ beit zu. Er konzentriert sich auf seine For­ schungsabteilung und die weitere Entwick­ lung verschiedener Projekte. Pionier und universeller Denker Der Taumelscheibenmotor, ein Diesel- Zweitakt-Gegenkolben-Motor mit sechs Zy­ lindern und Direkteinspritzung hatte wegen seiner fortschrittlichen Einspritztechnik ei­ nen fast zwanzigjährigen Vorsprung vor der Automobilindustrie auszuweisen. Dieser völlig neuartige Verbrennungsmotor be­ schäftigte den Erfinder über drei Lebensjahr­ zehnte. Ein Luftschiffprinzip mit Wasser­ dampfauftrieb zum Transport schwerer Las­ ten oder von Erdgas anstelle fester Pipelines. Doch bestimmt Hermann Papst zeitlebens ein leidenschaftlicher Drang in den unter­ schiedlichsten Technikbereichen, neue Wege zu beschreiten und fortschrittliche Lösungsal­ ternativen aufzuzeigen. Hunderte von Pa­ 9 2 tenten belegen dies. Seine Gedankenflut machte vor nichts halt. Aus annähernd 1000 dokumentierten Projekten sollen hier einige Beispiele stichwortartig den weiten Hori­ zont seines Schaffens belegen: Elektrische Uhr, Telefonwählapparat, Herstellung von Glasfasern, Gerätelüfter, Hysteresemotor, Magnetisierungsverfahren, Oberflächenver­ gaser, Zentrifugallüffer, Farbübertragung von Fernsehbildern, Kälteverdichter, pannensi­ chere Autoreifen, Axialrollenlager, Verfah­ ren und Betrieb von Gasturbinen, Richtemp­ fangsantenne, Wäscheschleuder, Freilauf­ kupplung, Fernleitung für Höchstspannun­ gen, eine Ölbrennerpumpe, Feuerlöscher, Sonnenheizung, Sicherheitsgurt, elektro­ magnetische Eisenbahn, Türgriff, Lande­ bremse für Flugzeuge, elektrisches Feuerzeug, Küchenwaage, Wärmepumpe, Zahnprothese, Rasenmäher, Brennstoffelement, Kleinbild­ kamera, Grenzschichtabsaugung an Flug­ zeugen, Kugelschreiber, synthetische Dia­ manten, Tonbandgerät, Lebensmittelaufbe­ wahrung, Bleiakkumulatoren, Getreidesilo, Sirene und weitere etwa 950 Projekte. Am 6. Mai 1981 stirbt Hermann Papst in St. Georgen im Kreise seiner Kinder. Diese führen sein Werk in seinem Sinne fort, doch Marktverlagerungen nach Fernost und der Druck der Hausbanken fuhren 1992 zum Verkauf des Unternehmens, das jetzt von ebm-Werke GmbH & Co. KG erfolgreich weitergeführt wird. Nachdem das Lebens­ werk Hermann Papsts bereits 1979 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande geehrt wurde, beschließt der Gemein­ derat von St. Georgen 1996, der das Firmen­ gelände neu erschließenden Straße den Na­ men des großen Gründers zu geben. Erfinderpersönlichkeit und Unternehmer Richtet sich der Blick auf die hinter der be­ merkenswerten Erfolgsgeschichte der Papst- Motoren KG stehende Persönlichkeit und ih­ re Antriebe, dann sehen wir einen Menschen, dem das Konstruieren und das handwerk­ lich-technische Erproben lebensnotwendiges

Hermann Papst Bedürfnis sind, der von den jeweiligen technischen Proble­ men fast völlig aufge­ sogen wird. Wir er­ kennen eine Hal­ tung, die Max Weber in seiner klassischen Studie „Die protes­ tantische Ethik und der Geist des Kapita­ lismus“ als „inner­ weltliche Askese“ be­ schreibt und die den Kern des Forscher­ geistes und des Leis­ tungsethos’ der Mo­ derne bildet. Selbst­ verwirklichung und Selbstentfaltung sind Produkt der steten geistigen Anstrengung, der Erprobung der eigenen Kräfte. Schon als Schüler des Wiener TGM führt Hermann Papst ein Tagebuch, in dem er genau Rech­ enschaft gibt über den Grad seiner täglichen Zufriedenheit, die sich am erreichten Fort­ schritt seiner Forschungsprojekte ablesen läßt. Der Erfinder versteht sich aber auch als Pionieruntemehmer, der seine Ideen in der Produktion umsetzen und erfolgreich ver­ treiben will. Für ihn entscheidend ist dabei aber vor allem die Sache, der Nutzen für die Mitmenschen, demgegenüber die Wichtig­ keit des kommerziellen Erfolges zurücktritt. Er ist der Gegentyp zum profitorientierten Manager und zum pfiffigen Tüftler, der aus einer einzigen Produktidee größtmöglichen materiellen Nutzen ziehen will. Der öster­ reichische Nationalökonom Joseph Aloys Schumpeter definiert den Typus „Unterneh­ mer“ als Neues in Gang setzenden, sozial verantwortlich handelnden Menschen und glaubwürdigen Lenker. Eine Beschreibung, die das Wesen Hermann Papsts trifft. Sozia­ le Verantwortung übernimmt er auf vorbild­ liche Weise nicht nur in seinem Betrieb, er mischt sich auch politisch ein. Schon 1933 Papst-Lüfter und -Motoren. Beispiele aus dem Produktionsprogramm um das Jahr 1965. bekennt er sich in einer Denkschrift zu den Prinzipien der später so genannten „sozialen Marktwirtschaft“. Nach dem Krieg tritt er (als Liberaler im besten Sinn des Wortes) in die damals von Persönlichkeiten wie Theo­ dor Heuß und Reinhold Maier geprägte FDP ein. Gefördert und unterstützt wird er in seinem sozialen Engagement von seiner ersten Ehe­ frau Mathilde Papst, geb. Steidinger, die bis zu ihrem Tod 1963 den Aufbau des Unterneh­ mens entscheidend mitgestaltet hat. 1964 hei­ ratet er die Hamburger Pädagogin Hannah Jürgensen. Hermann Papst war von einer tief empfundenen Religiosität getragen und besaß jene „Ehrfurcht vor dem Leben“, von der Al­ bert Schweitzer sprach. In seinen letzten Lebenstagen erfuhr er nach dem Zeugnis der Familie noch einen echten Durchbruch zum christlichen Glau­ ben. Der Nachwelt bleibt er in Erinnerung als einer der herausragenden Menschen, die mit ihrer Kreativität und Schaffenskraft, ihrem Einsatz und unermüdlichen Willen die Grundlagen für Wohlstand und Überfluss der Vielen schaffen. Helmut Rothermel 9 3

5. Kapitel /A lmanach 2004 Persönlicnkeiten „Und immer bin ich startklar“ D ie Karriere der Schwenningerin Katrin Vernau, D eutschlands Eüngster Kanzlerin An Ausnahmeerscheinungen nicht gerade arm ist Schwen­ ningen seit alters – und sei’s, wie es einem als nüchtern verschrie­ nen Völkchen gebührt, in den Rechts- oder Wirtschaftswis­ senschaften. Nur wird man in den Annalen weit zurückblät- tem müssen, um in die Tage zu gelangen, da der Flecken am Neckarursprung in Württem­ berg mit Michael Fenderich den Kanzler stellte. Doch nun, rund vier Jahrhunderte später, entstammt ihm gar des (wie- der)vereinten Deutschlands jüngste Kanzlerin? Gewiß – al­ lein, die Unterschiede sind auch bei aufsehenerregenden Karrieren zu beachten, deren eine erst die Emanzipation der Frau in der (post)modernen Gesellschaft ermöglicht: Katrin Vernau, am 18. Mai 1973 in Schwenningen a. N. gebo­ ren, ist nicht die Spitzenbeamtin eines energi­ schen Schwabenherzogs, sondern die Verwal- tungschefin der jungen Universität zu Ulm; nicht Doktor beiderlei Rechte ist sie, sondern, was Wunder in der Geburtsstadt eines Öko­ nomen vom Range, Heinz Hallers, prom o­ vierte Wirtschaftswissenschaftlerin; einer modernen Managerin steht man gegenüber, die manchem Mann haushoch überlegen ist – und mit gerade 29 Jahren in ein Amt ge­ wählt wurde, das zu bekleiden beinah fünfzig­ jährige Juristen sich erträumen. Ein Vorbild für viele kann sie sein, eine Traumfrau unserer Tage, die, überlegt und zielorientiert handelnd, suo anno, frühest­ möglich also, konzentriert das je Erstrebte erreicht – und so eine steile Bilderbuchkar­ 9 4 Dr. Katrin Vernau riere vorweisen kann, die keine klassische ist, gleichwohl dazu werden könnte. Doch nach ihrem Leben befragt, wird sie äußern, es könnte dem Außenstehenden aufgrund ei­ ner glücklich zu nennenden Leichtigkeit des Seins „langweilig“ erscheinen, wo das Außer­ gewöhnliche aus dem (scheinbar) Norma­ len erwächst und die Familie den Rückhalt bildet der Begabten, die fleißig ist zudem. Schwenninger Wurzeln In der Langen Halde steht die Wiege der Frau der kurzen Wege; hier duckt sich hin­ ter Hecken das Haus ihrer Eltern Peter und Runhild Vernau, die, werden sie gebraucht, immer für ihre Tochter da sind und den drei Jahre jüngeren Sohn Jens: eine echte Heimat als Schutzzone der Geborgenheit. Und

wenn in Konflikten Kräfte nicht unnötig sich verschleißen, können sie auf Wesentli­ ches sich richten. Es darf dann schon einmal „glatt“ gehen im Leben, das Zeit läßt für ‘Selbstunterricht’ und Steckenpferde: „Mens sana in corpore sano“ könnte über der Ein­ gangstür stehen, wo Körper und Geist geübt werden, sportliche Leistungen beim Aero­ bic, Joggen, Wandern oder Skifahren bei­ nah spielerisch sich einstellen, derweil Kla- vierspiel und breitgefächerte Lektüre den Menschen anderweitig fordern und fördern. Am Gymnasium, an dem Vater und Mutter unterrichten, bestand Katrin Vernau die schulische Reifeprüfung jedenfalls glän­ zend: Der Preis des Oberbürgermeisters als Lohn für das beste Abitur, das in ihrem Jahr­ gang am Deutenberg abgelegt wurde, war ihr nicht zu nehmen. Studium in St. Gallen Lockend und lohnend erschien der Preis­ gekrönten früh das Studium der Betriebs­ wirtschaft; in die Ostschweiz zog es sie, gilt doch St. Gallens Hochschule für Wirt­ schafts- und Sozialwissenschaften nicht zu Unrecht als das renommierteste Institut sei­ ner Art im deutschsprachigen Raum. Die in einer ‘global(isiert)en W elf notwendige Aus­ ländserfahrung holte sich die Strebsame an der Columbia University in New York, wo sie für ein halbes Jahr am Master o f Busi­ ness Administration-Programm teilnahm, um rasch danach, meisterlich bereits, in St. Gallen das Studium 1996 abzuschließen. Eine kurze „Auszeit“ hatte Katrin Vernau sich redlich verdient – um vor weiterem Auf­ stieg Luft zu schnappen, was sie, von der Wanderlust beseelt, dort tat, wo sie dünn wird: in Nepal. Solchermaßen für den „Gipfelsturm“ ge­ rüstet, begann die junge Betriebswirtin 1997 ihre Berufslaufbahn bei der Hamburger Un­ ternehmensberatung Roland Berger, die als größte Firma für Strategieberatung europäi­ schen Ursprungs anzusehen ist – und so für eine Vernau der rechte Ausgangspunkt für Katrin Vernau weiteren Aufstieg. Im Bereich „Public Ser­ vices“ nahm sie insbesondere öffentliche Verwaltungen und Non-Profit Organisatio­ nen unter die Lupe. Dabei ging es einerseits um strategische Fragestellungen, wie zum Bei­ spiel die Erstellung einer Feasibility-Study und Business Planung für eine private Hochschule im Auftrag einer Stiftung. Sie machte aber andererseits auch Erfahrungen mit Effizienzsteigerungs-/Kostensenkungs- programmen, folgerichtig mit der Notwen­ digkeit des ‘Personalabbaus’, was für den feinfühlig Mitleidenden nicht nur Augenbli­ cke des Glücks bedeutet. Die stellen sich beim Blick auf den Erfolg auch dieser Arbeit aber denn doch ein – ins­ besondere dann, wenn in interdisziplinärer Besetzung Probleme angegangen werden und der eigene Horizont (wieder einmal) auf die­ se Weise erweitert wird. So ersann mit einem Bauingenieur und einem promovierten His­ toriker die Ökonomin für den Senat der be­ kannt finanzschwachen Bundeshauptstadt Berlin ein Modell „für eine drastische ‘Ver- schlankung’ der Bauverwaltung durch Redu­ zierung der Wertschöpfüngsrate“: Die mit der Neuorganisation verbundene Einsparung von über einem Drittel des Personals ist für die Betroffenen schmerzlich. Die Arbeit selbst im kleinen Team, das sie als führende Projekt­ managerin leitete, hat ihr freilich Freude ge­ macht. Und ihre Kollegen, „lauter junge dy­ namische Menschen, die konzentriert an ei­ ner Frage arbeiten“, vermißt sie nach ihrer „Berger-Zeit, die mich karrieremäßig definitiv nach vome gebracht“ hat. Allerdings wird auch die angesehene Ham­ burger Firma der Tüchtigen nachtrauern, hat sie der Projektmanagerin doch ein Jahr be­ zahlten „Urlaubs“ gewährt, um an der Pots­ damer Universität bei Professor Christoph Reichard, angeregt von einem bei Berger lau­ fenden Projekt, die auch in ihrer Heimat le­ senswerte Dissertation über „Politisch-admi­ nistrative Steuerungen großer und mittel­ großer deutscher Kommunalverwaltungen“ einzuschieben. Wie in dieser Arbeit, in der juristischer, politikwissenschaftlicher und 95

Persönlichkeiten ökonomischer Sachverstand zusammenflie­ ßen, reizt es die junge Frau, die rechnender Vernunft sich verpflichtet weiß, für die Ratio­ nalität und Rationalisierung ein einig Paar sind, Verbesserungen an der Schnittstelle von Politik und Verwaltung vorzuschlagen – und am besten gleich selbst umzusetzen: auf dem für Staaten zuallermeist zukunftsträchtigsten, doch off unterschätzten Gebiet von Erzie­ hung, Bildung, Ausbildung. Das mag ein Grund für die geborene Gestal­ terin gewesen sein, sich auf die Stellenaus­ schreibung des Kanzlers der Universität Ulm in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu bewerben – zumal es für eine ideenreiche Ma­ nagerin, welche die Universität gern mit ei­ nem diversifizierten Mischkonzern vergleicht, sicherlich ein spannendes Aufgabenfeld ist. Der Hochschulleitung werden, gerade in Zei­ ten permanenter Innovation, Fähigkeiten von enormer Bandbreite abverlangt: Rektor, Kanzlerin (als leitende Verwaltungsbeamtin) und die beiden Prorektoren für Forschung und Lehre müssen, ähnlich einem Untemeh- mensvorstand, wegweisende strategische Ent­ scheidungen fallen. Wie Katrin Vernau es ge­ lernt hat. Ausnahme an deutschen Hochschulen Mit ihrer Berufung hat der Senat der Univer­ sität Ulm Zeichen gesetzt – und in einer Zeit des Paradigmenwechsels, da ökonomische Kompetenz gegenüber juristischer an Bedeu­ tung gewinnt, die Bereitschaft signalisiert, neue Wege zu gehen. Und dies ohne Wider­ stände gegen eine Macherin, die jung, Frau, Ökonomin und solcherart dreifach eine Aus­ nahme in der (deutschen) Hochschulland- schafi ist. Daß der Senat in geheimer Wahl einstimmig seine Entscheidung fällte, bedeu­ tet einen nicht geringen Vertrauensvorschuß für Vernau, der im Rückblick auch verdient sein will. Gut aufgenommen von der Führungsebene wurde Deutschlands jüngste Kanzlerin an der Donau, als sie am 1. Oktober 2002 ihr Amt antrat, kaum älter als viele der 6500 Studen­ 96 ten und jünger als jeder der 200 Professoren. Die für den Haushalt, die Finanzen, das Per­ sonalwesen und die Gebäude verantwortliche Spitzenbeamtin bringt ihre erwiesene metho­ dische Kompetenz ein, sowie die gekonnte Handhabung betriebswirtschaftlicher Steue­ rungsinstrumente, die in einer Zeit des Um­ bruchs auch an der Alma mater immer be­ stimmender sich Geltung verschaffen. Daß Katrin Vemau ihre (selbstredend noch zu sprengenden) Grenzen kennt; daß sie nicht nur weiß, daß Juristen ein anderes Denken ha­ ben als Ökonomen, sondern auch ganz ge­ nau, wo sie sich des juristischen Sachverstan- des bedienen muß; daß sie Team-Arbeit ge­ wohnt ist; daß sie das über Jahrzehnte von ih­ ren Mitstreitern angehäufte Fachwissen auf ihrem jeweiligen Gebiet schätzt: all dies macht die selbstbewußte Frau sympathisch. „Die angenehme Atmosphäre einer jungen, dynamischen und zugleich überschaubaren Uni“ genießt sie: für sie der rechte Ort, prag­ matische Entscheidungen zu fällen, die sich, „fern typisch dogmatischer Verkrustungen“, allein Effektivität und Effizienz zum Maß­ stab nehmen; es gilt eben, „die richtigen Din­ ge zu tun und die Dinge richtig“. Herausforderungen muß Mann wie Frau sich stellen; diejenigen in der Welt der Hoch­ schulen im Umbruch sind gewaltig. Da heißt es, soll der Wirtschafts- und Wissen­ schaftsstandort in der globalen Konkurrenz­ situation gehalten werden, in die Zukunft zu investieren angesichts stets knapper werden­ der öffentlicher Mittel. Clevere Wirtschaftskonzepte sind gefragt wie selten zuvor; ein modernes Manage­ ment aber gleichsam Gmndbedingung jedes Handelns; Controlling wie Sponsoring ebensowenig Fremdworte wie die Erschlie­ ßung stets neuer Geldquellen oder ständig zu steigernde Drittmitteleinwerbung (in Ver­ bindung mit der Freiheit von Forschung und Lehre). Da geht es auch um die Dezentra­ lisierung der Ressourcen. Die Erkenntnis jedoch gewinnt Freunde, daß Personalent­ wicklung selbst in Krisenzeiten nicht mit Stellenabbau in eins gesetzt werden darf,

hingegen durchaus Höherqualifizierung meinen kann. Die Berufung von Professo­ ren ist wohl die wichtigste unternehmeri­ sche Entscheidung einer deutschen Univer­ sität, die sich angesichts des globalen Bil­ dungsmarktes behaupten will: eine Leis­ tungsgesellschaft im Wortsinn, die sich dem weltweiten Wettbewerb stellt – im Kampf um die klügsten Köpfe, um welche die Kon­ kurrenz rund um den Globus sich reißt. Dasselbe gilt für Gastwissenschaftler aus dem Ausland. Und da steht Ulm nicht ein­ mal schlecht da, wird mit der Humboldt- Stiftung erfaßt, wie sich die knapp 5 000 Sti­ pendiaten und Preisträger derselben, allesamt Koryphäen in ihrem Fach, die seit 1998 ein Forschungsaufenthalt nach Deutschland führte, auf die Hochschulen verteilten. Wird die Zahl der Gastwissenschaftler zu den Professorenstellen ins Verhältnis ge­ setzt, landet (dank der staatlich besonders geförderten Naturwissenschaften) Ulm nach Konstanz, Heidelberg, Stuttgart und M ün­ chen immerhin auf Rang fünf. Wenn das kein Gütesiegel ist, wo die Humboldtianer sich ihre Kooperationspartner an den welt­ weit führenden Instituten aussuchen kön­ nen! Nicht zuletzt aber muß der internationale Studentenaustausch florieren: verschiedene Kulturen kennenzulemen, Kontakte zu knüp­ fen in der grenzenlosen Welt der Wirtschaft wie des Geistes, ist (nicht erst) heute ein un­ abdingbares Muß. „Eine kleine Universität muß im geistigen Austausch zu den ersten Adressen in Europa zumindest zählen, um nicht in regionaler Bedeutungslosigkeit zu versinken.“ Als wäre das Feld nicht weit genug, muß zum Zwecke internationaler Kompatibilität derzeit mit alten Ausbildungsordnungen ge­ brochen werden; konsekutive Studiengänge treten an ihre Stelle: Das Bakkalaureat als unterster akademischer Abschluß wird ein­ geführt; den Meister machen nur noch die guten Gesellen; auf den Bachelor erst folgt der Magister oder Master. Gemäß der Ver­ einbarung von Bologna erfolgt die Umstel­ Katrin Vernau lung noch in diesem Jahrzehnt. Im eigenen Land wiederum muß die Universität sich der Konkurrenz der Fachhochschulen mit ihrer Kurzzeitausbildung erwehren, die sie politische Unterstützung genießen läßt. Im Süden daheim Gestaltungskraft zu beweisen, wo sie nötig ist, mag die Haupttriebfeder der Unterneh­ merin par excellence gewesen sein, nach dem Kanzleramt zu greifen – in Ulm, das ei­ nen unerhörten Vorteil aufzuweisen hat: Es liegt im Süden Deutschlands, der es Katrin Vernau angetan hat, vor allem aber verhält­ nismäßig nah bei Schwenningen, dem sie sich eng verbunden fühlt – nicht nur der El­ tern wegen. Schulfreunde hat sie hier – und „Freundinnen fürs Leben“, wie man sie in der Kindheit gewinnt, nicht später, wenn al­ les sich entmischt, der Wirtschaftswissen­ schaftler wieder solchen von gewissem Ehr­ geiz beinahe ausschließlich begegnet. „Hei­ maturlaub“ ist daher nach langem Urlaub von der Heimat stets ein Erlebnis. „Für mich ist Schwenningen ein bißchen heile Welt“, sagt die Kosmopolitin, die es „optimal“ fin­ det, in dieser Stadt aufgewachsen zu sein, die ‘gated cities’ bislang nur im architekto­ nisch wertvollen Siedlungsbau kennt, nicht aber als bewachtes Ghetto der oberen Zehn­ tausend. Private Motive sind neben dem beinah idealistisch zu nennenden, für „das Produkt Bildung“ das Beste zu geben, durchaus in Erwägung zu ziehen; sich als Kanzlerin nämlich finanziell deutlich schlechter zu stellen denn als ‘global player’ in Sachen Unternehmensberatung, muß die Manage­ rin ja vor sich selbst begründen. „Ein ausge­ glichenes Sozialleben“ hat Vernau in den fünfeinhalb Jahren bei Roland Berger ver­ m ißt, ließ die intellektuell äußerst an­ spruchsvolle Tätigkeit den Menschen ja kaum zur Ruhe kommen, der rund um den Erdball von Termin zu Termin eilt, rund um die Uhr beinah im Einsatz, an mitternächtli­ che Arbeit längst schon gewöhnt, sein Leben, 9 7

Katrin Vernau/Persönlichkeiten ein Pilger der Wirtschaft, im Hotel führend. Und vielleicht taucht einmal im Hintergrund die Frage auf, ob es nicht bedauerlich ist, daß gerade die höchstqualifizierten Berufstätigen der Gesellschaft fehlen, wo sie von unten ge­ baut wird: in Familien, Vereinen, Verbänden, weltlicher und geistlicher Gemeinde. Sie alle brauchen ihre Gestalter, die über eine hohe soziale Kompetenz verfügen sollten. Die Zu­ kunftssicherung ist, so will es scheinen, in Deutschland nicht nur an Universitäten ein schweres Geschäft. Die eigene Zukunftsplanung ist es womög­ lich auch. Die dreißigjährige Frau der klaren Ziele sieht sie nur für ihre achtjährige Amts­ zeit in Ulm festgelegt, ehe sie ihre eigenen Agenda 2010 aufstellt. Denn wiewohl es ihr nachgerade Spaß macht, für „das Erzeugnis Bildung“ zu wirken und zu werben anstatt, salopp gesprochen, für blendend weißende Zahnpasta, möchte die Uni-Verwaltungsche- fin eine zweite Amtsperiode als Kanzlerin in Ulm nicht ins Auge fassen. Neue Herausfordemngen locken die Frau. Was Wunder, wenn die begeisterte Joggerin, die zu nachmitternächtlicher Stunde in den Parks dieser Welt vom Englischen Garten über die Taunusanlage bis zum Central Park ihre Runden dreht(e), „immer startklar“ ist – auch im Beruf ? Das erklärt ihre Laufbahn. Jogger scheinen prädestiniert dazu, keine klassische Karriere zu machen. Oder eine, die es werden kann. MichaelJ. H. Zimmermann Engagement in vielen Bereichen Max Kuner aus Rohrhardsberg erhält das Bundesverdienstkreuz am Bande „Da wo die hohen Tannen steh’n, wo froh gestimmt die Wanderer geh’n, wo grün und gelb erblüht die Flur – da ist Max Kuner ge­ boren, dort lebt er, dort ist er daheim und darf ein stolzer Rohrhardsberger sein.“ Max Kuner, ein freundlicher, in jeder Hinsicht bo­ denständiger, geselliger, bescheidener und stets hilfsbereiter Mensch, wurde am 19. De­ zember 1935 auf der Wilhelmshöhe als Sohn der Wirtsleute Otto und Maria Kuner gebo­ ren. Max Kuner, ein Bürger der Gemeinde Scho- nach, wurde am 1. Oktober 1998 die höchste Auszeichnung des Staates, das Bundesver­ dienstkreuz am Bande, verliehen. Eine sol­ che seltene Auszeichnung erhalten nur Bür­ ger, die sich in besonderem Maße engagieren. Max Kuner wurde am 20. Oktober 1968 in den Gemeinderat der damals noch selbstän­ digen Gemeinde Rohrhardsberg gewählt, obwohl er sich nicht offiziell um das Amt bewarb. Erst am anderen Tag erfuhr er, dass er in den Gemeinrat gewählt worden sei. Mit 33 Jahren war er jüngstes Mitglied im Ge­ meinderat dieser kleinen und konservativen Gemeinde. Seine Wiederwahlen in den Ge­ meinderat – als Mitglied der CD U – erfolg­ ten in den Jahren 1975, 1980, 1984, 1989 und 1994. Einsatz fiir Rohrhardsberg In seine erste Amtsperiode fiel die Verwal- tungs- und Gebietsreform von Baden-Würt­ temberg. So wurde auch bekannt, dass die selbständige Gemeinde Rohrhardsberg mit der Gemeinde Schonach vereinigt werden soll. Tief in seine Heimatgemeinde verwurzelt – man nannte ihn auch den Andreas Hofer von Rohrhardsberg – kämpfte er zielstrebig

Max Kuner für die Selbständigkeit seiner Ge­ meinde. Die Verhandlungen zu ei­ nem freiwilligen Zusammenschluss nannte Max Kuner unrealistisch und sprach von „Kuhhandel, Lockmittel und Kopfgeldpreis“. Die Bürgeranhörung, die in der Gemeinde Rohrhardsberg durchge­ führt wurde, ging zu Gunsten der Selbstständigkeit von Rohrhards­ berg aus. Nach langen und zum Teil hart ge­ führten Verhandlungen, auch mit dem Landratsamt Villingen, hat der Gemeinderat von Rohrhardsberg dann doch mit Mehrheit für einen Zusammenschluss mit Schonach ge­ stimmt. Der ausgehandelte Vertrag wurde dann am 1. Januar 1971 besie­ gelt. Der Schmerz war für Max Ku­ ner so groß, dass er bei den Feier­ lichkeiten mit der schwarzen Kra­ watte erschien. Er war mit Leib und Seele Kom­ munalpolitiker. Uber 30 Jahre ge­ hörte er dem Gemeinderat an und war in vielen Ausschüssen tätig, so im Kurausschuss, Bauausschuss und im Abwasserverband. Durch sein weitsichti­ ges und zukunftsorientiertes Denken hat er die Gesamtgemeinde mitgeprägt. Max Ku­ ner hat sich nie um die Verantwortung ge­ drückt. Max Kuner Ehrenmedaille des Gemeindetages Bereits am 20. Dezember 1988 konnte ihn der damalige Bürgermeister mit der Ehren­ medaille des Gemeindetages Baden-Würt­ temberg für seine langjährige Tätigkeit im Gemeinderat auszeichnen. Am 26. Oktober 1990 erhielt er die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg Vom Bürgersinn getragen engagierte er sich auch beim Kanalbau im Obertal. Die Teil­ nehmergemeinschaft hat in einem wahren Kraftakt von 1994-1995 den 3,2 km Kanal im Obertal gebaut und somit eine enorme Umweltmaßnahme geleistet. Diese Maßnah­ me wurde vom Wasserwirtschaftsamt als Pilot­ projekt bezeichnet. Obwohl er nicht Vorsit­ zender dieser Teilnehmergemeinschaft war, ist es ihm zu verdanken und auch sein Ver­ dienst, dass dieses Werk gelungen ist. Er war Vermittler und Motor zugleich zwischen den Anliegern und der Gemeinde. Er hatte die Gabe, Aufgaben beherzt zu ergreifen und sich auf besondere Situationen einzu­ stellen. Max Kuner war und ist in vielen Vereinen von Schonach aktives und passives Mitglied. Er spielte über 20 Jahre beim Musikver­ ein/Kurkapelle Schonach mit. Nach seiner aktiven Zeit war er noch einige Jahre im Ver­ waltungsrat tätig. Erwähnenswert ist auch seine aktive Zeit im Fußballverein. Aber insbesondere lag und liegt ihm heu­ te noch der Skisport sehr am Herzen. Im 9 9

Max Kuner Jahr 1952 war er das jüngste Gründungsmit­ glied des Skivereins Rohrhardsberg. Max Kuner ist seit Gründung des Vereins über 50 Jahre aktiv im Verein tätig. Von 1952 bis 1962 war er erfolgreicher, aktiver Skispringer. Von 1964 bis 1970 übernahm er das Amt des zweiten Vorsitzenden. Zusätzlich war er von 1968 bis 1970 Sprunglauftrainer. Ab 1970 bis zum heutigen Tag ist er erster Vorsitzen­ der dieses Vereins. In diesen Jahren hat Max Kuner den positiven Werdegang des Skiver­ eins Rohrhardsberg geprägt. Die bedeuten­ de Position des Vereins, sowohl im Skiver­ band Schwarzwald als auch im internationa­ len Volkssportverband IW , ist eng mit dem Namen Max Kuner verbunden. Nachwuchsförderung großes Anliegen Der Skiverein Rohrhardsberg brachte star­ ke Athleten hervor, die bei Deutschen Meisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen an den Start gingen und Medaillen nach Hause brachten. Dabei ist ihm im Ski-Verein gerade die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ein ganz gro­ ßes Anliegen. Nicht umsonst bezeichnete ihn Landrat Karl Heim bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes „als einen „er­ folgreichen Jugendpfleger des Kreises“. Auch der Breitensport kam bei ihm nicht zu kurz. Hinzu kommt die von Max Kuner großgeschriebene Kameradschaft innerhalb der Skifamilie Rohrhardsberg. Für die Ver­ dienste um den Skisport bekam Max Kuner vom Skiverband Schwarzwald den Sporteh­ renbrief. Ein Verein in dieser Größenordnung kann ohne finanzielle Grundlage nicht existieren. Denken wir nur an die heutige Ausstattung der Aktiven. Deshalb hat Max Kuner die Ini­ tiative ergriffen und den Volksmarsch „Rund um den Rohrhardsberg“ ins Leben gerufen. Nicht nur die Internationalen Wandertage werden gerne besucht, sondern auch die von Max Kuner geführten Wanderwochen wer­ den von den Volkssportlern besonders ger­ ne angenommen. Der Vorsitzende des Deut­ 1 0 0 schen Volkssportverbandes D W Baden- Württemberg , Albert Renz, rühmt den Ver­ ein als einen gut geführten Verband. Vom Landesverband erhielt Max Kuner die Gol­ dene Verdienstplakette und Ehrenurkunde. Freude am Umgang mit Menschen Der Ski-Verein Rohrhardsberg existiert heute noch und hat ca. 350 Mitglieder. Dies ist eine erstaunliche Zahl, wenn man be­ denkt, dass der Ortsteil Rohrhardsberg etwa 120 Einwohner zählt. Ohne das Verständnis seiner Frau Ella und seiner Kinder hätte Max Kuner dies alles nicht bewältigen können. Hoffen wir, dass er an seiner Vereinsarbeit noch lange recht viel Freude hat. Beruflich war Max Kuner bei der Kurver­ waltung der Gemeinde Schonach beschäf­ tigt. Sein Wirken bei der Kurverwaltung war geprägt durch sein Elternhaus. Als Gastwirts­ sohn machte es ihm schon von Jugend an immer Freude mit Menschen umzugehen. So lag es nahe, sich für die Förderung des Fremdenverkehrs zu engagieren, der in Scho­ nach nach wie vor sowohl im Sommer als auch im Winter eine besondere Rolle spielt. Als Wanderführer verstand und versteht er es heute noch hervorragend, unsere Gäste mit der heimischen Landschaft, der Kultur und dem Brauchtum vertraut zu machen. Viele Gäste fanden über ihn die Verbunden­ heit zu Schonach. Die komplette Neubeschilderung des Wan­ derwegenetzes der Kurgemeinde Schonach sowie das Aufstellen von Sitzbänken ist auf sein Engagement und sein Organisationsta­ lent zurückzuführen. Max Kuner, ein lebensfroher Mensch, fühlt sich nach wie vor mit seiner Heimatgemein­ de Rohrhardsberg und ihren Bürgern aufs Engste verbunden. Es gibt einen Spruch der auf Max Kuner zugeschnitten ist: „Die Welt lebt von Men­ schen, die mehr tun als ihre Pflicht.“ Albert Haas

Entscheidend in der Kommunalpolitik mitgewirkt Stefan Scherer aus Blum berg – seit über 30 Jahren aktiv Persönlichkeiten Der Hubschrauber dreht langsam auf das Flugfeld des Blumberger Luftsportvereins ein und landet punktgenau vor dem Vereins­ heim, wo bereits eine ganze Schar von örtli­ chen Unionsmitgliedern und Pressevertre­ tern wartet. Aus dem Flieger klettert der Mi­ nisterpräsident, schaut sich um und ruft: „Wo ist denn nun unser Herr Scherer?“ Der Besuch von Lothar Späth in Blumberg war ein Zeichen des Dankes für großes Engage­ ment, in diesem Fall für die erfolgreichste Mitgliederwerbung aller CDU-Ortsvereine im Lande. Und dass Lothar Späth den Ste­ fan Scherer kannte, verwunderte nicht, denn dessen von manchem belächelten Ausspmch: „Wenn ich nach Stuttgart fahre, treffe ich we­ nigstens zwei Minister und drei Staatssekre­ täre!“ trifft durchaus zu. Bescheidenheit ist nun mal nicht das Ding Stefan Scherers, der die Blumberger Kom­ munalpolitik über drei Jahrzehnte entschei­ dend mitgestaltet hat und nunmehr auch schon über 20 Jahre lang im Kreistag Akzen­ te setzt – Schwerpunkt Verkehrspolitik. Ver­ ständlich, denn die Freiheit des Einzelnen ist ihm ein Anliegen, seine eigene dabei ganz besonders. Das fängt bei der erdgebun­ denen Fortbewegung an und gilt auch für die Fliegerei, selbst dann, wenn der Ärger vor­ programmiert ist. Doch davon später. Stefan Scherer ist ein Mann mit Ecken und Kanten, an denen man sich stoßen aber auch orientieren kann, ein Kommunalpolitiker mit ganz eigenem Profil, der unbeirrt seine Linie durchzieht. Was er anpackt, möchte er gut machen und tut dies auch meistens. Seine Par­ tei und die Ratsfraktion profitieren davon. Scherer dominiert zwar, zieht aber in seinem Tatendrang andere mit. Ein Engagement, das selbst die politischen Gegner mit Re­ spekt anerkennen. Und wenn es um Dank geht, etwa beim Besuch von Lothar Späth, bei Stefan Scherer den Reden zur Stadthallensanierung oder bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1999, dann sieht er darin den gerechten Lohn für erbrachte Leistungen und nimmt ihn, oh­ ne falsche Zier, an. Mit dem Selbstbewusst­ sein hat der Blumberger jedenfalls keine Probleme. Er handelt eher nach dem Politi­ ker-Motto: Tue viel, nach Möglichkeit viel Gutes und rede darüber! Ein Blumberger „Uigewächs“ Stefan Scherer ist ein Blumberger „Urge- wächs“. Der Vater vom Ort, die Mutter aus Uberachen, Großvater Franz Xaver aus Ried­ böhringen. Im Laufe der Jahrzehnte verbrei­ tete sich das verwandtschaftliche Netz der Scherers über fast die gesamte Stadt und ih­ re Ortsteile. Der kleine Stefan besuchte die 101

Persönlichkeiten Volksschule am Ort, die Scheffelschule, und ging danach im väterlichen Blechnerbetrieb in die Lehre. Den Plan, 1958 auf das Tech­ nikum nach Karlsruhe zu gehen, durch­ kreuzte die schwere Erkrankung des Vaters, der damit auch gleichsam das Geschäft nicht mehr führen konnte. Die frühe Übernahme der Betriebsleitung mit 17 Jahren sollte für den weiteren Weg Scherers prägend sein, der später dann zwar immer noch nicht auf das Technikum konnte, aber immerhin neben al­ ler Belastung noch seine zwei Meisterprü­ fungen machte. Im Hause Scherer drehte sich schon früher stets alles um die Arbeit, zumal neben dem Handwerksbetrieb auch noch Landwirtschaft vorhanden war. Das brachte natürlich viele Menschen ins Haus und so saßen täglich meist 14 Leute am Esstisch, gemeinsam mit Stefan Scherer und seinen drei Schwestern. Für Freizeit blieb wenig Raum und wenn, dann wurde sie im Sommer vornehmlich in Hom am Bodensee verbracht. Apotheker Al­ fred Bausch nahm die Jungen aus der Stadt im Anhänger am Motorrad mit. Mit den Jugendfreunden Alfred Mauri, Werner Zimmermann und Gerd Reißfelder verbindet Stefan Scherer auch heute noch eine kräftige Bande, die unter anderem auch im jährlichen Schlachtfest ihre Bestätigung findet. 1960 beginnt die politische Laufbahn Stefan Scherers kommunalpolitische Kar­ riere begann 1960 mit dem Eintritt in die Junge Union und der Mitgliedschaft in der CDU ab 1965. Geprägt aber wurde er beson­ ders durch zwei Personen. Da war zum ei­ nem der damalige CDU-Ortsverbandsvorsit- zende Ernst W. Dumpert. Der Teves-Direk- tor holte den jungen Handwerker auf die Liste der Union für die Kommunalwahl. Sei­ ne erste CDU-Versammlung besuchte Sche­ rer im damaligen Café Knöpfle, einstmals ein Ort, an dem außerparlamentarisch Orts­ politik gemacht wurde. An diesem Abend war auch der damalige Landtagsabgeordnete 1 0 2 Leuser aus Donaueschingen da und Scherers erste parteipolitische Amtshandlung bestand darin, den Parlamentarier heim nach Do­ naueschingen zu fahren. Geschadet hat’s ihm nicht, denn mit 900 Stimmen zog der junge Handwerksmeister 1968 in den Ge­ meinderat der Stadt Blumberg ein. Die zweite Person im politischen Leben des Stefan Scherers war der damalige Stadt­ rat und Ex-Bürgermeister Theodor Schmid. Zwar mit liberalem Parteibuch, sah Scherer in ihm dennoch einen väterlichen Freund und Mentor. Schnell zur festen Größe entwickelt Der Blechner- und Installateurmeister Ste­ fan Scherer wuchs in der Fraktion schnell zu einer festen Größe heran, weshalb die Über­ nahme des Fraktionsvorsitzes vor knapp 25 Jahren nicht verwunderte. Seit 1971 hat er zudem ununterbrochen das Amt des 1. Bür­ germeisterstellvertreters inne. Die Liste des­ sen, was die Handschrift Scherers im Ort trägt, ist lang, doch ragen die Ausbildungsplatzak­ tion, gemeinsam mit dem damaligen Land­ tagsabgeordneten Wilhelm Buggle, und na­ türlich das Sanierungsprojekt Stadthalle he­ raus. Diese für die Stadt Blumberg kosten­ günstigste Stadthallensanierung – es wurden innerhalb eines Jahres mehr als 15000 frei­ willige Arbeitsstunden geleistet – war die Grundlage dafür, dass die dreiteilige Eichberg- sporthalle finanziert und gebaut werden konnte. Ein weiterer Schwerpunkt waren Scherers Bemühungen, die Anfang der 1970er Jahre hinzukommenden Ortsteile zu einer Ge­ samtstadt zu vereinen. Hinzu kommen zahl­ reiche Finanzspritzen des Landes, die ihren Ursprung im intensiven Bemühen und den guten Kontakten des Blumbergers zur Stutt­ garter Regierung haben. Scherers sehr selbst­ bewusstes Auftreten ist dabei in einer Episo­ de verewigt, die auch heute noch am Partei­ stammtisch die Runde macht. Mit dem dama­ ligen Bürgermeister Werner Gerber, mit dem der CDU-Fraktionschef ein Vertrauensver-

hältnis pflegte, auch wenn der Rathauschef ein rotes Parteibuch besaß, war Ende der 1970er Jahre ein Termin in Zuschussfragen im Landtag vereinbart. Parkplatzprobleme gab es auch damals schon am Regierungs­ sitz, die Scherer löste, indem er im dunklen 350er Mercedes vorfuhr, den Bürgermeister im Fond, sich einfach auf den nächsten frei­ en Parkplatz vor dem Eingang des Landta­ ges stellte und in bester Chauffeur-Manier Werner Gerber die Wagentüre öffnete. Ste­ fan Scherer schmunzelt heute noch, wenn er sich zurückerinnert: „Die haben uns sogar noch die Eingangstüre aufgehalten.“ Doch nicht alles lief so reibungslos ab, wie es den Anschein haben könnte. Das aber we­ niger im kommunalpolitischen Amt als viel­ mehr in seinem Hobby, der Fliegerei. Auch dort gelangte der Blumberger schnell an die Spitze des Vereins, der unter seiner straffen Fühmng einen beachtenswerten Aufschwung nahm. Streit um Geländeaufschüttungen im Na­ turschutzgebiet Zollhausried, um die Start- und Landemöglichkeiten zu verbessern, kratzten am Lack, zumindest des guten Ima­ ges, wenngleich Scherer und sein Verein rein rechtlich durch ein Planfeststellungsverfah­ ren abgesichert waren. Anders sah dies zum Vereinsjubiläum aus, als die englische Kunst­ flugstaffel „Red Arrows“ trotz Verbots der höchsten richterlichen Instanz im Lande ihr Programm über dem Fluggelände vollfuhr- te und es zu Bußgeldzahlungen für den Ver­ ein und seinen Vorsitzenden kam. Was Sche­ rer damals schon fast trotzig als Reaktion auf eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Freiheit der Blumberger empfunden hatte, wertet er heute in der Rückschau eher als Fehler. Lange hält sich Scherer mit Fehltrit­ ten aber nicht auf. Nachtragend ist er jeden­ falls nicht, weder bei sich selbst noch bei an­ deren. Politische Niederlagen gab es auch, wenn auch nur wenige, doch steckte er auch diese gut weg, wenn am Ende etwas Rechtes dabei heraus kam. So startete Stefan Scherer im Oktober 1995 einen Anlauf auf das CDU- Stefan Scherer Landtagsmandat im Wahlkreis, musste sich aber seinem Spaichinger Kontrahenten Franz Schuhmacher geschlagen geben, allerdings nur, weil der mit dem Mehr an Delegierten- Stimmen aus der Raumschaft Tuttlingen nicht zu schlagen war. Schuhmacher erwies sich in den Folgejahren als guter Abgeordne­ ter mit einem stets offenen Ohr für die Belan­ ge Blumbergs. Das Verhältnis Scherer- Schuhmacher darf durchaus als freundschaft­ lich bezeichnet werden. In Blumberg eine politische Instanz In Blumberg war und ist Stefan Scherer ei­ ne politische Instanz, an der keiner vorbei kommt. Das beweisen nicht nur die stets bes­ ten Ergebnisse aller Kandidaten bei den Kom­ munalwahlen (bis zu 5 800 Stimmen). Wenn der Chefsessel im Blumberger Rat­ haus vorübergehend unbesetzt ist, und das war er in den vergangenen 15 Jahren gleich zweimal, dann nimmt Stefan Scherer ihn ein und füllt das Amt mit dem ihm typischen Engagement aus. Den Schritt zur eigenen Kandidatur, zu dem er von vielen Seiten ge­ drängt worden war, vollzog er dann allerdings doch nicht, wenngleich ihm beste Chancen eingeräumt worden waren. So aber bleibt Stefan Scherer eben Chef der Fraktion mit der absoluten Mehrheit im Gemeinderat, weshalb nicht nur an Fastnacht in Blumberg gewitzelt wird „Dem Stefan ist es egal, wer unter ihm Bürgermeister ist.“ Wie lange Stefan Scherer noch in der Kom­ munal- und Kreispolitik bleiben möchte? Darauf gibt es von ihm keine klare Antwort. Zwar deutete er bereits an, mit Ablauf der Legislaturperiode den Rückzug einzuläuten. Doch wer den Blumberger Unionsmann kennt, glaubt nicht so recht daran. Vielmehr ist anzunehmen, dass Stefan Scherer auch die 30 Jahre Kreistag noch voll machen möchte, was bedeutet, dass er die politische Bühne nicht vor 2010 verlassen wird. Achim Stiller 103

Persönlichkeiten Zum Tode von Franz Spiegelhalter Engagierter Schulrektor und Ortsvorsteher der G em einde Pfaffenweiler Franz Spiegelhalters Feinsinn und Engage­ ment als Pädagoge, Kommunalpolitiker, Kreisrat und Ortsvorsteher von Pfaffenwei­ ler bleiben auch nach dessen Tod am 4. April 2003 einem jeden, der ihn erlebt hat, nach­ haltig in Erinnerung. Der 64-jährige Schul­ rektor der Grund- und Hauptschule Pfaffen­ weiler, dessen Gesundheit schon längere Zeit angeschlagen war, hatte sich nicht nur für die Belange seiner Schüler, sondern auch stets für seine Gemeinde Pfaffenweiler stark gemacht, deren Ortsvorsteher er im Dezem­ ber 1999 geworden war: Er war sozusagen das Gesicht von Pfaffenweiler und setzte sich mit Herzblut für die Interessen des Teilorts von Villingen-Schwenningen ein. Voll integriert in die Gemeinde, kannte ihn jeder und er jeden, Franz Spiegelhalter war neben seiner Tätigkeit als Pädagoge für seine Gemeinde ein Dorfschuhes im klassi­ schen Sinne, immer offen für einen guten Ratschlag oder fundierte Informationen über seine geliebte Gemeinde, für die er auch Ortsfremde gerne begeisterte. Im Vereinswesen vielfach aktiv Am öffentlichen Leben in Pfaffenweiler wirkte er neben seinem politischen Engage­ ment auch gesellschaftlich aktiv mit. Er en­ gagierte sich in verschiedenen Vereinen, be­ sonders im Männerchor Pfaffenweiler, an dessen Spitze er über 30 Jahre wirkte. Er sang nicht nur von Herzen gern und gut, sondern dichtete Verse, die er bei Geburtstagen und anderen feierlichen Anlässen mit dem Chor vertonte. Seine beeindruckende Bassstimme bleibt vielen, die ihn gehört haben, leben­ dig. Seine Begabungen waren vielfältig, er liebte den Gesang, spielte aber auch Akkor­ deon und Gitarre. Franz Spiegelhalter wurde am 3. Januar 1939 in St. Georgen geboren. 1961 machte 1 0 4 Franz Spiegelhalter er am Fürstenberg-Gymnasium in Donaue- schingen das Abitur und absolvierte in Im­ mendingen von 1961 bis 1963 seinen Wehr­ dienst. Danach begann er sein Studium „Lehramt an Volksschulen“ an der Pädago­ gischen Hochschule in Freiburg. Nach einer Oberlehrerstelle in der Volksschule Herzo- genweiler, an der er die Klassen eins bis acht als einziger Lehrer betreute, nahm er 1966 den Posten als Schulleiter der Grund- und Hauptschule in Pfaffenweiler an. Er sang später gerne das Lied des „Armen Dorfschul­ meisterleins“, das ihn wohl an die Anfänge seiner Karriere als Schulrektor erinnert hat. Besonders zur Fasnet wurde er häufig aufge- fordert, das Lied für ein närrisches Publi­ kum zu singen. Franz Spiegelhalter liebte seinen Beruf, den er voll und ganz ausfüllte. Er wirkte am Ausbau der Grund- und Hauptschule mit Werksrealschule Pfaffenweiler um- und weit-

sichtig mit, brachte die Schule immer auf den neusten Stand. 1984 entstanden auf sei­ ne Initiative neue Fachräume im Bereich Physik, Chemie, ein Werkraum, ein Fotola­ bor und ein HTW-Saal. Im Jahr 2000 wurde ein neuer Computerraum eingerichtet. Dienstältester Schulleiter des Landes Das 14-köpfige Kollegium der Schule ver­ brachte gerne die Pausen mit Franz Spiegel­ halter, in denen bis zuletzt viel gemeinsam gelacht wurde. Er gab seinen Lehrern Moti­ vation, Verantwortung und Freiheit, den Schü­ lern bot er einen praxisnahen Unterricht, den er lebendig zu gestalten wusste. Geschich­ te, Gemeinschaftskunde, Physik und Che­ mie unterrichtete Franz Spiegelhalter beson­ ders gern, erinnert sich Claudia Reichmann, Lehrerin an der Grund- und Hauptschule Pfaffenweiler und Leiterin des Schulchors. Franz Spiegelhalter wurde dienstältester Schul­ leiter von Baden-Württemberg. Seit 1968 war er als Gemeinderat kommu­ nalpolitisch aktiv, bis 1971 für die selbstän­ dige Gemeinde Pfaffenweiler, ab 1972 im Ge­ meinderat der frisch vereinigten Doppel­ stadtVillingen-Schwenningen. 1984 wurde er Stellvertreter von Roland Kayßer. In allen Bereichen des öffentlichen Lebens in Pfaffenweiler hat der Tod von Franz Spie­ gelhalter große Lücken hinterlassen, so auch beim Ortsverband der CDU, wo Spiegelhal­ ter seit 1969 Vorsitzender war. Mit seiner Wahl zum Ortsvorsteher am 15. Dezember 1999 schied Franz Spiegelhalter aus dem Ge­ meinderat aus. 1999 bekam er für außeror­ dentliche Aktivitäten das Bundesverdienst­ kreuz verliehen. Seit 1999 gehörte er auch dem Kreistag an. Als am 4. April die Nachricht vom Tod des engagierten Politikers und Pädagogen be­ kannt wurde, reagierten nicht nur Kollegen und Parteifreunde erschüttert. „Ein sehr gro­ ßer Verlust für uns und für Pfaffenweiler“, trauerte die CDU-Stadtverbandsvorsitzen- de Renate Breuning. Nachdem Schulamts­ leiter Klemens Auberle von dem Tod erfah­ Franz Spiegelhalter ren hatte, fand er in der Grund- und Haupt­ schule Pfaffenweiler trauernde Schüler und Lehrer vor. Die offizielle Verabschiedung in den Ruhestand als Rektor der Pfaffenweiler Grund- und Hauptschule, die auf den 14. Ju­ li terminiert war, durfte Franz Spiegelhalter nicht mehr erleben. Schulamtsleiter Klemens Auberle würdig­ te den Ortsvorsteher und Schulrektor als ei­ nen verständnisvollen Pädagogen, dem es am Herzen gelegen hatte, Grundwerte des Lebens zu vermitteln. Zur Trauerfeier versammelten sich rund 400 Menschen in der Pfaffenweiler Kirche, die von Franz Spiegelhalter Abschied neh­ men wollten. Pfaffenweiler trauert um einen „großen Freund der Menschen“, formulier­ te es Bernd Simon für den Männerchor in seiner Trauerrede. Simon erinnert an die schönen gemeinsamen Stunden, als es etwa im Hause Spiegelhalter nach der Probe des Männerchors vor dem Buß- und Bettag tra­ ditionell Nudelsuppe gegeben habe. Dies hatte dem Vorsitzenden den liebevollen Spitz­ namen „Nudel-Franz“ eingebracht. Spiegel­ halter wird dies sicher mit seinem feinsinni­ gen Humor genommen haben. Landrat Karl Heim erklärte, mit Spiegelhalter sei eine be­ deutende Persönlichkeit gestorben. Ernst Neininger, Ortsvorsteher von Rietheim, be­ zeichnte seinen Amtskollegen als „Urgestein im Ehrenamt“. Auch Oberbürgermeister Rupert Kubon war voll des Lobes: Seine persönlichen Inte­ ressen habe der Verstorbene stets hinten an­ gestellt. Franz Spiegelhalter habe ihm bei ei­ nem Spaziergang dem Ortsteil Pfaffenweiler „sehr nahe gebracht“. Und auch den Men­ schen in Pfaffenweiler habe er ein Heimatge­ fühl vermittelt. Rupert Kubons Appell: Bei aller Trauer sollten die Menschen die Erinnerung an Franz Spiegelhalter bewahren. Mit allen Fa­ cetten, so wie er war und in Pfaffenweiler leb­ te. Dies sei auch ein Weg, über die Trauer hin­ weg zu kommen. Stefanie Saur 1 0 5

Persönlichkeiten Vöhrenbacherin erfolgreich in New York D as F otom odel Sabina Stahl Sabina Stahl steht auf dem Balkon ihres El­ ternhauses in Vöhrenbach und breitet die Arme aus, als wollte sie das malerische Tal dort unten mit dem dunklen Wald im Hin­ tergrund umarmen. Lange hat sie diesen Blick nicht mehr genossen, denn die 37-jährige zog vor zehn Jahren aus, um in Amerika ihr Glück zu suchen. Das fand sie dann auch, und zwar in der Weltmetropole New York, wo die jun­ ge Frau Karriere als Model gemacht hat und inzwischen mit Gründung und Leitung ei­ nes Yoga-Studios ein zweites Standbein ge­ funden hat. „Miss Schwarzwald 1984“ Alles begann im Jahr 1984, als die damals 19-jährige zur „Miss Schwarzwald“ gewählt wurde. Eigentlich unfreiwillig, wie sie sich schmunzelnd erinnert, denn sie arbeitete als Bedienung in der ehemaligen Diskothek „Waldpeter“, die die Misswahl veranstaltet hatte. Dann waren aber nicht alle der ange­ meldeten Mädchen erschienen, Sabina ließ sich zur Teilnahme überreden, wurde ge­ wählt und hatte sich als „schönste Frau des Schwarzwalds“ zur Wahl der Miss Baden- Württemberg qualifiziert. Die fand dann im Mannheimer Rosengarten statt mit Heidi Brühl und weiterer Prominenz. Sabina wur­ de nur Dritte, genoss ihre Preise – eine Rei­ se nach Ibiza und ein Abstecher zum Auto­ rennen in Monaco – damit war für sie das Thema vorerst erledigt. Sie studierte Sport in Bad Säckingen und zog nach Straßburg zu ihrem damaligen Freund, lernte französisch. Erst als sich hier „mehr durch Zufall“ die Möglichkeit ergab, bei kleineren Modeschauen und mit Werbe­ fotos Geld zu verdienen, bekam die junge Frau ernsthaft Geschmack an der Sache. Die Welt in Vöhrenbach war ihr endgültig zu 1 0 6 Sabina Stahl klein geworden, sie zog nach Paris. Sechs Jahre lebte sie hier, wurde von „Viva“ ent­ deckt, eine Tochterfirma der internationalen Modelagentur „Elite“, und dieser Job war dann das Sprungbrett zu einer großen Kar­ riere – plötzlich stand der abenteuerlustigen Vöhrenbacherin die Welt offen. Sie wurde zwar nie „ein richtiges Top-Mo­ del“, das hätte sie auch gar nicht gewollt, ver­ sichert sie bei einer gemütlichen Tasse Tee am elterlichen Wohnzimmertisch. „Ich wollte vor allem meine Freiheit, und die hast du als echter Promi nicht mehr.“ Dennoch: Es gibt kaum eine bekannte Modezeitschrift, deren Titel Sabina Stahl nicht schon geziert hätte. Ob „Petra“, „Marie Claire“ oder „Brigitte“, ob mit kurzem, langem, naturbraunem Haar oder mit blonder Perücke, ob im Abendkleid, Business-Dress oder in Dessous, das groß ge-

wachsene Mannequin macht bis heute in al­ len Outfits und in allen Positionen eine gu­ te Figur. Turbulente Zeit in Paris Die Pariser Jahre waren eine turbulente Zeit. Tägliche Castings, ständige Reisen, Sabina hat die halbe Welt gesehen und auf jeden Fall al­ le bedeutenden Modemetropolen, war in Lon­ don und Mailand, in Australien und Südaf­ rika. Und was war mit Drogen, Intrigen, Ma­ gersucht, all diesen negativen Begleiterschei­ nungen, mit denen die Szene immer wieder Schlagzeilen macht? „Wir haben uns schon Sorgen gemacht“, gibt Mutter Waltraud zu, und Vater Siegfried ergänzt: „Aber zugleich hatten wir auch immer Vertrauen.“ Sabina lächelt ihre Eltern an und versichert mit viel Wärme in der Stimme: „Das war wohl das Entscheidende, dass ich in meinem Eltern­ haus viel Stabilität erlebt habe und wie mei­ ne Schwester und meine beiden Brüder zu einem selbstbewussten Menschen erzogen wurde. Ich hatte eine gute Basis.“ Freilich ha­ be es Verlockungen gegeben, aber zum Bei­ spiel zu Drogen und Nikotin habe sie sich nie hinreißen lassen. Dazu sei sie viel zu ge­ sundheitsbewusst, habe zu große Angst vor Abhängigkeit. Der Umzug nach New York war dann eine weitere entscheidende Zäsur im Leben der Sabina Stahl. Allmählich sei ihr Model-Da­ sein zu oberflächlich geworden, zu hektisch, zu ich-bezogen. Bei allem Zugeständnis an ein gesundes Maß an Eitelkeit: „Das allein war mir zu wenig. Wenn du morgens beim Blick in den Spiegel einen Pickel entdeckst und gleich panisch wirst, dann stimmt irgen­ detwas nicht und du fragst dich, was du da eigentlich machst.“ Also qualifizierte sie sich weiter, nahm Schauspielunterricht, lernte nähen, doch die entscheidende Wendung er­ gab sich durch intensive Yoga-Kurse. „Mein Interesse für äußerliche Schönheit war plötzlich weg,“ beschreibt sie diese Er­ fahrung, „ich wollte etwas Nützliches ma­ chen, etwas für die Menschen.“ So investier­ Sabina Stahl te sie ihre Ersparnisse in den Aufbau eines eigenen Zentrums, das sie heute erfolgreich betreibt, das Modeln läuft nebenher „und mehr oder weniger zum Spaß.“ Die äußere Schönheit sei ein Geschenk, sagt diese schö­ ne, junge Frau nachdenklich – übrigens un­ geschminkt und leger gekleidet. Viel wichti­ ger sei die innere Schönheit, die mit der ei­ genen Persönlichkeit wachse und nach au­ ßen strahle. Sabina Stahl hat zweifellos bei­ des, und sie ist sympatischerweise auf dem Teppich geblieben, ist nicht abgehoben, hat keine Allüren bekommen. Sie gibt auch ehrlich zu, dass sie oft gelit­ ten hat in den Pariser und New Yorker Jah­ ren, Krisen hatte, alles hinschmeißen und heimfahren wollte. Das tut sie bis heute re­ gelmäßig, der Kontakt zu Eltern, Geschwis­ tern und Freunden ist ihr wichtig. Jetzt hat sie ihre Balance gefunden, „mit dem Yoga hat sich der Kreis geschlossen“, wie sie sich ausdrückt. Im Grunde ihres Herzens sei sie immer das „einfache Schwarzwald-Mädel“ geblieben, auch den Dialekt hat sie sich bis heute bewahrt. Manchmal, beim Bummel mit Freunden durch den Großstadtdschun­ gel, zeigt sie auf einen Wolkenkratzer. „Da­ rin könnte mein ganzes D orf mit seinen 3500 Menschen leben“, sagt sie dann. Christina Nack Sabina Stahl mit ihren Eltern. 1 0 7

Persönlichkeiten Ein Liberaler, der anderen Menschen Mut macht Harald M attegit erhält für seine L ebensleistung das Bundesverdienstkreuz Ganz oben in Eschach steht ein Holzhaus. Eingebettet in die grünen Matten am Hang und umgeben von einem liebevoll gepflegten Garten vermittelt es gleich eine heimelige Atmosphäre. Harald Mattegit schätzt an seinem Domizil besonders den Blick in die Weite der Natur. Hier öffnet sich das Krotten­ bachtal nach Achdorf hin. Bei klarem Wet­ ter reicht die Sicht über die teilweise bewal­ deten Hügel hinweg bis zu den schneebe­ deckten Viertausendern des Berner Oberlan­ des. Dieses Bild passt zu einem Menschen, der als Kommunal- und Kreispolitiker und als Steuerberater immer über den eigenen Kirchturm hinaus gedacht und jahrzehnte­ lang anderen Menschen Mut gemacht hat. Für seine Lebensleistung erhielt der Blum­ berger FDP-Politiker jetzt das Bundesver­ dienstkreuz. Beantragt hat diese Auszeich­ nung Landrat Karl Heim persönlich. Es ist das erste Mal, seit Heim 1996 Landrat wur­ de, dass er sich für einen Bürger im Kreis da­ rum bemühte. „Harald Mattegit ist ein Urgestein der Kommunalpolitik, einer der Gründungsväter des Schwarzwald-Baar-Kreises“, betont Land­ rat Karl Heim und fügt hinzu: „Er macht das aus Überzeugung, mit Liebe, großem Enga­ gement und Sachverstand. Harald Mattegit ist seit 1971 im Kreistag und ist von Anfang an Sprecher der FDP-Fraktion. Er habe ei­ nen sehr breiten Horizont, würdigt der Landrat. „Er ist ein echter Denker, ein ech­ ter Liberaler, von der Freiheit des Denkens überzeugt.“ Den Landrat beeindruckt auch die soziale Grundeinstellung. Dies sei an Mat- tegits Steuerkanzlei abzulesen. Er habe im­ mer junge Menschen ausgebildet, und ver­ sucht, sie zu übernehmen. Dem Landrat ge­ fallt Mattegits besonderer Humor. „Seine Beiträge im Kreistag sind Legende“. Heim 1 0 8 Harald Mattegit nennt hier vor allem die Haushaltsreden. Wo andere sich mehr auf die Zahlen kon­ zentrierten, zeichne Mattegit in einer blumi­ gen Sprache hintergründige Bilder. Harald Mattegit sei ein positiv denkender Mensch, ein eigenständiger Denker, der immer darauf achte, wie man etwas anders machen könne. „Ihm geht es um die Sache, er ist sehr inte­ ger und sehr verlässlich.“ Unterstützt wurde die Initiative für das Bundesverdienstkreuz von der Steuerbera­ terkammer Südbaden. Mattegit war von Ju­ li 1970 bis November 1978 Ehrenamtlicher Richter der Kammer beim Landgericht Frei­ burg und ist seither Mitglied im Kammer­

vorstand. Bei der Feier zu seinem 70. Ge­ burtstag im März 2003 würdigte Carl Maria Best, Geschäftsführer der Steuerberaterkam­ mer, das Engagement seines Freundes. Mit seiner politischen Erfahrung und seinem Ge­ spür für das Machbare habe er die Kammer entscheidend unterstützt. Er habe ihnen ge­ zeigt, wie man es anstellen muss, „damit Po­ litiker einem auch wirklich zuhören.“ Geboren 1933 im schweizerischen Laufen­ burg, kam der Sohn im Februar 1946 mit seinen Eltern Franz und Rosa Mattegit nach Blumberg. Sein Vater arbeitete beim Kraft­ werk Laufenburg, das in Blumberg-Zollhaus ein Umspannwerk hatte. 1954 legte Flarald Mattegit am Fürstenberg-Gymnasium in Donaueschingen das Abitur ab. Danach stu­ dierte er in München Steuern und Recht mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann. In Donaueschingen baute er sich eine eigene Kanzlei auf. 1959 heiratete er seine Jugend­ liebe Helga Schmid, die Tochter des früheren Blumberger Bürgermeisters. Der Ehe ent­ sprangen ein Sohn und eine Tochter. Die Tochter Eva Mattegit leitet inzwischen die Steuerkanzlei, die mit einer Filiale in Blum­ berg zur Zeit 18 Beschäftigte zählt. Politische Karriere begann 1971 Harald Mattegits politische Karriere be­ gann 1971, als er für die FDP gleichzeitig in den Blumberger Gemeinderat und den Do- naueschinger Kreistag gewählt wurde. In beiden FDP-Fraktionen wurde Mattegit so­ fort Sprecher, ein Amt, das er im Gemeinde­ rat bis zur Wahl 1999 innehatte und im Kreistag heute noch ausübt. Von der Gemein­ dereform 1972, als die kleinen Orte einge­ meindet und die Landkreise neu formiert wurden, war der Liberale Harald Mattegit nicht begeistert. Er bemühte sich gleichwohl, das Beste daraus zu machen. „Ich habe ver­ sucht, mich für die Ausgewogenheit des neuen Gebildes Schwarzwald-Baar-Kreis einzusetzen.“ Dass zum Beispiel nicht alle Kreiseinrichtungen nach Villingen-Schwen­ ningen kamen. „Wir hatten ein bisschen Harald Mattegit Sorge, dass der alte Kreis Villingen alles an sich zieht und übernimmt.“ Damit die teu­ erste Einrichtung im alten Landkreis, das Pflegeheim „Haus Wartenberg“ in Geisin­ gen, nicht ganz an den Kreis Tuttlingen fiel, „haben wir schnell den Zweckverband ge­ gründet.“ Die Mehrheit in der Verbandsver­ sammlung hat dort der Schwarzwald-Baar- Kreis. Dies kommt auch Blumberg zugute. Dort ist der Verband in Geisingen Bauherr und Betriebsträger des neuen Pflegeheims. Das Wesen Harald Mattegits zeigte sich 1973 in Fützen. Das freiheitsliebende Volk von Fützen wollte nicht zu Blumberg und wurde 1975 zwangseingemeindet. Im Vor­ feld hatte man der Nachbarstadt Blumberg den Bau der Buchberghalle abgetrotzt. Bei der Einweihung wurde Harald Mattegit als Bürgermeisterstellvertreter entsandt. In seiner Rede sprach er davon, dass Fützen die Halle als „Morgengabe“ erhalte und erntete prompt Pfiffe. Mattegit störte dies nicht, er nahm dies den Fützenern auch nicht übel. Auf jeden Fall wurde kräftig gefeiert, und nach einiger Zeit ging der Festgemeinde der veredelte Traubensaft aus. Fützen befand sich plötz­ lich in der Klemme, denn die Einweihung war an einem autofreien Sonntag. Harald Mattegit bekam dies mit, er ging zum anwe­ senden Landrat Rainer Gutknecht und sag­ te ihm einen Satz aus der Bibel: „Herr, Sie ha­ ben keinen Wein mehr“. Zwar konnte Gut­ knecht kein Wasser zu Wein verwandeln, aber er ließ Gemeinderat Schöpperle eine Schreibmaschine holen und stellte den Füt­ zenern eine Sonderfahrgenehmigung aus, damit sie Nachschub holen konnten. Kontakte zur Schweiz Damit nicht genug, nützte Mattegit diesen Tag noch zum Wohl des ganzen Kreises. Zu dem Termin in Fützen kam auch eine Ab­ ordnung aus dem benachbarten Beggingen in der Schweiz. Zusammen mit Landrat Gutknecht vereinbarte Mattegit über die Begginger ein jährliches Treffen von Vertre­ tern aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis und 1 0 9

Harald Mattegit dem Kanton Schaffhausen. Eine Einrich­ tung, die jetzt seit 30 Jahren existiert. Für vieles hat Elarald Mattegit sich einge­ setzt. Im Kreis waren es die Bemfs- und Son­ derschulen, das 1974 eingeweihte Kranken­ haus Donaueschingen, von dessen Fortbe­ stand Mattegit überzeugt ist. In Blumberg waren es unter anderem die Museumsbahn und die Kunst. Für den Initiator der erfolg­ reichen Blumberger Kunstausstellung jürg en Henckell, hat Mattegit Vorjahren das Bun­ desverdienstkreuz beantragt. Herausragende Persönlichkeit Harald Mattegit gehört zu den herausra­ genden Persönlichkeiten im Schwarzwald- Baar-Kreis. Dank seines Engagements und dank guter Mitstreiter wie Helmut Ochs oder Gustav Wiggert hat er es geschafft, dass die Liberalen bei den Kommunalwahlen in Blumberg Rekordergebnisse um 27 Prozent erzielten. Er kennt fast alle wichtigen Libera­ len bis hin zum ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Vielen von ihnen hat er in der „Scheffellinde“, seinem Stamm­ lokal in Achdorf, persönlich die Hand ge­ schüttelt. Für seine Verdienste um den Libe­ ralismus erhielt er Ende 2002 von Wirtschaft s- minister Walter Döring die Reinhold-Maier- Medaille überreicht. Ohne Harald Mattegit, so sagten Döring und der FDP-Landtagsab- geordnete Ernst Pfister, hätten sie ihr heuti­ ges Amt nicht erreicht. Er habe ihnen Mut ge­ macht. Eines vergisst der aufrechte Demo­ krat nicht: „Meiner Frau habe ich unendlich viel zu verdanken. Sie ist meine größte Kri­ tikerin, aber im positiven Sinne.“ Uber Eschach liegt der Friede eines milden Sommerabends. Der 70-jährige Harald Mat­ tegit genießt den Ausblick von der Terrasse. „Hier habe ich die Natur.“ Er beobachtet, wenn der Specht klopft, wenn oben am Wald­ rand die Füchse erscheinen und wenn der Dompfaff vorbeischaut. „Viele Menschen kommen zu mir, weil sie ein Problem ha­ ben. Dann versuche ich, ihnen zu helfen.“ Vor etlichen Jahren bat ihn einmal ein Bür­ 1 1 0 ger aus Eschach, ob er nicht Geld für ein Läutwerk der Ortskirche St. Arbogast auftrei­ ben könnte. Harald Mattegit trieb die Hälf­ te der Kosten durch Spenden auf. Es ist 18 Uhr abends, die Glocken von St. Arbogast läuten zum Gebet. „Damals“, blickt Harald Mattegit zurück“, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich selbst einmal hier wohnen werde.“ Bernhard Lutz Ohne Titel Herb das Licht ins Schwarz eintaucht Kühl über Nacht Birgt die Erde Ein Leuchtendgelb auf Dunkelgrün Frostig weit ins Jahr hinein Selten blühen die Tannen Dunkel die Beeren im Wald, Fast schwarz Geborgen die Häuser im Berg Gewölbte Keller Ein steinener Brunnen Grauschwarz die Dächer Weiß das Licht aufsteigend Uber schwarzen Spitzen Morgens der erste Blick Erika Sachsse

6. Kapitel/A lmanach 2004 Arcnäologie Germanische Höhenburgen Befestigungen der Völkerw anderungszeit warten au f ihre Entdeckung Einige seit kurzem stark in das Licht der Forschung gerückten, aber in unserem Raum bislang gänzlich unbeachteten Plätze der Völ­ kerwanderungszeit sind die „germanischen Höhensiedlungen“. Zu den bekannten Bei­ spielen außerhalb des heutigen Landkreises zählen der Zähringer Burgberg bei Freiburg oder der „Runde Berg“ bei Urach. Hier ha­ ben wir Vertreter einer bis auf den heutigen Tag nicht systematisch in ihrer Bauweise, Funktion und Dauer untersuchten Gruppe nahezu spurlos verschwundener Wehranla­ gen1. Neuer Blick auf das 4. und 5. Jahrhundert Erst seit das Institut für Ur- und Frühge­ schichte der Universität Freiburg im Rah­ men des Forschungsverbundes „Archäolo­ gie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland“ ein Zentralprojekt in die Wege geleitet hat, eröffnet sich ein neuer Blick auf das Leben des 4. und 5. Jahr­ hunderts im Vorfeld des spätrömischen Li­ mes an Rhein und insbesondere am Hoch­ rhein. Die bis heute erfassten Höhenstationen im südwestlichen und südlichen Baden-Würt­ temberg liegen alle an Talausgängen oder vor­ geschobenen Höhen des Oberrheingebietes, entlang der Schwäbischen Alb oder auch an der oberen Donau. Seit Erhebungsbeginn 1965 hat sich die Zahl der erkannten Bergfesten von einem runden Dutzend bis ins Jahr 2002 auf 60 be­ kannte Anlagen erhöht. Die Befundsituation variiert von Platz zu Platz und besitzt einen Eigencharakter, der im Moment noch eventuelle Gemeinsam­ keiten überstrahlt. Arten der Befestigung und der Besiedlung wie auch die Zusammenset­ zung der Funde weichen so voneinander ab, dass sich bezüglich der Funktion der Örtlich­ keiten kein eindeutiges Bild ergibt. Waren es frühe „Burgen“ mit Repräsentati­ onscharakter, Opferplätze oder Militärlager oder alles zugleich oder in zeitlicher Abfolge? Für die Burgen im Oberrheingebiet, die durchwegs links und rechts auf Höhen an den Talausgängen der größeren Schwarz­ waldflüsse liegen, glaubt man heute feststel­ len zu können, dass alle diese Anlagen sich spätrömischen Kastellen gegenüber befan­ den. Dies gilt für den Geißkopf bei Berg­ haupten, den Kügeleskopf bei Ortenberg oder den Zähringer Burgberg bei Freiburg. Nur die auf der Schwäbischen Alb wie eine Kette liegenden, mit Einzelfunden bislang unsicher zu datierenden Höhenanlagen oder die dem Donauursprung am nächsten auf dem Lehenbühl bei Fridingen (Lkr. Tuttlin­ gen) stehen in einer nicht so deutlichen Auf- einanderbezogenheit mit den spätrömi­ schen Limeskastellen. Die Höhenburgen sind in ihrer Gesamt­ heit weniger durch die Reste ihrer Aufbau­ ten zu erkennen, denn durch Bodenforma­ tion (Gräben etc.) und Kleinobjekte oder Ob­ jektreste in wechselnder Funddichte: M ün­ zen, Beschläge von Militärgürteln, Keramik- (fragmente), Fibeln, Schmuck. Aus der Einordnung dieser kleinen Gegen­ stände ergibt sich, dass die Höhenburgen ab der Mitte, in Einzelfällen ab der ersten Hälf­ te des 4. Jahrhunderts besiedelt waren. Im mittleren Drittel des 5. Jahrhunderts wurden die Bergfestungen verlassen. Für Nichteingeweihte überraschend, ist die aus Funden erkennbare Gleichförmigkeit der Ausrüstung von Burgmannschaften und römischen Kastellbesatzungen. Dies rührt weniger daher, dass die Mannschaften in 1 1 1

Archäologie beiden Fällen zu jener Zeit bereits Germa­ nen waren. Vielmehr haben wir es hier mit der Armeemode einer „Weltmacht“ zu tun. Uber das Römische Reich hinaus und bis an die Elbe trug man gleichartige Militärgürtel mit Kerbschnitt oder punzverzierten Metall­ beschlägen. Überhaupt lässt sich keine Unterscheidung in dem Sinne treffen, dass bei den Höhen­ burgen eine germanische Welt beginnt, die sich von der römischen Welt, gesichert durch die spätrömischen Kastelle, deutlich unter­ scheidet oder abhebt. Dies entspricht der bekannten Geschichte des weströmischen Reiches bis zu seinem endgültigen Untergang. Feinde, Freunde, Bundesgenossen Um 370 n. Chr. war das Rheintal allem An­ schein nach nicht mehr ein Grenzraum, in dem der Rhein ein linksrheinisches römi­ sches Reich von der anderen, frühalamanni- schen Seite trennte und schützte, sondern ein beiderseitig benutzter Verkehrs- und Siedlungsraum, der von der römischen Ver­ waltung unterhalten wurde. Zu dieser Zeit gerieten auch die besiegten Alamannen, bzw. deren unterschiedliche Stammesver­ bände in Abhängigkeit von Rom. Zahlreiche aufeinanderfolgende römische Militärschriftsteller zeichnen in ihren Schrif­ ten das Bild eines unruhigen römischen Vor­ feldes, in dem regionale Bündnisse und Konfrontationen eine dauerhafte Bestim­ mung von Freund und Feind unmöglich machen. Es war zugleich eine Zeit, in der germanische Krieger, Barbaren, bereits im römischen Heer eingegliedert in allen Reichs­ teilen mitkämpften. Hierzu nur wenige Da­ ten zum Verständnis: Im Jahre 409 n. Chr. müssen bereits Bündnisverträge mit fränki­ schen und alamannischen Truppen bestan­ den haben, da während der Regierungszeit des weströmischen Kaisers Honorius (393- 423) der Usurpator Konstantin III. gegen seinen Konkurrenten, den Usurpator Maxi­ mus, eben diese ins Feld führte. Bis zum Un­ 1 1 2 tergang des weströmischen Reiches schließ­ lich hatte sich die Zusammensetzung des rö­ mischen Heeres bereits so tiefgreifend ver­ ändert, dass Feldzüge oder Abwehrkämpfe ohne den Einsatz germanischer Heeresteile nicht mehr möglich waren. Der durch den oströmischen Kaiser Leo I. (457-474) er­ nannte Heermeister Maiorianus, der zum letzten weströmischen Kaiser wurde (457- 461), wehrte sich so zum Ende mit Hilfe ver­ bündeter germanischer Truppen gegen an­ rennende freie alamannische Kriegsscharen. In dieser Epoche liegt der aus der Literatur bekannte Sieg 436 n. Chr. des römischen Reichsfeldherren Flavius Aëtius über die Burgunder am Mittelrhein und deren Um­ siedlung in die „Sapaudia“ (Kerngebiet in et­ wa zwischen Genf und Lyon mit Ausdeh­ nung nach Süden an die Durance und in den Norden bis Besançon). Das durch die Siedlungsleere im Rheingebiet entstandene Machtvakuum erlaubte den Alamannen ein Vorrücken nach Westen über den Rhein und ein Einsickern in den Oberrheingraben. Sie wurden nun wie einst vorübergehend die Burgunder Föderaten der Römer, wobei man annimmt, dass eine solche Verbündetenstel­ lung auch schon zu Zeiten des römischen Heermeisters Stilicho (f 408 n. Chr.) be­ stand. Zurückbehalten aus dieser Geschichte soll­ te man, dass man es keineswegs mit einer klaren Scheidung zwischen Römern und Alamannen, zwischen Freund und Feind am Oberrhein zu tun hat. Von Ort zu Ort und von Höhenburg zu Höhenburg könnten zur gleichen Zeit unterschiedliche Bezie­ hungen zu den Römern und untereinander bestanden haben. Dies erschwert auch die Funktionsbeschreibung der im Schwarzwald und auf der Alb zu identifizierenden Ö rt­ lichkeiten. Obwohl am Oberrhein regionale Verwal­ tungsstrukturen bis zur Übernahme durch die Franken weiterbestanden, waren die gro­ ßen römischen Kastelle als Eckpfeiler der militärischen Verteidigung dort zu Ende des römischen Reiches jedoch nicht mehr be-

setzt. Bereits vor 450 n. Chr. waren sie ver­ lassen worden, was gleichfalls Einfluss auf die Bewohner der germanischen Höhenbur­ gen hatte. Der wegen der exponierten H ö­ henlage aufwändige Unterhalt machte keinen Sinn mehr, da die Funktion als Wehr-, Wach­ oder Kampfstellung hinfällig geworden war. Die Alamannen stiegen von nun an in die Täler hinab und begannen eine ausgedehn­ tere Siedlungstätigkeit. Höhenburgen – auch au f dem Gebiet des Landkreises? Höhenburgen an den Ausgängen der Schwarzwaldflüsse ins Rheintal und wie kürzlich entdeckt, gegenüber Kaiseraugst2, die als Frontalstellungen gegen linksrheini­ sche römische Kastelle gelten, sind für unse­ re Region nicht zu erwarten. In der Bauzeit dieser Befestigungen waren die römischen Militärlager von Hüfingen und Rottweil be­ reits aufgelassen. Daran änderte auch der vorübergehende Vorstoß des römischen Kaisers Valentinians (I.) 368 n. Chr. an die Quellen der Donau nichts, worüber der Dichter Ausonius berichtet, genau so wie das letztmalige Vorrücken 378 n. Chr. des Kaisers Gratian in rechtsrheinische Gebiete. Eine mögliche Funktion der vom Rheintal entfernteren Höhenanlagen, welche in den bisher veröffentlichten Untersuchungen noch kaum angesprochen wurde, scheint jedoch in der Sicherung des Hinterlandes und der Ver­ sorgung wie Anbindung der Höhenburgen im Konfrontationsbereich des Rheintales zu liegen. Aus der Reihenlage von Höhenbefes­ tigungen der Schwäbischen Alb vom Run­ den Berg ab auf den Schwarzwald zu, lässt sich eine Verlaufsrichtung über den Schwarz­ wald entlang der beiden durch den heutigen Landkreis führenden ehemaligen Hauptver­ bindungswege erschließen. Unklar ist, wo und wie die nächstgelegene erkannte H ö­ henstation – auf dem Dreifaltigkeitsberg bei Spaichingen – mit einer Station im heutigen Landkreis wegemäßig zu verknüpfen ist. Die Verlängerung nach Westen der auf der Germanische Höhenburgen Alb nachgewiesenen Kleinstfestungen ver­ weist auf eine Begleit- und Sicherungsfunk­ tion vor allem des Überganges über den Schwarzwald. Die Funktion der Höhenbur­ gen im Landkreis wäre damit vor allem eine Sicherung der Nachschubwege auf den wei­ terbenutzten römischen Straßen. Zugleich könnte es sich jedoch auch um Bereitstellungs- und Ruheräume alamanni- scher Krieger auf dem Weg nach Westen handeln. Das entspräche der Schildemng des Ammianus Marcellinus von den Aufent­ haltsorten germanischer Krieger in den un­ durchdringlichen Wäldern und unzugängli­ chen Höhen. Dass hierüber im Moment keine Aussagen möglich sind, liegt wohl weniger an dem Nichtvorhandensein von Höhenburgen im Landkreis, denn an der bisher nicht vorge­ nommenen systematischen Prospektion. Die bisher untersuchten Stellen wie die Blatthal­ de bei Oberbaidingen, oder am Kreisrand, bei Kirchen-Hausen (Aitrachtal/Lkr. Tuttlingen) haben keine Spuren zu dieser Epoche des frühen Mittelalters geliefert. Wenn die germanischen Höhenburgen auf der Baar und im Schwarzwald die Sicherung von Nachschubwegen übernommen haben, müssten sie in enger räumlicher Verbindung zu den einst römischen Verkehrswegen ste­ hen. Die von den Römern angelegten Straßen und Wege wurden noch lange begangen und befahren, ihr Gitter ist in weiten Teilen zur infrastrukturellen Grundlage des mittelalter­ lichen Straßennetzes geworden. Bis heute sogar orientiert sich das moderne Verkehrs­ netz an diesen Altwegen. Neben der von Schaffhausen herkommen­ den Süd-Nord-Verbindung über Hüfmgen und Rottweil, führten vor allem zwei wich­ tige Ost-West-Wege über den Schwarzwald durch das Gebiet des heutigen Landkrei­ ses. Hier ist die südliche, von Hüfmgen über den nördlichen Deggenreuscherwald nach Westen und Richtung Freiburg führen­ de und möglicherweise einmal etwas nach Norden über Bräunlingen verlegte Verbin­ dung zu nennen. Die nördliche Ost-West-Ver- 113

Archäologie Von Waldbausen aus gesehen zeigt sich, wie weit vom mitten im Tal gelegenen Ottilienberg aus, das Land hätte beobachtet werden können. bindung hingegen ist die von Rottweil und Villingen über die Scheitelhöhen bei St. Ge­ orgen ins Kinzigtal führende Straßenverbin­ dung. Die Nutzung dieser Straßen im fraglichen Zeitraum ist durchaus nachgewiesen. Ver­ wiesen sei hier nur auf die „Peutinger-Tafel“, eine im 4. Jahrhundert nach Vorbild erstellte, mehrfach nachgebesserte römische Straßen­ karte. Sie kennt immer noch die beiden re­ gional bedeutsamsten Orte an der Straße nach Rottenburg (Samulocenna) Brigobannis (Hüfingen) und Arae Flaviae (Rottweil). Aus Grabungen andernorts ist bekannt, dass römische Straßen in enger Verbindung zu alamannischen Neusiedlungen stehen. Wenn diese neuen alamannischen Orte zu­ gleich Siedlungsplätze einer von Höhenbur­ gen herabgestiegenen Bevölkerung sind, dann besteht im Schwarzwald-Baar-Kreis mindestens ein Platz, der in besonderem Maße die Bedingungen der doppelten räumlichen Bezogenheit erfüllt: Bräunlin­ gen. Der durch einen Friedhof und dessen Grabfunde aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts nachgewiesene frühe alaman- nische Adelssitz3 befindet sich in der Nähe zu einer römischen Straße über den Schwarz­ wald. Unweit hiervon befand sich, nach Hornungs Geschichte der Stadt Bräunlin­ gen (1964), zugleich eine von ihm auf das Hochmittelalter datierte Wehranlage auf dem talsperrenden Lützel-, heute Ottilien­ berg, deren Reste noch 1850 zu sehen gewe­ sen sein sollen. Doch kommt wegen seiner typischen Lage für Höhenburgen auch der etwas entfernte Triberg in Frage. Aufgrund des dortigen langjährigen Steinabbaues wird eine Spurensuche wohl wenig Erfolg ver­ sprechen. Im heutigen Bräunlinger Gemarkungsge­ biet könnte sich noch eine andere Wehran­ lage auf dem südlich dem Waldhauser H of gelegenen Kapf (880 m) befinden. Hier be­ steht eine Beziehung zu der besser gesicher­ ten, vom Deggenreuscher Wald herkom­ menden Römerstraße durch den südlichen Schwarzwald4. Die am Kapf nachzuweisen­ den Grabhügel würden, weil aus voralaman- nischen Zeiten datierend, eine Siedlungskon­ tinuität anreißen. War der Ottilienberg (links) ein seit alamannischer Zeit fortdauernd bewohnter Burgplatz, der mit der frü­ hen Bräunlinger Geschichte verbunden werden kann ?

Germanische Höhenburgen Blick a uf gleich drei mögliche Lagen von Höhenburgen: Im Vordergrund der Bilibuck bei Riedböhringen, im Hintergrund die am Talausgang des in dieAitrach fließenden Mühlgrabens gelegenen Stoberg und Eichberg. Für Hüfmgen kann gleichfalls eine germa­ nische Höhenburg angenommen werden. Die reichen alamannischen Funde des 5. Jahrhunderts sprechen von einer Neusied­ lung in Bezug zur Römerstraße. Doch wo befand sich die Anhöhe mit schützender und kontrollierender Höhenburg? Eindeutige Spuren haben sich bis jetzt nicht ergeben. Eine unlängst erschienene Publikation, die aufgrund der unorthodoxen Untersuchungs­ methode mittels Radiästhesie und Geoman­ tie zur Bestimmung römischer Straßen wohl kontrovers diskutiert werden dürfte5, lässt aufhorchen. Sie birgt auch für die Höhen­ burgen an der von Hüfmgen nach Süden nä­ her bestimmten Straße einen Hinweis. Die mittels vorgenannter Verfahren festgelegte Trasse der Römerstraße führt südlich von Behla am Fuße des Homberg (860 m), also einem durch Namensgebung auffallenden Einzelberg vorbei, nach und durch Ried­ böhringen. Höhenburgen – keine Seltenheit? Unerforscht ist, wie die Hauptwege durch ein Subwegenetz in römischer bzw. nachrö­ mischer Zeit ergänzt wurden. Eine 1984 er­ schienene Untersuchung zu „Frühmittelalter­ lichen Wehranlagen an der Keuper-Lias-Kan- te in der Baar bei Schwenningen“6 lokali­ siert zahlreiche Örtlichkeiten entlang eines Ost-West ausgerichteten kleinräumigen We­ genetzes im Bereich des östlichen Landkrei­ ses. Diese der Vermutung nach erst im letz­ ten Drittel des 1. Jahrtausends entstande­ nen Wehranlagen weisen jedoch in Lage, Ausrichtung und Ortsbezeichnung Überein­ stimmungen mit den germanischen Höhen­ burgen auf. Möglicherweise sind manche Burgen Nachfolger dieser damals noch nicht erkannten Anlagen, welche der Ministeriali- tät des Befestigungssystems der „Fildira“ den „Fildern“ als frühem württembergischen Be­ griff für einen Landstreifen zwischen Öfingen und Tuningen, zugeschrieben wurden. Die Dauchinger Wehranlagen der im Kreis­ jahrbuch Almanach 88 beschriebenen, aber bis heute nicht untersuchte Anlagengruppe auf den Bergspornen rechts und links des als „Neckartäle“ bezeichneten Neckardurch­ bruchs unweit des römischen Straßenüber­ ganges über das Tal, könnten ebenfalls ger­ manische Höhenburgen verbergen. Ihre La- Der hier von der Passhöhe an der Bundesstraße aus südlich von Behla gelegene Homberg könnte eine Höhenburg besessen haben. 1 1 5

Archäologie ge wie ihre offensichtliche Sicherungs- und Bewachungsfunktion fügen sie in den sich deutlicher abzeichnenden Kontext des Hö­ henburgensystems und ergänzen die „Fildi- ra“-Gruppe nach Norden. Dennoch bleibt ein großes Fragezeichen und am Ende viel­ leicht „nur“ die Erkenntnis, dass sich hier ei­ ne zahlreiche Ministerialität des Hochmit­ telalters in den Resten der heute noch sicht­ baren Kleinstburgen – Turmhügelburgen – verewigt hat. Bergnamen und mittelalterliche Höhen- burgen – weitere Hinweise? Es fällt auf, dass die bisher bekannten An­ lagen durchgehend mit Bergnamen in Ver­ bindung gebracht werden können, die auf „-bühl“, ,,-kapf“ oder ,,-kopf“ enden. Auch die Wortendung ,,-berg“, und sogar „bürg“ 1 1 6 Im Dunkel des Waldes kaum zu er­ kennen: möglicher Befestigungsgra­ ben auf dem nördlichen Sporn rechts des Neckars bei Dauchingen. sollte nicht ausgeschlossen wer­ den, wie es gerade der vorge­ nannte Hom„berg“ bei Ried- öschingen erkennen lässt. Ein erster Überblick zeigt, dass im Landkreis über 50 Berge oder Bergsporne mit dieser Na­ menszusammensetzung in Frage kommen. Alle diese Punkte befinden sich zugleich an Orten, die sich in der Nähe von Altstraßen und Talmündungen befinden und welche zu­ gleich die Kontrolle eines weiteren Vorfeldes erlauben. Neben den Bergnamen, die einen ersten Fingerzeig auf mögliche Standorte geben, könnten auch die (hoch-)mittelalterlichen Höhenburgen des Landkreises weitere Indi­ zien sein. Dort wo sich Namensgebung und in der Anlage frühe mittelalterliche Burg gar zusammenfinden, besteht ebenfalls große Wahrscheinlichkeit, dass der Archäologe fündig wird. Zumindest für das Gebiet des Schwarzwald- Baar-Kreises lassen sich frühe Burgen loka­ lisieren, die aufgrund ihrer exponierten Lage durchaus an Plätzen könnten errichtet wor­ den sein, welche zuvor eine germanische Höhenburg beherbergten. Es sind oftmals auch Bergsporne mit Wach- und Sicherungsfunk­ tion. Vom „Wartenberg“ an der öst­ lichen Kreisgrenze ausgehend, Der kleine Schuttkegel des südlichen Bergsporns über dem Neckartal bei Dauchingen ist mit hohen Nadel­ bäumen bewachsen und fast unsicht­ bar.

böten sich daher als in Betracht zu ziehen­ de Berge mit frühen hochmittelalterlichen Wehranlagen an: Fürstenberg, Zindelstein, Krumpenschloß (Hammereisenbach), Neu­ fürstenberg, aber auch einige andere, deren Namen kaum noch bekannt sind. Desglei­ chen die bereits erwähnten Reste über dem Neckartal bei Dauchingen wären, wenn sich auf ihnen Reste mittelalterlicher Burgen fan­ den, in die Erbenreihe zu stellen. In diese Gruppe passt nicht zuletzt die erst vor kurzem aufgrund schriftlicher Quellen als Burganlage des 8. Jahrhunderts datierte Warenburg auf dem Warenberg bei Villin- gen7 Hier wäre ebenfalls aufgrund der Na­ mensgebung und Lage eine nochmals ältere Voranlage nicht ausgeschlossen. Und auf die kürzlich gefundenen und bisher nicht näher bestimmten Reste auf dem Totenkopf zwi­ schen Zindelstein und Hammereisenbach am Zusammenfluss an der Mündung des Mörderbächle in die Breg, sei in diesem Zu­ sammenhang schließlich auch hingewiesen. Heute: Viele Indizien, wenig Gewissheit Es zeigt sich, dass wenn man die bisher an germanischen Höhenburgen außerhalb des Landkreises gewonnenen Erkenntnisse zu- sammenfasst, es zahlreiche Indizien für das Vorhandensein solcher Anlagen im Schwarz- wald-Baar-Rreis gibt. Hier hat jedoch die Ar­ chäologie das Wort und bedarf zudem der tatkräftigen Hilfe historisch interessierter Gruppierungen oder der Gemeinden, auf deren Gemarkung sich solche durchaus tou­ ristisch zu verwertenden Anlagen befinden könnten. Vorliegender Beitrag ist so mehr ein Denk­ anstoß, vieles immer noch näher an der Spe­ kulation, denn an einer in gesicherte Er­ kenntnis gleitenden Theorie. Man darf da­ her gespannt sein, ob sich die bisher beste­ hende Wissenslücke der ersten beiden Jahr­ hunderte nach dem Zusammenbruch des rechtsrheinischen Limes und dem Eindrin­ gen germanischer Völker zumindest in Tei­ len bald füllen lässt. Germanische Höhenburgen Eine systematische Begehung aller in Fra­ ge kommender Höhen würde die Kenntnis­ se sicher voran treiben. Die Jahrhunderte ha­ ben durch Erosion, Bepflanzung oder Res­ teverwertung die Spuren über dem Boden fast verwischt, doch erkennt ein geschultes Auge wohl allein anhand der Bodenforma­ tion wohl manches. Grabungen könnten Vermutung zur Gewissheit werden lassen. Und wer weiß, vielleicht entpuppt sich der Schwarzwald-Baar-Kreis als einst mit Höhen­ burgen besetztes und später dicht besiedeltes alamannisches Kernland. Sagt nicht der Klostergründungsbericht von St. Georgen, man habe auf „dem Scheitel Alamanniens“, also gewissermaßen inmitten des alten ala- mannischen Siedlungslandes und dieses do­ minierend gebaut? Joachim Sturm F u ß n o ten : 1 Die umfassende wissenschaftliche Zusam m enfas­ sung bei: Heiko Steuer u. M ichael H öper: G erm ani­ sche H öhensiedlungen am Schwarzwaldrand u n d das Ende der röm ischen Grenzverteidigung am Rhein, In: Zeitschrift für die Geschichte des O berrheins (ZG O ) 150.2002, S. 41-72 2 G erhard Fingerlin: Im Blickfeld von Kaiseraugst: Der H ertenberg, eine neu entdeckte H öhensiedlung der Völkerwanderungszeit im westlichen H ochrhein­ tal, In: Archäologische N achrichten aus Baden 66.2002, S. 13-21 3 ders., Bräunlingen, ein frühmerowingerzeitlicher Adelssitz an der Römerstraße durch den südlichen Schwarzwald, In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-W ürttem berg 1997, Stuttgart, 1998, S. 146- 148, Taff. 13 u.14 4 Johannes H um pert: Eine römische Straße durch den südlichen Schwarzwald, In: Archäologische Nach­ richten aus Baden 45.1991, S. 19-32 5 G ünter H ofm ann: W ie die Röm er nach Hüfingen kam en, In: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar (SVG) 46.2003, S. 125-153 6 v on D ieter K naupp, In: SVG 35.1984, S. 167-190 7 Ferdinand Stein: Die W arenburg bei Villingen. Die Franken am O strand des m ittleren Schwarzwaldes, In: SVG 46.2003, S. 163-177 117

7. Kapitel/Almanach 2004 S c h n e e v o n G e s t e r n Um 1890 gelangten die ersten Schneeschuhe und Skier aus Norwe­ gen in den Schwarzwald. In Schön­ wald wie auch in anderen Schwarz­ wald-Regionen erkannte man die vielseitigen Möglichkeiten der neuen Sportgeräte. Der Ski wurde zum un­ ersetzlichen Ausrüstungsstück des Schwarzwälders. Briefträger, Arbeiter und Schüler nützten ihn als neues Verkehrsmittel im Winter. Großen Spaß hatten die Schönwälder vor al­ lem an verschiedenen Wintersport­ disziplinen. Nach norwegischem Vor­ bild richteten sie in den Wintermo­ naten Wettkämpfe im Hindernis- und Sprunglauf aus und erzielten für da­ malige Verhältnisse beachdiche Wei­ ten von bis zu 25 Metern. Ein einsamer Skiwanderer im Prisental/ Schön­ wald, um 1915. Im Hintergrund ist der 1810 im Stil der Gutacbtäler Häuser erbaute Gabrielenhof – mit inzwischen abgebrochener Mühle im Vorder­ grund- zu erkennen. 1 1 8

Norweger bringen das Skilaufen nach Schönwald Geschichte

Geschichte Schönwald im Winter, „Ski und Rodel gut“, Schönwald entwickelt sich zur Station fü r Wintersport. Die einstmals bei den „Alpinen“ so be­ liebten Eschenskier oder die von Langläu­ fern bevorzugten Birkenholzskier – allesamt handgefertigt – sind längst zu Antiquitäten herangereift und allenfalls noch in Skimu­ seen zu finden. An die Stelle dieser „Holz­ geräte“ sind wissenschaftlich konzipierte und mit Computerprogrammen berechnete Skier getreten, die aus speziellen Kunststof­ fen und Metall bestehen. Obwohl Experten schon Vorjahren glaub­ ten, die technische Perfektion des alpinen Skisports – mit zur Eisfläche präparierten Slalomhängen – sei erreicht, gibt es immer wieder ebenso findige wie geschäftstüchtige Zeitgenossen und Investoren, die die Masse der hier Interessierten mit neuen Ideen zu begeistern verstehen. Im Trend liegen seit neuestem sogenannte „Alpincenter“ in in­ dustriellen Ballungsgebieten weit ab von den klassischen Wintersportplätzen – z. B. im Ruhrgebiet und im Rheinland. Auf Ab­ raumhalden ehemaliger Steinkohlezechen oder auf Mülldeponien wurden „Skihallen“ 1 2 0 mit bis zu 640 m langen künstlichen soge­ nannten „Indoor-Pisten“ errichtet. Diese bis 100 Mio. teuren High-Tech-Einrichtungen mit rund 1200 Kubikmetern Kunstschnee machen den Skisport unabhängig von der Jahreszeit und Witterung. Mit dem ur­ sprünglichen, naturnahen Skilauf in zau­ berhaft verschneiter Berglandschaft und ge­ sunder, frischer Winterluff hat das sicher kaum noch etwas gemein. In Anbetracht dieser Entwicklung – die sicher nicht aufzu­ halten ist – reizt es, einen Blick zurückzutun in die Zeit, als man z. B. in Schönwald die ersten Schritte auf den hölzernen Schnee­ brettern tat. Die Anfänge des Skilaufs in Schönwald ge­ hen zurück in die Zeit Ende der 80er Jahre Rechte Seite: Plakat des „Ferienlandes i. bad. Schwarz­ wald“ (Triberg und Schönwald) zur Wintersport­ werbung. Nachdruck des Originals aus der Zeit der Jahrhundertwende.

Geschichte Ansichtskarte aus den 1920erJahren. Skilaufen a uf dem inzwischen völlig bebauten Sommerberg. Im Hin­ tergrund rechts das Kurhaus Victoria. des vorletzten Jahrhunderts: Drei um diese Zeit während des Winters durchreisende Norweger – wohl die geborenen Skiläufer – quartierten sich für wenige Tage im alten Schönwälder „Gasthaus Hirsch“ ein und er­ kundeten auf ihren mitgebrachten Schnee­ brettern die Umgebung. Als die ersten Skiläufer in der Schönwälder Gegend wur­ den sie von jung und alt gebührend bewun­ dert. Nach ausgedehnten Skitouren zur Martinskapelle, zum Brend, ins Prisental, zum Stöcklewaldkopf, zum Galgen und zur Geutsche äußerten sie sich sehr positiv über die weite und wechselvolle Schneeland­ schaft, die sich – so meinten sie – wie nur wenige im Schwarzwald vorzüglich für den Skisport eigne. Sie prophezeiten Schönwald eine glanzvolle Skizukunft. Wie recht sie be­ hielten; schon um 1900 entwickelte sich Schönwald zu einem der bedeutendsten Wintersportplätze innerhalb des gesamten Schwarzwaldes. Auch viele Einheimische versuchten es den Norwegern gleichzutun und tummelten sich auf ihren „Brettle“. Gründung des Skiclubs Diese winterlichen Aktivitäten führten schon 1907 zur Gründung des Skiclubs Schönwald, der sich dem seit 1895 beste­ henden Skiclub Schwarzwald – übrigens dem ältesten Landesverband Deutschlands – als Ortsgruppe anschloß. Die Gründer des Clubs verfolgten primär die Ziele, jung und alt im Skilaufen auszubilden, Skitouren zu organisieren, Wettkämpfe auszurichten und nicht zuletzt den Bauern auf ihren einsam gelegenen und im Winter eingeschneiten Höfen das Skilaufen nahezubringen. Da­ durch wurden sie im Winter verkehrstech­ nisch flexibler. Letzteres gelang allerdings nur sehr zögernd. Offenbar hatte sich in den einsamen Gebirgsregionen über Generatio­ nen hinweg eine Lebenskultur entwickelt, die den Bewohnern im Winter das Bauern­ haus mit seinen Nebengebäuden als Le­ bensraum zuordnete. Den Bauern war kaum daran gelegen, im Winter ihre geräumige Be­ hausung zu verlassen. 1 2 2

In dem im Jahr 1927 von der Kurverwal­ tung Schönwald herausgegebenen und von Karl Jos. Dold verfaßten „Führer von Schön­ wald“ werden u. a. sieben Skitouren mit un­ terschiedlichen Schwierigkeitsgraden detail­ liert beschrieben. Sie sind im wesentlichen deckungsgleich mit den empfohlenen Som- merausflügen und führen u. a. zur Martins­ kapelle, weiter zum Brend und zum Golde­ nen Raben oder zum Stöcklewald (Fuchs­ falle/Galgen) und von dort zur Escheck oder ins Prisental und zur Geutsche, aber auch über Weißenbach, Schwarzenbach bis nach Schonach. Alle Touren sind in einer dem „Führer“ angefügten geographischen Karte (Maßstab 1:20000) genauestens eingezeich­ net. Flinsichtlich der weiteren Entwicklung Schönwalds zum „Wintersportplatz ersten Ranges“ sei Dold (1927) zitiert: „So sind dann nach und nach Kurgäste, Sportleute und Winterfreunde gekommen und gefallen hats Allen. Jedes Jahr vermehrte sich deren S C H Ö N W R L D I. bad. Scnwarzw ald , 1 0 0 0 – 1 1 5 0 m ü. M. Idealste r W inters portp la tz für Ski u. Rodel Prospekte durcn die K u r v e r w a ltu n g Schönwälder Ansichtskarte mit Skiläufer. Skisport in Schönwald Zahl, so daß bei günstigen Schneeverhält­ nissen alle Hotels und Pensionen stets voll besetzt sind. Schönwald verdient also mit vollem Recht, daß man auf seine Vorzüge als Wintersportplatz und Winterkurort in nach­ drücklicher Art hinweist, denn es eignet sich, wie bereits gesagt, wie wenige Plätze des ganzen Schwarzwaldskigebietes, vorzüglich für den Skisport, außerdem hat Schönwald eine intensive Sonnenbestrahlung und schon vom Dezember ab, infolge seiner Höhenla­ ge, eine reichlich geschlossene Schneedecke. (…) Soweit das Auge reicht, dehnt sich eine Schneefläche aus. Schöne, lange und ge­ fahrlose Abfahrten reizen den, dem die Brettle seit mehr als einem Winter schon vertraute Freunde sind. Es ist sowohl für An­ fänger, als auch für Geübte ein geradezu ideales Gelände. Für alle Phasen des Skilau­ fens ist das richtige Terrain vorhanden. Auf schönen Wegen, meist durch märchenhaf­ ten Winterwald führend, sind von hier aus die herrlichsten Aussichtspunkte zu errei­ chen.“ Auch in mehreren „Reiseführern“ aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts wird auf Schönwalds „ideales Skigelände für je­ den Schwierigkeitsgrad“ hingewiesen. Lei­ der sind die Winter heute auch nicht mehr das, was sie einstmals waren. So beispiels­ weise kann die von Dold so gepriesene „reichlich geschlossene Schneedecke schon vom Dezember ab“ leider seit Jahrzehnten nicht mehr garantiert werden. Erste sportliche Aktivitäten Bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhun­ derts kannte man in Schönwald im wesent­ lichen zwei Wettkampfdisziplinen, den Hin­ dernislauf und den Sprunglauf. Für die Hindernisläufe wurden nach norwegischem Vorbild Wettkampfstrecken angelegt, bei de­ nen Bäume, Gräben und Zäune die H in­ dernisse bildeten. Auch diesbezüglich be­ richtet Dold 1927 voller lokalpatriotischem Stolz: „Im Laufe derjahre haben sich schon einige strebsame Mitglieder der Ortsgruppe 1 2 3

Geschichte „ Großer Sprungbügel“ in Triberg ähnlich sah die „ Sprungschanze “ in Schönwald in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus. Die maximal mögliche Sprungweite lag bei 25 Metern. zu tüchtigen, leistungsfähigen Skiläufern her­ angebildet, die sich sehen lassen können. Mit bestem Erfolg haben sich diese bereits an mehreren größeren auswärtigen Skiwett­ läufen beteiligt. Bei dem im letzten Winter auf der Hundseck durch den nördlichen Schwarzwaldgau veranstalteten großen Ski­ wettlauf mit 30 km hat sich der „Gau Hoher Schwarzwald“ mit fünf Mitgliedern der Ortsgruppe Schönwald sogar den ersten Preis geholt. Ski Heil den Siegern!“ Auch das Skispringen hat in Schönwald ei­ ne lange Tradition. Bereits im Jahre 1910 zeigte ein Schönwälder Werbeplakat einen Skispringer. Darüber hinaus belegen Doku­ mente des Skiclubs Schönwald, daß am 17. Februar 1924 ein Sprunghügel an der Halde, unmittelbar neben dem damals noch jun­ gen Adlerwald, eingeweiht wurde. Offenbar waren die aktiven Skispringer mit diesem Sprunghügel nicht langfristig zufriedenzu­ stellen, denn schon 1925 beschloß man, im Adlerwald einen neuen Sprunghügel zu er­ richten. Und so entstand die erste „Adler­ schanze“; sie wurde am 23./24. Januar 1926 anläßlich der Gauwettläufe eingeweiht. Keinesfalls aber war dieser „Hügel“ ver­ gleichbar mit den heutigen Sprung- oder gar Flugschanzen. Das Anlaufgerüst der ersten „Adlerschanze“ war gerade mal fünf Meter hoch und die größtmöglichen Sprungwei­ ten lagen bei 25 Metern. Das Bild vom „großen Sprunghügel“ im Schönwald un­ mittelbar benachbarten Triberg vermittelt einen Eindruck vom Skispringen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Selbst auf der 1934 erstmalig modernisierten „Adlerschan­ ze“ mit einem Anlaufgerüst von nun 12 Me­ tern stellte Willi Beckert aus Neustadt an­ läßlich des Eröffnungsspringens am 10. März 1935 mit einer Weite von „nur“ 44 Metern den Schanzenrekord auf. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde die „Adler­ schanze“ mehrfach umgebaut und der Ent­ wicklung im Skispringen angepaßt. Gemessen an den deutlich mehr als 200 Me­ ter weiten „Flügen“ der heutigen Skiflug-Welt- elite – viele „Überflieger“ sind im Schwarz­ wald beheimat, unter ihnen der Schönwäl­ der Christof Duffner (siehe auch Almanach 2000) – sind die damaligen Leistungen si­ cher kaum nennenswert. Bedenkt man je­ doch, daß der bekannte Freiburger Skipio- nier und Mitbegründer der „Section Frei­ 1 2 4

bürg des Skiclubs Feldberg“ Dr. Wilhelm Paulke im Jahre 1896 mit einer Weite von 6,5 Metern das Skispringen bei den ersten Schwarzwälder-Skiwettkämpfen am Feld­ berg gewann, erscheinen die damaligen Schönwälder Ergebnisse schon in einem ganz anderen Licht. Wie beliebt der Skisport schon im ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts in Schönwald war, läßt sich u.a. an der Ent­ wicklung der Mitgliederzahlen des Skiclubs ablesen. Im Gründungsjahr 1907 vereinigte der Club zunächst 39, im Jahre 1927 aber schon 130 Mitglieder. Inzwischen ist die Zahl der Mitglieder auf rund 600 ange­ wachsen. Unter ihnen gab und gibt es Lei­ stungssportler, deren Namen weit über die Grenzen Schönwalds hinaus bekannt sind. Auch die Damenwelt hatte Spaß an der seinerzeit neuen Sportart. Das führte letzt­ endlich schon im jahre 1909 zur Gründung einer Damenabteilung innerhalb des Schön­ wälder Skiclubs. Obwohl lange Röcke beim Skilaufen hinderlich sind, wagte es seinerzeit kein weibliches Wesen auf Skiern nur in Ho­ sen – ohne langen Rock – zu erscheinen. Gott sei Dank hat sich hier schon seit langem die Vernunft und Zweckmäßigkeit durchgesetzt. Wintersport heute Soweit zu dem beschaulichen Skilaufen und winterlichen Wettkämpfen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in Schönwalds be­ zaubernder Schneelandschaft. Inzwischen haben sich nicht nur die Lebensumstände der Menschen in weiten Bereichen geändert, sondern auch die winterlichen Sportakti­ vitäten. Angesichts der heute erzielten Wett­ kampfzeiten und Flugweiten beim Skiflie­ gen erscheint die in den Medien oft zitierte Weisheit „Nicht der Sieg zählt – Dabeisein ist alles“ wohl doch nur ein Trost für dieje­ nigen zu sein, die nicht aufs Treppchen dür­ fen. Heute gilt mehr denn je und nahezu um jeden Preis; noch schneller, noch weiter und damit noch risikoreicher – nur das vermittelt den ultimativen Kick. Die Suche nach Ner- Skisport in Schönwald Fremdenverkehrswerbung in Sachen Wintersport der Gemeinde Schönwald aus den 1930er Jahren. venkitzel, der den berühmten Adrenalinstoß auslösen soll, wird immer extremer und da­ mit auch gefährlicher. Erinnert man sich an die relativ vielen Lawinenopfer der letzten Jahre, die oftmals jenseits der markierten Pi­ sten und gesperrten Zonen die Lawinen selbst lostraten, könnte man glauben, es gelte 1 2 5

Skisport in Schönwald heute auch bei nicht wenigen Wintersportlem die mehr als zweifelhafte, aber dennoch weit­ verbreitete Devise: „no risk – no fun“. Eine Entwicklung, die nachdenklich macht! Neue Entwicklungen Wer heute auf der Skipiste „in“ sein will, darf vor allem eins nicht: Ski laufen. Moderne Wintersportler fachsimpeln et­ wa so: Schon mal auf einem „Skwal“ gestanden, auf einem „Dirty Monster Bike“ zu Tal ge­ brettert, im „Cart“ über die Buckelpiste ge­ düst oder im „Zorb“ den Hang hinunterge­ kullert? Wie – nicht verstanden? Dann wird Ihnen der Wintersport aber kaum „Fun“ bringen, jenem neuen Wertmaßstab, der mit dem Wort Spaß wirklich nur unzureichend ins Deutsche übersetzt ist – so jedenfalls meinen es die Sportartikelhersteller. Die heutige Spaß-, Freizeit- und Erlebnisgesell­ schaft verlangt nach „Action“ und „Events“ mit Nervenkitzel, eben nach „Fun“. Ein En­ de dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Hinter den zuvor angeführten „neudeut­ schen“ Begriffen verbergen sich folgende Trendsportgeräte: Der „Skwal“ ist ein schmales Snowboard bzw. ein breiter Mo­ noski, auf dem der Fahrer mit nebeneinan­ der fixierten Füßen in Fahrtrichtung steht. Hinter „Dirty Monster Bike“ verbirgt sich ein Fahrrad ohne Tretantrieb mit sehr brei­ ten Gummirädern für den Abfahrtsspaß. Der „Cart“ ist ein Schalensitzrodel mit lenk­ baren Skikufen, während der „Zorb“ aus ei­ ner doppelwandigen transparenten, mit Luft gefüllten und somit gepolsterten Pla­ stikkugel besteht, in der man einen geneig­ ten Abhang hinunter rollt. Keine Skibrille kann so große Scheuklappen haben, daß der Trend zu immer ausgefalleneren Pistenab­ fahrtgeräten nicht auch dem konservativsten Ski-Traditionalisten auffiele. Die Faszinati­ on, auf Skiern den Zauber der weißen Berge 1 2 6 Schönwalds Hauptstraße im Winter. und tiefverschneiter Wälder zu erleben und dabei zu entspannen, ist bei vielen heutigen „Wintersportlern“ im übertragenden Sinne des Wortes der „Schnee von gestern“. Heinz Nienhaus Literatur: Baedeker, Karl, Schwarzwald – O denw ald – Boden­ see, H andbuch für Reisende, Leipzig 1921 Schnars, Dr. C. W., N euester Schwarzwald-Führer, bearbeitet von Dr. O skar Haffner, 24. Auflage, O tto Weber Verlag, H eilbronn a.N. 1926 Dold, Karl Jos., Führer von Schönwald – Klimati­ scher H öhenluftkurort, W intersportplatz ersten Ran­ ges, Herausgegeben von der Kurverwaltung Schön­ wald unter Mitwirkung von Alfred D old, Druck- und Verlagsgeschäft „Echo vom W ald“, Triberg (Schwarz­ wald) Ju n i 1927 Griebens Reiseführer, Band 36, D er Schwarzwald, 23. Auflage, Grieben Verlag, A lbert G oldschm idt, Berlin 1927 Englert, Dieter, Festschrift zum 75jährigen Vereins­ jubiläum des Skiclubs Schönwald/Schw arzw ald 1907-1982, H erausgeber: SC Schönw ald e.V., Druckerei Leitz, Furtwangen 1982 Dorer, Richard u n d O pp, Karl, Schönwald in Ver­ gangenheit u n d Gegenwart, H orb a.N., 1. Auflage 1986, ISBN 3-89264-049-1 100 Jahre Freiburger Ski-Geschichte, Herausgeber: Ski-Club Freiburg e.V., Red.: Klaus Spathelf, Kehrer Verlag KG, Freiburg i.B. 1995, ISB N 3-929140-11-X Junge, Werner, 25 Jahre Schwarzwälder Springer­ tournee, o. J. (1996?)

Aloys Hirt-Archäologe, Historiker, Kunstkenner Ein Bauernsohn aus Behla ist G ründer des A lten M useum s in Berlin Geschichte Im April 2000 veranstaltete die Berlin-Bran- denburgische Akademie der Wissenschaften in Berlin eine Tagung m it dem Titel „Studium An- tiquitatis Omnigenae. Aloys Hirt: Archäologe, Historiker, Kunstkenner“. 12 Geisteswissen­ schaftler/-innen aus den Fachbereichen Kunstge­ schichte, Archäologie und Germanistik stellten ih­ re aktuellen Forschungsergebnisse zu Werk und Wirkung Aloys Hirts vor. In Berlinfand die wis­ senschaftliche Tagung nicht nur in der Fachwelt großes Interesse. So betitelte der Tagesspiegel seinen ausführlichen Bericht m it den Schlagzeilen: „Dauerstreit um die Museumsinsel – Schon vor 200Jahren entbrannten heftige Auseinanderset­ zungen um den Neubau am Lustgarten – Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissen­ schaften grub den vergessenen Gründer des Alten Museums wieder aus “. Wer war Aloys Hirt? Aloys Hirt, geboren 1759 als Bauernsohn im Baardorf Behla, studierte in Freiburg, Nancy und Wien Philosophie und Jura. 1782 reiste der junge Hirt nach Italien, um dort die antiken Kunstwerke kennen zu ler­ nen. Seinen Aufenthalt in Rom finanzierte er mit Fremdenführungen meist adliger Kunstreisender und galt bald als bester Ken­ ner der antiken Kunstschätze Roms. 14 Jah­ re blieb der antikenbegeisterte Gelehrte von der Baar in der ewigen Stadt und lernte dort viele berühmte und einflussreiche Rombe­ sucher kennen, z.B. Goethe und Herder, aber auch die Maitresse des preußischen Kö­ nigs Friedrich Wilhelm II., die Gräfin von Lichtenau. Sie war es dann auch, die Hirt, der übrigens als gutaussehender, großgewachsener Mann beschrieben wird, 1796 nach Berlin einlud. Während einer Audienz bei Friedrich Wil­ helm II. stellte Aloys Hirt seine Idee vor, die Porträt Aloys Hirt von Friedrich Georg Weitsch, 1785. königlichen Sammlungen in einem Muse­ um zu vereinen und der Öffentlichkeit zu­ gänglich zu machen. Hirt wurde sofort zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt, darauf folgte die Ernennung zum Professor an der Akademie der Künste und an der 1798 gegründeten Bauakademie. 1810 erhielt Aloys Hirt den Lehrstuhl für Archäologie an der neu gegründeten Berli­ ner Universität. Außerdem bekleidete er das Amt eines Hofrats und Kurators des Kö­ nigshauses. Hirt war in dieser Zeit in Berlin ein bedeutender und einflussreicher Mann und galt als der Kunstexperte. Das änderte sich aber in den Jahren nach 1810. Die Klassizismusbegeisterung war vor­ bei und in mittelalterlicher Kunst, die nun „modern“ wurde, kannte Hirt sich nicht aus. 1 2 7

Geschichte Gleichzeitig begann sich an der Universität ein neuer Begriff von Wissenschaftlichkeit durchzusetzen, dem Aloys Hirt nicht genü­ gen konnte. Sein Ansehen nahm immer mehr ab, wozu nicht zuletzt der Streit mit seinem berühmten Schüler Schinkel bei­ trug. Nach seinem Tod 1837 „vergaß“ die Wis­ senschaftsgeschichte den Pionier der Alter­ tumskunde. Die Berliner Tagung mit dem Titel „Studium Antiquitatis Omnigenae“ – nach der von Hirt erdachten Inschrift über dem Eingang des Alten Museums Berlin – stellte Aloys Hirts Leistungen als Archäolo­ ge und Historiker erstmals wieder ins rechte Licht. Hirts Heimat Aloys Hirt kam am 27. Juni 1759 als fünf­ tes von elf Kindern der Eheleute Hirt in Behla zur Welt. Der Geburtseintrag im Kir­ chenbuch der Pfarrei Hausen vor Wald1 nennt nur einen Vornamen Aloysius. Von seinen vielen Geschwistern, die zwischen 1753 und 1772 geboren wurden, kamen nur zwei über das Säuglingsalter hinaus. Der Vater Franz Xaver Hirt, ein vermögender Bauer, stammte aus dem D orf Pfoh- ren bei Donaueschingen und heiratete 1751 die Witwe Elisa­ beth Häfler aus Behla. Das Ehepaar Hirt bewirt­ schaftete 162Jauchert Feld und gehörte damit zu den „Groß­ grundbesitzern“ im kleinen Baardorf Behla. Von Aloys Hirts Mutter wird im D orf heu­ te noch erzählt, sie habe einen silbernen Rosenkranz beses­ sen, mit dem sie beim Kirch­ gang immer laut klimperte. Frau Hirt legte offensichtlich Wert darauf, gebührend beach­ tet zu werden, schließlich war sie nicht irgendwer: Ihr Mann war nämlich nicht nur Hofbe­ sitzer, sondern von 1785 bis 1794 auch Vogt von Behla. Das Haus der Familie Hirt steht noch heute, zwar mehrmals umgebaut, aber nach wie vor als Bauernhof genutzt. Die Fa­ milie von Aloys Hirt ist in Behla aber bereits Ende des 19. lahrhunderts ausgestorben. Von seinem Bruder Jakob Hirt gibt es noch Nachkommen, die im Schwarzwald und am Boden­ see ansässig sind. Leider wissen Ortsetter (=süddt. bebautes Ortsgebiet) Behla 1795, Grundstück D (Geburtshaus) gehörte 1795 Jakob Hirt, dem Bruder von Aloys Hirt. 1 2 8

die heutigen Nachkommen nur wenig über ihren berühmten Vorfahren. Es gibt keinen Nachlass, keine schriftlichen Quellen, keine mündlichen Überlieferungen in der Familie. Das Dorf Behla Die Gemeinde Behla gehört seit der Einge­ meindung 1972 zu Hüfmgen, einer Klein­ stadt im Schwarzwald-Baar-Kreis, am Flüss­ chen Breg gelegen. Behla liegt in 730 Meter Höhe an der ehemaligen Römerstraße, die von Windisch/Vindonissa in der Schweiz nach Hüfingen/Brigobannis führte. 1975 stieß man bei Bauarbeiten an der B27 auf Reste dieser Römerstraße. Der ungewöhnliche Ortsname, in der ältes­ ten schriftlichen Überliefemng von 890 Pela- ha geschrieben, bedeutet vermutlich „Wei­ denbach“ (aha = Wasser, Bach, pel/belle/ beide = Salweide). Die Schreibweise blieb bis ins 19. Jahrhundert unterschiedlich. Im Dialekt seiner Bewohner wird der Ort noch heute „Belle“ ausgesprochen. Behla ist wahr­ scheinlich eine Tochtersiedlung des alaman- nischen Sippendorfes Hüfmgen oder eines anderen alten ,,-ingen“-Ortes in der Nähe. Im 13. Jahrhundert gehörte Behla den Her­ ren von Blumberg, einem mächtigen Ge­ schlecht, das vor allem in der Baar begütert war. Im 15. Jahrhundert wechselte das Dorf in den Besitz der Freiherren von Schellen­ berg. Es gab aber nicht nur weltliche, son­ dern auch geistliche Herrschaften. Das Klos­ ter St. Gallen und die Konstanzer Kirche hatten Besitztümer in Behla. Nach dem Scheitern des Bauernkriegs der Jahre 1524/25 mussten sich die Leibeigenen der Schellenberger ihren Herren ergeben. Ihre Lage war nun noch schlimmer als zu­ vor. Im Jahr 1616 wurde Behla an die Grafen von Fürstenberg verkauft. In der Verkaufs­ urkunde werden 98 Leibeigene, Erwachsene und Kinder, genannt; Behla war mit dieser Einwohnerzahl eine der kleinsten Gemein­ den im Umkreis. Aus diesem Grund gibt es auch kaum historische Quellen über den Ort. Von Hüfmgen wissen wir, dass das Aloys H irt Städtchen nach dem Dreißigjährigen Krieg zerstört und beinahe entvölkert war. In Behla wird es nicht besser ausgesehen ha­ ben. Die spanischen Erbfolgekriege zu Be­ ginn des 18. Jahrhunderts brachten Trup- pendurchzüge, Einquartierungen und Kon­ tributionen mit sich. Die bäuerliche Bevöl­ kerung war nach diesen von Kriegen, Krank­ heiten und Hungersnöten geprägten Jahr­ hunderten völlig verarmt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann die Fürstlich-Fürstenbergische Re­ gierung, sich um die wirtschaftliche Situati­ on der Bauern zu kümmern. Das geschah natürlich nicht aus Selbstlosigkeit und Men­ schenliebe, sondern vor dem Hintergmnd neuer Wirtschaftstheorien über Ertrags- und Zinssteigerung. Grundbesitzer galten nun als die wichtigste Klasse der Bevölkerung und die auf den Grund und Boden ver­ wandte Arbeit als einzige Quelle des Wohl­ standes. Die wirtschaftliche Lage der Bauern verbesserte sich, und auch der relative Reich­ tum der Familie Hirt lässt sich vor diesem Hintergmnd erklären. Im Jahr 1781 hatte Behla nach einer Zählung der fürstenbergi- schen Hofkammer 189 Einwohner in 32 Fa­ milien. Es gab sieben ganze Bauern, d.h. solche, die über ein festgesetztes Mindest­ maß an Grundbesitz und Viehbestand ver­ fügten, zwei halbe Bauern und 22 Taglöhner und Handwerker. Neben dem Ackerbau wa­ ren Vieh- und Pferdezucht die Haupter­ werbsquellen der Baaremer Bauern. In Hirts Kindheit fällt übrigens auch der Beginn des Kartoffel-Anbaus auf der Baar. Die Bauern ernährten sich gewöhnlich von Mehlspeisen, Brot, Sauerkraut, gestockter Milch, weißen Rüben und Saubohnen, spä­ ter kam die Kartoffel mit auf den täglichen Speiseplan. Die Baar und das Fürstentum Fürstenberg Der Begriff Baar stammt aus der Alaman­ nenzeit. Einer der alamannischen Gaue war die „Paratoldesbaara“, also die Bertholds- baar. Es gab im Altsiedelland zwischen 1 2 9

Geschichte Schwarzwald und Schwäbischer Alb noch mehrere Baaren, die alle den Namen des Gra­ fen trugen, der sie verwaltete. Zum ersten Mal erwähnt wurde der Name in Urkunden des Klosters St. Gallen aus dem 8. Jahrhundert. Heute gibt es nur noch eine Baar, die ihren ur­ sprünglichen Namen behalten hat, nämlich das Quellgebiet von Donau und Neckar. Vom 13. Jahrhundert bis zur Mediatisie­ rung im Jahr 1806 blieb die Landgrafschaft und das spätere Fürstentum in Händen des Hauses Fürstenberg. Der Begründer des furs- tenbergischen Staatswesens, Fürst Joseph Wilhelm Ernst (1704-1762), seit 1716 in den Reichsfürstenstand erhoben, verlegte die fürstenbergische Residenz 1723 nach Donau- eschingen und schuf dort die erste zentrale Regierung des Fürstentums Fürstenberg, das zu dieser Zeit ungefähr 90000 Einwohner zählte. Die Oberamtsstadt Hüfingen und die Re­ sidenzstadt Donaueschingen hatten im 18. Jahrhundert ihren wirtschaftlichen, politi­ schen und gesellschaftlichen Höhepunkt. Fürstliche Beamte und ihre Familien ließen 1 3 0 K a rl Egon II., Fürst zu Fürstenberg (1 7 9 6 – 1854). sich hier nieder und es entwickelte sich, vom Fürstenhaus gefördert, ein reges Geistes­ und Kunstleben. Verwaltungsbauten, Beam­ tenwohnungen, Handels- und Gasthäuser prägten das Stadtbild. Unter Joseph Wilhelm Ernst setzte in Donaueschingen eine rege Bautätigkeit ein: In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden eine ganze Reihe spätbarocker Bauten, die noch heute ein zusammen­ gehörendes Bauensemble darstellen. Der Marktflecken Donaueschingen wurde plan­ mäßig zur fürstlichen Residenz umgestaltet. In den Jahren 1724 bis 1747 wurde die Schloss- und Stadtkirche St. Johann erbaut, die einzige Kirche im Stil des böhmischen Barocks in Südwestdeutschland. Ins Jahr 1721 fällt die Grundsteinlegung für das ur­ sprünglich barocke, Ende des 19. Jahrhun­ derts aber umgebaute Schloss. In der Regiemngszeit dieses bedeutenden Fürstenbergers ist auch der Bau des Fürstlich- Fürstenbergischen Archivgebäudes von 1756 bis 1763 entstanden. Der Zweckbau hat sechs Stockwerke, aus Sicherheitsgründen wurden nur Stein und Eisen als Baumaterial verwendet. Im Obergeschoss befindet sich der sogenannte Max-Egon-Saal mit seiner prächtigen barocken Einrichtung, die 1768 aus dem Meßkircher Schloss der Fürsten­ berger zusammen mit den dortigen Biblio­ theksbeständen nach Donaueschingen ge­ bracht wurde. Wie auch die Hofbibliothek liegt das Archiv direkt neben der fürstlichen Brauerei, die 1705 dort ihren neuen Stand­ ort fand. Die Fürstlich-Fürstenbergische Hofbiblio­ thek, 1732 entstanden, war ursprünglich als Regierungs- und Verwaltungsgebäude ange­ legt, wird aber seit 1860 als Bibliothek ge­ nutzt. Mit dem Bau des eindrucksvollen ehema­ ligen Beamtenwohnhauses, heute Verwal­ tungssitz der Fürstenbergbrauerei, wurde im Jahr 1746 begonnen.

Das kulturelle Leben im Fürstentum Fürstenberg des 18. Jahrhunderts Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Donaueschingen zum Mittelpunkt des Fürs­ tentums Fürstenberg. Durch die Umwand­ lung des unbedeutenden Marktfleckens in eine Residenzstadt der ausgehenden Feu­ dalzeit veränderte sich natürlich auch das kulturelle Leben ganz grundlegend. Genau­ er gesagt gab es bisher überhaupt keins und nun musste eins geschaffen werden. Die Fürs­ tenjoseph Wilhelm Emst (Vater) und Joseph Wenzel (Sohn, kam 1762 an die Regiemng) waren Musikliebhaber. Also wurde eine fürst­ liche Hofkapelle gegründet. Noch heute ist man in der Musikstadt Donaueschingen stolz darauf, dass Leopold Mozart und seine Wun­ derkinder Wolfgang und „Nannerl“ 1766 am fürstlichen H of weilten. Daraus entwickelte sich eine lange Beziehung zwischen der Fa­ milie Mozart und dem Fürstenhaus und im­ mer wieder schickten die Herren Mozart Kompositionen nach Donaueschingen. Die­ se Manuskripte werden noch heute in der Hofbibliothek aufbewahrt. Die Fürstlich- Aloys H irt Fürstenbergische Hofbibliothek galt bis vor kurzem als größte der Öffentlichkeit zu­ gängliche Privatbibliothek Deutschlands. Die Anfänge der 130000 Bände umfassen­ de Sammlung reichen bis ins 15. Jahrhun­ dert zurück. Fürst Joseph Wenzel ließ nach dem Tod seines Vaters Joseph Wilhelm Ernst im Jahr 1762 alle fürstenbergischen Schloss­ bibliotheken nach Donaueschingen in den neuen Archivbau überführen. Exkurs Im 19. Jahrhundert vergrößerte sich die Sammlung durch zahlreiche Ankäufe von Sammlungen und Nachlässen. Besonders die Übernahme der Bibliothek des ehemals fürstenbergischen Oberlandforstmeisters Frei­ herr von Laßberg – außerhalb der fürsten­ bergischen Lande eher als Germanist und Kunstsammler bekannt, unter Hirt-Ken­ nern auch als Freund Hirts – steigerten Um­ fang und Wert der Fürstenbergbibliothek beträchtlich. Die Laßbergbibliothek umfass­ te 11000 Druckwerke und 300 Handschrif­ ten, darunter auch die Handschrift C des Ansicht von Donaueschingen, 19. Jahrhundert. 131

Geschichte Nibelungenliedes. Diese Handschrift, ge­ nannt Hohenems-Laßbergsche Handschrift, niedergeschrieben kurz nach 1200, hat Laß­ berg in Wien während des Wiener Kongress­ es als Krönung seiner Sammlung erworben, das Geld dazu lieh er sich übrigens von Elisabeth Fürstin zu Fürstenberg. Uber den Ausverkauf dieser einmaligen und über Jahr­ hunderte gewachsene Bibliothek durch das Haus Fürstenberg in den letzten Jahren hat die Presse ausführlich berichtet. Auch die Geschichte der Fürstenberg- Sammlungen, eine der bedeutendsten Pri­ vatsammlungen Deutschlands, reicht weit zurück. Das Museum am Donaueschinger Karlsplatz besteht aus fünf Abteilungen: Der Kunstsammlung mit dem Schwerpunkt „Mittelalterliche Tafelwerke“ (auch hier hat die Mittelalter-Begeisterung von Laßberg entscheidend mitgewirkt), der naturkundli­ chen, volkskundlichen, vor- und frühge­ schichtlichen Abteilung und der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Plastik und hat ihren Ur­ sprung in den Idealen der Aufklärung. Die Zusam­ mensetzung der Sammlung beruht auf der universellen Bildungsidee des 19. Jahr­ hunderts. Das Fürstenhaus übernahm die Selbstver­ pflichtung zur allgemei­ nen Bildung im Land bei­ zutragen. Auch in Berlin rief Aloys Hirt, Professor an der dortigen Akademie der Künste, im Jahr 1797 zur Gründung eines der Öffentlichkeit zugängli­ chen Kunstmuseums auf. Dass die königliche Kunst­ sammlung in verschiede­ nen Schlössern verstreut aufbewahrt wurden, miss­ fiel Hirt und er forderte die Zusammenfuhrung der Kunstgegenstände in ei­ nem eigenen Gebäude „um die Nationalbildung in Sachen des Geschmacks befördern zu können“. Bis Hirts Ideen in die Tat um­ gesetzt wurden, gingen al­ lerdings noch viele Jahre ins Land. Auch im ehema­ ligen Fürstentum Fürsten­ berg, inzwischen mediati- siert und zum Großher­ zogtum Baden gehörend, Blick in die Fürstenberg-Sammlung, zu der auch Gipsabgüsse antiker Plastiken gehören. 1 3 2

beschäftigte sich der junge Fürst Karl Egon II. mit den Themen Antike, Kunst und Bil­ dung. Um 1830 stellte er im Donaueschin- ger Schloss die Sammlungsgegenstände des Hauses Fürstenberg, aus mehreren Schlössern zusammengetragen, erstmals aus und machte die Privatsammlung der Öffentlichkeit zu­ gänglich. Die Anregung dazu kam wohl aus Stuttgart, wo die Gebrüder Boisseree im königlichen Schloss ihre bedeutende Samm­ lung zeigten. Nachdem in Donaueschingen unter Karl Egon II. eine gezielte Samm­ lungstätigkeit einsetzte, wurden die Ausstel­ lungsräume in der Residenz bald zu klein. Eine Zehntscheuer am Karlsplatz wurde zum Museum ausgebaut und seit 1868 sind die Fürstlichen Sammlungen dort unterge­ bracht. Heute liegt der besondere Reiz die­ ses Museums darin, dass es sich noch immer in seinem Urzustand befindet. Die Eintei­ lung in die verschiedenen Abteilungen, die Museumseinrichtung, die Klassifizierungen und Beschriftungen sind ein unverändertes Dokument der Bildungsidee des 19. Jahr­ hunderts. Eigentlich müsste dieses Museum in einem Museum aufbewahrt und – so hät­ te es Karl Egon II. ausgedrückt – für die Nachwelt erhalten werden. Doch zurück zum kulturellen Leben im Fürstentum Fürstenberg des 18. Jahrhun­ derts. Die junge Residenzstadt an der Donauquelle bekam auch noch ein eigenes Theaterhaus. Fürst Joseph Maria Benedikt, der Nachfolger des Musikliebhabers Joseph Wenzel, schwärmte nämlich fürs Theater und ließ die ehemalige fürstliche Winter­ reitschule zum Hoftheater umbauen. Die Mitglieder der fürstlichen Familie und auch die Hofbeamten und ihre Angehörigen wirkten bei den Aufführungen mit. Trotz­ dem war das Niveau des Hauses, zumindest was den Spielplan betrifft, hoch: So wurden beispielsweise die „Räuber“ bereits zwei Jah­ re nach der M annheimer Uraufführung 1782 in Donaueschingen gespielt. 1784 stan­ den Shakespeares Macbeth und Lessings Emilia Galotti auf dem Programm. Die Pro­ vinzbühne war Dank großzügiger Zuwen­ Aloys H irt dungen des Fürstenhauses auch für durch­ reisende Schauspielensembles sehr attraktiv. Das Schulwesen und Hirts Schulzeit Auch das Schulwesen wurde im Fürsten­ tum Fürstenberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts grundsätzlich erneuert. Bis zur Einführung der Normallehre im Jahr 1775 galt eine Schulordnung aus dem Jahr 1664. Sie bestand hauptsächlich aus Auffor­ derungen, möglichst oft in die Messe zu ge­ hen, viel zu beten und den Katechismus aus­ wendig zu lernen. Joseph Wilhelm Ernst, der vielgenannte Schöpfer des fürstenbergi- schen Staatswesens, stellte bereits Überle­ gungen zur Reformierung des Schulsystems im Fürstentum an. Sein Sohn Joseph Wen­ zel (1762-1783) gab 1775 einen Erlass zur Reform des fürstenbergischen Schulwesens heraus. Eine bessere Schulbildung sollte die Leistungsfähigkeit des Volkes erhöhen. Die Schule galt nun als Staatsaufgabe und wur­ de nicht mehr von der Kirche, sondern vom Staat organisiert. In den kleinen Dorfschu­ len änderte sich dadurch aber außer der Schulpflicht und den Unterrichtszeiten nicht viel. Das wichtigste Fach war nach wie vor der Religionsunterricht. In den Fächern Lesen, Schreiben und Rechnen wurden le­ diglich die Grundkenntnisse vermittelt. Von Hirt wird berichtet, er sei zusätzlich zum Dorfschulunterricht vom Pfarrer im be­ nachbarten Hausen vor Wald unterrichtet worden. Behla hatte nämlich keine eigene Pfarrei und gehörte zur Pfarrei Hausen vor Wald. Die Pfarrschulen waren meistens bes­ ser ausgestattet als die ärmlichen Dorfschu­ len. Noch 1785 stellte der fürstenbergische Schulvisitator in Behla fest, dass es dort kei­ ne eigene Schulstube gebe und der Schul­ meister in einem kleinen Raum unterrichte, in dem auch sein Weib und seine Kinder wohnten. Aloys Hirt soll ja ein kränkliches, aber intelligentes Kind gewesen sein. Also bestimmte ihn sein Vater fürs Studium, wo­ bei anzunehmen ist, dass er als Sohn einer frommen und wohlhabenden Bauemfamilie 1 3 3

Geschichte Porträt Freiherr von Laßberg von Sebastian Flam- berger, Droste-Museum Fürstenhäusle Meersburg, 1846. eigentlich Pfarrer werden sollte. Die ersten Lateinkenntnisse erhielt der kleine Hirt bei Pfarrer Häusle in Hausen vor Wald. 1778 eröffnete in Donaueschingen das ers­ te Gymnasium, das als Fürstenberggymnasi­ um noch heute besteht. Für Aloys Hirt kam diese Gründung allerdings zu spät. Zu seiner Schulzeit gab es im Fürstentum noch kein Gymnasium und die höheren Schüler muss­ ten in relativ weit entfernten Städten, z. B. in Villingen, zur Schule gehen. In der Literatur wird berichtet, dass Hirt in seinem neunten Lebensjahr zu den Benediktinern nach Vil­ lingen gegeben wurde. Die Stadt Villingen gehörte bis 1806 zu Vorderösterreich, zählte ca. 3000 Einwohner und leistete sich im 18. Jahrhundert bis zur Gründung des Donau- eschinger Gymnasiums zwei Gymnasien, das Benediktiner- und das Franziskaner­ gymnasium. Da beide Einrichtungen aber an Schülermangel litten, wurden sie auf Be­ schluss der österreichischen Regierung zu ei­ ner gemeinsamen Anstalt unter Leitung der 1 3 4 Benediktiner zusammengefasst. A uf dem Lehrplan standen die Fächer Grammatik, Rhetorik, Poesie und Dialektik, den Schwer­ punkt des Unterrichts bildete die lateinische Grammatik. Die Schülerlisten des Benedik­ tinergymnasiums2 im Stadtarchiv Villingen- Schwenningen reichen nur bis ins Jahr 1786 zurück, so dass keine Angaben zu Hirts Schul­ zeit in Villingen gemacht werden können. Wann und warum Aloys das Benediktiner­ gymnasium verlassen hat und nach Freiburg wechselte, wie in der Literatur angegeben wird, ist ebenfalls nicht bekannt. In Freiburg, der Hauptstadt Vorderösterreichs, deren Universität als Bollwerk des katholischen Glaubens galt, besuchte Hirt höchstwahr­ scheinlich das „gymnasium academicum“, das gegenüber der heutigen alten Univer­ sität lag. Die Fassade des 1944 total ausge­ brannten Gebäudes steht noch heute, aller­ dings verbirgt sich dahinter ein Neubau. Im Freiburger Stadtarchiv gibt es keine Schüler­ listen vor 18603, so dass auch hier keine An­ gaben zu Hirts Schulzeit gemacht werden können. Von Freiburg wechselte der unstete Schüler in die Jesuitenschule der württem- bergischen Reichsstadt Rottweil. Das Rott­ weiler Lyceum war bis 1938 die höhere Schule der Stadt. Auch im Stadtarchiv Rott­ weil sind leider keine Schülerlisten aus dem 18. Jahrhundert vorhanden. Warum der jun­ ge Aloys Hirt so oft die Schule gewechselt hat, bleibt rätselhaft. Hirt und Laßberg Freiherr Josef von Laßberg (1770-1855) ist wie Aloys Hirt eine herausragende Persön­ lichkeit des kulturellen Bereichs aus der Baar des 18./19. Jahrhunderts. Von Haus aus Forstmann hatte er es in fürstlichen Diens­ ten bis zum Landesoberforstmeister ge­ bracht. Vor allem aber war er der persönliche Berater der Fürstenwitwe Elisabeth, die 1809 die alleinige Vormundschaft über ihren min­ derjährigen Sohn Karl Egon II. übernom­ men hatte. Man kann Laßberg also prak­ tisch als Landesverwalter der fürstlichen Ter-

ritorien bezeichnen. Als Begleiter der Fürs­ tin beim Wiener Kongress erwarb Laßberg mit ihrer finanziellen Unterstützung die schon erwähnte Hohenemser Nibelungen­ handschrift. Sein eigentliches Interesse galt nämlich keinesfalls der Verwaltung, sondern dem Sammeln mittelalterlicher Handschrif­ ten und anderer Kunstgegenstände und Ra­ ritäten. Im Jahr 1817, als der junge Karl Egon II. für volljährig erklärt wurde, durfte Laß­ berg unter Weiterzahlung des vollen Gehaltes in Pension gehen. Er zog sich auf sein Schlossgut in Eppishausen im Thurgau, das er ebenfalls mit Hilfe seiner fürstlichen Gönnerin erworben hatte zurück, um sich ganz seiner wissenschaftlichen Arbeit als Ger­ manist und seiner Sammlung zu widmen. Frei von dienstlichen Verpflichtungen reis­ te Laßberg kurz nach seiner Pensionierung zusammen mit Hirt nach Freiburg und Ba­ sel, um dort Kunstankäufe zu tätigen. Die beiden Kunstkenner aus fürstenbergischen Landen standen schon länger in brieflichem Kontakt, bis sie sich 1817 in Donaueschin- gen auch persönlich kennenlernten. Aloys H irt Hirt und die Entdeckung des römischen Hüfingens Die Erforschung des römischen Hüfingens reicht weit zurück. Bereits im Jahr 1605 be­ richtete der damalige Ortsherr Hans von Schellenberg, genannt der Gelehrte, in meh­ reren Briefen über Münz- und andere Klein- fünde und die Entdeckung eines Ziegelmosa­ ikbodens auf Hüfinger Gemarkung. In einer handschriftlichen Beschreibung des Oberam­ tes Hüfingen aus dem Jahr 1768 werden auch römische Altertümer erwähnt. 1820 identifi­ zierte der Regensburger Professor Andreas Büchner den Ort „Brigobanne“ auf der Tabu­ la Peutingeriana mit den römischen Hinter­ lassenschaften in Hüfingen und weckte damit das Interesse des jungen Karl Egon von Fürs­ tenberg. Der kunstsinnige Fürst veranlasste sofort eine Grabung, die von einer wissen­ schaftlichen Kommission unter Leitung des fürsdichen Leibarztes Rehmann durchgeführt wurden. Freigelegt wurde eine komplette Badeanlage aus der Zeit um 70 n.Chr., über der Karl Egon noch im selben Jahr einen der Römerbad Hüfingen, Stich von W. Scheuchzer 1827. 1 3 5

Geschichte ältesten musealen Schutzbauten Deutsch­ lands in Form einer Baaremer Scheune er­ richten ließ. Sich selbst verewigte der Fürst mit einer Inschrift über der Eingangstür: „Die Denkmale der Römer, die du hier betrachtest, hat Karl Egon, Fürst zu Fürstenberg, ausge­ graben und für die Nachwelt bewahrt 1821“. Am 3. März 1821 schrieb Hirt einen Brief an den Präfekten Eiselin am Gymnasium in Donaueschingen, der zur Grabungskommis­ sion gehörte und den Berliner Archäologen offensichtlich über die Ausgrabungen in Hüfingen/Brigobannis informiert hatte: „Sie haben mir, mein sehr verehrter H. Prä- fect! Ein wahres Vergnügen durch ihre Mit­ theilung gemacht. Es ist schön eine Gegend zu bewohnen, wo ehedem Römer hausten und auf Spuren zu gerathen, die uns über­ zeugen, daß früher ein höher cultiviertes Volk unser jetziges Vaterland bewohnte. (…) Lassen Sie mich gelegentlich von ihren fer­ neren Forschungen was wissen. Sie werden hiemit sehr dankbar verbinden Ihren herz­ lich ergebenen Freund Hirt.“4 1824 wurden der Grabungsplan des Kas­ tellbades von Joseph Frick, einem Schüler des Freiburger Historikers Heinrich Schreiber, und ein lateinischer Aufsatz über die Gra­ bungsergebnisse in Hüfingen im Freiburger Gymnasiumsprogramm veröffentlicht. Auch die ersten Sondagen im Bereich des Kastells auf dem Galgenberg und im Gebiet des vicus im Mühlöschle spricht der 19-jährige Frick in dieser ersten Veröffentlichung an. Es ist anzu­ nehmen, dass Hirt diesen Aufsatz kannte und das Geschehen im römischen Hüfingen auch weiterhin mit Interesse verfolgte. Ob Hirt die Badmine aber jemals mit eigenen Augen ge­ sehen hat, ist nicht bekannt. Erst der Eisenbahnbau um 1900 gab den Anstoß für weitere systematische Grabun­ gen in Hüfmgen/Brigobannis, veranlasst von der Reichslimeskommission 1913. Die Grabungsergebnisse veröffentlichte Paul Re- vellio 1937 im Publikationswerk der Reichs­ limeskommission, dem „Obergermanisch- Raetischen Limes“. Hüfingen ist als einziges Donaukastell in dieses Werk aufgenommen worden. Hirt und die Heimat Aloys Hirt hat seine Heimat spätestens 1776, mit Beginn seines Studiums verlassen. Seine Schulzeit in Freiburg und Rottweil hatte ihn aber bereits in Kindertagen über die fürstenbergischen Grenzen hinausge­ führt. Erst 1793 stattete der Italienreisende seinem Geburtsort Behla wieder einen Besuch ab. Der nächste bekannte Aufenthalt auf der Joseph Fricks Grabungsplan des Römerbades, Freiburg 1824. 136

Baar datiert aus dem Jahr 1817, als Hirt die persönliche Bekanntschaft mit Laßberg schloss. Es gibt keine Hinweise auf weitere Heimatbesuche des Wahlrömers bzw. -Ber­ liners. Man kann also nicht behaupten, dass Hirt rege Kontakte mit seiner Heimat pfleg­ te. Ob es sich hierbei um eine grund­ sätzliche Entscheidung gehandelt hat, oder ob es mehr die Zufälle des Lebens waren, die dazu führten, ist schwer zu beurteilen. Den jungen Geisteswissenschaftler Hirt trieb die weitverbreitete Italiensehnsucht des 18. Jahrhunderts nach Rom. Dort machte er als gebildeter und charmanter Fremdenführer viele Bekanntschaften, die seinen weiteren Lebensweg beeinflussten. Später, als Profes­ sor und Hofrat in Berlin, waren es berufliche Zwänge, die ihn in den „Nordgegenden“ festhielten. In den Briefen an den Lands­ mann Laßberg betonte Hirt allerdings gerne seine Heimatverbundenheit und seine Ver­ bundenheit mit dem Hause Fürstenberg: „Hochverehrter Herr Landesoberforstmei­ ster! Weder Entfernung, noch Zeit hat die Liebe für die Gegend, wo ich geboren bin, und die Anhänglichkeit an das Fürstenhaus, unter dessen Regierung ich unter glückli­ cheren Zeitumständen und Verhältnissen heranwuchs, in mir ausgelöscht. Es kann da­ her nicht anders als sehr erfreulich für mich seyn zu sehen, daß ich dort im Andenken der Bessern lebe, daß selbst Ihre Durch­ laucht, die Fürstin meine literarischen Ver­ suche in Ihrer Bibliothek, welche Sie für den öffentlichen Gebrauch bestimmt haben, zu besitzen wünschen (…) Schließlich bitte ich, mich der Durch­ lauchtigen Fürstin zu Gnaden zu empfeh­ len. Ich bedaure nur, daß unter meinen Schriften nichts ist, was sich zum Lesen für Damen empfehlen könnte; nur das Bilder­ buch5 machet hierauf einigen Anspruch. Empfangen Sie, mein Herr Baron, die Be­ weise meiner vollkommenen Hochachtung Berlin den 18ten Dec. 1809 Ihr gehorsamster Diener A. Hirt“6 Beatrice Scherzer Aloys H irt F ußn o ten : 1 Das K irchenbuch befindet sich heute im katholi­ schen Pfarramt Hiifingen 2 siehe auch Ute Schulze, Die Benediktiner von St. Georgen zu Villingen 3 N ach Auskunft von Oberarchivrat Dr. Ulrich Ecker, Stadtarchiv Freiburg im Breisgau 4 Zitiert nach Hall, S. 55 ff. Alle zitierten Briefe H irt/L aßberg befinden sich in der U niversitätsbib­ liothek in Freiburg u n d sind 1960 von Alfred Hall publiziert worden. 5 G em eint ist wohl das „Bilderbuch für M ythologie, A ltertum u n d K unst“, erstmals erschienen 1804 6 Zitiert nach Hall S. 49 ff. Literatur: Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft u n d Kultur in M itteleuropa, herausgegeben von Erwein H ans Eltz, Niederösterreichische Landesausstellung Schloss Weitra, 1994 Alfred Hall, H irt u nd Laßberg, In: Schriften des Ver­ eins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, H eft 25, Donaueschingen 1960 H all/Bäurer/Kaiser, Behla, H üfingen 1989 H ans H. Hofstätter, Die Fürstenbergsam m lungen Donaueschingen, M ünchen u n d Zürich 1980 Andreas H und, Das G ym nasium Donaueschingen 1778 bis 1928, D onaueschingen 1930 Petra Mayer-Reppert, Brigobannis – Das römische Hüfingen, Stuttgart 1995 M useum sjournal Berlin, Nr. II, 10. Jahrgang, April 1996 G ustav Rom m el, Aloys Ludwig H irt, In: Badische H eim at 33. Jg. 1953 U te Schulze, Die Benediktiner von St. Georgen zu Villingen, In: Geschichts- u n d Heim atverein Villin­ gen, Jahresheft XXIII, 1999/2000 Konrad Theiss (Hrsg.), D er Schwarzwald-Baar-Kreis, Stuttgart u n d A alen 1977 Karl Wacker, D er Landkreis Donaueschingen, K on­ stanz 1966 Das vermessene Charakteristische. Zu Aloys Hirts röm ischer Ästethik. In: Akten der Tagung Studium antiquitatis om nigenae. Aloys H irt: A rchäologe,His­ toriker, Kunstkenner. Berlin-Brandenburgische Aka­ demie der Wissenschaften, April 2000. Hg. von C lau­ dia Sedlarz. (in Vorbereitung) Jürgen Zim m er, Nachrichten über Aloys H irt und Bibliographie seiner gedruckten Schriften, In: Jahr­ buch der Berliner M useen, N.F. 41, 199, S. 133-194 1 3 7

Geschichte Obervogt Johann Franz Meinrad von Pflummem Zu den wirtschaftlichen und sozialen V erhältnissen in der Herrschaft Triberg in den Jahren 1744-1751 Als Kaiserin Maria Theresia 1740 das Erbe ihres Vaters Kaiser Karls VI. an­ trat, fand sie ein Staatswesen in ei­ nem desolaten Zu­ stand vor. Das An­ sehen Österreichs durch den Verzicht auf die Walachei, auf Serbien und Belgrad nach dem letzten Türkenkrieg (1737-39) geschwun­ den, das Heer ge­ schwächt, die Fi­ nanzen zerrüttet1, Stände und Länder auf ihre eigenen Vorteile bedacht, die Re­ gierung nicht in der Lage, einen einheitli­ chen Willen durchzusetzen, es war ein Staat, noch in mittelalterlichen Kategorien befan­ gen, dringend grundlegender Reformen be­ dürftig und gleich in ihrem ersten Regie­ rungsjahr von Friedrich II. von Preußen, dem überlegenen Gegner, um den Besitz der reichsten Provinz Schlesien angegriffen. U nd feindliche Staaten ringsum (Frank­ reich, Bayern, Sachsen, Spanien), die, mit Preußen verbündet, ihre je eigenen territo­ rialen Vorteile zu Lasten Österreichs such­ ten.2 Trotz schwerster äußerer Bedrängnis nahm sie unmittelbar nach der Regierungsüber­ nahme ihr großes Reformwerk in Angriff, es erfasste alle Landesteile, das wegen seiner weiten Entfernung von Wien entlegene Vor­ derösterreich – die „Schwanzfeder des Kai­ seradlers“ genannt – nicht weniger als die in­ nerösterreichischen, und dies im gleichen stürmischen Tempo3, freilich auch mit der 1 3 8 Das Pflummernsche Wappen (drei Wolfs­ eisen) in der Kirche von Schonach. In Schonach wurde wäh­ rend der Amtszeit Pflummems eine Kirche gebaut. Behutsamkeit, die der staatsmänni- schen Kunst die­ ser einzigartigen Frau eigen war. „Die Stammut­ ter des neuen Hauses Habsburg-Lothringen war in Wesen und Wirken viel mehr Anfang als Ende, die wahre Begründerin eines neuen Staatswe­ sens“4. Ihr Ziel auch im Breisgau (zu dem Triberg gehörte): Verhinderung von Leer­ lauf, Rationalisierung im Sinne der Auf­ klärung, Reformen bis auf die unterste Ebe­ ne, die Hebung des Wohlstandes, Verbesse­ rungen, „Meliorationen“. Maria Theresia wusste sich mit fähigen Mitarbeitern zu um­ geben, für die Reformen in den österreichi­ schen Vorlanden (erst ab 1752 umschloss der Begriff „Vorderösterreich“ den Breisgau, Schwäbisch-Österreich und Vorarlberg)5 waren es Regierungspräsident Anton Thad­ däus von Sumeraw und der Minister beim Schwäbischen Kreis und Landvogt Alfred von Kageneck6. Sie hatten dem früheren Gesandten in Bayern, Graf Rudolf Chotek (1707-1771) zuzuarbeiten, der federführend in der Kommission zur Untersuchung der vorderösterreichischen Verhältnisse war7. Die Anhänglichkeit der Untertanen an das

Herrscherhaus Habsburg konnten die „the- resianischen Reformen“ nur steigern, die Gefahr von außen (Frankreich) schien den Untertanen schlimmer als Anordnungen der eigenen Regierung8. Die Beliebtheit Habsburgs hielt über das Ende des Reiches hinaus an. Zwei Berichte9 des Obervogtes Franz Mein­ rad von Pflummern an den Landesfürstli­ chen Kommissar Baron von Ramschwag, nach heutigem Verständnis eher Denk­ schriften, werfen ein Licht auf die Jahre 1744 bis 1747, die Verhältnisse in der Stadt und Herrschaft Triberg, teilweise auch auf die im Breisgau, auf Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft, auf die Einkommensverhält­ nisse und den Charakter Pflummems, eine Zeit, die von feindlichen Einfällen und Krie­ gen gekennzeichnet war, obwohl von diesen nicht in größerer Ausführlichkeit die Rede ist. Unter den Auswirkungen der beiden Ers­ ten Schlesischen Kriege (1740-1742 und 1744-1745) hatten auch die Menschen im deutschen Südwesten zu leiden. Ein späteres „Pro Memoria“ ergänzt diese Berichte. Das erste Schreiben Pflummems Am 21. März 1744 war von der Hofkanz­ lei in Wien „der allerhöchste Befelch“ er­ gangen, eine Aufstellung anzufertigen, wie die durch den langen Krieg erschöpfte Staatskasse „in stand gesezet, und erhalten werden möge“, also die Möglichkeiten der Verminderung der Ausgaben und der Er­ höhung der Einnahmen zu prüfen; im Ein­ zelnen war aufzuführen, worin die Haupt- und Nebenverrichtungen der Beamten und „Offizianten“ bestehen, welches Einkommen sie mit der Besoldung, mit Schreib­ gebühren, Taxen usw. ha­ ben, schließlich welche Mittel den Unter­ tanen an Hand gegeben werden könnten, um das genannte Ziel zu erreichen. Obervogt von Pflummern Obervogt von Pflummern beantwortet mit Datum vom 4. Mai 1744 die Fragen in aller Genauigkeit und Umständlichkeit: Er stehe einem „Stättlein“ mit elf „Communitäten“ vor – er setzt als bekannt voraus, dass dies Triberg, Schonach, Schönwald, Rohrhards- berg, Gremmelsbach, Nußbach, Furtwan- gen, Rohrbach, Neukirch, Niederwasser und Gütenbach sind – ein Gebiet von 12 bis 15 Stunden im Umkreis, „ohne alle beyhilf ei­ nes ansonsten bey anderen derley Ambteren befindlichen m it=oder Subalternen offici- antens“ müsse er auskommen. An Ne­ bentätigkeiten sei infolge Beanspruchung durch Verwaltungsarbeit nicht zu denken, wie er in langer Aufzählung glaubhaft be­ gründet: Er habe die „Landesfürstl. Hoche= mittlere=nidere=forstliche….oberherrlich- keiten, Rechten und Jurisdictionen zue ver­ walten“, bei den Untertanen in ihren ge­ genseitigen Rechtsstreitigkeiten das Recht durchzusetzen, die Beziehungen zu den be­ nachbarten Gebieten zu regeln, die „Ambts= Rechnungen“ für den Kameralhaushalt (aus Geld und Naturalien bestehend) zu führen, den unerfahrenen Leuten, die nicht lesen und schreiben können, in „Land Ständi­ schen affairen“ beizustehen, er müsse „son­ derbahr bey jezig kriegerischer Zeit“ für „Abwendung großer untertrückung“ sorgen und habe „Bald da bald dort für selbige zu streitten und ihre jura (Rechte) verfechten“. (Es war eine Zeit, in der die Herrschaft mit ihren Nachbargebieten im Frieden lebte. Der jahrhundertelange Riediswaldstreit10 war mit dem Vertrag vom 5. Oktober 1740 beendet worden, mit dem Kloster St. Peter waren die Differenzen über Leibeigene bei­ gelegt, und mit dem Haus Württemberg war Die Unterschrift des Obervogts von Iftummern, ein Bildnis von ihm ist nicht vor­ handen. 1 3 9

Geschichte Das Fflummernsche Wappen am Fuß der Monstranz in Gütenbach. Auch in Güten­ bach wurde zur Amtszeit Fflummerns eine Kirche gebaut. Aller Wahrscheinlich­ keit nach ist diese Monstranz ein Geschenk Pflummerns. eine Einigung über Forst- und Grenzfragen gelun­ gen). Ein Amt, um großen Reichtum anzuhäufen, war dies nicht. An Bargeld nahm er lediglich 58 Gulden 20 Kreuzer ein, alle anderen Ein­ künfte bestanden in Naturalien: 2 Malter „Kernen“, 10 Malter Roggen, 1 Malter Ger­ ste, 10 Malter „Haaber“, den Ertrag des Gar­ tens und der Hoflehenswiese; Miete für die W ohnung brauchte er nicht zu bezahlen. Von vier Gemeinden bezog er die Hälfte des (ß y l? f . i/m*«. Zw Vti k.rt** ^uff it-v.Vff iß r y fttfe f u r – – • i ? 4 diitßjC- 1 4 0 kleinen Zehenden“, das nötige Brenn­ holz, neun Kapaune im Wert von 25 Kreuzern das Stück standen ihm zu, 50 Hähne (je ein Kreuzer) und ungefähr 240 Hühner. Für amtliche Tätigkeiten ver­ langte er die gewöhnli­ che Gebühr. Mit dem ^ „Oberjägermeister“ be- zog er die Hälfte des 1 „kleinen Weydwercks“, doch fiel dies bei dem „von denen einquartierten trouppen gänzlich außgejag- ten Forst“ nicht ins Gewicht. Bei gutem Herbstwetter hatte er von der Brühlmatte noch einige Zentner Ohmd, Taglöh­ ne und sonstige Kosten überstiegen ihren Wert. Zuletzt nennt er noch 180 Bund Stroh. In Geld umgerechnet war dies ein Wert von 800 Gulden mit 20 Gulden Zins. Da­ von flössen für Kanzleimaterialien 30 Gul­ den, für den Amtsschreiber 150 Gulden und für zwei Reitpferde, Boten und Knecht 200 Gulden ab. Ergänzend, teilwei­ se präzisierend führt er aus, dass er „die überlassenen wießen in eignen Kosten mayen, hewen, und heimführen“ lassen, „das brennholz aus eigenem beutel machen lassen“ müsse, er habe „öftere Hospitalität gegen be­ nachbarte beamten“ zu üben, auch „denen hin und her mar- chierenden herrschaftlichen Of- fiiai Aus dem Verzeichniß „Metall=Gegenstände, Silber=Vergoldungen“ der Ffarrgemeinde Gütenbach (siehe auch Abbildung oben): „Das erste Wappen A : ist später hinzugekommen denn das ursprüngliche ist he­ rausgeschnitten – wie man noch einige Griffel Einschnitte sieht, und das Tribergische erst ein=gelöthet worden. Diese Monstranz soll Anfangs der Kirche Tryberg zu gehört haben; als bey der Regierung in Freyburgfür die Kirche in Gütenbach bittlich – um Verabfolgung einer Monstranz aus dem Religionsfond. “

Obervogt von Pflummern Historische Ansicht des Triberger Marktplatzes, 19. Jahrhundert. ficiers“ gegenüber. Die Wallfahrt ziehe auch viel fremde Bettler an, er habe „einen sehr großen Überlauf (zu) erdulden“: Alles in al­ lem: „Ein Beamter (könne) ohne Zusatz des Seinigen sich und seine Familie auch nur mittelmäßig Sustentieren“ (verhalten). Kein einziger Kreuzer, resümiert der Ober­ vogt, wird derzeit unnütz ausgegeben oder kann eingespart werden. Kläglich sind die Möglichkeiten und nicht in genaue Zahlen zu fassen, die Einnahmen zu erhöhen. An diesem Problem waren schon seine Vorgän­ ger gescheitert (gegen Obervogt Noblat wa­ ren die Untertanen „fast rebellisch“, haben ihn „sehr hart verfolget und gehasset“, ihn „mit einem Langwürig kostbahren (teuren) und verdrießlichen Proceß angelanget“). Pflummern sah für Einsparungen keine Möglichkeit mehr. Für „Meliorationen“ ist alles daraufhin durchsucht, an Flächen be­ sitzt die Herrschaft außer der Brühlmatte kein weiteres Eigentum. Verbessert werden könnten dagegen die Einnahmen in folgenden Punkten: Von den elf Gasthäusern der Herrschaft entrichteten nur die vier in der letzten Zeit genehmigten ein Tavemgeld, die sieben äl­ teren wenig oder nichts. So hielten es auch die Schmiede. Warum das Obervogteiamt nicht in der Lage war, Steuergleichheit zu er­ zwingen, teilt Pflummern nicht mit. Von den Säge- und Gerstenmühlen zahlt gerade eine einzige 40 x (Kreuzer). Zugewanderte, die sich „haußhäblich niderlassen“, zahlen 1 fl (Gulden) 20 x, Leibeigene, die „ihre Leibs- freyheit Vorbehalten wollen“, zahlen jähr­ lich den gleichen Betrag. Hier könnte eine Erhöhung vorgenommen werden. Beson­ ders Tagelöhner ohne Grund und Boden könnten bei ihrer Verheiratung für den Schutz, den ihnen die Herrschaft bietet, „et­ was abreichen“. Dass diese „bey stets sich vermehrender weit“ ohne eine Steuer ein Häuschen bauen, sollte der Vergangenheit angehören. Statt in „rawer wehrung“ (rauer Währung) sollten Zinsen und Steuern in Reichswährung geleistet werden, was auch gerechter wäre, weil sich die „lehen=und bauernhöf“ namhaft verbessert und ver­ größert haben. Wenn Waldflächen für die Weide (nicht für den Feldbau) verwendet werden, könnte eine Steuer verlangt werden. 1 4 1

Geschichte Anders würde die Sache aussehen, wenn man die Bauern verpflichtete, im Interesse der Jagd wieder Wald anzupflanzen. Statt der Fronarbeiten, für die es in den zehn Vogteien nicht immer eine Gelegen­ heit gibt, zahlen die Untertanen „kraft ur- bary“ 8 fl 14 1/2 x, den Wert der Fron. Die­ ser Betrag könnte erhöht werden, wenigs­ tens aber könnte von den Untertanen in der Fron das Kohlholz vom „Flerrschaftlichen Rietiswald und anderen hießigen bauren= Waldungen“ für das Bergwerk in Kollnau so­ wie das „besoldungsholz“ für den Obervogt und das Abernten der „Ambtlichen besol­ dungsmatten“ erfolgen. Von der Fischpacht gingen 30 fl 50 x ein, entschieden zu wenig. Einen Fischereiaufseher anzustellen lohnt wegen der „viele(n) umb- und nebenweeg“ nicht, für die Versteigerung melden sich kei­ ne Fremden. Bleibt nur die Möglichkeit, die Untertanen durch guten Zuspruch und gleichzeitige Bedrohung, ihnen das Fisch­ wasser abzunehmen, zu einem höheren Bei­ trag zu „verlaiten“. Bei einer Änderung des Zollwesens resig­ niert der Obervogt. Ein Zöllner kostet die Herrschaft jährlich 18 Sester Hafer und 24 Saum Heu, der steht bei so vielen „schlich und neben weeg“ auf verlorenem Posten, weshalb die Regierung vor vier Jahren selbst einverstanden war, den „Zoll bereitters d ien st… zu Suspendieren“. Die Regierung möge entscheiden, ob dieser Dienst abge­ schafft bleiben oder wieder eingeführt wer­ den solle. Eine Steuer auf die Wege zu er­ lassen wäre kaum zumutbar, da die Unter­ tanen diese „mit immerwährenden grossen Unkosten propriis expensis (mit eigenen Mitteln) … reparieren und erhalten müs­ sen“. Der Salzverkauf könnte so gestaltet werden, dass von einem Salzkasten aus das besteuerte Salz verkauft oder der freie Salz­ handel mit einer Steuer belegt würde. In der Herrschaft hat sich eine Spur von Achat und Jaspis gezeigt. Da „aber die stei­ ne noch sehr rauh außfallen“, würde eine ge­ nauere Untersuchung notwendig sein. Falls er in besseren Zeiten „Socios“ zur Finanzie­ rung finde, wäre er entschlossen, einen Ver­ such zu wagen. Für die Herrschaft wäre bei glücklichem Ausgang des Unternehmens der Zehnte oder ein Pachtschilling nur von Vorteil. Der Obervogt schließt seinen Bericht mit einem Überblick über die wirtschaftliche Lage der Herrschaft Triberg. Die Gegend ist Das Pflummernsche Schlösschen in Oberndorf. Es wurde von Johann Franz Meinrad von Pflum- mern erbaut, der 1765 in Oberndorf Pfandherr wurde. Heute ist das Schlösschen eine Musikschule. 1 4 2

Inschrift am Pflummern- schen Schlöss­ chen. Obervogt von Pflummern D IE ?] .- J Ä ^ T u rto rftfR ‚F ^ tX b T S C M fu rs td e iy n c k z u u ¡ H fO N ÍE C X D A N A C H SIT¿ DER, PFANDHEÍRREN UND, OBE‘ . VOGTS DER1 HERRSCHAFT OBERNDORF ct.*1, ■ V Ö % TfrO T ? -* – ■« . . . . . J S3wpfe“/’X -. fe x -^53fc– c * A iftrf- 1 0 V!> H E m A T M U S F fotAiL * -sr • – wild und rau, die meisten, vor allem die Tagelöhner müssen „ihr hart und rauhes haaber brod mit großer mühe und sauren schweiß verdienen“. Zur Verschlimmerung ihrer Lage tragen der lange Krieg, die „im­ merwährenden“ Truppendurchmärsche, die „natural lifferungen“ für die „harten“ Win­ terquartiere bei, so dass Schulden in einer Höhe aufgelaufen seien, die auch noch die Nachkommen belasten werden. Pflummern erinnert zuletzt noch an die „ganz außeror­ dentliche Devotion, trew (Treue) und eyfer der allhießig Trybergischen Cameral unter- thanen gegen dem allergnädigsten Erz- hauß“, die vor 90Jahren (1654) das Recht er­ wirkten, dass Triberg nie mehr verpfändet werden dürfe. Dafür seien 30000 Gulden aufgebracht worden, was bei den „meliora- tionen“ berücksichtigt werden sollte. Die bis heute bestehenden Steuern wurden „dem Pfandherrn entzogen“ und kamen dem Erz­ haus direkt zugute. Ein neues Urbarium (Statut), „von gehörigen orthen authentisie- ret“, wäre unabhängig vom Gelingen der Meliorationen nötig einzuführen. Für das In­ teresse „Domini“ wäre es „jederzeit sehr guet“. Das zweite Schreiben Pflum m em s Hoffte man, dass die angestrebten Melio­ rationen in der Herrschaft Triberg eine Wen­ dung zum Besseren hätten bringen müssen, so sieht man sich durch das zweite Schrei­ ben Pflummems vom 10. März 1747 getäuscht. Im Gegenteil. Jetzt wirken seine Ausführungen stellenweise gereizt. Er kön­ ne „an einem so einsammen und abstrack- ten ort“ keine präzisen Anderungsvorschlä- ge machen. Durch den Zweiten Schlesischen Krieg (1744-45) hatten sich die Verhältnisse verschlechtert. Die Untertanen hatten sich verschulden müssen. Veränderungen, die „Meliorationen“ bringen sollten, würden nur „eine große lamentation nach sich zie­ hen“ und zu „einigmäßigem missvergnügen den Anlaß geben“. Nach seiner Erfahrung war das Interesse der Regierung an diesem kleinen vorderösterreichischen „Ländlein“ schwach, die Einkünfte aus Umgeld, Salzssteuer, Zöllen usw. waren gering. Tribergs Problematik bestand in der über­ mächtigen Konkurrenz der Industrie- und Handelsstädte Straßburg, Basel, Zürich und Schaffhausen. Der Handel, „die beste Gold­ ader eines jeden Landes“, war fest in ihren Händen. Manufakturen und Handelsgesell­ schaften aufzubauen war unmöglich, zumal „diesseitige Capitalisten“ fehlten. Für durchführbar hielt Pflummern folgen­ de Vorschläge. Da wollene Kleidung in großer Menge gebraucht wurde, sollte diese auch in der Herrschaft Triberg hergestellt werden. Das Rohmaterial müsste zwar ein­ geführt werden, gleich wie in den genannten Städten auch. An Leuten, die spinnen und weben können, wäre kein Mangel. Ähnlich würde es mit der Produktion von Kautabak sein. Eine (Tabak-)„Spinnerey“ könnte den Tabak von Endingen, Kenzingen und den „dortigen Gegenden“ verarbeiten. Voraus­ setzung wäre die Anbindung der Herrschaft Triberg an ein gutes Straßennetz, der H anf vom Breisgau könnte nach Konstanz und in die Schweiz, von „Schwaben“ könnte Wol­ le, nach Schwaben Wein transportiert wer­ den. Ein Segen wäre dies alles für die ganze 143

Obervogt von Pflummern Gesellschaft, eine Gelegenheit zu arbeiten für Arbeitsscheue, Müßiggänger und Bett­ ler, zusätzlich würden „arbeit=und Zucht- häußer“ mancher Liederlichkeit Vorbeugen. Und nun muss man dem Obervogt buch­ stäblich Mut vor Fürstenthronen bescheini­ gen: „an bene an male“ (ob man es gern hört oder nicht): er werde „zu Landesständischen geschähen nicht beygezogen“, entscheide al­ so nicht mit. Angelegenheiten des Dritten Standes werden „nach gunst oder abnaigung verhandelt“. Ungerecht gehe es bei der Fest­ setzung von Winterquartieren, der Aufstel­ lung von Rekruten, Schanzern und Fuhren zu. Man setze ihn auch nicht in Kenntnis, wofür „die großen Summen deren in die drittständische Einnemmerey“ verwendet werden. Wozu der Aufwand mit zehn oder mehr Deputierten für geringfügige Ent­ scheidungen, die ein einziger Beamter leich­ ter oder besser treffen könnte? Im „dießländischen matricular=Fueß“ (Steuersatz) stecke ein Fehler, weil jede Verän­ derung zum Nachteil der Herrschaft Triberg ausschlage. Nach gründlichen Verhandlungen müsste dieser Missstand zu beheben sein. „Pro M em oria“ In diese Reihe gehört abschließend die Denkschrift „Pro Memoria“ vom 3. Juli 1751, von „Schultheiß, Bürgermeister und Stabsvögt“ Tribergs (nicht vom Obervogt) verfasst. Nepomukstatue von Pflummern, 1766gestiftet, gestaltet von Johann Georg Weckenmann (1725-1795). 1 4 4 Ziel des Schreibens ist, einen günstigeren „Matricular=fueß“ durchzusetzen, deshalb die Verhältnisse in ihrer Dürftigkeit so an­ schaulich wie möglich vor Augen zu fuhren; raues Klima, karger Boden, geringe Ernten, für viele Bauern und Tagelöhner bei harter Arbeit unerschwingliche Preise, um Nah­ rungsmittel aus der Nachbarschaft zu besor­ gen, jahrelanges Brachliegen des ausgelaug­ ten Ackerbodens, Quartiere für durchzie­ hende Truppen, hohe Belastung (300000 Gulden bei Privatleuten), als Folge von al­ lem zerlumpte Kleidung und kümmerliche Ernährung – man vergleiche Kleiderpracht und Wohlleben in den größeren Städten! – von den „Meliorationen“ der Regierung war noch die Forderung nach Steuererleichte­ rung übrig geblieben. Karl Volk A n m e rk u n g e n u n d Q uellen: 1 W alther H ubatsch, Das Zeitalter des Absolutismus, Braunschweig 1962, S. 169 2 Franz Herre, Maria Theresia, Die große H absbur­ gerin, Köln 1994, S. 61 3 Vorderösterreich n u r die Schwanzfeder des Kaiser­ adlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten he­ rausgegeben, vom W ürttem bergischen Landesmuse­ u m Stuttgart, 2. Auflage, Stuttgart 1999, S. 47 u n d 50 4 Adam W andruszka, Das H aus Habsburg, Die Ge­ schichte einer europäischen Dynastie, Freiburg Basel W ien 1968, S. 131 5 Vorderösterreich, S. 50 6 Oberbadisches Geschlechterbuch, herausgegeben von der Badischen H istorischen Kom m ission, bear­ beitet von J. Kindler von K nobloch u n d O. Freiherr von Stotzingen, D ritter Band M-R, H eidelberg 1919, S. 322 7 Alfred G raf von Kageneck, Das Ende der vorder­ österreichischen Herrschaft im Breisgau, D er Breis­ gau von 1740 bis 1815, Freiburg 1981, S. 12 8 Em st Samhaber, Geschichte Europas Bonn, 1982, S. 404 9 Generallandesarchiv Karlsruhe, 122/76, auch „Pro M em oria“ 10 H eim atblätter, Triberg, Burg u n d Stadt, H err­ schaft, A m tsbezirk und D ekanat in W ort u n d Bild. N ach geschichtlichen Q uellen dargestellt von Pfarrer Konrad Kaltenbach in Aasen, Nr. 35 u n d 36, 1928, S. 137-144

8. Kapitel /Almanach 2004 Museen im Scnwarzwald-Baar-Kreis Wanderparadies mit Informationsgehalt Höfe- und Mühlen-Wanderweg bei Königsfeld Es sei ein guter Tag, um die Wandersaison mit einem „touristischen Bonbon“ zu be­ reichern, befanden der Ortsvorsteher von Buchenberg, die örtlichen Forstverwaltun­ gen im Einzugsbereich von Königsfeld, die Abgeordneten des dortigen Schwarzwald­ vereins und des Naturparks Schwarzwald e.V., als sie am Pfingstmontag des Jahres 2001 zeitgleich mit dem Deutschen Mühlentag den Höfe- und Mühlen-Wanderweg ein­ weihten. Mit zwei Touren und insgesamt zwölf Kilometern ist der Themenweg für Spaziergänger und Wanderer gleichermaßen geeignet. Er führt vorbei an alten Schwarz­ waldhöfen und Mahlmühlen, durch das wildromantische Glasbachtal und entlang der mittelalterlichen Burgruine Waldau. Wetterfeste Informationstafeln aus der Werkstatt der Forstbetriebsstätte Buchen­ berg informieren entlang der Route über die Der Bauernhof der Familie Beck wurde Anfang des 19. Jahrhunderts vor der Burgruine Waldau erbaut. 1 4 5

Museen Erwin Ettwein bat das Zupacken nicht verlernt. Gemeinsam mit seinem Vater betreibt er im roman­ tischen Glasbachtal die letzte von einstmals sieben Mühlen. Geschichte der am Projekt teilnehmenden Höfe, über Mühlen und alte Kornspeicher. Und wer mag, der kann nach entsprechen­ der Voranmeldung einen Blick hinter die Türen der Häuser werfen und sich im Ge­ spräch mit den Landwirten über das Leben der Bauern im Schwarzwald informieren las­ sen. Stellvertretend für die Gebäude entlang der Wanderstrecke sei nachfolgend die letzte im Glasbachtal noch betriebene Mühle vor­ gestellt. M ühlen und Bachläufe einst eine Einheit Mühlen mußten, im Glasbachtal wie anders­ wo, dort stehen, wo ein Bach- oder Flußlauf 1 4 6 das Mühlrad antrieb, und je nach Gefalle be­ trieb der Müller ober- oder unterschlächtige Räder. Das Mühselige am Beruf des Müllers war nicht nur das Schleppen der Säcke. Für jeden Landwirt ging das angelieferte Getrei­ de extra über den Bodenstein, dessen Läufer plan eingesetzt werden und alle sechs Wo­ chen nachgeschärft werden mußte – ein für­ wahr arbeitsintensives Geschäft! Vorratshaltung im großem Stil war des Landmanns Sache nicht. Der füllte die Ern­ te seines Ackers in Jutesäcke, die mit dem Namen des Hofes bedruckt waren, und fuhr sie zur nahen Lohnmühle. 100 Kilo Inhalt waren eine arge Last für den Müller, der als persönlichen Kundendienst das Mehl oft wieder am H of des Kunden ablieferte. Die M ühllehen-M ühle Der alte Berufsstand heute: Der Müller­ meister des 21. Jahrhunderts kann mehr als nur Korn zu Mehl aufbereiten. Ein bißchen ist er Schlosser, ein bißchen mehr noch Le­ bensmittelchemiker, aber auch Landwirt, der sich auskennt mit dem Getreideanbau. Vor allem aber sollte er nach der dreijährigen Ausbildung der Berufserfahrung wegen, sei­ ne Lehr- und Wanderjahre in fremden Mühlen absolvieren. Erwin Ettwein ist ein solch moderner Mül­ lermeister. Im Glasbachtal zwischen Burg­ berg und Buchenberg betreibt er gemein­ sam mit dem Vater die Mühllehen-Mühle. Sie ist die letzte von einstmals „sieben Mühlen“ in diesem Tal, und ihre Geschich­ te läßt sich zurückverfolgen bis 1441. Die Klö­ ster zu St. Georgen und Rottweil-Rotten- münster waren Lehnsherren der Mühle, die sich ihr Wasserrecht bis heute erhalten hat. Den alten Mühlstein haben die Ettweins in alter Tradition bewahrt, aber die 5,5 Meter Ge­ fälle des Glasbachs an dieser Stelle reichen nicht aus für’s Tagesgeschäft, das heute über­ wiegend elektrisch betrieben wird. Über­ haupt schaut es drinnen mehr nach einem technisch gut durchorganisierten Unterneh­ men, als nach des Müllers Mühle aus.

Höfe- und Mühlen-Wanderweg ••“■in,,, Der Bregnitzhof, zwischen Königsfeld und Buchenberg gelegen. Hier ist Matthias Weisser zu Hause, der Ortsvorsteher von Buchenberg. Er ist einer der Mit-Initiatoren des Höfe- und Mühlen-Wanderweges. Gemahlen wird das ganze Jahr Die Landwirte der Umgebung liefern im Herbst ihr Getreide an, das dann automa­ tisch gewogen, vorgereinigt, getrocknet und nach Qualitätsgruppen vorsortiert wird. Ge­ mahlen wird das ganze Jahr über, die Kun­ den sind Bäckereien, Privatleute oder Klini­ ken, die hier naturbelassenes Mehl oder auch ausschließlich zuckerfreies Müsli be­ kommen. Chemische Zusätze, Konservie- rungsstoffe, Haltbarmacher, Aufheller oder Lockermacher sind für einen rechten Mül­ lermeister auch heute noch tabu, die dem Brot oder Gebäck beizufügen überläßt er dem jeweiligen Bäcker. Früher wie heute sind die Qualitätsunter­ schiede beim Getreide groß, und der Schwarzwald ist, klimatisch bedingt, nicht gerade die Kornkammer des Ländles. Die wenigen privaten Mühlen, die nach dem all­ gemeinen Mühlensterben in den Fünfziger Jahren noch übriggeblieben sind, mahlen Dinkel, Roggen und Weizen, wobei der Wei­ zen eher am Abhang des Schwarzwalds ge­ deiht. Er stellt besondere Ansprüche an Bo­ den und Klima und mag Höhenlagen über 800 Meter absolut nicht. Anspruchsloses Getreide, sagt Müllermeister Erwin Ettwein, sei der Dinkel, „aber so schön wie im Schwä­ bischen wird er bei uns halt doch nicht“. Der Anbau von Hafer und Gerste wird haupt­ sächlich dort betrieben, wo Schweine, Rin­ der und Pferde im Stall oder auf der Weide stehen. So ein H of hatte früher mehr Menschen zu ernähren als heutzutage, denn auch die Mägde und Knechte hatten beim Bauern „Vollpension“. Ohne Kühlschrank und Ge­ friertruhe war Vorratshaltung mit der heuti­ gen Zeit kaum zu vergleichen. Rechtzeitig vor dem Backtag fuhr man sein Korn zur Mühle, und die gewaltigen Brotlaibe aus fri­ schem Mehl versorgten die Menschen auf 1 4 7

Museen Der Kornspeicher Lauble a uf dem Altvogtshof. dem H of wieder für eine ganze Weile. Die Hausfrau von heute hat längst die Mühlen- lädele mit ihrem zumeist reichen Sortiment von Mehl aller Sorten, Backmischungen, Müsli, Öl oder Naturkost entdeckt und si­ chert mit dem Kauf ländlicher Produkte das Überleben der wenigen privaten Mühlen. Vorbei an Nonnenmühle und Hutzelmühle Die Orte Buchenberg und Burgberg ver­ bindet nicht nur das Glasbachtal und die Mühlentradition. Seit dem Pfingstmontag des Jahres 2003 gibt es eine weitere Gemein­ samkeit: Auch die Burgberger und mit ih­ nen die Bürger von Erdmannsweiler haben seither einen Höfe- und Mühlen-Wander- weg, ebenso lang wie jener rund um Buchen­ berg und ganz gewiß ebenso reizvoll, was Streckenfühmng, Aussichtspunkte und die teilnehmenden Höfe und Mühlen betrifft. 148 Auf rotem Hintergrund weisen 44 Mühlen- Schilder den Weg, verlaufen muß sich also niemand. Und noch eine, wenn auch über­ schaubare, Gemeinsamkeit: Knappe 500 Meter verlaufen die blauen und die roten Li­ nien der Wandermarkierungen beider Ge­ meinden gemeinsam, und zwar vom Start am Rathaus Königsfeld Richtung Golfplatz. Wer nicht bei Kilometer eins in Königsfeld beginnen möchte, findet Parkmöglichkeiten auch an der Ruine Waldau oder an der Non­ nenmühle, und wer ganz sicher gehen will, der informiert sich an diesen Plätzen über die Wanderroute oder holt sich in den Tou­ rist-Informationen die entsprechenden Falt­ blätter. Moderate Steigungen und durchgehend kinderwagengerechte Wege zeichnen die Teile eins und zwei der Höfe- und Mühlen- Wanderwege aus. Zwölf Höfe und Mühlen, unter ihnen die Götz-Mühle, gleich hinter

dem Burgberger Rathaus als einzige noch in Betrieb befindliche Mühle, liegen am Wege. Da werben das traditionsreiche landwirt­ schaftliche Krauthäusle mit moderner Of­ fenstall-Haltung und die Hutzelmühle mit ihren gut erhaltenen Mahlsteinen ebenso um Aufmerksamkeit, wie die Nonnenmüh­ le, deren Name nicht denen frommer Klo­ sterfrauen entlehnt ist. Das gut 200 Jahre al­ te Anwesen war nämlich niemals ein Kloster oder in klösterlicher Verwaltung. Vielmehr ist in einer Original-Pergamenturkunde des Jahres 1485 nachzulesen, daß auf der hoch­ gelegenen Weide „Wünnenberg“ die Burg­ berg-Bauern Weiderecht genossen. Um 1767 wurde aus dem „Wünnenberg“ zunächst ein „Wonnenberg“ und schon we­ nig später ein „Nonnenberg“. Und Nonnen nannte der Volksmund früher unfruchtbare Tiere, die zur Mast aufgezogen wurden. Noch heute ist der Flurname „Nonnenberg“ gebräuchlich, und so erhielt die am Rande des Glasbachbaches gebaute Mühle den Na­ Höfe- und Mühlen-Wanderweg men „Nonnenmühle“. Bis vor 30 Jahren war sie eine der neun im Glasbachtal betriebe­ nen Mühlen, wurde dann in ein beliebtes Ausflugslokal umgewandelt und hat heute unter ihrem ausladenden Dach moderne Fe­ rienwohnungen. Ein dritter Teil der Höfe- und M ühlen­ wanderwege ist in seine konkrete Planungs­ phase getreten, nachdem der „Naturpark Südlicher Schwarzwald“ Mitte dieses Jahres eine finanzielle Beteiligung in Höhe von 50 Prozent der entstehenden Kosten zugesagt hat. Der neue kleine Rundweg soll den be­ stehenden Rundwanderweg auf Buchenber­ ger Gemarkung ergänzen und überwiegend die Höfe vom Dörfle, die ihren Ursprung im Glasbachtal hatten, einbeziehen. Und so wird vielleicht am Pfingstmontag 2004 eine dritte Wanderweg-Eröffhung auf dem Programm des „Deutschen Mühlenta­ ges“ stehen. Anne Bethge Die ursprüngliche Nonnenmühle, sie beherbergt heute ein beliebtes Ausflugslokal und Ferienwohnungen. 1 4 9

9. Kapitel/Almanach 2004 Uhren und Uhrengeschichte Uhren „Made in Furtwangen“ Vom H ausgewerbe zur U hrenindustrie Unter dem modernen Label „Made in Furtwangen“ ließe sich eine facettenreiche Uhrenproduktion zusammenfassen, wie sie in dieser Breite kaum an anderen Orten des Schwarzwalds zu finden ist. Im Zeitraum von etwa 1800 bis 1930 wurden in Furtwan­ gen Wand- und Buffetuhren, Wecker und Musikwerke gefertigt, aber auch Präzisionsregulatoren oder im Schwarzwald seltene Ta­ schenuhren. / / Bereits seit den haus- gewerblichen Anfän- gen orientierte sich die Furtwanger Pro­ duktion auf den Ex­ port und damit auf die im Ausland ge­ fragten Werktypen. Wurden die Uhren zunächst nach Frank­ reich, England und Russland verkauft, so erweiterten sich die Märkte mit der In­ dustrialisierung: Al­ lein 1873 verlassen über 350000 „meist werthvollere“ Uhren die Stadt in alle Welt. 1893 beschäftigt die Badische Uhren­ fabrik bereits 205 Arbeiter in Hong­ kong, um 1900 verfügt das Unterneh­ men über Filialen in London, Mailand, Zürich, Breslau und Bombay. Die Uhrmacherei hat, von Ausnahmen ab­ gesehen, erst vergleichsweise spät in Furt­ wangen Fuß gefasst. Ab 1795 entstand mit den „Gewerbshäuschen“ auf der heutigen Unterallmend in Furtwangen auf Betreiben des Obervogts von Triberg eines der vermut­ lich frühesten in sich geschlossenen Uhrma­ cherviertel Europas. Damit war der Weg zur „Uh­ renstadt“ geebnet: 1808 wer­ den bereits 95 „Uhrenma­ cher“ verzeichnet, wenig später arbeitete in jedem dritten Haus ein Uhr­ macher. Einen Schwerpunkt der Furtwanger Uhrma­ cherei bildeten Uhren mit acht Tagen Lauf­ zeit. 1845 hatte sich in Furtwangen die Hälfte der Uhrmacher darauf spezialisiert, gegenüber nur 15% im übrigen Schwarzwald. Größten­ teils waren diese höher­ wertigen Werke dem Ausland zugedacht, denn dort waren die Schwarzwälder Uhren konkurrenzlos billig. Zum halben Preis machten zum Beispiel in Frank­ reich die Schwarzwälder Imitate der Spätestens die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre bedeutete jedoch für einen Großteil der Uhrenfirmen das Aus. Herstel­ ler wie die Union Clock Company, 1898 der größte Arbeitgeber der Region, sind heute fast völlig in Vergessenheit geraten. Schwarzwalduhr im typischen Dekor. Das große Blechschild und die Datumsanzeige lassen vermu­ ten, dass die Uhr fü r ein englisches Standuhrenge­ häuse bestimmt war. Lorenz Bob, Furtwangen um 1850. 1 5 0

populären Comtoise-Uhr scharfe Konkur­ renz. Eine ernstzunehmende Gefahr für das Schwarzwälder Uhrengewerbe kam jedoch aus den USA: Industriell und mit sparsa­ men Materialeinsatz gefertigte Uhren raub­ ten Marktanteile im angestammten niedri­ gen Preissegment. Das Beharren auf veralte­ ten Bauweisen und die mangelhafte Ausbil­ dung der Schwarzwälder Uhrmacher wurden nun offensichtlich. Mißernten bewirkten ein übriges: Die hausgewerbliche Uhrenherstel­ lung in Baden geriet in eine tiefe Krise. In dieser Situation unterstützte der badi­ sche Staat die Uhrmacherei in bis dahin bei­ spielloser Form. Furtwangen konnte sich als Zentrum der Gewerbeförderung durchset­ zen: den Ausschlag dazu gab die große Zahl in der Umgebung ansässiger Uhrmacher. Ab 1850 bot die Großherzoglich Badische Uhrmacherschule in Furtwangen eine Wir­ kungsstätte für einige wichtige Köpfe der Schwarzwälder Uhrmacherei: Unter dem ersten Leiter der Schule, Robert Gerwig, wurden moderne Lehrwerkstätten eingerich­ tet und die Ausbildung auch theoretisch fundiert. Lorenz Bob übernahm zeitgemäße Techniken in die Uhrmacherei: er fertigte elegante Tischuhren mit Federaufzug nach Wiener Vorbild oder auch Uhren mit Kom­ pensationspendel. Zusammen mit Lorenz Furtwängler aus Neukirch entwickelte er Musteruhren für die Fertigung. Jess Hans Martens lehrte die Taschenuhrmacherei. Al­ lerdings gelang es nicht, die Fertigung von Taschenuhren auch nach der vorübergehen­ den Schließung der Schule 1864 dauerhaft im Schwarzwald zu verankern. Mit der Einrichtung der Schnitzereischule konnte die Gehäusefertigung ebenfalls pro­ fessionell erlernt werden. Das berühmt ge­ wordene „Bahnhäusle“-Design der Kuckucks­ uhr geht auf Gerwigs Initiative zurück, auch das Erscheinungsbild der U hr zu moderni­ sieren. Musterblätter für zeitgemäße Gehäuse konnten entliehen werden, und tatsächlich wurden einige der Entwürfe von Furtwanger Uhren „Made in Furtwangen“ Comtoise-Uhren: Klassisches Vorbild um 1830 aus Messing und Email (oben) undfarbig gefasste Imitation aus dem Schwarzwald, um 1840. Lackschild: Fidel Hepting, Holzpla­ tinenwerk: Lorenz Bob (unten, Pri­ vatbesitz). 1 51

Uhren und Uhrengeschichte Uhrenfabrikanten in Serie übernommen. Nicht zuletzt bot das 1874 eingeweihte Ge­ bäude der Gewerbehalle eine ständige Leis­ tungsschau der Furtwanger Uhrenhersteller. Zusammen mit der Schulsammlung alter Holzräderuhren bildete diese Ausstellung den Grundstock des späteren Deutschen Uhrenmuseums. Gewerbe und Ausbildung eng verbunden In enger Verzahnung mit dem Gewerbe am Ort schufen die Ausbildungsstätten ein fruchtbares Klima, das weitere Gewerbetrei­ bende anzog. Furtwangen bot Infrastruktur, Wasserkraft und günstige Verkehrsanbindung und wuchs so zur größten Gemeinde der Amtsbezirke Triberg und Neustadt heran. 1873 wurde ihr das Stadtrecht zuerkannt. Bis in die 1870er Jahre hinein war die U h­ renherstellung in erster Linie hausgewerb­ lich geprägt. Werkstätten wie zum Beispiel die von Theodor und Aron Ketterer in der Hinterbreg fertigten Uhren fast ausschließ­ lich direkt auf Anfrage. Für sie bot die Land­ wirtschaft weiterhin ein willkommenes Zu­ brot. Theodor Ketterers Kuckucksuhren kön­ nen bestens neben denen des bekannten Ei­ senbacher Uhrmachers Johann Baptist Beha bestehen. Es ist sogar anzunehmen, dass Ketterer und Beha sich gegenseitig beein­ flusst haben. Bei unsignierten Werken fallt es heute schwer, zwischen den beiden Her­ stellern zu unterscheiden. Im Unterschied zu Beha blieb die Fabrikation Ketterer je­ doch immer hausgewerblich bestimmt. Emilian Wehrle schuf sich mit der Herstel­ lung von kunstvollen Trompeteruhren ein im Schwarzwald einzigartiges Profil. Dieser aufwendig gestaltete und oft mit einem Mu­ sikwerk versehene Uhrentyp nahm Bezug auf einen Bestseller des 19. Jahrhunderts, den „Trompeter von Säckingen“ von Victor von Scheffel. Auch Wehrle blieb stets der handwerklichen Uhrenherstellung verpflichtet. Zunächst in Konkurrenz zu Jakob Bäuerle perfektionierte Emilian Wehrle die diffizile Mechanik. Nach Die Gewerbeballe mit Mustersammlungen, historischer Uhrensammlung, Gewerbebibliothek und zeitweise Schulbetrieb war von 1874 bis zum Abriss in den 1950er Jahren ein Wahrzeichen der Uhrentradition Furt- wangens. 1 5 2

dem Tod des Gründers 1896 endete die Her­ stellung von Trompeteruhren im Schwarz­ wald. Emilians Schwager Julian übernahm die Firma, widmete sie aber auf die Ferti­ gung von feinmechanischen Teilen um. Heute fertigt Wehrle Wasserzähler sowie Präzisionsteile aus Kunststoff und beschäf­ tigt 300 Angestellte in Furtwangen. Erst nach 1880 nahm Furtwangen die Zü­ ge einer Industriestadt an: Mit der Grün­ dung der Badischen Uhrenfabrik 1889 und der Union Clock Company 1885 formierten sich handwerkliche Betriebe zu Unterneh­ men, die jeweils mehrere hundert Arbeits­ plätze boten. Auch Familienbetriebe wie Furtwängler Söhne (gegr. 1867), Benedikt Ketterer Söhne (gegr. vor 1845) oder Siedle (gegr. 1869) durchliefen eine vergleichbare Entwicklung. Exemplarisch lässt sich dieser Wandel am Werdegang der Firma Lorenz Furtwängler Söhne nachvollziehen: Lorenz Furtwängler stellte schon seit 1836 auf dem Schwefeld­ obel in Neukirch Uhren her. Er vereinfach­ te die Achttageuhr richtungsweisend, so dass sich für Werke dieser Konstruktionsweise der Begriff „Furtwänglersche Uhren“ einbür­ gerte. 1868 gründeten seine Söhne in Furt­ wangen die Firma L. Furtwängler Söhne; et­ wa 16 Angestellte arbeiteten in den Fabrika­ tionsanlagen mit Wasserantrieb. Zahlreiche internationale Auszeichnungen zeugen von der Qualität ihrer Achttagewerke. Mit dem Neubau der Anlagen 1881 expandierte Furt­ wängler Söhne zu einem Industriebetrieb, der nun von einer Dampfturbine mit 16 PS angetrieben wurde. Werkstätte, Montage, Kastenschreinerei und Versand wurden von den vier Brüdern jeweils als eigene Abteilun­ gen geführt. 1898 zählte Furtwängler Söhne mit 150 Angestellten zu den drei größten Betrieben am Ort. Die Firma setzte weiter­ hin auf hochwertige Uhren massiver Bauart und suchte sich so als Familienbetrieb von Aufwendig gestaltete Trompeteruhr (Scheffeluhr) von Emilian Wehrle, um 1890. Uhren „Made in Furtwangen“ 1 5 3

Uhren und Uhrengeschichte „amerikanischen“ Ferti­ gungsmethoden abzu­ grenzen. Je mehr die Uhr sich zum industriellen Konsumgut wan­ delte, desto mehr setzten auch die amerikanischen Fer­ tigungsmethoden die Richtschnur tür die Uhrenherstel­ lung im Schwarz­ wald. Kennzeichen dieser Produktions­ weise war die Verwen­ dung von gestanzten Norm­ teilen, die von ungelernten Arbeitern gefertigt und mon­ tiert werden konnten. Mög­ lichst niedrige Stückkosten sowie eine auf Aktien gegründete Kapitalkraft bestimmten letztendlich den Erfolg der Betriebe. Auch in Furtwangen arbeiteten die größten Uhrenhersteller am Ort nach diesen moder­ nen Prinzipien. Die Badische Uhrenfabrik verfügte als Aktiengesellschaft über ein Ka­ pital von 1 Million Mark und wies Tagespro­ duktionen von bis zu 3200 Uhren (1912) auf. Die Uhren wurden weltweit verschifft oder über die Filialen vertrieben. Eine eige­ ne Fertigung in Hongkong bediente den Be­ darf der Kolonialmächte. „Kein Sonnenun­ tergang in unserem Reich“ war das Motto der offenbar erfolgreichen „Reichskolo­ nialuhr“, die 1904 auf den Markt kam. Am Beispiel der Union Clock Compa­ ny wurden bereits früh die Schattenseiten einer auf Kostensenkung bedachten Pro­ duktion ohne ausreichende Kapitaldecke sichtbar: Seit 1885 wurde das Unterneh­ men als Niederlassung der Handelsge­ sellschaft Merzbach, Lang & Fellheimer mit Sitz in London geführt und produ­ zierte vor allem Wecker und Großuh- Wecker, Badische Uhrenfabrik, um 1910. 1 5 4 Bei dieser Uhr von 1862 haben Uhrmacherschule und ein Furtwanger Unternehmen zusammenge­ wirkt: Das Schild stammt aus der Furtwanger Blechschildfabrik Dold & Hettich, das Kettenzug­ werk wurde in der Uhrmacherschule gefertigt. ren für den englischen Markt. Gravieren­ de bauliche und arbeitstechnische Mängel zwangen die Stadtverwaltung nach 1905, gegen den größten Arbeitgeber am Ort einzuschreiten. Zusammen mit der schwierigen Lage des Unternehmens führte dies 1911 zur Liquidation. Schon 1905 hatte eine sozialökonomische Untersuchung die Schwächen der badischen Uhrenindustrie gegenüber der württember- gischen analysiert: „Dort eine ohne hausin­ dustrielle Unterlagen und ohne den Hemm­ schuh alter Traditionen auf Neuland vor­ wärts drängende, kapitalkräftige (…) Indust­ rie mit einem halben Dutzend sehr großer Betriebe, deren einer bis zu 3 000 Arbeiter zählt. Hier ein halbes Dutzend mittelgroßer Betriebe mit 200-400 Arbeitern. Nur weni­ ge von ihnen sind auf Aktien gegründet, und diese sind verhältnismäßig schwach fundiert.“ zu Ende: Mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ging die Ara der Uhrenherstel­ ler im badischen Schwarz­ wald 1932 schlossen sich die Pfor­ ten bei Furtwängler Söhne. Im gleichen Jahr musste auch die Badische Uhrenfabrik (Baduf), mit 760 Arbei­ tern zeitweise eines der größten Unterneh­ men am Ort, Insol­ venz beantragen. Ei­ ne Nachfolgefirma produzierte jedoch bis 1983 weiterhin Uhren. Heute ist die Uhrenfabrik

Mayer (AMS) mit 20 Angestellten der einzi­ ge in Furtwangen verbliebene Uhrenherstel­ ler. Als einem kleinem Unternehmen, das bereits im 19. Jahrhundert Uhren für den Verkauf in England fertigte, gelang es AMS, sich abseits vom Sog der Industrialisierung zu behaupten. Unternehmen entwickeln sich weiter Erfolgreich am Markt haben sich Firmen gehalten, die früh auf andere feinmechani­ sche und elektrotechnische Erzeugnisse ge­ setzt haben. Benedikt Ketterer Söhne fertigte ab 1850 neben den Regulatoren auch frühe Gasuhren. Nach 1890 konzentrierte sich das Unternehmen ganz auf Wasser- und Gas­ zähler. Inzwischen hat sich das Tätigkeitsfeld des Unternehmens auf die Getriebetechnik verlagert. S. Siedle Söhne entwickelte sich von der Gießerei für Uhrenbestandteile hin zu zukunftsweisenden Telefon- und Haus­ sprechanlagen. Mit rund 440 Angestellten zählt das Unternehmen heute zu den Marktführern im Bereich Hauskommunika­ tion. Joseph Koepfer & Söhne, 1867 als Werkstatt für die Herstellung von Uhrma­ cherwerkzeug gegründet, wusste das Arbeits­ feld des Unternehmens auf die Fertigung von Getrieben, Zahnrädern und Spezial­ werkzeugen mit heute 400 Angestellten zu erweitern. Uhren „Made in Furtwangen“ Auch die Schulen bestehen im Wandel fort: Sowohl die Uhrmacherausbildung der Robert-Gerwig-Schule als auch die Fach­ hochschule Furtwangen gründen sich auf der Großherzoglichen Uhrmacherschule von 1850. Die Lehrsammlung in der Gewer­ behalle hatte sich bereits mit dem erwachen­ den Tourismus im 19. Jahrhundert zur Se­ henswürdigkeit entwickelt. Die Ausstattung und Umbenennung zum Deutschen Uhren­ museum honorierte 1978 auch die verstärk­ te Hinwendung des Hauses zu den wissen­ schaftlichen Aufgaben eines Museums. Das Gesicht der Uhrenindustrie ist in Furtwan­ gen heute kaum noch erkennbar, doch ihr Erbe bestimmt nach wie vor das moderne Geschäft der Stadt. Ähnliche Strukturen sind typisch auch für andere Teile des ehemals uhrenmachenden Schwarzwalds. Unter diesem Aspekt ist der von Simone von der Geest herausgegebene Katalog auch als Entwicklungsgeschichte der Region lesenswert. Eva Renz „Made in Furtwangen“. Vom Hausgewerbe zur Uhrenindustrie. Katalog zur Sonderausstellung des Deutschen Uhrenmuseums. Furtwangen 2003. 200 Seiten. ISB N 3-922673-09-0 Blick in den Automatensaal der Badischen Uhrenfabrik, um 1910. 1 5 5

Uhren und Uhrengeschichte Zentrum der Herstellung von Brieftaubenuhren Spezialuhrenfertigung in Schwenningen beheim atet Das in Schwenningen früher Uhren gefer­ tigt wurden, ist allgemein bekannt. Man denkt dabei an Armbanduhren, Küchen­ oder Standuhren. Den wenigsten ist jedoch die Spezialuhrenfertigung wie beispielswei­ se die der Brieftaubenuhren bewusst. Erfunden wurde er in Schwenningen nicht, der „Brieftauben-Flugwettbewerbs- Konstatierapparat“. Und doch lag fast über das ganze 20. Jahrhundert hinweg das Zent­ rum der europäischen Brieftaubenuhren- Produktion in der schwäbischen Stadt. Uber 50 Uhrenfabriken existierten in den 1920er und 1930er Jahren in Schwen­ ningen und fünf davon hatten sich unter an­ derem den Brieftau­ benuhren verschrie­ ben. Marktfuhrer war die meiste Zeit die Firma Friedrich Ernst Benzing, die 1863 als Uhrmacher­ werkstatt gegründet wurde und seit 1895 Brieftaubenuhren herstellte. Daneben hatte sich die Uhrenfabrik Schlenker-Gru­ sen (ISGUS) einen sehr guten Namen verschafft, die seit 1896 Brieftauben- Konstatierapparate baute. Neben eige­ nen Entwicklungen wurde dort für die belgische Firma Plasschaert produziert. 1924 brachte die Schwenninger Uhrenfab­ rik Palmtag einen Apparat mit zwei Pa­ pierstreifen heraus, so dass damit auch der Züchter selbst einen Beleg der Taubenflug­ leistungen in der Tasche hatte. Auch die Württembergische Uhrenfabrik Bürk und die Uhrenfabrik Jundes führten eigene Ent­ wicklungen im Programm. Den längsten Atem hatte jedoch der Brieftaubenspezialist Brieftaubenuhren der Firma Benzing. 1 5 6 Friedrich Ernst Benzing. Während die Firma Schlenker-Grusen bereits 1965 diese Pro­ duktlinie einstellte, hielt Benzing noch bis in die 1990er Jahre die weltweite Marktfüh­ rerschaft und führte auch noch Entwicklun­ gen mit Chip-Konstatierung zur Produktions­ reife, denn die Firma inves­ tierte schon immer sehr viel in Forschung und Entwicklung. Erst als sich die Pro­ duktion nicht mehr rentierte, da mit der Fir­ ma Diehl aus Nürnberg ein Kon­ kurrent auftauchte, der diese neue Technolo­ gie preisgünstig aus Rüstungsentwicklungen ableiten konnte, stellte Benzing die Produk­ tion in Schwenningen ein. Die österreichi­ sche Firma Gantner vertreibt weiterhin die elektronischen Geräte, die noch heute den Namen „Benzing“ tragen. Vielleicht hing die Produktion dieser Uhren auch mit dem Hobby vieler Fabrikanten zu­ sammen: Der Taubenzucht. So gab es Taubenverschläge in der Württembergischen eben­ so wie in der Firma ISGUS. Auch Friedrich Mauthe züchtete Tau­ ben, allerdings in einem Taubenhaus in seinem Garten. Seine Tauben waren hoch prämiert. Die Taube hat im christ­ lichen Kulturkreis im Laufe derjahrhunder- te eine ganze Reihe an Bedeutungszuschrei­ bungen erhalten, die von ihren Charakter­ zügen und auch von ihren Fähigkeiten ab­ geleitet sind. Tauben symbolisieren Treue, weil sie wie der Mensch mit einem Lebens-

partner ihr Leben verbringen. Sie gelten als Sendboten, die sowohl irdische als auch göttliche Botschaften übermitteln. Es gibt Turteltauben, die für eine glückliche und junge Liebesbeziehung stehen und Frie­ denstauben, die Friedensbotschaften über­ bringen. Bis heute noch nicht restlos erforscht ist der Orientierungssinn der Tauben, denn Brieftauben finden (meist) zielsicher und auf direktem Weg wieder nach Hause. Selbst Regen, Sturm oder gar Gewitterwolken kön­ nen sie nicht aufhalten. Und die Reise kann dabei über Hunderte von Kilometern ge­ hen! Ohne diesen Orientierungssinn wür­ den keine Brieftauben-Konstatierautomaten gebraucht, denn dann gäbe es keine Wettflü­ ge. Es scheint ein vernetztes Zusammenspiel mehrerer Sinne zu sein, das ihre Orientie­ rungsfähigkeit optimiert: Angeborener Ori­ entierungssinn wird durch Angelerntes er­ gänzt und verbessert. Für die Fernorientie­ rung nutzen sie den Sonnenstand als Rich­ tungskompass. In den ersten Wochen des Taubenlebens wird diese Sonnenstandsori­ entierung erlernt und selbst bei bewölktem Himmel kann die Taube sich daran orientie­ ren. Der Magnetismus der Erde liefert zusätz­ lich und vor allem bei schlechtem Wetter Ori­ entierung. Dieser Sinn ist angeboren. Tauben können mit Hilfe von im Kopfgewebe eingelager­ tem Magnetit die Feldli­ nienwinkel der Erde zu einer imaginären Erdtan­ gente (Wasserwaage) be­ stimmen und wissen da­ her, wo Norden und Sü­ den ist und wo sie sich gerade befinden. Bei Ge­ wittern ist das Magnet­ feld manchmal stark ge­ stört, deshalb können sie dann die Orientie­ Brieftaubenuhren rung verlieren. Tauben haben zudem ein sehr feines Gehör. Sie können Frequenzen wahrnehmen, die weit unter dem bewussten Wahrnehmungsbereich des Menschen lie­ gen (Infraschall, unter 20 Hertz). Solche Tö­ ne werden beispielsweise von der Meeres­ brandung, von beständigen Winden, aber auch von Maschinen erzeugt. Die Rolle des Geruchssinns für die Orientierung ist noch nicht eindeutig durchleuchtet. Nicht wenige Wissenschaftler gehen davon aus, dass auch spezifische Gerüche – etwa der Geruch eines Waldes, eines Wiesentals, eines Sees oder ei­ nes Flusses mit zur Orientierung beitragen. „Das Rennpferd des kleinen Mannes“ In Schwenningen und Umgebung werden Tauben nicht wegen des Wettflugs allein ge­ züchtet. Aber im Ruhrgebiet ist die Taube „Das Rennpferd des kleinen Mannes“, d. h. hier wird oft um hohe Einsätze gewettet, welche Taube zuerst den Schlag erreicht. Um dies präzise messen zu können, wurden die sogenannten Taubenuhren erfunden. Bei Brieftaubenwettflügen geht es um Ruhm und Ehre, um zu gewinnende Preise und nicht zuletzt um Wettgelder. Eine Taube, die kei- Am Startgerät – Blick in die Ausstellung im Uhrenindustriemuseum. 1 5 7

Uhren und Uhrengeschichte zum gleichzeitig starten lassen, sie haben jedoch einen un­ terschiedlich weiten Weg zu­ rück heimischen Schlag. Um die Ankunft eindeutig und gerecht do­ kumentieren zu können, werden den Wettflugtau­ ben Startnummernringe mitgegeben. Kommen sie zu Hause an, muss der Züchter sie einfangen, ih­ nen den Startnummernring abnehmen und ihn in die Brieftaubenuhr stecken. Dort wird gleichzeitig mit dem sicheren Wegschließen des Rings ein Stempelme­ chanismus ausgelöst, der diesen Moment als gültige „Ankunftsuhrzeit“ auf einem Papierband ab­ stempelt. Mehrere solcher Taubenringe pas­ sen in eine Uhr, so dass ein Züchter eine ganze Reihe Tauben an den Start bringen kann. Wenn alle zurück sind, bringt er die vor Wettflugbeginn höchst genau gestellte und verplombte Uhr zurück ins Wettflugbü­ ro, wo vertrauensvolle Schiedsrichter sie öff­ nen und die Flugzeiten unter Einberechnen der Flugstrecke auswerten. Erst jetzt kann die Siegertaube festgestellt werden. Unterschiedliche Messgeräte entwickelt Unterschiedliche technische Konzepte wurden von den tüftelnden Herstellern ver­ folgt: Die ersten Uhren von belgischen Her­ stellern richteten sich nach dem Prinzip der Stechuhr, bei der Ankunft wurde ein Loch in einen Papierstreifen gestanzt. Andere ver­ suchten es mit geheim vergebenen Num­ mern für die Tauben, die auf einem schma­ len Schlitz im Uhrengehäuse auf einen Pa­ pierstreifen notiert wurden. Die Idee, Gum­ miringe mit Startnummern über die Tau­ benringe zu klemmen, setzte sich Anfang des 20. Jahrhunderts durch. Jetzt wurde die Ankunftsuhrzeit auch nicht mehr einge- Wettbüro mit Urkunden, Uhrenindustriemuseum Schwenningen. ne Flugleistung bringt, wird geschlachtet. Das Urteil eines Züchters über eine seiner Fehleinkäufe: „Die hat genauso geschmeckt, wie sie geflogen ist!“ Zu viel steht also auf dem Spiel, um nicht einen immer besseren Apparat zu erfinden, der auf unbestechliche Weise den Wettflug unparteiisch entscheiden hilft. Manipulati­ onssicher soll er sein und genau. Schnell zu bedienen, damit auch mal zwei Tauben gleichzeitig in den Schlag zurückkehren können. Denn mit einer Brieftaubenuhr wird fälschungssicher der Rückkehrzeit­ punkt einer Taube vom Wettflug „konsta­ tiert“. Seit es Patentämter gibt, wurden dort immer neuere und immer bessere Konstruk­ tionen für solche Konstatierapparate einge­ reicht. Platte man in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch pro Taube das Start­ nummernringlein oder gar die auf dem Ge­ fieder gestempelte Taube persönlich ins Wettflugbüro tragen müssen, so konnte mit der Brieftaubenuhr die Ankunftszeit sicher, unbestechlich und unabhängig von der Ent­ fernung des Schlages zum Wettflugbüro do­ kumentiert werden. Das Feststellen des Siegers ist nämlich kompliziert: Zwar kann man die Tauben 1 5 8

Elektronische Brieftauben­ uhr. locht, aufgestempelt. sondern Es blieb nicht aus, dass manche Zeitgenos­ sen versuchten, diese feinmechanischen Ap­ parate zu ihren Gunsten zu manipulieren, denn schließlich war mit dem Besitz einer Siegertaube Geld und Ansehen verbunden. Dies wiederum forderte die Konstrukteure der Uhrenfabriken zu immer neuen Verbes­ serungen heraus. Die heutzutage modernsten Konstatierge­ räte sind – wie schon erwähnt – als Neben­ effekt der Forschungen für die Rüstungsin­ dustrie entstanden. Die Brieftauben bekom­ men jetzt Chips mit kleinen Sendern ange­ heftet. So lässt sich zwar noch nicht ihr Flug beobachten, doch hält ein Scanner ihre An­ kunftszeit präzise beim Einfliegen in den Schlag fest. Gute Orientierungsgabe Es gibt über 800 Taubenrassen. Einige da­ von eignen sich besonders gut zu Wettflug­ einsätzen. Der Zuchterfolg misst sich allein an den Wettflug-Ergebnissen des Nachwuch­ ses. Gewinnertauben haben eine gute Orien­ tierungsgabe, eine aerodynamische Körper­ form, ausgeprägte Flugmuskeln, gute, klare Augen, ein einwandfreies Federkleid und da­ bei noch elastische Schlagfedern. Brieftauben- oder Sporttaubenzüchter kennen eine ganze Reihe von Tricks, den Rückkehrwillen der Tauben zu steigern. Kör­ perlich und psychisch in Top-Form sind Tauben, wenn sie zehn Tage alte Jungen für­ sorglich zu betreuen haben. Man kann es sich also ausrechnen, wann genau eine Paa­ rung vor einem Wettflug stattfinden sollte, um diesen Zeitpunkt optimal zu erwischen. Bereits die Pharaonen nutzen Tauben zur Übermittlung von Nachrichten. Kein Wun­ Brieftaubenuhren der also, wenn sich findige Leute in den da­ rauf folgenden dreitausend Jahren sowohl im militärischen als auch im zivilen Nach­ richtenwesen ihre Brieftaubenstaffeln ein­ richteten, um in Zeiten, als Telegrafie und Funk noch unbekannt waren, schneller als berittene Boten zu sein. Um 1850 begann z.B. der Zeitungskorrespondent Paul Julius Reuter in Aachen, seine Nachrichten via Brieftaube zu verschicken. Er begründete damit die Nachrichtenagentur Reuter, die noch heute im Internetzeitalter ein wichti­ ger Informationsübermittler ist. IngeborgKottmann/Frank Lang Der ehemalige Geschäftsführer der Firma Benzing M ax Ernst Haller (rechts) im Gespräch mit dem Brieftaubenzüchter Horst Deiter. 1 5 9

10. Kapitel/Almanach 2004 Brauchtum Der Maskenschnitzer Manfred Merz Handwerker, genialer Künstler und exzellenter Fasnetkenner Eigentlich wollte der Besucher nur eine halbe Stunde bei Manfred Merz vorbei­ schauen. Wollte nur zwei, drei Kleinigkeiten mit ihm bereden. Jetzt ist es schon nach Mit­ ternacht und der Gast hat keine Minute be­ reut. Wenn Manfred Merz in Fahrt kommt, ist er kaum mehr zu bremsen. Er, der Mas­ ken nicht nur für die Villinger Zunft, son­ dern auch für die Triberger, Donaueschinger oder Hüfmger schnitzte. Ihm zuzuhören, wenn er über seine jahrzehntelangen Studi­ en und seine fast detektivische Spurensuche zur Villinger Fasnet erzählt, ist eine wahre Freude. Der Spaß und der Schalk ist in allen Poren zu spüren, wenn er sich an unzählige eigene Erlebnisse im Häs erinnert. Es wird mucksmäuschenstill im Zimmer, wenn er die eine oder andere wertvolle Sche­ ine, die von alten Meistern mit klangvollen Villinger Namen wie dem „Olmüller“, Sie­ ber oder Ummenhofer stammt, in die Hand nimmt. Vorsichtig und mit einer gehörigen Portion Ehrfurcht streicht, ja streichelt Man­ fred Merz fast über die hölzernen Zeugnis­ se vergangener Schnitzkunst. Laut kann er werden, wenn es um die drohende Verwäs­ serung des Brauchtums geht und mit der ihm eigenen Leidenschaft ereifert er sich, wenn das Gespräch auf das Thema Kopier- fräsen von Schemen kommt. Hier kennt Manfred Merz kein Pardon. Hier zieht er, wenn es denn sein muß, auch schon mal vor Gericht. Nicht aus verletzter Eitelkeit, son­ dern in erster Linie als Interessensverwalter des Villinger Brauchtums, der historischen Villinger Fasnet, so wie sie seit Jahrhunderten weitgehend unverfälscht von Generation zu Generation vererbt wird. Dennoch ist Manfred Merz kein Stockkon­ servativer. Er hat Verständnis für jene, die sich nicht in die festgefügten Regeln der his­ 160 torischen Fasnacht pressen lassen wollen und in anderen Vereinen, neuen Gruppen und Gruppierungen einfach nur ihren Spaß haben möchten. „Alles im Leben entwickelt sich weiter, auch die Fasnacht. Das muß man akzeptieren“, sagt Manfred Merz. Er bittet jedoch im gleichen Atemzug um Re­ spekt gegenüber jenen, die sich wie er dem Erhalt des Brauchtums und damit der ur­ sprünglichen Form der Villinger Fasnet ver­ schrieben haben. Seit nunmehr 50 Jahren ist der Name Manfred Merz so etwas wie das Synonym für die Villinger Fasnet in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. 1948 kam Manfred Merz erstmals so rich­ tig mit der Fasnet in Berührung. Alte Narros wie der Häs-Maler Hermann Fischer oder dessen Bruder Albert, ein bis heute nicht vergessener Heimatkundler, langjähriger sach­ kundiger 1. Zunftmeister und damals auch noch Präsident der Schwäbisch-Alemanni­ schen Narrenvereinigung, besuchte der jun­ ge Manfred immer wieder. „Dies waren schon Begegnungen, die mein ganzes weiteres Le­ ben beeinflußt haben“, blickt Manfred Merz zurück. Künstlerische Familie Künstlerisch geprägt wurde er jedoch aus der eigenen Familie heraus, die künstleri­ sche Begabung wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt, die 1928 im ursprünglichsten aller Villinger Viertel stand, im Riet. Vater Eugen Merz war ein bedeutender Holzbildhauer, aus dessen Werkstatt eine Vielzahl sakraler und profaner Kunstwerke stammen. Heute erinnern unter anderem in Villingen der Wagnerbrunnen, die Altvillin- gerin oder die Brigachtälerin, aber auch die jährlich am 6. Januar aufgestellte Narrofigur

Der Maskenschnitzer Manfred Merz Der Villinger Narro 161

Brauchtum am Brunnen in der Oberen Straße, an die Fertigkeiten von Eugen Merz. Während Manfred Merz vom Vater den Umgang mit dem Holz lernte, wurde er von Onkel Karl Merz zeichnerisch beeinflußt. Zum großen Maler der Baar hatte er immer ein besonde­ res, sehr persönliches Verhältnis. Mit 14 Jahren trat Manfred Merz beim Vil- linger Holzbildhauer Karl Keck eine Lehre an. Sein handwerkliches Rüstzeug ergänzte er später in der Werkstatt des Vaters. Der Krieg, der Ruf zur Fahne und Gefangen­ schaft vereitelten den Wunsch, die Holzbild­ hauerschule zu besuchen. Ein Fernakade­ miestudium ergänzte dafür die in der Lehre erlernten Fähigkeiten. D ie erste Scheme Als Manfred Merz dann nach dem Krieg erstmals ins Narrohäs schlüpfte, war sein Ta­ tendrang nicht mehr zu bremsen. Sein sehn­ lichster Wünsch damals: Eine eigene Sche­ me. Er vertraute auf seine eigene Fertigkeit und schnitzte sich eine glatte Scheme, gefaßt wurde sie vom Maler Fischer. Der Grund- Manfred Merz in seiner Werkstatt. 162

stein für eine große Karriere als Schemen­ schnitzer war damit frühzeitig gelegt. An ei­ ne Tatsache erinnert sich Manfred Merz üb­ rigens heute noch mit Schmunzeln: „Bevor ich nach dem Krieg einen eigenen Winter­ mantel hatte, besaß ich schon ein komplet­ tes Narro-Häs.“ Bereits für sein erstes eigenes Werk erhielt Manfred Merz großes Lob von den damali­ gen Allgewaltigen der Historischen Narro- zunft. Wenig später schuf er seinen ersten Surhebel. Er leitete damit eine künstlerische Ara ein, die ihn in eine Reihe mit den gro­ ßen Schnitzern vergangener Jahrhunderte setzt. Und so wundert es nicht, daß Manfred Merz von Beginn an seines Schaffens – und dies ohne Unterlaß bis zum heutigen Tag – die Spuren der alten Meister verfolgte. Seine akribischen Recherchen führen zu­ rück bis zu den bekannten und führenden Villinger Barockbildhauem Johannes Schupp (1631-1713), Anton Josef Schupp (1664- 1729), Ignatz Schupp (1691-1748) sowie dem Künstler Josef Anton Hops (1720-1761), denen die ersten heute noch erhaltenen und bekannten Schemen zugeschrieben werden. „Bregel“ Josef Ummenhofer (1813-1891) oder Wilhelm Sieber (1851-1899) hießen weitere große Schnitzer ihrer Zeit, an denen sich Manfred Merz anfänglich auch orien­ tierte. Eine besondere Faszination übte aber Dominikus Ackermann (1779-1836) aus, be­ kannter unter dem Namen „Ölmüller“. Des­ sen Schemen gelten heute noch als das Non­ plusultra. Ackermann arbeitete im Über­ gang der Stilepochen vom Barock zum Klas­ sizismus. Viele Brauchtumsforscher und Volkskundler bezeichnen die fast lieblichen „Olmüller“-Masken als die schönsten, die es im gesamten schwäbisch-alemannischen Raum gibt. Kein Wunder, daß sich Manfred Merz hier nach wie vor in der Pflicht sieht, glatte Sche­ men weitgehend nach dem Vorbild des gro­ ßen Meisters zu fertigen. Die Anlehnung an den „Ölmüller“ ist unverkennbar, dennoch haben die Schemen ihren eigenen, den von Der Maskenschnitzer Manfred Merz Der Surhebel Manfred Merz so prachtvoll umgesetzten Charakter. Das Lebenselixier Die Villinger Fasnet und die Historische Narrozunft dürfen sich glücklich schätzen, mit Manfred Merz einen immer gradlini­ gen, manchesmal auch unbequemen Mann in den eigenen Reihen zu haben, der schon frühzeitig erkannt hat, welche Verpflichtun­ gen aus der Schemenkunst längst vergange­ ner Zeiten der heutigen und auch künftigen Generation erwachsen sind. Und so ist der unermüdliche Drang nach mehr Wissen über fastnachtliche Bräuche, über deren Ur­ sprünge und Bedeutung, aber natürlich auch über die großen Schemenschnitzer, zum Lebenselixier für Manfred Merz gewor­ den. „Wenn man den tieferen Sinn der Vil­ linger Fasnet erkennt und begreift, dann muß man dafür leben“, gesteht der Holz­ bildhauer freimütig ein. Und so widmete sich Manfred Merz im Laufe der 50 fastnachtsgeprägtenjahre immer 1 6 3

Brauchtum mehr der Forschung und den Nachfor­ schungen. Freizeit und Beruf, Beruf und Freizeit, für Manfred Merz zwei Begriffe, die nicht mehr voneinander zu trennen sind. Dicke Aktenordner, eine riesige Zahl, meist selbstgefertigter Fotos, dokumentieren nachdrücklich und sichtbar zugleich die im­ mense Arbeit. Nicht nur mit den Schemen, auch mit dem Häs, mit dem Häsmalen (und de Moler), mit den Rollen und ihren Gie­ ßern und einer Vielzahl weiterer fastnachtli- cher Aspekte, beschäftigt sich Manfred Merz in semiprofessionell-wissenschaftlicher Wei­ se. Kein Wunder, daß immer wieder selbst profunde Kenner der schwäbisch-alemanni­ schen Fasnet, prominente Volks- und Hei- matkundler, aber auch Studenten, den Weg zu Manfred Merz nach Villingen finden oder ihn zu Vortragsveranstaltungen einladen. Trotz dieser großen zeitlichen Belastung („Wenn man etwas gern und mit dem Her­ zen macht, dann spielt der Aufwand nur ei­ ne sehr untergeordnete Rolle“) vernachläs­ sigte der Künstler in den zurückliegenden Jahrzehnten aber nie seine eigentliche Pro­ fession, das Schemenschnitzen. Viele hätten gerne eine „ M e r z e – Scheine“ Betritt ein Laie die Merz’sche Werkstatt, dann fällt ihm erst einmal die große O rd­ nung auf. Es riecht nach Holz, auf dem Bo­ den kringeln sich die Späne. „Auf einer Ho­ belbank liegen messerscharfe Werkzeuge – ausgerichtet wie Soldaten aus dem Kaser­ nenhof“, schrieb einmal ein Journalist in ei­ ner Stuttgarter Zeitung, nachdem er Man­ fred Merz besucht hatte. Manfred Merz ar­ beitet an einer Scheme. Heute übrigens lan­ ge nicht mehr so oft und so lange wie in der Vergangenheit. Er schafft noch alte Aufträ­ ge ab, neue nimmt er keine mehr an. „Wenn ich noch alle Wünsche befriedigen würde, die an mich herangetragen wurden, dann hätte ich mindestens die nächsten 20 Jahre ununterbrochen zu tun“, macht er all jenen, die auch gerne eine „Merze-Scheme“ besä­ ßen, keine Hoffnung. 164 Die Entstehung einer Maske Am Anfang jeder Scheme steht ein ovaler Block aus bis zu fünf Jahre gelagertem Lin­ denholz. Zugeschnitten mit einer Bandsäge, dem einzigen mechanischen Hilfsmittel bei der Herstellung. Ohne Fehler muß das Holz sein, ehe es den Ansprüchen des Schnitzers entspricht, ln rund 50stündiger Arbeit ent­ steht unter den handwerklich wie künstle­ risch geschulten Händen eine echte „Merze- Scheme“. Vom Surhebel Da sind nicht nur die glatten Schemen, die seinen Ruf begründen. Da muß die „Surhe- bel“-Maske genannt werden, also jenes säu­ erliche, in leicht karikaturenhafter Übertrei­ bung dargestellte Gesicht, das in seiner gan­ zen Bandbreite menschliche Ausdrucksfor­ men und die schöpferischen Launen der Na­ tur charakterisiert. Der Surhebel stellt schnitz­ technisch an seinen Erschaffer höchste An­ sprüche. Diese bewältigt Manfred Merz aber mit Bravour. Bereits 1948 fertigte er seinen ersten „Sur­ hebel“. Manfred Merz prägte eine neue Ge­ neration dieses Schementyps. Mal allefän- zig, mal bärbeißig, mal spöttisch, auch mal arrogant, aber nie bösartig, nie furchterre­ gend blicken die Surhebel des Merze-Man- ne in die fastnachtliche Welt. Die frühere Derbheit der Masken ist unter Manfred Merz sogar einer gewissen Eleganz gewi­ chen. Oft spiegeln sich Villinger Charakter­ köpfe in der Scheme wider, ohne daß die hier so trefflich Dargestellten auch nur an­ satzweise davon ahnten. Im Jahre 1950 schrieb der große Fastnachts­ kennerjohannes Künzig im noch heute be­ achteten Büchlein „Die alemannisch-schwä­ bische Fasnet“ über den jungen Manfred Merz und seine Surhebel: „Treffender, bes­ ser beobachtet und besser gekonnt, lassen sich solche Typen wohl kaum darstellen, als sie Manfred Merz in seiner Werkstatt schnitzt.“

Der Maskenschnitzer Manfred Merz Vom Werden eines Surhebels: Am Anfang steht die Skizze, dann folgt der Griff zum Lindenholz, es ent­ steht die grobe Form und nach und nach schält sich unter den Händen des Bildhauers eine der kostbaren Merz-Masken heraus. Am Schluß wird grundiert, bemalt und lackiert. Alles ist Handarbeit – anders könnte, anders wollte Manfred Merz nicht arbeiten. Kein „Surhebel“ gleicht dem anderen, Manfred Merz kopiert hier weder die alten Meister, noch seine eigenen Schemen. Manchmal hat er, wenn er unter Leute geht, am Wirtshaustisch sitzt, ein kleines Blöck­ chen dabei. Beobachtet die Menschen um ihn herum, fertigt still und leise eine kleine Skizze eines nicht alltäglichen Antlitzes. „In meinem Unterbewußtsein sind unzählige Gesichter abgespeichert und jederzeit abruf­ bar“, beschreibt Manfred Merz eine seiner großen Stärken, die seine künstlerische Phantasie nähren. Die Leidenschaft zum Porträtieren, geweckt durch Onkel Karl, ent­ deckte er übrigens schon als junger Mann: „Wenn andere Karten spielten, dann saß ich oft nur einfach nebendran und zeichnete, denn da waren meist interessante Kerle da­ bei.“ Das Morbili Eine weitere unverwechselbare Merze-Sche- me ist das „Morbili“ oder auch „Murbili“ ge­ nannt. Auch hier zeigt sich in den Ausführun­ gen die ganze Kreativität und Individualität, 1 6 5

Brauchtum die mit der Arbeit von Man­ fred Merz verbunden ist. Das weibliche Gegenstück zum „Surhebel“ besticht durch ei­ ne gewisse Sanftheit, gepaart mit einem guten Schuß Weis­ heit, Charme, weiblicher Über­ legenheit und Freundlichkeit. Einem Morbili, das eine „Merze-Scheme“ trägt, begeg­ net man gerne an den Hohen Tagen. Und ist es nicht ein prachtvoller Anblick, wenn ein Stachi und ein Morbili Arm in Arm in der Anonymi­ tät der von Manfred Merz ge­ schaffenen Schemen direkt auf einen zukommen? D ie Alt-Villingerin Nicht vergessen werden soll, daß Manfred Merz 1949 erst­ mals überhaupt Alt-Villinge- rinnen-Masken aus Holz ge­ schaffen hat, die ebenfalls ih- Das Morbili rem Meister zu großer Ehre gereichen. Die neuen Holzschemen ersetz­ ten die bis dahin üblichen billigen und aus­ druckslosen Wachs- oder gar Pappmachemas­ ken, die nach jeder Fasnet aufgeweicht waren und anschließend nicht mehr getragen wer­ den konnten. Der Villinger Schnitzer ist ein absoluter Perfektionist, der an sich selbst die höchsten Maßstäbe anlegt. So gewährleistet er, daß seine Schemen weit mehr sind als nur Mas­ ken, die man einmal im Jahr an Fasnet trägt. Jede Scheme ist für sich ein Kunstwerk. Ge­ arbeitet aus einem erst einmal unförmigen Holzblock. Nach und nach entsteht ein Ge­ sicht, das am Ende ganze fünf Millimeter dünn ist, wird jede Nuance sorgfältig he­ rausgearbeitet und jedes Detail mehrfach kritisch überprüft. Erst wenn alle von Man­ fred Merz sich selbst vorgegebenen Kriteri­ en in sich stimmig sind, wird in die Scheme das Markenzeichen „MM “ eingraviert. Prä­ 1 6 6 zision gilt bis zum letzten Arbeitsgang, schließlich faßt (malt) Manfred Merz seine Masken auch selbst. „Am Schluß muß halt alles aus einem Guß sein“, begründet der Schnitzer, weshalb er eigenhändig in mehr­ fachen Arbeitsgängen Farben und Lacke auf­ trägt und damit der Scheme endgültig das Leben „einhaucht“. Villinger Schemen sind Sprechmasken und nur sehr dünne Schemen geben den geeig­ neten Resonanzboden für das Strählen ab, verändern die Stimme, garantieren die Ano­ nymität. „Man muß mit einer Scheme sträh­ len können, sonst taugt sie nichts“, lautet daher ein weiterer Qualitätsmaßstab von Manfred Merz. Auch außerhalb Villingens genießt der Merze-Manne als Schnitzer fastnachtlicher Masken hohes Ansehen. So gehörten die traditionsreichen Narrenvereine in Triberg, Donaueschingen oder Stetten am kalten

Markt zu seinen früheren Auftraggebern. Fast selbstredend, daß von ihm auch eine Fülle an Entwürfen und Modelle für Villin- ger Fasnetabzeichen sowie Umzugsabzei­ chen, aber auch für die Villinger Miniatur- schemele stammen. Merz und die Prominenz Schemen von Manfred Merz zieren heute in der vorfastnachtlichen Zeit nicht nur vie­ le Stuben in Villingen, sie hängen auch bei einer ganzen Reihe prominenter Zeitgenos­ sen: So besitzt Ministerpräsident Erwin Teu­ fel einen Narro und ein „Morbili“, Fürst Joa­ chim zu Fürstenberg freute sich über eine Porträtscheme und der frühere ZDF-Fem- sehmann Gerd Jauch, von Hause aus Villin­ ger und Ehrenmitglied der Historischen Narrozunft, ist ebenfalls stolzer Eigentümer eines Merz’schen Originals. Selbst der zwi­ schenzeitlich verstorbene ehemalige Bun­ deskanzler Kurt Georg Kiesinger hatte in seinem Bonner Amtszimmer einen Narro aus der Werkstatt von Manfred Merz hän­ gen. Dieses Gastgeschenk der Stadt Villin­ gen nahm Kiesinger 1966 mit an den Rhein, als er vom baden-württembergischen Minis­ terpräsidenten zum Kanzler aufstieg. Heute ist der Narro wieder im Besitz von Manfred Merz und hat einen Ehrenplatz im Wohn­ zimmer, nachdem er das wertvolle Stück in einer Blitzaktion aus dem Nachlaß Kiesin- gers erwerben konnte. K am pf gegen das Fräsen „Manfred Merz, der kein Kind von Trau­ rigkeit ist, versteht keinen Spaß, wenn es um das Thema Kopieren und Fräsen von Sche­ men geht“, schreibt der große Maskenken­ ner Dieter Brüstle bereits 1988 im „Zunft- blättli“ der Historischen Narrozunft. Brüstle trifft mit dieser Aussage den Nagel voll auf den Kopf. Es gibt wohl kein zweites Thema, bei dem Manfred Merz sich derart ereifert, das ihm geradezu physische Schmerzen be­ reitet. Der Maskenschnitzer Manfred Merz „Noch in den 60er Jahren waren bei den Umzügen noch mindestens 15 bis 20 echte ‚Ölmüller‘ dabei, heute leider wohl kein ein­ ziger mehr“, stellt Manfred Merz resignie­ rend fest. „Quantität ist nicht gleich Quali­ tät“, meint der Schnitzer auch mit Blick auf die immer größer werdende Schar der Häs- träger, die schließlich alle mit Schemen ver­ sorgt sein wollen. Und mit jeder kopierge­ frästen Scheme, der ja ein handgefertigtes Stück zugrunde liegen muß, werde nicht nur das geistige und künstlerische Eigentum des Herstellers des Originals schamlos gestoh­ len, es gehe auch ein Stück Tradition kaputt. Schemen, die andere Holzbildhauer oder auch Amateure fertigen und die nicht unbe­ dingt seinen eigenen und den Qualitäts­ maßstäben der Narrozunft entsprechen, sind für Manfred Merz nicht das entschei­ dende Problem: „Schwache Schemen gab es auch schon früher, selbst von großen Schnit­ zern.“ Schemen, die allerdings kopiergefräst in großen Stückzahlen auf den Markt gewor­ fen würden, „die dürfen unter keinen Um­ ständen akzeptiert werden“, fordert Man­ fred Merz. „Wird diese Entwicklung nicht gestoppt, bedeutet dies irgendwann das En­ de unseres jahrhundertealten Brauchtums.“ Für Manfred Merz ist daher Aufklärung oberstes Gebot. Trotz dieser Sorgen läßt sich Manfred Merz die Freude an der Fasnet nicht verder­ ben. Auch wenn ihn die Gesundheit heute einen Gang zurückschalten läßt, freut er sich wie eh und je auf den nächsten Fasnetmen­ dig, denn dieser ist bekanntlich immer der schönste. „Die Lust auf Fasnet, die kommt von innen, das steckt in einem drin.“ Und so ist es für ihn auch nach 50 Jahren immer noch „ein Hochgefühl, wenn man am Mon­ tagmorgen im Häs aus dem Haus geht.“ Dann ist Manfred Merz nicht mehr der all­ seits ge- und beachtete „Schemen-Papst“, sondern einfach der Merze Manne. Oder noch einfacher: Ein anonymer Narro, mit einer unbändigen Lust aufs Strählen. Dieter Wacker 1 6 7

11. Kapitel/Almanach 2004 Kircnen, Kapellen und Glocken Dem Schicksal des Untergangs entronnen K losterh of Fischbach und Pfarrhaus Fützen bleiben nach Säkularisation kirchlich Nur wenige klösterliche Anwesen des Mit­ telalters im Schwarzwald-Baar-Kreis haben die Jahrzehnte nach der Säkularisation oh­ ne größere Schäden überdauert und werden bis heute noch durch die Kirche, deren Or­ ganisationen oder Klostergemeinschaften genutzt. Wie viele landwirtschaftliche An­ wesen der Klöster gar sind mit Baulichkeiten und Feldern in den Strudel der Säkularisati­ on 1803 geraten. Klösterliche Gebäude wur­ den entweder abgebrochen und von der Umgebung als Baustofflieferant genutzt, oder sie gingen im Zuge eines aufkommen­ den Wirtschaftsliberalismus an Personen, deren ökonomisches Verständnis wir heute anzweifeln müssen. Viele waren eher Aben­ teurer und Spekulanten, denn aus Sachver­ ständnis handelnde Unternehmer. Zwar waren die Baulichkeiten oftmals recht günstig zu erstehen und wurden die projektierten Fabrikationen staatlicherseits gern gesehen, doch waren ungeeignete Standorte und die allgemeine Wirtschafts­ entwicklung am Ende stärker ausschlagge­ bende Faktoren. Auch gelegentlich im sel­ ben Gebäude wechselnde Unternehmer und Fabrikationen konnten schließlich die Er­ kenntnis nicht hinauszögern, dass mit ur­ sprünglichen Klostergebäuden und deren zumindest im Landkreis eher verkehrsabge­ schiedene Lage eine Teilhabe an den Früch­ ten der aufkommenden Industrialisierung nicht zu erzielen war. So mündete das Klos­ tersterben in Unternehmenszusammenbrü­ chen. Erneut wurden die baulichen Überreste der Verschleuderung und dem Verfall preis­ gegeben. Andere Baulichkeiten wie die des Klosters Maria H of auf Neudingen dienten zunächst als Lazarett in den Befreiungskrie­ gen, bevor es 1852, nachdem dort eine Kin­ 1 6 8 derrettungsanstalt eingerichtet worden war, abbrannte. Das Paulinerkloster in Tannheim verschwand am Ende des 19. Jahrhunderts: 1896 brannte der Klosterhof ab, 1898 wur­ de das Hauptgebäude zerstört. Die Geschichte des Klosterhofes in Fisch­ bach und des Pfarrhofes in Fützen ist des­ halb beispielhaft für klösterliche Seelsorge- und Wirtschaftsgebäude, die unter wechsel­ haften Umständen die Zeiten überdauert ha­ ben und bis heute mit Leben erfüllt sind. Der gegenwärtig noch immer vom Kloster St. Ursula in Villingen genutzte Wirtschafts­ hof mit seinem Land ist auch ein auf ande­ re Weise bemerkenswertes Beispiel. Es zeigt, wie ein jahrhundertealter Landwirtschafts­ betrieb seinen Platz in Zeiten europaweiter hochtechnisierter Agrarbewirtschaftung fin­ det, wenngleich auch die Bedeutung des Ho­ fes als reiner Lebensmittellieferant zurückge­ gangen und der Erholungsaspekt in den Vordergrund getreten ist. Der Pfarrhof in Fützen, welcher bis zu Jah­ resbeginn 2003 Sitz der eigenständigen Pfar­ rei Fützen war und weiterhin kirchlich ge­ nutzt werden soll, bleibt eines der schüt­ zenswerten Bau- und Kulturdenkmäler im Landkreis. Er ist ein prägendes Wahrzeichen des Ortes und zugleich ein Beispiel der einst vom Kloster St. Blasien gepflegten großen Baukunst. Joachim Sturm Der H of des Klosters St. Ursula bei Niedereschach-Fischbach Das große Hofgut im Umfang von rund 340 Jauchert (= 78 ha) war in frühester Zeit von den Herren von Burgberg zur Versor­ gung des Frauenklösterleins in Neuhausen

bestimmt gewesen, das im frühen 13. Jahr­ hundert eine Gemeinschaft der Magdalene- rinnen beherbergte. Diese unterstanden spä­ testens ab 1290 der Aufsicht der Villinger Franziskaner und schlossen sich nach 1308 dem Klarissenkonvent am Bickentor an, dem heutigen Kloster St. Ursula. Nach der Umwandlung des Neuhauser Klosters in eine Dependance des Bicken­ klosters veräußerte Konrad von Burgberg den zum Unterhalt wohl überflüssig gewor­ denen Se(e)lhof, später Sey(en)hof, an die Johanniter von Lenzkirch. Diese wiederum reichten das Gebäude kaum drei Jahre spä­ ter, 1331, an die Villinger Johanniterkom­ mende weiter. Das genaue Datum der Über­ gabe des Besitzes an Angehörige der Reichs­ ritterschaft bedarf noch weiterer Klärung. Bereits im 16. Jahrhundert findet sich das Seyenhofgut in den Händen der Ifflinger von Granegg, 1598 wird es von der Stadt Rottweil erworben. Letztere verkauft in ih­ rer Geldnot nach dem 30jährigen Krieg den H of 1690 an Sebastian Ludwig Freiherr von Beroldingen. 1757 wird schließlich Joseph Johann Raßler von Gammerschwang neuer Besitzer, bevor der Landsitz einundzwanzig Klosterhof Fischbach / Pfarrhaus Fützen Jahre später an die Gemeinde Niedere- schach gelangt. Diese wiederum veräußert den Hof kaum drei Wochen später mit ei­ nem Gewinn von 50% an das Kloster St. Georgen in Villingen. Der letzte Abt von St. Georgen, Anselm Schababerle von Baden-Baden (im Amt 1778-1806) errichtete anstelle der alten Bau­ ten in den Jahren 1778-1780 eine markante Anlage im Stil des Barocks mit Wohn- und Ökonomiegebäude. Der Klosterhof erfuhr eine wohnliche Ausstattung mit mehreren Aufenthaltsräumen und einer Hauskapelle. Dort verbrachten dann die „Herren Patres Professoren“ (so die Überlieferung) ihre Herbstferien. Am 3. September 1780 erteil­ te der Bischof von Konstanz dem Abt An­ selm die Erlaubnis, die Kapelle des Kloster­ hofes dem Heiligen Benedikt zu weihen. Heute ist St. Ursula die zweite Schutzpatro­ nin. 26 Jahre lang genossen die Benediktiner ihr Refugium auf dem Land. Bei der Säkula­ risation 1806 verloren sie das Anwesen zu­ sammen mit rund 250 Morgen Grund an den Staat. In den folgenden Jahren erhielten verschiedene Landwirte den Klosterhof als Der Klosterhof liegt nahe Fischbach, jedoch auf der Gemarkung Niedereschach. 1 6 9

Kirchen, Kapellen und Glocken Lehen. „Aber auf dem gestohlenen Hofgut ruhte kein Glück“, schreibt Klosterarchiva­ rin Schwester Gabriele Loes in ihrer Ge­ schichte des Hofes. Nachdem 1831 Sebastian Schüler den H of für 10062 Gulden erworben hatte, begann eine Reihe von Besitzerwechseln. Zu den tragischen Schicksalen der Eigentümer zähl­ ten wirtschaftliche Miseren, tragischer Tod und Zwangsversteigerung. Manchmal wur­ de der H of nach wenigen Wochen bereits wieder veräußert. Aber auch Heinrich Hamm, der 1896 das Gut übernahm und es als erster Besitzer mit enormer Schaffens­ kraft in die Höhe brachte, gab wegen Ar­ beitskräftemangel, der geringen Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse und durch die ungünstige Verkehrsanbindung auf. Für 40000 Mark erwarb die Großherzogliche Domänenverwaltung den Sey(en)hof mit dem Ziel, dort im Frühjahr 1901 ein Auf­ forstungsprojekt und eine Großsaatschule zu starten. Die Kapelle wurde in einen Wirt­ schaftssaal umgewandelt, die Steine des Ökonomiegebäudes als Baumaterial für das neue Schulhaus der Gemeinde Schabenhau­ sen verkauft. Als in der Gemeinde Niedereschach Stim­ men gegen den Erwerb des Sey(en)hofes durch den Staat laut wurden, beschloß der Gemeinderat aktiv zu werden. Nach langen Verhandlungen gelangte das Anwesen in den Besitz der Gemeinde Niedereschach, die es an verschiedene Interessenten ver­ pachtete. „Keiner wirtschaftete gut. Das An­ wesen verwahrloste, und die Gaststätte stand in schlechtem Ruf“, so weiter der Be­ richt von Schwester Gabriela Loes. Dazu kam der Erste Weltkrieg. Der damalige Vil- linger Bürgermeister Osiander bewog die Gemeinde Niedereschach zum Verkauf des Hofes an das Villinger Kloster St. Ursula. Die Ursulinen unter der damaligen Supe­ riorin M. Hedwig Hofmann erwarben den Klosterhof und zehn Morgen Wiesen am 23. Oktober 1918 für 27000 Mark. Mit ent­ behrlichem Mobilar aus dem Villinger Klo­ ster richteten die Nonnen ihr neues „Klöster- 170 Haupteingang des Klosterhofs Fischbach. le“ ein und brachten die vernachlässigten Räume auf Vordermann. „Mit Freuden“, so der zitierte Bericht, habe man den Wirtssaal wieder in eine Kapelle zurückverwandelt und am 22. Mai 1919 feierlich eingeweiht. Eine große Erleichterung bedeutete 1928 der Anschluß an die Licht- und 1932 an die Wasserleitung des benachbarten Dorfes Fischbach. Bis zu diesem Zeitpunkt dienten eine Zisterne mit Pumpe auf dem H o f (ne­ ben dem Waschhaus) der Versorgung von Mensch und Tier. In Trockenperioden be­ durfte es eines Fuhrwerkes mit Faß, um das kostbare Wasser aus Schabenhausen oder Fischbach herbeizukarren. „Trotz primitiver Verhältnisse waren wir sehr glücklich über das lang ersehnte Ferienheim in stiller Wal­ deinsamkeit mit seiner trauten Kapelle“, er­ innert sich die Klosterarchivarin. Zwei Schwestern mit Knecht betreuten damals den Hof, zu dem auch Tiere und Felder ge­ hörten, die St. Ursula mit gesunder Kost versorgten. Schlicht und einfach erlebte die heutige Superiorin von St. Ursula, Schwe­ ster Eva-Maria den Klosterhof in den fünfzi-

ger Jahren. Eiserne Öfchen wärmten die Zimmer, das Wasser für die Waschschüsseln mußte in der Küche geholt werden. „Im Win­ ter war es bitterkalt, aber traumhaft schön“, schwärmt die 1953 erstmals das Hofgut be­ suchende Oberin. Nur zu gut erinnert sie sich an die sonntäglichen Ausflüge, die nach dem Gottesdienst per Fuß von Villingen über Obereschach, Schabenhausen nach rund eineinhalb Stunden am Klosterhof en­ deten. Am Abend marschierten die Nonnen die Strecke wieder zurück. Inzwischen wurde der Klosterhof behut­ sam restauriert und modernisiert. Alte Ka­ chelöfen und bäuerliches Mobiliar verbrei­ ten Gemütlichkeit. Bis in die achtziger Jah­ re betreuten Schwestern lange Jahre den Klosterhof: Schwester Prisca (1889-1996) lebte 35 Jahre auf dem Hof, Schwester Bri­ gitte (1894-1977) hatte 45 Jahre lang dort ei­ ne Heimat und Schwester Kunigunde (1897- 1991) 14 Jahre. Trotz der enormen Nach­ wuchsprobleme – vor einigen Jahrzehnten gehörten zu St. Ursula 80 Schwestern, heu­ Klosterhof Fischbach/Pfarrhaus Fützen te zählt der Konvent nicht mal ein Dutzend Ordensfrauen – gilt dem Klosterhof weiter­ hin große Aufmerksamkeit. Die als Lehrerin an der Schule St. Ursula tätige Schwester Roswitha verwaltet heute den Klosterhof und kümmert sich um den Garten. Ihr zur Seite steht die Pförtnerin des Villinger Klo­ sters, Brigitte Grabienski, die mit ihrem Mann Werner einen Teil des Klosterhofes bewohnt und den Garten mit pflegt. Bis heute gilt deshalb die Außenstelle des Klosters St. Ursula von Villingen an der Straße zwischen Fischbach und Niedere- schach als paradiesisches Fleckchen zur Er­ holung für die Ordensschwestern von St. Ursula in Villingen. Dagmar Schneider-Damm Das Pfarrhaus in Fützen Eines der baulichen Kleinode, die am Ran­ de des südlichen Kreisgebiets ein eher stilles Dasein fristen, ist das seit kurzem verwaiste Der Ffarrhofin Fützen. Seit der Neugestaltung nach 1750 hat sich das Pfarrhof-Ensemble bis heute kaum verändert. 171

Kirchen, Kapellen und Glocken Pfarrhaus von Fützen. Bis 1806 war 9 j0 der Ort Teil des Klostergebietes der Fürstabtei St. Blasien, das Pfarr- ■ haus Sitz des klösterlichen Seel- M sorgers. Beeindruckend ist die Größe I und qualitätsvolle Ausführung — des 1562 unter Kaspar I. (1541- 1571) errichteten Baues in der 1448 nach Verkauf erneut vom Reichsstift St. Blasien erworbenen Herrschaft Blumegg. Abt Mar­ tin I. (1596-1625), geboren 1560 als Martin Maister in Fützen, rundete diese erste Phase der Bautätigkeit dann noch mit einem großen Kornspeicher zur Einlagerung des Zehntge­ treides und dem Neubau einer Pfarrkirche (1571-1574) unter Verwendung der Funda­ mente des alten, zu klein gewordenen Got­ teshauses ab. Als Maurer Wenzel Schalos 1618 den Auf­ trag zum Abbruch und Neubau der nahe dem Pfarrhaus stehenden Scheuer wie zur Neugestaltung des Pfarrhofes erhielt, wel­ cher das Pfarrhaus teilweise umschloss, war in Fützen noch nichts vom beginnenden Krieg zu spüren. Doch in der Endphase er­ fassten die Zerstörungen auch D orf und 1 7 2 Das Wappen des wegen seiner Kunstsin­ nigkeit in der Landesgeschichte bekann­ ten Abtes Martin II. Gerbertprangt seit 1766 über dem Haupteingang. J . 4 Pfarrhaus. Erst nach einer langen Erholungsphase von über einem halben Jahrhundert fand eine grundlegende Reno­ vierung des Gebäudes 1717 statt. Das Pfarrgebäude gleichwie der es teilwei­ se umschließende Pfarrhof, ist in seiner heu­ tigen Dimension das Ergebnis eines Umbau­ es und einer Erweiterung von 1765 bis 1768 in der spätbarocken Blütezeit. Ihm war ein er­ neuter Kirchenbau, vollendet 1755, vorange­ gangen. So war bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jenes Ensemble für das innere Dorf bestimmend, welches wir noch heute als bewunderungswürdiges Relikt der hohen Klosterzeit erkennen. Schon lange zuvor, wohl seit Abt Martin II., war das Pfarrhaus zu einem Mittelpunkt der geistlichen Verwaltung bzw. Seelsorge ge­ worden. Hier versammelten sich regelmäßig die in der Umgebung tätigen Geisdichen des Klosters, oft zusammen mit dem jeweiligen Abt und seinen Stellvertre­ tern. Fützen mit seinem Pfarrhaus wurde damit zu einer Art geistlichem Pol gegenüber der in Ewattingen beheimate­ ten weltlichen Verwal­ tung, der Obervogtei. Bis in die Koalitions­ kriege des ausgehenden Der Platz am Pfarrhaus in Fiitzen. Wenn auch das Rat­ haus nach 1945 neu gebaut werden mußte, ist der Platz seit Beginn des 19. Jahr­ hunderts nahezu unverän­ dert gehliehen.

Klosterhof Fischbach/ Pfarrhaus Fützen 18. Jahrhunderts hi­ nein, war das Fützener Haus Heimstatt gelehr­ ter Mönche, die den Pfarrdienst versahen. 1794 hatte der aus der Klosterschule hervorge­ gangene gelehrte Mar­ kus Baader/Bader (1752-1822) den Dienst aufgenommen. Hier schrieb er wohl auch die ersten Entwürfe zu den „Dreißig Betrach­ tungen über das Leiden Jesu Christi“ (Klagen- furt, 1818), zur „An­ dacht vor dem Allerhei­ ligsten Sakrament“ (1818) und zum „Leicht­ faßliche [n] Gebetbuch für gemeine Leute“ (1820). So stand die Land­ gemeinde lange Jahre im Glanz einer heute nur noch resteweise erkennbaren großen klö­ sterlichen Herrschaft des Südschwarzwaldes. Noch heute erinnert das damals ange­ brachte Abtswappen Martins II. (1764- 1793) Gerbert, von Hornau nahe Horb über dem Eingang an jene größte Zeit des Pfarr­ hauses. Dann begannen unruhige Zeiten, an deren Ende die Auflösung der klösterli­ chen Betreuung stand. Die Revolutionskriege als damals noch nicht recht einschätzbare grandlegende Aus­ einandersetzung der Monarchie mit dem heraufziehenden bürgerlich-liberalen Staats­ verständnis hielten in Gestalt des Militärs bald auch im Fützener Pfarrhaus Einzug. Am 24. Juni 1796, im Ersten Koalitions­ krieg, am Tage des beginnenden Vormar­ sches der französischen Armee, nahm in der Etappe der österreichische Brigadegeneral Wolf vorübergehend Quartier im Pfarrhaus. Dies war gewissermaßen bereits ein böses Vorzeichen, denn die zuerst weit nach Osten vorgedrungenen und dann von Erzherzog Karl geschlagenen französischen Trappen zogen sich über den Schwarzwald ins Rhein­ Blick aufdie Kirche über die Gartenmauer. Rechts an der hohen Brandmauer be­ fanden sich Remise und der Stall aus der Zeit kurz nach der Scikularisation. tal zurück. Am 7. Oktober durchzogen 6 000 Mann Fützen und raubten das Pfarrhaus gänzlich aus. Am 28. August 1799, im Zwei­ ten Koalitionskrieg, übernachtete der Leiter des Hofkriegsrates Joseph Graf von Collore- do-Waldsee (1735-1818) im Pfarrhof. Im 19. Jahrhundert Schließlich beherbergte das Haus am 1. Mai 1800 das österreichische Hauptquartier unter dem Feldmarschall-Leutnant Friedrich Au­ gust Graf Nauendorff. Hier wurde Kriegsrat gehalten, da die den Klettgau zurückerobem- de französische Armee gefährlich näher kam und der französische General Jean Victor Mo­ reau sich am selben Tag mit seinem General­ stab in der nahen Schweiz, im Gasthaus „Eid­ genössisches Kreuz“ in Hailau festsetzte. Unter dem aus Obereschach stammenden letzten Abt Bertold (1801-1807), mit Famili­ ennamen Rottier, trat der wieder seinem ur­ sprünglichen Zweck zugeführte Pfarrhof in die letzten Jahre seines Bandes mit dem Klo­ ster St. Blasien. Jetzt zog auch der letzte vom Kloster er­ nannte Pfarrer, Pater Justinus Hermann ins 1 7 3

Kirchen, Kapellen und Glocken Haus ein. Doch kaum hatte er seine seelsor­ gerische Tätigkeit aufgenommen, da fiel der Schatten der Säkularisation auf Ort und Ge­ bäude. Nach dem Preßburger Frieden 1805 und einer Zeit der großen Unsicherheit über die künftige territoriale Zugehörigkeit, über die der letzte Abt von St. Peter, Ignaz Speckle, in bewegenden Worten berichtet hat, kam es Ende Januar 1806 zur Erklärung der Über­ gabe des Breisgaues an den Kurfürsten von Baden. Dies war zugleich der Zeitpunkt der Aufhebung der auf dem Gebiet befindli­ chen Klöster und Stände. St. Blasien und St. Peter sprachen, um die Folgen zu umgehen, am 21. bis 25. März 1806 persönlich und wohl auch durchaus verhandlungsgeschickt bei H of in Karlsruhe vor. Man erwog gar eine Zusammenlegung in dem Sinne, dass St. Peter Priorat von St. Blasien werden könne. Doch weniger die Weigerung St. Peters, sich diesem Vorschlag an zu schließen, denn der seit langem gereif­ te Gedanke zur Aufhebung gaben den Aus­ schlag. Die Resolution des badischen Hofes vom 10. Oktober 1806, nach der die Verei­ nigung nicht angenommen werden könne, wurde den Betroffenen am 28. Oktober mit dem Bemerken eröffnet, daß die Klöster als aufgehoben zu betrachten seien. Am 4. und 5. November kam der ehema­ lige Kanzler der Johanniter zu Heitersheim Joseph Albrecht von Ittner, als badischer Staatskommissär ins Kloster, um die Auflö­ sung verwalterisch in die Wege zu leiten. Nachdem am 12. Juli 1807 auch die endgül­ tige Auflösung der Abtei ausgesprochen war, machte sich die Vollzugskommission ans Werk, deren Aufgabe unter anderem in der Verwertung des Pfarrhauses zu Fützen be­ stand, wo bereits der in den weltlichen Stand übergetretene, ehemalige sankt-blasianische Konventuale, Pfarrer Modestus Ott, seit 1806 die Seelsorge betrieb. Seit jener Zeit und bis zum heutigen Tage ist die Baugeschichte des Pfarrhauses von dem Bestreben geprägt, dem Wohnen mit­ tels kleinerer Umbauten und Einführung 1 7 4 technischer Neuerungen etwas mehr Be­ quemlichkeit zu verschaffen. Daneben galt es, Schäden durch die Zeitläufte und Unbil­ den der Witterung zu beseitigen, und ein­ mal 1837, dem Treiben der Erben des Pfar­ rers O tt entgegenzuwirken. Hatten diese doch nach dessen Heimgang die Vor- und Mückenfenster ausgebaut, das Holz aus der Remise verschleppt und die Schweineställe beschädigt. Der Aufmerksamkeit wert ist die regelmä­ ßige, zum Teil auf eigene Kosten erfolgte Einbringung neuer Öfen 1837, 1883/84 und 1907/09 in die Wohn- und Studierstuben. Als gravierendster Eingriffsversuch in die historische Einrichtung muß die Aufstel­ lung 1883 von Kachelöfen durch den Pfar­ rer gewertet werden, der dabei den alten sankt-blasianischen Ofen im ersten Stock abbrechen wollte. Dies wurde ihm von der erzbischöflichen Aufsichtsbehörde, die den Wert erkannte, jedoch gerade noch rechtzei­ tig untersagt und er musste den neuen Ofen neben den alten stellen, ja diesen zweiten Ofen gar aus eigener Tasche bezahlen. Die 1906 erfolgte Reparatur für 100 Reichs­ mark durch Buchbinder F. Schwengele deutet auf die Einrichtung moderner Rouleaux (d.i. Vorläufer unserer Jalousien) aus Papier, wenn nicht auf die Anbringung von Tape­ ten, die noch heute im Raum des kleinen Pfarrarchivs im ersten Stock zu sehen sind. Nur en passant seien die in einem fast gleichmäßigen Rhythmus von 10 bis 15 Jah­ re erfolgten Neueindeckungen des Daches oder das Anstreichen und Ausbessern von Außen- und Innenwänden erwähnt, die sich 1961 mit der Innen- und 1973 mit der Au­ ßenrenovierung letztmalig wiederholten. 1904 wurde die Wasserleitung von einem auf dem Nachbargrundstück des Mathias Gleichauf befindlichen Brunnens neu her­ angelegt, der auch das Schulhaus versorgte. 1906 erfolgte die Renovierung des Küchen­ teils. Als Krönung und Vollendung gewisserma­ ßen einer wie bei anderen öffentlichen (welt­ lichen) Gebäuden der Region festzustellen-

Klosterhof Fischbach/Pfarrhaus Fützen den Verbesserungs- und Neubauphase der dem sei ein Spaziergang durch Fützen rund Jahre von 1904 bis 1910 leuchtete ab 1919 im Ort und im Pfarrhaus jetzt elektrisches Licht. um den Pfarrhof empfohlen, Joachim Sturm Q uellen: Erzbischöfliches Archiv Freiburg, Best. Finanzkam ­ mer, Spec. Pfarreien Literatur: H erm ann Schmid, Die Säkularisation der Klöster in Baden 1802-1811, S.166-177, Ü berlingen, 1980 K. Rieder, Die A ufhebung des Klosters St. Blasien, Karlsruhe, 1907 K. Sutterer: Die A ufhebung der Benediktinerabtei St. Blasien und der N eubeginn in St. Paul, Badische H eim at 57/1977, S.401ff. Aus baulicher Sicht gingen die Jahre von der Weimarer Republik bis fast zum Ende des Zweiten Weltkrieges ruhig dahin. Ein Wunder ist es, daß der Bau in den schweren April-Kämpfen 1945 nicht beschä­ digt wurde. Während der nahe Kirchturm 15 Volltreffer erhielt, kam das einstige Klo­ stergebäude mit geringen Schäden davon. Renovierung im Jahr 200 2 Die im Jahr 2002 begonnene Renovierung der Außenanlagen zusammen mit der in Teil­ bereichen denkmalgeschützten, durch Stein­ fall bedrohlich gewordenen Sand­ steinmauer zum Nachbargrund­ stück ist so nur eine weitere Unter­ haltungsmaßnahme eines über vier­ hundertjährigen Bauensembles, den ein günstiges Schicksal und der Ver­ bleib in kirchlicher Hand vor Zerstö­ rung und Verfall bewahrt hat. Einen kleinen Verlust gilt es endlich doch zu vermerken. Schopf und Stall an der renovier­ ten Mauer waren nicht mehr zu halten und wurden 2001 abgeris­ sen. Der Pfarrgemeinderat von Fützen ist sich des großen Wertes der Ört­ lichkeit bewußt und versucht nach Kräften eine Unterhaltung und Be­ wahrung. Doch trägt man schwer an der finanziellen Last und freut sich über jede Spende und helfen­ de Hand. Dies ist die Bürde, wel­ che die Säkularisation hinterlassen hat, die man aber gerne ob der Be­ wahrung der Erinnerung an Kunst und Kultur des Klosters St. Blasien Wer sich heute ein Bild von den Letzter Teilder Inneneinrichtungvor 1803: Der Kachelofen. Der einstigen Bauherrlichkeiten des gleichfalls zu sehende Leuchter wurde mit der Verlegung des elekt- Klosters St. Blasien machen möchte, rischen Lichts 1919 eingebracht. 1 7 5

12. Kapitel /Almanach 2004 Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brunnen Errichtet um der Seele Ruh Der Furtwängler-Stein im Aspengrund bei Unterkirnach erzählt von furchtbarer Tat Kaum 100 Meter rechts des kleinen Fahr­ weges, der von Stockburg zum Bärlochhof hinaufführt, ruht im heutigen Waldesdi­ ckicht ein rund 1,80 Meter hoher Gedenk­ stein mit der Inschrift auf der Vorderseite: „Denkmal Roman Furtwängler. Derselbe wurde hier am 22. Juli 1887 morgens, auf dem Wege zur Arbeit aus Rache ermordet. Soldat und Mitkämpf, im Kriege gegen Frankreich 1870/71. 41 Jahr alt“. Auf dem breiten Sockel, kaum mehr sicht­ bar, erscheint das Relief eines Lammes, des Opferlammes. Darunter befindliche Schrift­ zeichen mögen einst auf eine Bibelstelle ge­ wiesen haben, sie sind jedoch heute mit blo­ ßem Auge nicht mehr zu entziffern. Damit erzählt der Stein dem Betrachter in kurzen Worten die Geschichte eines Verbre­ chens, welches sich nach heutigen Erkennt­ nissen folgendermaßen zutrug: Am Morgen des 22. Juli brach der 41-jäh­ rige Landwirt und Holzarbeiter Roman Furtwängler zu Fuß aus seinem Wohn- und Heimatort Unterkirnach auf, um sich bei p F Denkmal • * . Roman Furtwän ^mibeWurEfl nier am 2 2 Juli I n o r$ e n s,a u fd e m Vege m r A r b e i t lusffnihe e r m o r ^ l m i iiîw idm eî v.sewnBrüd Sfhwagern n. ¿ubwesterj zu m Andenken E für seine hinîefia? Frau „ u.ihren6ünmtindi¿en * Vorder- und Rückseite des Furtwängler-Steins, Zustand 1998. 176

seiner Arbeitsstelle im Domänenwald St. Ge­ orgen einzufmden. Zur Mahlzeit hatte er et­ was Brot, Speck und Schnaps eingepackt. Auch seine wohl gesamte Barschaft in Höhe von 23 Reichsmark hatte er in die Tasche ge­ steckt. An seinem Holzplatz kam er nie an. Seine Leiche wurde einen Tag später am Samstagmorgen von dem Villinger Geome­ ter Adam Brenkmann mitsamt dem Geld und dem Proviant gefunden. Das Bürgermeisteramt Unterkirnach un­ terrichtete das Bezirksamt Villingen mittels eines um 15.10 U hr aufgegebenen Tele­ gramms von dem Leichenfund. Eine zwei Tage später in Villingen staatsan­ waltlich angeordnete Untersuchung des O p­ fers ergab, dass Furtwängler durch einen Schlag auf den Kopf bewusstlos gemacht und anschließend erwürgt wurde. Getötet wurde er an einer Stelle, wo der von Unter­ kirnach herführende Fußweg einen kleinen Holzabfuhrweg zwischen den Höfen des Emil Neugart und des Nikodemus Duffner kreuzte. Den leblosen Körper hatte man dann ein Stück weit, genau 84 Meter, in den angrenzenden Wald geschleppt. Somit ent­ sprach der Fundort nicht dem Tatort. Schnell fand man auch heraus, dass der Fa­ milienvater mit sechs Kindern im Alter von 14 Tagen bis acht Jahren in Feindschaft mit Verwandten lebte. Noch keine drei Tage spä­ ter wurde zuerst der 36-jährige Taglöhner Emil Neugart aus Unterkirnach und kurz darauf dessen Bruder August Neugart als Mordverdächtige verhaftet. Trotz Einver­ nahme von rund vierzig Zeugen und akribi­ scher Spurensuche konnte den Brüdern am Ende nichts nachgewiesen werden. Der in Untersuchungshaft zurück gehaltene August Neugart musste daher am 7. September 1887 wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Das Fehlen eines Täters und das Entsetzen über die Tat verursachte in Unterkirnach und mehr noch auf den Höfen rings um den Tatort eine jahrzehntelange soziale Erschüt­ terung. Diese entlud sich in einer großen Anzahl von polizeibekannt gewordenen Verdächtigungen, Verleumdungen und un- Furtwängler-Stein im Aspengrund V D enkm al,™ f ü n f Roman Furtw ängie r Das Denkmal war ursprünglich mit einem email­ lierten Giebelfeld (Tympanon) versehen. Die Giebel­ inschrift aus Messing (siehe Seite 176) wurde 1987 vom Fotografen angebracht. gerechtfertigten Anschuldigungen. Bei den „Lichtgängen“, abendlichen Zusammen­ künften in den Bauernstuben, oder nach­ dem das Bier in den Wirtschaften die Zun­ gen gelöst hatte, war mancher überzeugt, der Täter habe sich in einem Halbsatz zu er­ kennen gegeben oder in der Runde sei der Name des Mordbuben gefallen. Das Ergebnis war, dass man fast zwanzig Jahre nach dem Mord den aus Unterkirnach stammenden und in Langenschiltach be­ schäftigten Mathä Beha (geb. 1868) am 20. November 1902 in Haft nahm. Aber auch er musste mangels Beweisen am 10. Januar 1903 bereits wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Dies veranlasste den um Unterkirnach viel gelesenen Brigachboten in seiner Ausgabe vom 13. Januar 1903 zu einem Artikel auf der ersten Seite und zur Vorstellung eines dritten Verdächtigen. Man sagt, so hieß es, der wahre Mörder sei der Holzhauer-Akkor- dant Elogius Wursthorn aus Unterkirnach gewesen. Dieser habe kurze Zeit nach dem Mord sein Anwesen dort verkauft und sei unbehelligt nach Amerika ausgewandert. So 1 7 7

Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brunnen bleibt bis heute die Frage nach dem wahren Mörder unbeantwortet. Definition – Kleindenkmal Unzweifelhaft handelt es sich beim Furt- wängler-Stein aus volkskundlicher und denk­ malpflegerischer Sicht um ein sogenanntes „Kleindenkmal“. Darunter versteht man ein ortsfestes, frei stehendes, kleineres, von Menschen geschaffenes Zeichen zumeist aus Stein, Metall oder Holz oder in Kombinati­ on der vorgenannten Materialien. Als Ge­ denkzeichen an ein Ereignis steht es in einer Reihe mit den Erinnerungsdenkmalen vor dem 18. Jahrhundert, durchgehend Stein­ kreuzen mit fehlender oder ohne heute noch erkennbare Aufschrift. Während deren . y ‚ I ‚ > • * ¿’kSRlAOT iM r i etni9Öc7.78 2]?, i’m n L c i t n j J i i l : r 1 7 8 Kennzeichen allerdings ein Informations­ schwund dergestalt ist, dass sich mit dem Stein nur noch die allgemeine Erinnerung an einen Mord oder ein anderes, einschnei­ dendes Ereignis ohne Namen oder Datum verbindet, sind die ereigniserinnemden Klein­ denkmäler des 19. Jahrhunderts heute noch präzise Informationsgeber. Dadurch, dass sie wegen ihres geringen zeitlichen Abstands zum Heute und der In­ schrift die erinnerte Person mit einem Ereig­ nis und einem Datum verbinden, stehen sie dem Friedhofsmal näher als den älteren Kleindenkmälem, bei denen die Ereignisse sich im Laufe der Zeit bereits ins Sagenhaf­ te gewendet haben. Im Geist von Antike und Klassizismus Zugleich heben sie sich wie der Furtwäng- ler-Stein auch dergestalt von den Steinkreu­ zen ab, dass sie keine Kreuzform besitzen und unterschiedliche Materialien kombinieren. Steine wie der Furtwängler-Stein, aber auch die Sühnekreuze oder heutigen kleinen Holz­ kreuze entlang der Straßen sind im Sinne der gegenwärtigen Religionsforschung Hinweise auf einen gestörten regulären Trauerverlauf, wie er bei plötzlichem oder vorzeitigem Tode auftritt. Ein Denkmal in diesem Sinne ist auch der als quadratischer Sockel (mit geplantem oder fehlendem Kreuz?) gestaltete Dilger- Stein im Wald bei Grüningen (s. Almanach 98). Auch er erinnert an einen ungesühnten Mord aus dem Jahre 1846, bei dem gleich­ falls das Entweichen eines unbekannten, tat­ verdächtigen Wilderers nach Amerika kolpor­ tiert wird. In normaler Trauer weilt der Totengeist in der Nähe der Leiche und geht mit dem offi­ ziellen Ende der Trauer ins Jenseits ein. Bei gestörter Trauer entsteht das Gefühl, der Der in die Friedhofsmauer in Flerzogenmeiler ein­ gelassene Grabstein ist ein besonders schönes Bei­ spiel fü r den ländlichen Klassizismus des frühen 19. Jahrhunderts im Kreis.

Furtwängler-Stein im Aspengrund ken geweihte Stein die nähere Nennung des oder der Weihenden und den Empfänger der Widmung. Veranlasser des Steines waren die Brüder, Schwäger und die Schwester des Ermordeten, die der Witwe und deren sechs Kindern Gelegenheit verschaffen wollten, den Tod des Ernährers und Vaters mit einem festen, sichtbaren Ort zu verbinden. Doch haben wohl weniger die originalen römischen Steine als ihre über die Antikebe­ geisterung des 18. Jahrhunderts überkom­ menen Einflüsse auf die Gedenksteinkultur gewirkt. Deutlich wird auch, dass das Klas­ sik und Antike zuneigende 18. Jahrhundert die im Furtwängler-Stein weiterschwingende Interpretation des Todes gestützt hat. Eine der antiken Klassik entlehnte Form der Grab­ steine wie deren auf eine bestimmte Todes­ sicht zurückzuführenden Motive waren in einer zuletzt eher landhandwerklichen Aus­ führung bis um 1900 im Kreis noch verbrei­ tet. Wie die Mehrzahl der ande­ ren klassizistischen Grabsteine greift auch der Furtwängler- Stein stärker auf die Grund­ formen griechischer Klassik zurück. Das wegen seiner Vereinzel- ung auffallendste Beispiel hierfür ist der auf dem Fürs­ tenberg befindliche letzte Grabstein des Jahres 1802 auf dem einstigen Friedhof des im Jahr 1841 abgebrann- ten Bergortes. Auf der dem Betrachter zugewandten Sei­ te befindet sich ein Engel in antikem Gewand; an den Seiten gesenkte Fackeln, ei­ ne Mischung von christ­ lichen und antiken To­ desvorstellungen. Fürstenberger Grabstein des Jahres 1802. Der inschrifilich modernisierte Sockel des Feldkreu­ zesgegenüber des Zechenhofes bei Langenbach führt den Klassizismus in die Zeit um 1850. Geist fände keine Ruhe und irre am Ort des Unglücks umher. Bildlicher Stellvertreter des Totengeistes wird in diesem Falle das Denkmal, wobei auch die Vorstellung des altgriechischen Volksglaubens wirksam wird, dass der Geist dieses umschwebe. Erinnerungen an die Antike Das Fortwirken der antiken Geistestraditi­ on wird in der Form des Steines selbst sicht­ bar. Auf einem großen quadratischen Stein­ sockel erhebt sich eine die Inschrift tragen­ de Stele, welche durch ein geschwungenes Dach, wie die übrigen Teile aus Sandstein, seinen Abschluss findet. Damit ähnelt das Kleindenkmal jenen römischen Weihealtären, wie man sie nicht selten in den römischen Provinzen Obergermaniens oder Rätiens ge­ funden hat. Und auch die mit ungelenker H and eingefügten Buchstaben besitzen eine gewisse Ähnlichkeit mit der römischen Epi­ graphik. Wie die römischen Weihealtäre, so besitzt auch der Roman Furtwängler zum Anden­

Furtwängler-Stein im Aspengrund Hier und da besitzen gar die im Kreis zu fin­ denden Feldkreuze der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen dem Furtw ängler-D enkm al ähnlichen Korpus, über dem sich dann das Kreuz erhebt. Auch sie sind steinerne Erben jener Formensprache, die dem Erinnerungsmal im As­ pengrund zu seiner Ge­ stalt verholfen hat. Als individuelles Denk­ mal unnormaler Trauer steht der Stein zuletzt in einer engeren Beziehung zu einem Kollektivdenk­ mal unnormaler Trauer: dem Kriegerdenkmal. Einige in kleineren Or­ ten der Region später er­ richtete Kriegerdenkmä- Das Kriegerdenkmal in Uberauchen nach 1925. Endphase der Forment- ler zeigen in Kompositi- wicklung durch Außrrechen des Korpus und Einbringen von Säulen. on und Form Ähnlich­ keiten zum Furtwängler-Stein auf, wie dieser deren Errichtung geht allerdings auch eine selbst durch den ausdrücklichen Hinweis auf Auflösung der traditionellen Gedenkstein- den „Soldaten und Mitkämpfer im Krieg ge- form des letzen Jahrhunderts einher, als der gen Frankreich 1870/71“ eine Teilhabe am Dauer wollende Stein kleinen vergänglichen Kompositionen aus Holz oder Blumen­ Kriegergedenken verkündet. schalen) zu weichen scheint. Wieder mehr Kreuze zu sehen So zählt der Furtwängler-Stein in seiner Art heute zu den letzten historisch bedeut- sameren Kleindenkmälern des Kreises. Joachim Sturm Der Glaube und der Brauch, am Ort des Hinscheidens ein Kreuz zu errichten, hat heu­ te wieder deutlich zugenommen. Die ent- lang vielen Landstraßen zu findenden klei­ nen Kreuze am Ort eines tödlichen Unfalls sind Fortführung jenes Totengedenkens, das auch dem Furtwängler-Stein zugrunde liegt. Nur heute scheinen neben der gläubigen Be­ völkerung der Region auch südeuropäische Einflüsse durch Gastarbeiter und Einwande- rrozessakte in Staatsarchiv ereiburg A 26/2, Nr. 148; rer vor allem aus Italien wie osteuropäische Bemhard Loschj MarliesJörling: Entfremdete Informa- Einflüsse von Aus- und Ubersiedlern eine tion. Sühne und Gedenkkreuze in der volkstümlichen starke Rolle bei der Errichtung dieser Klein- Überlieferung, In: Beiträge zur Volkskunde in Baden­ denkmäler am Straßenrand zu spielen. Mit W ürttemberg Bd.4,1991, S. 273-293 Quellen: ,. _ . . ••• i T i- ■ ,, _ . 1 8 0

13. K apitel/Almanach 2004 Musik und Musikgeschichte Zur festen kulturellen Einrichtung avanciert D er V illinger Folk-Club bietet seit 27 Jahren attraktive Veranstaltungen Was ursprünglich „ganz locker“ vor über 27 Jahren von ein paar Folk-Interessierten ins Leben gerufen wurde, hat sich inzwi­ schen zu einer konstanten Institution in der internationalen Szene ihres Genres ent­ wickelt: der „Folk-Club Villingen“. Eigent­ lich begann die „Vorzeit“ aus der sich dann letztendlich ein fester Club entwickelte, schon früher. Bereits Anfang der Siebziger fanden sich „Gleichgesinnte“ im Jugend­ haus in der Villinger Kalkofenstraße zusam­ men. Und die bestanden aus Musikern und Konsumenten gleichermaßen. Das musika­ lische Interesse war die Folk-Musik mit fast all ihren Facetten. Deutsche Lieder, wie zum Beispiel von „Ougenweide“ oder „Lieder­ jan“ waren dabei ebenso von Interesse, wie irischer oder amerikanischer Folk. Immer wenn ein Folk-Fan im Jugendhaus auf den anderen traf, wurden eben mal, aus eigenem Fundus, die entsprechenden Platten an­ gehört und auch mal ausgetauscht. Es wurden damals schon hie und da Kon­ zerte veranstaltet. Konkreter wurde es dann im Jahre 1976. Es hatte sich inzwischen ein „harter Kern“ entwickelt, man traf sich in­ zwischen regelmäßig und hatte eine klare Vorstellung über die Inhalte. Man wollte mehr Konzerte veranstalten und sich auch ungestörter, als dies im Jugendhaus, mit all den anderen unterschiedlichsten Interessen­ gruppen möglich war, dem gemeinsamen Interesse frönen. Ein eigener Raum musste her. Der alte Schuppen, ursprünglich eine Skifabrik, der da direkt neben dem Jugend­ haus stand, bot sich geradezu an. Doch zu­ erst mussten die Formalitäten geklärt wer­ den. Die Stadt inzwischen Eigentümerin des kleinen, leerstehenden Gebäudes, das bereits den Namen „Scheuer“ trug, sah da keine Auch heute sind noch Bluegrass-Gruppen beim Folk-Club Villingen in der „Scheuer“zu Gast, wie zum Beispiel die „Hillbilly Boogiemen “ im März 2002. 1 8 1

Musik und Musikgeschichte So präsentierte sich die „ Scheuer “ Hauptdomizil des Folk- Clubs, bis zum Jahre 1992. Probleme dies der Interessengruppe aus dem Jugendhaus zu überlassen. Um die neue „Er­ rungenschaft“ entsprechend herzurichten, musste zuerst einmal Geld her. Dafür wurde ein kleines Festival in der Tonhalle, damals war es noch die „alte“, mit Werner Lämmerhirt, David Qualey und wei­ teren, damals sehr angesagten, „Gitarreros“ organisiert. Der Erlös, ein paar hundert Mark, reichte aus, um der „Scheuer“ zu neu­ em Glanz zu verhelfen. Die Renovierung selbst erfolgte ausschließlich in Eigenleis­ tung. Das Geld wurde lediglich für die Ma­ terialien und ein paar Einrichtungsgegen­ stände verwendet. Anfang September war es dann soweit, die „Scheuer“ konnte bezogen werden. Immer Sonntags trafen sich dann rund zwanzig Leute, um sich jetzt, nach an­ strengenden Renovierungsarbeiten, ihrem eigentlichen Hobby zu widmen, der Folk- Musik. Seit 1977 regelmäßig Konzerte veranstaltet Man suchte auch einen Namen für die In­ teressengemeinschaft. Firmierte man an­ fangs noch als „Folkclub Rapunzel“ änderte sich die Titulierung bald in „Folk-Club Vil- lingen“. Ab Anfang 1977 wurden dann auch regelmäßig Konzerte und immer wieder auch Festivals veranstaltet. Dabei war nicht immer nur die „Scheuer“ und das anschließ­ ende Freigelände alleiniger Austragungsort. Unter anderem ging man auch schon mal ins Theater am Ring, die Tonhalle, ja sogar in Unterkirnach gab es ein regelmäßiges 182 Festival des Folk-Clubs. Und der machte sich mit der Zeit immer mehr einen beacht­ lichen Namen beim Publikum, das nicht sel­ ten auch von ferneren Orten in die Doppel­ stadt reiste, je nachdem was in der „Scheu­ er“ geboten wurde. Da der Club sich auch bei Künstlern und Agenturen einen guten Namen gemacht hat, traten auch recht pro­ minente und für den Club eigentlich unbe­ zahlbare Künstler für moderate Gagen in der „Scheuer“ auf. Vor allem in der „Blue- grass-Szene“ galt Villingen-Schwenningen, durch den Folk-Club, als Hochburg und al­ les was in diesem Genre Rang und Namen hatte, war in der Doppelstadt, um teilweise triumphale Konzerte abzuliefern. Mit der Zeit erweiterte sich der Programminhalt des Folk-Clubs. Bald kam das Kabarett und spä­ ter auch die immer populärer werdende Co- medy. Und auch hier zeigte der Folk-Club ein glückliches Händchen und hat so man­ chen heutigen Comedy-Star bereits in des­ sen Anfangszeiten in die „Scheuer“ geholt. Der Club ist auch, zusammen mit anderen kulturellen Einrichtungen in Villingen- Schwenningen, maßgeblich am, seit 1989 erfolgreich existierenden, „Innenhof-Festi- val“ beteiligt und sorgt für wegweisende Im­ pulse, nicht nur in der Programmgestaltung. Die „Scheuer“ ist zentraler Veranstaltungsort Aber nach wie vor war der Austragungsort für Folk-Club-Aktivitäten die „Scheuer“, in der sich auch das kommunale Kino „Guck­ loch“ und der Rock-Club „tummeln“.

Immer wieder diskutiert, auch im Ge­ meinderat der Stadt, wurden verschiedene Renovierungsmöglichkeiten des doch etwas „wackelig“ dastehenden Veranstaltungsorts. Vor allem die Tatsache, dass sich für Männ­ lein und Weiblein nur eine Toilette in der „Scheuer“ befänden, das sei schon untrag­ bar. Lange Jahre wurde allgemein diskutiert, aber vorerst geschah nichts. Dann ging es plötzlich hurtig voran. Die alte „Scheuer“ wurde abgerissen und die Stadt ließ für zwei Millionen Mark ein neues Gebäude entste­ hen, das baulich direkt an das Jugendhaus angebunden ist. Jetzt steht den Club-Betrei­ bern ein Extra-Foyer mit Bewirtschaffungs­ möglichkeit zur Verfügung und der Veran­ staltungsraum wurde nach den neuesten akustischen Erkenntnissen konzipiert. Nur das Klo, einst Anstoß der Baumaßnahme, fehlt in der „Scheuer“ gänzlich. Aber es gibt ja das Jugendhaus mit Toiletten, für Männer und Frauen getrennt. Der Charme der alten „Scheuer“, der sich hauptsächlich durch die vielen übereinander klebenden Plakate an Decke und Wände, dar­ stellte, fehlte im neuen Gebäude, das 1992 mit großem Bimborium eingeweiht wurde. Folk-Club Villingen Aber inzwischen haben sich Betreiber und Publikum gleichermaßen an das etwas steril wirkende Ambiente gewöhnt. Zeigte sich die Stadt mit dem Neubau doch recht großzügig, heutzutage wäre diese Maßnahme im allge­ meinen Sparfieber undenkbar, kürzte sie aber die Subvention für den Folk-Club von da­ mals 9000 auf 6000 Mark. War es bisher eh schon schwierig genug, mit den zur Verfügung stehenden Geldern ein ver­ nünftiges Programm aufrecht zu halten, wur­ de es jetzt für die „Folk-Clübler“ noch schwe­ rer. An der Qualität wurde nicht gespart, aber an der Anzahl der Veranstaltungen. Waren es ursprünglich jährlich in „Blütezeiten“ schon mal so um die Vierzig, muss sich der Club heutzutage mit ungefähr zwölf Konzerten zu­ frieden geben. Und der neu angesetzte Rot­ stift der Stadt lässt da keinen optimistischeren Blick in die Zukunft zu. Aber sei’s drum, bis jetzt hat der Folk-Club noch immer überlebt und die derzeitigen aktiven Mitglieder, von denen keiner mehr aus der Gründerzeit stammt, zeigen sich auch für die kommende Zeit zuversichtlich. Rüdiger Klotz Cock’s Combo in der „Scheuer“ des Folk-Clubs Villingen. 1 8 3

14. Kapitel/A lm anach 2004 Kunst und Künstler P a u l R e v e l l i o Es grüßen „Glotzer & Co.“ – Der Villinger Künstler ist ein renommierter Maler und Lithograf „Wer nicht zeitlebens gewissermaßen ein großes K ind bleibt, sondern ein ernsthaf­ ter, nüchterner, durchweg gesetzter und vernünftiger M ann wird, kann ein sehr nützlicher und tüchtiger Bürger dieser Welt sein; nur nimmermehr ein Genie. “ Arthur Schopenhauer muss bei diesen Worten Menschen wie Paul Revellio im Sinn gehabt haben: den Villinger Maler und Lithografen, einen Künst­ ler, dessen Schaffen mit geradezu kindlicher Entdeckerfreude – mit einem anderem Blick auf die Welt einhergeht. Ein großes Kind ist er gewissermaßen ge- Glotzer, blieben und an Genialität mangelt es ihm Eitempera, sicherlich auch nicht: Paul Revellio, der 3 6 x 3 6 cm, Maler von „Glotzer & Co.“ gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Künstlern der Region und darüber hinaus zu dem Kreis der wenigen Künstler, die sich ohne irgendwelche Lehr- und Nebentätigkeiten voll und ganz ihrer Kunstausübung wid­ 2002 men können. Wie sich zeigt, mit respektablem Erfolg. Was aber die wenigsten Kunstinteressierten wissen: das Hauptatelier von Paul Revellio befindet sich nicht in Villingen. Hier ist der 1957 in Donau- eschingen geborene Künstler zwar aufgewachsen und hier hat er sich in der Paul Revellio Druckerei seiner Familie eine professionelle Werkstatt für künstlerische Lithografie eingerichtet. Paul Revellios Arbeits- und Lebensmittelpunkt liegt vielmehr seit 1997 in Sachsenheim bei Ludwigsburg. Der Meisterschüler von im Atelier, auf der Staffelei ein neuer Glotzer. 1 8 4

K unst und K ünstler Georg Baselitz an der Berliner Hoch­ schule für Künste und Preisträger sowie Stipendiat verschiedenster Einrichtungen ist trotz seines Erfolges im übrigen ein Künstler ohne Allüren, einer mit „Bo­ denhaftung“ geblieben. Glotzer, Eitempera, 3 6 x3 6 cm, 2002 Seine Bildthemen, so grell und dis­ proportioniert sie auch daher kommen, beziehen sich immer auf das reale Leben. Landschaftsdetails wie Baumstämme, Geäste und Lichtungen, Stillleben und besonders der Mensch mit seinen elementaren Lebensgewohnheiten und zeitlosen Sinnzusammenhängen werden zum Bildgegenstand. Modelleisenbahnfreunde, Tee-, Kaffee- und Weintrinker, Törtchen-, Eis- und Knödelesser. Der Besucher des Ateliers oder einer seiner zahlreichen Ausstellungen wird rasch mit Revellios grell­ bunter Welt banaler Begebenheiten vertraut gemacht. Und über all dem scheinbar doch so Harmlosen wachen regelmäßig die Glotzer in unter­ schiedlichsten Form- und Farbausprägungen. Mal rund, mal eckig, mal mit schmalem, mal mit aufgerissenem Mund, mal mit großer, mal mit kleiner Kol­ bennase, aber immer staunend, als sähen sie die Welt zum allerersten Mal. Die reduzierten Portraits sind Revellios Markenzeichen seit seiner Studienzeit. Vielleicht sind sie auch in ihrer Gesamtheit das Spiegelbild der Betrachter selbst oder das Alter ego eines Künstlers, der über die alltäglichen großen, aber meistens kleinen Ereignisse staunt wie ein kleines Kind und diesen Ein­ drücken mit Farbe zu Leibe rückt. Vertraut, grellbunt – und doch fremd … Man ahnt es, so einfach verhält es sich mit den heiter stimmenden Bild­ geschichten nicht. Die Motive erinnern an Vertrautes, und doch steht der Be­ trachter vor einer fremden sich mit seinen Sehgewohnheiten nicht deckenden Welt. Die Bilder drängen sich in ihrer „Ein­ fachheit“ und der Unauffalligkeit der Si­ tuationen dem Betrachter zwar auf, lassen ihn aber in seinen Vorstellungen alleine, weil sie immer wieder auf sich selbst ver­ weisen, verharrend im Kosmos ihrer eige­ nen Wirklichkeit, nicht als bedeutungs­ schwerer Kommentar von Lebensrealität, 1 8 6 Glotzer, Eitempera, 3 6 x3 6 cm, 1993

Paul Revellio 1 8 7 Kaffeetrinkerin, 01, 90×110 cm, 1992

Kunst und K ünstler sondern als gleichwertiger Teil von ihr. Diese Eigenständigkeit scheint mit ein wesentlicher Grund für Revellios Reputa­ tion zu sein. Denn trotz der vordergrün­ digen Lesbarkeit und den vermeintlichen Plattitüden bleibt das Werk von Paul Re- vellio immer vielschichtig und rätselhaft zugleich. Es sind die Disproportionen, es ist das raffinierte Spiel, die Perspektive in der Fläche aufzulösen, es ist der Kontrast von volumenvortäuschender Illusion zu an Kinderzeichnungen erinnern­ de Flächigkeit, es sind die klaren geometrischen Formen, die mal für sich stehen, mal durch heftigen Pinselduktus durchbrochen werden, und es ist besonders die willkürliche Farbgebung, die auf formaler Ebene die sinnli­ che Wirkung der Bilder hervorrufen. In dieser Malweise manifestiert sich die subtile Taktik Revellios. Mit künstlerischer Freiheit gegen Normen und Regeln Er provoziert, aber nicht um der Provokation willen, sondern um das In­ teresse des Betrachters mit den gegensätzlichen Stilmitteln zu wecken. Die­ se Annäherung an das durchdachte ästhetische Bildkonzept, das Begreifen der Wahl der künstlerischen Mittel, wird nicht selten durch das Erfassen des Bildinhaltes empfindlich gestört. Sind die eigentlich austauschbaren Szena­ rien nur bloßer Vorwand für die Verwirklichung formaler Ideen? Und wenn es sich tatsächlich so verhalten würde, hätte Revellio dennoch eine eigen­ ständige Leistung gezeigt. Aber er überzeugt auch auf inhaltlicher Ebene. Gerade in der Thematisierung von scheinbar Unscheinbarem, des Alltägli­ chen, sei es etwa die Darstellung von Menschen beim Essen, Trinken oder beim Baden und Skifahren, zeigt sich doch Leben ohnehin viel deutlicher als im Pathos großer Ideen. Und hier kommt auch die künstlerische Botschaft mit ins Spiel. In einer Welt der Normen und Reg­ lementierungen hat sich Paul Revellio mit seiner individuellen Formensprache einen kreativen Freiraum geschaffen, der für den Betrachter über den rein emotional wirkenden Kunstgenuss durchaus prakti­ schen Nutzen bereit hält. Bei der Auseinandersetzung mit Revellios 1 8 8 Glotzer, Eitempera, 3 6 x3 6 cm, 1993 Glotzer, Eitempera, 3 6 x3 6 cm, 2002

Paul Revellio 1 8 9 Badende, 01, 140×170 cm, 2002

K unst und K ünstler farbenfrohen Gegenwelten kann sich die optimistische Maxime, nach der in der Kunst alles erlaubt ist, auf die Einstellung des Betrachters abfärben. Wir werden an­ geregt, uns die Freiheit für unseren eige­ nen, ganz persönlichen Bereich zu neh­ men. Revellios Werk eröffnet auf ganz ungewohnte Weise neue Horizonte, und ermutigt dazu Schwellen zu überwinden und neue Wege zu beschreiten. Wie das in der Praxis geht, macht der Künstler seit einigen Jahren auf der Villinger Fasnet vor. Mit seiner Trommlergruppe „Glotzer­ gilde“ bringt er in das traditionsreiche Fastnachtstreiben erfrischenden kunstvollen Farbtupfer. Die Kunst wird in diesen Tagen auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft: Bei der Herstellung der riesi­ gen Masken aus Pappmache hat sich Revellio zwar von den schillernden Köpfen der Schweizer Guggenmusik inspirieren lassen, aber mit ein wenig Fantasie erkennt man darin auch die vollplastischen Versionen der flächi­ gen Glotzer, die somit am wirklichen Leben fernab dem zuweilen elitären Kunstbetrieb teilnehmen. die Einblick in eine professionelle Lithografiewerkstatt Kreatives Chaos, der spontan-kalkulierte Umgang mit Farbe, der unge­ stüme Pinselduktus, das ist nur eine Facette im Schaffen des Künstlers Paul Revellio. Wenn er seinen Malerkittel mit der Druckerschürze, oder wenn er seine Arbeitsstätte von Sachsenheim nach Villingen verlegt, dann ist bei aller künstlerischen Freiheit äußerste Disziplin angesagt. Den Motiven, den banalen All­ tagsszenen, den Glotzern, die auf die Welt blicken, wie der Künstler sie sieht, bleibt Revellio auch im Villinger Atelier treu. Nur die Bildentstehung ist hier viel geplanter und technischer, der Druckvor­ gang verzeiht keine Fehler. Wer einmal die 1 9 0 Die „ Glotzer­ gilde“ ist seit Jahren ein Be­ standteil der Villinger Fast­ nacht, es han­ delt sich dabei um die Tromm­ lergilde von Paul Revellio. Glotzer, Eitempera, 3 6 x3 6 cm, 2001

P aul R evellio 1 91 Ukrenschildntaler, 01, 90 x 110 cm, 1997

K unst und K ünstler Gelegenheit hatte, den Künstler in seiner Lithografiewerkstatt bei der Arbeit zu be­ gleiten, kommt zu der Erkenntnis: Paul Revellio ist nicht nur ein exzellenter Ma­ ler, er beherrscht auch als einer der weni­ gen Künstler die anspruchsvolle Technik der Lithografie. Denn in der Regel liefern seine Künstlerkollegen lediglich die Vorla­ gen oder machen die Vorzeichnungen, der eigentliche Arbeitsprozess wird von einem versierten Lithografen bewältigt. Die Verbindung von künstlerischer Sponta­ nität und der unmittelbaren drucktechnischen Umsetzung haben einen ein­ deutigen Vorteil gegenüber der arbeitsteiligen Methode. Von der Bildidee zum fertigen Abzug Nur der Künstler selbst hat eine genaue Vorstellung vom Resultat, während des ganzen technischen Arbeitsprozesses kann er darauf Einfluss nehmen. Didaktisch perfekt – die kurze Orientierung auf das Lehramt hat sich gelohnt – erläutert Revellio die Entstehung einer Lithografie von der Bildidee bis hin zum fertigen Abzug. Die Darstellung wird mit fetthaltigem Stift auf die 50 Kilogramm schweren Solnhofer Kalksteinplatten seiten­ verkehrt aufgebracht. Die Platte wird anschließend mit Gummiarabicum und Salpetersäure behandelt, um die Poren des Steines zu verschließen. Während des eigentlichen Druckvorgangs wird der Stein stets nass gehal­ ten, die Druckfarbe bleibt nur an der fetthaltigen Bezeichnung haften. Das Druckpapier wird auf den eingefärbten Stein gelegt, mit einer Zulage ab­ gedeckt und – nun beginnt die schweißtreibende Arbeit an der alten H and­ presse – auf dem Wagen mittels einer Handkurbel unter dem Reiber hin­ durchgefahren. Die Spannung wird gelöst, der Wagen zurückgefahren und das Blatt vorsichtig vom Stein abgeho­ ben. Der Künstler scheint mit dem Er­ gebnis zufrieden, der Besucher ist es auch. Gibt ihm doch die Lehrstunde die Erkenntnis, dass ernsthafte Kunst, so ba­ nal sie auf den ersten Blick erscheint, auch immer etwas mit Handwerk, Talent und Können zu tun hat. Stefan Simon 1 9 2 Paul Revellio in seiner Villinger Lithografie­ werkstatt. Glotzer, Eitempera, 36 x 36 cm, 2001

Paul Revellio ‚Rs m U a’o SI 1 9 3 Siifie Sachen, 01, 90 x 110 cm, 1992

Kunst und K ünstler B l u m b e r g e r K u n s t a u s s t e l l u n g Jürgen Henckell organisiert die überregionalen Kunstschauen seit 1977 Weit über die Kreisgrenzen hinaus sind die hochkarätigen Blumberger Kunstausstellungen bekannt und ge­ nießen einen hervorragenden Ruf. D reiundzw anzig A usstellungen in fünfundzw anzig Jahren in der Eich- bergstadt, sind ein Resümee, a u f das Ausstellungsinitiator Jürgen Henckell stolz sein kann. Jürgen Henckell 1977 initiierte der gebürtige Hamburger, der seit 1944 in Blumberg lebt, die allererste Kunstschau in der Realschule und die Ausstellung, damals noch in kleinem Rahmen, umfasste Malerei, Grafik, Aquarell bis hin zur Plastik und erfreute sich großen Publikumsinteresses. Der Realschulraum erwies sich als zu klein und so wurde für die dann folgenden Ausstellun­ gen, bis zur neunten, der Saal unter der katholischen Kirche als Ausstel­ lungsraum genutzt. Ab der zehnten Blumberger Kunstausstellung stellte die Stadt Blumberg die Stadthalle als „Galerie auf Zeit“ zur Verfügung und wurde damit den gestiegenen Ansprüchen der weit über die Region hinaus bekannten Kunstschauen y* gerecht. Mit einer überaus gefragten Vernissage, bei der Ausstellungsorganisator Jürgen Henckell seit Beginn der Kunstschauen die Laudatio auf zeitgenössisches Kunstschaffen hält, wird die jährliche Kunstschau / eröffnet, und schon seit den Anfängen gibt es dabei als Zugabe immer auch noch einen musikalischen Leckerbissen. So war 1979 der Tuttlinger Peter Galuska 1 9 4 Die beschwing­ te Palette, eine grafische Arbeit von Jürgen Henckell, wirbt auf Plakaten fü r die Blum­ berger Kunst­ ausstellung.

Blum berger K unstausstellung mit seiner elektronischen Orgel zu Gast und 1980 Peter Lindlar mit seiner Gitarre. Ein einmaliger Genuss für alle Jazz-Liebhaber war die musikalische Vernissage-Session des in Berlin preisgekrönten jungen amerikanischen Jazzpianisten Marc Löwenthal und des Saxophonisten Chris Hirson. Zwei Ausstellungsexponate interpretierte der Saxophonist Thomas Timmler aus St. Georgen 1983 musikalisch und immer wieder übernahmen einzelne En­ semble der Blumberger Stadtkapelle den Musikpart zur Ausstellungseröff­ nung wie Saxophonisten oder auch ein Bläserquintett. Mit Bandleader Bernhard Reiske gab die schon fast legendäre „Bari-Combo“ 1999 den mu­ sikalischen Ton an, zumal auch da eine Uraufführung einer Reiske-Kom- position zu einem stimmungsvollen Riedbild von Harry Stolp anstand. „Die Straße ist Die Arbeiten von 368 Künstlerinnen und Künstlern gezeigt Männersache – Via Violenza“, eine Arbeit „Insgesamt stellten bislang 368 Künstlerinnen und Künstler, einige davon schon bis zu drei mal, in Blumberg aus, darunter sind 51 überregionale aus dem Künstler aus der Fachgruppe „Bildender Künstler im Internationalen Bo- densee-Club.“ So Jürgen Henckell, der als Maler, Grafiker und Schriftsteller langjähriges Mitglied in dieser Künstlervereinigung ist und zudem jahrelang die „Sektion West Bildende Künste“ im IBC leitete. Maler, Grafiker und Sizilienzyklus von Jürgen Henckell. 1 9 5

K unst und K ünstler Plastiker zeigten in den langen Jahren der Aus­ stellungen ihre Werke. Viele bekannte Künstler aus dem In- und Ausland nutzen die Blumber­ ger Ausstellungen, um ihre Arbeiten zu präsen­ tieren. So der Engländer Anthony Piper mit pla­ kativ großformatigen Werken, Hans-Joachim Müller, Blumberg-Bremen, von dessen Arbeiten zwei im Stadtbereich Blumberg stehen, der Holz­ bildhauer Wolfgang Kleiser aus Hammereisen­ bach, Ulrich Christoph Eipper aus Horheim, der Donaueschinger Hans Lang, Emst Lorch aus Sigmaringen, der Trossinger Wendelin Matt, Axel Heil aus Dauchingen, der Ostracher Holzschnei­ der Peter Weydemann und der junge Trossinger Martin Wernert mit seinen Entdeckungen des Lichtes. Mit dabei auch immer wieder einige Künstler, die der Eichbergstadt durch Geburt oder langjähriges Wohnen verbunden sind, wie die Malerinnen Irene Huber, Eva Molnar und Gerold Huber, die Metallplastiker Norbert Ahrens und Josef Rösch und als Altmeister mit sei­ nen ausdruckstarken, archaischen Plastiken der kriegsblinde Keramiker Wal­ ter Richter. Aber auch für Fotografen wie Georg Grieshaber, Blumberg- München, Christa Planck, Stuttgart, Jörg Michaelis, Blumberg und Gaby Wesley, Blumberg, wurden Blumberger Kunstschauen zum Forum. Intensive Arbeit, langer Atem, Geduld und Intuition „Im Schnitt braucht es schon 15 Künstler pro Kunstschau, um eine dif­ ferenzierte Ausstellung mit spannenden Kontrapunkten zu schaffen, in­ teressante Gegenüberstellungen aufzuzeigen und gleichgewichtige Arbei­ ten renommierter, schon älterer Künstler in den Gegensatz zum Schaffen junger Künst­ ler zu setzen, die noch, ganz legal, ihren eige­ nen Ausdrucksweg suchen. Ich will in dieser Kunstschau aufzeigen, wie sich Kunst und Kunstschaffen leben­ dig immer weiter entwickeln, genau das den Kunstbetrachtern verständlich machen und stelle nun fest, dass sich diese Kon­ zeption über die langen Jahre hin doch bes­ tens bewährt hat,“ erläutert Henckell. Viel intensive Arbeit, ein langer Atem, Geduld, Intui- 1 9 6 Wir müssen gehen, Holzskulptur, Wolfgang Kleiser, Ham­ mereisenbach, Ausstellung 1999 Bis ins Mark, Norbert Ahrens, Bräunlingen- Waldhausen, Ausstellung 2002

Blum berger K unstausstellung tion und Fachkompetenz, gepaart mit Engagement und Enthusiasmus war und ist nötig, um jedes Jahr eine neue Schau zeitgenössischen Kunstschaf­ fens zu organisieren, die mittlerweile als hochkarätiges Kunsterlebnis weit über die Region hinaus den besten Namen hat. Auch das ist aufs Engste mit der Persönlichkeit Jürgen Henckells verbunden, der mittlerweile längst weitere Blumberger Kunstausstellungen konzipiert und schon Zusagen der Stuttgarter Künstlerin Gisela Cichy und dem Messkircher Paul Wassiliadis hat, beides Künstler, deren Arbeiten schon wiederholt in Blumberg auf be­ geistertes Echo stießen. Ganz neu im Reigen der ausstellenden Künstler soll der Bräunlinger Uli M it seinen Zandona mit seinen Holzplastiken sein und der junge Maler Erik Ander- son aus Radolfzell mit seinen großflächigen Arbeiten. Neu auch die Kunst- arcbaischen Großplastiken fotografm Barbara Zoch-Michel aus Überlingen, Tochter der Altmeisterin überzeugte der Barbara Michel-Jaegerhuber, die schon mehrmals in Blumberg dabei war und kriegsblinde unlängst für ihr künstlerisches Lebenswerk von ihrer Heimatstadt ausge- zeichnet wurde. Abstrakte Malerei präsentiert Günter Widenhom aus Im- ramikkünstler menstaad und seine beklemmenden Brandbilder wird der Dauchinger Axel Walter Richter Heil zeigen. „Künstler und Kunstschaffende besuchen die Ausstellung, le- bei der Kunst- gen Arbeiten vor und bewerben sich für eine der nächsten Kunstschauen. ausstellung Diese Kontakte sind wichtig, dazu kommt immens viel Schriftwechsel, die 1993. Ausschreibungen müssen frühzeitig erfolgen, Versicherung der Exponate, Blumberger Ke- 1 9 7 ■

Kunst und K ünstler Ausstellungstermin, Schirmherrschaft und Vernissagetermin müssen abge­ sprochen werden, dazu müssen Plaka­ te gedruckt und die Einladungen recht­ zeitig verschickt werden. Aber das ist längst nicht alles: zusammen mit Volkshochschule und Stadtbibliothek muss der literarische Abend im Rah­ men der Kunstschau organisiert wer­ den, der sich allergrößter Beliebtheit erfreut und schon sehr viele Autoren wie Dr. Dino Larese, Gisela Gorenfloh, Monika Taubitz, Philipp Brücker, In- geborg Sulkowsky, Karl Napf, Lore Zorn mit Litera musica und den Bodensee-Poeten Bruno Epple zu Wort kommen ließ. Dazu kommen Führungen im Rahmen des Volkshoch- schulangebotes für Kunstinteressierte und seit vielen Jahren auch spezielle Kunstführungen für Kinder im Vorschulalter, ein Angebot, das Kindergär­ ten sehr zu schätzen wissen. Dazu kommen natürlich noch die vielen Stun­ den der Aufsicht, während der Öffnungszeiten der Ausstellung. „Ein kulturelles Highlight“ „Viel zeitlicher Einsatz für Kunst und Kunstverständnis,“ wie es Jürgen Henckell formuliert, der, selber Grafiker und Maler, bislang nur hin und wieder einmal Karikaturen aus seiner spitzen Feder zeigte. Im Rahmen ei­ ner Retrospektive während der zehnten Blumberger Kunstschau waren Ar­ beiten aus seinem Sizilienzyklus zu sehen, wie unter anderem das Werk „Der Tod kommt nach Seveso“ sein eindringliches Trytychon und „Öl auf neuen Amphoren“. Bei dieser Ausstellung mit dabei waren auch seine weit über die Region hinaus bekannten „Pieraggen“, Steinbilder, bei denen er neue Wege der Interpretation geht. „Ein kulturelles Highlight, nicht nur für die Stadt Blumberg, sondern auch für den gesamten Landkreis“, schrieb Landrat Karl Heim der 23. Kunstaus­ stellung 2002 ins Gästebuch und die Stadt Blumberg zeichnete Ausstellungs­ initiatorjürgen Henckell, der jetzt mit der 24. Blumberger Kunstausstellung befasst ist, längst mit der Stadtmedaille aus. 1995 wurde er mit dem Bundes­ verdienstkreuz geehrt. Christiana Sieger 1 9 8 Führungen für Kinder gehören bei der Blum­ berger Kunst­ ausstellung seit Jahren fest zum Programm. Rechte Seite: Hegeversuch terao urogallus, Axel Heil, Dauchingen, Ausstellung 2003

Blum berger K unstausstellung 1 9 9

Kunst und K ünstler Im M e n s c h l i c h e n v e r w u r z e l t A ltarraum gestaltungen, Auftragsarbei­ ten für Porträtbüsten aus M arm or und freie A rbeiten im Betongussverfahren: Das Werk des im Furtwanger Ortsteil Neukirch lebenden Bildhauers W olf­ gang Eckert polarisiert, scheint von G e­ gensätzen durchzogen. Oberflächlich gesehen ergibt sich das Bild vom akade­ misch ausgebildeten Bildhauer, der sich sein eigenes G enie a u f Kosten v on wei­ sungsgebundenen A rbeiten entwickeln u n d leisten kann. Beschäftigt m an sich dagegen intensiver m it dem G esam t­ werk Eckerts so ergeben sich durchaus Bezüge zwischen den unterschiedlichen K unstform en. D en n in allen Bereichen zeigt sich das Werk W olfgang Eckerts, tief im M enschlichen verwurzelt u n d der H um anitas verpflichtet. 2 0 0

W olfgan g E ckert I B ild h a u er

K unst und K ünstler Sein Oeuvre ist realistisch in der Wahrheitsdeutung. Es ist sinnlich gefüllt, ohne exakt nachzubilden. Es ist allgemein gültig und spricht doch präzise. Seine Information wächst aus der Detailverliebtheit, sie ist zugleich aufrüh­ rerisch und expressiv. Der Gekreuzigte in der Altarraumgestaltung im schwä­ bischen Wilhelmsdorf, die glatte Marmorbüste Sophie Schölls für die „Ga­ lerie der Großen Deutschen“ in der Walhalla und die müde, ausgemergelte Gestalt „Alter Tänzer“: drei markante Beispiele, aus unterschiedlichsten Beweggründen entstanden, und doch von einer der jeweiligen Situation an­ gemessenen Eigenständigkeit und Ernsthaftigkeit der künstlerischen Über­ zeugung geprägt. Sakrale Arbeiten Wolfgang Eckert hat schon während seines Studiums an der Münchner Kunstakademie Aufträge für sakrale Arbeiten und für komplette Altar­ raumgestaltungen im Rahmen ausgeschriebener Wettbewerbe erhalten. 1991 hat er beispielsweise die Marienfigur für die Katholische Pfarrkirche in Neuburg/Donau und 1992 die Apostelfiguren für die Katholische Pfarr­ kirche St. Helena in Grafenrheinfeld/Unterfranken entworfen. Gelungene Beispiele für seine zahlreichen Altarraumgestaltungen sind in der evange­ lischen Pfarrkirche Putzbrunn (fertiggestellt 1993), in der Heimhoferkapel­ le des Freiburger Münsters (1996), in der Katholischen Kirche St. Nikolaus in Titisee-Waldau (2001) und in der Kirche im schwäbischen Wilhelmsdorf (2001) zu finden. In dem gemeinsam mit seiner Ehefrau Julia Elsässer- Eckert gestalteten Altarraum in Wilhelmsdorf verweist besonders das Kru­ zifix auf das Werk des freischaffenden Bildhauers. Wie in seinen Men­ schenbildern nimmt der Gekreuzigte das Grundthema seiner Arbeit auf: der Mensch in seiner Erscheinung als existenzbedrohtes Wesen. Sophie Scholl-Büste Am 22. Februar 2003, dem 60. Jahrestag ihrer Hinrichtung, wurde in der Walhalla zu Donaustauf die Marmorbüste der 1921 geborenen Wider­ standskämpferin gegen das Naziregime enthüllt. Von insgesamt 42 Bild­ hauern, die sich bei der Ausschreibung bewarben, entschied sich die Jury für den Entwurf von Wolfgang Eckert. Wie verträgt sich dieses makellose Denkmal aus edlem Marmor mit den Gebeutelten, vom Leben gezeichne­ ten Charakteren des Furtwanger Bildhauers? Wolfgang Eckert ist sich der Diskrepanz zwischen dieser Auftragsarbeit und seinem freien Schaffen durchaus bewusst. Er lässt sich voll und ganz Korpus, Beton, Erde, Altarrückwand der Pfarrkirche St. Antonius in Wilhelmsdoif 2000 2 0 2

Kunst und Künstler Linke Seite: Willi Dienst, Gips und Pig­ mente, 2001 JosefFalmann, Beton, 1993 auf den Auftrag und den damit verbundenen Vorgaben ein, ohne dabei je­ doch seine Grundhaltung aus den Augen zu verlieren. Die zu beachtenden Kriterien für die reizvolle Auftragsarbeit sind eindeutig. „In der Walhalla soll den Besuchern die Bedeutung großer Persönlichkeiten der deutschen Ge­ schichte durch ein lebensnahes Abbild vor Augen geführt werden“, heißt es in den Statuten der Bayerischen Akademie der Wissenschaft. Am Maß und am verwendeten Material, dem klassischen Schönheitsideal entspre­ chenden weißen Marmor, lässt sich auch nicht rütteln. Die Aufhebung der Vorgaben hätte zwar größere künstlerische Freiheit zugelassen, andererseits aber die architektonische Gesamtkonzeption der Walhalla gesprengt. Und schließlich soll sich Sophie Scholl als eine der wenigen Frauen ebenbürtig in der Marmorgalerie der großen Deutschen präsentieren. Gerade das nicht alltägliche Material Marmor ist eine Herausforderung für Wolfgang Eckert. Während seine Betongüsse den Moment des Zufalls, des Ungeplanten als künstlerisches Ausdrucksmittel mit einbeziehen, so kommt es bei der Be­ arbeitung des Marmors auf jeden Handgriff an. Die glatte Oberfläche ist auf das Spiel von Licht und Schatten angewiesen. Der handwerkliche, tech­ nische Prozess ist dabei auch weniger ein Problem für den gelernten Stein­ bildhauer. Da aber das Porträt so lebensnah wie möglich ausfallen soll, hat sich der Künstler zwei Jahre intensiv mit der Person Sophie Scholl ausein­ andergesetzt, alle Biografien gelesen und die ganz wenigen brauchbaren fo­ tografischen Vorlagen als Grundlage benutzt. Wolfgang Eckert: „Im Vor­ dergrund meiner Arbeit stand das Erfassen des Lebensgefühls einer sehr 2 0 4 Rechte Seite: Sophie Scholl, Laaser Mar­ mor, Walhalla Regensburg, 2002

K unst und Künstler jungen Frau, deren Leistungen sich aufgrund ihrer Jugend noch gar nicht in einer dramatischen Gesichtslandschaft abzeichnen konnten. Gerade durch den Verzicht auf Pathos und überzogene Würde, die den bereits vor- handenen Büsten teilweise innewohnt, soll sich das Bildnis der Wider­ standskämpferin in der Walhalla behaupten können!“ Porträt Erik, Gips, Ölfarbe, 1999 Menschenbilder – Freie Arbeiten So überzeugend die Gestaltungen für die Kirchenräume und die Marmor­ büsten zum Gedenken an Sophie Scholl oder den Komponisten Karl Ama­ deus Hartmann, die Eckert 1999 für die Münchner Ruhmeshalle geschaffen hat, auch sind, an den freien, aus eigenem Antrieb entstandenen Arbeiten lassen sie sich schwer messen. Denn wenn sich Wolfgang Eckert aus dem Korsett der Vorgaben befreit, dann gewinnt auch seine Kunst an Bedeutung und an Glaubwürdigkeit. Besucht man den Künstler in seinem idyllisch gelegenen Atelier inmitten ei­ ner intakten Schwarzwaldlandschaft, dann fallen zuallererst die lebensgroßen Bronze-Skulpturen auf. Wie selbstverständlich lagern sie vor dem Gehöft. Liegend, sitzend, stehend gemahnen sie in ihrer Nacktheit an das Menschsein, an die Verletzlichkeit des Individuums und letztlich in diesem Umfeld an die menschliche Ohnmacht, an das menschliche Maß im Na­ turablauf. Den Blick geschärft, geht es in den Atelierkomplex, der am el­ terlichen H o f angebaut ist. Dort stehen sie nun, aufgereiht in Reih und Glied: Eckerts Figurenkabinett besteht aus Menschenköpfen, die er in allen Kuh, Gips, Erde, Pigmente, Länge ca. 65 cm, 2002 2 0 6

K unst und Künstler Gesellschaftsschichten mal bewusst gesucht und mal zufällig gefunden hat. Schauspieler, Trinker, Politiker, Boxer, Zuhälter und der unschuldige Knabenkopf: es sind allesamt Charakterköpfe, die er in seinem Atelier versammelt hat. Bilder vom „gewöhnlichen“ Menschen Eckert staffiert seine Figuren und seine Köpfe nicht. Er transportiert nicht die Existenz in das Pathos des Einzigartigen. Das Wesentliche der Menschenbilder ist ihre, im besten Sinne des Wortes, eingeschriebene Ge­ wöhnlichkeit. Es sind die Menschen, die wir in ihren be­ grenzten, üblichen Erscheinungsformen und Lebens­ äußerungen alltäglich antreffen. Aber seine gewöhnli­ chen Figurenexistenzen berichten auch von Existenti­ ellem. Dabei gleitet der Bildhauer weder in die gegen­ ständliche Anekdote, noch in die aufgesetzte Ästhetik des Dekorativen ab. Eckert hat sich am Gegenüber orientiert und sich zugleich sein spezifisches Menschenbild ge­ formt. Es ist ein unverwechselbares Geschlecht in der Schneise zwischen Naturwirklichkeit und formlogi­ scher Ordnung. Entstanden aus einem organischen Reifen analog zum Werden und Vergehen jeglicher Kreatur. Die Kunstform vibriert in sich. Die raue Stoff­ lichkeit bedarf der verborgenen Statik. Was rudimentär sich auflösend erscheint, ist ein behutsames und vom Künstler kontrolliertes Akzentuieren präziser Körper­ lichkeit. Allzu leicht wäre es, die Skulpturen nur auf ih­ re formbedeutsamen Werte hin betrachten und bewer­ ten zu wollen. Die sehnigen Verspannungen, das viel­ gestaltige Zerklüften, das Aufreißen der Oberfläche sind die bleibenden Spuren eines Arbeitsprozesses. Die Plastiken werden im Negativverfahren in Beton ge­ gossen, wobei das Herausschlagen aus der Gipsform ei- Alter Tänzer, Beton, Höhe 195 cm, 1995 2 0 8

Wolfgang Eckert nen fündstückhaften Charakter erzeugen kann. Die Gussnähte werden bewusst nicht retuschiert, sondern als Narben des Entstehungsprozesses sichtbar gehalten. Entsteht aber nicht gerade durch diese Verlandschaf- tung, durch diese Verfremdung lebenswarmen Flei­ sches, das Fluidum des Atmosphärischen? Das Nicht- Fassbare nistet sich in die Schrunden der Körper, der Gliedmaßen, der Köpfe. Natürlich sind ästhetische und formale Gegebenheiten wichtig für Eckerts Arbeit, aber nur soweit, als sich daraus das Werk künstlerisch definiert und sich gleichzeitig als menschliche Botschaft verkündet. Darüber hinaus bleibt soviel Realismus und Deutung, dass das Erschrecken die kritische Wirklichkeit weckt. Dazu gehört das Unvollkomme­ ne in seinem Werk als ein Hinweis auf das Unvollendbare; ebenso der Verzicht auf das Schönheitliche zugunsten des dumpfen Menschenver­ schnittes der Massengesellschaft. Bei Eckerts ungeschönten Menschenbildern finden wir ein geradezu mittelalterliches Mitleid. Wie das Ge­ schundene dort in der Lebensschilderung der Heiligen drastisch die Menschen erschütterte, so weckt auch er Mitleid, Erbarmen. Wie Albrecht Dürer die Figur des Hiob nimmt, um die Gegenwart des geschundenen Menschen zu verdeutlichen, so gibt Eckert seine subti­ len Verweise auf mehr als die Bewältigung der Welt. Darin ist seine freie Kunst zutiefst christlich und den Auftragsarbeiten mehr als ebenbürtig. Stefan Simon Mann mit Rabe, Gips, Erde, Pigmente, Höhe 184 cm, 2003 2 0 9

15. Kapitel /A lmanach 2004 Kunstgeschichte Von der Kunst, sich in der Heimat einzuwurzeln Der Schwenninger Maler Paul G oetze (1880-1962): „Der Seher des Schwarzwalds“ Wer erinnerte sich 40 Jahre nach seinem Tod nicht gerne des Schwenninger (gewor­ denen) Künstlers Paul Goetze, des unver­ gessenen Malers der Heimat mit weit darü­ ber hinausreichenden Verdiensten um die Stadt am Ursprung des Neckars und ihre Nachbarn? Fern der „Hauptstadt“ der evan­ gelischen Baar wurde er am 30. August 1880 in Großdorfhain bei Dresden als Sohn des Schneidermeisters Hermann Goetze und seiner Ehefrau Cölestine geboren. Erst 1919 verschlug es den gelernten Kunstmaler an Paul Goetze (30. August 1880-30. Juni 1962): Ein Meister von Feder und Pinsel zugleich; stolz und ungebeugt; belesen, begeisterungsfähig; aufge­ schlossen, anregend, vieles bewegend- zum Guten. Das Portrait eines Künstlers und Chronisten von Dr. Rudolf Strobel, 1950. 2 1 0 den Ort, in dem Oscar Fraas 1880 bereits „un­ bestritten den Mittelpunkt industriellen und geistigen Lebens in der ganzen Baar“ er­ kennen mochte. Heimisch machte der Sach­ se sich erstaunlich rasch – und, nicht minder bemerkenswert schnell, einen guten Namen: als Könner seines Fachs, der dem nicht klei­ nen Kreise impressionistisch-naturalistischer Maler des deutschen Südwestens zugehört, mit seinen Federzeichnungen, Lithographi­ en, Ölgemälden, Aquarellen, Drucken oder Buchillustrationen (der Gedichte Anton von Kochers in den „Heimatblättern“ beispiels­ weise, einer Beilage zum „Schwarzwälder Volksfreund“). Als einer aber auch, der sich auf die Kunst verstand, Neuland friedlich zu „erobern“, die Stadt zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb zur Heimat sich an­ zuverwandeln, in ihr sich einzuwurzeln. Paul Goetz gewann in einer grundsätzlich offenen Stadt der Moderne (neue) Heimat – und wurde – mit Pinsel und Feder – ihr Chronist. Er hat was zu schwinden drohte, festgehalten für alle Zeit, ein seltener Glücks­ fall für Schwenningen. Passion lur die Heimat Stets setzte sich der Künstler aus Professi­ on, aus Passion Historiker, dafür ein, daß Hei­ mat bleibe, sei und werde. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Schwenninger Heimatvereins; er tat Dienst in dessen (in­ zwischen städtischem) Heimatmuseum; er trieb, ein belesener Laie, volkskundliche und geschichtliche Studien, um wichtig Geglaub­ tes wissend zu bewahren: zeichnete Grenz­ steine und beschrieb sie; malte Trachten, die er zu erforschen und zu erhalten sich zur Aufgabe gemacht; schuf das Schwenninger Wappen- und Geschlechterbuch, erfühlte

Paul Goetze Geschichte, indem er mit den sie gestalten­ den und durchleidenden Menschen emp­ fand; sichtete und sammelte, so gut er es ver­ mochte, Urkunden zur Ortsgeschichte. Er interessierte sich für Lehens- und Herrschaffs­ verhältnisse im Flecken, für Bräuche und Kul­ tur des „gemeinen“ Mannes; schrieb weite­ re historische Abhandlungen, darunter eine umfängliche über den Dreißigjährigen Krieg. Selbst (Fasnets-) Schauspiele verfaßte er; schuf, wohl nicht ohne Kenntnis älterer ört­ licher Vorbilder, die Schwenninger Narren­ figuren der ältesten Zunft im evangelischen Württemberg in heutiger Gestalt: Hölzlekö- nig, Hansile, Schande – und Hudele, das als Vorläufer der Mooshexe durchgehen mag. Sein berühmtestes Gesamtkunstwerk sollten sie bleiben, lebendige Bilder, bewegte. Menschenleere Gemälde Paul Goetzes Gemälde sind meist men­ schenleer – sie zeigen die Welt unberührt, unbefleckt. Als typischer Vertreter des süd­ westdeutschen Impressionismus malte er die Idylle, die es vielleicht gibt – als Wahrheit im Auge des Betrachters, der andere die Schö­ ne der Natur zu schauen lehrt: Himmel und Erde, Berge, Bäche, munter quellend, Wiesen speisend, blühende Landschaften oder win­ terliche, nicht winterkalte. Friedvoll, eine Welt für sich, liegt das Schwenninger Moos, eine Er malte die Idylle – nach der Natur, wie er sie sah, wie er sie zu sehen lehrte. Von Schwenningen aus er­ wanderte sich Paul Goetze seine Heimatwelt, die er in unzähligen Skizzen und Gemälden festgehalten hat. Einer sieht die Welt, wie sie ihm gefällt. 2 1 1

Kunstgeschichte Oase der Ruhe vor den Toren der Stadt, dar­ innen „tausend Räder flink sich dreh’n “, doch aus der kein Lärmen herüberdringt. Schmiegte hierein einst ein Häuslein sich, so steht es gleichwohl keineswegs verloren, ge­ duckt vielmehr ist es geborgen. Gleich „der klappernden Mühle am rauschenden Bach“, die sich einfindet ins stille Tal des schwarz­ en Waldes. Dem abgelegenen Hofe verwandt, der, alt, verwittert, bemoost, fast schon Teil des Natürlichen scheint, eingebunden in sein Werden und Vergehen. Nicht ohne Wehmut blickt der Betrachter auf das 1732 erbaute Grusenbecksche Haus beim Hocken, das Goetze, hochgelobt, vor dem Abriß anno 1926 zeichnete. Und, ohn­ mächtig in seinem Groll, auf das mächtige Schwenninger Vogtsleiesenhaus, das 1956 an- Märchenhafte Idylle, Frau Holle schüttelt ihre Kis­ sen auf, ein Geschenk an Enkelin Liselotte. 2 1 2 Das Grusenbecksche Haus am Hocken zu Schwen­ ningen. Aufgehoben dank des Künstlers, Stein­ zeichnungaus dem Jahre 1924. geblich der neuen Zeit geopfert werden mußte: ein Raubbau der Politik an der Hei­ mat – gegen den engagierten Einsatz der Bürger, die nur das Bild aus dem jahre 1940 sich bewahr(t)en. Ein verlorenes Idyll, für viele. Blütenträume: der Birnbaum – ein Symbol blühender Hoffnung. Pferde, Hahn und Hennen: ein Bild der Friedfertigkeit. Der Mensch ist nicht im Bilde. Der Betrachter hat das Bild für sich Den Betrachter holt der Künstler ohne Ge­ fährten oder Widerpart gekonnt hinein in sein Werk, lädt ihn ein, sich am Schönen zu erfreuen – daraus die Kraft gewinnend, es zu schützen. Das gilt für traute Winkel, die der Maler auf die Leinwand zaubert; für In­ nenansichten mit ihrem ganz eigenen Reiz, wie die Schwenninger Bauernküche ihn ver­ strömt oder für die Landschaftsbilder. Da­ neben stehen seine „duftigen Stilleben“, vor allem seine Vasen mit Blumensträußen. „Er fing das Licht und die Farbigkeit in seinen Bildern ein, legte aber durchaus Wert auf Einzelheiten.“ Die manchmal das Wertvoll­ ste sind. Hans Georg Müller-Hanssen, der in der „Zeichenschule Goetze“ ersten Unterricht erhielt, schwärmte noch im hohen Alter von Schwarzwaldwinterbildern ohne Sonne, die am gelungensten erscheinen. Märchenhaft, als hätte Frau Holle eben ihre Kissen aus-

Paul Goetze geschüttelt – wie auf einem Bild, das der Schwenninger Sachse, den auf Dauer nur der Dialekt als solchen noch „verriet“, einst seiner dreijährigen Enkelin zur Freude bis heute geschaffen. Wilhelm Heimers Wertung (von 1938) will Ingeborg Kottmann sich (2000) anschließen: „Meister Goetze will kein Neutöner sein. Er ist gebunden an das Gegenständliche und malt die Landschaft mit Liebe, mit guter handwerklicher Tech­ nik, und mit einer Neigung zum farbig De­ korativen.“ So lebt der am 30. Juni 1962 verstorbene Schwenninger Maler aus dem Sächsischen fort in der Erinnerung. Sein Werk hat ihn überdauert. Seines Lebensleistung erschöpft: sich nicht in der Kunst, die Grenzen nicht kennt, künstliche nicht anerkennt. Denn mehr gehört zum Bilde seines Lebens als sei­ nem wertvollsten Vermächtnis. Es zu über­ schreiben, darf auf das Motto der vor einem über Dreivierteljahrhundert von Paul Goet­ ze mitbegründeten, heute fast völlig verges­ senen Vereinigung der „Künstler des oberen Neckarringes“ als eines friedlichen Dreibun­ des der Städte Villingen, Schwenningen und Rottweil verwiesen werden. „Neidlos sich gegenseitig zu fördern, um gemeinsam ihre Ideale zum Besten von Volk und Heimat dienstbar zu machen“, lautete das hehre Ziel des Mannes, der dieses Beste gewiß nie aus dem Auge verlor, wie seiner damaligen Mit­ streiter, an die zu erinnern nicht eitel ist. Unter den Villingern hervorzuheben sind Robert Neukum, Paul Bär und Guido Schrei­ ber; unter den Rottweilern Florian Knittel, Harmonie der Heimat: Blick in eine Bauernküche, hinter deren Fenster ein weiter(er) Horizont sich er­ schließtfür alle, die Augen haben, zu sehen. 2 1 3

(diesem als Untergruppe eingegliederten) „Trachtenverein Alt-Schwenningen“, im „Car- nevalverein Hölzlekönig“ (Narrenzunft), sondern auch des Menschen und (politisch denkenden) Bürgers. Für den, ein Beispiel nur, spricht, daß er sich an der im Novem­ ber 1938 nicht ohne propagandistischen Aufwand präsentierten Ausstellung „Kunst im Kreis Rottweil“ aus Anlaß der „Woche der Partei“ (NSDAP) in Schwenningen als anerkanntester Kunstmaler der Stadt nicht beteiligte. Kaum war das Spektakel zu Ende, lud er, stets ein (zu Zeiten geheimer) Anhän­ ger Kurt Schumachers, – noch vor dem „Volks­ tag deutscher Kunst“ – zur „Gemälde-Aus­ stellung Goetze; Teckstraße 10. Täglich geöffnet. Eintritt frei und unverbindlich.“ MichaelJ. H. Zimmermann Kunstgeschichte Hugo Wäschle und, vor allem, Otto Schwarz, der seinen (bleibenden) Eindruck auf Hans- Georg Müller-Hanssen und seinen Bruder Karl Müller nicht verfehlte. Womit wir bei den Schwenningern angelangt wären: Adolf Weller, Karl Köngeter, „namentlich aber Paul Goetze“. Von ihm schwärmt selbst das Villinger Volksblatt am 17. November 1925: „Wir ken­ nen ihn alle, durch seine Mappen hat er sich eine Gemeinde gegründet. Mit den Villin- gern ist er der Seher des Schwarzwalds ge­ worden. Er lauscht dem sprudelnden Quell und dem Mühlenrad und dem rauschenden Tann. Er preist in Tönen und Farben den Lenz der Heimat, den schweigenden Wald­ winter, die Hütte im Tal und des Abends ge­ heimnisvolle Dämmerungen …“ Gedacht werden sollte indes nicht allein des Künstlers und „Historikers“ der Heimat, des Förderers des Brauchtums und des „Althistorischen“ im „Verein für Heimatkun­ de“ (Schwenninger Heimatverein), in der „von ihm betreuten“ Trachtengruppe, dem jVuHl 1 f D a-, oIÍT ÜAijljim 1ÍP1’iol£^ Ein Blick in Paul Goetzes Wappenbuch der Stadt Rottweil: die Bletz. Begüterte Bürger der Freien Reichs­ stadt Rottweil, Angehörige des Patriziergeschlechtes zu Zeiten Schwenningens Herren – und auch in Vil- lingen namhafi. 2 1 4

Trachten der Baar nach Paul Goetze, oben links und rechts: Die Tracht vom Ende des Dreißigjährigen Krie­ ges bis etwa 1750, Trachten zwischen 1750und 1800. Untenlinks undrechts: Trachtenvon 1800bis 1850. Die Darstellungen aus der Zeit um 1930 sind der Schrift „Trachten der Baar“entnommen, die Goetze auf­ legte, „um die Heimatliebe zu stärken und das Interesse fü r volkskundliche Fragen zu wecken. “ 2 1 5

16. K a p i t e l / A l m a n a c h 2 0 0 4 Gesellschaft und Soziales Feuerwehrfrauen in Hubertshofen Einzige Frauengruppe im Landkreis ist in die H ubertshofener W ehr integriert Anderen zu helfen, das ist etwas, was ihnen am meisten Freude bereitet. Ihr Engage­ ment ist ehrenamtlich, Kameradschaft wird groß geschrieben. Männersache? Weit ge­ fehlt: Lore Degen, Ruth Gfell, Irmgard Ruf, Ilse Grimm, Waltraud Willmann, Rosemarie Mietz, Margarete Wirich, Marlies Faller, Hildegard Schmid, Gerda Wiehl, Luzia Schmid, Petra Ganter, Eva Grimm, Monika Troll, Silvia Wilhelm, Renate Spät und Erika Maier zeigen, was Frauen leisten können. Feuerwehrmannschaften sind nicht nur für Männer da. Die Frauengruppe der Ortsteilwehr Hu­ bertshofen der Freiwilligen Feuerwehr Do- naueschingen wurde als zweite ihrer Art im Landkreis aufgebaut und ist bis heute die einzige reine Frauengruppe inner­ halb einer ansonsten von Männern dominierten Welt der Brandbe­ kämpfung. Lediglich in Blumberg- Epfenhofen war bereits 1973 eine Frauenmannschaft gegründet wor­ den, die heute allerdings nicht mehr besteht. Die Gründung der weiblichen Hubertshofener Mannschaft im Jahre 1978 spie­ gelt ein Stück Emanzipation in unserer Gesellschaft wider. An dem Gründungsjahr kann je­ doch auch eine gesellschaftlich geförderte Landflucht festge­ macht werden, wenn es um or­ dentlich bezahlte Arbeitsplätze geht: Landwirtschaft rentiert sich am Rande des Südschwarzwaldes für viele schon lange nicht mehr als einzige Erwerbsquelle. Die Frauen­ gruppe verdankt ein Stück weit ihre Existenz also dem Männermangel in Hubertshofen. Viele der Männer ar­ 2 1 6 beiten auswärts, es würde zu lange dauern, bis die Feuerwehrmannschaft im Brandfall am Ort wäre. Lag es da nicht nahe, eine Frauengruppe zu gründen, die Löscheinsät­ ze vorbereitet, bis die Männer nach langem Anfahrtsweg einsatzbereit sind? Mitglied einer Feuerwehr zu sein, ist schon etwas Besonderes. Die Augen von Gruppen- fuhrerin Erika Maier fangen an zu leuchten, wenn sie über die Mannschaft erzählt: „Ande­ ren in der Not Hilfe zukommen zu lassen, das stellt unglaublich zufrieden.“ Und Komman­ dant Franz Martin Troll setzt noch eines drauf: „Meine Familie hat es schon am eige­ nen Leib erfahren, als ein Küchenbrand zu löschen war.“ Damals halfen Mitglieder der Frauengruppe noch Tage nach dem Bei ihren Ubungsein- sätzen zeigen die Huberts­ hofener Feuerwehr­ frauen, was sie leisten können.

Feuerw ehrfrauen H ubertshofen 1978 wurde die Frauengruppe der Freiwilligen Feuerwehr Flubertshofen gegründet. Bis zu 17 Frauen ste­ hen auch heute noch „ ihre Frau “ in der einzigen Ortsteilwehr im Landkreis mit einer aktiven Frauengruppe. Einsatz, die Brandstelle wieder in Ordnung zu bringen und die Verpflegung der Familie sicher zu stellen. Körperlich durchtrainiert zu sein, sei nicht das Maß, an dem die Ein­ satzfähigkeit gemessen werde. Jede Feuer­ wehrfrau erhält ihre Aufgabe entsprechend ihrer Möglichkeiten zugeteilt. In der Frauen­ gruppe der Hubertshofener Wehr findet je­ de ihren Platz. „Von Anfang 30 bis über 60 Jahre reicht das Altersspektrum.“ Rausge­ schmissen wird aus Altersgründen niemand. „Die Frauen entscheiden selbst, wann sie aufhören und tun dies auch rechtzeitig“, so Erika Maier. Falschen Ehrgeiz gibt es nicht. Sozialer Treffpunkt im Dorf „An die 15 Prozent der Bevölkerung sind in unserer Wehr Mitglied.“ Franz Martin Troll lächelt verschmitzt. Welcher Ort kann solch eine Identifikation mit einem derartigen Ver­ ein vorweisen? Es fällt einem spontan keiner ein. Und wenn in der bis zu 44 Personen star­ ken aktiven Truppe auch noch bis zu 17 Frau­ en ihren Dienst tun, dann ist dies eine weite­ re Besonderheit. Der Nachwuchs ist auf allen Ebenen gesichert: In der vor drei Jahren offi­ ziell aufgebauten Jugendwehr finden sich un­ ter den 20 Mitgliedern immerhin zwei Mäd­ chen. Die Gründung der Frauengruppe inner­ halb der Ortsteilwehr geht auf den Vater von Franz Martin Troll zurück. Franz Troll hatte damals gegen Ressentiments zu kämpfen. Doch der damalige Gesamtstadtkomman­ dant Ludwig Utz und der ehemalige Huberts­ hofener Ortsvorsteher Albin Vogt unterstütz­ ten Trolls Anliegen. Die Frauengruppe habe in den vergangenen 26 Jahren bei den Utz- Nachfolgem Wilhelm Müller und Joachim Wicher immer ein offenes Ohr gefunden. Auf jeden Fall sind die Frauen in der Hubertsho­ fener Männermannschaft akzeptiert. Das freut Franz Martin Troll besonders: „Die Stimmung und Kameradschaft sind gleicher­ maßen gut“, egal ob Ehepaare oder einzelne Familienmitglieder in der Wehr engagiert sind. Eigentlich sei die Mannschaftsstärke der Ortsteilwehr Hubertshofen bezogen auf die zu schützende Häuser- und Höfezahl fast schon zu groß. „Doch bislang gibt es noch keinen Aufnahmestopp bei uns.“ Warum auch?, so Franz Martin Troll, der solchen Enthusiasmus, bei Frauen wie Männern, nicht im Keim ersticken möchte. „Vielleicht sind die Frauen sogar ein wenig einsatzfreu­ diger, wenn es ums Üben geht“, zollt er den 17 weiblichen Feuerwehrleuten Respekt. 2 1 7

Feuerw ehrfrauen H ubertshofen „Ihre Frau“ haben sie auf jeden Fall bereits bei zwei Ernstfällen gestanden, als am 30. April 1981 ein Bauernhaus am Ortsrand in Flammen aufging und am 13. Juli 1997 ein Zwei-Familien-Haus brannte. Monatlich zeigen die Hubertshofener Frauen in separaten Proben ihr Können. Die Frühjahrs-, Sommer- und Herbstprobe neh­ men sie zusammen mit den Männern der Orts teilwehr in Angriff. Einmal im Jahr wird auch mit der Ortsteilwehr Wolterdingen ge­ übt. Zwischen Männern und Frauen gibt es keine Unterschiede: Die weiblichen Feuer­ wehrleute haben ihre Ausbildung ebenso zu leisten wie ihre Kollegen: Als Truppmann in der vierwöchigen Grundausbildung fängt je­ de an. „Mit Ausnahme der Altgedienten“, schränkt Erika Maier ein. In den Anfangs­ jahren sei dies nicht üblich gewesen. Die Al­ teren haben allerdings bereits soviel Erfah­ rung und Übung, daß sie die Grundausbil­ dung nicht nachmachen müssen. Auch vor Spezialaufgaben scheuen sich die Frauen nicht: Eine hat die Ausbildung zur Atem­ schutz-, zwei zu Sprechfunkträgerinnen. Die Ursprünge der Feuerwehr in Hubertsho­ fen gehen auf drei verheerende Brände in den Jahren von 1864 bis 1875 zurück. Daraufhin wurde eine handbetriebene Feuerlöschspritze angeschafft. Gegründet wurde die Feuerwehr schließlich am 9. Januar 1876. Frauen und Jungfrauen der Gemeinde stifteten im Jahre 1882 die Feuerwehrfahne des Ortes. Erstmals traten Frauen während des Zweiten Welt­ kriegs in der Feuerwehrmannschaft an, nach­ dem wegen fehlender Männer ein gemeinsa­ mer Löschverband Hubertshofen-Mistel­ brunn gegründet worden war. 1952 erhielt Hubertshofen seinen ersten Anhänger mit Tragkraftspritze. Sieben Jahre später wurde schließlich ein Geräteraum eingerichtet, der Schlauchtrockenturm im Farrenstall inte­ griert. 1982 erhielt der Ort sein erstes Trag­ kraftspritzenfahrzeug. 1972 kam im Zuge der Gemeindereform die Feuerwehrmannschaft als Ortsteilwehr nach Donaueschingen. Frauen spielen jedoch nicht erst in neuerer Zeit eine Rolle in der Brandbekämpfung. Zahlreiche Feuerwehren des Landkreises Schwarzwald-Baar weisen in ihrer Geschich­ te weibliche Helfer auf, die allerdings meist nicht in die Mannschaften direkt integriert waren. In Donaueschingen-Grüningen be­ stand bereits 1868 neben einer Spritzen-, Schlauch- und Leiterabteilung auch eine Frauenabteilung innerhalb einer Feuerlösch­ mannschaft. In vielen Gemeinden war die gesamte erwachsene Bevölkerung bei Brän­ den dazu verpflichtet zu helfen. Im 19. Jahr­ hundert wurden in Blumberg-Nordhalden gar Mädchen, in Mönchweiler Frauen als Wasserträgerinnen herangezogen. In St. Ge­ orgen bestand die Feuerwehrmannschaft 1874 aus 20 Frauen, welche die Wasserträge­ rinnen zu stellen hatten. Ebenfalls als Was­ serträgerinnen fungierten vier Rotten in Tu- ningen, die um 1875 als Amazonenkorps die Feuerwehr unterstützten. Der Zweite Welt­ krieg führte in vielen Ortschaften zu einem Mangel an einsatzfähigen Männern. Frauen mußten in die Bresche springen: etwa in Blumberg-Fützen. Frauen in der Feuerwehr? „Bei uns bleibt dies weiterhin so“, zeigt Kommandant Franz Martin Troll aus Hubertshofen Flagge. Die Feuerwebifrauen aus Hubertshofen proben ein­ mal im Monat den Ernstfall. Stefan Limberger-Andris 2 1 8

Psychologie: Klärung und Hilfe Psychologen im Schwarzwald-Baar-Kreis Gesellschaft u n d Soziales Als der Autor vor über 30 Jahren als junger Psychologe in den Schwarz­ wald-Baar-Kreis kam, fanden sich in Villingen-Schwenningen, Bad Dürr­ heim und Donaueschingen gerade einmal eine handvoll Psychologen zusammen: zwei bei der Schul- und Erziehungsberatung, eine Kollegin bei SABA, ein Arbeitsamtspsycho­ loge und der Autor als klinischer Psychologe in einer Klinik. Als zeit­ weiliger Regionalbeauftragter des Bemfsverbandes Deutscher Psycho­ logen organisierte der Autor Treffen und installierte in eigener Regie Su­ pervisionen und Praxis-Reflexio­ nen. Am Ende der 70ger Jahre hat­ te die Zahl der Psychologen – vor al­ lem an den Kliniken – enorm zuge­ nommen. „Man“ verlor sich zu­ nehmend aus den Augen …. Aber was hat der Berufsstand der Psychologinnen und Psychologen in den ca. 30 Jahren in der Region geleistet? Die größte Gruppe dürften die klinischen Psychologen darstellen, diese Kollegen arbeiten in Klini­ ken, als niedergelassene Psycho­ therapeuten in ihren Praxen oder Prof. Dr. Buchmann (links) im Gespräch. in den Beratungseinrichtungen der Eine kurze Klärung des Begriffs Psycholo- Kommunen oder Kirchen. Ehe-, Familien- ge scheint sinnvoll: Ein Psychologe hat ein und Konfliktberatung stellt im Wesentli- chen das Beratungs-Spektrum dar (Beratung akademisches Studium an einer Universität ist orientierende Hilfestellung für gesunde mit seinem Diplom abgeschlossen; Psycho- logie kann mit sehr unterschiedlichen Menschen mit Problemen) – aber im Über- Schwerpunkten studiert werden (z.B. Markt­ gang zu den Abhängigkeitserkrankungen forschung, Personalauswahl, Organisations- sind einige Kolleginnen/Kollegen auch in psychologie, Klinische Psychologie, Forensi- der Suchtberatung tätig. In den Bildungsein- richtungen (Schule, Hochschule, Volks- sehe Psychologie …). Unterzieht sich ein Psychologe einer qualifizierenden Weiterbil- hochschule …) arbeiten sowohl festange- stellte als auch „freie“ Psychologen mit. dung zum Psychotherapeuten kann er die Ap- 2 1 9

Gesellschaft und Soziales probation, d.h. das Niederlassungsrecht er­ werben. Im Gegensatz zu Psychologen sind Psychiater grundsätzlich Arzte, die sich in ei­ ner Weiterbildung speziell mit den seelischen Erkrankungen beschäftigen; sie können im Gegensatz zu Psychologen in Deutschland Medikamente verabreichen. Auch ärztliche Psychotherapeuten bedienen sich der psychologischen Ver­ fahren, um Menschen zu hel­ fen. Seit zwei Jahren ist der Ti­ tel Psychotherapeut geschützt; nur ein ärztlicher oder psy­ chologischer Psychotherapeut bzw. Kinder- und Jugendpsy­ chotherapeut darf sich so nen­ nen. Was ist das Gemeinsame die­ ser psychologischen Kollegin­ nen und Kollegen? Sie sind „Begleiter“, Lehrende – und vor allem – sind sie um Klärung von Problemlagen, verschlüs­ selten Lebens-, Bemfs- und Familiensituatio- nen bemüht. oder Zwängen, bei Sexual- und Partner­ schaftskonflikten, bei Traumatisierungen1, bei Orientierungs- oder Identitätsproblema- tilcen als auch mit Menschen mit „schweren Störungen“ wie Suchterkrankungen, Reali­ tätsverlust (Psychosen) oder Depressionen usw. Im zweiten Fall empfiehlt sich immer die Zusammenarbeit mit Ärz­ ten bzw. Psychiatern. Ein neueres Tätigkeitsfeld hat sich in den letzten Jahren für erfahrene Kliniker aufge­ tan: Supervision und indivi­ duelles Coaching. Unter Su­ pervision sind alle Maßnah­ men zu verstehen, die das ei­ gene berufs- und personenbe­ zogene Elandeln reflektieren. Dabei spielen Ängste, Zweifel und eigene Probleme eine zentrale Rolle; hier arbeitet man meistens vertrauensvoll in Gruppen eben unter An­ leitung eines qualifizierten Supervisors zu­ sammen. Die Psychologie, als die Lehre vom Erleben und Verhalten, ist bei Problemen bislang die Wissenschaft, die sowohl im Einzelfall als auch, aus grund­ sätzlichen Erkenntnissen he­ raus, bei allgemeinen Lagen helfen kann, Blockierungen zu lösen und den seelischen Haushalt wieder zum Fluss zu bringen. Seelische Konflikte bewältigen Im Wesentlichen geht es wohl immer um den gleichen Dreischritt: Erkennen der Pak­ toren, die zum jetzigen unangenehmen Zu­ stand geführt haben. Dazu gehört oft – zweitens – die zu klärende Entstehungsge­ schichte der Problematik. Und dann ist – drittens – gemeinsam mit dem Ratsuchen­ den (und gegebenenfalls mit Partnern …) zu überlegen, was in Zukunft zu tun ist, um die seelische Not zu lindern. In den meisten Fällen dürfte es sich im erweiterten Bera­ tungsbereich dämm handeln, wie man zum einen mit anderen Menschen (Partner, Kin­ dern, Kollegen …) umgeht, oder aber wie man sich selber besser managt. Seelische Konflikte können, längerfristig nicht bewäl­ tigt, in die Krankheit und schließlich in den Suizid führen. Die klinischen Psychologen/Psychothera­ peuten arbeiten sowohl bei „leichteren psy­ chischen Störungen“ wie Ängsten/Phobien 2 2 0 Beim Coaching – hier handelt es sich im Allgemeinen um Einzelberatung einer Füh­ rungspersönlichkeit – geht es um „Mitden­ ken“, um das Aufzeigen möglicher Verhal­ tensalternativen, aber auch um Ausgleich von persönlichen Schwächen bzw. besseren Nutzung der Stärken. Die Psychologie – als die Lehre vom Erle­ ben und Verhalten – ist bei Problemen bis­ lang die Wissenschaft, die sowohl im Einzel­ fall als auch – aus grundsätzlichen Erkennt­ nissen heraus – bei allgemeinen Lagen hel­ fen kann, Blockierungen zu lösen und den seelischen Haushalt wieder zum Fluss zu bringen. Das ist auch das Thema bei Ausbil­ dungen und Vorträgen. Psychologie-Unterricht (durch Pädagogen) erfreut sich steigender Beliebtheit. Immer wenn es gelingt, psychologische Erkenntnis­ se praxis- also lebensnah an junge Menschen heran zu tragen, können negative Folgen ei­ nes missglückenden Lebens minimiert wer­ den, (arbeitspsychologische Erkenntnisse sprechen davon, dass bis zu 40% der Rran-

kenkosten eingespart werden könnten, wenn man durch angemessenere Behand­ lung Menschen „richtig“ einsetzen und mo­ tivieren würde). Zunehmend dringen auch Pastoren/Pfarrer in das Gebiet der psycho­ logischen Beratung vor. Im Berufsfeld des Arbeitsamtes steht eine genuine Thematik der Psychologie im Mit­ telpunkt: Die Eignungs- und Befähigungs­ untersuchungen. Hier werden üblicherweise standardisierte Leistungs- und/oder Persön­ lichkeitstests eingesetzt. Es wird eher wichti­ ger werden, junge Menschen sowohl über die Möglichkeiten und Chancen eines Be­ rufsfeldes (der „typische“ Beruf wird ja im­ mer seltener; man wandert von einem Beruf und entwickelt sich in den nächsten hinein), als auch über ihre oft noch unentdeckten (manchmal auch überschätzten) Qualifika­ tionen, aufzuklären und zu beraten. Hier im Landkreis gibt es keine Betriebs­ psychologen mehr; ihnen oblagen auch Aufgaben der Arbeitsplatzgestaltung, der in­ nerbetrieblichen Konflikthandhabung und des Trainings. (Bedingt übernehmen einige Polizei-Psychologen noch solche Aufgaben.) Die relativ große Zahl der niedergelasse­ nen Kolleginnen und Kollegen (also im All­ gemeinen approbierte Psychotherapeuten mit Kassenzulassung) verdeutlicht, dass so­ wohl das Können der Psychologen ange­ nommen/gesucht wird als auch, dass das Verständnis für die Zusammenhänge von Lebens- bzw. Arbeitszufriedenheit und Leis­ tungsfähigkeit bzw. Gesundheit gewachsen ist. In den großen Kliniken des Landkreises ist es heute Standard, psychologische Be­ treuung und Psychotherapie zu gewährleis­ ten. Einige Kliniken sind Ausbildungsinsti­ tutionen für die Nachwuchspsychothera­ peuten. Sowohl relativ eng umrissene Prob­ lemfelder wie Essstörungen, Nikotinabhän­ gigkeit, Fett- oder/und Magersucht etc. als auch komplexe Krankheitsbilder wie Krebs­ erkrankungen, multiple Sklerose, Schizo­ phrenien, Delinquenz bei Jugendlichen und Alterserkrankungen des Gehirns …, sind u.a. Betätigungsfelder für diese Kollegen. Psychologie: K lärung und Hilfe In der Aus- und Fortbildung der drei Hoch- schuleinrichtungen arbeiten sechs Kollegin­ nen/Kollegen. In der Berufsakademie Villin­ gen-Schwenningen sind zwei Psychologin­ nen/Psychologen tätig. Bei der Fachhoch­ schule Furtwangen – Hochschule für Technik, sind z.Zt. keine Dipl. Psychologen tätig. Psychologie an der Hochschule für Polizei Einen neuen Ansatz der Psychologie ver­ folgt seit 25 Jahren die Polizei-Psychologie. An der FHPOL/Hochschule für Polizei ar­ beiten vier Psychologen; neben ihrer Lehr­ tätigkeit betreut jeder von ihnen einen be­ stimmten Schwerpunkt. Im Wesentlichen werden Themen behandelt, die den zukünf­ tigen Polizeikommissaren helfen sollen, ih­ ren beruflichen Alltag besser/qualifizierter zu bestehen. Das sind z.B. Themen aus dem Bereich der W ahrnehmung/der Wahrneh­ mungstäuschung, der Gesprächsführung und der de-eskalierenden Konflikt-Rhetorik im Umgang mit aggressiv stimulierten Bür­ gern, und so weiter. Dazu gehören aber auch ethische Fragen wie z.B. die Frage nach dem Menschenbild, nach dem Sinn der (Poli- zei)Arbeit, nach dem Umgang mit intrapsy­ chischen (Gewissens-)Konflikten. Wie er­ kennt man Lügner oder psychisch Kranke, was macht man mit Suizidalen, wie geht man mit schwer traumatisierten Opfern von Straftaten um; wie kann man aus einer Ge­ walttat Rückschlüsse auf potenzielle Täter schließen, usw.? Ganz praktische Themen wie der Umgang mit Gruppen oder Massen werden genau so behandelt wie das Entste­ hen von Chaos und Panik, die Gefahr von Gerüchten und „Massenpsychosen“ (z.B. Lynch-Mentalität). Ganz besonders wichtig sind Themen, die sich mit der Psychohygiene der Ordnungs­ hüter beschäftigen; wie minimiert man Stress bzw. geht mit ihm konstruktiv um; wie motiviert man sich selbst trotz Angst und Ekel; wie managt man Konflikte in der Dienstgruppe; wie bereitet man sich auf schwierige Einsätze vor und wie schützt 2 2 1

Psychologie: K lärung und Hilfe man sich bei möglichen, überraschenden Angriffen … ? Da der Polizeiberuf beson­ ders gefährlich ist/sein kann, werden auch Themen wie Verletzbarkeit, seelische Nach­ sorge nach Traumatisierungen und z.B. die – mögliche – Betreuung nach einem Schuss­ waffengebrauch bearbeitet. Dabei spielt auch immer das Thema Tod eine Rolle; man weicht dieser Thematik nicht aus. Der Tod (die Selbsttötung) von Kollegen greift stets tief ins Erleben der Menschen ein. Daneben findet („betriebs-psychologisch“) eine rege Beratung der Dienststellen landes­ weit statt: Bei Großlagen und Einsätzen (zu­ letzt Betreuung der Kräfte, die beim Uber- linger Flugzeugabsturz eingesetzt waren); Geiselnahmen oder (Produkt-)Erpressungen, Streitschlichtung/Mediation bei Führungs- kräfien; Vorbereitung, Begleitung und Nach­ sorge von Polizeibeamten in Krisengebieten (wie im Balkan) und Auswahlverfahren für Führungskräfte. Koordinierung der Konflikthandhabung Eine landesweite Koordinierungsstelle für Konflikthandhabung und Kriseninterventi­ on (KOST) wurde vom Innenministerium eingerichtet; sie wird vom Autor geleitet. Man hat ca. 100 „Konflikttrainer“ ausgebil­ det, das sind berufs- und lebenserfahrene Po­ lizeikollegen, die ihrerseits Kolleginnen/Kol­ legen an den Dienststellen beraten und un­ terstützen. Ebenfalls stehen sie den Leitern ihrer Einrichtungen beratend zur Seite und betreuen ihre Kollegen nach schwierigen Einsätzen oder traumatischen Erfahrungen. Bei Großeinsätzen sind sie „im Feld“ – und immer häufiger haben sie die Aufgabe, auch mit Bürgern deeskalativ oder informativ tä­ tig zu werden. Ihre erworbene Kompetenz wird auch bei „privaten Problemen“ der Kol­ legen gern in Anspruch genommen. Für die­ se Gruppe der Konflikttrainer veranstaltet die „KOST“ regelmäßig Fortbildungen und Supervisionen an der Hochschule für Polizei. Weiterhin entwickelt sich eine rege polizei­ psychologische Forschungstätigkeit: z.B. 2 2 2 mentale Strategien beim Schießen; Nutzung von Video – Szenarien für das Einsatztrai­ ning -; sexueller Missbrauch von Kindern; Vernehmungspsychologie; Behandlungsver­ fahren nach traumatischen Ereignissen . . . . Hier wird in Zukunft sicherlich auch ver­ stärkt interdisziplinär gearbeitet; denn die Hochschule für Polizei verfügt über diverse Experten, die „fachübergreifend“ gute Denk­ arbeit für die Polizeiführung des Landes leis­ ten könnten. Dass die Kollegen sich bei Ta­ gungen und internationalen Kongressen fort­ bilden, bzw. dort die Fachdiskussion mit Kollegen suchen, ist für einen Akademiker selbstverständlich. Die Vielfalt der Aufgaben von Diplom- Psychologen macht auch deutlich, dass der Beratungs- und Therapiebedarf in den letz­ ten 30 Jahren angewachsen ist. Nach einer groben Erhebung arbeiten 2003 über 130 Diplom-Psychologen/innen im Schwarz- wald-Baar-Kreis. Oder anders ausgedrückt: Durch die Schaffung solcher Stellen ist die­ sem vorhandenen Bedürfnis Rechnung ge­ tragen worden. Zu wünschen wäre, dass mehr über die Arbeit der Psychologen resp. Psychotherapeuten in der Öffentlichkeit be­ kannt wäre. Da inzwischen in der Region wieder (relativ neu) zwei „Stammtische“ in­ stalliert sind, darf erwartet werden, dass aus dieser interkollegialen Kooperation auch quantitative wie qualitative Anregung für das Wohlbefinden der Bürger erwachsen. Prof. Dr. Knud Eike Buchmann Fußnote: 1 D e r L andkreis h a t – m o d e llh a ft – n ach d e m D o- n au esch in g er B usunglück gerade zu dieser T h e m a tik e in e n B etreuerkreis v o n E x perten (H ilfe für Helfer) eingerichtet. E r b e ste h t n u n m e h r seit ü b e r 10 J a h re n ; darin arbeiten u. a. drei klinische P sy ch o lo g en m it.

17. K a p it e l/ A l m a n a c h 2 0 0 4 Landwirtschaft Entlang der Schwarzwälder Milchstraße Landfrauen haben die Idee für ein besonderes Urlaubserlebnis Ein neues Werbe- und Präsentations-Element ist in den vergangenen Jahren in Mode gekom­ men. Wie Pilze nach einem warmen Som­ merregen schießt all­ überall und selbst Bun­ desländer übergreifend eine bestimmte Spezies von Straßen aus dem Boden. Mit klangvol­ len Namen wie Klassi­ ker, Fachwerk-, Porzel­ lan- oder auch Braun­ kohle-Straße sagen sie viel aus über Menschen, Handwerk und Infra­ struktur der jeweiligen Region. So zieht sich in Niedersachsen von Süd nach Nord die Spargelstraße, die neuen Bundesländer ha­ ben ihre Alleenstraße, und dazwischen trifft der Autofahrer, Biker oder Wanderer auf die Bier- und Burgenstraße oder folgt der Rou­ te der Romanik-, Edelstein- und Märchen­ straße. Uber 20 Höfe nehmen am ProEekt teil Hinzugekommen ist vor zwei Jahren in unserer Region eine Straße, die ihre Entste­ hung allerdings einer ganz anderen Intenti­ on verdankt: Sechs Landfrauen haben die „Schwarzwälder Milchstraße“ auf den Weg gebracht. Mit der Öffnung ihrer Stalltüren, mit Führungen durch ihre Betriebe und Ver­ köstigung hauseigener Produkte wollen die zwischenzeitlich rund 20 am Projekt teil­ Weidende Kühe gehören zum Schwarzwälder Landschafisbild. nehmenden Höfe den Menschen das wert­ volle Naturprodukt Milch wieder ins Be­ wußtsein rücken. Weidende Rinder gehören zum Schwarzwälder Landschaftsbild, diese typische Kulturlandschaft ist geprägt von der Arbeit der Bäuerinnen und Bauern und einer jahrhunderte alten Tradition der Vieh- und Weidewirtschaft, die uns bis heute er­ halten geblieben ist. Mit im Boot waren bei der Gründung die­ ser äußerst irdischen und wenig galaktischen Milchstraße der Schwarzwald-Baar-Kreis mit einem finanziellen Anschub und der Natur­ park Südschwarzwald, der an der Gestaltung des Faltblattes und eines Gäste-Fragebogens federführend war; zwischenzeitlich sind auch die örtlichen Tourist-Informationen eine wichtige und hilfreiche Anlaufstelle. 2 2 3

Schwarzw älder M ilchstraße Lebendigkeit steht im Vordergrund „Der Unterschied eines Hofbesuches zu ei­ nem Museumsbesuch ist die Lebendigkeit,“ sagt Anita Scherzinger, Mit-Initiatorin des Projektes, „hier dürfen Tiere gestreichelt und gefüttert werden, die Kinder toben im Heu­ stock, und bis jetzt ist bei Führungen und anschließender Verköstigung noch keine Frage unserer Besucher unbeantwortet ge­ blieben. Allen Beteiligten ist es ein großes Anliegen, die Landwirtschaft im Schwarz­ wald, die ja ohnehin vom Wetter her be­ nachteiligt ist, für Informationen offenzu­ halten. Wenn wir es nicht fertig bringen, un­ seren Rindern diese Werte zu vermitteln, wie wird das dann in den nächsten Jahr­ zehnten aussehen? Jeder Bauernhof, der ver­ schwindet, ist für immer verloren,“ wirbt die Landfrau für Interesse an der Landwirt­ schaft. Auf ihrem Weißenhof oberhalb von Rohrbach haben Anita und Albert Scher­ zinger in den vergangenen zwei Jahren den unterschiedlichsten Gästegruppen gezeigt, daß Landwirtschaft noch Spaß und die Ar­ beit auf einem Bauernhof Sinn macht. Die Landfrauen entfernterer Regionen schauten im Rahmen ihres Jahresausflugs bei den Be­ rufskollegen herein, aus der Schweiz kamen die Rotarier, für die kleinen Gäste gab es ei­ nen eigenen Kinderferientag, und ein Ma­ nager-Seminar aus Offenburg brachte inter­ nationale Teilnehmer auf den Weißenhof. Nach der Bewirtung mit Suppe, Käse, Brot und Hefezopf aus eigener Produktion be­ dankte sich ein außerordentlich beein­ druckter Chinese auf ganz besondere Weise, indem er der Landfrau beim Geschirrspülen half. Sieben der insgesamt über 20 Höfe entlang der „Schwarzwälder Milchstraße“ liegen im Schwarzwald-Baar-Rreis, die weiteren er­ strecken sich über den benachbarten Land­ kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Wie oft sich die Türen für Führungen, für das Zu­ schauen beim Buttern, Käsen, Melken und Füttern den Gästen öffnen, bleibt jedem Be­ trieb überlassen. Die einzelnen Termine sind in der aktuellen Ausgabe des Faltblat­ tes nachzulesen, das in den Tourist-Infor­ mationen und in nahezu jedem Beherber­ gungsbetrieb der beteiligten Landkreise zu bekommen ist. Für das dritte Jahr der „Schwarzwälder Milchstraße“ ist bei den engagierten Milch­ erzeugern ein großer Wunsch noch offen: „Hilfreich wäre eine durchgehende Beschil­ derung, die den Wanderern, Radlern und Autofahrern den Weg zu unseren Höfen weist,“ sagt Anita Scherzinger, „denn was beim Höfe- und Mühlen-Wanderweg rund um Königsfeld erfolgreich praktiziert wurde, würde auch unserer Milchstraße gut ste­ hen.“ Weitere Informationen unter: www.schwarzwaelder-milchstrasse.de Anne Bethge Bauernhöfe der Schwarzwälder Milchstraße im Schwarzwald-Baar-Kreis Sigm undenhof Bartlisbauernhof Glashof Jäckleshof H irzbauernhof W eißenhof Räpplehof Farn. Hettich, Schonach Farn. Kuner, Schönwald Fam. Müller, St. Georgen-Brigach Farn. Wentz, St. Georgen-Stockburg Fam. Heinzm ann, St. Georgen-Brigach Fam. Scherzinger, Furtwangen-Rohrbach Fam. Bader, St. Georgen 2 2 4

Die Klausmanns in Obereschach Mit Stehvermögen und Kreativität der Krise in der Landwirtschaft getrotzt Landw irtschaft Die Berg- und Talfahrten der deutschen Wirtschaft haben auch die Landwirtschaft nicht ausgespart. Wetterkapriolen und ein allgemeiner Preisverfall erhielten in der Ket­ te einschneidender Ereignisse mit BSE und MKS eine schmerzhafte Steigerung. Das Hö­ festerben nahm seinen Fortgang, so mancher Landwirt gab resigniert auf. Barbara und Erwin Klausmann aus Ober­ eschach hingegen stehen exemplarisch für ei­ ne Generation von Landwirten, die mit Kre­ ativität und der Bereitschaft, immer hinzu­ zulernen, ihren Weg gehen. In den langen Jahren ihrer Selbständigkeit haben sie be­ wiesen, daß es mit Stehvermögen und einem starken Willen, Durststrecken anzunehmen und zu überwinden auch in schwierigen Zei­ ten weitergeht. Auch für sie kam es strecken­ weise knüppeldick, aber das Handtuch zu werfen, daran haben beide in keiner Phase gedacht. Vor dem Hintergrund einer soliden Aus­ bildung haben der Landwirtschaftsmeister und die Wirtschafterin für Landbau Trends beobachtet, Marktnischen gesucht und m u­ tig die Ärmel hochgekrempelt, als die ersten BSE-Fälle von England über den Ärmelka­ nal herüberschwappten und von jetzt auf nachher der Markt für Rindfleisch zusam­ menbrach. Ihren Betrieb traf es besonders hart, denn Erwin Klausmann hatte sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt und nach in­ Barbara und Erwin Klausmann mit den Kindern bei der Kürbisernte, 80 Sorten werden geerntet. 2 2 5

Landwirtschaft tensivem Bemühen einen Bestand an Cha- rolais-Rindern für die Bullenmast aufge­ baut. Den Stall voller Vieh, die Preise im Kel­ ler, über Nacht war der Bestand nichts mehr wert und mußte „zu einem Schandpreis“ verkauft werden. Und da ein Unheil bekannt­ lich selten allein kommt, folgte aut BSE die Maul- und Klauenseuche. Zwar blieben die Klausmanns von der neuerlichen Katastro­ phe verschont, aber die strengen Transport- Regularien jener Zeit bezeichnen sie noch heute als „gewaltigen Behördenzauber.“ Da waren ihre frühzeitig aufgebauten Vertriebs­ wege als Direktvermarkter an ausgewählte Metzgereien schon eine große Hilfe. Legefrische Eier rund um die Uhr Direktvermarktung gilt auch für ein ande­ res Standbein des Betriebs, denn hier gibt es legefrische Eier quasi rund um die Uhr. Ist die blonde Landfrau daheim, bleibt immer Zeit für ein freundliches Gespräch, andern­ falls bedienen sich die Kunden aus dem Kühlschrank, tragen sich in das Kunden­ buch ein und werfen den zu zahlenden Be­ trag in eine gut gesicherte Kasse. Und einmal mehr kamen Barbara und Er­ win Klausmann ihr Durchhaltewillen und die Freude, Neues anzugehen, zugute. In 2 2 6 Bei der Familie Klaus­ mann gibt es mittlerweile einen Bestand von 2 000 Legehennen. zu Deißlingen den gehörenden Hinterhöl­ zer Höfen stand ein Generationenwechsel an: Der Vater von Bar­ bara Klausmann zog sich auf’s Altenteil zu­ rück, die Tochter über­ nahm den damaligen Betrieb samt Viehbe­ stand. Um den Arbeitsanfall zweier Betrie­ be auf die Reihe zu bekommen, wurde um­ strukturiert und umgebaut, aus den Rinder­ ställen wurden Zug um Zug propere Hen­ nenställe. Was mit knapp 100 Legehennen begann, entwickelte sich im Verlauf von fünf Jahren zu einem Bestand von derzeit rund 2000 Hennen. Daß sich die Klausmanns bei der Gestal­ tung ihrer modernen Bodenhaltungsställe nicht nur strikt an die gesetzlich vorgegebe­ nen Faustzahlen hielten, was unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt der Packstel- len-Nummer ist, sondern auch die Ansprüche an Stallklima, Hygiene und Lagerung voll erfüllen, ist für sie so selbstverständlich wie der Betrieb ihrer Eier-Sortiermaschine, mit der jedes einzelne Ei gewogen und nach Ge­ wicht sortiert wird. Das Futter für Rind und H uhn kommt übrigens aus dem eigenen Anbau. Auf 100 Hektar Ackerbau- und 25 Hektar Grünland­ fläche gedeihen Weizen, Gerste, Mais und Raps. Das einzige Futtermittel, das zugekauff wird, ist eiweißhaltiges Raps-Schrot. Und mit diesen ausgepressten Raps-Rückständen schließt sich ein bäuerlicher Kreislauf: Die Klausmanns liefern ihren Raps nach Do- naueschingen in die Rapsöl-Anlage und be­ kommen später das ausgepresste Schrot zum

Die K lausm anns in O bereschach 2 2 7

Die K lausm anns in O bereschach Verfuttern wieder zurück. Die kollegiale Zu­ sammenarbeit mit dem Maschinenring – Er­ win Klausmann hat den elterlichen H of in Obereschach auch als landwirtschaftlichen Lohnbetrieb geführt und arbeitet für den Maschinenring – ist auch der Grund dafür, daß sich beide dafür stark machen, das Raps- Öl in der Region populär zu machen. Im Kindergarten der Tannenbäume Der Weihnachtsbaumverkauf aus eigener Zucht ist für Barbara und Erwin Klausmann längst mehr als ein winterliches finanzielles Zubrot. Vor 15 Jahren holten sie sich die er­ sten Winzlinge von Edeltanne, Nordmanns­ tanne und Blaufichte in ihre Waldwiesen. Und zahlten reichlich Lehrgeld, denn die Rehe im nahen Forst genossen die Setzlinge schon bald als besondere Delikatesse. Kaum eingezäunt, tat sich das nächste Problem auf: Das Gras wuchs schneller als die jungen Bäumchen, und das zu entfernen, ohne da­ bei die Tannen gleich mit zu erwischen, sei einer Katastrophe gleichgekommen, erin­ nern sich die Landleute. Die Lösung brachten vierbeinige Rasenmäher. Shropshire-Schafe aus dem schottischen Hochland sind nicht nur widerstandsfähig gegen rauhe Winter sondern auch die einzige Rasse unter den Schafen, die Tannenbäume nicht mögen. Zwischenzeitlich steht stellenweise die drit­ te Generation von Weihnachtsbäumen auf den Flächen; statt Gras wächst Unkraut, das nun wieder in mühsamer Handarbeit gemäht werden muß. Der Bestand an künftigen Weih­ nachtsbäumen liegt derzeit bei rund 15 000. Die Sorge, daß nach der Euro-Umstellung der Weihnachtsbaumverkauf einen Einbruch erleiden würde, war unbegründet. Ganz im Gegenteil, denn auch für dieses Direktverkaufs-Standbein haben sich Bar­ bara und Erwin Klausmann einmal mehr als kreativ erwiesen. Firmen, Handwerksbetrie­ be oder Kunden verlegen ihre Weihnachts­ feiern gerne in die Räumlichkeiten auf dem Hofgelände, wo die Atmosphäre stimmt und die kleinen Gäste nach Herzenslust im Heu 2 2 8 toben können. „Man muß etwas bewegen statt zu jammern,“ sagt Barbara Klausmann, die nach acht Jahren in unterschiedlichen Positionen der Vorstandschaft vor zwei Jah­ ren zur – so der offizielle Titel – ersten An­ sprechpartnerin im Vorstandsteam des Land­ frauenverbandes Villingen-Land gewählt wurde. Mit ihrem Idealismus schafft sie es immer wieder, die Landfrauen für Aktivitä­ ten zu motivieren. So bewirten sie seit vie­ len Jahren an einem Tag der Südwest-Messe am Stand der Landfrauen, und beim Herbst­ fest des Villinger Handels- und Gewerbe­ vereins haben sie ihren festen Platz vor dem ehrwürdigen Villinger Riettor. Zudem ha­ ben die Frauen im vergangenen Sommer bei den Aufführungen des Theaters am Turm die Bewirtung übernommen. Blumen wie in Großmutters Bauemgarten Es mag sein, daß die drei Semester Land­ bau, die Barbara Klausmann zusätzlich zur Ausbildung als Hauswirtschafterin absol­ vierte, den Anstoß gaben, Blumenfelder zum Seiberschneiden anzulegen. In Villingen, Obereschach und Deißlingen sprießen seit­ her gut und gerne zwei Dutzend unterschied­ liche Blumensorten, überwiegend solche wie sie früher in Bauern- und Hausgärten wuch­ sen. Hinzu kommen Kräuter und, wieder so ein Trend, Zier- und Speisekürbisse, erstere heiß begehrt für die herbstlichen Dekora­ tionen mit weiteren Naturmaterialien zu den aus Amerika übernommenen Halloween- Feiern. Mit der Ehrlichkeit der Menschen aller­ dings haben die Klausmanns reichlich un­ terschiedliche Erfahrungen gemacht. Aber die überwiegende Zahl der Stamm- und Spon- tan-Kunden liebt es, sich die Sträuße nach eigenem Geschmack zusammenstellen zu können. Vor allem aber ist es die Sorten­ vielfalt der Blumenpracht auf den Feldern von Barbara und Erwin Klausmann, die im­ mer wieder neue Blumenfreunde anzieht. Anne Bethge

Der Schwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild FrühEahr im Schonacher „Paradies“ Die Tannheimer Kirche fotografiert von Erich Schwer, Schonach fotografiert von Jochen Hahne, VS-Villingen Sonnenaufgang über dem Fürstenberg Rauhreiitag bei Langenschiltach fotografiert von Roland Sigwart, Hüfingen fotografiert von Gerhard Krieger, V S-Pfaffenweiler Alt-Villingerin Winter in Schönwald fotografiert von Jochen Hahne, VS-Villingen fotografiert von Foto-Carle, Triberg Urach im Frühling Weihnachten in Triberg fotografiert von Wilfried Dold, Vöhrenbach fotografiert von Foto-Carle, Triberg Spitalgarten in Villingen (Foto: Gerhard Krieger). 2 2 9

18. Kapitel/Almanach 2004 Umwelt und Natur Eine Schnecke gibt Licht D ie W asserschneckenturbine au f dem Firmenareal Straub in Bräunlingen Es gibt in Geschichte wie Ge­ genwart Landstriche in denen sich bestimmte Kenntnisse, Ver­ fahren oder Anlagen konzentrie­ ren. Trotz Unterbrechungen über die Jahre, Bevölkerungsaus­ tausch, Kriegen oder anderen tief­ greifenden Wandlungen bleiben grundsätzliche Voraussetzungen erhalten. Neuerungen können darauf aufsetzen und alte Arten von Leben unter geänderten Rahmenbedingungen leben bes­ ser, aber dennoch an die Traditi­ on anknüpfend weiter. Vergleiche drängen sich auf mit Ruhig rotiert die Schnecke in einem Winkel von etwa 45 Grad. Kleinregionen der jüngsten Zeit, denen die Medien beharrlich einen Traditionsbeginn zuerkennen wollen und wollten. Ob das vielzitierte Silicon Valley in den USA den Anfang einer solchen Spezialisierung ge­ macht hat und die Siedlung auch in vielen Jahrzehnten ihre Kompetenz in der Compu­ terbranche behält, werden erst Generatio­ nen nach uns entscheiden können. Und die Software-Achse von Behla bis Donaueschin- gen erweist sich zumindest gegenwärtig als eine Erscheinung mit ungewisser Zukunft. Was sich im Gegenteil heute vor unseren Augen im unteren Bregtal im Gebiet von Bräunlingen bis Hüfmgen abspielt, ist der Beweis, dass ein über tausend Jahre altes Wissen um die Nutzung der Wasserkraft sich im Rahmen technologischer Weiterent­ wicklung und ökologischer Energieproduk­ tion fortsetzt. Die in der Bundesrepublik wohl bisher einmalig anzutreffende Kon­ zentration von Einrichtungen regenerativer Energiegewinnung ist ein Paradebeispiel des historischen Phänomens der „langen Dauer“ und kommt deshalb nicht von ungefähr. Der erste bekannte Nachweis einer Wasser­ mühle auf heutigem Bräunlinger Stadtge­ biet bezieht sich auf die „alte“ oder „öde Mühle“ unterhalb der Remigiuskirche. Sie gehörte zum Komplex des reichenauischen Kelnhofes und stand wohl schon vor dem Jahre 1000. Noch vor der Stadtgründung er­ richtete das Kloster eine zweite Mühle auf einer Breginsel, der „Gießnau“. Sie verlan­ dete im Dreißigjährigen Kriege und ver­ schwand. In Betrieb blieben zwei weitere kleine Mühlen, die Stadtsäge am Brendbach und die Stockmühle am Bruderbach. „Hintere“ Mühle der Vorgänger Die dritte, „hintere“ Mühle, deren Ur­ sprung ins 14. Jahrhundert zurückreicht, ist eine besondere Erwähnung wert. Unterhalb der Stadt, „hinter der Breg“, im Bereich der Wellpappenfabrik (Straub) als reichenaui- sche Stützenmühle und spätere Stadtmühle geführt, ist ihr Standort zusammen mit den für sie gebauten Wasserzuführungen sowohl die wasserrechtliche wie in Teilen technische 2 3 8

Grundlage für das hier zu beschreibende neue Wasserkleinkraftwerk. Zunächst sei aber die Ausdehnung der Mühlenzone bregabwärts Umrissen. Die ebenfalls aus klösterlichem Anstoß entstan­ dene Seemühle oberhalb Hüfingens stand schon vor 1292, die Hüfinger Stadtmühle kam später, im Zuge des Stadt- und Schloss­ ausbaues hinzu. Zwischen diesen Mühlen entstanden im Verlauf der vorindustriellen Phase wie der beginnenden Industrialisierung mehrere Stampfen, Gerbereien und eine Ölmühle, zum Teil als Neubauten, zum Teil als Um ­ nutzung aufgelassenen Klostergutes aus der Säkularisation. Die im Bereich von Bräunlingen bis Hüfin- gen frühesten Wasserkraftturbinen kamen seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Einsatz. Am 1. Dezember 1903 nahm eine an Stelle von zwei Wasserrädern eingesetzte Turbine im ehemals herrschaftlichen, seit 1777 in Pri­ vatbesitz befindlichen Steinerschen Sägewerk die Elektrizitätserzeugung auf. Nach langer Pause ging eine neue Anlage 1992 in Betrieb. Und in der 1873 an Gustav Frank verkauf­ ten Stadtmühle arbeitete ebenfalls nach Ab­ bau des Wasserrades seit 1953 eine Turbine. 1922 nahm die Stadt Bräunlingen das Was­ serkraftwerk mit drei Voith’schen Turbinen und dem nötigen Stausee (Kirnbergsee) bei Unterbränd in Betrieb. Wer von dieser beeindruckenden Konzent­ ration von Energiegewinnungseinrichtungen ein annähernd wahres Bild vermitteln will, darf Einrichtungen nicht unerwähnt lassen, die heute die vorhandenen Wasserkraftanla­ gen auf die Art ergänzen, dass sie ebenfalls auf regenerative Energiegewinnungsformen zurückgreifen. Die in der Nähe dieses Breg- abschnittes liegende Windkraftanlage Auen- berg bei Hausen vor Wald gehört inzwi­ schen schon zum Altbestand. Neu hinzuge­ kommen in den letzten Jahren sind größere Solar- und Biogasanlagen, Blockheizkraft­ werke, und die seit 1999 im Dauerbetrieb laufende Klärschlammtrocknungsanlage un­ weit der Wasserschnecke in Bräunlingen, die W asserkraftschnecke mit Holzhackschnitzeln betrieben wird und Fernenergie liefert. Das untere Bregtal ist demnach ein außer­ ordentlich wirtschaftliches, energiepolitisches Umfeld, das Neuerungen auf dem Gebiete re­ generativer Energiegewinnung schnelle Um­ setzung gewährt. Es ist dabei, das untere Breg­ tal zu einem „Silicon Valley“ der regenerati­ ven und ökologischen Energiegewinnung zu machen. Dessen Entwicklungsdynamik ver­ längert sich derzeit bis nach Donaueschin- gen. Dort entsteht Schritt für Schritt eine unterschiedliche Abnehmer zusammenfas­ sende Fernwärmeversorgung „Bregschiene“, welche innovativ die Abwärme der örtlichen Brauerei nutzt. In dieses Umfeld fügt sich die über die Re­ gion hinaus innovative Wasserkraftanlage, die nach dem umgekehrten archimedischen Prinzip arbeitet und sauberen Strom liefert. Archimedes und die Schnecke Die archimedische Schnecke als Transport­ mittel von festen und flüssigen Stoffen ist seit dem Altertum bekannt. In Europa sind bis heute solche Förderschnecken für Schüttgut (Kohlen, Steine etc.), aber auch in Kläranlagen oder Entwässerungsgebieten in Betrieb. Doch selbst während des größten Schubs der Entwicklung von Turbinentechniken im 19. und frühen 20. Jahrhundert kam augen­ scheinlich kein Ingenieur auf die Idee, den Schneckentyp in seiner Förderleistung um­ zukehren und so als Energieerzeuger zu nut­ zen. Bis heute dominieren deshalb auch an kleineren Wasserläufen Turbinen des Typs Francis, Kaplan oder Pelton. Erstmals 1997 errichtete Professor und Ingenieur Karel Brada an der TU Prag (Tschechische Repub­ lik) ein Versuchs-Kraftwerk nach dem Schne­ ckenprinzip, welches inzwischen aber wieder abgebaut ist. Eine der bekannten Spezialfirmen in Deutschland für Förderschnecken war die 1969 gegründete Firma Ritz-Atro in Nürn­ berg. Deshalb verwundert es nicht, dass man 2 3 9

Umwelt und N atur Wasserwirbel – Die Beherrschung der Strömung am Turbinenende ist eine Bedingung fü r optimale Energieausbeute. vor wenigen Jahren in der versuchten Neu­ ausrichtung auf Anlagen zur regenerativen Energiegewinnung dort sofort die Anregung einer umgekehrt arbeitenden Schnecke als neuartigem Turbinentyp erfasste, an dem man inzwischen Patente hält. Rund 100 An­ fragen sollen derzeit für solche Wasserschne­ cken vorliegen und Ritz-Atro kann sich die Herstellung einer Turbine pro Monat durch­ aus vorstellen. Der inzwischen deutschlandweit größte Hersteller von Schneckentrogpumpen hat seit der Fertigungsaufnahme vor etwa an­ derthalb Jahren wertvolle Erfahrungen ge­ sammelt. Die Geometrie der dreigängigen Schnecken konnte man baugleich von den Förderschnecken übernehmen. Nur im Tief­ bau des Werkes sind gegenüber der Pumpan­ lagen andere Ausbauten nötig. Vertriebsfirma dieses neuartigen Turbinen­ typs ist die in Pforzheim beheimatete Firma Kraft-Wärme-Technik mit dem dafür zustän­ digen Projektleiter Uwe Makowitz, die auch die Bräunlinger Anlage lieferte. Die Betrei­ berfirma Wasserkraft-GmbH-Dunningen, 2 4 0 in der sich vier von der Technik und dem ökologischen Nutzen Überzeugte zusam­ mengeschlossen haben, pachteten von der Firma Straub die einst von ihr am kleinen Kanal betriebene Kraftanlage und veranlass- ten den Einbau der Schnecke. Bis zu 70 Kilowatt Strom pro Stunde Die Bräunlinger Schneckenturbine in ihrer zweiten, jetzigen Version hat eine Länge von rund sieben Metern bei einem Durchmesser von 3,10 Metern. Damit kann die Anlage bis zu vier Kubikmeter Wasser pro Sekunde ver­ arbeiten. Bei einer Fallhöhe von 2,5 Metern kommt die Schnecke auf eine Produktion von 65 bis 70 Kilowatt pro Stunde. Der Einbau am historischen Gewerbekanal und im alten Turbinenhaus der Firma Straub-Verpackungen gelang trotz der für Großfahrzeuge nicht ganz leicht anzusteu­ ernden Örtlichkeit. Mit dem infolge von Starkregen oder Hochwasser immer einmal wieder aus dem Schwarzwald angeschwemmten Schmutz, Treibholz und anderes mehr, kann die Schnecke gut umgehen. Sie benötigt daher auch nur einen kostenmindernden Grobre­ chen mit 20 cm Stababstand. Auch den Fi­ schen in der Breg kann dieser Turbinentyp wenig anhaben. Fischereibiologische Gut­ achten der Schnecke ergaben, dass selbst schwimmschwache Fischarten wie Gründ­ linge, aber auch die zahlreichen Forellen den Schneckengang ohne Verletzungen pas­ sieren. Um sich dem von der TH Karlsruhe er- rechneten theoretischen Wirkungsgrad von 90 Prozent für Anlagen diesen Typs zu nä­ hern, bedarf es immer noch einiger Anpas­ sungen. So wurden beim Neueinbau gegen­ über der ersten Schnecke untere Drehflügel abgetrennt. Die variable Drehzahl wurde auf einen Schnitt von ruhigen, lärmbegrenzen­ den 14 Umdrehungen pro Minute einge­ stellt. Trotzdem beträgt derzeit der Wir­ kungsgrad um 80% und dies unter verschie­ denen Teillastbedingungen, was den besten

W asserkraftschnecke Gesellschaft auf Neuland gewagt. Bisher sind in Deutschland nämlich erst fünf Schneckenkraftwerke in Betrieb, ein weiteres befindet sich in Südtirol. Die Bräunlinger Schnecke ist allerdings ver­ mutlich in Gesamteuropa die derzeit größte installierte Kraftanlage und zugleich gewichts­ mäßig mit zehn Tonnen nahe an der Grenze, wo dieser Turbinentyp für kleinere Wasser- krafianlagen noch gut handhabbar ist. Dennoch wird das Bräunlinger Werk viel­ leicht demnächst noch einmal überflügelt. Die alte Klostermühle der Familie Rotter in Pforzen (Bayern) soll demnächst mit einer Schnecke von zehn Metern Länge und ei­ nem Durchmesser von 3,90 Metern als dann wahrscheinlich größte in Europa gut 200 KW pro Stunde leisten. Bis dahin bleibt je­ doch das Bräunlinger Werk am alten Gewer­ bekanal, welches seinen Strom der Firma Enersys in Donaueschingen verkauft, Spit­ zenreiter und bestaunenswertes Objekt. Joachim Sturm Führungen: Martin Pfeffer, Tel.: 07709/1375 E-Mail: pfeffer-stuehlingen @t-online.de Wasserturbinenkraftwerken mit z. Z. über 90% Wirkungsgrad nahe kommt. Zum Ver­ gleich: Atomkraftwerke erreichen nur einen Wirkungsgrad von ca. 35%, und die gute al­ te Dampflok nicht über 11 %. Gewichtige ökonomische Vorteile Deshalb bieten Wasserkraftschnecken ge­ genüber herkömmlichen Turbinenformen insbesondere an kleineren Wasserläufen und im Bereich historischer Mühl- oder Ge­ werbekanalführung gewichtige ökonomi­ sche Vorteile. Unter Teillast erreicht die Was­ serkraftschnecke gegenüber herkömmlichen Turbinen einen höheren Wirkungsgrad. Bei derzeit etwa gleich hohen Kosten der Schnecke gegenüber der klassischen Turbine gestalten sich jedoch nötige Tiefbauarbeiten wesentlich kostengünstiger. Die Schnecke ist zudem sehr robust, hat nahezu keinen Ver­ schleiß und bedarf auch keiner großen War­ tung. Mit ihr kann man eine Stromerzeu­ gung ab einem Kilowatt wirtschaftlich be­ treiben. Bei einem Wasseraufnahmevermö­ gen von 0,1 bis 5,5 ms Kubikmeter pro Se­ kunde und einer Fallhöhe bis zehn Meter lässt sich die Schnecke an jenen Orten betrei­ ben, wo Turbinen aus Kostengründen nicht in Frage kommen. Und diese Standorte sind im Schwarzwald recht häu­ fig anzutreffen. Desglei­ chen die zahlreichen Wehre, welche den Was­ serauslauf an Fischtei­ chen oder Bewässe­ rungsanlagen regulieren. Sie wie übrigens auch der Klarwasserauslauf an Kläranlagen sind weitere ideale Vorrich­ tungen zum Einbau ei­ ner solchen Kleinwas- serkraftanlage. Mit der Bräunlinger Schnecke hat sich die Zustand August 2003. Zur weiteren Senkung des Geräuschpegels wurde die Turbine danach weiter überdeckt. 2 4 1

19. K apitel/A lm anach 2004 Bauen und Wohnen Ortsumgehung Döggingen Bräunlinger Stadtteil nach Jahrzehnten vom Straßenverkehr w eitgehend entlastet A ls Glanzleistung des modernen Brückenbaus ist sie bereits kurz nach ihrem Bau bekannt, die Gauchachtalbrücke bei Döggingen, die zusammen mit den beiden Tunnelröhren dem Bräunlinger Teilort im Zuge der B31 die lang ersehnte Verkehrsentlastung von täglich bis zu 17000 Fahrzeugen (davon 13 Prozent Schwerverkehr) bringt. Die Brücke verbindet zudem die Landkreise Schwarz- wald-Baar und Breisgau-Hochschwarzwald. Das ehrgeizige, rund 64 Millionen Euro teure Projekt (Tunnels und Nordbrücke) des Bundesstraßenbaus wurde am 23. Juli 2002 in Betrieb genommen. Die beiden Tunnels kosteten 40,15 Millionen Euro, die verkehrs­ technische Ausstattung der Umfahrung rund 2,8 Millionen Euro. Der Erd- und Straßen­ bau verschlang 3,32 Millionen Euro. Bei der offiziellen Feier zur Einweihung waren die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin ebenso zugegen wie Baden- Württembergs Ministerpräsident Erwin Teu­ fel. Der Termin für den Bau der geplanten Südbrücke steht noch nicht fest. Nach den derzeitigen Schätzungen soll die zweite Brü­ cke rund 17,4 Millionen Euro kosten. Tunnel und Brücke technisches Meisterwerk Die Baudaten der beiden Tunnels, die auf 345 Meter in offener Bauweise erstellt wur­ den, sind beeindruckend: 1196 Meter (985 Meter in bergmännischer, im Westen 48 Me­ ter und im Osten 163 Meter in offener Bau­ weise) mißt die Nordröhre, die Südröhre 1028 Meter (894 Meter, 59 Meter, 75 Meter). Die Ortsumfahrung hat eine Gesamtlänge von 3,6 Kilometer. Drei Querstollen mit ei­ ner Gesamtlänge von 60 Metern verbinden die Tunnels. 241000 Kubikmeter Erd- und Gesteinsmaterial (67000 Kubikmeter Aus­ hub im Bereich der offenen Bauweise, 174 000 Kubikmeter Ausbruch im bergmän­ nischen Tunnel) fielen ab Spatenstich am 14. Oktober 1991 bis zur Abnahme des Rohbaus am 3. Mai 1999 an. An Beton wurden insgesamt 110800 Ku­ bikmeter verbraucht (5200 Kubikmeter Spritzbeton für die offene Bauweise, 74 800 Kubikmeter Spritzbeton im bergmänni­ schen Tunnel; 8300 Kubikmeter Beton für die offene Bauweise, 22500 Kubikmeter Be­ ton für den Tunnelinnenausbau). Hinzu kommen weitere 1100 Kubikmeter für die

Stahlbeton-Bohrpfahlwand der offenen Bauweise sowie 1590 Tonnen Betonstahl (790 Tonnen Betonstahl für die offene Bau­ weise; 1800 Tonnen für den Tun­ nelinnenausbau). An Betonstahl­ matten wurden verbaut 438 Ton­ nen (48 Tonnen für die offene Bauweise; 390 Tonnen für den Vortrieb des bergmännischen Tunnels). Anker wurden einge­ bracht 12560 Stück (1060 Stück in der offenen Bauweise, 11500 Stück im Vortrieb des bergmän­ nischen Tunnels). Angebracht wurden 51700 Quadratmeter Ab­ dichtung (6500 Quadratmeter für die offene Bauweise; 45200 Qua­ dratmeter im Tunnelinnenausbau). O rtsum gehung Döggingen Bevor die Ortsumgehung eröffnet wurde, rollte der Verkehr in ei­ ner Kolonne durch Döggingen. Im Westen mußte die Baugrube wegen der geologischen Verhältnisse mit einer rückver- ankerten, tangierenden Bohrpfahlwand und im dortigen Portalbereich die mit 70° ge­ neigte Böschung durch Spritzbeton und ei­ ner Vernagelung gesichert werden. Die Sohl- platte sowie das Tunnelgewölbe wurden im Schutz dieser Sicherung mit einer Schalen­ dicke von 60 Zentimetern betoniert. Eine vier Millimeter dicke Folie aus dem Kunst­ stoff Polyethylen schützt vor eindringen­ dem Oberflächenwasser. Das Bauwerk wur­ de hinterfüllt und den steigenden Gelände­ verhältnissen mit verdichtetem Schüttmate­ rial angepaßt. Auch am Ostportal wurde die mit 70° geneigte Böschung mit Spritzbeton und Bodenvernagelung gesichert. Das bergmännische Auffahren des Süd­ tunnels erfolgte zunächst von West nach Ost, der Ausbruchquerschnitt wurde durch Spritzbeton gesichert und stabilisiert. Das tragende bewehrte Betongewölbe mit Beto­ nierabschnittslängen von zehn Metern wur­ de in einem zweiten Arbeitsgang blockwei­ se von Ost nach West angebracht. Parallel zum Innenausbau der Südröhre erfolgte der Ausbruch der Nordröhre und deren Innen­ ausbau. Der Vortrieb beim Ausbruch erfolg­ te wegen der geologischen Verhältnisse in Anlehnung an die Neue Österreichische Tunnelbauweise (NÖT). Dadurch war die

Bauen und W ohnen Anpassung an wechselhafte Gebirgsverhält- nisse gesichert. Tunneldaten im Überblick Hoher Sicherheitsstandard der Tunnelröhren Die Sicherheitseinrichtungen in den Tun­ nels sind sehr hoch. Sechs beidseitig ange­ brachte Stahl Ventilatoren lassen die Luft in den Röhren zirkulieren. 452 Natriumhoch­ druckdampflampen sorgen in Gegenstrahl- und Mischkontrastbeleuchtung für optima­ le Sicht. Überwacht wird der Straßenverkehr bei seiner Fahrt durch die Tunnels, bei der vom West- zum Ostportal 40,30 Höhenme­ ter überwunden werden, durch 24 Videoka­ meras. In Notfällen stehen 19 Notruftelefo­ ne zur Verfügung, Einsatzkräfte der Feuer­ wehr können auf 13 Unterflurhydranten zurückgreifen. Die Nordbrücke (inklusive der Widerlager der Südbrücke), eine Stahlverbundkon­ struktion, deren Planung auf den Freiburger „Brückenbaupapst“ Paul Kindt zurückgeht, wurde als Zehnfeldbauwerk (sieben Hohl- und zwei massive Pfeiler) mit einer maxi­ malen Spannweite von 100 Meter realisiert. 791 Meter mißt die Brücke, die eine maxi­ male Höhe von 40 Meter aufweist. Die 24 Stahlhohlkästen (Schüsse) mit Einzellängen zwischen 30 und 40 Meter haben Einzelge­ wichte von bis zu 110 Tonnen. Aus statischen, wirtschaftlichen und architektonischen Grün­ Rohbauleistungen Offene Bauweise Aushub Beton Tunnel ca. 67000 m3 ca. 8300 m3 Bergmännischer Tunnel Ausbruch Spritzbeton ca. 174000m3 ca. 74800m3 Innenausbau Beton Betonstahl ca. 22500m3 ca. 1800 t Sicherheitseinrichtungen Notruftelefone Videokameras U nterflurhydranten Baukosten Rohbau 19 St. 24 St. 13 St. ca. 37, 2 Mio Euro den sowie wegen der großen Stützweiten wählten die Planer die Ausbildung als Vou- tenträger. Die Gründung der Brückenpfeiler und Widerlager erfolgte über Großbohr- pfähle. Die Gründungstiefe der Bohrpfähle lag zwischen 15 und 30 Meter. Der Bau­ grund besteht aus Gipskeuper, Lettenkeu­ per (Dolomit) und Oberem Muschelkalk. Längsschnitt des B 31 Verkehrstunnels bei Döggingen. Insgesamt werden 40,30 Höhenmeter überwunden. 244

O rtsum gehung D öggingen Die Ostportale der Tunnel mußten mit Spritzbeton und Bodenvernagelung gesichert werden. Schal- und Bewehrungswagen bilden eine Takteinheit.

B auen und W ohnen 40000 Kubikmeter Aushub zog der Bau der Nordbrücke nach sich. Gesetzt wurden 2200 Meter Bohrpfähle. 13000 Ku­ bikmeter Beton und 1800 Tonnen Betonstahl wurden verarbeitet. Der Stahlüberbau verschlang 2700 Tonnen. Der Fahrbahnbelag nimmt ei­ ne Fläche von 6400 Quadrat­ meter ein. Die Herstellung der Fahrbahnplatte erfolgte in 33 Betonierabschnitten mit Ab­ schnittslängen zwischen 17 und 25 Metern (Pilgerschritt­ verfahren). Bei der Gauch- achtalbrücke erfolgte der Pilger­ schritt nach Betonieren der Feldbereiche der beiden nächst­ folgenden Felder. Der Schalwa­ gen mußte bei jedem Pilgerschritt über 200 Meter zurück- und anschließend 225 Meter wieder vorgesetzt werden. Für den Erd- und Straßenbau wurden ins­ gesamt 89000 Kubikmeter Erde bewegt. 5500 Meter Entwässerungs- und Drainage­ rohre kamen in den Boden, eingebettet in 22000 Kubikmeter Frostschutzkies. Auf der Fahrbahn verbaut wurden 23000 Quadrat­ meter Splittmastixasphalt und 19800 Qua­ dratmeter Asphaltbeton. Der östliche An­ schluß Döggingens an die B 31 wurde durch umfangreiche Straßenbaumaßnahmen und ein Brückenbauwerk ebenfalls neu gestaltet. Geplant ist nun noch ein dreispuriger Aus­ bau bis zur Abfahrt Hausen vor Wald, um den Verkehrsfluß weiter zu verbessern. Auch die Verbindungsstraße zwischen Döggingen und Bräunlingen erhielt einen neuen Verlauf und mündet nun weiter im Osten in die B 31. 1980 wurde in Döggingen erstmals eine Tunnellösung gefordert 22 Jahre vergingen vom ersten gedankli­ chen Anstoß bis zur Inbetriebnahme der Ortsumfahrung. Der Dögginger Ortschafts­ rat hatte in einer Bürgerversammlung am 2 4 6 Die Pfeiler bestehen aus gegliederten Hohlkastenquerschnitten, ledig­ lich die beiden vom Endaußager her ersten Pfeiler wurden massiv aus­ gebaut. Skizze: Querschnitt im Stützbereich. 25. März 1980 eine Tunnellösung als Orts­ umfahrung gefordert, das Regierungspräsi­ dium Freiburg sagte daraufhin eine Prüfung zu. Zwei Jahre später erhielt der geplante Bau bereits den verkehrsplanerischen Status „dringlich“. Sieben weitere Jahre sollten ver­ gehen, bis Ende 1989 die Ortsumfahrung grünes Licht aus Bonn erhielt. Versprochen wurde, noch im selben Jahr das Planfeststel­ lungsverfahren einzuleiten, das am 10. Juli 1991 den Feststellungsbeschluß erhielt. 1990 hatten sich die Behörden aufgrund der B31-Ausbaupläne entschieden, eine vier­ spurige Tunnellösung zu verwirklichen. Den ersten Probebohrungen bei Döggin­ gen im Februar 1992 folgte nach der Rück­ nahme zweier angestrengter Klagen gegen das Projekt die erlösende Nachricht aus dem Verkehrsministerium Stuttgart: Der Bau der Ortsumfahrung kann beginnen. Doch die Freude währte nur kurz: In einem Bewer­ tungsverfahren im Bundesverkehrswegeplan wurde bereits 1992 eine der beiden Röhren in den vordringlichen, die andere in den weite­ ren Bedarf eingestuft. Dies hätte den Bau des zweiten Tunnels nach 2010 bedeutet. Wider­ stand der Kommunal- und Landespolitik be­ wirkte jedoch, daß Mitte 1993 die zeitgleiche

Umsetzung der Baupläne in den Bundesver­ kehrswegeplan aufgenommen wurde. Der Bau der Ortsumfahrung Döggingen hatte trotz des politischen Streits um die zeitlich gestaffelte Umsetzung der Tunnels am 29. September 1992 begonnen. Doch wieder verhallte der Jubel der Bevölkerung im vom Finanztopf bestimmten politischen Dick­ icht. Geldmangel führte zu einem beinahe zweijährigen Baustopp, ehe nach dem Spa­ tenstich am 14. Oktober 1994 die Maschi­ nen wieder rollten. Der Tunnelanschlag durch eine 170 Tonnen schwere Fräsmaschi­ ne startete am 9. Juni 1995. Anderthalb Jah­ re später, am 4. Dezember 1996, erfolgte von Westen aus schließlich der Tunnel­ durchschlag der südlichen Röhre, erstmals in Baden-Württemberg am Tag der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute. Die Nordröhre wurde am 16. Mai 1997 durch­ schlagen – der Rohbau am 3. Mai 1999 von den Behörden abgenommen. Im März 1997 ereilte das Projekt ein weite­ rer finanzieller Tiefschlag: Der Bund gab be­ reits im Haushalt eingestellte 25,6 Millionen Euro für die Nordbrücke zunächst nicht frei. Die Ausschreibung der Arbeiten erfolgte den­ noch Anfang Februar des folgenden Jahres, O rtsum gehung D öggingen im März 1999 startete der Bau der nördlichen Stahlverbundbrücke. Der Brückenschlag (letz­ ter Schuß) war am 14. August 2000. Und trotzdem: Für etwas Unmut unter der Bevölkerung sorgte nach der Einweihung der Ortsumfahrung doch wieder der Straßenlärm, obwohl die Tunneleingangsbereiche auf eine Länge von zirka 25 Meter mit einer hoch­ absorbierenden, hinterlüfteten Lärmschutz­ verkleidung versehen wurde. Die Brückenü­ bergänge zur B 31 verursachen bei der Über­ fahrt durch Fahrzeuge ein Kläcken: Je nach Wetterlage und Windrichtung brandet die­ ses bei starkem Verkehr permanent wieder­ kehrende Geräusch in die Wohngebiete Dög- gingens und des benachbarten Unadingens. Das Straßenbauamt Donaueschingen arbei­ tet jedoch daran, das Problem kostengünstig zu entschärfen. Eines wird trotz aller Probleme vergange­ ner Jahre für Döggingen sicher erreicht: Die Verwaltung kann daran gehen, den Ort, der jahrzehntelang durch eine Hauptverkehrs­ ader Baden-Württembergs zerschnitten war, baulich wieder zu einer Einheit zusammen­ wachsen zu lassen. Stefan Limberger-Andris Eine leichte, geschwungene Linienführung zeichnet die Gauchachtalbrücke aus. 2 4 7

20. Kapitel /Almanach 2004 Stätten der Gastlichkeit Das „Fürstenberg-Parkrestaurant“ Stilvolles Restaurant im ehem aligen Badhaus der D onaueschinger Fürstenfamilie Wer im „Fürstenberg-Parkrestaurant“ im hinteren Teil des Fürstlich Fürstenbergi- schen Parks einkehrt, spürt sofort die Ge­ schichte des historischen Ortes: Er speist im ehemaligen fürstlichen Badhaus, das der da­ mals 22-jährige Karl Egon II. Fürst zu Fürs­ tenberg (1796-1854), der sich im jahre 1818 mit Amalie, Prinzessin von Baden, vermähl­ te, für seine zukünftige Schlossherrin in Auf­ trag gegeben hatte. Der Entwurf des am 24. Februar 1818 Unterzeichneten Bauplans für das Badhaus im Fürstlich Fürstenbergischen Park wurde vom Fürstlich Fürstenbergischen Hofmarschall und Oberbaudirektor Joseph Freiherr von Auffenberg, der auch für die An­ lage des Parks verantwortlich war, angefertigt. Das langgestreckte einstöckige Gebäude im klassizistischen Stil am östlichen Rand des rund ein Quadratkilometer großen, im engli­ schen Stil angelegten, gepflegten Parkgelän­ des sticht jedem Parkbesucher bei seinem ge­ ruhsamen Spaziergang durch die exotische Pflanzen- und Tierwelt sofort ins Auge. Hier führt der Weg vom fürstenbergischen Schloss und der Donauquelle zum heutigen Frei­ bad, den Sport- und Tennisplätzen und zur winterlichen Eiswiese. Nach dem Umbau des ehemaligen Bad­ hauses zum Restaurant hatten zunächst Manfred Baas und Clemens Baader das „Fürstenberg-Parkrestaurant“ betrieben. En­ de der achtziger Jahre wurde hier auf Betrei­ ben des Erbprinzen-Ehepaares zu Fürsten­ berg im „Fürstenberg-Parkrestaurant“ eine Be­ gegnungsstätte für Behinderte und Nichtbe­ hinderte eingerichtet. 1990 kam der heutige Pächter und Betreiber Tobias Parthie als ge­ lernter Koch in das „Fürstenberg-Parkrestau- rant“, das damals als Begegnungsstätte für an multiple Sklerose erkrankte Menschen und Gesunde fungierte. Bürgerliche und mediterrane Küche Gelernt hätte Tobias Parthie den Beruf des Kochs, den er aus Leidenschaft ausübt, im Das „Fürstenberg-Parkrestaurant“ von der hinteren Ansicht. 2 4 8

Stilvolles Ambiente – der Koch des Parkrestaurants schöpft aus gusseisernen Pfannen. Dögginger „Adler“. Seine weitere Karriere ist bemerkenswert. 1992 wurde er Geschäfts­ führer und 1994 Pächter des „Fürstenberg- Parkrestaurants“. Während Tobias Parthie seinen Gästen gerne die gute, bürgerliche Küche mit badischen und schwäbischen Spezialitäten präsentiert, steht auch die me­ diterrane Küche als fester Bestandteil auf der Karte des Parkrestaurants. Diese Mischung der gehoben bürgerlichen und mediterranen Küche möchte Tobias Parthie auch weiterhin beibehalten, dafür sorgen je zwei Köche. Der Chef des „Fürstenberg-Parkrestaurants“ kocht und bedient selbst und hält den Kon­ takt zu seinen Gästen stets aufrecht. Das sol­ le auch so bleiben, bei moderaten Preisen im guten Preis-Leistungsverhältnis, erklärt Tobias Parthie. Wochentags gibt es mittags je zwei preisgünstige Tagesessen im Angebot, von denen eines vegetarisch ist. Es werden auch verschiedene kulinarische Variationen angeboten, etwa eine französische, eine ba­ dische, eine schwäbische und eine italieni­ sche Woche. Das Angebot á la carte ist eben­ so reizvoll. Die Salattheke bietet immer ei­ ne frische Auswahl an knackigen Salaten. Auch Kinderteller stehen auf dem Speise­ plan. Ein Spielplatz zwischen Terrasse und Biergarten bietet ein zusätzliches Unterhal­ tungsprogramm für die kleinen Gäste. Direkt neben dem „Fürstenberg-Parkrestaurant“ be­ findet sich eine Minigolfanlage und das heu­ tige Parkschwimmbad. Dem Gast stehen im stilvollen Inneren des Restaurants, dort, wo früher einmal die Badeparzellen des ehemaligen Badhauses waren, in den umgebauten hellen Räumen 50 Sitzplätze zur Verfügung. In einem abge­ trennten Séparée können Familienfeiern oder Jubiläen und Firmenessen für maximal 17 Personen gefeiert werden. Das Parkrestaurant ist täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Be­ triebsferien sind im Februar über die Fast­ nacht. D as „F ürstenberg-Parkrestaurant“ Biergarten mit Open-Air-Veranstaltungen Die gemütliche Terrasse bietet an sommer­ lichen Tagen Platz für 120 Personen, der 1992 eröffnete Biergarten für 400 Personen. Der Biergarten ist vom 1. Mai bis Ende Au­ gust täglich von 17.30 bis 24 Uhr geöffnet, sonn- und feiertags ab 11 bis 24 Uhr. Im Biergarten gibt es Gegrilltes vom Holzofen­ grill. Sechs Mal im Jahr werden kleinere Events mit verschiedenen Musikgruppen aus dem Bereich Rock, Pop und Funk ange­ boten. Sonn- und feiertags steht zusätzlich ein Frühschoppen mit Weißwurst und Schweinshaxen auf dem Programm. Bei gu­ tem Wetter ist der Biergarten laut Tobias Parthie auch noch im September an Sonn- und Feiertagen geöffnet. Neun Festange­ stellte und 50 Aushilfskräfte sorgen dafür, dass die Wünsche der Gäste im „Fürsten­ berg-Parkrestaurant“ schnell erfüllt werden. Ein Zelt für 150 Personen direkt neben dem Biergarten steht für den Event-Bereich zur Verfügung. Das Außenzelt wird auch gerne für Weihnachts- und Firmenfeiem, Parties 2 4 9

Stätten der Gastlichkeit und Familienfeiern sowie sonstige feierliche Anlässe genutzt. Seit 1990 ist Tobias Parthie mit „Parthies Events“ in den Eventbe­ reich eingestiegen. Zehn Open-Air- Veranstaltungen hat er organisiert und bewirtet, mit namhaften Pop­ stars und Musikgruppen wie BAP, Marque, Xavier Naidoo, Guano Apes, Purple Schulz und Phillip Boa. Über zehntausend Besucher zogen seine Veranstaltungen in die Baarstadt. Er übernahm die musi­ kalische Gestaltung für die Weih­ nachtsgala der jetzigen Fürstin Ma­ ximiliane zu Fürstenberg und das Catering für die Feier des 50. Ge­ burtstages des heutigen Fürsten Heinrich zu Fürstenberg. Dreimal hat er mit Prinz Karl-Friedrich zu Fürstenberg und Pe­ ter Paffenholz zusammen einen mehrtägi­ gen Herbstzirkus mit buntem musikali­ schem Programm auf dem Gelände veran­ staltet, bei dem die Zuschauerzahl ebenfalls die Zehntausend überschritt. W indhundta­ ge, Reitturnier, die Distanz-Reitertage, das Seenachtsfest in St. Georgen; die Referenz­ liste von Parthies Events ist lang. Tobias Parthie übernimmt auch für Firmenfeiern und Familienfeste das Catering und kreiert neben dem kulinarischen auch ein musika­ lisches Begleit-Programm für seine Gäste. Begegnungsstätte der IMSED e.V. Für Behinderte bietet das Parkrestaurant die nötige Infrastruktur. Es gibt eine Rampe für Rollstuhlfahrer und behindertengerech­ te Toiletten. In den Räumlichkeiten des ehe­ maligen Badhauses war Ende der achtziger Jahre eine Wohngemeinschaft für einige Pa­ tienten der AMSEL (Aktion Multiple Skle­ rose Erkrankter – Landesverband der DMSG) untergebracht, die jedoch später in das Haus Antonius und in ein weiteres Gebäude in der Sennhofstraße umzogen. Das Parkres­ taurant dient weiterhin als Begegnungsstätte für die Patienten der nahe gelegenen IMSED 2 5 0 Die Terrasse des „Fürstenberg-Parkrestaurants“. Tobias Parthie be­ wirtet seine Gäste. e.V. (Interessengemeinschaft Multiple Skle­ rose Erkrankter Donaueschingen e.V.), ein Motto, das im Pachtvertrag festgelegt ist und auf das neben dem Fürstenhaus auch Tobias Parthie großen Wert legt. Fürstin Maximilia­ ne ist Schirmherrin und im Vorstand der IMSED e.V., der Kontakt zur Interessenge­ meinschaft an multiple Sklerose Erkrankter besteht nach wie vor. Und wenn der Koch der IMSED e.V. einen freien Tag hat, ver­ sorgt das Parkrestaurant die Patienten der IMSED e.V. mit lukullischen Köstlichkeiten. Wer in das heutige Parkrestaurant kommt, kann auswählen, wo er in welcher Geschmacks­ richtung in welchem Ambiente speist. Eines ist klar: Das ehemalige Badhaus und seine unmittelbare Umgebung setzen trotz Neue­ rungen auch weiterhin auf Stil und Gemüt­ lichkeit. Vom Badhaus zum Restaurant Damit der Gast nicht nur spürt, sondern weiß, in welchen Hallen er heute speisen kann, hier ein kleiner Exkurs in vergangene Zeiten: Das Gebäude des „Fürstenberg-Park­ restaurants“ erstreckt sich zum nahen Donau­ ried hin. Das ist kein Zufall, denn 1818 brauchte man für das große ausgemauerte Schwimmbecken und die zehn Badezimmer

D as „F ürstenberg-Parkrestaurant“ mit insgesamt zwölf Bade­ wannen eine Wasserleis­ tung, die frisches Quellwas­ ser liefern sollte. Da man die gute Wasserqualität der Breg schätzte, die klares Wasser aus dem nahen Schwarzwald führte, wurde der etwa 800 Meter vom Schloss entfernte Platz als Standort für das private Badhaus ausgewählt. Da­ mals war man sich im kla­ ren darüber, dass die viel näher am Schloss vorbei­ fließende Brigach der Breg bezüglich der Wasserqua­ lität das Wasser nicht rei­ chen konnte. Also ging man schnell ans Werk: Freiherr von Auffenberg ließ von dem etwa 400 Meter oberhalb liegenden Stauwehr, das für eine Ta­ bakmühle erbaut worden war, einen Kanal ziehen, der das Wasser der Breg in das 24 mal 10,5 Meter gro­ ße außerhalb des Gebäu­ des liegende Schwimmbe­ cken lieferte. Mit der Strömung des Skizze des Badhauses in Donaueschingen aus dem Jahre 1818. Überlaufs am Badebecken trieb er ein Was­ serrad an, das eine doppelte Kolbenpumpe des Pumpwerks antreiben und das Wasser in den Sammler unter dem Dach des Gebäu­ des befördern sollte, ln der im Erdgeschoss befindlichen „Badküche“ wurde ein großer Holzfeuerofen eingebaut, der das im Samm­ ler gestaute Wasser erwärmte. Ein verant­ wortlicher Badwächter überwachte die bei­ den getrennten Wasserrohre, die im natürli­ chen Gefälle im Dachgeschoss installiert wa­ ren und je kaltes und warmes Wasser in die Badewannen im Erdgeschoss lieferten, auf ihre Funktion. Ihm stand während seiner Ar­ beitszeit ein eigenes Wächterzimmer zur Verfügung. Den badenden Angehörigen des Fürsten­ hauses präsentierte sich das 38 Meter breite und 11,5 Meter tiefe Badhaus im 19. Jahr­ hundert so: Man betrat das herrschaftliche klassizistische Gebäude, das mit altgriechi­ schen Stilelementen kombiniert worden war, durch eine überdachte Säulenvorhalle. Von hier aus gelangte man in den beheizba­ ren Saal, in dem man sich vor und nach dem Bad aufhielt. Von dem Säulengang, der dem Badebecken zugewandt war, gelangte man in die einzelnen Badezimmer. Die Badegäs­ te konnten sich auch direkt vom Haus aus und über eine Treppe überdacht im außen gelegenen Schwimmbad abkühlen. Die fürst­ liche Familie, darunter Fürst Karl Egon II. 2 5 1

D as „F ürstenberg-Parkrestaurant“ und seine Frau, seine Kinder, Enkel und ihre Familien nutzten diese Einrichtung bis zum Jahr 1896. Fürst Karl Egon IV. und dessen Frau, Dorothea von Talleyrand-Perigord, schlossen in diesem Jahr den Umbau am fürstlichen Schloss ab und statteten die Ba­ dezimmer des Schlosses in diesem Zuge selbst mit Marmorwanne, einer mehrdüsi- gen Rundum- und Deckendusche (noch heute bei einer Besichtigung im Schloss zu sehen) sowie einem Silberbecken im Mar­ mortisch aus. Damit hatte man den Kom­ fort direkt am Ort, das Badhaus verlor damit an Bedeutung. Zum ausgehenden Jahrhun­ dert wurden die einzelnen Badezimmer des Badhauses zu einer Wohnung für das Bade­ meister-Ehepaar ausgebaut, das nun über das Freibad wachte. Das Bad stand schon Vorjah­ ren auch der Allgemeinheit zur Benutzung of­ fen. Der Bademeister war zudem noch Hof- fischer und fing für die Diners der fürstlichen Familie die begehrten Donauhechte. Die Bevölkemng zog es bis nach dem Zwei­ ten Weltkrieg in das gemütliche Bad ösdich des Fürstlich Fürstenbergischen Parks, das al­ lerdings von der Wasserqualität und Größe bald seine Grenzen aufzeigte. Das Haus Fürstenberg stellte der Stadt Donaueschin- gen auf einer angrenzenden Fläche ein Ge­ lände zur Verfügung, auf dem 1956 das heu­ tige Parkschwimmbad erbaut wurde. Damit verlor das Badhaus seine letzte Funk­ tion. Es wurde 1970 als Restaurant umgebaut und verpachtet. Als 1981 der langjährige Päch­ ter aufgab, entschlossen sich das damalige Erb­ prinz-Ehepaar, heute Fürst Heinrich zu Fürstenberg und Fürstin Maximiliane zu Fürs­ tenberg, das einstige fürstliche Gebäude selbst zu nutzen, um das stilvolle, ehemalige Bad­ haus wieder einer Verwendung zuzuführen. Ziel war, ein Parkrestaurant von besonderer Note zu schaffen. Nach Plänen des Donau- eschinger Architekten Diplom-Ingenieur Eckart Rothweiler wurden die baulichen Veränderungen im Inneren des Badhauses nach einem Jahr beendet. Es entstanden die hellen, freundlichen Räume, in denen die Gäste heute speisen. Stefanie Saur Der Biergarten ist bei sommerlichen Temperaturen ein beliebter Ort zum Verweilen. 252

Das Villinger Hotel „Rindenmühle“ Preisgekröntes Spezialitäten-Restaurant im Villinger Kurgebiet Stätten d er Gastlichkeit „Im Prinzip ist jeder Gast bei uns eine kö­ nigliche Hoheit“, sagt Martin Weißer. Direkt neben der Speisekarte in der gläsernen Vitri­ ne an der Außenwand hängt jetzt die Urkun­ de: „Top-Haus der Regi­ on“. Das Hotel „Rin­ denmühle“ in Villingen ist einer von fünf Be­ trieben im Schwarz- wald-Baar-Kreis, denen dieses Spitzenprädikat im Wettbewerb „Schö­ nes Gasthaus“ verlie­ hen wurde. „Den Träu­ men ganz nah. Das Haus für anspruchsvol­ le Genießer.“ So wirbt die „Rindenmühle“ um Gäste. Außenansicht des Hotels „Rindenmühle“. Schön gelegen, direkt am Kurgar­ ten und am Kneippbad im Villinger Kurgebiet. In einem Garten ganz in der Nähe steht ein Obstbaum mit Früchten, der Kurgarten ist nur ein paar Meter entfernt und in das Kneippbad ist es im Sommer ein Katzen­ sprung. Aber das ist es nicht, was den Be­ trieb von Martina und Martin Weißer zur Perle in der Gastronomie und zu einem Ju­ wel unter den Hotels in Villingen-Schwen­ ningen macht. Hier wird gekocht, und zwar meisterhaft. Und die Zutaten bezieht Mar­ tin Weißer direkt aus Paris. In Kartoffelkrus­ te gebratenes Filet vom St. Pierre beispiels­ weise oder gebratener Rücken vom bretoni- schen Lamm können so serviert werden. Mit Mittelmeergemüse überkrustetes Filet vom Atlantik-Barsch bringt Martin Weißer mit­ ten im Schwarzwald auf den Tisch. Am Vor­ abend bestellt er, am nächsten Tag ist die Lieferung da. Der Hotelier zeigt die Liste mit exotischen Fischen, Meerestieren und ande­ ren Spezialitäten, aus denen er Abend für Abend auswählt. Das ist eine der Besonder­ heiten bei der „Rindenmühle“: Jede Woche denkt sich der Maître de Cuisine etwas Neu­ es aus. Es ist Kreativität, aus hunderten von exotischen Zutaten genau die wenigen aus­ zuwählen, die auf der Speisekarte der „Rin­ denmühle“ ankommen. Und er hat es im Fin­ gerspitzengefühl, was die Leute hier nicht mögen. Austern beispielsweise oder Rentier- filets. Martin Weißer – Koch aus Leidenschaft „Ich wollte schon immer so kochen wie jetzt“, sagt Martin Weißer zufrieden. Klas­ sisch französisch und mediterran in Verbin­ dung mit gehobener regionaler Küche. Der Michelin-Atlas würdigt die „Rindenmühle“ 2 5 3

Stätten der Gastlichkeit mit einem „Bib Gourmand“, im Varta-Atlas hat er zwei Bestecke mit der Tendenz zu einem dritten. Dabei war dem Nachfahren von Generationen von Müllern der Kochlöf­ fel nicht in die Wiege gelegt worden. „Rindenmühle“ seit Jahrhunderten in Familienbesitz Seit Jahrhunderten lebt die Familie Weißer in der „Rindenmühle“, in der inzwischen Adel und Prominenz aus Sport, Funk und Fernsehen gerne tafeln, Gourmets, denen der Michelin den Weg zu dem Restaurant im Villinger Kurgebiet weist, in den gemüt­ lichen und geschmackvoll eingerichteten Zimmern übernachten und Einheimische gern einkehren. Schon 1611 ist die „Rin­ denmühle“ als Gehöft erwähnt. Früher wur­ de hier Baumrinde gemahlen und in der Gerberstraße verarbeitet. Doch das währte nicht lange. Schon bald wurde Getreide ge­ Martin Weißer mit seinem Team. 2 5 4 mahlen, weil es einträglicher war. Eine Zeit­ lang stand das Gehöft leer, als Martin Wei­ ßer nach Lehrjahren in Schwenningen und Bad Dürrheim, unter anderem auch im Oschberghof in Donaueschingen, in Frank­ reich, Spanien und der Schweiz kochen lern­ te. Seine Eltern hatten in der „Rindenmüh­ le“ eine kleine Pension mit Feriengästen be­ trieben. Aber alles war zu klein. „Die Mühle war zu klein und die Pension auch. Davon konnte man nicht mehr leben.“ Das Mühlrad wäre heute noch betriebsbereit. Ein kleines Wasser­ kraftwerk versorgt den Betrieb mit einem Grundbedarf an Strom. Vor 15 Jahren war das Fiaus reparaturbedürftig, die Gaupen muss­ ten ausgewechselt werden. „Wir haben klein angefangen.“ Martin Weißer und seine dama­ lige Lebensgefährtin Martina richteten ein kleines Lokal ein. Dabei setzten sie von An­ fang an auf Qualität. Auch bei den Hotel­ zimmern, in denen der Drang zu Persönlich­ keit und Individualität zusammen mit Geschmack sichtbar ist. Jedes der 23 Zimmer haben die beiden an­ ders eingerichtet, aber immer stilvoll und mit Qualitätsbewusstsein. We­ der in der Einrichtung, noch beim liebevoll gestalteten Blumenschmuck findet sich Billiges. Abwechslungsreichtum wollen In­ haber und Gäste nicht nur in den Hotelzimmern, sondern auch bei der Speisekarte. „Sehr abwechslungsreich, spontan und kreativ“ beschreibt Martin Weißer seine Küche. Jede Suppe, jede Soße wird individuell kreiert, nie werden Hilfsmittel wie Glutamat verwendet. Die Zutaten sind immer frisch. Ob­ wohl man auch mit Tiefkühlkost gut kochen könne, meint Weißer. Aber ein Kenner merkt den Unterschied. Besonders bei Fisch. Der Service aus Paris ist nicht ganz billig, dennoch sind die Preise aut der Speisekarte nicht nur im oberen Bereich. Das schätzen auch die Kritiker, die in

Das Hotel „Rindenmühle “ verfügt über ein schö­ nes Restaurant mit kreativer Küche. dem als „komfortabel und rustikal“ beschrie­ benen Restaurant das angemessene Preis-Leis- tungsverhältnis für die als „international, klas­ sisch und regional sowie französisch“ bezeich- nete Küche würdigen. Wie zum Beispiel der Aral-Schlemmeratlas: „Im bekannten Kneipp-Kurort Villingen kann nicht nur dem Körper Gutes getan wer­ den, die Schönheit der Landschaft und des Ortes tut gleichermaßen der Seele gut.“ Bewusstes Genießen ist ein Mittel, um zu entspannen und den Geist wieder aufzutan­ ken. Und wobei könnte dies besser gesche­ hen, als bei einem herrlichen Menü“, heißt es im Varta-Atlas: Und weiter: „Martin Wei­ ßer, der mit Leib und Seele sich dem Koch­ beruf hingegeben hat, versucht, eben diesen Erholungseffekt mit seinen kreativen Ge­ richten zu erreichen. Im Restaurant „Rinden­ mühle“ kann der Gast sich des Engagements der Küchenbrigade sicher sein. Wir überzeug­ ten uns davon bei einer Rahmsuppe von Brunnenkresse mit Wachtelspiegelei, einer rosa gebratenen Entenbrust auf süß-saurer Sauce mit Frühlingsgemüse und Reisnudeln sowie karamellisierten Bananen auf Granat­ apfelsauce und hausgemachtem Kokoseis“, schreiben die Kritiker. Sie speisen heimlich, unerkannt, sie inspi­ zieren auch die Hotelzimmer und dann, kurz vor der Abreise, geben sie sich zu er­ kennen. Und wenn gerade „Asiatische Wo­ che“ auf der Speisekarte angesagt war, schlägt sich das natürlich auch in den beschriebe­ nen Gerichten nieder. Die Erfahmng hat Martin Weißer gemacht. Das Geheimnis ih­ res Erfolges sehen Martin und Martina Wei­ ßer im Zusammenwirken vieler Details. „Die Lage spielt eine große Rolle, mitten im Kur­ gebiet“, meinen sie. Die Grünflächen, die Nähe zum Schwimmbad, zur Minigolfanla­ ge und zur Innenstadt haben das Hotel zu einem beliebten Tagungsort gemacht. Ge­ schäftsleute orientieren sich bei der Wahl von D as Villinger H otel „R indenm ühle“ Restaurant und Hotel an der Beschreibung im Aral-Führer und der Kennzeichnung im Mi­ chelin. Für Restaurant, Hotel und Büro ist Martina Weißer zuständig, die neben einer Hotel­ fachlehre zwei weitere Ausbildungen abge­ schlossen hat und die Organisation profes­ sionell managt. „Wir sind sehr zufrieden“, meinen Martin und Martina Weißer. Mehr als die Ehrungen, die ihnen bislang wiederfahren sind, wünschen sie sich gar nicht. Obwohl das Engagement von Martin Weißer der „Rinden­ mühle“ möglicherweise zu noch mehr Glanz auf kulinarischem Parkett verhelfen wird. Top-Haus der Region Am Anfang war die Speisekarte ganz anders. „Da haben wir alles angeboten, vom Vesper bis hin zu der gehobenen Küche und Kaffee und Kuchen. Wir hofften, zu erfahren, was die Gäste wollen.“ Und das ist, so stellte sich heraus, die regionale gehobene Küche, sehr sorgfältig zubereitet und mit allerbesten Zuta­ ten. Hinzu kommt die klassisch französische und die mediterrane Küche. Ein gutes Preis- Leistungsverhältnis, zu dem Wild, Bachforel­ le, Steinpilze und Pfifferlinge serviert werden. Das kommt an. Genauso wie die immer neue Speisekarte und die Top-Ware aus Paris. Beim Lesen dessen, was der Feinkostservice an Zu­ 2 5 5

D as Villinger Hotel „R indenm ühle“ taten liefert, denkt der Meisterkoch schon an die Zukunft. „Wenn ich beispielsweise Stein­ pilze aus Rumänien lese oder Sommertrüf­ fel aus Frankreich und Pfifferlinge aus Litau­ en, dann weiß ich, so in ein zwei Wochen steht das auf der Karte.“ Natürlich muss Martin Weißer manchmal auch schnell im­ provisieren. Zum Beispiel an dem Silvester, als das Meer so stürmisch war, dass der fri­ sche Fisch aus dem Ozean nicht geliefert werden konnte. Da gab es eben etwas ande­ res, was den Gästen, die sich auf Fisch ge­ freut hatten, nicht minder gemundet hat. „Gute Rohstoffe sind schon am wichtigs­ ten“. Berühmte Sänger wie Karel Gott, Roberto Blanco und Drafi Deutscher haben es sich hier schon schmecken lassen, Ministerpräsi­ dent Erwin Teufel gab sich zwei Mal die Eh­ re. Und Klausjürgen Wussow, Ireen Sheer und Lisa Fitz sowie Dieter Hildebrandt ha­ ben auch schon in der „Rindenmühle“ ge­ speist. Martina und Martin Weißer, wollen wissen, ob ihre Gäste zufrieden sind, ob es geschmeckt hat, was verbessert werden könn­ te. Deswegen dürfen die Besucher einen Fra­ gebogen ausfüllen, in dem sie der „Rinden­ mühle“ Noten geben. Das Ergebnis wird aus­ gewertet und das Angebot kontinuierlich ver­ bessert. Näheres zur „Rindenmühle“ im Inter­ net unter www.rindenmuehle.de Felicitas Schück Herbst Vögel klagen im kahlen Holunder Frost siegelt den Boden und macht den Bach schweigen fahle Sonne läßt Eiskristalle glitzern und lohfarben stehen Lärchen im Waldesdunkel Flammengleich Christiana Sieger Im Sommer kann man die Gerichte von Martin Weißer und seinem Team a uf der Garten terrasse genießen. 2 5 6

Der „Bergwaldhof“ in Schonach D ie Familie Mathias bringt einen Hauch von Australien in den Schwarzwald S tätten d er G astlichkeit Susanne und Andy Mathias sind sich drau­ ßen in der Welt begegnet, sind gemeinsam durch die Welt gezogen und haben die Welt und ihre beiden Kinder in den Schwarzwald gebracht. Und das ist für beide das Normals­ te in der Welt. Also: Wanderer kommst du zum Höfleberg in Schonach, dann raste im „Bergwaldhof“, dort ist die Welt zu Hause. Damit wäre diese Geschichte eigentlich schon zu Ende, wenn nicht Susanne Mathias, eine geborene Weisser, aus Schonach wäre und Andy Mathias nicht aus England stamm­ te. Und wenn nicht das Heimweh von Su­ sanne gewesen wäre, dann – ja dann wäre die Familie jetzt vielleicht in einem anderen Teil der Welt zu finden. So aber haben sie in Su­ sannes Heimat ihre Wurzeln geschlagen. Hier wollen sie bleiben, ihre Buben Kain (12) und Lukas (9) großziehen und Gäste be­ wirten. International: mit Kängurusteak und Wurstsalat, mit Maultaschen und exotischen Salaten, mit Straußenfilet und Spätzle, mit kalorienarmen Thaigerichten und auch mit Wiener Schnitzel. Denn „wir wollen für die Gäste da sein und ihren Wünschen weitge­ hend entsprechen“. Das alles begann mit dem Fernweh der jungen Schonacher Apothekenhelferin Su­ sanne. Sie ging als „au pair“ nach England. „Dort begegnete mir Andy“, erinnert sie sich lächelnd. Und weil Andy eben für sie der Mann war, mit dem sie leben wollte, blieb sie länger und sattelte um ins Gastronomie­ fach. Denn Andy war Koch und bald Chef­ koch. Und mit ihm ging sie nach Australien, wo er im „Hilton“ kochte und sie seine Ge­ richte servierte. Vor der Reise auf den ent­ fernten Kontinent wurde noch schnell in Schonach geheiratet. Sie blieben neun Jah­ re in Australien und bekamen dort ihre bei­ den Söhne. Das „Hilton“ in der Schweiz war die nächs- Familie Mathias vom „Bergwaldhof ‘mit ihren Kin­ dern Kain und Lukas und ihr Schwarzwälder Gast­ haus. te Station für ein Jahr. Das war schon sehr nahe der Heimat von Susanne. Da überfiel die junge Mama das Heimweh nach Scho­ nach. Die Jungs – so beschlossen die Eltern – sollten in Deutschland aufwachsen. Ge­ sagt getan, sie schauten sich um: Am Höfle­ berg in Schonach steht seit 1936 der „Berg­ waldhof“, ein im Schwarzwaldstil erbautes 2 5 7

D er „B ergw aldhof‘ in Schonach Haus, das von Donat und Judith Ketterer er­ baut wurde. Es sollte als Kinderheim ge­ nutzt werden, doch die Pläne zerschlugen sich. Das Ehepaar Ketterer richtete dort das „Café und Pension Bergwaldhof“ ein und bewirtschaftete es bis 1964. Zu den Gästen gehörten die Schonacher Bewohner, Hand­ werksburschen und Uhrmachermeister aus der Umgebung ebenso wie Gäste aus Berlin, Düsseldorf und anderen Orten Deutsch­ lands. Danach übernahm Donat Ketterer jun. die Bewirtschaftung und betrieb das ne­ ben seinem Wohnhaus und der Schreiner­ werkstatt liegende Haus bis 1995. Ab diesem Zeitpunkt kam mit dem gemischten Doppel Mathias und den Kindern neues Leben in den „Bergwaldhof“. Die Familie Ketterer verpachtete ihn an die Weitgereisten und hofft auf weiterhin gutes Bestehen des Hau­ ses, wo Feriengäste in zwei Ferienwohnun­ gen und Gästezimmern auch Herberge fin­ den. Kulinarischer Multi-Kulti Wer den „Bergwaldhof“ ansteuert, darf mit Gaumenfreuden rechnen. Weine und Biere aus Baden-Württemberg sind selbstverständ­ lich. Auf der Speisekarte stehen Gerichte, die nicht alltäglich sind: Zum Beispiel der aust­ ralische Salat, der aus gegrillter warmer Hähn­ chenbrust, einer Currymayonnaise und Sa­ laten der Saison besteht. Das Straußenfilet wird gegrillt mit Butterspätzle und Gewürz­ marmelade serviert. Zu dem Kängurufilet gibt es Bratkartoffeln und scharf-süße Chili­ soße. Thailändisches kommt aus dem Wok, aber auch Zwiebelrostbraten und Jägersteak stehen auf der Karte, die auch für Kinder kleine Köstlichkeiten birgt. Chefkoch Andy Mathias hat die Gerichte kreiert, sie werden liebevoll von Ehefrau Susanne serviert. Die Wirtin, die das Heimweh nach Scho­ nach trieb und nun das Fernweh via Internet bekämpft, lebt und arbeitet inmitten von Kindern, Hausgästen, einkehrenden Wan­ derern und Schonachern wie Auswärtigen, die den Weg in die Waldesstille finden. „Wir 2 5 8 Das Känguru auf dem Ofensims zeigt die Verbin­ dung der Wirtsleute zu Australien. liegen am Zugangsweg zum Westweg und an der Skiloipe“, freut sich Susanne Mathias. Auch Mountainbiker rasten dort gern. Fami­ lien sind herzlich willkommen, ein Spiel­ platz vor dem Haus soll die Eltern ein we­ nig entlasten. „Bei schönem Wetter ist das hier draußen paradiesisch“, ist sich das Ehe­ paar einig und zeigt auf die Terrasse, wo man auch Kaffee und selbstgebackenen Kuchen sowie Vesper genießen kann. Auch die Ein­ heimischen schätzen die Gastlichkeit im Grünen. Ob Klassen- oder Vereinstreffen, im Stüble mit dem Kamin ist viel Platz. Und im Restaurant mit dem großen Kachelofen ver­ einen sich Schwarzwald-Schnitzereien mit von der Feme kündende Dekorationen wie zum Beipiel einem geschnitzten Känguru auf dem Ofensims. Familienleben pur einschließlich Katzen und vielen Eichhörnchen, das ist das ver­ wirklichte Lebensziel des Ehepaares, Scho­ nacherisch, Hochdeutsch und Englisch ein­ geschlossen. Für ihr Leben wünscht sich das Wirtepaar vom „Bergwaldhof“, „dass sich unsere Arbeit bezahlt macht“. Dann bleiben sie bestimmt am Höfleberg. Renate Bökenkamp

Das Hotel „Öschberghof“ D onaueschinger G olfhotel ist zw ischen Stuttgart und Freiburg einzigartig S tätten der Gastlichkeit Tiefblau ist es und lädt zum Hineinsprin­ gen ein. Eine Wohltat in der Sommerhitze. Eine Oase der Entspannung im Winter: Das 25-Meter Schwimmbecken im Donaueschin­ ger „Öschberghof“ gilt selbst für ein exklu­ sives Hotel als geradezu luxuriös. Als eines von fünf Häusern wurde der „Öschberghof“ bei dem Wettbewerb „Schönes Gasthaus“, veranstaltet vom Schwarzwald-Baar-Kreis, mit dem Prädikat „Top-Haus der Region“ ausgezeichnet. Und dafür gibt es viele Grün­ de. „Und immer, wenn ein Ball im Wasser ver­ sinkt, kann man das leise Kichern der Hexen hören.“ So steht es in der Jubiläumsschrift des „Öschberghofes“, die im Jahr 2001 er­ schien. Damit ist freilich nicht das schöne Schwimmbad gemeint. Sondern der Weiher beim Golfplatz, dessen 7 600 Quadratmeter Wasseroberfläche zwischen den beiden Par­ zellen „Obere Hexe“ und „Untere Hexe“ an­ gelegt wurde. Sehr treffend finden die Gol­ fer den Namen: „Und so wachen die Hexen noch heute über ihren Weiher, was schon viele Golfer zu spüren bekamen“. Der Golfplatz und das Schwimmbad sind freilich nicht der einzige Anlass, für den sich ein Besuch im „Öschberghof“ lohnt. Es ist auch das Ambiente. Die Atmosphäre von Un­ persönlichkeit und Gleichförmigkeit, die ver­ gleichbare großstädtische Hotels manchmal ausstrahlen, fehlt hier völlig. Zwischen Stuttgart und Freiburg gibt es wohl kein zweites Hotel dieser Art und dieser Klasse. Der „Öschberghof“ in Donaueschin- gen ist nicht nur, wie unter anderem Minis- Blick auf das Hotel,, Öschberghof“ und seinen Golfplatz. 2 5 9

S tätten d er G astlichkeit terpräsident Erwin Teufel feststellte, „ein Ort zum Wohlfuhlen“, sondern auch unentbehr­ lich, wenn Prominente aus Politik, Wirtschaft, Adel und Sport ein angemessenes Quartier suchen. Hoteldirektor legt Wert auf Qualität Hoteldirektor Alexander Aisenbrey, der seit 2003 souverän die Organisation in den Händen hält, kombiniert Qualität mit Kos­ tenmanagement. „Das Hotel lief immer sehr gut, wir bemühen uns, das beizubehalten und auszubauen“, sagt der 33-jährige Hotel- Betriebswirt, der an der Cornell-University in den USA studierte. Aisenbrey war zuvor Geschäftsführer der berühmten „Traube“ in Tonbach, die als Nummer eins unter den deutschen Hotels gilt. Er legt Wert darauf, die Qualität des Golfho­ tels auch im kulinarischen Bereich zu steigern. Der Rungis-Express liefert die Zutaten für die Küche des 190 Sitzplätze umfassenden Res­ taurants aus dem Pariser Großmarkt. „Beste Qualität“, sagt Aisenbrey, „wir verstehen uns als Gourmet-Restaurant. Wir haben unseren eigenen Stil, frisch und abwechslungsreich. Die Gäste schätzen, dass das Preis-Leistungs- verhältnis bei uns stimmt.“ Der bekannte Gastronomieexperte und Res­ taurantkritiker Hans Ulrich Lochar schreibt 2 6 0 Das Restaurant des Hotels „ Osch- berghof umfasst 190 Sitzplätze. über die Küche des „Öschberg- hofes“ in der jüngsten Ausga­ be seines kulinarischen Weg­ weisers mit dem Titel „Essen und Trinken im Südlichen Schwarzwald“: „Ja nicht stehen bleiben, immer wieder neue Speisen bieten, ist die oberste Devise. Großer Wert wird auf frische Ware gelegt, und natür­ lich stehen die saisonalen Roh­ stoffe im Vordergrund. (…) Die beiden Küchenchefs sind als gute Fisch­ köche bekannt (…); Fleisch- und Wildge­ richte werden täglich frisch angeboten.“ Nicht nur der exklusive Golfclub zieht die Gäste an. Ein extravagantes Hallenbad, Sau­ na, Thermarium und Dampfgrotte, Kneipp- Rondell, Luftbad mit integriertem Wasserfall, Einzelsolarien und Fitnessstudio sowie eine im japanischen Stil gestaltete Landschaft la­ den auf insgesamt 400 Quadratmetern Gäs­ te zum Entspannen ein. Die Sauna wurde im Jahr 2003 modernisiert. Kosmetikstudio, Fri­ seur und Wellnessbereich sind vom Feinsten, nachdem der „Öschberghof“ im Jahr 2001 überall auf den neuesten Stand der Technik gebracht wurde. Das gilt auch für die großzü­ gig ausgestatteten Konferenzräume. „Inmit­ ten reizvoller Schwarzwaldidylle bietet der „Öschberghof“ vielfältige Möglichkeiten. Räume für Tagungen und Veranstaltungen Ob zum Abhalten von Tagungen oder Ver­ anstaltungen in modern eingerichteten Räu­ men, beschreibt Erwin Teufel die Vorzüge des Vier-Sterne-Hauses. Gebäude- und Kommu­ nikationstechnik im „Öschberghof“ sind auf dem allemeuesten Stand und bieten mehr als vergleichbare Großstadthotels. Den Gästen kann bei Tagungen ein Sekre­ tariatsbüro mit Internet-Anschluss und Mul­

D as H otel „Ö schberghof“ tifunktionsgeräten zur Verfügung gestellt werden. Acht Tagungsräume bieten für zehn bis 200 Personen Raum, ausgestattet mit moderner Präsentiertechnik „Ein perfekter Ablauf und individuelle Betreuung sind Ga­ ranten für eine erfolgreiche Veranstaltung. Um die Motivation der Tagungsteilneh­ mer zu steigern, bieten wir eine Reihe von Gesundheits-, Anti-Stress- und meditativen Kursen an“, sagt Direktor Aisenbrey. Dazu gehört, dass den Gästen auch „Spaß“ geboten wird. Darunter versteht man beim „Osch- berghof“ zum Beispiel „Mondscheinrodeln“ und Ballonfahrten. „Egal, welchem Zeichen Sie folgen, Sie befinden sich auf jeden Fall an einem Ort, an dem Sie sich wohl fühlen“, wirbt der „Öschberghof“ selbst. „Unsere Dienstleistungsphilosophie ist auf höchste Ansprüche zugeschnitten und ge­ prägt von Professionalität, Freundlichkeit und Flexibilität.“ Im Vier-Sterne-Superior- Hotel lässt es sich zu einem angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis logieren. Schon allein die Landschaft, in die das Hotel ein­ gebettet ist, beruhigt und sorgt für Urlaubs­ stimmung. Sie ist geprägt von der berühm­ ten Golfanlage, auf der prominente Golf­ sportler gerne spielen. Schon vor mehr als 25 Jahren wurde der „Öschberghof“ mit Rücksicht auf Ökologie und Landschafts-Ar­ chitektonik gebaut, was damals eine Selten­ heit war. Die sehr sorgfältig und vielseitig gestaltete Kosmetik-Oase hat den „Öschberghof“ in­ zwischen auch zu einem Highlight unter den Beauty-Farmen werden lassen. Schön­ heitstage, Gesichts- und Körperbehandlun­ gen, Tagesarrangements und „Health-Inten- Impressionen aus dem Hotel „ÖschberghofVon nessbereich. links: Tagungsraum, Bar, Schwimmbad und Well- 2 6 1

Das H otel „Ö schberghof“ siv-Wochen“ können gebucht werden. Dazu muss man nicht in einem der 56 Doppel- und 17 Einzelzimmer wohnen. Alle Einrich­ tungen des Hotels stehen auch Besuchern offen. Zum Kennenlernen gibt es auch Spezialar­ rangements zu vergleichsweise günstigen Preisen. An Wochenenden, am Muttertag, an Weihnachten und Ostern beispielsweise. Auch die Hotelzimmer und das Restaurant wurden im Jahr 2002 komplett renoviert. Dafür wurde das robuste, teils noch aus der Anfangszeit stammende Interieur durch ei­ nen edlen und kontrastreichen Mix aus kla­ ren Formen, ungewöhnlichen Materialien und warmen Farben ersetzt. Der Umbau von Räumlichkeiten am Golfplatz ließ im Jahr 2003 zusätzliche Appartements entste­ hen. 60 Quadratmeter mit Wohnraum, An­ kleidezimmer und Terrasse ermöglichen es anspruchsvollen Golfsportlern, alles unter­ zubringen, was sie benötigen. 100 Mitarbei­ ter sorgen für das Wohlbefinden der Gäste. Sehr viel Spontanität, Diskretion und Krea­ tivität ist im Umgang mit ihnen gefragt, weiß Aisenbrey. Der „Öschberghof“ wurde zu einer echten Bereicherung nicht nur für die Stadt Do- naueschingen, sondern auch für den gesam­ ten Landkreis“, sagt Landrat Karl Heim. So­ gar über die Landes- und Bundesgrenzen hi­ naus, hat sich der „Öschberghof“ einen Na­ men gemacht. Er ist beliebt bei Golfern aus der Schweiz, von denen viele Mitglieder im Club sind. Und wer sonst dort wohnt oder Golf spielt, das darf an dieser Stelle nicht verraten werden. Schließlich ist es auch Diskretion gegenüber den Gästen, die den „Öschberg­ h o f“ zu einem Top-Haus macht. Felicitas Schück Der „ Öschberghof“ bietet seinen Gästen einen 18-Loch Meisterschaftsplatz und einen 9-Loch-Platz. 262

21. Kapitel /Almanach 2004 Freizeit und Erholung Liebhaber historischer Rundfunktechnik Einzigartige Radiowerkstatt an der V olkshochschule V illingen Wer erinnert sich nicht gerne im Schwarz- wald-Baar-Kreis und im Besonderen in Vil­ lingen an die Zeiten, als hier bei SABA U n­ terhaltungselektronikgeschichte geschrieben wurde. SABA war der größte Rundfunkge­ rätehersteller Deutschlands der Jahre 1934/1935. Das erste Radiogerät der Welt mit automatischem Sendersuchlauf („Typ 980 WLK“ von 1937) und das ebenfalls welt­ weit erste, zeilenfreie Fernsehgerät („Schauins- land T 116 V“ bzw. „S 116 V“ von 1961) wa­ ren Meilensteine der damaligen Technikent­ wicklung. Das Musiktruhen-Spitzenmodell „Königin von SABA“ gehörte sogar öfters zu den Diplomatengaben von Altbundeskanz­ ler Konrad Adenauer. Die Reihe der technischen Pioniertaten und kommerziellen Höhepunkte könnte noch weiter fortgesetzt werden. Und noch heutzutage stellen die Welt- Spit­ zenrundfunk- und HiFi-Geräte der SABA- „Freiburg“-Reihe (Modell „W“ bis „Studio telecommander“, 1950 bis 1973) oder der Testsieger von 1978, der HiFi-Receiver „9241 digital“ sowie die Tonbandgeräte „TK 220-S/- SH“ (1962/64) bzw. „HiFi-TG 600 SH“ (1965) gesuchte, technische und klangliche Sahnestücke von zeitlosem Wert und nahe­ zu unverwüstlicher Qualität für Kenner und Liebhaber dar. Nicht zu vergessen auch die SABA eigene Musik- und Schallplattenproduktion, welche sich vor allem mit Jazzproduktionen inter­ nationaler Stars Weltruf erwarb. SABA war wichtiger Arbeitgeber In den wirtschaftlichen Blütezeiten der 1950er, -60er und -70erJahre war so z.B. je­ der siebte Villinger direkt oder indirekt exis­ tenziell von der SABA abhängig (Weiteres und näheres zur Geschichte der SABA-Wer- ke siehe auch Beitrag von Klaus-Peter Friese im Almanach 1987: Von der „Schellenmüh­ le“ zur SABA-Weltfirma). Im benachbarten St. Georgen hatten sich ferner mit Dual (siehe auch Firmenporträt von Claus-Jürgen Brey im Almanach 1979) und Perpetuum-Ebner (PE) weitere Firmen der Branche mit ihrer Gerätefertigung, ins­ besondere auf dem Sektor der Analogplat­ tenspieler, technisch und qualitativ Weltruf erworben. Kleinere Hersteller im Bereich der Unter­ haltungselektronik mit ehemaligem Sitz im Kreisgebiet wie Kai­ ser-Radio, mit Pro­ duktionsstätten in Der Autor und das technische Gesicht des SABA-Hifi Steuer­ gerätes „Freiburg Studio A Vollauto- matic“ von 1962-64. 2 6 3

Freizeit und E rholung Im prämierten Pultdesign der Vorkriegsjahre: SABA TypS 348 WLKvon 1937. Villingen und Kenzingen/ Baden sowie JOTHA-Radio in Königsfeld sind heute fast total in Vergessenheit geraten. Sie sind prak­ tisch nur noch dem absoluten Kenner bekannt, verdienen aber ebenfalls der Er­ wähnung. Dieses industriegeschichtliche Erbe der Re­ gion ist durch den wirtschaftlichen Nieder­ gang in den 80er und 90er Jahren des ver­ gangenen Jahrhunderts leider klein gewor­ den. Es zu pflegen, die technischen Delika­ tessen jener Zeit zu dokumentieren, dem Vergessen zu entreißen und vor allem das noch Vorhandene liebevoll zu erhalten – dies sind die vorrangigen Ziele der Histori­ schen Radiowerkstatt an der Volkshoch­ schule Villingen, einer bundesweit einzigar­ tigen Einrichtung. Radiowerkstatt besteht seit zehn Jahren Die Geschichte der historischen Radiowerk­ statt selbst begann in den Jahren 1993/94, so dass man heute bereits auf einen erfolgrei­ chen, zehnjährigen Bestand zurückblicken kann. Anlass war damals eine in Villingen ab­ gehaltene Jubiläumsausstellung zu 70 Jahren öffentlichem Rundfunk in Deutschland. Im 2 6 4 Rahmen dieser Ausstellung mit historischen Geräten und Diavorführungen trafen sich mehrere „Alt-Sa- banesen“, frühere Mitarbeiter und Techniker der SABA-Werke, zum Teil nach vielen Jah­ ren, wieder. Es reifte die Idee, ein Radiolabor zum Erhalt und der Restaurierung alter Ori­ ginalgeräte zu schaffen. Auch der stilgerechte Nachbau alter Rundfunkschaltungen nach historischen Vorbildern sollte dabei mit ein­ bezogen werden. Gründer und Mentoren der historischen Radiowerkstatt waren damals der frühere SABA-Ausbilder und heutige VHS-Fachbe- reichsleiter Ernst Schamburek, der vormali­ ge SABA Fernsehgeräte-Entwickler Dipl.- Ing. Friedrich Ohnemus und der ausgezeich­ nete SABA-Techniker alter Schule, Helmut Capteina. Mit gespendeten Messgeräten aus ehemaligen SABA- und Kienzle-Beständen wurde daraufhin eine VDE-gerechte kleine Rundfunkwerkstatt in einem vormals vom Stadtarchiv benutzten Raum im Gebäude Kostete 1962 den Preis eines Klein­ wagens: SABA Spitzen-Musik- truhe Baden Vollautomatic 12 Sonorama.

R adiow erkstatt Villingen der Villinger VHS am Münster­ platz eingerichtet und bis heute laufend weiter ausgebaut. In der Folgezeit schlossen sich weitere Interessierte, u.a. auch er­ fahrene und vom Metier begeister­ te Hobbyisten und engagierte Gerätesammler, zu welchen auch der Autor zählt, an. Heutzutage reicht der Einzugsbereich der stän­ digen und gelegentlichen Teilneh­ mer und Mitarbeiter bereits weit über den Schwarzwald-Baar-Kreis hinaus. So entstanden zwei separate Ar­ beitsgruppen, welche sich in 14-tä- gigem Wechsel jeweils Dienstag abends trafen. Später wurde eine einheitliche Gruppe mit dem bis jetzt bestehenden, wöchentlichen Treffpunkt am Montag gebildet. So konnte der Kontakt unter den einzelnen Mitgliedern weiter in- Blick ins tensiviert werden. Labor der historischen Radiowerkstatt Villingen. Die Finanzierung musste zu Beginn noch über die Erhebung normaler VHS-Kursge- bühren für die Teilnehmer erfolgen. Seit ei­ nigen Jahren können die Selbstkosten aus­ schließlich aus freiwilligen Spenden bestrit­ ten werden. Die Mitwirkung ist damit heu­ te kostenfrei. Der Tod der beiden Mitbegründer Helmut Capteina (1998) und Friedrich Ohnemus (2001) riss menschlich und fachlich eine her­ be Lücke. Mit Werner Hoffmann, einem routinierten ehemaligen SABA-Praktiker und Spezialisten für manchen „hoffnungs­ losen technischen Fall“ sowie Ottomar Daiß als weiterem „Alt-Sabanesen“ konnte hier neben Ernst Schamburek für die Leitung der historischen Radiowerkstatt ein erfreuli­ cherweise bis heute adäquater Ersatz gefun­ den werden. Im Laufe der letzten Jahre fanden und fin­ den auch immer wieder junge Leute Gefal­ len an den alten „Dampfradios“. Die Al­ tersstruktur reicht mittlerweile durch meh­ rere Generationen, so dass Nachwuchsprob- lerne bislang kein Thema sind. Die anfangs im Labor herrschende, etwas konservativ­ zurückhaltende „Teestubenatmosphäre“, wich im gleichen Zuge längst einem freundschaft­ lichen Umgang miteinander. Die Pflege der historischen Technikkultur soll schließlich mit einer Menge Spaß an der Sache verbun­ den werden. Die möglichst originalgetreue und histo­ risch einwandfreie Restaurierung der alten Meisterstücke der Rundfunktechnik steht dabei im Vordergrund. Denn es besteht ein hier oft verkannter erheblicher Unterschied, ob ein Gerät nur in einen wieder rein funk­ tionstüchtigen Zustand (unter Verwendung von modernen Bauelementen) versetzt wer­ den soll, oder ob auch ein Blick hinter die Kulissen in das technische Innenleben dem kompromisslosen Auge des Fachmannes und Kenners gerecht werden kann. Ausgetauscht werden neben den Restaurier­ arbeiten an den Geräten auch wertvolles Fach­ wissen und Erfahrungen. Man hilft sich ge­ genseitig bei der oft schwierigen Beschaffung 2 6 5

R adiow erkstatt Villingen von Geräten, Schaltbildern und Ersatztei­ len. Besucht werden auch Sammlerbörsen. Die historische Radiowerkstatt hat sich so­ mit längst zu einem der stabilsten und aktivsten Dauerkurse an der Villinger Volks­ hochschule entwickelt, bei dem auch rege private Kontakte über die eigentlichen Kurs­ abende hinaus entstanden und gepflegt wer­ den. Gäste sind Eederzeit willkommen Interessierte Gäste, gleich ob Techniker oder Nicht-Techniker, sind jederzeit gern ge­ sehen. Zu diesen gehörten und gehören zwi­ schenzeitlich neben Hobbysammlern, Gerä­ tefreunden, ehemaligen „Sabanesen“ bereits mehrfach die regionale Presse und sogar Teams von Rundfunk und Fernsehen. Eben­ so gerne stehen die Mitglieder dieses VHS- Kurses mit Rat und Tat Museen und Lieb­ habern bei Erhalt und Instandsetzung oder Fragen zur Geschichte von alten Geräten zur Verfügung. Wobei rein gewerbliche Re­ paraturaufträge aus rechtlichen Gründen nicht angenommen werden dürfen. Dankbar sind die Mitglieder der histori­ schen Radiowerkstatt jederzeit für Spenden von historischen Geräten und vor allem Er­ satzteilen, angefangen von der kleinsten Schraube bis hin zur Elektronenröhre, wel­ che z.B. irgendwo auf dem Dachboden die Jahrzehnte bislang unentdeckt überdauert haben. Denn eines wissen die Profis und Geräte­ sammler von der historischen Radiowerk­ statt in Villingen sicher: Das einzigartige Flair, der musikalische Klang und die solide Verarbeitung histori­ scher Radio- und elektronenröhrenbestück­ ter HiFi-Geräte ist im Gegensatz zu solchen aus der heute aktuellen Produktion durch nichts zu ersetzen. Besonders, wenn das be­ gehrte Gerät nach geraumer Zeit und mit viel Bastelaufwand wieder in den Original­ zustand versetzt und zu neuem Leben er­ weckt wurde. Und wenn das Stück noch von den einstmaligen weltberühmten Herstel­ 2 6 6 lern der Region stammt, ist die Freude der Kenner und Liebhaber komplett. Alte Radios und andere historische Geräte der Unterhaltungselektronik stellen wert­ volles technisches Kulturgut dar und sind beileibe kein Sperrmüll. Doch leider wird heutzutage immer noch manches erhal­ tungswürdige Stück einfach achtlos und oft­ mals aus Unkenntnis vernichtet. Für die Zukunft wünschen sich die Freun­ de der historischen Radiowerkstatt weiter­ hin ausreichenden Nachwuchs und reges In­ teresse an diesem packenden Technikgebiet. Wünschenswert wäre auch ein verstärkter Niederschlag im Rahmen von Dauer- und Wechselausstellungen auf musealer Ebene, beispielweise nach dem Vorbild des Schwen- ninger Uhrenindustriemuseums. Denn bis­ her existieren hierzu nur relativ kleine Ausstellungen von Geräten, z. B. im Villin­ ger Franziskanermuseum oder im Triberger Schwarzwaldmuseum. Die erhebliche tech­ nikgeschichtliche und wirtschaftliche Be­ deutung der im Kreisgebiet ansässigen, welt­ bekannten Unterhaltungselektronik-Indust- rie über viele Jahrzehnte hinweg verdient hier eine dementsprechende, dauerhafte Be­ lebung und Würdigung. Dies zu fördern sei auch den heute und in Zukunft verantwort­ lichen Kräften von Stadt und Kreis zur per­ manenten Pflege und Dokumentation die­ ses einmaligen Industrieerbes für künftige Ge­ nerationen ans Herz gelegt. Bernd Stephan Anschrift und Treffpunkt Historische Radiowerkstatt an der Volks­ hochschule Villingen am Münsterplatz Kanzleigasse 6 78050 VS-Villingen Tel. 07721/82-2295 Kursabende jeweils Montag abends, au­ ßerhalb der Schulferien von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr

22. Kapitel/Almanach 2004 Pferdesport auf Weltniveau in Donaueschingen Europameisterschaft der Springreiter beim Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnistumier Die Idee zur Austragung eines Reitturniers in Donaueschingen ist Anfang der fünfziger Jahre in gemütlicher Runde im „Gasthof Schützen“ entstanden: Der damalige Erb­ prinz Joachim zu Fürstenberg und einige Mitglieder des Schwenninger Reitvereins saßen in geselliger Runde zusammen mit dem Schützenwirt am runden Tisch. Sie hat­ ten die Idee, dem im Juni 1952 durch einen Autounfall ums Leben gekommenen Bruder von Erbprinz joachim zu Fürstenberg, Prinz Kari zu Fürstenberg, mit einem Reitturnier ein Andenken zu setzen und zunächst alle zwei Jahre ein „Prinz Kari zu Fürstenberg- Gedächtnisturnier“ zu veranstalten. 1954 erstes regionales Reitturnier Gesagt, getan: Das erste regionale Reittur­ nier fand 1954 unter der Schirmherrschaft von Joachim zu Fürstenberg beim alten Schafstall im hinteren Park statt. Es wurde vom Reitverein Schwenningen organisiert. Zwei Tage lang konnten die regionalen Rei­ ter hier ihr Können testen. Für die folgen­ den immer größer und anspruchsvolleren Reitturniere stellte der 2002 verstorbene Joachim Fürst zu Fürstenberg das Gelände im F.F. Park zur Verfügung. Er war auch an der wachsenden Infrastruktur auf dem Ge­ lände maßgeblich beteiligt. Schon 1959 wurden die Disziplinen ausgeweitet: Erst­ mals fand nun ein dreitägiges Grenzland­ turnier in den Disziplinen Springen, Dres­ sur und Fahren statt, an denen auch Reiter des benachbarten Auslands, der Schweiz und Frankreich, teilnahmen. Das Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnistumier verzeich- nete derweil eine derart große Nachfrage, dass man sich ab 1960 entschloss, das Tur­ nier von nun an jährlich zu veranstalten. Unter der Schirmherrschaft des verstorbenen Fürsten Joachim zu Fürstenberg fand 1954 das erste regio­ nale Reitturnier in Donaueschingen statt. 1961 wurde der kleine Stehwall am Spring­ platz errichtet, 1962 das erste Richterhaus ge­ baut. Zum ersten Mal zeigte auch das Fernse­ hen Ausschnitte vom Donaueschinger Reit­ turnier. Als Schirmherr gab Joachim Fürst zu Fürs­ tenberg den Reitern und Sponsoren einen fürstlichen Empfang im Schloss. Die Funk­ tionäre und Helfer hatten die Möglichkeit zu einen gemütlichen Treffen im Schalander in der F. F. Brauerei. Auch als Sponsor für Preise war Joachim Fürst zu Fürstenberg stets präsent und etablierte zum Beispiel den „Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnis­ preis“. Bei den Reitern gab es einige Stamm­ teilnehmer, die bereits bei den frühen Donau- 2 6 7

Sport eschinger Reitturnieren mitgewirkt hatten, als die Pferde noch in einer Scheune unterge­ bracht wurden und die Infrastruktur des Tur­ niergeländes noch in den Kinderschuhen steckte. Etwa Hugo Simon und auch Hans Günther Winkler sind oft auf dem Gelände zu verschiedenen Springprüfungen gestar­ tet. Die Springlegende Hans Günther Wink­ ler gewann 1970 den „Großen Preis“ in Do- naueschingen, der für Österreich startende Deutsche Hugo Simon holte mehrmals den „Großen Preis“. Auch Gerd Wiltfang, Dres­ surreiter Josef Neckermann und Alwin Scho- ckemöhle waren Stammreiter beim Prinz Ka- ri zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier, erinnert sich Oberbürgermeister Bernhard Everke. Die Dressurreiterin Isabell Werth begann in Donaueschingen ihre Karriere zur Weltklas­ sereiterin. Sie blieb dem Donaueschinger Reitturnier auch in den späteren Jahren stets treu. Zwischen 1963 bis 1976 wurden in das Pro­ gramm schwere Vielseitigkeitsprüfungen in­ tegriert. 1964 wurden an vier Tagen die Ba­ den-Württembergischen Meisterschaften im Dressur- und Springreiten ausgetragen. Seit 1965 wurde das Turnier international zum C H I (Concours Hippique International) ausgeschrieben, ab dann fanden hier die schwersten Prüfungen der Klasse S statt. Das Fürstenhaus einigte sich darauf, den ehemaligen Hubschrauberlandeplatz vor dem Schloss zum Dressurplatz umzugestal­ ten. So entstand die noch heute von den Dressurreitem hoch gelobte feierliche Kulisse für ihre Darbietungen der Hohen Kunst des Reitens. 1966 wurden erstmals die schwersten internationalen Dressurprüfungen St. Ge­ org, Intermédiaire und der Grand Prix de Dressage ausgetragen. 1967/68 gab es weite­ re Veränderungen der Infrastruktur für das Reitturnier in Donaueschingen: Der Tur­ nierplatz wurde an die städtische Wasser- und Stromversorgung angeschlossen, um den Springplatz wurde eine feste Umzäu­ nung gebaut. 1973 kam der heutige Oberbürgermeister Dr. Bernhard Everke als Stadtoberhaupt in 2 6 8 die Baarstadt. Die Zusammenarbeit zwi­ schen Stadt und Fürstenhaus lief sehr gut, erinnert sich Everke. „Der Fürst hat mir sehr vertraut“. Das Reitturnier expandierte mit Hilfe der Stadt Donaueschingen und des Fürstenhauses weiter. 1976 war Donauesch­ ingen Austragungsort der Deutschen Meis­ terschaften der Springreiterinnen und der Deutschen Dressurmeisterschaft der Berufs­ reiter. Anstelle der Militaryprüfungen wur­ den in diesem Jahr Vielseitigkeitsprüfungen für Vierspänner in das Turnierprogramm auf­ genommen. Nachdem die FEI (Fédération Equestre In­ ternational) den Zuschlag für die Realisie­ rung der Europameisterschaften der Vierer­ zugfahrer erteilt hatte, fand 1977 in Donau­ eschingen die erste EM statt. Veranstaltungsgemeinschaft gegründet 1978/79 wurde die Veranstaltergemein­ schaft „Fürstenberg Reit- und Fahrturniere Donaueschingen GmbH“ gegründet. Die drei Gesellschafter Fürstenhaus, Stadt Donau­ eschingen und der Reit- und Fahrverein Schwenningen stellten je einen Geschäfts­ führer. Jürgen Jung, Manfred Link und Helmut Riegger übernahmen die Turnierlei- tung, der Reit- und Fahrverein Schwennin­ gen ist seitdem für die technische Leitung des Turniers verantwortlich. Die Gesell­ schafter beschlossen, eine große Tribüne für den Springplatz mit 2400 Sitzplätzen, Stal­ lungen und Büroräumen zu bauen, ebenso wurde das Richterhaus, ein Turnierbüro und der große Stehwall errichtet. Das Ausgabe­ volumen für die bessere Infrastruktur in der Größenordnung von rund einer Million Eu­ ro wurde mit einem Zuschuss des Landes zu 60 Prozent, Krediten, einem Nachschuss aus Stuttgart und 50 000 Euro seitens des städt­ ischen Haushalts finanziert. 1980 entstanden die neuen Stallgebäude, um mehr Pferde sicher und nah unterstellen zu können. Vor dem Schloss wurde ein zwei­ ter Dressurplatz gebaut. 1981 war Donau­ eschingen Austragungsort des „Finales Bun-

C H I R eitturnier D onaueschingen Vor der Kulisse des Schlosses finden die Prüfungen im Dressurreiten statt. Isabell Werth begann in Do­ naueschingen ihren Aufstieg zur Weltklassereiterin. 2 6 9

Sport deschampionat“ des Deutschen Springpfer­ des, 1983 wurde mit dem ersten Internatio­ nalen Springturnier für Junge Reiter (CSIOY) auch der reiterliche Nachwuchs in die Baarstadt geholt. Das Konzept hatte Er­ folg: 1985 und 1987 fanden hier die Europa­ meisterschaften der Jungen Reiter im Sprin­ gen statt. 1986 realisierten die Gesellschafter mit dem Internationalen Dressur-, Spring- und Fahrturnier der Bundesrepublik Deutschland (CHIO) das erste fünftägige Turnier in Donaueschingen. Das war der ab­ solute Höhepunkt, fand das C H IO bislang in Aachen statt, doch just in diesem Jahr richtete Aachen die Weltmeisterschaft aus. Donaueschingen erhielt den Zuschlag zur Austragung. Das Turnier stand für alle Sei­ ten unter einem guten Stern: Es wurden 46000 Zuschauer gezählt. Und: Die Deut­ sche Mannschaft gewann auch noch den Nationenpreis. Aufgrund eines kritischen Artikels im Zu­ ge des CH IO s seitens der „Stuttgarter Nach­ richten“, der eine effektivere und professio­ nellere Turnierorganisation forderte, setzte sich Oberbürgermeister Everke laut eigener Erinnerungen mit dem sachverständigen Journalisten zusammen. Heraus kam eine konstruktive Umstrukturierung. „Uns ist klar geworden: Jetzt brauchen wir Profis“, so Bernhard Everke, der beim Donaueschinger Reitturnier stets auch den Nutzen für den Fremdenverkehr und die Wirtschaft der Baar­ stadt im Auge hat. 1988 wechselte das Team der Turnierlei­ tung, sie ging an Gotthilf Riexinger, Christi­ an Abel und Hans-Peter Bauer. Mit Brigitte Pilton wurde eine Turniersekretärin einge­ stellt, die das Event ganzjährig betreute. Das Turnier expandierte weiter: 1988-1990 rich­ tete Donaueschingen im Rahmen der inter­ nationalen Prüfungen auch das Internatio­ nale Springturnier für Junge Reiter aus, 1991 kam die dritte EM Springen für Junge Rei­ ter in die Baarstadt. Auch die Europameis­ terschaft Dressur Senioren wurde in diesem Jahr hier ausgetragen. 1992 bis 1995 kamen auch die kleineren Pferde mit dem Interna­ 2 7 0 tionalen Springturnier der Ponyreiter zum Zug. 1986 wurde Falk Böhnisch, internatio­ naler Parcoursbauer für den Fahrsport aus Donaueschingen-Aasen neuer Turnierleiter und löste damit Hans-Peter Bauer ab. Seine Frau Bettina Böhnisch, selbst Ausbilderin für Gespannfahren, ist heute Ressortleite­ rin, Falk Böhnisch einer der drei Turnierlei­ ter. Das passionierte Reiter- und Fahrerehe­ paar aus Donaueschingen-Aasen hatte sich nicht nur seit Beginn des Reitturniers für den Fahrsport stark gemacht, sondern sorgte im Bereich Fahren auch für ein tolles Show­ programm zwischen den Prüfungen. Sanierung des Springplatzes Wurden die sportlichen Ziele für das Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier im Laufe der Zeit immer höher gesteckt, sahen sich die Gesellschafter nun von den Bedin­ gungen des Springplatzes her an ihre Gren­ zen gekommen: Wollte man die Weltklasse nach Donaueschingen holen, brauchte man einen entsprechend hochwertigen Spring­ platz. 1998 bekam der Luxemburger Platz­ architekt John Weier den Auftrag, den Spring­ platz für das Weltklasseniveau zu sanieren. Die Maßnahme kostete rund 587000 Euro. Nach dem Hochwasser 1997, bei dem der Boden des Platzes beim Turnier sehr weich geworden war und den Springreitern bei den Prüfungen Probleme bescherte, hatte sich der deutsche Springreiter Ludger Beer- baum für die Sache stark gemacht. Bernhard Everke bat den Gemeinderat in einer Son­ dersitzung um Bewilligung eines Drittels der Kosten, die anderen beiden Drittel wurden vom Land und dem Fürstenhaus finanziert. John Weier schritt zur Tat und brachte den Platz mit verschiedenen Schichten aus Vül- kanschlacke, Gaze, Erde und Kies und einer Drainage auf Weltklassestandard. Es ent­ stand im gleichen Zug ein zweiter Abreite­ platz für die Dressurreiter. Der Erfolg der Maßnahmen ließ auch bei den offiziellen Ausschreibungen nicht lange auf sich warten: 1998 wurde das erste Sam-

C H I R eitturnier D onaueschingen Die Durchfahrt der Vierspänner durch die Brigach ist ein Hindernis a uf der sogenannten Marathonstrecke und sorgt immer wieder für spektakuläre Wasserspiele. Der Springplatz während der CH I Europameisterschaft 2003. Um Weltklasse-Sportler nach Donaueschin­ gen holen zu können, wurde der Springplatz 1998 saniert und a uf Weltniveau gebracht. 2 7 1

Sport sung Nations Cup World Final im F.F. Park ausgetragen. Sieger des spannenden Finales war die französische Equipe mit dem rasan­ ten und fehlerlosen Ritt von Eric Pommel. „Die Investition hat sich gelohnt“, so das Fa­ zit Bernhard Everkes. „Wir haben hier einen der besten Springplätze der Welt“, bestätig­ te Ludger Beerbaum nach seinem ersten Proberitt. Ab 1999 wurde das Programm mit drei na­ tionalen Springprüfungen für Reiter aus Ba­ den-Württemberg erweitert. Wegen der ange­ schlagenen Gesundheit von Joachim Fürst zu Fürstenberg sah man den Schirmherrn des Turniers in diesen Zeiten nur noch selten auf dem Reitturnier, ihn vertrat das heutige Fürs­ tenpaar Heinrich und Maximiliane. Das operative Geschäft für das Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier lag seit fast einem Jahrzehnt bei dessen Sohn Heinrich. Im Jahr 2000 wurde der Abreiteplatz der Springreiter saniert, um die Bodenverhältnis­ se beim Warmreiten an den Springplatz an­ zugleichen. 2000 stand das Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier mit der Aus­ tragung der Deutschen Meisterschaft der Viererzüge (Großpferde und Ponys) ganz unter dem Stern des Fahrsports. 2001 war Donaueschingen siebte Station der neuen Riders Tour und Wertungsturnier für den Piaff-Preis für junge Dressurreiter. 2002 stand wieder ganz im Zeichen des Samsung Nations Cup World Finals (Sieger war das italienische Team) und der Gold- Zack-Riders-Tour. Nach dem Tod von Joachim Fürst zu Fürstenberg kurz vor dem 46. Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier übernahm Heinrich Fürst zu Fürstenberg die Schirm­ herrschaft. Er hatte schon in den Jahren vor dem Tod seines Vaters unter Beweis gestellt, dass er der Traditionsveranstaltung weiter­ hin die Treue halten wird. Dennoch gab es Veränderungen, denn ab Ende 2002 stieg das Fürstenhaus aus der Haftung für das Prinz Kari zu Fürstenberg- Gedächtnisturnier aus, die Stadt Donau­ eschingen trägt damit die finanzielle Haf­ 2 7 2 tung für die Austragung der Europameister­ schaft der Springreiter 2003 allein. Das Fürs­ tenhaus stellt weiterhin den F.F. Park zur Verfügung, die F.F. Brauerei bleibt weiterhin Großsponsor der Veranstaltung. Die heutigen Geschäftsführer der Reittur­ nier GmbH sind Hans-Dieter Daub für das Fürstenhaus und Peter Dippon, Leiter des Tourismus- und Sportamts Donaueschingen. Der langjährige frühere Mitgeschäftsführer Günther Jauch vom Schwenninger Reitver­ ein übernahm vor drei Jahren als Turnier­ manager das operative Geschäft. Europameisterschaft für Sprmgreiter 2003 Die Stadt Donaueschingen setzte für 2003 vermehrt auf Sponsoring, um das 47. Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier Do­ naueschingen vom 20. bis 24. August 2003, das neben der Europameisterschaft für Spring­ reiter zum dritten Mal die Riders Tour aus­ trug, mit einem Volumen von 1,8 Millionen Euro zu finanzieren. Auch Kreistag und Land haben Zuschüsse für das sportliche Großevent in der Baar- stadt zugesagt. Weiter gab es seitens der Wirtschaft Unterstützung: Der Sparkassen­ verband wurde als neuer großer Sponsor ins Boot geholt. Ebenso war Audi wieder mit von der Partie. Und auch zahlreiche kleinere Sponsoren von regionalen Mittelstandsfir­ men unterstützten die Turnierveranstalter bei ihrem Vorhaben. Die Resonanz auf die EM 2003 in Donau­ eschingen war sowohl seitens der Turnier­ teilnehmer als auch der Zuschauer „unglaub­ lich groß“, so Turnierleiter Gotthilf Riexin- ger. 46 000 Zuschauer begleiteten allein vom Donnerstag bis Sonntag das Geschehen auf dem Turniergelände im hinteren F.F. Park. Die Dressur wurde einmalig für die EM aus­ gesetzt. Bei den Internationalen Springprü­ fungen gingen indes 27 Nationen an den Start, 18 Equipen starteten im Mannschafts­ championat, 56 Teilnehmer beim LBBW- Cup, 32 Teilnehmer aus elf Nationen hatten sich für die Fahrprüfungen angemeldet. „So

C H I R eitturnier D onaueschingen Originell gestaltete Hindernisse zeichnen den Parcours in Donaueschingen aus. Der Springreiter Florian Angotpassiert gerade ein Hindernis, das dem Donaueschinger Rathaus nachempfunden ist. Den Preis der Landesbank Baden-Württemberg2003 in der Springprüfung Kl. S der LBBW-Tour gewann Andreas Krieg vom Reit- und Fahrverein Donaueschingen. 2 1 1

Sport etwas hat es in Donaueschingen noch nicht gegeben“, erklärte Gotthilf Riexinger in ei­ ner Pressekonferenz noch vor dem 47. Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier. Beim Fahrsport kamen als Zugeständnis an die EM mit dem Schwerpunkt Springsport 2003 lediglich die Großpferde-Viererge- spanne zum Zuge, die Prüfungen für die Ponyzüge fielen einmalig aus. Der Fahrsport blieb jedoch den eingefleischten Fahrsport­ fans mit Dressurprüfungen auf dem Fahr­ platz, der Jagd um Punkte, dem Hindernis­ fahren und dem Marathon für Großpferde- Viererzüge am Samstag auch dieses Jahr er­ halten. Und auch sportlich waren die Prü­ fungen für die Viererzugfahrer wichtig: „Hier entscheidet sich, wer ab November in den Hallen den Weltcup mitmacht“, erklärte Turnierleiter Falk Böhnisch. Und auch hier gab es noch eine Showeinlage anzuschauen: Sechs Kaltblüter-Rappen aus Moritzburg bei Dresden boten königlich angespannt zwi­ schen den Prüfungen einen optischen Au­ genschmaus. Attraktives Rahmenprogramm Dem Publikum wurde neben dem Reit­ sport ein attraktives Rahmenprogramm ge­ boten. Günter Kummerländer vom Cate­ ring-Unternehmen „vom feinsten“ hatte für die EM ein neues Bewirtungskonzept aus- getüftelt: Nicht nur wurde der Bewirtungs­ bereich hinter dem Springplatz für das Pub­ likum mit einem großen kulinarischen Markt­ platz, der „Europlaza“ zentriert. Diese Attrak­ tionen standen zum ersten Mal zusammen mit den Verkaufsständen auch dem Pub­ likum offen, das keine Eintrittskarten für die EM gekauft hatte. „Alle Bewirtungsbereiche sind erreichbar, ohne Eintritt zu zahlen“, so lautete das Motto für 2003. „Wir wollen die Menschen aus der Umgebung und der Re­ gion animieren, zu der EM in den Schloss­ park zu kommen und das Umfeld der Euro­ pameisterschaft zu schnuppern“, erklärte Günther Kummerländer die Philosophie hinter dem neuen Bewirtungskonzept. Die 2 7 4 Der Oberbürgermeister der Stadt Donaueschingen Dr. Bernhard Everke (rechts) undLudgerBeerbaum beim Reitturnier 2002. „Europlaza“ bot mitsamt einem Angebot der einheimischen Gastronomie Kapazitäten für die Verpflegung von 800 Gästen. Da die Reitturnier GmbH mit dem Konzept Gün­ ther Kummerländers gute Erfahrungen ge­ macht hat, soll die „Europlaza“ auch bei den zukünftigen Reitturnieren in dieser Form – nur dann unter anderem Namen – beibe­ halten werden. Auch die zweite Jazznacht am Samstag, den 23. August, gehörte bereits zum festen und gut angenommenen Rahmenprogramm des Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnis­ turniers. Sie wurde nach dem Erfolg der Auf­ taktveranstaltung 2002 noch ausgeweitet: 13 Jazzbands in 13 Lokalen ließen die Innen­ stadt Donaueschingens am Abend zur hei­ ßen Jazzmeile werden. Und auch von der sportlichen Seite konn­ ten sich die Veranstalter kein besseres Ergebnis für die Europameisterschaft der Springreiter wünschen: Hatte Bundestrainer Kurt Gravemeier noch vor der EM vorsich-

tig von „der Hoffnung auf eine Medaille“ gesprochen, hieß es am Freitag Nachmittag: Gold für die deutsche Equipe im M ann­ schaftssieg. Kurt Gravemeier wurde nach der feierlichen Siegerehrung natürlich prompt der bewährten Wassergrabentaufe unterzo­ gen. In der anschließenden Pressekonferenz wur­ de der Bundestrainer Springen von einem Journalisten gefragt, ob er noch einen neu­ en Anzug für die EM-Einzelwertung am Sonntag im Gepäck habe. Er hatte. Doch zu­ vor setzte am Samstag Otto Becker noch ei­ nen sportlichen Höhepunkt: Auf „Lando“ gewann er den Prinz Kari zu Fürstenberg- Preis mit einem fehlerlosen Ritt in der Sie­ gerrunde. Währenddessen gewann der deut­ sche Fahrer Christoph Sandmann den Ma­ rathon der Vierspänner vor Michael Freund, der mit seinem Sieg in der Dressur und im Hindernisfahren die kombinierte Prüfung gewann. Der Hesse sicherte sich im Schloss­ park einen Platz für den Weltcup. Am Sonntag Nachmittag geschah das ab­ solut Unerwartete: Der Youngster des deut­ C H I R eitturnier D onaueschingen schen EM-Teams, Christian Ahlmann (28) aus Westfalen, wurde auf dem Schimmel „Cöster“ neuer Europameister in der Ein­ zelwertung, gefolgt von Ludger Beerbaum (Silber) und Marcus Ehning (Bronze). Da standen drei Springreiter der Deutschen Mannschaft auf dem Siegertreppchen, Kurt Gravemeier fehlten einen Augenblick lang fast die Worte. Zum zweiten Mal in der Ge­ schichte kontinentaler Titelkämpfe hatte die deutsche Equipe nach 1975 in München al­ le Medaillen gewonnen. Am Ende der Europameisterschaft über­ gab Oberbürgermeister Everke als Präsident des Organisationskomitees der EM die Flag­ ge der Internationalen Reiterlichen Vereini­ gung an den Nachfolger der EM 2005 im italienischen St. Ligniano bei Rimini. Doch eines ist klar: Das Ergebnis der Europameis­ terschaft der Springreiter 2003 in Donau­ eschingen wird im Sportjahrbuch der EM künftig in großen Lettern gedruckt werden. Stefanie Saur Prinz Kari zu Fürstenberg-Preis 2003: Sieger Otto Becker, Erbprinz Christian zu Fürstenberg und M axi­ miliane Fürstin zu Fürstenberg. 2 7 5

E x p e d i t i o n z u m M o u n t E v e r e s t Der Schwenninger Eike Mrosek besteigt den „Berg der Berge“ Der Schwenninger Eike Mrosek erreich­ te am 26. M ai 2003 zusammen mit den Schweizern Tom Zwahlen und Christian Rossel (Foto) den Gipfel des

Eisige Winde peitschen über den Südgrat des Mount Everests. Die Tem­ peraturen liegen bei Minus 30 Grad. Links und rechts des messerscharfen Grates geht es mehr als 3 000 Meter in die Tiefe. An manchen Stellen Eike Mrosek kämpfen sich die drei Mitglieder der deutsch­ schweizerischen Expedition auf allen Vieren in Richtung Gipfel. Die Bedingungen könnten wahr­ lich besser sein, doch für den Schwenninger Mediziner Dr. Eike Mrosek sowie die Schweizer Tom Zwahlen und Christian Rossel bietet sich an diesem 26. Mai 2003 die letzte Chance, das Dach der Welt zu erreichen. . Jägmv &

Sport Seit zwei Monaten sind die sieben Mitglie­ der der deutsch-schweizerischen Jubiläums­ expedition in Nepal. Zwei Monate zwischen Hoffen und Bangen, das große Ziel, 50 Jah­ re nach den Erstbesteigem den höchsten Berg der Welt zu erreichen. Unter ihnen der Mann aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, der im Sommer 2002 als letzter Mann zum Team hinzustieß: der Arzt Eike Mrosek. Eigent­ lich suchte der 29-jährige eine Expedition, die sich einen leichteren der insgesamt 14 Achttausender zum Ziel gesetzt hatte. Dass es dann zum „Berg der Berge“ gehen sollte, lag eher daran, dass sich andere Möglichkei­ ten nicht ergaben. Von vorne herein hatte es der Extremberg­ steiger ausgeschlossen, sich einer kommerzi­ ellen Expedition anzuschließen, um auf den Gipfel eines Achttausenders „geführt“ zu werden. „Das widerstrebt mir, da ich gerne sel­ ber organisiere und aus eigener Kraft meine Eike M rosek beim Basislager. 2 7 8 Ziele erreichen will“, begründet er diese Hal­ tung. Mrosek profitierte davon, dass die Mitglie­ der der deutsch-schweizerischen Expedition noch einen Arzt suchten, der eventuell bis mit zum Gipfel aufsteigen würde. Vorher galt es jedoch gewisse Bedenken auszuräumen: „Mir kamen Zweifel, ob dieses Ziel nicht zu hoch gegriffen war, reichte meine Erfahrung doch nur bis 7000 Meter“, sagte Mrosek vor der Abreise nach Kathmandu. Die positive Einschätzung von Dr. Oswald Oelz, einem der Pioniere des Höhenbergsteigens und der Höhenmedizin, sollte dann das letzte Mo- saiksteinchen sein, um sich der großen He­ rausforderung zu stellen. Vom HimalaEa fasziniert Der Himalaja war schon immer ein Traum des heutigen Mediziners. Bereits als kleiner Junge hatte er die Expeditionsberichte von Edmund Hillary, Reinhold Messner und Hermann Buhl verschlungen. Diese eisige, gnadenlose Welt jenseits der 7000 Meter üb­ te schon auf den jungen Eike eine große Fas­ zination aus. Eine Faszination, die in all den Jahren nicht kleiner wurde. Mit den Eltern machte er erste Gehversuche in den Berchtes­ gadener Alpen, um dann mit zwölfjahren sei­ ne bergsteigerische Ausbildung im Jugendre­ ferat des Deutschen Alpenvereins und in der Schwenninger „Sektion Baar“ des DAV zu beginnen. So lernte er das Gehen in Eis und Schnee von der Pike auf. Im Laufe der Jahre sammelte er die Vier­ tausender in den Alpen wie andere Men­ schen Briefmarken, kletterte schwierige Rou­ ten und kämpfte sich auch im Winter auf die Giganten der Westalpen. Auch die immer lauernde Todesgefahr wurde ihm schmerzlich vor Augen geführt: Seinen bes­ ten Freund verlor er bei einem tödlichen Ab­ sturz in den bolivianischen Anden. Kaum eine Wand, kaum ein Gipfel in der Westschweiz, den der Schwenninger in die­ sen Jahren nicht bestieg. Schon bald verließ er die „Normalwege“, um auf schwierigen

M ount Everest Expedition Blick zum Gipfelgrat des Mount Everests. pNS(9t£ ^ Das Basislager am M o u n t Everest. 2 7 9

Sport Touren die höchsten Berge der Alpen zu be­ steigen. Auch Steilwandabfahrten auf Skiern gehören ins Repertoire des ausgebildeten Skilehrers. Seinen Hang zum Extremen lebte der Wahl-Freiburger auch beim Triathlon aus: Zweimal nahm er am legendären Ironman in Hawaii teil, und bereits mit 15 Jahren be­ stritt er seinen ersten Marathon. Nach die­ ser „Lehrzeit“ hieß es dann den Horizont er­ weitern. Zunächst war es allerdings nicht der Himalaja, den sich der Alpinist zum Ziel er­ koren hatte. Statt dessen ging es mit Freun­ den, unter anderem den Bad Dürrheimem Martin und Jürgen Rauh, in die Anden. Ei­ nige spektakuläre Gipfelerfolge bestätigten dem damaligen Medizin-Studenten, auf dem richtigen Weg zu sein. So stand er auf jenem Berg, der drei Alpinisten aus dem Kreis Tutt­ lingen im Juli 2003 zum Verhängnis wurde, dem Alpamayo. Vor allem hatten die Mo­ nate in Südamerika gezeigt, dass er den Auf­ enthalt in Höhen bis zu fast 7000 Metern gut übersteht. Am Ende des Tagebuchs dieser Expedition aus dem Jahre 1999 stand dann der Satz: „Der Himalaja ist immer nur einen Gedan­ ken entfernt.“ Im Sommer 2002 waren es dann nur noch neun Monate, die zwischen Mrosek und seinem großen Ziel lagen. Neun Monate, die ausgefüllt waren mit einem rie­ sigen Organisationsaufwand. Angesichts der Kosten von circa. 30000 Euro pro Mann galt es Sponsoren für das Unternehmen zu finden. In Villingen-Schwenningen zeigten sich die Südwest Presse/die Neckarquelle, Sport Müller und die Mediengruppe VS be­ reit, das Abenteuer finanziell zu unterstüt­ zen. Der Arzt, bis dato tätig am Department für Orthopädie und Traumatologie der Uni­ versitätsklinik Freiburg, musste seine Stelle kündigen, um das „Unternehmen Everest“ angehen zu können. Medikamente getestet Doch auch die Expedition bot ihm Gele­ genheit, seine beruflichen Ambitionen zu ver­ 2 8 0 folgen. Ziel der siebenköpfigen Gruppe war nicht nur jener Punkt auf 8 850 Metern, son­ dern auch die Erforschung von Medikamen­ ten für herz- und lungenkranke Patienten. Die Versuchsanordnung sah vor, dass die Berg­ steiger in der sauerstoffarmen Luft quasi zu Patienten werden, die dann die Medikamen­ te testen, die später den wirklich Kranken helfen sollen. So strampelten die Expediti­ onsteilnehmer in großen Höhen auf einem Ergometer, das mühsam in die großen H ö­ hen transportiert werden musste. Viel deu­ tet jetzt bereits daraufhin, dass mit den Tests die Wirksamkeit dieser Präparate bestätigt wurde. Doch nicht nur die medizinische Seite der Expedition sollte zu einem Erfolg werden. „Mindestens genauso wichtig war uns der Gipfel“, bekennt Mrosek. Als die M ann­ schaft Mitte April das Basislager des Mount Everests erreicht, ist die Zuversicht groß. Die Mitglieder des Teams sind sehr erfahren; für viele ist es nicht der erste Achttausender. Im 50. Jahr nach der Erstbesteigung des Chomo- lungma, so der tibetische Name für den Everest, sind mehr als 20 Expeditionen im Basislager versammelt. Alle haben das selbe Ziel: den Gipfel des Mount Everests, der 1953 erstmals von Tenzing Norgay und Edmund Hillary erreicht wurde. Doch schon bald stellt sich heraus, dass sich einige Mannschaften übernommen ha­ ben. Noch bevor die letzten Hochlager ein­ gerichtet werden, reisen viele Expeditionen enttäuscht ab, denn der Berg zeigt sich im Jubiläumsjahr ausgesprochen abweisend. Der sogenannte Jet Stream, ein scharfer Wind in circa 8 000 Metern Höhe, braust ausgerech­ net über den Gipfel des Mount Everests. Die Hoffnungen, dass sich der Sturm verla­ gert, erfüllen sich lange Zeit nicht. Jeden Morgen beim Blick zum Gipfel sehen die Bergsteiger jenen zarten, harmlos aussehen­ den Schleier, der auf orkanartige Winde hin­ deutet. Immer wieder versuchen Mrosek und seine Kollegen, in größere Höhen vorzudrin­ gen, um dort die Hochlager einzurichten. Anfang Mai gerät er mit Roland Brand und

M ount Everest Expedition ‚ Der Schweizer Tom Zwahlen im Khumbu-Eisbruch. Sonnenuntergang am Lager III in 7300 Meter Höhe. iw . — 2 8 1

Sport Frank Everts in einen fürchterlichen Sturm in Lager III auf 7000 Metern. Der Orkan zerrt an den Zelten, die fortzufliegen dro­ hen. Ohne Zelt, das wissen die drei Berg­ steiger, sind die Überlebenschancen äußerst gering. Vorsorglich haben sie sich alle ver­ fügbaren Kleider angezogen, um dem Sturm auch dann trotzen zu können, wenn das Zelt zerreißt. Doch sie überstehen die Nacht und retten sich am folgenden Tag in die tie­ feren Lager. „Dies war die gefährlichste Si­ tuation während der gesamten Expedition“, wird Mrosek rückblickend feststellen. Die Tage im Basislager vergehen, ohne dass der Berg eine Chance gewährt. Die Schnee­ fahnen am Gipfel senden ihre abweisenden Botschaften in Richtung Basislager; der Jet Stream tobt unentwegt. Sollte der ganze Auf­ wand umsonst gewesen sein? Gibt es einen ganzen M onat lang nicht die geringste Chance, den Gipfel zu erreichen? Alles deu­ tet daraufhin. Tom Zwahlen, der erfahrene Schweizer Bergführer, hat bereits das Funk­ gerät in der Hand, um das Ende der Expe­ dition zu verkünden – dann die Nachricht vom Schweizer Wetterdienst „Meteonews“, dass sich Ende Mai möglicherweise doch noch das Wetterfenster öffnet. Mittlerweile sind viele Teams frustriert abgereist, doch die Mitglieder der Jubiläumsexpedition harren aus. Von der nepalesischen Regierung haben sie die Erlaubnis, bis Ende Mai ihr Glück zu versuchen – und diese Frist soll bis zum letz­ ten Tag ausgereizt werden. Am 24. Mai beginnt der letzte Ansturm auf den Gipfel. Noch einmal durch den wild zerklüfteten Khumbu-Eisbruch, das Tal des Schweigens, die steile Lhotse-Flanke hinauf bis zum letzten Hochlager auf 8000 Meter. Diesen unwirtlichen Ort, den oft zitierten „teuersten Campingplatz der Welt“, erreicht die Mannschaft ohne Sauerstoff. Mrosek schreibt in seinem Tagebuch: „Der Aufstieg war eine Tortur: Hitze, keine Luft, steile Eis­ flanken. Felspassagen, nach denen ich fünf Minuten Luft holen muss. Es wollte kein Ende nehmen. Dann noch die Traverse zum Genfer Sporn. Ich weiß nicht, wie oft ich um­ 2 8 2 drehen wollte, doch wir verboten es uns ge­ genseitig. Gegen 16.30 Uhr erreichten wir dann jenen Südcol auf knapp 8000 Meter.“ Nur wenige Stunden bleiben zum Ausru­ hen, denn gegen 22 Uhr soll der Gipfeltag beginnen. Doch beim Teekochen passiert es: Mrosek leert Wasser über die Socken von Tom Zwahlen. „Eine Katastrophe“, erinnert sich der Schwenninger, „denn mit nassen Strümpfen sind Erfrierungen vorprogram­ miert.“ Fieberhaft trocknen Mrosek und Zwahlen die Socken über dem Gasbrenner, wobei wertvolle Zeit verloren geht. Das Trio erklimmt den Gipfel Zwei Stunden später als geplant kommen Eike Mrosek, Tom Zwahlen und Christian Rossel los. Es ist Mitternacht und die Stirn­ lampen beleuchten die steile Spur, die sich im Schnee abzeichnet. Roland Brand und Frank Everts sind bereits unterwegs zum Südgipfel, müssen dort allerdings umkeh­ ren, weil Brand schneeblind geworden ist. Everts verzichtet auf den Gipfel, um seinen Bergkameraden zusammen mit zwei Sherpas sicher in Lager IV zu bringen. Der Sturm wird immer schlimmer. Auch das übrig gebliebene Trio überlegt sich, den Gipfelgang abzubrechen. Auf allen Vieren kriechen sie dem Gipfel entgegen, denn auf­ recht stehend würde sie der Wind vom Grat blasen. Der Hillary Step, eine schwierige Schlüsselstelle kurz unterhalb des Gipfels, ist die letzte Klippe. Mrosek schreibt in seinem Tagebuch: „Drei Schritte, dann Pause. Immer weiter. Tom ist bereits oben und filmt. Unglaublich seine Disziplin. Nochmals ein paar Schritte und Tom und ich liegen uns in den Armen. Ein paar Tränen. Christian ist auch da! Wir sind auf dem höchsten Berg der Welt! (…) Wir sitzen fast 45 Minuten im Sturm hier oben. Dann machen wir uns auf den Rück­ weg. Mir graut… .“ Dass er erst der 22. Deutsche und der Erste aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis ist, der die­ sen Punkt erreicht hat, interessiert ihn in die-

M ount Everest Expedition Sonnenuntergang am Südcol a uf knapp 8 000 Meter Höhe. Das letzte Lager vor dem Gipfel. Kochen im Zxlt am Südsattel in ungefähr 8 000 Meter Höhe. 2 8 3

Sport sem Moment nicht. Die Sorge gilt nun dem Abstieg. Noch einmal ein Auszug aus dem Tagebuch: „Die Felspassagen am Südostgrat und unter dem Balkon sind im Abstieg hei­ kel. Außerdem sieht man nach unten kaum etwas wegen der Sauerstoffmaske und der Skibrille. Ich muss mir ständig die Maske vom Kopf ziehen. Eine Tortur! Endlich wieder im Basislager Nach einer halben Stunde sind wir endlich auf dem Südgipfel. Der Sturm nimmt weiter zu. Ich versuche, mich an den jämmerlichen Fixseilen abzuseilen. Das spart Kraft und Zeit. Nach zwei Stunden sind Tom und ich endlich auf dem Balkon. Christian kommt nicht. Wolken und Schneefahnen verdecken den Blick auf den Grat. Wir können ihn nicht sehen. Ist ihm der Sauerstoff ausge­ gangen? (…) Endlich kommt er. Wir können es kaum erwarten, ins Zelt zu kommen. Ich habe seit 15 Stunden nichts mehr zu mir ge­ nommen – weder Essen noch Trinken. Mei­ ne Trinkflasche ist gefroren.“ Nach 17 Stunden unentwegten Kletterns erreicht die Gipfelmannschaft gegen fünf Uhr nachmittags das Lager auf dem Südsat­ tel. Das Schlimmste ist überstanden, die Freu­ de über den Erfolg gewinnt Oberhand über die Befürchtungen, dass im Abstieg noch et­ was passieren könnte. Zwei Tage später ist Mrosek wieder im Ba­ sislager angelangt, wo er gemeinsam mit den beiden Schweizern begeistert empfangen wird. Mit dem Auszug der deutsch-schweizerisch­ en Expedition wird das Basislager geschlos­ sen – die Saison am Everest ist zu Ende. Mrosek und seine Kollegen rücken nun in den Blickpunkt des medialen Interesses. Das „heute-journal“ sendet live aus dem Basisla­ ger, der „Spiegel“ berichtet, zahlreiche TV- Sondersendungen befassen sich mit den Gipfelstürmern und den medizinischen Tests. Die ganze Zeit über hat Mrosek über Satel­ litentelefon Kontakt mit der Neckarquelle, die in einem Expeditionstagebuch über das Unternehmen berichtet. Zurück aus Nepal wird den Mitgliedern in Flausen bei Brugg ein begeisterter Empfang zuteil. Das halbe Dorf ist auf den Beinen, um die Gipfelmannschaft zu feiern. Es wird deut­ lich, dass der Mount Everest auch ein halbes Jahrhundert nach seiner Erstbesteigung nichts von seiner Faszination verloren hat. Für Dr. Eike Mrosek be­ ginnt nun wieder der All­ tag. Seit Mitte Juli ist er als Arzt im Kreiskrankenhaus Tuttlingen tätig. Doch der Traum von den Achttau­ sendern dieser Welt ist nicht ausgeträumt: K2 und Nanga Parbat sind Namen, deren Klang das Herz des Bergsteigers nach eigenem Bekunden im­ mer noch höher schlagen lassen. Markus Schmitz D e r Transport der A usrüstung ins Basislager erfolgte m it Yaks. Fotos: Eike M rosek 2 8 4

M ount Everest Expedition Die letzten Meter, Aufstieg am Gipfelgrat, ca. 8820 Meter Höhe sind erreicht. Eike Mrosek hisst auf dem Gipfel des Mount Everests die badische Flagge. 2 8 5

Sport Lohn für einen mutigen Kampf Thorsten Schmitt gew innt Silber im WM-Teamwettbewerb der Kom binierer Bei der WM im Fleimstal schien für Thors­ ten Schmitt im Februar dieses Jahres endlich wieder die Sonne. Er gewann die Silberme­ daille im WM-Teamwettbewerb der Kombi­ nierer. Mit im Team war unter anderem auch der Schonacher Georg Hettich (Bericht über Georg Hettich siehe Almanach 2003). Dieser Erfolg bedeutete für Thorsten Schmitt mehr als nur Anerkennung einer sportlichen Glanzleistung – viel, viel mehr. Der zweite Platz mit der deutschen M ann­ schaft war der verdiente Lohn eines jungen Mannes für den bewundernswerten Kampf gegen eine lebensbedrohende Krankheit, so­ wie die bitteren Rückschläge in den Wochen und Monaten der Genesung, als es sportlich nicht vorwärts gehen wollte. Schon als Jugendlicher erfolgreich Schon als Jugendlicher hatte der Tannhei- mer sein Riesentalent erkennen lassen. Zwei­ ter, Dritter und Vierter, so lauteten die Resultate bei den Deutschen Jugendmeis­ terschaften in den Jahren 1993 bis 1995. Drei Jahre später dann der Paukenschlag als Aktiver: Platz drei bei den Deutschen Meis­ terschaften und Aufnahme ins DSV-Team, das bei Olympia in Nagano Platz sechs be­ legte. Die Perspektiven waren also glänzend, die Ziele abgesteckt. Dann kam alles ganz anders. Beim damals 23-jährigen wurde Ho­ denkrebs diagnostiziert – und aus dem Kampf um Meter und Sekunden wurde von heute auf morgen einer ums eigene Leben. Das Thema Sport rückte zunächst einmal ganz weit in den Hintergrund. „Am Anfang war’s ein Schock. Man ist Leis­ tungssportler und denkt ja nicht daran, dass man auf einmal richtig schwer krank sein könnte“, erinnert sich der 27-jährige an den Tag der Hiobsbotschaft im Sommer. Was 2 9 2 folgte, waren Operation und drei Serien Chemotherapie, „so richtig heftig. Ich habe sie schlecht vertragen.“ Dank einer „Super­ behandlung“ durch die Ärzte in Freiburg sah Schmitt dann wieder Licht am Ende des Tunnels und fasste neuen Mut. Im Dezem­ ber traute sich der Tannheimer wieder ganz leichte Bewegung zu, musste aber schnell er­ kennen, dass nur wenig möglich war. „Ich bin keinen Berg hochgekommen. Solange ich flach gejoggt bin, ging’s, sobald es jedoch hinaufging, war der Puls bei 180. Ich kam mir vor, als hätte ich nie Sport getrieben.“ Erst im Mai des darauffolgenden Jahres konnte der Fußballfan wieder mit dem Trai­ ning beginnen, jedoch mit gedrosselten Um­ fängen. Doch dann ging es stetig voran, wenngleich Schmitt immer dann gefrustet war, wenn er mit den Kollegen der Natio- Thorsten Schmitt

T horsten Schmitt nalmannschaft zu Maß­ nahmen zusammentraf. „Ich habe gedacht, ich bin schon relativ weit, doch dort habe ich ge­ merkt, dass ich ganz weit weg bin.“ Doch der Tannheimer ließ sich nicht entmutigen und stellte den An­ schluss nach und nach her. „Ich hatte immer das Ziel, im Sport wie­ der dabei zu sein, das hat mir geholfen“, weiß Schmitt, der sich mit glänzenden Weltcup- Resultaten für die deut­ sche WM-Mannschaft geradezu aufdrängte. Der Tannheimer Thorsten Schmitt gewann Silber beim Weltmeisterschafts- Teamwettbewerb der nordischen Kombination. Hilfe auf dem Weg aus dem Dunkel zurück ins Licht, leistete ein ganz Großer des Sports – Lance Armstrong. Als Schmitt krank wurde, bestritt der Ameri­ kaner nach seiner Krebsbehandlung gerade wieder die ersten Rennen. Uber eine Bekann­ te kam der Schwarzwälder mit dem inzwi­ schen vierfachen Tour-de-France-Sieger per Internet in Kontakt – und der sprach Schmitt Mut zu, sich Ziele zu setzen und nie aufzugeben. Mit den großartigen Erfolgen seines Bru­ ders Martin hatte Thorsten nie Probleme. „Ich hab sie ihm stets gegönnt“, bekräftigt der sympathische Athlet, gibt jedoch zu, dass er schon dann und wann genervt war, wenn er von Gott und der Welt nur deshalb kon­ taktiert wurde, weil der Gegenüber irgend­ welche Dinge über den Springerstar in Er­ fahrung bringen wollte. Verkehrte Welt nun im Fleimstal: Martin und dessen Springer­ kollegen gingen leer aus und mussten sich den Spott der Fans und Medien gefallen las­ sen, Thorsten hingegen stand auf dem Treppchen und hatte sich einen Traum er­ füllt. Auch diese Konstellation verarbeitete er mit dem nötigen Realitätssinn. Von Ge­ nugtuung keine Spur, im Gegenteil: „Martin freut sich mit mir, so wie ich mich immer über seine Erfolge gefreut habe. Noch schö­ ner wär’s natürlich, wenn auch er eine Me­ daille hätte. Aber jetzt bin halt ich einmal eingesprungen.“ Für die Zukunft setzt er Prioritäten. Natür­ lich soll’s in der Kombination weiter nach oben gehen, doch der Sport ist längst nicht mehr alles. Spaß am Leben haben, zufrieden sein und andere glücklich machen, so lautet das Credo eines Athleten, der am eigenen Leib erfahren hat, dass von heute auf mor­ gen alles anders sein kann. Deshalb ist es dem sympathischen Schwarz­ wälder geradezu Verpflichtung, jenen zu hel­ fen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Wann immer es der eng gesteckte Zeitplan zulässt, unterstützt er, zusammen mit seinem Bruder, die Nachsorgeklinik Tannheim. Dabei macht er all denen Mut, die noch einen weiten und schweren Weg in Richtung Genesung zurückzulegen haben. Peter Hettich 2 9 3

Sport Wenn Mensch und Tier zum Team werden Jo hannes K ronbach ist W eltmeister in der 3 x 45 km Distanz der H undeschlittenfahrer „Weltmeister wird man nicht jeden Tag.“ Johannes Kronbach lächelt etwas ver­ schmitzt. Doch ohne die richtige Chemie im Team geht es nicht, betont der 42jährige immer wieder. Sein Team, das sind seine zehn Hunde, mit denen Kronbach Welt­ meister wurde. Siegfried, Petter, Sammy, Rosine, Brezel, Möpsen, Snobben, Ted, Jill und Sune: Mit dieser zehnköpfigen Hundemischlings- Mannschaft trainiert Kronbach das Jahr über, um in den Wintermonaten erfolgreich an Schlittenhunderennen teilzunehmen. Sein bislang größter Erfolg: der Weltmei­ stertitel 2003 in der 3×45 Kilometer limi­ tierten Mitteldistanz in Bernau. Limitiert bedeutet, daß die Anzahl der vorgespannten Hunde begrenzt ist. Hundeschlitten fahren ist mehr als verklärte Vorstellungen von ein­ samen Trappern, die durch tief verschneite Landschaften fahren, oder von Mushern, welche die Hunde vor ihr Gefährt spannen, um zu siegen. „Dieser Sport verlangt neben eigener Kondition auch eine perfekte Zu­ sammenarbeit mit den Tieren.“ Der42jähri- ge Kronbach weiß um seine Hunde, denen er zugleich Freund, „Leithund“ und Trainer ist. „Ich setze mich mit meinen Schützlin­ gen im täglichen Umgang auseinander. Sie müssen lernen, mir voll zu vertrauen. Nur so wird das Team Mensch/Hund perfektio­ niert und kann sportlich erfolgreich sein.“ Kronbachs Ideal der Teamarbeit zwischen Mensch und Hund zeigt Wirkung, wie in Johannes Kronbach wurde mit seinen Mischlingshunden 2003 Weltmeister in der 3×45 Kilometer limi­ tierten Mitteldistanz in Bernau. Sportlicher Erfolg rührt von der Teamarbeit zwischen Mensch und Hund her, so Kronbacb. 2 9 4

Bernau bewiesen, wo er in seiner Klasse mit der Gesamtzeit von 5:45:12 Stunden an drei Tagen rund fünf Minuten vor dem Zweit­ plazierten lag und mit einer Durchschnitts­ geschwindigkeit von 23,46 Stundenkilome­ ter zum Sieg fuhr. Auf das perfekte Zusam­ menspiel des Hundeschlitten-Teams kommt es um so mehr an, wenn man bedenkt, daß Kronbach auf der Baar nicht immer ideale Winter vorfindet. Deshalb trainiert er, wenn es sein Beruf zuläßt, zeitweise in Skandina­ vien oder auch im österreichischen Südtirol. In den Sommermonaten hält er sich selbst durch bis zu 3 500 Jahreskilometer Fahrrad­ fahren oder Lauftraining fit, zu dem er auch Hunde mitnimmt. Im Gespann können sich die vierbeinigen Mischlinge beim Wagen­ training auf Wiesen-, Feld- oder Waldwegen rund um ihren Heimatort Sumpfohren aus­ toben: „Straßentouren bleiben wegen damit verbundener Pfotenprobleme außen vor.“ Nichts Außergewöhnliches sind für Johannes Kronbach nächdiche Trainingseinheiten. Der aus Königsfeld bei St. Georgen im Schwarzwald stammende Kronbach küm­ mert sich neben seinem Beruf zusammen mit seiner Frau Barbara und den Töchtern Salome und Luzia täglich zwischen andert­ halb und vier Stunden um seine „sensiblen Schützlinge, die viel Zuwendung brauchen“. Dazu zählen der notwendige Auslauf und das Training genauso wie das Saubermachen der Zwinger, die Tierpflege und, wie könnte es bei H unden anders sein, die Schmuseein­ heiten. Kronbach arbeitet derzeit mit zehn Misch­ lingshunden, in die Jagdhunderassen einge­ kreuzt sind. Bei seinen Schützlingen kommt es weniger auf Rassehunde-Kriterien an. Was zählt sind Eigenschaften wie Sozial­ verträglichkeit, Laufvermögen, Führigkeit durch Menschen, guter Körperbau, Mus­ keln und Ausdauer. Aus diesen Grundvor­ aussetzungen und der Zusammenarbeit mit dem Musher entwickelt sich letztlich sport­ licher Erfolg. Auch wenn Johannes Kron­ bach ein liebevolles Verhältnis zu seinen Schützlingen pflegt, ist er derjenige, der das Jo hannes K ronbach Johannes Kronbach zu Hause mit Tochter Luzia. Sagen hat. Deshalb läßt sich „jederzeit ein neuer Hund in ein mehr oder weniger zu­ fällig zusammengewürfeltes Team von Ein­ zelcharakteren integrieren“. Bislang konnte Kronbach auf Würfe aus der Zucht des Schweden Egil Ellis zurückgreifen, dem der­ zeit weitbesten Sprint-Musher. Kronbach kam erst 1994 über einen Freund zum Hundeschlittenrennsport, schaffte sich zunächst einen Alaskan Husky an. Das not­ wendige sportliche Hintergrundwissen um die richtige Ausbildung und die Tierhaltung holte sich der Schwarzwälder beim Schlit- tenhunde-Sportverein Baden-Württemberg, von dem er mittlerweile Präsident ist. H un­ de sind lange leistungsfähig. „Bis ins Alter acht oder neun können sie an Rennen teil­ nehmen“, so Kronbach. Und dann stehen ihnen immer noch weitere fünf bis zehn Jahre Lebenszeit bevor. Stefan Limberger-Andris 2 9 5

23. Kapitel /A lm anach 2004 Theater „maria brennt! – Eine Hüfinger Hexengeschichte“ Paul S iem t in sz e n ie rte das Stück des S o m m e rth e a te rs als T h ea te rsp a zierg an g Erwartungsvoll richten sich 300 Augen­ paare auf die Bühne im A ußenhof des ehe­ maligen Hüfinger Schlosses. Plötzlich fährt von hinten ein Cabrio laut hupend vor. Ei­ nige Zuschauer schauen sich verärgert um, sie fühlen sich gestört. Doch die vier jungen Menschen, die aussteigen, sind nicht zufäl­ lig gekommen. Sie haben Mikrofone und ei­ ne Kamera bei sich. Mit diesem Uberraschungseffekt startete Re­ gisseur Paul Siemt das Hüfmger Sommer­ theater 2003. Ein Laientheater, das von der Hexenverbrennung im 17. Jahrhundert han­ delte. Die abwechslungsreiche Inszenierung als Theaterspaziergang mit acht verschiede­ nen Plätzen und die schauspielerische Leis­ tung der 37 Laien erweckten schnell überre­ gionales Aufsehen. Das Stück „maria brennt!“ erhielt in den drei Wochen vom 17. Juli bis zum 4. August fast schon so etwas wie einen Kultstatus. Aus dem ganzen Land reisten in­ teressierte Menschen nach Hüfingen. Die Nachfrage überstieg das Platzangebot bei wei­ tem. Letztlich kamen fast 4 000 Zuschauer. „Blair-Witch-ProEekt“ dient als Vorbild Die Handlung hielt die Zuschauer auf Trab: Einer Studentengruppe aus Tübingen fiel im Jahr 2003 ein geheimes Kirchen-Doku- ment aus dem Jahr 1631 in die Hände. Es handelte von Maria Jacobea Schülin, Frau von Mathias Tinctorius, Notar zu Hüfingen, die 1631 als Hexe verurteilt und verbrannt wurde. Mit einer Videokamera bewaffnet, begaben sich die Studenten auf die Suche nach Spuren aus dem Leben von Maria Ja­ cobea Schülin. Das Theaterstück zeitigte aus mehreren Gründen großes Interesse. Stoff wie Neid, Eifersucht und Missgunst, geachtete Men­ 2 9 6 schen plötzlich zu Sündenböcken abstem­ peln, ist heute noch aktuell. Und nach dem Vorbild des Films „Blair-Witch-Projekt“, der in den USA vor einigen Jahren Kultstatus er­ reichte, hat der bekannte Regisseur Paul Siemt ganz bewusst mit der Zeitenmischung gearbeitet. Die aktuellen Recherchen der Studenten wurden per Filmausschnitte in die historische Handlung eingespielt. Auf der Suche nach Maria Jacobea Schülin „fie­ len“ Studenten und Publikum durch das Zeitloch und näherten sich immer mehr dem tatsächlichen Leben der Maria Jacobea. Sie erfuhren, dass Maria Jacobea eine heil­ kundige Frau war, die auf vielfältige Weise half. Viele Menschen vertrauten ihr und ihren Heilkräutern mehr als den Ärzten. Doch nicht immer konnte oder wollte Ma­ ria Jacobea helfen. Als im Theaterstück die Brezelverkäuferin zu ihr kam und sie bat, bei der Tochter, die vom eigenen Vater schwan­ ger war, abzutreiben, lehnte Maria Jacobea ab. Den Betroffenen gefiel dies nicht und mit der Zeit änderte sich die Stimmung gegen das zugezogene Ehepaar Tinctorius, zumal der Notar rigoros die Wünsche der Fürsten­ berger nach Geld und Macht umsetzte und den Bauern höhere Belastungen aufdrückte. Neid, Eifersucht und Aberglaube keimten auf, das Volk wollte Maria Jacobea auf dem Scheiterhaufen sehen. Die verbitterte Bre­ zelverkäuferin, stimmig verkörpert von Hel­ ga Schafbuch, rief als erste „Die Hex soll brennen!“ Dass es allerdings tatsächlich so­ weit kommen würde, hätten die Frauen, die in eine Pro- und Contra-Gruppe gesplittet waren, nicht gedacht. Am Schluss waren auch die Frauen, die Mariajacobea beschimpften, betroffen. Maria jacobea wurde der Prozess gemacht. Doch so sehr sich der Vogt und der Pfarrer

Bauchtänzerin in der Jahrmarktsszene vor der Kulisse des ehemaligen Schlosses. Theaterspaziergang durch den Schlossgarten.

Theater bemühten, die Angeklagte Maria Jacobea der Ketzerei und Hexerei zu überführen, so deutlich wurde auch, dass es sich nur um Gerüchte handelte, die nicht zu belegen wa­ ren. Dass eine Kuh keine Milch mehr gab oder ein Kind in einer Sturmnacht erfror, dafür konnte man nicht Maria Jacobea die Schuld geben. Als schließlich alles auf einen Freispruch von Maria Jacobea hinauslief, trat die eifersüchtige Frau des Schultheißen vor und brachte die verhasste Maria Jacobea mit einer gezielten Falschaussage zu Fall. Das Theaterstück endete aber mit dem „Wunder von Hüfmgen“: Die Studenten­ gruppe rettete Maria Jacobea Schülin unter Feuerwerkszauber vom brennenden Schei­ terhaufen. Zuschauer in die Handlung integriert Für Spannung und Abwechslung sorgte Regisseur Paul Siemt durch mehrere gute Regieeinfälle. Durch die Inszenierung als Theaterspaziergang mussten sich auch die Zuschauer bewegen. Und sie wurden mehr­ fach ins Geschehen mit einbezogen. So hat­ ten bei der Jahrmarktsszene zum Auftakt die drei Dirnen, meisterhaft gespielt von Kerstin Skodell, Birgit Hauptvogel und Sabine Lan­ den, den Schlossplatz und das Publikum auf der Suche nach potenziellen Kunden im Griff. An den späteren Stationen wartete der Regisseur mit provozierenden Sätzen gegen Frauen auf, vor allem die weiblichen Gäste würzten diese Szenen mit lauten Buh-Ru- fen. Dazu kamen meist kurze, zündende Dia­ loge, von denen die meisten klassische Zita­ te aus der Bibel waren. Für Spannung sorg­ te die Regie auch dadurch, dass die Frauen in eine Gruppe für und in eine gegen Maria Jacobea eingeteilt war. Ob auf dem Jahrmarkt oder im Gericht, immer sorgten diese bei­ den Pole für Zündstoff. Die „Laien“, von de­ nen viele zum ersten Mal auf der Bühne standen, gingen in ihrer Rolle auf und lebten mit. Ob Ellen Uhrhan und Carolin Ruthig als Studentinnen, Turid Abraham als Bauchtän­ 2 9 8 zerin, Diana Vater als Bettlerin und Irre, Andreas Herdlitschka als behinderter Sohn von Maria Jacobea, Frieder Schräbler als No­ tar Tinctorius, Reinhard Isak als Pflichtver­ teidiger, Margret Krank als Zeugin „Hanna Kusslerin“, Heidi Mayer als Frau des Schult­ heißen oder Schultheiß Georg Wild, sie al­ le wuchsen in ihrer Rolle. Hauptdarstellerin Susanne Hauser-Wollenberg spielte Maria Jacobea Schülin. Drückte sie das nicht, je­ den Abend beschimpft und niederträchtig beschuldigt zu werden? Die Akteurin ver­ neinte. Sie habe versucht, sich in Maria Ja­ cobea hineinzuversetzen und sei damit gut zurecht gekommen. Eine besondere Leistung vollbrachte Silvia Isak, die trotz der Glut­ hitze in einem fast luftdichten Bärenkostüm auf die Bühne stapfte. Für Hüfingens Bürgermeister Anton Knapp war „maria brennt!“ mehr als nur ein Som­ mertheater. Es war vielmehr Teil einer kom­ munalpolitischen Philosophie, mit der An­ ton Knapp die Kleinstadt mit 7600 Ein­ wohnern erfolgreich als Kulturstadt positio­ niert. Seit er vor rund 15 Jahren Schuhes wurde, wurde in Hüfingen, das schon durch seine 150-jährige Blumenteppich-Tradition an Fronleichnam bundesweit bekannt ist, eine kulturelle Infrastruktur geschaffen. Das zugewachsene Römerbad wurde wiederbe­ lebt und mit einem Millionenaufwand zu einem Schmuckstück saniert; Hüfmgen er­ hielt ein Heimatmuseum. Die vor zwölf Jah­ ren gegründeten Keramik-Wochen in der historischen Altstadt werden längst interna­ tional besucht. Vor fünf Jahren folgte das erste Theaterstück über die Badische Revo­ lution in Hüfingen, ebenfalls unter der Re­ gie von Paul Siemt. Voriges Jahr ging es im Stadtteil Mundeifingen um den Dreißig­ jährigen Krieg. Jetzt stand die Hexenverfol­ gung in Hüfmgen auf dem Programm, an die heute noch der „Hexenberg“ erinnert, auf dem mehr als zehn Frauen hingerichtet wurden. Das Sommertheater zeigte: Hüfmgen geht seinen eigenen Weg. In einer Zeit, wo ange­ sichts schrumpfender Finanzmittel die Zu-

Das Filmteam im Schlossgarten auf der Suche nach den Spuren von Maria Jacobea Schülin. Maria Jacobea Schülin auf der Anklagebank.

Theater Schüsse für Kultur landauf landab gekürzt werden, setzen die Verantwortlichen weiter auf Kultur als weichen Standortfaktor. Und Hüfingen fährt gut dabei. Die finanzielle Si­ tuation stellte sich zum Zeitpunkt des Re­ daktionsschlusses so dar: Rund 85 000 Euro oder noch etwas mehr kostete die Produkti­ on, ein beträchtlicher Batzen für eine Klein­ stadt. Fast 32 500 Euro kamen über Sponso­ ren und einen Zuschuss des Landesamateur­ theaters, mehr als 50000 Euro wurden ein­ gespielt. Möglich war dies nur, weil der Ge­ meinderat dahinter stand und bereit war, ein etwa durch Regen bedingtes Defizit zu übernehmen. Bürgermeister Anton Knapp wies neben der Werbung auch auf den so­ zialen Wert für die Stadt hin: Das Stück ha­ be eine Verzahnung der unterschiedlichsten Schichten bewirkt, unter den Laienspielern waren ganze Familien. Auf der Bühne stan­ den mehrere Generationen, von der elfjäh­ rigen Schülerin Sandra Herdlitschka bis zum eben pensionierten, 63-jährigen Konrektor Georg Wild. Die ganze Stadt unterstützte das Projekt, von den Vereinen über den städ­ tischen Bauhof bis hin zum Stadtkämmerer und dem Stadtbaumeister als Kartenabreißer. Auch das Altenheim im ehemaligen Schloss stellte Räume zur Verfügung und nahm Ein­ schränkungen im Betriebsablauf in Kauf. Eine rundum positive Bilanz Das Stück überzeugte, weil die 37 Laien­ schauspieler als Ensemble wirkten. Regis­ seur Paul Siemt, der die Rollen hervorra­ gend besetzt hat, zeigte sich beeindruckt. Die Laien würden sich so engagieren, „dass die Leidenschaft teilweise ausreicht, das fehlende Professionelle zu überdecken.“ Sie alle wa­ ren und sind stolz auf ihre Stadt: Thomas Wollenberg, der die Abendregie leitete, „Büt­ tel“ Thomas Schmid oder Helmut Vogel, der als „Pfarrer“ neue Tugenden entdeckte. Die drei Theater-Wochen vergingen fast wie im Flug. Es kam der Abschiedsabend. Noch einmal traten die Akteure auf die Büh­ ne, gaben ihr Bestes. Die Zuschauer spürten 3 0 0 diese besondere Stimmung und gingen be­ geistert mit. Beim gemeinsamen Schlusslied brannten sie Wunderkerzen ab, Publikum und Akteure verschmolzen zu einer Einheit. Bürgermeister Anton Knapp strahlte: Das Theater habe überregionale Wirkung erzielt. Wenn es gelinge, dies in zwei- bis dreijähri­ gem Rhythmus zu etablieren, „erhält das für die ganze Region Bedeutung.“ Wobei die Produktion ohnehin durch das Städteviereck unterstützt wurde. Die schö­ nen Gewänder kamen aus der Bräunlinger Zunftkammer, die farbenprächtigen Gauk­ ler auf dem Jahrmarkt stammten von der Jonglage AG der Realschule Blumberg. Und die einfühlsame Musik hatte der Donau- eschinger Brent McCall komponiert. Man­ che Melodien wie das in strahlendem E-Dur gehaltene Schlusslied wurden schnell zu Ohr­ würmern. Zumal die Zuschauer mit dieser Melodie auch vom Gerichtssaal zur letzten Szene vor dem Scheiterhaufen begleitet wurden. Das Sommertheater bleibt erhalten Wenn sich aus der jetzigen Gruppe ein har­ ter Kern entwickle, sei Regisseur Paul Siemt auch für die nächste Staffel bereit. Die Lai­ enschauspieler zeigten sich offen und riefen gleich einen Theaterstammtisch ins Leben. Wenn alles klappt, soll im Jahr 2005 das nächste Hüfinger Sommertheater über die Bühne gehen. Hüfingens Bürgermeister Anton Knapp konnte die große Resonanz kaum fassen: „Mit diesem Erfolg habe ich in keiner Wei­ se gerechnet.“ Anton Knapp nannte mehrere Faktoren, die optimal zusammen passten: Das Anpassen und das Arrangement des Stückes an das Thema durch Autor und Re­ gisseur Paul Siemt. Ferner die geschickt kom­ binierten Schauplätze vor dem Schloss, dem Pflegeheim, Garten und der Stadthalle. Da­ zu kamen das Engagement und die Begeis­ terung der 37 Laienspieler, sowie die ein­ fühlsame Musik von Brent McCall, hervor­ ragende Musiker und das traumhafte Som-

D as H üfinger Som m ertheater dern und Jugendlichen hervor. Ellen Uhr- han und Carolin Ruthig vom Filmteam wa­ ren ebenfalls begeistert und betonten, durch Schauspielen lerne man sich selbst besser kennen. Reinhard Isak war überwältigt, dass Leute von weit her zum Theater kamen. Die Zuschauer waren begeistert. Manche kamen ein zweites und drittes Mal. Und nicht nur bei den Akteuren klingt ab und zu noch die eingängige Melodie des Schlusslie­ des in den Ohren. Und dann tauchen sie wieder auf, die bunten Bilder vom Theater­ leben. Bernhard Lutz merwetter. Bei den Laienspielern seien sie offen für Interessenten von außen. Bei „ma- ria brennt!“ spielten drei Auswärtige mit. Auch die Aktiven zogen eine positive Bi­ lanz: „Ich bin mit der Leistung jedes Ein­ zelnen mehr als zufrieden“, sagte Thomas Wollenberg von der Abendregie. Jeder habe sich gesteigert, das Tribunal als Kernstück sei rüber gekommen. Ihm habe es großen Spaß gemacht, er habe von Regisseur Paul Siemt viel gelernt. „Schultheiß“ Georg Wild fand das Generationenübergreifende positiv: „Wir sind zu einer Gruppe zusammengewach­ sen.“ Georg Wild, Senior und ruhender Pol, stellte fest. „Das Theater war nicht nur für die Stadt Hüfingen, sondern für jeden Ein­ zelnen etwas Wertvolles.“ Das fand auch Heidi Mayer, Frau des Schultheißen: „Es war viel Probenarbeit, aber es hat sich ge­ lohnt.“ Kerstin Skodell hob die vielen so­ zialen Kontakte gerade auch unter den Kin­ Der Schlusschor – die stimmungsvolle Musik des Stücks komponierte Brent McCall.

24. Kapitel /Almanach 2004 Lyrik der Heimat Des Magiers Fluch „Er hat mich verflucht, er hat mich ver­ flucht“ murmelte der Komtur. „Nie darf ich froh mit den Fröhlichen sein, einsam soll ich leben und sterben, von allen gemieden.“ Schwermütig blickte der vornehme Herr. Seine Gestalt und sein Gesicht waren frisch, trotz seiner sechzigJahre, das dunkelblonde Haar zwar an den Schläfen gelichtet, doch von keinem grauen Faden durchzogen. Ener­ gisch der Bart auf Kinn und Oberlippe – doch in den dunkelblauen Augen nistete unsag­ bare Trauer. „Was fehlt Euch, edler Herr?“ Seine Linke umfaßt den reich verzierten Goldgriff des Degens; lässig hält die Rechte die eleganten braunen Lederhandschuhe. Matt schimmert das schwere Silber der ba­ rock geschwungenen Gürtelschnallen. Wie reich und fein die weißen Spitzenmanschet­ ten auf dem schwarzen Habit! Steif die weiße Halskrause. Das weiße achteckige Kreuz des Johanniterordens hebt sich kantig ab vom schwarzen Tuch. „Er hat mich verflucht.“ Müde und traurig, kaum hörbar murmelt er die Worte. „Weshalb denn? Ihr seht aus wie ein guter Herr!“ „Ich habe mich bemüht, ein guter Herr zu sein. Treu habe ich meinem Orden gedient. Wie es die Regel befiehlt, lebte ich Jahre auf Malta. Und als Ritter fuhr ich mit auf den Galeeren. Sträflinge ruderten – das war so üblich. In Hitze, Schweiß und Gestank re­ gierte über ihnen die Peitsche. Wir Ritter fragten nicht, warum man sie verurteilt hatte.“ Einer der Männer fiel mir auf. Er sah ge­ scheiter aus als die anderen; er war noch tSäeere des JTlaiteserordßrts läuft W eit J^ ea etrt, Illustration: Helmut Groß 3 0 2

jung. Ich sprach ihn italienisch an, er ant­ wortete deutsch. Er sagte, als fahrender Scho­ lar sei er in Neapel in Händel verstrickt wor­ den. Ehe er wußte, wie ihm geschah, hatte man ihn überwältigt und ihn an die Ruder­ bank geschmiedet. Ich sorgte dafür, daß er frei kam. In Palermo ließ man ihn laufen, und ich vergaß ihn. Komtur in Villingen Viele Jahre vergingen. Mein Stammgut am Rhein warf schöne Erträge ab, bei der Aus­ wahl des Gesindes hatte ich eine glückliche Hand. Ich tat Kurierdienste für meinen Or­ den. In Deutschland brach der große Krieg aus. Die katholische Sache schien zu siegen. Als ich achtundfünfzig war, schickte der Or­ den mich nach Villingen – wir besaßen in der Gegend einige Dörfer. Als Komtur soll­ te ich Vorstand sein für eine Kommende von etwa zwölf bis zwanzig Rittern. Wir ver­ walteten unsere Güter, und wer zu uns kam, wurde gepflegt an Körper, Geist und Seele. Ich war noch nicht lange hier, da machte am Bodensee ein Schwarzkünstler von sich reden. In Gläsern schüttete er Elemente zu­ sammen, daß Gestank, Feuer und Rauch entwichen. Er deutete die Sterne, und aus der Hand las er den Leuten ihre Vergangen­ heit und ihre Zukunft. Für ein paar Gro­ schen ließ er sie Paradiese schauen – er ver­ hieß ihnen Trost für Armut und Elend. Nicht die Kirche würde ihnen Glückseligkeit spenden, sondern er. In Geisingen steckte der Magistrat ihn in den Turm. Man rief den Abt Gaisser von den Benediktinern und mich, ihn peinlich zu befragen: Welche Teufel und Geister hal­ fen ihm, die Menschen zu verführen? Zangen, Schrauben und Rad preßten aus ihm heraus, was wir vermuteten: auf den Märkten Italiens hatte er Tricks gelernt, die den Leuten Wunder vorgaukelten. Durch Magnetismus versprach er, die verschieden­ sten Leiden zu heilen; und er verbreitete die Ansichten eines Galilei, der glaubte, die Irr­ lehren des Kopernikus beweisen zu können. D es M agiers Fluch Sein Gesicht verzerrte sich, als unsere In­ strumente in sein Fleisch schnitten. Da er­ kannte ich in ihm den Mann, den ich von der Galeere befreit hatte. Und er erkannte mich auch. Wer einmal half, möchte dem Schützling gern wieder helfen, und der ein­ stige Schützling erhofft sich Hilfe auch ein zweites Mal. Ich mußte mein Herz ver­ schließen. Der Magier Antonius von dem Einhorn – so nannte er sich jetzt – beschwor mich mit Blicken, den Folterknechten Ein­ halt zu gebieten; aber er biß die Zähne zu­ sammen, kein Schrei entrang sich seinem Mund. Er hatte verkündet, bald würden Pestilenz und schreckliche Kriegsgreuel alle deutschen Lande heimsuchen. Er beschwor die Men­ schen, an nichts anderes zu denken als dar­ an, ihr Leben zu genießen, bald wäre es da­ zu zu spät. Was er lehrte verwirrte das Volk. Mit glühenden Eisen drangen wir in ihn, den Werken des Teufels abzuschwören. Er war verstockt und schrie, wir wollten nicht sehen, was doch klar vor aller Augen lag. Er wagte es, uns für verblendet zu halten – uns, die wir doch die allgemein anerkannten Lehren der Heiligen Kirche vertraten! Sol­ che Ketzerei verdiente nichts anderes als den Scheiterhaufen. Am 4. September 1624 wur­ de er in Geisingen verbrannt. Es war ein sonniger und windstiller Tag. Abt Gaisser und ich standen wenige Schritte vom Holzstoß, etwas weiter entfernt viel Volk in beklommenem Schweigen. Als die Flam­ men zu prasseln begannen, schrie der Ma­ gier: „Fluch über euch, die ihr christliche Liebe predigt und Menschen verbrennt! Ihr behauptet, Seelen zu retten, doch ihr denkt nur an eure eigene Macht! Aussätzige seid ihr, und meiden sollen euch alle ehrlichen Menschen. Nie sollt ihr froh mit den Fröh­ lichen sein, wie schwarze Aasvögel soll man euch verabscheuen; flammend soll immer mein Bild euch vor Augen stehen, eine Mahnung, daß auch ihr einst werdet bren­ nen müssen in ewiger Verdammnis!“ Viel­ leicht hätte er noch weiter so lästerlich ge­ flucht, doch ich gab dem Büttel ein Zeichen 3 0 3

Lyrik der H eim at Illustration: Helmut Groß 304

– der durchstieß ihm mit der Lanze den Hals. Blut machte das Feuer qualmen, ent­ setzlicher Gestank verbreitete sich. Abt Gaisser und ich verließen den Platz – die Menschen wichen vor uns zurück, eine Gas­ se tat sich vor uns auf als wären wir Pest­ kranke. Wir wandten uns nicht um nach dem verbrennenden Magier. „Der Magier hat mich verflucht“ Ich wollte ihn vergessen. Für mein Amt war ich unermüdlich unterwegs, besserte hier, mahnte dort, gab gute Ratschläge. Nur wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, ging ich zu den anderen in Villingen ansässigen Rittern in die Herrenstube. Es wurde selten, daß Gäste zu uns in die Kommende kamen, und auch dann blieben sie nicht lange. Be­ klagenswert war der Zustand unserer fast verfallenen Kirche – ich stiftete viel Geld aus meinem privaten Vermögen, wir bauten ei­ nen Chorraum, ließen schöne Bilder malen, kauften eine gute Orgel, ich sorgte für den Unterhalt der Geistlichen. Aber alles moch­ te nicht fruchten, die Menschen mieden uns. Wir arbeiteten, studierten und lehrten – aber es lag kein Segen darauf. Ich wollte ein guter Mensch sein. Wer durch seinen Stand herausgehoben ist über das Volk, muß mehr als andere die heilige Ordnung erhalten. In gutem Willen führte ich aus, was den Lehren der Heiligen Kirche entsprach. Der Magier hat mich verflucht. Und noch heute schaut der Komtur Dietrich Rollmann von Dattenberg mit unendlich traurigem Blick aus seinem düsteren Bild. Er starb im April 1632, Sechsundsechzig Jahre alt. Bei seiner Beerdigung folgten außer dem Abt Gaisser nur ganz wenige Brüder seinem Sarg. Neun Monate nach seinem Tod wurde Villingen von den Schweden belagert; ob­ wohl die Stadt widerstand, wüteten in der Gegend die Schrecken des Krieges. Herr von Dattenberg war der letzte seines Geschlechts. Nach ihm gab es in Villingen mehr als fünf­ zig Jahre lang keinen Komtur der Johanni­ ter. D es M agiers Fluch Etwa 150 Jahre nach seinem Tod wurde die Kommende aufgelöst, die Kirche wurde zur evangelischen Stadtkirche Villingens. Wolfgang Tribukait Erstabdruck in: Verwandeltes, Literarische Werk­ statt Villingen-Schwenningen (Hg.), 1997 Wettlauf der Blätter Straßen, die umsäumt von Bäumen, sind im Herbst besonders schön, zaubern Bilder, grad zum Träumen, lassen uns verweilend steh’n. Zu des Himmels blauen Weiten streben Zweige, bunt belaubt. Blätter rauschen, wirbeln, reiten, jetzt noch leuchtend, bald verstaubt. Manche taumeln schon zur Erde und die Straße nimmt sie auf. Sieh! Ein Windstoß hetzt die Herde, um die Wette, Blättchen, lauf! Wie sie säuselt, scharrt und knistert, wie es stolpert, eilet, steht. Und wie’s in den Zweigen flüstert: Laßt uns mit, sonst wird’s zu spät! Niemand denkt bei solchem Fallen, daß es schließlich Sterben sei. Wie ein köstlich Spiel scheint’s allen: Gottes Hand kann allerlei! Helmut Schlenker 3 0 5

Lyrik der H eim at Für ihn die Einzige E in e F antasie Er wollte mir etwas mitteilen, ich fühlte es seit längerer Zeit, er trug etwas mit sich he­ rum, er suchte eine Gelegenheit, sich zu äußern, lenkte das Gespräch wiederholt auf gemeinsame frühe Jahre, die ich zwar zu kennen glaubte, aber offenbar doch nicht genau genug, er, der treue Freund und Bera­ ter in vielen Fragen meines Lebens. Er nahm die letzte Hürde. „Weiß Gott, ich kann deine Lebenserfahrung nicht weiter anreichern, und Stoff für deine Erzählungen suchst du bei mir auch nicht, Schreibideen hast du zuhauf. Ich will dir das Erlebnis mei­ ner Jugend erzählen, denke darüber, wie du willst, mache daraus, was du willst. Wäre mir das Talent eines auch nur mittelmäßigen Schriftstellers gegeben, so könnte ein Ent­ wicklungsroman daraus werden, mit Sicher­ heit aber kein Werk von literarischem Rang, außerdem wäre es überflüssig, denn solche gibt es in Fülle. Ob, was ich darzustellen wüsste, so bewegend ist, ob es mir nur so scheint, ob es für jemanden außer mir in­ teressant ist, was ich dir anvertraue, ich weiß es nicht.“ Solche umständlichen Einleitungen waren sonst zwischen uns nie nötig. War es eine Schuld, die ihn verfolgte? Ein Versagen? Ein Unrecht, das ihm angetan wurde? Eine Situa­ tion, der er nicht gewachsen war? Er musste etwas preisgeben wollen, was er lange mit sich herumtrug. Aber die Antwort würde ich ja jetzt erhalten. „Goethe war noch einmal so alt wie ich, als er die Marienbader Elegie schrieb.“ Damit war das Thema angedeutet. Ich wusste, wovon er reden wollte, von einer unerwiderten Liebe. „Frage mich nicht nach ihrem Namen, ihrem Beruf und dem Ort, wo ich sie sah. Ein unglaubliches Schicksal, eine Wirrung ohnegleichen musste geschehen, dass ich ihr begegnete. Der Ort tut nichts zur Sache. Ihr 3 0 6 Name bildete eine kleine Melodie, mir ist, als ob sie gar nicht anders hätte heißen kön­ nen. Eine Parklandschaft, in der ihr Famili­ enname gar nicht so selten ist, war ihre Hei­ mat. Das wird dir genügen. Ich will gestehen, sie war das liebste, gewinnendste Wesen, sie war hübsch, nie wieder habe ich ein Gesicht mit solchen leuchtenden, blauen, klaren Au­ gen gesehen, die blonden Haare trug sie auf die einfachste Weise, aber kein Friseurkünst­ ler der Welt hätte sie anmutiger zaubern, sie sich nicht einmal vorstellen können. Sie hatte kein silbernes Stimmchen, aber auch keine Stimme mit sonorer Tiefe. Ihre Kleidung war unübertrefflich geschmack­ voll, jede Bewegung vornehm, und dennoch unbefangen und natürlich, in keiner Weise gekünstelt. Die Eleganz ihres Auftretens hät­ te in der besten Gesellschaft Bewunderung erregt, wäre als Gewinn empfunden worden. Sie war ein Wunder an äußerer Ausgewo­ genheit und innerer Ausgeglichenheit. Die geringste Unordnung in ihrer Umgebung wäre undenkbar gewesen. Harmonie lag in ihren Gesichtszügen, so als ob ein Unglück ihr nie etwas hätte anhaben können. Für ihr Lächeln habe ich bei keinem Dichter eine adäquate Beschreibung gefunden. Übertrei­ be ich jetzt? Schwärme ich jetzt? Verliere ich noch heute den Verstand? Einmal hörte ich in ihrer Umgebung das Wort „fraulich“, das schien mir, wenn überhaupt, am ehesten ihr Wesen zu charakterisieren, reif mit 15 Jah­ ren, mag es auch ein Jahr mehr gewesen sein. Jedenfalls anders, als man sonst Mädchen dieses Alters kennt oder meint, sie wegen ih­ res gelegentlich albernen Benehmens schel­ ten zu müssen. Eine selbst gerade bei den angesehensten Menschen festgehaltene schlimme Einstellung, eine „Moral“ von ei­ ner Strenge, die im Extremfall unmensch­ lich wirken kann. An ihr war nichts mehr zu

erziehen. Eine Situation, der sie nicht ge­ wachsen gewesen wäre, konnte ich mir da­ mals nicht vorstellen. Eigentlich auch heute noch nicht. Es ist wahr, ich war verliebt. Und dabei ist noch so vieles überhaupt nicht in Worte zu fassen.“ Längeres Schweigen. Guter Freund, dachte ich, was soll ich dir dazu sagen? So sehr viel scheinst du mir selbst nicht von ihr zu wissen, von ihrer Bil­ dung, ihren Interessen, ihren Begabungen, ihren Gewohnheiten, ihren Fähigkeiten, ihren Schwächen, den Vorstellungen von ih­ rer Zukunft, unwahrscheinlich sogar, dass du ihre Familie kennst. Eine frivole Antwort, versuchte Ironie, und alles Vertrauen, Unabsehbares, von An­ fang an Selbstverständliches wäre dahin ge­ wesen! Mein nächster Gedanke: das könn­ ten Erinnerungen eines Mannes sein, der über die Konzeption seiner Autobiographie nachdenkt. Doch dafür bist du noch zu jung. Was erwartest du jetzt? Fragen zu stel­ len verbot sich. Er wollte ernst genommen werden. Was stand hier einem nach mensch­ lichem Ermessen guten Schicksal, einer schönen Zukunft, dem Glück zweier junger Menschen entgegen? Ein stärkerer Wille Dritter, eine Hemmung, ein Komplex, seine Unreife in jenen Jahren, eine Ungeschick­ lichkeit, zu große Unterschiede im Besitz, zwei verschiedene gesellschaftliche Ebenen, eine zu starre Konvention, die Bevorzugung eines anderen, oder, was immer man da­ runter verstehen mag: das zu tiefe Wasser zwischen zwei Königskindern? Fehlte dir zur rechten Zeit ein vertrauter, verschwiege­ ner Ratgeber? Phrasen, „Weisheiten“ schossen mir durch den Kopf: „Dieser Traum wurde nicht Wirk­ lichkeit.“ „Die erste Liebe kann man nicht vergessen“ und was noch. Schlagerlieder: „Ich weiß es nicht, was mir an dir so gut ge­ fällt. . . . “ (…) „Lass die Sorgen Sorgen sein!“ Der triviale Rat: „Nur die nicht wollen, die einen nicht will!“ Fragen: Warum musste das Schicksal diese Beiden in einem ent­ scheidenden Augenblick zusammenführen? Für i h n die Einzige Wurde dir von keinem guten Geist das rech­ te Wort eingegeben? Gab nicht im besten Sinne ein Wort das andere? Oder glaubtest du ein Wort zu viel oder zu früh ausgespro­ chen zu haben? Verse von Gedichten fielen mir ein. „Ich denke dein, wenn mir der Son­ ne Schimmer vom Meere strahlt… O wärst du da!“ Das unglückliche Schicksal der Lore­ ley. Wusste sie wie die Zauberin am Rhein, dass es ihr Los war, ohne es zu wollen, ohne es zu wissen, ohne jede Schuld – allein durch ihr Dasein in das Schicksal anderer Menschen einzugreifen, schlimmer noch: zum Unglück für andere zu werden? Weite­ re Zusammenhänge taten sich mir auf: die ganze Weltgeschichte musste um zweier Menschen willen so verlaufen, Weltkriege mussten geführt werden und noch viele Zu­ fälle hinzukommen, dass sie sich fanden und ihr Leben glücken konnte. Andererseits glaubten Menschen ihr Lebensglück mit dem Verlust ihres Geliebten in einem Krieg oder durch jähen Tod für immer zerstört, sinnlos schien alles mit unausdenkbaren Konsequenzen. Warum in aller Welt musste die Geschichte so verlaufen, dass sie ein kur­ zes, großes Glück hervorrief, um es dann so bald wieder gnadenlos zu zerstören? Was ist im guten wie im bösen Sinne nicht schon aus unerfüllter Liebe geworden? Vergeistig­ tes Leben im besten Falle, verteufeltes Le­ ben im schlimmsten. Wir gingen schweigend nebeneinander her, er erwartete, dass ich rede, und es begegnete uns kein Mensch, der als Entschuldigung für meine Sprachlosigkeit hätte herhalten können. Hätte er sich nicht irgendwann einmal von der Erinnerung befreien können? Warum war er mit diesem Problem nicht fertig ge­ worden, er, der sich sonst in allen Lebens­ fragen so vernünftig, ja souverän verhalten hatte? Hier aber hatte sich eine verborgene Tragik abgespielt. Für Augenblicke berühr­ ten meine Überlegungen die philosophische Ebene. Was er durchlitt, war doch nichts an­ deres als ein Teil einer allgemeinen, funda­ mentalen Menschheitserfahrung, ein großes 3 0 7

Für ihn die Einzige Ziel, Vollkommenes anzustreben u n d an W iderständen zu scheitern. So denkwürdig erschien dies den M enschen schon in der Frühzeit, dass sie unerbittliche Schicksale in ihrer Mythologie, die in W ahrheit Philoso­ phie ist, der Nachwelt Weitergaben. Bedeu­ tende N am en in beliebiger Zahl hätte ich ihm nennen können von der griechischen Antike und dem Alten Testament bis zur Gegenwart. Ich tat es nicht. Warum noch so viele tragische Beispiele hätten eine Hilfe für ihn sein sollen, hätte ich nicht begrün­ den können. Ich begann zu ahnen, wie viele Stunden in Einsamkeit, wenn nicht in Resignation und Verzweiflung er durchlitten hatte. Auch Ver­ suche, diesen geliebten Menschen wenigs­ tens noch einmal zu sehen? Schließlich glaubte ich ihn nicht mit der Frage zu verletzen, ob er über ihr ferneres Leben etwas in Erfahrung bringen konnte. „Nein.“ Also wusste er nicht einmal, wo und in welchen Verhältnissen sie lebte. W ir gingen, jeder in eigene Gedanken ver­ sunken. Er verstand, dass ich in diesem Au­ genblick überfordert war. So war sein Leben, unveränderbar, unverrückbar, fester als ein Fels, so wie nur Vergangenheit sein kann. Er schien m ir von Stund an ein anderer zu sein. K arl Volk Umweg oder Irrweg Umweg oder Irrweg- Wodurch unterscheidet Ihr Euch? Wenn Du mich nimmst, sagt der Umweg dann kannst Du auch einen anderen Weg nehm en denn D u kennst das Ziel Wenn Du mich nimmst, sagt der Irrweg dann gehst D u halt einfach drauflos – oder lässt Dich treiben Du wählst nicht weil Du kein wirkliches Ziel hast Aber auch der Irrweg kann zum Umweg werden wenn Dir unterwegs das Ziel wieder aufleuchtet das Du aus den Augen verloren hattest und Du die innere Führung wieder spürst! – sagt mir eine innere Gewissheit Rosw itha Steinweder 3 0 8

M it der konstituierenden Sit­ z u n g des 15. D eutschen B undes­ tages am 17. O ktober 2002 e n d e­ te die Tätigkeit gleich dreier B un­ destagsabgeordneter aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis: M e in ­ ra d Belle, C D U -M d B 1990- 2002, C h rista L ö rc h e r, SPD- M dB 1993-2002 (seit 15. N o ­ vem ber 2001 fraktionslos), Rita G rie ß h a b e r, D IE G R Ü N E N – M dB 1994-2002. Einziger parlam entarischer Ver­ treter für den Schwarzwald-Baar- Kreis im Bundestag in Berlin ist jetzt der am 22. Septem ber 2002 direkt gewählte S iegfried Kau- d e r (CD U ). A m 10. N ovem ber 2002 wurde Dr. R u p e rt K u b o n im zweiten W ahlgang m it 48,8 % S tim m en­ anteil z u m n e u e n O b erbürger­ m eister der G ro ß en Kreisstadt Villingen-Schwenningen gewählt. Er h a t sein A m t am 7. Ja n u ar 2003 angetreten. Festakt verabschiedet. Er ist seit Ja n u ar 2003 für eine Schweizer Personalberatung tätig. A m 30. M ärz 2003 wurde W al­ te r K lu m p p , Bürgermeister von Tuningen u n d Kreistagsmitglied, im ersten W ahlgang m it 63,27% der W ählerstim m en zu m N ach ­ folger v o n Bürgerm eister G e r­ h a rd H a g m a n n gewählt. W alter K lu m p p trat sein neues A m t in Bad D ürrheim am 1. Juli 2003 an. A m 4. April 2003 ist F ra n z Spiegelhalter, Kreistagsmitglied seit 1999, im A lter v o n 64 Jahren verstorben. Dipl. Ing. Peter H e llste rn wur­ de als N achfolger für Franz Spie­ gelhalter im Kreistag benannt. A m 4. M ai 2003 w urde Jö rg Frey m it 97,8 % der gültigen Stim­ m en als Bürgerm eister der G e­ m einde Schonach wiedergewählt. Prof. D r. M a n fre d M a tu sza, Villingen-Schwenningens O ber­ bürgermeister seit 1995, wurde am 18. D ezem ber 2002 m it einem Beruflich bed in g t h a t G eorg S c h u h b a u e r am 5. Mai 2003 sein Kreistagsm andat zurückgegeben. Er war seit 1994 Mitglied des Gre­ Im Blickpunkt ■ Ehrungen und Personalien m ium s. Als sein N achfolger w ur­ de G ü n th e r D re h e r, Leiter der Krim inalpolizei in Rottweil, von der C D U -F raktion benannt. Niedereschachs Bürgermeister O tto S ieb er erhielt am 26. Mai 2003 anlässlich seines 40-jähri- gen D ienstjubiläum s die v o n M i­ nisterpräsident Erwin Teufel ver­ liehene A nerkennungskunde von L andrat Karl H eim ausgehän­ digt. Sieber ist seit 33 Ja h ren im Am t. A m 20. Juli 2003 wurde Jü rg e n R o th im zweiten W ahlgang m it 56,5 % der W ählerstim m en zum n eu en Bürgerm eister in T unin­ gen gewählt. Sein A m tsantritt er­ folgte am 1. Septem ber 2003. O rd en u n d M ed a illen D as B u n d e s v e rd ie n s tk re u z h a b e n 2002 erhalten: W alter M ackert, Brigachtal, Ladislaus M u rzk o , Vöh- re n b a c h , D ieter-E b erh ard M aier, St. G eorgen. Im J a h r 2003: G e rh a rd H a g m a n n , Bad D ü rrh e im , H arald M attegit, B lum berg. M it d er L a n d e s e h r e n n a d e l d es L a n d e s B a d e n -W ü rtte m b e rg w u rd e n 2002 ausgezeichnet: G regor Braun, V illingen-Schw enningen, Jo h a n n e s Köhler, V illingen-Schw enningen, E gon D o ld , Triberg, C h ris­ tian H ackenjos, Furtw angen, R e in h o ld Besch, Königsfeld, W erner Etter, Königsfeld, H e rb e rt Staiger, K ö­ nigsfeld. Im Ja h r 2003: Sigrid C h ristian sen , M önchw eiler, H a n s G anter, V illingen-Schw enningen, G er­ h a rd W erner, H ü fin g en , Franz W u rsth o rn , Bad D ü rrh e im , B e rth o ld Schüler, Brigachtal, W ilfried We- gener, Brigachtal. D ie V e rd ie n s tm e d a ille des V e rd ie n sto rd e n s d e r B u n d e s r e p u b lik D e u ts c h la n d w urde 2002 ü b e r­ reicht: C hristel Füssenich, V illingen-Schw enningen. Im Ja h r 2003: Jo s e f K unz, H ü fin g en . A m 31. M ä rz 2003 erhielt das Rock’n R o lltan z-E h ep aar Regina B e n z-M in i u n d Ludw ig M in i aus Nie- dereschach-Fischbach (Bericht im A lm an ach 2002) v o n In n e n m in iste r O tto Schily das S ilb e rn e L o r ­ b e e r b la tt f ü r die T ite lg e w in n e b e i d e n W elt- u n d E u ro p a m e is te rs c h a fte n 1998, 1999 u n d 2 000 im F o rm a tio n s ta n z e n m it d em Rock’n Roll C lu b B ö blingen „W ilder S ü d e n “. 3 0 9

Almanach-Magazin ■ Notizen aus dem Landkreis Schwarzwald-Baar-Kreis besteht seit 30 Jahren ■ Am 1. Januar 1973 trat d ie Gebietsreform der Gemein­ den und Landkreise in Baden- Württemberg in Kraft. Im we­ sentlichen aus den ehemaligen Landkreisen Donaueschingen und Villingen entstand der Schwarzwald-Baar-Kreis als ei­ ner der 35 neu gebildeten ba­ den-württembergischen Land­ kreise. Sitz der Verwaltung wur­ de das Landratsamt des frühe­ ren Landkreises Villingen in der bereits am 1. Januar 1972 fusionierten Doppelstadt Vil­ lingen-Schwenningen. Dr. Josef Astfäller, der Land­ rat des früheren Landkreises Villingen, war zunächst Amts­ verweser und Interimslandrat, bis im Juli 1973 Dr. Rainer Gutknecht zum ersten Land­ rat des wenige Monate alten Schwarzwald-Baar-Kreises ge­ wählt wurde. Von den damaligen Kreis- verordneten der ersten Wahl­ periode des Kreistags Schwarz­ wald-Baar-Kreis 1973-1979 ge­ hören sieben dem aktuellen Gremium immer noch an: Werner Benzing, Lukas Duff- ner, Dr. Gerhard Gebauer, Kurt Haberer, Harald Matte- git, Rüdiger Schell und Otto Sieber. 3 1 0 Das beste Technikmu­ seum des Jahres 2003 ■ Das beste Technikmuse­ um des Jahres 2003 steht in Villingen-Schwenningen: Das Uhrenindustriemuseum in der ehemaligen Württember- gischen Uhrenfabrik. Der Mi- cheletti-Award wird seit 1996 an das vielversprechendste Technikmuseum unter den Bewerbern des Forums verlie­ hen. Gestiftet wird er jedes Jahr von der italienischen Un­ ternehmerfamilie Micheletti. Unter den Kandidaten wa­ ren gleich mehrere deutsche Museen, darunter weithin be­ kannte und finanziell gut aus­ gestattete Häuser. Doch da­ rauf kommt es den Juroren Im Uhrenindustriemuseum des EMF bei ihrer jährlichen Nominierung gar nicht unbe­ dingt an. Sie zeichnen inno­ vative Konzepte, neuartige konservatorische Ideen und aktuelle Vermittlungsansätze mit ihren Preisen aus. So kommt es, dass ein vergleichs­ weise kleines aber feines Mu­ seum wie das Uhrenindustrie­ museum Villingen-Schwen­ ningen neben dem Londoner Victoria and Albert Museum, das zeitgleich den Museum- des-Jahres-Award erhielt, eine Chance hatte. Die Kreisräte und Gemein­ deräte haben auf eine gute Karte gesetzt, als sie beschlos­ sen das Konzept von Frank Lang umzusetzen. Lobend wurde von der Jury hervorge­ hoben, wie man als Besucher sogleich mit dem Betreten des Museums via Eintrittskarte, die eine Stempelkarte ist und einen durch das ganze Haus stempelnd begleitet, sofort in die Fabrikwelt hineingezogen wird. Am 17. Mai nahm der Spre­ cher der Patronatsgeber, Bern­ hard Schlenker, den Preis bei einem Galadiner in Kopenha­ gen entgegen. Bisher hatte in Baden-Württemberg allein das Museum für Technik und Arbeit in Mannheim einen europäischen Museumspreis erhalten. Verax Ventilatoren GmbH: Rudolf-Eberle-Preis 2002 ■ Am 19. November 2002 wurde die Villinger Firma Ve­ rax Ventilatoren GmbH von Wirtschaftsminister Walter Döring mit dem Rudolf-Eber­ le-Preis für ihre besonders geräuscharmen PC-Lüfter aus­ gezeichnet. Verax erhielt den nach dem früheren baden- württembergischen Wirtschafts­ minister benannten Innova­ tionspreis zusammen mit fünf weiteren Firmen. 1998 wurde Verax als Dienstleistungsbe­ trieb für Ventilatorenherstel­ ler gegründet. Zunächst wur­ den mit vier Beschäftigten Messeinrichtungen für Venti­ latoren entwickelt. Dabei ent­ stand die Idee für geräuschar­ me PC-Lüfter, die nach Ge­ sprächen mit PC-Herstellern bis zur Serienreife realisiert wurde.

Herbstleuchten – 3. Kreiskunstausstellung ■ „ Herbstleuchten“: Die dritte Auflage der im Zwei-Jahres- Rhythmus im Kreishaus gezeigten Kunstausstellung mit Ar­ beiten von Künstlern des Schwarzwald-Baar-Kreises stand erst­ mals unter einem Motto. Trotz einer thematischen Beschrän­ kung war in der Ausstellung im Herbst 2002 ein überaus brei­ tes Spektrum an künstlerischen Motivationen und Ausdrucks­ formen zu finden. Das Juroren-Team bestehend aus den Kunst­ historikerinnen Dr. Veronika Mertens, Dr. Anja Rudolf sowie den Künstlern Lisa Keller-Nikola, Reinhard Sigle und Horst Kurschat hatte ihre Aufgabe sehr ernst genommen. Eine über­ zeugend und konsequent durchformulierte Bildidee und die stilistische Geschlossenheit der Komposition waren die Haupt­ kriterien, aufgrund deren die Jury die Auswahl aus den über 250 Werken vornahm. Gerade einmal 48 Arbeiten von 39 Künstlern, die im Landkreis leben oder hier geboren sind, ka­ men nach den Richtlinien in die Ausstellung. Auf der CEBIT 2001 konn­ te der auf dem Radialprinzip basierende und inzwischen patentierte PC-Ventilator der Öffentlichkeit vorgestellt wer­ den. Aufgrund der starken Nachfrage und der erfolgrei­ chen Vermarktung des neuen Produktes wuchs die Zahl der Mitarbeiter 2002 auf 14. Jahrhunderthitze trifft die Landwirtschaft hart ■ Es war wochenlang so heiß wie seit lOOJahren nicht, Bachläufe vertrockneten zum Rinnsal, Quellen versiegten, selbst in Furtwangen oder auf dem Rohrhardsberg wurden Temperaturen von bis zu 34 Grad gemessen. So verwundert es nicht, dass die Landwirtschaft von der großen Dürre besonders be­ troffen war. Die Getreideernte 2003 hatte vier Wochen frü­ her als üblich begonnen, der Ertrag lag deutlich hinter nor­ malen Jahren zurück. Beson­ ders unter der Trockenheit ge­ litten hat das Grünland, hier dürfte der Ertrag, je nach Lage der Felder, um bis zu 40 Pro­ zent zurückgegangen sein. Bild: Getreideernte bei Riedböh­ ringen. Im Rückspiegel m Leni Riefenstahl lebte in Königsfeld Neben Albert Schweitzer hat, zumindest etwa für ein Jahr, eine weitere Berühmtheit in Königsfeld gelebt: Leni Rie­ fenstahl. Dies wurde aus An­ laß ihres Todes am 8. Septem­ ber 2003 bekannt. Der Aufenthalt im Landkreis erfolgte nicht freiwillig, war sie doch von den Besatzern nach dem Zweiten Weltkrieg zu­ nächst aus Kitzbühel ausgewie­ sen worden. Dort war sie mit Schneidearbeiten für den Film „Tiefenland“ beschäftigt. Die­ ser Film wurde jedoch beschlag­ nahmt. Riefenstahl wurde zunächst nach Breisach am Rhein, von dort im Juni 1946 nach Königs­ feld deportiert. Mit ihrem (Noch-) Ehemann Major Peter Jacob und ihrer Privatsekretärin Hanni Isele lebte sie mehr oder weniger frei im sogenannten Haus Mendelssohn-Bartholdy. Nur wenige erinnern sich noch an ihren Aufenthalt. Bereits kurz nach ihrer An­ kunft ließ sie sich von ihrem Ehemann scheiden. Am 1. De­ zember 1946 wurde sie bei der Entnazifizierung in Villingen als „nicht betroffen“ eingestuft. Noch im selben Monat wurde ihr im zweiten Spruchkam­ merverfahren in Freiburg der Status „Mitläufer“ aufgedrückt. Bis zu ihrem Tode blieb die Filmregisseurin und Fotogra­ fin wegen der Unterstützung des Nazi-Regimes umstritten. 311

Statistik ■ Landkreis im Spiegel der Statistik tragen. Darunter befanden sich auch Gewerbe- und Bau- stellenabfalle oder Bodenaus­ hub. Der von der Müllabfuhr eingesammelte Hausmüll be­ trug insgesamt ca. 23 900 Ton­ nen. Gesammelt wurde der Müll bei rund 87 400 Haus­ haltungen. 3 4 8 9 0 0 T o n n e n A b fa ll s in d im J a h r 2 0 0 2 a n g e f a lle n Einige weitere statistische An­ gaben: Die Müllabfuhr im Landkreis ist eine beachtliche Servicelei­ stung im Dienst am Bürger, wie auch die nachstehenden statistischen Angaben zum Jahr 2002 verdeutlichen: So hat die Abfallgesamtmenge 2002 ca. 348 900 Tonnen be­ W ertsto fF e a u s d e n H a u s h a l ­ te n ( G e lb e r S ack): ca. 5 8001, Wertstoffe getrennt erfasst (Wertstoffhöfe, Glascontai­ ner, Papiertonne): ca. 30 7001, Grünabfälle: ca. 142001, Bio­ abfälle: ca. 9300 t, Sperrmüll: ca. 3 4 0 0 1. Die S a m m e ls te lle n im S B K : Es gibt 15 Wertstoffhöfe, acht Recyclingzentren und 374 Glascontainerstellplätze. B e h ä l t e r m e n g e n : Die Zahl der Restmülltonnen und -Con­ tainer beträgt ca. 57300, Pa­ piertonnen und -Container gibt es ca. 46 600. Die Zahl der Biomülltonnen und – Container beläuft sich auf ca. 19600. D a s A b f a l l a u f k o m m e n je E i n w o h n e r im J a h r 2 0 0 2 v e r ­ te i l t e s ic h w ie fo lg t: Haus­ müll: 113 kg, Sperrmüll: 16 kg, Bioabfälle: 44 kg, Grünabfäl­ le: 67 kg und die WertstofFe: 168 kg. A b f a l l a u f k o m m e n je E i n w o h n e r im J a h r 2 0 0 2 ( i n s g e s a m t = 4 0 8 kg) A b f a l l m e n g e n o h n e G e w e r b e – u n d B a u s t e l l e n a b f ä l l e ( i n s g e s a m t = 8 7 3 0 0 t) Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land 30.6.2001 30.6.2002 30.6.2003 3,9% 5,1% 6,5% 4,6% 5,1% 5,9% Bundesgebiet West 7,1% 7,6 % 8,1% Bundesgebiet Ost 16,8% 17,8% 18,3% Arbeitslosigkeit im gesamten Bundesgebiet zum 30.6.2003: 10,2% 3 1 2

Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis G e m e in d e S ta n d d e r W o h n b e v ö lk e r u n g V e r ä n d e r u n g e n 31.12.2001 31.12.2002 in Z a h le n in P ro z e n t Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach 12320 10667 6196 5 354 3 632 21269 9778 1413 7688 5 984 3176 5 922 13 895 2529 4397 5 498 2 803 2964 81691 4145 12479 10697 6212 5313 3 601 21408 9 808 1369 7742 6017 3149 5 959 13 888 2516 4 383 5518 2 822 2 985 81880 4176 K r e is b e v ö lk e r u n g in s g e s a m t 2 1 1 3 2 1 2 1 1 9 2 2 A usländische M itbürger in Z ahlen G e m e in d e Jugoslawen Italiener 159 30 16 -41 -31 139 30 -44 54 33 -27 37 -7 -13 -14 20 19 21 189 31 601 1,29 0,28 0,26 -0,77 -0,85 0,65 0,31 -3,11 0,70 0,55 -0,85 0,62 -0,05 -0,51 -0,32 0,36 0,68 0,71 0,23 0,75 0,28 Griechen Sonstige Ausländeranteil Ausländer insges. Stand 31.12.2002* Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach VS Vöhrenbach G e s a m t 659 1242 545 225 149 2012 1 155 46 796 313 220 257 1612 71 295 601 219 230 11521 567 2 2 7 3 5 davon Türken 41 635 304 60 14 584 230 3 314 21 8 29 215 4 22 190 41 48 2020 207 4 9 9 0 217 337 45 28 1 46 155 1 232 9 1 124 511 101 78′ 498 14 851 741 5 19 1 448 1 175 3741 120 24 37 32 36 341 379 22 144 26 42 35 598 13 71 127 102 28 2141 133 4 4 5 1 16 6 0 1 3 16 2 0 15 0 1 3 9 0 1 2 1 5 801 4 886 265 240 159 104 50 916 312 12 199 215 68 112 292 40 116 208 70 130 5111 48 8 667 in Prozent 5,28 11,61 8,77 4,23 4,14 9,40 11,78 3,36 10,28 5,20 6,99 4,31 11,61 2,82 6,73 10,89 7,76 7,71 14,07 13,58 10,73 *Für Brigachtal ist der Stand v om 1.6.2002. Für die Städte Furtwangen, Schönwald, U nterkirnach u n d V öhrenbach ist der Stand v om 30.6.2002. Für die Stadt Triberg ist der Stand vom 30.9.2002. D ie A ngaben zu den jugoslawischen Staatsange­ hörigen beinhalten auch die selbständigen N achfolgestaaten B osnien, K roatien, M azedonien u n d Slow enien. 1 N ur ehem ali­ ges Rest-Jugoslawien (jetzt Serbien-M ontenegro). 31 3

Bildnachweis Almanach 2004 M o tiv T ite lse ite : Die Aufnahme auf der Titelseite stammt von Wilfried Dold, Vöhrenbach: Keramikbank auf dem Sennhofplatz, fotografiert beim Töpfer­ markt 2003. M o tiv R ü c k se ite : Die Fotografie auf der Rückseite stammt von Wil­ fried Dold, Vöhrenbach. Sie zeigt die Kapelle des Grießhaberhofes in Nußbach. B ild n a c h w e is f ü r d e n I n h a lt: Soweit die Bildau­ toren hier nicht namentlich angeführt werden, stammen die Fotos jeweils vom Verfasser des be­ treffenden Beitrages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Jochen Hahne, VS-Villingen: 6, 11, 32o., 104, 183 – Wilfried Dold, Vöhrenbach: 8/9, 14/15, 18, 21u., 51/52,57,73u., 132,145,161-163,165/166, 223, 225, 242 und 243u., 247, 262, 291, 310/311 – Patrick Seeger, S tu d io 7 R e p o rt, V S -Schw ennin- gen: 15u.r., 17,2 1o., 23 – G ab i L endle, H ü fin g e n : 16 – R e g io n a lv e rb a n d Schw arzw ald-B aar-H eu- berg, V S -S c h w en n in g en : 19 – Jü rg e n Bertsche, B räu n lin g en : 22 – F ra n z Krickl, D o n a u e sc h in – gen: 25 – B u n d e s a m t fü r L a n d e sto p o g ra p h ie (BA 034965), C H -W a b e rn : 27 – N agra, C H -W et- tin g e n : 28, 31 – V alen tin W o rm b s, S tu ttg art: 3 2 u „ 33 – P R O -JO B g G m b H , VS-Villingen: 38- 40 – R a in e r Jörger, V S-Villingen: 42-44 – A nja B anka, B räu n lin g en : 45 – S tadtarchiv B rä u n lin ­ gen : 46, 4 9 – B e rn h a rd H au ser, B rä u n lin g e n : 48ol. u n d 48 m l., 50 – D irevi F otopress, VS-Vil­ lingen: 5 3 / 5 4 , 5 6 , 5 8 , 73o., 106/107,227,267,271, 273, 2 9 2 /2 9 3 – S taatlich e A k a d e m ie , D o n a u – eschingen: 59-61 – Sparkasse V illingen-Schw en­ n in g e n : 62-71 – Hess F o rm + L icht G m b H , Vil- lin g en : 72, 74-79 – Jö rg M ichaelis, B lu m b erg : 80u., 197 – L u tz Fleischw aren A G , B lum berg: 80o., 81o. – D e sig n C o n c e p ts, F urtw angen: 83u. – IMS Gear GmbH, Donaueschingen: 83o., 84, 85u. – Fotoatelier Wolfgang Brotz, VS-Schwen­ 3 1 4 ningen: 86 – Papst-Motoren GmbH & Co. KG, St. Georgen: 87-91, 93 – Andrea Keßler, Scho- nach: 99 – Werner Oppelt, Triberg: 120/121, 123 – Kreisarchiv SBK, VS-Villingen: 122, 125/126, 169/170 – Stadtarchiv Hüfingen: 127/128, 130/ 131, 134-136 – Egon Schneider, Gremmelsbach: 138, 140 – Vorlage und Aufnahme GLA Karlsru­ he 122/41: 139 – doldverlag (Archiv), Vöhren­ bach: 141, 155, 243o. – Alfred Danner, Obern­ dorf: 142/143 – Gerhard Krieger, VS-Pfaffenwei- ler: 148 – Deutsches Uhrenmuseum, Furtwan­ gen: 150-154 – Erich Schüle, Blumberg-Fützen: 172o. – Manfred Ganther, VS-Villingen: 176 — Privatarchiv, Manfred Ganther, VS-Villingen: 177 – Stefan Simon, VS-Marbach: 199 – Wolfgang Eckert, Furtwangen-Neukirch: 200/201, 203-209 – Roland Sigwart, Hüfingen: 216-218, 269, 274/ 275,297,299, 301 – Polizeihochschule VS-Villin­ gen: 219 – Straßenbauamt Donaueschingen 244- 246 – Hanne Gössl, Donaueschingen: 248-250, 252 – F.F.-Archiv, Donaueschingen: 251 – Atelier Hügel, Villingen: 253-256 – Hotel Öschberghof, Donaueschingen: 259-261 – Hans-Werner Fi­ scher, Bad Dürrheim: 263/264 – Joachim Sturm, Niedereschach: 265 – Eike Mrosek, VS-Schwen- ningen: 276-279, 281, 283-285 – Benno Gasche, Schonach: 287 – Hans-Dieter Krause, Blumberg: 289 – Michael Kienzler, Triberg-Gremmelsbach: 294 Errata Almanach 2003 S. 62: S tatt: „ S u n te rh a u se r S ee“ S u n th a u s e n e r See / Statt: „K ötlach“ K ötach. S. 186: Bei d e r R e k o n stru k tio n d e r S ilberm a n n – O rgel (statt: „R estaurierung“). S. 328: Statt: „ D e D D e r H e im a tf o rs c h e r …“ soll es h e iß e n : „D er H e im a tfo rsc h e r …“ N ach trag B ildnachw eis A lm a n a c h 2003: S. 27 Birgit L utz, B lum berg. S. 304u. M eral Yegin, B lum berg. S. 72: Es fehlt d e r e in leiten d e Text „10 Ja h re F ern ­ stu d ie n z e n tru m V illin g en -S c h w en n in g en !“.

Die Autoren unserer Beiträge Alber, Christoph, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Bethge, Anne, Wöschhalde 72, 78052 Villingen-Schwenningen Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 78112 St. Georgen Buchmann, Prof. Dr., Knud Eike, Sturmbühlstraße 250, 78054 Villingen-Schwenningen Colli, Hermann, Webergasse 1, 78050 Villingen-Schwenningen Fischer, Hans-Werner, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Gfrörer, Ulrike, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Graf, Cornelia, Benediktinerring 8, 78050 Villingen-Schwenningen Gwinner, Joachim, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Haas, Albert, Albrecht-Dürer-Straße 7, 78136 Schonach Heim, Karl, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Hettich, Peter, Lindenstraße 11, 78050 Villingen-Schwenningen Hinterseh, Sven, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Klotz, Rüdiger, Am Schwaibenhaag 2, 78048 Villingen-Schwenningen Knetsch, Brigitte, Heidenlochweg 3, 78199 Bräunlingen-Unterbränd Kottmann, Ingeborg, Von-Stauffenberg-Straße 11, 78054 Villingen-Schwenningen Krümmer, Sabine, Friedrichstraße 21, 78050 Villingen-Schwenningen Lämmle, Wolfgang, Weiherstraße 39, 78050 Villingen-Schwenningen Lang, Frank, Alte Schulstraße 30, 71665 Vaihingen/Enz Leuthner, Werner, Auf der Wanne, 78048 Villingen-Schwenningen Limberger-Andris, Stefan, Mühlenstraße 7, 79877 Friedenweiler-Röthenbach Lutz, Bernhard, Seemühle 14c, 78183 Hüfmgen Nack, Christina, Obereschacher-Straße 7, 78126 Königsfeld Nienhaus, Heinz, Ledderkesweg 4, 46242 Bottrop Preuß, Stefan, Hoher Rain 22, 78052 Villingen-Schwenningen Renz, Eva, Robert-Gerwig-Platz 1, 78120 Furtwangen Rothermel, Dr. Helmut, Weidenmattenweg 2, 79312 Emmendingen Sachsse, Erika, Wolfsgmndweg 5, 78089 Unterkirnach Saur, Stefanie, Fürstenbergstraße 13b, 78166 Donaueschingen Scherzer, Beatrice, Im Dotterbind 5, 78166 Donaueschingen Schlenker, Helmut, Paulinenstraße 27, 78054 Villingen-Schwenningen Schmitz, Markus, Bodelschwinghweg 26, 78532 Tuttlingen Schneider-Damm, Dagmar, Bühlweg 3, 78078 Niedereschach-Fischbach Schück, Felicitas, Buchenweg 5, 78120 Furtwangen Simon, Stefan, Haselweg 17, 78052 VS-Marbach Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Steinweder, Roswitha, Wöschhalde 39, 78052 Villingen-Schwenningen Stephan, Bernd, Wilstorfstraße 22, 78050 Villingen-Schwenningen Stiller, Achim, Kellen 4, 78176 Blumberg Sturm, Dr. Joachim, Steigstraße 32, 78078 Niedereschach Tribukait, Wolfgang, Hochkopfweg 21, 78050 Villingen-Schwenningen Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Wacker, Dieter, Max-Stromeyer-Straße 178, 78467 Konstanz Zimmermann, Michael J. H., Karlstraße 119, 78054 Villingen-Schwenningen 31 5

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat für Alt und Jung / Vorwort von Landrat Karl Heim 1. K a p i t e l / A u s d e m K r e i s g e s c h e h e n Wirtschaftliche Entwicklung – Kreispolitik 2003 spielte sich in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld ab / Karl Heim Neuordnung der Krankenhausstrukturen – Schwerpunkt in der Politik des Schwarzwald-Baar-Kreises im Jahr 2003 / Karl Heim Der Ringzug fahrt! / Sven Hinterseh Anflüge zum Flughafen Zürich – Deutschland erlässt nach Scheitern des Staatsvertrags neue Rechtsverordnung / Christoph Alber Neues Konfliktpotential mit der Schweiz – Pläne zu einem Endlager für radioaktive Abfälle in Grenznahe zu Deutschland / Joachim Gwinner Internatsneubau der Landesberufsschule – Erster Bauabschnitt im Mai 2003 fertiggestellt / Hans-Werner Fischer Hilfe bei Demenz – Angehörige erhalten Unterstützung / Ulrike Gfrörer / Werner Leuthner Berufstätigkeit und Kindererziehung – „Taps“: Tagesmütter / Tagesväter- Pflegekinder-Service ins Leben gerufen / Cornelia Graf / Ulrike Gfrörer Landkreis-Partnerschaft mit Ungarn – Der Freundeskreis Schwarzwald-Baar / Bäcs-Kiskun besteht seit 1999 / Wolfgang Lämmle 2. K a p i t e l / S t ä d t e u n d G e m e i n d e n Unterbränd am Kirnbergsee – Ausgangspunkt für touristische Erkundungen und natursportliche Aktivitäten / Brigitte Knetsch Burgberg bei Königsfeld – Alte Mühlen und Bauernhöfe prägen das Ortsbild / Christina Nack 3. K a p i t e l / B i l d u n g s e i n r i c h t u n g e n Geistiges Zentrum mit Ausstrahlungskraft – Staatliche Akademie für Lehrerfortbildung Donaueschingen besteht seit 25 Jahren / Hermann Colli 4. K a p i t e l / A u s d e m W i r t s c h a f t s l e b e n Sparkasse VS – 150 Jahre Engagement – Die Sparkasse Villingen-Schwenningen feiert im Jahr 2004 das 150-jährige Bestehen / Stefan Preuß Designorientierte und innovative Leuchten – Hess Form + Licht G mbH gilt als Trendsetter bei der Beleuchtung öffentlicher Räume / Sabine Krümmer 3 1 6 2 3 5 8 11 14 23 27 32 34 38 41 45 53 59 62 72

„Feines vom Lande – Feines vom Lutz“ – Lutz Fleischwaren AG ist wichtiger Arbeitgeber in Blumberg / Christiana Steger Spezialist für Zahnräder und Getriebe – Die IMS Gear GmbH besteht seit über 140 Jahren / Sabine Krümmer Hermann Papst – Erfinder und Unternehmer – Monographie zu Leben und Werk des genialen Ingenieurs / Dr. Helmut Rothermel 5. K a p i t e l / P e r s ö n l i c h k e i t e n „Und immer bin ich startklar“ – Die Karriere der Schwenningerin Katrin Vernau, Deutschlands jüngster Kanzlerin / Michael J. H. Zimmermann Engagement in vielen Bereichen – Max Kuner aus Rohrhardsberg erhält das Bundesverdienstkreuz am Bande / Albert Haas Entscheidend in der Kommunalpolitik mitgewirkt – Stefan Scherer aus Blumberg – seit über 30 Jahren aktiv / Achim Stiller Zum Tode von Franz Spiegelhalter – Engagierter Schulrektor und Ortsvorsteher der Gemeinde Pfaffenweiler / Stefanie Saur Vöhrenbacherin erfolgreich in New York – Das Fotomodel Sabina Stahl / Christina Nack Ein Liberaler, der anderen Mut macht – Harald Mattegit erhält für seine Lebensleistung das Bundesverdienstkreuz / Bernhard Lutz 6. K a p i t e l / A r c h ä o l o g i e Germanische Höhenburgen – Befestigungen der Völkerwanderzeit warten auf ihre Entdeckung / Dr. Joachim Sturm 7. K a p i t e l / G e s c h i c h t e Schnee von Gestern – Norweger bringen das Skilaufen nach Schönwald / Heinz Nienhaus Aloys Hirt – Archäologe, Historiker, Kunstkenner – Ein Bauernsohn aus Behla ist Gründer des Alten Museums in Berlin / Beatrice Scherzer Obervogt Johann Franz Meinrad von Pflummern – Zu den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in der Herrschaft Triberg in den Jahren 1744-1751 / Karl Volk 8. K a p i t e l / M u s e e n i m S c h w a r z w a ld – B a a r – K r e is Wanderparadies mit Informationsgehalt – Höfe- und Mühlen-Wanderweg bei Königsfeld / Anne Bethge 9. K a p i t e l / U h r e n u n d U h r e n g e s c h i c h t e Uhren „Made in Furtwangen“ – Vom Hausgewerbe zur Uhrenindustrie / Eva Renz Zentrum der Herstellung von Brieftaubenuhren – Spezialuhrenfertigung in Schwenningen beheimatet / Ingeborg Kottmann / Frank Lang 80 83 86 94 98 101 104 106 108 111 118 127 138 145 150 156 317

10. K a p ite l / B ra u c h tu m Der Maskenschnitzer Manfred Merz – Handwerker, genialer Künstler und exzellenter Fasnetkenner / Dieter Wacker 11. K a p i t e l / K i r c h e n , K a p e l l e n u n d G l o c k e n Dem Schicksal des Untergangs entronnen – Klosterhof Fischbach und Pfarrhaus Fützen bleiben nach Säkularisation kirchlich / Dr. Joachim Sturm / Dagmar Schneider-Damm 12. K a p i t e l / W e g k r e u z e , K l e i n d e n k m ä l e r u n d B r u n n e n Errichtet um der Seele Ruh – Der Furtwängler-Stein im Aspengrund bei Unterkirnach erzählt von furchtbarer Tat / Dr. Joachim Sturm 13. K a p i t e l / M u s i k u n d M u s i k g e s c h i c h t e Zur festen kulturellen Einrichtung avanciert – Der Villinger Folk-Club bietet seit 27 Jahren attraktive Veranstaltungen / Rüdiger Klotz 14. K a p i t e l / K u n s t u n d K ü n s t l e r Paul Revellio – Es grüßen „Glotzer & Co.“ – Der Villinger Künstler ist ein renommierter Maler und Lithograf / Stefan Simon Blumberger Kunstausstellung – Jürgen Henckell organisiert die über­ regionalen Kunstschauen seit 1977 / Christiana Steger Im Menschlichen verwurzelt – Wolfgang Eckert – Bildhauer / Stefan Simon 15. K a p i t e l / K u n s t g e s c h i c h t e Von der Kunst sich in der Heimat einzuwurzeln – Der Schwenninger Maler Paul Goetze (1880-1962): „Der Seher des Schwarzwalds“ / Michael J. H. Zimmermann 16. K a p i t e l / G e s e l l s c h a f t u n d S o z i a l e s Feuerwehrfrauen in Hubertshofen – Einzige Frauengruppe im Landkreis ist in die Hubertshofener Wehr integriert / Stefan Limberger-Andris Psychologie: Klärung und Hilfe – Psychologen im Schwarzwald-Baar-Kreis / Prof. Dr. Knud Eike Buchmann 17. K a p i t e l / L a n d w i r t s c h a f t Entlang der Schwarzwälder Milchstraße – Landfrauen haben die Idee tür ein besonderes Urlaubserlebnis / Anne Bethge Die Klausmanns in Obereschach – Innovativ und kreativ / Anne Bethge 3 1 8 160 168 176 181 184 194 200 210 216 219 223 225

D e r S c h w a rz w a ld -B a a r-K re is im F a r b b ild 18. K a p i t e l / U m w e l t u n d N a t u r Eine Schnecke gibt Licht – Die Wasserschneckenturbine auf dem Firmenareal Straub in Bräunlingen / Dr. Joachim Sturm 19. K a p i t e l / B a u e n u n d W o h n e n Ortsumgehung Döggingen – Bräunlinger Stadtteil nach Jahrzehnten vom Straßenverkehr weitgehend entlastet / Stefan Limberger-Andris 2 0 . K a p i t e l / S t ä t t e n d e r G a s t l i c h k e i t Das „Fürstenberg-Parkrestaurant“ – Stilvolles Restaurant im ehemaligen Badhaus der Donaueschinger Fürstenfamilie / Stefanie Saur Das Villinger Elotel „Rindenmühle“ – Preisgekröntes Spezialitäten- Restaurant im Villinger Kurgebiet / Felicitas Schück Der „Bergwaldhof“ in Schonach – Die Familie Mathias bringt einen Hauch von Australien in den Schwarzwald / Renate Bökenkamp Das Hotel „Oschberghof“ – Donaueschinger Golfhotel ist zwischen Stuttgart und Freiburg einzigartig / Felicitas Schück 21. K a p i t e l / F r e i z e i t u n d E r h o l u n g Liebhaber historischer Rundfunktechnik – Einzigartige Radiowerkstatt an der Volkshochschule Villingen / Bernd Stephan 2 2 . K a p i t e l / S p o r t Pferdesport auf Weltniveau in Donaueschingen – Europameisterschaft der Springreiter beim Prinz Kari zu Fürstenberg-Gedächtnisturnier / Stefanie Saur Expedition zum M ount Everest – Der Schwenninger Eike Mrosek besteigt den „Berg der Berge“ / Markus Schmitz Der Traum vom Fliegen geht in Erfüllung – Schwarzwald-Baar-Kreis ist ein Eldorado für Segel-, Drachen- und Gleitschirmflieger / Stefan Preuß Lohn für einen mutigen Kampf – Thorsten Schmitt gewinnt Silber im WM-Teamwettbewerb der Kombinierer / Peter Hettich Wenn Mensch und Tier zum Team werden – Johannes Kronbach ist Weltmeister in der 3 x 45 km Distanz der Hundeschlittenfahrer / Stefan Limberger-Andris 2 3 . K a p i t e l / T h e a t e r „maria brennt! – Eine Hüfinger Hexengeschichte“ – Paul Siemt inszenierte das Stück des Sommertheaters als Theaterspaziergang / Bernhard Lutz 2 4 . K a p i t e l / L y r i k d e r H e i m a t Des Magiers Fluch / Wolfgang Tribukait 22 9 238 242 248 253 257 259 263 267 276 286 292 294 296 302 3 1 9

F ü r ih n d ie E in z ig e – E in e F a ntasie / K a rl V o lk G e d i c h t e Ohne Titel / Erika Sachsse Herbst / Christiana Steger Wettlauf der Blätter / Helmut Schlenker Umweg oder Irrweg / Roswitha Steinweder A l m a n a c h M a g a z i n Ehrungen und Personalien Orden und Medaillen Notizen aus dem Landkreis Landkreis im Spiegel der Statistik Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Ausländische Mitbürger in Zahlen B i l d n a c h w e i s E r r a t a D i e A u t o r e n u n s e r e r B e itr ä g e I n h a l t s v e r z e i c h n i s 306 110 256 305 308 309 309 310 312 312 313 313 314 314 315 3 1 6 3 2 0

bfofkapelle des Qrieshaberhofes in üfußbach fotografiert von Wilfried Dold